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Full text of "Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern 4.1908"

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1016 1 


89 7 


20 


Ba. H 1909. 


HARVARD LAW LIBRARY 


— 


Received APR 21 1909 


Digitized by Google 


— — = 


Er 


28 


etfrift für Rechtspflege 


— il Bahern —— 


wur — — — — — — 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


Kgl. Landgerichtsrat, verw. im Kgl. Bayer. Staatsminiſterium der Juſtiz. 


IV. Jahrgang 1903. 


— —— e e — — 


München 1908. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). 


APR 21 1909 


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> 2% 


* . N 


„Genoſſenſchaftsrecht. Berfiherungsret Haft⸗ 


Inhaltsverzeichnis zum Regiſter. 


I. Syſtematiſches Verzeichnis. 


A. Abhandlungen. Seite 
Bürgerliches Recht IV 
a) Reichsrecht . IV 
b) Landesrecht IV 
Handelsrecht. Gewerberecht Verſicherungsrecht IV 
: uns ae . IV 
Strafrecht IV 
Strafprozeß IV 
Juſtizverwaltung. „ 8 V 
Staatsrecht. Kirchenrecht. V 
Finanzweſen e V 
Allgemeine juriſtiſche und rechtspolitiſche 
Gegenſtände E E a E V 
B. Mitteilungen aus der Praxis. 
Bürgerliches Recht V 
a) Reichsrecht . V 
b) Landesrecht. V 
.Verſicherungsrecht, Heid be ech u. l V 
Zivilprozeß. Zwangsverſteigerung. V 
Freiwillige Gerichtsbarkeit. Scundbuchweien V 
Strafrecht : EA kei V 
Strafprozeß. VI 
Juſtiz verwaltung. VI 
Sprache. VI 
C. Praris der Gerichte. 
Bürgerliches Recht VI 
A. Reichsrecht. ; VI 
a) Allgemeine Lehren. i VI 
b) Recht der Schuldverhältniſſe VII 
1. Allgemeine Lehren VII 
2. Einzelne ö VII 


c) Sachenrecht VIII 
d) Familienrecht. VIII 
e) Erbrecht. e IX 

f) Einführungs- und Uebergangsrecht. 
Internationales Redt . ; IX 
B. Landesrecht IX 
Handelsrecht X 
Wechſelrecht. X 
Urheberrecht u. dgl.. X 


pflichtrecht 


6. Zivilprozeß. Gerichtsverfaſſung Selz 
7. Konkursverfahren 2 XII 
8. Zwangsverſteigerung XII 
9. Freiwillige Gerichtsbarkeit XII 
10. Grundbuchweſen . P ra XII 
11. Gerichtskoſten. Gebühren.. XII 
12. Strafrecht 8. 85 XIII 
A. Reichsrecht. XIII 
a) Strafgeſetzbuch XIII 
1. Allgemeiner Teil. XIII 
2. Beſonderer Zeil . XIII 
b) Nebengeſetze XIV 
B. Landesrecht XIV 
19. Strafprozeß . e e e e XV 
14. Staatsrecht. Verwaltung. Militärweſen XV 
D. Notizen. 
1. Bürgerliches Recht XV 
2. Zivilprozeß. XV 
3. Strafrecht XV 
4. Strafprozeß XV 
5. Internationales Recht i XV 
6. Iuftizverwaltung . XVI 
7. Staatsrecht. XVI 
8. Verwaltung XVI 
9. Finanzweſen XVI 
10. Handel. Verkehr. XVI 
11. Statiſtik . e u tar e u VE u r a AVI 
12. Allgemeine juriſtiſche und rechtspolitiſche 
Gegenſtände e w a AV 
E. Sprachecke des Allgemeinen Dentichen 
Sprachvereins. 
II. Alphabetiſches Verzeichnis. XVII 
III. Verzeichnis der Geſetzesſtellen. 
A. Reichsgeſetze . XXX 
B. Landesgeſetze XXXV 
C. Anhang. Einzelne wichtige Verordnungen 
und Dienſtesvorſchriften . . XXXVIl 
IV. Verzeichnis der Mitarbeiter. XXXVIII 


x V. Beſprochene Bücher u. Zeitſchriften. XXXIX 


I. Syſtematiſches Verzeichnis. 


(Die Zahlen bedeuten die Seiten.) 


A. Abhandlungen. 


1. Bürgerliches Recht. 


a) Reichsrecht. 
„Einwilligung“, „Genehmigung“ und „Zuſtim⸗ 
mung“ im Bürgerlichen Geſetzbuche und im 
Handelsgeſetzbuche. 
Zum Grundſtücksbegriff. 
Kriener in Würzburg 
Grunddienſtbarkeiten und forſtpolizeiliche Straf⸗ 
vorſchriften. Oberlandesgerichtsrat Bernhard 
Pfiſter, Amtsgerichtsvorſtand in Paſſau 
Die Unterhaltungspflicht des S 1021 BGB. Senats⸗ 
präſident Eduard Clarus in Augsburg 


Noch einmal die Unterhaltungspflicht des § 1021 


Amtsrichter Dr. Wilhelm 


1 


Profeſſor Dr. Weyl in Kiel 53 


40⁵ 


113 


73 


BGB. Reichsgerichtsrat Predari in Leipzig 385 


Die nachträgliche Eintragung der Goldklauſel. 
Amtsrichter Wilhelm Mayer in München 


199, 216, 242, 262 
ne nun von Forderungen. Paul a 


Chesne in Leipzig 
3 aus dem Geſamtgut? (Zu S 1446 BGB. a: 
Amtsrichter Eduard Eckert in Nürnberg 


Zur Auslegung der SS 2065 II, 2094 vo. 
Profeſſor Dr. 3. Binder in Erlangen 


b) Landesrecht. 


Die rechtliche Natur der Kgl. privilegierten Schützen⸗ 
geſellſchaften. Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vervier 
in Würzburg 

Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayerischen Waſſer⸗ 
geſetz von 1907. Landgerichtsrat Dittmann 
in Nürnberg 4, 34, 60, 

Die Waſſerbenützungsrechte an öffentl. Flüſſen und 
an den im Eigentum des Staates oder Dritter 
ſtehenden Privatflüſſen. Juſtizrat Dr. M. Ober⸗ 
meyer, Rechtsanwalt in München 

Einige Fragen des neuen Fiſchereirechts. II. Staats⸗ 
anwalt Bleyer in München, verw. im Kgl. 
Staatsminiſterium der Juſtiz 

Die 1 Forſtgeſetz⸗Novelle vom 26. Februar 
1908. II. Staatsanwalt Dr. Rig mann in Ans— 
bach 2 

Die Aufnahme von Hppothekdarlehen als Erſatz 
für Bodenzinsablöſungsſummen. Bankdirektor 
Friedrich Bonſchab in München 

Die Berufsvormundſchaft. Oberlandesgerichtsrat 
von Oelhafen, Amtsgerichts-Vorſtand in 
Weißenburg i / B. 


2. Handelsrecht. Gewerberecht. 


Die Börſengeſetznovelle vom 8. Mai 1908. Juſtiz⸗ 
rat Dr. Julius Kahn in München, Rechtsanwalt 


2 


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~] 


299 


| 
| 


9 


259 


448, 473 


13 


15 


153 
Verſicherungsrecht. 


und Syndikus der Handels- und Gewerbekammer 
für Oberbayern 
Ein 1 der Rechtſprechung oder eine Lücke 
des Geſetzes auf dem Gebiete des Arbeiter: 
ſchutzes? II. Staatsanwalt Rudolf Troeltſch 
in Augsburg 93, 115 
Sur, Einführung in das Reichsgeſetz über den 
i Oberlandesgerichtsrat K. 
Schneider in Stettin 25, 350, 372 


233 


3. Gerichtsverfaſſung. Zivilprozeß. 
. „ über den Grund des 
Anſpruchs. Reichsgerichtsrat Schneider in 
Leipzig 29 


Die Vorpfändung von Buchhypothekforderungen. 
Amtsrichter Dr. Schanz in München 302 


Zum Entwurf eines Geſetzes betr. Aenderungen 
des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeß— 
ordnung, des Gerichtskoſtengeſetzes und der 
Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Uni⸗ 
verſitätsprofeſſor Dr. Friedrich Hellmann in 
München 133 

Die Entlaſtung der Zivilſenate des Reichsgerichts. 
Reichsgerichtsrat Dr. Dürin ger in Leipzig 1 


Das Siebenmännermonopol. Eine Lehre aus dem 
Streit um den Eigentums vorbehalt an den ein⸗ 
gebauten Maſchinen. Profeſſor Krückmann in 


— 


Münſter i. W. 425 
4. Strafrecht. 
Zur Lehre von der „Ausführung“ ſtrafbarer 
Handlungen. Profeſſor Dr. Ernſt Beling in 
Tübingen 73, 99 


Wirkungen einheitlicher Verbrechen im Strafrecht 
und Strafprozeß. Amtsrichter und Privatdozent 
Dr. Friedrich Doerr in München 2 


Die Feſtſtellung der Einſicht im Sinne des § 56 


| 


StGB. vor der Hauptverhandlung. II. Staat: 

anwalt Dr. Emil Gütermann in München 297 
Beſtechung von Poſtbedienſteten. Landgerichtsrat 

Zeiler in Kempten 277 
Das Geſetz betr. die Beſtrafung der Majeſtäts— 

beleidigung vom 17. Februar 1908. Landgerichts— 

rat Lieberich in München 156, 176 
Polizei und Strafrechtsreform. Bezirksamtsaſſeſſor 

Dr. Friedrich Haenle in Kötzting 426 


5. Strafprozeß. 
Zur Reform des Privatklageverfahrens. Land— 
gerichtsrat Dr. Erlacher in Hof 96, 117, 137, 159 


Haftentſchädigung bei Realkonkurrenz. Reichsgerichts⸗ 


rat Burlage in Leipzig 6⁵ 


___Imhaltöverzeihnid der Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1908. V 


Der Beſchluß über die Haftentſchädigung bei real⸗ Bemerkungen zu dem Entwurfe einer Kirchen⸗ 


konkurrierenden Straftaten. Landrichter Krauſe | gemeindeordnung für Bayern. Regierungsakzeſſiſt 
in Altenburg 197 Dr. A. Durmayer in Speyer 37, 62, 81 
Die Reform des Strafverfahrens und die Ge⸗ ; 
ſchäftsvereinfachung. Oberlandesgerichtsrat 8. Finanzweſen. 
Deinhardt in Jena 415, 469 Zu Art. 18 des Geſetzes über die Fortſetzung der 
Grundentlaſtung vom 2. Februar 1898. Rent⸗ 
6. Juſtizverwaltung. amtmann Yblagger in Eichſtätt 329 
Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen Hypo⸗ 9. Allgemeine juriſtiſche und rechtspolitiſche 
thekenbanken und Notaren. Notar Dr. Walter en Gegenſtände. 
ö Die Sulaffung ut ne 1 i Real- 
; ymnaſiums oder einer errealſchule zur 
een wee huriftifchen Laufbahn. — Die Bedeutung der 
Das neue bayeriſche Beamtenrecht. I. Staats⸗ Ausbildung im römiſchen Recht für die Gegen⸗ 
anwalt Joſeph Freilinger in Regensburg , wart. — Geſetz und Rechtspflege. Profeſſor 
345, 367, 387, 407, 428, 452 Regels berger in Göttingen 253 


B. Mitteilungen aus der Praxis. 


1. Bürgerliches Necht. | 3. Zivilprozeß. Zwangsverſteigerung. 
f . 
ER Pfändung eigener Sachen. Rechtsanwalt Dr. Roſen⸗ 
a) Reichsrecht. | thal in Würzburg 13 


Zu 8 181 BGB. Amtsrichter Eckert in Nürnberg 180 Werden in Zukunft die Prozeſſe billiger? Rechts⸗ 


Aufrechnung mit Eines eee Juſtiz— anwalt Dr. Alfred Bloch II in München l 40 
rat Bendix in Breslau 214 Zu 8 57 Zw. und 8 565 BGB. Amtsrichter 
Mäklervertrag, Dienſtvertrag und Schenkung. Land» Kraus in München 1 
gerichtsrat Zeiler in Kempten 395 Geringſtes Gebot bei Zwangsverſteigerungen be⸗ 
Zu $ 1021 BGB. Senatspräſident Clarus in hufs Aufhebung einer Gemeinſchaft. Notar 
Augsburg 476 Goetzelmann in Roding 102 
ur Haftung der Poſtſekretäre bei Einſchreib⸗ 8 ; f 
3 ae on Dr. P. lea n in | 4. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Grundbuchweſen. 
Berl 2 ae Prüfungspflicht e ee 
b) Q | l ei Genehmigung zweifelhafter Rechtsgeſchäfte 
andes ech und die Beſchwerde vor der Pflegſchaftsan⸗ 
Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Gepr. Rechts⸗ ordnung. Rechtsanwalt Dr. Eugen Joſef in 
praktikant Diemayer in München 104, 164 Freiburg i. Br. 331 
Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Prof. Dr. Oert⸗ Die Protokolle des Vormundſchaftsgerichts über die 
mann in Erlangen 121 | Anerkennung der Vaterſchaft durch den unehe— 
Das Eigentum an öffentlichen Gewäſſern. Rechts⸗ | lichen Vater und die Verträge über die Zahlung 
praktikant Tuma in Paſſau 286 des Unterhalts. Rechtsanwalt Dr. Stein- 
Güterzertrümmerung. Amtsrichter Pramberger harter in München 202 
in Eichſtätt 179 Verhältnis zwiſchen dem Nachlaßgerichte und dem 
| Hypothekenamte. Ball Der M DODE Ober- i 
landesgerichtsrat Bauer in Nürnberg 
2. 
Berſicherung recht. Gewerberecht u. dgl. Die Offizialtätigkeit des Grundbuchbeamten im Be— 
Unfall beim Holzſchneiden mit einer Kreisſäge; | weisverfahren der Grundbuchordnung. Land- 
Haftung des i nach $ 823 Abſ. 1 | richter du Chesne in Leipzig 397 
und 2, § 662 BGB. Rechtsk. Bürgermeiſter Dr. Die Datierung der Einträge im Grundbuch. Amts— 
Michel in Landsberg a. L. 8⁴ richter Dr. Kübel in Landau a. J. 142 
Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des Ge— 
e e e Landgerichts⸗ | 5. Strafrecht. 
t 2 5 
V 142 Kann 8 113 StchB. mit $ 210 StGB. rechtlich 


Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des 
GewllVG. Rechtsk. Bürgermeiſter Dr. Michel 
in Landsberg a. L. 202 


Noch einmal der „Arbeiter“ im Sinne des Ge— 


konkurrieren? Landgerichtsrat Stummer in 
München 267 


Rechtlicher Zuſammenfluß zwiſchen Untreue und 
e im Amte. II. Staatsanwalt 


werbeunfallverſicherungsgeſetzes. Landgerichtsrat 
V 0 a 15 55 ena itsſpiel? Kriminal k 
7) 5: e : ‘ Z 
"Gern, Neat Wlrgermeitee Dr Wider, Prmior Dr. jur, Gn eidert in Berlin 284 
in Landsberg a. L. 304 Sind Gewertsungucht ende a 
i welche in Bayern von der zuſtändigen Polizei- 
Ein i Aa 1 a behörde wegen geſchlechtlicher Erkrankung zur 
Straubin 355 Heilung in eine öffentliche Krankenanſtalt ver- 
Zur Frage = Kauſalzuſammenhanges im Haft⸗ im Sl nn e 8701 
5 im Sinne es > Jandgerichtsra 
pflichtrecht. Referendar Dr. Eger in Berlin 435 Gmaehle in M e : 135 


. 


= — 


I. Syſtematiſches Verzeichnis. 


Führung verbotener Waffen durch Frauen in 
Selbſtmordabſicht? Ratsaſſeſſor Dr. Fiſcher 
in Nürnberg 460 


Mangel eines ſtrafrechtlichen Schutzes der Ab⸗ 
ſperrung von Waldungen. III. Staatsanwalt 
Dr. Dürr in München 122 

W e 5 der Tatbeſtände des 

Abſ. 2 PStGB. II. Staatsanwalt 
Hümmer in Weiden 163 


Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuchs. Bezirks⸗ 


amtsaſſeſſor Dr. Stein bach in Pfaffenhofen 15 
Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuches. Amtsrichter 
Pramberger in Eichſtätt 83 


6. Straſprozeß. 


Ein Vorſchlag zur Aufhebung des § 75 des Ges 
richtsverfaſſungsgeſetzes. Amtsrichter PELIS 
heimer in Ludwigshafen a. Rh. 


Darf der Staatsanwalt das Verfahren gegen Rs 
e Beſchuldigten wegen mangelnder 
Einſicht in die Strafbarkeit der Tat einſtellen? 

I. Staatsanwalt Freilinger in Regensburg 375 


Zur Auslegung des 8 115 StPO. Landgerichts⸗ 
rat Schmid in München 264 


Anklageſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſe. Land⸗ 
gerichtsrat von der Pfordten in München 354 


Soll der Staatsanwalt einen beſtimmten Straf⸗ 
antrag ſtellen? Rechtspraktikant Karpf in Nürn⸗ 
erg 335 


Ablehnung eines Geſchworenen während der Haupt⸗ 
verhandlung. Landgerichtsrat Stummer in 
München 244 

Zu § 428 StPO. II. Staatsanwalt Bleyer in 
München 41 


Der Bußeanſpruch der Ehefrau im Strafprozeſſe. 
| II. Staatsanwalt Dr. Haberftumpf in 
ö München 304 


‚ Koftenpflict bei Uebergang einer zivilſtrafgericht⸗ 
lichen Unterſuchung in die militäriſche Gerichts⸗ 
barkeit. Militärgerichtspraktikant Dr. M. Angerer 
in Nürnberg 

N rage der Zuſtändigkeit bei Anſprüchen eines im 


A deraufnahmeverfahren Freigeſprochenen. 
I. Staatsanwalt Schüle in in Bayreuth 


42 


333 


7. Inſtizverwaltung. 


Die Poſtportofreiheit und die Portoablöſung in 
Bayern. Oberregierungsrat Schmitt in München 65 


1. Die Erweiterung der Strafliſte zu einem 

Perſonalbogen. 2. Koſtenermäßigung gegenüber 
| dem von vorneherein geitändigen Angeklagten. 
| Landgerichtsrat Vogl in Nürnberg 


Zum ehrengerichtlichen Verfahren gegen Rechts⸗ 
anwälte. Landgerichtsrat Dr. Friedländer 
in Limburg a. / L. 162 


Zwei Bemerkungen zum ehrengerichtlichen Ver⸗ 
fahren gegen Rechtsanwälte. Staatsanwalt 

| Burkhardt am OLG. München 121 
8 64 der Rechtsanwaltsordnung. Reichsgerichtsrat 

Maenner in Leipzig 219 
Zuziehung von Anwälten zu den durch die Min.⸗ 
Bek. vom 11. Juli 1900 angeordneten Be⸗ 
anger Landgerichtsrat Vogl in Nürn⸗ 


berg 178 
Ueber den Erwägungsſtil. Amtsrichter Dr. Kübel 


416 


C. Praxis der Gerichte. 


RG. bedeutet Reichsgericht, ObL G. = 
BSH. 


1. Bürgerliches Recht. 
A. Neichsrecht. 


a) Allgemeine Lehren. 


Vorausſetzungen der Todeserklärung. 
LG. München 1 192 


Der Ausſchluß eines Mitglieds us einem nicht 
rechtsfähigen Vereine, deffen Statuten Mehr: 
heitsbeſchlüſſe zulaſſen, kann durch Mehrheitsbe⸗ 
ſchluß erfolgen. Darf der Ausſchluß nach den 
Statuten nur aus beſtimmten Gründen erfolgen, 
ſo iſt die Ausſchließung unwirkſam, wenn dem 
Betroffenen der Grund nicht bekannt 91590 
wird. (BGB. 88 54, 709). 440 


Schnelldruckpreſſe kein Gebäudeteil. Begriff des 
„Einfügens“. Bedeutung der Verkehrsauffaſſung. 
Antriebsvorrichtung als Zubehör der Maß u = 


Mündliche Nebenabrede zu einem notariellen Ver: 


trag. Nichterhebung beantragter Beweiſe. RG. 203 


Fall der Gültigkeit der in das Beſtätigungs⸗ 
e aufgenommenen Vereinbarung eines 
Erfüllungsortes, wenn der unter Kaufleuten 
zunächſt mündlich geſchloſſene Vertrag dieſen 
Punkt nicht erwähnt. Einwendung, man habe 


Oberſtes Landesgericht, OLG. = 
= Verwaltungsgerichtshof. 


in Landau a. J 461 

8. Sprache. | 

Gefangenanſtalt oder Gefangnenanſtalt? Gepr. 
Lehramtskandidat Steck in München 478 
Cberlandesgericht, LG. = Landgericht 


die jene Klauſel entbaltenben allgemeinen Ber: 
tragsbedingungen nicht geleſen. 
OLG. Zweibrücken 191 
| Auslegung eines Kartellvertrags, in dem Ber: 
tragsſtrafen feſtgeſetzt ſind, aber nicht aus⸗ 
drücklich beſtimmt iſt, wem ſie zufallen Ne 
418 


Die Anfechtung wegen Betrugs ſchließt die An⸗ 
fechtung wegen Irrtums in ſich. RG. 166 


Verſteckter Diſſens. Scherz. (BGB. S$ 116, 118, 


154, 155). OLG. Bamberg 49 
i Verſtoß gegen die guten Sitten 
(§ 138 BGB.). OLG. Nürnberg 229 


S zwiſchen Deutſchen am Orte 
einer ausländiſchen Spielbank zum Zwecke des 
Spielens bei dieſer verſtößt ohne beſondere 
Umſtände nicht gegen $ 138 BGB. RG. 165 

Zu 8 138 BGB. RG. 144 

Vertretung mehrerer minderjähriger Kinder durch 
einen Pfleger bei dem Vertrage über Mug- 
einanderſetzung der beendeten allgemeinen Güter— 
gemeinſchaft oder der Erbengemeinſchaft zwiſchen 
der Witwe und den Kindern des Erblaſſers 
(§ 181 BGB.). Ob LG. 292 

Kann zwiſchen mehreren minderjäbrigen Ge: 

i ſchwiſtern ein nicht ausſchließlich in der Erfüllung 


einer Rechtsverbindlichkeit beſtehendes Rechts⸗ 
geſchäft vom gemeinſchaftlichen Vormund allein 
geſchloſſen werden, wenn ein Gegenſatz der 
Intereſſen nicht vorliegt? RG. 16 


b) Recht der Schuldverhältniſſe. 


1. Allgemeine Lehren. 
He Examen, kein Kalendertag (8 281 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


LG. München I 131 


Zu § 313 808 (Wenn bei einem Vertrage 
über den Austauſch von Grundſtücken Einig— 
keit darüber beſteht, daß der Wert der beiden 
Grundſtücke ſich ausgleicht, ſo verletzt eine 
unrichtige Angabe über den Wert in der Ver⸗ 
tragsur ande die Formvorſchrift des 9 313 
BGB. nicht.) RG 462 

Jornworſchrif des 8 313 BGB. Unrichtige Beur- 
kundung des Kaufpreiſes. Unterſchied zwiſchen 
einer Zuwendung, die den Verkäufer für die 
Unterhandlungen günſtig ſtimmen ſoll, und der 
Vorauszahlung eines Teiles des eee 


1908. 


Fälligkeit 8855 Anſprüche. Ba Anwendung 

des § 321 BGB. OLG. Zweibrücken 274 
Zum Begriffe $ „Abnahme“ beim Werkvertrage. 

Abnahme von Teilen des Werks. (§ 641 8 Br 


Das Recht des Unternehmers eines Bauwerks auf 


Einräumung einer Sicherungshypothek erſtreckt 
ſich nicht nur auf Forderungen aus Arbeiten, 
die unmittelbar die Herſtellung des Bauwerks 
zum Gegenſtande haben. RG. 


Rechtsnatur der unentgeltlichen Behandlung in 
einer ſtaatlichen Klinik: Berückſichtigung der 
Verjährung beim Armenrecht. OLG. München 149 

Beſteht ein geſetzlicher Hypothekentitel für An- 
waltskoſten, die durch den Antrag auf Ein- 
tragung einer Hypothekenvormerkung von Bau— 
N entſtehen? (8648 BGB., Art. 50 
UeG.). Obe G. 421 


166 


Maäklerlohn für Vermittelung des Verkaufes einer 


Buchhypothek (SS 652, 678, 1154 Abſ. 3 BGB.). 


OLG. München 129 


Wer einer von ihrem Manne getrennt lebenden 


RG. 337 


Kann die une einer Schuldübernahme 
nach BGB. erfolgen, ohne daß eine 
ſchriftliche tele an den Gläubiger vorher- 
gegangen iſt? RG. 124 


2. Einzelne Schuldverhältniſſe. 


Wen trifft die Beweislaſt, wenn gegenüber der 
Klage auf den Kaufpreis behauptet wird, der 
Verkäufer habe die Ware vertragswidrig einem 
Dritten übergeben? RG. 378 


Die Vereinbarung eines Ortes als Erfüllungsort 
für beide Teile bei einem Kaufvertrage erſtreckt 
ſich nicht auf den Wandelungsanſpruch und die 
aus ihm fließenden Leiſtungsanſprüche. Der 
geſetzliche Erfüllungsort hierfür iſt der Ort, 
wol der, Kaufgegenſtand zurückzugeben iſt. 

OLG. Zweibrücken 169 

Der Veräußerer eines Grundſtückes iſt nicht unbe— 
dingt verpflichtet, die Schätzung der Mieterträg— 
niſſe durch Angaben über ihre Grundlagen zu er— 
läutern. Er handelt nicht unter allen Um⸗ 
ſtänden argliſtig, wenn er Vorkommniſſe ver: 
ſchweigt, aus denen hervorgeht, daß auf den in 
der Schätzung angeſetzten Ertrag mit Sicher— 
heit nicht zu rechnen iſt. RG. 

1. Iſt der Mangel der Erlaubnis zum Betrieb 
einer Gaſtwirtſchaft ein „Fehler“ des Grund— 
ſtücks im Sinne des § 459 Abſ. 1 BGB. oder 
eine „Eigenſchaft“ im Sinne des § 119 Abſ. 2 
BGB.? 2 „Stillſchweigende Vereinbarung einer 
Bedingung beim Kauf eines Grundſtücks. RG. 310 


1. Wie iſt die Beweislaſt zu verteilen, wenn be⸗ 

hauptet wird, daß der Käufer die „Berz 
ſchlechterung“ des Kaufgegenſtandes im Sinne 
der 85 467, 351, 347 BGB. verſchuldet habe? 
2. Kann eine „Verſchlechterung“ des verkauften 
Grundſtücks in dem Rückgange eines auf ihm 
betriebenen Gewerbes gefunden werden? RG. 310 

Zu 8 530 BGB. RG. 105 

Rechtsverhältniſſe an der Kaution eines Angeſtellten. 

RG. 437 

Zum Begriffe der Kündigung eines Darlehens. 
Iſt die Benennung eines beſtimmten Zahlungs⸗ 
termins ein weſentlicher Beſtandteil der Kündi— 
gung? Wirkt die vorzeitig erhobene Klage als 
Kündigung? R 

Rechtliche Natur der Tätigkeit des den Bauplan 
fertigenden und den Bau leitenden Architekten. 


G. 309 


Frau Unterhalt gewährt, kann nicht ohne weiteres 
vom Manne Erſatz nach den Vorſchriften über 
die Geſchäftsführung ohne Auftrag verlangen. 
RG. 86 
a 8 Aufnahme zur Beherbergung S 995 sE 
e von Grundſtücken durch eine . 
in der Zwangsverſteigerung. Wirkung des Bei— 
tritts neuer Geſellſchafter und des Austritts 
eines Geſellſchafters. Berichtigung des Grund— 
buchs, wenn nicht alle Geſellſchafter 1 
find (BGB. 8 738; GBO. 8 22 Abſ. 2, 88 29, 
40, 48). Obs. 317 
Geſellſchaftsverträge ſind in erhöhtem Maße vom 
Grundſatze von Treu und Glauben beherrſcht. 
Pflichten des geſchäftsführenden Geſellſchafters. 
Analogie der für den Kommiſſionär geltenden 
Vorſchriften. RG. 216 


Umfang der 1 900 it Vorlegung von Urkunden 
nach $ 810 B RG. 309 

Sicherung des 1 8 über eine öffentliche Treppe. 
Pflicht der bayeriſchen Gemeinden zur Be— 
leuchtung der Ortsſtraßen. Beaufſichtigung 
öffentlicher Wege. Kauſalzuſammenhang bei 
Unfällen (§ 823 BGB.). OLG. Bamberg 25 


Unfall durch Nichtverwahrung einer Grube. RG. 269 


Verteilung der Beweislaſt beim Schadenserſatz— 


anſpruche wegen angeblich fahrläſſiger Verletzung 
eines Menſchen durch einen Schuß. (Verant— 
wortlichkeit des Schützen für die Beſchaffenheit 
der Patrone.) RG. 339 
Schadenserſatz wegen zwangsweiſer Verſteigerung 
eines Grundſtücks trotz wörtlichen m 


Schuldſumme? 378 


Umfang der Haftung des ie e ar 


Unfälle in einem Stallgebäude. H. 312 
Keine Haftung für Verletzung eines Kindes e 
eine in der Scheuer ungeſichert ſtehende Häckſel— 
maſchine, zu der ſich die ſpielenden Kinder durch 
eigenmächtige Oeffnung des Scheunentores Buz 
gang verſchafft haben. OLG. Zweibrücken 313 
Haftung des Wirts für den Zuſtand der Zugänge 
zum Gaſtlokal. RG. 41 
Automobilunfall. Welcher Grad von Vorſicht kann 
von dem die Fahrſtraße überſchreitenden Noch 
gänger verlangt werden? 68 
Zu 8 826 BGB. OLG. 9 169 


Ein Verſtoß gegen die guten Sitten liegt nicht vor, 
wenn in einer Anzeige ein zwar ungünſtiger 


VIII 


aber nicht unrichtiger Vergleich zwiſchen der 
angeprieſenen Ware und der Ware eines Kon⸗ 
kurrenten gezogen wird. RG. 337 


Auf Grund der Vorſchrift im 8 826 BGB. kann 
die Unterlaſſung eines Bordellbetriebs in Nach⸗ 
barhäuſern beanſprucht werden. RG 


Automobilunfall. Bedeutung der über den Ver⸗ 
kehr mit Kraftfahrzeugen erlaſſenen Polizei⸗ 
verordnungen. Bedeutung der Eigenſchaften 
und Kenntniſſe des Kraftwagenführers bei der 
Anwendung des § 831 BGB. RG. 183 


1. Umfang der fp des Automobilbeſitzers 
für nn Chauffeur. Die Haftung ift nach $ 831 
Abſ. 1 Satz 2 BGB. nur dann ausgeſchloſſen, 
wenn der Dienſtherr auch bei Prüfung der ſitt⸗ 
lichen und geiſtigen Eigenſchaften des malen 
die erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. 2 155 
über die Frage, ob gemäß § 843 Abſ. 3 S 
dem Verletzten eine Kapitalabfindung ſtatt 28 
Rente zu gewähren iſt, ſtets im Zwiſchenurteil 
über den Grund des Anſpruchs . 
werden? RG. 


Beſchädigung eines Pferdes durch den abgeriſſenen 
Draht der Starkſtromleitung u Elektrizitäts⸗ 
werkes (88 836, 837, da bf. 1 BGB.). 

OLG. Zweibrücken 423 


Zum Begriff des Tierhalters. Stillſchweigender 
Ausſchluß der Tierhalterhaftung? Vorüber⸗ 
gehend angeſtellter Arber in landwirtſchaft⸗ 
lichem Betrieb? OLG. Zweibrücken 363 


Begriff des „mit einem Grundſtücke verbundenen 
Werkes“ i. S. des § 836 9 15 (Zelt). Haf⸗ 
tung des Mieters nach 8 837 BGB. NG. 464 


1. Nach welchen Geſichtspunkten I die Zuläſſigkeit 
des Rechtswegs zu prüfen? Iſt der geſamte In⸗ 
halt der Prozeßverhandlungen maßgebend, ins: 
beſondere auch die Verteidi ipung des Beklagten? 

2. Haften Beamte für Re e auch 
nach den 1 NEN Vorſchriften des BGB. 
oder nur nach 8 839 BGB.? 3. Kann fidh der 
Beamte, der eine Rechtsverletzung begangen 
hat, auf einen Dienſtbefehl ſeines Vorgeſetzten 
berufen? RG. 436 


oet ung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des 
8 843 BGB. RG. 378 


Der Schadenserſatzanſpruch der Ehefrau nach 8 844 
BGB. iſt nicht deswegen ausgeſchloſſen, weil 
ſie zur Zeit der Tötung des Mannes von ihm 
getrennt in ehebrecheriſchem Verkehre Ta 95 


. 183 


Unter welchen Vorausſetzungen kann bei einem 
Eiſenbahnunfall auf Grund des Beförderungs- 
vertrages Erſatz der Reiſekoſten und Schadens⸗ 
erſatz für Beſchädigung von Sachen verlangt 
werden? Verjährung ſolcher Anſprüche. Foa 


weislaſt. . 166 


c) Sachenrecht. 


Rangänderung zwiſchen zwei 1 
desſelben Gläubigers (BGB. 88 873, 8 


Können einem Grundſtücke, das im Grundbuche 
mit mehreren anderen auf demſelben Blatte ein: 
getragen iſt, auf dem gleichen Blatte andere 
Grundſtücke als Beſtandteile zugeſchrieben 
werden? (BGB. 8 890, GBO. 8 4, Banh ð. 


5 120). DILG. 46 


Wie iſt der Urteilsfag‘ im Falle des S 906 BGB. 
zu faſſen RG. 2 

1. Eine unzuläſſige Einwirkung auf ein Grund⸗ 
ſtück i. S. des § 907 Abſ. 1 BGB. kann in der 


I. Syſtematiſches Verzeichnis. 


6,313 


| Beſchattung des Grundſtücks und in der Ber- 
Ä 8 des Luftzutritts nicht gefunden 
| Dergo 2. Nach gemeinem Rechte beſteht bei 
der Vornahme von Veränderungen an einer 
öffentlichen Straße oder gänzlicher Aufbebung 
der Straße kein een, der 

Anlieger. RG. 123 
Umfang des Rechts zur Benutzung einer gemein⸗ 
ſchaftlichen Grenzmauer (88 921, 922 BGB.). 

| RG. 42 
Können Minderjährige die Auflaſſung wirkſam 


erklären? Begründen Bedenken über die Wirk⸗ 
ſamkeit des den rechtlichen Grund der Auf: 
laſſung bildenden Rechtsgeſchäfts die Ablehnung 
80078 Eintragung? (88 106, 107, i 925 


b G. 467 
Die Vorſchrift im § 1004 Abſ. 2 BGB. bezieht 
ſich nicht nur auf eine privat⸗ rechtliche ſondern 
auch auf eine öffentlich⸗ rechtliche Duldungs⸗ 

pflicht. RG. 246 
Kann eine beſchränkte, perſönliche Dienſtbarkeit 
mit dem Inhalte beſtellt werden, daß der Eigen⸗ 
tümer einer Mühle, der das Waſſer eines im 
Eigentum eines Dritten ſtehenden Privatfluſſes 
benützen darf, ſich einem anderen gegenüber 
verpflichtet, die Wegleitung des größeren Teiles 

des Waſſers zu dulden? (BGB. § 10901. Ob G. 316 


Liegt ein für Mehrere gemeinſchaftliches Recht im 
Sinne von 8 48 GBO., 5 741 BGB. vor, wenn 
„je ein lebenslängliches Aae Woh⸗ 
nungsrecht“ für zwei Perſonen an denſelben 
Wohnräumen beſtellt wird? (BGB. 88 1093, 
1090). ObLO. 186 


Form der Abtretung von Briefgrundſchulden bei 
teilweiſe unentgeltlicher, teilweiſe entgeltlicher 
Veräußerung. RG. 270 


d) Familienrecht. 


Begriff der perſönlichen EN eines Che: 
gatten i. S. von 8 1333 BGB. Bedeutung 
von Krankheiten bei der Feſtſtellung dieſes Be⸗ 
griffes. RG. 270 

Vorausſetzungen und Pren der Vertretungsmacht 

| der Frau nach 8 1357 BGB. Inwieweit beſteht 

ſie während einer Trennung der Gatten? Maß⸗ 

ſtab für die Beurteilung des Umfangs der 

Schlüſſelgewalt. Ueberſchreitung und Miß⸗ 

brauch der Vertretungsmacht. Iſt der Dritte 

geſchützt, der die Ueberſchreitung der Ber- 

ö tretungsmacht nicht kannte? Verteilung der Be⸗ 

| weislaſt. RG. 17 

Eine Forderung der Frau auf einen Geſchäfts⸗ 
gewinn iſt nicht Vorbehaltsgut im Sinne des 

| 8 1367 BGB., wenn fie vor der Eingehun 

der Ehe begründet wurde, mag fie auch erit 
nach der Eingehung der Ehe fällig 5 


| Der Mann, der ein Grundſtück für das Geſamt— 
gut der allgemeinen Gütergemeinſchaft oder der 
rrungenſchaftsgemeinſchaft erwirbt, kann es 
ohne die Zuſtimmung der Frau mit 1 
Hypothek für den Kaufpreis belaſten. RG. 3 


| 1. Letztwillige Verſügungen eines Gatten bei cn 

| ſtehen der allgemeinen Gütergemeinſchaft. 2. 
Veräußerung eines Grundſtücks durch den über⸗ 
lebenden Ehegatten bei fortgeſetzter Güter— 
gemeinſchaft. RG. 124 


8 Satz 2 BGB. Objektiver oder ſubjek⸗ 
tiver Maßſtab. Einfluß eines Mitverſchuldens 
des mißhandelten Ehegatten. RG. 43 


Be vr Bar groben Mißhandlung im Sinne des 


„Inhalts verzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1 


Vorausſetzung der Scheidung wegen eee 


er der Verzeihung i. S. des $ 1570 BGB. 
nterſchied von einer nur „moraliſchen“ Ver⸗ 
zeihung. RG. 245 
Beweislaſt für das Vorliegen einer e 
im Eheprozeſſe. RG. 463 
Die e oreg zur Herſtellung der ehelichen 
Gemeinſchaft im Sinne des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 
B. kann nicht in einer Klage auf Herſtellung 
der Gemeinſchaft gefunden werden, die mit einer 
Scheidungsklage nur vorſorglich verbunden 
wurde. RG. 
Welcher Beweis muß geführt werden, um die Ver⸗ 
mutungen zugunſten der Ehelichkeit eines Kindes 
zu entkräften? Be tündung, einer Aalen LAN 
durch künſtliche Befruchtung? RG. 35 
Beſugnis des Inhabers der elterlichen Gewalt zur 
Löſchung einer ſeinem Kinde Dnr Denten Hypo⸗ 
thek (BGB. § 1795 Abſ. 1 Nr. 1 u. 2 mit 
§§ 1630 u. 1686). Ob 
Grenzen der Zuſtändigleit des Prozeßgerichts und 
des Vormundſchaftsgerichts zur Entſcheidung 
über den von den Eltern dem Kinde zu ge⸗ 
währenden Unterhalt nach 8 1612 Abſ. 2 BGB. 
Vorausſetzung des Beſchwerderechts nach § 20 
FGG. Ob G. 248 
ar HE auf Herausgabe eines Kindes (8 1632 
GB.) kann nicht gegen denjenigen erhoben 
a der das Kind auf Grund einer nach 
$ 627 ZPO. im aroro erlaſſenen 7 
weiligen Verfügung bei ſich behält. RG 
Muß das Vormundſchaftsgericht vor der . 
des Verkehrs des geſchiedenen und für ſchuldig 
erklärten Ehegatten mit ſeinem Kinde den 
anderen . oder ſonſtige Verwandte 


des Kindes hören? ObLO. 22 
e des Vaters für das Kind (8 1654 
B.). OLG. München 25 


a EAA (Vormund) bedarf zur Verpfändung 
einer Hypothek des unter feiner Gewalt ſtehen⸗ 
den Kindes (Mündels) für eine fremde Ver- 
bindlichkeit der Genehmigung des Vormund⸗ 


ſchaftsgerichts. SOS § 1613, § 1822 Nr. 10). 
ObL G. 127 
5 Erbrecht. 
Richtpunkte für die Feſtſetzung der dem Nachlaß— 
pfleger zu gewährenden Vergütung (Bo: 
SS 1960, 1836, 1915). Ob“. 168 


1. Paſſivlegitimation des Teſtamentsvollſtreckers 
in Mietſtreitigkeiten. 2. Auslegung von Miet- 
verträgen. 3. Ausübung des Kündigungsrechts 
nach § 569 BGB. durch den Teſtamentsvoll⸗ 
ſtrecker. OLG. Augsburg 90 

Unterſchied zwiſchen „Vorausvermächtnis“ und 

eilungsanordnung“. G. 24 

Abgrenzung der Rechte des Vorerben gegenüber 
den Rechten des Nacherben in Anſehung der 
Nutzungen (Dividenden und Gewinnanteile). 
(SS 2111, 101 BGB.). RG. 

Erforderniſſe des Vermerks über die Verleſung 
des bei der Teſtamentserrichtung aufgenommenen 
Protokolls. (S 2212 Abſ. 1 Satz 2 BGB.). RG. 

Feſtſtellung der Erklärung des Teſtators, daß er 
nicht ſchreiben könne. Bedeutung des Hand— 


85 


zeichens. RG. 464 
Orts⸗ und Zeitangabe 9 eigenhändigen Tefta- 
mente. ie ſind Orts⸗ und Zeitangaben zu 


beurteilen, die ſich auf einem eee 1 
finden: 


be G. 380 


©) 


19 


1908. 


Verhältnis mehrerer letztwilliger . des 


2 Erblaſſers. Auslegungsfragen G. 182 


1. Wenn der Erbe den Vermächtnisnehmer vor 
anderen Nachlaßgläubigern befriedigt hat, ſo 
haben dieſe keinen Herausgabe- oder Be⸗ 
reicherungsanſpruch gegen den Vermächtnis⸗ 
nehmer. 2. Dagegen kann die Erfüllung des 
e unter Umſtänden nach 
88 3 a, 7 des AnfG. angefochten werden, auch 
wenn die Erfüllung nur in der Beſtellung einer 
Topon! auf einem Nachlaßgrundſtücke beſtand. 
enderung des „rechtlichen Geſichtspunkts“ 
| ohne Aenderung der die Klage begründenden 
Tatſachen iſt keine Aenderung der Klage. RG. 308 
| gorme orori des § 2239 BGB. Gegenwart 
eſtamentszeugen während der ganzen Ver⸗ 
| Banbhimo: RG. 
Bedeutung einer vor dem Nachlaßgericht abgegebenen 
Erklärung, durch welche die Verpflichtung zur 
Ausgleichung von Vorempfängen anerkannt 
wird. RG. 19 


| 


f) Einführungs- und Uebergangsrecht. 
Internationales Recht. 
Zu Art. 17 und 29 EG. z. BGB., S8 1567, 1568 
BGB. RG. 68 


§ 268 BGB. ift auf ein unter der Herrſchaft des 
früheren Rechtes 1 E 


nicht anwendbar (E A 3 170). 
Wirkung des 8 94 Hyp F. v. 1903. 
Ob LG. 271 


2 Art. 2, 7 des intern. Scheidungsabkommens vom 
12. Juni 1902. LG. München 1 295 

Scheidung öſterreichiſcher Israeliten im Deutſchen 
Reiche. LG. München I 483 

Zu Art. 1 des Haager Abkommens zur Regelung 

der Vormundſchaft über Minderjährige vom 

12. Juni 1902. (Vormundſchaftsrecht in den 
| Niederlanden). RG. 144 


B. Landesrecht. 


nn rechtsfähige Vereine nach Art. 2 UeG. Aus⸗ 

chließung von Mitgliedern. OLG. Nürnberg 130 

Haftung einer bayeriſchen Stadtgemeinde, welche 
die Benützung eines gefährlichen Steges nicht 

| verhindert und auch den Zuſtand des Steges 

nicht verbeſſert. Mitverſchulden des ä 


Die Auflaſſung kann in Bayern außer vor dem 
| Grundbuchamte nur vor einem bayerischen 
Notar, nicht aber vor dem Prozeßgericht oder 
einem beauftragten Richter rechtswirkſam er— 
klärt werden. (BGB. § 925, CG. 3.— BGB. 

Art. 143, AG. 3. BGB. Art. 81). ObLG. 127 
Krankenverpflegungsrechte können in Bayern als 
Reallaſt nur beſtellt werden, wenn ſie zu einer 
Leibrente oder einem Leibgedinge gehören (AG. 
BGB. Art. 85, BGB. $ 1105, EG. z. BGB. 


Art. 115). Ob G. 208 
Wohnungsrecht als 78 e; Tragweite des 
Art 27 AG. z. GBO. u VG. 


OLG. München 129 


Wie weit geht die Zuſtändigkeit des Hypotheken— 
amts (Grundbuch-Anlegungs-Beamten) zur Be— 
urkundung von Erklärungen ꝛc. ꝛc., die durch 
die Anlegung des Grundbuchs veranlaßt werden? 
(Art. 10 des Geſetzes über die Anlegung des 
Grundbuchs.) Obe G. 147 


| 

| 

| Erforderniſſe der Eintragung des Enteignungsbe— 

7 rechtigten als Eigentümers und der Löſchung 
2 


X I. Syſtematiſches Verzeichnis. 


der Verfügungsbeſchränkung des Abtretungs⸗ 
pflichtigen im Grundbuch. L mt Ac. 
eſetz v. 1837 Art. XII und XVI mit A 
x es Art. 139, II und Art. 174; G 
88 22, 30). Ob LG. 108 
Kann bei Einleitung der Zwangsenteignung eines 
Sad an einem dem Zwangsenteignungs⸗ 
erechtigten gebörigen Walde die Eintragung 
einer e eee auf dem Blatte 
für das Anweſen verlangt werden, mit dem 
das Recht als Beſtandteil verbunden iſt? 
(Art. XII u. XVI des ZwangsenteignungsG. 
von 1837). ObLG. 291 


Ein radiziertes Gewerberecht kann nur mit diſtrikts⸗ 
polizeilicher Genehmigung auf ein anderes An- 
weſen übertragen werden. Umfang des öffent⸗ 
lichen Glaubens des Grundbuchs 8 
88 892, 893). be G. 46 


Vorausſetzungen für die Eintragung einer a 
heits⸗(Kautions⸗) Hypothek (HypG. SS 11, 19). 


Ob“ G. 47 
Formloſe Abtretun 8 are geſicherter 
Strichſchillinge. (Art. 189 EG „Art. 14 


NotG. v. 1861, § 154 BGB.). „ech Bamberg 90 


Geiſteskrankheit der Eltern rechtfertigt die Anord⸗ 
nung der Zwangserziehung der Kinder nicht, 
kann aber die Vormundſchaft veranlaſſen, von 
dem Rechte Gebrauch zu machen, den Aufenthalt 
des Mündels zu beſtimmen. (Zwangserziehungs— 
geſetz Art. 1, BGB. SS 1631, 1800, I is 


er HA Nutzungsrechte an Familiengütern, 
die i auf Beſtimmungen nach § 104 der VII. 
Verf.⸗Beil. gründen, fallen nicht unter § 1010 
BGB. und deshalb auch nicht unter § 71 der 
VO. vom 23. Juli 1898 über die Fe 
Grundbuchs. 


Sind die 55 26, 27 des Fideikommißedikts 1 
§ 883 BGB. oder andere Vorſchriften des 
neuen ee erſetzt oder find fie noch in 
Geltung? (AG. z. BGB. Art. 135). ObL G. 71 

Bei Veränderungen in dem Beſtand an Wert- 
papieren eines Familienfideikommiſſes gereichen 
Kursſchwankungen der Subſtanz des Fidei- 
kommißvermögens, nicht dem Fideikommißbe— 
ſitzer zum Vorteil oder Nachteile. ObLO. 


Auf die in Art. 84 UeG. vorgefebene Ausſchlagung 
der im BGB. beſtimmten Erbfolge u die 
$5 1912 bis 1957 Anwendung. ObLG. 249 


2. Handelsrecht. 


Bedarf der Gebrauch des Firmenzuſatzes „Dienſt— 
mann -Inſtitut' polizellicher Genehmigung? 
(HGB. 8 18 Abſ. 2, GewO. § 37, PSGB. 
Art. 1520 Beſchwerderecht der Polizeibehörde 
und 148 00, F 80h (in Bayern) im ae 
des 8 143 Abſ. 2 FGG. (SS 20, 199 FG. 

Art. 167 Ziff. XII AG. z. BGB.). O59. 401 


Kann die Firma eines ai auf den Er⸗ 
werber eines einzelnen Geſchäftszweiges über: 
gehen, den der Erwerber zu einem neuen ſelb— 

ſtändigen Handelsgeſchäfte macht? (HGB. 85 22, 

23, 30). Ob “LG. 440 

Verſchleierung des Vermögensſtandes einer Hypo— 
thekenbank durch Nichtangabe abgeſchriebener 
Hypothekenzinſen in Bilanz und Geſchäftsbe— 
richt. (SS 38—40, 240, 261, 271 HGB., 85 24, 
27, 28, 42 Hyp Bank.). OLG. Bamberg 209 

Die Löſchung einer im Handelsregiſtex eingetragenen 
Firma kann im Wege der einſtweiligen Ver: 
fügung nicht angeordnet werden, weil die Löſchung 


1 
d 


G88. | 


einer Firma endgültig wirkt und mit der Natur 
der einſtweiligen Verfügung nur vorläufig wirk⸗ 
ſame Anordnungen vereinbar ſind. Auch bei der 
Erlaſſung einer einſtweiligen Verfügung darf 
über den Antrag nicht hinausgegangen 9 305 


Kann eine offene Handelsgeſellſchaft durch Mehr⸗ 
heitsbeſchluß der „ liSohet aufgelöſt werden? 
(HGB. 88 119, 109). Ob G. 187 

Bertetungebefunis der Ehefrau im Erwerbs⸗ 

eſchäft des Ehemanns. Auslegung des 8 344 
gOS, Stillſchweigende e 
(5 1959 BGB.). LG. München I 50 


Auch eine nur „proviſoriſche“ und „formelle“ 
Zeichnung von Aktien bindet den 3eichnenben 
gegenüber der Aktiengeſellſchaft. RG. 269 


Haftung der Gründer einer Aktiengeſellſchaft für 
Zuſagen an die Aktiengeſellſchaft, die ſie vor 
oder bei der Gründung gegenüber den Mit⸗ 
aründern abgegeben haben, die aber in das 
Statut nicht aufgenommen wurden (HGB. 
$$ 202 mit 186, 585 213 a und 209 b des 
Allg. Deutſchen HGB. Ob“ G. 359 

Klage auf „Abnahme“ a an den Käufer abge- 
lieferten, von dieſem zur Verfügung geſtellten 
und bei einem Spediteur hinterlegten Ware. 

OLG. Zeibrücken 48 


Eigentumsübergang beim Verſendungskauf. Zurück⸗ 
behaltungsrecht an der vom Käufer zurück- 
gewieſenen Ware. Bedeutung des Frachtbrief 
duplikats. Erwerbung eines ee, a 


verſendeter Ware. 289 


3. Wechſelrecht. 


Zweifel über die Perſon des Wechſelſchuldners, 
wenn der Ehemann der Prokuriſt ſeiner Ehefrau 
iſt und mit viniem Namen gezeichnet hat, den 
auch feine Frau als Firma führt. Beſchränkte 
Wirkung der Rechtskraft in ſubjektiver Be- 
ziehung. RG. 205 
Unter welchen Vorausſetzungen haftet der Mann 
aus den von der Frau mit ſeinem Namen unter— 
zeichneten Akzepten? RG. 462 
Zur N der Rechte des Wechſel— 
inhabers iſt auch permas befugt, deffen — 
undurchſtrichenes — Blankoindoſſament dem 
ſeine Legitimation begründenden Indoſſamente 
nachfolgt. RG. 288 
Abtretung einer durch eine Hypothek geſicherten 
Wechſelforderung nach Zahlung der Wechſel⸗ 
ſumme. Verhältnis der abgetretenen Forde— 
rung zu der zivilrechtlichen Regreßforderung 
des Erwerbers. Wirkung der teilweiſen Be⸗ 
friedigung der Regreßforderung durch einen 
Zwangsvergleich. OLG. Augsburg 250 


4. Urheberrecht u. dgl. 


Die nach dem WZ. ftrafbare Anbringung von 
Druckvermerken und Etiketten auf u Um: 
Ian iſt nicht ein Preßvergehen i. S. des 
86 CG. z. GVG. und des Art. 35 AG. 3. 

OLG. 250 


5. Genoſſenſchaftsrecht. Verſicherungsrecht. 
Haftpflichtrecht. 
Zu 8$ 29, 42, 45 des Gef. betr. die G. m. b. H. 
und 88 35, 162 BGB. OLG. Nürnberg 26 


Zum a des Betriebsunfalls im Sinne des 
HaftpflG RG. 


— 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift 


1. Erforderniſſe pa” die pea virpa Ate bindenden 
Fine i. Gew G. 
Unfall eines Propiſtong-Reiſenden, der 8 
Aber ed im Fabrikbetriebe tätig wird. RG. 20 
Zum Begriffe des land⸗ oder cee 
Nebenbetriebs. . 106 
Auslegung von Haftpflicht⸗Verſicherungs⸗ a 
gungen. RG. 105 
a nn. der i 
wenn der To „ durch „Verhebung“ 
verurſacht worden iſt. — Beurteil un der Recht⸗ 
zeitigkeit der an die Verſicherungsgeſellſchaft zu 
erſtattenden Todesanzeige nach den Grundſätzen 


für Rechts pflege in Bayern. 


über Treu und Glauben. RG. 339 


Bericht, eine Ver uiotung der Verſicherungsgeſell⸗ 

chaft, den Pfandgläubiger einer Police von 

LE Nichtzahlung der fälligen Prämie des 
Pfandſchuldners in Kenntnis zu ſetzen? RG. 379 

Welche er find bei Prüfung der Verwechſe⸗ 

lungs fähigkeit zweier Warenzeichen in Betracht 
zu ziehen? RG. 20 


6. Zivilprozeß. Gerichtsverfaſſung. 
Zur Auslegung des 8 5 ZPO. OLG. München 442 
Auslegung des 8 29 BVO. OLG. Bamberg 150 
Tragweite des 8 68 ZPO. Erfüllt die Feſtſtellung 
des Notars in einem Teſtamente, der Erblaſſer 
habe erklärt, daß das Schreiben ihn ſehr an⸗ 
568.5 8 die e des § 2242 Abſ. 2 
Haftung des us für den durch 
einen Notar berurfachten Schaden. (Art. 126 
NotG. von 1899; $839 Abſ. 1 BGB.). Obs G. 225 
Die Auslagen für ärztliche Gutachten zur Bor: 
bereitung der Klage können zu den Prozeßkoſten 
gehören. LG. Memmingen 321 
Ganggebühr (8 91 3 NO.). LG. München I 131 
geari der feſtzuſetzenden nn (SS 104, 788 
3PO.). G. München 1 111 
Bedeutung des FE bei Bus 
Me ungen uon Amts wegen. (8 212 Abſ. 1 der 
che Folgen hat das Fehlen des 
ae it Folgen eine e An: 
gabe des Datums der Zuſtellung? RG. 222 
Der Generalagent kann Generalbevollmächtigter 
der von ihm vertretenen Geſellſchaft und nach 
§ 173 ZPO. zur eee von Zu⸗ 
en befugt fein. LG. Zweibrücken 250 
Zu 8 280 ZPO. NG. 144 
veglaubigung der Abſchrift einer Klageſchrift, 
welche die Terminsverfügung des Vorſitzenden 
zwiſchen Ueberſchrift und Sachvortrag eingerückt 
enthält. G. Zweibrücken 294 
Begründung des Urteils in Anſehung der Beweis⸗ 
würdigung. RG. 437 


Umfang der Rechtskraft. 0 fung des Eides über 
eine Genehmigung. (3 $$ 322, 345, 19 w 
Koſten eines mit le erwirkten 3 
urteils (S 344 ZPO.). OLG. Bamberg 443 
R Bredt des Inhabers einer 
el nach § 383 Ziff. 5 und § 384 Ziff. 3 
OLG. Bamberg 228 
Dane nung eines Sachverſtändigen wegen früherer 
eußerungen über die Anſprüche einer Partei 
und den mutmaßlichen Ausgang des Rechts- 
ſtreits. RG. 269 
Der Umſtand, daß in der Berufungsſchrift das 
angefochtene Urteil nicht genügend bezeichnet iſt, 
iſt unſchädlich, wenn nach den Umſtänden des 


Der Formvorſchrift des 8 569 Abf. 2 


— ——U— —— ͤ ꝛ— —'³—ñ.—— — 


Neuer Vermögenserwerb. 


N 


Falles ein Zweifel darüber nicht möglich ift, 
auf welches Urteil ſich die Berufung bezieht. RG. 143 


Wird während der Anhängigkeit eines Rechtsſtreits 
in der eee zunächſt von einer Partei 
die Zurücknahme der Klage und ſpäter von der 
anderen die Zurücknahme der Reviſion erklärt, 
ſo kann die letztere ein Urteil über den Koſten⸗ 
punkt vom Reviſionsgerichte nicht mehr ver⸗ 
langen. RG. 


Berechnung der Reviſionsſumme, wenn der Be⸗ 
klagte zur Rechnungsſtellung über die Führun 
der Geſchäfte einer mehreren gemeinſchaftli 
5 Ziegelei verurteilt worden iſt und 
eviſion eingelegt hat. (ZPO. 8 0 1). a 


der BROD. 
ift nicht genügt wenn der Beſchwerdeführer 
war die Beſchwerde zu Protokoll des Gerichts⸗ 
ſchreibers des OLG. erklärt, zur Begründun 
aber auf ein Schriftſtück verweiſt, das er 111000 


43 


verfaßt hat. 


Die Klage, durch die ein Entmündigungsbeſchluß 
angefochten wird, iſt auch dann gegen den An⸗ 
tragſteller zu richten, wenn dieſer nach der Er- 
laſſung des Beſchluſſes ſein A ver⸗ 
loren hat. RG. 


Hängt die Fälligkeit eines Hypothekkapitals davon 
ab, daß der Schuldner die Zinſen nicht recht⸗ 
zeitig zahlt, ſo darf die Vollſtreckungsklauſel 
zu dem Hypothekenbriefe nicht deshalb ver- 
weigert werden, weil der Verzug nicht nad: 
gewieſen iſt. Ob G. 223 

Vollſtreckbarkeit öſterreichiſcher Urteile in Deutſch⸗ 
land. Prüfung der Zuſtändigkeit der aus⸗ 
ländiſchen Gerichte. RG. 

Gegen den mit ſeiner Frau im Güterſtande des 
BGB. lebenden Mann kann der Notar dem 
Hypothekgläubiger die Vollſtreckungsklauſel auf 
Duldung der Zwangsvollſtreckung in das An⸗ 
weſen aus der vor Anlegung des Grundbuchs 
aufgenommenen Hypothekurkunde nicht erteilen, 
wenn nicht die Erklärung des Mannes vorliegt, 
daß er die omang DuER dumm bewillige 
(Not G. v. 1899 Art. 45; BVO. § 739, 8 5 
Abſ. 2; A0. z. BGB. Art. 166 Abſ. 2; PE 
BVO. u. KO. Art. 128, 136; UeG. e 


Fallen Schauſteller unter 8 811 Nr. 5 ZPO.? 
Entbehrlichkeit von Erſatzſtücken. LG. München 1 151 
Kein Anſpruch auf eine vom Eigentümer vorbe— 
haltene Rangſtelle für eine Vollſtreckungshypothek. 
e der F Ueberweiſ lung 
des Rechtes auf eine vorbehaltene Rangſtelle 
(HG. 8150, u z. SubhO. Art. 40, BGB. 
§ 881, ZPO. 8 866). Ob“ G. 208 
Vorausſetzungen für die e eines Wider⸗ 
ſpruchs gegen eine Hypothek auf Antrag eines 
Gläubigers des Eigentümers, der die Pfändung 
der angeblichen Eigentümerhypothek und des 
Anſpruchs auf Berichtigung des Grundbuchs 
ſowie die Ueberweiſung der gepfändeten An- 
ſprüche zur DN erwirkt hat. (BGB. 
SS 894, 899; ZPO. 8 836). Obs G. 
Fortwirkung des an im unge 
eidsverfahren. (SS 900, 901 BBE 
LG. München 1 72 
($ 903 3] O.). 
OLG. München 111 
Zuſtändigkeit der Kaufmannsgerichte. RG. 479 


Zuſtändigkeit für die Beſchwerde gegen Ver⸗ 
weigerung der Rechtshilfe nach § 172 Inv. 
LG. Bamberg 211 


245 


106 


313 


207 


XII 


I. Syſtematiſches Verzeichnis 


7. Konkursverfahren. 


Der Konkursverwalter iſt nicht berechtigt, Zubehör⸗ 
ſtücke eines mit Hypotheken belaſteten Grund⸗ 
ſtückes des Gemeinſchuldners zu veräußern und 
den Erlös zur Maſſe zu ziehen, falls die Ver⸗ 
äußerung nicht durch die Regeln einer ordnungs⸗ 
mäßigen Wirtſchaft geboten ift. Die Hypothek⸗ 
gläubiger können den Erlös aus der Maſſe 
zurückfordern, auch wenn ſie der Veräußerung 
nicht widerſprochen haben. RG. 


Beweislaſt im Falle des § 30 Ziff. 2 KO. Zahlungs- 
einſtellung durch Flucht des Gemeinſchuldners. 


OLG. Bamberg 403 


Wirkung der Konkursanfechtung A den formellen 
Beſtand einer Pfändung. 


G. München 1 170 


Zur Auslegung des § 127 KO. OLG. München 442 


Hat während eines inländiſchen Konkursverfahrens, 
das durch Zwangsvergleich beendet wurde, für 
die zum Konkurs angemeldete Forderung des 
Gläubigers auch eine Zwangsvollſtreckung im 
Auslande ſtattgefunden und iſt hierdurch ein 
Teil der Forderung beigetrieben worden, ſo 
braucht ſich der Gläubiger den Teil nicht auf 
die ihm durch den Zwangsvergleich zukommende 
Dividende anrechnen zu laſſen. Territorialität 
des e (KO. 8 193, 8 237 Abſ. 5 15 50). 


bL G. 272 


8. Zwangsverſteigerung. 


Abänderung des § 10 ZwVG. durch Vereinbarung. 
LG. München 
Wirkung des Zuſchlags in Anſehung der Beſtand⸗ 
teile und des N Feſtſetzung eines Weg- 
nahmerechts im Beſchl nije über den Zuſchlag. 
Ausle egung des Beſchluſſes. Berückſichtigung 
der Vorgänge des Verſteigerungstermins bei 


171 


der Auslegung. Rechtliche Natur des Zuſch gs 
RG. 267 


Schickſal einer zur Sicherung des Anſpruchs auf 
Auflaſſung eingetragenen Vormerkung in 
Zwangsverſteigerung. R 

Von welchen Grundſätzen iſt bei der Bemeſſung 
des Werts einer Grunddienſtbarkeit auszugehen, 
die durch den Zuſchlag in der Zwangsver⸗ 
ſteigerung erloſchen iſt und für die Erſatz aus 


der 
G. 1 


dem Verſteigerungserlöſe zu gewähren iſt? RG. 306 


Bedeutung der Löſchungsvormerkung (8 1179 


BGB.), insbeſondere in der eee 
RG. 417 


rung. 


1. Steht eine auf Grund des § 935 ZPO. ange: 
ordnete e unter den Regeln 
des Zw G.? 2. Vorausſetzungen für die Ges 
währung des Vorrechts nach § 10 Nr. 1 105 


9. Freiwillige Gerichtsbarkeit. 


Unter welcher Vorausſetzung iſt die ſofortige 
weitere Beſchwerde zuläſſig, wenn die Vorin⸗ 
ſtanzen die Eintragung eines Vereins in das 
Vereinsregister zurückgewieſen haben? (BGB. 
§ 60 Abſ. 2; BPO. 8 678 Abſ. 2). 

Die Anordnung einer Abweſenheitspflegſchaft kann 
vom Prozeßgegner des Abweſenden nicht mit 
Beſchwerde angefochten werden (§ 20 FGG.). 


479 


Ob“ G. 341 


ObLO. 341 


Beſchwerderecht des nach früherem Rechte ge⸗ 
ſchiedenen Ehemannes in einer Angelegenheit, 
welche die Sorge für die Perſon eines aus der 
geſchiedenen Ehe hervorgegangenen Kindes be— 


j 


398 


l 
| 
l] 


Beſchwerderecht des wegen Geiſtesſchwäche Ent: 


trifft, deſſen Erziehung durch Vertrag der 
Mutter überlaſſen wurde, wenn die Anord- 
nung der Mutter on Intereſſe des 50055 
nicht entſpricht (8 „Abf. 1 Nr. 9 

EG. z. BGB. Art. 203. 206, BGB. 8 1635 
Begründet das Zuſammenleben einer en 
Ehebruchs geſchiedenen Frau mit dem Manne, 
mit dem ſie die Ehe gebrochen, aber ohne Be⸗ 
freiung von dem Verbote des § 1312 BGB. 
im Ausland eine neue Ehe geſchloſſen hat, den 
Vorwurf des amta Verhaltens im Sinne 
des § 1666 Abi. 1 BGB. ObLO. 


mündigten a) in feinen perſönlichen Verhältniſſen, 
b) in ſeinen Vermögensangelegenheiten (8 114 
BGB.; SS 59, 63 FGG.). ObLO. 


Kann bet Erbſchaftsvermächtnisnehmer im Ber- 
0 8 über den Nachlaß des Beſchwerten die 
auf Antrag der Erben angeordnete Nachlaß⸗ 
verwaltung mit Beſchwerde e (BGB. 
§ 2062; FGG. § 57 Abſ. 1). Ob LG. 

Die Auseinanderſetzung des Nachlaſſes darf nicht 
dadurch gehindert werden, daß möglicherweiſe 
unermittelte Abkömmlinge von erbberechtigten, 
für tot erklärten Verſchollenen vorhanden ſind. 
(Nachlaßgeſetz Art. 3, FGG. § 86). Obs G. 

Beſchwerderecht in Nachlaßſachen; Zuſtändigkeit 
des Nachlaßgerichts, wenn der Tod des Erb⸗ 
laſſers oder die Zugehörigkeit von Vermögens⸗ 
teilen zum Nachlaſſe beſtritten ift (FGG. SS 80, 
86; NachlaßG. v. 1902 Art. 4, 5). 


Kann der Prinzipal vom Regiſtergericht oder dem 
vorgeſetzten Landgerichte die Löſchung der 
Firma erwirken, unter der ohne ſeine Genehmi⸗ 
gung ſein Handlungsgehilfe während des Dienſt⸗ 
verhältniſſes ſich hat im Handelsregiſter als 

nhaber eines e e 142 
laſſen? (G GB. 88 29, 60; FG. 8 . 


10. Grundbuchweſen. 


Beſtimmtheit der Bezeichnung der Forderung bei 
Sicherungshypotheken; Umfang der Vorlage— 
pflicht für Abſchriften. 

Unter dem Eigentümer, deſſen Zuſtimmung nach 
8 22 Abſ. 2 GBO. zur Berichtigung des Grund- 
buchs erforderlich iſt, iſt nicht der eingetragene 
Eigentümer zu verſteben, ſondern wer als Eigen⸗ 
tümer eingetragen werden ſoll. Notwendigkeit 
der Zuſtimmung des eingetragenen Eigentümers 
trotz § 22 Abſ. 1 GBO. Ob 

Vorausſetzungen für die Eintragung der Pfändung 
einer i in das Grundbuch 
(S 40 ObLO. 

Wie kann eine nach älterem Rechte auf Veran⸗ 
laſſung des Nachlaßgerichts im Hypotheken— 
buche (nun Grundbuch) eingetragene unrichtige 
e geändert werden? A 

6, § 22. 


11. Gerichtskoſten. Gebühren. 


Zur Anwendung der 88 12 Abſ. 2, 13 Abſ. 3 
GKG.; Begriff der weiteren Seſcwerde im 
Falle des 8 571 Halbſatz 1 BVO 


421 


224 


318 


146 


Ob G. 361 


481 


LG. München 1 230 


315 


208 


be G. 466 


OSG. München 190 


Vergleichsgebühr (S 21 GKG.). 
Entſchädigung der ärztlichen Sachverſtändigen für 

Aktenſtudium. OLG. München 
Aerztliche Sachverſtändigengebühren. 


LG. München 1 131 


72 


LG. München I 210 


au 


Gebühr für die Eintragung von vier Geſamt⸗ 
prokuriſten einer Aktiengeſellſchaft in ſechs 
vom gleichen ee für ebenſoviele 
i geführte Handelsregiſter. 


GebG. (n. F. von 1906) Ar 55, 56, 57. 
i ObLO. 381 


Gebühr für eine außerhalb Bayerns beurkundete 
Zeſſion einer in einem bayeriſchen Grundbuch 
eingetragenen Hypothek. (GebG. in d. F. von 
1899 Art. 119, 155: NotGebO. Art. 17 88 a 


Keine Verpflichtung zur Entrichtung der Beſitz⸗ 
e bei Auflöſung einer aus 
Vater und Sohn beſtehenden offenen Handels⸗ 
geſellſchaft durch den Tod des Vaters und Ueber⸗ 
gang des Geſellſchaftsvermögens auf den über: 
8 Geſellſchafter (Art. 213, 214 Geb. 

d. F. vom 6. Juli 1892, Art. 253 und 253 
b. F. vom 28. April 1907). VGH. 230 

Gehört die Beſitzveränderungsgebühr für ein im 
Wege der Erbfolge erworbenes Grundſtück zu 
den e A en 2 Beſchränkt ſich 
die Haftung des Erben für ſie auf den Nachlaß, 
wenn die Nachlaßverwaltung angeordnet oder 
der ee eröffnet iſt? (SS 1967, 1975 
BGB.) VG. 275 

Wertangabe zur Berechnung der Teſtaments⸗ 
gebühr des Notars (Notariatsgebührenordnung 
Art. 27). ObLO. 


Auslegung von Urkunden zum Zwecke der Beſtim⸗ 
mung der Staatsgebühren. Berückſichtigung 
von Umſtänden, die nicht aus der Urkunde 
hervorgehen (Geb. Art. 48, BGB. 9 855 as 


Zuſtändigkeit für einen Streit über Beſitzverände⸗ 
rungsgebühren, die nicht auf einer notariellen 
Urkunde, ſondern unmittelbar auf dem Geſetze 
beruhen. (GebG. Art. 247, 248, 47). ObLG. 


23 


12. Strafrecht. 
A. Neichsrecht. 
a) Strafgeſetzbuch. 


1. Allgemeiner Teil. 


Zweck der Strafe iſt nicht nur die Sühne ſondern 
auch die Abſchreckung. Dieſer Zweck darf bei 
der Strafzumeſſung berückſichtigt werden. RG. 247 

Kann der Eigentümer eines Kraftwagens für die 


von dem Chauffeur begangenen Uebertretungen 
ſtraßenpolizeilicher Vorſ riften alle 


AJunuhaltsverzeichnis der r Jeitſchrift fi für Rechtspflege in Bayern. 1 1908. 


2. Beſonderer Teil. 

Verurteilung nach 8 95 StGB. ohne Ermittelung 
des Wortlauts oder Inhalts der gebrauchten 
als „grobe Schimpfworte“ gekennzeichneten Aus⸗ 

rücke. RG. 108 


Drohung im Sinne des $ 114 StGB. RG. 86 
Begriff des 5 nach § 174 Abſ. 1 Nr. 1 
StGB. (Bayern). RG. 420 


verantwortlich gemacht werden? Ob G. 128 


Strafrechtliche Verantwortlichkeit des in 195 
Kraftfahrzeuge fahrenden Eigentümers hit ſtraf⸗ 
bare Handlungen des Führers. Obe 

Eigentliche und vermeintliche Notwehr (88 53, 59 
StGB.); in der Sachlage begründete Not— 
wendigkeit, ſich über 8 53 Abſ. 3 StGB. aus: 
zuſprechen. RG. 

Notwehr ge gen den Angriff eines Tieres. ($ 53 
StGB.). Putativnotwehr (E 228 BGB.). Irrtüm⸗ 
licher Glaube hinſichtlich einer drohenden Ge⸗ 
988 deren Abwendung im Sinne des $ 228 


45 


bLG. 342 
Urkundenfälſchung durch Fertigung eines eigen⸗ 


Obs G. 48 


Schwerſte Strafe im Sinne des 8 73 StGB. RG. 271 


Zur Sa denung des 8 79 StGB. und des 8 492 
SPD. ObL G. 362 


Wie iſt die Strafe innerhalb des geſetzlichen Sr 
rahmen zu gemener, RG. 439 


Vornahme unzüchtiger Handlungen mit einer Perſon 
unter 14 Jahren ($ 176 Nr. 3 StGB.). RG. 340 


Mit Gewalt vorgenommene unzüchtige Handlungen 
(5 176 Nr. 1 StGB.). RG. 


Unter welchen Vorausſetzungen ſind photo— 
graphiſche Darſtellungen nackter menſchlicher 
Körper unzüchtige Abbildungen? RG. 10 

Nach welchem Geſetz iſt die Strafe bei einem 
unter mildernden Umſtänden verübten Ver⸗ 
brechen nach Ss 177, 43, 176 Nr. 3, 8 73 StGB. 
zu bemeſſen? RG. 223 


Sind Verſuchshandlungen zur Notzucht 8 177 
StGB.) ſtets e Handlungen im Sinne 
des § 176 Nr. 1 StGB.? RG. 481 


In dem Beflaggen des Hauſes beim Umzuge Een 
Perſon kann eine Beleidigung liegen. VOLG. 169 


Idealkonkurrenz zwiſchen § 187 und § 185 nn 8 
Innere Vorgänge als Umstände des 8 193 ea ? 55 


Wahrung berechtigter Intereſſen durch einen Be⸗ 
laſtungszeugen gegenüber einem Entlaſtungs⸗ 
zeugen in der Hauptverhandlung. Ob G. 422 


Wahrnehmung berechtigter Intereſſen' für einen 
Auftraggeber. Einfluß des Irrtums über Die. 
Beweggründe des Auftraggebers. Ob LG. 3 


Zum Begriffe des „hinterliſtigen Ueberfalls“ 1 
der „das Leben gefährdenden Behandlung“ im 
Sinne des § 223a StGB. RG. 465 

Wee der nach $ 257 oder § 346 StGB. 
ſtrafbaren an 2 ($ 264 StPO.). RG. 167 


Unterſchlagung. egriff der „fremden Sache“. 
Bewußtſein De echtswidrigkeit. In der Be: 
auptung, „es handle ſich nur um zivilrechtliche 
nſprüche“, liegt ein Beſtreiten dieſes 7291 0 
ſeins. Ob LG. 293 
Abtretung einer künftigen Forderung, die 1 un⸗ | 
abtretbar zur Entſtehung gelangt. Betrug durch 
Verſchweigung dieſes letzteren Umſtands. Ver— 
Ae ($ 263 StGB.; 559. 399, 
402 BGB RG. 
Kann der 1 haftende Geſellſchafter einer 
Kommanditgeſellſchaft im Sinne des 8 266 
Nr. 2 StGB. Bevollmächtigter der eee 
und 85 Geſellſchafter ſein? H. 480 


Urkundenfälſchung durch Durchſtreichung eines nn 
trags in einem Kontobuch ($ 267 StGB.). RG. 291 


20 


händigen Teſtaments mit dem Willen des 

Teſtators ($ 267 StGB., § 2231 Nr. 2 BO A 
enne — 100 — Rechtswidrige Abſicht 

(S 267 StGB RG. 290 


* (SS 267, 268 Nr. 1 StGB.. 
RG. 206 

Telephoniſch aufgegebenes Telegramm als beweis— 
erhebliche Urkunde (§ 267 StGB.). RG. 166 


Veränderung des Inhalts einer Urkunde als Be— 


ſchädigung; ſpätere Wiederherſtellung des ur: 
ſprünglichen Inhalts (S 274 Nr. 1. 8 267 
StGB.). R. DIS 


Beiſeiteſchaffung von Vermögensbeſtandteilen (8 288 
StGB.). RG. 45 


n . — Wee 
(8 288 StGB.). RG. 145 


Eigentum an dem Gas, das noch im Leitungsrohr 
ſteht, aber bereits die Gasuhr paſſiert hat. 
Miteigentum. Sachbeſchädigung an dieſem Gas 
durch Einpumpen von Luft. Berechtigung zum 
Strafantrag. ObLO. 190 


Zu § 328 StGB. Obe G. 128 


Zum Begriffe 5 a ung von Gefangenen im 
Sinne 5 34 Was gehört zum 
Vorſatz? RG. 439 


Iſt ein in eine öffentliche Nee EIRO Datter 
BEENDEN I Geiſteskranker ein Ges 
angener im Sinne des § 347 StGB.? RG. 465 


§ 363 oder § 267 StGB.? RG. 21 


Zum Tatbeſtande des Mundraubs (8 370 Nr. 5 
StGB.). Verletzung des $ 266 Abſ. 2 St 
Aufhebung des Urteils auch zugunſten der ver- 
urteilten Hehler nach $ 397 StVO. RG. 312 


b) Nebengeſetze. 


Verjährung der Fahnenflucht. (S 76 RMStGB. 
mit 8 67 Abſ. 2 R StGB. und Art. II 8 3 des 
RGeſ. vom 11. Februar 1888 betr. Aenderung 
der PEON Die Verjährung beginnt mit 
dem 1. April, nicht dem 31. März desjenigen 
Kalenderjahres, in dem der Wehrpflichtige das 
39. Lebensjahr vollendet. Reichsmilitärgericht 231 


1. Verpflichtung der Geſchäftsführer einer Geſell⸗ 
ſchaft m. b. H. zu kaufmänniſcher Buchführung. 
2. Wann liegt Unterlaſſung der Führung von 
AE nchen vor? RG. 42 
Pflicht zur Aufſtellung einer Eröffnungsbilanz bei 
der Eröffnung eines Vollkaufmanngeſchäfts trotz 
bisheriger Bilanzziehung in einem nicht buch⸗ 
fübrungspflichtigen Betriebe (8 240 Nr. 4 K O., 


88 1. 2 ip 39 HGB.). R G. 290 
Verjährung von ee (S 22 des Ru 
vom 7. Mai 1874). 464 


Verhältnis des 1 zum 8 
eſetz und insbeſondere des § 9 des eriten 5 
ſetzes zum $ 155 VBO. im Falle des § 2 lit. b 
RG. 27¹ 
Herſtellung von Backwaren mit Margarine und 
Palmin ſtatt Butter. Oertliche Uebung. Kennt— 
nis des Publikums hiervon. Feſtſtellung dieſer 
Kenntnis. Obe G. 89 


Herſtellung von Backwaren mit Margarine und 
Palmin. Kenntnis des Publikums. Subjektive 
Tatbeſtandsmerkmale der SS 10, 11 NG. und 
des § 367 Nr. 7 StGB. Obs G. 342 


Zum Weingeſetz. RG. 184 


Altes und neues Weingeſetz. Die Höhe der Ver— 
kaufspreiſe rechtfertigt den Schluß, auf Waſſer⸗ 
zuſätze. Fortgeſetztes Vergehen bei Verfehlungen 
gegen das alte und neue Weingeſetz. Welches 
Geſetz gibt Maß für die anzuwendenden Straf— 
e ? Iſt der Zuckerzuſatz (unter 
der Herrſchaft des alten Wetngeje ges), der nur 

ur Vermehrung nicht zur Verbeſſerung erfolgt, 
erfälſchung im Sinne des RM., auch wenn 
die Grenzzahlen eingehalten ſind? RG. 126 

Auslegung des Abſ. III des § 3 WeinG.; Ver: 
wendung von Treſterwein zur Bereitung von 
Wermutwein und Wermutlikör; Möglichkeit 
der Verwechslung von Treſterwaſſer mit 910 5 


G. 465 


JI. Syſtematiſches ches Verzeichnis. 


Geſchichtliche Entwickelun 


—— — — —— ——ͤ1—— ——— — m' — — — 


Die in 8 139 GewO. vorgeſehene Mittagspauſe 
von mindeſtens 1 Stunden muß auch an 
Sonntagen trotz der verkürzten ee. ge 
währt werden. b G. 110 


Zum Begriff der ie 
Geſetzes vom 4. Juli 1905, betr. die? 
öffentlich veranſtalteten Pferderennen). 


G8 3, 6 des 
etten bei 
RG. 


B. Landesrecht. 


Zur Auslegung des Art. 58 PStGB.  ObLG. 209 


Kann eine von einem unbekannten Schützen ge⸗ 
ſchoſſene, vom Jagdpächter in Beſitz N 
Rehgeiß, oder der von ihm dur erkauf er⸗ 
zielte Erlös gemäß Art. 125 Abi. 3 PStGB. 
eingezogen werden? Können die den Ein⸗ 
ziehungsintereſſenten erwachſenen notwendigen 
Auslagen der „Staatska e überbürdet werden? 
(S8 449 Abſ. 2, 478 Mbl. 3 StPO.). Ob LG. 362 


i- 55 ee im Sinne des 8 117 
RG. 438 


eg in, Bayern Beſchädigungen von ſtehendem 
Holze im Walde als Sachbeſchädigungen mow. 
§ 303 StGB. ſtrafbar fein? RG 


Bayeriſches Vereinsgeſetz. Politiſcher . 
effentliche Angelegenheiten i. S. des Vereins⸗ 
rechtes. Der Zweck eines Vereins iſt nicht 
allein nach dem Inhalt der Statuten, ſondern 
auch nach der Abſicht zu beurteilen, die die 
Vereinsangehörigen erreichen wollen. ObL G. 274 


Verpflichtung des Trödlers zur Führung des 


Geſchäftsbuches, auch wenn er gleichzeitig noch 
ein Großhandelsgeſchäft mit den gleichen Gegen⸗ 
ſtänden betreibt. Unmöglichkeit der Ausſcheidung 
zwiſchen großen und kleinen Geſchäften. ObLG. 24 


| Ausſchank des „eigenen Erzeugniſſes“ 998 ſog. 


Kommunbrauer. LG. 148 


und rechtliche Grund⸗ 
lagen der Theaterzenſur in Bayern. Welche 
Strafvorſchrift iſt bei Zuwiderhandlungen ae 
Konzeſſionsbedingungen anzuwenden? Ob LG. 


Geſchichtliche Entwickelung des Lotterie⸗ „ 
Begriff der „in Bayern nicht zugelaſſenen 
Lotterie“. Ob“ G. 227 


Zum Hundegebührengeſetz. Ein Dienſtmädchen, 
das den Hund ihrer nicht in Bayern wohnenden 
Dienſtherrſchaft mit ſich nach Bayern nimmt, 
muß den Hund innerhalb der geſetzlichen Friſt 
anmelden, auch wenn ſie nur vorübergehend in 
Bayern verweilt. Verſchulden. Ob LG. 383 


Zur Bauordnung. Wann liegt eine bauliche Anlage 
in einem Dorfe vor? Feſtſetzung der Baulinie; 
Wirkung dieſer Feſtſeung: fortdauernde Wir— 
kung des Beſchluſſes; Fehlen des Bauplanes; 
Wirkung des Umſtandes, daß eine Mauer zum 
Teile im Dorfe, zum Teile außerhalb des Dorfes 
errichtet wird. Obs G. 402 

Zur Bauordnung. Verſchulden bei falſcher Aus- 
kunft durch den Diſtriktstechniker. „Beſondere 
techniſche Vorſichtsmaßregeln“ des 8 7 Biff. 2. 
Ein Urteil, durch welches im objektiven 
Verfahren der Polizeibehörde die Beſeitigungs— 
befugnis nicht zuerkannt wurde, begründet nicht 
den Einwand ne bis in idem für die Straf— 
verfolgung nach 8 367 Nr. 15 StGB. Ber: 
jährung. Obs G. 467 

„Oeffentlicher Verkehr“ i. S. der Maß- und Ger 
wichtsordnung vom 17. Auguſt 1868, Art. 10; 
„Zum Gebrauche im Gewerbe geeignete Maße“ 
i. S. des 8 369 Nr. 2 StGB. Ob“ G. 482 


13. Strafprozeß. 


Mitwirkung eines nach § 22 Nr. 4 StPO. aus- 
geſchloſſenen Richters bei dem Beſchluß 1 
die Eröffnung des Hauptverfahrens. RG. 


Können Geiſteskranke als Zeugen vernommen 
werden? RG. 43 


Beweislaſt des Angeklagten im lee 
$ 186 StGB. G. 
Begriff des ſchriftlichen Strafantrags (8 156 Abſ. 2 
StPO.). RG. 45 


Zu § 170 StPO. OLG. München 483 


Die vom Staatsanwalt erhobene öffentliche Klage 
kann noch zurückgenommen werden, wenn das 
Gericht nach Einreichung der Anklageſchrift 
die Vornahme einzelner Beweiserhebungen an⸗ 
geordnet hat ($ 154 StPO.). RG. 481 


Antrag auf Vernehmung eines r 


als Zeuge, gegen den nach 8 203 StPO. wegen 
Abweſenheit das Verfahren vorläufig ein⸗ 
geſtellt ift. (S 243 StPO.). G. 


un ef Ablehnung von Beweisanträgen (8 243 
StPO.). RG. 2 
Wie iſt bei tatſächlicher Unmöglichkeit der Ver⸗ 
nehmung eines geladenen und erſchienenen 
Zeugen 85 der Hauptverhandlung zu verfahren? 
(S 244 StPO.). RG. 420 
Hinweiſung auf die Veränderung des rechtlichen 
Geſichtspunktes. ($ 264 StPO.). RG. 185 
Wann kann angenommen werden, daß das Urteil 
auf einem Verſtoße gegen $ 302 StPO. nicht 
beruhe? RG. 420 


Wiederholte Vornahme einer Prozeßhandlung. 
RG. 145 


Die unzuläſſige Verleſung eines Protokolls in der 
Hauptverhandlung vor dem Schwurgerichte 
kann dadurch unſchädlich gemacht werden, daß 
der Vorſitzende die Geſchworenen anweiſt, das 
Protokoll nicht zu beachten. RG. 247 


Strafzumeſſung unter ſelbſtändiger Feſtſtellung von 
Tatſachen in Schwurgerichtsſachen. Angeblicher 
Widerſpruch mit dem Spruche der Gef ä = 


Unter welchen Umſtänden iſt das Stimmenver⸗ 
hältnis nach Maßgabe des § 307 Abſ. 2 StPO. 


Inhaltsver ze ichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 


A 


1908. 


XV 


bei der Verneinung der Frage anzugeben, ob 
mehrere Taten Durch eine fortgeſetzte Handlung 
begangen ſind? RG. 312 


Vollzug von Zeugenſtrafen (§ 380 StPO.). 
OLG. München 423 


= 88 384, 392 StPO. — Beſchränkung der Re- 
viſion auf einen Teil des Urteilsſpruches. RG. 359 


§ 385 Abſ. 1 StVO. RG. 223 
Beſchränkung der Reviſion auf die Ueberweiſung 
an die Landespolizeibehörde. (8 392 98 i 


Aufhebung des Urteils unter a 11 
Feſtſtellungen (88 393, 394 StPO.). RG. 108 


Strafzumeſſung nach § 398 Abſ. 2 St Bd. in An- 
ſehung der Einzelſtrafen und der eee 7 


Protokollrüge. RG. 145 

Tod des Nebenklägers in der eee 
(§ 442 StPO.). . 185 

Beweisantrag des Nebenklägers. Unzuläffige 555 
wegnahme des Beweisergebniſſes. RG. 21 


7 14. Staatsrecht. Verwaltung. Militärweſen. 


Prüfung der Gültigkeit von Reichsgeſetzen 1 
den Richter. RG 


Kann ein „Inzipient“ einer Gemeindekanzlei in 


Bayern zur Ausſtellung von Invalidenver⸗ 
ſicherungskarten zuſtändig fein? RG. 401 


Wer erteilt in Bayern die Vollſtreckungsklauſel zu 


den Ausſtandsverzeichniſſen der Berufsgenoſſen⸗ 
ſchaften? LG. München 1 151 


Ausübung der Jagd auf ausmärkiſchen Ja 2055 11 
zirken. 
Die Vertretung der Rechtsanwälte durch Rechts⸗ 
praktikanten im Verwaltungsrechtsverfahren. 
VGH. 192 
Haftung des Staates für Baubeamte. VGH. 111 
Zur Ausle egung der 88 13, 45 Nr. 5, 47 des Manns 
ſchafts⸗VerſorgG. v. 31. Mai 1906. 
OLG. München 293 
Zur Auslegung des Reichsmilitärpenſions G. vom 
27. Juni 1871; Verhältnis zum Bo 10 
gefel vom 16. Mai 1868 und 
31. Mai 1901. L den T. 319 


D. Notizen. 


1. Bürgerliches Recht. 
Die Haftung für Tierſchaden 


Geſetz, betreffend die um des e 
proteſtes, vom 30. Ma 


. Geſetz vom 16. Juli 8 die T i m 


Das giſchereigeſetz für das Königreich Bayern 
Die Errichtung der Dorfteſtamente 


2. Zivilprozeß. 


Die Koſten der mec bei der Vernehmung 
von Sachverſtändigen 364 


276 


= 


364 
172 


3. Strafrecht. 


Die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigungen 
Vogelſchutzgeſetz 


152 


276 


Vogelſchutz und Jagdſchutz 444 
Die Beſtrafung roher und unſittlicher Handlungen 132 


4. Strafprozeß. 


Die Anwendung der Zeugniszwangshaft 72 


Vorſchriften über die Unterbrechung der Verjährung 
der Strafverfolgung und der Strafvollſtreckung 52 

Die Bekanntgabe von Vorſtrafen der Angeklagten 
und Zeugen 324 

Die Strafmitteilungen an die öffentlichen Unter— 


ſuchungsanſtalten für Nahrungs- und Genuß⸗ 
mittel 132 


5. Internationales Recht. 


= ea von Perſonenſtandsurkunden mit 
chweiz. Bekanntmachung vom 2. Oktober 
1507 (JM Bl. 1907 S. 418) 52 


XVI I. Syſtematiſches Verzeichnis. 


Die deutſch⸗belgiſche Uebereinkunſt über den Schutz | Die Ausweisung beſtrafter Perſonen. Bet, des 
an Werken der Literatur und Kunſt und an Staatsminiſteriums des Innern vom 27. Januar 
10 0 vom 16. Oktober 1907 (RGBl. | 1908, MABI. ©. 75) 11 
1908 ©. 405) 344 Die Ausſtellung von Leumundszeugniſſen 424 


1 zwiſchen Deutſchland und Italien, i „ 35 = 
betreffend den Schutz an Werken der Literatur Die neuen Vorſchriften über die Polizeiſtunde 1 


Maß⸗ und Gewichtsordnung 296 

d Kunſt > 

ie ee eh 172 | Die ol ugato el zum neuen Waſſergeſetz 

Urbeberrechtsſchutz in den deutſchen Schutzgebieten 484 | Ba 5 = 

ene ai Die Allerh. VO. vom 18. Juli 1908, die Kamin⸗ 
kehrer betr. (GVBl. 1908 S. 363) 324 


6. Inſtizverwaltung. 


Die vorläufige Entlaſſung von Strafgefangenen 404 , 

Die neuen Vorſchriften für die gerichtlichen Leichen⸗ 9. Finanzweſen. 
e (Bek. vom 7. Juli d. Is. el, Die Verwertung eingezogenen an (Bek. vom 
S. 152) 344 18. Januar 1908, IM Bl. S. 2 112 


Verordnung über Apothekerkammern 232 


Aenderung der Dienſtvorſchriften für die Notare 


und die Gerichtsvollzieher 404 10. Handel. Verkehr. 
ie ee der Schreibmaſchine bei den . Die Poſtſcheckordnung für das Königreich Bayern 484 


Die neue Verordnung über die Handelskammern 
Die Aufbringung der Mittel für die Unterſtützung 8 
der 17088 8 400 (Geſetz vom 28. Januar und Handelsgremien 152 
1908, GVBl. ©. 4 112 ne 
11. Statiſtik. 


7. Staatsrecht. Geſchäftsſtatiſtik der Gewerbe- und Kaufmanns⸗ 
Beamtengeſetz 364 berichte für a „ der! ol 7 ng 
miniſterien des Kal. Hauſes und des Aeußern 

C und des Innern Nr. 9 vom 7. Mai 1908) 232 
(GVBl. 1908 S. 352) 324 Die Einberufung von Hilfsreferenten in das Kaiſer⸗ 

| liche Statiſtiſche Amt 152 


8. Verwaltung. 


Das Geſetz vom 6. Juli 1908, den Vollzug des 12. Ufgemeine inriftifhe und recztsvelitiſche 


Vereinsgeſetzes betr. (GVBl. 1908 S. 351) 324 | Gegenſtände. 

Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Aenderungen Die Mitteilungen des bayeriſchen Richtervereins 52 
der Gemeindeordnungen und des Polizeiſtraf⸗ Deutſcher Juriſtentag 296 
geſetzbuchs betr. (GVBl. 1908 S. 353) 323 Pſychiatriſche Ausbildung der Juriſten 92 

Die neue pfälziſche Städteverfaſſung 384 Warnung vor dem juriſtiſchen Studium 364 

Errichtung neuer Bezirksämter 384 Die juriſtiſchen Prüfungen der Rechtskandidaten in 

Die Stellung unter Polizeiaufſicht 364 Preuß ßen 212 


E. Sprachecke des Allgemeinen Dentſchen Sprachvereins. 
Scheinbar, anſcheinend 444 Häufung von Verhältniswörtern (Präpoſitionen) 468 


II. Alphabetiſches Verzeichnis. 


(Die Zahlen bedeuten die Seiten.) 


A. 


Abgeordnete, Strafverfolgung 324 
AbHängigfeitsverhältnis, Begriff 142, 202, 266, 
304, 363 

A b 214 
244 

269 

179, 215, 329 

6 


holzung von Wäldern 
Ablehnung von Geſchworenen 
— von Sachverſtändigen 
Ablöſung von Bodenzinſen 


— des Poſtportos 5 
Abnahme, Begriff beim Werkvertrage 287 
— Klage auf A. 48 
Abriß vom Flußufer 9 
Abſchreckung als Strafzweck 247 
Abſchriften, Vorlegung zum GBA. 230 
Abſicht im Strafrecht 73, 176 
Abſperrungsmaßregel, Verletzung 128 
Abtretung künftiger Forderungen 20 
— von Wechſelforderungen 250 
— von Strichſchillingen 90 


— ſ. a. Uebertragung. 

Abweſenheit als Grund der Einſtellung eines 
Strafverfahrens 125 

Abweſenheitspflegſchaft, Beſchwerde gegen 
Anordnung 341 

Agent als Zuſtellungsvertreter 250 

— f. a. Verſicherungsagent. 

Aktenſtudium, Gebühren des Sachverſtändigen 72,210 

Aktien, Zeichnung 259, 269 

Aktiengeſellſchaft, Haftung der Gründer 


359 
— Geſamtprokura 381 
— Teilnahme von Beamten 393 
Aktphotographien 107 
Akzept f. Wechſel. 
Alveus relictus 11 
Amtsanwaltſchaft in der Pfalz 384 
Amtsärzte, Gebühren 210 
Amtsgerihtlihes Verfahren, Reform 135 
AmtsSpflicht, Verletzung 36 
Amtsvergehen, Idealkonkurrenz mit Untreue 15 
A eee n e ſ. Dienſtgeheimnis. 
Anderung der Klage 308 
Aneignung, Begriff 448 
— Verbote 450 
Anerkennung der Vaterſchaft 202 
— Bereicherung durch A. 105 


— Ĵĵ. a. Schuldanerkenntnis. 
Anfechtung wegen Betrugs und Irrtums 166, 257, 310 
— einer Anerkennung 
— einer Vollmacht 


— der Ehelichkeit 356 
— der Erfüllung einer Vermächtnisforderung 308 
— der Entmündigung 106 


— im Konkurs 170, 403 


Angebot, wörtliches der Schuldſumme 379 
Angeklagter, Beweislaſt im Strafprozeß 87 
Angeſchuldigter als Zeuge 125 
— Verhör bei Unterſuchungshaft 264 
Anklageſchrift, Form 354, 461 


Anlage, Begriff 123 
— zur Ausübung einer Grunddienſtbarkeit 173, 385 
Anmeldung von Hunden 383 
Anmeldungs verfahren f. Grundbuchanlegung. 

Annahme ſtillſchweigende der Erbſchaft 50 
Annahmeproteſt 


Annahmeverzug 379 
Anſcheinend, Unterſchied von „ſcheinbar“ 444 
Anſtalts vormund 153 
Anſtellung ſ. Beamter. 

Anſtiftung, Begriff 75 


Antrag ſ. Strafantrag. 
Anwachſung im Erbrecht 195 


Anzeige, Unterzeichnung mit falſchem Namen 290 
Anzeigepflicht der Beamten 167 
— bei Güterzertrümmerung 179, 214 
Apotheker kammern 232 


Arbeiter, Begriff 84, 142, 202, 266, 304, 362 
— Sonntagsruhe 93, 115 
— Mittagspauſe 110 
— Verbot der Waffenführung 460 
Architekt, Anſprüche aus Bauleitung 275 
Argliſt beim Verkauf 44 
Armenrecht, Verweigerung wegen Verjährung 149 
— Beſchwerde in Armenrechtsſachen 245 
Arreft, Wirkung 303 
Arzte, Gebühren 72, 210 
Aufforſtung 213 
Auflaſſung, Form in Bayern 127 
— an Minderjährige 467 
— Sicherung durch Vormerkung 164 
Auflöſung von Vereinen 324 
— von Schüßengeſellſchaften 104 
— einer offenen Handelsgeſellſchaft 187 


Aufrechnung mit Forderungen aus Börſenge— 


ſchäften 236 
— beim Geldwechſeln 244 
— Behandlung im Prozeſſe 31 
Aufſichtsbeſchwerde f. Beſchwerde. 
Aufſichtsrat, Zugehörigkeit von Beamten 393 
Auseinanderſeßzung des Geſamtguts 292 
— des Nachlaſſes 146, 292, 416 
— zwiſchen mehreren Mündeln 16 


Ausführung ſtrafbarer Handlungen, Begriff 73, 99 


Ausgleichung von Vorempfängen 19 
— bei Gemeinſchaftsverſteigerung 102 
Ausgrabungen. Genehmigungspflicht 384 
Auskunfteiinhaber, Zeugnisverweigerung 229 
Auslagen, Erſatz im Prozeß 40 
— der Einziehungsintereſſenten 362 
Ausland als Tatort bei Weinfälſchung 184 
— Wirkung des Konkurſes im A. 273 
— Vollſtreckbarkeit von Urteilen 419 
Auslegung von Mietverträgen 90 
— von Kartellverträgen 418 
— von Geſellſchaftsverträgen 246 
— letztwilliger Verfügungen 182 
— von Verſicherungsverträgen 105 
— von Urkunden bei Gebührenberechnung 186 


XVIII 

Auslegung des Zuſchlagsbeſchluſſes 267 
Auslieferung an Ungarn 252 
Ausmärkiſche Bezirke, Jagd 111 
Ausſchlagung nach dem Ue. 249 
Ausſetzung der Hauptverhandlung 469 
Ausſpielung, Konzeſſionspflicht 227 


Ausſtandsverzeichniſſe der Berufsgenoſſen⸗ 


ſchaften 151 
Ausſteller einer Urkunde, Begriff 291 
Ausweiſung, Vollzug 112 
Automaten zum Zwecke des Glücksſpiels 284 


Automobil, Haftung des Eigentümers für den 


Chauffeur 128, 183, 338, 342 
Automobilunfall, Haftung 68, 183 
B. 

Backwaren, Verwendung von Margarine u. dgl. 89, 
342 

Bad, Beſchädigung 37 

Bahnſteig, Betriebsunfall auf dem B. 85 

Banken ſ. Hypothekenbanken. 

Baubeamte, Haftung des Staats 111 


Bauforderungen, Vormerkung im Hypotheken⸗ 
buch 421 


Bauleiter, Anſprüche 274 
Baulinie, Feſtſetzung 402 
Bäume, Beſchädigung 438 
Baupolizei, Verjährung der Uebertretungen 467 
— ſ. a. Polizeibehörde. 
Bauwerk, Begriff 464 
— Abnahme 288 
— Sicherungshypothek des Unternehmers 166 
Beamter, Begriff 347 
— Anſtellung 367 
— Probezeit 368 
— Wiederanſtellung 369, 454 
— Dienſtenthebung 370 
— Verſetzung 371, 411 
— Beförderung 387 
— Pflichten 388, 455 
— Verheiratung 390, 455 
— Vereinszugehörigkeit 349, 391, 410 
— Nebengeſchäfte 392 
— Haftung 111, 349, 376, 408, 436 
— Dienſtaufſicht 393 
wangsmittel 394 
— Dizdziplinarverfahren 409, 428 
— Entlaſſung 411, 452 
— Rang 372, 388, 430 
— Titel 392, 430 
— Dienſtabzeichen 431 
— Dienſtaufwand 433 
— Gehalt 428, 431, 434, 458 
— Unfallfürſorge 347, 433 
— Ruheſtand 453 
— Wartegeld 453 
— Ruhegehalt 454 
— Rechte der Hinterbliebenen 457 
— Uebergangsvorſchriſten 369, 432, 456, 459 
— Beſtechung 277 
— Beſtrafung wegen Untreue 15 
Beauftragter Richter, Beurkundung einer 
Auflaſſung 
Bedingtes Endurteil bei Vorabentſcheidung 
über den Grund 32 
— Faſſung 109 
Bedingte Tatbegehung im Strafrecht 99 
Bedingungen, ſtillſchweigende Feſtſetzung 310 
— bei der Erbeinſetzung 194 
Beeidigung von Sachverſtändigen 364 
— Reformvor chläge 135, 470 
— im ehrengerichtlichen Verfahren 121, 162 


— f. a. Dienſteid. 
Befangenheit ſ. Ablehnung. 


| 


T Alphabetiſches Verzeichnis. 


Beförderung ſ. Beamte. 


Beförderungsvertrag der Eiſenbahn 166 
Befruchtung, künſtliche 356 
Begehungsort, Begriff 238 
Beglaubigung von Standesurkunden 52 
— der Abſchrift der Klageſchrift 294 
Begriffsbeſtimmungen des BGB. 53 
Begünſtigung eines fortgeſetzten Verbrechens 240 
Beherbergung, Begriff 203 
Beihilfe, Begriff 73, 99 


B eee von Vermögensſtücken, Begriff > 
3 


Beitragdverband, Begriff 

Beitritt zur Bmwangäverfteigerung 103 
Belaftungszeugnis f. Bodenzinſe 
Beleidigung, Tatbeſtand 108, 169 


— f. a. Majeſtätsbeleidigung, Intereſſe. 
Beleuchtung von Ortsſtraßen 25 


Belgien, Vertrag über Urheberſchutz 344 
Benachrichtigungen im Strafprozeß 469 
Bereicherungsklage bei Anerkennung 105 
— gegen den Erſteher 268 
— Umfang 50 
Berichtigung des Grundbuchs, bei Zwangsent⸗ 
eignung 108 
— des Beſitztitels 466 
— bei Geſellſchaftsverhältniſſen 317 
— Zuſtimmung des Eigentümers 315 
— Pfändung des Anſpruchs 207 
Berner Konvention 484 


Berufsgenoſſenſchaft, Entſchädigung für Bes 
triebsunfälle 85, 142 


— Entſcheidung über Rentenanſprüche 204 
— Ausſtandsverzeichniſſe 150 
Berufsvormundſchaft 153 
Berufung, Einſchränkung 133 
— gegen Urteile der Gewerbegerichte 355 
Berufung sſchrift, formelle Erforderniſſe 143 


Beſchädig ung von Urkunden 248 
Beſchattung eines Grundſtücks als unzuläſſige 
Einwirkung 123 
Beſchwerde in Zivilſachen, Form 245 
— in der freiw. Gerichtsbarkeit 224, 248, 318, 331, 
341, 361, 401, 421 
— des Nachlaßgerichts gegen das Hypothekenamt 415 
— im Beamtenrecht 394, 412, 429, 434 


Beſitz, Vorausſetzung des Erwerbs 255, 257 
Beſitztitel, Berichtigung 466 
Beſitzvberänderungsgebühr, Haftung des 
Erben 275 
— bei Auflöſung einer Handelsgeſellſchaft 230 
— Zuſtändigkeit für Streitigkeiten 88 
Beſſerungsanſtalt, Einweiſung im Strafver⸗ 
fahren 298, 375 
Beſtandteil, Begriff 221, 425 
— Grundſtück als B. 46 
— Wirkung des Zuſchlags 267 


Beſtätigungsſchreiben, Bedeutung beim Kauf— 
vertrag 191 
Beſtechung von Poſtbedienſteten 277 
Betrag des Anſpruchs, Vorbehalt der Entſcheidung 30 
Betriebsruhe 93, 115 
Betriebsunfall, Begriff 84, 106, 142, 202, 204, 
266, 304, 363 
— auf der Eiſenbahn 85, 435 
Betrug bei Abtretung von Forderungen 20 
— als Anfechtungsgrund 


Beurkundung im Anlegungsverfahren 147 
— ſ. a. Auflaſſung. 

Bevollmächtigter, Zuſtellung 250 
— Begriff im Strafrecht 480 
Beweisanträge des Nebenklägers 21 
— Ablehnung 204, 207 


Beweislaſt bei Streit über Ernſtlichkeit eines 
Rechtsgeſchäfts 49 
— für vertragswidrige Lieferung 378 


_ Snhaltsverzeihnis der Beitichrift für . in in Bayern. 


-`a = = 


Beweislaſt für Verſchlechterung der Kaufſache 310 
— bei fahrläſſiger Körperverletzung 339 
— für Ausfüllung einer Sicherungshypothek 417 
— bei Anfechtung der Ehelichkeit 356 
— für Verzeihung im Eheprozeſſe 463 
— für Vertretungsmacht der Frau 18 
— bei Eiſenbahnunfällen 166 


— bei Streit über Rechte an öffentlichen Flüſſen 5 


— im Strafprozeß 87 
Beweisverfahren in Grund buchſachen 397 
Beweiswürdigung im Urteil in Zivilſachen 437 
Bezirksämter, neue 384 
Bezirksarzt, Terminsgebühr 210 
Bilanz, Pflicht zur Aufſtellung 290 
— Verſchleierung 209 
Blankoindoſſament des Wechſelinhabers 288 
Bodenzinſe, Ablöſung 179, 215 
— Zeugnis 329 
Bordellbetrieb, Klage auf Unterlaſſung 183 
Jörſenhandel, Zulaſſung 233 
Börſenregiſter, Aufhebung 235 
Börſentermingeſchäft, Begriff 234 
Böswilligkeit, Begriff 158, 176 

42 


Brandmauer, Aufſetzung auf eine Grenzmauer 
Bran dverſicherung 3 
Brauereien ſ. Kommunbrauer. 


Briefgrundſchuld, Abtretung 270 
Briefträger ſ. Poſtbedienſtete. 

Buchführung der Geſellſchaften m. b. H. 420 
— der Trödler 24 
Buchhyp othek, Verpfändung 302 
Bühnenwerke, unbefugte Aufführung 172 
Bundesrat, Zulaſſung von Terminsgeſchäften 284 
Bürgſchaft für Börſengeſchäfte 236 
Buße bei Einheitsdelikten 241 
— Beitreibung durch den Ehemann 304 
Butter, Erſetzung durch Margarine 89 


C. 


Chauffeur, Haftung des Eigentümers 128, 
338 


D. 


Darlehen, zum Zwecke des Spiels 165 
— Aufnahme durch die Ehefrau 50 
— Umwandlung einer Kaution in ein D. 438 
— Kündigung 308 
Datierung der Grundbucheintragungen 142 
— f. a. Zeitangabe. 

Denaturierung eingezogenen Weins 112 
Diebſtahl, durch einen Mittäter 73 
— am Waſſer 5, 286 
— an Fiſchen 450 
Dien ſtabzeichen f. Beamter. 

Dienſtaufſicht ſ. Beamter. 

Dienſtbarkeit, perſönliche am Waſſer 316 


— ſ. a. Wohnungsrecht, Krankenverpflegungsrecht, 


Grunddienſtbarkeit. 
Dienſtbefehl, Gehorſamspflicht 389 
— Bedeutung bei Haftung des Beamten 436 
Dienſtboten, Verpflichtung zur Anmeldung von 
Hunden 383 
— Verbot der Waffenſührung 460 
Dienſteid der Beamten 349, 390 


Dien ſtenthebung f. Beamter. 
Dienſtgeheimnis 349, 389, 392, 455 
Dien ſtmannsinſtitut, Genehmigung durch die 
Polizeibehörde 401 
Dienſtſtrafrecht ſ. Disziplinarverfahren. 


Dienſtunfähigkeit, Feſtſtellung 320, 433, 454 
Dien ſtvertrag, Begriff 395 
Dien ſtwohnung, Mietentſchädigung 432 

Differenzgeſchäfte 236 


— ——̃ — 


1908. XIX 

Dirnen, Einſchaffung in Krankenanſtalten 435 

Diſſens, verſteckter 49 
Diſtriktsgemeinde, Beamter als Berufsvor⸗ 

mund 154 

— in der Pfalz 384 


Diſtriktspolizeibehörde, Ausübung der Poli⸗ 
zeiaufſicht | 364 

— Genehmigung zu Ausgrabungen 381 

— Ueberwachung vorläufig Entlaſſener 404 

— |. a. Polizeibehörde. 

Diſtriktstechniker, falſche Auskunft in Bau⸗ 
ſachen 467 

Disziplin arverfahren, Zeugniszwang 72 

— gegen Beamte 349, 370, 391, 395, 409, 428 

— f. a. Ehrengerichtliches Verfahren. 

Dividenden, Verteilung zwiſchen dem Vorerben 


und dem Nacherben 85 
Domizilwechſel, Proteſt 296 
Dorf, Begriff i. S. der Bauordnung 402 

172 


Dorfteſtament, Form 
Drittſchuldner, Benachrichtigung von der Pfän⸗ 


dung 303 
Drohung, Begriff 86 
250 


Druckſchrift, Begriff 
Duldung der Zwangsvollſtreckung durch den Mann 313 


E. 


Ehe, Feſtſtellung der Nichtigkeit 144 
Ehefrau, Schlüſſelgewalt 17 
— Unterhaltsanſpruch 86 
— Vertretungsbefugnis im Erwerbsgeſchäft 2 

35 


— Geſchäftsgewinn 
— Schadenserſatzanſpruch wegen Tötung des Mannes 34 
— Anſpruch auf Buße 304 
Ebehindernis der mangelnden Verehelichungs— 
bewilligung 390 


Ehelichkeit, Vermutung 356 
Ehemann, Aufnahme von Hypotheken 305 
— Duldung der Zwangsvollſtreckung 313 
Eheprozeß. Mängel der Zuſtellung 485 

6 


— Beweis der Verzeihung 
Eheſcheidung, maßgebendes Recht 68, 295 


— wegen Mißhandlung 43 
— wegen Trunkſucht 182 
— wegen böslicher Verlaſſung 68 
— der Israeliten 48: 
— in der Schweiz 295 

Ehrengerichtliches Verfahren gegen Rechts⸗ 
anwälte 121, 162, 219 
392 


Ehrenzeichen, unbefugte Annahme 
Ehrverletzung, Begriff bei R 5 
Eichungsweſen 

Eid ſ. Beeidigung, Nacheid, Dienſteid. 


Eigenſchaft einer Sache, Begriff 310 
Eigentum an öffentl. Gewäſſern 5, 286 
— an Fiſchen 449 
Eigentümerhypothek, Pfändung 207, 208 


Eigentumsvorbehalt, Wirkung in der Zwangs⸗ 
verſteigerung 267 


— an Maſchinen 425 
Einfügen, Begriff 221 
238 


Einheitsdelikte, Behandlung 
Einigung über Abtretung bei der Zwangsenteig— 
nung 109 
Einſchreibſendſungen, Haftung der Poft 377 
Einſicht in die Strafbarkeit, Feſtſtellung 297, 375 
Einſpruch gegen Verſäumnisurteile 135 
Einſtellung des Strafverfahrens gegen Jugend— 
liche 297, 375 


Einſtweilige Verfügung, zuläſſiger Inhalt 245 
— über die Sorge für die Perſon eines Kindes 69 

Vollzug durch Zwangsverwaltung 479 
Einwilligung, Begriff 53 


38 


XX 


Einwirkung, unzuläſſige auf ein Grundſtück 123, 246 
Einziehung gefälſchten Weins 112 


— geſchmuggelter Ware 271 
— geſchoſſener Rehgeißen 362 
Eis, Entwen dung 5 
— Gemeingebrauch 

Eiſenbahn, Haftung für Unfälle 166, 435 
Elektrizitätswerk, Unfälle 423 
Elterliche Gewalt f. Vater. 

Enteignung j. Zwangsenteignung. 

Entlaſſung des Berufsvormunds 155 
— vorläufige 364, 404 
— von Beamten ſ. Beamter. 

Entmündigter, Beſchwerderecht 224 
Entmündigung, Anfechtung 106 
Erbbaurecht, Eintragung 386 


Erbe, Haftung für die Beſitzveränderungsgebühr 
— für Nachlaßſchulden 3 


— Umſchreibungsantrag 415 
Erbeinſetzung, Erfordernis der Beſtimmtheit 194 
Erbengemeinſchaft, Auseinanderſetzung 292 
Erbſchaft, ſtillſchweigende Annahme 50 
Erfüllungsort, Begriff 150 
— bei Kaufverträgen 169, 191 
Ermittelungs verfahren gegen Jugendliche 299 
Ernſtlichkeit eines Rechtsgeſchäfts, Beweislaſt 49 


Eröffnungsbeſchluß, Mitwirkung eines ausge⸗ 


ſchloſſenen Richters 
— im Privatklageverfahren 97 
— Form 354, 461 
Eröffnungsbilanz f. Bilanz. 
een gen ee Aufnahme 
von Hypotheken durch den Mann 305 
Erlagzumweifungsverfahren 347, 408 
Erſitzung von Nutzungsrechten 7 
Erwägungsſtil | 354, 461 
Erweiterung des Klageanſpruchs 32, 144 


Erwerbsgeſchäft, Vertretungsmacht der Frau 50 
— Geſchäftsgewinn der Frau 357 
Erwerbsunfähigkeit, Feſtſtellung 378 
Erziehung, Anordnungen des Vormundſchafts⸗ 
gerichts 421 


Erziehungsanſtalt, Einweiſung im Straf⸗ 
verfahren 298, 375 

Etiketten, ſtrafbare Anbringung 250 

exceptio plurium 202 

F. 

Fabrikarbeiter ſ. Arbeiter. 

Fabriken, Abwaſſer 60 

— Unfälle 204 

Fahnenflucht, Verjährung 231 

Fahrtrecht an einem Waldgrundſtück 113 

Fälſchung von Nahrungsmitteln 89, 342 


— von Wein 126, 184, 465 


— f. a. Urkundenfälſchung. 


Familie, Begriff 105 
Familiengüter, Nutzungsrechte 167 
Feiertage f. Sonntagsruhe. 

Ferienſachen 134 


Feſtſtellungen, Aufrechterhaltung bei Aufhebung 108 


Feſtſtellungsklagee, Vorabentſcheidung über 
den Grund 30 
Fideikommiß, Wertpapiere als Beſtandteil 22 
— Einverleibung von Grundſtücken 71 
Fideitommißedikt, Umfang der Geltung 71 
Firma, Zuſätze 401 
— Uebergang 440 
— Löſchung 245, 481 
Fiſchereiberechtigter, Begriff 473 


— Schädigung durch Verunreinigung des Waſſers 62 
— durch Flußkorrektion 79 
Fiſchereirecht, neues 364, 449 


II. Alphabetiſches Verzeichnis N 


34 


Fiskus ſ. Staat. 
Flurplan, Bedeutung 
Flüſſe, Rechtsverhältniſſe 
Flußkorrektion 
Flußlauf, Veränderungen 9 


406 
5, 9, 34, 60, 79, 259 
79 


Forderungen, Verpfändung 139 
Form des Grundſtückskaufs 337 
— des Grundſtückstauſchs 462 
— der Auflaſſung in Bayern 127 
— des Teſtamentsprotokolls 19, 69 
— des Dorfteſtaments 172 
— des eigenhändigen Teſtaments 21, 357 
— Heilung des Mangels 259 
— der Beſchwerde in Zivilſachen 245⁵ 
— des Strafantrags 45 
Formulare in Strafſachen, Mängel 461 
Forſtberechtigter, Begriff 439 
Forſtfrevel durch Betreten von Schonungen 113 


1 
1 


Forſtpolizeibehörde, Sorge für Aufforſtungen 
Forſtrecht, Enteignung 291 
Forſtwirtſchaft, Nebenbetrieb 


Fortgeſetztes Verbrechen, Begriff 126 
— Behandlung 238 
Frachtbriefduplikat, Bedeutung 289 
Frau, als Berufsvormund 154 
— als Beamter 368, 456, 458 
— Verbot der Waffenführung 460 
— f. a. Ehefrau. 

Freiheitsberaubung, Begriff 267 
Freimaurerlogen, Teilnahme von Beamten 391 
Fröſche, Fang 475 


Früchte, Verteilung zwiſchen dem Vorerben und 


dem Nacherben 85 
Funde, hiſtoriſche u. dgl. 323 
Fürſorger für vorläufig Entlaſſene 404 

G. 

Ganggebühr im Zivilprozeß 131 
Gas, Eigentumsverhältniſſe 190 
Gaſtwirtſchaften ſ. Wirtſchaften. 

Gebäude, Beſtandteil 221, 427 
Gebühren nach der Zivilprozeßreform 40, 136 
— für Vergleiche 131 
— des Staats für Beurkundungen 186 
— für Hypothekzeſſion | 87 
— für Eintragung einer Geſamtprokura 381 
— für Scheckproteſte 324 
— der Aerzte 72, 210 
— j. a. Beſitzveränderungsgebühr. 

Gefahrenſtand bei der Privatverſicherung 350 
Gefangener, Begriff 435, 465 
— Befreiung ö 439 
Gefangnenanſtalt, Schreibweiſe 478 
Gefällskataſter 329 


Gegenſeitigkeit in Vollſtreckungsſachen mit 


Oeſterreich 419 
Gehaltsordnung 388, 431 
Gehilfe, Begriff im Strafrecht 73, 99 
Geiſteskranke als Zeugen 439 
— Einſchaffung 465 
Geiſtesſchwache, Beſchwerderecht 224 
Geiſtliche, unzüchtige Handlungen 420 
Geldrente bei Unterhalt der Frau 86 
— ſ. a. Unfallfürſorge. 

Geldſpielautomaten 284 
Geldſtrafe, Vollſtreckung 404 
— Zurückerſtattung 333 

— gegen Beamte 411 

Geldwechſeln, Rechtsverhältniſſe 244 


Gemeindebehörde, Ausſtellung von Invaliden— 
verſicherungskarten 

Gemeinden, Einführung der Berufsvormundſchaft 153 

— Pflicht der Straßenbeleuchtung 25 

— Haftung für Stege 220 


been, le nn, K ë ye —— — TFT . — a an an = 


b n * 


Gemeinden, Portofreiheit 66 
— Ĵĵ. a. Kirchengemeinde. 

Gemeindeverfaſſung, pfälziſche 384 
Gemeingebrauch am Walter 
Gemeinſchaft, Aufhebung, 16, 
— Aufhebung durch Zwangsverſteigerung 

— eheliche, Klage auf Herſtellung 
Gemeinſchuldner, Ausſchlagung einer Erbſchaft T 
— Flucht ins Ausland 403 
Genehmigung, Begriff 53 


292 
102 
400 


— einer Schuldübernahme 124 
— der Unterzeichnung von Wechſeln 462 
— Eideszuſchiebung über eine G. 109 
— f. a. Vormundſchaftsgericht. 

Generalagent als Zuſtellungs vertreter 250 
Generalvorm und ſchaft i. Berufs vormundſchaft. 


Genoſſenſchaften, Fähigkeit zu Börſengeſchäften 235 
— als Fiſchereiberechtigte 474 
Genußmittel, Verfälſchung 89 
Gerich tskoſten, Neuregelung 136 
Gericht sſchreiber, Aufnahme von Beſchwerden 245 


Gerichtsverfaſſung, Reform 1, 133, 471 
Gerichtsvollzieher, Scheckproteſt 322, 404 
— Dienſtſtrafrecht 410 
— Widerſtand gegen den ©. 267 
Geringſtes Gebot bei Verſteigerungen zur au 
hebung einer Gemeinſchaft 

Geruch, Zuführung © 
Geſamtgut, Schenkungen daraus 281 
— Auseinanderſetzung 292 
— Aufnahme von Hypotheken 305 


„Geſamthypothek, Behandlung in der Zwangs⸗ 

verſteigerung 102 
Geſamtkirchengemeinde, Begriff 37 
Geſamtprokura, Eintragun 381 
Geſamtſtrafe, Vorſchriften über die Bildung 340, 362 


Geſchäfts bericht der Hypothekenbanken 209 
Geſchäfts bücher der Trödler 24 
— der Güterhändler 214 

420 


Geſchäftsführer, Pflicht An Buchführung 

Geſchäftsführung ohne Auftrag durch Unter⸗ 
haltsleiſtung 86 

Geſchäftsgebrauch, Bedeutung bei N 


mittelfälſchung , 342 
Geihäftsneminn der Ehefrau 357 
Geſchäftslokal als Zuſtellungsort 223 


Geſchäftsmäßigkeit, Begri 70 
Geſchäftsunfähig ee, Beſchwerderecht 224 
Geſchäftsverein fachung im Strafprozeß 445, 469 
Geſchworene, Ablehnung 244 
— Einſicht in Urkunden 

— Urlaub 

— f. a. ſchwurgerichtliches Verfahren. 


420 
471 


34, 60, 286 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


t 
i 


Gewichte 


1908. 


Gewerbsunzucht |. Dirnen. 

296, 482 
Gewinnanteile ſ. Dividenden. 

Giro verkehr ſ. Scheckverkehr. 
Glaubensbekenntnis, Bedeutung bei Auswahl 


des Vormunds 154 
Glücksſpiel, Begriff 284 
— Konzeſſionspflicht 227 
— Darlehen zum G. 165 
Glyzerin. Zusatz zu Wein 184 
Goldklauſel, nachträgliche Eintragung 

199, 216, 242, 262 

Gräben, Rechtsverhältniſſe 8, 449 
Grenzmauer, Benutzungsrecht 42 
Grenzzahlen beim Wein 126 
Grund des Anſpruchs, Vorabentſcheidung 30 


Geſellſchaften. Erwerbung von Grundſtücken 317 


— Sonderrechte der Mitglieder 26 
— Pflicht zur Buchführung 420 
— Teilnahme von Beamten 393 


— jį. a. Kommanditgeſellſchaft, Aktiengeſellſchaft. 
Geſellſchafts verträge, Auslegung 246 
Geſetze, Prüfung der Gültigkeit durch den Richter 358 


Geſtändnis als Grund für Koſtenermäßigung 416 
Getreide, Börſenhandel 235 
Gewalt bei unzüchtigen Handlungen 248, 481 


Gewäſſer, öffentliche, Rechtsverhältniſſe 5, 34, 259, 286 


— private, Rechtsverhältniſſe 259, 449 
— Verunreinigung 60 
— jį. a. Gemeingebrauch, Seen. 


Gewerbebetrieb durch Beamte 393 
— f. auch Konzeſſion. 

Gewerbegerichte, Zuſtändigkeit 355 
— Statiſtik 232 
Gewerberecht, Uebertragung 46 
Gewerbsgehilfe, Zuſtellung 223 
— Verbot der Waffenführung 460 
Gewerbs mäßigkeit, Begriff 184 


Grundbuch, Eintragung einer Unterhaltungs⸗ 


pflicht 173, 385, 476 
— — der Pfändungsbenachrichtigung 303 
— — von Waſſerbenützungsrechten 259 
— öffentl. Glaube 46, 167 
— Datierung der Einträge 142 


— f.a. Berichtigung, Rang, Verfügungsbeſchränkung. 
Grundbuchamt, Prüfung der Vertretungsmacht 380 
— Offizialverſahren 397 
Grundbuchanlegung, Befugniſſe des Anlegungs⸗ 
beamten 147 
— Anmeldung von Nutzungsrechten 
Grund buchblatt, Zuſammenſchreiben von Grund⸗ 
ſtücken 46 
Grunddienſtbarkeiten auf Grundſtücksteilen 405 
— an Gewäſſern 6, 259 
— an Schonungen 113 
— Anlage zum Zwecke der Ausübung 173, 385, 476 
— Erlöſchen in der Verſteigerung 307 


167 


Grundeigentümer, Jagdausübung 111 
Grundentlaſtung ſ. Bodenzins. 

Gründer der Aktiengeſellſchaft, Haftung 359 
— Beamte als Gr. 393 
Grundſchuld, Abtretung 270 


Grundſtück, Begriff 8, 10, 46, 405 
46 


— Zuſchreibung von Beſtandteilen 
— Form von Kauf und Tauſch 337, 462 
— Begriff der Eigenſchaften 310 
— Einverleibung in ein Fideikommiß 71 
Grundwaſſer, Begriff 8 
Gutachten, Behandlung der Koſten im Prozeſſe 
321, 364 
— Erſtattung durch Beamte 392 
Gütergemeinſchaft, Auseinanderſetzung 292 


— Einfluß auf letztwillige Verfügungen 124 
— fî. a. Gejamtgut. 

Güterhandel, forſtpolizeiliche Beſchränkungen 213 
Güterrecht, Ueberleitung 249 


— Einfluß auf den Bußanſpruch 304 

— Berückſichtigung bei Zwangsvollſtreckung 313 

Güterzertrümmerung, Anzeigepflicht 179 
H. 

Haager Abkommen 144, 295 


Haft im Offenbarungseidsverfahren 72 
— f. a. Unterſuchungshaft, Zeugniszwang. 
Haftentſchädigung f. Unterſuchungshaft. 


Haftpflicht der Eiſenbahn 85, 435 

Haftpflichtverſicherung, Auslegung der Ber- 
träge 105 

Hagelverſicherung 374 


Handelsbücher ſ. Buchführung. 
Handelsgeſchäft, Verkauf 440 
Handelsgeſellſchaft, offene, Auflöſung 187, 230 
— Teilnahme von Beamten 393 
Handelsgremien, Organiſation 
Handelskammern, Organiſation 


152 
152 


XXII 
Handelsregiſter, Löſchung von Eintragungen 

245, 401, 481 
— Gebühren 381 
Handelsſachen ſ. Kammer für Handelsſachen. 
Handlöhne, Belaſtungszeugnis 329 
Handlung? g ehilfen, Konkurrenzverbot 481 
Handzeichen beim Teſtament 172, 464 
Hauptverfahren ſ. Eröffnungsbeſchluß. 
Hauseigentümer, Haſtung für Unfälle 312 
Hebelautomaten 285 
Hehlerei, Tatbeſtand 240 
Heim atſchutz 323, 384 


Heiratsu ben den, Austauſch mit der Schweiz 50 


Herrenlo ſigkeit, Begriff 255, 448 
Hinterbliebenenfürſorgeſ. Beamter. 
Hinterlegung beim Notar 12 


Holland ſ. Niederlande. 
Holz. ſtehendes f. Bäume. 
Holzſchneiden, Unfall 84, 106, 142, 202, 266, 304 


Hotelier, Haftung für eingebrachte Sachen 203 
Hunde, Anmeldungspflicht 283 
Hypothek, Uebertragung 87, 90, 129 
— Verpfändung 127 
— Pfändung 207, 302 
— Löſchung 380 
— Aufnahme durch den Ehemann 305 
— Haftung des Zubehörs 398 
— für Börſengeſchäfte 236 
— für eine Wechſelforderung 250 


— f. a. Goldklauſel. 

Hypothekenbanken, Scheckverkehr mit Notaren 12 
— Verſchleierung des Vermögensſtands 209 
Hypothekenbeamter, Befugnis zur Beurkundung 147 


— Verhältnis zum Nachlaßgericht 415, 466 
Hypothekenbrief, Vollſtreckungsklauſel 223 
Hypothekentitel für Bauforderungen 421 
Hypothekenurkunde, Vollſtreckbarkeit 313 


Hypothekenzinſen, Angabe der en, 
in der Bilanz 


J (). 


Illuminateneid 391 
Immiſſion im Waſſerrecht 60 
Immobiliarverſicherung 374 
Indizien, Anführung im Urteil 437 
Indoſſament, Bedeutung als Legitimation 288 
Innungsſchiedsgerichte, Zuſtändigkeit 355 


Intereſſe, berechtigtes, Wahrnehmung 
87, 157, 319, 422 
— des Verſicherten, Begriff 374 
In validen verſicherung, Rechtshilfe e 
den Schiedsg erichten 211 
Inzipient einer Gemeindekanzlei als Beamter 401 
Irrenanſtalten, Inſaſſen als Gefangene 465 
Irrtum als Anfechtungsgrund 166, 257, 310 
— über Eigenſchaften eines Ehegatten 270 
— im Strafrecht 101, 
JS8raeliten, Eheſcheidung 483 


Italien, Uebereinkunft über Urheberrecht 172 
J (i). | 
Jag d an 5 Bezirken 111 
— auf V 276 
. durch Beamte 393 
Jagdſchutz 444 


Juden ſ. Israeliten. 

Jugendliche, Behandlung im Strafrecht 297, 375,427 
Juriſtiſche Perſonen als Fiſchereiberechtigte 473 
— f. a. Rechtsfähigkeit. 

Juriſtiſches Studium, Ueberfüllung 364 


128, 319 


II. Alphabetiſches Verzeichnis. 


| 


a ii nn E ee — — 


— nn ñ— 


Juſtizverwaltung, Beſorgung durch die Richter 389, 


K. 

Kaffeegeſchäfte, Polizeiſtunde 132 
Kalendertag, Begriff 131 
Kaminkehrer, Unterſtützungsverein 324 
Kammer für Han delsſachen, Zuſtändigkeit 134 
Kammzug, Börſenhandel 235 
Kanäle, Rechtsverhältniſſe 8, 449 
— Gemeingebrauch 34 
Kanarienvögel, Handel 276 
Kapitalabfindung bei Vorabentſcheidung über 

den Grund des Anſpruchs 338 
Kartellvertrag, Auslegung 418 
Kaſſatoriſche Klauſel 223 
Kataſter, Bedeutung für den Grundſtücksbegriff 406 
— f. auch Gefällskataſter. 
Katzen, Tötung durch den Jagdberechtigten 444 
Kaufmann, Fähigkeit zu Börſengeſchäften 235 
— Pflicht zur Bilanzziehung 290 
— zur Buchführung 420 
en Sa eTii; Statiſtik 232 
— Zuſtändigkeit 479 
Kaufvertrag, Bedeutung des Beſtätigungs⸗ 

ſchreibens 191 
— Bedingungen 310 
— Erfüllungsort 169, 191 
— über Grundſtücke, Form 337 


— j. a. Verſendungskauf. 
Kauſalzuſammenhang bei Unfällen 25, 68 


— Begriff im Strafrecht 75 
Kaution des Angeſtellten, Rechtsverhältniſſe 437 
Kautionshypothek f. Sicherungshypothek. - 
Kirhengemeinde, Begriff 37, 62, 81 
Kirchenumlagen 38 
Klagegrund, Vorabentſcheidung 29 
— Aenderung 308 
Klageſchrift, Beglaubigung der Abſchriſt 294 
Klauſurarbeiten bei der Prüfung 212 
Klinik, Rechtsverhältniſſe 9 


14 
Kollegialverfaſſung, Vorzüge und Nachteile 1, 471 
Kolonien ſ. Schutzgebiete. 
Kommanditgeſellſchaft, Untreue der Geſell⸗ 
ſchafter 480 
Kommiſſionär, Eigentumserwerb 257 
Ko ne rauer, Ausſchank des eigenen Erzeug-: 
niſſes 


Komplexlaſten 329 
Konkurrenzverbot, Zuläſſigkeit 229 
— Folgen der Verletzung 481 


Konkursverfahren, Wirkung auf Vollſtreckungen 
27 


im Ausland 2 
Konkursverwalter, Anfechtung von Rechts⸗ 
handlungen 170, 403 
— Veräußerung von Zubehör 398 
— Veräußerung gepfändeter Sachen 442 
Kontobuch, Fälſchung 291 
Konzeſſion von derb engen u. dgl. 188 
— von Lotterien 227 
— von Dienſtmannsinſtituten 401 
Körperverletzung, Tatbeſtand 465 
Korporationen, öffentl., Begriff 
39, 63, 104, 121, 164, 299 
Korrektionen ſ. Flußkorrektionen. 
Koſlen der Rechtshilfe 364 
— von Verſäumnisurteilen 40, 443 
— bei Einheitsdelikten 241 
— der Vormerkung von Bauforderungen 421 
— bei Ueberweiſung an ein Militärgericht 42 
— Erſatz bei Freiſprechung 333 
— Ermäßigung beim Geſtändnis 416 
— ſ. a. Prozeßkoſten. 
Koſtenfeſtſetzung im Privatklageverfahren 97 
— durch den Gerichtsſchreiber 135 
Koſtkin der, Berufsvormund 154 


Kraftwagen ſ. Automobil. 


Inhaltsverzeichnis de der r Zeitſchrift für tſchrift für Rechtspflege in Bayern. 19 in Bayern. 


Krammets vogel, Jagdbarkeit 276 
Kranken anſtalt, Inſaſſen als Gefangene 435 
Krankenverpflegungsrechte als Reallaſten 208 


Krankheit als Grund der Anfechtung der Ehe 270 
Krebſe, Fang 451 
Kriegszulage 320 

309 


Kün di igu ng "bes Darlehens 

— von Mietverträgen durch den Teſtamentsvollſtrecker 90 

— bei Zwangsverſteigerung 179 

Kunſt butter f. Magarine. 

Kunſtwerke ſ. Urheberrecht 

Kurs differenz bei Wertpapieren als See 
eines Fideikommiſſes 22 


L. 


Ladungen im Strafprozeß 447, 469 
Lan desfiſchereiordnung, Bedeutung der Bor- 
ſchriften 451 


Landespolizeibehörde, Ueberweiſung 125 

Landes verſicherungsamt, Stellung der Be⸗ 
amten 369 
210 


Landgerichtsarzt, Terminsgebühr 

Landgerichtspräſident, Heglaubigung von 
Urkun den 

Landgerichtsrat, Verwendung am Amtsgericht 133 

Landſchaften ſ. Heimatſchutz. 

Landtag ſ. Abgeordnete. 


Landtagsbeamte, Vorſchlagsrechte 367 
Land wirtſchaft, Nebenbetrieb 106 
— Unfälle 363 
Lebensverſicherung, Todesanzeige 339 
Legaliſation ſ. Beglaubigung. 

Legitimationspapiere, Fälſchung 21 
Leibgedinge, Begriff 129 
— Krankenverpflegungsrechte als L. 208 
Leichenunterſuchung, neue Vorſchriften 344 


Leiſtungsklage, Vorabentſcheidung über den 
Grund 80 
Letztwillige Verfügung, Beſtimmtheit des 
Inhalts 193 
— Verhältnis mehrerer l. V. 182 
— bei Gütergemeinſchaft 124 
Leum undszeugniſſe, Inhalt 424 
Literatur ſ. Urheberrecht. 
Löſchung von Hypotheken Minderjähriger 380 
— von Firmen 245, 401, 481 
— von Verfügungsbeſchränkungen 109 


Löſchungsvormerkung, Behandlung in der 
4 


Zwangsverſteigerung 17 
Lotterieſtrafrecht in Bayern 227 
Luftzutritt, Verhinderung 123 
Luſtbarkeiten, öffentliche, Konzeſſionspflicht 188 

M. 
Magiſtrate, Portozahlung 68 
Mahnverfahren, Reformfragen 136 


Majeſtätsbeleidigung, Tatbeſtand 


108, 152, 156, 176 


1908. XXIII 


Mietvertrag, Kündigung durch den Teſtaments⸗ 
vollſtrecker 

Militärgericht, Uebergang von Strafſachen 42 

Militärpaß, Fälſchung 21 

Militärpenſionen 293, 319 

Militärſachen, Portofreiheit 65 

Minde A ährige. Erklärung der Auflaſſung 467 


— ſ. a. Vater, Vormund, Vormundſchaft, Vormund⸗ 
ſchafts gericht. 

Mindeſtgebot ſ. Geringſtes Gebot. 

Miniſter f. Staatsminiſter. 


Mißhandlung, Begriff 43 
Mittagspauſe der Arbeiter 110 
Mittäterſchaft bei Einheitsdelikten 240 
— bei Uebertretung der Vorſchriften über den Auto- 
mobilverkehr 342 
Mitverſchulden des Verletzten 68, 220 
— des mißhandelten Ehegatten 43 
Mündel, Beſtimmung des Aufenthalts 168 
— f. a. Vormund, Vormundſchaftsgericht. 
Mundraub, Tatbeſtand 312 
N. 
Nachbarrecht 42 
Nacheid im Zivilprozeß 135 
Nacherbe, Verhältnis zum Vorerben 85 
Nachlaß, Auseinanderſetzung 146, 292, 416 
Nachlaßgericht, Zuſtändigkeit 361 
— Verhandlungen über Ausgleichung 19 
— Verhältnis zum Hypothekenamt 415, 466 


Nachlaßgläubiger, Verhältnis zum Vermächt⸗ 
nehmer 308 
[Nachlaßpfleger, Vergütung 168 


Nachlaßverbindlichkeiten, Begriff 275 
Nachlaß verwaltung, Beichwerde des N 
nisnehmers 318 


Mäklerlohn bei Verkauf einer Hypothek 129 
Mäklervertrag, Begriff 395 
Margarine, Verwendung beim Backen 89, 342 
Maſchine, Zubehör 221 
— Eigentums vorbehalt 425 
Maße 296, 482 
Mehrheitsbeſchluß bei Auflöſung einer 
Handelsgeſellſchaft 18 

— bei Vereinen 440 
Miete, Einfluß der Zwangsverſteigerung 179 
MNietentſchädigung für Dienſtwohnungen 432 


Mieter, Haftung für den Zuſtand des Gebäudes 464 
Mietertrag, Schätzung beim Verkauf 


Nach verfahren über den Betrag des Anſpruchs 32 


Nacktheit, Bedeutung für Feſtſtellung der Un⸗ 
züchtigkeit 107 
Nahrungsmittel, Verfälſchung 89, 342 
— Entwendung 312 
Natron, Zuſatz zu Wein 184 


Nebena b reden, mündliche, bei notariellen en 


trägen 02 
Nebenbetrieb, landwirtſchaftlicher 106 
Neben geſchäfte der Beamten 349, 392, 431 
Nebenintervenient, Prozeßſtellung 226 
Nebenkläger, Beweisanträge 21 
— Einfluß des Todes 185 
— Anſpruch auf Buße 304 
Nervenleiden als Unfallsfolge 435 
Nichtigkeit der Ehe, Feſtſtellung 144 
Niederlande, Vormundſchaſtsrecht 144 
Nießbrauch an einem Fiſchwaſſer 473 
Nobile officium des Richters, Begriff 398 
Normal-Eichungskommiſſion 296 

Notar, Scheckproteſt 323, 404 
— Behandlung von Belaſtungszeugniſſen 331 
— Scheckverkehr mit Banken 12 
— Verwendung der Schreibmaſchine 424 
— Portozahlung 67 
— Haftung des Staats 225 
Notariatsgehilfen, Unterſtützung 112 
Notariatsurkunden, Vollſtreckbarkeit 224, 313 
Nötigung, Begriff 86 
Notſtand, Begriff 48 
Notteſtament |. Dorfteſtament. 

Notwehr, Begriff 45, 48 
Notzucht, Verſuch 481 
Nutzungen des Fideikommißvermögens 22 


— Verteilung zwiſchen dem Vorerben und dem 


Nacherben 


Nutzungsrechte an Gewäſſern 6 


44 


— an Familiengütern 


XXIV 


—— 


O. 


Oberlandesgericht, Beſchwerde zu Protokoll des 
Gerichtsſchreibers 245 

— Zuſtändigkeit in Rechtshilfeſachen 415 

— Reformfragen 471 


Oberrealſchüler, Zulaſſung zum jur. Studium 253 
O berſter Rechnungshof, Stellung va 


345, 368, 370, 372, 388, 394, 434, 457 
Oberſtes Landesgericht, Zuſtändigkeit 401 
Offenbar un gs eid, Widerſpruch 72 
— Begriff des neuen Bermögenderwerb® 111 
Offentliche Angelegenheiten, Begriff 274 
Offentliche Klage, Zurücknahme 481 
Offentlicher Glaube des Grundbuchs 46 
Offentlicher Vertehr, Begriff 482 
Offizialverfahren in Grundbuchſachen 397 


Ordnungsſtrafen gegen den Berufsvormund 155 
Zeugen, Vollzug 422 


— 349, 411, 412 
237 

357 
63, 81 
419 
483 
476 


Ortskirchenbedürfnis, Begriff 
Oeſter reich, 
— Scheidung von Israeliten 
Otter fang 


P. 


Pacht, Einfluß der Zwangsverſteigerung 179 
— von Jagden durch Beamte 393 
— von Fiſchwaſſern 473 
Palmin, Verwendung beim Backen 89, 342 


Pauſchalgebühr für Auslagen 40, 137 


Pauſe |. Mittagspauſe, Ruhepauſe. 
Penſionen Í. Militärpenſionen, Beamter. 
Perſonalbogen für Verurteilte 416 
Perſon enſtandsurkun den, Austauſch mit der 
Schweiz 52 
Pfalz, Behandlung der Standesurkunden 52 
— Zuſtändigkeit in Waſſerſachen 7 
— Städteverfaſſung 384 
Pfandrecht an verſendeter Ware 289 
— an Forderungen 139 
— an einer Verſicherungspolice 379 
Pfändung eigener Sachen 13 


von Buchhypotheken 
von Eigentümerhypotheken 
einer offenen Rangſtelle 


II 


— Anfechtung im Konkurs 170 
Pfändung sbenachrichtigung 303 
Pferderennen, Wetten 70 


Pflanzung ſ. Schonung. 


— — —— — 


| g , 
i Realgymnaſiaſten, Zulaſſung zum juriſtiſchen 
3 


II. Alphabetiſches Verzeichnis 6 


Poſtporto, Neuregelung 65 
Poſtproteſt 296 
Poſtſcheckverke hr 484 
Poſtſekretäre, Haftung für Einſchreibſendungen 376 
Prämien bei der Privatverſicherung 372 
— Folgen der Nichtzahlung 379 
Präpoſitionen, Häufung 468 
Präſenzpflicht der Beamten 389 
Preßvergehen, Begriff 250 
— Verjährung 464 
Preußen, Ausbildung der Juriſten 253 
— juriſtiſche Prüfungen 212 
Privatflü ſſe, Benützungsrechte 259, 316 
— f. auch Gewäſſer, private. 

Privatklageverfahren, Reform er 117, 137, 


59, 448, 470 


Privatverjid erung Í Verſicherungsvertrag. 
Privilegien 6 
Prokuriſt, Wechſelzeichnung 205 
— Eintragung der Geſamtprokura 381 
Proteſt Í. Wechſelproteſt, Scheckproteſt. 

rotokoll bei der Teſtamentserrichtung 19, 69 
— über den Umſchreibungsantrag des Erben 417 
— unzuläſſige Berlefung 247 
— Rüge der Unvollſtändigkeit im Strafprozeß 145 


Pro viſion ſ. Mäklerlohn, Mäklervertrag. 
Pro viſionsreiſender ſ. Reiſender. 

Prozeßge richt, Beurkundung einer Auflaſſung 127 
— Regelung des Unterhalts 248 


Prozeßhandlung, Wiederholung 145 
Prozeßkoſten, Umfang des Begriffs 321 
— Entſcheidung in der Reviſionsinſtanz 43 
— Wirkung der Reform 40 
Prüfungen in Preußen 212 
Putativnotwehr, Begriff 45, 48 
Putzmachereien, Sonntagsruhe 95 
Q. 
Qualifikation der Beamten 394 
Quellen, Rechtsverhältniſſe 8, 449 
Quiedzierung 371, 453 
R. 
Rang der Rechte an Grundſtücken 175, 217, 478 
— Aenderung 312 


— der Beamten ſ. Beamter. 


Rangſtelle, offene, Pfändun 208 


Studium 


Pfleger, bei Rechts geſchäften zwiſchen minder ⸗ Realkonkurrenz⸗, Behandlung der Haftentſchädigung 
jährigen Geſchwiſtern 16 197, 365 
— Vertretung mehrerer Kinder 292 Reallaſt, zuläſſiger Inhalt 174, 208, 385 
Pflegſch aft, Beſchwerde gegen die Anordnung | Realrechte, Uebertragung 46 
331, 3414 Rechnung sſtellung, Streitwert der Klage 70 

Photograp hien, unzüchtige 107 | Rechtsanwalt, Zuziehung zu Beſprechungen der 
— Urheberſchutz 172, 344 Richter 178 
Plannummernbezeichn ung; Bedeutung 405 — Vertretung 192 
Plenarentſche i dungen des Reichsgerichts 2, 425 — Nachholung der Unterſchrift 483 
Police Í. Verſicherungspolice. 1 ehrengerichtliches Verfahren 121, 162, 219 
Polizeiaufſicht 364, 427 — Hypothekentitel für Koſten 421 
Polizeibeamte, Teilnahme an politiſchen Vereinen 391 | — Gebühren 136 
Polizeibehörde, Ermächtigung zur Beſeitigung Rechtsfähigkeit der Kirchengemeinden 38 
eines Zuſtands 15, 83, 467 — der Schützengeſellſchaften 104, 121, 164, 299 
— Beſchwerderecht in Regiſterſachen 401 — ätterer Vereine 130 
— f. auch Diſtriktspolizeibehörde. Rechtshilfe, Begriff 415 
Polizeiſtunde, neue Vorſchriften 131 — Koſten 364 
Polizeiverordnungen über den Automobil⸗ gegenüber Verſicherungsanſtalten 211 
verkehr 183 Rechts irrtum im Strafrecht 128 
Portopflichtige Dienſtſachen 67 Rechtskandidaten, Ausſichten in Bayern 364 
Poſtbedien ſtete, Beſtechung 277 — Prüfungen in Preußen 212 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in 1 Bayern. 1908. XXV 
Rechtskraft, Umfang 109, 206 Schätzung von Mieterträgniſſen beim Verkauf 44 
— des Zwiſchenurteils nach § 304 ZPO. Schauſpielunternehmer, Konzeſſionspflicht 188 
— bei Baupolizeiübertretungen 467 Schauſteller, Pfändung von Werkzeugen 151 
— bei Einheitsdelikten 240 Scheidebrief der Israeliten 483 
Rechtsmittel, Beſchränkung 3 Scheckproteſte 323, 404 
— gegen Zwiſchen- und Teilurteile 33 Scheckverkehr zwiſchen Banken und Notaren 12 
— ſ. auch Beſchwerde, Berufung, Reviſion. E der Poſt 484 
Rechtspraktikant, Auftreten in Verwaltungs— Scheinbar, Unterſchied von „anſcheinend“ 444 
rechts ſachen 192 Schenkung, Begriff 395 
Rechtsverhältnis, Feſtſtellung im Prozeſſe 144 — Widerruf 105 
Rechtsweg, Zuläſſigkeit 434, 426, 454 — aus dem Geſamtaut 281 
reformatio in peius, Verbot 340 Scherz bei Rechtsgeſchäften 49 
— im Disziplinarverfahren 395 Scheune, Unfall 343 
Regentſchaft, Anſtellungen 369 Schiedsgerichte ſ. Invalidenverſicherung, 
Regiſterſachen Beſchwerderecht der Polizeibehörde 401 Innungsſchiedsgerichte. 
— ſ. auch Handelsregiſter. Schie automaten 285 
Regulierung von Flüſſen ſ. Flußkorrektion. Schiffahrt als Gemeingebrauch 35 
Rehgeiß, Einziehung 362 Schlüſſelgewalt der Ehefrau 17 
Reichsgericht, Entlaſtung 1 Schmuggel. Einziehung der Ware 271 
— Plenarentſcheidungen 425 Schnelldruckpreſſe als Beſtandteil eines Ge- 
— Reform 471 bäudes 221 
Reichsgeſetze, Prüfung der Gültigkeit durch den Schöffengericht, Ueberweiſung 219, 445 
Richter 358 Schonungen, unbefugtes Betreten 113 
Reichs verweſung ſ. Regentſchaft. Schonzeit der Fiſche, Bedeutung 451 
Reiſekoſten, Erſatz bei Eiſenbahnunfällen 166 Schreibgebühren im Prozeß 40 
— der Beamten 433 Schreibmaſchine, Verwendung bei Notariaten 424 
Reiſender, Unfall im Fabrikbetriebe 204 Schreibun fähigkeit des Erblaſſers beim Teſta— 
Reklame, Verunſtaltung von Ortſchaften u. dgl. 323 ment 172, 225, 464 
Religions unterricht, Verſäumung 209 Schreibwerk f. Geſchäftsvereinfachung. 
Rennen ſ. Pferderennen. Schriftform, Begriff 45 
Rentamtmann, Haftung bei Ausſtellung von Schuldanerkenntnis aus Börſengeſchäften 236 
Belaſtungszeugniſſen 33 — Anfechtung 105 
Rente ſ. Geldrente. Schuldübernahme, Genehmigung 124 
Reſidenzpflicht der Beamten 389 Schüler, Begriff 420 
Reviſion, Begründung 469 Schulpflichtige f. Sonntagsſchulpflichtige. 
— Einſchränkung 359 Schützengeſellſchaften, Rechtsfähigkeit 
— Zurücknahme 43 104, 121, 164, 299 
— gegen Ueberweiſung an die Landespolizei— Schutzgebiete, Urheberrechtsſchutz 484 
behörde 125 Schwefelſäure, Zuſatz zu Wein 184 
— Reformvorſchläge 3, 425 Schweiz, Austauſch von Perſonenſtandsurkunden 52 
Reviſions ſumme, Berechnung 70 — Ehbeſcheidung 295 
Revolver ſ. Waffen. Schwurgerichtliches Verfahren, eee 
Rheinpfalz ſ. Pfalz. Verleſung 
Richter, Ausſchließung 70 — Behandlung von Einheitsdelikten 241, 15 
— Dienſtverhältniſſe 368, 372, 387, 388, 389, 394, 432, — Angabe des Stimmenverhältniſſes 312 
434, 454, 457, 459 — Strafzumeſſung 223 
Richterverein, bayerischer 52 — Reform 471 
Rodung von Wald 213 — f. a. Geſchworene. 
Röhrenleitungen, Rechtsverhältniſſe 8 Seen, Rechtsverhältniſſe 5, 9 
Römiſches Recht, Bedeutung für die Gegen— — Eigentum an den Fiſchen 449 
wart 254 Selbſtkontrahieren, Verbot 180 
Rücktritt vom Verſuch 99 Sicherheit, Beſtellung für Börſengeſchäfte 235 
Ruhepauſen für die Arbeiter 93, 115 Sicherheitshypothek, Vorausſetzungen der 
Ruheſtand ſ. Beamter. Eintragung 
Sicherungshypothek, Aenderung des Rangs 313 
— Beſtimmtheit der Forderung 230 
S | — Beweislaſt für Ausfüllung 417 
* — des Unternehmers eines Bauwerks 166 
Sacharin, Schmuggel 271 — f. a. Vollſtreckungshypothek. 
e an Gas 190 Silbermünzen ale Zahlungsmittel 199 
— an Waldbäumen 438 Singvögel, Handel 276 
Sach verſtändige, Ablehnung 269 Sonderrecht eines Geſellſchafters 26 
— Beeidigung im Zivilprozeß 135, 364 Sonntags ruhe der Arbeiter 93, 110, 115 
— im ehrengerichtlichen Verfahren 121 — der Beamten 344, 389, 431 
— Gebühren 210 Sonntagsſchulpflichtige, unerlaubter Wirts— 
— Entſchädigung für Aktenſtudium 72, 210 hausbeſuch 163 
Sägewerksbeſitzer, Haftung für Unfälle 84, 142, — ſtrafbare Schulverſäumniſſe 209 


202, 266, 304 
Schadenserſatz wegen rechtswidriger Verſteigerung 379 


— wegen Tötung 311 
— wegen Immiſſion 61 
— wegen Flußkorrektion 79 
— bei Eiſenbahnunfällen 435 
— Umfang 256 
Schankſtuben, Polizeiſtunde 131 


Spiel ſ. Glücksſpiel. A 
Staat als Eigentümer öffentlicher Flüſſe 5 
— Entſchädigung Freigeſprochener 333 


— Haftung für Verletzung der Amtspflicht 36, 111, 408 


— — für Notare 225 


— — für Klinikbeamte 149 
— — für Rentämter 330 
Staatsanwalt, Strafantrag 335 


XXVI 


Staatsdienſtaſpiranten, Verhältniſſe 
— Anrechnung der Dienſtzeit 
Staatsgebühren f. Gebühren. 
Staatsminiſter, Verhältniſſe 
Städteverfaflung, pfälziſche 
Stadtmagiſtrate ſ. Magiſtrate. 


348 
455 


348, 433, 459 
384 


Stall, Unfälle 312 
Standesämter in der Piah 384 
Statiſtik der Gewerbe. und Kaufmannsgerichte 232 


Statiſtiſches Amt, Kaiſerliches, Einberufungen 152 
Stege, Unterhaltung durch die Gemeinde 220 
Stellvertretung bei Ausübung der Fiſcherei 474 
Stiftungen, Portofreiheit 66 
Stiftungs vermögen, Verwaltung 39 
Stimmen verhältnis, Angabe beim Spruch 
der Geſchworenen l 312 
Strafantrag, Form 45 


— bei Einheitsdelikten 239 
— bei Majeſtätsbeleidigung 177 
— bei Sachbeſchädigung 190 
— Vertrag über Unterlaſſung 144 
— des Staatsanwalts 335 
Strafbefehl, Ermächtigung der Polizeibehörde 
zur Beſeitigung eines Zuſtands 15, 83 


Strafliſte ſ. Strafregiſter. 

Strafprozeß, e 117, 137, 159, 445, > 

Strafrechtsref orm 

Strafregifter, Erweiterung 416 

Strafzumeſſung, Antrag des Staatsanwalts 335 
3 


— bei Geſamtſtrafen 40 

— im ſchwurgerichtlichen Verfahren 223 
— Begründung 439 
Strafzweck 247 


Straßen beleuchtung durch die Gemeinden 25 


Streitwert bei mehreren Anſprüchen 442 
Strichſchillinge, Abtretung 90 
Sühne als Strafzweck 247 
Sühneverſuch im Privatklageverfahren 97, 137, 
160, 471 
Suspenſion f. Beamter. 
Süßſtoffgeſetz, Verhältnis zum Vereinszollgeſetz 271 
T. 
Tagegelder der Beamten 433 
Tanz unterhaltung, unerlaubter Beſuch 163 


Tatbeſtand 3mertmal „ſubjektives, Begriff 375 
Tateinheit f. Einheitsdelikte. 


Täterſchaft, mittelbare 73, 99 
Tauſch von Grundſtücken, Form 462 
Täuſchung als Anfechtungsgrund 166 
Teich, Eigentum an den Fiſchen 449 
Teilnahme im Strafrecht, Begriff 73, 99 
— bei Einheitsdelikten 240 
Teilungsanordnung, Begriff 246 
Teilurteil nach § 301 RPO. 29 
Eh bei Vorabentſcheidung über den Grund 32 
Telegramme, Gebühren 67 


— als Urkunden 
Telephon verkehr, Gebühren 67 
Termingeſchäfte ſ. Börſentermingeſchäfte. 
Terminologie ſ. Begriffsbeſtimmungen. 
Terminsbeſtimmung durch den Vorſitzenden, 


Beglaubigung 295 
Terminsgebühr im Zivilprozeß 136 
— der Aerzte 210 
Teſtament, Beſtimmtheit des Inhalts 193 
— Verleſung des Protokolls bei Errichtung 19 
— Zeugen 69 
— eigenhändiges 21, 357 
— Aufhebung 182 
— Notariatsgebühren 23 
— Fälſchung 21 


ſ. a. Dorfteſtament, Schreibunfähigkeit. 


II. Alphabetiſches Verzeichnis. 


| 
| 


| 


l 


Teſtamentsvollſtrecker, Befugnifie 17, 90 
— als Beklagter in Mietſtreitigkeiten 90 
Theaterzenſur in Bayern 188 
Tiere, Notwehr gegen ſie 48 
Tierhalter, Begriff 363 
— Haftung 276 
Titel, unbefugte Führung 392 
Todesanzeige bei Lebensverſicherung 339 
Todeserklärung, Vorausſetzungen 192 
Tonwerke, unbefugte Aufführung 172 
Tötung, Schadenserſatzanſprüche 311 
Transferierung ſ. Uebertragung. 

Trennung im Zivilprozeſſe 29 
Treppe, öffentliche, Verkehrsſicherheit 25 
Treſterwein 465 
Triftgewäſſer, Gemeingebrauch 35 
Trödler, Verpflichtung zur Buchführung 24 
Trunkſu ch t als Scheidungsgrund 182 

U. 

Ueberfall, Begriff 465 
Ueberlegung, Begriff 158 
Uebertragung von Hypotheken 87, 129 
— von Grundſchulden 270 


— von Gewerberechten 46 

Ueberweiſung gepfändeter Anſprüche 

— an das Schöffengericht 

Ueberweiſungsverkehr 
und Notaren 

Ufereigentümer, 
korrektion 


219, 445 
zwiſchen Banken 
12 


Entſchädigung bei Fluß⸗ 
80 


Ufergrundſtücke, Untergang 9 
— Benützung beim Fiſchfang 475 
Umlagen j. Kirchenumlagen. 

Umſchlag des Teſtaments, Bedeutung 357 


Um zugskoſten der Beamten 347, 372, 433 
Undank des Beſchenkten 105 
Uneheliche Kinder, Unterhaltsverträge 202 
Unfall im verſicherungspflichtigen Betrieb 84, 108, 

142, 202, 204, 266, 304, 363 


— auf der Eiſenbahn 166, 435 
— in einer Wirtſchaft 419 
— in einem Stall 312 
— in einer Scheune 343 
— auf einem Fußpfad 269 


— ſ. a. Kauſalzuſammenhang, Automobilunfall. 


Unfallfürſorge für Beamte 347, 433 
Unfallverhütungsvorſchriften, Be⸗ 
deutung 344 
Ungarn, Auslieferung 252 
Unſittlichkeit von Verträgen 144, 165, 229 
Unterbrechung der Verjährung 52 
Unterhalt unehelicher Kinder 202 
— der getrennt lebenden Frau 86 
— Vertrag über U. 144 


— Regelung durch das Vormundſchaftsgericht 


Unterhaltung einer Grunddienſtbarkeitsanlage 


173, 385, 476 
Unternehmer, Anſpruch auf Sicherungshypo⸗ 


thek 166 
Unterſchlagung, Tatbeſtand 293 
— Idealkonkurrenz mit Untreue 15 
Unterſchrift beim Strafantrag 45 
— bei den Grundbucheintragungen 142 
— beim Dorfteſtament 172 
— beim Wechſel 462 
— bei Urteilen 472 


— f. auch Schreibunfähigkeit. 
Unterſuchungsanſtalten, Strafmitteilungen 132 


Unterſuchun'gshaft, Entſchädigung 197, 3 5 
— Verhör des Verhafteten 2 4 
— von Abgeordneten 3 4 


‘s | er | tai j } aà 


1 i 1 t 1 1 I 


~ 


- 


Untreue der Geſellſchafter einer Kommandit⸗ 
geſellſchaft 


— Idealkonkurrenz mit Amtsvergehen 


Unzüchtige Darſtellungen, Begriff 107 
Unzüchtige Handlungen, Begriff 481 
— Vornahme mit Gewalt 248 
— an Kindern 340 
— an Schülern 420 
Urheberrecht, internationaler Schutz 172, 344, 484 
Urkunden, Vollſtreckbarkeit 224 
— i 248 
— Pflicht zur Vorlegung 309 
Urkundenfälſchung, Tatbeſtand 206, 290, 291 
— bei Telegrammen 166 
— beim Militärpaß 21 


— beim eigenhändigen Teſtament ' 21 


Urlaub der Beamten 349, 409, 431 
— der Geſchworenen 471 
Urteil in Zivilſachen, Begründung 437 
— in Strafſachen, Begründung 472 


— f. auch Zwiſchenurteil, Verſäumnisurteil. 


V. 


Vater, Befugnis zur Hypotheklöſchung 380 
— Verpfändung von Hypotheken 217 
— Haftung für Prozeßkoſten des Kindes 25 
Vaterſchaft, Anerkennung 202 
— Vermutung 356 
Veräußerung, Begriff 145 
— von Zubehör 398 
Vereine, ale 104, 121, 130, 164, 299 
— Beſchwerde wegen Nichteintragung 341 
— Ausſchluß von Mitgliedern 130, 440 
— Teilnahme von Beamten 349, 391, 410 
— politiſche B., Begriff 274 
— Auflöſung 324 


Vereinszollgeſetz, Verhältnis zum Süßſtoff⸗ 


geſe 271 
Verfälſchung von Nahrungsmitteln 89, 342 
— von Wein 126, 184, 465 

Berfügungsbeſchränkung, Löſchung 109 
— Eintragung bei Zwangsenteignung 291 
Vergeltungslehre 247 
Vergleich im Privatklageverfahren 97, 117, 138, 160 
— Gebühr 131 
Verhältniswörter, Häufung 468 
Verheiratung der Beamten 390 
Verhör des verhafteten Angeſchuldigten 264 


Verjährung von Schadenserſatzanſprüchen gegen 
die Eiſenbahn 166 


— von Einheitsdelikten 239 
— der Majeſtätsbeleidigung 176 
— von Preßvergehen 464 
— von Baupolizeiübertretungen 467 
— von Dienſtvergehen 412, 430 
— der Fahnenflucht 231 
— unvordenkliche B. 7 
— Unterbrechung 52 
— Berückſichtigung bei Armenrechtsgeſuchen 149 
Verkauf eingezogenen Weines 112 
Verkäufer, Haftung für Argliſt 44 
Verkaufgeſchäfte, Sonntagsruhe 91 


Verkehrs unfähigkeit der öffentlichen Gewäſſer 6 
Verlaſſung, bösliche 68 
Berlefung des Protokolls über Teſtaments⸗ 


errichtung 19 
— von Zeugenausſagen 121 
— unzuläſſige im ſchwurgerichtlichen Verfahren 247 
Vermächtnis, Begriff 246 


Bermächtnis nehmer, Verhältnis zum Nachlaß⸗ 
gläubiger 308 


— Anfechtung der Nachlaßverwaltung 318 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 1908. 


| 


Vermeſſung von Grundſtücken 405 


480 Vermittler ſ. Mäklerlohn, Mäklervertrag, Agent. 
7 


Vermittelung von Weiten 
Vermögensbeſchädigung, Begriff beim Betrug 20 


Vermögensbeſtandteile, Beiſeiteſchaffen 45 
Verpfändung von Forderungen 139 
— von Hypotheken 127 


Verſäumnisurteil über den Grund des Ans 


ſpruchs 31 
— im Nachverfahren über den Betrag 52 
Verfäumungdurteil, Koften 40, 443 
Verſchlechterung der Kaufſache, Begriff 310 
Verſchollenheit ſ. Todeserklärung. 
Verſchulden bei der Privatverſicherung 352 
Verſchweigen als Argliſt 44 
Verſendungskauf, Eigentumsübergang 289 

Verſetzung f. Beamter. 

Verſicherungsagent, Vertretungsrecht 327, 373 
Verſicherungsanſtalten, Rechtshilfe 211 


Verſicherungsgeſellſchaft, 


Verhältnis zum 
Pfandgläubiger des Verſicherten 379 


— Benachrichtigung vom Tode 339 
Verſicherung police, Pfandrecht 379 
Verſicherungs verträge, Auslegung 105, 339 
' neues Recht 325, 350, 372 
Verſionsklage, Umfang 50 
Verſteigerung eingezogenen Weines 112 


Verwandte, Anhörung durch das Vormundſchafts. 
22 


ſ. auch Zwangsverſteigerung. 
Verſteigerungstermin, Bedeutung der Ver⸗ 


handlungen 267 
Verſuch, Rücktritt 99 
— der Notzucht 481 
Verteidigung, Reformfragen 469 
Vertragsfreiheit bei der Privatverſicherung 326 
Vertragsſtrafe bei Konkurrenzverbot 229 
— in Kartellverträgen 418 
Vertretungsmacht der Frau 17, 50 
— Beſchränkung bei Intereſſenkolliſion 16 
Verunreinigung von Flüſſen 60 


Verwaltungsgerichtshof, Stellung der Mit- 
glieder 348, 368, 370, 372, 388, 394, 434, 457 

Verwaltungsrechts verfahren, Vertretung 
durch Rechtspraktikanten 192 

Verwaltungs rechtsweg in Waſſerſachen 7 


gericht 
411 


Verweis gegen Beamte 

Verweſung von Stellen 388, 431 
Verzeihung, Begriff 245 
— Beweislaſt 463 
Verzug des Gläubigers 379 
Viehſeuchen, Abſperrungsmaßregeln 128 
Vo gelſchutz 276, 444 
Vollmacht für Strafantrag 45 
— bei Güterzertrümmerung 180 
— Anfechtung 258 


Vollſtreckung f. Zwangsvollſtreckung. 
Vollſtreckungshypothek, Eintragung an 
offener Rangſtelle 208 
Vollſtreckungsklauſel zu Hypothekenbriefen 223 
— zu Ausſtandsverzeichniſſen der Berufsgenoſſen- 
ſchaften 151 
Vollſtreckungs urteil, Vorausſetzungen 419 
Vorabentſcheidung über den Grund des 


Anſpruchs 29, 338 
Vorau svermächtnis, Begriff 246 
Vorbehaltsgut, Umfang 357 
Vorbehaltsurteil nach 8 302 3PO. 29 
Vorbildung der Juriſten 253 
Vorempfänge, Ausgleichung 19 


Vorentſcheidung bei Haftung des Staats für 


Beamte 111 
Vorerbe, Verhältnis zum Nacherben 85 
Vormerkung von Bauforderungen 421 
— des Anſpruchs auf Auflaſſung 164 


XXVIII 
Vormerkung bei Pfändung von Hypotheken 303 
— auf Löſchung 417 
— bei Einverleibung von Grundſtücken in ein Fidei- 
kommiß 71 
Vormund, Befugnis zur Vertretung mehrerer 
Mündel 16 
— Verpfändung von Hypotheken 127 
Vormundſchaft, maßgebendes Recht 144 


— f. a. Berufs vormundſchaft. 


Vormundſchaftsgericht, Ren zu 


II. II. Alphabetiſches Verzeichnis. 


Rechtsgeſchäften 331 
— Unterhaltsverträge 202 
— Regelung des Unterhalts 248 
— Beſtimmung des Aufenthalts des Mündels 168 


Regelung des Verkehrs mit Kindern aus ge— 


ſchiedenen Ehen 22 
Vorpfändung von Buchhypotheken 302 
Vor ſatz, Begriff 73 
— bei der Majeſtätsbeleidigung 157, 176 


Vorſtrafen, Bekanntgabe 
Vorunterſuchung im ehrengerichtlichen Ver— 


fahren gegen Rechtsanwälte 121, 162 


W. 


Widerſpruch gegen Zablungsbefehle 
— im Offenbarungseidverfahren 72 


Widerſtand, Begriff 267 
Wiederanſtellung ſ. Beamter. 5 
Wiederaufnahmeverfahren, Entſchädi⸗ 
gung 333 
— im Disziplinarverfahren 414 
Wilde Tiere, Begriff 448 
Win dproteſt' 296 
Wirt, Haftung für eingebrachte Sachen 203 
— für Unfäll 419 
Wirtſchaften, Konzeſſionspflicht 148 
— Polizeiſtunde 131 
Wirtſchaftsgerechtſame ſ. Realrechte. 
Wirtshausbeſuch, unerlaubter 163 
Wiſſentlichkeit, Begriff 128 
Witwengeld f. Beamter. 
Wohnſitz der Beamten 389 
Wohnungsrecht als Leibgedinge 129 
—- gemeinſchaftliches 186 


Zahlungs bedingungen, 


Waffen, verbotene 460 
Wahrheitsbeweis bei Majeſtätsbeleidigung 177 
Währung 199 
Waiſengeld f. Beamter. 

Wald, Grunddienſtbarkeiten 43 
— Abſperrung 122 
— Aufforſtung 213 
— Beihädigung von Bäumen 438 
— Enteignung von Forſtrechten 291 
Wandelungsanſpruch, Erfüllungsort 169 
Waren, Zulaſſung zum Börſenhandel 234 
Warenzeichen, Möglichkeit der Verwechslung 20 
— unzuläſſige Anbringung 250 
Wartegeld ſ. Beamter. 

Waſſerbenützung rechte 259, 316 
Waſſerleitungen, Rechtsverhältniſſe 8 


Waſſerrecht, neues bayeriſches 4, 27, 34, 60, 79, 
259, 286, 449 

Waſſerzuſatz zum Wein 126 

Wechſel, Unterzeichnung durch den Mann für die 


Frau 205 


— Unterzeichnung durch die Ehefrau 463 
Wechſelforderung, Abtretung 250 
Wechſelproteſt, Befugnis zur Erhebung 288 
— Neuerungen 295, 404 
Wege, Feſtſtellung der Eigentumsverhältniſſe 147 
— Beauſſichtigung 25 
— in Waldungen 122 
Wegnahmerecht, Feſtſetzung im Zuſchlag 267 
Wehrpflicht ſ. Fahnenflucht. 

Wein, Fälſchung 126, 184, 465 
— Verwertung bei Einziehung 112 
Werkvertrag, Abnahme des Werks 287 
Werkzeug bei ſtrafbaren Handlungen 73, 99 
Wermutwein 465 


Wertpapiere, Zugehörigkeit zum Fideikommiß 22 
— Zulaſſung zur Börſe 2.34 
Wetten bei Pferderennen 70 
Widerklage, Behandlung bei Vorabentſcheidung 


über den Grund 32 
— im Eheprozeſſe 401 
— Zuſtändigkeit 480 

im Privatklageverfahren 41 
Ri iderruf der Vollmacht 258 
— der Schenkung 105 
— der Anſtellung 368 
Widerſpruch, Eintragung im Grundbuch 71 
— gegen eine Hypothek 207 


— von Forſtrechten 


3. 


der Hypothek 
Zahlungsbefehl ſ. Mahnverfahren. 


Zahlungseinſtellung, Begriff 403 
Zahlungsproteſt 295 
Zahlungstermin bei der Kündigung 309 
Zäune, unbefugtes Ueberſteigen 122 
Zeitangabe im Grundbuch 142 
— beim eigenhändigen Teſtament 357 
Zelt als Bauwerk 464 
Zenſur ſ. Theaterzenſur. 

Zeſſion ſ. Uebertragung. 

Zeugen, beim Teſtament 69 
— Beeidigung im Zioilprozeß 13⁵ 
— im Strafprozeß 470 
— im ehrengerichtlichen Verfahren 121 
— Geiſteskrankheit 439 
— Unmöglichkeit der Vernehmung 42⁰ 
— Bekanntgabe von Vorſtraſen 324 
— Ordnungsſtrafen 423 
Zeugnis über Bodenzinfe 329 


Zeugnisverweigerung durch einen au 


kunfteiinhaber 
Zeugniszwang 72 
Zigeuner, Waffenverbot 460 
Zivilkammer, Zuſtändigkeit 134 
Zivilprozeß, Reform 1, 29, 40, 133 
Zubehör, Begriff 221 
— Veräußerung durch den Konkursverwalter 398 

Wirkung des Zuſchlags 267 
Züchtigung der Ehefrau 43 
Zuckerung des Weins 126 


Zurückbehaltungs recht an verkaufter Ware 289 
Zurücknahme der Reviſion, Wirkung 
— der öffentlichen Klage 

Zurückverweiſung des Rechtsſtreits 33 
Zuſchlag, rechtliche Natur und Wirkungen 


Zuſchreibung von Grundſtücken 46 
Zuſtändigkeit nach der Zivilprozeßreform 133 
— des Nachlaßgerichts 361 
— der Kaufmannsgerichte 479 
— der Innungsſchiedsgerichte 355 
— bei Einheitsdelikten 238 
— Prüfung beim Vollſtreckungsurteil 419 


Zuſtellung an einen Generalbevollmächtigten 250 


— im Strafprozeß 223, 446 
— Folgen der Mängel 222 
Zuſtimmung, Begriff 53 


Z3Zwangsenteignung, Behandlung im Grund⸗ 
buch 1 
291 


Eintragung bei 
200 


— — — — m Aue e aain 


— — a y — . - 


Zwangserziehung wegen Geiſteskrankheit der 


Eltern 
— Vollzug 155 
Zwangsmittel gegen Beamte 394 
Z3wangdvergleid, Wirkung 250 


— Anrechnung im Auslande beigetriebener Beträge 272 
Zwangsverſteigerung, Wirkung auf Miete 


und Pacht 179 
— bevorrechtigte Anſprüche 479 
— Behandlung von Vormerkungen 164 
— Berechnung des Werts erloſchener Rechte 307 
— Behandlung der Löſchungsvormerkung 417 
— bei Gemeinſchaft 102 
— rechtswidrige 378 


— ſ. a. Zuſchlag. 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


| 


A 


| 
| 


i 


Zwiſchen verfügung des Grundbuchamts 


XXIX 


Zwangsverwaltung, Verteilung der Ueber⸗ 
ſchüſſe 

— bei einſtweiligen Verfügungen 

Zwangsvollſtreckung aus Vergleichen im 
Privatklageverfahren 97, 160 


171 
479 


— aus öſterreichiſchen Urteilen 419 
— wegen Geldſtrafen 404 
— zur Erzwingung von Handlungen 258 
— Einfluß des Giterrechts 313 
— Vereitelung 145 


— f. auch Vollſtreckungsklauſel. 

Z3Zwingende Rechtsſätze im Verſicherungsrecht 326 

Zwiſchenurteil über den Grund des An— 
ſpruchs 29, 338 

398 


S SSS S8 


S & 


III. verzeichnis der Geſetzesſtellen. 


(Die fetten Zahlen bedeuten die Paragraphen oder Artikel, die kleinen die Seiten,, 


A. RNeichsgeſetze. 


1. Bürgerliches Geſetzbuch. 467 310 812 169, 331 
472 462 813 308 
361 180 463 488 322 814 356 
104, 121, 164 181 16, 180, 292, 515 44 815 379 
121, 164 333, 380 516 283 SIS 169, 307 
111, 149 182 16, 56, 181, 518 259, 270, 396 823 25, 37, 44, 62, 
55, 131, 188 332, 463 528 283 84, 111, 149, 
26 183 55 530 105 476 
104, 440 184 59, 463 534 396 826 44, 169, 183, 
104 185 332 564 309 331, 337, 338, 
341 228 48 565 179 339, 343, 379, 
57 232 214 569 90 399, 423, 437 
57 240 214 571 179 831 111, 183, 338, 
111, 149, 330, 242 247, 379 572 179 373, 476 
408 249 437 573 179 836 207, 423, 464 
221, 407 253 256 574 179 87 423, 464 
222 254 31 575 179 839 225, 226, 437 
292, 317 267 54, 284 607 165, 438 841 54 
316 268 200, 271 611 275, 480 812 378 
473 269 150 626 275 813 338, 378 
467 273 289 638 166 814 311 
467 276 226 641 287 847 435 
54, 264 278 352, 476 612 288 819 307 
85 282 311 644 287 82 149 
224, 264 281 131 647 421 857 319 
49 286 379, 421 648 421 862 437 
105, 166, 258, 294 379 652 129, 395 868 437 
263, 310 295 379 656 257 878 71, 200, 242, 
263 300 379 662 84 263, 313 
53, 166 311 259 666 247, 480 874 129 
166, 263, 331, 313 71, 203, 258, 667 247, 480 875 264 
373 337, 462 675 480 876 174, 200 
203, 226, 358 321 274 679 86 877 200, 217, 264, 
45, 358, 463 322 352 683 86 313 
183, 186, 246, 323 124, 372 681 56 878 129 
418 325 124, 378 700 438 879 142, 173, 217, 
452 328 282 701 203 387, 478 
144, 165, 229, 344 397 705 104, 130 880 201,217,313 
372 346 310 709 50, 130, 440 S81 208 
203, 271, 337 317 310 713 247 882 217, 307 
229 350 310 714 50 883 71, 164, 217, 
263 351 310 723 130 303 
264 354 310 737 130 88 303 
49, 90, 263 399 20 738 317 890 46, 102 
4 402 20 741 186 891 218, 242, 263 
247, 374, 379, 414 124 744 54 892 46, 71, 217, 
418 415 56 759 209 242, 261, 292 
26, 379 416 124 761 259 S93 46, 217, 263 
19, 474 421 215 762 236, 257, 286 $94 71, 207, 319, 
373 432 140 763 57 380 
463 449 105 764 236, 257 S99 207, 218 
258 458 54 766 259 903 61, 113, 183 
258 459 44, 310 779 226 904 114 
258 2 331 781 19, 105 906 62, 183, 289 
258 463 44, 150 | 795 54 907 123 


19, 56, 463 465 311 | 810 309 911 341 


m mee 


6, 62, 183, 246 


167, 
114, 
307 
114, 
173, 

4 


417 


217 
407 


175 


385, 476 


317 
316, 407 


208 


175, 200, 242, 


202 
201 
200, 


421 


55, 200, 217 


399 
263 
399 
242 
380 
200, 
313 
90 
129, 
380, 
380, 
263, 
201 
230, 
201 
417 
270 
201 
201 
141 
290 
42 
442 


272 


270, 302 
418 
417 
417 


417 


357 

124, 305 
305, 380 
54, 305 

54, 124, 305 
54, 281, 305 
306 

54, 124 

292 

306 

124, 281 
124 

124 

124 

124 

124 

305, 380 

55 


168 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


55 
332 


168 
16, 333, 380 
168 
58 


58 
16, 127, 333 


XXXI 


19, 23, 56, 69, 
225, 464 


2. Einführungsgeſetz zum Bürgerlichen Geſetzbuch. 


30 1 


65, 483 


54 


113 


3. Handelsgeſetzbuch. 
1 290, 394, 481, 
482 


2 290, 481, 482 
50 


420 


7 482 
18 401 


58, 59, 440 


23 440 
24 58, 59 
25 58, 59 


29 481, 482 


30 


114 
115, 208 
124 


90, 167, 181, 
244, 439 

6, 115 

230, 242, 262 
483 

421 

421 

244 


440 

235 

24, 209, 420 
209, 290 


54, 59 
58, 60, 481 


XXXII III. Verzeichnis der Gefeßesftellen. u 
74 229 326 58, 59 9. Geſetz, betr. das Urheberrecht au Werken der 
85 59, 373 327 59 Literatur und Tonkunſt. 
86 57, 58 34 50 47 239 49 239 
109 187, 480 366 290 48 239 
112 54, 58 371 58 | 
116 54, 59 373 49, 59 1Idͥ0. Geſetz, betr. das Urheberrecht an Werken der 
119 59, 187 374 49 | bildenden Künfte und der Phstsgraphie. 
125 480 378 59 
126 50, 480 379 49 | 
127 480 381 247 | 11. Berlagsgeſetz. 
161 480 3856 59 | 28 60 
163 480 387 247 | 
170 480 392 257 er 12. Gewerbeordunng. 
180 59 3903 54, 59 1 190 1056 115 
186 359 400 247 | 12 393 105 e 115 
187 393 401 247 32 189 120 93 
195 59 433 290 33 310 120 b 95 
201 59 455 290 33a 189 120e 116 
202 359 4m) 57, 59 35 24, 214 133 229 
212 59 501 59 37 401 135 93, 116 
231 234 503 58, 59 38 24, 214 136 93, 95, 116 
236 58, 59 506 59 40 189 137 93, 95, 116 
238 59 544 58 | 41 94 1390 94, 110, 116 
260 59, 209 553 54, 58, 59 | 41 96 144 190 
261 209 565 58 41b 96 146 95, 110, 117 
264 59 566 59 55 96 146a 95, 117 
265 209 641 59 89b 60 147 95, 117, 189 
270 59 642 58 91 355 154 93 
276 59 779 374 105 a 96 154 a 93 
281 59 782 59 105 b 93, 94, 95, 110, 
304 59 813 59 115, 117 
305 57, 59 816 59 
323 59 886 59 | 13. Hypsthekenbankgeſetz. 
23 209 41 104 
4. Wechſelordunng. | 24 210 42 210 
43 296 88a 295 28 210 
44 296 88b 295 A 
69 295 »9a 295 14. Börſengeſetz. 
72 295 90 296 a 99. 
S7 296, 323 91 296 5 1 
2095 92 296 49 234 6⁵ 237 
50 234 66 235 
5. Schelgeſetz. 51 235 68 237 
2 484 16 323 | 54 236 774 237 
55 236 77 b 237 
6. Geſetz über den Verſicherungs vertrag. | . 
2 39 - 15. Haftpflichtgeſetz. 
2 328 4 373 | 
6 328, 351 47 373 1 86, 435 
9 372 51 327 
16 350 61 a 16. Gewerbe⸗Uufallverſicherungsgeſetz. 
17 350 67 327 i i 
19 328 48 372, 374 12 85 102 101 
24 351 5 i 14 85 103 151 
„ „ 70 205 135 84, 204 
29 350 82 327 73 204 ’ 
30 327 92 354 
F 282 Qu 7: 2 N 
37 9055 N 17. Unſallverſicherungsgeſetz für die Land- und 
31 352 158 373 Forſtwirtſchaft 
36 373 186 326 : 
37 373 187 326 1 106 146 85 
40 373 188 326 120 343 151 363 
41 350, 373 189 326 
43 373 192 326, 374 18. Krankenverſicherungsgeſetz. 
7. Geſetz betr. die Geſellſchaften m. b. H. st N 
13 420 41 420 i 
17 60 2 286, 420 19. Invalidenverſicherungsgeſe tz. 
2 26 45 26 | 134 401 172 21 
S. Geſetz zum Schutze der Warenbezeichnungen. 20. Perſonenſtandögeſetz 


15 250 20 20 | 76 483 


Inhaltsverzeichni 


1 
6 


S — 


NSN 


RISE 


103 


21. Geridhtsverfafinngsgefeg. 


151, 389 75 219 

368 101 134 

133, 370, 372, 109 134 

387 127 471 

434 152 389 

483 158 415 

384 160 211, 415 
133 181 423 

346 202 134 

134 

22. Nechtshilfegeſetz. 
211 38 211 
211 
23. Zivilprozeßorduung. 

442 475 110 

142 482 135 

307 504 135 

419 505 135 

150, 170 506 136 

135 508 135 

225 515 44 

32, 131, 135, 518 143 

321. 443, 483 529 419 

30, 224 535 222 

443 538 29 

34 539 34 

43 550 225 

442 551 379 

321 546 70 

97 549 222, 227 
321 550 168 

29 551 222 

222 561 223 

222 563 309 

250 566 44 

222 568 341 

222 569 245 

222 571 190 

222 574 245 

222 600 443 

442 606 68, 483 
43 624 183 

144 627 69 

480 646 106 
379, 437 680 106 

33, 379 681 106 

29 717 29, 136, 443 
29, 443 722 419 

29, 143 723 419 

29 724 224 

245 726 224 
109, 226 727 224 

202 735 104 

419 739 190, 314 
32 7410 306 

32 750 315 

44 766 400, 442 
443 767 32, 170, 272 
109 769 442 

400 771 315, 442 
228 780 30 

228 793 224 

135 794 97, 314 
135 1795 224 

135 797 136, 224 
135 801 151 

109 807 111 

29 808 14 

109 819 442 


8 der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


XXXIII 


828 
829 
836 
845 
865 
866 
867 


303 
250, 302 
302 
207 
303 
399 
208, 306 
121 


888 
903 
927 
935 
936 
938 
910 


258 

111 

69 

479 

69 

245, 479 
69 


24. Geſetz über die Gewerbegerichte. 


25 


55 


180 
355 


355 


25. Geſetz über die Kaufmannsgerichte. 


1 480 
4 480 


5 


3 308 


10 
43 
4 
48 
49 
50 
52 
55 
57 
59 
60 
6 
71 


2 
id 


29. Ginführnngsgefeh zum Zwangsverſteigerungsgeſetz. 


180 


6 
16 
21 


26. Konkursorduung. 


273 
399 

399 

257 

170, 403 
251 

273 

273 

399 

251, 273 
399 

308 


27. Aufechtungsgeſetz. 
308 


117 
127 
132 
193 
213 
215 
216 
217 
226 
237 
238 
240 


480 
180 
480 


399 
142 
442 


251, 252, 272 


104 
308 
308 
308 
308 
273 
273 
290, 420 


28. Zwangsverſteigerungsgeſeßz. 


171, 479 
60 
175, 200 
164 
200, 217 
217 


200, 259, 307, 


417 
268 
179 


60, 103, 200, 


60 
102 
60 
379 


9 129 


30. Gerichtskoſtengeſetz. 


111 
190 
190 
131 


82 
81 


4 


91 
92 


105 
132 
133 
146 
152 
155 
181 
182 


48 
64 
6⁵ 
92 


268 
60 
268 


165, 307, 417, 
165, 217, 307, 


417 
60 

267 
267 
479 
179 
171 
60 

103 


136 
417 
417 
25 


31. Nechtsanwaltsordnung. 


219 
122, 163 
163 
163 
163 
219 
192 
483 
122, 163 


62 
64 
68 
7: 

75 
86 
SS 
% 


122, 219 
122 
122, 163 
121, 162 
162 
162 
121, 162 
122 


2, 163, 219 


XXXI 


32. Gebührenordnung für Nechtsanwälte. 
76 137 


33 
Gerichtsbarkeit. 
1 341 57 318, 341, 421 


2 415 59 225, 331 
5 415 63 225 
15 364 72 415 
16 249 75 415 
19 401, 415 76 319 
20 248, 341, 401, 80 361 
416 s6 146, 361 
21 361 SS 416 
24 249 125 382 
27 168, 225 142 481 
29 361 143 401, 481 
30 415 174 69 
32 341 192 416 
36 332 199 401 
46 415 
34. Grundbuchordnung. 
1 415 29 109, 208, 261, 
2 407 318, 397 
4 46 30 108 
6 407 36 466 
8 60, 174, 292 39 415 
9 230, 262, 416 40 208, 318 
12 408 45 142 
13 415 46 218 
18 397, 415 48 186, 318 
19 200, 315 50 129 
21 60 54 316 
22 108, 315, 318, 71 316, 415 
466 72 415 
23 386 81 415 
24 386 83 292 
28 200 87 262 
35. Strafgeſetzbuch. 
3 184 79 362 
4 238 95 108, 177 
11 238 97 176 
31 407 99 176 
33 407 101 177 
35 407 113 267 
40 362 114 86, 267 
42 362 117 438 
43 223, 267 120 465 
3 99 121 465 
47 76, 185, 228, 122 435, 465 
240, 342 123 123, 160, 299 
48 76, 228, 240, 131 422 
281, 342 153 359 
49 128, 185, 228, 154 359 
240, 342 157 359 
51 238 161 359 
5.3 45, 48 73 239 
55 298 174 420 
56 298, 375 176 223, 239, 218, 
57 239 299, 340, 481 
58 298 177 223, 481 
59 45, 185, 240 181a 125 
60 366 184 107 
61 239 185 44, 169, 177 
64 161 186 87, 177 
67 239 187 44, 177 
73 16, 126, 223, 188 304 
267, 271 193 87, 177, 238, 
74 241, 313, 340, 319, 422 
303, 365 194 139 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiwilligen 


195 304 286 227 
199 177 288 45, 145 
100 178 301 74 
221 79 3026 358 
222 223 303 123, 160, 190, 
223a 160, 465 299, 438 
231 304 304 299 
232 139, 160, 304, 306 74 
239 267 307 74 
240 267 319 407 
241 160 328 128 
242 79, 299, 312 331 277 
244 439 332 277 
246 79, 185, 293, 333 277 
299 346 167 
219 299 347 439, 465 
257 167, 240 350 16 
259 240, 243, 451 358 407 
263 20, 299 359 401 
266 15, 480 360 227 
267 21, 166, 206, 363 21 
248, 290, 299 366 122, 128, 342 
268 206, 299, 340 367 83, 342, 467 
271 223 368 83, 123 
274 248 369 482 
281 227 370 160, 312 


36. Einführungsgeſetz zum Strafgeſetzbuch. 
2 438 
37. Preßgeſetz. 


20 178 22 464 


38. Geſetz betr. die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung. 


152, 156, 176. 
39. Spreuaftofigeieh. 
as preugſtoffgeſetz 
40. Geſetz über das Poſtweſen. 
280 


41. Vereinszollgeſetz. 


1; 271 154 271 
14 271 155 271, 362 
42. Münzgeſetz. 
3 217 15 217 
9 21 
43. Wettgeſetz. 
3 70 6 70 
44. Vogelſchutzgeſetz. 
3 276, 444 8 276 
6 276 sn 276 
45. Nahrungsmittelgeſetz. 
10 126, 271, 342 16 271 
11 342 
46. Weingeſetz. 
2 126, 184, 465 13 126, 184 
3 126, 185 18 112 
7 126, 184 22 126 
8 126 
47. Süßſtoffgeſet. 
21 9 271 
7 271 


48. Margarinegeſetz. 423 120 449 362 
1 271 20 271 424 161 178 362 
= z 424 118, 160 483 423 
426 98 492 362 
49. Militärſtrafteſetzbuch. 427 97 496 42, 118, 160 
E 428 4i 497 42, 241 
Eu 167 2g 430 41 498 241 
431 97, 118, 139 499 241, 362 
50. Strafprozeßerduung. = 2 125 
2 70, 244 257 145, 335 435 304 303 97, 160 
25 244 259 42, 97, 118, 472 443 304 506 241 
30 244 260 184 447 84 564 70 
31 244 264 167, 185, 241 
32 205 265 241, 430 
35 265 273 145 51. Einführungsgeſetz zur Strafprozeßordnung. 
37 223 274 145 4 177 . 
51 167 279 244 
56 439 280 244 dn 8 r 
60 470 28 244 52. Geſetz, betr. die Entſchädigung für unſchuldig 
64 292 241 erlittene Unterſuchungshaft. 
112 367 293 241 „ 8 
114 265, 366 291 241 1 6 1%8 
115 264 296 241 N 
116 469 300 145 | . 1 
124 266 302 421 | 53. Geſetz, betr. die Eutſchädigung der im Wieder- 
5 = > 095 aufnahmeverfahren freigeſprochenen Perfonen. 
141 483 307 312 | 1 4 333 
151 481 308 145 | 2 333 5 333, 430 
184 375 309 313 3 334 
154 481 311 146 
155 125, 298 316 469 54. Militärſtrafgerichtserdunng. 
156 45 i 329 472 6 42 469 42 
168 47 337 469 | 250 430 
170 469, 470, 483 345 472 
182 481 7 41 i a 
isi 469 366 472 55. Neichsmilitärgeſetz. 
18 469 376 70, 126 40 390 
198 469 377 70, 244 aa 
199 70 380 41, 423, 472 56. Militärpenſionsgeſetz. 
200 471, 481 381 359, 365 : 29 100 320 
202 41, 42 35 223 67 201 115 320 
20 125, 469 392 125, 359 90 321 116 320 
208 355, 430 303 70, 108 | m 320 
209 41 394 108, 359, 365 = 
210 469 397 312 | 
218 265 398 340, 343 | 57. Mannſchaftsverſorgungsgeſetz. 
229 265 414 98, 159, 304 3 209.9 47 293 
230 265 415 16ʃ 8 215 
242 97 416 139, 161 | 
243 98, 125, 207 420 98, 120, 137, | l ; 
244 97. 420 160 | i 58. Reichsbeamtengeſetz. u 
218 420 422 185 | 12 277 13 377 
B. Landesgeſetze. 
1. Ausführungsgeſetz zum Bürgerlichen Geſetzbuch. 3. Geſetz, Uebergangsvorſchriften betreffend. 
1 7, 36 8 208 2 104, 130, 441 so 249 
32 129 128 330 10 316 83 249 
41 209 129 415 | 42 217 84 249 
18 129 135 71 15 6 88 249 
59 26, 62, 71 147 7, 9 50 421 89 249 
60 36, 149, 330, 408 166 314 78 249 92 249 
61 408 167 401 | 19 249 
69 416 175 409 
81 127 | 
f | ührungs ur Zivilprojeßordnung und 
2. Geſetz, betr. die Berufsvormundſchaft. 4̃. Ausführung 1 a nn x yeb 8 
154 6 155 | i 
2 154 7 155 | 2 149 128 314 
4 155 8 155 6 151 136 314 


5 155 | 100 361 


XXXIV 


III. Verzeichnis der Geſetzesſtellen. 


— — = 
— — n a ——käůꝛʒʒ—72dx 
— ne, 


32. Gebührenordnung für Rechtsanwälte. 195 304 286 227 
76 137 | 199 177 288 45, 145 
| 100 178 301 74 
33. Geſetz über die Angelegenheiten der freiwilligen | 3 23 a = 160. 100 
Gerichtsbarkeit. 2233 160 465 j 299 43 4 q 
= ast N e 299, t 8 
1 341 57 318, 341, 421 281 304 301 299 
2 115 225, 331 — 139, 160, 304, 306 74 
5 63 225 239 267 307 74 
1 1 5 3 
16 249 75 415 | 241 160 328 128 
19 401, 415 76 319 | 242 79, 299, 312 331 277 
20 248, 341, 401, 80 361 244 139 332 277 
1 306 86 146, 361 | H6 79 185, 293, 333 277 
21 36 SS 416 21 ; 
24 249 12⁵ 92 249 299 317 439 465 
27 168, 225 142 481 257 167, 240 350 16 
29 361 143 401, 481 259 240, 243, 451 358 407 
2 7 17409 263 20, 400 359 401 
32 34. 192 416 2666 15, 480 360 227 
36 332 199 401 | 267 21, 166, 206, 303 21 
46 415 | | 248, 290, 299 366 122, 128, 342 
| 268 206, 299, 340 367 83, 342, 467 
f 34. Grund bucherduung. i sn = 15 123 
1 415 29 109, 208, 261, | 281 227 370 100, 312 
— u t | 
1 105 = 15 | 36. Einführungsgeſetz zum Strafgeſetzbuch. 
8 60, 174, 292 39 415 2 438 
9 230, 262, 416 40 208, 318 37. Preßgeſetz. 
12 408 45 142 di i A. ie 
18 397, 415 48 186, 318 ; i 3 181 
19 200, 315 50 129 38. Geſetz betr. die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung. 
21 60 54 316 152, 156, 176 
| 22 108, 315, 318, 71 316, 415 
! ) 2 415 s 
23 2 G 415 21238 39. Sprengſtoffgeſetz 
24 386 292 EB 
58 kid 4 0 0 
28 200 87 262 40. Geſetz über das Poſtweſen. 
' 27 280 
i 35. Strafgeſetzbuch. , 
. y Ii paai | 41. Vereinszollgeſetz. 
5 505 35 | 134 271 154 271 
4 238 95 108, 177 141 271 ~ 95 6 
; 11 938 97 176 ál 155 271, 362 
31 407 99 176 
33 407 101 177 42. Münzgeſetz. 
35 407 113 267 3 217 15 217 
40 362 114 86, 267 9 217 Ber 
42 362 117 438 N 
DD) 987 2 465 : 
40 el = 5 f 43. Wettgeſetz 
47 76, 185, 228, 122 435, 465 2 6 70 
240, 342 123 123, 160, 299 
48 2 19 240, > 5 | 44. Vogelſchutzgeſetz. 
49 128, 185, 228, 154 359 1 en S 276 
240, 342 157 359 276 Sn 276 
51 238 161 359 
> n” 172 5 | 45. Nahrungsmittelgeſetz. 
56 208, 375 176 223, 239, 248, „ e 
57 239 299, 340, 481 | e 
58 298 177 223, 481 r 
59 45, 185, 240 isla 125 | 16. Weingejch. 
60 366 181 107 2 126, 184, 465 13 126, 184 
61 239 185 44, 169, 177 3 126, 185 IS 112 
64 161 186 87, 177 7 126, 184 22 126 
67 239 187 44, 177 8 126 
73 16, 126, 223, 188 304 . 
267, 271 193 87, 177, 238, | 47. Süßſtoffgeſetz. 
714 241, 313, 340, 319, 422 | 2 271 9 271 
363, 365 191 139 7 271 


— . — 
is * 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


48. Margarinegeſetz. 


14 271 20 271 
49. Militärſtrafgeſetzbuch. 
2 231 76 231 
50. Strafprszeßordnung. 
22 70, 244 257 145, 335 
25 244 259 42, 97, 118, 472 
30 244 260 184 
31 244 264 167, 185, 241 
32 244 265 241, 430 
35 265 273 145 
37 223 274 145 
51 167 279 244 
56 439 280 244 
60 470 285 244 
64 139 292 241 
112 367 2 241 
114 265, 366 291 241 
115 264 296 241 
116 469 300 145 
124 266 302 421 
125 197 304 469 
136 264 306 146 
141 483 307 312 
151 481 308 145 
152 375 309 313 
154 481 311 146 
155 125, 298 316 469 
156 | 329 472 
168 470 337 469 
170 469, 470, 483 345 472 
In? 481 347 41 
181 469 366 472 
18 469 376 70, 126 
198 469 377 70, 244 
199 70 380 41, 423, 472 
200 471, 481 384 359, 365 
202 42 385 223 
W3 125, 469 392 125, 359 
A 355, 430 393 70, 108 
X9 41 394 108, 359, 365 
210 469 397 312 
218 265 398 340, 343 
229) 265 414 98, 159, 304 
230 265 415 161 
212 97 416 139, 161 
213 98, 125, 207 420 98, 120, 137, 
34 97, 420 160 
218 420 422 185 


I. Aus führungsgeſetz zum Bürgerlichen Geſetzbuch. 


2. Geſetz, betr. die Berufsvormundſchaft. 


1 7, 36 85 
32 129 128 
11 209 129 
IS 129 135 
59 26, 62, 71 147 
60 36, 149, 330, 408 166 
61 408 167 
69 416 175 
I 127 

1 154 6 
2 154 7 
4 155 8 
5 155 


XXXV 
423 120 449 362 
424 161 478 362 
424 118, 160 483 423 
426 492 362 
427 97 496 42, 118, 160 
428 41 497 42, 241 
430 41 498 241 
431 97, 118, 139 499 241, 362 
432 162 501 241 
433 118 502 42 
435 304 503 97, 160 
443 304 506 241 
447 84 564 70 


51. Einführungsgeſetz zur Strafprozeßorduung. 
4 177 


52. Geſetz, betr. die Eutſchädigung für unſchuldig 
erlittene Unterſuchungshaft. 


2 198, 365 6 198 
4 197, 365 


33. Geſetz, betr. die Entſchädigung der im Wieder- 
| aufnahmeverfahren freigeſprochenen Perſonen. 


1 334 4 333 

2 333 5 333, 430 
3 334 

6 42 469 42 
250 430 


55. Neichsmilitärgeſetz. 


56. Militärpenſionsgeſetz. 


66 294 100 320 
67 294 115 320 
90 321 
99 320 


54. Militärſtrafgerichtserdnung. 
| 
| 


116 320 


57. Maunſchaftsverſorgungsgeſetz. 


13 293 47 293 
| 45 293 
| 58. Neichsbeamtengeſetz. 
| 12 277 13 377 


B. Landesgeſetze. 


208 


155 
155 
155 


3. Geſetz, Uebergangsvorſchriften betreffend. 


2 104, 130, 441 80 249 
10 316 83 249 
42 217 81 249 
50 421 89 249 
78 249 92 249 
79 249 


| 45 6 NS 249 
| 
| 


4. Ausführungsgeſetz zur Zivilprozeßordnung und 

Konkursordnung. 

2 149 128 314 

| 6 151 136 314 
| 100 361 


XXXVI 


* 


1 367 
15 415 
18 415 
24 384 
35 250 
52 367 
60 367 


6. Ausführungsgeſetz zur Grundbuchordnung und zum 


1 415 8 415 
2 388 27 129 
4 415 
7. Gtſetz über die Anlegung des Grundbuchs. 
10 147 
8. Nachlaßzgeſetz. 
3 146 5 361 
4 361, 415 
9. Hypothekengeſeh. 

9 242 89 415 
11 47 91 271, 
12 208 96 115 
19 47 98 243 
21 243 120 46, 
22 216, 242 124 243 
25 242 130 243 
43 421 141 466 
53 315 145 243, 
58 272 150 208, 
63 272 174 243 


86 115 


14 90, 147, 


410 
416 
393 
395 
395 
389 
423 


„ Ansführungsgeſetz zum Gerichts verfaſſungsgeſetz. 


Zwangs verſteigerungsgeſetz. 


415 


262 
242 


10. Notariatsgeſetz von 1861. 


181, 


251, 439 


6 329 126 225 

15 224, 314 132 439 
68 12 

12. Waſſergeſetz. 

1 5, 260, 449 43 6 

2 10, 287, 450 46 8 

4 5 47 9, 316 
5 7, 10 48 6 

6 7, 10 59 37 

12 11 95 27 

14 10 96 8 

16 8, 449 109 80 

19 8 157 259 
23 10, 260 166 7, 27 
24 260 177 7 
25 11 177 a 5, 35 
26 7, 34 195 80 
27 36, 62 204 5 

29 35 206 35 
30 35 211 36 
37 37, 61 
13. Fiſchereigeſetz. 

1 449, 473, 475 17 473, 474 
3 173 19 475 

5 473 20 473, 474 
6 475 25 473, 475 
9 473 27 173, 474, 475, 
14 364 476 

16 473 30 473 


11. Notariatsgeſetz. 


III. Verzeichnis der Geſeßesſtellen. 


31 473 


35 473, 474, 476 


37 474 
65 473 
67 473 


68 473, 475 


69 473 


23 114 
31 213 
42 213 
12 a 214 
42 b 213 
12 c 213 


14. Forſtgeſetz. 


473, 474, 475, 


474 


474, 476 
473, 474 
473, 474 


15. Forſtſtrafgeſetz für die Pfalz. 


30 


113 


16. Jagdgeſetz. 


111 
111 


4 


111 


17. Grundentlaſtungsgeſetz. 


329 
179 


50 
u O 


18. Gebührengefet. 


88 

186 
381 
381 
381 
186 


247 
248 
252 
253 
288 


215 


19. Ans führungsgeſetz zur Straſprozeßordunng. 


26 
72 
103 
106 
107 
108 


423 
348 
349, 410 


349, 410, 455 


349, 410 
349 


110 
111 
112 
113 
114 
115 


410 
370 
348, 
349 
349 
34y 


20. Polizeiſtrafgeſetzbuch. 


22 b 32 3: 384 


188 


84, 362, 460 


154 
84, 362 
162 
227 
227 
209 


21. Beamteugeſetz. 


347 
347 
368 


367, 369, 
347, 367, 


368 
369 


390, 430, 


288 
430, 453 


387 
387 


372, 


370, 409 


„ 388, 453 
, 389 
, 408 
„392, 453 
„ 391 
390, 453 
ER, 


392, 454 


EEE 


349 138 
389, 409, 431, 141 
434 143 
349, 390 148 
455 191 
348, 410 197 
367, 388 158 
388, 433 159 
369 162 
372, 388, 432 164 
432 165 
428 166 
431 168 
433 169 
369, 388 170 
454 171 
433 172 
369, 388 176 
454 178 
+31 

460 

459 179 
459 180 
459 181 
458 182 
456, 459 183 
433 

347, 394 

344, 412 181 
349, 394 

349, 411 185 
411 206 
388, 411 208 
411, 429, 431, 200 
455 211 
412, 430 212 
411, 430 213 
412 214 
112 215 
391, 410 217 
413 219 
413 220 
413 221 
413 222 
411 222 
413 224 
413 

413 225 
414 226 


1. Dienſtanweiſung für die Grundbuchämter. 


46 
142 
142 
262 
230 
230 


415 
249 
145 
415 


410, 414 


430 


7, 410 


454 
453 
453 


371, 395, 


„430, 434, 


408, 434 


‚408 


388, 394, 
428, 431, 
370, 372, 
456 


432 


410, 433 


„ 344 
3904 


305, 428, 


Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


| 


XXXVII 
22. Nichterdisziplinargeſetz. 
2 130 55 429 
3 394 55 131 
4 3095, 409 53 395 
4a 304, 434 57 409 
4b 395, 434 59 370 
5 429 61 371 
6 371 65 372, 429, 453 
7 1409 66 372 
8 131, 457 71 453 
9 130 72 457 
10 430 75 454 
23 395 76 372 
30 1430 77 395 
36a 430 79 370, 394, 457 
45 130 


23. Gemeindeordnung. 


3 122 132 401 
48 151 145 401 
65 104 159 323 

129 401 


24. Armengeſetz. 
10 154 


25. Zwangserziehungsgeſetz. 
1 168 5 154 


26. Vereinsgeſetz. 
13 274 14 274 


27. Einkommenſteuergeſetz. 
13 40 


28. Hundegebührengeſetz. 


1 383 7 383 
3 383 


C. Anhang. Einzelne wichtige Verordnungen und Dienſtesvorſchriften. 


401 
524 
525 
552 
553 
569 


304 
262, 
262, 
230 
230 
424 


2. Nachlaßorduung. 


67 
70 
7 


100 


416 
415 
415 
416 


416 
415 


3. Rotariatögebührenerdnung. 
12 87 97 12 
24 87 98 12 


4. Gerichtsvollzieherordnung. 


4 390 32 394 
9 389 35 110 
15 393 


5. Verordnung, betr. die Gebühren für ärztliche 
Dienſtleiſtungen bei Behörden. 


2 210 3 72 


IV. verzeichnis der Mitarbeiter. 


(Hier ſind nur die Mitarbeiter berückſichtigt, die ſich durch Einſendung von Abhandlungen und 
Mitteilungen aus der Praxis beteiligt haben.) 


Altmann, Dr., Landrichter, Berlin 376 
Angerer, Dr., Militärgerichtspraktikant, Nürn⸗ 

berg 42 
Bauer, Oberlandesgerichtsrat, Nürnberg 415 


Beling, Dr., Univerſitätsprofeſſor, Tübingen 73, 99 


Bendix, Juſtizrat, Breslau 244 
Binder, Univerſitätsprofeſſor, Erlangen 193 
Bleyer, II. Staatsanwalt im K. Staatsmini⸗ 
ſterium der Juſtiz, München 41, 448 
Bloch, Dr., Rechtsanwalt, München 40 
Bonſchab, Bankdirektor, München 215 
Burkhardt, Staatsanwalt am Oberlandes⸗ 
gerichte München (jebt 1. Staatsanwalt, 
Nürnberg) 121 
Burlage, Reichsgerichtsrat, Leipzig 365 
Clarus, Senatspräſident, Augsburg 173 
Deinhardt, Oberlandesgerichtsrat, Jena 445 


Diemayr, gepr. Rechtspraktikant, München 104, 164 
Dittmann, Landgerichtsrat, Nürnberg 4, 34, 60, 79 
Doerr, Dr., Amtsrichter und Privatdozent, 


München 238 
Doſenheimer, Amtsrichter, Ludwigshafen 219 
du Chesne, Landrichter, Leipzig 139, 397 


Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat, Leipzig 1 
Durmayer, Dr., Regierungsakzeſſiſt, Speyer 
(jetzt Bezirksamtsaſſeſſor, Stadtſteinach) 37, 62, 81 


Dürr, Dr., III. Staatsanwalt, München 122 
Eckert, Amtsrichter, Nürnberg 180, 281 
Eger, Dr., Referendar, Berlin 435 


Erlacher, Dr., Landgerichtsrat, Hof 96, 117, 137, 159 
Fiſcher, Dr., Ratsaſſeſſor, Nürnberg 460 
Freilinger, l. Staatsanwalt, Regensburg 

345, 367, 375, 387, 407, 428, 452 


Friedländer, Dr., Landgerichtsrat, Lime 

burg a. L. 162 
Gmaehle, Landgerichtsrat, München 435 
Goetzelmann, Notar, Roding 102 


Gütermann, Dr., II. Staatsanwalt, München 297 
Haberſtumpf, Dr., II. Staatsanwalt, München 304 
Haenle, Dr., Bezirksamtsaſſeſſor, Kötzting 426 
Hagen, Landgerichtsrat, Frankenthal 142, 266 
Hellmann, Dr., Univerſitätsprofeſſor, München 133 


Hümmer, II. Staatsanwalt, Weiden 163 
Joſef, Dr., Rechtsanwalt, Freiburg i. B. 331 
Kahn, Dr., Juſtizrat, Rechtsanwalt und Syn- 
dikus der Handels- und Gewerbekammer für 
Oberbayern, München 233 
Karpf, Rechtspraktikant, Nürnberg 335 


) 
| 


Kraus, Amtsrichter, München 179 
Krauſe, Landrichter, Altenburg 197 
Kriener, Dr., Amtsrichter, Würzburg 405 
Krückmann, Univerſitätsprofeſſor, Münſter 425 
Kübel, Dr., Amtsrichter, Landau a. J. 142, 461 
Lieberich, Landgerichtsrat, München 156, 176 
Maenner, Reichsgerichtsrat, Leipzig 219 


Mayer, Amtsrichter, München 199, 216, 242, 262 

Michel, Dr., rechtsk. Bürgermeiſter, Lands⸗ 
berg 84, 202, 304 

Obermeyer, Dr., Juſtizrat, Rechtsanwalt, 


München 259 
Oelhafen, von, Oberlandesgerichtsrat, Amts⸗ 
gerichtsvorſtand, Weißenburg i. B. 153 


Oertmann, Dr., Univerſitätsprofeſſor, Erlangen 121 
Pfiſter, Oberlandesgerichtsrat, Amtsgerichts⸗ 


borſtand, Paſſau 113 
i Pfordten, von der, Landgerichtsrat im 
Staatsminiſterium der Juſtiz. München 354 
Pramberger, Amtsrichter, Eichitätt 83, 179 
Predari, Reichsgerichtsrat, Leipzig 38⁵ 


4 


Regelsberger, Univerſitätsprofeſſor, Göttingen 253 


Ritzmann, Dr., II. Staatsanwalt, Ansbach 213 
Roſenthal, Dr., Rechtsanwalt. Würzburg 13 
Schanz, Dr., Amtsrichter, München 302 
Schmid, Landgerichtsrat, München 261 
Schmitt, Oberregierungsrat im Staatsmini⸗ 
ſterium der Juſtiz, München (jegt Reichs⸗ 
gerichtsrat, Leipzig) 65 
Schneider, Reichsgerichtsrat, Leipzig 29 


Schneider, Oberlandesgerichtsrat, Stettin 

325, 350, 372 

Schneickert, Dr. iur., Kriminalkommiſſar, Berlin 284 

Schülein, II. Staatsanwalt, Bayreuth 15, 333 

Steck, gepr. Lehramtskandidat, München 478 
Steinbach, Dr., Bezirksamtsaſſeſſor, Pfaffen⸗ 

hofen 15 


Steinharter, Dr., Rechtsanwalt, München 202 
Stummer, Landgerichtsrat, München 244, 267 
Troeltſch, II. Staatsanwalt, Augsburg 93, 115 
Tuma, Rechtspraktikant, Paſſau 286 
Vervier, Dr., Rechtsanwalt, Würzburg 299 
Vogl, Landgerichtsrat, Nürnberg 178, 416 
Walter. Dr., Notar, Hof 12 
Weyl, Dr., Univerſitätsprofeſſor, Kiel 53 
Yblagger, Rentamtmann, Eichſtätt 239 
Zahn, Rechtsanwalt, Straubing 355 


Zeiler, Landgerichtsrat, Kempten 277, 395 


V. Beſprochene Bücher und Seitſchriften. 


Adolph, Dr. jur. P., Vereinsgeſetz vom 19. April 
1908 384 
Allfeld, Dr. Philipp, Kommentar zu dem Geſetze 
betreffend das Urheberrecht an Werken der bilden: 
den Künſte und der Photographie vom 9. Januar 
1907 211 
Apt. Dr. Max, Scheckgeſetz vom 11. März 1908. 
2. Abdruck 212 
Archiv für Arbeiterverſicherung, herausgegeben von 
A. Wengler 
Arnold, Dr. A., Die Aufſchlußpflicht von Vorſtand 
und Auſſichtsrat 212 
Barthelmeß, R. Geſetz betr. die Berufsvormund⸗ 
ſchaft vom 23. Februar 1908 424 
Beſt, Dr., Geſetz über den Verſicherungsvertrag 
vom 30. Mai 1908 32 
Borcherdt, H., Das Erbrecht und die Nachlaßbe— 
handlung. 2. Aufl. Bd. I 192 
Boßert, Dr. G., Beiſpiele zum Zwangsverſteigerungs— 
und Zwangsverwaltungsverſahren. 2. Aufl. 
Brenner. Guſtav, Das Waſſergeſetz für das 
Königreich Bayern vom 23. März 1907 
Buff, Dr. Siegfried, Das deutſche Scheckgeſetz vom 
11. März 1908 
Dennler, Dr. W., Geſetz über die Einführung 
einer Beſitzveränderungsabgabe für Gemeinden 
vom 15. Juni 1898. 

Dyroff, Dr. Anton, A. Regers Handausgabe des 
bayer. Verwaltungsgerichtsgeſetzes. 4. Aufl. 
Entwurf einer Strafprozeßordnung 
und Novelle zum Gerichts verfaſſungs⸗ 

geſetz nebſt Begründung 403 
Eymann, Otto, Das Waſſergeſetz für das König— 
reich Bayern vom 23. März 1907. Bd. I 171 
Falkmann, R. Die Anfechtung von Rechtshand— 
lungen durch die Gläubiger 443 
Fedderſen, J., Das Schwurgericht 
Fiſcher, Dr. P. D., Die deutſche Poſt- und Tele— 
graphen-Geſeßgebung. Text-Ausg. mit Anmerk. 
und Sachregiſter, fortgeführt von Dr. jur. M. 
König. 6. Aufl. 424 
Frank, Dr. Reinhard, Das Strafgeſetzbuch für das 
Deutſ ſche Reich. 5. /7. Aufl. 232 
Friedländer, Dr. Adolf, und Friedländer, 
Dr. Max, Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung 92 
Fromm, Dr. Leo, Das Zubehör bei der Zwangs— 
verſteigerung 172 
Geigel, Dr. R., Die Trennung von Staat und 
Kirche in Frankreich 
Griffel, Joh. Bapt., Baufallſchätzung an den kath. 
Pfründegebäuden in Altbayern 322 


92 


171 


381 


468 


212 


444 


484 


Gro ſch, Dr. A., Strafgeſetzbuch für das Deutſche 8 
9 


Reich 
Groß, Dr. Hans, Handbuch für Unterſuchungs— 
richter. 5. umgearbeitete Aufl. 91 
Guttmann, Max, Unmittelbarkeit und freie Beweis— 


würdigung 72 


72 


Guyer, Dr. jur., Ernſt, Ein Schweizeriſches Bundes⸗ 


72 
72 


geſetz über die Haftung der Automobilhalter 
— Das künftige ſchweizeriſche Patentrecht 


! Haberſtumpf und Bartelmeß, Nachtrag zum 
171 


Nachlaßgeſetz. 2. Aufl. 


Habicht, Dr. H. f, und M. Greiff, Internationales 
Privatrecht nach dem EG. z. BGB. 483 


Hagen, Dr. P. und Behrend, Dr. R., Reichs- 


geſetz über den Verſicherungsvertrag 322 
Hallbauer, M. G., Das deutſche Hypothekenrecht. 
2. Aufl. 322 


Harſter, Dr. Theodor und Caſſi mir, Dr. Joſeph. 
Kommentar zum bayeriſchen Waſſergeſetze c. 
Lfrg. 1/3. 171 


2 Hellmann, Dr. Friedrich, Lehrbuch des deutſchen 


Konkursrechts 51 


Hempten macher, Th., Börſengeſetz. Urſprüngl. 
herausgeg von A. Wermuth und H Brendel. 
2. Aufl. 424 


Homberger, Dr. Ludwig, Das Recht der entſtehenden 
Aktiengeſellſchaft 72 

Hümmer, J., Das Forſtrügeverfahren im rechts— 
rheiniſchen Bayern 275 


Jaeger, Dr. Ernſt, Kommentar zur Konkursordnung 
und den Einführungsgeſetzen. 3. u. 4. neuz 


bearbeitete Aufl. Lfrg. 1 52 
Knitſchky, weil. Dr. jur. E W., Die Seegeſetz— 

gebung des Deutſchen Reichs. 4. verm. u. verb. 

Auflage, bearb. von Otto Rudorff 424 


Knoch, Dr. jur. et. rer. pol. Sigmund, Die allge: 


Kohler. 


meinen Grundſätze des bayeriſchen Forſtſtrafrechts 322 
Dr. Joſeph, Grundriß des Zivilprozeſſes 
mit Einſchluß des Konkursrechts 276 
Krückmann, Dr. jur. Paul, Spruchrecht 323 
— Unmöglichkeit und Unmöglichkeitsprozeß 51 


Küttner, Leitſaden für die Unterweiſung der Re- 
ferendare im Abfaſſen von Urteilen in Zivilſachen. 


3. vermehrte Auflage 275 
Kuttner, Dr. Georg, Die privatrechtlichen Neben— 
wirkungen der Zivilurteile 276 


Leſſing, Dr. iur. et phil. H., Scheckgeſetz vom 
11. März 1908 484 


Lobe, Dr. Adolf, Die Bekämpfung des unlauteren 
Wettbewerbs 51 

Lucas, Dr. jur. Hermann, Anleitung zur ſtraf— 
rechtlichen Praxis. 2. Teil. 2. Aufl. 26 

Lutter, R., Patentgeſetz vom 7. April 1891. Bis: 
her herausgeg, von Dr. R. Stephan. 7. Aufl. 424 


Maas, Dr. jur., Georg, Jurisprudentia Germaniae 
1906. 72 


Meisner, Chr., Die Vorſchriften des BGB. über die 


Viehgewährſchaft. 2. Aufl. 424 

Merzbacher, S., Geſetz, betr. die Geſellſchaften 
m. b. H. 3. Aufl. 52 
212 


— Scheckgeſetz vom 11. März 1908 


-in in. vl — ihn u Feten X 


XL N Beſprochene Bücher und 1d Zeitſchriſten. 


Meyer, Gg., Das Recht der Beſchlagnahme von 
Lohn- und Gehaltsforderungen. 
Müller, Dr. Ernſt, Das deutſche Urheber⸗ und 
Verlagsrecht. 2. Band: Künſtl. und photogr. 
Urheberrecht 151 
Neumann, Dr. Hugo, Die Rechtſprechung des 
Reichsgerichts in Zivilſachen. Herausgegeben in 
Verbindung mit F. Wr ichs, Dr. C. 
Heinrici und Dr. Th. Olshauſen. Bd. I 
BGB. 1. u. 2. Lfrg. 252 
Nußbaum, Dr. Arthur, Die Prozeßhandlungen, 
ihre Vorausſetzungen und Erforderniſſe 76 
Oetker, Friedrich, Das Verfahren vor den Schwurs 


und Schöffengerichten 212 
Peiſer, Heinrich, Handbuch des Teſtamentsrechts 
2. Auflage. 275 


Pfaff, Hermann von, und Reiſenegger, Anton 
von, Das bayeriſche Geſetz über das Gebühren: 
weſen. 6. Aufl., herausgegeben von Hermann 
Schmidt 51 

Poſener, Paul Dr. jur., Handbuch des geſamten 
Rechts N 443 

Predari, C., Die Grundbuchordnung vom 24. März 
1897 171 

Reiß⸗Schneickert, Signalementslehre. I. Das 
„geſprochene Porträt“ (Portrait parlé), von Prof. 
Dr. R. A. Reiß, II. Identitätsfeſtſtellung ohne 
Signalement v. Dr. H. Schneickert 32 


to 


Schneider, Konrad, 
3. Aufl. 424 


Geſetz über den Verſiche⸗ 
rungsvertrag 322 


Schweitzers Ausgabe des neuen bayer. Beamten- 


| 


! 


Riehl, Dr. jur. K., Die Anweiſung 344 


Romen, Dr. jur. A., Geſetz über die Verſorgung 
der Perſonen der Unterklaſſen des Reichsheeres, 
der Kaiſerlichen Marine und der Kaiſerlichen 
Schutztruppen vom 31. Mai 1906 171 

Rumpf, Dr. M., Geſetz und Richter 51 

Sammlung der Entſcheidungen des bayeriichen 
Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte. 1. Bd. E. a 
d. Jahren 1880—1906 27 

Sartor, Eugen Freiherr von, Vereinsgeſetz f. d. 
Deutſche Reich vom 19. April 1908 295 

Schindler, Arthur, Geſamtregiſter zur deutſchen 
Juriſtenzeitung. 1.— 10. Jahrg. 1896 — 1905 51 

Schneider, Heinrich von, Geſetz über Angelegen— 
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 
17. Mai 1898. 3. Aufl. bearb. unter Mitwirkung 
von Dr. Jakob Keßler 232 


Wolf, Dr. L., Das Bürgerliche Geſetzbuch. In Ver⸗ 


geſetzes 384 
Seuffert, Dr. L., Kommentar zur Zivilprozeß— 
ordnung in der Faſſung der Bekanntmachung 
vom 20. Mai 1898 mit den Aenderungen der 
Novelle vom 5. Juni 1905 nebſt den Einführungs— 
geſetzen. 10. neubearbeitete Aufl. 483 
Staub, Hermann, Kommentar zuui Handelsgeſetz⸗ 
buch. 8. Aufl., bearbeitet von Heinrich Könige, 
Dr. Joſeph Stranz. Albert Pinner. I. Bd. 
2. Hälfte (S8 373—473) 151 
Stölzle, Dr. jur. Hans, Güter- und Erbrechts⸗ 
verhältniſſe im Allgäu 323 
Strauß, Dr. E., Das Fundrecht des bürgerlichen 
Geſetzbuchs. 252 
Sydow, R., Deutſches Gerichtskoſtengeſetz nebſt den 
Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher und 
für Zeugen und Sachverſtändige. 8. Aufl. von 
L. Buſch 17¹ 
Das Urkund weſen der deutſchen Staaten 
Herausgegeben vom Deutſchen Notarverein, e. V. 
zu Halle a. S. (Bayeriſcher Teil bearbeitet von 
Notar Dr. Denn ler) 344 
Vierhaus, Dr. F. und Gg. Müller, Sammlung 
kleinerer privatrechtlicher Reichsgeſetze. 2. Aufl. 252 
Warneyer, Dr. Otto, Das BB. für das Deutſche 
Reich. 2. Aufl. 131 


Warneyers Jahrbuch der Entſcheidungen. 


1. Zivil⸗, Handels⸗ und Prozeßrecht. Unter Mit- 
wirkung von Meves und Dr. Gutmann. 
6. Jahrgang 252 
2. Strafrecht und Strafprozeß. Bearbeitet von 
Roſenmüller 2. Jahrgang an 
3. Arbeiterverſicherungsrecht. Bearbeitet von Dr. M. 
Dannenberg 1. Jahrgang 252 
Webers Juriſten⸗Kalender für 1908 112 


Weil, Dr. jur., Paul, Begriff und Bedeutung der |: 
Nebeni ſachen und Zutaten im bürgerlichen Recht 72 J. 


bindung mit Rechtsanwalt Dr. C. Neukirch, 
Dr. A. Roſen mayer, Dr. J. Telgmann 51 


í 


ur. 1. 


Mauünchen, den 1. Januar 19 1908. 


4. Jahrg. 


Feitf drift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. 
Staatsminiſterium der Juſtiz. ° 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich 

Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


in Bayern 


Verlag von 

J. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 

in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Erpedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebübr 30 Pig. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


die Eutlaſtung der Zivilſenate des 


Neichsgerichts. 


Von Reichsgerichtsrat Dr. Düringer in Leipzig. 


I. Niemand kann beſtreiten, daß der veröffentlichte 
Entwurf der Zivilprozeßnovelle hinſichtlich des 
Verfahrens vor den Amtsgerichten eine Reihe 
von Vorſchriften bringt, welche als eine weſentliche 
Verbeſſerung des derzeitigen Prozeſſes erſcheinen. 
Auch auf dem außerordentlichen Anwaltstage in 
Leipzig vom 23. November d. J. wurde dies an- 
erkannt, obgleich der Entwurf wegen anderer 
Beſtimmungen als unannehmbar bezeichnet wurde. 
Man verlangte eine einheitliche Reform des ganzen 
Zivilprozeſſes, nicht nur des amtsgerichtlichen Ver⸗ | 
fahrens. Man verwahrte ſich gegen eine Zeil: | 
reform, deren Koſten weſentlich die Anwaltſchaft ft 
zu tragen hätte, während der Staat dadurch eine 
erhebliche Mehreinnahme erzielen würde. Wie man | 
ſich nun auch zu dem Regierungsentwurf und der 
an ihm geübten Kritik ſtellen mag, einerlei, ob man 
die Beſchränkung auf das amtsgerichtliche Ver- 
fahren aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder der 
geſetzgeberiſchen Taktik billigt oder nicht — das 
Verlangen nach einer organiſchen Reform 
unſeres Prozeßverfahrens wird nicht zur 
Ruhe kommen, ehe es befriedigt iſt. 

| 


Unſere geltende Zivilprozeßordnung iſt keines⸗ 
wegs, wie Fuchs (Karlsruhe) im „Recht“ 1907 
S. 1388 behauptet, ein „gründlich verf ehltes Mach— 
werk“. Sie iſt im Gegenteil ein ausgezeichnetes, durch: 
aus auf modernen Ideen beruhendes und theoretiſch 
fein durchdachtes Geſetz, das der öſterreichiſchen 
Zivilprozeßordnung, die uns nunmehr als Muſter 
vorgehalten wird, vielfach als unmittelbares Vor- 
bild gedient hat. Aber es trifft unſere Zivil- 
prozeßordnung wohl der Vorwurf, daß fie ihre 
Prinzipien zu theoretiſch durchgeführt hat, daß ſie 
den Bedürfniſſen der Praxis in verſchiedenen 
Beziehungen zu wenig Rechnung trägt und zu 
wenige Mittel bietet, den hierbei unvermeidlich 
auftretenden Mißſtänden wirkſam entgegenzutreten. 
„Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch 


hart im Raume ſtoßen ſich die Sachen“, kann 
nan auch von ihr fagen. Der konſequent durch— 
geführte Parteibetrieb hat vielfach eine heilloſe 
Verſchleppung der Prozeſſe zur Folge gehabt. Das 
ganz unbeſchränkte Mündlichkeitsprinzip läßt ſich, 
fo ſchön es gedacht ift, in der Praxis nicht durd- 
führen. Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme 
ſteht bei der Geſchäftslaſt der Kollegialgerichte 
eigentlich nur auf dem Papier. Der Parteieid 
hat ſich als ein recht zweiſchneidiges Mittel zur 
Feſtſtellung der materiellen Wahrheit erwieſen. 
Die liberale, faſt unbeſchränkte Gewährung der 
Rechtsmittel hat zu einer außerordentlichen Lebens— 
dauer der Prozeſſe geführt und gleichzeitig die 
Autorität der richterlichen Entſcheidungen beein— 
trächtigt. In allen dieſen Beziehungen wird die 
beſſernde Hand anzulegen und werden die Er— 
fahrungen zu berückſichtigen ſein, welche eine faſt 
dreißigjährige Handhabung des Geſetzes in der 
Praris gezeitigt hat. 

Il. Die anläßlich der Reformbeſtrebungen, ins— 
beſondere auf Anregung von Adikes, ſo viel 
erörterte Frage, ob Einzelrichter oder Richter— 
kollegium vorzuziehen ſei, hat in dem Entwurf der 
Zivilprozeßnovelle keine prinzipielle Erörterung ge— 
funden. Es bedurfte ihrer auch nicht, weil ſie nur 
für das Amtsgericht, alſo den Einzelrichter gedacht 
iſt. Ich perſönlich bekenne mich als ein An— 
hänger des Kollegialſyſtems. Nur das 
Kollegium ermöglicht den Austauſch der Meinungen, 
erft an dem Widerſpruch ſchärft und erprobt fidh 
die Richtigkeit des Urteils. Aber auch in dieſer 
Beziehung läßt ſich nicht verkennen, daß unſere 
geltende Gerichtsverfaſſung mit ihrem theoretiſch 
ſo ſchön aufgebauten Syſtem von drei, von fünf, 
von ſieben Richtern, wie Adikes richtig hervor— 
hebt, zu einer außerordentlichen „Verſchwendung 
von richterlichen Kräften“ geführt hat, welche viel: 
fach nicht entfernt im Verhältnis ſteht zu den 
geſtellten Aufgaben und zu den gewonnenen Re— 
ſultaten. Auch wer in dem Kollegium die ſicherſte 
Gewähr für eine möglichſt gründliche und vielſeitige 
Beurteilung eines Rechtsfalles erblickt, wird doch 
zugeben müſſen, daß die numeriſche Größe 


2 ZBeeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


des Kollegiums dabei keine Rolle ſpielt, daß im 


Gegenteil die Vorteile der kollegialen Beratung 
ſich leicht in Nachteile verkehren, wo ein Kollegium 


zu groß und die Verantwortlichkeit und individuelle 


Mitwirkung des einzelnen Votanten dadurch herab⸗ 


gelegt wird. Schon während meiner Beſchäftigung 


beim Oberlandesgericht habe ich mir oft die Frage 
vorgelegt, ob drei Richter in der Berufungsinſtanz 
nicht ebenſogut judizieren würden als fünf, und 


ob die Gewähr für die beſſere Rechtſprechung der 


Oberlandesgerichte nicht ſchon genügend in der 


reicheren Erfahrung, der unterſtellbar beſſeren Quali⸗ 


tät der Richter, dem für die Bearbeitung des ein⸗ 
zelnen Falles zur Verfügung ſtehenden größeren 
Zeitraum gefunden werden könnte. In dieſer Auf⸗ 
faſſung bin ich durch meine Tätigkeit beim Reichs⸗ 
gericht eher beſtärkt worden. Eine ſehr große 
Anzahl der reichsgerichtlichen Erkenntniſſe ſind 
Majoritätsentſcheidungen. Sehr häufig 


ſtehen ſich Anſichten gegenüber, von denen jede 


mit ſo guten Gründen vertreten werden kann, daß 
es faſt wie ein Zufall erſcheint, ob die eine oder 
die andere ſchließlich durchdringt. Kann man 


Senate ein Hindernis der Rechtsentwick⸗— 
lung. Abhilfe könnte hier ſchon dadurch geboten 
werden, daß bei Meinungsverſchiedenheiten zwiſchen 
Senaten nur die beiden zuletzt diſſentierenden 
zur Entſcheidung zuſammenträten, und daß auch 
dieſes beſchränkte Plenum dann nicht erforderlich 
wäre, wenn der Senat, von deſſen Entſcheidung 
abgewichen werden ſoll, beſchließt, bei ſeiner Rechts⸗ 
auffaſſung nicht zu beharren. 

III. Während die Strafſenate durch die! Geſetz⸗ 


gebung des Jahres 1905 eine recht erhebliche, auf ab⸗ 
ſehbare Zeit genügende Entlaſtung erfahren haben, 


hat die Zivilprozeßnovelle vom 5. Juni 1905 nur 


eine ganz vorübergehende Erleichterung gebracht. 
In einzelnen Senaten (jo im 1.35.) ift ihre 
Wirkung kaum verſpürt worden. Die Termine 
in Zivilſachen müſſen auf über ein Jahr 
hinaus angeſetzt werden, weil alle Sitzungstage 


bis dahin bereits voll beſetzt find. Es ift ein un: 


ſagen, daß das mathematiſche Verhältnis von 4:3 


eine größere Garantie für die Richtigkeit der Ent⸗ 
ſcheidung in Rechtsfragen bietet, als ein Verhältnis 
von 3:22 Eine ganz beiſpielloſe Ueberſpannung 
des Kollegialſyſtems bietet die gegenwärtige Einrich⸗ 
tung des reichs gerichtlichen Plenums. Will 
ein Zivilſenat (ich rede hier nur von dieſen) von der 
Entſcheidung eines anderen Zivilſenats abweichen, 
ſo müſſen zur Entſcheidung über die Rechtsfrage 
die ſämtlichen Zivilſenate zuſammentreten; will 
er von der Auffaſſung eines Strafſenats ab- 


weichen, ſo iſt ein Plenum aller Senate erforder⸗ 


lich. Schon die Vorbereitung des Plenums er— 
fordert eine außerordentliche Arbeitsleiſtung. 
Referent und Korreferent fühlen ſich verpflichtet, 
vor der Sitzung ihr Votum ſo eingehend und 
erſchöpfend ſchriftlich zu begründen, daß ihre 
Arbeiten nach Inhalt und Umfang ganze Mono— 
graphien werden. Dieſe werden vorher unter die 
Mitglieder verteilt, damit ſie ſich möglichſt gründ— 
lich über die zu entſcheidende Frage orientieren 
können. Dann treten 7 Präſidenten und 52 Räte, 


alſo zuſammen 59 Richter (bei einem Plenum 


erträglicher Rechtszuſtand, daß die Parteien ein 
ganzes Jahr oder länger warten müſſen, ehe ihre 
Sache überhaupt verhandelt werden kann. Er⸗ 
folgt Aufhebung des angefochtenen Urteils und 
Zurückverweiſung der Sache an das Oberlandes⸗ 
gericht, ſo iſt das Ende des Prozeßes nicht abzu⸗ 
ſehen. Dabei werden in jeder Woche von jedem 
Senate des Reichsgerichts zwei Sitzungen abge— 
halten, welche von morgens 9 Uhr bis nad): 
mittags 4 oder 5 Uhr, zuweilen auch erheblich lan ger 
währen, nur durch eine knappe Frühſtückspa uſe 
von etwa 20 Minuten unterbrochen. Dieſe 
Sitzungen ſind eine geiſtige und körperliche Stra- 
paze für die Teilnehmer, und ich halte es für 
ausgeſchloſſen, fie, wie Scherer vorſchlägt,) auf 
drei in der Woche zu vermehren. Wo ſollte dann 
noch Zeit für Vorbereitung und Ausarbeitung 


der getroffenen Entſcheidungen bleiben? Mit be- 


aller Senate find es fogar 100 Richter) zu: 


ſammen, um über die ſtreitige Rechtsfrage zu be— 
raten. Und nun betrachte man die Fragen, über 
die bisher das Plenum entſchieden hat! Gewiß 


ſind ſie zum Teil recht wichtig; es ſind aber auch 
ſolche darunter, bei welchen die Aufwendung eines 


ſo enormen Richterapparates in einem ſchreienden 
Mißverhältnis zu dem praktiſchen Ergebnis ſteht. 
Kein Wunder, daß der horror pleni eine gewiſſe 
imponderabile Bedeutung erlangt. M. E. iſt die 
Einrichtung des Plenums, ſo theoretiſch richtig 
ſie an und für ſich gedacht iſt, in ihrer gegen— 
wärtigen Geſtalt und bei der ſeit der Gründung 
des Reichsgerichts eingetretenen Vermehrung der 


ſonderem Danke iſt es anzuerkennen, daß die 
Rechtsanwälte beim Reichsgericht durch 
einen — unbeſchadet der Vollſtändigkeit — mög⸗ 
lichſt kurzen Sachvortrag die Arbeitslaſt des Ge— 
richtshofs tunlichſt zu erleichtern beſtrebt ſind. 
Die kurze Zuſammenfaſſung des Sach- und 
Streitſtoffs erfordert eine viel intenſivere Bear⸗ 
beitung als die bequeme Ausführlichkeit.) Eine 
Entlaſtung der Zivilſenate iſt aber nicht nur 
im Intereſſe des rechtſuchenden Publikums, ſie 
iſt auch im Intereſſe ſeiner Mitglieder dringend 
notwendig. Es muß ihnen die Möglichkeit ge⸗ 
wahrt bleiben, ſich wiſſenſchaftlich weiter zu bilden, 
mit der theoretiſchen und literariſchen Behandlung 
der Rechtsdisziplinen in ſteter Fühlung zu bleiben. 
Es wird mit Recht von der Judikatur des Reichs⸗ 
gerichts verlangt, daß fie nicht eine formaliſtiſche, 
gelehrte Juriſtenweisheit zum Ausdruck bringe. 


ſondern daß ſie den wirtſchaftlichen und 


1) Annalen des Deutſchen Reichs 1907 Heft 11. 
) Vgl. meine Ausführungen im „Recht“ 1907 
034. 


S. 1 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 3 


ſozialen Bedürfniſſen, daß ſie dem welche nicht ſchon nach dieſer Vorprüfung als 


praktiſchen Leben Rechnung trage. Ich 
perſönlich habe nie allzuviel von jenen Richtern 
gehalten, welche in bureaukratiſchem Eigendünkel 
oder gelehrter Selbſtgefälligkeit ſich in ihrem Bureau 
von der Außenwelt abſchließen, den großen, die 
Zeit bewegenden Fragen aber teilnahmslos und 
verſtändnislos gegenüberſtehen. Das mögen vor⸗ 
zügliche juriſtiſche Techniker oder Dialektiker ſein. 
Gute Richter ſind ſie deshalb noch lange nicht! 
Deshalb darf der Richter nicht derart mit 
Arbeit belaſtet werden, daß ihm kein anderer 
Gedanke mehr übrig bleibt als der an Para⸗ 
graphen, an Präjudizien und Rechtsfälle. Unter 
ſolcher Einſeitigkeit leidet ſein praktiſches Judizium, 
die Freiheit ſeines Urteils not. Alle dieſe Dinge 
find ſchon oft und in vortrefflicher Weile geſagt 
worden; aber es iſt notwendig ſie immer und 
immer wieder zu betonen. 

Das Reichsgericht iſt nicht nur Reviſions⸗ 
gericht. Es iſt auch Berufungsgericht in Patent⸗ 
und in Konſularſachen. Die richtige Bearbeitung 
der Patentſachen erfordert regelmäßig Spezial: 


ſtudien auf Gebieten, welche dem Juriſten an 


ſich ganz ferne liegen. Es müſſen naturwiſſen⸗ 
ſchaftliche und techniſche Gebiete durchforſcht werden, 
um zu dem richtigen Verſtändnis des Streitſtoffs 
zu gelangen. Es iſt einleuchtend, daß die Vor⸗ 
bereitung hier ungewöhnliche Anforderungen an 
die Zeit und Arbeitskraft der einzelnen Mit⸗ 
glieder ſtellt. Auch hierbei muß mit größter Aner⸗ 
kennung der Unterſtützung gedacht werden, welche 
der Gerichtshof durch die ſorgfältige Vorbereitung 
der Patentſachen ſeitens der Rechtsanwälte des 
Reichsgerichts erfährt. Aber auch der lichtvollſte 
und klarſte Vortrag eines Parteivertreters über⸗ 
hebt das einzelne Gerichtsmitglied nicht der Ver⸗ 
pflichtung, ſich derart in die Materie zu vertiefen, 
daß es ein ſelbſtändiges, über den Anſchauungen 
der Parteien ſtehendes Urteil gewinnt. 

IV. Die Mittel zur Entlaſtung der Zivilſenate 
find ſeit Jahren Gegenſtand der ernſteſten Prüfung 
der beteiligten Faktoren. Den bequemſten Aus⸗ 
weg bot bislang die Vermehrung der 
Senate). Aber auch dieſe hat ihre Grenzen. 
Sie erſchwert die Einheitlichkeit der Rechtſprechung, 
fie beeinträchtigt die Zuſammenſetzung des Ge- 
richtshofs in qualitativer Hinſicht. Die Er- 
höhung der Reviſionsſum me begegnete in 
weiten Kreiſen heftigem Widerſpruch und hat ſich 
als ein trügeriſches Mittel erwieſen. Mehr Erfolg 
verſprechen die Beſtrebungen, welche auf eine 
Aenderung des Rechtsmittelverfahrens 
gerichtet find. Schon vor der Novelle von 
1905 war empfohlen, eine Vorprüfung des 
Rechtsmittels einzuführen und nur ſolche Re⸗ 
viſionen zur mündlichen Verhandlung zuzulaſſen, 


) Neuerdings wieder empfohlen von Syring, 
Juriſtiſche Wochenſchrift 1907 S. 688 ff. 


ausſichtslos erſcheinen“). Eine gewiſſe Verminderung 
der Reviſionsverhandlungen würde dadurch gewiß 
herbeigeführt. Aber man wird den Erfolg nicht 
überſchätzen dürfen. Bisher wird nämlich dieſe 
Vorprüfung tatſächlich durch die Rechtsanwalt⸗ 
ſchaft beim Reichsgericht geleiſtet, welche mit an⸗ 
erkennenswerter Gewiſſenhaftigkeit die Einlegung 
ſolcher Reviſionen ablehnt, von denen kein Erfolg 
zu erwarten iſt. Würde die richterliche Vor⸗ 
prüfung eingeführt, ſo iſt mit Beſtimmtheit zu 
erwarten, daß die Einlegung des Rechtsmittels 
mit viel weniger Vorſicht gehandhabt würde, da 
die Verantwortlichkeit für den Erfolg der Reviſion 
dadurch gemindert wird). Man könnte ferner 
daran denken, durch Erweiterung der amts⸗ 
gerichtlichen Kompetenz in ſachlicher 
Hinsicht gewiſſe Rechtsmaterien von der An- 
gehung der Reviſionsinſtanz überhaupt auszu⸗ 
ſchließen. Damit verzichtet man aber auf die 
Gewähr der Einheit der Rechtſprechung auf dieſen 
Gebieten, worin gerade die wichtigſte und wert⸗ 
vollſte Funktion des Reichsgerichts zu erblicken iſt. 


Die faſt unbeſchränkte Eröffnung von drei 
Inſtanzen hat, wie ſchon oben erwähnt, indi⸗ 
rekt zu einer Beeinträchtigung der Autorität der 
richterlichen Erkenntniſſe geführt. Die meiſten 
kapitalkräftigen Parteien (ſo namentlich Handels⸗ 
geſellſchaften, Banken, Genoſſenſchaften, Korpo⸗ 
rationen, Vereine, auch der Fiskus) ſind bei An⸗ 
hängigmachung eines Rechtsſtreits von vornherein 
entſchloſſen, ihn nur durch das Reichsgericht ent⸗ 
ſcheiden zu laſſen. Die Urteile der Vorinſtanzen 
haben für ſie, wie auch ſchon von anderer Seite 
treffend betont, „nur die Bedeutung von Gut- 
achten“. Sie imponieren ihnen nicht, weil doch nur 
das Reichsgericht in ihrer Sache das Recht ſpricht. 
Man ſollte den Grundſatz aufſtellen, 
daß jeder Prozeß endgültig entſchieden 
iſt, wenn zwei Inſtanzen materiell 
übereinſtimmend über ihn geurteilt 
haben (duae conformes !). Bei der überein- 
ſtimmenden Entſcheidung zweier Richterkollegien 
müßte ſich jede Partei beruhigen. Begnügte man ſich 
bisher mit zwei Inſtanzen doch auch in Straſſachen, 
wo es ſich vielfach um ungleich wichtigere Rechts⸗ 
güter handelt, als in Zivilſachen. Die dritte Jw 
ſtanz ſollte hiernach nur dann eröffnet 
werden, wenn bei der materiellen Beur— 
teilung des Streitfalles Landgericht und 
Oberlandesgericht zu verſchiedenen Ergeb— 
niſſen gelangt ſind. Man hat gegen dieſen Vor— 
ſchlag den Einwand erhoben, daß dann die Oberlandes— 
gerichte, um die Reviſion abzuſchneiden, meiſtens 


) So insbeſondere von Reichsgerichtsrat Dr. 
Hagens in ſeinen Aufſätzen in der Deutſchen Juriſten— 
277 ff. 


zeitung 1904 S. 181 ff., 277 


| 


») Syringa. a. O.; vgl. auch deſſen weitere recht 
beachtlichen Vorſchläge S. 690, die allerdings kaum eine 
durchſchlagende Wirkung haben dürſten. 


4 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


der erſten Inſtanz beitreten würden. Ich ver⸗ 
ſtehe nicht, wie man einen derartigen 
Einwand überhaupt erheben kann. Es 
liegt in ihm ein ſo ſchwerer Vorwurf gegen die 
Rechtſprechung der Oberlandesgerichte, daß ich 
ihn gar nicht für diskutabel halte. Wenn das 
engliſche Volk zu ſeinen Richtern ſo großes 
Vertrauen hegt, daß es in ihre Hand die Ent⸗ 
ſcheidung legt, ob ein Rechtsmittel überhaupt zu⸗ 
gelaſſen wird oder nicht, ſo kann auch das deutſche 
rechtſuchende Publikum die Gewißheit haben, daß 
ſich kein Senat eines deutſchen Oberlandesgerichts 
findet, welcher ſeine Rechtsauffaſſung davon ab⸗ 
hängig macht, ob die Reviſion gegen die Ent: 
ſcheidung zuläſſig iſt oder nicht. Den Mann 
möchte ich ſehen, der die Stirne hätte zu be⸗ 
haupten, daß ich als Inſtanzrichter mein Votum 
jemals dadurch hätte beeinfluſſen laſſen, daß die 
zu erlaſſende Entſcheidung anfechtbar war! Und 
ſo wird jeder gewiſſenhafte Richter denken. 

V. Die Beſchränkung der Reviſionen in Zivil⸗ 
ſachen iſt nach dem oben Ausgeführten eine 
dringende Notwendigkeit. Sie wird für 
die Rechtſuchenden ſelbſt ein Segen ſein. Denn 
die lange Lebensdauer der Prozeſſe iſt ein Un⸗ 
glück für die Parteien, eine Quelle von Unſicher⸗ 
heit, Verdruß, materiellen und pſychiſchen Nach⸗ 
teilen. Jeder Prozeß iſt wie eine Krankheit, die 
man allerdings nicht nach Art des Doktor Eiſen⸗ 
bart kupieren kann, die man aber doch ſo raſch 
als möglich der naturgemäßen Heilung zuführen 
ſoll. Die Aufgabe des Reichsgerichts iſt in 
erſter Linie nicht die, in möglichſt vielen Pro- 
zeſſen Recht zu ſprechen, ſondern vielmehr die, die 
Rechtseinheit zu wahren. Man gebe ſich 
doch keiner Täuſchung hin! Sehr viele Ent⸗ 
ſcheidungen des Reichsgerichts würden ſicher der 
Aufhebung oder Abänderung unterliegen, wenn 
wir erſt ein Oberreichsgericht und eine Ober⸗ 
reviſion hätten. So hoch ich die Redt: 
ſprechung des Reichsgerichts ſtelle, — für 
unfehlbar halte ich ſie keineswegs. Eine ſehr er⸗ 
hebliche Anzahl der Erfenntnifje find, wie er: 
wähnt, Majoritätsentſcheidungen. Nur ganz aus⸗ 
nahmsweiſe kommt die Minorität in die Lage, 
ſich nachträglich von der Unrichtigkeit ihres Stand⸗ 
punktes zu überzeugen. Der Schwerpunkt des 
Reichsgerichts und ſeiner Rechtſprechung liegt 
immer darin, daß es die oberſte und letzte In⸗ 
ſtanz iſt. 

Dieſe oberſte Inſtanz nicht nur formell, 
ſondern auch virtuell auf ihrer Höhe zu er: 
halten, ſie nicht zu einer handwerks- oder fabrik⸗ 
mäßigen Abfertigung ihrer Aufgabe durch Ar— 
beitsüberlaſtung zu nötigen, ſie vielmehr zu einem 
Brennpunkt geiſtiger Bildung und wiſſenſchaft— 
lichen Strebens zu geſtalten, iſt die ernſte Auf— 
gabe des deutſchen Geſetzgebers. 


| 
s 


Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayeriihen 
Vaſſergeſetz von 1907.) 
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg. 


Was uns die Rechtsbücher Juſtinians an 
Fragmenten aus den Schriften der römiſchen 
Juriſten über Waſſerrecht überlieſert haben, genügt, 
um zu erkennen, wie Bedeutendes jene auch auf 
dieſem Gebiete gefhaffen haben, genügt aber nicht, 
um auch nur für die grundlegenden Fragen 
zweifelsfreie Entſcheidungen zu treffen. So kam 
es, daß das gemeinrechtliche Waſſerrecht an teil⸗ 
weiſe bedeutungsvollen Kontroverſen reich genug 
war. Die bayeriſche Waſſergeſetzgebung von 1852 
behandelte die zivilrechtliche Seite der Materie nicht 
erſchöpfend, vielleicht weil man ſie in dem damals 
angeſtrebten Zivilgeſetzbuche endgültig zu regeln 
gedachte. Das neue Waſſergeſetz beſeitigt einige 
der grundlegenden Streitfragen, hat aber manche 
neue Zweifelspunkte hinzugefügt. Bei der Be⸗ 
trachtung des neuen Rechts hat man ſich vor 
allem den durch die Einführung des BGB. ge⸗ 
ſchaffenen Rechtszuſtand zu vergegenwärtigen. Nach 
dem Art. 65 des EG. z. BGB. bleiben zwar die 
dem Waſſerrecht angehörenden Vorſchriften der 
Landesgeſetze aufrecht, durch Art. 1 des EG. z. 
BGB. ſind jedoch die einſchlägigen landesgeſetzlichen 
Vorſchriften des bürgerlichen Rechts, ſoweit ſie aus 
der Zeit vor der Erlaſſung der Verfafſungsurkunde 
von 1818 ſtammten, aufgehoben worden. Die Folge 
dieſer wohl gar zu radikalen?) Amputation war, 
daß nicht bloß einige Inſtitute des — für die 
meiſten Landesteile geltenden — gemeinen Rechts, 
welche trotz der ihnen anhaftenden Streitfragen 
einen ſehr brauchbaren Kern beſaßen, wie die 
Operis novi Nuntiatio und die Cautio damni 
infecti, gänzlich verſchwunden find, fondern daß 
auch vielfach Zweifel möglich ſind, ob überhaupt 
für die betreffenden Materien der Zivilrechtsweg 
eröffnet und auf welche Beſtimmungen des BGB. 
er zu ſtützen ſei. Eine Unterſuchung über einige 


) Lit.: Regelsberger, Band. I. Bd. 8$ 112—117; 
Bekker, Band. I §§ 76, 78; Gierke, Deutſch. Privatrecht II 
102; Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht; Meisner, 
Nachbarrecht; Becher, Landeszivilrecht 8 184 ff. Die Ma- 
terialien des Gej. find enthalten in den Vhoͤlgen d. K. d. 
Abg. 1905/1906 Beil. Bd. I S. 509 ff. (Entw. mit Begr.); 
Beil. Bd. III. 155 (Bericht des VIII. — beſonderen — Aus: 
ſchuſſes); Sten B. V 665 ff., 708 ff., 760 ff., VII 11 ff. 


(Plenarberatung); Beil. Bd. III 310 Entwurf in der ur- 
ſprünglichen Faſſung d. K. d. Abg. Die Referate der 
Abg. Freiherr v. Malſen und Sartorius ſind leider nur 
zum Gebrauch des Landtags gedruckt worden. Die ſämt— 
lichen Vhdlgen der K. d. RR. und ihres Ausſchuſſes, 
ſowie die Berichte des Referenten Freiherrn v. Lindenfels 
und des Korreſerenten v. Thelemann find enthalten im 
Anhang zum Beil. Bd. Nachſeſſion 1907 betreffend, künftig 
zitiert als Anhang. 

2) Siehe darüber unten bei der Lehre vom Ge— 
mein gebrauch; noch bedenklicher als die Aufhebung der 
bisherigen waſſerrechtlichen Vorſchriften ift die der wege⸗ 
rechtlichen. i 


— 


der wichtigſten Gegenſtände dürfte daher wohl 
angebracht ſein. 


I. Die Sigentumsverhältniſſe an den öffentlichen 6: 
wällern; Sonderrechte; Zuſtändiglkeit. 

Die Lehre des gemeinen Rechtes iſt zur Bildung 
einer communis opinio über das Eigentum an öffent: 
lichen Gewaſſern nicht gelangt. Während, um ſtatt 
vieler einen anzuführen, Windſcheid⸗Kipp Bd. I 
9 146 Anm. 11 auf dem Standpunkt verharrte, 
die öffentlichen Gewäſſer ſtünden in niemandes 
Eigentum, der Staat übe nur Hoheitsrechte an 
ihnen aus, vertrat Dernburg, Pand. I 8 73 die 
Auffaſſung vom privatrechtlichen Eigentum des 
Staates. Dieſe Streitfrage ging infolge der un⸗ 
klaren Faſſung des Art. 1 des WBG. von 1852 
auch in das bayeriſche Recht über. Während jedoch 
Pözl in den beiden Auflagen ſeines Kommentars — 
Aufl. 1 S. 66, Aufl. 2 S. 49 — eine ſchwankende 
Haltung einnahm, erklärten ſich die führenden 
Schriftſteller, Paul v. Roth und Mar v. Seydel, 
ſowie der Oberſte Gerichtshof (Entſch. VII, 55; 
XIII, 279) für das Eigentum des Staates und 
der Art. 2 des neuen Waſſergeſetzes, der dem Staat 
das Eigentum an den öffentlichen Gemäffern zu: 
ſchreibt, hat daher das tatſächlich geltende Recht 
nur beſtätigt. Legt aber der Geſetzgeber dem Staate 
das Eigentum an den öffentlichen Gewäſſern bei, 
ſo kann er dies in dem Sinne tun, daß er jenes 
Eigentum als öffentlich⸗ rechtliches behandelt, oder 
in dem Sinne, daß er das ſtaatliche Eigentum 
als Privateigentum betrachtet, welches dem öffent⸗ 
lichen Rechte nur hinſichtlich ſeiner Zweckbeſtimmung 
angehört und für den beſtimmten Zweck „objektiv 
gebunden“ ift: eine Gebundenheit, welche die Folge 
der betreffenden Norm, nicht das Ergebnis einzelner 
ſubjektiver öffentlich⸗ rechtlicher oder gar privater 
Rechte Dritter iſt.) Die letztere Auffaſſung ift 
die des bayeriſchen Rechtes bezüglich der öffentlichen 
Sachen überhaupt und insbeſondere auch, wie die 
Motive zur Abt. 1 S. 538 erſehen laſſen, die 
Auffaſſung des WG. hinſichtlich der öffentlichen 
Gewäſſer. Vom theoretiſchen Standpunkt aus 
wäre die erſtere Löſung, welche im franzöſiſchen 
Rechte in dem Begriffe des domaine public) 
ihre Anerkennung gefunden hat, wegen der Ein⸗ 
fachheit der Konſtruktion wohl vorzuziehen; ſie 
hätte übrigens für Bayern eine erhebliche Er⸗ 
weiterung des Gebietes der Verwaltungsgerichts⸗ 
barkeit zur logiſchen Folge gehabt. Die von der 
bayeriſchen Geſetzgebung gewählte Löſung kombiniert 
alſo ein privatrechtliches Moment — das Privat: 
eigentum des Staates — mit einem öffentlich⸗ 
den nämlich der durch Normen und Akte 

des öffentlichen Rechtes daran geknüpften Zweck⸗ 


) Sendel I. Aufl. V 410, II. Aufl. III 251 8 331. 

) Wenigſtens nach der herrſchenden Auslegung: 
Crome⸗Zachariä, Franz. Zivilrecht Bd. I 8 108, und die 
unten deim Gemeingebrauch anzuführenden Schriften 
von Otto Mayer. 


Zeitſchrift für A Zeitſchrift für Rechtapflege in Bayern. in Bayern. 1908. Nr. 1. 5 


beſtimmung. Wir können die öffentlichen Gewäſſer 
des bayeriſchen Rechtes definieren als ſolche Ge⸗ 
wäſſer, welche im privatrechtlichen Eigentum des 
Staates ſtehen, jedoch der öffentlichen Benützung 
gewidmet ſind. Ob ein ſolcher Widmungsakt 
vorliegt, iſt eine rein hiſtoriſche Frage; bei Flüſſen, 
die neuerlich zur Schiffahrt eingerichtet werden, 
beginnt die Eigenſchaft als öffentliches Gewaͤſſer 
nicht mit der Vollendung der betreffenden techniſchen 
Arbeiten, ſondern tritt durch die Widmungserklärung 
der Staatsregierung ein (Art. 4 d. G.). Bei den 
meiſten öffentlichen Flüſſen iſt die Frage nach ihrer 
Oeffentlichkeit ſelbſtverſtändlich längſt durch das Her⸗ 
kommen entſchieden, ein etwaiger Streit darüber, 
ob ein Gewäfjer ein öffentliches ift, it Verwaltungs⸗ 
rechtsſache (Art. 177). Aus dem ſoeben gefundenen 
Begriff des öffentlichen Gewäſſers laffen fih zahl- 
reiche, a bedeutſame Folgerungen ableiten. 

„Eigentum an Gewäſſern“. Gibt 
es ein 19 85 an Flüſſen, deren einzelne Waſſer⸗ 
teilchen doch ſtets in Bewegung ſind? Gewiß läßt 
ſich nicht verkennen, daß der Begriff des Eigen⸗ 
tums hier eigentlich nur im Wege der Analogie, 
nicht in ſeiner Urbedeutung angewandt wird. 
Eigentum in der urſprünglichen Bedeutung gibt 
es nur an dem Waſſer, das in Ziſternen, Waſſer⸗ 
leitungen, kleinen Teichen u. dgl. eingeſchloſſen ge⸗ 
halten wird;) hier allein beherrſcht der Eigen⸗ 
tümer auch die einzelnen Waſſerteilchen und kann 
fich ihrer durch Ausſchöpfen, Auslaufenlaſſen uſw. 
bemächtigen (vgl. auch BGB. § 960). Bei größeren 
Flußläufen und Seen dagegen — und nur ſolche 
kommen nach Art. 1 des WG. als öffentliche Ge⸗ 
wäſſer in Betracht — handelt es ſich nur um 
eine entſprechende Anwendung des Eigentumbegriffs; 
nur das Bett und das Waſſer des Fluſſes, Sees 
oder Kanals in ſeiner Totalität, nicht die einzelnen 
Waſſerwellen ſtehen im Staatseigentum, letztere 
find herrenlos.“) Das ſtaatliche „Eigentum“ fegt 
ſich alſo zuſammen aus dem Eigentum am Bett 
und einem dinglichen, vorbehaltlich geſetzlicher oder 
beſonderer Beſchränkungausſchließenden Benützungs⸗ 
recht am Waſſer. Wer demnach zu Unrecht aus 
einer fremden Ziſterne Waſſer ſchöpft, aus einem 
fremden Weiher Eis entnimmt oder unbefugt einen 
Anſchluß an eine Wafſerleitung herſtellt, begeht 
Diebſtahl; 3 wer aus einem öffentlichen Gewäſſer 
oder aus einem Privatfluß unbefugt Eis entnimmt, 
iſt nur wegen Uebertretung nach Art. 204 Ziff. 3 
WG. ſtrafbar. 

2. Kraft des Eigentums hat der Staat, ſoweit 
Privatrechte an öffentlichen Gewäſſern geltend ge: 
macht werden, die Vermutung für ſich, der Dritte 
hat die Beweislaſt. Entſteht alfo etwa Streit 
über das Beſtehen eines Fiſchrechts an öffentlichen 


5) Nicht e entſcheidend ift, daß auch in Waſſerleitungen 
uiw. die einzelnen Waſſerteilchen ſtets ihre Stellung im 
Raume wechſeln. 

6) Oertmann S. 120 $ 30 und dort Zit. 

7) Olshauſen, Komm. z. StGB. Note 3 zu § 242. 


— — — — — 


4 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


der erſten Inſtanz beitreten würden. Ich ver⸗ 
ſtehe nicht, wie man einen derartigen 
Einwand überhaupt erheben kann. Es 
liegt in ihm ein ſo ſchwerer Vorwurf gegen die 
Rechtſprechung der Oberlandesgerichte, daß ich 
ihn gar nicht für diskutabel halte. Wenn das 
engliſche Volk zu ſeinen Richtern ſo großes 
Vertrauen hegt, daß es in ihre Hand die Ent⸗ 
ſcheidung legt, ob ein Rechtsmittel überhaupt zu⸗ 
gelaſſen wird oder nicht, ſo kann auch das deutſche 
rechtſuchende Publikum die Gewißheit haben, daß 
ſich kein Senat eines deutſchen Oberlandesgerichts 
findet, welcher ſeine Rechtsauffaſſung davon ab⸗ 
hängig macht, ob die Reviſion gegen die Ent⸗ 
ſcheidung zuläſſig iſt oder nicht. Den Mann 
möchte ich ſehen, der die Stirne hätte zu be⸗ 
haupten, daß ich als Inſtanzrichter mein Votum 
jemals dadurch hätte beeinfluſſen laſſen, daß die 
zu erlaſſende Entſcheidung anfechtbar war! Und 
ſo wird jeder gewiſſenhafte Richter denken. 

V. Die Beſchränkung der Reviſionen in Zivil⸗ 
ſachen iſt nach dem oben Ausgeführten eine 
dringende Notwendigkeit. Sie wird für 
die Rechtſuchenden ſelbſt ein Segen ſein. Denn 
die lange Lebensdauer der Prozeſſe iſt ein Un⸗ 
glück für die Parteien, eine Quelle von Unſicher⸗ 
heit, Verdruß, materiellen und pſychiſchen Nach⸗ 
teilen. Jeder Prozeß iſt wie eine Krankheit, die 
man allerdings nicht nach Art des Doktor Eiſen⸗ 
bart kupieren kann, die man aber doch ſo raſch 
als möglich der naturgemäßen Heilung zuführen 
ſoll. Die Aufgabe des Reichsgerichts iſt in 
erſter Linie nicht die, in möglichſt vielen Pro: 
zeſſen Recht zu ſprechen, ſondern vielmehr die, die 
Rechtseinheit zu wahren. Man gebe ſich 
doch keiner Täuſchung hin! Sehr viele Ent: 
ſcheidungen des Reichsgerichts würden ſicher der 
Aufhebung oder Abänderung unterliegen, wenn 
wir erſt ein Oberreichsgericht und eine Ober⸗ 
reviſion hätten. So hoch ich die Recht⸗ 
ſprechung des Reichsgerichts ſtelle, — für 
unfehlbar halte ich ſie keineswegs. Eine ſehr er⸗ 
hebliche Anzahl der Erxkenntniſſe find, wie er: 
wähnt, Majoritätsentſcheidungen. Nur ganz aus: 
nahmsweiſe kommt die Minorität in die Lage, 
ſich nachträglich von der Unrichtigkeit ihres Stand: 
punktes zu überzeugen. Der Schwerpunkt des 
Reichsgerichts und ſeiner Rechtſprechung liegt 
immer darin, daß es die oberſte und letzte In⸗ 
ſtanz iſt. 

Dieſe oberſte Inſtanz nicht nur formell, 
ſondern auch virtuell auf ihrer Höhe zu er— 
halten, fie nicht zu einer handwerks- oder fabrik⸗ 
mäßigen Abfertigung ihrer Aufgabe durch Ar— 
beitsitberlaftung zu nötigen, ſie vielmehr zu einem 
Brennpunkt geiſtiger Bildung und wiſſenſchaft— 
lichen Strebens zu geſtalten, iſt die ernſte Auf— 
gabe des deutſchen Geſetzgebers. 


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Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayeriidhen 
Vaſſergeſetz von 1907, 


Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg. 


Was uns die Rechtsbücher Juſtinians an 
Fragmenten aus den Schriften der römiſchen 
Juriſten über Waſſerrecht überliefert haben, genügt, 
um zu erkennen, wie Bedeutendes jene auch auf 
dieſem Gebiete geſchaffen haben, genügt aber nicht, 
um auch nur für die grundlegenden Fragen 
zweifelsfreie Entſcheidungen zu treffen. So kam 
es, daß das gemeinrechtliche Waſſerrecht an teil⸗ 
weiſe bedeutungsvollen Kontroverſen reich genug 
war. Die bayeriſche Waſſergeſetzgebung von 1852 
behandelte die zivilrechtliche Seite der Materie nicht 
erſchöpfend, vielleicht weil man ſie in dem damals 
angeſtrebten Zivilgeſetzbuche endgültig zu regeln 
gedachte. Das neue Waſſergeſetz beſeitigt einige 
der grundlegenden Streitfragen, hat aber manche 
neue Zweifelspunkte hinzugefügt. Bei der Be⸗ 
trachtung des neuen Rechts hat man ſich vor 
allem den durch die Einführung des BGB. ge⸗ 
ſchaffenen Rechtszuſtand zu vergegenwärtigen. Nach 
dem Art. 65 des EG. z. BGB. bleiben zwar die 
dem Waſſerrecht ae orab Vorſchriften = 
Landesgeſetze aufrecht, durch Art. 1 des EG. 
BGB. ſind jedoch die einſchlägigen landesgeſehlichen 
Vorſchriften des bürgerlichen Rechts, ſoweit ſie aus 
der Zeit vor der Erlaſſung der Verfaſſungsurkunde 
von 1818 ſtammten, aufgehoben worden. Die Folge 
dieſer wohl gar zu radikalen?) Amputation war, 
daß nicht bloß einige Inſtitute des — für die 
meiſten Landesteile geltenden — gemeinen Rechts, 
welche trotz der ihnen anhaftenden Streitfragen 
einen ſehr brauchbaren Kern beſaßen, wie die 
Operis novi Nuntiatio und die Cautio damni 
infecti, gänzlich verſchwunden ſind, ſondern daß 
auch vielfach Zweifel möglich ſind, ob überhaupt 
für die betreffenden Materien der Zivilrechtsweg 
eröffnet und auf welche Beſtimmungen des BGB. 
er zu ſtützen ſei. Eine Unterſuchung über einige 


) Lit.: Regelsberger, Band. I. Bd. 85 112—117; 
Bekker, Band. I 88 76, 78; Gierke, Deutſch. Privatrecht II 
8 102; Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht; Meisner, 
Nachbarrecht; Becher, Landeszivilrecht 8 184 ff. Die Ma- 
terialien des Geſ. ſind enthalten in den Vhoͤlgen d. K. d. 
Abg. 1905/1906 Beil. Bd. I S. 509 ff. (Entw. mit Begr.); 
Beil. Bd. III. 155 (Bericht des VIII. — beſonderen — Aus- 
ſchuſſes); Sten. V 665 ff., 708 ff., 760 ff., VII 11 ff. 
(Plenarberatung); Beil. Bd. III 310 Entwurf in der ur⸗ 
ſprünglichen Faſſung d. K. d. Abg. Die Referate der 
Abg. Freiherr v. Malſen und Sartorius ſind leider nur 
zum Gebrauch des Landtags gedruckt worden. Die ſämt— 
lichen Ihdlgen der K. d. RR. und ihres Ausſchuſſes, 
ſowie die Berichte des Referenten Freiherrn v. Lindenfels 
und des Korreſerenten v. Thelemann ſind enthalten im 
Anhang zum Beil. Bd. Nachſeſſion 1907 betreffend, künftig 
zitiert als Anhang. 

2) Siehe darüber unten bei der Lehre vom Bes 
meingebrauch; noch bedenklicher als die Aufhebung der 
bisherigen waſſerrechtlichen Vorſchriften iſt die der wege⸗ 
rechtlichen. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 5 


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der wichtigſten Gegenſtände dürfte daher wohl 
angebracht ſein. 


I. Die Eigentumsverhältniſſe an den öffentlichen Ge- 
wäflern; Sonderrechte; Zuſtändigkeit. 

Die Lehre des gemeinen Rechtes iſt zur Bildung 
einer communis opinio über das Eigentum an öffent⸗ 
lichen Gewäffern nicht gelangt. Während, um ſtatt 
vieler einen anzuführen, Windſcheid⸗Kipp Bd. I 
9146 Anm. 11 auf dem Standpunkt verharrte, 
die öffentlichen Gewäſſer ſtünden in niemandes 
Eigentum, der Staat übe nur Hoheitsrechte an 
ihnen aus, vertrat Dernburg, Pand. I § 73 die 
Auffaffung vom privatrechtlichen Eigentum des 
Staates. Dieſe Streitfrage ging infolge der un⸗ 
klaren Faſſung des Art. 1 des WBG. von 1852 
auch in das bayeriſche Recht über. Waͤhrend jedoch 
Pözl in den beiden Auflagen ſeines Kommentars — 
Aufl. 1 S. 66, Aufl. 2 S. 49 — eine ſchwankende 
Haltung einnahm, erklärten ſich die führenden 
Schriftſteller, Paul v. Roth und Max v. Seydel, 
ſowie der Oberſte Gerichtshof (Entſch. VII, 55; 
XIII, 279) für das Eigentum des Staates und 
der Art. 2 des neuen Waſſergeſetzes, der dem Staat 
das Eigentum an den öffentlichen Gewaͤſſern zu- 
ſchreibt, hat daher das tatſächlich geltende Recht 
nur beſtätigt. Legt aber der Geſetzgeber dem Staate 
das Eigentum an den öffentlichen Gewäſſern bei, 
ſo kann er dies in dem Sinne tun, daß er jenes 
Eigentum als öffentlich- rechtliches behandelt, oder 
in dem Sinne, daß er das ſtaatliche Eigentum 
als Privateigentum betrachtet, welches dem öffent⸗ 
lichen Rechte nur hinſichtlich ſeiner Zweckbeſtimmung 
angehört und für den beſtimmten Zweck „objektiv 
gebunden“ ift: eine Gebundenheit, welche die Folge 
der betreffenden Norm, nicht das Ergebnis einzelner 
ſubjektiver öffentlich⸗-rechtlicher oder gar privater 
Rechte Dritter ift. `) Die letztere Auffaſſung ift 
die des bayeriſchen Rechtes bezüglich der öffentlichen 
Sachen überhaupt und insbeſondere auch, wie die 
Motive zur Abt. 1 S. 538 erſehen laſſen, die 
Auffaſſung des WG. hinſichtlich der öffentlichen 
Gewäſſer. Vom theoretiſchen Standpunkt aus 
wäre die erſtere Löſung, welche im franzöſiſchen 
Rechte in dem Begriffe des domaine public ‘) 
ihre Anerkennung gefunden hat, wegen der Ein: 
fachheit der Konſtruktion wohl vorzuziehen; fie 
hätte übrigens für Bayern eine erhebliche Er: 
weiterung des Gebietes der Verwaltungsgerichts— 
barkeit zur logiſchen Folge gehabt. Die von der 
bayeriſchen Geſetzgebung gewählte Löſung kombiniert 
aljo ein privatrechtliches Moment — das Privat- 
eigentum des Staates — mit einem öffentlich: 
rechtlichen, nämlich der durch Normen und Akte 
des öffentlichen Rechtes daran geknüpften Zweck— 


) Sendel I. Aufl. V 410, II. Aufl. III 251 8 331. 

) Wenigſtens nach der herrſchenden Auslegung: 
Crome-Zachariä, Franz. Zivilrecht Bd. I § 108, und die 
unten beim Gemeingebrauch anzuführenden Schriften 
von Otto Mayer. 


beſtimmung. Wir können die öffentlichen Gewäſſer 
des bayeriſchen Rechtes definieren als ſolche Ge⸗ 
wäſſer, welche im privatrechtlichen Eigentum des 
Staates ſtehen, jedoch der öffentlichen Benützung 
gewidmet find. Ob ein folder Widmungsakt 
vorliegt, iſt eine rein hiſtoriſche Frage; bei Flüſſen, 
die neuerlich zur Schiffahrt eingerichtet werden, 
beginnt die Eigenſchaft als öffentliches Gewäſſer 
nicht mit der Vollendung der betreffenden techniſchen 
Arbeiten, ſondern tritt durch die Widmungserklärung 
der Staatsregierung ein (Art. 4 d. G.). Bei den 
meiſten öffentlichen Flüſſen iſt die Frage nach ihrer 
Oeffentlichkeit ſelbſtverſtändlich längſt durch das Her⸗ 
kommen entſchieden, ein etwaiger Streit darüber, 
ob ein Gewäſſer ein öffentliches iſt, iſt Verwaltungs⸗ 
rechtsſache (Art. 177 a). Aus dem ſoeben gefundenen 
Begriff des öffentlichen Gewäſſers laſſen ſich zahl⸗ 
reiche, rechtlich bedeutſame Folgerungen ableiten. 

A. 1. „Eigentum an Gewaͤſſern“. Gibt 


es ein ſolches an Flüſſen, deren einzelne Waſſer⸗ 


— . —..———————————————b ——— ä——ä.——ä—ä ä -ü.äää ! . .dbä ͥ ũ äö-ũ çw —— 


teilchen doch ſtets in Bewegung ſind? Gewiß läßt 
ſich nicht verkennen, daß der Begriff des Eigen⸗ 
tums hier eigentlich nur im Wege der Analogie, 
nicht in ſeiner Urbedeutung angewandt wird. 
Eigentum in der urſprünglichen Bedeutung gibt 
es nur an dem Waſſer, das in Ziſternen, Waſſer⸗ 
leitungen, kleinen Teichen u. dgl. eingeſchloſſen ge⸗ 
halten wird;“) hier allein beherrſcht der Eigen⸗ 
tümer auch die einzelnen Waſſerteilchen und kann 
ſich ihrer durch Ausſchöpfen, Auslaufenlaſſen uſw. 
bemächtigen (vgl. auch BGB. 8 960). Bei größeren 
Flußläufen und Seen dagegen — und nur ſolche 
kommen nach Art. 1 des WG. als öffentliche Ge⸗ 
wäſſer in Betracht — handelt es ſich nur um 
eine entſprechende Anwendung des Eigentumbegriffs; 
nur das Bett und das Waſſer des Fluſſes, Sees 
oder Kanals in ſeiner Totalität, nicht die einzelnen 
Waſſerwellen ſtehen im Staatseigentum, letztere 
find herrenlos.“) Das ſtaatliche „Eigentum“ fegt 
ſich alſo zuſammen aus dem Eigentum am Bett 
und einem dinglichen, vorbehaltlich geſetzlicher oder 
beſonderer Beſchränkung ausſchließenden Benützungs— 
recht am Waſſer. Wer demnach zu Unrecht aus 
einer fremden Ziſterne Waſſer ſchöpft, aus einem 
fremden Weiher Eis entnimmt oder unbefugt einen 
Anſchluß an eine Waſſerleitung herſtellt, begeht 
Diebſtahl;“) wer aus einem öffentlichen Gewäſſer 
oder aus einem Privatfluß unbefugt Eis entnimmt, 
iſt nur wegen Uebertretung nach Art. 204 Ziff. 3 
WG. ſtrafbar. 

2. Kraft des Eigentums hat der Staat, ſoweit 
Privatrechte an öffentlichen Gewäſſern geltend ges 
macht werden, die Vermutung für ſich, der Dritte 
hat die Beweislaſt. Entſteht alſo etwa Streit 
über das Beſtehen eines Fiſchrechts an öffentlichen 


5) Nicht entſcheidend ift, daß auch in Waſſerleitungen 
uſw. die einzelnen Waſſerteilchen ſtets ihre Stellung im 
Raume wechſeln. 

6) Oertmann S. 120 8 30 und dort Zit. 

1) Olshauſen, Komm. z. StGB. Note 3 zu § 242. 


6 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


Gewäſſern, fo braucht fih der Staat, um dem 
Gegner die Beweislaſt zuzuſchieben, noch nicht 
einmal auf den in den meiſten Landesteilen ehedem 


herrſchenden Grundſatz der Regalität der Fiſchrechte 


zu berufen. Da der Staat Eigentümer iſt, ſo 
ſind alle Befugniſſe, welche Dritten kraſt dinglichen 
Privatrechts an öffentlichen Gewäſſern zuſtehen, 
Rechte an fremder Sache, jura in re aliena, 
nicht bloß ſogenannte Vorzugsrechte. Die ding⸗ 
lichen Rechte Dritter können je nach ihrer Be⸗ 
ſchaffenheit Servituten im römiſchen Sinne, Grund⸗ 
dienſtbarkeiten, oder, was ſelten zutreffen wird, 
perſönliche Dienſtbarkeiten ſein, ſo z. B. das Recht 
auf Waſſerentnahme. In anderen Fällen, ſo bei 
Triebwerken, Schöpfrädern, dem dinglichen Rechte, 
eine Badeanſtalt im Fluſſe zu unterhalten, dürfte 
teils die Analogie des Erbbaurechts, teils der Be⸗ 
griff der — dem Erbbau dienenden — Grund: 
dienſtbarkeit zur Konſtruktion heranzuziehen fein, 3) 
letzterer deshalb, weil dieſe Anlagen eine gewiſſe 
Herrſchaft über eine Strecke des Fluſſes voraus⸗ 
ſetzen. Denn bei Triebwerken würde die Errichtung 
eines weiteren, oberhalb des erſteren gelegenen 
dieſem die erforderliche Triebkraft, bei Bade⸗ 
anſtalten die Errichtung einer zweiten der erſten 
die erforderliche Reinheit des Waſſers unter Um⸗ 
ſtänden rauben. Ueber Beſitzſchutz von Waſſer⸗ 
gerechtigkeiten vgl. Art. 191 Abſ. 2 EG. z. BGB. 
und Art. 45 UeG. 


3. Als Eigentümer hat der Staat alle Rechts⸗ 
mittel des Eigentümers, insbeſondere die negatoriſche 
Klage aus $ 1004 BGB. Bei den umfaſſenden 
Zuſtändigkeiten, welche das Geſetz den Verwal⸗ 
tungsbehörden einräumt, wird der Staat freilich 
nur ſelten in der Lage ſein, von der Zivilklage 
Gebrauch machen zu müſſen. Auf der anderen 
Seite ift der Staat paffio legitimiert gegen: 
über Klagen, welche Verpflichtungen aus dem 
Eigentum betreffen. Gerade in dieſer Beziehung 
hat das neue Waſſerrecht, indem es das ſtaatliche 
Eigentum verkündete, eine wertvolle Klärung der 
Rechtslage herbeigeführt. (Anwendungsfälle ſiehe 
unten beim Gemeingebrauch). 

B. Aus dem Umſtande, daß die öffentlichen 
Gewäſſer, obſchon im Privateigentum des Staates 
ſtehend, dem öffentlichen Gebrauche gewidmet ſind, 
folgt ihre Verkehrsunfähigkeit. Durch 
ausdrücklichen Rechtsſatz iſt dieſe nirgends aus— 
geſprochen, ſie folgt überhaupt bei den öffentlichen 
Sachen des bayeriſchen Rechts lediglich aus der 
Natur der öffentlichen Sache, und findet darin 
ihre Begrenzung. Die Folge iſt, daß wie der 


8) Dies ſcheint mir paſſender als die von Oertmann 
S. 408 nach Pözls Vorgang verſuchte Heranziehung 
der abſoluten Gewerbeprivilegien; dieſe ſind keine ſura 
in re aliena. Daß Fahrgerechtigkeiten und Badeanſtalten 
häufig als reale Gewerberechte vorkommen. ift ein Punkt 
für ſich, weil die Bezeichnung als Realrechte zunächſt 
ihre gewerbepolizeiliche, nicht ihre waſſerrechtliche Stellung 
charakteriſiert. 


Vertreter der Staatsregierung im Ausſchuſſe der 
K. d. Abg.“) äußerte, „der Staat kraft ſeines 
Eigentums befugt iſt, unter den Vorausſetzungen, 
die ſonſt für die Veräußerung von Staatsgut be⸗ 
ſtehen, auch Wegveräußerungen vom Bette öffent: 
licher Flüſſe vorzunehmen, ſoweit ſie ſich ohne 
Eingriff in die Natur des öffentlichen Gewäſſers 
denken laſſen“. Dazu iſt zu bemerken, daß es 
ein ſubjektives Recht auf den Beſtand öffentlicher Ge⸗ 
wäſſer, ſei es nun ein privates oder ein öffentliches, 
nicht gibt; ein ſolches kann insbeſondere aus dem 
Gemeingebrauch nicht abgeleitet werden.““) Ein 
Bierbrauer, der bisher kraft des Gemeingebrauchs — 
alſo nicht etwa kraft eines ſpeziellen Rechtstitels 
— aus einem Altwaſſer Eis zu entnehmen pflegte, 
kann nicht etwa Anfechtungsklage ſtellen oder die 
Nichtigkeit des Vertrages vorſchützen, wenn der 
Staat das Altwaſſer an einen Privaten veräußert 
und dieſer es zuſchütten läßt. 

Die objektive Gebundenheit der öffentlichen Ge⸗ 
wäſſer für volkswirtſchaftliche Zwecke ſchließt nicht 
aus, daß an ihnen Sonderrechte einzelner — 
von Bekker „Vorzugsrechte“ genannt — mit jenem 
Zwecke ſich vereinigen laſſen. Vielfach, z. B. bei 
Mühlen und anderen mit Staumerfen verknüpften 
Anlagen, iſt überhaupt die volkswirtſchaftliche Aus⸗ 
nützung der Waſſerkraft nur durch Einräumung 
von Sonderrechten möglich. Infolge der Doppel⸗ 
natur des Staatseigentums an den öffentlichen 
Gewäſſern als eines zwar privatrechtlichen, aber 
öffentlichrechtlich gebundenen hat auch die Çin: 
räumung ſolcher Nutzungen ſtets einen doppelten 
Charakter; die privatrechtliche Nutzungsgewährung 
erzeugt privatrechtliche, die polizeiliche Genehmigung 
erzeugt öffentlichrechtliche Wirkung.“) Dabei ift 
zu bemerken, daß manche hier ſcheinbar einſchlägige 
Akte, wie z. B. die Verpachtung des Weidenſchnitts, 
die Benützung der öffentlichen Gewäſſer überhaupt 
nicht berühren und daher allerdings nur auf dem 
Boden des Privatrechts fih bewegen; eine ähn- 
liche Stellung nimmt die Fiſcherei ein. Die Er— 
teilung von Sonderrechten kann widerruflich oder 
unwiderruflich erfolgen. (Art. 43, 58). Im letzteren 
Falle iſt mit der polizeilichen Genehmigung die 
Einräumung eines dinglichen Rechtes verknüpft, 
im erſteren Falle liegt ein prekariſtiſches Ver⸗ 
hältnis zwiſchen dem Staat und dem Vorzugs⸗ 


9) Beilagenband III S. 157, ſiehe auch die Aeußerung 
des Miniſters v. N im RR.⸗Ausſchuß Anhang 
3- Beilagenband S. 

1%) Die Sache liegt analog, wie beim Wegerecht, 
worüber zu vergleichen Seydel 1. Aufl. V 487 Note 1, 
491; 2. Aufl. III 298 Note 7. 

11) Seydel 1. Aufl. V 409, 410, 2. Aufl. III 252 
8 331. Die Verquickung beider Akte in dem Begriff 
der „Konzeſſion“ oder gar des „Privilegiums“ hat in 
der gemeinrechtlichen Lehre und Rechtſprechung zu arger 
Verwirrung geführt. Im weſentlichen übereinſtimmend 
mit der im Text vertretenen Auffaſſung die Erklärung 
des Kgl. Staatsminiſters der Juſtiz im Ausſchuß d. K. 
d. RR. Anhang 109, ſiehe auch die e des 
Abg. v. Malſen in ſeinem Berichte S. 3 


berechtigten vor, in beiden Fällen aber genießt 
der Vorzugsberechtigte Dritten gegenüber Privat⸗ 
rechtsſchuz. (Vgl. auch Kompetenzkonfliktserk. 
RegBl. 1872 S. 426 ff.). 

Bezüglich der Form, in welcher Sonderrechte 
an öffentlichen Gewäſſern geſchaffen werden können, 
war ſchon im gemeinen Rechte anerkannt, daß nur 
ein Vertrag des Staates mit Dritten oder die 
Erteilung eines Privilegiums und die unvordenkliche 
Verjährung, nicht aber die Erſitzung in Frage 
kommen können.!) Auch das WBG. von 1852 
kennt den Rechtstitel der Erſitzung nicht und 
ebenſowenig das neue WG. Die Vorſchriften des 
gemeinen Rechtes und der übrigen Territorialrechte 
über die Erſitzung ſind überdies durch Art. 1 und 
Art. 147 AG. z. BGB. weggefallen. Künftig kann 
alſo die Neubegründung nur durch ſtaatliche Ver⸗ 
leihung erfolgen. 

Das Recht des Staates, Sonderrechte an öffent⸗ 
lichen Gewäſſern einzuräumen, findet ſeine Grenze in 
dem Gemeingebrauch, ſoweit dieſer in der bayeriſchen 
Geſetzgebung — im Gegenſatze zu dem viel weiter 
gehenden gemeinen Rechte — anerkannt iſt (vgl. 
Art. 26 - 36 WG.). Demnach würde ein Vertrag 
nichtig ſein, kraft deſſen der Staat an jemand die 
Eisbahn auf einem Fluſſe oder das Recht, Vieh 
zu ſchwemmen, verpachten würde. 


C. Aus der Doppelnatur des Rechtsverhältniſſes 
der öffentlichen Gewäſſer ergibt ſich von vornherein, 
daß für ſtrittige Rechte und Verbindlichkeiten auf 
dem Gebiete des Waſſerrechts nach der Natur der 
Sache in manchen Fällen der Zivilrichter zuſtändig 
it, während in anderen der Verwaltungs rechtsweg 
eröffnet ſein ſollte. In Wirklichkeit iſt jedoch dieſer 
mehrfach durch den bloßen Verwaltungsweg erſetzt 
und ſeine Zuläſſigkeit, wie auch ſonſt nach baye⸗ 
riſchem Recht, nur aufzählend, nicht durch generelle 
Norm beſtimmt (Art. 166 mit 177 d. Geſ.). Die 
gerichtliche Zuſtändigkeit hingegen iſt nur negativ 
im Art. 166 umſchrieben, nach welchem „der Vollzug 
des Geſetzes vorbehaltlich der Zuſtändigkeit der 
Gerichte den Behörden der inneren Verwaltung 
obliegt“. „Der gerichtlichen Entſcheidung“, ſagen 
die Motive zu Art. 164 des Entwurfs (Beil. Bd. I 
574) „unterliegen die auf privatrechtlicher Grund— 
lage erhobenen Rechtsanſprüche, ſoweit ſie nicht 
durch das Geſetz ausdrücklich zunächſt, d. h. in 
vorſorglicher Weiſe oder überhaupt, den Ver— 
waltungsbehörden zugewieſen ſind“ (folgen zahl— 
reiche Beiſpiele). Eine eigentliche Rechtsvermutung 
zugunſten der Zuſtändigkeit der Verwaltungs— 
behörden beſteht hiernach im allgemeinen nicht. 
55 gerichtliche Zuſtändigkeit iſt nach allgemeinen 

Grundſätzen — vgl. z. B. Erk. d. Gerichtshofs für 
Kompetenzkonflikte Beil. I zum GeſBl. 1906 und 
dort Zitierte — davon abhängig, daß der geltend 
gemachte Anſpruch nach den zu ſeiner Begründung 


2) Seufferts Archiv 21 Nr. 97, A Nr. 10; RG. i. 
38S. 23, 152, Oberſtes Landesg. IV. 1 


Aeitchriſt für Rechtspflege in B für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 7 


behaupteten Tatſachen auf einem dem Gebiete des 
bürgerlichen Rechts angehörenden Rechtsgrunde 
beruht. Iſt dies nach der Klage der Fall, ſo iſt 
die gerichtliche Zuſtändigkeit gegeben, falls nicht 
kraft poſitiver Beſtimmung des Geſetzes eine der 
oben angedeuteten, freilich ſehr weittragenden Aus⸗ 
nahmen Platz greift. 

Eine Folgerung aus dieſen Grundſätzen iſt, 
daß die gemäß Art. 6 des Geſ. durch die Ver⸗ 
waltungsbehörde erfolgende Feſtſetzung der Ufer⸗ 
linie den Eigentumsverhältniſſen nicht praͤjudiziert 
und daß im Streitfalle die Gerichte über letztere 
zu entſcheiden haben. (Vgl. die Aeußerung des 
Miniſters v. Feilitzſch im Ausſchuß der Reichsrats⸗ 
kammer Anhang S. 139). Für das rechtsrheiniſche 
Bayern iſt dieſer Satz 3 des Kompetenz⸗ 
konfliktserkenntniſſes RegBl. 1863 S. 1233 kein 
neuer, wohl aber, wie es ſcheint, für die Pfalz. 
Dort wurde bisher auf Grund der einſchlägigen 
Beſtimmungen des franzöſiſchen Rechts, wenn auch 
feit Inkrafttreten der bayeriſchen Zivilprozeßordnung 
von 1869, hier Art. 1, wohl mit Unrecht der 
Adminiſtration die Zuſtändigkeit zugeſchrieben, über 
den Umfang des domaine public zu befinden, z. B. 
über die Grenzen zwiſchen den Rheindämmen und 
den Grundſtücken der Angrenzer (vgl. Kompetenz: 
konfliktserkenntnis RegBl. 1867 S. 139 ff.). Dieſe 
wohl ſchon für das bisherige Recht — vgl. namentlich 
Seydels geiſtvolle Bemerkungen über das pfälziſche 
Wegerecht I. Aufl. V 504, II. Aufl. § 338 III 308 
— kaum mehr zutreffende Anwendung franzöſiſcher 
Kompetenzbeſtimmungen dürfte gegenüber dem neuen 
Waſſergeſetz jedenfalls unhaltbar geworden ſein, denn 
wenn auch eine ausdrückliche Aufhebung der älteren 
franzöſiſchen Zuſtändigkeitsbeſtimmungen weder in 
dem neuen Waſſergeſetz, noch, da es ſich um Vor⸗ 
ſchriften des öffentlichen Rechtes handelt, in Art. 1 
AG. z. BGB. erfolgt ift, fo dürfte doch deren Auf: 
hebung mittelbar durch Art. 166 Abſ. 1 WG. 
erfolgt fein. Denn dieſer Artikel will offenbar für 
das ganze Königreich einheitliches Recht ſchaffen 
und damit ſind die pfälziſchen Beſtimmungen, wollte 
man ihnen gegenüber der grundſätzlich abweichenden 
Auffaſſung des deutſchen Rechts und dem Art. 1 
der PO. von 1869 noch bisher die Fortdauer 
zubilligen, jedenfalls beſeitigt. Es ſcheint dies auch 
der Standpunkt der Motive zu ſein, welche privat: 
rechtliche Anſprüche aus Art. 5 Abſ. 1 zur gericht— 
lichen Zuſtändigkeit zählen, ohne eines pfälziſchen 
Sonderrechts zu gedenken. (Mot. zu Art. 164 
Beil Bd. I 574). Es würde alfo nach neuem Recht 
der den Anlaß des vorhin angeführten Kompetenz— 
konfliktes von 1867 bildende Rechtsſtreit durch die 
Gerichte zu entſcheiden ſein. Eine andere Frage 
iſt freilich, welche Rechtswirkung die Feſtſetzung der 
Uferlinie für die Eigentumsverhältniſſe der Anlieger 
hat, mit anderen Worten, ob der Zivilrichter die 
von der Verwaltungsbehörde feſtgeſetzte Uferlinie 
ſeiner Entſcheidung als bindend zugrunde legen 
muß oder nicht. Der Wortlaut des Art. 6 WG. 


6 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


— äñ˖wU—2ͤĩ˙ qt... —ö——————————————————— — am 


Gewaͤſſern, fo braucht fih der Staat, um dem 
Gegner die Beweislast zuzuſchieben, noch nicht 
einmal auf den in den meiſten Landesteilen ehedem 
herrſchenden Grundſatz der Regalität der Fiſchrechte 
zu berufen. Da der Staat Eigentümer iſt, ſo 
ſind alle Befugniſſe, welche Dritten kraft dinglichen 
Privatrechts an öffentlichen Gewäſſern zuſtehen, 
Rechte an fremder Sache, jura in re aliena, 
nicht bloß ſogenannte Vorzugsrechte. Die ding⸗ 
lichen Rechte Dritter können je nach ihrer Be⸗ 
ſchaffenheit Servituten im römiſchen Sinne, Grund⸗ 
dienſtbarkeiten, oder, was ſelten zutreffen wird, 
perſönliche Dienſtbarkeiten ſein, ſo z. B. das Recht 
auf Waſſerentnahme. In anderen Fällen, ſo bei 
Triebwerken, Schöpfrädern, dem dinglichen Rechte, 
eine Badeanſtalt im Fluſſe zu unterhalten, dürfte 
teils die Analogie des Erbbaurechts, teils der Be⸗ 
griff der — dem Erbbau dienenden — Grund: 
dienſtbarkeit zur Konſtruktion heranzuziehen ſein, 8) 
letzterer deshalb, weil diefe Anlagen eine gewiſſe 
Herrſchaft über eine Strecke des Fluſſes voraus⸗ 
ſetzen. Denn bei Triebwerken würde die Errichtung 
eines weiteren, oberhalb des erſteren gelegenen 
dieſem die erforderliche Triebkraft, bei Bade⸗ 
anſtalten die Errichtung einer zweiten der erſten 
die erforderliche Reinheit des Waſſers unter Um⸗ 
ſtänden rauben. Ueber Beſitzſchutz von sun 
gerechtigkeiten vgl. Art. 191 Abſ. 2 EG. z. BGB 
und Art. 45 UG. 


3. Als Eigentümer hat der Staat alle Rechts⸗ 
mittel des Eigentümers, insbeſondere die negatoriſche 
Klage aus § 1004 BGB. Bei den umfaſſenden 
Zuſtändigkeiten, welche das Geſetz den Verwal⸗ 
tungsbehörden einräumt, wird der Staat freilich 
nur ſelten in der Lage ſein, von der Zivilklage 
Gebrauch machen zu müſſen. Auf der anderen 
Seite iſt der Staat paſſiv legitimiert gegen⸗ 
über Klagen, welche Verpflichtungen aus dem 
Eigentum betreffen. Gerade in dieſer Beziehung 
hat das neue Waſſerrecht, indem es das ſtaatliche 
Eigentum verkündete, eine wertvolle Klärung der 
Rechtslage herbeigeführt. (Anwendungsſälle ſiehe 
unten beim Gemeingebrauch). 

B. Aus dem Umſtande, daß die öffentlichen 
Gewäſſer, obſchon im Privateigentum des Staates 
ſtehend, dem öffentlichen Gebrauche gewidmet ſind, 
folgt ihre Verkehrsunfähigkeit. Durch 
ausdrücklichen Rechtsſatz iſt dieſe nirgends aus⸗ 
geſprochen, ſie folgt überhaupt bei den öffentlichen 
Sachen des bayeriſchen Rechts lediglich aus der 
Natur der öffentlichen Sache, und findet darin 
ihre Begrenzung. Die Folge iſt, daß wie der 


6) Dies ſcheint mir paſſender als die von Oertmann 
S. 408 nach Pözls Vorgang verſuchte Heranziehung 
der abſoluten Gewerbeprivilegien; dieſe ſind keine jura 
in re aliena. Daß Fahrgerechtigkeiten und Badeanſtalten 
häufig als reale Gewerberechte vorkommen. ift ein Punkt 
für ſich, weil die Bezeichnung als Realrechte zunächſt 


ihre gewerbepolizeiliche, nicht ihre waſſerrechtliche Stellung 
[Abg. v. Malſen in ſeinem Berichte S. 34. 


charakteriſiert. 


Vertreter der Staatsregierung im Ausſchuſſe der 
K. d. Abg.“) äußerte, „der Staat kraft feines 
Eigentums befugt iſt, unter den Vorausſetzungen, 
die ſonſt für die Veräußerung von Staatsgut be⸗ 
ſtehen, auch Wegveräußerungen vom Bette öffent: 
licher Flüſſe vorzunehmen, ſoweit ſie ſich ohne 
Eingriff in die Natur des öffentlichen Gewäſſers 
denken laffen“. Dazu ift zu bemerken, daß es 
ein ſubjektives Recht auf den Beſtand öffentlicher Ge- 
wäſſer, ſei es nun ein privates oder ein öffentliches, 
nicht gibt; ein ſolches kann insbeſondere aus dem 
Gemeingebrauch nicht abgeleitet werden.““) Ein 
Bierbrauer, der bisher kraft des Gemeingebrauchs — 
alſo nicht etwa kraft eines ſpeziellen Rechtstitels 
— aus einem Altwaſſer Eis zu entnehmen pflegte, 
kann nicht etwa Anfechtungsklage ſtellen oder die 
Nichtigkeit des Vertrages vorſchützen, wenn der 
Staat das Altwaſſer an einen Privaten veräußert 
und dieſer es zuſchütten läßt. 

Die objektive Gebundenheit der öffentlichen Ge⸗ 
wäſſer für volkswirtſchaftliche Zwecke ſchließt nicht 
aus, daß an ihnen Sonderrechte einzelner — 
von Bekker „Vorzugsrechte“ genannt — mit jenem 
Zwecke ſich vereinigen laſſen. Vielfach, z. B. bei 
Mühlen und anderen mit Stauwerken verknüpften 
Anlagen, iſt überhaupt die volkswirtſchaftliche Aus⸗ 
nützung der Waſſerkraft nur durch Einräumung 
von Sonderrechten möglich. Infolge der Doppel⸗ 
natur des Staatseigentums an den öffentlichen 
Gewäſſern als eines zwar privatrechtlichen, aber 
öffentlichrechtlich gebundenen hat auch die Ein⸗ 
räumung ſolcher Nutzungen ſtets einen doppelten 
Charakter; die privatrechtliche Nutzungsgewährung 
erzeugt privatrechtliche, die polizeiliche Genehmigung 
erzeugt öffentlichrechtliche Wirkung.“) Dabei ift 
zu bemerken, daß manche hier ſcheinbar einſchlägige 
Akte, wie z. B. die Verpachtung des Weidenſchnitts, 
die Benützung der öffentlichen Gewäſſer überhaupt 
nicht berühren und daher allerdings nur auf dem 
Boden des Privatrechts ſich bewegen; eine ähn⸗ 
liche Stellung nimmt die Fiſcherei ein. Die Er⸗ 
teilung von Sonderrechten kann widerruflich oder 
unwiderruflich erfolgen. (Art. 43, 58). Im letzteren 
Falle iſt mit der polizeilichen Genehmigung die 
Einräumung eines dinglichen Rechtes verknüpft, 
im erſteren Falle liegt ein prekariſtiſches Ver⸗ 
hältnis zwiſchen dem Staat und dem Vorzugs⸗ 


9) Beilagenband III S. 157, ſiehe auch die Aeußerung 
des Miniſters v. Fan ſch im RR.⸗Ausſchuß Anhang 
z. Beilagenband S. 

1%) Die Sache 99915 analog, wie beim Wegerecht, 
worüber zu vergleichen a 1. Aufl. V 487 Note 1, 
491; 2. Aufl. III 298 Note 7. 

n) Seydel 1. Aufl. V 409, 410, 2. Aufl. III 252 
$ 331. Die Verquickung beider Akte in dem Begriff 
der „Konzeſſion“ oder gar des „Privilegiums“ hat in 
der gemeinrechtlichen Lehre und Rechtſprechung zu arger 
Verwirrung geführt. Im weſentlichen übereinſtimmend 
mit der im Text vertretenen Auffaſſung die Erklärung 
des Kgl. Staatsminiſters der Juſtiz im Ausſchuß d. K. 
d. RR. Anhang 109, ſiehe auch die Bemerkungen des 


berechtigten vor, in beiden Fällen aber genießt 
der Vorzugsberechtigte Dritten gegenüber Privat⸗ 
rechtsſchutz. (Vgl. auch Kompetenzkonfliktserk. 
RegBl. 1872 S. 426 ff.). 

Bezüglich der Form, in welcher Sonderrechte 
an öffentlichen Gewäſſern geſchaffen werden können, 
war ſchon im gemeinen Rechte anerkannt, daß nur 
ein Vertrag des Staates mit Dritten oder die 
Erteilung eines Privilegiums und die unvordenkliche 
Verjährung, nicht aber die Erſitzung in Frage 
kommen können.!) Auch das WBG. von 1852 
kennt den Rechtstitel der Erſitzung nicht und 
ebenſowenig das neue WG. Die Vorſchriften des 
gemeinen Rechtes und der übrigen Territorialrechte 
über die Erſitzung ſind überdies durch Art. 1 und 
Art. 147 AG. z. BGB. weggefallen. Künftig kann 
alſo die Neubegründung nur durch ſtaatliche Ver⸗ 
leihung erfolgen. 

Das Recht des Staates, Sonderrechte an öffent⸗ 
lichen Gewäſſern einzuräumen, findet ſeine Grenze in 
dem Gemeingebrauch, ſoweit dieſer in der bayeriſchen 
Geſetzgebung — im Gegenſatze zu dem viel weiter 
gehenden gemeinen Rechte — anerkannt iſt (vgl. 
Art. 26 — 36 WG.). Demnach würde ein Vertrag 
nichtig ſein, kraft deſſen der Staat an jemand die 
Eisbahn auf einem Fluſſe oder das Recht, Vieh 
zu ſchwemmen, verpachten würde. 

C. Aus der Doppelnatur des Rechtsverhältniſſes 
der öffentlichen Gewäſſer ergibt ſich von vornherein, 
daß für ftrittige Rechte und Verbindlichkeiten auf 
dem Gebiete des Waſſerrechts nach der Natur der 
Sache in manchen Fällen der Zivilrichter zuſtändig 
it, während in anderen der Verwaltungsrechtsweg 
eröffnet ſein ſollte. In Wirklichkeit iſt jedoch dieſer 
mehrfach durch den bloßen Verwaltungsweg erſetzt 
und ſeine Zuläſſigkeit, wie auch ſonſt nach baye⸗ 
tiſchem Recht, nur aufzählend, nicht durch generelle 
Norm beſtimmt (Art. 166 mit 177 d. Geſ.). Die 
gerichtliche Zuſtändigkeit hingegen iſt nur negativ 
im Art. 166 umſchrieben, nach welchem „der Vollzug 
des Geſetzes vorbehaltlich der Zuſtändigkeit der 
Gerichte den Behörden der inneren Verwaltung 
obliegt“. „Der gerichtlichen Entſcheidung“, ſagen 
die Motive zu Art. 164 des Entwurfs (Beil. Bd. I 
574) „unterliegen die auf privatrechtlicher Grund— 
lage erhobenen Rechtsanſprüche, ſoweit ſie nicht 
durch das Geſetz ausdrücklich zunächſt, d. h. in 
vorſorglicher Weiſe oder überhaupt, den Ver⸗ 
waltungsbehörden zugewieſen ſind“ (folgen zahl⸗ 
reiche Beiſpiele). Eine eigentliche Rechtsvermutung 
zugunſten der Zuſtändigkeit der Verwaltungs⸗ 
behörden beſteht hiernach im allgemeinen nicht. 
Die gerichtliche Zuſtändigkeit iſt nach allgemeinen 
Grundſätzen — vgl. z. B. Erk. d. Gerichtshofs für 
Kompetenzkonflikte Beil. I zum GeſBl. 1906 und 
dort Zitierte — davon abhängig, daß der geltend 
gemachte Anſpruch nach den zu ſeiner Begründung 


5 Seufferts Archiv 21 Nr. 97, 22 Nr. 10; RG. i. 


35.23, 152, Oberſtes Landesg. IV, 11. 


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Zeitſchrift für Zeitſchrift für Rechtspflege in Bar in Bayern. 1908. 1908. Nr. 1. 7 


behaupteten Tatſachen auf einem dem Gebiete des 
bürgerlichen Rechts angehörenden Rechtsgrunde 
beruht. Iſt dies nach der Klage der Fall, ſo iſt 
die gerichtliche Zuſtändigkeit gegeben, falls nicht 
kraft poſitiver Beſtimmung des Geſetzes eine der 
oben angedeuteten, freilich ſehr weittragenden Aus⸗ 
nahmen Platz greift. 

Eine Folgerung aus dieſen Grundſätzen iſt, 
daß die gemäß Art. 6 des Geſ. durch die Ver⸗ 
waltungsbehörde erfolgende Feſtſetzung der Ufer⸗ 
linie den Eigentumsverhältniſſen nicht präfmdiziert 
und daß im Streitfalle die Gerichte über letztere 
zu entſcheiden haben. (Vgl. die Aeußerung des 
Miniſters v. Feilitzſch im Ausſchuß der Reichsrats⸗ 
kammer Anhang S. 139). Für das rechtsrheiniſche 
Bayern iſt dieſer Satz A des Kompetenz⸗ 
konfliktserkenntniſſes RegBl. 1863 S. 1233 kein 
neuer, wohl aber, wie es ſcheint, für die Pfalz. 
Dort wurde bisher auf Grund der einſchlägigen 
Beſtimmungen des franzöſiſchen Rechts, wenn auch 
ſeit Inkrafttreten der bayeriſchen Zivilprozeßordnung 
von 1869, hier Art. 1, wohl mit Unrecht der 
Adminiſtration die Zuſtändigkeit zugeſchrieben, über 
den Umfang des domaine public zu befinden, z. B. 
über die Grenzen zwiſchen den Rheindämmen und 
den Grundſtücken der Angrenzer (vgl. Kompetenz⸗ 
konfliktserkenntnis Reg Bl. 1867 S. 139 ff.). Diele 
wohl ſchon für das bisherige Recht — vgl. namentlich 
Seydels geiſtvolle Bemerkungen über das pfälziſche 
Wegerecht I. Aufl. V 504, II. Aufl. $ 338 III 308 
— kaum mehr zutreffende Anwendung franzöſiſcher 
Kompetenzbeſtimmungen dürfte gegenüber dem neuen 
Waſſergeſetz jedenfalls unhaltbar geworden ſein, denn 
wenn auch eine ausdrückliche Aufhebung der älteren 
franzöſiſchen Zuſtändigkeitsbeſtimmungen weder in 
dem neuen Waſſergeſetz, noch, da es ſich um Vor⸗ 
ſchriften des öffentlichen Rechtes handelt, in Art. 1 
AG. z. BGB. erſolgt iſt, ſo dürfte doch deren Auf⸗ 
hebung mittelbar durch Art. 166 Abſ. 1 WG. 
erfolgt ſein. Denn dieſer Artikel will offenbar für 
das ganze Königreich einheitliches Recht ſchaffen 
und damit ſind die pfälziſchen Beſtimmungen, wollte 
man ihnen gegenüber der grundſätzlich abweichenden 
Auffaſſung des deutſchen Rechts und dem Art. 1 
der PO. von 1869 noch bisher die Fortdauer 
zubilligen, jedenfalls beſeitigt. Es ſcheint dies auch 
der Standpunkt der Motive zu ſein, welche privat⸗ 
rechtliche Anſprüche aus Art. 5 Abſ. 1 zur gericht⸗ 
lichen Zuſtändigkeit zählen, ohne eines pfälziſchen 
Sonderrechts zu gedenken. (Mot. zu Art. 164 
Beil Bd. 1574). Es würde alfo nach neuem Recht 
der den Anlaß des vorhin angeführten Kompetenz— 
konfliktes von 1867 bildende Rechtsſtreit durch die 
Gerichte zu entſcheiden ſein. Eine andere Frage 
iſt freilich, welche Rechtswirkung die Feſtſetzung der 
Uferlinie für die Eigentumsverhältniſſe der Anlieger 
hat, mit anderen Worten, ob der Zivilrichter die 
von der Verwaltungsbehörde feſtgeſetzte Uferlinie 
ſeiner Entſcheidung als bindend 1 legen 
muß oder nicht. Der Wortlaut des Art. 6 WG. 


8 Zeitſchriſt ift für Rechtspflege in Bayern. 


(bisher Art. 19 WBG.) ſpricht allerdings für die 
Bejahung dieſer Frage, wofür ſich auch Meisner 
§ 27 S. 202 ausſpricht. Aus den Motiven des 
alten WBG. ift nichts zu entnehmen; nach Pözl 
ſoll die Beſtimmung übrigens aus dem franzöſiſchen 
Rechte entlehnt ſein. Während aber nach der 
franzöſiſchen Auffaſſung der Gewaltenteilung — 
vgl. hierüber Seydels Bemerkungen über das 
pfälziſche Wegerecht I. Aufl. V, 504, II. Aufl. 8 338 
III, 308 und dort Zitierte — anerkannt iſt, daß 
Ausſprüche der Adminiſtration, durch welche Privat⸗ 
eigentum öffentlichen Zwecken gewidmet, hier alſo 
zum öffentlichen Fluß gezogen wird, auch bei Mangel 
privatrechtlicher Befugnis der Verwaltungsbehörden 
rechtsbeſtändig ſind, verhält ſich die Sache nach der 
deutſchen Rechtsauffaſſung gerade umgekehrt. Mag 
nun aber der Art. 19 WBG. fo oder jo auszulegen 
geweſen fein, jedenfalls wird der Art. 6 WG. nach 
der oben zitierten Aeußerung des Staatsminiſters 
v. Feilitzſch, zumal wenn man die vorangehende 
Anfrage des RR. v. Thelemann erwägt, dahin 
auszulegen ſein, daß gegenüber der Feſtſetzung der 
Verwaltungsbehörde die Beſchreitung des Rechts⸗ 
weges zuläſſig iſt, vorausgeſetzt natürlich, daß ein 
Eigentumsprozeß angeſtrengt und ſo überhaupt eine 
zivilgerichtliche Zuſtändigkeit begründet wird. Eine 
allgemeine actio finium regundorum gegenüber dem 
Ausſpruch der Verwaltungsbehörde beſteht nicht, denn 
die Verwaltungsbehörde. welche die Uferlinie feſtſetzt, 
handelt als Polizeibehörde, nicht als Vertreterin 
des Fiskus. Selbſtverſtändlich darf aber auch der 
Zivilrichter feiner Entſcheidung nur „den mittleren 
Waſſerſtand unter beſonderer Berückſichtigung der 
Grenze des „ zugrunde legen. 
Die Eigentumsklage iſt z. B. gegeben, wenn der 
Fiskus auf Grund der von der Verwaltung feſt⸗ 
geſetzten Uferlinie das Gras auf zuweilen unter 
Waſſer ſtehenden Wieſen verpachtet und die Anlieger 
das Eigentum an dieſer Wieſe in Anſpruch nehmen. 
Derlei Differenzen kommen ſowohl bei Erhöhung 
des Flußbetts durch Korrektionsbauten als bei 
Verlandungen vor, auch für den letzteren Fall 
ſprechen die Motive zu Art. 8 Beil Bd. J 548 und 
zu Art. 164 S. 574 von einer Zuſtändigkeit der 
Gerichte. Dabei kann unmöglich an eine bloß den 
Verwaltungsausſpruch wiedergebende und deshalb 
für die Kläger von vornherein wertloſe Entſcheidung 
gedacht ſein. 


II. Die Eigentums verhältuiſſe an den Privatgewäſſern. 


1. Geſchloſſene Gewäſſer. 


Der Art. 16 WG. gibt mit redaktionellen 
Aenderungen den Inhalt des Art. 33 WBG. 
wieder. Er gibt zu folgenden Erörterungen Anlaß. 

a) Grundwaſſer: Darunter fallen nicht die 
teilweiſe oder zeitweiſe unterirdiſch fließenden Flüſſe, 
wie ſie im Juragebiet öfters vorkommen (vgl. das 
Korreferat des RR. v. Thelemann Anh. S. 50 und 
Verhandlungen des Reichsratsausſchuſſes ebenda 
S. 148). 


1908. J . 


— — ———— nn 
— — — 


b) Quellen: Die Beſtimmung hierüber 
hat ſchon zwiſchen dem Referenten und dem Kor⸗ 
referenten der Kammer der Abgeordneten und 
mehr noch in dem Ausſchuſſe der K. d. RR. 
zu einer ſehr eingehenden Erörterung darüber 
geführt, ob das Eigentum an der Quelle ſich auf 
dieſe nur erſtrecke, ſolange ſie das Urſprungs⸗ 
grundſtück im engeren Sinne noch nicht verlaſſen 
hat, oder ob es die Quelle auch umfaſſe, ſolange 
ſie das mit dem Urſprungsgrundſtück in natürlichem 
und wirtſchaftlichem Zuſammenhang ſtehende Be⸗ 
ſitztum desſelben Eigentümers noch nicht verlaſſen 
hat, mit anderen Worten, ob die Quelle Privat⸗ 
fluß ſei, wenn ſie zwar nicht mehr auf dem 
eigentlichen Urſprungsgrundſtücke, wohl aber auf 
anſtoßenden, in gleicher Kulturart ſtehenden Grund⸗ 
ſtücken des Eigentümers des Urſprungsgrundſtückes 
fließt.“) Dieſe, im Hinblick auf Art. 19 und 46 
d. Geſ. wichtige Frage hat ſchließlich durch Ab⸗ 
lehnung des Antrags des RR. v. Auer ihre Er⸗ 
ledigung dahin gefunden, daß das OQuelleneigen⸗ 
tum ſich auf das Urſprungsgrundſtück beſchränkt. 
Mit anderen Worten: unter Grundſtück im Sinne 
des Art. 16 ift nur der betreffende kataſtermaͤßig 
vermeſſene und durch eine Plannummer bezeichnete 
Abſchnitt der Erdoberfläche zu verſtehen (ſiehe 
v. Malſens Referat S. 10, Sartorius Korreferat 
S. 13 und die Protokolle des RR.⸗Ausſchuſſes 
S. 149 ff., S. 269 des Anhangs). 

c) Künſtlich angelegte Waſſerlei⸗ 
tungen, Kanäle und Gräben. In dieſer 
Beziehung bedeutet die neue Faſſung des Geſetzes 
einen entſchiedenen Fortſchritt gegenüber der bis⸗ 
herigen, denn ſie bringt deutlich zum Ausdruck, 
daß auch bei den kraft einer Dienſtbarkeit über ein 
Grundſtück geleiteten Kanälen uſw. das Eigentum 
am Bachbett über das Eigentum am Kanal uſw. 
entſcheidet. Vorausſetzung für die Anwendung 
der Beſtimmung iſt aber, daß das Waſſer wirklich 
in Gräben, Kanälen u. dgl., oberirdiſch und 
ofſen geleitet wird; wird Waſſer auf Grund einer 
Dienſtbarkeit in Röhren, hölzernen Gerinnen 
und dergleichen Behältern ober- oder unterirdiſch 
geleitet, ſo iſt die Dispoſitive des Art. 16 nicht 
anwendbar, es greift hier vielmehr der Vorbehalt 
des Art. 16 Abſ. 1 Platz: „ſoweit nicht andere Rechts⸗ 
verhältniſſe beſtehen“. (Erklärung des Miniſters 
v. Feilitzſch im RR.⸗Ausſchuß Anhang S. 149). 
Was vom Waſſer gilt, gilt ſelbſtverſtändlich auch 
vom Eiſe, das ja nichts anderes als gefrorenes 
un it. 

Erhebliche Schwierigkeiten hat von jeher die 
Abgrenzung der „Kanäle“ von den „Privatflüſſen“ 
der Rechtsanwendung bereitet. Bei der Beratung 
des neuen WG. im Ausſchuſſe der RR.⸗Kammer 
forderte deshalb RR. v. Thelemann eine geſetzliche 
Definition des auch in Art. 1, 96 WG. vor⸗ 


10 Lehlere nor vertrat für das bisherige Recht 
Meisner § 28 N. 8 S. 209. 


kommenden Ausdrucks „Kanäle“. Der Staats- 
miniſter des Innern hielt dies nicht für angängig 
und verwies auf die bisherige Praxis und Recht⸗ 
ſprechung. Aus dieſer dürfte außer den bei Reuß 
(WG. zu Art. 33) bereits zitierten Entſch. insbeſ. 
die Entſch. des ObL G. XIV S. 775 hervorzu⸗ 
heben ſein. Hiernach iſt das wichtigste Unter⸗ 
ſcheidungsmerkmal, daß der „Kanal“ einen für 
eine Waſſerzuleitung oder -Ableitung künſtlich 
hergeſtellten Waſſerlauf, der Fluß oder Bach ein 
in natürlichem Rinnſal fließendes Gewäſſer 
darſtellt. Die Worte des Art. 16 Abſ. 1 Ziff. 1 
„künſtlich angelegt“ beziehen ſich nicht nur auf 
„Waſſerleitungen“, ſondern auch auf „Kanäle“ und 
„Gräben“. Ob der Kanal ſtehendes oder fließendes 
Waſſer enthält, iſt gleichgültig. Privatkanäle im 
Sinne des Art. 16 ſind im Gegenſatz zu den 
ſtaatlichen Kanälen der Art. 1, 96 jene, welche 
von Privatperſonen für Privatzwecke unter⸗ 
halten werden; daß ſie gerade von Privatperſonen 
angelegt ſind, ft nicht entſcheidend; der Franken⸗ 
thaler Kanal würde z. B., wenn der wiederholt 
angeſtrebte Verkauf ſtattjände, ſich in einen Privat⸗ 
kanal verwandeln können. Dabei iſt zu bemerken, 
daß ſelbſtverſtändlich auch der Staat als Fiskus 
Privatkanäle, z. B. für Bergwerkszwecke, beſitzen 
kann. Ob das im Kanal befindliche Waſſer aus 
einem öffentlichen Fluſſe, oder aus einem Privat: 
fluſſe abgezweigt iſt, iſt für das Eigentumsverhältnis 
am Privatkanal gleichgültig. Legt man dieſe 
Kriterien zugrunde, ſo wird man in den meiſten 
Fällen zu einer zweiſelsfreien Entſcheidung ge: 
langen; bei umgelegten oder korrigierten Waſſer⸗ 
läufen können fih freilich immer noch Schwierig: 
keiten für die Auslegung ergeben. Dem in Ur— 
kunden uſw. oft mißbräuchlich angewandten Worte 
„Kanal“ darf keine übermäßige Bedeutung bei— 
gemeſſen werden; entſcheidend iſt, ob der betreffende 
Waſſerlauf ſich als ein in der Hauptſache natür- 
licher, wenn auch vielleicht durch Abſchneidung 
von Windungen, Verbreiterung oder Deriefung | 
regulierter oder als eine neue, künſtliche Ab⸗ 
zweigung und Ableitung darſtellt. (Vgl. hierzu 
insbeſondere Entſch. d. OGH. XV 783). Die 
einſchlägigen Streitfragen des gemeinen Rechtes, 
(worüber zu vergleichen RGZ. XXIII 154), ſind 
für Bayern belanglos. 

Das Recht des Eigentums am Kanal ſchließt 
ſelbſtverſtändlich, ſoweit nicht beſondere Rechts— 
verhältniſſe beſlehen, die Befugnis zur Waſſer— 
entnahme, z. B. durch Abzapfung für e 
von Wieſen, in ſich, während bei Privatflüſſen im 
Eigentume Dritter die Beſtimmung des Art. 47 
Abſ. 1 Ziff. 2 Platz greift. 

d. Seen. Den Unterſchied zwiſchen See 
und Weiher erblickt das Geſetz nach der Erklärung 
der Staatsregierung im Ausſchuß der Kammer 
der Abgeordneten (Beil. Bd. III, 160) darin, 
daß der „Weiher“ im Gegenſatz zum „See“ ab— 
gelaſſen werden kann. Ueber die Frage, wie 


| 


Zeitſchrift für ſt für Rechtspflege in Be in Bayern. 1908. Nr. 1. 9 


mangels beſonderer Vereinbarung die Rechtsver⸗ 
hältniſſe ſich regeln, wenn der See, vielmehr die 
Ufer des Sees verſchiedenen Perſonen gehören, 
enthält das Geſetz keine Norm; der Staatsminiſter 
des Innern verwies auf die Anfrage des RR. v. 
Thelemann auf die Vorſchriften des bürgerlichen 
Rechtes. (Anhang S. 148). Bei manchen Seen 
dürften übrigens unter den Anliegern ſogenannte 
Genoſſenſchaften des deutſchen Privatrechts, ähnlich 
wie vielfach noch bei Waldungen, beſtehen. 

2. Privatflüſſe. 

Der einſchlägige Artikel des neuen WG. ſchließt 
ſich mit nur redaktionellen Aenderungen an den be⸗ 
reits im Art. 147 AG. z. BGB. formell geänderten 
Art. 89 des alten WBG. an. Angeſichts der 
etwas präziſeren Faſſung darf angenommen werden, 
daß die ſeinerzeit von Schellhaß Nachbarrecht 
S. 33, 38) aufgeſtellte Theorie, der Fluß in 
ſeiner Geſamtheit ſtehe im Miteigentum ſeiner 
ſämtlichen Anlieger,“) künftig keine Anhänger 
mehr finden wird. Dagegen iſt vielleicht nicht 
überflüſſig, darauf hinzuweiſen, daß das Geſetz 
im Gegenſatz zu den urſprünglichen Vorſchlägen 
zum Entwurf eines WG. die Privatflüſſe und Bäche 
nicht als „weſentliche“ Beſtandteile der Grundſtücke, 
zwiſchen denen ſie hindurchfließen, erklärt und damit 
die Veräußerlichkeit des Waſſergrundſtücks, unab⸗ 
hängig vom Ufergrundſtück im Einklange mit dem 
bisher geltenden Rechte zugelaſſen hat (ſ. Korreferat 
des RR. v. Thelemann Anhang S. 57 und Ber: 
handlung des RR.⸗Ausſchuſſes S. 167). Es können 
ſich alſo auch künftig ſogenannte Privatflüſſe im 
Eigentum Dritter bilden, ſei es, daß jemand den 
Anliegern nur das Bachbett ohne die Ufergrund⸗ 
ſtücke abkauft, ſei es, daß jemand, der das Adja— 
zenteneigentum am Bach beſitzt, bloß die Ufer: 
en verkauft und das Bachbett im Eigentum 
behält 


III. Untergang von Ufergrundſtücken, Abriß und natür: 
liche Veränderung des Flußlaufes. 

1. Die Tätigkeit des Waſſers kann auf fünf⸗ 
fache Weiſe rechtlich bedeutſame Veränderungen 
an Grundſtücken herbeiführen: ein Grundſtück kann 
durch dauernde Ueberflutung ganz oder teilweiſe 
untergehen; ein Grundſtück kann durch Veränderung 
des Flußlaufs oder Inſelbildung neu entſtehen; 
ein Grundſtück kann endlich durch Verlandung 
oder durch Abriß ſich vergrößern. Die moderne 
Rechtsanſchauung weicht von der alten unklaren 
unter anderem dadurch ab, daß ſie auch bei 
fließenden Gewäſſern den Begriff des Waſſergrund— 
ſtückes, das iſt eines dauernd mit Waſſer über— 
fluteten Grundſtückes kennt. Zwar findet fidh 
dieſer Ausdruck in dem Waſſergeſetze nirgends, 
aber der Begriff ergibt ſich mit Notwendigkeit 
aus der Annahme des zivilrechtlichen Eigentums 


%) Leider auch angenommen von OGH. IX 677 
und Reuß Anmerk. zu Art. 39, dagegen Oertmann 8 96 
413. 


10 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


an den fließenden Gewäſſern im Zuſammenhalt 
mit der modernen Kataſter⸗ und Grundbuchein⸗ 
richtung. Für letztere iſt bekanntlich unter Grund⸗ 
ſtück ein kataſtermäßig vermeſſener und durch eine 
Plannummer bezeichneter Abſchnitt der Erdober⸗ 
fläche zu verſtehen, der natürlich auch mit Waſſer 
bedeckt ſein kann. Von den oben erwähnten fünf 
Fällen regelt das neue Waſſergeſetz nur die vier 
letzterwähnten, über den Untergang eines Grund⸗ 
ſtückes ſchweigt es. Das iſt vielleicht ein kleiner 
Schönheitsfehler des Geſetzes, denn in dem Augen⸗ 
blicke, da man den Begriff des Waſſergrundſtückes 
aufſtellt, darf man eigentlich nicht mehr von Untergang 
eines Grundſtückes reden, ſondern nur von der Ver⸗ 


wandlung eines Landgrundſtückes in ein Waller: 


grundſtück und man wäre daher faſt zu glauben 
verſucht, der bisherige Eigentümer behalte das 
Eigentum an der nunmehr überfluteten Grund: 
fläche und könne ſich dort Schilf oder gar Fiſche 
aneignen, wo er ehedem Wieſen beſaß. Doch 
kann trotz des Schweigens des Geſetzes kein Zweifel 
beſtehen, daß das Geſetz dieſe Konſequenz, die 
eine Aenderung des bisherigen Rechtsſtands ent⸗ 
hielte, nicht ziehen will; es ergibt ſich dies 
indirelt aus Art. 2 im Zuſammenhalt mit Art. 5 
Abſ. 1. Mag daher auch das Grundſtück im 
Sinne der öffentlichen Bücher nicht untergehen, 
ſo geht doch das Eigentum am Grundſtück durch 
dauernde Ueberflutung unter und fällt dem Fluß⸗ 
eigentümer zu. Da nun bei öffentlichen Flüſſen 
und Staatsprivatflüſſen nach Art. 6 mit 23 die 
Uferlinie nach dem mittleren Waſſerſtande feſt⸗ 
zuſetzen iſt, und dieſes Prinzip auch auf Privatflüſſe 
im Eigentum Dritter Anwendung leidet, ſo tritt 
der erwähnte Eigentumswechſel dann ein, wenn 
das Grundſtück, nach dem mittleren Waſſer⸗ 
ſtande gerechnet, als dauernd überflutet anzu- 
ſehen iſt. 

2. Während die Fälle der Verlandung und 
der Inſelbildung durch Anſchwemmung bei den 
klaren Beſtimmungen des Geſetzes keiner Erläute— 
rung bedürfen, ſo iſt dies beim Abriß und der 
Veränderung des Flußlaufes der Fall. Der Abriß 
in öffentlichen Gewäſſern ift in Art. 14 WG. ge: 
regelt, welcher die Art. 29 und 30, 31 des WBG. 
erſetzt. Die Frage, ob der Art. 14 ſo auszulegen 
ſei, daß zwar der bisherige Beſitzer und Eigentümer 
des Abriſſes den Beſitz verliere und daß der Beſitz 
ſofort auf den Eigentümer des Grundſtückes über— 
gehe, an welches ſich der Abriß angelegt habe, 
daß das Eigentum aber bei dem alten Eigentümer 
verbleibe und erſt dann auf den neuen Eigentümer 
übergehe, wenn der bisherige Eigentümer innerhalb 
des Jahres weder Klage geſtellt, noch eine Aner— 
kennung ſeines Rechtes erwirkt, noch ſeine Erklärung 
bei der Verwaltungsbehörde abgegeben habe, wurde 
zwar im Ausſchuſſe der Reichsratskammer, wo 
Korreferent RR. v. Thelemann ſie aufwarf, von 
der Staatsregierung als eine reine Konſtruktions— 
frage erklärt, die der Praxis und den Gerichten 


überlaſſen bleiben müſſe. (Anhang S. 49, 147). 
Dagegen erklären die Motive S. 549, daß das 
abgeriſſene (erkennbare) Stück Land nach richtiger 
Theorie im Gegenſatz zum bisherigen Rechte lediglich 
als eine vom Grundſtück getrennte und daher 
beweglich gewordene Sache, die ſich auf einem 
anderen Grundſtück auflege, kurz als ein Mobile 
anzuſehen ſei. Gewiß iſt dies richtig, aber die 
daraus gezogenen Schlußfolgerungen der Motive. 
mit denen ſich auch der Abgeordnete v. Malſen 
(f. deffen Bericht S. 10 und die Ausſchußverhand— 
lungen d. K. d. Abg. Beil Bd. III 159) einverſtanden 
erklärte, dürften nicht überzeugend ſein. Beim 
Abriſſe wird freilich eine Erdſcholle auf ein ſchon 
beſtehendes, jedoch mit Waſſer bedecktes !“) Grund: 
ſtück getrieben, allein dieſe Grundfläche gehört, 
von den Adjazentenflüſſen abgeſehen, nicht dem 
Ufereigentümer, ſondern dem Eigentümer des 
Flußbetts, beim öffentlichen Gewäſſer alſo dem 
Staat. Die theoretiſche Konſequenz würde alſo 
fordern, daß der Staat Eigentümer des Abriſſes 
würde, ein Teil des Waſſergrundſtückes würde ſich 
nur in ein Landgrundſtück verwandeln, man hätte 
eine Analogie des römiſchen „superficies cedit 
solo“. Wenn der Geſetzgeber dem Flußeigentümer 
das Recht am Abriſſe nicht eingeräumt hat, ſo 
unterließ er dies offenbar, weil die vom Abriß 
verdrängte Waſſerfläche faſt wertlos iſt und weil 
auch der Abriß ſelbſt im Staatsbeſitz meiſt ſchwer 
verwertbare Parzellen darſtellen würde, der Staat 
daher auf der einen Seite keinen Schaden erleidet, 
auf der andern wenig Nutzen hätte. Dagegen iſt 
weder ein theoretiſcher noch ein praktiſcher Grund 
zu finden, aus welchem der Ufereigentümer vor 
Eintritt der in Art. 14 geregelten fingierten 
Dereliktion des Geſchädigten Eigentümer einer 
Fläche werden ſoll, zu welcher der Flußeigentümer 
das „Grundſtück“ im Rechtsſinne, der durch den 
Abriß Geſchädigte den wirtſchaftlich wertvollen 
Humus beizuſteuern hätte. Die von den Motiven 
angeführten Beiſpiele der Anlandung, ferner, wenn 
von einem höher gelegenen Grundſtück infolge 
eines Naturereigniſſes Erde auf ein tiefer liegendes 
abgeſchwemmt wird, ſind nicht überzeugend. Denn 
bei der Anlandung handelt es ſich um Erdmaſſen, 
deren Herkunft nicht erkennbar iſt, es bleibt daher 
aus rein natürlichen Gründen nichts übrig, als 
ſie dem Ufereigentümer zu überlaſſen. Bei der 
Abſchwemmung von Humus aber war doch der 
Unterlieger Eigentümer des verſchütteten Grund— 
ſtücks, während der Ufereigentümer außer bei 
Adjazentenflüſſen eben nicht Eigentümer des vom 
Abriß bedeckten Waſſergrundſtückes iſt. 


5) Die Motive ſprechen von einem „vielleicht 
mit Waller bedeckten Grundſtück“. Dieſes „vielleicht“ ift 
zu ſtreichen, denn ein Abriß iſt eine Anlagerung an ein 
Ufer, nicht eine Auflagerung auf ein Landgrundſtück. 
Leßtere im WG. nicht geregelte Frage wurde im Aus- 
ſchuß der Reichsratskammer zweimal aufgeworfen, die 
nicht ganz gleichförmigen Antworten der Regierungs— 
vertreter ſ. Anh. 147, 169. 


— — 


Zettſchrift für Zenga für Rechtäpflege in Bayern. 1908 Nr. 1. l in Bayern. 1908 Nr. 1. 


Die Löſung unſerer Kontroverſe dürfte alſo 
dahin zu lauten haben, daß der Eigentümer des 
Abriſſes das Eigentum an dem durch Auflagerung 
des Abriſſes auf einem bisherigen Waſſergrundſtück 
neu gebildeten Landgrundſtück erlangt, daß aber 
das Eigentum an letzterem Grundſtück auf den 
Ufereigentümer übergeht, wenn nicht der bisherige 
Eigentümer oder ein ſonſtiger Berechtigter binnen 
Jahresfriſt die in Art. 14 des WG. vorgeſehenen 
Handlungen vornehmen. Die geänderte Faſſung 
des Geſetzes hat alfo den bisherigen Rechtszuſtand 
bezüglich der Eigentumsfrage nicht geändert; ein 
beſonderer Beſitzerwerb an dem neuen Landgrund⸗ 
ſtück ſeitens des Abrißeigentümers dürfte allerdings 
erforderlich ſein, da das zuletzt von ihm beſeſſene 
Mobile nach Vereinigung mit einem Immobile 
nicht mehr vorhanden iſt. 

3. Die Eigentumsverhältniſſe, welche bei natür⸗ 
licher Aenderung des Flußlaufs 
alveus relictus — entſtehen, regelt das WG. 
nur bezüglich der öffentlichen Flüſſe und der 
Staatsprivatflüſſe in den Artikeln 12 und 23; 
bei Privatflüſſen, mögen ſie nun im Eigentum 
der Ufereigentümer oder im Eigentum Dritter 
ſtehen, ermangelt es einer ausdrücklichen Beſtim⸗ 
mung und es ſpricht ſich in Art. 25 nur über 
das den Beteiligten eingeräumte, aber der Koſten 
halber meiſt wertloſe Wiederherſtellungsrecht aus. 
Infolge dieſes Schweigens hat ſich im Ausſchuſſe 
der RR.⸗Kammer eine intereſſante Erörterung 
über das Eigentum am alten und am neuen 
Flußbett entwickelt (Anhang S. 170). Es wurde 
Einigkeit darüber erzielt, daß bei den Adjazenten⸗ 
flüſſen das verlaſſene Flußbett im Eigentum der 
bisherigen Eigentümer verbleibe und das neue 
Bett Eigentum der Angrenzer werde, ferner darüber, 
daß bei Privatflüſſen im Eigentum Dritter das 
bisherige Bett dem bisherigen Flußeigentümer 
mangels einer gegenteiligen Beſtimmung verbleibe. 
Dagegen wurde keine Einigkeit darüber gewonnen, 
ob bei den Privatflüſſen im Eigentume Dritter 
der Fluß ſeine Eigenſchaft als Eigentum eines 
Dritten beibehalte, oder ob vielmehr der Eigen— 
tümer des Grundſtücks, über das nun der Fluß 
gehe, auch das Eigentum am Fluß für die treffende 
Strecke erwerbe. Reichsrat v. Thelemann vertrat 
die erſtere Auffaſſung, Reichsrat v. Auer die letztere. 

Auch der Kgl. Kommiſſär v. Henle bemerkte, 
die Anſicht des Reichsrat v. Thelemann entſpreche 
nicht nur der bisherigen Praxis, ſondern auch 
den natürlichen Verhältniſſen, der Auffaſſung im 
gemeinen Rechte und in der bayeriſchen Geſetz⸗ 
gebung. Allein gegen letztere Beweisführung ſpricht, 
daß der das neue Waſſergeſetz beherrſchende Ge⸗ 
danke des „Waſſergrundſtücks“ im gemeinen Rechte 
faft gar nicht anerkannt, und in der bayeriſchen 
Geſetzgebung bisher mindeſtens nicht zur Klarſtellung 
gelangt war. Das gemeine Recht würde in unſerem 
Falle das überflutete Grundſtück als durch Natur⸗ 
ereignis untergegangen anſehen. (RGZ. S. 8, 81 


11 


und dort Zitierte). Nach bayeriſchem Rechte 
aber kann der Eigentümer eines Fluſſes das Eigen⸗ 
tum am ganzen Fluſſe oder an ſeinen Teilen 
veräußern, ein Dritter alſo durch Rechtsgeſchäft 
Eigentümer einer Flußſtrecke werden; ich finde 
daher keinen Grund, weshalb nicht der bisherige 
Eigentümer des nunmehr überfluteten Grundſtücks 
das Eigentum an dem jetzt darüberſtrömenden 
Fluß auf die treffende Strecke erwerben ſoll. Für 
eine Analogie des Art. 12 Abſ. I ift kein Raum, 

denn der dort aufgeſtellte Rechtsſatz iſt nur eine 
Konſequenz aus dem Prinzip des Art. 4, wonach 
bei öffentlichen Flüſſen das Eigentum am Fluß: 

bett dem Flußeigentum folgt. Eher ſchiene Art. 23, 

welcher für Staatsprivatflüſſe die entſprechende 
Anwendung des Art. 12 vorſchreibt, zu einer 
Analogie zu berechtigen. Allein für's erſte iſt es 
gewiß für die Auslegung bedeutungsvoll, daß der 
Geſetzgeber für jenen Fall die entſprechende An⸗ 
wendung des Art. 12 ausdrücklich vorgeſchrieben, 
dagegen für unſeren Fall, obwohl Anlaß zur 
Regelung der Sache beſtand, eine ſolche Anwendung 
nicht geboten hat; anderſeits findet bei den Staats⸗ 
privatflüſſen der Eigentumserwerb des Staates 
am neuen Bett ſein Korrelat in dem Rechte und 
in der moraliſchen Pflicht des Staates, das ver⸗ 
laſſene Bett zum Beſten der Geſchädigten zu ver⸗ 
wenden. Eine ſolche wenn auch nur moraliſche 
Pflicht werden nicht alle Eigentümer von Privat⸗ 

flüſſen anerkennen. Ich komme daher zu dem 
Schluſſe, daß nach der Natur der Sache und 
gerade wegen des Mangels einer entgegengeſetzten 
poſitiven Beſtimmung dem bisherigen Eigentümer 
des neuen Betts auch das Eigentum am Fluſſe 
auf die betreffende Strecke zufällt; handelt es ſich 
um Ueberflutung mehrerer Grundſtücke, deren 
Grenzen parallel der nunmehrigen Flußaxe ver- 
liefen, ſo kann ſich Adjazenteneigentum bilden. 

Man wird für diefe Auffaſſung auch den Billigkeits⸗ 
grund anführen dürfen, auf den Reichsrat v. Auer 
ſich berief, daß der Eigentümer des bisher frucht⸗ 
bringenden, nun überfluteten Grundſtücks ohnedies 
genug geſchädigt iſt, wenn er ſtatt jenes den minder 
wertvollen Waſſerlauf erhält. Im Ausſchuſſe der 
RR.⸗Kammer wurde auch die Frage erörtert, ob 
die auf den Teilen des neuen Flußbetts bisher 
beſtehenden Belaſtungen infolge analoger An— 

wendung des Art. 12 Abſ. I Satz II untergehen 
und ob die auf dem bisherigen Flußbett beſtehenden 
Belaſtungen auf das neue Flußbett übergehen, 

oder ob umgekehrt die am neuen Flußbett bisher 
beſtehenden Belaſtungen beſtehen bleiben. Für die 
erſtere Auffaſſung ſprachen ſich, von ihrem Stand— 

punkt aus mit Recht, RR. v. Thelemann, für die 
letztere RR. v. Lindenfels aus, während der Kgl. 
Kommiſſär v. Henle eine Mittelmeinung vertrat 
und ſich zwar für das Beſtehenbleiben der Be— 

laſtungen des alten Bettes, aber auch für Wegfall 
der bisherigen Belaſtungen des neuen Bettes äußerte; 

eine andere Frage ſei, ob die bisherigen Be— 


12 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


laſtungen, z. B. das Recht, aus dem nun ver⸗ Tat eigene Beteiligung des Notars an Amts⸗ 
landeten alten Flußbett Streu zu holen, auch geſchäften, wenn auch ohne Gewinnabficht iſt. 
tatſächlich noch ausgeübt werden könnten. Eine Abgeändert werden müßten ferner Art. 288 
Einigung wurde auch über dieſen Punkt nicht (letzter Redaktion) des bayeriſchen Gebührengeſetzes 
erzielt. Folgt man der im Texte vertretenen Auf: und Art. 97 der Notariatsgebührenordnung. Beide 
faſſung, fo ift die Löſung einfach; die Belaftungen Beſtimmungen billigen Gebühren an Staat und 
des alten Betts bleiben beſtehen, weil das Geſetz Notar nur für die „Aufbewahrung“ bzw. für die 
das Gegenteil nirgends beſtimmt und weil auch „Uebernahme, Verwahrung und Ablieferung“ der 
aus der Natur der Sache, abgeſehen von der Gelder zu. 

durch v. Henle angedeuteten tatſächlichen Mög⸗ Die Argumentation des Herrn Verfaſſers aus 
lichkeit einer künftig beſchränkten Ausnützung der Art. 98 NotGebO. it nicht ſtichhaltig, denn 
Streurechte u. dgl. nichts anderes folgt; die Be: | einmal muß der dort erwähnten Hinterlegung 
laſtungen des neuen Betts hingegen bleiben gleich: | bei der Bank die Hinterlegung beim Notar als 
falls vorbehaltlich der tatſächlichen Ausnützbarkeit der gebührenpflichtige Akt vorausgehen; anderſeits 
beſtehen, weil ja das Eigentum des neuen Bettes iſt ja gerade im Art. 98 die Hinterlegung bei 
durch die Ueberflutung nach der oben vertretenen der Bank als keiner beſondern Gebühr unterliegend 
Auffafſung fih nicht ändert, Art. 12 Abſ. I Satz IL ; bezeichnet. Es muß deshalb entgegen der Beweis⸗ 
daher ebenſowenig wie Satz 1 daſelbſt anwend⸗ führung des Herrn Verfaſſers betont werden, daß 


— ——— — — 


bar iſt. (Fortſetzung folgt.) die gegenwärtigen Gebührenbeſtim mungen eine Be- 
wertung des Giroverkehrs der Notariate nicht 
zulaſſen. 


Endlich aber müßte — und das wäre das 
leberweifungs“ und Schetkverkehr zwiſchen | jcen geandert werben. um den Giroverfeße in 
Hypothekenbanken und Votaren. der vom Herrn Verfaſſer gewünſchten Weiſe ver⸗ 


| wirklichen zu können. Als Vorausſetzung der 
Von Dr. Walter, Notar in Hof. Errichtung von Girokonten für die Notariate be⸗ 


Der Auſſatz des Herrn Bankdirektors Bonſchab trachtet der Herr Verfaſſer die Tatſache, daß das 
über den Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen Konto des Notariats von dem Konto des Notars 
Hypothekenbanken und Notaren in Nr. 19 des getrennt geführt wird. Dies halte ich nach dem 
3. Jahrgangs der Zeitſchrift für Rechtspflege in gegenwartigen Stande der Geſetzgebung für nicht 
Bayern gibt mir zu folgender Erwiderung Anlaß. A — Das Notariat if feine vom 

Der Herr Verfaſſer betrachtet feine Anregungen rer unterichiebene Sechtöperföntichteit. Inhaber 


A aller Anſprüche und Verpflichteter aus allen Ber- 
offenbar ſelbſt nur als Vorſchläge behufs Ab- bindlichkeiten des Kontos it demnach nur der 


änderung der derzeit beſtehenden Depoſitengeſetz⸗ 1%; 
gebung für Notare dies beweiſt fein Schluß-Appell | 98 8 85 Se 
an die Staatsregierung. Denn es bedarf wohl ſetzung des Notariats gehen derzeit keine Ver⸗ 


keines weiteren Beweiſes, daß ohne eine gründliche , x 
Aenderung der beitehenden Beſtimmungen der * 1 5 
Girokontoverkehr für die Notariate nicht eingeführt | u: ger e 
nur die „in der amtlichen Verwahrung befind- 
werden kann. | lichen“ Gelder zu übernehmen. Die Anſprüche 
Abgeändert werden müßte vor allem Art. 4 aus Girokonten gehen nicht mit über. — Abge⸗ 
des Notariatsgeſetzes, der nur eine körperliche ſehen vom Wechſel in der Beſetzung der Notariate 
Uebergabe des Geldes an den Notar und Ueber: würden aber aus der Tatſache, daß der Notar 
nahme des Geldes durch dieſen kennt. perſönlicher Inhaber des Kontos iſt, noch weitere 
Abgeändert werden müßten die beſtehenden Schwierigkeiten erwachſen. Es könnte ihn näm⸗ 
Depoſitenvorſchriften vom 5. Juni 1897, die — lich ohne einſchneidende geſetzliche Regelung niemand 
fußend auf dem Grundſatz, daß der Notar nur hindern, feine privaten und die amtlichen Ver: 
zur Verwahrung des Geldes ſelbſt befugt ift — | mögensangelegenheiten auf einem und demſelben 
das Syſtem eingeführt haben, daß jede Maffe ge: Konto zu erledigen. Mit den beſtehenden Diszipli⸗ 
trennt von allen übrigen Beſtänden als ein Sonder- narbeſtimmungen kann nicht argumentiert werden; 
vermögen verwahrt, verwaltet und verrechnet werden denn disziplinär wäre ja die Errichtung eines Giro— 
muß. kontos für das Notariat, auch wenn es nur für 
Abgeändert werden müßten die Diſziplinar- Angelegenheiten des Notariats geſchähe, auf alle 
beſtimmungen des Notariatsgeſetzes, insbeſ. Art. 68 Fälle, da immer nur der Notar perſönlich Inhaber 
Abſ. 2, welcher jede eigene Beteiligung des Notars des Kontos wäre und demnach — wie bereits 
an amtlichen Geſchäften verbietet; wir werden oben erwähnt — eine disziplinäre eigene Be— 
unten ſehen, daß die Ueberweiſung von Geldern teiligung vorläge. 
auf Girokonto des Notars oder Notariats in der In der Führung des Kontos „für das No— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


tariat“ liegt darum die ſchwerſte und meines Er⸗ 
achtens ohne erhebliche Neuerungen in der Ver⸗ 
faſſung des Notariats gar nicht zu löſende Frage. 

Ob es ſich nun für die von dem Herrn Ver⸗ 
faſſer angerufene Staatsregierung empfehlen wird, 
mit Rückſicht auf die beſtehende hohe Geldſpannung 
und auf das Riſiko der Geldverſendung die be⸗ 
ſtehenden Rechtsnormen in ſo erheblicher Weiſe 
zu ändern, erſcheint mir ſehr zweifelhaft; denn 
meines Erachtens wird gerade durch die derzeitige 
ſtrenge Sonderung der Hinterlegungsangelegen⸗ 
heiten von einander die glatte Erledigung der 
einzelnen Sache viel mehr gewährleiſtet als durch 
die Vereinigung aller Beſtände infolge des Giro: 
kontos; ferner iſt es überhaupt zweifelhaft, ob die 
Einführung von Girokonten bei den Notariaten 
die Geldſpannung weſentlich verringern würde; 
denn die mittleren Geſchäftsleute und kleinen 
Kapitaliſten, die der Notar etwa mittels Scheck 
bezahlen würde, würden doch ihren Scheck ſofort 
in Baargeld umſetzen müſſen. 

Nur nebenbei ſei bemerkt, daß gerade die 
genannten Perſonenkategorien es kaum als Fort⸗ 
ſchritt begrüßen würden, wenn fie, ftatt ihr 
bares Geld beim Notariat zu bekommen, erſt 
mit einem Scheck zur Bank geſchickt würden, wo 
die Auszahlung durch Echtheitsprüfung noch mög⸗ 
licherweiſe verzögert wird. 

Auch ſei darauf hingewieſen, daß der Giro: 
verkehr ſich für Landnotariate durchaus nicht wird 
durchführen laſſen, da die Landbevölkerung ſich 
a. an die Zahlung mittels Scheck gewöhnen 
wird. 

Endlich ſei bemerkt, daß die Haftung des 
Staates durch die Einführung der Girokonten 
durchaus nicht verringert wird; denn einerſeits 
kann der Notar bis zur Ausſchöpfung des Kontos 
von ihm Abhebungen machen, die dann ebenſo in 
die Kaſſe des Notars gelangen wie dies bisher 
geſchah; anderſeits iſt die Kontrolle über die 
Zahlungsvermittelung der Notare von ſeiten der 
revidierenden Staatsbeamten bei Girokonten viel 
ſchwieriger als bei den bisherigen Depoſiten. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Pfändung eigener Sachen. Die in Nr. 1907 dieſer 
Zeitſchrift aufgeworfene Frage der Pfändung eigener 
Sachen“ bietet Anlaß zu folgender Betrachtung: 

I. Verkauf einer Ware unter Eigentumsvorbehalt, 
Lieferung von Waren als Kommiſſionsgut und Siche— 
rungsübereignung ſind die drei weſentlichen Formen, 
die fich der Verkehr zur Herbeiführung eines und des- 
ſelben Erfolges, nämlich der Beſtellung einer ding— 
lichen Sicherheit an einer nicht im Gewahrſam des 
Gläubigers befindlichen beweglichen Sache geſchaffen 


1) gl. auch Jahrgang 1906 ©. 477. 


13 


ſelben Rechtsbedürfniſſe, das dadurch hervorgerufen 
wird, daß das BGB. auf dem Standpunkte des Fauſt⸗ 
pfands ſteht und die Möglichkeit ausſchließt, ſich Gegen⸗ 
ſtände verpfänden zu laſſen und ſie gleichwohl im 
Gewahrſam des Schuldners zu belaſſen. 

Die Sicherheit, die auf einem dieſer Wege ge⸗ 
ſchaffen wird, hat aber dennoch durchaus Pfand⸗ 
charakter. Der Kaufmann, welcher ſeine Ware „in 
Kommiſſion“ verkauft, der Händler, welcher fein Pferd 
dem Käufer unter Eigentumsvorbehalt übergibt, der 
Inhaber des Abzahlungsgeſchäfts, der ſich bis zur 
völligen Tilgung des Kaufpreiſes den Herausgabe⸗ 
anſpruch ſichert, ſie wollen alle nicht das Vertrags⸗ 
objekt wieder zurückerwerben: ihr Geſchäft verlangt 
Umſatz ihrer Ware, nicht deren Rückerwerb, ſie rechnen 
von Anfang an nicht damit, daß fie den Eigentunis⸗ 
vorbehalt eines Tages durch Geltendmachung des 
Herausgabeanſpruchs in Wirkſamkeit ſetzen; ſie wollen 
das ebenſowenig wie der Lederhändler, der einen 
heutzutage ſo häufig abgeſchloſſenen fiduziariſchen 
Vertrag eingeht und fih die geſamte Haus- und Ge- 
ſchäftseinrichtung ſeines Kunden zur Sicherung über⸗ 
eignen läßt, die Stühle, Betten, Tiſche, Leiſten, 
Hammer und Nägel uſw. ſeines Kunden in ſein Eigen⸗ 
tum und ſeinen Beſitz bringen will. 


Der Wille geht vielmehr in allen derartigen Fällen 
in erſter Linie dahin, ſich ein dingliches Vorzugsrecht 
an den Gegenſtänden zu verſchaffen und andere 
Gläubiger von ihrer Pfändung und der Befriedigung 
aus ihnen auszuſchließen. Das negative Moment, 
die Ausſchließung Dritter, überwiegt; denn ſchon der 
Umſtand, daß die Gegenſtände im Gewahrſam des 
Schuldners bleiben, daß er damit im Rahmen ſeines 
Gewerbebetriebs arbeiten und wirtſchaften, ja ſogar, 
beim Kommiſſionsgnut, darüber verfügen fol, beweiſt, 
daß nicht die Ausübung poſitiver Rechte, ſondern die 
Abwehr des Zugriffs Dritter den eigentlichen Vertrags: 
zweck bildet. Der Eigentumsvorbehalt, von welchem 
der Aufſatz der Herrn Kollegen Then ausgeht, hat 
mithin ebenſo Pfandcharakter und den Zweck, den 
Kaufpreis dinglich Sicher zu ſtellen, wie das Pfand- 
recht an fremden Sachen und die Sicherungsüber⸗ 
eignung; der Verkäufer will ſich für den Kaufpreis 
am Kaufsobjekt ein Vorrecht wahren. 

Es tritt aber in allen dieſen Fällen eine Miſchung 
zweier Rechtsgebilde zutage, nach außen hin die 
Form des Eigentums, nach innen dem Willen der 
Vertragskontrahenten entſprechend die Wirkung der 
Verpfändung. So ſetzt ſich das rechtsgeſtaltende 
Bedürfnis des praktiſchen Lebens auseinander mit den 
Schwierigkeiten der formalen Jurisprudenz, die ein 
Pfandrecht an der eigenen Sache ſo wenig zuläßt wie 
ihr eine Verpfändung fremder Sache ohne Beſitz— 
einräumung entſpricht. 


II. Es fragt ſich nun, in welcher Weiſe aus dieſen 
dinglichen Sicherheiten die Befriedigung der Gläubiger 
herbeigeführt wird; die Intereſſen der Gläubiger 
gehen nicht dahin, dies wurde bereits betont, die mit 
Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenſtände zurück— 
zuerwerben: abgeſehen davon, daß ja die Gegenſtände 
durch die Benützung ſeitens des Schuldners in ihrem 
Wert zumeiſt weſentlich gemindert ſind, ſtrebt der 
Handel eben ganz allgemein nach Abſatz und Umſatz. 
Die Einziehung des Kaufpreiſes im Wege der Voll— 
ſtreckung liegt ihm näher als die Geltendmachung des 
Eigentumsvorbehalts durch Wegnahme. 


12 


laſtungen, z. B. das Recht, aus dem nun ver: 
landeten alten Flußbett Streu zu holen, auch 
tatſächlich noch ausgeübt werden könnten. Eine 
Einigung wurde auch über dieſen Punkt nicht 
erzielt. Folgt man der im Texte vertretenen Auf⸗ 
faſſung, ſo iſt die Löſung einfach; die Belaſtungen 
des alten Betts bleiben beſtehen, weil das Geſetz 
das Gegenteil nirgends beſtimmt und weil auch 
aus der Natur der Sache, abgeſehen von der 
durch v. Henle angedeuteten tatſächlichen Mög⸗ 
lichkeit einer künftig beſchränkten Ausnützung der 
Streurechte u. dgl. nichts anderes folgt; die Be⸗ 
laſtungen des neuen Betts hingegen bleiben gleich⸗ 
falls vorbehaltlich der tatſächlichen Ausnützbarkeit 
beftehen, weil ja das Eigentum des neuen Bettes 
durch die Ueberflutung nach der oben vertretenen 
Auffaſſung fih nicht ändert, Art. 12 Abſ. I Satz II 
daher ebenſowenig wie Satz I daſelbſt anwend⸗ 
bar iſt. (Fortſetzung folgt.) 


leberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen 
Hypothekenbanken und Notaren. 
Von Dr. Walter, Notar in Hof. 


Der Aufſatz des Herrn Bankdirektors Bonſchab 
über den Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen 
Hypothekenbanken und Notaren in Nr. 19 des 
3. Jahrgangs der Zeitſchrift für Rechtspflege in 
Bayern gibt mir zu folgender Erwiderung Anlaß. 

Der Herr Verfaſſer betrachtet ſeine Anregungen 
offenbar ſelbſt nur als Vorſchläge behufs Ab⸗ 
änderung der derzeit beſtehenden Depoſitengeſetz⸗ 
gebung für Notare; dies beweiſt ſein Schluß-Appell 
an die Staatsregierung. Denn es bedarf wohl 
keines weiteren Beweiſes, daß ohne eine gründliche 
Aenderung der beſtehenden Beſtimmungen der 
Girokontoverkehr für die Notariate nicht eingeführt 
werden kann. 


Abgeändert werden müßte vor allem Art. 4 
des Notariatsgeſetzes, der nur eine körperliche 
Uebergabe des Geldes an den Notar und Ueber— 
nahme des Geldes durch dieſen kennt. 


Abgeändert werden müßten die beſtehenden 
Depoſitenvorſchriften vom 5. Juni 1897, die — 
fußend auf dem Grundſatz, daß der Notar nur 
zur Verwahrung des Geldes ſelbſt befugt iſt — 
das Syſtem eingeführt haben, daß jede Maſſe ge⸗ 
trennt von allen übrigen Beſtänden als ein Sonder— 
vermögen verwahrt, verwaltet und verrechnet werden 
muß. 

Abgeändert werden müßten die Dilziplinar: 
beſtimmungen des Notariatsgeſetzes, insbeſ. Art. 68 
Abſ. 2, welcher jede eigene Beteiligung des Notars 
an amtlichen Geſchäften verbietet; wir werden 
unten ſehen, daß die Ueberweiſung von Geldern 
auf Girokonto des Notars oder Notariats in der 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


Tat eigene Beteiligung des Notars an Amts⸗ 
geſchäften, wenn auch ohne Gewinnabſicht ift. 

Abgeändert werden müßten ferner Art. 288 
(letzter Redaktion) des bayeriſchen Gebührengeſetzes 
und Art. 97 der Notariatsgebührenordnung. Beide 
Beſtimmungen billigen Gebühren an Staat und 
Notar nur für die „Aufbewahrung“ bzw. für die 
„Uebernahme, Verwahrung und Ablieferung“ der 
Gelder zu. 

Die Argumentation des Herrn Verfaſſers aus 
Art. 98 NotGebO. ift nicht ſtichhaltig, denn 
einmal muß der dort erwähnten Hinterlegung 
bei der Bank die Hinterlegung beim Notar als 
der gebührenpflichtige Akt vorausgehen; anderſeits 
iſt ja gerade im Art. 98 die Hinterlegung bei 
der Bank als keiner beſondern Gebühr unterliegend 
bezeichnet. Es muß deshalb entgegen der Beweis⸗ 
führung des Herrn Verfaſſers betont werden, daß 
die gegenwärtigen Gebührenbeſtimmungen eine Be⸗ 
wertung des Giroverkehrs der Notariate nicht 
zulaſſen. 

Endlich aber müßte — und das wäre das 
Schwerwiegendſte — die Organiſation der Notariate 
ſelbſt geändert werden, um den Giroverkehr in 
der vom Herrn Verfaſſer gewünſchten Weiſe ver⸗ 
wirklichen zu können. Als Vorausſetzung der 
Errichtung von Girokonten für die Notariate be⸗ 
trachtet der Herr Verfaſſer die Tatſache, daß das 
Konto des Notariat? von dem Konto des Notars 
getrennt geführt wird. Dies halte ich nach dem 
gegenwärtigen Stande der Geſetzgebung für nicht 
durchführbar. — Das Notariat iſt keine vom 
Notar unterſchiedene Rechtsperſönlichkeit. Inhaber 
aller Anſprüche und Verpflichteter aus allen Ver⸗ 
bindlichkeiten des Kontos iſt demnach nur der 
Notar und zwar derjenige Notar, für den das 
Konto errichtet wurde. Beim Wechſel der Be⸗ 
ſetzung des Notariats gehen derzeit keine Ver⸗ 
mögensrechte des Vorgängers auf den Nachfolger 
über. Der Nachfolger hat nach $ 11 der Geſch O. 
nur die „in der amtlichen Verwahrung befind⸗ 
lichen“ Gelder zu übernehmen. Die Anſprüche 
aus Girokonten gehen nicht mit über. — Abge⸗ 
ſehen vom Wechſel in der Beſetzung der Notariate 
würden aber aus der Tatſache, daß der Notar 
perſönlicher Inhaber des Kontos iſt, noch weitere 
Schwierigkeiten erwachſen. Es könnte ihn näm⸗ 
lich ohne einſchneidende geſetzliche Regelung niemand 
hindern, ſeine privaten und die amtlichen Ver⸗ 
mögensangelegenheiten auf einem und demſelben 
Konto zu erledigen. Mit den beſtehenden Diszipli⸗ 
narbeſtimmungen kann nicht argumentiert werden; 
denn disziplinär wäre ja die Errichtung eines Giro- 
kontos für das Notariat, auch wenn es nur für 
Angelegenheiten des Notariats geſchähe, auf alle 
Fälle, da immer nur der Notar perſönlich Inhaber 
des Kontos wäre und demnach — wie bereits 
oben erwähnt — eine disziplinäre eigene Be- 
teiligung vorläge. 

In der Führung des Kontos „für das No: 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


tariat“ liegt darum die ſchwerſte und meines Er⸗ 
achtens ohne erhebliche Neuerungen in der Ver⸗ 
faſſung des Notariats gar nicht zu löſende Frage. 

Ob es ſich nun für die von dem Herrn Ver⸗ 
faſſer angerufene Staatsregierung empfehlen wird, 
mit Rückſicht auf die beſtehende hohe Geldſpannung 
und auf das Riſiko der Geldverſendung die be⸗ 
ſtehenden Rechtsnormen in ſo erheblicher Weiſe 
zu ändern, erſcheint mir ſehr zweifelhaft; denn 
meines Erachtens wird gerade durch die derzeitige 
ſtrenge Sonderung der Hinterlegungsangelegen⸗ 
heiten von einander die glatte Erledigung der 
einzelnen Sache viel mehr gewährleiſtet als durch 
die Vereinigung aller Beſtände infolge des Giro⸗ 
kontos; ferner iſt es überhaupt zweifelhaft, ob die 
Einführung von Girokonten bei den Notariaten 
die Geldſpannung weſentlich verringern würde; 
denn die mittleren Geſchäftsleute und kleinen 
Rapitaliften, die der Notar etwa mittels Scheck 
bezahlen würde, würden doch ihren Scheck ſofort 
in Baargeld umſetzen müſſen. 

Nur nebenbei ſei bemerkt, daß gerade die 
genannten Perſonenkategorien es kaum als Fort⸗ 
ſchritt begrüßen würden, wenn ſie, ſtatt ihr 
bares Geld beim Notariat zu bekommen, erſt 
mit einem Scheck zur Bank geſchickt würden, wo 
die Auszahlung durch Echtheitsprüfung noch mög⸗ 
licherweiſe verzögert wird. 

Auch ſei darauf hingewieſen, daß der Giro⸗ 
verkehr ſich für Landnotariate durchaus nicht wird 
durchführen laſſen, da die Landbevölkerung ſich 
92 5 an die Zahlung mittels Scheck gewöhnen 
wird. 

Endlich ſei bemerkt, daß die Haftung des 
Staates durch die Einführung der Girokonten 
durchaus nicht verringert wird; denn einerſeits 
kann der Notar bis zur Ausſchöpfung des Kontos 
von ihm Abhebungen machen, die dann ebenſo in 
die Kaſſe des Notars gelangen wie dies bisher 
geſchah; anderſeits iſt die Kontrolle über die 
Zahlungsvermittelung der Notare von ſeiten der 
revidierenden Staatsbeamten bei Girokonten viel 
ſchwieriger als bei den bisherigen Depoſiten. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Pfändung eigener Sachen. Die in Nr. 1907 dieſer 
Zeitſchrift aufgeworfene Frage der Pfändung eigener 
Sachen“ bietet Anlaß zu folgender Betrachtung: 

I. Verkauf einer Ware unter Eigentumsvorbehalt, 
Lieferung von Waren als Kommiſſionsgut und Siche⸗ 
rungsübereignung ſind die drei weſentlichen Formen, 
die ſich der Verkehr zur Herbeiführung eines und des⸗ 
ſelben Erfolges, nämlich der Beſtellung einer dings 
lichen Sicherheit an einer nicht im Gewahrſam des 
Gläubigers befindlichen beweglichen Sache geſchaffen 
bat. Alle derartigen Rechtsgeſchäfte entſpringen dem⸗ 


1) Vgl. auch Jahrgang 1906 S. 477. 


13 


ſelben Rechtsbedürfniſſe, das dadurch hervorgerufen 
wird, daß das BGB. auf dem Standpunkte des Fauſt⸗ 
pfands ſteht und die Möglichkeit ausſchließt, ſich Gegen⸗ 
ſtände verpfänden zu laſſen und ſie gleichwohl im 
Gewahrſam des Schuldners zu belaſſen. 

Die Sicherheit, die auf einem dieſer Wege gez 
ſchaffen wird, hat aber dennoch durchaus Pfand⸗ 
charakter. Der Kaufmann, welcher ſeine Ware „in 
Kommiſſion“ verkauft, der Händler, welcher ſein Pferd 
dem Käufer unter Eigentumsvorbehalt übergibt, der 
Inhaber des Abzahlungsgeſchäfts, der ſich bis zur 
völligen Tilgung des Kaufpreiſes den Herausgabe⸗ 
anſpruch ſichert, ſie wollen alle nicht das Vertrags⸗ 
objekt wieder zurückerwerben: ihr Geſchäft verlangt 
Umſatz ihrer Ware, nicht deren Rückerwerb, ſie rechnen 
von Anfang an nicht damit, daß fie den Eigentunis⸗ 
vorbehalt eines Tages durch Geltendmachung des 
Herausgabeanſpruchs in Wirkſamkeit ſetzen; ſie wollen 
das ebenſowenig wie der Lederhändler, der einen 
heutzutage ſo häufig abgeſchloſſenen fiduziariſchen 
Vertrag eingeht und ſich die geſamte Haus⸗ und Ge⸗ 
ſchäftseinrichtung ſeines Kunden zur Sicherung über⸗ 
eignen läßt, die Stühle, Betten, Tiſche, Leiſten, 
Hammer und Nägel uſw. ſeines Kunden in ſein Eigen⸗ 
tum und ſeinen Beſitz bringen will. 


Der Wille geht vielmehr in allen derartigen Fällen 
in erſter Linie dahin, ſich ein dingliches Vorzugsrecht 
an den Gegenſtänden zu verſchaffen und andere 
Gläubiger von ihrer Pfändung und der Befriedigung 
aus ihnen auszuſchließen. Das negative Moment, 
die Ausſchließung Dritter, überwiegt; denn ſchon der 
Umſtand, daß die Gegenſtände im Gewahrſam des 
Schuldners bleiben, daß er damit im Rahmen ſeines 
Gewerbebetriebs arbeiten und wirtſchaften, ja ſogar, 
beim Kommiſſionsgut, darüber verfügen ſoll, beweiſt, 
daß nicht die Ausübung poſitiver Rechte, ſondern die 
Abwehr des Zugriffs Dritter den eigentlichen Vertrags⸗ 
zweck bildet. Der Eigentumsvorbehalt, von welchem 
der Aufſatz der Herrn Kollegen Then ausgeht, hat 
mithin ebenſo Pfandcharakter und den Zweck, den 
Kaufpreis dinglich ſicher zu ſtellen, wie das Pfand⸗ 
recht an fremden Sachen und die Sicherungsüber⸗ 
eignung; der Verkäufer will ſich für den Kaufpreis 
am Kaufsobjekt ein Vorrecht wahren. 


Es tritt aber in allen dieſen Fällen eine Miſchung 
zweier Rechtsgebilde zutage, nach außen hin die 
Form des Eigentums, nach innen dem Willen der 
Vertragskontrahenten entſprechend die Wirkung der 
Verpfändung. So ſetzt ſich das rechtsgeſtaltende 
Bedürfnis des praktiſchen Lebens auseinander mit den 
Schwierigkeiten der formalen Jurisprudenz, die ein 
Pfandrecht an der eigenen Sache ſo wenig zuläßt wie 
ihr eine Verpfändung fremder Sache ohne Beſitz⸗ 
einräumung entſpricht. 


II. Es fragt ſich nun, in welcher Weiſe aus dieſen 
dinglichen Sicherheiten die Befriedigung der Gläubiger 
herbeigeführt wird; die Intereſſen der Gläubiger 
gehen nicht dahin, dies wurde bereits betont, die mit 
Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenſtände zurück— 
zuerwerben; abgeſehen davon, daß ja die Gegenſtände 
durch die Benützung ſeitens des Schuldners in ihrem 
Wert zumeiſt weſentlich gemindert ſind, ſtrebt der 
Handel eben ganz allgemein nach Abſatz und Umſatz. 
Die Einziehung des Kaufpreiſes im Wege der Voll— 
ſtreckung liegt ihm näher als die Geltendmachung des 
Eigentumsvorbehalts durch Wegnahme. 


14 Zeitſchrift für eitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. N in Bayern. 1908. 


Daher kommt es, daß in den meiſten derartigen 
Fällen nicht eine Klage auf Herausgabe der Sicher⸗ 
heitsobjekte geſtellt, ſondern die Bezahlung des Kauf⸗ 
preiſes begehrt wird. Dies führt dann zur Pfändung 
auf Grund des Vollſtreckungstitels und vielfach zur 
Pfändung gerade derjenigen Objekte, an welchen dem 
Gläubiger dingliche Sicherheit bereits vertragsmäßig 
eingeräumt iſt. 

Mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Then, 
wonach eine derartige Pfändung von dem Gerichts- 
vollzieher nach $ 808 ZPO. nicht nur wirkſam vor- 
genommen werden kann, ſondern ſogar vorgenommen 
werden muß, bin ich durchaus einverſtanden. Weil 
der Gerichtsvollzieher den Gegenſtänden nicht anſehen 
kann, in weſſen Eigentum ſie ſtehen, weil er ſeine 
pfändende Tätigkeit auf alles Vermögen ausdehnen 
muß, das ſich im Gewahrſam des Schuldners findet, 
weil er nicht zu prüfen vermag, ob und inwieweit 
vertragsmäßig beſtellte dingliche Rechte wirkſam ſind 
und deren Geltendmachung von dem Gläubiger be⸗ 
abſichtigt iſt, muß er die Pfändung ohne Rückſicht 
auf Privatrecht und dingliche Rechtsverhältniſſe voll⸗ 
ziehen, die nach Angabe des Schuldners bejteben. 

So kann ein Pfändungspfandrecht an der eigenen 
Sache des Gläubigers zur Entſtehung gelangen, es 
wird ſich ein Pfändungspfandrecht an das für den⸗ 
ſelben Gläubiger längſt beſtehende fiduziariſche Siche⸗ 
rungsrecht anſchließen; ja es ſcheint mir ſogar wirt⸗ 
ſchaftlich das Endziel der vorhergetroffenen Siche— 
rungen, daß die der Sicherung unterworfenen Gegen— 
ſtände fo lange den Zugriffen anderer Gläubiger ent- 
zogen werden, bis der bevorzugte Gläubiger entweder 
befriedigt iſt oder durch die Vermittlung der Zwangs— 
vollſtreckung eben an denſelben Objekten nunmehr ſein 
endgültiges und geſetzmäßiges Pfandrecht erwirbt. 

III. Selbſtverſtändlich iſt, daß das vertragsmäßig 
beſtellte Vorzugsrecht an der Sache durch die Ver— 
wertung des Gegenſtandes in der Zwangsverſteigerung 
untergeht. 

Dagegen kann ich mich nicht damit einverſtanden 
erklären, wenn dinglich der Vorgang ſeitens des Herrn 
Kollegen Then ſo konſtruiert wird, daß der Gläubiger 
nicht endgültig und nicht unbedingt, ſondern nur vor: 
übergehend auf fein Eigentum, vielmehr auf die Aus— 
un ſämtlicher daraus fließender Rechte Verzicht 
eiſtet 

Dieſe Annahme ſcheint mir ſchon um deswillen 
unrichtig zu ſein, weil ſie zu einem Zuſtande führen 
würde, in welchem das Eigentum bedingt übertragen 
oder gar zwiſchen Gläubiger und Schuldner geteilt 
wäre, Vorgänge, die mit dem Weſen des Eigentums 
unvereinbar ſind. Das Eigentum an den Objekten 
der Vollſtreckung kann in jedem Stadium des Ver— 
fahrens ungeteilt nur dem Gläubiger oder dem Schuld— 
ner zuſtehen; ſteht es beim Gläubiger, dann kann er 
nicht zu ſeiner eigenen Befriedigung ſeine eigene Sache 
verſteigern laſſen; leiſtet er darauf Verzicht, gelangt 
die Sache ſohin in das Eigentum des Schuldners, 
ſo kann der Gläubiger das dingliche Recht nicht mehr 
ipso iure zurückerwerben, wenn das Pfandobjekt aus 
irgend welchen Gründen nicht verſteigert wird. 

Das dingliche Recht müßte von neuem auf ihn 
übergehen, dazu fehlen aber nach ſeiner Aufgabe der 
Uebertragungsakt wie der Uebertragungswille. 

Es beſteht aber meines Erachtens auch abgeſehen 
von der juriſtiſchen Unmöglichkeit wirtſchaftlich keine 
Notwendigkeit zu ſolcher Konſtruktion. 


f 


Nr. 1. 


Das Hauptbedenken gegen eine andere Annahme 
ſoll darin liegen, daß nach Umſtänden der Gläubiger 
ſein Eigentum durch Verzicht verlieren und Rechte 
aus der Pfändung nicht erwerben würde, weil die 
Gegenſtände unpfändbar ſind. Dies Bedenken ſcheint 
mir nicht durchſchlagend zu ſein, denn offenbar ſteht 
ja dem Gläubiger, der von dem Gerichtsvollzieher 
pflichtgemäß davon verſtändigt worden iſt, daß er nur 
Objekte habe pfänden können, an denen der Gläubiger 
bereits ein dingliches Recht erworben hat, das Wahl⸗ 
recht offen, entweder ſein vertragsmäßiges dingliches 
Recht geltend zu machen und demgemäß den Gerichts⸗ 
vollzieher von der weiteren Durchführung der Zwangs⸗ 
vollſtreckung abzuhalten oder die Sache ausdrücklich 
oder ſtillſchweigend im Zwangswege verwerten zu 
laſſen und durch dieſe Geſtattung der Vollſtreckung 
a jein Eigentum oder ſonſtiges Recht Verzicht zu 
leiſten. 

Er hat es mithin in der Hand, vor Ausübung 
dieſes Wahlrechts zu prüfen, welcher der beiden Wege 
ihm größere Vorteile bietet; läuft er Gefahr, durch 
Verzicht auf das Eigentum alle Rechte an dem Gegen- 
ſtande zu verlieren, weil er der Pfändung nicht unter- 
worfen iſt oder beſteht Ausſicht, daß beim Zwangsverkauf 
weniger erlöſt wird, als der Gläubiger beim Verkauf 
aus freier Hand erzielen würde, dann muß er eben 
rechtzeitig an Stelle des Pfändungspfandrechts ſeinen 
Herausgabeanſpruch in den Vordergrund ſtellen; 
zweifellos kann er auf Grund ſeines älteren dinglichen 
Rechts Aufhebung der Pfändung verlangen. 

Gehört der Gegenſtand nicht zu den unpfänd— 
baren Sachen oder iſt der Vermögensſtand des 
Schuldners derart, daß noch weitere pfändbare Habe 
vorhanden ift, dann ſteht der Verwertung nichts ent- 
gegen und die Aufgabe des Eigentums ſchließt keinerlei 
Riſiko für den Gläubiger in ſich. Der Gläubiger hat 
es mithin an der Hand zu wählen, aber er muß den 
Entſchluß endgültig faſſen. Der von Herrn Kollegen 
Then vorgeſchlagene Weg eines bedingten Verzichts 
führt zu einer Zweifrontenpolitik; der Gläubiger ſoll 
Rechte dazu erwerben, ohne welche aufgeben zu müſſen: 
er würde dadurch den Schuldner wirtſchaftlich ſchädigen. 

Durch eine endgültige Stellungnahme des Släus 
bigers dagegen werden keinerlei Rechte des Schuldners 
verletzt. Er kann den Gläubiger nicht abhalten, er— 
worbene Rechte aufzugeben, er kann keinerlei Einſpruch 
dagegen erheben, wenn der Gläubiger zugunſten eines 
weniger weittragenden Pfändungspfandrechts auf den 
Eigentumsanſpruch Verzicht leiſtet; er kann keinen 
Zwang dahin ausüben, daß der Gläubiger etwa ſeinen 
Eigentumsanſpruch geltend machen muß, ſo wenig 
wenn der Gläubiger ſelbſt pfändet als wenn ein 
Dritter mit Pfändung vorgeht. 

Auf dieſem Weg werden der wirtſchaftliche Zweck 
und die juriſtiſche Konſtruktion reſtlos in Einklang 
gebracht werden können; deshalb beſtehen auch für 
den Gerichtsvollzieher, der manchesmal Bedenken 
äußert, wenn er im Eigentum des Gläubigers ſtehende 
Sachen gepfändet hat, keinerlei Schwierigkeiten. Es 
kann unbedingt ein ſtillſchweigender Verzicht auf die 
Geltendmachung des Eigentums unterſtellt werden, 
wenn der Gläubiger auf die Mitteilung ſchweigt, daß 
ſeine aa Sache beim Schuldner gepfändet worden ſei. 

Nunmehr hat das Reichsgericht in der Ent- 
a vom 4. Oktober 1907 13807 II JW. 1907 
S. 743 Nr. 10 zu der vorwürfigen Frage Stellung 
genommen und ſie dahin entſchieden, daß von den Um— 


— 


1 r- rr 


— 


ftänden des Falles abhängig ſei, ob ein Verzicht auf 
den Eigentumsvorbehalt vorliege und daß gegebenen 
Falles der Käufer durch dieſen Verzicht von Rechts 
wegen Eigentümer der Sache werde. Welcher Art 
dieſe Umſtände ſein ſollen, iſt nicht ausgeführt. 
Jedenfalls geht aber dieſe reichsgerichtliche Ent⸗ 
ſcheidung weiter, als die Anſchauung des OLG. Bam⸗ 
berg, nach welcher die Pfändung eigener Sachen 
ſchlechthin als unzuläſſig erklärt ift (vgl. Beſchluß 
vom 16. Oktober 1902 Seuff A. Bd. 58 Nr. 66 S. 124 ff.). 
Rechtsanwalt Dr. Roſenthal in Würzburg. 


Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuchs. Art. 105 
Abſ. 1 des PStGB. lautet: „In den Fällen des § 367 
Ziff. 13—15 und § 368 Ziff. 3 und 4 des Strafgeſetz— 
buchs für das Deutſche Reich und der Art. 101 (und 
102) des gegenwärtigen Geſetzes hat der Richter im 
Strafurteile auszuſprechen, daß die Polizeibehörde be— 
rechtigt iſt, die Beſeitigung des ordnungswidrigen 
Zuſtandes anzuordnen und zu dieſem Zwecke die 
Sicherſtellung, Abänderung, den gänzlichen oder teil- 
weiſen Abbruch des betreffenden Bauwerks oder der 
betreffenden Vorrichtung zu verfügen“. 

Dieſe Beſtimmung ift in der Praxis dahin aug- 
gelegt worden, daß in den Fällen des § 367 Ziff. 15 
StGB. und Art. 101 PStGB. die Erlaſſung eines 
Strafbefehls überhaupt unzuläſſig ſei und daß in 
ſolchen Fällen unter allen Umſtänden ein Urteil er— 
gehen müſſe Daß dieſe Auffaſſung unrichtig iſt, ſoll 
im folgenden kurz auseinandergeſetzt werden. 

Zunächſt iſt gewiß, daß die Baupolizeibehörde 
oft genug an der Zuerkennung der Beſeitigungsbefug— 
nis nicht das mindeſte Intereſſe hat. So z. B., wenn 
ein Bau ohne Genehmigung begonnen wurde, dieſe 
aber hinterher erfolgt iſt, oder wenn zwar überhaupt 
keine Genehmigung erholt worden iſt, der Bau aber 
vollſtändig vorſchriftsmäßig ausgeführt wurde, oder 
wenn vom genehmigten Plan abgewichen wurde, die 
Abweichungen aber nicht zu beanſtanden ſind, oder 
wenn zwar bauordnungswidrig gebaut, aber Diſpens 
erteilt worden iſt. 

In allen dieſen Fällen hat es keinen Sinn, einen 
Ausſpruch nach Art. 105 zu erwirken, weil von ihm 
ja kein Gebrauch gemacht werden kann. 

Es iſt deshalb auch unnötig und unzweckmäßig, 
eine Hauptverhandlung und ein Urteil herbeizuführen, 
einerſeits aus Gründen der Geſchäftsvereinfachung, 
anderſeits im Intereſſe des Beſchuldigten, dem ſowohl 
Koſten als auch der immerhin unangenehme Gang zu 
Gericht erſpart werden können. 

Auch der Wortlaut des Art. 105 nötigt feines- 
wegs zu der bekämpften Auffaſſung. Art. 105 ſetzt 
ein Strafurteil voraus und ſchreibt vor, daß in ihm 
die Beſeitigungsbefugnis zugeſprochen werden müſſe, 
anderſeits geht aus ihm hervor, daß im Straf— 
befehls verfahren ein ſolcher Ausſpruch nicht erfolgen 
könne; dagegen iſt keineswegs die Unzuläſſigkeit des 
letzteren Verfahrens überhaupt ausgeſprochen. 

Hiermit ſtimmt, ſoviel mir bekannt, die Brarig 
überein: insbeſondere führt das Urteil des Oberlandes— 
gerichts München vom 22. Auguſt 1884 (Min. A. Bl. 
d. J. S. 250) ganz das Gleiche aus; endlich iſt auch 
aus den Kommentaren zum Polizeiſtrafgeſetzbuch nir— 
gends das Gegenteil zu entnehmen, vielmehr ſcheinen 
ſie ebenfalls der hier vertretenen Auffaſſung beizu— 
pflichten. (Vgl. Riedel⸗Sutner 7. Aufl. S. 380 Anm. 3, 


| 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. für Rechtspflege ir in Bayern. 1908. Nr. 1. 15 


Reger⸗Dames, 3. Aufl. S. 284 und weiter Englert, 
Bauordnung 2. Aufl. S. 148 Anm. 2). 

Der Amtsanwalt hat alſo die Wahl, ob er einen 
Strafbefehl oder eine Hauptverhandlung beantragen 
will; er wird genau zu prüfen und nötigenfalls die 
Baupolizeibehörde zu befragen haben; im Zweifel 
empfiehlt es ſich ſelbſtverſtändlich, eine Hauptverhand⸗ 
lung anberaumen zu laſſen, dies um fo mehr, als na ch: 
träglich die Beſeitigungsbefugnis nicht mehr erwirkt 
werden kann.!) 

Unrichtig aber iſt die Anſchauung, daß Art. 105 
a. a. O. die Ausſchließung des Strafbefehlsverfahrens 
bezwecke, wenn immer eine der dort bezeichneten Ueber- 
tretungen vorliege. 

Bei der in Ausſicht ſtehenden Reviſion des Polizei- 
ſtrafgeſetzbuchs wird vielleicht Art. 105 noch etwas 
präziſer gefaßt werden können. 


Bezirksamtsaſſeſſor Dr. Steinbach in Pfaffenhofen. 


Rechtlicher Zuſammenflußß zwiſchen Untrene und 
Unterſchlagung im Amte. Zu den vielen Streitfragen 
über die einzelnen Tatbeſtände der Untreue gehört 
auch diejenige, ob Beamte als Bevollmächtigte im 
Sinne der Ziffer 2 des 8 266 StGB. in Betracht 
kommen können. Nach der in der Rechtswiſſenſchaft 
vorherrſchenden Meinung hat das Geſetz nur die 
rechtsgeſchäftlich beſtellten Bevollmächtigten, nicht 
aber auch die geſetzlich beſtellten Bevollmächtigten 
im Auge, ſo daß die Beamten (mit Ausnahme des 
Gerichtsvollziehers) völlig ausſcheiden (vgl. Binding, 
Lehrb. d. D. Strafr. beſ. Teil Bd. I S. 399, Ols⸗ 
hauſen Note 6 zu § 266 und Frank Note III 2 zu 
§ 266, ſowie die in dieſen beiden Kommentaren anz 
geführten Schriftſteller). Demgegenüber hat das Reihs- 
gericht, dem ſich Oppenhoff (Note 14 a zu § 266) an= 
ſchließt, in zwei Entſcheidungen (Rechtſprechung Bd. 4 
S. 683 und Entſcheidungen Bd. XV S. 41) die Ver⸗ 
urteilung von Beamten wegen Untreue gebilligt. Von 
dieſen Entſcheidungen iſt allerdings nach der hier in 
Rede ſtehenden Richtung nur die zweite eingehend be— 
gründet, während die erſte die Bejahung der ſtrittigen 
Frage als ſelbſtverſtändlich vorauszuſetzen ſcheint. 
Für die Praxis wird dieſer Standpunkt des Reichs⸗ 
gerichts eine nennenswerte Erweiterung des Gebietes 
der Untreue nicht bedeuten, wenigſtens nicht in dem 
Sinne, daß Handlungen, die ſonſt ſtraflos wären, aus 
§ 266 Ziff. 2 StGB. geahndet werden können; denn 
Fälle, wie ſie den beiden Reichsgerichtsentſcheidungen 
zugrunde liegen —: ein Güterexpedient hatte durch 
falſche Angaben über das Gewicht des Frachtguts im 
Frachtbriefe bewirkt, daß die Eiſenbahnverwaltung das 
Frachtgut zu einem niedrigeren als dem gebührenden 
Preiſe beförderte: ein ſtädtiſcher Bürgermeiſter hatte 
die Bezahlung von Schulden aus der Stadtkaſſe her— 
beigeführt, deren Tilgung vereinbarungsgemäß ihm 
ſelbſt oblag — werden nicht ſonderlich häufig vor— 
kommen. 

Dagegen hat die Anſchauung des Reichsgerichts 
eine andere praktiſche Seite zugunſten der „Beamten“, 
die vielleicht bisher nicht immer Beachtung gefunden 
hat. Und dieſe hat mich veranlaßt, mich näher mit 
der erwähnten Streitfrage zu befaſſen. 

Es läßt ſich nicht verkennen, daß die geſetzliche 

0 Vgl. auch die Min.⸗Entſchl. vom 25. März 1863 
Webers Samml. Bd. VI S. 178. 


16 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


Mindeſtſtrafe von drei Monaten für das Vergeben 
nach 8 350 StGB. in manchen Fällen zu bart ift, 
namentlich dann, wenn es von Beamten begangen wird, 
die dieſe Bezeichnung eben nur im Sinne des 8 359 
StGB. verdienen, im übrigen aber nach Vorbildung 
und ſozialer Stellung dem allgemeinen Beamtenbegriffe 
ſehr wenig entſprechen, wenn es die Aneignung ganz 
geringfügiger Werte oder Beträge zum Gegenſtand 
hat, oder wenn es nicht mit der Abſicht einer Schä⸗ 
digung des Vermögens des Amtgebers begangen wird 
und auch deſſen Gefährdung nicht im Gefolge hat. 
Hier kann ja wohl eine teilweiſe Begnadigung den 
nötigen Ausgleich ſchaffen. 

In manchen dieſer Fälle aber bietet die angegebene 
Anſchauung des Reichsgerichts bereits dem Gerichte 
die Möglichkeit, eine der Schuld angemeſſene, dem 
billigen Empfinden entſprechende Strafe zu verhängen, 
nämlich immer dann, wenn der „Beamte“ die Unter⸗ 
ſchlagung in Beziehung auf Gelder oder Sachen be- 
geht, die er bei Erledigung an ſich rein wirtſchaftlicher 
Geſchäfte des Staates oder der Korporation, der er 
dient, als Bevollmächtigter im erörterten Sinne 
empfangen hat. 

Man denke z. B. an den Fall, daß ein ſog. Halte⸗ 
ſteller bei einer Lokalbahn, dem die Fahrkartenausgabe 
und die Güterexpedition ꝛc. auf ſeiner Halteſtelle ob⸗ 
liegt, von den hierbei eingenommenen Geldern einen 
kleinen Betrag entnimmt, um einem zufällig zu ihm 
an den Schalter gekommenen Fahrgaſt eine Privat- 
ſchuld zu bezahlen, dabei aber in der ſpäter auch 
verwirklichten Abſicht handelt, das Geld wieder zurück⸗ 
zuerſtatten, ſobald ſeine bloß augenblickliche Geldver⸗ 
legenheit behoben iſt. Hier iſt bei Zugrundelegung 
der Anſchauung des Reichsgerichts rechtlicher Zuſammen⸗ 
hang zwiſchen erſchwerter Untreue und einfacher Unter- 
ſchlagung im Amte gegeben. Die Möglichkeit eines 
rechtlichen Zuſammenhangs der Untreue mit anderen 
Vergehen wird ja, von der gemeinen Meinung wenig— 
ſtens, anerkannt (vgl. Olshauſen a. a. O. Note 16 a « 
und die dortigen Zitate und beiſpielsweiſe RGE. Bd. 3 
S. 285, OLG. München Bd. 4 S. 449 und Ob. LG. 
Bd. 5 S. 127). 

Von dieſen beiden verletzten Strafgeſetzen enthält 
nun die Untreue im Sinne des 8 73 StGB. die 
ſchwerſte Strafandrohung, weil nach 8 266 Abſ. 2 
neben der Gefängnisſtrafe noch auf Geldſtrafe erkannt 
werden kann, fo daß die Strafe aus dieſem Straf- 
geſetze zu bemeſſen ift (vgl. RGE. Bd. 32 S. 259 a. E.) 
und auf eine Gefängnisſtrafe von einem Tage berunter⸗ 
gegangen werden kann. 

Zwar hat das Reichsgericht (E. Bd. 8 S. 800 ſich 
dahin geäußert, es werde regelmäßig eine aus dem 
Rechtsgefühl und der Natur der Sache entſpringende 
Aufgabe des Inſtanzrichters ſein, durch entſprechende 
Zumeſſung der Strafe aus dem ſchwereren Geſetze zu 
bewirken, daß nicht durch Konkurrenz eines ſchwereren 
Geſetzes mit einem leichteren, das Ergebnis entſteht, 
daß der Schuldige nicht einmal die Strafe des leichteren 
Vergehens erleidet, die er doch erleiden müßte, wenn 
er nur dieſes leichtere Vergehen begangen hätte. 
Allein hiermit hat das Reichsgericht zugleich die Zu— 
läſſigkeit von Ausnahmen anerkannt und es liegt weder 
im Willen des Geſetzgebers noch im Intereſſe des 
Staates, daß eine unbillig harte Strafe ausgeſprochen 
wird, wenn das Geſetz ſelbſt eine niedrigere Strafe 


zuläßt. II. Staatsanwalt Schülein in Bayreuth. 


Aus der Praxis der Gerichte. 
Reichsgericht. 
A. Freiwillige Gerichtsbarkeit. 


Raun zwiſchen mehreren e Geſchwiſtern 
ein nicht an Hangos in der Erfüllung einer Nechts⸗ 
verbindlichkei . Nast vom gemein: 
ſchaftlichen Vormund allein geſchloſſen werden, wenn 
ein Gegeuſatz der Intereſſen nicht vorliegt? Das 
Obs. hat im egenfag zum OLG. Colmar 
(Rſpr. d. OLG. Bd. 6 S. 39) diefe Frage verneint 
und gemäß 8 28 Abſ. 2 FGG. eine weitere Be- 
ſchwerde, in der über die Frage zu enſcheiden war, 
dem RG. vorgelegt (f. 3. Jahrg. S. 436). Das RG. 
hat die Frage gleichfalls verneint. 

Gründe: Das Anweſen ſtand im Geſamteigen⸗ 
tum der Erben und es ſollte durch den notariellen 
Vertrag in Bruchteilseigentum der einzelnen Mit- 
erben umgewandelt werden. Den Gegenſtand des 
Vertrages bildet daher eine teilweiſe Erbauseinander⸗ 
ſetzung, und es bedurfte für die Umwandlung des 
Geſamteigentums in Bruchteilseigentum der Auf- 
laſſung. Bei dem Vertrage wie bei der Auflaſſung 
gab der Pfleger als Vertreter eines jeden einzelnen 
Mündels die erforderlichen Erklärungen ab und 
nahm ſie zugleich als Vertreter der übrigen Mündel 
entgegen. Er ſchloß jene Rechtsgeſchäfte mithin im 
Namen jedes einzelnen Mündels mit ſich als gleich⸗ 
zeitigem Vertreter auch der übrigen Mündel. Das 
war nach der ausdrücklichen Vorſchrift des § 181 des 
BGB. unſtatthaft, ſofern nicht entweder dem Pfleger 
ein Anderes geſtattet war, oder das Rechtsgeſchäft 
ausſchließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit 
beſtand. Daß die Vorſchrift des 8 181 auch für den 
Vormund und den Pfleger gilt, kann nicht zweifelhaft 
fein; beide find „Vertreter des“ Mündels, da ihnen 
kraft Geſetzes „Vertretungsmacht⸗ zuſteht. Ueberdies 
ift in 8 1915 des BGB. beſtimmt, daß auf die Pfleg⸗ 
ſchaft die für die Vormundſchaft geltenden Bor: 
ſchriften entſprechende Anwendung finden, und es iſt 
dann in § 1795, nachdem zunächſt für einzelne Fälle 
die Vertretungsbefugnis des Vormundes eingeſchränkt 
worden, ausdrücklich hervorgehoben, daß im übrigen 
„die Vorſchrift des § 181 des BGB. unberührt bleibe.“ 
Es kann ſich daher nur fragen, ob einer jener beiden 
in 8 181 des BGB. vorgeſehenen Ausnahmefälle hier 
vorliegt. Auch dies iſt zu verneinen. 

Dem Pfleger war zunächſt nicht „geſtattet,“ den 
Vertrag für die mehreren Mündel zu ſchließen. Un⸗ 
erheblich iſt der Umſtand, daß der der Auflaſſung zu— 
grunde liegende Vertrag vormundſchaftsgerichtlich ge- 
nehmigt ift. Von der vormundſchaftsgerichtlichen Ge- 
nehmigung hing die Wirkſamkeit des Vertrages ab 
($ 182 BGB.), die Genehmigung mußte zu der Erklärung 
des Pflegers hinzutreten, es bedurfte der genehmigten 
und der genehmigenden Erklärung, wenn der Ver- 
trag für die Mündel überhaupt wirkſam werden ſollte. 
Die Genehmigung erfüllte das Erfordernis des § 1822 
Nr. 2 des BGB., allein ſo wenig ſie eine Anfechtung 
der Erklärung des Pflegers wegen eines Willens⸗ 
mangels hindern konnte, ebenſowenig konnte ſie einen 
nach Lage der allgemeinen geſetzlichen Vorſchriften im 
Einzelfalle vorhandenen Mangel in der Vertretungs- 
macht beſeitigen. Sondervorſchriften, die dem Vor— 
mundſchaftsgerichte die Ermächtigung geben, für die 
rechtsgeſchäftliche Vertretung der mehreren Mündel 
eine Ausnahme von der Vorſchrift des § 181 des 
BGB. zu geſtatten oder durch die eigene Genehmigung 
dem Mangel abzuhelfen, enthält das BGB. nicht. 
In dieſer Beziehung iſt insbeſondere auch nicht die 
Vorſchrift des § 1775 von Bedeutung, wonach der 
Regel nach für mehrere Geſchwiſter nur ein Vors 
mund beſtellt werden ſoll; ſie ſchließt nicht aus, daß 


verſchiedene Vormünder oder Pfleger für die 
einzelnen Mündel beſtellt werden müſſen, ſofern 
dies durch die Umſtände des Falles geboten iſt. Dies 
aber war hier mit Rückſicht auf die Vorſchrift in 
§ 181 a. a. O. der Fall. Bloße Zweckmäßigkeits⸗ 
gründe können nach Lage der Geſetzgebung eine ab⸗ 
weichende Auffaſſung nicht rechtfertigen. Auch Dern⸗ 
burg, der in feinem Bürgerl. R. Bd. 1 S. 557 Anm. 
5 die Anſicht des OLG. Colmar als zweckmäßig be⸗ 
zeichnet, betont, daß die Schranken des § 181 auch 
für die geſetzlichen Vertreter gelten, und er erklärt 
insbeſondere in Bd. 4 S. 372 Anm. 8 bezüglich der 
Erbauseinanderſetzung unter den Geſchwiſtern, daß 
jeder Teil einen beſonderen Vertreter haben müſſe. 
Die gleiche Auffaſſung wird durchweg auch ſonſt in 
der Literatur vertreten, und ſie enſpricht auch der 
ftändigen Rechtſprechung des Kammergerichts. Eine abs 
weichende Auffaſſung liegt auch nicht den Entſch. des 
RG. Bd. 58 S. 299 und Bd. 51 S. 139 zu Grunde. 
Hier handelt es ſich für beſtimmte Fälle um rechts⸗ 
geſchäftliche Befugniſſe des Teſtaments voll⸗ 
ſtreckers, die aus dem mit der Anordnung der 
Teſtamentsvollſtreckung vom Erblaſſer verfolgten Zwecke 
und damit auch dem Willen des Erblaſſers ſelbſt her⸗ 
geleitet wurden. Hier können ſolche Erwägungen 
nicht Platz greifen. Hiernach liegt der erſte Aus⸗ 
nahmefall des 8 181 nicht vor. 


Es fehlt weiter auch an den Vorausſetzungen 


für den zweiten Ausnahmefall. Die Teilung des An⸗ 
weſens bildet kein „Rechtsgeſchäft, das ausſchließlich 
in der Erfüllung einer Verbindlichkeit beſtand.“ Die 
gegenteilige Auffaſſung, die in der DIB. 1902 S. 267 
vertreten ift, findet im Geſetz keine Stütze. Das An- 
weſen ſtand im Geſamteigentum der Miterben, ein 
Anſpruch auf Umwandlung in Bruchteilseigentum 
ſtand keinem Erben zu. Der einzelne Miterbe konnte 
nur zwecks Auseinanderſetzung die Aufhebung der 
Gemeinſchaft durch Zwangsverſteigerung beanſpruchen, 
nicht aber Zuteilung von Bruchteilseigentum (SS 2042, 
753 BGB.). Sollte letzteres durch Vertrag und Auf⸗ 
luͤſſung geſchaffen werden, fo handelte es ſich weder 
überhaupt noch ausſchließlich um die Erfüllung einer 
Verbindlichkeit, es wurde nicht eine geſchuldete Leiſtung 
an den Gläubiger bewirkt und dadurch ein Schuldver— 
hältnis zum Erlöſchen gebracht. (Beſchluß des V. 
35. v. 9. November 1907; Reg. V. B. 154/1907). 
1106 W. 


Nachſchrift des Herausgebers. In dem 
Beſchluſſe vom 7. September 1907 (3. Jahrg. S. 436) 
hat das Obs G. den Satz aufgeſtellt, „zur wirkſamen 
Vornahme der die Erbteilung bezweckenden Rechtsge— 
ſchäfte werde es genügen, zwei Pfleger in der 
Weiſe zu beſtellen, daß der eine jeweils die ver⸗ 
aͤußernden und der andere jeweils den erwerbenden 
Pflegebefohlenen zu vertreten hat“. Dieſer nicht 
recht verſtändlichen Auffaſſung hat ſich das RG. 
nicht angeſchloſſen; ſie würde u. E. dazu führen, daß 
man doppelt ſo viele Pfleger als Mündel zu 
beſtellen hätte. | 


B. Zivilſachen. 
I. 


Boransſetzungen und Umfang der Vertretungsmacht 
der Fran nach 3 1357 BGB. Inwieweit beſteht fie 
während einer Treunung der Gatten! Maßſtab für die 
Beurteilung des Umfangs der Schlüſſelgewalt. Ueber⸗ 
ſchreitung und Mißbrauch der Vertretungsmacht. Iſt 
der Dritte geſchützt, der die Ueberſchreitung der Ver: 
tretung macht nicht kannte? Berteilung der Beweislaſt!). 


) Anm. des Herausgebers. Wir machen die Lefer auf 
i vorzüglich begründete Entſcheidung beſonders aufs 
merkſam. 


— — a 


17 


Der Beklagte war früher mit Anna geb. A. verhei⸗ 
ratet. Die Ehe iſt jetzt geſchieden. Im Jahre 1901, 
als die Ehe noch beſtand, hat die Frau in Monte 
Carlo aus dem dortigen Zweiggeſchäfte einer Pariſer 
Firma Kleidungsſtücke bezogen. Wegen der Bezahlung 
der Preiſe zu 17029 Mk. nimmt die Firma den Be⸗ 
klagten in Anſpruch. Sie behauptet, die erſten Be⸗ 
ſtellungen habe der Beklagte ſelbſt in Gemeinſchaft 
mit ſeiner Ehefrau gemacht. Er ſei auch bei den 
Anproben zugegen geweſen und habe die an ihn ſelbſt 
adreſſierten Lieferungen angenommen. Die ſpäteren 
Beſtellungen habe er genehmigt. Jedenfalls habe 
aber die Ehefrau, als ſie die Kleider für ſich an⸗ 
fertigen ließ, in geſetzlicher Vertretung des Mannes 
gehandelt. Der Beklagte hat zwar die behaupteten 
Lieferungen nicht beſtritten. Er ſtellt jedoch alle 
weiteren Behauptungen der Klägerin in Abrede. Das 
Landgericht hat durch Vorabentſcheidung über den 
Grund des Anſpruchs dieſen für gerechtfertigt erklärt. 
Die gleiche Entſcheidung hat auf die Berufung des 
Beklagten das OLG. in Höhe von 7500 Frank erlaſſen; 
es hat inſoweit die Sache zurückverwieſen. Wegen des 
darüber hinausgehenden Betrages iſt in zweiter Inſtanz 
auf einen Eid für den Beklagten erkannt worden. 
Wenn Beklagter mit dieſem Eide verneint, in der 
Zeit von Ende April bis Anfang November 1901 
gewußt zu haben, daß ſeine frühere Ehefrau für mehr 
als 7500 Frank Kleidungsſtücke bei der klagenden 
irma auf Kredit entnommen hat, ſo ſoll der hierüber 
inausgehende Klageanſpruch für unbegründet erklärt, 
andernfalls dagegen auch inſoweit auf Feſtſtellung 
des Anſpruchs ſeinem Grunde nach ſowie auf Zurück⸗ 
verweiſung in die erſte Inſtanz erkannt werden. Die 
Klägerin hat Reviſion eingelegt. Sie beantragt, das 
Berufungsurteil aufzuheben und im vollen Umfange 
auf Zurückweiſung der Berufung zu erkennen. Der 
Beklagte hat ſich der Reviſion angeſchloſſen. Er be⸗ 
antragt, das Berufungsurteil inſoweit aufzuheben, 
als es den Klageanſpruch ſeinem Grunde nach in 
Höhe von 7500 Frank für gerechtfertigt erklärt und 
die Klage inſoweit abzuweiſen oder die Sache zu 
anderweitiger Verhandlung und Entſcheidung in die 
Inſtanz zurückzuverweiſen. Beide Rechtsmittel blieben 
erfolglos. 


Gründe: Nur in Höhe von 7500 Frank, d. h. 
unter Feſtſtellung eines Höchſtbetrages, über den bei 
der ſpäteren Bezifferung des Anſpruches nicht hinaus⸗ 
gegangen werden darf, hat der Berufungsrichter den 
Klageanſpruch bedingungslos für gerechtfertigt 
erklärt. Seine Entſcheidung beruht inſoweit auf 
einer Anwendung des § 1357 Abſ. 1. Er hat dabei 
unter eingehender Prüfung der obwaltenden Verhält— 
niſſe in Betracht gezogen, wie zu der Zeit, als die 
Beſtellungen bei der Klägerin gemacht wurden, das 
Hausweſen des Beklagten und ſeiner damaligen Ehe— 
frau dem äußeren Zuſchnitte nach beſchaffen war. 
Ihm entſprechend hat er den häuslichen Wirkungs— 
kreis der Frau, innerhalb deffen fie zur rechtsgeſchäft— 
lichen Vertretung des Mannes kraft Geſetzes ermächtigt 
war, ſoweit bemeſſen, daß ſie in der entſcheidenden 
Zeit und am gegebenen Orte, in Monte Carlo, durch 
Entnahme von Kleidern auf Kredit den Beklagten bis 
zum Betrage von 7500 Frank, nicht aber darüber 
hinaus habe verpflichten dürfen. Ueber dieſe Ein— 
ſchränkung der geſetzlichen Ermächtigung wird mit der 
Reviſion der Klägerin Beſchwerde geführt, während 
die Anſchlußreviſion des Beklagten ſich dagegen wendet, 
daß die bezeichnete Geſetzesvorſchrift überhaupt zur 
Anwendung gekommen ſei. Beides iſt unbegründet. 


1. Die Entſcheidung des Berufungsrichters über 
den Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht, die 
der Ehefrau des Beklagten kraft Geſetzes zuſtand, be— 
ruht durchweg auf den Rechtsgrundſätzen, die das 
Reichsgericht in der Entſcheidung vom 31. Mai 1905 


18 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


(Bd. 61 S. 78 ff.) aufgeſtellt und näher begründet 


hat. Freilich weicht der Tatbeſtand des damaligen 
Rechtsfalles von dem jetzigen Rechtsfalle in einer Be⸗ 
ziehung ab. Damals handelte es ſich um Beſtellungen 
für den Bekleidungsbedarf der Frau, die von dieſer 
in Berlin zu einer Zeit gemacht waren, als der Be⸗ 
klagte mit ihr neben ſeiner Haushaltung auf dem 
Schloſſe Schl. in Pommern in Berlin einen zweiten 
Haushalt führte. Es entſtand daher nicht wie hier 
die Frage, ob die Vertretungsbefugnis zeitlich fort⸗ 
beſteht, wenn die Frau vom Manne getrennt lebt. 
Dies wird für ſolche Fälle, in denen ſie die häusliche 
Gemeinſchaft willkürlich und nicht nur vorübergehend 
aufgegeben hat, von der überwiegenden Mehrheit der 
Schriftſteller mit Recht verneint. Denn der Wirkungs- 
kreis der Frau, auf deſſen Bereich ſich ihre Ver⸗ 
tretungsbefugnis nach § 1357 Abſ. 1 erſtreckt, ſetzt 
hier wie im § 1356 eine Gemeinſchaftlichkeit des 
Hausweſens voraus. Die Verbindung mit dem Haus⸗ 
weſen des Mannes wird aber nicht nur tatſächlich, 
ſondern in dieſer Beziehung auch rechtlich gelöſt, ſo⸗ 
bald die Frau aus eigner Entſchließung ſich auf die 
Dauer vom Manne trennt. Umgekehrt bleibt die 
Gemeinſchaftlichkeit des Hausweſens und darum auch 
die Vertretungsbefugnis der Frau erhalten, wenn 
die Trennung eine nur vorübergehende iſt und ins⸗ 
beſondere dann, wenn ſie im Einvernehmen mit dem 
Manne vor ſich geht. Für den gegebenen Fall traf, 
obwohl die Ehefrau des Beklagten ſich mehr als ſechs 
Monate in Monte Carlo aufhielt, beides zu. Be⸗ 
klagter ſelbſt hat darauf hingewieſen, daß ſeine Frau 
ſich damals nur der Erholung wegen auf ärztlichen 
Rat an der Riviera aufgehalten habe. 

2. 5 erſtreckte ſich daher die geſetzliche 
Vertretungsmacht auch auf die Dauer dieſer Trennung. 
Damit iſt aber noch nicht entſchieden, ob auch ſach⸗ 
lich der Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis 
die Beſchaffung von Kleidungsſtücken umfaßte, für die 
ſich ein Bedarf gerade erſt durch das Auftreten der 
Frau an einem Orte wie Monte Carlo ergab. Auf 
eine Verneinung dieſer Fragen zielt die Begründung 
der Anſchlußreviſion mit der Ausführung hin, Be⸗ 
klagter habe ſeiner Frau zwar eine Reiſe nach der 
Riviera geſtattet, ſeine 55 ſei aber deswegen noch 
nicht befugt geweſen, ſich in Monte Carlo auf ſein 
Konto für 7500 Frank Kleider anfertigen zu laſſen. 
Das würde, da es ſich hier nicht um die Frage einer 
rechtsgeſchäftlichen Bevollmächtigung ($ 166 Abſ. 2 
BGB.) ſondern um die geſetzliche Vertretungsbefugnis 
handelt, in dem Falle zutreffend ſein, wenn die Reiſe 
und der Aufenthalt der Frau an der Riviera in der 
Lebensführung der Eheleute etwas Ungewöhnliches 
geweſen wäre. Denn um als Maßſtab für die Be— 
ſtimmung des Inhalts und Umfanges der Schlüſſel— 
gewalt dienen zu können, müſſen die Einrichtungen 
des Hausſtandes und der ehelichen Lebensführung 
mit dem Willen des Mannes die Eigenſchaft der 
Ständigkeit angenommen haben. Der Berufungs— 
richter hat indeſſen dieſem Geſichtspunkte Rechnung 
getragen. Er ſtellt feſt, die Ehefrau des Beklagten 
ſei Schon feit dem Jahre 1900 ſehr wenig einheimiſch 
geweſen und habe ihre Zeit viel mehr an Orten wie 
Marienbad, Territet, Monte Carlo, Rom und Palermo 
verbracht. Daß ſie dieſes Leben im Einverſtändniſſe 
mit dem Beklagten führte, kann um ſo weniger be— 
zweifelt werden, als der Beklagte, wie der Berufungs— 
richter gleichfalls feſtſtellt, Oſtern 1902 ſeine Frau in 
Monte Carlo aufgeſucht und mit ihr in einem der 
teuerſten Gaſthöfe gewohnt hat, in dem ſie vorher 
bereits allein abgeſtiegen war. Rechtlich iſt es dem— 
nach nicht zu beanſtanden, wenn der Berufungsrichter 
angenommen hat, es habe der beſonderen Geſtaltung 


des gemeinſchaftlichen Hausweſens entſprochen, daß, 


ſich die Ehefrau des Beklagten als „Dame der Geſell— 
ſchaft' auch für längere Beſuche in Paris und an der 


— — ———ͤ !— — —ẽ 


Riviera einzelne ſehr teure Kleider beſtellte und wenn 
ſie für ſolche Zwecke jährlich 10000 Frank aufwandte. 
Sie habe überdies, wie das unter gleichen Berhält- 
niſſen üblich ſei, die Gelegenheit in Monte Carlo 
wahrnehmen dürfen, um in Vertretung des Mannes 
für eine über ihren dortigen Aufenthalt hinausgehende 
Zeit und zwar im ganzen für neun Monate ſich mit 
Kleidungsſtücken von entſprechender Koſtbarkeit zu 
verſorgen. Auf dieſe Weiſe iſt der Berufungsrichter 
zu dem Betrage von 7500 Frank gekommen. In 
prozeſſualer Beziehung entbehrt dieſe Feſtſtellung 
keineswegs, wie die Anſchlußreviſion ihr vorwirft, 
der erforderlichen Begründung. Sie hält ſich auch 
durchaus in den Grenzen der dem Berufungsrichter 
gemäß 8 286 ZPO. zuſtehenden freien Tatſachen⸗ 
würdigung, ſo daß die beiderſeitige Rüge einer Ver⸗ 
letzung dieſer Geſetzesvorſchrift hinfällig ift. 

3. Allein ſelbſt unter der Vorausſetzung, daß die 
Ehefrau des Beklagten mit ihren Beſtellungen über 
den Betrag von 7500 Frank nicht hat hinausgehen 
dürfen, hält die Reviſion der Klägerin den Beklagten 
nach den in dem Urteile des Reichsgerichts vom 
31. Mai 1905 entwickelten Grundſätzen (a. a. O. S. 83 ff.) 
für verpflichtet, die Klagerechnung im vollen Umfange 
zu begleichen. Denn der Beklagte verteidige ſich mit 
einem Mißbrauche der geſetzlichen Vertretungsmacht. 
er habe daher, um damit durchzudringen, nicht allein 
die Tatſache dieſes Mißbrauchs, ſondern zum mindeſten 
auch deſſen Erkennbarkeit für den anderen Vertrags⸗ 
teil nachweiſen müſſen. Und an dieſem Beweiſe habe 
er es fehlen laſſen. Dem kann nicht beigetreten werden. 
Hat die Ehefrau des Beklagten mit der Klägerin Ber- 
träge über Kleiderlieferungen für mehr als 7500 Frank 
abgeſchloſſen, ſo handelt es ſich bei dem Mehrbetrage 
nicht um einen Mißbrauch ſondern um eine lleb er- 
ſchreitung der Vertretungsmacht. Die geſetzliche 
Vertretungsmacht hat ihr inſoweit gefehlt. Ein 
Mißbrauch ſetzt deren Vorhandenſein voraus. Nach 
Annahme des Berufungsrichters hat nun freilich die 
Ehefrau des Beklagten ſich auch eines Mißbrauchs 
der geſetzlichen Vertretungsbefugnis ſchuldig gemacht. 
Denn die bei der Klägerin gemachten Beſtellun gen 
traten zu anderen Beſtellungen von gleicher Art 
hinzu, die ſie in derſelben Zeit bei anderen Mode⸗ 
geſchäften gemacht hatte, ſo daß der von ihr getriebene 
Kleideraufwand in ſeiner Geſamtheit über das zu— 
läſſige Maß hinausging. Sie hat ſich alſo mißbräuch⸗ 
lich ihrer Vertretungsmacht zu wiederholten 
Malen bedient. Da ſich aber dieſe geſetzliche Er⸗ 
mächtigung der Frau nicht auf beſtimmte ein zelne 
Anſchaffungsgeſchäfte ſondern auf beſtimmte Arten 
von ſolchen Geſchäften bezieht, ſo ſind an ſich die mit 
einem jeden der mehreren Lieferanten abgeſchloſſenen 
Geſchäfte je bis zum Betrage von 7500 Frank für 
den Beklagten bindend. Nur im inneren Ver⸗ 
hältnis zwiſchen Mann und Frau darf der Beklagte 
ſchlechthin geltend machen, er habe für den Bedarf 
der Frau nicht in einem über einmal 7500 Frank 
hinausgehenden Betrage aufzukommen. Nach außen— 
hin dringt er dagegen hiermit nur durch, wenn er 
zugleich dartut, daß der andere Teil die bereits durch 
andere Beſtellungen geſchehene Deckung des Bedarfs 
gekannt habe, oder daß er doch den Mißbrauch der 
Vertretungsmacht, auch wenn er nur die unter den 
gegebenen Verhältniſſen allgemein übliche Sorgfalt 
anwendete, habe erkennen müſſen. 

4. Dieſen Grundſätzen entſpricht die Art und 
Weiſe, wie der Berufungsrichter nicht in Widerſpruch, 
ſondern in Uebereinſtimmung mit den in dem Urteile 
vom 31. Mai 1905 enthaltenen Darlegungen die Be— 
weislaſt verteilt hat. Es war Sache der Klägerin, 
die ſich darauf beruft, daß die mit der Ehefrau des 
Beklagten abgeſchloſſenen Verträge als in deſſen Namen 
abgeſchloſſen zu gelten hätten, darzulegen und nad- 
zuweiſen, daß die Vorausſetzungen der geſetzlichen Ver— 


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I N. I E a „ — — I Gm 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 1908. Nr. 1. 


tretungsmacht beim Vertragsabſchluſſe vorhanden 
waren und wie weit die Ermächtigung kraft Geſetzes 
reichte. Gewann dadurch der Berufungsrichter den 
Maßſtab für die Abgrenzung des Vertretungsrechts 
der Frau, der Beklagte aber wollte die mit der Klägerin 
abgeſchloſſenen Geſchäfte, ſelbſt ſoweit ſie im Einzel⸗ 
falle dieſe Grenze einhielten, aus dem erörterten Grunde 
nicht gegen ſich gelten laſſen, ſo war es ſeine Sache, 
neben dem Nachweiſe des Mißbrauchs der geſetzlichen 
Ermächtigung auch 
Klägerin nachzuweiſen. Unbegründet iſt ferner die 
Rüge der Anſchlußreviſion, es ſei nicht mit aus⸗ 
reichender Begründung feſtgeſtellt, daß die Ehefrau 
des Beklagten die Beſtellungen in feinem Namen ge- 
macht habe. Eines beſonderen Nachweiſes bedurfte 
es für dieſe Annahme überhaupt nicht, weil nach 
§ 1357 Abſ. 1 Satz 2 BGB. die von der Frau innerhalb 
ihres häuslichen Wirkungskreiſes vorgenommenen 
Rechtsgeſchäfte ohne weiteres als im Namen des 
Mannes vorgenommen zu gelten haben, es ſei denn, 
daß ſich aus den Umſtänden ein anderes ergibt. Die 
Rüge würde unter weſentlich anderen Geſichtspunkten 
in Betracht zu ziehen ſein, wenn ſich die Anſchluß⸗ 


reviſion auch auf den anderen Teil der W 


des Berufungsrichters erſtreckt hätte, bei dem es ſi 
um die Frage handelt, ob die Ehefrau des Beklagten 
unter Ueberſchreitung des Betrages von 7500 Frank, 
alſo ohne Vertretungsmacht, im Namen des Beklagten 
gehandelt, Beklagter aber die in feinem Namen ab- 
geſchloſſenen Verträge genehmigt hat (vgl. 83 177 
Abf. 1, 164 Abſ. 2 BGB.). Dieſen Teil der Entſcheidung 
hat jedoch der Beklagte mit der Anſchlußreviſion über⸗ 
haupt nicht h (Urt. des IV. 35. vom 
30. September 1907, IV 50/07). 
1110 


— — — :. 


II. 


Erſerderniſſe des Bermerks über die Berleſung des 
bei der Teſtamentserrichtung aufgenommenen Protokolls. 
(F 2242 Abſ. 1 Satz 2 BGB.). Die Parteien ftreiten 
darüber, ob das am 1. Mai 1900 von B. zu no⸗ 
tariellem Protokoll errichtete Teſtament der Form— 
vorſchrift des 8 2242 BGB. entſpricht. Das Protokoll 
beginnt mit den Worten: 

„Verhandelt D. den 1. Mai 1900. 

Betreffend: Teſtament des H. B. dahier“. 

Nach der „ daß ſich der Notar mit 
den beiden Zeugen in die Wohnung des Erblaſſers 
auf deſſen ausdrücklichen Wunſch begeben habe, wird 
im Protokolle fortgefahren: 

-Erblaſſer erklärte hierauf dem unterzeichneten 
2 in Gegenwart der zugezogenen Zeugen, wie folgt: 
ein 
Teſtament: 

I. Zu Erben meines dermaleinſtigen Nachlaſſes 
fege ich einn 

Der Schluß des Protokolles lautet: 

„Vorſtehendes Teſtament iſt wörtlich vorgeleſen, 
vom Erblaſſer genehmigt und ſodann von ihm fomie 
den zugezogenen Zeugen und dem amtierenden Notar 
wie folgt unterſchrieben worden:“ 

— Unterſchriften — 

Der zu den nicht eingeſetzten geſetzlichen Erben 
des Erblaſſers gehörende Kläger hat auf Feſtſtellung 
der Nichtigkeit des Teſtaments geklagt. Die Klage 
und die Berufung des Klägers wurden als unbegründet 
zurückgewieſen. Die Reviſion blieb erfolglos. 

Gründe: Der Kläger hat die Gultigkeit des 
notariellen Teſtaments vom 1. Mai 1900 wegen des 
von om behaupteten Verſtoßes gegen § 2212 Abſ. 1 
Satz BGB. beſtritten. Er meint, weil in dem 
Vorleſungsvermerk nicht das Wort „Protokoll“, ſondern 
„Teſtament“ gebraucht ſei, fehle im Protokolle die 
erforderliche Feſtſtellung, daß das ganze Protokoll 
vorgeleſen worden fei; er vertritt die Auffaſſung, aus 


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deffen Erkennbarkeit für die 


19 


— —— 


dem Protokolle ſei nur die Vorleſung des mit Teſta⸗ 
ment überſchriebenen verfügenden Teiles erſichtlich. 
Das Berufungsgericht iſt der Auffaſſung des Klägers 
entgegengetreten. Es hat unter Hinweis auf die 
natürliche, dem Sprachgebrauche des gewöhnlichen 
Lebens entſprechende Bedeutung das im Vorleſungs— 
vermerk enthaltene Wort „Teſtament“ dahin ausge: 
legt, daß damit nicht bloß der verfügende Teil der 
Teſtamentsurkunde, ſondern vernünftigerweiſe der 
ganze über die Teſtamentserrichtung aufgenommene 
Akt gemeint ſei. Die Angriffe der Reviſion konnten 
keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat ſich 
nicht darauf beſchränkt, auf die einen ähnlichen Fall 
betreffende Entſcheidung des Reichsgerichts Bd. 50 S. 23 
zu verweiſen. Es hat die Umſtände des vorliegenden 
Falls geprüft und iſt daraufhin zu der von ihm ver: 
tretenen ſehr wohl möglichen Auslegung ohne Rechts— 
irrtum gelangt. Auf Grund dieſer Auslegung ſieht 
das Berufungsgericht als dargetan an, daß der vom 
Kläger in Zweifel gezogenen Vorausſetzung für die 
Gültigkeit des Teſtaments durch Vorleſung des Proto— 
kolls genügt worden iſt. Wenn das Berufungsgericht 
noch hervorgehoben hat, daß Teſtamente möglichſt 
aufrecht zu erhalten ſeien, ſo iſt die darin enthaltene 
Bezugnahme auf die Vorſchrift des § 2084 BGB. zwar 
nicht zutreffend, aber unerheblich. Denn nach den 
Ausführungen des Berufungsgerichts läßt der Bor: 
leſungsvermerk bei verſtändiger Würdigung nicht noch 
eine abweichende, ſondern nur die vom Berufungs- 


gericht vertretene Auslegung zu; für Zweifel blieb 


mithin kein Raum. (Urt. des IV. ZS. vom 3. Oktober 


1907, IV 62/07). — — n. 
1103 
Bedeutung einer vor = Rahla gericht abgegebenen 


Aa durch welche die Very tung zur Aus⸗ 
plei chung von Borempfängen anerkannt wird. Aus 

en Gründen: Das Berufungsgericht hat ausge— 
führt: Es bedürfe nicht des Nachweiſes, ob die Eltern 
oder der Vater des Beklagten bei jeder einzelnen Zus 
wendung die Ausgleichung angeordnet hätten oder 
unter welchen ſonſtigen Umſtänden die Zuwendungen 
gemacht ſeien. Entſcheidend ſei, daß der Beklagte in 
dem Termin vor dem Nachlaßgericht am 3. Juli 1902 
ſeine jetzt allein noch ſtreitige Ausgleichungspflicht 
wegen der 21000 Mk. den Klägern gegenüber ſtill— 
ſchweigend anerkannt habe. Dies ergebe ſich, wenn 
auch das Protokoll über die gerichtliche Verhandlung 
vom 3. Juli 1902 die 21000 Mk. nicht erwähne, aus 
dem Verlaufe der Nachlaßverhandlung ſelbſt, aus 
den vorher und nachher gepflogenen Verhandlungen 
der Parteien und aus dem Verhalten und den Er— 
klärungen des Beklagten in dem Rechtsſtreite. Das 
Berufungsgericht lehnt es ſonach ab, zu erörtern, ob 
eine geſetzliche Ausgleichungspflicht beſtand, es leitet 
die Verpflichtung des Beklagten, die 21000 Mk. zur 
Ausgleichung zu bringen, aus einem ſtillſchweigenden 
Anerkenntnis des Beklagten vom 3. Juli 1902 her. 
Nach dem hier maßgebenden Rechte des BGB. erzeugt 
das einſeitige Anerkenntnis des Schuldners noch keine 
rechtliche Verbindlichkeit, wenn es auch als Beweis— 
mittel für das Beſtehen eines Schuldverhältniſſes in 
Betracht kommen kann. Zur ſelbſtändigen, von dem 
Beſtehen eines früheren Schuldverhältniſſes unab— 
hängigen Begründung der Verpflichtung eines Schuld— 
ners bedarf es eines rechtswirkſamen Vertrages mit 
dem Gläubiger. Daß es am 3. Juli 1902 zum Ab— 
ſchluß eines ſolchen die hier in Rede ſtehende Mus- 
gleichungsverbindlichkeit des Beklagten ſelbſtändig be— 
gründenden Vertrages gekommen iſt, hat das Be— 
rufungsgericht, wie die Reviſion mit Recht rügt, nicht 
feſtgeſtellt. Es fehlt zunächſt an jedem Anhalt dafür, 
daß ein den Erforderniſſen des § 781 BGB. ent: 
ſprechender Schuldanerkenntnisvertrag zum Abſchluß 
gelangt ijt. Aus den Ausführungen des Berufungs- 


gerichts erhellt auch nicht, daß die kurze Erwähnung 
des Vertreters der Kläger in dem Termine vom 
3. Juli 1902, die 21000 Mk. könnten bei der Erb⸗ 
auseinanderſetzung als gegenſeitig ausgeglichen aus⸗ 
ſcheiden, die Bedeutung eines vertragsmäßigen An⸗ 
gebots hatte und daß daraufhin eine vertragliche 
Einigung der Parteien zuſtande gekommen ſei, die 
den Beklagten verpflichtete, die hier fraglichen 21000 Mk. 
unter allen Umſtänden, auch für den Fall des Nicht⸗ 
beſtehens einer geſetzlichen Verpflichtung, bei der Erb⸗ 
auseinanderſetzung mit den Klägern zur Ausgleichung 
zu bringen, De die Kläger einen Vorempfang ihrer 
Mutter in Höhe von 21000 Mk. zur Ausgleichung 
bringen. Das vom Berufungsgericht angeführte Ur⸗ 
teil vom 27. Oktober 1865 (Seuff A. Bd. 22 Nr. 224) 
betrifft einen anders gearteten Sachverhalt. Uebrigens 
iſt dort zur Begründung der Annahme einer ſelbſt⸗ 
verſtändlichen natürlichen Kollationsverbindlichkeit auf 
die mutmaßliche Abſicht der Beteiligten bei der Zu⸗ 
wendung, mithin gerade auf ſolche Umſtände hinge⸗ 
wieſen worden, hinſichtlich deren das Berufungsgericht 
eine Prüfung der Sachlage abgelehnt hat. (Urt. des 
IV. 85. vom 14. Oktober 1907, IV 68/07). 
1102 — — ½· n. 


IV. 


Welche Umſtände find bei Prüfung der Verwechſe⸗ 
lungs fähigkeit zweier Warenzeichen in Betracht zu ziehen? 
(§ 20 WZG.). Aus den Gründen: Diejenigen Aus- 
führungen des Berufungsgerichts geben zu rechtlichen 
Bedenken Anlaß, durch welche die Gefahr einer Verwech⸗ 
ſelung der von den Parteien auf ihren Säcken benutzten 
Zeichen verneint iſt. Bei Prüfung der Verwechſelungs⸗ 
gefahr iſt das Berufungsgericht von einer genaueren 
Betrachtung beider Zeichen ausgegangen und es hat 
hierbei die Anordnung der Umſchriften und deren 
Inhalt von vornherein bei der Vergleichung ausge- 
ſchieden und ſich im weſentlichen auf eine Vergleichung 
des hauptſächlichſten Beſtandteils beider Zeichen, näm⸗ 
lich des fünfzackigen Sterns mit dem Worte „Stern⸗ 
marke“ in dem klägeriſchen Warenzeichen und des 
vierzackigen Sterns mit den vier Punkten in dem 
Warenzeichen der Beklagten beſchränkt. Nun kann 
zwar nach der feſtſtehenden Rechtſprechung des Senats 
ein einzelner Beſtandteil eines Warenzeichens aus 
dieſem oder jenem Grunde ſo vorherrſchen und eine 
ſo hervorragende Bedeutung haben, daß dadurch der 
Geſamteindruck des Warenzeichens beſtimmt wird. 
Dies darf jedoch, da nur das Geſamt bild das Ent⸗ 
ſcheidende iſt, nicht dazu führen, von vornherein bei 
der Vergleichung zweier Zeichen die Kennzeichnung in 
Haupt⸗ und Nebenbeſtandteile zu zerlegen; vielmehr 
können auch diejenigen Teile eines Warenzeichens, 
welche an und für ſich und bei genauer Betrach— 
tung nebenſächlich ſind, durch die Art ihrer Anordnung, 
Umſchrift u. dgl. im Zuſammenhalt mit dem übrigen 
Inhalte des Zeichens dazu beitragen, den Geſamt— 
eindruck zu beſtimmen und damit die Gefahr einer 
Verwechſelung zu begründen oder zu erhöhen. Nicht 
ohne alle Bedeutung für den Geſamteindruck iſt übrigens 
auch der Einfluß, der durch die beſtimmungsmäßige 
und verkehrsübliche Art der Verwendung eines Zeichens 
ausgeübt wird. Grundſätzlich hat zwar das Be— 


rufungsgericht darin recht, daß das Warenzeichen nur. 


in der eingetragenen Erſcheinung Schutz genießt und 
daß der Zeicheninhaber für eine deutliche Anbringung 
des Zeichens Sorge tragen muß. Der Grundſatz muß 
auch mit einer gewiſſen Strenge angewandt werden, 
um die Grenze des Zeichenſchutzes nicht zu verwiſchen. 
Allein ſeine Anwendung darf nicht ſtarr und ohne jede 
Rückſicht auf die Zweckbeſtimmung der Warenzeichen 
und die Umſtände des Falles bis zur äußerſten Kon— 
ſequenz durchgeführt werden. Das Warenzeichen hat 
die Veſtimmung, den Bedürfniſſen des geſchäftlichen 


20 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


Verkehrs zu dienen und dieſe ſeine Zweckbeſtimmung 
verlangt, daß bei der Prüfung einer Verwechſelungs⸗ 
gefahr der Eindruck nicht ganz außer Betracht bleiben 
darf, wie es ſich bei beſtimmungsmäßiger und verkehrs⸗ 
üblicher Art ſeines Gebrauches darſtellt. Nun wird 
aber bei Waren, welche, wie Mehl u. dgl., in Säcken 
verpackt werden, das Warenzeichen nach den Gepflogen⸗ 
heiten des Verkehrs auf den Säcken ſelbſt angebracht 
und es iſt natürlich, daß dadurch je nach Beſchaffenheit 
der Ware der Eindruck des Zeichens im Verkehre be- 
einflußt wird. Das Berufungsgericht geht nun zu weit. 
wenn es dieſem in der Natur der Sache liegenden Ein⸗ 
fluſſe des Gebrauchs auf den Geſamteindruck eines 
Zeichens alle und jede Bedeutung für die Frage der 
Verwechſelungsgefahr abſpricht. (Urt. des II. 38. 
vom 15. Oktober 1907, II 149/07). 


1095 RK; e. 


C. Strafſachen. 


I: 


Abtretung einer künftigen Forderung, die als un⸗ 
abtretbar zur Entſtehung gelangt. Betrug durch Ber- 
ſchweigung dieſes letzteren Umſtands. Bermögensbe⸗ 
ſchädigung. ($ 263 StGB.; 88 399, 402 B.). Daß 
der zwiſchen dem Angeklagten und K. abgeſchloͤſſene 
Abtretungsvertrag vom 15. Mai 1905 rechtsgültig 
war, obwohl er eine zukünftige Forderung des Ange⸗ 
klagten betraf, ift richtig (Entſch. des RG. in ZS. 

d. 55 S. 334, Bd. 58 S. 72). Richtig iſt auch, daß 
der Angeklagte infolge des Vertrags rechtlich ver- 
pflichtet war, dem K., deſſen Kredit er auf Grund des 
Vertrages in Anſpruch nehmen wollte, davon Mit⸗ 
teilung zu machen, daß die Stadt G., die Schuldnerin, 
den Abſchluß des Fuhrvertrags mit dem Angeklagten 
von der Rückgängigmachung jener Abtretung ab- 
hängig gemacht hatte, die ihr der Angeklagte ange⸗ 
zeigt hatte. Dieſe rechtliche Verpflichtung ergibt ſich, 
abgeſehen von den Grundſätzen über Treu und Glauben, 
aus dem § 402 BGB., wonach der bisherige Gläubiger 


dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der 


Forderung nötige Auskunft zu erteilen hat. Es iſt 
auch gegen die weitere Feſtſtellung des Erſtrichters, 
der Angeklagte habe die Benachrichtigung des K. unter⸗ 
laffen, weil er andernfalls deffen Kredit zu verlieren 
fürchtete, alſo in der Abſicht, ſich einen rechtswidrigen 
Vermögensvorteil zu verſchaffen, ein rechtliches Be⸗ 
denken nicht zu erheben. Mit dieſer Feſtſtellung 
ſtimmt auch die weitere Begründung des Urteils 
überein, wonach der Angeklagte durch die Unter⸗ 
drückung jener wahren Tatſache den K. in den Irr— 
tum verſetzt habe, daß er die Anſprüche des Ange: 
klagten aus dem Fuhrvertrage mit der Stadt G. ge- 
nieken würde, und dadurch allein den K. zur Kredit- 
gewährung veranlaßt habe. Irrtümlich iſt es aber, 
daß der Erſtrichter die dem K. zugefügte Vermögens⸗ 
beſchädigung nicht in der Gewährung des Kredits, 
. darin erblickt hat, daß der Angeklagte trotz 
er Abtretung der Forderungen, die ihm auf Grund 
des Fuhrvertrages mit der Stadt G. erwuchſen, dieſe 
in der Höhe von 1519 Mk. 5 Pfg. ſelbſt eingehoben hat. 
Dabei wird überſehen, daß dem K. trotz des Ab⸗ 
tretungsvertrags ein Anſpruch gegen die Stadt G. 
auf Zahlung der dem Angeklagten geſchuldeten Be— 
träge nicht erwachſen iſt. Denn wenn auch künftige 
Forderungen abgetreten werden können, ſo können ſie 
doch nur fo, wie fie nachmals entſtehen, uni wenn fie 
in tatſächlicher oder rechtlicher Beziehung beſchränkter 
begründet werden, als bei der Abtretung vorausge— 
ſetzt wurde, lediglich in diefem engen Umfange von 
der Abtretung ergriffen werden. Wer ſich eine noch 
nicht beſtehende Forderung abtreten läßt, muß darauf 


gefaßt fein, daß ihm damit nicht mehr Rechte gegen 
den künftigen Schuldner übertragen werden, als dieſer 
dem abtretenden Gläubiger nachmals einräumen wird, 
und kann ſich wegen des darüber hinaus Abgetretenen 
allein an den Abtretenden halten. Dies gilt nicht 
bloß von dem Umfange der Abtretung, ſondern auch 
von der Abtretung überhaupt, wenn der Schuldner 
bei oder — wie hier — vor der Eingehung des 
Schuldvertrages mit dem Gläubiger vereinbart, die 
Forderung dürfte nicht an einen andern übertragen 
werden (8 399 BGB.). Denn dann iſt nur eine 
Forderung entſtanden, die von vorneherein unabtret⸗ 
bar war. Der Vertrag vom 15. Mai 1905 war 
ſomit in Bezug auf die darin erklärte Abtretung 
gegenſtandslos und konnte irgend welche Rechts⸗ 
wirkungen zugunſten des K. gegen die Stadt G. 
nicht begründen. Dieſe war allein dem Angeklagten 
zur Zahlung der infolge des JFuhrvertrages zu 
leiſtenden Beträge verpflichtet und er war ihr gegen⸗ 
über zu deren Einziehung berechtigt. Die Beſchädigung 
des Vermögens des K. dürfte ſohin nicht darin ges 
funden werden, daß der Angeklagte von dieſem ledig⸗ 
lich ihm zuſtehenden Rechte der Einziehung Gebrauch 
machte, ſondern darin, daß K. ſich im Vertrauen auf 
die Wirkſamkeit des Abtretungsvertrages zur Ge⸗ 
währung von Kredit an den Angeklagten bereit finden 
ließ. (Urt. d. V. StS. v. 20. Sept. 1907, 5 D 261/07). 
1058 


— — — 88 — 


II. 


Urkundenfälſchung durch Fertigung eines eigen⸗ 
ändigen Teſtaments mit dem Willen des Teſtators 
3267 St., 5 2231 Nr. 2 BEB.). Ohne Rechtsirrtum 
iſt dargetan, daß die der Angeklagten zur Laſt gelegte 
Niederfchrift des Teſtamentes ihres Vaters unter deſſen 
Namen objektiv die fälſchliche Anfertigung einer Urs 
kunde darſtellt. Nach 8 2231 Nr. 2 BGB. ift Eigen⸗ 
händigkeit der Schrift weſentliche Vorausſetzung der 
dort vorgeſehenen Teſtamentsform. Ohne dieſe Eigen⸗ 
händigkeit fehlt dem Teſtament als Urkunde die ge⸗ 
ſetzliche Form. Jeder andere — außer dem Teſtator 
ſelbſt — ermangelt hiernach kraft zwingender Rechts⸗ 
vorſchrift des Rechtes, für ihn und an ſeiner Statt 
das Teſtament niederzuſchreiben und mit des Teſtators 
Namen zu unterzeichnen. Hieran vermag auch der Wille 
des Teſtators nichts zu ändern: dieſer kann keinen 
andern rechtswirkſam ermächtigen und beauftragen, 
dieſe Rechtshandlung für ihn vorzunehmen. Die 
gleichwohl vorgenommene Rechtshandlung bleibt ob: 
jektiv rechtswidrig, d. h. auch Ermächtigung und Nuf- 
trag ändern nichts daran, daß der das Teſtament 
Fertigende, obwohl die Fertigung dem Willen des 
Teſtators entſpricht, dennoch objektiv unbefugt handelt; 
insbeſondere ohne rechtliche Befugnis ſich des Namens 
des Teſtators zur Unterzeichnung und damit zur ab— 
ſchließenden Herſtellung der Teſtamentsurkunde bedient. 
Nicht mit der Rechtsunwirkſamkeit des Inhalts der 
Urkunde wird die Fälſchung begründet, ſondern mit 
der ſich nach dem objektiven Recht als unſtatthaft und 
damit als Mißbrauch darſtellenden Verwendung einer 
beſtimmten Urkundenform (vgl. Entſch. d. RG. Bd. 5 
S. 151). Ob die Angeklagte dabei auch in rechtswidriger 
Abſicht handelte, ift weſentlich Tatfrage .. (Urt. d. 
V. StS. vom 11. Oktober 1907, 5 D 481/07). 

1084 


— — ee — — 


III. 


Beweisantrag des Nebenklägers. Unzuläſſige 
Borwegnabhme des Beweisergebniſſes. Erfolg mußte 
die von der Reviſion des Nebenklägers erhobene Rüge 
haben, der Erſtrichter habe den von ihm geſtellten 
Beweisantrag ungenügend und rechtsirrtümlich ges 
würdigt, „den vernehmenden Richter darüber zu hören, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


u air Er EEE — ͤ•vdſ ?ê1«é«ẽmwñ ᷑ ?:74d.. ·½o⅛²]3iß — — . — —. — — ..... ...- — 9 


Nr. 1. 


21 


— 


daß ein Mißverſtehen bei dem Geſtändniſſe des An⸗ 
geklagten weder auf der einen noch auf der andern 
Seite vorgelegen habe“. Der Erſtrichter führt in dieſer 
Hinſicht in dem Urteil aus, es müſſe damit gerechnet 
werden, daß zum mindeſten auf ſeiten des Angeklagten 
ein Mißverſtändnis vorliege; daß dies der Fall ge⸗ 
weſen, könne auch durch die von dem Nebenkläger 
beantragte Vernehmung des Richters nicht widerlegt 
werden; denn Miso könnte nur bekunden, daß auf 
ſeiner Seite ein Mißverſtändnis nicht obgewaltet habe, 
dagegen nichts darüber wiſſen, ob der Angeklagte ſelbſt 
ſich nicht etwa ſo ausgedrückt habe, wie er es nicht 
beabſichtigt hatte. Der Erſtrichter lehnt deshalb den 
Beweisantrag ab. Dieſe Ablehnung enthält eine un⸗ 
zuläſſige Vorwegnahme des Beweisergebniſſes. Der 
Antrag bezweckte nachzuweiſen, aus den Umſtänden, 
unter denen der Angeklagte die ihn belaſtenden An⸗ 
gaben zu Protokoll des ihn vernehmenden Richters 
gemacht habe, gehe hervor, daß entweder der Richter 
ſie nicht verſtanden oder der Angeklagte ſich anders 
als beabſichtigt ausgedrückt habe. Ob das letztere der 
Fall war oder nicht, konnte der Erſtrichter erſt dann 
eurteilen, wenn er den Zeugen gehört hatte. Das 
Urteil unterlag daher der Aufhebung. (Urt. d. V. StS. 
vom 24. September 1907, 5D 445 07). — —e— — 
1083 


IV. 


$ 363 oder $ 267 Sts.? Der Angeklagte Hatte 
ſich bei der Polizeiverwaltung in C. um Anſtellung 
als Polizeiſergeant beworben und in dem ſchriftlichen 
Geſuch angeführt, er ſei Unteroffizier der Reſerve. 
Auf die Aufforderung, den Nachweis dafür zu ers 
bringen, legte er ſeinen Militärpaß vor, in dem er 
— ſchon vor der Bewerbung — fälſchlich die Beförde— 
rung zum Unteroffizier eingetragen hatte. Die Straf— 
kammer nimmt unter Anlehnung an die Entſch. d. 
RG. Bd. 8 S. 37 an, der Angeklagte habe in Be- 
tätigung einer allgemeinen und unbeſtimmten Willens⸗ 
richtung, mit Hilfe der Urkunde ſich irgendwelche 
günſtige Ausſicht für ſein Fortkommen zu ſchaffen, 
ſeinen Militärpaß verfälſcht und von ihm der Polizei⸗ 
verwaltung gegenüber wiſſentlich Gebrauch gemacht . .. 
Dabei iſt überſehen, daß der Angeklagte jedenfalls 
die Vorlegung des gefälſchten Paſſes aus Anlaß und 
zum Zwecke der Bewerbung um eine beſtimmte amt« 
liche Stellung ausgeführt hat. Die Annahme, es ſei 
das wiſſentliche Gebrauchmachen zum Zwecke des 
beſſeren Fortkommens geſchehen, beruht auf einer irr— 
tümlichen Auffaſſung des $ 363 StB. Der Anges 
klagte hat dadurch, daß er ſich als zum Unteroffizier 
befördert bezeichnet hat, in die Rechte der Militärs 
behörden eingegriffen, denen die Befugnis zur Be— 
förderung beigelegt iſt; er hat ſich einen militäriſchen 
Rang angemaßt, mit deſſen Beſitz beſtimmte Rechte 
und Befugniſſe privatrechtlicher oder öffentlichrecht— 
licher Natur verbunden ſind. Er hat ferner die 
Rechte der Anſtellungsbehörde verletzt, indem er in 
der Abſicht, die Stelle eines Polizeiſergeanten zu er— 
langen, die Polizeiverwaltung in C. über ſeinen mili— 
täriſchen Rang zu täuſchen unternommen hat. In 
doppelter Richtung iſt alſo durch das Gebrauchmachen 
in konkrete Rechte Dritter eingegriffen. Daß auf eine 
ſo geſtaltete Verfehlung die Vorſchrift des § 363 
StGB. nicht anwendbar ift, ergibt fidh aus der feft- 
ſtehenden Rechtſprechung des Reichsgerichts (Entſch. 
Bd. 31 S. 296, Bd. 38 S. 145). (Urt. des V. StS. 
v. 20. Sept. 1907, 5 D 380,07). 

1087 


— — k — — 


22 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 

I. „ 

Muß das Vormundſchaſtsgericht vor der Regelung 

des Verkehrs des geſchiedenen und für ſchuldig erklärten 

Ehegatten mit ſeinem Kinde den anderen Ehegatten oder 


fonftige Verwandte des Kindes hören? (BOB. 88 1636, 
1673). Das Amtsgericht M. als Vormundſchaftsgericht 


hat den perſönlichen Verkehr der aus ihrem Verſchulden 
von ihrem Manne G. Z. geſchiedenen nunmehrigen 


Kunſtmalersgattin E. St. in P. mit ihrer erſtehelichen 
Tochter geregelt. Später regte E. St. bei dem Vor⸗ 
mundſchaftsgericht eine Aenderung und Ergänzung der 
Regelung an. Dieſem Antrage hat das Vormund chafts⸗ 
gericht ohne weiteres ſtattgegeben. Auf Beſchwerde 
des Vaters hat das Landgericht die Verfügung des 
Vormundſchaftsgerichts aufgehoben und die Sache an 
das Vormundſchaftsgericht zurückverwieſen, weil durch 
Unterlaffung der Anhörung des Vaters die Vorſchrift 
des 8 1673 BGB. verletzt worden fei und die Würdigung 
ſeiner Einwendungen zu einer anderen Entſcheidung 
führen könne. Auf weitere Beſchwerde der E. St. iſt 
die Entſcheidung aufgehoben und das LG. angewieſen 
worden anderweit zu entſcheiden. 

Gründe: Nach dem $ 1673 Abſ. 1 BGB. ſoll 
das Vormundſchaftsgericht vor einer Entſcheidung, 
durch die die Sorge für die Perſon des Kindes dem 
Vater entzogen oder beſchränkt wird, den Vater hören. 
Eine ſolche Entſcheidung ſteht aber bei einer nach 
§ 1636 Satz 2 BGB. zu treffenden Anordnung nicht 
in Frage. Die dem Vater zuſtehende Sorge für die 
Perſon des Kindes ift im Falle des 8 1635 von vorn 
herein durch das im § 1636 Satz 1 beſtimmte Recht 
der geſchiedenen Mutter beſchränkt, die Anordnung, 
durch die das Vormundſchaftsgericht den perſönlichen 
Verkehr der Mutter mit dem Kinde näher regelt, ent⸗ 
hält nicht einen das Recht des Vaters mindernden 
Eingriff in die dem Vater zuſtehende Sorge für die 
Perſon des Kindes ſondern trifft nur die zur zweck⸗ 
mäßigen Verwirklichung des Rechtes der Mutter er⸗ 
forderliche nähere Beſtimmung über die Art, wie dieſes 
Recht ausgeübt werden fol. Der 8 1673 Abſ. 1 iſt 
deshalb auf ſie ebenſowenig anwendbar wie die Vor⸗ 
ſchriſt des Abſ. 2 des § 1673, nach der vor der im 
Abſ. 1 bezeichneten Entſcheidung auch Verwandte oder 
Verſchwägerte des Kindes gehört werden ſollen. 
Ermangelung einer beſonderen Vorſchrift hat das Vor⸗ 
mundſchaftsgericht über die Anhörung des Vaters nach 
pflichtmäßigem Ermeſſen zu entſcheiden. Erachtet das 


In 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


S., deffen derzeitiger Beſitzer L. v. H. ift, gehören 
Kapitalien, die in Pfandbriefen zu 3¼ / angelegt 
find. Am 28. Mai 1907 zeigte die Hauptbank als 
Hinterlegungsſtelle dem Fideikommißgericht an, daß 
bei der letzten Verloſung ein Pfandbrief zu 2000 Mk. 
zum Zuge gelangt ſei und die Einlöſung bei der 
Bankabteilung erfolge. Das Fideikommißgericht er⸗ 
teilte der Hinterlegungsſtelle die Weiſung, den Pfand⸗ 
brief an den Fideikommißbeſitzer hinauszugeben. 
Gleichzeitig ſtellte es an ihn das Erſuchen, für das 
verloſte Wertpapier Erſatz zu beſchaffen. Am 27. des⸗ 
ſelben Monats wurde von der Hinterlegungsitelle der 
Pfandbrief an L. v. H. hinausgegeben. Am 1. Juli 
zeigte dieſer dem Fideikommißgericht an, daß er an 
Stelle des ausgeloſten Pfandbriefs zu 2000 Mk. zwei 
Pfandbriefe der gleichen Art zu je 1000 Mk. erworben 
und an die Hinterlegungsſtelle eingeſendet habe. 
Hierauf erſuchte das Gericht den Fideikommißbeſitzer 
für die Aufzahlung der Differenz zwiſchen dem Ein⸗ 
löſungswert des verloſten Pfandbriefes zu 2000 Mk. 
und dem Anſchaffungspreis der beiden neu erworbenen 
Pfandbriefe Erſatz zu beſchaffen. L. v. H. ſtellte den 
Antrag, dieſen Auftrag zurückzunehmen. Am 3. Auguſt 
ordnete das Fideikommißgericht an, daß die Kurs⸗ 
differenz von 138 Mk. dem Fideikommißvermögen zu 
erſtatten ſei. Die Beſchwerde des L. v. H. wurde 
zurückgewieſen. g 

Gründe: Das FidE. bezeichnet die Rechts⸗ 
ſtellung des Fideikommißbeſitzers dahin, daß er nicht 
der Eigentümer oder der alleinige Eigentümer ſondern 
nur „Nutzungseigentümer“ — ift und ſpricht ihm 
weiter alle Befugniſſe eines „Nutznießers“ zu, legt 
ihm dagegen auch alle Verpflichtungen eines ſolchen 
auf (88 42, 44, 74). Der jeweilige Inhaber des Fidei⸗ 
kommiſſes iſt demzufolge berechtigt, die ordentlichen 
und die zufälligen außerordentlichen Nutzungen der 
zum Fideikommißvermögen gehörenden Gegenſtände 


zu ziehen. Dagegen muß er die Subſtanz dieſer Gegen⸗ 


Beſchwerdegericht die Einwendungen des Vaters für 


beachtenswert, ſo iſt es nicht gehindert, unter Auf⸗ 
hebung der angefochtenen Verfügung das Vormund⸗ 
ſchaftsgericht anzuweiſen, über ſie zu entſcheiden. Hier 


hat aber das Beſchwerdegericht infolge ſeiner irrigen 


Rechtsanſicht ſich nicht mit der Frage befaßt, ob das Vor⸗ 
mundſchaftsgericht nach pflichtmäßigem Ermeſſen den 
Vater hätte hören müſſen, und es iſt die Möglichkeit 


nicht ausgeſchloſſen, daß für die urückverweiſung der 
3 8 N | 3 15 kommißbeſitzer als verpflichtet erachtet werden könnte, 


Sache an das Vormundſchaftsgericht die Annahme von 
weſentlicher Bedeutung war, daß das Verfahren des 
Vormundſchaftsgerichts gegen eine geſetzliche Vorſchrift 
verſtoße. Mit Rückſicht hierauf muß die richtige An- 
wendung des § 1673 BGB. zur Aufhebung der Ent⸗ 
ſcheidung und zur Zurückverweiſung führen. (Beſchluß 
des I. 3 S. vom 22. November 1907, IH 82,07). W. 
1105 


II. 


Bei Veränderungen in dem Beſtand an Wert 
papieren eines Familienfideikommiſſes gereichen Kurs⸗ 
ſchwankungen der Subſtanz des Fideikommißvermögeus, 
nicht dem Fideikommißbeſitzer zum Vorteil oder Nach⸗ 
teile (VII. Verfaſſungsbeilage 88 42, 44, 73—75). Zu 
dem Vermögen des v. H.ſchen Familienfideikommiſſes 


ſtände, ſofern fie nicht zum Verbrauche beſtimmt und 


nur zu ſurrogieren ſind, unverſehrt erhalten. Sie 
vermehren oder ihren Wert erhöhen muß er nicht; 
für eine Minderung des Wertes der Subſtanz des 
Fideikommißvermögens haften er und ſeine Allodial⸗ 
erben nur, wenn ihn der Vorwurf einer Pflichtver⸗ 
ſäumnis in der ordnungsmäßigen Verwaltung des 
Fideikommißvermögens trifft, ihm ein Verſchulden zur 
Laſt fällt (ss 6, 44, 73, 74, 75). Bei der Anwendung 
dieſer Grundſätze ergibt ſich folgendes: Sind zum 
Fideikommißvermögen gehörende Kapitalien in Wert⸗ 
papieren angelegt, ſo beſteht die Subſtanz dieſes Ver⸗ 
mögensteiles in dem wirklichen, d. h. dem jeweiligen 
Verkaufswerte, der nach den wechſelnden wirtſchaft⸗ 
lichen Verhältniſſen des Kredits und des Geldmarktes 
gewiſſen Schwankungen — durch Sinken oder Steigen 
des Kurſes — unterliegt. Dieſe Kursſchwankungen 
dürfen dem Fideikommißbeſitzer weder zum Vorteil, 
noch zum Nachteil gereichen; ſie berühren zunächſt nur 
das Fideikommißvermögen, d. h. die Geſamtheit der 
an ihm Berechtigten. So wenig deshalb der Fidei⸗ 


bei der Erwerbung eines Wertpapiers, das zum Erſatz 
eines anderen zur Einlöſung gelangten zu dienen hat, 
einen Mehraufwand aus eigenen Mitteln (wegen ge⸗ 
ſtiegenen Kurſes) zu machen, ebenſowenig iſt er befugt, 
den Betrag, den er bei dem erwähnten Erſatzgeſchäft 


von dem Subſtanzwerte des Kapitals nicht aufzu⸗ 


wenden brauchte, weil der Anſchaffungspreis hinter 
dem Einlöſungspreiſe zurückblieb, für ſich einzubehalten. 
Dazu wäre er nur dann berechtigt, wenn der beim 
Surrogierungsgeſchäft eingeſparte Betrag, die ſoge⸗ 
nannte Kursdifferenz, als eine ordentliche oder außer⸗ 
ordentliche „Nutzung“ des Kapitals angeſehen werden 
könnte. Von einer ſolchen Nutzung kann aber in 
ſolchen Fällen die Rede nicht ſein. Hier ſteht feft, 
daß der volle Barbetrag des Nennwertes des Pfand⸗ 


Zeitſchrift Fü für Rechtspflege in Bayern. 1908. Rr. 1. 


briefs bei der Einlöfung an den Fideikommißbeſitzer 
gezahlt wurde; er genügt alſo ſeiner Verpflichtung 
zur Erhaltung der Subſtanz des in Wertpapieren an⸗ 
gelegten Kapitals nur dann, wenn er den ganzen 
empfangenen Wertbetrag dem Vermögen wieder zu— 
führt. Da weiter feſtſteht, daß der Anſchaffungspreis 
der zum Erſatz dienenden zwei Pfandbriefe um 138 Mk. 
weniger betrug als die Einlöſungsſumme, beſteht 
ſeine Verpflichtung zu der Hinterlegung der beiden 
Wertpapiere und des Barbetrags von 138 Mk. Der 


Beſchwerdeführer macht zwar geltend, die Verpflichtung, 


zur Erhaltung der Subſtanz beſtehe nur darin, Sachen 
gleicher Gattung, Zahl uſw. und von gleichem Wert, 
wie fie in dem nach § 43 Ziff. 1 des Edikts angu- 
fertigenden Verzeichniſſe aufgeführt ſind, jeweils zu 
beſchaffen und dem Nachfolger zu hinterlaſſen. Er 
ift der Meinung, das Wertpapier fei auch eine be- 
wegliche körperliche Sache, die unter dieſe Vorſchrift 
falle. Die Frage ſei nicht anders zu beantworten, 
wie in dem Falle, daß das Verzeichnis als Beſtandteil 
des Fideikommißvermögens 100 hl Weizen a 10 Mk. 
ausweiſt; in dieſem Falle ſei der Fideikommißbeſitzer 
nur verpflichtet, ſeinem Nachfolger 100 hl der näm⸗ 
lichen Gattung zu hinterlaſſen, auch wenn er die 
empfangene Quantität um 11 Mk. für das Hektoliter 
verkauft und die zum Erſatz beſchaffte Quantität um 
nur 9 Mk. erworben, alfo 200 Mk. „Lufriert“ hätte. 
Dieſe Ausführungen ſind unzutreffend. Wertpapiere 
gehören nicht ſchlechthin zu den beweglichen körper— 
lichen Sachen, weil in ihnen ein Forderungsrecht ver— 
brieft iſt; ſie werden nur in einzelnen Beziehungen 
nach ſachen rechtlichen Vorſchriften behandelt. Jeden— 
falls find fie nicht, wie die zum Inventar der Fidei— 
kommißgüter gehörenden Getreidevorräte „verbrauch— 
bare“ Sachen — weder im Sinne des älteren, noch 
dem des neuen bürgerlichen Rechtes. An den zum 
Verbrauche beſtimmten Sachen geht das Eigentum auf 
den Nutzungseigentümer und auf den Nießbraucher 
über. Der Fideikommißbeſitzer iſt alſo in Anſehung 
der im Wege ordnungsmäßiger Verwaltung ver— 
brauchten (veräußerten) Sachen nur zur Erſtattung des 
Schätzungswertes verpflichtet, — unbeſchadet ſeiner 
Befugnis, Sachen von gleicher Gattung, Menge uſw. 
und von gleichem Wert in natura zu beſchaffen und zu 
hinterlaſſen (BGB. SS 92, 1067, 1084). (Beſchl. des 
II. 3S. vom 21. Oktober 1907, Reg. III. 58/07). 
1088 W. 
III. 

Wertangabe zur en der Teſtamentsgebühr 
des Notars (Notariatsgebührenordunng Art. 27). Der 
Notar A. beurkundete am 16. April 1907, daß der 
Privatmann Erhard E. in A. ihm einen verſchloſſenen 
Papierumſchlag mit der mündlichen Erklärung über— 
reichte, das in dem Umſchlag liegende Schriftſtück ent- 
halte ſeinen letzten Willen. Den Wert deſſen, worüber 
er letztwillig verfügt hatte, gab er nicht an. Der 
Notar ſetzte daher auf Grund des Art. 27 der NotGebO. 
i. d. F. der VO. v. 4. Juli 1903 als Gebühr für die 
Errichtung der Urkunde 50 Mk. an. E. verweigerte 
die Zahlung, weil er der Anſicht war, daß er nur 
eine geringere Gebühr ſchulde. Der Notar beantragte 
deshalb bei dem LG. die Feſtſetzung der Gebühr. Das 
Gericht ließ zunächſt den E. auffordern, ſich über den 
Wert des Vermögens zu äußern, über das er letzt— 
willig verfügt hatte. Er gab als deſſen Wert 


35 000 Mk. an, und das LG. ſetzte die Gebühr des Notars 


auf 25 Mk. feſt. Der Notar legte Beſchwerde ein; er be— 
antragte, die Gebühr auf 50 Mk. feſtzuſetzen. Zur 
Begründung führte er aus, der Erblaſſer habe ſich zu 
einer Erklärung über den Wert des Gegenſtandes 


erſt herbeigelaſſen, nachdem durch den Antrag auf 


Feſtſetzung der Gebühr die Sache rechtshängig ge— 
worden war. Seine Erklärung ſei daher verſpätet 
und nicht mehr zu beachten. Die von ihm gemachte 
Wertangabe ſei auch unrichtig, denn er habe über 


i 


23 


fein ganzes Vermögen letztwillig verfügt und dieſes 
fei 70 000 bis 80 000 Mk. wert; durch Ermittlungen 
ſei dies leicht feſtzuſtellen. Nach Mitteilung der Be⸗ 
ſchwerdeſchrift erklärte E., er habe durch das Teſta— 
ment allerdings über ſein ganzes Vermögen verfügt, 
dieſes habe aber zur Zeit der Errichtung des Teſta— 
ments nur einen Wert von „rund 40000 Mk.“ gehabt. 
Das ObLO. hat die Gebühr des Notars auf 27 Mk. 
feſtgeſetzt. 

Aus den Gründen: Das vom Notar vorge⸗ 
nommene Amtsgeſchäft iſt die Beurkundung der Er⸗ 
richtung eines Teſtaments durch Uebergabe einer den 
letzten Willen enthaltenden verſchloſſenen Schrift nach 
8 2231 Nr. 1 und $ 2238 BGB. Für die Beur⸗ 
kundung hat der Notar nach der jetzt geltenden 
Faſſung des Art. 27 der NotGebdO. eine innerhalb 
gewiſſer Grenzen nach dem reinen Werte des Gegen: 
ſtandes, über den verfügt iſt, zu berechnende Gebühr 
und, wenn die Wertangabe unterbleibt, eine Gebühr 
von 50 Mk. zu beanſpruchen. Der Erblaſſer hat aller⸗ 
dings eine Wertangabe zunächſt nicht gemacht; er hat ſie 
aber im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt. 
Es beſteht keine Vorſchrift, die die Zuläſſigkeit nach— 
träglicher Angabe ausſchließt. Durch den Antrag 
auf Feſtſeßzung der Gebühr wird zwar die Sache 
rechtshängig, die Rechtshängigkeit hat aber nicht die 
Wirkung, daß Tatſachen, die für die Entſcheidung 
von Belang ſind, deshalb nicht beachtet werden 
dürfen, weil ſie erſt im Laufe des Verfahrens einge— 
treten ſind. Auch die Beſtreitung der Richtigkeit der 
vom Erblaſſer gemachten Wertangabe kann den vom 
Notar beabſichtigten Erfolg nicht herbeiführen. Wer 
ein Teſtament dadurch errichtet, daß er dem Notar 
eine Schrift mit der mündlichen Erklärung übergibt, 
die Schrift enthalte ſeinen letzten Willen, braucht 
dem Notar von dem Inhalte ſeines letzten Willens 
nicht Kenntnis zu geben, und die Schrift ſoll nur 
verleſen werden, wenn der Erblaſſer es wünſcht 
(BGB. § 2241, insbeſondere Nr. 3; Staudinger, 
Komm. zum BGB. 2. Aufl. Bem. 2 Abſ. 3 zu § 2238, 
Bem. 1 Abſ. 4, Bem. 3 Nr. 1 zu den § 2240 — 2242; 
GeſchO. für die Notariate 8 230). Die Vorſchriften 
im 8 2238 und im § 2246 follen offenbar gerade da: 
zu dienen, den Inhalt der letztwilligen Verfügung 
vor anderen Perſonen geheim zu halten. Dieſen Vor— 
ſchriften entſpricht es, bei der Beſtimmung der Ge— 
bühr des Notars für die durch Uebergabe einer ver— 
ſchloſſenen Schrift geſchehene Errichtung eines Teſta— 
ments es bei der Wertangabe des Erblaſſers be— 
wenden zu laſſen und jedenfalls vor dem Eintritte 
des Erbfalls weitere Ermittlungen über den Wert 
nicht anzuſtellen, ſofern nicht nach vernünftigem Er— 
meſſen angenommen werden muß, daß die Wertan— 
gabe des Erblaſſers offenbar unrichtig iſt (Art. 10 
Abſ. 2 der NotGeboO.). Anhaltspunkte für diefe Mn- 
nahme beſtehen nicht; insbeſondere hat der Beſchwerde— 
führer beſtimmte Tatſachen ſelbſt nicht behauptet, aus 
denen geſchloſſen werden könnte, daß das Vermögen 
des Erblaſſers einen reinen Wert von 70000 bis 
80 000 Mk. hat, und die deshalb die Grundlage für 
Anſtellung weiterer Ermittlungen (NotG. Art. 59 
Abſ. 2) bilden könnten. Daher kann bei der jetzigen 
Entſcheidung dahingeſtellt bleiben, ob nicht, wenn 
nach vernünftigem Ermeſſen die Wertangabe des Erb— 
laſſers als offenbar unrichtig anzuſehen iſt, ſtatt der 
Anſtellung von Ermittlungen ohne weiteres die An— 
fegung der Gebühr von 50 Mk. deshalb als gerecht— 
fertigt zu erklären iſt, weil eine offenbar unrichtige 
Wertangabe als Wertangabe im Sinne des Art. 27 
der NotGeboO. überhaupt nicht gelten kann. Die Ge- 
bühr muß daher nach den Art. 12 und 27 der 
NotcebO. unter Zugrundelegung des Wertes von 
40 000 Mk. auf 27 Mk. feſtgeſezt werden. (Beſchluß 
des Ferien-Z3S. vom 26. Auguſt 1907, Reg. VI. 5/07). 

1052 W. 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. | 
I. 
Muß das Vormundſchaſtsgericht vor der Regelung 


des Verkehrs des geſchiedenen und für ſchuldig erklärten 


Ehegatten mit ſeinem Kinde den anderen Ehegatten oder 
ſonſtige Verwandte des Kindes hören? (BGB. 88 1636, 
1673). Das Amtsgericht M. als Vormundſchaftsgericht 
hat den perſönlichen Verkehr der aus ihrem Verſchulden 
von ihrem Manne G. Z. geſchiedenen nunmehrigen 
Kunſtmalersgattin E. St. in P. mit ihrer erſtehelichen 
Tochter geregelt. Später regte E. St. bei dem Vor⸗ 
mundſchaftsgericht eine Aenderung und Ergänzung der 
Regelung an. Dieſem Antrage hat das Vormundſchafts⸗ 
gericht ohne weiteres ſtattgegeben. Auf Beſchwerde 
des Vaters hat das Landgericht die Verfügung des 
Vormundſchaftsgerichts aufgehoben und die Sache an 


das Vormundſchafte gericht zurückverwieſen, weil durch löſungswert des verloſten Pfandbriefes zu 2000 Mik 


Unterlaſſung der Anhörung des Vaters die Vorſchrift 
des 8 1673 BGB. verlegt worden fei und die Würdigung 
ſeiner Einwendungen zu einer anderen Entſcheidung 
führen könne. Auf weitere Beſchwerde der E. St. iſt 
die Entſcheidung aufgehoben und das LG. angewieſen 
worden anderweit zu entſcheiden. 


Gründe: Nach dem § 1673 Abſ. 1 BGB. fol 


das Vormundſchaftsgericht vor einer Entſcheidung, 


durch die die Sorge für die Perſon des Kindes dem 
Vater entzogen oder beſchränkt wird, den Vater hören. 
Eine ſolche Entſcheidung ſteht aber bei einer nach 
§ 1636 Satz 2 BGB. zu treffenden Anordnung nicht 
in Frage. Die dem Vater zuſtehende Sorge für die 
Perſon des Kindes iſt im Falle des § 1635 von vorn 
herein durch das im § 1636 Satz 1 beſtimmte Recht 
der geſchiedenen Mutter beſchränkt, die Anordnung, 
durch die das Vormundſchaftsgericht den perſönlichen 
Verkehr der Mutter mit dem Kinde näher regelt, ent- 
hält nicht einen das Recht des Vaters mindernden 
Eingriff in die dem Vater zuſtehende Sorge für die 
Perſon des Kindes ſondern trifft nur die zur gwed- 
mäßigen Verwirklichung des Rechtes der Mutter er- 
forderliche nähere Beſtimmung über die Art, wie dieſes 
Recht ausgeübt werden fol. Der § 1673 Abſ. 1 ift 
deshalb auf fie ebenſowenig anwendbar wie die Bor- 
ſchrift des Abſ. 2 des § 1673, nach der vor der im 
Abſ. 1 bezeichneten Entſcheidung auch Verwandte oder 
Verſchwägerte des Kindes gehört werden ſollen. In 
Ermangelung einer beſonderen Vorſchrift hat das Vor— 
mundſchaftsgericht über die Anhörung des Vaters nach 
pflichtmäßigem Ermeſſen zu entſcheiden. Erachtet das 
Beſchwerdegericht die Einwendungen des Vaters für 
beachtenswert, ſo iſt es nicht gehindert, unter Auf— 
hebung der angefochtenen Verfuͤgung das Vormund— 
ſchaftsgericht anzuweiſen, über ſie zu entſcheiden. Hier 
hat aber das Beſchwerdegericht infolge ſeiner irrigen 


Rechtsanſicht ſich nicht mit der Frage befaßt, ob das Vor: 


mundſchaftsgericht nach pflichtmäßigem Ermeſſen den 
Vater hätte hören müſſen, und es iſt die Möglichkeit 
nicht ausgeſchloſſen, daß für die Zurückverweiſung der 
Sache an das Vormundſchaftsgericht die Annahme von 
weſentlicher Bedeutung war, daß das Verfahren des 
Vormundſchaftsgerichts gegen eine geſetzliche Vorſchrift 
verſtoße. Mit Rückſicht hierauf muß die richtige An— 
wendung des § 1673 BGB. zur Aufhebung der Ent» 
ſcheidung und zur Zurückverweiſung führen. GBeſchluß 
des I. 35. vom 22. November 1907, III 82 07). W. 
1105 


II. 


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Bei Veränderungen in dem Beſtand an Wert: 


papieren eines Familienfideikommiſſes gereichen Kurs⸗ 


ſchwankungen der Subſtanz des Fideikommißvermögens, 


nicht dem Fideikommißbeſitzer zum Vorteil oder Rath: 
teile (VII. Verfaſſungsbeilage SS 42, 44, 73—75). Zu 
dem Vermögen des v. H.ſchen Familienfideikommiſſes 


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i 


S., deſſen derzeitiger Beſitzer L. v. H. ift, gehören 
Kapitalien, die in Pfandbriefen zu 3½ % angelegt 
ſind. Am 28. Mai 1907 zeigte die Hauptbank als 
Hinterlegungsſtelle dem Fideikommißgericht an, daß 
bei der letzten Verloſung ein Pfandbrief zu 2000 Mk. 
zum Zuge gelangt ſei und die Einlöſung bei der 
Bankabteilung erfolge. Das Fideikommißgericht er⸗ 
teilte der Hinterlegungsſtelle die Weiſung, den Pfand- 
brief an den Fideikommißbeſitzer hinauszugeben. 
Gleichzeitig ſtellte es an ihn das Erſuchen, für das 
verloſte Wertpapier Erſatz zu beſchaffen. Am 27. des- 
ſelben Monats wurde von der Hinterlegungsſtelle der 
Pfandbrief an L. v. H. hinausgegeben. Am 1. Juli 
zeigte dieſer dem Fideikommißgericht an, daß er an 
Stelle des ausgeloſten Pfandbriefs zu 2000 Mk. zwei 
Pfandbriefe der gleichen Art zu je 1000 Mk. erworben 
und an die Hinterlegungsſtelle eingefendet, habe. 
Hierauf erſuchte das Gericht den Fideikommißbeſitzer 
für die Aufzahlung der Differenz zwiſchen dem Ein- 


und dem Anſchaffungspreis der beiden neu erworbenen 
Pfandbriefe Erſatz zu beſchaffen. L. v. H. ſtellte den 
Antrag, dieſen Auftrag zurückzunehmen. Am 3. Auguſt 
ordnete das Fideikommißgericht an, daß die urs- 
differenz von 138 Mk. dem Fideikommißvermögen zu 
erſtatten ſei. Die Beſchwerde des L. v. H. wurde 
zurückgewieſen. N 

Gründe: Das FideéE. bezeichnet die Rechts⸗ 
ſtellung des Fideikommißbeſitzers dahin, daß er nicht 
der Eigentümer oder der alleinige Eigentümer ſondern 
nur „Nutzungseigentümer“ — ift und ſpricht ihm 
weiter alle Befugniſſe eines „Nutznießers“ zu, legt 
ihm dagegen auch alle Verpflichtungen eines ſolchen 
auf (SS 42, 44, 74). Der jeweilige Inhaber des Fidei- 
kommiſſes iſt demzufolge berechtigt, die ordentlichen 
und die zufälligen außerordentlichen Nutzungen der 
zum Fideikommißvermögen gehörenden Gegenſtände 
zu ziehen. Dagegen muß er die Subſtanz dieſer Gegen— 
ſtände, ſofern ſie nicht zum Verbrauche beſtimmt und 
nur zu ſurrogieren ſind, unverſehrt erhalten. Sie 
vermehren oder ihren Wert erhöhen muß er nicht; 
für eine Minderung des Wertes der Subſtanz des 
Fideikommißvermögens haften er und feine Allodials 
erben nur, wenn ihn der Vorwurf einer Pflichtver- 
ſäumnis in der ordnungsmäßigen Verwaltung des 
Fideikommißvermögens trifft, ihm ein Verſchulden zur 
Laſt fällt (SS 6, 44, 73, 74, 75). Bei der Anwendung 
dieſer Grundſätze ergibt ſich folgendes: Sind zum 
Fideikommißvermögen gehörende Kapitalien in Wert— 
papieren angelegt, ſo beſteht die Subſtanz dieſes Ver— 
mögensteiles in dem wirklichen, d. h. dem jeweiligen 
Verkaufswerte, der nach den wechſelnden wirtſchaft— 
lichen Verhältniſſen des Kredits und des Geldmarktes 
gewiſſen Schwankungen — durch Sinken oder Steigen 
des Kurſes — unterliegt. Dieſe Kursſchwankungen 
dürfen dem Fideikommißbeſitzer weder zum Vorteil, 
noch zum Nachteil gereichen; ſie berühren zunächſt nur 
das Fideikommißvermögen, d. h. die Geſamtheit der 
an ihm Berechtigten. So wenig deshalb der Fidei— 
kommißbeſitzer als verpflichtet erachtet werden könnte, 
bei der Erwerbung eines Wertpapiers, das zum Erſatz 
eines anderen zur Einlöſung gelangten zu dienen hat, 
einen Mehraufwand aus eigenen Mitteln (wegen ge— 
ſtiegenen Kurſes) zu machen, ebenſowenig iſt er befugt, 
den Betrag, den er bei dem erwähnten Erſatzgeſchäft 
von dem Subſtanzwerte des Kapitals nicht aufzu— 
wenden brauchte, weil der Anſchaffungspreis hinter 
dem Einlöſungspreiſe zurückblieb, für ſich einzubehalten. 
Dazu wäre er nur dann berechtigt, wenn der beim 
Surrogierungsgeſchäft eingeſparte Betrag, die ſoge— 
nannte Kursdifferenz, als eine ordentliche oder außer⸗ 
ordentliche „Nutzung“ des Kapitals angeſehen werden 
könnte. Von einer ſolchen Nutzung kann aber in 
ſolchen Fällen die Rede nicht ſein. Hier ſteht feſt, 
daß der volle Barbetrag des Nennwertes des Pfand— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


23 


briefs bei der Einlöſung an den Fideikommißbeſitzer 
gezahlt wurde; er genügt alſo ſeiner Verpflichtung 
zur Erhaltung der Subſtanz des in Wertpapieren an⸗ 
gelegten Kapitals nur dann, wenn er den ganzen 
empfangenen Wertbetrag dem Vermögen wieder zu: 
führt. Da weiter feſtſteht, daß der Anſchaffungspreis 
der zum Erſatz dienenden zwei Pfandbriefe um 138 Mk. 
weniger betrug als die Einlöſungsſumme, beſteht 
ſeine Verpflichtung zu der Hinterlegung der beiden 
Wertpapiere und des Barbetrags von 138 Mk. Der 
Beſchwerdeführer macht zwar geltend, die Verpflichtung 
zur Erhaltung der Subſtanz beſtehe nur darin, Sachen 
gleicher Gattung, Zahl uſw. und von gleichem Wert, 
wie fie in dem nach § 43 Ziff. 1 des Edikts anzu⸗ 
fertigenden Verzeichniſſe aufgeführt ſind, jeweils zu 
beſchaffen und dem Nachfolger zu hinterlaſſen. Er 
iſt der Meinung, das Wertpapier ſei auch eine be⸗ 
wegliche körperliche Sache, die unter dieſe Vorſchrift 
falle. Die Frage ſei nicht anders zu beantworten, 
wie in dem Falle, daß das Verzeichnis als Beſtandteil 
des Fideikommißvermögens 100 hl Weizen a 10 Mk. 
ausweiſt; in dieſem Falle ſei der Fideikommißbeſitzer 
nur verpflichtet, feinem Nachfolger 100 hl der näm⸗ 
lichen Gattung zu hinterlaſſen, auch wenn er die 
empfangene Quantität um 11 Mk. für das Hektoliter 
verkauft und die zum Erſatz beſchaffte Quantität um 
nur 9 Mk. erworben, alfo 200 Mk. „lukriert“ hätte. 
Dieſe Ausführungen ſind unzutreffend. Wertpapiere 
gehören nicht ſchlechthin zu den beweglichen körper— 
lichen Sachen, weil in ihnen ein Forderungsrecht ver— 
brieft iſt; ſie werden nur in einzelnen Beziehungen 
nach ſachenrechtlichen Vorſchriften behandelt. Jeden— 
falls ſind ſie nicht, wie die zum Inventar der Fidei— 
kommißgüter gehörenden Getreidevorräte „verbrauch— 
bare“ Sachen — weder im Sinne des älteren, noch 
dem des neuen bürgerlichen Rechtes. An den zum 
Verbrauche beſtimmten Sachen geht das Eigentum auf 
den Nutzungseigentümer und auf den Nießbraucher 
über. Der Fideikommißbeſitzer iſt alſo in Anſehung 
der im Wege ordnungsmäßiger Verwaltung ver- 
brauchten (veräußerten) Sachen nur zur Erſtattung des 
Schätzungswertes verpflichtet, — unbeſchadet ſeiner 
Befugnis, Sachen von gleicher Gattung, Menge uſw. 
und von gleichem Wert in natura zu beſchaffen und zu 
hinterlaſſen (BGB. SS 92, 1067, 1084). (Beſchl. des 
II. 35. vom 21. Oktober 1907, Reg. III. 58/07). 
1088 
III. 

Wertangabe zur deb abe der Teſtamentsgebühr 
des Notars (Notariatsgebührenorduung Art. 27). Der 
Notar A. beurkundete am 16. April 1907, daß der 
Privatmann Erhard E. in A. ihm einen verſchloſſenen 
Papierumſchlag mit der mündlichen Erklärung über— 
reichte, das in dem Umſchlag liegende Schriftſtück ent- 
halte ſeinen letzten Willen. Den Wert deſſen, worüber 
er letztwillig verfügt hatte, gab er nicht an. Der 
Notar ſetzte daher auf Grund des Art. 27 der NotGebd. 
i. d. F. der VO. v. 4. Juli 1903 als Gebühr für die 
Errichtung der Urkunde 50 Mk. an. E. verweigerte 
die Zahlung, weil er der Anſicht war, daß er nur 
eine geringere Gebühr ſchulde. Der Notar beantragte 
deshalb bei dem LG. die Feſtſetzung der Gebühr. Das 
Gericht ließ zunächſt den E. auffordern, ſich über den 
Wert des Vermögens zu äußern, über das er legt- 
willig verfügt hatte. Er gab als deſſen Wert 
35 000 Mk. an, und das LG. ſetzte die Gebühr des Notars 
auf 25 Mk. feſt. Der Notar legte Beſchwerde ein; er be— 
antragte, die Gebühr auf 50 Mk. feſtzuſetzen. Zur 
Begründung führte er aus, der Erblaſſer habe ſich zu 
einer Erklärung über den Wert des Gegenſtandes 
erſt herbeigelaſſen, nachdem durch den Antrag auf 
Feſtſetzung der Gebühr die Sache rechtshängig ge— 
worden war. Seine Erklärung ſei daher verſpätet 
und nicht mehr zu beachten. Die von ihm gemachte 
Wertangabe ſei auch unrichtig, denn er habe über 


a — . — — 


— —„—T — — —— ͤ — rf — ——ꝛę— 


ſein ganzes Vermögen letztwillig verfügt und dieſes 
ſei 70 000 bis 80 000 Mk. wert; durch Ermittlungen 
ſei dies leicht feſtzuſtellen. Nach Mitteilung der Be⸗ 
ſchwerdeſchrift erklärte E., er habe durch das Tefta- 
ment allerdings über ſein ganzes Vermögen verfügt, 
dieſes habe aber zur Zeit der Errichtung des Tefta- 
ments nur einen Wert von „rund 40 000 Mk.“ gehabt. 
Das Obe G. hat die Gebühr des Notars auf 27 Mk. 
feſtgeſetzt. 

Aus den Gründen: Das vom Notar vorge⸗ 
nommene Amtsgeſchäft ift die Beurkundung der Er- 
richtung eines Teſtaments durch Uebergabe einer den 
letzten Willen enthaltenden verſchloſſenen Schrift nach 
8 2231 Nr. 1 und § 2238 BGB. Für die Beur- 
kundung hat der Notar nach der jetzt geltenden 
Faſſung des Art. 27 der NotGebO. eine innerhalb 
gewiſſer Grenzen nach dem reinen Werte des Gegen— 
ſtandes, über den verfügt iſt, zu berechnende Gebühr 
und, wenn die Wertangabe unterbleibt, eine Gebühr 
von 50 Mk. zu beanſpruchen. Der Erblaſſer hat aller- 
dings eine Wertangabe zunächſt nicht gemacht; er hat ſie 
aber im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt. 
Es beſteht keine Vorſchrift, die die Zuläſſigkeit nach— 
träglicher Angabe ausſchließt. Durch den Antrag 
auf Feſtſetzung der Gebühr wird zwar die Sache 
rechtshängig, die Rechtshängigkeit hat aber nicht die 
Wirkung, daß Tatſachen, die für die Entſcheidung 
von Belang ſind, deshalb nicht beachtet werden 
dürfen, weil ſie erſt im Laufe des Verfahrens einge— 
treten ſind. Auch die Beſtreitung der Richtigkeit der 
vom Erblaſſer gemachten Wertangabe kann den vom 
Notar beabſichtigten Erfolg nicht herbeiführen. Wer 
ein Teſtament dadurch errichtet, daß er dem Notar 
eine Schrift mit der mündlichen Erklärung übergibt, 
die Schrift enthalte ſeinen letzten Willen, braucht 
dem Notar von dem Inhalte ſeines letzten Willens 
nicht Kenntnis zu geben, und die Schrift ſoll nur 
verleſen werden, wenn der Erblaſſer es wünſcht 
(BGB. § 2241. insbeſondere Nr. 3; Staudinger, 
Komm. zum BGB. 2. Aufl. Bem. 2 Abſ. 3 zu § 2238, 
Bem. 1 Abſ. 4, Bem. 3 Nr. 1 zu den 88 2240 — 2242; 
GeſchO. für die Notariate 8 230). Die Vorſchriften 
im 8 2238 und im § 2246 follen offenbar gerade da- 
zu dienen, den Inhalt der letztwilligen Verfügung 
vor anderen Perſonen geheim zu halten. Dieſen Bor- 
ſchriften entſpricht es, bei der Beſtimmung der Ge— 
bühr des Notars für die durch Uebergabe einer ver— 
ſchloſſenen Schrift geſchehene Errichtung eines Teſta— 
ments es bei der Wertangabe des Erblaſſers be— 
wenden zu laſſen und jedenfalls vor dem Eintritte 
des Erbfalls weitere Ermittlungen über den Wert 
nicht anzuſtellen, ſofern nicht nach vernünftigem Er— 
meſſen angenommen werden muß, daß die Wertan— 
gabe des Erblaſſers offenbar unrichtig iſt (Art. 10 
Abſ. 2 der NotGebdOO.). Anhaltspunkte für diefe Ans 
nahme beſtehen nicht; insbeſondere hat der Beſchwerde— 
führer beſtimmte Tatſachen ſelbſt nicht behauptet, aus 
denen geſchloſſen werden könnte, daß das Vermögen 
des Erblaſſers einen reinen Wert von 70000 bis 
80 000 Mk. hat, und die deshalb die Grundlage für 
Anſtellung weiterer Ermittlungen (Not. Art. 59 
Abſ. 2) bilden könnten. Daher kann bei der jetzigen 
Entſcheidung dahingeſtellt bleiben, ob nicht, wenn 
nach vernünftigem Ermeſſen die Wertangabe des Erb— 
laſſers als offenbar unrichtig anzuſehen iſt, ſtatt der 
Anſtellung von Ermittlungen ohne weiteres die An— 
ſetzung der Gebühr von 50 Mk. deshalb als gerecht— 
fertigt zu erklären iſt, weil eine offenbar unrichtige 
Wertangabe als Wertangabe im Sinne des Art. 27 
der NotGebO. überhaupt nicht gelten kann. Die Ge- 
bühr muß daher nach den Art. 12 und 27 der 
NotchebO. unter Zugrundelegung des Wertes von 
40 000 Mk. auf 27 Mk. feſtgeſezt werden. (Beſchluß 
des Ferien-Z3S. vom 26. Auguft 1907, Reg. VI. 5/07). 

1052 W. 


24 Zeitſchrift für Rechtspflege in t Bayern. 1908. Nr. 1. 


B. Strafſachen. 


Verpflichtung des Trödlers zur Führung des Ge⸗ 
ſchäftsbuches, auch wenn er gleichzeitig noch ein Grok- 
ie te mit den leihen Gegenſtänden betreibt. 
Unmöglichkeit der Unsicheidung zwiſchen großen und 
kleinen Geſchäften. Der Angeklagte treibt in L. ſchon 
lange Jahre Handel mit altem Eiſen und Stahl, 
Metallgeräten, Maſchinenteilen u. dgl. Er kauft die 
Gegenſtände meiſtens im Großen, gelegentlich aber 
auch in kleineren Mengen von Privaten. Die Zahl 


der Erwerbsgeſchäfte der letzteren Art überſteigt die - 


ahl der ins Große gehenden Geſchäfte, dagegen 
leibt der Umſatzwert der erſteren hinter dem der 
letzteren bedeutend zurück. Bezugsquellen für den 
Einkauf im Großen ſind zum größten Teile Fabriken 
und Kleinhändler. Ein Trödlerbuch hat der Ange- 
klagte ſeither nicht geführt, dagegen werden von ſeinem 
Handlungsgehilfen kaufmänniſche Bücher geführt, in 
die jedoch die Kleineinkäufe nicht, wenigſtens nicht 
regelmäßig eingetragen werden. 


Aus den Gründen: 1. Nach 8 38 Abſ. 4 
der GewO. können die Zentralbehörden Vorſchriften 
darüber erlaſſen, in welcher Weiſe die im § 35 Abſ. 2 
verzeichneten Gewerbetreibenden — hierunter befinden 
ſich die Perſonen, die den Trödelhandel, d. i. u. a. der 
Kleinhandel! mit altem Metallgeräte, Metallbruch 
u. dgl., betreiben —, ihre Bücher zu führen und 
welcher polizeilichen Kontrolle über den Umfang und 
die Art ihres Geſchäftsbetriebes ſie ſich zu unterwerfen 
haben. Auf dieſer Grundlage iſt die Bek. des StM. 
des Innern vom 16. Februar 1878, das Geſchäft der 
. betr. (GVBl. S. 86) ergangen; ſie beſtimmt 

n Ziff. 1: „Jeder Trödler iſt zur ordnungsmäßigen 
a eines Geſchäftsbuches verpflichtet“; in Ziff. 3: 
„Jedes abgeſchloſſene Geſchäft iſt in das Buch deutlich, 
vollſtändig und wahrheitsgetreu einzutragen“; in 
Ziff. 4: „Jeder von einem Trödler in ſeinem Geſchäfts⸗ 
betriebe erworbene Gegenſtand muß mit einer der 
betreffenden Nummer des Geſchäftsbuches (Ziff. 3 Abſ. 2 
Lit. a) entſprechenden Nummer verſehen fein“; in 
Ziff. 10: „Die Trödler ſind verpflichtet, dem Polizei⸗ 
perſonal jederzeit . . . . die Bücher und die aufbe— 
wahrten Gegenſtände vorzuzeigen“. Dieſe Vorſchriften 
nn den Grundgedanken, die für die Schaffung 

des § 38 GewO. maßgebend geweſen find. In den 
Motiven zum 8 35 des Entw. zur GewO. war aus- 
geſprochen, daß das Trödlergewerbe von beſonderer 
Wichtigkeit deshalb ſei, weil es, wenn in zuverläſſigen 
und achtſamen Händen, der Entdeckung von Dieb— 
ſtählen weſentliche Unterſtützung biete. Bei den Be— 
ratungen wurde hervorgehoben, es ſei nicht zu ver— 
kennen, daß das Trödlergewerbe erheblich dazu bei— 


tragen könne, Diebſtähle u. dgl. zu verdecken und es 
ſei daher wünſchenswert, daß denen, die das Gewerbe 


betreiben, eine Verpflichtung auferlegt werde, wie ſie 
ihre Bücher zu führen haben; es ſei das notwendig 
im Intereſſe der Sicherheitspolizei und ebenſo müſſe 
die Sicherheitspolizei in den Stand geſetzt ſein, auch 
ohne beſtimmte direkte Anzeige Nachſuchungen an— 
ſtellen zu können. 

2. Dieſe Geſichtspunkte verlieren natürlich dadurch 
nicht an Bedeutung, daß der, welcher den Trödel— 
handel, insbeſondere den Kleinhandel mit altem 
Metallgeräte, Metallbruch u. dgl. betreibt, gleichzeitig 
auch ein Großhandelsgeſchäft mit dieſen Gegenſtänden 


betreibt und in dieſer letzteren Beziehung Vollkaufmann 


iſt. Die Geſchäftsbücher, die er in der Eigenſchaft 
als Kaufmann nach 8 38 HGB. führen muß, eignen 
ſich, wenn auch aus ihnen ſeine Handelsgeſchäfte und 
die Lage ſeines Vermögens erſichtlich ſein müſſen, 
keineswegs dazu, den ſicherheitspolizeilichen Anforde— 
rungen an die Bücher der Trödler zu genügen. Würden 
diejenigen, welche neben dem Großhandel mit Alt— 
metall auch Einkäufe im Kleinen vornehmen, der Ver— 


bindlichkeit enthoben fein, die durch die Min Bek. vom 
16. Februar 1878 angeordneten, genaueren Aufzeich- 
nungen zu machen, ſo würden vorausſichtlich Perſonen, 
die Altmetall auf unredliche Weiſe erworben haben, 
dieſes nicht mehr an Kleinmetallhändler, ſondern an 
Großhändler veräußern. Auf dieſe Weiſe würde die 
Abſicht des Geſetzgebers ganz und gar vereitelt werden. 
Ueberdies ſteht nichts im Wege, eine Perſon, die ver⸗ 
ſchiedenartige Geſchäfte treibt, auch je nach der Art 
dieſer Geſchäfte verſchiedenen Vorſchriften zu unter⸗ 
ſtellen. Wie ein Bankier, der neben ſeinem Bank⸗ 
geſchäft als Immobiliaragent tätig iſt, für dieſes 
letztere . beſondere Bücher führen muß (vgl. 
GewA. Bd. 5 S. 444), fo muß auch der, welcher 
neben dem A mit Metall Einkäufe von 
ſolchem im Kleinen vornimmt, ſich den für dieſe 
letzteren geltenden Anordnungen unterwerfen. Die 
Verteidigung des Angeklagten, daß ihm die Führung 
eines Trödlerbuches unmöglich ſei, weil eine Aus⸗ 
ſcheidung zwiſchen großen und kleinen Geſchäften nicht 
durchgeführt werden könne, wurde mit Recht für un- 
beachtlich gehalten. Sie wendet ſich gegen die Zweck⸗ 
mäßigkeit der in Frage ſtehenden Vorſchriften, aber 
dieſe darf vom Richter nicht in Erwägung gezogen 
werden. Es muß jedem Geſchäftstreibenden anheim— 
geſtellt bleiben, wie er Vorſorge dafür trifft, den für 
ſein Geſchäft beſtehenden Vorſchriften Genüge zu leiſten. 
Der Angeklagte würde übrigens allen Schwierigkeiten 
aus dem Wege gehen können, dadurch, daß er im 
Zweifel darüber, ob in einem beſtimmten Falle ein 
Kleineinkauf oder ein Engroseinkauf vorliegt, den ge— 
naueren, für den erſteren vorgeſchriebenen Eintrag 
machen läßt. Darauf, ob dadurch ſeine Buchführung 
etwas umſtändlicher wird, kann gegenüber den In— 
tereſſen des Gemeinwohls keine Rückſicht genommen 
werden. Uebrigens beziehen fi die Vorſchriften be- 
züglich des Trödlerbuches vorwiegend nur auf den 
Einkauf, da es für den Begriff des Trödelhandels 
keineswegs erheblich iſt, ob der Verkauf der einge- 
kauften Waren wieder im kleinen oder im großen 
ſtattfindet. Inſoweit der Angeklagte ſelbſt oder durch 
ſein Perſonal Altmetall im Kleinen ankauft, liegen 
darum bei ihm die Merkmale des Trödelhandels vor: 
er tritt ſeinem Großhandelslager gegenüber ebenſo 
als Lieferant auf, wie der Kleinmetallhändler O. W., 
der nach der Feſtſtellung der Strafkammer das im 
einzelnen eingekaufte Altmetall im Großen an den 
Angeklagten weiterverkauft. 

3. Der Umſtand, daß die MinBBek. v. 16. Februar 
1878 den „Trödlern“ beſtimmte Verpflichtungen auf— 
erlegt, hindert keineswegs daran, ſie auch dann für 
anwendbar zu erachten, wenn jemand in ſeinem 
Hauptberufe nicht Trödler iſt. Da ſolche Fälle nicht 
häufig vorkommen, konnte der Geſetzgeber ſeinen Er— 
laß auf die Perſonen beſchränken, die ihren ausſchließ⸗ 
lichen Beruf in dem Trödelhandel haben. Ohnehin 
find, wie dies auch aus dem 8 35 GewO. hervorgeht. 
die Vorſchriften nicht ſowohl für die Trödler, als 
vielmehr für den Trödelhandel vermeint und es fehlt 
darum an jedem Anhaltspunkte für die Notwendigkeit 
einer Unterſcheidung, je nachdem der Trödelhandel 
als ausſchließlicher, oder als Hauptberuf oder nur 
als Nebenberuf betrieben wird. Eben deshalb ſind 
alle, die in der einen oder anderen Weiſe Trödel— 
handel treiben, den für dieſen erlaſſenen Vorſchriften 
unterſtellt. 

4. Mit Unrecht will der Angeklagte aus dem vom 
erkennenden Senate am 17. Januar 1907 in der Straf— 
ſache gegen O. W. erlaſſenen Urteil, im beſonderen aus 
dem Satze: „§ 38 Abſ. 4 GewO. überläßt es den 
Zentralbehörden, falls für die in 8 35 bezeichneten 
Gewerbetreibenden nicht ſchon auf Grund einer 
anderen Geſetzesvorſchrift die Pflicht zur Bücher— 
führung beſteht, vorzuſchreiben, ob ſie überhaupt 


Bücher zu führen haben, vorausgeſetzt, daß zugleich 


- 8 — 


1 IM 


über die Art der Bücherführung Beſtimmungen er: 
laſſen werden“, die Folgerung ableiten, daß er nach 
der Anſicht des oberſten Landesgerichtes 1 weil 
als Vollkaufmann ohnedies zur Buchführung vers 
pflichtet, kein Trödlerbuch führen müſſe. Es iſt ohne 
weiteres erſichtlich, daß hierbei nicht bloß eine geſetz⸗ 
liche Pflicht zur Bücherführung überhaupt vermeint 
war, ſondern die Pflicht zur Fuͤhrung ſo genauer und 
zweckentſprechender Bücher, wie fie den im § 35 be- 
zeichneten Gewerbetreibenden obliegt und wie ſie bei 
den Vollkaufleuten und ebenſo auch bisher bei dem 
Angeklagten nicht üblich iſt. (Urt. vom 15. Oktober 1907, 
Rev R. Nr. 374, 07). H. 
1078 


Oberlandesgericht München. 


Loſtenha ftung des Vaters für das Kind (8 1654 B B.). 
Der Maſchiniſt Johann R. klagt gegen die Hausbe— 
ſizerseheleute G. in eigenem Namen auf Zahlung von 
29 Mk. Kurkoſtenerſatz, ferner namens ſeines elfjährigen 
Kindes auf Feſtſtellung der künftigen Schadenserſatz— 
pflicht, weil zufolge mangelhafter Unterhaltung des 
Hausdaches des Beklagten dem genannten Kinde ein 
Ziegelſtein auf den Kopf gefallen war. Die Klage 
wurde abgewieſen und ausgeſprochen, daß „die Kläger 
die Koſten des Rechtsſtreits zu tragen haben“. Beiden 
Klägern war das Armenrecht bewilligt; der Streit- 
wert wurde auf 1000 Mk. feſtgeſetzt. Nach Rechtskraft 
beanſprucht der Fiskus vom Mitkläger Johann R. die 
Zahlung von 96 Mk. Gerichtsgebühren, 7 Mk. Schreibs 
gebühren und 16 Mk. 50 Pf. Zeugengebühren, zu— 
ſammen 119 Mk. 50 Pf. unter Berufung auf § 1654 
. und 8 92 GKG. mit dem Bemerken, hiervon 
gehe der auf die eigene Forderung des R. zu 29 Mk. 
etwa entſtandene Koſtenbetrag ab. Der in Anſpruch 
genommene Mitkläger erhob Einwendungen, weil 
ihnen ja das Armenrecht bewilligt und er zur Koſten— 
zahlung auch nicht imſtande ſei. Das Landgericht 
wies die Einwendungen im Anſchluß an die als 
herrſchend bezeichnete Auslegung des § 1654 BGB. 
zurück und führt weiter aus, das dem Kinde be— 
willigte Armenrecht enthalte nur eine Stundung und 
komme ſonach dem Geſamtſchuldner Johann R. 
SS 422 ff. BGB.) nicht zu gute. Zeilen Beſchwerde 
blieb erfolglos. 

Aus den Gründen: Ginge man nur von der 
wörtlichen Auslegung des $ 1654 BGB. aus (fo ins- 
beſondere das Kammergericht Berlin, Rſpr. d. OLG. 
Bd. 7 S. 73 u. Bd. 14 S. 253, DIY. 1906 S. 881 und 
LG. München in Bay 3fR. 1906 S. 26), fo könnte aller: 
dings aus der Wortfaſſung des Satz 1 und Satz 3 
des § 1654 die gegenteilige Auffaſſung entnommen 
werden. Geht man jedoch auf die Entſtehungsge— 
ſchichte dieſer Vorſchrift nach den verſchiedenen Ent- 
würfen an der Hand der Materialien näher ein, ſo 
ergibt ſich klar, daß der Geſetzgeber dieſe Haftung des 
Vaters von dem Nutzgenußrechtserträgniſſe unabhängig 
ſtellen wollte, analog der Haftung des Ehemanns der 
Ehefrau gegenüber beim geſetzlichen Guͤterrecht. Es 
mag in dieſer Hinſicht genügen, auf die eingehenden 
Ausführungen hinzuweiſen, welche in dem Beſchluſſe 
des OLG. München vom 13. Juni 1906 niedergelegt 
ind, der die gleiche Rechtsfrage behandelt (BeſchwR. 
350/06 IV, abgedruckt in Bl. f. RA. Bd. 72 S. 166). 
Aus der Nichterwähnung des § 1387 in Satz 2 des 
§ 1654 kann ein Schluß zugunſten der rein wörtlichen 
Auffaſſung nicht gezogen werden, weil im Hinblick 
auf die Faſſung jener Geſetzesvorſchrift ihre analoge 
Geltung nicht angeordnet werden konnte, anderſeits 
die Frage der Koſtenpflicht des Vaters bei Rechts— 
ſtreiten für das Kind eben in Satz 3 des § 1654 ſelbſt 
ihre beſondere Regelung gefunden hat. Es kann auch 
nicht geſagt werden, daß dem Vater kein geſetzliches 
Mittel gegeben wäre, ſich der Haftung zu entziehen; 


25 


das Mittel liegt im § 1662, wonach der Vater auf 
das Nutzungsrecht als ſolches verzichten kann. Qin- 
gewieſen ſei auch noch darauf, daß das Reichsgericht 
hinſichtlich der analogen Haftung des Ehemanns 
bereits ausgeſprochen hat, daß dieſe auch dann zu 
Recht beſteht, wenn die Ehefrau keinerlei einge— 
brachtes Gut hat (JW. 1901 S. 735). Die hier 
vorgetragene Meinung ift auch die herrſchende (vgl. 
Planck Bem. 3 zu § 1654, OLG. Breslau in 3Bl FG. 
Bd. 4 S. 709; Recht 1906 S. 621; OLG. Celle in 
Rſpr. d. OLG. Bd. 12 S. 325; Dernburg Bd. IV 
879 Nr. 4 u. a.).!) (Beſchl. vom 5. Nov. 1907; 
BeſchwReg. Nr. 640/07 IV). N. 
1101 l 


Oberlandesgericht Bamberg. 


Sicherung des Verkehrs über eine öffentliche Treppe. 
fliht der bayerifchen Gemeinden zur Beleuchtung der 
rtsſtraßen. Beaufſichtigung öffentlicher Wege. Ran- 

falzuſammenhang bei Unfällen (5 823 BGB.) In 
einer kleinen Stadtgemeinde befindet ſich eine in deren 
Eigentum ſtehende Treppe, die ſogenannte Mangſteige; 
auf dieſer Treppe ſtrauchelte am 28. Februar 1905 
abends 8 Uhr der Maler W. über ein kleines Steinchen, 
glitt aus und beſchaͤdigte ſich am rechten Fuß. Er 
verlangte von der Stadtgemeinde Schadenserſatz. 
Die Klage und die Berufung des Klägers wurden zu— 
rückgewieſen. 

Aus den Gründen des Berufungsurteils. 
Eine verletzende Handlung liegt nach der Behauptung 
des Klägers in der Unterlaſſung der pflichtmäßigen 
Fürſorge der Beklagten für den verkehrsſicheren 
Zuſtand der Mangſteige, dieſe ſoll zur Zeit des Un⸗ 
falles weder entſprechend beleuchtet noch mit einem 
genügenden Geländer verſehen geweſen ſein. Die 
Mangſteige iſt allerdings ein öffentlicher, im Eigen— 
tum der Gemeinde ſtehender Weg und letztere iſt 
verpflichtet, ihn in gutem Zuſtand zu unterhalten und 
Vorkehrungen zur Sicherung des Verkehrs zu treffen. 
Die Anforderungen dürfen aber nicht ins Unbegrenzte 
gehen: vielmehr muß auf die Art und den Umfang 
des Verkehrs, auf die ſonſtigen örtlichen Verhältniſſe, 
auf die Tunlichkeit und Wirkſamkeit von Sicherungs— 
maßregeln Rückſicht genommen werden (Seuff A. 
Bd. 58 Nr. 233). An der Treppe war ein Geländer 
in der Höhe von 50 em angebracht. Es beſteht keine 
Vorſchrift, daß jede Steige mit einem für erwachſene 
Perſonen leicht erreichbaren Geländer zu verſehen 
ſei, es kann das nur verlangt werden, wenn die 
Verkehrsſicherheit des Einzelfalls es erforderlich macht. 
Dies iſt der Fall z. B. zum Schutz gegen ſeitlichen 
Abſturz, wenn die Steige auch ſeitwärts an einer 
Vertiefung vorbeiführt, oder zum Schutze gegen das 
Ausgleiten auf der Treppe ſelbſt, wenn dieſe ſehr 
hoch oder ſehr ſteil iſt oder viele Stufen aufeinander 
folgen, ſo daß bei den Paſſanten Schwindel eintreten 
kann oder wenn die Stufen glatt ſind oder aus 
ſonſtigen Urſachen der Verkehr darüber gefährlich iſt. 
Solche Umſtände ſind hier aber nicht gegeben. (Wird 
näher ausgeführt). 

Wegen der Beleuchtung der Mangſteige iſt zu 
bemerken, daß durch die bayer. GemO. den Gemeinden 
eine geſetzliche Pflicht zur Beleuchtung der Ortsſtraßen 
nicht auferlegt wurde; allein ſoweit die Wegſicherung 


1) Das Ergebnis iſt zweifellos unbefriedigend, um ſo mehr, 
als ein Verzicht auf das Nutzungsrecht zur Vermeidung der Gerichts- 
foitenbartung unter das Aufechtungsgeſetz fallen könnte. Der Be— 
ſchwerdefüdrer batte mit Recht darauf bingewieſen, daß er angeſichis 
der Beweislaſtperteilung des § 836 BB. ohne Pflichtperletzung die 
Feſtſtellungsklage fur das Kind gar nicht batte unterlaſſen durfen 
und die Wobltat des Armentechte durch folde Rechteauslegung bina 
fällig wird, Man wird nur durch einen dem 3 114 YBO. nt 
ſprecbenden Zuſatz zu 9 92 GI, helfen können, da die Admini— 
ſtrativvollſtreckung an ſich bloß nach Maßgabe der SS s11, 850 ff. 
ZBI. beſchränkt iit (Art. © A. z. BPE.) D. Einſ. 


36 


eine Beleuchtung erforderlich macht, beruht die Ver⸗ 
pflichtung hierzu nach allgemein anerkannten Rechts⸗ 
grundſätzen auf der Eröffnung des Verkehrs und auf 
der Pflicht der Gemeinden zur Unterhaltung des 
Weges. Eine allgemeine Verbindlichkeit der Dorf- 
und Kleinſtadtgemeinden zur Beleuchtung der Straßen, 
insbeſondere der Fußwege, beſteht an ſich nicht; ſie iſt 
nur gegeben, wenn die Verkehrsſicherheit es fordert. 
(RG. 29. Sept. 1904, Puchelts Z. Bd. 35 S. 707). Hier 
handelt es fiH nur um einen Fußweg einer Kleinſtadt⸗ 
gemeinde, welcher an ſich keiner Beleuchtung bedürfte. 
Da aber der Verkehr wegen der Abſchüſſigkeit des Wegs 
und den Abſtufungen der Treppe in der Dunkelheit ge⸗ 
5 iſt, ſo beſteht auch die Pflicht der Beklagten, 
en Mangſteig während der verkehrsüblichen Zeit der 
Nacht genügend zu beleuchten. Dieſe Pflicht hat aber 
die Beklagte ausreichend erfüllt. Es iſt an dem frag⸗ 
lichen Wege oben und unten je eine Laterne ange 
bracht; die obere iſt 20 m, die untere 40 m von der 
Unfallſtelle entfernt. (Es wird ausgeführt, daß die 
Beleuchtung genügte). 

Es fehlt auch an dem erforderlichen Kauſalzuſammen⸗ 
hang. Der Kläger geſteht zu, daß er auf ein kleines 
Steinchen trat, dadurch ausglitt und zu Boden ſtürzte. 
Das hätte ihm auch bei hellem Tage zuſtoßen können 
und auch beim Vorhandenſein eines höheren Ge- 
länders. Ein Kauſalzuſammenhang zwiſchen dem Un⸗ 
fall und dem Fehlen des Geländers wäre erſt ge— 
geben, wenn feſtſtände, daß der Kläger es beim Ab- 
ſtieg wirklich benützt haben würde; das iſt nicht an⸗ 
zunehmen bei einem Mann, der die Stiege täglich 
benützt und daher bei ſeiner Ortskenntnis keine Stütze 
braucht. Die eigentliche Urſache des Unfalls iſt alſo 
das kleine Steinchen, auf das der Kläger trat. Für 
das Vorhandenſein dieſes Verkehrshinderniſſes iſt 
aber die Gemeinde nicht verantwortlich. Es übers 
ſchreitet die Grenze der gemeindlichen Fürſorgepflicht, 
zu verlangen, daß ſie Sorge dafür trage, daß keine 
Steinchen auf dem Wege liegen bleiben, über die je⸗ 
mand ſtraucheln könnte. Eine ſolche Beaufſichtigung 
der Wege iſt nicht durchführbar. Es hieße das, etwas 
1 verlangen. (Urt. des I. ZS. vom 26. Oktober 

907). 


1114 Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


Oberlandesgericht Nürnberg. 


ĝu 88 29, 42, 45 des Gef. betr. die G. m. b. H. und 
88 35, 162 BGB. Der Kläger ift Geſellſchafter der 
Gewerkſchaft X., einer G. m. b. H. Die Geſellſchaft hatte 
jeit Jahren mit erheblichen geſchäftlichen Schwierig— 
keiten zu kämpfen und arbeitete mit Unterbilanz. Im 
Jahre 1904 wurde die Herabſetzung des Stammkapitals 
um 7 des urſprünglichen Betrages, im Jahre 1905 
die Verwendung des ganzen Rohgewinnes zu rund 
55 000 Mk. zu Abſchreibungen beſchloſſen. Gegen leg- 
teren Beſchluß wendet ſich die Klage mit der Begrün— 
dung, daß nach dem Geſellſchaftsvertrage zunächſt die 
Abſchreibungen nach dem Vorſchlage des Aufſichtsrats 
vorzunehmen, dann 4% des Nennbetrags der Stamm- 
einlagen den Geſellſchaftern zu vergüten und hierauf 
von dem verbleibenden Reſtbetrage 10 % dem Kläger 
für ſeine Bemühungen um das ſeinerzeitige Zuſtande— 
kommen des Unternehmens zu zahlen ſeien. Dieſer 
Beſtimmung ſei durch die Feſtſetzung der ganz außer— 
ordentlich hohen Abſchreibung von rund 55000 Mk., 
die unter Beobachtung der Anforderungen eines vor— 
ſichtigen und vernünftigen Geſchäftsgebahrens mit 
etwa der Hälfte zu bemeſſen geweſen wäre, mit Ver— 
letzung des Erforderniſſes von Treu und Glauben zu— 
widergehandelt worden, weshalb unter Bezugnahme 
auf § 162 BGB. Klage auf Zahlung gegen die Geſell— 
Schaft erhoben werde. Das LG. wies die Klage ab, 
weil die Geltendmachung des Klaganſpruchs die An— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


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fechtung des Geſellſchafterbeſchluſſes, die nicht ſtatt⸗ 
gefunden habe, zur Vorausſetzung habe. Das Ve- 
rufungsgericht hielt die Klage aus ſachlichen Gründen 
für ungerechtfertigt. 

Aus den Gründen: Der Kläger macht nicht 
ein bloßes Geſellſchafterrecht, ähnlich dem im § 29 des 
Geſ. betr. die G. m. b. H. jedem Geſellſchafter einge⸗ 
räumten Rechte auf den Reingewinn, geltend. Er ſtützt 
feinen Anſpruch vielmehr auf ein durch den Gefell- 
ſchaftsvertrag feſtgeſetztes Sonderrecht im Sinne des 
835 BGB. Unter Sonderrecht iſt ein geſellſchaftliches, 
ein mit der Geſellſchaftereigenſchaft verbundenes Recht 
zu verſtehen, das durch Beſchluß der Geſellſchafter 
dem Berechtigten ohne feine Zuſtimmung nicht ent- 
zogen werden kann (Staub, G.m. b. H. 1. Aufl. § 451). 
Daraus ergibt ſich von ſelbſt die Folge, daß die Gel⸗ 
tendmachung eines ſolchen Rechtes die förmliche An⸗ 
fechtung eines Geſellſchafterbeſchluſſes nicht zur Bor: 
ausſetzung haben kann. Dieſe Vorausſetzung beſteht 
nicht einmal gegenüber der Verfolgung von gemöhn: 
lichen Geſellſchafterrechten, keine rechtliche Beſtimmung 
hindert den Geſellſchafter ſofort die Leiſtungsklage zu 
ſtellen und ſie auf die Gründe, die für die Anfechtung 
des Geſellſchafterbeſchluſſes beſtehen, zu ſtützen. Der 
Unterſchied zwiſchen der Lage des gewöhnlichen und 
des ſonderberechtigten Geſellſchafters beſteht nur darin, 
daß erſterem die zeitlich unbeſchränkte Anfechtung eines 
Beſchluſſes lediglich bei Verletzung geſetzlicher Vor— 
ſchriften oder von Satzungsbeſtimmungen möglich iſt 
(Staub a. a. O. § 29, 8 451), während der Sonder: 
berechtigte auch durch einen dem Geſetze und den 
Satzungen an ſich entſprechenden Beſchluß in ſeinen 
Rechten nicht beeinträchtigt werden kann. Das Sonder⸗ 
recht des Klägers ift bedingt dadurch, daß nach Bor: 
nahme von Abſchreibungen ein Reingewinn verbleibt: 
hiervon ſtehen ihm 10% (zu. Wenn es nun auch 
richtig ift, daß nach 8 162 BGB. die Bedingung als 
eingetreten gilt, wenn deren Eintritt von der Gegen— 
partei wider Treu und Glauben verhindert wird, ſo 
kann doch nach Lage der Sache nicht angenommen 
werden, daß die beklagte Geſellſchaft die Feſtſetzung 
eines Reingewinns abſichtlich zum Nachteile des Klägers 
unterlaſſen habe. (Wird näher ausgeführt). (Urt. v. 
9. Novbr. 1907). D. 

1115 


Literatur. 


Lucas, Dr. iur. Hermann, Wirkl. Geh. Oberjuſtizrat 
und Miniſterialdirektor. Anleitung zur ſtraf⸗ 
rechtlichen Praxis. Ein Beitrag zur Aus⸗ 
bildung unſerer jungen Juriſten und ein Ratgeber 
für Praktiker. 2. Teil. Das materielle Straf⸗ 
recht. 2. verbeſſerte und vermehrte Auflage. 
Berlin 1907, Verlag v. Otto Liebmann. Geh. Mk. 8.— 
gebd. Mk. 9.— 

Im 1. Jahrgange dieſer Zeitſchrift (S. 374) wurde 
der 1. Teil dieſes ausgezeichneten Lehrbuchs, das 
formelle Strafrecht, beſprochen. Die Ausführungen 
des früheren Berichterſtatters kann ich nur unter: 
ſchreiben. Einen Hauptvorzug des Buches erblicke 
ich darin, daß es den übertriebenen Angriffen auf das 
geltende Recht in maßvoller Weiſe und mit überlegener 
Ruhe entgegentritt. Gerade deshalb kann es dem 
Studierenden nicht genug empfohlen werden. Es wird 
ihm zeigen, daß die Probleme des Strafrechts nicht 
gar ſo einfach ſind, wie ſich manche Kritiker einbilden, 
und daß es mit dem Schimpfen über die „Rückſtändig— 
keit“ des StGB. allein nicht getan ift. Es wäre recht 
zu wünſchen, daß bei der Beſprechung ſtrafrechts— 
politiſcher Fragen wieder ein etwas beſcheidenerer 
Ton angeſchlagen würde. Uebrigens bietet das Buch 
auch für den Praktiker mancherlei Anregung. Die Art, 
wie die Löſungen praktiſcher Fälle entwickelt werden, 
iſt geradezu unübertrefflich. ven der Pfordten. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Sammlung der Entſcheidungen des Bayeriſchen Gerichts. 
hotes für Kompetenzkonflikte. Unter der Aufſicht 
und Leitung des Staatsminiſteriums der Juſtiz her⸗ 
ausgegeben. 1. Band. Die Entſcheidungen aus den 
Jahren 1880 bis 1906. Erlangen 1907, Verlag von 
Palm & Enke (Carl Enke); Broch. Mk. 7.80. 

Die Sammlung enthält 57 Entſcheidungen in 
chronologiſcher Reihenfolge. Jeder Entſcheidung iſt 
ein ſorgfältig ausgearbeiteter Leitſatz vorangeſtellt, 
der ihren weſentlichen Inhalt genau wiedergibt. Ein 
Geſetzesregiſter und ein alphabetiſches Sachregiſter ſind 
beigegeben. 


Notizen. 


Die Vollzugsvorſchriften zum neuen Waſſergeſetz 
vom 23. März 1907 find in Nr. 72 des GVBl. Jahr: 
gang 1907 veröffentlicht worden; ſie zerfallen in eine 
Allerh. BO. vom 1. Dezember 1907, in der die Zu⸗ 
ſtändigkeit geregelt wird, und in eine gemeinſame Be⸗ 
kanntmachung der beteiligten Miniſterien (des K. Hauſes 
und des Aeußern, der Juſtiz, des Innern, der Finanzen 
und für Verkehrs angelegenheiten) vom 3. Dezember 1907, 
welche die Verfahrensvorſchriften enthält. Hinſichtlich 
der Zuſtändigkeit iſt ausgeſprochen, daß, wo im Geſetze 
der „Staatsregierung“ Befugniſſe vorbehalten ſind, 
dieſe durch das Staatsminiſterium des Innern aus⸗ 
geübt werden, dem auch die Oberaufſicht über den 


| 


Vollzug des Geſetzes durch die Behörden der inneren 


Verwaltung im Benehmen mit den übrigen Staats- 
miniſterien nach Maßgabe ihres verordnungs mäßigen 
Wirkungskreiſes zuſteht. ($ 2 Allerh. BO.) Die 
im Geſetze den „Verwaltungsbehörden“ eingeräumten 
Befugniſſe werden durch die Diſtriktsverwal⸗ 


tungs behörden, in München durch den Stadt: 


magiſtrat, ausgeübt. Dieſen Behörden liegt, ſoweit 
nicht das Geſetz oder die Verordnung Ausnahmen 
machen, der Vollzug des Geſetzes in erſter Inſtanz ob 
(F 5 a. a. O.). Das Geſetz ſelbſt macht Ausnahmen 
a) hinſichtlich der gerichtlichen Zuſtändigkeit (Art. 166 


des WG.); b) hinſichtlich der Kreisregierung, K. d. J., 


z. B. bei Genehmigung von Genoſſenſchaftsſatzungen 
(Art. 118), bei Bildung von Zwangsgenoſſenſchaften 
(Art. 135) und bei Einſprüchen und Widerſprüchen 
gegen die Genoſſenſchaftsbildung und bei der Erlaubnis 
zu Waſſerbenützungs- und Inſtandhaltungsanlagen, 
die bei der Gründung von Genoſſenſchaften zu er⸗ 
teilen ift (Art. 189 des Geſ.); e) hinſichtlich der Staats- 
regierung“ (Staatsminiſterium des Innern) vgl. Art. 1, 
4, 11 Abſ. 1 und 3, 12 Abſ. 2, 20 Abſ. 4, 29 Abſ. 3, 
31 Abſ. 2, 34, 97, 105 Abſ. 2, 106 des Geſetzes. Die 
Verordnung ſchafft Ausnahmen von der Zuſtändigkeit 
der Diſtriktsverwaltungsbehörden, indem fie den Kreis— 
regierungen, K. d. J., überweiſt (8 3 Allerh. VO.): 
die Erlaubnis zur Errichtung oder Abänderung von 
Brücken, feſtſtehenden Stegen und Ueberfahrtsanſtalten 
über öffentliche Gewäſſer und über Staatsprivatflüſſe, 

er von Ueberführungen über und Unterführungen 
durch öffentliche Gewäſſer ſowie die Bezeichnung der⸗ 
jenigen Privatflüſſe, bei denen die Errichtung oder 
Abänderung von Brücken ꝛc. der Erlaubnis (der Diſtrikts⸗ 
verwaltungsbehörde) bedarf, endlich den Widerruf der 
Erlaubnis zu Inſtandhaltungsarbeiten, wenn die 
Erlaubnis von der Regierung erſtinſtanziell erteilt 
worden ift. Als „Verwaltungsbehörde“ im Sinne 
des Geſetzes gilt ferner das Straßen⸗ und Fluß⸗ 
bauamt hinſichtlich der Erlaubnis zur Materialien⸗ 
entnahme aus öffentlichen und Staatsprivatflüſſen, 
das Forſtamt dagegen, wenn das betreffende Flußbett 
zu dem der Staatsforſtverwaltung unterſtehenden 
Staatsgut gehört (8 4 a. a. O.). Das Straßen- und 
Flußbauamt ſoll weiter zuſtändig ſein für die Feſt⸗ 
fegung des Normalprofils und der Normallinien bei 


27 


Nr. 1. 


öffentlichen Flüſſen ſowie bei Inſtandhaltung 
von öffentlichen Flüſſen (Art. 95 des Gef.). Die 
techniſche Beaufſichtigung der „Privatflüſſe mit er⸗ 
heblicher Hochwaſſergefahr“, die bekanntlich erſt durch 
das Waſſergeſetz als neue Gattung von Privatflüſſen 
ausgeſchieden worden ſind, wird zwiſchen Straßen⸗ 
und Flußbauämtern und Wildbachverbauungsſektionen 
örtlich geteilt, worüber noch nähere Weiſungen ergehen 
folen ($ 4 Allerh. VO.). Die Zuſtändigkeitsverord⸗ 
nung regelt ſodann noch im einzelnen, von wem die 
Schiffahrts⸗, Floß⸗, Kanal⸗ und Triftordnungen ſowie 
die polizeilichen Vorſchriften zur Verhütung der Be⸗ 
ſchädigung von Uferſchutz⸗, Regulierungs⸗ und Damm⸗ 
bauten, dann von Wildbachverbauungen ſowie zur 
Regelung oder Beſchränkung des Gemeingebrauchs zu 
erlaſſen find. (S8 7 und 8 a. a. O.). Ausdrücklich ift 
auch vorgefehen, daß die Straßen⸗ und Flußbauämter, 
die Wildbachverbauungsſektionen ſowie die „amtlichen 
Kulturingenieure“ bei der Handhabung der den Diſtrikts⸗ 
verwaltungsbehörden übertragenen Aufſicht über die 
Privatflüſſe mitzuwirken haben. „Der amtliche 
Kulturingenieur“ wird ſonach in Zukunft ein wichtiges 
beratendes Organ in Waſſerſachen ſein. Die Neuregelung 
des kulturtechniſchen Dienſtes iſt bereits durch die Kgl. 
VO. vom 15. Auguſt 1902, GVBl. S. 471 und die 
Min Bek. vom 9. November 1902 (MA Bl. d. J. S. 563) 
angebahnt. Nach dem Budget der XXIX. Fin.⸗Per., 
Etat Nr. 27 Ziff. VIII Kap. 1, B 8 1 Tit. 1 fol die 
„Verſtaatlichung“ der Kulturtechniker ab 1909 durch⸗ 
geführt werden, damit die Schaffung von Kulturbezirken 
in allen Kreiſen und die Beſetzung der Bezirke mit 
geeigneten Kräften ermöglicht werde. (Näheres ſiehe 
in der „Denkſchrift über die Perſonalvermehrung“ aus 
Anlaß des Vollzuges des Waſſergeſetzes, Anlage E 
zum Etat Nr. 27 (M. d. J.] für 1908/09). 

Die Min Bek. über den Vollzug des Waſſergeſetzes 
hat überhaupt dem Gutachterweſen eine beſondere Auf⸗ 
merkſamkeit geſchenkt. Für die verſchiedenen Fälle, 
in denen eine amtliche Tätigkeit der Verwaltungs- 
behörden einzutreten hat, iſt jeweils beſtimmt, welche 
Behörden in techniſcher und geſundheitspolizeilicher 
Hinſicht gutachtlich zu vernehmen ſind; dadurch wird 
einer bei dem Vollzuge der Waſſergeſetze von 1852 
vielfach beſtehenden Unſicherheit (vgl. z. B. Art. 21 
des Uferſchutzgeſetzes) abgeholfen. Für die einzelnen 
Fälle. in denen das Geſetz eine Erlaubnis oder Ge⸗ 
nehmigung der Verwaltungsbehörden feſtſetzt, iſt vor⸗ 
geſchrieben, welche Pläne und Beſchreibungen dem 
Geſuche beizulegen ſind; wodurch ſowohl für die privaten 
Intereſſen wie für die inſtruierenden Behörden eine 
Vereinfachung in der Geſchäftsbehandlung eintreten 
wird; in einfacher gelagerten Fällen ſind Erleichterungen 
in der Vorlage der Belege zu gewähren. Die Vollzugs- 
vorſchriften ſchließen ſich im übrigen in ihrem äußeren 
Aufbau an die Syſtematik des Geſetzes an und geben 
in 305 Paragraphen eingehende Verfahrensvorſchriften. 
An die Beſtimmungen über das Verfahren bei Feſt— 
ſetzung der Uferlinie (SS 2—12), bei Herſtellung oder 
Verlegung des Leinpfades (85 13—14), der Beſeitigung 
von Verlandungen (SS 15—19) und der Verteilung 
von Verlandungen (S8 20—29) ſchließen fiH die Vor⸗ 
ſchriften über die Beſchränkung der Zutageförderung 
oder Ableitung von Grund- und Quellwaſſer an 
(SS 30—38). Hier wurde die Auslegung der geſetzlichen 
Begriffe („vorübergehende Zwecke“, „Brunnen, „eigener 
Haus: und Wirtſchaftsbedarf“ uſw), wie fie durch die 
Kammerverhandlungen feſtgeſtellt iſt, zur Erläuterung 
wiedergegeben und im einzelnen ausgeführt, welche 
Geſichtspunkte bei derartigen Geſuchen zu beachten 
und wie ſie zu würdigen und zu beurteilen ſind. — 
Das Verfahren beim Vollzug der geſetzlichen Be— 
ſtimmungen (Art. 20) über den Schutz der Heilquellen 
(S§ 39—56) ift gleichfalls eingehend geregelt. Die 
Bezeichnung der öffentlich benützten Heilquellen, ſowie 
die Feſtſetzung ihres Bereichs erfolgt nach durchge— 


führtem Inſtruktionsverfahren der Diſtriktsverwal⸗ 
tungsbehörde und der Kreisregierung, K. d. J., durch 
das Miniſterium des Innern, das dieſe Heilquellen 
öffentlich bekannt geben wird. Die Erlaubnis zu 
Grab- und Bohrarbeiten innerhalb des feſtgeſetzten 


Bereichs hat die Diſtriktsverwaltungs behörde zu erteilen. 


— Die folgenden Paragraphen regeln das Verfahren 
bei natürlicher Veränderung des Flußlaufes, bei Ge⸗ 
ſuchen um Entnahme von Materialen aus öffentlichen 
und Staatsprivatflüſſen, bezüglich der Schiffahrt, 
Floßfahrt und Trift. — „Die Vorſchriften über die 
Reinhaltung der Gewäſſer (§§ 94 - 105), die mit Rück⸗ 
ſicht auf die in Betracht kommenden wichtigen geſund⸗ 


Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 


heitlichen und wirtſchaftlichen Intereſſen gegenüber 


den bisherigen geſetzlichen Beſtimmungen weſentlich 


verſchärft wurden, fordern eine beſonders ſorgfältige 
und verantwortungsvolle Tätigkeit der mit dem Voll⸗ 
zuge betrauten Diſtriktsverwaltungsbehörden ſowie der 
amtlichen Sachverſtändigen“ ſagt § 94 der Vollzugs- 
vorſchriften. Von beſonderer Wichtigkeit für die Beur⸗ 
teilung der Geſuche um Zuführung von Flüſſigkeiten 


ſind Gutachten in hydrotechniſcher Beziehung und 


chemiſch⸗biologiſcher Beziehung. Die erſtere Aufgabe 
liegt dem Hydrotechniſchen Bureau und den Bauämtern 
ob; in letzterer Beziehung hat die Biologiſche Verſuchs⸗ 
ſtation für Fiſcherei in München als ſachverſtändige 
Behörde zu wirken. Für den weiteren Ausbau der 


Verſuchsſtation als gutachtliches Organ in Abwäſſer⸗ 


fragen ſind Mittel vom Landtag gefordert (Budget 
1908/09 Etat 27, Ziff. III Kap. 7 § 1). — Bei der 
Waſſerbenützung mittels „beſonderer Nutzung“ — ſei 
es ohne Stau- und Triebwerksanlagen (88 106—110) 


geben die SS 163—165. — Das neue Waſſergeſetz be- 
zweckt, wie die Begründung zum Regierungsentwurf 
hervorhebt, u. a. auch die „Hebung der Privatfluß⸗ 
wirtſchaft“ durch die Reviſion der Vorſchriften über 
die Inſtandhaltung der Gewäſſer; dieſer wichtige Ab⸗ 
ſchnitt des Geſetzes wird in den 88 175 — 233 der Vollzugs⸗ 
vorſchriften ausführlich behandelt. — Hieran ſchließen 
ſich die Vorſchriften über das Verfahren bei Bil dung 
von Genoſſenſchaften und über ihre Beaufſichtig ung. 
Eine Muſterſatzung für Genoſſenſchaften iſt in der 
Anlage enthalten. — Den Zwangsrechten, der Zu: 
ſtändigkeit und den allgemeinen Verfahrens vorſchriften 
find die SS 260—278 gewidmet. — Von befonderer 
Bedeutung ſind die Vorſchriften über die Einrichtung 
und Führung der Waſſerbücher (88 279—297), die 
eine neue Einrichtung im bayer. Waſſerrecht bilden. 
Die Waſſerbücher werden von den Diſtriktsverwaltungs⸗ 
behörden geführt; es ſind 4 Bücher: für Stauanlagen, 
für Triebwerke mit geſpannter Waſſerkraft, für Be⸗ 
und Entwäſſerungsanlagen und für Zuführung von 
Flüſſigkeiten. Die erſten drei Bücher beſtehen je aus 
einem Buch für Eintragungen und aus einer Plan: 
mappe als Beilage, das Buch für Zuführungen be: 
ſteht nur aus dem Buch für Eintragungen. Ueber 
Form und Inhalt der Eintragungen ſind Weiſungen 
gegeben; von großem praktiſchen Werte werden die 
Muſterbeiſpiele von Eintragungen fein, die eine An- 
lage zu den Vollzugsvorſchriften bilden; Muſterpläne 
für die Planmappe werden den in Betracht kommen— 
den Behörden geſondert zugehen. — Die Vorſchriften 


über die Art und Weiſe der Vornahme der regel: 


fei es mit ſolchen (SS 113—155) — kommt die Unter⸗ 


ſcheidung des Geſetzes zwiſchen der waſſerpolizeilichen 
Erlaubnis oder Genehmigung und der Möglichkeit 
privatrechtlicher Verfügung über das Waſſer auch 


mäßig wiederkehrenden Beſichtigung der Gewäſſer 
(Waſſerſchau) ſind vorbehalten worden, wohl deshalb, 


weil die Mittel für beſondere Sachverſtändige bei der 


in den Vollzugs⸗Vorſchriften zum klaren Ausdruck. 


Handelt es ſi 
tum (öffentliche Gewäſſer und Staatsprivatflüſſe), ſo 
müſſen Geſuche um Errichtung oder Aenderung von 
Stau⸗ und Triebswerksanlagen allgemein, Geſuche 
um wichtigere Anlagen (ohne Stauanlage) an öffent- 
lichen Flüſſen, ſowie um Ausleitung aus Staats— 
privatflüſſen zwecks Erholung der privatrechtlichen Er- 
laubnis vor der Beſcheidserteilung dem Staatsmini— 
ſterium des Innern vorgelegt werden. Hierdurch 
wird auch ermöglicht, daß die Zentralſtelle von allen 
derartigen Geſuchen Kenntnis erhält, die erforderlichen 
Bedingungen feſtſetzen und die Ausführung nötigen- 
falls von vornherein verhindern kann, wenn hier— 
durch eine unwirtſchaftliche Ausnützung der Waſſer— 
kräfte eines Fluſſes herbeigeführt würde oder wenn 
die Waſſerkräfte, weil für den Staatsbedarf erforder— 
lich, nicht abgegeben werden können. Der Ausbau 
der vorhandenen Waſſerkräfte nach einheitlichen Ge— 
ſichtspunkten wird hierdurch zweifelsohne gefördert. 
(Eine Vorlage der Geſuche an das Miniſterium zwecks 
Erteilung prinzipieller Weiſungen fand in eingeſchränk— 
terem Maße ſchon bisher nach der aut. MinE. vom 
30. Dezember 1890 ftat. — Im Ausgleichsverfahren 
(SS 156—162) foll der bei der Benützung der Privat- 
flüſſe oft vorkommenden Mißwirtſchaft, beſtehend in 
nutzloſer Waſſerverſchwendung oder in einer willkür— 
lich ungleichmäßigen Ausnützung des Waſſers ent— 
gegengetreten und eine tunlichſte Ausgleichung der 
gegenüberſtehenden Intereſſen (Landwirtſchaft, In— 
duſtrie, Fiſcherei) herbeigeführt werden. Eingehende 
Vollzugsvorſchriften waren hier um ſo mehr am 
Platze, als hierbei (im Verwaltungsverfahren) in 
Privatrechte eingegriffen werden kann. — Die Grund— 
ſätze für die Erhebung der Gebühren für die Nutzungs— 
gewährung und für die Zuführung von Flüſſigkeiten 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. l 


um die Benützung von StaatSeigen- | 


Waſſerſchau erſt vom Landtag genehmigt werden 
müſſen (vgl. Budget 1908/09, Etat 27, Ziff. III Kap. 6 
§ 3). Hierdurch werden die Beſtimmungen über die 
„Aufſicht über Privatflüſſe“ (SS 111—113) eine Gr- 
gänzung erfahren. Die Schlußbeſtimmungen enthalten 
zugleich auch Uebergangsvorſchriften, ſowie eine Auf⸗ 
zählung von Verordnungen und Bekanntmachungen, 
die als aufgehoben zu gelten haben. Endlich werden 
die Diſtriktsverwaltungsbehörden, Straßen- und Fluß⸗ 
bauämter, Wildbachverbauungsſektionen, amtlichen 
Kulturingenieure ſowie die Kreisregierungen, K. d. J., 
beauftragt, die mit den Vollzugsvorſchriften gemachten 
Erfahrungen zu ſammeln und ſchriftlich niederzulegen. 
Die Kreisregierungen haben hierüber bis 1. Jan. 1911 
zu berichten. — Neben den ſchon erwähnten Anlagen 
liegen den Vollzugsvorſchriften ein „Verzeichnis der 
öffentlichen Flüſſe in Bayern“ ſowie Pläne für das 
neu eingeführte Höhenmaß bei Stau- und Triebwerks⸗ 
anlagen bei, das im Syſtem ſich zwar dem bisherigen 
Eichpfahl anſchließt, deffen Herſtellung aber ſtatt in 
Holz in Beton zu erfolgen hat und vorausſichtlich 
bei gleicher Standhaftigkeit erheblich billiger in der 
Ausführung ſein wird. — Die für die Auslegung des 
Waſſergeſetzes und ſeinen Vollzug bedeutſame Mini⸗ 
ſterialbekanntmachung wendet fi in ihren Eingangs- 
worten an die mit ihrer Anwendung befaßten Be 
hörden mit dem Appell, an der Hand der Vollzugs⸗ 
vorſchriften dem Waſſergeſetz in Würdigung ſeiner 
außerordentlich großen wirtſchaftlichen Bedeutung 
mit der größten Sorgfalt, mit weitem Blick und mit 
vollem Verſtändnis für die Wichtigkeit der Sache den 
entſprechenden Vollzug zu ſichern. 
1113 


Eu 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K.Landgerichtsrat, verw. im Staats miniſterium d. Juſtiz. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


Münden, den 15. Jannar 1908. 1908. 


Itilſhrift fi hrift für Rechtspflege 


in Bayern 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. 
Staats minlſterlum der Juſtlz. 


Die Zeitſchrift erf veint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Prels vlerteljäbrlich 
Mk. . —. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und 
Voſtanſtalt (Voſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9744). 


J. Jahrg. 


Verlag von 

3. Schweitzer Verlag 
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in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene W 
aa deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 

20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Die Vorabentſcheidung 
über den Grund des Auſpruchs. 


Von Reichsgerichtsrat Schneider in Leipzig. 


Die jetzigen Rufe nach Abänderung der Geſetze 
über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsſtreitig⸗ 


keiten find berechtigt, ſoweit fie auf Entlaſtung 
der Obergerichte und einfachere Behandlung der 


kleineren Sachen gehen. Im übrigen ſind ſie viel⸗ 
fach zu einſeitig. Unſere ZPO. iſt im ganzen ein 
gutes Geſetz. Nicht ſelten werden jetzt Rechtsſtreitig⸗ 
keiten mit kleinen Beweiserhebungen trotz der zurzeit 
leider unvermeidlichen Hinausſchiebung des reichs⸗ 
gerichtlichen Termins auf ungefähr ein halbes Jahr 
von der Klageerhebung an bis zum reichsgericht⸗ 
lichen Urteil in 11/2 Jahren, manchmal in noch 
kürzerer Zeit, gänzlich erledigt. Mehr kann auch 
der Sieger kaum verlangen. Dem Unterliegenden 
iſt meiſt jede Prozeßdauer zu kurz. Derartige, 
ſeit den letzten Jahren bemerkliche Beſchleunigung 
beweift die Güte der ZPO. im allgemeinen und 
zugleich deren treffliche Handhabung durch ein⸗ 
mütiges Zuſammenwirken der Anwälte und Gerichte. 
Nach richtiger Meinung kommt es namentlich bei 
Prozeßgeſetzen mehr auf zweckmäßige Handhabung 
als auf ihren mehr oder minder glücklichen Inhalt 
an. Leider fehlt es an jener bisweilen, und — 
auffallenderweiſe — beſonders häufig bei Be⸗ 
ſtimmungen, die zur Vereinfachung des Verfahrens 
dienen ſollen. So wird die vom Geſetzgeber be⸗ 
abſichtigte, vielleicht allerdings nicht genügend ins 
Werk geſetzte Wohltat zur Plage. Die SS 301 
bis 304 ZPO. bringen hierfür betrübenden Beweis: 
ſie ſollen vereinfachen, erleichtern, abkürzen, ſtatt 
deſſen erſchweren, verwirren, verlängern ſie ſelbſt 
bei richtigem Gebrauch vielfach das Verfahren. 
Das Teilurteil nach 8 301 wird bei Rechtsmittel⸗ 
einlegung meiſt die Prozeßzeit verlängern, wenn 
nicht verdoppeln. Dem Nutzen ſeiner vorläufigen 


ſtellen. 


Richter für ſein Endurteil die Hände, von dem 
bedingten Zwiſchenurteil des § 461 Abſ. 2, einem 
zum Glück totgeborenen Kinde, gar nicht zu reden. 
Uebrigens könnten Zwiſchenurteile nach 88 303 und 
304 oft durch Trennungsbeſchlüſſe nach $ 146, 
vielleicht noch einfacher durch einen den Anwälten 
bekannt gegebenen Bleiſtiftvermerk zu den Akten 
erſpart werden. Ergibt ſich am Schluſſe der vor⸗ 
läufig beſchränkten Verhandlung und Beweis⸗ 
erhebung die Notwendigkeit des Eingehens noch 
auf anderes, z. B. auf den leicht zu ermittelnden 


Betrag, ſo kann dies einfach nachgeholt und mit 
Endurteil die Sache abgetan werden. 


Die Beſtimmungen in §8 301—304 geben 
aber auch Anlaß zu Zweifeln und Verſtößen, die 
zu Urteilsaufhebungen führen und ſo noch beſondere 
Prozeßverzögerung verurſachen. Von den in JW. 
1906 abgedruckten reichsgerichtlichen Zivilurteilen 
(ungef. 660) beſchäftigen ſich 32, alſo 5 vom 
Hundert, mit Streitfragen über die 88 301 — 304. 
Die Erfahrungen in den Sitzungen einzelner Senate 
werden kaum für eine niedrigere Verhältniszahl 
ſprechen. Betrachtet man das ungeheure übrige 
Rechtsgebiet, ſo muß man einen derartigen 
Zeit: und Arbeitsaufwand auf ein paar neben: 
ſächliche, eigentlich zur Vereinfachung beſtimmte 
Geſetzesſtellen für meiſt unnötig veranlaßt und 
nachteilig erklären. 

Der Löwenanteil dieſes Zeit- und Arbeitsauf— 
wandes trifft auf den § 304 in Verbindung mit 
8 538 Ziff. 3, mit denen ſich nachſtehende Aug- 
führungen beſonders beſchäftigen ſollen. Die Haupt: 
ſchwierigkeiten bei dieſen Paragraphen ergeben ſich 
daraus, daß 1. ihre Anwendungs⸗Vorausſetzungen 
oft zweifelhaft ſind und daß 2. eine Trennung von 


Grund und Betrag in vielen Fällen kaum möglich 


iſt. (JW. 1903, 239). Der Verfaſſer verweiſt zu⸗ 
a auf unſere vortrefflichen Handbücher zur 

SPO. und deren umfaſſende Angaben von Beleg— 
Er will nicht vollſtändig alle Fragen be— 


Vollſtreckbarkeit ſteht die Gefahr des $ 717 Abi. 2 handeln, ſondern nur an der Hand der neueren 
ZPO. gegenüber. Für das Vorbehaltsurteil nach Rechtſprechung des RG. Winke über die aus 


$ 302 gilt ähnliches. Das Zwiſchenurteil nach 


53 304, 538 hervorgehenden wichtigſten Zweifels— 


3303 vermehrt das Schreibwerk und bindet dem fragen geben und auf das Beſtreben hinwirken, 


30 


überall dort, wo nicht rechtlich einfache, dem Be- 
trage nach aber umfangreiche Sachen vorliegen, 
genaueſtens zu prüfen, ob die Trennung der Ent⸗ 
ſcheidungen zuläſſig iſt und ob ſie den Streitsteilen 
und dem Gerichte irgendeinen Vorteil bringen kann. 

Für die Geſetzgebung würde es ſich vielleicht 
in Zukunft empfehlen, die Vorabentſcheidung nach 
§ 304 nur auf übereinſtimmenden Antrag beider 
Streitsteile zuzulaſſen; dieſe müſſen zunächſt am 
beſten wiſſen, was ihnen frommt. 


1. Allgemeine Vorausſetzungen der 
Trennung der Entſcheidung. 


Der Anſpruch muß nach Grund und Betrag 
ſtreitig ſein. Dies iſt bei Klagen auf bloße Feſt⸗ 
ſtellung eines Rechtsverhältniſſes meiſt nicht der 
Fall. Sollte ausnahmsweiſe die Feſtſtellungsklage, 
obſchon fie einen Betrag nennt, zuläſſig fein, jo 
gilt $ 304 auch für fie (JW. 1904, 119, 493; 
1906, 67; R63. Bd. 8, 360). Es kommt vor, 
daß vertragsmäßig, z. B. durch Satzungen einer 
Verſicherungsgeſellſchaft, dem Gerichte nur die Ent⸗ 
ſcheidung über den Anſpruchsgrund überlaſſen iſt, 
dann iſt das Urteil keine Vorabentſcheidung, ſondern 
Endurteil. (JW. 1900, 523). 

Bei Leiſtungsklagen fragt es ſich, ob die ge⸗ 
forderte Leiſtung einen „Betrag“ zum Gegenſtande 
hat, was insbeſondere beim Verlangen einer Menge 
von Geldſtücken oder vertretbaren Sachen der Fall 
iſt, auch bei der Löſchungsklage in beſtimmter Höhe. 
(RG3Z. Bd. 56, 119; Bd. 60, 366; IW. 1900, 470). 

Keinesfalls kann die Klage auf Herausgabe 
einer nicht vertretbaren Sache, oder mehrerer ver- 
ſchiedener ſolcher Sachen, auf Auflaſſung beſtimmter 
Grundſtücke als Betragsklage gelten, auch dann 
nicht, wenn dabei beſtimmte Geldpreiſe im Streit 
find. (RGZ. Bd. 60, 366). Die zweifelhafte, in 
RGZ. Bd. 54, 341 nicht verneinte Frage, ob die 
Vorausſetzungen des 8 304 gegeben find, wenn 
auf Anerkennung der Aufhebung eines Kaufver⸗ 
trags und zugleich auf Entgegennahme der Rück⸗ 
auflaſſung, auf Schuldbefreiung und Kauſſchillings⸗ 
rückzahlung geklagt iſt, läßt ein neueres Urteil 
desſelben Senats (V 63/07 vom 14. Dezember 1907) 
offen. (Vgl. auch RGZ. Bd. 49, 38). 

Der Betrag muß in der Klage zahlenmäßig 
beſtimmt angegeben ſein. Es wird manchmal — 
wohl der Koſten nach § 92 Abſ. 2 ZPO. wegen 
— beliebt, im Klagantrag die Betragsfeſtſetzung, 
ſei es ganz oder über eine gewiſſe Grenze hinaus, 
vorzubehalten oder dem richterlichen Ermeſſen zu 
überlaſſen. Dies genügt, namentlich, ſoweit gar 
kein Betrag bezeichnet ift, nicht für § 304. (RG3. 
Bd. 56, 120; JW. 1903, 313; 1904, 119, 493; 
1905, 178, 201, 229, 399; 1906, 67, 469, 472). 
Ein nicht angegebener Betrag kann nicht beſtritten 
ſein. Ueber Grund und Betrag muß zugleich 
Streit herſchen, iſt einer von ihnen zugeſtanden, 
ſo fehlt es an einem Haupterfordernis für § 304. 
(RG. Bd. 49, 38; JW. 1904, 415; 1905, 229). 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


Der Anſpruch muß mittelſt Klage oder Wider⸗ 
klage geltend gemacht ſein, über bloße Gegen⸗ 
forderungen gibt es keine Vorabentſcheidung nach 
8 304, höchſtens Zwiſchenurteil nach 8 303. (RG3. 
Bd. 49, 338; JW. 1904, 296 Nr. 22). 


2. Vorverfahren für die 
ſcheidung. 

Dieſe braucht nicht von den Streitsteilen be⸗ 
antragt zu ſein. An ſolche Anträge iſt der hier⸗ 
bei nach freiem Ermeſſen handelnde Richter nicht 
gebunden. Unnötig iſt es, daß das Gericht zuvor 
getrennte Verhandlung nach $ 146 ZPO. ange: 
ordnet hat. (RGZ. Bd. 10, 353; JW. 1898, 
219; 1900, 439; R63. Bd. 8, 360). 


3. Notwendiger Inhalt des Urteils über 
den Grund des Anſpruchs. 

Grundſatz iſt, daß die Sache durch die Vor⸗ 
abentſcheidung nach allen Seiten hinſichtlich aller 
Klaggründe und Einwendungen ſo unterſucht und 
feſtgeſtellt ſein muß, daß nur noch die Entſcheidung 
über den Betrag übrig bleibt. (JW. 1901, 36; 
1902, 421). Allein eine ſtrenge Durchführung 
dieſes Grundſatzes iſt oft äußerſt ſchwierig, wenn 
nicht unmöglich, wie oben ſchon erwähnt. (JW. 
1900, 411; 1903, 239). 

Kaum zweifelhaft iſt es, daß das Grundurteil 
über jeden von mehreren Klaggründen (RG. 
Bd. 45, 316) über ein behauptetes Geſamtſchuld⸗ 
verhältnis (Gruchot, Beitr. Bd. 47, 1167), die 
Haftungsbeſchränkung des Beklagten auf eine be⸗ 
ſtimmte Sache (3. B. Schiff oder Ladung) oder 
wegen feiner Erbeneigenſchaft (SS 716, 726 ff. 
HGB.; § 780 ZPO.; RG. Bd. 61, 293) und 
unbeſchadet etwa zuläſſigen Teilurteils über die 
Frage, ob durch jede von mehreren Handlungen 
ein Schade entſtanden iſt (Gruchot Bd. 37, 1243; 
JW. 1895, 518), entſcheiden muß. Das Gleiche 
wird für die behauptete Ausgleichung des Schadens 
durch Nutzen, der Bereicherung durch Gegenbe⸗ 
reicherung anzunehmen ſein, denn nur ein etwa 
verbleibender Ueberreſt iſt Schaden oder Bereicherung. 
= im SächſArch. Bd. 12, 723; vgl. RG. Bd. 54, 
137). 


Vorabent⸗ 


Auch die Frage der Klagbefugnis und Beklagten⸗ 
rolle (Aktiv: und Paſſivlegitimation) gehört zum 
Grund des Anſpruchs. (RG. Bd. 62, 337; 
Bd. 64, 345. Abweichend IW. 1903 Beilage 
S. 123 Nr. 272; 1906, 204 Nr. 24). 

Noch ſchwieriger geſtaltet ſich die Sache in 
folgenden Stücken. Eine Schadensurſache — und 
um Schadenserſatzklagen handelt es ſich bei 
8 304 am meiſten — aber auch ein Vertrag 
können nach zahlreichen Einzelrichtungen hin wirken, 
z. B. kann die unzuläſſige Zuführung nach 8 906 
BGB. hunderte von einzelnen Sachen beſchädigen, 
die Kreditbürgſchaft kann den Bürgen zur Zahlung 
der verſchiedenſten Forderungen, die Nichtigkeit 
eines Vertrags den Beſitzer zu vielerlei Rücker⸗ 


fea 


—— 


ſtattungen verpflichten, die Erfüllung eines Auf: | 
trags den Beauftragten zu allen möglichen Erſatz⸗ 
forderungen berechtigen. Streng genommen könnte 
auch hier ein Grundurteil nur dann erlaſſen werden, 
wenn die Berechtigung und Verpflichtung in bezug 
auf alle Einzelheiten feſtgeſtellt wird. Anderſeits 
betreffen aber dieſe Einzelfragen, wenn man den 
eingeklagten Geldbetrag als Ganzes auffaßt, 
dieſen Geſamt betrag, der fih je nach der 
Entſcheidung über fie höher oder niedriger berechnet. 
Hier iſt das Verfahren über Grund und Betrag 
kaum trennbar und die Rechtſprechung hat ſich 
überwiegend dahin entſchieden, daß in ſolchen 
Fällen, insbeſondere bei Schadensanſprüchen, das 
Grundurteil ohne Eingehen auf Einzelheiten nur 
überhaupt feſtzuſtellen hat, daß irgendein Anſpruch, 
ein Schaden entſtanden ift und trotz Gegen- 
forderungen übrig bleibt. Die Unterſuchung über 
die einzelnen Forderungsglieder (Faktoren) wird 
dabei dem Betragsverfahren überlaſſen. Es genügt 
wohl nicht, die bloße Möglichkeit eines Anſpruchs, 
eines Schadens feſtzuſtellen, obſchon dies auch 
ſchon ausgeſprochen wurde. (JW. 1903, 341; 
RGZ. V 97/415 vom 14. November 1808 
V 104/06 vom 10. November 1906; 

1906, 26). 

Auch die Entſcheidung über die Mitſchuld des 
Klägers und das Bruchteilverhältnis der Mitſchuld 
gehört ſtreng genommen in die Vorabentſcheidung. 
($ 254 BGB.; RGZ. Bd. 53, 114; JW. 1904, 
211, 448 Nr. 2). Anders in Ausnahmefällen, 
wo z. B. 
verfahren überlaſſen ſind, oder die Mitſchuldfrage 
erſt nach Erlaſſung des Grundurteils auſtaucht 
u. dgl. (JW. 1903, 291; U. RG. V 76/07 
vom 30. Oktober 1907). 

Der Streit, ob fortlaufende Jahresbeträge 
(Renten) oder einmaliger Betrag (Kapital) zu 
zahlen iſt, berührt zwar auch eng das Nachver— 
fahren, ſoll aber im Verfahren über den Grund 
des Anſpruchs entſchieden werden. (JW. 1906, 
686 Nr. 7). 

Auch alle Einreden, z. B. die der Wiederauf: 
hebung des Vertrags, der Tilgung des Anſpruchs, 
müſſen im Grundurteil erledigt werden. (Seuff. 
Arch. Bd. 39 Nr. 254; Bd. 46 Nr. 227). Ein 
jährlich wiederkehrender Fiſcherei⸗ oder Ernte: 
Schaden kann zurzeit der Klageerhebung teilweiſe 
verjährt ſein; die Vorabentſcheidung wird hier 
nur den Erſatzanſpruch ſeit Ende der Verjährung 
feſtſtellen dürfen. Wenn der Beklagte eine be— 
rechtigte Zurückbehaltungseinrede z. B. gegen den 
Auslagenerſatz fordernden Beauftragten erhebt, 
kann und muß der Grund des Anſpruchs nur 
mit entſprechender Einſchränkung feſtgeſtellt werden. 

Zu den wichtigſten und häufigſten Einreden 
gehört die Aufrechnung mit Gegenforderungen. 
Man muß der Anſicht von Gaupp-Stein u. a. 
beipflichten, daß die Geſetzgebung neben Vorab— 
entſcheidung über die Klage zugleich Vorabent— 


i 


einzelne Forderungsglieder dem Nad: 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 31 


ſcheidung über die Gegenforderungen hätte ge⸗ 
ſtatten ſollen. Denn ohne ſolche Befugnis muß 
der Richter im Grundurteil doch weitlaͤufig dar- 
legen, daß jedenfalls ein Ueberſchuß zugunſten des 
Klägers verbleibt, alſo doch umfaſſende Beweis⸗ 
erhebungen und Berechnungen über den Betrag 
vornehmen, die der § 304 eigentlich vermieden 
wiſſen will. Aber nach dem beſtehenden Geſetz 
ſind ſolche Weiterungen unvermeidlich. Es emp⸗ 
fiehlt ſich daher in derartigen Fällen beſonders 
oft, von dem wenig nützenden § 304 überhaupt 
keinen Gebrauch zu machen. Will man dies aber 
doch, dann muß im Grundurteil die Aufrechnungs— 
einrede gänzlich erledigt und ſeſtgeſtellt werden, 
daß trotz ihres Vorbringens mit Gewißheit — 
bei Schaden vielleicht nur mit hoher Wahrſchein⸗ 
lichkeit — für den Kläger ein Ueberſchuß ver- 
bleibt. Dahin geht auch die faſt einmütige Recht⸗ 
ſprechung. (RGZ. Bd. 47, 416; JW. 1900, 439; 
1901, 579, 616; 1903, 5; 1904, 364; 1905, 
737; RG3Z. Bd. 52, 27). 

Wenn einer an ſich ihrer Entſtehung und 
Höhe nach vollkommen anerkannten Klageforderung 
eine beſtrittene Gegenforderung in gleichem oder 
höherem Betrag entgegengeſetzt wird, könnte man 
überhaupt zweifeln, ob der Klageanſpruch nach 
Grund und Betrag beſtritten ift, denn der Be- 
klagte will nur mit Rückwirkung nach $ 389 
BGB. den ganzen Klagegrund beſeitigen. 
Solche Zweifel kommen auch in dem Rechtsfall 
JW. 1904, 364 bei Zurückbleiben der Gegen: 
forderung unter dem Klagebetrag zum Ausdruck. 
Dann ſtünde die Anwendbarkeit des § 304 über⸗ 
haupt in Frage. Indeſſen muß man doch unter 
„Beſtreiten“ ſowohl Klageverneinung als Einrede 
verſtehen, ſich die Einrede der Aufrechnung in 
zweiter Reihe auf Minderbeträge gerichtet denken 
und in dieſem Sinne immer Grund und Betrag 
als zugleich beſtritten erachten. 

Daß eine trotz richterlichen Befragens zahlen: 


mäßig nicht benannte Aufrechnungsforderung im 


Grundurteil nicht berückſichtigt werden kann, ver— 
ſteht ſich von ſelbſt. (RG. Bd. 52, 27). 
Bisweilen wurde auch der Streit über die 
Zeitdauer einer fortlaufenden Geldleiſtung, über 
deren Beginn und Ende, als zum Grund des 
Anſpruchs gehörig betrachtet. (RGZ. Bd. 64, 33). 
Man ſcheint aber von dieſer Anſicht wenigſtens 
in Einzelfällen zurückgekommen zu ſein. (JW. 1904, 
575; 1905, 504; 1906, 710 Nr. 5; 1907, 366). 


4. Aeußerliche Geſtaltung des Zwiſchen— 
urteils nach § 304. 

Es iſt nur ein Fall denkbar, daß dieſes 
Zwiſchenurteil als Verſäumnisurteil ergeht. Dem 
Beklagten gegenüber kann nämlich der Grund des 
Anſpruchs dann durch Verſäumnisurteil für ge— 
rechtfertigt erklärt werden, wenn zuvor das Ver— 
fahren durch Beſchluß nach S 146 ZPO. getrennt 
war. Dann kann gegen ihn Verſäumnisurteil 


32 


auf den Betrag noch nicht ergehen, weil er hierauf 
nicht vorbereitet ſein konnte. Lag kein Trennungs⸗ 
beſchluß vor, ſo iſt das Verſäumnisurteil gegen 
ihn nach Grund und Betrag zuläſſig, es iſt aber 
dann kein Zwiſchenurteil; ebenſowenig liegt ein 
ſolches vor, wenn der im Verfahren über den 
Grund nicht erſcheinende Kläger mit der Klage 
durch Verſäumnisurteil, wie notwendig, ganz ab- 
gewieſen wird. (Vgl. RGZ. Bd. 10, 385). 

Als Teilurteil kann die Vorabeniſcheidung er⸗ 
gehen, wenn ſie ſich auf eine ſelbſtändige, mit 
andern Klagen nur äußerlich verbundene Klage 
bezieht, vielleicht auch dann, wenn ſie einen von 
mehreren Verpflichtungsgründen behandelt. (RGZ. 
Bd. 51, 251; Bd. 58, 229; Gruchot Bd. 37, 1243; 
JW. 1904, 415). 

Auch wenn ſich Klage und Widerklage einfach 
ohne gleichzeitige Aufrechnung von einer Seite 
gegenüberſtehen, was ſelten vorkommen wird, oder 
wenn die Klage oder die zugleich aufrechnende 
Widerklage einen ſicheren Ueberſchuß ergibt, wird 
Vorabentſcheidung durch Teilurteil nicht ausge- 
ſchloſſen ſein. (JW. 1901, 616, 839). Im zu⸗ 
letzt angenommenen Falle iſt eigentlich das Er⸗ 
kenntnis, das den durch Aufrechnung gänzlich be- 
ſeitigten einen Klaganſpruch ſofort abweiſt, das 
Teilurteil. In anderen derartigen Fällen könnte 
man freilich einwenden, daß Teilurteil gemäß 
§ 301 nur bei Reife zur Endentſcheidung, was 
das Grundurteil ja nicht iſt, zuzulaſſen ſei, und 
überhaupt wird man bei derartiger Vermiſchung 
von Urteilsarten beſonders vorſichtig zu prüfen 
haben, ob ſie zuläſſig iſt, namentlich, ob nicht 
doch ein innerer Zuſammenhang zwiſchen den ver⸗ 
ſchiedenen Anſprüchen beſteht, deren einen man 
mittels Vorabentſcheidung erledigen will. 

Einleuchtend und von Rechtslehre und Recht⸗ 
ſprechung anerkannt iſt es, daß die Vorabentſcheidung 
auch durch Eidesleiſtung bedingt fein kann. (RG. 
Bd. 42, 346. JW. 1901, 251). Vor Beginn 
des Betragsverfahrens muß ſie aber rechtskräftig 
und durch Eid oder Eidesverweigerung unbedingt 
geworden ſein. 

Die Vorabentſcheidung ſoll dieſes ihr Weſen 
nicht dadurch verleugnen, daß ſie ſich wie ein 
Endurteil ausdrückt, z. B. „verurteilt“, „Schadens— 
erſatzpflicht feſtſtellt“, „den Vertrag für nichtig er— 
klärt“, ſondern ſie bedient ſich am beſten der 
Worte: „Der Anſpruch wird ſeinem Grunde nach 
für gerechtfertigt erklärt“. (RGZ. Bd. 54, 341; 
Bd. 56, 31 (35); Bd. 60, 313. JW. 1903, 387 
Nr. 15). 

Umgekehrt darf das Gericht, wenn es den 
Klaganſpruch für unbegründet hält, nicht bloß 
dieſe Unbegründetheit feſtſtellen, ſondern es muß 
dann die Klage ſofort abweiſen. Dies iſt nicht 
mehr Vorabentſcheidung ſondern reines Endurteil. 
(JW. 1900, 249). 

Daß das Grundurteil unter Umſtänden nach 
Zeit und Art der Haftung eingeſchränkt werden 


Zeitſchrift für 32 ZBenſchrift für Rechtöpflege in Bayern. 1908. Nr. 2. in Bayern. 1908. Nr. 2. 


muß, iſt oben ſchon erwähnt, vielleicht empfiehlt 
ih in dieſen Fällen mitunter Abweiſung des zu: 
weit gehenden Verlangens durch Teilurteil. (RGZ. 
Bd. 13, 401. JW. 1900, 828). 

Keinesfalls darf das Grundurteil über die 
Forderung des Klägers hinausgehen, es darf z. B. 
bei abſichtlicher Klageinſchränkung die Schadens: 
erſatzpflicht nicht weitergehend für gerechtfertigt 
erklären, als fie geltend gemacht tft. (RG. Bd. 60, 
313. JW. 1905, 284). 

Eine Koſtenentſcheidung darf das nach § 304 
erlaffene Zwiſchenurteil, da es kein wahres End: 
urteil ift, nach $ 91 ZPO. nicht enthalten. 


5. Das Nachverfahren über den Betrag. 


Nach § 304 Abſ. 2 kann die Vorabentſchei⸗ 
dung mittels Rechtsmittels angefochten werden. 
Geſchieht dies nicht, oder hat das Rechtsmittel 
keinen Erfolg, ſo erlangt ſie Rechtskraft einſchließ⸗ 
lich ihrer etwaigen Fehler. Im Nachverfahren 
kann nicht mehr an dem Grund des Anſpruchs, 
ſoweit er rechtskräftig feſtſteht, gerüttelt werden. 
Wohl aber kann ſich das Betragsverfahren mit 
den ihm nach Obigem zuläſſiger⸗ oder doch rechts⸗ 
kräftigerweiſe freigelaſſenen Fragen (z. B. mit der 
Schadenserſatzpflicht im einzelnen, mit der Dauer 
der Zahlung ꝛc.) noch beſchäftigen. 

In entſprechender Anwendung des § 767 ZPO. 
müſſen aber im Nachverfahren jedenfalls auch die 


Einwendungen (3. B. der inzwiſchen erfolgten Til⸗ 


gung, des Vergleichs, des Wegfalls der Erſatz⸗ 
oder Unterhaltspflicht) zugelaſſen werden, die erſt 
nach Erlaß des Grundurteils entſtanden ſind. 
(JW. 1903, 291 und die dort angezogenen Stellen). 

Die Rechtſprechung läßt auch Klagerweiterung 
im Nachverfahren zu, jedoch mit der ſelbſtver⸗ 
ſtändlichen Einſchränkung, daß das Grundurteil 
noch nicht Rechtskraft für ſie geſchaffen hat, daß 
alſo über ihren Grund im Nachverfahren neu ver⸗ 
handelt werden muß. (RG. Bd. 63, 195). 

Auch im Verfahren über den Betrag ſind 
Verſäumnisurteile möglich. Der nicht erſchienene 
oder nicht verhandelnde Kläger wird mit der 
ganzen Klage abgewieſen, der Beklagte bei Ver⸗ 
ſäumnis zum verlangten Betrag, ſoweit dies Ver⸗ 
langen ſchlüſſig, verurteilt. Bisherige Geſtänd⸗ 
niſſe, Beweiserhebungen und Zwiſchenurteile kom men 
nicht in Betracht, die Vorabentſcheidung ſelbſt zu⸗ 
gunſten des Klägers nur, wenn er verhandelt, 
nicht wenn er ausbleibt. ($$ 330—332 ZPO:; 
RG. im Rhein Arch. Bd. 75 III 164 [172]). 

Sehr zweifelhaft iſt es, ob trotz Grundurteils 
und ohne neue zuläſſige Einwendungen im Be⸗ 
tragsverfahren die Klage gaͤnzlich abgewieſen 
werden kann. Sicher iſt, daß ein derartiges Er— 
gebnis höchſt unerfreulich ſein wird und daß ſich, 
wie an einem neueren Beiſpiel dargelegt werden 
könnte, ein Kläger, der im Grundverfahren rechts⸗ 
kräftig geſiegt hat, im Nachverfahren aber gänz⸗ 
lich unterliegt, fein Lebenlang über diefe Redt- 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


ſprechung kaum beruhigen wird. Dennoch wird 
ein ſolches Ergebnis für möglich erachtet, wenig⸗ 
ſtens bei Schadenserſatzklagen. Der Richter ent⸗ 


ſcheidet im Grundurteil gemäß § 287 ZPO. nach 


freiem Ermeſſen, ob ein Schaden entſtanden iſt, 
er darf und muß dabei häufig die hohe Wahr⸗ 
ſcheinlichkeit, „den gewöhnlichen Lauf der Dinge“, 
der Gewißheit gleichſetzen. 
kann dieſe hohe Wahrſcheinlichkeit abgeſchwächt 


ein Schaden (Beläftigung, Gefährdung u. dgl.), 
aber kein Vermögensſchaden entſtanden iſt. 
(Bol. RG. in BayziR. 1907, 496). Ueber: 
haupt wird der $ 304 mitunter, wenn auch nicht 
unbedenklich, dahin ausgelegt, daß er unter dem 
Grund der Klage mehr nur die Schadenserſatz⸗ 
pflicht, als die Schadens entſtehung begreift. 
(RG. Bd. 59, 427). In ſolchen Fällen wird 
man das erwähnte bedauerliche Ergebnis kaum 
vermeiden können, obſchon die Frage immerhin 
ſehr zweifelhaft bleibt. (JW. 1898, 141; 1899, 35). 

Dagegen wird man Gleiches für andere Fälle 
z. B. Rechnungsſachen über langjährige Waren⸗ 
lieferungen oder Auslageforderungen eines Beauf— 
tragten u. dgl. verneinen müſſen. Hier kann und 
muß der Richter über den Grund des Anſpruchs 
dahingehende Gewißheit haben, daß nach dem 
bewieſenen Sachverhalt und trotz aller Gegenein⸗ 
wendungen ſicher ein Mindeſtbetrag für den Kläger 
übrig bleibt. Unter dieſen Betrag kann das Be⸗ 
tragsurteil kaum herabgehen. In ſeiner Höhe iſt 
dann das Grundurteil eigentlich ſchon Betrags⸗ 


Im Nachverfahren 


33 


die gegen das Betragsverfahren abermals eintreten 
können. 


6. Das Verfahren in den höheren 
Rechtszügen. 
Gelangt das Zwiſchenurteil an das obere Gericht, 
fo muß dieſes zunächſt fein Weſen, ob es Teilurteil, 
einfaches Zwiſchenurteil nach § 303 oder richtiges 


Grundurteil nach 8 304 ift, prüfen. N Dieſe Unter⸗ 
werden, es kann ſich auch herausſtellen, daß zwar ſuchung iſt, wie Hunderte von Beiſpielen ergeben, 


urteil ohne Verurteilung, es muß ſchon eine aͤhn⸗ 


liche Rechnung machen, wie das letztere, woraus 
wieder zu entnehmen, wie unmöglich eine ſtrenge 
Trennung und wie zweifelhaft das vermeintliche 
Vereinfachungsmittel des § 304 ift. Es kann zu 
doppelter Arbeit führen. 

Der Abſatz 2 des § 304 geſtattet zwar, trotz 


häufig notwendig und meiſt ſehr ſchwierig Die 
Urteilsarten werden eben oft verwechſelt und ver⸗ 
miſcht und da das Zwiſchenurteil nach § 303 mit 
Rechtsmitteln nicht angreifbar, das Teilurteil hin- 
ſichtlich der Zurückverweiſungsfrage ꝛc. vom Grund⸗ 
urteil verſchieden iſt, muß jene Prüfung immer 
eintreten. Nicht ohne Schwanken hat ſich die Recht⸗ 
ſprechung dafür entſchieden, daß das Weſen eines 
Urteils nach ſeinem ſachlichen Inhalt, nicht nach 
der Bezeichnung oder dem bloßen Willen des er- 
laſſenden Richters beurteilt werden muß, wenn 
auch die letzterwähnten beiden Umſtände bei der 
Auslegung nicht ganz unberückſichtigt bleiben können. 
(JW. 1900, 852; 1901, 839/14; 1906, 26; RGB. 
Bd. 42, 349, 395; Bd. 54, 341; Bd. 58, 229). 

Nimmt das Obergericht Grundurteil als ge⸗ 
geben an, ſo tritt es in deſſen ſachliche Prüfung 
ein, findet es den Anſpruchsgrund nicht gerecht⸗ 
fertigt, ſo weiſt es die Klage durch Endurteil 
ohne (zweckloſe) Zurückverweiſung nach $ 538 Ziff. 3 
ab, erachtet es aber auch den Anſpruch für be⸗ 
gründet, ſo weiſt es das Rechtsmittel zurück unter 
Zurückverweiſung der Sache wegen des noch nicht 
an das Obergericht gelangten (devolvierten) Be⸗ 
tragsverfahrens an das Untergericht. Dies war 


ſchon in $ 500 Ziff. 3 der urſprünglichen ZPO. 
vorgeſchrieben. Die neue ZPO. 8 538 Ziff. 3 geht 


noch nicht eingetretener Rechtskraft des Zwiſchen⸗ 


urteils das Betragsverfahren zu beginnen und es 
ift wenigſtens denkbar, daß während des Schme: 
bens des Grundurteils in den höheren Rechts— 
zügen, etwa nach Anfertigung von Abſchriften der 
wichtigeren Aktenbeſtandteile, über den Betrag 
verhandelt und Beweis erhoben und dadurch — 
günſtigenfalls — viel Zeit erſpart wird. Aber 
dieſe Arbeit kann dann völlig nutzlos werden, 
wenn das Grundurteil vom höheren Gericht auf— 
gehoben, von ihm die Klage abgewieſen wird. 
Angeſichts dieſer Gefahr wird kaum jemals ein 
Untergericht ſich jener Arbeit vorzeitig unterziehen, 
und ſo wird ſelbſt ein durchaus richtig durchge— 
führtes Verfahren nach § 304 felten zur Ab— 
kürzung, faſt immer zur Verlängerung des Rechts— 
ſtreites führen. Zwar erfordert die Betragsver— 


handlung bei Nichttrennung des Verfahrens un- 


gefähr die gleiche Zeit wie bei Trennung, im letz⸗ 
teren Fall kommen aber die Rechtsmittelfriſten und 
das Schweben vor den höheren Gerichten dazu, 


aber weiter, fte verlangt ſolche Zurückverweiſung 
auch dann, wenn der erſte Richter die nach Grund 
und Betrag beſtrittene Klage ganz abgewieſen hat 
und der zweite fie dem Grunde nach für geredjt: 
fertigt hält. Es ift dies zwingende Vorſchriſt 
und ſogar zweifelhaft, ob die im Urteilsſatze über⸗ 
ſehene Zurückverweiſung in den Entſcheidungs— 
gründen oder durch Berichtigungsbeſchluß nach— 
geholt werden kann. (JW. 1900, 659; 1902, 
129, 93; RG. Bd. 47, 366; U. RG. V 
500/02 vom 22. April 1903). Letzt bezeichnetes 
Urteil hält Zurückverweiſung in den Gründen für 
genügend. Für den Geſetzgeber konnte und kann 
es ſehr fraglich fein, ob der Nutzen, daß für den Be- 
trag immer zwei Rechtszüge gewahrt bleiben, 
durch den Nachteil weiterer Streitverwicklung und 
Streitverlängerung nicht ausgeglichen wird? In 
einer ſchwierigen, durch Zwiſchenurteil und teilweiſen 
Erfolg der Rechtsmittel noch verwickelter gewor— 
denen Rechnungsſache über gegenſeitige Heraus— 
zahlungen nach Wandelung eines Grundſtückskaufs 
berechnete ſchließlich das Berufungsgericht nach 
fünfjähriger Streitdauer in den Entſcheidungs— 


34 


gründen feines Grundurteils einen beſtimmten 
Ueberſchuß für den einen Streitsteil. Das Qand- 
gericht, an das die Sache wegen des Betrags 
zurückging, konnte nichts beſſeres tun, als ſich jene 
Gründe anzueignen und den in ihnen berechneten 
Betrag zuzuerkennen. Waren dazu zwei Rechts— 
züge nötig? 

Vollkommen freie Hand, ſelbſt und vollſtändig 
zu entſcheiden, hat das Berufungsgericht nur, wenn 
ſchon der erſte Richter nach Grund und Betrag 
entſchieden und einen beſtimmten Betrag zuerkannt 
hat. In dieſem Falle darf es auch (leider?) 
ſelbſtändig das Grund- und Betragsverfahren von 
einander trennen, was zu tun der erſte Richter 
vielleicht aus Zweckmäßigkeitsgründen unterlaſſen 
hatte. Das Betragsverfahren hat dann das Be⸗ 
rufungsgericht ſelbſt durchzuführen. 

Obwohl der § 538 Ziff. 3 ganz allgemein 
bei Klagabweiſung des erſten Richters Zurück⸗ 
verweiſung an ihn beſtimmt, iſt ſolche doch in 
Einzelfällen ausgeſchloſſen oder doch nicht notwendig. 

Selbſtverſtändlich weiſt der Berufungsrichter 
einfach die Berufung zurück, wenn er gleich dem 
Vorderrichter den Klagegrund nicht für gerecht⸗ 
fertigt erachtet. 

Wenn der Betrag im erſten Rechtzug nicht 
beſtritten war, der erſte Richter die Klage abge: 
wieſen hat und vor dem Berufungsgericht erſt auch 
der Betrag beſtritten wird, findet keine Zurück⸗ 
verweiſung ſtatt. (RG. Bd. 56, 186; JW. 1900, 
784). Wenn wirklich neue Anſprüche (nicht bloße 
Klageerweiterungen) ohne gegneriſchen Widerſpruch 
im zweiten Rechtszuge vorgebracht werden, darf der 
Oberrichter auch über ihren Betrag erkennen. 
(RG3Z. Bd. 49, 38). Hat der erſte Richter abge: 
wieſen, weil zwar die Entſchädigungspflicht aber 
kein Schaden beſtehe, dann hat er in gewiſſem Sinne 
auch ſchon über den Betrag erkannt, und braucht 
der Berufungsrichter nicht zurückzuverweiſen, wenn 
er einen Schaden für entſtanden erachtet. (?) (RGZ. 
Bd. 59, 427). Iſt vom erſten Richter die nach 
Grund und Betrag beſtrittene Klage nur wegen 
einer von mehreren Einwendungen z. B. wegen 
Verjährung abgewieſen worden, ſo findet, wenn 
der Oberrichter dieſe Einwendung für unbegründet 
hält, keine Zurückberweiſung wegen des Grundes 
des Anſpruchs ſtatt, obſchon der Wortlaut des 
$ 538 Ziff. 3 für ſolche zu ſprechen ſcheint; viel 
mehr muß das Berufungsgericht über den ganzen 
Grund der Klage entſcheiden und darf dann erft, 
wenn es ihn für gerechtfertigt erklärt, die Sache 
wegen des Betrags zurückverweiſen. (RGZ. Bd. 47, 
366). Steht der an ſich unbeſtrittenen Klage eine 
nach Grund und Betrag beſtrittene Widerklage 
mit Aufrechnung entgegen und das Untergericht 
hat die Klage ganz zugeſprochen, die Widerklage 
ganz abgewieſen, ſo darf das Berufungsgericht, 
wenn es die Widerklage für dem Grunde nach 
berechtigt erachtet, nicht das Betragsverfahren ihret— 
wegen allein zurückverweiſen und die Klage für 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


ſich zurückbehalten, ſondern es muß entweder 
Klage und Widerklage in den erſten Rechtszug 
zurückverweiſen, oder, wenn es für die eine Klage 
einen Ueberſchuß berechnen konnte, inſoweit unter 
Abweiſung der anderen Klage das Betragsverfahren 
zurückverweiſen. (RG. Bd. 47,416; JW. 1902, 217. 
Vgl. auch Simonſon, Gloſſen, Gruchot Bd. 46, 99). 

Wenn im Falle hilfsweiſe geſchehener (even: 
tueller) Klageverbindung der erſte Richter à den 
Hauptklagegrund bedingt für gerechtfertigt erklärt, 
b den Hilfsgrund abgewieſen hat, und der Be: 
rufungsrichter billigt zu a, mißbilligt zu b, ſo 
muß er wegen des Betrags zurückverweiſen. 
(JW. 1901, 573). 

Hat das Vordergericht den Anſpruch bedingt 
oder unbedingt für gerechtfertigt erklärt, ohne, 
wie notwendig war, die Gegenforderung zu be 
rückſichtigen, ſo kann dies das Berufungsgericht 
nachholen und ſo entweder zur Zurückweiſung der 
Berufung oder zur Abweiſung der Klage gelangen. 
Es kann aber auch nach ſeinem Ermeſſen wegen 
Verfahrensfehlers nach $ 539 BPO. die Sache 
zurückverweiſen. (JW. 1905, 737). 

Das Urteil, wodurch der Berufungsrichter im 
Gegenſatz zum abweiſenden Vorderrichter den 
Grund der Klage für gerechtfertigt erklärt, iſt bei 
gegebenem Beſchwerdebetrag reviſibles Endurteil, 
an das nach eingetretener Rechtskraft der erſte 
Richter und im Falle neuer Berufung auch der 
zweite gebunden iſt. Eine Koſtenentſcheidung kann 
es gleichwohl, da das Unterliegen des Beklagten 
noch nicht endgültig feſtſteht, nach $ 91 ZPO. 
nicht enthalten. Anderſeits hat ein die Berufung 
gegen ein Grundurteil zurückweiſendes, bei Wert 
von über 2500 Mk. ebenfalls reviſibles, Urteil 
dem unterlegenen Berufungskläger nach $ 97 ZPO. 
die Koſten aufzulegen. 


Zwviliſtiſch Bemerkungen zum bayerischen 
Vaſſergeſetz von 1907. 


Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg. 


(Fortſetzung.) 
IV. Der Gemeingebrauch.) 

Gemeingebrauch iſt die einer ungezählten, aber 
nicht unbegrenzten Vielheit von Perſonen zuſtehende 
rechtliche Möglichkeit öffentliche Sachen beſtim— 
mungsgemäß zu benützen. Der Katalog der dem 
Gemeingebrauch freigegebenen Benützungsarten iſt 
in dem Waſſerrechte der einzelnen Staaten ſehr 
verſchieden; für Bayern zählt Art. 26 Abſ. I WG. 
den Gebrauch des Waſſers durch Schöpfen mit 
Handgefäßen, zum Baden, Waſchen, Tränken. 
Schwemmen ſowie zur Eisbahn auf, erweitert aber 
anderſeits den Begriff, indem auch die Privat— 


1) Vgl. zum folgenden insbeſondere Regelsberger 
Pandekten § 113. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


flüſſe und Bäche dieſen Benützungsarten unter: 
liegen. Bei letzteren handelt es ſich alſo um eine 
geſetzliche Eigentumsbeſchränkung oder Legats⸗ 
ſervitut. Dazu fügen Art. 29 die Benützung der 
öffentlichen Flüſſe und ſtaatlichen Kanäle zur 
Schiff⸗ und Floßfahrt und unter gewiſſen Ein⸗ 
ſchraͤnkungen Art. 31 ff. die Benützung der Trift⸗ 
gewäller zur Trift. Auch in dieſen Fällen handelt 
es ſich wiſſenſchaftlich um Gemeingebrauch, ob: 
ſchon das Geſetz den Ausdruck hier nicht anwendet. 
Kein Gemeingebrauch im eigentlichen Sinne ſind 
dagegen die im Art. 26 Abſ. II geregelten Be⸗ 
nützungsarten: Entnahme von Eis uſw. aus öffent⸗ 
lichen Gewäſſern und Staatsprivatflüſſen und die 
im Art. 36 ff. geregelte Zuführung von Flüſſig⸗ 
keiten, ſog. Immiſſion. Das Weſen des Gemein: 
gebrauchs gehört zu den beſtrittenſten Fragen, 
ein Durchgehen der Literatur ergibt eine förmliche 
Muſterkarte verſchiedener Anſichten. Gierke a. a. O. 
erachtet den Gemeingebrauch als ein rein öffent⸗ 
liches Recht. „Seinem Inhalte nach iſt es kein 
dingliches Recht und überhaupt kein Vermögens⸗ 
recht, ſondern ein publiziſtiſches Perſönlichkeitsrecht, 
das ſich dem Gemeinweſen gegenüber in einem 
poſitiven Anſpruch auf Gewährung des Mitge⸗ 
brauchs der öffentlichen Sache, allen andern Per⸗ 
ſonen gegenüber in dem negativen Anſpruch auf 
Unterlaſſung jeder dieſen Mitgebrauch ſtörenden 
Handlung äußert.“ (Aehnlich auch RG3Z. VI 
162). Andere, wie Dernburg, (Pandekten I 
§ 72 Anm. 7), erklären den Gemeingebrauch 
als einen Ausfluß der Perſönlichkeit oder der 
allgemeinen Freiheit, rechnen ihn jedoch dem 
Privatrecht zu. Im ſchroffen Gegenſatz hierzu 
haben Belter ($ 78 Beil. I), Regelsberger (8 113) 
und Ihering in ſeinen verſchiedenen Schriften die 
Anſicht vertreten, es handle ſich um ein privat: 
rechtliches Sachenrecht eigentümlicher Art; die 
betreffenden Sachen ſeien durch den Gemein— 
gebrauch als Quaſiſervitut belaſtet, obſchon dieſer 
Belaſtung eine entſprechende dingliche Berechtigung 
nicht gegenüberſtehe; der Gemeingebrauch an der 
Sache ſei im ganzen nicht Inhalt eines ſub— 
jektiven Rechts; ein ſolches entſtehe erſt bei Störung 
des Gemeingebrauchs. Auch dieſe Schriftſteller 
müſſen jedoch zugeben, daß das Recht des Ein: 
zelnen weder ein Vermögendrecht, noch übertrag— 
bar, noch verzichtbar iſt. Dagegen ſucht Otto 
Mayer in ſeinem „Deutſchen Verwaltungsrecht“ 
(II S 35—41) und im Archiv für öffentliches 
Recht (XVI 38 ff.) die früher ſchon von ihm für 


17) Die von Seydel I. Aufl. V 415, II. Aufl. § 331 
Note 39 vertretene Anſchauung, daß entſprechend dem 
Begriff der öffentlichen Gewäſſer jede Benützungsart er— 
laubt ſei, die nicht ausdrücklich durch das Geſetz oder 
auf Grund des Geſetzes geboten iſt, halte ich für das 
neue WG. infolge der Streichung der Worte des Art. 1 
WBG. „bilden ein zur allgemeinen Benützung be— 
ſtimmtes Staatsgut“ nicht mehr für richtig. Die Ver— 
mutung ſpricht jetzt nicht mehr für, ſondern gegen den 
Gemeingebrauch (Art. 2). 


——ñ— n — —— — — —— —— ——— —— U—— — — —— — — — — — —yu— — —¼ — a 


| 


35 


das franzöſiſche Recht aufgeſtellte Theorie, die 
öffentlichen Sachen ſtünden gar nicht im Privat⸗ 
eigentum, ſondern im öffentlich-rechtlichen Eigen⸗ 
tum, der Gemeingebrauch gehöre daher gleichfalls 
nur dem öffentlichen Rechte an, auch auf das 
deutſche Recht auszudehnen. Wieder andere, ſo 
beſonders Jellinek (Syſtem der ſubjektiven öffent⸗ 
lichen Rechte S. 70) bezeichnen die vermeintlichen 
Rechte der Einzelnen auf Teilnahme am Gemein: 
gebrauch als bloße Reflexwirkungen. Welche dieſer 
Auffaſſungen für das gemeine deutſche Recht und 
für das bayeriſche Recht, abgeſehen vom Waſſer⸗ 
recht, z. B. für das bayeriſche Wegerecht den Vor⸗ 
zug verdient, kann in dieſer nur dem Waſſerrecht 
gewidmeten Abhandlung nicht erörtert werden. 
Für das bayeriihe Waſſerrecht gilt aber meines 
Erachtens folgendes. Das Verhältnis des einzelnen 
Intereſſenten iſt ſtets ein doppeltes: einerſeits 
ſteht er gegenüber dem Staat als Eigentümer 
der öffentlichen Sachen — ausnahmsweiſe bei 
Gemeingebrauch an Privatflüſſen den Eigentümern 
dieſer — anderſeits den Mitintereſſenten. Das 
Verhältnis zwiſchen den Intereſſenten und dem 
Staate gehört dem öffentlichen, das Verhältnis 
zwiſchen den Mitintereſſenten dem Privatrecht an. 
In erſter Beziehung iſt jedoch zu bemerken, daß 
das bayeriſche Recht den Intereſſenten keinen 
Rechtsanſpruch auf das Fortbeſtehen der öffent⸗ 
lichen Sache überhaupt oder in ihrem bisherigen 
Beſtand und demgemaͤß auch keinen Rechtsweg 
eingeräumt hat. Der Intereſſent darf nur die 
öffentliche Sache zum Gemeingebrauch benützen, 
ſolange ſie als ſolche beſteht und wie ſie beſteht; 
ſein ſogenanntes Recht iſt alſo nur Reflex der 
öffentlich⸗rechtlichen Gebundenheit der Sache für 
den betreffenden Zweck, daher kein ſubjektives 
Recht im eigentlichen Sinne. Demgemäß er- 
öffnet Art. 177 Ziff. a dem Einzelnen den Ver⸗ 
waltungsrechtsweg nicht zur Geltendmachung des 
Gemeingebrauchs als ſolchen, ſondern nur zum 
Streit darüber, ob ein Gewäſſer ein öffentliches 
iſt, nicht etwa zur klageweiſen Geltendmachung 
einzelner Arten des Gemeingebrauchs, z. B. des 
Rechtes auf freie Schiffahrt. Dagegen beſteht ein 
polizeirechtlicher Schutz des Gemeingebrauchs in— 
ſofern, als nach Art. 26 Abſ. 1 des Gef. der 
Gemeingebrauch im engeren Sinne durch polizei— 
liche Vorſchrift, und nach Art. 29 Abſ. 1 und 2, 
30 Abſ. 1 die Schiff- und Floßfahrt durch Schiff— 
fahrts-, Floß⸗ und Kanalordnungen geregelt 
werden kann. (Strafbeſtimmung in Art. 206). 

Wird der Gemeingebrauch durch Handlungen 
des Staates wirklich oder angeblich beeinträchtigt, 
z. B. die Schiffahrt in einem öffentlichen Fluſſe 
wegen Erbauung einer Brücke nach Meinung der 
Intereſſenten übermäßig laug geſperrt oder durch 
Strombauten eine angeblich der Schiffahrt nach— 
teilige Aenderung des Flußlaufs veranlaßt, ſo 
ſteht dem geſchädigten Intereſſenten eine Klage 
gegen den Staat auf Unterlafjung oder Beſeitigung 


36 


der Störung nicht zu. Eine ſolche Klage dürfte 
jedoch nicht als unbegründet — was ſie in Er⸗ 
manglung eines privaten Verbietungsrechtes frei⸗ 
lich auch iſt — ſondern wegen Unzuläſſigkeit des 
Rechtswegs, weil gegen den Grundſatz der Ge⸗ 
waltenteilung verſtoßend, abzuweiſen jein!®). Eine 
von der eben erörterten ſcharf zu ſcheidende, 
nicht einfach gelagerte Frage iſt, ob und inwieweit 
der Staat wegen Störung des Gemeingebrauchs 
entſchädigungspflichtig iſt. Vorweg iſt dabei zu 
bemerken, daß hier nur von ſchuldhafter Störung 
in der Ausübung des Gemeingebrauchs durch 
Handlungen oder Anlagen, nicht von ſeiner Auf⸗ 
hebung, z. B. durch Zuſchüttung eines Flußarms 
die Rede iſt; die Aufhebung des Gemeinge⸗ 
brauchs erzeugt — f. oben IB. — kiinerlei 
Erſatzanſpruch. Dagegen erwäge man folgendes, 
dem Leben entnommene Beiſpiel: Vor etwa 15 
Jahren baute der bayeriſche Staat in A. eine 
Mainbrücke, deren Pfeiler zur Flußaxe nicht 
parallel, ſondern im Winkel ſtanden; infolge 
dieſer, wie ich wenigſtens hier annehmen will, 
ſchuldhaft hergeſtellten Anlage ſcheiterten binnen 
weniger Wochen ſechs Schiffe, von denen einige 
ſogar durch den ſtaatlichen Lootſen begleitet waren. 
Oertmann ($ 95 S. 410) bejaht die Erſatzpflicht 
des Staates ohne nähere Begründung. Regels⸗ 
berger ($ 113 VII) erwähnt unſere Frage nicht 
ausdrücklich, erklärt es aber für „einen Grundſatz 
des heutigen Rechts, daß Schädigungen der Privat⸗ 
rechtsſphäre durch Maßregeln, die von den Be: 
hörden im Intereſſe der Geſamtheit getroffen 
wurden, von der Geſamtheit zu vergüten ſind“. 
Letztere an Tit. 4 $ 8 der Verfaſſungsurkunde 
erinnernde Bemerkung enthält wohl nicht ſo faſt 
einen eigentlichen Rechtsſatz, als einen Rechtsge⸗ 
danken, der jedoch in der Rechtſprechung noch 
keineswegs zu allgemeiner Anerkennung gelangt 
iſt (ſ. auch Kober in Bl. f. RA. 61, 17). Für 
einzelne Falle kann man nun die Frage dadurch 
umgehen, daß man den Geſchädigten darauf ver— 
weiſt, die nach Art. 60 AG. z. BGB. umge⸗ 
ſtaltete Syndikatsklage dem Staate gegenüber zu 
erheben; in anderen Fällen aber wird, wenn 
überhaupt die Verletzung einer Amtspflicht, fo doch 
nicht das Beſtehen einer „einem Dritten gegen: 
über“ obliegenden Amtspflicht nachzuweiſen, Art. 60 
a. a. O. ſonach nicht anwendbar fein. Die römi⸗ 
ſchen Interdikte aber, geſetzt ſie ſeien überhaupt 
noch anwendbar, worüber unten, können hier 
nicht herangezogen werden, weil ſie ſich, zufolge 
ihrer Entſtehung aus prätoriſchen Geboten und 


18) Auch die von Meisner § 26 S. 186 vorge— 
ſchlagene Beſchwerde an den Staatsrat iſt meines Er— 
achtens wenigſtens für das neue Recht nicht zuläſſig, 
da es an einer Rechtsverletzung mangelt. Für die von 
Meisner weiter vorgeſchlagene Verfaſſungsbeſchwerde 
an den Landtag gebricht es überdies an dem Vorhanden— 
fein eines „konſtitutionellen Rechts“ (f. Seydel I. Aufl. IT 
S. 276, II. Aufl. $ 114 Note 14 S. 500). 


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Zettſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


Verboten, gegen den Staat ſelbſt nicht richten 
können (a. M. Oertmann S. 409). Es fragt 
fih daher, ob $ 823 BGB. in ſolchen Fällen 
anwendbar iſt. Die Beantwortung dieſer Frage 
fällt damit zuſammen, ob man die Handlung 
des Staates, der bei Flußbauten und dergleichen 
ja nicht etwa als privatrechtlicher Flußeigentümer, 
ſondern in Ausübung der Staatshoheit handelt. 
als eine „widerrechtliche“ anſieht. Dieſe Frage 
möchte ich allerdings bejahen, da der Staat, in⸗ 
dem er den Gemeingebrauch, z. B. die Schiffahrt 
im Geſetze ausdrücklich einräumt, damit auch die 
Gewähr für Unterlaſſung einer unzuläſſigen Stö⸗ 
rung übernimmt, ſich daher auf die Ausübung 
eines Hoheitsrechts zum Ausſchluß der Wider⸗ 
rechtlichkeit nicht berufen kann. 

Was den Rechtsſchutz der Gemeingebrauchs⸗ 
intereſſenten unter ſich und zu dritten Privaten 
anlangt, ſo enthielt das WBG. hierüber keine 
ausdrücklichen Beſtimmungen und es herrſchte in 
Theorie und Praxis Uebereinſtimmung dahin, daß 
die Grundſätze der einzelnen bayeriſchen Terri⸗ 
torialrechte anwendbar ſeien. Abgeſehen von dem 
preußiſchen Landrecht und dem franzöſiſchen Zivil⸗ 
recht kam faſt nur das gemeine Recht in Betracht, 
an welches ſich das churbayeriſche Landrecht eng 
anſchloß. An gemeinrechtlichen Inſtituten kamen 
teils die in den Digeſtentiteln 43, 12—43, 14 
aufgeſtellten ſogenannten Popular⸗Interdikte, teils 
die actio injuriarum, in einzelnen Fällen auch 
die operis novi nuntiatio, die cautio damni 
infecti und das interdictum quod vi aut clam 
in Betracht (j. die überſichtliche Zuſammenſtellung 
bei Regelsberger § 114). Durch den Umſtand, 
daß Art. 1 des AG. z. BGB. die vor 1818 
entſtandenen Rechtsſätze des Waſſerrechts nicht aus⸗ 
drücklich vorbehielt, wurden dieſe formell beſeitigt, 
was zu einer ziemlich verworrenen Rechtslage 
führte. Die Anſchauung Meisners ($ 26 S. 189), 
mit den Waſſergeſetzen ſeien die bisher zu ihrer 
Ergänzung dienenden Rechtsquellen aufrecht er- 
halten, wird von Oertmann ($ 95 S. 409) wohl 
mit Recht abgelehnt. Man wird Oertmann bei- 
pflichten müſſen, wenn man annimmt, daß die 
Interdikte als ſolche weggefallen ſeien, daß 
aber die Rechtsnatur des Gemeingebrauchs, be- 
züglich deſſen Konſtruktion ich allerdings von 
Oertmann abweiche, nicht geändert werden folte 
und daß ſonach dem Geſchädigten Klagerechte 
einzuräumen ſeien, welche nicht aus den Sätzen 
des gemeinen Rechts, ſondern aus jenen des 
Waſſerbenützungsgeſetzes abzuleiten ſeien. Mag 
man fih aber zu dieſer Streitfrage des Ueber: 
gangsrechtes ſtellen wie man will, jedenfalls ſind 
nun die einſchlägigen römiſchen Inſtitute durch 
Art. 211 WOA. beſeitigt; materiell find fie zum 
Teil erſetzt durch die Beſtimmung des Art. 27, 
wonach der Gemeingebrauch nur in der Weiſe 
ausgeübt werden darf, „daß dadurch der Gemein— 
gebrauch anderer oder die beſonderen Rechte Dritter 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


nicht gefaͤhrdet oder ausgeſchloſſen werden“, teils 
durch die Beſtimmungen des BGB. über unerlaubte 
Handlungen ($$ 823 ff.). Der Artikel 27 WG. 
hätte freilich, da ſeine Grundſätze nicht nur für 
den Gemeingebrauch nach Art. 26, ſondern auch 
für jenen durch Schiffahrt, Floßfahrt und Trift 
anwendbar find, eine andere Stellung im Geſetze, 
am beſten als eigener Abſchnitt verdient. Einen 
vollen Erſatz der römiſchen Normen geben in⸗ 
deſſen auch dieſe Beſtimmungen nicht: der Art. 27 
grenzt nur den Rechtskreis der einzelnen Teil⸗ 
nehmer am Gemeingebrauch unter ſich ab und 
ſchweigt über Störungen durch Nichtteilnehmer 
und § 823 Abſ. 1 BGB.“) ift gegen den nicht 
ſchuldigen Inhaber einer ſtörenden Anlage z. B. 
eines zufällig geſtrandeten und Wrack gewordenen 
Schiffes — Oertmann S. 409 — nicht anwend⸗ 
bar. In jenen Fallen, in welchen § 823 Abi. 1 
und 2 nicht Platz greifen, dürfte jedoch gleich⸗ 
wohl nach dem allgemeinen Grundſatze, daß im 
modernen Recht jeder geſetzlich anerkannte und 
geſchützte Zuſtand auch einen gerichtlich verfolgten 
Anſpruch gegen den Störer gewährt, eine lediglich 
auf den den Gemeingebrauch beſtätigenden Be⸗ 
ſtimmungen unſeres Geſetzes aufgebaute Klage 
einzuräumen ſein. Ihrem Weſen nach möchte 
dieſe Klage nach der oben vertretenen Auffaſſung 
vom Gemeingebrauch als einer bloßen Reflex⸗ 
wirkung, nicht als eine actio quasi negatoria 
aufzufaſſen ſein, wie Bekker für das gemeine Recht 
annimmt, ſondern als eine moderniſierte injuri— 
arum actio generalis. Daß in manchen Fällen 
eine Störung des Gemeingebrauchs, z. B. durch 
Uebertretung einer Schiffahrtsordnung auch 8 823 
zweiter Abſatz anwendbar ſein kann, wird keiner 
näheren Ausführung bedürfen!“ .) 


Neben den allgemeinen hier einſchlagenden 
Beſtimmungen ſteht endlich als ein Inſtitut be— 
ſonderer Art die Vorſchrift des Art. 59 AG. z. 
BGB., (worüber zu vgl. Becher, Materialien 
zu dem AG. z. BGB. I S. 399), und es be: 
ſteht um fo mehr Anlaß auf dieſe Vorſchrift hinzu: 
weiſen, als ihrer bei der Beratung des WG. 
nur einmal gedacht wurde. Iſt eine Auflage 
im Sinne des Art. 59 erfolgt, ſo ergeben ſich 
für Verletzte Anſprüche, die zum Teil aus dem 
Waſſergeſetze nicht zuſtünden. Unter jener Vor⸗ 
ausſetzung kann z. B., wie ſeinerzeit der Kgl. 
Kommiſſär v. Jacubezky bei den Ausſchuß⸗ 


1% Die Klage aus § 823 kann übrigens nach Um- 
ſtänden auch auf Unterlaſſung künftiger Störung und 
wohl auch auf Beſeitigung einer beſtehenden Störung 
oder Wiederherſtellung des früheren Zuſtandes gehen 
(RG. 48, 118; 56, 286). 

20) Vgl. über den Rechtsſchutz des Gemeingebrauchs 
außer Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht S. 409 auch 
desſelben Recht der Schuldverhältniſſe Note 3 h zu 8 823. 
Dort wird mit Recht bemerkt, daß die Frage für die 
verſchiedenen Bundesſtaaten — man denke an das von 
dem bayeriſchen jo verſchiedene württembergiſche Waſſer⸗ 
recht — beſonders zu beantworten iſt. 


37 


verhandlungen ausführte, der einzelne Badende, 
der ein öffentliches Freibad benützt, Schadenser⸗ 
ſatz verlangen, falls er durch den Betrieb einer 
Fabrik körperlichen Schaden erleidet; man ſetze 
z. B. den Fall, daß aus einer Sägemühle ſich 
Baumſtämme losreißen oder daß aus einer Roß⸗ 
haarſpinnerei, was vorgekommen ſein ſoll, Milz⸗ 
brandbakterien in das Waſſer gelangen. Aus 
Art. 37 Abſ. 5 WG. würde der Badende hier 
keinen Anſpruch haben, weil er nicht „Berechtigter“ 
an dem Waſſer iſt (ſ. hierüber die Erklarung des 
Miniſters v. Feilitzſch Anhang S. 181) und 
eine unerlaubte Handlung im Sinne des BGB. 
wird ſich in ſolchen Faͤllen oft nicht erweiſen 
laſſen. Die oft praktiſche und ſeinerzeit im Aus⸗ 
ſchuß der K. d. A. erörterte Frage, ob eine 
Gemeinde, wenn ein von ihr errichtetes öffent⸗ 
liches Bad durch Zuführung ſchaͤdlicher Stoffe 
unhaltbar gemacht wird, aus Art. 59 ein Recht 
auf Schadenserſatz ableiten kann, wurde durch v. 
Jacubezky mit gewiß zutreffenden Gründen ver: 
neint; auch Art. 37 Abſ. 5 WG. ſteht ihr nicht 
zur Seite, da die Gemeinde, welche ein öffent⸗ 
liches Freibad ſchafft, damit nicht im Sinne des 
Art. 37 V am Waſſer berechtigt wird. Anders 
laͤge die Frage bei Privatbadeanſtalten. 
Schluß folgt.) 


Bemerkungen zu dem Entwurfe 
einer Kirchengemeindeordnung für Bayern. 


Von Dr. A. Durmaher, Regierungsakzeſſiſt in Speyer. 


1. Weſen der Kirchengemeinde. 


Der Entwurf einer Kirchengemeindeordnung 
nennt die Kirchengemeinden „rechtsfähige organi⸗ 
ſierte Beitragsverbände“. Er führt damit in das 
bayeriſche öffentliche Recht eine bisher noch nicht 
zur Anwendung gebrachte Terminologie ein. 

Der Name: „rechtsfähige organiſierte Beitrags⸗ 
verbände“ erweckt nun den Anſchein, als ob es 
ſich materiell um Geſellſchaften mit bloß äußerer 
formeller Rechtsfähigkeit handle (zu vgl. Meurer, 
Die juriſtiſchen Perſonen nach deutſchem Reichsrechte 
S. 72 ff.). Man vergleiche auch die Faſſung in 
Abſ. II Art. 1 des Schulbedarfsgeſetzes, wo der 
zuſammengeſetzte Schulſprengel, der Geſellſchafts— 
charakter hat, als eine Vereinigung politiſcher Ge— 
meinden zur Aufbringung des Bedarfs der öffent— 
lichen Volksſchulen bezeichnet wird. Insbeſondere 
aber im Hinblick darauf, daß auch die Geſamt— 
kirchengemeinden in gleicher Weiſe wie die Einzel— 
kirchengemeinden dem fraglichen Begriff unterge— 


ordnet werden, dürfte eine ſchärfere Faſſung er: 


wünſcht ſein. Denn bei den Geſamtkirchengemeinden 
könnte de lege ferenda ſehr wohl eine Regelung 


der Art in Frage kommen, daß dieſe Vereinigungen 


38 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Nr. 2. 


l 
-OÈ o o 


materiell als Geſellſchaften mit bloß formeller Rechts⸗ 
fähigkeit ausgeſtaltet würden. Bei dem vorliegen⸗ 
den Entwurfe aber kann, ſowohl was die Einzel⸗ 
kirchengemeinden als was die Geſamtkirchenge⸗ 
meinden anlangt, kein Zweifel beſtehen, daß es 
ſich um juriſtiſche Perſonen, nicht um Geſellſchaften 
handelt. Die Kirchengemeinden ſind nicht bloß 
Vereinigungen mit ſelbſtändigen Rechten und 
Pflichten nach außen; auch nach innen liegt 
nicht Anteilsberechtigung der Gemeindemitglieder 
an dem Gemeinſchaftsvermögen vor; die Gemeinde⸗ 
mitglieder haften für die Schulden der Vereinigung 
nicht perſönlich; die Mitgliedſchaftsſchulden ſind 
Schulden der Mitglieder an den Verband als ein 
von ihnen verſchiedenes Rechtsſubjekt. 

Was die Geſamtgemeinden anlangt, ſo wäre 
es allerdings wünſchenswert, wenn in Art. 3 und 
Art. 18 die Wendungen: „gemeinſames Ver⸗ 
mögen“, „gemeinſame Deckung von Kirchenbe⸗ 
dürfniſſen“, „allgemeine Umlagen gemeinſchaft“ 
nicht gebraucht würden. Denn die Gemeinſchaft 
hat immer als der Gegenſatz der juriſtiſchen 
Perſon gegolten. Der 1 aber faßt unter 
dem Wort „gemeinſam“ zwei Dinge zuſammen, 
die beide nichts mit der Geſellſchaft zu tun haben. 
Wenn er von „gemeinſam zu deckenden Kirchen⸗ 
bedürfniſſen“ ſpricht, ſo meint er nicht Geſellſchafts⸗ 
vermögen und Geſellſchaftsſchulden, uicht anteils⸗ 
mäßiges Vermögen der Glieder der Geſamt⸗ 
gemeinde, ſondern die Schaffung eines Sonder- 
vermögens und die Deckung von Sonder— 
ſchulden der Geſamtgemeinde als eines ſelbſtändigen 
Rechtsſubjekts. „Gemeinſames Vermögen“ will 
zum Teil dasſelbe ausdrücken, zum Teil aber 
iſt hierunter fremdes Vermögen zu verſtehen, 
das weder Eigentum der Geſamtgemeinde noch 
Eigentum ihrer Mitglieder iſt, ſondern als Ver⸗ 
mögen einer ſelbſtandigen Stiftung lediglich der 
Verwaltung der Geſamtgemeinde überwieſen iſt, 
oder Vermögen, das als Vermögen der Einzel- 
gemeinden, ohne einer Vergeſellſchaftung unterworfen 
zu werden, ebenfalls nur der Verwaltung der 
Geſamtgemeinde unterſtellt wird. Wenn in dieſen 
letzteren Fällen eine allgemeine Umlagengemein⸗ 
ſchaft nach Art. 18 Abſ. II nicht hinzutritt, ſo iſt 
Lebenszweck der Geſamtgemeinde lediglich die Ver⸗ 
waltung fremden Vermögens (Entwurf 
Art. 18 Motive S. 76 ff.). Hier iſt noch 
darauf hinzuweiſen, das Art. 18 Abſ. J Ziff. 1, 
wenn er die Laſten des „gemeinſamen“ Vermögens 
der Geſamtgemeinde überweiſt, nur die Laſten 
ihres Sonder vermögens, nicht aber die Laſten 
des ihrer Verwaltung anvertrauten fremden 
Vermögens im Auge haben kann. 

Wäre übrigens die Geſamtgemeinde nach dem 
Entwurfe als Geſellſchaft mit formeller Rechts— 
fähigkeit gedacht, ſo wäre es doppelt mißlich, ſie 
mit den juriſtiſchen Perſonen der Einzelgemeinden 
unter die gemeinſame Definition des Art. 1 Abſ.! 
zu bringen. 


Die Faſſung des Entwurfs, Art. 1, iſt De⸗ 
finition eines Begriffes, hier des Korpo⸗ 
rationsbegriffes, die grundſätzlich vermieden zu 
werden pflegt, wie die Motive S. 62 unten ſelbſt 
ſagen; mit wie gutem Recht, zeigt ſich auch hier. 
Denn abgeſehen von dem eben Geſagten iſt auch 
der Name „Beitrags verband“ nicht ein⸗ 
wandfrei. Einmal: Jeder Verband iſt Beitrags⸗ 
verband; denn in jedem rechtsfähigen Verband 
haften die Mitglieder dem Verbande für ſeine 
Schulden, fie find alfo, zum mindeſten ſubſidiär, 
beitragspflichtig. Dazu kommt noch weiter, daß 
das Wort Beitragsverband hier eine Tautologie 
verſchuldet: Das gleiche iſt ſchon durch den Paſſus 
„Verband zur Befriedigung der örtlichen 
Kirchenbedürfniſſe“ zum Ausdruck gebracht. Be⸗ 
friedigung von Bedürfniſſen heißt: Hingabe von 
Geld zur Deckung der Bedürfniſſe, aber ebenjo: 
ſehr die Herbeiſchaffung der Geldmittel. Das 
letztere vollzieht ſich in einem Verband durch 
Beitragserhebung. Fern er: Die Kirchengemeinden 
ſind nicht bloß Beitragsverbände, ſondern auch 
Genußverbände, wie jeder rechtsfähige Verband; 
es gibt keine Verbandsmitgliedſchaft, die lediglich 
aus Pflichten beſteht. Die Kirchengemeindemit⸗ 
glieder haben ein Recht gegen die Kirchenge⸗ 
meinde auf Anerkennung ihrer Mitgliedſchaft 
und Anſpruch auf Befriedigung ihrer Intereſſen 
in der Zugehörigkeit zur Gemeinde, beſtehend in 
dem Recht auf Beobachtung der geſetzlichen Vor⸗ 
ſchriſten durch die Organe der Gemeinde, auf 
ordnungsgemäße Beſchlußfaſſung in der Kirchen⸗ 
gemeindeverfammlung, Wahl: und Stimmrechte, 
das Recht auf Erfüllung der Aufgaben der Ge- 
meinde durch dieſe (Entw. Art. 81, Art. 96, 
Motive zu Art. 81, Art. 74 arg. aus Abſ. IV: 
„nur“). Hier überall ſind ſubjektive Rechte der 
Gemeindemitglieder gegeben. Ja der Entwurf 
ſieht ſogar Fälle vor, in welchen die Beitrags⸗ 
pflicht gänzlich in den Hintergrund gerückt iſt: 
bei den Geſamtgemeinden ohne allgemeine Um— 
lagengemeinſchaft dann nämlich, wenn die Ge: 
ſamtgemeinde lediglich die Aufgabe hat, fremdes 
Vermögen zu verwalten (Art. 18 Abſ. I Ziff. 1) 
und lediglich der Verwaltungsaufwand aufzu⸗ 
zubringen iſt; hier überwiegen die übrigen 
Mitgliedſchaftspflichten (z. B. die Verwaltungs: 
pflichten) und die Mitgliedſchafts rechte voll 
Ron (Motive zu Art. 3 und zu Art. 18 
Abſ. 

Der Grund für die beſondere Terminologie 
des Entwurfs war wohl der, ſchon in dem Be 
griffe der Kirchengemeinde feſtzuſtellen, daß die 
inneren Kirchenangelegenheiten nicht zu ihrem 
Bereiche gehören, „daß die Kirchengemeinden im 
Sinne des Geſetzes es ausſchließlich mit ſolchen 
Angelegenheiten zu tun haben, die auf dem Ge— 
biete der Befriedigung der Ortskirchenbedürfniſſe 
und der Verwaltung des Ortskirchenvermögens 
liegen“ (Motive S. 58). Aber die Begrenzung 


Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Rr. 2... Ə für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


des Wirkungskreiſes der Kirchengemeinde 
ſchon zur Genüge in dem Zuſatz: „mit der Auf 
gabe der Befriedigung örtlicher Kirchenbedürf⸗ 
niſſe“ zum Ausdruck gebracht uud durch Abſ. III 
bzw. IV noch weiter unbezweifelt gemacht. 

Wenn nun in dieſer Richtung die Faſſung des 
Art. 1 zu weit ausholt, ſo iſt es um ſo weniger 
veranlaßt, daß die zweite Hälfte des Begriffes der 
Kirchengemeinde vollſtändig unterdrückt wird. Die 
Kirchengemeinde iſt in Bayern nicht bloß Korpo⸗ 
ration, ſondern Korporation des öffentlichen 
Rechts. Iſt dies abſichtlich nicht zum Ausdruck 
gebracht? aus politiſchen oder juriſtiſchen Gründen? 
Ich vermöchte keine ſolchen zu ſehen. Aus dem 
Inhalt des Entwurfs erſchließt ſich mit hin⸗ 
reichender Deutlichkeit, daß der Entwurf die 
Trennung von Staat und Kirche nicht einführen 
will. Schon bisher beſtand, ſoweit überhaupt 
die Exiſtenz einer Kirchengemeinde nach bayer. 
Recht zugegeben wurde, kein Zweifel an ihrem 
öffentlichrechtlihen Charakter. Die ME. v. 14. 
Januar 1877 (Bl. f. adm. Pr. Bd. 28 S. 218) 
nennt ſie öffentliche Verwaltungskörper und Rechts⸗ 
ſubjekte (ogl. ME. v. 29. Dezember 1839, Döllinger 
XI S. 1314). Die Kirchengemeinden hatten 
Umlagenrecht (vgl. Landtagsabſchied v. 1892) 
und das Recht, Naturaldienſte anzuordnen (Meurer, 
Kirchenvermögensrecht I S. 70 ff., Motive zum 
Entwurf S. 68, 96). Ebenſo die Geſetzesvor⸗ 
lage. Auch nach ihr iſt die Kirchengemeinde 
Herrſchaftsrechtsſubjekt mit korporativer Organi⸗ 
ſation, Selbſtverwaltungskörper. Das ergibt ſich 
allerdings nicht aus den auf S. 59 Ziff. IV der 
Motive zitierten Artikeln des Entwurfs. Denn 
nicht auf Staatsaufſicht und Verwaltungsrechts⸗ 
weg kommt es an; dieſe können ſich auch gegen⸗ 
über Privatrechtsſubjekten und Privatrechten finden, 
ſondern auf die Uebertragung ſtaatlicher Herr⸗ 
ſchaft zu eigenem Recht an die Korporation. 
Selbſtverwaltungskörper und Korporation des 
öffentlichen Rechts ſind identiſch. Nun ſteht 
zwar den Kirchengemeinden keine Gerichts bar⸗ 
keit zu, und ob das Recht, Ortskirchenſatzungen 
zu erlaſſen (Art. 14 Abſ. III x., Art. 54, 
Motive S. 196) wirklich und in allen Fällen 
Selbſtgeſetzgebu ngsrecht — Autonomie — ift, 
kann im Rahmen dieſer Erörterung nicht geprüft 
werden; aber es ſteht feſt, daß die Kirchenge⸗ 
meinden Verwaltungsbefehlsgewalt haben. 
Sie haben auf dem Gebiete der köͤrperſchaftlichen 
N das Recht, ihren Mitgliedern 

Leiſtungen aufzuerlegen und zwangsweiſe von 
ihnen beizutreiben: ſie erheben Umlagen (Art. 13 
Abſ. II, Art. 20 ff.), erklären im Säumnisfalle 
das Ausſtandsverzeichnis für vollſtreckbar und 
vollziehen die Beitreibung (Art. 24); ſie ordnen 
Naturaldienfte an (Art. 26) und treiben die für 
anderweitige Leiſtung rückſtändiger Dienſte er⸗ 
wachſenen Koſten in gleicher Weiſe bei (Art. 106 
Abi. VD. Ebenſo find die Gebühren für die 


39 


Benützung von Kirchengemeindeeigentum öffentlich⸗ 
rechtliche Leiſtungen, die nach Art. 24 beigetrieben 
werden. Auch die Disziplinarbefugniſſe der Kirchen⸗ 
verwaltung und der Kirchengemeindebevollmächtigten 
(Art. 82, Verhängung von Ordnungsſtrafen bei 
Verſäumnis von Sitzungen) ſind Herrſchaftsrechte: 
auf die Ordnungsſtrafen finden die Vorſchriften 
über die Umlagen Anwendung (Art. 106 Abſ. VI). 
All dies gilt nicht bloß für die Einzelkirchenge⸗ 
meinden, ſondern ebenſoſehr für die Geſamtkirchen⸗ 
gemeinde; Umlagen kommen bei letzterer nicht nur 
in Frage, ſoweit eine allgemeine Umlagengemein⸗ 
ſchaft beſteht, ſondern auch dann, wenn die Ge⸗ 
ſamtgemeinde fih lediglich mit Vermögensver⸗ 
waltung befaßt. (Art. 18, Motive S. 127). 
Sonach dürfte es ſich wohl empfehlen, ohne 
Not von der bisher üblichen Terminologie nicht 
abzugehen und Art. 1 Abſ. 1 ee zu 
faſſen: „Die Kirchengemeinden n d 
Körperſchaften des öffentlichen Rechts 
mit der Aufgabe der Befriedigung der 
örtlichen Kirchenbedürfniſſe“; oder 
„welche den Zweck haben, für die Befriedigung der 
örtlichen Kirchenbedürfniſſe Sorge zu tragen.“ 


2. Sonderrechte der Kirchengemeinden. 


Die Beſtimmung in Art. 1 Abſ. II des 
Entwurfs: „Die Kirchengemeinden genießen die 
Vorrechte der öffentlichen Stiftungen“ könnte wohl 
ohne Schaden in dieſer Form beſeitigt werden, 
da ſie überwiegend nur zu Recht Beſtehendes 
wiederholt und inſoferne ohne Bedeutung iſt. 

Was Entſtehung der Kirchengemeinde, Ver⸗ 
waltung ihres Vermögens, Behandlung des Ver⸗ 
mögens nach Untergang der Gemeinde ꝛc. an⸗ 
langt, ſo trifft die Kirchengemeindeordnung ſelbſt 
ausführliche Anordnungen, ſo daß inſoweit die 
Anwendung des Rechtes der öffentlichen Stiftungen 
nicht möglich iſt. Das gleiche gilt für Art. 8 
Ziff. 35 des Geſ. über die Errichtung eines Ver⸗ 
waltungsgerichtshofes. Es bleibt alſo nur die 
Frage der Veränderung des Stiftungszweckes 
(Motive S. 71). Nach Verflurk. Tit. IV 8 10 
darf das Vermögen der öffentlichen Stiftungen 
ohne Zuſtimmung der Beteiligten nicht für andere 
als ihre beſonderen Zwecke verwendet werden. 
Die Anordnung des Kirchengemeindeentwurfs, 
daß dieſe Verfaſſungsbeſtimmung analog anzu⸗ 
wenden ſei, iſt nicht nötig. Denn die Verfaſſungs⸗ 
beſtimmung findet nicht bloß analog, ſondern un⸗ 
mittelbar Anwendung. Wenn die VerfUrk. von 
Stiftungs vermögen ſpricht, jo meint fie damit 
nicht bloß das Vermögen der Stiftungen im 
heutigen Rechtsſinne, im Gegenſatz zu dem der 
Körperſchaften, ſondern auch das Vermögen der 
letzteren, ſoweit es den drei genannten Zwecken qe- 
widmet ift. Man vgl. $ 47 der II. VerfBeil., 
der nur eine Wiederholung von Tit. IV § 10 
iſt und ganz allgemein das Kirchenvermögen nennt. 
Es muß eben berückſichtigt werden, daß die Unter⸗ 


40 


ſcheidung der Stiftungen als bejonderer von den 
Korporationen geſchiedener Rechtsgebilde erſt dem 
Anfange des verfloſſenen Jahrhunderts entſtammt 
(ſ. Meurer, Juriſtiſche Perſonen S. 5 ff., Gierke 
Deutſches Privatrecht S. 636 ff.). Da es be⸗ 
kannt iſt, wie wenig prägnant im allgemeinen 
die VerfUrk. fih ausdrückt, wäre es in dem 
gegenwartigen Falle um ſo weniger am Platz, eine 
engherzige Auslegung Platz greifen zu laſſen. 

Anderſeits aber iſt es heute gar nicht mehr 
tunlich, das Vermögen der Kirchengemeinden a us⸗ 
drücklich als Stiftungsvermögen zu behandeln, 
da nun einmal heute die Scheidung zwiſchen 
Korporation und Stiftung beſteht. Der Kreis 
der „Beteiligten“ z. B., der ſeine Zuſtimmung 
zu anderweitiger Verwendung des Vermögens zu 
geben hat (VerflUrk. Tit. IV 8 10) ift bei der 
Kirchengemeinde eben ein anderer als bei einer 
„Stiftung“. 

Weiter führen die Motive als derzeitige Vor⸗ 
rechte der öffentlichen Stiftungen ihre Steuer⸗ 
freiheiten an. Aber auch in dieſer Richtung 
wäre die Beſtimmung des Art. 1 Abſ. II des 
Entwurfs nicht veranlaßt. Die Befreiung von 
der Einkommenſteuer ergibt ſich für die 
Kirchengemeinde ſchon aus ihrer Eigenſchaft als 
Gemeinde (Einkommenſteuer. Art. 13, Bol: 
zugsbekanntmachung $ 8). Auch aus der An: 
führung der „Anſtalten für Kultus“ in Art. 13 
ebenda wäre die Befreiung herzuleiten: Das 
Wort „Anſtalt“ iſt hier offenbar nur im wirt⸗ 
ſchaftlichen Sinne gebraucht als die dauernde Ver⸗ 
bindung von Menſchen und Eigentum zu einem 
beſtimmten Zweck (Stengel, Wörterbuch des 
deutſchen Verwaltungsrechtes 1 S. 693). Die 
Befreiung von der Erbſchaftsſteuer, ſoweit 
überhaupt bayeriſches Recht noch zur Geltung 
kommt, folgt aus Art. 3 Abſ. I Ziff. 4 des 
bayer. Erbſchaftsſteuergeſetzes. Die Befreiung von 
Kapitalrentenſteuer, die vorläufig noch nicht 
feſtgelegt iſt, dürfte aber nicht in die Kirchenge⸗ 
meindeordnung, ſondern in das Kapitalrenten⸗ 
ſteuergeſetz aufzunehmen ſein, ebenſo wie die übrigen 
ſteuerrechtlichen Beſtimmungen ihren Platz in den 
betreffenden Steuergeſetzen gefunden haben. 

(Fortſetzung folgt.) 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Werden in Zukunft die Prozeſſe billiger? Die in 
der Nummer vom 1. Dezember 1907 in dieſer Zeit⸗ 
ſchrift auf vorſtehende Frage gegebene Antwort kann 
nicht unwiderſprochen bleiben. 
gerichtlichen Prozeſſe werden nach den Beſtimmungen 
des Entwurfs teurer ſein, ſondern auch die amts— 
gerichtlichen Sachen. 
zwanges bei Streitwerten von 300 Mk. bis 800 Mk. 
läßt ſich überhaupt nicht als ein Grund der Ver— 
billigung anführen, weil die Partei, welche die An⸗ 


Nicht nur die land⸗ 


Der Wegfall des Anwalts⸗ 


| 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


waltskoſten ſpart, eben auch die Gegenleiſtung dafür 
nicht erhält. Die neuen Vorſchriften über die Gerichts⸗ 
koſten würden aber in kleinen wie in größeren Sachen 
eine erhebliche Mehrbelaſtung des Publikums zur 
Folge haben. In die 10% Gebührenzuſchlag, welche 
künftig „für die von den Parteien nicht zu erſetzenden 
baren Auslagen“ zur Erhebung gelangen ſollen, hat 
nämlich der Geſetzgeber auch die bisher auf Antrag 
erteilten, mit 10 Pfg. pro Seite bezahlten Schrift⸗ 
ſtücke hineingerechnet und will ſie ſich trotz des neuen 
Pauſchſatzes nochmals — aber mit 20 Pfg. pro Seite 
— bezahlen laſſen. Gerade die beſtellten Aktenſtücke 
ſind aber die ausgiebigen; ſie umfaſſen die Beweis⸗ 
beſchlüſſe, Beweiserhebungsprotokolle und die Urteile. 
Aus dieſen Ausfertigungen fließt ſchon heute in Prozeß⸗ 
ſachen der größere Teil aller eingehenden Schreib⸗ 
gebühren, der mit zwei Dritteln der Geſamteinnahme 
wohl kaum zu hoch geſchätzt iſt. Darnach berechnet 
ſich aus der dem Entwurfe der Novelle beigegebenen 
Anlage I für Preußen eine jährliche Mehreinnahme 
von etwa 3 Millionen gegenüber dem bisherigen Ein⸗ 
gang an Prozeßſchreibgebühren. Für Bayern ergibt 
ſich nach den Zahlen des letzten Budgets (Gebühren 
in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten und Konkurſen 
2700000 Mk., Schreibgebühren 322 000 Mk.) eine 
Erhöhung um cirka 300000 Mk. Eine ſolche Mehrung 
der Koſten im allgemeinen muß ſich durchgehends 
bemerkbar machen und zur Folge haben, daß in 
Zukunft die Erſparnis gegenüber den heutigen Aus⸗ 
gaben eine Ausnahme, der Ausgleich oder gar die 
Erhöhung dagegen die Regel bildet. Dieſes Reſultat 
gilt bereits bei Sachen bis zu 300 Mk. Streitwert, 
bei welchen der Wegfall des Anwaltszwanges gar 
nicht in Frage kommt, noch mehr aber bei Streit⸗ 
werten von 300 Mk. bis 800 Mk., welche wohl durch⸗ 
wegs eine Mehrung der Gerichtsſpeſen erfahren. 

Es ſei an ein den durchſchnittlichen Fällen der 
Praxis angepaßtes Beiſpiel, an einen Prozeß aus 
den Kleinſten der Kleinen angeknüpft. Ein Mann, 
der in Rechtswiſſenſchaft und Schreibkunſt nicht 
ſonderlich bewandert iſt, verlangt mit zwei je zwei 
Seiten umfaſſenden Protokollarklagen je 20 Mk., 
erwirkt in dem einen Falle Verſäumnisurteil und 
gewinnt in dem anderen nach Vernehmung von zwei 
Zeugen den Prozeß. Da ergibt ſich an Gerichts⸗ 
gebühren und Auslagen für Schreibarbeit nebſt 
Zuſtellungskoſten: 


I. Im Falle des Verſäumnisurteils. 
heute 


für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten — 40 Mk. 
für Zuſtellung der Klage —.50 „ 
für Schreibkoſten des Urteils mit Koſten⸗ 

feſtſetzung (2 Seiten) 3 í 
Entſcheidungsgebühr 
Gebühr für fof. Koſtenfeſtſetzung 1.— » 


Summa 2.10 Mk. 
nach dem Entwurfe 


für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten . —.80 Mk. 
für Zuſtellung der Klage (Pauſchale) —.50 „ 
Tenor mit Koſtenfeſtſetzungsbeſchluß 

(2 Seiten) e re e 
Entiheidungsgebühr . . . . 1.— „ 
Gebühr für fof. Noftenfeftfeßing . —.20 „ 


Summa 2.90 Mk. 


J 


7. AP m 


7 


* . gv A 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


II. Im Falle des kontradiktoriſchen 


Prozeſſes. 
heute 
für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten —.40 Mt 
für Zuſtellung der Klage —.50 „ 
für 2 Zeugenladungen zu 2 Seiten — 40 „ 


Schreibkoſten des Urteils mit Koſtenſeſt⸗ 
ſetzung, 6 Seiten angenommen —.60 „ 
Gebühren für Verhandlung, Beweis⸗ 
beſchluß und Entſcheidung .. 3.— „ 
Gebühr für fof. Koſtenfeſtſetzung — „ 


Summa 4.90 Pèt. 
nach dem Entwurfe 
für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten. —.80 Mk. 


für 2 Zeugenladungen zu 2 Seiten) 
für Zuſtellung der Klage ſPauſchale —.50 „ 


Tenor mit Koſtenfeſtſetzungsbeſchluß, 

2 Seiten ... —.40 „ 
Gebühren für Verhandlung, Beweis⸗ 

beſchluß und Entſcheidung , 3.— „ 
Gebühr fiir fof. Koſtenfeſtſetzung . — 20 „ 


Summa 4.90 Mk. 


Wird das ganze Urteil benötigt, was zur Ent⸗ 
ſchließung über das Einlegen eines Rechtsmittels ing- 
beſondere bei Sachen über 50 Mk. notwendig ſein 
wird, ſo erhöhen ſich künftig im zweiten Falle die 
Koſten um 80 Pfg. Die Idee des Beiſpiels durch⸗ 
geführt würde ſich ergeben, daß bei dem Streitwerte 
der Gebührenklaſſen 2 bis 7 eine Zeugenzahl von 
3, 9, 14, 20, 30 und 36 hätte vernommen werden 
müſſen, um das neue 10 Yoige Pauſchale zu rechtfertigen. 
Solche Mengen von Zeugen bilden ſchon Raritäten 
und auch andere Schreibkoſten und Auslagen, welche 
nach dem GKG. erſtattungsfähig find, fallen nur 
höchſt ſelten in der pauſchalierten Höhe an. Der 
Einzelfall beſtätigt ſomit die für die Allgemeinheit 
geltende Regel, daß der Prozeß in Zukunft auch bei 
kleinen Sachen nicht billiger wird. Läßt aber wirklich 
einmal die Pauſchalierung eine Koſtenminderung er: 
ſtehen, ſo gehen die geſparten Pfennige faſt regel— 
mäßig wieder im höheren Schreibgebührenſatz für die 
beſonders zu zahlenden Schriftſtücke verloren. 


Rechtsanwalt Dr. a ung II in München. 


Zu § 428 StPO. Kein Rechtsgebilde ift in der 
Strafprozeßordnung fo ſtiefmütterlich behandelt worden 
wie die Widerklage im Privatklageverfahren. Hier 
bewegt ſich faſt jeder Schritt, den die Praxis machen 
muß, auf beſtrittenem Gebiete. Grundlegende Ent— 
ſcheidungen der oberen Gerichte ſind ſo ſpärlich wie 
ſonſt nirgends, weil der § 380 StPO. die Verletzung 
der Vorſchriften über das Widerklageverfahren der 
Prüfung der Reviſionsinſtanz grundſätzlich entzieht. 
Eine andere geſetzliche Regelung iſt dringendes Be— 
dürfnis. Von den grundlegenden Fragen, dem Ver— 
hältniſſe des § 428 zu den Vorſchriften des materiellen 
Strafrechts u. a., ſoll hier ganz abgeſehen werden. 
Ich möchte auch nicht verſuchen, das Dunkel zu er— 
leuchten, das über der prozeſſualen Behandlung der 
Widerklage von der Form ihrer Erhebung bis zu ihrer 
Erledigung liegt. Die Praxis geht hier vielfach ver— 
ſchiedene Wege, je nach dem Gerichtsgebrauch und der 
Anſicht des vorherrſchenden Kommentars. Die folgen— 


Nr. 2. 41 


den Ausführungen ſind nur der formellen Behand⸗ 
lung der erſt in der Hauptverhandlung erhobenen 
Widerklage gewidmet, über die beſondere Unklarheit 
herrſcht. 

Man kann drei Hauptmeinungen auseinander⸗ 
halten. Nach der erſten muß dem Urteile in jedem 
Falle ein Beſchluß des Gerichts vorausgehen, der über 
die Zuläſſigkeit der Widerklage befindet. Wird ſie 
ſür zuläſſig erklärt, ſo erfolgt die weitere (materielle) 
Erledigung in dem über die Privatklage und Wider- 
klage gleichzeitig ergehenden Urteile; wird ſie für 
unzuläſſig erachtet, ſo nimmt das weitere Verfahren 
auf ſie keine Rückſicht mehr (vgl. Löwe N. 6 zu 
§ 428). Die in der Literatur überwiegende zweite 
Anſicht behält auch die Entſcheidung über die Zuläſſig⸗ 
keit der Widerklage dem Urteile vor und betrachtet 
die Vorentſcheidung mehr oder minder entſchieden 
als unzuläſſig (3. B. Kommentar von Stenglein N. 6 
a. a. O., Birkmeyer, Deutſches Strafprozeßrecht 
S. 790, Kronecker in Goltd Arch. 33. Bd. S. 23). 
Nach der dritten vermittelnden Meinung ift das Ge- 
richt befugt (nicht verpflichtet), die Widerklage durch 
Beſchluß zurückzuweiſen, wenn es fie für unzu— 
läſſig hält (3. B. Lindemann in Goltd Arch. 51. Bd. 
S. 266). Daneben laufen verſchiedene Variationen 
einher. 

Die erſte Meinung beherrſcht, ſoweit ich ſeit 
Jahren beobachten konnte, unter dem Einfluſſe des 
Kommentars von Löwe noch jetzt vielfach die bayeriſche 
Praxis. Dagegen ſprechen aber ſchwerwiegende Be— 
denken. Zunächſt der Wortlaut des 8 428 Abſ. 2: 
„Ueber Klage und Widerklage iſt gleichzeitig zu er— 
kennen.“ Eine geſonderte, in der Hauptverhandlung 
ergehende beſchlußmäßige Entſcheidung über die for— 
melle Seite der Widerklage iſt dem Geſetze fremd. 
Auch in anderen Arten des Verfahrens gibt es ähn— 
liches nicht. Dem Beſchluſſe, daß die Widerklage 
„für zuläſſig“ erklärt wird, ſcheint mir überhaupt 
eine rechtliche Bedeutung abzugehen. Auf die prozeß— 
rechtliche Stellung der Parteien hat er keinen Einfluß. 
Dem Widerbeklagten ſteht ein Recht der Beſchwerde 
gegen den Beſchluß nicht zu (arg. § 347), er ift aber 
nicht gehindert, auch nach deſſen Verkündung ſeine 
Auffaſſung von der Unzuläſſigkeit der Widerklage 
geltend zu machen. Anderſeits muß der Widerkläger 
damit rechnen, daß das Gericht ſeine Meinung über 
die Zuläſſigkeit der Widerklage, eventuell noch im 
Urteil, ändert. Dazu iſt das Gericht jederzeit befugt. 
Am wenigſten leuchtet die Notwendigkeit und Zweck— 
mäßigkeit, ſich auf einen ſolchen Beſchluß feſtzulegen, 
dann ein, wenn die Parteien über die formelle Zu— 
läſſigkeit der Widerklage einig find. Zur Klärung 
der Sachlage genügt es, daß der Vorſitzende in Aus— 
übung des Fragerechts die Beteiligten veranlaßt, ſich 
über deren Zuläſſigkeit zu äußern, und dann in ges 
eigneten Fällen feſtſtellt, daß gegen die Zuläſſigkeit 
Bedenken nicht beſtehen. 

Noch bedenklicher ſcheint mir der Beſchluß zu 
ſein, durch den die Widerklage für unzuläſſig erklärt 
wird. Damit ſcheidet ſie aus dem Prozeſſe aus. Der 
Beſchluß kommt demnach in ſeiner Wirkung einem 
Einſtellungsbeſchluſſe nach $ 202 gleich, der ſich auf 
den Mangel formeller Vorausſetzungen gründet. Dem 
Widerkläger kann die ſofortige Beſchwerde dagegen 
nicht verſagt werden (arg. 88 209 Abſ. 2, 430). Legt 
er ſie ein und hat er Erfolg, ſo krankt das weitere 


Verfahren an Schwierigkeiten, die geradezu unlösbar 


42 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


werden, wenn zur ſelben Zeit gegen das im Privat- 
klageverfahren ergehende Urteil Berufung eingelegt 
wird. Denn da das Beſchwerdegericht nur über die 
Zuläſſigkeit der Widerklage entſcheiden kann, hängt 
dann das Widerklageverfahren noch in der erſten In- 
ſtanz, das Hauptverfahren dagegen in der zweiten Jn- 


ſtanz. Dieſe Zerreißung des Verfahrens widerſpricht 


zweifellos dem Geſetze. Beſondere Schwierigkeit macht 
die Entſcheidung im Koſtenpunkte. Der Beſchluß. 
durch den die Widerklage für unzuläſſig erklärt wird, 
muß nach 8 496 Abſ. 1 auch über die Koſten der 
Widerklage befinden. Die Entſcheidung kann dem 
Urteile, das nur auf die Privatklage ergeht, nicht vor- 
behalten werden. Nach der Rechtſprechung des ObLO. 
iſt es aber unzuläſſig, die Koſten der Klage und der 
Widerklage auszuſcheiden. Die Koſten ſind in eine 
Geſamtmaſſe zu vereinigen; die Verpflichtung zur 
Koſtentragung ift je nach dem Unterliegen und Ob: 
ſiegen der Parteien auszuſprechen, ohne Rückſicht 
darauf, ob dies hinſichtlich der Klage oder der Wider- 
klage der Fall iſt (Bd. 1 S. 96, Bd. 3 S. 17, 82, 
Bd. 6 S. 257). Der Gerichtshof ſtützt ſeine Anſicht 
auf den Wortlaut des Geſetzes: „Der Geſetzgeber be— 
trachtet das Verfahren bezüglich der Klage und 
der Widerklage als einheitlich und untrennbar.“ Dar⸗ 
aus muß gefolgert werden, daß das oberſte Gericht 
auch mit der Zerreißung des Verfahrens in die Würdi⸗ 
gung der Widerklage nach der formellen und der 
materiellen Seite nicht einverſtanden iſt. M. E. 
ſprechen überwiegende Gründe dafür, daß ſich die 
Untergerichte dieſer Auffaſſung anſchließen. Wird die 
Frage der Zuläſſigkeit der Widerklage der abſchließen⸗ 
den Würdigung des Urteils vorbehalten, ſo geht man 
den Schwierigkeiten aus dem Wege. Der Richter 
wird ſich für ſeine Perſon freilich ſchon vorher eine 
Meinung darüber zu bilden haben. Er kann ihr bei 
der Beſtimmung des Umfangs der Beweisaufnahme 
deutlichen Ausdruck verleihen und dadurch der Be— 
laſtung der Prozeßführung durch unzuläſſige Wider— 
klagen entgegenwirken. 


II. Staatsanwalt Bleyer in München. 


Koſtenpflicht bei Uebergang einer zivilſtrafgericht⸗ 
lichen Unterfuchung in die militäriſche Gerichtsbarkeit. 
Gegen A. iſt Vorunterſuchung eröffnet. Durch Ver— 
nehmung von Zeugen, Sachverſtändigen uſw. ſind er— 
hebliche Soften erwachſen. A. rückt noch, bevor ein 
Urteil gegen ihn ergangen iſt, zum Militär ein. 

Gemäß 8 6 Mil StG O. find die Militärperſonen, 
ſofern nicht wieder Entlaſſung erfolgt, auch wegen der 
vor dem Dienſteintritt begangenen ſtrafbaren Hand» 
lungen der Millitärſtrafgerichtsbarkeit unterſtellt. 

Die weitere Behandlung der Sache geht daher 
ohne Einſtellungsbeſchluß der Zivilgerichte auf das 
Militärgericht über. 

Wie ſteht es nun mit den vorher durch die zivil— 
ſtrafgerichtliche Vorunterſuchung erwachſenen Koſten? 

Für das militäriſche Strafverfahren gilt der 
Grundſatz der Koſtenfreiheit ($ 469 Mil StG O.). Das 
militärgerichtliche Urteil enthält daher überhaupt 
keinen Ausſpruch über die Koſtenpflicht. Auch über 
die in dem zivilſtrafgerichtlichen Vorverfahren erwach— 
jenen Koſten darf in dem militärgerichtlichen Urteil 
nicht entſchieden werden. 


get — — — a 


— 


(Vgl. X. Prüfungsergebnis 


des RMilGer. Ziff. 28: Weigel, Zuſtändigkeitsgreuzen 
S. 110 Anm. 12; S. 295). 

Der Grundſatz der Koſtenfreiheit gilt aber nur 
für das militärgerichtliche Verfahren; für die Erſtattung 
der vorher erwachſenen Koſten hat auch der militär⸗ 
gerichtlich Verurteilte nach den Grundſätzen der StPO. 
(S 497 ff.) aufzukommen. Nach Weigel a. a. O. follen 
deshalb die Akten zur Herbeiführung einer Entſchei⸗ 
dung an das früher mit der Sache befaßte bürgerliche 
Gericht abgegeben werden. 

Allein wie ſoll das bürgerliche Gericht über die 
Koſten entſcheiden? Eine Entſcheidung kann nur durch 
Beſchluß oder Urteil erfolgen. 

Eine beſondere die Unterſuchung einſtellende Ent⸗ 
ſcheidung, die gemäß § 496 StPO. über die Koſten zu 
beſtimmen hätte, ift nicht angängig (vgl. 88 202, 259, 
502 StPO.). Ein Urteil oder ein Beſchluß lediglich 
über die Koſtenpflicht ift der StPO. fremd. 

Es bleibt daher, da die Staatskaſſe von dem Be⸗ 
ſchuldigten die Zahlung der Koſten nur dann bean- 
ſpruchen kann, wenn ſie ihm ausdrücklich auferlegt 
find (vgl. Loewe, 11. Aufl. 8 496 Anm. 5), nur der Weg 
einer zivilgerichtlichen Klageſtellung durch den Fiskus. 
Militärgerichtspraktikant Dr. M. Angerer in Nürnberg. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


Umfang des Rechts zur 921.92 80 385 nn 
ſchaftlichen Grenzmaner (58 921 Die 
Parteien find Eigentümer zweier ae e 
Villengrundſtücke. Die Grundſtücke werden auf einer 
Strecke durch eine gemeinſchaftliche Grenzmauer von 
einander abgeſchloſſen. Ende 1902 errichtete der Be⸗ 
klagte auf ſeinem Grundſtück, unmittelbar an das des 
Klägers angrenzend, ein Nebengebäude, dergeſtalt, daß 
die Brandmauer dieſes Gebäudes auf der Grenzmauer 
bis zur Hälfte ihrer Stärke ſteht. Der Kläger be⸗ 
hauptet, der Bau verſtoße gegen die § 921, 922 des 
BGB. Die Grenzmauer ſei nicht genügend tief und 
ſicher gegründet, um als Stütze einer Gebäudebrand— 


mauer zu dienen, zumal ſie von Ratten und Mäuſen 


unterwühlt ſei. Durch das Aufſetzen der Brandmauer 
auf die Grenzmauer werde deren Haltbarkeit und da— 
durch deren Mitbenutzung beeinträchtigt. Die Be⸗ 
nutzung der Grenzmauer als Teil der Brandmauer 
könne an ſich ſchon als Aenderung aufgefaßt werden 
und müſſe es, ſobald infolge der unzuläſſigen Be- 
laſtung durch die Brandmauer die vorauszuſehende 
Beeinträchtigung ihres inneren Gefüges eintrete. Die 
Vorinſtanzen haben die Klage abgewieſen. Die Re— 
viſion blieb erfolglos. 

Aus den Gründen: Jede Partei kann nach 
§ 922 Satz 1 die Grenzmauer inſoweit zu dem Zwecke 
benutzen, der ſich aus ihrer Beſchaffenheit ergibt, als 
nicht das Mitbenutzungsrecht der andern Partei beein— 
trächtigt wird. Nun ift im Satz 3 vorgeſchrieben, 
daß die Grenzmauer ohne Zuſtimmung des Nachbarn, 
der an ihrem Fortbeſtande ein Intereſſe hat, nicht be- 
ſeitigt oder abgeändert werden darf. Mit der Aende— 
rung kann nicht jede beliebige, ſondern nur eine ſolche 
Aenderung gemeint ſein, durch welche die Mitbenutzung 
des Nachbarn beeinträchtigt wird, der an dem ort- 
beſtande der Mauer ein Intereſſe hat. Es fragt ſich 
alſo, ob durch das Auſſetzen der Brandmauer auf die 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


Grenzmauer deren Mitbenutzung durch den Kläger 
beeinträchtigt wird. Er behauptet es. Die Grenz- 
mauer ſei von Ratten und Mäuſen unterwühlt und 
nicht ſicher und tief genug, um als Stütze für die 
Brandmauer zu dienen. Durch das Aufſetzen der 
Brandmauer ſei ihre Haltbarkeit beeinträchtigt. Der 
Berufungsrichter hat aber feſtgeſtellt, daß die Mauer 
nicht von Ratten und Mäuſen unterwühlt ſei und ſich 
in normaler Beſchaffenheit befinde, um als Fundament 
eines Gebäudes dienen zu können, ſo daß durchaus nicht 
die Gefahr eines Einſturzes der Mauer beſtehe. Wird 
aber die Haltbarkeit der Grenzmauer durch den Auf— 
bau der Brandmauer nicht beeinträchtigt, ſo wird auch 
der Kläger in ſeinem Recht, die Mauer mitzubenützen, 
nicht geſtört. Auch nach dem Aufſetzen der Brand: 
mauer dient ihm die Grenzmauer als Scheidewand 
zwiſchen ſeinem und des Beklagten Grundſtück. Der 
Kläger braucht allerdings eine Beſchränkung ſeines 
Eigentums nur inſoweit zu dulden, als es im § 922 
des BGB. vorgeſchrieben iſt. Er braucht alſo eine 
Einwirkung des Beklagten auf den Teil der Grenz— 
mauer, der auf ſeinem Grund und Boden und damit 
in ſeinem Eigentum ſteht, nicht weiter zu dulden, als 
der Beklagte die Grenzmauer zu dem Zwecke benutzen 
darf, der ſich aus ihrer Beſchaffenheit ergibt. Der 
Zweck der Grenzmauer iſt, die beiden Grundſtücke 
der Parteien von einander abzuſchließen. Nur zu 
dieſem Zweck darf der Beklagte den auf des Klägers 
Grundſtück und damit in deſſen Eigentum ſtehen— 
den Teil der Grenzmauer benutzen. Er darf alſo 
nicht auf dieſen Teil der Grenzmauer eine Brand: 
mauer aufſetzen. Anderſeits iſt der Kläger an der 
Mitbenutzung der Grenzmauer nicht gehindert, wenn 
der Beklagte auf den auf ſeinem, des Beklagten, 
Grundſtück ſtehenden Teil der Mauer eine Brandmauer 
aufſetzt. Der Beklagte darf alſo auf den in ſeinem 
Eigentum ſtehenden Teil der Mauer als Eigentümer 
dieſes Teils ſeines Grundſtücks eine Brandmauer auf— 
ſetzen (Wolff im Recht 1900 S. 476, Meisner, Nad- 
barrecht S. 36). (Urt. des V. 35. vom 9. November 
1907, V 98,07). — — ˖ an. 
1126 
II. 


Begriff der groben Mißhandlung im Sinne des 
4 1568 Satz 2 HGB. Objektiver oder ſubjektiver Mak: 
ſtab. So eines Mitverſchuldens des mißhandelten 
Ehegatten. Aus den Gründen: Der Begriff der 
groben Mißhandlung ſchließt nicht nur die Fälle der 
lebens⸗ oder geſundheitsgefährlichen Mißhandlung in 
ſich, ſondern er iſt ein weiterer und umfaßt auch ſolche 
vorſätzliche Körper verletzungen, die, ohne das Leben 
und die Geſundheit des verletzten Ehegatten in Ge— 
fahr zu bringen, unter Umſtänden oder in einer Art 
begangen werden, die ſie als eine beſonders rohe, das 
allgemeine Rechtsempfinden ſchwer verletzende Aus— 
ſchreitung erſcheinen laffen. Es ift insbeſondere in 
der Rechtſprechung des Reichsgerichts bereits wieder— 
holt hervorgehoben worden, daß unter den Begriff 
auch ſolche Mißhandlungen fallen, die mit einer ehren— 
rührigen Herabwürdigung des mißhandelten Ehe— 
gatten verbunden ſind. Um einen ſolchen Fall han— 
delt es ſich hier. Der Kläger hat nicht nur durch die 
Züchtigung an fid. ſondern namentlich auch durch die 
Art ihrer Ausführung ſeiner Frau eine Schmach an— 
getan, die jedem Sittlichkeits- und Rechtsempfinden 
ſchlechthin widerſpricht. Es kann darüber hinweg— 
gegangen werden, daß der Berufungsrichter dies in 
Zweifel zieht, da er es doch ſelbſt wenigſtens als 
möglich unterſtellt, daß objektiv betrachtet die Züch— 
tigung für die Beklagte erniedrigend geweſen ſein 
könnte. Dieſer objektive Maßſtab iſt aber für die 
Frage, ob die Beklagte in grober Weiſe mißhandelt 
worden iſt, wenn nicht allein entſcheidend ſo doch von 
der allerweſentlichſten Bedeutung. 


1908. Nr. 2. 43 


handlung bleibt eine ſolche, gleichviel, wodurch ſie 
veranlaßt und ob ſie insbeſondere durch eine von dem 
Verletzten verſchuldete Erregung des Mißhandelnden 
hervorgerufen wurde. Ihr Vorhandenſein iſt auch 
unabhängig von ihrer Wirkung auf das ſubjektive 
innere Empfinden des Verletzten. Das angenommene 
Mitverſchulden der Beklagten und ihre vermeintliche 
nur geringe Empfindlichkeit werden daher vom Be- 
rufungsrichter in einem rechtlich falſchen Zuſammen— 
hange gewürdigt. Beides kann bei der Entſcheidung 
darüber, ob die Tatbeſtandsvorausſetzungen des 8 1568 
gegeben ſind, unter Umſtänden an anderer Stelle 
von Erheblichkeit fein. Hat die Beklagte die Züch— 
tigung nicht beſonders ſchwer empfunden, ſo kann es 
ſich fragen, ob dies die Annahme ausſchließt, daß ihre 
eheliche Geſinnung gänzlich zerſtört, in ihrer Perſon 
alſo die ſubjektive Folge der Ehezerrüttung ents 
ſtanden iſt. Hat ſie anderſeits den Mann durch ihr 
Verhalten zum Zorn gereizt, ſo entſteht die Frage, 
ob bei objektiver Würdigung des Falles die Ehe— 
zerrüttung ſo beſchaffen iſt, daß es dem Weſen der 
Ehe nicht mehr entſpricht, ihr die Fortſetzung dieſer 
Ehe zuzumuten. (Urt. des IV. ZS. vom 14. Oktober 
1907, IV 98/07). See, 
1108 
III. 


Wird während der Anhängigleit eines Rechtsſtreits 
in der Neviſionsinſtanz zunächſt von einer Partei die 
Zurücknahme der Klage und ſpäter von der anderen die 
Zurücknahme der Revifion erklärt, fo kann die letztere 
ein Urteil über den Koſtenpunkt vom Neviſionsgerichte 
nicht mehr verlangen. Der Beklagte (Reviſionskläger) 
hat gegen ein oberlandesgerichtliches Urteil form— 
richtig Reviſion eingelegt. Mit Schriftſatz vom 2. Mai 
1907, zugeſtellt am 4. Mai 1907, hat der Prozeßbevoll⸗ 
mächtigte des Klägers (Reviſionsbeklagten) die Zurück— 
nahme der Klage erklärt. Darauf hat der Reviſions⸗ 
kläger mit Schriftſaß vom 13. Mai „gemäß dem unter 
den Parteien abgeſchloſſenen Vergleich“ die Revi— 
ſion zurückgenommen. Nachdem in dem Verhand— 
lungstermin vom 13. Juni 1907 von den Parteien 
niemand erſchienen war, hat mit Schriftſatz vom 
18. Juli 1907 der Reviſionskläger den Kläger zur 
mündlichen Verhandlung über den Koſtenpunkt ge— 
laden. Er macht geltend, daß der Kläger, der auf 
Grund des unter den Parteien geſchloſſenen Ber- 
gleiches die Klage zurückgenommen habe, gemäß § 271 
ZPO. die Koſten des Rechtsſtreites zu tragen habe. 
Da von dem Beklagten gemäß der Entſcheidung des 
Oberlandesgerichts die Gerichtskoſten gefordert, ſeien, 
habe dieſer ein Intereſſe daran, daß jene Folge durch 
Urteil ausgeſprochen werde. Die in dem Schriftſatze 
vom 13. Mai 1907 erklärte Zurücknahme der Reviſion 
ſei, meint der Reviſionskläger, bedeutungslos, weil 
zur Zeit der Zuſtellung dieſes Schriftſatzes der Rechts— 
ſtreit durch die Zurücknahme der Klage bereits beſei— 
tigt geweſen ſei. Sein Antrag auf Verurteilung des 
Klägers zu den Koſten wurde abgewieſen. 

Gründe: Auch wenn davon auszugehen iſt, daß 
die Zurücknahme der Klage mit Einwilligung des Be— 
klagten noch in den höheren Inſtanzen rechtsgültiger— 
weiſe erfolgen kann, und wenn ferner angenommen 
wird, daß im vorliegenden Falle der Beklagte ſeine 
Einwilligung in die Klagezurücknahme durch ſeine 
prozeſſualen Erklärungen und Anträge in genügender 
Weiſe bekundet hat, ſo iſt gleichwohl bei der hier be— 
ſtehenden Sachlage dem Reviſionskläger die Berech— 
tigung zu einem Antrage nach § 271 Abſ. 3 Satz 2 
RPO. abzuſprechen. Ob nicht dieſem Antrage ſchon 
die von dem Reviſionskläger ſelbſt vorgebrachte Tat— 
ſache, daß die Klagezurücknahme zufolge und in Er— 
füllung eines zwiſchen den Parteien abgeſchloſſenen 
Vergleiches erfolgt iſt und darnach die Vorſchrift 
des $ 98 ZPO. im Wege ſtünde, kann dahingeſtellt 


Eine grobe Miß⸗ | bleiben, nur mag bemerkt werden, daß der vom Revi- 


44 


fionsfläger behauptete Inhalt dieſes 1 
bezüglich der Koſten im Hinblick auf § 335 Abſ. 1 
Nr. 3 ZPO. nicht berückſichtigt werden könnte. 
Jedenfalls iſt zufolge der von dem Reviſionskläger 
erklärten Zurücknahme der Re viſion ein 
Antrag oder ein Urteil im Koſtenpunkte nach § 271 
Abi. 3 ZPO. ausgeſchloſſen. Die Zurücknahme der 
Reviſion ift gemäß § 566 in Verbindung mit § 515 
ZPO. rechtswirkſam erfolgt und ſie iſt nicht, wie der 
Reviſionskläger glaubt, wegen der vorangegangenen 
Zurücknahme der Klage gegenſtandslos. Zwar hat nach 
5 Abſ. 3 ZPO. die Zurücknahme der Klage zur 
olge, daß der Rechtsſtreit als nicht anhängig ge⸗ 
worden anzuſehen iſt. Allein wenn damit die Rechts⸗ 
hängigkeit zur Hauptſache beſeitigt iſt, ſo hätte doch 
für die Entſcheidung im Koſtenpunkte gemäß jener 
Geſetzesvorſchrift ein Verfahren anhängig ſein können. 
Auf eine ſolche Entſcheidung jedoch hat der Beklagte 
durch die Zurücknahme der Reviſion dem Gegner wie 
dem Gericht gegenüber Verzicht geleiſtet. Sie kann 
unter den obwaltenden Umſtänden nichts anderes be⸗ 
deuten, als die unbedingte und bindende Erklärung 
des Reviſionsklägers, auf jede Entſcheidung des Re⸗ 
viſionsgerichts, alſo auch eine ſolche über die Koſten, 
zu verzichten. Damit iſt die Sache für die gegen⸗ 
wärtige Inſtanz endgültig erledigt. Es hätte nur 
allenfalls noch ein Antrag des Reviſions beklagten 
nach § 566 in Verbindung mit 8 515 Abſ. 3 ZPO. 
und ein dementſprechendes Urteil in Frage kommen 
können. Aber dieſer Fall liegt hier nicht vor und 
für irgend eine anderweite Entſcheidung des Reviſions⸗ 
gerichts iſt jetzt kein Raum mehr. (Urt. des VI. 38. 
vom 24. Oktober 1907, VI 111/07). 
1116 


— — 2 · n. 


IV. 


Der Veräußerer eines Grundſtückes ift nicht unbe- 
dingt verpflichtet, die Schätzung der Mieterträgniſſe 
5 Angaben über ihre Grundlagen zu erläutern. 

. nicht unter allen Umſtänden argliſtig, wenn 

orkommniſſe verſchweigt, aus denen hervorgeht, 
daß anf den in der Schätzung angeſetzten Ertrag mit 
Sicherheit nicht zu rechnen ift. Durch notariellen Ber- 
trag vom 21. November 1903 vertauſchte der Beklagte 
ein Grundſtück zu B. gegen ein dem Kläger gehöriges 
Grundſtück in Z. Die Auflaſſungen ſind erfolgt. In der 
Klage iſt Schadenserſatz gefordert, weil der Beklagte 
den Mietertrag eines Ladens fälſchlich und argliſtig 
mit 4500 Mk. (ſtatt höchſtens 3700 Mk.) zugeſichert 
habe. Das OLG. hat den Schadenserſatzanſpruch für 
gerechtfertigt erklärt. Das Urteil wurde vom mewa: 
gericht aufgehoben. 

Gründe: In einwandfreier Weiſe erklärt das 
OLG. die Klage inſoweit für unbegründet, als ſie ſich 
auf SS 459, 515 BGB. ſtützt. Indem es fie aus— 
ſchließlich nach SS 823 Abſ. 2, 826 beurteilt, ſtellt es 
zunächſt feſt, daß der Kläger vor und bei Kaufsab— 
ſchluß gewußt hat, daß der Laden (den L. vom 1. Jan. 
1902 bis 1. April 1903 für jährlich 4000 Mk., von 
da ab für jährlich 4500 Mk. gemietet, den er aber ohne 
Eintritt in den höheren Mietpreis mit des Beklagten 
Einwilligung wieder verlaſſen hatte), leer ſtand und 
keine 4500 Mk. jährlich brachte. Es iſt ferner feſt— 
geſtellt, daß in der Mietsertrags-Aufſtellung, die der 
Beklagte dem Kläger aushändigte, der Laden mit 
4500 Mk. Mietsertrag jedoch ohne Beifügung des 
Namens eines Mieters eingeſetzt geweſen iſt. Auf 
Grund dieſes Tatbeſtandes nimmt der Berufungs— 
richter aus folgenden Erwägungen argliſtiges Handeln 
des Beklagten an. Das Haus fei bewußt als Dict- 
haus veräußert und erworben worden Nur bei neuen 
Häuſern, nicht aber bei älteren, wie das in Rede 
ſtehende eines iſt, könne es ſich um nur ſchätzungs— 
weiſe Mietertragsangaben handeln. Die ſchriftliche 
einmalige Vereinbarung von 4500 Mk. Jahreszins 


f 


Zeitſchrift für itſchrift für Rechtspflege in Be in Bayern. 1908. Nr. 2. 


mit L. könne den Beklagten nicht decken. Es ſei zu 
deſſen Zahlung gar nicht gekommen, da L. ihn nicht 
habe aufbringen können, er ſei nur auf dem Papier 
geſtanden, ebenſowenig ſeien die ſpäteren ergebnislos 
gebliebenen Verhandlungen des Beklagten mit einem 
Kafetier über 4500 Mk. Mietzins für dieſen Laden er⸗ 
heblich. In Wahrheit habe nach der Beweisaufnahme 
der Laden niemals einen Mietspreis von 4500 Mk. 
wirklich erbracht, ſondern im höchſten Falle einen 
ſolchen von 4000 Mk., er fei auch während der Betz: 
zeit des Beklagten manchmal, einmal ſogar jahrelang, 
leer geſtanden. Bei dieſer Sachlage habe der Be: 
klagte in die Mietaufſtellung einen Mietsertrag von 
4500 Mk. nicht einſetzen dürfen, ohne den Kläger über 
die wahren Mietsverhältniſſe aufzuklären. Daß er 
dies getan habe, ſei weder behauptet, noch erwieſen. 
Die Unterlaſſung der Aufklärung ſei argliſtig geweſen. 
Der Beklagte ſei auf die Täuſchung des Käufers in 
der Richtung ausgegangen, daß der Laden durch⸗ 
ſchnittlich oder regelmäßig 4500 Mk. Miete er⸗ 
bracht habe. 

Der Reviſionsbegründung iſt darin beizutreten, 
daß in dieſen Ausführungen eine Ueberſpannung der 
dem Verkäufer obliegenden Offenbarungspflicht ent⸗ 
halten iſt. Es kann weder eine Verletzung eines 
Schutzgeſetzes, ein ſtrafrechtlicher Betrug nach § 823 
Abſ. 2, noch eine wider die guten Sitten verftoßende 
vorſätzliche Schadenszufügung nach 8 826 BGB. noch 
ein argliſtiges Verſchweigen im Sinne des § 463 da- 
ſelbſt angenommen werden. Allerdings iſt der Ver⸗ 
käufer verpflichtet, vor dem Kaufsabſchluß dem Käufer 
alle die Kaufsſache betreffenden erheblichen Umſtände 
mitzuteilen, von denen er annehmen muß, daß ſie nach 
allgemeiner Erfahrung den Kauf- und Preisfeſtſetzungs⸗ 
Willen des Käufers zu beeinfluſſen geeignet und dem 
Käufer unbekannt ſind, aber ein Verſtoß gegen dieſe 
Pflicht kann im Verſchweigen der Vorgeſchichte der 
Vermietung des Ladens hier nicht gefunden werden. 
Der Laden ſtand zur Zeit der Kaufsverhandlungen, 
wie dem Käufer wohl bekannt war, leer, welcher Um⸗ 
ſtand für ſich allein dem Käufer bewies, daß er ſicher 
auf dieſen oder jenen Mietertrag jener Räume zurzeit 
und für die nächſte Zukunft nicht rechnen könne, daß 
alſo die Angabe von 4500 Mk. Jahresertrag in der 
Mietaufſtellung nur eine Schätzung ſein könne. 
Wären in jene auch nur 4000 Mk. oder 3700 Mk. 
eingeſetzt geweſen, welchen wahren Mietwert der Kläger 
zuerſt behauptet hat, ſo lehrte doch das augenblick— 
liche Leerſtehen des Ladens den Käufer zur Genüge, 
daß auch die Erlangung eines ſolchen niedrigeren 
Mietpreiſes augenblicklich ungewiß ſei. Die Einſetzung 
von 4500 Mk. Jahresertrag bildete alſo keine Täu⸗ 
ſchung, noch weniger kann zugegeben werden, daß der 
Beklagte ſich dabei einer Täuſchungshandlung bewußt 
ſein mußte, oder nur konnte. Er konnte nicht wiſſen, 
daß der Kläger die 4500 Mk. für etwas anderes als 
eine bloße Schätzung halte und dem Kläger lag es ob, 
den Verkäufer darüber zu befragen, auf welchen 
Grundlagen denn der Anſatz von 4500 Mk. für den 
Laden beruhe, von dem er laut der ausdrücklichen 
Feſtſtellung des Berufungsrichters wußte, daß er tat- 
ſächlich zurzeit keine 4500 Mk. einbringe. Irrtümlich 
nimmt das OLG. an, daß der Beklagte auch unge: 
fragt die ganze Vorgeſchichte jener Laden vermietung 
offenzulegen hatte. (Urt. des V. ZS. vom 2. November 
1907, V 108/07). 

1127 


— - n. 
B. Strafſachen. 


I. 


Idealkonkurrenz zwiſchen § 187 und $ 185 StG. 
Ideale Konkurrenz zwiſchen $ 187 und § 185 StGB. 
konnte nur inſoweit angenommen werden, als ein in 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


ſich abgeſchloſſener Teil des Gedankeninhalts der ein⸗ 
heitlichen Kundgebung den Tatbeſtand des § 187, ein 
anderer den des $ 185 verwirklichte. Dies hat der 
Erſtrichter nicht beachtet, indem er auch die ohne er⸗ 
kennbaren Rechtsirrtum für den Tatbeſtand des § 187 
StGB. verwendeten Ausdrücke: „Spigbuberei” und 
„Betrügerei” zugleich als Beleidigungen nach $ 185 
StGB. in Betracht zog. Dieſer Irrtum hat aber 
offenſichtlich auf die Strafzumeſſung einen Einfluß nicht 
geübt und gefährdet den Beſtand des Urteils nicht, 
da der Tatbeſtand des 8 185 jedenfalls durch die 
weiter gebrauchten, für den Tatbeſtand des § 187 
nicht in Betracht kommenden Schimpfworte gegeben 
iſt (Urt. d. V. StS. v. 20. Sept. 1907, 5 D 467/07.) 
1086 


— — — e — 


II. 


e ſchriftlichen Strafautrags ($ 156 Abſ. 2 
Stgo.). it Unrecht zieht die Reviſion die Rechts⸗ 
wirkſamkeit des vorliegenden Strafantrags in Zweifel. 
Die ihn enthaltende, bei der Staatsanwaltſchaft ein⸗ 
gegangene Eingabe trägt die Unterſchrift: Frau St.... 
Allerdings iſt ſie von der Antragsberechtigten, der 
Mutter der Kath. St. weder verfaßt noch unterſchrieben. 
Dieſer Umſtand iſt aber bedeutungslos. Denn Frau 
St. hatte den Prozeßagenten E. beauftragt, für ſie 
den Strafantrag zu ſtellen und mit ihrem Namen zu 
unterzeichnen, und der letztere hatte in Erledigung des 
Auftrags einen ſeiner Angeſtellten veranlaßt, den vor⸗ 
liegenden Antrag abzufaſſen und mit Frau St. 
zu unterſchreiben. Was unter dem Begriff der Schrift⸗ 
lichkeit im Sinne des § 156 Abſ. 2 StPO. zu verſtehen iſt, 
könnte lediglich der StPO. und den fie etwa inſoweit 
ergänzenden Strafgeſetzen entnommen werden. Die nur 
den rechtsgeſchäftlichen Verkehr auf dem Gebiet des 
bürgerlichen Rechts regelnde Vorſchrift des 8 126 BGB. 
muß deshalb dabei außer Betracht bleiben. Da aber 
die erwähnten Geſetze eine Erläuterung nicht enthalten, 
fo hat der gewöhnliche Sprachgebrauch und die Zweck— 
beſtimmung jener Vorſchrift zu entſcheiden. Danach 
gehört zu einer ſchriftlichen Erklärung allerdings auch 
eine Unterſchrift, aber nur in dem Sinne, daß dadurch 
über die Perſon, von der die Willenserklärung ausgeht 
und über deren Vollſtändigkeit kein Zweiſel obwalten 
darf (RGE. Bd. 3 S. 442). Deshalb iſt ein Straf⸗ 
antrag auch dann als ſchriftlich geſtellt anzuſehen, 
wenn er im Auftrage des Berechtigten von einem 
Dritten verfaßt und mit jenes Namen unterſchrieben 
worden ift (RGE. Bd. 6 S. 69). Die Vollmacht kann 
mündlich erteilt fein (RGE. Bd. 19 S. 7) und erforder: 
lichenfalls auch noch nach Ablauf der Antragsfriſt 
nachgewieſen werden (RGE. Bd. 12 S 337). Aus dem 


Zuſammenhang dieſer Rechtsgrundſätze folgt mit Not⸗ 


wendigkeit, daß der Vorſchrift des 8 156 StPO. ent- 
ſprochen iſt, wenn eine dem Auftrag des Berechtigten 
entſprechende, deſſen Unterſchrift enthaltende ſchriftliche 
Erklärung der zu ihrer Empfangnahme berufenen 
Behörde vorgelegt wird, ohne Rückſicht darauf, von 
wem ſie, insbeſondere auch hinſichtlich der Unter⸗ 
ſchrift, gefertigt iſt. Deshalb braucht der mit der 
Anfertigung und Vollziehung 
vom Antragsberechtigten Beauftragte ihn nicht ſelbſt 
zu ſchreiben und zu unterſchreiben, ſondern er darf 
ſich dazu einer Mittelsperſon als ſeines Werkzeugs 


bedienen. (Urt. d. V. StS. vom 24. September 1907, 
5 D 379.07). u 
1085 


III. 


Beiſeiteſchaffung von Vermögensbeſtandteilen (5 288 
StB.) Darin, daß der Angeklagte mit feiner Ber- 
käuferin einen Schein vertrag über den Verkauf 
ſeines Geſchäftes abſchloß und dieſen dem pfändenden 
Gerichtsvollzieher mit der Erklärung vorzeigte, die 
Sachen, die der Gerichtsvollzieher pfänden wollte, 


eines Strafantrags, 


Nr. 2. 45 


ſeien Eigentum der Verkäuferin, ſo daß der Gerichts⸗ 

vollzieher zunächſt von der Pfändung Abſtand nahm, 

konnte ein Beiſeiteſchaffen im Sinne des $ 288 StGB. 

erblickt werden.“) (Urt. d. V. StS. v. 18. Sept. 1907, 

5 D 256/07). 
1099 


— — — e — 


IV. 


Eigentliche und vermeintliche Notwehr (8$ 53, 59 
St.); in der Sachlage begründete Notwendigkeit, 
fi) über z 53 Abſ. 3 StGB. anszuſprechen. Der 
Reviſion konnte der Erfolg nicht verſagt werden. 
Der Erſtrichter hält die Begriffe der Notwehr (8 53 
StGB.) und der Putativnotwehr ($ 59 StS) nicht 
ſcharf auseinander und hat ſich nicht klar gemacht, 
welche Folgen die Annahme des einen oder anderen 
Einwandes hat und unter welchen Vorausſetzungen 
der Angeklagte trotzdem der vorſätzlichen Körperver⸗ 
letzung ſchuldig geſprochen werden konnte. Die Aus⸗ 
führungen, daß der Angeklagte „in Notwehr gehandelt“ 
hat und daß er über das Maß der Verteidigung, 
„welche geboten war“ weit hinausgegangen iſt, „da 
er zu einer ſehr gefährlichen Waffe — einem Meſſer — 
gegriffen und ſie in ruckſichtsloſer Weiſe benutzt hat,“ 
würdigen das Handeln des Angeklagten aus dem Ge⸗ 


ſichtspunkte des § 53 Abſ. 2 SIEB. Schon dabei er- 


regt es Bedenken, daß der Erſtrichter die nach der 
Sachlage gebotene Angabe unterläßt, in welch anderer 
Weiſe der Angeklagte dem Angriffe hätte begegnen 
können und ſollen. Denn nach dem Urteil iſt er „ein 
nervenkranker Menſch' und war zunächſt von dem 
einen Bruder beſchimpft, von dem andern — der zu⸗ 
vor auf eine andere Perſon eingeſchlagen hatte — 
durch einen Schlag unter das Auge verletzt worden. 
Dazu kommt, daß das Gericht anſcheinend den § 53 
Abſ. 3 StGB. außer Prüfung gelaſſen hat (vgl. Entſch. 
d. RG. Bd. 16 S. 71). Wenn es auch nicht prozeſſual 
zu einem Ausſpruche genötigt war, ob der Angeklagte 
nicht in Beſtürzung, Furcht oder Schrecken über die 
Grenzen der Verteidigung hinausgegangen iſt, da der 
Verteidiger nach dem Protokoll nur ein Handeln im 
Exzeſſe der Notwehr, nicht aber die Strafloſigkeit dieſes 
Exzeſſes geltend gemacht hatte, ſo gebot doch die Sach⸗ 
lage und insbeſondere der vom Erſtrichter hervor⸗ 
gehobene Umſtand, daß der Angeklagte ein nerven⸗ 
kranker Menſch iſt, der ſich — nach dem Protokoll — 
zu ſeiner Verteidigung auf nervöſes Herzklopfen be— 
rufen hatte, zu der Frage ausdrücklich Stellung zu 
nehmen, ob die Vorausſetzung des § 53 Abſ. 3 
StGB. gegeben fei oder nicht. Dem Geſichtspunkte 
der Putativnotwehr trägt ſodann der Erſtrichter zwar 
durch die in Verquickung mit der Frage der eigent— 
lichen Notwehr gegebenen Ausführungen Rechnung, 
daß der Angeklagte „in dem an ſich ziemlich unge— 
fährlichen Verhalten des Angreifers eine größere Ge— 
fahr erblicken mochte, als ſolche „begründet war“ und 
daß er über das Maß ſeiner Verteidigung, „welche 
ihm geboten erſcheinen mochte“, weit hinausgegangen 
ſei. Dieſes Hinausgehen konnte jedoch den Ange— 
klagten nur dann wegen vorſätzlicher Körper⸗ 
verletzung ſtrafbar machen, wenn er es nicht aus einem 
tatſächlichen Irrtum für erforderlich hielt und ihm 
demgemäß das Bewußtſein der Rechtswidrigkeit bei— 
wohnte; lag ſeinem Handeln ein ſolcher Irrtum 
zugrunde, fo konnte eine fahrläſſige Körper- 
verletzung in Frage kommen, falls der Irrtum durch 
Fahrläſſigkeit verurſacht war (vgl. Entſch. d. RG. Bd. 21 
S. 189). Dieſe Frage hat der Erſtrichter nicht geprüft. 
(Urt. d. V. StS. v. 8. Oktober 1907, 5 D 428 07). 

1082 


— — — e — 


) (Vgl. Entſch. d. RS, Bd. 27 S. 213). 


46 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Wr. 2. 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


Können einem Grundftäde, das im Grnudbuhe mit 
mehreren anderen auf demſelben Blatte eingetragen iſt, 
auf dem gleichen Blatte andere Grundſtücke als Be: 
ftandteile zugeſchrieben werden? (BGB. § 890, GVO. 
§ 4, VayHypG. § 120).!) Die Kaufmannseheleute 
D. in R. ſind Eigentümer des Grundſtückes Pl.⸗Nr. 491 a b 
Wohnhaus mit Nebengebäuden in S., das mit 11 anderen 
Grundſtücken im Grundbuche des Amtsgerichts W. für 
S. Bd. Blatt 35 eingetragen ift und mehrerer weiterer 
dort auf Blatt 95b und auf Blatt 123 eingetragener 
Grundſtücke. Die auf Blatt 35 eingetragenen Grund— 
ſtücke waren zur Zeit der Anlegung des Grundbuchs 
mit einer Sicherheitshypothek von 5000 Mk. belaſtet. 
Zu Urkunde des Notars D. vom 27. September 1907 
haben die Eheleute D. für ein durch 5 % ige Annuitäten 
zu verzinſendes und zu tilgendes Darlehen der H. 
und W.⸗Bank in M. im Betrage von 12 000 Mk. Hy⸗ 
pothe? ohne Brief an ihren ſämtlichen Grundſtücken 


beſtellt, ſich verpflichtet jede vorgehende oder gleich⸗ 
ſtehende Hypothek zur Löſchung zu bringen, die auf 


Blatt 95b und Blatt 123 eingetragenen Grundſtücke 
dem Grundſtücke Plan Nr. 491 ab als Beſtandteile auf 
Blatt 35 zuzuſchreiben beantragt und den Notar er- 
mächtigt, die erforderlichen Anträge für ſie zu ſtellen. 
Auf Vorlegung der Urkunde hat das Grundbuchamt 
am 2. Oktober die Hypothek auf Blatt 35, 95b und 
123 eingetragen. Am 9. Oktober iſt dann die Sicher- 
heitshypothek gelöſcht worden. Am 14. Oktober be⸗ 
antragte der Notar unter abermaliger Vorlegung der 
Urkunde, auch die Zuſchreibung der mit dem Grund— 
ſtücke Pl.⸗Nr. 491 a b als Beſtandteile zu verbindenden 
Grundſtücke zu bewirken. Für den Fall der Ablehnung 
des Antrags legte er die Beſchwerde ein. Das Grund— 
buchamt hat den Antrag zurückgewieſen, weil die auf 
Blatt 35 eingetragenen Grundſtücke zu einem ein: 
heitlichen Grundſtücke verbunden ſeien, und nur dieſer 
Grundſtückseinheit, nicht einem einzelnen der ver- 
bundenen Grundſtücke weitere Grundſtücke als Beſtand— 
teile zugeſchrieben werden könnten. Die Beſchwerde 
wurde zurückgewieſen. Die Eheleute D. legten weitere 
Beſchwerde ein mit dem Erfolge, daß das Oberſte 
Landesgericht die Entſcheidungen der Vorinſtanzen 
aufhob und das Grundbuchamt anwies anderweit zu 
verfügen. 

Gründe: Unter der Herrſchaft des früheren 
Rechtes fand die Eintragung mehrerer Grundſtücke 
auf demſelben Blatte des Hypothekenbuchs nicht nur 
nach § 120 HG. dann ftatt, wenn die Grundſtücke zum 
Zwecke einheitlicher Belaſtung zu einer Grundſtücks— 
einheit, einem „Gutskomplexe“ verbunden werden 
ſollten, ſondern ſie wurde auch häufig von Amts wegen 
als eine der Vereinfachung der Buchführung dienende 
Maßregel angeordnet und ließ in dieſem Falle die 
Selbſtändigkeit der einzelnen Grundſtücke ebenſo un— 
berührt, wie es bei der Führung eines gemeinſchaft— 
lichen Grundbuchblatts nach 8 4 GBO. der Fall ift. 
In der Eintragung wurde meiſtens nicht erſichtlich 
gemacht, ob die Eintragung auf demſelben Blatte in 
dem einen oder in dem anderen Sinne erſolgt war, 
das Beſtehen eines gemeinſchaftlichen Blattes läßt 
deshalb nicht ohne weiteres entnehmen, daß die Grund— 
ſtücke zu einer Grundſtückseinheit verbunden worden 
ſind, zur Beantwortung der Frage, ob dies geſchehen 
iſt, muß vielmehr häufig auf den Eintragungsantrag 
zurückgegriffen werden. Hier geben die Feſtſtellungen 


1) Val. auch S 84 HG. in der Faſſung der Novelle vom 20. Des 
zember 1903 Art. II Nr. 3 mit den Motiven hierzu in den Verh. ed. 
K d. Aba 1902/0! Beil Bd. 13 S. 319 ff. DA. f. d. GrBae. S 219 


Abſ. 2 mit Muſter bierzu S. 365, Henle, Anlegung des Grundbuchs. 7 j ee 
i i übergehen jollte, einzeln aufgeführt, der Verkäufer be- 


2. Aufl. S. 42. 


des Beſchwerdegerichts keinen ſicheren Auſſchluß dar— 
über, welche Bedeutung der Eintragung des Grund- 
ſtücks Pl.⸗Nr. 491a b mit 11 anderen Grundſtücken 
auf Blatt 35 zukommt. Es kommt aber hierauf eben⸗ 
ſowenig an, wie es notwendig iſt, auf die Frage ein: 
zugehen, ob die unter der Herrſchaft des früheren 
Rechtes erfolgte Verbindung mehrerer Grundſtücke 
zu einer Grundſtückseinheit von der Zeit an, zu der 
das Grundbuch als angelegt anzuſehen iſt, als Ver⸗ 
einigung der Grundſtücke im Sinne des § 890 Abſ. 1 
BOB. anzuſehen ift. Denn der Beſchwerde muß darin 
zugeſtimmt werden, daß die Eheleute D. in der Ur⸗ 
kunde des Notars den Willen kundgegeben haben, 
daß das Grundſtück Pl.⸗Nr. 491 ab ein ſelbſtändiges 
Grundſtück ſein ſoll. Nach dem Antrage ſollen die 
auf Blatt 95b und Blatt 123 eingetragenen Grund— 
ſtücke nicht mit den zwölf auf Blatt 35 eingetragenen 
Grundſtücken in der einen oder der anderen nach 
§ 890 BGB. zuläſſigen Weiſe vereinigt fondern fic 
ſollen mit dem Grundſtücke Pl.⸗Nr. 491a b allein 
verbunden, nur dieſem als Beſtandteile zugeſchrieben 
werden. Darin unterſcheidet ſich der vorliegende Fall 
von dem Falle, der den Gegenſtand des Beſchluſſes 
des Kammergerichts vom 4. März 1901 gebildet hat 
(Rſpr. d. OLG. Bd. 2 S. 407). Dort ſollte ein Grund⸗ 
ſtück einem aus dem Hauptgut und vier Vorwerken 
beſtehenden Rittergut „und zwar dem Vorwerke C' 
als Beſtandteil zugeſchrieben, es ſollte alſo die Ber: 
einigung des Vorwerkes C mit dem Hauptgut und 
den anderen Vorwerken aufrecht erhalten und inner— 
halb dieſer Einheit dem einen Beſtandteil ein neuer 
Beſtandteil angefügt werden, der damit auch Beſtand— 
teil der Einheit, des Rittergutes, werden folte. Da: 
durch, daß die zuzuſchreibenden Grundſtücke eine Er— 
weiterung des Grundſtücks Pl.-Nr. 491 a b bilden 
ſollen, ohne zu den übrigen auf Blatt 35 eingetragenen 
Grundſtücken in ein Verhältnis der Zuſammengehörig— 
keit zu treten, wird das Grundſtück Pl.-Nr. 491 ab 
von den übrigen Grundſtücken abgeſondert und ihnen 
gegenübergeſtellt, es wird ihm dieſen gegenüber eine 
ſelbſtändige Stellung zugewieſen, mit der das Fort— 
beſtehen der etwa aus früherer Zeit ſtammenden Ver— 
einigung mit ihnen nicht vereinbar ift. Dieſe Ber- 
einigung muß daher, falls ſie beſteht, gelöſt werden, 
und dies kann geſchehen, ohne daß dem mutmaß— 
lichen Willen der Hypothekenbank, die ſämtlichen 
für ihr Darlehen haftenden Grundſtücke auf dem— 
ſelben Blatte eingetragen zu ſehen, entgegengetreten 
werden muß; nach $ 4 GBO. beſteht kein rechtliches 
Hindernis, das Grundſtück Pl.-Nr. 491 ab, wenn es 
von der bisherigen Grundſtückseinheit abgeſchrieben 
wird, auf Blatt 35 zu belaſſen und ihm die Grund: 
ſtücke, die ihm als Beſtandteile angefügt werden ſollen, 
auf dieſem Blatte zuzuſchreiben. (Beſchl. des I 38. 
vom 22. November 1907, III 8107). W. 
1122 


II. 


Ein radiziertes Gewerberecht kann uur mit diſtrikts⸗ 
polizeilicher Genehmigung anf ein anderes Anweſen über: 
tragen werden. Umfang des öffentlichen Glaubens des 
Grundbuchs (BGB. SS 892, 893). In V. beſtanden 
zwei Tafernwirtſchaftsgerechtſamen, von denen die eine 
auf dem Anweſen Haus Nr. 6 radiziert und die andere 
mit der A.⸗Viſchen Brauerei verbunden war. Haus 
Nr. 6 ging durch Kauf vom 11. März 1863 auf den 
Bauer S. von U. über, der auch das Haus Nr. 135 in 
U. beſaß. Auf deſſen Antrag erteilte das Bezirksamt 
im Februar 1867 die gewerbepolizeiliche Genehmigung 
zu der Uebertragung der Tafernwirtſchaftsgerechtſame 
von dem Hauſe Nr. 6 in V. auf das Haus Nr. 135 in 
U. Am 11. September 1875 verkaufte S. das Haus 
Nr. 135 in U. an den Wirt Br. von O. In der no⸗ 
tariellen Urkunde iſt das Zubehör, das auf den Käufer 


hielt fi ein einzelnes Grundſtück und einige Ein⸗ 
richtungsgegenſtände ausdrücklich vor, die Tafern⸗ 
wirtſchaftsgerechtſame iſt aber nicht erwähnt. Der 
Käufer Br. erhielt durch Beſchluß des Bezirksamts vom 


15. Februar 1876 die Bewilligung, die Tafernwirt⸗ 


ſchaftsgerechtſame zu U. durch einen Stellvertreter 
auszuüben. Mit derſelben Begründung wurde auch 
feinen Beſitznachfolgern die Erlaubnis zum Betriebe 
der Tafernwirtſchaft erteilt; im Jahre 1879 iſt der 
Wirtſchaftsbetrieb von dem damaligen Beſitzer des 
An weſens eingeſtellt worden. Am 22. Dezember 1875 
erklärte S. vor dem Bürgermeiſter der Gemeinde V.: 
„Er habe ſein Wirtsanweſen in U. verkauft und ſei 
in ſeine ſchon früher innegehabte Wirtſchaft nach V. 
gezogen; er ſtelle deshalb an das Bezirksamt die Bitte, 
ihm eine Tafernwirtſchaftskonzeſſion nach V. zu erteilen 
oder feine ſchon früher in V. beſtandene reale Tafern— 
wirtſchaftsgerechtſame, welche nach U. transferiert 
worden ſei, wieder nach V. zu transferieren.“ Infolge 
eines Mißverſtändniſſes nahm das Bezirksamt an, das 
von S. im Jahre 1863 erworbene Anweſen ſei das 
Anweſen, in dem bisher die A.ſche Tafernwirtſchafts— 
gerechtſame ausgeübt worden war. Demgemäß erteilte 
es am 26. Februar 1876 dem S. in V. die diſtrikts— 
polizeiliche Erlaubnis zur Ausübung des Gaſtwirt— 
ſchaftsgewerbes in den Wirtslokalitäten zu V. Im 
Gewerbeſteuerkataſter wurde an Stelle des A. als Ins 
haber der Gerechtſame in V. der Wirt S. und als 
Nachfolger des S. in die Gerechtſame in U. der Wirt 
Br. eingetragen. In der Folge wurde das Haus Nr. 6 
in V. ſtets „mit der auf dem Anweſen ruhenden 
Tafernwirtſchaftsgerechtſame“ veräußert; die Wirts⸗ 
eheleute M. erklärten in notarieller Urkunde vom 
4 September 1889 die Gerechtſame für Zubehör des 
Anweſens und ließen fie als foldes in das Hypotheken— 
buch eintragen. Durch Tauſchvertrag vom 27. Oktober 
1906 erwarb der Sägewerksbeſitzer B. in U. das An- 
weſen Haus Nr. 6 in V. Am nämlichen Tage richtete 
er an das Bezirksamt das Geſuch, ihm die Ausübung 
des Wirtſchaftsgewerbes auf ſeinem Hauſe Nr. 126 in 
U. zu geſtatten, auf das er die mit dem Anweſen 
Haus Nr. 6 in V. erworbene Gerechtſame zu über— 
tragen beabſichtige. Das Bezirksamt eröffnete ihm, 
die von ihm für das Anweſen Haus Nr. 6 in V. in 
Anſpruch genommene Tafernwirtſchaſtsgerechtſame 
könne nicht anerkannt werden, da die Gerechtſame, die 
früher auf dem Anweſen ruhte, mit gewerbepolizei— 
licher Genehmigung vom 6. Februar 1867 auf das 
Anweſen Haus Nr. 135 in N. übertragen und von dort 
nicht zurückübertragen worden ſei und der Beſchluß 
vom 26. Februar 1876, durch den dem S. gleichwohl 
die Erlaubnis zur Ausübung des Wirtsgewerbes in V. 
erteilt worden fei, auf der irrigen Annahme beruhe, 
S. habe die A. ſchen Wirtſchaftslokalitäten erworben. 
B. beantragte nun bei dem Amtsgerichte M. Feſtſtellung 
der auf dem Anweſen Haus Nr. 6 in V. ruhenden 
Taſernwirtſchaftsgerechtſame. Das Amtsgericht wies 
den Antrag ab, indem es feſtſtellte, daß auf dem Hauſe 
Nr. 6 in V. eine Tafernwirtſchaftsgerechtſame nicht 
ruhe. Die Beſchwerde des B. wurde zurückgewieſen. 
Das Obe. hat auch die weitere Beſchwerde des B. 
zurückgewieſen. 

Aus den Gründen: Die Tafernwirtſchafts⸗ 
gerechtſame, die bis in das Jahr 1867 auf dem An— 
weſen Haus Nr. 6 in V. ruhte, ift durch die am 6. Fe- 
bruar 1867 gewerbepolizeilich genehmigte Uebertragung 
auf das Anweſen Haus Nr. 135 in U. mit dieſem An⸗ 
weſen geradeſo verbunden worden, wie ſie bis dahin 
mit dem Anweſen Haus Nr. 6 in V. verbunden war, 
fie war von da an im Sinne des Art. 4 Ziff. 5 des 
Gew. vom 11. September 1825 auf dem Anweſen 
Haus Nr. 135 in U. radiziert. Infolgedeſſen konnte 
ſie von dem Eigentümer des Anweſens nicht nach 
ſeinem Belieben auf ein anderes Anweſen in derſelben 
Gemeinde übertragen werden, ſondern die Uebertragung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


47 


war nur mit Bewilligung der Diſtriktsverwaltungs⸗ 
behörde möglich. Solange die Bewilligung nicht er⸗ 
teilt war, blieb die Gerechtſame auf dem Anweſen 
Haus Nr. 135 in U. ruhen, auch wenn der bisherige 
Eigentümer S. bei dem Verkaufe des Anweſens mit 
dem Erwerber vereinbart haben ſollte, daß ſie nicht 
auf dieſen übergehen fole (Aeltere Samml. von Entſch. 
d. OLG. Bd. 13 S. 435, Neue Samml. Bd. 1 S. 595). 
Die Bewilligung zu der Rückübertragung der Gerecht⸗ 
fame auf das Anweſen Haus Nr. 6 in Vi ift aber nicht 
erfolgt, insbeſondere nicht durch den Beſchluß vom 
26. Februar 1876 erteilt worden. Es iſt deshalb be⸗ 
langlos, in welchem Sinne die Vereinbarungen des 
Kaufvertrags vom 11. September 1875 aufzufaſſen 
ſind. Die bei dem Anweſen Haus Nr. 6 in V. in 
Wirklichkeit nicht vorhandene Gerechtſame konnte auch 
nicht im Wege der Erſitzung erworben werden (Neue 
Samml. Bd. 7 S. 262), und ebenſo war die Eintragung 
der vermeintlichen Gerechtſame als Zubehör des Mn- 
weſens im Hypothekenbuch ohne rechtliche Bedeutung 
(Neue Samml. Bd. 7 S. 261). Dem Beſchwerdeführer, 
der das Anweſen Haus Nr. 135 in U. unter der Herr⸗ 
ſchaft des Grundbuchrechts erworben hat, kommt in 
Anſehung der vermeintlichen Gerechtſame auch nicht 
der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu ſtatten. 
Das Grundbuch gibt nach Maßgabe der SS 892, 893 
BGB. mit öffentlichem Glauben Aufſchluß über den 
Rechtszuſtand, der in Anſehung des in dem Titel des 
Blattes bezeichneten Grundſtücks beſteht; der öffent⸗ 
liche Glaube erſtreckt ſich aber nicht auf das Vor- 
handenſein des Grundſtücks und ebenſowenig auf das 
Vorhandenſein eines Rechtes, das im Titel als Be— 
ſtandteil des Grundſtücks im Sinne des § 96 BGB. 
bezeichnet iſt. (Beſchl. des I. ZS. vom 22. November 
1907, III 80.07). W. 
1125 
III. 

Vorausetzungen für die Eintragung einer Sider: 
heits⸗(Kautions⸗Hypsthek (H ypG. 88 11, 19). Der Bureau⸗ 
diener Kilian S. in G. und ſeine Ehefrau Katharina 
haben durch Ehevertrag vom 27. September 1907 Güter⸗ 
trennung vereinbart. Mit notarieller Urkunde vom näms 
lichen Tage erklärte Kilian S., ſeine Frau habe ein 
Barvermögen von 3800 Mk. in die Ehe gebracht, da— 
von ſei ein Teil zur Anſchaffung beweglicher Sachen, 
ein anderer Teil zum Ankaufe eines von ihm erwor— 
benen Anweſens verwendet worden; ſeine Frau ver— 
lange „auf Grund geſetzlichen Rechtes von ihm die 
Sicherſtellung ihres eingebrachten Gutes, ſoweit es 
für beſagte Zwecke aufgebraucht wurde bzw. für einen 
Teilbetrag von 3300 Mk.“, zu dieſem Zwecke beſtelle 
er feiner Ehefrau „eine Kautionshypothek von 3300 Mk.“ 
an dem gekauften Anweſen. Katharina S. erklärte, 
ſie nehme die beſtellte teilweiſe Sicherung an, behalte 
ſich aber weitere Anſprüche bevor. Das Hypotheken— 
amt lehnte die Eintragung der Hypothek ab, weil für 
eine ſchon beſtehende Forderung eine Kautionshypothek 
nicht beſtellt werden könne. Das LG. hat die Be— 
ſchwerde des Kilian S. zurückgewieſen. Es erachtet 
die Eintragung der Kautionshypothek für unzuläſſig, 
weil es ſich nach dem Inhalte der Urkunde nicht um 
einen Anſpruch auf Sickerſtellung des eingebrachten 
Gutes oder um die Sicherſtellung eines Anſpruchs 
aus deſſen Verwaltung handle, ſondern für eine nach 
Grund und Betrag feſtſtehende und nicht bedingte For— 
derung Hypothek beſtellt werde. Kilian S. legte 
weitere Beſchwerde ein. Das ObLO. hat die Ent- 
ſcheidungen der Vorinſtanzen aufgehoben und das 
Hypothekenamt angewieſen, anderweit zu verfügen. 

Aus den Gründen: Nach den 88 11, 19 
HypG. kann eine Hypothek auch für eine Forderung 
beſtellt werden, deren Betrag noch nicht genau be— 
ſtimmt ift; dem Erforderniſſe der Beſtimmtheit wird 
dadurch genügt, daß in der Eintragung die Geldſumme 
angegeben wird, bis zu welcher das Grundſtück für 


48 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


— 


die Forderung haften ſoll (Regelsberger, Bayer. HypR. 
§ 28 II S. 128, 129, § 43 S. 188 ff.). Ein Antrag, 
eine ſolche Sicherheits⸗(Kautions)⸗ Hypothek für eine 
Forderung einzutragen, deren Betrag in der Eintragung 
als feſtſtehend bezeichnet werden ſoll, würde allerdings 
einen inneren Widerſpruch enthalten. Aber die Vor⸗ 
inſtanzen haben mit Unrecht angenommen, daß eine 
ſolche Eintragung beantragt ſei. Kilian S. hat nur 
erklärt, daß ſeine Frau von ihm Sicherſtellung eines 
Teilbetrages von 3300 Mk. der aus ihrem Vermögen 
zur Anſchaffung beweglicher Sachen und zum Ankaufe 
des Anweſens verwendeten Summe verlange und daß 
er ihr zu dieſem Zwecke eine Kautionshypothek von 
3300 Mk. beſtelle. Ein Anerkenntnis der Höhe des 
von der Frau beanſpruchten Erſatzes hat er nicht er⸗ 
klärt, in dieſer * er ſich ebenſowenig ge⸗ 
bunden wie die Frau, die ſich ausdrücklich ihre weiteren 
Anſprüche vorbehalten hat. Die Summe von 3300 Mk. 
bezeichnet daher nur den Höchſtbetrag, bis zu dem 
das Grundſtück für die Forderung der Frau haften 
ſoll, und dies iſt in der Urkunde dadurch zum Aus⸗ 
drucke gebracht, daß die einzutragende Hypothek als 
Kautionshypothek bezeichnet wird. (Beſchl. des I. 8S. 
W. 


vom 8. November 1907, III 79/07). 
1117 


B. Strafſachen. 


Notwehr gegen den Angriff eines Tieres. (5 53 
St B.). Putativnotwehr. (5 228 B.). Irrtümlicher 
Glanbe hinſichtlich einer drohenden Gefahr und deren 
Abwendung im Sinne des § 228 BGB. Der Auge- 
klagte hatte von der Haustüre aus auf einen Hund, 
der ſchon öfter im Hofraume war und von dem für 
die Schweine beſtimmten Futter fraß, in dem Augen⸗ 
blicke geſchoſſen, als der Hund am Hoftore ſcharrte, 
um hinausgelaſſen zu werden. 
Tier von hinten, es wurde getötet. 
Aus den Gründen: 1. Aus der Feſtſtellung 
oer Strafkammer ergibt ſich, daß die Strafkammer 
auch annahm, daß der Angeklagte im Augenblicke der 
Abfeuerung des Schuſſes weder von dem Hunde an⸗ 
gegriffen war, noch daß ihm ein Angriff des Hundes 
drohte und ferner, daß der Angeklagte damals auch 
nicht des irrtümlichen Glaubens war, es drohe ihm 
ein Angriff des Hundes und er müſſe ſich zur Ab⸗ 
wendung des Angriffs einer Schußwaffe bedienen . 
Bei dieſer Schlußfolgerung ging die Strafkammer von 
der Rechtsauffaſſung aus, daß von einer Notwehr im 


Sinne des § 53 StGB. auch in dem Falle zu ſprechen 
ſei, daß es ſich um die Abwendung des Angriffs eines 
Der erkennende Senat ſchließt ſich 


Tieres handle. 
der gegenteiligen Rechtsanſchauung an, die vom RG. 
in den Urteilen vom 17. Juni 1901 und 30. April 
1903 (Entſch. Bd. 34 S. 295, Bd. 36 S. 230) und von 
ihm in der Entſcheidung vom 18. Juni 1904 (Slg. 
Bd. IV S. 383) ausgeſprochen worden iſt. 

2. Hiernach iſt für die Frage, ob die Tötung des 
Hundes eine rechtswidrige Sachbeſchädigung war, 
die Norm des § 228 BGB. maßgebend, die Tötung 


alſo nur dann nicht rechtswidrig, wenn ſie unter den 


Vorausſetzungen des § 228 begangen wurde, d. h. 
wenn die Tötung zur Abwendung der vom Hunde 
drohenden Gefahr erforderlich war und der Schaden, 
der dem Eigentümer des Hundes zugefügt wurde, nicht 


Der Schuß traf das 


— — — — —ñä — : — 


außer Verhältnis zu der Gefahr ſtand (RG. Bd. 34 


S. 296). Nach dem, was vom Berufungsgerichte feſt— 


geſtellt iſt, war der Angeklagte im Augenblicke der 


Abgabe des Schuſſes vom Hund überhaupt nicht be— 
droht und dieſer wollte den Hof verlaſſen. Bei dieſer 
Sachlage entfällt die Erörterung der Frage, ob in dem 
Falle, daß der Angeklagte das für ſeine Schweine 
beſtimmte Futter gegen die „Angriffe“ des Hundes zu 
ſichern veranlaßt geweſen wäre, die Tötung des Hundes 
nicht außer Verhältnis zur Gefahr geſtanden wäre . .. 


3. Das Berufungsgericht war der Anſchauung, 
daß auch „von einer Putativnotwehr im Sinne des § 53” 
9 3 StGB. nicht die Rede fein könne. Die Bezug- 
nahme auf den Abf. 3 des § 53 ift — ganz abgeſehen 
von der Frage der Anwendbarkeit des § 53 bei der 
Abwehr der von Tieren drohenden Angriffe — recht⸗ 
lich bedenklich. Der Abſ. 3 des § 53 handelt von der 
ſog. Ueberſchreitung der Notwehr; er ſetzt alſo eine 
gerechtfertigte Notwehr voraus. Begrifflich verſchieden 
von der Ueberſchreitung der Notwehr iſt die ſog. 
Putativnotwehr, d. h. die irrtümliche Annahme des 
Vorhandenſeins eines „Notwehrzuſtandes“. Liegt ein 
ſolcher Irrtum vor, ſo ſehlt es an dem rechtswidrigen 
Vorſatz und ſteht — unter Umſtänden — nur ein fahr⸗ 
läſſiges Handeln in Frage. — Entſch. d. RG. Bd. 21 
S. 189; Slg. v. Entſch. des Oberſt. LG. Bd. II S. 323, 
Bd. IV S. 346. — Hier ſcheidet die Anwendbarkeit des 
8 53 StGB. überhaupt aus. Freilich kann auch bei 
der Anwendung des § 228 BGB. im Hinblick auf 
§ 59 StGB. unter Umſtänden die Frage von Be- 
deutung werden, ob ein Beſchuldigter irrtümlich des 
Glaubens war, daß ihm eine Gefahr drohe und daß 
es ſich um deren Abwendung handle oder ob er aus 
Irrtum über die Tragweite feiner Befugniſſe nach 
8 228 BGB. handelte. — Vgl. Entſch. d. RG. Bd. 16 
S. 150, Bd. 25 S. 150, Bd. 19 S. 209. — Die Er⸗ 
örterung dieſer Frage kann unterbleiben, weil die 
Strafkammer davon ausging, der Angeklagte ſei im 
Augenblicke des Schuſſes nicht des irrtümlichen Glaubens 
geweſen, es drohe ihm ein Angriff des Hundes und 
er müſſe ſich zur Abwehr der Gefahr einer Schuß⸗ 
waffe bedienen. (Urt. vom 31. Oktober 1907; Rev. R. 
Nr. 420/1907). 

1094 H. 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Klage auf „Abnahme“ einer an den Käufer ab- 
gelieferten, von dieſem zur ben kadar geſtellten und 
dei einem Spediteur hinterlegten Ware. Der Käufer 
hat die mit Faktura vom 5. Dezember 1906 an ihn 
abgeſendeten und am 13. Dezember 1906 mit der Bahn 
bei ihm in K. eingetroffenen Waren (Chevreaux und 
Chevreauxſtücke) mit Brief vom 14. Dezember 1906 
zur Verfügung geſtellt; er rügte an den Chevreaux⸗ 
ſtücken den Mangel der bedungenen Größe und verz 
weigerte im Hinblick auf die Vereinbarung eines Durch⸗ 
ſchnittspreiſes die Abnahme der ganzen Lederſendung. 
Die beanſtandete Ware wurde vom Käufer feiner 
Drohung entſprechend einem Spediteur in K. zur Ber: 
wahrung gegeben und der Verkäufer hiervon mit der 
Bemerkung benachrichtigt, daß die Lagerſpeſen vom 
20. Dezember an lauſen. Der Antrag der „wegen 
Annahme von Waren“ erhobenen und urſprünglich 


auch die Zahlung des Kaufpreiſes nach Verfall for: 


dernden Klage geht, nachdem dieſer letztere Paſſus 
geſtrichen, noch auf Verurteilung des Beklagten dazu, 
die Ware beim Spediteur abzunehmen. Das L. 
verurteilte nach dieſem Antrage, da es auf Grund einer 
Beweisaufnahme die Vertragsmäßigkeit der Ware an- 
nahm; das OLG. wies die Klage ab. 

Aus den Gründen: Nach dem Vorbringen 
der Parteien (Kaufleute) unterliegt es keinem Zweifel, 
daß die mit der Bahn zur Ablieferung gelangte Ware 


vom Beklagten in feinen Beſitz und in feine Ber- 


fügungsgewalt genommen wurde. Damit iſt aber die 
Abnahme, d. h. der mit der Ablieferung korreſpon⸗ 
dierende Akt, wodurch der Käufer die faktiſche Inne⸗ 
habung, die Verfügung über den Kaufgegenſtand er— 
langt, vollzogen und vollendet. Da der Verkäufer 
von dem ihm anheimgeſtellten Verfügungsrechte zu— 
nächſt keinen Gebrauch machte, verfuhr der Käufer 
ſeiner Androhung gemäß folgerichtig und der gejeg- 


—— um on —— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


lichen Anleitung von § 379 HGB. entſprechend durch 


Abgabe der Ware an den Spediteur zur einſtweiligen 


Aufbewahrung. Auch durch dieſen Akt hat er, ebenſo 
wie durch die Beſichtigung, Prüfung, e 
ſtellung, ſeine Verfügungsgewalt über 

lieferung in ſeinen Beſitz gelangte Ware dokumentiert; 


ie durch Ab⸗ 


49 


Kaufsabſchluß ohne Garantie behaupten; er, M., habe 
aber nur einen Vertrag mit Garantie abſchließen 
wollen; R. müſſe ſeine Erklärung, die Garantie nicht 
ernſtlich gewollt zu haben, gegen ſich gelten laſſen. 
Es liege alſo nur äußerlich und ſcheinbar eine Willens⸗ 


übereinſtimmung vor, in Wirklichkeit ſei aber innerlich 


der äußeren Innehabung, die vom 13. bis zum 20. Jas 


nuar bei ihm vorhanden war, iſt er erſt durch die 
Verwahrung beim Spediteur ledig geworden. Das 
geltende Recht gibt dem Verkäufer die Klage auf Ab⸗ 
nahme, auf Vornahme der zur Abnahme erforderlichen 
Handlungen (Mitwirkung des Käufers zum Vollzug 
der Tradition), unter Umſtänden auch eine Klage auf 
Feſtſtellung, daß ein Lieferungs verhältnis und eine 


Pflicht des Käufers zur künftigen Abnahme beſteht. 


Aber die Ausübung und Geltendmachung dieſer Rechte 
und Anſprüche ſetzt in allen Fällen voraus, daß es 
zur Ablieferung und zur Abnahme noch nicht gekommen 
iſt. Hier, wo die Ablieferung geſchehen, die Abnahme 
erfolgt iſt, iſt kein Raum mehr für eine Klage auf 
Abnahme. Allerdings gilt im Geſchäftsleben die „Ab⸗ 


nahme“ vielfach als ein Sammelname für alles, was 


der Käufer in bezug auf die Beſitzveränderung und 
Uebereignung der Ware gegenüber dem Verkäufer zu 
tun hat. Der Kläger mag auch von der Vorſtellung 
geleitet geweſen fein, daß feine als Klage auf „An: 
nahme“ bezeichnete Klage Erfolg habe, wenn er nur 
die Vertragsmäßigkeit der Ware beweiſe, und mag 


wohl weiterhin, aber gleichfalls unzutreffenderweiſe 
angenommen haben, daß die Sache geradeſo liege, 


als wenn die Sendung unmittelbar vom Frachtführer 
in die Verwahrung des Spediteurs verbracht worden 
wäre. Dem (maßgebenden) Klagantrage zufolge be— 


zweckt der Kläger bei näherer Betrachtung nur die 


Verurteilung des Beklagten dazu, „der einſtweiligen 
Aufbewahrung der Ware beim Spediteur ein Ende 
zu machen und die Felle wieder in ſeinen eigenen 
Gewahrſam zu nehmen“. Ein ſolches Klagerecht hat 
der Verkäufer nicht. Der Käufer, der die ab- 
genommene Ware zur Verfügung ſtellt und deren 
Aufbewahrung anordnet, verweigert nicht die „Ab— 
nahme“, ſondern die, Annahme als Vertragserfüllung“, 
befindet fih alfo im Annahme-, d. i. Gläubigerverzug. 
Die Rechtsbehelfe, die dem Verkäufer in dieſem Falle 
zuſtehen, find in §$ 373, 374 HGB. aufgeführt. Auf 
dem Umwege einer auf Abnahme gerichteten Klage 


kann weder das Ende der Aufbewahrung noch die 


Erfüllungsannahme herbeigeführt werden. Die Klage 


auf Zahlung des bei Klagerhebung längſt fälligen 


Kaufpreiſes, die anderweitige (billigere oder ſichere) 
Hinterlegung, der Selbſthilfe verkauf, endlich unter Um— 
ſtänden, die hier nicht vorliegen, auch eine Klage auf 
Feſtſtellung der Vertragsmäßigkeit der Ware, waren 
die zu Gebote ſtehenden Behelfe. (Urt. des II. 38. 
vom 4. Dezember 1907, L 197/07). 

1120 Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Lunglmanr in Zwelbrücken. 


Oberlandesgericht Bamberg. 


Verſteckter Diſſens. Scherz. (BGB. SS 116, 118, 
154, 155). Der Bauer R. verkaufte an den Vieh— 
händler M. vier Stiere um 1000 Mk. und garantierte 
dem Käufer, daß er beim Verkauf an jedem Stücke 
10 Mk. profitieren werde. R. klagte auf Vertrags— 
erfüllung. M. machte geltend, es liege ein verſteckter 
Diſſens und deshalb kein gültiger Vertrag vor. Das 
OLG. erklärte diefe Einwendung für unbegründet. 

Aus den Gründen: M. bringt vor, R. habe 
beim Kaufsabſchluſſe erklärt, er garantiere ihm, daß 
er 10 Mk. für das Stück profitiere; er, M., habe das 
angenommen; R. wolle aber nun dieſes Garantie— 
verſprechen als nicht ernſtlich gemeint hinſtellen und 


eine Nichtübereinſtimmung, ein latenter Diſſens nach 
8 118 BGB. vorhanden geweſen, ſohin gemäß §§ 154, 
155 kein Vertrag zuſtande gekommen. Dieſes Bor- 
bringen iſt nicht ſtichhaltig. Ein verſteckter Diſſens 
liegt u. a. vor, wenn die Vertragserklärungen beider 
Teile zwar übereinſtimmen, aber in Betreff eines 
Punktes die Willenserklärung einer Partei nichtig iſt. 
(Planck 3. Aufl. $ 155 Anm.). Es iſt dann zwar 
aͤußerlich, aber nicht innerlich Willenseinigung vor⸗ 
handen. Nach der Behauptung des M. fol ein ſolcher 
Fall hier gegeben ſein. Es iſt unſtrittig und auch er⸗ 
wieſen, daß R. das Garantieverſprechen wirklich ab⸗ 
gegeben und M. es angenommen hat; die äußerliche 
Willensübereinſtimmung beſtand demnach. Die Er- 
klärung des R. ſoll aber nicht ernſtlich gemeint ge⸗ 
weſen, ſondern nur zum Schein, aus Scherz erfolgt, 
daher nach $ 118 BGB. nichtig fein. Die Vorſchrift 
des § 118 hat zur Vorausſetzung, daß die Willens⸗ 
erklärung in der Erwartung abgegeben wird, der 
Mangel der Ernſtlichkeit werde vom Gegner nicht ver— 
kannt werden, alſo ohne Täuſchungsabſicht. Hat der 
Erklärende als möglich vorausgeſehen, daß ſeine Er⸗ 
wartung nicht zutreffen wird, oder gewußt, daß der 
Vertragsgegner den Scherz nicht als ſolchen erkennen 
kann, ſo liegt ein geheimer Vorbehalt nach 8 116 
Satz 1 BGB. vor und die Willenserklärung iſt gültig. 
Denn dann hat der Erklärende mit Täuſchungsabſicht 
gehandelt und jene Erwartung unmöglich hegen können. 
Dem Erklärenden liegt regelmäßig der Beweis ob, 
daß er die Erwartung gehegt habe; macht aber der 
Gegner die Nichtigkeit der Willenserklärung geltend, 
ſo trifft ihn die Beweislaſt (Planck 8 118 Anm.; Stau⸗ 
dinger 2. Aufl. § 118 Ziff. 1, 2). Hier behauptet R. 
gar nicht, die fragliche Erwartung gehegt zu haben, 
ſondern beſtreitet es; M. aber hat keinen Beweis ver⸗ 
ſucht. Wenn übrigens R. nur einen Scherz hätte 
machen wollen, konnte man durchaus nicht erwarten, 
daß M. ſeine Erklärung als ſolchen erkennen werde. 
Wenn auch vom Geſetze objektive Erkennbarkeit des 
Scheincharakters der Erklärung nicht verlangt wird, 
ſondern rein innerliche Erwartung genügt, worüber 
jedoch Streit beſteht (Staudinger und Planck a. a. O.), 
fo muß doch ſubjektiv für den Erklärenden nach den 
Umſtänden des Falles irgend eine Wahrſcheinlichkeit 
beſtehen, die Erwartung werde ſich erfüllen. Dies war 
in dem in RGE. Bd. 8 S. 249 ff. erwähnten, vom Be⸗ 
klagten angeführten Falle gegeben: wenn ein Kauf- 
mann einem Klempnermeiſter eine Million Pfund 
Bleirohre zu liefern ſich erbot, konnte letzterer bei der 
ungeheueren Menge des Angebotenen den Scherz wohl 
leicht erkennen und erſterer durfte das erwarten. Anz 
ders liegt aber der Fall, wenn ein Bauer einem Vieh— 


händler beim Verkauf von vier Stieren einen Gewinn 


von 40 Mk. garantiert. Hier findet ſich nichts, was 
vernünftigerweiſe bei dem Erklärenden jene Erwartung 
hervorrufen und begründen konnte. Aus dem Ver— 
halten des M. mußte R. ſofort erkennen, daß er die 
Erklärung ernſt nahm, weil er ſein Notizbuch heraus— 
zog und den Vertragsabſchluß einſchrieb. Wenn R. 
trotzdem den M. nicht ſogleich über die Scheinnatur 
ſeines Garantieverſprechens aufklärte, ſo handelte er 
mindeſtens von dieſem Augenblicke an argliſtig und 
in Täuſchungsabſicht, da er die fragliche Erwartung 
nicht mehr hegen konnte. Endlich kann auch aus der 
Behauptung des R. im Prozeſſe, er habe das Ver— 
ſprechen nicht ernſtlich gemeint, der Diſſens nicht ge— 
folgert werden; denn maßgebend für die Gültigkeit 
einer Willenserklärung iſt der Zeitpunkt ihrer Abgabe; 
eine nachträgliche Willensänderung iſt wirkungslos. 


— I at Sn —-—.— — 


Da aber feſtgeſtellt iſt, daß das Verſprechen des K. 
bei ſeiner Abgabe ernſt gemeint war, hat deſſen gegen⸗ 
teilige Erklärung im Rechtsſtreit keine Bedeutung. 
(Urt. des I. ZS. vom 22. Juni 1907). 

1112 Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


— — 


Landgericht München J. 


Bertretungsbeſugnis der Ehefran im Erwerbs⸗ 
gelhäft des Ehemanns. Auslegung des $ 344 0OY. 
tillſchweigende Erbſchaftsannahme ( 1959 BGB.). 
Nach dem im Dezember 1904 erfolgten Tode der Bäcker⸗ 
meiſtersfrau D. wurde gegen den Witwer auf Grund 
eines im Jahre 1903 von der Ehefrau unterzeichneten 
Schuldſcheins ein Anſpruch auf Rückzahlung eines 
Darlehens von 1000 Mk. erhoben, weil ſie das Geld 
mit Vorwiſſen oder nachträglicher Zuſtimmung des 
Ehemanns entlehnt, jedenfalls aber in deſſen Sal 
verwendet habe; überdies ſei der Witwer dadurch 
Erbe geworden, daß er ohne Rückſicht auf die Miterben 
(Eltern) über Kleidung und Wäſche der Verlebten zu 
ſeinen Nutzen verfügt habe. Der Beklagte verweigerte 
die Zahlung, weil das Bäckerei- und Melbereigeſchäft 
auf ſeinen Namen allein geführt und von ihm niemals 
ein derartiges Darlehen gebilligt oder benötigt worden 
ſei, da er der im Laden tätigen Ehefrau die nötigen 
Mittel für die fälligen Zahlungen jeweils aus den 
zureichenden Geſchäftserträgniſſen gewährt habe. Erſt 
nach ihrem Tode habe ſich herausgeſtellt, daß ſie Un⸗ 
ordnung in ihrer Buch⸗ und Kaſſeführung gehabt, 
Darlehen hinter dem Rücken ihres Ehemanns auf⸗ 
genommen und das Geld für unaufgeklärte Zwecke 
verwendet oder beiſeite geſchafft habe. Deshalb habe 
der Beklagte die Erbſchaft rechtzeitig ausgeſchlagen 
und nur einige wertloſe abgetragene Kleider den 
Dienſtboten geſchenkt, welche die Krankenpflege be- 
ſorgten, weil die vermögensloſen Miterben ſich um 
nichts gekümmert hätten. Ein Nachlaß oder eine Er- 
rungenſchaft ſei nicht vorhanden, da die Verlebte in 
die 1895 geſchloſſene vertragloſe Ehe nur einige auf 
Abzahlung gekaufte Möbel eingebracht habe. Das 
LG. legte dem Beklagten den Eid über die behauptete 
Zuſtimmung auf. (Urt. vom 31. Oktober 1906). 
Aus den Gründen: Das Geſchäft iſt auf den 
Namen des Beklagten allein geführt worden und auf 
ihn allein lautete die öffentliche Ladenaufſchrift (8 15 a 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


Gew.). Mag nun auch vor 1900 ein Sitz zu offenem 


Kram und Laden und deshalb eine ſamtverbindliche 
Haftung beider Gatten für Darlehensaufnahmen der 
Frau zu angeblichen Geſchäftszwecken beſtanden haben 
(BayLs R. Teil I Kap. VI § 32), fo liegt die Sache feit 
1. Januar 1900 anders. Nach Art. 83 ff. UeG. ift die 
Errungenſchaft bei Lebzeiten der Gatten vorbehaltlich 
des Ausgleichungsanſpruchs dem Manne allein zu— 
gefallen. Nach Sy 1356, 1367, 1399 BGB. kann feit- 
dem die Tätigkeit der Ehefrau im Geſchäft des Ehe— 
manns nur als die einer Gehilfin angeſehen werden, 
zur Aufnahme eines ſo beträchtlichen Darlehens namens 
des Geſchäftsherrn iſt aber eine Gehilfin nicht ermäch— 
tigt (vgl. § 54 HGB.). Selbſt bei Unterſtellung eines 
Geſellſchaftsverhältniſſes auch für die Zeit ſeit 1900 
lag mangels einer gemeinſamen Firma nach außen 
und mangels eines Regiſtereintrags ſowie angeſichts 
des Umfangs und der Art des Geſchäftsbetriebs nur 
eine Geſellſchaft des BGB., nicht eine offene Handels- 
geſellſchaft vor (vgl. § 4 HGB.), und es wäre im Gegen— 
fag zu $ 126 HGB. die Zuſtimmung ſämtlicher Geſell— 
ſchafter zu einer ſolchen Darlehensaufnahme nötig 
(ss 709, 714 BGB.). Das gleiche gilt hinſichtlich der 
Vermutung des § 344 HGB. bezüglich des Schuld— 
ſcheins; denn wenn eine Verpflichtung des anderen 
Geſellſchafters nur mit deſſen Zuſtimmung möglich iſt, 


jo kann auch die Vermutung des Y 344 gegen letzteren 


nur bei ſolchen Schuldſcheinen Platz greifen, bei denen 


dieſe Zuſtimmung und Mitunterſchrift feſtſteht. Daß 
die Klagepartei urſprünglich die Beibringung der Mit⸗ 
unterſchrift des Ehemanns verlangte, darauf aber zu⸗ 
folge der Vorſpiegelungen der Ehefrau nicht weiter 
beſtanden hat, ſpricht hier geradezu gegen die Klage⸗ 
partei. — Die Bereicherungsklage des BGB. hat engere 
Grenzen als die altrechtliche Verſionsklage. Es genügt 
nicht, daß ein Darlehen einem Dritten „zugute ge: 
kommen iſt“, um deſſen ſamtverbindliche Haftung neben 
dem Darlehensnehmer zu begründen; die Vermögens⸗ 
verſchiebung muß vielmehr unmittelbar zwiſchen den 
Streitsteilen ohne Zutun eines ſelbſtändigen Vertrags⸗ 
gegners ſich vollzogen haben (JW. 1905,80; Gruchots 
Beitr. 50, 226).!) Uebrigens iſt eine tatſächliche Be: 
reicherung nach dem Beweisergebnis nicht mehr nach⸗ 
weisbar, ſelbſt wenn die Ehefrau den entlehnten Be: 
trag zu Geſchäftszwecken wirklich verwendet hätte. Es 
ſteht nämlich feſt, daß ſie große Beträge hinter dem 
Rücken des Ehemanns aus deſſen Geſchäftsanteilen er 
hoben und beiſeite geſchafft und daß ſie bei Darlehens⸗ 
entnahmen geradezu ſchwindel hafte Vorſpiegelungen 
gemacht hat. Anſcheinend hat ſie einen Teil dieſer 
Beträge zur Zahlung von Krankheits- und Leiden 
koſten ihrer Mutter verwendet; der Beklagte hat auch 
Anhaltspunkte dafür vorgebracht, daß die Ehefrau ihm 
ſogar die Erſparniſſe von mehreren tauſend Mark ver⸗ 
räumt und hierbei einen Diebſtahl fingiert hat. Hier⸗ 
nach war die Ehefrau auf beträchtliche Beträge Erfah: 
ſchuldnerin des Ehemanns geworden und wenn ſie dieſen 
Erſatz ohne Wiſſen des letzteren mit fremdem entlehn: 
ten Gelde vornahm, fo ift damit allein der Geſchäfts— 
inhaber noch nicht grundlos bereichert, weil er nur das 
ihm Gebührende erhalten hat. — 8 1959 BGB. zeigt, 
daß nicht jede Verfügung über Erbſchaftsſachen ſtill— 
ſchweigende Erbſchaftsannahme iſt. Deren Bedeutung 
iſt überhaupt gegenüber dem älteren Rechte beträcht⸗ 
lich geſunken, weil mit dem Nachweis einer ſolchen 
Annahme weder das Inventarrecht noch die Haftungs⸗ 
beſchränkung beſeitigt ift, während allerdings die pro 
herede gestio des Bay“ R. ſtets einem unbedingten Erb- 
ſchaftsantritt gleichſtand, ſohin die perſönliche Schulden⸗ 
haftung des Erben herbeiführte. Hier iſt nun lediglich 
das Wegſchenken einiger gebrauchter Kleider an das 
Dienſtmädchen erwieſen; dieſes hat davon nur einen 
Bluſeneinſatz im Werte von ein igen Mark behalten 
das übrige aber wegen der Krankheit der Ehefrau T. 
(Schwindſucht) weggeworfen. Eine derartige Schen— 
kung iſt nicht ſtillſchweigende Erbſchaftsannahme, denn 
die gleiche Verfügung auf Beſeitigung müßte ſchließlich 
jeder Gaſthofbeſitzer oder Wohnungsinhaber mangels 
Eingreifens der Erben auch vornehmen. Geſchah dieſe 
Schenkung aber erſt nach der Erbſchaftsausſchlagung, 
ſo iſt ſie ſchon deshalb keine Annahme mehr, weil in 
dieſem Zeitpunkt der Anfall bereits als nicht erfolgt 
galt ($ 1953 BGB.). — Ob der Beklagte nicht etwa 
zufolge Aneignung der Errungenſchaft (des Geſchaͤfts) 
auch für deren Schulden (nach altrechtlichen Normen) 
aus Art. 81 MeH. oder aus nützlicher Geſchäftsführung 
haftet, iſt hier nicht zu erörtern, weil eine folde Haj: 
tung nur von den Erben oder von deren Gläubigern, 
letzterenfalls aber erft nach Wegpfändung des Erich 
anſpruchs, geltend gemacht werden könnte (Bay gf. 
1906 S. 299).2) Hiernach kommt es bei der Sad 
entſcheidung lediglich auf die behauptete Zuſtimmung 
des Beklagten an. 

Die Berufung wurde unter Billigung der obigen 
Ausführungen zurückgewieſen. (Urt. vom 29. April 
1907, L 896/06). N. 

934 


1) Vgl. hlerzu die auf S. 349 ff. in Nr. 17 des 3. Jabrgangs 
abgedruckte Entſcbeidung des Reichsgerichts vom 6. Mai 1907, in! 
beſondere den letzten Abſatz. 

) Eine dem § 419 BiB. entſprechende Vorſchrift findet ſich im 
Ue., insbeſondere im Art. 98 nicht; deſſen Abſ. 1 beziebt ſich nur 
auf die vor 1. Januar 1900 entſtandenen Schulden Art. 84 ſpricht 
nur von Rechten des Ueberlebenden, nicht von der Schuldenbaftung. 

Der Einſ. 


=- -m JITEN OA — 


mn nn a aae 


Literatur. 


Wolf, Dr. L., Gerichtsaſſeſſor. Das Bürgerliche 


f Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


1 


| 


Geſetzbuch unter Berückſichtigung der gefamten 


Rechtſprechung der oberen Gerichte des Deutſchen 
Reichs. Handkommentar. In Verbindung mit Rechts⸗ 
anwalt Dr. C. Neukirch, Rechtsanwalt br. A. Rojen- 
meyer, Dr. J. Telgmann in Frankfurt a. M. Halle 
a. S. 1908, Verlag der Buchhandlung des Waiſen⸗ 
hauſes. Gebd. Mk. 14.—. 


Die Ausgabe unterſcheidet ſich von ähnlichen 
Werken, z. B. von den Warneyerſchen Ausgaben, da— 
durch, daß fie außer den Mitteilungen aus der Redt- 
ſprechung noch weitere Anmerkungen bringt, u. a. 
Berweiſungen auf andere Reichsgeſetze und auf Landes- 
geſetze. Aeußerlich fällt die Teilung der Seiten in 
zwei Druckſpalten auf. Wenn auch nicht zu verkennen 
iſt, daß die Ausgabe mit großer Genauigkeit und Ueber— 


ſichtlichkeit bearbeitet iſt, ſo kann man doch Zweifel 


darüber hegen, ob ein Bedürfnis für ein Werk diefer 


Art vorlag. Die Ausgaben von Fiſcher-Henle und von 
Achilles⸗Greiff ſind m. E. vorzuziehen, weil ſie einer⸗ 
ſeits bei der Auswahl der Mitteilungen aus der Recht— 
ſprechung ſtrenger geſichtet haben, anderſeits eine weit 
größere Fülle von Verweiſungen und Erläuterungen 
bieten. Ich habe das Gefühl, daß die Ueberfüllung 
des Büchermarktes mit Ausgaben, die das Haupt— 
gewicht auf die Zuſammenſtellung der Rechtſprechung 
legen, eine große Gefahr für den Juriſtenſtand bedeutet. 
von der Pfordten. 


Pfaff, Hermann von, und Reifenegger, Anton von. Das 
bayeriſche Geſetz über das Gebühren⸗ 
weſen. Auf Grund der Faſſung vom 28. April 1907 
in 6. Auflage bearbeitet und mit den Vollzugsſchriften 
herausgegeben von Hermann Schmidt, Oberregie⸗ 
rungsrat im Finanzminiſterium. München 


1907, 


C. H. Beck'ſche Verlagsbuchhandlung, (Oskar Beck.) 


Gebd. Mk. 7.— 


Ein großer, wiſſenſchaftlich angelegter Kommentar 
zum Gebührengeſetz iſt immer noch nicht erſchienen, 
obwohl die bayeriſche Praxis eines zuverläſſigen Hilfs— 
mittels dringend bedarf. Freilich iſt die Schaffung 
eines ſolchen Werkes eine heikle Aufgabe: Der Ver— 
faſſer muß das bürgerliche Recht, das Prozeßrecht, die 
freiwillige Gerichtsbarkeit, das Verwaltungsrecht und 
das Finanzweſen beherrſchen. Solange ein Kommentar 
nicht vorliegt, muß ſich die Praxis mit den erläuterten 
Textausgaben behelfen und die Bearbeitung von 
Hermann Schmidt ift immerhin eingehend und 
ausführlich genug, um die Lücke ſoweit auszufüllen, 
als es eben möglich iſt. Der Fortſchritt gegenüber 


den früheren Auflagen iſt unverkennbar. 
von der Pfordten. 


Krädmann, Dr. Paul, Profeſſor an der Univerſität 
Münſter. Unmöglichkeit und Unmöglich⸗ 
keitsprozeß. Zugleich eine Kritik der Entwürfe 
Rußlands, Ungarns und der Schweiz. Tübingen 1907, 
Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). 


Dieſe intereſſante ziviliſtiſche Monographie be— 
kämpft vor allem die übermäßige Ausdehnung der 
Begriffe „Unmöglichkeit“ und „Unvermögen“ in der 
Rechtſprechung und Literatur und deckt im weiteren 
Verlaufe die Mängel der geſetzgeberiſchen Regelung 
im BGB. auf. Man kann natürlich über die einzelnen 
Ausführungen zweierlei Meinungen haben. Aber die 
Arbeit trägt doch zur Klärung der Anſchauungen bei, 
zumal ihr — wie allen Schriften des Verfaſſers — 
eine gejunde Auffaſſung der Bedürfniſſe des prak— 
tiſchen Lebens zugrunde liegt. 


— — Q} — — 


Grundlagen 


bewährten Kenner begrüßen. 


51 


Schindler, Arthur, Rechtsanwalt in Berlin. Geſamt⸗ 
regiſter zur deutſchen Juriſtenzeitung, 
1—10. Jahrgang, 1896 - 1905. Berlin 1907, Ber- 
lag von Otto Liebmann. Broch. Mk. 4.80, gebd. 
Mk. 5.80. 

Wegen des hohen Anſehens, das ſich die deutſche 
Juriſtenzeitung durch die Reichhaltigkeit ihres Inhalts 
errungen hat, wird die Juriſtenwelt des Inlands und 
des Auslands der Ueberſicht über die zehn erſten 
Jahrgänge viel Intereſſe entgegenbringen. Sie zeigt 
deutlich, welchen hohen Aufſchwung die Rechtswiſſen⸗ 
ſchaft in Deutſchland in den letzten Jahrzehnten ge— 
nommen, wie ſehr insbeſondere die ſchriftſtelleriſche 
Tätigkeit der Praktiker ſich geſteigert hat. In dem 
16 Seiten umfaſſenden Verzeichniſſe der Mitarbeiter 
finden wir Juriſten aus allen Rangklaſſen und aus 


den verſchiedenartigſten Berufszweigen. 
von der Pfordten. 


Hellmann, Dr. ee o. ö. Profeſſor der Rechte in 
München. Lehrbuch des deutſchen Konkurs 
rechts. Berlin 1907, Verlag von O. Häring. 
Broſch. Mk. 15.—. 

Syſtematiſche Darſtellungen des Konkursrechts 
ſind nicht gerade häufig. Um ſo freudiger wird man 
die Bearbeitung des ſchwierigen Stoffes durch einen 
Der Verfaſſer hat es 
verſtanden, ſowohl dem Studierenden als dem Prat- 
tiker gerecht zu werden. Gerade der Praxis möchten 
wir das Buch empfehlen. Denn das fyjtematifche 
Durcharbeiten des Konkursrechts Haben fid in früheren 
Jahrzehnten nur wenige Studierende angelegen ſein 
laſſen und mancher Juriſt wird dieſen Mangel der 
Vorbildung ſchon unangenehm empfunden haben. 

von der Pfordten. 


Lobe, Dr. Adolf, Oberlandesgerichtsrat. Die Be- 
kämpfung des unlauteren Wettbewerbs. 
Leipzig 1907, Dieterichſche Verlagsbuchhandlung 
(Theodor Weicher). Bd. I. III, IV. Geſamtpreis 
broch. Mk. 26.—. 

Die ſehr dankenswerte Darſtellung bietet nicht 
nur, wie man auf Grund des Titels annehmen könnte, 
eine Erläuterung des Geſetzes vom 27. Mai 1896 
ſondern einen erſchöpfenden Ueberblick über den ge— 
werblichen Rechtsſchutz überhaupt. Nur der 3. Band 
ift den Materialien des Unl WG. ausſchließlich gewidmet. 
Dagegen enthält der 4. Band alle Geſetze, Verordnungen 
und Verträge des Deutſchen Reichs und der Bundes— 
ſtaaten, die ſich auf den Schutz gewerblicher Tätigkeit 
beziehen. Der 1. Band gibt die wiſſenſchaftlichen 
in ſyſtematiſcher Darſtellung, wobei 
hiſtoriſche und rechts vergleichende Ausblicke nicht fehlen. 
Der noch zu erwartende 2. Band wird ſich mit dem 
Detail der Geſetzesanwendung befaſſen. 


0 — — 


Numpf, Dr. M., Gerichtsaſſeſſor. Geſetz und Richter. 


Verſuch einer Methodik der Rechtsanwendung. 
Berlin 1907, Verlag von Otto Liebmann. Geh. 
Mk 4.—. 


Der Verfaſſer iſt ein philoſophiſch gebildeter Kopf 
und ſeine Ausführungen gehen in die Tiefe. Er behan— 
delt die grundlegenden Probleme der Rechtsanwendung, 
vor allem die bedeutungsvolle Frage, inwieweit der 
Richter ſich über den Wortlaut des Geſetzes hinweg— 
ſetzen und geſetzliche Vorſchriften „umbiegen“ darf. 
In ſehr verſtändiger Weiſe wird dargelegt, wie ſich 
der Richter bei dem Konflikte zwiſchen den Forde— 
rungen der Rechtsſicherheit und dem Intereſſe an ver— 
nünftiger, befriedigender Entſcheidung des Einzelfalls 
zu verhalten hat. Ferner werden die herkömmlichen 
Auslegungsregeln auf ihre Richtigkeit geprüft, ſo z. B. 
das Operieren mit dem „Willen des Geſetzgebers“, 
die Einſchränkung von Ausnahmevorſchriften uſw. 
Der Gefahr, in allzu abſtrakte Darſtellung zu ver— 


5 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 


— .. — — —— — — . —¾—ͤ . — 53 ———— 


fallen, iſt der Verfaſſer glücklich aus dem Wege ge⸗ 
gangen: er belegt ſeine Ausführungen immer mit 
Beiſpielen aus der Rechtſprechung der neueren Zeit 
und verleiht ihnen dadurch Friſche und Anſchaulich⸗ 
keit. Das Buch iſt ein Beweis dafür, wie energiſch 
ſich die deutſche Rechtswiſſenſchaft von der Begriffs⸗ 
jurisprudenz loszuringen ſucht. von der Pfordten. 


Jaeger, Dr. Eruſt, Profeſſor der Rechte zu Leipzig, 
Kommentar zur Konkursordnung und den 
Einführungsgeſetzen mit einem Anhang, ent⸗ 
haltend das Anfechtungsgeſetz, Auszüge aus den 
Koſtengeſetzen, Ausführungsgeſetze und Geſchäfts⸗ 
ordnungen. Dritte und vierte neubearbeitete Auf⸗ 
lage. Lieferung 1 (88 1—15). Berlin 1907, J. 
Guttentag, Verlagsbuchhandlung G. m. b. H. 
184 S. Preis Mk. 4.50. 

Stärker vielleicht noch als je auf ihrem Gebiete 
Gaupp⸗Stein, Staub, Hellwig⸗Löwe und Olshauſen 
beherrſcht, ſo oft es ſich um Fragen aus dem Konkurs⸗ 
recht handelt, Jaegers Kommentar die Praxis. Mit 
Recht. Kaum daß die letzte Lieferung der erſten Auf⸗ 
lage erſchienen war, machte ſich eine zweite Auflage 
nötig. Und ſchon wieder müſſen, trotzdem der Preis 
(22 Mark) doch wohl jeden die Frage der Notwendig⸗ 
keit der Anſchaffung ernſtlich prüfen läßt, Verfaſſer 
und Verleger eine neue und gleich eine Doppelauflage 
veranſtalten. Auf die neue Bearbeitung wird mich 


die weitere Lieferung noch zurückkommen laſſen. 
Rechtsanwalt Dr. Böckel, Jena. 


Merzbacher, S., Juſtizrat und Rechtsanwalt in Nürn⸗ 
berg. Geſetz, betr. die Geſellſchaften m. b. H. 
3. neubearbeitete Auflage. München 1907, C. H. 
Beckſche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck). Gebd. 
Mk. 2.50 


Die bekannte Ausgabe bietet weit mehr, als man 
für gewöhnlich in erläuterten Textausgaben findet. 
Sie iſt ein kleiner Kommentar, der einen gedrängten 
aber klaren Ueberblick über den Stand der Auslegung 
des Geſetzes gibt. 


— — 0 — — 


Archiv für Arbeiterverſicherung. Herausgegeben von 
A. Wengler, Oberregierungrat in Leipzig. Verlag 
von Fiſcher & Kürſten in Leipzig. 

Dieſe Zeitſchrift beabfichtigt, die neueren Geſetze 
und Verordnungen und die wichtigeren Entſcheidungen 
auf dem Gebiete der Arbeiterverſicherung zu ſammeln. 
Auch landesrechtliche Vorſchriften ſollen berückſichtigt 
werden. 


Notizen. 


die Mitteilungen des bayeriſchen Nichtervereins. 
Mit dem Beginne des neuen Jahres iſt der bayeriſche 
Richterverein mit der erſten Nummer ſeiner von Ober⸗ 


amtsrichter Riß in München geleiteten Zeitſchrift vor 
In einem ſchwungvollen 


— —— o ts en KKK ç0ßçÄ.ͤͤ⁊ĩ˙˖‚X‚Äſj̃ ⁊̃ĩèͤ——.,ñů̃˙ III ŘŘŮĖŮ—— 


— — —— tͤf 1 en ͤĩ—v—ꝛꝛ— — .] a 
— —— — — — 


Ueberſichten die Beförderungsverhältniſſe bei der Juſtiz 
und bei der Verkehrs verwaltung. 

Die Zeitſchrift wird wegen ihrer ebenſo ent 
chiedenen als maßvollen und ſachlichen Haltung ſicher 
ie Aufmerkſamkeit weiterer Kreiſe auf die für das 
Wohl des geſamten Staatsweſens ſo wichtige Frage 
lenken, wie unfer Richterſtand in freie und geficherte 
Verhältniſſe emporgehoben werden kann. 


Der Austauſch von Perſenenſtandsurkunden mit 
der Schweiz. Bekanntmachnug vom 2. Oktober 1907. 
(IMBI. 1907 S. 418). Nach einer Vereinbarung vom 
7. Dezember 1874 erfolgte zwiſchen Bayern und der 
Schweiz der Austauſch von Geburts- und Sterbe⸗ 
urkunden, die ſich auf Angehörige des anderen Landes 
bezogen, im unmittelbaren Verkehr der Diſtrikts⸗ 
verwaltungsbehörden (rechts des Rheins) und der 
Staatsanwälte (Pfalz) mit den ſchweizeriſchen Amts⸗ 
ſtellen. Auf Grund des Haager Abkommens vom 
12. Juni 1902 (RGBl. 1904 S. 221) hat jetzt auch ein 
Austauſch von Heiratsurkunden ſtattzufinden. Da die 
Schweiz nicht bereit war, den unmittelbaren Verkehr 
der Behörden hierauf auszudehnen, wurden zunächſt 
die Heiratsurkunden auf dem diplomatiſchen Wege, 
die Geburts- und Sterbeurkunden nach wie vor un— 
mittelbar von Behörde zu Behörde überſendet. Die 
neue Uebereinkunft führt für die Ueberſendung „ge: 
hörig beglaubigter Urkunden über die Geburts- und 
Todesfälle, die Ehen und Legitimationen, welche An: 
gehörige des anderen Landes betreffen“, allgemein 
die diplomatiſche Vermittelung ein. Die Juſtizbehörden 
ſind an dem Vollzuge der Uebereinkunft nur in der 
Pfalz beteiligt. Neu iſt, daß die Standesurkunden zu 
ſammeln und durch den Oberſtaatsanwalt viertel⸗ 
jährlich dem Juſtizminiſterium vorzulegen ſind. Be⸗ 
glaubigt werden die Urkunden nach wie vor von dem 
Landgerichtspräſidenten. Wegen der Beglaubigung 
der von den Standesbeamten rechts des Rheins aus⸗ 
geſtellten Urkunden ſiehe dieſe Zeitſchrift 1907 S. 356. 
Es bedarf wohl keiner ausführlichen Erörterung, daß 
die Uebereinkunft nur den regelmäßigen Austauſch 
der Standesurkunden betrifft, die dazu beſtimmt ſind, 
in die Standesregiſter des Heimatlandes aufgenommen 
zu werden. Wird in anderen Fällen (z. B. bei der 
Nachlaßbehandlung) die Beſchaffung von Standes: 
urkunden des anderen Landes erforderlich, ſo können 
die bayeriſchen Behörden mit den ſchweizeriſchen Amts⸗ 
ſtellen hierwegen nach wie vor in unmittelbaren Ver⸗ 


kehr treten. 
1124 


Vorſchriften über die Unterbrechung der Verjährung 
der Strafverfolgung und der Strafvollſtreckung hat 
am 15. November 1907 auch das Württembergiſche 
Juſtizminiſterium erlaſſen. (ABl. des Württ. Juſtiz⸗ 
miniſteriums Nr. 17 vom 11. Dezember 1907 S. 169, 
170). Sie beruhen im weſentlichen auf den nämlichen 
Grundlagen wie die Entſchließung des bayeriſchen 
Juſtizminiſteriums vom 5. November 1907, über die 
wir auf S. 500 des 3. Jahrganges berichtet haben. 
Auch ſie vermeiden es, dem Ermeſſen der Vollzugs— 
behörden Schranken zu ziehen und begnügen ſich da— 
mit, einige Anhaltspunkte für die Prüfung der Be— 
deutung und der Beſchaffenheit des einzelnen Falles 
zu geben. Hervorzuheben iſt, daß für die Regel eine 
ſtrengere Behandlung der in das Ausland entwichenen 
Perſonen, insbeſondere auch der flüchtigen Wehr— 
pflichtigen, angeraten wird. 

1121 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K.Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


Ur. 3. 


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Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mk. 8.ä—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Z . EEE GEEEEEEEEzSEREmeng P 2 N 
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 5 


München, den 1. Februar 1908. 


4. Jahrg. 


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echtapflege 


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in München, Lenbachplatz 1. 


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oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 


) Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1. 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


2 „ — 
Nachdruck verboten. 


„Einwilligung“, „Jenehmigung“ und 

„Zuſtinmung“ im Bürgerlichen Geſetzbnche und 
im Handelsgeſetzbuche. 

Von Profeſſor Dr. Wehl in Kiel. 


Unter den vielen authentiſchen Begriffsbeſtim⸗ 
mungen, welche das BGB. enthält”), und von 
denen, wie ich ſchon bei anderer Gelegenheit?) er⸗ 
örtert habe, nicht wenige recht bedenklich find, 
dürften die eigentümlichſte Rolle diejenigen ſpielen, 
welche in SI 183 f. begegnen. Hier legt befannt: 
lich das Geſetz die Begriffe „Einwilligung“, 
„Genehmigung“ und „Zuſtimmung“) dahin feft, 
daß die „Einwilligung“ mit der „vorherigen“, 
die „Genehmigung“ mit der „nachträglichen Zu⸗ 
ſtimmung“ als identiſch betrachtet werden ſollen. 
Damit hat aber der 911 9 75 — offenbar. 
ohne ſich deſſen völlig bewußt geworden zu ſein 
— zu einer Anzahl von Zweifeln Anlaß ge⸗ 
geben, die hier beleuchtet werden ſollen. 


Zunächſt muß bemerkt werden, daß die 
deiden Gleichungen: 


e = „vorherige Zuſtimmung“ 
un 
„Genehmigung“ = „nachträgliche Zuftimmung “ 


ſehr anfechtbar find.) Zwar nicht fo an= 
fechtbar wie z. B. die Gleichungen: 


„unverzüglich“ = „ohne ſchuldhaftes Zögern“ 
(BGB. 8 121 Abi. 1) 


) Bgl. dazu meine Vorträge über das BGB. für 
Praktiker Bd. I (Münden 1898) S. 92 ff., Planck, 
Komm. Bd. I (3. Aufl., Berlin 1903) S. 25 ff. 

) Bgl. mein Syſtem der Verſchuldensbegriffe 
ER 1905) S. 624 f. und die dort angegebenen 
Stellen. 

) Bzw. „einwilligen“, „Einwilligender“, „Eins 
willigungserklärung“, „genehmigen“, „zuſtimmen“ und 
„Zuſtimmungserklärung“; vgl. Graden witz, Wort⸗ 
Verzeichnis (Berlin 1902) S. 49 f, 76 und 182. 

) Gegen die dritte Gleichung (Zuftimmung = Eins 
willigung + Genehmigung) iſt höchſtens inſofern et⸗ 
was einzuwenden, als hier (vgl. unten) das gleich⸗ 
zeitige Einverſtändnis unberückſichtigt ebiieben iſt. 


— WE 


und 
„nicht in gutem Glauben“ = „wenn ihm 
bekannt oder infolge grober Fahrläffigkeit 
unbekannt it” (BGB. 8 932 Abi. 2). 


Denn dieſe zuletzt genannten Gleichungen 
enthalten?) pofitive Fehler, direkte Verſtöße gegen 
den Sprachgebrauch, der beim Begriff „unver⸗ 
züglich“ von Beziehungen zu einem ſubjektiven 
Verſchuldensmomente gar nichts weiß und beim 
„böſen Glauben“ entweder auf die Fahrläſſigkeit 
überhaupt nicht oder, wenn er es tut, auf alle 
ihre Arten abzielt. Aber daß die „Einwilligung“ 
gleichbedeutend fei mit der vorherigen Zu: 
ſtimmung, die Genehmigung mit der nach⸗ 
träglichen Zuſtimmung, iſt inſoſern fehlerhaft, 
als uns der Sprachgebrauch) keineswegs zwingt, 
dieſe enge Auffaſſung zu teilen. Es iſt ebenſogut 
eine nachträgliche Einwilligung und eine vorherige 
Genehmigung denkbar — und ferner“) fowohl eine 
gleichzeitige Einwilligung wie eine gleichzeitige 
Genehmigung — und zwiſchen den drei Synonyma 
Einwilligung, Genehmigung und Zuſtimmung 
beſteht') überhaupt kein Unterſchied. Gerade das 
BGB. ſelber läßt fih zum Beweiſe dafür heran: 
ziehen; denn einmal könnten die drei Worte in 
den einſchlägigen Geſetzesſtellen getroſt miteinander 
vertauſcht werden, ohne daß ſich (wenn wir eben 
von der Anweiſung in 88 183 f. abſehen) der 
Sinn der Vorſchriften irgendwie ändern würde; 
zweitens hätte es, wenn die Ausdrücke wirklich 
auch im Sprachbewußtſein ſelber eine techniſche 


5) Vgl. dazu Näheres in meinem Syſtem 


S. 190, 209. 

) Vgl. wegen eines Erkenntniſſes des Reids- 
gerichts unten S. 60. 

7) Vgl. unten S. 58. 

s) Das hatte ſchon gegenüber dem I. Entwurf 
Ludw. Gold ſchmidt, Kritiſche Erörterungen (Leipzig 
1889) S. 71 f betont. Weitere Bemerkungen zum Ent- 
wurf bei Zitelmann, die Rechtsgeſchäfte im Entwurf, 
in Bekker und Fiſchers Beiträgen Heft 9/10 Teil 2 
(Berlin 1890) S. 118 f. und bei Gierke, Der Entwurf 
(Leipzig 1889) S. 171 Anm. 3. Gegenüber dem Sprach- 
1 des Geſetzes ſelber mit Deutlichkeit nur R. 
Leonhard, Der allg. Teil des BGB. (Berlin 1900) 
S. 334f. 


54 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Einzelfunktion beſäßen, nicht der Pleonasmen 
„Einwilligung im voraus erteilen“ in 8 744 
Abſ. 2°) und „nachträgliche Genehmigung“ “) 
in § 1829 Abſ. 1 Satz 1 und in $ 1830 be: 
durft. Und ebenſo kann es doch wohl als Be⸗ 
weis !!) gelten, daß das Handelsgeſetzbuch von 
1897 mehrfach (88 58, 116 Abſ. 3, 393 Abſ. 1 
bzw. SS 782 [unten Anm. 10], 813 Abſ. 2 Satz 2, 
814 Abſ. 1, 816 Satz 2) für die im Allgemeinen 
Handelsgeſetzbuche (Art. 53, 104 Abſ. 1, 369 Abſ. 1, 
786 Abſ. 2 und 3, 817 Abſ. 2 Satz 2, 818 
Abſ. 1, 820 Satz 2) zu findenden Ausdrücke 
„Einwilligung“ und „Genehmigung“ den Ausdruck 
„Zuſtimmung“ und einmal (§ 112 Abſ. 1 und 2) 
für den Ausdruck „Genehmigung“ (Ag GB. Art. 96 
Abſ. 1 und 2) den Ausdruck „Einwilligung“ fub- 
ſtituiert hat“), ohne daß fih die Denkſchrift zum 
HGB. oder die Literatur dahin äußert, daß 
hierin eine Aenderung des Handelsrechts !“) zu 
finden ſei. Ferner iſt es beachtenswert, daß das 
AGB. zum gleichen Tatbeſtande — Ausſchluß 
der ſog. Konkurrenzgeſchäfte — wegen des Hand⸗ 
lungsgehilfen in Art. 59 Abſ. 1 von der „Ein⸗ 
willigung“ des Prinzipals, wegen des offenen 
Handelsgeſellſchafters in Art. 96 Abſ. 1 und 2 
von der „Genehmigung“ der andern Geſellſchafter 
redete; ſodann, daß die Novelle zu HGB. § 553 
vom 2. Juni 1902 in Abſ. 4 Satz 1 und 2 die 
Ausdrücke „Einwilligung“ und „Zuſtimmung“ 
ganz promiscue gebraucht; und endlich, daß ſowohl 
das AH GB. wie das gegenwärtige HGB. in einer 
und derſelben Norm (Art. 470 Abſ. 1 und Abſ. 2 
Satz 2 bzw. § 503 Abſ. 1 und Abſ. 2) einmal 
der „Einwilligung“, das andere Mal der „Zuftim- 
mung“ der übrigen Mitrheder zur Veräußerung 
einer Schiffspart gedenkt“), wobei noch hinzu⸗ 

) Mot. II S. 878 und Prot. II S. 747 f. recht⸗ 
fertigen dieſen Pleonasmus nicht weiter. 

10 Der innere Zuſammenhang der Stellen machte 
es hier zwar erforderlich, das Nachfolgen des Einver— 
ſtändniſſes zu betonen; um jo bedenklicher iſt es aber, 
daß hier und auch in den auf ein vorheriges Ein— 
verſtändnis hinweiſenden Eingangsworten der ſonſt 
techn iſch (vgl. aber eben das unten S. 55 f. zu Bemerkende) 
gebrauchte Ausdruck angewendet worden iſt. — Von 
„nachträglicher Genehmigung“ ſprach 
Art. 786 (Abſ. 2 und 3), während das jetzige HGB. 
(S 782) von „nachträglicher Zuſtimmung“ redet. 

11) Einige weitere Beweiſe vgl. unten S. 56 Anm 28, 
S. 58 f. Charakteriſtiſch iſt es namentlich, daß die Mot. 
ſe lber u.a. folgende Wendungen aufweiſen: „vorherige 
Genehmigung“ in Bd. IV S. 1153 sub 1, „nachträg⸗ 
liche Genehmigung“ ebenda IV S. 1153 am Rand. 
S. 1154 sub 3, 1155 sub 6. Vgl. auch E. I § 1681. 
Vgl. auch Prot. IV S. 798, V S. 338. 

12) Vgl. auch HGB. § 326 Abſ. 1 mit Art. 196 a 
Nr. I (Art. 232) der Aktiennovelle vom 18. Juli 1884. 

18) Vgl. unten S. 59. 

14) Die Protokolle zum AHG B. (vgl. unten 
S. 59 Anm. 70) ſowie die Kommentare zum AHGB. 
(3. B. Gareis-Fuchsberger, Berlin 1891, und 
Staub in den älteren Auflagen) zerbrechen ſich erklär— 
licherweiſe über unſere Ausdrücke den Kopf nirgends; 
val als Material höchſtens Prot. a. a. O. IV S. 1542, 
VIII S. 3720 (zum jetzigen § 466). 


auch AGB.“ 


kommt, daß der zweite Fall (Abſ. 2) ganz be⸗ 
ſonders dazu angetan wäre, hier das Boran: 
gehen“) des Einverſtändniſſes zu betonen. 

Ein anderer Vorwurf, der dem Geſetz gemacht 
werden muß, iſt der, daß es in der techniſchen 
Anwendung der drei Begriffe nicht konſequent 
geblieben iſt. Zwar für ſehr viele Geſetzes⸗ 
ſtellen läßt ſich zugeben, daß wegen des ganzen 
ſonſtigen Zuſammenhanges der Normen in der 
Tat, wo von „Einwilligung“ die Rede iſt, nur 
an vorangehendes und wo von „Genehmigung“ 
die Rede iſt, nur an nachträgliches Einverſtändnis 
gedacht werden kann,“) und daß, wo der Zu: 
ſtimmung“ Erwähnung geſchieht, beide Möglich⸗ 
keiten Platz greifen. Ebenſo iſt feſtzuſtellen, daß 
gerade da, wo mehrere unſerer Ausdrücke in der⸗ 
jelben Norm und!) in demſelben Zuſammenhange 
aufeinander ſtoßen, der Geſetzgeber den einmal 
von ihm feſtgelegten Sprachgebrauch zumeiſt kon⸗ 
ſequent durchgeführt hat; vgl. wegen „Zuſtimmung“ 
und „Genehmigung“ § 458 Abſ. 1 Satz 1 und 2. 
wegen „Zuſtimmung“ und „Einwilligung“ 88 744 
Abſ. 2, 1307 Satz 1 und 2, 1405 Abſ. 1 Satz 1. 
1444, 1446 Abſ. 1 Satz 1 (vgl. auch $ 1495 
Nr. 1 mit § 1444 1446), 1748 Abſ. 1 und 2 
Satz 2, wegen „Einwilligung“ und „Genehmigung“ 
§8 108 Abi. 1, 1396 Abſ. 1, 1397 Abſ. 1 Satz 1 
und Abſ. 2, 1448 Abſ. 1 und 2, 1847 Abſ. 1 Satz 2. 
Nur zu folgenden, die „Genehmigung“ des Vor⸗ 
mundſchaftsgerichts und zugleich eine anderweitige 
„Einwilligung“ oder „Zuſtimmung“ erwähnenden 
Normen wird man Bedenken hegen (vgl. jedoch 
unten S. 55 f.): 88 1728 Abſ. 2, 1729 Abſ. 1. 
1751 Abſ. 1, 2275 Abſ. 2 Satz 2. — Und 
ebenſo wird man zu einer ziemlich großen Zahl 
derjenigen Geſetzesbeſtimmungen, welche nur mit 
einem unſerer Worte operieren, Bedenken hegen, 
ob der Geſetzgeber hier ſeine Terminologie auch 
wirklich eingehalten hat. So wird die „Einwilli⸗ 
gung“ auch als eine nachträgliche gedacht werden 
können in BGB. § 267 Abſ. 1 Satz 2 und $ 2206 
Abſ. 2, die „Genehmigung“ nur bzw. auch als 
eine vorangehende in BGB. § 795 ſowie in EG. 
Art. 34 Nr. IV, Art. 36 Nr. V, Art. 37 Abſ. 1 
und 2 und wohl auch in Art. 88 einerſeits und 
in BGB. § 841 (vielleicht auch in 88 80 ff.) anderer⸗ 
ſeits; vor allem aber auch hier in einer Reihe 


1) Auch Wagner, Handbuch des Seerechts 
(Leipzig 1884) S. 216 a. E. ſcheint anzunehmen, daß 
die Erteilung der Zuſtimmung vorangegangen 
ſein muß; die Kommentare (Boyens, Leipzig 1897, 
S. 284, Makower-Löwe, 12. Aufl, Berlin 1900, 
S. 24, Schaps, Berlin 1906, S. 127) äußern ſich nicht. 

16) Dies nehme ich gegen die Entſcheidung des 
Reichsgerichts vom 3. Mai 1905, Bd. 60 Nr. 100 
S. 415 f, zu 8415 BGB. an. 

17) Dieſes ift nicht der Fall in 8 1595 Abſ. 1 
Satz 2 und Abi. 2 Satz 1, § 2290 Abſ. 2 Satz 2 und 
Abſ. 3 Satz 1. § 2347 Abſ. 1 und Abi. 2 Satz 1 und 2. 

18) Bei Endemann (unten S. 55 Anm. 22) S. 414 
Anm. 7 paßt die Erwähnung dieſer Norm nicht ganz 
in den Rahmen der anderen Fälle. 


von Stellen, die ſich auf die Genehmigung des 
Vormundſchaftsgerichtes beziehen; !“) und endlich 
erſcheint mir die Doppeldeutigkeit des Ausdruckes 
„Zuſtimmung“ ausgeſchloſſen oder mindeſtens ſehr 
zweifelhaft: zugunſten eines vorherigen Einver⸗ 
ſtandniſſes etwa in BGB. 88 927 Abſ. 1 Satz 3, 
975 Satz 3, 1100 Satz 1, 1119 Abſ. 1 und 2, 
1695 Abſ. 2 Satz 1, 1778 Abſ. 1, 1783, 2229 
Abſ. 1. 2275 Abſ. 2 Satz 2, EG. Art. 50, Art. 97 
Abſ. 2 Satz 2 und 3; zugunſten eines nad: 
träglichen Einverſtändniſſes etwa in BGB. 88 32 
Abſ. 2, 33 Abſ. 1 Satz 2 a. E., 2291 Abſ. 1 
Satz 2 und Abſ. 2. 

Noch viel ſchlimmer aber iſt der Vorwurf, 
daß der Geſetzgeber garnicht konſequent 
ſein wollte. Denn die Motive I S. 247 
erklären ausdrücklich: 

„An der Scheidung zwiſchen vorheriger Ein: 
willigung und Genehmigung iſt übrigens nicht 
feſtgehalten in Anſehung der Zuſtimmung, welche 
das Vormundſchaftsgericht, der Gegenvormund 
oder der Beiſtand der mit der elterlichen Gewalt 
bekleideten Mutter zu gewiſſen Rechtsgeſchäften zu 
erteilen hat; inſoweit wird aus beſonderen Gründen 
ſchlechthin von Genehmigung geſprochen (88 1541, 
1542, 1681, 1682).“ 

Dieſer Motivierung iſt ein Mehrfaches ent⸗ 
gegenzuhalten: Erſtens bezieht ſie ſich nur auf 
die Inkonſequenz des Geſetzgebers bezüglich des 
Terminus „Genehmigung“, nicht auch auf die 
bezüglich der „Einwilligung“ und der „Zus 
ſtimmung“; zweitens auch betreffs der „Genehmi— 
gung“ lediglich auf die Fälle der vormundſchaft— 
lichen und der dem Gegenvormunde oder dem Pei- 
ſtande zuſtehenden; und drittens läßt ſie ſelbſt 
hier uns völlig im Unklaren?! darüber, welches denn 
die „beſonderen“ — doch als innere zu denkenden 
— „Gründe“ geweſen ſeien, die den Geſetzgeber 
zu der Inkonſequenz veranlaßt haben. Um ſo 
lockender iſt es, dieſen Gründen nachzuſpüren — 
und damit zugleich eine auffallende Lücke in der 
bisherigen Literatur auszufüllen, die ſich, ſoweit 
fie unſere Frage?) überhaupt ſtreift, mehr?) oder 

19) Vgl. z. B. 88 112 Abi. 1 Satz 1. ferner Einzel 
vorſchriften in folgenden dem Buch IV angehörigen 
Paragraphen: 1484, 1491 f., 1653, 1600, 1809 f., 1814 ff., 
1519—1824, 1826 ff. (vgl. auch den Kommentar von 
v Blume S. 73 Anm. 2), 1902, die zum Teil 
(SS 1690, 1809 f., 1824 f.; vgl. ferner §§ 1813, 1832 
jowie auch Ech. Art. 41; zu § 1690 vgl. auch v. Blume 
a. a. O. S. 597 Anm. 5) auch die „Genehmigung“ des 
Gegenvormundes oder des Beiſtandes der Mutter vgl. 
unten S. 56) betreffen. 

2) Dieſen Stellen des I. Entwurfs entſprechen jetzt 
BGB. 85 1690, 1828f. 

2) Ebenſowenig beſagen Mot. IV S. 800 f, 
1153 ff (zu obigen Geſetzesſtellen) oder etwa Mot. IV 
S. 1008 ff. („Allgemeine Begründung“). 

33) Vielfach äußert jih die Literatur nur bzw. zu— 
gleich über die hier nicht zu unterſuchende Frage nach 


der Tragweite der materiellen Rechtsſätze aus SS 182 


bis 185; vgl. insbeſondere die Kommentare von Planck 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


55 


weniger?“) auf eine Wiederholung der Andeutungen 
der Motive:“) beſchränkt — und auch wegen der 
anderen oben erwähnten Fragen einen Rechtferti⸗ 
gungsverſuch zu unternehmen. 

Weshalb mag alſo zunächſt das BGB., wenn 
es ſich um das Einverſtändnis des Vormund⸗— 
ſchaftsgerichtes, des Gegenvormundes oder des Bei⸗ 
ſtandes handelt, ſtets von „Genehmigung“ und 
nirgends — in der Tat iſt das BGB. hier folge⸗ 
richtig verfahren — von „Einwilligung“ oder 
von „Zuſtimmung“ reden? 

Fehlgehend wäre es zunächſt, ſich auf den 
Öffentlichrechtlichen Charakter des Vormundſchaſts⸗ 
weſens — wie die Protokolle IV S. 799 ſich 
ausdrücken, auf die „obrigkeitliche“ Natur der 
vormundſchaftsgerichtlichen „Handlungen“ — und 
etwa darauf zu berufen, daß für die konſentierende 
Tätigkeit einer Behörde der entſchieden geſpreiztere, 
ſozuſagen auf Stelzen gehende Ausdruck „Ge— 
nehmigung“ angebrachter geweſen ſei; denn dieſe 
an ſich problematiſche Argumentation würde zur 
Erklärung des gleichen Ausdruckes auch betreffs 
des Gegenvormundes und des Beiſtandes ver— 
ſagen. Ebenſowenig wird man ſich — hierbei 
auch wegen des Gegenvormundes — mit den 
Protokollen a. a. O. auf die Verkehrsſp rache und 
darauf berufen dürfen, daß das ältere Vormund⸗ 


S. 284 Note 1, S. 287 sub e; v. Staudinger I 
(Riezler), 3. und 4. Aufl. (München 1907) S. 563 
Note 2; ferner die Lehrbücher von Endemann 1 
(9. Aufl., Berlin 1903) S. 413 Anm. 1; Müller⸗ 
Meikel 1 (2. Aufl., München 1904) S. 183; Zitel⸗ 
mann, Das Recht des BGB. (Leipzig 1900) S. 140 
sub 3; Lutz in den Blättern für Rechtsanwendung 
66 (1901) S. 117 ff. (ogl. auch Neumann, Jahrbuch 
des deutſchen Rechtes I, Berlin 1904, S. 119). 

33) Der Mitwirkung des Vormundſchaftsge⸗ 
richtes, des Gegenvormundes und des Bei: 
ſtandes gedenken nur Enneccerus-Lehmann I 
(2. Aufl., Marburg 1901) S. 280 Anm. 2; Matthias I 
(3. Aufl, Berlin 1900) S. 252; Zitelmann a. a. O. 
S. 139 III 3b; Hölder, Kommentar (München 1900) 
S 385 Note 1, ferner Liebe, Bürgerl. Recht I (Leipzig 
1904) S. 161 Anm. 8 (zugleich — im Text — der „Ber 
hörden“ überhaupt gedenkend); Leonhard a. a. O. 
(der auch hervorhebt, daß man bisher für die Mit: 
wirkung von Vormund und Gegen vormund diez 
ſelben Ausdrücke zu gebrauchen pflegte); über Plothke 
vgl. unten S. 57 Anm. 39. 

*) Des Beiſtan de s gedenken nicht die Rommen- 
tare von Planck a. a. O. S. 317 Note 1; Rehbein 
a. a. O. S. 284 Note 2a; v. Staudinger a. a. O. 
S. 563 Note 2; ferner die Handausgabe von Achilles 
(4. Aufl, Berlin 1903) S. 79 (vgl. auch die Beiſpiele 
bei Fiſcher-Henle, 7. Aufl. München 1906, S. 105). 
Nur des Vormundſchaftsgerichtes gedenken 
Protokolle IV S. 799 (vgl. unten ſowie Derne 
burg, Bürgerl. Recht I (Halle 1902) S. 346 Anm: 3 
und Endemann a. a. O. S. 413 Anm. 1; vgl. auch 
Biermann, Bürgerl. Recht I (Berlin 1908) S. 164 
Anm. 12; Hoffmann. Die Genehmigung im BGB., 
Greifswalder Diſſertation (Stettin 1903) S. 6 Anm. 25. 

25) Aber durchweg, abgeſehen von Leonhard 
a. a. O. S. 335 (der aber Mot. I S. 246 zu Unrecht 
auch wegen der Stiftung heranzieht), ohne ausdrück⸗ 
liche Berufung auf ſie, geſchweige denn unter Nachprüfung 


a. a. O. S. 317 Note 2; Rehbein I (Berlin 1899) ihres Gedankenganges. 


56 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


ſchaftsrecht, namentlich auch die Preußiſche Vor⸗ 
mundſchaftsordnung?') vom 5. Juli 1875, an die 
fih?) das BGB. beſonders eng angelehnt hat, 
von der „Genehmigung“ Sprechen”); denn auch 
dieſes wäre keine genügende Rechtfertigung für 
die durch die Inkonſequenz des jetzigen Sprach⸗ 
gebrauchs eingetretene Verwirrung. Desgleichen 
wird man bemüht ſein müſſen, durch andere Er⸗ 
klärungsverſuche den Geſetzgeber gegen folgenden 
Grund in Schutz zu nehmen, der allerdings, 
wenn er offen eingeſtanden worden wäre,?) zu- 
gleich als der allernatürlichſte und entſchuldbarſte 
erſcheinen würde: nämlich, daß bei der Aufteilung 
der geſetzgeberiſchen Vorarbeiten unter verſchiedene 
Redaktoren keine Bürgſchaft für Einheitlichkeit der 
Diktion übernommen werden konnte und der 
Geſetzgeber nicht ſicher war, ob die Bemühung, 
eine ſolche Einheitlichkeit nachträglich in die ein⸗ 
zelnen Geſetzesteile hineinzubringen, mit völliger 
Exaktheit durchführbar ſein würde. Abwegig 
wäre es auch — wie gegenüber einer diesbezüg⸗ 
lichen Andeutung in den Protokollen a. a. O. 
betont werden muß —, dem Geſetzgeber mit 
einer Bezugnahme auf die Stellung der 88 183 f. 
im Geſetzbuche zu Hilfe zu kommen: dieſe be⸗ 
fänden ſich im ſechſten Titel des dritten, von 
den „Rechtsgeſchäften“ handelnden Abſchnittes 
des erſten Buches und die geſetzliche Anweiſung 
bezüglich der Terminologie“) bezöge fidh all nur 
auf die Fälle, in denen ( 182 Abſ. 1): „die 
Wirkſamkeit eines Vertrags oder eines ein- 
ſeitigen Rechtsgeſchäfts, das einem 
Anderen gegenüber”) vorzunehmen ift, 
von der Zuſtimmung eines Dritten abhängt”, 

alſo nur auf die Fälle einer rechtsgeſchäftlichen 
Mitwirkung dieſes Dritten; denn auch die Mit⸗ 
wirkung des Vormundſchaftsgerichtes, des Gegen⸗ 
vormundes und des Beiſtandes richten fih oft“) 
gerade auf ſolche Punkte, und vor allem wäre 
es ſchon darum unzuläſſig, aus der Stellung der 


26) Vgl. daf. SS 41 ff., 45 ff.; daf. § 48 übrigens 
„Einwilligung des Vormundes, des ene 
gerichts und des Familienrats“. 

27) Mot. IV S. 1008. 

28) Vgl. ferner Sächſ. BGB. SS 1913 ff., 1931 ff., 
1942 ff., das zwiſchen „Einwilligung“ des Vormundes 
und „Genehmigung“ des Vormundſchaftsgerichts unter⸗ 
ſcheidet: ſehr bunt der Sprachgebrauch des Oeſterr. BGB. 
SS 231 ff. („ Genehmigung“, „Genehmhaltung“, „Bes 
willigung“, „Einwilligung “). 

20) Vielleicht ſoll dies mit den recht rätſelhaften 
Schlußworten der Protokolle a. a. O. angedeutet 
werden; vgl. aber unten Anm. 31. 

0) Wegen der ganz anderen, hier nicht zu erörternden, 
aber jedenfalls (mit der herrſchenden Anſicht) zu ver— 
neinenden Frage, ob der ſonſtige — materielle — In— 
halt der 88 182—185 (z. B. die rückwirkende Kraft 
der Genehmigung, § 184 Abi. 1) über die oben anz 
gedeuteten Fälle hinausgeht, vgl. bereits oben S. 55 
Anm. 22. 

31) Es ſcheint, daß Prot. a. a. O. (oben Anm. 29) 
bei Erwähnung der einſeitigen Rechtsgeſchäfte an die 
nicht ee denken. 


*) Vgl. z. B. 88 1812 ff. 


89 183 f. im Geſetze etwas gegen die — prinzipiell 
als allgemein zu denkende“) — Bedeutung 
unſerer Begriffsbeſtimmungen folgern zu wollen, 
weil weitaus die meiſten vom Geſetz gegebenen 
Begriffsbeſtimmungen und namentlich auch die 
gleich der „Einwilligung“ und „Genehmi igung“ 
durch Anwendung des Klammerzeichens“) an⸗ 
gedeuteten ſich immer nur ganz gelegentlich im 
Geſetze eingeſtellt finden (tadelnswerter Weiſe 
übrigens“) oft, und jo auch hier,“) nicht einmal 
wenigſtens gerade bei der erſten ſich dazu bieten⸗ 
den Gelegenheit); hätte alſo der Geſetzgeber von 
dieſer Methode eine Abweichung beliebt, hätte er 
es andeuten müſſen, und der Mangel einer ſolchen 
Andeutung erſcheint um ſo beweiſender für die 
prinzipielle und generelle Funktion unſerer Defi⸗ 
nitionen, als der Geſetzgeber ja, wie wir bereits (S. 55) 
ſahen, in anderer Richtung eine ausdrückliche Er⸗ 
klärung über eine gewiſſe Abweichung gegeben hat. 
Die richtige Erklärung, weshalb die Motive 
die Fälle, in denen es ſich um Mitwirkung des 
Vormundſchaftsgerichtes, des Gegenvormundes und 
des Beiſtandes handelt, beſonders hervorheben, 
ſcheint mir gewonnen zu werden, wenn man 
näher auf das Weſen dieſer Mitwirkung eingeht. 
Dieſe Mitwirkung ſteht nämlich!) in einem ges 
wiſſen Gegenſatze zu der in 88 182—185 er⸗ 
wähnten und zu allen Einzelfällen, in denen über⸗ 
haupt von privatgeſchäftlichen „ 
anderer Faktoren — es ſind dies der gejesliche 
Vertreter ($S 108 f., 1337, 1341, 1847 [ Abſ. 1 
Satz 2], EG. Art. 37 Abſ. 1), der Vertretene 
($$ 177 ff.), der Ehegatte (SS 1396 f., 1448, 
EG. Art. 37 Abſ. 2), der Eigentümer (ŞS 1001 ff.), 
der Gläubiger (§§ 415 f.), der Teſtator (SS 2242 f.), 
die bei einer Verſteigerung Beteiligten (8 458), 
der Geſchäftsherr ($ 684) und der volljährig Ge- 


) Unſern drei Worten vindizieren allgemeine 
Bedeutung ausdrücklich Enneccerus⸗Lehmann 
a. a. O. S. 25, Crome, Syſtem des deutſchen Bürger⸗ 
lichen Rechts 1 (Tübingen und Leipzig 1900) S. 98 
Anm. 6, Hachenburg, Vorträge (2. Aufl. Mannheim 
1900) S. 448; vgl. auch Landsberg, Recht des BGB. I 
(Berlin 1904) S. 157, Endemann a. a. O. S. 52 
Anm. 8, Leonhard a. a. O. S. 67, Kuhlenbeck in der 
IW. 25 (1896) S. 729. Wegen des Reichsgerichts vgl. 
außer den oben S. 54 Anm 16 und unten S. 60 (mehr⸗ 
fach) Anm. erwähnten Entſcheidungen 1 as die vom 
15. Februar 1902, Bd. 50 Nr. 45 S. 212 ff. — Vgl. 
übrigens wohl auch Prot. I S. 178. 

) Zu dieſer e vgl. 
Vorträge a. a. O. S. 9 

0) Vgl. hierzu Veiſpiele in meinem Syſtem der 
Verſchuldensbegriffe S. 17 Anm. 4. 190. 

0) Unſere drei Ausdrücke begegnen ſchon vorher 
in §§ 4, 32 f., 35, 80—83, 107-113, 131, 177—179. 

57) Hier berühren It: die Ausführungen mit 
denen v. Blumes in IheringsJ. 48 (1905) 
S. 417 ff. insbeſondere S. 425 ff. über „Zuſtimmung 
kraft Rechtsbeteiligung und Zuſtimmung kraft Aufſichts— 
recht“ (vgl. auch v. Blume, Kommentar S. 72 Note 1); 
vgl. auch die Bemerkungen von Sohm, Gegenſtand 
(Leipzig 1905) S. 51 über Hilfsverfügungsgeſchäfte und 
von Riezler in v. Staudingers Kommentar I 
S. 563 Note 1 über Hilfsrechtsgeſchäfte. 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


wordene ($ 1829) — die Rede ift. Denn während 
es fih hier zumeiſt ) in der Tat um Vorgänge 
handelt, die in den Rahmen der in 88 182 — 185 
(oben S. 56) gedachten Rechtsakte paſſen, iſt 
der Charakter, welchen die Mitwirkung des Vor⸗ 
mundſchaftsgerichtes, des Gegenvormundes und des 
Beiſtandes hat, ein weſentlich anderer; wohl am 
einfachſten und zugleich ſchärfſten“) läßt ſich dieſer 
Unterſchied durch Einſtellung von Fremdworten 
ausprägen, indem man zu den mit 88 182 ff. 
harmonierenden Fällen von einem Konſenſe 
redet, in den von den Motiven gemeinten Fällen 
dagegen von einer Konfirmation, und indem 
man jene Fälle als ſolche bezeichnet, bei welchen 
die Rechtsbeſtändigkeit, das Zuſtandekommen des 
Rechtsaktes vom ſupplierenden Mitwirkung 
des Dritten abhängt, während hier entweder eine 
Obrigkeit (nämlich das Vormundſchaftsgericht) oder 
dohein Organ mit quaſi⸗obrigkeitlichen Funktionen“) 
(der Gegenvormund oder der Beiſtand) die Aufgabe 
einer rechtspolizeilichen Gutheißung ausübt. 

Damit iſt aber zugleich auch der Schlüſſel für 
einen großen Teil der anderen oben (S. 54f.) er⸗ 
wähnten Fälle gefunden, in denen das Geſetz bei 
ſtrikter Anwendung der Begriffsbeſtim mungen aus 
SS 183 f. entweder prägnanter von „Einwilligung“ 
oder allgemeiner von „Zuſtimmung“ hätte ſprechen 
müſſen. Denn auch hier iſt die Sachlage eine 
abweichende: es handelt fih — die „genehmigenden“ 
Faktoren find vor allem der Staat (SS 33, 
80-84“), 763, 795, 2043, EG. Art. 34 Nr. IV, 
86—88), mehrfach auch der Bundesrat (88 33, 
80—84) und vereinzelt die Gemeindebehörde 
(EG. Art. 36 Nr. V Satz 3) oder ein Beamter 
(BGB. $ 841) — nicht um rechtsgeſchäftliche 
Konſenſe, ſondern um rechts polizeiliche 
Funktionen“), für welche, abgeſehen etwa von EG. 
Art. 36, entweder (8 841) wiederum das Fremd- 
wort Konfirmation oder aber (in allen anderen 
Normen) das Fremdwort Konzeſſion“) die 
zutreffendſte Deckung bieten würde. 


6) Aus dem Rahmen fallen von ic Geſetzes⸗ 
ſtellen nur 88 2242 f. und etwa EG. Art. 

%) Nichts Rechtes wird gewonnen, 1 Plothke 
in Hold heims Monatſchrift für Handelsrecht und 
Bankweſen 10 (Berlin 1901) S. 250 (vgl. auch Neumann 
a. a. O. S. 118) von den „für das betreffende Rechts— 
geſchäft ſelbſt wirkſamen Organen” ſpricht, und ſehr be- 
denklich iſt ſein Vergleich zwiſchen unſern Fällen und 
dem des HGB. § 305 Abſ. 2 (unten S. 59). 

4) Vgl. dazu Mot. IV S. 798, 800 f., 1032 f., 
1117 ff., v. Blume, Kommentar S. 79 Note 1 (zu 8 1832), 
S. 597 Note 5 (zu § 1690). 

) Auf dieje Vorſchriften berufen ſich, m. E. in 
wenig zutreffender Parallele, betreffs des Sprachgebrauches 
wegen der vormundſchafts gerichtlichen Mit⸗ 
wirkung Prot. a. a. O. (IV S. 799). 

„) Es liegen „öffentlichrechtliche Verwaltungsakte“ 
vor; Oertmann, Komm. (2. Aufl., Berlin 1906) S. 890 
Note 2, 19 ad S. 894 Note 3 (zu § 795). 

1 S l. auch Prot. I S. 589; daf. über den 
Ausdruck 3 0 dens. in E. 18 701 
(BGB. § 795); vgl. auch z. B. zu §8 80 ff. Hölder 


| 


67 


Die vorſtehenden Beobachtungen find nun zwar 
geeignet, die in den Motiven angedeuteten den 
Ausdruck „Genehmigung“ betreffenden Ab⸗ 
weichungen“) zu erklären, fie find aber nicht zu⸗ 
gleich geeignet, dieſe Abweichungen und ferner die 
Bedenken wegen des Gebrauches der Worte“) 
„Einwilligung“ und „Zuſtimmung“ zu 
rechtfertigen. Wenn der Geſetzgeber ſich klar war, 
daß er die von ihm angegebene Terminologie nicht 
würde einhalten wollen oder können, ſo hätte er 
eben, um Verwirrungen zu vermeiden, eine ſolche 
authentiſche Feſtlegung gänzlich unterlaſſen“) 
müſſen. Er hätte dann ein zutreffenderes Reſultat 
erreicht: er hätte, wo es ihm unerheblich erſchien, 
ob der Konſens vorher oder nachher einträte, jeden 
der drei Ausdrücke — und auch noch andere 
Synonyma, wie“) „Beſtätigung““) „Bewilli⸗ 
gung“), „Billigung“ ), „Einverſtändnis“ 53), 
„Erlaubnis“ ), „Ermächtigung“ ), „Seftattung“°°) 


a. a. O. S. 188 f. (385 Note 1), une I ©. 147, 
Zitelmann a. a. O. S. 139 III 3 

4t) Eine bewußte Abweichung a auch — zu 
8$ 1643, 1831 — das KG. in der Entſch. vom 30. Sept. 
1901, Entſch G. II (1901) S. 216 an. 

5 Hier ift noch zu bemerken, daß von einer „Ein⸗ 
willigung“ von Behörden u. dgl. nirgends die Rede 
iſt und daß ſich der Ausdruck „Zuſtimmung des Bundes— 
rats“ im B B. 8 482 und im EG. Art. 31 zur Genüge 
aus der üblichen (ſtaatsrechtlichen) Ausdrucksweiſe erklärt. 
Als einwilligende bzw. zuſtimmende Faktoren erſcheinen 
hauptſächlich der geſetzliche Vertreter, die Eltern, der 
Ehegatte, vereinzelt aber noch die allerverſchiedenſten 
anderen rein zivilrechtlichen Perſonen. 

% Das wäre beſſer geweſen, als der laut Prot. 
a. a. O. vergeblich angeregte Vorſchlag, die geſetzliche 
Terminologie auch auf die Mitwirkungen des Vormund— 
ſchaftsgerichtes zu erſtrecken. 

7) Nachſtehend nenne ich nur Worte, die ſich im 
BGB. ſelber finden; vgl. auch über „Willen“ (mit dem 
Willen; ohne, gegen, wider den Willen) in meinem 
Syſtem S. 414 f. und zu den dort genannten Stellen 
auch noch BGB. 58 (Matthiaß a. a. O. S. 252, 
Zitelmann S. 139 III 3a). — Abgeſehen vom Wort 
„Erlaubnis“ findet ſich zu den andern Worten ſtets auch 
(im folgenden mitberückſichtigt) das betreffende Verbum. 

48) Die „Beſtätigung“ ift keineswegs nur (vgl. 
Riezler bei v. Staudinger I S. 563 Note 2) 
eine ſolche zu eigenen Angelegenheiten, ſondern be— 
gegnet auch als gerichtliche Beſtätigung von Partei- 
angelegenheiten in § 1741 (den Zitelmann S. 139 
III 3c beſſer nicht mit 88 141, 144 hätte zuſammen⸗ 
ſtellen ſollen), 88 1748, 1753 f., 1756. Vgl. auch 
Crome a. a. O. S. 360 Anm. 13. 

% Auch „Bewilligung“ (nebſt „Eintragungs-“ und 
„Löſchungsbewilligung“) findet fih ſeitens einer Privat- 
perſon in SS 873 f., 885, 1115, 1260, ſeitens einer Be» 
hörde in 88 132, 176, 1303, 1312 f., 1316, 1322, 1328, 
1694, 1745, 1836. In 81328 (Abſ. 2) und ebenſo in 
HGB. 8 86 Abi. 1 wird ausdrücklich der Möglichkeit 
„nachträglicher Bewilligung“ gedacht, was mit der tech- 
niſchen Bedeutung der „Einwilligung“ als eines voran: 
gehenden Aktes ſprachlich disharmoniert. — Vgl. ferner 
HGB. $ 55 Abſ. 2. 

5% Nur ſeitens einer Privatperſon (und wohl nur, 
vgl. Hölder S. 385 Note 1) als nachträglicher Akt: 
85 495 f., 665, 692. — Vgl. auch HGB. 8 499 Satz 2. 

o Nur ſeitens einer Privatperſon: 88 117, 180, 
465, 639. 

1 Seitens einer Privatperſon in 88 549, 583, 603, 


58 


— ad libitum verwenden können, und nur da, wo er 
lediglich einen der beiden Fälle ins Auge faſſen wollte, 
durch Hinzufügung des Beiwortes „vorherig“ oder 
„nachträglich“ oder durch ähnliche Zuſätze — wie 
er fie ja auch in 88 744 und 1829 f. (oben S. 54) 
gebraucht hat — unzweideutig zu erkennen geben 
müſſen, ſofern nicht manchmal der ganze Tat- 
beſtand Zweifel ausgeſchloſſen hätte.“) Dieſe Me⸗ 
thode würde zugleich den Vorzug gehabt haben, 
daß die zuſatzloſe Wahl eines der Synonyma””) 
auch einen dritten Fall gedeckt hätte, den die 
Motive zwar andeuten, aber allzuſchnell erledigen, 
indem fie a. a. O. (Bd. 1 S. 247) jagen: „Ueber: 
gangen ift die gleichzeitige Einwilligung.“) d. h. 
der Fall, in welchem der zur Einwilligung Bered- 
tigte bei der Vornahme des Rechtsgeſchäftes zugegen 
iſt und die Einwilligung erteilt. Vielfach wird 
in einem ſolchen Falle der Einwilligende der eigent⸗ 
liche rechtsgeſchäftlich handelnde Teil ſein. Soweit 
dies nicht zutrifft, ſtellt die Zuſtimmung zeitlich 
betrachtet ſich vorwiegend, wenn nicht immer, ent⸗ 
weder als vorherige Einwilligung oder als nach⸗ 
folgende Genehmigung dar.“ 
Da wir aber einmal mit einem fertigen Ge⸗ 
ſetze zu rechnen haben, ſo laſſen ſich deſſen In⸗ 
konſequenzen nicht leugnen. Aber einerſeits iſt 
ihre Anerkennung ſtrikt auf die Fälle einzuſchränken, 
wo der Inhalt und Zuſammenhang einer Einzel⸗ 
ſtelle es mit Sicherheit erkennen läßt, daß die 
„Genehmigung“ nicht als eine nachträgliche, die 
„Einwilligung“ nicht als eine vorangehende ver- 
ſeitens einer Behörde in 88 1315, 1784, 1888; wohl 
ſtets als vorangehend zu denken; vgl. im übrigen Be- 
merkungen bei v. Staudinger a. a. O., Matthiaß 
a. a. O., Endemann I S. 413 Anm. 1. Oertmann 
a. a. O. S. 496/497, Fiſcher⸗Henle S. 304 Note 1, 
Eltzbacher, Das rechtswirkſame Verhalten (Berlin 1903) 
S. 170. — Vgl. auch aus anderen Geſetzen Seemanns⸗ 
a 34, 87, 96 (Nr. 3 und 4), Bin nenſchiff⸗ 
. etz 8 23, HGB. SS 565 Abſ. 1 Satz 1, 750 
Nr.1.— Prot II S. 183 f. gebrauchen „Erlaubnis“ und 
„Einwilligung“ identiſch. 

) Seitens einer Privatperſon z. B. in 88 112 f., 
370, 714 f., 2199, 2209, ſeitens einer Behörde z B. in 
88 37, 385, 1221, 1321, 1358, 1825, EG. Art. 40 88 8 
und 8a; ſeitens des Geſetzes in 8 457. — Vgl. auch 
Hölder S. 383 Anm. 1. Biermann a. a. O. S. 164 
sub a und Entſch. des Reichsgerichts vom 14. Januar 
1903 Bd. 53 S. 275. — Vgl. auch HGB. § 55 Abi. 2, 
56, 86 Abſ. 1. 642 Abſ. 4. 

53) Vgl. die Angaben in meinem Syſtem S. 611 f., 
insbeſ. S. 611 Anm. 6; auch Zitelmann S. 139 
III 3 a; vgl. ferner z. B. HGB. § 371 Abſ. 4 

4) Derartige Fälle vgl. oben S. 54f. 

55) Der Geſetzgeber hätte am beiten getan, das 
Wort „Zujtimmung” häufiger (und insbeſondere für die 
in den Mot. a. a. O erwähnten Fälle) zu gebrauchen 
(val. auch die Bemerkung bei Wohlwill, die Ge- 
nehmigung nach BGB., Roſtocker Diff. 1902, S. 11). 
Dann wäre es die einzige, ihr auch jetzt nicht erſparte 
Aufgabe für die Theorie geblieben, die oben S. 55 
Anm. 22 und S. 56 Anm. 30 angedeutete Begrenzung 
der Anwendbarkeit des ganzen 6. Titels ee eee 

56 Vgl. zu dieſem Punkte auch Junker, Die Gez 
nehmigung im BGB., Erlanger Diſſ., Olpe 1899, S. 8 
und (nicht ganz genau) Hachen burg a. a. O. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. N 


. «ͤ ˙ä—v— e . ], , .. Le 


Nr. 3. 


ſtanden werden kann; in ſolchen Fällen iſt der 
Ausdruck eben in einem den SS 183 f. 
entgegengeſetzten Sinne und ſo zu leſen, als ob 
der Geſetzgeber von „Zuſtimmung“ ſpräche. Und 
andererſeits muß die Erklärung der Motive, 
da wir ſie ja doch nicht beiſeite ſchieben können, 
auch als völlig bindend“) betrachtet werden, 
d. h. nicht bloß, wie es in der Literatur“?) mehr- 
fach geſchieht, nur auf die Genehmigung des Vo r= 
mundſchaftsgerichtes, ſondern auch auf die 
des Gegenvormundes und ebenſo auf die des 
Beiſtandes, alſo auch auf BGB. §§ 1690, 1809 f., 
1813, 1824—1826 und 1832 erſtreckt werden.“) 


Der gleiche Sprachgebrauch wie im BGB. 
findet fih auch“) in dem zweitgrößten Reichszivil⸗ 
geſetze, dem Handelsgeſetzbuche, und offenbar 
hat, wie die oben S. 54 gegebene Zuſammen⸗ 
ſtellung lehrt, das Beſtreben, beide Geſetze mit⸗ 
einander in Einklang zu bringen, auch in dieſem 
Punkte mehrfach eine Abänderung des im All⸗ 
gemeinen Handelsgeſetzbuche enthaltenen Textes 
und eine Anpaſſung des jetzigen Handelsgeſetz⸗ 
buches (1897) an das BGB. veranlaßt. 

Von „Einwilligung“ — bzw. „willigen“ — 
ift die Rede in HGB. ŞE 22 Abſ. 1 Satz 1. 
24 Abſ. 2, 25 Abſ. 1 Satz 2, 60 Abſ. 1 und 2, 112 
Abſ. L und 2, 122 Abſ. 2, 236 Abſ. 1 Satz 1 und 2, 
326 Abſ. 1 Satz 1 und 2, 503 Abſ. 1, 544 und 
553 Abſ. 4 Satz 1 (oben S. 54). Alle diefe Stellen — 
größtenteils beziehen ſie ſich auf Fortführung der 
Firma oder auf Konkurrenzgeſchäfte — laffen er: 
kennen, daß ein vorangehender Konſens gemeint 
ift, und jo verweiſt denn auch die Literatur’) 
hier vielfach ausdrücklich auf BGB. § 183). 


57) Daß der Geſetzgeber dieſe in den Mot. aus⸗ 
geſprochene Abſicht durchgeführt hat, beweiſt wegen des 
Vormundſchaftsgerichts aufs deutlichſte die oben S. 54 
(Anm. 10) hervorgehobene, in dieſem Sinne alſo nur 
anſcheinende Tautologie in 88 1829 f. 

8) Vgl oben S. 55 Anm. 24. 

) Die praktiſche Bedeutung der obigen 
Fragen erhellt ſchon aus der in dieſem Aufſatze heran: 
gezogenen Judikatur; vgl. ferner die von Sachſe und 
Breit in der DIZ. VIII (1903) S. 25 und 174 beſprochene 
Entſcheidung des Kammergerichts v. 30 Dez. 1901 
(Jahr b. der Entſch. Bd. 23 A 240, Rſpr. d. OL G. 
Bd. 4 S. 193), jowie Entſch. des bayer. Ob L G. vom 
23. Okt. 1902 (Bd. 3, 1903 S. 880 ff.). 

oa) Wegen der Synonyma. vgl. die Anmerkungen 
S. 57f. und namentlich auch miteinander HGB. SS 565 und 
566. — Ferner z. B. „Zulaſſung“ in § 201 Abſ. 5 Satz 1. 

c Im BGB. findet fih „willigen“ überhaupt nicht. 

) Vgl. Staub, Kommentar (8. Aufl., Berlin 
1906) I S. 291 Anm. 9, 799 Anm. 6, 1084 Anm. 6 
ſowie Lehmann-Ring, Kommentar (Berlin 1902) 
I S. 157 Nr. 2, 473 Nr 5, 648 Nr. 2 (beide zu HGB. 
SS 60, 236, 326); ferner zu 8553 Pappenheim, Handb. d. 
Seerechts (Leipzig 1906) S. 535. Irrig dagegen (wegen 
EG. z. HGB. Art. 2, unten S. 59) m. E. im Sinne auch 
nachträglicher Zuſtimmung zu HGB. S 22 ſowohl Staub I 
S. 139 Anm. 7 wie Lehmaun-Ring S. 85 Nr. 7 
(unter Berufung auf ältere Judikatur, die ja aber noch 
nicht an die Terminologie des BHB. gebunden mar). 

en, Nicht § 182, wie ein Druckfehler bei Lehmann⸗ 
Ring 1 S. 157 Nr. 2 angibt. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Von „Genehmigung“ iſt die Rede in 
HGV. $ 85, 180 Abſ. 2 Satz 2 und Abſ. 4 
(ogl. dazu auch 8 284 Abi. 2 Nr. 4 a. E.), 
195 Abſ. 2 Nr. s, 201 Abſ. 5 Satz 1, 260 
Abi. 1, 264 Abi. 1, 284 Abſ. 2 Nr. 4, 305 
Abſ. 25, 377 Abſ. 2 und 3, 378, 386 Abſ. 1, 499 
Satz 2, 641 Nr. 3. Hier handelt es ſich in 88 85. 260, 
264, 305, 377 f., 386, 499 und 641 offenbar — 
dem Sprachgebrauche des BGB. § 184 konform“ 
— um nachträglichen Konſens, in 88 180, 195, 
201 und 284 dagegen um eine nur als voran⸗ 
gehend denkbare bundesratliche bzw. ſtaatliche ser) 
Konzeſſion. 

„Zuſtimmung“ endlich findet ſich in 
HGB. außer in den ſchon oben S. 54 erwähnten 
88 58, 116, 393, 508, 553, 782, 813 f., 816 
noch in 88 119 Abſ. 1. 180 Abſ. 3, 212 Abſ. 1 
Satz 1 und Abſ. 3, 238 Satz 1, 270, 276, 304 
Abſ. 2, 323 Abſ. 3 Satz 2,327 Abſ. 2, Abſ. 3 und 
Abſ. 4 Satz 1 und 2, 501 Abſ. 1, 506 Abſ. 2 Satz 4, 
566 Abſ. 1, 886 Abſ. 2. Von dieſen Stellen dürften 
aber 88 323 und 503 (vgl. zu ihm oben S. 54) 
jo gelegen fein, daß nur an ein vorheriges, $ 501 
ſo, daß nur an ein gleichzeitiges Einverſtändnis 
gedacht werden kann; im übrigen wird ſich““) die 
Zuſtimmung ſowohl als „Einwilligung“ wie als 
„Genehmigung“ auffaſſen laſſen. 

Es iſt aber nicht bloß zu konſtatieren, daß die 
Ausdrucksweiſe des HGB. — abgeſehen von 88 180 
(Abſ. 2 und 4), 201 und 284 oder, richtiger geſagt, 
gerade auch hier, indem bei de Geſetze betreffs der 
Konzeſſionen von der Terminologie des BGB. 
S$ 183 f. abweichen — mit der des BGB. 
harmoniert, ſondern es iſt auch darauf hinzuweiſen, 
daß wegen der im EG. zum HGB. Art. 2 
Abſ. 1 gegebenen Anweiſung auch innerhalb des 
HGB. überall da, wo die Spezialausdrücke „Ein⸗ 
willigung“ und „Genehmigung“ begegnen, dieſe 
Normen nicht anders als im engen Sinne der 88 183f. 
BGB., dagegen überall da, wo von „Zuſtimmung“ 
geſprochen wird, im weiteren Sinne ſowohl des vor— 
angehenden wie des nachfolgenden Einverſtändniſſes 
aufgefaßt werden dürfen. Während aber betreffs 
einiger anderer Definitionen des BGB., welche in die 
große Kategorie der Verſchuldensbegriffe gehören, 
durch diefe Vorſchrift des Einführungsgeſetzes eine 
nicht zu unterſchätzende Veränderung“) des matez 


es Wegen Plothke vgl. oben S. 57 Anm. 39. 

) Die Kommentare von Staub und Lehmann 
Ring ſchweigen hier zu unſerer Frage gänzlich. 

*) Einwilligung“ und „Juſtimmung“ einer Bes 
hörde finden ſich nur in der Novelle zu § 553 

65) So auch zu §§ 116. 327 und 393 Lehmann⸗ 
Ring I S. 245 Nr. 3, 649 Nr. 2, II S. 237 Nr. 4 
(vgl. auch I S. 432 Nr. 5 zu 8 212“; zu § 393 auch 
Düringer⸗ Hachenburg III (München 1905) S. 398 
Note 2. Dagegen ift zu SS 116 und 180 die Ausdrucks— 
weiſe („Einwilligung“) von Staub I ©. 416 Anm 6 
und S. 629 Anm. 10 bedenklich — Mak ower⸗Loe we 
ſpricht S. 67 Note 1a, 213 Note 2, 235 Note 1 b zu 
SS 566, 782, 814 von, „Genehmigung“. 

66 Ein anderer Fall, in welchem dieſe Norm eine 
ſolche latente Veränderung gegenüber dem Allgem. HGB. 


59 


riellen Inhaltes des HGB. im Vergleich zum 
AGB.“) herbeigeführt worden iſt“ ), ift diefe Folge 
— auch wo man“) den oben (S. 54) feſtgeſtellten 
Wechſel in der Diktion der beiden Handelsgeſetz⸗ 
bücher für angezeigt gehalten hatte — im Handels⸗ 
recht nicht eingetreten, weil man hier bei der 
Subſtitution anderer Ausdrücke korrekter verfahren 
iſt als hinſichtlich jener Verſchuldensfälle: denn 
zumeiſt iſt ja (vgl. oben S. 54) der generelle 
Begriff („Zuſtimmung“) für den ſpezielleren („Ein⸗ 
willigung“)“) und im Falle des § 112 ift der 
ſinngemäßere Begriff („Einwilligung“) für den 
nach der jetzigen Terminologie nicht mehr zu: 
treffenden Begriff („Genehmigung“) eingeſtellt 
worden; trotz der gegenwärtigen Spezialiſierung 
der Terminologie hat alſo eine Aenderung der 
geſetzlichen Tatbeſtände nicht ſtattgefunden. 
Und während jene materielle Abweichung zwiſchen 
älterem und neuerem Recht, die hinſichtlich der 
Verſchuldensbegriffe erfolgt iſt, zugleich einen 
latenten Unterſchied zwiſchen dem jetzigen deutſchen 
Handelsrecht und dem öſterreichiſchen Handels⸗ 
recht“) einſchließt, das ja noch immer auf dem 
Allgemeinen Handelsgeſetzbuche (Buch I—IV) 
baſiert, ſo iſt dieſer Unterſchied für die hier 
zur Erörterung ſtehenden Fälle nicht vorhanden, 
da ja das Oeſterreichiſche Bürgerliche Geſetz⸗ 
buch eine derartige geſetzliche Feſtlegung der Ter- 
minologie, wie in 8$ 183 f. des deutſchen BGB., 
und eine derartige offizielle Verbindung mit dem 
Handelsgeſetzbuche, wie in Art. 2 des Einführungs- 
geſetzes zu letzterem, nicht aufweiſt. 

Genau ſo aber, wie die öſterreichiſche Jurispru⸗ 
denz daher in der Interpretation unſerer drei Aus⸗ 
drücke vollkommen frei daſteht, genau ebenſo un: 
abhängig iſt natürlich auch die deutſche Theorie 
und Praxis geblieben, wo unſere Ausdrücke ſich 


er durfen hat, iſt der der „öffentlichen Verſteigerung“ 
vgl. HB. § 373 Abſ. 2 S Satz 1, Abſ. 4. Abſ. 5 Satz 1. 
§ 376 Abſ. 3 Satz 2 mit AHB. Art. 343 Abf. 2 Satz 2 
und Art. 357 Abſ. 1 Satz 2 (und dazu Art. 354, 343) 
ſowie — dem öſterreichiſchen Recht, ſ. unten gegenüber 
außer Betracht bleibend — HGB. 8 220 Abſ. 3 ver: 
glichen mit Art. 219 Abſ. 2, 184 b Abſ. 4 der Novelle 
vom 18. Juli 1884, wogegen § 290 Abi. 3 Satz 1 oma 
neu ift. Vgl. auch z. B zu § 373 Staub a. a. O. S. 1474 
Anm. 33. Von . Verkauf“ ſpricht HGB. 
ss 506 Mbi. 2 Satz 1, 873 Abſ. 1. 

7) Nicht in Betracht kommen für das im Text Ge- 
ſagte natürlich als (gänzlich oder doch in dem fraglichen 
Paſſus) neu z. B. HGB. ŞS 25, 85, 119, 236, 260, 264, 
305, 326, 378. Umgekehrt hat AGB. Art. 98 Abſ. 1 
(„Einwilligung“) keinen Nachfolger im HGB. 

os, Vgl. mein Syſtem S. 625 f. 

60 Wo kein Wechſel des Ausdrucks eingetreten 
ift (8$ 22. 24, 60, 122, 377, 386, 499, 503, 506, 544, 641), 
iit er (vgl. oben S. 54) auch ſchon im Allg. HGB. im 
Spezialſinne der S8 183 f. des BGB gebraucht geweſen, 
jo daß auch hier keine materielle Aenderung vorliegt. 

70) So ſprechen zu Art. 369 (jetzt $ 393) auch bereits 
die Prot. zum AGB., herausg. v. Lutz, Teil III 
(Würzburg 1858) S. 1203 von „Zuſtimmung“. 

„ Vgl. dazu einen demnächſt in der Allgemeinen 
öſterreichiſchen Gerichtszeitung von mir er— 
ſcheinenden Auſſatz. 


60 


außerhalb) des Bürgerlichen Geſetzbuches nebft 
ſeinem Einführungsgeſetze und außerhalb des 
Handelsgeſetzbuches ) finden.“) Und dabei ift es 
gleichgültig, ob die betreffende Rechtsnorm dem 
Reichsrecht ) oder dem Landesrecht ), dem öffent- 
lichen oder dem Privatrecht, dem Recht vor oder 
nach“) dem 1. Januar 1900 angehört. 

Als gänzlich verfehlt endlich muß es erſcheinen,“) 
wenn das Reichsgericht in einer Entſcheidung 
vom 14. Juli 1902 Bd. 52 Nr. 43 S. 163 
dem in einer Parteierklärung angewen⸗ 
deten Ausdrucke „Genehmigung“ den — wie wir 
ſahen, unwahren — Spezialſinn des $ 184 BGB. 
oktroyiert, und es macht in dieſer Hinſicht ſelbſt 
der vom Reichsgericht hervorgehobene Umſtand 
nichts aus, daß die Urkunde von einem Rechts⸗ 
kundigen abgefaßt worden war. 


Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayeriſchen 
Vaſſergeſetz von 1907. 


Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg. 
(Fortſetzung ſtatt Schluß.) 
V. Das Redt der Immiſſion. 


a) Der Rechtszuſtand vor Inkraft⸗ 
treten des BGB. Unter Immiſſion im waſſer⸗ 
rechtlichen Sinne iſt zu verſtehen die Verun⸗ 
reinigung der Gewäſſer durch Zuführung ſchäd⸗ 
licher Stoffe; als ſolche kommen in erſter Linie 
Flüſſigkeiten, insbeſondere Fabrikabwäſſer, ge: 


11) Und ohne eine zwingende innere Bezugnahme 
auf die einſchlägigen Normen des BGB. oder des 
HGB. Als Beiſpiele vgl. GBO. 8 8 Abſ. 1 Satz 2 
und 8 21. 

72) Selbſt für das mit dem HGB. fo nahe verwandte 
Binnenſchiffahrtsgeſetz und für die Seemannsordnung 
(vgl. deren 88 83 Abſ. 1 und 2, 113 Nr. 4) find BGB. 
88 183 f. irrelevant. 

7) Richtig Entſch. d. RG. vom 3. Okt. 1906 Bd. 64 
Nr. 36 S. 149 ff. zu 8 17 Abſ. 1 des Gef., betr. die Gefell- 
ſchaften mit beſchränkter 9 bedenklich die Entich. 
vom 29. Dez. 1906 Bd. 65 Nr. 13 S. 44 zu § 28 Abi. 1 
des Geſ. über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901. 

) Sogar für die durch Art. 1 des EG. z. BGB. 
inaugurierten Geſetze oder Novellen wird dies behauptet 
werden müſſen; vgl. z. B. 3wVG. 88 43 Abi. 2, 59 
Abi. 1 und 3, 60, 71 Abi. 2, 84 Abſ. 1 und 2, 105 
Abi. 4, 181 Abſ. 2. — Zu GewO. § 89 b ungenau 
Schönfeld in der DIR. XI (1906) S. 698. 

74, Auch für die partikularen Ausführungsnormen 
zum BGB. und zum HGB. iſt (vorbehaltlich der in 
Anm. 71 gegebenen Klauſel) dies anzunehmen; vgl. z. B. 
Preuß AG. z. BGB. Art. 6, 7, 16 Nr. 1, 18 8 4. 

ir) Dieſer Zeit gehört ja die oben S. 54 erwähnte 
Novelle zu HGB. § 553 an. 

7°, Vgl. dazu mein Syſtem S. 207. 

20) Auffallenderweiſe beruft ſich das Erkenntnis 
nicht auf diefe Norm, ſondern auf § 108, 117; 
übrigens kann man der Argumentation des Reichs⸗ 
gerichts noch entgegenhalten, daß ja (vgl. oben S. 54ff.) 
gerade wegen der „Genehmigung“ das BGB. am 
wenigſten konſequent geweſen ijt und zu ſein gewillt war. 
Richtiger neueſtens Entſch. d. RG. v. 12. Okt. 1907 
Bd. 66 Nr. 89 S. 373. 


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Zeitſchrift für ________Beltiehrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. in Bayern. 1908. Nr. 3. 


legentlich auch feſte, im Waſſer ſuspendierte Stoffe, 
wie Celluloſefaſern in Betracht. Welchen Umfang 
diefe Verunreinigung der Gewaͤſſer durch die Ent- 
wicklung der Induſtrie allmählich angenommen 
hat, iſt ſehr anſchaulich geſchildert in dem Be⸗ 
richte des Abgeordneten Frh. v. Malſen (S. 21 ff.). 
Gegenüber dieſen Zuführungen gewährt das bis⸗ 
herige Recht, wie es durch die Rechtſprechung 
insbeſondere des RG. entwickelt war, einen durch⸗ 
aus genügenden Schutz — vgl. insbesondere die 
grundlegende Entſch. d. RG. XVI S. 144 u. 178; 
ferner die Entſch. XXI 298, 302; XXXVIII, 268, 
IW. 1894 S. 29 Nr. 88; 1904 S. 370 (Preuß. 
Landrecht); Entſch. 53 S. 43 (Rhein. franz. Recht). 
Aus den in dieſen Entſcheidungen entwickelten 
Rechtsſätzen ſind hervorzuheben: 

1. Aus Entſch. 16, 144: „Aus dem Weſen 
des Rechtes des Gemeingebrauchs als dem 
gleichen Rechte aller, welche ſich in der 
Lage befinden, von dem Objekte des Rechts 
Gebrauch zu machen, muß man die Folgerung 
ziehen, daß das Recht eines jeden einzelnen 
ſeine Grenze findet in dem gleichen Rechte aller 
übrigen. Deshalb darf der einzelne Mit: 
berechtigte die Benützung der Sache nicht in 
ſolcher Weiſe für ſeine Zwecke ausbeuten, daß er 
dadurch den übrigen die Mitausübung ihres 
Gemeingebrauchs unmöglich macht. Soweit aber 
eine Teilung des Gebrauchs möglich iſt, hat, falls 
die Zwecke der mehreren Gebrauchsberechtigten 
nicht nebeneinander vollſtändig erfüllt werden 
können, eine verhältnismäßige Teilung unter ihnen 
ſtattzufinden. Der Beſitzer einer an einem öffent⸗ 
lichen Fluſſe gelegenen gewerblichen Anlage iſt, 
ſoweit nicht landesgeſetzliche oder polizeiliche Vor⸗ 
ſchriften entgegenſtehen, kraft ſeines Rechtes des 
Gemeingebrauchs an ſich befugt, den Fluß zur 
Wegſchaffung der Abfallwaͤſſer ſeines Betriebs zu 
benützen. Die bloße Tatſache irgendeiner 
hierdurch anderen Gebrauchsberechtigten hinſichtlich 
ihrer anderweiten Benutzung des Fluſſes zuge: 
fügten Benachteiligung kann nicht ausreichen um 
die letzteren ohne weiteres zu dem Verlangen der 
Einſtellung der ſie benachteiligenden Immiſſionen 
zu berechtigen, dieſe müſſen ſich vielmehr, um eine 
Benutzung des Fluſſes für die beiderſeitigen 
Zwecke nebeneinander zu ermöglichen, ein gewiſſes 
nach freiem richterlichen Ermeſſen unter Erwägung 
aller Umſtände zu beſtimmendes Maß von Be— 
läſtigungen und Beſchränkungen gefallen laſſen.“ 
Aehnliche Grundſätze, wie hier für die öffentlichen 
Gewäſſer, ſind in Entſch. 21, 298; 21, 302; 38, 
266 für Privatflüſſe entwickelt. 

2. Entſch. 16, 178 und Entſch. 21, 302 und 
ſpäter öfters wird als Maß der von den anderen 
Intereſſenten zu duldenden Verunreinigung der ge: 
meinübliche Gebrauch aufgeſtellt, und dieſer JW. 
1904 S. 370 wie folgt, begrenzt: „Ob eine be— 
ſtimmte Art der Zuleitung nach Stoff und Um— 
fang das Maß des Gemeinüblichen überſchreitet, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


kann immer nur nach den Umſtänden des Einzel: 
falls beurteilt werden. Bei der Prüfung dieſer 
Frage im Einzelfalle wird häufig der Begriff des 
Nichtgemeinüblichen und der bes Schädlichen einer 
Abwaſſerzuleitung zuſammenfallen. Eine Zu⸗ 
führung ſolcher Abwäſſer, die nach ihrer chemiſchen 
Beſchaffenheit unbedingt und ſchon für ſich allein 
oder auch vereinigt mit anderen, ihren Stoffen 
nach aber unſchädlichen Schmutzwäſſern für Menſchen 
oder Tiere geſundheitsſchädlich wirken müſſen, kann 
1 keinem Falle als gemeinüblich und zuläſſig 
gelten. 

3. Entſch. 21, 300, womit zu vergleichen 
JW. S. 1904, 370 wird der ſeitens der Fabriken 
ſo beliebte Einwand für unberechtigt erklärt, daß 
ihre Waſſerzuführung nicht für ſich allein, ſon⸗ 
dern nur etwa in Verbindung mit gleichartigen 
Zuführungen Dritter nachteilig wirke und daß 
nur alle zuſammen oder nur derjenige Immittent 
belangt werden könne, in deſſen Verfahren die 
weſentliche Urſache der Uebelſtände zu finden ſei. 

4. Entſch. 21, 303 wird ausgeführt, daß der 
Kläger zur Begründung der Klage nicht darzutun 
braucht, daß die an ſich das Maß des gewöhnlichen 
und gemeinüblichen Gebrauchs der Privatflüſſe über⸗ 
ſchreitende Benutzung zugleich ſchaͤdlich wirke, daß 
aber der Beklagte den Anſpruch einredeweiſe durch 
den Nachweis beſeitigen könne, daß die Klage nur 
aus Schikane erhoben fei, indem der Kläger durch 
das, worüber er fih beſchwere. in keiner Weile 
beeinträchtigt werde. Umgekehrt könne der Kläger 
dieſem Einwande dadurch begegnen, daß er ſelbſt 
den Beweis ſeiner Schädigung erbringe. Wir 
ſehen alſo, daß das RG. hier keineswegs die Klage 
etwa von dem Nachweiſe eines Verſchuldens des 
Beklagten, ja nicht einmal von dem Nachweiſe 
eines Schadens abhängig macht, ſondern ſie lediglich 
aus dem Weſen des Gemeingebrauchs ſelbſt ableitet. 
Daß dabei eine Analogie mit den Grundſätzen 
des Sachenrechts, insbeſondere des Nachbarrechts 
ſtattfindet, wird auch derjenige nicht beſtreiten 
konnen, der mit mir in dem Gemeingebrauch kein 
ſachenrechtliches Verhältnis erblickt. Allerdings 
handelt es fih bei den erwähnten Entſcheidungen 
nur um negatoriſche Anſprüche, nicht um Klagen 
auf Schadenserſatz; wegen der letzteren vgl. 
Entſch. 6, 147 (gemeines Recht), 38, 269; JW. 1893 
S. 569, 1905 S. 503, wo für die Schadens⸗ 
erſatzllage der Nachweis eines Verſchuldens des 
Beklagten erfordert wird, es ſei denn, daß ſie 
lediglich gemäß $ 26 GewO. an Stelle der dort 
derſagten Klage auf Beſeitigung der faden- 
bringenden Einrichtungen tritt, ſ. übrigens auch 
Bl. f. RA. Erg.⸗Bd. 12, 142 (Preuß. R.). 

b) Die Stellung des BGB. zu den 
Immiſſionen. Der 8 903 BGB. befaßt ſich 
nicht mit der Immiſſion im Sinne des Waſſer⸗ 
kechts, fondem nur mit der Zuführung unwäg⸗ 
barer Stoffe — Imponderabilien. Jene überläßt 
er, übereinſtimmend mit Art. 65 EG. der landes⸗ 


—— 3.8 U—— e . ———2ů—ßv—ĩ3³v .d ——s8ßö8383ʒ;· .-... 2ꝗ62᷑ͤ᷑ꝛ³AM⸗.ò-.ůͤů —ä ä5‚Ä3oaa xx 


61 


geſetzlichen Regelung. § 903 kann daher in bezug 
auf die waſſerrechtliche Immiſſion nur dann zur 
Anwendung kommen, wenn etwa die betreffende 
Frage landesgeſetzlich nicht geregelt und ſonach $ 903 
im Wege der Analogie heranzuziehen ift.?') 

c) Das bayeriſche Recht. Das bayeriſche 
WG. regelt die Immiſſionen in Art. 37—41 in 
einer von dem bisherigen Rechte abweichenden 
Weiſe. Es knüpft die Zuleitung „von Flüſſigkeiten 
oder anderen nicht feſten Stoffen, die eine ſchäd⸗ 
liche Veränderung der Eigenſchaften des Waſſers 
zur Folge haben“, an die in widerruflicherweiſe 
zu erteilende Erlaubnis der Verwaltungsbehörde, 
räumt dieſer Behörde ausgedehnte Befugniſſe gegen 
den Unternehmer zur Vermeidung ſchädlicher Ein: 
wirkungen der Zuführung ein, entzieht aber im 
Falle der Erlaubniserteilung den „am Waſſer 
Berechtigten“ die negatoriſche Klage, alſo den An⸗ 
ſpruch auf Verbietung der behördlich erlaubten 
Zuführung und beläßt ihnen nur den Anſpruch 
auf Schadenserſatz, verwandelt alfo den negatoriſchen 
Anſpruch in einen bloß reftitutorifchen.”) Das 
Fundament der Klage iſt in ſolchem Falle die 
Tatſache der einerſeits konzeſſions mäßigen, anderſeits 
ſchädlichen Zuführung, alſo nicht etwa ein Ver⸗ 
ſchulden des beklagten Unternehmers; ein ſolches 
wird ja durch die Erteilung der behördlichen Er⸗ 
laubnis ausgeſchloſſen. Aber ein Drittes muß 
noch hinzukommen: die Zuführung muß eine ſolche 
ſein, daß den am Waſſer Berechtigten ein An⸗ 
ſpruch auf Unterlaſſung der Zuleitung zuſtünde, 
falls keine waſſerpolizeiliche Genehmigung erteilt 
worden wäre. Mit andern Worten: der durch 
Art. 37 Abſ. 5 eingeräumte Anſpruch auf Schadlos⸗ 
haltung hat, von der Konzeſſionsfrage abgeſehen, 
keine anderen Vorausſetzungen als der durch ihn 
erſetzte negatoriſche Anſpruch; jene Vorausſetzungen 
bemeſſen fih nach den Rechtsſätzen des Zivilrechts.““) 
Aber welche Rechtsſätze ſind das? Gelten hier noch 
die Partikularrechte, wie fie vor dem 1.1.1900 be⸗ 
ſtanden haben? Wir ſehen, es kehrt hier die 
gleiche Kontroverſe wieder, mit welcher wir uns 
zufolge der verhängnisvollen Faſſung des Art. 1 
AG. z. BGB. oben beim Gemeingebrauch zu be⸗ 
faſſen hatten. Wer Meiſners Meinung teilt, mit 
den Waſſergeſetzen ſeien die bisher zu ihrer Er⸗ 
gänzung dienenden Rechtsquellen aufrecht erhalten, 
wird die Anſicht vertreten müſſen, daß die be⸗ 
treffenden Rechtsſätze der Territorialrechte auch 
künftig für die Frage Maß zu geben haben, ob 
eine Zuführung, abgeſehen von der waſſerpolizei⸗ 
lichen Genehmigung, erlaubt wäre; wer mit mir 
die Anſicht vertritt, die einſchlägigen Sätze der 
Territorialrechte ſeien durch Art. 1 a. a. O. auf⸗ 


21) Maenner, Sachenrecht 2. Aufl. S 22 N. 27. 

22) Die Faſſung des Art. 37 ift etwas undeutlich, 
vgl. aber die Erklärung des Juſtizminiſters im Aus— 
ſchuſſe der Reichsratskammer, Anhang S. 181, 182. 

2) Vgl. die guten Bemerkungen Meiſners S. 273 
über den ähnlichen § 26 GewO. 


62 


gehoben, wird zur Heranziehung eines ſolchen 
juriſtiſchen Vakuums einerſeits den Art. 27 WG., 
anderſeits den 8 906 BGB. heranziehen. Da 
aber dieſe beiden prinzipiellen Beſtimmungen mit 
den Grundſätzen des früheren insbeſondere des 
gemeinen Zivilrechtes ſo ziemlich übereinſtimmen, 
ſo behalten die oben angeführten von der reichs⸗ 
gerichtlichen Rechtſprechung entwickelten Satze auch 
für das neue Recht ihre Bedeutung. 

Werden ſchädliche Flüſſigkeiten ohne Erlaubnis 
der Verwaltungsbehörde dem Waſſer zugeführt, 
ſo iſt Art. 37 Abſ. 5 WG. ſelbſtverſtändlich nicht 
anwendbar, es bewendet daher bei der negatoriſchen 
Klage, mag man dieſe nun auf das bisherige 
Recht oder auf Art. 27 WG., § 906, 1004 BGB. 
ſtützen. Selbſtverſtändlich können in einem ſolchen 
Falle auch die Beſtimmungen des BGB. über 
unerlaubte Handlungen, beſonders $ 823, in Frage 
kommen.“) Weiter bewendet es bei den allge- 
meinen zivilrechtlichen Beſtimmungen, wenn An⸗ 
lieger, die nicht „am Waſſer berechtigt“ ſind, 
oder die Eigentümer von Grundſtücken, die nicht 
unmittelbar an einem Fluſſe liegen, eine ſchäd⸗ 
liche Einwirkung geltend machen, die durch die 
Einleitung von Flüſſigkeiten oder feſten Stoffen 
in das Waſſer herbeigeführt worden ſei; man 
ſetze den Fall, daß ſolche Stoffe durch das Grund⸗ 


1 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Betracht, deſſen Anwendung bei Erteilung der 
behördlichen Erlaubnis, Flüſſigkeiten in öffentliche 
Gewäſſer einzuleiten, zu einer erweiterten Haftung 
des Unternehmers führt. 

Endlich ſei darauf hingewieſen, daß die 
Fiſchereiberechtigten nicht unter die „anderen am 
Waſſer Berechtigten“ im Sinne des Art. 37 
Abſ. 5 fallen, weil ihre Anſprüche in Art. 109 
Abſ. 2 geregelt ſind und daß, wie RR. v. Thele⸗ 
mann (Anh. S. 186) feſtſtellte, unter den im 
Schlußſatz des Art. 40 Abſ. 2 genannten Schadens⸗ 
erſatzanſprüchen Dritter nur zivilrechtliche Anſprüche 
Dritter aus beſonderen Rechtstiteln, nicht waſſer⸗ 
rechtliche Anſprüche, wie in Art. 37 Abſ. 5, zu 
verſtehen ſind. 

Wir ſehen, daß das bayer. WG. auf dem 
Gebiete der Immiſſion Aenderungen des Rechts⸗ 
ſtandes getroffen hat, die im Intereſſe der auf⸗ 
blühenden Induſtrie notwendig ſein mögen, aber 
doch im Hinblick auf den verminderten Rechts⸗ 
ſchutz der anderen am Waſſer Berechtigten keines⸗ 
wegs ohne Bedenken ſind. Intereſſante Beiſpiele 
in dieſer Richtung hat RR. Fürſt zu Löwenſtein⸗ 
Wertheim⸗Freudenberg (Anh. S. 179) angegeben 
und man kann nur wünſchen, daß die Verwal⸗ 
tungsbehörden von den ihr gleichſam auf Koſten 
des Zivilrechts neu eingeräumten Befugniſſen zur 


waſſer oder durch Ueberſchwemmung in Gärten Reinhaltung der Gewäſſer kräftig Gebrauch machen, 
gelangen und den Pflanzenwuchs ſchädigen??). An die Rechtſprechung aber gegenüber Rückſichtsloſig⸗ 
der Grenze des Waſſerrechts und des Nachbar- keiten der Induſtrie die Wege wandeln möge, 


rechts liegen die Fälle, in welchen genehmigte 
Zuführungen durch Erregung widrigen Geruches 
die Anlieger ſchädigen, z. B., wie vorgekommen, 
das Mehl in einer am Waſſer gelegenen Mühle 
durch Mitteilung eines Geruches minderwertig 
machen. Auch dieſe Fälle dürften indeſſen aus 
dem Anwendungsgebiete des Art. 37 Abſ. 5 WG. 
ausſcheiden: in dem angeführten Beiſpiele wird 
der Mühlbeſitzer nur als Anlieger, nicht als 
„am Waſſer Berechtigter“ geſchädigt, ihm bleibt 
daher die negatoriſche Klage. Abgeſehen von dem 
Argument aus der Faſſung des Art. 37 Abſ. 5 
ift auch daran zu erinnern, daß Art. 65 EG. 
der Landesgeſetzgebung nur in Fragen des Wafler- 
rechts Spielraum gelaſſen hat und daß unſer 
Fall dem Nachbarrechte angehören dürfte, alſo 
der landesrechtlichen Regelung nicht unterſteht. 
Neben den Beſtimmungen des WG. über 
Reinhaltung der Gewäſſer kommt natürlich der 
ſchon oben angeführte Art. 59 AG. z. BGB. in 
4) Ein Schutzgeſetz im Sinne des § 823 Abſ. 2 


dürfte Art. 126 Abſ. 1 Ziff. 3 PStGB. fein, f. Bl. f. RA. 
Bd. 11, 385, vor allem aber Art. 37 WG. 


„einbringen“ in Art. 37 abſichtlich gewählt, „damit auch 
die Fälle getroffen werden, wo die ſeſten Stoffe, deren 
Vermiſchung mit dem Waſſer verboten iſt, in ſolcher 
Nähe am Fluß gelagert werden, daß ſie durch jedes ein— 
tretende Hochwaſſer von ſelbſt mit dem Waſſer in Ver— 
bindung kommen“. 

2°) Siehe Maenner a. a. O. und die angeführte 
Erklärung des Juſtizminiſters. 


Wie der 
Abgeordnete v. Malſen feſtſtellte, wurde der Ausdruck 


| 


welche ihr das Reichsgericht in den oben zitierten 
Erkenntniſſen gewieſen hat. (Schluß folgt.) 


Vemerkungen zu dem Entwurfe 
einer Kirchengemeindeorduung für Bayern. 


Von Dr. A. Durmaher, Regierungsakzeſſiſt in Speyer. 
(Fortſetzung.) 
3. Wirkungskreis der Kirchengemeinde. 


Art. 1 beſtimmt Weſen und Zweck der Kirchen— 
gemeinde. Beſtimmung iſt Begrenzung. Alſo: 
„Die KG. iſt Verband zur Befriedigung der ört— 
lichen Kirchenbedürfniſſe“ heißt: ſie iſt nur das 
und nichts außerhalb dieſes Gegenſtandes Gelegenes. 
Oertliches Kirchenbedürfnis iſt: Alles, was zur 
gemeinſchaftlichen materiellen Betätigung religiöſer 
Intereſſen örtlicher Natur erforderlich iſt. Freilich, 
was religiöſes Intereſſe iſt, darüber urteilt nicht 


jede Zeit und nicht jeder Machthaber gleich. 


Bd.] S. 251, 283, II S. 1 ff.). 


Wenn urſprünglich das Kirchengut im Eigentum 
der Biſchofskirche ſtand und der freien Verfügung 
des Biſchofs überlaſſen war, ſo wurde doch ſchon 
ſehr bald durch ſeine Feſtlegung auf die vier 
Zwecke: für den Biſchof, für den Klerus, für die 
Fabrik, für die Armen, eine enge Beſtimmung 
gegeben. (Meurer, Bayer. Kirchenvermögensrecht, 
Das alſo war 


— — . G!—— ee o 
— — ů— —— — =Ü·—tb2 y —ʃ..᷑ ᷑ ̃ —iñé kö!—EUe x — ͤͤꝗàꝓũdataĩ ᷑ DAe2 ʒZ——ͤ—:—— 


das religiöfe Intereſſe; denn man kann wohl 
ſagen, daß das im Eigentum der Kirche befind⸗ 
liche Vermögen in der Regel auch religiöſen 
Zwecken dient. Demnach war Schul⸗ und Armen⸗ 
zweck von jeher Kirchenzweck. Und auch heute 
noch ſteht die Kirche auf dieſem Standpunkt. 
Wie ſtellt ſich der Staat hierzu, der alle ver⸗ 
mögensrechtlichen Fragen der Kirche als weltliche 
Angelegenheiten öffentlichen Intereſſes betrachtet? 
(II. Verf Beil. $ 64). Was religiöſes Intereſſe 
iſt, muß zunächſt aus der Verfaſſungsurkunde er⸗ 
ſchloſſen werden. VerflUrk. Tit. IV $9, 10, II. Beil. 
§ 46 ſprechen von einem für Wohltätigkeit und 
Unterricht beſtimmten Vermögen der einzelnen 
Religionsteile. Im übrigen erkennt die Ver⸗ 
faſſungsurkunde als religiöſes Intereſſe lediglich 
die „geiſtlichen“ Angelegenheiten an (Tit. IV 89, 
II. Beil. bef. § 38). Daraus ergibt fih, daß 
zum mindeſten Gegenſtände, die auch außerhalb 
des Wohltätigkeits⸗ und Schulzwecks liegen, nicht 
als religiöſe Intereſſen gelten. Was aber das 
für Unterricht und Wohltätigkeit beſtimmte Kirchen⸗ 
vermögen anlangt, ſo ſoll dies durch die Ber: 
faſſungsurkunde keineswegs als Vermögen für die 
Befriedigung religiöſer Bedürfniſſe erklärt werden; 
es wird vielmehr der Wohltätigkeits- und Schul: 
zweck dem Kultuszweck gerade gegenübergeſtellt 
und lediglich die Einheit des Eigentums- 
trägers hervorgehoben. Es handelt fih dem: 
nach hier um Vermögen, das für Wohltätigkeit 
und Unterricht beſonders aus geſchieden ift 
(f. auch Meurer a. a. O. I S. 4, 17, 283). Daß 
nur der unmittelbare geiſtliche Zweck als Kirchen: 
bedürfnis anerkannt wird, zeigt $ 49 der II. 
Verf Beil. mit 85 47, 48: „Wenn nach Deckung 
des Kirchenbedürfniſſes fih Ueberſchüſſe am Ber- 
mögen ergeben, ſo können dieſe unter beſonderen 
Verhältniſſen für Schul: und Armen-Anftalten 
Verwendung finden.“ Auch die ME. v. 15. September 
1836 (Weber III. S. 70) jagt: „Alles Kirchen: 
vermögen ift entweder zum Unterhalt der Geiſt— 
lichen beſtimmt oder den unmittelbaren Be— 
dürfniſſen der Kirche gewidmet.“ Darnach kann 
kein Zweifel beſtehen, daß Schul- und Armen— 
zweck als außerkirchliche Intereſſen gelten. Hieran 
ändert auch nichts die Tatſache, daß das Ver— 
mögen der Bruderſchaften häufig in dem Ver— 
mögen einer Kirchenſtiftung eingeſchloſſen iſt (Mot. 
S. 81); denn die Bruderſchaften ſind auch dann, 


wenn fie einen mildtätigen Zweck verfolgen (coetus 


qui caritatis officia exercenda se congregavit, 
— ſ. Krick, Verwaltung des kath. Pfarramts 
II. Aufl. S. 531) doch Vereinigungen mit geiſt— 
lichem Charakter und die charitative Betätigung 
iſt nur der beſondere Ausdruck religiöſen Lebens. 
So war denn auch bisher die Erhebung von 
Umlagen innerhalb der Kirchengemeinden, 
die gerade die Aufgabe haben, das Ortskirchen— 
bedürfnis zu befriedigen, zu andern als Kultus— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


i 


63 


— 


und damit auch der Wirkungskreis der 
Kirchengemeinde auf die Sorge für das Kultus⸗ 
bedürfnis überhaupt beſchränkt; denn die Um: 
lagenerhebung iſt immer das Mittel, mit dem 
in letzter Linie allein die Durchführung eines 
beſtimmten Zweckes geſichert wird. Nur unter 
beſonderen Umſtänden kann die Verwendung von 
Ueberſchüſſen zu Schul⸗ und Armenzwecken beſonders 
angeordnet werden (II. VerfBeil. § 49); hiermit 
iſt nicht der Kirchengemeinde das Recht zuge⸗ 
ſprochen, ſich mit derlei Aufgaben gegebenenfalls zu 
beſchäftigen, ſondern lediglich dem Staat die Be⸗ 
fugnis zuerteilt, ihr Vermögen zu ſolchen Zwecken 
heranzuziehen (Seydel Bd. IV S. 189 Anm. 2); 
eine unmittelbare Anordnung über den Wirkungs⸗ 
kreis der Kirchengemeinden kann § 49 auch 
ſchon deshalb nicht enthalten, weil Kirchenge⸗ 
meinden als Rechtsſubjektive im Jahre 1817 noch 
nicht exiſtierten. 

Das Ergebnis der Feſtlegung und der Be⸗ 
ſchränkung der Kirchengemeinde auf die Sorge 
für das Kultusbedürfnis iſt, wie eben und ſchon 
eingangs angedeutet, die Unzuläfſigkeit der Pe- 
ſchäftigung mit andern Aufgaben und der Ver— 
wendung ihres Vermögens zu andern Zwecken. 
Das folgt aus der Erklärung des Kultuszweckes 
zu einem Gegenſtande des öffentlichen Intereſſes 
und dem Charakter der Kirchengemeinde als 
einer öffentlichen Korporation. Nur der Staat 
hat Herrſchaftsrecht, nur er alſo kann ein 
Intereſſe zum öffentlichen erklären, alſo ſeine 
Durchſetzung auf das Verhältnis der Ueber- und 
Unterordnung, d. h. auf Zwang gründen. Ueber⸗ 
läßt er die Durchführung ſolcher Intereſſen einer 
Korporation zur Selbſtverwaltung, macht er ſie 
alſo dadurch zur öffentlichen Korporation, 
jo hat die Korporation darin ihren Lebenszweck. 
Alles, was außerhalb dieſer ihrer Aufgabe liegt, 
iſt ihr verboten; denn iſt es öffentlicher Natur, 
ſo fehlt es an der Uebertragung an ſie; iſt es 
privatrechtlichen Charakters, ſo hindert es die 
Körperſchaft an der rechten Erfüllung ihrer Lebeng: 


aufgabe, ſei es, weil ihre Leiſtungsfähigkeit 


Handlung, 


| 
| 


| 


hierdurch beeinträchtigt wird, jet es, weil ſie von 
ihrer Aufgabe abgelenkt wird. Die Wirkung 
der Einſchränkung der öffentlichen Korporation 
auf beſtimmte Lebenszwecke iſt aber die, daß jede 
welche unter Ueberſchreitung des 
Wirkungskreiſes geſchieht, rechtlich unwirkſam 
iſt (zu vgl. mein „Recht der öffentlichen Vieh— 
und Pferdeverſicherungsvereine Bayerns“ S. 129 ff. 
und die dort zit. Literatur). 

Die Motive zur Kirchengemeindeordnung ſagen 
nun S. 52, 106, der Standpunkt des Entwurfs 
ſei im allgemeinen ein konſervativer und das 
verfaſſungsmäßig feſtgelegte Verhältnis zwiſchen 
Staat und Kirche ſolle nicht berührt werden. 
Prüfen wir nach dieſer Richtung den Entwurf, 
ſo iſt, wie geſagt, in Art. 1 der Wirkungskreis 


zwecken unzuläſſig (Meurer 1 S. 113 Anm. 4) der Kirchengemeinde auf die Sorge für das 


64 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


„Ortskirchenbedürfnis“ beſchränkt. Was wir oben 
als Definition des Ortskirchenbedürfniſſes nach 
bayer. Recht feſtgeſtellt haben, erfährt für den 
Entwurf eine Einſchränkung inſofern, als der 
Entwurf nur das Ortskirchenbedürfnis im engeren 
Sinn im Gegenſatz zu dem Bedürfnis für den 
Unterhalt der Seelſorgsgeiſtlichen verſtanden wiſſen 
will, allerdings nicht unter ſcharfer Trennung 
der beiden Zwecke, da dieſe Trennung in der 
Rechtsentwicklung überhaupt noch nicht mit voller 
Beſtimmtheit vollzogen iſt (Art. 12 Abſ. IV; 
Mot. S. 106; zu vgl. die Ausdrucksweiſe der 
VerflUrk. II. Beil. § 47, 48, 88; Meurer I S. 256). 
Im übrigen wird unſere Definition durch Art. 12 
Abſ. I des Entwurfs beſtätigt; er jagt: „Orts⸗ 
kirchenbedürfnis ſind die notwendigen Erforder⸗ 
niſſe für die würdige Feier des öffentlichen Gottes⸗ 
dienſtes, die Seelſorge und die Vermögensver⸗ 
waltung“. Nun folgt aber in Abſ. II die An⸗ 
ordnung: „Ferner gehören zu den Ortskirchenbe⸗ 
dürfniſſen die Erforderniſſe für die Verbindlich⸗ 
keiten des ortskirchlichen Stiftungsvermögens und 
der Kirchengemeinde auf Grund beſonderer 
Rechtsverhältniſſe und geſetzmäßiger 
Beſchlüſſe, und Art. 75 Ziff. 5 ſpricht von 
freiwilligen Leiſtungen aus Mitteln der Kirchen⸗ 
gemeinde außerhalb des Kreiſes der Orts— 
kirchenbedürfniſſe. Mit dieſen Beſtimmungen iſt 
nicht bloß der in der Entwicklung des bayer. 
Rechts entſtandene Begriff der Ortskirchenbedürf⸗ 
niſſe, wie er auch noch in Abſ. I niedergelegt iſt, 
verworfen, ſondern es iſt auch jede Begrenzung 
der Lebensaufgabe der Kirchengemeinde be= 
ſeitigt, ſoweit nicht andere geſetzliche Vorſchriften 
eine ſolche enthalten, und Art. 1 Abſ. I iſt in 
ſeiner Wirkung aufgehoben. 

Die Faſſung von Abſ. II Art. 12 erinnert an 
die gleiche in Art. Z der Gemeindeordnungen. 
Die Motive S. 105 laſſen erſehen, daß dieſe 
Beſtimmungen wirklich als Vorbild gedient haben. 
Wenn man nun erwägt, daß die politiſchen Ge: 
meinden einen umfaſſenden Wirkungskreis haben, 
während der Kirchengemeinde nach der ganzen 
Rechtsentwicklung ein eng begrenzter Geſchäftskreis 
zukommen ſoll, ſo müßte die gewählte Faſſung 
v. Art. 12, II allein ſchon zu Auslegungsſchwierig— 
keiten und Mißverſtändniſſen führen. 


Nun wird mir entgegengehalten werden, Art. 
12, II wolle keineswegs der Kirchengemeinde das 
Recht zu beliebigen Betätigungen erteilen; gerade 
weil Art. 75 Ziff. 5 von freiwilligen Leiſtungen 
außerhalb des Ortskirchenbedürfniſſes ſpreche, 
während Art. 12, II Gegenſtände innerhalb 
des Ortskirchenbedürfniſſes betreffe, fei deutlich 
erſichtlich, daß Art. 12, IL nicht die Zulaſſung 
freiwilliger mit dem „Ortskirchenbedürfnis“ in 
keinem Zuſammenhang ſtehender Nebenbetäti— 
gungen enthalte (Mot. S. 261 Abſ. IV). Dann 
aber muß ich fragen: 


Welche Bedeutung kann unter dieſen Um⸗ 
ſtänden Art. 12, II haben? Die Motive laſſen 
S. 100 ff., 251, 261 erkennen, daß Art. 12 
Abſ. II den Gegenſatz zu Abſ. I bilden fok, 
wenn letzterer von „notwendigen“ Erforderniſſen 
für die Ausübung des Kultus ſpricht; Abſ. II ſoll 
alfo die luxuriöſen Aufwendungen für die 
gleichen Bedürfniſſe treffen. Dann heißt: 
„geſetzmäßige Beſchlüſſe“ lediglich: Beſchlüſſe 
in geſetzmäßiger Form. Will dies aber geſagt 
ſein, ſo wäre es wünſchenswert, dies expressis 
verbis zu ſagen. Denn der Gegenſatz von „not⸗ 
wendig“ braucht nicht „luxuriös“ zu ſein, und der 
Begriff des „Notwendigen“ wird auch erſt aus 
ſeinem Gegenſatze völlig beſtimmt. Der Gegenſatz 
des Zivilrechts „necessarium — utile“ braucht 
ſich nicht zu decken mit dem Gegenſatze: „not⸗ 
wendig — luxuriös“. 

Aber diefe Deutung wird überhaupt ſofort 
wieder zerſtört, wenn die Motive S. 105 als 
Beiſpiel einer Verbindlichkeit auf Grund „be⸗ 
ſonderer Rechtsverhältniſſe“, welche in Abſ. II, 
Art. 12 in gleicher Reihe neben den „geſetz⸗ 
mäßigen Beſchlüſſen“ genannt ſind, die Zuſchüſſe, 
die auf Grund älterer Normen für Wolksſchulen 
zu leiſten find, nennen, und wenn S. 101 ge 
ſagt iſt, das Verzeichnis der in Abſ. I aufge⸗ 
zählten Laſten fei erſchöpfend, dort nicht auf- 
gezählte Bedürfniſſe ſeien nach Abſ. II zu be⸗ 
handeln. Ajo meint Abſ. II doch auch noch 
andere Gegenſtände als die in Abſ. Jerwähnten. 
„Geſetzliche Beſchlüſſe“ heißt alſo: Beſchlüſſe auf 
Grund geſetzlicher Zulaſſung, d. h. Beſchlüſſe in 
Gegenſtänden, deren Betrieb durch die Rechts⸗ 
ordnung der Kirchengemeinde geſtattet worden iſt. 
Wenn eine ſolche Geſtattung aber nicht ſtattge⸗ 
funden hat? Dann iſt Art. 12, II inſoweit gegen⸗ 
ſtandslos? | 

Daß die Vorſchriften in Art. 12, II und 75 
Ziff. 5 wirklich dazu führen, der Kirchengemeinde 
Zwecke zuzuerkennen, die mit der Rechtsentwick⸗ 
lung des Begriffs der Ortskirchenbedürfniſſe und 
der bisherigen Rechtsentwicklung überhaupt nicht 
übereinſtimmen, ergibt ſich aus folgendem: 

Wenn man auch abſieht von der Aufſtellung 
der Motive S. 57 unten, „Art. 1 kennzeichne 
den Hauptzweck der Kirchengemeinden, ihre 
primäre und vornehmſte Aufgabe“, da die Motive 
gegenüber dem klaren Wortlaut des Art. ! nicht 
maßgebend ſein könnten, ſo folgt die Abſicht doch 
zunächſt aus Art. 75 Ziff. 5, der von frei: 
willigen Leiſtungen aus Mitteln der Kirchenge⸗ 
meinde außerhalb des Kreiſes der Ortskirchen— 
bedürfniſſe, wenn ſie überhaupt mit der Aufgabe 
der Kirchengemeinde vereinbar ſind, ſpricht. 
Zunächſt: Freiwillige Leiſtungen außerhalb des 
Kreiſes der Ortskirchenbedürfniſſe ſind mit den 
Aufgaben der Kirchengemeinde an ſich über: 
haupt nicht vereinbar; denn, wie oben aus: 
geführt, wenn die Kirchengemeinde die Beſorgung 


des Ortskirchenbedürfniſſes zum Zweck hat, jo 
iſt alles, was außerhalb dieſes Zweckes liegt, mit 
ihm unvereinbar, denn alles dies hindert ſie an 
der Erfüllung ihrer Aufgabe, ſei es durch Ab⸗ 
lenkung, ſei es durch Beeinträchtigung ihrer 
Leiſtungsfähigkeit. Vereinbar mit der Lebens⸗ 
aufgabe einer öffentlichen Korporation iſt nur das, 
was ihr ausdrücklich übertragen oder ausdrücklich 
geſtattet ift. Wenn alfo freiwillige Leiſtungen der 
Kirchengemeinde in Frage kommen folen, fo 
müßte die Erlaubnis hierzu ausdrücklich und zwar 
unter namentlicher Aufzählung der Gegenſtände 
erteilt werden. Die namentliche Aufführung freier 
Nebenbetätigungen iſt ſchon zur Vermeidung der 
Rechtsunſicherheit erforderlich, da eine unter Ueber⸗ 
ſchreitung des geſetzlich zuläſſigen Wirkungskreiſes 
geſchehene Handlung rechtsunwirkſam iſt. Oder 
ſoll eben Art. 75 Ziff. 5 dieſe Zulaſſung ander⸗ 
weitiger Betätigungen enthalten? Das ſcheint die 
Abficht zu fein. Siehe d. Mot. S. 258 zu Ziff. 5 
Abſ. II: „Es können nach Maßgabe dieſer 
Vorſchrift Ausgaben für verſchiedene Zwecke ge⸗ 
macht werden.“ Auf alle Fälle wird dieſe Ab⸗ 
ſicht in das Geſetz hineingeleſen werden und folge⸗ 
richtig auch die Abſicht, daß für ſolche Zwecke 
Umlagenrecht gewährt werde; denn es laſſen ſich 
Intereſſen nur dann bis zum letzten Ende ver— 
wirklichen, wenn auch die nötigen Mittel beſchafft 
werden können. Aber eine Lebens frage ſolcher 
Art, — es handelt ſich um Weſen und Zweck 
der Kirchengemeinde — hätte ihre Erledigung im 
1. oder im Anfange des 2. Abſchnitts des Geſetzes 
zu finden. Und im übrigen fehlte es immer 
noch an der namentlichen Aufzählung der zuge— 
laſſenen Betätigungen. Es genügt nicht, die 
Löſung dieſer Frage im einzelnen Fall dem 
richterlichen Ermeſſen anheimzuſtellen. Es ſei 
nur auch auf die merkwürdige Erſcheinung auf- 
merkſam gemacht, daß der Entwurf Art. 1, I, III, 
IV die Befugniſſe der Kirchengemeinde der 
Kirche gegenüber ſo ſorgfältig abgrenzt, um Ueber— 
griffe unmöglich zu machen, während er ſich über 
den Umfang der Befugniſſe im Verhältnis zu 
dem Staat ſelbſt ausſchweigt. Auch die Vor: 
ſchriſt des Art. 14, III, die bei der Frage der 
Gebührenerhebung im Gegenſatz zu den Gemeinde— 
ordnungen die „Unternehmungen“ der Kirchen— 
gemeinde abſichtlich nicht erwähnt (Mot. S. 114), 
iſt kein Erſatz für das Fehlende. 


Dazu kommt noch ein weiteres. § 47 der 
II. VerfBeil. verbietet die Verwendung der 
Subſtanz des Kirchenvermögens zu einem 


andern als dem Stiftungszweck ohne Zuſtimmung 
der Beteiligten. Daß dieſe Beſtimmung auch für 
die Kirchengemeinde bzw. das Kirchengemeinde— 
vermögen Anwendung zu finden hat, kann keinem 
Zweifel unterliegen. Denn § 47 ſpricht ganz 
allgemein von Kirchenvermögen. Es iſt hier zu— 
nächſt der Begriff des Stammvermögens feſtzu— 
ſtellen im Gegenſatz zu den „Erträgniſſen“, die 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


65 


in 88 48, 49 der II. Verf Beil. in Frage ſtehen. 
Da ergibt ſich nun, daß die durch Umlagen 
jeweils gewonnenen Mittel jedenfalls nicht als 
Ueberſchüſſe im Sinne der SF 48, 49 angeſprochen 
werden können; denn ſolange überhaupt Umlagen 
erhoben werden, auch wenn dies zu außerkirch⸗ 
lichen Zwecken geſchieht, beſteht zum mindeſten keine 
nachhaltige Sicherung für die Zukunft (ME. 
v. 24. April 1857 § 1, Weber Bd. V S. 47 ff.); 
denn es muß gewärtigt werden, daß in Zukunft 
gerade auch durch die Nebenunternehmungen weitere 
Verbindlichkeiten erwachſen können. Die Um⸗ 
lagenbeträge können ſohin nur als Stammver⸗ 
mögen in Betracht kommen. Erklärt man nun 
alles, was außerhalb des oben im Einklang mit 
der Verfaſſungsurkunde feſtgeſtellten und in Ueber⸗ 
einſtimmung mit Art. 75 Ziff. 5 des Entwurfs 
ſtehenden Begriffes des Ortskirchenbedürfniſſes 
liegt, als einen Zweck, der jenſeits der Beſtimmung 
des Kirchengemeindevermögens ift, fo hat die Zu: 
laſſung ſolcher Unternehmungen in Art. 75 Ziff. 5 
für alle Fälle, in denen eine Kirchengemeinde 
Umlagen erheben muß, nur geringe praktiſche 
Bedeutung. Denn zu den „Beteiligten“, die nach 
8 47 II. Verf Beil. ihre Zuſtimmung zu ſolcher 
Verwendung des Vermögens zu geben haben, ge- 
hören nicht nur die Verwaltungsberechtigten, 
ſondern auch Deſtinatäre und Gläubiger, über: 
haupt alle, die Rechte am Gemeindevermögen 
haben (Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht S. 115, 
Seydel I. Aufl. Bd. IV S. 628), und die Zu: 
ſtimmung aller dieſer wird in der Praxis nicht 
beizubringen ſein. (Schluß folgt.) 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Die Poſtportsfreiheit und die Portsablöſung in Bayern.“) 
I 


Durch das Geſetz vom 22. Dezember 1907 und 
die Verordnung vom gleichen Tage ift das Poſtporto— 
weſen der Behörden auf eine völlig neue Grundlage 
geſtellt und erheblich vereinfacht worden. Für die 
Poſtportofreiheit in Amtsſachen gibt es von nun an 
nicht mehr zweierlei verſchiedene Grundſätze; ſie 
bemißt ſich jetzt ausſchließlich nach den Beſtimmungen 
des Bundesgeſetzes vom 5. Juni 1869 und des dazu 
erlaſſenen Regulativs. Portofrei ſind danach auch 
in Bayern künftig nicht mehr alle Staats dienſt— 
angelegenheiten, ſondern nur mehr die reinen Reichs- 
dienſtangelegenheiten, wenn die Sendungen von einer 
Reichsbehörde abgeſchickt oder an eine ſolche gerichtet 
ſind. Portofrei ſind, wie bisher, die Sendungen in 
Militärſachen, ſoweit fie von Reichsbehörden, uns 
mittelbaren oder mittelbaren Staatsbehörden aus— 


) Die folgenden Ausführungen ſollen nur einen 
kurzen Umriß der hauptſächlichſten Ergebniſſe der 
Neuregelung bringen. Wegen der Einzelheiten muß 
auf die neuen Vorſchriften ſelbſt verwieſen werden. 
f hier darzuſtellen, würde nur verwirren ſtatt zu 
lären. 


66 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


gehen oder an ſie gerichtet ſind. Portofrei ſind 
endlich die Sendungen in Poft- und Telegraphendienſt⸗ 
angelegenheiten, die von bayeriſchen Poſt⸗ oder Tele- 
graphenbehörden ausgehen oder an ſie gerichtet ſind. 
Für alle dieſe Sendungen macht es keinen Unterſchied, 
ob ſie im innerbayeriſchen Poſtverkehr befördert werden 
oder im Wechſelverkehr in das Reichspoſtgebiet oder 
württembergiſche Poſtgebiet übergehen.“) 

Hierdurch iſt die Poſtportofreiheit weſentlich ein⸗ 
geſchränkt. 

Alle mittelbaren und unmittelbaren Staatsbehörden 
würden hiernach in den außerordentlich zahlreichen 
Fällen (mindeſtens 30 Millionen Sendungen jährlich), 
in denen ſie bisher die Poſtportofreiheit in Staats⸗ 
dienſtangelegenheiten genoſſen haben, das Poſtporto 
bar zu zahlen haben. Für den Staat würde das 
inſoferne. keine Belaſtung bedeuten, als das, was 
aus der Staatskaſſe für Porto aufgewendet wird, in 
die Kaſſe der Poſtverwaltung, mithin ebenfalls wieder 
in die Staatskaſſe fallen würde. Dagegen würde die 
geſchäftliche Belaſtung der Behörden ſehr erheblich 
ſein, weil die bar gezahlten Beträge in vielen Millionen 
von Einzelfällen verrechnet und die Rechnungen mit 
Belegen verſehen und geprüft werden müßten. Für 
die mittelbaren Behörden aber, alſo insbeſondere für 
die Gemeinden und Stiftungen, würde der Zwang 
zur Barzahlung der Porti, die bisher wegen der 
Poſtportofreiheit nicht zu entrichten waren, eine ſehr 
empfindliche finanzielle Belaſtung bringen. Die Be⸗ 
laſtung auf den Schultern der mittelbaren Stellen 
ruhen zu laſſen, wäre ungerecht, weil es in vielen, 
wenn nicht in den meiſten Fällen, gerade Staatsdienſt⸗ 
geſchäfte ſind, die zu den Sendungen Anlaß geben. 
In allen dieſen Fällen aber etwa den Grundſatz ein- 
zuführen, daß den mittelbaren Stellen das in Staats- 
dienſtangelegenheiten aufgewendete Poſtporto im ein- 
zelnen zurückzuvergüten fei, würde zu einem Ber- 
rechnungsweſen von ſolchem Umfange führen, daß 
die Staatsbehörden und die mittelbaren Behörden 
ganz außerordentlich beläſtigt würden. Die Staats- 
regierung hat ſich deshalb — abgeſehen von der 
Staatseiſenbahnverwaltung, die aus beſonderen Grün⸗ 
den einen anderen Weg geht — entſchloſſen, das 
Portozahlungsweſen bei den unmittelbaren und mittels 
baren Staatsbehörden auf der Grundlage der Porto— 
ablöſung zu regeln. Dieſe ermöglicht eine weitgehende 
Vereinfachung. 

Nach dem für die Portoablöſung aufgeſtellten 
Grundſatze find mit geringen Ausnahmen alle unmittel- 
baren Staatsbehörden berechtigt, alle Poſtſendungen, 
die von ihnen ausgehen, mit dem Vermerke „frei 
durch Ablöſung“ abzuſenden, ohne für irgendeine 
dieſer Sendungen eine einzelne Poſtgebühr zahlen zu 
müſſen. Die Ablöſung erſtreckt ſich auf Poſtſendungen 
jeder Art, alſo auf Briefe, Poſtkarten, Druckſachen, 
Poſtanweiſungen, Poſtpakete. Durch die im vorigen 
Jahre veranstaltete Zählung) ift ermittelt worden, 
welchen Geſamtbetrag an Poſtgebühren die Behörden 
jedes einzelnen Dienſtzweiges im Falle der Barzahlung 
jährlich an die Poſt zu entrichten haben. Dieſen 
Betrag erhält die Poſt durch das Staatsbudget zu 
Laſten der übrigen Reſſorts in einer Summe als 
Einnahme zugewieſen. Die einzelnen Behörden aber 


1) Porto pflichtig find natürlich, wie bisher, 
die ins Ausland gehenden Sendungen. 
) S. Jahrgang 1907 dieſer Zeitſchrift S. 116. 


haben bei der Abſendung von Briefen und ſonſtigen 
Poſtſtücken nach Orten innerhalb des Deutſchen Reichs 
keine Einzelzahlung mehr zu leiſten.“)) Bei der Hand- 
habung dieſes Grundſatzes iſt kein Unterſchied zu 
machen, ob die Sendung in einer Angelegenheit 
ergeht, die „reine Staatsdienſtangelegenheit“ iſt, oder 
ob ſie in einer Privatangelegenheit, z. B. einem Zivil⸗ 
rechtsſtreit, ergeht. Es iſt ferner gleichgültig, ob die 
Sendung an einen Privaten oder an eine unmittelbare 
Staatsbehörde oder an eine mittelbare Behörde geht. 
Geht ſie von einer unmittelbaren bayeriſchen Staats⸗ 
behörde aus und iſt ſie an einen Ort innerhalb des 
Deutſchen Reichs gerichtet, ſo kann ſie als „frei durch 
Ablöſung“ befördert werden. 

Was die Sendungen der mittelbaren Stellen 
anlangt, ſo konnte nicht in der gleichen Weiſe ver⸗ 
fahren werden. Würde man auch den mittelbaren 
Stellen für ihren geſamten Poſtverſand das Recht 
gewährt haben, „frei durch Ablöſung“ zu ſenden, ſo 
würde das, da es zehntauſende von mittelbaren Stellen 
gibt, nicht nur eine ganz ungeheure Belaſtung der 
Staatskaſſe bedeutet haben — denn die Ablöſungs⸗ 
ſummen werden ja aus Staats mitteln an die Poſt 
gezahlt — ſondern es würde auch eine ungerechte 
Begünſtigung der Gemeinden und Stiftungen uſw. 
geweſen ſein. Denn es iſt ohne weiteres einleuchtend. 
daß ein erheblicher Teil der Sendungen dieſer mittel⸗ 
baren Stellen Dinge betrifft, die mit den Staatsdienſt⸗ 
angelegenheiten gar nichts zu tun haben. Das Recht, 
„frei durch Ablöſung“ zu verſenden, konnte aber für 
die mittelbaren Stellen auch nicht auf die Fälle be⸗ 
ſchränkt werden, in denen die mittelbaren Stellen 
Sendungen in Staatsdienſtangelegenheiten abgehen 
laffen. Denn ob eine Sendung in einer Staatsdienſt⸗ 
angelegenheit ergangen iſt oder nicht, läßt ſich nur 
aus ihrem Inhalte, nicht aus ihrem Aeußeren erkennen. 
Eine Zählung mit Eingehen auf den Inhalt der 
Sendung aber würde allzugroßen Schwierigkeiten 
begegnet ſein. Um dieſe Schwierigkeiten zu vermeiden, 
und doch einen einigermaßen gerechten Ausgleich der 
Intereſſen zu treffen, wurde beſtimmt, daß alle 
Sendungen, welche die mittelbaren Stellen an un⸗ 
mittelbare Staatsbehörden abgehen laſſen, als „frei 
durch Ablöſung“ verſendet werden dürfen, gleichviel 
ob ſie Staatsdienſtangelegenheiten, Angelegenheiten 
der Gemeinden und Stiftungen ſelbſt oder Privat- 
angelegenheiten betreffen, daß dagegen alle Sendungen 
der mittelbaren Stellen an andere mittelbare Stellen 
oder an Private bar frankiert werden müſſen. Ob 
eine Sendung „frei durch Ablöſung“ oder frankiert 
abzulaſſen ift, ergibt ſich ſonach auch für die Sen- 
dungen der mittelbaren Stellen ausſchließlich aus 
der Aufſchrift der Sendung, nämlich aus den in die 
Aufſchrift aufzunehmenden Namen des Abſenders und 
des Adreſſaten, iſt alſo leicht und ſicher zu kontrollieren. 
Hierbei ſind die mittelbaren Stellen in doppelter 
Weiſe begünſtigt. Es wird ihnen durch die Ablöſung 
vom Staate die Laſt abgenommen, wie bisher die— 
jenigen Sendungen zu frankieren, die ſie nicht in 
Staatsdienſtangelegenheiten, ſondern in ihren eigenen 
Sachen an Staatsbehörden ſchicken, und es wird 
ihnen weiterhin die Ermächtigung gegeben, für die— 


1) Für die ins Ausland gehenden Sendungen 
ſind, wie bisher, die Poſtgebühren bar zu zahlen. 
9) Die Ablöſung erſtreckt fih auch auf Sendungen 
im Ortsverkehr. 


—— — — — — — — 


-— 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


jenigen Sendungen, die Angelegenheiten Privater 
betreffen, das Porto, das in der Ablöſung für ſie 
ſchon vom Staate entrichtet worden ift, von den Pri- 
vaten erſetzt zu verlangen und für ſich zu be⸗ 
halten. Dieſe doppelte Begünſtigung wird die 
mittelbaren Stellen für die Mehrbelaſtung entſchädigen, 
die ſie etwa in anderen Angelegenheiten durch den 
Verluſt der Poſtportofreiheit erlitten haben. 


Die Portoablöſung ift Portozahlung in Pauſch 
und Bogen. Werden alfo Sendungen in Angelegen⸗ 
heiten gemacht, in denen Private zur Erſtattung der 
erwachſenen Barauslagen verpflichtet ſind, ſo haben 
die Privaten dem Staate die Beträge zu erſetzen, 
die auf die Sendung hätten aufgewendet werden 
müſſen, wenn ſie bar frankiert worden wäre. Es 
ſind jedoch mehrere Ausnahmen von dieſem Satze 
geſchaffen. 

1. In den Fällen, in denen die Sendungen von 
einer nicht unmittelbaren Stelle ausgegangen ſind, 
hat die Portorückerſtattung, wie ſchon erwähnt, nicht 
an den Staat, ſondern an die mittelbare Stelle zu 
erfolgen, obwohl die Pauſchſumme zur Ablöſung vom 
Staate gezahlt iſt. 

2. Wenn die Rückerhebung des Portos von der 
erſatzpflichtigen Partei mit unverhältnismäßigen Weis 
terungen verknüpft wäre, ſo ſoll von der Einhebung 
abgeſehen werden. Das wird insbeſondere dann der 
Fall ſein, wenn nur die Einhebung dieſer Poſtgebühr, 
nicht gleichzeitig auch die Einhebung anderer Gebühren 
in derſelben Angelegenheit zu erfolgen hat. Soweit 
einzelne Poſtſendungen unmittelbar an die erſatz— 
pflichtige Partei gerichtet werden, ſollen ſie jedoch 
wie bisher als „portopflichtige Dienſtſache“ abgelaſſen 
werden. 

Auch abgeſehen von dieſen Ausnahmen der Borto- 
erſtattungspflicht ſind die neuen Vorſchriften den 
Privaten weſentlich günſtiger als die bisherigen Be- 
ſtimmungen. Während nämlich nach den bisherigen 
Vorſchriften die Sendungen nur in reinen Staatsdienſt— 
angelegenheiten frei zu behandeln waren, den Privaten 
alſo die Portolaſt auch dann auferlegt wurde, wenn 
ein gemiſchtes, im Staatsintereſſe und gleichzeitig im 
Privatintereſſe gelegenes Verhältnis vorlag, ſoll die 
Erſtattungspflicht jetzt nur eintreten, wenn eine reine 
Privatangelegenheit vorliegt. Beſtellte z. B. vor dem 
1. Januar 1908 ein Amtsgericht brieflich ein Buch 
von einem Buchhändler, ſo konnte der Beſtellbrief 
nicht als Regierungsſache portofrei befördert werden, 
weil die Beſtellung auch im Intereſſe des Buchhändlers 
lag: geſchah es, wie nicht ſelten, doch, fo hatte der 
Buchhändler für die Sendung das Porto und das 
Strafporto zu zahlen. Seit dem 1. Januar 1908 
läuft jeder ſolche Brief „frei durch Ablöſung“. Von 
einer Rückerſtattung des Portos an den Staat aber 
iſt keine Rede, weil die Beſtellung nicht nur im 


in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Intereſſe des Buchhändlers, ſondern auch im Staats- 


intereſſe erfolgt. ii 

Die bisherigen Vergünstigungen der Behörden im 
Telegramm: und Telephonverkehr find in noch höherem 
Maße eingeſchränkt als die Portofreiheiten. Für den 
Telegrammverkehr gelten nun ausſchließlich die Vor— 
ſchriften der kaiſerlichen Verordnung vom 2. Juni 1877, 
nach denen nur Telegramme, die in reinen Reichs- 
dienſtangelegenheiten von Reichsbehörden abgeſendet 


67 


oder an ſolche gerichtet ſind, und Telegramme, welche 
in reinen Militär- und Marinedienſtangelegenheiten 
von Militär: und Marinebehörden abgeſendet oder 
an ſolche gerichtet ſind, Gebührenfreiheit genießen. 
Daneben genießen Gebührenfreiheit nur die Dienſt⸗ 
telegramme der Poft- und Telegraphenverwaltung 
und die Bahndienfttelegramme, wenn die Babn- 
telegraphenleitung geſtört iſt. Alle übrigen Telegramme 
der öffentlichen Stellen, Behörden und Organe ſind 
gebührenpflichtig. Eine Ablöſung hat nicht ſtatt⸗ 
gefunden, die Gebühren ſind deshalb bei der Aufgabe 
bar zu zahlen. Den mittelbaren Stellen werden die 
Auslagen, die ihnen durch Abſendung von Tele- 
grammen in reinen Staatsdienſtangelegenheiten und 
in Polizeiſachen erwachſen, aus der Staatskaſſe erſetzt; 
ſie haben mithin keine Verſchlechterung ihrer Lage 
erfahren, ſondern eine Verbeſſerung inſoferne, als 
die Polizeiſachen gleich den reinen Staatsdienſtange⸗ 
legenheiten behandelt werden. Im Telephonverkehr 
find alle bisherigen Vergünſtigungen der Staats- 
behörden und der mittelbaren Behörden aufgehoben. 
Für alle ihre Telephongeſpräche, auch für die der 
Militärbehörden, werden die tarifmäßigen Gebühren 
erhoben. Das bezieht ſich nicht nur auf die einzelnen 
Geſprächsgebühren, ſondern auch auf die Pauſch— 
gebühren und Telephonanſchlußgebühren. Die Ver: 
günſtigung, daß Staatsbehörden ſtatt der Telephon- 
pauſchgebühr von 80, 100, 120, oder 150 M nur 
eine ſolche von 75 M zu zahlen haben, findet künftig 
nicht mehr ſtatt. Den mittelbaren Stellen werden 
die einzelnen Geſprächsgebühren bei Geſprächen in 
reinen Staatsdienſtangelegenheiten und Polizeiſachen 
aus der Staatskaſſe erſetzt. Die Beſtimmungen über 
die Gebührenerſatzpflicht von Privaten bleiben un— 
berührt. iy 


Eine Ausnahmeſtellung nehmen bei der Neuz 
regelung die Notariate ein. Sie find nach ihrer der- 
maligen Organiſation unmittelbare Staatsbehörden, 
ſie würden alſo an ſich in die Portoablöſung ein— 
zubeziehen geweſen ſein. Da jedoch die Notariate 
ihrer hauptſächlichen Geſchäftsaufgabe nach den Privat: 
intereſſen zu dienen haben, und ihre Sendungen in 
der überwältigenden Zahl der Fälle Privatangelegen— 
heiten betreffen, und da das Verrechnungsweſen, wenn 
man die von den Parteien im Falle der Ablöſung zu 
erſetzenden einzelnen Porti durch die Notare einheben 
und an die Staatskaſſe abliefern ließe, allzugroße 
Umſtändlichkeiten mit ſich bringen und insbeſondere 
eine eigene Aktenführung bei den Notariaten notwendig 
machen würde, erſchien es einfacher und zweckmäßiger, 
die Notariate von der Ablöſung ganz auszunehmen. 
Die Notariate haben alſo, ſoweit es ihnen nicht mög— 
lich iſt, Sendungen als portopflichtige Dienſtſachen 
abgehen zu laſſen, und ſoweit nicht die gerade bei 
ihnen ganz ſeltenen Fälle der Reichspoſtportofreiheit 
in Frage kommen, alle ihre Sendungen bei der Auf— 
gabe bar zu frankieren vorbehaltlich des Rückgriffs 
an die Partei, der ihnen wie bisher zuſteht. Dadurch 
werden ſie gegenüber dem bisherigen Zuſtand inſoferne 
nicht unerheblich belaſtet, als ſie in vielen Fällen, 
wie bei der Einhebung und Ablieferung der Staats— 
gebühren, in Juſtizverwaltungsangelegenheiten, in 
Grundbuchanlegungsſachen Sendungen aufzugeben 
haben, die rein im Staatsdienſtintereſſe gelegen ſind. 
Die Härte wird jedoch teils durch die Geſtattung der 
Umleitung der Sendungen über die Gerichtsſchreiberei 


68 3 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


des Amtsgerichts des Notariatsſitzes, teils durch die 
Zulaſſung der Verſendung als „portopflichtige Dienſt⸗ 


ſache“ und durch die Zulaſſung des Abzuges der Ge⸗ 


bühren an den zu verſendenden Summen, teils durch 
bare Rückvergütung gemildert. 

Nehmen ſo die Notariate unter den Staatsbehörden 
eine ausnahmsweiſe ungünſtige Stellung ein, ſo iſt 
anderſeits den Magiſtraten der kreisunmittelbaren 
Städte (mit Rückſicht auf ihre Stellung als Diſtrikts⸗ 
polizeibehörden) eine beſonders günſtige Stellung 
unter den mittelbaren Behörden eingeräumt. Sie 
ſind nämlich, anders wie die Landgemeinden und die 
Magiſtrate der mittelbaren Städte, in der Lage, nicht 
nur mit unmittelbaren Staatsbehörden, ſondern auch 
gegenſeitig „frei durch Ablöſung“ zu verkehren. 


V. 

Die neuen Beſtimmungen über die äußere Form 
der Sendungen bringen keine Erſchwerung. Für die 
Fälle der Portofreiheit bleibt es bei den bisherigen 
Vorſchriften für die als Reichsdienſtſachen oder Militär⸗ 
ſachen auf Grund des Reichsgeſetzes begünſtigten Sen⸗ 
dungen. Die unter die Ablöſung fallenden Sendungen 
aber haben, wie bisber, in der Aufſchrift den Namen 
der abſendenden Behörde und an der Stelle, wo 
bisher der Vermerk „Regierungsſache“ zu ſtehen hatte, 
den Vermerk „frei durch Ablöſung“, endlich das Siegel 
der abſendenden Behörde zu tragen. Auch dieſes 
Siegel kann an der bisher üblichen Stelle angebracht 
werden. Die Bezeichnung der abſendenden Stelle 
und der Vermerk „frei durch Ablöſung“ ſollen in 
Druckſchrift angebracht ſein, damit ſie leicht leſerlich 
ſind. Weitere Erforderniſſe beſtehen ſeitens der 
Poſt nicht. Es wird insbeſondere von der Poſt 
nicht mehr verlangt, daß dem Ablöſungsvermerk ein 
„Betreff“ oder eine „Expeditionsnummer“ beigeſetzt 
wird. Iſt es bei den Behörden aus innerdienſtlichen 
Gründen (wegen Führung eines Boten- und Poft- 
aufgabebuchs) nötig oder erwünſcht, einen ſolchen 
Zuſatz zu machen, ſo iſt es von der Poſt nicht ver⸗ 
wehrt, ihn anzubringen. 

Oberregierungsrat Schmitt in München. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. In een 


68 Art. 17 und 29 = z. BGB., 36 1567, 1568 


* Welches Recht iſt für die Beurteilung 
einer Eheſcheidungsklage maßgebend, wenn 
der klagende Ehemann keinem Staat an- 
gehört? 

2. Die bösliche Verlaſſung kann nicht 
nur unter den in S 1567 BGB. aufgeſtellten 
Vorausſetzungen einen Eheſcheidungs⸗ 
grund abgeben, ſondern auch unter 81568 
BG B. fallen. 

Aus den Gründen: 1. Der Kläger gehört, wie 
das OLG. in Uebereinſtimmung mit dem LG. feſtgeſtellt 


hat, keinem Staat an, hat auch früher keinem Staate 


angehört. Er hat in England die Ehe geſchloſſen, 
einige Zeit in der Schweiz gewohnt und ſich am 
18. März 1905 in M. (Deutſchland) zum Aufenthalt 
angemeldet. 


i 


— — — —— IL nn nn U nn an K — en mn — nn — — 


Dort hat er im November 1905 die 


e 5 nachdem ſeine Frau am 

4. März 1905 von der Schweiz aus nach England 
abgereiſt war. Das LG. und das OLG. haben ange⸗ 
nommen, nach Art. 17 Abſ. 1 in Verbindung mit 
Art. 29 EG. z BGB. fei die Scheidungsklage nach 
dem Recht bes BGB. zu beurteilen. Das OLG. hat 
noch beigefügt, die Abweiſung der Klage, die nach 
§ 1568 BGB. nicht begründet ſei, ſei gemäß Art. 17 
Abſ. 4 EG. ſelbſt dann gerechtfertigt, wenn der Kläger 
nicht „ſtaatsangehörigkeitslos“ wäre und irgend welches 
ausländiſche Geſetz ſeine ehelichen Verhältniſſe regelte. 
Es ift nicht anzunehmen, daß der Berufungsrichter 
mit dieſer Erwägung die Feſtſtellung befeitigen wollte, 
der Kläger gehöre keinem Staate an. Gehörten 
die Parteien einem ausländiſchen Staate an, ſo hätte 
die Scheidungsklage im Inlande nur unter der in 
8 606 Abſ. 4 ZPO. bezeichneten Vorausſetzung erhoben 
werden können. Nicht zutreffend iſt es ferner, wenn 
das LG. und das OLG. davon ausgegangen find, es 
komme nur das Recht des BGB. zur Anwendung, weil 
der Kläger keinem Staate angehöre und angehört habe, 
zur Zeit der Klageerhebung aber im Inlande ſeinen 
Wohnſitz oder Aufenthalt gehabt habe. Allerdings 
iſt, wenn nach deutſchem Recht kein Scheidungsgrund 
beſteht, die Abweiſung der Klage ſchon nach Art. 17 
Abſ. 4 EG. geboten. Wäre jedoch in den von dem 
Kläger behaupteten Vorgängen, die in England und 
in der Schweiz ſich ereigneten, nach deutſchem Recht 
ein Scheidungsgrund zu finden geweſen, ſo hätte — 
wie ſich aus Art. 17 Abſ. 2 in Verbindung mit Art. 29 
EG. ergibt — die Prüfung nicht unterlaſſen werden 
dürfen, ob die — nach deutſchem Recht die Scheidung 
begründenden — Tatſachen auch nach den Geſetzen 
des Staates die Scheidung begründeten, in welchem 
der Ehemann zu der Zeit, als die Tatſachen ſich er⸗ 
eigneten, ſeinen Wohnſitz oder in Ermangelung eines 
Wohnſitzes ſeinen Aufenthalt hatte. 

2. Auch zur Frage der Anwendung des § 1568 
BGB. find die Erwägungen des OLG. nicht bedenkenfrei. 
Die Reviſion macht geltend, der Berufungsrichter habe 
den $ 1568 verletzt, indem er den Umſtand, daß die 
Beklagte den Kläger am 4. März 1905 verlaſſen habe 
und ſich gegen ſeinen Willen in England aufhalte, 
grundſätzlich bei der Betrachtung, ob die Vorausſetzungen 
des 8 1568 gegeben feien, ausgeſchieden habe; daraus, 
daß die bösliche Verlaſſung nur unter den in § 1567 
aufgeſtellten Vorausſetzungen einen Scheidungsgrund 
bilde, folge nicht, daß nicht die Tatſache der Trennung 
der Frau von dem Mann mit anderen Tatſachen zu- 
fammen den Tatbeſtand des 8 1568 erfüllen könne. 
Die Rüge iſt zutreffend. Der Berufungsrichter hat 
ausgeführt, die willkürlich ſeitens der Beklagten voll» 
zogene Trennung von dem Kläger falle ihrer Natur 
nach gar nicht unter § 1568, mangels der Vorausſetzungen 
des § 1567 Nr. 2 fei ihr die Bedeutung eines ehe⸗ 
ſcheidenden Faktors überhaupt abzuſprechen. Mit dieſen 
Erwägungen hat er die Beſtimmungen des § 1568 
verletzt. Unter den Vorausſetzungen, die § 1567 be- 
ſtimmt, bildet die „bösliche Verlaſſung“ einen abſoluten 
Scheidungsgrund. Liegen die Vorausſetzungen des 
§ 1567 nicht vor, fo kann wegen böslicher Verlaſſung 
die Scheidung nicht verlangt werden; immerhin liegt 
in dem Verhalten eines Ehegatten, der ſich in böslicher 
Abſicht von der häuslichen Gemeinſchaft fernhält, eine 
Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten, 
die wie jede andere Eheverfehlung bei der Prüfung, 
ob der Tatbeſtand des § 1568 gegeben ift, Verwendung 
finden kann. (Urt. IV. 38S. vom 17. Oktober 1907, 
IV 1906,07). — — En. 

1109 

II. 

Automobilunfall. Welcher Grad von Vorſicht kaun 
von dem die Fahrſtraße überſchreitenden Suhgänger 
verlangt werden? Aus den Gründen: Der Kläger 
iſt von dem Kraftwagen des Beklagten überfahren 


und verletzt worden. Seinen Schadenserſatzanſpruch 
haben die Vorinſtanzen dem Grunde nach für gerecht⸗ 
fertigt erklärt. Das OLG. nimmt für erwieſen an, 
daß der Beklagte in der verkehrsreichen Straße ſehr 
ſchnell gefahren iſt und unterlaſſen hat, den Kläger, 
deſſen Abſicht, den Fahrdamm zu überſchreiten, er er⸗ 
kannte, durch ein deutlich hörbares Signal rechtzeitig 
auf das Nahen des Kraftwagens aufmerkſam zu machen. 
Es führt aus: Der Beklagte habe, als er bemerkte, 
daß der Kläger den Fahrdamm zu überſchreiten be⸗ 
gann, die Geſchwindigkeit des Kraftwagens verringern 
müſſen; es ſei dies um ſo mehr geboten geweſen, als 
aus der entgegengeſetzten Richtung ein Straßenbahn⸗ 
wagen gekommen ſei, der Beklagte ſich daher habe 
ſagen müſſen, daß der Kläger möglicherweiſe aus 
Rückſicht auf dieſen auf der Straße ſtehen bleiben oder 
zurückgehen werde oder daß er durch die Annäherung 
zweier Kraftwagen aus entgegengeſetzter Richtung ver⸗ 
wirrt werden und kopflos handeln würde. Es ver⸗ 
neint aber auch, daß ein Verſchulden des Klägers bei 
der Entſtehung des Schadens mitgewirkt hat. Es ſei 
nicht erwieſen, daß der Kläger den Kraftwagen ſchon 
aus größerer Entfernung hätte erblicken müſſen. Aber 
auch abgeſehen hiervon dürfe ein Fußgänger darauf 
rechnen, von einem Kraftwagen beim Ueberſchreiten 
der Straße gewarnt zu werden, brauche alſo nicht 
ängſtlich weithin über die Straße nach rechts und 
links zu ſehen. Der anſcheinend falſche Entſchluß des 
Klägers, den er gefaßt habe, als er zurückgegangen 
und dabei an den Kraftwagen geraten ſei, ſei auf den 
Schrecken über den in nächſter Nähe ohne Abgabe 
eines Warnungsſignals heranjagenden Kraftwagen, 
alſo auf eine Handlung des Beklagten zurückzuführen. 
Die Reviſion wendet ſich gegen die Ausführungen, mit 
denen ein mitwirkendes Verſchulden des Klägers ver- 
neint wird. Wer den Straßendamm überſchreite, müſſe 
ſich umſehen, um Gefahren auszuweichen, beſonders 
dann, wenn er 1 ſei. Sei der Kläger, wie 
der Beklagte behauptet habe, ſo ſchwerhörig, daß er 
Signale nicht habe hören können, fo fei die Nicht⸗ 
abgabe oder die ungenügende Abgabe von Signalen 
überhaupt nicht kauſal für den Unfall geweſen. Dieſer 
Angriff ift unbegründet. Das OLG. hat keineswegs 
ausgeſprochen, daß, wer den Fahrdamm einer vers 
kehrsreichen Straße überſchreite, ſich nach etwa heran— 
kommenden Fahrzeugen nicht umzuſehen brauche. Der 
Unfall hat ſich nicht unmittelbar ereignet, nachdem 
der Kläger den Fahrdamm betreten hat, ſondern erſt, 
nachdem er einige Schritte auf dieſem gegangen war, 
und die Ausführung des Berufungsgerichts geht da— 
hin, daß der den Fahrdamm überſchreitende Fußgänger 
nicht weithin über die Straße nach rechts und links 
zu ſehen braucht, ob ein Kraftwagen herankommt, 
daß er vielmehr davon ausgehen darf, der Lenker des 
Kraftwagens werde auf ihn Rückſicht nehmen. Das 
ift durchaus zutreffend. Wer den Fahrdamm über- 
ſchreitet, darf erwarten, daß ein nicht an Schienen ge- 
bundenes Fahrzeug, das ſich von ihm noch in ſolcher 
Entfernung befindet, das es ihm ausweichen kann, 
dies auch tut, wenn nötig, unter Verringerung ſeiner 
Geſchwindigkeit; bei der großen Geſchwindigkeit, die 
insbeſondere Kraftwagen einzuſchlagen pflegen, würde 
ſonſt eine überaus ſtarke Hemmung des Fußgänger— 
verkehrs eintreten. (Urt. des VI. 85. vom 17. Oktober 
1907, VI 533/06). — -n. 
1135 
III. 

Formerforderniſſe des 8 2239 BG. Gegenwart 
der Teſtamentszengen während der ganzen Verhandlung. 
Gründe: Das OLG. ſtellt als den Hergang bei der Er- 
richtung des Teſtaments feft, daß die beiden Teſtaments— 
zeugen erſt eingetroffen ſeien, nachdem der Notar mit 
der Erblaſſerin verhandelt und ſie ihm ihren letzten 
Willen mündlich erklärt hatte, daß die mündliche Er⸗ 
klärung des letzten Willens in Gegenwart der Zeugen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


69 


nicht wiederholt, daß in deren Gegenwart nur die in 
ihrem Beiſein geſchriebene Urkunde verleſen worden 
ſei, und die Erblaſſerin nur die Frage des Notars 
nach der Uebereinſtimmung der Urkunde mit ihrem 
Willen bejaht habe. Hierauf habe die Erblaſſerin die 
Urkunde in Gegenwart der Zeugen und des Notars 
unterzeichnet. Das OLG. hält hiernach die für das 
mündlich erklärte Teſtament gebotene Form nicht für 
erfüllt. Bedeutungslos ſei, daß nach der Ausſage des 
Notars auf Grund des verleſenen Protokolls zwiſchen 
dem Zeugen D. und dem Notar eine Auseinander⸗ 
ſetzung bezüglich der Vermächtnisanordnungen des 
Teſtaments ſtattgefunden habe. An dieſer Unterhaltung 
habe ſich die Erblaſſerin nicht beteiligt. 

Mit Recht hat das OLG. angenommen, daß das 
Teſtament nicht dem Erforderniſſe des 8 2239 BGB. 
entſpricht, wonach die Teſtamentszeugen während der 
ganzen Verhandlung zugegen ſein müſſen. Hierfür 
genügt es nicht, wie in dem durch § 174 FGG. ge- 
regelten Falle, daß die Zeugen bei der nach § 2242 
BGB. erforderlichen Vorleſung, Genehmigung und 
Unterzeichnung des Protokolls gegenwärtig ſind; ſie 
müſſen vielmehr auch bei der in Gemäßheit des § 2238 
erfolgenden Erklärung des letzten Willens zugegen 
ſein. Dieſe iſt in Gegenwart der Zeugen nicht ge— 
ſchehen. Das Teſtament iſt daher nichtig. (Urt. des IV. 
35. vom 24. Oktober 1907). 


1144 
IV. 


Eine Klage auf Herausgabe eines Kindes (8 1632 
BEL.) kaun nicht gegen denjenigen erhoben werden, 
der das Kind auf Grund einer nach % 627 ZPO. im 
Eheprozeſſe erlaſſenen einſtweiligen Verfügung bei fih 
behält. Aus der Ehe der Parteien ift eine minder⸗ 
jährige Tochter hervorgegangen, die fidh bei der Bes 
klagten befindet. Zwiſchen den Parteien ſchwebt ein 
die Scheidung und Anfechtung der Ehe betreffender 
Rechtsſtreit. Auf den Antrag der Beklagten erließ 
das OLG. in der Eheſache auf Grund des 8 627 ZPO. 
eine einſtweilige Verfügung, durch welche für die 
Dauer des Eheſtreits der Beklagten die Sorge für die 
Perſon der Tochter der Parteien übertragen wurde. 
Auf den Widerſpruch des Ehemanns erhielt es die 
einſtweilige Verfügung aufrecht, die Reviſion des 
Ehemanns wurde vom Reichsgericht zurückgewieſen. 
Die ſchon früher von dem Kläger gegen die Beklagte 
erhobene Klage auf Herausgabe der Tochter wurde 
durch Urteil abgewieſen. Die Berufung wurde zurück⸗ 
gewieſen. Die Reviſion blieb ohne Erfolg. 

Gründe: Das OLG. hat dem auf § 1632 BGB. 
geſtützten Anſpruche des Klägers auf Herausgabe des 
Kindes den Erfolg verſagt. Es hat unter Hinweis 
auf die in der Eheſache der Parteien ergangene einſt— 
weilige Verfügung ausgeführt, es fehle der Klage an 
dem Erfordernis einer widerrechtlichen Vorenthaltung 
des Kindes durch die Beklagte, es ſei auch einflußlos, 
daß die Beklagte die einſtweilige Verfügung in der 
Eheſache erſt nach Erhebung der Klage auf Herausgabe 
des Kindes beantragt und erwirkt habe; entſcheidend 
ſei, daß zur Zeit des Erlaſſes des Berufungsurteils 
die Verfügung noch wirkſam geweſen ſei. Die Reviſion 
rügt Verletzung der 8Y 627, 927, 936 BPO. und des 
8 1632 BGB. Sie meint, das Weſen einer einſtweiligen 
Verfügung und das Verhältnis einer ſolchen zum 
Hauptanſpruche ſei verkannt worden. Der Angriff 
geht fehl. Selbſtverſtändlich würde eine andere Beurs 
teilung geboten ſein, wenn es ſich um eine in dem 
Verfahren auf Herausgabe des Kindes erlaſſene einſt— 
weilige Verfügung gehandelt hätte, durch die der Be— 
klagten auf Grund des § 940 ZPO. zur Regelung eines 
einſtweiligen Zuſtandes bis zum Erlaß des Urteils 
über den Herausgabeanſpruch geſtattet worden wäre, 
das Kind bei ſich zu haben. Der Fall liegt aber hier 
nicht vor. Der Beklagten iſt vielmehr in einem anderen 
den Eheſtreit der Parteien betreffenden Verfahren auf 


— — — . 


70 


m —— 


"u Zeitſchrift für Rechtspflege 


in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Grund der dem Gericht durch § 627 ZPO. geſetzlich 
gewährten Befugnis durch rechtskräftige Entſcheidung 
für die Dauer des zur Zeit des Erlaſſes des Berufungs⸗ 
urteils noch nicht beendigten Eheſtreits der Parteien 
die Sorge für die Perſon des minderjährigen Kindes 
der Parteien übertragen worden. Solange dieſe Ver⸗ 
fügung der Beklagten als noch fortwirkend zur Seite 
ſteht, fällt der Beklagten eine widerrechtliche Vorent⸗ 
haltung des Kindes im Sinne des 8 1632 BGB. nicht 
zur Laft. (Urt. des IV. 8S. vom 21. Oktober 1907). 
1146 — — == n. 


B. Strafſachen. 


I. 
Zum Begriff der Beihättsmäpigleit. (88 3, 6 des 
Geſetzes vom . Juli 1905, betr. die ketten bei öffentlich 
veranſtalteten Pferderennen). Im Ergebniſſe zutreffend 
iſt auch die weitere Annahme, daß der Angeklagte, der 
während eines erheblichen Zeitraums tagtäglich von den 
verſchiedenſten Perſonen, auch wenn ſie ihm unbekannt 
waren, Wettaufträge entgegengenommen hat, geſchäfts⸗ 
mäßig handelte. Allerdings ſcheint das Gericht darauf 
Wert gelegt zu haben, daß der Angeklagte aus ſeiner 
Vermittlung eine laufende Einnahme gehabt hat. 
Darauf kommt es aber nicht an. Denn zur Erfüllung 
des Begriffs der Geſchäftsmäßigkeit ift ein Handeln 
gegen Entgelt nicht erforderlich. Geſchäftsmäßig handelt 
vielmehr ſchon derjenige, welcher auf eine gewiſſe An⸗ 
gelegenheit Zeit und Mühe dauernd oder wiederholt 
aufwendet, ohne daß dadurch ſeine Tätigkeit ganz in 
Anſpruch genommen zu werden braucht. Den Gegenſatz 
dazu bildet das private, nur gelegentliche Vermitteln 
von Wetten. Auch in der Begründung zum Geſetz— 
entwurf (Druckſ. d. RT. 1903 04 Nr. 365 S. 5) wird 
beſonders betont, es ſollte nicht nur das gewerbsmäßige, 
ſondern jedes Vermitteln von Wetten, das geſchäfts⸗ 
mäßig erfolgt, verboten fein. Nur bei der Gemwerbs- 
mäßigkeit aber iſt der Täter von der Abſicht des Er⸗ 
werbes geleitet (vgl. auch Goltd Arch. Bd. 53 S. 446). 
(Urt. d. V. StS. vom 4. Oktober 1907, 5 D 478507). 

1140 — — — e — 


II. 


Mitwirkung eines nach $ 22 Nr. 4 StPO. aus: 
gelalofenen Rihters bei dem Beſchluß über die Er: 
ffuung des Hauptverfahrens.!) Bei einem Beſchluß 
auf Eröffnung des Hauptverfahrens hatte verſehent⸗ 
lich ein in der Sache früher als Staatsanwalt tätig 
geweſener Richter mitgewirkt. Das Reichsgericht hob 
auf Reviſion das Urteil auf und ſtellte das Straf- 
verfahren als unzuläſſig ein. 

Aus den Gründen: Der Verſtoß führt zwar 
nicht notwendig zur Aufhebung des Urteils, weil der 
ausgeſchloſſene Richter nicht bei dieſem ſelbſt mitgewirkt 
hat ($ 377 Nr. 2 StPO.), wohl aber dann, wenn das 
Urteil auf der Geſetzesverletzung beruht (8 376 StPO.). 
Das iſt der Fall, denn der Eröffnungsbeſchluß bildete 
die Grundlage der gegen den Angeklagten durch— 
geführten Verhandlung, in der das Urteil erging und 
das erkennende Gericht war mit der Aburteilung des 
Angeklagten nur befaßt, weil unter Mitwirkung des 
ausgeſchloſſenen Richters vorher entſchieden war, daß 
nach den Ergebniſſen des Verfahrens begründeter 
Verdacht gegen den Angeklagten vorliege. (Entſch. 
Bd. 10 S. 56, Bd. 32 S. 79). Der Erfolg des Rechts- 
mittels kann auch nicht dadurch in Frage geſtellt 
werden, daß der gerügte Mangel nicht in der Haupt— 
verhandlung geltend gemacht wurde. Sofern ein Ver— 
zicht des Angeklagten auf Geltendmachung den Ver— 
ſtoß überhaupt beheben kann, ſo könnte doch ein ſol— 
cher Verzicht nur angenommen werden, wenn der An— 
geklagte wußte, daß der betreffende Richter in der 


1) Anm. des Herausgebers. Die Entſcheidung löſt eine 
nicht ganz einfache Rechtsfrage in neuer Weile und mit praktiſcbem 
Verſtändniſſe. Sie verdient daher die beſondere Beachtung der vejer. 


Sache als Staatsanwalt tätig war. Das iſt nicht 
feſtgeſtellt, auch nicht daraus herzuleiten, daß der Ver⸗ 
teidiger vor der Verhandlung die Akten eingeſehen 
hat. In § 393 StPO. ift nur die Aufhebung des 
Urteils angeordnet, wenn dieſes auf einer Geſetzes⸗ 
verletzung beruht, nicht aber die Aufhebung der von 
prozeſſualen Verſtößen betroffenen Teile des Verfahrens, 
wie fie in § 564 Abſ. II ZPO. vorgefehen ift. Die 
StPO. kennt keine ſolche Art der Aufhebung von 
Prozeßabſchnitten, die der Hauptverhandlung und dem 
Urteil vorausgehen, und von Entſcheidungen, auf 
denen die einzelnen Teile des Verfahrens beruhen; 
insbeſondere iſt als Folge von Verſtößen, die vor der 
Hauptverhandlung liegen, nicht eine Vernichtung aller 
Prozeßhandlungen bis zu dem Verſtoß und die Er⸗ 
haltung der ihm vorausgehenden Prozeßhand lungen 
vorgeſchrieben. Deshalb iſt nur die Aufhebung des 
Urteils, nicht auch die des ſehlerhaften Eröffnungs⸗ 
beſchluſſes zuläſſig und die Zurückverweiſung an das 
Landgericht zu dem Zwecke, um wiederholt auf die 
Anklageſchrift zurückzugehen und gemäß S9 199 ff. StPO. 
zu verfahren, iſt nicht angängig. Anderſeits kann 
der fehlerhafte Beſchluß auch nach Aufhebung des an⸗ 
gefochtenen Urteils nicht die Grundlage für eine er⸗ 
neute Hauptverhandlung bilden. Daher verbietet fich 
die Zurückverweiſung der Sache zur anderweiten Ver⸗ 
handlung und Entſcheidung an das erkennende Gericht. 
Nach der prozeſſualen Lage, in der ſich die Sache be⸗ 
findet, iſt vielmehr die Fortführung des Verfahrens 
unzuläſſig und unmöglich. Im Gegenſatz zu den in 
Entſch. Bd. 1 S. 66 und Bd. 32 S. 79 erörterten Fällen 
iſt das Gericht nicht in der Lage, die dem Eröffnungs⸗ 
beſchluß anhaftenden Mängel vor der erneuten Haupt: 
verhandlung zu beſeitigen. Die Unzuläſſigkeit der 
Fortſetzung des Verfahrens auf Grund des einmal 
vorhandenen Eröffnungsbeſchluſſes macht vielmehr den 
formalen Abſchluß des Verfahrens durch eine Ent⸗ 
ſcheidung notwendig, die als Einſtellung des Wer- 
fahrens bezeichnet, nur die Fortſetzung des auf dem 
Eröffnungsbeſchluß beruhenden Strafverfahrens un— 
möglich macht, ſachlich aber der wiederholten Er⸗ 
öffnung des Hauptverfahrens und der weiteren Ber: 
folgung des Angeklagten im ordnungsgemäßen Ber: 
fahren nicht entgegenſteht. (Urt. des 1. StS. vom 
5. Dezbr. 1907, 1 D 871/07). —ch. 
1133 


Oberſtes Landesgericht. 
Zivilſachen. 


I. 

Berechnung der RNeviſiensſumme, wenn der Beklagte 
zur Nechunngsſtellung über die Führung der Geſchäfte 
einer mehreren gemeinſchaftlich gehörigen Ziegelei ver: 
urteilt worden ift und Neviſion eingelegt hat. (3 PO. 
§ 546 Abſ. 1). In dem Rechtsſtreite des Johann M. 
in J. gegen den Ziegeleibeſitzer Georg M. in S. handelte 
es ſich um den Anſpruch des Klägers gegen den Be 
klagten auf Rechnungsſtellung über die Führung der 
Geſchäfte einer Ziegelei in G., die den Streitsteilen 
und den Eheleuten W. gemeinſchaftlich gehörte. Das 
Oberlandesgericht hat den Beklagten verurteilt, 
dem Kläger eingehende Rechnung über die Geſchäfte 
zu ſtellen, die er vom 1. Januar 1896 bis zum 21. März 
1906 für die gemeinſchaftliche Ziegelei in G. geführt 
hat, und die erforderlichen Belege beizufügen. Der 
Beklagte legte Reviſion ein. Bei der auf die Frage 
der Zuläſſigkeit des Rechtsmittels beſchränkten münd⸗ 
lichen Verhandlung machte ſein Anwalt vor dem 
Reviſionsgerichte geltend, der Kläger verfolge mit dem 
Verlangen der Rechnungſtellung den Zweck, den Be 
klagten zur Erſtattung von 13 000 M, die er bei einem 
Kreditverein erhoben habe, an die Geſellſchaft anzu⸗ 
halten und die Grundlage für einen Anſpruch gegen 
den Beklagten und die Eheleute W. auf Befreiung ſeines 


ZBeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Anweſens von der Kaufpreishppothek zu 10 000 M 
zu gewinnen. Schon hieraus ergebe ſich, daß das 
Intereſſe des Beklagten an der Wiederherſtellung des 
landgerichtlichen Urteils den Betrag von 2500 M 
weit überſteige. Dazu komme, daß es dem Beklagten 
nicht möglich ſei, die Rechnung zu ſtellen, und daß er 
daher Vollſtreckungsmaßregeln, insbeſondere Geld⸗ 
ſtrafen, zu gewärtigen habe. Das Oberſte Landesgericht 
hat die Reviſion als unzuläſſig verworfen. 
Aus den Gründen: Nach 3546 Abſ. 1 ZPO. 
i. d. F. des Geſ. vom 5. Juni 1905 iſt die Zuläſſigkeit 
der Reviſion durch einen den Betrag von 2500 M übers 
ſteigenden Wert des Beſchwerdegegenſtandes bedingt. 
Den Beſchwerdegegenſtand bildet hier das Intereſſe, 
das der Beklagte daran hat, nicht zu der Rechnungs⸗ 
ſtellung angehalten zu werden, zu der das Berufungs⸗ 
gericht ihn verurteilt hat, der Unterſchied in ſeiner 
Vermögenslage, der ſich daraus ergibt, ob er zu der 
Rechnungſtellung verpflichtet iſt oder nicht. Für die 
Schätzung dieſes Intereſſes iſt nicht die Höhe der zu 
verrechnenden Beträge von ausſchlaggebender Bes 
deutung, ſondern die Verſchlechterung der Vermögens⸗ 
lage des Beklagten, deren Abwendung die Reviſion 
bezweckt, beſteht in dem Aufwand an Zeit und Koſten, 
den ihm die Herſtellung der Rechnung und die allen⸗ 
falls noch erforderliche Beſchaffung von Belegen vers 
urſacht. Die Behauptung des Beklagten, er fei außer— 
ſtande die Rechnung zu ſtellen, ſteht im Widerſpruche 
mit der in der Berufungsinſtanz abgegebenen Er— 
klärung, er ſei jederzeit zur Mitwirkung bei einer ge⸗ 
meinſamen Abrechnung der Teilhaber bereit. Wenn 
er bei einer gemeinſamen Abrechnung ſeine Einnahmen, 
Ausgaben und Ablieferungen angeben kann, ſo kann 
er auch Rechnung darüber ſtellen. Die Rechnungs⸗ 
ſtellung mag bei der Beſchaffenheit der für die Ziegelei 
geführten Bücher mühevoll und zeitraubend ſein und 
der Beklagte mag ſich genötigt ſehen, ſich der Hilfe 
einer der Buchführung kundigen Perſon zu bedienen, 
der Senat glaubt aber, den erforderlichen Aufwand 
nicht höher als auf 1000 M veranſchlagen zu können. 
Ein den Betrag von 2500 M überſteigender Wert des 
Beſchwerdegegenſtandes iſt alſo nicht glaubhaft gemacht. 
(Urt. des I. ZS. vom 8. November 1907, I 13807). 
1118 W. 


II. 

Sind die 88 26, 27 des Fideikemmißedikts durch 
8 883 BGB. oder andere Borfchriften des neuen Nechtes 
erſetzt oder ſind ſie noch in Geltung? (AG. z. BGB. 
Art. 135). Freiherr von S.⸗F. in M. iſt derzeitiger Be⸗ 
ſitzer des Familienfideikommiſſes A. und N. F. Am 
17. Oktober 1906 zeigte er dem Fideikommißgericht an, 
daß er die zum Anweſen Hs.-Nr. 14 in N. F. noch 
gehörenden Grundſtücke mit einem Flächeninhalt von 
16,854 ha um 47500 Mk. erworben habe, um fie im 
Intereſſe der Arrondierung und einer beſſeren Ren— 
tabilität der Fideikommißgüter dem Fideikommißver⸗ 
mögen einzuverleiben. Behufs Zahlung des Rauf- 
ſchillings und der Koſten beabſichtige er, eine Fidei- 
kommißſchuld I. Klaſſe für ein von einer Bank zu 
gewährendes Darlehen von 50 000 Mk. zu begründen. 
Er bat, den Ankauf der Grundſtücke und die Aufnahme 
einer Fideikommißſchuld I. Klaſſe im 2. Range zugunſten 
der Bank zu genehmigen. Das Fideikommißgericht 
erließ einen Beſchluß. durch den — „vorbehaltlich des 
Ergebniſſes des einzuleitenden Ediktalverfahrens“ — 
die Einverleibung des Anweſens Hs-Nr. 14 in N. F. 
in das Familienfideikommiß der Freiherren von S.⸗F. 
genehmigt und die Genehmigung zur Aufnahme einer 
Fideikommißſchuld I. Klaſſe von 50 000 Mk. für die 
B. H.⸗ und W.⸗Bank unter den vereinbarten Bedingungen 
für den Fall in Ausſicht geſtellt wurde, daß die Ein⸗ 
verleibung des erworbenen Anweſens in den Fidei— 
kommißverband tatſächlich erfolgen werde. Gleichzeitig 
verfügte und erließ es die im § 26 des Edikts vor- 
geſchriebene Ediktalladung. Der Antrag des Fidei— 


| 


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71 


kommißbeſitzers, die Aufnahme des Fideikommißkapitals 
ſofort nach Anordnung der Ausſchreibung in den öffent⸗ 
lichen Blättern behufs Deckung des Kaufſchillings zu 
genehmigen, wurde abgelehnt. Das Oberſte Landes⸗ 
gericht hat die Beſchwerde des Fideikommißbeſitzers 
aus folgenden Gründen zurückgewieſen. Das Fidei⸗ 
kommißgericht hat die Zurückweiſung des Antrags des 
Beſchwerdeführers darauf gegründet, daß der Zugang 
der gekauften Grundſtücke zum Fideikommiß das 
Aequivalent für die Belaſtung des Fideikommiſſes mit 
der aufzunehmenden Fideikommißſchuld ſei und daß 
nach den §§ 26, 27 des FidE. und dem 8 14 Ziff. 3 der 
Vollzugsinſiruktion die einzuverleibenden Grundſtücke 
erſt nach Durchführung des vorgeſchriebenen Ediktal⸗ 
verfahrens mit der Eintragung in die Fideikommiß⸗ 
matrikel Beſtandteile des Fideikommiſſes werden, vorher 
nur eine gewiſſe Wahrſcheinlichkeit für die ſeinerzeitige 
Einverleibung beſtehe, in dieſer aber ein hinreichendes 
Aequivalent für die beantragte Belaſtung des Fidei⸗ 
kommiſſes nicht gefunden werden könne. Dieſen Aus⸗ 
führungen iſt beizutreten. Der Beſchwerdeführer macht 
u. a. geltend, daß der 8 883 BGB. in Verbindung mit 
den SS 873, 892 die im § 26 des Edikts vorgeſehene 
Ediktalladung erſetzen könne, da das Fideikommiß⸗ 
gericht durch die Anordnung einer Vormerkung im 
Grundbuch bewirken könne, daß dus zur Einverleibung 
in das Fideikommiß beſtimmte Grundſtück dem Zugriff 
Dritter, deren Rechte im Grundbuch nicht eingetragen 
ſind, entzogen wird, und daß die Vorſchrift der Ediktal⸗ 
ladung, ſelbſt wenn ſie formell noch zu Recht beſtehen 
ſollte, jedenfalls ihre ſachliche Bedeutung verloren 
habe. Dieſer Ausführung kann nicht beigepflichtet 
werden. Gemäß Art. 59 EG. z. BGB. blieben die 
landesgeſetzlichen Vorſchriften über Jamilienfidei⸗ 
kommiſſe unberührt. In dem von der Beil. VII zur 
Vu. handelnden Art. 135 AG. z. BGB. findet fi 
nicht die Vorſchrift, daß die 8$ 26, 27 dort aufgehoben 
werden. Dieſer Umſtand ſpricht dafür, daß der Ges 
ſetzgeber ſie als fortbeſtehend anſah. Die erwähnten 
Vorſchriften des Edikts beſtehen alſo jedenfalls formell 
noch zu Recht. Sie ſind aber auch tatſächlich nicht 
außer Wirkſamkeit geſetzt — weder durch die ſachen⸗ 
rechtlichen Vorſchriften des BGB., noch durch die GBO. 
Es läßt ſich nicht behaupten, daß ſie durch dieſe Normen 
gegenſtandslos geworden, erloſchen und erſetzt ſind. 
Anzuerkennen iſt, daß durch Einführung des definitiven 
Grundſteuerkataſters, des Hyp®., des Not., des BGB. 
und der GBO. die erwähnten Vorſchriften an ihrer 
praktiſchen Bedeutung weſentliche Einbuße erlitten 
haben. Aber auch hier muß der Grundſatz gelten 
Cessante ratione legis non cessat lex ipsa. Der 8 883 
BGB. bietet keineswegs einen Erſatz für die 88 26, 27 des 
Edikts, da er nur zur Sicherung obligatoriſcher Anſprüche 
beſtimmter (nicht unbekannter) Perſonen auf Eins 
räumung (oder Aufhebung) des Rechtes an einem Grund— 
ſtücke dient. Es handelt ſich auch nicht um Zurüd: 
weiſung eines Antrags, zugunſten des Fideikommiß⸗ 
beſitzers zur Sicherung ſeines Anſpruchs gegen die 
Verkäufer eine Vormerkung im Grundbuch (und in 
der Matrikel) einzutragen. Die Eintragung eines 
Widerſpruchs, die etwa noch in Frage kommen könnte 
(BGB. 8 894), wäre erft möglich, wenn die dem Fidei- 
kommiß einzuverleibenden Grundſtücke ſchon im Grund- 
buch als Beſtandteile des Fideikommiſſes eingeſchrieben 
wären, da der Widerſpruch eines Berechtigten ſich nur 
gegen den Inhalt des Grundbuchs richten kann. Die 
vom Beſchwerdeführer geltend gemachten Geſichtspunkte 


können um ſo weniger Berückſichtigung finden, als „per— 


ſönliche Forderungen hinſichtlich des zum Fideikommiß 
beſtimmten Vermögens“ im Sinne des & 26 des Edikts, 
ſoweit unbekannte Berechtigte in Frage kommen, auch 
unter der Herrſchaft des geltenden bürgerlichen Rechtes 
nicht undenkbar find (BGB. § 313). (Beſchluß des 
II. ZS. vom 21. Oktober 1907, Reg. III Nr. 44 al 
1089 


72 


Oberlandesgericht München. 


Eutſchädigung der ärztlichen Sachverſtändigen für 
Aktenſtudinm. Die Zuläſſigkeit einer ſolchen Ent⸗ 
ſchädigung wurde mit folgender Begründung verneint. 
Das Aktenſtudium zur Vorbereitung des Gutachtens 
iſt in der Gebührenordnung zur VO. vom 17. No⸗ 
vember 1902 nicht vorgeſehen und eine Ausdehnung 
ber dort erwähnten „Unterſuchungen und Beobach⸗ 
tungen“ auf Aktenſtudium entſpricht nicht mehr einer 
finngemäßen Auslegung. Die im Abſ. 2 des 8 1 der 
BO. vom 17. Oktober 1901 angefügte allgemeine Er: 
mächtigung kann auch im Zuſammenhalte mit der im 

3 der VO. vom 17. November 1902 enthaltenen 

erweiſung nicht die Folge haben, daß auch die Ge⸗ 
bührenordnung für amtsärztliche Dienſtleiſtungen auf 
darin nicht genannte „ähnliche Fälle“ Anwendung 
finden dürfte. Die Zuhilfenahme der GO. f. Z. u. S. 
iſt wegen der für die Aerzte beſtehenden nach § 13 
BSGO. ausſchließlich geltenden beſonderen Gebühren⸗ 
vorſchriften ausgeſchloſſen.) (Beſchl. vom 19. Dezbr. 
1907; Beſchw. Reg. Nr. 722/07). N. 

1131 


Landgericht München I. 


5 des Widerſpruchs im Offenbarungseids⸗ 
verfahren. (88 900, 901 3 0.). Im Termin zur Leiſtung 
des Eides fand ſich der Gläubiger perſönlich, für den 
Schuldner aber ein Anwalt ein, der die Eidespflicht 
beſtritt, weil der Vollſtreckungstitel nur ein Arreſt⸗ 
befehl war. Darauf wurde entſprechend dem beider⸗ 
ſeitigen Antrag der Termin auf einen ſpäteren Tag 
verlegt und dies verkündet. Im neuen Termin blieb 
der Gläubiger aus; der Anwalt des Schuldners er⸗ 
klärte, daß er keinen Antrag ſtellen wolle. Am Tage 
nach dem Termin beantragte der Gläubiger ſchriftlich 
die Erlaſſung eines Haftbefehls, „da im Termin kein 
Antrag geſtellt wurde“. Das Amtsgericht erließ den 
Haftbefehl unter Bezugnahme auf Gaupp⸗Stein, Komm. 
3. O. Anm. I Ziff. 1 zu § 901, weil der Schuldner 
nicht verhandelt habe (vgl. Recht 1901 S. 413). Auf 
Beſchwerde hob das Landgericht den Beſchluß auf und 
wies den Haftbefehlsantrag zurück. 

Aus den Gründen: Ueber den im erſten 
Termin erhobenen Widerſpruch hat das Vollſtreckungs⸗ 
gericht entgegen der Vorſchrift in § 900 Abſ. 3 ZPO. 
nicht durch Beſchluß entſchieden. Die Notwendigkeit 
dieſer Entſcheidung iſt nicht dadurch weggefallen, daß 
der Schuldner in dem weiteren Termin keinen Antrag 
geſtellt hat; denn durch dieſe Erklärung iſt der im 
erſten Termin erhobene, zur Prüfung des Gerichts 
geſtellte Widerfpruch nicht beſeitigt worden. Die Haft⸗ 
anordnung iſt daher verfrüht; ſie hätte erſt getroffen 
werden können, wenn das Gericht über den Wider— 
ſpruch des Schuldners zugunſten des Gläubigers ent⸗ 
ſchieden und der Gläubiger nach Rechtskraft des Be- 
ſchluſſes neu geladen hätte.!) (Beſchluß vom 23. 
November 1907; Beſchw. Reg. Nr. 557,07). x 

1111 i 


1) Val. auch Jabra. 1907 S. 153 u. 342 ff. 

1) tt anderen Worten: Die Vertagung konnte nach Erhebung 
des Widerſpruchs überbaupt nicht mebr zur Eidesleiſtung, ſondern 
nur noch zur (fakultativen) Verbandlung über den Widerſpruch ers 
folgen. Das Unterlaſſen des Antrags konnte nur dahin gedeutet 
werden, daß der Schuldner auf Beſchlußfaſſung über den Widerſpruch 
bis auf neuen Gläubigerantrag nicht beſtehe. Der Einſ. 


— 


—— . U nn 
— aa aaacasa ea caaaeaee țy 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. 


Literatur. 


1. Guyer, Dr. iur., Gruft, Rechtsanwalt in Zurich. 
Ein Schweizeriſches Bundesgeſetz über die 
Haftung der Automobilhalter. Zürich 1906, 
Verlag von Schultheß & Co. Geh. Mk. 2.40. 


Guyer, Dr. iur, Gruft, Rechtsanwalt in Zürich. 
Das künftige ſchweizeriſche Patentrecht. 
ah Berlag von Schultheß & Co. Seh. 


2 


. Weil, Dr. iur., Paul. Begriff und Bedeutung 
der Nebenſachen und Zutaten im bürger⸗ 
lichen Recht. München 1907, J. Schweitzer Berl ag 
(Arthur Sellier). Geh. Mk. 1.60. 


Homberger, Dr. Ludwig. Das Recht der ernt- 
ſtehenden Aktiengeſellſchaft. München 1906. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Geh. Mk. 1.50. 


. Bobert, Dr. G., Landgerichtsdirektor. Beiſpie le 
zum Zwangs verſteigerungs⸗ und Zwang s⸗ 
verwaltungs verfahren. 2. unveränderte Auf⸗ 
lage. Stuttgart 1906, J. B. Metzler ſche Buchhan d⸗ 
lung. Geh. Mk. 1.—. 


. Gnttmaun, Max, Rechtsanwalt und Notar in Wies- 
baden. Unmittelbarkeit und freie Beweis⸗ 
würdigung und die Zukunft unſerer Gerichts⸗ 
verfaſſung. Mannheim 1907, Verlag von J. Bens⸗ 
heimer. Geh. Mk. 3.50. 


. Maas, Dr. iur., Georg, Bibliothekar im Reihs- 
militärgericht. Jurisprudentia Germaniae 
1906. Bibliographie der Deutſchen Geſetzgebung 
und Rechtswiſſenſchaft. Berlin 1907, W. Moefer, 
Buchhandlung. Broch. Mk. 7.50. 


Notizen. 


Die Anwendung der Zengniszwangshaft. Auch die 
bayeriſche Juſtizverwaltung hat jetzt entſprechend der 
Anregung des Reichskanzlers eine Bekanntmachung 
erlaſſen, die einer zu ſtrengen Anwendung der Vor⸗ 
ſchriften über die Zeugniszwangshaft vorbeugen ſoll 
(MBek. vom 8. Januar 1908, IM Bl. S. 1). Da die 
Entſcheidung über die Anordnung und über die Dauer 
der Haft dem Gerichte zuſteht, richtet fih die Bekannt- 
machung nur an die Staatsanwälte und an die Amts⸗ 
anwälte. Sie ſollen bei der Stellung der Anträge 
auf Anordnung der Haft beſondere Vorſicht beobachten 
und etwaige Bedenken gegen die „us und Auf: 
rechterhaltung der Haft dem Gerichte gegenüber geltend 
machen, auch durch Einlegung der Beſchwerde auf die 
Aufhebung der Haft hinwirken, ſoweit es erforderlich 
iſt. Haftanträge außerhalb der Hauptverhandlung 
ſollen nur mit Genehmigung des erſten Beamten der 
Staatsanwaltſchaft, in zweifelhaften Fällen nur auf 
die Weiſung des Oberſtaatsanwalts hin geſtellt werden. 

Die neuen Vorſchriften beziehen ſich nur auf die 
Erzwingung des Zeugniſſes im Strafverfahren. Es 
muß aber wohl kaum hervorgehoben werden, daß auch 
in Dis ziplinarſachen von der Möglichkeit, ein 
Zeugnis durch Haftanordnung zu erzwingen, nur dann 
Gebrauch gemacht werden ſoll, wenn ein anderer Weg 
zur Erforſchung des Sachverhalts nicht gangbar iſt 
und das öffentliche Intereſſe ein ſchärferes Vorgehen 
unvermeidlich macht. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. O., Freifing. 


Ur. 4. München, den 15. Februar 1903. 1908. 4, 4. Jahrg. 


Zeitschrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


en gendes. ill Bühkrn ge. 


in München. in München, Lenbachplatz 1. 


Die Zeitſchtift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1. 
Inſertionegebübr 30 Pig. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


zur Lehre von der „Ausführung“ ſtraf⸗ 9 75 mittelbarer Täterſchaft in dem Sinne, daß 


zufolge getroffener Abrede jemand, bei dem der 
barer Handlungen. Tätervorſatz und der geſamte innere Tatbeſtand 
gegeben ſind, ſämtliche aͤußeren Tatbeſtandsmerkmale 
durch einen vollſtändig eingeweihten, aber nicht 
Die nachſtehenden Erörterungen knüpfen an an mit Tätervorſatz handelnden Gehilfen als ſein 
das Urteil des Reichsgerichts vom 11. Juni 1906, Werkzeug verwirklichen läßt“. 
veröffentlicht in den Entſcheidungen in Strafſachen Dieſe Theſe iſt unmittelbar aus der ſubjektiven 
Bd. 39 S. 37 ff. Der hier abgeurteilte nach Teilnahmetheorie des Reichsgerichts erwachſen. 
der tatſächlichen Seite hin ſehr einfache Fall war Nach dieſer wird bekanntlich der Tätervorſatz deſſen, 
der: Die Angeklagten W. und Pf. haben in der nur im fremden Intereſſe gehandelt hat, in 
einem mit Lattenzäunen umſchloſſenen Garten auf | Abrede geitellt, ſodaß bei einem Zuſammenwirken 
dem Boden einen roten Gegenſtand liegen ſehen, mehrerer Perſonen, gleichviel wie beſchaffen die 
den fie für einen Gummiball hielten, der aber äußere Tätigkeit der einzelnen war, der eigentliche 
| 


Bon Profeſſor Dr. Eruſt Beling in Tübingen. 


in Wirklichkeit eine — in fremdem Eigentum und Intereſſent zu ſuchen iſt, und dieſer dann als 
Gewahrſam befindliche — Holzkugel war. Der der Täter erſcheint. 


Angeklagte Pf. hat, weil er den vermeintlichen Aber die Konſtruktion einer mittelbaren Täter⸗ 
Gummiball für ſich haben und dann feinen Ge- ſchaft durch doloſes Werkzeug hat auch bei An: 
ſchwiſtern ſchenken wollte, den Angeklagten W. hängern der objektiven Teilnahmetheorie mit einer 
durch die Aufforderung, „den Ball zu holen“, gewiſſen Umformung Beifall gefunden. Sie 
zur Wegnahme und Ausfolge des vermeintlichen wird hier auf die fog. „Abſichtsdelikte“ beſchränkt, 
Balles vorjäglid) beſtimmen wollen und ihn in d. h. diejenigen Delikte, zu deren Begriff nach 
der Tat zu dem Entſchluſſe beſtimmt, den „Ball“ dem Geſetz eine beſtimmt geartete Abſicht gehört, 
für Pf. wegzunehmen und unter bleibender Berz und lautet dann dahin, daß, wenn der den Tat: 
legung des fremden Gewahrſams in den Beſitz beſtand unmittelbar Verwirklichende zwar vorſätzlich, 
und die ausſchließliche Verfügungsgewalt Pf. zu aber ohne jene „Abſicht“ gehandelt habe, er nur 
bringen. Während Pf. ruhig ſtehen blieb, hat Werkzeug in der Hand deſſen ſei, der ihn mit 
W. zu dem erwähnten Zweck mit Gewalt zwei jener Abſicht zu der Tatbeſtandsverwirklichung 
Latten weggeriſſen, ift durch die jo entitandene vermocht habe.) Man gelangt zu ihr offenbar 
Lücke ohne erhebliches Hindernis in den Garten durch einen Schluß von der geſicherten Grundlage 
eingetreten, hat den vermeintlichen Ball vom Boden aus, daß wenn der Vorſatz (3. B. wegen Irrtums) 
aufgehoben, aber ihn nach der Entdeckung, daß auf ſeiten des Handelnden fehlt, der andere, der 
es entgegen feiner und Pf. s Vermutung kein ihn zu der Tatbegehung gebraucht, der Täter iſt. 
Ball war, wieder auf den Boden gelegt und den Von da aus ſcheint der Schluß geboten, daß das 
Garten durch die Zaunlücke wieder verlaſſen. Fehlen der etwa vom Geſetz erforderten Abſicht, 
Von den mancherlei Problemen, die aus — 

dieſem Sachverhalt herausſpringen, ſollen hier 
zwei herausgegriffen werden, denen eine grund— 
ſätzlichere Bedeutung zukommt. 


1) Ebenſo ihon E. 1, 148; 3. 99: 24, 87; 28, 110; 
31, 82; R. 6, 418. Zuſtimmend Ols hauſen, Komm. 
7. Aufl. Anm 17 zu § 47, Oppenhoff-Delius, 


Komm. 14 Aufl. Anm. 4 zu 8 47. Vgl. dagegen Birt- 
3 ; | meyer L. v. d. Teilnahme 121, 256; W. Mitter- 
J. Ausführung einer ſtrafbaren Hand: maier 3StW. 21, 235, insbeſ. 248 ff. 
lung durch „doloſes Werkzeug“? ) So v. Liszt, Lehrb., 15. Aufl. 221. Ziff. 4: Menyer 
Allfeld, Lehrb. 6. Aufl. 153 Anm. 9. Vgl. übrigens 
In dem an die Spitze geſtellten Falle geht i 11 an 9 } 
| 


auch R. 6, 416. Dagegen: Wachenfeld in v. Holtzen⸗ 
das Reichsgericht aus von der „rechtlichen Mög- dorff-⸗Kohlers Enzyklopädie 2, 272. 


74 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908 in Bayern. 1908. 


die ja nichts anderes als eine Verſtärkung der 
Vorſätzlichkeit des Handelns iſt, ebenfalls den 
Handelnden zum „Werkzeug“ macht, als habe er 
nicht den „vollen Vorſa atz“ gehabt. 

Beide Auffafſungen ſind namentlich für den 
Diebſtahl in dem Sinne nutzbar gemacht worden, 
daß, wenn Secundus eine fremde bewegliche Sache 
einem anderen in der Abſicht wegnehme, ihre 
Zueignung durch Primus zu ermöglichen, und 
Primus ihn in der Abſicht, ſich die Sache zuzu⸗ 
eignen, hierzu beſtimmt habe, Primus der Dieb, 
Secundus nur ſein Werkzeug und Gehilfe ſei. 

Von anderer Seite wird freilich die Meinung 
vertreten, daß das Problem der mittelbaren Täter⸗ 
ſchaft in dieſem, dem Diebſtahls-Falle, gar 
nicht auftrete; denn hier habe Secundus die Ab- 
ſicht, ſich die Sache dadurch zuzueignen, daß er ſie 
nach erfolgter Wegnahme an Primus weitergebe, 
das Weitergeben fei eben „Zueignung“.?) Vom 
Standpunkte dieſer Meinung aus iſt dann natür⸗ 
lich Secundus der Dieb und Primus wegen An— 
ſtiftung ſtrafbar. Demgegenüber wird aber zu er⸗ 
wägen ſein, daß der Diebſtahl ſeinen gehäſſigen 
Charakter augenſcheinlich dem Umſtande verdankt, 
daß der Dieb als Egoiſt erſcheint. Wenn das 
Reichsſtrafgeſetzbuch auch das Erfordernis eines 
animus lucri faciendi hat fallen laſſen, ſo hat es 
doch immerhin die „Abſicht, ſich die Sache zuzu⸗ 
eignen“, feſtgehalten und damit den Diebſtahl als 
eigenſüchtiges Delikt gekennzeichnet. Die Frage, ob 
unter Zueignung die wirtſchaftliche Ausbeutung 
der Sache oder aber die Herſtellung eigentums— 
gleicher Herrſchaft über ſie zu verſtehen iſt, ſpielt 
hier keine Rolle; denn jedenfalls muß zwiſchen 
dem, der ſich die Sache zueignen will, und dem, 
der es ſei Eigenausbeutung oder Eigenherrſchaft 
nicht anſtrebt, unterſchieden werden. Gewiß eignet 
ſich derjenige eine Sache zu, der über ſie durch 
Verſchenken verfügen will; aber wenn Secundus 
nur anſtrebt, die Sache nach erfolgter Wegnahme 
dem Primus zu geben, ſo iſt das noch lange 
kein „Verſchenken“ oder „Verfügen“; ein bloßes 
Uebergeben braucht nicht Ausfluß von Eigenherr: 
ſchaft oder Eigenausbeutung zu ſein. 


Aber wie dem auch ſei, — ſelbſt wenn unſer 
Problem bei Diebſtahl nicht auftauchen ſollte, 
ſo wäre es immer noch für die große Zahl der 
ſonſtigen Abſichtsdelikte aufzuwerfen. Wie ſteht 
es z. B. um die Strafbarkeit des Primus, der in 
gewinnſüchtiger Abſicht den Secundus, der ohne 
gewinnſüchtige Abſicht handelt, dazu beſtimmt hat, 
ſich von einem Minderjährigen ein Zahlungs: 
verſprechen erteilen zu laſſen, und um die Strafbarkeit 
eben dieſes Secundus ($ 301)? Oder um die 
Strafbarkeit des Primus, der in der Abſicht, unter 
Begünſtigung der Brandſtiftung einen Mord zu 
begehen, den Secundus zu der Brandſtiftung ver: 


Nr. 4. A 


mocht hat, und um die Strafbarkeit des ohne jene 
Abſicht handelnden Secundus ($ 307 2)? 

Nach der Theorie von der mittelbaren Täter⸗ 
ſchaft durch vorſätzlich handelndes Werkzeug wäre 
hier natürlich Primus der Täter, Secundus als 
Gehilfe ſtrafbar. 

Aber gerade der letzterwähnte Fall wirft dieſe 
Lehre ohne weiteres über den Haufen, wenigſtens 
in ihrer ſpeziellen Ausprägung für die „Abſichts⸗ 
delikte“. Denn es iſt ſicher, daß der vorſätzliche 
Brandſtifter im Sinne des $ 306 unbedingt Brand- 
ſtiftungshaupttäter iſt und nicht dadurch in die 
Kategorie der Gehilfen herabſinken kann, daß der 
Anſtifter die in $ 307 2 als Qualifikationsmoment 
verwendete Abſicht hat! Unmöglich wäre es natür⸗ 
lich auch, ſein Handeln zugleich als Haupttäter⸗ 
ſchaft hinſichtlich einer einfachen Brandſtiftung 
und als Beihilfe zu einer qualifizierten Brand⸗ 
ſtif ftung zu werten; denn eine und dieſelbe Tat 
kann in der Summe ihrer konkreten Merkmale 
nicht zugleich der Täterſchaft und der Beihilfe 
unterſtellt werden, ſodaß ſie reſtlos Täterſchaft 
und ebenſo reſtlos bloße Beihilfe zu derſelben 
Tat wäre. So wenig aber das Fehlen einer im 
Geſetz als Qualifikationsmoment verwerteten Ab⸗ 
ſicht die ſonſt gegebene Annahme von Haupttäter⸗ 
ſchaft beſeitigen kann, ſo wenig kann das Fehlen 
einer über Strafbarkeit oder Strafloſigkeit ent: 
ſcheidenden (alſo im engeren Sinne „konſtitutiven“) 
Abſicht dieſe Wirkung haben. Dies deshalb, weil 
gerade die verſchiedenartige Verwendung des Ab: 
ſichtsmoments im Geſetz erweiſt, daß nicht die 
Feſtſtellung der Haupttätereigenſchaft von dem Vor⸗ 
handenſein der Abſicht abhängig ſein kann, ſondern 
gerade umgekehrt zuerſt die Haupttätereigenſchaft 
feſtzuſtellen iſt, und dann erſt zu fragen iſt, ob der 
Täter die „Abſicht“ gehabt habe, um daran die 
Konſequenzen (Strafbarkeit oder Strafloſigkeit, 
höhere oder geringere Strafdrohung) anzuknüpfen. 

Nach den bisherigen Darlegungen führt alſo 
die Lehre von der mittelbaren Täterſchaft durch 
doloſes Werkzeug jedenfalls in ihrer für die Ab: 
ſichtsdelikte aufgeſtellten Geſtalt zu unmöglichen 
Folgerungen. Aber worin liegt ihr Fehler? 

Eine unmittelbar gefühlsmäßige Kritik wird 
ſich ſchon gegen die uns zugemutete Vorſtellung 
eines bewußt und ſelbſtändig handelnden „Werk⸗ 
zeugs“ ſträuben; ſie wird nicht gelten laſſen können, 
daß man um deswillen zum bloßen Werkzeug 
eines anderen werde, weil man mit feinem Han: 
deln beſtimmten Plänen dieſes anderen förderlich 
wird. Denn die Charakteriſierung eines Menſchen 
als „Werkzeug“ bedeutet eine Negation der ſelb— 
ſtändigen Entſchließung, ſie betrachtet ihn mit 
feinen Kräften als beherrſcht von einem Draht: 
zieher, und davon läßt ſich ſchlechterdings nicht 
reden, wo Secundus in voller Kenntnis der Sad- 
lage tätig wird. Aeußerſtenfalls könnte eingeräumt 


ee e ee e Tran; Komm, werden, daß Secundus dann als bloßes Werkzeug 


7. Aufl. 82 (IV zu Abſchn. 3). 


in der Hand des Primus erſchiene, 


wenn dieſer 


— —— — . 


Alitchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Rr. — 75 für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


eine von ihm gehegte Abſicht (3. B. die gewinn⸗ 
ſüchtige Abſicht im Falle des § 301) dem Secun⸗ 
dus vorenthielte, ſodaß dieſer inſoweit ahnungs⸗ 
los handelte. Allein auch in dieſem Falle ließe 
ſich augenſcheinlich eine Werkzeugeigenſchaft des 
Secundus nur im Punkte der Abſichtsver⸗ 
wirklichung behaupten, nicht im Punkte der 
Tatausführung ſelber: Wer auf Anſtiften des 
Mordabſicht hegenden Primus vorſätzlich einen Brand 
legt, iſt Werkzeug für die Mordtat des Primus, 
aber nimmermehr Werkzeug für eine Brand— 
ſtiftung; wer auf Anſtiften des Zueignungsabſicht 
hegenden Primus eine fremde bewegliche Sache 
wegnimmt, iſt Werkzeug für die Zueignung, 
nicht Werkzeug im Punkte der Wegnahme. Aus 
dem Worte „Werkzeug“ läßt ſich endlich auch her⸗ 
leiten, daß es ein Unding iſt, jemanden zugleich 
als Werkzeug und als Gehilfen anzuſehen, denn 
mit der Gehilfſchaft verbindet ſich die Vorſtellung 
des Einſtehenmüſſens für das „Helfen“, mit dem 
Werkzeug die umgekehrte Vorſtellung einer ſozu— 
ſagen ſeelenloſen Betätigung. 


Indeſſen ſollen dieſe Gedankengänge, die bei 
dem „Werkzeug“ -Begriff einſetzen, hier nicht weiter 
verfolgt werden. Iſt doch dieſer Begriff und der 
für ihn eingeſetzte ſprachliche Ausdruck dem Geſetz 
fremd und nur zu Veranſchaulichungszwecken von 
der Wiſſenſchaft geſchaffen, ſo daß im Grunde das 
Schlüſſeziehen aus dieſem Begriff ein Stück Be: 
griffsjurisprudenz im Iheringſchen Sinne bedeutet. 
Es muß eingeräumt werden, daß die bisher gegen 
die Theorie von der mittelbaren Täterſchaft durch 
vorſätzlich handelndes Werkzeug vorgebrachten Ein— 
wendungen nur beweiſen können, daß die Aus— 
drucksform („Werkzeug“) unglücklich gewählt, nicht 
daß die Theorie falſch iſt. 

Und doch hat das natürliche Gefühl nicht ge— 


Täterſchaft durch doloſes Werkzeug mit Mißtrauen 
entgegentrat. 

Bekanntlich ruht die Anſtiftungslehre des 
Reichsſtrafgeſetzbuchs auf dem Dogma von der 
Unterbrechung des Kauſalzuſammenhangs durch 
das freie Handeln des Angeſtifteten. Derjenige, 
in deſſen Seele von anderer Seite her ein Funken 
geworfen iſt, hat es in der Hand, ob er dieſen 
Funken zur Flamme werden laffen oder unſchäd— 
lich verglimmen laſſen will. Er ſteht nicht im 
Bann der Anſtiftung, ſondern er entſcheidet 
in voller Unabhängigkeit, und darum iſt die An— 
ſtiftungshandlung nur Vorſchlag, nicht Urſachſetzung 
für den Erfolg. So unrichtig nun auch dieſe Vor— 
ſtellung iſt — denn die kauſale Mitwirkung der 
Motive wird heute auch im indeterminiſtiſchen Lager 
nicht mehr geleugnet —, und ſo leicht auch die 
Sonderfigur der Anſtiftung gegenüber der Täter— 
ſchaft ohne Zuhilfenahme jenes Dogmas feſtgehalten 
werden kann,“) jo durchdringt doch dieſes Dogma 


t) Darüber j. unten. 


75 


die heutige Anſtiftungslehre derart, daß man es nicht 
preisgeben kann, ohne Verwirrung in das geltende 
Recht hineinzutragen. 

Hält man es aber feſt, ſo muß man not⸗ 
wendig die Möglichkeit mittelbarer Täterſchaft 
durch vorſätzlich handelndes Werkzeug leugnen. 
Denn gerade die vorſätzliche Herbeiführung eines 
Erfolges auf Veranlaſſung eines anderen iſt der 
typiſche Fall einer Unterbrechung des Kauſal⸗ 
zuſammenhangs: Gerade hier iſt ja eben die 
eigene Entſcheidung des Handelnden vorhanden, 
ob er den Erfolg kauſieren wolle; und wer nichts 
anderes getan hat, als daß er dem Secundus 
ſolches Handeln unter den Fuß gegeben hat, hat 
eben den Erfolg nicht verurſacht, kann alſo nie⸗ 
mals Täter ſein, ſondern, wenn überhaupt, nur 
in der Form der 1 qua Anſtifter ſtraf⸗ 
bar fein. Für täterſchaftliches Handeln des Pri- 
mus, der lediglich den Secundus zu der Tat ver: 
anlaßt hat, bleibt überall da Raum, wo Secundus 
nicht kauſalitätunterbrechend dazwiſchen getreten 
itt. alſo wo er ſich infolge Irrtums gar nicht für 
Herbeiführung des Erfolges „entſchieden“ hat (Vor⸗ 
ſatzmangel), oder wo er kraft bindenden Befehls 
handeln mußte und deshalb keine ſelbſtändige 


Entſcheidung vorlag, oder wo ſeine Entſcheidung 


ſtändlich. 


— — — — — ————— — 3 GnQ ů(ů—— — —— ͥͤ ſ— 


trogen, wenn es der Lehre von der mittelbaren werden. 


wegen Mangels der Zurechnungsfähigkeit keine 
verantwortliche war uſw. Darüber hinaus aber 


nicht. Hier wird denn nun auch der zur Veranſchau— 


lichung gewählte Begriff des „Werkzeugs“ ver— 
„Werkzeug“ iſt jemand inſoweit, als 
er nicht als „Kauſalitätsunterbrecher“ erſcheint; 
und darum iſt es in der Tat nicht ein bloßes 
Vergreifen im Ausdruck, ſondern ein ſachlicher 
Widerſpruch, wenn man von „doloſem Werkzeug“ 
ſpricht. 

Damit köunte für das geltende Recht geſchloſſen 
Indeſſen hat die moderne Kritik das 
Dogma von der Unterbrechung des Kauſal— 
zuſammenhanges dermaßen unterhöhlt, daß es ge- 
boten erſcheint, Umſchau darnach zu halten, ob 
bei Zuſammenbruch dieſer Stütze das Ergebnis 


ein anderes werden würde. 


In der Tat ſcheint es ſo. Denn räumt 
man ein. daß auch der, der einen anderen zu der 
Tat beſtimmt, eine Urſache ſetzt als „intellektueller 
Urheber“, ſo ſcheint damit ohne weiteres das Er— 
gebnis gewonnen zu ſein, daß bei Zuſammen— 
wirken eines Primus als des Veranlaſſers und 
eines Secundus als des phyſiſchen Urhebers die 
Rollenverteilung ſo ſtattzufinden hat, daß jeden— 
falls einer von ihnen als „Täter“ ſtrafbar iſt. 
Iſt es möglich, den Secundus als Haupttäter zu 
faſſen, ſo genügt für den Primus die Haftbar— 
machung als „Anſtifter“; verſagt dieſe Möglich— 
keit, ſo wälzt ſich anſcheinend die volle Verant— 
wortung qua Haupttäter auf den intellektuellen 
Urheber über; einer von beiden muß für das 
Tatganze direkt haften, der andere tritt ihm als 
Teilnehmer an die Seite. Welcher von beiden 


76 


— — 


als der Haupttäter erſcheint, hängt dann lediglich 
von der Teilnahmetheorie ab, der der Beurteiler 
huldigt; vom Standpunkte der ſubjektiven Theorie 
aus iſt nur zu fragen, wer von ihnen der Tat⸗ 
intereſſent war (animus auctoris — animus socii); 
wer Täter und Teilnehmer nach objektiven Merk⸗ 
malen ſcheidet, wird zwar zunächſt darnach ſuchen, 
ob Secundus hiernach als Haupttäter erſcheint, 
aber im Verneinungsfalle mit der Folgerung 
parat ſein, daß dann eben Primus notwendig der 
Haupttäter ſein müſſe. 

Und doch leiden dieſe Gedankengänge an einem 
geheimen Fehler. Er beſteht darin, daß der im 
Geſetz ſcharf ausgeprägte Gegenſatz zwiſchen eigener 
Tatausführung (vgl. § 47) und Beſtimmung eines 
anderen zur Tatausführung ($ 48) verwiſcht wird. 

Dies gilt vor allem gegenüber der ſubjektiven 
Teilnahmetheorie. Es mag hier ganz auf ſich 
beruhen bleiben, ob man mittels ihrer zwiſchen 
Täter und Gehilfen ſcheiden kann. Jedenfalls iſt 
ſie direkt falſch, wenn ſie auf das Zuſammen— 
wirken von intellektuellem und phyſiſchem Urheber 
angewendet wird. Denn gerade der intellektuelle 
Urheber iſt regelmäßig der Tatintereſſent, die 
Seele des Unternehmens derart, daß, wer mit der 
ſubjektiven Theorie Ernſt macht, ſtets den An⸗ 
ſtifter als den Haupttäter, den Angeſtifteten ſtets 
nur als Sozius anſehen kann, m. a. W. den 
§ 48 vollſtändig aus den Angeln hebt. Selbſt 
da, wo auch der Angeſtiftete gleichzeitig im eigenen 
Intereſſe handelt, muß die ſubjektive Theorie zur 
Verleugnung des § 48 gelangen, denn dann ſind 
nach ihr zwei mit animus auctoris Handelnde 
vorhanden, die dann als Mittäter nach $ 47 zu 
behandeln wären. 

Dieſen Fehler vermeidet nun allerdings die 
objektive Theorie. Diejenigen aber, die von deren 
Standpunkt aus eine mittelbare Täterſchaft durch 
einen vorſätzlich handelnden Mittelsmann für mög⸗ 
lich erklären, geben damit im Grunde ihren ob- 
jektiviſtiſchen Ausgangspunkt auf und geraten in 
einen wunderlichen Zirkel hinein. Denn un 
zweifelhaft ift „Ausführender“, wer vorſätzlich, 
wäre es auch ohne die überdies vom Geſetz er⸗ 
forderte Abſicht, den Tatbeſtand verwirklicht. Wie 
will man es rechtfertigen, daß um der Strafloſigkeit 
dieſes Ausführenden willen nun plötzlich der Ver: 
anlaſſer zum „Ausführenden“ erklärt wird (denn 
nur der „Ausführende“ kann ja — arg. 8 47 — 
als Täter geſtraft werden)? Man kann hier auch 
nicht helfen mit der Figur der „Ausführung durch 
einen anderen“. Denn ſo ſehr es ſolche gibt, 
ſo ſehr auch bei ihr „eigene Ausführung“, alſo 
Täterſchaft vorliegt (man denke an den Fall der 
Benützung eines im Irrtum Befindlichen), ſo 
bedarf doch dieſe „Ausführung per alium“ der 
ſcharfen Gegenüberſtellung mit der Anſtiftung, und 
gewiß iſt mit der Unmöglichkeit, den Secundus 
(wegen Fehlens der geſetzlich erforderten Abſicht) 
als Haupttäter zu ſtrafen, noch lange nicht be: 


—— 9 ——ß — —ʒ — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


wieſen, daß Primus, der den Secundus zu der 
Ausführung beſtimmt hat, „durch dieſen aus⸗ 
geführt“ habe. Statt mit der Wendung „Aus⸗ 
führung per alium“ zu ſpielen, gilt es innere 
Kriterien aufzuzeigen, durch die ſich die eigene 
Ausführung per alium von der Anſtiftung abhebt. 
Sind doch diefe Begriffe ſcharf gegenſaͤtzlich gegen- 
einander. Ein per alium Handelnder kann An⸗ 
ſtifter, kann auch Selbſtausführender ſein; niemals 
aber iſt die Entſcheidung, ob er dieſes oder jenes 
ſei, davon abhängig zu machen, ob den alius 
Haupttäter⸗Strafe trifft oder nicht. Erſt die 
Feſtſtellung, ob die begrifflichen Vorausſetzungen 
für Annahme von Täterſchaft vorliegen, dann 
Ziehung der Konſequenzen für Strafbarkeit oder 
Strafloſigkeit! 

Zu voller Klarheit gelangt man nur, wenn 
man das Weſen der Verantwortlichkeit als Haupttäter 
und das Weſen der Verantwortlichkeit als An⸗ 
ſtifter ſcharf erfaßt, m. a. W. wenn man von der 
Wortdeutung aufſteigt zu einer rationellen Gegen⸗ 
überſtellung der Begriffe. Haben der intellektuelle 
und der phyſiſche Urheber Urſachen zum Erfolge 
geſetzt und werden ſie dennoch nicht beide ſchlecht⸗ 
weg als „Täter“ geſtraft, ſo iſt zu fragen, wes⸗ 
halb das nicht geſchieht.ô) 

Nun iſt ſicher, daß Haftung als Haupttäter 
unmittelbare Verantwortlichkeit, Haftung als An⸗ 
ſtifter zwar ſelbſtverſtaͤndlich auch Haftung für 
eigenes, nicht für fremdes Verſchulden, doch aber 
lediglich mittelbare, bedingte Verantwortlichkeit iſt. 
Der Grundgedanke des Geſetzes iſt der, daß der 
den Secundus nur motivierende Primus prinzipiell 
nicht die Laſt der direkten Verantwortung trägt, 
die Hauptverantwortung vielmehr nur auf Secundus 
laſtet. Der Gedanke, daß umgekehrt Primus als 
der eigentliche „Ur“ heber, der alles Weitere her- 
aufbeſchworen hat, die Hauptverantwortung trage, 
wird alſo in deutlich erkennbarer Weiſe perhorreſziert. 
Um ihm die Hauptverantwortung aufzuerlegen, 
genügt alſo keineswegs der Nachweis, daß Secundus 
als Haupttäter nicht ſtrafbar ſei, ſondern nur 
der Nachweis, daß Secundus überhaupt nicht der 
richtige Hauptverantwortliche ſei. Iſt 
Secundus überhaupt nicht legitimiert, als der 
Hauptverantwortliche zu gelten, dann allerdings 
wälzt ſich die Hauptverantwortlichkeit auf Primus. 
Iſt aber Secundus der richtige Hauptverantwort⸗ 
liche, fo kann der Umſtand, daß er aus irgend: 
welchen Gründen ſtraflos bleibt, nicht plötzlich den 
Primus zum Täter machen, vielmehr bleibt für 
Primus dann einzig die Frage die, ob auf ihn 
die Strafbarkeit als Anſtifter Anwendung findet, 
eine Frage, die natürlich zu verneinen iſt, wo 
nicht die Gründe der Strafloſigkeit des Haupt: 
täters rein perſönlicher Natur ſind. 


) Vgl. zum Folgenden W. Mittermaier, Z StW. 21, 
235 ff, deſſen Ausführungen fih mit dem Nachſtehenden 
mehrfach berühren. 


Es iſt nämlich bisher, ſoviel ich ſehe, nirgends 
betont worden, daß es ſehr wohl möglich iſt, daß 
jemand der richtige Hauptverantwortliche und 
dennoch im Reſultat nicht verantwortlich — nicht 
ſtrafbar iſt. Dieſe Erſcheinung mutet wie ein 
Widerſpruch in ſich an, iſt es aber nicht. 
ſowie im Prozeß der Beklagte ſehr wohl der richtige 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


Denn 


Beklagte, ad causam legitimiert ſein kann, ohne 
daß er doch ſchon darum verurteilt werden müßte, 


ſo geht auch im Strafrecht der Frage, ob jemand 
als Haupttäter ſtrafbar ſei, die andere Frage voran, 
ob er denn überhaupt legitimiert iſt, der primären 
Verantwortlichkeit unterſtellt zu werden, und des⸗ 
halb bedeutet Bejahung der Vorfrage, daß er die 
richtige Perſon ſei, noch keineswegs virtuelle, viel⸗ 
mehr nur potenzielle Haupttätereigenſchaft. 


Im Verhältnis zwiſchen dem Primus, der 
den Secundus zur phyſiſchen Begehung der Tat 


vermocht hat, und dieſem Secundus iſt nun die 
Legitimationsfrage, wie ſchon oben angedeutet, ſo 
gelagert, daß grundſätzlich nur Secundus der 
„richtige“ Hauptverantwortliche ift, weil regel- 


mäßig er es ift, der der Tat den Stempel feiner | 
entſchieden, daß hier unter gar keinen Umſtänden 


Perſönlichkeit aufgedrückt hat.?) Nur da verhält 
es ſich anders, wo eben nicht ſeine Perſönlichkeit 
die für die Tat maßgebende geweſen iſt, er viel⸗ 
mehr völlig im Banne des Primus tätig wurde, 
aljo da, wo labgeſehen von dem Falle, daß er 
nicht einmal „gehandelt“ hat — vis absoluta) er 
ſchuldlos oder gebunden oder in (vorſatzausſchließender) 
Unkenntnis über das, was er anrichtete, war. 
In dieſen Fällen kann ſich die primäre Verant— 
wortlichkeit (abgeſehen davon, daß in bem legt- 
genannten Falle primäre Verantwortlichkeit quoad 


6) Hierin liegt der richtige Kern des Dogmas von 
der Unterbrechung des Kauſalzuſammenhangs. Man 
fühlte inſtinktiv, daß die zwiſchen der Anſtiftungshand— 
lung und dem Erfolge ſtehende Entſcheidung des 
Angeſtifteten für die Würdigung der Anſtiftungshand— 
lung weſentlich fei, überſah aber die innerhalb der Ber: 
antwortlichkeit von ſelbſt gegebene Abſtufung und glaubte 
mit Bejahung der Kauſalität auch die Verantwort- 
lichkeit als Täter bejahen zu müſſen; ſo geriet man auf 
den Abweg, daß man die Kauſalität verneinen zu müſſen 
glaubte. 

Mit der im Text vorgetragenen Auffaſſung deckt 
ſich ſachlich die Theorie Franks (Komm. 7. Aufl. III, 
2a zu § 1. II zu Abſchn. 3) von der „piychiich ver- 
mittelten Kauſalität“. Gegen ſie iſt jedoch geltend zu 
machen, daß die Bezeichnung „pſychiſch vermittelte Kau— 
ſalität“ zu weit ift; denn pſychiſch vermittelt ift auch 
die Tatbegehung durch einen in vorſatzausſchließendem 
Irrtum oder in Geiſteskrankheit uſw. 
während doch Frank ſelbſt dieſe Fälle nicht hierher 
rechnet; ſtatt „pſychiſcher“ Vermittlung ſchlechthin wäre 
korrekt etwa von „Vermittlung durch einen Ent— 
ſcheidungsakt“ zu ſprechen. Sodann weicht Frank von 
dem Texte darin ab, daß er den „Urijah“ charakter der 
anſtoßgebenden Handlung leugnet und dieſe nur als 
einfache „Bedingung“ des Erfolges bezeichnet. Dieſer 
differenzierenden Terminologie bedarf es aber nicht, 
wenn man ſich nur deſſen bewußt iſt, daß man auch 
bei voller Anerkennung der Urſachqualität der anſtoß— 


Handelnden, 


77 


culpam — Fahrläſſigkeit — in Betracht kommen 
kann) überhaupt nicht an ſeine Adreſſe richten; 
hier, wo die Handlung gar nicht ſeine ſelbſtändige 
Perſönlichkeitsleiſtung iſt, er ſich gar nicht für 
die Erfolgsherbeiführung „eingeſetzt“ hat, iſt er 
gar nicht derjenige, der primär für das Ge- 
ſchehene einzuſtehen hat; hier kann er folglich qua 
Perſönlichkeit hinweggedacht und ſein Tun 
veranſchaulichungsweiſe mit dem Funktionieren 
eines „Werkzeugs“ in der Hand des Primus ver: 
glichen werden, ſein Handeln verſchmilzt ohne 
weiteres mit dem Handeln des Primus, ſo daß 
es hier möglich iſt, nunmehr von Primus zu 
ſagen, daß er den Tatbeſtand verwirklicht, alſo 
die Tat als (mittelbarer) Täter durch den Se⸗ 
cundus „ausgeführt“ habe.“) „Mittelbare“ Täter: 
ſchaft iſt eben direkte, nicht bloß mittelbare 
„Verantwortlichkeit“, denn in dem Handeln 
des Primus liegt hier eben der Schwerpunkt des 
Vorgangs. 

Wo dagegen die Tat des Secundus voller 
Ausfluß ſeiner Perſönlichkeit iſt, da ſteht eben er 
allein für ſie als Haupttäter ein, und damit iſt 


Primus als Hauptverantwortlicher in Betracht 
kommen kann oder man von ihm ſagen könnte, 
er habe die Tat „durch Secundus ausgeführt“. 
Es wäre ein handgreiflicher Fehler, wollte man 
lagen: „Secundus ift niht ſtrafbar, alfo ift er 
nicht der richtige Adreſſat für die Haftung 
als Hauptverantwortungsträger“. Nicht Primus, 
Sondern Secundus hat hier primär für die Erfolgs: 
herbeiführung einzuſtehen. Fehlt es alſo hier dem 
Secundus an irgendwelchen Strafbarkeitsrequiſiten, 
ſo ergibt ſich daraus auch die Strafloſigkeit des 
Primus (mit Ausnahme der Fälle, wo die Straf: 
loſigkeit des Secundus nur eine perſönliche iſt und 
ſomit die Beſtrafung des Primus in der Form 
der Anſtiftung erfolgen kann). 

Daß man ſich in der Verantwortlichkeitsfrage 
durch eine etwaige Strafloſigkeit des Secundus 
nicht beirren laſſen darf, tritt zur Evidenz in den 


Fällen hervor, wo das Verhalten des Secundus 


überhaupt nicht die Verwirklichung eines ſtraf— 
rechtlichen Tatbeſtands durch ihn ausmacht. Hat 
z. B. Primus den Secundus dazu vermocht, eine 
eigene Sache zu beſchädigen, ſo kann die direkte 
Verantwortlichkeit für den Erfolg unter keinen 
Umſtänden von Secundus ab- und auf Primus 


übergewälzt werden, wofern nur bei Secundus eine 


gebenden Handlung nicht genötigt iſt, dieſe letztere als 


täterſchaftliche Handlung aufzufaſſen. 


Entſcheidung für die Herbeiführung des Er— 
folges vorlag. Hier bedeutet die Feſtſtellung, daß 
Secundus ſtrafrechtlich nicht verantwortlich iſt, gewiß 
nur, daß er ſich ſelbſt verantwortlich iſt, aber 


7) Vorbehaltlich der höchſtperſönlichen Tatbeſtands— 
merkmale, die notwendig bei dem Täter ſelbſt vorliegen 
müſſen, ſo daß eine Uebertragung von dem Secundus 
auf den Primus nicht möglich iſt. Vgl. meine Lehre 
vom Verbrechen 234, 408, 416. 421, ſowie Binding. 
GerSaal 71, 5 ff. 


78 


mitnichten, daß Primus der eigentliche Verant⸗ 
wortungsträger wäre. 

Erſt recht erweiſt es ſich als unmöglich, den⸗ 
jenigen „Täter“ zu nennen, der die vorſätzliche 
Tatbeſtandsverwirklichung eines anderen 
durch Motivation hervorgerufen hat. Wenn über⸗ 
haupt, ſo kann er nur als „Anſtifter“ ſtrafbar 
ſein. Er iſt nur legitimiert zu bedingter, nicht 
zu primärer Verantwortlichkeit. 

In ſpezieller Anwendung auf die Abſichtsdelikte 
ift darnach der Schluß unvermeidlich, daß, wenn 
der den Tatbeſtand eines ſolchen Delikts vorſätzlich 
verwirklichende Secundus der geſetzlich erforderten 
„Abſicht“ ermangelte, darum keineswegs der mit 
ſolcher Abſicht gehandelt habende Primus zum 
Haupttäter wird. Denn Secundus iſt ausſchließlich 
derjenige, der, als Perſönlichkeit handelnd, für die 
Tat primär einſteht und zwar ohne Unterſchied, 
ob er die „Abſichten“ des Primus kannte oder 
nicht; daß er wegen Fehlens der „Abſicht“ nicht 
geſtraft werden kann, entzieht ihm nicht die Legiti⸗ 
mation dazu, als der „richtige“ Hauptverantwort⸗ 
liche angeſehen zu werden. Für den Primus er⸗ 
gibt ſich dann die Strafloſigkeit von ſelbſt daraus, 
daß es bei dem Secundus an ſtrafbarer Haupttat 
mangelt (da ja das Fehlen der „Abſicht“ kein bloß 
individueller „Strafausſchließungsgrund“ iſt).“) 9) 

Wie wenig man die an einen Secundus ge— 
gerichtete Aufforderung zu doloſem Handeln den 
Sätzen über mittelbare Täterſchaft unterſtellen kann, 
erhellt namentlich in dem Falle, daß die Auf⸗ 
forderung erfolglos war. Sicher bedeutet in den 
Fällen der echten mittelbaren Täterſchaft ſolch 
erfolgloſe Aufforderung ſchon einen Tatverſuch!“ 
nicht anders wie etwa die Abſendung einer Hüllen- 
maſchine einen Tötungsverſuch bedeutet. Das ift 
aber augenſcheinlich ganz anders, wo erſt Secundus 
ſeine Entſcheidung treffen muß. Werden diejenigen, 
die die von Secundus ohne Zueignungsabſicht auf 
Veranlaſſung des zueignungsſüchtigen Primus aus— 
geführte vorſätzliche Wegnahme einer Sache als 
einen Diebſtahl des Primus konſtruieren, geneigt 
ſein, die Handlungsweiſe des letzteren als Dieb— 
ſtahlsverſuch aufzufaſſen, wo es zur Wegnahme 
überhaupt nicht gekommen iſt? 

Nunmehr tritt auch der methodiſche Fehler, 
der der Lehre von der mittelbaren Täterſchaft 
durch doloſes Werkzeug anhaftet, deutlich hervor. 
Ihre Frageſtellung iſt von vornherein falſch; ſie 


e) Anders Finger, Lehrb. 348 e, der den 


Primus als Anſtifter ſtrafen will, aber dabei dem Um- 


ſtande nicht gerecht wird, daß auf ſeiten des Secundus 


überhaupt keine strafbare Handlung“ vorliegt. 

) Für die Fälle, wo die „Abſicht“ nur qualifi— 
zierende Bedeutung hat, modifiziert ſich das Geſagte 
dahin, daß zwar Strafbarkeit beider beſteht, aber das 


Qualifikationsmoment für den Secundus außer Betracht 


bleibt, für den Primus dagegen inſoweit Berückſichtigung 
heiſcht, als man den § 50 StGB. für anwendbar erachtet. 

1) Vgl. v. Liszt, Lehrb. 15. Aufl., 222; Anm. 8 
Ziff. 7. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


fragt: Wenn Primus als Veranlaſſer, Secundus 
als Ausführender gewirkt haben, welcher von 
beiden iſt dann als Haupttäter ſtraf⸗ 
bar? Und ſie antwortet — folgerichtig, aber eben 
nur in der falſchen Grundauffuſſung befangen —: 
Wenn Secundus es nicht ift, Jo muß es Primus 
ſein! Daß aber einer von beiden als Haupt⸗ 
täter ſtrafbar fein müſſe, it eine offenſichtliche 
petitio principii. Es wird dabei die innere 
Bedeutung der nur bedingten Verantwortlichkeit 
völlig ignoriert, und die Beſtrafung des Primus 
als Haupttäters im Grunde nur negativ, nämlich 
damit motiviert, daß der andere nicht als 
Haupttäter zu faſſen ſei. 

Derſelbe methodiſche Fehler zeigt fih um: 
gekehrt auch, wenn man!!) auf Primus abſtellt 
und den Satz formuliert: ſoweit er nicht als An: 
ſtifter zu faſſen ſei, müſſe er eben Täter ſein. 
Wie kann man das behaupten? damit, daß!) im 
heutigen Recht das „Erfordernis der Eigenhändig— 
keit“ für die Täterſchaft nicht gilt — was natürlich 
zutrifft — iſt doch die Theſe nicht bewieſen, denn 
bis zu einem gewiſſen Grade gilt dies Erfordernis 
eben doch, wie $ 48 zeigt, und die Frage ift eben die, 
worin ſich die Begriffe ſcheiden. Wer die Verneinung 
der Möglichkeit einer Beſtrafung des Primus ſofort 
dahin umdeutet, daß er dann als Täter zu ſtrafen 
ſei, verſchiebt das Weſen der Anſtiftungslehre: 
als ob eigentlich begrifflich im Sinne des StGB. 
alle Veranlaſſer Täter ſeien, und nur aus ihrem 
Kreiſe eine gewiſſe Gruppe durch § 48 heraus: 
gehoben ſei; als ob der Anſtiftungsparagraph 
eine lex specialis wäre, bei deren Fehlen alle 
Anſtifter als Täter zu ſtrafen wären. Die Sache 
iſt aber doch gerade umgekehrt: Der Anſtiftungs— 
paragraph ermöglicht erſt die Beſtrafung von Per— 
ſonen, die ohne ihn ſtraflos ſein würden, weil auf 
ihnen die Laſt der direkten Verantwortung, wie 
ſie das Weſen der Täterſchaft ausmacht, nicht 
laſtet; er ermöglicht ſie, indem er neben der direkten 
auch eine mittelbare Verantwortlichkeit anerkennt. 
Der Täterbegriff iſt dem Anſtifterbegriff gegenüber 
nicht der generelle, ſondern der Anſtifterbegriff iſt 
ein novum gegenüber jenem. 


Offenbar iſt es aber gerade die Strafloſigkeit 
beider Beteiligten, die frappiert und die die künſt⸗ 
lichen Verſuche, den Primus als Haupttäter, den 
Secundus als Werkzeug -Gehilfen zu faſſen, in: 
ſtinktmäßig hervorgerufen hat. Und doch hat bei 
näherem Zuſehen dieſe Strafloſigkeit gar nichts 
Verwunderliches. Indem das Geſetz bei den Ab— 
ſichtsdelikten neben der vorſätzlichen Tatbeſtands⸗ 
verwirklichung kumulativ die „Abſicht“ erfordert. 
lehnt es eben die Strafbarkeit der ohne dieſe Ab— 
ſicht erfolgten Ausführung ebenſoſehr ab, wie die 
Strafbarkeit deſſen, der mit ſolcher Abſicht nicht 
mehr tut, als daß er einen anderen zu der vor— 
11) Wie neuerdings Bin ding im GerSaal 71, 9. 
12) Dies Bindings Argument. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


ſätzlichen Ausführung beſtimmt. Und das mit 
gutem Grunde: denn dieſer wie jener ſetzen im 
Grunde nur Vorbereitungshandlungen für die 
ſpätere Abſichtsverwirklichung; und bei dieſer 
liegt der Schwerpunkt. Iſt dieſe nicht ſelbſt zum 
Tatbeſtand eines Delikts gemacht, wie z. B. das 
Gewinnziehen im Falle des § 301, ſo iſt es ſelbſt⸗ 
verſtändlich, daß erſt recht nicht die Vorbereitungs⸗ 
handlungen ſtrafbar ſein können. Iſt aber die 
Ausführung des Beabſichtigten, wie z. B. im Falle 
des $ 242 das Zueignen der Sache nach $ 246, 
im Falle des § 307 2 das Morden nach § 211 
zum eigenen Delikt vertatbeſtandlicht, ſo iſt nun⸗ 
mehr für die Beſtrafung des dieſe Abſicht reali⸗ 
ſierenden Primus die Bahn frei geworden, und 
Secundus figuriert, ſoweit er die Abſicht des 
Primus bei der Wegnahme der Sache bzw. der 
Brandſtiftung kannte, als Gehilfe zur Unter⸗ 
ſchlagung bzw. zum Morde. 


Und damit ift endlich die Vernünftigkeit dieſer 


Regelung auch de lege ferenda erwieſen. Es iſt 
ja doch nicht die Aufgabe eines Strafgeſetzbuchs, 
möglichſt viele Schuldige zur Strecke zu bringen. 
Immer werden zahlreiche Handlungen, mögen ſie 
auch unzuläſſig ſein, frei von Strafbarkeit bleiben 
müſſen, weil fie für ſich allein noch nicht den 
Schwerpunkt des unzuläſſigen Verhaltens aus: 
machen. 
ziehung dadurch, daß es beſtimmte Tatbeſtände 
formuliert, ſo, daß die bloße Vorbereitung ihrer 
Verwirklichung als ſolche ignoriert wird, d. h. daß 
denjenigen, der ſeiner Vorbereitung die Ausführung 
folgen läßt, Verantwortung nur sub titulo der 
Ausführung, denjenigen aber, der für einen 
anderen vorbereitet, alſo die Entſcheidung 


Formal erreicht das Geſetz dieſe Grenz: | 


79 


es das, wie bei den reinen Abſichtsdelikten,) nur 
in der Weiſe tut, daß die Realiſation dieſes er⸗ 
gänzenden Tatbeſtandes y bloß bei Hinzutritt einer 
beſtimmten Abſicht für ſtrafwürdig erachtet wird, 
ſo liegt darin der deutlichſte Ausdruck dafür, daß 
die Tatbeſtandsverwirklichung für fih allein (3. B. 
die Wegnahme per se) ebenſoſehr dem Kreiſe der 
nicht als ſtrafwürdig empfundenen Vorbereitungs⸗ 
handlungen für Tatbeſtand X zugewieſen wird, 
wie die mit der „Abſicht“ vorgenommenen Vor⸗ 
bereitungshandlungen für Tatbeſtand X, die nicht 
in Erfüllung dieſes ergänzenden Tatbeſtandes y 
beſtehen, wie alſo z. B. die Anſtiftung des Se⸗ 
cundus zur Wegnahme. Sollten ſich hierbei bei 
dieſem oder jenem Abſichtsdelikt Unzuträglichkeiten 
herausſtellen, ſo würde damit nur bewieſen ſein, 
daß die Formulierung des betr. Abſichtsdelikts, 
vielleicht eben gerade die Ausgeſtaltung zu einem 
ſolchen fehlerhaft war.“) (Schluß folgt.) 


Ziviliſtiſche Bemerkungen zum baheriſchen 
Vaſſergeſetz von 1907. 
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg. 
Schluß.) 
VI. Eutſchädigungsauſprüche ans Flußkorrektienen. 
Unter der Herrſchaft des WGB. beſtand 


Streit, inwieweit die Korrektion öffentlicher Flüſſe 


über die Tatbeſtandsverwirklichung in die Hände 


dieſes anderen gegeben hat, nur die oben erörterte 
„bedingte“ Verantwortlichkeit qua Teilnehmer trifft. 

Wollte man den „intellektuellen Urheber“ 
ſchlechthin dem phyſiſchen gleichſtellen, alfo als 
Täter ſtrafen, jo verſchöbe man den Verantwort⸗ 
lichkeitsſchwerpunkt, ignorierte auch die Tatſache, 
daß die wahre Täterſchaft ein Ereignis von größerer 
Intenſität iſt als die Anſtiftung, die eben bloß 
ein Hindrängen auf die Entſcheidung über Erfolgs⸗ 
herbeiführung, nicht ſelber ſolche Entſcheidung iſt.“) 

Gewiß kann nun das Geſetz gewiſſe der Ber: 
wirklichung eines Tatbeſtandes x voranlaufende 
Tätigkeiten ebenfalls vertatbeſtandlichen, indem es 
einen ergänzenden Tatbeſtand y aufſtellt eine der 
Zueignung voranlaufende „Wegnahme“ „eine dem 
Morde voranlaufende „Brandſtiftung“), aber wenn 


1) Die von Binding, GerSaal 71, 1 ff. poſtu⸗ 
lierte neue Form der Verantwortlichkeit „als Urheber“ 


wäre m. E. keine glückliche; denn fie verſchleiert gerade 


die Weſensverſchiedenheit der Fälle der primären und 
der nur bedingten Verantwortlichkeit. Letztere findet in 
der Form der „Anſtiftung“, die durchaus nicht, wie 
Binding meint, ein „fatales Zwitterweſen“ iſt, ihren 
exakten Ausdruck. 


| 


fehlte. 


als 


eine Pflicht des Staates oder der ſonſtigen Unter⸗ 
nehmer erzeugt, die am Waſſer Berechtigten für 
die Verluſte zu entſchädigen, die ihnen durch die 
Korrektion zugehen. Von den verſchiedenen hier 
denkbaren Fällen führte hauptſächlich die Be⸗ 
ſchädigung von Fiſchwäſſern zu Rechtsſtreitigkeiten. 
Das Erkenntnis des Oberappellationsgerichts vom 
15. Februar 1866 (Bl. f. RA. 31, 122) hatte 
die Anſicht vertreten, daß der Geſetzgeber in den 


ö 14) Gemeint find diejenigen, bei denen der Abſicht 
nicht bloß qualifizierende Bedeutung zukommt. 


15) Bei den obigen Erörterungen iſt „Akzeſſorietät“ 
der Teilnahme in dem Sinne verſtanden, wie ſie das 
geltende Recht ausgeprägt hat = Verantwortlichkeit des 
Teilnehmers dadurch bedingt, _ daß die Haupttat vollen 
Verbrechenscharakter trägt. Sie bildet den Ausdruck 
der Auffaſſung, daß Vorbereitung der Tat eines anderen 
dann nicht ſtrafwürdig jei, wenn die Tat des Haupt— 
täters ſelber irgendwelcher Strafbarkeitsmerkmale er— 
mangle. In dieſer Hinſicht iſt nun freilich eine Reform 
möglich und wünſchens wert. (Val. meine Lehre vom 
Verbrechen S. 453 ff.). Wird die Bedingung, von der die 
Verantwortlichkeit des Teilnehmers abhängig iſt, dahin 
umgeſtellt, daß auf ſeiten des Haupttäters nicht mehr 
bloße „Tatbeſtandsverwirklichung“ vorzuliegen 
braucht, ſo wird für den Primus bei den Abſichts— 
delikten die Beſtrafung als Anſtifter da ermöglicht, wo 
er die betreffende Abſicht hatte, die dem Haupttäter 
(Val. meine Lehre vom Verbrechen S. 460). 


80 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


Waſſergeſetzen, die in einer Reihe von Fällen 
Entſchädigungsanſprüche erwaͤhnen, die Ent⸗ 
ſchädigungspflicht vollſtändig geregelt habe und 
daß nach ſeiner Abſicht in allen übrigen Fällen 
ein Entſchädigungsanſpruch ausgeſchloſſen ſein 
ſolle. Das ObLG. brach in der Entſcheidung 
vom 11. Juni 1898 (Bd. XVII, 139) mit dieſer 
Auffaſſung und erkannte im allgemeinen als 
leitenden Grundſatz an, daß der Staat, wenn er 
aus Gründen des öffentlichen Wohls in Privat⸗ 
rechte eingreift, Erſatz zu leiſten verpflichtet ſei. 
Dagegen leugnete es, daß die Fiſchereiberechtigten 
aus einer Flußkorrektion Entſchädigungsanſprüche 
ableiten könnten, weil nur das Waſſer, nicht das 
Flußbett Gegenſtand des Fiſchereirechts ſei. Das 
Urteil des Ob“ G. vom 6. November 1905 
(Sammlung VI 629) räumte dagegen in einem 
gegen mehrere Gemeinden, nicht gegen den Staat 
gerichteten Rechtsſtreite ein, daß das Fiſchereirecht 
auch das Flußbett zum Gegenſtand habe 
und erklärte die beklagten Gemeinden für er⸗ 
ſatzpflichtig, ließ aber wiederum die Frage offen, 
ob auch der Staat im gleichen Falle entſchädigungs⸗ 
pflichtig ſei. Der Entwurf des WG. enthielt 
einen Art. 81, wonach abgeſehen von den Fällen 
der jetzigen Art. 81 und 82 und abgeſehen von 
beſonderen Rechtstiteln eine Entſchädigung für 
nachteilige Einwirkungen auf Ufergrundſtücke in- 
folge von Flußregulierungen nicht verlangt werden 
konnte. Bei der Beratung des Geſetzes im Land⸗ 
tag (ſ. Ausſchußberatung der Kammer der Ab— 
geordneten Beil. Bd. III S. 179, 183, Anh. 
S. 28, 32, 98, 96, 217, 218) wurde jener 
Art. 81 des Entwurfs geſtrichen und der nun⸗ 
mehrige Art. 109 eingeſchoben. Durch dieſen iſt 
jene Streitfrage wegen des Fiſchereirechts im 
Prinzip erledigt und der von dem verewigten 
Senatspräſidenten v. Staudinger in Schriften 
und Abhandlungen (ſ. beſonders Bl. f. RA. Er⸗ 
ganz.⸗Bd. 11, 385; 12, 129) für die Jnter- 
eſſen der Fiſcherei geführte Kampf ſiegreich be⸗ 
endet. Im einzelnen kann ſich höchſtens Streit 
ergeben, welchen Inhalt ein durch Privileg er- 
teiltes Fiſchereirecht hat (RGZ3Z. 54, 260), 
ferner welche Bauten unter den Begriff der Re- 
gulierungsbauten fallen. RR. v. Lindenfels bemerkte 
in ſeinem Referat (Anh. S. 32), daß bloße 
Uferſchutz und Dammbauten keine Regulierungs⸗ 
bauten ſeien. Dem dürfte beizutreten ſein, wenn 
auch die Grenzen zwiſchen dieſen Begriffen 
fließende ſind. 

Dagegen konnten ſich Regierung und Landtag 
nicht darüber einigen, unter welchen Voraus— 
ſetzungen durch Korrektionen geſchädigte Ufer— 
eigentümer Schadensſatz verlangen dürfen (vgl. 
die Erklärung des Miniſters des Innern einer— 
ſeits, des Kammerausſchuſſes anderſeits Beil. 
Bd. III 179, 184 und Sten. Berichte V 730). 
Man beſchloß ſchließlich die Austragung der Frage 
der Rechtſprechung zu überlaſſen, welche nach 


| 
| 


| 


allgemeinen Normen zu entſcheiden hätte. Die 
Schädigungen, welche Ufereigentümer durch Fluh: 
regulierung erleiden, beſtehen zumeiſt in der 
Aenderung des Grundwaſſerſpiegels, wodurch weit⸗ 
hin Ländereien, die bisher hinreichende Waſſer⸗ 
verſorgung hatten, trocken gelegt werden; mit⸗ 
unter wird auch den Mühlen das Mahlwaſſer 
entzogen (über deffen Rechtsnatur RGZ. 15, 
182). Was nun die hier in Frage kommenden 
allgemeinen Rechtsgrundſätze anlangt, ſo iſt eine 
auch nur einigermaßen erſchöpfende Behandlung 
der vielbeſtrittenen Frage, ob ein Anſpruch auf 
Erſatz des durch rechtmäßige Ausübung der Staats⸗ 
gewalt verurſachten Vermögensſchadens anzuer⸗ 
kennen fei, an dieſer Stelle ſelbſtverſtändlich nicht 
möglich. Es ſcheint mir aber kaum zweifelhaft, 
welche Wege die bayeriſche Praxis in dieſem 
Punkte betreten wird, ſie ſind vorgezeichnet 
durch die RGE. vom 1. Februar 1898 (RG3. 
41, 142) und durch die oben zitierten Ent⸗ 
ſcheidungen des Oberſten Landesgerichts. Dazu 
kommt, daß jetzt nicht mehr das Schuldprinzip, 
ſondern das Veranlaſſungsprinzip die Geſetzgebung 
beherrſcht. Während der Staat unter, der Herr- 
ſchaft des gemeinen Rechts dem Kläger entgegen⸗ 
halten mochte, die regelmäßige Ausübung der 
Staatsgewalt ſei niemals ſchuldhaft und begründe 
daher keinen Entſchädigungsanſpruch, kann unter 
der Herrſchaft des BGB. der auf das Veran⸗ 
laſſungsprinzip geſtützten Klage mit! jenem Ein⸗ 
wande nicht mehr entgegengetreten werden. Gerade 
die trefflichen Ausführungen, welche die ange— 
führte Entſch. des ObLG. in Bd. VI 629 ff., 
(beſonders S. 637) bietet, ſind auf das Beſte 
geeignet, auch auf den Staat und nicht bloß wie 


in dem dort entſchiedenen Falle auf Bauten öffent⸗ 


licher Körperſchaften angewendet zu werden. 
Uebrigens iſt dieſe Frage keine bloß waſſerrecht⸗ 
liche inſofern, als gerade die Senkung des Grund: 
waſſerſpiegels nicht die bloß am Ufer gelegenen 
Grundſtücke ergreift, ſondern auf weite Strecken 
landeinwärts wirkt. Bei der geplanten Elektri⸗ 
ſierung der Staatsbahnen und der hierdurch be- 
dingten Regulierung zahlreicher Flußläufe hat 
unfere Frage ein recht aktuelles Intereſſe. Viel⸗ 
leicht wäre es daher angeſichts der Stellung des 
Landtags wie der Rechtſprechung das Beſte, 
wenn der Geſetzgeber ſich entſchlöſſe, die Sache 
entweder in einem Nachtrage zum Waſſergeſetze 
oder in dem geplanten Enteignungsgeſetze zu regeln. 
Selbſtverſtändlich müßte dann das gerade für 
unſeren Fall ſo zweckmäßige Entſchädigungsver⸗ 
18 des Art. 195 WG. auf dieſen erſtreckt 
werden. 


=r 2 — — nn 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


Bemerkungen zu dem Entwurfe 
einer Kirchengemeindeordnung für Bayern. 


Von Dr. A. Durmayer, Regierungsatzeffift in Speyer. 


(Schluß.) 

Mit alldem iſt aber Art. 12 II des Ent⸗ 
wurfs noch nicht aufgeklärt. 

Wenn in den Motiven S. 261 als ein 
außerhalb des Ortskirchenbedürfniſſes gelegener, 
aber zuläſſiger Zweck z. B. die charitative 
Arbeit angeführt wird, ſo ſtellen ſich die Motive 
jedenfalls auf den hier vertretenen Standpunkt, 
daß nach bayeriſchem Recht auch künftig wie bisher 
Unterricht und Wohltätigkeit nicht zum „Orts⸗ 
kirchenbedürfnis“ gehören. Hält man dies feſt, ſo 
wird der Sinn des Art. 12 II durchaus mißver⸗ 
ſtändlich. Die freiwilligen Leiſtungen des Art. 75 
Ziff. 5 werden dort ausdrücklich als nicht zum 
Ortskirchenbedürfnis gehörig bezeichnet, während 


ſpricht. Es wird nun in der Folge geſagt werden, 
Art. 75 Ziff. 5 meine eben das Ortskirchen— 


8 


keineswegs Pflichttitel für die Aufbringung des 
Bedarfs ſchaffen, ſondern nur auf vorhandene 
verweiſen wollen (Meurer 1 S. 180 ff. und 
Motive S. 97 ff.). Ich brauche dann nur noch 
auf das aufmerkſam zu machen, was Meurer I 
S. 282 § 83 jagt: Die „Kirchenverwaltungen 
ſind nicht ſelten geneigt, das Kirchenvermögen 
teilweiſe für außerkirchliche Zwecke zu verwenden.“ 

Auch in der Pfalz werden ſchon gegenwärtig 
zahlreiche Verſuche gemacht, charitative und andere 
Unternehmungen der Kirchengemeinde anzugliedern, 
durch Schuldaufnahme und Erhebung von 
Zwangsumlagen, und das trotz des beſtimmten 
Wortlauts des Fabrikdekrets vom 30. Dezember 
1809 Art. 37, 92, 99, und des Geſ. betr. das 
Umlageweſen im Rheinkreiſe vom 17. November 
1837 Art. 5. 

Danach würde ſich dann als Reſultat er⸗ 
geben, daß auch in der Auslegung des Art. 75 


Ziff. 5, der jetzt in den Motiven noch ziemlich 
Art. 12 Abſ. II von einem „Ortskirchenbedürfnis“ 


bedürfnis des Art. 12 Abſ. II und in Art. 


12 Abſ. II ſei die ausdrückliche Zulaſſung der 
freiwilligen Leiſtungen des Art. 75 Ziff. 5 ge- 
geben. Und gewiß, betrachtet man Art. 12 Abſ. II 
im Zufammenhang mit Abſ. I und im Vergleich 


zu Art. 3 der Gemeindeordnungen, aber ohne 


Art. 75 Ziff. 5, ſo muß man die Faſſung: 
beſondere Rechtsverhaͤltniſſe und geſetzmäßige Be⸗ 
ſchlüſſe dahin auslegen, daß hier freiwillige 
Leiſtungen, z. B. charitative Leiſtungen, gemeint 
ſeien, und ſo zum Ortskirchenbedürfnis 
erklärt werden. 

Die Faſſung: „Geſetzmäßige Beſchlüſſe“ 
ſcheint ſich zwar ganz mit unſerer Auffaſſung zu 
decken, daß der Kirchengemeinde nur das erlaubt 
ift, was ihr ausdrücklich zugeſtanden ift. „Geſetz— 
maͤßig“ iſt eben ein Beſchluß nur dann, wenn er 
fih auf geſetzliche Erlaubnis ſtützen kann. Eine 
ſolche Erlaubnis außerhalb des Rahmens von 
Art. 12 Abſ. I findet fih aber für die Kirchen— 
gemeinde nirgends. Die Aufzählung von Art. 12 I 
wird ausdrücklich als erſchöpfend bezeichnet. 

Danach wäre Art. 12 Abſ. II inſoweit über⸗ 
haupt gegenſtandslos. Die Folge wird aber, 
wie eben ſchon angedeutet, trotz Art. 75 Ziff. 5 
und trotz Il. Verf Beil. § 47 die fein, daß man 
in den Worten: „beſondere Rechtsverhältniſſe und 
geſetzmäßige Beſchlüſſe“ ſelbſt die Zulaſſung 
zu jeglichem ſieht, wie man auch Art. 35 
der GemO. — dieſe aber mit Recht im Zu— 
ſammenhang mit Art. 1 GemO. — auslegt. 
Auf dieſem Wege wird für die Kirchengemeinde 
ein umfaſſender Wirkungskreis geſchaffen. Ich 
verweiſe in dieſer Richtung auf das Umlagengeſetz 
von 1819, bei dem eine analoge Auslegung 
Platz gegriffen hat: Das Geſetz von 1819 hat 


einſchränkend gedeutet wird, eine vollſtändige Ufer⸗ 
loſigkeit Platz greifen würde. Denn wenn Art. 12 II 
zum Ortskirchenbedürfnis jede Verbindlichkeit auf 
Grund geſetzmäßigen Beſchluſſes ſtempelt, d. h. 
alles, was nicht mit andern Geſetzen in Wider⸗ 
ſpruch ſteht, als zuläſſig erklärt, ſo könnte Art. 75 
ſelbſtverſtändlich nicht enger ausgelegt werden. Es 
bliebe dann lediglich die ſekundäre und als aus— 
ſchließliches Verwaltungsermeſſen (Gegen: 
ſatz oben: richterliches Ermeſſen) zu betrachtende 
Frage, ob im einzelnen Fall ein ſolcher Aus— 
gabenbeſchluß der Kirchenverwaltung die Ge— 
nehmigung der Kuratelbehörde finden würde Art. 75 
Art. 23). 

Eine ſolche Auslegung von Art. 75 Ziff. 5 


mit Art. 12 II müßte ich gerade von meinem 


Standpunkt aus als durchaus berechtigt erachten; 
denn wenn ich einerſeits ſage, mit den Aufgaben 
der Kirchengemeinde iſt an ſich nichts vereinbar, 
was nicht in ihren engbegrenzten Lebenszweck 
einſchlägt, ſo muß ich anderſeits ſagen: Es 
kann alles mit ihrer Aufgabe vereinbar ge— 
macht werden, wenn es ihr übertragen oder ge— 
ſtattet wird. Und das letztere wäre eben durch 
Art. 12 11 geſchehen. 

Unklar iſt endlich noch die Stellung des 
Art. 9 Abſ. VI zu Art. 12 II und Art. 75 
Ziff. 5. Gerade die Uebernahme einer Haftung 
kann das Mittel ſein, etwas zum Ortskirchenbe— 
dürfnis zu erklären oder eine freiwillige Leiſtung 
außerhalb des Kreiſes der Ortskirchenbedürfniſſe 
zu machen. Die Abſicht iſt wohl die, daß ſolche 
Haftungsübernahmen zuläſſig ſeien. Uebrigens, 
was meint Art. 9 IV, wenn er von einer der 
Kirchengemeinde „ſremden“ Verbindlichkeit ſpricht? 
zweckfremde? alſo derart, wie ſie die gegenwärtige 
Abhandlung beſpricht? oder fremde im Gegenſatz 
zu eigenen, alſo die Verbindlichkeiten dritter Rechts— 
ſubjekte? Es iſt wohl das letztere gedacht. Dann 
aber iſt das Beiſpiel der Motive S. 90 ganz unglück— 


lich gewählt: „Die Kirchengemeinde darf nicht Mit⸗ 
glied einer Genoſſenſchaft werden“. Darin beſteht 
ja gerade das Weſen der Genoſſenſchaft im Gegenſatz 
zu dem der juriſtiſchen Perſon, daß ihre Mitglieder 
für eigene Schulden haften; die Genoſſenſchafts⸗ 
ſchulden ſind eben Schulden der Mitglieder. Viel⸗ 
mehr ergibt ſich das Verbot, einer Genoſſenſchaft 
beizutreten, aus der Zweckbeſchränkung der 
Kirchengemeinde. 

Ich reſumiere: Soll — vorhehaltlich der 
88 47 ff. der. II. Verf Beil. — der Kirchengemeinde 
das Recht zugeſtanden werden, Aufgaben zu über⸗ 
nehmen und Leiſtungen über das Ortskirchenbe— 
dürfnis, ſo wie wir ſeinen Begriff feſtgeſtellt haben, 
hinaus zu machen — und hierher gehören nach 
Staatsrecht auch die charitativen — ſo hat 
dies ausdrücklich unter namentlicher Aufzählung 
der Zwecke zu geſchehen. Gleichzeitig ift Vorſorge 
zu treffen, daß nicht etwa über dieſen Rahmen 
hinaus die Kirchengemeinde für Verbindlichkeiten 
der Kirchenſtiftung haftet. 

Sft es nun angezeigt, der Kirchenge— 
meinde eine ſolche Ausdehnung ihrer Lebensauf— 
gabe zuzugeſtehen? Wenn wir wiederum ausgehen 
von der Aufſtellung der Motive, daß der Entwurf 
auf einem konſervativen Standpunkt ſtehe, ſo 
lautet die Antwort: Nein. Keiner einzigen öffent: 
lichen Korporation mit Ausnahme der Gemeinden 
wird ein umfaſſender Wirkungskreis vom Staate 
zugeſtanden. Erweiterungen der Lebensaufgabe 
finden ſich zwar (3. B. Verſicherungsanſtalten, 
Innungen), aber nur im allerengſten Zu— 
ſammenhang mit dem Hauptzwecke der Korporation. 
Auch hier muß wieder darauf hingewieſen werden, 
daß ebenſo eng, wie die Befugniſſe der Kirchen— 
gemeinde gegenüber der Kirche beſchränkt ſind, 
ſie auch dem Staat gegenüber in ihren naturge— 
mäßen Grenzen gehalten werden müſſen. Es iſt 
wohl auch nicht überflüſſig. darauf aufmerkſam 
zu machen, daß, wenn der Kirchengemeinde ein ſo 
umfaſſender Wirkungskreis zugewieſen werden ſoll, 
dann ebenſo wie bei den politiſchen Gemeinden 
als Vorausſetzung für die Zugehörigkeit zum 
Kirchengemeindeverband die Staatsangehörig— 
keit verlangt werden müßte. Das will aber 
weder der Entwurf (Art. 4), noch war es bisher 
rechtens (Meurer 1 S. 32, 84). 

Aber auch politiſch iſt die Erweiterung des 
kirchengemeindlichen Wirkungskreiſes nicht unbe— 
denklich. Die Motive S. 246 ſagen ſelbſt: „Die 
Kirche hat ebenſo wie der Staat an der mög— 
lichſten Erhaltung und Verwendung des orts— 
kirchlichen Stiftungsvermögens und an der tun— 
lichſten Vermeidung oder Beſchränkung der 
Zwangsumlagen für kirchliche Zwecke auf das 


82 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


wirklich notwendige Maß das größte Inter— | 


eſſe. Jede Ueberſchreitung dieſes Maßes birgt 
die Gefahr in ſich, daß ſich mit Oppoſition, 
Widerwillen und tatſächlicher 


[j 
1 


| 


— — 


ergeben können.“ Wenn Kleinkinderſchulen, Näh⸗ 
ſchulen, Junggeſellenheime, Arbeiterinnen:, Greiſen⸗ 
Heime, Geſellenhäuſer, Krankenhäuſer auf dem 
Grunde chriſtlicher Charitas erſtehen ſollen, ſo 
mögen fie dies als ſelbſtändige Rechtsſub⸗ 
jekte privatrechtlichen Charakters, als ſelbſt⸗ 
ſtändige Stiftungen. Und Förderung der Dent- 
malspflege und chriſtlicher Kunſt ſind gewiß ſehr 
löbliche Zwecke, aber mit der Kultusausübung 
haben ſie nichts zu tun. Es iſt etwas anderes, 
ob ſolche Unternehmungen von privatrechtlichen 
Vereinen und Stiftungen auf Grundlage der 
Freiwilligkeit durchgeführt werden oder ob Zwangs⸗ 
mitgliedſchaft und Zwangsumlagenrecht, alſo 
überhaupt ſtaatlicher Zwang zu ihrer Verwirk⸗ 
lichung herangezogen wird. Was im erſten Fall 
allgemeine Zuſtimmung findet, begegnet im leg- 
teren ernſtlichem Widerſpruch. Daß alle dieſe 
Dinge eine erhebliche Belaſtung der Kirchenge— 
meinde mit ſich bringen können, iſt niemandem 
zweifelhaft. Auch bringen derartige Unter— 
nehmungen Immobilien- und Geldgeſchäfte mit 
ſich, zu deren Abwicklung es den Mitgliedern der 
Kirchenverwaltungen an Geſchäftskenntnis durd- 
ſchnittlich fehlt; und wenn wirklich das eine oder 
andere Mitglied hierin erfahren iſt, ſo werden 
ſich die übrigen nur allzu leicht einem gefährlichen 
Vertrauen hingeben und ſich in die bedenklichſten 
Aktionen einlaſſen. Dieſe Gefahren können auch 
nicht mit dem Worte: „Staatsaufſicht“ gebannt 
werden. Die beſte Staatsaufſicht nützt nichts, 
wenn das, was beaufſichtigt werden foll, ſchwan— 


kend iſt. Hier muß der Hebel angeſetzt werden. 
Es müſſen die Gefahren von vornherein 
unmöglich gemacht werden. Das iſt ja der 


wichtigſte Gedanke der Selbſtverwaltungsorgani— 
ſation, daß der Staat diejenigen Organismen. 
die er mit der Durchführung ſeiner Intereſſen 
betraut, auch für ihre Aufgaben möglichſt 
leiſtungsfähig geſtaltet. Es genügt, wenn ich zur 
Illuſtration die pfälziſchen Diſtriktsſparkaſſen 
nenne, deren einzelne in der jüngſten Zeit un— 
liebſame Störungen zu verzeichnen hatten. Auch 
da die Verkoppelung zweier Dinge, die nichts 
miteinander zu tun haben: ein Bankinſtitut mit 
Einlagen bis zu ſieben Millionen auf der einen 
und ein Stück allgemeiner öffentlicher Verwaltung, 
teils unmittelbare Staats-, teils Selbſtverwaltung 
auf der andern Seite. Auch hier Aufſicht, nicht 
bloß Staatsaufſicht über einen Selbſtverwaltungs— 
körper, ſondern unmittelbare Leitung durch den 
Bezirksamtsvorſtand; und der Erfolg? der, der 
naturgemäß ſich ergeben wird, wenn einer Ver— 
waltung etwas zugemutet wird, was ſie mit 
beſtem Willen nicht überſchauen kann. — Der 
Staat, nicht bloß die Kirche, hat ein dringendes 
Intereſſe daran, ſolche Organiſationsfehler bei 
den Kirchengemeinden zu vermeiden, damit nicht 


Ueberbürdung | durch ſie die Gefahr, zur Umlagenerhebung zwecks 


lähmende Einwirkungen auf das kirchliche Leben Deckung eines entſtandenen Schadens greifen zu 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


müſſen, hervorgerufen werde, wie ſie in dem Falle 
jener pfälziſchen Sparkaſſen wirklich ſehr nahe ge⸗ 
rückt war. 

Dazu kommt noch die Erwägung, daß der 
Staat es bisher immer vermieden hat, ein und 
dasſelbe öffentliche Intereſſe mehreren öffentlichen 
Korporationen als Aufgabe zuzuweiſen. So ſind 
hinſichtlich der Armenfürſorge z. B. die Aufgaben 
der politiſchen Gemeinden, der Diſtrikts⸗ und Kreis⸗ 
gemeinden ſorgfältig ausgeſchieden; in der Kirchen⸗ 
gemeinde aber fol ein öffentlichrechtlicher Verband 
ohne ausgeſchiedenes Arbeitsgebiet geſchaffen werden; 
eine derartige Verzettelung der Kräfte und gegen⸗ 
ſeitige Konkurrenzierung ift mit privatrecht⸗ 
licher Freiheit wohl vereinbar, dort ſogar förder— 
lich, verträgt ſich aber nicht mit Zwangsumlagen 
des öffentlichen Rechts. Die ſtaatliche Herrſchaft 
darf, eben wegen des hierbei zur Anwendung ge— 
brachten Zwanges, nur einheitlich und ſyſtematiſch 
geübt werden. 

Nicht ſelten werden auch mit charitativen 
Unternehmungen der Glaubensgeſellſchaften andere 
verbun den, wie der Betrieb von Wirtſchaften und 
von Theatern, der Verlag von Zeitungen und 
Zeitſchriften 2c.; auch wenn ſolche Dinge auf 
Grund des Art. 75 Ziff. 5 als unvereinbar mit 
der Aufgabe der Kirchengemeinde erklärt werden: 
was ift überhaupt caritas und was nicht? Wie 
fol fich die praktiſche Durchführung geſtalten, wenn 
einer Kirchengemeinde ein Vermächtnis zugewendet 
wird mit Auflagen teils charitativer, teils ſolcher 
Art? wie, wenn charitative und andere Unter— 
nehmungen unter einem Dache untergebracht ſind? 
wie, wenn die Kirchengemeinde eine zum Teil 
zweifellos charitative Unternehmung ſubventioniert, 
dieſe letztere aber ſich auch mit entgegengeſetzten, 
z. B. politiſchen Geſchäften befaßt? wann gehört 
ein Theaterunternehmen zu den charitativen, wann 
zu andern Unternehmungen? Und ſelbſt wenn im 
einzelnen Fall die Genehmigung nach Art. 75 
Ziff. 5 verſagt wird, ſo bleibt noch die Gefahr 
der Haftung der Kirchenverwaltungsmitglieder für 
die ohne Befugnis eingegangenen Verpflichtungen. 

Im Zuſammenhang damit droht die Not: 
wendigkeit, disziplinär gegen die Kirchenverwal— 
tungsmitglieder vorgehen zu müſſen, alles Dinge, 
die im Intereſſe der Wahrung der öffentlichen 
Autorität hintangehalten werden ſollen. Nicht 
ſelten auch wird die Scheidung zwiſchen erlaubten 
und unerlaubten Nebenbetätigungen dazu führen, 
daß zur Maskierung von Geſchäften, die die 


Kirchengemeinde zu betreiben wünſcht, aber vor- 


ausſichtlich nicht genehmigt erhielte, Rechtsge— 
ſchäfte vorgenommen werden, die in ihrer ganzen 
Anlage wegen der abſichtlichen Undurchſichtigkeit 
ihres Inhalts den Keim zu Unzuträglichkeiten in 
ſich tragen. Auch ſolche Rechtsgeſchäfte werden in 
Frage kommen, die zunächſt und anſcheinend der 
Kirchengemeinde überhaupt keine Verpflichtungen 
auferlegen. 


83 


Um ſo weniger aber könnte die fragliche Rechts⸗ 
geſtaltung gerade heute gutgeheißen werden, wo 
die geſchichtlich gewordene Stellung des Staates 
zu den Kirchen von vielen Seiten Angriffe erfährt 
und die gänzliche Beſeitigung des öffentlichrecht⸗ 
lichen Charakters der Verſorgung der Kultusbe⸗ 
dürfniſſe angeſtrebt wird. Es müßte den Kirchen⸗ 
geſellſchaften, ſoweit ſie die öffentlichrechtliche 
Stellung der religiöſen Intereſſen im Staate auf⸗ 
recht zu erhalten wünſchen, ſelbſt angenehm ſein, 
wenn eine Rechtsentwicklung vermieden würde, die 
die Trennung der „Ehe“ von Staat und Kirche 
nur beſchleunigen könnte. Die Kirchengeſellſchaften 
müſſen ſich gegenwärtig halten, daß die Heraus- 
hebung der religiöſen Zwecke zu Gegenſtänden des 
öffentlichen Intereſſes, die mit ſtaatlicher Zwangs⸗ 
gewalt zur Verwirklichung gebracht werden, eine 
Einſchränkung der Bewegungsfreiheit derjenigen 
Körperſchaften mit ſich bringt, die ſich eben die 
Befriedigung des Kultusbedürfniſſes zur Aufgabe 
gemacht haben. Das kann um ſo weniger irgend 
welchen Widerſpruch erfahren, als die Glaubens- 
geſellſchaften als ſolche, wie erwähnt, keines⸗ 
wegs gehindert ſind, noch andere Intereſſen zu 
verfolgen; und die charitative Betätigung im 
ſpeziellen genießt im Staatsrecht ſogar noch be— 
fondere Begünſtigungen — VerflUrk. Tit. IV 88 9, 
10, II. Beil. 8 46, zu vgl. ferner die Steuergeſetze, 
Art. 5 Abſ. IV des Entwurfs des KGO.; der 
öfters erhobene Einwand, daß auf dem Privat— 
rechtswege die dauernde Sicherung des urſprüng— 
lichen Zweckes ſolcher Unternehmungen nicht ge— 
nügend erzielt werden könne, iſt nicht ſtichhaltig 
(vgl. die eben zit. Vorſchriften). 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuches. Auf 
Seite 15 des laufenden Jahrgangs dieſer Zeitſchrift 
wird zu beweiſen verſucht, daß nach Art. 105 des 
PStG. der Erlaß eines Strafbefehls zuläſſig fei, 
wenn von der Baupolizeibehörde auf die Beſeitigungs— 
befugnis verzichtet wird. Dieſes Verfahren wäre in 
manchen Fällen zwar ſehr wünſchenswert, weil es zur 
Geſchäftsvereinfachung beitragen würde, iſt aber ge— 
ſetzlich nicht zuläſſig. Der Art. 105 a. a. O. hat den 
Charakter einer Nebenſtrafe und eines Ergänzungs— 
geſetzes zu den § 367 Ziff. 13—15 und § 368 Ziff. 3 
und 4 des StGB.; fein Inhalt ift ein Gebot und 
lautet: „— hat der Richter im Strafurteil auszu— 
ſprechen, daß“. Dieſe Ausdrucksweiſe iſt keine will— 
kürliche, ſondern eine zielbewußte. Das Polizeiſtraf— 
geſetzbuch unterſcheidet nämlich bei ſeinen Normen 
über Nebenſtrafen ſehr genau und folgerichtig, ob die 
Zuerkennung einer Nebenſtrafe Sache der richterlichen 
Pflicht oder des richterlichen Ermeſſens iſt. 
Im erſteren Falle bedient ſich das Geſetz des Aus— 
drucks „hat zu erkennen“ wie in Art. 73 Abſ. 3, 
130 Abſ. 4 oder der Worte „iſt auszuſprechen“, wie 
in Art. 75 Abſ. 3, 130 Abſ. 3, während im anderen 


84 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


Fall die Ausdrucksweiſe „kann“ lautet z. B. in den 
Art. 18, 39, 54 Abi. 2, 61 Abſ. 3, 70 Abſ. 3 und 81 
Abſ. 2. Daraus ergibt fih, daß in Art. 105 a. a. O. 
die Nebenſtrafe weder vom Belieben des Richters, 
noch von einem Antrag des Amtsanwalts abhängt. 
Der Richter muß darauf erkennen, mag die Bau⸗ 
polizeibehörde daran ein Intereſſe haben oder nicht. 
Dann aber iſt und bleibt der Weg des Strafbefehls 
nach § 447 StPO. für den Richter ungangbar. Da- 
mit ſtimmt überein die Entſcheidung des Oberlandes- 
gerichts München vom 25. Januar 1884 (Bd. III 
S. 15 und MAPI. 1884 S. 250). Das Urteil des⸗ 
ſelben Gerichtshofs vom 22. Auguſt 1884 (Bd. III 
S. 199) kann nicht als Beleg für die gegenteilige 
Anſchauung dienen, weil es ſich dort nur darum 
handelte, ob auf die Befugnis des Art. 105 nach⸗ 
träglich durch Urteil erkannt werden kann, die 
Frage aber, ob in vorliegenden Fällen auch durch 
Strafbefehl vorgegangen werden kann, vom Reviſions⸗ 
gericht einer Prüfung gar nicht unterzogen wurde 
und zwar wohl deswegen, weil das vorausgegangene 
Verfahren bereits rechtskräftig erledigt war. 

Es ſpricht alſo weder der Wortlaut des Art. 105, 
noch die Praxis für die Anſchauung des Herrn Ber- 
faſſers des eingangs erwähnten Artikels. (Vgl. auch 
Schmitt, Polizeiſtrafgeſetzbuch, 4. Aufl. S. 85). Eine 
Reviſion lediglich des Art. 105 dürfte aber noch nicht 
die gewünſchte Abhilfe bringen, weil immerhin noch 
8 447 StPO. im Wege ſtünde und alſo zunächſt, oder 
wenigſtens gleichzeitig, deſſen Erweiterung auf alle 
Nebenſtrafen polizeilicher Art zu geſchehen hätte. 

Amtsrichter Pramberger in Eichſtätt. 


Unfall beim Holzſchneiden mit einer Kreisſäge; 
Haftung des Sägewerkbeſitzers nach § 823 Abſ. 1 und 2, 
5 662 BGB. Die unter dieſem Titel in Nr. 15:16 
des 3. Jahrgangs dieſer Zeitſchrift S. 333 mitgeteilte 
Entſcheidung des OLG. Zweibrücken geht meines 
Erachtens bei Anwendung der bezeichneten Geſetzes— 
beſtimmungen durchweg fehl. 

Der Kläger, ein Holzhändler und Wirt, der ſchon 
wiederholt im Dampfſägewerk des Beklagten Holz 
ſchneiden ließ und ihm hierbei durch Hinreichen des 
Holzes behilflich war, übernahm bei einer momentanen 
Verhinderung des Beklagten und auf deſſen aus— 
drücklichen Wunſch vorübergehend ſelbſt die Bedienung 
der Kreisſäge und erlitt hierbei einen Unfall. Die auf 
Verletzung des § 823 Abſ. 1 und 2 BGB. geſtützte 
Klage und die Berufung wurden zurückgewieſen, da 
nach der Anſchauung des Gerichts dem Beklagten ein 
Verſchulden nicht zur Laſt fiel, und ſomit weder die 
Vorausſetzungen des § 823 J. e., noch auch bei An— 
nahme eines Auftrags gemäß § 662 J. c. hiernach die 
Vorausſetzungen einer Haftpflicht gegeben waren. 

Dieſe Entſcheidung iſt in dem Endergebnis der 
Klagsabweiſung wohl richtig, beruht aber auf un— 
richtigen Erwägungen. Der Kläger, der den Be— 
klagten mit Wiſſen und Willen beim Sägebetrieb 
durch Hinreichen von Holz bediente und auf beſon— 
deres Erſuchen vorübergehend das Holzabſchneiden 
ſelbſt übernahm, ift vorübergehend als Ar 
beiter im Betriebe des Beklagten zu be— 
trachten. War der Kläger auch nicht als Arbeiter 
angeſtellt, ſo war doch tatſächlich ſeine Tätigkeit 
im Betriebe des Beklagten (Hinreichen von Holz 
und aushilfsweiſe Vertretung beim Holzſchneiden) 


nur diejenige eines Arbeiters, und erſetzte die 
Arbeitsleiſtung eines ſolchen. Dieſe Tatſache allein 
genügt zur Annahme eines verſicherungspflichtigen 
Arbeitsverhältniſſes, denn ein förmliches Dienſtver⸗ 
hältnis oder eine beſtimmte Lohnzuſage iſt nach den 
die Unfallverſicherungsgeſetze beherrſchenden Grund- 
ſätzen nicht erforderlich. Der Kläger war übrigens auch 
nicht ohne Veranlaſſung und unberufen in dem Be⸗ 
triebe des Beklagten tätig, ſondern mit deſſen Wiſſen 
und Willen, teilweiſe fogar auf beſonderes Erſuchen. 
Die Entſchädigung des Klägers für ſeine Arbeit kam 
ohne Zweifel im Preis für das Holzſägen zum Aus: 
druck, der ſich höher berechnen müßte, wenn der Kläger 
hierbei nicht behilflich wäre. In derartigen Fällen hat 
das Landesverſicherungsamt ſtets ein Arbeits ver- 
hältnis im fremden Betriebe angenommen, wenn dies 
nur immer, — was hier beim Berufe des Klägers 
als Holzhändler und Wirt wohl außer Zweifel ſteht 
— mit den geſamten wirtſchaftlichen Verhältniſſen 
und der ſozialen Stellung des Beſchäftigten ver⸗ 
einbar iſt. 

So hat eine Entſcheidung des Landesverſicherungs⸗ 
amtes — Mitteilungen Jahrg. 18 Nr. 1071 S. 85 — 
bei einem ſonſt ſelbſtändigen Gütler, der bei der Aug: 
hebung von Wurzelſtöcken verunglückte, die er im 
Staatswald zur Selbſtgewinnung gekauft hatte, die 
betreffende Ausführungsbehörde für die Staatsforſt⸗ 
betriebe für entſchädigungspflichtig erklärt, da dieſer 
Gütler, wenn auch nicht als Arbeiter eingeſtellt, doch 
tatſächlich im Staatsforſtbetrieb die Tätigkeit eines 
Arbeiters entfaltet habe, deſſen Entlohnung im Preiſe 
des Stockholzes zum Ausdruck kam. 

Der gegenwärtige Fall iſt ähnlich gelagert. Daß 
für die Arbeit kein beſonderer Lohn bezahlt wurde, 
und daß die Grundlage der Arbeitsleiſtung hier wie 
dort nicht ein Arbeitsvertrag, ſondern ein mitkon— 
kurrierendes eigenes Intereſſe iſt, ändert nach der 
erwähnten Rechtſprechung an der Sache nichts. In 
beiden Fällen mag der Verletzte zwar vorwiegend 
ſein eigenes Intereſſe verfolgt haben, das Intereſſe 
an feiner Tätigkeit war aber immerhin ein beider: 
ſeitiges, und es bewirkten ſeine Leiſtungen gleichzeitig 
die „Förderung der Intereſſen des Betriebsinhabers“, 
was das Reichsverſicherungsamt als Begriffsmerkmal 
für die Vorausſetzung eines Anſpruchs auf Grund 
der Uufallverſicherungsgeſetze erklärte. 

In Fällen obiger Art ift alfo ein verſicherungs— 
pflichtiges Arbeitsverhältnis im fremdem Betriebe an= 
zunehmen, und die Berufsgenoſſenſchaft ift ent- 
ſchädigungspflichtig, welcher der Betrieb angehört, 
in dem der Unfall erfolgte. In Verfolgung dieſes 
Grundſatzes wurde auch in einer weiteren Entſcheidung 
des LVA. vom 14. Dezember 1905 (Mitteilungen 
Jahrg. 18 Nr. 1074) die bayeriſche Holzinduſtrie⸗ 
Berufsgenoſſenſchaft für einen Unfall als entſchädi— 
gungspflichtig erachtet, den ein Landwirt beim Auf— 
laden eines Stammes für eine Sägewerksfirma 
erlitten hatte. 

Liegt ſonach hier ein Betriebsunfall im Sinne des 
Gewerbeunfallverſicherungsgeſetzes vor, dann iſt der 
erhobene Anſpruch nach 8 135 GewuVG. gegen 
den Beklagten als Betriebsunter nehmer 
ausgeſchloſſen, und zwar ſelbſt dann, wenn der 
Verletzte einen Anſpruch auf Rente nicht hat. § 135 
Gewll VO. bezweckt gerade, alle Streitigkeiten zwiſchen 
Arbeitgebern und Arbeitern über Entſchädigungs. 
anſprüche aus Veranlaſſung eines Unfalls aufzuheben. 


— — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


Es ift alfo — abgeſeben von dem hier nicht ges 


gebenen Falle der Vorſätzlichkeit — nicht einmal 
bei einem Verſchulden des Betriebsunter— 
nehmers eine Haftung begründet. Da hier ein ge— 
werblicher Unfall in Frage ſteht, iſt ſogar, abweichend 


85 


Rechts erwirbt. Es kann hiernach keinem Zweifel 
unterliegen, daß die Dividenden und Gewinnanteile, 


welche auf die zum Nachlaß gehörigen Aktien und 


vom Landwu VG. § 146, auch jeder Anſpruch für 


die erſten 13 Wochen, für welche eine Unfallrente 
überhaupt nicht gewährt wird, ausgeſchloſſen, denn 
das Gewu VG. kennt eine dem § 146° J. c. entſprechende 
Beſtimmung nicht. Einer Klage gegen den Betriebs: 
unternehmer fehlt daher von vornherein jeglicher 
Boden. Ein Anſpruch gegen den Betriebsunternehmer 
könnte bei gewerblichen Betriebsunfällen lediglich nach 
8 12 Gew G., aber auch nur auf die in § 121 J. e. 
und in 858 6, 7 KrVerſG. beſtimmten Leiſtungen in 
Frage kommen, dieſe Anſprüche wären aber nicht im 
ordentlichen Rechtswege bei den Zivilgerichten, ſondern 
gemäß § 14 GewU VG. und § 58 KrVerſG. bei der Muf- 
ſichtsbehörde zu verfolgen. 


Dr. Michel, rechtsk. Bürgermeiſter in Landsberg a. L. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


rewe der Rechte des Vererben gegenüber den 
Rechten des Nacherben in Auſehnnug der Nutzungen 


Genußſcheine auf die Zeit bis zum Todestage des 
Erblaſſers entfallen, als zu dieſer Erbſchaft gehörig 
anzuſehen ſind. Auch wenn man der Reviſion darin 
folgen will, daß der Erblaſſer zur Zeit ſeines Todes 
den Anſpruch auf Auszahlung dieſer Dividenden und 
Gewinnanteile noch nicht erworben hatte, weil der zu 
verteilende Reingewinn noch nicht durch General: 
verſammlungsbeſchluß feſtgeſtellt war, daß ihm damals 
vielmehr nur der Anſpruch auf Feſtſetzung zugeſtanden 


habe, ſo beſaß er doch das Recht als Mitglied der 


Aktiengeſellſchaft und auf Grund dieſes Rechts ſind 


die Dividenden und Gewinnanteile gewährt worden. 


[Dividenden und Gewinnanteile). (55 2111, 101 BGB.). 


Der Vater des Klägers hat in ſeinem Teſtamente 
ſeine Ehefrau und ſeine Söhne als Erben eingeſetzt 
und als Teſtamentsvollſtrecker die Beklagten ernannt, 
welchen er die Verwaltung ſeines geſamten Nachlaſſes 
und die Verfügung hierüber unter Ausſchluß der Erben 
übertragen hat. Er hat beſtimmt, daß die Söhne das 
durch den Tod des Erblaſſers ihnen zufallende Ver— 
mögen dem Stamme nach ihren ehelichen Abkömm— 
lingen zu hinterlaſſen haben. Ferner iſt verordnet, 
daß die Teſtamentsvollſtrecker die nach ihrem Ermeſſen 
verfügbaren Erträgniſſe des Nachlaß vermögens viertel- 
jährlich an den gewöhnlichen Quartalsterminen unter 
die Erben nach Verhältnis deren Erbteils und An— 
ſpruchs an den Erträgniſſen zu verteilen haben. Zu 
dem Nachlaß gehören u. a. 1513 Aktien der E. Werke 
über je 1000 M und 3445 Genußſcheine dieſer Gefell- 
ſchaft. Für das mit dem bürgerlichen Jahre überein— 
ſtimmende Geſchäftsjahr 1904 ift in der Generalver— 


ſammlung dieſer Aktiengeſellſchaft vom 27. April 1905 


eine Dividende von 11% für die Aktien und von je 
30 M für die Genußſcheine feſtgeſetzt. 
ſchäftsjahr 1905 find durch Generalverſammlungs— 
beſchluß im Jahre 1906 auf die Aktien je 120 M 
Dividende, auf die Genußſcheine je 35 M verteilt. Der 


Der auf Grund eines zur Erbſchaft gehörenden Rechts 
gemachte Erwerb braucht aber gemäß § 2111 BGB. 
nicht an den Nacherben herausgegeben zu werden, 
wenn der Erwerb dem Vorerben als Nutzung gebührt. 
Es kommt deshalb für die Frage, ob der Kläger die 
Verteilung des auf die Dividenden und Genußſcheine bis 
zum Todestage des Erblaſſers entfallenen Betrages ver- 
langen kann, darauf an, ob es fi um eine dem Bor- 
erben gebührende Nutzung handelt. Dem Vorerben 
gebühren aber ähnlich wie dem Nießbraucher die 
Nutzungen (Früchte und Gebrauchsvorteile) nur für 
eine beſtimmte Zeit, für die Zeit vom Erbfall bis zur 
Beendigung des Vorerbenrechts. Es gewinnen des— 
halb die Grundſätze über die Verteilung der Früchte 
zwiſchen dem Eigentümer und dem Nießbraucher oder 
zwiſchen mehreren zeitlich aufeinander folgenden 
Nutzungsberechtigten, wie fie in $ 101 BGB. gegeben 
ſind, auch hier Anwendung zur Begrenzung des Rechts 
des Vorerben gegenüber dem Nacherben. Wenn auch 
die Früchte, die der Vorerbe von der Zeit des Erb— 
falls an bezieht, und die in die frühere Zeit fallenden 


Früchte gleichmäßig dem Vorerben zufallen, ſo gehören 


Für das Ge⸗ 


t 
Kläger verlangt von dieſen Erträgniſſen, ſoweit fie 


auf die Zeit bis zum Tode des Erblaſſers entfallen, 
den ſeinem Erbteil entſprechenden Teil. Die Beklagten 
B Abweiſung der Klage unter der Ausführung 
eantragt, daß die aus der Zeit vor dem Tode des 
Erblaſſers herrührenden Erträge nicht verteilungs— 
fähig ſeien. Die Vorinſtanzen haben die Klage ab— 
gewieſen. Die Reviſion blieb ohne Erfolg. 
Gründe: In dem Teſtamente iſt der Kläger da- 
durch beſchränkt, daß ſeine ehelichen Abkömmlinge als 
Nacherben eingeſetzt ſind. Die dem Kläger zugefallene 
Erbſchaft iſt nach ſeinem Tode an die Nacherben her— 
auszugeben. Zu der Erbſchaft gehört nach der Be- 
ſtimmung des § 2111 BGB. auch dasjenige, was der 
Borerbe auf Grund eines zur Erbſchaft gehörenden 


1145 


doch letztere zu der an den Nacherben herauszugebenden 
Erbſchaft, während erſtere Früchte dem Vorerben ver— 
bleiben. Die Scheidung zwiſchen dieſen verſchiedenen 
Rechtskreiſen angehörenden Früchten ift nur durd- 
zuführen auf Grund des in § 101 BGB. ausgeſprochenen 
allgemeinen Grundſatzes. Nach § 101 Nr. 2 gebührt 
aber dem Nutzungsberechtigten, wenn die Früchte in 
Zinſen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig 
wiederkehrenden Erträgen beſtehen, ein der Dauer 
ſeiner Berechtigung entſprechender Teil. Zu den 
Gewinnanteilen ſind insbeſondere auch die Dividenden 
zu rechnen, die auf Aktien zur Verteilung kommen. 
Es macht hierbei keinen Unterſchied, wann die Fejt- 
ſetzung der Dividende durch Generalverſammlungs— 
beſchluß ſtattgefunden hat. Die Verteilung hat viel— 
mehr bei regelmäßig wiederkehrenden Erträgen nach 
der Beſtimmung des $ 101 lediglich nach Verhältnis 
der Zeit zu erfolgen. (Es wird dann ausgeführt, daß 
dem Teſtament eine gegenteilige Willensmeinung des 
Erblaſſers nicht zu entnehmen fet). (Urt. des IV. 38S. 
vom 17. Oktober 1907). 


— — . 


II. 


Zum Begriffe des Betriebsunfalls im Sinne des 
Haftpfl. (Ein Betriebsunfall liegt nicht vor, 
wenn ſich ein Fahrgaſt aus Gründen, die in 
ſeiner Perſon liegen, auf dem Bahnſteig 
eilig bewegt und dabei zu Fall kommt). 
Aus den Gründen: Das OLG. hat folgendes 
feſtgeſtellt. Der Kläger hatte ſich von der Stadt O. 
her nach Löſung des Fahrſcheins über den die Bahn— 
ſteige I und II verbindenden Bohlenübergang hinweg 
auf den Bahnſteig II zu dem nach S. fahrenden Zug 
begeben, um mit ihm abzufahren. Dort wandelte ihn 
ein Bedürfnis an. Auf Befragen erfuhr er, daß noch 
Zeit zu deſſen Befriedigung vorhanden ſei. Da der 
Abort ſich auf dem Bahnſteig I befand, mußte er den 


86 


Bohlenübergang überſchreiten. 
anderer Zug eingelaufen, deffen Lokomotive losge⸗ 
kuppelt den Uebergang paſſierte. Der Kläger mußte 
ihr Vorbeifahren abwarten. Dadurch verkürzte ſich 
die ihm zu Gebote ſtehende Zeit; er eilte fiH, hinüber⸗ 
zukommen und kam dabei in der Nähe der Bordſteine 
des Bahnſteigs I zu Fall, wobei er ſich verletzte. 
Dieſen Sachverhalt beurteilt das OLG. dahin: Der 
Sturz des Klägers ſtehe in ſolchem Zuſammenhange 
mit dem Vorbeifahren der den Kläger hindernden 
Maſchine und mit der nur durch den unfreiwilligen 
Aufenthalt notwendig gewordenen oder mit Recht für 
notwendig gehaltenen Eile des Klägers, daß man 
ſeine Verletzung als bei dem Betrieb der Eiſenbahn 
erfolgt anſehen müſſe; ſie ſei mittelbar auf die dem 
Eiſenbahnbetrieb eigentümliche Gefährlichkeit zurück- 
zuführen. Dieſe Anſchauung iſt irrig. Die Eile, die 
geboten war oder doch vom Kläger für nötig gehalten 
wurde, hatte ihre Veranlaſſung nicht in irgend welchen 
Betriebseinrichtungen, ſondern nur in den perſönlichen 
Verhältniſſen des Klägers ſelbſt. Es war der freie 
Entſchluß des Klägers, nach dem Abort zu gehen; 
das Verlangen, ein ihn anwandelndes Bedürfnis zu 


befriedigen, hat die Eile hervorgerufen und der Fall 


liegt nicht anders, als wenn jemand auf dem Bahn⸗ 


ſteig hinfällt, der, zu Hauſe oder auf der Straße durch 


irgend einen Umſtand aufgehalten, ſich beeilen muß, 
um den Zug nicht zu verſäumen. An dieſer Beur— 
teilung wird auch dadurch nichts geändert, daß der 
Kläger das Vorüberfahren der Lokomotive hat ab— 
warten müſſen und daß dadurch die ihm für den Gang 
zum Abort und wieder zurück zum Zug zu Gebote 
ſtehende Zeit in dem Maße verkürzt worden ſein ſollte, 
daß er Eile für geboten erachten mußte. Denn die 
Lokomotive kommt hier nur als ein räumliches Qin- 
dernis in Betracht, das mit den durch den Betrieb 
hervorgerufenen Gefahren nichts zu tun hat; jedes 
andere Hindernis hätte dieſelbe Wirkung gehabt. Mus- 
ſchlaggebend für den Fall iſt, daß der vom Kläger 
beabſichtigte Gang nach dem Abort, auf den die in— 
folge Vorbeifahrens der Lokomotive für notwendig 
gehaltene Eile eingewirkt hat, durch den Eiſenbahn— 
betrieb nicht veranlaßt war, mit ihm in keiner Ber- 
bindung ſtand. Nur ſolche Fälle, in denen ein ur— 
ſächlicher Zuſammenhang zwiſchen dem Eiſenbahn— 
betrieb und der Handlung des Verletzten vorlag, bei 
der er Eile entwickelt hatte, ſind in der Rechtſprechung 
des Reichsgerichts dem 81 HaftpflG. unterſtellt worden. 


(Urt. des VI. ZS. vom 7. November 1907, VI 48/07). 


—— n. 


1136 
III. 


Wer einer von ihrem Manne getrennt lebenden 
ran Unterhalt gewährt, kann nicht ohne weiteres vom 
anne Erſatz nach den Vorſchriften über die Geſchäfts⸗ 

führung ohne Auftrag verlangen. Aus den Grün⸗ 
den: Das OLG. hält den vom Beklagten erhobenen Auf— 
rechnungseinwand zum Teil für begründet. Es nimmt 
an, der Beklagte habe gegen den Kläger einen An— 
ſpruch auf Erſtattung inſoweit erworben, als er die 
Bedürfniſſe der Ehefrau des Klägers an Nahrung, 
Kleidung, Unterhaltung, Vergnügen u. a. aus ſeinen 
Mitteln beſtritten habe. Der Beklagte dürfe für die 
Vergangenheit mit einer jährlichen Gegenforderung 
von 3000 M aufrechnen. Die von der Reviſion hier— 
gegen gerichteten Angriffe ſind berechtigt. Allerdings 
hat der Mann nach § 1360 Abſ. 1 des BGB. der Frau 
nach Maßgabe ſeiner Lebensſtellung, ſeines Vermögens 


Es war gerade ein der Eheleute ihren Unterhalt empfangen kann. 


und ſeiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren, 


allein nach 8 1360 Abſ. 3 Satz 1 ift der Unterhalt 
in der durch die eheliche Lebensgemeinſchaft ge— 
botenen Weiſe zu gewähren. Daraus ergibt ſich 
als Regel, daß der Mann ſeiner geſetzlichen Unter— 
haltspflicht gegenüber ſeiner Ehefrau genügt, wenn 
er dafür ſorgt, daß ſie in dem gemeinſamen Haushalte 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


Regel⸗ 
mäßig beſteht alſo für den Mann keine Verpflichtung, 
der Frau den Unterhalt durch Entrichtung einer Geld- 
rente zu gewähren und ſie auf dieſe Weiſe in den 
Stand zu ſetzen, außerhalb der Ehewohnung zu leben. 
Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten im 81612 
Aof. 1 Satz 1 vorgeſchriebene Art der Unterhalts⸗ 
gewährung durch Entrichtung einer Geldrente iſt für 
das Verhältnis von Eheleuten grundſätzlich ausge- 
ſchloſſen. Demzufolge kann eine Frau, die ſich der 
ehelichen Lebensgemeinſchaft gegen den Willen des 
Mannes ohne Grund entzieht, von ihrem zur Erfüllung 
ſeiner Unterhaltspflicht bereiten und vermögenden 
Manne nicht verlangen, daß er ihr den Unterhalt 
durch Entrichtung einer Geldrente gewähre. Daß etwa 
der Ausnahmefall des § 1361 Abſ. 1 vorliege, hat 
das OLG. nicht feſtgeſtellt. Nach dieſer Vorſchrift iſt 
der Unterhalt, ſolange die Ehegatten getrennt leben 
und einer von ihnen die Herſtellung des ehelichen 
Lebens verweigern darf und verweigert, durch Ent⸗ 
richtung einer Geldrente zu gewähren. Hinſichtlich 
der Ehefrau ift fogar durch rechtskräftige Urteile feft- 
geſtellt, daß ſie nicht berechtigt war, die Herſtellung 
des ehelichen Lebens zu verweigern. Wenn das OLG. 
trotzdem davon ausgeht, der Kläger habe als Ehemann 
für den Unterhalt ſeiner von ihm getrennt lebenden 
Ehefrau ſorgen müſſen, fo beruht dieſer Ausgangspunkt 
auf Rechtsirrtum. Demzufolge ſind auch die weiteren 
Schlußfolgerungen des OLG. unhaltbar, der Beklagte 
habe, indem er für den Unterhalt ſeiner Tochter ſorgte, 
dem Kläger Ausgaben erſpart, die ihm, dem Kläger, 
obgelegen hätten. Der Beklagte hat vielmehr einen 
Erſtattungsanſpruch gegen den Kläger, wenn nur die 
vom Berufungsrichter feſtgeſtellten Tatſachen vorliegen, 
nicht erworben und die Beſtimmungen über die Ge⸗ 
ſchäftsführung ohne Auftrag, insbeſondere die SS 679 
und 683 BGB. find vom OLG. auf einen unzureichenden 
Tatbeſtand angewendet. (Urteil des IV. 3S. vom 
14. November 1907, IV 182/07). 
1143 


— — — n. 


B. Strafſachen. 
I 


Drohung im Sinne des 8 114 StB. Unter 
Drohung im Sinne des $ 114 StGB. ift zwar die Mn- 
kündigung eines jeden Uebels zu verſtehen. Es muß 
aber ein wirkliches Uebel in Ausſicht geſtellt werden, 
durch deſſen Androhung der Bedrohte in eine ſeine 
Willensfreiheit beſchränkende Beſorgnis, das Uebel 
erdulden zu müſſen, verſetzt werden ſoll. Dabei muß 
ein Uebel im Rechtsſinne, eine Einbuße an Rechts 
gütern oder eine ſonſtige Beeinträchtigung von recht— 
lichen Intereſſen in Frage ſtehen (RGE. Bd. 39 S. 269). 
Ein wirkliches Uebel in dieſem Sinne, insbeſondere 
eine Verletzung des Rechtsguts der Ehre ſtellt die Be: 
ſprechung eines Vorgangs in der Preſſe aber keines- 
wegs auch nur regelmäßig dar. Es muß vielmehr 
der Beamte oder die Behörde die Beſprechung zu 
fürchten Grund haben, was insbeſondere dann zu— 
treffen wird, wenn die Vorgänge entſtellt mit ab— 
fälliger Beurteilung und unter perſönlichen Angriffen 
vorgetragen werden ſollen, wenn es ſich alſo z. B. 
darum handelt, den Angegriffenen verächtlich zu machen. 
Ob ein Uebel im gedachten Sinne angedroht ſein 
ſollte, iſt nicht zu erſehen. Allerdings bleibt zu be— 
achten, daß durch 8 114 StGB. das Unternehmen 
der Nötigung unter Strafe geſtellt iſt, alſo jede Hand— 
lung, durch die die Abſicht an den Tag gelegt wird, 
einen Erfolg der im § 114 bezeichneten Art herbei— 
zuführen. Ob dieſer eintritt, iſt gleichgültig. Infolge— 


deſſen kommt es nach der Rechtſprechung des Reichs— 


gerichts über den Verſuch mit untauglichen Mitteln 
nur darauf an, daß die in Ausſicht geſtellte Maßregel 
nach der Vorſtellung des Drohenden geeignet iſt, be⸗ 


ſtimmend auf die Willensentſchließung des Bedrohten 
einzuwirken (vgl. RGE. Bd. 25 S. 254). Es genügt 
deshalb die Feſtſtellung, daß der Angeklagte der, wenn 
auch irrigen Meinung war, die in Ausſicht geſtellte 
Beſprechung der Angelegenheit in der Preſſe enthalte 
für die Behörde ein Uebel in obigem Sinne und 
werde von ihr als ſolches aufgefaßt. Es fehlt aber 
auch eine derartige Feſtſtellung. (Urt. des V. StS. 


vom. 8, Okt. 1907, 5 D 483/07). —— —e— 
113 


II. 


Innere Borgänge als Umſtände des 8 193 StGB.? 
Der Erſtrichter nimmt ohne erſichtlichen Rechtsirrtum 
an, daß der Angeklagte die Aeußerungen zur Wahr— 
nehmung berechtigter Intereſſen gemacht hat, folgert 
aber die Abſicht zu beleidigen aus dem „begleitenden 
Umſtande, daß der Angeklagte die Aeußerungen ohne 
den Glauben an die Begründetheit der Vorwürfe in 
einer leichtſinnigen, zum mindeſten grob fahrläſſigen, 
frivolen Weiſe gemacht hat“, und verurteilt ihn deshalb 
aus $ 186 StGB. zu Strafe. Zwar hat der Erſtrichter 
bei der Prüfung der Frage, was unter den Umſtänden 
im Sinne des $ 193 StGB. zu verſtehen iſt, die dieſen 
Begriff klarlegende Entſch. d. RG. Bd. 34 S. 80 vers 
wertet, bei der Anwendung des Geſetzes aber geirrt. Wie 
die Form der Aeußerung etwas rein Aeußerliches iſt, 
ſo können auch die Umſtände, unter denen die 
Aeußerung geſchah, nur ſolche fein, die die Kund- 
gebung in ihrer äußeren Erſcheinung umgeben, alſo 
äußere Verhältniſſe. Innere Vorgänge, der Mangel 
des Glaubens an die Begründetheit der Vorwürfe, die 
Unterlaſſung der Prüfung ihrer Wahrheit und die 
dadurch bekundete höhere oder geringere Fahrläſſigkeit 
und Frivolität können je nach der Sachlage die Wahr: 
nehmung berechtigter Intereſſen ausgeſchloſſen erſcheinen 
lajen (vgl. Entſch. d. RG. Bd. 1 S. 80), nicht aber 
als ſolche äußere Umſtände in Betracht kommen 
(vgl. Entſch. d. RG. Bd. 16 S. 139, Ripr. d. RG. 
Bd. 9 S. 147). (Urt. d. V. StS. vom 18. Oktober 1907, 
5 D 543,07). — — — e — 

1138 
III. 


Beweislast des Angeklagten im Strafprezeß? 8 186 
StB. Der Erſtrichter nimmt auch inſofern einen 
rechtsirrigen Standpunkt ein, als er von dem An— 
geklagten den Beweis der Wahrheit der von ihm 
behaupteten Tatſache verlangt. Im Rahmen des Straf— 
prozeſſes trifft den Angeklagten eine Beweislaſteregel— 
mäßig nicht. Vielmehr hat das Gericht auch dann, 
wenn es ſich, wie hier, um die Feſtſtellung einer Negative 
handelt, von Amts wegen, ohne an das Verteidigungs— 
vorbringen des Angeklagten gebunden zu ſein, den 
Sachverhalt zu erforſchen. Die Erweislichkeit der Tat— 
ſachen im Sinne des $ 186 StGB. ſtellt einen Straf- 
ausſchließungsgrund dar, deſſen Fehlen ſiets von Amts 
wegen und ſogar ſelbſt dann feſtgeſtellt werden muß, 
wenn der Angeklagte in dieſer Richtung überhaupt 
keine Erklärung abgegeben hat (Ripr. d. RG. Bd. 6 


S. 788). (Urt. d. V. Sts. vom 8. November 1907, 
5 D 636,07). — — — e — 
1138 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Gebühr für eine außerhalb Bayerns beurkundete 
Zeſſien einer in einem bayeriſchen Grundbuch einge⸗ 
tragenen Hypsthek. (Geb. in d. F. von 1899 Art. 119, 
155; NotGebO. Art. 24). Nach einer „U. 12. Mai 1906“ 
datierten Privaturkunde haben die Eheleute Jakob 
und Henriette W. in U. (Heſſen) an ihren Sohn Dr. 
W. in Z. eine Forderung von 8500 Mk., wofür eine 
Sicherungshypothek auf ein in der Gemeinde E. liegen- 


Sec fue Rechtöpfiege in Bayern. 1908. 


87 


Nr. 4. 


des Grundſtück bei dem Grundbuchamte K. (Bayern) 
in das Grundbuch eingetragen iſt, um 8000 Mk. ab⸗ 
getreten. Sie haben die Eintragung dieſer Rechts⸗ 
änderung in das Grundbuch bewilligt und beantragt. 
Die Urkunde iſt von den Eheleuten W. unterſchrieben 
und der Ortsgerichtsvorſteher von U. hat unter den 
Unterſchriften die Beſtätigung beigefügt, daß dieſe 
vor ihm vollzogen wurden. Die Rechtsänderung 
wurde auf Antrag des Dr. W. vom Grundbuchamte K. 
eingetragen. Gegen den Gebührenanſatz hat Dr. W. 
Erinnerung erhoben, auf welche das Amtsgericht K. 
entſchied, daß für die Eintragung gemäß Art. 119 und 
155 Geb. ſowie Art. 12 und 24 NotGebO. unter Zur 
grundelegung eines Gegenſtandswertes von 8500 Mk. 
eine Gebühr von 25.50 Mk. und weiter von 15 Mk., 
zuſammen 40.50 Mk. geſchuldet werde. Die Be⸗ 
ſchwerde wurde zurückgewieſen. Dr. W. legte weitere 
Beſchwerde ein und begründete ſie damit, daß die 
Vorſchrift von Art. 119 Geb. nicht auf folde Cin- 
tragungen in das Grundbuch anwendbar ſei, die auf 
Erklärungen außerhalb Bayerns wohnender Perſonen 
hin erfolgen, daß ferner, wenn dieſe Vorſchrift hier 
für anwendbar erachtet werden ſollte, nicht der Betrag 
der abgetretenen Hypothekforderung, ſondern der be— 
dungene Abtretungspreis der Gebührenberechnung 
zugrunde zu legen ſei, und daß endlich als der an 
Stelle der Notariatsgebühr anzuſetzende Gebührenbe— 
trag nur die Gebühr in Betracht kommen könne, die 
dem bayeriſchen Notar für die Unterſchriftsbeglau— 
bigung nach Art. 45 NotGebO. geſchuldet wäre. Das 
Oberſte Landesgericht hat das Rechtsmittel zurück— 
gewieſen. 

Gründe: In dem Entwurf eines Geſetzes „Ab— 
änderungen des Geſezes über das Gebührenweſen 
betr.“, das dem Geb. i. d. F. v. 11. Nov. 1899 zu⸗ 
grunde liegt, lautete der dem Art. 119 dieſes Geſetzes 
entſprechende Art. 91 a urſprünglich: „Bei der Ein- 
tragung von a) Hypotheken, Grundſchulden oder Renten— 
ſchulden, b) der Uebertragung oder Belaſtung einer 
Hypothek, Grundſchuld oder Rentenſchuld, e) der Be— 
ſtellung von Dienſtbarkeiten, Vorkaufsrechten und 
Reallaſten wird, wenn ſich der Antrag auf Eintragung 
nicht auf eine von einem bayeriſchen Notar errichtete 
oder beglaubigte Urtunde ftügt, neben der Gebühr 
des Art. 88 in den Fällen unter a die Gebühr des 
Art. 122, in den Fällen unter b die Gebühr des Art, 
122 a und in den Fällen unter e jene des Art. 122 e 
außerdem in allen Fällen die Gebühr erhoben, welche 
für die Aufnahme der Urkunde durch einen bayeriſchen 
Notar an dieſen zu entrichten wäre“. Von den ange— 
führten Artikeln des Entwurfs entſpricht der Art. 88 
dem Art. 116 des Gef. i. d. F. vom 11. November 1899, 
der Art. 122 dem Art. 154 dieſes Gef., der Art. 122 a 
dem Art. 155 des Gef. und der Art. 122 e dem Art. 
159 des Geſetzes. Die urſprüngliche Faſſung des Art. 
91a wurde im Ausſchuſſe der Kammer der Reichsräte 
in diejenige Faſſung umgeändert, welche zum Geſetze 
wurde und in welcher der Art. 119 des am 11. November 
1899 bekannt gemachten Geb. unter entſprechender 
Aenderung der Numerierung der im Artikel ange— 
führten weiteren Geſetzesartikel in dieſes Geſetz auf— 
genommen wurde. Bei dieſer Aenderung der Faſſung 
von Art. Yla des Entwurfs wurde im Ausſchuſſe der 
Kammer der Reichsräte ausdrücklich bemerkt, daß ſie 
nur von redaktioneller Bedeutung ſei. Der Art. 119 
Geb. macht nun ebenſowenig, als dies nach der 
urſprünglichen Faſſung des Art. 91a des Entwurfs 
der Fall war, einen Unterſchied hinſichtlich der Per— 
ſonen, auf deren rechtsgeſchäftliche Erklärungen hin 
die Eintragung in das Grundbuch erfolgt. Auch aus 
den bei der Geſetzesberatung gepflogenen Verhand— 
lungen läßt ſich nicht entnehmen, daß in dieſer Hin— 
ſicht eine Unterſcheidung gemacht werden ſollte. Viel— 
mehr kommt es nach dem klaren Wortlaute des Ge— 
ſetzes für die Frage, ob für eine Eintragung in das 


88 


Grundbuch der in Art. 119 des Geb&. erwähnten 
Art eine Gebühr nach Art. 154, 155 oder 159 zu 
erheben iſt, nur darauf an, ob hierbei nicht eine nach 
dieſen Artikeln bereits bewertete Urkunde vorliegt. 
Dies iſt aber nur dann der Fall, wenn die Urkunde 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


| 


trug nach Abzug der Schulden 105070 M. Durch 
einen als „Erbteilsübertragung“ bezeichneten no: 
tariellen Vertrag vom 2. März 1905 übertrugen die 
Kinder „ihre Erbteile an dem ungeteilten mütterlichen 


Nachlaſſe mit ſofortiger dinglicher Wirkung auf ihren 


über das unter einen der angeführten Artikel fallende ! Vater“, fo daß dieſer „an ihrer Stelle Erbe und nun- 


Rechtsgeſchäft von einem bayeriſchen Notar errichtet 
oder beglaubigt worden iſt. Daß die Urkunde, auf 
die ſich der Antrag auf Eintragung in das Grundbuch 
ſtützt, von einem bayeriſchen Notar errichtet oder 
beglaubigt ſein muß, damit nicht neben der Gebühr 
des Art. 116 des Geb. noch die in Art. 119 be- 
ſtimmte weitere Gebühr geſchuldet wird, iſt denn auch 
im urſprünglichen Entwurfe direkt ausgeſprochen und 
überdies in der Begründung des Entwurfs ausdrücklich 
wiederholt. Hiernach tritt die in Art. 119 feſtgeſetzte 
Gebührenpflicht für eine Eintragung des im Artikel 
bezeichneten Inhalts in das Grundbuch ein, wenn 
dem Antrag auf Eintragung nicht eine von einem 
bayeriſchen Notar errichtete oder beglaubigte Urkunde 
zugrunde liegt, und iſt es hierbei ganz gleichgültig, 
ob die beurkundete rechtsgeſchäftliche Erklärung von 
einer in Bayern oder außerhalb Bayerns wohnenden 
Perſon herrührt. Den Gegenſtand der Eintragung 
in das Grundbuch bildet die abgetretene Sicherungs⸗ 
hypothek. Der Betrag der durch ſie geſicherten For⸗ 
derung bildet daher die für den Gebührenanſatz in 
Betracht kommende Gegenſtandsſumme, wie das Land⸗ 
gericht mit Recht angenommen hat, und nicht der Be⸗ 
trag des Abtretungspreiſes (vgl. Art. 184 des Geſ.). 
Die hiernach gemäß dem Art. 119 zu entrichtende 
Gebühr beſteht nicht bloß in dem Betrage der durch 
die Art. 154, 155 oder 159 beſtimmten Staatsgebühr, 
ſondern auch im Betrage der Gebühr, die für die Auf⸗ 
nahme der der Eintragung in das Grundbuch zu— 
grunde liegenden Urkunde durch einen bayerifchen 
Notar an diefen zu entrichten wäre. Unter der „Auf⸗ 
nahme der Urkunde“, wofür nach Art. 119 der Betrag 
der Notariatsgebühr zur Erhebung gelangt, iſt nach 
der Wortbedeutung des Ausdrucks und dem Zuſam⸗ 
menhange, in dem er gebraucht iſt, die Errichtung der 
Urkunde über die rechtsgeſchäftliche Erklärung, auf 
Grund deren die Eintragung in das Grundbuch erfolgt, 
durch den Notar zu verſtehen und nicht die durch ihn 
erfolgende Beglaubigung der Unterſchriften auf der 
die rechtsgeſchäftliche Erklärung enthaltenden Urkunde. 
Daß der Artikel in dieſem Sinne zu verſtehen iſt, 
geht überdies aus der Begründung des Entwurfs 
hervor, woſelbſt ausdrücklich geſagt iſt, daß in den 
Fällen, in denen eine Gebühr nach Art. 122, 122 a 
und 122 e des Entwurfs — Art. 154, 155, 159 des 
Geſetzes — zur Erhebung gelangt, auch noch die Ge- 
bühr in Anſatz zu kommen hat, welche für die Beur- 
kundung der Eintragungsbewilligung oder der Abtre— 
tungserklärung oder eines Anerkenntniſſes durch einen 
bayeriſchen Notar an dieſen zu entrichten wäre. Das 
Grundbuchamt und das Landgericht haben daher mit 
Recht der Bemeſſung der Notariatsgebühr den Art. 24 
NotGebO. zugrunde gelegt. (Beſchluß des II. 38. 
vom 21. Oktober 1907; Reg. V 22/1907). 
1098 


II. 


Zuſtändigkeit für einen Streit über Beſitzverände⸗ 
rungsgebühren, die nicht auf einer notariellen Urkunde, 
ſondern unmittelbar auf dem Geſetze beruhen. (Geb. 
Art. 247, 248, 47). Auf Grund eines am 22. März 
1882 geſchloſſenen Ehe- und Erbvertrags lebten der 
Bauer Balthaſar H. und ſeine Frau in allgemeiner 
Gütergemeinſchaft. Die Frau ſtarb am 30. Mai 1904. 
Nach den Beſtimmungen des Erbvertrags wurde ſie 
zu /s von ihrem Manne, zu ¼ von ihren 7 Kindern 
beerbt. Den Nachlaß bildete die Hälfte des Geſamt— 
guts. Dieſes beſtand aus Grundſtücken (97820 M) 
und beweglichen Sachen (24210 M); fein Wert be- 


| 


mehr alleiniger Erbe feiner Gattin“ wurde. Er ver- 
pflichtete ſich dafür, jedem Kinde 5010 M zu zahlen 
und beſtellte zur Sicherung dieſer Anſprüche eine 
Hypothek an den Grundſtücken. Der Notar ſetzte auf 
Grund des Art. 154 des Geb. eine Gebühr von 
175 M (5% aus 7 5010 M = 35070 M) an. 
Die Regierungsfinanzkammer forderte auf Grund der 
Art. 249, 250 GebG. eine Beſitzveränderungsgebühr 
von 978 M. Hiergegen erhob Balthaſar H. Beſchwerde. 
die als unzuläſſig zurückgewieſen wurde. Das Obe. 
hat die weitere Beſchwerde zurückgewieſen. 

Gründe: Das LG. hat folgendes angenommen: 
Da der Uebergang des Eigentums an den zum Nach⸗ 
laſſe der Frau gehörenden Grundſtücken auf den Mann 
vor dem Inkrafttreten des Grundbuchrechts erfolgte, 
jei das Geb. i. d. 7 vom 11. November 1899 und, 
ſoweit es ſich um die Beſtimmung der Gebühr für 
eine notarielle Urkunde handelt, nach Art. 311 dieſes 
Geſetzes das Geb. i. d. F. von 1892 maßgebend. Nach 
Art. 47 der neuen und Art. 153 der älteren Faſſung 
ſtehe dem Zahlungspflichtigen die Beſchwerde an das 
LG. nur zu gegen den Anſatz oder die Nachforderung 
von Gebühren, die bei einem Notariat anfallen, wäh⸗ 
rend nach den Art. 247, 249 neuer Faſſung Streit: 
fragen über die Pflicht zur Entrichtung der Gebühr 
für den Erwerb des Eigentums an einem Grundjtüde, 
der auf anderem als rechtsgeſchäftlichem Wege und 
außerhalb einer Notariatsurkunde ſtattfindet, in 1. In⸗ 
ſtanz von den Regierungsfinanzkammern, in 2. vom 
Verwaltungsgerichtshof entſchieden werden. Gefordert 
ſei nicht eine Gebühr für den vom Notar beurkundeten 
Vertrag, ſondern die Gebühr für den Uebergang des 
Eigentums an Grundſtücken, der auf anderem als 
rechtsgeſchäftlichem Wege ſtattfand. Der Vertrag babe 
nicht die Uebertragung des Eigentums an Anteilen 
der Kinder an den Grundſtücken betroffen; nach § 2033 
Abſ. 2 BGB. habe er die Uebertragung von Eigen⸗ 
tum gar nicht betreffen können. Wäre dies der Fall, 
ſo hätte ja auch die Gebühr nach Art. 113 Ziff. 1 der 
älteren Faſſung oder Art. 146 Abſ. 1 Ziff. 1 der neuen 
Faſſung angeſetzt werden müſſen. Sein Gegenſtand 
ſei die Uebertragung der Erbteile im ganzen; der 
Uebergang des Eigentums an den Grundſtücken fei 
nur die Wirkung der Uebertragung der Erbteile. Der 
Beſchwerdeführer mache zwar geltend, daß für den 
Uebergang des Eigentums an Grundſtücken auf Grund 
der und nach dem Grundbuchrechte nicht die im 
Art. 249 beſtimmte Beſitzveränderungsgebühr erhoben 
werde, obgleich auch in dieſem Falle der Eigentums: 
übergang nur als Folge der rechtsgeſchäftlichen Ver⸗ 
fügung kraft des Geſetzes eintritt. Er überſehe aber, 
daß in einem ſolchem Falle ſtets ſchon entweder die 
Gebühr nach Art. 146 oder die nach Art. 118 erhoben 
worden und daher nach der Vorſchrift im Art. 249 
Abſ. 1 die im Art. 250 beſtimmte Beſitzveränderungs⸗ 
gebühr nicht anzuſetzen iſt. Hiernach ſeien für die 
Entſcheidung des Streites die Gerichte nicht zuſtändig. 
Dieſe Begründung enthält keine Verletzung des Ge— 
ſetzes. Die Gebühr, deren Zahlung die Staatskaſſe 
beanſprucht hat, iſt nicht für eine Notariatsurkunde 
gefordert; der Anſpruch ift nicht eine „Nachforderung“? 
im Sinne des Art. 47 Abſ. 1 des Geb. Eine Beſitz⸗ 
veränderungsgebühr nach Art. 249 hat der Notar nicht 
angeſetzt; er konnte ſie gar nicht anſetzen. Richtig iſt 
nur das, daß der Vorgang der Beurkundung eines 
Rechtsgeſchäfts den äußeren Anlaß dazu gab, daß auch 
die Gebühr fällig wurde, die für den, wenn auch in⸗ 
folge des beurkundeten Rechtsgeſchäfts, doch unmittel⸗ 
bar kraft des Geſetzes eintretenden Uebergang des 


Eigentums an Grundſtücken auf den Beſchwerdeführer 
beſtimmt iſt. Nach Art. 247 Abſ. 1 konnte der Zahlungs⸗ 
pflichtige die Entſcheidung des Gerichts nicht anrufen. 
Auch von Verletzung des Art. 248 kann nicht die Rede 
ſein, da deſſen Vorſchrift Notariatsurkunden voraus⸗ 
ſetzt, auf die die Vorſchriften des 3. Abſchnitts der 
4. Abteilung des Geſetzes über die Erhebung von Ge⸗ 
bühren für „Verhandlungen der Notare“ Anwendung 
finden. (Beſchl. des II. 35. vom 25. Juni 1907, Reg. V 
W. 


Nr. 10,1907). 
1002 


B. Strafſachen. 


Herſtellung von Backwaren mit Margarine und 
Palmin ftatt Butter. Oertliche Uebung. Kenntnis des 
Publikums hiervon. Feſtſtellung dieſer Kenntnis. L. S. 
und B. betreiben das Bäckergewerbe und ſtellen auch 
ſog. „mürbes Gebäck“ her, das ſie ohne Angabe der 
dazu verwendeten Stoffe in ihren Läden verkaufen. 
Bei einer Viſitation wurde feſtgeſtellt, daß ſie bei An⸗ 
fertigung des „mürben Teiges“ teils ausſchließlich, 
teils neben Naturbutter Margarine und Palmin ver: 
wenden. Schöffengericht und LG. erkannten auf Frei⸗ 
ſprechung. Letzteres führte aus, die Waren ſeien von 
der Kundſchaft nie beanſtandet worden; es ſei nur 
gute Margarine verwendet worden; letztere begegne 
jetzt nicht mehr dem allgemeinen Mißtrauen, wie bei 
der Erlaſſung des Geſetzes vom 15. Juni 1897; die 
Margarinefabrikation habe ſich in den letzten zehn 
Jahren ſo entwickelt, daß die beſten Marken weder 
in Aroma und Geſchmack, noch im Nährwert und Ver⸗ 
daulichkeit guter Butter nachſtunden. Maßgebend fei 
auch der Wille des Publikums; dieſes begegne auf 
Schritt und Tritt, insbeſondere in der Preſſe und in 
den Läden den Anpreiſungen der Margarine; die 
Preiſe für Butter feien auf 1.40 M geſtiegen, 
während die Bäcker im weſentlichen ihre Preiſe beis 
behalten hätten. Das Publikum müſſe infolgedeſſen 
damit rechnen, daß die Bäcker Margarine verbacken; 
es frage auch gar nicht, ob mit Naturbutter oder 
Margarine gebacken werde; es frage nur nach Preis 
und Güte. Das gleiche gelte vom Palmin. Auf die 
ſtaatsanwaltſchaftliche Reviſion wurde das Berufungs- 
urteil aufgehoben und die Sache zurückverwieſen. 

Aus den Gründen: Wenn es ſich, wie hier, 
darum handelt, ob ein aus verſchiedenen Stoffen zu- 
ſammengeſetztes Nahrungs- oder Genußmittel durch 
eine der darin enthaltenen Zutaten verfälſcht ift, fo 
muß vor allem die normale Zuſammenſetzung des Er- 
zeugniſſes ermittelt werden. Das LG. hat nun nicht 
ausdrucklich feſtgeſtellt, daß zu „mürbem Gebäck“, wie 
es die Angeklagten zum Verkehr bringen, normaler— 
weiſe Butter oder Butterſchmalz verwendet wird. 
Daß dies aber nach der Annahme der Strafkammer 
der Fall iſt, geht daraus hervor, daß ſie ausführt, 
die von den Angeklagten verbackene Margarine ſtehe 
guter Butter nicht nach. Sie betrachtet alfo Mar- 
garine als Erſatzmittel, als einen an ſich dem, mürben 
Gebäcke“ fremden Stoff, und wenn man berückſichtigt, 
daß der Begriff „mürbes Gebäck“ in F. jedenfalls 
ſchon vor Alters her feſtſteht, und daß Margarine 
und Palmin erſt Produkte der letzten Jahrzehnte ſind, 
ſo hat jene Annahme wohl auch die Erfahrung für ſich. 

Wird einer der begriffsmäßigen Beſtandteile eines 
Nahrungs- und Genußgmittels bei der Herſtellung durch 
einen anderen erſetzt, ſo bedeutet das nur dann eine 
Verfälſchung, wenn der neue Zuſatz minderwertig iſt, 
ſo daß das Ganze dadurch eine Verſchlechterung erleidet. 
Das Berufungsgericht kommt zu dem Schluſſe, daß 
Margarine guter Butter nicht nachſtehe, nicht minder— 
wertig ſei. Dieſer Auffaſſung, die ſich nicht auf rein 
tatſächlichem Gebiete bewegt, kann nicht beigepflichtet 
werden. Nicht etwa um deswillen, weil Mar- 
garine billiger zu beſchaffen ift, als Butter und Butter- 
ſchmalz; darauf allein könnte es nicht ankommen. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 89 


Der Margarine iſt aber in Deutſchland durch das 
Geſetz vom 15. Juni 1897, den Verkehr mit Butter, 
Käſe, Schmalz und deren Erſatzmittel betr., von Rechts 
wegen die Eigenſchaft eines im Verhältniſſe zur Butter 
und zum Butterſchmalze minderwertigen Produktes zu- 
gewieſen worden, deſſen Vermiſchung mit Butter und 
Butterſchmalz zum Zwecke des Handels verboten iſt, 
deſſen Herſtellung polizeilicher Kontrolle unterſteht. 
Der Geſetzgeber war dabei nicht nur von der Abſicht 
geleitet, die einheimiſche Butterproduktion zu ſchützen, 
er ging vielmehr auch von der Erwägung aus, daß 
Margarine um ein Geringes im Nährwert und in der 
Verdaulichkeit hinter der Butter zurückbleibe und daß 
die Verwendung aus dem Auslande bezogener Fett— 
ſtoffe zur Herſtellung von Margarine die Gefahr einer 
Geſundheitsſchädigung durch dieſes Produkt in ſich 
berge. Die geſetzlich feſtgelegte Eigenſchaft der Mar- 
garine kann der Strafrichter nicht unbeachtet laſſen. 
Er darf ſich auch nicht darauf berufen, daß das Geſetz 
Bäckern, Speiſewirten ꝛc., die in ihren Betrieben Mar⸗ 
garine verwenden, nicht vorſchreibe, dies dem Publi⸗ 
kum durch Anſchlag in den Verkaufsräumen oder durch 
Vermerke auf den Speiſekarten bekannt zu geben. Eine 
derartige Vorſchrift fei nicht nur wegen der Schwierig- 
keit des Vollzugs unzweckmäßig, ſondern auch vom 
Standpunkte des Geſetzgebers aus nicht unbedingt 
geboten. 

Die nicht deklarierte Verwendung von Margarine 
zu Bäckereien und N iſt keineswegs ſchlechthin 
eine Verfälſchung von Nahrungs- oder Genußmitteln 
und noch weniger ſtets auf Täuſchung im Handel und 
Verkehr berechnet. Die Verwendung eines minder⸗ 
wertigen Stoffes an Stelle eines mehrwertigen, zu den 
normalen Zutaten eines Erzeugniſſes gehörigen, fällt 
nicht mehr unter den Begriff der Verfälſchung, wenn 
ſie durch örtliche Uebung auch bei reellen Unternehmern 
zum Geſchäftsgebrauch geworden iſt und wenn das 
Publikum trotz Kenntnis von der Beimiſchung des 
fremden Stoffes den Geſchäftsgebrauch duldet. Dabei 
wird insbeſondere von Bedeutung fein, ob das Publi- 
kum bei dem Einkaufe der mit minderwertigen Erfaß- 
mitteln hergeſtellten Erzeugniſſe irgendwelche Vorteile 
in bezug auf Preis oder Gewicht der Ware erzielt, 
die bei den aus mehrwertigen Stoffen hergeſtellten 
Produkten nicht geboten werden. Die Feſtſtellungen 
des angefochtenen Urteils ſind in dieſer Hinſicht teils 
unvollſtändig, teils bedenklich. Es iſt nicht geſagt, ob 
in F. allgemein oder auch nur vorwiegend in den 
Bäckereien der Brauch herrſcht, daß zu mürbem Ge— 
bäcke Palmin und Margarine teils ausſchließlich teils 
neben Butter verwendet wird, und ob das Publikum 
zu der Zeit, als die Angeklagten jene Fettſtoffe dem 
Teige beimifchten, davon Kenntnis haben mußte. 
Wenn die Entſcheidungsgründe ferner den Satz auf— 
ſtellen, das Publikum müſſe damit rechnen, und rechne 
auch damit, daß die Bäcker Margarine und Palmin 
verbacken, es frage nicht darnach, ob mit Naturbutter 
oder mit Margarine gebacken werde, ſondern nur nach 
Preis und Güte der Ware, ſo iſt der Satz in dieſer 
Allgemeinheit nicht richtig und es wäre verfehlt, wenn 
die Strafkammer daraus ohne weiteres auf die An- 
ſchauung des Publikums in F., auf das es hier allein 
ankommt, geſchloſſen hätte. Es iſt notoriſch, daß das 
Publikum an verſchiedenen Orten Deutſchlands bei 
beſſeren Backwaren die Verwendung von Butter oder 
Butterſchmalz erwartet und die Tatſache, daß ver⸗ 
ſchiedentlich die Ortspolizeibehörden den Bäckern, die 
Margarine und andere Erſatzmittel für Butter ver— 
wenden, die Bekanntmachung dieſes Verfahrens durch 
Anſchlag in den Geſchäftsräumen zur Auflage machten, 
läßt erſehen, wie wenig die Käufer im allgemeinen mit 
derartigen Geſchäftsgebräuchen vertraut ſind. (Urt. 
vom 14. Dezember 1907; RevReg. Nr. u. 

1142 


90 Zeitſchrift für Rechtspflege in n Bayern. 1908. Nr. 4. 


— — — oo a en 


Oberlandesgericht Bamberg. 


3 eg an e PR 
ſchillinge. (Art. BGB., Art. 14 N 
v. 1861, § 154 ben) der Güterhändler I. 1 
dem Güterhändler R. am 12. März 1905 formlos eine 
Anzahl hypothekariſch geſicherter Strichſchillinge mit 
der Vereinbarung, daß die Uebertragung am 17. März 
1905 beim Notariat Sch. verlautbart werden ſollte. 
R. ſchrieb an dieſes Notariat am 14. März 1905, daß 
er die Valuta nur zahlen werde, wenn die Strich⸗ 
ſchillinge erſtklaſſig ſeien. Da A. die mit einer Vor⸗ 
ypothef von 4000 M belaſteten Grundſtücke nicht 
ypothekenfrei machen konnte, unterblieb die Verlaut— 
barung und A. verwertete die Strichſchillinge ander: 
weitig. R. machte deshalb Schadenserſatz wegen Ridt- 
erfüllung geltend. Dieſer Anſpruch wurde für berechtigt 
erachtet. 
Ausden Gründendes Berufungsurteils: 
R. behauptet, der Abtretungsvertrag vom 12. März 1905 
ſei nur mündlich geſchloſſen, alſo gemäß Art. 14 
Not G. von 1861 ungültig. Dieſes Vorbringen ift un⸗ 
zutreffend. Es iſt zu unterſcheiden zwiſchen dem obli— 
gatoriſchen und dem dinglichen Vertrag. Erſterer gibt 
den Rechtsgrund für den dinglichen Vertrag, der die 
Uebertragung der Forderung ſamt Hypothek bezweckt. 
Die Form für beide Verträge iſt verſchieden. Art. 14 
NotG. von 1861 gilt feit dem Inkrafttreten des BGB. nach 
Art. 189 Abſ. 1 EG. z. BGB., ſolange das Grundbuch 
nicht als angelegt anzuſehen iſt, nur noch für die 
unmittelbare Verfügung über ein Grundſtück oder 
ein Recht an einem Grundſtück, den dinglichen 
Vertrag, und iſt daher im Art. 132 NotG. von 1899 
nur in dieſem Umfange aufrecht erhalten. Für die 
Eingehung der Verpflichtung, eine Rechts⸗ 
änderung dieſer Art zu bewirken, ſind die landes⸗ 
geſetzlichen Vorſchriften nicht vorbehalten. Nach dem 
BGB. aber find Verträge, durch die man ſich ver- 
pflichtet, über eine Hypothek zu verfügen, formfrei. 
Demnach war der Vertrag vom 12. März 1905 gültig. 
Unrichtig ift die Auffaſſung des R., es fei zu unter: 
ſcheiden, ob die Abtretung der Strichſchillinge mit 
oder ohne Hypothek Gegenſtand des Vertrages geweſen 
ſei. Im erſteren Falle ſei der Vertrag ohne notarielle 
Beurkundung nichtig und dies treffe bezüglich des 
Vertrages vom 12. März 1905 zu. Dieſer Anſicht 
liegt offenbar das alte vor dem Inkrafttreten des 
BGB. in Geltung geweſene bayeriſche Hypothekenrecht 
zugrunde. Nach dieſem konnte zwar eine Forderung 
ohne die dazu gehörige Hypothek formlos übertragen 
werden, jedoch mit der Folge, daß dann die Hypothek 
unterging. Die Uebertragung der Forderung mit der 
Hypothek mußte dagegen als dinglicher Vertrag notariell 
verlautbart werden. (Regelsberger, Bayer. HypR. 
3. Aufl. S. 417). An Stelle dieſes Rechtszuſtandes 
iſt ſeit dem 1. Januar 1900 der oben dargelegte ge— 
treten, wonach die formloſe Abtretung der hypothekariſch 
geſicherten Forderung die Verpflichtung des Abtretenden 
zur nachträglichen notariellen Verbriefung des ding— 
lichen Vertrags zur Folge hat. Unzutreffend iſt auch 
die Bezugnahme des R. auf 8 1153 Abſ. 2 BGB. 
Dieſe Geſetzesſtelle findet hier keine Anwendung, weil 
das Grundbuch im fraglichen Bezirk noch nicht an— 
gelegt iſt und gemäß Art. 189 Abſ. 1 a. a. O. für 
die Begründung, Uebertragung und Aufhebung ding— 
licher Rechte an Grundſtücken (Hypotheken) das bis— 
herige Recht maßgebend iſt. Wäre ſie aber doch an— 
wendbar, ſo könnte ſie den Einwand des Klägers 
nicht ſtützen. Die Vorſchrift, daß die Forderung nicht 
ohne die Hypothek und die Hypothek nicht ohne die 
Forderung übertragen werden könne, bezieht ſich zwar 
auf den 3 und dinglichen Vertrag. (Planck 
a. a. O. § 1153, 3). Hier wollten aber die Parteien 
auch nicht 15 Forderung ohne die Hypothek über: 
tragen, ſondern es wurde die Uebereinkunft nur in 


zwei Abſchnitte zerlegt, indem zunächſt am 12. März 
der obligatoriſche Vertrag geſchloſſen wurde, welchem 
der dingliche am 17. März in der vorgeſchriebenen 
Form nachfolgen ſollte. Es ſchließt ſomit die Vor⸗ 
ſchrift des § 1153 Abſ. 2 BGB. die Gültigkeit des 
formloſen obligatoriſchen Vertrags nicht aus. (Urteil 
des I. ZS. vom 16. November 1907, Verf. 107/07). 

1129 Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


Oberlandesgericht Augsburg. 


1. Paſſivlegitimation des Teſtamentsvollſtreckers in 
Mietftreitigteiten. 2. Audlegung von Mietverträgen. 
3. Ansübung des Sündigungbrechte nach 8 569 BGB. 
durch den Teſtamentsvoll trecker. Der Augenarzt Dr. 
H. in A. hatte am 30. April 1887 von der Privatiere 
N. in A. eine Wohnung gegen halbjährige Kündigung 
gemietet. In dem 8 15 des Mietvertrags vom 23. 
April 1887 war beſtimmt, daß der Tod der Vermieterin 
oder des Mieters die Auflöſung des Mietvertrages nicht 
herbeiführe, daß vielmehr die gegenſeitigen Rechte 
und Pflichten auf die Erben übergehen. Dem ge— 
druckten Formular war handſchriftlich folgende Be— 
ſtimmung beigefügt: „Der Mietvertrag wird ohne Zu— 
laſſung einer Kündigung auf 3 Jahre abgeſchloſſen, 
ſo daß erſt von Georgi 1890 an eine Kündigung zu— 
läſſig wird. Ausgenommen iſt der Fall einer Domizils— 
änderung des Mieters). Der Mietvertrag wurde 
wiederholt jeweils um 3 Jahre verlängert, zum 
letztenmale am 1. April 1905. Während die früheren 
Verlängerungen nur durch den auf die Vertragsurkunde 
geſetzten, von beiden Beteiligten unterſchriebenen Vers 
merk beurkundet wurden: „Dieſer Kontrakt wird auf 
weitere drei Jahre in allen Punkten aufrecht erhalten“, 
kam am 1. April 1905 folgender Nachtrag zuſtande: „Der 
vorſtehende Mietvertrag wird hiermit auf weitere 3Jahre 
d. i. bis 1. April 1908 verlängert, fo daß Kündigung erft am 
1. April 1908 erfolgen kann“. Am 25. Oktober 1906 
verſtarb Dr. H. In feinem Teſtamente iſt eine erſt 
zu genehmigende Stiftung als Erbin eingeſetzt, ſeine 
Frau auf den Pflichtteil beſchränkt und ein Notar in A. 
zum Teſtamentsvollſtrecker ernannt. Dieſer kündigte 
namens der Erben am 15. November 1906 der Klägerin 
den Mietvertrag für 1. April 1907 unter Berufung 
auf 8 569 BGB. Die Vermieterin erklärte, daß fie 
die Kündigung nicht annehme. Sie ſtellte gegen den 
Notar Klage mit dem Antrage, fejtzuitellen, daß der 
Tod des Dr. H. den Teſtamentsvollſtrecker nicht be— 
rechtige, das Mietverhältnis früher als auf den 
1. Oktober 1908 zu kündigen. Das Landgericht ers 
kannte nach dem Klageantrag. Die Berufung des 
Teſtamentsvollſtreckers wurde zurückgewieſen. 

Aus den Gründen. 1. Die Paſſivlegitimation 
des Beklagten ergibt ſich daraus, daß er als Teſtaments⸗ 
vollſtrecker das Recht der Kündigung gemäß § 569 
BGB. beanſpruchte und ausübte, ſowie aus 8 2213 
BGB. Die Klägerin hat, wenn die Kündigung des 
Beklagten nicht wirkſam wurde, einen Anſpruch gegen 
den Nachlaß auf Fortentrichtung des Mietzinſes auch 
über den 1. April 1907 hinaus. Dieſer Anſpruch wurde 
durch die Kündigung des Teſtamentevolfreckers be⸗ 
ſtritten und kann ſomit nach 8 2213 BGB. ſowohl 
gegen die Erben als gegen den Teſtamentsvollſtrecker 
geltend gemacht werden. 

2. Der Beklagte ſtützt das Kündigungsrecht auf 
§ 569 BGB., die Klägerin beſtreitet es, weil das in 
§ 569 des BGB. vorgeſehene Recht der Erben durch die 
Verträge vom 23. April 1887 und 1. April 1905 aus⸗ 
geſchloſſen ſei. Dieſe Behauptung iſt zutreffend. Das 
Kündigungsrecht des § 569 BGB. ift nicht zwingender 
Natur, es kann durch Vertrag ausgeſchloſſen werden. 
Es iſt auch dargetan, daß es durch die Verträge vom 
23. April 1887 und 1. April 1905 beſeitigt wurde. 
Die Ausſchließung muß nicht wörtlich erfolgen, es 


genügt, daß der Wille der Parteien klar und beſtimmt 
zum Ausdruck kommt. In dem Mietvertrage vom 
23. April 1887 (8 15) ift beſtimmt, daß der Todesfall 
des Vermieters oder des Mieters die Auflöſung des 
Mietvertrages nicht bewirken ſolle, daß vielmehr die 
gegenſeitigen Rechte und Pflichten auf die Erben über⸗ 
gehen ſollen. Hierzu gehört unzweifelhaft auch das 
Recht und die Pflicht zu kündigen und die Einhaltung 
der Beſtimmung, daß die Mietzeit auf drei Jahre 
ohne Zulaſſung einer Kündigung feſtgeſetzt wurde. 
Dieſe Vertragsbeſtimmungen wurden niemals auf— 
gehoben, ſondern nach den Verlängerungserklärungen 
jeweils ausdrücklich beſtätigt, in ihnen iſt jedesmal 
gejagt, daß der Vertrag für weitere 3 Jahre in allen 
Punkten aufrechterhalten werde. Der Einwand des 
Beklagten, daß ein Teil der vorgedruckten Beſtimmungen, 


insbeſondere der § 15, unbeachtet geblieben feien, ver⸗ 
an den Unterſuchungsrichter ſtellt, nicht etwas über— 


dient keine Beachtung, weil von den 31 Paragraphen 
des vorgedruckten Formulars 17 durch die Klägerin 
ſelbſt abgeändert und ergänzt wurden. Die Ausführung 
des Beklagten, daß Dr. H. kein Intereſſe daran hatte, 
die Unkündbarkeit des Mietverhältniſſes für den Fall 
ſeines Todes feſtzulegen, kann angeſichts des klaren 
Wortlautes des Vertrages und deswegen nicht be— 
rückſichtigt werden, weil auch das Intereſſe der Ver— 
mieterin in Betracht kam und Dr. H. mit Rückſicht auf 
die Beſtimmung der Wohnung als Augenklinik dieſes 
Intereſſe zu berückſichtigen gezwungen war. Auch die 
Schlußfolgerung des Beklagten, daß die Einräumung 
des vorzeitigen Kündigungsrechtes bei einer Ver— 
änderung des Wohnſitzes des Mieters die Annahme 
rechtfertige, daß nach dem Willen der Beteiligten auch 
im Falle des Todes des Mieters der Mietvertrag in 
gleicher Weiſe gelöſt werden ſollte, ſcheitert an der 
Erwägung, daß Ausnahmen nicht ausdehnend aus— 
gelegt werden dürfen, daß die Ausnahme nur für 
die erſte Betriebszeit der Augenklinik Bedeutung haben 
konnte und daß der Tod des Mieters mit einer Ver— 
änderung des Wohnſitzes nicht auf gleiche Stufe geſtellt 
werden kann. 

3. Wenn übrigens das in Y 569 BGB. vorgeſehene 
Kündigungsrecht nicht ausgeſchloſſen wäre, ſo wäre doch 
der Teſtamentsvollſtrecker nicht befugt, es auszuüben. 
Das in § 569 BGB. vorgeſehene Recht ift nur dem 
Vermieter und den Erben des Mieters eingeräumt 
und zwar mit Rückſicht auf das in der Miete enthaltene 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 


perſönliche Element, welches fordert, daß eine ſo weſent⸗ 


liche Veränderung wie der Tod des Mieters nicht ohne 
Einfluß bleibe. Das Kündigungsrecht der Erben aus 
§ 569 BGB. ift daher ein ihnen perſönlich gegebenes 
Recht, deſſen Geltendmachung nur ihnen, nicht aber 
dem Teſtamentsvollſtrecker zuſteht. Dieſer iſt nicht der 
geſetzliche Vertreter der Erben, er hat nur in Aus— 
übung ſeines Amtes den Nachlaß zu verwalten und, 
ſoferne nicht vom Erblaſſer etwas anderes beſtimmt 
ift, dem Erben zur freien Verfügung zu überweiſen. 
(Vgl. SS 2215—2218 BGB., RG 3. 56, 330 u. 18, 271). 
Der Teſtamentsvollſtrecker iſt ſohin nicht befugt, ein 


Recht geltend zu machen, das ſich im Nachlaſſe nicht 


vorfindet, ſondern erſt in der Perſon des Erben ent— 
ſteht und dieſem allein erwächſt. 
vom 17. Oktober 1907). 


1128 Diltget. v. Oberlandesgerichtsrat Schwarz in Augsburg. 


Literatur. 


Grek, Dr. Haus, o. 5. Profeſſor des Strafrechts an 
der Karl⸗Franzens-Univerſität Graz. Handbuch 


(Urt. des II. 8S. 


91 


Oeffentlichkeit übergeben wurde, bemerkte der Verfaſſer 
in der Einleitung: „Dies Buch hat Einer geſchrieben, 
der in einer langen Reihe von Jahren, in denen er 
mit Leib und Seele Unterſuchungsrichter war, zur 
Erkenntnis gekommen iſt, daß der Unterſuchungsrichter 
in ſeinem Amt mehr braucht, als ihm ſeine Geſetz⸗ 
bücher, Kommentare und wiſſenſchaftlichen Bearbei— 
tungen zu ſagen vermögen.“ Seitdem ſind 15 Jahre 
verfloſſen und aus dem beſcheidenen Handbuch iſt ein 
zweibändiges Syſtem der Kriminaliſtik geworden, das 
in faſt alle Kulturſprachen überſetzt wurde und jetzt 
in fünfter Auflage erſcheint. 

Dieſer ungewöhnliche Erfolg ift wohl die zuver⸗ 
läſſigſte Kritik, da darin die allgemeine Wertſchätzung, 
welcher ſich das Werk erfreut, zum unverfälſchten 
Ausdruck kommt. Es braucht nicht unterſucht zu 
werden, ob der Verfaſſer die Anforderungen, die er 


ſpannt hat, da man ihm jedenfalls darin beiſtimmen 
muß, daß juriſtiſche Kenntniſſe und das bei jedem Ge⸗ 
bildeten vorauszuſetzende allgemeine Wiſſen nicht aus⸗ 
reichen, dem Unterſuchungsrichter die Löſung ſeiner 
ſchwierigen Aufgabe zu ermöglichen. Der Verfaſſer 
hat es daher verſucht, aus ſeiner reichen praktiſchen 
Erfahrung heraus und auf Grund eingehender Fach— 
ſtudien in ſeinem Handbuche in lichter und überſicht— 
licher Darſtellung alles das zuſammen zu faſſen, was 
dem Unterſuchungsrichter nach ſeiner Anſicht zu wiſſen 
notwendig ift. Es ift eine außerordentliche Fülle von 
Belehrung und von praktiſchen Fingerzeigen, welche 
hier geboten wird, und es ſind dabei auch Materien 
behandelt, deren Kenntnis dem Unterſuchungsrichter, 
wenn nicht regelmäßig, ſo doch in nicht ſeltenen Fällen 
außerordentlich wertvoll ſein wird. Ich verweiſe in 
dieſer Beziehung auf die Abſchnitte VII bis XI, ſowie 
auf den Abſchnitt XV, welche behandeln „Gauner— 
praktiken“, „die Gaunerſprache“, „Zigeuner; ihr Weſen, 
ihre Eigenſchaften“, „Aberglauben“, „die Waffen, ihre 
Kenntnis und Verwertung“, „die Dechiffrierkunde“. 
Zu einem eingehenden Studium möchte ich den Unter— 
ſuchungsrichtern den zweiten Abſchnitt über „die Ber- 
nehmung“ ganz beſonders empfehlen; denn der Wert 
der Zeugenausſagen wird nur zu häufig überſchätzt. 
Wenn der Zeuge auch die Wahrheit ſagen will, ſo 
bleiben doch vielfach ſeine Bekundungen nur Schlüſſe 
aus unvollkommenen ſinnlichen Wahrnehmungen. 
Unter Berückſichtigung der ſehr umfangreichen Litera— 
tur hat Groß dieſen Gegenſtand ſehr eingehend be- 
handelt. Kein Menſch wird darum in das andere 
Extrem verfallen und alle Zeugenausſagen für wert— 
los erklären wollen; aber ein Richter, der ſein Urteil 
auf Zeugenausſagen ſtützt, muß ſich ſtets bewußt 
bleiben, daß die Angaben der Zeugen nur dann Wert 
haben, wenn ſie ſich nicht im Widerſpruch mit anderen 
unverrückbaren Tatſachen befinden. 

Nicht minder wichtig iſt der XIII. Abſchnitt über 
„Fußſpuren und andere Spuren“, da die Fußſpuren oft 
eine große Rolle in einer Unterſuchung ſpielen. Die Vor— 
übungen, die Groß dem Unterſuchungsrichter empfiehlt, 
wären ja gewiß ſehr zweckdienlich, ich glaube aber kaum, 
daß die Ratſchläge befolgt werden, da der Unterſuchungs— 


richter, während er im Amte iſt, nicht die nötige Muße 


‚it. 


für Unterſuchungsrichter, als Syſtem der 


Kriminaliſtik. Fünfte umgearbeitete Auflage; mit 
138 Abbildungen im Text. 2 Teile München 1908, 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Gebd. 20 Mk. 

Als das Großſche Handbuch zum erſten Male der 


dazu findet, die übrigen Juriſten aber bei der Un— 
gewißheit, ob ſie jemals Unterſuchungsrichter werden, 
wenig Luſt dazu haben werden; dagegen muß der 
Unterſuchungsrichter wiſſen, was hier über das Leſen 
aus den Fußſpuren, ihr Meſſen und Abformen geſagt 
Nicht genug kann mit Groß davor gewarnt 
werden, bei Vergleichung der Stiefel des Verdächtigten 
mit den Spuren, jene in dieſe hineinzuprobieren. Daß 
die Fußſpuren dadurch wertlos werden, wäre nicht 
einmal das größte Uebel; ſehr leicht könnten durch 
derartige Manipulationen aber Unſchuldige ſchwere 
Nachteile erleiden. Ich möchte in dieſer Beziehung 
nur auf einen Fall verweiſen, der mir felbſt als Unter— 


92 Zeitſchrift für Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4 in Bayern. 1908. 


ſuchungsrichter vorgekommen iſt. In einem allein⸗ 
ſtehenden Hauſe wurde, während die Bewohner auf 
dem Handel längere Zeit abweſend waren, ein Ein⸗ 
bruchdiebſtahl verübt. Die vox populi bezeichnete einen 
anderen Händler als den vermutlichen Einbrecher und 
die Gendarmerie hatte nichts eiligeres zu tun, als ſich 
ein paar Stiefel des Verdächtigen zu verſchaffen und 
dieſe mit den Fußſpuren zu vergleichen. Nach der 
Anzeige, welche bei der Staatsanwaltſchaft einlief, 
ergab die Vergleichung, daß die Fußſpuren von 
dieſen Stiefeln herrühren müßten. Bei der Orts⸗ 
beſichtigung fanden ſich auch alle charakteriſtiſchen 
Merkmale der Stiefel in den Jußſpuren wieder, 
und dem Staatsanwalt, der der Ortsbeſichtigung ans 
wohnte, ſchien jeder Zweifel an der Täterſchaft des 
Verdächtigen ausgeſchloſſen. Ich konnte mich aller— 
dings dieſer Auffaſſung nicht ſo ganz anſchließen, 
weil ich den Verdacht nicht abweiſen konnte, daß die 
Gendarmerie nachgeholfen habe, da doch zwiſchen dem 
Einbruchdiebſtahl und der Auffindung der Fußſpuren 
einige Zeit inmitte lag und die Fußſpuren nach dieſer 
Zeit kaum die beſonderen Merkmale in ſo auffallender 
Klarheit hätten wiedergeben können. Die Gendarmerie 
gab zwar zu, daß ſie die Stiefel in die Fußſpuren 
hinein probierte, beſtritt aber, daß irgendwelcher Druck 
ausgeübt worden ſei. Schon am Tage nach der Orts- 
beſichtigung wurde der Verdächtige, gegen den Haft— 
befehl erlaſſen war, vorgeführt. Er leugnete. AMn- 
geſichts der Fußſpuren und beim Widerſpruch des 
Staatsanwals blieb der Haftbefehl aufrecht erhalten. 
Der „Zufall“, der ja vielfach in Unterſuchungen eine 
wichtige Rolle ſpielt, kam dem Verdächtigen zu Hilfe, 
indem ſchon am nächſten Tage ein herumziehender 
Handwerksburſche wegen einer anderen Tat in der 
Gegend aufgegriffen wurde und einen großen Teil 
der geſtohlenen Gegenſtände an ſeinem Körper trug. 
Der Handwerksburſche gab auch den Einbruch unum— 
wunden zu und der mit Unrecht Verdächtigte wurde 
ſofort in Freiheit geſetzt. Wenn der unſchuldig Ver— 
dächtigte unter dieſen Umſtänden auch nicht ganz 24 
Stunden in Unterſuchungshaft war, ſo war es doch 
gerade genug für ihn. Was aber geſchehen wäre, 
wenn der wirkliche Täter nicht aufgegriffen worden 
wäre, läßt ſich ſchwer ſagen. Alſo bei der Vergleichung 
der Fußſpuren große Vorſicht! 

Das Großſche Handbuch iſt für jeden Unter— 
ſuchungsrichter m. E. unentbehrlich. Es wird aber 
auch allen anderen, welche an der Erforſchung von 
Kriminalfällen zu arbeiten haben, insbeſondere den 
Staatsanwälten, den erkennenden Richtern und den 
Polizeiorganen gute Dienſte tun. Es kann daher 


allen empfohlen werden. 
Oberſtantsanwalt von Zoeller in München. 


Dr. A. Groſch, Erſter Staatsanwalt. Strafgeſetzbuch 
für das Deutſche Reich. Erläutert zum Ge— 
brauche für Polizei-, Sicherheits- und Kriminal- 
beamte. München 1907, J. Schweitzer Verlag (Arthur 
Sellier). 219 S. Preis gebd. Mk. 2.50. 

Eine brauchbare Bearbeitung des Strafgeſetzbuchs, 
die ſich dem Verſtändnis und den Zwecken des Voll⸗ 
zugsbeamten anpaßt, gab es bisher nicht. Das Werk 
von Groſch ſoll die Lücke ausfüllen. Der Verfaſſer 
will „in knapper, aber bis zum vollen Verſtändnis 
durchgeführter Form“ alles bringen, was dieſe 
Beamten brauchen. Die Erläuterungen ſollen auch 
dem Unterricht in den Gendarmerieſchulen zugrunde 
gelegt werden. Der Verſuch ift wohlgelungen. Die 
durchaus eigenartigen Anmerkungen ſind ſtets klar 
und prägnant gehalten. Bei der Beſtimmung ihres 
Umfangs und der Wahl der zahlreichen Beiſpiele 
war r der Zweck des Buches maßgebend. Auf die 


Nr. 44. 


ge — — nn 


Nachweiſung der ſorgfältig verarbeiteten Rechtſpre⸗ 
chung wurde mit Recht verzichtet. In jeder Zeile tritt 
uns der erfahrene Praktiker entgegen. Ich glaube, 
daß das Buch als erſte Einführung in die Praxis des 
täglichen Lebens auch manchem jungen Rechtsbefliſſenen 
von Nutzen wäre. Staatsanwalt Bleuer 


Friedländer, Dr. Adolf, Landgerichtsrat in Limburg a. L. 
und Friedländer, Dr. Max, Rechtsanwalt in München. 
Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung 
vom 1. Juli 1878. München 1908. J. Schweitzer 
Verlag (Arthur Sellier). Gebd. M 9.60. 

Die Vorſchriften der Rechtsanwaltsordnung ſind 
keineswegs ſo einfach und leicht verſtändlich, wie 
man gemeinhin anzunehmen pflegt. Gleichwohl iſt 
die Rechtsanwaltsordnung in der Literatur bisher 
ſtiefmütterlich behandelt worden. Der Praxis ſtanden 
außer einigen kleinen Textausgaben nur veraltete und 
dem Inhalte nach unzulängliche Kommentare zur Ber- 
fügung. Dieſe Lücke füllt der neue Kommentar in 
trefflicher Weiſe aus. Er begnügt ſich nicht mit einer 
Erläuterung der Vorſchriften des Geſetzes ſondern be— 
ſchäftigt ſich auch — und zwar beſonders eingehend — 
mit den ſchwierigſten zivilrechtlichen Fragen, ſo z. B. 
in einem 31 Seiten umfaſſenden „Exkurs“ vor S 30 
RAO. mit dem Vertragsverhältnis zwiſchen dem 
Anwalt und dem Klienten. Sehr zu rühmen iſt, daß 
die Verfaſſer ſich überall die volle wiſſenſchaftliche 
Selbſtändigkeit bewahrt haben und ſtets die eigene 
Meinung mit eigenen Gründen vertreten. Von einem 
Kult der Entſcheidungen, zu dem z. B. die Erläute— 
rungen zu § 28 RAO. Anlaß hätten geben können, 
iſt nirgends etwas zu ſpüren. 

Vielfach mußten die Verfaſſer auch zu allgemeinen 
Standesfragen Stellung nehmen. Sie zeigen dabei 
eine hohe Auffaſſung des Anwaltsberufes und ver- 
treten zuweilen eine ſtrengere Auffaſſung als der 
Ehrengerichtshof. von der Pfordten. 


Notizen. 


Pſychiatriſche Ausbildung der Juriften. Der Auf⸗ 
ſatz des Herrn Landgerichtsrats Dr. Bittinger in 
Nr. 23 des 3. Jahrgangs dieſer Zeitſchrift ſchließt 
nach einem Hinweiſe auf den im heurigen Frühjahre 
in Gießen abgehaltenen Kurs der gerichtlichen Pſycho— 
logie und Pſychiatrie mit dem Wunſche, daß durch 
ähnliche Veranſtaltungen den bayeriſchen Praktikern 
die Erlangung der nötigſten Kenntniſſe auf den ge— 
nannten Gebieten erleichtert werden möchte. Dieſer 
Wunſch wird ſicherlich in den weiteſten Kreiſen der 
bayeriſchen Praktiker geteilt; er kann auch an 
anderen Orten als in den Univerſitäts⸗Städten erfüllt 
werden. Als Beweis hierfür iſt vielleicht die Mit⸗ 
teilung von allgemeinem Intereſſe, daß im Jahre 
1907 in der Zeit von Neujahr bis Oſtern auf An— 
regung eines Mitgliedes des Richter-Kollegiums des 
LG. Deggendorf der Herr Direktor der Heil- und 
Pflege-Anſtalt zu Deggendorf die Güte hatte, einen 
Zyklus von Vorträgen über forenſiſche Pſychiatrie 
zu halten. Die Vorträge — wöchentlich etwa 2 Stunden 
— waren mit Vorſtellung typiſcher Krankheitsbilder 
verbunden und führten in überaus klarer und inſtruk— 
tiver Weiſe in alle für den praktiſchen Juriſten 
wichtigen Gebiete der Pſychiatrie ein. Faft ſämtliche 
Beamte der Gerichte (Richter, Staatsanwälte und 
e Sekretäre) beteiligten ſich an den Vorträgen. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H., Freifing. 


Ur. 5. 5. 


= Sünden, den 1. März 1908. 1908. 


4. Jahrg. 


Zeitfhrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Dle Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

Im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich 

„ 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


in Bayern 


Verlag von 


3. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 
in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1. 
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Ein Verſagen der Kechtſprechung oder eine Lücke 
des Geſetzes auf dem Gebiete des Arbeiterſchutzes? 


Von Rudolf Troeltſch, II. Staatsanwalt in Augsburg. 


Die nachfolgende Abhandlung hat den Zweck 
auf eine im gewerblichen Leben häufig vorkommende 
Umgehung wichtiger Beſtimmungen des jog. Arbeiter: 
ſchutzgeſetzes vom 1. Juni 1891 hinzuweiſen und die 
Frage zu erörtern, ob die bisherigen Beſtimmungen 
der GewO. ausreichen, dieſe Umgehung des Ge- 
ſetzes wirkſam zu bekämpfen, oder ob hierzu eine 
Aenderung oder Ergänzung der Geſetzgebung ge- 
boten iſt. i 


8 105b Abſ. I der GewO. beſtimmt, daß 
im Betriebe von Bergwerken zc. ꝛc. Fabriken, Wert- 
ſtätten und der übrigen fog. produzierenden Gewerbe 
Arbeiter an Sonn- und Feiertagen nicht beſchäftigt 
werden dürfen und ſetzt für die den Arbeitern zu 
gewährende Sonn- und Feiertagsruhe eine Mindeſt⸗ 
dauer feft. $ 135 Abſ. II und III und S 136 
beſtimmen für die Beſchäftigung jugendlicher 
Arbeiter in Fabriken eine Maximaldauer, regeln 
die ihnen zu gewährenden Ruhepauſen und ver— 
bieten jede Nachtarbeit und jede Beſchäftigung 
jugendlicher Arbeiter an Sonn- und Feiertagen. 
X 137 beſchränkt die Arbeitsdauer der weiblichen 
Arbeiter an den Vorabenden der Sonn- und Feier: 
tage und während der Nachtzeit, ſetzt für ihre 
Beſchäftigung eine Maximaldauer von 11 Stunden 
und eine Mittagspauſe feſt und ſieht weitere Ein— 


ſchränkungen der Arbeitszeit für Arbeiterinnen mit 


Haushaltspflichten und bei Wöchnerinnen vor. 
Die Anwendung der für jugendliche und weib— 
liche Fabrikarbeiter aufgeſtellten Vorſchriften iſt 
durch $ 154 Abſ. II und III GewO. auf die 
den Fabriken gleichgeſtellten Anlagen, durch 8 154 a 
GewO. auf Bergwerke und Salinen und auf 
Grund des 8 154 Ab}. IV GewO. durch kaiſer— 
liche Verordnungen auch auf die Werkſtätten mit 
Motorenbetrieb und auf die Werkſtätten der Kleider— 
und Wäſchekonfektion ausgedehnt. Endlich iſt auf 
Grund des § 120 e Abſ. III GewO. durch ver: 


ſchiedene Bundesratsbekanntmachungen in Gewerben, 
in denen durch übermäßige Dauer der täglichen 
Arbeitszeit die Geſundheit der Arbeiter gefährdet 
wird, ſo insbeſondere für die Bäckereien und Kon— 
ditoreien und für das Gaſt- und Schankwirtsſchafts⸗ 
gewerbe eine Maximaldauer der Arbeitszeit er⸗ 
wachſener und jugendlicher Arbeiter eingeführt. 

Dieſe Beſtimmungen ſtellen den wichtigſten Teil 
der Vorſchriften zum Schutze der Arbeiter in 
Induſtrie und Handwerk dar. Sie ſollen, wie den 
Motiven zu den einſchlägigen Entwürfen zu ent— 
nehmen iſt, den Arbeitern die Möglichkeit geben, 
die Sonn- und Feiertage der nötigen Ruhe nach 
der Wochenarbeit, der innern Sammlung, der 
Stärkung und Erfriſchung zu neuer Arbeit und 
der Pflege des Familienlebens zu widmen; ſie 
ſollen der geſundheitsſchädlichen Ausbeutung der 
Arbeitskraft vorbeugen, eine Schonung der jugend— 
lichen Arbeiter ſichern und der Jugend Zeit zu 
weiterer Ausbildung neben der Berufsarbeit ver— 
ſchaffen; ſie ſollen ferner insbeſondere der Geſund— 
haltung des weiblichen Arbeiterſtandes und der 
Förderung der Arbeiterhaushalte dienen. (Land— 
mann, Kommentar zur GewO. 4. Aufl. II. Bd. 
S. 21, 333, 343). 

„Der Geſetzgeber ift bei diefen Maßnahmen von 
der Anſchauung ausgegangen, daß die beſonderen 
Verhältniſſe, in denen ſich die Arbeit in Induſtrie 
und Handwerk vollzieht (hohe körperliche An: 
ſtrengung, ſchlechte Luft und ungeſunde Tempera— 
turen in den Betriebsſtätten u. a.), an die Geſund— 
heit und die körperlichen Kräfte höhere Anſprüche 
ſtellen, als dies in anderen Gewerben der Fall iſt; 


und er ſieht in der von ihm zugelaſſenen täglichen 
oder wöchentlichen Arbeitsdauer — von beſonderen 


Ausnahmefällen abgeſehen — das höchſte zuläſſige 
Maß an Arbeitsleiſtung, welches dem Arbeitnehmer 
überhaupt und dem jugendlichen und weiblichen Ar— 
beiter insbeſondere ohne Schädigung der körperlichen 
und pſychiſchen Geſundheit zugemutet werden kann. 

Daß gerade dieſe Erwägung es iſt, welche zu 
den erwähnten Beſchränkungen der Arbeitszeit der 
induſtriellen Arbeiter geführt hat, ergibt ſich daraus, 
daß im Handelsgewerbe, in welchem der Arbeit— 


94 Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


nehmer einer Erſchöpfung feiner körperlichen Kräfte geſetzte Umgehung der geſetzlichen Beſtimmungen 
nicht in ſolchem Maße ausgeſetzt iſt, Beſchränkungen derartige Mißſtände herausgebildet, daß es an der 
der Arbeitszeit — von den Beſtimmungen in Zeit iſt, ernſtlich zu prüfen, ob die beſtehenden Ge⸗ 
§ 105 b Abſ. II GewO. abgeſehen — im ſetzesvorſchriften zu ihrer Bekämpfung ausreichen 
allgemeinen 85 0 0 m und 0 der oder ob eine Aenderung der Geſetzgebung geboten iſt. 
Vorſchrift in § 139 c GewO. erft da einſetzen, l ; 

no., iin ben, oenen Beute, ADA |, nahen dan ber Bea en 
Umſtände (ſchlechte Luft, mangelnde Sitzgelegenheit, Wera te mil den ie enen Berka fs 


ungeeignete Temperaturen) auf die Kräfte und die 1 y 8 
i ; 1% m; geſchäfts vereinigt iſt. Eine ſolche Vereinigung 
Geſundheit der Arbeitnehmer nachteilig einwirken findet ſich vor allem bei zahlreichen Unterneh⸗ 


un C mungen der Kleider- und Wäſchekonſektion, des 
ö | II. Putzmacher⸗, Kürſchner⸗ und Schuhmachergewerbes, 


Selbſtverſtändlich können dieſe Arbeiterſchutz⸗ der Konditoreien, Bäckereien und Fleiſchereien. 


: ; ferner auch häufig in den Betrieben der Buch⸗ 
. . binder, Goldſchmiede, Blumenbinder, Uhrmacher, 


unbedingte Durchführung der vorge- Poſamentiere, Friſeure, Mechaniker, der Kellereien 
1 Ru ER: ert und ne und anderer mehr. In dieſen Betrieben pflegen, 
beſondere verhindert, daß die Arbeiter ſoweit nicht von der nach $S 41 a und 105 b 
während dieſer Ruhezeiten zu ander— Abſ. II GewO. zuläſſigen Einſchränkung durch 
weitigen gewerblichen Arbeiten heran: Ortsſtatut Gebrauch gemacht ift, an den Bor- 
gezogen werden. mittagen der Sonn⸗ und Feiertage die offenen 
Solches kann in mehrfacher Weiſe geſchehen, Verkaufsſtellen dem Verkehre offen zu ſtehen, 
indem die Arbeiter während in den Werkſtätten wegen der den Arbeitern 
1. ſich während der Ruhezeiten zu Hauſe gewerb⸗ zu gewährenden Sonntagsruhe die Arbeit ruht, 
licher Arbeiten auf eigene Rechnung widmen, und au den Werktagabenden, iunsbeſondere auch an 
2. fi während der Ruhezeiten andern Arbeit- Vorabenden vor Sonn- und Feiertagen erſtreckt 
gebern in deren Betrieben verpflichten, ſich die Offenhaltung der Verkaufaſtelle nach Orts⸗ 
3. ſich in den Fällen, in welchen der gebrauch und auf Grund der Beſtimmungen über 
eigene Arbeitgeber in feiner Hand einen den 9 Uhr ⸗Ladenſchluß in der Regel noch einige 
induſtriellen oder einen Werkſtätten⸗ | Stunden über den Schluß der Arbeit in der 

betrieb miteinem andern, insbeſondere Werkſtätte. 
| 


einem handelsgewerblichen Betrieb ver⸗ Erfahrungsgemäß iſt aber in Städten mit 
einigt, nach Eintritt der für den erſteren induſtrieller Bevölkerung und, ſoweit die Bor- 
Betrieb vorgeſchriebenen Ruhezeiten in mittage der Sonn⸗ und Feiertage in Frage kommen, 
dem andern Betriebe, für welchen ſolche in Städten mit dicht bewohnter bäuerlicher Um⸗ 
Ruhezeiten nicht oder nur in geringerem gebung der Verkehr in den offenen Verkaufsſtellen 
Maße vorgeſchrieben ſind zu weiteren gerade in den vorerwähnten Stunden beſonders 
Arbeiten verwenden laſſen, ſowie in⸗ lebhaft und die zu bewältigende Arbeit beſonders 
dem ſie l 3 groß, dies macht das Bedürfnis nach einer vor⸗ 
4. von ihrem Arbeitgeber nach Eintritt der übergehenden Vermehrung der zur Bedienung der 
vorgeſchriebenen Ruhezeiten zwar von der Betrieb- Käufer verfügbaren Arbeitskräfte rege und dieſem 
ſtätte entlaſſen, jedoch noch mit weiteren zu Hauſe Bedürfnis wird dann vielfach in der Weiſe ent⸗ 
zu erledigenden Arbeiten verſehen werden. ſprochen. daß die in der Werkſtätte freigewordenen 
Die ‚unter 1. und 2. erwähnten Fälle werden Arbeitskräfte zur Bedienung der Kunden im Laden. 
verhältnismäßig ſelten ſein und haben bisher, wenn zur Vornahme der kleineren Abänderungsarbeiten 
ſie auch eine Vereitelung der geſetzgeberiſchen Abſicht an den verkauften Waren oder zum Austragen 
in der oben erwähnten Richtung in ſich ſchließen, der Waren herangezogen werden. Dies geſchieht 
zu erheblichen Klagen nicht geführt. Die gegen⸗ auf Koſten der den Werkſtättenarbeitern zu ge— 
wärtigen Beſtimmungen der GewO. bieten auch währenden geſetzlichen Ruhezeiten und führt zu 
keine Handhabe, dieſen Fällen entgegenzutreten; einer Ausbeutung und Ueberanſtrengung der gewerb— 
eine Schaffung von Beſtimmungen, die dies ermög⸗ lichen Arbeiter, welche bei der zunehmenden Zahl 
lichen, iſt wegen der Seltenheit der Fälle kaum dieſer Fälle ſehr bedenklich iſt. 
veranlaßt und würde auch an ſich Bedenken unter— 
liegen, da ſie in die individuelle Freiheit der Arbeit— III 
nehmer im erſten Falle zu weitgehend eingreifen f 
und hinſichtlich der Durchführung und Kontrolle Kann nun einer ſolchen Umgehung des Ge: 
in beiden Fällen Schwierigkeiten bieten würden. ſetzes, einer ſolchen Vereitelung der geſetzgeberiſchen 
Dagegen find ſehr häufig die unter Ziff. 3 | Ablichten auf Grund der beſtehenden geſetzlichen 
erwähnten Fälle. Hier haben ſich durch fort: | Beſtimmungen, insbeſondere der Straſvorſchriften 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 95 


— M — . ſä—ͤ —ͤ -! — nn nn nn U ar 


in §8 146 Ziff. 2, 146 a und 147 Ziff. 4 GewO. 
mit Erfolg entgegengetreten werden? 

In den Motiven zu den Novellen zur Reichs⸗ 
gewerbeordnung, in den Kommiſſionsberichten und 
in den Verhandlungen des Reichstags iſt eine Ant⸗ 
wort auf dieſe Frage nicht zu finden; auch der 
ſonſt ſo erſchöpfende Kommentar von Landmann 
ſchweigt hierüber. Während nun die gegenwärtige 
Abhandlung aus den ſpäter zu erörternden Gründen 
dieſe Frage bejahen möchte, hat die Rechtſprechung 
der oberſten Gerichte ſie ſchon wiederholt ver⸗ 
neint. Es find dies die Entſcheidungen des Ober: 
landesgerichts Töln vom 4. Mai 1903, aus: 
zugsweiſe mitgeteilt in Goltd Arch. Bd. 51 S. 378, 
die Entſcheidung des bayeriſchen Oberſten Landes- 
gerichts vom 22. Januar 1901 (Reger Bd. 22 
S. 181) und eine ſolche desſelben Gerichts vom 
12. Juli 1907. 

Die beiden erſten Entſcheidungen betreffen je 


den Fall, daß in einem mit einer Putzmacherei 


verbundenen offenen Verkaufsgeſchäft der Mode- 
konfektion die für gewöhnlich in der Putzſtube ver: 
wendeten Arbeiterinnen an den Vormittagen der 
Sonn- und Feſttage im Ladengeſchäft teils 


mit der Bedienung der Kunden, teils mit anderen 


Arbeiten beſchäftigt wurden, welche — wie die 
Zurichtung und Abänderung verkaufter Hüte — 
nach der einwandfreien Auffaſſung der preußiſchen 
Miniſterialanweiſung vom 11. März 1895 A II 
und der bayeriſchen Miniſterialentſchließung vom 


14. März 1895 (MABl. S. 107) als Beſchäf⸗ 
tigung im Handelsgewerbe zu erachten ſind. Die 


dritte Entſcheidung erſtreckt ſich außerdem auf die 
Frage, ob die Putzarbeiterinnen in ſolchen Ge— 
ſchäften an den Werktagabenden, insbeſondere 
an den Vorabenden vor Sonn- und Feſttagen in 
der Zeit, in welcher fie nach $ 137 GewO. in der 
Werkſtätte nicht mehr beſchäftigt werden dürfen, 
zu einer Tatigkeit in dem Verkaufsgeſchäfte heran: 
gezogen werden können. 

Die Entſcheidungen haben, wie erwähnt, dieſe 
Fragen ſämtliche bejaht; doch haben ſie — die 
erſte ausdrücklich, die letzte durch Billigung der 
Ausführungen der erſten Inſtanz hierüber 
— hierbei anerkannt, daß in dieſen Fällen eine 
nach dem gegenwärtigen Standpunkt der Geſetz— 
gebung leider nicht zu verhindernde Vereitelung 
des geſetzgeberiſchen Zwecks der 88 105 b 
und 137 GewO. vorliege. Die Entſcheidungs— 
gründe ſind von Intereſſe. 

Das Oberlandesgericht Cöln führt aus: 

„Iſt in einem Betriebe die Sonntagsarbeit 
während einer beſtimmten Zeit geſtattet, ſo kann 
der Unternehmer während dieſer Zeit Arbeiter in 
dem Betrieb beſchäftigen. In der Auswahl der 
Arbeiter iſt er geſetzlich nicht beſchränkt. Es iſt 
daher nicht verboten, zu dieſer Arbeit ſolche Ar: 


beiter heranzuziehen, die an einem Wochentage in 


einem Werkſtattbetriebe, für welchen die Sonn: 
tagsarbeit vollſtändig ausgeſchloſſen iſt, beſchäftigt 


— A.]HtQ.. «7VC2..ů—ů—3Sꝗ—- . —88—8—8—8—8—8—8—— 


werden. Daß dadurch der geſetzgeberiſche Zweck, 
dieſen Arbeitern volle Sonntagsruhe zu gewähren, 
vereitelt wird, iſt richtig. Dieſer Zweck könnte in 
vollem Umfang nur durch das Verbot erreicht 
werden, dieſe Arbeiter an Sonntagen überhaupt 
nicht zu beſchäftigen. Ein Verbot dieſes Inhalts 
beſteht nicht.“ 

Die Entſcheidung des bayeriſchen Oberſten 
Landesgerichts vom 22. Januar 1901 ſtellt für den 
damals zur Entſcheidung geſtandenen Fall zunächſt 
feſt, daß die in der Werkſtätte beſchäftigten Putz⸗ 
arbeiterinnen durch Arbeitsvertrag verpflichtet waren, 
im Bedarfsfall und insbeſondere an Sonn- und 
Feiertagen auch als Verkäuferinnen im Ladengeſchäft 
tätig zu ſein und knüpft hieran die rechtliche 
Folgerung: 

„Inſoweit die Putzarbeiterinnen im Laden: 
geſchäft, alſo im Handelsgewerbe tätig waren, fällt 
ihre Beſchäftigung unter Abſatz II des § 105 b 
GewO., während ihre gewerbliche Beſchäftigung in der 
a unter Abſatz I desjelben Paragraphen 
allt.“ 

Die Entſcheidung des Oberſten Landesgerichts 
vom 12. Juli 1907 nimmt lediglich auf die erft- 
inſtanziellen Entſcheidungsgründe bezug, welche ſich 
ihrerſeits ohne weitere Begründung auf die Ent: 
ſcheidung des Oberlandesgerichts Cöln vom 4. Mai 
1903 ftüßen. 


IV. 


Dieſen Entſcheidungen liegt der Gedanke zu⸗ 
grunde, daß der Geſetzgeber durch die Vorſchriften 
des § 105 b Abſ. I GewO. beſtimmten Gewerbe⸗ 
gruppen (Bergwerken, Fabriken, Werkſtätten uff.) 
während der von ihm feſtgeſetzten Zeiten ein 
Ruhen des Betriebes zur Auflage macht 
und daß er, ohne eine anderweitige Beſchäftigung 
der Arbeiter während dieſer Betriebsruhe direkt zu 
verbieten, darauf rechnet, daß in der Praxis dieſe 


Einſchränkung der Betriebszeit von ſelbſt auch zu der 
von ihm angeſtrebten Beſchränkung der Arbeitszeiten 


der in dieſen Gewerben beſchäftigten Arbeiter führt. 
Dieſer Geſichtspunkt der Vorſchrift einer bloßen Be: 
triebsruhe — oder wie im Reichstag (Sten B. 1890/91 
S. 1473) gejagt wurde, einer objektiven Arbeits: 
ruhe im Betrieb im Gegenſatz zu der ſubjektiven 
Arbeitsruhe der Arbeiter — wird dann ohne 
weiteres auch auf die Beurteilung der Beſtim— 
mungen der §§ 136, 137 und 120 e GewO. 
übertragen. Aus dieſer Auffaſſung entwickelt ſich 
folgerichtig die in den genannten Entſcheidungen 
vertretene Anſchauung, daß die Gewerbeordnung 
in ihren Strafbeſtimmungen zu den §§ 105 b, 
135—137, 120 e zwar die Handhabe zur Erzwin— 
gung dieſer Betriebsruhe, nicht aber auch die 
Handhabe zur Verhinderung einer anderweitigen 
Beſchäftigung der Arbeiter während dieſer 
Betriebsruhe biete. Dieſe ganze Anſchauung muß 


als irrig bezeichnet werden aus folgenden Erwä— 


gungen: 


96 


Es iſt nicht einzuſehen, aus welchen Gründen 
die Gewerbeordnung dazu kommen ſollte, in § 105 b 
das Schwergewicht auf die Schaffung einer Be⸗ 
triebsruhe zu legen. Die Gewerbeordnung 
kennt allerdings den Begriff der geſetzlichen Be⸗ 
triebsruhe für beſtimmte Gewerbegruppen. Die 
Vorſchriften hierüber finden ſich aber nicht in Titel 
VII, ſondern in Titel II und III der Gewerbe⸗ 
ordnung und zwar in § 41 a für offene Verkaufs⸗ 
ſtellen, in $ 41 b für gewiſſe Bedürfnisgewerbe und 
in § 55 a für das im Umherziehen betriebene Gewerbe. 
Hier hat der Begriff auch eine entſprechende For⸗ 
mulierung gefunden. Die Einführung dieſes Be⸗ 
griffes hat dort den Zweck, die Sonn: und Feier⸗ 
tagsruhe vor Störungen zu ſichern und die Ge- 
werbetreibenden vor gegenſeitiger Konkurrenz zu 
ſchützen (Landmann a. a. O. S. 22). Dieſe Zwecke 
find aber dem Titel VII und damit dem § 105 b 
GewO., welcher ſich nur mit dem Arbeiterſchutz 
befaßt, begrifflich fremd. (Bericht der Reichstags⸗ 
kommiſſion S. 1431). Bei $ 105 b GewO. handelt 
es ſich nur darum, den gewerblichen Arbeitern 
eine gewiſſe Ruhezeit zu ſichern. Der durch die 
Novelle vom 1. Juni 1901 eingefügte Paragraph 
ift eben nur eine Meiterentwidlung des § 105 a, 
durch welchen bereits die GewO. der Jahre 1869 
und 1878 die Sicherung der Sonntagsruhe der 
Arbeiter und zwar ausſchließlich im Intereſſe des 
Arbeiters ſelbſt anſtrebte. So wenig der 
letztere Paragraph die Tendenz und die Wirkung 
beſitzt, das Ruhen der Betriebe an Sonn- und 
Feiertagen einzuführen, ebenſo wenig iſt dies bei 
5 105 b GewO. der Fall. 


Der Gedanke, daß $ 105b GewO. in erſter 
Linie die Ruhe im Betriebe zu ſichern beſtimmt 
ſei, läßt ſich weiter aus dem Grunde nicht halten, 
weil dieſer Paragraph ſeinem Wortlaute nach 
ſolches von vornherein in allen jenen Betrieben nicht 
durchzuſetzen vermöchte, in denen die Fortführung 
des Betriebs durch den Arbeitgeber allein mög— 
lich iſt. 

Auch aus der Faſſung „Im Betriebe von 
Bergwerken ꝛc. dürfen Arbeiter nicht beſchäftigt 
werden“ kann nicht, wie es ſchon geſchehen iſt, auf 
einen ſolchen Sinn der Vorſchrift gefolgert werden; 
die Wahl dieſes Ausdrucks hat, wie Landmann 
a. a. O. S. 24 darlegt, andere hier nicht zu 
erörternde Gründe. 


Daß § 105b GewO. nicht die Regelung der 
Betriebsruhe, ſondern nur jene der Ruhezeiten 
der Arbeiter im Auge hat, ergibt fih zur Ge- 
wißheit endlich auch aus der Faſſung des zweiten 
und der folgenden Sätze dieſes Paragraphen. Es 
wird hier nicht von der Dauer der im Betriebe 
einzuhaltenden Sonntagsruhe, ſondern von der 
Mindeſtdauer „der den Arbeitern zu gewäh— 


renden” Ruhezeit geſprochen; es wird nicht Schluß 


und Wiederbeginn der Betriebszeit, ſondern Anfang 


eigen für Bectöpfege in Bayern. 1908. Mr. 5 


beſchäftigten Arbeiter beſtimmt. Hierbei wird aller: 
dings der Anfang der Ruhezeiten geſetzlich auf 
einen Zeitpunkt — 12 Uhr Mitternacht — teft- 
gelegt und hierdurch im Effekt eine allgemeine Be⸗ 
triebsruhe bewirkt; dies iſt aber, wie ſich aus dem 
Bericht der Reichstagskommiſſion 1890/91 (II. An: 
lageband S. 1427 ff.) ergibt, nur eine formale 
Konzeſſion an jene Parteien, welche aus religiöſen 
Gründen auf ein Zuſammenfallen der Ruhezeiten 
mit dem chriſtlichen Kalenderſonntag Gewicht ge: 
legt haben. 


Der Umſtand, daß der letzte Satz des Abi. 1 
bei Betrieben mit regelmäßiger Tag⸗ und Nacht⸗ 
ſchicht ausdrücklich ein 24 ſtündiges Ruhen des 
Betriebs verlangt, ändert an obigen Ausfüh⸗ 
rungen nichts; es iſt vielmehr bezeichnend, daß 
gelegentlich der Beratung über dieſen Satz im 
Reichstag der Abgeordnete Holtzmann ſich aus⸗ 
drücklich dagegen verwahrt hat, daß hier „gewiſſer⸗ 
maßen durch die Hintertüre ein ganz neues Prinzip, 
nämlich daß der Betrieb 24 Stunden ruhen 
muß, an Stelle des Prinzipes, daß den Arbeitern 
24 Stunden Ruhe geſichert ſein ſollen, in das 
Geſetz hereinkomme“, und er warnt vor den weiter⸗ 
gehenden wirtſchaftlichen Folgen dieſes Prinzips. 
(Reichstag 1890/91 Sten B. Bd. III 1464). 

Man kann das Ergebnis der bisherigen Unter⸗ 
ſuchung dahin zuſammenfaſſen, daß es den Begriff 
einer objektiven Betriebsruhe nach 3 105 b im 
Prinzipe nicht gibt und daß, wo eine ſolche in 
Erſcheinung tritt, ſie nur eine mittelbare Folge 
der in § 105 b eingeführten Arbeiterruhe ift, ſowie 
daß hiernach die Auffaſſung, welche die Beſchäftigung 
der Arbeiter an Sonn- und Feiertagen nur ſoweit 
als verboten anſieht, als ihr die in dem einzelnen 
Gewerbebetrieb eingeführte Betriebsruhe entgegen 
ſteht, von Vorausſetzungen ausgeht, die im Geſetze 
ſelbſt keine Grundlage haben. Schluß folgt.) 


Zur Reform des Privatklageverfahrens. 


Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof. 


Der Kommiſſion für die Reform des Straf— 
prozeſſes waren hinſichtlich des Privatklageverfahrens 
vom Reichsjuſtizamt lediglich folgende Fragen zur 
Beratung und Beſchlußfaſſung unterbreitet: Soll 
für den Fall, daß im allgemeinen an dem Legalitäts⸗ 
prinzip feſtgehalten wird, die prinzipale Privat: 
klage auf einzelne Straftaten, welche für die öffent- 
liche Ordnung von geringer Bedeutung ſind — 
unter entſprechender Einſchränkung des Legalitäts— 
prinzips — ausgedehnt, oder fol die ſubſidiäre 
Privatklage für ſolche Fälle zugelaſſen werden? 

Die Reformkommiſſion hat mit gutem Grunde 
die Einführung der ſubſidiären Privatklage ab- 


und Endtermin der Ruhezeiten der im Betriebe gelehnt und an der prinzipalen Privatklage feſt— 


gehalten; fie will letztere auf eine Reihe weiterer 
Straftaten ausgedehnt wiſſen. (Prot. der Reform: 
kommiſſion Bd. S. 285—294, Bd. 115.37 — 49; 
Beſchl. Nr. 243). 

Mit der Löſung der erwähnten, vom Reichs— 
juſtizamt geſtellten Fragen hat fih die Reform- 
kommiſſion nicht begnügt; ſie war auch beſtrebt, 
durch entſprechende Vorſchläge den in der Praxis 
hinſichtlich des Privatklageverfahrens hervorge— 
tretenen Reformbedürfniſſen gerecht zu werden. 
Soweit diefe Vorſchläge das überaus wichtige Be: 


klageſachen betreffen, ſollen ſie auf ihre Zweck⸗ 
mäßigkeit näher geprüft werden und zwar unter 
Berückſichtigung jener Erfahrungen, die in dieſer 
Beziehung zu ſammeln, das ſeit einer Reihe von 
Jahren beim Amtsgerichte Nürnberg geübte be: 
ſondere Verfahren Gelegenheit bot. 

Dieſes Verfahren unterſcheidet ſich von dem 
ſonſt allgemein üblichen in folgenden Punkten: 


A. Der Eröffnungsbeſchluß enthält 
regelmäßig: 

1. die Anordnung, daß die Parteien in der 
Hauptverhandlung perſönlich zu erſcheinen haben; 

2. den Hinweis, daß zur Hauptverhandlung 
Zeugen und Sachverſtändige nicht geladen werden. 


B. Im Hauptverhandlungster min regt 
der Vorſitzende vor Eintritt in die Haupt: 
verhandlung einen Vergleich an; kommt 
ein ſolcher zuſtande, ſo wird er ins Sitzungs— 
protokoll aufgenommen und den Parteien zur Ge— 
nehmigung vorgeleſen; im Protokoll wird ver— 
merkt, daß die Genehmigung erfolgt ſei; kommt 
ein Vergleich nicht zuſtande, ſo wird: 


1. wenn die Vergleichsverhandlung erkennen 
läßt, daß ohne Vernehmung von Zeugen und 
Sachverſtändigen eine urteilsmäßige Erledigung 
nicht möglich iſt, ohne Eintritt in die Haupt— 


neuen Termin die Ladung der nach dem Vor— 
bringen der Parteien nötig erſcheinenden Zeugen 
und Sachverſtändigen angeordnet. 
nungen erfolgen durch Gerichtsbeſchluß. 


2. wenn der Inhalt der Vergleichsverhand— 
lungen die Ausſicht eröffnet, ohne Zeugen und 
Sachverſtändige zu einem Urteil kommen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


97 


der Parteien nicht abgegeben und ſolche Geſtänd⸗ 


niſſe nicht abgelegt, ſo wird die Hauptverhand⸗ 


lung ausgeſetzt, neuer Termin beſtimmt und hierzu 
die Ladung der nötig erſcheinenden Zeugen und 


biet der vergleichsweiſen Erledigung der Privat⸗ der Koſten auf den Kläger eingeſtellt. 


Sachverſtändigen angeordnet; auch dieſe Anord⸗ 
nungen erfolgen durch ſofort verkündeten Gerichts⸗ 
beſchluß. 


Erſcheint der Privatkläger in der (erſten) Haupt⸗ 
verhandlung nicht, Jo wird gemäß § 431 II, 259, 
503 II StPO. das Verfahren unter Ueberbürdung 
Erſcheint 
der Beklagte nicht, ſo wird die Hauptverhandlung 
ausgeſetzt, neuer Termin beſtimmt, hierzu die Ladung 
der nötig erſcheinenden Zeugen und Sachverſtändigen 
und, wenn nötig, die Vorführung des Angeklagten 
angeordnet. ($ 427 III StPO.). 


C. Im neuen Hauptverhandlungs⸗ 
termine, der ſtattfindet, weil im erſten Termin 
ein Vergleich nicht zuſtande kam und auch ein Urteil 


ohne Vernehmung von Zeugen und Sachverſtändigen 


nach Lage der Sache nicht möglich war, regt der 


Vorſitzende vor Aufruf der geladenen Zeugen und 


Sachverſtändigen ($ 242 StPO.) wiederum einen 
Vergleich an; kommt ein ſolcher zuſtande, ſo wird 
verfahren, wie wenn er ſchon im erſten Termine 
gelungen wäre; andernfalls wird in die Haupt⸗ 
verhandlung und Beweisaufnahme eingetreten. 
Hat die Beweisaufnahme ein hinreichend klares 
Bild geſchaffen und iſt bei dieſer Sachlage eine 


vergleichsweiſe Erledigung im Intereſſe der Par: 


teien gelegen, ſo regt der Vorſitzende auch in 


Dieſe Anord: ' 


au 


können, in die Hauptverhandlung eingetreten; die 


Geſtändniſſe des Beklagten und Widerbeklagten 
werden zu Protokoll genommen; ſind dieſe Ge— 
ſtändniſſe glaubhaft und geeignet, im Zuſammen— 
halte mit den ſonſt übereinſtimmend vorgebrachten 


Tatſachen die Grundlage zu einem Urteil abzu- 


geben, fo wird gemäß $ 244 II StPO beſchloſſen, 
daß eine weitere Beweisaufnahme nicht ſtattzu— 


finden habe und dann wie im Offizialſtrafprozeſſe 


weiter verfahren und das Urteil gefällt; werden 
wider Erwarten ſolche übereinſtimmende Erklärungen 


dieſem Prozeßabſchnitte eine gütliche Einigung 
der Parteien an; gelingt ſie, ſo wird verfahren, 
wie wenn ſie bereits im erſten Termin erfolgt 
wäre; andernfalls endigt die Verhandlung mit 
dem Urteile. 


D. Der Vergleich beendigt das Ver— 
fahren; es wird, gleichgültig, ob der Ver— 


verhandlung der Termin verlegt und zu dem gleich vor Eintritt in die Hauptverhandlung oder 


erſt ſpäter zuſtande kam, kein Einſtellungs— 
Beſchluß oder Urteil erlaſſen. 


E. Der Vergleich bildet einen Voll⸗ 
ſtreckungstitel im Sinne der Zivilprozeß-Ord— 
nung ($ 104; 794). 


F. Auf Grund des Vergleiches werden 
die Koſten feſtgeſetzt; und zwar auch dann, 
wenn über deren Höhe und Notwendigkeit kein 
Streit beſteht. 


G. Auf die Vollſtreckung des Ber- 
gleiches und das Koſtenfeſtſetzungsver— 
fahren werden die Vorſchriften der 
3PO. entſprechend angewendet. 


Die Zuläſſigkeit der Anordnung des perſönlichen 
Erſcheinens der Parteien (ſ. oben A Ziff. 1) kann 
im Hinblick auf die 88 427 IIL; 431 II und III 


98 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


- — — — — — .. x.. — 


StPO. nicht bezweifelt werden.) Der Hinweis, 
daß Zeugen und Sachverſtändige zur Hauptverhand⸗ 
lung nicht geladen werden (ſ. oben A Ziff. 2) ſtützt 
fih auf 8 426 J StPO.; er läßt das Recht der 
Parteien auf unmittelbare Ladung (§ 426 11 StPO.) 
unberührt und greift auch der Verfügung des 
erkennenden Gerichtes über die Beweisaufnahme 
nicht vor. (Vgl. 88 243, 244 StPO.). 

Der im Urteil des Landgerichtes Würzburg 
vom 7. Mai 1906 (mitgeteilt in dieſer Zeitſchrift 
Jahrgang 1907 Nr. 1 S. 26) ausgeſprochenen 
Anſicht, der auf 8 426 I StPO. geſtützte Hin- 
weis (f. oben A Ziff. 2) widerſpreche den Grund: 
ſätzen der StPO., kann demnach nicht beigepflichtet 
werden. Der Hinweis widerſpricht auch nicht, 
wie dieſes Urteil meint, dem Zwecke der Haupt⸗ 
verhandlung, eine Entſcheidung herbeizuführen. 
Die Fälle, in welchen ohne Vernehmung von Zeugen 
und Sachverſtändigen lediglich auf Grund glaub: 
würdiger und erſchöpfender Geſtändniſſe das Urteil 
gefällt werden kann, find nicht felten ;?) abgejehen 
hiervon zielt in Privatklageſachen die Hauptver⸗ 
handlung vorzugsweiſe nicht auf eine urteilsmäßige, 
ſondern auf eine vergleichsweiſe Erledigung ab; da: 
mit kommen wir zur Beſprechung der Frage, ob die 
Vornahme eines . vor dem erkennenden 
Gerichte (f. oben B und O) zuläſſig iſt. 

Das erwähnte Würzburger Erkenntnis ſpricht 
ſich für die Unzuläſſigkeit aus und begründet 
ſeine Anſchauung damit, daß die Abhaltung eines 
Sühnetermins vor dem erkennenden Gerichte in 
der Strafprozeßordnung nicht erwähnt fei, daß 
vielmehr das Geſetz einen Sühneverſuch nur für 
die Zeit vor der Erhebung der Klage und nur 
für den Fall, daß beide Parteien in demſelben 
Gemeindebezirke wohnen, in $ 420 StPO. vor: 
ſehe. Das Urteil des Oberlandesgerichts Naum⸗ 
burg (ſ. DIZ. Jahrg. X S. 415) ſteht im weſent⸗ 
lichen auf dem gleichen Standpunkte. Das Amts- 
gericht Nürnberg nimmt hinſichtlich der Zuläſſigkeit 
des jog. gerichtlichen d. h. des von dem erkennen— 
den Gerichte und unter deſſen Mitwirkung ab— 
geſchloſſenen Vergleiches folgenden Rechtsſtand⸗ 
punkt ein: 


Die Gründe, aus denen man bei den bis— 
herigen Privatklageſachen ($ 414 StPO.; § 12 


) Dieſe Anordnung, mit der allerdings die Be- 
fugnis des Klägers wegfällt, ſich im Termine durch einen 
Rechtsanwalt vertreten zu laſſen, nicht aber ſein Recht, 
im Beiſtand eines Anwalts zu erſcheinen (S 427 
StPO.) erfolgt in allen den Fällen, in welchen die 
Parteien am Gerichtsſitze oder unweit von ihm wohnen; 
ausnahmsweiſe auch in anderen Fällen, ſoferne die 
Sachlage ſie als im Intereſſe der Parteien gelegen er— 
ſcheinen läßt; auf begründeten Antrag des von der 
Anordnung Betroffenen, ſei ſie im Regel- oder Aus— 
nahmefall erfolgt, wird ſie zurückgenommen. 

) Nach dem Grundſatze der freien Beweiswürdigung 
(S 260 StPO.) ift es zuläſſig, eine Verurteilung des 
Angeklagten ausſchließlich auf deſſen Geſtändnis zu 
gründen. (Vgl. Löwe StPO. Anm. 2 zu § 243 StPO.). 


— — ——— . ur mE jai. a — ſ— 
1 


des Geſ. v. 27. Mai 1896 zur Bekämpfung des 
unlautern Wettbewerbes) das Erfordernis des 
Strafantrags als einer Prozeßvorausſetzung (jo: 
wohl für die öffentliche als auch für die Privat⸗ 
klage) aufſtellte und die Zurücknahme des Straf⸗ 
antrags geſtattete — Gründe, die auch dafür 
maßgebend waren, die Privatklageſachen dem or⸗ 
dentlichen (Offizial⸗) Strafverfahren zu entziehen 
und einem beſonderen, dem Einfluſſe der Par⸗ 
teien zugängigen Verfahren (dem Privatklagever⸗ 
fahren) zu unterſtellen —, laſſen die Abſicht des 
Geſetzgebers, die vergleichsweiſe Erledigung der 
Privatklageſachen zu begünſtigen, klar erkennen. 


Daß er ſie wollte, ergibt ſich aus den Mo⸗ 
tiven zur StPO. (vgl. Hahns Mat. S. 277) und 
daraus, daß er, wenn auch nur in der ſachlichen 
Beſchränkung auf Beleidigungen?) und der ört- 
lichen Beſchränkung auf die im gleichen Gemeinde⸗ 
bezirke wohnenden Parteien, das Erfordernis des 
Sühneverſuchs aufſtellte. Daraus, daß er den 
erzwingbaren Sühneverſuch nur in der Be: 
ſchränkung des § 420 StPO. anordnete, folgt 
keineswegs die Unzuläſſigkeit eines Sühneverſuchs 
vor anderen als den auf Grund des $ 420 StPO. 
vorgeſehenen Behörden. Das bayer. Oberfte 
Landesgericht hat in einem Urteile vom 
8. November 1900 (abgedruckt in den BİRA. 
Bd. 66 S. 428) ausgeſprochen: „das Erfor⸗ 
dernis des Sühneverſuchs bei Beleidigungen be: 
ruht auf dem öffentlichen Intereſſe, leichtfertiger 
und übereilter Erhebung von Klagen vorzubeugen; 
hieraus und aus der Beſtimmung des § 420 
StPO., wonach das Erfordernis des Sühnever: 
ſuchs dann, wenn die Parteien nicht in demſelben 
Gemeindebezirke wohnen, überhaupt s beſteht. 
folgt mit Notwendigkeit, daß der Ge— 
ſetzgeber die Wirkſamkeit von Ber: 
gleichen über das Privatklagerecht nicht 
von dem Abſchluſſe vor einer Vergleichs⸗ 
behörde abhängig machen wollte.“ 


Kommt hiernach dem ohne Mitwirken einer 
Behörde zuſtande gekommenen Vergleiche Rechts⸗ 
wirkſamkeit zu, ſo iſt nicht einzuſehen, warum der 
Geſetzgeber den unter Mitwirkung des (zur Ab⸗ 
urteilung zuſtändigen) Gerichtes geſchloſſenen Ver⸗ 
gleich nicht habe zulaſſen wollen.“) Durch die 
Zulaſſung der Zurücknahme des Strafantrags und 
der Privatklage hat das Geſetz den Parteien die 
Mittel in die Hand gegeben, auch nach Einleitung 
des Strafverfahrens von der Strafverfolgung ab— 
zuſehen und damit, weil erfahrungs⸗ und natur: 
gemäß hiervon nur bei entſprechender Gegenleiſtung 
Gebrauch gemacht wird, die Gelegenheit zur ver: 


) die mit Recht als ein Mißgriff bezeichnet wird 
(vgl. Löwe StPO. Anm. 2 zu 8 420). 
) Vgl. hierher auch das Urteil des bayer. Obs. 
Samml. I Bd. 4 S. 163 und den Beſchl. des OLG. 
Jena v. 11. Juli 1904, abgedr. in der DIL. Jahrg. X 
S. 512. 


gleichsweiſen Erledigung des bereits gerichtlich an⸗ 
hängigen Straffalles gegeben.“) 

Der Hinweis darauf, daß die Strafprozeßord⸗ 
nung den gerichtlichen Vergleich nicht erwähnt, 
kann hiernach einen ſtichhaltigen Grund dafür, 
daß der Vorſitzende die Mitwirkung zum Ver⸗ 


gleichsabſchluſſe und die Aufnahme des Vergleichs 


ins Sitzungsprotokoll verweigert, nicht bilden; es 
dürfte eine ſolche Weigerung auch tatſächlich nur 
ganz ſelten vorgekommen ſein. Freilich darf der 
gerichtliche Sühneverſuch nicht erzwungen werden 
(ſo darf z. B. nicht ausſchließlich zum Zwecke des 
Sühneverſuchs das perſönliche Erſcheinen der Par: 
teien angeordnet werden), denn darin iſt den 
Würzburger und Naumburger Erkenntniſſen beizu⸗ 


pflichten, daß die Strafprozeßordnung den er: | 


zwingbaren Sühneverſuch in § 420 StPO. 
erſchöpfend regeln wollte. 

Die oben unter A Nr. 1 erwähnte Anordnung 
des perſönlichen Erſcheinens der Parteien dient 
aber, wie das unter B geſchilderte weitere Ver⸗ 
fahren ergibt, nicht ausſchließlich oder nur haupt: 
ſächlich, ſondern nur nebenbei der Vornahme des 
richterlichen Sühneverſuchs; der Termin, zu dem 
das perſönliche Erſcheinen der Parteien angeordnet 
iſt, iſt in erſter Linie ein Hauptverhandlungs— 
termin; die erwähnte Anordnung ermöglicht es 
dem Gerichte, aus dem Parteivorbringen einen 
hinreichenden Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, 
welche Zeugen- und Sachverſtändigenvernehmungen 
notwendig ſind; ſie ermöglicht nicht ſelten ein 
Urteil ohne ſolche Vernehmungen. 

Die unter B erwähnte Verlegung oder Aus— 
ſetzung des erſten Termines beſchwert die Parteien 
nicht, wenn man bedenkt, daß ſie wegen der in 
A Ziff. 2 erwähnten Anordnung (abgejehen von 
dem ſeltenen Fall, daß die Parteien unmittelbar 
Zeugen oder Sachverſtändige geladen haben ſoll— 
ten) Koſten nicht verurſacht, daß die Verlegung 
und Ausſetzung des erſten Termines ſich verhältnis— 
mäßig ſelten ergibt und daß ſie auch im Rahmen 
des gewöhnlichen Verfahrens ſich dann nicht ver— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


Zur 


99 


Lehre von der „Ausführung“ ſtraf⸗ 
barer Handlungen. 
Von Profeſſor Dr. Eruſt Beling in Tübingen. 


(Schluß.) 
II. Bedingte Tatbegehung. 


Der im Eingange dieſer Abhandlung (S. 73) 
vorgetragene konkrete Fall hat dem Reichsgericht 
zur Prüfung der weiteren Frage Anlaß gegeben, 
welche Bedeutung für die beiden Beteiligten der 
Umſtand hatte, daß W. ſtatt die Wegnahmehand— 
lung zu Ende zu führen, die ergriffene Holzkugel 
wieder hinlegte, nachdem er erkannt, daß der er- 
griffene Gegenſtand kein Ball ſei. Die bisher vom 
Reichsgericht vertretene Auslegung des § 461 
StGB. ging dahin, daß nur der „Täter“ im 
engeren Sinne Rücktrittsſubjekt nach § 461 fein 


könne.!) Da nun im vorliegenden Falle Pf., 


modifiziert jetzt in 


| 


partem, 


meiden läßt, wenn das vorhandene Beweismaterial 


nicht zureicht, wenn wichtige Zeugen nicht geladen 
ſind, weil der Inhalt der Privatklage und der 
übrigens ſelten eingehenden Gegenerklärungen die 
Sache nicht von vorneherein überblicken ließ; muß 
in dieſen Fällen die Hauptverhandlung ausgeſetzt 
werden, ſo ſind die auf die Vernehmung der ge⸗ 
ladenen Zeugen erwachſenen Koſten umſonſt auf— 
gewendet; und gerade das wird durch das Nürn— 
berger Verfahren vermieden. (Fortiegung folgt). 


5) Vgl. die Abhandl. von W. Friedländer in Dr. 
Aſchrotts Ref. des Strafprozeſſes S. 580 a. E. 


den das Reichsgericht als Täter anſieht, keine 
Rücktrittshandlungen vorgenommen hat, ſo würde 
ſich hiernach wegen Unbeachtlichkeit des Gehilfen— 
rücktritts Strafbarkeit beider, des Pf. wegen 
Diebſtahlsverſuchs, des W. wegen Beihilfe zum 
Diebſtahlsverſuch ergeben. Allein das Reichsgericht 
E. 39 S. 38 ſeine Auffaſſung 
dahin: 

1. Wo der Gehilfe allein den ganzen äußeren 
Tatbeſtand verwirkliche, alſo „doloſes Werkzeug“ 
ſei, da müſſe er auch wie ein „Täter“ behandelt 
werden; auf einen ſolchen Gehilſen finde daher 
5 46 1 Anwendung; 

2. Breche in einem ſolchen Falle der Gehilfe 
die als Beihilfe zu wertende Ausführungshandlung 
ab, ſo befreie er auch den mittelbaren Täter, der 
ſich ſeiner als Werkzeug bediene, von Strafbarkeit, 
ſoweit er dabei in ſeinem Sinne gehandelt habe; 
denn dem mittelbaren Täter dürfe die Tätigkeit 
des Werkzeugs auf Grund des beſtehenden Stell— 
vertretungsverhältniſſes nicht bloß in malam 
müſſe ihm vielmehr auch in bonam 
partem zugerechnet werden. 


Nun ſoll hier nicht unterſucht werden, ob die 
differenzierende Behandlung der gewöhnlichen und 
der „Werkzeuggehilfen“ im Punkte des Rücktritts 
vom Verſuch gerechtfertigt wäre, wenn anders es über— 
haupt mittelbare Täterſchaft durch doloſes Werkzeug 
gäbe ;'?) denn ſolche gibt es eben nach den Aus: 
führungen unter I nicht; letztere Ausführungen 
ergeben zugleich, daß W. und Pf. einfach deshalb 
ſtraflos ſind, weil bei keinem ein „Diebſtahl“ 
(Täterſchaft) vorliegt. 

Aber das Problem zu 2 tritt in gleicher Weiſe 
da auf, wo Secundus echtes Werkzeug, alſo nicht 
in dolo war. Wenn man z. B. unterſtellt, daß 


160) Die Richtigkeit dieſer Auffaſſung ift nicht zuzu— 
geben, mag hier aber auf ſich beruhen. 

2) 16 hierzu Galli GerSaal 70, 293, Marck 
daſ. 71, 316. 


100 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bo in Bayern. 1908. Nr. 5. 


W. geiſteskrank geweſen je, — ift dann der In derartigen Fällen kann man füglich die 
Umſtand, daß er inſtruktionsgemäß die Holzkugel | Handlung nur als eine bedingte Setzung der 
wieder hinlegte, für Pf. als den mittelbaren Täter Urſache für den Erfolg auffaſſen, d. b. fe kommt 
von ſtrafbefreiender Wirkung? Offenbar würde als „Urſachſetzung für den Erfolg“ überhaupt 
das Reichsgericht die Frage bejahen, denn das zu nicht in Betracht, wenn jene äußeren Umſtände 
2 angeführte Moment der Stellvertretung trifft eintreten, die den Erfolg vereiteln. Auf das Straf— 
auch hier voll zu. Hier aber zeigt ſich auf der recht angewandt: Wer ſeine Handlung ſo einrichtet, 
Stelle, daß $ 46 1 StGB. völlig verſagt. Konnte daß der ſtrafrechtlich relevante Erfolg bei Ge: 
bei Annahme von „werkzeugſchaftlicher Beihilfe“ gebenſein gewiſſer äußerer Umſtände ausbleiben 
damit operiert werden, daß der Gehilfe die muß, kann, im Falle dieſe vorhanden ſind, 
Handlung abbreche und dieſer Gehilfenrücktritt nicht eines „Anfangs der Ausführung“ der Herbei⸗ 
dem Haupttäter zugute komme, ſo iſt das nicht führung dieſes Erfolges geziehen werden, die Hand— 
möglich, wo Secundus nur reines Werkzeug iſt; lung iſt wegen des ihr mit auf den Weg gegebenen 
denn Primus hat ſeine Handlung voll ausgeführt erfolghindernden Sicherungsapparats ſtrafrechtlich 
und die Abbrechung der werkzeugſchaftli àti 19) Von einer derartigen Bedeutung 
keit kann nur im Wege einer Fiktion als 15 der Sicherungsvorrichtungen kann man ſich in 
Rücktrittshandlung des Täters angeſehen werden. dem Falle deutlich überzeugen, wo die mit ihnen 
So ſehr es auch bei mittelbarer Täterſchaft einen ausgeſtattete Handlung notwendig auf jene 
Rücktritt gibt, fo kann er doch notwendig nur in äußeren Umſtände ſtoßen mußte, die den Er: 
einem eigenen nachfolgenden Handeln eben des folg hinderten; wer z. B. in der Richtung gegen 
mittelbaren Täters beſtehen (ſei es einem direkten, ein Objekt einen Bumerang ſchleudert, der not— 
ſei es in einem ein Werkzeug dirigierenden Handeln). wendig vor Erreichen des Objekts in die rückläufige 

Und dennoch iſt dem reichsgerichtlichen Satze, Bewegung geraten muß, von dem kann man 
daß die geſamte Tätigkeit des ſog. „Werkzeugs“, gewiß nicht ſagen, daß er das Objekt zu verletzen 
ſoweit ſie im Sinne des mittelbaren Täters lag, verſucht habe. Nicht anders kann es da ſein, wo 
bei Beantwortung der Frage, ob dieſer ſtrafbar jene äußeren Umſtände nur möglich ſind, alſo 
iſt, in die Rechnung einzuſtellen iſt, vollſtändig eben der Fall der bedingten Tatbegehung vorliegt; 
beizupflichten. Nur iſt hier das Rücktrittsproblem auch hier liegt eine verſuchte Tatbegehung nicht 
in keiner Weiſe einzumengen. Es handelt ſich vor, ſofern die kraft der Sicherheitsvorrichtung 
vielmehr um die eigenartige, bisher wohl noch nicht erfolgvereitelnden aͤußeren Umſtände eintreten. 
recht erkannte Erſcheinung einer bedingten Tat- Ein Täter will z. B. ein Gebäude in Brand 
begehung. ) ſetzen, ſo jedoch, daß der Brand nicht ausbrechen 

Wer nämlich handelt, kann nice fein | kann, wenn etwa zuvor ein Menſch ahnungslos 
Handeln in der Weiſe „bedingt“ einrichten, daß er das Gebäude betreten ſollte; er will eben jedenfalls 
von vornherein für den Fall einer beitimmten | Wtenjchenleben nicht in Gefahr bringen. Er ſtellt 
Eventualität den Erfolg vereitelt, indem er Vor- nun eine Kerze in dem z. Z. menſchenleeren Hauſe 
richtungen ſogleich mit erzeugt, die für beſtimmte auf einer brennbaren Unterlage derart auf, daß 
Eventualitäten den Erfolg hintertreiben. Sowie die Kerze in etwa 1 Stunde heruntergebrannt ſein 
es möglich ift, ſozuſagen eine Gegenkauſalität gegen und die Unterlage ergreifen muß, verbindet aber 
einen Erfolg X in dem Sinne ſogleich unbedingt die Klinke der Haustür durch eine Schnur in 
mitzuſetzen, die den Erfolg überhaupt nicht der Weile mit dem Brandherde, daß bei Auf: 
entſtehen läßt, ſo kann der Handelnde auch ſein klinken der Haustür ein Topf mit Waſſer, der 
Handeln ſo einrichten, daß es zwar auf den Er- an dem anderen Ende der Schnur feſtgebunden 
folg x losſteuert, dieſer aber doch bei Vorhandenſein | ift, umkippen und das Waſſer die Flamme der 
beſtimmter äußerer Umſtände ausbleiben muß, Kerze löſchen muß. Tritt hier der letztere Fall ein, 
indem bei deren Eintritt die Gegenkauſalität von | fo ift ein Brandſtiftungsverſuch nicht vorhanden; 
ſelbſt wirkſam wird durch nunmehriges Eichaus: | für die Brandſtiftung war nur bedingt eine Ur: 
löſen von Sicherungsvorrichtungen. Man denke ſache geſetzt, fie ift deficiente condicione oder 
etwa an die Herſtellung eines Dampfkeſſels, der | existente condicione contraria nicht, auch nicht 
bei einer gewiſſen Höhe des Waſſerſtandes auto: als angefangen, in die Wirklichkeit eingetreten: 


matiſchen Verſchluß herbeiführt. nihil actum est.“) 
i Binding? „bedingtes Verbrechen“ — GerSaal +9) Selbſtverſtändlich ſcheiden hier die Fälle ganz 
1 ff. — hat einen anderen Sinn; Binding begreift aus, in denen der Sicherungsapparat nicht objektiv in 


1 die Fälle, in denen das "Ge ſetz ſelber einen die Handlung hineingelegt wurde, ſondern ſich der Täter 
Umſtand als für den Verbrechenscharakter in abstracto | nur innerlich vornahm, in den Kauſalverlauf eventuell 
bedingend aufſtellt. Hier dagegen handelt es ſich um erfolgvereitelnd einzugreifen. Hier liegt die Tatbegehung 
rein tatſächlich in concreto das Eintreten oder Ausbleiben [unbedingt vor, und nur die ſpätere Verwirklichung der 
des tatbeſtandsmäßigen Erfolges bedingende Umſtände. | Erſolgsvereitelungsabſicht (Rücktritt) kann Strafloſigkeit 
Dieſe Erſcheinung wird von ö Es a. O. 17 herbeiführen. 

(B, Abſatz 2) geſtreift, jedoch — vgl. a. a. O. 18 Wa. E. 0 Es mag hier bemerkt ſein, daß in dieſen Fällen 
— abſichtlich nicht ex professo behandelt. die Schwierigkeit nicht etwa innerhalb des dolus- 


Strafloſigkeit — dadurch zu gewinnen, daß man 
einen „antezipierten Rücktritt vom Verſuch“ kon⸗ 
ſtruierte. In der Tat ſpringt die notwendige 
Gleichbedeutung der täteriſchen Erfolgvereitelung 
nach der Tatbegehung und der mit dieſer zu: 
gleich erfolgenden Erfolgvereitelung in die Augen 
und es kann eine aus § 462 StGB. abgeleitete 
Analogie nur willkommen ſein. Indeſſen dürfte 
theoretiſch die Begründung der Strafloſigkeit auf 
S 462 StGB. allein unzulänglich fein. Das 
zeigt ſich, wenn man unterſtellt, daß ein Straf— 
recht dem nachträglich den Erfolg hintertreiben- 
den Täter keine Strafloſigkeit zuſichert, alſo 
wenn man fih $ 462 StGB. hinwegdenkt. Dann 
muß notwendig der gewöhnliche Täter wegen Ver: 
ſuchs geſtraft werden.“) Dagegen würde in dem 
hier in Rede ſtehenden Falle der von vornherein be- 
dingten Tatbegehung auch bei Wegfall des Ana— 
logieſchluſſes aus § 46 Strafloſigkeit eintreten 
müſſen, weil eben hier in Wahrheit nihil actum 
est, wenn die erfolgvereitelnde Bedingung ſich 
verwirklicht. 


Die Figur der „bedingten Tatbegehung“ kann 
nun ganz beſonders für die Fälle der mittelbaren 
Täterſchaft nutzbar gemacht werden. Sie wird 
hier in der Weiſe realiſiert, daß der Täter ſein 
„Werkzeug“ von vornherein bedingt inſtruiert, 
es ſozuſagen doppelt einſtellt, ſo, daß es im Falle 
der Eventualität x den Erfolg herbeiführt, im 
Falle der Eventualität y ihn nicht herbeiführt. 
Beiſpiel: A. gibt einem zehnjährigen Kinde ein 
Giftpulver und ſagt ihm: „Wenn dich dein Vater 
ſchlägt, ſo wirf ihm unbemerkt dies Pulver in das 
Eſſen“; oder der Unteroffizier C. befiehlt dem Ge⸗ 
meinen X., auf den Ziviliſten Y. zu ſchießen, ſo— 
fern nicht der Hauptmann herzukomme. !“) Schlägt 


Problems liegt. Ein relevanter „Irrtum“ iſt nicht ge— 
geben, der Täter weiß genau, daß existente condicione 
der Erfolg in Frage ſieht, deticiente condicione dagegen 
nicht. Anders nur, wenn die Sicherungsvorrichtung 
nicht funktioniert: alsdann liegt objektiv eben An- 
fang der Ausführung oder je nach Lage des Falles 
ſogar Vollausführung der Herbeiführung des ſtrafrecht— 
lich relevanten Erfolges vor, und es kommt dann in 
Frage, ob ſich der Täter die Möglichkeit des Nicht— 
funktionierens vorgeſtellt und den Erfolg auch ſo ge— 
billigt hatte (dolus eventualis) oder ob er inſoweit in 
culpa war, oder endlich ob er inſomeit ganz ohne dolus 
und eulpa war. 

2) Denn die von manchen Autoren aufgeſtellte 
Behauptung, daß die nach der Tat erfolgende Erfolg— 
vereitelung das Geſchehene annulliere, iſt eine bloße 
Fiktion. 

22) Es wird hier vorausgeſetzt, daß der Gemeine 
nicht aus der hinzugefügten Bedingung erkennt, daß es 
ſich um ein „Verbrechen oder Vergehen“ handelt, indem 
er z. B. die Bedingung dahin auffaßt (und auffaſſen ſoll), 
daß bei Herzukommen des Hauptmanns erſt deſſen Be— 
fehl abgewartet werden ſoll. Dieſe Vorausſetzung muß 
hier gemacht werden, weil ſonſt der Befehl nicht bindend, 
der Gemeine nicht Werkzeug, ſondern Täter wäre, alſo 
der hier in Rede ſtehende Fall der mittelbaren Täter— 
ſchaft nicht vorläge. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


101 


Man hat ſchon verſucht, dieſes Ergebnis — dann der Vater das Kind nicht, bzw. kommt der 


Hauptmann herzu, ſo liegt auf ſeiten des mittel⸗ 
baren Täters ein Tötungsverſuch nicht vor. 

Es kann übrigens ſein, daß der Eintritt des 
tatbeſtandsmäßigen Erfolges nicht vom Eintritt 
eines künftigen ungewiſſen Ereigniſſes ab: 
hängig gemacht wird, ſondern von einem ſchon 
zur Zeit des Handelns gegebenen Ereignis, hin⸗ 
ſichtlich deſſen der Täter in Unkenntnis iſt, ob es 
vorliegt oder nicht. Auch hier iſt denkbar, daß 
der Täter ſein Handeln ſo einrichtet, daß der Er⸗ 
folg nur bei der einen Eventualität eintreten kann; 
z. B. der Täter will, daß ein beleidigender Brief 
nur dann zur Kenntnis des Beleidigten kommt, 
wenn dieſer nicht etwa ſchon von ſeinem bisherigen 
Aufenthaltsorte verzogen iſt, und verſieht den 
Umſchlag mit dem Vermerk: „Falls Adreſſat ver- 
zogen, nicht nachſenden“. ““) 

Oder jemand hetzt einen Jagdhund, der auf 
jagdbares Federwild dreſſiert iſt, zahmes Federvieh 
dagegen nicht anrührt, auf einen Vogel, von dem 
er — etwa wegen Kurſichtigkeit — nicht zu er⸗ 
kennen vermag, ob es ſich um einen Vogel dieſer 
oder jener Kategorie handelt. 

Dieſe Fälle werden den Fällen der eigentlichen 
bedingten Tatbegehung gleichzuſtellen ſein. 

Bei alledem iſt aber zu betonen, daß, wie 
gezeigt, die „bedingte Tatbegehung“ durchaus nicht 
etwas der mittelbaren Täterſchaft Eigentüm⸗ 
liches iſt. Deshalb muß natürlich auch an „be— 
dingte Anſtiftung“ gedacht werden. Und in 
der Tat erweiſt ſich ſolche als möglich, denn auch 
der Angeſtiftete kann in dem Sinne bedingt in— 
ſtruiert werden, daß er nur bei Eintritt beſtimmter 
Tatſachen handeln ſolle, widrigenfalls der An— 
ſtifter nichts mit der Erfolgsherbeiführung zu tun 
haben wolle. Hier iſt indeſſen das ganze Problem 
ohne Bedeutung; denn hält ſich der Angeſtiftete 
nicht an die Inſtruktion und handelt auch con— 
dicione deficiente, fo liegt ein „excessus mandati‘ 
vor und dafür haftet der Anſtifter nicht; hält er 
ſich an die Inſtruktion und unterläßt deficiente 
condicione zu handeln, ſo fehlt es an der Haupttat; 
Anſtiftungsverſuch aber gibt es nicht. Auch für 
die Fälle der zum delictum sui generis erhobenen 
„Aufforderung“ kommen die bisherigen Krörte- 
rungen über die im eigentlichen Sinne „bedingte“ 
Tatbegehung nicht in Frage. Man darf nicht 
jagen, ein Verſuch eines ſolchen Aufforderungsdelikts 
liege nicht vor, wenn die Aufforderung nur bedingt 
war, und der Aufgeforderte aufforderungsgemäß 
wegen Eintritts der Bedingung die Aus— 
führung unterließ — denn bei den Aufforderungs— 


delikten kommt es ja auf den Erfolg der Auf— 


25) Das Beiſpiel ift allerdings für das poſitive 
Recht ohne Intereſſe, weil es einen ſtrafbaren Ver— 
ſuch der Beleidigung nicht gibt. Es iſt jedoch zur 
Veranſchaulichung geeignet, braucht man doch nur zu 
unterſtellen, daß es fid um ein ausländiſches Recht 
handelt, das auch den Beleidigungsverſuch ſtraft. 


102 


forderung überhaupt nicht an, fie find ja mit 
der Aufforderung, genauer mit ihrer Kenntnis: 
nahme, ſchon vollendet. 

Wohl aber geben dieſe Delikte Anlaß, neben 
der durch eine eigentliche „Bedingung' vinkulierten 
Tatbegehung noch der in anderer Weiſe „be⸗ 
ſchränkten“ Tatbegehung zu gedenken. Es kann 
nämlich fein, daß es ſich nicht um Bedingt: 


heit eines tatbeſtandsmäßigen Erfolges handelt, 
ſondern um Bedingtheit des Weſens der tat⸗ 


beſtandlichen Handlung ſelber. Es gibt zahl⸗ 
reiche Delikte, namentlich Wortdelikte, die tatbe⸗ 
ſtandlich eine Wertung erheiſchen, ſo daß die 
Handlung nur dann tatbeſtandsmäßig iſt, wenn 
ſie einen beſtimmten Sinn hat (Wertungsdelikte). 
So muß bei den Aufforderungsdelikten, bei der 


Beleidigung, bei der Bedrohung, bei den Be⸗ 


ſchimpfungsdelikten feſtgeſtellt werden, ob die Worte 


des Täters überhaupt eine „Aufforderung“, eine 
Und hier 


„Beleidigung“ uſw. in ſich ſchloſſen. 
iſt nun möglich, daß der Täter ſeine Worte 
konditionell faßt. In derartigen Fällen wird 
es Sache der Einzelauslegung ſein, zu ermitteln, 
ob der Ausfall der Bedingung das tatbeſtandliche 
Weſen der Tathandlung vernichtet oder ob nicht. 
Erſteres dürfte bei den Aufforderungsdelikten der 
Fall ſein: eine Aufforderung iſt inſoweit keine 
wirkliche Aufforderung, als ſie nicht realiſiert ſein 
will. Sagt alſo A. zu B.: Wenn dich X. miß⸗ 
handelt, ſo zünde ihm ſein Haus an — ſo iſt, 
ſolange nicht der Mißhandlungsfall eintritt, auch 
nicht einmal ein Aufforderungsverſuch gegeben. 
Anders wird es bei der Bedrohung ſtehen; ſie 
wird durch Kondizionaliſierung jedenfalls nicht 
immer vernichtet. 

Eine eingehendere Verfolgung dieſer Gedanken— 


gänge liegt indeſſen außerhalb des Rahmens der 


vorliegenden Abhandlung. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


| 


m ———ñ — — — — 


und mit 800 M Darlehenshypothek der fünf S.ſchen 
Kinder. Auf dem Wirtſchaftsanweſen des B. iſt eine 
Hypothek für ein Annuitätendarlehen einer Bank in 
M. zu 9000 M eingetragen. Das Wirtſchaftsanweſen 
des C. ift belaſtet mit 30 000 M Darlehenshypothek 
des U. und 11000 M Kaufſchillingsreſthypothek des X. 
Auf dem Wirtſchaftsanweſen des D. ruhen Hypotheken 
für 20000 M Darlehen eines Biſchöfl. Seminars 
und für einen Uebergabspreisreſt des K. zu 20000 M- 

Auf Antrag des Miteigentümers A. wurde vom 
Amtsgerichte R. die Zwangsverſteigerung des oben 
beſchriebenen Bräuhauſes zum Zwecke der Aufhebung 
der Gemeinſchaft angeordnet, die Verſteigerung dem 
Notariate R. übertragen und der Zwangsverſteigerungs⸗ 
vermerk auf jedem der für die Wirtſchaftsanwe ſen 
beſtehenden Grundbuchblätter bezüglich des / Anteils 
an dem weißen Bräuhauſe eingetragen. 

Dieſe Sachlage bietet einige Schwierigkeiten bei 
der Feſtſtellung des geringſten Gebots. Nach Abſ. 1 
des 8 182 ZwVG. find die den Anteil des Antrag- 
ſtellers belaſtenden oder mitbelaſtenden Rechte an dem 
Grundſtücke, ſowie alle Rechte zu berückſichtigen, die 
einem dieſer Rechte vorgehen oder gleichſtehen. Der 
Anteil des Antragſtellers A. iſt belaſtet mit den oben 


erwähnten Hypotheken zu 4000 M und 800 M. Dieſe 


Hypotheken ſind in Anſehung des ½ Anteils des 
Antragſtellers Geſamthypotheken, welchen Geſamt— 
hypotheken der / Anteil und die übrigen bei dem 
Wirtſchaftsanweſen des A. vorgetragenen Plan— 
nummern als gemeinſames Pfand unterſtellt ſind. 
Eine Verteilung dieſer Geſamthypotheken von Amts 
wegen nach dem Verhältnis des Wertes des "4 Anteils 
des Antragſtellers zu dem Werte der ſämtlichen für 
die Geſamthypotheken haftenden Grundſtücke wäre 
unzuläſſig (vgl. Entſcheidung der Ferien-Zivil⸗Kammer 
des Landgerichts Straubing vom 10. Auguſt 1906. 
Beſchwgt. 661906 mitgeteilt in der Zeitſchrift für 
das Notariat und für die freiwillige Rechtspflege in 
Bayern 7. Jahrg. 1906 S. 183 ff.). Allein auch eine 
Verteilung der Geſamthypotheken nach § 64 ZwVG. 
wäre in dieſem Falle, ſelbſt wenn ein dementſprechender 
Antrag geſtellt würde, unzuläſſig. Der $ 64 bezieht 
ſich nur auf den Fall, daß mehrere Grundſtücke, die 


mit einer dem Anſpruche des Gläubigers vorgehenden 
Geſamthypothek belaſtet find, in demſelben Verfahren 


verſteigert werden. 


In unſerem Falle aber werden 


nicht mehrere Grundſtücke verſteigert. 


Geringſtes Gebot bei Zwangsverſteigerungen behnfs 
Aufhebung einer Gemeinſchaft. A., B., C. und D. find 
Miteigentümer zu je / Anteil des fog. weißen Bräu⸗ 


hauſes HS.⸗Nr. 179 in R. Dieſes Anweſen, welches 
laut Sachregiſter des Grundbuchamts R. für die 
Steuergemeinde R. beſchrieben ift als: 


„Pl.⸗Nr. 251 Gebäude, Brauhaus, Malz- und 
Hofraum zu 0,051 ha“ ift nicht auf einem beſonderen | 


Grundbuchblatte vorgetragen. Vielmehr ift der "is 


Anteil der einzelnen Miteigentümer mit einer Anzahl 
anderer Plannummern bei dem Gaſtwirtsanweſen 


eines jeden von ihnen auf dem hierfür beſtehenden 
Grundbuchblatte vorgetragen, ohne daß er jedoch mit 
dieſen Plannummern als ein Grundſtück gemäß § 890 
BGB. im Grundbuche eingetragen wäre. Die auf 
den einzelnen Wirtſchaftsanweſen laſtenden Hypotheken 
erſtrecken ſich nun auch auf den / Anteil am weißen 


Sollte man jedoch die Anſicht vertreten können, 
daß eine Verſteigerung mehrerer Grundſtücke inſoferne 
vorliege, als mehrere Anteile an einem Grundſtücke 
in demſelben Verfahren verſteigert werden, welcher 
Anſicht ich mich jedoch nicht anſchließen möchte, ſo 
würde 8 64 gleichwohl nicht zutreffen, da nicht die 
mehreren Grundſtücksanteile zuſammen mit einer 
Geſamthypothek belaſtet ſind, ſondern jeder Anteil 
geſondert, wenn auch im Verhältnis zu den übrigen 
zu den einzelnen Wirtſchaftsanweſen gehörigen Plan— 
nummern, mit einer Geſamthypothek belaſtet ift. 

Das geringſte Gebot würde ſich demnach ent— 
ſprechend dem Abſ. 1 des S 182 ZwVGG. berechnen 
wie folgt: Koſten und Anſprüche nach § 10 Ziff. 3 
BWV. und 4000 M und 800 M. 

Zu dem nach Abſ. 1 des $ 182 ZwVG. ermittelten 


geringſten Gebote iſt nun der nach Abſ. 2 dieſes 


Bräuhauſe. Das Wirtſchaftsanweſen des A. iſt belaſtet 
mit 4000 M Darlehenshypothek der Sparkaſſe R. in unſerem Falle eine Geſamtbelaſtung der einzelnen 


Paragraphen zur Ausgleichung unter den Miteigen— 
tümern erforderliche Betrag hinzuzuzählen. Fehlt wie 


Anteile untereinander, fo wird bei der Berechnung 
des geringſten Gebots gemäß Abſ. 1 des 8 182 ZwVG. 
die Belaſtung der Anteile der Nichtantragſteller über— 
haupt nicht berückſichtigt (vgl. Steiner zu § 182). 
Es wäre alſo ſo anzuſehen, als ob die Anteile der 
übrigen Miteigentümer überhaupt nicht belaſtet wären. 

So würde die Ausgleichungsſumme bei jedem 
der übrigen Anteile 4800 M betragen und fidh das 
geringſte Gebot dementſprechend alſo darſtellen: 

Koſten und Anſprüche nach § 10 Ziff. 3 ZwVG. 
und 3 mal 4800 M als bar zu bezahlender Teil des 
geringſten Gebots (Bargebot) und die Hypotheken des 
Antragſtellers zu 4000 M und 800 M als beftehen= 
bleibende Rechte. 

Es hätte alfo der Erſteher mit einer Mindeſt⸗ 
ſteigerungsſumme von 19200 M und mit den Koſten 
und Anſprüchen nach 8 10 Ziff. 3 Zw G. zu rechnen. 

Laut einer vom Verſteigerungbeamten erholten 
Schätzung der verpflichteten Schätzleute hat jedoch 
das Verſteigerungsobjekt nur einen Wert von 6000 M. 
Einen Ausweg, um dieſes eigentümliche Ergebnis zu 
vermeiden, würde noch 8 59 Zw VG. bieten. Allein 
auch dieſes Hilfsmittel kann unter Umſtänden verſagen. 

Die beſte Löſung für den Antragſteller wäre es 
ja, wenn auf ſeinen Antrag die auf ſeinem Anteil 
ruhenden Hypotheken nach dem Vorbilde des 8 64 
Zw. verteilt und auch die Barzahlung des hierbei 
ſich ergebenden Betrages als Verſteigerungsbedingung 
feſtgeſetzt würde. 

Allein nach Anſicht der meiſten Kommentatoren 
des Zw. liegt eine Beeinträchtigung des Hypothek— 
gläubigers vor, wenn ein an ſich beſtehend bleibendes 
Recht durch Barzahlung befriedigt werden ſoll. Es 
wäre alſo deſſen Zuſtimmung erforderlich, welche bei 
den S.ſchen Kindern, da ſie auswärts ihren Wohn— 
ſitz haben und im Verſteigerungstermin kaum erſcheinen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


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werden, in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen 


hätte. 

Allein, auch wenn man von der Barzahlung ab— 
ſehen würde, dürfte feſtſtehen, daß bei einer Verteilung 
der Geſamthypotheken die Geſamthypothekgläubiger 
beeinträchtigt würden, da ihnen die Geſamthypothek 
einen beſſeren Erfolg der Befriedigung bietet als die 
Verteilung ihrer Hypothek. Sollte man jedoch dieſer 
Anſicht nicht beipflichten, ſo wäre ein Doppelausgebot 
nicht zu umgehen, da die Nichtbeeinträchtigung der 


Geſamthypothekgläubiger keinesfalls feſtſteht, ſondern 


mindeſtens fraglich iſt. 


Die Schwierigkeiten würden allerdings dann ver- | 


ſchwinden, wenn der Hypothekgläubiger der Wirtſchafts— 
anweſen den “ Anteil am Bräuhauſe aus dem Pfand— 


verbande entlaſſen und dadurch die Möglichkeit bieten 


würden, das Verſteigerungsobjekt hypothekfrei auf 
einem beſonderen Grundbuchblatte vorzutragen. 

Ein noch eigentümlicheres Reſultat würde ſich 
ergeben, wenn man die Anſicht von Steiner, daß die 
Belaſtungen der Anteile der Nichtantragſteller über— 
haupt nicht zu berückſichtigen ſind, nur auf den Abſ. 1 
des § 182 Zw VG. beziehen würde und die Berück— 
ſichtigung dieſer Belaſtungen bei der Feſtſtellung der 
Ausgleichungsſumme nach Abſ. 2 des § 182 Zw G. 
für notwendig erklären würde. Nach der Denkſchrift 
S. 69 wären nämlich dem nach Abſ. 1 des 8 182 
Zw Gl ermittelten geringſten Gebot diejenigen Beträge 


hinzuzurechnen, um welche die Belaſtungen des am 


ſtärkſten belaſteten Anteils die Belaſtungen eines 
jeden der Anteile verhältnismäßig überſteigen. 


Am meiſten belaſtet wäre der Anteil des C. mit 
41000 M, der nächſthoch belaſtete Anteil wäre der 
des D. mit 40000 M, ſodann käme der Anteil des 
B. mit 9000 M und zuletzt der Anteil des A. mit 
4800 M. 

Die eben angeführten Hypotheken belaſten natürlich 
nicht den / Anteil des C., D. und B. allein, ſondern 
ruhen als Geſamthypotheken auf dieſem ½ Anteil 
und den übrigen zu den Wirtſchaftsanweſen des C. 
D. und B. gehörigen Grundſtücken. 

Sie müßten aber aus denſelben Gründen, welche 
oben bei den Hypothekverhältniſſen des U. angeführt 
wurden, mit der ganzen Summe angeſetzt werden. 

Danach wäre als Ausgleichung für A. 41000 M 
weniger 4800 M = 36 200 M, als Ausgleichung für B. 
41000 M weniger 9000 M = 32000 M und als Aus⸗ 
gleichungsſumme für D. 41000 M weniger 40000 M 
= 1000 M in Anſatz zu bringen. 

Das geringſte Gebot würde bei dieſer Anſchauung 
ſich berechnen auf 36200 und 32000 und 1000 und 
Koſten und Anſprüche nach § 10 Ziff. 3 ZwVG. als 
bar zu bezahlender Teil des geringſten Gebots und 
4800 M als beſtehendbleibende Rechte, fo daß hier 
der Anſteigerer mit einer Steigerungsſumme von über 
74000 M zu rechnen hätte. 

Bei der letzteren Anſchauung würde die An— 
wendung des $ 59 ZwVG. im oben angegebenen 
Sinne dann weiter noch abhängig ſein von der Zu— 
ſtimmung der auch auf dem Anteil der Nichtantrag— 
ſteller, eingetragenen Geſamthypothekgläubiger. 

Die letztere Art der Berechnung des geringſten 
Gebots dürfte jedoch dem Wortlaute und Sinne des 
Geſetzes nicht entſprechen. Der Abſ. 2 des 8 182 
Zw. beginnt mit den Worten: Iſt „hiernach“ bei 
einem Anteile 2c. Aus dem Worte „hiernach“ ergibt 
ſich, daß nur jene Beträge bei der Feſtſtellung der 
Ausgleichung zu berückſichtigen ſind, welche bereits 
bei der Feſtſtellung des geringſten Gebots nach Abſ. 1 
des 8 182 ZwWWG. in Betracht kommen, nicht alfo die 
Belaſtung der übrigen Anteile überhaupt. Mangels 
einer Geſamtbelaſtung, die ſowohl den Anteil des 
Antragſtellers als auch die Anteile der übrigen Mit— 
eigentümer beſchwert, iſt bei der Feſtſtellung des 
geringsten Gebots nach Abſ. 1 des 8 182 ZwWG. die 
Belaſtung der Anteile der Nichtantragſteller über— 
haupt nicht zu berückſichtigen. 

Es iſt hiernach nicht bei einem Anteile ein größerer 
Betrag zu berückſichtigen als bei einem anderen An— 
teile, es iſt überhaupt nur die Belaſtung eines An— 
teils, nämlich des Anteils des Antragſtellers in Betracht 
zu ziehen. 

Da die Anteile der Miteigentümer gleich ſind, 
iſt demnach bei jedem Anteil der Nichtantragſteller 
die Belaſtung des Anteils des Antragſtellers als Aus— 
gleichung anzuſetzen (vgl. auch von der Pfordten 
Erläuterung zu Abſ. 2 des $ 182 Zw VG. und das erſte 
Beiſpiel hierzu). 

Notar Goetzelmann in Roding. 


Nachſchrift des Herausgebers. Die Be— 
rechnung des geringſten Gebots wird in der von dem 
Herrn Verfaſſer vorgeſchlagenen Weiſe zu erfolgen 
haben. Man wird ſich hiernach damit abfinden müſſen, 
daß die Verſteigerung ergebnislos verläuft. Ein Ausweg 
wäre höchſtens in der Weiſe zu finden, daß die übrigen 
Miteigentümer dem Verfahren beitreten. Dann müßte 
zu der überaus ſchwierigen, nahezu unlösbaren Frage 


Stellung genommen werden, wie ſich das geringite 
Gebot in dieſem Falle geſtaltet. Ich habe mich früher 
der zuerſt von Fiſcher⸗Schäfer vertretenen Ans 
ſchauung angeſchloſſen, daß keine Einzelbelaſtung in 
das geringſte Gebot komme, wenn Geſamtbelaſtungen 
nicht vorhanden ſind und alle Miteigentümer dem 
Verfahren beitreten (f. meinen Kommentar zum ZwVG. 
Bem. 3 zu § 182). Es iſt mir aber doch zweifelhaft 
geworden, ob diefe Anſchauung richtig ift, deren An- 
wendung in dem hier geſchilderten Fall zwar allen 
Schwierigkeiten ein Ende machen würde, die aber auf 
die Intereſſen der Gläubiger gar zu wenig Rückſicht 
nimmt. Die Vorſchriften des ZwVG. über die 
Teilungsverſteigerung find eben mißglückt und une 
zulänglich. 


Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Bei dem Xn- 
tereſſe, das in Bayern dem Schützenweſen von der 
Regierung und der Bevölkerung ſeit Alters zugewendet 
wird, mag ein kurzer Ueberblick über das zurzeit 
geltende Recht der Schützengeſellſchaften nicht uner⸗ 
wünſcht ſein. Wir müſſen zunächſt unterſcheiden 
zwiſchen ſolchen, die vor dem 1. Januar 1900 gegründet 
wurden, und ſolchen, die ſpäter entſtanden. Die 
erſteren gelten, ſoweit ſie nach dem Vereinsgeſetz vom 
29. April 1869 „anerkannt“ waren, ſeit dem 1. Januar 
1900 als eingetragene Vereine nach BGB. 88 21, 55 ff.; 
(vgl. UeG. Art. 1). Sie müſſen ins Vereinsregiſter 
eingetragen werden. Auf die nicht rechtsfähigen 
Schützenvereine finden jetzt, gleichgültig, ob ſie vor 
oder nach dem 1. Januar 1900 entſtanden ſind (UeG. 
Art. 2, BGB. § 54), die Vorſchriften der SS 705 ff. 
BGB., des § 735 ZPO., § 213 KO. Anwendung. — 
Neben den genannten beſtehen aber noch andere 
Schützengeſellſchaften, deren Verhältniſſe ſich nach der 
Kgl. Verordnung vom 25. Auguſt 1868, die allgemeine 
Schützenordnung für das Königreich Bayern betr., 
bemeſſen. Dieſe räumt den Schützengeſellſchaften, die 
ſie als Statut anerkennen, „kraft dieſer Anerkennung“ 
die Rechte einer Korporation, d. h. Privatrechtsfähigkeit 
ein. Es ijt demnach fo anzuſehen, als ob die Staats: 
gewalt jedem Schützenvereine, der die Verordnung als 
Statut anerkennt, ausdrücklich die Rechtsperſönlichkeit 
verliehen hätte, weshalb dieſe Vereine ſich auch als 
„Kgl. privilegierte Schützengeſellſchaften“ bezeichnen. 

Die öffentlich-rechtliche Befugnis, Perſonenver— 
einigungen Rechtsfähigkeit zu verleihen, entſpringt der 
landesherrlichen Privilegienhoheit, und ſteht der Krone 
auch heute noch zu (vgl. VU. Tit. 2 $ 1), da nirgends 
ein Verzicht darauf ausgeſprochen iſt (vgl. Roth, bayr. 
Zivilrecht I S. 292 Anm. 8). Darum können auf 
Grund der VO. von 1868, deren auffallender Weiſe 
weder Seydel, noch Staudinger, Roth, Becher, Oert— 
mann Erwähnung tun, auch nach dem Inkrafttreten 
des BGB., das das öffentliche Recht hier nicht be- 
rührt, rechtsfähige Schützengeſellſchaften entſtehen. 

Es fragt fidh nun, ob jene priv. Geſellſchaften 
juriſtiſche Perſonen des Privatrechts oder des öffent— 
lichen Rechts ſind. Dernburg zählt zu den letzteren 
u. a. die Korporationen, die zwar eigene Zwecke ver— 
folgen, aber gleichwohl für den Staat ein beſonderes 
Intereſſe haben und beſondere ſtaatliche Fürſorge ge— 
nießen. Dieſe Kriterien treffen bei den priv. Schützen— 
geſellſchaften zu: fie follen „durch foxtgeſetzte Hand- 
habung der Feuerwaffe (der in $ 53 der VO. näher 
bezeichneten Gewehre) und durch Förderung des 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


— — ä ä —ę— 


Nr. 5. 


Schützenweſens im allgemeinen die Wehrkraft des 
Volkes erhöhen.“ Deshalb unterſtehen ſie auch ganz 
beſonderer ſtaatlicher Aufſicht, wie es bei einem Privat⸗ 
verein nicht der Fall iſt. Bei einer jeden muß ein 
Kommiſſariat beſtehen, das von der Diſtriktspolizei⸗ 
behörde — bei der Hauptſchützengeſellſchaft München 
ſogar vom König bzw. vom Stadtmagiſtrat — ernannt 
wird, und das in beſtimmten Fällen das öffentliche 
Intereſſe und das ſtaatliche Aufſichtsrecht handhabt. 
Gegen Verfügungen des Schützenkommiſſariats ftebt 
der Geſellſchaft binnen einer unerſtrecklichen Friſt von 
14 Tagen das Recht der Beſchwerde zu, die in 1. In⸗ 
ſtanz von der Diſtriktspolizeibehörde, in 2. von 
der Kreisregierung, bei der Hauptſchützengeſellſchaft 
München von der Kreisregierung bzw. dem Staats⸗ 
miniſterium des Innern zu verbeſcheiden iſt. Eine 
Statutenänderung, die im Widerſpruche mit der VO. 
von 1868 ſteht, hat ipso iure den Verluſt der Rechts 
fähigkeit der Geſellſchaft zur Folge. Aus alledem 
dürfte mit Recht gefolgert werden, daß dieſe priv. 
Schützengeſellſchaften juriſtiſche Perſonen des öffent 
lichen Rechts!) bilden, vergleichbar etwa den 
Innungen der GewO. Auf fie finden darum vom 
BGB. nur die Vorſchriften des $ 89 Anwendung!: 
falls ſie nicht hypothekariſche Darlehen von einer 
Hypothekenbank aufnehmen, ift S 41 HypBankG. ein- 
ſchlägig für die auf Grund der Darlehen ausgegebenen 
Schuldverſchreibungen und jene Darlehens forderungen. 

Als Organe ſind vorgeſehen: Das Schützenmeiſter⸗ 
amt, dem die Leitung der inneren Angelegenbeiten, 
Handhabung der Disziplin und Vertretung nach außen 
obliegt; der Geſellſchaftsausſchuß, an deſſen Beirat 
und Zuſtimmung das Schützenmeiſteramt in gewiſſen 
Fällen gebunden ift: und endlich die Generalverſamm⸗ 
lung. Die Verwaltung des Geſellſchaftsvermögens 
ſteht einem der Schützenmeiſter oder einem beſonderen 
Kaſſier zu. Das Kommiſſariat iſt befugt, gewiſſe 
Beſchlüſſe der Generalverſammlung, z. B. über Ver⸗ 
äußerung oder Verpfändung des Geſellſchaftsver⸗ 
mögens, außer Kraft zu ſetzen. Hiergegen kann die 
Geſellſchaft die Entſcheidung der vorgeſetzten Diſtrikts⸗ 
polizeibehörde, die Hauptſchützengeſellſchaft München 
die der Regierung anrufen. 

Im Falle der Auflöſung der Geſellſchaft hat die 
Generalverſammlung über die Behandlung des Ver- 
mögens zu beſchließen. In Ermangelung dieſes Be⸗ 
ſchluſſes iſt das Aktivvermögen nach Erfüllung der 
darauf laſtenden privatrechtlichen Verbindlichkeiten 
der Gemeindebehörde zu übergeben, die es bis zur 
Gründung einer neuen Schützengeſellſchaft in der Ge- 
meinde zu verwalten und zu admaſſieren hat. Wäh— 
rend dieſer Zeit Stellt jenes Vermögen alfo gewiſſer⸗ 
maßen eine örtliche Stiftung dar (GemO. Art. 65). 
Als Grund der Auflöſung nennt die VO. das Sinken 
der Mitgliederzahl unter 5, bzw. bei der Hauptſchützen⸗ 
geſellſchaft München unter 13 oder qualifizierten Mehr⸗ 
heitsbeſchluß der Generalverſammlung. Doch wird 


t Hierfür ſpricht auch ihre Rechtsgeſchichte. Schon 
im 13. Jahrhundert entſtanden Schützenbruderſchaften 
in den Städten; ihre Satzungen waren verſchieden, doch 
ſtimmten ſie darin überein, daß ſie für würdige Be⸗ 
ſtattung verſtorbener Mitglieder ſowie für Witwen und 
Waiſen weitgehende Sorge trugen vgl. Deutſche Schützen 
chronik, München 1906 v. Poths-Wegner und Seydiir.. 
Kreittmayr, LR. V. 30. 2 rechnet die Schützengeſell⸗ 
ſchaften gleich den Handwerkszünften zu den „niederen 
Kommunitäten“. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 105 


mangels entgegengeſetzter Beſtimmung auch der Ron- in der Reviſionsinſtanz den Vertrag dahin auszulegen, 
kurs der Geſellſchaft zuläſſig ſein, da ſie keine unter daß die Eltern dann jedenfalls von der Verſicherung aus⸗ 
„Leitung“ des Staats oder einer Gemeinde ſtehende geſchloſſen feien, wenn fie aus Gefälligkeit im Betriebe des 


K I U ) 9 Verſicherungsnehmers tätig ſeien. Aber es fehlt für 
Korperſchaft bildet al. AG. z. BPO Art. 10,9 Abſ. II, eine ſolche Auslegung an jedem Anhalt. II. Die 


ND. § 213). Daß fie durch die Staatsgewalt auf- weitere Rüge der Reviſion, der Berufungsrichter habe 
gelöſt werden kann, wenn ihr Verhalten es erfordert, zu Unrecht eine Verwirkung des Verſicherungsanſpruchs 
folgt aus ihrer Eigenſchaft als öffentliche Korporation. verneint, wo doch nach § 20 Allg VerſBed. alle nicht 
Wie ſie als folde ihr rechtliches Daſein der Staats- innerhalb zweier Jahre feit dem Unfalle von der 
gewalt verdankt, ſo kann dieſe ihr die Korporations- Geſellſchaft anerkannten oder klagweiſe geltend⸗ 
rechte auch wieder entziehen. 1 la 1 unbegründet, 8 in 
; ; einer Weiſe erkennbar iſt, daß nur ein vertrags— 

Rechtspraktikant Die mayr in München. mäßiges Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB. die 
Verwirkung ausſchließen ſoll. Gegen die Auslegung 

des Berufungsrichters, daß es zur Ausſchließung der 
Verwirkung genügen ſoll, wenn die Geſellſchaft dem 
Verſicherten gegenüber in irgendeiner Weiſe zu er— 
kennen gibt, daß ſie den Anſpruch als zu Recht be— 
ſtehend anerkennt, ſind alſo rechtliche Bedenken nicht 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. zu erheben. Dasſelbe gilt von der auf tatſächlichem 
A. Zivilſachen. Gebiete liegenden Feſtſtellung, daß in dem Schreiben 
der Beklagten vom 14. April 1903 der Wille der Be⸗ 

I klagten zum Ausdrucke gekommen fei, dem Kläger gegen= 


Auslegung von Haſtpflicht⸗Verſicherungs⸗Bedin⸗ über anzuerkennen, daß ein Verſicherungsfall gegeben 
gungen. Die einen eigenen Haushalt führen: fei. Einer Verwirkung ift damit der Boden entzogen. 
den, aus Gefälligkeit in der Wirtſchaft des Die Wirkſamkeit dieſer Anerkennung kann auch weder 
Sohnes mitarbeitenden Eltern gehören durch eine Anfechtung der Anerkennungserklärung 
nicht zu der (von der Verſicherung ausge⸗ wegen Irrtums noch durch ihre Kondizierung beſeitigt 
ſchloſſenen) Familie des Verſicherten. An- werden. Eine Anfechtung wäre wirkungslos, weil ein 
erkennung des Verſicherungsfalles durch unter 8 119 BGB. fallender Irrtum nicht behauptet 
die Geſellſchaft; Anfechtung und Kondi- iſt. Die Beklagte wollte die fragliche Anerkennung 
zierung der Anerkennung. Der Vater des bei tatſächlich abgeben, ſie hat auch nicht über deren In— 
der Beklagten gegen Haftpflicht verſicherten Klägers halt geirrt, ſondern fie will fih nur über den Inhalt 
ijt im Dezember 1902, während er feinem Sohne ars des Verſicherungs vertrages in einem Irrtum befunden 
beiten half, von einem dieſem gehörigen Pferde totz haben; es läge diesfalls alfo nur ein — nicht unter 
getreten worden. Die Witwe des Verunglückten ver- § 119 Abſ. 2 BGB. fallender — Irrtum im Motiv 
langte von dem Sohne als Halter des Pferdes Schadens- vor. Die Kondizierung der Anerkennung ſcheitert 
erſatz. Die Verſicherungsgeſellſchaft verſah in einem daran, daß die Beklagte den Nachweis nicht erbringen 
Briefe vom 14. April 1903 den Verſicherten mit Ver- kann, daß das anerkannte Rechtsverhältnis nicht be- 
haltungsmaßregeln für den Rechtsſtreit, teilte ihm aber ſtehe. (Urt. d. VII. 335. vom 6. Dezember 1907; 
im Juni 1903 mit, ſie habe verſehentlich nicht beachtet, Nr. 175/07). 
daß die Verſicherung nicht auch Unfälle von Familien- 1162 Mitg von Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 
mitgliedern umfaſſe. Der Verſicherte verkündete der 


Geſellſchaft den Streit, der mit der Mutter geführte II 
Rechtsſtreit endete zu ſeinen Ungunſten. — Nunmehr ' 
erhob der Verſicherte Klage gegen die Geſellſchaft auf Zu 8 530 BGB. Unter welchen Voraus⸗ 


Erſatz der Beträge, zu deren Zahlung an ſeine Mutter ſetzungen kann eine Schenkung wegen Un⸗ 
er ſelbſt verurteilt war. Die Beklagte wendete ein, danks widerrufen werden? Muß eine Be⸗ 
daß nach der Police von der Verſicherung nur die [ziehung zwiſchen der Verfehlung des Be⸗ 
„Dritten fremden Perſonen gegenüber“ beſtehende Haft⸗ ſchenkten und der Wohltat des Schenkers 
pflicht umfaßt fei und daß nach den allgemeinen Ver- beſtehen? 
ſicherungsbedingungen nur Erſatz derjenigen Anſprüche Aus den Gründen: Die Reviſion bekämpft 
gefordert werden könne, die „von Dritten, nicht zur die Auffaſſung des Berufungsgerichts, daß zwiſchen 
Familie oder zum Hausſtand des Verſicherungsnehmers demkundgegebenen groben Undank und dem Schenkungs— 
gehörigen, auch nicht zu demſelben in irgendeinem akte ſowie deſſen Wohltat eine beſondere Beziehung 
Arbeits-, Lohn- oder Gehaltsverhältniſſe ſtehenden beſtehen müſſe, als verfehlt. Dieſer Angriff ift be- 
Perſonen“ erhoben wurden, daß die Eltern aber zu rechtigt. Nach dem 1. Entwurf des BGB. (§ 449) 
den von der Verſicherung ausgeſchloſſenen Perſonen ſollte in Anlehnung an das gemeine Recht (e. 10 
gehörten. Das Landgericht verurteilte die Beklagte, Cod. 8. 56) und das Preußiſche Allgemeine Landrecht 
indem es den Verſicherungsvertrag dahin auslegte, (I. 11 §§ 1151 ff.) nur wegen einzelner beſtimmt bez 
daß von der Verſicherung ausgenommen ſeien nur die zeichneter Fälle des Undanks ein Widerruf von 
Mitglieder der engeren, aus der Frau und den Schenkungen ſtattfinden. In der 2. Kommiſſion wurde 
Kindern des Verſicherten beſtehenden Familie, nicht ein zur Annahme gelangter, genau dem jetzigen Abſatz 1 
aber die einen getrennten Haushalt führenden Eltern. des § 530 des BGB. entſprechender Abänderungsvor— 
Berufung und Reviſion wurden zurückgewieſen. ſchlag gemacht. Zur Begründung wurde angeführt: 
Aus den Gründen des Reviſionsurteils: „Der Entwurf gehe, indem er z. B. in jeder körper— 
I. Die Auslegung, daß Eltern mit ſelbſtändigem Haus- lichen Mißhandlung des Schenkers einen groben Un- 
halt nicht zu der Familie des Verſicherungsnehmers dank erblicke, unter Umſtänden zu weit: auf der 
im Sinne des Verſicherungsvertrages gehören, iſt aus anderen Seite liege es nahe, auch in anderen vom 
rechtlichen Gründen nicht zu beanſtanden; fie iſt vom Entwurfe nicht erwähnten Fällen ... den Widerruf 
Berufungsrichter in tatſächlicher Hinſicht eingehend zuzulaſſen. Aus dieſen Gründen erſcheine es ... 
und ausreichend begründet, ſie iſt nach dem Wortlaute richtiger, wegen jeder ſchweren Verfehlung gegen den 
der einſchlägigen Beſtimmungen ſehr wohl möglich Schenker ein Widerrufsrecht zu geben, wenn und ſo— 
und läßt die Verletzung von Auslegungsvorſchriften nach weit in ihr nach den Umſtänden des Falles ein grober 
keiner Richtung erkennen. Die Reviſionsklägerin verſucht Undank zu erblicken fei“. Hiernach gewähren weder 


106 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


die Entſtehungsgeſchichte noch auch der Wortlaut und 
Zweck der Vorſchrift des § 530 Abſ. 1 einen Anhalt 
für das vom Berufungsgericht in Anlehnung an eine 
Bemerkung Staudingers Bd. II zu § 530 BGB. auf- 
geſtellte Erfordernis, es müſſe eine Beziehung zwiſchen 
der von grobem Undank zeugenden Handlungsweiſe 
des Beſchenkten einerſeits und dem Schenkungsakte 
ſowie deſſen Wohltat andererſeits beſtehen. Erforder⸗ 
lich ift, daß die ſchwere Verfehlung einen groben Un⸗ 
dank des Beſchenkten in ſich ſchließt. Für den Begriff 
des groben Undanks kommt es objektiv darauf an, 
ob die ſchwere Verfehlung ein gewiſſes Maß erreicht 
hat. Daneben kommt in ſubjektiver Hinſicht auch die 
Geſinnung in Betracht, von der ſich der Beſchenkte bei 
der die Verfehlung enthaltenden Tat leiten ließ. Es 
kann daher e wohl von Bedeutung fein, ob der 
Beſchenkte ſich ohne Veranlaſſung lieblos gezeigt hat, 
oder ob er unter dem Eindruck einer ſchweren Reizung 
ſeitens des Schenkers ſtand. Darüber, ob im Einzelfall 
die Handlungsweiſe des Beſchenkten ſich als grober 
Undank darſtellt, hat der Richter unter Berückſichtigung 
aller erheblichen Umſtände nach freiem Ermeſſen zu 
entſcheiden. (Urt. des IV. ZS. vom 30. Oktober 1907, 
IV 90/07). — n. 
1160 
III. 

Die Klage, durch die ein e 
angefochten wird, ift auch dann gegen den Autkragſteller 
u richten, wenn dieſer nach der Erlaſſung des Beſchluſſes 
ein Antragsrecht verloren hat. Der Kläger wurde 
auf Antrag feiner Ehefrau am 31. März 1905 wegen 
Verſchwendung und Trunkſucht entmündigt. Der Be- 
ſchluß wurde ihm am 1. April 1905 zugeſtellt. Die 
Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 13. Februar 
1905 geſchieden; dieſes Urteil wurde am 14. April 1905 
rechtskräftig. Der Kläger focht den Entmündigungs- 
beſchluß an. Das LG. wies die Klage ab. Gegen dieſes 
Urteil legte der Kläger Berufung ein. Die Frage, 
ob die Anfechtungsklage auch noch nach rechtskräftiger 
Scheidung der Ehe der Parteien gegen die Beklagte 
zu verfolgen iſt, bejahte das Berufungsgericht. Das 
RG. billigte diefe Anſchauung. 

Gründe: Die Paſſivlegitimation der Beklagten 
für den Anfechtungsprozeß iſt vom OLG. mit Recht 
angenommen. Allerdings darf gemäß § 680 ZPO. 
der wegen Verſchwendung oder Trunkſucht vom Amts— 
gericht ergehende Entmündigungsbeſchluß nur auf 
Antrag erlaſſen werden. Demgemäß mag das Ver⸗ 
fahren vom Amtsgerichte einzuſtellen ſein, wenn in 
dem vor ihm ſchwebenden Verfahren der Antragſteller 
ſtirbt oder diejenige Eigenſchaft verliert, die ihn zum 
Antrage befähigt, ſo insbeſondere wenn die Ehe ge— 
ſchieden wird, nachdem die Ehefrau den Antrag geſtellt 
hat (§§ 680 Abſ. 3, 646 Abſ. 1 3PO.). Anders ver: 
hält es ſich aber, wenn einmal der Entmündigungs— 
beſchluß vom Amtsgericht erlaſſen iſt. Die hiergegen 
erhobene Anfechtungsklage hat die Bekämpfung der 
Rechtmäßigkeit des Entmündigungsbeſchluſſes zur 
Zeit ſeiner Erlaſſung zum Ziele. Schon nach 
dieſem allgemeinen Grundſatze haben im Anfechtungs- 
verfahren Tatſachen unberückſichtigt zu bleiben, die 
auf das urſprünglich begründete Anfechtungsrecht nach— 
träglich abändernd eingewirkt haben, ſofern ſich nicht 
im Einzelfalle aus dem Geſetze ein anderes ergibt. 
Des beſonderen beſtätigt aber auch der Inhalt des 
§ 684 Abſ. 3 ZPO., daß ein nach dem Erlaß des 
Entmündigungsbeſchluſſes eingetretener Wegfall der 
Legitimation des Antragsberechtigten unbeachtet zu 
bleiben hat. Denn hier iſt formal durchgreifend be— 
ſtimmt, daß die Klage gegen denjenigen zu richten iſt, 
welcher die Entmündigung beantragt hatte. Danach 
bleibt die Paſſivlegitimation der Beklagten gegeben, 
wenn ſie nur für das Vorverfahren legitimiert war. 
Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß die einmal 
auf Grund rechtmäßigen Antrags im amtsgerichtlichen 


| 


— Tr nn — 


Verfahren ausgeſprochene Entmündigung nicht hinter⸗ 
her nur deshalb in Frage geſtellt werden darf, weil 
ſich ſpäter die Antragsberechtigung geändert hat. Daß 
dies die grundſätzliche Auffaſſung des Geſetzes iſt, ergibt 
der weitere Inhalt eben dieſer Geſetzesvorſchrift. 
Hiernach iſt, falls der Antragſteller verſtorben, oder 
ſein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande iſt, die 
Anfechtungsklage gegen den Staatsanwalt zu richten. 
In dieſem Falle iſt die Antragberechtigung durch den 
Wegfall oder die Behinderung ihres Subjekts aufge— 
hoben oder ihre Ausübung erſchwert. Dennoch wird 
das Verfahren nicht hinfällig, ſondern fortgeleitet 
und zur praktiſchen Durchführung an Stelle des weg— 
gefallenen oder behinderten Subjekts ausnahmsweiſe 
der Staatsanwaltſchaft die Parteirolle zugemeſſen. 
Die Paſſivlegitimation der Beklagten iſt nach alledem 
gegeben. (Zuſtimmend Gaupp-Stein, ZPO. 8. 9. Aufl. 
Bem. II zu § 684). (Urt. des IV. 3S. v. 30. Oktober 
1907/IV 303 07). — — n. 
1158 
IV. 

Zum Begriffe des land- oder forſtwirtſchaftlichen 
Nebeubetriebs. Der Beklagte kaufte von dem Bäcker G. 
in Tr. ein Schwein. Er beauftragte den Ackerer St. 
in Tr., ihm das Tier nach C. zu bringen. Zur Aus: 
führung des Transportes verbrachte St. mit Hilfe 
ſeines Sohnes und ſeiner Tochter das Schwein aus 
dem Stalle des G. auf ſeinen Wagen. Das Schwein 
ſprang von dem Wagen herab und entlief; als St. 
es einfangen wollte, biß es ihn in die linke Hand. 
Infolge Eintritts einer Blutvergiftung mußte dem 
Verletzten der linke Unterarm abgenommen werden. 
Die Berufsgenoſſenſchaft erkannte an, daß der Unfall 
in dem landwirtſchaftlichen Betriebe des St. ſich 
ereignet habe. Von dem Beklagten verlangt ſie die 
Vergütung ihrer Aufwendungen. Das Landgericht 
wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte 
keinen Erfolg. Das RG. äußerte ſich zu der Frage, 
ob der Unfall im landwirtſchaftlichen Betriebe des St. 
erfolgt ſei, in folgender Weiſe. 

Entſcheidungs gründe: Auf Irrtum beruht 
die Annahme des OLG., der Unfall habe ſich nicht 
bei dem landwirtſchaftlichen Betriebe des Verletzten 
ereignet. Nach § 1 Abſ. 2 des Gef. vom 5. Mai 1886 
erſtreckte ſich die Verſicherung auf die land- und forſt⸗ 
wirtſchaftlichen Nebenbetriebe, ſoweit ſie nicht unter 
§ 1 des UVG. vom 6. Juli 1884 fielen. Der ge- 
werbsmäßige Fuhrwerksbetrieb fiel nicht unter § 1 
des Geſ. vom 6. Juli 1884. Auf den gewerbsmäßigen 
Fuhrwerksbetrieb fand das Geſetz vom 6. Juli 1884 
erſt auf Grund des Gef. vom 28. Mai 1885 (§ 1 Nr. 3) 
Anwendung. Schon vor dem Geſetze vom 5. Mai 1886 
iſt kein gewerbsmäßiger Fuhrwerksbetrieb darin ge— 
funden worden, wenn ein Landwirt ſeine der Land— 
wirtſchaft dienenden Geſpanne gelegentlich an ver— 
einzelten Tagen Lohnfuhren verrichten ließ. Nach dem 
Inkrafttreten des UVG. für Land- und Forſtwirtſchaft 
vom 5. Mai 1886 ſind auch gewerbsmäßige Fuhr— 
werksbetriebe, die nach dem Geſeze vom 28. Mai 1885 
verſicherungspflichtig waren, als zu den landmirt- 
ſchaftlichen Berufsgenoſſenſchaften gehörig erachtet 
worden. Wie das Reichsverſicherungsamt in einem 
Beſcheide vom 6. Juli 1888 (Amtl. Nachr. 1888 
S. 293) kundgab, ſollten gewerbsmäßige Fuhrmerfs- 
betriebe, falls fie tatſächlich wegen ihres Zuſammen— 
hanges mit landwirtſchaftlichen Betrieben und ihrer 
Abhängigkeit von dieſen als Nebenbetriebe landwirt— 
ſchaftlicher Betriebe zu betrachten ſeien, zugleich mit 
den Hauptbetrieben der landwirtſchaftlichen Berufs— 
genoſſenſchaft angehören. Das Gew VG. vom 30. Juni 
1900, das nach § 1 Abſ. 1 Nr. 4 auf den gewerbs— 
mäßigen Fuhrwerksbetrieb ſich erſtreckt, findet gemäß 
§ 1 Abſ. 2 auf Perſonen in land- und forſtwirtſchaft⸗ 
lichen Nebenbetrieben keine Anwendung. Als land— 
und forſtwirtſchaftliche Nebenbetriebe bezeichnet § 1 


— . — . ꝗ—U¹—mU6ꝓjñſ 8 — 
— er — pe — ul 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


in Bayern. 


Abſ. 2 des UVG. für Land⸗ und Forſtwirtſchaft vom 
30. Juni 1900 ſolche Unternehmungen, welche der 
Unternehmer eines land- und forſtwirtſchaftlichen Be- 
triebs neben feiner Land- und Forſtwirtſchaft, aber 
in wirtſchaftlicher Abhängigkeit von ihr betreibt. Mit 
der Aenderung der bisherigen Geſetzesbeſtimmungen 
wurde bezweckt, land wirtſchaftliche Haupt- und Neben⸗ 
betriebe tunlichſt einheitlich bei den landwirtſchaftlichen 
Berufsgenoſſenſchaften zu verſichern. Der Berufungs- 
richter hat den Sinn des 8 1 Abſ. 2 des NVG. für 
Land- und Forſtwirtſchaft verkannt, wenn er einen 
Nebenbetrieb bloß bei einer ſehr engen wirtſchaft⸗ 
lichen Abhängigkeit der Unternehmung von dem Haupts 
betrieb annehmen will. Der Hinweis auf § 1 Abſ. 2 
Satz 2 geht fehl; denn dort ſind nur einige Betriebe 
angeführt, die „insbeſondere“ zu den land- und forſt⸗ 
wirtſchaftlichen Nebenbetrieben zu rechnen ſind. Wenn, 
wie die Klägerin in der Berufungsinſtanz geltend ge— 
macht hat, St. etwa 4 ha Land beſitzt, 1 Pferd, 2 Stück 
Rindvieh und 2 Schweine hält, aus dem landwirt— 


| 


ſchaftlichen Betrieb etwa 950 Mk. jährliches Ein⸗ 


kommen bezieht, daneben Lohnfuhren ausführt, zu 


denen aber nur dieſelben Arbeitskräfte und Gerät- 


ſchaften verwendet werden, die in dem landwirtſchaft— 
lichen Betriebe Verwendung finden, und aus den Lohn— 
fuhren ein jährliches Einkommen von etwa 200 Mk. 
erzielt wird, ſo iſt die Annahme der Klägerin, daß 
der Fuhrwerksbetrieb ein landwirtſchaftlicher Neben— 
betrieb ſei, völlig gerechtfertigt. Der Schwerpunkt 
des Geſamtunternehmens liegt darnach in der Land— 
wirtſchaft; die Lohnfuhren werden nebenher unter— 
nommen, ſie ermöglichen die volle Ausnützung der 
land wirtſchaftlichen Arbeitskräfte. Daraus, daß 
St. nicht nur für ſich, ſondern für fremde Perſonen 
gegen Entgelt Vieh, Frucht, Heu, Stroh und Holz 
beförderte, läßt ſich nicht, wie das Berufungsgericht 
anführt, entnehmen, daß er das Fuhrgewerbe ganz 
unabhängig von der Landwirtſchaft betrieb. Hätte 
der Verletzte nicht gegen Entgelt für fremde Perſonen 
Fuhren ausgeführt, fo könnte von einem Gewer be— 
betrieb überhaupt keine Rede ſein. Die Frage, ob die 
Unternehmung ein landwirtſchaftlicher Nebenbetrieb 
iſt, wird durch die Annahme, es liege ein Gewerbe— 
betrieb vor, nicht erledigt (vgl. § 1 Abſ. 2 Gew VG). 
(Urt. des IV. 35. v. 30. Oktober 1907, IV 111/07). 
1157 — . 


B. Strafſachen. 
I. 


Unter welchen Vorausſetzungen find phstographiſche 
Darſtellungen nackter 1 Körper unzüchtige 
Abbildungen? Auf den 4 Photographien, die den 
Gegenſtand des Verfahrens bilden, ſind nackte weib— 
liche Perſonen abgebildet. Die Strafkammer ver— 
neint ihre Unzüchtigkeit. Sie meint: „es laſſe zwar 
keines der Bilder ein höheres künſtleriſches Intereſſe 
erkennen, ebenſowenig aber enthielten ſie, ſei es durch 
die Darſtellung der Körper ſelbſt oder die Darſtellung 
einer Handlung, irgendein Merkmal, welches das 
normale Scham- und Sittlichkeitsgefühl irgendwie 
verletzen könnte; der nackte menſchliche Körper als 
ſolcher, der hier dargeſtellt ſei, könne nicht als ob— 
jektiv unzüchtig erachtet werden“. Die Strafkammer 
hat den Begriff der unzüchtigen Abbildung verkannt 
und insbeſondere das Merkmal des „Geſchlechtlichen“, 
das ſie auch im Urteil nicht ausdrücklich hervorhebt, 
nicht richtig gewürdigt. Vor allem hat ſie überſehen, 
daß der „nackte menſchliche Körper als folcher” etwas 
anderes iſt als die Abbildung eines Körpers. Soll 
eine Abbildung darauf geprüft werden, ob ſie un— 
züchtig im Sinne des § 184 StGB. ift, fo darf nicht 
der bildlich dargeſtellte Gegenſtand „als ſolcher“ für 


Eee ee ee Te GE hen Dr ner v...... Von: 


— ts een En D E — — — — 


1908. Nr. 5. 


ſich allein betrachtet werden, vielmehr iſt die bild⸗ 
liche Darſtellung zu würdigen, wie fie fih in der Mb- 
bildung zeigt. Der Inhalt einer Abbildung iſt nicht 
nur körperlicher ſondern auch geiſtiger Natur. Es 
ſind daher auch Sinn und Zweck der Abbildung von 
Bedeutung und es iſt alles zu berückſichtigen, was 
hierfür aus der bildlichen Darſtellung und den mit 
ihr verknüpften äußeren Umſtänden zu entnehmen iſt 
(Entſch. Bd. 24 S. 365). 


Der nackte menſchliche Körper als ſolcher kann 
allerdings niemals als unzüchtig bezeichnet werden, 
denn ſeine Erſcheinung an ſich kann nicht gegen Scham 
und Sitte verſtoßen. Scham und Sitte verlangen 
aber, daß der nackte menſchliche Körper im allge⸗ 
meinen Verkehr nur mit einer den jeweiligen An- 
forderungen entſprechenden Bekleidung ſich zeige. 
Wird der an ſich nicht ſchamverletzende und nicht 
unzüchtige nackte Körper der Allgemeinheit zur Schau 
geſtellt, ſo verſtößt das jedenfalls dann gegen die 
allgemein anerkannten Geſetze von Scham und Sitte, 
wenn es ſich um Perſonen von vorgeſchrittener ge— 
ſchlechtlicher Entwicklung handelt; die Erſcheinung in 
der Oeffentlichkeit iſt geeignet, das allgemeine Scham— 
und Sittlichkeitsgefühl in geſchlechtlicher Beziehung 
zu verletzen, und verlangt daher die Eigenſchaft des 
Unzüchtigen. Wenn auch in einem ſolchen Falle die 
geſchlechtliche Beziehung nicht durch beſondere ſinn— 
fällige Vorkehrungen hergeſtellt iſt, ſo ergibt ſie ſich 
doch ohne weiteres daraus, daß beim öffentlichen 
Zurſchauſtellen des unverhüllten menſchlichen Körpers 
durch die damit verbundene Enthüllung der ge— 
ſchlechtlichen Teile und Körperformen der Eindruck 
erweckt wird, daß gerade ſie, die als geſchlechtliche 
Unterſcheidungsmerkmale am nackten Körper ohnehin 
beſonders auffallen müſſen, in erſter Linie den Blicken 
beliebiger Beſchauer, namentlich auch ſolcher des anderen 
Geſchlechts, preisgegeben werden ſollen. 


Die Photographie bildet das Mittel, die Er- 
ſcheinung des unverhüllten menſchlichen Körpers 
in möglichſt wahrheitsgetreuer Wiedergabe im Bilde 
feſtzuhalten. Das Darbieten des unverhüllten Körpers 
zur photographiſchen Aufnahme wird meiſtens einer 
Preisgabe zur Beſichtigung durch beliebige Beſchauer 
gleichkommen. Die Erſcheinung des in der Oeffent— 
lichkeit ſich zeigenden natürlichen Körpers einer ge— 
ſchlechtlich entwickelten Perſon wird in der Regel un- 
züchtig ſein; das Gleiche muß auch für eine photo— 
graphiſche Abbildung gelten, durch welche die Preis- 
gabe zur allgemeinen Beſichtigung verkörpert wird. 
Eine Ausnahme iſt nur dann anzuerkennen, wenn 
die Abbildung nach den aus ihr erkennbaren und mit 
ihr gegenſtändlich verknüpften äußeren Umſtänden 
eine ausſchließliche Zweckbeſtimmung erkennen läßt, 
durch deren Vorhandenſein die ſinnliche Empfindung 
beim Anblick des geſchlechtlich Nackten zurückge— 
drängt wird (Entſch. Bd. 24 S. 365). Ob und unter 
welchen Vorausſetzungen hiernach etwa bei ſogen. 
„Aktphotographien“ die Eigenſchaft des Un— 
züchtigen verneint werden könnte, darf hier un— 
erörtert bleiben, da nach den Feſtſtellungen der Straf— 
kammer keines der Bilder ein höheres künſtleriſches 
Intereſſe erkennen läßt, alſo offenbar von Aktphoto— 
graphien hier nicht geſprochen werden kann. (Urt. 
des I. Sts. vom 4. Januar 1908; 1 D 906,07). 

1179 ——— n. 

Nachſchrift des Herausgebers. Das Ur⸗ 
teil verdient Beachtung. Es gibt den Gerichten die 
Möglichkeit, der Verbreitung von Abbildungen ent— 
gegenzutreten, die nicht unmittelbar Vorgänge aus 
dem Geſchlechtsleben darſtellen oder auf ſolche hin— 
deuten, gleichwohl aber unter Spekulation auf die ge— 
ſchlechtliche Lüſternheit verbreitet werden und irgend— 
einen künſtleriſchen Wert nicht haben. 


108 oo. Beitichrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


II. 


Verurteilung nach 8 95 StGB. ohne Ermittelung 
des Wortlauts oder Inhalts der gebrauchten als „grobe 
Schimpfworte“ gekennzeichneten Ausdrücke. Der Erſt⸗ 
richter nimmt nicht als erwieſen an, daß der Angeklagte 
die vor den Zeugen G. und S. teils ihrem Wortlaute 
teils ihrem Inhalte nach bekundeten Aeußerungen über 


den Deutſchen Kaiſer gebraucht hat, er findet vielmehr 


den Tatbeſtand des § 95 StGB. in den Aeußerungen 
verwirklicht, die der Zeuge L. vom Angeklagten gehört 
hat. Daß dieſe mit den von den anderen Zeugen be— 
kundeten identiſch ſind, geht aus dem Urteile nicht 
hervor. Der Zeuge L. hat die vom Angeklagten ge— 
brauchten Ausdrücke nicht mehr wiedergeben, ſondern 
nur erklären können, der Angeklagte habe ſich in 
groben Schimpfworten gegen den Deutſchen Kaiſer er— 
gangen, die Ausdrücke hätten derartige Beſchimpfungen 
enthalten, daß er ſelbſt ſich ſchwer beleidigt gefühlt 
haben würde, wenn ſie gegen ihn gebraucht worden 
wären. In den Strafzumeſſungsgründen hebt der 
Erſtrichter hervor, daß die erwieſene Beleidigung in 
dem Gebrauche grober Schimpfworte beſtanden habe. 
Der auf die Verletzung des materiellen Rechtes geſtützten 
Reviſion konnte der Erfolg nicht verſagt werden; 
die Ausführungen des Erſtrichters legen den Verdacht 
nahe, daß er den Tatbeſtand des angewendeten Straf— 
geſetzes verkannt hat. Allerdings iſt die Frage, ob in 
einer Aeußerung eine Beleidigung liegt, im weſent— 
lichen tatſächlicher Natur und der Nachprüfung des 
Reviſionsrichters nur inſoweit unterworfen, als ſie von 
Rechtsirrtum beeinflußt iſt. Um aber beurteilen zu 
können, ob eine Beleidigung vorliegt, muß der Tat— 
richter in erſter Linie Inhalt und Tragweite der Kund— 
gebung ermitteln. Daß der Erſtrichter ſich deſſen be— 


wußt war, läßt das Urteil nicht erſehen und ift ins- 


beſondere auch nicht daraus zu entnehmen, daß er dem 
Angeklagten den Gebrauch grober Schimpfworte zur 
Laſt legt. Ob ſolche vorlagen und in der Tat eine 


Beleidigung im Sinne des § 95 StGB. darſtellten, 


konnte der Erſtrichter nur dann beurteilen, wenn ihm 

wenigſtens der Inhalt der gebrauchten Worte zur 

Kenntnis gebracht worden war. (Urt. des V. StS. v. 

25. Okt. 1907; 5 D 769/07). 
1141 


— — — e — 


III. 


Aufhebung des Urteils nuter Aufrechthaltung der 
Feſtſtellungen (88 393, 394 StPO... Wenn bei der 
Aufhebung der angefochtenen Entſcheidung im Revi— 
ſionsurteile die auf die rechtliche Beurteilung bezüg— 
lichen Feſtſtellungen aufrechterhalten werden und die 


lung nicht mehr in Frage geſtellt werden. 


rechtliche Beurteilung der für erwieſen erachteten Tat⸗ 


ſachen gebilligt wird, ſo ſind damit die geſamten Feſt— 
ſtellungen zur Schuldfrage aufrechterhalten. Das be— 
deutet nicht nur, daß für das weitere Verfahren die 
Verneinung der Schuldfrage ausgeſchloſſen iſt und 
daß es genügt, wenn überhaupt eine Verurteilung 
ergeht, die ſich hinſichtlich der ihren Gegenſtand bilden— 
den Tat deren geſetzlicher Benennung nach mit 


der zuerſt angefochtenen Entſcheidung, insbeſondere 


mit dem Inhalte der Urteilsformel deckt. Vielmehr 
iſt damit ausgeſprochen, daß es bei der geſamten in 
der urſprünglichen Entſcheidung enthaltenen Tat— 
beſtandsfeſtſtellung ſein Bewenden behält, daß es alſo 
nicht bloß bei der ſeitens der Strafkammer dem Sach— 
verhalte zuteil gewordenen rechtlichen Beurteilung, 
ſondern auch bei deren tatſächlicher Grundlage zu ver- 
bleiben hat. Aufrechterhalten iſt hiernach insbeſondere 
das ganze Beweisergebnis der früheren Hauptverhand— 
lung, ſoweit es nach dem Inhalte der aufgehobenen 
Entſcheidung als Grundlage der Tatbeſtandsfeſt— 
ſtellung in Betracht kommt. Der Beurteilung der 
Strafkammer unterſteht hiernach zwar die Beurteilung 
der Straffrage. Dagegen iſt es ihr grundſätzlich ver— 
wehrt, erneut in eine Prüfung und Erörterung der 


Frage einzutreten, ob ſich der Angeklagte der in ihrem 
Urteile nachgewieſenen ſtrafbaren Handlungen unter 
den dort feſtgeſtellten Umſtänden ſchuldig gemacht hat. 
Demgegenüber iſt auch auf ſeiten des Angeklagten 
jeder Angriff gegen die Beweisgrundlagen der über 
die Schuldfrage getroffenen Entſcheidung unſtatthaft 
(vgl. E. 7 S. 176, 9 S. 98, 21 S. 288, Rſpr. Bd. 3 
S. 561). Ein ſolcher Angriff iſt auch nicht unter dem 
Geſichtspunkte zuläſſig, daß der Strafkammer die Straf— 
zumeſſung freigegeben ſei und Beweiserörterungen 
der vom Angeklagten vorliegenden Falles gekenn— 
zeichneten Art für jede Strafzumeſſung von Erheb— 
lichkeit ſein müßten. Allerdings wären derartige Be— 
weiserörterungen ſtatthaft, wenn die Strafkammer in 
der Beurteilung der Straffrage völlig frei wäre. Das 
iſt aber nicht der Fall; vielmehr wirkt auch inſoweit 
die teilweiſe Rechtskraft des Urteils mitbeſtimmend ein. 
Die der Tatbeſtandsfeſtſtellung zugrunde gelegten Tat— 
ſachen werden zumeiſt auch die hauptſächlichſte Grund— 
lage für die Bemeſſung der Strafe bilden. Denn ſie 
beſtimmen erſt den jeweilig in Betracht kommenden 
Gegenſtand der Tat, den Umfang des verbrecheriſchen 
Tuns und deſſen rechts verletzende Wirkung nach Art 
und Maß, wie ſich in ihnen auch die Stärke des ver- 
brecheriſchen Willens ausprägen kann, alles Umſtände, 
die für die Strafbemeſſung ausſchlaggebend ſein können. 
Soweit ſolchen Tatſachen im Einzelfall Einfluß auf 
die Strafbeſtimmung beizumeſſen iſt, dürfen ſie von 
der Strafkammer auch in der anderweiten Verhand— 
Denn ſie 
ſtehen als ſolche rechtskräftig feſt, müſſen daher, wenn 
ihnen für die Strafzumeſſung Bedeutung beigelegt 
wird, jo wie in dem urſprünglichen Urteile für nad): 
gewieſen erachtet, dem Strafmaße zugrunde gelegt 
werden und ſind inſoweit jedem Angriffe, namentlich 
durch Antritt von Gegenbeweiſen, entzogen. (Urt d. 
V. StS. vom 13. Dezember 1907; 5 D 848/07). 


1155 


— — — e — 


— 4 dꝛÄY— 


Oberſtes Landesgericht. 
Zivilſachen. 
1 


Erforderniſſe der Eintragung des Enteiguungsbe: 
rechtigten als Eigentümers und der Löſchung der Ver⸗ 
fügungsbeſchränkung des Abtretungs pflichtigen im 
Grundbuch. (Zwangsabtretungsgeſ. v. 1837 Art. XII 
und XVI mit AG. z. BGB. Art. 139, II und Art. 174; 
GBO. SS 22, 30). Im Januar 1907 wurde der 
Aktiengeſellſchaft der P.-Bahnen das Recht zur Ent- 
eignung beſtimmter Grundſtücke erteilt. Sie bean— 
ſpruchte mehrere in der Steuergemeinde O. liegende 
Grundſtücke und es wurde in das Grundbuch der Ver— 
merk eingetragen, daß die Eigentümer infolge der 
Einleitung des Enteignungs verfahrens in der Ber- 
fügung über dieſe beſchränkt ſind. In dem vom Be— 
zirksamte zur Verhandlung über die Enteignung ab— 
gehaltenen Termine vom 5. März 1907 erklärten die 
Eigentümer, daß ſie die Verpflichtung zur Abtretung 


der Grundſtücke anerkennen und der Aktiengeſellſchaft 


geſtatten, fid) ſofort in deren Beſitz zu ſetzen; der 


Vertreter der Aktiengeſellſchaft nahm dieſe Erklärung 
an; im Termin vom 20. April 1907 einigten ſie ſich 
mit dem Vertreter der Aktiengeſellſchaft über den Be— 
trag der Entſchädigungen. Die Direktion der P. 
Bahnen ſtellte an das Bezirksamt R. den Antrag, 
das Grundbuchamt um die Berichtigung des Grund— 
buchs und die Löſchung der Verfügungsbeſchränkungen 
zu erſuchen. Das Bezirksamt überſendete den Antrag 
nebſt den Verhandlungsprotokollen dem Grundbuch— 
amt, mit dem Erſuchen, die Umſchreibung und die 
Löſchung vorzunehmen. Das Grundbuchamt machte 
die Berichtigung des Grundbuchs u. a. davon abhängig, 


daß in der durch 8 29 GBO. beſtimmten Form die Zu⸗ 
ſtimmung der Aktiengeſellſchaft zu der Eintragung 
als Eigentümerin und der Antrag auf Löſchung der 
Verfügungsbeſchränkungen erklärt werde. Die Be— 
ſchwerde der Direktion wies das Landgericht zurück. 
Auf die weitere Beſchwerde hat das ObLO. die Ent- 
ſcheidungen der Vorinſtanzen aufgehoben. 

Gründe: Der Vertreter der Aktiengeſellſchaft 
hat durch feine Mitwirkung zu den in den bezirksamt⸗ 
lichen Protokollen beurkundeten Einigungen den Willen 
der Aktiengeſellſchaft kundgegeben, im Wege der 
Enteignung das Eigentum zu erwerben. Dieſe 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


öffentlich beurkundete Erklärung enthält die im 8 22 
Abſ. 2 GBO. vorgeſchriebene Zuſtimmung zu der 


Eintragung der Aktiengeſellſchaft als Eigentümerin. 
Die Vorſchrift des S 22 Abſ. 2 GBO. fol verhüten, 
daß im Wege der Berichtigung des Grundbuchs je— 
mand als Eigentümer eingetragen wird, der nicht 
anerkennt, Eigentümer zu ſein. Es iſt nicht erforder— 
lich, daß der Einzutragende ausdrücklich darein willigt, 
als Eigentümer eingetragen zu werden, ſondern es 
genügt eine Willenskundgebung, die das Einver— 
ſtändnis mit der Eintragung unzweifelhaft entnehmen 
läßt, und dies trifft bei dem Enteignungsberechtigten 
zu, der durch Geltendmachung des Enteignungsrechts 
bewirkt, daß er Eigentümer des Grundſtücks wird. 
Einer weiteren rechtsgeſchäftlichen Erklärung der 
Aktiengeſellſchaft bedarf es daher nicht. 

Die nach Art. XVI des Geſ. vom 17. November 
1837 bewirkte Eintragung der im Art. XII beſtimmten 
Verfügungsbeſchränkung ſoll die Durchführung der 
Enteignung gegenüber dem öffentlichen Glauben des 
Grundbuchs ſchützen. Sie wird mit der Vollziehung 
der Enteignung gegenſtandslos und verliert mit der 
Eintragung des Enteignungsberechtigten als neuen 
Eigentümmers jede Bedeutung Die Löſchung der 
Eintragung enthält keine Rechtsänderung ſondern 
macht nur die Folge erſichtlich, die fih aus der Eins 
tragung des Enteignungsberechtigten als neuen Eigen— 
tümers ohne weiteres ergibt, und fordert deshalb 
nicht eine rechtsgeſchäftliche Erklärung des Enteignungs— 
berechtigten. (Beſchluß des I. BS. vom 6. Dezember 
1907, III 85/1907). W. 

1149 1 


Umfang der Rechtskraft. Faſſung des Eides über 
eine Genehmigung. (3PO. SS 322, 345, 445). Joſef 
H. erhielt im Jahre 1879 von Margarete B. ein mit 
5” verzinsliches, nach Kündigung rückzahlbares Dar: 
lehen von 3000 M. Dieſe erhob im Dezember 1902 
Klage gegen ihn auf Rückzahlung. Er machte geltend, 
die Summe ſchon 1880 nach Kündigung gezahlt zu 
haben. Danach erging am 27. Mai 1903 ein be— 
dingtes Endurteil, wonach die Klägerin zu ſchwören 
hatte, daß der Beklagte das Darlehen Ende 1880 nicht 
zurückgezahlt hat. Im Termine vom 16. Dezember 
1903 beantragte der Vertreter des Beklagten, den Eid 
dahin zu ändern, daß der Beklagte das Darlehen 
weder an die Klägerin ſelbſt, noch mit ihrem Wiſſen 
und Willen an ihren Schwager Peter H. zurückgezahlt 
habe. Das Gericht wies den von der Klägerin be— 
kämpften Antrag nach § 469 JPO. ab. Die Klägerin 
leiſtete den Eid, worauf der Beklagte verurteilt wurde. 
Das Urteil iſt rechtskräftig. Am 23. Juni 1904 er: 
hob Joſeph H. Klage gegen Margarete B. auf 
Zahlung von 3000 M nebit 4% Zinſen. Er machte 
geltend, Margarete B. habe das ihm im Jahre 1879 


IJ 7 —˖—ß———'0“ ᷑ —;̃̃7—²«r² = ĩ - — . ́d—̃ DFÄ— — — k̃ͤ—ñ —ñ — 


gewährte Darlehen ſchon nach wenigen Monaten ge- 


kündigt und dabei dem Joſeph H. mitgeteilt, ſie 
brauche das Geld, um Wechſelverbindlichkeiten ſeines 
Bruders Peter zu begleichen, er ſolle für ſie in An— 
rechnung auf ſeine Darlehensſchuld die Wechſelſchuld 
des Peter H. berichtigen. Der Kläger habe hiernach 


die Wechſelſchulden feines Bruders zu 3000 M auf 


Rechnung der Beklagten bezahlt. Die Beklagte gab 


109 


nur zu, das Darlehen gekündigt zu haben, und wider⸗ 
ſprach im übrigen. Nachdem Margarete B. im 
November 1904 geſtorben war, nahm ihre Erbin 
Katharina H. den Rechtsſtreit auf. Das LG. verurteilte 
dieſe am 29. November 1905, dem Kläger 3000 M 
mit 4% Zinſen ſeit dem 23. Juni 1904 zu zahlen. 
Es nahm an, daß ein Beweis für eine Auftrags- 
erteilung oder Genehmigung durch Margarete B. 
nicht vorliege, daß die Klage aber nach den Rechts- 
ſätzen des gemeinen Rechts über die Geſchäftsführung 
ohne Auftrag begründet ſei. Die Beklagte legte 
Berufung ein. Das OLG. hob das Urteil des LG. 
auf und legte dem Kläger den Eid darüber auf, daß 
er im Auftrage der Margarete B. gehandelt oder 
dieſe die Abrechnung mit Peter H. genehmigt habe. 
Als Folge der Leiſtung eines dieſer Eide wurde feſt— 
geſetzt, daß Katharina H. dem Klageantrag entſprechend 
verurteilt werde. Als Folge der Nichtleiſtung der 
beiden Eide wurde die Abweiſung der Klage feſtge— 
ſetzt. In den Gründen iſt bemerkt: Unbegründet ſei 
der in der Berufungsinſtanz vorgebrachte Einwand, 
daß dem Klageanſpruch das rechtskräftige Urteil des 
LG. B. vom 16. Dezember 1903 entgegenſtehe. Nur 
die Erfüllung des Darlehensanſpruchs der Margarete 
B. durch Zahlung an dieſe ſelbſt ſei im Vorprozeſſe 
behauptet und durch Eid verneint worden. Die Ans 
ſicht des LG., daß hier eine den Geſchäftsherrn vers 
pflichtende Geſchäftsführung ohne Auftrag vorliege, 
ſei irrig, weil die von Joſef H. gemachte Aufwendung 
nicht im Intereſſe der Margarete B. gelegen ſei. 
Der Kläger habe daher zu beweiſen, daß er aus Auf— 
trag der Margarete B. gehandelt oder dieſe ſeine 
Rechtshandlung genehmigt habe. Die Beklagte legte 
Reviſion ein, rügte Verletzung der Vorſchriften über 
die Einrede der Rechtskraft und beanſtandete die 
Form der Auferlegung des Eides. Das Ob“ G. hat 
das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwieſen. 

Ausden Gründen: 1. Unbegründet iſt die Rüge, 
daß die Rechtskraft eines zwiſchen dem Kläger und 
der Rechtsvorgängerin der Beklagten früher ergangenen 
Urteils dem Anſpruche des Klägers entgegenſtehe. 
Den Ausführungen des OLG. iſt jedoch nicht unbe— 
dingt beizupflichten. Es legt das Gewicht darauf, 
daß im früheren Rechtsſtreite vor Erlaſſung des be— 
dingten Endurteils dem Anſpruche der Margarete B. 
gegenüber nur die Tilgung durch die Zahlung an 
diefe ſelbſt geltend gemacht und nur über diefe Tat- 
ſache der Eid auferlegt worden ſei, nicht über die 
jetzt behauptete Art der Tilgung der Darlehens— 
forderung der B. Nur die beſchworene Tatſache gelte 
als wahr und die Wirkung der Rechtskraft der Ent— 
ſcheidung über den Klageanſpruch erſtrecke ſich ab— 
geſehen von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme 
überhaupt nicht auf Einreden. Allein die Rechtskraft 
des Urteils, durch das ein Anſpruch anerkannt wird, 
hat die Wirkung, daß der Anſpruch als aus den zu 
deſſen Begründung geltend gemachten Tatſachen recht— 
lich entſtanden und als noch zu Recht beſtehend gilt, 
ſo daß deſſen Rechtsbeſtand nicht mehr mit Erfolg 
beſtritten, die im Urteile ausgeſprochene Rechtsfolge 
in einem neuen Rechtsſtreite nicht mehr verneint 
werden kann und alle Einwendungen gegen die Rechts— 
gültigkeit des Anſpruchs ausgeſchloſſen find, mögen 
ſie im früheren Rechtsſtreite geltend gemacht worden 
fein oder nicht (vgl. § 322 ZPO... Die Bedeutung 
der nach einem bedingten Endurteile zu beſchwörenden 
Tatſachen beruht darauf, daß die Entſcheidung des 
Rechtsſtreits nach Maßgabe des dermaligen Prozeß— 
ſtandes allein noch von der Feſtſtellung dieſer Tat— 
ſache abhängt, und daß nach der Rechtskraft des 
bedingten Endurteils weitere Tatſachen zur Begrün— 
dung oder Beſtreitung des erhobenen Klageanſpruchs 
nicht mehr geltend gemacht werden können. Die 
Wirkung der Rechtskraft des Urteils, das auf Grund 
des durch Eid bedingten Endurteils und der Leiſtung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


des auferlegten Eides ergeht, bemißt ſich nur nach ſtimmungen eingeſchränkt worden iſt, durch letztern, 


dem Inhalte des anerkannten Klageanſpruchs, und 
der Inhalt der Eidesnorm kommt hierbei nicht weiter 
in Betracht. Weil aber die Wirkung der Rechtskraft 
nur für die Entſcheidung über den Klageanſpruch be- 
ſteht, fo trifft fie Einwendungen und Einreden gegen 
den Anſpruch — abgeſehen von der Einrede der Muf- 
rechnung — nur inſoweit, als dieſe ſich gegen den 
Beſtand des Klageanſpruchs richten; ſie ſind aber für 
die rechtserzeugenden Wirkungen des Tatbeſtandes 
dieſer Einwendungen und Einreden nicht von ſelbſt⸗ 
ſtändiger Bedeutung. Es können daher die zur Be— 
gründung einer Einrede geeigneten Tatſachen in einem 
anderen Rechtsſtreite noch inſoweit geltend gemacht 
werden, als ſie zur Begründung eines ſelbſtändigen 
Rechtsanſpruchs dienen. Dies iſt hier der Fall, da 
der Anſpruch des Klägers ſich auf die Tatſache 
gründet, daß er im Auftrage oder doch mit Genehmi— 
gung der Rechtsvorgängerin der Beklagten für ſie 
einen Vermögensaufband gemacht habe. Dieſem 
Anſpruche ſteht die Einrede der Rechtskraft des früheren 
Urteils nicht entgegen. 


2. Die Eidesauflage iſt inſofern mit Grund von 
der Reviſion beanſtandet worden, als die „Genehmi⸗ 
gung“ der zwiſchen dem Kläger und ſeinem Bruder 
gepflogenen Abrechnung zum Gegenſtand des Eides 
gemacht wurde, ohne nähere Angaben darüber, in 
welcher Weiſe ſie erfolgt ſein ſoll. Die Genehmigung 
kann durch Worte oder ſchlüſſige Handlungen erfolgt 
ſein und es iſt Sache des Klägers darzulegen, wem 
gegenüber die Genehmigungserklärung abgegeben 
wurde oder durch welche Handlungen ſie erfolgt ſein 
ſoll, damit das Gericht ermeſſen kann, ob eine rechts⸗ 
gültige Genehmigung vorliegt, und damit es in der 
Lage iſt, die Tatſachen, welche die Genehmigung 
bilden, zum Gegenſtand des Eides zu machen. Die 
Genehmigung ohne ſolche nähere Bezeichnung der 
Art und Weiſe bildet einen Rechtsbegriff und ein 
Eid hierüber hätte ein Urteil über die rechtliche Be⸗ 
deutung von nicht näher angegebenen Tatſachen, nicht 
aber die Tatſachen ſelbſt zum Gegenſtand, weshalb 
ein ſolcher Eid N § 445 und 8 475 ZPO. unzu⸗ 
läſſig ift. (Urt. des II. ZS. vom 28. Oktober 1907, 
I 152/07). W. 

1119 


B. Strafſachen. 


Die in § 139 c GewO. vorgeſehene Mittags pau ſe 
von mindeſtens 1% Stunden muß auch an Sonntagen 
trotz der verkürzten Arbeitszeit gewährt werden. Für 
die Stadtgemeinde F. ſind die Stunden, während der 
an Sonn- und Feſttagen im Handelsgewerbe eine Be- 
ſchäftigung von Gehilfen und Lehrlingen ſtattfinden 
darf, auf vormittags 8 bis 9 Uhr und 11 bis 2½ 
Uhr feſtgeſetzt worden. Der Angeklagte hat an einer 
Reihe von Sonntagen einer Verkäuferin und drei Lehr— 
mädchen, die ihre Hauptmahlzeit außerhalb des die 
Verkaufsſtelle enthaltenden Gebäudes einnehmen, nur 
Mittagspauſen von je einer Stunde gewährt. Er 
machte geltend, neben den zu § 105b GewO. für die 
Beſchäftigung des Geſchäftsperſonals an Sonn- und 
Feſttagen erlaſſenen ſtatutariſchen Beſtimmungen könne 
die Vorſchrift des § 139 e GewO. keine Anwendung 
finden. Er hatte damit keinen Erfolg. 

Aus den Gründen: Der durch die Novelle 
vom 1. Juni 1891 geſchaffene 8 105 b GewO. beſtimmt 
im Abſ. 2: „Im Handelsgewerbe dürfen Gehilfen, 
Lehrlinge und Arbeiter an Sonn- und Feſt⸗ 
tagen nicht länger als fünf Stunden beſchäftigt werden. 
n Die Stunden, während welcher die Beſchäfti— 
gung ſtattfinden darf, werden, unter Berückſichtigung 
der für den öffentlichen Gottesdienſt beſtimmten Zeit, 
ſoferne die Beſchäftigungszeit durch ſtatutariſche Be— 


im übrigen von der Polizeibehörde feſtgeſtellt. Die 
Feſtſtellung kann für verſchiedene Zweige des Handels⸗ 
gewerbes verſchieden erfolgen“. Der durch die Novelle 
vom 30. Juni 1900 eingeführte § 139 e der GewO. 
ſchreibt in Abſ. 3 vor: „Innerhalb der Arbeitszeit 
muß den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern eine 
angemeſſene Mittagspauſe gewährt werden. Für Ge⸗ 
hilfen, Lehrlinge und Arbeiter, die ihre Hauptmahlzeit 
außerhalb des die Verkaufsſtelle enthaltenden Gebäudes 
einnehmen, muß dieſe Pauſe mindeſtens ein und eine 
halbe Stunde betragen“. Die Entſcheidung über die 
Reviſion des Angeklagten hängt nur davon ab, in 
welchem Verhältniſſe die §§ 105 b und 139 c ſtehen. 
Es iſt nicht zu verkennen, daß ſich für die Arbeitgeber 
ein bedeutender Verluſt an Arbeitszeit ergibt, wenn 
ſie an den Tagen, für die, wie in F., die Arbeitszeit 
ſtatutariſch ohnehin auf 4½ Stunden beſchränkt ift, 
innerhalb dieſer Zeit ihrem Perſonale noch eine Mittags- 
pauſe von 1½ Stunden gewähren müſſen; es iſt aber 
ebenſo ſelbſtverſtändlich, daß die hygieniſchen Rück⸗ 
ſichten, aus denen den Arbeitgebern die Verpflichtung 
auferlegt iſt, ihrem Perſonal eine Mittagspauſe von 
1½ Stunden zu gewähren, in gleicher Weiſe an den 
Feſt⸗ und Sonntagen wie an den Werktagen zutreffen. 
In den Fällen, in denen die Beſchäftigungszeit beiſpiels⸗ 
halber auf die Stunden von 10 Uhr vormittags bis 
3 Uhr nachmittags feſtgeſetzt worden iſt, ließe ſich 
kein vernünftiger Grund denken, weshalb das Geſchäfts⸗ 
perſonal nicht ebenfalls um die Mittagszeit eine 
Mittagspauſe in der für große Städte nicht verkürz⸗ 
baren Dauer von 1½ Stunden erhalten fol; ohne 
eine ſolche Pauſe würde das Perſonal nicht in der 
Lage ſein, die Hauptmahlzeit in einer den Abſichten 
des Geſetzgebers entſprechenden Weiſe einzunehmen. 
Daher erklärt es ſich wohl, daß bei den Vorarbeiten 
zu der Novelle vom 30. Juni 1900 der Frage nicht 
gedacht worden iſt, ob die neu zu ſchaffende Mittags⸗ 
pauſe auch an Sonn- und Feſttagen gewährt werden 
müſſe. Man ſcheint das für fo ſelbſtverſtändlich ge: 
halten zu haben, daß es nicht als notwendig erachtet 
wurde, es ausdrücklich hervorzuheben, und daß man 
die Intereſſen der Arbeitgeber für genügend dadurch 
gewahrt hielt, daß ihnen die nähere Beſtimmung über 
die Legung der Mittagspauſe zuſteht. Da die Anord— 
nung der Mittagspauſe ſpäter als die Ordnung der 
Sonntagsruhe erfolgt iſt, hätte ſich der Geſetzgeber 
ausdrücklich äußern müſſen, wenn er die Abſicht gehabt 
hätte, die Mittagspauſe nicht auch für die Tage vor⸗ 
zuſchreiben, für die bereits feit neun Jahren eine Be- 
ſchränkung der Arbeitszeit beſtanden hat. Den be— 
rechtigten Intereſſen der Arbeitgeber kann dadurch 
Rechnung getragen werden, daß die Beſchäftigungszeit 
an Sonn- und Feſttagen durch ſtatutariſche Beſtim— 
mung oder durch die Polizeibehörde in der Weiſe feſt⸗ 
geſtellt wird, daß die ortsübliche Mittagseſſenszeit 
ganz oder wenigſtens zum größten Teile nicht in die 
zugelaſſene Beſchäftigungszeit fällt. Es iſt darum 
Sache der Arbeitgeber ſelbſt, auf eine entſprechende 
Feſtſtellung der Arbeitszeit, die ohnehin für verſchiedene 
Zweige des Handelsgewerbes verſchieden erfolgen 
kann, nötigenfalls durch Beſchreitung des Beſchwerde— 
weges hinzuwirken. Sie können ſich aus dieſem Grund 
auch nicht beſchwert fühlen, wenn, ohne daß ſie irgend 
welche Schritte dagegen unternommen haben, die 
Mittagspauſe in die feſtgeſtellte Beſchäftigungszeit fällt, 
und wenn im Falle einer Verkürzung der geſetzlich 
beſtimmten 1½ ſtündigen Dauer der Mittagspauſe die 
Strafbeſtimmung des § 146 Nr. 2 GewO. für anwend⸗ 
bar erachtet wird. (Urt. vom 4. Januar 1908; Rev. 
Reg. Nr. 577/07). H. 

1156 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


Oberlandesgericht München. 


Neuer VBermögenderwerb. (8 903 3p PO.). Gegen⸗ 
über dem Einwand des Schuldners aus $ 903 Abſ. 1 
BPO. berief iH der Gläubiger auf den Inhalt feines 
Vollſtreckungstitels, wonach der Schuldner von ihm 
nach der früheren Eidesleiſtung Hypotheken im Nenn⸗ 
werte zu 3000 M abgetreten erhalten habe; für den 
ausgeklagten Zeſſionspreis in gleicher Höhe erfolge 
die Vollſtreckung. Das Amtsgericht gab dem Wider⸗ 
ſpruch Statt, weil der Schuldner bei dem Hypothek⸗ 
erwerb mit dem gleich hohen Kaufpreis belaſtet 
worden ſei, ſohin neues Vermögen tatſächlich nicht 
erworben habe. Auf Beſchwerde verwarf das Land— 
gericht den Widerſpruch, weil der Begriff des Bers 
mögens im 8 903 kein anderer fein könne als im 
8 807; letztere Beſtimmung aber umfaſſe zweifellos 
alle Aktiva ohne Rückſicht auf etwaige dafür aus⸗ 
ſtehende Gegenleiſtungen. Die weitere Beſchwerde 
blieb ohne Erfolg. 

Aus den Gründen: Der vom Amtsgericht 
angeführte Beſchluß des OLG. Dresden (Rſpr. d. 
OLG. 13, 227) bezieht ſich auf Tatbeſtände beſonderer 
Art und duldet keine Verallgemeinerung. Hier iſt 
der Schuldner allerdings mit 3000 M Gegenleiſtung 
für die erworbenen Hypotheken belaſtet, aber ſchon 
ſeine Zuſicherung der Zahlung dieſes Preiſes nach 
halbjähriger Kündigung macht neuen Vermögens— 
erwerb glaubhaft. Die Stellung eines Solidarbürgen 
beweiſt nichts dagegen, da fie nicht auf Vermögens 
loſigkeit beruhen muß, ſondern ihren Grund auch in 
beſonderer Vorſicht des Gläubigers haben kann. Der 
vorgeworfene ißbrauch prozeſſualer Befugniſſe, 
weil der Gläubiger die von ihm zedierten Forderungen 
ohnehin genau kenne, liegt nicht vor. Allerdings 
darf er ihm bekannte Forderungen des Schuldners 
nicht ſchlechthin ignorieren (Gaupp-Stein, ZPO. § 807 
Anm. II 2). Allein das Erfordernis der Glaubhaft— 
machung ihrer Uneinbringlichkeit darf nicht über- 
ſpannt werden. Gegebenſalls ift für 3148 M erfolge 
los Mobiliarpfändung verſucht worden; volle Be— 
friedigung aus den abgetretenen Hypotheken iſt nicht 
ſicher, weil ſie nicht erſten Rang beſitzen; im 
Gegenteil iſt wahrſcheinlicher, daß der Gläubiger 
zwecks voller Befriedigung noch den Zugriff auf 
anderweitige Vermögensſtücke nehmen muß. Der 
bei Gaupp⸗Stein zitierten Entſch. des OLG. Celle 
(Rſpr. d. OLG. 3, 333) lag ein weſentlich anders 
gearteter Fall zugrunde, weil dort die bekannten 
Forderungen den vollſtreckbaren Anſpruch bedeutend 
überſtiegen und nach den Umſtänden alsbaldige volle 
Befriedigung des Gläubigers erwarten ließen. (Beſchl. 
vom 13. Dezember 1907; BeſchwR. 704/07 II). 

1125 N. 


Landgericht München J. 


Begriſf der ſeſtzuſetzenden Koſten (88 104, 788 3p O.). 
Durch amtsgerichtlichen Vergleich verpflichtete ſich der 
Kläger an den Beklagten 24 M Mietzins zu zahlen, 
wogegen der Beklagte die Herausgabepflicht hinſicht— 
lich eines Waſchkeſſels Zug um Zug mit der Zahlung 
anerkannte; die Koſten übernahm der Kläger. Bei 
der Koſtenfeſtſetzung verlangte der Beklagte auch den 
Erſatz von 3.80 M für die bei ihm eingeforderten und frei— 
willig bezahlten Gerichtsvollzieherkoſten erſetzt, die für 
die Einleitung der Wegnahmevollſtreckung bezüglich des 
Waſchkeſſels erwachſen waren. Das Amtsgericht ſtrich 
den Betrag ab, weil diefe Koſten durch das eigene 
Verhalten des Beklagten (Herausgabeverzögerung) ver- 
urſacht worden ſeien; ſeine ſofortige Beſchwerde blieb 
erfolglos. 

Aus den Gründen: Der Beſchwerdeführer iſt 
durch die angefochtene Entſcheidung nicht benachteiligt. 
Die ſtreitigen Gerichtsvollziehergebühren hat er näm— 


111 


lich nicht etwa als die Vollſtreckung betreibender 
Gläubiger ausgelegt, ſondern als Schuldner gemäß 
§ 788 ZPO. zu zahlen gehabt. Nur im erſteren Falle 
aber wäre eine Feſtſetzung möglich und zwar nicht 
auf Grund der vergleichsweiſen Prozeßkoſtenübernahme 
durch den Kläger als ſolcher, ſondern auf Grund der 
Wegnahmeverpflichtung ſelbſt. Letztere iſt aber nicht 
für den jetzigen Antragſteller, ſondern gegen ihn ein⸗ 
gegangen worden; der Beklagte hat alſo inſoweit gar 
keinen Vollſtreckungstitel als Feſtſeungsgrundlage. Will 
er die Beitreibung oder Einhebung ſolcher nach § 788 
Abſ. 1 ZPO. bei ihm als Vollſtreckungsſchuldner an= 
geforderter Koſten bemängeln, fo kann dies nicht im 
Wege der Feſtſetzung, ſondern nur durch Einwendungen 
nach 8 766 Abſ. 2 ZPO. oder § 22 GVGebO. mit 
è 4 GRY. geſchehen. Der Antrag auf Feſtſetzung 
ätte daher vom Erſtrichter als unzuläſſig, nicht als 
unbegründet abgewieſen werden ſollen. (Beſchl. vo 
7 Mai 1907; BeſchwR. Nr. 274/07). N. 
181 


Anus der Praxis des bayer. Verwaltungs⸗ 
gerichtshofs. 
1 


Haftung des Staates für Banbeamte. Die Ent⸗ 
ſcheidung vom 30. Oktober 1907 (Sammlg. Bd. 28 
S. 190) ſpricht aus, daß die Staatsbaubeamten bei 
Leitung und Ausführung von Staatsbauarbeiten nicht 
in Ausübung einer ihnen anvertrauten öffentlichen 
Gewalt, ſondern als beamtete techniſche Berater des 
Staates in wirtſchaftlichen Angelegenheiten handeln, 
daß ſonach eine Vorentſcheidung im Sinne des Art.7 
Abſ. 2 des VGH. nicht ſtattfindet, wenn behauptet 
wird, daß ein Staatsbaubeamter bei einer ſolchen 
Tätigkeit ſeine Amtspflicht verletzt habe. Billigt man 
diefe Anſchauung, gegen die Bedenken wohl nicht be: 
ſtehen, ſo ergibt ſich als Folge, daß der Staat nicht 
auf Grund der Vorſchrift im Art. 60 Abſ. 1 Satz 1 
AG. z. BGB. haftet, ſondern nach Maßgabe der Bor; 
chriften in den SS 31, 89, 823 ff. BGB., wenn einem 
mit ſelbſtändiger dienſtlicher Verantwortung ausge— 
ſtatteten Beamten ein Verſchulden zur Laſt fällt und 
nach Maßgabe des S 831 BGB., wenn ein unter- 
geordneter nur mit einzelnen Verrichtungen betrauter 
Beamter in Ausführung einer Verrichtung einem 
Dritten Schaden zufügt. 

1182 

II. 

Ausübung der Jagd auf ausnärkiſchen Jagd: 
bezirken. Die Entſcheidung vom 11. Oktober 1907 
(Sammlg. Bd. 28 S. 200) befaßt ſich mit einem Falle, 
in dem ſich eine Lücke in den Vorſchriften des Jagd— 
geſetzes vom 30. März 1850 ergeben hat. Eine dem 
Staate gehörende ausmärkiſche Waldfläche war voll— 
ſtändig von fremdem Grundbeſitz umſchloſſen, der zwar 
zu einer Gemeindemarkung gehörte, aber im Eigen— 
tume verſchiedener Privatperſonen ſtand. Die Vor— 
ausſetzungen für die Jagdausübung durch den Grund— 
eigentümer der Waldfläche nach Art. 2 des Jagd— 
geſetzes lagen nicht vor. Auch Art. 3 konnte nicht 
angewendet werden, weil der die Fläche umklammernde 
Grundbeſitz nicht einen „zuſammenhängenden Grund— 
befig* im Sinne des Art. 2 Nr. 3 bildete; Art. 4 
traf nicht zu, weil die Waldfläche keinem Gemeinde— 
bezirke zugeteilt war. Der VGH. entſchied nun, daß 
in einem ſolchen Falle nicht etwa das Recht zur Aus— 
übung der Jagd ruhe, ſondern daß auf die Vorſchrift 
im Art. 1 Abſ. 1 des Jagdgeſetzes zurückgegriffen und 
dem Grundeigentümer die Befugnis zur Jagd— 
ausübung zugeſprochen werden müſſe. 
1183 


— — — n. 


Literatur. 


Webers Juriſten⸗ Kalender für 1908 als Abreißkalender 
eingerichtet. Bearbeitet von Rechtsanwalt Dr. 
Arthur Kallmann. Mit Abbildungen. Berlin 
1908. Verlag von Erich Weber. Preis Mk. 2.50. 

Die Texte beſtehen zumeiſt aus Bemerkungen 
über das geltende Reichsrecht und aus Mitteilungen 
über die Rechtſprechung des Reichsgerichts. Biogra— 
phiſche Skizzen, Rechtsſprichwörter und Ausſprüche 
über Recht und Juriſten ſind eingeflochten. 


Notizen. 


Die Answeiſung beſtrafter Perſonen. (Bek. des 
Staatsminiſteriums des Innern vom 27. Januar 1908, 
MAB. S. 75). Die neue Hausordnung für die 
bayeriſchen Strafanftalten vom 20. Septbr. 1907 über- 
läßt es im allgemeinen der freien Beſtimmung des 
Gefangenen, wie und wo er nach der Entlaſſung ſein 
weiteres Fortkommen ſuchen will. Er kann an ſeinen 
letzten Wohnort zurückkehren, aber auch einen andern 
Aufenthalt wählen. Die Entlaſſung nach dem Heimat— 
ort erfolgt nur in Ausnahmefällen ($ 103 f). Auf der 
anderen Seite haben die Polizeibehörden nach dem 
Heimatgeſetz ein weitgehendes Recht, nach ihrem Er- 
meſſen beſtraften Perſonen in jeder anderen Gemeinde 
als der Heimat den Aufenthalt zu verſagen. Von 
dieſer Befugnis wurde bisher vielfach ein unangemeſſener 
Gebrauch gemacht. Das an ſich berechtigte Beſtreben 
namentlich der größeren Städte, zweifelhafte Elemente 
ſoviel als möglich ſernzuhalten, führte nicht ſelten 
auch zur Ausweiſung von Perſonen, die eine Gefahr 
für die Gemeinde nicht oder nicht mehr gebildet hätten. 
Schon manche vorläufige Entlaſſung aus der Straf— 
haft iſt an dieſer mechaniſchen Ausübung des Aus— 
weiſungsrechtes geſcheitert, die auf das perſönliche 
Wohl und Wehe der Betroffenen und ihrer Familie 
wenig Rückſicht nahm. Was war die Folge? Die 
erhöhte Gefahr des Rückfalls. Man erinnere ſich nur 
der traurigen Geſtalt des „Hauptmanns von Köpenik“, 
deſſen Verteidigung in dieſer Hinſicht zu einer auf— 
ſehenerregenden Anklage gegen polizeiliche Kurzſichtig— 
keit wurde. Dieſem zu weitgehenden Gebrauche der 
Ausweiſung aus ſicherheitspolizeilichen Gründen tritt 
die neue Bekanntmachung mit ſehr verſtändigen Gründen 
entgegen. Als das oberſte Ziel bezeichnet ſie die Sorge, 
daß der Entlaſſene in ein geordnetes Arbeitsverhält— 
nis gebracht wird. Hat er ſich ein ſolches außerhalb 
der Heimat begründet, fo foll ihn die Polizei unbe— 
helligt laſſen. Muß die Erlaſſung des Ausweiſungs— 
beſchluſſes gleichwohl aus beſonderen Gründen erfol- 
gen, ſo iſt wenigſtens von dem Vollzug abzuſehen, 
d. h. dem Betroffenen der Aufenthalt zu geſtatten, 
ſolange er arbeitet und ſich wohl verhält. Mit ent— 
ſchiedenen Worten wendet ſich das Miniſterium gegen 
die ſehr beliebte formularmäßige Behandlung der 
Auslieferungsfälle, bei der ohne weitere Begründung 
behauptet wird, daß die öffentliche Sicherheit oder 
Sittlichkeit durch die Anweſenheit des Betreffenden in 
der Gemeinde gefährdet werde. Künftig müſſen bei 
Vermeidung der Aufhebung des Beſchluſſes in jedem 
einzelnen Falle die beſonderen Beziehungen des Be— 
ſtraften zur Gemeinde dargetan werden, die ſeine An— 
weſenheit gerade in dieſer Gemeinde als gefährlich 
erſcheinen laſſen. Schließlich gibt die Bekanntmachung 
Weiſungen über formelle Behandlung von Geſuchen, in 
denen um Aufhebung einer Ausweiſung gebeten wird. 
Iſt die Ausweiſung ſchon rechtskräftig erkannt, ſo iſt 
das Geſuch als Antrag auf Umgangnahme von dem 
Vollzuge der Ausweiſung inſtanziell zu würdigen. 
Die Beteiligten ſind im Falle der Abweiſung über den 


geſetzlichen Inſtanzenzug zu belehren. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 


Befürwortet 
die Verwaltung einer Strafanſtalt oder eines Arbeits- 
hauſes die Umgangnahme von der Ausweiſung, ſo 
hat die Polizeibehörde der Fürſprache „tunlichſt wohl: 
wollendes Gehör“ zu ſchenken. 


Die Aufbringung der Mittel für die Unterſtätzung 
der Notariatsgehilfen. (Geſetz vom 28. Januar 1908, 
GVBl. S. 49). In dem bayeriſchen Budget waren 
für die letzten Jahre für Unterſtützungen an Notariats⸗ 
gehilfen und ihre Hinterbliebenen je 35 000 M angeſetzt. 
Der Betrag hat ſich als viel zu niedrig erwieſen. In 
dem Budget für 1908 und 1909 ift daher eine Er⸗ 
höhung des Poſtens um 15000 Mvorgeſchlagen. Weitere 
Mittel werden durch die Heranziehung der Notare be— 
ſchafft. Die Notare ſind jetzt verpflichtet, für jeden 
ſtändigen Gehilfen, den ſie beſchäftigen, monatliche 
Unterſtützungsabgaben an die Staatskaſſe zu entrichten. 
Die Abgabe beträgt für die Jahre 1908 und 1909 
drei Mark monatlich. Für die ſpäteren Finanzperioden 
wird ihre Höhe nach Maßgabe des Bedürfniſſes durch 
das Finanzgeſetz beſtimmt werden. Streitigkeiten über 
die Abgabenpflicht entſcheiden die zuſtändigen Mini— 
ſterien. Eine Bekanntmachung von 31. Januar d. Js. 
BMBI. S. 23) regelt den Vollzug des Geſetzes. 


Die Verwertung eingezogenen Weines. (Bek. vom 
18. Januar 1908, IM Bl. S. 25). Bei den großen 
pfälziſchen Weinprozeſſen, die in den letzten Jahren 
die öffentliche Aufmerkſamkeit erregt haben, fielen auch 
die oft ſehr bedeutenden Mengen „Wein“ auf, deren 
Einziehung gerichtlich verfügt wurde. Man fragte 
wohl mitunter, was mit dieſem ‚Rebenſafte“ geſchehe. 
Bis jetzt hat man die Fäſſer einfach auslaufen laſſen. 
Da man gegen den Verkauf des Weines rechtliche und 
wirtſchaftliche Bedenken hegte. Dieſes radikale Ber- 
fahren hatte den Nachteil, daß es in allen Fällen, in 
denen eine Verfälſchung mit einem geſundheitsſchäd— 
lichen Stoffe nicht vorlag, wirtſchaftliche Werte — 
allerdings manchmal zweifelhaften Charakters — ohne 
Zwang vernichtete und zugleich der Staatskaſſe erheb— 
liche Einnahmen entzog. Auch im Landtage wurde 
darauf aufmerkſam gemacht. Die Bekanntmachung 
ordnet im Anſchluß an das Verfahren in anderen 
Bundesſtaaten an, daß in der Regel nur Wein, der 
mit einem geſundheitsſchädlichen Stoffe verfälſcht ift, 
vernichtet werden ſoll. Sonſtiger eingezogener Wein 
ſoll zugunſten der Staatskaſſe für gewerbliche Zwecke 
durch freihändigen Verkauf, in zweiter Linie durch 
öffentliche Verſteigerung veräußert werden. Eine An— 
rechnung des Erlöſes auf die often des Strafver— 
fahrens findet nicht ſtatt. Dies iſt nicht ausdrücklich 
beſtimmt, verſteht ſich aber von ſelbſt. Die Verar— 
beitung des Weines kann in der Eſſig- und Brannt— 
weinfabrikation erfolgen. Der mißbräuchlichen Ver— 
wendung durch den Erwerber ſoll die der Uebergabe 
vorhergehende, im einzelnen genau geregelte „Dena— 
turierung“ vorbeugen. Die Veräußerung und die 
Denaturierung erfolgt durch die Finanzbehörde auf 
Grund der Mitteilung des Staatsanwalts über die 
Verwertbarkeit. Bei der Uebernahme des Weines 
durch die Finanzbehörde hat in geeigneten Fällen ein 
Hilfsbeamter der Staatsanwaltſchaft (Weinkontrolleur 
2c.) zu prüfen, ob der amtliche Verſchluß unverſehrt 
iſt. Es iſt wieder nicht ausdrücklich geſagt, aber ſelbſt— 
verſtändlich, daß die Vernichtung des Weines ohne 
Rückſicht auf ſeine ſtoffliche Beſchaffenheit erfolgen 
muß, wenn das Gericht fie anordnet (§ 18 des Wein. 
vom 24. Mai 1907). N 

1184 

Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigenrum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


Ur. 6. 


Itilſhrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 

—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Boſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Grunddienſtbarkeiten und forſtpolizeiliche 
Strafvorſchriften. 


Von Oberlandesgerichtsrat Bernhard Pfiſter, 
Amtsgerichtsvorſtand in Paſſau. 


Nach Art. 92 Ziff. 1 in Verbindung mit 
Art. 49 Abſ. 1 des bayeriſchen Forſtgeſetzes vom 
28. März 1852 in der Faſſung der Bekannt⸗ 
machung vom 4. Juli 1896 (übereinſtimmend mit 
Art. 30 Ziff. 1 des revidierten Forſtſtrafgeſetzes 
für die Pfalz) iſt als Forſtfrevel zu beſtrafen das 
unbefugte Betreten der Forſtpflanzungen unter 
ſechs Jahren und beſonders ihr Betreten mit Vieh. 
Die bayeriſchen Obergerichte haben bis in die jüngſte | 


Zeit daran feitgehalten, daß das Betreten der 
Schonungen mit Vieh unter allen Umſtänden ſtraf— 
bar und die Strafvorſchrift auch gegenüber einem 
dinglich Berechtigten (Forſtberechtigten, Grund— 
dienſtbarkeitsberechtigten) zur Anwendung zu 
bringen fei. (Entſch. d. OLG. München in StS. 
Bd. I S. 259, Bd. III S. 492, Bd. IV S. 89, 
Bd. VI S. 1; Entſch. d. ObLG. Bd. IV S. 122 
und 389). 

In dieſen Erkenntniſſen iſt auch ausgeſprochen, 
daß die Anlegung einer Forſtpflanzung auf einem 
mit einer Grunddienſtbarkeit belaſteten Grundſtücke 
bewirke, daß die nur unter Uebertretung des Ver— 
botes mögliche Ausübung der Grunddienſtbarkeit 
ſechs Jahre lang ruhe. 

Auf den erſten Blick iſt zu erkennen, daß dieſe 
Rechtſprechung in die Rechte und in die wirtſchaft— 
lichen Intereſſen der Dienſtbarkeitsberechtigten 
außerordentlich eingreift, ſo daß, da die Gerichte 
nicht felten mit der Anwendung der Vorſchrift ſich 
zu beſchäftigen haben, es ſich wohl verlohnt, die 
erwähnte Spruchpraxis auf ihre Richtigkeit zu 
prüfen. i 


Ihrer rechtlichen Natur nach ift die bezeichnete 
mit Strafe bedrohte Handlung, wie in der Entſch. 
d. ObL G. vom 15. Februar 1906 (Bd. VI S. 332) 
zutreffend dargelegt ift, kein Rechtsverletzungs⸗-, 
ſondern ein Rechtsgefährdungsdelikt, d. h. es genügt 


— — — — — ...... ͤ M O — — 


München, den 15. März 1908. 


4. Jahrg. 


NAT 
Nachdruck verboten. 


Verlag von 

2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 

in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1. 
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


zur Vollendung des Tatbeſtands die Gefährdung 
der Rechte Dritter, die Entſtehung eines Schadens 


iſt nicht erforderlich. Es iſt nun aber zu unter⸗ 


ſuchen, weſſen Rechte verletzt werden oder ge⸗ 
fährdet ſind. 
Zunächſt die Rechte des Beſitzers des die Forſt⸗ 


pflanzung tragenden Grundſtücks, kurz geſagt des 


Waldbeſitzers. Dieſe Rechte des Waldbeſitzers 
ſind ausſchließlic privatrechtlicher Art, ſie ſind 
weiterhin rein vermögensrechtlich und fallen unge⸗ 
fähr mit dem Inhalte des Eigentums zuſammen. 
Daraus ergibt ſich, daß dieſe Rechte und Intereſſen 
mit Einwilligung des Waldbeſitzers verletzt werden 
dürfen, geradeſo wie der Eigentümer über ſein 
Eigentum verfügen und ſeine Sache verletzen kann. 
($ 903 BGB.). Der Einwilligung des Wald: 
beſitzers ſteht nun aber gleich das Beſtehen eines 
dinglichen Rechtes auf Benützung des Waldgrund⸗ 
ſtücks in einzelnen Beziehungen zum Vorteile eines 
anderen Grundſtücks; denn darin liegt das Weſen 
einer Grunddienſtbarkeit, daß ſie dem Berechtigten 
eine von der Willkür des Eigentümers des be— 
laſteten Grundſtücks unabhängige Befugnis und 
deren rechtlichen Schutz gewährt. Folglich ſtehen 
die Rechte des Waldbeſitzers der Ausübung einer 
FahrtberechtigQung auf der Anpflanzung nicht 
entgegen. 

Sodann ſind gefährdet die Rechte der Allge— 
meinheit, mit anderen Worten die ſtaatlichen und 
insbeſondere die forſtpolizeilichen Intereſſen. Der 
bayeriſche Staat begünſtigt in Geſetzgebung und 
Verwaltung mit Recht auf alle Weiſe die Muf- 
forſtung geeigneter Grundſtücke und die Hege und 
Pflege der Waldungen. Aber wer möchte von 
vorneherein für möglich halten, daß zur Erreichung 
dieſes Zieles auch geſetzgeberiſche Maßregeln helfen 
ſollen, die wohlbegründete Privatrechte nicht bloß 
beeinträchtigen, ſondern deren Ausübung ohne 
Gegenleiſtung jahrelang unmöglich machen? Handelt 
es ſich bei Grunddienſtbarkeiten nicht auch um wirt— 
ſchaftliche Intereſſen der einzelnen Berechtigten und 
der Allgemeinheit? 

Sehen wir genauer zu. Hätte das Verbot den 
in den obergerichtlichen Erkenntniſſen behaupteten 


114 


Umfang, fo ergäbe fih daraus folgendes. 
Schonung wäre rechtlich ſechs Jahre lang dem 
Verkehre mit beſpannten Fuhrwerken völlig ent⸗ 
zogen. Die Vornahme der Pflanzung hätte Weihe⸗ 
charakter, das Grundſtück wäre ſozuſagen res sacra. 


Der Eigentümer ſelbſt wäre rechtlich gehindert, mit 


Vieh fein Grundſtück zu betreten, und bei Bu: 
widerhandlung ſtrafbar; denn er würde die Rechte 
der Allgemeinheit ebenſo gefährden, wie ein Dritter, 
auch iſt ſeine Befugnis, ſein Grundſtück beliebig 
und mit Vieh zu betreten, nicht anderer Art und 
nicht ſtärker als das Recht des Dienſtbarkeits⸗ 
berechtigten, das einen Ausbruch aus dem Eigen⸗ 
tum darſtellt. Ein zivilrechtlicher Notſtand — 
vgl. $ 904 BGB. — würde von dem Verbot 
nicht befreien, ein Urteil, durch das ein Notweg 
gewährt iſt, wäre, wenn der Notweg durch eine 
nach Erlaſſung des Urteils angelegte Schonung 
führt, nicht mehr zu vollſtrecken; denn auch Not⸗ 
ſtand und Notweg geben dem, der ſich darauf 
beruft, kein wirkſameres Recht als der Dienſtbarkeits⸗ 
berechtigte hat. 

Aber auch die wirtſchaftlichen Intereſſen des 
berechtigten Grundſtücks, wenn noch ſo bedeutend, 
müßten zurückſtehen, ſelbſt bei unerheblichem Um⸗ 
fange der Schonung und ſogar dann, wenn die 
geordnete Bewirtſchaftung des berechtigten Grund: 
ſtücks dadurch unmöglich würde. Dem Eigentümer 
des belaſteten Grundſtücks wäre die Möglichkeit 
gegeben, die Grunddienſtbarkeit lahm zu legen, 
indem er auf der Fahrt oder Trift eine Schonung 
anlegt. Abhilfe hiergegen böte nur der koſtſpielige 
Weg des Zivilprozeſſes oder die Erwirkung einer 
einſtweiligen Verfügung zum Zwecke der Ver— 
hinderung der Anpflanzung. Iſt einmal die 
Schonung angelegt, ſo würden auch dieſe Mittel 
verſagen, ſelbſt wenn die Schonung zur Schikane 
angelegt worden wäre. Die Schikane würde nur 
dann dem, der die Schonung mit Vieh betritt, 
zu ſtatten kommen, wenn die Schikane als ſolche 
aus der Art und dem Umfange der Schonung 
erſichtlich iſt, alſo der Begriff der „Forſtpflanzung“ 
auf die Vorkehrungen des Beſitzers des belaſteten 
Grundſtücks von vorneherein nicht angewendet 
werden kann. Ein Dienſtbarkeitsberechtigter würde 
infolge der Anpflanzung ein Forſtberechtigter; da 
Fahrt und Triebrechte ſechs Jahre lang ruhen 
ſollen, könnte er während dieſes Zeitraumes in 
Anſehung ſolcher Rechte nicht einmal durch An— 
rufung der Forſtpolizeibehörde Hilfe erlangen. 
(Vgl. Art. 23 des Forſtgeſetzes). 

Ein ſolches Ergebnis iſt unannehmbar, da es 
dem Sinne und dem Zwecke des Geſetzes nicht 
entſprechen kann. Das Verbot hat einen geringeren 
Umfang und es bleibt nichts übrig, als der Vor— 
ſchrift die Auslegung zu geben, daß nur das 
unbefugte Betreten mit Vieh verboten iſt. 
Dieſe Auslegung iſt mit dem Wortlaute wohl 
vereinbar; das Wort „unbefugt“ findet ſich vor— 
her im Zuſammenhang mit „Betreten“ und iſt 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


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Ä 


Die nicht wiederholt, weil es ſelbſtverſtändlich ſchien, 


daß der beſonders hervorgehobene Tatbeſtand des 
Betretens mit Vieh unbefugtes Betreten vorausſetzt; 
die allgemeine Vorausſetzung des „unbefugten“ 
Tuns bleibt auch für den Einzelfall beſtehen. 
Die wirtſchaftlichen Intereſſen des Waldbeſitzers 
leiden bei dieſer Auslegung nicht, die forſtpolizei⸗ 
lichen Intereſſen ſind nicht fühlbar beeinträchtigt. 
$$ 1020 und 1023 BGB. geben dem Eigen: 
tümer der Schonung die Handhabe, ſeine Inter⸗ 
eſſen zu wahren. Er kann beiſpielsweiſe die Um⸗ 
wandlung einer unbeſtimmten Fahrt in eine 
beſtimmte verlangen und alsdann durch Freilaſſung 
einer wegbreiten unbepflanzten Fläche ſich gegen 
Schaden ſchützen. Auch kann er begehren, daß 
dem Vieh Maulkörbe angelegt werden. Zu 
gleichem Vorgehen können die Forſtpolizeibehörden 
durch die Landesgeſetzgebung ermächtigt werden. 


II. 


Wollte man einräumen, daß die angegebenen 
obergerichtlichen Entſcheidungen die richtige Aus⸗ 
legung des Forſtgeſetzes enthalten, ſo iſt zu be⸗ 
rückſichtigen, daß in Anſehung der Grunddienſt⸗ 
barkeiten der Rechtszuſtand ſeit der Geltung des 
neuen bürgerlichen Rechts eine Aenderung erfahren 
hat. Seitdem genießt jede Grunddienſtbarkeit 
nach Maßgabe des Inhalts, den ſie im Augen⸗ 
blicke des Eintrittes der Geltung des neuen Rechtes 
hatte, alſo in dem Umfange der bis dahin dem 
berechtigten Grundſtücke zuſtehenden Befugniſſe 
und der von dem belaſteten Grundſtücke zu dulden⸗ 
den Beſchränkungen, reichs rechtliche Aner⸗ 
kennung; ihre rechtliche Geſtaltung wurzelt nun⸗ 
mehr im Reichsrecht. (SS 1027, 1018 BGB., 
Art. 184 EG. z. BGB.). Im Reichsrechte findet 
ſich aber keine Vorſchrift, aus der geſchloſſen 
werden könnte, daß eine Grunddienſtbarkeit in- 
folge der Anlegung einer Forſtpflanzung jahre⸗ 
lang ruht. 

Landesrechtliche Vorſchriften ſind nur inſoweit 
anwendbar, als ein reichsrechtlicher Vorbehalt be— 
ſteht, da die Reichsgeſetzgebung das bürgerliche 
Recht zu regeln unternommen hat. (Art. 3, 55 
EG. z. BGB.). Bezüglich des partikulären Forſt— 
rechts iſt ein allgemeiner Geltungsvorbehalt nicht 
aufgenommen, wenn auch die Grundlagen des 
bayeriſchen Forſtrechts, wie ſich aus einzelnen 
Artikeln des Einführungsgeſetzes ergibt, zum weit⸗ 
aus größten Teile in Geltung geblieben ſind. 
Für unſere Unterſuchung iſt nur von Bedeutung 
Art. 113 EG. z. BGB., der die Aufrechthaltung 
der landesgeſetzlichen Vorſchriften über Ablöfung, 
Umwandlung oder Einſchränkung von Dienſt— 
barkeiten vorſieht. Vorweg muß zugegeben 
werden, daß darunter nicht nur diejenigen Vor⸗ 
ſchriften fallen, die die Ablöſung, Umwandlung 
oder Einſchränkung von Dienſtbarkeiten zu regeln 
bezwecken, ſondern auch alle Vorſchriften, die eine 
ſolche Einwirkung mittelbar zum Inhalte haben, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 115 


Tr nm 


alfo auch forſtpolizeiliche Vorſchriften. Die Auf: | ift, ob die Grunddienſtbarkeit im Grundbuche 
hebung von Dienſtbarkeiten iſt nur im Wege der eingetragen iſt und wann die Pflanzung angelegt 
Ablöſung oder Umwandlung zuläſſig; jede andere wurde, ob vor oder nach dem 1. Januar 1900, 
Form der Aufhebung, auch der längeren zeitlichen vor oder nach dem Zeitpunkte, in dem das Grund⸗ 
Aufhebung, iſt ausgeſchloſſen. Geſtattet iſt der buch als angelegt anzuſehen iſt. Dieſer letztere 
Landesgeſetzgebung, die einzelne Dienſtbarkeit ein- Zeitpunkt ift nur für die Vorausſetzungen und 
zuſchränken, d. i. den Inhalt oder Umfang zu das Maß des Schutzes im Beſitze der Grund: 
vermindern und enger zu begrenzen. Demgemäß dienſtbarkeiten von Bedeutung. (Art. 191 EG.). 
it auch eine zeitliche Hemmung von erträglicher | Der Schuß kann insbeſondere dann erforderlich 
Dauer zuläſſig. Unter den Begriff der Ein⸗ werden, wenn die Pflanzung in den erſten ſechs 
ſchränkung fällt aber nicht mehr eine Einwirkung Jahren ſo heranwächſt, daß ſchon ihr Beſtehen 
von der Stärke, daß eine Grunddienſtbarkeit ſechs als eine Beeinträchtigung der Grunddienſtbarkeit 
Jahre lang ruhen muß; denn es wird dadurch, anzuſehen iſt. (Vgl. $ 1027 BGB.). 
wenn auch in zeitlicher Beſchränkung ſo doch 
übermäßig lange der ganze Rechtsinhalt aufge⸗ 
hoben und dem Berechtigten werden alle Bejug: 
niſſe entzogen. Man könnte zwar entgegnen, dem 
Fahrtberechtigten ſei nicht verboten, über die 
Schonung zu gehen und auf dieſe Weiſe die 
Laſten zu befördern, deren Zu- oder Abfuhr durch 
die Grunddienſtbarkeit ermöglicht oder erleichtert 
werden ſoll. Allein den Inhalt eines Fahrtrechts 
macht gerade das Fahren aus. Dem Triebweg⸗ 
berechtigten würde es nicht nützen, wenn zwar er 
ſelbſt über die Schonung gehen, nicht aber das 
Vieh ſie betreten dürfte. 

In Art. 115 EG. iſt in gleicher Weiſe der 
Landesgeſetzgebung nur überlaſſen, den Inhalt 
und das Maß von Grunddienſtbarkeiten näher 


Ein Verſagen der Lechtſprechung oder eine Lücke 
des Geſetzes auf dem Gebiete des Arbeiterſchutzes? 


Von Nudolf Troeltſch, II. Staatsanwalt in Augsburg. 


(Schluß) 
V 


Die Sonn: und Feiertagsruhe der Arbeiter 
im Sinne der Gewerbeordnung iſt alſo von der 
Betriebsruhe begrifflich unabhängig, fie 
muß ſomit vom Arbeitgeber auch außer: 
halb des betreffenden gewerblichen Be⸗ 
triebes reſpektiert werden und ſchließt 
die Beſchäftigung des Arbeiters in einem 
zu beſtimmen. Die Befugnis, diefe Rechte auf: | andern Betriebszweig während der Ruhe- 
zuheben oder jahrelang ruhen zu laſſen, iſt ihr zeit aus. Zu dieſem Begriff der abſoluten, un⸗ 
nicht eingeräumt. antaſtbaren und ununterbrochenen Ruhe gelangt 

Die im Urteile des Oberſten Landesgerichts man — wie bisher gezeigt — ſowohl auf Grund 
vom 2. Juli 1904 (Bd. IV S. 389) aus: des Wortlauts des 8 105 b GewO. als auch 
geſprochene Rechtsanſicht, „daß mit dem Augen⸗ auf Grund der Stellung dieſes Paragraphen 
blicke der Beläung und Bepflanzung das Fahrt: | im Syſtem dec Reichsgewerbeordnung. Dieſer 
recht ſechs Jahre lang ruhe“, iſt daher unhaltbar. Begriff deckt ſich aber auch genau mit der Forderung, 
Sie widerſpricht dem Reichsrechte und wird nicht welche ſich aus der ganzen Zweckbeſtimmung 
durch einen Vorbehalt getragen. des Arbeiterſchutzgeſetzes ergibt und zu welcher man 

Durch Art. 55 EG. ſind zwar nur die gelangt, wenn man mit Landmann a. a. O. S. 22 
privatrechtlichen Vorſchriften der Landes- der Anwendung und Auslegung des $ 105b diefe 
geſetze aufgehoben. Allein darüber hinaus reicht Zweckbeſtimmung zugrunde legt. 
die Beſtimmung in Art. 2 der Reichsverfaſſung, | 
daß die Reichsgeſetze den Landesgeſetzen allgemein VI. l 
vorgehen. Es iſt daher gleichgültig, ob die Vor: Dieſe Auslegung der Beſtimmung des $ 105 b 


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ſchrift des Art. 92 des ForſtG. als eine rein liegt auch zweifellos einer Vorſchrift des Bundes- 
ſtrafrechtliche oder als eine zugleich dem bürger- rats zugrunde, die ſich unter Ziff. 6 der Bekannt⸗ 
lichen Rechte angehörige erachtet wird. Legt man machung vom 3. April 1901 betr. Ausnahmen 
die Vorſchrift im Sinne der Entſcheidungen der von den Beſtimmungen über die Sonntagsruhe 
bayeriſchen Gerichtshöfe aus, fo beſteht der Wider- gemäß $ 105 e Abſ. I GewO. (RGBl. S. 117) 
ſpruch auf jeden Fall. Denn die nach Reichs- findet und welche jagt: 


recht ſtatthafte Ausübung einer Grunddienſtbarkeit | „Arbeiter, welche in einem Betriebe der in 
kann nicht nach Landesrecht verboten oder ftraf: | 105 b Abſ. I GewO. bezeichneten Art auf Grund 
bar ſein. der gemäß § 105 e Abſ. I a. a. O. zugelaſſenen 

Die reichsrechtlichen Vorſchriften über das Ausnahmen mit Sonntagsarbeiten beſchäftigt 
Recht der Grunddienſtbarkeiten ſind am 1. Januar | werden, dürfen ... während der ihnen ausbe— 


1900 in Kraft getreten (Art. 184 EG.). Von dungenen Ruhezeiten weder zu Arbeiten, die in 
dieſem Zeitpunkte an kann die hier bekämpfte dem betreffenden Betrieb auf Grund des § 105c 
Auslegung nicht mehr im Rechte begründet ſein, Abſ. J a. a. O. zuläſſig find, noch zu Arbeiten 
ſelbſt wenn fie vorher begründet war. Unerheblich in dem etwa mit dem Betriebe verz 


116 


bundenen Handelsgewerbe herangezogen 
werden.“ 
VII. 


Was bisher hinſichtlich der Unantaſtbarkeit der 
Sonn: und Feiertagsruhe nach $ 105 b Abi. I 
GewO. ausgeführt ift, trifft in gleicher Weile 
auf die in 88 105 b Abſ. II, 135 und 137 an⸗ 
geordneten und auf die gemäß § 120 e GewO. 
eingeführten Ruhezeiten zu. Soweit hier die Be⸗ 
ſchäftigung jugendlicher und weiblicher Arbeiter in 
Betracht kommt, ſcheidet der Gedanke an die Ein- 
führung einer bloßen Betriebsruhe von vorn: 
herein aus, da — wenigſtens in der Regel — die 
jugendlichen und weiblichen Arbeiter nur einen 
Bruchteil der Arbeiterſchaft eines Betriebes aus- 
machen und ihr Ausſcheiden aus dem Betrieb nicht 
notwendigerweiſe zur Ruhe des Betriebes über⸗ 


haupt führt. 
VIII. 


Für die hier vertretene Auffaſſung ſpricht auch 
die Tatſache, daß ein Faktor der Geſetzgebung 
ſelbſt, der Bundesrat, in verſchiedenen Ausführungs⸗ 
verordnungen den Begriff der den Arbeitern zu 
gewährenden Ruhe in dem erwähnten ſtrengen 
Sinne auffaßt und ausdrücklich verlangt, daß die 
Ruhe eine ununterbrochene ſei. Es iſt dies 
der Fall in den Bundesratsbekanntmachungen vom 
5. Februar 1895 betr. die Ausnahmen von dem 
Verbote der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe 
(RGBl. S. 12 und 448), vom 4. März 1896 
betr. den Betrieb der Bäckereien und Konditoreien 
(RGBl. S. 55), vom 26. April 1899 betr. den 
Betrieb der Getreidemühlen (RGBl. S. 273) und 
vom 23. Januar 1902 betr. die Beſchäftigung in 
Gaſt⸗ und Schankwirtſchaften (RGBl. S. 33 und 
40). Und es darf hier auch darauf hingewieſen 
werden, daß die Reichsgewerbeordnung ſelbſt, als 
fte im Jahre 1900 in § 139 c die täglichen Ruhe- 
zeiten der Arbeiter und Gehilfen in offenen Ver⸗ 
kaufsſtellen regelte, ſich der Formel „ununterbrochene 
Ruhezeit“ bedient. Landmann a. a. O. S. 388 
bemerkt hierzu, daß eine Unterbrechung der Ruhe⸗ 
zeiten auch nur durch Heranziehung zu Arbeiten 
außerhalb der Verkaufsſtelle unſtatthaft ſei. Es 
iſt nicht anzunehmen, daß die Gewerbeordnung 
in den $S 105 b, 135—137 und 120 e einen 
minder ſtrengen Begriff von Ruhezeit aufſtellen 
wollte, als ſie es hier getan hat. 


IX. 


Es ſteht ſomit feſt, daß der gewerbliche Arbeiter 
einen geſetzlichen Anſpruch auf die vorbehaltloſe, 
uneingeſchränkte Gewährung der für ſeine Betriebs— 
ſtätte vorgeſchriebenen Ruhezeiten hat; dieſem An: 
ſpruch ſteht die entſprechende geſetzliche Verpflichtung 
des Arbeitgebers gegenüber, dieſe Ruhezeit von 
ſeiner Seite aus in keiner Weiſe zu beeinträchtigen, 
insbeſondere auch nicht dadurch, daß er die Arbeiter 
während dieſer Ruhezeit zu Arbeiten an andern 


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Zettſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


Betriebsſtätten heranzieht. Auf dieſen Anſpruch 
kann der gewerbliche Arbeiter rechtswirkſam nicht 
verzichten, ſo wenig wie dies nach Landmann 
a. a. O. S. 388 der Angeſtellte im offenen Ver⸗ 
kaufsgewerbe hinſichtlich der Ruhezeiten des § 139 c 
vermag. Denn die Ruhezeiten der 88 105 b, 
135—137 und 120 e GewO. find ebenſo wie 
jene des § 139 c nicht im Intereſſe der einzelnen 
Arbeitnehmer allein, ſondern vor allem auch im 
Intereſſe der Allgemeinheit zur Erhaltung der 
Volksgeſundheit und Volkskraft eingeführt. 

In dieſem Sinne hat ſich auch Graf von 
Poſadowsky⸗Wehner bei der Beratung des Kinder⸗ 
ſchutzgeſetzes vom 30. März 1903 ausgeſprochen, 
indem er ſagte: 

„Der Reichstag hat in allen feinen Arbeiter: 
ſchutzbeſtimmungen der Gewerbeordnung, deren 
Faſſung lautet „es muß gewährt werden“ oder 
„es iſt zu gewähren“ eine durch Privatabkommen 
nicht zu ändernde, allgemeine öffentlich⸗ rechtliche 
Vorſchrift erblickt .. .., durch die Schutzzbeſtim⸗ 
mungen ſoll nicht der einzelne geſchützt. 
ſondern folen allgemein hygieniſche und die guten 
Sitten ſchützende Vorſchriften erlaſſen werden, 
welche ohne jedes Zutun der Parteien unter allen 
Umſtänden beobachtet werden müſſen 
(Reichstag 1900/03 Bd. IX S. 7616). 

Es gibt alſo auch keinen Verzicht des Arbeiters 
auf die ihm zukommenden Ruhezeiten durch 
Arbeitsvertrag, wie er der obenerwähnten 
Entſcheidung vom 22. Januar 1901 vorſchwebt. 


X. 


Es iſt nun noch eine Frage zu erörtern. 
Welche Beſchäftigung iſt hinſichtlich der Art 
und Dauer der zu gewährenden Ruhezeiten maß⸗ 
gebend, wenn ein Arbeitgeber in ſeiner Hand ver⸗ 
ſchiedenartige Betriebe vereinigt und den ein: 
zelnen Arbeiter abwechſelnd in dieſem 
und in jenem Betriebe beihäftigt? Soll 
letzterer als Fabrikbarbeiter, als Werfitättenarbeiter 
oder ſoll er als Angeſtellter des Handelsgewerbes 
oder des ſonſtigen Gewerbes behandelt werden, 
in welchem feine weitere Beſchäftigung ſtattfindet? 

Es iſt klar, daß für die Frage der dem Arbeiter 
zu gewährenden Ruhezeit, da dieſe für die ein⸗ 
zelnen Arbeitergruppen verſchieden geregelt ift, 
nur die eine oder die andere Eigenſchaft ent: 
ſcheidend ſein kann. 

Die Frage iſt dahin zu beantworten, daß bie: 
jenige Arbeitsſtellung entſcheidet, welcher die Tätig⸗ 
keit des Arbeiters der Hauptſache nach angehört. 
Ueberwiegt die gewerbliche Tatigkeit in Fabrik 
oder Handwerk, ſo iſt er als induſtrieller Arbeiter 
nach Maßgabe der §§ 105 b Abſ. I, 135, 136, 
137, 120 e GewO. zu behandeln; ift er vorzugs⸗ 
weiſe für den Handelsbetrieb oder ein ſonſtiges 
Gewerbe tätig, ſo beſtimmt ſich ſeine Ruhezeit nach 
9 105 b Abſ. II. $ 139 c oder den ſonſt geltenden 
Vorſchriften. 


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23 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


Dieſes Kriterium des Ueberwiegens der einen 
oder andern Beſchaͤftigung kommt in der Gewerbe: 
ordnung auch ſonſt zur Anwendung, ſo bei der Aus⸗ 
ſcheidung der Betriebe in Fabrik, Handwerk und 
Handelsgewerbe (Landmann a. a. O. S. 38) und 
bei der Unterordnung der Arbeitnehmer unter Ge⸗ 
finde- oder Gewerbeordnung (ebendafelbit S. 7); auch 


in der Bundesratsbekanntmachung vom 23. Januar 


1902 findet ſich zur Unterſcheidung des Kellner⸗ 
und des kaufmänniſchen Perſonals dieſes Merkmal 
der überwiegenden Beſchäftigung. 


XI. 


Durch die vorſtehenden Ausführungen dürfte 
nachgewieſen ſein, daß ſich der in den oben⸗ 
erwähnten drei Entſcheidungen vertretene Stand⸗ 
punkt nicht aufrecht erhalten läßt, ſondern daß 
ſowohl nach dem Zwecke des Geſetzes als auch 
nach ſeinem Sinn und Wortlaut es als verboten 
gelten muß, in gemiſchten Betrieben die Arbeiter 
während der für die eine Betriebsart vorge⸗ 
ſchriebenen Ruhezeiten in dem andern Betrieb zu 
beſchäftigen. Ein ſolches Verbot iſt alſo heute 
ſchon dem Geiſt und Wortlaut des Geſetzes zu 
entnehmen, und die Strafbeſtimmungen der ss 146 
Ziff. 2, 146a und 147 Ziff. 4 reichen aus, dieſes 
Verbot in der Praxis durchzuſetzen. 

Eine obergerichtliche Entſcheidung hat ſich auch 
— wenn auch nur nebenbei und ohne nähere Be— 
gründung — auf den hier verfochtenen Standpunkt 
geſtellt; es iſt das Urteil des Kammergerichts vom 
20. April 1905 (D33. 1905 S. 749, Reger 
Bd. 26 S. 219). Dort iſt ausgeführt, daß ein 
Zuſchneider, welcher Sonntags im Ladengeſchäft 
ſeines Arbeitgebers mit dem Verkauf fertiger Waren 
beſchäftigt wird, durch die Zuweiſung dieſer kauf⸗ 
männiſchen Tätigkeit ſeine Eigenſchaft als Gehilfe 
im Schneidergewerbe nicht verliert, daher ſeinen 
Anſpruch auf Gewährung der in § 105 b Abſ. I 
vorgeſchriebenen Sonntagsruhe beibehält und in 
dieſem — nicht verzichtbaren — Anſpruch vom 
Arbeitgeber nicht dadurch verkürzt werden darf, 
daß dieſer ihn Sonntags mit Arbeiten beſchäftigt, 
welche zu beſtimmten Stunden anderweit vorge: 
nommen werden dürfen. 


Auch eine Entſcheidung des bayer. ObLO. vom 
16. Marz 1904 (Reger Bd. 25 S. 32) läßt ſich 
in gewiſſem Sinne hier anführen, indem ſie auf 
Grund des § 120 e und der Bundesratsbekannt— 
machung vom 20. März 1902 betr. die Stein: 
brüche und Steinhauereien ausſpricht, daß Arbeiter 
in dieſen Betrieben, wenn ſie auch nur teilweiſe 
mit der geſundheitsſchädlicheren Tätigkeit der V e- 
arbeitung der Steine befaßt werden, nicht 
über die hierfür zugelaſſene Maximalarbeitszeit von 
neun Stunden beſchäftigt werden dürfen, obwohl 
für den andern Teil ihrer Tätigkeit, die Gewin— 
nung der Steine, eine zehn ſtündige Arbeitszeit 
zugelaſſen iſt. 


| 


117 


XII. 


Es iſt zu hoffen, daß aus den hier darge⸗ 
legten Erwägungen es gelingen wird, die Recht⸗ 
ſprechung ſchon auf dem Boden der gegenwärtigen 
Geſetzgebung allmählich allgemein für dieſe ſtrengere 
Auffaſſung des Schutzes der gewerblichen Ruhe⸗ 
zeiten zu gewinnen; es wird dann die Frage, ob 
zur Erreichung dieſes Zieles eine Aenderung der 
Geſetzgebung geboten iſt, gegenſtandslos. Sollte 
jedoch dieſe Hoffnung nicht als berechtigt anerkannt 
werden, dann müßte angeſichts der Wichtigkeit der 
zu ſchützenden Intereſſen und der Häufigkeit der 
Fälle, in denen das Geſetz in der bezeichneten 
Weiſe täglich umgangen wird, unbedingt an eine 
Aenderung der Geſetzgebung gedacht werden; hierzu 
wäre jetzt, wo im Reichstag die Vorlage einer 
Novelle zum Arbeiterſchutzgeſetze erwartet wird, 
geeignete Gelegenheit gegeben. 

Tatſächlich iſt nach Zeitungsberichten eine ſolche 
Ergänzung auch ſchon angeregt worden; ſie betrifft 
allerdings nur den oben Ziff. II 4 erwähnten 
Fall und verlangt ein ausdrückliches Verbot da⸗ 
gegen, daß den Arbeitern nach Arbeitsſchluß noch 
Arbeiten mit nach Hauſe gegeben werden. Inſo⸗ 
weit dieſes Verbot ſich auf die bereits beſtehenden 
geſetzlichen Ruhezeiten nach 88 105 b, 135— 137 
und 120 e GewO. beſchränkt, ift es, wenn die Redt- 
ſprechung der vorhin geäußerten Erwartung ent⸗ 
ſpricht, wohl entbehrlich, da die oben geltend ge: 
machten Geſichtspunkte auch eine derartige Beſchäf⸗ 
tigung ſchon nach den beſtehenden Geſetzen als ver⸗ 
boten erſcheinen laſſen; inſoweit ein ſolches Verbot 
aber allgemein, für jeden Tag und für jeden Arbeiter, 
gedacht iſt, fällt es mit der Frage der Schaffung 
eines allgemeinen Maximalarbeitstags zuſammen 
und würde eine hier nicht weiter zu erörternde 
grundlegende Aenderung der Geſetzgebung in ſich 
ſchließen. 


Zur Reform des Privatklageverfahrens. 


Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof. 
(Fortſetzung.) 

Die Anerkennung des gerichtlichen Vergleiches 
und das Schweigen der StPO. über ihn zwingen 
dazu, die Vorſchriften der ZPO. über den Vergleich 
analog auf den gerichtlichen Vergleich in ‘Privat: 
klageſachen anzuwenden und dieſem die dem Ver— 
gleiche im Zivilprozeß nach der ZPO. beigelegten 
oder in ſeinem Weſen begründeten Wirkungen zu— 
zuerkennen. Aus dem Weſen des gerichtlichen Ver— 
gleiches folgt in allen Fällen, in welchen den am 
Verfahren Beteiligten materielle und prozeſſuale 
Dispoſitionsbefugniſſe zuſtehen, die unmittelbare 
Beendigung des Prozeſſes durch den Vergleich. 
Der Zivilprozeß, dem ſich das Privatklageverfahren 
erheblich nähert, ſchreibt die prozeßbeendende 


118 


Wirkung des Vergleiches nicht vor, ſondern ſetzt 
fie voraus. Dasſelbe hat bei der Weſensgleichheit 
des gerichtlichen Vergleichs in Privatklageſachen 
zu gelten.“) 

Es iſt daher nur folgerichtig, wenn beim Zu⸗ 
ſtandekommen eines gerichtlichen Vergleiches weder 
ein Einſtellungsbeſchluß noch ein Einſtellungsurteil 
erlaſſen wird. 

Wenn hiergegen eingewendet wird, die StPO. 
kenne eine Erledigung des Verfahrens nur in der 
Form des Urteils oder Einſtellungsbeſchluſſes 
(gemäß SS 259, 424; 431, 433), nicht aber in 
der Form des Vergleiches, ſo wird hierauf er⸗ 
widert, daß dieſe Beſtimmungen auf den Vergleich 
Anwendung deshalb nicht finden können, weil 


ſie eben eine andere als die vergleichsweiſe Er⸗ 


ledigung vorausſetzen, die zu regeln der Geſetzgeber 
unterlaſſen hat. 

Wer auf dem Standpunkte ſteht, daß der 
gerichtliche Vergleich unzuläſſig iſt, weil ihn die 
StPO. nicht ausdrücklich erwähnt hat, der muß folge: 
richtig die Mitwirkung bei einem ſolchen und ſeine 
Protokollierung als unzuläſſig verweigern, die 
Parteien auf den außergerichtlichen Vergleich ver⸗ 
weiſen, ſich lediglich zur Entgegennahme der ein⸗ 
fachen Zurücknahme der Klage und Widerklage 
bereit finden laſſen und auf Grund der Zurücknahme 
das Verfahren durch Beſchluß oder (nach Eintritt 
in die Hauptverhandlung) durch Urteil einſtellen.“) 


So wird aber — von verſchwindenden Mug- 
nahmen abgeſehen — nicht verfahren; vielmehr 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


behaltlich der hinſichtlich der Koſten zwiſchen den 
Parteien im heutigen Vergleiche getroffenen Ab⸗ 
machungen.“ 

Dieſer Satz ruft in den Fällen, in welchen 
der Beklagte im Vergleiche die Koſten ganz oder 
teilweiſe übernommen hat, alſo faſt regelmäßig, 
einen Proteſt des Privatklägers hervor. Das iſt 
nur zu erklärlich; der Privatkläger begreift ange⸗ 
ſichts der einfachen Koſtenregelung im Vergleiche 
den Koſtenausſpruch der Einſtellungsentſcheidung 
nicht und das iſt um ſo weniger verwunderlich, als 
ſich diejenigen, die dieſen Koſtenausſpruch erlaſſen, 
über ſeine Wirkung ſelbſt nicht recht klar ſind. 

Auf den Proteſt des Privatklägers, „daß ja der 


Beklagte die Koſten übernommen habe und daß 


andernfalls ein Vergleich nicht zuſtande gekommen 
wäre“, pflegt eine kurze Aufklärung dahin zu er: 
folgen, „das ſei lediglich eine Formalität, Geltung 
habe, was in dem Vergleiche über die Koſtentragung 
vereinbart ſei“. Iſt dieſe Aufklärung richtig? 
Was tut der Richter, wenn der Beklagte auf Grund 
des Einſtellungsbeſchluſſes, der Privatkläger auf 
Grund des Vergleiches die Koſtenfeſtſetzung bean⸗ 
tragen? Darf er dem Begehren des Beklagten ent⸗ 
ſprechen und ihm einen Vollſtreckungstitel (Koſten⸗ 
feſtſetzungsbeſchluß) gegen den Kläger gewähren, 
obwohl der Beklagte nach dem Vergleiche die Koſten 
zu tragen und dem Kläger zu erſtatten hat? Darf 
er das tun unter Außerachtlaſſung des in die Ein⸗ 
ſtellungsentſcheidung aufgenommenen Vorbehalts? 
Darf er trotz dieſes Vorbehaltes das Begehren 
des Privatklägers mit der Begründung zurück— 


wirken auch die Verfechter der Unzuläſſigkeit des weiſen, daß der Vergleich nach Anſchauung des 
gerichtlichen Vergleiches beim Abſchluſſe eines ſolchen [Gerichtes einen Vollſtreckungstitel nicht bilde? 


mit, ſie nehmen ihn zu Protokoll, laſſen ihn 
verleſen und genehmigen und verkünden dann auf 
Grund der in den Vergleich aufgenommenen Zurück⸗— 
nahme der Klage Einſtellungsbeſchluß oder Urteil, 
je nachdem der Vergleich vor oder nach Eintritt in 
die Hauptverhandlung zuſtande kam; hinſichtlich 
des Koſtenpunktes enthält die Einſtellungsent⸗ 
ſcheidung den Satz: „Die Koſten des Verfahrens, 
einſchließlich der dem Beklagten erwachſenen Aus: 
lagen hat der Privatkläger zu tragen, jedoch vor⸗ 


e) Vgl. den Beſchluß des OLG. Jena (Strafſenat) 

a 11. Juli 1904, abgedruckt in der DIZ. Jahrg. X 
512. 

7) Ein ſolches Verfahren entſpräche zwar dem Wort- 
laute der StPO. aber keineswegs dem Willen des Geſetz— 
gebers und den Intereſſen der Parteien und der Rechts— 
pflege; es muß als eine der vornehmſten Pflichten des 
Richters bezeichnet werden, durch Aufklärung und Be— 
lehrung zur Erreichung einer möglichſt gerechten und 
dauernden Ausſöhnung der Parteien beizutragen (vgl. 
auch r. Rumpf, „Das Privatklageverfahren und ſeine 
notwendige Umgeſtaltung“ in den BİRA. Bd. 64 
S. 123); verweiſt er ſie auf den außergerichtlichen Ver— 
gleich, ſo müſſen ſie in den meiſten Fällen die Bewirkung 
der darin vom Gegner übernommenen Verpflichtungen 
im Wege eines neuen (nämlich eines Zivil-) Prozeſſes 
erzwingen — ein ſehr unbefriedigendes Ergebnis, das 
die vergleichsweiſe Erledigung meiſt hindert. 


Er muß das Begehren des Beklagten zurüd: 
weiſen, weil es den Abmachungen im Vergleiche 
zuwiderläuft und weil die Erwirkung eines dieſen 
Vereinbarungen nicht entſprechenden Vollſtreckungs⸗ 
titels gegen Treu und Glauben verſtoßen würde, 
wozu der Richter ſeine Mitwirkung verſagen muß; 
er muß auch das Begehren des Klägers zurück— 
weiſen, weil der Vergleich nach Anſchauung des 
Gerichtes nur den kauſalen Vertrag bildet, auf 
Grund deſſen die abſtrakte Erklärung der Zurück⸗ 
nahme der Klage abgegeben wird, und prozeſſuale Be- 
deutung nicht hat; er muß den Kläger hinſichtlich 
des Koſtenerſatzes auf den Zivilrechtsweg verweiſen 
und das alles, trotzdem der Einſtellungsbeſchluß 
oder das Einſtellungsurteil nach § 496 II StPO. 
die Grundlage zu einem Koſtenfeſtſetzungsbeſchluß 
abgeben ſoll, wenn Streit über die Höhe und 
Notwendigkeit der Auslagen befteht?) — ein Er- 
gebnis, das der Geſetzgeber nicht gewollt haben 
kann und nicht gewollt hat, das aber folgerichtig 
bei dem geſchilderten Verfahren eintreten muß. 


s) Die Entſch. des bayer. ObLG. in StS. n. F. 
Bd. III S. 388 f. erklärt die Koſtenfeſtſetzung nur dann 
für zuläſſig, wenn Streit über die Höhe und Notwendig— 
keit der Koſten und Auslagen beſteht. 


Da dieſes Ergebnis nicht befriedigt, ſo ſetzt man 
aus praktiſchen Erwägungen trotz der Einſtellungs⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


119 


des Nürnberger Verfahrens und die Grundlagen, 
auf denen es ſich aufbaut, geſchildert worden ſind, 


entſcheidung im Koſtenpunkte die Koſten entſprechend ſollen hier kurz die Gründe geſtreift werden, die 
dem Vergleiche feſt; logiſch kann dieſe Art des 


Verfahrens nicht genannt werden.“) 


Anders, wenn der gerichtliche Vergleich das 


Verfahren beendigt und einen zur Zwangsvoll⸗ 
ſtreckung und damit zur Koſtenfeſtſetzung geeig⸗ 
neten Titel bildet; hier werden alle die erwähnten Un⸗ 
ſtimmigkeiten und Schwierigkeiten vermieden; auch 
ſind die Parteien nicht gezwungen, erſt im Wege 
eines neuen Prozeſſes die Verwirklichung der vom 
Gegner im Vergleiche eingegangenen Verpflichtungen 
zu ſuchen. ) 

Das bayer. Oberſte Landesgericht 
hat in ſeinem Beſchluſſe vom 17. September 1901 
(i. neue Sammlung der Entſcheidungen in Straf: 
ſachen Bd. II S. 36 ff.) ausgeſprochen, daß 
weder die StPO. noch die Geb. für Redt- 


+ 


i 


anwälte eine Vorſchrift darüber enthalten, in welcher 
Weiſe der Erſatz der Prozeßkoſten durch einen in 


einer Privatklageſache rechtskräftig verurteilten 
Gegner zu erwirken ſei, daß ſohin nur erübrige, 
die hinſichtlich der Koſtenfeſtſetzung im Strafver⸗ 
fahren beftehende Lücke der Geſetzgebung auszu⸗ 
füllen und zwar durch entſprechende Anwendung 
des $ 104 II ZPO., da das Privatklageverfahren, 
wenn es auch in der Hauptſache unter den Regeln 
des Strafprozeſſes ſtehe, doch feiner äußeren Form 
nach dem Zivilprozeßverfahren fih nähert.“) 
Dieſe Entſcheidung bot 
Nürnberg die Handhabe zur Ausfüllung der hin⸗ 
fichtlich des gerichtlichen Vergleichs und der Koſten⸗ 
ſeſtſezung vorhandenen Lücken der StPO. und 
zwar durch entſprechende Anwendung der ein⸗ 
\hlägigen Beſtimmungen der ZPO. 
Da 8 496 JI StPO. eine gerichtliche Ent: 
ſcheidung über den Koſtenpunkt vorausſetzt ($ 496 I 
StPO.), eine ſolche aber im Falle des Vergleichs 
nicht erfolgt, jo kann die Beſchränkung des § 496 II 
SPD. auf die Koſtenfeſtſetzung, die auf 
Grund Vergleiches erfolgen ſoll, keine Anwendung 
finden; es erübrigt nichts anderes als auf dieſe 
fälle die Vorſchriften der ZPO. über das Koſten⸗ 
feſtſetzungsverfahren und feine Vorausſetzungen all⸗ 
gemein entſprechend anzuwenden. und daraus ergibt 
ſich die Zuläſſigkeit der Koſtenfeſtſetzung auch in 


den Fällen, in welchen ein Streit über die Höhe gelangen. 


und Notwendigkeit der Auslagen nicht beſteht. 
Nachdem im Vorſtehenden die Beſonderheiten 


) Vgl. die Abhandlung von Riß betr. „Die Koſten 


im eee in den BRA. Jahrg. 72 
S. 698. 


1) Vgl. RGE. in 38S. Bd. 42 S. 60 ff. 
11) Die Aufſtellung in der Abhandlung von Riß 
d. Anm. 9): „es fei völlig falſch, den Vergleich das Verz 
fahren beendigen zu laſſen; eine ſolche Uebung beruhe 


dem Amtsgericht 


zur Ausbildung dieſes Verfahrens geführt haben. 


Die vergleichsweiſe Erledigung der Privatklage⸗ 
ſachen iſt, von verſchwindenden Ausnahmen ab⸗ 
geſehen, der urteilsmäßigen vorzuziehen. Das 
ergibt ſich aus der beſonderen Natur der Privat⸗ 
klageſachen und lehrt die Erfahrung des täglichen 
Lebens.“) Die Mehrzahl der Privatklageſachen 
hat ihren Anlaß in dem durch die ſozialen Ver⸗ 
hältniſſe gebotenen Zuſammenleben einer größeren 
Anzahl von Menſchen auf engem Raume; man 
denke nur an die Streitigkeiten zwiſchen den In⸗ 
wohnern eines Miethauſes, deren Angehörigen, 
Kindern, Dienſtboten, an die Streitigkeiten zwi⸗ 
ſchen Nachbarn, zwiſchen den Angehörigen ſozialer, 
beruflicher, geſchäftlicher und geſelliger Verbände. 
So geringfügig nun meiſt die ſich hieraus ent⸗ 
wickelnden Differenzen an ſich ſind, ſo hochgradig 
pflegt die Erregung zu ſein, in die ſich die Par⸗ 
teien in ſolchen Dingen erfahrungsgemäß hinein⸗ 
leben; eine Erregung, die nicht auf die Parteien 
ſelbſt beſchränkt bleibt, ſondern regelmäßig zur 
Familien-, Berufs: od. Vereinsangelegenheit ſich 


auswächſt. Bei dieſer Sachlage und dem Um: 


ſtande, daß nur die den Gegenſtand der Privat⸗ 
und Widerklage bildende Streitigkeit der Parteien, 
nicht aber zugleich die damit oft aufs engſte zu⸗ 
ſammenhängenden und durch ſie mitveranlaßten 
Streitigkeiten der Angehörigen der Parteien oder 
der ihnen ſonſt naheſtehenden Perſonen durch das 


Urteil mit erledigt werden können, iſt es nicht zu 


— 


verwundern, daß auch ein vollkommen gerechtes Ur⸗ 
teil in den ſeltenſten Fällen eine wahre Erledigung 
d. h. Beendigung des Streites bringt, ſondern 
regelmäßig dem Unterlegenen und ſeinem Anhange 
Anlaß gibt, den Kampf um ſo erbitterter und 
ausgedehnter fortzuſetzen. Daraus ergeben ſich 
neue Streitigkeiten, neue Prozeſſe, die von der 
Gegenſeite nicht unerwidert bleiben. Die Er⸗ 
bitterung wächſt mit der Ausdehnung des Kampf⸗ 
feldes; ſie richtet ſich ſchließlich nicht nur mehr 
gegen die andere Partei und deren Anhang, ſon⸗ 
dern auch gegen die Zeugen — eine Meineids: 
anzeige jagt die andere — und ſchreckt auch nicht 
davor zurück, in ſtrafbarer Weiſe auf die Zeugen 
einzuwirken, um zu einem günſtigen Urteile zu 
Strafverfahren wegen Meineidsver⸗ 


leitung, Meineids, Anſtiftung hierzu, falſcher An⸗ 


auf einer Verwechslung des Privatklageverſahrens mit 
dem Zivilprozeß“, kann demnach als richtig nicht aner- 


lannt werden. 


ſchuldigung, Urkundenfälſchung u. a. bilden dann 
die Fortſetzung der meiſt ſo harmloſen Anfänge. 
Der finanzielle Ruin, der Zuſammenbruch ganzer 


Familien, der Ausbruch des ſo gefährlichen Queru— 


lantenwahns bilden dann den Abſchluß. 
Man glaube nicht, daß in dieſer Beziehung 
zu ſchwarz geſehen, zu ſehr verallgemeinert wurde. 


12) Vgl. die Abhandlung von Dr. Rumpf in den 
BURN. Bd. 64 S. 123. l 


120 Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 6. 


Die Ermittelungsakten der Staatsanwaltſchaften, 
die Gerichtsakten und Verhandlungen ſprechen 
eine zu beredte Sprache hinſichtlich dieſer ſo un⸗ 
erwünſchten Wirkungen von Urteilen in Privat⸗ 
klageſachen; faſt regelmäßig wird der Inſtanzenzug 
erſchöpft und dann, ſei es im Wege des Wieder⸗ 
aufnahmeverfahrens oder neuer Klagen, von vorne 
angefangen. 


Da entſpricht es doch wohl dem Intereſſe der 
Parteien und dem der Rechtspflege, wenn Urteile 
in Privatklageſachen nach Möglichkeit vermieden 
werden; das einzige Mittel hierzu bildet die ver⸗ 
gleichsweiſe Erledigung. Die ebenfalls daraufhin 
zielende Abſicht des Geſetzgebers wird durch das 
in $ 420 StPO. aufgeſtellte Erfordernis des 
Sühneverſuchs — ganz abgeſehen von der un⸗ 
begründeten Beſchränkung auf Beleidigungsſachen — 
verhältnismäßig ſelten erreicht. Ein erhebliches 
Hindernis bildet der Umſtand, daß die gemäß 
§ 420 StPO. eingeführten Sühneämter “) kein 
Mittel haben, das perſönliche Erſcheinen des Be⸗ 
klagten zu erzwingen.) Dann iſt es eine auf: 
fallende Tatſache, daß in vielen Fällen, in denen 
ein Vergleich vor der Sühnebehörde von den Par⸗ 
teien abgelehnt wurde, der gerichtliche Vergleich 
vor Eintritt in die Hauptverhandlung ohne 
Schwierigkeit gelingt. Es wäre irrig, anzunehmen, 
daß hieran eine ſachwidrige oder läſſige Behand⸗ 
lung der Sühneſachen durch die Sühnebehörden 
die Schuld trage. Die Gründe für die auffällige 
Erſcheinung liegen auf anderen Gebieten. Die 
Verhandlungen vor dem Sühneamt ſind nicht 
öffentlich und genügen daher denjenigen Parteien 
nicht, die ihre ſchmutzige Wäſche in der breiteſten 
Oeffentlichkeit gewaſchen ſehen möchten. Dazu 
bietet ihnen die öffentliche Verhandlung vor dem 
Schöffengerichte die Gelegenheit; dann genießt die⸗ 
jenige Behörde, die berufen iſt, beim Mißlingen 
der Vergleichsverhandlungen, Recht zu ſprechen, 
bei den Parteien ein höheres Anſehen und einen 
größeren Einfluß“) als das Sühneamt; endlich 
bietet der gerichtliche Vergleich den Vorteil, daß 
die Parteien die Leiſtung der übernommenen Ver⸗ 
pflichtungen nicht erft im Wege eines neuen (Zivil) 
Prozeſſes vom Gegner erzwingen müſſen.“) Die 
Einführung des gerichtlichen Vergleiches 
erwies ſich hiernach als ein dringendes 
Bedürfnis.) 

Dieſem ſuchen manche ſüddeutſche Gerichte da- 
durch gerecht zu werden, daß ſie nach Eröffnung 
des Hauptverfahrens, aber vor dem Hauptverhand⸗ 
lungstermin einen Sühnetermin ohne Zuziehung 


18) an u vgl. die Bek. vom 5. Auguſt 1879, 
JM Bl. 

14) z 115 Prot. der Ref Komm. Bd. II S. 59. 

5) RGE. in 3S. Bd. 42 S. 60 ff. 

16) Vgl. die Abhandlung von Ur. Rumpf in BI. 
Bd. 64 S. 119. 


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der Schöffen anberaumen und hierzu das perjönliche 
Erſcheinen der Parteien anordnen. 


In der Reformkommiſſion wurde ein 
die Zuläſſigkeit dieſes Verfahrens ausſprechender 
Zuſatz zu § 423 StPO. beantragt und zu- 
gunſten dieſes Antrages geltend gemacht: 
„Durch ihn ſolle für die erwähnte praktiſch be⸗ 
währte Uebung mancher ſüddeutſcher Gerichte die 
wohl fehlende geſetzliche Grundlage geſchaffen 
werden; der Richter vermöge die Sachlage beſſer 
zu überſehen als der Schiedsmann; er habe ein 
höheres Anſehen und einen größeren Einfluß auf 
die Parteien; dieſe ſeien, wenn die erſte Erregung 
nachgelaſſen habe, eher vergleichsbereit; Schwierig⸗ 
keiten ergaben ſich für die Parteien nicht, wenn 
die Vertretung!) durch Rechtsanwälte zugelaſſen 
werde; für den Fall des Ausbleibens des Klägers 
im Termine ſoll unter entſprechender Anwendung 
des 8 431 II StPO. die Klage als zurück⸗ 
genommen gelten.“ 


Gegen den Antrag wurde ausgeführt: 
„Man dürfe dem Verletzten das Privatklagerecht 
nicht allzuſehr erſchweren; es hieße dem Kläger 
zuviel zumuten, wenn man ihn nach erfolgtem 
Sühneverſuch vor dem Schiedsmann ſogleich zur 
Wiederholung des Verſuchs vor den Amtsrichter 
lade; keinesfalls dürfe der Amtsrichter Parteien, 
die nicht im Gerichtsbezirke wohnen, zum Sühne⸗ 
verſuch vorladen. Die Vertretung durch Rechts⸗ 
anwälte werde den Abſchluß von Vergleichen nicht 
gerade erleichtern. Anderſeits hätten die Rechts⸗ 
anwälte Grund zur Beſchwerde, wenn ſie, obwohl 
als Prozeßvertreter zu den Akten legitimiert, zu 
einem derartigen Termine nicht zugezogen würden; 
vor der mündlichen Verhandlung ſei der Richter 
regelmäßig nicht in der Lage, die tatſächlichen Vor⸗ 
gänge zu überſehen; ein vor der Hauptverhandlung 
abgeſchloſſener Vergleich gewähre auch dem Kläger 
nicht die Genugtuung, wie ſie eine in der öffentlichen 
Gerichtsſitzung abgegebene Erklärung ihm zu ver: 
ſchaffen vermöge. Es genüge vollkommen, 
daß der Richter gemäß § 427 III St PO. 
die Befugnis habe, während des Ver— 
fahrens das perſönliche Erſcheinen der 
Parteien anzuordnen und einen Ver⸗ 
gleich vor zuſchlagen. 

Der Antrag wurde hierauf zurückgezogen, wohl 
hauptſächlich mit Rückſicht auf den zuletzt er⸗ 
wähnten und ſtichhaltigſten Einwand, der zugleich 
eine Rechtfertigung des Nürnberger Verfahrens ent⸗ 
hält; letzteres teilt mit dem beantragten amts— 
richterlichen Sühneverſuch alle Vorzüge, aber keinen 
ſeiner Nachteile. [Fortſetzung folgt.) 


11) d. h. Verbeiſtandung. 


2 er 2 — —— — ——— ——— — — SIT 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


Mitteilungen ans der Praxis. 


Baheriſche Schützengeſellſchaften. Diemayr be: 
zeichnet es auf S. 104 dieſer Zeitſchrift als auffallend, 
daß ich und die anderen von ihm aufgeführten Autoren 
die „öffentlichrechtliche Befugnis“ der bayeriſchen 
Krone, Perſonenvereinigungen Rechtsfähigkeit zu ver⸗ 
leihen, nicht mehr erwähnen. Mit weit mehr Recht 
aber muß die Bemerkung des Verfaſſers als auf⸗ 
fallend bezeichnet, ja ſie muß als verfehlt und im 
Intereſſe der mühſam erworbenen Rechtseinheit ver: 
hängnisvoll aufs allerſchärfſte zurückgewieſen werden. 
Es befremdet zunächſt, wie Diemayr ſich für dieſe 
Frage noch auf Roth⸗Becher (2. Aufl. Bd. I S. 292 
Anm. 8) berufen kann. Denn wenn, was hier dahin: 
geſtellt bleiben mag, das Bayeriſche Vereinsgeſetz vom 
29. April 1869 die Zuläſſigkeit eine Verleihung der 
Vereinsrechte durch ſpezielle Verleihung nicht aus⸗ 
geſchloſſen hat, ſo liegt die Frage doch jetzt, gegenüber 
dem BGB., völlig anders. 

1. Dieſes ſchließt bekanntlich im EG. die privat: 
rechtlichen Vorſchriften der Landesgeſetze 
nicht nur für die Zukunft aus, ſondern beſeitigt auch die 
beſtehenden, ſoweit nicht einer der ſpeziellen oder 
generellen Vorbehalte reicht. Daß zu dieſen das 
Vereinsrecht nicht gehört, iſt bekannt; wie wenig 
man für dieſes dem Landesrecht Spielraum laſſen 
wollte, ergibt ſich z. B. aus § 22, wo die Möglichkeit, 
einem Wirtſchaftsvereine auch ohne Verleihung Rechts— 
fähigkeit zu verſchaffen, ausdrücklich nur einem Reichs- 
geſetz zugeſprochen wird. Es folgt auch aus der zur 
Genüge bekannten Entſtehungsgeſchichte, die zu einer 
Ausmerzung der für die Einzelſtaaten in Ausſicht 
genommenen Fähigkeit führte, den Idealvereinen neben 
der Eintragung die juriſtiſche Perſönlichkeit auf dem 
Wege der Verleihung zuzuweiſen. 

Landesgeſetz aber iſt ſelbſtverſtändlich auch 
das landes herrliche Privileg. Es unterſcheidet 
ſich vom gewöhnlichen Geſetz nur durch ſein Zuſtande— 
kommen keine Mitwirkung der ſonſtigen verfaſſungs— 
mäßigen Faktoren) und durch den Umfang ſeiner 


Wirkung (fBeſchränkung auf einen Sonderfall), aber 


nicht durch ſeinen Inhalt. Deſſen Bedeutung 
— ob privat: oder öffentlichrechtlich — ift genau nach 
denſelben Geſichtspunkten zu beſtimmen, wie bei 
ſonſtigen Rechtsſätzen. 
mayrs, die ſpezielle Konzeſſionierung privatrechtlicher 
Korporationen, zu denen die Schützengeſellſchaften 
ſelbſtverſtändlich gehören, dem öffentlichen Rechte 
zuzurechnen. Gewiß, wenn der Landesherr einen 
ſolchen Verleihungsakt annimmt, ſo tut er das als 
vornehmſtes Staatsorgan, kraft öffentlichrechtlicher 
Befugniſſe. Aber dieſe publiziſtiſche Natur teilt der 
Privilegierungsakt mit jedem anderen Geſetz— 
gebungsakt. Im Sinne Diemayrs müßte alſo 
Bayern noch Geſetze jeden Inhalts erlaſſen können, 
da der Geſetzgebungsakt als ſolcher ſtets öffentlich 
rechtlich, alſo durch Art. 55 nicht betroffen iſt. 

In Wahrheit aber kommt es natürlich für dieſe 
Frage nur auf den Inhalt des geſetzgebenden Aktes 
an; ſoweit dieſer, wie in unſerer Frage, privatrechtlich 
iſt, kann und darf der Einzelſtaat von ſeiner geſetz— 
gebenden Gewalt dem Reiche gegenüber eben keinen 
Gebrauch mehr machen. Die Form der landesrecht— 
lichen Rechtsbildung — Geſetz oder Privileg — iſt 
dabei nicht entſcheidend. 


121 


2. Aber auch wenn das nicht richtig wäre, bliebe 
die Poſition meines Gegners unhaltbar. Denn es 
iſt allgemein anerkannt und unbeſtreitbar, daß das 
Landesrecht gegenüber einem im BGB. fpeziell 
geregelten Punkte ſelbſt dann keine abweichenden 
Vorſchriften treffen oder beibehalten kann, wenn dieſer 
Punkt nach allgemeiner Auffaſſung oder doch nach 
Anſicht des betreffenden Einzelſtaates dem öffentlichen 
Recht angehört. Das Gegenteil würde dem Landes⸗ 
recht bequemſte Gelegenheit bieten, auf einem Umwege 
die Rechtseinheit wieder zu durchlöchern — eine uns 
annehmbare Eventualität! Daß aber BGB. 58 21—22 
die Entſtehung rechtsfähiger Vereine exkluſiv regeln 
wollten, bedarf keines weiteren Beweiſes. 

Prof. Dr. P. Oertmann in Erlangen. 


Zwei Bemerkungen zum ehrengerichtlichen Ber- 
fahren gegen Nechtsanwälte. 1. Nach § 73 der RAO. 
kann in der ehrengerichtlichen Vorunterſuchung gegen 
einen Rechtsanwalt die Beeidigung von Zeugen und 
Sachverſtändigen auch dann erfolgen, wenn die Vor— 
ausſetzungen des $ 65 Abſ. 2 und des 8 222 der 
StPO. nicht vorliegen. Der neu erſchienene Fried- 
länderſche Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung will 
dieſe Ausnahme von den Beſtimmungen der Straf— 
prozeßordnung auf die Vorunterſuchung beſchränkt 
wiſſen; für das vorbereitende Verfahren ſoll dagegen 
§ 65 Abſ. 3 und 4 StPO. unbeſchränkt gelten (Anm. 3 
und 7 zu § 73). Eine Begründung ift dieſer Anſicht 
nicht beigefügt: anſcheinend ſtützt ſie ſich ausſchließ— 
lich auf den Wortlaut der angeführten Beſtimmung. 

Die bayeriſche Praxis verfuhr bisher anders 
und zwar auf Grund einer oberſtrichterlichen Ent— 
ſcheidung, die ſchon wenige Monate nach dem In— 
krafttreten der Rechtsanwaltsordnung erging. Mit 
Beſchluß vom 18. Mai 1880 erklärte nämlich das 
Oberlandesgericht München die eidliche Vernehmung 


von Zeugen auch im vorbereitenden ehrengerichtlichen 


Es ift ein Grundfehler Die 


l 


Die 


Verfahren ohne Rückſicht auf die Schranken des § 65 
StVO. für zuläſſig. Der Beſchluß — abgedruckt in 
der Sammlung der Entſcheidungen in Strafſachen 
Bd. I S. 127 — erachtet den $ 65 StPO. im ehren- 
gerichtlichen Verfahren ſchlechthin nicht für anwend— 
bar; er begründet dies mit der ganzen Geſtaltung 
des Verfahrens, in welchem der Grundſatz der Münd— 
lichkeit nicht in dem Umfange durchgeführt ſei wie in 
dem Verfahren nach der Strafprozeßordnung und 
welches insbeſondere die Verleſung von Zeugen— 
ausſagen in viel weitergehendem Maße zulaſſe. 

Es beſteht wohl um ſo weniger Anlaß von der 
bisherigen Praxis abzugehen, als die Beeidigung der 
Zeugen und Sachverſtändigen im ehrengerichtlichen 
Vorverfahren auch einem tatſächlichen Bedürfnis ent— 
ſpricht. In der ehrengerichtlichen Hauptverhandlung 
bildet die Verleſung der Zeugen: und Sachverſtändigen— 
ausſagen die Regel; die perſönliche Vernehmung findet 
meiſt nur dann ſtatt, wenn ſie aus ſachlichen Gründen, 
insbeſondere zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit ge— 
boten iſt. Die Verleſung der Ausſage ſetzt voraus, 
daß die Vernehmung — ſoweit zuläſſig — eidlich 
erfolgte (Friedländer Anm. 5 zu § 88 R AO.). Hat 
Beeidigung im Vorverfahren nicht ſtattge— 
funden, fo muß fie nach der Eröffnung des Haupt— 
verfahrens nachgeholt werden. Wollte man an den 
Schranken des § 65 Abſ. 3 St O. feſthalten, ſo 


würde daher in der Regel die zweimalige Verneh— 


122 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


— ——— — ͤ ¹œqVãWũt ä a e e a e e 


mung der gleichen Perſon durch den nämlichen er⸗ 
ſuchten Richter erforderlich, das erſtemal vor der Er⸗ 
öffnung des Hauptverfahrens zum Zwecke der Auf⸗ 
klärung, das zweitemal nach der Eröffnung zum 
Zwecke der Beeidigung. Dies wäre nicht nur eine 
Belaſtung des Richters, ſondern auch eine ganz nutz⸗ 
loſe Beläſtigung des Zeugen oder Sachverſtändigen. 

2. Wegen der Handlungen, welche ein Rechtsanwalt 
vor ſeiner Zulaſſung begangen hat, iſt nach 8 64 
NAD. ein ehrengerichtliches Verfahren nur dann 
zuläſſig, wenn jene Handlungen die Ausſchließung 
von der Rechtsanwaltſchaft begründen. In der Anm. 6 


dem Mangel eines zuſtändigen Gerichts ($ 68 RA O.) 
mit der Verfolgung zunächſt innegehalten werden; 
wird aber durch erneute Eintragung wieder eine Zu⸗ 
ſtändigkeit begründet, ſo ſteht der weiteren Verfolgung 
kein Hindernis entgegen. $ 64 RAO. kommt bier 
überhaupt nicht in Betracht. Damit verliert auch die 
von Friedländer aufgeworfene Frage, ob der $ 64 nur 
die letzte oder auch eine frühere Zulaſſung im Auge 
habe, ihre praktiſche Bedeutung. § 64 verfolgt das 
Ziel, einen Rechtsanwalt, der zu einer Zeit, da er 
noch nicht Rechtsanwalt war, ſich eines Verhaltens 
ſchuldig gemacht hat, welches die Ausſchließung aus 
zu $ 64 wirft Friedländer die Frage auf, ob hier unter der Rechtsanwaltſchaft bedingen würde und der daber 
Zulaſſung nur die letzte oder auch jede frühere ver- nach 8 5 Nr. 5 RAO. überhaupt nicht hätte zugelaſſen 
ſtanden fei. Er entſcheidet ſich für die erſte Alter- werden follen, wieder aus der Rechtsanwaltſchaft zu 


native und zieht daraus den Schluß, daß ein Rechts⸗ entfernen. Das erkennende Gericht hat daher hier 
anwalt, der eine ehrengerichtlich ſtrafbare, jedoch nicht nur die Wahl zwiſchen Freiſprechung oder Aus⸗ 
zur Ausſchließung führende Handlung begangen und ſchließung von der Rechtsanwaltſchaft (Friedländer 
vor Einleitung eines ehrengerichtlichen Strafverfahrens Anm. 8—10 zu § 64). Rückwirkende Kraft ift der 
die Zulaſſung aufgegeben hat, nach erneuter Zulaſſung Ausſchließung nirgends beigelegt; fie tritt erft mit 
wegen jener Handlung nicht beſtraft werden könne. der Rechtskraft des Urteils in Wirkſamkeit (§ 96 
Ich halte dies nicht für richtig. RAO .). Inſoferne ift es zweifellos richtig, daß fie 

Auf Handlungen während der Zugehörigkeit zur eine frühere, inzwiſchen wieder aufgegebene Zulaſſung 
Rechtsanwaltſchaft bezieht fih der S 64 RAO. über- nicht beſeitigen kann; fie hebt ja auch die Wirkungen 
haupt nicht. Daß Pflichtverletzungen, die im Rechts⸗ der letzten Zulaſſung erſt mit der Rechtskraft des 
anwaltsſtande begangen find, die ehrengerichtliche Be- Urteils auf. Dagegen ift es völlig gleichgültig, ob 
ſtrafung begründen, ift in S 62 RAO. ausnahmslos aus⸗ das unwürdige Verhalten ſchon in die Zeit vor einer 
geſprochen. $ 64 bringt keine Einſchränkung des $ 62 früheren Zulaſſung oder erft in die Zeit zwiſchen der 
in dem Sinne, daß die nach 8 62 eingetretene „Ver: Aufgabe dieſer und dem Eintritt der neuen Zulaſſung 
wirkung der Beſtrafung“ durch rechtzeitige Aenderung fällt; hier wie dort kann es zum Gegenſtande des 
der Zulaſſung wieder beſeitigt werden könne, ſondern Verfahrens gemacht werden. 
eine Erweiterung, indem er eine Verfolgung auch Burkhardt, Staatsanwalt am OLG. München. 
wegen ſolcher Handlungen eintreten läßt, die auber- 
halb des Rechtsanwaltsſtandes begangen ſind und 
daher von 8 62 nicht erfaßt werden. 

Einen wertvollen Fingerzeig in dieſer Richtung 
gibt § 68 RAO., der für die örtliche Zuſtändigkeit 
des Ehrengerichts die Kammerzugehörigkeit des An- 
geſchuldigten zur Zeit der Erhebung der Klage ent- 
ſcheidend ſein läßt. Daß das Kammermitglied der 
ehrengerichtlichen Strafgewalt des Vorſtands ſeiner 
Kammer unterſteht, folgt ſchon aus § 49 Nr. 1 RAO. 

Die Regelung des 8 68 wäre daher überflüſſig, wenn 

es ſich nur um die Verfolgung von Pflichtverletzungen 

aus der Zeit ſeit der letzten Zulaſſung oder um Be— 1. Außerhalb der gebahnten Wege und Straßen 

ſeitigung eines bei dieſer Zulaſſung begangenen mit Wagen aller Art, mit Karren, Kinderwagen, 

Fehlers handeln könnte. Ein Zweifel an der Zur Fahrrädern und Motorfahrzeugen zu fahren, zu reiten, 
| 
| 


Mangel eines ſtrafrechtlichen Schutzes der Ab- 
ſperrung von Waldungen. Das Bezirksamt München 
hat auf Grund des Art. 3 Abſ. 2 der Gem O., des 
8 366 Nr. 10 StGB., des Art. 2 Ziff. 6 und des 
Art. 95 PStGBB. für den ausmärkiſchen Bezirk 
Perlach⸗ Grünwalder Park eine ortspolizeiliche Vor- 
ſchrift erlaſſen, wonach vorbehaltlich beſonderer Er⸗ 
laubniserteilung an die Käufer und Empfänger von 
Forſtprodukten in dem Parke verboten iſt: 


ſtändigkeit wäre hier unmöglich, da überhaupt nur zu gehen, Fahrräder zu ſchieben, Zugtiere zu führen 

ein Gericht in Betracht kommen würde. Die Not: oder Vieh zu treiben, 

wendigkeit, zwiſchen verſchiedenen Gerichten zu wählen, 2. Hunde freilaufen zu laſſen, 

kann ſich nur ergeben, wenn eine Aenderung der Zu— 3. Beeren, Schwämme, Leſeholz und andere Wald— 

laſſung eingetreten ift; nur dann ift eine Kolliſion erzeugniſſe zu ſammeln, 

zwiſchen den Strafgewalten der Vorſtände verſchiedener 4. mit Piſtolen, Revolvern und anderem Schieß— 

Kammern denkbar. Da nun das Geſetz eine beſondere werkzeuge zu ſchießen, 

Regelung der örtlichen Zuſtändigkeit für notwendig 5. Zäune zu überſteigen und die eingezäunten 

erachtet hat, muß es doch wohl von der Möglichkeit Kulturorte zu betreten. 

einer ſolchen Kolliſion ausgegangen ſein. Der Strafſenat des bayeriſchen Oberſten Landes- 
Pflichtverletzungen während der Zugehörigkeit | gerichts hatte am 28. Dezember 1907 Gelegenheit, 

zum Anwaltsſtande können daher auch nach der Auf- Wdie geſetzliche Gültigkeit der ortspolizeilichen Vorſchrift 

gabe der Zulaſſung verfolgt werden. Dies gilt zu prüfen. Gegen mehrere Perſonen war Anklage 

ſchlechthin, wenn die Aufgabe erſt nach der Erhebung erhoben worden, weil ſie im Perlach-Grünwalder 

der öffentlichen Klage erfolgt. Hier ift nach der feft- Park Zäune überſtiegen hatten. In den Vorinſtanzen 

ſtehenden Praxis des Ehrengerichtshofes (Friedländer war Freiſprechung erfolgt, weil für das Verbot in 

Anm. 11 zu § 68 RAO.) das Verfahren ohne Rück- Ziff. 5 der ortspolizeilichen Vorſchrift die erforderliche 

ſicht auf die Aufgabe fortzuſetzen. Scheidet dagegen geſetzliche Ermächtigung fehle. Das Oberſte Landes- 

der Schuldige noch vor der Erhebung der Klage aus gericht erklärte die Reviſion des Staatsanwaltes, die 

der Rechtsanwaltſchaft aus, jo muß allerdings bei | Verlegung des Art. 95 PStGB. durch Verkennung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


des Begriffs „öffentliche Anlagen und Spaziergänge“ 
rügte, für nicht begründet. 


Aus den Gründen des Urteils: Auf 8 366 
Nr. 10 StGB. kann das Verbot. Zäune zu überſteigen, 
nicht geſtützt werden, da das Ueberſteigen der Zäune 
die Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs auf 
den in dem Parke befindlichen, entſernt vom Zaune 
gelegenen Straßen nicht gefährdet. Aber auch Art. 95 
P StGB. bildet keine Unterlage für das Verbot. Nach 
den tatſächlichen Feſtſtellungen ift der Perlach⸗-Grün⸗ 
walder Park ein 2800 ha großer, in Geräumte geteilter, 
der Hauptſache nach aus Fichten- und Föhrenbeſtänden 
beſtehender Staatsforſt, der rings von einem 2— 2,30 m 
hohen Zaune umgeben und von drei oder vier öffent- 
lichen Straßen durchzogen wird; der Park wird aus- 
ſchließlich nach forſtwirtſchaftlichen Grundſätzen ver- 
maltet; Rückſichten auf das den Park aufſuchende Publikum 
werden nicht geübt; ſo wird insbeſondere bei dem 
Abtriebe von Waldparzellen nicht darauf geachtet, 
daß einzelne durch landſchaftliche Schönheit aus— 
gezeichnete Partien erhalten bleiben; ebenſowenig 
werden bei Nachpflanzungen Forderungen der Aeſthetik 
beachtet; die Kulturen werden vielmehr ausſchließlich 
nach forſttechniſchen Grundſätzen angelegt; das im 
Parke gehegte Wild wird lediglich zur Jagd gehalten. 
Hiernach ift der Perlach- Grünwalder Park ein um- 
zäunter Wald. Für ſeine Eigenſchaft als Wald 
ſpricht auch ſeine Bezeichnung als ausmärkiſcher Bezirk, 
da nach Art. 3 Abſ. 1 der GemO. nur größere 
Waldungen, Freigebirge und Seen von der Zus 
gehörigkeit zu einem Gemeindebezirk ausgenommen 
ſind. Als „Waldung“ unterliegt der Park nur den 
im Forſtgeſetze (vgl. Art. 92) aufgeſtellten forſt⸗ 
polizeilichen Strafbeſtimmungen. Mit der Feſtſtellung, 
daß der Park ausſchließlich eine Waldung iſt, läßt ſich 
die Annahme, daß ihm die Eigenſchaft einer Anlage 
zukomme, nicht vereinbaren. Die von der Vorinſtanz 
gegebene Beſtimmung des Begriffs „Anlage“ im Sinne 
des Art. 95 PStGB. als „einer der Benutzung durch 
das Publikum, ſeiner Erholung und ſeinem Vergnügen 
gewidmeten, durch Menſchenhand geſchaffenen oder 
jenen Zwecken angepaßten Pflanzung, die durch Anlage 
gut gepflegter Straßen und Fußwege und durch Auf— 
ſtellen von Ruhebänken dem Publikum den Aufenthalt 
möglichſt angenehm machen folt — läßt einen Rechts⸗ 
irrtum nicht erſehen (vgl. Sammi. von Entſch. des 
Obè G. Bd. 4 S. 99). Da hiernach das Verbot des 
Ueberſteigens der Zäune nicht eine Anlage im Sinne 
des Art. 95 PStGB. betrifft, konnte es auf Grund 
dieſer Geſetzesbeſtimmung nicht erlaſſen werden. Das 
Verbot findet auch in einer anderen Geſetzesbeſtimmung 
keine rechtliche Grundlage, entbehrt daher der geſetz— 
lichen Gültigkeit. Dieſe war nach Art. 15 PStGB. 
vom Richter in Erwägung zu ziehen. 


Das oberſtrichterliche Erkenntnis verdient all 
gemeines Intereſſe. Es beſchäftigt ſich zwar aus— 
drücklich nur mit einem nebenſächlichen Punkte der 
ortspolizeilichen Vorſchrift des Bezirksamtes München 
für den Perlach⸗- Grünwalder Park, mit dem Verbote, 
Zäune zu überſteigen. Allein feine Erwägungen müſſen 
dazu führen, auch dem wichtigſten Punkte der Vor— 
ſchrift, dem Verbote jeglichen Verkehrs außerhalb der 
gebahnten Wege und Straßen (Ziff. 1) geſetzliche 
Gültigkeit abzuſprechen. Denn auf eine andere geſetz— 
liche Beſtimmung als die des Art. 95 PStGGBB. kann 
auch dieſe Vorſchrift nicht geſtützt werden. Die Be— 
ſtimmung des § 366 Nr. 10 StGB. bildet felbit: 
verſtändlich für ſie ebenfalls keine Grundlage. Dieſes 
Ergebnis iſt inſofern beachtenswert, als es den 
namentlich in der Umgebung von Großſtädten bei 
Staats- wie bei Gemeinde-, Stiftungs-, Körperſchafts— 
und Privatwaldungen auftretenden Beftrebungen 


begegnet, im Intereſſe der Forſtwirtſchaft und Jagd 
das Durchſtreifen der Waldungen durch das Publikum 
zu verhindern. Es beſchränkt dieſe Beſtrebungen auf 
die Zuhilfenahme der zivilrechtlichen Schutzmittel. 
Auf ſtrafrechtlichen Schutz müſſen ſie verzichten. Wenn 
die Erlaſſung von ober-, diſtrikts⸗ oder ortspolizeilichen 
Vorſchriften ähnlichen Inhalts wie die hier beſprochene 
Vorſchrift des Bezirksamtes München unzuläſſig iſt, 
ſo begründet das Betreten von Wäldern außerhalb 
der öffentlichen Wege keine Strafbarkeit, ſofern nicht 
die beſonderen Tatbeſtände eines Forſtfrevels (Art. 88 ff. 
des Forſt G.) oder einer Uebertretung nach $ 368 Nr. 9 
StGB. gegeben find, oder die Handlung aus einem 
anderen rechtlichen Geſichtspunkte, wie aus dem Geſichts— 
punkte der 88 123, 303 StGB., ſtrafbar ift. Dieſe 
Rechtslage kann zu einem eigenartigen Ergebniſſe 
führen. Falls nämlich das Betreten von Waldflächen 
und etwaiger den Wald durchziehender Privatwege 
unter Anbringung von Warnungszeichen verboten ift, 
unterliegt die Benützung der Privatwege nach $ 368 
Nr. 9 StGB. ſtrafrechtlicher Ahndung, während das 
e der Waldflächen nicht beſtraft werden 
ann. 
III. Staatsanwalt Dr. Dürr in München. 


Ans der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


1. Gine e Einwirkung auf ein Grundſtück 

. S. des 7 Abſ. 1 BGY. kann in der Beſchattung 

des Grund ido und in ber Verhinderung des Luft: 
e a. gefunden werden. 

Nach gemeinem Rechte beſteht bei der Vornahme 
von S en an einer öffentlichen Straße eder 
gänzlicher Aufhebung der Straße kein Schadenserſatz⸗ 
anne der Anlieger. 

1. Das OLG. chalt den Anſpruch auf Schadens- 
erſatz wegen Entziehung von Licht und Luft, die vor— 
übergehend durch Aufſtellen der Bauplanke und 
dauernd durch Herſtellung der Straßen-Ueberbrückung 
vor dem klägeriſchen Hauſe erfolgt ſei, inſoweit für 
unbegründet, als der Anſpruch fih auf 8 907 BGB. 
ſtüßt. Dies ift zutreffend. Eine unzuläſſige Ein- 
wirkung im Sinne dieſer Vorſchrift iſt durch die Eiſen— 
bahnanlage in dieſer Hinſicht nicht erfolgt. Unter 
Einwirkung iſt ein Eindringen zu ver⸗ 
ſtehen, durch das greifbare oder ſinnlich 
wahrnehmbare Stoffe hinübergeführt 
werden, die alſo poſitive Eingriffe in das Nachbar— 
grundſtück enthalten. Anlagen, die das Nachbar— 


grundſtück zwar beeinträchtigen, aber in anderer Weiſe 


als durch ſtoffliches Hinüberwirken, alſo wie hier 
durch Werfen von Schatten und Behinderung des 
N fallen nicht unter § 907 BGB. 

Das OLG. verneint aber auch, daß den Klägern 
1 als Straßenanliegern ein beſonderes Recht auf 
Nichtbehinderung des Zutrittes von Licht und Luft 
durch Anlagen auf dem Terrain auf Grund des Um— 
ſtandes zuſtehe, daß der vor ihrem Hauſe befind— 
liche Grund und Boden, auf dem die Bauplanke er— 
richtet und über den die Eiſenbahnbrücke hinweggeführt 
worden iſt, ein öffentlicher Grund ſei. Da es ſich 
dabei nur um nachbarrechtliche Beſchränkungen des 
Eigentums an dem Terrain zugunſten der Straßen— 
anlieger handeln kann, prüft er dieſe Frage gemäß 
Art. 124 EG. z. BGB. mit Recht nach dem in H. als 


122 


mung der gleichen Perſon durch den nämlichen er⸗ 
ſuchten Richter erforderlich, das erſtemal vor der Er⸗ 
öffnung des Hauptverfahrens zum Zwecke der Auf⸗ 
klärung, das zweitemal nach der Eröffnung zum 
Zwecke der Beeidigung. Dies wäre nicht nur eine 
Belaſtung des Richters, ſondern auch eine ganz nutz⸗ 
loſe Beläſtigung des Zeugen oder Sachverſtändigen. 

2. Wegen der Handlungen, welche ein Rechtsanwalt 
vor feiner Zulaſſung begangen hat, ift nach § 64 
RAO. ein ehrengerichtliches Verfahren nur dann 
zuläſſig, wenn jene Handlungen die Ausſchließung 
von der Rechtsanwaltſchaft begründen. In der Anm. 6 
zu 8 64 wirft Friedländer die Frage auf, ob hier unter 
Zulaſſung nur die letzte oder auch jede frühere ver⸗ 
ſtanden fei. Er entſcheidet fih für die erſte Alter- 
native und zieht daraus den Schluß, daß ein Rechts⸗ 
anwalt, der eine ehrengerichtlich ſtrafbare, jedoch nicht 
zur Ausſchließung führende Handlung begangen und 
vor Einleitung eines ehrengerichtlichen Strafverfahrens 
die Zulaſſung aufgegeben hat, nach erneuter Zulaſſung 
wegen jener Handlung nicht beſtraft werden könne. 
Ich halte dies nicht für richtig. 

Auf Handlungen während der Zugehörigkeit zur 
Rechtsanwaltſchaft bezieht ſich der S 64 RAD. iiber- 
haupt nicht. Daß Pflichtverletzungen, die im Rechts⸗ 
anwaltsſtande begangen ſind, die ehrengerichtliche Be⸗ 
ſtrafung begründen, ift in § 62 RAO. ausnahmslos aus: 
geſprochen. § 64 bringt keine Einſchränkung des 8 62 
in dem Sinne, daß die nach § 62 eingetretene „Ver⸗ 
wirkung der Beſtrafung“ durch rechtzeitige Aenderung 
der Zulaſſung wieder beſeitigt werden könne, ſondern 
eine Erweiterung, indem er eine Verfolgung auch 
wegen ſolcher Handlungen eintreten läßt, die außer⸗ 
halb des Rechtsanwaltsſtandes begangen ſind und 
daher von 8 62 nicht erfaßt werden. 

Einen wertvollen Fingerzeig in dieſer Richtung 
gibt 8 68 RAO., der für die örtliche Zuſtändigkeit 
des Ehrengerichts die Kammerzugehörigkeit des An⸗ 
geſchuldigten zur Zeit der Erhebung der Klage ent⸗ 
ſcheidend ſein läßt. Daß das Kammermitglied der 
ehrengerichtlichen Strafgewalt des Vorſtands ſeiner 
Kammer unterſteht, folgt ſchon aus § 49 Nr. 1 RAO. 
Die Regelung des 8 68 wäre daher überflüſſig, wenn 
es ſich nur um die Verfolgung von Pflichtverletzungen 
aus der Zeit feit der letzten Zulaſſung oder um Pe- 
ſeitigung eines bei dieſer Zulaſſung begangenen 
Fehlers handeln könnte. Ein Zweifel an der Zu⸗ 
ſtändigkeit wäre hier unmöglich, da überhaupt nur 
ein Gericht in Betracht kommen würde. Die Not- 
wendigkeit, zwiſchen verſchiedenen Gerichten zu wählen, 
kann ſich nur ergeben, wenn eine Aenderung der Zu— 
laſſung eingetreten iſt; nur dann iſt eine Kolliſion 
zwiſchen den Strafgewalten der Vorſtände verſchiedener 
Kammern denkbar. Da nun das Geſetz eine beſondere 
Regelung der örtlichen Zuſtändigkeit für notwendig 
erachtet hat, muß es doch wohl von der Möglichkeit 
einer ſolchen Kolliſion ausgegangen ſein. 

Pflichtverletzungen während der Zugehörigkeit 
zum Anwaltsſtande können daher auch nach der Auf- 
gabe der Zulaſſung verfolgt werden. Dies gilt 
ſchlechthin, wenn die Aufgabe erſt nach der Erhebung 
der öffentlichen Klage erfolgt. Hier iſt nach der feſt— 
ſtehenden Praxis des Ehrengerichtshofes (Friedländer 
Anm. 11 zu 8 68 RAO.) das Verfahren ohne Rück⸗ 
ſicht auf die Aufgabe fortzuſetzen. Scheidet dagegen 
der Schuldige noch vor der Erhebung der Klage aus 
der Rechtsanwaltſchaft aus, ſo muß allerdings bei 


i 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


dem Mangel eines zuſtändigen Gerichts (§ 68 RAT) 
mit der Verfolgung zunächſt innegebalten werden: 
wird aber durch erneute Eintragung wieder eine Zu⸗ 
ſtändigkeit begründet, ſo ſteht der weiteren Verfolgung 
fein Hindernis entgegen. 8 64 RALO. kommt bier 
überhaupt nicht in Betracht. Damit verliert auch die 
von Friedländer aufgeworfene Frage, ob der $ 64 nur 
die letzte oder auch eine frühere Zulaſſung im Auge 
habe, ihre praktiſche Bedeutung. § 64 verfolgt das 


= am — — — — I 


Ziel, einen Rechtsanwalt, der zu einer Zeit, da er 


noch nicht Rechtsanwalt war, ſich eines Verhaltens 
ſchuldig gemacht hat, welches die Ausſchließung aus 
der Rechtsanwaltſchaft bedingen würde und der daber 
nach 8 5 Nr. 5 RAO. überhaupt nicht hätte zugelaſſen 


werden ſollen, wieder aus der Rechtsanwaltſchaft zu 
entfernen. Das erkennende Gericht hat daher bier 


nur die Wahl zwiſchen Freiſprechung oder Aus⸗ 
ſchließung von der Rechtsanwaltſchaft (Friedländer 
Anm. 8—10 zu 8 64). Rückwirkende Kraft iſt der 
Ausſchließung nirgends beigelegt; ſie tritt erſt mit 
der Rechtskraft des Urteils in Wirkſamkeit (8 % 
RAD) Inſoferne iſt es zweifellos richtig, daß fe 
eine frühere, inzwiſchen wieder aufgegebene Zulaſſung 


-æ — 


nicht beſeitigen kann; ſie hebt ja auch die Wirkungen 


der letzten Zulaſſung erſt mit der Rechtskraft des 
Urteils auf. Dagegen iſt es völlig gleichgültig, ob 


das unwürdige Verhalten ſchon in die Zeit vor einer 


früheren Zulaſſung oder erſt in die Zeit zwiſchen der 
Aufgabe dieſer und dem Eintritt der neuen Zulaſſung 
fällt; hier wie dort kann es zum Gegenſtande des 
Verfahrens gemacht werden. 


Burkhardt, Staatsanwalt am OLG. München. 


Mangel eines ſtrafrechtlichen Schutzes der Si: 
ſperrung von Waldungen. Das Bezirksamt München 
hat auf Grund des Art. 3 Abſ. 2 der GemO, des 
§ 366 Nr. 10 StGB., des Art. 2 Ziff. 6 und des 
Art. 95 PStGBB. für den ausmärkiſchen Bezirk 
Perlach⸗Grünwalder Park eine ortspolizeiliche Vor⸗ 
ſchrift erlaſſen, wonach vorbehaltlich beſonderer Er⸗ 
laubniserteilung an die Käufer und Empfänger von 
Forſtprodukten in dem Parke verboten iſt: 

1. Außerhalb der gebahnten Wege und Straßen 
mit Wagen aller Art, mit Karren, Kinderwagen, 
Fahrrädern und Motorfahrzeugen zu fahren, zu reiten, 
zu gehen, Fahrräder zu ſchieben, Zugtiere zu führen 
oder Vieh zu treiben, 

2. Hunde freilaufen zu laffen, 

3. Beeren, Schwämme, Leſeholz und andere Wald⸗ 
erzeugniſſe zu ſammeln, 

4. mit Piſtolen, Revolvern und anderem Schieß⸗ 
werkzeuge zu ſchießen, 

5. Zäune zu überſteigen und die eingezäunten 
Kulturorte zu betreten. 

Der Strafſenat des bayeriſchen Oberſten Landes 
gerichts hatte am 28. Dezember 1907 Gelegenbeit, 
die geſetzliche Gültigkeit der ortspolizeilichen Vorſchrift 
zu prüfen. Gegen mehrere Perſonen war Anllage 
erhoben worden, weil fie im Perlach-Grünwalder 
Park Zäune überſtiegen hatten. In den Vorinſtanzen 
war Freiſprechung erfolgt, weil für das Verbot in 
Ziff. 5 der ortspolizeilichen Vorſchrift die erforderliche 
geſetzliche Ermächtigung fehle. Das Oberſte Landes 
gericht erklärte die Reviſion des Staatsanwaltes, die 
Verletzung des Art. 95 PStGB. durch Verkennung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


des Begriffs „öffentliche Anlagen und Spaziergänge“ 
rügte, für nicht begründet. 


Aus den Gründen des Urteils: Auf § 366 
Nr. 10 StGB. kann das Verbot. Zäune zu überſteigen, 
nicht geſtützt werden, da das Ueberſteigen der Zäune 
die Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs auf 
den in dem Parke befindlichen, entfernt vom Zaune 
gelegenen Straßen nicht gefährdet. Aber auch Art. 95 
StB. bildet keine Unterlage für das Verbot. Nach 
den tatſächlichen Feſtſtellungen ift der Perlach⸗Grün⸗ 
walder Park ein 2800 ha großer, in Geräumte geteilter, 
der Hauptſache nach aus Fichten⸗ und Föhrenbeſtänden 
beſtehender Staatsforſt, der rings von einem 2—2,30 m 
hohen Zaune umgeben und von drei oder vier öffent⸗ 
lichen Straßen durchzogen wird; der Park wird aus⸗ 
ſchließlich nach forſtwirtſchaftlichen Grundſätzen ver⸗ 
waltet, Rückſichten auf das den Park aufſuchende Publikum 
werden nicht geübt; ſo wird insbeſondere bei dem 
Abtriebe von Waldparzellen nicht darauf geachtet, 
daß einzelne durch landſchaftliche Schönheit aus⸗ 
gezeichnete Partien erhalten bleiben; ebenſowenig 
werden bei Nachpflanzungen Forderungen der Aeſthetik 
beachtet; die Kulturen werden vielmehr ausſchließlich 
nach forſttechniſchen Grundſätzen angelegt; das im 
Parke gehegte Wild wird lediglich zur Jagd gehalten. 
diernach iſt der Perlach⸗ Grünwalder Park ein um⸗ 
zäunter Wald. Für ſeine Eigenſchaft als Wald 
ſpricht auch ſeine Bezeichnung als ausmärkiſcher Bezirk, 
da nach Art. 3 Abſ. 1 der GemO. nur größere 
Waldungen, Freigebirge und Seen von der Zus 
gehörigkeit zu einem Gemeindebezirk ausgenommen 
nnd. Als „Waldung“ unterliegt der Park nur den 
im Forſtgeſetze (vgl. Art. 92) aufgeſtellten forſt⸗ 
volizeilichen Strafbeſtimmungen. Mit der Feſtſtellung, 
daß der Park ausſchließlich eine Waldung iſt, läßt ſich 
die Annahme, daß ihm die Eigenſchaft einer Anlage 
zukomme, nicht vereinbaren. Die von der Vorinſtanz 
gegebene Beſtimmung des Begriffs „Anlage“ im Sinne 
des Art. 95 PStGB. als „einer der Benutzung durch 
das Publikum, ſeiner Erholung und ſeinem Vergnügen 
gewidmeten, durch Menſchenhand geſchaffenen oder 
jenen Zwecken angepaßten Pflanzung, die durch Anlage 
gut gepflegter Straßen und Fußwege und durch Auf⸗ 
ſtellen von Ruhebänken dem Publikum den Aufenthalt 
möglichſt angenehm machen foll* — läßt einen Rechts⸗ 
irrtum nicht erſehen (vgl. Samml. von Entſch. des 
Obs. Bd. 4 S. 99). Da hiernach das Verbot des 
leberſteigens der Zäune nicht eine Anlage im Sinne 
des Art. 95 PStGB. betrifft, konnte es auf Grund 
dieſer Geſetzesbeſtimmung nicht erlaſſen werden. Das 
Berbot findet auch in einer anderen Geſetzesbeſtimmung 
keine rechtliche Grundlage, entbehrt daher der geſetz— 
lichen Gültigkeit. Dieſe war nach Art. 15 PStGB. 
vom Richter in Erwägung zu ziehen. 


Das oberſtrichterliche Erkenntnis verdient all: 
gemeines Intereſſe. Es beſchäftigt fih zwar aus- 
drücklich nur mit einem nebenſächlichen Punkte der 
ortspolizeilichen Vorſchrift des Bezirksamtes München 
für den Perlach⸗ Grünwalder Park, mit dem Verbote, 
Zäune zu überſteigen. Allein ſeine Erwägungen müſſen 
dazu führen, auch dem wichtigſten Punkte der Vor⸗ 
ſchrift, dem Verbote jeglichen Verkehrs außerhalb der 
gebahnten Wege und Straßen (Ziff. 1) geſetzliche 
Gültigkeit abzuſprechen. Denn auf eine andere geſetz⸗ 
liche Beſtimmung als die des Art. 95 PStGB. kann 
auch diefe Vorſchrift nicht geſtützt werden. Die Be: 
ſtimmung des 8 366 Nr. 10 StGB. bildet ſelbſt— 


—— ——————————————— ¶ —ä4ůj.ͤ uru— — — 0 ᷣ jꝰn = = rn sr 


verſtändlich für fie ebenfalls keine Grundlage. Tiefe 


Ergebnis iſt inſofern beachtenswert, als es den 


namentlich in der Umgebung von Großſtädten bei 


Staats⸗ wie bei Gemeinde-, Stiftungs-, Körperſchafts⸗ 
und Privatwaldungen auftretenden Beſtrebungen 


123 


begegnet, im Intereſſe der Forſtwirtſchaft und Jagd 
das Durchſtreifen der Waldungen durch das Publikum 
zu verhindern. Es beſchränkt dieſe Beſtrebungen auf 
die Zuhilfenahme der zivilrechtlichen Schutzmittel. 
Auf ſtrafrechtlichen Schutz müſſen ſie verzichten. Wenn 
die Erlaſſung von ober-, diſtrikts⸗ oder ortspolizeilichen 
Vorſchriften ähnlichen Inhalts wie die hier beſprochene 
Vorſchrift des Bezirksamtes München unzuläſſig iſt, 
ſo begründet das Betreten von Wäldern außerhalb 
der öffentlichen Wege keine Strafbarkeit, ſofern nicht 
die beſonderen Tatbeſtände eines Forſtfrevels (Art. 88 ff. 
des Forft G.) oder einer Uebertretung nach $ 368 Nr. 9 
StGB. gegeben find, oder die Handlung aus einem 
anderen rechtlichen Geſichtspunkte, wie aus dem Geſichts⸗ 
punkte der 88 123, 303 StGB., ſtrafbar ift. Dieſe 
Rechtslage kann zu einem eigenartigen Ergebniſſe 
führen. Falls nämlich das Betreten von Waldflächen 
und etwaiger den Wald durchziehender Privatwege 
unter Anbringung von Warnungszeichen verboten ift, 
unterliegt die Benützung der Privatwege nach § 368 
Nr. 9 StGB. ſtrafrechtlicher Ahndung, während das 
. der Waldflächen nicht beſtraft werden 
ann. 
III. Staatsanwalt Dr. Dürr in München. 


Aus der Praxis der Gerichte. 
Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 


I 


1. Eine unzuläſſige Einwirkung anf ein Grundſtück 
i. S. des 5 907 Abſ. 1 B. kann in der Beſchattung 
des Grundſtücks und in der Verhinderung des Luft: 
zutritts wicht gefunden werden. i 

2. Nach gemeinem Rechte beſteht bei der Bornahme 
von Veränderungen an einer öffentlichen Straße oder 
gänzlicher Aufhebung der Straße kein Schadenserſatz⸗ 
auſpruch der Anlieger. 

1. Das OLG. hält den Anſpruch auf Schadens⸗ 
erſatz wegen Entziehung von Licht und Luft, die vor⸗ 
übergehend durch Aufſtellen der Bauplanke und 
dauernd durch Herſtellung der Straßen-Ueberbrückung 
vor dem klägeriſchen Hauſe erfolgt ſei, inſoweit für 
unbegründet, als der Anſpruch fih auf S 907 BGB. 
ſtützt. Dies ift zutreffend. Eine unzuläſſige Ein- 
wirkung im Sinne dieſer Vorſchrift iſt durch die Eiſen⸗ 
bahnanlage in dieſer Hinſicht nicht erfolgt. Unter 
Ein wirkung ift ein Ein dringen zu ver-s: 
ſtehen, durch das greifbare oder ſinnlich 
wahrnehmbare Stoffe hinübergeführt 
werden, die alſo poſitive Eingriffe in das Nachbar- 
grundſtück enthalten. Anlagen, die das Nachbar- 
grundſtück zwar beeinträchtigen, aber in anderer Weiſe 
als durch ſtoffliches Hinüberwirken, alſo wie hier 
durch Werfen von Schatten und Behinderung des 
Luftzutrittes, fallen nicht unter § 907 BGB. 

2. Das OL G. verneint aber auch, daß den Klägern 
etwa als Straßenanliegern ein beſonderes Recht auf 
Nichtbehinderung des Zutrittes von Licht und Luft 
durch Anlagen auf dem Terrain auf Grund des Um— 
ſtandes zuſtehe, daß der vor ihrem Hauſe befind— 
liche Grund und Boden, auf dem die Bauplanke er— 
richtet und über den die Eiſenbahnbrücke hinweggeführt 
worden iſt, ein öffentlicher Grund ſei. Da es ſich 
dabei nur um nachbarrechtliche Beſchränkungen des 
Eigentums an dem Terrain zugunſten der Straßen— 
anlieger handeln kann, prüft er dieſe Frage gemäß 
Art. 124 EG. z. BGB. mit Recht nach dem in H. als 


124 


Landesrecht geltenden gemeinen Rechte. 
dann des näheren aus, daß nach gemeinem Rechte 
die Anlieger einer öffentlichen Straße kein Privatrecht 
auf Fortbeſtand der Straße überhaupt oder in unver- 
ändertem Zuſtande hätten und daher die Kläger auch 
aus dieſem Geſichtspunkte wegen Veränderung der 
fraglichen Straße einen Schadenserſatzanſpruch nicht 
geltend machen könnten. Die Reviſion ſucht hiergegen 
unter Bezugnahme auf die einen preußiſch- rechtlichen 
Fall betreffende Entſcheidung des Reichsgerichts (Bd.7 
S. 216) darzulegen, daß den Straßenanliegern ein 
durch ſtillſchweigenden Vertrag begründetes ſervitu⸗ 
tariſches Recht an der öffentlichen Straße dahin zu- 
ſtehe, daß ihnen der für die Befriedigung ihres Licht— 
bedürfniſſes erforderliche Luftraum über der Straße 
frei bleibe. Nach der ſtändigen Rechtſprechung des 
Reichsgerichts aber, von der abzugehen kein Anlaß 
vorliegt, ſteht nach gemeinem Rechte im Gegenſatz 
zum preußiſchen Rechte den Straßenanliegern weder 
auf Grund eines ſtillſchweigenden Vertrages noch zu- 
folge nachbarrechtlicher Grundſätze noch nach öffent- 
lich⸗ rechtlichen Beſtimmungen des römiſchen Rechtes 
ein Schadenserſatzanſpruch wegen Veränderung oder 
gänzlicher Aufhebung der Straße zu. (Urt. des V. 35. 
vom 28. Dezember 1907, V 167,07). 
1195 


— — n. 


II. 


1. Letztwillige Verfügungen eines Gatten bei Be⸗ 
ſtehen der allgemeinen Gntergemeinſchaft. 
2. Veräußerung eines Grundſtücks durch den über: 


lebenden Ehegatten bei fortgeſetzter Gütergemeinſchaft. 


Die Beklagte iſt von ihrem verſtorbenen Ehemanne, 
mit dem ſie in allgemeiner Gütergemeinſchaft lebte, 
durch Gemeindeteſtament, wie folgt, bedacht worden: 
„Ich ſetze meine Ehefrau Auguſte M., geborene H. 
als alleinige Erbin meines ganzen Nachlaſſes 
ein. Bei Verteilung meines Nachlaſſes an meine 
Kinder kann dieſelbe eigenmächtig darüber verfügen. 
Weiter habe ich nichts zu verordnen“. Der Ehemann 
ſtarb bald darauf und durch notariellen Vertrag hat 


Er führt 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


BGB. die Zuſtimmung der beiden Brüder not- 
wendig war. 

2. Zu Unrecht bekämpft die Reviſionsklägerin 
auch die tatſächliche Feſtſtellung des Vorderrichters, 
daß keinesfalls der Sohn E. erweislich bisher ſeine Zu⸗ 
ſtimmung zum Vertrag erteilt habe. Wenn er auch, 
nicht widerſprechend, der notariellen Beurkundung 
ohne Aufführung in der Urkunde und ohne Beifügung 
ſeiner Unterſchrift beigewohnt hat, ſo brauchte das Be⸗ 
rufungsgericht darin um ſo weniger eine Zuſtimmung 
zum Vertrage zu finden, als er damals vielleicht gar 
nicht gewußt hat, daß er widerſprechen konnte. Sache 
der Klägerin war es und iſt es noch, fih gemäß SS 1448, 
1369 Abſ. 1, 3 BGB. Gewißheit über die Genehmigung 
oder Nichtgenehmigung des Vertrags durch die übrigen 
Beteiligten zu verſchaffen. Solange deren Genehmigung 
nicht erwieſen ift, gilt der Vertrag nach SS 1448, 
1398 als unwirkſam und dieſe Unwirkſamkeit kann 
auch von der Beklagten ſelbſt geltend gemacht werden. 
Mit Unrecht ſtützt ſich die Reviſion auf vermeintliche 
beſondere obligatoriſche Verpflichtungen der Beklagten 
und auf die hier überhaupt nicht zur Anwendung 
kommenden Beſtimmungen über ſubjektive Unmöglich— 
keit der Vertragserfüllung (SS 323—325 BGB., vgl. 
RG. 54, 44). (Urt. des V. 3S. vom 14. Dezember 
1907, V 155,07). — — — n. 

1194 
III. 


Sann die Genehmigung einer Schuldübernahme nach 
§ 416 BGB. erfolgen, ohne l eine ſchriftliche Mit: 
teilung an den Gläubiger vorhergegangen ift? Der 
Beklagte hat im Jahre 1899 zur Sicherung des ein⸗ 
gebrachten Vermögens ſeiner Ehefrau in Höhe von 
10000 M eine Hypothek auf feinen Grundſtücken ein⸗ 
tragen laſſen. Am 23. März 1900 verkaufte er die 
Grundſtücke an J. Dieſer übernahm die eingetragenen 
Hypotheken als Selbſtſchuldner. In dem Kaufakt 


wurde zwiſchen dem Beklagten und J. vereinbart, daß 


die Beklagte ihre und ihres Ehemanns Grundſtücke 
an die Klägerin, ihre Tochter, verkauft, obſchon ſie 


noch zwei volljährige Söhne hatte. Vom Kauſpreiſe 
hat die Klägerin 2000 M anbezahlt, wogegen ihr das 
hier allein in Frage kommende Grundſtück Nr. 6 über- 
geben wurde. Auf die ihr verweigerte Auflaſſung 
dieſes Grundſtücks klagt ſie nun. Die Beklagte hat 
Abweiſung der Klage beantragt, weil ſie bei Abſchluß 
des Vertrags ſich im Irrtum über ihre — in Wirt- 
lichkeit nicht beſtehende — Verfügungsmacht befunden 
und deswegen auch den Vertrag rechtzeitig angefochten 
habe. Der erſte Richter hat der Klage ſtattgegeben. 
Auf Berufung der Beklagten hat das OLG. die Klage 
abgewieſen. Die Reviſion hatte keinen Erfolg. 

i Aus den Gründen: 1. Durch ſein einſeitiges 
Teſtament hat der verſtorbene Ehemann der Beklagten 
weder von einem Rechte der Pflichtteilsentziehung 
nach § 1509 BGB. Gebrauch gemacht, noch einzelne 
Abkömmlinge im Sinne des § 1511 daſelbſt von der 
Fortſetzung der Gütergemeinſchaft ausgeſchloſſen, noch 
überhaupt eine mit den §§ 1438—1518 BGB. im 
Einklang ſtehende Anordnung getroffen. Er hat viel- 
mehr durch Vereinigung des Geſamtvermögens in 
der Hand der Beklagten zu deren Gunſten die Güter- 
gemeinſchaft nach ſeinem Tode überhaupt beſeitigen 
wollen und hierzu war er nach § 1517 daſelbſt nicht 
befugt. Ohne daß es daher noch auf die vom OLG. 
vorſorglich erörterte Frage der formgerechten Zu— 
ſtimmung der Beklagten zu jener Anordnung (§ 1516 
BGB.) ankommt, ift dem Berufungsurteile darin bei: 
zutreten, daß zwiſchen der Beklagten und ihren 
3 Kindern fortgeſetzte Gütergemeinſchaft eintrat und 
weiter galt und daß daher zur Uleberlaſſung des 


von den eingetragenen 10000 M ein Teilbetrag von 
3000 M am 1. Januar 1901, der Reſt nach viertel- 
jähriger Kündigung zahlbar ſein ſollte. Die Ehefrau 
des Beklagten erklärte ſich in einer Urkunde vom 
3. April 1900 mit der veränderten Zahlungsbedingung 
und mit der Kündigungsbeſchränkung einverſtanden; 
ſie bewilligte und beantragte die Eintragung dieſer 
Beſtimmungen in das Grundbuch. In derſelben Ur— 
kunde beantragte der Beklagte als eingetragener Eigen— 
tümer der Grundſtücke ebenfalls die Eintragung. Am 
2. Mai 1900 wurde J. als Eigentümer eingetragen. 
Die Teilhypothek von 3000 M wurde von der Ehe- 
frau des Beklagten am 2. Juli 1900 an v. A. und von 
dieſem an Sch. übertragen. Bei der im Jahre 1904 
erfolgten Zwangsverſteigerung der belaſteten Grund— 
ſtücke fiel die Forderung von 3000 M aus. Sch. trat 
ſeine Forderung an den Kläger ab. Dieſer erhob gegen 
den Beklagten als perſönlichen Schuldner Klage auf 
Zahlung von 3276.91 M nebſt Zinſen. Das LG. wies 
die Klage ab. Das OLG. wies die Berufung zurück. 
Die Reviſion war erfolglos. 

Gründe: Das OLG. hat angenommen, die Ehe— 
frau des Beklagten habe als Gläubigerin durch ihre 
Erklärung vom 3. April 1900 die zwiſchen dem Pe- 
klagten und dem Grundſtückserwerber J. vereinbarte 
Schuldübernahme genehmigt, die Genehmigung ſei 
wirkſam, obgleich keine ſchriftliche, den Erforderniſſen 
des § 416 BGB. genügende Mitteilung vorhergegangen 
ſei. Die Reviſion rügt, das Berufungsgericht habe 
hierdurch die Beſtimmungen der SS 414 bis 416 vers 
letzt und die Rechtsgrundſätze verkannt, die in dem 
Urteile des erkennenden Senats vom 4. Juli 1904 
(JW. S. 550 Nr. 6) niedergelegt feien. Dem Angriff 
iſt kein Erfolg zu gewähren, da die in dem ange— 
führten Urteile vertretene Anſicht nicht aufrecht erhalten 
wird. Die Beſtimmungen des y 416 find hervorge— 


Grundſtückes an die Klägerin gemäß SS 1487, 1445 gangen aus Beſchlüſſen der Kommiſſion für die zweite 


— — 


Leſung (vgl. Komm.⸗Prot. 1 S. 413 ff.). Man beabſich⸗ 
tigte, dem Veräußerer eines Grundſtücks die Befreiung 
von der perſönlichen Haftung für die das Grundſtück 
belaſtenden Hypothekſchulden zu erleichtern. Zu 
dieſem Zwecke ſollte nach 8 315 Entw. I eine Bor- 
ſchrift eingefegt werden, die nach dem Vorſchlage der 
Redaktions⸗Kommiſſion lautete: 

„Hat im Falle der Veräußerung eines Grund— 
ſtücks der Erwerber mit dem Veräußerer die Weber: 
nahme einer Schuld desſelben vereinbart, für welche 
eine Hypothek an dem Grundſtücke beſteht, ſo gilt 
die Genehmigung des Gläubigers als erteilt, 
wenn der Gläubiger nach Empfang der ihm von 
dem Veräußerer gemachten Mitteilung nicht binnen 
ſechs Monaten die Genehmigung verweigert; die Vor⸗ 
ſchrift des § 315 Abſ. 2 Satz 2 findet keine Anwen⸗ 
dung. Die Verweigerung der Genehmigung kann, 
auch wenn die Mitteilung von dem Erwerber gemacht 
iſt, nur dem Veräußerer gegenüber erklärt werden. 
Die Mitteilung des Veräußerers kann wirkſam erſt 
erfolgen, wenn der Erwerber als Eigentümer in das 
Grund buch eingetragen ift. Sie muß ſchriftlich gemacht 
werden und den Hinweis enthalten, daß, wenn die 
Verweigerung nicht innerhalb der Friſt erklärt werde, 
der Uebernehmer an die Stelle des bisherigen 
Schuldners trete“. 

Bei dieſer Faſſung konnte kein Zweifel beſtehen, 
daß die Sondervorſchrift — von Satz 2 abgeſehen — 
nur darüber Beſtimmungen geben ſollte, unter welchen 
Vorausſetzungen das Stillſchweigen des Gläubigers 
als Genehmigung zu gelten habe. Die von der 
Redaktions⸗Kommiſſion beſchloſſene FJaſſung des 
S 315 a wurde beanſtandet. Es wurde das Bedenken 
geäußert, der Erwerber könne nach 8 315 Entw. I 
dem Gläubiger die Mitteilung von der Schuldüber— 
nahme machen und eine Friſt ſetzen, mit deren Ablauf 
die Genehmigung gemäß § 315 als verweigert 
gelte. Um dem vorzubeugen, wurde beſchloſſen, 
nur den Veräußerer für berechtigt zu er⸗ 
klären, die Schuldübernahme nach Maßgabe des 
§ 315 Abſ. 1 dem Gläubiger zur Genehmigung mit- 
zuteilen (Komm.⸗Prot. 2 S. 472). Als § 359 Entw. II 
erhielt die Vorſchrift alsdann die Faſſung: 

„Hat der Erwerber eines Grundſtücks mit dem 
Veräußerer die Uebernahme einer Schuld desſelben 
vereinbart, für die eine Hypothek an dem Grundſtücke 
beſteht, fo kann der Gläubiger die Schuld: 
übernahme wirkſam nur genehmigen, wenn 
ſie ihm von dem Veräußerer mitgeteilt iſt. 
Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn der Gläubiger 
nicht binnen ſechs Monaten nach dem Empfange der 
Mitteilung die Genehmigung dem Veräußerer gegen— 
über verweigert; die Vorſchrift des 8 358 Abſ. 2 Sag 2 
findet keine Anwendung. Die Mitteilung des Ver— 
äußerers kann wirkſam erſt erfolgen, nachdem der 
Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch ein— 
getragen iſt. Sie muß ſchriftlich gemacht werden und 
den Hinweis enthalten, daß, wenn die Verweigerung 
nicht innerhalb der ſechs Monate erklärt wird, der 
Uebernehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners 
tritt“. 

Dem Wortlaute nach enthält dieſe Vorſchrift, die 
mit unweſentlichen Aenderungen in § 416 Geſetz ge- 
worden iſt, in Satz 1 eine Beſchränkung des Rechtes 
des Gläubigers, durch ſeine Genehmigung die Schuld— 
übernahme zu ſeinen Gunſten wirkſam zu machen. 
Gewollt war jedoch eine Beſtimmung dieſes Inhaltes 
nicht; man hatte bloß beſtimmen wollen, die Mit— 
teilung, auf die hin der Gläubiger bei Vermeidung 
des Eintritts der geſetzlichen Fiktion ſich zu erklären 
habe, dürfe nur von dem Veräußerer ausgehen. Wird 
Satz 1 des 8 416 in dieſem Sinne ausgelegt, fo bietet, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


wie in der Entſcheidung des Reichsgerichts, 5. Zivil⸗ 


ſenats, vom 10. März 1906 (Band 63 S. 49) ſchon 
dargelegt iſt, die Auslegung der übrigen Sätze des 


125 


Paragraphen keine Schwierigkeiten. Der Paragraph 
enthält alsdann in Abſ. 1 und 2 nur Beſtimmungen 
darüber, unter welchen Vorausſetzungen die Fiktion 
der Genehmigung eintrete. Im übrigen findet $ 415 
auch auf die Uebernahme von Hypothekenſchulden Ans 
wendung, wie denn im $ 416 Abſ. 1 Satz 2 einzig 
und allein die Vorſchrift in Satz 2 Abſ. 2 des § 415 
— Fiktion der Verweigerung der Genehmigung — 
als nicht anwendbar bezeichnet iſt. Daraus ergibt 
fih, daß der Berufungsrichter, der feſtgeſtellt hat, die 
Gläubigerin habe die Schuldübernahme genehmigt, 
mit Recht feine Entſcheidung auf $ 415 geſtützt hat. 
(Urt. des IV. 85. vom 24. Oktober 1907, IV 529/07). 
1161 


— — — n 


B. Strafſachen. 
I. 


Antrag anf Vernehmung eines Mitangeſchuldigten 
als Zenge, gegen den nach § 203 StPO. wegen Ab- 
weſenheit das Verfahren vorläufig eingeſtellt ift. (§ 243 
StPO.). Der Erſtrichter hat den Antrag des Ange— 
klagten, den Z., gegen den das Verfahren wegen Ab— 
weſenheit vorläufig eingeſtellt war (§ 203 StPO.), 
abgelehnt „weil das Verfahren gegen dieſen wegen 
Abweſenheit vorläufig eingeſtellt iſt, ohne daß es von 
der vorliegenden Sache förmlich getrennt iſt, ſo daß 
Z. bei ſeinem Erſcheinen ſofort in dieſer Sache An— 
geklagter ſein würde und daher als Zeuge in der— 
ſelben Sache vorläufig nicht vernommen werden kann“. 
Der Grund kann nicht gebilligt werden. Denn gegen 
Z. war nur Anklage erhoben, das Hauptverfahren 
aber nicht eröffnet. Bei dieſer Sachlage war ſeine 
Vernehmung als Zeuge nach den Vorſchriften der 
StPO. grundſätzlich zuläſſig. Jede Perſon kann als 
Zeuge vernommen werden, ſolange ſie nicht in dem— 
ſelben Verfahren die Stellung des Angeklagten ein— 
nimmt (Entſch. d. RG. Bd. 6 S. 279). Angeklagter 
wird jemand aber erſt, wenn das Hauptverfahren 
gegen ihn eröffnet ift (§ 155 StPO.). Dieſe prozeß— 
rechtliche Stellung wird ſodann durch die Rechtskraft 
des darauf ergehenden Urteils wieder beſeitigt. Außer— 
halb dieſes Zeitraums ſteht ſeiner Vernehmung als 
Zeuge nichts entgegen (Rechtſpr. Bd. 5 S. 528, Entſch. 
d. RG. Bd. 31 S. 139). Der Hinweis des Erſtrichters, 
Z. würde nach ſeinem Erſcheinen ſofort die Stellung 
eines Angeklagten einnehmen, iſt nicht zutreffend. 
Denn mochte der Erſtrichter ihn auch als der Teil— 
nahme verdächtig anſehen, ſo hatte doch über die Er— 
öffnung des Hauptverfahrens ein anders beſetztes 
Gericht zu befinden, deſſen Entſcheidung noch aus— 
ſtand. Vor dieſem Zeitpunkt ſchloß nach § 56 Nr. 3 
StPO. jener Umſtand nur die Beeidigung, nicht aber 
die Vernehmung ſelbſt aus. (Urt. d. V. StS. vom 


1. November 1907, 5 D 587/07). — —— e — 
1151 


II. 


Beſchränkung der Revifion auf die Ueberweiſung 
an die Landes polizeibehörde. (§ 392 StPO.). Die Res 
viſion iſt vom Angeklagten nur wegen der Ueber— 
weiſung an die Landespolizeibehörde eingelegt. Die 
nur teilweiſe Anfechtung des Urteils iſt zuläſſig, 
weil die Frage, ob die Ueberweiſung nach § 181 a 
Abſ. 3 StGB. ohne Rechtsirrtum ausgeſprochen ift, 
eine in ſich ſelbſtändige, von der in dem angefochtenen 
Urteile enthaltenen Beurteilung der Schuld und Straf- 
frage trennbare Prüfung und Entſcheidung geſtattet. 
Der Grundſatz, daß eine die Anwendung des Straf⸗ 
geſetzes betreffende beſchränkte Anfechtung auch eine 
beſchränkte Wirkung ausübt, wenn der angegriffene 
Urteilsteil rechtlich losgelöſt werden kann und unab— 
hängig von dem nicht angegriffenen Entſcheidungsteil 


126 


— —— — 


eine ſelbſtändige Prüfung geſtattet, iſt auch ſchon 
früher vom Reichsgericht anerkannt worden (vgl. 
Goltd Arch. Bd. 51 S. 179, Entſch. d. RG. Bd. 33 
S. 17, Bd. 37 S. 284). 
daher auf die erhobene Rüge zu beſchränken!“). (Urt. 
d. V. StS. vom 22. November 1907, 5 D 842/07). 
1152 


— — — e — 


III. 


Altes und neues Weingesetz. Die Höhe der Ber: 
fanföpreife rechtfertigt den Schluß auf Waſſerzuſätze. 
Fortgeſetztes e bei Verfehlungen gegen das alte 
und neue Weingeſetz. Welches Geſetz gibt Maß für die 
anzuwendenden Straſbeſtimmungen ? it der Zuger: 
zuſatz (unter der Herrſchaft des alten Weingeſetzes), der 
nur zur Bermehrung nicht zur nung erfolgt, 
Berfälfhung im Siune des NMG., auch wenn die Grenz: 
zahlen eingehalten ſind? Nach der Schlußfeſtſtellung 
des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte: 1. vom 
Jahre 1898 bis 1. Oktober 1901 Wein durch Zuſatz 
von Zuckerwaſſer derart geſtreckt, daß die Miſchung 
an Extraktſtoffen und Mineralbeſtandteilen den geſetz— 
lichen Mindeſtgehalt nicht aufwies (SI 3 Nr. 4, 11 b 
des Geſetzes vom 20. April 1892, Bek. vom 29. April 
1892) und weiter 2. vom 1. Oktober 1901 bis zum 
Jahre 1902 unter Uebertretung der 88 2 Nr. 4, 20 b 
des Geſetzes vom 24. Mai 1901 (Bek. vom 2. Juli 
1901) Wein durch Zuſatz von Zuckerwaſſer verfälſcht. 


Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 
1. Die Höhe der Verkaufspreiſe rechtfertigt erfahrungs⸗ 
gemäß und nach den Grundſätzen der Wirtſchaftslehre 
den Schluß auf die Koſten der Herſtellung einer Ware 
und damit auf deren Eigenſchaften. Daher konnte aus 
den Preiſen, zu denen der Angeklagte verkaufte, fos 
wohl allgemein auf die Beſchaffenheit feiner Weine, 
wie namentlich darauf geſchloſſen werden, daß dieſe 
in ihrer Menge in der Zeit zwiſchen Einkauf und 
Verkauf von ihm koſtenlos durch Waſſerzuſätze ver- 
mehrt fein müſſen 

2. Die Vorausſetzungen für die Annahme eines 
einheitlichen fortgeſetzten Vergehens ſind nach den 
Urteilsgründen gegeben: Einheit des Vorſatzes des 
Angeklagten, Gleichartigkeit der einzelnen Ausführungs- 
handlungen und Einheit des verletzten Rechtsgutes, 
nämlich der geſetzlich geſchützten wirtſchaftlichen In- 
tereſſen. Die zahlreichen, auf Jahre verteilten Hand- 
lungen des Angeklagten, von denen jede den vollen 
Tatbeſtand einer ſtrafbaren Verfälſchung von Wein 
in gleicher oder ähnlicher Begehungsform erfüllte, 
waren nach Auffaſſung des Urteils nur Ausfluß und 
Betätigung eines einheitlichen Vorſatzes (Entſch. Bd. 24 
S. 165) in dem Sinn, daß der Wille des Angeklagten 
von vornherein darauf gerichtet war, zum Zwecke der 
Täuſchung im Handel und Verkehr Wein durch be— 
ſtimmte Zuſätze zu verfälſchen und die verfälſchten 
Weine als Wein zu verkaufen, ſo wie er es innerhalb 
ſeines Gewerbebetriebes jeweils für nutzbringend und 
angebracht halten würde. Die Entſcheidung liegt 
weſentlich auf tatſächlichem Gebiet und es ift ein nach 
§ 376 StPO. unzuläſſiger Angriff, wenn die Reviſion 
ausführt, daß der Angeklagte nur mehrere Vergehen 
von vorneherein in Ausſicht genommen oder ſich 
nur unbeſtimmt und ganz allgemein zur Vornahme 
ſtrafbarer e entſchloſſen haben könne. 
Wenn nach dem 1. Oktober 1901 ſtrafbare Streckungen 
5 1 Zuckerzuſätze unterblieben ſein ſollten, ſo wäre 
adur 
auch nach jenem Zeitpunkte nicht ausgeſchloſſen; denn 
einmal ſind die nach wie vor ſtrafbaren Zuſätze von 
Glycerin fortgeſetzt worden und außerdem fällt der 
Verkauf der früher geſtreckten Weine in dieſe ſpä— 
tere Zeit; gerade hinſichtlich des Verkaufs iſt aber an— 


1) Anders die Praxis des Bayer. Oberſten Landesgerichts, vgl. 
Samml. v. Entſch. Bd. 3 S. 208. 


Die Nachprüfung hatte ſich 


die Annahme eines fortgeſetzten Vergehens 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


* 


genommen, daß er Ausfluß des von vorneherein be⸗ 
ſtehenden einheitlichen, auf Herſtellung und Verkauf 
gerichteten Vorſatzes des Angeklagten war. 

3. Es iſt feſtgeſtellt, daß der Angeklagte noch nach 
dem 1. Oktober 1901 Weine verkaufte, die vor Inkraft⸗ 
treten des neuen Geſetzes ſo hergeſtellt waren, daß 
ihre Menge durch Waſſerzuſätze von 50 100% erheb⸗ 
lich vermehrt war. Dieſer Verkauf ift nach § 2 Nr. 4, 


8 3 Abſ. 2, 8 13 Abſ. 1 Nr. 1 WG. ſtrafbar, ſelbſt 
wenn die Herſtellung dieſer Weine nach den dafür 


maßgebenden Beſtimmungen des früheren WG. (8 3 
Nr. 4 des Geſetzes vom 20. April 1892 mit 8 10 Nr. 1 
des NM.) nicht ſtrafbar geweſen fein folte. Daß der 
Verkauf nicht nach § 22 Abſ. 2 des neuen WG. zu- 
läſſig war, iſt aus den Urteilsgründen zu entnehmen. 

4. Nach dem Urteile iſt anzunehmen, daß für die 
Strafe der 8 13 des neuen WG. zugrunde gelegt 
worden iſt. Die Strafbeſtimmungen dieſes Geſetzes, 
nicht die des früheren WG. ſind in der Tat auf das 
geſamte fortgeſetzte Vergehen anwendbar, das als 
einheitliche Tat dem Geſetz unterſteht, das zur Zeit 
der Beendigung der Tat in Geltung iſt, auch wenn 
die Strafbarkeit eines Teils der Einzelhandlungen 
ſich nach einem früheren milderen Strafgeſetz bemißt. 
Verletzt die einheitliche Tat mehrere Strafgeſetze — 
wie hier das NMG. und daneben ſolche Strafbejtim: 
mungen des WG., denen, wie den 88 3, 7, 8 ver: 
bunden mit § 13 die Bedeutung von ſelbſtändigen 
Sondergeſetzen gegenüber 8 10 NMG. zukommt —, fo 
kommen nach § 73 StGB. die ſtrengeren Strafbeſtim⸗ 
mungen, ſonach die des WG. ausſchließlich zur An: 
wendung. 

5. Nicht beizupflichten iſt der Anſicht, daß auch 
unter der Herrſchaft des WG. von 1892 Zuckerwaſſer⸗ 
zuſätze, die nicht zum Zwecke der Verbeſſerung, fon- 
dern ausſchließlich zu dem der Vermehrung erfolg— 
ten, ſtets als Verfälſchung im Sinne des NMG. zu 
gelten haben, auch wenn die Grenzzahlen eingehalten 
ſind. Die entgegengeſetzte Anſicht iſt weder mit dem 
Wortlaute der Beſtimmung in 8 3 Nr. 4 des WG. 
von 1892 vereinbar, noch wird ſie der Auffaſſung des 
Geſetzgebers von der Bedeutung der feſtgeſetzten Greng- 
zahlen gerecht. Durch die angeführte Beſtimmung 
ſollte die Verzuckerung des Weines auch mittels wäſ— 
ſeriger Zuckerlöſung ermöglicht werden, deren Zu— 
läſſigkeit bis dahin gegenüber den Beſtimmungen des 
NM. zweifelhaft war. Der Zweck der geſetzlichen 
Anordnung war allerdings nur der, eine Verbeſ⸗ 
ſerung geringer und beſonders ſäurehaltiger und 
deshalb vielfach unverwertbarer Weine nicht weiter 
zu hindern. Daß dabei Mißbräuche möglich waren, 
daß die Verbeſſerung insbeſondere den Vorwand für 
eine erhebliche Vermehrung der Menge abgeben konnte, 
wurde nicht verkannt. Auch ſollte ſolchen Mißbräuchen 
vorgebeugt werden, die Verbeſſerungsbedürftigkeit des 
Weines ſollte den Maßſtab für den Umfang der 
Zuckerwaſſerzuſätze bilden. Das Geſetz ſelbſt wollte 
nach dieſem Maßſtab die Menge des Zuſatzes ein— 
ſchränken und feſtlegen. Dazu bot nach der Meinung 
des Geſetzgebers die chemiſche Zuſammenſetzung des 
Weines und die innerhalb dieſer durch die Waſſerzu— 
ſätze notwendig eintretende Verſchiebung ein ſicheres 
Mittel. Die Verminderung des Gehaltes an Extrakt— 
ſtoffen und Mineralbeſtandteilen bilden ein Anzeichen 
dafür, ob die Mengevermehrung ſich in der Grenze 
der Verbeſſerungsbedürftigkeit hielt, die je nach der 
Verſchiedenheit des Alkoholgehaltes und der Süße des 
Weines und ſeiner abzuſtumpfenden Säure verſchieden 
war. Deshalb ſetzte das Geſetz die Grenzzahlen feft, 
aber nicht als ein einzelnes Anzeichen tatſächlicher Art 
für die Erlaubtheit der Mengenvermehrung, ſondern 
als einzige und ausſchließliche Beſchränkung der 
Zuckerwaſſerzuſätze. Die Einhaltung dieſer Zahlen 
gab nach der Auffaſſung des Geſetzgebers ganz allge— 


mein die ſichere Gewähr, daß der Zweck der Zuckerung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


im Einzelfall nicht in unerlaubter Mengevermehrung, 
ſondern in zweckmäßiger Verbeſſerung beſtanden habe. 
Waren die Grenzzahlen eingehalten, jo hatte nach 
dem Geſetze der Wein als nicht verfälſcht zu 
gelten, nicht aber ſollte dem Richter die Befugnis ein⸗ 
geräumt werden, nach anderen Anzeichen zu entſchei⸗ 
den, ob nicht trotz der Einhaltung der Grenzzahlen 
nach der Abſicht des Täters oder ſonſtigen Umſtänden 
eine unter dem Vorwande der Zuckerung erfolgte Bers 
fälſchung des Weines durch Waſſer vorliege. Dieſe 
Bedeutung als geſetzliches Merkmal der Unver⸗ 
fälſchtheit hat die Einhaltung der Grenzzahlen erſt im 
neuen WG. eingebüßt, indem der Waſſerzuſatz, auch 
wenn eine Ueberſchreitung der Grenzzahlen nicht ſtatt⸗ 
gehabt hat, trotzdem als Verfälſchung gekennzeichnet 
iſt, wenn der Täter erweislich nicht die Verbeſſerung 
des Weines bezweckt oder deſſen Menge erheblich ver— 
mehrt. Hiernach iſt es — obwohl der gegenteiligen 
Meinung in den geſetzgeberiſchen Verhandlungen zum 
neuen WG. Ausdruck verliehen wurde — nicht rid- 
tig, daß das Geſetz von 1901 nur den geſetzgeberiſchen 
Gedanken des Geſetzes von 1892 klargeſtellt habe, ohne 
ſelbſt neues zu ſchaffen. In den Entſcheidungen Bd. 36 
S. 122 und 31 S. 185 iſt eine gegenteilige Meinung 
uicht ausgeſprochen. (Urteil vom 7. November 1907, 
1D 545,07). Hy 
1104 ; 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Die Auflaſſung kann in Bayern außer vor dem 
Grund buchamte uur vor einem bayeriſchen Notar, nicht 
aber vor dem Prozeßgericht oder einem beauftragten 
Kichter rechtswirkſam erklärt werden. (BGB. S 925, 
ES. z. BGB. Art. 143, AG. z. BGB. Art. 81). In 
dem bei dem Landgerichte F. anhängig geweſenen 
Rechtsſtreite der Witwe Katharina S. in W. und Gen. 
gegen die Gemeinde W. ſchloſſen die Parteien vor 
einem beauftragten Richter einen Vergleich, in dem 
vereinbart iſt, daß die Gemeinde von den Klägern 
die Grundſtücke Pl.⸗Nr. 1682, 1683, 1693 der Steuer- 
gemeinde W. um 9000 M kaufe. Das Protokoll ent- 
hält die weitere Beurkundung: „Die Parteien ſind 
darüber einig, daß das Eigentum auf die Gemeinde 
W. übergeht, und beantragen, daß ſie als Eigen— 
tümerin im Grundbuch eingetragen wird?. Der 
namens der Gemeinde geſtellte Antrag auf Eintragung 
des Eigentumsüberganges wurde vom Grundbuchamt 
wegen Mangels einer gültigen Auflaſſung zurück— 
gewieſen. 
ſchwerde wurde der Erfolg verſagt. Auch die weitere 
Beſchwerde iſt zurückgewieſen worden. 

Gründe: Das Beſchwerdegericht hat ſich der von 
dem jetzt entſcheidenden Senat in dem Beſchluſſe vom 
27. März 1903 (Neue Sammlg. Bd. 4 S. 235) darge— 
legten Auffaſſung angeſchloſſen, daß ein vor dem 
Prozeßrichter oder dem beauftragten Richter ge— 
ſchloſſener Vergleich nicht nur die im § 925 BGB. 
für die Auflaſſung vorgeſchriebene Erklärung vor 
dem Grundbuchamte ſondern auch die im Art. 81 AG. 
z. BGB. für die in Bayern liegenden Grundſtücke 


zugelaſſene Erklärung vor einem bayeriſchen Notare 
An dieſer Auffaſſung, der in- 


nicht erſetzen könne. 
zwiſchen Seuffert (Romm. z. ZPO. 9. Aufl. Bd. 2 
Note 2e zum 8 794 S. 431) 
(Liegenſchaftsrecht, 3. Aufl. Bd. 1 S. 442) beigetreten 
find, hält der Senat feſt. 
laſſung vor dem Grundbuchamt iſt im $ 925 BGB. 
im Intereſſe der größtmöglichen Sicherheit des Grund— 
ſtücksverkehrs vorgeſchrieben. Die Mitwirkung des 
Grundbuchamts ſoll die Gewähr bieten, daß der Ver— 
tragswille der Beteiligten mit dem Inhalte des 


und Turnau-Förſter 


4 


Der für die Gemeinde eingelegten Bes 


Die Erklärung der Auf- 


! 


127 


Grundbuchs im Einklang ſteht und kann deshalb 
nicht wie die gerichtliche oder notarielle Beurkundung 
eines Rechtsgeſchäfts durch einen vor dem Prozeß⸗ 
gericht oder dem beauftragten Richter geſchloſſenen 
Vergleich erſetzt werden. Beſtimmt die Landesgeſetz⸗ 
gebung nach Art. 143 EG. z. BGB. zur Entgegen⸗ 
nahme der Auflaſſung neben dem Grundbuchamt eine 
andere Behörde, einen Notar oder einen anderen Pe- 
amten, ſo ſetzt ſie nicht, wie Planck (Komm. z. EG. 
3. Aufl. S. 271 Anm. 3) annimmt, neben die im $ 925 
vorgeſchriebene Form der Auflaſſung eine davon 
weſentlich verſchiedene Form, die nur in einer be- 
ſonderen Art der Beurkundung beſteht, ſondern ſie 
ſtellt dem Grundbuchamt eine andere Behörde oder 
einen Beamten an die Seite, deren Mitwirkung bei 
der Auflaſſung ſie im weſentlichen der des Grund— 
buchamts gleichwertig erachtet. Um die Mitwirkung 
eines bayeriſchen Notars dazu geeignet zu machen, 
hat das NotG. von 1899 im Art. 30 den Notaren 
Amtspflichten auferlegt, die Gewähr dafür bieten, daß 
die Beteiligten bei der Erklärung der Auflaſſung vor 
dem Notar im allgemeinen dieſelbe Rechtsſicherheit 
genießen wie bei der Erklärung vor dem Grundbuch— 
amte. Die Mitwirkung des Notars kann deshalb 
ebenſowenig wie die des Grundbuchamts durch einen 
vor dem Prozeßgericht oder dem beauftragten Richter 
geſchloſſenen Vergleich erſetzt werden. (Beſchluß des 
I. ZS. vom 24. Januar 1908. Reg. III 8/1908). 
1193 W 


II. 


Der Bater (Vormund) bedarf zur Berpfändung 
einer Hypothek des unter ſeiner Gewalt ſtehenden 
Kindes (Mündels) für eine fremde Verbindlichkeit der 
Genehmigung des Vormundſchaftszerichts. (BGB. 
§ 1613, § 1822 Nr. 10). Für die Söhne des 
Privatiers Paulus M. in N., den volljährigen Wolfgang 
M. und den minderjährigen Friedrich M., ſind im 
Hypothekenbuche zu gleichen Anteilen zwei Hypotheken 
eingetragen. Zur Sicherſtellung der Anſprüche, die 
der Aktiengeſellſchaft B. Bank für H. und J. in M. 
aus einem dem Kaufmann Friedrich P. in N. in 
laufender Rechnung bis zum Betrage von 29000 M 
eröffneten Kredit entſtanden ſind und noch entſtehen 
werden, verpfändete Paulus M. mit notarieller Ur- 
kunde als Bevollmächtigter ſeines volljährigen und 
geſetzlicher Vertreter ſeines minderjährigen Sohnes 
der Aktiengeſellſchaft die beiden Hypothekenforderungen. 
Zugleich beantragte er die Eintragung der Ver— 
pfändung. Das Hypothekenamt bewirkte die bean— 
tragte Eintragung in Anſehung der Anteile des 
Wolfgang M.; in Anſehung der Anteile des Friedrich 
M. wurde nur eine Vormerkung eingetragen, weil 
die zur Wirkſamkeit der Verpfändung erforderliche 
Genehmigung des Vormundſchaftsgerichts nicht erteilt 
ſei. Die Beſchwerde wurde als unbegründet zurück— 
gewieſen. Das Beſchwerdegericht ſchloß ſich der vom 
Reichsgerichte in dem Urteile vom 17. März 1906 
(Entſch. Bd. 63 S. 76) vertretenen Auslegung des 
S 1822 Nr. 10 BGB. an. Auch die weitere Pe- 
ſchwerde iſt vom ObLO. zurückgewieſen worden. 

Gründe: Die Uebernahme einer fremden Ver— 
bindlichkeit iſt ein Rechtsgeſchäft, das außerhalb des 
Bereiches der gewöhnlichen Vermögensverwaltung 
liegt und nur unter beſonderen Umſtänden dem 
Intereſſe eines unter elterlicher Gewalt ſtehenden 
Kindes oder eines Mündels entſprechen kann. Das 
BGB. macht deshalb durch die Vorſchriften des 
§ 1643 Abſ. 1 und des § 1822 Nr. 10 die Befugnis 
des Vaters und des Vormundes zur Vornahme eines 
ſolchen Rechtsgeſchäfts für das Kind oder den Mündel 
von der Genehmigung des Vormundſchaftsgerichts 
abhängig. Der Wortlaut des $ 1822 Nr. 10 um- 
faßt jedes Rechtsgeſchäft, das darauf gerichtet iſt, das 
Ver mögen des Kindes oder Mündels für die fremde 


Verbindlichkeit haftbar zu machen, gleichviel, ob die 
fremde Schuld ſelbſt auf das Kind oder den Mündel 
übergehen oder nur die Haftung für deren Erfüllung 
— z. B. durch Eingehung einer Bürgſchaft — be⸗ 
gründet werden und ob das Kind oder der Mündel 
unbeſchränkt, mit dem ganzen Vermögen, oder nur 
mit beſtimmten Vermögensbeſtandteilen haften ſoll. 
Auch die Begründung der Haftung einer einzelnen 
Sache durch Verpfändung iſt Uebernahme der fremden 
Verbindlichkeit, die Sache wird für die Beſtimmung, 
der Erfüllung der fremden Schuld zu dienen, rechtlich 
gebunden, die von dem fremden Schuldner geſchuldete 
Leiſtung bildet inſoweit, als ſie aus der Sache zu 
bewirken iſt, eine Laſt, mit der das Vermögen des 
Kindes oder Mündels belegt, die auf ſein Vermögen 
übernommen wird. Die Vorſchrift mußte, um ihren 
Zweck zu erfüllen, eine Faſſung erhalten, die alle 
Fälle trifft, in denen das Kind oder der Mündel für 
eine Leiſtung aufkommen ſoll, deren rechtlicher Grund 
in der Beziehung des Gläubigers zu einem anderen 
liegt, ſie muß deshalb in dem weiten Sinne ver⸗ 
ſtanden werden, den der Wortlaut umfaßt. Der 
Einwand der Beſchwerdeſchrift, bei folgerichtiger 
Durchführung dieſer Anſicht müſſe man in der Ver⸗ 
pfändung für fremde Schuld eine Bürgſchaft oder 
eine ihr gleichſtehende Schuldübernahme finden, iſt 
verkehrt; die Verpfändung hat mit der Bürgſchaft 
und der Schuldübernahme nur das gemein, daß ſie 
mit dieſen Rechtsgeſchäften unter denſelben höheren 
Begriff der Uebernahme einer fremden Verbindlich⸗ 
keit fällt. (Beſchluß des I. ZS. vom 24. Januar 1908, 
III 7/08). W. 

1192 


B. Strafſachen. 


1 


Kann der Eigentümer eines Kraftwagens für die 
von dem Chauffeur begangenen Uebertretungen ſtraßen⸗ 
polizeilicher Vorſchriſten ſtrafrechtlich verantwortlich 
gemacht werden? Das Oberſte Landesgericht hat 
ausgeſprochen, daß dieſe Frage zu verneinen iſt, ſofern 
nicht beſondere Umſtände vorliegen. 

Aus den Gründen: Die ſachliche Prüfung des 
Urteils iſt nach den auf Grund des § 366 Nr. 10 
StGB. erlaſſenen oberpolizeilichen Vorſchriften über 
den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vorzunehmen. Dieſe 
zerfallen in 9 Abſchnitte. Der Abſchnitt C handelt 
von dem „Führer des Kraftfahrzeugs“. Er enthält 
2 Unterabſchnitte, nämlich a) „Eigenſchaften des 
Führers“ und b) „Beſondere Pflichten des Führers“. 
Einen Teil des Abſchnittes C bildet der § 17, der 
Vorſchriften über die Fahrgeſchwindigkeit trifft. Aus 
der Ueberſchrift des Abſchnittes C und namentlich 
des Unterabſchnitts b) erhellt, daß dieſe Vorſchriften 
zunächſt nur für den Führer des Kraftfahrzeugs auf— 
geſtellt ſind. Die anderen Inſaſſen des Fahrzeugs 
und darunter auch der Eigentümer können deshalb 
für die Beobachtung der fraglichen Vorſchriften nur 
verantwortlich ſein, wenn die allgemeinen Grundſätze 
des Strafrechtes und der Strafgeſetze dies mit ſich 
bringen oder eine ausdrückliche beſondere Beſtimmung 
es vorſchreibt. Eine ſolche beſondere Beſtimmung, 
die den Eigentümer des Kraftfahrzeugs neben deſſen 
Führer als für die Beobachtung der ſtraßenpolizeilichen 
Vorſchriften ſtrafrechtlich haftbar erklärt, beſteht zur- 
zeit nicht. Daß der Angeklagte ſeinen Chauffeur 
zur Ueberſchreitung der zuläſſigen Geſchwindigkeit ver— 
anlaßt, ihn alſo angeſtiftet hat, iſt nicht einmal be— 
hauptet; im Gegenteil nimmt das Landgericht ſelbſt 
an, daß er ihn vor dem Erreichen der Ortſchaft F. 
aufgefordert hat, die Geſchwindigkeit zu ermäßigen. 
Durch dieſe Feſtſtellung und die weitere Annahme 
der Strafkammer, daß der Angeklagte des Fahrens 
unkundig ſei, ift logiſcherweiſe ausgeſchloſſen, daß er 


durch eigene Tätigkeit bei der Ueberſchreitung 
Grenze der Geſchwindigkeit ſelbſt mitgewirkt oder ſeinem 
Chauffeur dabei durch Rat oder Tat wiſſentlich Hilfe 
geleiſtet hat — ganz abgeſehen davon, daß na 
StGB. die Beihilfe zu einer Uebertretung überhaupt 
nicht ſtrafbar iſt. 
bei ſeiner feſtgeſtellten Unkenntnis der Führung eines 
Kraftfahrzeugs — ſelbſt wenn er die Ueberſchreitung 
der zuläſſigen Geſchwindigkeit wirklich erkannt oder 
nur infolge Mangels der erforderlichen Aufmerkſamkeit 
verkannt haben ſollte — innerhalb der kurzen Spanne 
Zeit, die zum Durchfahren der Ortſchaft 7 notwendig 
war, gegenüber dem Ungehorſam ſeines Chauffeurs 
die Beobachtung der ſtraßenpolizeilichen Vorſchriften 
überhaupt hätte erzwingen können, darüber enthalten 
die Entſcheidungsgründe des Urteils keine Andeutung. 
Demzufolge fehlt es allerdings an dem Nachweis eines 
Kauſalzuſammenhangs zwiſchen dem Verhalten des 
Angeklagten und der Verletzung der Vorſchriften des 
8 17 der oberpolizeilichen Vorſchriften durch den 


ſetzung 
antwortlichkeit gegeben wäre, 


und am 5. November 1907 (das „Recht“ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


der 


ch § 49 
In welcher Weiſe der Angeklagte 


Chauffeur, deshalb aber auch an der erſten Voraus⸗ 
für ſeine ſtrafrechtliche Verantwortlichkeit. 
Eine beſondere Geſtaltung der Umſtände könnte es 
allerdings mit ſich bringen, daß eine ſolche Ver⸗ 
wie denn auch das 
Reichsgericht in 2 Fällen fahrläffiger Körperverletzung 
am 22. Februar 1906 (Goltd Arch. Bd. 53 5 
AR 
S. 1478 Nr. 3732) mit Rückſicht auf die befondere 
Sachlage die ſtrafrechtliche Inanſpruchnahme des 
Eigentümers des Kraftfahrzeugs für zuläſſig erklärt 
hat. (Urt. vom 1. Februar 1908, Rev.⸗Reg. 15/08). 
1187 — — · n. 


II 


Zu $ 328 StGB. Begriff der wiſſentlichen 
Verletzung einer Abſperrungs⸗ oder Auf- 
ſichtsmaßregel. Iſt die Wiſſentlichkeit der 
Tat ausgeſchloſſen, wenn der Täter in⸗ 
folge eines Rechtsirrtums annahm, es liege 
die Uebertretung eines Verbotes nicht vor! 
Der Angeklagte trieb von M. eine Kuh nach F., brachte 
ſie dort zum Gütler K. und bot ſie ihm zum Kauf an. 
Er hatte mit K. ſchon vorher darüber geſprochen, daß 
er ihm eine Kuh bringen und zur Probe in den Stall 
ſtellen werde; K. hatte erwidert, daß „er es ihm nicht 
ſchaffe und die Kuh nur nehme, wenn fie ihm gefalle“. 
Da K. die Kuh nicht kaufte, brachte ſie der Angeklagte 
zu dem Gütler Sch. in F. Dieſer hatte einige Tage 
vorher an den Angeklagten eine Kuh verkauft, eine 
zweite ihm zum Kauf angeboten. Der Angeklagte 
hatte die zweite Kuh nicht gekauft, aber davon ge⸗ 
ſprochen, daß er ſie gegen eine andere eintauſchen 
wolle. Sch. hatte geäußert, „daß er tauſchen wolle, 
aber nicht gern“. Für den Regierungsbezirk, in dem 
M. und F. liegen, beſtand das Verbot des Hauſierens 
mit Wiederkäuern. Das LG. verurteilte den An⸗ 
geklagten auf Grund des § 328 Abſ. 1 StGB. Das 
Oberſte Landesgericht hob das Urteil auf. 

Aus den Gründen: [Es wird zunächſt aus⸗ 
geführt, richtig ſei die Annahme des LG., in den 
Aeußerungen des K. und des Sch. könne die Be- 
ſtellung einer Kuh nicht gefunden werden; dann 
fährt das Urteil fort:] Hat der Angeklagte mit einem 
Wiederkäuer hauſiert, ſo iſt er nach § 328 Abſ. 1 
StGB. ſtrafbar, wenn er die Abſperrungsmaßregel 
wiſſentlich verletzt hat. Wiſſentlich iſt eine Ver⸗ 
letzung, wenn der Angeklagte in Kenntnis von dem 
Beſtehen, dem Inhalt und Zweck der Maßregel als 
einer von der zuſtändigen Behörde angeordneten 
handelte, und bei ſeinem Handeln ſich bewußt war, 
daß er gerade das tue, was die Behörde verboten 
hat. Dieſes Bewußtſein könnte nicht angenommen 
werden, wenn der Angeklagte des Glaubens war, 
daß eine Beſtellung der Kuh vorliege, daß er durch 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


ſein Tun die Merkmale des Hauſierens nicht erfülle, 
ſei es, daß er den Inhalt der Erklärungen des K. 
und des Sch. mißverſtand, fei es, daß er die Trag- 
weite der Erklärungen rechtsirrtümlich beurteilt hat. 
Hiernach umfaßt der rechtswidrige Vorſatz oder die 
Wiſſentlichkeit, die der 8 328 StGB. im Auge hat, 
zwei Gruppen von Tatſachen, nämlich Tatſachen, die 
fich beziehen auf die Kenntnis des Beſtehens, des Jn- 
halts und Zwecks einer Anordnung i. S. des 8 328 
StB. und Tatſachen, die fih beziehen auf das 
Wiſſen des Täters, daß er das tue, was durch die 
ihm bekannte Anordnung der Behörde verboten iſt. 
Das LG. hielt für erwieſen, daß dem Angeklagten 
das Verbot und ſein Zweck bekannt war, es hat aber 
eine Feſtſtellung darüber unterlaſſen, ob er mit dem 
Wiſſen der Verbotswidrigkeit ſeines Tuns handelte. 
Wußte der Angeklagte, daß er von K. und Sch. nicht 
aufgefordert ſei, eine Kuh zu bringen und hat er 
trotzdem eine Kuh nach F. getrieben, um ſie dort 
irgendwem zum Kauf anzubieten und irgendwie in 
den Verkehr zu bringen, ſo hat er wiſſentlich mit 
einem Wiederkäuer hauſiert. Hielt er ſich aber für 
aufgefordert, die Kuh zu bringen oder meinte er aus 
rechtsirrtümlicher Beurteilung der Sachlage, daß er 
nicht hauſiere und gegen das Hauſierverbot nicht ver— 
ſtoße, ſo fehlte in dieſem Punkte der rechtswidrige 
Vorſutz. (Urt. vom 21. Januar 1908). 
1189 — — n. 


Oberlandesgericht München. 


1 


Wohnungsrecht als Leibgedinge; Tragweite des 
Art. 27 AG. 3. G80. u.. In einem notariellen 
Uebergabsvertrage vom 6. September 1904 beſtellte 
G. H. als Uebernehmer der Anweſen Hs.⸗Nr. 18 und 19 
in K feiner Mutter M. H. als Uebergeberin für den 
Reſt des Uebernahmeſchillings Hypothek auf beiden 
Anweſen und räumte ihr zugleich auf einem von 
ihnen in 2 näher bezeichneten wohn- und heizbar zu 
unterhaltenden Zimmern auf Lebensdauer das im 
Hypothekenbuche als „perſönliche Dienſtbarkeit“ ein— 
zutragende Wohnungsrecht ein, im Jahreswerte von 
120 M, zahlbar für den Fall der Aufgabe oder 
Kündigung durch die Berechtigten. Am 5. Oktober 
1904 wurde unter Bezugnahme auf den Vertrag in 
Abt. II des Hypothekenbuchs eingeſchrieben: „Freies 
Wohnungsrecht der M. H. für deren Lebensdauer in 
dem Hauſe ..... G. H. verkaufte beide Anweſen an 

G., welche das Wohnungsrecht übernahm; am 
1. Mai 1906 erwarben die Eheleute K. die Anweſen 
im Wege der Zwangsverſteigerung. Bei der Feſt— 
ſtellung des geringſten Gebots wurde das Wohnungs— 
recht nicht berückſichtigt; es wurde auch nicht bar ge— 
deckt, die Eintragung blieb beſtehen. Die Eheleute 
K. verlangten von M. H. Anerkennung des Nicht— 
beſtehens des Wohnungsrechts und Löſchung der Ein— 
tragung. Die Klage wurde abgewieſen, die Berufung 
blieb erfolglos. 

Aus den Gründen: Das Wohnungsrecht der 
M. H. iſt als perſönliche Dienſtbarkeit beſtellt und 
eingetragen. Eine perſönliche Dienſtbarkeit kann 
ebenſo wie eine Reallaſt den Inhalt eines Leib— 
gedinges bilden, wenn ſie ſich als ein bei der Ueber— 
laſſung eines Grundſtücks vereinbarter Vorbehalt von 
Leiſtungen zum Zwecke des Unterhalts des Ueber— 
laſſenden darſtellt. Dieſe Vorausſetzung trifft für das 
Wohnungsrecht der Beklagten zu. Der Zweck der 
Beſtellung, einen Beitrag zum Unterhalte der Ueber— 
geberin zu leiſten, geht unverkennbar aus den Ver— 
tragsbeſtimmungen hervor; übrigens zählt die nach 
Art. 96 EG. z. BGB. vorbehaltene Landesgeſetzgebung 


! 
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— ŘÍM M aaa aeaaaee 


129 


1908. Nr. 6. 


(Art. 32—48 AG. z. BGB.) ausdrücklich das Woh- 
nungsrecht unter den Arten des Leibgedinges auf, 
und zwar für ſich ſelbſtändig ohne Zuſammenhang 
mit Verpflegung u. dgl. Zweifellos kommt daher 
dem Wohnungsrechte der Beklagten die rechtliche 
Natur eines Leibgedinges zu; ob die Beteiligten bei 
der Beſtellung des Wohnungsrechtes gerade daran 
dachten, iſt gleichgültig, wenn ſie nur die Wirkungen 
des Rechtsgeſchäfts beabſichtigten, die ein Leibgedinge 
verkörpern. Die Eintragung im Hppothekenbuche 
(jetzt Grundbuch) entſpricht auch dem Art. 27 AG. z. 
3B. Der aus § I EG. z. ZVG. übernommene 
Satz: „Iſt eine Dienſtbarkeit ... als Leibgedinge . 
eingetragen“ bedeutet offenſichtlich fo viel als: „Wenn 
eine Dienſtbarkeit eingetragen ift, welche ein Leib⸗ 
gedinge ift . ... Iſt in der Eintragung die Dienſt— 
barkeit ſo bezeichnet, daß ihre rechtliche Natur als 
Leibgedinge klar erkennbar iſt, ſo iſt ſie als Leib— 
geding eingetragen. Nach $ 874 BGB. kann bei der 
Eintragung eines Rechtes, mit dem ein Grundſtück 
belaſtet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts 
des Rechtes auf die Eintragungsbewilligung Bezug 
genommen werden; nach § 50 GBO. bedarf es, wenn 
Dienſtbarkeiten als Leibgedinge eingetragen werden, 
der Bezeichnung des einzelnen Rechtes überhaupt 
nicht, wenn auf die Eintragungsbewilligung Bezug 
genommen wird. Hiernach genügt beiſpielsweiſe die 
Eintragung: „Leibgedinge nach Maßgabe des Ueber— 
gabsvertrages vom 6. September 1904“ und es be- 
darf des Beiſaßes „Wohnungsrecht“ u. dgl. nicht. 
Um ſo mehr wird dieſen Vorſchriften die Eintragung 
„Wohnungsrecht nach Maßgabe ...“ entſprechen, da 
durch dieſe Art der Eintragung der geſetzliche Name 
der Dienſtbarkeit und das Recht ſelbſt bezeichnet und 
zugleich das Recht als „Leibgeding“ gekennzeichnet ift. 
Die Vorſchriften des 8 874 BGB. und des § 50 GBO. 
ſtehen mit Art. 27 AG. z. ZVG. im Zuſammenhang; 
ſie ergänzen ſich: Art. 27 ſetzt eine den erſteren Vor— 
ſchriften entſprechende Eintragung voraus. Ihre Aus— 
legung iſt deshalb von Bedeutung für die Auslegung 
des Art. 27 AG. z. 388. Sie hat zweifellos dahin 
zu gehen: „Die als Leibgedinge beſtellten Dienſtbar— 
keiten (d. i. Dienſtbarkeiten, welche den Inhalt eines 
Leibgedinges bilden) bleiben von der Zwangs— 
verſteigerung unberührt, ſoferne ſie eingetragen ſind“. 
(Urteil vom 11. Februar 1908, BerReg. 865/07 III). 

1190 


— el — — = oo. 


II. 


Mäklerlohn für Vermittelung des Verkaufes einer 
Buchhypothek (88 652, 878, 1154 Abſ. 3 BGB.). Der 
Beklagte beauftragte den Kläger mit dem Verkaufe 
einer ihm zuſtehenden Buchhypothek und verſprach 
ihm ſchriftlich „bei Verkauf der Hypothek“ den Be⸗ 
trag von 500 M ſofort nach Verbriefung zu zahlen. 
Der Beklagte hat ſich mit dem vom Kläger ermittelten 
Käufer endgültig geeinigt, dieſem die Hypothek abzu— 
treten, hat ſie dann aber nicht an Letzteren, ſondern 
einem Dritten abgetreten. Das LG. hat die auf 
Zahlung des Mäklerlohnes gerichtete Klage abge— 
wieſen, weil der Kläger zwar den obligatoriſchen 
Vertrag, nicht aber den dinglichen Vertrag der Hypo— 
thekübertragung vermittelt habe. Die Berufung des 
Beklagten wurde zurückgewieſen. 


Aus den Gründen: Der für die Vermittelung 
des Verkaufs einer Buchshypothekforderung ver— 
ſprochene Mäklerlohn iſt nur dann verdient, wenn 
der Kaufvertrag durch die Vermittelung des Mäklers 
zuſtande gekommen ift. Dies ift nicht ſchon dann der 
Fall, wenn der obligatoriſche Vertrag auf Ueber— 
tragung der Hypothek durch die Mälklertätigkeit ge- 
ſchloſſen worden iſt, ſondern erſt, wenn auch das 
dingliche Rechtsgeſchäft der Abtretung der Hypothek 
in der geſetzlichen Form durch die Vermittelung des 


130 


Mäklers zuſtande gekommen iſt. Jedenfalls hatte 

der Kläger nach dem ſchriftlichen Lohnverſprechen erſt 

nach der notariellen Beurkundung des Abtretungs⸗ 

vertrages Anſpruch auf den Mäklerlohn. (Urt. vom 

14. Dezember 1907, Ber. Reg. 380/07 L). 2 AA 
1166 


Oberlandesgericht Nürnberg. 


Nicht rechtsfähige Vereine nach Art. 2 ue. Ans- 
Ihlichung von Mitgliedern. Der Kläger war Mitglied 
der Geſellſchaft X., eines geſelligen Vereins, der vor dem 
Inkrafttreten des BGB. gegründet wurde, unter der 
Herrſchaft des bayer. Geſ. vom 29. April 1869, die privat⸗ 
rechtliche Stellung von Vereinen betr., die Eigenſchaft 
eines anerkannten Vereins nicht erwarb und nach dem 
Inkrafttreten des BGB. in das Vereinsregiſter nicht ein⸗ 
getragen wurde. Nach der Satzung liegt die Leitung des 
Vereins einer aus 10 Mitgliedern, darunter einem Vor⸗ 
ſtande, beſtehenden Geſamtverwaltung ob, die im Falle 
von Streitigkeiten und ſonſtigen Anſtänden auch das 
„Schiedsgericht“ mit der Ermächtigung bildet, „nach 
Umſtänden“ Mitglieder aus dem Vereine auszuſchließen. 
Der Ausſchluß eines Mitgliedes kann nach der Satzung 
erfolgen, wenn es mit Mitgliederbeiträgen längere 
Zeit trotz ſchriftlicher Mahnung im Rückſtande bleibt 
und wenn es „unehrenhafte Sachen, unanftändiges 
Benehmen oder ſonſt gröbere Vergehen“ dem Vereine 
gegenüber begeht. Mit dem Ausſchluſſe erliſcht jedes 
Anrecht an das Vereinsvermögen; in allen Fällen 
entſcheidet „bei etwa vorkommenden Stimmengleich⸗ 
heiten“ der Vorſtand. Bei einer Mitgliederverſamm⸗ 
lung kam es zwiſchen dem Kläger und einem Mitgliede 
der Geſamtverwaltung zu Streitigkeiten, die zu einer 
Privatklage des erſteren gegen das betreffende Ver— 
waltungsmitglied wegen Beleidigung führten. In der 
Hauptverhandlung wurde die Sache durch Vergleich 
erledigt. Bald darauf wurde der Kläger durch einen 
Beſchluß der Geſamtverwaltung aus der Geſellſchaft 
ausgeſchloſſen und ihm dies ohne Angabe von Gründen 
mitgeteilt. Gegen dieſe Ausſchließung wendet ſich der 
Kläger mit dem Antrage auf Feſtſtellung, daß er noch 
Mitglied des Vereines ſei. Er bezeichnet den Beſchluß 
als ſachlich ungerechtfertigt, weil keiner der in den 
Satzungen vorgeſehenen Ausſchließungsgründe vor— 
gelegen habe, er führt weiter aus, daß der Beſchluß 
in einer dem Geſetze und der Satzung widerſprechenden 
Weiſe zuſtande gekommen ſei, indem nur 6 Mitglieder 
der Geſamtverwaltung bei der Beſchlußfaſſung mitge— 
wirkt hätten, der Ausſchluß nicht als Gegenſtand der 
Tagesordnung bekannt gegeben, der Kläger nicht ge— 
hört und ein Grund der Ausſchließung nicht feft- 
geſtellt und dem Kläger nicht mitgeteilt worden ſei. 
Das Landgericht gab der Klage ſtatt, weil es dem 
Beſchluſſe an dem Erforderniſſe der Einſtimmigkeit 
nach 8 709 Abſ. 1 BGB. fehle, das OLG. hob das 
Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage ab. 

Aus den Gründen: Der Kläger will die Un- 
wirkſamkeit der Ausſchließung und damit die Tatſache 
feſtgeſtellt haben, daß das zwiſchen ihm und dem Ver— 
eine beſtandene Geſellſchafterverhältnis noch fortdauere. 
Die Klage iſt jedoch nicht gerechtfertigt. Auf den be— 
klagten Verein finden ſeit dem Inkrafttreten des BGB. 
gemäß Art. 2 UeG. die Vorſchriften des BGB. über 
die Geſellſchaft nach SS 705 ff. Anwendung. Nach 8 50 
BPO. kann der Verein trotz des Mangels der Rechts— 
fähigkeit verklagt werden. Wenn auch der Verein 
keine Geſellſchaft iſt und ſich von ihr hauptſächlich 
durch ſein körperſchaftliches Weſen und durch ſeinen 
vom Wechſel der Mitglieder unabhängigen Beſtand 
unterſcheidet, ſo iſt doch das für die Geſellſchaft geltende 
Recht auf die nicht rechtsfähigen Vereine für anwend— 
bar erklärt, indem es der dem Geſellſchaftsvertrage 
des 3 705 BGB. entſprechenden Vereinsſatzung vor— 


— . — — —— Tſ:——— — — — — — —— — — — — . — — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


behalten iſt, die Verhältniſſe des Vereins nach ſeinen 
beſonderen Zwecken zu regeln. Die Vorſchriften des 
BGB. über die Geſellſchaft ſind zum großen Teile 
nicht zwingender Natur und es beſteht in weitem 
Umfange die Möglichkeit zu Abänderungen. Was die 
Ausſchließung von Geſellſchaftern anlangt, ſo ſah der 
Entwurf I des BGB. von einer Beſtimmung Hier- 
über ab. Hierdurch ſollte aber, wie die Motive Bd. II 
S. 617 ſagen, die Zuläſſigkeit der Verabredung über 
die Ausſchließung eines Geſellſchafters aus beſtimmten 
Gründen im Geſellſchaftsvertrage nicht verneint werden. 
Später wurde das Bedürfnis empfunden, über die 
Ausſchließung der Geſellſchafter eine Beſtimmung zu 
treffen und es wurde in der II. Leſung der jetzige 
8 737 BGB. vorgeſehen (Prot. Bd. II S. 443 der 
Ausgabe von Achilles u. Gen.). Hiernach kann, wenn 
für den Fall der Kündigung eines Geſellſchafters das 
Fortbeſtehen der Geſellſchaft unter den übrigen Geſell⸗ 
ſchaftern vereinbart iſt, die Ausſchließung eines Geſell⸗ 
ſchafters erfolgen, wenn ein wichtiger, nach § 723 
BGB. auch zur Kündigung berechtigender Grund vor⸗ 
liegt. Ueber die Rechtmäßigkeit der Ausſchließung iſt 
gegebenenfalls gerichtliche Entſcheidung anzurufen. 
Dieſes richterliche Prüfungsrecht iſt aber nur für den 
Fall anerkannt, daß der Geſellſchaftsvertrag oder die 
Vereinsſatzung über die Ausſchließung von Mitgliedern 
keine Beſtimmung trifft, und die Bezugnahme auf 
8 737 BGB. ift unbehelflich, wenn die Ausſchließung 
durch Vertrag oder Satzung geregelt iſt. Für eine 
ſolche Regelung beſtehen keine Schranken. Der Gefell- 
ſchaftsvertrag kann beſtimmen, daß das Ausſcheiden 
eines Geſellſchafters ihm gegen ſeinen Willen durch 
Ausſchließungserklärung der übrigen Geſellſchafter auf- 
gezwungen werde, daß dieſe Erklärung begründet ſein 
müſſe oder willkürlich erfolgen könne, daß ſie jedem 
einzelnen der übrigen Geſellſchafter oder nur ihrer 
Mehrheit oder bloß allen zuſammen zuſtehe. Durch 
die ſatzungsgemäß geſchehene Aufnahme wird der Auf⸗ 
genommene Mitglied des Vereins, dadurch jedoch auch 
vermöge ſeiner freien Willensentſchließung deſſen 
Satzungen unterworfen. Wenn in den Vereinsſatzungen 
die Ausſchließbarkeit eines Mitglieds unter beſtimmten 
Vorausſetzungen durch die dazu berufenen Vereins- 
organe vorgeſehen iſt, ſo iſt davon auszugehen, 
daß die daraufhin erfolgte Ausſchließung als eine 
Verwaltungstätigkeit des zuſtändigen Vereinsorgans 
gekennzeichnet und daß der ſo zum Ausdrucke gebrachte 
Vereinswille endgültig maßgebend ſein ſolle. Die 
Zulaſſung der richterlichen Nachprüfung ſolcher ſatzungs⸗ 
gemäß gefaßter Ausſchließungsbeſchlüſſe würde einen 
Eingriff in die von den Mitgliedern ſelbſt gewollte 
autonome Selbſtändigkeit des Vereins bedeuten. Nach 
ſtändiger Rechtſprechung (JW. 1902 S. 427, Beil. 6 
S. 227; 1905 S. 315; 1906 S. 416; RG. Bd. 51 S. 66) 
iſt denn auch, ſoweit es ſich um die Anwendung des 
Gemeinen Rechts oder des Rechts des BGB. handelt, 
dieſe richterliche Nachprüfung als unzuläſſig erklärt. 
Von der Geſamtverwaltung des beklagten Vereins 
wurde in dem oben berührten Verhältniſſe des Klägers 
zu einem Verwaltungsmitgliede ein nach der Satzung 
die Ausſchließung des Klägers rechtfertigender Um— 
ſtand gefunden, ob mit Recht oder mit Unrecht, ent⸗ 
zieht fich der Nachprüfung, die Anfechtung des Mus- 
ſchließungsbeſchluſſes aus ſachlichen Gründen iſt un⸗ 
zuläſſig. Dem Gerichte ſteht allerdings die Prüfung 
der Beobachtung des Geſetzes und der Vereinsſatzung 
bei Entſtehung des Ausſchließungsbeſchluſſes zu und 
es iſt allerdings richtig, daß der Ausſchluß des Klägers 
nicht als Gegenſtand der Tagesordnung bekannt ge— 
gegeben, daß der Kläger nicht gehört und daß ihm 
der Grund der Ausſchließung nicht mitgeteilt wurde. 
Darin liegt aber kein Verſtoß gegen das Geſetz oder 
die Vereinsſatzung, weil die Einhaltung dieſer Förm— 
lichkeiten nicht vorgeſchrieben iſt und insbeſondere die 
für rechtsfähige Vereine geltende Beſtimmung des 8 32 


— — — — 


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BGB. hier nicht Platz greift. Nach der Satzung kann 
die Geſamtverwaltung im Falle von Streitigkeiten 
und ſonſtigen Anſtänden als „Schiedsgericht“ tätig 
al d. h. fie kann einen gütlichen Ausgleich unter 
en Beteiligten verſuchen, ſie kann aber „nach Um⸗ 
ſtänden“, ohne daß fie in ihrer Entſchließung beſchränkt 
ijt, ſicherlich alfo dann, wenn eine gütliche Beilegung 
ihr ausſichtslos ſcheint, ſofort den Ausſchluß eines 
oder des anderen der Beteiligten beſchließen, ohne ihn 
vorher zu hören. Ungerechtfertigt iſt die Beanſtandung, 
daß von der Geſamtverwaltung des Vereins ein Grund 
der Ausſchließung nicht feſtgeſtellt worden ſei und daß 
nur 6 Verwaltungsmitglieder bei der Beſchlußfaſſung 
mitgewirkt hätten. Nach dem als richtig anerkannten 
Protokolle über die Sitzung der Geſamtverwaltung 
war der Grund der Ausſchließung des Klägers deſſen 
durch den Vergleich vor dem Schöffengerichte nur 
vorübergehend gebeſſertes Verhältnis zu einem Ver— 
waltungsmitgliede, der Ausſchließungsbeſchluß aber 
wurde von 8 anweſenden Verwaltungsmitgliedern ein— 
ſtimmig gefaßt. Die Zuſtimmung ſämtlicher Mitglieder 
der Verwaltung war nicht erforderlich, da nach der 
Satzung in allen Fällen der Mehrheit der Stimmen 
die Entſcheidung eingeräumt und die in § 709 Abſ. 2 
BGB. berührte Regelung des Stimmenverhältniſſes 
vorgeſehen iſt. Ein gegen die Satzung entſtandenes 
Herkommen für das Erfordernis der Einſtimmigkeit, 
das nach Gierke a. a. O. S. 14 allerdings möglich 
wäre, iſt nicht behauptet. (Urt. vom 7. Dezember 1907). 

1147 D. 


Landgericht München I. 
I. 


e kein Kalendertag ($ 284 
Abi. 2 BGB.). Der stud. arch. P. belegte im Sommer 
1906 zu ſeiner Vorbereitung auf das im November 
1906 ſtattfindende Architektenexamen einen Privatunter— 
richtskurs des Dr. E. über Mathematik. An dem 
Honorar blieb P. einen Reſt von 30 M ſchuldig, bis 
ihn erſtmals am 22. Febr. 1907 Dr E. anwaltſchaftlich 
mahnen ließ. Darauf entrichtete P. den Hauptſachereſt 
nicht aber die Mahnungskoſten, weil das Honorar 
übungsgemäß zwar mit Semeſterſchluß fällig, ihm 
jedoch bis „nach dem Examen“ geſtundet, die Fällig— 
keit ſohin nicht nach einem Kalendertag beſtimmt ge— 
weſen ſei. Die Klage wurde abgewieſen und die Be— 
rufung blieb erfolglos. 

Aus den Gründen: Daß der Beklagte angeb⸗ 
lich ſchon bei Kursbeginn deshalb wiſſen mußte, daß 
das Honorar die Woche vor Semeſterſchluß zahlbar 
fei, weil beſtimmungsgemäß die letzte Kursſtunde vier 
Wochen vor Semeſterſchluß ſtattfinde und dieſer Schluß 
ſchon bei Kursbeginn bekannt geweſen, iſt nicht ſchlüſſig. 
Solche Unterrichtskurſe ſind Privatſache und an den 
Beginn oder Schluß eines Semeſters nicht gebunden; 
der Kläger konnte auch den angeblich von vornherein 
feſtgeſetzten Tag des Beginns und Endes des Semeſters 
nicht angeben; ob ein ſolcher überhaupt beſtimmt war, 
iſt angeſichts der Tatſache zweifelhaft, daß die Dauer 
der einzelnen Vorleſungen je nach Lehraufgabe und 
Hörerzahl verſchieden zu ſein pflegt. Auch hinſichtlich 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


des Examens hat der Kläger ſelbſt den angeblich von 


vornherein feſtgeſetzten Tag und die Zeit der Bekannt— 
machung nicht anzugeben vermocht. Gewöhnlich dauern 
ſolche Prüfungen übrigens mehrere Tage und es kann 
ſchon deshalb von einer Zeitbeſtimmung „nach dem 
Kalender“ keine Rede ſein. (Urt. vom 10. Dez. Lo 
F 427/07). 
1168 II. 

Bergleichsgebühr ($ 21 GG.). 
arauf an, inwieweit die 
wollten, 


Es kommt nicht 
Parteien ſich vergleichen 
ſondern inwieweit der gewollte Vergleich 


Nr. 6. 131 


gerichtlich aufgenommen wurde. Im gegebenen Falle 
erſtreckt ſich der gerichtliche Vergleich nur auf 1512 M, 
während die bereits bezahlte Summe von 1500 M 
vom Vergleich ausdrücklich ausgenommen iſt. Da 
früher über die ganze Summe von 3012 M bereits 
widerſprechend verhandelt war, ift aus 1500 M eine 
volle Verhandlungsgebühr, die Vergleichsgebühr aber 
nur aus 1512 M angufeßen. (Beſchl. vom 30. . 
1907: ; Deihmäteg. 646,07). N. 


III. 

Ganggebühr (8 91 ZPO.). Der Beklagte kann 
für den Gang zu Gericht behufs Erwirkung des Rechts⸗ 
kraftszeugniſſes keine Vergütung fordern, weil nach 
8 91 Abſ. 1 Satz 2 ZPO. ein Anſpruch nur für Beit- 
verſäumnis bei Wahrnehmung von Terminen beſteht. 
(Beſchl. vom 3. Januar 1908; BeſchwReg. N 

1170 


Literatur. 


Warneyer, Dr. Otto. Amtsrichter in Leipzig. Das 
BGB. für das Deutſche Reich nebit dem EG. 


erläutert durch die Rechtſprechung. 2. Auflage. 
Leipzig 1907, Roßbergſche Verlagsbuchhandlung 
(Arthur Roßberg). Gebd. Mk. 7.—. 


Das Buch iſt allgemein bekannt und bedarf daher 
wohl keiner weiteren Empfehlung. — d — 


Notizen. 


Die neuen Borſchriften über die Polizeiſtunde. 
Im Alter von 45 Jahren ſcheidet die ANH. VO. 
vom 18. Juni 1862, die Polizeiſtunde betr., am 
1. April 1908 aus der Welt, um einer neuen, zeit- 
gemäßen Verordnung — Allh. VO. vom 5. Februar 
1908, betr. die Polizeiſtunde, GVBl. S. 55, — Platz 
zu machen. Ungeändert bringt die neue Verordnung 
die Beſtimmungen ihrer Vorgängerin über die ge— 
ſelligen Vereine und geſchloſſenen Geſellſchaften, dann 
die Beſtimmung, daß die Polzeiſtunde für die Städte 
auf 12 Uhr Mitternacht, für die übrigen Gemeinden 
auf 11 Uhr abends feſtgeſetzt iſt, endlich die Be— 
ſtimmung wieder, daß am Faſtnachtsdienstage eine 
Hinausſchiebung der Polizeiſtunde über Mitternacht 
ausgeſchloſſen iſt. Im übrigen enthält ſie vollſtändig 
neue und, was auch hier wieder dankbarſt anzuerkennen 
iſt, klare und damit den Vollzug und die Strafrechts— 
pflege weſentlich erleichternde Beſtimmungen. Sie 
laſſen ſowohl eine Verſchärfung wie eine Abſchwächung 
der allgemein feſtgeſetzten Polizeiſtunde allgemein, 
wie für den einzelnen Fall zu. Doch iſt hiermit, wie 
in der beigegebenen Vollzugsbekanntmachung vom 
6. Februar 1908 (GBl. S. 57) ausdrücklich bemerkt 
iſt, keineswegs beabſichtigt, einen ausgedehnteren Be— 
trieb der Wirtſchaften im ganzen Lande herbei- 
zuführen. Vielmehr ſoll nur da, wo ſich infolge der 
örtlichen Entwicklung der Verkehrsverhältniſſe die bis— 
herige Regelung als unzutreffend erwieſen hat, eine 
entſprechende Berückſichtigung dieſer Verhältniſſe er— 
möglicht werden, und es ſoll insbeſondere da, wo eine 
ſolche Berückſichtigung bisher nur mittelſt einer von 


den Poligeibehörden geübten ſtillſchweigenden Duldung 


fortgeſetzter Geſetzesübertretungen ſtattgefunden hat, 
dieſer geſetzwidrige Zuſtand beſeitigt werden. Den 
Zweifeln, wie lange die Wirtſchaften geſchloſſen ſein 


müſſen und von welcher Stunde an wieder Gäſte auf- 


genommen werden dürfen, iſt nunmehr durch die aus— 
drückliche Beſtimmung vorgebeugt, daß Gäſte in 
Schankſtuben und öffentlichen Vergnügungsorten — ab— 
geſehen von den beſonderen Genehmigungen — bis 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 


6. 


6 Uhr morgens nicht verweilen dürfen. Unter die 
Schankſtuben fallen, nebenbei bemerkt, auch die ſog. 
Kaffeegeſchäfte. Um aber den verſchiedenartigſten 
Wünſchen und Verkehrsverhältniſſen entgegen- 
zukommen, kann durch ortspolizeiliche Vorſchrift die 
Polizeiſtunde allgemein oder für beſtimmte Wirt⸗ 
ſchaftsgattungen, für den ganzen Gemeindebezirk oder 
einen Teil, für das ganze Jahr oder für beſtimmte 
Monate, Wochen oder Tage anderweitig geregelt werden. 
Dieſe Regelung kann für vorübergehende Zwecke er⸗ 
folgen oder fortdauernde Geltung haben. Erfolgt 
dieſe Regelung dahin, daß eine ſpätere Stunde als 
wie die allgemein geltende feſtgeſetzt wird, oder daß 
das Verweilen von Gäſten vor 6 Uhr morgens ge⸗ 
ſtattet wird, ſo kann ſie nur durch eine ortspolizeiliche 
Vorſchrift, die fortdauernde Geltung hat, bewirkt 
werden, die dann gemäß Art. 6 PStGB. der Kreis⸗ 
regierung vorzulegen und im übrigen nach dieſer Be⸗ 
ſtimmung zu behandeln iſt. Dieſe Regelung kann 
jedoch nur erfolgen, wenn es die örtlichen Verhältniſſe 
unbedingt erfordern, und wenn ſie erfolgt, ſo darf die 
Verlängerung der Polizeiſtunde nicht über 2 Uhr 
nachts ausgedehnt und das Verweilen von Gäſten 
vor 4 Uhr morgens nicht geſtattet werden. Abgeſehen 
von dieſer ſchon eine weitgehende Berückſichtigung der 
örtlichen Bedürfniſſe ermöglichenden Befugnis können 
die Polizeibehörden noch bei beſonderen Anläſſen 
durch ſchriftliche Verfügung Abweichungen von der 
Polizeiſtunde, d. i. ſowohl von der durch die Ber- 
ordnung feſtgeſetzten allgemeinen, wie von der durch 
ortspolizeiliche Vorſchriſt an deren Stelle geſetzten, 
bewilligen und zwar ſteht dieſes Recht den Orts— 
polizeibehörden für eine einzelne Wirtſchaft und für 
einen beſtimmten einzelnen Tag, den Diſtriktspolizei⸗ 
behörden auch für ſämtliche Wirtſchaften einer Ge⸗ 
meinde, ſowie für mehrere Tage zu; in gleichem Um⸗ 
fange kann die Diſtriktspolizeibehörde auch die Polizei⸗ 
ſtunde ganz aufheben. Endlich können in Städten 
mit mehr als 20000 Einwohnern die Ortspolizei⸗ 
behörden einzelnen Wirtſchaften für das ganze Jahr 
oder für beſtimmte Monate in ſtets widerruflicher 
Weiſe eine ſpätere Polizeiſtunde bewilligen oder die 
Polizeiſtunde ganz aufheben; von dieſer Ermächtigung 
iſt jedoch nur ein ſtreng bemeſſener, auf die Fälle 
eines wirklichen Bedürfniſſes beſchränkter Gebrauch 
zu machen und durch die Genehmigungsbedingungen 
Mißbräuchen und Ausſchreitungen von vorneherein 
entgegenzutreten. Dem durch dieſe Vorſchriften den 
Wirten und dem Publikum bewieſenen Entgegen— 
kommen ſteht aber als notwendiges Gegengewicht die 
Beſtimmung gegenüber, daß unter beſtimmten Voraus— 
ſetzungen durch behördliche Verſügung, ſowohl für 
einzelne Wirtſchaften als auch bei dringenden außer— 
ordentlichen Veranlaſſungen für alle Wirtſchaften 
eines beſtimmten Gebietes eine frühere Polizeiſtunde 
als wie die allgemein feſtgeſetzte beſtimmt werden 
kann. —t— 
1188 


Die Straſmitteilnngen an die öffentlichen Unter- 
ſuchungdanſtalten für Nahrungs⸗ und Genußmittel. 
Durch eine Bekanntmachung vom 10. Februar d. 8. 
(JM Bl. S. 58) werden die bisherigen Vorſchriften 
erſetzt. Eine grundſätzliche Aenderung iſt nicht ein⸗ 
getreten. Die Mitteilung erfolgt wie bisher in An- 
ſehung der in dem abgelaufenen Vierteljahr erz 
ledigten Strafverfahren ohne Unterſchied ihres Ergeb— 
niſſes. Die Abgabe der Sache an den Amtsanwalt 
oder die Ueberweiſung an das Schöffengericht iſt nicht 
mehr mitzuteilen. Bei der Mitteilung iſt eine Tabelle 
auszufüllen. Gegebenenfalls iſt Fehlanzeige zu er⸗ 


| 


ſtatten. Der Schlußabſatz wendet ſich an die Gerichte. 


Eigentum von J. Schweißer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Sie haben den öffentlichen Unterſuchungsanſtalten auf 
deren Antrag, der einer Begründung nicht bedarf, 
koſtenlos Abſchriften der Entſcheidungen zu erteilen. 
Zu dem Antrage dürften alle in Nr. 1 der Bekannt⸗ 
machung genannten Anſtalten berechtigt ſein, nicht nur 
die Anſtalt, die in der Strafſache ein Gutachten 
erſtattet hat. 


1198 
Die Beſtrafung roher und unſittlicher Handlungen. 
Man ſtreitet bekanntlich darüber, ob die Kriminalitat 


in Deutſchland ſteigt oder ſinkt. Aus den ſtatiſtiſchen 
Zahlen läßt ſich — zunächſt für Bayern — jedenfalls 
zweierlei mit Sicherheit entnehmen: eine abſolute und 
relative Zunahme der Verbrechen und Vergehen wider 
die Sittlichkeit und eine abſolute und relative Abnahme 
der Vermögensdelikte. Beſonders die Verurteilungen 
wegen Unzucht mit Kindern und Notzucht zeigen ein 
bedauerliches Anſchwellen. 1895 erfolgten hierwegen in 
Bayern 762 Verurteilungen, 1905 dagegen 1131. Auch 
die Verurteilungen wegen Körperverletzung nehmen im 
allgemeinen abſolut zu. Ihre prozentuale Beteiligung 
an der Geſamtzahl der ſtrafbaren Handlungen zeigt aber 
nur geringe Schwankungen (Näheres auf S. XXIX f., 
80 f. der bayr. Juſtizſtatiſtik für das Jahr 1906). 
Nach der Bekanntmachung vom 19. Februar d. Js. 
(JM Bl. S. 57) entſprechen die vielfach milden Strafen 
wegen Verübung roher und unſittlicher Handlungen 
namentlich dann nicht dem öffentlichen Rechtsbewußt— 
ſein, wenn die Handlungen ſich gegen Frauen oder 
Kinder und noch dazu unter Mißbrauch eines Abhängig: 
keitsverhältniſſes gerichtet haben. Die Bevölkerung 
weiſt auf das Mißverhältnis dieſer Strafen zu der 
Höhe der Strafen hin, die wegen oft geringfügiger 
Vermögensdelikte verhängt wurden. Die Staats⸗ 
anwälte werden deshalb angehalten, in jedem Stadium 
des Verfahrens auf die Ermittelung der Tatſachen hin⸗ 
zuwirken, die für die Beſtimmung der Strafe von Be⸗ 
deutung find. Sie follen fih nicht auf den Schuld— 
beweis beſchränken, ſondern ihre Ermittelungen auf 
die perſönlichen und Familienverhältniſſe des Täters. 
unter Umſtänden auch auf ſeine körperliche und geiſtige 
Verfaſſung, dann auf die Verhältniſſe des Verletzten 
und die Frage des Schadenserſatzes erſtrecken. Das 
Gericht ſoll in der Lage ſein, auch die Wirkung der 
Strafe auf den Verurteilten zu ermeſſen, d. h. zu 
individualiſieren. Kommt der Staatsanwalt dann zu 
dem Ergebniſſe, daß eine ſtrenge Beſtrafung des 
Schuldigen am Platze iſt, ſo hat er ſeinen Standpunkt 
namentlich bei rohen und unſittlichen Angriffen auf 
Frauen und Kinder mit Nachdruck geltend zu machen 
und entſprechend empfindliche Strafen zu beantragen. 

Zu der Klage, daß die Strafen wegen der Eingriffe 
in fremdes Vermögen und wegen roher oder unſittlicher 
Handlungen häufig nicht im richtigen Verhältniſſe ftin- 
den, mag noch bemerkt werden, daß hierfür nicht in letzter 
Linie die dem Empfinden der Gegenwart nicht immer 
entſprechende geſetzliche Feſtlegung des Strafrahmens 
verantwortlich iſt. Man iſt darüber einig, daß die 
Reform des Strafrechtes hier Abhilfe ſchaffen muß. 

1206 


Berichtigung. 

Zu der Mitteilung auf S. 104 in Nr. 5 oben ſei 
noch nachgetragen, daß auf die vor dem 1. Januar 19% 
gegründeten priv. Schützengeſellſchaften die Vorſchrift 
des EG. z. BGB. Art. 163 mit BGB. 8 89 An: 
wendung findet. D. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


Ur. 7. 7 


ril tiriti für Kedhtspflege 


Herausgegeben von 


Ch. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlerteljäbrlich 

Ak. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Beitanftalt (Beitzettungstiite für Bayern Nr. 9742). 


in Bayern 


Verlag von 

2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 

in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzelle 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten 


din Entwurf eines Geſetzes betr. Aenderungen 

des Serichtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeß⸗ 

nung, des Gerichtskoſtengeſetzes und der 
Gebührenordnung für Lechtsanwälte. 


Bon Dr. Friedrich Hellmann, e ee 
in München. 


Die Beilage 2 zu Nr. 55 des Reichsanzeigers 
dom 4. März 1908 brachte den Text des ge⸗ 
nannten Entwurfs, wie er auf Grund der Be: 
tatungen des Bundesrats dem Reichstage am 
28. Februar 1908 zugegangen iſt. Gleichzeitig 
iſt der Entwurf mit Begründung in Carl Hey⸗ 
manns Verlag erſchienen. 

Obwohl dieſe Zeitſchrift in Nr. 21 und 22 
des Jahrgangs 1907 dem an den Bundesrat 
gelangten Entwurf eine eingehende Beſprechung 
gewidmet hat und gerade weil dies geſchah, läßt 
ſich eine Erörterung des jetzt vorliegenden Ent⸗ 
wurfs nicht umgehen. Denn die in der Be: 
ſprechung jenes erſten Entwurfs ausgedrückte Er⸗ 
wartung, er werde ohne weſentliche Aende⸗ 
tungen vom Bundesrate angenommen werden, 
hat ſich nicht verwirklicht. Die vom Bundesrate 
vorgenommenen Aenderungen find vielmehr zahl- 
teich und teilweiſe von einſchneidender Bedeutung. 


I. Gerichtsverfaſſungsgeſetz. 


Das, worauf es den verbündeten Regierungen 
dor allem anzukommen ſchien — die Erweiterung 
der amtsgerichtlichen Zuſtändigkeit auf einen Wert 


für manche Gegenden des Reiches durch Ver— 
größerung der Landgerichtsbezirke der Bevölkerung 
die Aufſuchung des land gerichtlichen Rechtsweges 
erſchwert werden kann. Dem ſteht aber in zahl⸗ 


loſen Fällen als Aequivalent die Erleichterung des 


amtsgerichtlichen Rechtsweges gegenüber. 


Die 


Gefahr einer Verringerung der Zahl der Land— 


don 800 M — ift allerdings unverändert geblieben. geſe un l 
Geſetz wird, fo modifiziert er eben $ 8 Abi. 1; 
auch wäre das fo geichaffene „Richteramphibium“ 


Die gegen dieſe Zuſtändigkeitserweiterung er⸗ 
bobenen Bedenken find eingehend ſoeben wieder 
don Schrutka von Rechtenſtamm in Grünhuts3. 
für das Privat⸗ und öffentliche Recht Bd. 53 
8. 227— 233 gewürdigt worden. Dem ift kaum 
etwas hinzuzufügen. 


Freilich läßt ſich nicht leugnen, daß die Ent⸗ 


loung der Landgerichte, welche fih im Gefolge 
der erweiterten Zuſtändigkeit der Amtsgerichte ein⸗ 
tellen wird, möglicherweiſe die Aufhebung einer 
Anzahl von en mit ſich bringt und ſo 


gerichte wird übrigens durch die ſchrankenloſe Zu⸗ 
laſſung der Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile 
im Gegenſatze zu dem im erſten Entwurf auf⸗ 
geſtellten Erfordernis der summa appellabilis 
von 50 M erheblich vermindert. Darin liegt 
die weſentlichſte Verbeſſerung des zweiten 
Entwurfs, die um ſo mehr zu begrüßen iſt, als 


dadurch die Verſtärkung der ohnehin bedauerlichen 


Inkonſequenz unſerer Reviſionsſumme vermieden 
wird. Die Rückſicht auf das Fortkommen der 
jungen Juriſten dürfte aber kaum verletzt ſein, 
da die erhöhte Geſchäftslaſt der Amtsgerichte eine 
entſprechende Vermehrung der Amtrsrichterſtellen 
notwendig machen wird. Offen bleibt allerdings 
die Frage, ob wegen der Streitſachen im Werte 
zwiſchen 300 und 800 M die Entlaſtung der 
Oberlandesgerichte ſo bedeutſam werden kann, 
daß die Zahl der Richter an den Oberlandes— 
gerichten eine Verringerung erfahren muß. 

Die auch im zweiten Entwurf vorgeſehene 
Zuläſſigkeit ($ 58 Abſ. 2) der Beſtimmung von 
Landgerichtsmitgliedern zum gleichzeitigen Dienſt 
am Amtsgerichte des Landgerichtsſitzes iſt zwar 
nicht, wie in dieſer Zeitſchrift (a. a. O. S. 422 
bemerkt wurde, durch 88 Abi. 1 GVG. aus— 
geſchloſſen; denn wenn § 58 Abſ. 2 des Entwurfes 


(dieſe Zeitſchrift a. a. O.) keineswegs eine „ganz 
neue Erfindung“ (in Oeſterreich beſteht eine ſolche 
Einrichtung, val. Schrutka a. a. O. S. 230); 
aber auf alle Fälle wäre eine ſolche Einrichtung 
vom Geſichtspunkte der richterlichen Unabhängig— 
keit höchſt beklagenswert, wie Schrutka (a. a. O.) 
zutreffend ausführt. 

Für den standard der Rechtsanwälte werden 
die Schäden der Neuerung vorausſichtlich aus— 


132 Zeiiſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 


2 ge — — PE A 
nn TZ = — ————— 


6 Uhr morgens nicht verweilen dürfen. Unter die | Sie haben den öffentlichen Unterſuchungsanſtalten auf 
Schankſtuben fallen, nebenbei bemerkt, auch die ſog. deren Antrag, der einer Begründung nicht bedarf. 
Kaffeegeſchäfte. Um aber den verſchiedenartigſten koſtenlos Abſchriften der Entſcheidungen zu erteilen - 
Wünſchen und Verkehrsverhältniſſen entgegen⸗ Zu dem Antrage dürften alle in Nr. 1 der Bekannt 
zukommen, kann durch ortspolizeiliche Vorſchrift die | madung genannten Anftalten berechtigt fein, nicht nur 
Polizeiſtunde allgemein oder für beſtimmte Wirt⸗ die Anſtalt, die in der Strafſache ein Gutachterr 
ſchaftsgattungen, für den ganzen Gemeindebezirk oder erſtattet hat. 


einen Teil, für das ganze Jahr oder für beſtimmte 1198 
Monate, Wochen oder Tage anderweitig geregelt werden. , 
Dieſe Regelung kann für vorübergehende Zwecke er⸗ Die Beſtraſung roher und unfittlicher andlungen 


folgen oder fortdauernde Geltung haben. Erfolgt Man ſtreitet bekanntlich darüber, ob die Kriminalität 
dieſe Regelung dahin, daß eine ſpätere Stunde als in Deutſchland ſteigt oder ſinkt. Aus den ſtatiſtiſcherr 
wie die allgemein geltende feſtgefetzt wird, oder daß Zahlen läßt ſich — zunächſt für Bayern — jedenfalls 
das Verweilen von Gäſten vor 6 Uhr morgens ge⸗ zweierlei mit Sicherheit entnehmen: eine abſolute und 
ſtattet wird, ſo kann ſie nur durch eine ortspolizeiliche relative Zunahme der Verbrechen und Vergehen wider 
Vorſchrift, die fortdauernde Geltung hat, bewirkt die Sittlichkeit und eine abſolute und relative Abnahme 
werden, die dann gemäß Art. 6 PStGB. der Kreis⸗ der Vermöͤgensdelikte. Beſonders die Verurteilungen 
regierung vorzulegen und im übrigen nach dieſer Be⸗ wegen Unzucht mit Kindern und Notzucht zeigen ein 
timmung zu behandeln iſt. Dieſe Regelung kann bedauerliches Anſchwellen. 1895 erfolgten hierwegen in 
jedoch nur erfolgen, wenn es die örtlichen Verhältniſſe Bayern 762 Verurteilungen, 1905 dagegen 1131. Auch 
unbedingt erfordern, und wenn ſie erfolgt, ſo darf die die Verurteilungen wegen Körperverletzung nehmen im 
Verlängerung der olizeiſtunde nicht über 2 Uhr allgemeinen abſolut zu. Ihre prozentuale Beteiligung 
nachts ausgedehnt und das Verweilen von Gäſten an der Geſamtzahl der ſtrafbaren Handlungen zeigt aber 
vor 4 Uhr morgens nicht geſtattet werden. Abgeſehen nur geringe Schwankungen (Näheres auf S. XXIX f., 
von dieſer ſchon eine weitgehende Berückſichtigung der 80 f. der bayr. Juſtizſtatiſtik „ Jahr 1906). 


durch ſchriftliche Verfügung Abweichungen von der wegen Verübung roher und unſittlicher Handlungen 
Polizeiſtunde, d. i. ſowohl von der durch die Ver⸗ namentlich dann nicht dem öffentlichen Rechtsbewußt⸗ 
ordnung feſtgeſetzten allgemeinen, wie von der durch ſein, wenn die Handlungen ſich gegen Frauen oder 
orts polizeiliche Vorſchrift an deren Stelle geſetzten, Kinder und noch dazu unter Mißbrauch eines Abhängig⸗ 
bewilligen und zwar ſteht dieſes Recht den Orts⸗ teitsverhältniſſes gerichtet haben. Die Bevölkerung 
polizeibehörden für eine einzelne Wirtſchaft und für weiſt auf das Mißverhältnis dieſer Strafen zu der 
einen beſtimmten einzelnen Tag, den Diſtriktspolizei⸗ Höhe der Strafen hin, die wegen oft geringfügiger 
behörden auch für ſämtliche Wirtſchaften einer Ge- Verumögensdelikte verhängt wurden. Die Staats⸗ 
meinde, ſowie für mehrere Tage zu: in gleichem Um⸗ anwälte werden deshalb angehalten, in jedem Stadium 
fange kann die Diſtriktspolizeibehörde auch die Polizei⸗ | des Verfahrens auf die Ermittelung der Tatſachen hin⸗ 
ſtunde ganz aufheben. Endlich können in Städten zuwirken, die für die Beſtimmung der Strafe von Be⸗ 
mit mehr als 20000 Einwohnern die Ortspolizei⸗ deutung ſind. Sie ſollen ſich nicht auf den Schuld⸗ 
behörden einzelnen Wirtſchaften für das ganze Jahr beweis beſchränken, ſondern ihre Ermittelungen auf 
oder für beſtimmte Monate in ſtets widerruflicher die perſönlichen und Familienverhältniſſe des Täters, 
Weiſe eine ſpätere Polizeiſtunde bewilligen oder die unter Umſtänden auch auf ſeine körperliche und geiſtige 
Polizeiſtunde ganz aufheben; von dieſer Ermächtigung Verfaſſung, dann auf die Verhältniſſe des Verletzten 
iſt jedoch nur ein ſtreng bemeſſener, auf die Fälle und die Frage des Schadenserſatzes erſtrecken. Das 
eines wirklichen Bedürfniſſes beſchränkter Gebrauch Gericht ſoll in der Lage ſein, auch die Wirkung der 
zu machen und durch die Genehmigungsbedingungen Strafe auf den Verurteilten zu ermeſſen, d. h. zu 
Mißbräuchen und Ausſchreitungen von vorneherein individualiſieren. Kommt der Staatsanwalt dann zu 
entgegenzutreten. Dem durch dieſe Vorſchriften den | dem Ergebniſſe, daß eine ſtrenge Beſtrafung des 
Wirten und dem Publikum bewieſenen Entgegen⸗ Schuldigen am Platze iſt, ſo hat er ſeinen Standpunkt 
kommen ſteht aber als notwendiges Gegengewicht die namentlich bei rohen und unſittlichen Angriffen auf 
Beſtimmung gegenüber, daß unter beſtimmten Voraus⸗ Frauen und Kinder mit Nachdruck geltend zu machen 
ſetzungen durch behördliche Verſügung⸗ ſowohl für und entſprechend empfindliche Strafen zu beantragen. 
einzelne Wirtſchaften als auch bei dringenden außer⸗ Zu der Klage, daß die Strafen wegen der Eingriffe 
ordentlichen Veranlaſſungen für alle Wirtſchaften in fremdes Vermögen und wegen roher oder unſittlicher 
eines beſtimmten Gebietes eine frühere Polizeiſtunde Handlungen häufig nicht im richtigen Verhältniſſe ſtün⸗ 
als wie die allgemein feſtgeſetzte beſtimmt werden den, mag noch bemerkt werden, daß hierfür nicht in letzter 
kann. — t — Linie die dem Empfinden der Gegenwart nicht immer 
1188 entſprechende geſetzliche Feſtlegung des Strafrahmens 
3 verantwortlich ift. Man it darüber einig, daß die 
Die Straſmitteilungen an die öffentlichen Unter- Reform des Strafrechtes hier Abhilfe ſchaffen muß. 
ſuchungsanſtalten für Nahrungs⸗ und Genußmittel. 1205 
Durch eine Bekanntmachung vom 10. Februar d. Js. 


Er — 


——— 


(JMBl. S. 58) werden die bisherigen Vorſchriften BR 
erſetzt. Eine grundſätzliche Aenderung iſt nicht ein⸗ Mi 5 in Nr. 5 oben sei 
getreten. Die Mitteilung erfolgt wie bisher in An⸗ Zu der äitteilung auf S. 104 m r. 5 oben Iet 


ehung der in dem abgelaufenen Vierteljahr er⸗ noch nachgetragen, daß auf die vor dem 1. Januar 1900 
ledigten Strafverfahren ohne Unterſchied ihres Ergeb- gegründeten priv. Schützengeſellſchaften die Vorſchrift 
niſſes. Die Abgabe der Sache an den Amtsanwalt des EG. z. BGB. Art. 163 mit BGB. 8 89 An⸗ 
oder die Ueberweiſung an das Schöffengericht Mi nicht wendung findet. D. 
mehr mitzuteilen. Bei der Mitteilung iſt eine Tabelle wendung er Pfordten, 
auszufüllen. Gegebenenfalls iſt Fehlanzeige zu ek; Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
ſtatten. Der Schlußabſatz wendet ſich an die Gerichte. K. Landgerichtsrat in München. 

— CEigentum von J. Schweißer Verlag (Arthur Sellier) in München. 

Druck vou Dr. Franz Paul Patterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


— — 


Nr. 7. 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9742). 


München, den 1. April 1908. 


T A . 


4. Jahrg. 


Ititſchrift für Rechtspflege 
in Bayern 


. 


4 
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 0 


Verlag von 

2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 

in München, Lenbachplatz 1. 


; Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
ZA: Inſertionsgebübr 30 Pig. für die balbgeſpaltene Petitzeille 
5% oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 

20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten 


Zum Entwurf eines Geſetzes betr. Aenderungen für manche Gegenden des Reiches durch Der: 
des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeß⸗ 
ordnung, des Cerichtsloſtengeſetzes und der 
loſen Fällen als Aequivalent die Erleichterung des 


Gebührenordnung für Lechtsanwälte. 


Bon Dr. Friedrich Hellmann, Univerſitätsprofeſſor 
in München. 


Die Beilage 2 zu Nr. 55 des Reichsanzeigers 
vom 4. März 1908 brachte den Text des ge— 
nannten Entwurfs, wie er auf Grund der Be— 
ratungen des Bundesrats dem Reichstage am 
28. Februar 1908 zugegangen iſt. Gleichzeitig 
ift der Entwurf mit Begründung in Carl Hey: 
manns Verlag erſchienen. 

Obwohl dieſe Zeitſchrift in Nr. 21 und 22 
des Jahrgangs 1907 dem an den Bundesrat 
gelangten Entwurf eine eingehende Beſprechung 
gewidmet hat und gerade weil dies geſchah, läßt 
ſich eine Erörterung des jetzt vorliegenden Ent— 
wurfs nicht umgehen. Denn die in der Be: 
ſprechung jenes erſten Entwurfs ausgedrückte Er: 
wartung, er werde ohne weſentliche Aende: 
rungen vom Bundesrate angenommen werden, 
hat ſich nicht verwirklicht. Die vom Bundesrate 
vorgenommenen Aenderungen ſind vielmehr zahl— 
reich und teilweiſe von einſchneidender Bedeutung. 


I. Gerichtsverfaſſungsgeſetz. 
Das, worauf es den verbündeten Regierungen 


amtsgerichtlichen 


größerung der Landgerichtsbezirke der Bevölkerung 
die Aufſuchung des land gerichtlichen Rechtsweges 
erſchwert werden kann. Dem ſteht aber in zahl: 


Rechtsweges gegenüber. Die 
Gefahr einer Verringerung der Zahl der Land— 
gerichte wird übrigens durch die ſchrankenloſe Zu: 
laſſung der Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile 
im Gegenſatze zu dem im erſten Entwurf auf— 
geſtellten Erfordernis der summa appellabilis 
von 50 M erheblich vermindert. Darin liegt 


die weſentlichſte Verbeſſerung des zweiten 
Entwurfs, die um ſo mehr zu begrüßen iſt, als 


dadurch die Verſtärkung der ohnehin bedauerlichen 


Inkonſequenz unſerer Reviſionsſumme vermieden 


wird. Die Rückſicht auf das Fortkommen der 
jungen Juriſten dürfte aber kaum verletzt ſein, 


da die erhöhte Geſchäftslaſt der Amtsgerichte eine 


entſprechende Vermehrung der Amtsrichterſtellen 
notwendig machen wird. Offen bleibt allerdings 
die Frage, ob wegen der Streitſachen im Werte 
zwiſchen 300 und 800 M die Entlaſtung der 
Oberlandesgerichte ſo bedeutſam werden kann, 
daß die Zahl der Richter an den Oberlandes— 
gerichten eine Verringerung erfahren muß. 


Die auch im zweiten Entwurf vorgeſehene 


Zuläſſigkeit ($ 58 Abſ. 2) der Beſtimmung von 


Landgerichtsmitgliedern zum gleichzeitigen Dienſt 


vor allem anzukommen ſchien — die Erweiterung 


der amtsgerichtlichen Zuſtändigkeit auf einen Wert 
von 800 M — ift allerdings unverändert geblieben. 

Die gegen dieſe Zuſtändigkeitserweiterung er— 
hobenen Bedenken find eingehend ſoeben wieder 
von Schrutka von Rechtenſtamm in Grünhutsz. 


am Amtsgerichte des Landgerichtsſitzes iſt zwar 
nicht, wie in dieſer Zeitſchrift (a. a. O. S. 422 
bemerkt wurde, durch 8 8 Abſ. 1 GWG. aus: 
geſchloſſen; denn wenn § 58 Abſ. 2 des Entwurfes 
Geſetz wird, fo modifiziert er eben § 8 Abt. 1; 
auch wäre das ſo geſchaffene „Richteramphibium“ 


[dieſe Zeitſchrift a. a. O.) keineswegs eine „ganz 


für das Privat⸗ und öffentliche Recht Bd. 53 


S. 227— 233 gewürdigt worden. Dem iſt kaum 
etwas hinzuzufügen. 

Freilich läßt ſich nicht leugnen, daß die Ent: 
laſtung der Landgerichte, welche ſich im Gefolge 
der erweiterten Zuſtändigkeit der Amtsgerichte ein— 
ſtellen wird, möglicherweiſe die Aufhebung einer 
Anzahl von Landgerichten mit ſich bringt und ſo 


neue Erfindung“ (in Oeſterreich beſteht eine ſolche 
Einrichtung, vgl. Schrutka a. a. O. S. 230); 
aber auf alle Fälle wäre eine ſolche Einrichtung 
vom Geſichtspunkte der richterlichen Unabhängig— 
keit höchſt beklagenswert, wie Schrutka (a. a. O.) 
zutreffend ausführt. 

Für den standard der Rechtsanwälte werden 
die Schäden der Neuerung vorausſichtlich aus— 


13 e für Rechtspflege in Bayern. 1908. Wr 7. 


— — — — 


geglichen durch die wichtige neue Vorſchrift des 
zweiten Entwurfs Art. IV Nr. 2, wonach § 52 
der RAGO. folgende Faſſung erhält: 


„In der Berufungsinſtanz und in der 
Reviſionsinſtanz erhöhen ſich die Gebührenſätze 
um drei Zehnteile“. 

Wenn alſo der verwerfliche Satz über die Ver⸗ 
wendbarkeit von Landgerichtsmitgliedern zu Amts⸗ 
richtern fallen gelaſſen würde, ſo könnte man mit 
der Zuſtändigkeitserweiterung auf 800 M um fo 
mehr einverſtanden ſein, als die Erfahrungen in 
Oeſterreich, wo die Einzelgerichte bis zu 1000 
Kronen zuſtändig find, Mißſtände nicht zu ver: 
zeichnen ſcheinen. 

Eine bemerkenswerte Aenderung — vielleicht 
eine Verbeſſerung — des erſten Entwurfs enthält 
Art. I Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 5a und 
Nr. 6 des zweiten Entwurfs. Während nach 
jenem die amtsgerichtlichen Handelsſachen in der 
Berufungsinſtanz vor den Zivilkammern der Land— 
gerichte zu verhandeln geweſen wären, ſollen ſie 
nach dem letzteren an die Kammern für Handels- 
ſachen gelangen in entſprechender Anwendung der 
Regeln, welche für die Geſchäftsverteilung zwiſchen 
Zivilkammern und Kammern für Handelsſachen 
in erſter Inſtanz gelten. 


Zu dieſem Zweck fol u. a. $ 71 GWG. fo 
gefaßt werden: 


„Die Zivilkammern einſchließlich der Kammern | 


für Handelsſachen ſind die Berufungs- und Be⸗ 
ſchwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten 
verhandelten bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten“. 


An dieſer Faſſung hätte ich auszuſetzen, daß 
ſie den Eindruck erwecken müßte, als gebe es bei 
den Landgerichten zwei Arten von „Zivilkammern“, 
von denen die eine „Zivilkammer“ ſchlechthin, die 
andere „Kammer für Handelsſachen“ heiße (vv.: 
„einſchließlich der K. f. H.“). Das würde 
nicht ſtimmen zu dem ſonſtigen Sprachgebrauch 
des Geſetzes, der „Zivilkammer“ ſtets im Gegen: 
ſatz zu „Kammer für Handelsſachen“ verwendet. 
Man vergleiche zunächſt den neu eingeſtellten 
§ 100 a des vorliegenden Entwurfs: 


„Iſt bei einem Landgerichte eine Kammer für 
Handelsſachen gebildet, ſo tritt für Handels⸗ 
ſachen diefe Kammer an die Stelle der Zivil: 
kammer. 

Tritt die Kammer für Handelsſachen an die 
Stelle der Zivilkammer, jo kann man nicht jagen, 
daß ſie in der Zivilkammer eingeſchloſſen ſei. 

Man vergleiche ferner GVG. SS 103—105, 
107, wo der Gegenſatz durch die Regeln über 
die Verweiſung von einer Kammer an die andere 
hervortritt. 

Es wäre daher in 71 GWG. wohl ſchöner 
zu ſagen: „Die Zivilkammern und die Kammern 
für Handelsſachen find... 

Bei dieſer Gelegenheit mag gleich ein weiterer 


+ 


Schönheitsfehler des zweiten Entwurfes gerügt werden, 
der in Art. II Nr. 13 dem $ 508 anhaftet. $ 508 
ſoll nämlich lauten: 


„Der Gerichtsſchreiber hat die Zuſtellung 
des Verſäumnisurteils zu vermitteln, ſofern 
nicht die Partei, welche das Urteil erwirkt hat, 
erklärt hat, ſelbſt einen Gerichtsvollzieher mit 
der Zuſtellung beauftragen zu wollen“. 


Man könnte das dritte „hat“ wohl ohne 
Beeinträchtigung des Sinnes weglaſſen. 


Völlig neu ſind in dem zweiten Entwurfe die 
in Art. I Nr. 3—9 enthaltenen Vorſchlaͤge, Nr. 3 
und 4 betreffen die ſchon erwähnte Aenderung 
des § 71 GWG. und die Einſchaltung des an: 
geführten $ 100 a hinter $ 100 GVG. 

Nr. 5 will den Kreis der Handelsſachen anders 
als bisher $ 101 umſchreiben. Ausgeſchaltet ſollen 
werden die in GVG. $ 101 Nr. 3e angeführten 
Anſprüche aus dem Rechtsverhältniſſe zwiſchen dem 
Prinzipal und feinem kaufmänniſchen Perſonal. 
nachdem für Klagen wegen ſolcher Anſprüche jetzt 
die Kaufmannsgerichte ausſchließliche ſachliche Zur 
ſtändigkeit erlangt haben und es für bedenklich 
erachtet wurde, ſie in der Berufungsinſtanz einem 
Gerichte zuzuweiſen, in dem Prinzipale die Mehr⸗ 
heit bilden. Eingeſchaltet ſollen werden als Nr. 4 
bis 6 des $ 101 die Anſprüche aus dem Wett⸗ 


bewerbs⸗, Börſen- und Reichsſtempelgeſetze. 


Da nach dem erwähnten Prinzip, daß die 
Kammer für Handelsſachen in Handelsſachen an 
die Stelle der Zivilkammer treten ſoll, die 
Kammer für Handelsſachen auch für das Rechts⸗ 
mittel der Beſchwerde anzugehen iſt, ſo hat der 
neue Entwurf folgerichtig Verweiſungsregeln in 


8 108 a GGG. aufgeſtellt für die Fälle, wo die 


Beſchwerde an die unrichtige Kammer gelangt iſt. 

Die Faſſung des $ 109 Abſ. 3 GVWG., wo- 
nach in Prozeſſen zwiſchen Reeder oder Schiffer 
und Schiffsmannſchaft aus dem zwiſchen ihnen 
beſtehenden Rechtsverhältniſſe der Vorfitzende allein 
entſcheiden kann, paßt nur für das Verfahren 
erſter Inſtanz. Das verſtand ſich bisher von 
ſelbſt, weil die Kammern für Handelsſachen nur 
in erſter Inſtanz entſcheiden konnten. Nun ſollen 
ſie, wie geſagt, auch Berufungsgerichte ſein. Des⸗ 
halb ſoll $ 109 Abſ. 3 ſo gefaßt werden: 


„In Streitigkeiten, welche ſich auf das Rechts⸗ 
verhältnis zwiſchen Reeder oder Schiffer und 
Schiffsmannſchaft beziehen, kann die Ent: 
ſcheidung in erſter Inſtanz durch den Vor⸗ 
ſitzenden allein erfolgen“. 


Die Neufaſſung des § 202 Abi. 3 GVG. 
hat im zweiten Entwurfe inſofern eine Aenderung 
erfahren, als im Verfahren vor den Landgerichten 
und in den höheren Inſtanzen das Gericht ſolche 
Sachen, die nicht unter Abſ. 1 des $ 202 fallen, 
auf Antrag als Ferienſachen nicht bloß erklären 
kann, ſondern ſoll. 


— — ee ——ͤ— so e ee, — ñä——k4w . ——— — — — — — — ͤ U2— ‘Mool o’ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


II. Zivilprozeßordnung. | 


Die geplanten Aenderungen der ZPO. be: 
treffen ſchon im erſten Entwurfe zunächſt das 
Koſtenfeſtſetzungsverfahren und übertragen die 
Koſtenfeſtſetzung dem Gerichtsſchreiber ſtatt des 
Gerichtes. Trotzdem hatte der erſte Entwurf den 
5 91 ZPO. unverändert gelaſſen, wo es heißt, 
die Koſten ſeien zu erſtatten, ſoweit ſie nach 
freiem Ermeſſen des Gerichtes notwendig 
waren (Abſ. 1), und die Reiſekoſten eines aus⸗ 
wärtigen Rechtsanwalts nur inſoweit, als die Zu⸗ 
ziehung nach dem Ermeſſen des Gerichts 
notwendig war. Die geſperrt gedruckten Worte 
find im zweiten Entwurfe folgerichtig geſtrichen 
worden. 

Die Faſſung des neuen § 104 erhielt jetzt in 
Abſ. 1 den Zuſatz, daß die Entſcheidung des 
Gerichtsſchreibers aber den Koſtenfeſtſetzungsantrag 
den Parteien von Amts wegen zuzuſtellen ſei und 
in Abſ. 3 die Ergänzung, daß die Entſcheidung 
ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen 
und daß das Gericht vor der Entſcheidung über 
die Erinnerungen gegen den Feſſtſetzungsbeſchluß 
durch einen der ſofortigen Beſchwerde zugänglichen 
Beſchluß die Ausſetzung des Vollzuges der Koſten⸗ 
feſtſetzung anordnen könne. 

Durch die letztere Beſtimmung iſt einem 
Monitum Seufferts (in dieſer Zeitſchrift a. a. O. 
S. 422) in gewiſſem Maße Rechnung getragen 
worden. Die übrigen erwähnten Ergänzungen 
des erſten Entwurfs ſetzen verſtändigerweiſe außer 
Zweifel, was ſonſt erſt durch Auslegung und 
Analogie hätte erſchloſſen werden müſſen. 

Das Verfahren bei der Zeugenvernehmung 
ließ der erſte Entwurf unberührt. Der zweite 
Entwurf will unter II. Nr. 8ff. in Uebereinſtim⸗ 
mung mit den Beſchlüſſen der Kommiſſion für 
die Reform des Strafprozeſſes und mit den ſeit 
dem Jahre 1895 geſchehenen mehrfachen parla⸗ 
mentariſchen Anregungen den obligatoriſchen 
Nacheid für Zeugen vernehmungen einführen 
und bei einer Mehrheit von Zeugen zur Ver⸗ 
meidung einer Beeinträchtigung der Feierlichkeit 
des Aktes infolge der gehäuften Beeidigung, ſowie 
zur Vermeidung einer Verzögerung des Verfahrens 
durch die mehrfache Beeidigung die gleichzeitige | 
Beeidigung der mehreren Zeugen geſtatten. Dem: 
gemäß find jetzt entſprechende Aenderungen der 
88 391 Abſ. 1, 392, 393 Abſ. 2, 482 vorgeſehen. 


Die Beeidigung von „Sachverſtändigen“ 
ſoll durch Vor⸗ oder durch 1 geſchehen 
können, aber überhaupt nur notwendig ſein, wenn 
fe von einem Gerichtsmitgliede für notwendig er: 
achtet, oder von einer Partei rechtzeitig verlangt 
wird. Demgemäß iſt die Aenderung des § 410 
Ab. 1 ZPO. empfohlen worden. 

Gegen dieſe Vorſchläge dürfte nichts Ernſtliches 
einzuwenden ſein. | 


werden darf. 


verwieſen werden könnte. 


1908. Nr. 7. 


135 


Den Schwerpunkt der Vorſchläge über Aende⸗ 


rung der ZPO. bilden jene über die Umgeſtaltung 


des amtsgerichtlichen Verfahrens. Wenn man von 
der unbejchränkten Zulaſſung der Berufung gegen 
amtsgerichtliche Urteile abſieht, ſo weicht hier der 
zweite Entwurf von dem erſten am wenigſten ab, ſo 
daß im allgemeinen auf die Bemerkungen Seufferts 
(in dieſer Zeitſchr. a. a. O.) Bezug genommen 
Immerhin ſind einige bedeutſame 
Aenderungen zu verzeichnen: 

§ 496 Abſ. 3 des erſten Entwurfs macht die 
Wahrung einer Friſt und die Unterbrechung einer 
Verjährung mittels Einreichung der Klage 
oder eines Antrags oder einer Erklärung bzw. 


mittels Anbringung dieſer Akte zu Protokoll 
des Gerichtsſchreibers abhängig davon, daß die 


nachträgliche Zuſtellung dieſer Akte binnen einer 
zweiwöchigen, und wo die Zuſtellung mittels 
Erſuchens einer Behörde oder eines Beamten oder 
durch öffentliche Bekanntmachung erforderlich iſt, 
binnen einer ſechsmonatigen Friſt geſchieht. 
Die Friſtſetzung wurde von Seuffert (in dieſer 
Zeitſchr. a. a. O. S. 423) mit Recht beanſtandet. 


Der neue Entwurf hat davon abgeſehen und nur 


verlangt, daß die Zuſtellung „demnächſt“, d. h. 


| überhaupt einmal ſtattfindet.“) 


$ 510 Nr. 4 iſt jetzt deutlicher dahin gefaßt 
worden, daß das Amtsgericht ſchon vor der münd⸗ 
lichen Verhandlung Zeugen, auf welche eine 
Partei ſich bezogen hat, vorladen kann, 


nicht wie es urſprünglich hieß, Zeugen ſchlechthin. 


$ 504 Abſ. 1 ift zweckmäßig dahin ergänzt 
worden, daß auch die prozeßhindernde Ein⸗ 
rede des Schiedsvertrages vor der Verhandlung 
zur Hauptſache und gleichzeitig mit der Unzu⸗ 
ſtändigkeitseinrede vorzubringen iſt. 

§ 505 Abſ. 1 erhielt einen Zuſatz, der den 
Fall vorſieht, daß nicht nur ein, ſondern mehrere 
andere Gerichte zuſtändig ſind, an die der Prozeß 
von dem angegangenen unzuſtändigen Amtsgericht 
Nach der bisherigen 
Faſſung würde das verweiſende Gericht die Wahl 
unter den mehreren zuſtändigen Gerichten gehabt 
haben. Nunmehr ſoll die Wahl dem Kläger zu⸗ 
ſtehen, eine Beſtimmung, die dem Prinzip des 
8 35 BPO. gemäß ift. 

In 8 508 wurde der letzte Abſatz des erſten 
Entwurfs: 

„In der Formel des Verſäumnisurteils iſt 
der Partei zu eröffnen, in welcher Form und 
Friſt ihr der Einſpruch zuſteht“ 

geſtrichen, mit Grund! Seuffert lin dieſer Zeitſchr. 
a. a. O. S. 425) hatte auf die Bedenken gegen 
dieſen Satz bereits hingewieſen. 

Statt des geſtrichenen Abſatzes wurde ein neuer 


1) Die entſprechende Aenderung wurde auch für die 
Zuſtellung des Zahlungsbefehls in § 693 vorgenommen. 


134 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


geglichen durch die wichtige neue Vorſchrift des Schönheitsfehler des zweiten Entwurfes gerügtwerden, 
zweiten Entwurfs Art. IV Nr. 2, wonach § 52 der in Art. II Nr. 13 dem § 508 anhaftet. § 508 


der RAGO. folgende Faſſung erhält: 

„In der Berufungsinſtanz und in der 
Reviſionsinſtanz erhöhen ſich die Gebührenſätze 
um drei Zehnteile“. 

Wenn alſo der verwerfliche Satz über die Ver⸗ 

wendbarkeit von Landgerichtsmitgliedern zu Amts⸗ 


richtern fallen gelaſſen würde, ſo könnte man mit | 


der Zuſtändigkeitserweiterung auf 800 M um fo 
mehr einverftanden fein, als die Erfahrungen in 
Oeſterreich, wo die Einzelgerichte bis zu 1000 
Kronen zuſtändig find, Mißſtände nicht zu ver- 
zeichnen ſcheinen. 

Eine bemerkenswerte Aenderung — vielleicht 
eine Verbeſſerung — des erſten Entwurfs enthält 
Art. I Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 5a und 
Nr. 6 des zweiten Entwurfs. Während nach 
jenem die amtsgerichtlichen Handelsſachen in der 
Berufungsinſtanz vor den Zivilkammern der Land— 
gerichte zu verhandeln geweſen wären, ſollen ſie 
nach dem letzteren an die Kammern für Handels: 
ſachen gelangen in entſprechender Anwendung der 
Regeln, welche für die Geſchäftsverteilung zwiſchen 
Zivilkammern und Kammern für Handelsſachen 
in erſter Inſtanz gelten. 


Zu dieſem Zweck ſoll u. a. § 71 GVG. fo 
gefaßt werden: 


„Die Zivilkammern einſchließlich der Kammern 
für Handelsſachen ſind die Berufungs- und Be⸗ 
ſchwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten 
verhandelten bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten“. 


An dieſer Faſſung hätte ich auszuſetzen, daß 
ſie den Eindruck erwecken müßte, als gebe es bei 
den Landgerichten zwei Arten von „Zivilkammern“, 
von denen die eine „Zivilkammer“ ſchlechthin, die 
andere „Kammer für Handelsſachen“ heiße (vv.: 
„einſchließlich der K. f. H.“). Das würde 
nicht ſtimmen zu dem ſonſtigen Sprachgebrauch 
des Geſetzes, der „Zivilkammer“ ſtets im Gegen⸗ 
ſatz zu „Kammer für Handelsſachen“ verwendet. 
Man vergleiche zunächſt den neu eingeſtellten 
8 100 a des vorliegenden Entwurfs: 


„Iſt bei einem Landgerichte eine Kammer für 
Handelsſachen gebildet, ſo tritt für Handels⸗ 
ſachen dieſe Kammer an die Stelle der Zivil⸗ 
kammer“ 


Tritt die Kammer für Handelsſachen an die 
Stelle der Zivilkammer, fo kann man nicht fagen, 
daß ſie in der Zivilkammer eingeſchloſſen ſei. 

Man vergleiche ferner GBG. SS 103 — 105, 
107, wo der Gegenſatz durch die Regeln über 
die Verweiſung von einer Kammer an die andere 
hervortritt. 

Es wäre daher in 71 GWG. wohl ſchöner 
zu ſagen: „Die Zivilkammern und die Kammern 
für Handelsſachen find...” 

Bei dieſer Gelegenheit mag gleich ein weiterer 


ſoll nämlich lauten: 


„Der Gerichtsſchreiber hat die Zuſtellung 
des Verſäumnisurteils zu vermitteln, ſofern 
nicht die Partei, welche das Urteil erwirkt hat, 
erklärt hat, ſelbſt einen Gerichtsvollzieher mit 
der Zuſtellung beauftragen zu wollen“. 


Man könnte das dritte „hat“ wohl ohne 
Beeinträchtigung des Sinnes weglaſſen. 


Völlig neu ſind in dem zweiten Entwurfe die 
in Art. I Nr. 3—9 enthaltenen Vorſchläge, Nr. 3 
und 4 betreffen die ſchon erwähnte Aenderung 
des $ 71 GWG. und die Einſchaltung des an- 
geführten § 100 a hinter $ 100 GVG. 

Nr. 5 will den Kreis der Handelsſachen anders 
als bisher $ 101 umſchreiben. Ausgeſchaltet follen 
werden die in GVG. $ 101 Nr. 3e angeführten 
| Anſprüche aus dem Rechtsverhältniſſe zwiſchen dem 
| Prinzipal und ſeinem kaufmänniſchen Perſonal, 
nachdem für Klagen wegen ſolcher Anſprüche jetzt 
die Kaufmannsgerichte ausſchließliche ſachliche Zu⸗ 
| ſtändigkeit erlangt haben und es für bedenklich 
erachtet wurde, ſie in der Berufungsinſtanz einem 
Gerichte zuzuweiſen, in dem Prinzipale die Mehr⸗ 
heit bilden. Eingeſchaltet ſollen werden als Nr. 4 
bis 6 des $ 101 die Anſprüche aus dem Wett⸗ 
bewerbs⸗, Börſen⸗ und Reichsſtempelgeſetze. 

Da nach dem erwähnten Prinzip, daß die 
Kammer für Handelsſachen in Handelsſachen an 
die Stelle der Zivilkammer treten ſoll, die 
Kammer für Handelsſachen auch für das Rechts⸗ 
| mittel der Beſchwerde anzugehen ift, ſo hat der 
neue Entwurf folgerichtig Verweiſungsregeln in 
S 108 a GWG. aufgeſtellt für die Fälle, wo die 
| Beſchwerde an die unrichtige Kammer gelangt iſt. 
Die Faſſung des 8 109 Abſ. 3 GVG., wo- 

nach in Prozeſſen zwiſchen Reeder oder Schiffer 
und Schiffsmannſchaft aus dem zwiſchen ihnen 
beſtehenden Rechtsverhältniſſe der Vorſitzende allein 
entſcheiden kann, paßt nur für das Verfahren 


— ee... 


— nn 


erſter Inſtanz. Das verſtand ſich bisher von 

ſelbſt, weil die Kammern für Handelsſachen nur 

in erſter Inſtanz entſcheiden konnten. Nun ſollen 
| ſie, wie geſagt, auch Berufungsgerichte ſein. Des⸗ 
halb fof § 109 Abſ. 3 jo gefaßt werden: 


„In Streitigkeiten, welche ſich auf das Rechts⸗ 
verhältnis zwiſchen Reeder oder Schiffer und 
Schiffsmannſchaft beziehen, kann die Ent⸗ 
ſcheidung in erſter Inſtanz durch den Bor- 
ſitzenden allein erfolgen“. 


Die Neufaſſung des § 202 Abſ. 3 GVG. 
hat im zweiten Entwurfe inſofern eine Aenderung 
erfahren, als im Verfahren vor den Landgerichten 
und in den höheren Inſtanzen das Gericht ſolche 
Sachen, die nicht unter Abſ. 1 des § 202 fallen, 
auf Antrag als Ferienſachen nicht bloß erklären 
kann, ſondern ſoll. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


II. Zivilprozeßordnung. 
Die geplanten Aenderungen der ZPO. De- 


| 
rung der BPO. bilden jene über die Umgeſtaltung 


| 


treffen ſchon im erſten Entwurfe zunächſt das 
Koſtenfeſtſetzungsverfahren und übertragen die 


Koſtenfeſtſetzung dem Gerichtsſchreiber ſtatt des 
Gerichtes. Trotzdem hatte der erſte Entwurf den 
$ 91 3 O. unverändert gelaſſen, wo es heißt, 
die Koſten ſeien zu erſtatten, ſoweit ſie nach 


freiem Ermeſſen des Gerichtes notwendig 


waren (Abſ. 1), und die Reiſekoſten eines aus⸗ 
wärtigen Rechtsanwalts nur inſoweit, als die Zu⸗ 
ziehung nach dem Ermeſſen des Gerichts 
notwendig war. Die geſperrt gedruckten Worte 
ſind im zweiten Entwurfe folgerichtig geſtrichen 
worden. 

Die Faſſung des neuen § 104 erhielt jetzt in 
Abſ. 1 den Zuſatz, daß die Entſcheidung des 
Gerichtsſchreibers über den Koſtenfeſtſetzungsantrag 
den Parteien von Amts wegen zuzuſtellen ſei und 
in Abſ. 3 die Ergänzung, daß die Entſcheidung 
ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen 


— Tr 


Den Schwerpunkt der Vorſchläge über Aende⸗ 


des amtsgerichtlichen Verfahrens. Wenn man von 
der unbeſchränkten Zulaſſung der Berufung gegen 
amtsgerichtliche Urteile abſieht, ſo weicht hier der 
zweite Entwurf von dem erſten am wenigſten ab, ſo 
daß im allgemeinen auf die Bemerkungen Seufferts 
(in dieſer Zeitſchr. a. a. O.) Bezug genommen 
werden darf. Immerhin ſind einige bedeutſame 
Aenderungen zu verzeichnen: 

$ 496 Abſ. 3 des erſten Entwurfs macht die 
Wahrung einer Friſt und die Unterbrechung einer 
Verjährung mittels Einreichung der Klage 
oder eines Antrags oder einer Erklärung bzw. 
mittels Anbringung dieſer Akte zu Protokoll 
des Gerichtsſchreibers abhängig davon, daß die 


| nachträgliche Zuſtellung dieſer Akte binnen einer 


zweiwöchigen, und wo die Zuſtellung mittels 
Erſuchens einer Behörde oder eines Beamten oder 


durch öffentliche Bekanntmachung erforderlich iſt, 


und daß das Gericht vor der Entſcheidung über 


die Erinnerungen gegen den Feſtſetzungsbeſchluß 
durch einen der ſofortigen Beſchwerde zugänglichen 
Beſchluß die Ausſetzung des Vollzuges der Koſten⸗ 
feſtſetzung anordnen könne. 

Durch die letztere Beſtimmung iſt einem 
Monitum Seufferts (in dieſer Zeitſchrift a. a. O. 
S. 422) in gewiſſem Maße Rechnung getragen 
worden. Die übrigen erwähnten Ergänzungen 
des erſten Entwurfs ſetzen verſtändigerweiſe außer 
Zweifel, was ſonſt erſt durch Auslegung und 
Analogie hätte erſchloſſen werden müſſen. 

Das Verfahren bei der Zeugenvernehmung 
ließ der erſte Entwurf unberührt. Der zweite 
Entwurf will unter II. Nr. 8ff. in Uebereinſtim⸗ 


mung mit den Beſchlüſſen der Kommiſſion für Fall vorſieht, daß nicht nur ein, ſondern mehrere 


die Reform des Strafprozeſſes und mit den ſeit 
dem Jahre 1895 geſchehenen mehrfachen parla- 
mentariſchen Anregungen den obligatoriſchen 
Nacheid für Zeug en vernehmungen einführen 
und bei einer Mehrheit von Zeugen zur Ber- 
meidung einer Beeinträchtigung der Feierlichkeit 
des Aktes infolge der gehäuften Beeidigung, ſowie 
zur Vermeidung einer Verzögerung des Verfahrens 
durch die mehrfache Beeidigung die gleichzeitige 
Beeidigung der mehreren Zeugen geſtatten. Dem— 
gemäß find jetzt entſprechende Aenderungen der 
88 391 Abſ. 1, 392, 393 Abſ. 2, 482 vorgeſehen. 


binnen einer ſechs monatigen Friſt geſchieht. 
Die Friſtſetzung wurde von Seuffert (in dieſer 
Zeitſchr. a. a. O. S. 423) mit Recht beanſtandet. 


Der neue Entwurf hat davon abgeſehen und nur 
verlangt, daß die Zuſtellung „demnächſt“, d. h. 


überhaupt einmal ſtattfindet.“) 
8 510 Nr. 4 ift jetzt deutlicher dahin gefaßt 
worden, daß das Amtsgericht ſchon vor der münd— 


lichen Verhandlung Zeugen, auf welche eine 


Partei ſich bezogen hat, vorladen kann, 
nicht wie es urſprünglich hieß. Zeugen ſchlechthin. 

8 504 Abſ. 1 ift zweckmäßig dahin ergänzt 
worden, daß auch die prozeßhindernde Ein: 
rede des Schiedsvertrages vor der Verhandlung 
zur Hauptſache und gleichzeitig mit der Unzu⸗ 
ſtändigkeitseinrede vorzubringen iſt. 

8 505 Abſ. 1 erhielt einen Zuſatz, der den 


andere Gerichte zuſtändig ſind, an die der Prozeß 
von dem angegangenen unzuſtändigen Amtsgericht 
verwieſen werden könnte. Nach der bisherigen 
Faſſung würde das verweiſende Gericht die Wahl 
unter den mehreren zuſtändigen Gerichten gehabt 
haben. Nunmehr ſoll die Wahl dem Kläger zu— 


ſtehen, eine Beſtimmung, die dem Prinzip des 


Die Beeidigung von „Sachverſtändigen“ 


ſoll durch Vor⸗ oder durch Nacheid geſchehen 
können, aber überhaupt nur notwendig ſein, wenn 


fie von einem Gerichtsmitgliede für notwendig er⸗ 


achtet, oder von einer Partei rechtzeitig verlangt 
wird. Demgemäß iſt die Aenderung des $ 410 
Abſ. 1 BPO. empfohlen worden. 

Gegen dieſe Vorſchläge dürfte nichts Ernſtliches 
einzuwenden ſein. 


8 35 ZPO. gemäß ift. 
In 8 508 wurde der letzte Abſatz des erſten 
Entwurfs: 


„In der Formel des Verſäumnisurteils iſt 
der Partei zu eröffnen, in welcher Form und 
Friſt ihr der Einſpruch zuſteht“ 
geſtrichen, mit Grund! Seuffert lin dieſer Zeitſchr. 
a. a. O. S. 425) hatte auf die Bedenken gegen 
dieſen Satz bereits hingewieſen. 

Statt des geſtrichenen Abſatzes wurde ein neuer 


1) Die entſprechende Aenderung wurde auch für die 


Zuſtellung des Zahlungsbefehls in 8 693 vorgenommen. 


136 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


Abſatz dem § 508 hinzugefügt, der zweckmaͤßig 
die Rechtslage klar ſtellt für den Fall, daß nach 
Erhebung des Einſpruchs eine Verweiſung an das 
zuſtändige Gericht gemäß 88 505, 506 erfolgen 
jol. Die Verweiſung ift durch die Zuläſſigkeit 
des Einſpruchs bedingt; die Entſcheidung des 
Amtsgerichts, daß der Einſpruch zuläſſig feit, ift 
für das zuſtändige Gericht bindend. 


Die Uebertragung des § 51 Abſ. 1 des Ge- 
werbegerichtsgeſetzes auf das amtsgerichtliche Urteil 
war im $ 510 b des erſten Entwurfes ohne Ein: 
ſchränkung geſchehen. Der zweite Entwurf ſtellt 
es ins Ermeſſen des Gerichts, ob es der Berur- 
teilung zu einem facere auf Antrag des Klägers 
eine eventuelle Verurteilung zur Entſchädigung 
beifügen will. 

Die dieſer Aenderung gegebene Begründung 
iſt freilich nicht zwingend; denn wenn es dort 
heißt, daß u. a. das Gericht für ſein Ermeſſen 
lih Grundlagen durch umfangreiche Beweiser⸗ 
hebungen ſchaffen müſſe, ſo kann das ja auch im 
Gewerbegerichtsverfahren zutreffen, für das man 
trotzdem die eventuelle Verurteilung obligatoriſch 
gemacht hat, obgleich auch da der Zweck einer 
Beſchleunigung des Verfahrens leitender Geſichts⸗ 
punkt war. 

Folgerichtig hat der zweite Entwurf die Vorſchriſt 
des erſten, daß vor den Amtsgerichten die Zeugen⸗ 
beeidigung nur ſtattfinde, wenn ſie das Gericht 
für erforderlich hält oder wenn ſie eine Partei 
rechtzeitig verlangt, auf die Berufungsinſtanz in 
$ 533 à ausgedehnt mit der Modifikation, daß 
hier das Verlangen eines Gerichtsmitgliedes maß— 
gebend ſein ſoll. 


Die in dieſer Zeitſchrift (a. a. O. S. 425) 
gegen die Beſchränkung der Zeugenbeeidigung vor— 
gebrachten Bedenken bleiben jedoch beſtehen. 

Eine ſehr bemerkenswerte Abweichung zeigt 
der vorliegende Entwurf im Mahnverfahren gegen— 
über dem erſten Entwurf. 


Während nämlich der erſte Entwurf es bei 
der verſchiedenen Behandlung des Widerſpruchs 
gegen den Zahlungsbefehl belaſſen hat, je nachdem 
der Anſpruch zur Zuſtändigkeit der Amtsgerichte 
oder zu jener der Landgerichte gehört, hat der 
zweite Entwurf auch im letzteren Falle den Fort- 
betrieb des Verfahrens an das Amtsgericht ge— 
bunden und nur das Recht der beiden Parteien 
vorbehalten, die Verweiſung an das Landgericht 
zu verlangen. Prüfung des Amtsgerichts ex 
officio ſoll auch hinſichtlich des Gerichtsſtandes 
nicht ſtattfinden. Verhandlungstermin behufs 
Fortbetriebs des Verfahrens darf erſt auf Partei— 
antrag feſtgeſetzt werden. 

Der Antrag auf Verweiſung an das zuſtändige 
Landgericht kann mit dem Antrag auf Zahlungs— 
befehl oder mit dem Widerſpruche verbunden werden. 
Diesfalls erfordert die Verweiſung keine vorgängige 


mündliche Verhandlung und der Prozeß gilt mit 
der Beſch lu ßzuſtellung als beim Landgerichte 
anhängig geworden; vgl. den Entwurf unter II 
Nr. 21 8s 696, 697. 


Es unterliegt keinem Zweifel, daß durch 
dieſe Geſtaltung des Widerſpruchsverfahrens eine 
promptere Erledigung des Prozeſſes gefördert wird 
und zudem dem Gläubiger, der es von vornherein 
mit dem Mahnverfahren nur in der Erwartung 
verſucht hat, daß Widerſpruch unterbleiben werde, 
die Koſten der Fortſetzung des Prozeſſes bei Er⸗ 
hebung des Widerſpruchs erſpart bleiben können. 


Dankenswert ift die Aenderung des § 797 
Abſ. 1, der nun lauten ſoll: 


„Die vollſtreckbare Ausfertigung gerichtlicher 

Urkunden wird von dem Gerichtsſchreiber des 
u" erteilt, welches die Urkunde verwahrt!) 
at“. 

Dadurch werden die über die Zuſtändigkeit des 
Gerichtsſchreibers entſtandenen Kontroverſen im 
Falle der Beurkundung des exekutoriſchen Titels 
durch mehrere Gerichte (Seuffert, ZPO. $ 717 
Nr. 2) abgeſchnitten. 


III. Gerichtskoſtengeſetz. 


Zu $ 48 Abſ. 1 iſt der verſtändige Zuſatz 
hervorzuheben, daß das Gericht zur Vermeidung 
der beſonderen Terminsgebühr, die vom fünften 
Termin an zu erheben wäre, einen Termin von der 
Berechnung ausnehmen kann, wenn offenkundig iſt 
oder rechtzeitig glaubhaft gemacht wird, daß die 
Anberaumung des Termins nicht durch Verſchulden 
einer Partei veranlaßt worden iſt. 

Ebenſo begrüßenswert ift der Zuſatz zu $ 48 
Abſ. 2, daß das Verfahren über die Hauptſache 
nach dem Zwiſchenurteil über eine prozeßhindernde 
Einrede oder das Verfahren über den Betrag des 
Anſpruchs nach dem Zwiſchenurteil über den Grund 
nicht als Fortſetzung der Inſtanz gilt, wenn der 
Prozeß infolge Berufung gegen das Urteil der 
erſten Inſtanz über die Einrede oder über den 
Grund an die erſte Inſtanz zurückverwieſen wurde. 
Die Zählung der gebührenfreien Verhandlungs— 
termine beginnt hier alſo nach der Zurückverweiſung 
von neuem. 


IV. Gebührenordnung für Rechtsanwälte.“ 


Die Intereſſen der Rechtsanwälte ſind im 
vorliegenden Entwurfe in höherem Maße berück— 
ſichtigt, als es im erſten Entwurfe der Fall war. 
Denn es ſollen ſich die Gebührenſätze nun auch 
in der Berufungsinſtanz, mithin auch für Sachen 
im Werte bis zu 800 M, wenn ſie durch Be— 
rufung an das Landgericht gelangen, um 0 er: 
höhen, wie bereits oben hervorgehoben wurde. 


) Anſtatt „aufgenommen“. 


— —— —ä—4ä4—ä— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


An dem Pauſchgebührprinzip des erſten Ent: 
wurfs zur Entlohnung für Schreibwerk und zum 
Erſatze der Poſtgebühren wurde nichts geändert. 


Bezüglich der Poſtgebühren ergibt ſich dies 
daraus, daß die Aenderung des 8 79 Nr. 2 des 
GWG. geblieben ift, welche die Poſtgebühren aus 
dem bisherigen 8 79 Nr. 2 GWG. geſtrichen hat, 
und aus der Verweiſung auf $ 79 Nr. 2 in 
S 76 Abſ. 7 RAGO. 


Darin liegt eine Unbilligkeit, die m. E. nicht 
zu rechtfertigen iſt und zugleich eine Inkonſequenz. 
Die Telegrammgebühr, die der Rechtsanwalt nach 
wie vor anſetzen darf, wird häufig nicht mehr be⸗ 
tragen als die Gebühr für eine Paketſendung; 
daß ſie nur ausnahmsweiſe entſteht, wäre aber 
wohl eher ein Grund gegen als für ihre Erſatz⸗ 
fähigkeit. 

Ob die Anwälte bei dem Pauſchſyſtem auf ihre 
Koſten kommen werden, wird vielfach bezweifelt. 
Vorausberechnungen find hier mißlich. 


Wenn nicht außerordentlich umfangreiche Schrift⸗ 
ſätze oder Urteilsabſchriften nötig werden, ſo mögen 


die Pauſchſätze für den prozeßbevollmächtigten An⸗ 


walt immerhin auskömmlich ſein. 


Denn man muß erwägen, daß dieſer als Pauſch⸗ | 


jag mindeſtens 3 M und höchſtens 50 M, falls er 
aber auch eine Beweis- oder eine Vergleichsgebühr 
erhält, mindeſtens 4 M und höchſtens 60 M be: 
rechnen darf, zwiſchen dieſen Grenzen aber von 
jeder ihm zuſtehenden Gebühr 20% als Pauſchale 
anſetzen kann. Wird alſo eine Beweiserhebung 


nötig und kommt es zum Urteil in der Inſtanz, 


jo beträgt das Pauſchale 60% der einfachen Ge- 
bühr, d. i. bei einem Streitwerte von 200 — 300 M 
z. B. 6 M, von 300—450 M: 8,40 M, von 
400—650 M: 11,40 M, von 650 - 900 M: 
14,40 M, von 900—1200 M: 16,80 M, von 
1200—1600 M: 19,20 M, von 1600—2100 M: 
21,60 M, von 2100 — 2700: 24 M. 


Dazu kommt, daß in amtsgerichtlichen Sachen 
vorbereitende Schriftſätze nicht nötig ſind und 
Urteilsausfertigungen mit Weglaſſung des Tat⸗ 
beſtandes und der Entſcheidungsgründe erteilt 
werden, fo daß die Zuſtellung eine nur gering: 
tügige Schreibarbeit verurſacht. Verſäumnisurteile 
ſind überdies im Parteiprozeß durch Vermittlung 
des Gerichtsſchreibers zuzuſtellen. ($ 508 
3PO. nach dem Entwurfe). Sollte bei alledem 
das Pauſchale für die Anwälte nicht auskömmlich 
ſein, ſo werden ſie ſich dadurch ſichern können, 
daß ſie ſich von ihrem Auftraggeber den Erſatz 
ihrer Auslagen zuſichern laſſen. 


137 


Zur Reform des Privatklageverfahrens. 


Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof. 
(Fortſetzung.) 

Ein Punkt, der in der Reformkommiſſion nicht 
berührt wurde, aber einer Beſprechung wert iſt, 
betrifft die Frage, ob das amtsrichterliche Sühne⸗ 
verfahren dem in der Hauptverhandlung betätig⸗ 
ten Sühneverſuch nicht deshalb vorzuziehen ſei, 


weil durch ihn in den Fällen, in welchen der 
Sühneverſuch gelingt, der für die Schöffen mit 
dem Sitzungsdienſte verbundene Zeitaufwand er⸗ 
ſpart wird. 

Dieſe Frage iſt zu verneinen; zunächſt ſei, um 
Wiederholungen zu vermeiden, auf die ſchon er⸗ 
örterten Gründe verwieſen, warum der Sühnever⸗ 
fuh in der Hauptverhandlung dem amtsrichter— 
lichen vorzuziehen iſt, und hier nur noch bemerkt, daß 
die Oeffentlichkeit des Sühneverſuchs vor dem 
Schöffengerichte und die Anweſenheit der Schöffen 
in der Meinung der Parteien eine größere Gewähr 
für eine ſachliche Leitung der Vergleichsverhand⸗ 
lungen bietet als der amtsrichterliche und daß der 
Sitzungsdienſt von den Schöffen ſelbſt dann nie 
als Zeitverſchwendung erachtet wurde, wenn fie 
während der ganzen Sitzung zu einer Mitwirkung 
bei der Urteilsfällung deswegen nicht kamen, weil 
ſämtliche Falle durch Vergleich erledigt wurden, — 
in Nürnberg ein nicht ſeltenes Vorkommnis —; 
im Gegenteil, darauf hin anſpielende Fragen des 
Vorſitzenden wurden von den Schöffen ſtets dahin 
beantwortet, daß ſie den Verhandlungen mit dem 
größten Intereſſe gefolgt ſeien, (das zeigte ſich auch 
an ihrer lebhaften und erſprießlichen Mitwirkung 
bei den Vergleichsvorſchlägen), daß ſie den Saal 
mit der größten Befriedigung über die gelungene 
Einigung der Parteien verließen und nicht ver⸗ 
fehlen würden, ihre in dieſer Sitzung geſammelten 
Erfahrungen in ihren Kreiſen zu verbreiten. 

Mit Recht hat demnach die Reformkommiſſion 
die Einführung des amtsrichterlichen Sühnever⸗ 
ſuchs — neben dem nach!“) § 420 StPO. bereits 
beſtehenden — abgelehnt,“) noch viel weniger könnte 
dem radikalen Vorſchlage Dr. Rumpfs beigeſtimmt 
werden (BRA. Bd. 64 S. 129), die bisherigen 
Sühneämter durch den amtsrichterlichen Sühne⸗ 
verſuch zu erſetzen; das hieße die Tätigkeit dieſer 
Behörden gewaltig unterſchätzen; ihre Aufhebung 
würde eine ſehr erhebliche Mehrung der Geſchäfts— 
laſt der Amtsgerichte mit ſich bringen und dieſe 
mit den zahlreichen Fällen befaſſen, die bisher 
von den Sühneämtern verglichen wurden. 

Daß das Nürnberger Verfahren den in der 
Praxis hervorgetretenen Bedürfniſſen am beſten 
gerecht zu werden vermag, beweiſen die damit bis— 
her erzielten Erfolge. Sieht man die Geſchäfts— 
ausweiſe der Amtsgerichte des Königreiches Bayern 


18) Vgl. Hahns Mat. z. StPO. S. 277 u. 1097. 
19) ſ. Prot. der Ref komm. Bd. II S. 60 fi. 


138 


auf die Art der Erledigung der Privatklageſachen 


hin durch, ſo wird man finden, daß beim Amts⸗ 
gerichte Nürnberg ſeit einer ſtattlichen Reihe von 


Jahren von den auf andere Weiſe als durch ein⸗ 


fache Klagszurücknahme erledigten Privatklageſachen 
durchſchnittlich 90% durch Vergleich und nur 
10 % durch Urteil ihre Erledigung fanden — ein 
Ergebnis, das von keinem anderen größeren Amts⸗ 
gerichte auch nur entfernt erreicht wurde. Unter 
dieſen 90% ſtecken mindeſtens 70% von Ber: 
gleichen, die im erſten Termine vor Eintritt in 
die Hauptverhandlung, und mindeſtens 80 , die 
ohne Vernehmung von Zeugen und Sachverſtändigen 
zuſtande kamen.?) 

Man vergegenwärtige ſich die enorme Erſparnis 
an Koſten und Auslagen, an Zeugen: und Sad: 
verſtändigenvernehmungen, an Beeidigungen, an 
Zeit und nicht zuletzt an Schreibwerk; und er⸗ 
innere ſich an das, was oben über die uner⸗ 
wünſchten Folgen ſo mancher Urteile in Privat⸗ 
klageſachen ausgeführt wurde.?) 

Man glaube nicht, daß etwa beſondere lokale 
Verhältniſſe dieſe Erfolge begünſtigen. Das Privat⸗ 
klagereferat umfaßt in Nürnberg ſämtliche Privat: 
klageſachen der Stadt Nürnberg und des Bezirkes 
Nürnberg⸗Land, alle Geſellſchaftsſchichten der Groß⸗ 
ſtadt und der ländlichen Bevölkerung der nächſten 
Umgebung l(durchſchnittlich 1000 Privatklagen im 
Jahr); die Vergleichserfolge ſind, wie die Erfahrung 
lehrt, auf keine beſtimmte Geſellſchaftsklaſſe be- 
ſchränkt. Der Umſtand, daß ſeit Jahren die 
Bearbeitung ſämtlicher Privatklageſachen ſich in der 
Hand eines einzigen Referenten befindet, iſt der 
einheitlichen Geſtaltung des Nürnberger Verfahrens 
ſehr zuſtatten gekommen, ein weſentlicher Einfluß 
auf das Vergleichsergebnis iſt ihm aber nicht bei⸗ 
zumeſſen; auch auf eine beſondere Geſchäfts⸗ 
gewandtheit des Referenten ſind die Erfolge nicht 
zurückzuführen — der Referentenwechſel hatte 
keinerlei Einfluß auf ſie. Es iſt deshalb gerecht⸗ 
fertigt, die Vergleichserfolge ausſchließlich dem in 
Nürnberg geübten Vergleichsverfahren zuzuſchreiben; 
ſeine Schilderung wäre unvollſtändig, wollten wir 
die Art, wie in Nürnberg die Vergleichsunter⸗ 
handlungen geführt werden, unerwähnt laſſen. 
Zunächſt geſtattet der Vorſitzende den Parteien, 
ihr Herz auszuſchütten, ſich ihren Groll von der 
Leber zu reden; er kommt dieſem ihrem Erleichte: 
rungsbedürfnis entgegen und greift erſt dann ein, 


ao Dabei find noch nicht einmal die Fälle berid- 
ſichtigt, in welchen die Klage nach dem erſten Termine, 
in dem eine Einigung der Streitsteile nicht zuſtande 
kam, zurückgezogen wurde, weil ſich die Parteien auf 
Grund der im erſten Termine gepflogenen Vergleichs— 
unterhandlungen außergerichtlich einigten. 

) Soweit ſich aus der geringen Zahl der zwiſchen 
den gleichen Parteien und ihrem Anhange nach dem 
Vergleichsabſchluſſe anhängig gewordenen neuen Klagen 
ein Schluß ziehen läßt auf die dauernde Wirkung des 
Vergleichs, läßt ſich ſagen, daß von verſchwindenden 
Ausnahmen abgeſehen durch den Vergleich ſtets eine 
dauernde Ausſöhnung der Parteien erzielt wurde. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


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wenn ihnen allzugroße Abſchweifungen oder unzu⸗ 
läſſige Entgleiſungen unterlaufen; ſo gewinnt er 
aus eigener Anſchauung ein Bild von dem 
Temperament, dem Bildungsgrade und der Aus⸗ 
drucksweiſe der Parteien; ihre Vorträge verſchaffen 
ihm die Grundlage für den Vergleichsvorſchlag; 
ſchildern die Parteien den Vorfall übereinſtimmend, 
ſo klärt er ſie darüber auf, was ſie ſeiner Auf⸗ 
faſſung und Erfahrung nach bei der geſchilderten 
Sachlage von einem Urteile (insbeſondere auch im 
Koſtenpunkte) zu erwarten haben und ſchlägt einen 
dieſem etwa entſprechenden Vergleich vor; ergibt 
der Parteivortrag Widerſprüche in der Darſtellung 
des Vorfalles, ſo belehrt er die Parteien darüber, 
welche Ausſichten ein Urteil eröffnet für den Fall, 
daß die Darſtellung des Klägers und für den 
Fall, daß die Darſtellung des Beklagten erwieſen 
würde; er wirkt alſo lediglich aufklärend und gibt 
den Parteien anheim, ſelbſt zu entſcheiden, ob es 
nach dieſen Aufklärungen nicht ratſam ſei, ſich 
gütlich zu einigen; erſcheinen ihm die von einer 
Seite vorgeſchlagenen Vergleichsbedingungen als 
der Sachlage nicht entſprechend, ſo läßt er auch 
hierüber die Parteien nicht im unklaren; er wirkt 
auch hier durch Belehrung zur Erzielung eines 
möglichſt gerechten Ausgleiches mit.“) Dazu gehört 
vor allem eine Lebenserfahrung, die allein ein 
Eingehen auf die konkreten Verhältniſſe und ein 
Verſtändnis für ſie ermöglicht und viel, recht viel 
Geduld, die ſich in einer ſteten, je nach dem Einzel⸗ 
falle entweder heiteren oder ernſten Ruhe doku⸗ 
mentiert. Dieſe Eigenſchaften muß der Richter 
und insbeſondere der Privatklagerichter haben, ſoll 
er ſich zu dieſem hohen Amte eignen; verfährt er 
nach dieſen hier kurz ſkizzierten Grundſätzen, ſo iſt 
er auch über den Verdacht erhaben, daß er, um 
das Ausarbeiten von Urteilen zu erſparen, ſich 
um das Zuſtandekommen eines Vergleiches bemühe; 
er erblickt ſeine volle Befriedigung in dem Bewußt⸗ 
ſein, nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen bemüht 
geweſen zu ſein, einen Vergleich zu erzielen, der 
den Parteien annähernd das gewährt oder auf⸗ 
erlegt, was ihnen ein ſonſt zu fällendes Urteil 
bieten würde; und das zu erreichen iſt, von ver⸗ 
ſchwindend geringen Fällen abgeſehen, faſt immer 
möglich. 

Den Parteien kommt es nicht auf eine kriminelle 
Beſtrafung des Gegners, ſondern auf eine mög: 
lichſt raſche, billige, umfaſſende und dauernde 
Wiederherſtellung des geſtörten Rechtsfriedens an; 
wo ſie eine Beſtrafung des Gegners für wünſchens⸗ 
wert erachten, genügt ihnen ſolche in der Form 
der Auflage einer dem Betrage der ſonſt etwa zu 
erwartenden Geldſtrafe gleichkommenden Buße, zu 
deren Zahlung an den Kläger oder eine Wohl⸗ 
tätigkeitsanſtalt ſich der Beklagte im Vergleiche 
verpflichtet; bietet die Perſönlichkeit des Gegners 


=) Siehe auch 5 ee von Dr. Rumpf in 
BINN. Bd. 64 S. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


keine Gewähr für die Erfüllung der übernommenen eines auf Strafe lautenden Urteils zuläliig. Der 
Verbindlichkeiten, ſo wird die Form des bedingten Strafantrag kann bei den bisherigen Privatklage⸗ 


Vergleiches gewählt. 

Eine glatte Ehrenerklärung, ein vorbehaltsloſer 
Widerruf ſtellt die gekränkte Ehre meiſt wirkſamer 
wieder her als ein Urteil, das lediglich ausſpricht, 
der ehrenkränkende Vorwurf ſei nicht erweislich 
wahr. Köͤrperverletzungen können freilich nicht mehr 
zurückgenommen werden; allein die öffentlich er⸗ 
klärte Bitte an den Verletzten, er möge die in der 
Erregung zugefügte Mißhandlung verzeihen und 


die Zuwendung eines entſprechenden Geldbetrages 


an ihn oder die Armenkaſſe ꝛc. ꝛc. als Sühne 
annehmen, verfehlt erfahrungsgemäß ſelten ihre 


Wirkung; dem Veröffentlichungsbedürfnis genügt 


jaft immer die im Vergleiche dem Beteiligten ein- 
geräumte Befugnis, eine Ausfertigung des Ver⸗ 
gleiches den Zeugen des Vorfalles vorzeigen zu 
dürfen. Der Vergleich bietet die Möglichkeit auch 
die mit dem konkreten Vorfall zuſammenhängenden 
weiteren Streitigkeiten der Parteien oder Streitig: 


keiten der den Parteien naheſtehenden Perſonen, welch 


letztere bei der urteilsmäßigen Erledigung der einen 


Sache Klageſtellung des Verurteilten oder eines 
ſeiner Angehörigen und Beſtrafung zu erwarten 


haben, mit auszugleichen, indem man diefe Ber: 
ſonen dem Vergleichsabſchluſſe beitreten läßt; auch 
zwilrechtliche Differenzen der Parteien, die oft die 
Veranlaſſung zu Beleidigungen geben, laſſen ſich, 


ſelbſt wenn ſie bereits Gegenſtand eines anhängigen 


Zivilprozeſſes find, mit in den Vergleich ein- 
beziehen.“) Ueber alle diefe Verhältniſſe, die dem 
Zwecke dieſer Abhandlung entſprechend nur bei: 
ſpielsweiſe berührt werden wollten, klärt der Vor⸗ 
ſitzende die Parteien auf. Man ſieht, dieſe Art 
der Vergleichstaͤtigkeit ift keine Eigentümlichkeit 
des Nürnberger Verfahrens, ſondern eine An- 


wendung von Erfahrungsgrundſätzen, die allge⸗ 


meine Geltung haben. 

Die endgültige Erledigung der 
Privatklageſachen durch Vergleich 
ſetzt voraus, daß dieſer die Er: 
hebung der öffentlichen Klage (S 416 
StPO.) ausſchließt. 

Dies iſt aber nach geltendem Rechte vor 
Stellung des Strafantrages nur möglich durch 
Verzicht auf ihn; nach Stellung des Strafantrages 
nur durch feine Zurücknahme. Ob ein ſolcher Ver: 
zicht zuläſſig ift, ift beftritten.”*) 

Die Zurücknahme des Strafantrages iſt gemäß 
964 StGB. nur in den geſetzlich beſonders vor: 
geſehenen Fällen und nur bis zur Verkündung 


23, Wird der Gebührenanſpruch des Staates durch 
Zuleitung der Akten an den rechnungsführenden Sekretär 
zwecks Bewertung gewahrt, ſo dürften Bedenken hiergegen 
nicht obwalten. 

) Vgl. die Entſch. d. RG. in St S. E. Bd. 3 S. 221; 
Bd. 14 S. 204, Rſpr. III 181. Für die Zuläſſigkeit in 
Privatklageſachen ſprechen ſich aus die Entſcheidungen 
des bayer. ObL G. Samml. I Bd. IV S. 163 u. BERA. 
Bd. 66 S. 428. 


ſachen in allen Fällen mit Ausnahme der nicht 
gegen einen Angehörigen verübten Körperver⸗ 
letzungen zurückgezogen werden ($$ 194, 232 II 
StGB., $ 12 II des UWGeſ. vom 27. Mai 1896). 
Dieſe heutzutage nicht mehr gerechtfertigte Ein⸗ 
ſchränkung??) der Zurücknehmbarkeit des Straf: 
antrages erſchwert den Abſchluß von Vergleichen; 
ſie und die Unſtimmigkeit, daß die Zurücknehm⸗ 
barkeit des Strafantrags nicht wenigſtens im 
gleichen Umfange, wie die Zurücknehmbarkeit der 
Privatklage (8 64 mit 8 431 StPO.) zugelaſſen 
iſt, beruhen auf theoretiſchen Erwägungen, die 
hinter die praktiſchen Bedürfniſſe der Rechtspflege 
zurücktreten müſſen.“) (Schluß folgt.) 


Die Verpfändung von Forderungen. 
Von Landrichter du Chesne in Leipzig. 


Ein Pfandrecht an einer Forderung — ein 
dingliches Recht an einem obligatoriſchen Rechte! 
Wohl jedem iſt ſchon einmal die Frage gekommen, 
ob denn ein ſolches Rechtsverhältnis überhaupt 
möglich iſt. Es ſoll deshalb im folgenden die 
rechtliche Natur des Pfandrechts an einer Forderung 
in kurzem unterſucht werden. Hierzu diene fol- 
gendes Schema: Ä 

Dem A. fteht eine Geldforderung an den B. 


zu, dem B. eine ſolche an C. Zur Sicherung 


der Geldforderung A. — B. verpfändet B. dem A. 
feine Forderung B. -C. Beide Forderungen 
ſind gleich hoch. 

Die beiden obligatoriſchen Forderungen A. B. 
und B. C. bieten nichts beſonderes; das Problem 
liegt in der Art der Verknüpfung beider. Dieſe 
geſchieht zur Sicherung der Forderung A. B.; 
damit hebt ſich die Verpfändung von der Abtre⸗ 
tung der Forderung B. C. zur Befriedigung 
der Forderung A. — B. ab. Die Rechtslage iſt 
auch dann noch eine verſchiedene, wenn die 
Forderung A. —B. fällig ift. Denn alsdann 
wird zwar B. aus dem Forderungsverhältniſſe 
B. C. inſoweit ausgeſchaltet, als er nicht mehr 
fordern kann (S 1282 Abſ. 1 Satz 2 BGB.). 
Aber er bleibt doch Gläubiger und muß auf Ver— 
langen des A. ſeine Forderung erſt noch an dieſen 
abtreten, ehe er ſeine Gläubigereigenſchaſt verliert 
($ 1282 Abſ. 1 Satz 3 BGB.); auch ift A. auf 
Grund der Verpfändung nicht zu andern Ver— 
fügungen über die Forderung B. C., als zu 
ihrer Einziehung berechtigt ($ 1282 Abſ. 2 BGB.). 


25) Vgl. die beachtenswerten Ausführungen von 
Coermann in dieſer Zeitſchrift Jahrg. 1906 S. 244 und 
von Profeſſor Dr. Hedemann in der DIZ. Jahrg. XII 
(1907) S. 219 a. E. 


140 


Dies Verhältnis des A. und B. zur Forderung 
B. C. hat eine unverkennbare Aehnlichkeit mit 
einem aktiven Geſamtſchuldverhältniſſe. Aber es 
ift kein ſolches. Weder nach Fälligkeit der For- 
derung A. B., noch vor ihr. Unmittelbar neben- 
einander liegen die Fälle des § 1281 BGB. 
(Nichtfälligkeit der Forderung A. B.) und des 
§ 432 BGB. (Mehrheit von Gläubigern, die 
nicht Geſamtgläubiger find, bei unteilbaren Lei: 
ſtungen). Aber auch ſie unterſcheiden ſich deut⸗ 
lich dadurch, daß § 432 von unteilbaren Leiſtungen 
handelt, während das Pfandrecht an einer Geld- 
forderung gerade eine teilbare Leiſtung betrifft. 
Und dieſer Unterfchied ift deshalb beſonders weſent⸗ 
lich, weil die Vorſchrift des § 432 gerade in der 
Unteilbarkeit der Leiſtung ihren geſetzgeberiſchen 
Grund hat, jo daß aus ihr die des $ 1281 ſelbſt 
dann nicht erklärt werden kann, wenn die ver⸗ 
pfändete Forderung auf eine unteilbare Leiſtung 
geht. Die im letztgedachten Falle vorliegende 
Gleichheit der Rechtslage iſt demnach nur eine 
äußerliche und zufällige; es iſt innerlich und 
weſentlich nicht dasſelbe, wenn zwei, die eine Sache 
je zur Hälfte gekauft haben, deren Aushändigung 
vom Verkäufer fordern ($ 432), und wenn der 
Pfandgläubiger an einem Kaufsanſpruche und der 
Käufer vor Fälligkeit des geſicherten Geldanſpruchs 
dasſelbe tun. Das zeigt ſich auch alsbald an 
den Folgen: Die Käufer werden Miteigentümer, 
der Pfandgläubiger erwirbt nur ein Pfandrecht 
an der Sache ($ 1287 Satz 1 BGB.). 

Hieraus ergibt ſich, daß das Pfandrecht an 
einer Forderung, insbeſondere einer Geldforderung 
nicht nur die Schaffung einer Mehrheit von 
Gläubigern für die verpfändete Forderung (A. 
+B. C.) fein kann, da alsdann die Rechte des 
A. und des B. an der Forderung B. -C. gleich⸗ 
artig ſein müßten, was ſie doch gerade nicht ſind 
(§ 1287 BGB.). Die mit der Verpfändung 
der Forderung unleugbar eintretende Aenderung 
im Punkte der Legitimation zur Geltendmachung 
der Forderung iſt daher offenbar nicht der einzige 
und primäre Erfolg der Verpfändung, ſondern 
ſekundärer Natur. Die Eigenart der Aenderung 
im Legitimationspunkt beim Forderungspfande 
muß aus der Eigenart des ihr zugrunde liegenden 
Rechtsverhältniſſes folgen und aus ihr erklärbar 
ſein. Worin beſteht alſo dies fogenannte Pfand— 
recht an der Forderung? 

Hier ſetzt nun der Zweifel ein, den ich an die 
Spitze dieſer Ausführungen geſtellt habe: Gibt 
es wirklich dingliche Rechte an Forderungen? 
Rein von der Grundlage des geltenden Rechtes 
aus muß dieſe Frage unbedenklich bejaht werden. 
Denn das Pfandrecht, auch das an Forderungen, 
wird vom BGB. im Sachenrechte behandelt und 
als foldes auch konſtruiert. Aber damit ift die 
Frage noch nicht erledigt. Sonſt könnte ſich 
niemals die andere Frage erheben, ob das Miet— 
recht auch wirklich obligatoriſcher und nicht viel— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


mehr dinglicher, ob die Reallaſt wirklich dinglicher 
und nicht vielmehr obligatoriſcher Natur ſei. 
Alle dieſe Fragen ſind eben nicht wörtlich zu ver⸗ 
ſtehen. Sie ſollten eigentlich lauten: Sind alle 
dieſe Rechte abſoluter oder relativer Natur? Weil 
aber der Schutz der abſoluten Rechte bis auf 
geringfügige Zweifelsfalle ein dinglicher, der der 
relativen Rechte ein obligatoriſcher iſt und ver⸗ 
nünftigerweiſe ſein muß, deshalb ſtellt man die 
Frage ſo, wie ſie oben geſtellt iſt. In dem hier 
entwickelten Sinne kann man die dinglichen Rechte 
beſtimmen als die abſoluten Rechte, ſoweit ſie ſich 
auf Sachen beziehen. Sie zerfallen, wie ich bereits 
an anderer Stelle!) dargelegt habe, in ſolche, die 
ſich auf Ziehung des Gebrauchswerts und ſolche, 
die ſich auf Ziehung des Tauſchwerts der Sache 
beziehen; beides trifft zuſammen im Eigentum. 
Das Pfandrecht hat nun ſicherlich nicht die Ziehung 
des Gebrauchswerts zum Gegenſtande; bleibt alſo 
nur die des Tauſchwerts. Man kann das Sach⸗ 
pfandrecht wohl unbedenklich beſtimmen als das 
auf Ziehung des Tauſchwerts der Sache zur Be⸗ 
ſriedigung wegen einer Forderung gerichtete Recht, 
wobei außer Betracht bleiben kann, daß dies Recht 
bis zur Befriedigung die Forderung ſichert. Wie 
aber fügt ſich das Forderungspfand in dieſen 
Rahmen? Zwar iſt es ebenfalls zur Befriedigung 
— und bis dahin Sicherung — einer obligatoriſchen 
Forderung beſtimmt. Aber das Ziel: Ziehung 
des Tauſchwerts einer Sache, fehlt; das Befrie⸗ 
digungsrecht ergreift nur eine Forderung. Und 
an einer ſolchen kann, wenn der oben aufgeſtellte 
Begriff des abſolut⸗dinglichen Rechts richtig ift, 
kein ſolches Recht beſtehen. 

Hierbei iſt aber doch noch zweierlei zu er⸗ 
wägen. Eine Forderung mag nämlich von einem 
dinglichen Rechte gänzlich verſchiedenen Weſens ſein; 
einen Tauſchwert aber kann auch ſie haben. Sie 
iſt nicht nur Band zwiſchen zwei Perſonen (obligatio), 
vielmehr ift fie dank des ihr gewährten Rechts⸗ 
ſchutzes und der ſteigenden Rechtsſicherheit ein ver- 
mögenswerter Gegenſtand geworden, den man auch 
verkaufen kann. Mindeſtens gilt dies von den unten 
näher zu behandelnden Forderungsarten. Ver— 
kaufen heißt aber gerade den Vermögenswert, den 
Tauſchwert ziehen durch Eintauſchen gegen bares 
Geld. Damit rücken wir dem Sachpfande wieder⸗ 
um ein Stück näher; wir haben das Pfandrecht 
an der Forderung erkannt als das auf Ziehung 
des Tauſchwerts einer Forderung zur Befriedigung 
wegen einer Forderung gerichtete Recht. 


Endlich aber: Sehen wir uns doch einmal 
die zu verwertende Forderung an. B. hat mit 
einem Gärtner abgeſchloſſen, daß dieſer ihm feinen 
Garten in Ordnung bringen ſoll, hat ihn auch 
bereits entlohnt. A. hat eine Forderung an B. 
und verlangt ihretwegen Sicherheit. Zu dieſem 


1) SächſArch. 15, 157. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


Zwecke verpfändet B. dem A. ſeinen Anſpruch 
an den Gärtner. Es liegt auf der Hand, daß 
hieraus kein Forderungspfand entſtehen kann. 
Zwar ſpricht das Geſetz ohne Einſchränkung von 
Pfandrechten an Forderungen ($ 1279 BGB.) 
und an Rechten, kraft deren eine Leiſtung ge⸗ 
fordert werden kann (§ 1275 BGB.). Aber die 
Forderung muß eine ſolche fein, daß der Gläubiger 
aus ihr Befriedigung wegen ſeiner Forderung er⸗ 
langen kann (88 1273 Ab}. 2, 1204 Abf. 1 BGB.). 
Es muß daher der Leiſtungsgegenſtand der gleiche, 
nämlich Geld, ſein oder wenigſtens werden können. 
Deshalb erwähnt auch das BGB. als Leiſtungs— 
gegenſtände der verpfändeten Forderung nur Sachen 
oder Geld (§8 1281, 1282, 1287, 1288, 1289 
1291, 1292 ff. BGB.); deshalb muß auch ander⸗ 
ſeits die geſicherte Forderung, obwohl ſie zunächſt 
keine Geldforderung zu fein braucht ($ 1204 BGB.), 
in eine Geldforderung übergehen, ehe für ſie die 
Befriedigung aus der verpfändeten Forderung 
geſucht werden kann. So könnte B., der ſich 
von dem beſtellten Gärtner zur Sicherung ſeines 
Anſpruchs auf Leiſtung feiner Arbeit ein Pfand- 
recht an einer Geldforderung hatte beſtellen laſſen, 
aus dieſer Geldforderung nicht eher Befriedigung 
ſuchen, als bis er ſelbſt, etwa infolge Nichterfüllung 
des Vertrags, von dem Gärtner Geld zu fordern 
hätte. Nun gehören die erwähnten Leiſtungs— 
gegenſtände, Sachen und Geld, zu der Kategorie 
der Sachen. Die Leiſtungsverpflichtungen auf ſie 
entnehmen auch ihren oben nachgewieſenen Tauſch⸗ 
wert lediglich dem Umſtande, daß ſie auf dieſe 
Sachen gehen; als bloße rechtliche Bindungen 
bzw. Bindungen anderen Inhalts hätten ſie keinen 
Tauſchwert. Endlich entſtehen, wenn die geſchul⸗ 
deten Sachen — um zunächſt nur von dieſen zu 
reden — geleiſtet werden, Pfandrechte an Sachen 
($ 1287 BGB.). Aus alledem geht hervor, daß 
Endzweck des Forderungspfandrechts doch nur 
Erlangung des Tauſchwerts der geſchuldeten Sache, 
und wenn die geſchuldete Sache ſelbſt Geld — 
alfo die reinſte mögliche Darſtellung des Tauſch⸗ 
werts der verpfändeten Forderung — ift, Erlan: 
gung dieſes Geldbetrags fein kann. Das For- 
derungspfandrecht trifft demnach die Forderung 
nur als Mittel zum Zweck und bezieht ſich in 
Wirklichkeit auf die Sache oder das Geld, das den 
Leiſtungsgegenſtand bildet. Iſt dieſer eine Sache, 
ſo entſteht mit der Leiſtung ein Pfandrecht nur 
darum, weil nun erſt noch der Tauſchwert der 
Sache in Geld hergeſtellt werden muß; iſt er 
Geld, ſo kann er als möglichſt reiner Tauſchwert 
ſogleich angeeignet und zur Befriedigung wegen 
der geſicherten Forderung verwandt werden. Es 
erweiſt ſich alſo das Pfandrecht an einer Forderung 
mit dem Leiſtungsgegenſtande: Sache als ein durch 
die Leiſtung der Sache bedingtes Pfandrecht an 
dieſer, das an einer Forderung mit dem Leiſtungs— 
gegenſtande: Geld als ein bedingtes Recht auf 
Aneignung des Geldwertes; beide Rechte ſind 


141 


Wertbezugsrechte, deren dingliche Natur ich an 
anderer Stelle‘) darzutun verſucht habe. Die 
Bedingung liegt dabei nicht im Wertbezugsrechte 
— dies iſt entweder oder iſt nicht, iſt aber nie 
bedingt — ſondern in der Verknüpfung zwiſchen 
der geficherten Forderung und dem Wertbezugs⸗ 
rechte, in der Art des Erwerbs des Wertbezugs⸗ 
rechts für die geſicherte Forderung. Es verhält 
ſich in dieſer Beziehung geradeſo, wie bei der 
bedingten Hypothek, worüber ich auf DNot V. 05, 
397 ff. verweiſen kann. 


Nach alledem läßt ſich das Pfandrecht an einer 
Forderung beſtimmen als das Recht, das zum 
Zwecke der Befriedigung wegen einer 
Forderung gerichtet iſt auf Ziehung 
des Tauſchwerts einer Sache oder auf 
Aneignung eines Geldbetrags, die den 
Gegenſtand einer Forderung bilden. Iſt 
dem aber jo, fo braucht man an der abſolut ding: 
lichen Natur auch des Forderungspfandrechts nicht 
mehr zu zweifeln. 

Ich habe oben die bedingte Hypothek zum 
Vergleiche herangezogen. Dieſer Vergleich iſt 
jedoch cum grano salis zu verſtehen. Es iſt 
keine bedingte Hypothek im engeren Sinne, wenn 
ein Anſpruch auf Uebertragung des Eigentums 
an einer unbeweglichen Sache verpfändet iſt. 
Freilich erwirbt der Pfandgläubiger, wenn die 
unbewegliche Sache geleiſtet wird, eine Sicherungs⸗ 
hypothek an ihr ($ 1287 Satz 2 BGB.) und man 
kann daher die Leiſtung der unbeweglichen Sache 
auch hier als eine Bedingung der Hypothek an⸗ 
ſprechen. Aber in anderem Sinne, als bei der 
bedingten Hypothek. Der Unterſchied liegt in der 
Art des Wertbezugsrechtes. Bei der Forderungs⸗ 
verpfändung beſteht das Wertbezugsrecht nur für 
die geſicherte Forderung und mit ihr; es kann eine 
von der Forderung getrennte Exiſtenz nicht führen, 
iſt lediglich akzeſſoriſch. Dies gilt auch für den 
Fall des $ 1287 Satz 2. Die in ihm verliehene 
bedingte Sicherungshypothek — bedingt durch die 
Leiſtung des Drittſchuldners — ift an die ge: 
ſicherte Forderung nur in akzeſſoriſcher Weile an= 
gegliedert; überdies liegt die Bedingung bei dieſer 
Hypothek nicht im Gefüge der Hypothek, jon- 
dern außerhalb, ſo daß, bevor ſie eintritt, über— 
haupt keine Hypothek, mit ihrem Eintritt aber 
ſogleich eine unbedingte Hypothek vorhanden iſt. 
Anders bei der eigentlichen bedingten Hypothek. 
Bei ihr iſt das Wertbezugsrecht, die dingliche 
Seite der Hypothek, kein bloßes Akzeſſorium, das 
ohne die Forderung nicht beſtehen könnte; viel⸗ 
mehr kann es in beſtimmten vom Geſetze feſtge— 
legten Fällen von der Forderung gelöſt werden 
und ſeine eigenen Wege gehen. Zu dieſem Zwecke 
bedarf es einer ſolideren rechtlichen Struktur, als ſie 
das von der Forderung gänzlich abhängige Mobi— 


1) Poſ Schr. 07, 61 ff., DNotV. 07, 526 ff. 


142 


liarpfand aufweist; es muß mehr als Sache fon: 
ſtruiert werden“), wobei fih die Einrichtung des 
Grundbuchs als feſte Grundlage bietet. Dieſe allein 
läßt es auch unbedenklich erſcheinen, das Gefüge 
der Hypothek, die Verknüpfung zwiſchen Forderung 
und ſelbſtändigem Wertbezugsrechte. durch Ein⸗ 
fügung einer oder mehrerer Bedingungen ſo er⸗ 
heblich zu lockern, wie wir es bei der bedingten 
Hypothek ſehen (DNB. a. a. O.). 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Die Datierung der Einträge im Grundbuch. Welches 
Datum dem Eintragungsvermerk im Grundbuch bei⸗ 
zuſetzen iſt, war ſchon nach der preußiſchen Grund⸗ 
buchordnung, dem Muſter der Reichsgrundbuchordnung, 
ſtreitig. Die Frage iſt auch nach dieſer ſtreitig ge⸗ 
blieben; doch hat ſich für ſie eine herrſchende Meinung 
gebildet. Die Materialien zur Reichsgrundbuchordnung 
und faſt alle Schriftſteller ſprechen ſich dafür aus, 
daß nicht der Tag der Prüfung und Unterzeichnung 
des Eintragungsvermerkes durch den Grundbuch⸗ 
beamten, ſondern der Tag der Einſchreibung des Ver⸗ 
merkes zu wählen iſt. Kommiſſionsbericht über den Ent⸗ 
wurf der GBO. 8 43 (bei Hahn⸗Mugdan, Materialien 
zu den Reichsjuſtizgeſetzen Bd. 5 S. 222); Planck, 
BGB., 3. Aufl. 8 879 Anm. 2; Staudinger, BGB. 
3. Aufl. $ 879 Anm. 2a; Turnau⸗Förſter, Liegen⸗ 
ſchaftsrecht, 3. Aufl. Bd. 2 8 45 Anm. A u. 1e; Fuchs⸗ 
Arnheim, Grundbuchrecht Bd. 2 8 45 Anm. 5; Achilles⸗ 
Strecker, GBO. 8 45 Anm. 2b; Maenner, Sachenrecht, 
2. Aufl. S. 111. Dieſe Meinung wird damit begründet: 
Die Datierung iſt ebenſo wie die Unterſchrift für die 
Wirkſamkeit des Eintragungsvermerks ohne Bedeutung, 
dieſer iſt auch ohne Datum und Unterſchrift gültig und 
deshalb ſchon mit der Einſchreibung fertig; Datierung 
und Unterſchrift haben nur die Bedeutung einer 
Kontrolle des auch ohne ſie ſchon vollendeten Eintrags. 

8 244 der Dienſtanweiſung für die bayeriſchen 
Grundbuchämter beſtimmt, daß die Prüfung, Unter⸗ 
zeichnung und Abſchließung der von dem Bedienſteten 
der Gerichtsſchreiberei vorgenommenen Einſchreibung 
ſoweit möglich an dem Tag vorgenommen werden 
ſoll, an dem die Einſchreibung erfolgt. Iſt dies aber 
nicht möglich, dann fol nach § 242 der Dienſtanweiſung 
der Grundbuchbeamte als Datum der Eintragung das 
Datum des Tages einſetzen, an dem er nach der 
ns der Einſchreibung dieſer feine Unterſchrift 
beiſetzt. 

Mit der angeſührten herrſchenden Meinung ſteht 
dieſe Vorſchrift des 8 242 der Dienſtanweiſung im 
Widerſpruch. Nach der herrſchenden Meinung iſt aber 
auch weiter die Vorſchrift des § 45 der GBO. über 
die Datierung der Einträge nicht eine Vorſchrift über 
deren äußere Form, ſondern materiellen Inhalts, 
deshalb ausſchließlich nach Reichsrecht zu beſtimmen, 
und darf durch die Landesgeſetzgebung nicht ergänzt 
werden, während dies bei der Vorſchrift des § 45 
über die Unterſchrift zugelaſſen ift. Turnau⸗Förſter 
a. a. O. Anm. B a. Anf.; Fuchs⸗Arnheim a. a. O. 
S. 472. Der herrſchenden Meinung nach ſteht alſo 


1) S. auch PoſMSchr. a. a. O. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Re 17. in Bayern. 1908. Nr. 7. 


die Vorſchrift der Dienſtanweiſung 8 242 letzter Satz 
mit dem Reichsrecht in Widerſpruch und iſt ungültig. 
Auch der Grundbuchrichter hat das Recht der Prüfung 
der Gültigkeit einer Rechtsvorſchrift und braucht ſie 
nicht anzuwenden, wenn er ſie für ungültig hält. 
Schließt er ſich in der hier beſprochenen Frage der 
herrſchenden Meinung an, dann darf er die Vorſchrift 
der Dienſtanweiſung außer Betracht laſſen und kann 
zu deren Einhaltung von Dienſtaufſichts wegen nicht 
angehalten werden. 


Amtsrichter Dr. Kübel in Landau a. J. 


Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des Ge⸗ 
| werbeunfaliverfiherungsgefches. Im Heft 4 ©. 84 
dieſes Jahrgangs der Zeitſchrift befaßt ſich Dr. Michel 
mit der Kritik eines Urteils des Oberlandesgerichtes 
3 (abgedruckt in dieſer Zeitſchrift Jahrg. 1907 
S. 333), dem folgender Tatbeſtand zugrunde lag: 


Der Kläger, ein Holzhändler und Wirt, der ſchon 
wiederholt im Dampfſägewerke des Beklagten Holz 
ſchneiden ließ und ihm hierbei durch Hinreichen des 
Holzes behilflich war, übernahm bei einer augen 
blicklichen Verhinderung des Beklagten und auf 
deſſen ausdrücklichen Wunſch vorübergehend 
ſelbſt die Bedienung der Kreisſäge und erlitt hierbei 
einen Unfall. 


Landgericht und Oberlandesgericht wieſen den 
Kläger ab, da eine Haftung des Beklagten weder auf 
§ 823 noch auf $ 662 BGB. geſtützt werden könnte. 

Dr. Michel nimmt an, daß dieſe Entſcheidung 
zwar in dem Endergebnis der Klageabweiſung richtig 
ſei, aber auf unrichtigen Erwägungen beruhe, weil der 
Kläger „vorübergehend als Arbeiter im Be⸗ 
triebe des Beklagten zu betrachten ſei“, 
weshalb die betreffende Berufsgenoſſenſchaft aufzu⸗ 
kommen habe. 

Meines Erachtens geht dieſe Anſicht fehl. Zunächſt 
bedarf die Aufſtellung Dr. Michels, daß die Ent⸗ 
ſchädigung des Klägers für ſeine Arbeit ohne Zweifel 
im Preiſe für das Holzſägen zum Ausdruck gekommen 
ſei, der ſich höher bemeſſen müßte, wenn der Kläger 
hierbei nicht behilflich wäre, inſoweit der Berichtigung, 
als der Tatbeſtand des betreffenden Urteils für dieſe 
Annahme nicht die geringſte Handhabe bietet. Es 
war dies aber auch offenſichtlich tatſächlich nicht der 
Fall, ſondern es handelte ſich um eine Erſcheinung, 
der wir tagtäglich im praktiſchen Leben begegnen. 
Bei einer Unzahl von Arbeitsleiſtungen finden wir, 
daß der Beſteller bei der Ausführung der Arbeit 
ſelbſt mit Hand anlegt; ich erinnere nur an das Be⸗ 
ſchlagen der Pferde, wobei der Fuhrherr oder Fuhr⸗ 
knecht faſt ſtets mithilft, oder der Auftraggeber hält 
einem Tapezierer die Leiter, oder der Hausherr leuchtet 
dem Inſtallateur, der im Keller die Waſſerleitung 
repariert u. dal. In allen dieſen Fällen wird nie 
davon die Rede ſein, daß wegen dieſer Beihilfe der 
Preis der Arbeit entſprechend herabgeſetzt wird. 

Im übrigen beruht die Anſicht Dr. Michels meines 
Erachtens auf einer Verkennung des Begriffes „Ar⸗ 
beiter“ im Sinne des GewulVG. Allerdings iſt in 
der Rechtſprechung und Literatur zum GewU VG. 
angenommen worden, daß auch eine nur vorübergehende 
Beſchäftigung in einem Betriebe, eine entgeltlich oder 
unter Umſtänden ſelbſt eine unentgeltlich geleiſtete 
Hilfstätigkeit, auf Grund eines formalen Arbeits- 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 143 


vertrages oder auch ohne einen ſolchen, das Arbeits⸗ 
verhältnis begründen kann. (Vgl. RGE. in Bl. f. 
RA. Bd. 73 S. 139 und die Zitate daſelbſt). Allein 
wie hier und in anderen Entſcheidungen aus⸗ 
geführt iſt, kommt es in erſter Linie auf das per⸗ 
ſönliche Abhängigkeits verhältnis zu dem 
Betriebsunternehmer an und für diefes iſt es nicht 
nur erheblich, ob die Hilfsperſon in der einzelnen 
Arbeit von Anweiſungen des letzteren abhängig iſt, 
ſondern vornehmlich, ob fie nach ihrer ſonſtigen ſozialen 
Stellung ſich einem Arbeitsherrn hat unterordnen, 
ihre Selbſtändigkeit hat aufgeben, ihre Arbeitskraft 
dieſem zur Verwertung in ſeinem Gewerbebetriebe 
hat zur Verfügung ſtellen wollen. (Vgl. die zit. RGE.). 
Betrachtet man den Fall des Oberlandesgerichtes 
Zweibrücken von dieſen Geſichtspunkten aus, ſo 
trifft auch nicht ein einziger zu. Daß Kläger ſich 
nicht in ein perſönliches Abhängigkeitsverhältnis zum 
Beklagten begeben wollte, daß er ſich in ſeiner ſozialen 
Stellung dem Beklagten nicht unterordnen wollte, 
daß er ſeine Selbſtändigkeit nicht aufgeben wollte, 
liegt ohne weiteres auf der Hand. Selbſt wenn man 
behaupten wollte, daß er vorübergehend ſeine Arbeits⸗ 
kraft dem Beklagten zur Verfügung geſtellt hätte 
zwecks ihrer Verwertung in dem Gewerbebetriebe des 
Beklagten, ſo iſt doch ſicher, daß er in keinerlei Ab⸗ 
hängigkeits⸗ oder Unterordnungsverhältnis zu dem 
Beklagten treten wollte. Der Kläger hat ſich durchaus 
nicht dem Beklagten zu irgendwelcher Arbeit ver: 
pflichten wollen oder verpflichtet, ſondern 
war ihm lediglich in ſeinem Intereſſe behilflich bei 
der Arbeit, ſolange es ihm gefiel. Damit ent⸗ 
fällt aber das weſentlichſte Merkmal für die Begründung 
eines Arbeitsverhältniſſes des Klägers zu dem Be: 
klagten; der Kläger wollte dann nur nach ſeinem 
Willen handeln, nicht dem Beklagten in irgendeiner 
Weiſe ſich unterwerfen. (Vgl. die zit. RGE. S. 140). 

Die Bemängelungen Dr. Michels erſcheinen mir 
deshalb in keiner Weiſe zutreffend. 


Landgerichtsrat Hagen in Frankenthal. 


Aus der Praxis der Gerichte. 
s Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 


I. 


Der Umſtand, daß in der Beruſungsſchrift das an- 
efochtene Urteil nicht genügend bezeichnet ift, ift un: 
chädlich, wenn nach den Umſtänden des Falles ein 

eifel darüber nicht möglich iſt, auf welches Urteil 


ch die Berufung bezieht. Das Urteil des LG. iſt 


150 18. April 1907 zugeſtellt worden. Zur Einlegung 
der Berufung hat der dem Kläger für die Berufungs— 
inſtanz beigeordnete Anwalt Dr. Fr. gedruckte For- 
mulare verwendet. Dieſe find auf der Urſchrift und 
der dem OLG. übergebenen Abſchrift ordnungsmäßig 
ausgefüllt geweſen, dagegen ift dies bei der dem An- 
walt des Beklagten am 18. Mai 1907 zum Zwecke 
der Zuſtellung übergebenen, vom Rechtsanwalt Dr. 
Fr. beglaubigten Abſchrift der Berufungsſchrift nicht 
der Fall geweſen; es waren in dem Formular die 
Lücken nicht ausgefüllt, die zur Einrückung des Tages 


der Verkündung und der Zuſtellung des durch die 
Berufung angefochtenen Urteils und zur Bezeichnung 
des Gerichts beſtimmt waren, von dem es erlaſſen 
war. Die Urſchrift der Berufungsſchrift und die für 
den Anwalt des Beklagten beſtimmte Abſchrift ſind 
am 13. Mai 1907 bei der Gerichtsſchreiberei des OLG. 
eingegangen. Der Anwalt des Klägers hat nach⸗ 
träglich am 3. Juni 1907 dem Anwalt des Beklagten 
eine ordnungsmäßig ausgefüllte Abſchrift der Be⸗ 
rufungsfriſt zugeſtellt und Wiedereinſetzung des 
Klägers in den vorigen Stand gegen die Verſäumung 
der Notfriſt beantragt. Das OLG. hat die Berufung 
des Klägers für unzuläſſig angeſehen, weil in der 
dem Anwalt des Beklagten zum Zwecke der Zuſtellung 
übergebenen Abſchrift der Berufungsſchrift das Urteil, 
gegen das ſich die Berufung richtete, nicht bezeichnet 
ſei. Die Reviſion hatte Erfolg. 

Gründe: Allerdings müßte, obwohl die Urſchrift 
und die dem OLG. überreichte Abſchrift der Berufungs⸗ 
ſchrift den geſetzlichen Formvorſchriften unzweifelhaft 
entſprachen, das Rechtsmittel als unzuläſſig verworfen 
werden, wenn die dem Anwalt des Beklagten zum 
Zwecke der Zuſtellung übergebene Abſchrift infolge 
der mangelhaften Ausfüllung des Formulars unge- 
nügend wäre. Das iſt indes nicht anzunehmen. Sie 
enthielt die in 8 518 Abſ. 2 Nr. 2 und 3 ZPO. ge⸗ 
forderte Erklärung und Ladung, in Frage kommt 
alſo nur, ob durch die in der Abſchrift enthaltenen 
Angaben trotz der Lücken, die ſie aufwies, das Urteil aus⸗ 
reichend bezeichnet war, gegen das die Berufung ge— 
richtet wurde. Inſoweit iſt entſcheidend, ob nach 
dem, was die Abſchrift enthielt, für den Berufungs— 
beklagten ein begründeter Zweifel darüber beſtehen 
konnte oder nicht, welches Urteil angefochten werden 
ſollte, und es war dies nach den Umſtänden des 
Falles zu beurteilen. Die Abſchrift enthielt nun auf 
der erſten Seite zunächſt folgende Angaben: Berufungs— 
ſchrift in Sachen des Kellners Fr. F. in C., Klägers 
und Berufungsklägers (Prozeßbevollmächtigter Rechts- 
anwalt Dr. Fr. in D.) wider den Wirt J. L. in Schl., 
Beklagten und Berufungsbeklagten (Vertreter I. Jn- 
ſtanz Rechtsanwalt Dr. P.) wegen Schadenserſatz. 
Hierdurch war der Prozeß, in dem Berufung einge— 
legt wurde, in einer jeden Zweifel ausſchließenden 
Weiſe gekennzeichnet, wenn zwiſchen den Parteien 
kein weiterer Prozeß wegen Schadenserſatz anhängig 
war, in dem der Beklagte in erſter Inſtanz durch 
den Rechtsanwalt Dr. P. vertreten war. Daß zwiſchen 
den Parteien ein weiterer Prozeß überhaupt geführt 
worden ſei, iſt nicht feſtgeſtellt und nicht behauptet, 
es darf deshalb davon ausgegangen werden, daß es 
nicht der Fall geweſen ſei. Dann konnte für den 
Anwalt des Beklagten auch kein Zweifel darüber be— 
ſtehen, daß die in dem Texte der Berufungsſchrift 
enthaltene Erklärung des Klägers, er lege gegen das 
Urteil des Kgl. LG. Berufung ein, ſich auf ein Urteil 
des LG. zu D. beziehe, weil eben durch die Bezeich— 
nung der Parteien und ihrer Parteirolle der Prozeß, 
um den es ſich handelte, klargeſtellt und dieſer Prozeß 
bei dem LG. D. anhängig war. Nun ift aller- 
dings in dieſem Prozeſſe nicht bloß ein Urteil erſter 
Inſtanz ergangen, es waren vielmehr dem Endurteil 
vom 22. März 1907 ein Teilurteil vom 30. März 1904 
und ein Zwiſchenurteil vom 26. Oktober 1906 vorher- 
gegangen. Das erſtere war aber nicht bloß dem 
Kläger durchaus günſtig, ſondern es war auch längſt 
rechtskräftig geworden, das letztere Urteil aber war 
ein Zwiſchenurteil im Sinne von § 303 ZPO., gegen 
das, wie dem Anwalt des Beklagten nicht zweifelhaft 
ſein konnte, eine ſelbſtändige Berufung nicht möglich 
war. Deshalb ſteht nach allem, was bisher vorliegt, 
feſt, daß der Anwalt des Beklagten keinen Zweifel 
darüber gehabt hat, daß das Urteil des LG. D., gegen 
das ſich die Berufung des Klägers richtete, das Urteil 
vom 22. März 1907 ſei. Danach iſt es nicht gerechtfertigt, 


144 


daß die Vorinſtanz die Berufung wegen der Mängel 
der dem Prozeßbevollmächtigten des Berufungsbeklagten 
übergebenen Abſchrift der Berufungsſchrift als unzu⸗ 
läſſig verworfen hat. (Urt. des VI. 8S. vom 30. Januar 


1908, VI 540/07). np 
1211 
II. 
Zu 8 280 ZVO. Kann während eines 


Rechtsſtreits über eine Erbſchaft durch Er⸗ 
weiterung des Klageantrages die Feſt⸗ 
ſtellung begehrt werden, daß die Ehe des 
Erblaſſers nichtig gewefen ſei? 

Aus den Gründen: Die Reviſion hat Be- 
denken erhoben, ob der Antrag, der auf Feſtſtellung 
der Nichtigkeit der Ehe gerichtet war, gemäß 8 280 
ZPO. geſtellt werden konnte. Die Bedenken find. un- 
begründet. Mit dem in der Klageſchrift enthaltenen 
Antrage hatte der Kläger die Rechte eines geſetzlichen 
Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB.) geltend ge- 
macht. Die Beklagte hatte darauf Abweiſung der 
Klage begehrt, weil ſie durch Teſtament als Univerſal⸗ 
erbin eingeſetzt ſei und weil ſie, wenn das Teſtament 
nichtig wäre, als überlebender Ehegatte ebenfalls zur 
Erbfolge berufen wäre (8 1931 BGB.). Hierauf hat 
in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 1905 
der Kläger — ohne daß die Beklagte eine Einwendung 
erhoben hätte — den Klageantrag erweitert, indem er 
auch die Feſtſtellung verlangte, daß die zwiſchen dem 
Erblaſſer und der Beklagten geſchloſſene Ehe nichtig 
geweſen ſei. Die Reviſion meint, es handle ſich bei 
der Klageerweiterung nicht um ein Rechtsverhältnis 
und auch nicht um ein Rechtsverhältnis, das im Laufe 
des Prozeſſes ſtreitig geworden ſei. Der Einwand 
geht fehl. Daß eine gültige Eheſchließung rechtliche 
Beziehungen begründet, bedarf keiner Darlegung. 
Indem der Kläger Feſtſtellung begehrte, daß das 
rechtliche Verhältnis, wie es durch eine Eheſchließung 
begründet werde, zwiſchen der Beklagten und dem 
Erblaſſer nie entſtanden ſei, begehrte er die Feſtſtellung 
des Nichtbeſtehens eines Rechtsverhältniſſes. Das 
Rechtsverhältnis war ferner im Laufe des Prozeſſes 
ſtreitig geworden; denn die Beklagte hatte ſich dem 
Klageantrag gegenüber auf ihre Eigenſchaft als Ehe- 
gattin des Erblaſſers geſtützt. Darauf, daß ſchon vor 
Einleitung des Rechtsſtreites bekannt war, die Be— 
klagte behaupte, Teſtamentserbin und Ehegattin des 
Erblaſſers zu ſein, und daß dies in der Klageſchrift 
ſelbſt erwähnt war, kommt es nicht an. — Unzutreffend 
iſt ferner, wenn die Reviſion geltend macht, der 
Berufungsrichter habe dem Umſtand nicht Rechnung 
getragen, daß es ſich um ein der Vergangenheit 
angehörendes Rechtsverhältnis handle. Der Berufungs— 
richter hat ausgeführt, daß die Auflöſung der Ehe 
dem Feſtſtellungsantrag nicht entgegenſtehe, weil die 
Rechtsfolgen der Eheſchließung noch fortwirken würden. 
Die Erwägung des Berufungsrichters iſt zu billigen. 
Es iſt auch nicht richtig, daß das auf die Feſtſtellung 
der Nichtigkeit der Ehe gerichtete Klagebegehren bereits 
in dem erſten Klageantrag völlig erſchöpft wäre. 
Der Berufungsrichter hat darauf hingewieſen, daß der 
Beklagte an der rechtskräftigen Feſtſtellung der Nichtig— 
keit der Eheſchließung auch ein Intereſſe habe, falls 
er der Beklagten die Führung des Namens ſeiner 
Familie unterſagen wolle. Dieſe Erwägung iſt nicht 
zu eee e näher noch lag der Hinweis auf § 1932 


oder auf S 1590 BGB. (Urt. des IV. 3c. vom 
30. Januar 1908, IV 235/07). — —— n 
1220 

III. 


Zu 8 138 BGB. Ift ein Vertrag zwiſchen 
geſchiedenen Gatten unſittlich, wenn er 
neben der Regelung der Unterhaltspflicht 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


des ſchuldigen Gatten die Zuſicherung des 
anderen Gatten enthält, daß Strafantrag 
nicht geſtellt werde? 


Aus den Gründen: Die Parteien waren früher 
verheiratet, ihrer Ehe entſtammt eine Tochter. Die 
Ehe iſt 1898 wegen Ehebruchs des Beklagten geſchieden 
worden, die Tochter wird von der Klägerin erzogen. 
Durch Vertrag vom 18. November 1898 hat ſich der 
Beklagte verpflichtet, der Klägerin zu ihrem und ihrer 
Tochter Unterhalt alljährlich eine beſtimmte Summe 
zu gewähren. Auf Grund des Vertrags ift der Be- 
klagte verurteilt worden, der Klägerin einen gewiſſen 
Betrag zu zahlen. Die Berufung wurde zurückgewieſen. 
Zur Begründung der Reviſion iſt er auf den Einwand 
zurückgekommen, daß das Abkommen vom 18. November 
1898 gegen die guten Sitten verſtoßen habe und des- 
halb nichtig ſei. In dieſem Vertrage hatte nämlich 
die Klägerin darauf verzichtet, wegen der Tatſachen, 
auf Grund deren die Eheſcheidung erfolgt ift, Straf- 
antrag wider den Beklagten zu ſtellen und es war 
dieſem für den Fall, daß gleichwohl Strafantrag ge⸗ 
ſtellt werde, der Rücktritt von dem Vertrage vor⸗ 
behalten worden. Der Beklagte will angenommen 
wiſſen, daß danach die von ihm gegenüber der 
Klägerin übernommenen Verpflichtungen einerſeits 
und der Strafantragsverzicht anderſeits im Verhältnis 
von Leiſtungen und Gegenleiſtungen ftänden, die vom 
Beklagten verſprochenen Leiſtungen daher die Natur 
eines Schweigegeldes hätten, durch das ſich die 
Klägerin ihr Recht, Strafantrag wegen des Ehebruchs 
zu ſtellen, habe abkaufen laffen. Das fei unſittlich, und 
deshalb fei der ganze Vertrag nach 8 138 BGB. nichtig. 
Der Angriff ift unbegründet. Von einem Schweige⸗ 
geld kann nicht die Rede ſein; das rechtswidrige 
und ſtrafbare Verhalten des Beklagten war in dem 
Eheſcheidungsprozeſſe ſchon feſtgeſtellt, in Frage kam 
nur, ob die Klägerin den Antrag auf Beſtrafung des 
Beklagten ſtellen werde. Wenn ſie nun in dem Ver⸗ 
trage, in dem die Höhe des vom Beklagten für ſie 
und ihre Tochter zu gewährenden Unterhalts beſtimmt 
wurde, die Zuſage gab, daß ſie von dem Rechte, die 
Beſtrafung des Beklagten zu verlangen, keinen Ge— 
brauch machen werde, ſo kann hierin ein wider die 
guten Sitten verſtoßendes Verhalten um ſo weniger 
erblickt werden, da, wie das Berufungsgericht auf 
Grund tatſächlicher Würdigungen unangreifbar feſt— 
geſtellt hat, die vom Beklagten zugeſagten Leiſtungen 
über dasjenige nicht hinausgingen, was er auch kraft Ge— 
ſetzes zu gewähren verpflichtet war. (Urt. des VI. 3S. 
vom 5. Dezember 1907, VI 147/07). — —— n 

1212 


IV. 


Zu Art. 1 des Haager Abkommens zur ege Ana 
der Vormundſchaft über Minderjährige vom 12. Juni 1902. 
(Vormundſchaftsrecht in den Niederlanden). Durch das 
Berufungsurteil iſt der Beklagte verurteilt worden, 
die Fortführung der minderjährigen Geſchwiſter M. 
und E. R. zu ihrem Vormund, dem Kläger, zu dulden. 
Die Reviſion des Beklagten hatte keinen Erfolg. 


Gründe: Die Entſcheidung des Berufungsgerichts 
gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Sie iſt 
gerechtfertigt durch die Feſtſtellungen, wonach die 
beiden Minderjährigen die niederländiſche Staats— 
angehörigkeit beſitzen, der Kläger durch das nach 
niederländiſchem Recht zuſtändige Gericht zum Vor— 
mund beſtellt worden iſt, nach niederländiſchem Rechte 
ferner der Vormund die Herausgabe des Mündels von 
jedem Dritten verlangen kann, der ihm den Mündel 
vorenthält, und der verklagte Dritte dem Vormund 
gegenüber nicht einwenden kann, daß das Verlangen 
nach Herausgabe den Intereſſen des Mündels zuwider— 
laufe. Die Reviſion macht geltend, die Frage, ob der 
Beklagte verpflichtet fei, die Minderjährigen heraus» 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 145 


zugeben oder ihre Fortführung zu dulden, müſſe nach 
deutſchem Rechte beurteilt werden. Dem Angriff iſt 
kein Erfolg zu gewähren. Nach Art. 1 des Ab⸗ 
kommens zur Regelung der Vormundſchaft über 
Minderjährige vom 12. Juni 1902 (RGB. 1904 
S. 240) beſtimmt ſich die Vormundſchaft über einen 
Minderjährigen — welcher Angehöriger eines der 
Vertragsſtaaten ift und feinen gewöhnlichen Aufent- 
halt im Gebiet eines dieſer Staaten hat (Art. 9) — 
nach dem Geſetze des Staates, dem er angehört. 
Das Geſetz des Heimatſtaates iſt insbeſondere maß⸗ 
gebend für die Führung der Vormundſchaft, für die 
Rechte und Pflichten des Vormunds hinſichtlich der 
Perſon und des Vermögens des Mündels (vgl. Art. 6 
des Abkommens und die Denkſchrift, Reichstagsdruck⸗ 
ſachen 1904 Nr. 347 S. 45). Wenn, wie das Be⸗ 
rufungsgericht feſtgeſtellt hat, nach niederländiſchem 
Recht der Vormund berechtigt iſt, die Herausgabe des 
Mündels zu verlangen, ohne daß ihm eingewendet 
werden darf, das Intereſſe des Mündels werde durch 
die Anordnung des Vormunds geſchädigt, ſo hat der 
Berufungsrichter die Einwendungen des Beklagten mit 
Recht als unſtatthaft zurückgewieſen. Die Feſtſtellungen 
aber, die der Berufungsrichter über die Beſtimmungen 
des ausländiſchen Rechts getroffen hat, laſſen ſich in 
der Reviſionsinſtanz nicht nachprüfen. Die Reviſion 
meint, nach deutſchem Recht ſtehe den Angehörigen 
des Mündels die Befugnis zu, Einwendungen gegen 
die Art und Weiſe zu erheben, wie der Vormund den 
Mündel erziehe, ſolche Einwendungen könne der Be— 
klagte bei keiner niederländiſchen Behörde anbringen, 
deshalb müſſe zuläſſig ſein, ſie vor dem Prozeßgericht 
in Deutſchland geltend zu machen. Dem iſt jedoch 
nicht beizutreten. Die Vorſchriften des deutſchen Vor- 
mundſchaftsrechts haben außer Betracht zu bleiben, 
da das Geſetz des Heimatſtaates maßgebend iſt. Nach 
dem Geſetze des Heimatſtaates können Einwendungen, 
wie ſie der Beklagte erhoben hat, dem Vormund 
gegenüber nicht vorgebracht werden. Ob ſie nach 
deutſchem Recht dem Herausgabeanſpruch des Vor— 
munds entgegengeſetzt werden dürften, kann dahin— 
geſtellt bleiben. (Urt. des IV. 35. vom 12. Dezember 


1907, IV 179/07). — — — n. 
1219 
B. Strafſachen. 
I. 
Veräußerung 


ie Zwangsvollſtreckung — 

(8 288 StGB.). ... Daß zu der Zeit, als der An- 
geklagte die Hypotheken zum Scheine abtrat, die 
Zwangsvollſtreckung ſchon begonnen hatte, iſt richtig, 
hindert aber nicht, daß ſie eine drohende blieb, wenn 
nur die Fortſetzung des Vollſtreckungs verfahrens bez 
voritand (RGE. Bd. 35 S. 62). Daß dies hier der 
Fall war, ergibt ſich aus der Feſtſtellung, daß die 
nach § 830 ZPO. zur wirkſamen Pfändung der 
Hypotheken, (für welche Hypothekenbriefe beſtanden), 
erforderliche Uebergabe dieſer Briefe noch zu erwirken 
und der Angeklagte zu dieſem Zwecke zur Ableiſtung 
des Offenbarungseides vorgeladen worden war. Es 
kann alſo keine Rede davon ſein, daß die Zwangs— 
vollſtreckung ſchon beendet war, als die Schein— 
abtretungen erfolgten. Dieſe ſind allerdings nicht 
eine Veräußerung, deren Begriff eine wirkliche 
Uebertragung von Vermögensrechten erfordert (RGE. 
Bd. 32 S. 20, Bd. 6 S. 103), wohl aber — in 
Verbindung mit ihrer Geltendmachung im 
Termine zur Ableiſtung des Offenbarungseides — 
eine Beiſeiteſchaffung (vgl. RGE. Bd. 35 S. 62, Bd. 27 
S. 213). . . . (Urt. des V. StS. vom 3. Dezember 1907, 
5 D 801/07). 

1154 


— — — e — 


II 


Protokollrüge. ... Auch die übrigen Prozeß⸗ 
beſchwerden gehen fehl; ſie ſind bloße Protokollrügen. 
Das Weſen dieſer beſteht darin, daß der Sache nach 
nur die Nichtbeobachtung einer für die Abfaſſung des 
Sitzungsprotokolls gegebenen Vorſchrift, insbeſondere 
die Unvollſtändigkeit des Protokolls, gerügt iſt. Soweit 
das Protokoll als unvollſtändig bemängelt wird, ergibt 
fih zwar aus SS 273, 274 StPO. — von dem hier 
nicht in Frage kommenden beſonderen Falle des $ 274 
Satz 2 abgeſehen — mit rechtlicher Notwendigkeit die 
Folge, daß anzunehmen iſt, die Vorgänge, die nach 
den beſtehenden Vorſchriften zu protokollieren geweſen 
wären, deren Beurkundung aber unterblieben iſt, haben 
nicht ſtattgefunden. Dies genügt indes allein noch 
nicht, einer erhobenen Beſchwerde die Eigenſchaft einer 
bloßen Protokollrüge zu nehmen und ihr die einer 
Prozeßbeſchwerde im Sinne des 8 384 Abſ. 2 StPO. 
zu verleihen. Dazu iſt vielmehr erforderlich, daß der 
Beſchwerdeführer die Behauptung aufſtellt, die zum 
Gegenſtande der Anfechtung gemachte, den Beſtand 
der Entſcheidung berührende Verletzung einer Rechts- 
norm über das Verfahren ſei in der Tat vorgefallen. 
Es bleibt ihm auch unbenommen, dieſe Tatſache unter 
Hinweis auf den Inhalt des Protokolls und auf die 
ss 273, 274 StPO. zu beweiſen. Allein immer muß 
erhellen, daß die die Verletzung des Verfahrens in 
ſich ſchließenden Tatſachen der Wirklichkeit entſprechen, 
d. h. die Verletzung in der Hauptverhandlung wirklich 
ſtattgefunden hat. Die Bezugnahme darf m. a. W. 
nicht ein bloßer Hinweis auf die aus 8$ 273, 274 
StPO. — rein abſtrakt — zu ziehenden rechtlichen 
Folgen fein. (Urt. des V. StS. vom 8. November 
1907, 5 D 733/07). 

1153 


— — —e — 


III. 


Wiederholte Vornahme einer Prozeßhandlung. 
. . . Es ift allerdings richtig, daß die Geſchworenen 
aus dem Beratungszimmer, wohin ſie ſich nach einem 
ordnungsmäßigen, dem § 257 StPO. entſprechenden 
Schluſſe der Verhandlung zurückgezogen hatten, vom 
Vorſitzenden in den Sitzungsſaal zurückgerufen worden 
ſind, daß dann in Gegenwart aller Perſonen, deren 
Anweſenheit das Geſetz für erforderlich erklärt, die 
Angeklagte nach $ 257 Abſ. 3 StPO. neuerdings be- 
fragt worden iſt und der Vorſitzende nochmals eine 


Belehrung im Sinne des § 300 StPO. gegeben hat. 


geſprochen hat, grundſätzlich nichts 


In dem geſchilderten Verfahren kann aber ein die 
Aufhebung des darauf gefällten Urteils begründender 
Prozeßverſtoß nicht gefunden werden. Die Wieder- 
holung irgendeiner weſentlichen Prozeßhandlung in 
derſelben Hauptverhandlung iſt inſoweit unbedenklich, 
als nicht angenommen werden muß, daß das Urteil 
auf ihr möglicherweiſe beruht, d. h. daß es, wenn 
jene Wiederholung nicht erfolgt wäre, einen anderen 
Inhalt gehabt hätte. Iſt ein die Nichtigkeit des Ver— 
fahrens nach ſich ziehender Prozeßverſtoß vorgefallen, 
ſo ſteht, wie das Reichsgericht ſchon mehrmals aus— 
entgegen, ihn 
dadurch unſchädlich zu machen, daß der in Betracht 
kommende Teil der Verhandlung wiederholt wird 
(vgl. Entſch. Bd. 32 S. 378, Bd. 33 S. 75). Hier 
war nun allerdings kein die Nichtigkeit begründender 
Verſtoß vorgefallen. Allein es muß nach der Lage 
der Sache als ausgeſchloſſen bezeichnet werden, daß 
die vom Vorſitzenden hervorgerufene an ſich unnötige 
Unterbrechung der Beratung der Geſchworenen auf 
deren Ergebnis von Einfluß geweſen ſein kann. Denn 
als ſolches Ergebnis kommt nur der Spruch der Ge— 
ſchworenen in Betracht und ein ſolcher iſt, ſolange 
mit deffen Kundgebung nach § 308 StPO. nicht be- 
gonnen worden iſt, noch nicht vorhanden. Kein Ge— 
ſchworener iſt während der Beratung an die von ihm 


erklärte Anſicht gebunden. Daraus folgt, daß, ſollte 


146 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


ſelbſt infolge der erneuten Verhandlung ein Geſchworener 
ſeine urſprünglich ausgeſprochene Meinung über eine 
Frage geändert haben, darin nichts Unzuläſſiges liegt. 
Es mag dabei darauf hingewieſen werden, daß das 
Geſetz für gewiſſe Fälle ſelbſt (vgl. §§ 306, 311 StPO.) 
eine durch die Verhandlung unterbrochene Beratung 
der Geſchworenen vorſieht. (Urt. des V. StrS. vom 
10. Januar 1908, 5 D 956/07). 
1201 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Die Auseinanderſetzung des Nachlaſſes darf nicht 
dadurch gehindert werden, daß möglicherweiſe unermittelte 
Abkömmlinge von erbberechtigten, für tot erklärten Ber- 
ſchollenen vorhanden find. (Nachlaßgeſetz Art. 3, JGG. 
§ 86). Am 29. März 1903 ift Nikolaus F. in M. ledig 
geſtorben, ohne eine Verfügung von Todes wegen ge— 
troffen zu haben. Das Nachlaßgericht traf Maßnahmen 
zur Sicherung des Nachlaſſes und ermittelte als Erben 
die Abkömmlinge der Eltern des Erblaſſers, nämlich 
ſeine Geſchwiſter Georg F. und Margarete F., beide 
vor langer Zeit aus der Heimat B. nach Amerika 
ausgewandert und unbekannten Aufenthalts, dann die 
Tochter Babette W. und drei Enkel — Babette S., Georg 
Michael und Friedrich F. — eines verſtorbenen Bruders 
des Erblaſſers namens Johann Balthaſar F., und die 
zwei unehelichen Söhne feiner gleichfalls vor ihm ver- 
ſtorbenen Schweſter Anna, Zacharias und Johann 
Nikolaus F., von denen Johann Nikolaus als Werf- 
meiſter in N. lebt, während der Aufenthalt des am 
11. April 1856 geborenen Zacharias F. ſeit dem 
Jahre 1881 unbekannt iſt. Für die abweſenden Be— 
teiligten Georg Michael, Margarete und Zacharias F. 
wurden Pfleger beſtellt. Auf Antrag des Johann 
Nikolaus F. vermittelte das Nachlaßgericht die Aus⸗ 
einanderſetzung. Nach dem Auseinanderſetzungsplane 
fielen auf jeden der vier Erbſtämme 1570 M. Die 
Pfleger für Georg und für Margarete F. erhielten je 
1507 M, der Pfleger für Zacharias F. 753 M. Durch die 
Ausſchlußurteile vom 7. März und vom 28. Juni 1906 
wurden die drei Pflegebefohlenen und die am 25. 
September 1840 geborene uneheliche Tochter der Mar- 
garete F., namens Anna F. für tot erklärt. Als Reit- 
punkt des Todes wurde bei Georg Michael und Dlar- 
garete F. der 31. Dezember 1860, bei Anna F. der 
31. Dezember 1871 und bei Zacharias F. der 1. 
Januar 1892 feſtgeſtellt. Das Nachlaßgericht nahm 
auf Antrag des Johann Nikolaus F. das Auseinander— 
ſetzungsverfahren wieder auf, veranlaßte die Abliefe— 
rung der den Verſchollenen zugewieſenen Erbteile als 
Beſtandteile des Nikolaus F.ſchen Nachlaſſes an die 
Filialbank M. und ſetzte die von den Vormundſchafts⸗ 
gerichten unternommenen Nachforſchungen über den 
Verbleib der Verſchollenen und ihrer etwaigen Nach— 
kommenſchaft durch Veranſtaltung weiterer Ermitt— 
lungen darüber fort, ob Georg und Margarete F. 
Abkömmlinge hinterlaſſen haben. Die Bemühungen 
blieben erfolglos. Auf Veranlaſſung des Nachlaß— 
gerichts wurden den unbekannten Abkömmlingen 
des Georg, der Margarete und des Zacharias F. 
wegen ihrer Beteiligung bei der Nachlaßſache vom 
Vormundſchaftsgericht nach § 1913 BGB. Pfleger be- 
ſtellt. Dieſe erklärten bei dem Nachlaßgerichte, daß ſie die 
nach dem Auseinanderſetzungsplane vom 9. Juni 1904 
den Verſchollenen zugewieſenen Erbteile für die Pflege- 
befohlenen beanſpruchen, und beantragten, die übrigen 
Beteiligten zu hören und im Falle der Zuſtimmung 
die Erbteile der Pflegebefohlenen ohne weiteres Ver— 
fahren an das Vormundſchaftsgericht abzuliefern. 
Johann Nikolaus F. beantragte zur Vermittlung der 


Auseinanderſetzung in Anſehung der Erbteile der Ver⸗ 


ſchollenen einen Verhandlungstermin zu beſtimmen 
und die bekannten Erben zu laden. Für den Fall der 
Ablehnung legte er Beſchwerde gegen die Beſtellung 
von Pflegern für die unbekannten Abkömmlinge der 
Verſchollenen ein. Das Nachlaßgericht lehnte den 
Antrag des Johann Nikolaus F. ab, und die Be- 
ſchwerde gegen die Beſtellung der Pfleger wurde als 
unzuläſſig verworfen. Die gegen die Verfügung des 
Nachlaßgerichts eingelegte Beſchwerde wurde als unbe⸗ 
gründet zurückgewieſen. Johann Nikolaus F. legte 
weitere Beſchwerde mit dem Erfolg ein, daß das 
Obs G. die Entſcheidungen der Vorinſtanzen aufhob 
und das Nachlaßgericht anwies anderweit zu ent⸗ 
ſcheiden. 

Gründe: Das Nachlaßgericht hat mit Recht das 
Auseinanderſetzungs verfahren wieder aufgenommen, als 
ſich herausgeſtellt hatte, daß drei von den als ermittelt 
angeſehenen Erben den Erbfall nicht erlebt haben, die 
ihnen zugewieſenen Erbteile alſo in Wirklichkeit noch 
unverteiltes Nachlaßvermögen waren und der Kreis 
der bei der Auseinanderſetzung Beteiligten ein anderer 
war, als bei der auf Grund des früheren Auseinander⸗ 
ſetzungsplanes vollzogenen Verteilung des Nachlaſſes 
angenommen worden war. Seine nächſte Aufgabe 
war die Ermittelung der Beteiligten, die ihm auch ab- 
geſehen von der im Art. 3 des Geſetzes vom 9. Auguſt 
1902, das Nachlaßweſen betreffend, beſtimmten Ver⸗ 
pflichtung, den Erben von Amts wegen zu ermitteln, 
ſchon vermöge der ihm im § 86 JGG. zugewieſenen 
Verrichtung oblag, die Auseinanderſetzung zwiſchen 
den Beteiligten zu vermitteln. Als Beteiligte durfte 
es nur diejenigen zulaſſen, von denen es für feft- 
geſtellt erachtete, daß ſie zu den Beteiligten gehören; 
den Beteiligten darf nicht zugemutet werden, ſich in 
ein zweckloſes Verfahren mit Unbeteiligten einzulaſſen. 
Bei der Feſtſtellung des Kreiſes der Beteiligten nimmt 
das Nachlaßgericht dieſelbe Stellung ein wie bei der 
Erteilung des Erbſcheins; durch einen nach ſeiner Ueber⸗ 
zeugung unbegründeten Widerſpruch wird feine Ent- 
ſcheidung über die Beteiligung ebenſowenig gehindert 
wie die Erteilung des Erbſcheins. Mit Unrecht hat 
deshalb das Beſchwerdegericht angenommen, die Ver⸗ 
mittelung des Nachlaßgerichts könne erſt eintreten, 
wenn der Streit über das Erbrecht der unbekannten 
Abkömmlinge der für tot erklärten Verſchollenen im 
Rechtsweg entſchieden iſt, und ſich deshalb gehindert 
eglaubt hat, ſelbſt zu entſcheiden, ob die unbekannten 
Abkömmlinge des Georg, der Margarete und des 
Zacharias F. zu den bei der Auseinanderſetzung Be- 
teiligten gehören. Dieſe Frage muß verneint werden. 
Die Ermittelungen haben keinerlei Anhalt dafür ers 
geben, daß ſolche Abkömmlinge vorhanden ſind oder 
jemals vorhanden waren. Die bloße Möglichkeit, daß 
Abkömmlinge der für tot erklärten Verſchollenen vor⸗ 
handen ſind, reicht nicht hin, ſie als möglicherweiſe 
Beteiligte zu berückſichtigen, ſie kann nicht hindern, 
daß ebenſo, wie in ſolchem Falle den bekannt ge— 
wordenen Erben ein Erbſchein zu erteilen iſt, der ſie 
als die alleinigen Erben bezeichnet, die Auseinander— 
ſetzung zwiſchen ihnen als den alleinigen Erben ver- 
mittelt wird. Sind unbekannte Erben vorhanden, ſo 
bleibt ihnen die Geltendmachung ihrer Anſprüche gegen 
die ermittelten Erben vorbehalten. Die gegenteilige 
Anſicht würde den Zweck der Todeserklärung geradezu 
vereiteln. Die Todeserklärung ſoll die Dauer der Un— 
gewißheit über Leben oder Tod eines Verſchollenen 
abkürzen, dem Schwebezuſtand, in dem H feine Ber- 
mögens- und Familienbeziehungen befinden, ein Ende 
machen und die Beerbung ermöglichen. Mit dieſem 
Zwecke iſt es unvereinbar, den Schwebezuſtand, dem 
die Todeserklärung ein Ende machen ſoll, dadurch 
fortzuerhalten, daß das Vermögen des für tot Er- 
klärten und eine Erbſchaft, zu der er berufen 
geweſen ſein würde, wenn er zur Zeit des Erbfalls 


„TTT „ „ 


gelebt hätte, 

und nicht zu ermittelnden Abkömmlingen angefallen 

behandelt und, um ſie ihnen zu erhalten, den bekannten 

Beteiligten vorenthalten werden. (Beſchl. d. I. 38. 

vom 14. Januar 1908, III 3/08). W. 
1191 


II 


Wie weit geht die Zuſtändigkeit des Hypotheken 
amts (Grundbuch⸗Aulegungs⸗Beamten) zur Beurkundung 
von Erklärungen ic. ıc., die durch die Anlegung des 
Grundbuchs veranlaßt werden? (Art. 10 des Geſetzes 
über die Anlegung des Grundbuchs). Im Kataſter 
der StG. S. find nicht nur die Orts» und Gemeinde- 
wege, ſondern auch die Feld- und Holzwege und 
mehrere Fußwege als „unſteuerbare Gegenſtände“ 
der „StG. S. Beſitznummer /“ zugeſchrieben. Die 
Liquidationsprotokolle geben über die Eigentums» 
verhältniſſe keinen Aufſchluß. In dem Verfahren zur 
Anlegung des Grundbuchs beantragte der Gemeinde⸗ 
ausſchuß, die politiſche Gemeinde S. als Eigentümerin 
aller Wegflächen einzutragen. Der Anlegungsbeamte 
ſtellte auf Grund des Ergebniſſes eines Augenſcheins 
die Eigenſchaft eines großen Teiles der Wegflächen 
als ſelbſtändiger Wege feft und erachtete das Eigen- 
tum der Gemeinde an dieſen Grundſtücken für glaub- 
haft gemacht, bei 26 Wegflächen kam er aber zu der 
Ueberzeugung, daß fie Beſtandteile der Grundſtücke 
ſeien, über die ſie hinführen oder zwiſchen denen ſie 
hindurchführen. Der Gemeindeausſchuß hielt den 
Anſpruch der Gemeinde auf dieſe Wegflächen aufrecht, 
weil fie ſchon länger als 30 Jahre im Beſitze der 
Gemeinde ſeien und von ihr durch Frohndienſte 
unterhalten würden, und benannte als Auskunfts- 
perſon den Obmann der Feldgeſchworenen. Dieſer be— 
kundete, daß „bei einer großen Anzahl dieſer Wege“ 
die Gemeinde die verloren gegangenen oder beſchädigten 
Grenzſteine auf ihre Koſten erſetzen laſſe. Andere 
Beſitzhandlungen der Gemeinde ſeien ihm nicht bekannt. 
Der Anlegungsbeamte fand das Eigentum der Gemeinde 
hierdurch nicht glaubhaft gemacht und ordnete Ein— 
tragung des Inhalts an, daß das Eigentum an den 
Wegflächen den Eigentümern der angrenzenden 
Grundſtücke zuſtehe. Auf Antrag des Gemeinde— 
ausſchuſſes wurde zur Wahrung der Eigentums— 
anſprüche der Gemeinde eine Proteſtation eingetragen. 
Der Gemeindeausſchuß ließ nun die beteiligten Grund— 
beſitzer unter Androhung der Klageſtellung zur Ab— 
gabe der ſchriftlichen Erklärung auffordern, daß ſie 
das Eigentum der Gemeinde an den Wegflächen, bei 
denen ſie als Angrenzer in Betracht kommen, anerkennen 
und die Umſchreibung auf die Gemeinde beantragen. 
Die meiſten Beteiligten haben die verlangte Erklärung 
durch Unterzeichnung des ihnen mitgeteilten gedruckten 
Formulars abgegeben. Um der Gemeinde die hohen 
Koſten notarieller Beurkundung der Anerkennungs— 
erklärung zu erſparen, beantragte der Gemeindeaus— 
ſchuß, die Vernehmung der Angrenzer durch den An— 
legungsbeamten und verband damit den wiederholten 
Antrag, die Gemeinde S. als Eigentümerin der Weg— 
flächen einzutragen. Der Anlegungsbeamte hat dieſe 
Anträge zurückgewieſen. Die Beſchwerde des Gemeinde— 
ausſchuſſes wurde verworfen. Auf die weitere Be— 
ſchwerde des Gemeindeausſchuſſes hat das Obs. 
die Entſcheidung des LGG. A. aufgehoben und die 
Sache zur anderweitigen Entſcheidung zurückver— 
wieſen. 

Gründe: Da es nicht nur öffentliche, im Eigen- 
tum der Gemeinde, des Diſtrikts oder des Staates 
ſtehende Wege, ſondern auch Privatwege gibt, die den 
beteiligten Grundſtückseigentümern gehören, mußte 
der Anlegungsbeamte bei den einzelnen im Grund— 
ſteuerkataſter verzeichneten Wegen zu ermitteln fuchen, 
zu welcher der beiden Arten ſie gehören. Dabei hat 
er als das unterſcheidende Merkmal mit Recht nicht 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


als möglicherweiſe ſeinen unbekannten 


mm — — — Tʃ—v4ꝗęm ſ —2 —V. — 


147 


die Größe, ſondern die Zweckbeſtimmung der Wege 
angeſehen, indem er davon ausging, daß die dem 
allgemeinen Verkehre dienenden Wege öffentliche Wege 
ſeien, bei den nur den Zwecken einzelner Grundſtücks⸗ 
eigentümer, insbeſondere der Bewirtſchaftung der 
angrenzenden Grundſtücke dienenden Wegen aber die 
Vermutung dafür ſpreche, daß ſie zu den Privatwegen 
gehören. Er hat nicht verkannt, daß auch ſolche 
Wege der Gemeinde gehören können, aber in dem 
Ergebniſſe ſeiner Ermittlungen, insbeſondere in den 
Angaben der vernommenen Auskunftsperſon, keinen 
Anhalt dafür gefunden, daß dies bei dem einen oder 
dem anderen der ihrer Zweckbeſtimmung nach als Private 
wege erſcheinenden Wege zutreffe. Beſtand hiernach 
für ihn kein Zweifel, daß die Wege in der Tat 
Privatwege ſeien, ſo hatte er keinen Anlaß, die An⸗ 
grenzer zu hören, es ſtand nichts im Wege, ſofort die 
Eintragung der Angrenzer als Eigentümer der Weg— 
flächen anzuordnen. Wollten die Gemeinde und die 
Angrenzer bei Gelegenheit des Anlegungsverfahrens 
eine Aenderung der Beſitz⸗ und Eigentumsverhältniſſe 
herbeiführen, fo war es nach Art. 10 des Gef. vom 
18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des 
Grundbuchs i. d Landest. r. d. Rh. betr., nicht ſeine 
Aufgabe, ihre Einigung zu beurkunden, weil die zu 
ſchließenden Eigentumsübertragungsverträge, die einen 
neuen Beſitz⸗ und Rechtszuſtand ſchaffen ſollten, nicht 
in innerem Zuſammenhange mit dem Anlegungs⸗ 
verfahren ſtanden. Einſeitige Anerkennungserklärungen 
der Angrenzer würden nach Art. 14 des Not. von 
1861 unwirkſam ſein. 

Das LG. iſt in Anſehung der Wegflächen, die 
für die weitere Beſchwerde in Betracht kommen, zu 
demſelben Ergebniſſe gelangt wie der Anlegungs⸗ 
beamte und hat ihm insbeſondere in der Beurteilung der 
von der Auskunftsperſon bekundeten Tatſachen zus 
geſtimmt. Die Beſchwerdeführerin glaubt, die Ab- 
markung zugunſten ihres Anſpruchs verwerten zu 
können. In dieſer Beziehung geben die Ausführungen 
des BG. zu einem rechtlichen Bedenken Anlaß. Die 
Sorge der Gemeinde für die Inſtandhaltung der Ab- 
markung einzelner Wege kann, vorausgeſetzt, daß die 
Gemeinde nicht, wie es an manchen Orten üblich iſt, 
die erforderlichen Grenzſteine für alle Grundſtücke der 
Gemeindeflur, ſondern nur für die ihr gehörenden 
Grundſtücke beſchafft, unter Umſtänden für die Ent⸗ 
ſcheidung von weſentlicher Bedeutung ſein. Hat die 
Gemeinde in ſolcher Weiſe bei einzelnen nicht dem 
allgemeinen Verkehre dienenden Wegen für die Er- 
ſetzung verloren gegangener oder beſchädigter Greng- 
ſteine geſorgt, ſo hat ſie damit zu erkennen gegeben, 
daß ſie die Wegflächen zu dem gemeindlichen Grund— 
beſitze rechne, und wenn die Angrenzer ſie darin ge— 
währen ließen, weil ſie glaubten, daß die Wegflächen 
ihr gehörten, fo kann dies die Annahme eines Beſitz⸗ 
verhältniſſes rechtfertigen, das die Beteiligten trotz 
des Fehlens einer nachweisbaren Erwerbstatſache als 
den zu Recht beſtehenden Zuſtand angeſehen haben 
und das infolgedeſſen im Wege der außerordentlichen 
Erſitzung zum Erwerbe des Eigentums führen konnte. 
Es kommt aber nicht ſchlechthin darauf an, daß das 
Beſitzverhältnis während des zur außerordentlichen 
Erſitzung erforderlichen Zeitraums beſtanden hat. 
Fehlt zum Eigentumserwerbe nichts als der Ablauf 
der Erſitzungszeit, ſo kann dem Beſitzſtande, den die 
Beteiligten bisher als den zu Recht beſtehenden Zu— 
ſtand angeſehen haben, nach Art. 10 des Geſ. vom 
18. Juni 1898 im Anlegungsverfahren durch Beur— 
kundung der erforderlichen Eigentumsübertragungs— 
verträge die rechtliche Grundlage gegeben werden; es 
handelt ſich dann nicht um eine willkürliche Aenderung 
der Beſitz- und Eigentumsverhältniſſe, ſondern um die 
nachträgliche Ausſtattung des beſtehenden und von 
den Beteiligten als maßgebend angeſehenen Zuſtandes 
mit rechtlicher Wirkſamkeit. Nach der Angabe der 


148 


vom Anlegungsbeamten vernommenen Auskunfts⸗ 
perſon hat die Gemeinde für die Inſtandhaltung der 
Abmarkung „bei einer großen Anzahl“ der in Be⸗ 
tracht kommenden Wege geſorgt. Bei welchen einzelnen 
Wegen dies der Fall iſt, iſt nicht ermittelt. Hiernach 
muß die Sache zurückverwieſen werden. (Beſchluß des 
I. ZS. vom 30. Dezember 1907, Reg. III 89/1907). 

1163 W. 


B. Strafſachen. 


Ausſchank des „eigenen Erzengniſſes“ durch fog. 
Kommunbraner. 

I. 1. Nach Art. 8 Abſ. 1 Ziff. 4 des bayer. Geſetzes 
vom 30. Januar 1868, das Gewerbsweſen betr., dürfen 
nur auf Grund einer Konzeſſion betrieben werden „die 
Gaſt⸗ und Schankwirtſchaft, dann der Kleinhandel mi 
geiſtigen Getränken in den Landesteilen r. d. Rh.“ 
Art. 9 lit. b Ziff. 1 beſtimmt als Ausnahme von der 
Regel des Art. 8 in bezug auf das Wirtſchaftsgewerbe: 
„Der Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes bleibt den 
Brauern in einem hierfür bezeichneten Lokale und auf 
ihren Lagerkellern, desgleichen nach Maßgabe des ört⸗ 
lichen Herkommens und der ortspolizeilichen Vor⸗ 
ſchriften den ſchenkberechtigten Kommunbrauern und 
Weinbauern geſtattet. Sämtliche genannte Gewerbe⸗ 
treibende unterliegen hierbei den durch Geſetze und 
Verordnungen feſtgeſtellten Verpflichtungen der Inhaber 
von Wirtſchaftsgewerben“. $ 1 Abſ. 2 des RG. vom 
12. Juni 1872, betr. die Einführung der GewO. in 
Bayern 2c. verfügt: „Inſoweit bisher in Bayern... 
der Ausſchank der eigenen Erzeugniſſe an Getränken 
ohne polizeiliche Erlaubnis ſtatthaft war, bedarf es 
einer ſolchen auch in der Folge nicht“. 

2. In der Stadt N. beſteht ein Kommunbrauhaus, 
das der „brauberechtigten Bürgerſchaft“, d. i. der 
Geſamtheit von 85 Hausbeſitzern gehört, mit deren 
Anweſen Braurechte als radizierte Gewerbrechte ver- 
bunden find. Wer ein ‚Braurecht“ oder einen „Brau⸗— 
anteil“ hat, darf, wenn ihn das Los trifft, einen Tag 
lang das Brauhaus benützen. In den zwanziger 
Jahren des vor. Jahrh. fol den „‚Braugenoſſen“ von 
der Kreisregierung eine ſchriftliche Konzeſſion aus- 
geſtellt worden ſein. Eine ſchriftliche Brauordnung 
und orts polizeiliche Vorſchriften für die Kommunbrauer 
beſtehen nicht. Zurzeit üben nur 14 Brauberechtigte 
die Brauerei im Kommunbrauhauſe noch aus. Unter 
ihnen befinden ſich die Angeklagten und zwar H. als 
Eigentümer von Hs.⸗Nr. 131, und S. als Beſitzer des 
früher mit dem Hauſe Nr. 116 verbundenen und bei 
Teilung dieſes Anweſens in die Häuſer Nr. 116 a und 
116 b bei dem größeren Grundſtücke Hs.⸗Nr. 116 b ver- 
bliebenen Braurechts. 

3. Den Angeklagten liegt zur Laſt, daß ſie Bier 
ausgeſchänkt haben, das nicht „eigenes Erzeugnis“ im 
Sinne des Art. 9 lit. b Ziff. 1 des bayer. Gewerbes 
geſetzes geweſen ſei, weil die Angeklagten es zwar im 
Kommunbrauhaus, aber nicht jeder für ſich allein 
ſondern gemeinſchaftlich hergeſtellt haben. Das Schöffen— 
gericht hat die Angeklagten von der ihnen nach den 
ss 33, 147 Ziff. 1 der GewO. zur Laſt gelegten ſtraf— 
baren Handlung freigeſprochen. Die Strafkammer hat 
die Berufung des Amtsanwalts verworfen. 

4. Es iſt folgender Sachverhalt feſtgeſtellt: S. und 
H. arbeiten ſeit ungefähr drei Jahren beim Brauen 
zuſammen. Sie kaufen auf gemeinſchaftliche Rechnung 
den Jahresbedarf an Gerſte, laſſen diefe im Kommun— 
mälzhauſe mälzen und bis zum Gebrauche lagern. 
Sie beſorgen das Brauen zwölfmal im Jahre gemein— 
ſchaftlich, indem ſie dem Braumeiſter ſelbſt zur Hand 
gehen. Der eine von beiden tritt abwechslungsweiſe 
nur inſoferne hervor, als er dem Braumeiſter gegen— 
über als Auftraggeber auftritt und demzufolge von 
ihm als der „heute Brauende“ in das Aufſchreibbuch 
eingetragen wird und als er die Malzpolette auf ſeinen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


Namen ausſtellen läßt und die Geſchäfte bei der Auf⸗ 
ſchlageinnehmerei beſorgt. Das Malz wird dem gemein⸗ 
amen Vorrat entnommen. Den Hopfen liefert Der- 
jenige, auf deſſen Namen gerade gebraut wird. Dieſer 
trägt auch die jeweiligen Koſten des Brauens. Miß⸗ 
glückt ein Sud, ſo tragen beide gemeinſchaftlich den 
Schaden. Die Trebern werden jedesmal noch im Brau⸗ 
hauſe geteilt. Von dieſem weg kommt das Bier in 
den von den Angeklagten gepachteten Lagerkeller und 
hier wird es in 4 gleichgroße Lagerfäſſer abgefüllt. 
Jedem von den Angeklagten gehört der Inhalt zweier 
Lagerfäſſer und jeder verfügt von da an unabhängig 
vom andern über ſein Bier. Die Strafkammer nimmt 
an, daß die Angeklagten eigenes Erzeugnis an Bier 
ausgeſchänkt haben. Das jeweils von beiden Her- 
geſtellte Bier ſei wirtſchaftliches Erzeugnis des einen 
wie des andern. Der Sud als Ganzes ſtehe im Mit⸗ 
eigentume beider, werde er geteilt, ſo erhalte jeder 
den Teil, der der von ihm gelieferten Menge an Roh⸗ 
ſtoffen entſpreche. Der Teil bleibe eigenes Erzeugnis, 
auch wenn er nicht allein ſondern mit der andern 
Hälfte des Sudes zugleich hergeſtellt ſei. Daß ein eigenes 
Erzeugnis nur dann vorliege, wenn das Bier aus- 
ſchließlich auf den Namen, die Rechnung und Gefahr 
eines Kommunbrauers hergeſtellt worden ſei, ent⸗ 
ſpreche nicht dem Wortlaut und Sinne des Geſetzes. 
Wenn jeweils nur einer der Angeklagten den Hopfen 
liefere, ſo ſei das belanglos, weil jeder den Hopfen 
zum Verbrauche für den gemeinſamen Sud erwerbe 
und in dem Bewußtſein verwende, daß das nächſte⸗ 
mal der andere die Hopfenlieferung beſorge. Das 
Bier werde eben auf Rechnung und Gefahr beider 
Angeklagten hergeſtellt. Daß das gemeinſchaftliche 
rauen mehrerer Berechtigter ſchon vor dem Jahre 
1868 Brauch geweſen ſei, und daß ſich die Ange— 
klagten in gutem Glauben befunden hätten, könne 
fie nicht entlaſten, wenn es ſich bei ihrem Bier- 
ausſchanke nicht um eigenes Erzeugnis handeln würde. 
Das Braurecht des S. ſei mit dem Hauſe Nr. 116 b 
von jeher verbunden geweſen, da dieſes den Haupt- 
beſtandteil des ehemaligen Anweſens Hs.-Nr. 116 darz 
ſtelle, eine Uebertragung des Realrechts, die diſtrikts⸗ 
polizeiliche Genehmigung erfordert haben würde, liege 
nicht vor. 
II. Die Reviſion des Staatsanwalts iſt nicht 
begründet. 
1. Die Vorinſtanzen haben nicht ausdrücklich her- 
vorgehoben, daß die Kömmunbrauer in N. zum Aus- 
ſchank ihres eigenen Erzeugniſſes befugt ſind. Es geht 
dies aber aus den ſonſtigen Feſtſtellungen hervor. Die 
Annahme der Strafkammer, daß das ſeinerzeit mit 
dem Haufe Nr. 116 verbundene Brau- und Schank⸗ 
recht bei der Teilung des Anweſens bei dem Hauſe 
Nr. 116 b verblieben und mit dieſem auf den Ange- 
klagten S. übergegangen iſt, ohne daß es einer Trans» 
ferierung der Gerechtſame und einer Genehmigung 
dieſes Aktes durch die Gewerbepolizeibehörde bedurft 
hätte, braucht nicht geprüft zu werden, da der gute 
Glaube des Angeklagten an ſeine Befugniſſe von keiner 
Seite bezweifelt worden ift. (S 59 Abf. 1 des StGB.). 
2. Die Frage, ob die Angeklagten als Kommun— 
brauer „eigenes Erzeugnis“ ausgeſchänkt haben, iſt 
vom Berufungsgericht zutreffend bejaht worden. Die 
Angeklagten haben aus den von ihnen ſelbſt beſchafften 
Rohſtoffen auf eigene Rechnung und Gefahr im 
Kommunbrauhauſe Bier herſtellen laſſen. Daß ſie ſich 
zum Zwecke gemeinſamen Brauens zu einer Geſellſchaft 
verbunden haben, und daß abwechſelnd einer von ihnen 
als geſchäftsführender Geſellſchafter für die Geſellſchaft 
die Polette beſorgt, die Braukoſten bezahlt und den 
Hopfen geliefert hat, ändert an der Eigenſchaft des 
Erzeugniſſes nichts. Das Bier iſt dadurch für den 
einzelnen kein fremdes geworden. Er hat es nicht, 
wie in dem Falle, der dem Urteile des Senats vom 
19. Juni 1906 (Slg. Bd. 7 S. 35) zugrunde liegt, 


durch Nechtogeſchüft mit dem Brauer, ſondern durch 


Teilung des gemeinſchaftlichen Vermögens zu Eigen- 
tum erworben. Das örtliche Herkommen iſt für die 
Frage belanglos, wie die Kommunbrauer im Kommun⸗ 
brauhaus ihr Bier erzeugen, es entſcheidet nur darüber, 
in welcher Weiſe dieſe Bräuer eigenes Erzeugnis ohne 
Konzeſſion ausſchänken dürfen. Der Entwurf zu Art. 9 
des Geſetzes über das Gewerbsweſen (Verh. der K. d. 
Abg. 1866/69, Beil. Bd. I S. 63) erwähnte das ört⸗ 
liche Herkommen im Zuſammenhange mit den kon— 
zeſſionsfreien Schankwirtſchaften überhaupt nicht. Der 
Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes ſollte nur nach 
Maßgabe der oberpolizeilichen Schankordnungen jenen 
„Weinbauern und ſchankberechtigten Kommunalbrauern 
geſtattet ſein, deren Perſönlichkeit und Verhalten 
genügende Bürgſchaft eines ordnungsmäßigen Ge— 
werbebetriebes“ gewähre. Der Berichterſtatter betonte, 
daß der Ausſchank der Weinbauern und Kommun— 
brauer beſondere Mißſtände nicht im Gefolge habe, 
daß eine polizeiliche Regelung des Schankbetriebs 
immerhin zuzulaſſen fei, daß diefe aber nicht zu einer 
Beſchränkung oder Aufhebung herkömmlicher Befug— 
niſſe führen dürfe. Sein Antrag ging dahin, Ziff. 1 
des Art. 9 (ietzt lit. b) zu ändern wie folgt: „Der 
Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes bleibt nach Maß— 
gabe der jeden Orts hergebrachten Befugniſſe den 
Weinbauern und den ſchankberechtigten Kommun— 
brauern geſtattet. Der Ausſchankbetrieb der erſteren 
kann durch oberpolizeiliche, der der letzteren durch orts— 
polizeiliche Schankordnungen geregelt, aber nicht weiter 
beſchränkt werden, als herkömmlich iſt und geſetzliche 
Beſtimmungen geſtatten. — Eine zeitweiſe oder gänz— 
liche Betriebsunterſagung kann nur aus ſolchen Gründen 
erfolgen, welche die Einſtellung des Betriebs kon— 
zeſſionierter Wirtſchaften rechtfertigen“. 
Der Ausſchuß hat offenbar in dieſem Sinne für 
Art. 9 lit. b Ziff. 1 die Faſſung beſchloſſen: „Wein— 
bauern und ſchankberechtigten Kommunbrauern bleibt 
der Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes nach Maßgabe 
des örtlichen Herkommens und der ortspolizeilichen 
Vorſchriften geſtattet. Sie unterliegen hierbei den durch 
Geſetze und Verordnungen feſtgeſtellten Verpflichtungen 
der Inhaber von Wirtſchaftsgewerben“. Der Aus— 
ſchußbeſchluß wurde mit dem Zuſatze, der durch die 
Zulaſſung des Ausſchanks eigenen Erzeugniſſes ſeitens 
der Brauer bedingt war, und redaktionellen Aende— 
rungen zum Geſetze erhoben. Das örtliche Herkommen 
wurde alſo nur zum Schutze der Gerechtſame der Wein— 
bauern und Kommunbrauer in das Geſetz einbezogen, 
nicht aber zu dem Zwecke, ihre Bewegungsfreiheit 
innerhalb des Betriebs in bezug auf den An- und 


Ausbau des Weines und die Herſtellung des Bieres zu | 


beſchränken. Die Brauordnung im Kommunbrauhauſe 
braucht ſich deshalb nicht an das „örtliche Herkommen“ 
zu binden, 
Brauberechtigten und kann im Laufe der Zeiten gez 
ändert werden, was notwendig ift, ſchon um den Fort— 
ſchritten der Technik und den veränderten Verhält— 
niſſen innerhalb der Braugenoſſenſchaften Rechnung 
zu tragen. Ob es den Angeklagten durch ihr Ver— 
jahren gelingt, einen raſcheren Abſatz ihres Erzeugniſſes 
oder eine größere Menge von Bier zu erzeugen, iſt 
gleichgültig. Die Schankſtätten wurden jedenfalls nicht 
vermehrt, ortspolizeiliche Vorſchriften für die Kommun- 
brauer beſtehen in N. nicht und es fehlt jeder Anhalts— 
punkt dafür, daß die Angeklagten gegen das örtliche 
ann in bezug auf den Ausjchanfbetrieb ver— 
10. 19 . (Urteil vom 11. Februar 1908, Rev. Reg. 
— — n. 


1210 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


| 


dem Vorkommnis erhalten habe. 


ſie richtet ſich nach der Vereinbarung der 
bracht werden darf; 


149 


Oberlandesgericht München. 
Rechtsnatur der unentgeltlichen Behandlung in 


einer ſtaatlichen Klinik; Berückſichtigung der Berjährung 


beim Armenrecht. Die Damenſchneiderin Thereſe 
wurde 1887 in der Univerſitäts-Frauenklinik zu M. an 
einer Eierſtocksgeſchwulſt unentgeltlich operiert; hierbei 
entſtand ein Scheideneinriß, weil der zur Erleichterung 
der Operation eingeführte Kolpeurynter (waſſerge⸗ 
füllte Gummiblaſe) etwas zu groß war. Mit der 
Behauptung, dieſer Riß ſei bis jetzt nicht völlig vers 
heilt und durch die damit verbundenen Schmerzen 
ihre Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt, beanſpruchte 
Th. K. im Jahre 1907 von dem Klinikvorſtande und 
damaligen Operateur v. W. eine jährliche Rente von 
720 M, weil der Schaden durch Verſchulden des gez 
nannten Arztes herbeigeführt worden ſei. Letzterer 
beſtritt das Vorliegen eines Vertragsverhältniſſes 
ſowie jedes Verſchulden mit dem Beifügen, die Ein⸗ 
führung des Kolpeurynters ſei zunächſt Sache des 
inzwiſchen verſtorbenen Aſſiſtenzarztes J. geweſen; 
die Klägerin ſei auch nicht wegen den Folgen des 
Riſſes, ſondern wegen ihrer urſprünglichen Erkrankung, 
die nicht ganz behoben werden konnte, erwerbsunfähig; 
außerdem ſei der Anſpruch längſt verjährt, da die 
Klägerin ſchon bei ihrer Entlaſſung Mitteilung von 
Das Armenrechts⸗ 
geſuch der Klägerin wurde daraufhin wegen Ausſichts⸗ 
loſigkeit abgewieſen, weil zufolge § 823 Abſ. 1, 852 
Abſ. 1 BGB. mit Art. 169 CG. der allein in Betracht 
kommende Anſpruch aus der behaupteten fahrläſſigen 
Körperverletzung längſt verjährt fei. Beſchwerde 
wurde nicht erhoben, wohl aber nunmehr das Armen— 
recht zu einer Schadenserſatzklage gegen den Fiskus 
erbeten; dieſer habe für Verſehen der Klinikbeamten 
aufzukommen, dieſe Haftung jedoch im Verfahren nach 
Art. 2 AG. z. ZPO. abgelehnt, weil weder SS 31, 89 
BGB., noch Art. 60 AG. z. BGB. zutreffe. Das 
Landgericht wies auch dieſes Geſuch zurück, weil ab⸗ 
geſehen von der Frage der Staatshaftung für Beamte 
nach dem früheren Recht (Bayer. LR.) Verjährung 
vorliege, die vom Fiskus auch zweifellos eingewendet 
werden würde. In der Beſchwerde wurde geltend ge— 
macht, man ftüge den Anſpruch nicht auf Delikt, 
ſondern Vertrag (Auftrag); ſolche Anfprüde verjährten 
erſt in 30 Jahren; außerdem ſei die Verjährung 
nicht von Amts wegen zu berückſichtigen, zumal deren 
Vorſchutzung überall als anſtandswidrig gelte, ſohin 
auch beim Fiskus keineswegs zu vermuten ſei. Die 
Beſchwerde wurde zurückgewieſen. 

Aus den Gründen: Die Vornahme einer 
Operation in einer ſtaatlichen Klinik ohne Entgelt 
beruht ebenſowenig auf Vertrag, wie die ſonſtige 
Inanſpruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Dienſt— 
leiſtungen unter den Geſichtspunkt des Auftrags ges 
es kann daher neben dem Ge— 
ſichtspunkte der fahrläſſigen Körperverletzung nur 
noch etwa jener der Amtspflichtverletzung in Betracht 
kommen. Hiernach trifft die Annahme der dreijährigen 
Verjährung nach Y 852 BGB. zu; die dort erwähnte 


Kenntnis braucht ſich auf den Umfang des Schadens 


nicht zu erſtrecken (Henle-Fiſcher Anm. 3 a. a. O.). 
Gegebenenfalls muß die Verjährung ſchon deshalb 
von Amts wegen berückſichtigt werden, weil angeſichts 
ihrer Vorſchützung durch den früher belangten Klinik— 
vorſtand die Geltendmachung auch ſeitens des Fiskus 
mit Sicherheit zu gewärtigen iſt; anſtandswidrig iſt 
dies nach Lage der Sache nicht. (Beſchl. vom 27. 
Dezember 1907; Beſchw. Reg. Nr. 736,07 J. . 


1165 N. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 


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Oberlandesgericht Bamberg. 


Auslegung des 8 29 ZPO. Die Beklagte übernahm 
die künſtliche Austrocknung einer Villa der Klägerin. 
Nachdem das Austrocknungsverfahren durchgeführt und 
das Werk bezahlt war, ſtellte ſich wieder Feuchtigkeit 
ein. Deshalb erhob die Beſtellerin Klage auf Erſatz 
des Schadens bei dem Gericht ihres Wohnſitzes als 
dem Gerichtsſtand des Erfüllungsorts. Die Beklagte 
beſtritt die Zuſtändigkeit. Das LG. und das OLG. 
wieſen die Einrede zurück. 

Ausden Gründendes Berufungsurteils: 
Die Beklagte begründet ihren Einwand in [earnan 
Weiſe: Der Gerichtsſtand des 8 29 ZPO. beſtimme ſich 
nach dem Erfüllungsort der ſtreitigen Verpflichtung; 
dieſe ſei aber nicht die urſprüngliche Vertragspflicht, 
ſondern die Schadenserſatzpflicht und für dieſe ſei 
mangels einer beſonderen Vorſchrift Erfüllungsort der 
Ort des Wohnſitzes oder der gewerblichen Nieder⸗ 
laſſung des Schadenserſatzpflichtigen (8 269 BGB.). 
Jedenfalls beſtehe der Gerichtsſtand des 8 29 BPO. 
nicht für die Feſtſtellungsklage wegen des künftigen 
Schadens. Dieſes Vorbringen iſt ungerechtfertigt. Nach 
dem Klagantrag liegt eine Entſchädigungsklage wegen 
nicht gehöriger Erfüllung vor. Es handelt ſich nicht, 
wie in den von der Beklagten angeführten Entſchei⸗ 
dungen des RG. in Bd. 27 S. 397 und Bd. 31 S. 383 
um eine Wandelungsklage, bei der nur die noch zu 
erfüllende Verpflichtung zur Rückerſtattung des Kauf⸗ 
preiſes den Streitgegenſtand bildete. Vielmehr liegt 
eine reine Entſchädigungsklage vor. Die beklagte Firma 
wird wegen der ihr obliegenden Vertragserfüllung in 
Anſpruch genommen, nämlich wegen nachläſſiger Aus⸗ 
führung des übernommenen Werkes, welches nach der 
Behauptung der Klage zwar äußerlich vertragsgemäß 
ausgeführt wurde, deſſen innere Mangelhaftigkeit infolge 
ſchlechter Arbeit ſich aber nach einigen Monaten heraus⸗ 
geſtellt habe. Daß hier die Vertragserfüllungspflicht 
der Beklagten die den Erfüllungsort beſtimmende 
ſtreitige Verpflichtung ſei, iſt nicht deshalb zu ver⸗ 
neinen, weil der Werkverdingungsvertrag äußerlich 
bereits erfüllt war. Denn die Klägerin begründet ihren 
Entſchädigungsanſpruch gerade damit, daß dies nur 
ſcheinbar der Aue eweſen fei, die Beklagte aber durch 
mangelhafte Ausführung der Arbeit ihre Verpflichtung 
aus dem Vertrage verletzt habe. Die Entſchädigung 
iſt das Surrogat für die richtige Erfüllung und deshalb 
iſt auch bei der Entſchädigungsklage wegen nicht ge⸗ 
höriger Erfüllung die Vertragserfüllungs⸗ 
pflicht des auf Entſchädigung in Anſpruch genom⸗ 
menen Kontrahenten die ſtreitige Verpflichtung 
im Sinne des $ 29 ZPO. Auch durch das Heran⸗ 
ziehen der reichsgerichtlichen Entſcheidung im JW. 1899 
S. 255 kann die Berufungsführerin ihre Anſicht, 
„ſtreitige Verpflichtung“ ſei hier nicht mehr die urſprüng⸗ 
liche Vertragspflicht, ſondern die Schadenserſatzpflicht 
des Beklagten als ſolche, nicht ſtützen. Auch dieſe 
Entſcheidung bezieht fih nicht auf den Fall der Ent- 
ſchädigungsforderung wegen nicht gehöriger Erfüllung, 
ſondern auf den Fall der Unmöglichkeit der Leiſtung. 
Nach 8 29 ZPO. ift für Klagen auf Erfüllung eines 
Vertrags, ſowie auf Entſchädigung wegen Nichterfüllung 
oder nicht gehöriger Erfüllung das Gericht des Ortes 
zuſtändig, wo die ſtreitige Verpflichtung zu erfüllen 
ift. Es ſoll alfo an dem Ort, an welchem eine Ber- 
pflichtung zu erfüllen ift, der Gerichtsſtand für An- 
ſprüche, ſei es auf die Erfüllung ſei es auf Ent⸗ 
ſchädigung wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger 
Erfüllung begründet ſein. Das Geſetz ſtellt ſonach 


| 
| 


in Anſehung des Gerichtsſtands den Anſpruch auf | 


Erfüllung einer Verpflichtung und den Anſpruch auf 
Entſchädigung wegen Nichterfüllung dieſer, der ſtrei— 
tigen Verpflichtung, gleich. Die Beklagte behauptet 
weiter, 8 29 3PO. komme nur für die Leiſtungs— 
klage nicht aber für die damit verbundene Feſtſtel— 


lungsklage auf Erſatz des noch entſtehenden 
Schadens in Betracht. Die Beklagte ſtützt ſich dabei 
auf den Wortlaut der fraglichen Geſetzesſtelle, in der 
ausdrücklich den Klagen auf Feſtſtellung des Beſtehens 
oder Nichtbeſtehens eines Vertrages die Klagen auf 
Entſchädigung gegenübergeſtellt ſeien. Dieſe Anſicht 
ift nicht richtig. § 29 ZPO. beſtimmt die Zuſtändig⸗ 
keit für klagsweiſe Geltendmachung von drei Arten 
von Anſprüchen, von denen jede wieder in zwei Unter⸗ 
arten zerfällt: 1. Feſtſtellung des Beſtehens oder Nicht⸗ 
beſtehens eines Vertrags. 2. eine oder Auf⸗ 
hebung eines Vertrags. 3. Entſchädigung wegen Nicht⸗ 
erfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung. Bezüglich 
des Beſtehens oder Nichtbeſtehens eines Vertrags kann 
der Natur des Anſpruches entſprechend nur eine Feſt⸗ 
ſtellungsklage, nicht aber eine Leiſtungsklage in Be⸗ 
tracht kommen. Bei den beiden andern Arten ſind 
ſowohl Leiſtungs⸗ wie Feſtſtellungsklagen denkbar. 
Wenn das Geſetz alſo beim erſten Anſpruch die Feſt⸗ 
ſtellung beſonders hervorhebt, ſo hat es damit keinen 
Gegenſatz zu den beiden andern Arten konſtruieren 
wollen, vielmehr hat es bei den beiden andern Arten 
eine genauere Fixierung der Art der Klage — ob 
Feſtſtellungs⸗ oder Leiſtungsklage — unterlaſſen, weil 
eben in dieſen Fällen beide Klagsformen vorkommen 
können und beide unter den $ 29 BPO. fallen folen. 
Weder die Rechtslehre noch die Rechtſprechung noch 
die Motive des Geſetzes bieten einen Anhaltspunkt für 
die gegenteilige Auslegung. Es iſt auch nicht einzu⸗ 
ſehen, wie der Umſtand, daß der Kläger die Höhe des 
Schadens nicht angeben kann und deshalb bei Vor⸗ 
handenſein der Vorausſetzungen des 8 256 ZPO. für 
den noch nicht entſtandenen Schaden Feſtſtellung der 
Schadenserſatzpflicht verlangt, einen Einfluß auf die 
örtliche Zuſtändigkeit haben ſoll. Es handelt ſich beim 
Antrag auf Verurteilung zum Erſatz des noch ent⸗ 
ſtehenden Schadens allerdings nicht um eine Klage auf 
künftige Leiſtung, ſondern nur um die Klage auf Feſt⸗ 
ſtellung eines Anſpruchs ſekundärer Art, der ſich ſeiner 
Entſtehung und ſeinem Zwecke nach an die jedenfalls 
der örtlichen Zuſtändigkeit des 8 29 ZPO. unterliegende 
Leiſtungsklage anlehnt, für deſſen Zuſtändigkeit im 
Zweifel der Erfüllungsort der Hauptverpflichtung maß⸗ 
gebend iſt. 

Richtig iſt, daß bei Klagen auf Rückgewähr einer 
Leiſtung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Geg⸗ 
ners, namentlich alſo bei Wandelungsklagen, die im 
Streit befangene Rückerſtattungspflicht den Erfüllungs⸗ 
ort und damit den Gerichtsſtand begründet; denn es 
handelt ſich in einem 126 8 Falle um eine ſelbſt⸗ 
ſtändige Verpflichtung des Beklagten, nicht um die 
Aufhebung einer Verpflichtung des Klägers. Hier iſt 
aber eine Wandelungsklage gar nicht gegeben. Die 
Wandelung ſetzt eine die Wandelungsabſicht bekundende 
Erklärung des die Wandelung fordernden Teiles voraus. 
In der Klage iſt aber von einem Wandelungsanſpruch 
nicht die Rede. Die Klägerin will nicht den Wert- 
vertrag rückgängig machen, vielmehr verlangt ſie aus 
dem noch zu Recht beſtehenden Vertrag Schadenserſatz 
wegen nicht gehöriger Erfüllung. Als einen Teil 
dieſes Schadens verlangt ſie die Rückzahlung des für 
die ſchlechte Arbeit der Beklagten geleiſteten Betrages. 
Wandelung und Schadenserſatz nebeneinander kann 
der Beſteller eines Werkes allerdings nicht geltend 
machen. Doch kann der Schadenserſatzanſpruch auch 
die Rückgewähr der für das mangelhafte Werk ges 
leiſteten Verguͤtung enthalten. Von einer Wandelung 
im techniſchen Sinne kann daher in einem ſolchen 
Falle nicht die Rede ſein. (Oertmann, Recht der Schuld⸗ 
verhältniſſe, 2. Aufl. § 463, 5b. Staudinger, BGB., 2. 
Aufl. §§ 463, 8c). (Urteil des I. ZS. vom 30. Nov. 
1907, BerReg. 184/07). 

1130 Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


nn München J. 


Wer erteilt in Bayern die Bollſtreckungsklanſel 
2 den Ansſtandsverzeichniſſen der Berufsgenoſſen⸗ 
chaften? Die Bayeriſche Baugewerks⸗Berufsgenoſſen⸗ 
ſchaft beantragte unter Vorlegung von Heberollen⸗ 
auszügen, die vom Genoſſenſchaftsvorſtand für ne 
ſtreckbar erklärt waren, Anberaumung eines Offe 
barungseidstermins. Das Amtsgericht lehnte den 
trag ab, weil nach § 103 Gew G. Veitragsrückſtände 
in derſelben Weiſe wie Gemeindeabgaben beigetrieben 
werden, ſohin nach Art. 48 GemO. und Art. 6 AG. 
z. ZPO. die Vollſtreckungsklauſel von der Gemeinde⸗ 
verwaltung, hier dem Stadtmagiſtrat M., zu erteilen, 
die vom Genoſſenſchaftsvorſtand ſelbſt beigefügte 
Klauſel aber nichtig fei. In der Beſchwerde wurde 
geltend gemacht, das bayeriſche Landesverſicherungs⸗ 
amt habe mit Entſchließung vom 20. Januar 1906, 
Nr. 10591 1, die Anſicht ausgeſprochen, daß der Ge- 
noſſenſchaftsvorſtand zur Vollſtreckbarerklärung be⸗ 
fugt ſei, weil er allein die Vorausſetzungen für die 
Zuläſſigkeit der Vollſtreckung prüfen könne, wie ihm 
auch die Verbeſcheidung der Einwendungen gegen 
die Vollſtreckung zuſtehe (8 102 Gewu G.). Die 
Beſchwerde blieb erfolglos. 
Der Anſicht des Erſt⸗ 


Aus den Gründen: 

richters ſind nicht nur alle Kommentare zum 
Kr., Uni BG. und Inv.; mit ihr deckt ih auch 
die früher faſt zwanzigjährige Praxis und insbeſondere 
die Entſchließung des Staatsmin. des Innern vom 
5. Februar 1886 (Inn MBl. S. 34). Der innere Grund 
für die Nichtzuweiſung des Vollſtreckungsrechts an 
den Genoſſenſchaftsvorſtand iſt übrigens einleuchtend; 
es müßte zu ſehr großen Verwirrungen führen, wenn 
etwa eine Genoſſenſchaft mit dem Sitze in Nord- 
deutſchland einen Vollſtreckungstitel herſtellen würde, 
der für Bayern unmittelbare Wirkung im landes- 
rechtlichen Adminiſtrativbeitreibungsverfahren äußern 
ſollte. Bekanntlich unterſcheidet ſich gerade das bayer. 
Verwaltungszwangsverfahren vom preußiſchen und 
den ihm nachgebildeten Zwangsverfahren dadurch, 
daß erſteres einen formellen Vollſtreckungstitel mit 
Klauſel im Sinne der ZPO. fordert, letzteres aber 
nicht. Eben deshalb iſt die geſetzlich vorgeſchriebene 
Rechtshilfe der Berufsgenoſſenſchaft nicht unmittelbar 
vom Gericht zu leiſten, ſondern von der Gemeinde⸗ 
behörde, welche damit die formelle Vollſtreckung über⸗ 
nimmt (vgl. Neumiller, ZPO., Schlußbemerkung zu 
8 801). Die gleiche Streitfrage ift bei der Gerichts- 
koſtenbeitreibung wiederholt zu ungunſten des 
preußiſchen Fiskus entſchieden worden, 
Kaſſarendanten unter Umgehung des bayeriſchen Aus⸗ 
ſtandsverzeichniſſes direkte Vollſtreckungsanträge an 
die Bayeriſchen Amtsgerichte geſtellt haben. Für 
dieſe Seite der Streitfrage kann auch nicht durch den 
Vorſtand der Berufsgenoſſenſchaft die Verantwortung 
an Stelle der Vollſtreckungsbehörde übernommen werden, 
insbeſondere nicht gegenüber den Vollſtreckungs⸗ 
gerichten; dies würde eine Beeinträchtigung ihrer 
verfaſſungsmäßigen Freiheit fein (GVG. § 1; 
bayer. Verfürk. Tit. VIII $ 3). Auch die Ueber- 
bürdung der Auslagen für das Abweiſungsverfahren 
auf die Genoſſenſchaft entſpricht durchaus dem Geſetz, 
da die Gebührenfreiheit nicht einmal für den baye- 
riſchen Staat ſelbſt die Befreiung von Auslagen mit 
ſich führt. (S. v. E. Bd. 15 S. 163). (Beſchl. vom 
15. November 1907; BeſchwReg. Nr. 546/07). N. 

1132 


II. 


Fallen Schauſteller unter 8 811 Nr. 5 390.2 
Entbehrlichkeit von Erſatzſtücken. Die Frage wird in 
Uebereinſtimmung mit dem Erſtrichter bejaht; aus den 
Gründen: 


Beitſchrift für eitſchrift für Rechtapflege in Bay in Bayern. 1908. 


— ͤ—HR— — 


— — m ¼ — 


wenn die 


Der Phonograph und eine Elektriſier⸗ 


. oft ſchwer 


Nr. 7. 151 


maſchine ſind als unentbehrlich und unpfändbar im 
Sinne des § 811 Nr. 5 ZPO. zu erachten, dagegen nicht 
die zweite Elektriſtermaſchine. Die Möglichkeit, daß eine 
der beiden Maſchinen einmal in der at defekt 
werden könnte, begründet noch keine Unentbehrlichkeii 
der 5 Maſchine ſchon für die Gegenwart. 
(Beſchl. v. 27. Dez. 1907; Beſchw. Reg. Nr. N: 
1175 N. 


Literatur. 


Staub, Hermann, Kommentar zum Handels⸗ 
geſetzbuch. 8. Auflage, unter Benutzung des hand⸗ 
ſchriftlichen Nachlaſſes Bearbeitet von Sy Könige, 
Reichsgerichtsrat in Leipzig, Dr. Jun Stranz, 
Juſtizrat in Berlin, Albert Pinner, Juſtizrat in 
Berlin. Berlin 1906/07, 3 Guttentag, Verlagsbuch⸗ 
und, G. m. b. H. I. Band 2. Hälfte. (SS 373 
is 473) 


Wir verweiſen auf die Beſprechung der früheren 
Lieferungen auf S. 199 des 3. Jahrgangs. 


Müller, Dr. Eruſt, Mitglied des Reichstags und der 
bayer. Abg.⸗Kammer. Das deutſche Urheber- 
und Verlags recht. Zweiter Band. Erſter Teil: 
Das Reichsgeſetz betr. das Urheberrecht an Werken 
der bildenden Künſte und der Photographie. Zweiter 
Teil: Die internationalen Urheberrechtsbeziehungen 
des deutſchen Reichs betr. den Schutz der Werke 
der bildenden Künſte und der Photographie. J. 
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). München 07. 
Preis broſch. 5.50 Mk., gebd. 6.50 Mk. 


Die Kommentierungsweiſe Müllers iſt durch ſeine 
früher erſchienenen weit verbreiteten Kommentare 
ſchon ſo bekannt geworden, daß ſich über das vor— 
liegende von dem vielbeſchäftigten Verfaſſer ſtellen⸗ 
weiſe wohl etwas raſch gearbeitete Buch kaum etwas 
neues ſagen läßt. In dem reichen Materiale, das 
der Verfaſſer zur Erläuterung des Geſetzes geſammelt 
hat, ift insbeſondere die ziemlich umfangreiche Lite- 
ratur berückſichtigt, die über die Aenderung unſeres 
Urheberrechts erſchienen iſt. Einen ſehr breiten Raum 
nehmen die Mitteilungen aus den amtlichen Mate⸗ 
rialien über die Entſtehungsgeſchichte des Geſetzes ein, 
an der der Verfaſſer als Berichterſtatter der Reichs⸗ 
tagskommiſſion ſelbſt Anteil gehabt hat. Bei der 
zweiten Leſung des Kunſtſchutzgeſetzes im Reichstage 
ſprach ein Abgeordneter einem anderen die Fähigkeit 
ab, den Sinn eines Paragraphen zu verſtehen, weil 
er nicht der Kommiſſion angehört habe. Wäre dieſer 
Vorwurf begründet, ſo wäre das in der Tat ein 
trauriges Zeichen für unſere heutige Geſetzgebungs— 
technik. Allein, wenn er auch ſicher über das Ziel 
hinausſchoß, fo läßt fidh doch nicht leugnen, daß ge⸗ 
rade auf dem Gebiete des Urheberrechts mit ſeinen 
in Worte zu faſſenden Begriffen es 
wünſchenswert iſt, wenn man ſich bei der Anwendung 
des Geſetzes in zweifelhaften Fällen ohne zeitraubendes 
Nachſchlagen über die Entſtehungsgeſchichte einer Be- 
ſtimmung informieren kann. Dieſem Bedürfniſſe 
trägt der Müllerſche Kommentar gewiß genügend 
Rechnung. Die Erläuterungen des deutſchen Rechtes 
und unſerer internationalen Rechtsbeziehungen finden 
eine erwünſchte Ergänzung in wiederholten Gin- 
weiſungen auf die. Geſetzgebung des Auslandes. 
Sehr dankenswert iſt, daß der Herr Verfaſſer dem 
Leſer auch eine Reihe von Kenntniſſen auf dem für 
urheberrechtliche Fragen ſo wichtigen Gebiete der 
Vervielfältigungstechnik zu vermitteln ſucht. 

Amtsrichter Eckert. 


152 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1 
Notizen. 
Die neue Verordnung über die Handelskammern 
und Handelsgremien, welche an Stelle der Verordnung Vertreter, 


Be Oktober 1889 tritt, ift im GVBl. 1908 Nr. 11 
S. 69 veröffentlicht. Eine weſentliche Neuerung gegen— 
über den früheren Beſtimmungen iſt die Abſchaffung 
der Gewerhekammern, deren hauptſächlichſte Funktionen 
gegenwärtig ja bereits von den Handwerkskammern 
ausgeübt werden. Den nunmehrigen Handelskammern 
und Handelsgremien liegt die Förderung und Ver— 
tretung der Intereſſen des Handels und Gewerbes, 
der Induſtrie und des Bergbaues ob. Vorerſt beſteht 
noch für jeden Regierungsbezirk eine Handelskammer, 
während Handelsgremien je nach Bedürfnis für be— 
ſtimmte Orte oder Bezirke vom Miniſterium des 
Aeußern gebildet werden. Beide Körperſchaften haben 
u. a. den Behörden als begutachtende Organe in 
Fragen der angegebenen Gewerbszweige zu dienen 
und ſind befugt, zur Förderung von Handel geeignete 
Einrichtungen bei den zuſtändigen Behörden anzu— 
regen. Den Handelskammern kann die Ber- 
waltung oder die Aufſicht über die Verwaltung folder . 
Einrichtungen und Anſtalten übertragen werden; ſie 
können ſolche begründen, unterhalten und unterſtützen; 
weiter find fie befugt, Gewerbetreibende der in 8 36 
der GewO. bezeichneten Art, deren Tätigkeit in das 
Gebiet des Handels und der Induſtrie fällt (Auktiona— 
toren ausgenommen), öffentlich anzuſtellen und zu 
beeidigen, dann Urſprungszeugniſſe und andere dem 
Handelsverkehr dienende Beſcheinigungen auszuſtellen, 
ſoweit hiermit nicht andere Behörden ausſchließend 
betraut ſind. Die Handelsgremien haben ins— 
beſondere bei der Ernennung der Handelsrichter mit— 
zuwirken; fie können in Angelegenheiten von vor— 
wiegend örtlichem Intereſſe mit den zuſtändigen Be— 
hörden unmittelbar verkehren. Handelskammern wie 
Handelsgremien haben die Rechte juriſtiſcher Perſonen: 
ſie können unter ihrem Namen Rechte erwerben und 
Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und 
verklagt werden. Für ihre Verbindlichkeiten haftet 
nur ihr Vermögen. Ihr Vorſitzender oder deffen Stell: 
vertreter hat ſie gerichtlich und außergerichtlich zu ver— 
treten und insbeſondere die Urkunden, welche fie ver— 
mögensrechtlich verpflichten ſollen, zu unterzeichnen. 
In beiden Körperſchaften werden die Beſchlüſſe durch 
Stimmenmehrheit der ſtimmberechtigten Teilnehmer 
an den Sitzungen gefaßt; bei Stimmengleichheit ent- 
ſcheidet die Stimme des Vorſitzenden. Zur gültigen 
Beſchlußfaſſung gehört, daß alle Mitglieder unter 
Mitteilung der Beratungsgegenſtände rechtzeitig ge— 
laden werden. Bei den Handelskammern kann durch 
die Geſchäftsordnung beſtimmt werden, daß die Be— 
ſchlußfähigkeit durch die Anweſenheit einer gewiſſen 
Anzahl der nicht am Kammerſitz wohnhaften Mitglieder 
bedingt iſt. Die Handelskammern können zur Vor— 
bereitung ihrer Beſchlußfaſſung Arbeitsausſchüſſe bilden 
und zu ihren Sitzungen Sachverſtändige mit beratender 
Stimme beiziehen. Als beſondere Einrichtung beſteht 
bei ihnen ein Ausſchuß der im Handelsregiſter nicht 
eingetragenen und dem Handwerk nicht angehörigen 
Kleingewerbetreibenden im Sinne des $ 4 HGB. und 
ein Ausſchuß der Handlungsgehilfen und techniſchen 
Angeſtellten, jeder zur Mitberatung bei den Angelegen— 
heiten dieſer Berufsgruppen in den Handelskammer— 
ſitzungen. Die Handelskammern führen wie die Staats— 
behörden ein Siegel mit dem bayeriſchen Rauten— 
wappen. Die Handelskammern beſtehen aus unmittel— 
bar gewählten Mitgliedern und Abgeordneten (Vor— 
ſitzenden) der Handelsgremien, letztere ſelbſt aus den 
im Gremialbezirk unmittelbar gewählten Mitgliedern. 
Ueber die Wahlen trifft die Verordnung eingehende 
Beſtimmungen. Ueber die Wahlrechtsausübung ſind 


!!!!!! a Eh en a oe — p — — ſ— 


1908. P 7. 


nähere Vorſchriften erlaſſen, u. a. daß für geſchäfts⸗ 
unfähige, in der Geſchäftsfähigkeit beſchränkte oder 
unter Pflegſchaft ſtehende Perſonen die geſetzlichen 
für Geſellſchaften und Genoſſenſchaften 
die perſönlich haftenden Geſellſchafter, die Vor⸗ 
ſtandsmitglieder, Geſchäftsführer ꝛc. das Wahlrecht 
auszuüben haben und daß dieſes im allgemeinen 
durch einen im Handelsregiſter eingetragenen Pro- 
kuriſten ausgeübt werden kann. Bei der Auf⸗ 
ſtellung der Wahlliſten, welche durch die Diſtrikts⸗ 
verwaltungsbehörden auf Grund der Einträge im 
Handels- und Genoſſenſchaftsregiſter geſchieht, werden 
insbeſondere die Regiſtergerichte mitzuwirken haben. 
Zu den Handelskammern wird in eigens gebildeten 
Wahlkreiſen gewählt, in den Gremialbezirken finden 
nur Wahlen zu den Handelsgremien ſtatt. Die Aus⸗ 
ſchüſſe der Kleingewerbetreibenden wie der Handlungs— 
gehilfen und techniſchen Angeſtellten werden nur an 
den Kammerſitzen von den dort Wahlberechtigten, 
jedoch aus wählbaren Vertretern des ganzen Kammer— 
bezirkes gewählt. Von den übrigen Beſtimmungen 
der Verordnung mag hier vielleicht noch erwähnt ſein, 
daß die Koſten der Handelskammern und Handels— 
gremien von den Wahlberechtigten zu tragen und 
Streitigkeiten über die Beitragspflicht von den 
Verwaltungsbehörden zu entſcheiden ſind. Bis zur 
vollſtändigen Durchführung der am 1. März ds. Js. 
in Kraft getretenen Verordnung haben die derzeit be— 
ſtehenden Handels- und Gewerbekammern ihre Tätig— 
keit fortzuſetzen; den Zeitpunkt ihrer Auflöſung be— 
ſtimmt das Miniſterium des Aeußern. Dr. Sch. 


Die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidignngen. Das 
Reichsgeſetz vom 17. Februar 1908, über deſſen Ent⸗ 
wurf wir in Nr. 10 des 3. Jahrgangs auf S. 20 
berichtet haben, iſt in Nr. 7 des RGB auf S. 
veröffentlicht. Das Geſetz iſt nicht in die 086 
reihe des StGB. eingefügt, ſondern bildet ein Sonder: 
geſetz. Weſentliche Unterſchiede gegenüber dem Ent⸗ 
wurfe beſtehen in zwei Punkten. Nach dem Entwurfe 
ſollte die Strafverfolgung nur mit der Genehmigung 
der Landesjuſtizverwaltung eintreten. Dieſe Vorſchrift 
iſt nicht aufgenommen worden. Nach dem Entwurfe 
ſollte die Majeſtätsbeleidigung nur ſtrafbar ſein, 
wenn „böswillig“ und „mit Vorbedacht“ begangen. 
Das Geſetz hat nur den Ausdruck „böswillig“ bei: 
behalten, aber als weitere Vorausſetzung der Straf⸗ 
barkeit beſtimmt, daß die Beleidigung „in der Abſicht 
der Ehrverletzung“ und „mit Ueberlegung⸗ begangen 
werden muß. Das Geſetz wird vorausſichtlich in einer der 
nächſten Nummern dieſer Zeitſchrift eingehender er— 
läutert werden. 


Die Einberufung von Hilfsreferenten in das Kaiſer⸗ 
liche Statiſtiſche Amt. Den geprüften Rechtspraktikanten, 
die auf ihre Anſtellung längere Zeit warten müſſen, 
bietet ſich eine neue Gelegenheit zu belehrender Be— 
ſchäftigung. Das Reichsamt des Innern beabſichtigt. 
vorübergehend — in der Regel auf die Dauer eines 
Jahres — jüngere Juriſten als Hilfsreferenten im 
Kaiſerlichen Statiſtiſchen Amte zu verwenden. Die 
Tätigkeit ſoll entlohnt werden, außerdem werden die 
Koſten der Reiſe zum Dienſtantritte vergütet. Die 
Verwendung im Statiſtiſchen Amte wird als „Fort- 
ſetzung der Praxis“ im Sinne des § 2 der BO. vom 
4. Januar 1902, die Praris der Bewerber um An⸗ 
ſtellung im höheren Juſtizſtaatsdienſte betr., angeſehen 
werden. Geſuche um Einberufung ſind auf dem Dienſt⸗ 
wege dem Juſtizminiſterium vorzulegen. (Bek. vom 
20. Februar 1908, IM Bl. S. 68). 

1216 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat i in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H., Freifing. 


Ar. 8. 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlerteljäbrlich 
3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats | 7 
Boſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


München, den 15. April 1908. 


4. Jahrg. 


— — — ͥ ̃ — 


Zkikſchrift für Rechtspflege 


in Bayern 


— 


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Nachdruck verboten. 


Die Verufsvormundſchaft. 


Von Oberlandesgerichtsrat von Oelhaſen, Amtsgerichts⸗ 
Vorſtand in Weißenburg i / B. 


1 


Durch das jüngſt zuſtande gekommene Geſetz 
betr. die Berufsvormundſchaft iſt einem Bedürfniſſe 
Rechnung getragen, das um ſo offener zutage 
trat, je mehr die Gemeinden zur Fürſorge für 
die hilfs⸗ und ſchutzbedürftigen Minderjährigen 
herangezogen werden, ſei es durch Gewährung 
der erforderlichen Geldmittel, ſei es durch die 
Pflicht der Gemeindebehörden, Minderjährige 
entſprechend unterzubringen und ſie in Aufſicht 
zu nehmen. Zu dieſen Verpflichtungen der Ge- 
meinden auf Grund des Armengeſetzes von 1869 | 
ift feit dem Jahre 1900 hinzugetreten die Tätig: | 
keit des Gemeindewaiſenrates, die Beteiligung der 
Gemeinden an der Zwangserziehung und die Auf: 
ficht der Gemeindebehörden über die Koſtkinder. 


Der Berufsvormund iſt, allgemein geſprochen, 
der von der Gemeinde aufgeſtellte Beamte zur 
berufsmäßigen Führung des Amtes eines Vor— 
mundes. 

Nach den Erfahrungen in anderen Bundes— 
ftaaten läßt ſich erwarten, daß durch den Berufs— 
vormund die vormundſchaftliche Tätigkeit ſich im 
allgemeinen fruchtbarer und erfolgreicher geſtalte. 
wie bisher.“) 

Der von der Gemeinde aufgeſtellte Vormund 
wird z. B. im ganzen die Beitreibung der 
Unterhaltsbeiträge von dem außerehelichen Vater | 
ſich mehr angelegen ſein laſſen und weniger 
nachgiebig ſein als der beſtellte. 

Der Beruſsvormund wird fih mit mehr Hin- 
gabe ſeinen Pflegbefohlenen widmen, als der Bor: | 
mund, für welchen Zeitaufwand für den Mündel 

| 


I 


Verluſt in feiner Erwerbstätigkeit bedeutet. Jeden- 
falls wird die Aufſicht des Vormundſchaftsrichters 
erheblich erleichtert, wenn er anſtatt mit vielen 
die in Frage 


1) Worte des Ref. in der Sitzung der K. der Reichs— 
räte vom 18. Januar. 


Vormündern, die gerade für 


kommenden Mündel oft von ſehr zweifelhafter 


Güte ſind, mit wenigeren und einſichtsvollen, ge- 


ſchulten Vormündern zu arbeiten hat. 


II. 

Die Einführung der Berufsvormundſchaft iſt 
ermöglicht durch den Vorbehalt des Art. 136 
des EG. z. BGB.: „Unberührt bleiben die landes⸗ 
geſetzlichen Vorſchriften, nach welchen 

1. der Vorſtand einer unter ſtaatlicher Ver⸗ 
waltung oder Aufſicht ſtehenden Erziehungs: oder 
Verpflegungsanſtalt oder ein Beamter alle oder 
einzelne Rechte und Pflichten eines Vormundes 
für diejenigen Minderjährigen hat, welche in der 
Anſtalt oder unter der Aufſicht des Vormundes 
oder des Beamten in einer von ihm ausgewählten 
Familie oder Anſtalt erzogen oder verpflegt 
werden, und der Vorſtand der Anſtalt oder der 
Beamte auch nach der Beendigung der Erziehung 
oder der Verpflegung bis zur Volljährigkeit des 


Miündels diefe Rechte und Pflichten behält, un- 


beſchadet der Befugnis des Vormundſchaftsgerichtes, 
einen anderen Vormund zu beſtellen; 


2. die Vorſchriften der Nr. 1 bei unehelichen 


Minderjährigen auch dann gelten, wenn diefe 


unter der Aufſicht des Vormunds oder des Be— 
amten in der mütterlichen Familie erzogen oder 
verpflegt werden; 

3. der Vorſtand einer unter ſtaatlicher Ber- 
waltung oder Aufſicht ſtehenden Erziehungs- oder 
Verpflegungsanſtalt oder ein von ihm bezeichneter 
Angeſtellter der Anſtalt oder ein Beamter vor den 
nach S 1776 BGB. als Vormünder berufenen 
Perſonen zum Vormunde der in Nr. 1, 2 be: 
zeichneten Mündel beſtellt werden kann.“ 


Von dieſem Vorbehalte iſt nun in vollem 
Umfange Gebrauch gemacht. Der Anſtaltsvormund 
ſcheidet hier aus, er iſt bereits durch Art. 100 
des AG. zum BGB. und JIMBek. vom 16. Februar 
1900 in Bayern eingeführt. 

Unter Gemeindebeamten im Sinne des neuen 
Geſetzes ſind in erſter Linie Beamte der politiſchen 
Gemeinde zu verſtehen. Beamte der Kreis— 
gemeinde kommen nicht wohl in Betracht, weil 


Kreisanſtalten für Erziehung und Verpflegung 
jugendlicher Perſonen nicht beſtehen und jedenfalls 
unter ſtaatlicher Verwaltung oder Aufſicht ſtehen 
würden, wohl aber Beamte der Diſtriktsgemeinde 
mit Rückſicht auf Diſtriktsanſtalten zur Erziehung 
armer Kinder; Vorausſetzung wäre, daß Diſtrikts⸗ 
gemeindebeamte zur Verfügung ſtehen. ) 

Nach Art. 1 und 2 des Geſetzes kommen als 
Berufsvormund nur diejenigen Beamten in Frage, 
welche die Aufſicht über die betreffenden Minder⸗ 
jährigen haben und welche die Familie oder die 
Anſtalt ausgewählt haben, in welcher der Minder⸗ 
jährige erzogen oder verpflegt wird. 

Dieſe Auswahl muß indes nicht unmittelbar 
von dem betreffenden Gemeindebeamten getroffen 
worden fein, unter Umſtänden, z. B. bei Koſt⸗ 
kindern, für welche die Mutter eine geeignete 
Familie ausgewählt hat, nicht einmal von der 
Gemeindebehörde; es genügt, wenn die von einer 
anderen Seite getroffene Auswahl die ausdrückliche 
oder ſtillſchweigende Billigung der Gemeinde⸗ 
behörde und des ihr unterſtellten Beamten findet.“) 

Als Berufsvormünder können auch Frauen 
aufgeſtellt werden.“ 

8 1779 BGB., wonach bei der Auswahl des 
Vormundes auf das religiöje Bekenntnis des 
Mündels Rückſicht zu nehmen iſt, kommt für den 
Berufsvormund nicht zur Anwendung; doch kann 
in dem Gemeindeſtatut, durch welches die geſetz⸗ 
liche Vormundſchaft eingeführt wird, eine ent⸗ 
ſprechende Beſtimmung aufgenommen werden.“) 


III. 

Der Art. 136 des EG. zum BGB. läßt in 
zweifacher Richtung ein Abweichen von den Grund— 
ſätzen des BGB. zu, nämlich 

1. von dem Grundſatze des § 1776, wonach 
beſtimmte Perſonen unter Ausſchluß anderer der 


Reihe nach zur Führung der Vormundſchaft be— | 


rufen find, und 

2. von dem in $ 1774 ausgeſprochenen fog. 
Beſtellungsprinzip: kein Vormund, der nicht vom 
Vormundſchaftsgerichte beſtellt iſt. 

Demzufolge beſtimmt das Geſetz in Art. 1: 
„Das Vormundſchaftsgericht kann vor den nach 
8 1776 des BGB. als Vormünder berufenen 
Perſonen die oben erwähnten Beamten für den 
dort bezeichneten Kreis von Minderjährigen zu 


154 Zeitſchrift für Rechtäpflege in Bayern. 1: in Bayern. 1908. 


3 8. 


obrigkeitlich beſtellten Beruſsvormundſchaften — 
mehr für kleinere Gemeinden geeignet — und die 
ſogenannten geſetzlichen (Generalvormundſchaft), 
mehr dem Bedürfniſſe größerer Gemeinweſen ent⸗ 
ſprechend.“ 

Die obrigkeitlich beſtellten Vormünder ſind 
ſolche Beamte, welche ſtändig aber immer von 
Fall zu Fall zur Uebernahme der Vormundſchaft 
angeboten werden; — dieſen gegenüber bleibt 
alſo das Beſtellungsprinzip gewahrt. Die ge⸗ 
ſetzlichen ſind diejenigen, welche durch Gemeinde⸗ 
ſtatut zu Vormündern beſtimmt werden, alſo nicht 
der vormundſchaftsgerichtlichen Beſtellung unter⸗ 
liegen, ſie ſind Vormünder kraft Geſetzes. 


IV. 


Volljährige, die unter Vormundſchaft ftehen, 
können überhaupt nicht dem Berufsvormund unter⸗ 
ſtellt werden. 

Der Kreis der Minderjährigen, der unter 
das Geſetz fällt, iſt in Art. 1 und 2 feſtgelegt 
und beſchränkt. 

Die ausſchließlich in Frage kommenden Minder⸗ 
jährigen find: 

1. diejenigen armen Kinder, welchen die er⸗ 
forderliche Erziehung und Ausbildung von der 
Armenpflege verſchafft wird; Art. 10 Ziff. 4 des 
Geſetzes, die öffentliche Armenpflege betr., vom 
29. April 1869. 

2. diejenigen Minderjährigen, die unter 
Zwangserziehung ſtehen; Art. 5 des Zwangs⸗ 
erziehungsgeſetzes und $ 21 der Ausführungs⸗ 
beſtimmungen. 

3. Koſtkinder, d. h. Kinder unter 8 Jahren, 
die gegen Bezahlung in Pflege oder Erziehung 
genommen werden; Art. 41 PStGB. und Bek. 
des Min. d. J. vom 6. Februar 1906, die Be⸗ 
aufſichtigung der Koſtkinder betr. 

4. uneheliche Kinder, die auf Koſten oder 


mit Unterſtützung der Armenpflege in der mütter⸗ 


lichen Familie erzogen oder verpflegt werden. 
V. 


| Wie das Geſetz die Gemeinden nicht zwingt, 


Berufsvormünder der einen oder anderen Art ein: 
zuführen, ſo iſt auch das Vormundſchaftsgericht 
nicht gezwungen, ſich dieſer Vormünder zu be— 
dienen. Es iſt aber ſelbſtverſtändlich, daß das 


Vormündern beſtellen“, und in Art. 2: „durch Ge- Vormundſchaftsgericht in allen Fällen, in welchen 


meindeſtatut kann beſtimmt werden, daß Gemeinde— 
beamte alle oder einzelne Rechte und Pflichten 
eines Vormundes über die betreffenden Minder— 
jährigen erhalten ſollen“. 

Dadurch iſt die Möglichkeit geſchaffen, zweierlei 


nicht triftige Gründe dagegen ſprechen, ſtets von 


der Einrichtung der Berufsvormundſchaft Gebrauch 
e wird. 
Nach Art. 1 kann das Vormundſchaftsgericht 


die obrigkeitlich beſtellten Vormünder vor den nach 


Arten der Berufsvormundſchaften mit der gleichen 
Wirkung einzuführen, nämlich die ſogenannten 


S 1776 BGB. Berufenen beſtellen; nach Art. 2 
bleibt die Befugnis des Vormundſchaftsgerichtes 
unberührt, einen anderen Vormund zu beſtellen 
oder, ſoferne nach dem Statute dem Gemeinde: 


) Bericht des Ref. an den vereinigten 1. und. 3. 
Ausſchuß der K. d. R. 

3, Verh. der K. d R. vom 18. Januar. 

) u. ) Verh der K. d. Abg. vom. 6. Februar. 


) Begründung des Entwurfs. 


beamten nur beſtimmte Rechte und Pflichten eines 
Vormundes zukommen, dieſe dem Vormunde zu 
übertragen. 

Gebunden iſt das Vormundſchaftsgericht nur 
in dem einen Punkte, daß es nach Art. 7 auf 
Antrag der Gemeinde den Gemeindebeamten als 
Vormund zu entlaſſen oder ihn ſeiner einzelnen 
Rechte und Pflichten zu entbinden hat. Hierbei 
ſind insbeſondere die Fälle ins Auge gefaßt, daß 
der Mündel ſeinen Aufenthalt in größere Ent⸗ 
fernung vom Wohnorte des Berufsvormundes ver⸗ 
legt oder aus ſonſtigen Gründen der Mündel 
dem Berufsvormunde entfremdet wird.“) 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


neben der Anordnung der Zwangserziehung aus: 


Tritt der Berufsvormund in ſeine Rechte, | 


ſo muß der bisherige Vormund weichen; jeine 
Rechte und Pflichten endigen (Art. 5). Daher 
iſt auch nach Art. 2 dem Vormundſchaftsgerichte 
unverzüglich mitzuteilen, wenn hinſichtlich eines 


| 


Minderjährigen die Vorausſetzungen der Berufs: 


vormundſchaft eintreten. 


VI. 

Dem Berufsvormund, ſowohl dem obrigkeitlich 
beſtellten, als auch dem geſetzlichen kommen alle 
Rechte eines Vormundes über mündelmaͤßige 
Minderjährige im Sinne des $ 1773 BGB. zu. 
Es können ihm aber auch nur beſtimmte einzelne 
Rechte und entſprechende Pflichten übertragen 
werden, z. B. nur die Fürſorge für die Perſon, 
nicht aber auch die Vermögensverwaltung. Dieſe 
Beſchränkung kann ausgehen von der Gemeinde, 
ebenſo aber auch von dem Vormundſchaftsgerichte; 
der Berufsvormund hat alsdann nur die Stellung 
eines Pflegers.“) 

Hierher gehören alle Fälle, in welchen nach 
$ 1909 BGB. dem Minderjährigen ein Pfleger zu 
beſtellen iſt. Durch die Berufsvormundſchaft kann 
aber nicht die elterliche Gewalt eingeſchränkt werden. 


Wenn dem Gewalthaber nur die Fürſorge für 


die Perſon des Kindes entzogen iſt, kann ſich die 
Tätigkeit des Berufsvormundes auch nur auf dieſen 
Teil der elterlichen Gewalt erſtrecken, ſelbſt wenn ihm 
das Statut die Rechte eines Vormundes in vollem 
Umfange einräumt. Nach Art. 4 des Geſetzes 
behält der Gemeindebeamte die Rechte und Pflichten 
eines Vormundes auch nach der Beendigung der 
Erziehung oder Verpflegung bis zur Volljährigkeit 
des Minderjährigen. Durch die Anordnung der 
Zwangserziehung wird kraft Geſetzes die elterliche 
Gewalt nur hinſichtlich der Fürſorge für die 
Perſon des Minderjährigen während der Dauer 
der Zwangserziehung aufgehoben. Nach der Be: 
endigung der Zwangserziehung tritt der Gewalt— 
haber wieder in ſeine vollen Rechte; es muß daher 
der Berufsvormund zurücktreten, auch vor erreichter 
Volljährigkeit des betreffenden Minderjährigen. 


daher, ſoferne die Vorausſetzungen gegeben ſind, 
1) Begründung des Entwurfes. 
) Planck, Komm zum EG. z. BGB. Art. 136 Note le. 


geſchloſſen. 


BGB. über ihn verhängen kann. 


vorbehalten. 


drücklich noch die Entziehung der Fürſorge für 
die Perſon des Minderjährigen ausſprechen. 

Da der Berufsvormund alle Rechte und 
Pflichten des Vormundes hat, iſt ihm gegenüber 
auch die Tätigkeit des Gemeindewaiſenrates nicht 
aufgehoben; bezüglich des obrigkeitlich beſtellten 
Berufsvormundes gilt dies unbeſchränkt; hinſichtlich 
der geſetzlichen iſt das Verhältnis zu ihm durch 
das Statut zu regeln.“) 

Der Berufsvormund unterliegt vollſtändig der 
Aufſicht des Vormundſchaftsgericht wie der beſtellte. 

Er hat nur nach Art. 6 das eine Vorrecht, 
daß ihm die nach 8 1852 Abſ. 2 des BGB. 
zuläſſigen Befreiungen zuſtehen und daß ihm kein 
Gegenvormund zu beſtellen iſt.“) 

Aus ſeiner Stellung zum Vormundſchafts⸗ 
gerichte ergibt ſich, daß z. B. das Vormund⸗ 
ſchaftsgericht Ordnungsſtrafen gemäß 8 1837 
Selbſt die 
Entlaſſung jedes Berufsvormundes auf Grund 
des $ 1886 von Fall zu Fall ift nicht aus⸗ 
Liegen Umſtände vor, welche die Ent⸗ 
ſetzung des Berufsvormundes von ſeinem Amte über⸗ 
haupt gebieten, ſo wird das Vormundſchaftsgericht 
die Gemeinde, allenfalls deren vorgeſetzte Ver⸗ 
waltungsbehörde darum anzugehen haben. 


VII. 

Lediglich eine Zuſtändigkeitsfrage wird ſchließ⸗ 
lich in Art. 18 geregelt. In München iſt nun 
aus Zweckmäßigkeitsgründen der Vollzug der 
Zwangserziehung nicht mehr, wie bisher, der 
Kgl. Polizeidirektion, ſondern dem Stadtmagiſtrat 
übertragen. Es empfiehlt ſich, daß in unmittelbaren 
Städten der Vollzug der Zwangserziehung und 
der Berufsvormundſchaft bei einer Behörde ver— 
einigt ſind.“) 

VIII. 


Die Einzelheiten in der Ausgeſtaltung der 
Berufsvormundſchaft ſind dem Gemeindeſtatut 
Die beſte Gewähr dafür, daß einer: 
ſeits bei der Durchführung der Berufsvormundſchaft 
den Bedürfniſſen und Verhältniſſen der einzelnen 


Gemeinden Rechnung getragen wird und daß 


anderſeits fih dieſe Neueinrichtung lebenskräftig 


und fruchtbar entfalten kann, iſt dadurch geſchaffen, 
daß das Statut jeder Gemeinde der Genehmigung 
der Staatsminiſterien der Juſtiz und des Innern 
unterliegt. 

Mögen die Hoffnungen, die an das Geſetz 


geknüpft werden, in Erfüllung gehen, möge die 


Berufsvormundſchaft dazu beitragen, daß keines 
unſerer wirtſchaftlich oder ſittlich armen Kinder 


verloren gehe, auf daß ſie alle brauchbare Glieder 


t 


we en. der Geſellſchaft werden. 
Der vorſichtige Vormundſchaftsrichter wird —— 


0) Verh. der K. der R. vom 18. Januar 1908. 
10) Begründung des Entwurfes. 
11) Begründung des Entwurfes. 


156 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


ö tipita li Wahl rv Rechte) durch 
ds Gefet bete. Die Betrafung der Rajeftäts | Lite asg ee ge 


beleidigung vom 17. Februar 1908. hielt der Entwurf nachſtehenden, durch die Reichs⸗ 


l a tagskommiſſion geſtrichenen Abſ. 3: 

VV Die Verfolgung tritt, ſofern die Beleidigung nicht 

I. Die Beſtimmungen des Reichsſtrafgeſetzbuchs öffentlich begangen iſt, nur mit Genehmigung der 
über die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung waren W it ist fin 5 5 
bekanntlich ſeit langem Gegenſtand lebhafter An⸗ die Gen hen ng erforderlich, und feht Degen Er⸗ 
ſechtung. Nicht nur, daß der Sonderſchutz dieſer teilung der Vilitärjultigvermaltung zu. 
Beſtimmungen von mancher Seite grundſätzlich | Da die Einführung einer derartigen Geneh— 
verworfen wurde, nahmen weite Kreiſe der nicht: migungsvorſchrift bei den Verbeſſerungsvorſchlägen 
juriſtiſchen, wie auch der juriſtiſchen Welt daran zu den Majeſtätsbeleidigungsparagraphen eine große 
Anftoß, daß dieſe Beſtimmungen vielfach zu Rolle geſpielt hat, dürfte auf die Gründe, aus 
empfindlichen Strafen für Aeußerungen führten, denen ſchließlich doch von einer ſolchen Vorſchrift 
die ohne beleidigende Abſicht, ja ſelbſt aus redlich⸗ | abgefehen wurde, hier in Kürze einzugehen fein, 
fter Ueberzeugung, gemacht oder doch nur einer un- | während die übrigen Abänderungen des Entwurfs 

| 


bedachten Augenblicksſtimmung entſprungen waren, f 195 achtun jetzt geltenden 
und daß anderſeits diefe Beſtimmungen häufig von 3 s „5 est g 

Denunzianten zur Befriedigung niedriger Rachsucht In der Begründung des Entwurfs iſt für 
mißbraucht wurden. Dieſen Mißſtänden will das das darin vorgeſehene Genehmigungserfordernis 
neue Geſetz vom 17. Februar 1908) begegnen, bei nicht öffentlich begangenen Beleidigungen 
indem es beſtimmt: angeführt, daß hier die Notwendigkeit der Ver⸗ 


„Für die Verfolgung und Beſtrafung der in den folgung von Amts wegen gerade dazu führe, dieſe 
S8 95, 97, 9, 101 des ich B bezeichneten Vergehen Beleidigungen an die Oeffentlichkeit zu bringen, 
gelten nachſtehende Vorſchriften: d bei Einfi des G anis 
Die Beleidigung ift nur dann auf Grund der während bei Einführung des Genehmigungsprinzip 
89 95, 97, 99, 101 ſtrafbar, wenn fie in der Abſicht die beſonderen Umſtände jedes Falles berückſichtigt 
der Ehrverletzung, böswillig und mit Ueberlegung und auch an fidh ſtrafbare Beleidigungen, nament⸗ 


begangen wird. Sind in den Fällen der 8s 95, 97, f; 8 - $ 
99 mildernde Umſtände vorhanden, fo kann die Ges lih, wenn beren Kenntnis im engeren Kreiſe ge⸗ 


fängnisſtrafe oder die Feſtungshaft bis auf eine Woche | blieben ſei, von der Verfolgung ausgeſchloſſen 
ermäßigt werden. derden könnten, wodurch auch böswilligen Denun- 
Im Falle des 8 95 kann neben der Gefängnis- | ziationen wirkſam begegnet werden könne. Da- 


e der bekleideten öffentlichen Aemter gegen ſpreche bei öffentlich begangenen Beleidi⸗ 


Die Verfolgung verjährt in 6 Monaten. gungen regelmäßig das Staatsintereſſe jo ſehr 


Iſt die Strafbarkeit nach Abſ. 2 ausgeſchloſſen, für die Verfolgung, daß eine Verſagung der Ge- 
ſo finden die Vorſchriften des 14. Abſchnitts des StGB. nehmigung zur Strafverfolgung nicht in Frage 
Anwendung. _ j kommen könne. In der Reichstagskommiſſion 

II. Der Entwurf zu dieſem Geſetze nebſt Bes wurde dagegen zunächſt die Ausdehnung des Ge- 
gründung wurde am 25. April 1907 dem Reichs- nehmigungserforderniſſes auf alle, alſo auch die öffent- 
tage vorgelegt. Er wurde vom Reichstage einer lichen Majeſtätsbeleidigungen beantragt. Hierfür 
Kommiſſion überwieſen und erhielt in dieſer nad) | wurde geltend gemacht, daß nicht nur die Schei⸗ 
eingehender Beratung und zahlreichen Abänderungs= dung der Fälle öffentlicher und nichtöffentlicher 
anträgen die Jaljung, welche dann auch zum Ge: Begehung in der Praxis Schwierigkeiten machen 
ſetze geworden ift.) Von dem Geſetze unterſchied werde, ſondern daß auch bei öffentlich begangenen 
fih dieſer Entwurf inſofern, als in Abſ. 2 ftatt | Majeſtätsbeleidigungen das Staatsintereſſe keines⸗ 
der Begehung mit Ueberlegung Begehung mit wegs immer eine Verfolgung verlange. Beſonders 
Vorbedacht gefordert, dagegen das weitere Er⸗ aber wurde die allgemeine Einführung des Ge⸗ 
fordernis der Abſicht der Ehrverletzung nicht vor: | nehmigungsprinzips als eines Dammes gegen 
geſehen war. Ebenſo wurde der jetzige Satz 2 leichtfertige Erhebung von Beleidigungsklagen und 
des Abſ. 2 (mildernde Umſtände) und der jetzige | wegen der Möglichkeit parlamentariſcher Kontrolle 
Abſ. 3 (Wegfall der Aberkennung der aus öffent: des Verhaltens der Juſtizverwaltung bei der Er- 
VVV teilung der Genehmigung gefordert. Seitens des 
1908 und daher in Kraft 1 1915 111 dem 11. März 1908. Staatsſekretärs des Reichsjuſtizamts wurden dem⸗ 

3) Entwurf nebſt Begründung Bd. 4 der Drud: gegenüber die Bedenken gegen das Genehmigungs⸗ 
ſachen des Deutſchen Reichstags für die I. Seſſion 1907 prinzip überhaupt dargelegt”): dieſes ſtehe eigent⸗ 
115 17 e 0 5 an a. lich mit dem das deutſche Recht beherrſchenden 
li : V 907 564. 5 o e 43 . : ; : 
die 1. Beratung im Reichstag vom 23. N e 1907. Legalitätsprinzip z Widerſpruch und liege nicht 
Sten Ber. für die I. Seſſion 1907/1908 S. 1729 bis im Intereſſe der Rechtspflege, die hierdurch ſehr 
1750, über die 2. Beratung vom 21. Januar 1908 leicht „einen adminiſtrativen Charakter mit parla- 
ebenda S. 2594—2608, über die 3. Beratung von ———— 

23. Januar 1908 ebenda S. 2668—2670. | ) S. 12 ff., 19 des Komm%er. 


—— be — — Ben 


— 


mentariſcher Direktive“ erhalte. Dieſe Bedenken 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


verſtärkten ſich noch bei den öffentlich begangenen 


Beleidigungen, weil hier bei den hereinſpielenden 
wirtſchaftlichen und politiſchen Streitfragen das 
unbefangene Urteil über die Angemeſſenheit der 
Verfolgung erſchwert ſei, während die bei den 
nicht öffentlichen Beleidigungen für die Geneh⸗ 
migung ſprechenden Gründe hier nicht zuträfen. 
Es wurde daher für die verbündeten Regierungen 
nur der Standpunkt des Entwurfs oder der gaͤnz⸗ 


liche Wegfall der Genehmigung als annehmbar 


erklärt. Dieſer Widerſtand der Regierungen in 
Verbindung mit den im Reichstage ſelbſt laut ge⸗ 
wordenen Bedenken wegen Gefährdung der Un: 
abhängigkeit der Rechtspflege und die Schwierig⸗ 
keiten der formellen Regelung der Genehmigung, 
die in der Kommiſſion zutage traten, führten 
denn dazu, daß der Abſ. 3 des Entwurfs in der 
Kommiſſion geſtrichen und bei der Reichstagsbe⸗ 
ratung nicht wieder aufgegriffen wurde. 

Von den zahlreichen ſonſtigen nicht zum Siege 
gelangten Abänderungsvorſchlägen in der Reichs⸗ 
tagskommiſſion mögen ihres allgemeinen Intereſſes 
wegen nachfolgende erwähnt ſein: 


1. Der auch bei der Reichstagsberatung 
wieder aufgenommene und abgelehnte Antrag auf 
völlige Aufhebung der 88 95, 97, 99, 101 StGB. 
Gegen dieſen Antrag wurde geltend gemacht!), 
daß die Majeſtätsbeleidigung fih nicht gegen die 
Perſon des betr. Monarchen, ſondern gegen ihn 
als Staatsoberhaupt richte und daß man ihn als 
ſolches nicht in die Kreiſe der gewöhnlichen Staats⸗ 
bürger herunterdrücken dürfe, daß auch die Auf⸗ 
hebung der 88 95, 97, 99, 101 konſequenterweiſe die 
Aufhebung des § 103 (Schutz ausländiſcher 
Fürſten) bedinge, dann aber die deutſchen Fürſten 
im Auslande einen Schutz genießen würden, den 
das Deutſche Reich den ausländiſchen Fürſten verſage. 

2. Der Antrag die beſondere Strafbarkeit der 
Majeſtätsbeleidigung nur eintreten zu laſſen, wenn 
dieſe durch beſchimpfende Aeußerungen geſchehe 
oder ſich als Verleumdung darſtelle. 

3. Der Antrag dieſe beſondere Strafbarkeit 
an die Vorausſetzung zu knüpfen, daß die Pe- 
leidigung öffentlich oder in Anweſenheit des Be: 
leidigten erfolge. 

Dieſen letzteren Verſuchen, den objektiven 
Tatbeſtand der Majeſtätsbeleidigung einzuſchränken, 
wurde jedoch entgegengehalten), daß das, was 
dem Privatmann gegenüber ſich als eine Be— 
leidigung darſtelle, dies doch auch dem Fürſten 
gegenüber ſein müſſe und daß insbeſondere die 
Heranziehung des § 166 StGB. (Gottesläſterung) 
um deswillen verfehlt fei, weil bei dieſer die Ber- 
leumdung und üble Nachrede nicht in Betracht 
komme. Die Strafloſigkeit nicht öffentlicher Be— 
leidigungen würde auch dem Umſtand nicht ge— 


) Sten Ber. der 2. Beratung im Reichstag S. 2599. 
) KomnBer. S. 8, S. 6. 


157 


gerecht, daß gerade die häßlichſten Beleidigungen, 
die den Tatbeſtand der üblen Nachrede und der 
Verleumdung erfüllten, regelmäßig nicht öffentlich 
begangen würden. 


III. Die Betrachtung des jetzt geltenden Geſetzes 
zeigt zunächſt, daß nunmehr das Vergehen der 
Majeſtätsbeleidigung in 2 Gruppen zerfällt, die 
eigentliche Majeſtätsbeleidigung — bei Vorliegen 
der beſonderen Vorausſetzungen des Abſatzes 2 
Satz 1 — und die Beleidigung des gemeinen 
Rechts — ſofern die Strafbarkeit nach Abſ. 2 
ausgeſchloſſen iſt. 


a) Die eigentliche Majeſtätsbeleidigung. 


Das Geſetz vom 17. Februar 1908 hat den 
objektiven und ſubjektiven Tatbeſtand der 88 95, 
97, 99, 101 StGB. an ſich unberührt gelaſſen, 
es hat ihm lediglich die weiteren ſubjektiven Tat⸗ 
beſtandsmomente der Abſicht der Ehrverletzung, 
der Böswilligkeit und der Ueberlegung beigefügt. 
Als Beleidigung im Sinne dieſer Paragraphen 
iſt daher auch weiterhin jede rechtswidrige ehren⸗ 
kränkende Kundgebung anzuſehen. Daß die Rechts⸗ 
widrigkeit einer ſolchen Kundgebung nicht durch 
den Beweis der Wahrheit der behaupteten Tat⸗ 
ſachen oder dadurch ausgeſchloſſen wird, daß die 
Kundgebung zur Wahrnehmung berechtigter In⸗ 
tereſſen im Sinne des § 193 StGB. erfolgte, 
gilt daher nach wie vor.“) Ebenſo gilt aber 
weiter, daß die allgemeinen Grundſätze über den 
Ausſchluß der Rechtswidrigkeit auch auf die 
Majeſtätsbeleidigung Anwendung finden, und daß 
daher Kundgebungen, die ausſchließlich der Wahrung 
eines Rechtes dienen ſollen, ſchon deshalb nicht 
ſtrafbar find.) Daß als Ehrenkränkungen auch 
bei der Majeſtätsbeleidigung bloße Ehrfurchts⸗ 
verletzungen nicht gelten können und daß ins⸗ 
beſondere die Unterlaſſung üblicher oder an fich 


gebotener poſitiver Ehrenbezeigungen ohne eine 


| 


beſondere Recht s pflicht hierzu nicht als Ehren- 
kränkung durch Unterlaſſung geſtraft werden kann, 
war ſchon vor dem Geſetze vom 17. Februar 
1908 anerkannt.) Während dagegen nach 
dem bisherigen Rechte zum ſubjektiven Tat⸗ 
beſtande der Majeſtätsbeleidigung nur erfor⸗ 
derlich war, daß die Kundgebung in Beziehung 
auf den Beleidigten bewußtermaßen und im Be: 
wußtſein ihres ehrenkränkenden Charakters erfolgte, 
ohne daß es einer darüber hinausgehenden Ab— 
ſicht bedurfte”), hat das Geſetz vom 17. Februar 
1908 neben dieſen auch weiterhin erforderlichen 
ne Vorſatz die Erforderniſſe der Ueber- 


90 ROSE. Bd. 2 S. 213, Bd. 5 S. 46. Vgl. 
auch S. 1730, 1734 der Sten Ber. über die 1. Beratung 
im Reichstage. S. 10 des Kommiſſionsberichtes. 

1) RG St. Bd. 8 S. 338 (Geltendmachung zivil- 
rechtlicher Anſprüche), Ripr. d. RY. Bd. 10 S. 724. 

6) Entſch. d. RG. Goldt Arch. Bd. 46 S. 3.35. Entſch. 
i. StS. Bd. 40 S. 416 (Sitzenbleiben beim Kaiſerhoch). 

) S. Entſch. d. RG. Goldt Arch. Bd. 45 S. 423. 


158 


legung, der Böswilligkeit und der Abſicht der 
Ehrverletzung geſetzt. 

1. Die Ueberlegung. Der Entwurf hatte 
ſtatt der Ausführung mit Ueberlegung Ausführung 
mit Vorbedacht erfordert. Bei den Verhand⸗ 
lungen wurde alsbald die Erſetzung des neuen 
Begriffes Vorbedacht durch den bereits in der 
ſtrafrechtlichen Praxis eingeführten Begriff der 
Ueberlegung beantragt, welch letzterer auch dem 
Umſtand Rechnung trage, daß die Beleidigung 
nicht nur vorher bedacht, ſondern auch im 
Augenblicke der Ausführung mit ruhigem Blute 
überdacht fein müſſe.““) Da anderſeits hervor: 
gehoben wurde, daß durch das Wort Ueberlegung, 
wie durch das Wort Vorbedacht, gefordert werde, 
daß der Täter die Aeußerung vorher bedacht 
habe!!), fo kann als Ergebnis der Abänderung 
feſtgeſtellt werden, daß zur Majeſtätsbeleidigung 
nunmehr Ueberlegung im Sinne des $ 211 StGB. 
notwendig iſt, daß dieſe aber weſentlich in dem 
Bedenken der Tat vor und bei der Aus⸗ 
führung beſtehen muß, während bei dem § 211 
StGB. noch mancherlei Meinungsverſchiedenheiten 
darüber beſtehen, ob die Ueberlegung bei der Aus⸗ 
führung der Tat oder bei der Faſſung des Ent⸗ 
ſchluſſes oder bei beiden vorhanden ſein muß und 
ob die Ueberlegung ſelbſt in der planmäßigen 
Ausgeſtaltung der Tat oder in der Erwägung 
der für und gegen ſie ſprechenden Motive zu 
ſuchen ift."?) 

2. Die Böswilligkeit. Zu dieſem Be⸗ 
griffsmerkmal führt die Begründung des Ent- 
wurfes aus, daß es in den 88 103 a, 134, 135 
StGB. bereits verwendet ſei; die Auslegung, die 
es in der Rechtsanwendung gefunden habe, führe 
dahin, daß als ſtrafbare Majeſtätsbeleidigungen 
künftig nur ſolche Aeußerungen angeſehen werden 
könnten, bei denen die Abſicht des Täters gerade 
auf Herabſetzung der Ehre der beleidigten fürſtlichen 
Perſon gerichtet geweſen fei. Bei der Kommiſſions⸗ 
beratung wurde der Begriff von einem Regierungs— 
vertreter dahin näher erläutert, daß der Täter 
bezwecken müſſe, gerade die Ehre der fürſtlichen 
Perfon zu verletzen, dagegen handle er nicht büs- 
willig, wenn er andere Zwecke verfolge und die 
Ehrverletzung des Fürſten nur als Folge ſeiner 
Handlungsweiſe mit in den Kauf nehme, z. B. 
wenn jemand bezwecke, wenn auch auf Koſten der 
Ehre des Fürſten, durch ein bon mot, einen Witz, 
eine Karikatur Beifall zu finden, wenn er einen 
anderen ärgern oder etwa ſich ein Unterkommen 
im Gefängnis verſchaffen wolle.) Insbeſondere 


aber führte der Staatsſekretär des Reichsjuſtiz⸗ 


amts in der zweiten Beratung im Reichstage 


10) Siehe S. 4, 5 des KomnBer. 

1) Siehe S. 9 des KommBer., Sten Ber. z. 1. Ber. 
i. R.⸗T. S. 1735. 

12) Siehe hierüber des Näheren Olshauſen Note 5—6 
zu § 211 StGB. 

1) KommBer. S. 8. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


| gegenüber den mehrfach laut gewordenen Befürch⸗ 
tungen, die Böswilligkeit könne ohne weiteres aus 
| der politiſchen Geſinnung des Täters entnommen 
werden, aus: „das Wort böswillig ſei ſo ge⸗ 
meint, daß damit nur der beſondere energiſche 
Wille bezeichnet werden ſolle, den Herrſcher direkt 
ohne andere Abſichten und Motive in ſeiner per⸗ 
ſönlichen Ehre zu treffen und die dabei voraus⸗ 
geſetzte Böswilligkeit müſſe liegen in der Tat 
ſelbſt, in der unmittelbaren, ausſchließlichen Ver⸗ 
bindung der einzelnen Handlung, die zur Verfolgung 
ſtehe, mit dem Willen des Täters; ſeine allge⸗ 
meinen politiſchen Anſchauungen, ſeine politiſchen 
Beſtrebungen im übrigen kämen für die Beur⸗ 
teilung der Tat nicht in Betracht.“) Dagegen 
wurde in der Kommiſſion von einem anderen 
Regierungsvertreter die Anſicht ausgeſprochen, der 
Begriff der Böswilligkeit umfaſſe nach der in 
Theorie und Praxis als herrſchend zu bezeichnen⸗ 
den Anſchauung neben der Abſicht noch das 
weitere Moment, daß der Täter ſich der Rechts⸗ 
widrigkeit ſeiner Handlung freue, an der Rechts⸗ 
widrigkeit der Tat feine Befriedigung finde.“) 
Und auch ſonſt wurde in den Verhandlungen 
mehrfach die Freude am Böſen, die boshafte Freude 
an der Handlung. die böſe, ſchlechte oder feindſelige 
Geſinnung des Täters, der animus hostilis als 
ein Merkmal der Böswilligkeit bezeichnet.) Die 
gleiche Verſchiedenheit der Anſchauungen kehrt in 
der Literatur zu den 88 103 a, 134, 135 StGB. 
wieder. Während einerſeits das Weſen der Bös⸗ 
willigkeit in dem Zwecke der Mißachtung des 
geſchützten Rechtsguts gefunden wird (Binding, 
Lehrb. Bd. 2 S. 740, Liszt, Lehrb. S. 570) 
und Liszt demnach die Böswilligkeit als „die auf 
Herbeiführung des verbotenen Erfolges gerichtete 
Abſicht als Beweggrund der Handlung“ beſtimmt, 
wird anderſeits die Notwendigkeit der Freude am 
Böſen betont (Binding, Lehrb. Bd. 2 S. 504). 
| Olshauſen fordert noch weiter ein aus einer böſen oder 
ſchlechten Geſinnung hervorgehendes Handeln, 
wobei der Täter der Rechtswidrigkeit der Hand⸗ 
lung und ihrer verderblichen Wirkung ſich freue 
(Note 3 Abſ. 2 zu § 134). Er ſtellt hier bös⸗ 
willig direkt gleich mit boshaft in 8 360 Ziff. 13 
StGB. und beſtimmt letzteres wieder als ein 
Handeln, das nicht zu einem vernünftigen Zwecke, 
ſondern lediglich um des rechtswidrigen Erfolges 
ſelbſt willen geſchehe (Note e zu § 360 Ziff. 13 
StGB.). 


Geht man von dem Wortſinne des Ausdruckes 
aus, jo muß Böswilligfeit wohl als der be: 
wußt auf das Böſe, d. h. den bezielten rechts⸗ 
widrigen Erfolg gerichtete Wille erklärt werden!“); 

1% Sten Ber. S. 2599. 

18) KommBer. S. 9. 

16) KommBBer. S. 4, 5, 19. StenBer. über die 
1. Ber. i. R.⸗T. S. 1735, über die zweite Beratung 
S. 2603. 

1) Vgl. bösgläubig, anderſeits gutwillig, gut— 
gläubig. 


| 
| 
| 


fie würde fih inſoweit mit dem allgemeinen Be: 
griffe des Vorſatzes als des bewußten Wollens der 
Rechtswidrigkeit eigentlich decken. Doch verbindet 
ſchon der Sprachgebrauch mit dem Worte bös⸗ 
willig die Vorſtellung einer entſchiedeneren Richtung 
des Willens auf den rechtswidrigen Erfolg als 
ſolchen, ſo daß dieſer als der eigentliche Be⸗ 
ſtimmungsgrund und direkte Zweck des Handelns 
erſcheint. Mit diefer Auffaſſung ſtimmt aber 
durchaus die von Liszt und beſonders dem Staats⸗ 
ſekretär des Reichsjuſtizamts in der 2. Beratung 
gegebene Begriffsbeſtimmung überein und es kann 
als die übereinſtimmende Anſicht der geſetzgebenden 
Faktoren angeſehen werden, daß der Begriff büs: 
willig in dem Geſetze vom 17. Februar 1908 
jedenfalls in dieſem über den Vorſatz hinaus⸗ 
reichenden Sinne verſtanden werden ſoll. Selbſt⸗ 
verſtändlich wird dieſe ausgeſprochene Abſicht der 
Ehrenkränkung regelmäßig einer böſen, feindſeligen 
Geſinnung entſpringen und mit ihr vielfach die 
boshafte Freude an der Kränkung der fremden 
Ehre verbunden ſein. Keineswegs wird dies aber 
immer der Fall ſein und es ſcheint daher nicht 
angängig, der Hervorhebung dieſer Momente bei 
den Geſetzgebungsverhandlungen eine weitergehende 
Bedeutung beizulegen, als daß darin für die Bös— 
willigkeit beſonders charakteriſtiſche und zur Klar- 
ſtellung des Willens des Geſetzgebers dienliche 
Momente zu erblicken ſind. Insbeſondere muß 
angeſichts der Erklärung des Staatsſekretärs bei 
der 2. Beratung die Geſinnung des Täters im 
allgemeinen für den Begriff der Böswilligkeit 
völlig ausſcheiden; nur das Verhältnis zwiſchen 
ſeinem Willen und dem rechtswidrigen Erfolg im 
Einzelfall iſt zu berückſichtigen, wobei freilich 
unter Umſtänden für die Klarſtellung dieſes Ber- 
hältniſſes die ſonſtigen Geſinnungen und Be: 
ſtrebungen des Täters als Beweistatſachen nicht 
ſchlechtweg von der Hand zu weiſen ſein werden. 
Wollte man ferner die Freude an der Tat zum 
notwendigen Begriffsmerkmal machen oder gar 
erfordern, daß die Ehrenkränkung reiner Selbſt⸗ 
zweck, wie bei der boshaften Handlungsweiſe, fein 
müſſe, ſo würde man zu Folgerungen kommen, 
die dem Willen des Geſetzgebers zweifellos nicht 
entſprechen. Man denke an den Pamphletiſten, 
der lediglich des Geldes wegen auf Beſtellung 
arbeitet. So darf wohl geſagt werden, daß eine 
Majeſtätsbeleidigung böswillig begangen iſt, wenn 
die Ehrenkränkung der unmittelbare, eigent: 
liche Zweck der Kundgebung iſt, ohne daß dieſe 
Kränkung aber Selbſtzweck zu fein braucht. 
Demnach würden die oben angeführten Zwecke 
des Witzes, der Abſicht einen anderen zu ärgern, 
noch mehr aber der Zweck der Wahrnehmung be— 
rechtigter Intereſſen im Sinne des § 193 StGB. 
die Böswilligkeit ausſchließen, dies ſelbſt dann, 
wenn ſich in dieſe Zwecke nebenbei die Abſicht 
der Ehrenkränkung — nicht nur das Bewußtſein 
einer ſolchen — miſchen ſollte. Wohl aber könnte 


auch bei Gelegenheit der Wahrnehmung ſolcher 
anderer Zwecke eine böswillige Majeſtätsbeleidigung 
begangen werden, wenn mit der dem anderen 
Zwecke dienenden Kundgebung Aeußerungen ver⸗ 
bunden werden, die dieſem anderen Zwecke gar 
nicht dienen ſollen, ſondern lediglich der Abſicht 
der Ehrenkränkung entſpringen oder wenn die 
Kundgebung in eine Form gekleidet wird, die als 
ihren eigentlichen Zweck die Ehrenkränkung 
und nicht den vorgeſchobenen anderen Zweck er⸗ 
kennen läßt. Ebenſo kann die Böswilligkeit 
nicht dadurch entfallen, daß die unmittelbar be⸗ 
zweckte Ehrenkränkung als Mittel zur Erreichung 
weiterer Zwecke dienen ſoll (Cohn des Pamphletiſten). 
Hierher gehört auch trotz der gegenteiligen Aeußerung 
in der Reichstagskommiſſion der Zweck eines Unter⸗ 
kommens im Gefängnis, nur wird hier häufig 
das Moment der Ueberlegung fehlen.“) 
(Schluß folgt.) 


— — 
== — ä ̈ — k ..—m— — — — — 


Zur Reform des Privatklageverfahreus. 


Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof. 


(Schluß.) 
Hinſichtlich der vergleichsweiſen Er— 
ledigung der Privatklageſachen und des 
damit zuſammenhängenden Koſtenfeſtſetzungsver⸗ 
fahrenshat die Reformkommiſſion weitere 
Aenderungen oder Zujäße zur StPO. 
als die in den Beſchlüſſen Nr. 243, 248, 
252 und 287 enthaltenen nicht für er: 
forderlich erachtet. 


1 


Der zu § 414 StPO. gefaßte Beſchluß 
Nr. 243 lautet: 

Die Verfolgung im Wege der Privatklage, 
ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der 
Staatsanwaltſchaft bedarf (d. h. die jog. prinzipale 
Privatklage) ſoll nicht, wie nach beſtehendem Rechte 
nur in den Fällen der auf Antrag zu verfolgenden 
Beleidigungen und Körperverletzungen (§S 414 I 
StPO.) und den in den §8 4, 7, 9, 10 des Ge- 
ſetzes vom 27. Mai 1896 vorgeſehenen Fällen des 
unlauteren Wettbewerbes, ſondern außerdem zu— 
läſſig ſein: 

a) bei leichten vorſätzlichen und bei fahrläſſigen 
Körperverletzungen auch inſoweit, als die Ver— 
folgung durch einen Strafantrag nicht bedingt iſt; 


18) Der Täter will hier gerade eine Ehrenkränkung 
begehen, um hierwegen beſtraft zu werden, die Ehren— 
kränkung iſt der eigentliche Zweck ſeiner Kundgebung 
(ganz anders als bei dem Witze). Im Reichstage wurde 
der hier fragliche Fall ſogar als Beiſpiel der Böswillig— 
keit angeführt. (Sten Ber. S. 1733). 


—— — ꝛ̃ ñʒ—ͤ— —— ͤ r.. — a e e e 


160 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


— 


erhebliche Ausdehnung erfahren ſoll, bezweckt die 

Begünſtigung der vergleichsweiſen Erledigung der 

c) 155 „ in den Fällen des dort bezeichneten Sachen. Der Beſchluß Nr. 249 

8 123 S vereitelt aber geradezu die Erreichung dieſer löb⸗ 

d) bei Bedrohung ; im Falle des § 241 StGB. lichen Abſicht. Wie ſollen ſich die Parteien zu 

5 bei Sachbeſchädigung im Falle des § 303 einem — ſtets mit Opfern verbundenen — Vergleiche 

t6 verſtehen, wenn trotz des Vergleichs die Gefahr 

f) he den Uebertretungen des $ 370 Nr. 5 und 6 der Strafverfolgung im Wege der öffentlichen 
StGB. (Prot. IS. 288—294; II S. 43—49). Klage beſtehen bleibt? 


1I Der Beſchluß Nr. 249 bedeutet gegen: 

l über dem bisherigen Rechte inſoferne eine erhe b: 

Die zu 5 420 StPO. gefaßten Beſchlüſſe 1 liche Verſchlechterung, als er feinem Wort- 
a) Beſchluß Nr. 248: hinſichtlich deren bei den bisherigen Privatklage⸗ 


b) bei gefährlichen Körperverletzungen in den 
Fällen des $ 223 a StGB. 


SER TREE, 


lauten laute nach auch diejenigen Fälle treffen würde, 
Der Sühneverſuch fol unter den in § 420 ſachen die Zurücknahme des Strafantrags zuläſſig 
StPO. bezeichneten Vorausſetzungen nicht nur bei war und, im Vergleiche erklaͤrt, Die Erhebung der 
Beleidigungen, ſondern auch bei Körperverletzungen, öffentlichen Klage ausſchloß. 
Hausfriedensbruch und Bedrohung erforderlich ſein. Der Beſchluß Nr. 249 iſt überflüſſig 
(Prot. I S. 301; II 59). hinſichtlich derjenigen Reate, auf welche der Be⸗ 
b) Der Beſchluß Nr. 249: ſchluß Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs 
„Durch das Gelingen des Sühneverſuchs (Ver: ausdehnte. Bei den darunter fallenden Körper: 
gleichsabſchluß) ſoll die Erhebung der öffentlichen verletzungen iſt — abgeſehen von den bisher dem 
Klage nicht ausgeſchloſſen fein. (Prot. I S. 301 f.; Privatklageverfahren gemäß § 414 StPO. ſchon 
II 59). unterſtellt geweſenen — ein Strafantrag zur Ver⸗ 
folgung nicht notwendig; das gleiche gilt von der 
Bedrohung und dem fog. ſchweren Hausfriedens⸗ 
bruch gemäß $ 123 III StGB:; beim fog. leichten 
Hausfriedensbruch kann der Strafantrag nicht 
zurückgenommen werden; das gleiche gilt von den 
in 8414 StPO. bezeichneten Körperverletzungen, 
ſoferne ſie nicht gegen einen Angehörigen verübt 
find ($ 232 II StGB.). In dieſen Fällen könnte 
alſo ein Vergleich auch ohne den Beſchluß Nr. 249 
| nicht die öffentliche Klage ausſchließen. 
IV. | Der Beſchluß Nr. 249 erſcheint dem: 
Der zu 9 496 StPO. gefaßte Beſchluß nach unannehmbar. 
Nr. 287 lautet: In dem Verfahren auf erhobene Die Ausdehnung des Erforderniſſes d es 
Privatklage folen die dem Gegner zu erſtattenden Sühneverſuchs nach 8 420 StPO. auf ſolche 
notwendigen Auslagen (8 503) durch gerichtliche | Reate, deren Verfolgung durch einen Strafantrag 
Entſcheidung auch dann feſtgeſetzt werden können, nicht bedingt ift oder bei denen der Strafantrag 
wenn über die Höhe oder Notwendigkeit kein Streit nicht zurückgenommen werden kann, hat nur 
beſteht; auf das Verfahren finden die Vorſchriften dann einen Zweck, wenn beſtimmt wird, 
der 88 103 — 106 ZPO. entſprechende Anwendung. daß durch das Gelingen des Sühnever— 
(Prot. II S. 64 ff.). ſuchs oder den Abſchluß des gerichtlichen 
Sind dieſe Vorſchläge geeignet, den Vergleiches die Erhebung der öffent— 
in der Praxis hervorgetretenen Reform- lichen Klage ausgeſchloſſen fein ſoll; 
bedürfniſſen gerecht zu werden? Ob ſich eine ſolche Beſtimmung iſt aber aus denſelben 
der Beſchluß Nr. 249 auch auf den im Beſchluſſe Gründen, die in der Reformkommiſſion und 
Nr. 252 vorgeſehenen gerichtlichen Vergleich er- anderwärts gegen die Ausdehnung der prinzipalen 
ſtrecken ſoll, darüber enthalten weder die Pro- Privatklage auf dieſe Delikte geltend gemacht 
tokolle noch die Beſchlüſſe der Reformkommiſſion wurden, unannehmbar für die im Beſchluſſe 
etwas; nach dem Zwecke, dem der Beſchluß Nr. 243 unter a und b aufgeführten Körperver: 
Nr. 249 dienen ſoll, muß er auch den gerichtlichen letzungen und nicht empfehlenswert für die Fälle 
Vergleich umfaſſen.?“) des fog. erſchwerten Hausfriedensbruchs gemäß 
Das Erfordernis des Sühneverſuchs gemäß 8 123 III StGB., dagegen bedenkenfrei hinſicht⸗ 
8 420 StPO, das nach Beſchluß Nr. 248 eine lich der bisherigen Privatklageſachen, in denen der 
Strafantrag nicht zurückgenommen werden kann 
24) Vgl. die Abhandlung Dr. Friedländers in Dr. 8 232 StGB.), des Hausfriedensbruchs im Falle 
Aſchrotts Reform des Strafprozeſſes S. 585. des 5 123 I StGB., der Bedrohung und der 


III. 


Der zu § 424 StPO. gefaßte Beſchluß 
Nr. 252 lautet: Ein im Privatklageverfahren 
zu Protokoll des Gerichtes abgeſchloſſener Vergleich 
ſoll einen Vollſtreckungstitel im Sinne der ZPO. 
(88 104, 794) gewähren; auch die Vollſtreckung 
ſelbſt ſoll nach den Borfchiften der ZPO. erfolgen. 
(Prot. 1 S. 313; II S. 63 ff.). 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 161 


Sachbeſchädigung nach $ 241 und 303 StGB.; Sühneverſuch fol unter den in $ 420 StPO. 
hinfichtlich der übrigen bisherigen Privatklageſachen bezeichneten Vorausſetzungen bei allen Privatklage⸗ 
und der Uebertretungen nach 8 370 Nr. 5 und 6 ſachen erforderlich fein. 
StGB. wäre die gedachte Beſtimmung deshalb C. 
nicht erforderlich, weil hier der Strafantrag zurück: den Beſchluß Nr. 249 zu ſtreichen. 
nehmbar ift, aber wünſchonswert in den Fällen, 
in welchen die urſprüngliche Zurücknehmbarkeit des DPD. nn 
Strafantrags durch ein auf Strafe lautendes dem 8 416 StPO. als Abſatz II beizufügen: 
Urteil ausgeſchloſſen worden ift. (Vgl. 8 64 StGB.). Durch den vor dem Sühneamt oder dem Gerichte 
Gegen die Beſeitigung der öffent- abgeſchloſſenen Vergleich ($ 420 und 8 424 
lichen Klage im Wege des Vergleichs StPO.) (in der von uns vorgeſchlagenen Faſſung) 
dürfte bei der vorgeſchlagenen Be- wird die Erhebung der öffentlichen Klage aus⸗ 
ſchränkung ein begründetes Bedenken geſchloſſen.“) 
nicht beſtehen. Die Grenzen zwiſchen tätlicher Der Beſchluß Nr. 252 ſchafft die bisher 
Beleidigung und leichter Körperverletzung, zwiſchen von manchen beſtrittene geſetzliche Grundlage für 
wörtlicher Beleidigung und Bedrohung find den gerichtlichen Vergleich und deffen Vollſtreck⸗ 
flüſſig;“) die Faſſung des Strafgeſetzbuches hat barkeit; er geht dabei den vom Amtsgerichte Nürn- 
zur Folge, daß die Merkmale des Hausfriedens⸗ berg bisher ſchon betretenen Weg. Daß die Reform- 
bruchs und der Sachbeſchädigung auch in den kommiſſion es unterlaſſen hat, den Begriff „Ver⸗ 
Fällen gegeben find, welche fo leicht liegen, daß gleich“ näher zu beſtimmen (die Wendung im 
die Rechtsordnung als ſolche kaum davon berührt Beſchluſſe Nr. 249 „Gelingen des Sühneverſuchs 
wird; der Hausfriedensbruch trifft oft mit Be⸗ | [Bergleih]” kann als eine ſolche Begriffsbeſtimmung 
leidigungen zuſammen, wenn infolge einer Streitig⸗ | wohl nicht angeſehen werden), iſt zu begrüßen; 
keit die eine Partei die andere aus der Wohnung es würde auch ſchwer fallen, eine nicht zu enge 
mweift.” ) Begriffsbeſtimmung zu finden; eine zu enge 
Die Fälle der in $ 414 StPO. erwähnten Faſſung würde dem wünſchenswerten Beſtreben 
Körperverletzungen, des Hausfriedensbruchs nach hinderlich ſein, eine möglichſt vollſtändige Aus⸗ 
$ 123 J, der Bedrohung und der Sachbeſchädigung ſöhnung der Parteien herbeizuführen; aus dem 
nach 8 303 StGB. haben für das öffentliche gleichen Grunde empfiehlt es fih auch nicht den 
Wohl eine ebenſo geringe Bedeutung als die Be- Vergleich zu beſchränken auf die Parteien und 
leidigungen; weshalb ſollte bei ihnen die öffent: deren gerade zum Gegenſtande der Privatklage 
liche Klage nicht durch den Vergleich ausgeſchloſſen oder Widerklage gemachte Streitigkeit. Eine ſolche 
werden, obwohl ein ſolcher Ausſchluß bei den das Einſchränkung würde den in $ 414 II StPO. Pe- 
öffentliche Wohl viel mehr berührenden Fällen des zeichneten, den Ehegatten oder fonſtigen Angehörigen 
unlautern Wettbewerbes (durch Zurücknahme des der Parteien, die an dem Vorfall ſtrafrechtlich, 
Strafantrags) ſchon bisher möglich war? Die ſei es als Täter oder Verletzte, beteiligt waren, 
Unterſtellung der Uebertretungen des $ 370 Nr. 5 ohne daß die Vorausſetzungen des § 415 I StPO. 
und Nr. 6 StGB. unter die prinzipale Privat: vorlägen, die Möglichkeit des Beitritts zum Ber: 
klage erfolgte in der Ref Komm. debattelos und gleichsabſchluſſe benehmen; ein folder Beitritt 
kann nur gebilligt werden. ſchafft aber in vielen Fällen erſt die Möglichkeit 
Dagegen iſt ein Grund, warum der Beſchluß einer gütlichen Einigung der Parteien ſelbſt und 
Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs auf hilft die aus dem ſelbſtändigen Strafantragsrechte 
dieſe zwei Uebertretungen, auf die Sachbeſchädigung Dritter (3. B. des Ehemannes) hervorgehenden 
nach $ 303 StGB. und die Fälle des unlauteren Mißſtände wenigſtens im Wege des Vergleiches zu 
Wettbewerbes nicht ausgedehnt wiſſen will, nicht | befeitigen. (Vgl. d. Prot. d. Ref Komm. Bd. I 
erſichtlich. S. 308; II S. 55). 

Aus vorſtehenden Ausführungen er: Auch eine Beſchränkung des Vergleiches dahin, 
gibt ſich unſere Stellungnahme zu den daß nur der unbedingte Vergleich zugelaſſen würde, 
Beſchlüſſen Nr. 243, 248 und 249 da- wäre verfehlt. Der bedingte Vergleich hat dann 
hin, daß vorgeſchlagen wird: ſeine Berechtigung, wenn die Perſon deſſen, der 


— 54 PER er 


im Beſchluſſe Nr. 243 zu ſtreichen: die unter der prinzipalen Privatklage auf die im Beſchluſſe 
a und b aufgeführten Reate und unter e dem Nr. 243 a und b aufgeführten Reate abgelehnt werden, 
Zitat „§ 123 StGB.“ beizufügen: Abſatz I. jo ermöglicht der unter D zu § 416 StPO. vorgeſchlagene 


Zuſatz ohne Aenderung des dem materiellen Rechte an— 
B. gehörigen Strafantragsrechtes die Beſeitigung des 

8 Widerſpruchs, daß zwar die Klage zurückgezogen werden 

den Beſchluß Nr. 248 zu faſſen wie folgt: Der kann, nicht aber oder nicht mehr der Strafantrag, und 
- a ermöglicht vor allem die Schaffung klarer Verhältniſſe 
auf dem Gebiete der vergleichsweiſen endgültigen Er— 


A 28) Wird, wie wohl zu erwarten ift, die Ausdehnung 
ledigung der Privatklageſachen. 


27) Bgl. Prot. d. RefKomm. Bd. I S. 288, 289, 
292, 294. 


160 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


b) bei gefährlichen Körperverletzungen in den | 


Fällen des $ 223 a StGB. 
c) bei . in den Fällen des 
8 123 St 
d) bei 8 im Falle des 8 241 StGB. 
r a bei Sachbeſchädigung im Falle des § 303 | 
tG 


f) 15 den Uebertretungen des § 370 Nr. 5 und 6 | 
StGB. (Prot. I S. 288 — 294; II S. 43—49). | 
| 


II. 


Die zu § 420 StPO. gefaßten Beſchlüſſe | 
lauten: 

a) Beſchluß Nr. 248: 

Der Sühneverſuch ſoll unter den in § 420 
StPO. bezeichneten Vorausſetzungen nicht nur bei 
Beleidigungen, ſondern auch bei Körperverletzungen, 
Hausfriedensbruch und Bedrohung erforderlich ſein. 
(Prot. I S. 301; 11 59). 

b) Der Beſchluß Nr. 249: 

Durch das Gelingen des Sühneverſuchs (Ver⸗ 
gleichsabſchluß) ſoll die Erhebung der öffentlichen 
Aane a ausgeſchloſſen fein. (Prot. I S. 301 f.; 

59). 


III. 


Der zu § 424 StPO. gefaßte Beſchluß 
Nr. 252 lautet: Ein im Privatklageverfahren 
zu Protokoll des Gerichtes abgeſchloſſener Vergleich 
ſoll einen Vollſtreckungstitel im Sinne der ZPO. 
(SS 104, 794) gewähren; auch die Vollſtreckung 
ſelbſt jot nach den Borfchiften der ZPO. 1 | 
(Prot. 1 S. 313; II S. 63 ff.). 


IV. 


Der zu $ 496 StPO. gefaßte Beſchluß 
Nr. 287 lautet: In dem Verfahren auf erhobene 
Privatklage ſollen die dem Gegner zu erſtattenden | 
notwendigen Auslagen ($ 503) durch gerichtliche 
Entſcheidung auch dann feſtgeſetzt werden können, 
wenn über die Höhe oder Notwendigkeit kein Streit 
beſteht; auf das Verfahren finden die Vorſchriften 
der 88 103 - 106 ZPO. entſprechende Anwendung. 
(Prot. II S. 64 ff.). 


Sind dieſe Vorſchläge geeignet, den 
in der Praxis hervorgetretenen Reform— 
bedürfniſſen gerecht zu werden? Ob fid 
der Beſchluß Nr. 249 auch auf den im Beſchluſſe 
Nr. 252 vorgeſehenen gerichtlichen Vergleich er— | 
ftreden fo, darüber enthalten weder die Pro: 
tofolle noch die Beſchlüſſe der Reformkommiſſion 
etwas; nach dem Zwecke, dem der Beſchluß 
Nr. 249 dienen ſoll, muß er auch den gerichtlichen 
Vergleich umfafjen.”®) 

Das Erfordernis des Sühneverſuchs gemäß 
8 420 StPO, das nach Beſchluß Nr. 248 eine 


24) Vgl. die Abhandlung Dr. Friedländers in Dr. 
Aſchrotts Reform des Strafprozeſſes S. 585. | 


erhebliche Ausdehnung erfahren ſoll, bezweckt die 
Begünſtigung der vergleichsweiſen Erledigung der 
dort bezeichneten Sachen. Der Beſchluß Nr. 249 
vereitelt aber geradezu die Erreichung dieſer löb⸗ 
lichen Abſicht. Wie ſollen ſich die Parteien zu 
einem — ſtets mit Opfern verbundenen — Vergleiche 
verſtehen, wenn trotz des Vergleichs die Gefahr 
der Strafverfolgung im Wege der öffentlichen 
Klage beſtehen bleibt? 

Der Beſchluß Nr. 249 bedeutet gegen⸗ 
über dem bisherigen Rechte inſoferne eine erhe b⸗ 
liche Verſchlechterung, als er ſeinem Wort⸗ 
laute nach auch diejenigen Fälle treffen würde, 
hinſichtlich deren bei den bisherigen Privatklage⸗ 
ſachen die Zurücknahme des Strafantrags zuläſſig 
war und, im Vergleiche erklärt, die Erhebung der 
öffentlichen Klage ausſchloß. 

Der Beſchluß Nr. 249 ift überflüſſig 
hinſichtlich derjenigen Reate, auf welche der Be⸗ 
ſchluß Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs 
ausdehnte. Bei den darunter fallenden Körper⸗ 
verletzungen iſt — abgeſehen von den bisher dem 
Privatklageverfahren gemäß 8 414 StPO. ſchon 
unterſtellt geweſenen — ein Strafantrag zur Ver⸗ 
folgung nicht notwendig; das gleiche gilt von der 
Bedrohung und dem ſog. ſchweren Hausfriedens⸗ 
bruch gemäß § 123 III StGB.; beim fog. leichten 
Hausfriedensbruch kann der Strafantrag nicht 
zurückgenommen werden; das gleiche gilt von den 
in 8 414 StPO. bezeichneten Körperverletzungen, 
ſoferne ſie nicht gegen einen Angehörigen verübt 
ſind (§S 232 II StGB.). In dieſen Fällen könnte 
alſo ein Vergleich auch ohne den Beſchluß Nr. 249 
nicht die öffentliche Klage ausſchließen. 


Der Beſchluß Nr. 249 erſcheint dem⸗ 
nach unannehmbar. 


Die Ausdehnung des Erforderniſſes des 
Sühneverſuchs nach $ 420 StPO. auf ſolche 
Reate, deren Verfolgung durch einen Strafantrag 
nicht bedingt iſt oder bei denen der Strafantrag 
nicht zurückgenommen werden kann, hat nur 
dann einen Zweck, wenn beſtimmt wird, 
daß durch das Gelingen des Sühnever— 
ſuchs oder den Abſchluß des gerichtlichen 
Vergleiches die Erhebung der öffent— 


lichen Klage ausgeſchloſſen ſein ſoll; 


eine ſolche Beſtimmung iſt aber aus denſelben 
Gründen, die in der Reformkommiſſion und 
anderwärts gegen die Ausdehnung der prinzipalen 
Privatklage auf dieſe Delikte geltend gemacht 
wurden, unannehmbar für die im Beſchluſſe 
Nr. 243 unter a und b aufgeführten Körperver: 
letzungen und nicht empfehlenswert für die Fälle 
des fog. erſchwerten Hausfriedensbruchs gemäß 
§ 123 III StGB., dagegen bedenkenfrei hinſicht— 
lich der bisherigen Privatklageſachen, in denen der 


Strafantrag nicht zurückgenommen werden kann 
(5 232 StGB.), des Hausfriedensbruchs im Falle 


des 3 123 I StGB., der Bedrohung und der 


— 


ef fur Negtapfege in Bayern. 1908. Wr. 8 


Sachbeſchädigung nach $ 241 und 303 StGB.; Sühneverſuch ſoll unter den in 8 420 StPO. 


hinſichtlich der übrigen bisherigen Privatklageſachen 


und der Uebertretungen nach $ 370 Nr. 5 und 6 
StGB. waͤre die gedachte Beſtimmung deshalb 
nicht erforderlich, weil hier der Strafantrag zurück⸗ 
nehmbar ift, aber wünſchenswert in den Fällen, 
in welchen die urſprüngliche Zurücknehmbarkeit des 
Strafantrags durch ein auf Strafe lautendes 
Urteil ausgeſchloſſen worden ift. (Vgl. 8 64 StGB.). 

Gegen die Beſeitigung der öffent⸗ 
lichen Klage im Wege des Vergleichs 
dürfte bei der vorgeſchlagenen Be— 
ſchränkung ein begründetes Bedenken 
nicht beſtehen. Die Grenzen zwiſchen tätlicher 
Beleidigung und leichter Körperverletzung, zwiſchen 
wörtlicher Beleidigung und Bedrohung ſind 
flüſſig;“) die Faſſung des Strafgeſetzbuches hat 
zur Folge, daß die Merkmale des Hausfriedens⸗ 
bruchs und der Sachbeſchädigung auch in den 
Fällen gegeben ſind, welche ſo leicht liegen, daß 
die Rechtsordnung als ſolche kaum davon berührt 
wird; der Hausfriedensbruch trifft oft mit Be: 
leidigungen zuſammen, wenn infolge einer Streitig— 
keit die eine Partei die andere aus der Wohnung 
weiſt.“) 

Die Fälle der in 8 414 StPO. erwähnten 
Körperverletzungen, des Hausfriedensbruchs nach 
5 123 I, der Bedrohung und der Sachbeſchaͤdigung 
nach $ 303 StGB. haben für das öffentliche 
Wohl eine ebenſo geringe Bedeutung als die Be— 
leidigungen; 
liche Klage nicht durch den Vergleich ausgeſchloſſen 
werden, obwohl ein ſolcher Ausſchluß bei den das 
öffentliche Wohl viel mehr berührenden Fällen des 
unlautern Wettbewerbes (durch Zurücknahme des 
Strafantrags) ſchon bisher möglich war? Die 
Unterſtellung der Uebertretungen des $ 370 Nr. 5 
und Nr. 6 StGB. unter die prinzipale Privat: 
klage erfolgte in der Ref Komm. debattelos und 
kann nur gebilligt werden. 

Dagegen iſt ein Grund, warum der Beſchluß 
Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs auf 
diefe zwei Uebertretungen, auf die Sachbeſchaͤdigung 
nach § 303 StGB. und die Fälle des unlauteren 
Wettbewerbes nicht ausgedehnt wiſſen will, nicht 
erſichtlich. 

Aus vorſtehenden Ausführungen er: 
gibt ſich unſere Stellungnahme zu den 
Beſchlüſſen Nr. 243, 248 und 249 da: 
hin, daß vorgeſchlagen wird: 


A. 
im Beſchluſſe Nr. 243 zu ſtreichen: die unter 
a und b aufgeführten Reate und unter e dem 
Zitat „§ 123 StGB.“ beizufügen: Abſatz J. 
B. 


248 zu faſſen wie folgt: Der 


. 288, 289, 


den Beſchluß Nr. 


) Bgl. Prot. d. 
292, 294. 


RefKomm. Bd. I S 


weshalb ſollte bei ihnen die öffent⸗ 


bezeichneten Vorausſetzungen bei allen Privatklage⸗ 
ſachen erforderlich ſein. 

C. 
den Beſchluß Nr. 249 zu ſtreichen. 


D. 
dem $ 416 StPO. als Abſatz II beizufügen: 
Durch den vor dem Sühneamt oder dem Gerichte 
abgeſchloſſenen Vergleich (5 420 und $ 424 
StPO.) (in der von uns vorgeſchlagenen Faſſung) 


| wird die Erhebung der öffentlichen Klage aus- 


geſchloſſen.““) 

Der Beſchluß Nr. 252 ſchafft die bisher 
von manchen beſtrittene geſetzliche Grundlage für 
den gerichtlichen Vergleich und deſſen Vollſtreck⸗ 
barkeit; er geht dabei den vom Amtsgerichte Nürn⸗ 
berg bisher ſchon betretenen Weg. Daß die Reform⸗ 
kommiſſion es unterlaſſen hat, den Begriff „Ber: 
gleich“ näher zu beſtimmen (die Wendung im 
Beſchluſſe Nr. 249 „Gelingen des Sühneverſuchs 
[Vergleich]“ kann als eine ſolche Begriffsbeſtimmung 
wohl nicht angeſehen werden), iſt zu begrüßen; 
es würde auch ſchwer fallen, eine nicht zu enge 
Begriffsbeſtimmung zu finden; eine zu enge 
Faſſung würde dem wünſchenswerten Beſtreben 
hinderlich ſein, eine möglichſt vollſtändige Aus⸗ 
ſöhnung der Parteien herbeizuführen; aus dem 
gleichen Grunde empfiehlt es ſich auch nicht den 
Vergleich zu beſchraͤnken auf die Parteien und 
deren gerade zum Gegenſtande der Privatklage 
oder Widerklage gemachte Streitigkeit. Eine ſolche 
Einſchränkung würde den in $ 414 II StPO. Be: 
zeichneten, den Ehegatten oder ſonſtigen Angehörigen 
der Parteien, die an dem Vorfall ſtrafrechtlich, 
ſei es als Täter oder Verletzte, beteiligt waren, 
ohne daß die Vorausſetzungen des $ 415 I StPO. 
vorlägen, die Möglichkeit des Beitritts zum Ver— 
gleichsabſchluſſe benehmen; ein ſolcher Beitritt 
ſchafft aber in vielen Fällen erſt die Möglichkeit 
einer gütlichen Einigung der Parteien ſelbſt und 
hilft die aus dem ſelbſtändigen Strafantragsrechte 
Dritter (3. B. des Ehemannes) hervorgehenden 
Mißſtände wenigſtens im Wege des Vergleiches zu 
beſeitigen. (Vgl. d. Prot. d. Ref Komm. Bd. I 
S. 308; II S. 55). 


Auch eine Beſchränkung des Vergleiches dahin, 
daß nur der unbedingte Vergleich zugelaſſen würde, 
wäre verfehlt. Der bedingte Vergleich hat dann 
ſeine Berechtigung, wenn die Perſon deſſen, der 


28, Wird, wie wohl zu erwarten ift, die Ausdehnung 
der panpan Privatklage auf die im Beſchluſſe 
Nr. 243 a und b aufgeführten Reate abgelehnt werden, 
jo ermöglicht der unter D zu § 416 StPO. vorgeſchlagene 
Zuſatz ohne Aenderung des dem materiellen Rechte an— 
gehörigen Strafantragsrechtes die Beſeitigung des 
Widerſpruchs, daß zwar die Klage zurückgezogen werden 
kann, nicht aber oder nicht mehr der Straſantrag, und 
ermöglicht vor allem die Schaffung klarer Verhältniſſe 
auf dem Gebiete der vergleichsweiſen endgültigen Er— 
ledigung der Privatklageſachen. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


im Vergleiche Verpflichtungen übernahm, keine 


Gewähr für die Erfüllung dieſer Verbindlichkeiten 


bietet.“) Schwierigkeiten dürfte die Zulaſſung des 
bedingten Vergleiches, fei er unter einer auf: . 


ſchiebenden oder einer auflöſenden Bedingung ge⸗ 
ſchloſſen, nicht mit ſich bringen. Der Schwierigkeit, 
die man etwa für den unter einer auflöſenden Be⸗ 
dingung geſchloſſenen Vergleich aus der Beſtimmung 
des § 432 StPO. ableiten wollte, köunte durch 
eine entſprechende Aenderung des § 432 leicht 
begegnet werden. 


Um Zweifel auszuſchließen, würde es ſich 
empfehlen, dem Beſchluſſe Nr. 252 den Satz 
voranzuſtellen: „Der im Privatklagever⸗ 
fahren zu Protokoll des Gerichtes ab— 
geſchloſſene Vergleich beendigt, wenn 
unbedingtabgeſchloſſen, das Verfahren, 
ohne daß es einer Zurücknahme der Klage und 
Widerklage bedarf“ und dann fortzufahren: „Der 
Vergleich bildet einen Vollſtreckungstitel ꝛc. ꝛc.,“ 
ferner in Satz 1 des $ 259 StPO. einzuſchieben 
„falls ſie nicht durch Vergleich endigt“, und dem 
Abſ. II des $ 259 StPO. anzufügen „es fei 
denn, daß ein Vergleich zu Protokoll des Gerichtes 
abgeſchloſſen wurde“. Hierdurch ſoll klargeſtellt 


werden, daß im Falle des Vergleiches für einen 


Einſtellungsbeſchluß oder ein Einſtellungsurteil 
kein Raum mehr iſt. 


bisher in Nürnberg, München und anderwärts 
bereits geübten Verfahren und gibt ihm die von 
der Rechtſprechung bisher verneinte geſetzliche 
Grundlage;”) er bietet keinen Anlaß zu einer 
weiteren Beſprechung. 


Vom Standpunkte dieſer Abhandlung märe 
es endlich wünſchenswert, daß der § 426 StPO. 
den Zuſatz erhielte: Der Vorſitzende kann an: 
ordnen, daß in der Hauptverhandlung 
eine Beweisaufnahme nicht ſtattfindet. 


Dieſe Anordnung fand ſich früher an Stelle 
des beim Nürnberger Verfahren unter A Ziff. 2 
erwähnten Hinweiſes; ſie wurde ſpäter durch dieſen 


Hinweis erſetzt, weil ſie gegen das Recht der 


unmittelbaren Ladung G 426 II EBD.) verſtieß; 
für die Zukunft wäre ſie vorzuziehen, um zu ver— 
hüten, daß Zeugen und Sachverſtändige unmittel: 
bar geladen werden, wodurch namhafte Koſten ent— 
ſtehen, die der vergleichsweiſen Erledigung der 
Sache Schwierigkeiten bereiten. 


— 5 


9) Vgl. hierher den Auſſatz von Rechtsanwalt 
Godron in dieſer Zeitſchrift Jahrg. 1907 S. 191, 192. 

% Vgl. Entſch. d. bayr. ObLG. in StS. n. F. Bd. III 
S. 388. 


Nr. 8. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Zum ehrengerichtlichen Berſahren gegen Nechts⸗ 
anwälte. In Nr. 6 dieſes Jahrgangs erörtert Herr 
Staatsanwalt Burkhardt zwei das ehrengerichtliche 
Verfahren gegen Rechtsanwälte betreffende Fragen. 
Da er bei beiden den Standpunkt bekämpft, den ich 
im Kommentar zur RAO. eingenommen habe, fei mir 


eine kurze Entgegnung geſtattet. 


| 
| 


1. Es ift nicht richtig, daß der Friedländerſche 
Kommentar die Geltung des § 73 auf die Vorunter⸗ 
ſuchung beſchränkt wiſſen will. Anm. 7 zu 8 73 ſchließt 
lediglich die Anwendung des gedachten Paragraphen 
im vorbereitenden Verfahren aus. Dagegen muß 
ſelbſtverſtändlich, was in der Vorunterſuchung ſtatt⸗ 
haft iſt, um ſo mehr im Hauptverfahren zuläſſig ſein. 
Daß auch ich dieſe Anſicht vertrete, geht mit Sicher⸗ 
heit aus Anm. 14 zu § 93 hervor. 

Wenn die bayeriſche Praxis den § 73 RAO. auch 
auf das vorbereitende Verfahren anwendet, ſo verſagt 
als Stütze die angezogene Entſcheidung des OLG. 
München, die mir, wie Anm. 14 zu 8 93 zeigt, wohl 
bekannt war. Es handelte ſich damals um einen im 
ehrengerichtlichen Zulaſſungs verfahren vor Ans 
beraumung des Hauptverhandlungstermins vom Ehren⸗ 
gericht erlaſſenen Beſchluß auf eidliche Vernehmung 
von Zeugen durch einen erſuchten Richter. Das 
OLG. ſpricht nun mit keinem Wort davon, daß 8 73 
auch im vorbereitenden Verfahren Geltung habe, es 
hatte auch gar keinen Anlaß, ſich über dieſe Frage 


zu verbreiten, denn das ehrengerichtliche Zulaſſungs⸗ 
Der Beſchluß Nr. 287 entſpricht dem 


verfahren kennt kein vorbereitendes Verfahren (vgl. 
Anm. 12 zu $ 93). Das OLG. ſagt lediglich (am 
Schluß feiner Entſcheidung, indem es hier das Er⸗ 
gebnis ſeiner vorangezogenen Ausführungen zieht), 
daß „in § 73 der RAO. nicht eine nur für die Bor- 
unterſuchung getroffene ſinguläre Beſtimmung ent— 
halten, ſondern ein Grundſatz ausgeſprochen iſt, welcher, 
als mit Notwendigkeit aus 8 86 Abſ. 1 und 88 der 
RAD. ſich ergebend, mangels einer entgegenſtehenden 
Vorſchrift im ehrengerichtlichen Verfahren überhaupt 
Geltung hat, mag dieſes durch die Erhebung öffent— 
licher Klage, oder durch einen auf Grund des 8 16 
Abſ. 2 der RNO. geſtellten Antrag veranlaßt worden 
ſein, und mag der Hauptverhandlung eine Vorunter— 
ſuchung vorausgehen oder nicht“. Das OLG. verlangt 
alſo gerade, daß die Klageerhebung bereits erfolgt 
ift, es erklärt den $ 73 außer in der Vorunterſuchung 


auch im Hauptverfahren und bei direkter Klageerhebung 


im Stadium zwiſchen Anbringung der Klage und Er— 
öffnung des Hauptverfahrens für anwendbar. Ueber 
erſteres ſ. oben, letztere Ausdehnung iſt zu billigen, 
da auch hier das arg. a minore durchſchlägt. 

All das aber ergibt keinerlei Anhalt für eine 
Erſtreckung des § 73 auf das vorbereitende Verfahren. 
Auch mit den SS 86, 88 Ru O. iſt nicht zu operieren. 
Wenn anſcheinend die bayeriſche Praxis im ehren 
gerichtlichen Verfahren gegen Rechtsanwälte die direkte 
Anklageerhebung als regelmäßige Klageform wählt, 
ſo iſt das bedauerlich. Man nimmt damit dem An— 
geſchuldigten das Recht auf perſönliche Vernehmung 
und das Recht aus § 75 RAO. und zwar ohne jeden 
Erſatz: die Rechte aus 8 199 StPO. hat der Uns 
geſchuldigte ohnehin nicht (f. Anm. 7 zu S 76). Iſt 


auch die Vorunterſuchung nach der RAO. nicht mehr 


notwendig, wie ſie es nach dem Entwurfe war, ſo 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


ſollte doch mit Rückſicht auf die eben hervorgehobenen 
Folgen nur bei ganz einfachen und ganz klaren Ver⸗ 
fehlungen von einer Vorunterſuchung abgeſehen werden. 
Damit erledigen ſich auch die geltend gemachten prak⸗ 
tiſchen Bedenken. 

2. Auch in der den $ 64 betreffenden Frage halte 
ich meinen Standpunkt nicht für widerlegt. 8 68 
NAD. ergibt meines Erachtens nichts für die hier 
in Betracht kommende Streitfrage. Dieſe Geſetzes⸗ 
beſtimmung erſcheint auch von meinem Standpunkte 
aus neben $ 49 Ziff. 1 durchaus nicht überflüſſig. 
Denn ſie hat nicht nur die — auch von Burkhardt 
erwähnte — negative Bedeutung, daß ein Gerichts⸗ 
ſtand überhaupt nicht exiſtiert, wenn der Betreffende 
3. Z. der Anklageerhebung keiner Kammer angehört; 
der 8 68 betrifft vielmehr auch nach meiner Anſicht 
den wichtigen Fall des Zulaſſungswechſels 
(Anm. 10 zu § 68), für welchen eben die Beſtimmung 
des § 49 Ziff. 1 nicht ausreicht. Der Fall des Bu- 
laſſungswechſels iſt nach der Syſtematik des Geſetzes 
ſcharf zu unterſcheiden von dem Fall, in welchem ein 
RA. aus dem Anwaltsſtande ausſcheidet und dann 
von neuem die Zulaſſung erwirkt. Dieſe neuerliche 
Zulaſſung wird vom Geſetze durchaus als erſte Zu: 
laſſung bebandelt (Vorbemerkung zum erſten Abſchnitt 
Anm. 4 und 5). Sie bedingt ja auch wiederum die 
Beeidigung nach § 17 RAO. (vgl. Anm. 2 daſelbſt). 
Ich verweiſe ferner auf die Beſtimmung des 8 6 
Ziff. 3 RAD. welcher unbeſtrittenermaßen nur für 
die Fälle der „erſten Zulaſſung“ gilt und doch die 
Möglichkeit erwähnt, daß der Antragſteller „früher 
Rechtsanwalt geweſen ift”. Jene von Burkhardt vor- 
ausgeſetzte Kontinuität zwiſchen Kammerzugehörigkeit 
auf Grund erſter Zulaſſung und Kammerzugehörigkeit 
auf Grund erneuter „erſter Zulaſſung“ exiſtiert eben 
de lege lata nicht. 

Die ſtreitige Frage läßt ſich alfo nur aus § 64 
ſelbſt beantworten. Nun ergeben die Motive 79 mit 
Sicherheit, daß § 64 ($ 59 des Entwurfes) lediglich 
dem Zwecke dienen ſoll, Tatſachen, die zur Verſagung 
der Zulaſſung geführt hätten, wenn ſie bekannt ge— 
weſen wären, nachträglich in der Form des ehren- 
gerichtlichen Strafverfahrens Geltung zu verſchaffen 
gl. hierzu Anm. 2 und 3 zu $ 64). Das zwingt 
meines Erachtens mit Notwendigkeit zu der in Anm. 6 
zu § 64 gegebenen Auslegung. 

Auch aus anderen Beſtimmungen der RAO. er- 
gibt ſich, daß ganz verſchiedene praktiſche Reſultate 
erzielt werden können, je nachdem ein bloßer Zu— 
laſſungswechſel oder ein Ausſcheiden aus dem Anwalts— 
ſtan de mit darauf folgender neuer Zulaſſung in Frage 
ſteht. Ich verweiſe auf die Beſtimmung des § 15 
Ziff. 2 RAO. Danach kann die Zulaſſung eines RA. 
bei einem anderen Gerichte — alſo die weitere Zus 
laſſung — verſagt werden, wenn gegen den Antrag— 
ſteller die Klage im ehrengerichtlichen Verfahren er— 
hoben iſt. Nehmen wir nun an, die Klage ſei erhoben, 
der RA. ſcheidet aber nach dieſem Zeitpunkte aus dem 
Anwaltsſtande aus. Das ehrengerichtliche Verfahren 
nimmt nach 8 68 RAO. feinen Fortgang. Nun be— 


antragt der Ausgeſchiedene von neuem feine Zulaſſung. 


Sie kann ihm wegen der Tatſache allein, daß die An— 


klage erhoben iſt, zweifellos nicht verſagt werden. 


86 enthält für den Fall der erſten Zulaſſung keine 
dem 8 15 Ziff. 2 entſprechende Beſtimmung, obwohl 
doch der Geſetzgeber, wie die Vorgeſchichte des $ 6 
Ziff. 3 ergibt, ſehr wohl an den Fall gedacht hat, 


163 


daß ein RA. aus dem Anwaltsſtande ausſcheidet und 
dann neuerdings die Zulaſſung beantragt (vgl. Anm. 11 
zu 8 6). 

Daß das Ergebnis kein erfreuliches iſt, habe ich 
in Anm. 7 zu 8 68 bereits hervorgehoben. Das recht⸗ 
fertigt aber nicht, den Boden des Geſetzes zu ver⸗ 
laſſen.“) 

Uebrigens ſcheint mir die Befürchtung, daß An⸗ 
wälte zur Umgehung des ehrengerichtlichen Verfahrens 
aus dem Stand ausſcheiden könnten, um alsbald neue 
Zulaſſung zu beantragen, kaum gerechtfertigt. Iſt 
ſich der Anwalt nur geringfügiger Verfehlungen be⸗ 
wußt, ſo wird er es wahrlich nicht riskieren, ſich durch 
diefe unſchöne Manipulation der allgemeinen Miß— 
achtung auszuſetzen und mit Rückſicht auf den zeit- 
weiſen Verluſt der Anwaltsqualität auch wirtſchaftlich 
zu ſchädigen. 

Handelt es ſich aber um ſchwerere Verfehlungen, 
ſo könnte er ſich leicht bei ſeinem Plane verrechnen. 
Das Ausſcheiden aus dem Stande kann, wenn es 
in der oben erwähnten Abſicht geſchiebt, in Verbindung 
mit jenen ſchweren Verfehlungen, deren ſich der An⸗ 
walt bewußt ift, febr wohl als ein Verhalten anz 
geſehen werden, welches nach § 5 Ziff. 5 RAO. zur 
Verſagung der Zulaſſung führt. 


Landgerichtsrat Dr. Friedländer in Limburg a.. 


Gegenſeitiges Verhältnis der Tatbeſtände des Art. 56 
Abi. 2 BStGB. Art. 56 Abi. 2 PStGB. bedroht 
mit Haft bis zu ſechs Tagen Sonntagsſchulpflichtige, 
welche öffentlichen Tanzunterhaltungen anwohnen oder 
ohne Erlaubnis der Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, 
Dienſt⸗ oder Lehrherren Wirtshäuſer beſuchen. 

Oeffentliche Tanzunterhaltungen finden regelmäßig 
in Wirtſchaften ſtatt, heute wie jhon bei Erlaſſung 
der Polizeiſtrafgeſetzbücher von 1861 und 1871; während 
der Tanzunterhaltungen werden an die Beſucher Speiſen 
und Getränke zum Genuſſe auf der Stelle verabreicht, 
es wird alſo im Tanzraume, mag dies das regelmäßige 
Wirtſchaftslokal oder ein eigener Tanzſaal ſein, eine 
öffentliche Wirtſchaft betrieben, da der Zutritt nicht 
beſchränkt iſt. Von dieſer eingebürgerten Auffaſſung 
der „öffentlichen Tanzunterhaltung“ iſt offenbar auch 
der Geſetzgeber ausgegangen. Mit dem Verbote der 
Teilnahme an einer öffentlichen Tanzunterhaltung hat 
er den Sonntagsſchulpflichtigen zugleich den Beſuch 
der hierbei ſtattfindenden Wirtſchaftsführung unterſagt 
dergeſtalt, daß dieſer auch durch die Erlaubnis der 
Eltern uſw. nicht ſtraflos wird. 

Sonach ſtehen die beiden Strafbeſtimmungen des 
Art. 56 Abſ. 2 PIOB. zu einander im Verhältniſſe 
der Geſetzeskoukurrenz: der einer öffentlichen Tanz- 
unterhaltung anwohnende Sonntagsſchulpflichtige kann 
lediglich hierwegen, nicht noch überdies wegen einer 
ideal konkurrierenden Uebertretung des verbotenen 
Wirtshausbeſuchs beſtraft werden. 

Indes kann die in der Anklage als Tanzmuſik— 
beſuch charakteriſierte Handlung vom erkennenden Ge— 


1) In der Ueberſicht über die Jahresberichte der 
Vorſtände der Anwaltskammern Beilage zu JW. 
1908 S. 10) wird eine Entſcheidung des CS». 
erwähnt, welche den Burkhardtſchen Standpunkt teilt. 
Leider find dort noch keine Grunde angegeben. Un- 
ſere Anſicht wird vertreten von Berolzheimer in IW. 
1903 S. 232. 


richt, wenn es eine öffentliche Tanzunterhaltung nicht 
für gegeben erachtet, immerhin noch unter dem Ge⸗ 
ſichtspunkte des unerlaubten Wirtshausbeſuchs geahndet 
werden. Nicht zwar dann, wenn die Oeffentlichkeit 
aus dem Grunde verneint wird, weil die Tanzunter⸗ 
haltung von einer geſchloſſenen Geſellſchaft veranſtaltet 
ſei; denn hier liegt auch kein öffentlicher Wirtſchafts⸗ 
betrieb, alſo nicht der Beſuch eines „Wirtshauſes“ vor. 
Wohl aber in dem Falle, daß der Begriff einer „Tanz 
unterhaltung“ nicht erfüllt iſt; z. B. wenn im all⸗ 
gemein zugänglichen Wirtſchaftsraume zu den Weiſen 
einer Ziehharmonika einige Paare wenige Touren 
tanzen. Hier kann der mittanzende Sonntagsſchul⸗ 
pflichtige, der wegen Tanzmuſikbeſuchs angeklagt iſt, 
wegen unbefugten Wirtsbhausbeſuchs — den Mangel 
der Erlaubnis der Eltern uſw. hierzu vorausgeſetzt 
— verurteilt werden. Es ſteht die nämliche Handlung 
in Frage, da er durch das Tanzen zugleich unbefugt 
das Wirtshaus beſucht hat; ſie wird nur unter einem 
anderen rechtlichen Geſichtspunkte betrachtet. Ins⸗ 
beſondere kann der Einwand der Verjährung diesfalls 
nicht darauf geſtützt werden, daß die Anklage nicht 
wegen Wirtshaus⸗, ſondern wegen Tanzmuſikbeſuchs 
erhoben ſei. 

Anders, wenn der Sonntagsſchulpflichtige unbefugt 
die öffentliche Wirtſchaft beſucht und nachdem er einige 
Zeit dort verweilt hat, eine öffentliche Tanzunterhaltung 
beginnt, an der er ſich beteiligt. Hier iſt er ſowohl 
wegen Wirtshausbeſuchs als wegen des Anwohnens 
bei der öffentlichen Tanzunterhaltung zu beſtrafen; 
beide Uebertretungen ſtehen im Verhältnis der Real- 
konkurrenz, da beide Handlungen je durch einen ſelb— 
ſtändigen Entſchluß hervorgerufen ſind. 

II. Staatsanwalt Hümmer in Weiden. 


Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Zu den Ausfüh⸗ 
rungen von Herrn Prof. Dr. Oertmann auf Seite 121 
oben fet folgendes zu bemerken geſtattet. Nur neben- 
bei habe ich auf Seite 104 auf die Tatſache hinge⸗ 
wieſen, daß die dort genannten Schriftſteller der VO. 
vom 25. Auguſt 1868 (RBI. 729) nicht Erwähnung 
tun. Mit keiner Silbe aber ſprach ich davon, daß 
jene Autoren die öffentlich-rechtliche Befugnis der 
Krone, Perſonenvereinigungen Rechtsfähigkeit zu ver- 
leihen, nicht mehr erwähnen. Dieſe Befugnis ſteht 
m. E. auch jetzt noch der Krone zu, ſelbſtverſtändlich 
aber nur inſoweit, als nicht das Reichsrecht Schranken 
ſetzt. Auch in meinem Sinne kann Bayern nicht mehr 
„Geſetze jeden Inhalts erlaſſen“; dem ſteht ſchon 
Art. 2 RV. entgegen. — 

Im Hinblick auf Art. 163 EG. z. BGB. iſt es 
unbeſtreitbar, daß die auf Grund der VO. von 1868 
und der früheren Schützenordnungen vor dem 1. Jaz 
nuar 1900 entſtandenen Schützengeſellſchaften als ju— 
riſtiſche Perſonen noch heute fortbeſtehen. Es kann 
ſich nur noch darum handeln, ob ſie Vereinigungen 
des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts bilden, 
und ob heutzutage noch eine Neugründung möglich iſt. 

Wenn Prof. Dr. Oertmann — entgegen der von 
mir auf S. 104 verſuchten Löſung der Frage — ohne 
nähere Unterſcheidung und Begründung behauptet, 
die Schützengeſellſchaften gehören „ſelbſtverſtändlich“ 
zu den privatrechtlichen Korporationen, ſo dürfte dieſe 
Anſicht bezüglich der Kgl. privilegierten nicht allge— 
mein geteilt werden. So ſchreibt z. B. Henle, die 
Anlegung des Grundbuchs in den Landesteilen r. d. Rh., 


euer a ⁵⅛—V-!!x ð ⸗— — —ñxĩ;é? —— rm — ——b —— — 


| 
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| 
| 
| 


2. Aufl. S. 288: „Diele haben die Nechtsfähigkeit 
mit dem Inkrafttreten des BGB. nicht verloren, auch 
wenn ſie als Vereinigungen des Privatrechts anzu⸗ 
ſehen wären.“ Dieſer Autor neigt demnach der An⸗ 
ſchauung zu, daß ſie Körperſchaften des öffentlichen 
Rechts ſind; mindeſtens läßt er die Frage unent⸗ 
ſchieden. Rechnet man die priv. Schützengeſellſchaften 
zu den Vereinen des BGB., dann können neue nach 
der VO. von 1868 nicht mehr entſtehen; hierin pflichte 
ich meinem geehrten Herrn Gegner mit Rückſicht auf 
die Erflufivität der 88 21, 22 BGB. bei. Sind fie 
dagegen mit Rückſicht auf ihre Geſchichte — ihr Ent⸗ 
ſtehen fällt in eine Zeit, da man die allgemeine Wehr⸗ 
pflicht noch nicht kannte —, im Hinblick auf ihren 
Zweck — Erhöhung der Wehrkraft des Volkes —, 
ſowie auf Grund der außerordentlichen ſtaatlichen 
Aufſicht und Fürſorge, die ihnen zuteil wird, den 
öffentlich-rechtlichen Korporationen beizuzäblen, 
dann können auch heute noch priv. Schützengeſell⸗ 
ſchaften nach der VO. von 1868 gegründet werden. 
Denn das BGB. hat die Entſtehung von Körper⸗ 
ſchaften des öffentlichen Rechts und die Voraus— 
ſetzungen ihrer Privatrechtsfähigkeit nicht berührt; 
hier herrſcht eben keine Rechtseinheit.“) 


Gepr. Rechtspr. Diemayr in München. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 


1 


Schickſal einer zur Sicherung des Anſpruchs anf 
Auflaſſung eingetragenen Vormerkung in der Zwangs⸗ 
verſteigerung. Aus den Gründen: Die für die 
Kläger eingetragene Vormerkung zur Sicherung des 
Anſpruchs auf Auflaſſung hatte nach § 883 Abſ. 2 
BGB. die Wirkung, daß eine Verfügung, die nach der 
Eintragung der Vormerkung über das Grundſtück ge— 
troffen wurde, inſoweit unwirkſam war, als ſie den 
Anſpruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Wenn 
alſo der vorgemerkte Anſpruch auf Uebertragung des 
Eigentums an dem Grundſtücke wirklich beſtand und 
gegenüber dem Beklagten N. als Grundftüdseigen- 
tümer durchgeführt wurde, waren die erſt nach der 
Eintragung der Vormerkung auf Grund der Bewilli— 
gung des Beklagten N. eingetragenen Hypotheken der 
Beklagten O. und P. den Klägern gegenüber un— 
wirkſam. Zur Zeit der Einleitung des Zwangsver— 
ſteigerungsverfahrens und auch zur Zeit des Ver— 
teilungstermins war der Anſpruch noch nicht durd- 
geführt. Zwar hatten die Kläger gegen den Beklagten 
N. bereits in zwei Inſtanzen ein ſiegreiches Urteil 
wegen der Uebertragung des Eigentums an dem 
Grundſtücke erſtritten; jedoch war damals das Urteil 
der zweiten Inſtanz noch nicht rechtskräftig. Der 
vorgemerkte Anſpruch war daher wie ein eingetragenes 
bedingtes Recht auf Eigentumseintragung (§48 Zw.) 
im Zwangsverſteigerungsverfahren zu behandeln. Da 
die Vormerkung dem betreibenden Gläubiger im Range 


1) Anm. des Herausgebers. Wie uns mit- 
geteilt wird, beſtehen in Bayern zurzeit 325 Schützen— 
geſellſchaften, die faſt alle „Kgl. privilegierte“ ſind; 
der hier behandelten Frage fehlt daher nicht die prak— 
tiſche Bedeutung. 


.—. 


nachſtand, war fie nicht in das geringſte Gebot aufzu⸗ 
nehmen und erloſch gemäß § 91 ZwVG. mit dem Zu⸗ 
ſchlage. Wenn aber das Recht auf Eigentumsüber— 
tragung wirklich beſtand, ſo trat an die Stelle des 
Rechtes gemäß § 92 Zw VG. der Anſpruch auf Erſatz 
des Wertes aus dem Verſteigerungserlöſe. 
folgt, daß der Beklagte N., der auf Grund des Tauſch⸗ 
vertrages vom 22. Februar 1904, wie nunmehr rechts⸗ 
kräftig durch die Urteile im Vorprozeſſe feſtgeſtellt iſt, 
zur Uebertragung des Eigentums an dem verſteigerten 
Grundſtücke auf die Kläger verpflichtet war, bewilligen 
muß, daß der an die Stelle des Eigentums getretene 
Verſteigerungserlös, ſoweit er nicht zur Befriedigung 
der vorgehenden Berechtigten zu verwenden iſt, an die 
Kläger ausbezahlt wird, und daß die Beklagten O. 
und P. ſich gefallen laſſen müſſen, daß ihre der Vor⸗ 
merkung nachſtehenden Hypotheken bei der Verteilung 
des Erlöſes als rechtlich nicht beſtehend angeſehen 
werden, und ſie demzufolge ebenfalls in die Auszahlung 
des Erlöſes, ohne Abzug der auf ihre Hypotheken 
entfallenen Beträge, an die Kläger willigen müſſen. 
(Urt. des V. 35. vom 8. Februar 1908, V 226/07). 
1229 


—— — n. 


II. 
Darlehenshingabe wischen Dentſchen am Orte einer 
ausländischen Spielbank zum Zwecke des Spielens bei 
dieſer verſtößt ohne beſondere Umſtände nicht gegen 
3 138 HGY. Der Beklagte erhielt in Montecarlo 
vom Kläger in kurzen Zwiſchenräumen 6000 und 
5000 Frs. geliehen, erſteren Betrag im Spielgebäude 
ſelbſt. Der Kläger forderte Rückzahlung dieſer Be- 
träge. Der Beklagte beantragte Abweiſung der Klage 
wegen Nichtigkeit der Darlehensverträge nach § 138 
BGB. und behauptete, der Kläger habe ihm erklärt, 
er brauche das Geld nur im Falle des Gewinnes 
zurückzubezahlen, er habe es aber im Spiele verloren. 
Das Landgericht hat die Entſcheidung von einem Eide 
des Beklagten abhängig gemacht, durch den er die 
Richtigkeit dieſer Angaben beſchwören ſoll. Es hat 
im weſentlichen ausgeführt: Es iſt das BGB. anzu⸗ 
wenden auf Grund des Art. 30 EG. z. BGB. und 
deshalb, weil die Streitsteile als Deutſche nur vor= 
übergehend in Montecarlo weilend ihre Rechtsgeſchäfte 
dem deutſchen Rechte unterwerfen wollten. Die Dar⸗ 
lehensverträge fallen nicht unter § 138 BGB., weil 
im einzelnen Falle zu prüfen iſt, ob die Handlung in 
dem ſozialen Kreiſe, innerhalb deſſen ſie vorgenommen 
wird, einen Verſtoß gegen die guten Sitten bildet. 
Die vorliegenden Darlehensverträge verſtoßen nach 
Inhalt, Motiv und Zweck nicht gegen die guten Sitten. 
Die Darlehensverträge widerſprechen inhaltlich nicht 
der guten Sitte, das Motiv hierzu auf Seite des 
Klägers war durchaus nicht verwerflich, es entſprang 
nicht der Gewinnſucht, ſondern nur der Gutmütigkeit 
des Klägers, der Zweck der Darlehen war zwar der 
der Spielförderung des Beklagten, jedoch zur Ermög— 
lichung ſeiner Erholung von den vorausgegangenen 
Spielverluſten. Leute vom Stande der Streitsteile 
— Rechtsanwalt und Offizier — erblicken, insbeſon⸗ 
dere wenn ſie als Landsleute am fremden Spielplatze 
ſich treffen, darin keinen Verſtoß gegen die guten 


Daraus 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


165 


betr. das Verbot der öffentlichen Spielbanken; Hier- 
nach iſt auch das bankmäßige Spielen des Inländers 
im Auslande und damit auch das Hilfsgeſchäft eine 
nach deutſcher Rechtsanſchauung verpönte Handlung. 
Die Darlehen ſind deshalb gegen die guten Sitten 
verſtoßende Rechtsgeſchäfte (S 138 BGB.). Hieran 
ändert auch der Umſtand nichts, daß der Kläger ge- 
glaubt haben mag, der Beklagte verfüge noch über 
Mittel in der Heimat, weil erſterer erkannt haben 
mußte, daß ſich Beklagter gerade in großer Geldver— 
legenheit befunden hat und daß der Verluſt des ge— 
liehenen Geldes für ihn ſchwerwiegend geweſen ſei. Auf 
Reviſion des Klaͤgers hat das Reichsgericht das Ur⸗ 
teil des OLG. aufgehoben und die Sache zurückverwieſen. 


Aus den Gründen: Da das Geſetz die bloße 
Beteiligung auch am reinen Glückſpiele nicht verbietet, 
eine ſolche auch nach den allgemein herrſchenden An- 
ſchauungen nicht ſchon an ſich gegen die guten Sitten 
verſtößt, ſo muß die Frage, ob die Gewährung eines 
Darlehens zum Glückſpiel grundſätzlich unſittlich ſei, 
verneint werden. Es kommt darauf an, ob die be⸗ 
ſonderen Umſtände des Falles eine andere Beurteilung 
rechtfertigen. Dem Geſetz vom 1. Juli 1868 hat das 
OLG. eine Bedeutung beigemeſſen, die ihm nicht zu- 
kommt. Aus ihm erhellt, daß der Geſetzgeber öffent⸗ 
liche Spielbanken als dem Gemeinwohl ſchädlich und 
ihren Betrieb als ſittlich verwerflich angeſehen hat. 
Dies beruht aber im weſentlichen auf Erwägungen, 
die keineswegs bloß auf ſolche Banken zutreffen, fon- 
dern allgemeiner Natur find. Es ift keine Strafe an=- 
gedroht für denjenigen, welcher an einem Glücksſpiele 
teilnimmt, das nach 8 285 StGB. unter Strafe ge- 
ſtellt iſt, es iſt auch nicht verboten, daß ſich jemand 
in ein Glücksſpiel mit einer Perſon einläßt, von der 
er weiß, daß ſie aus dem Spiele ein Gewerbe macht; 
der Geſetzgeber hat auch davon abgeſehen, Angehörigen 
des Deutſchen Reiches die Beteiligung am Spiel bei 
ausländiſchen Spielbanken zu unterſagen. Auch aus 
dem Umſtande, daß die Spielbank in Montecarlo ein 
ſchädliches Unternehmen iſt, iſt nicht, wie das Be⸗ 
rufungsgericht annimmt, zu folgern, daß die Gewäh— 
rung eines Darlehens zum Spiele dort ſchlechthin 
gegen die guten Sitten verſtoßen müſſe. Es kann 
deshalb nicht zugegeben werden, daß die Gewährung 
eines auch größeren Darlehens ſchon deshalb eine 
gegen die guten Sitten verſtoßende Handlung ſei, weil 
ſie dem Darlehensnehmer die Möglichkeit verſchaffen 


ſollte, an einer öffentlichen Spielbank weiter zu fpie- 


Sitten, wenn einer dem andern bei zeitlicher Mittel- 


loſigkeit mit Darlehen aushilft, auch wenn dieſe zum 
Weiterſpielen beſtimmt ſein ſollen. Die Darlehen 
find deshalb nach 8 607 ff. BGB. klagbar. Das OLG. 
hat die Berufung des Klägers zwar zurückgewieſen, 
die Darlehensverträge aber nach 8 138 BGB. als 
nichtig erklärt mit folgenden Erwägungen: Die An— 
wendung des deutſchen Rechts iſt zu billigen. Der 
Zweck der Hingabe des Geldes iſt nicht zu billigen, 
auch wenn der Kläger aus Gutmütigkeit gehandelt 
hat. Das zum Spiel bei einer Spielbank gegebene 
Darlehen iſt ein vom Geſetze verpöntes Geſchäft. Hier— 


für ſpricht ſchon das Reichsgeſetz vom „ nt DN 


13. Mai 1871 


len, um vorher dort erlittene Verluſte wieder einzu- 
bringen. Es würde mit den allgemeinen Anſchauungen 
von Recht und Billigkeit nicht zu vereinigen ſein, 
wenn man, auch ohne den Hinzutritt beſonderer er— 
ſchwerender Umſtände, ſagen wollte, der Darlehens— 
geber habe ſich dadurch gegenüber dem Darlehens— 
empfänger einer gegen die guten Sitten verſtoßenden 
Handlungsweiſe ſchuldig gemacht. Solche Umſtände 
ſind aber bisher nicht in zureichender Weiſe feſtgeſtellt. 
Dem Kläger hat bei ſeinem Tun jede eigennützige 
Abſicht gefehlt, der Beklagte war nicht ein unerfah— 
rener Menſch, ſondern ſchon öfters in Montecarlo ge— 
weſen und konnte die Gefahren der Fortſetzung des 
Spieles im vollen Umfange beurteilen. In Frage 
kommt daher nur noch, ob der Kläger mit Rückſicht 
auf das, was ihm über die Vermögenslage des Be— 
klagten bekannt war, davon hätte Abſtand nehmen 
müſſen, dem Beklagten die Darlehen zum Weiter— 
ſpielen zu geben und ob von dieſem Geſichtspunkte 
aus die Handlungsweiſe des Klägers als gegen die 
guten Sitten verſtoßend zu erachten iſt. Die vom 
OLG. feſtgeſtellten Umſtände reichen nicht aus, den 
Vorwurf zu rechtfertigen, daß der Kläger durch die 
Gewährung der Darlehen gegen die guten Sitten 
verſtoßen habe. (Urt. des III. 35. vom 30. Januar 
1908, VI 154/1907). 
1209 


166 


III. 


Unter welchen Vorausſetzungen kann bei einem Eiſen⸗ 
der Keiser anf Grund des „ Erſatz 
der Neiſeksſten und Schadenserſatz für Beſchädigung von 
Sachen verlangt werden? Verjährung ſolcher Anſpräche. 
Beweislaſt. Aus den Gründen: 1. Der Anſpruch 
des Klägers auf Erſatz der Reiſekoſten und des Sach⸗ 
ſchadens (Beſchädigung von Kleidern) ſtützt ſich auf 
den Beförderungsvertrag. Die Annahme des Be- 
rufungsgerichts, daß der erſt ein Jahr nach dem Un⸗ 
fall durch Klage geltend gemachte Anſpruch gemäß 
8 638 BGB. verjährt fei, trifft nur für die Reife- 
koſten zu. Der Kläger verlangt, weil ihn der Be⸗ 
klagte nicht an das Reiſeziel befördert habe, Rück⸗ 
erſtattung des Preiſes der Rückfahrkarte ſowie Erſatz 
der Zehrungskoſten am Tage des Unfalls und am 
folgenden Tage. Die Rückforderung des Fahrgeldes 
ſteht der Wandelung gleich, und auch der Anſpruch 
auf Erſatz für den Aufwand infolge des durch die 
Zugsentgleiſung erzwungenen Reiſeaufenthalts ſteht 
im unmittelbaren Zuſammenhang mit der Nicht- 
erfüllung des Beförderungsvertrags. Für ſolche 
Schäden bleibt es bei der kurzen Verjährung des 
8 638 Abſ. 1, und mit Recht ift die Klage zu dieſem 
Punkte abgewieſen worden. , 

2. Die ſechsmonatige Verjährung greift jedoch 
nicht Platz bei dem Sachſchaden, wie ihn der Kläger 
dargelegt hat. Hier gründet ſich der Schadenserſatz 
nicht auf den Mangel des gelieferten Werks, ſondern 
auf eine Vertragsverletzung, die durch poſitives Zu- 
widerhandeln gegen die pflichtmäßige Sorgfalt bei 
der Ausführung des noch nicht vollendeten Werks 
begangen worden iſt. Der erkennende Senat hat in 
dieſer Beziehung ſeine frühere Anſicht (JW. 1905, 
484) aufgegeben und ſich der des VII. Senats an⸗ 
geſchloſſen, daß die Anſprüche aus Beſchädigungen 
der Perſon oder der Sachen des Fahrgaſtes, die 
ſolchen Vertragsverletzungen entſpringen, der dreißig— 
jährigen Verjährung unterliegen (RG. 62, 119; 66, 16). 
Schadenserſatzpflichtig iſt der Beklagte, wenn ſeine 
Vertragsverletzung auf Verſchulden, Vorſatz oder Fahr— 
läſſigkeit beruht. Vorſatz ſcheidet hier aus. Das Land— 
gericht hat den Anſpruch, falls die Verjährung nicht 
durchgreife, als ſachlich unbegründet erachtet, weil die 
Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für eine eigene 
Fahrläſſigkeit des Beklagten oder für eine von ihm 
zu vertretende geliefert habe. Das Berufungsgericht 
iſt dem beigetreten. Die Vorinſtanzen haben die 
Frage nicht erörtert, wem hierfür die Beweislaſt 
zufalle. Sie ſind offenbar davon ausgegangen, daß 
der Kläger das Verſchulden des Beklagten zu be— 
weiſen habe. Das iſt jedoch irrig. Mit dem Be— 
förderungsvertrag hat der Unternehmer die Sorg— 
faltspflicht übernommen, den Reiſenden und die 
Sachen, die er bei ſich trägt, unbeſchädigt an das 
Reiſeziel zu bringen. Er hat alſo, wenn er dieſe 
Vertragsleiſtung nicht bewirkt, zu beweiſen, daß ihn 
kein Verſchulden treffe, weil er die erforderliche Sorg— 
falt bei Vorbereitung und Ausführung der Beförde— 
rung beobachtet habe. (Urt. des VI. ZS. vom 
13. Januar 1908, VI 189/07). —— — n. 

1218 

IV. 


Das Recht des Unternehmers eines Bauwerks auf 
Einräumung einer Sicherungshypothek erſtreckt ſich nicht 
nur auf Forderungen aus Arbeiten, die unmittelbar 
die Herſtellung des Bauwerks zum Gegenſtande haben. 
Aus den Gründen: Der Berufungsrichter verneint 
bezüglich zweier Poſten: 1. 701 M für Heranſchaffen 
des geſamten zum Bau erforderlichen Mauerſandes 
aus einer ca. 80 m entfernten Sandgrube ſowie für 
Abheben und Beſeitigen des dortigen Mutterbodens 
und Ausſchachten: 2. 100 M für das nachträgliche 
Einputzen von 67 Stück Fenſtern, das Vorliegen des 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


in § 648 BGB. vorgeſehenen geſetzlichen Titels zur 
Hypothek. Er nimmt an, daß dieſer nur für die Ver⸗ 
tragsforderungen des Unternehmers eines Bauwerks 
oder eines einzelnen Teiles eines ſolchen, nicht aber 
ſchlechthin für alle Arbeitsverträge gewährt werde, 
die in bezug auf einen Bau geſchloſſen werden. Mit 
Recht rügt die Reviſion, daß hierin eine zu enge Auf⸗ 
faſſung des Begriffs des Bau⸗Werkvertrages liegt. 
Der Berufungsrichter ſcheint unterſcheiden zu wollen 
zwiſchen Arbeitsleiſtungen, die unmittelbar die 
Herſtellung des Bauwerks zum Gegenſtande haben, 
und derjenigen Tätigkeit des Unternehmers, die nur 
mittelbar zu dem herzuſtellenden Bauwerk in Be⸗ 
ziehung ſteht, inſofern ſie die eigentliche Aufführung 
des Baues vorbereitet. Eine ſolche Unterſcheidung 
iſt aber nicht haltbar. Denn danach würde z. B. 
die Ausſchachtung des Baugrundes, die zweifellos zur 
Bautätigkeit gehört, nur den Charakter einer Vor⸗ 
bereitungshandlung haben. (Urt. des V. 35. vom 
22. Februar 1908, V 543/07). 
1231 


— — — n. 


V 


Die Anfechtung wegen Betrugs ſchließt die An⸗ 
ſechtung wegen Irrtums in fig Aus den Gründen: 
Der Reviſionsangriff, der ſich gegen die Verwerfung 
der Anfechtung des Vertrages aus dem Grunde des 
Irrtums richtet, iſt begründet. Der Berufungsrichter 
geht bei Verwerfung dieſes Rechtsbehelfs davon aus, 
daß die Anfechtung erft in der Berufung sinſtanz dieſes 
Prozeſſes, alfo nicht unverzüglich (8 121 BGB.) erklärt 
worden ſei. Demgegenüber weiſt die Reviſion darauf 
hin, daß der Beklagte ſchon in 1. Inſtanz den Vertrag 
wegen Betrugs angefochten habe, und meint, daß die 
Anfechtung wegen Betrugs die Anfechtung wegen 
Irrtums in ſich ſchließe. Es muß der Reviſion auch 
darin beigetreten werden, daß die Behauptung, es ſei 
jemand zur Abgabe einer Willenserklärung durch arg— 
liſtige Täuſch ung beſtimmt worden (8 123 BGB.), 
die Behauptung eines für die Willenserklärung kauſalen 
Irrtums (5 119 a. a. O.) in fi ſchließt, fo daß das 
Vorhandenſein einer Anfechtung wegen Irrtums nicht 


ſchon dann verneint werden kann, wenn bei Anfechtung 


eines Vertrages wegen Betruges nicht ausdrücklich 
auch der Irrtum als Anfechtungsgrund angegeben 
oder der § 119 a. a. O. in Bezug genommen iſt. Aus 
dieſem Geſichtspunkte wird alſo der Berufungsrichter 
die Frage, ob eine unverzügliche Anfechtung des 
Vertrages aus dem Grunde des Irrtums vorliegt, 
wenn es auf ſie ankommt, anderweit zu prüfen und 
zu entſcheiden haben. (Urt. des V. 35. vom 19. Fe- 
bruar 1908, V 360/07). 
1228 


— — gn. 


B. Strafſachen. 
1 


Telephoniſch aufgegebenes Telegramm als beweis⸗ 
erhebliche Urkunde (§ 267 StGB.). . . . Mit Recht hat 
der Erſtrichter in dem vom Angeklagten aufgegebenen 
Telegramm eine Privaturkunde erblickt und dabei dem 
Umſtande keine ausſchlaggebende Bedeutung zuge— 
meſſen, daß der Angeklagte die Originaldepeſche nicht 
niederſchrieb und dem Aufgabebeamten übergab, 
dieſer vielmehr auf mündliches Erſuchen des Ange— 
klagten das Telegramm der Ankunftsſtation tele- 
phoniſch übermittelt hat und es erft vom Poſtbeamten 
dortſelbſt ſchriftlich niedergelegt worden ift (vgl. Entſch. 
d. RG. Bd. 8 S. 99/101). Daß dieſe Privaturkunde 
zum Beweiſe von Rechten von Erheblichkeit war, er— 
achtet der Erſtrichter „mit Rückſicht auf ihren Inhalt“ 
für „zweifellos“. Wenn er diefe Annahme auch nicht 
näher begründet, ſo ſchließt doch ſeine Bezugnahme 
auf den dahier wiedergegebenen Inhalt: „Frau H., 
Köln... Willy tot. Sofort kommen. Frau D.“ den Ber- 


—— e — nn tree ER 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


dacht aus, daß er etwa von der rechtsirrigen An- 
ſchauung ausgegangen iſt, das Telegramm als ſolches 
ſei ſchon durch die bloße Tatſache ſeines Daſeins zum 
Beweiſe von Rechten oder Rechtsverhältniſſen erheblich 
(ugl. Entſch. d. RG. Bd. 37 S. 5, Bd. 31 S. 42). Da 
nun dieſer Inhalt für die Entſtehung des Anſpruchs 
der Empfängerin an die angebliche Abſenderin auf 
Erſatz etwaiger Auslagen und ſonſtiger Schäden bes 
weiserheblich ift, falls die erſtere infolge des Teles 
gramms die Reiſe von C. nach P. antrat oder im 
Hinblick auf das angebliche Ableben ihres Kindes Auf: 
wendungen machte, unterliegt die Annahme des Erſt⸗ 
richters keinem Bedenken. (Urt. des V. StS. vom 
7. Januar 1908, 5 D 940/07). 
1200 


— — — e — 


II 


Anzeigepflicht der nach 8 257 oder 3 346 StGB. 
ſtrafbaren Perſon ? (5 264 StBO.). F. hatte ſich einer 
Uebertretung des Wildſchongeſetzes ſchuldig gemacht. 
Der Angeklagte, Gemeindeförſter E., hat in dem Beit- 
punkt, in dem er davon Kenntnis erhielt, nach den 
Feſtſtellungen des Urteils durch darin näher bezeich⸗ 
mete Handlungen, die auf eine Vereitelung des Straf— 
anſpruchs abzielten, den Tatbeſtand zu verdunkeln ges 
ſucht, während es ſeine Amtspflicht geweſen wäre, 
die Uebertretung des F. anzuzeigen. Der Angeklagte 
iſt wegen Unterlaſſung der Verfolgung einer ſtraf— 
baren Handlung nach § 346 StGB. — erſte Alter⸗ 
native — zu Strafe verurteilt. Auf ſeine Reviſion 
wurde das Urteil aufgehoben und in den Gründen 
u. a. ausgeführt: Der Angeklagte hätte der ihm an 
ſich obliegenden Verpflichtung zur Verfolgung der 
ſtrafbaren Handlung nicht nachkommen können, ohne 
zugleich auch ſich ſelbſt die Verfolgung wegen ſeiner 
auf die Vereitelung der Beſtrafung des F. gerichteten 
poſitiven Tätigkeit zuzuziehen. Damit entfiel für ihn 
die Verpflichtung zur amtlichen Tätigkeit in ſeiner 
Eigenſchaft als eines vermöge ſeines Amtes zur Mit⸗ 
wirkung bei Ausübung der Strafgewalt berufenen 
Beamten. Nach dem der Vorſchrift des § 54 StPO. 
zugrunde liegenden, in Entſch. d. RG. Bd. 3 S. 1, 
Bd. 31 S. 196 anerkannten Grundſatze, daß eine Rechts⸗ 
pflicht zur Anzeige oder ſonſtigen Verfolgung der 
eigenen ſtrafbaren Handlung nicht beſteht, erliſcht die 
Pflicht zur Verfolgung des fremden Täters nicht nur 
für denjenigen Beamten, welcher Teilnehmer der 
Haupttat im engern Sinne, alſo Anſtifter oder Ge— 
hilfe iſt, ſondern auch für denjenigen, der nach voll— 
endeter Tat in einer nach SS 257 oder 346 StGB. 
ſtrafbaren Weiſe zugunſten des Täters poſitiv wirk— 
fam geworden ift. Die Beſtrafung des Angeklagten 
konnte alſo auf Grund der erſten Alternative des 
8 346 StGB. nicht erfolgen. Sie kann auch nicht mit 
der Erwägung aufrecht erhalten werden, daß nach 
den Feſtſtellungen des angefochtenen Urteils jedenfalls 
die zweite Alternative gegeben iſt. Denn der Tat— 
beſtand dieſer zweiten Alternative iſt weſentlich anders 
und ihre Subſtituierung könnte nicht erfolgen, ohne 
daß der Angeklagte auf die Veränderung des recht— 
lichen Geſichtspunktes aufmerkſam gemacht iſt (8 264 
StPO.). Das Urteil war daher aufzuheben. (Urt. des 
V. St S. vom 3. Januar 1908, 5 D 879/07). 

1202 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 
‚ Muveräußerliche Nutzungsrechte an Familiengütern, 
die fi anf Beſtimmungen nach § 104 der VII. Verf.⸗ 
Beil. gründen, fallen nicht unter § 1010 BB. und 
deshalb auch nicht unter 8 71 der VO. vom 23. Juli 
1898 über die Anlegung des Grundbuchs. Den beiden 
Zweiglinien der Freiherrn von T., L.ſcher Linie R.⸗T. 


| 


167 


und W.-3., Steht an Grundbeſitzungen im Bezirke des 
Amtsgerichts B. das Miteigentum zu je einem Hälfte⸗ 
anteile zu. Dieſes Rechtsverhältnis ift im Hypotheken⸗ 
buch eingetragen. Nach den Familienverträgen ſind 
die Beſitzungen in dem Sinne unveräußerlich, daß 
die Veräußerung an die Zuſtimmung aller Anwärter 
gebunden iſt. Durch Familienvertrag vom 19. November 
1818 vereinbarten die damaligen Inhaber des Kon— 
dominats Freiherr Karl von R.⸗T. und die Freiherrn 
Karl und Philipp von W.⸗Z. „zur Vermeidung der 
aus dem ungeteilten Beſitz hervorgehenden Beſchwer⸗ 
lichkeiten“ unter ausdrücklicher Aufrechthaltung des 
Kondominiums und der Unveräußerlichkeit feiner Be- 
ſtandteile eine „Brivatabteilung des Beſitzes und Ge- 
nuſſes der bisher im Geſamtbeſitze geweſenen Familien- 
fideikommiß⸗ und Lehengüter“. Nach der Allodifikation 
der Lehengüter wurde dieſe „Güterteilung“ in einem 
Familienvertrage vom 22. April 1850 beſtätigt und 
ſodann in das Familienſtatut vom Jahre 1862 über⸗ 
nommen, in dem unter Bezugnahme auf $ 104 der 
VII. Beil. z. Vu. die maßgebenden „Familienbeſtim- 
mungen“ zuſammengefaßt wurden. Aus Anlaß der 
Anlegung des Grundbuchs ſtellte der Frhr. von 
T. ſche Rentamtmann im Auftrage der Freiherrn von 
T. aus den Linien T.⸗R. und W.⸗Z. im Anmeldungs⸗ 
verfahren den Antrag, das „Nutznießungsrecht“ der 
Zweiglinien an den im gemeinſchaftlichen Eigentum 
der Freiherrn von T., L.ſcher Linie, ſtehenden Grund- 
ſtücken einzutragen. Das Hypothekenamt lehnte die 
Eintragung ab, weil bei der Unveräußerlichkeit der 
Familiengüter Sondernachfolger im Sinne des 8 1010 
BGB. nicht in Frage kämen. Die Beſchwerde wurde 
zurückgewieſen. Auch die auf die Verletzung der Art. 184 
und 189 Abſ. 1 EG. z. BGB. geſtützte weitere Beſchwerde 
der Freiherrn von T. iſt zurückgewieſen worden. 
Gründe: Das LG. hat nicht verkannt, daß die 
in dem Familienſtatute zuſammengefaßten Beſtim— 
mungen der Familienverträge, auf denen die Nutzungs- 
rechte der Zweiglinien der freiherrlichen Familie be— 
ruhen, nach dem Art. 58 Abſ. 2 EG. z. BGB. — vor⸗ 
behaltlich der Beſtimmung des Art. 61 EGG. — von 
dem Inkrafttreten des BGB. unberührt geblieben ſind. 
Es hat ſeiner Entſcheidung die Beſtimmungen des 
Familienſtatuts zugrunde gelegt und aus ihnen ohne 
Rechtsirrtum entnommen, daß die Nutzungsrechte der 
Zweiglinien nicht Nießbrauchsrechte des gemeinen 
Rechtes, ſondern Beſtandteile der beſtehenden Ordnung 
der Familienverhältniſſe im Sinne des 8 104 der VII. 
Beil. z. BU. find. Mit einem Nießbrauch als Recht 
an fremder Sache hätten die zum gemeinſchaftlichen 
Vermögen gehörenden Grundſtücke für jede Zweiglinie 
belaſtet werden können (Windſcheid-Kipp, Pandg. 
9. Aufl. Bd. 1 8 200 Note 4, $ 205 zu den Noten 7, 8), 
ſo daß das Nutzungsrecht zum Teil auf Miteigentum, 
zum Teil auf Nießbrauch beruhen würde. Nach dem 
Familienſtatut übt aber jede Zweiglinie in Anſehung 
der ihr zugewieſenen Grundſtücke das gemeinſchaftliche 
Eigentum unter den im Familienſtatute beſtimmten 
Beſchränkungen ungeteilt aus, die gemeinſchaftlichen 
Grundſtücke ſind nicht mit Rechten belaſtet, die dem 
Eigentum ſelbſtändig gegenüberſtehen, ſondern „zum 
Zwecke der höheren Kultur und vorteilhafteren Be— 
nützung der Güter“ den Miteigentümern als Teilhabern 
des gemeinſchaftlichen Vermögens zum Beſitz und 
Genuß überwieſen. Die Nutzungsrechte ſind deshalb 
nicht in der Weiſe wie der Nießbrauch des gemeinen 
Rechtes veräußerlich, ſondern ebenſo wie das Miteigen— 
tum ſelbſt unveräußerlich. Angeſichts der Unveräußer— 
lichkeit fallen die Beſtimmungen der Familienverträge 
über die Nutzungsrechte auch nicht unter die Vorſchrift 
des $ 1010 BGB. Demzufolge findet die Vorſchrift 
des 8 21 der VO. vom 23. Juli 1898, die Anl. d. 
Grundb. betr., auf die Nutzungsrechte keine Anwendung 
und es kommt der öffentliche Glaube des Grundbuchs 
für ſie als Ausflüſſe der durch die Familienverträge 


168 


geordneten Familien- und Güterverhältniſſe nur injo- 
weit in Betracht, als die Unveräußerlichkeit des ge⸗ 
meinſchaftlichen Grundbeſitzes zum Sause gegen ihn 
der Eintragung bedarf. (Beſchl. d. I. ZS. vom 24. 
W. 


Januar 1908; III a 
1214 


Geiſteskrankheit der Eltern rechtfertigt die Anord- 
nung der Zwangserziehung der Kinder nicht, kaun aber 
die Vormundſchaft veranlaſſen, von dem Rechte Gebrauch 
zu machen, den Aufenthalt a Mündels zu beftimmen. 
(omong eracgung Art. 1, BGB. §8 1631, 1800, 

1837). Die Bauerseheleute Johann und Margarete F. 

in G. leiden an chroniſcher Verrücktheit; ſie fürchten 
insbeſondere, daß ihre Kinder verfolgt und ihnen ent⸗ 
zogen werden, und haben ſie aus dieſem Grunde ſeit 
dem Jahre 1903 vom Schulbeſuche ferngehalten. Für 
die beiden noch minderjährigen Kinder, die ſich bei 
den Eltern befinden, iſt ein W. in G. Vormund. 
Wegen der ſtändigen Schulverſäumniſſe der F. Kinder 
hat das Bezirksamt bei dem Vormundſchaftsgerichte 
die Zwangserziehung beantragt. Das Vormundſchafts⸗ 
gericht hat den Antrag abgelehnt, weil die jetzt der 
Schule entwachſenen Kinder trotz der Schulverſäum— 
niſſe gut leſen und ſchreiben könnten und ihr ſitt⸗ 
liches Verhalten zu keiner Klage Anlaß gebe. Die 
Beſchwerde des Bezirksamts, das in der Unterlaſſung 
des Schulbeſuchs eine erhebliche Beeinträchtigung des 
geiſtigen Wohles der Kinder fand und deren ſittliche 
Verwahrloſung befürchtete, wurde als unbegründet 
zurückgewieſen. Das Bezirksamt legte weitere Pe- 
ſchwerde ein, die es unter Vorlegung eines amtsärzt⸗ 
lichen Gutachtens damit begründete, daß die Gefahr 
der Uebertragung der Geiſteskrankheit der Eltern auf 
die Kinder beſtehe. Das Obe G. hat das Rechtsmittel 
zurückgewieſen. 

Gründe: Das Gutachten kann nicht berückſichtigt 
werden, weil die weitere Beſchwerde nach § 27 JGG. 
nicht auf neue Tatſachen und Beweiſe, ſondern nur 
darauf geſtützt werden kann, daß die angefochtene 
Entſcheidung auf Verletzung eines Geſetzes im Sinne 
des § 550 ZPO. beruhe. Das über die weitere Be: 
ſchwerde entſcheidende Gericht hat nur die Rechtsfrage 
zu prüfen und dabei die vom Beſchwerdegericht ohne 
ſolche Verletzung des Geſetzes feſtgeſtellten Tatſachen 
zugrunde zu legen. Eine Verletzung des Geſetzes iſt 
nicht zu finden, insbeſondere ſteht körperliche Ver— 
wahrloſung der beiden Minderjährigen im Sinne des 
Art. 1 Abſ. 1 Ziff. 1 des Gef. vom 10. Mai 1902 nicht 
in Frage. Die Minderjährigen ſollen nicht zu dem 
Zwecke anderwärts untergebracht werden, um ſie vor 
den das körperliche Wohl ſchädigenden Wirkungen 
eines Mangels an dem für die Bedürfniſſe des Körpers 
Notwendigen zu bewahren, ſondern es ſoll die Gefahr 
abgewendet werden, die ihrer geiſtigen Geſundheit 
durch den Verkehr mit den geiſteskranken Eltern droht. 
Das LG. hat die Möglichkeit einer Uebertragung der 
Verrücktheit auf ſie keineswegs verkannt, darin aber 
keinen Grund zur Anordnung der Zwangserziehung 
gefunden. Dieſe Auffaſſung entſpricht dem Sinne des 
Geſetzes. Es handelt ſich nicht darum, den Minder⸗ 
jährigen durch eine der für die Zwangserziehung vor— 
geſehenen Maßregeln eine gedeihliche Erziehung zu 
verſchaffen, ſondern um Vorkehrungen, die geeignet 
ſind, eine ſchädliche Beeinfluſſung des Geiſteszuſtandes 
der Minderjährigen durch die geiſteskranken Eltern zu 
verhüten. Solche Vorkehrungen zu treffen, iſt zunächſt 
Sache des Vormundes, dem nach § 1793 BGB. die 


Jeitſchrift für Rechtspflege i in n Bayern. 1908. 


Sorge für die Perſon des Mündels obliegt und der 


nach den 88 1631, 1800 auch das Recht hat, den 
Aufenthalt des Mündels zu beſtimmen. Dabei hat 
das Vormundſchaftsgericht ihn nach § 1837 zu beauf- 
ſichtigen und es wird ihm gegebenenfalls Anleitung 
erteilen. (Beſchluß des I. ZS. vom 14. Januar 1908, 
a u 4/08). W. 


| 


na F 
III. 
Kichtpunkte für die Feſtſetzung der dem 8490 
pfleger zu gewährenden Vergütung (BGB. 


1836, 1915). Nach dem Tode des Kaufmanns 12 L. 
deſſen Erben nur teilweiſe bekannt waren, beſtellte das 
Amtsgericht den Rechtsanwalt B. in M. zum Nachlaß⸗ 
pfleger. Nach Ermittelung der Erben erſtattete der Nach- 
laßpfleger einen Schlußbericht, in dem er Rechnung legte 
und 1500 M beanſpruchte, ohne über den Umfang der 
Geſchäfte nähere Angaben zu machen. Das Nachlaß⸗ 
gericht hob die Nachlaßpflegſchaft auf und bewilligte 
dem Nachlaßpfleger in Anbetracht des Beſtandes des 
Nachlaſſes, der geleiſteten Arbeit und der mit ſeinem 
Amte verbundenen Haftung 1500 M Feinſchließlich 
aller Schreibauslagen“. Ein Erbe legte Beſchwerde 
mit dem Antrag ein, die Vergütung herabzuſetzen. 
Das LG. änderte, ohne den Nachlaßpfleger zu hören 
und ohne das Nachlaßgericht zur Angabe der etwa 
aus den Nachlaßakten nicht erſichtlichen Umſtände zu 
veranlaſſen, die für die Beſtimmung der Höhe der 
Vergütung maßgebend waren, die Verfügung des 
Nachlaßgerichts dahin, daß die Vergütung des Nach⸗ 
laßpflegers — mit Ausſchluß des Erſatzes der Muf- 
wendungen — auf 500 M feſtgeſetzt wurde. Dieſe 
Entſcheidung begründete es damit, daß bei der Feſt⸗ 
ſetzung der Vergütung die Auslagen außer Betracht 
zu laſſen ſeien, daß es ſich einerſeits um ein beträcht⸗ 
liches Nachlaß vermögen und um eine erhebliche Arbeits- 
leiſtung handle, anderſeits die Aufgabe des Pflegers 
verhältnismäßig einfach geweſen ſei, insbeſondere 
ſchwierige Rechtsfragen nicht zu behandeln geweſen 
feien, und der Beſchwerdeführer dem Pfleger „aus- 
giebigſte Beihilfe“ geleiſtet habe. Rechtsanwalt B. 
hat weitere Beſchwerde eingelegt. Das Obs. hat 
ihr ſtattgegeben, die Entſcheidung inſoweit, als die 
Bewilligung einer den Betrag von 500 M über- 
ſteigenden Vergütung abgelehnt iſt, aufgehoben und 
die Sache zur anderweitigen Entſcheidung zurück⸗ 
verwieſen. 

Aus den Gründen: Bei der Feſtſetzung der 
Vergütung hat das Beſchwerdegericht mit Recht et⸗ 
waige Auslagen außer Betracht gelaſſen und anheim— 
gegeben, ſie geſondert geltend zu machen. Hiergegen 
hat auch der Beſchwerdeführer nichts erinnert. Nach 
den Vorſchriften der SS 1960, 1915, 1836 BGB. ſteht 
es, wenn beſondere Gründe für die Bewilligung einer 
Vergütung für die Tätigkeit des Nachlaßpflegers vor⸗ 
liegen, im Ermeſſen des Nachlaßgerichts, ob und in 
welcher Höhe eine Vergütung bewilligt werden ſoll. 
Dabei hat das Nachlaßgericht einerſeits den Beſtand 
des Nachlaßvermögens, anderſeits den Umfang und 
die Bedeutung der Geſchäfte der Pflegſchaft in Betracht 
zu ziehen. Die Feſtſetzung der Vergütung ſetzt Kenntnis 
der ganzen Tätigkeit des Pflegers voraus, für die die 
Vergütung gewährt werden ſoll. Soweit dieſe Kenntnis 
nicht ſchon aus den Akten gewonnen werden kann, iſt 
es zunächſt Sache des Pflegers, die Umſtände darzu⸗ 
legen, die nach feiner Anſicht die gewünſchte Ber- 
gütung rechtfertigen. Nach der Vorſchrift des Abſ. 2 
des § 1836 ſoll deshalb vor der Bewilligung der 
Vergütung der Pfleger gehört werden, damit er ſein 
Intereſſe wahrnehmen kann. Hier hat der Beſchwerde⸗ 
führer es nicht für erforderlich erachtet, dem Nachlaß— 
gerichte gegenüber den Umfang ſeiner Tätigkeit näher 
darzulegen, daraus folgt aber nicht, daß er nicht in 
der Lage war, Umſtände anzuführen, die neben dem, 
was aus den Nachlaßakten zu entnehmen war, Bes 
achtung verdienten. Dem Beſchwerdegerichte mochte 
ohne weiteres klar ſein, daß die vom Nachlaßgerichte 
bewilligte Vergütung zu hoch war; aber eine ver— 
läſſige Grundlage für die Entſcheidung darüber, wie 
weit es in der Herabſetzung zu gehen hatte, lag ihm 
in dem Inhalte der Nachlaßakten allein nicht vor. 
Aus dieſen waren nur die Ergebniſſe der Tätigkeit 


des Pflegers zu erſehen, daraus konnte der mutmaß⸗ 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


Kihe Aufwand des Pflegers an Zeit und Mühe ent- 
nommen werden, es blieb aber die Möglichkeit, daß 
eine viel umfangreichere Tätigkeit erforderlich geweſen 
iſt. Da der Pfleger ſich hierüber noch nicht geäußert 
Hatte, erforderte es der Zweck des $ 1836 Abſ. 2, wenn 
Das Beſchwerdegericht nach dem Inhalte der Nachlaß⸗ 
akten die vom Pfleger und vom Nachlaßgerichte feſt⸗ 
geſetzte Bergütung auf wenig mehr als ½ herabſetzen 
zu ſollen glaubte, ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung 
ſeines Anſatzes zu geben. Durch das Ermeſſen des 
Beſchwerdegerichts, das nach dem § 1836 Abſ. 1 für 
die Beſtimmung der Höhe der Vergütung maßgebend 
war, konnte die unzulängliche Kenntnis des Umfanges 
der Tätigkeit des Pflegers nicht erſetzt werden, an die 
Beſtimmung der Höhe der Vergütung konnte erſt 
herangetreten werden, wenn die zu vergütende Tätig⸗ 
keit bekannt war. Die Geſchäfte, die der Beſchwerde⸗ 
führer im Auftrag eines Teiles der bekannten Erben 
vorgenommen hat, gehören nicht zu den Geſchäften 
der Pflegſchaft und kommen hier nicht in Betracht. 
Da die Möglichkeit beſteht, daß die Erläuterungen, 
die der Beſchwerdeführer etwa gibt, und gegebenen— 
falls die Einſicht der Handakten eine höhere als die 
vom Beſchwerdegerichte feſtgeſetzte Vergütung redt- 
fertigen, muß die angefochtene Entſcheidung, ſoweit 
fie die Bewilligung einer den Betrag von 500 M 
überſteigenden Vergütung abgelehnt hat, aufgehoben 
und die Sache an das Beſchwerdegericht zurückver— 
wieſen werden. (Beſchl. des I. ZS. vom 7. Februar 
1908, Reg. III 11/08). W. 
1222 


B. Strafſachen. 


In dem eig, ele des Hanſes beim Umzuge einer 
Perſon kann eine Beleidigung liegen. Als der Privat- 
kläger aus feiner 50 Meter von dem Haufe des Ans 
geklagten gelegenen Wohnung auszog, hißte der mit 
ihm ſchon längere Zeit verfeindete Angeklagte auf 
ſeinem Hauſe eine Fahne. Die Nachbarn gewannen 
den Eindruck, daß das Aufziehen der Fahne dem Um— 
zuge des Privatklägers und damit dieſem ſelbſt gelte. 
Der Angeklagte wurde in allen Inſtanzen verurteilt. 


Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 


Das Reviſionsgericht billigt in erſter Linie die Auf— 
ſtellung der Strafkammer, daß die Perſon, gegen 
welche ſich eine Kundgebung richtet, nicht mit Namen 
bezeichnet zu werden braucht, daß vielmehr jede nur 
erkennbare Beziehung auf eine beſtimmte Perſon ge— 
nügt. Sodann führt es weiter aus: Eine Beleidigung 
im Sinne des 8 185 StGB. ift jede gegen die Ehre 
einer beſtimmten Perſon gerichtete, vorſätzliche und 
rechtswidrige Kundgebung. Sie kann auch in einer 
an ſich nicht ehrverletzenden Aeußerung oder Hand— 
lung gefunden werden, wenn ſie in der Abſicht, die 
Verhöhnung, Verachtung oder Geringſchätzung eines 
anderen zu erkennen zu geben, in einer Weiſe oder 
unter Verhältniſſen erfolgte, daß ihm jener Zweck 
ihrer Vornahme verſtändlich wurde. Dieſe Voraus— 
ſetzungen treffen hier zu. Das Aushängen der Fahne 
wurde von den wahrnehmenden mit der Feindſchaft 
zwiſchen den Parteien vertrauten Perſonen als eine 
gegen den Privatkläger gerichtete Kundgebung auf— 
gefaßt. Da das Beflaggen eines Hauſes in der Regel 
den Zweck hat, die Freude über ein glückliches Er— 
eignis oder ein Feſt zum Ausdruck zu bringen, ſo 
enthält es an ſich keine ehrverletzende Kundgebung. 
Hier haben aber die Untergerichte feſtgeſtellt, daß der 
Angeklagte mit dem Aufziehen der Fahne nur den 
Zweck verfolgte, den Privatkläger öffentlich zu ver— 
höhnen und ihn der allgemeinen Mißachtung aus— 
zuſetzen und darin konnte die Strafkammer ohne Ver— 
kennung des Rechtsbegriffes der Beleidigung ein Ver— 
gehen nach 8 185 StGB. erblicken, da die Kundgebung 


ſich nicht bloß gegen die Perſon des Privatklägers 
richtete, ſondern nach der Abſicht des Angeklagten 
gegen deſſen Ehre gerichtet ſein ſollte. (Urt. vom 
9. Januar 1908, Rev. Reg. 602/07). H. 

1204 


Oberlandesgericht München. 


u 8 826 BGB. Der Beklagte erhielt im Laufe 
von Verhandlungen über den Ankauf einer für ihn 
beſonders herzuſtellenden Zimmereinrichtung vom 
Kläger verſchiedene Photographien der hierzu ge- 
hörigen Möbelſtücke nach den hierzu von letzterem 
gefertigten Entwürfen ausgehändigt, um ſie ſeiner 
Braut vorzeigen zu können. Der Beklagte hat dieſe 
Photographien kurze Zeit einem anderen Möbel- 
verfertiger überlaſſen und dann von dieſem eine nach 
dieſen Photographien hergeſtellte Zimmereinrichtung 
gekauft. Der Preis für letztere betrug einige Hundert 
Mark weniger als der vom Kläger geforderte Kauf— 
preis. Der Kläger verlangte vom Beklagten Bezahlung 
von 400 M. Das LG. hat der Klage ſtattgegeben auf 
Grund der Vorſchriften über ungerechtfertigte Be— 
reicherung (SS 812, 818 BGB.), hat aber den § 826 
BGB. für nicht anwendbar erachtet, weil eine Schadens- 
zufügung nicht erwieſen ſei. Das OLG. führte dagegen 
folgendes aus: Wenn auch der Beklagte die Photo— 
graphien nicht mit der Abſicht ſich aushändigen hat 
laſſen, um ſich anderweitig die Möbel billiger als 
beim Kläger zu verſchaffen, ſo widerſpricht doch ſein 
nachträgliches Verhalten dem Anſtandsgefühle. Da 
der Kläger die nach feinen eigenen Entwürfen her: 
geſtellten Photographien dem Beklagten zu dem be— 
ſtimmten Zwecke der Vorzeigung bei deſſen Braut 
überlaſſen hat, ſo konnte er auch erwarten, daß der 
Beklagte die Photographien zu keinem anderen Zwecke 
benützt. Die Mitteilung der Photographien an den 
Konkurrenten des Klägers zum Zwecke der Benützung 
verſtieß gegen die guten Sitten, um ſo mehr, als da— 
durch gerade der Mangel des geſetzlichen Schutzes vom 
Beklagten ausgenützt wurde und die Handlungsweiſe 
des letzteren deſſen eigenen Vorteil unter mißbräuch— 
licher Ausnützung des Vertrauens des Klägers be— 
zweckte. Die Schadenszufügung liegt allerdings nicht 
in dem Entgange des Gewinnes, weil der Beklagte 
bei ihm die Möbel nicht zu kaufen verpflichtet war, 
ſondern in der durch den Beklagten herbeigeführten 
geſchäftlichen Ausbeutung des Entwurfes des Klägers 
durch deſſen Konkurrenten, welche die eigene Benützung 
der fraglichen Entwürfe dem Kläger entwertete. Ohne 
die gegen die guten Sitten verſtoßende Handlungsweiſe 
des Beklagten wäre dieſer Schaden des Klägers nicht 
eingetreten, ſie war ſohin die mittelbare Urſache des 
letzteren. Der Vorſatz der Schädigung liegt in dem 
Bewußtſein des Beklagten von dem möglichen ſchäd— 
lichen Erfolge ſeines Handelns. (Urt. vom 7. Januar 
1908, Rev. Reg. Nr. 324/07 IV). V. —. 

1167 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Die Vereinbarung eines Ortes als Erfüllungsort 
für beide Teile bei einem Raufvertrage erſtreckt fih nicht 
auf den Wandel ungsanſpruch und die aus ihm fliehen: 
den Leiſtungsanſprüche. Der geſetliche Erfüllungsort hier: 
für ift der Ort, wo der Kaufgegenſtand zurückzugeben ift. 
Der zu A. wohnende Kläger hatte vom Beklagten 
einen Trockenbagger gekauft; als Erfüllungsort für 
beide Teile war der Wohnſitz des Beklagten, B., ver— 
einbart. A. erhob Mängelrüge und verlangte unter 
Friſtſetzung die Lieferung eines anderen Baggers, was 
verweigert wurde. Nunmehr begehrte der Kläger die 
Wandelung und erhob zu dem für A. örtlich zuftäns 


digen LG. F. Klage mit dem Antrage, die Wandelung 
als begründet zu erklären und den Beklagten zu ver- 
urteilen, daß er in ſie willige und an den Kläger gegen 
Herausgabe des Baggers, der ſich zu dem im Vertrage 
vorausgeſetzten Gebrauche in der — zum Bezirke des 
LG. F. gehörigen — Gemarkung O. befinde, die bare 
Anzahlung ſowie einen durch Wechſel bezahlten Be⸗ 
trag und ein laufendes Akzept zurückgebe, auch eine 
Entſchädigung für verurſachten Schaden entrichte. Die 
vom Beklagten vorgeſchützte Einrede der Unzuſtändig⸗ 
keit des Gerichts wurde vom LG. und vom OLG. 
verworfen. 

Aus den Gründen des Berufungsurteils: 
Die Zuſtändigkeit des LG. F. iſt gegeben, wenn es ſich 
um eine der in § 29 ZPO. bezeichneten Klagen hans 
delt und wenn F. das Gericht des Ortes iſt, wo die 
ſtreitige Verpflichtung zu erfüllen iſt. Beide Voraus⸗ 
ſetzungen ſind gegeben. I. Begehrt iſt Einwilligung 
in die Wandelung, Rückgabe des Geleiſteten und Er⸗ 
ſatz des durch mangelhafte Leiſtung zugefügten Scha⸗ 
dens. Es liegt ein ſeinem Rechtsgrund und ſeiner 
Natur nach einheitlicher Anſpruch auf Vertragsauf⸗ 
hebung vor, der darauf beruht, daß nicht vertrags⸗ 
mäßig geliefert ſei. Der Schadenserſatzanſpruch iſt 
nicht in einer ſelbſtändigen und eine eigene Zuſtändig⸗ 
keit begründenden, auf beſonderes Verſchulden ge⸗ 
ſtützten Klage erhoben. II. Die ſtreitige Verpflichtung 
iſt im Bezirke des LG. F. zu erfüllen. 1) Mit der 
Vereinbarung von B. als Erfüllungsort für beide 
Teile iſt für die Frage, ob in B. auch die ſtreitige 
Verpflichtung i. S. von § 29 ZPO. zu erfüllen fei, noch 
nichts geſagt. Denn ſtreitige Verpflichtung iſt nicht 
die vertragsmäßige Leiſtungspflicht des Verkäufers, 
ſondern, wie nun fajt allgemein anerkannt ift, die 
Verpflichtung, über die nach dem Klagantrag 
zu entſcheiden iſt, alſo bei einer Klage auf Ver⸗ 
urteilung ſtets die Verpflichtung des Beklagten, hier 
die zur Einwilligung in die Wandelung und zur Rück⸗ 
gabe des Empfangenen. Dieſe Verpflichtung ift nicht 
etwa an die Stelle der Kaufgeld verpflichtung getreten, 
ſondern durch die Entwicklung des Vertragsverhält— 
niſſes entſtanden (vgl. Hellwig Lehrb. II S. 253 f.). 
Die Vereinbarung von B. als Erfüllungsort 9271 
ſich alſo nicht auf die ſtreitige Verpflichtung. Auch 
wenn man davon ausgeht, daß ſich der Verkäufer 
tunlichſt einen ausſchließlichen Gerichtsſtand in B. 
ſchaffen wollte, daß der Wortlaut der Vereinbarung 
keine Begrenzung enthält, insbeſondere nicht die auf 
Lieferung und Zahlung wie in RGB. Bd. 57, 12, und 
daß auch zwiſchen direkten und indirekten Vertrags- 
wirkungen nicht ausdrücklich unterſchieden wurde, ſo 
ergibt die Erforſchung des wirklichen Willens der 
Parteien doch eine Begrenzung und Unterſcheidung: 
nur für die Erfüllung des Vertrags ſollte B. für beide 
Teile der vereinbarte Ort ſein, nicht etwa auch für 
Leiſtungen, die infolge einer nach Erfüllung des Ver— 
trages geltend gemachten Nichtigkeit oder Anfechtbar— 
keit gefordert werden konnten. Nur für die Erfüllung 
der Vertragspflichten iſt ein beſtimmter Ort verein— 
bart worden, nicht ein Gerichtsſtand für alle 
zwiſchen den Parteien aus dem Vertrage 
entſtehenden Streitigkeiten. (Aehnlich OLG. 
Marienwerder Recht 1906 S. 50 Nr. 27). 2) Für die 
hiernach ſich ergebende Frage, wo die ſtreitige Ver— 
pflichtung mangels einer Vereinbarung nach geſetz— 
licher Beſtimmung zu erfüllen iſt, entſcheidet wieder 
der als Hauptanſpruch geltend gemachte Anſpruch, daß 
die Wandelung als begründet erklärt und das Ge— 
leiſtete zurückgewährt werde. Dieſe beiden Anſprüche 
find eine Einheit (f. JW. 1904 S. 552, Recht 1906 
S. 623, Bay 3ZfR. 1905 S. 443); fie beſtehen neben- 
einander, es geht nicht etwa der Anſpruch, die Be— 
rechtigung der Wandelung feſtzuſtellen, in der gleich— 
zeitig erhobenen Leiſtungsklage unter. Erfüllungsort 
wäre alfo an fih der Ort der Handelsniederlaſſung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


L 


1 


des Beklagten, d. i. B., wo die Einwilligung in die 
Wandelung zu erklären und der Kaufpreis zurückzu⸗ 
zahlen iſt. Es iſt aber auch der Kläger verbunden, 
den vertragsgemäß in O., Bezirks F., befindlichen 
Bagger zurückzugeben und der Beklagte kann die Zah⸗ 
lung bis zur Rückgabe verweigern. Von den drei 
hiernach für die Zuſtändigkeit in Frage kommenden 
Orten (Niederlaſſung des Käufers, Niederlaſſung des 
Verkäufers, Ort wo ſich der Kaufgegenſtand vertrags⸗ 
gemäß befindet) hat das RG. als Erfüllungsort den 
letztgenannten Ort bezeichnet, wo die Kaufſache zurück⸗ 
zugeben iſt. Die von den Gegnern der reichsgericht⸗ 
lichen Auffaſſung (Hellwig a. a. O. II S. 254, 250, 
Seuffert ZPO. zu § 29 Ziff. 4—6, Werner Recht 1902 
S. 338) geltend gemachten Gründe können für den 
vorliegenden Fall, wo der Kläger Zug um Zug leiſten 
und geleiſtet wiſſen will, ein Abgehen von der reichs⸗ 
gerichtlichen Rechtſprechung nicht rechtfertigen. Die 
Ausübung des beiden Teilen offenſtehenden Rechts 
der Erfüllung Zug um Zug erfordert einen einzigen 
Erfüllungsort. Nach der für die Zuſtändigkeit maß⸗ 
gebenden Behauptung der Klage hat der Beklagte die 
Wandelung verſchuldet; dem hierauf gegründeten An⸗ 
ſpruche des Klägers gegenüber kann der Beklagte nur 
die Rückgewähr des Baggers verlangen, nicht aber, 
daß der Kläger noch Aufwendungen mache, um ihm 
den Bagger in B. anzubieten. (Urt. v. 26. November 
1907, L. 120/07). 

1234 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


Landgericht München I. 


I. 


Wirkung der Konkursanfechtung auf den formellen 
Beſtand einer Pfändung. Auf Betreiben des Konkurs⸗ 
verwalters wurde die am 15. Februar 1905 (drei Tage 
vor Konkurseröffnung) gegen den Gemeinſchuldner W. 
betätigte Mobiliarpfändung als den Konkursgläubigern 
gegenüber nach § 30 KO. unwirkſam aufgehoben. Im 
Juli 1905 (nach Rechtskraft dieſes Urteils) wurde der 
Konkurs durch Zwangsvergleich erledigt und die Maſſe, 


darunter die Pfandobjekte, wurde dem Gemeinſchuldner 


überwieſen. Im November 1907 ließ der Gläubiger 
durch den Gerichtsvollzieher den Fortbeſtand der 
Pfändung nachprüfen und ſoweit erforderlich, die 
Pfandzeichen erneuern. Hiergegen erhob der Schuldner 
unter Berufung auf die rechtskräftige „Aufhebung“ 
der Pfändung Einwendungen, fie wurden jedoch zurück⸗ 
Erfolg. und die ſofortige Beſchwerde blieb ohne 
rfolg. 

Aus den Gründen: Durch das Urteil iſt die 
Pfändung nur den Konkursgläubigern gegenüber für 
unwirkſam erklärt; dieſe Unwirkſamkeit kann weder 
vom Gemeinſchuldner noch von einem Dritten geltend 
gemacht werden (Jaeger, KO. 2. Aufl. Anm. 22 zu 
829 KO.; Wilmowski 6. Aufl. Anm. 12 hierzu und 
Kleinfeller 4. Aufl. Anm. 17 bei Nr. 7). In der 
Richtung gegen den Gemeinſchuldner blieb daher die 
Pfändung trotz des Urteils wirkſam und deshalb war 
die Amtshandlung des Gerichtsvollziehers zuläſſig. 
Allerdings iſt möglich, daß auch der Gläubiger die 
Zwangsvergleichsquote angenommen hat, womit er 
befriedigt und fein Pfandrecht erloſchen wäre (Klein- 
feller $ 193 KO. Anm. 8; Seuff A. Bd. 50 Nr. 299). 
Zur Prüfung dieſes Punkts ift jedoch das Voll— 
ſtreckungsgericht und folgeweiſe das Beſchwerdegericht 
nicht zuſtändig, weil es ſich um einen Einwand nach 
§ 767 RPO. handelt, der nur mittels Klage verfolgt 
werden könnte. (Beſchl. vom 14. Dezember 1907; 
Beſchw.⸗Reg. Nr. 591/07). N. 

1173 


II 


Abänderung des 8 10 Zw. durch Vereinbarung. 
Sämtliche Beteiligte vereinbarten in einer Zwangs⸗ 
verwaltungsſache, daß die nach Berückſichtigung des 
§ 155 Abſ. 1 Zw. verbleibenden Ueberſchüſſe zunächſt 
zur Begleichung der rückſtändigen und laufenden 
öffentlichen Laſten verwendet und die Reſtbeträge un⸗ 
geſchmälert an die die Verwaltung betreibende Bank 
a conto der rückſtändigen und laufenden Zinſen, Bers 
zugszinſen, Koſten, Speſen und Proviſionen aus ihrem 
erſtſtelligen Hypothekkapital abgeführt werden ſollten. 
Die nachfolgenden Hypothekgläubiger verzichteten aus- 
drücklich auf Zahlung ihrer laufenden Hypothekzinſen 
aus der Maſſe Das Amtsgericht verweigerte den Boll- 
zug, weil die Heranziehung anderer Forderungen als 
der laufenden wiederkehrenden Leiſtungen und nach 


deren Deckung des Kapitals des Beſchlagnahmegläu⸗ 


bigers nach § 155 Abſ. 2 3wVG. außer dem Rahmen 
des Verfahrens liege. Der Beſchwerde der Gläu— 
bigerin wurde ſtattgegeben. 

Aus den Gründen: Für die formelle Beurs 
teilung der Beſchwerde ſind die Vorſchriften der ZPO. 
maßgebend, da ſie ſich nicht gegen eine Entſcheidung 
über den Zuſchlag richtet (Jaeckel, Zw. 2. Aufl. 
Vorbem. VII vor $ 95 S. 355). Sachlich kommt die 
Frage der Zuläſſigkeit einer abweichenden Verein— 
barung hier deshalb nicht in Betracht, weil die zu 
bevorzugenden Anſprüche, wenigſtens ſoweit es ſich 
um Rückſtände handelt, in die fünfte Klaſſe des § 10 
Zw VG. gehören; denn in dieſer Klaſſe find die Anſprüche 
des Gläubigers in Haupt- und Nebenſache ſowie die 
entſtandenen Koſten zu befriedigen. Ob der Anſpruch 
auf Leiſtung rückſtändiger Zinſen geht, iſt hierbei be— 
langlos. (Wolff, Zw. Anm. 11 zu § 10 und Anm. b 
Abi. 3 zu § 155; Jaeckel, ZVG. Anm. 8 und 11 zu 8 10 
und Anm. b Abi. 3 zu § 155). Daß aber die Be- 
teiligten eine Abweichung von der Rangordnung des 
$ 10 Zw. vereinbaren können, ſteht außer Zweifel. 


(Beſchl. vom 23. Dezember 1907; Beſchw.-Reg. 
Nr. 631/07). N. 
1174 


Literatur. 


Literatur zu dem neuen bayeriſchen Waſſergeſetze. 


1. Harſter, Dr. Theodor, Bezirksamtsaſſeſſor in Rel 
heim und Caſſimir, Dr. Joſeph. Direktionsaſſeſſor 
im Staatsminiſterium für Verkehrsangelegenheiten. 
Kommentar zum Bayeriſchen Waſſer— 
geſetze vom 23. März 1907, der VO. vom 1. De⸗ 
zember 1907 und der Bek. vom 3. Dezember 1907. 
München 1908, J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). 
Lieferung 1 bis 3, geh. insgeſamt Mk. 6.60. 


2. Eymann, Otto, Regierungsaſſeſſor in München. Das 
Waſſergeſetz für das Königreich Bayern 
vom 23. März 1907. Ansbach 1908, Verlag von 
C. Brügel und Sohn. Bd. J. Gebd. Mk. 5.50. 


3. Brenner, Guſtav, Miniſterialrat im Staatsminiſterium 
des Innern. Das Waſſergeſeß für das König— 
reich Bayern vom 23. März 1907. Handausgabe 
mit Einleitung und Erläuterungen ſowie mit einem 
Anhang und einem Sachregiſter. München 1908, 
C. H. Beck'ſche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck). 
Gebd. Mk. 6.50. 

Das bayeriſche Waſſergeſetz hat für die Juriſten 
und für die Verwaltungsbeamten neue, ſchwierige 
Probleme gebracht. Wer etwa die Meinung gehegt 
haben ſollte, mit der Erlaſſung des Geſetzes würde 
Klarheit über die zivilrechtlichen Grundlagen des 


Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 


Weſentliches beitragen. 


im Sommer vorigen Jahres erſchien. 


Waſſerrechts geſchaffen werden, wird ſchon bei einem 


flüchtigen Blick in die neuen literariſchen Hilfsmittel 


bitter enttäuſcht fein: die Streitfragen find eher zahl- 


171 


reicher als geringer geworden. Eben darum iſt aber 
auch die wiſſenſchaftliche Behandlung des Geſetzes eine 
dankbare Aufgabe. 

Unter den drei Bearbeitungen ſteht der große 
Kommentar von Dr. Harſter und Dr. Caſſimir 
weitaus an erſter Stelle. Wenn man, wie der Heraus⸗ 
geber einer juriſtiſchen Zeitſchrift, nahezu täglich ſo⸗ 
genannte „Kommentare“ in die Hand bekommt, die 
nichts ſind als mehr oder minder geſchickt ausgeführte 
Scheren⸗ und Klebarbeiten, atmet man förmlich auf, 
wenn man einmal eine wirklich wiſſenſchaftliche, ſelb— 
ſtändige Arbeit beſprechen darf, in der ein denkender 
und mit kritiſchem Geiſte ausgeſtatteter Verfaſſer 
eigene Wege geht. Dr. Harſter, der nicht der Lehre 
von den alleinſeligmachenden Motiven und Bericht⸗ 
erſtatter⸗Aeußerungen anhängt, hat ein ſolches Werk 
geliefert. Er durchforſcht mit einer ſtaunenswerten 
Gründlichkeit jede einzelne Frage und hat es gleich— 
wohl verſtanden, die Fülle des Stoffes in eine klare 
und überſichtliche Form zu bringen. Einen weiteren 
Vorzug hat der Kommentar durch die Mitarbeit eines 
Technikers erhalten, der unter Verwendung zahlreicher 
Abbildungen in leicht verſtändlichen Auseinander- 
ſetzungen dem Laien die Kenntnis der wichtigſten tech— 
niſchen Vorgänge vermittelt. Ich verweiſe beſonders 
auf die eingehenden Ausführungen über die techniſchen 
und wirtſchaftlichen Grundlagen der Waſſerkraftaus— 
nützung in den Vorbemerkungen zum Abſchnitt IV. 
(Lieferung 3 S. 250 ff.). 

Die Ausgaben von Eymann und Brenner 
greifen zwar nicht ſo tief wie der Kommentar von 
Harſter⸗Caſſimir; immerhin find auch fie beachtens— 
werte Leiſtungen, die ihrem Zwecke, als Hilfsmittel 
für den Handgebrauch zu dienen, durchweg gerecht 
werden, und zur Aufhellung des ſchwierigen Gebietes 
von der Pfordten. 


Guttentag'ſche Sammlung deutſcher Reichsgeſetze. 

In dieſer Sammlung find folgende neue Texts 
ausgaben erſchienen: 

Sydow, N., Unterſtaatsſekretär. Deutſches 
Gerichtskoſtengeſetz nebſt den Gebühren⸗ 
ordnungen für Gerichtsvollzieher und für 
Zeugen und Sachverſtändige Fortgeführt von 
L. Buſch, Reichsgerichtsrat. 8. vermehrte Auflage. 
Berlin 1907. Gebd. Mk. 2.— 

. Romen, Dr. iur. A., Wirkl. Geh. Kriegsrat. Geſetz 
über die Verſorgung der Perſonen der 
Unterklaſſen des Reichsheeres, der 
Kaiſerlichen Marine und der Kaiſer⸗ 
lichen Schutztruppen vom 31. Mai 1906. 
Nebſt dem Militärhinterbliebenengeſetz 
vom 17. Mai 1907. II. Teil der Militärpenſions⸗ 
geſetze. Berlin 1908. Gebd. Mk. 3.50 


Notiz. Die C. H. Beck'ſche Verlagsbuchhandlung 
hat einen Nachtrag zu der Ausgabe des Nachlaß— 
geſetzes von Staatsanwalt Haberſtumpf und Amts— 
richter Barthelmeß herausgegeben, deren 2. Auflage 
Er enthält 
außer den durch die Novelle vom 20. Auguſt 1906 
erfolgten Abänderungen des Gebührengeſetzes auch die 
Bek. vom 19. Auguſt 1906 über den Vollzug des 
Reichserbſchaftsſteuergeſetzes und Mitteilungen über 
zahlreiche nachträglich ergangene Entſcheidungen und 
Abhandlungen. Der Nachtrag iſt ſo eingerichtet, daß 
er leicht am Schluſſe der Ausgabe eingehängt werden 
kann. (Preis 20 Pfg.). 


Predari, C., Reichsgerichtsrat in Leipzig. Die Grun d— 
buchordnung vom 24. März 1897. Berlin 1907, 
Carl Heymanns Verlag. 850 Seiten. Preis 17 Mk., 
gebunden 20 Mk. 

Das vorliegende Werk iſt ein Teil des in Carl 


172 


Heymanns Verlag erſcheinenden bekannten großen 
Kommentars zum BGB. und ſeinen Nebengeſetzen, 
bildet aber für ſich ein vollkommen abgeſchloſſenes 
Ganzes. Es enthält in erſter Linie in der Form 
eines groß angelegten Kommentares eine Erläuterung 
der Beſtimmungen der GBO. und gibt daneben eine 
faſt 150 Seiten lange ſyſtematiſche Darſtellung des 
materiellen Liegenſchaftsrechtes, ſoweit es zum Ver⸗ 
ſtändniſſe der GBO. notwendig ift. Der Kommentar 
ſowohl wie dieſe ſyſtematiſche Darſtellung zeigen eine 
von wiſſenſchaftlichem Geiſte getragene, tief eindringende 
Behandlung des an ſchwierigen Fragen gewiß nicht 
armen Rechtsgebietes. Bei der klaren Darſtellungs⸗ 
weiſe, durch die ſich das Buch auszeichnet, und ſeiner 
reichen Kaſuiſtik habe ich keinen Zweifel, daß es ſich 
auch bei den Praktikern neben den anderen Dar- 
ſtellungen des neuen Liegenſchaftsrechtes ſeinen wohl 
verdienten Platz erringen wird. Zwar berückſichtigt 
es von den der Ausgeſtaltung der Grundbuchordnung 
dienenden dienſtrechtlichen Vorſchriften nur die preu⸗ 
ßiſchen und iſt ſomit vorzugsweiſe zum Gebrauch in 
Preußen beſtimmt. Aber auch demjenigen, der die 
preußiſchen Ausführungsvorſchriften nicht anzuwenden 
hat, macht ihre Berückſichtigung in dem Buche die 
Darſtellung immerhin anſchaulicher; ſie ſollte darum 
nicht hindern, daß das an Vorzügen reiche Werk, das 
in der Hauptſache ja doch Reichsrecht ee auch 
außerhalb Preußens weite Verbreitung findet 
Amtsrichter Eckert. 


Fromm, Dr. Leo, Das Zubehör bei der Zwangs⸗ 
verſteigerung. gr. 8". VIII, 96 S. München, 
J Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Mk. 2.80. 


Die Behandlung des Zubehörs in der Zwangs— 
verſteigerung war in den letzten Jahren der Gegenſtand 
der eingehendſten Erörterungen. Auch unſere Zeitſchrift 
hat ſich an der Erörterung der zahlreichen, praktiſch 
ſehr wichtigen Streitfragen lebhaft beteiligt. Der 
Gedanke, einmal den geſamten Stoff zuſammenzufaſſen, 
war ſehr glücklich. Das Büchlein von Dr. Fromm 
kann der l nur empfohlen werden. 

von der Pfordten. 


Notizen. 


55 zwiſchen Deutſchland und Italien, 
betreffend den Schub an Werken der Literatur und 
Kunſt und am Photsgraphien, vom 9. Dezember 1907. 
(RGBl. 1908 S. 80). Nach Art. 15 der fog. Berner 
Uebereinkunft vom 9. September 1886 können die 
Regierungen der Verbandsländer Sonderabkommen 
treffen, die den Urhebern weitergehende Rechte ein— 
räumen. Die bisher beſtehende deutſch-italieniſche 
Uebereinkunft vom 20. Juni 1884 ſtammt aus der 
Zeit vor der Berner Uebereinkunft und ift durch diefe 
vielfach überholt. Die neue Uebereinkunft ſoll klar 
ſtellen, welche beſonderen Vorſchriften neben der Berner 
Uebereinkunft zu Recht beſtehen. Der Art. 1 hebt die 
Uebereinkunft von 1884 auf. Die weiteren Artikel 
ſchließen ſich im allgemeinen inhaltlich und wörtlich 
der deutſch-franzöſiſchen Vereinbarung vom 8. April 
1907 an, die in dieſer Zeitſchrift ſchon beſprochen 
wurde (Jahrg. 1907 S. 356). Neu ſind die Vorſchriften 
im Art. 3 Abſ. 2 S. 2 und im Art. 4. Der Art. 3 
Abſ. 2 S. 
ren, die ihre Arbeit bis zum Inkrafttreten der neuen 
Uebereinkunft noch nicht vollendet hatten. 
ohne weiteres verſtändliche Art. 4 beruht nach der 
dem Reichstage zugegangenen Denkſchrift (Druckſache 
Nr. 556 der 12. Legislaturperiode, J. Seſſion 1907 


2 ſoll die Intereſſen der Ueberſetzer wah- 


ASeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


—— — —U— — 4 wu¹ — — ͤ—— —————— wůmæÄ 4 nn —— 


Nr. 8. 


darauf, daß nach der italieniſchen Geſetzgebung die 
öffentliche Aufführung eines geſchützten Bühnenwerkes 
oder Werkes der Tonkunſt durch die Ortsbehörde von 
Amts wegen verboten wird, wenn nicht die Ein⸗ 
willigung des Berechtigten zu der Aufführung bei⸗ 
gebracht iſt. Der Art. 4 ermöglicht es den deutſchen 
Beteiligten, ſich dieſen beſonderen Schutz zu ſichern, 
erklärt aber ausdrücklich, daß die Unterlaſſung der 
dort bezeichneten Erklärung die den Urhebern ſonſt 
gewährleifteten Rechte nicht beeinträchtigt. 

Die Uebereinkunft ift am 26. März d. Js. in Kraft 


getreten. 
1237 


Die Errichtung der Dorfteſtamente. Bei der Gr- 
richtung von Teſtamenten vor dem Gemeindevorſteher 
(8 2249 BGB.) kamen in den erſten Jahren nach dem 
Inkrafttreten des BGB. ſehr häufig Formfehler vor, 
welche die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügungen 
zur Folge hatten oder doch Rechtsſtreitigkeiten über 
ihre Gültigkeit hervorriefen. Die meiſten Fehler wurden 
beim Abſchluſſe des Protokolls gemacht, zuweilen wurde 
auch die im § 2249 Abſ. 2 Satz 1 BGB. vorgeſchrie⸗ 
bene Feſtſtellung der Beſorgnis eines vorzeitigen Todes 
des Erblaſſers vergeſſen. Die Miniſterien der Juſtiz 
und des Innern haben nun durch die Bekanntmachung 
vom 7. März 1908 (JM Bl. S. 74) ein Formular ver- 
öffentlicht, deſſen Anwendung den Bürgermeiſtern 
empfohlen wird. Der Vordruck enthält alle formellen 
Vermerke. Das Formular kann ſowohl dann ge⸗ 
braucht werden, wenn der Erblaſſer noch imſtande iſt 
zu unterzeichnen, als auch dann, wenn er nicht mehr 
ſchreiben kann. Hoffentlich unterlaſſen es die Bürger⸗ 
meiſter nicht, jeweils den unzutreffenden Vermerk aus⸗ 
zuſtreichen; eine Fußnote im Formulare macht ſie 
hierauf in nicht mißzuverſtehender Weiſe aufmerkſam, 
aber nach den bisherigen Erfahrungen ift einiges Mik- 
trauen nicht ungerechtfertigt. 

Die Faſſung des Formulars: „Er erklärte ſodann, 
daß er nicht imſtande ift, das Protokoll zu unterſchreiben“, 
weicht von der im $ 2242 Abſ. 2 BGB. vorgeſchrie⸗ 
benen Faſſung ab; nach dieſer Vorſchrift ſoll die Er⸗ 
klärung des Erblaſſers dahin lauten, „daß er nicht 
ſchreiben könne“. Der abweichende Ausdruck ift viel- 
leicht deswegen gewählt worden, weil die Faſſung 
des Geſetzes bei dem Bürgermeiſter das Mißverſtänd— 
nis hervorrufen könnte, als beziehe ſich die Vorſchrift 
im § 2242 Abſ. 2 BGB. nur auf den Erblaſſer, der 
des Schreibens unkundig iſt, nicht auch auf den Erb— 
laſſer, den ſeine Schwäche am Unterzeichnen hindert. 

Im 8 10 Abſ. 3 Satz 2 der Anweiſung vom 
19. Dezember 1900 wird dem Bürgermeiſter empfohlen, 
den des Schreibens unkundigen Erblaſſer zu veran- 
laſſen, daß er ſtatt der Unterſchrift ſein Handzeichen, 
z. B. drei Kreuzchen, anbringt. Das neue Formular 

enthält einen dieſer Vorſchrift entſprechenden Vordruck. 
Es wäre vielleicht zu erwägen, ob nicht das vom Ge— 
ſetze nicht geforderte Handzeichen ganz wegzulaſſen wäre. 
Gründe dafür find ſchon in den BlAdmpPr. Jahrgang 
1904 S. 269 dargelegt. Es wäre noch beizufügen, daß 
der ſchwerkranke Erblaſſer, der mit zitternder Hand 
Striche von der Dicke eines Balkens übereinander 
malt, häufig das Protokoll verklext und beſudelt. Auch 
wird ein ungewandter Bürgermeiſter unter Umſtänden 


in Verlegenheit geraten, wenn ſich zeigt, daß der Erb— 


Der nicht; 


Eigentum von J. Schweiger Verlag (Arthur Sellier) in München. 
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


laſſer nicht einmal mehr die Kräfte hat, um feine 

„drei Kreuze“ anzubringen: denn der Laie iſt geneigt, 

dem Handzeichen größere Bedeutung beizumeſſen, als 

der im 8 2242 Abſ. 2 BGB. geforderten Erklärung. 
1238 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


G. m. b. H., Freifing. 


Ar. 9. 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
ME 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung u 
Boftanftalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748). 


München, den 1. Mai 1908. 


4. Jahrg. 


kitſchrift für Rechtapflege 
in Bayern 
B 


Verlag von 


2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 
in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Die Uuterhaltungspflicht des § 1021 BOB. 


Von Ebnarb Clarus, Senatspräſident in Augsburg. 


Gehört zur Ausübung einer Grunddienſtbarkeit 
eine Anlage auf dem belaſteten Grundſtücke, fo 
muß dieſe von dem Berechtigten unterhalten werden. 
Wird die Anlage gemeinſam von dem Berechtigten 
und von dem Eigentümer des dienenden Grund: 
ſtücks benützt, ſo hat jeder von beiden die Anlage 
ſoweit zu unterhalten, als ſein Intereſſe es er⸗ | 
fordert (Kober bei Staudinger Pem. 1 b zu 
$ 1021 BGB., 3/4. Aufl.). Die Ziehung der | 
Grenzen zwiſchen den beibderjeitigen Intereſſen 
bereitet in der Praxis nicht ſelten erhebliche 
Schwierigkeiten und kann Anlaß zu Rechtsſtreitig⸗ 
keiten geben. 

Dieſe wenig befriedigende Rechtslage ſucht. 
$ 1021 BGB. dadurch zu vermeiden, daß den 
Beteiligten anheim gegeben wird, durch Verein- 
barung die Unterhaltungspflicht in anderer Weiſe 
zu regeln. Es kann beſtimmt werden, daß der 
Eigentümer des belaſteten Grundſtücks ausſchließlich 
die Unterhaltungspflicht übernimmt. Umgekehrt 
kann aber auch die ganze Laſt der Unterhaltung, 
— auch inſoweit die Benützung durch den Eigen— 
tümer des belaſteten Grundſtücks ſie erfordert — 
dem Berechtigten überbürdet werden. Liegt die 
Unterhaltungspflicht dem Eigentümer des belaſteten 
Grundſtücks ob, ſo macht die Eintragung im | 
Grundbuche keine Schwierigkeiten. Die Verein⸗ 
barung wird regelmäßig gleichzeitig mit Beſtellung 
der Grunddienſtbarkeit getroffen werden und als⸗ 
dann in die Eintragungsbewilligung mitauf— 
genommen werden können. Fraglos wird durch 
Verweiſung auf die Eintragungsbewilligung, die 
zu den Grundbuchbeilagen genommen wird, die 
dingliche Sicherung auch hinſichtlich der abweichenden 
Regelung der Unterhaltungspflicht erreicht. Der | 
Rang, der den Anſprüchen aus der Unterhaltungs: 
pflicht zukommt, beſtimmt fid nach den Vorſchriften 
des 8 879 BGB. | 

I. 

Anders verhält es ſich im entgegengeſetzten 

Fall, welcher ausſchließlich den Gegenſtand der 


nachfolgenden Erörterungen bilden ſoll, wenn der 
Berechtigte die Anlage, obgleich der Eigentümer 
des belaſteten Grundſtücks ſie mitbenutzt, aus⸗ 
ſchließlich zu unterhalten hat. 

Sehr beſtritten iſt die Frage, wie es mit der 
Eintragung im Grundbuche zu halten iſt. Turnau⸗ 
Förſter, Liegenſchaftsrecht Bem. 2 zu 81021 BGB., 
Planck Pem. 2 zu § 1021, Biermann Pem. 1 b 
zu $ 1021, Güthe, GBO. Bd. II ©. 1379 
Bem. 2, Oberneck, Reichsgrundbuchrecht 8 90 
S. 547 ſprechen ſich dafür aus, daß die Ver⸗ 
pflichtung auf dem Blatte des herrſchenden Grund- 
ſtücks eingetragen werden muß. 

Planck ſetzt bei, daß den gutgläubigen Er⸗ 
werber des herrſchenden Grundſtücks die Unter⸗ 
haltungspflicht nur dann treffe, wenn dieſe durch 
Eintragung auf dem Blatte des herrſchenden Grund— 
ſtücks geſichert ſei. 

Die entgegengeſetzte Anſicht wird namentlich 
von Kober (Staudinger, Komm. Bem. 2 b zu 
8 1021 BGB.), Fuchs, Sachenrecht Bem. 3 zu 
8 1021, Kretzſchmar, Recht 1902 S. 574 und 
Einführung in das Grundbuchrecht Bd. II S. 278 ff., 
im weſentlichen auch von Maenner, Sachenrecht 
8 39 Anm. 11, vertreten. 


Entſcheidendes Gewicht wird darauf zu legen 
ſein, daß die Regelung der Unterhaltungspflicht 
gemäß 8 1021 BGB. auch in dem Falle, wenn 
der Berechtigte die ausſchließliche Unterhaltung: 
pflicht übernimmt, durchaus nicht zu einer ſelbſt— 
ſtändigen Belaſtung des herrſchenden Grundſtücks 
führt, ſondern nichts weiter darſtellt, als eine 
Nebenabrede zu der Grunddienſtbarkeit. Sie ſteht 
und fällt mit dieſer (RGE. vom 1. Februar 1905 
Bd. 60 der Entſch. S. 87; Beſchl. des BayObLG. 
Samml. in Bd. 4 n. F. S. 313). Damit, daß 
nach § 1021 Abſ. 2 a. a. O. auf die Unter⸗ 
haltungspflicht die Vorſchriften über die Reallaſten 
anzuwenden ſind, iſt die Unterhaltungspflicht nicht 
zu einer ſelbſtändigen Reallaſt erklärt. 

Daran wird feſtzuhalten ſein, daß zu den 
eintragungsfähigen Rechten im Sinne des § 873 
BGB. nur ſelbſtändige Rechte, nicht aber neben: 


ſächliche Verpflichtungen dinglicher Art gehören, 


124 (kßðRö ZB3eitchrift für Rechtspflege in für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


die nur den Beſtandteil einer Grunddienſtbarkeit 
bilden, mit welcher das herrſchende Grundſtück 
nicht belaſtet iſt. 


In der Tat wird nicht abzuſehen ſein, warum 
die Nebenabrede über die Unterhaltungspflicht 
anders geſtellt ſein ſoll, wie die übrigen Beſtim⸗ 
mungen über Inhalt und Ausübung der Grund⸗ 
dienſtbarkeit. Genügt es zur dinglichen Wirk⸗ 
ſamkeit bei dieſen, wenn ſie in die Eintragungs⸗ 
bewilligung aufgenommen werden, und auf diefe 
in der Eintragung auf dem Blatte des dienenden 
Grundſtücks verwieſen wird, ſo muß es auch bei 
der Regelung der Unterhaltungspflicht genügen, 
gleichviel, ob ſie vom Eigentümer des dienenden 
Grundſtücks oder vom Eigentümer des ger genden 
Grundſtücks übernommen wird. 


Der Berechtigte, welcher das herrſchende Grunde 
ſtück ſpaͤter erwirbt, muß die Grunddienſtbarkeit 
mit dem Inhalte und den Einſchraͤnkungen über⸗ 
nehmen, welche ſie den getroffenen Vereinbarungen 
zufolge erhalten hat. Darüber hat die Ein⸗ 
tragung auf dem Blatte des dienenden u 
ſtücks Aufſchluß zu geben (f. ZBIFG. Bd. III 
S. 133). Dort hat der Dritte nachzuſehen, wenn 
er ſich über die Grunddienſtbarkeit und deren In⸗ 
halt unterrichten will. 


Ein wenig befriedigendes Ergebnis iſt es 


ſicherlich, wenn man mit Planck dem Berechtigten 
das Recht zuſprechen wollte, mit Rückſicht auf 
ſeinen lediglich auf das Blatt des herrſchenden 
Grundſtücks ſich gründenden guten Glauben zwar 
die Grunddienſtbarkeit auszuüben, die mit der 
Grunddienſtbarkeit verbundene Pflicht, die Anlage 
zu unterhalten, aber abzuſchütteln, obgleich die 
Einſchränkung der Dienſtbarkeit hinſichtlich der 
Unterhaltungspflicht auf dem Blatte des dienenden 
Grundſtücks ausdrücklich vermerkt iſt. Damit iſt 
die dingliche Wirkſamkeit gegenüber dem Ver⸗ 


pflichteten und deſſen Rechtsnachfolgern gefichert. 


Zu unlöslichen Widerſprüchen würde es führen, 
wenn der Berechtigte nicht auch gebunden wäre. 

Die Bedenken, welche der ſelbſtändigen Ein— 
tragung der Unterhaltungspflicht als Belaſtung 
des herrſchenden Grundſtücks entgegenstehen, hat 
Turnau-Förſter nicht verkannt, und deshalb ſich 
dafür entſchieden, daß die Uebernahme der Unter: 


haltungspflicht als Beiſatz des Vermerkes über die 
Grunddienſtbarkeit auf dem Blatte des herrſchen- 


den Grundſtücks — in Preußen demnach im Be— 
ſtandsverzeichniſſe, in Bayern im Titel — einge— 
tragen werde, um die dingliche Sicherung zu er— 
reichen. Dieſer Ausweg iſt indeſſen nicht gang— 
bar. Nicht das Beſtandsverzeichnis, beziehungs— 
weiſe nicht der Titel, ſondern die zweite Abteilung 
iſt dazu beſtimmt, die auf dem Grundſtücke laſten— 
den dinglichen Rechte zu verzeichnen. 
Insbeſondere wird aber darauf zu verweiſen 
fein, daß nach 88 GBO. die dem jeweiligen 
Eigentümer eines Grundſtücks zuſtehenden Rechte, 


| 
| 


— — — — — rn - — — 


zu welchen die Grunddienſtbarkeiten zählen — ab⸗ 
geſehen von dem Falle des 8 876 BGB., der hier 
unerörtert bleiben kann — nur in dem Falle auf 
dem Blatte des herrſchenden Grundſtücks einge⸗ 
tragen werden können, wenn der Eigentümer des 
herrſchenden Grundſtücks die Eintragung beantragt. 
Beantragt er die Eintragung nicht, ſo fehlt der 
Vermerk über die Grunddienſtbarkeit im Beſtands⸗ 
verzeichniſſe bzw. im Titel. Mangels eines Ver⸗ 
merks kann aber dieſem auch nichts beigefügt 
werden. Die von Turnau⸗Förſter vertretene An⸗ 
ſicht führt daher zu dem ſicher nicht annehmbaren 
Ergebniſfe, daß es vom Belieben des Eigentümers 
des herrſchenden Grundſtücks abhängen würde, ob 
die Uebernahme der Unterhaltungspflicht gegenüber 
gutgläubigen Dritten dingliche Wirkſamkeit erhält 
oder nicht. 


Maenner a. a. O. läßt die Eintragung auf dem 
Blatte des herrſchenden Grundſtücks dann zu, wenn 
eine ſelbſtaͤndige Reallaſt zugunſten des dienenden 
Grundſtücks begründet wird. An ſich iſt es wohl 
denkbar, daß vollſtändig unabhängig von einer 
Grunddienſtbarkeit eine Reallaſt des Inhalts ver⸗ 
einbart wird, daß die wiederkehrende Leiſtung des 
8 1105 BGB. in der Unterhaltung einer Anlage 
auf einem fremden Grundſtücke beſteht. 


Nicht zu überſehen ift jedoch, daß § 1021 
Abſ. 2 a. a. O. vorausſetzt, daß die Unterhaltungs⸗ 
pflicht nicht ſelbſtändig geſtellt iſt, ſondern als 
Beſtandteil mit einer Grunddienſtbarkeit verbunden 
wird. Nur unter dieſer Vorausſetzung werden in 
Art. 116 EG. z. BGB. die vorbehaltenen landes⸗ 
geſetzlichen Vorſchriften des Art. 115 über die 
Reallaſten ausgeſchloſſen. Die nach Maenner ſelbſt⸗ 
ſtändig begründete Reallaſt unterliegt den landes⸗ 
geſetzlichen Vorſchriften. (Vgl. über dieſe die Zu⸗ 
ſammenſtellung bei Oberneck, Reichsgrundbuchrecht 
Bd. J S. 606 ff.). 

Landesgeſetzlich iſt daher faſt überall die Er⸗ 
richtung einer ſelbſtändigen Reallaſt des hier frag⸗ 
lichen Inhalts unſtatthaft. (Beſchl. des Kammerger. 
vom D Mai 1903, A d. OLG. Bd. 8 
S. 125 


II. 


Kretzſchmar (Einführung in F Grundbuch— 
recht, Bd. II S. 281) zieht aus dem Umſtande, 
daß die den Eigentümer des herrſchenden Grund— 
ſtücks treffende Unterhaltungspflicht nicht als Be: 
laſtung auf dem Blatte des herrſchenden Grund— 
ſtücks einzutragen iſt, die Schlußfolgerung, daß 
der Eigentümer des dienenden Grundſtücks wegen 
eines Anſpruchs aus der Verpflichtung die Zwangs— 
vollſtreckung in das herrſchende Grundſtück nur als 
perſönlicher Gläubiger des Eigentümers betreiben 
könne. 

Dieſer Anſicht wird nicht beigepflichtet werden 
können. Die Berufung auf das frühere Recht iſt 
keinesfalls von Belang, und kann nicht darüber 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 175 


hinwegführen, daß nach geſetzlicher Vorſchrift (H 1021 dienſtbarkeit aufgibt. Auch wenn daher wegen 
a. a. O. Abſ. 2) die Vorſchriften des BGB. über rückſtändiger Leiſtungen aus dem Unterhaltungs⸗ 


die Reallaſten entſprechende Anwendung finden. anſpruche die dingliche Haftung des herrſchenden 
Mag fein, daß $ 1105 BGB. bei der analogen | Grundſtücks im Wege der Zwangsverſteigerung 


Anwendung ausſcheidet. Analog anzuwenden ſind 


aber zweifellos $ 1107 und 1108 und damit | 
die für die Zinſen einer Hypothekforderung gelten: | 


den Vorſchriften des BGB. 


Nun beſtimmt zwar 8 1115 a. a. O., daß die 
dingliche Haſtung für rechtsgeſchäftliche Zinſen nur 
dann begründet iſt, wenn der Zinsſatz eingetragen 
iſt. Auf Reallaſten — wie die Unterhaltungs⸗ 
pflicht — mit unregelmäßig wiederkehrenden, der 
Höhe nach im voraus nicht feſtzulegenden Leiſtungen 
kann indeſſen dieſe Vorſchrift nicht angewendet 
werden, da der jährliche Satz nicht beſtimmt 
werden kann. 


Daß bei Reallaſten, auch wenn aus dem eben 
angegebenen Grund die Höhe der jährlichen 
Leiſtungen im Grundbuche nicht eingetragen werden 
kann, die dingliche Haftung für die einzelnen 
wiederkehrenden Leiſtungen nicht ausgeſchloſſen ift, 
dürfte mit Sicherheit aus 8 1108 BGB. zu 
ſchließen ſein, woſelbſt beſtimmt wird, daß der 
Eigentümer für die während der Dauer ſeines 
Eigentums fällig werdenden Leiſtungen auch per— 
ſönlich haſtet. 


Ueber das Rangverhältnis zwiſchen den im 
Grundbuche eingetragenen Rechten zu den nicht 
eingetragenen enthält das BGB. abgeſehen 
von der Ueberbau⸗ und der Notwegrente keine 
Vorſchriften. Kober (Anm. 6 zu $ 879 bei 
Staudinger, Kommentar) läßt die Zeit der Ent— 
ſtehung über den Rang der nicht eingetragenen 
Rechte unter ſich entſcheiden, ſtellt aber die nicht 
eingetragenen Rechte im Range den eingetragenen 
nach. Oberneck Bd. I S. 277 und ebenſo auch 
Planck Pem. 6 zu $ 879 und Fuchs Bem. 7 a 
zu 8 879 ſchreiben der Zeit der Entſtehung maß— 
gebende Bedeutung zu ſowohl im Verhältniſſe 


geltend gemacht wird, kann keinesfalls $ 44 des 
BBO. auf den Unterhaltungsanſpruch angewendet 
werden. Der Unterhaltungsanſpruch bleibt in 
ſeinem Beſtande von der Zwangsvollſtreckung un⸗ 
berührt. 

Es ergibt ſich dies als notwendige Folge 
daraus, daß das Hauptrecht, aus welchem die 
Anſprüche des Eigentümers des belaſteten Grund— 
ſtücks auf Leiſtungen zur Unterhaltung der Anlage 
entſpringen, in der nicht auf dem herrſchenden, 
ſondern auf dem dienenden Grundftüde laſtenden 
Grunddienſtbarkeit zu erblicken iſt. Daß dieſe 
nicht durch die Zwangsverſteigerung untergeht, 
ſondern in der Geſtaltung, welche ihr die Be: 
teiligten gegeben haben, auf den Erwerber des 
herrſchenden Grundſtücks unverändert übergeht, 
wird ſich nicht beſtreiten laſſen. 

Nicht anders verhält es ſich aber auch mit 
den rückſtändigen Leiſtungen, ſelbſt wenn ſie die 
Unterlage des Schuldtitels bilden, welcher zur 
Zwangsverſteigerung geführt hat. Die Pflicht der 
Unterhaltung bringt es mit ſich, daß die Anlage 
fortwährend im gebrauchsfähigen Zuſtande gehalten 
werden muß. Die Pflicht zur Ausbeſſerung dauert 
daher fort, bis ſie erfüllt iſt, der Erwerber des 
herrſchenden Grundſtücks kann ſich demnach der mit 
der erworbenen Grunddienſtbarkeit verbundenen 
Pflicht, die Anlage wieder herzuſtellen, nicht um 
deswillen entſchlagen, weil fte ſchon bei Erwerbung 
der Grunddienſtbarkeit ſich in ſchadhaftem Zuſtande 
befunden hat, die Ausbeſſerung eine ſchon früher 
fällige Leiſtung bildet (Kober a. a. O. Bem. 2a 
zu $ 1021 und Bem. 3a zu $ 1020 BGB.). 
Die Folge iſt, daß die Koſten, welche die Wieder: 
herſtellung der Anlage verurſacht, vom Erwerber 
des herrſchenden Grundſtücks getragen werden 
müſſen, wenn ſie nicht durch das Meiſtgebot 


unter fih als auch im Verhältniſſe zu den ein: 


getragenen Rechten. Jeder Steigerer muß daher nicht nur den 

Weder der eine noch der andere dieſer Grund- Unterhaltungsanſpruch und die aus dieſem künftig 
ſätze wird für die Beſtimmung des Ranges des hervorgehenden Leiſtungen, ſondern auch die rück— 
Unterhaltungsanſpruchs angewendet werden können. ſtändigen Leiſtungen in Anſchlag bringen. Je nach 
Bei Entſcheidung der Frage, welcher Rang dem Unter— | dem Wertanſchlage wird das Meiſtgebot entſprechend 
haltungsanſpruche gegenüber anderen eingetragenen niedriger geſtellt werden. 


oder nicht eingetragenen Rechten zukommt, wird Angeſichts dieſer Rechtslage wird dem Unter— 


gedeckt worden ſind. 


davon auszugehen ſein, daß es ſich nicht um eine 


ſelbſtändige Belaſtung, ſondern um einen Beſtand⸗ 


teil einer Grunddienſtbarkeit handelt, die zugunſten 
des herrſchenden Grundſtücks errichtet iſt. Die 
Unterhaltungspflicht bleibt ſolange beſtehen, als 


haltungsanſpruch einſchließlich der rückſtändigen 
Leiſtungen der Vorrang vor ſämtlichen eingetragenen 
und nicht eingetragenen dinglichen Rechten ein— 
geräumt werden müſſen. Eine Ausnahme bilden 


nur die Ueberbaurente und die Notwegrente gemäß 


die Grunddienſtbarkeit beſteht. Sie erliſcht erſt, § 914 Abſ. 1 und § 917 Abſ. 2 BGB. 


wenn dieſe aufgehoben wird. | 


Der Verpflichtete kann ſich ohne Zuſtimmung 
der Gegenpartei einſeitig dem Unterhaltungs- 
anſpruche nur dadurch entziehen, daß er die Grund⸗ 


176 


Das Geſetz betr. die Beitrafung der Najeſtäts⸗ 
beleidigung vom 17. Februar 19038. 


i 
Von Landgerichtsrat Lieberich in München. 


(Schluß.) 

3. Die Abſicht der Ehrverletzung. Da 

in der Ehrverletzung das Weſen der Beleidigung 

beſteht, iſt die Abſicht der Ehrverletzung identiſch 
mit der Abſicht der Beleidigung. Daß dieſe Ab— 

ſicht aber in dem Begriffe der Böswilligkeit ſchon 

eingeſchloſſen iſt, ergibt ſich aus dem oben Geſagten 

und dies wurde auch in der Reichstagskommiſſion 

ſchließlich anerkannt. Es wurde jedoch an dem 

Tatbeſtandsmerkmal der ehrverletzenden Abſicht 
deshalb feſtgehalten, um die bloße Ehrfurchts⸗ 

oder Achtungsverletzung aus dem Begriffe der 

Majeſtätsbeleidigung auszuſcheiden. “') Abgeſehen 
davon, daß dieſer Zuſatz aber lediglich den fub- 
jektiven Tatbeſtand betrifft, ift hierdurch eine Cin- 
ſchränkung des Beleidigungsbegriffs gar nicht 
herbeigeführt worden, da, wie oben erwähnt, 
bloße Ehrfurchts- oder Achtungsverletzungen 
ſchon nach dem bisherigen Rechte nicht als Maje⸗ 

ſtäts beleidigungen anerkannt wurden. Das neue 

l 

| 

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| 

| 


ſubjektive Moment der Abſicht der Ehrverletzung 
ift aber ſchon in dem Merkmal der Böswilligkeit 
enthalten. Immerhin mag die Hinzufügung des 
Momentes der ehrverletzenden Abſicht in Ber: 
bindung mit dem ausgeſprochenen Zwecke dieſes 
Zuſatzes als Sicherung gegen eine etwaige künftige 
Ausdehnung des Beleidigungsbegriffs dienlich fein. 


Neben diefen Einſchränkungen des ſubjektiven 
Tatbeſtands der Majeſtätsbeleidigung hat das Ge— 
ſetz vom 17. Februar 1908 durch Zulaſſung 
mildernder Umſtände in den Fällen der ŞŞ 95, 
97 und 99 und Herabſetzung der Mindeſtſtrafe | 
auf eine Woche bei deren Vorliegen (ſtatt bisher 
zwei bzw. ein Monat) und durch Aufhebung der | 
bisher nach § 95 Abſ. 2 beſtandenen Befugnis 
des Gerichts, auf Verluſt der aus öffentlichen | 
Wahlen hervorgegangenen Rechte zu erkennen, auch 
die Beſtrafung der eigentlichen Majeſtätsbeleidigung 
erheblich gemildert. Die in der Kommiſſion ges ı 
ſtellten Anträge, bis auf die geſetzliche Mindeſt— 
ſtrafe für Vergehen herabzugehen und auch die 
Befugnis zur Aberkennung öffentlicher Aemter ge— 
mäß § 95 Abſ. 2 aufzuheben, wurden jedoch ab— 
gelehnt. Seitens des Staatsſekretärs des Reichs— 
juſtizamts war entſchiedene Verwahrung dagegen 
eingelegt worden, daß formell die Möglichkeit 
ſtatuiert werde, wegen einer böswilligen Schmähung 
des Staatsoberhauptes auf die geringſte bei Ver— 
gehen überhaupt zuläſſige Strafe zu erkennen, und 
betont worden, daß ein Beamter, der die Majeſtät 
ſeines Landesherrn in ſchwerſter Art beleidigt habe, 


19) KommBer. ©. 4, 8, 21. StenBer. zur 2. Be» 


ratung im Reichstag S. 2603. 


doch nicht verlangen könne, gegen die Entziehung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


— — — M 


ſeiner u fein de durch ſtrafgerichtliches Urteil ge⸗ 
ſichert zu ſein. 

Die Verſolgung der eigentlichen Majeſtäts⸗ 
beleidigung hat nach Wegfall der Genehmigungs: 
vorſchriften, wie bisher, ohne weiteres von Amts 
wegen ſtattzufinden; doch iſt das Ermächtigungs⸗ 
erfordernis in den Fällen der 88 99 und 101 
unberührt geblieben. 

Die Verjährung der eigentlichen Majeſtäts⸗ 
beleidigung tritt nunmehr nach Abſ. 4 des Ge⸗ 
ſetzes in 6 Monaten, ſtatt wie bisher regelmäßig 
in 5 Jahren, ein. Dieſe kurze, bisher nur für 
Preßvergehen geltende Verjährung ſoll nach der 
Begründung des Entwurfs weſentlich die Auf: 
greifung vor langer Zeit begangener Majeſtäts⸗ 
beleidigungen durch böswillige Denunziation ver⸗ 
hindern und eine gleichheitliche Verjährung der 
durch die Preſſe und der anderweitig begangenen 
Majeſtätsbeleidigungen begründen. 


b) Die Beleidigung nach gemeinem Recht. 


Die durch Abſ. 5 des Geſetzes vom 17. Februar 
1908 ausgeſprochene Anwendbarkeit der Vorſchriften 
des 14. Abſchnitts des StGB., d. h. der für die 
gewöhnliche Beleidigung geltenden Vorſchriften, auf 
die Majeſtätsbeleidigung, falls die Strafbarkeit 
nach Abſ. 2 ausgeſchloſſen ſein ſollte, begegnete 
in der Reichstagskommiſſion und bei den Ber: 


handlungen im Reichstag ſelbſt lebhaften Bedenken. 


Man hielt dieſe Vorſchrift für unverträglich mit 
der Stellung der beleidigten fürſtlichen Perſonen, 
da bei Anwendbarkeit der gewöhnlichen Beleidigungs— 
vorſchriften auch für die Majeſtätsbeleidigung ſämt— 
liche materiellrechtlichen und prozeſſualen Grund— 
ſätze der Privatbeleidigung (Wahrheitsbeweis, Straf: 
antrag uſw.) gelten müßten.“) Der Staatsſekretär 
des Reichsjuſtizamts erklärte jedoch, daß die ver: 
bündeten Regierungen die Beſorgnis, daß dieſe 
Regelung mit der Würde der fürſtlichen Perſonen 
nicht vereinbar ſei, nicht teilten, um ſo mehr, als 
ſchon nach dem bisherigen Recht der beſondere 
Schutz der Maojeſtätsbeleidigungsparagraphen im 
weſentlichen nur innerhalb der Landesgrenzen be— 
ſtanden habe, bei Beleidigungen außerhalb dieſer 
Grenzen aber ſchon bisher Abſchnitt 14 des StGB. 
anwendbar geweſen ſei. Keinesfalls dürfe den 
fürſtlichen Perſonen gegen die Verbreitung ehren— 
rühriger Behauptungen, wenn dieſe nur nicht bös— 
willig und mit Vorbedacht erfolgt ſei, der jedem 
Privatmann zuſtehende Rechtsſchutzverſagt werden.“!) 

Gemäß Abſ. 5 des Geſetzes finden nunmehr 
die Vorſchriften des 14. Abſchnittes Anwendung, 


20) Siehe des Näheren KommBer. S. 14 — 15, 19—20, 
22; die Verhandlungen der Kommiſſion ergeben auch, 
daß der Abſ. 3 des Geſetzes den bisherigen — formell 
nicht aufgehobenen — § 95 Abi. 2 SiGB. erſetzen fol. 

21) KommBBer. S. 4. Sten Ber. der 1. Beratung im 
Reichstag S. 1730, 1734, 1736, 1746. 

21) Komm Ber. S. 6. StenBer. der 1. Beratung 
im Reichstag S. 1744. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


wenn die Strafbarkeit nach Abſ. 2 ausgeſchloſſen 
iſt. d. h. die dort aufgeſtellten Erforderniſſe der 


Abſicht der Ehrverletzung, der Böswilligkeit und 
der Ueberlegung nicht gegeben find. Die Straf: | 
barkeit nach Abſchnitt 14 tritt alſo nur ein, wenn 
die Strafbarkeit nach Abſ. 2 entfällt, ſie 5 
aber nicht etwa auch in den Fällen des Abſ. 2 

neben der Strafbarkeit nach 88 95, 97, 99, 
101 StGB. Dieſes ſchon aus dem Wortlaut 
des Geſetzes abzuleitende Ergebnis deckt ſich auch 
mit der bisher für das Verhältnis der Majeſtäts⸗ 


auch zu § 186, 187 StGB. vertretenen Anſicht, 
daß nämlich der Tatbeſtand der Majeſtätsbeleidi⸗ 
gung den der 88 185—187 StGB. ausſchließe 
und rechtliches Zuſammentreffen zwiſchen den 
$S 95, 97, 99, 101 und den 88 185—187 StGB. 
nicht angenommen werden könne.?) Die Vergehen 
des Abſ. 2 und des Abſ. 5 ſtehen daher völlig 
ſelbſtändig und ſich gegenſeitig ausſchließend neben⸗ 
einander. 

Sind nun gemäß Abſ. 5 die Vorſchriften des 
14. Abſchnittes des StGB. anwendbar, fo müſſen 
im Einklang mit der widerſpruchslos bei den Ver⸗ 
handlungen zutage getretenen Auffaſſung auch 
ſämtliche materiellrechtlichen und prozeſſualen Vor⸗ 
ſchriften für die Privatbeleidigung Anwendung 
finden. Insbeſondere iſt in dieſen Fällen der 
Wahrheitsbeweis und die Berufung auf 8 193 
StGB. wie bei der Privatbeleidigung zulaͤſſig, 
die Strafverfolgung ift durch form- und friſtgerecht 
zu ſtellenden Strafantrag bedingt, die Straffrei⸗ 
erklärung nach 8 199 StGB. ift zuläſſig?“), und 
die ſtrafprozeſſualen Vorſchriften über die 
Privatklage und Widerklage finden Anwendung, 
letztere Vorſchriften jedoch nur inſoweit, als 
nicht beſondere Vorſchriften der Hausver⸗ 
faſſungen oder der Landesgeſetze abweichende 
Beſtimmungen enthalten ($ 5 EG. z. GBG., 
54 EG. 3- StPO.). “) Da jedoch ſelbſtver⸗ 


9 Siebe Olshauſen Note 8 b zu § 95 StGB. 
Olshauſen ſelbſt hält allerdings Idealkonkurrenz zwiſchen 
$ 95 und 88 186, 187 für möglich. 

24) Die dem Kaiſer. den Bundesfürſten und den 
Regenten nach ſtaatsrechtlichen Grundſitzen zukommende 
Unverantwortlichkeit bildet nur einen perſönlichen Straf: 
ausſchließungsgrund, der die Straffreierklärung nicht 
ausſchließt, f. Olshauſen Note 19 b zu § 3 StGB., 
Note 3 zu 8 199 a. E., bayr. ObL G. Bd. 2 S. 317. 
In den Fällen der 88 95, 97, 99, 191 ift Rompen- 
ſation grundſätzlich ausgeſchloſſen (f. Olshauſen Note 7 
zu 89%. Kronecker im Ger. Saal Bd. 41 S. 202). Auch 
für die Fälle des Abſ. 5 des Geſ. v. 17. Februar 1908 
bleiben Zweifel, ob man der Unverantwortlichkeit der 
Souveräne nicht die gleiche Tragweite, wie der der Ab— 
geordneten nach $ 11 StGB. beimeſſen und demgemäß 
eine Aufrechnung ihnen gegenüber ſchlechtweg für un— 
zuläſſig a muß (f. Olshauſen Note 5 zu §11 StG. 
RG St. Bd. 4 S. 14.). 

*) Für Bayern j. Verf. Tit. IIS 1 Abſ. 2, Titel X 
des Kgl. Familienſtatuts v. 5. Auguſt 1819, ferner 
Löwe Note 2 zu 8 4 EG. z. StPO., Note 3 zu 8 5 
EG. z. GVG 


| 


177 


ſtändlich auch im Falle des Abſ. 5 die Verfolgung 
von Amts wegen ſtattfinden wird und in dieſem 
Falle eine Widerklage überhaupt unzuläſſig iſt“), 
ſo haben die letzterwähnten prozeſſualen Folge⸗ 
rungen kaum eine praktiſche Bedeutung. 

Nach Abſ. 4 des Geſetzes verjähren Majeſtäts⸗ 
beleidigungen in 6 Monaten. Dieſe Vorſchrift 
iſt jedoch ſchon ihrer Stellung im Geſetze 
nach auf die Fälle des Abſ. 5 nicht anwendbar. 
Auf dieſe Fälle trifft auch mit Rückſicht auf das 


ie í hier durchweg beſtehende Antragserfordernis der 
beleidigung zu $ 185 StGB. und überwiegend 


Hauptgrund der Vorſchrift des Abſ. 4, Denunzia⸗ 
tionen entgegegenzutreten, nicht zu. Es bleibt 
ſonach, ſoweit nicht Preßvergehen in Frage ſtehen, 
für die Fälle des Abſ. 5 bei der gewöhnlichen 
5 jährigen Verjährung. Dagegen dürfte die in 
der 1. Beratung im Reichstage geäußerte An⸗ 
ſicht nicht zu billigen ſein, daß, auch wenn die 
Verjährungsfriſt von ſechs Monaten für die büs- 
willig und mit Vorbedacht ausgeführten Vergehen 
abgelaufen iſt, hinterher noch auf Grund des Abi. 5 
ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. 2) 
Denn, wie oben ausgeführt, bilden die Fälle des 
Abſ. 2 durchaus ſelbſtändige Tatbeſtände, die nur 
nach Abſ. 2 verfolgt werden können und daher 
mit Eintritt der Verjährung des Abſ. 4 der Ver⸗ 
folgung überhaupt entzogen find. 


c) Verhältnis des neuen zu dem bis— 
herigen Recht. 


Das Geſetz vom 17. Februar 1908 um: 
faßt alle von den bisherigen §$ 95, 97, 99, 
101 StGB. betroffenen Fälle, beſchränkt ſich 
aber auch auf dieſe Fälle.“) Hierbei wird, um 
die Anwendbarkeit der 88 95, 97, 99, 101 zu er⸗ 
halten, das Vorliegen weiterer, bisher nicht not⸗ 
wendiger Tatbeſtandsmerkmale gefordert und auch 
bei Vorliegen dieſer Merkmale die Strafandrohung 
gemildert und die Verjährung verkürzt. Bezüg⸗ 
lich der übrigen, nur mehr den allgemeinen Be⸗ 
leidigungsvorſchriften unterſtellten Fälle aber wird, 
abgeſehen von der jetzt vielfach zuläſſigen Führung 
des Wahrheitsbeweiſes und der Berufung auf 88 193 
und 199 StGB., allgemein das Antragserfordernis 
eingeführt, ferner werden die bisherigen Mindeſt⸗ 
ſtrafen durch die niedrigeren Mindeſtſtrafen der 
53 185—187 StGB. erſetzt; das neue Recht ift 
daher zweifellos in allen Fällen das dem Täter 
günjtigere,?°) fo daß nach $ 2 Abſ. 2 StGB. auch 


2 Löwe Note 9 15 8 428 StPO. 

26) Sten Ber. S. 1 

17) Das in der 1. F geltend gez 
machte Bedenken, ob die unter Abſ. 5 fallenden Reate 
aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts 
wegen $ 2 Abſ. 1 StGB. überhaupt auf Grund des 
Abſ. 5 des Geſ. vom 17. Februar 1908 abgeurteilt 
werden könnten (Sten Ber. S. 1737), ift daher zweifel- 
los nicht begründet. 

*) Ueber die maßgebenden Grundſätze f. des näheren 
Olshauſen Note 17—24 zu § 2 StGB., insbeſondere 


178 


die vor feinem Inkrafttreten begangenen Maje⸗ 
ſtätsbeleidigungen ausnahmslos nach dem neuen 
Rechte zu beurteilen ſein werden. Insbeſondere 
kommen auch bei den unter dem früheren 
Rechte begangenen Majeſtätsbeleidigungen das 
Antragserfordernis und die kurze Verjährung 
des neuen Rechts zur Anwendung, dagegen iſt auch 
bezüglich der vor dem neuen Rechte liegenden Fälle 
Runter den Vorausſetzungen des § 200 StGB. auf 
die nunmehr neben der milderen Hauptſtrafe zu⸗ 
läſſige Publikationsbefugnis zu erkennen. 


IV. Als Ergebnis des neuen Majeſtäts⸗ 
beleidigungsrechtes darf man nach den vorſtehenden 
Betrachtungen wohl erwarten, daß nunmehr weſent⸗ 
lich nur noch wohlberechnete Herabwürdigungen 
der Majeſtät, bewußt gegen die Stellung des Staats⸗ 
oberhauptes als ſolches gerichtete Angriffe”) die 
verſchärfte, aber keineswegs mehr unverhältnismäßige 
Strafe der eigentlichen Majeſtätsbeleidigung finden 
werden, daß die Anwendung des Abſ. 5 fih praktiſch 
auf Fälle ehrenrühriger Nachreden ſchwerwiegender 
Art beſchränken, und daß dem Mißbrauch des 
Geſetzes zu niedrigen Denunziationen eine wirkſame 
Schranke geſetzt ſein wird — ein Ergebnis, das 
bei unbefangener Würdigung der Bedürfniſſe der 
Staatsordnung und der Gebote der Billigkeit durch⸗ 
aus wird begrüßt werden können. 


Mitteilungen ans der Praxis. 


Zuziehung von Anwälten zu den durch die Min Bek. 
vom 11. Juli 1900 angeordneten Beſprechunngen. In 
82 Abſ. VI der Bekanntmachung des Kal. bayer. 
Staatsminiſteriums der Juſtiz vom 11. Juli 1900 
(JM Bl. S. 999) ift angeordnet, daß die Gerichts— 
vorſtände behufs gleichmäßiger Behandlung gleich— 
artiger Dienſtgeſchäfte, deren Beſorgung in verſchie— 
denen Händen liegt, gemeinſame Beſprechungen unter 
den Beteiligten zu veranſtalten haben. Dieſe Bes 
ſprechungen ſind namentlich bei größeren Gerichten 
ſehr wünſchenswert und ſie führen nicht bloß zu der 
notwendigen Gleichmäßigkeit in der formellen Ge— 
ſchäftsbehandlung, ſondern find auch geeignet, in 
gleich gelagerten Fällen auf eine gleichmäßige ſach— 


bezüglich der Belangloſigkeit der Nebenſtrafen (8 200 
StGB.) bei der Vergleichung des alten und des neuen 
Rechts. 

2) Da als ſolche beſonders Kundgebungen in der 
Preſſe in Betracht kommen, ſei darauf hingewieſen, daß 
im Falle des 820 Abſ. 2 Pre. zwar vorſätzliches 
Handeln des Redakteurs vermutet wird (ſ. Stenglein, 
Strafrechtl. Nebengeſetze zu § 20 PreßG. S. 621 Abi. 2); 
dieſe Vermutung umfaßt jedoch nicht ohne weiteres die 
Momente der ehrverletenden Abſicht, der Böswilligkeit 
und der Ueberlegung, ſoweit dieſe nicht bei Unterſtellung 
einer vorſätzlichen Kundgebung aus dieſer ent— 
nommen werden müſſen (vgl. RGSt. Bd. 26 S. 18, 
Bd. 39 S. 87, S. 313.) 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


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in Bayern. 1908. Nr. 9. 


liche Behandlung binzuwirken, ohne daß hierdurch der 
richterlichen Ueberzeugung irgendwie ein Zwang am 
getan wird. Es ſiegen eben einfach die beſſeren 
Gründe! Der durchaus richtige Gedanke, der in dieſer 
Anordnung der Juſtizverwaltung liegt, dürfte viel⸗ 
leicht noch einer weiteren praktiſchen Ausgeſtaltung 
fähig ſein. Das Beſtreben, durch die angeordneten 
Beſprechungen eine gleichmäßige Behandlung gleich 
gelagerter Sachen herbeizuführen, wäre vielleicht noch 
erfolgreicher, wenn hierzu in geeigneten Fällen Ver⸗ 
treter der am Gerichte zugelaſſenen Rechtsanwälte 
eingeladen würden. Es würde das namentlich auch 
zur Verminderung der Arbeit der Richter dadurch 
führen können, daß gewiſſe Anträge nicht mehr ge⸗ 
ſtellt würden. Ich verweiſe z. B. auf die von einzelnen 
Anwälten immer wieder geſtellten Anträge auf An⸗ 
ordnung der Sicherheitshinausgabe trotz vorliegenden 
Einverſtändniſſes des Gegners (vgl. Hinterleg O. 8s 27, 
49; ſ. dieſe Zeitſchrift Jahrg. 1 S. 14). Ferner 
auf die immer wiederkehrenden, gleichzeitig mit 
den einſchlägigen Klagen an das „Prozeßgericht' 
geſtellten Anträge auf Einſtellung der Zwangsvoll⸗ 
ſtreckung und Aufhebung der bereits angeordneten 
Vollſtreckungsmaßregeln nach SS 769 I, 771 III, 805 IV 
ZPO. Obwohl die angegangenen Gerichte noch nicht 
Prozeßgerichte ſind, ſondern das erſt mit Zuſtellung 
der Klage werden, helfen ſie doch in der Regel dieſen 
Anträgen ab, um ſachliche Schädigungen der Parteien 
zu vermeiden. Die Abhilfe erfolgt auf Grund der 
RGE. Bd. X S. 315, XXXIII S. 391 in der Regel 
dadurch, daß der Vollzug der getroffenen einſt⸗ 
weiligen Anordnung von dem Nachweiſe der er: 
folgten Zuſtellung der bei dem Gerichte zur Termins⸗ 
beſtimmung eingereichten Klage abhängig gemacht 
wird. Nur vereinzelt geht die Praxis noch einen 
Schritt weiter und erläßt die einſtweilige Anordnung 
befriſtet in der Weiſe, daß ſie von ſelbſt außer Kraft 
tritt, wenn nicht bis zu dem in der Anordnung be⸗ 
ſtimmten Zeitpunkte dem Vollſtreckungsorgan die Zu⸗ 
ſtellung der betreffenden Klage nachgewieſen wird. Nur 
auf letzterem Wege wird aber das, was erreicht werden 
ſoll, nämlich die Hintanhaltung einer unter Umſtänden 
erheblichen Vermögensſchädigung für beide Parteien, 
auch wirklich mit Sicherheit und in meines Erachtens 
prozeſſual ebenfalls zuläſſiger Weiſe erreicht. Durch 
Zuſtellung der Klage iſt dafür geſorgt, daß die Sache 
ihren Fortgang nehmen muß und der Gegner event. 
die Aufhebung der einſtweiligen Anordnung erwirken 
kann. Macht man den Vollzug der Anordnung von dem 
Nachweis der Klagszuſtellung abhängig, ſo kann leicht 
die Vollſtreckung ihren Fortgang nehmen, weil der 
Nachweis der Klagszuſtellung nicht mehr rechtzeitig 
erbracht werden kann. Am ſicherſten und zweck⸗ 
mäßigſten wird alſo, wenn an einem Gerichte in 
dieſer Beziehung keine einheitliche Praxis herrſcht, 
zunächſt das Vollſtreckungsgericht angegangen. 

Eine einheitliche Gerichtspraxis und einheitliches 
Vorgehen der Anwälte in dieſen und ähnlichen Fällen 
könnte aber dadurch erzielt werden, daß zu den ans 
geordneten Beſprechungen der Gerichtsmitglieder in 
geeigneten Fällen auch Anwälte beigezogen würden. 
Im Benehmen mit den Vorſtänden der Anwalts— 
kammern ließe ſich eine derartige Einrichtung zweiſellos 
ſo ausgeſtalten, daß ſie eine wirkſame Förderung der 
Rechtspflege bedeuten würde. Dadurch, daß die Ge— 
richtsvorſtände zu Berichten über die gemachten Er— 
fahrungen angewieſen würden, wäre die Juſtizver⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


waltung in der Lage, die geſammelten Erfahrungen 
den einzelnen Gerichten wieder zukommen zu laſſen 
und weitere Richtungslinien für die praktiſche Aus⸗ 
geſtaltung der Einrichtung zu geben. 
Landgerichtsrat Vogl in Nürnberg. 


Zu 3 57 Z3w BG. und 8 565 BGY. In 8 57 
Zw. ilt beſtimmt, daß die Vorſchriften der 88 571, 


572, des § 573 Satz 1 und der Ss 574, 575 BGB. 


entſprechende Anwendung finden, wenn das Grund- 
ſtück einem Mieter oder Pächter überlaſſen iſt. Der 
Erſteher iſt jedoch berechtigt, das Miet⸗ oder Pacht⸗ 
verhältnis unter Einhaltung der geſetzlichen Friſt zu 
kündigen. Die Kündigung iſt ausgeſchloſſen, wenn ſie 
nicht für den erſten Termin erfolgt, für den ſie zu⸗ 
läſſig iſt. Hierzu iſt bei Arnold „Die Wohnungs⸗ 
miete nach dem BGB.“ S. 118 Anm. 3 folgendes 
Beiſpiel angeführt: „Die Zwangsverſteigerung findet 
am 1. Mai 1900 ſtatt. Der Erſteher kann, wenn der 
Mietzins nach einem längeren Zeitabſchnitt als nach 
Monaten bemeſſen iſt, vom 2. bis 4. Juli — 1. Juli 


iſt Sonntag — für den 30. September 1900 kündigen. 


Iſt der Mietzins nach Monaten oder kürzeren Zeit: 
abſchnitten bemeſſen, fo tritt die kürzere Kündigungs- 
friſt des § 565 ein. Xft ausnahmsweiſe die Kündi⸗ 
gungsfriſt trotz vierteljährlicher Zahlung vertragsmäßig 
kürzer als die geſetzliche, ſo kann der Erſteher auch 
die kürzere vertragsmäßige Friſt benützen, um die 
Miete zu löſen. 
dem vertragsmäßigen Kündigungsrecht auf ihn über⸗ 
gegangen.“ Danach könnte alſo in dem angeführten 


Beiſpiel, wenn der Mietzins nach Monaten bemeſſen 


aber vierteljährliche nur am 1. jeden Kalenderviertel⸗ 
jahres zuläſſige Kündigung vereinbart iſt lein Fall, 
welcher ſehr häufig vorkommt), der Erſteher bis 
15. Mai für den 31. Mai kündigen.“) Dies iſt jedoch 
nicht richtig. Der Erſteher kann auch hier nur vom 
2. bis 4. Juli auf den 30. September kündigen. Es 
ergibt fih das aus Abſ. 4 des § 565 BGB., welcher 
beſtimmt: Die Vorſchriften des Abi. 1 Satz 1, Mbi. 2 
gelten auch für die Fälle, in denen das Mietverhältnis 
unter Einhaltung der geſetzlichen Friſt vorzeitig ge— 
kündigt werden kann. Abſ. 1 Satz 1 des 8 565 lautet 
aber: Bei Grundſtücken iſt die Kündigung nur für 
den Schluß eines Kalendervierteljahres zuläſſig; ſie 
bat ſpäteſtens am dritten Werktage des Vierteljahres 
zu erfolgen. In den weiteren Sätzen des 8 565 
finden ſich ſodann die Vorſchriften über die kürzeren 
Kündigungsfriſten, wenn der Mietzins nach Monaten 
oder Wochen bemeſſen ift. Abſ. 2 enthält die Kündi⸗ 
gungsfriſt bei beweglichen Sachen. Abſ. 3 beſtimmt 
die Kündigungsfriſt für Grundſtücke und bewegliche 
Sachen, wenn der Mietzins nach Tagen bemeſſen iſt. 
Daraus, daß in Abi. 4 für die Fälle der vorzeitigen 
Kündigung unter Einhaltung der geſetzlichen Friſt 
nur die Vorſchriften des Abſ. 1 Satz 1 und des Abſ. 2 
angeführt ſind, muß gefolgert werden, daß hier unter 
geſetzlicher Friſt bei Grundſtücken nur die in Abſ. 1 
Satz 1 enthaltene vierteljährige, bei beweglichen Sachen 


) Anmerkung des Einſenders: Tatſächlich 
wird dieſe Meinung auch jetzt noch vielfach unter Be— 
rufung auf das angeführte Beiſpiel bei Arnold ver— 
treten, was den Anlaß zu dieſer Mitteilung gab. 


! 


Denn der Mietvertrag ift auch mit ` 


| 
| 
| 
als ſeinen Namen als Verkäufer herzugeben und die 
| 


mit verſchiedenen Begründungen. 


179 


nur die in Abſ. 2 enthaltene dreitägige Friſt ver⸗ 
ſtanden werden kann. Sollten für die vorzeitige Kündi⸗ 
gung allgemein die geſetzlichen Friſten des § 565 
gelten, ſo wäre der Abſ. 4 überhaupt überflüſſig ge⸗ 
weſen, oder es hätten doch wenigſtens alle in den 
Abſ. 1 mit 3 enthaltenen Vorſchriften für anwendbar 
erklärt werden müſſen. Der Geſetzgeber iſt zweifellos 
von der Vorausſetzung ausgegangen, daß für eine 
vorzeitige Kündigung nur dann ein Bedürfnis und 
berechtigtes Intereſſe beſteht, wenn es ſich um längere 
Kündigungsfriſten handelt. Wie ſich aus den Motiven 
Bd. II S. 411 ergibt, enthalten die kürzeren Friſten 
des 8565 nur Ausnahmen von der allgemeinen viertel⸗ 
jährigen Kündigungsfriſt, welche als für Grundſtücke 
entſprechend angeſehen werde. Dieſe Ausnahmen auch 
für die Fälle der vorzeitigen Kündigung gelten zu 
laſſen, beſtand kein Anlaß. Demnach kann bei vor⸗ 
zeitiger Kündigung unter Einhaltung der geſetzlichen 
Friſt bei Grundſtücken nur für den Schluß eines 
Kalendervierteljahres gekündigt werden und muß die 
Kündigung ſpäteſtens am dritten Werktag des Viertel⸗ 
jahres erfolgen. Daraus ergibt ſich, daß eine vor⸗ 
zeitige Kündigung überhaupt nur ſtattfinden kann, 
| wenn es ſich um Verhältniſſe handelt, bei welchen die 
| 


ordentliche Kündigung mindeſtens ein Vierteljahr be⸗ 
trägt und in letzterem Fall nur am 1. des Kalender⸗ 
vierteljahres zuläſſig ift. Im übrigen kann das Mietver⸗ 
hältnis, auch wenn vorzeitige Kündigung zuläſſig wäre, 
nur innerhalb der ordentlichen vertragsmäßigen oder, 
wenn ſolche nicht vorhanden ſind, geſetzlichen Friſten 
gekündigt werden. Bei der in $ 57 Zw GG. vorge⸗ 
ſehenen Kündigung handelt es ſich aber um eine unter 
Abi. 4 des § 565 BOB. fallende vorzeitige Kündigung 
(vgl. Staudingers Kommentar zum BGB. 2. Aufl. 
Anm. IV g zu 8 565). 


Amtsrichter Kraus in München. 


Güterzertrümmerung. Ein gewerbsmäßiger Güter: 
händler hatte ſich gegenüber einem ländlichen Guts⸗ 
beſitzer erboten, deſſen Anweſen zu zertrümmern, 
wenn er ihm 12% des Verkaufspreiſes der Parzellen 
grundſtücke als „Honorar“ überlaſſe und bei der 
notariellen Verbriefung als Verkäufer figuriere. Der 
Vertrag kam in dieſer Weiſe zuſtande und das Anwefen 
wurde durch die Tätigkeit des Güterhändlers grund— 
ſtücksweiſe veräußert, wobei der Gutsbeſitzer bei der 
notariellen Beurkundung nichts weiter zu tun hatte, 


Kaufpreiſe unter Abzug der 12% „Honorar“ auf den 
Güterhändler zu übertragen. Eine Anzeige nach 
Art. 19 des Gef. betr. die Fortſetzung der Grund— 
entlaſtung vom 2. Februar 1898 (GVBl. S. 19) 
wurde nicht erſtattet. Das Rentamt, welches von dem 
Vorgang erfuhr, erließ gegen den Güterhändler einen 
Strafbeſcheid und hielt deſſen Anzeigepflicht deswegen 
für gegeben, weil der Güterhändler bei dieſem An— 
weſensverkauf als ſtiller Teilhaber beteiligt 
geweſen ſei. Da der Güterhändler die Ablöſungs— 
pflicht beſtritt, wurde das Verwaltungsrechtsverfahren 
im Sinne des Art. 19 Abſ. 1 des gen. Geſetzes ein— 
geleitet, und es erkannten ſowohl das Bezirksamt in 1., 
als der Verwaltungsgerichtshof in 2. Inſtanz im 
Sinne des rentamtlichen Strafbeſcheides, beide jedoch 
Das Bezirksamt 


180 


hielt die Ablöſungspflicht deswegen für gegeben, weil 
der Güterhändler „in Vollmacht“ des Gutsbeſitzers 
zertrümmert habe, während der Verwaltungsgerichts⸗ 
hof dieſe Anſchauung verwarf und ſich dahin aus⸗ 
ſprach, daß der Güterhändler als ſtiller Teilhaber, 
nicht im Sinne des § 335 des HGB., ſondern (nach 
der Entſch. des VGH. in Bd. 24 S. 197) im Sinne 
einer verſteckten Beteiligung an einer Güterzer— 
trümmerung im eigenen Intereſſe zu betrachten ſei. 


Welche der beiden Begründungen die richtige iſt, 
ift eine Frage der Auslegung des Art. 19 1. c. Dieſe 
darf aber nicht, wie der Verwaltungsgerichtshof für 
den Begriff „Vollmacht“ in ſeiner Entſcheidung vom 
13. Oktober 1902 (Samml. Bd. 24 S. 195) annimmt, 
von zivilrechtlichen Grundſätzen ausgehen. Denn das 
Geſetz vom 2. Februar 1898 iſt kein Zivilgeſetz, ſondern 
ein nationalökonomiſches und finanzielles Geſetz, 
diktiert von dem Beſtreben, die Ablöſung der Boden- 
zinſe zu beſchleunigen, und die Güterzertrümmerungen 
zu beſeitigen, oder doch auf einen möglichſt geringen 
Umfang einzuſchränken. Es muß alſo das Geſetz nach 
tatſächlichen Geſichtspunkten ausgelegt werden. Dem- 
gemäß wird angenommen werden dürfen, daß der 
Güterhändler ſchon dann „in Vollmacht“ zertrümmert, 
wenn er mit Einwilligung des Gutsbeſitzers deſſen 
Gutskomplex parzellenweiſe für ihn veräußert, in der 
Abſicht, das Anweſen zu zertrümmern, und aus dieſem 
Geſchäft einen Gewinn zu ziehen. Es ginge zu weit, 
wollte man mit der vorgenannten verwaltungsrecht— 
lichen Entſcheidung in Bd. 24 S. 195 annehmen, daß 
die Tätigkeit des Güterhändlers erft dann rechtswirk— 
ſam werde, wenn er auf Grund förmlicher Vollmacht 
vor dem Notariat für den Gutsbeſitzer handelnd 
auftritt. Denn dann würde der Zweck des Geſetzes, 
dem Erwerber eines Parzellengrundſtücks den la ften- 
freien Uebergang des Grundſtücks zu verſchaffen, 
verloren gehen. (Vgl. Entſch. des Ob“ G. in StS. 
Bd. 5 S. 245 n. F.). In dieſem Augenblicke muß 
vielmehr der Bodenzins ſchon abgelöſt ſein; 
dies ſetzt aber voraus, daß der Güterhändler die An— 
zeige an das Rentamt ſchon erſtattet hat, ehe er über: 
haupt mit dem Zertrümmerungsgeſchäft begonnen 
hat. Anderſeits aber könnte der geſchäftsgewandte 
Güterhändler die Ablöſungspflicht einfach dadurch 
hinfällig machen, daß er im Augenblick der notariellen 
Beurkundung des Zertrümmerungsgeſchäfts den Guts— 
beſitzer als Verkäufer handeln läßt, obwohl er das 
ganze Zertrümmerungsgeſchäft — Aufſuchen und 
Einigung der Kaufsliebhaber mit dem Gutsbeſitzer — 
allein beſorgte, und den Gewinn in die Taſche geſteckt 
hat. Das wäre die Folge einer zu formellen Aus— 
legung des Art. 19 l. c. Zu einem befriedigenden 
Ergebnis wird man vielmehr nur dann kommen, wenn 
man mit dem RG. (f. Urt. d. 1. StS. vom 6. November 
1902 in den BIN. Bd. 68 S. 265) annimmt, daß für 
den Begriff „Güterhandel“ die tatſächliche Natur und 
der Zweck der Tätiakeit entſcheidend ſind, und daß es 
gleichgültig iſt, in welche Form ſich dieſe kleidet. 
Zivilrechtliche Formvorſchriften über die Eigentums— 
übertragung von Grundſtücken haben demnach in den 
Hintergrund zu treten. Mag alſo der Güterhändler 
ſein Geſchäft eine Kommiſſion, einen Mäklervertrag, 
einen Dienſtvertrag oder wie nur immer nennen, 
darauf kommt es ebenſowenig an, wie darauf, ob er 
den Gewinn aus ſeiner Tätigkeit in einer feſten Summe 
oder in Prozenten vom Kaufpreis bezieht, denn in 


— — ——— XkXkUÿ ¶ D e E päßäxßkͤꝛʃ¶—xꝛĩ·ĩ; ⅛»˙§mõik4œ. e ́F— — 2 — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


beiden Arten von Entlohnung würde es ſich um nichts 
anders als um Unternehmergewinn handeln. 

Der Abſicht des Geſetzgebers dürfte es ſohin am 
meiſten entſprechen, wenn bei der Auslegung des 
Art. 19 von den oben dargelegten Geſichtspunkten aus⸗ 
gegangen wird, und es würde der Zwieſpalt ver⸗ 
mieden, der in der Anwendung dieſes Geſetzes bei 
Gerichten und Verwaltungsbehörden bisher zutage 
getreten iſt. 


Amtsrichter Pramberger in Eichſtätt. 


Zu $ 181 BGY. Der Fabrikant S. P. verkaufte 
und übergab ſeine Bronzewarenfabrik einer zwei Tage 
vorher gegründeten Geſellſchaft mit beſchränkter Haf— 
tung, zu deren fünf Geſellſchaftern er ſelbſt zählte und 
als deren erſter und bis dahin einziger Geſchäfts— 
führer er in das Handelsregiſter eingetragen war. 
Die Geſellſchaft war bei der Abſchließung des Ber- 
trages durch den Geſellſchafter M. S. vertreten, dem 
S. P. als ihr Geſchäftsführer unmittelbar vorher 
hierzu Spezialvollmacht erteilt hatte. Der Kaufpreis 
wurde teils durch Verrechnung, teils dadurch be⸗ 
richtigt, daß die Geſellſchaft eine auf dem veräußerten 
Anweſen laſtende Hypothekſchuld des S. P. als per⸗ 
ſönliche Schuldnerin übernahm. Das Hypothekenamt 
N. lehnte die auf Grund dieſes Vertrages beantragte 
Beſitztitelberichtigung mit der Begründung ab, daß 
der Vertrag gegen § 181 BGB. verſtoße. Darauf 
legte das Notariat die Urkunde wiederholt zum Voll— 
zuge vor und fügte diesmal den Geſellſchaftsvertrag 
bei. Nach deffen § 3 ift der Gegenſtand des Unter- 
nehmens der Betrieb einer Bronzewarenfabrik, ins- 
beſondere der Erwerb und die Weiterführung des 
bisher von S. P. betriebenen Bronzefabrikgeſchäftes: 
die Geſellſchaft iſt auch berechtigt, andere ähnliche 
Unternehmungen zu erwerben uſw. In $ 9 ijt u. a. 
beſtimmt: „Die Geſellſchaft kann einen oder mehrere 
Geſchäftsführer haben. . . . Als erſter Geſchäftsführer 
wird Herr S. P. aufgeſtellt.“ Das Notariat erklärte, 
das Verbot des Vertragsſchluſſes mit ſich ſelber gelte 
nur, ſoweit dem Vertreter nichts anderes geſtattet ſei; 
in der Verpflichtung des Geſchäftsführers den Ge— 
ſellſchaftszweck zu verwirklichen, liege für S. P. die 
Erlaubnis zu dieſem Zwecke mit ſich ſelbſt zu kontra— 
bieren. Das Hypothekenamt beharrte jedoch auf 
ſeinem abweiſenden Beſchluß. In der Tat dürfte 
die Ablehnung der Beſitztitelberichtigung aus folgenden 
Gründen gerechtfertigt ſein. 

Nach § 181 BGB. kann allerdings einem Ver- 
treter das Selbſtkontrahieren ausdrücklich oder ſtill— 
ſchweigend geſtattet werden. Immerhin müſſen aber, 
wenn eine ſtillſchweigende Erlaubnis angenommen 
werden ſoll, die Tatſachen ſo liegen, daß ſie keine an— 
dere Deutung zulaſſen als die Erlaubnis des Vertrags- 
ſchluſſes mit ſich ſelber. Aus der Aufſtellung des 
S. P. als Geſchäftsführer kann ein ſolcher Schluß 
für den fraglichen Kaufvertrag nicht mit Sicherbeit 
gezogen werden. Es ſteht trotz der Beſtimmung in 
§ 3 des Geſellſchaftsvertrages nicht ohne weiteres feit, 
daß die Geſellſchafter bei der Beſtellung des S. P. 
zum Geſchäftsführer ihn auf dieſe Weiſe in die Lage 
verſetzen wollten, namens der Geſellſchaft den Kauf— 


preis für ſein eigenes Anweſen zu beſtimmen und die 


Berichtigung des Kaufpreiſes ſo zu regeln, daß die 


ll ͤ— —uͥ—HPg ——— 


Geſellſchaft ſeine eigene Schuld zur perſönlichen 
Haftung übernahm. Es iſt ebenſogut möglich, daß 
man die Abſchließung des Kaufvertrages anderen erſt 
noch zu beſtellenden Geſchäftsführern vorbehalten 
wollte; ſeit der Errichtung der Geſellſchaft waren 
ja, als der Kaufvertrag abgeſchloſſen wurde, erſt zwei 
Tage vergangen. Man mag die Möglichkeit zugeben, 
daß S. P. das Recht haben ſollte, den Vertrag mit 
ſich ſelber abzuſchließen; einen Beweis aber für dieſe 
Annahme konnte das Hypothekenamt den ihm vor= 
gelegten Urkunden nicht entnehmen. Dazu kommt, 
daß S. P. ſich offenbar ſelbſt nicht für befugt er- 
achtet hat, mit ſich zu kontrahieren, ſonſt würde er 
ſchwerlich den Geſellſchafter M. S. zur Vertretung 
der Geſellſchaft bei dem Kaufvertrage bevollmächtigt 
und ſo den Anſchein eines Vertragsſchluſſes mit ſich 
ſelber zu vermeiden geſucht haben. 


Vermieden iſt indeſſen durch die Zuziehung des 
M. S. nur der Anſchein eines Verſtoßes gegen $ 181, 
nicht die Tatſache, daß dieſe Beſtimmung verletzt iſt. 
Zwar dem bloßen Wortlaute nach liegt eine Ber- 
letzung nicht vor. S. P. hat nicht als Vertreter im 
Namen des Vertretenen mit ſich im eigenen Namen 
oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeſchäft 
vorgenommen und ebenſowenig läßt ſich das von 
M. S. behaupten. Die Befugnis des S. P., als Ge- 
ſchäftsfübrer einen Dritten zur Vertretung der Geſell— 
ſchaft bei irgend einem Rechtsgeſchäfte zu beſtellen, 
iſt nicht zu beſtreiten. Es ſteht auch wohl außer 
Zweifel, daß in einem ſolchen Falle der Dritte nicht 
der Vertreter des Geſchäftsführers, ſondern der Ge⸗ 
ſellſchaft iſt. Der Fall liegt ähnlich, wie wenn ein 
Bevollmächtigter von dem ihm eingeräumten Rechte 
der Ernennung eines Unterbevollmächtigten Gebrauch 
macht und dann im eigenen Namen mit dem als 
Vertreter des urſprünglichen Vollmachtgebers hans 
delnden Unterbevollmächtigten einen Vertrag abſchließt. 
Die Meinungen, ob ein ſolches Verfahren gegen 
$ 181 verſtößt, find geteilt (vgl. einerſeits Planck 
Note 1 Abſ. 5 zu 8 181, anderſeits Staudinger-Riezler 
Note 9 zu § 181). In der Tat dürfte ein folder 
Verſtoß vorliegen und zwar nicht nur deshalb, weil, wie 
Riezler anführt, ein ſolches Verfahren gegen den Zweck 
des § 181 verſtößt — das allein dürfte wohl nicht ge- 
nügen — ſondern auch aus folgendem Grunde. Ein 
Vertreter kann immer nur diejenigen Befugniſſe auf 
einen anderen übertragen, die er ſelber hat, das will 
nicht nur ſagen, daß ein Vertreter, der ſelbſt nicht 
von den Beſchränkungen des 8 181 befreit ift, keinen 
Untervertreter beſtellen kann, der für ſeine Perſon 
von dieſer Beſchräukung frei wäre, ſondern das bez 
rechtigt auch zu einer weiteren Schlußfolgerung, die, 
angewendet auf unſeren Fall, lautet: hat S. P. als Ver- 
treter der Geſellſchaft das Anweſen nicht von ſich ſelber 
für die Geſellſchaft kaufen dürfen, dann kann auch 
M. S. von ihm nicht die Befugnis ableiten, das An— 
weſen von ihm für die Geſellſchaft zu erwerben. Für 
ein Rechtsgeſchäft, das S. P. namens der Geſellſchaft 
vorzunehmen rechtlich verhindert iſt, kann er ihr auch 
keinen Vertreter beſtellen, mag auch das Rechts— 
hindernis nur in ſeiner Perſon, nicht auch in der des 
neubeſtellten Vertreters gegeben ſein. 


Zur Behebung des dem Vertrag anhaftenden 
Mangels wurde folgender Weg eingeſchlagen. Das 
Notariat heftete dem Kaufvertrag nachſtehende Er— 


klärung bei: „Herrn S. P. in N. wird hiermit die 


Hege fiir wegeepſege in Bayern. 1908. Rr. 9 


| 


jea Baur 


4 


181 


Ermächtigung erteilt, für die Geſellſchaft das ihm ge- 
hörige Anweſen Hs.⸗Nr. ... zu den in der Urkunde 
des Kgl. Notariats N. vom GR.⸗Nr. .. nieder: 
gelegten Bedingungen zu erwerben. Es wird weiter⸗ 
hin der Erwerb des vorgenannten Anweſens laut der 
vorerwähnten Urkunde für die Geſellſchaft ausdrücklich 
genehmigt.“ Dieſe Erklärung trug fünf Unterſchriften, 
die der Notar als echt beglaubigt hatte mit der amt⸗ 
lichen Feſtſtellung, daß die Unterzeichner, unter denen 
ſich auch S. P. und M. S. befanden, die Geſellſchaſter 
der fraglichen Geſellſchaft ſeien. Durfte das Hypo⸗ 
thekenamt nun den Beſitztitel berichtigen? 


Die Frage iſt wohl zu bejahen. Einer neueren 
Entſcheidung des Reichsgerichts folgend (RG. V 
6. November 1907, mitgeteilt im Recht 1908 2. Spruch⸗ 
beilage zu Nr. 1) braucht man im Gegenſatze zu der 
früher vom Reichsgerichte vertretenen Anſicht (RG. 
35. 51, 426) den gegen 8 181 verſtoßenden Vertrag 
wohl nicht als nichtig zu erachten, ſondern darf an⸗ 
nehmen, daß er durch die nachträgliche Genehmigung 
desjenigen, der bei dem Vertrage nicht nach Vorſchrift 
des Geſetzes vertreten geweſen iſt, rechtsbeſtändig 
werden kann. 


Dieſe Genehmigungserklärung bedarf nach 8 182 
Abſ. 2 BGB. nicht der für das Rechtsgeſchäft, den 
Kaufvertrag, in Art. 14 Not G. von 1861 vorgeſchriebenen 
notariellen Form; denn die Vorſchrift des 8 182 
Abſ. 2 gehört nicht dem Liegenſchaftsrecht an und 
gilt darum trotz Art. 189 EG. z. BGB. auch im Ge⸗ 
biete des alten Liegenſchaftsrechtes. 


Eine andere Frage aber iſt es, ob der Verſtoß 
gegen $ 181 durch eine Genehmigungserklärung der 
Geſellſchafter, wie fie im vorliegenden Falle beige: 
bracht worden iſt, geheilt werden kann. Der Kommen⸗ 
tar von Staub-Hachenburg zum Gef. über die GmbH. 
(Anm. 14 zu 8 36) verlangt für einen ſolchen Fall die 
Genehmigung durch einen ordnungsgemäß beſtellten 
Geſchäftsführer; „ein Beſchluß der Geſellſchafter ge— 
nügt hierzu nicht, da dieſe zu ſolchen Rechtsakten, Be⸗ 
ſtellung von Rechten, nicht befugt ſind.“ Allein, wenn 
auch die Geſellſchafter nicht berechtigt find, die Gefell: 
ſchaft Dritten gegenüber zu vertreten, ſo können ſie 
ſich doch mittelbar an der Geſchäftsführung beteiligen. 
Sie können Handlungen ihrer Geſchäftsführer dieſen 
gegenüber genehmigen ; ſie können ihre Geſchäftsführer 
auch von den Beſchränkungen des § 181 entbinden. 
Im vorliegenden Fall enthält der erſte Satz der dem 
Kaufvertrage beigehefteten Erklärung der Geſell— 
ſchafter für den Geſchäſtsführer S. P. die Erlaubnis, 
dieſen Vertrag mit ſich ſelbſt abzuſchließen. Durch 
diefe Befreiung von der Beſchränkung des 8 181 ift 
S. P. in die Lage verſetzt worden, den bereits ab— 
geſchloſſenen, aber noch nicht rechtsbeſtändigen Ber- 
trag namens der Geſellſchaft zu genehmigen, und dieſe 
Genehmigung wird man ohne weiteres in dem zweiten 
Satze der zuletzt erwähnten Erklärung erblicken können, 
die mit den anderen Geſellſchaftern auch S. P., der 
Verkäufer des Anweſens und Geſchäftsführer der 
Käuferin, unterzeichnet hat. Der Beſitztitelberichtigung 
ſtand ſomit, nachdem diefe Erklärung beigebracht war 
kein Hindernis mehr entgegen. 


Amtsrichter Eckert in Nürnberg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 


I. 

cheidung wegen 
3. Oktober 1899 ver 
1905 leben ſie getrennt, im 
ur Scheidungsklage. 
ch ſeit zwei Jahren 
nungen wären er⸗ 
begehrte Klage⸗ 
terkannte auf Scheidung ge⸗ 
es die Berufung der Be⸗ 
m RG. aufgehoben. 
G. nimmt einen 


Voransſetzung der S 
Die Parteien ſi 


Februar 1906 ſchrit 
Er behauptete, ſeine 
dem Trunke ergeben; 
folglos geblieben. 


t der Mann z 


BGB. Das OLG. wi 
den: Das OL 


den Jahren 1903 
ben geweſen ſei auch für dieſes von 
twortlich zu ma 
der Verantwortlichkeit 
Sachverſtändigen ein, 
en die Beklagte wegen 
Gutachten ab⸗ 


gegeben haben. 
daß die Beklagte 
Kranken häufig 


Zurechnungsfä 
lt der Berufungsri 
Straftaten, Ende 
wo die Trunkſucht 


gebildet geweſen 
und zwar in im 


Beklagte habe aber 


Anfangsſtadium der 
die man von jedem 
de geweſen wäre, 


verlangen müſſe, 
wie ſie denn na 


Einhalt zu tun, 
ihrer Behandlun 
Trunke ergebe 
klagten findet | 


nicht mehr dem 
ſchulden der Be⸗ 
richter nur darin, daß 


omit der Berufungs 
nten im Anfangs- 


gegengetreten ift, 


ſtadiums von i d und ohne daß eine 


wird, ob ein ſolches Ver⸗ 
letzten ſechs Monaten 
vor der am 10. lgten Trennung 


inen Grundſatz 


Beziehung, was 


Es iſt insbeſond 
wenn der Ehegatte in den 
in übermäßiges Trinken 
cht werden kann. 
Bei der erneuten 
r auch zu prüfen 


Monaten für ſe 
ittlich verantwortlich gema 
1 Berufungsrichter. 

d der Berufungsrichte 


Dies verkennt de 
Entſcheidung wir 
haben, ob nicht 
geheilt iſt, für d 
Ehe ausſchließen 
niſſes anzunehmen 
IV. 35. vom 19. 


ne die Fortſetzung der 
ehelichen Verhält⸗ 
Bedeutung gewinnt. 
907, IV 171/07). 


ie Frage, ob ei 


II. 
Verhältnis mehrerer letztwilliger Verfügt des 
Erblaſſers. Auslegungsfragen. Die am 26. Au gur 


1903 verſtorbene Franziska D. hat ein am 26. MG r3 
1902 vor einem Notar errichtetes Teſtament hinter“ 
laſſen, worin ſie verfügt hat: „Es ſeien aus ihre m 
Nachlaß 1000 M für Meſſeleſen zu verwenden, 5000 NI 
ſolle ihre Nichte Franziska H. als Prälegat bekommen. 
ihr Ehemann ſolle von dem Reſte die Hälfte erhalten. 
ebenfo wie die Hälfte der Hauseinrichtung, währe d 
die andere Hälfte des Mobiliarnachlaſſes die genannte 
Franziska H. als Vermächtnis erhalten und in die 
andere Hälfte des Kapitalvermögens ihre drei e- 
ſchwiſter Joſeph H., Joſephine N. und Marie St. fi 


händiges Teſtament errichtet, worin ſie über eine ihr 
an ihren Schwager Franz St. zuſtehende Darlehens- 
forderung zu 17000 M in der Weiſe verfügte, daB 
davon Marie St. 10 000 M, die drei minderjährigen 
Kinder ihres Bruders Joſeph H. je 2000 M und ihre 
Schweſter Joſephine N. 1 M erhalten ſollten. De r 
Witwer hat Klage auf Anerkennung der Ungültigkeit 
der letztwilligen Verfügung vom 1. April 1901 gegen 
die darin Bedachten erhoben; das LG. wies die Klage 


Verfügungen nicht vorhanden. Das OLG. führte da= 
gegen aus: „Die letztwillige Verfügung vom 26. März 
1902 ſei klar und unzweideutig; es gehe daher nicht 
an, die nur für Zweifelsfälle gegebenen Auslegungs⸗ 
regeln anzuwenden und unter Zuhilfenahme ſchrift⸗ 


Teſtaments umzugeſtalten. Nach dem Wortlaute 
des notariellen Teſtaments könne kein Zweifel daran 
beſtehen, daß die Erblaſſerin in dieſem über ihren 
geſamten Nachlaß verfügte; ſie ſpreche von =: 
Nachlaß oder Nachlaßvermögen ohne Einſchränkung. 
Es ſei gleichgültig, ob die Erblaſſerin des Widerſpruchs 
mit dem früheren Teſtament ſich bewußt geweſen ſei, 
und ob ſie letzteres trotz der Faſſung des ſpäteren 


Wollte ſie es aufrecht erhalten, fo mußte fie es an, 
geſichts der zwingenden Vorſchriften in den SS 2231 
und 2258 BGB. in einer geſetzlich einwandfreien Weiſe 
zum Ausdruck bringen und gegebenen Falles ihr ſpä⸗ 
teres Teſtament ſo faſſen, daß das frühere daneben 
beſtehen konnte. Dabei wäre es ihre Pflicht ge⸗ 
weſen, ſich über die rechtlichen Folgen gegenüber ihrem 
früheren Teſtament und über die geſetzlichen Be⸗ 
dingungen, unter denen die fortdauernde Rechtswirk⸗ 
ſamkeit des letzteren geſichert werden konnte, zu er⸗ 
kundigen, bevor ſie das ſpätere Teſtament errichtete. 
Hat ſie dies unterlaſſen, und kam infolgedeſſen ihr 
letzter Wille nicht in wirkſamer Weiſe zum Ausdruck, 
ſo kann hierfür auch der nur für rechtsgültige letzt⸗ 
willige Verfügungen gewährleiſtete geſetzliche Schutz 
nicht beanſprucht werden.“ Auf die Reviſion der Be 
klagten hat das Reichsgericht das Urteil aufgehoben 
und die Sache zurückverwieſen. 

Gründe: Die Ausführungen des OLG. ſind zu 
beanſtanden, inſofern es ſeine Entſcheidung auf den 
Wortlaut der notariellen Urkunde vom 26. März 1902 
geſtützt und es für gleichgültig erklärt hat, ob die 
Erblaſſerin ihre Verfügung vom 1. April 1901 habe 
aufrecht erhalten wollen. Hat es nämlich die Erb⸗ 
laſſerin am 26. März 1902 bei der im Teſtament 
vom 1. April 1901 über ihre Darlehensforderung von 
17 000 M getroffenen Verfügung belaſſen wollen, ſo 
hat ſie unter dem „dann noch vorhandenen Nachlaß⸗ 
vermögen“ ihren Nachlaß nach Ausſcheidung der 
17 000 M Ausſtand bei Franz St., 1000 M Meſſe⸗ 
ſtiftung und 5000 M Prälegat für Franziska H. ver⸗ 

ſtanden. Sollte der Kläger nur von dieſem Nachlaß⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


vermögen die Hälfte erhalten, ſo läßt ſich dieſem 
Willen der Erblaſſerin nicht deswegen die Anerkennung 
verſagen, weil er nicht in „einwandfreier“ Weiſe er- 
klaͤrt und es Pflicht der Erblaſſerin geweſen fei, ſich 
zuverläſſig zu erkundigen. Die Verfügung über den 
Ausſtand zu 17000 M in dem Teſtament vom 1. April 
1901 iſt rechtsgültig getroffen. Das Teſtament vom 
26. März 1902 aber ſteht mit der früheren Verfügung 
nur dann in Widerſpruch, wenn die Verfügung vom 
26. März 1902 ſich auch auf jene Forderung erſtreckt 
haben ſollte. Ob dies der wirkliche Wille der Erb— 
laſſerin war, iſt zu ermitteln, ohne daß an dem buch⸗ 
ſtäblichen Sinne der von der Erblaſſerin in dem Teſta— 
ment vom 26. März 1902 gebrauchten Ausdrücke zu 
haften ift (§ 133 BGB.). Zur Erforſchung des wahren 
Sinnes der von der Erblaſſerin gebrauchten Ausdrücke 
dürfen, was vom Berufungsrichter verkannt wurde, 
auch außerhalb des Teſtaments liegende Umſtände be- 
rückſichtigt werden. (Urt. vom 3. Februar 1908). 
1226 — —cht— — 


III. 


Auf Grund der Vorſchrift im § 826 BGB. kann 
die Unterlaſſung eines Bordellbetriebs in Nachbar⸗ 
a beauſprucht werden. Aus den Gründen: 
Das OLG. verkennt keineswegs, daß das unzüchtige 
Treiben in den Häuſern des Beklagten Kr. nicht die 
äußeren Grenzen von deſſen Eigentum überſchreitet 
und das Eigentum des Klägers an ſeinen Häuſern 
nur inſofern beeinflußt, als es deren Mietertrag und 
damit deren Wert herabdrückt, daß es deshalb keine 
„reale“ Einwirkung im Sinne der SS 903, 906 BGB. 
auf das Grundſtück des Klägers enthält, und daß der 
Anſpruch des letzteren auf Unterlaſſung nicht in ſeinem 
Eigentum und im 5 1004 eine Stütze findet. Das 
OLG. gründet ſeine Entſcheidung vielmehr ebenſo, 
wie das LG., auf den $ 826 BGB. Daß das Dulden 
eines bordellartigen Betriebes zumal zwecks Erzielung 
höherer Mieterträge, die hierin liegende Förderung 
der Unzucht aus Eigennutz, gegen die guten Sitten 
verſtößt, wird auch von der Reviſion nicht in Zweifel 
gezogen. Iſt hierdurch aber, wie das OLG. feſtge⸗ 
ſtellt hat, der Mietertrag der Häuſer des Klägers ge— 
drückt und der Kläger ſo geſchädigt, und iſt der Be— 
klagte Kr., wie im angefochtenen Urteil weiter feſt— 
geſtellt iſt, ſich dieſes Erfolges ſeines Verhaltens be— 
wußt geweſen, ſo iſt auch der Schluß gerechtfertigt, 
daß der Beklagte in einer gegen die guten Sitten 
verſtoßenden Weiſe dem Kläger vorſätzlich Schaden zu— 
gefügt hat. Und dies begründet nicht nur einen Anſpruch 
auf Erſatz des dem Kläger durch ſolches Verhalten 
ſchon entſtandenen Schadens, ſondern, da die Fort— 
ſetzung des Verhaltens und ſomit eine weitere Schädi— 
gung des Klägers in der Zukunft zu beſorgen iſt, 
auch den Anſpruch auf Unterlaſſung. Dieſer Anſpruch 
wird dadurch, daß die Polizei nicht im öffentlichen 
Intereſſe gegen das Treiben in den Häuſern des Be- 
klagten einſchreitet, nicht berührt. Ebenſowenig wird 
der urſächliche Zuſammenhang zwiſchen dieſem Treiben 
und dem Mietertrag aus den Häuſern des Klägers 
dadurch beſeitigt, daß in der Fl. gaſſe außer in den 
drei Häuſern des Beklagten Kr. noch in zwei weiteren 


en re N ee Wenn a: u EEE Eh —— an al ———— — 


Häuſern Gewerbsunzucht betrieben wird. (Urt. des 
V. 35. vom 29. Februar 1908, V 390/07). 
1230 -— —ı 


IV. 


Autemsbilunfall. Bedentung der über den Verkehr 
mit Kraftfahrzengen erlaſſenen Polizeiverordnungen. 
Bedentung der Eigenſchaften und Kenntniſſe des Kraft⸗ 
vagenführers bei der Anwendung des § 831 BGB. 
Der Kläger fuhr mit einem Freunde vom Felde zurück 
und leitete zu ſeinem Vergnügen deſſen mit zwei 
Pferden beſpannten Pflugkarren. In der Stadt L. 
holte ſie das von dem Führer A. gelenkte Automobil 


flächlich und unvollſtändig ſein. 


183 


— a a 


des Beklagten B. ein. Infolge des Huppenzeichens 
wurde das Sattelpferd unruhig. Der Kläger ſprang 
von ſeinem Sitz und wurde, als er an den Kopf des 
Pferdes eilen wollte, von dem vorüberfahrenden 
Automobil erfaßt, zu Boden geſchleudert und am linken 
Bein erheblich verletzt. Er forderte in bezifferten 
Beträgen von dem Beklagten und dem Führer A. 
Erſatz der Heilungskoſten, des immateriellen Schadens 
und feines Erwerbsverluſtes. Das LG. hat die beiden 
Beklagten zur Zahlung der bis Juli 1905 entſtandenen 
Heilungskoſten verurteilt und im übrigen den Klage— 
anſpruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. 
Das OLG. hat die Berufung zurückgewieſen. Die 
Reviſion des Führers A. wurde, weil ſie nicht be⸗ 
gründet wurde, verworfen, die Reviſion des Beklagten 
B. wurde zurückgewieſen. 
Aus den Gründen: Das OLG. führt aus: 
Der Führer habe durch Uebertretung von 88 6, 7, 8 
der oberpolizeilichen Vorſchrift vom 17. Mai 1902 
betr. den Verkehr mit Motorfahrzeugen den Unfall 
verurſacht; er ſei mit einer ſehr bedeutenden die er- 
laubte von 12 km in der Stunde weit überſchreitenden 
Geſchwindigkeit gefahren, er habe zu ſpät und nicht 
deutlich hörbare Signale gegeben und obwohl das 
Sattelpferd an dem voran fahrenden Pflugkarren 
unruhig geworden ſei, die Fahrgeſchwindigkeit weder 
rechtzeitig noch ausreichend verlangſamt. Der Beklagte 
hafte für den durch A. dem Kläger zugefügten Schaden 
gemäß § 831 BGB., weil nicht erwieſen fei, daß er 
bei der Auswahl des A. die erforderliche Sorgfalt 
beobachtet habe. A. habe zwar die körperlichen, tech— 
niſchen und ſittlichen Eigenſchaften für einen Kraft— 
wagenführer, nicht aber die Kenntnis von den ein— 
ſchlägigen Polizeivorſchriften beſeſſen, die in den an 
M., den Wohnort ſeines Herrn angrenzenden oder ihm 
benachbarten Staaten, namentlich in Bayern beſtanden. 
Deshalb habe ſich A. nicht zum Führer geeignet und 
der Beklagte hätte ihn als ſolchen nicht beſtellen 
dürfen. Der Beklagte habe ſich aber, als er ihn zum 
Führer habe ausbilden laſſen, gar nicht darum ge— 
kümmert, ob er mit den Polizeivorſchriften vertraut 
fei. Die Anſchauung des OLG. ift frei von Rechts- 
irrtum. Die Polizeiverordnungen über den Verkehr 
mit Kraftfahrzeugen ſchreiben im einzelnen vor, wie 
der Führer eines Kraftwagens ſich auf der öffentlichen 
Straße, namentlich beim Zuſammentreffen mit Menſchen, 
Tieren und Fahrzeugen zu verhalten hat. Der Führer, 


der ſie übertritt, hat Schadenserſatzanſprüche, Beſtrafung, 


unter Umſtänden den Verluſt ſeiner Stellung oder über— 
haupt ſeines Fortkommens als Führer zu gewärtigen. 
Die Polizeiverordnungen find daher ebenſowohl be— 
ſtimmt, wie geeignet, wenn fie auch vielſach ohne 
Wirkung bleiben, den Führern einzuprägen, in welcher 
Weiſe ſie zum Schutze von Leben und Eigentum der 
auf der Straße ſich bewegenden Menſchen die Lenkung 
ihres Fahrzeuges einzurichten haben, ihre Neigung, 
die Geſchwindigkeit und die Gewalt des Fahrzeugs 
ohne Rückſicht auf den übrigen Menſchenverkehr ſpielen 
zu laſſen, zu zügeln und ſo die Gefahren der Kraft— 
fahrzeuge für dieſen Verkehr einigermaßen zu verhüten 
oder zu vermindern. Von einem Führer, der für ſeinen 
Beruf im Einzelfall tauglich ſein ſoll, muß daher die 
Kenntnis der Vorſchriften gefordert werden, die in 
den Ländern gelten, durch die er fährt. Nach der 
Feſtſtellung des Berufungsgerichts hat der Beklagte 


rege Familien- und Geſchäftsbeziehungen mit der nahen 


bayeriſchen Stadt F. unterhalten. Sein Führer mußte 
daher ganz beſonders in den bayeriſchen Vorſchriften 
bewandert ſein; deſſen Kenntniſſe durften nicht, wie 
feſtgeſtellt, mangelhaft, die Unterweiſung nicht ober— 
Die Reviſion meint, 
der Unfall ſei durch übermäßig raſches Fahren des A. 
entſtanden und den Beklagten B. könne ein Vorwurf 
wegen der Anſtellung des A. nicht treffen, weil der 
Beklagte es für ſelbſtverſtändlich habe halten dürfen, 


184 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


— 


— — — — — 
—— ——ü—ä—ö́ͤ— ͤ — — — — 


daß der im übrigen tüchtige Führer auch die Bes | — nach 8 7 Wein. ſtrafloſer — Verſuch der Ber⸗ 
ſtimmungen über die erlaubte Geſchwindigkeit kenne, fälſchung des künftig entſtehenden und zur Schaum 
die ja jedermann bekannt ſeien, der ſich nur für das weinfabrikation beſtimmten Weines oder au 
Automobilfahren intereſſiere. Die Rüge iſt unbegründet. künftigen Schaumweines als weinhaltigen Getränkes 
Für die Anwendung des 8 831 BOB. ift es ohne gefunden werden, wobei dahingeſtellt bleiben kann, 
Belang, ob die Schadenszufügung durch den zu einer ob dieſer Verſuch bereits ein vollendetes Vergehen 
Verrichtung beſtellten gerade infolge des Mangels ver⸗ gegen das NMG. in ſich ſchließt. Allein zu einer 
urſacht wurde, der ihn als zu der übertragenen Ver⸗ ſolchen Ausſcheidung von Tatbeſtandsmerkmal ern nur 
richtung ungeeignet erſcheinen läßt. Es genügt, daß aus dem Grunde, weil ihre Vorausſetzungen im M us- 
der Beitellte objektiv dazu ungeeignet war. Nach der land eingetreten find, beſteht — und zwar gleichviel. 
Feſtſtellung des Berufungsgerichts hat übrigens A. ob das vollendete Vergehen nach ausländiſchem Rechte 
nicht bloß durch zu raſches Fahren, ſondern haupt⸗ ſtrafbar iſt oder nicht — kein Anlaß. Die ſtrafbare 


ſächlich dadurch den Unfall herbeigeführt, daß er die Handlung hat vielmehr als ganz im Inland be- 
i gangen zu gelten, wenn die eigentliche verbrecheriſche 


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I 
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| Tätigkeit des Handelnden im Inland verübt iſt, ihre 
olt und wenn er merkt, daß ein Tier wegen des Wirkungen aber erſt im Ausland ſo hervorgetreten 
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Kraftwagens unruhig wird, nicht beachtet hat. Der ſind, wie ſie das inländiſche Recht als ſtrafbegrün dend 


Beklagte konnte dem A. die nötige Kenntnis von den und ſtrafrechtswidrig bezeichnet. ($ 3 des StGB., 
Polizeiverordnungen um ſo weniger zutrauen, als er 
ſelbſt bei demſelben Lehrer Fahrunterricht genoſſen, 
aber dieſe Kenntnis, die für ihn ebenſo wichtig war, 
gleichfalls nicht übermittelt erhalten hat. (Urt. des 
VI. 85. vom 6. Februar 1908, Nr. a 

1208 


ausgeſchloſſen, daß der im Ausland fertiggeſtellte 

Rohwein ſowohl wie der daraus bereitete Schaum⸗ 
wein nur für den ausländiſchen Handelsverke x be- 
ſtimmt waren, denn die Strafbeſtimmungen ſo wohl 
des NMO. wie des Wein®. beziehen ſich allgemein auch 
| auf die für das Ausland beſtimmten Erzeugniſſe. 
| (Entſch. Bd. 35 S. 169 [175 0. 
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| 


B. Straffaden. 


2. Ob Glyzerin in der Darſtellung, in der es im 
Einzelfall zur Verwendung gelangt, noch als ſolches 
zu gelten hat, iſt eine weſentlich tatſächliche Frage. 
Da der Zuſatz von Glyzerin zu Wein nach $ 7 des 
Geſetzes unbedingt und allgemein verboten iſt, kommt 

es darauf, daß der Angeklagte den an ſich nicht zu 
der Auskunftsverweigerung des nge: beanſtandenden Zweck verfolgte, den Moſt ſtumm zu 
klagten Schlüſſe zu ziehen? Verfahren machen, ebenſowenig an, wie darauf, ob im gegebenen 
bei dem Zuſatze won Schwefelſäure nach | Falle der Zuſatz den Wein geſundheitsſchädlich machte, 


* 


ollendung des Ver 


zeigt. Iſt der Zweck des verbotenen Zu⸗ 
ſatzes gleichgültig? Iſt es zu aich aus 


92 Ziff. 1 Wein G. Beurteilung der Tat, wenn | oder ihm den Schein einer beſſeren Beſchaffenheit verlieh. 
jemand einem Kunden ein Mittel für Wein⸗ 3. Die Feſtſtellung, daß die von dem Angeklagten 
behandlung verabfolgt, das verboten iſt, zur Heilung kranker Weine abgegebene Löſung eine 
der Abnehmer aber ſich im guten Glauben ſolche von natron sulfurosum in Waſſer geweſen ſei, 
befindet. Begriff der Gewerbsmäßigkeit. beruht zwar nicht allein auf einem Schluß aus der 
1. Die Tätigkeit, durch die das Vergehen gegen 87 Taſtſache, daß der Angeklagte ſich weigerte, über die 
verbunden mit § 13 Nr. 1 Wein. verübt wird, beſteht Zuſammenſetzung der Löſung Angaben zu machen; 
darin, daß verbotene Stoffe entweder nach der Her⸗ ſoweit aber die Weigerung des Angeklagten zu 
ſtellung des Weines, eines weinhaltigen oder wein⸗Schlußfolgerungen benutzt iſt, kann dies prozeſſual 
ähnlichen Getränkes, oder auch ſchon vorher „bei nicht beanſtandet werden. (8 260 StPO.). 
der Herſtellung“ dieſen Getränken zugeſetzt werden. 4. Die Verwendung von ſchwefliger Säure iſt in 
Iſt das letztere geſchehen, alſo bei der Weinbereitung, der Kellerbehandlung ſtets üblich geweſen, namentlich 
ſei es zur Zeit der Gewinnung des Moftes, ſei es auch bei der Behandlung ſtichiger und brauner Weine. 
während der Behandlung, die den Grundſtoffen und | In 82 Nr. 1 Wein geſchieht denn auch der ſchwefligen 
Halbfabrikaten vor oder während der Gärung Säure beſondere Erwähnung. Wegen ihrer anti⸗ 
zuteil wird, ſo iſt die Straftat erſt vollendet, wenn ſeptiſchen und entfärbenden Eigenſchaften ift ihre An⸗ 
Wein gewonnen oder ein weinhaltiges oder wein⸗ wendung im wirtſchaftlichen Intereſſe der Erzeuger 
ähnliches Erzeugnis bereitet iſt; bei der Weinbereitung von Wein zugelaſſen, im geſundheitlichen Intereſſe 
wird die Vollendung regelmäßig mit dem Zeitpunkte der Verbraucher die Einſchränkung getroffen, daß ſie 
eintreten, in dem der mit verbotenem Zuſatz verſehene nur in geringer Menge in den Wein gelangen darf. 
Moſt die erſte Gärung überſtanden hat. Dieſe Voll⸗ Ueber die Art der Zuführung der ſchwefligen Säure 
endung des Vergehens gegen 87 Wein®. hat ſich hier zum Wein enthält das Geſetz keine Beſtimmungen. 
im Auslande vollzogen; in England iſt die künſtlich Deshalb würde wohl nichts im Wege ſtehen, wenn 
zurückgehaltene Gärung des Moſtes eingetreten, die dieſe durch ein neues Verfahren ermöglicht würde; 
Herſtellung von ſtillem Wein und deſſen Verwendung die Anwendung des hergebrachten Verfahrens, wobei 
zur Schaumweinfabrikation erfolgt. Deshalb bleibt Schwefel in den Fäſſern abgebrannt und der Wein 
aber doch das vollendete Vergehen als ein ſolches in die eingebrannten, mit Dämpfen ſchwefliger Säure 
gegen das inländiſche Strafgeſetz beſtehen und der | erfüllten Fäſſer eingegoſſen wird, iſt nach 8 Nr. 1 
Angeklagte iſt nach dieſem verantwortlich, weil Wein. nicht Bedingung der Zuläſſigkeit der uführung 
die eigentliche ſtrafbare Handlung im Inland von ſchwefliger Säure. Wohl aber iſt Vorausſetzung 
verübt iſt. für die Zulaſſung auch jedes neuen Verfahrens, daß 
Wenn die von dem Angeklagten im Inland entz nur geringe Mengen ſchwefliger Säure, und aus⸗ 
faltete Tätigkeit — der Zuſatz von Glyzerin zu fil⸗ ſchließlich ſolche, nicht auch verbotene Stoffe in den 
triertem Moſt oder zur Traubenmaiſche, der durch Wein gelangen. Der Zuſatz von ſolchen Stoffen zu 
gutgläubige Dritte ausgeführt wurde — für ſich Wein wird nicht nur um deswillen zuläſſig. weil 
allein betrachtet und wenn von den im Ausland ein- durch ſie und in Verbindung mit ihnen ſchweflige 
getretenen weiteren Vorausſetzungen der Strafbarkeit Säure dem Wein zugeführt werden kann. Solche 
abgeſehen würde, ſo könnte darin allerdings nur ein Stoffe hat aber der Angeklagte dem Weine zugeſetzt. 


Seine Verteidigung, daß er die ſchweflige Säure 
allein und nach vorgängiger Abtrennung des Natron 
verwendet habe, iſt als widerlegt bezeichnet; ein ſolches 


Verfahren, die ſchweflige Säure aus der Verbindung 


des Natrons frei zu machen und allein dem Weine 
zuzuführen, hat der Angeklagte nicht gekannt und 
nicht angewendet. Unter dieſen Umſtänden iſt der 
Zuſatz von natron sulfurosum unzuläſſig, weil nur 
die ſchweflige Säure, nicht aber auch natron sul- 
furosum in der Kellerbehandlung üblich und anerkannt 
iſt. Gehört Natron weiter zu den Stoffen, die den 
Extraktgehalt des Weines erhöhen, fo iſt der Zuſatz dieſes 
Fremdſtoffes auch nach 8 3 Nr. 6 Wein. ſtrafbar. 
Nach dem Vorbehalte dieſer Geſetzesſtelle wäre er nur 
dann ſtraflos, wenn eben Natron als Mittel zur Be⸗ 
handlung von Weinen anerkannt und üblich wäre. 
Dem Hinweis des Beſchwerdeführers auf abweichende 
Beſtimmungen ausländiſcher Geſetze und auf die an- 
gebliche Uebung im Auslande kommt für die An⸗ 
wendung des Wein. ebenſowenig Bedeutung zu, wie 
umgekehrt dem Umſtand, daß in den Materialien zum 
WeinG. ausländiſche Beſtimmungen bekannt gegeben 
ſind, in denen die Zuläſſigkeit der Verwendung der ſchwef⸗ 
ligen Säure davon abhängig gemacht iſt, daß ſie aus 
dem Verbrennen arſenfreien Schwefels herſtammt. 
(Druckſache 303 der II. Seſſion des Reichstages 1900/01 
unter b, 4). 

5. Die Zeugen M. H. und K. haben im Vertrauen 
auf die Angabe des Angeklagten und in Unkenntnis 
der Zuſammenſetzung der ihnen verkauften Löſung 
dieſe bei der Behandlung von Weinen benutzt, die 
für den Verkauf beſtimmt waren. Nach den Urteils⸗ 
feſtſtellungen war es dem Angeklagten bekannt, daß 
keiner der Genannten wußte, in und mit der empfohlenen 
und gelieferten Löſung würden extrakterhöhende und 
deshalb verbotene Stoffe dem Weine zugeführt. Die 
Tätigkeit dieſer Perſonen war ſonach keine ſtrafbare 
Handlung ($ 59 StGB.), und kann daher als ſolche 
weder auf ſtrafbare Anſtiftung des Angeklagten zurück⸗ 
geführt werden, noch als vun dieſem in der Form 
ſtrafrechtlicher Beihilfe unterſtützt gelten. Der ſtraf⸗ 
rechtswidrige Erfolg der Herſtellung von Verkaufs⸗ 
wein unter Verwendung extrakterhöhender Stoffe iſt 
vielmehr als Straftat ausſchließlich in dem vorfäß- 
lichen Handeln des Angeklagten begründet, der in der 
Löſung den gutgläubigen Empfängern das Mittel zur 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


eine ſtändige Erwerbsquelle zu ſchaffen. 


werden ſollte. Das genügt, um ihn für die ge- 
werbsmäßige“ Herſtellung des verbotswidrig be⸗ 
reiteten Weines verantwortlich zu machen und es 
kommt nicht darauf an, ob der Angeklagte auch aus 
dem Verkauf der Löſung ſelbſt ein Gewerbe machte, 
ob er beabſichtigte, aus der Wiederholung der Ber- 
wendung dieſer Löſung durch gutgläubige Dritte ſich 
Der Schutz 
des Verkehrs iſt der Zweck der Strafbeſtimmung des 
§3 Wein. Deshalb ift der Zuſatz der dort beſtimmten 
Stoffe zum Wein nur dann unterſagt, wenn dieſer 
zur rechtsgeſchäftlichen Verwertung im Verkehr, nicht 


dann, wenn er für den Hausbedarf beſtimmt iſt. 


verbotswidrigen Herſtellung lieferte und ſie durch An⸗ 


weiſung und Belehrung zu deffen Anwendung vor— 
ſäͤtzlich beſtimmte. Seine Tätigkeit war eine Urſache 
des erwähnten Erfolges und zwar die einzige, die in 
dem ſchuldhaften Willen einer ſtrafrechtlich verantwort— 
lichen Perſon begründet und deren Wirkſamkeit für 


den Erfolg durch die bewußte Tätigkeit einer anderen 


Perſon nicht unterbrochen iſt Daß der verbotene Er⸗ 
folg — denn gegen dieſen, nicht gegen die Herſtellungs— 
tätigkeit als ſolche richtet ſich die Strafbeſtimmung — 


ſo wie geſchehen, eintreten werde, hat der Angeklagte 
erkannt und für den Fall gewollt, daß die Empfänger 


die von ihm bezogene Löſung ſeiner Anweiſung ent— 
ſprechend anwenden würden. 

6. Der Angeklagte iſt daher als Täter für die 
vorſätzliche Herbeiführung dieſes Erfolges verantwort— 
lich, mag immerhin ſein eigentliches Intereſſe an der 
Tat ſich in der e Abgabe des Mittels erſchöpft 
haben. (Entſch. Bd. 18 S. 419/423). Die Annahme 
ſeiner Täterſchaft könnte nur dann zweifelhaft ſein, 
wenn in dem Tatbeſtand des ihm zur Laſt fallenden 
Vergehens rein perſönliche Verhältniſſe des Täters 
vorausgeſetzt und dieſe in der Perſon des Angeklagten 
nicht gegeben wären. Das trifft jedoch für die Be- 
ſtimmung der §§ 3, 13 Nr. 1 Wein. nicht zu. Der 
Angeklagte hat gewußt, daß der Wein, dem die Löſung 
zugeſetzt wurde, zur gewinnbringenden Verwertung im 
Gewerbebetriebe der Eigentümer beſtimmt war und 


gerade durch die gelieferte Löſung verwertbar gemacht 


Indem das Geſetz von „gewerbsmäßiger“ Herſtellung 
ſpricht, bezeichnet es ſonach den Herſtellungszweck, die 
Eigenſchaft des Weines als für den Verkauf oder die 
Verwendung im Gewerbebetrieb beſtimmt, nicht aber 
iſt dabei, wie ſonſt regelmäßig, eine rein perſönliche 
Eigenſchaft, ein beſtimmtes Verhalten des Täters ins 
Auge gefaßt, das ſich durch deſſen Abſicht auf dauernde 
Gewinnerzielung kennzeichnet. (Entſch. Bd. 36 S. 427, 
Bd. 38 S. 359/362 und Entſch. d. erkennenden Senats 
1 955/07 gegen Straßburger vom 21. Dezember 1907). 
(Urt. des I. StS. vom 4. Januar 1908, 1 D N 
1178 i 


II. 


Tod des Nebenklägers in der Reviſionsinſtanz. 
(§ 442 StPO.). !) Da der Nebenkläger . .. geſtorben 
ift, nach 8 442 StPO. die Anſchlußerklärung durch 
den Tod des Nebenklägers die Wirkung verliert und 
durch die Wirkungsloſigkeit der Anſchlußerklärung das 
von dem Nebenkläger allein eingelegte Rechtsmittel 
ohne weiteres hinfällig wird, ift die Reviſion .. . als 
erledigt anzuſehen. (Beſchluß des V. StS. vom 11. Fe⸗ 


bruar 1908, 5 D 718/07). 
1241 


— — — e —. 


III. 


Hinweiſung auf die Veränderung des rechtlichen 
Geſichtspunktes. (§ 264 StPO.) Die beiden Ange- 
klagten ſind der gemeinſchaftlichen Unterſchlagung 
— 88 246, 47 StGB. — beſchuldigt geweſen; unter 
Verneinung der Gemeinſchaftlichkeit wurde der An- 
geklagte H. wegen Unterſchlagung, der Angeklagte S. 
wegen Teilnahme durch Hilfeleiſtung dazu (88 246, 49 
StGB.) verurteilt, nachdem der letztere darauf hin- 
gewieſen worden war, daß „feine Tat auch ... als 
Teilnahme an einer Unterſchlagung angeſehen werden 
könne“. Der auf § 264 StPO. geſtützten Reviſion des 
Angeklagten S. konnte der Erfolg nicht verſagt werden. 
Eine Veränderung des rechtlichen Geſichtspunktes hat 
inſoferne ſtattgefunden, als er nicht auf Grund des 
$ 47, ſondern auf Grund des § 49 StGB. beſtraft 
wurde. Der erfolgte Hinweis war keineswegs geeignet, 
ihm mit voller Deutlichkeit klar zu machen, daß ihm 
von den drei im III. Abſchnitte des I. Teiles des Straf- 
geſetzbuchs behandelten Arten der Teilnahme gerade 
Beihilfe ($ 49) zur Laft gelegt werden könne. Da es 
nicht ausgeſchloſſen iſt, daß der Angeklagte gerade 
infolge der Mehrdeutigkeit der ihn nicht vor Ueber— 
raſchungen ſchützenden Hinweiſung es unterlaſſen hat, 
die ihm in Anſehung des 8 49 StGB. zur Seite 
ſtehenden Rechtsbehelfe vorzubringen, kann nicht ver— 
neint werden, daß das Urteil auf der gerügten Ver— 
letzung beruht. (Urt. des V. StS. vom 7. Januar 
1908, 5 D 996/07). 

1240 


— — —e— 


1) Anm. des Herausgebers. Der Beſchluß verdient trotz 
ſeiner Kürze beſondere Beachtung, weil er einen unſeres Wiſſens in 
der Rechtſprechung noch nicht entſchiedenen Fall behandelt. 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


Liegt ein kh Mehrere gemeinſchaftliches Recht im 
Sinne von 3 48 GVO., 741 BGB. vor, wenn „ie 
ein lebens längliches nuentgeltliches Wohnungsrecht“ 
für zwei Perſonen an denfelben Wohnräumen beſtellt 
wird? (BGB. SS 1093, 1090). In einem notariellen 
Kaufvertrage, durch den die Wirtseheleute Jakob und 
Katharina R. in M. ihr Anweſen an den Ackerer 
Friedrich B. und deſſen Frau verkauften, beſtellten 
die Käufer den Eheleuten R. „je ein lebenslängliches 
unentgeltliches Wohnungsrecht an dem vorderen 
Zimmer“. Zugleich bewilligten und beantragten ſie 
„die Eintragung dieſes Rechts im Grundbuche mit 
gleichem Range für beide Rechte“. Das Grundbuch— 
amt ging von der Anſicht aus, daß es ſich um ein 
den beiden Berechtigten gemeinſchaftlich zuſtehendes 
Recht zur ungeteilten Benutzung des Raumes handle, 
das Recht ſelbſt daher geteilt ſein müſſe, beſtimmte 
deshalb eine Friſt zur Angabe der Anteile der Bez 
rechtigten in Bruchteilen oder des für die Gemein— 
ſchaft maßgebenden Rechtsverhältniſſes und lehnte, 
als die Angabe nicht erfolgte, die Eintragung der 
Wohnungsrechte ab. Die Beſchwerde der Käufer wurde 
zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht entnahm daraus, 
daß die Verkäufer an dem ihnen überlaſſenen Raume 
gemeinſchaftlich berechtigt ſein ſollen, die Beſtellung 
eines einheitlichen Wohnungsrechts für beide, das 
ihnen nur gemeinſchaftlich zuſtehen könne. Neben dem 
für einen Berechtigten beſtellten Wohnungsrecht an 
einem Zimmer könne nicht „das nämliche Wohnungs— 
recht“ für einen anderen Berechtigten beſtellt werden. 
Es beſtehe daher eine Gemeinſchaft nach Bruchteilen, 
nach $ 48 GBO. müßten deshalb in der Eintragung 
die Anteile der Berechtigten in Bruchteilen angegeben 
werden. Auf weitere Beſchwerde wurden die Ent— 
ſcheidungen aufgehoben und das Grundbuchamt ange— 
wieſen anderweit zu verfügen. 


Gründe. Die Annahme der Vorinſtanzen, daß 
den Eheleuten R. ein einheitliches Wohnungrecht be— 
ſtellt ſei, weil dieſelben Räume nicht Gegenſtand 
zweier nebeneinander beſtehender Wohnungsrechte 
fein könnten, geht fehl. Das im 8 1093 BGB. als 
beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit zugelaſſene Recht, 
einen Teil eines Gebäudes unter Ausſchluß des Eigen- 
tümers als Wohnung zu benützen, kann begrifflich 
nur einen Träger haben. Für den Inhalt des Rechtes 
iſt die Verknüpfung mit der Perſon des Berechtigten, 
auf deſſen Lebensdauer das Recht beſchränkt iſt, 
weſentlich, und das Recht iſt ſeinem Weſen nach un— 
teilbar, der Benutzung des Gebäudeteils, die dem Be— 
rechtigten zuſteht, können dem Maße nach Schranken 
geſetzt ſein, aber das Recht kann immer nur im 
ganzen ausgeübt werden. Die Beſchränkung des Be— 
nutzungsrechts kann insbeſondere darin beſtehen, daß 
an demſelben Gebäudeteile einem anderen ein gleich— 
artiges Recht zuſteht, der Berechtigte ſich alſo die 
Mitbenutzung durch einen andern Berechtigten ge— 
fallen laſſen muß. Die Begründung eines Wohnungs— 
rechts mit einem ſo beſchränkten Inhalt iſt ebenſo 
möglich, wie nach dem § 1090 BGB. ein Wohnungs- 
recht begründet werden kann, das zur Benutzung 
eines Gebäudes oder eines Gebäudeteils ohne Aus— 
ſchluß des Eigentümers berechtigt. Daraus, daß die 
nebeneinander beſtehenden Rechte denſelben Gegen— 
ſtand haben, ergibt ſich eine gemeinſchaftliche Be— 
nutzung der ihnen unterworfenen Räume, aber eine 
Rechtsgemeinſchaft im Sinne des 8741 BGB. beſteht 
nicht, jeder der Berechtigten hat nicht einen Bruchteils— 
anteil an einem gemeinſchaftlichen Rechte, ſondern 
ein ſelbſtändiges Recht. In der Urkunde iſt daher 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


mit Recht der Ausdruck gewählt, daß den beiden Ver⸗ 
käufern „je ein Wohnungsrecht“ eingeräumt wird. 
(Beſchluß des I. 35. vom 16. März 1908, Reg. III 
27/1908). W. 

1246 

IL 

Auslegung von Urkunden zum Zwecke der Beſtim⸗ 
mung der Staatsgebühren. Berudfihtigung von Um- 
ſtänden, die nicht aus der Urkunde . (Geb. 
Art. 48, BGB. § 133). Nach einer notariellen Urkunde 
vom 23. Auguſt 1905 verkaufte der Gutsbeſitzer Z. 
in N. an den Bauunternehmer A. in N. einen Bau⸗ 
platz. Nach Nr. IX der Urkunde verpflichtete ſich der 
Verkäufer für ſich und ſeine Rechtsnachfolger, bis zum 
1. Januar 1908 auf Verlangen des Käufers weitere 
Bauplätze einzeln oder im ganzen um 3.13 M für den 
Quadratfuß an ihn zu verkaufen. Unter Nr. X er⸗ 
klärten die Beteiligten, daß ſie auf die Eintragung 
„der unter Nr. IX vereinbarten Bedingungen“ in das 
Hypothekenbuch verzichten. Die Urkunde hat die Ueber⸗ 
ſchrift „Kaufvertrag und Verpflichtung zur Eigentums— 
übertragung“. Am 29. Auguft 1905 errichtete das 
Notariat einen „Nachtrag“, laut deſſen Z. und A. er⸗ 
klärten, daß „die in der Urkunde vom 23. Auguſt 1905 
von dem Verkäufer eingegangene Verpflichtung zur 
Eigentumsübertragung Bedingung des Hauptvertrags 
und nicht ein ſelbſtändiges, von dem Kaufvertrag uns 
abhängiges Rechtsgeſchäft ſei und daß der Kauf nur 
unter der Bedingung und Vorausſetzung geſchloſſen 
wurde, daß der Verkäufer die erwähnte Verpflichtung 
übernehme; anderenfalls hätte der Käufer ſich zum Kaufe 
nicht entſchloſſen“. Der Notar ſetzte deshalb nur für den 
Verkauf des Bauplatzes eine Gebühr an. Die Regierung 
ordnete jedoch die Nachforderung von 186.30 M für 
die in Nr. IX der Urkunde vom 23. Auguft 1905 ent- 
haltene Vereinbarung an. Auf Beſchwerde der Ehe— 
gatten Z. entſchied das LG. N., daß die Nachforderung 
nicht gerechtfertigt ſei. Es bemerkte u. a.: Die Urkunde 
vom 23. Auguſt laſſe weder einen ſicheren Schluß 
darauf zu, daß die in Nr. IX enthaltene Vereinbarung 
nach dem Willen der Vertragſchließenden nur eine 
Nebenbeſtimmung des Hauptvertrags bildet, noch 
darauf, daß dies nicht der Fall iſt. Die Urkunde vom 
29. Auguſt aber gebe weſentliche Anhaltspunkte für 
die Annahme an die Hand, daß das erſte der Fall 
ſei. Daß dem ſo ſei, gehe übrigens auch aus der Ur— 
kunde vom 23. Auguſt und anderen Umſtänden hervor. 
Nach dem Willen der Beteiligten liege alfo ein wirt— 
ſchaftliches Geſchäft vor, deſſen Beſtimmungen als ein 
einheitliches Ganzes aufzufaſſen ſeien. Die Eingehung 
der Verpflichtung zur künftigen Uebertragung des 
Eigentums bilde demnach nur eine Nebenbeſtimmung 
des Kaufvertrags. Für die Einheit des Vertrags— 
gegenſtandes ſpreche auch die Anordnung des Inhalts 
der Urkunde. Das Oberſte Landesgericht hat die 


weitere Beſchwerde der Regierungsfinanzkammer 
zurückgewieſen. 
Gründe: Das LG. hat durch Auslegung der 


Urkunde vom 23. Auguſt 1905 feſtgeſtellt, daß die bei 
dem Verkauf eines Bauplatzes erfolgte Eingehung der 
Verbindlichkeit des Verkäufers, an ihn innerhalb einer 
beſtimmten Friſt auf ſein Verlangen noch andere 
Grundſtücke zu verkaufen, nicht ein ſelbſtändiges, von 
dem Kaufvertrag unabhängiges Rechtsgeſchäft, ſondern 
eine Nebenbeſtimmung oder „Bedingung“ dieſes Vers 
trags im Sinne des Art. 183 Abſ. 2 Geb. bilden 
ſoll. Allerdings hat das LG. ſeiner Auslegung des 
Inhalts der Urkunde vom 23. Auguſt 1905 nicht bloß 
deren Inhalt, ſondern auch andere Umſtände, ins— 
beſondere die Erklärung zugrunde gelegt, die in der 
wenige Tage ſpäter errichteten Urkunde enthalten iſt. 
Nach den im Abſchn. III der 4. Abt. des Geb. 
(Art. 144 bis 192) enthaltenen Vorſchriften iſt die 
Gebühr für eine Notariatsurkunde nach ihrem Inhalt 
oder ihrem Gegenſtande zu beſtimmen, für ihre Feſt— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


ſetzung iſt alſo nur der Inhalt der Urkunde, der darin 


beurkundete Wille der Beteiligten, maßgebend; Um⸗ 
ſtände, die nicht aus der Urkunde hervorgehen, ſind 


deshalb in der Regel dabei nicht zu beachten. Daraus 


folgt aber nicht, daß ſolche Umſtände bei der Aus- 
legung der Urkunde auch dann außer Betracht zu 


bleiben haben, wenn ihr Inhalt unklar oder mehr⸗ 


deutig ift. Nach § 133 BGB. ift bei der Auslegung 
einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu er: 
forſchen und nicht am buchſtäblichen Sinne des Aus⸗ 
druds zu haften. Das Geb. enthält keine Vorſchrift, 
durch die dieſe Willenserforſchung ausgeſchloſſen wäre. 
Der Grundſatz, daß für die Beſtimmung der Gebühr 
die in der Urkunde enthaltene Willenserklärung maß— 
gebend iſt, bringt es allerdings mit ſich, daß Umſtände, 
die nicht aus der Urkunde hervorgehen, für die Aus⸗ 
legung nur inſoweit in Betracht kommen können, 
als der durch die Auslegung ermittelte wirkliche Wille 
in der beurkundeten Erklärung einen erkennbaren 
Ausdruck gefunden hat. Dafür, daß bei der Auslegung 
von Urkunden zum Zwecke der Beſtimmung der Gebühr 
auch Umſtände berückſichtigt werden können, die nicht 
aus der Urkunde hervorgehen, ſpricht geradezu die 
auch für Beſchwerden gegen den Anſatz oder die Nach⸗ 
forderung von Gebühren für Notariatsurkunden geltende 
Vorſchrift des Art. 48 GebG., daß die Beſchwerde auf 
neue Tatſachen und Beweiſe geſtützt werden kann. 
Die Vorſchrift hätte kaum einen Zweck, wenn bei der 
für die Beſtimmung der Gebühr für eine Notariats⸗ 
urkunde erforderlichen Auslegung der Urkunde nur 
deren Inhalt und nicht, wenigſtens hilfsweiſe, auch 
andere Umſtände berückſichtigt werden dürften. Solche 
andere Umſtände ſind auch die in einer anderen Ur⸗ 
kunde enthaltenen Erklärungen der Beteiligten, die 
einen Schluß darauf zulaſſen, was die Beteiligten bei 


der Errichtung der Urkunde wirklich erklären wollten, 


für die die den Gegenſtand des Streites bildende Gebühr 
angeſetzt iſt oder nachgefordert wird. 
II. 35. vom 21. Dezember 1907, V 23/07). 


1164 W. 


III. 


Kaum eine offene Handelsgeſellſchaft durch Mehr: 
heitsdeſchluß der Geſellſchafter aufgelöſt werden? (GB. 
5 119, 109). In A. hat fich 1896 eine aus 12 Teil- 
habern beſtehende „Brauerei-Vereinigung“ gebildet, 
die am 13. Juli 1903 unter der Firma Brauerei- 
Bereinigung K. & Cie., A. bei N.“ als offene Handels- 
geſellſchaft mit dem Sitze in A. in das Handelsregiſter 
eingetragen wurde. 
trag iſt nicht errichtet worden; die Anmeldung zum 
Handelsregiſter enthält die Beſtimmung, daß die Ge- 


ſellſchafter K., Ha. und Hb. und zwar jeder allein zur 


Vertretung der Geſellſchaft ermächtigt ſeien. Die 
laufenden Geſchäfte wurden in „Ausſchußſitzungen“ 
erledigt, über wichtigere Angelegenheiten wurde in 
Verſammlungen der Geſellſchafter beſchloſſen. 
den Ausſchußſitzungen und in den Verſammlungen 
gefaßten Beſchlüſſe wurden in einem Protokollbuche 
verzeichnet. Da die Verhältniſſe der Geſellſchaft ſich 
ungünſtig geſtalteten, wurde auf den 30. September 
1907 eine Verſammlung der Geſellſchafter berufen, um 
über die Auflöſung der Geſellſchaft und die Wahl von 
Liquidatoren zu beſchließen. Ueber die Verhandlung 
wurde ein notarielles Protokoll aufgenommen. 
den 12 Geſellſchaftern waren 10 erſchienen, Ha. und 
ein zweiter fehlten. Die Auflöſung wurde mit allen 
10 Stimmen beſchloſſen. Hierauf entfernte ſich einer 
der Geſellſchafter, die übrigen wählten mit 7 gegen 
2 Stimmen, darunter die des Geſellſchafters Hb., K., 
Ha. und Hb. zu Liquidatoren. Nachdem ſich noch zwei 
Geſellſchafter entfernt hatten, wurde mit allen 7 
Stimmen beſchloſſen, daß je zwei Liquidatoren in Ge— 
meinſchaft die zur Liquidation gehörenden Handlungen 
ſollen vornehmen können. Mit notariell beglaubigten 


(Beſchluß des 


Ein ſchriftlicher Geſellſchaftsver⸗ 


Die in 


Geſellſchaftsvertrages nach 8 


Von 


187 


Nr. 9. 


Erklärungen meldeten die ſämtlichen Geſellſchafter die 
Auflöſung der Geſellſchaft, die Beſtellung der Geſell⸗ 
ſchafter K., Ha. und Hb. zu Liquidatoren und die Be⸗ 
ſtimmung, daß je zwei Liquidatoren in Gemeinſchaft 
zur Vornahme der Liquidations handlungen berechtigt 
ſein ſollen, zur Eintragung in das Handelsregiſter an. 
Mit der Anmeldung wurde das Protokoll über die 
Verſammlung vom 30. September vorgelegt. Da das 
Regiſtergericht Bedenken gegen die De der 
Beſchlüſſe vom 30. September 1907 hegte, weil 
ſie nicht von den ſämtlichen Geſellſchaftern einſtimmig 
gefaßt worden ſind, berief ſich Rechtsanwalt Dr. C. 
in N. als von den Liquidatoren K. und Hb. bevoll⸗ 
mächtigter Vertreter der Geſellſchaft unter Vorlegung 
des Protokollbuchs darauf, daß ſeit dem 4. Januar 1897 
alle Beſchlüſſe von der Mehrheit der erſchienenen Ge- 
ſellſchafter gefaßt worden es In dieſer Uebung 
ſei eine gewohnheitsrechtliche Beſtimmung zu finden, 
die durch die von den ſämtlichen Geſellſchaftern be— 
tätigte Anmeldung beſtätigt werde. Das Regiſter⸗ 
gericht lehnte die beantragte Eintragung ab, weil es 
an der mangels einer anderweitigen Beſtimmung des 
119 HGB. notwendigen 
Zuſtimmung aller Geſellſchafter fehle. Aus dem 
Protokollbuche ergebe ſich zwar, daß die meiſten Be- 
ſchlüſſe von der Mehrheit der erſchienenen Geſellſchafter 
gefaßt worden find, es fänden fih aber auch Mus- 
nahmen. Das Protokoll über die Ausſchußſitzung vom 
5. Dezember 1905 enthalte u. a. den Beſchluß der zwei 
anweſenden Geſellſchafter, wegen einer größeren Liefe- 
rung von Gerſte und Malz „die Zuſtimmung ſämt⸗ 
licher Teilhaber laut Zirkularunterſchrift“ zu erholen. 
Ueber die Auflöſung der Geſellſchaft und die damit 
zuſammenhängenden Maßregeln könnte jedenfalls nicht 
durch Mehrheitsbeſchlüſſe, ſondern nur durch Zuſtim— 
mung aller Geſellſchafter entſchieden werden. Rechts⸗ 
anwalt Dr. C. legte namens der Geſellſchaft Pe- 
ſchwerde ein und brachte noch Erklärungen des zweiten 
in der Verſammlung vom 30. September 1907 nicht 
erſchienenen Geſellſchafters, daß er mit der Auflöſung 
der Geſellſchaft einverſtanden ſei, und des Ha., Hb. 
und eines der Geſellſchafter, die die Verſammlung 
nach der Wahl der Liquidatoren verlaſſen haben, des 
Inhalts bei, daß ſie mit der Wahl der Liquidatoren 
und der Beſtimmung über ihr gemeinſchaftliches 
Handeln einverſtanden ſeien. Die Beſchwerde wurde 
zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht ſchloß ſich den 
Ausführungen des Regiſtergerichts an und fügte bei, 
über die Auflöſung der Geſellſchaft und den Eintritt 
der Liquidation beſtehe nunmehr allerdings Ein— 
ſtimmigkeit, die Eintragung in das Handelsregiſter ſei 
aber nicht tunlich, weil die Erklärung des Geſell— 
ſchafters Ha. wohl dahin zu verſtehen ſei, daß er der 
Auflöſung nur unter dem Vorbehalte zuſtimme, daß 
die Liquidation nach Maßgabe der gefaßten Beſchlüſſe 
ſtattfinde. Für dieſe Beſchlüſſe fehle die Zuſtimmung 
von zwei Geſellſchaftern, ſie ſeien deshab unwirkſam. 
Auf weitere Beſchwerde der Geſellſchaft wurde die 
Entſcheidung des Beſchwerdegerichts aufgehoben und 
die Sache zurückverwieſen. 

Gründe: Da der das Rechtsverhältnis der Ge⸗ 
ſellſchafter untereinander nach 8 109 HGB. beſtimmende 
Geſellſchaftsvertrag einer beſonderen Form nicht be— 
darf, konnte die Beſtimmung, daß abweichend von dem 
§ 119 HGB. für die von den Geſellſchaftern zu faſſenden 
Beſchlüſſe eine beſtimmte Mehrheit genüge, auch durch 
ſtillſchweigendes Einverſtändnis der Geſellſchafter ge— 
troffen werden, und ein ſolches Einverſtändnis läßt 
ſich aus einer ſtändigen, von allen Geſellſchaftern als 
ſelbſtverſtändlich angeſehenen Uebung entnehmen. Bei 
der ziemlich großen Zahl der Geſellſchafter, von denen 
einer auswärts wohnte, war es von vornherein uns 
tunlich, zu allen Beſchlüſſen, bei denen die ſämtlichen 
Geſellſchafter zur Mitwirkung berufen waren, die 
Zuſtimmung aller zu fordern, und es iſt denn 


auch, wie die Vorinſtanzen feſtgeſtellt haben, die 
Entſcheidung durch Mehrheitsbeſchlüſſe Uebung ge⸗ 
weſen. Der in der Ausſchußſitzung vom 5. Dezember 
1905 gefaßte Beſchluß bildet inſofern keine Ausnahme, 
als ſtatt der Berufung einer außerordentlichen Ver⸗ 
ſammlung der Geſellſchafter, in der ein Mehrheits⸗ 
beſchluß hätte gefaßt werden können, die Erholung 
der ſchriftlichen Zuſtimmung der Geſellſchafter ange- 
ordnet wurde. Für dieſe Art der Beſchlußfaſſung iſt 
auch bei den rechtsfähigen Vereinen, in deren Mit⸗ 
gliederverſammlungen nach 8 32 Abſ. 1 BGB. die 
Mehrheit der erſchienenen Mitglieder entſcheidet, nach 
dem Abſ. 2 des § 32 Einſtimmigkeit erforderlich. Aus 
den Protokollen vom 2. Oktober 1905 und vom 
3. Auguſt 1906 ergibt ſich allerdings, daß zur Be⸗ 
ſchlußfaſſung über beſonders wichtige Angelegenheiten 
die Anweſenheit von fünf Geſellſchaftern nicht für ge⸗ 
nügend erachtet wurde, aber dadurch iſt keineswegs 
ausgeſchloſſen, daß die Entſcheidung in der gehörig 
berufenen Verſammlung 


Zieitſcrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


— 


der Kapellmeiſter Th. als „da capo⸗Nummer“ ein der 
Polizeidirektion zur Einſicht nicht vorgelegtes, daher 
nicht genehmigtes Lied mit dem Titel „Uneigennützig“ 
und die Schauſpielerin St. das verbotene Lied „Die 
Geſchichte von meinem Himmelbett“ als „Dreingabe“ 
vor. Damals war H. abweſend; die geſamte Leitung 
des Theaters lag in den Händen des G., der das 
Programm für die Abendvorſtellung genehmigte und 
ihr anwohnte. Die beiden nicht „zenſurierten“ Lieder 
wurden ohne Genehmigung und ohne Wiſſen und 
Wollen der Unternehmer vorgetragen. Das Schöffen⸗ 
gericht ſprach H. und G. von einer Zuwiderhandlung 
gegen § 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. frei, weil kein 
Verſchulden vorliege. Auf die vom Amtsanwalt 
wegen e Dun des G. eingelegte Berufung 
hob das LG. das ſchöffengerichtliche Urteil, ſoweit es 
den G. betrifft, auf und verurteilte ihn wegen eines 


Vergehens gegen die GewO. Das Berufungsgericht 


durch einen Beſchluß ge⸗ 


troffen werden konnnte, auf den ſich ſieben Stimmen, 


die Mehrheit der Stimmen der ſämtlichen Gefell- 
ſchafter, vereinigten. Gerade dieſe Löſung der Frage 
lag beſonders nahe, und von dieſer Auffaſſung ſcheint 
man in der Verſammlung vom 30. September 1907 
ausgegangen zu ſein, in der die zwei letzten Beſchlüſſe 
mit ſieben Stimmen gefaßt wurden, ohne daß bei der 
Wahl der Liquidatoren, bei der zwei mitwirkende 
Geſellſchafter überſtimmt wurden, ein Widerſpruch 


gegen die Gültigkeit laut wurde. In dem Zuſammen⸗ 


wirken aller Geſellſchafter zu der Anmeldung der von 
der Mehrheit beſchloſſenen Aenderungen kann gleich⸗ 
falls die Betätigung der Ueberzeugung von der Wirk⸗ 
ſamkeit der mit ſieben Stimmen gefaßten Beſchlüſſe 
gefunden werden, die nicht zuſtimmenden Geſellſchafter 
können mit Recht angenommen haben, zu der Mit⸗ 
wirkung bei der Anmeldung verpflichtet zu ſein. 
Wenn das Beſchwerdegericht annahm, daß die Geſell⸗ 
ſchafter mit Ausnahme des Ha. der Auflöſung der 
Geſellſchaft ohne Rückſicht darauf zugeſtimmt haben, 
in welcher Weiſe die Liquidation ſtattfinden ſoll, aber 
Bedenken trug, die Erklärung des Ha. in demſelben 
Sinne zu verſtehen, ſo ſtand nichts im Wege, den 
Zweifel durch Befragen des Ha. zu beheben. (Beſchl. 
des I. ZS. vom 7. Februar 1908, Reg. III 13/1908). 
1244 W. 


B. Strafſachen. 


1 


Geſchichtliche Entwickelung und rechtliche Grund⸗ 
lagen der Theaterzeuſur in Bayern. Welche Strafvor⸗ 
ſchrift ift bei Zuwiderhaudlungen gegen Stonzeifions: 
bedingungen anzuwenden? Die Theaterdirektoren H. 
und G. erhielten von der Polizeidirektion M. nach 
§ 32 Gewdo. die Erlaubnis zum Betriebe eines 
Schauſpielunternehmens und nach § 33a GewO. die 
Genehmigung zum gewerbsmäßigen Betriebe des 
Schauſpiels, 
ſtellungen und muſikaliſcher und deklamatoriſcher 
Vorträge. Auf Grund des Art. 32 PStGB. wurde 
ihnen im Intereſſe der Sicherheit, öffentlichen Ordnung 


der Veranſtaltung theatraliſcher Bors 


nahm an, daß G. bei dem ſelbſtändigen Betrieb eines 
ſtehenden Gewerbes, zu deſſen Beginn eine polizeiliche 
Genehmigung erforderlich iſt, von der in der Ge⸗ 
nehmigung feſtgeſetzten Bedingung abgewichen ſei, 
und erachtete den Tatbeſtand eines Vergehens nach 
§ 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. für gegeben. Die Reviſion 
des G. wurde auf die Rüge der Verletzung der 88 32, 
32a, 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. geſtützt. Sie hatte Erfolg. 

Aus den Gründen: 1. Art. 63 des P StGB. 
vom 10. November 1861 bedrohte in Abſ. 1 Ziff. 1 
mit Strafe, „wer ohne polizeiliche Erlaubnis öffent⸗ 
liche Luſtbarkeiten, wie theatraliſche Auf- 
führungen uſw. veranſtaltet“, und enthielt in 
Ziff. 3 eine Strafdrohung gegen den, der die bei Er⸗ 
teilung der Erlaubnis zu ſolchen Unternehmungen 
von der Ortspolizeibehörde ihm auferlegten Be- 
dingungen verletzt. Darüber, welchen Inhalt die Be⸗ 
dingungen haben können, gibt das Geſetz keinen aus⸗ 
drücklichen Aufſchluß. Durch den Umſtand aber, daß 
der Art. 63 in das 2. Hauptſtück „Uebertretungen in 
bezug auf öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ 
eingeſtellt wurde, a der Geſetzgeber das Gebiet be⸗ 
grenzt, auf dem ſich die Bedingungen zu bewegen haben, 
ſie müſſen mit der Aufrechthaltung der öffentlichen 
En Ordnung und Sicherheit im Zuſammenhange 
ſtehen. 

Art. 16 des bayer. Geſ. vom 30. Januar 1868, 
das Gewerbsweſen betr., beſtimmt im Abſ. 1: „Die 
Beſtimmungen des PSIEB. über Schau- und Vor- 
ſtellungen erleiden keine Abänderung“; es iſt damit 
Art. 63 PStGB. aufrecht erhalten worden. Auf 


Grund des Art. 16 Abſ. 1 des GewG. vom 30. Januar 
1868 und des Art. 63 des PStGB. wurde die BO. 


erlaſſen. 


polizeiliche 


und Sittlichkeit die Bedingung auferlegt, daß der 


Text jedes zur öffentlichen Aufführung beſtimmten 
Stückes, Gedichtes oder Liedes mindeſtens acht Tage 
vor der Aufführung der Polizeidirektion vorzulegen 
iſt; ferner wurde ihnen die Auflage gemacht, „nicht 
zugelaſſene Improviſationen der Darſteller durch 
ausdrückliche Anweiſung zu verhindern“; für Er— 
füllung dieſer Verpflichtung wurde die perſönliche 
Verantwortlichkeit der Unternehmer beſtimmt. Am 
1. März 1907 verbot die Polizeidirektion den Vor— 
trag des Liedes „Die Geſchichte von meinem Himmel— 
bett“. In der Vorſtellung vom 12. April 1907, deren 
Programm nur genehmigte Stücke enthielt, trugen 


vom 3. Juli 1868, die Schau- und Vorſtellungen betr. 
83 Abſ. 2 der VO. beſtimmte: „Unter: 
nehmer von öffentlichen theatraliſchen Vorſtellungen 
uſw. bedürfen einer Erlaubnis der einſchlägigen Kreis⸗ 
regierung“. 

2. An Stelle des Art. 63 des PStcB. vom 
10. November 1861 trat Art. 32 des PSIGB. vom 
26. Dezember 1871, der in Ziff. 1 und 4 den mit 
Strafe bedroht, „der ohne die nach VO. erforderliche 
Erlaubnis öffentliche Luſtbarkeiten, wie 
theatraliſche Aufführungen ufw., veranftaltet 
(Ziff. 1) und den, der die bei der Erteilung der Erlaub⸗ 
nis zu ſolchen Unternehmungen von der Polizeibe⸗ 
hörde ihm auferlegten Bedingungen verletzt (Ziff. 3). 
Art. 32 ift in das 2. Hauptſtück des PStGB. „Ueber: 
tretungen in bezug auf öffentliche Ruhe, Ordnung 
und Sicherheit“ eingeſtellt. 

3. Sowohl auf Grund des Art. 63 Ziff. 3 PStGB. 
von 1861 als auch auf Grund des Art. 32 Ziff. 3 
des PStchB. von 1871 konnten bei der Erteilung 
der Erlaubnis zu den in Art. 63 Ziff. 1 und 32 Ziff. 1 
aufgeführten Unternehmungen Bedingungen geſetzt 
werden, die mit dem Zwecke der geſetzlichen Vor⸗ 
ſchriften im Zuſammenhang ſtanden und die Art und 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


Weiſe des Betriebes betrafen. Hiernach aber war es 
zuläſſig, daß die Polizeibehörde bei der Erteilung 
der Genehmigung von theatraliſchen Aufführungen 
die Bedingung ſetzte, daß nur ſolche Stücke zum 
Vortrage gelangen dürfen, die zuvor der Polizeibe⸗ 


189 


—— ͤ nu—ͤ — — — 
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hörde vorgelegt und nicht beanſtandet worden find. 


4. Es iſt weiter zu prüfen, ob der auf Grund 
des Art. 32 PStGB. geltende Rechtszuſtand infolge 
der Einführung der GewO. eine Aenderung erfahren 
hat. Durch das RG. vom 12. Juni 1872 wurde die 
GewO. in Bayern eingeführt. Nach dem von der 
bayer. Regierung vorgeſchlagenen Geſetzentwurf über 
die Einführung der GewO. in Bayern ſollte dem 
8 32 Abſ. 1 GewO. folgende Faſſung gegeben werden: 
„Schauſpielunternehmer bedürfen zum Betrieb ihres 
Gewerbes der Erlaubnis, welche nach Maßgabe der 
von der Landesregierung zu erlaſſenden Verordnungen 
verſagt und zurückgenommen werden kann.“ Der 
Vorſchlag fand keine Zuſtimmung; es trat für Bayern 
der unveränderte 8 32 Abſ. 1 GewO. in Geltung, der 
lautet: „Schaufpielunternehmer bedürfen zum Betriebe 
ihres Gewerbes der Erlaubnis. Dieſelbe iſt ihnen 
zu erteilen, wenn nicht Tatſachen vorliegen, welche 


die Unzuverläſſigkeit des Nachſuchenden in Beziehung 


auf den beabſichtigten Gewerbebetrieb dartun.“ 
5. Durch das RG. vom 15. Juli 1880 erhielt 
§ 32 Abſatz 1 GewO. folgende Faſſung: „Schauſpiel⸗ 


unternehmer bedürfen zum Betriebe ihres Gewerbes 


der Erlaubnis. Dieſelbe iſt zu verſagen, wenn die 


Behörde auf Grund von Tatſachen die Ueberzeugung 


gewinnt, daß der Nachſuchende die zu dem beabſichtigten 
Gewerbebetrieb erforderliche Zuverläſſigkeit ... 
nicht beſitzt.“ Maßgebend für die Aenderung des 
Abſ. 1 war die Erwägung, daß, wenn auch auf dem 
Wege der zuläſſigen Schaffung partikularrechtlicher 
Beſtimmungen über die Ausübung des Theater— 
gewerbes den infolge der Verbreitung der Tingel— 
tangels und cafés chantants hervorgetretenen Miß— 
ſtänden abgeholfen werden könne, es doch angezeigt 
ſei, der Behörde die Möglichkeit zu gewähren, ſchon 
im Zeitpunkte der Einholung der Bewilligung an die 
0 des Nachſuchenden ſtrenge Anforderungen zu 
tellen. 

6. Durch 
§ 32 die jetzt geltende Faſſung: „Schauſpielunter— 
nehmer bedürfen zum Betrieb ihres Gewerbes der 
Erlaubnis Die Erlaubnis iſt zu ver— 
ſagen, wenn der Nachſuchende den Beſitz der zu 
dem Unternehmen nötigen Mittel nicht nachzuweiſen 
vermag, oder wenn die Behörde auf Grund von 
Tatſachen die Ueberzeugung gewinnt, daß derſelbe 
die zu dem beabſichtigten Gewerbebetrieb erforderliche 
Zuverläſſigkeit . .. nicht beſitzt.“ 

7. Der Entwurf eines Gef. betr. Abänderung der 
GewO. vom 28. April 1882 beſtimmte in Art. 3 unter I: 


Hinter 8 33 der GewO. wird eingeſchaltet: 8 33 a: 
Abſ. 1: „Wer gewerbsmäßig Muſikaufführungen, 
Schauſtellungen, theatraliſche Vorſtellungen oder 


ſonſtige Luſtbarkeiten, bei denen ein höheres Intereſſe 
der Kunſt oder Wiſſenſchaft nicht obwaltet, in ſeinen 
Wirtſchafts⸗ oder ſonſtigen Räumen öffentlich veran— 


ſtalten oder zu deren Veranſtaltung feine Räume be- 


nützen laſſen will, bedarf zum Betriebe dieſes Gewerbes 
der Erlaubnis ohne Rückſicht auf die etwa 
bereits erwirkte Erlaubnis zum Betriebe 
des Gewerbes als Schauſpielunternehmer.“ 
Abſ. 2: „Die Erlaubnis iſt zu verſagen: 
1. wenn gegen den Nachſuchenden Tatſachen vor— 
liegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß 
die beabſichtigten Veranſtaltungen den Geſetzen 
oder guten Sitten zuwiderlaufen werden; 

. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bez 
ſtimmte Lokal wegen ſeiner Beſchaffenheit oder 
Lage den polizeilichen Anforderungen nicht 
genügt; 


das RG. vom 6. Auguſt 1896 erhielt 


3. wenn der den Verhältniſſen des Gemeinde⸗ 
bezirkes entſprechenden Anzahl von Perſonen 
die Erlaubnis bereits erteilt iſt.“ 

Abſ. 3. „Die Erlaubnis kann auf Zeit er- 
teilt und durch beſtimmt zu be⸗ 
zeichnende Forderungen eingeſchränkt 
werden.“ 

Die Reichstagskommiſſion beſchloß, den § 33a Abſ. 1 
des Entwurfs mit dem Abmaße anzunehmen, daß 
an Stelle des Satzes: „bei denen ein höheres Intereſſe 
der Kunſt oder Wiſſenſchaft nicht obwaltet“, zu ſetzen 
ſei, „ohne daß ein höheres Intereſſe der Kunſt oder 
Wiſſenſchaft dabei obwaltet“, und den Abſ. 2 mit der 
Abänderung, daß an Stelle des Satzes „die Erlaub— 
nis iſt zu verſagen“ der Satz zu treten habe: „die 
Erlaubnis iſt nur dann zu verſagen“. Abſ. 3 des 
Entwurfs: „Die Erlaubnis kann auf Zeit erteilt und 
durch beſtimmt zu bezeichnende Bedingungen einge— 
ſchränkt werden“, wurde von der Kommiſſion geſtrichen. 
Bei den Beratungen der Kommiſſion wurde gegen die 
Beſtimmung in Abſ. 3 geltend gemacht, fie öffne po- 
litiſchen Maßregelungen Tür und Tor und überliefere 
die Lokalinhaber faſt wehrlos den Uebergriffen der 
unteren Inſtanzen, es ſei kein Anlaß vorhanden, hier 
andere Grundſätze eintreten zu laffen, als in 8 33 
GewO., welcher Beſchränkungen der Erlaubnis nicht 
zulaſſe. Im Plenum des Reichstags wurde § 33a, 
wie er von der Kommiſſion beſchloſſen wurde, mit 
dem Abmaß angenommen, daß im Abſ. 1 an Stelle 
der Worte: „Muſikaufführungen oder theatra- 
liſche Darſtellungen“ geſetzt wurde: „Singſpiele, Ge- 
ſangs⸗ und deklamatoriſche Vorträge, Schauſtellungen 
von Perſonen oder theatraliſche Vorſtellungen“ und 
daß als Abſatz 3 aufgenommen wurde: „Aus den 
unter Ziff. 1 angeführten Gründen kann die Erlaub— 
nis zurückgenommen und Perſonen, welche vor dem 
Inkrafttreten dieſes Geſetzes den Gewerbebetrieb be— 
gonnen haben, derſelbe unterſagt werden.“ Mit 
dieſem Inhalte wurde § 33a Geſetz und ift jekt 
geltendes Recht. 

8. Bei Prüfung der Frage, ob die GewO. die 
Feſtſetzung von Bedingungen bei der Erteilung der 
Genehmigung für zuläſſig erklärt habe, die für die 
Zulaſſung zum Betriebe beſtimmter Gewerbe erforder— 
lich iſt, iſt zunächſt zu erwägen, daß fie in $ 147 
Abſ. 1 Ziff. 1 das Abweichen von den in der Ge— 
nehmigung feſtgeſetzten Bedingungen unter Strafe 
ſtellt. Hieraus erhellt, daß ſie der Feſtſetzung von 
Bedingungen bei der Erteilung der Genehmigung 
nicht ablehnend gegenüberſteht, ſolche vielmehr vor— 
ſieht. Anderſeits aber wäre es verfehlt, aus dem 
Inhalte des 8 147 Abſ. 1 Ziff. 1 den Schluß zu 
ziehen, daß die GewO. die Feſtſetzung von Bedingungen 


bei der Erteilung von Genehmigungen ſchlechthin 


zulaſſen und dieſes Gebiet ausſchließlich regeln 
wollte. Eine ſolche Schlußfolgerung iſt ſchon deshalb 
abzuweiſen, weil aus der GewO. ſelbſt hervorgeht, 
daß es Bedingungen gibt, die bei der Erteilung der 
Genehmigung keinesfalls auferlegt werden dürfen, 
z. B. Reſolutivbedingungen (8 40 Gewdo.). Die 
Prüfung kann ſich hier auf die Beantwortung der 
Frage beſchränken, ob die GewO. bei der Erteilung 
der Genehmigung eines Unternehmens wie des von 
dem Angeklagten betriebenen die Feſtſetzung von Be— 
dingungen hinſichtlich der Art und Weiſe der Aus— 
übung für zuläſſig erklären oder ob ſie die Ent— 
ſcheidung der Frage der Zuläſſigkeit ſolcher Be— 
dingungen dem Landesrechte vorbehalten wiſſen 
wollte. Weder aus dem Inhalte noch aus der Ent— 
ſtehungsgeſchichte der 88 32, 33a GewO. find An- 
haltspunkte für die Beantwortung zu entnehmen. Es 
wird unter dieſen Umſtänden ausſchlaggebend die 
grundſätzliche Stellung fein müſſen, die die GewO. 
zur Frage der Erlaſſung von Vorſchriften einnimmt, 
die auf allgemein polizeilichen Erwägungen beruhen, 


1% 


und die Art und Weiſe der Ausübung eines Gewerbes 
betreffen. Der Geſetzgeber hat ſich auf den Stand— 
punkt geſtellt, daß die Regelung des bezeichneten Ge- 
bietes beſonderen Geſetzen — Reichs- oder Landes⸗ 
geſetzen — zu überlaſſen fei (88 1, 144 der Gew.). 
Grundſätzlich iſt es nicht von Bedeutung, ob die aus 
allgemein polizeilichen Erwägungen erlaſſenen Be— 
ſtimmungen über die Art der Ausübung eines Ge— 
werbes in allgemeinen Vorſchriften (Geſetzen, Ber- 
ordnungen) enthalten ſind, oder ob ſie auf Grund 
einer geſetzmäßig erteilten Ermächtigung für den ein- 
zelnen Gewerbebetrieb in der Form der Feſtſetzung 
von Bedingungen bei Erteilung der Genehmigung 
des Betriebes erlaſſen werden. Es wird daher anzu— 
nehmen ſein, daß die GewO. in Anſehung der Zu— 
läſſigkeit der Auflage von Bedingungen bei der 
Erteilung der Genehmigung eines 


einzelnen dem 


Konzeſſionszwang unterworfenen Gewerbebetriebs den 


gleichen Standpunkt einnehmen wollte, wie gegenüber 
der Erlaſſung allgemeiner Vorſchriften und daß dems 
gemäß die Regelung der Frage der Zuläſſigkeit von 
Bedingungen beim Mangel beſonderer reichsgeſetzlicher 
Vorſchriften dem Landesrechte vorbehalten blieb. 


Rechtszuſtand aufrecht geblieben, wie er im Beit- 
punkte der Einführung der GewO. in Bayern be- 
ſtand und es ſind die Bedingungen zuläſſig, die von 
der Polizeidirektion dem Angeklagten auferlegt wurden. 

10. Irrtümlich iſt die Annahme der Vorinſtanz, 
daß die auf die getroffenen Feſtſtellungen anzuwendende 
Strafbeſtimmung der $ 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. 
ſei, der das Abweichen von den bei der Genehmigung 
feſtgeſetzten Bedingungen bedroht. Da, wie dargelegt, 
die GewO. der landesrechtlichen Regelung die Frage 
vorbehalten hat, ob bei der Erteilung der Genehmi— 
gung die Feſtſetzung von Bedingungen zuläſſig ſein 
ſoll, die die Art der Ausübung dieſer Betriebe be— 


treffen, ſo können unter den Bedingungen, deren Ver⸗ 


letzung § 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. unter Strafe 
ſtellt, nicht ſolche verſtanden werden, die, als die Art 
und Weiſe der Gewerbeausübung betreffend, in An- 
ſehung ihrer Zuläſſigkeit der GewO. nicht unterliegen; 
es muß vielmehr angenommen werden, daß die 
GewO. der Landesgeſetzgebung auch die Schaffung 
von Strafvorſchriften überließ, die die Erfüllung der 
landesrechtlich für zuläſſig erklärten Bedingungen 
über die Art der Gewerbeausübung ſichern ſollen. 
Als Vorſchrift des Landesſtrafrechts kommt Art. 32 
Abſ. 1 Ziff. 3 PStGB. in Betracht, nach dem beſtraft 
wird, wer die bei Erteilung der Erlaubnis zu den 
in Ziff. 1 und 2 aufgeführten Unternehmungen von 
der Polizeibehörde ihm auferlegten Bedingungen ver— 
letzt. Es hätte daher die Strafkammer zu würdigen 
gehabt, ob dieſe landesrechtliche Strafvorſchrift an— 
wendbar fei. (Urt. vom 14. Dezember 1907, RevReg. 
511/07). — — — n. 
1215 
II. 

Eigentum an dem Gas, das noch im Leitungsrohr 
fteht, aber bereits die Gasuhr paſſiert hat. Miteigen⸗ 
tum. Sachbeſchädigung an dieſem Gas durch Einpumpen 
von Luft. Berechtigung zum Strafantrag. Der Ange⸗ 
klagte und der Zeuge Z. hatten in einem Anweſen 
mietweife je eine Werkſtätte inne, die aneinander- 
ſtießen. Zum Geſchäftsbetriebe bedienten ſie ſich je 
eines Gasmotors; für beide Arbeitsräume beſtand 
eine gemeinſame Gaszuleitung, die bis zu der die 
Werkſtätten trennenden Zwiſchenmauer führte und 
vor der zunächſt das von Z. und dann das vom An- 
geflagten benötigte Gas abgezweigt und durch be— 
ſondere Seitenſtränge in die beiden Werkſtätten ein— 
geleitet wurde. In einer Entfernung von etwa 25 
Metern vor dem Punkte, an dem von der gemein— 
ſamen Leitung zunächſt die Zuleitung in die Arbeits— 
räume des Z. abzweigt, ift eine Gasuhr (Gasuhr des 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


Angeklagten, Hauptuhr) angebracht; in der Werkſtätte 
des Z. befindet ſich eine weitere Gasuhr (Gasuhr des 
Z., Nebenuhr). Angeklagter hat durch Einpumpen von 
Luft das hinter der Hauptuhr befindliche Gas unbraud: 
bar 1 Er wurde wegen Sachbeſchädigung ver: 
urteilt. 

Aus den Gründen des Reviſionsur⸗ 
teils: Es kann nicht die Rede davon ſein, daß Gas 
des ſtädtiſchen Gaswerkes von dem Angeklagten be- 
ſchädigt worden wäre. Denn ſobald das Gas in dem 
Zuleitungsrohr die Gasuhr des Angeklagten durch— 
laufen hat, iſt es von der Gasanſtalt auf Grund des 
Gaslieferungsvertrages kaufsweiſe unter Stundung 
des Kaufpreiſes bis zur nächſten Kontrolle der Gas- 
uhr an den Konſumenten zu Eigentum übergeben 
worden. Die Verrechnung kann nach Lage der Sache 
nur in der Weiſe erfolgen, daß Z. die durch ſeine 
Nebenuhr gelaufene Gasmenge, Angeklagter das durch 
die Hauptuhr eingetretene Gas unter Abzug des Ber- 
brauches des Z. bezahlt. Solange Z. allein Gas 
aus der gemeinſamen Leitung verbraucht, iſt er allein 


Eigentümer des durch die Hauptuhr eingeſtrömten 


| 


| Gafes, da er es allein bezahlt. 
Hiernach iſt der oben unter 3 ſeſtgeſtellte 


Wenn Z. und der 
Angeklagte gleichzeitig Gas aus der gemeinſamen 
Leitung verbrauchen, ſteht das Gas, das die Haupt: 
uhr paſſiert hat, im Miteigentum beider und ihre 
Anteile an dem gemeinſchaftlichen Gegenſtande be⸗ 
meſſen ſich nach der Menge des von dem Einzelnen 
verbrauchten Gaſes. Der Angeklagte hat durch das 
Einblaſen von Luft das Gas auch tatſächlich be⸗ 
ſchädigt. Beſchädigung im Sinne des 8 303 
StGB. ift jede Einwirkung, durch welche die Sub- 
ſtanz der Sache verändert, ihre Unverſehrtheit aufges 
hoben wird, ſobald hierdurch die Brauchbarkeit der 
Sache für ihre beſondere Zweckbeſtimmung gemindert 
oder ſonſt das Intereſſe des Eigentümers an ihrer 
Unverſehrtheit beeinträchtigt wird. Daß Gas eine 
körperliche Sache iſt, iſt unbeſtritten. Das Gas iſt 
von dem Angeklagten beſchädigt worden, gleichviel 
ob er die Luft ſtark oder ſchwach eingeblaſen hat. 
Im letzteren Falle hat das Gas feine chemiſche Zu- 
ſammenſetzung zum Nachteile feiner Brauchbarkeit ge- 
ändert. Aber auch dann, wenn bei ſtarkem Gin- 
blafen von Luft Luftſäulen zwiſchen die Gasſäule 
ſich einſchieben, die im Leitungsrohr ſteht oder ſich 
bewegt, iſt der für den Gebrauchszweck unerläßliche 
körperliche Zuſammenhang des Gaſes durch Luft in 
einer Weiſe zerriſſen, die eine nachteilige Aenderung 
der Beſchaffenheit des Gaſes bedeutet. Die ſchädi— 
gende Handlung des Angeklagten hat, wenn zur Zeit 
der Tat nur Z. Gas verbrauchte, nach dem oben Ge- 
ſagten ausſchließlich deſſen Eigentum, wenn aber der 
Angeklagte und Z. gleichzeitig Gas verwendeten, das 
im Miteigentum beider ſtehende Gas, in jedem Falle 
alfo eine fremde Sache im Sinne des $ 303 StGB. 
betroffen. Wer eine fremde Sache auch nur zeitweiſe 
unbrauchbar machen will, will fie beſchadigen. (Urt. 
vom 22. Februar 1908, Rev. Reg. 35/08). 
1235 


Oberlandesgericht München. 


Zur Anwendung der 8E 12 Abſ. 2, 13 Abſ. 3 
Gg; Begriff der weiteren Beſchwerde im Falle des 
§ 571 Halbſatz 1 350. In einem Prozeſſe auf 
Duldung der Zwangsvollſtreckung (8 739 ZPO.) er- 
klärte der Beklagte, daß er zwar die Zuſtändigkeit des 
Landgerichts beſtreite, weil der Wert des eingebrachten 
Guts gleich Null ſei, jedoch unbeſchadet der Koſtenpflicht 
des Klageteils den Anſpruch anerkenne. Das Gericht 
legte dieſe Erklärung dahin aus, daß der Beklagte die 
Zuſtändigkeit nur zur Abwendung der Koſtenauflage 
bemängle, erließ in der Hauptſache Anerkenntnisurteil 
und überbürdete dem Beklagten auch die Koſten, weil 


— 2 


der Streitwert der Duldung gleich dem Forderungs⸗ 
betrag (2300 M) ſelbſt ſei. Die Beſchwerde des Be⸗ 
klagten gegen die Streitwertsfeſtſetzung blieb ohne 
Erfolg. Bei der Koſtenfeſtſetzung billigte das Gericht 
zunächſt die vollen Anwaltsgebühren für die Verhand⸗ 
lung in der irrigen Annahme zu, letztere ſei auf den 
vollen Streitwert kontradiktoriſch geweſen. Auf Be⸗ 
ſchwerde des Beklagten ſetzte das Gericht die Verhand⸗ 
lungsgebühr auf ic herab. Dagegen beſchwerte ſich 
nunmehr der Kläger, weil jedenfalls hinſichtlich der 
Koſten (200 — 300 M) kontradiktoriſch verhandelt worden 
fei, ihm ſohin neben °/ıo nichtkontradiktoriſcher Gebühr 


Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


aus der Hauptſache weitere 7 M als volle Verhand⸗ 


lungsgebühr im Koſtenpunkt zuſtänden. Die Beſchwerde 
wurde als zuläſſig erachtet, weil ſie ſich nicht als 
weitere Beſchwerde darſtelle, ſachlich ſei ſie aber unbe⸗ 
gründet, weil in einem ſolchen Falle in entſprechender 
Anwendung des 8 12 GKG. nur die höhere nicht⸗ 
kontradiktoriſche Gebühr verlangt werden könne. 
(Beſchl. vom 5. März 1908; Beſchw. Reg. 14208). 
1223 l N. 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 
Fall der Gültigkeit der in das Beſtätigungsſchreiben 


das man als „konſtitutives Beſtätigungsſchreiben“ be- 
zeichnen mag, iſt verfaßt und behändigt worden, da⸗ 
mit der Käufer wiſſe, wie die Klägerin den mündli 

geſchloſſenen Vertrag auffaſſe und damit er prüfe, o 

ſeine Auffaſſung mit der der Klägerin übereinſtimme. 
Der Beklagte hat dieſe Abſicht auch nicht verkannt, iſt 
vielmehr auf ſie eingegangen: er hat ſich mit einer 
anſcheinend nicht nur flüchtigen Durchſicht der Urkunde 
befaßt und durch den von der Klägerin noch gemachten 
Zuſatz: „gute Qualität“ eine Erweiterung oder doch 
genauere Präziſierung der von der Klägerin zu über⸗ 
nehmenden Pflichten erzielt. Die Urkunde hatte nicht 
die Bedeutung eines bloßen Beweismittels, der Be⸗ 
klagte hat ja, als ihm das Schreiben eingehändigt 
war, noch einmal den Verſuch gemacht, die Klägerin 
zur Uebernahme der bereits abgelehnten Haftung für 
die Bindeeigenſchaft des Strohs zu bewegen, und ſich 
dann erſt mit dem Beiſatze: „gute Qualität“ begnügt. 
Bei ſolcher Sachlage durfte die Klägerin nach den im 
Handelsverkehr unter Kaufleuten maßgebenden Ges 


wohnheiten erwarten, daß der Beklagte, falls er mit 


wuigensmmenen Vereinbarung eines Erfüllungsertes, 


wenn der unter Stanflenten zunächſt mündlich geſchloſſene 
Vertrag dieſen Punkt nicht erwähnt. Einwendung, man 
habe die jene Klanſel enthaltenden allgemeinen Ber: 
tragsbedingungen nicht geleſen. Der Fouragehändler 
E. in N. än Heſſen) kaufte am 16. Januar 1907 von 
der Firma J. M. in F. eine beſtimmte Menge Roggen⸗ 
ſtroh, gute Qualität, Flegeldruſch, zu beſtimmtem 
Preiſe für 100 Kilo „Frachtparität ab F., lieferbar in 
den Monaten Januar und Februar 1907 nach Wahl 
der Verkäuferin in Ladungen von ca. 100 Ztr., zahl⸗ 
bar netto Raffa nach Empfang jeder Sendung“. Ueber 
das Geſchäft wurde von der Verkäuferin eine Urkunde 
in zwei gleichlautenden Exemplaren errichtet, von 
denen eines dem Käufer ſofort behändigt wurde. Die 
Urkunde iſt in Briefform, von F. den 16. Januar 1907 
datiert, an die Adreſſe des Käufers gerichtet und von 
der Verkäuferin unterzeichnet; ſie beginnt: „Hiermit 
verkaufe ich Ihnen unter nachſtehenden Bedingungen“, 
enthält die oben angegebenen beſonderen Geſchäfts— 
bedingungen und im Anſchluſſe hieran eine Reihe all- 
gemeiner — gedruckter — Geſchäftsklauſeln, deren 
eine als Erfüllungsort für alle Teile F. vorſieht. Der 
von der Verkäuferin zum LG. F. erhobenen Kaufpreis— 
klage wurde vom Beklagten die Einrede der örtlichen 
Unzuſtändigkeit entgegengeſetzt. Der Einrede wurde 
vom LG. ftattgegeben, das OLG. hat fie verworfen. 


Gründe: Die Zuſtändigkeit des LG. F. ift ge- 


geben; F. iſt als Erfüllungsort auch für den Be— 
klagten vereinbart. Beim Kaufsabſchluſſe handelte es 
fd) um einen unter Anweſenden zunächſt mündlich 
geſchloſſenen, an ſich formfreien Vertrag. Die Parteien 
hatten aber, wie durch Zeugenbeweis feſtſteht, ein 
großes Intereſſe daran, ſowohl die Rechtsverbindlich— 
keit als den näheren Inhalt des Vertrages auf ſchrift— 
lichem Wege außer Zweifel geſtellt zu ſehen; dieſes 
Intereſſe ergibt ſich namentlich daraus, daß die Ver— 
tragsteile in Anſehung der Frage, ob und welche 
Haftung die Verkäuferin für eine beſtimmte Cualität 
zu übernehmen habe, längere Zeit uneins waren und 
das Geſchaft fih beinahe zerſchlagen hätte. Die Klä— 


gerin ging ſofort, als man über die Grundzüge im, 
reinen war, daran, den Vertrag ſchriftlich abzufaſſen 
und dem Beklagten ein Vertragsexemplar zu über- 


reichen; daraus erhellt ihre Abſicht, den geſamten 
Vertragsinhalt in der Weiſe endgültig feſtzuſtellen, 
daß ausſchließlich der Inhalt dieſes Schriftſtücks für 
den Umfang der beiderſeitigen Rechte und Pflichten 
aus dem Vertrage maßgebend ſein ſolle. Das Schreiben, 


dem Inhalte des Schreibens nicht einverſtanden war, 
ihr dies alsbald mitteilen werde. Beſtand hiernach 
eine Pflicht des Beklagten, im Falle des mangelnden 
Einverſtändniſſes zu reden, ſo muß dem Umſtande, 
daß der Beklagte, ein gewandter Zwiſchenhändler, die 
ergänzte Urkunde entgegengenommen und ohne Ein⸗ 
wendung zu ſich geſteckt hat, die Bedeutung des Ein⸗ 
verſtändniſſes mit dem übrigen Inhalte der Urkunde 
beigelegt, das Stillſchweigen des Beklagten als Unter⸗ 
werfung unter die in der Urkunde enthaltenen Be: 
dingungen ausgelegt werden (RG. II, 24. März 1903, 
26. April 1904, E. 54 S. 180; 58 S. 69). Daß der 
Beklagie keines der beiden Exemplare unterzeichnet 
55 iſt bedeutungslos; beſtünde ſelbſt eine geſetzliche 

orſchrift oder ein Handelsgebrauch, ſo müßte doch 
ein ſtillſchweigendes Einverſtändnis mit dem übrigen 
Inhalte der Urkunde angenommen werden, da in 
einem Punkte Widerſpruch erhoben wurde, in allen 
anderen nicht (RG. II 10. Jan. 1895, E. 59 S. 350). 
Und zwar bedeutet das Stillſchweigen des Beklagten 
die Zuſtimmung zum geſamten Urkundeninhalte, alſo 
auch zu den mündlich nicht beredeten Geſchäftsbedin⸗ 
gungen. Im Handelsverkehre werden und zwar auch 


oder gerade da, wo die Prinzipale ſelbſt einander 


perſönlich gegenüber treten, mündlich nur die mid- 
tigſten Punkte genau und im einzelnen beſprochen 
(Ware, Preis, Quantität, Qualität u. dgl.); im übrigen 
erfolgt der Abſchluß ſehr häufig nach Maßgabe allge— 
meiner Vertragsbedingungen, wie ſich ſolche faſt alle 
größeren Firmen zurecht gemacht haben. Der Beklagte 
war ſich vollkommen darüber klar, daß derjenige Teil 
der Urkunde, der ſich an die mündlich beredeten be— 
ſonderen Kaufsbedingungen anſchließt, die allgemeinen 
Lieferungsbedingungen enthalte und daß dieſe auch 
für dieſes Geſchäft gelten ſollten. Gegenteiliges be— 
hauptet er ſelbſt nicht, er ſagt nur, daß er dieſen 
zweiten Teil nicht geleſen habe, weil er ſich nicht da— 
für intereſſiert habe. Mit dieſer Einwendung kann 
er nicht gehört werden; er hatte den geſamten Inhalt 
der ihm zur Prüfung vorgelegten Urkunde zu be— 
achten und die Nichtbeachtung gereicht ihm zum Nach— 
teil (OLG. Dresden 14. Februar 1906, SächſArch. I 
S. 275). Beſondere Umſtände, vermöge deren der 
Beklagte ohne Gefahr der Annahme des Einverſtänd— 
niſſes einer Kenntnisnahme und alsbaldigen Bean— 
ſtandung des geſamten Urkundeninhalts überhoben 
geweſen wäre, liegen nicht vor. Die allgemeinen 
Vertragsbedingungen der Klägerin, darunter die Klauſel 
über den Erfüllungsort, erſcheinen nicht als Rand— 
notiz oder an einer anderen ungeeigneten oder leicht 
überſehbaren Stelle; ihr Druck iſt zwar kleiner, aber 
immerhin gut lesbar und in die Augen fallend. Bei 
der Erfüllungsorts-Klauſel handelt es ſich auch nicht 
um etwas, was mit dem mündlich Verhandelten in 


192 


Widerſpruch ſtand und ee als Vertragswidrig⸗ 
keit anzuſehen war (hierüber war eben nichts ver⸗ 
handelt) oder um eine ganz ungewöhnliche Bedingung, 
die den Käufer zu überraſchen geeignet war, in An⸗ 
ſehung deren es dann allerdings einer Ankündigung 
oder Erläuterung beim mündlichen Geſchäftsabſchluſſe 
bedurft hätte. Auch wenn es dem Beklagten am 
inneren Willen gefehlt haben ſollte, einen anderen als 
den geſetzlichen Erfüllungsort feſtzuſetzen, wäre er ge⸗ 
bunden, weil jene Annahme des Schriftſtücks nach 
den Umſtänden nur als Erklärung des Einverſtänd⸗ 
niſſes gedeutet werden kann und weil ſich der maß⸗ 
ebende Inhalt eines Vertrages nicht nach dem 
nneren Willen des einen Kontrahenten, ſondern nach 
den gegenſeitigen Erklärungen der beiden Kontrahenten 
beſtimmt (RG. VI, 1. Juli 1901, BadRpr. S. 301). 
Beſtätigungsſchreiben ſind geeignet, einen Vermerk über 
den Erfüllungsort zu enthalten; im Unterſchiede von 
den (RG. Bd. 59 S. 350) hierzu an und für ſich nicht 
geeigneten Fakturen. Für ſie trifft auch die hinſicht⸗ 
lich der Kommiſſionskopien der Reiſenden beſtehende 
ratio legis nicht zu: dieſe dürfen nur das mündlich ver⸗ 
handelte enthalten und brauchen nichts anderes zu ent⸗ 
halten, weil ihnen ſtets das Beſtätigungsſchreiben erſt 
nachfolgt (RG 58 S. 70). Die Berufung des Erſtrichters 
auf Düringer⸗Hachenburg II S. 390 f. iſt verfehlt: es 
handelt ſich nicht um einen einſeitigen Vermerk des 
Verkäufers, der einem bis in alle Einzelheiten durch⸗ 
geſprochenen und feſtgelegten Vertrage nachfolgte, 
ebenſowenig wie um einen bloßen Beſtellzettel; von 
dem unter den Parteien geſchloſſenen Vertrage ſtand 
nicht von Anfang an feſt, daß die durch die mündliche 
Beredung nicht getroffenen Punkte nur durch die eins 
ſchlägigen dispoſitiven Vorſchriften des Geſetzes be⸗ 
ſtimmt werden ſollten. (Urt. vom 21. Januar 1908, 
G 264/07). 
1227EMitg. von Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


Landgericht München I. 


e der Todeserklärung. Die am 12. April 
1892 in A. (Oberpfalz) verſtorbene Privatiere Frans 
ziska S. hatte als Erben eingeſetzt „die beiden Kinder 


meines Bruders Johann B., der als Soldat nach 


Griechenland gegangen und dort geſtorben iſt“. Nach 
Durchführung der Verlaſſenſchaftsverhandlungen wurde 
der Erbteil dieſer Kinder hinterlegt und eine cura 
hereditatis jacentis eingeleitet, 1898 jedoch in eine 
Abweſenheitspflegſchaft umgewandelt, da nicht unbe— 
kannte Erben in Frage ſtünden, ſondern nur der Auf— 
enthalt der Erben unbekannt ſei. Im Dezember 1905 
wurde durch weitere Erbintereſſenten beim LG. M. 
die Todeserklärung der erwähnten beiden Kinder be— 
antragt, der Antrag jedoch abgewieſen. Auch die 
Beſchwerde blieb erfolglos. 

Aus den Gründen: Wenn auch der letzte 
Wohnſitz des Johann B. und damit ſeiner beiden 
Kinder im Ausland gelegen war, ſo iſt doch das 
weitere Erfordernis des Beſitzes der bayeriſchen Staats— 
angehörigkeit ſchon beim Vater der für tot zu Er— 
klärenden zweifelhaft. Es mangeln Anhaltspunkte, 
daß Johann B. bald nach der Eheſchließung geſtorben 
iſt; das Vorhandenſein zweier Ehekinder ſpricht mehr 
für eine längere Ehedauer. Der ſchwierigen Löſung 
der tatſächlichen Frage, ob Johann B. vor ſeinem 
Tode (und damit auch ſeine beiden Kinder) das 
bayeriſche Indigenat bereits aufgegeben oder verloren 
hatte, bedarf es jedoch nicht; denn es fehlt auch der 
Nachweis, daß die für tot zu erklärenden beiden 
Kinder überhaupt einmal wirklich gelebt haben und 


daß hierüber Gewißheit beſteht. Die umfaſſenden 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 


Erhebungen haben ein poſitives Ergebnis nicht gehabt 
und die Tatſache der Erbeinſetzung allein kann deren 
Vorhandenſein ebenſowenig erweiſen, als die aufge⸗ 
tauchte Vermutung, daß die Erblaſſerin brieflich von 
dem Daſein dieſer Kinder benachrichtigt wurde. Es 
könnte auch die Bezeichnung der für tot zu Erklärenden 
nicht einwandfrei erfolgen, weil ja möglicherweise 
5 B. noch mehr als zwei Ehekinder erzeugt 
at, alſo aus dem Ausſchlußurteil nicht einmal die 
Identität der für tot Erklärten ſicher entnommen 
werden könnte.!) (Beſchl. v. 28. Dez. 1907; Beſchw. Reg. 
536/06). N. 
1169 


Aus der Praxis des bayer. Berwaltungs: 
gerichtshofs. 


Die Bertretung dex Nechtsanwälte durch Rechts 
praktikanten im Berwaltungsrechtsverfahren. Eine für 
die bayeriſchen Rechtsanwälte wichtige Entſcheidung hat 
der VGH. am 13. Dezember 1907 erlaſſen (Sammlung, 
Jahrgang 1908 Nr. 1 S. 32 ff.). Sie ſpricht — leider 
mit etwas unklarer Begründung — zunächſt den Satz 
aus, daß der § 25 Abſ. 3 Satz 2 der RAD. auf die 
Vertretung eines Rechtsanwalts vor den bayeriſchen 
verwaltungsrechtlichen Inſtanzen keine Anwendung 
findet, vielmehr hierfür nur landesrechtliche Por: 
ſchriften maßgebend find. Es wird ſodann ausgeführt. 
daß ein Rechtspraktikant, der den Vorbereitungsdienſt 
bei den Gerichten und bei den Verwaltungsbehörden 
abgeleiſtet hat und bei einem Rechtsanwalt in Praxis 
ſteht, dieſen auch im Verfahren vor dem BGH. ver- 
treten kann. Weiter wird dargelegt, daß der Rechts⸗ 
anwalt, der ſich bei einer Verhandlung durch einen 
Rechtspraktikanten vertreten läßt, gleichwohl Ente 
ſchädigung nach Maßgabe der VO. vom 26. März 
1902, die Gebühren der Rechtsanwälte in den An- 
gelegenheiten der Verwaltung und der Verwaltungs- 
rechtspflege betr., beanſpruchen kann. Dieſer Satz 
wird in längeren einwandfreien Ausführungen aus 
der Geſchichte der VO. vom 26. März 1902 und den 
Motiven gefolgert. 

1253 


— — — D. 


Literatur. 


Borcherdt H., Landrichter a. D. Das Erbrecht und 
die Nachlaß behandlung nach den vom 1. Ja- 
nuar 1900 an geltenden Reichs- und Landesgeſetzen 
mit beſonderer Berückſichtigung des Geltungsge— 
bietes des Allgem. Landrechts. 2. umgearbeitete und 
vermehrte Auflage. 1. Bd. Breslau 1907, J. U. 
Kern's Verlag (Max Müller). Geh. Mk. 8.—. 

An Darſtellungen des Erbrechts iſt gerade kein 
Mangel. Die vorliegende hält ſich zwar einigermaßen 
an der Oberfläche und ſteht inſofern hinter anderen, 
3. B. hinter dem einzigartigen Werke von Strohal, 
zurück. Anderſeits iſt ſie wegen des mäßigen Umfangs 
und wegen der ſachgemäßen Verarbeitung der Neben— 
geſetze und der Berückſichtigung des Uebergangsrechtes 
wie auch des internationalen Erbrechts als Lehrbuch 
recht brauchbar. von der Pfordten. 


) In folden Fällen bleibt praktiſch nur der Ausweg, im Wege 
des Erbſchbeinverfahrens die Frage der Erbenexiſtenz zum Austrag 
zu bringen. Selbſt die Todes erklärung führt nicht fider zum Ziel, 
weil eingewendet werden könnte, die für tot Erklärten hätten mög- 
licherweiſe ibrerſeits wiederum erbberechtigte Nachkommen binter— 
laſſen. Solche ganz abſtrakte Möglichkeiten find aber ohne triftigen 
tatſächlichen Anbalt rechtlich nicht zu beachten, wenn nicht eine förm⸗ 
liche Verewigung der Pflegſchaft eintreten foll. Der Einſ. 


| Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


— —— — — —— ͤ•fã— —⅛ 


Ur. 10. 


Münden, den 15. Mai 1908. 


4. Jahrg. 


Jeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jährli 
k. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung 
Boftanftalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748). 


in Bayern 
8 


Verlag von 


2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Seller) 
in Münden, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Snfertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzeile 
„oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
y.: 2 Pfa. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Zur Auslegung der SS 2065 II, 2094 VOY. 


Von Profeſſor Dr. J. Binder in Erlangen. 


Der im Jahre 1907 verſtorbene A. W. hinter⸗ 
ließ ein Teſtament, in dem er ſeine beiden Brüder 
B. W. und C. W. zu Erben einſetzte und dem 
erſteren ſeine eheliche Deszendenz ſubſtituierte, 
während er bezüglich des letzteren anordnete: 

„Sollte mein Bruder C. W. bei meinem Ab⸗ 
leben nicht mehr am Leben ſein, ſo ſollen an 
ſeine Stelle ſeine von ihm beſtimmten Rechts⸗ 
nachfolger treten.“ 

Da bei dem Tode des A. W. C. W. bereits 
mit Hinterlaſſung eines von ihm zum Erben 
ernannten Sohnes D. W. verſtorben war, bean⸗ 
tragte deſſen Pfleger für D. W. einen Erbſchein, 
der ihm jedoch vom Nachlaßgericht entſprechend 
dem Antrag des B. W. verweigert wurde, da 
die Subſtitution der von C. W. „beſtimmten 
Rechtsnachfolger“ gegen § 2065 II BGB. ver: 
ſtoße. Ich wurde daraufhin um Abgabe eines 
Gutachtens darüber gebeten, ob dies richtig ſei, 

a) wenn A. W. bei der Errichtung ſeines 
Teſtaments das Teſtament feines Bruders ge: 
kannt habe; 

b) wenn er es nicht gekannt habe; und ferner 
ob, wenn $ 2065 II anwendbar ſei, Anwachſung 
eintrete oder nicht. | 

Bei der großen Tragweite der in Betracht 
kommenden Fragen und der im Vergleich mit 
dem früheren Recht gänzlich veränderten Situation 
glaube ich meine Aeußerung auszugsweiſe ver: 
öffentlichen zu ſollen. 


§ 2065 II ift auf den vorliegenden Fall nicht 
anwendbar. 

Für die Frage der Anwendbarkeit des §S 2065 JI 
auf unſeren Fall kommt zunächſt ſehr erheblich 
der Umſtand in Betracht, daß ſeine Anwendung 
durch den Wortlaut des Geſetzes nicht unmittel— 
bar und zwingend gefordert wird. Das wäre 
der Fall, wenn A. W. verordnet hätte: „Ich 
ſetze zu meinem Erben ein, wen mein Bruder C. 
dazu beſtimmen wird“, oder „ich überlaſſe die 


| 
| 
| 


Beſtimmung meines Erben meinem Bruder C. 
W.“ Das iſt keineswegs geſchehen. Deshalb 
handelt es ſich für uns um eine Frage der Ge⸗ 
ſetzesinterpretation, und dieſe hat in erſter Linie 
von der ratio legis auszugehen. 

Bei der Aufnahme dieſer Vorſchrift in das 
BGB., die im weſentlichen ſchon im gemeinen 
Recht galt und dort auf das Prinzip: „Certum 
esse debet consilium testatoris“ zurückgeführt zu 
werden pflegte — vgl. Windſcheid, Pand. III 8 547 
Nr. 1 — kam nicht ſowohl ein logiſcher als 
vielmehr ein ethiſcher Geſichtspunkt in Betracht: 
Der Erblaſſer ſollte ſich ſelbſt wegen der außer⸗ 
ordentlichen Tragweite dieſes Rechtsgeſchäfts dar⸗ 
über klar werden, wen er zum Erben ernennen 
wollte und deshalb ſollte ihm die Möglichkeit 
verſagt ſein, die Ernennung eines Erben einem 
anderen zu überlaſſen oder zu übertragen. 

Dieſer Geſichtspunkt kommt freilich in den 
Geſetzesmaterialien — vgl. Motive zu E. 1 
SS 1765, 1770, V S. 30, 34 f. — nicht fonder: 
lich klar zum Ausdruck und vor allem treffen 
ſie, wenn ſie mit der Vorſtellung von der Unzu⸗ 
läſſigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung 
letztwilliger Verfügungen operieren, das Weſen 
der Sache durchaus nicht ganz; aber immer läßt 
ſich als der Grundgedanke, das Leitmotiv des 
Geſetzgebers die Idee feſtſtellen, daß eine legt: 
willige Verfügung ein fertiges und in ſich abge: 
ſchloſſenes Rechtsgeſchäft ſein muß, das ſeine aus⸗ 
ſchließliche Grundlage in dem ſouveränen Willen 
des Teſtators haben muß, wie dies ſchon Gaius 
in J. 32 D. de hered. inst. 28, 5 erklärt: „Illa 
institutio „quos Titius voluerit“ ideo vitiosa 


est quod alieno arbitrio permissa est: nam 


PE E E E E 


satis constanter veteres decreverunt testa- 
mentorum iura ipsa per se firma esse oportere, 
non ex alieno arbitrio pendere.“ Das Tefta: 
ment foll aber ein Willensakt des Teſtators fein, 
während die Uebertragung der Teſtamentserrich— 
tung oder auch nur der Beſtimmung der Erben 
an einen anderen das Gegenteil davon ſein würde. 


An dieſen Geſichtspunkten, die der Kommif- 
ſion für die Schaffung des erſten Entwurfs vor— 


194 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. . Nr. 10. 


den ſogenannten unechten Poteſtativbedingungen, 
rektur vorgenommen, wie ſich aus den Protokollen bei denen eine Zuwendung an die Herbeiführung 
V S. 15 ff., 23 ff., 29 ff. ergibt. Daher dürfen eines beſtimmten Erfolges geknüpft ift, die ohne 
wir das Geſagte auch als die für das BGB. | die Mitwirkung eines Dritten nicht möglich ift. 
maßgebende ratio betrachten, die die Tragweite | Die grundjägliche Zuläſſigkeit folder Verfügungen, 
des § 2065 II näher zu beſtimmen geeignet iſt. die in gewiſſem Maße von dem Willen eines 
Denn mit dieſer Vorſchrift ift natürlich feines» | Dritten abhängen, folgt aus $ 2076 BGB., vgl. 
wegs geſagt, daß die Perſon des Erben im Tefta: Dernburg, Lehrbuch I S. 509 ff. 
mente nach jeder Richtung hin objektiv beſtimmt Eine ſolche Situation, die der Erblaſſer zur 
ſein muß. Vielmehr ſind vor allem bedingte Grundlage ſeiner Verfügung macht, für die er 
Erbeinſetzungen durchaus zuläſſig und zwar nicht nur alſo, indem er ſich ihren Eintritt als möglich 
| 


ſchwebten, hat die zweite Kommiſſion keine Kor⸗ 


in der Weiſe, daß von dem Eintritt der Bedingung ab⸗ vorſtellt, vorſorgen will, kann auch ohne Zweifel 
hängig gemacht iſt, ob eine beſtimmte Perſon dadurch geſchaffen werden, daß ein Dritter über 
Erbe wird, ſondern auch in der Weiſe, daß davon ſeinen eigenen Nachlaß in beſtimmter Weiſe 
abhängt, wer Erbe wird; die entgegengeſetzte Vor⸗ verfügt. | 

ſchrift des römischen Rechts, die der nn Ich kann z. B. meine Nichte zur Erbin ein- 
einer incerta persona die Wirkſamkeit verſagte ſetzen, unter der Bedingung, daß ein anderer 
— vgl. Windſcheid III § 547 Anm. 2, Dern: 
burg, Pand. III § 76 — hat bei uns keine Geltung 
erlangt und iſt auch in das BGB. nicht auf⸗ 
genommen worden. 

Der Eintritt einer ſolchen Bedingung nun 
wird regelmäßig von der Willkür des Erblaſſers 
unabhängig und in dieſem Sinne ein zufälliges 
Ereignis ſein; die dadurch geſchaffene Ungewißheit 
der Erben ſteht der Gültigkeit der Erbeinſetzung als Erbe eingeſetzt wird. 
nicht im Wege; vielmehr ſind die letztwilligen A. weiß z. B., daß ſein Bruder X. ein ſehr 
Verfügungen gerade das Hauptanwendungsgebiet verſchuldetes Rittergut hat, das ohne ausreichendes 
für die Bedingungen genannten Nebenbeſtimmungen, Kapital nicht wirtſchaftsfähig iſt und das er ſeiner 
denn ſie ſollen dem Erblaſſer die Möglichkeit ver⸗ 

K rt a Tochter Y. zuzuwenden beabſichtigt. Für dieſen 
ſchaffen, für die durch den Eintritt eines als Fall verordnet er: Ich fege meine Nichte Y. zur 


möglich vorgeſtellten zukünftigen Ereigniſſes ent⸗ 
ſtehende Situation Vorſorge zu treffen. Vgl. Erbin ein unter der Bedingung, daß mein Bruder 


n X. ſie zu ſeiner Erbin ernennt; dagegen meinen 
Deruburg. Pand. 1 5 105 BiH. 4, auch Lehrb. Neffen 3., falls dieſer der Erbe des X. werden 


des bürgerlichen Rechts 1 S. 503. ſollte. Weshalb diefe Verfügung gegen § 2065 II 
Die Zufügung einer ſolchen Beſtimmung macht BGB. verſtoßen ſollte, ift nicht recht einzusehen. 
uber die letztwillige Verfügung und beſonders die Deshalb dürfen wir behaupten, daß eine Erb⸗ 
Erbeinſetzung nicht zu einem unfertigen und un⸗ einſetzung, die an die Bedingung geknüpft iſt, daß 
vollſtändigen Rechtsgeſchäft, wie es bei der Ueber ein Dritter über F555 
a ey des Erben an einen ſtimmter Meile verfügt, nicht gegen § 2065 II 
ritten der Fall ift. . * verſtößt. Damit verfügt er ja nicht über den Nach⸗ 
Oder em nn 1 ein 1 laß des erſteren. 
Ereignis zu beſeitigende Unbeſtimmtheit der Perſon Hieraus ergibt ſich die Antwort auf unſere 
des 5 ſteht der nn ber a... Frage ohne weiteres. Es kann dabei unerörtert 
eine 11 . deu ee 1 15 bleiben, welches Motiv den Erblaſſer in unſerem 
eine Unfertigkeit uni nvollſtändigkeit des Teſta- Falle veranlaßt hat, in der angegebenen Weiſe zu 
mentes aufzufaſſen iſt. l teſtieren. Selbſt wenn er den Inhalt des Tefta- 
„Dies muß ſelbſt dann gelten, wenn das Er- mentes feines Bruders C. W. nicht gekannt hätte, 
eignis, das den Schwebezuſtand beendet, nicht ein ließe ſich annehmen, daß er von der — durch den In— 
von jedem menſchlichen Willen unabhängiges Natur- halt der beiden Teſtamente ja vollauf beftätigten — 
ereignis iſt. Vorausſetzung ausgegangen wäre, daß ſtark ent: 
In der Tat iſt es ſehr wohl denkbar, daß wickelter Familienſinn den Bruder veranlaſſen würde, 
der Erblaſſer ein ſehr berechtigtes Intereſſe daran | ſein Vermögen in der Familie zu erhalten und daß 
hat, in einer Weiſe über feinen Nachlaß zu ver- . ſelbſt als kinderloſes Mitglied dieſer Familie 
fügen, daß die Perſon des Erben zwar nicht durch 1 ein eigenes Vermögen am beiten dazugzeben würde. 
einen Dritten ausſchließlich beſtimmt aber doch Dann aber kann man nicht ſagen, daß der Teſtator 
durch ihn mitbeſtimmt wird und in ſolchen die Beſtimmung ſeiner Erben einem anderen über— 
Fällen iſt keine Rede davon, daß die Verfügung laſſen habe, daß ſein Teſtament unvollſtändig oder 
unwirkſam wäre, wie z. B. anerkanntermaßen bei | unfertig ſei, wie dies § 2065 II vorcusſetzt. 


Onkel ſie letztwillig nicht bedenkt. 

So zweifellos gültig dieſe Erbeinſetzung ſein 
würde, obwohl es ſchließlich von dem Willen des 
letztgenannten Onkels abhängt, ob meine Ber: 
fügung wirkſam ſein wird oder nicht, ſo wenig 
kann die Gültigkeit der Erbeinſetzung unter der 
entſprechenden poſitiven Bedingung zweifelhaft 
ſein, daß nämlich der Erbe von einem Dritten 


f 


— — en 
— — — S So 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10 


Noch einfacher liegt die Sache dann, wenn be⸗ 
wieſen werden kann, daß A. W. das Teſtament 
ſeines Bruders bei der Errichtung ſeines eigenen 
Teſtamentes gekannt hat. Dann handelt es ſich 
nicht ſowohl um die Auslegung des Geſetzes, die 
ich in Vorſtehendem erledigt zu haben glaube, 
ſondern um die Auslegung eines Rechtsgeſchäftes, 
nämlich des oben zitierten Satzes aus dem Teſta⸗ 
ment des A. W., und es kann kaum zweifelhaft 
ſein, daß dann die Worte „ſeine von ihm be⸗ 
ſtimmten Rechtsnachfolger“ als eine umſchreibende 
Bezeichnung der Erben aufzufaſſen ſind, deren Er⸗ 
nennung vom Willen des C. W. unabhängig und 
unbedingt und die darum nicht zu beanſtanden iſt, 
weil nirgends geſagt iſt, daß die Erben im Teſta⸗ 
ment mit Namen zu bezeichnen find. Dann muß 
alfo 8 2065 II erft recht unanwendbar ſein.“) 


II. 


Würde jedoch, was ich, wie geſagt, durchaus ver⸗ 
neine, das vorliegende Teſtament gegen $ 2065 II 
verſtoßen, ſo würde doch m. E. dies nur die Un⸗ 
wirkſamkeit der Einſetzung der von C. W. „be⸗ 
ſtimmten Rechtsnachfolger“ zur Folge haben; denn 
nach dem auch im BGB. gerade für letztwillige 
Verfügungen anerkannten Satze, daß im Zweifel 
„utile per inutile non vitiatur“ (§ 2085) hat 
die Unwirkſamkeit einer von mehreren in demſelben 
Teſtament enthaltenen letztwilligen Verfügungen 
die Unwirkſamkeit der übrigen nur dann zur Folge, 
wenn anzunehmen iſt, daß der Erblaſſer dieſe ohne 
jene nicht getroffen haben würde. 


III. 


Würde das Teſtament des A. W., entſprechend 
dem unter II Geſagten, teilweiſe unwirkſam ſein, 
ſo würde der Teil der Erbſchaft, der bei Wirk⸗ 
ſamkeit des ganzen Teſtaments dem C. W. und 
den von dieſem beſtimmten Rechtsnachſolgern zu: 
fallen würde, nicht etwa dem B. W. anwachſen, 


ſondern es müßte die Inteſtaterbfolge eintreten 


und zwar mit Ausſchluß des B. W. und ſeiner 
Deszendenz. 


Dies ergibt fih aus BGB. § 2094. Denn nach 
dem BGB. erfolgt, richtiger Anſicht entſprechend, 
— abweichend nur Dernburg, Lehrbuch V § 50 
Ziff. II, wogegen Planck V S. 386 Bem. 1 zu 
§ 2094 — die Anwachſung nicht wie im gemeinen 
Recht mit Rechtsnotwendigkeit, ſondern nur nach 
dem vermutlichen Willen des Erblaſſers und nur 
dann, wenn mehrere Erben in der Weiſe einge⸗ 
ſetzt ſind, daß ſie die geſetzliche Erbfolge aus— 
ſchließen. Ob dies der Fall iſt, iſt, wie Planck V 
Bem. 2a zu § 2094 mit Recht bemerkt, eine Aus: 
legungsfrage. Aber es handelt ſich dabei nicht 


) Vgl. hierher auch die Diſſertation von Krug, 
Die Zuläſſigkeit der reinen Willensbedingung (Mar— 


| 


allein um Auslegung des Teſtaments, wie Planck 
zu glauben ſcheint, ſondern vor allem um Auslegung 
des Geſetzes, und leider fehlt es in der erbrechtlichen 
Literatur durchaus an eingehenden Erörterungen 
darüber, unter welchen Vorausſetzungen man ſagen 
kann, daß die geſetzliche Erbfolge „ausgeſchlofſen“ 
iſt. Im allgemeinen wird gelehrt, daß dies dann 
der Fall iſt, wenn der Erblaſſer über ſeinen 
ganzen Nachlaß verfügt hat, ſo daß neben den 
Teſtamentserben Inteſtaterben nicht in Betracht 
kommen können. Vgl. dazu Strohal, Erbrecht J 
S. 133 lit. b Abſ. II, Dernburg, Erbrecht S. 148 ff., 
Planck V Pem. 2a zu § 2094, Staudinger V 
Bern. 4 zu $ 2094, Paul Meyer, Erbrecht S. 236. 
Man ſtellt ſich dabei vor, daß der Teſtator ſeinen 
Nachlaß unter Uebergehung ſeiner Inteſtaterben 
unter Dritten aufgeteilt hat, und denkt gar nicht 
an die Frage, wie es ſich verhält, wenn dieſe 
Teſtamentserben zugleich ſeine Inteſtaterben ſind. 
Näheres über unſere Frage iſt deshalb nicht zu 


finden, weil es ſich dabei um die Durchführung 


eines Prinzips handelt, das dem gemeinen Rechte 
fremd war, ſo daß die Auslegung hier völlig neue 
Wege gehen muß. Denn in dem gemeinen Rechte 
beruht die Anwachſung auf dem Prinzip der Un— 
teilbarkeit der Berufung — nemo pro parte 
testatus, pro parte intestatus decedere potest 
— weshalb neben Teſtamentserben niemals In— 
teſtaterben berufen fein können, jo daß immer An- 
wachſung eintreten muß, wenn von mehreren 
heredes instituti einer nicht Erbe wird, dagegen 
im BGB., wo dieſes Prinzip der Unteil⸗ 
barkeit der Berufung nicht gilt, iſt es möglich, 
daß neben Teſtamentserben auch Inteſtaterben 
berufen ſind, und daher auch der Fall denkbar, 
daß beim Wegfall eines Teſtamentserben nicht 
Anwachſung an die anderen Teſtamentserben er: 
folgt, ſondern der frei gewordene Teil an einen 
Inteſtaterben fällt. Unter dieſen Umſtänden kann 
die Anwachſung nur dann mit Sicherheit als dem 
Willen des Erblaſſers entſprechend angenommen 
werden, wenn der Erblaſſer andere Perſonen als 
ſeine Inſtetaterben berufen hat. Inſofern iſt alſo 
der § 2094 einſchränkend zu interpretieren. Würde 
freilich mit der Antwort der herrſchenden Lehre 
unſere Frage erſchöpft ſein, ſo müßte auch in 
unſerem Falle notwendig Anwachſung eintreten. 
Denn der Erblaſſer hat über ſeinen ganzen Nachlaß 
verfügt und damit „die geſetzliche Erbfolge aus— 
geſchloſſen“. 

Aber einerſeits iſt aus den ſoeben erörterten 
Gründen das letztere gar nicht richtig und ander— 
ſeits iſt dieſes Ergebnis noch aus einem anderen 
Grunde abzulehnen. Man kann nämlich in unſerem 
Falle nicht behaupten, daß ein Erbe im Sinne 
des § 2094 „weggefallen“ iſt. 

Allerdings nehmen Dernburg, Erbrecht S. 149 
Ziff. V und Paul Meyer, Erbrecht S. 338 vor 
Nr. 9 an, daß auch die Nichtigkeit der die Erben 


burg 1904) und Koch in dieſer Zeitſchrift Bd. J. S. 104. berufenden Verfügung einen „Wegfall“ im Sinne 


196 


des § 2094 begründet, vgl. aber dagegen Planck V 
S. 386 Pem. b und Staudinger V S. 558 
Bem. 3. 

Ich bin der Ueberzeugung, daß es unmöglich 
iſt, in unſerem Falle von dem Wegfall eines 
Erben zu ſprechen. Denn dies ſetzt zwar im Sinne 
des BGB. nicht voraus, daß der Weggefallene 
wirklich berufen war, wohl aber, daß ein Tatbe⸗ 
ſtand vorlag, der ſeine Berufung zur Erbſchaft 
begründet haben würde, wenn nicht in der Perſon 
des Erben ein Hinderungsgrund eingetreten wäre, 
wie z. B. vorzeitiger Tod oder Erbverzicht, ſofern 
der „Wegfall“ vor dem Erbfall erfolgt, oder, 
wenn der Erbfall bereits eingetreten war, daß 
er zur Erbſchaft berufen war, daß aber wegen 
eines in ſeiner Perſon liegenden Grundes dieſe 
Berufung wieder hinfällig wird. Dahin gehört 
die Ausſchlagung der Erbſchaft und die Entziehung 
wegen Erbunwürdigkeit und infolge einer Anfech⸗ 
tung der Berufung. (Die Frage der bedingten 
Erbeinſetzung kann hier unerörtert bleiben, vgl. 
dazu Dernburg S. 149 Bem. V). Liegt dagegen 
eine nichtige letztwillige Verfügung vor, ſo kann 
von dem „Wegfall“ des „eingeſetzten“ Erben keine 
Rede ſein, die Sache liegt geradeſo wie bei der 
Erhöhung des geſetzlichen Erbteils nach 8 1933, 
wenn Perſonen in Frage kommen, die mit dem 
Erblaſſer in Wahrheit nicht verwandt oder ver⸗ 
heiratet waren, ſelbſt wenn ſie nach dem Erb— 
fall es praetendiert haben. 

Verſtößt alſo das Teſtament zum Teil gegen 
§ 2065 II, fo kann von einem Wegfall eines 
Miterben keine Rede ſein und keine Anwachſung 
eintreten. Vielmehr hat dann der Erblaſſer nur 
über einen Teil ſeines Nachlaſſes, nämlich die 
Hälfte, wirkſam verfügt und damit, daß er 
ſeinem Bruder B. die eine Hälfte ſeines Nach⸗ 
laſſes zugewendet hat, unzweideutig ausgeſprochen, 
daß er nicht mehr als eine Hälfte erhalten ſolle, 
während die andere Hälfte der Familie ſeines 
Bruders C. zufallen fole. Würde allerdings A. W. 
in ſeinem Teſtament Dritte, nicht verwandte Per- 
ſonen bedacht und ſeinen Verwandten nichts zu— 
gewendet haben, ſo ließe ſich der Standpunkt 
vertreten. daß trotz der Nichtigkeit eines Teils 
der Verfügung Akkreszenz eintreten muß, weil 
dann behauptet werden kann, daß der Teſtator 
feine Verwandten überhaupt ausgeſchloſſen wiſſen 
wollte. Doch dies trifft auf unſeren Fall nicht 
zu. Dadurch, daß A. W. den Bruder C. und 
deſſen Angehörige neben ſeinem anderen Bruder 
B. W. berufen hat, hat er allerdings bewirkt, 
daß die geſetzliche Erbfolge zunächſt nicht eintritt, 
ſofern nämlich beide Teile der Verfügung wirk— 
ſam ſind — aber es läßt ſich damit nicht be— 
gründen, daß für den Fall der Unwirkſamkeit 
eines Teils der Verfügung doch die geſetzliche 
Erbfolge ausgeſchloſſen ſein ſollte, wie dies nach 
der im BGB. der Anwachſung zugrunde liegenden 
Idee erforderlich iſt. 


S3ieitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Es wird alſo infolge des Grundſatzes der Teil⸗ 
barkeit der Berufung in bezug auf die unwirkſam 
hinterlaſſene Hälfte des Nachlaſſes Inteſtaterbfolge 
eintreten müſſen und zwar, der Abſicht des Teſtators 
entſprechend, unter Ausſchluß feines Bruders B. 


Zur Unterſtützung dieſer Anſicht kann auf 
51948 BGB. verwieſen werden, der erſehen läßt, 
daß ein Erbe dadurch, daß er ex testamento 
berufen wird, allerdings, ſolange dieſe Berufung 
wirkt, verhindert iſt, die Erbſchaft ab intestato 
zu erwerben, daß er aber, wenn nur ein Tat⸗ 
beſtand vorliegt, der beim Nichtvorhandenſein einer 
letztwilligen Verfügung feine Berufung ab intestato 
begründen würde, nur die Erbſchaft auf Grund der 
teſtamentariſchen Berufung auszuſchlagen braucht, 
um die geſetzliche Berufung in Kraft treten zu 
laſſen. Vgl. Binder, Die rechtliche Stellung des 
Erben I S. 64, 129. Eine Vorſchrift, die in 
gleicher Weiſe bei einer Mehrheit von Erben wie 
beim Alleinerben gilt, wenn dies auch nirgends 
ausdrücklich geſagt iſt. Freilich im gemeinen Recht 
lag dies inſofern anders, als, wenn der fragliche 
Erbe neben anderen ex testamento berufen war, 
alſo z. B. der Vater ſeine drei Söhne durch 
Teſtament zu Erben eingeſetzt hatte, infolge des 
Grundſatzes der Unteilbarkeit der Berufung der 
erſtere, wenn er die Teſtamentserbſchaft ausſchlug,. 
nicht mehr ab intestato antreten konnte, ſo daß 
im römiſchen Recht allerdings der genannte Satz 
des § 1948, der der 1. 17 D. 29, 2 entnommen 
iſt, nur auf den Alleinerben Anwendung finden 
konnte. Aber für das BGB. iſt dies eben infolge 
der Anerkennung der Teilbarkeit der Berufung nicht 
mehr zutreffend; hier muß der Satz des $ 1948 
auch bei einer Mehrheit von Erben gelten nach 
dem Grundſatze: „Lege non distinguente nec 
nostrum est distinguere.“ Schlägt alſo einer 
von mehreren Teſtamentserben, der ab intestato 
berufen ſein würde, wenn er nicht ex testamento 
berufen wäre, die Erbſchaft als Teſtamentserbe 
aus, ſo wächſt ſie niemals den anderen Teſtaments— 
erben an, ſondern ſie wird dem Ausſchlagenden 
nochmals als Inteſtaterben deferiert und, wenn er 
nochmals ausſchlägt, folgerecht auch den nach ihm 
berufenen Inteſtaterben. Die Anwachſung iſt mit⸗ 
hin im BGB. im Vergleich mit dem gemeinen 
Recht noch weit mehr beſchränkt, als die herrſchende 
Lehre annimmt. 

Dasſelbe muß nun bei Nichtigkeit der Erb: 
einſetzung gelten, ſofern nicht die Inteſtaterben in 
omnem eventum, d. h. auch für den Fall der 
Nichtigkeit einer Erbeinſetzung ausgeſchloſſen ſind, 
was dann nicht der Fall ſein kann, wenn dieſe 
Inteſtaterben gerade die Teſtamentserben ſind. 


— c 


Der Veſchluß über die Haftentſchädigung bei 
real konkurrierenden Straftaten. 
Von Landrichter Kranſe in Altenburg. 


In dieſen Zeilen ſoll die Beantwortung der 
folgenden, ſchon in der Ueberſchrift angedeuteten 
Frage verſucht werden: 


Hat das Gericht einen Beſchluß über Haft⸗ 
entſchädigung nach § 4 des Geſetzes vom 14. Juli 
1904 zu faſſen, wenn eine Perſon wegen mehrerer 
real konkurrierender Straftaten in Unterſuchungs⸗ 
haft genommen und nur wegen einer dieſer 
Taten freigeſprochen wird, und darf dieſer Be⸗ 
ſchluß den Anſpruch auf Entſchädigung bejahen? 

Dieſe Frage iſt ſchon mehrfach erörtert worden. 
Burlage in ſeinem Kommentar bejaht ſie, Haber⸗ 
ſtumpf in Bayzif. 1905, 71 und 1906, 27 will 
ſie verneinen. Auch bei wiederholter Nachprüfung 
muß ich bei der von mir S. 166 meiner „Haft⸗ 
entſchädigung“ niedergelegten Meinung verharren, 
daß beide Fragen aus folgenden Erwägungen zu 
bejahen find. 

Das Geſetz beabſichtigt, freigeſprochenen oder 
außer Verfolgung geſetzten Unſchuldigen für die 
von ihnen erlittene Unterſuchungshaft Schadlos⸗ 
haltung zu gewähren. Hat darnach ein Angeklagter 
wegen der zur Aburteilung ſtehenden Tat Unter⸗ 
ſuchungshaft erlitten und iſt er dann freigeſprochen 
worden, ſo iſt nach § 1 des Geſetzes die Frage, 
ob überhaupt ein Entſchädigungsbeſchluß zu er: 
gehen hat, zu bejahen und es bleibt nur noch zu 
erörtern, wie ſein materieller Inhalt lauten muß, 
d. h. alſo, ob er den Entſchädigungsanſpruch ver⸗ 
neinen oder bejahen ſoll (vgl. S. 165—168 meiner 
Haftentſchädigung). 

Und ein Freiſpruch liegt zweifellos vor, wenn 
bei Realkonkurrenz der Angeklagte auch nur wegen 
einer der real konkurrierenden Taten freigeſprochen 
wird. Der Angeklagte wird eben der einen ihm 
zur Laſt gelegten Tat nicht ſchuldig erklärt. Seine 
Stellung kann dadurch nicht ſchlechter werden, 
daß das rein prozeſſuale Moment der Verbindung 
mit einer anderen gegen ihn gerichteten Strafſache 
hinzukommt; feine Tat wird dadurch keine andere, 
ſein Entſchädigungsanſpruch dadurch nicht berührt. 

Auch der Umſtand, daß der Haftbefehl wegen 
mehrerer real konkurrierender Taten erlaſſen 
worden iſt, vermag hieran nichts zu ändern. Denn 
dieje Häufung ift gleichfalls eine reine Zufalls- 
ſache. Dies ergibt ſich ſchon daraus, daß z. B. 
im Falle des $ 125 StPO. der Amtsrichter ein- 
mal in die Lage kommen kann, gegen einen zu 
Verhaſtenden einen einzigen Haftbefehl zu erlaſſen 


wegen zweier Straftaten, die dann von zwei ver: 


ſchiedenen Gerichten abgeurteilt werden. 

Hieraus folgt, daß in jedem Falle, in dem 
Freiſprechung wegen einer Tat erfolgt, derent- 
halben die Unterſuchungshaft verhängt war, ein 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


197 


Entſchädigungsbeſchluß zu faſſen iſt, ganz gleich⸗ 
gültig, ob die Tat für ſich oder real konkurrierend 
mit einer andern mit dieſer zuſammen dem Richter 
unterbreitet ward, gleichgültig auch, ob wegen 
beider Straftaten durch zwei getrennte Haftbefehle 
oder durch einen gemeinſamen Haftbefehl die Unter⸗ 
ſuchungshaft verhängt oder ob die eine Straftat 
überhaupt nicht im Haftbefehl erwähnt iſt. 
Haberſtumpf verneint ganz ohne Rückſicht auf 
den Inhalt des zu faſſenden Beſchluſſes ſchon die 
Verpflichtung des Gerichts, überhaupt einen Ent⸗ 
ſchädigungsbeſchluß zu faſſen, indem er $ 1 des 
Geſetzes dahin auslegt, daß nur eine vollſtändige 
Freiſprechung von allen durch ein Verfahren um⸗ 
faßten Handlungen Freiſprechung im Sinne des 
Geſetzes fei (vgl. Bay ZfR. 1. 72 Ziff. 2 a. E.), in 
analoger Anwendung der in der Entſcheidung des 
Reichsgerichts vom 21. Januar 1881 (RGSt. 3, 
264) ausgeſprochenen Anſchauungen. Dieſe Ent⸗ 
ſcheidung läßt ſich aber nur für die Beantwortung 
der Frage verwerten, was unter dem Verfahren 
zu verſtehen iſt, worin gemäß $ 60 StGB. eine 
Unterſuchungshaft angerechnet werden darf; ſie 
kann aber unmöglich für die Auslegung des Be⸗ 
griffs „Verfahren“ in einem 23 Jahre ſpäter er⸗ 
laſſenen Geſetze angezogen werden. Das Geſetz 


ſelbſt bietet für dieſe Auslegung keinen Anhalt. 


Für den Begriff der Freiſprechung im Geſetze vom 
14. Juli 1904 wird jedenfalls nicht ein Mehr zu 


Ungunſten des Angeklagten verlangt, als was die 


Strafprozeßordnung unter Freiſprechung verſtanden 
willen will. Zu welchen Ergebniſſen die Haber- 
ſtumpf'ſche Anſicht führt, daß „nur eine vollſtän⸗ 
dige Freiſprechung von allen durch ein Verfahren 
umfaßten Handlungen einen Anſpruch auf Ent: 
ſchädigung begründe“, und daß „ein Beſchluß über 
die Frage der Entſchädigung erſt erfolgen kann, 
wenn das ganze Verfahren ſpruchreif iſt“, mag 
das weiter unten folgende Beiſpiel zeigen. 
Jedenfalls wird die von mir oben vertretene 


Anſicht auch durch die Kommiſſionsberatungen 


zum Geſetze vom 14. Juli 1904 geſtützt. Bei 
dieſen Beratungen wurde nämlich die Frage auf: 
geworfen, wie es in dem Falle zu halten ſei, daß 
ſich das Strafverfahren auf mehrere ſtrafbare 
Handlungen desſelben Beſchuldigten bezogen habe, 
| von denen nur eine zu der Unterſuchungshaft Ber- 
anlaſſung gegeben, hinſichtlich dieſer einen Hand— 
lung aber mit Freiſprechung, hinſichtlich der übrigen 
mit Verurteilung geendet habe. Nach den Kom— 
miſſionsprotokollen wurde dieſe Frage von einem 
Regierungsvertreter ohne Widerſpruch dahin be— 
antwortet: „Soweit nur ein ſtrafprozeſſualer 
Zuſammenhang beſtehe, müſſe die Frage 
der Entſchädigung hinſichtlich jeder 
ſelbſtändigen ſtrafbaren Tat eine be— 
ſondere Beantwortung finden. In dem 
bezeichneten Falle dürfe alſo ein Entſchädigungs— 
anſpruch beſtehen“ (vgl. hierzu KommBer. vom 
| 26. April 1904 S. 2060). 


198 


Nachdem damit die Frage, ob in unſerem | 
Falle überhaupt die Vorausſetzungen zur Erlaſſung 
eines Beſchluſſes gegeben ſind, bejaht und damit | 
ausgeſprochen iſt, daß jedenfalls ein Beſchluß über | 
die Entſchädigungspflicht des Staates vom Gericht 
gefaßt werden muß, komme ich zur Beantwortung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


der zweiten Frage, ob dieſer Beſchluß bejahend | 


lauten darf oder ob er lediglich mit Rückſicht auf 
die teilweiſe Verurteilung des Angeklagten ver⸗ 


neint werden muß. M. E. hat die teilweiſe Ver⸗ 


urteilung ganz aus dem Spiele zu bleiben. Der 
Anſpruch des Verhafteten iſt zu bejahen, wenn 
nachgewieſene Unſchuld oder Wegfall des begrün⸗ 


deten Verdachts Gründe der Freiſprechung geweſen 


find und keiner der in § 2 aufgeführten Anſpruchs⸗ 
ausſchließungsgründe ein Hindernis bildet. Nun 
rechtfertigt die teilweiſe Verurteilung nicht die An⸗ 
wendbarkeit von § 2 Abſ. 2, da dieſer die Tat, 
wegen deren Freiſprechung erfolgt iſt, im Auge 
hat; die des Abſ. 3 nicht, da dieſer zwar Ber- 
urteilungen wegen anderer Taten berückſichtigt 
wiſſen will, aber nur ſolche, die vor der Ver⸗ 
haftung erfolgt find; § 2 Abſ. 1 aber trifft den 
Grund der Verhängung der Unterſuchungshaft; 
dieſer kann aber nicht in einer nach der Ver⸗ 
hängung erfolgenden Verurteilung gefunden werden. 

Das Gericht, welches den Entſchädigungs— 
anſpruch nur wegen der gleichzeitigen Verurteilung 
einer anderen Tat verſagt, tut dies m. E. deshalb, 
weil es die ihm überhaupt nicht geſtattete Beant⸗ 


auf Entſchädigung (nicht ein ſolcher auf bejahen⸗ 
den Entſchädigungsbeſchluß, wie Haberſtumpf meint) 
begründet, wenn auch wegen der andern im Haft⸗ 
befehle bezeichneten Tat ein die Erſatzpflicht be⸗ 
jahender Entſchädigungsbeſchluß erlaſſen iſt. Und 
daraus ergibt ſich, daß, während einerſeits der 
Staat aus dem Erlaſſe des bejahenden Beſchlufſes 
in unſerem Falle keinen Schaden erleidet, ſein 
völliges Unterbleiben oder der Erlaß eines ver⸗ 
neinenden Beſchluſſes um deswillen, weil der Ver⸗ 
haftete im gleichen Verfahren wegen einer real 
konkurrierenden Tat verurteilt wird, möglicherweiſe 
eine Benachteiligung des Verhafteten in ſich ſchließt. 
Nimmt man z. B. an, dem Verhafteten werden 
zwei real konkurrierende Diebſtähle zur Laſt ge⸗ 
legt, wegen deren ein Haftbefehl erlaſſen iſt. Die 
Hauptverhandlung endet mit Freiſprechung wegen 
nachgewieſener Unſchuld hinſichtlich des einen, mit 
Verurteilung wegen des andern Diebſtahls. Auf 
Reviſion des Angeklagten hebt das Reichsgericht 
das Urteil, ſoweit es auf Verurteilung ging, wegen 
ungerechtfertigter Ablehnung von Beweisanträgen 
des Angeklagten auf und verweiſt die Sache zur 
anderweiten Verhandlung und Entſcheidung an 
ein demſelben Bundesſtaate angehöriges benach⸗ 
bartes Gericht gleicher Ordnung, welches bei ander⸗ 
weiter Verhandlung und Entſcheidung wegen er⸗ 
wieſener Unſchuld auch hinſichtlich der zweiten Tat 
freiſpricht. 

Wir würden alſo die von Haberſtumpf verlangte 


wortung der Frage unternimmt, ob ein Schaden vollſtändige Freiſprechung des Angeklagten von allen 


durch die Unterſuchungshaft entſtanden iſt. Es 
verſagt — vielleicht unbewußt — den Anſpruch 
aus dem Gedanken, daß der Verhaftete doch keinen 
Schadenserſatz erhält, weil er wegen einer anderen 
Straftat die Unterſuchungshaft zu Recht erlitten, 
alſo tatſächlich einen Schaden nicht gehabt habe. 
Dieſe Frage hat aber nicht der Strafrichter zu 
entſcheiden; ihre Beantwortung erfolgt auf dem in 
56 Abſ. 2 u. 3 des Geſetzes vorgeſchriebenen Wege. 

Ein im Geſetz nicht begründeter Schaden für die 
Staatskaſſe kann durch den Erlaß des Entſchädigungs— 
beſchluſſes und die darin erfolgende Bejahung des 
Erſatzanſpruchs des Angeklagten nicht entſtehen. Denn 
der Verhaftete muß den Eintritt eines Vermögens— 
ſchadens als Folge der Vollſtreckung der wegen dieſer 
Tat verhängten Unterſuchungshaft nachweiſen. Der 
Staat wird ſich, wenn wegen beider im Haftbefehl er— 
waͤhnten Straftaten auf Unterſuchungshaft erkannt 
iſt, durch den Hinweis darauf von der Zahlungs— 
pflicht befreien können, daß der Verhaftete gleich— 
zeitig auch wegen einer anderen Tat berechtigter— 
maßen in Unterſuchungshaft gehalten wurde; er 
wird alſo dartun müſſen, daß ohne Rückſicht auf 
jene Tat, wegen deren Freiſpruch erfolgte, gegen 
den Angeklagten gleichfalls Unterſuchungshaft voll— 
ſtreckt wurde, ein Schaden ihm daher durch jene 
nicht erwachſen ift.) Erft dann ift ein Anſpruch 


1) Auf dieſem Wege wird auch die Verſagung der 


— — — ———— ölṼFU— — — — — m — — 


| 


durch ein Verfahren umfaßten Handlungen haben. 
Welches Gericht ſoll aber nun den nach Haber⸗ 
ſtumpf jetzt erſt zuläſſigen Entſchädigungsbeſchluß 
faſſen? Das erſte kann es nicht tun, da es wegen 
des zweiten Falles nicht freigeſprochen hat; das 
zweite nicht, da es wiederum hinſichtlich der 
erſten Tat nicht erkannt hat, beide alſo auch 
nicht in der Lage ſind, zu prüfen, ob hinſichtlich 
der andern Tat das Verfahren die Unſchuld des 
Verhafteten ergeben oder dargetan hat, daß gegen 
ihn ein begründeter Verdacht nicht vorliegt, auch 
die Nachprüfung der nach § 2 Abſ. 2 des Geſetzes 
zu berückſichtigenden, den Anſpruch ausſchließenden 
Momente bezüglich der andern Tat nicht vornehmen 
können. Es bleibt alfo nur übrig, daß jedes Ge- 
richt wegen der von ihm ausgeſprochenen Fret: 
ſprechung Beſchluß faßt. Denn der Angeklagte 


Falle, daß im Verfahren wegen real konkurrierender Hand— 
lungen Freiſprechung wegen des einen Delikts, wegen 
deſſen allein die Unterſuchungs haft verhängt iſt, erfolgt, 
dagegen Verurteilung wegen der andern real konkur— 
rierenden Straftat unter (gemäß RG St. 3, 264 erfolgen: 
der) Anrechnung der wegen der erſten Straftat erlittenen 
Unterſuchungshaft ausgeſprochen iſt. Durch die Unter— 
ſuchungshaft iſt dem Verhafteten ein Schaden nicht ent— 
tanden, die Unterſuchungshaft wird durch die rechts⸗ 
kräftige Anrechnung zugunſten des Angeklagten als 
Teil der wegen der andern Tat ausgeſprochenen Strafe 
betrachtet, der Angeklagte hat, da er dieſen Teil zu Recht 


Entſchädigung ausgeſprochen werden müſſen in dem verbüßt hat, keinen Schaden erlitten. 


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22 


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kann doch in unſerem Falle, in dem er bezüglich 
beider Taten, die ihm der Eröffnungsbeſchluß zur 
Laft legte, wegen nachgewieſener Unſchuld frei- 
geſprochen worden iſt, nicht darunter leiden, daß 
das erſte Gericht einen Fehler begangen hat. Und 
doch hätte auch nach Haberſtumpfs Anſicht, wäre 
der Freiſpruch auf Grund einer Verhandlung 
erfolgt, das erkennende Gericht einen Entſchä⸗ 
digungsbeſchluß erlaffen müſſen. 

Der Einwand, daß das erſte Gericht den Be⸗ 
ſchluß erſt zu faſſen braucht, wenn es von dem 
Urteil des zweiten erkennenden Gerichts weiß, wäre 
nicht zu beachten. Denn damit wird doch eben zu⸗ 
gegeben, daß es hinſichtlich des Teils der Anklage, 
von dem es freigeſprochen hat, einen Entſchädigungs⸗ 
beſchluß zu faſſen hatte. Und hatte es dieſe Ver⸗ 
pflichtung, jo mußte es nach § 4 Abſ. 1 des Ge- 
ſetzes ordnungsmäßig gleichzeitig mit ſeinem 
freiſprechenden Urteile durch beſonderen Beſchluß 
Beſtimmung treffen. 

Die Frage, ob und wann der Beſchluß zu⸗ 
geſtellt wird, berührt die Verpflichtung des Ge⸗ 
richts zur Faſſung des Beſchluſſes nicht. Die 
letztere iſt nicht identiſch mit der ſchriftlichen 
Fixierung und erſt recht nicht mit dem Erlaſſen, 
d. h. der Bekanntgabe (Zuſtellung) an den Ver⸗ 
hafteten (vgl. hierzu S. 94 und 97 meiner „Haft⸗ 
entſchädigung“ und RGZ. 55, 400). Denn natur: 
gemäß muß das Faſſen des Beſchluſſes der ſchrift⸗ 
lichen Abfaſſung und dieſe wieder der Zuſtellung 
vorausgehen. Iſt ein Urteil teilweiſe rechtskräftig 
geworden, fo hat die Zuſtellung des Entſchädigungs— 
beſchluſſes, ſoweit der rechtskräftig gewordene Teil 
des Urteils die Faſſung eines Beſchluſſes erforderte, 
ohne Rückſicht auf den übrigen Teil des Urteils 
nach Rechtskraft jenes Teils gemäß $ 4 Abſ. 3 
des Geſetzes zu erfolgen. Dem entſprechend wird 
es ſich empfehlen, wenn bei Aburteilung mehrerer 
real konkurrierender Straftaten hinſichtlich mehrerer 
Freiſprechung, dagegen hinſichtlich anderer wieder 
Verurteilung erfolgt, für jede einzelne Straftat 
den gefaßten Beſchluß geſondert ſchriftlich zu fixieren 
(muß doch naturgemäß auch bezüglich verſchiedener 
Mitangeklagter ſtets ein beſonderer Beſchluß für 
jeden einzelnen Mitangeklagten ergehen), denn es 
ſteht ja nicht felt, ob das Urteil hinſichtlich ſämt⸗ 
licher Freiſprechungen in Rechtskraft übergehen, 
ſonach ein Kollektivbeſchluß für alle Freiſprechungen 
bei nur teilweiſer Rechtskraft des Urteils nicht 
zugeſtellt werden könnte und eine zuläſſige nach— 
trägliche Trennung des gefaßten und fixierten, 
aber noch nicht erlaſſenen Beſchluſſes, doch ſchließ— 
lich auf dasſelbe hinausläuft. Höchſtens könnte, 
falls der gefaßte Entſchädigungsbeſchluß nicht ſofort 
niedergeſchrieben und unterſchrieben wird, dies über: 
haupt bis zu dem Zeitpunkte, wo ſich herausſtellt, 
daß und welche Freiſprechungen in Rechtskraft er— 
wachſen ſind, aufgeſchoben und dann hinſichtlich 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


der rechtskräftigen Freiſprechungen ein zuzuſtellen⸗ 
der Kollektivbeſchluß, hinſichtlich der nicht rechts- oder bei Einführung einer Doppelwährung oder 


kräftigen ein nicht zuzuſtellender Beſchluß ſchrift⸗ 
lich niedergelegt werden. Die Möglichkeit hierzu 
beſteht, da das Wort „ſobald“ in § 4 Abſ. 3 
des Geſetzes nur inſtruktionell iſt, wenn ſchon nach 
dem Zwecke des Geſetzes baldigſte Zuſtellung zu 
fordern iſt. Aber auch bei dieſer nicht zu emp⸗ 
fehlenden nachträglichen Fixierung muß immer 
noch damit gerechnet werden, daß nach Einlegung 
eines Rechtsmittels gegen einen Teil des freiſprechen⸗ 
den Urteils der den rechtskräftig gewordenen Teil 
des freiſprechenden Urteils betreffende Entſchädigungs⸗ 
beſchluß zugeſtellt wird und der andere nicht zu⸗ 
geſtellte Teil doch noch getrennt zuzuſtellen iſt, 
weil das Rechtsmittel vom Staatsanwalt vor der 
Verhandlung in der Rechtsmittelinſtanz zurück⸗ 
genommen wird. 


Die nachträgliche Eintragung der 
Goldklauſel. 


Von Wilhelm Maher, Amtsrichter in München. 


Zu bereits eingetragenen Hypotheken wird oft 
erſt nachträglich die Eintragung der Goldklauſel, 
d. i. der Beſtimmung bewilligt, daß die auf die 
eingetragene Hypothekforderung zu leiſtenden 
Zahlungen „in Gold“ oder „in Reichsgoldmünzen“ 
zu machen ſind. 

Die Häufigkeit dieſer Anträge auch noch nach 
dem 1. Oktober 1907 erklart ſich daraus, daß die 
Goldklauſel ihre praktiſche Bedeutung durch die Außer⸗ 
kursſetzung der Taler durchaus nicht verloren hat. 
Auch fur die Dauer des durch die Außerkursſetzung 
geſchaffenen Rechtszuſtandes iſt ihre Bedeutung 
nur eingeengt, aber nicht aufgehoben. Sie erſchöpft 
ſich derzeit allerdings darin, daß bei einer Schuld 
ein Betrag von 10 M oder von 20 M nicht in 
Silbermünzen, ſondern nur in Goldmünzen, und 
bei einer durch 10 M nicht ohne Reſt teilbaren 
Schuld nur der Reſt von 9 M mit Silbermünzen 
gezahlt werden darf. Dieſe Bedeutung, die im 
einzelnen, für ſich allein betrachteten Fall ja nur von 
geringer Erheblichkeit iſt, kann ſich ſehr empfindlich 
fühlbar machen, wenn ſolche Fälle bei demſelben 
Schuldner ſich häufen, z. B. bei Inhaberhypotheken 
mit Goldklauſel, wenn die Zinsſcheine der aus- 
gegebenen Schuldverſchreibungen auf 10 M und 
mehr bis zu 20 M einſchließlich lauten. Der 
Schuldner iſt hier verpflichtet, bei der Zahlung 
dieſer meiſt ungemein vielen kleinen Beträge an 
die verſchiedenen Inhaber der Zinsſcheine jedesmal 
Goldmünzen zu verwenden. Eine außerordentlich 
einſchneidende Bedeutung würde die Goldklauſel 
ferner erlangen im Fall der Einführung einer 
Silberwährung, wenn dieſe, wie aus wirtſchaftlichen 
und münztechniſchen Gründen unvermeidlich, auch 
Goldmünzen als geſetzliche Zahlungsmittel zuließe, 


200 


bei Erweiterung der Zulaſſung von Silbermünzen 


der beſtehenden Währung, wofür in den geſetz⸗ 
gebenden Körperſchaften bereits wieder eine Be⸗ 
wegung durch Befürwortung der Wiederinkurs⸗ 
ſetzung der Taler im Gang iſt mit Rückſicht auf 
die auch in Deutſchland insbeſondere durch Diskont⸗ 
erhöhung bemerklich gewordene und kriſendrohende 
Goldknappheit, oder endlich bei Ausgabe von 
Papiergeld mit geſetzlichem Zwangskurs. In allen 
dieſen Fällen könnte der Schuldner nicht mit den 
ihm ſonſt als geſetzliche Zahlungsmittel zu Gebote 
ſtehenden Silbermünzen oder Geldzetteln, ſondern 
nur in den jeweiligen Goldmünzen Zahlung leiſten. 
Für dieſe Fälle insbeſondere wollen ſich wohl die 
Hypothekenbanken ſichern, die vielfach wieder An⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


riellrechtlich die Zuſtimmung, und folgeweiſe nach 
als geſetzlicher Zahlungsmittel bei Beibehaltung formellem Grundbuchrecht die Eintragungsbewil⸗ 


träge auf Eintragung der Goldklauſel ſtellen. 


Nur muß dabei der Sinn der ins Grundbuch 
einzutragenden Goldklauſel ſein, daß die jeweiligen 


Goldmünzen zu ihrem jeweiligen geſetzlichen Geld⸗ 


wert berechnet werden und nicht etwa die neuen 


Goldmünzen in ſolcher Anzahl zu leiſten ſein 


ſollen, daß ihr Geſamtgehalt an feinem Gold den 


Geſamtfeingehalt derjenigen Anzahl der früheren 
Goldmünzen erreicht, die notwendig wäre, wenn 
der Schuldbetrag in den früheren Goldmünzen 
gezahlt würde. Waͤre das letztere gemeint, ſo 
würde ſich der im Grundbuch angegebene Geld⸗ 
betrag, wenn die neuen Goldmünzen weniger Fein⸗ 
gehalt hätten als die alten, erhöhen um den Be⸗ 
trag ſo vieler neuer Goldmünzen, als notwendig 
wären, um mit ihrem Geſamtfeingehalt den Unter⸗ 
ſchied zwiſchen dem Feingehalt der zur Deckung 
des Geldbetrags der Schuld erforderlichen neuen 


ligung (GBO. § 19) der inzwiſchen weiter einge- 
tragenen dinglich Berechtigten erforderlich, wenn 
ſie auch dieſen gegenüber wirkſam ſein ſoll? 

I. Vorausſetzung für den Wert dieſer Unter: 
ſuchung iſt, daß die Goldklauſel für dieſe Zwiſchen⸗ 
berechtigten überhaupt von praktiſcher Bedeutung 
werden kann; anderenfalls bräuchte nach ihrer Zu⸗ 
ſtimmung auch nach der hier unter II vertretenen 
Anſchauung nicht gefragt zu werden. Die praktiſche 
Bedeutung beſteht darin, daß der Gläubiger der Hypo⸗ 
thekforderung, zu welcher die Goldklauſel erſt nachträg⸗ 
lich eingetragen werden ſoll, ſich bei einer von ihm in 
das Grundſtück betriebenen Zwangsvollſtreckung ge: 
fallen laſſen muß, von einem ſeiner Hypothek nach⸗ 
ſtehenden (oder gleichſtehenden) dinglich Berechtigten, 
dem gegenüber die Goldklauſel nicht wirkſam iſt, 
durch Zahlung der Hypothekforderung (ſamt Zinſen 
und Koſten, BGB. § 1118) unter Außeracht⸗ 
laſſung der Goldklauſel befriedigt zu werden (BGB. 
$ 1150, 268 Abſ. 1). — Praktiſche Bedeutung 
hat die Goldklauſel für die Zwiſchenberechtigten 
auch noch in einem anderen Fall, in welchem aber 
die Bedeutung weder durch ihre Zuſtimmung her⸗ 
beigeführt, noch durch das Verſagen ihrer Zu⸗ 
ſtimmung verhütet werden kann. Ein Anweſen, 
auf welchem naͤmlich eine Hypothek mit der nach⸗ 
träglichen Goldklauſel eingetragen ift, kann unter 
Umſtänden, wenn die Hypothek nach den Ver⸗ 


ſteigerungsbedingungen (ZwVG. 88 52 Abſ. 1; 44, 


Goldmünzen und dem Feingehalt der zu ſeiner 


Deckung erforderlich geweſenen alten Goldmünzen 
zu begleichen. Dieſer Unterſchied wäre verſchieden 
je nach dem Kurswert des Goldes. Der im Grund- 
buch angegebene Geldbetrag waͤre alſo nicht der 
wirklich zu zahlende, dieſer aber, im voraus nicht 
beſtimmbar und von wechſelnder Höhe, wäre im 
Grundbuch nicht angegeben. Die Goldklauſel in 
dieſem Sinne würde alſo dem in § 1115 Abſ. 1 
BGB. aufgeſtellten Erfordernis der Angabe des 
Geldbetrags widerſprechen, und darum nicht ein- 
tragungsfähig ſein. 

Die Eintragung der Goldklauſel im erſteren 


49 Abſ. 1; 59 Abſ. 1) liegen bleiben ſoll, wegen 
dieſer erſchwerenden Zahlungsart weniger leicht 
einen Erſteher finden, ſo daß der nach der Hypothek, 
aber vor der Goldklauſel eingetragene Berechtigte 
ſelbſt das Anweſen erſtehen muß. Erſteht er es, 
ſo wirkt ihm gegenüber die Goldklauſel, weil er 
Eigentümer des Anweſens iſt und dieſem gegen⸗ 
über begriffsmäßig alle Belaſtungen des An⸗ 
weſens und zwar mit dem derzeitigen Inhalt ohne 


Rückſicht auf die Zeit der Eintragung dieſes In⸗ 


Sinne iſt an ſich nach der herrſchenden Meinung 


zuläſſig. Denn ſie bedeutet eine Zahlungs— 
beſtimmung, nämlich über die Art und Weiſe der 
Zahlung, welche den Beſtimmungen über Ort und 
Zeit der Zahlung, deren Eintragungsfähigkeit 
§ 1119 Abſ. 2 BGB. geradezu vorausſetzt, an 
die Seite zu ſtellen iſt. Da ſie, wie dieſe, zur 
Bezeichnung der Forderung dient, kann ſie auch 
durch bloße Bezugnahme auf die Eintragungs— 
bewilligung eingetragen werden. §S 28 GBO. 


halts wirken. Daß ſie ihm als Hypothekgläubiger 
gegenüber etwa mangels ſeiner Zuſtimmung zu 
ihrer nachträglichen Eintragung nicht gelten würde, 
iſt inſoweit gleichgültig, als er ihr als Eigentümer 
gegenüberſteht. 

II. Eine unmittelbar auf den Fall der nach⸗ 
träglichen Eintragung der Goldklauſel anwendbare 
Vorſchrift hat das Geſetz nicht getroffen, insbe⸗ 
fondere auch nicht in § 876 BGB., wie Planck, 


Komm. z. BGB. $ 877 Bem. 2 Abſ. 2, anzu- 


ſteht nicht im Wege, da ſie die Angabe der ein- 


zutragenden Summe in Reichswährung nicht hindert. 
Iſt nun zur nachträglichen Eintragung mate— 


| 


nehmen ſcheint. Denn $ 876 bezieht ſich nur 
auf die Belaſtung von Rechten an einem Grund— 
ſtück, nicht auf die Belaſtung eines Grundſtücks 
ſelbſt, — woher die Ausdrucksweiſe „mit dem 
Recht eines Dritten“ ſich erklärt (vgl. auch BGB. 
§ 880 Abſ. 3: „Das . .. Recht mit dem Recht 
eines Dritten belaſtet“) — und nur auf die Auf— 
hebung ſolcher Belaſtungen. Ebenſowenig kann 
S 877 BGB. herangezogen werden, den Ende: 


mann, Lehrb. d. bürgerl. R. Bd. II 8 117, bei und 
in Note 19 anführt. Nach dieſem Paragraph iſt zur 
Aenderung des Inhalts eines Rechts die Einigung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


i 


zwiſchen dem Eigentümer und dem Inhaber des 


Rechts erforderlich, deſſen Inhalt geändert werden 
ſoll. Eine Zuziehung der Zwiſchenberechtigten ift 
durch dieſen Paragraph allein nicht geboten, da 
$ 873 BGB., auf welchen verwieſen ift, nur 
von dem, der fein Recht überträgt oder aus feinem 
Recht das zu beſtellende neue Recht abzweigt, und 
von dem Erwerber des Rechts ſpricht und nicht 


l 


die entſprechende Anwendung des § 873, 


welche eine Heranziehung aller „Beteiligten“ zur 
Einigung geſtatten würde, ſondern deſſen direkte 
Anwendung vorſchreibt. 

Doch laßt fih der das Geſetz beherrſchende, 
auch dieſen Fall umfaſſende Grundgedanke aus 
einer Reihe einzelner Vorſchriften ermitteln. In 
den SS 1116 Abſ. 2 S. 2, 3 und Abſ. 3, 1119 
Abſ. 2, 1180, 1186, 1198, 1203 ift die Zuſtim⸗ 
mung der inzwiſchen eingetragenen an dem Grund: 
ſtück Berechtigten teils bei Aufführung der für 
dieſe Inhaltsänderungen notwendigen Partei⸗ 
erklärungen nicht gefordert, teils ausdrücklich für 
entbehrlich erklärt, und zwar zu ſolchen Aende⸗ 
rungen des Inhalts der Hypothek (Grundſchuld, 
Rentenſchuld), welche nicht in einer ſummen⸗ 
mäßigen Erweiterung der Belaſtung beſtehen, alſo 
mit der hier zu unterſuchenden Inhaltsänderung 
aufs engſte verwandt ſind. Der Geſetzgeber hat 
alſo eine ausdrückliche, die Notwendigkeit der Zu⸗ 
ſtimmung der Zwiſchenberechtigten ablehnende Be⸗ 
ſtimmung für notwendig gehalten. Daraus folgt, 
daß er ohne eine ſolche Vorſchrift ihre Zuſtimmung 
für erforderlich hielte. 

Dieſe Erwägung bleibt auch beſtehen, wenn 
man den Zweck des $ 1119 Abſ. 2 lediglich in 
der Abſchneidung von Zweifeln ſehen würde, die 
alſo der Geſetzgeber nicht teilt. Denn da für die 
übrigen oben angeführten Stellen die Kommiſſions⸗ 
protokolle zum BGB. dieſen Zweck nicht geltend 
machen, ſo bleiben jedenfalls diefe verwertbar für 
die vorige Schlußfolgerung. Der Grund aber, 
weshalb das Geſetz die Zuſtimmung der Zwiſchen— 
berechtigten zur Inhaltsänderung grundſätzlich für 
geboten hält, kann, entſprechend dem Weſen der 
dinglichen Belaſtung nur der ſein, daß der an 
einem Grundſtück Berechtigte nicht gezwungen 
werden kann, eine ſpätere Erſchwerung des In⸗ 
halts der vorgehenden oder gleichſtehenden ding— 
lichen Belaſtungen hinzunehmen. Von dieſem 


— 


201 


Zuſtimmung dann von felbft in ſich, und dieſe, 
als die praktiſch bedeutſame Folge, iſt vom Geſetz 
ausgeſprochen. Darum läßt ſich der Anwendung 
des obigen Grundſatzes auf die Aenderung der 
Zahlungsart nicht entgegenhalten, wie Zahlungs⸗ 
zeit und Zahlungsort in § 1119 Abſ. 2 nur er- 
wähnt ſeien, um Zweifel abzuſchneiden, ſo ſei die 
Zahlungsart deshalb überhaupt nicht erwähnt, weil 
bei ihr das Geſetz Zweifel an der Entbehrlichkeit 
der Zuſtimmung überhaupt für ganz ausgeſchloſſen 
gehalten habe. Warum die Gleichgültigkeit der 
Aenderung der Zahlungsart, z. B., von der Gold⸗ 
klauſel abgeſehen, der ſpätere Ausſchluß der ur⸗ 
ſprünglich zugelaſſenen Zahlung mit Pfandbriefen, 
unzweifelhafter ſein ſoll als die Gleichgültigkeit 
der Aenderung des Zahlungsorts, wäre unerfind⸗ 
lich, vielmehr gerade das Gegenteil begreiflich. 
Eine Schlußfolgerung aus den angeführten 
Geſetzesbeſtimmungen nach der entgegengeſetzten 
Richtung, als wenn dieſe Beſtimmungen nur Einzel: 
anwendungen des aus ihnen abzuleitenden Grund— 
ſatzes ſeien, die Zuſtimmung der Zwiſchenberechtigten 
ſei zu bloßen Inhaltsänderungen eines Rechts über⸗ 
haupt entbehrlich, wäre mit der Faſſung des $ 1119 
Abſ. 1 unvereinbar. Denn wäre dies der leitende 
Gedanke des Geſetzes, ſo dürſte der Abſ. 1 des 
$ 1119 nicht fo lauten, wie er tatſächlich lautet. 
Er hatte dann nicht zu beſtimmen, wann die Zu- 
ſtimmung entbehrlich iſt, ſondern, als Ausnahme 
vom Grundſatz der Entbehrlichkeit, umgekehrt, 
wann die Zuſtimmung erforderlich ift, alfo un: 


gefähr: „Die Hypothek kann nur mit Zuſtimmung 


der im Rang gleich- oder nachſtehenden Berechtigten 


dahin erweitert werden, daß das Grundſtück zu 


— —— — U——.—. — — — — . EURER, 


Standpunkt aus betrachtet wird auch der dem 


Abſ. 2 des § 1119 zugeſchriebene Zweck erſt richtig 
verſtanden: Der unmittelbare Zweck der Vorſchrift 
iſt die Abſchneidung von Zweifeln nicht über die 
Entbehrlichkeit der Zuſtimmung, ſondern darüber, 
ob Zahlungszeit und Zahlungsort eine erfahrungs— 
gemäß im Rechtsverkehr in Betracht kommende 
Erſchwerung der Belaſtung bedeuten. Die Ver: 


neinung der Frage ſchließt die Entbehrlichkeit der, 


mehr als fünf vom Hundert hafte“. Der Unter⸗ 
ſchied der erſchwerenden Aenderung der Zahlungs: 
art gegenüber der Zinsfußerhöhung, daß ſie nicht, 
wie dieſe, eine ſummenmäßig darſtellbare Er— 
weiterung der Belaſtung bedeutet, iſt hier ohne 
Belang für die aus der Faſſung des Abſ. 1 des 
§ 1119 gezogenen Folgerung, da das Geſetz diefe 
Zinsfußerhöhung nicht als Begründung einer neuen, 
ſelbſtändigen Belaſtung, ſondern als bloße Inhalts⸗ 
änderung des Rechts behandelt, wie der Wortlaut 
des Abſ. 1: „Die Hypothek“, alſo die urſprüng⸗ 
liche, ſchon beſtehende Hypothek, wird „erweitert“, 
und die Zuſammenſtellung mit der Aenderung von 
Zahlungszeit und Zahlungsort in einem und dem: 
ſelben Paragraphen unter Gleichſtellung durch 
„gleichfalls“ beweiſt. 

Eine grundſätzliche Entbehrlichkeit der Zu— 
ſtimmung würde auch in Widerſpruch ſtehen mit 
dem Weſen der dinglichen Belaſtung. Danach 
hat der dinglich Berechtigte eine durch den Inhalt 
ſeines Rechts begrenzte Rechtsmacht unmittelbar 
über das Grundſtück, welche nur durch die zur 
Zeit der Begründung dieſes Rechts bereits be— 
ſtehenden dinglichen Rechte und durch dieſe Rechte 
nur mit ihrem zu dieſer Zeit beftehenden Inhalt 
beſchränkt, durch ſpätere Handlungen des Eigen— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Nr. 10. 


— —— — ——ä ' . — —ä—— — ä — — — .ꝶ—ñœ .(—ẽ— u—ę —c . . . —M—'b. —ö ——— — — nn 


tümers oder eines anderen dinglich Berechtigten 
aber nicht mehr geſchmälert werden kann. 
Dasſelbe Ergebnis liefern endlich auch die Mo⸗ 
tive zum BGB. (vgl. Bd. III S. 776 g. E., 
S. 778 f., 796). Auch ſie ſetzen durchweg den 
obigen Grundſatz voraus. Daß die Protokolle 
über die Kommiſſionsberatung nur einzelne Ab⸗ 
änderungen aufweiſen, läßt auf die Anerkennung 
des Grundſatzes der Motive ſchließen. Hätte man 
dieſen dich Auf nicht angenommen, ſo hätte die 
ausdrückliche Aufſtellung des entgegengeſetzten Grund: 
ſatzes wenigſtens in den Kommiſſionsprotokollen, 
wenn auch nicht im Geſetz, zum Ausdruck kommen 
müſſen. (Fortſetzung folgt.) 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Die Protokolle des Vormundſchaſtsgerichts über 
die Anerkennung der Vaterſchaft durch den unehelichen 
Vater und die Verträge über die Zahlung des Unter⸗ 
halts. Zu welch unangenehmen und vom Geſetzgeber 
offenbar nicht gewollten Folgen die Beurkundung der 
Verhandlungen mit dem Erzeuger eines unehelichen 
Kindes führen kann, ſoll an zwei praktiſchen, wohl 
ziemlich häufig vorkommenden Fällen gezeigt werden. 
Die Beurkundung der vom unehelichen Vater gegen— 
über dem Kind übernommenen Verpflichtungen vor 
dem Vormundſchaftsgericht iſt wohl hauptſächlich zu 
dem Zwecke eingeführt worden, um eine Reihe un: 
nötiger Prozeſſe abzuſchneiden — ein geſetzlicher 
Zwang für den unehelichen Vater, vor dem Vormund— 
ſchaftsgericht zu erſcheinen, beſteht ja überhaupt 
nicht. Das in der Praxis gewöhnliche Verfahren iſt 
nun, daß Kindsmutter, Vormund und Kindsvater 
vor das Vormundſchaftsgericht geladen werden, die 
erſteren ihre Anſprüche geltend machen und letzterer, 
um einen Rechtsſtreit zu vermeiden, in ſehr vielen 
Fällen das gewünſchte Anerkenntnis abgibt und ſich 
zu den verlangten Leiſtungen verpflichtet. Für den 
Kindsvater tritt hiermit bezüglich der Aner 
kennung der Vaterſchaft die Folge des 8 1718 
BGB. in Kraft, wonach er die exceptio plurium 
nicht mehr geltend machen kann. Augeſichts der bez 
kannten Entſcheidung des RG. vom 30. Juni 1904, 
IV 514/08 (DIZ. 1904 S. 866, IW. 1904 S. 489 
Nr. 15, ebenſo Diſpeker, BERA. 1904 S. 160 ff.) 
kann dieſe Erklärung in der Mehrzahl der Fälle 
nicht mehr angefochten werden. Stellt ſich ſpäter 
heraus, daß tatſächlich noch weitere Männer inner— 
halb der Empfängniszeit der Mutter beigewohnt 
haben, ſo bleibt es trotz der materiellen Unwahrheit 
des Vaterſchaftsbekenntniſſes bei der Anerkennung. 
Der uneheliche Vater befindet ſich dadurch, daß er 
freiwillig die Vaterſchaft anerkannt hat, in einer 
ſchlechteren Rechtslage, als wenn er die Vaterſchaft 
beſtritten hätte und im Prozeß zur Anerkennung ver— 
urteilt worden wäre. Denn im letzteren Falle könnte 
er, falls ſpäter die mehreren Zuhälter ihre Angaben 
beſchwören würden, die Wiederaufnahme des Ver— 
fahrens und damit die Aufhebung des Urteils durch— 
ſetzen — eine materielle Ungerechtigkeit, die natürlich 


oft ſehr ſchmerzlich empfunden wird und dem Laien 
ganz unbegreiflich iſt. 

Umgekehrt kann aber auch die Rechtslage, des 
Kindes durch die Protokollierung verſchlechtert werden, 
gegenüber derjenigen, die eingetreten wäre, wenn der 
uneheliche Vater im Prozeß zur Zahlung des Unter⸗ 
halts verurteilt worden wäre. Liegt der Fall ſo, daß 
aus irgendeinem Grunde eine Erhöhung des Unter⸗ 
halts verlangt wird, ſo iſt es fraglich, ob eine ſolche 
im Prozeß durchgeſetzt werden kann. Liegt ein Urteil 
vor, fo ift es zweifellos, daß gemäß 8 323 ZPO. die 
Erhöhung des Unterhalts verlangt werden kann. Im 
Falle der Protokollierung jedoch findet — wenigſtens 
hat das Amtsgericht München I in einem mir vor: 
liegenden Falle ſo geurteilt — dieſe Beſtimmung keine 
Anwendung, weil es ſich hier um einen Fall der ver⸗ 
trag3= oder vergleichsmäßigen Feſtſetzung des Unter- 
halts handelt. (Staudinger⸗Engelmann, Kommentar zum 
BGB. § 1610 Anm. 8). Das Amtsgericht hat daher 
die Klage auf Erhöhung des Unterhalts abgewieſen. 
In dieſem Falle wäre alſo die Rechtslage des Kindes 
günſtiger geweſen, wenn die Verurteilung des Vaters 
herbeigeführt worden wäre. 

Aus dieſen beiden aus der Praxis genommenen 
Fällen mag erſehen werden, daß bei der Beurkundung 
der Verhandlungen mit dem unehelichen Vater dieſer 
ſowohl als der Vormund und der Vormundſchafts⸗ 
richter Vorſicht üben müſſen. 

Der Vater ſoll das Vaterſchaftsbekenntnis nur 
dann abgeben, wenn er auch nicht den geringſten 
Zweifel daran hat, daß er allein innerhalb der Emp⸗ 
fängniszeit der Mutter beigewohnt hat — ſonſt tut 
er beſſer daran, ſich verurteilen zu laſſen. Der Vor⸗ 
mundſchaftsrichter ſollte anderſeits bei jedem Ueber⸗ 
einkommen über den Unterhalt ausdrücklich den Vor⸗ 
behalt etwaiger ſpäterer Erhöhung der vereinbarten 
Summe in das Protokoll aufnehmen. 

Gegen die Folgerungen, die aus der Beurkundung 
der Vaterſchafts-Anerkennung und der Verträge über 
den Unterhalt gezogen werden, läßt ſich juriſtiſch nichts 
einwenden. Aber man wird doch behaupten müſſen, 
daß die angegebenen Rechtsfolgen praktiſch unzweck— 
mäßig ſind und dem Laien für immer unverſtändlich 
bleiben werden; insbeſondere dürfte eine Aenderung 
der vom Reichsgericht in dem oben erwähnten Urteil 
ausgeſprochenen Anſchauung erwünſcht, jedoch nicht 
ſo bald zu hoffen ſein, da gerade ſolche Fälle wohl 
nur ſelten bis in die III. Inſtanz gelangen. 

Rechtsanwalt Dr. Steinharter in München. 


Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des 
GewWUBG. Die unter dieſem Titel im Heft 7 S. 143 
dieſer Zeitſchrift enthaltenen Ausführungen von Land⸗ 
gerichtsrat Hagen, welche meine Abhandlung in Nr. 4 
S. 84 angreifen, bedürfen als unzutreffend der 
Widerlegung. 

Was zunächſt die Frage der Entlohnung des 
Klägers für ſeine vorübergehende Beſchäftigung im 
fremden Betriebe anlangt, ſo können die einſchlägigen 
Ausführungen Hagens füglich als belanglos ohne 
weiteres übergangen werden. Mag man auch — was 
wohl allgemein nicht der Fall — die Annahme teilen, 
daß die Entlohnung nicht im Preiſe für das Holz⸗ 
fügen zum Ausdruck komme, daß fih alfo der Arbeits: 


— —ñꝛ — 


lohn für das Holzſägen, wie in anderen „tagtäglich 
im praktiſchen Leben“ vorkommenden Fällen, nicht 
ſteigern würde, wenn der Auftraggeber gegen die 
beſtehende Uebung bei der Arbeit nicht mithelfen 
wollte, ſo iſt die Entſcheidung dieſer Frage hier doch 
vollſtändig gegenſtandslos, da ja nach den Unfall⸗ 
verſicherungsgeſetzen die Lohnzahlung bekanntlich keine 
Bedingung der Verſicherung iſt. 
Es iſt daher lediglich noch notwendig, die weiteren 
Ausführungen Hagens über den Begriff des „Ar⸗ 
beiters“ im Sinne des Gew VG. hier zu erörtern. 
Als Begriffsmerkmal wird ein „perſönliches Ab⸗ 
hängigkeitsverhältnis zu dem Betriebsunternehmer“ 
poſtuliert, und für dieſes als „erheblich“ bezeichnet, 
ob die Hilfsperſon von den Anweiſungen des 
letzteren abhängig iſt, und ob ſie ſich einem 
Arbeitsherrn hat unterordnen und ihre Selb- 
ſtändigkeit hat aufgeben wollen. Eine der- 
artige enge Begriffsentwicklung findet aber weder 
im Geſetz noch der Rechtſprechung des Reichs⸗ oder 
Landesverſicherungsamtes irgend welche Unterlage. 
Wenn ein Bauersſohn im Wirtshaus einen mit⸗ 
anweſenden Gaſt (Fabrikkutſcher) erſucht, er möge ihm 
bei Bereitſtellung feines landwirtſchaftlichen Fuhrwerks 
behilflich ſein, ſo will ſich dieſer Gaſt dem Jungen ſicher⸗ 
lich nicht unterordnen und ihm gegenüber feine Selb- 
ſtändigkeit aufgeben, wenn er bei Anſpannung und Be⸗ 
reitſtellung des Fuhrwerks Hilfe leiſtet. Die Hilfsperſon 
wird in dieſem Falle auch nicht von den Anweiſungen des 
Bauersſohns abhängig ſein, ſondern vielleicht dem an 
Lebenserfahrungen zurückſtehenden Jungen ſelbſt ent⸗ 
ſprechende Anweiſungen geben. Gleichwohl hat das 
Landesverſicherungsamt dem in einem ſolchen Falle 
verunglückten Wirtshausgaſte eine Rente auf Koſten 
der betr. land- und forſtwirtſchaftl. Berufsgenoſſen— 
ſchaft zuerkannt, da er vorübergehend als Arbeiter 
im landw. Betriebe der Eltern des Jungen erkannt 
wurde (Mitteilungen XIX Nr. 1107). Auch in der 
bereits in meiner obigen Abhandlung angeführten 
Entſcheidung des LVA. vom 14. Dezember 1905 (Mit⸗ 
teilungen XVIII Nr. 1074) wurde ein Landwirt vor: 
übergehend als Arbeiter eines Sägewerksbeſitzers 
betrachtet, als er auf Erſuchen eines Knechtes beim 
Aufladen eines Stammes behilflich war. Auch dieſer 
Landwirt wird bei ſeinem Gefälligkeitsdienſt nicht im 
Sinne Hagens ſeine Selbſtändigkeit haben aufgeben 
und ſich dieſem Knechte unterordnen wollen. Für 
den gewerblichen Arbeiter gelten aber keine andern 
Begriffsmerkmale als für den landw. Arbeiter; ent— 
ſcheidend iſt vielmehr, wie ebenfalls früher ausgeführt, 
ob die Leiſtungen gleichzeitig „die Förderung der 
Intereſſen des Betriebsinhabers“ bewirken. Dies 
war aber bei dem der Beſprechung zugrunde liegenden 
Verhältniſſe, wo der Kläger noch dazu auf Er— 
ſuchen des Beklagten in ſeinem Betriebe tätig wurde, 
und daſelbſt einen Arbeiter erſetzte, ohne Zweifel 
der Fall. 

Die Ausführungen Hagens gehen daher fehl und 
ſind nicht geeignet, den von mir zu der beſprochenen 
e eingenommenen Standpunkt zu wider— 
egen. 

Rechtsk. Bürgermeiſter Dr. Michel in Landsberg a. L. 


_Beitigrift für Nedtapllege 


n Bayern. 1908. 


i 


Nr. 10. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Begriff der Aufnahme zur Beherbergung (5 701 
VGV.) Aus den Gründen: Der Berufungsrichter 
ſtellt folgendes feſt: Der Reiſende D. hatte bei ſeiner 
Geſchaftsreiſe nach R. im Februar 1904 nicht von 
Anfang an die Abſicht dort zu übernachten; er ließ 
ſeine drei Koffer in das Hotel des Beklagten ſchaffen, 
weil er bei dem Beſuche der Kunden ſeiner Warenmuſter 
bedurfte; und zwar hatte er bei ſeiner Ankunft auf 
dem Bahnhofe dem dort anweſenden Hoteldiener des 
Beklagten unter Uebergabe ſeiner Handtaſche und eines 
Gepäckſcheines nur geſagt, dieſer möge die auf den 
Gepäckſchein zu erholenden drei Koffer und die Hand⸗ 
taſche mit ins Hotel nehmen; um 3 Uhr nachmittags, 
als D. ein Notizbuch aus ſeiner Handtaſche entnahm, 
antwortete er auf die Frage des Oberkellners, ob er 
ein Zimmer nehme, „jedenfalls, ich ſage es ihnen 
nachher noch beſtimmt“; er verließ ſchließlich das 
Hotel, ohne zu übernachten oder ſonſt von einem 
Zimmer Gebrauch gemacht zu haben. Aus dieſen Tat⸗ 
ſachen ift allerdings eine Aufnahme des D. zur Be- 
herbergung nicht zu entnehmen. Nach den Umſtänden 
nämlich kam eine Beherbergung des D. nur in der 
Form in Frage, daß ihm ein Zimmer eingeräumt 
wurde. Wollte D. dies nicht, ſo wollte er das Hotel 
des Beklagten nur als Wirtshaus benutzen. Vor dem 
zwiſchen 3 / und 5 ¼ Uhr ausgeführten, um 5½ Uhr 
entdeckten Diebſtahl der Handtaſche, nämlich eben um 
3 ¼ Uhr, fragte der Oberkellner den D. denn auch 
gerade, ob er ein Zimmer nehme. Dieſer aber ant⸗ 
wortete „jedenfalls, ich ſage es ihnen nachher noch 
beſtimmt“. Damit hat D. eine Erklärung darüber, 
ob er beherbergt ſein wolle, ausdrücklich auf ſpäter 
verſchoben und nur als wahrſcheinlich bezeichnet, daß 
er Herberge verlangen werde. Bis auf weiteres war 
alſo Herberge noch nicht gefordert und noch nicht ge⸗ 
währt. Ob, in welchen Fällen und wann eine nur all⸗ 
gemeine, auf ein beſtimmtes Zimmer, auf eine beſtimmte 
Art des Heims noch nicht konzentrierte Vereinbarung 
der Beherbergung ſchon eine Aufnahme im Sinne des 
§ 701 des BGB. iſt, bedarf keiner Erörterung. Denn 
ſogar eine ſolche allgemeine beiderſeitige und 
beiderſeits kundgegebene Beherbergungsabſicht fehlt 
hier. Beide Teile hatten vielmehr eine Beherbergungs— 
abſicht ausdrücklich noch nicht; ſie war auch nicht etwa 
von ſeiten des D. unter einer Bedingung erklärt. 
Denn eine Erklärung, möglicher oder auch wahrſchein— 
licher Weiſe Herberge nehmen und dies ſpäter mit- 
teilen zu wollen, lehnt jede Entſchließung, auch unter 
einer Bedingung, für jetzt gerade ab. D. war dann 
auch zur Zeit des Diebſtahls kein zur Beherbergung 
aufgenommener Gaſt, ſeine Gepäckſtücke waren zu dieſer 
Zeit nicht zum Zwecke der Beherbergung eingebracht. 
Mit Recht hat alſo der Berufungsrichter eine Haftung 
des Beklagten aus 8 701 des BGB. verneint. (Urt. 
des III. 85. vom 3. März 1908). H. 

1264 1 


Mündliche Nebenabrede zu einem notariellen Ber: 
trag. Nichterhebung beantragter Beweiſe. Aus den 
Gründen: Die Kläger hatten die Nichtigkeit des Kauf— 
vertrages daraus abgeleitet, ihr Anweſen ſei verkauft 
worden gegen einen Kaufpreis von 36000 M und 20 5% 
Gewinnbeteiligung im Falle der Weiterveräußerung 
durch den Beklagten; der letztere Beſtandteil des Ver— 
trags ſei nicht notariell beurkundet und darnach der 
ganze Veräußerungsvertrag nichtig (8 313 Satz 1, 
ss 125, 139 BGB.). — Der Beklagte machte geltend, 
der Wille der Parteien ſei auf Abſchluß zweier Ver— 


204 


träge gegangen — eines Kaufvertrags mit dem in 
die notarielle Urkunde aufgenommenen Kaufpreiſe von 
36 000 M — und eines „Gewinnbeteiligungsvertrages“, 
d. h. eines Geſellſchaftsvertrages; letzterer Vertrag 
habe der notariellen Form nicht bedurft. — Das 
OLG. gelangt zu dem Ergebniſſe, die Parteien hätten 
nur einen einzigen Vertrag, den Kaufvertrag, verein- 
bart, die Gewinnbeteiligung von 20% fei ein Teil 
der Gegenleiſtung des Käufers geweſen. Dieſem auch 
bei Errichtung der notariellen Urkunde noch fort- 
dauernden Willen der Parteien entſpreche der Inhalt 
der Urkunde nicht, inſoweit fie die vereinbarte Gewinn- 
beteiligung nicht enthalte. Es ſei ausgeſchloſſen, daß 
die Kläger ihr 1 ohne die Zuſage der Geminn- 
beteiligung verkauft hätten. Hieraus folge die Nichtig⸗ 
keit des Vertrags. — Die Urteilsgründe führen weiter 
aus: „Der Erſtrichter unterlaſſe die Urſachen feſtzu⸗ 
ſtellen, die zu der unvollſtändigen Beurkundung des 
Vertragswillens geführt haben. Mit gutem Grunde, 
weil es nicht darauf anzukommen habe.“ Die Reviſion 
meint, das OLG. hätte die Gründe feſtſtellen müſſen, 
aus denen der Kaufvertrag unrichtig oder unvoll— 
ſtändig beurkundet worden ſei; nur dann könne man 
prüfen, ob kein Rechtsirrtum vorliege. Sei eine münd— 
liche Abrede von beiden Parteien bewußt nicht in die 
Urkunde aufgenommen worden, ſo ſei ſie überhaupt oder 
doch als Teil des Kaufvertrags fallen gelaſſen. Der 
Angriff iſt nicht begründet. 

Die in der Rechtſprechung aller Zivilſenate des 
Reichsgerichts gebilligte Vermutung der Vollſtändigkeit 
der über ein Rechtsgeſchäft errichteten Urkunde gegen: 
über mündlichen Vereinbarungen vor und bei Errich— 
tung der Urkunde iſt, wenn die Errichtung der Urkunde 
nicht als Wiederholung des Vertrags in urkundlicher 
Form vereinbart war, nur eine tatſächliche Vermutung; 
ſie iſt daher entkräftet durch die Feſtellung, daß au 
zur Zeit der Errichtung der Urkunde die Parteien die 
Fortgeltung der mündlich vereinbarten und in die 
Urkunde nicht aufgenommenen Abrede noch wollten. 
Eine ſolche Feſtſtellung wird in der Regel allerdings 
auch in der Weiſe erfolgen können, daß beſondere 
Gründe nachgewieſen werden, wegen deren die münd— 
liche Abrede nicht in die Urkunde aufgenommen worden 
iſt. — Die letztere Erfahrungstatſache rechtfertigt indes 
nicht den allgemeinen Satz, daß nur durch den Nach— 
weis ſolcher beſonderen Gründe die Vermutung der 
Vollſtändigkeit der Urkunde entkräftet werden könne. 
Jenem allgemeinen Satze kann auch nicht mit der 
Begründung Eingang verſchafft werden, ob kein 
Rechtsirrtum vorliege, könne nur nachgeprüft werden, 
wenn in die Feſtſtellung ſolcher Umſtände einge— 
treten worden ſei. — Hier hatte der Beklagte in 
der Berufungsinſtanz nicht mehr beſtritten, daß die 
Parteien auch zur Zeit der Errichtung der Urkunde 
das Fortbeſtehen der Abrede über die Gewinnbeteili— 
gung gewollt haben. Dieſe Feſtſtellung reicht zu, um 
die aus der Nichtaufnahme in die Urkunde herge— 
leitete Vermutung zu entkräften, die mündliche Ab— 
rede der Gewinnbeteiligung ſei fallen gelaſſen. Bei 
ſolcher Sachlage konnte das OLG. ohne rechtlichen 
Verſtoß ausführen, es bedürfe keiner Feſtſtellung der 
Gründe, aus denen die Urkunde unvollſtändig war. 

Der erörterte Angriff der Reviſion iſt auch dahin 
zu verſtehen, die Urkunde über den Kaufvertrag be— 
gründe die Vermutung der Vollſtändigkeit in bezug 
auf den Kaufvertrag und damit im Streite darüber, 
ob eine Abrede Beſtandteil des Kaufvertrags oder 
Gegenſtand eines ſelbſtändigen Vertrags ſei, eine 
durch den Nachweis beſonderer Umſtände zu beſeitigende 
Vermutung dafür, daß die Abrede der Gewinnbeteili— 
gung nicht Beſtandteil des Kaufvertrags, ſondern 
Gegenſtand eines ſelbſtändigen „Gewinnbeteiligungs— 
vertrags“ ſei. Aber auch ſo aufgefaßt zerſchellt der 
Angriff an den einwandfreien Ausführungen des 
OL G., daß nach dem Willen der Parteien jene Abrede 


Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. N 


. 


r. 10. 


der Gewinnbeteiligung Beſtandteil des Kaufvertrags 
war, womit der gekünſtelte Verſuch eines ſogenannten 
Gewinnbeteiligungsvertrags beſeitigt iſt, für den der 
Grundſtücksverkauf nur das Motiv geweſen fein fon- 
Die Reviſion hat die letzteren Ausführungen noch mit 
prozeſſualen Angriffen bekämpft. Letztere richten fich 
zum Teil gegen die der Nachprüfung des Reviſio rnis- 
gerichts entzogene Tatſachen⸗ und Beweiswürdigung 
und find ſchon deshalb nicht zu beachten. Soweit fe 
aber das Nichterheben erbotener Beweiſe rügen. 
können ſie keinen Erfolg haben, weil das OLG. jene 
Beweiserbieten mit der prozeſſual einwandfreien Aur S= 
führung beſeitigt hat, ſelbſt wenn die angerufen en 
Zeugen das beſtätigen würden, wofür ſie angerufen 
find, könnte dadurch die aus dem vorliegenden Tat- 
ſachen⸗ und Beweismaterial bereits gewonnene liber= 
zeugung nicht erſchüttert werden. (Urt. des II. 3 S. 
v. 4. Febr. 1908). H. 
1263 


III. 


1. Erforderniſſe einer die Fung te bindende se 
Entſcheidung i. S. des 8 135 Gewus6. 

2. Unfall eines Proviſions⸗Neiſenden, der vorüber ⸗ 
gehend im Fabrikbetriebe tätig wird. Der Kläger hatte 
das Einſpännerfuhrwerk, mit dem der Beklagte kurz 
vorher zur Beſichtigung von Formſand eine Ausfahrt 
gemacht hatte, von dieſem übergeben erhalten, um es 
von dem außerhalb der Stadt G. liegenden Fabrik- 
hofe nach dem Stalle in der Stadt zurückzufahren. 
Auf dem Wege dorthin erlitt der Kläger dadurch einen 
Unfall, daß das Pferd durchging und er aus dem 
umfallenden Wagen geſchleudert wurde. Der Kläger 
war damals ſeit mehreren Jahren bei der Firma Kl., 
deren Mitinhaber der Beklagte ift, als Proviſions— 
reiſender in Stellung. Auf ſeinen geſchäftlichen Reiſen 
hat er wiederholt das der Firma gehörige Einſpänner— 
fuhrwerk benutzt. Von der Berufsgenoſſenſchaft wurde 
auf Anfrage der Firma durch Schreiben erwidert, daß 
die Tätigkeit eines Geſchäftsreiſenden im Umherziehen 
der Unfallverſicherung nicht unterliege und deshalb 
für den Unfall eine Entſchädigung nicht gewährt 
werden könne. Der Kläger hat jetzt den Beklagten 
auf Erſatz des Schadens in Anſpruch genommen. Das 
OLG. erkannte auf Abweiſung der Klage. Die Re⸗ 
viſion blieb erfolglos. 

Gründe: 1. Nach 8 135 Gewu G. können die 
nach Maßgabe dieſes Geſetzes verſicherten Perſonen, 
auch wenn ſie einen Anſpruch auf Rente nicht haben 
einen Anſpruch auf Erſatz des infolge eines Unfalls 
erlittenen Schadens gegen den Betriebsunternehmer 
nur geltend machen, wenn durch ſtrafgerichtliches 
Urteil feſtgeſtellt worden iſt, daß er den Unfall vor— 
ſätzlich herbeigeführt hat. Auf Grund dieſer Vor— 
ſchrift gelangt das OLG. zur Abweiſung der Klage, 
weil der vom Kläger erlittene Unfall als ein Be— 
triebsunfall anzuſehen ſei, gegen den der Kläger nach 
Maßgabe des Gew. verſichert geweſen fei. Das 
OLG. erachtet ſich an der Entſcheidung hierüber durch 
die Schlußbeſtimmung des S 135 nicht e wo⸗ 
nach für das erkennende Gericht die Entſcheidung 
bindend ift, welche in dem durch das Gew. ge- 
ordneten Verfahren über das Vorliegen eines den 
Entſchädigungsanſpruch aus der Unfallverſicherung 
begründenden Unfalls ergeht. Nach der Ausführung des 
OLG. iſt eine ſolche Entſcheidung in dem Schreiben 
der Berufsgenoſſenſchaft nicht getroffen, weil nach 
ihm das in dem Gew. geordnete Verfahren nicht 
einmal eingeleitet ſei. Darin, daß das Schreiben 
nicht als ein Beſcheid im Sinne des Gew VG. an- 
zuſehen iſt, kann dem Vorderrichter nur beigetreten 
werden. Es genügt nicht den für einen ablehnenden 
Beſcheid in den SS 73 und 76 Gew. aufgeſtellten 
Erforderniſſen. Nach § 73 ift der angemeldete Ent: 
ſchädigungsanſpruch, wenn die Berufsgenoſſenſchaft 


— 


der Anſicht ift, daß ein enman aana ee Uns 
fall nicht vorliegt, durch ſchriftlichen, mit Gründen 
zu verſehenden Beſcheid abzulehnen. In 8 76 Abſ. 4 
iſt verordnet, daß der Beſcheid die Bezeichnung des 
für die Berufung zuſtändigen Schiedsgerichts ſowie 
die Belehrung über die einzuhaltende Friſt enthalten 
muß. Weiter iſt in § 70 beſtimmt, daß, wenn die 
Bewilligung einer Entſchädigung abgelehnt werden 
ſoll, dieſe Abſicht vor Erlaß des Beſcheides dem Ver⸗ 
letzten zur Aeußerung binnen zwei Wochen mitzuteilen 
iſt. Eine ſolche Aeußerung ſcheint im vorliegenden 
Falle nicht erfolgt zu ſein. Jedenfalls fehlt es an 
den Erforderniſſen der 88 73 und 76. Der Entſchädi⸗ 
gungsanſpruch iſt von dem Entſchädigungsberechtigten 
überhaupt nicht angemeldet, vielmehr hat die Berufs⸗ 
genoſſenſchaft nur auf Anfrage der Firma Kl. über 
ihren Standpunkt in dieſer Angelegenheit fih ausge- 
laſſen. Es fehlt auch an der durch die Vorſchrift des 
§ 76 angeordneten Belehrung über die Friſt und an der 
Bezeichnung des Berufungsgerichts. Eine für die ordent⸗ 
lichen Gerichte maßgebende Entſcheidung der Berufs— 
genoſſenſchaft iſt hiernach nicht ergangen. 

2. Die Reviſion rügt, daß zu Unrecht der Unfall des 
Klägers als in den Fabrikbetrieb des Beklagten 
fallend und demgemäß der Unfallverſicherung unter— 
liegend angeſehen ſei. Kläger ſei, als er auf Geheiß 
des Beklagten Pferd und Wagen aus der Fabrik in 
den Stall gebracht habe, nicht als Arbeiter im Sinne 
des Gew VA., ſondern als kaufmänniſcher Angeſtellter 
tätig geweſen, wie er auch ſonſt in ſeiner Eigenſchaft 
als kaufmänniſcher Angeſtellter mit dem auf Geſchäfts— 
reiſen von ihm benutzten Pferde zu tun gehabt habe. 
Dem entgegen wird von dem OLG. ausgeführt, daß 
das Pferd zum Betriebe der Fabrik benutzt worden 
ſei, und zwar unmittelbar vor dem Unfall dadurch, 
daß der Beklagte mit dem Werkmeiſter zur ſtädtiſchen 
Kiesgrube behufs Beſichtigung des Formſandes ge— 
jahren ſei. Der mit dem Zurückbringen des Fuhr— 
werks nach dem Stalle beauftragte Kläger habe ſomit 
eine dem verſicherten Fabrikbetriebe förderliche Tätig— 
keit als Arbeiter dieſes Betriebes geleiſtet, wozu auch 
eine nur vorübergehende und nur aus Gefälligkeit 
übernommene Tätigkeit genüge. Dieſe Ausführungen 
ſind nicht zu beanſtanden. Ein Unfall muß, um als 
Betriebsunfall zu erſcheinen, mit dem Betriebe in einem 
gewiſſen Zuſammenhange ſtehen, der jedoch nur ein 
mittelbarer zu ſein braucht. Betriebsunfall kann ein 
Unfall ſein, der bei der Vorbereitung, der Durch— 
führung oder dem Abſchluſſe des Betriebes eintritt. 
An dieſer Auffaſſung hat auch das RWA. ſtändig feſt⸗ 
gehalten. Es iſt insbeſondere bereits entſchieden, daß 
der Unfall, den ein Monteur auf dem Rückwege von 
einer auswärtigen Montageſtelle erleidet, als Be— 
triebsunfall aufzufaſſen iſt, da der Monteur, wenn er 
ſich auf die Montageſtelle und von dort zurückbegibt, 
einem dienſtlichen Auftrage folgt (amtl. Nachr. des 
RVA. für 1892 Nr. 1150). Ebenſo ift von dem RWA. 
ausgeſprochen, daß ein jeder Gang, den ein Arbeiter 
im Intereſſe des Betriebs im Auftrage ſeines Arbeit— 
gebers unternimmt, ein dienſtlicher iſt (a. a. O. 1888 
Nr. 566). Ferner entſpricht es der ſtändigen Recht— 
ſprechung des RVA., daß der Arbeiter, der auch nur 
eine vorübergehende, unentgeltliche Dienſtleiſtung im 
Betriebe eines Andern mit deſſen ausgeſprochenem 
oder mutmaßlichem Willen ausführt, als in dieſem 


A filr Reitspflege in 


Betriebe beſchäftigt und als Arbeiter dieſes Betriebes 


verſichert gilt. Von derſelben Grundanſchauung aus 
muß, wenn der Unternehmer mehrere Betriebe hat, 
der ſonſt regelmäßig in einem beſtimmten Betriebe 
beſchäftigte Arbeiter (Betriebsbeamte) für vorüber— 
gehende Dienſtleiſtungen in dem anderen Betriebe als 
in letzterem verſichert angeſehen werden. Es gilt dies 
wenigſtens dann, wenn der in dem nichtverſicherungs— 
pflichtigen Betriebe angeſtellte Arbeiter (Betriebs— 
beamter) in dem verſicherungspflichtigen Betriebe 


| 


205 


Bayern. 1908. Nr. 10. 


Dienſte leiſtet. Hier meint nun zwar der Kläger, 
| daß er den Unfall in dem nichtverficherten kauf⸗ 
männiſchen Betriebe als Proviſionsreiſender erlitten 
habe, weil er das betreffende Einſpännerfuhrwerk 
| wiederholt zu den von ihm als Proviſionsreiſender 
zu machenden Geſchäftsreiſen benutzt habe. Allein 
| mit dieſen Geſchäftsreiſen hatte das Zurückbringen 
des Pferdes von der Fabrik nach dem Stalle nichts 
| zu tun. Nach der Feſtſtellung des Berufungsgerichts 
diente das Pferd dem Betriebe der Fabrik und 
hatte der Beklagte vor dem Unfall im Intereſſe der 
Fabrik eine Ausfahrt mit dem Fuhrwerk gemacht, 
um den in der ſtädtiſchen Kiesgrube befindlichen Form: 
ſand zu beſichtigen, der zu Fabrikzwecken gebraucht 
wird. Den Abſchluß dieſer Ausfahrt bildete das 
Zurückbringen des Pferdes. Mit Recht hat hiernach 
das OLG. das Vorliegen eines entſchädigungspflichtigen 
Betriebsunfalls und damit die Anwendbarkeit des 8 135 
Gewll VG. angenommen, fo daß jeder Anſpruch des 
Klägers gegen den Beklagten ausgeſchloſſen iſt. (Urt. 
des IV. 35. vom 9. Januar 1908, IV 249,07). 
1233 


— — — l. 


IV. 


Zweifel über die Perſen des Wechſelſchuldners, 
wenn der Ehemann der Proknuriſt feiner Ehefrau ift 
und mit ſeinem Namen gezeichnet hat, den auch ſeine 
Fast als Firme führt. 0 ränfte Wirkung der Rechts⸗ 
rafit in ſubjektiver Beziehung. Die Klägerin ift Jn- 
haberin eines vom 25. Januar 1906 datierten, am 
25. April 1906 fällig geweſenen Wechſels über 3180.75 M, 
den ſie auf „Herrn Adolf M.“ gezogen und den der 
beklagte Ehemann mit „Adolf M.“ akzeptiert hat. 
Mit dem Wechſel ſollten Steinlieferungen der Klägerin 
zu einem Neubau bezahlt werden. Unter der Firma 
„Adolf M.“ wurde eine Kunſtſchloſſerei betrieben; 
Inhaberin des Geſchäftes war die beklagte Ehefrau, 
der Ehemann Adolf M. war Prokuriſt. Der Wechſel 
wurde mangels Zahlung proteſtiert. In einem Vor— 
prozeß hatte die Klägerin die Wechſelſumme nebſt 
Unkoſten und Zinſen gegen Adolf M. eingeklagt und 
ein rechtskräftig gewordenes Urteil erwirkt, wodurch 
der Ehemann M. verurteilt wurde. Nachdem ein 
Pfändungsverſuch ohne Ergebnis geblieben war, erhob 
ſie Klage auf Verurteilung der Ehefrau zur Zahlung, 
des Ehemanns zur Duldung der Vollſtreckung in das 
Vermögen ſeiner Frau. Die Beklagten wandten ein, 
Wechſelſchuldner ſei der Mann, auch müſſe die jetzt 
gegen ihn gerichtete Klage an der Rechtskraft der 
Vorentſcheidung ſcheitern. Landgericht und Oberlandes— 
gericht verurteilten. Das Reichsgericht hob auf. 


Aus den Gründen: 1. Der Einwand der rechts- 
kräftig entſchiedenen Sache iſt mit Recht vom OLG. 
verworfen worden. Die Reviſion meint, der jetzt erhobene 
Anſpruch, die Zwangsvollſtreckung in das Vermögen 
der Frau zu dulden, ſtehe in Widerſpruch mit der im 
Vorprozeß erlaſſenen Verurteilung zur Zahlung. Nun 
iſt es an ſich nichts auffälliges, wenn ein Ehemann 
zu beidem verurteilt wird. Haften die Eheleute als 
Geſamtſchuldner, ſo iſt gegen ſolche Verurteilung nichts 
zu erinnern. Die Beſonderheit des Falles beſteht 
nur darin, daß von einer Geſamthaftung hier nicht 
die Rede iſt. Schuldner des Wechſels vom 25. Januar 
1906 kann nur entweder der Ehemann M. oder die 
Ehefrau ſein. Inſofern iſt ein Widerſpruch zwiſchen 
den Urteilen des Vorprozeſſes und des gegenwärtigen 
Verfahrens nicht zu leugnen. Er iſt aber eine not— 
wendige Folge der Einrichtung, daß der rechtskräftigen 
Entſcheidung auch in fubjeftiver Beziehung nur eine 
beſchränkte Wirkung zukommt. Die rechtskräftige Ver— 
urteilung des A. ſchließt es nicht aus, daß in einem 
ſpäteren Prozeß gegen B. feſtgeſtellt wird, nicht A. 
ſondern B. ſei der Verpflichtete. Daher kann die Ehe— 
frau M. gegen ihre Inanſpruchnahme keinen Einwand 


206 


daraus herleiten, daß im Vorprozeß ihr Mann zur 
Zahlung verurteilt wurde. Auch der Ehemann M. 
als Duldungsbeklagter kann ſein Beſtreiten der 
Zahlungspflicht der Frau nicht mit dem Inhalt des 
früheren Urteils begründen, denn er hat, ſoweit es 
ſich um jene Pflicht handelt, keine andern Einwen⸗ 
dungen, als ſie der Frau W Hier muß die 
Frage der Zahlungspflicht beiden Ehegatten gegen⸗ 
über ohne Rückſicht auf den Vorprozeß geprüft werden. 
Die weitere Frage, ob der Mann die Vollſtreckung in 
das Frauenvermögen zu dulden hat, hängt nur davon 
ab, ob ein ſolcher Anſpruch durch die Normen des 
maßgebenden Güterrechts, z. B. 8 1411 BGB., gerecht⸗ 
fertigt wird. Da dies außer Streit iſt, ſtehen der 
Klage gegen den Ehemann M. Bedenken ſelbſtändiger 
Art nicht entgegen. 


2. Die Zweifel über die en des Wechſelver⸗ 
pflichteten ſind dadurch veranlaßt, daß, als der Wechſel 
ausgeſtellt wurde, die Ehefrau M. Inhaberin der 
Firma war. Durch die Faſſung der Adreſſe und des 
Akzepts werden ſie nicht gehoben. Es iſt durchaus 
üblich, bei Traſſierung auf eine Firma, auch wenn eine 
Frau die Inhaberin ift, den Vordruck „Herr“ ſtehen 
zu laſſen, und der Prokuriſt Adolf M. war rechtlich 
imſtande, durch bloße Zeichnung der Firma „Adolf M.“ 
die e zu verpflichten. (Entſch. in ZS. 
50 S. 51). Das OLG. hat die Ehefrau M. für die 
Wechſel verpflichtete erachtet. Es ift der Anſicht, bei 
einer Wechſelziehung K im Zweifel anzunehmen, daß 
von mehreren zur Führung eines Namens berechtigten 
Perſonen diejenige gemeint ſei, die den Namen als 
kaufmänniſchen, als Firma führe. Sehau ſei es Sache 
der Beklagten geweſen, ſchlüſſige Behauptungen für 
das Gegenteil aufzuſtellen, was nicht geſchehen ſei. 
Der Reviſionsangriff, der ſich gegen den Ausgangs- 
punkt dieſer Darlegung wendet, iſt begründet. In 
keiner Weiſe ift erſichtlich, warum in der hier frag- 
lichen Beziehung eher auf den Träger des kaufmän⸗ 
niſchen Namens als auf den des bürgerlichen geſchloſſen 
werden folte. Der Satz des OLG. läßt ſich weder 
als Rechtsvermutung noch als Erfahrungsregel aner- 
kennen. Vielmehr muß daran eg gonen werden, 
daß die Klägerin, die die Ehefrau M. aus dem von 
dem Mann erteilten Akzept in Anſpruch nimmt, nach⸗ 
weiſen muß, daß letzterer bei der Akzeptierung im 
Namen der Frau gehandelt hat. Dies um ſo mehr, 
als die Ordnungsvorſchrift des 8 51 HGB. verletzt 
ſein würde, und als die Klägerin ſelber ausweislich 
des Vorprozeſſes urſprünglich den Mann für den 
Wechſelverpflichteten hielt. 


3. Für eine endgültige Entſcheidung reichen die 
Feſtſtellungen des OLG. nicht aus. Vor allem wird 
es nötig ſein, die Parteibehauptungen darüber zu 
berückſichtigen, wer den Kaufpreis für die gelieferten 
Steine ſchuldet. Denn dieſer Kaufpreis ſollte mit dem 
Wechſel bezahlt werden, und ſolange die Klägerin 
nicht das Gegenteil dartut, darf davon ausgegangen 
werden, daß der Traſſat mit dem Preisſchuldner 
identiſch ſein ſollte. Eine akzeſſoriſche Haftbarmachung 
der Frau durch den Mann für deſſen Schuld darf in 
Ermangelung einer dahin zielenden Behauptung der 
Klägerin nicht, wie das OLG. es getan hat, unter— 
ſtellt werden. Nun hatte die Klägerin geltend gemacht, 
die Verhandlungen über Lieferung der Steine ſeien 
im Kontor der Firma Adolf M. gepflogen, der beklagte 
Ehemann Habe fih dabei der Mitwirkung des Perſonals 
der Firma bedient und zu ſeinen Schreiben an die 
Klägerin Briefbogen verwendet, die mit dem Firmen— 
aufdruck verſehen waren. Dies würde dafür ſprechen, 
daß mit dem Geſchäftsinhaber kontrahiert werden 
ſollte. Ein weiteres Anzeichen hierfür würde es ſein, 
wenn, worüber gleichfalls nichts feſtſteht, der Neubau 
für Geſchäftszwecke beſtimmt geweſen iſt. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


Würde die vom 11. Februar 1908, 5 D 32/08). 


Abſicht auf ein Kontrahieren mit dem Inhaber des, 


Geſchäfts gegangen ſein, ſo wäre es auch M. a den 
wenn die Klägerin irrig den Ehemann M. für den 
ee gehalten hätte (vgl. IW. 1908 S. 29 Nr. 3). 
Auf der andern Seite haben die Beklagten unter 
Zeugenbenennung behauptet, vor Abſchluß des Kauf⸗ 
vertrags habe der Ehemann M. dem Bevollmächtigten 
der Klägerin, N., mitgeteilt, er habe fein Geſchäft, 
weil er Unglück gehabt, im Jahre 1903 auf ſeine Frau 
umſchreiben laſſen, jetzt habe er ſich aber wieder 
heraufgearbeitet und führe den Neubau auf eigne 
Rechnung auf. Die letzteren Worte würden bedeuten, 
daß der Ehemann die Steine im eigenen Namen kaufen 
wollte. Schwieg N. hierauf, ſo ſtimmte er zu, und 
die Klägerin würde durch die Zuſtimmung ihres 
Bevollmächtigten gebunden fein (8 164 BGB.). Nach 
dieſen Geſichtspunkten bedarf die Sache noch der 
weiteren Aufklärung. (Urt. des I. 8S. vom 26. Feb- 
ruar 1908, I 247/07). p 
1255 : 


B. Strafſachen. 
I 


Urkundenfälſchung. (88 267, 268 Nr. 1 StGB.). 
Der Angeklagte war zur Geſchäftsführung berechtigter 
Teilhaber einer offenen Handelsgeſellſchaft. Auf Grund 
der von ihm geführten Lohnliſten ſind im Bureau 
der Geſellſchaft vom Buchhalter die Lohntüten, (d. h. 
Hüllen, die verſchloſſen und mit dem Namen des 
Arbeiters und der Summe des einliegenden Betrags 
verſehen wurden), unter Verantwortung des Buch⸗ 
halters für die Richtigkeit des Inhalts der Tüten her⸗ 
geſtellt und dem Angeklagten zur Aushändigung an 
die Arbeiter übergeben worden. Der Erſtrichter findet 
nun darin ein Verbrechen der Urkundenfälſchung nach 
88 267, 268 Nr. 1 StGB., daß der Angeklagte 4 forde 
Tüten neu und zwar je mit einem geringern Betrage, 
als auf der urſprünglichen Tüte vermerkt war, aus⸗ 
fertigte und den Arbeitern behändigte, die den urſprüng⸗ 
lichen Tüten entnommenen Mehrbeträge aber ſich zu⸗ 
eignete. Da die Tüten im Zuſammenhange mit anderen 
Umſtänden dafür Beweis liefern konnten, welche 
Forderung dem Arbeiter auf Grund der Lohnliſten 
gegen die Geſellſchaft zuſtand, iſt ihre Beurteilung als 
beweiserhebliche Urkunden nicht zu beanſtanden. Da⸗ 
gegen ſcheint der Erſtrichter nicht beachtet zu haben, 
daß der Begriff der Urkundenfälſchung ein unbe— 
rechtigtes Handeln fordert. „Das Bureau der 
Geſellſchaft“, deren Angeſtellte, handelten bei der Aus⸗ 
ſtellung der Lohntüten nur als ein Werkzeug der 
offenen Handelsgeſellſchaft; zur Führung der Geſchäfte 
war der Angeklagte berechtigt. Demgemäß ſtand ihm 
auch, ſolange ein Widerſpruch des andern, gleichfalls 
geſchäftsführenden Geſellſchafters nicht vorlag, und 
beim Mangel einer anderweiten von der Geſellſchaft 
getroffenen Beſtimmung ($ 115 HGB.) — für die aus 
dem Urteile nichts zu entnehmen iſt — die Berechtigung 
zu, die von einem Angeſtellten der Geſellſchaft Her: 
geſtellten Lohntüten, ſo lange ſie in ſeiner, durch kein 
Recht eines Dritten beſchränkten Verfügungsgewalt 
waren, zu ändern oder durch andere zu erſetzen. Die 
neuen Lohntüten waren in dieſem Falle ebenſo dem 
er fie allein maßgebenden Willen des Ausſtellers — 

er offenen Handelsgeſellſchaft — entfloſſen und ebenſo 
echt wie die urſprünglich ausgeſtellten. Dadurch, daß 
die darauf vermerkten Lohnbeträge nicht mit den Ein— 
trägen in den Lohnliſten übereinſtimmten, wurden ſie 
zu ſchriftlichen Lügen, nicht aber zu unechten Urkunden 
(vgl. Rſpr. d. RG. Bd. 8 S. 504, 470; Entſch. d. 
RG. Bd. 30 S. 43, Bd. 37 S. 83, Bd. 40 S. 253). 
Das Urteil war daher aufzuheben. (Urt. d. V. StS. 


— — —e — 


1242 


II 


Unzuläffige Ablehnung von Beweisanträgen ($ 243 
EIBLD.). Nach dem Protokolle hat der Verteidiger des 
Angeklagten Verlegung und Vernehmung von Zeugen 
darüber beantragt, daß der Angeklagte ſinnlos be⸗ 
trunken war. Der Antrag wurde abgelehnt, „da die 
Zeugen höchſtens bekunden können, daß ihnen der An⸗ 
geklagte ſinnlos betrunken erſchienen iſt, was zur 
Sache unerheblich, da der Angeklagte ſeiner eigenen 
Ausſage gemäß nicht finnlos betrunken war“. Der 
Erſtrichter ſcheint zwar nicht zu verkennen, daß 
die Frage, ob jemand ſinnlos betrunken war, Gegen⸗ 
ſtand des Zeugenbeweiſes fein kann (vgl. Rechtſpr. d. 
RG. Bd. 7 S. 296, Entſch. d. RG. Bd. 37 S. 371), er 
hat auch den Antrag des Verteidigers nicht deshalb 
abgelehnt, weil er im Widerſpruche mit dem Vor⸗ 
bringen des Angeklagten ſtand (was unzuläſſig ge⸗ 
weſen wäre — Entſch. d. RG. Bd. 17 S. 315 —), er glaubte 
vielmehr den Beweis nicht erheben zu müſſen, weil 
die Bejahung jener Frage durch die Zeugen, die nur 
deren ſubjektive Auffaſſung darſtellen würde, im Wider⸗ 
ſpruche mit den eigenen Angaben des Angeklagten 
ſtünde. Dieſe Begründung läuft darauf hinaus, daß 
der Erſtrichter den angebotenen Beweis deshalb für 
tatſächlich unerheblich hält, weil er das Gegenteil der 
unter Beweis geſtellten Tatſache ſchon für dargetan er⸗ 
achtet. Daß ein Beweisantrag aus dieſem Grunde 
nicht abgelehnt werden darf, hat das RG. ſchon wieder⸗ 
holt ausgeſprochen .. Dabei kommt dem Umſtande, 
daß die Zeugen ſelbſtverſtändlich nur ihrer ſubjektiven 
Auffaſſung über den Zuſtand Ausdruck verleihen 
können, in dem fih der Anklagte nach ihren Wahr- 
nehmungen befunden hat, d. h. angeben können, wie 
ihnen der Angeklagte erſchienen iſt, nicht die ihm an⸗ 
ſcheinend vom Erſtrichter beigemeſſene Bedeutung zu, 
da dieſer Umſtand bei der Beurteilung wenigſtens 
aller derjenigen Zeugenausſagen in Betracht zu ziehen 
ift, die zugleich die aus den wahrgenommenen Tats 
ſachen gezogenen Schlüſſe enthalten. Das Urteil war 
daher aufzuheben. (Urt. d. V. StS. vom 3. Dezember 
1907, 5 D 818/07). 
1199 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
1 


Vorausſetzungen für die Eintragung eines Wider- 
1 gegen eine Hypothek auf Antrag eines Gläubigers 
des Eigentümers, der die Pfändung der angeblichen 
Eigentümerhypsthek und des Auſpruchs auf Berichtigung 
des Grundbuchs ſowie die Ueberweiſung der gepfändeten 
Ansprüche zur Einziehung erwirkt hat (BGB. 88 894, 
899; ZPO. § 836). Die Aktiengeſellſchaft G. hat auf 
Grund eines vorläufig vollſtreckbaren Urteils für eine 
Forderung zu 6000 M gegen den Anweſensbeſitzer H. 
die Pfändung der „Eigentümerhypothek bzw. Eigen— 
tümergrundſchuld, welche für H. aus einer auf feinem 
Anweſen für U. eingetragenen Kautions- bzw. Höchſt⸗ 
betragshypothek infolge Nichtentſtehens der Forderung 
oder infolge Nichterſchöpfung dieſer Kautions- bzw. 
Höchſtbetragshypothek bereits entſtanden iſt oder künftig 
entſtehen wird“, und des Anſpruchs des Schuldners 
gegen U. auf Berichtigung des Grundbuchs erwirkt. 
Die gepfändeten Anſprüche wurden der Gläubigerin 
zur Einziehung überwieſen. Auf Grund des Pfändungs— 
beſchluſſes ließ die Aktiengeſellſchaft bei dem Grund— 
buchamte den Antrag ſtellen, zur Sicherung ihrer An- 
ſprüche „einen Widerſpruch“ einzutragen. Das Grund— 
buchamt lehnte die Eintragung ab, weil ein Wider— 
ſpruch gegen das Hypothekenrecht des U. nur mit deſſen 
Zuſtimmung oder auf Grund einer gegen ihn erlaſſenen 
einſtweiligen Verfügung eingetragen werden könne. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


Die Beſchwerde wurde durch bie ft Zur Begründung 
wurde ausgeführt: „Durch die Pfändung und Ueber⸗ 
weiſung des Berichtigungsanſpruchs erhalte der Gläu⸗ 
biger die Möglichkeit, zugunſten des Schuldners die 
Eintragung eines Widerſpruchs gegen die Richtigkeit 
des Grundbuchs zu erwirken, und der Pfändungs⸗ 
beſchluß erſetze die ſonſt erforderliche einſtweilige Ver⸗ 
fügung, die nur Glaubhaftmachung des Anſpruchs des 
Gläubigers erfordere, während die Pfändung auf 
Grund eines für den Anſpruch erlangten vollſtreckbaren 
Titels erfolge. Aber ſoweit die Eigentümerhypothek 
erſt künftig entſtehen ſoll, ſei die vorſorgliche Ein⸗ 
tragung eines Widerſpruchs zur Sicherung des Pfand⸗ 
rechts ebenſo unſtatthaft wie die Eintragung der Pfändung 
ſelbſt, und ſoweit eine Eigentümerhypothek etwa ſchon 
beſtehen ſollte, fehle es an dem Nachweiſe, daß und 
in welcher Höhe ſie entſtanden und deshalb das Grund⸗ 
buch unrichtig iſt“. Auch die weitere Beſchwerde der 
Aktiengeſellſchaft wurde zurückgewieſen. 

Gründe: Es kann dahin geſtellt bleiben, ob die 
Pfändung des im § 894 BGB. beſtimmten Anſpruchs 
auf Zuſtimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs 
eingetragen werden kann: Denn jedenfalls kann nur 
die Eintragung der Pfändung eines beſtehenden An⸗ 
ſpruchs in Frage kommen, die Pfändung eines noch 
völlig ungewiſſen Anſpruchs, der künftig einmal ent⸗ 
ſtehen ſoll, eignet ſich ebenſowenig zur Eintragung 
wie die Pfändung einer künftigen Eigentümerhypothek. 
Für die Eintragung der Pfändung des Anſpruchs als 
eines beſtehenden mag es, wie das OLG. Dresden in 
ſeinen Beſchlüſſen vom 8. Jauuar 1901 (Rechtſpr. d. 
OLG. Bd. 2 S. 152) und vom 14. Dezember 1904 
(ZBIFG. 5 S. 624) angenommen hat, genügen, daß 
der Anſpruch durch die Eintragung eines Widerſpruchs 
gegen den zu berichtigenden Inhalt des Grundbuchs 
bekundet wird. Die Beſchwerdeführerin iſt beſtrebt, 
dieſes Erfordernis zu beſchaffen, und ſcheint die Ein⸗ 
tragung eines Vermerkes im Sinne zu haben, der 
zugleich erſichtlich macht, daß der Widerſpruch für ſie 
als vermöge der Pfändung und Ueberweiſung des 
Anſpruchs Berechtigte eingetragen ſei. Aber der Pfän⸗ 
dungs⸗ und Ueberweiſungsbeſchluß, den fie im Wege 
der Zwangsvollſtreckung gegen ihren Schuldner erwirkt 
hat, genügt nicht zur Eintragung eines Widerſpruchs 
gegen das eingetragene Recht des Drittſchuldners U. 
Die Ueberweiſung erſetzt nach 8 836 ZPO. die förm⸗ 
lichen Erklärungen des Schuldners, von welchen nach 
den Vorſchriften des bürgerlichen Rechtes die Be⸗ 
rechtigung zur Einziehung der Forderung abhängt, 
ſie ermächtigt den Gläubiger zur Geltendmachung des 
überwieſenen Anſpruchs, aber fie gibt ihm kein weiters 
gehendes Recht gegen den Drittſchuldner, der Gläubiger 
kann den Anſpruch gegen den Drittſchuldner nur in der- 
ſelben Weiſe geltend machen, wie ſein Schuldner ihn geltend 
zu machen haben würde. Wie der Schuldner nach 
8 899 BGB. die Eintragung des Widerſpruchs in Er- 
mangelung der Zuſtimmung des Eingetragenen nur auf 
Grund einer einſtweiligen Verfügung erwirken könnte, 
hängt auch die Eintragung des Widerſpruchs für den 
Gläubiger von dieſer Vorausſeßung ab. Der Dritt- 
ſchuldner wird vor der Pfändung und Ueberweiſung 
nicht gehört, der Beſchluß läßt die Frage, ob der ge— 
pfändete und überwieſene Anſpruch wirklich beſteht, 
vollſtändig offen, es iſt daher nicht verſtändlich, wie 
der gegen den Schuldner H. erwirkte Beſchluß die 
gegen den Drittſchuldner U. zu erwirkende einſtweilige 
Verfügung ſoll erſetzen können. Das Landgericht ver— 
wechſelt den Anſpruch des Schuldners H., zu deſſen 
Sicherung durch einſtweilige Verfügung glaubhaft zu 
machen iſt, daß das eingetragene Recht dem Dritt— 
ſchuldner U. in Wirklichkeit nicht zuſteht, mit dem 
durch Urteil feſtgeſtellten Anſpruche der Beſchwerde— 
führerin gegen H. auf Zahlung von 6000 M. (Beſchluß 
des I. ZS. vom 6. März 1908, Reg. III. 21/190 


8). 
1243 W. 


208 


11. 


Kein Anſpruch auf eine vom Eigentümer vorbehaltene 
Nangſtelle für eine Vollſtreckungshyysthek. Unſtatthaftig⸗ 
feit der 428 und 1 des Rechtes anf 
1 altene 887980 88 8660 0, Nov. z. SubhO. 
Art. 4 1, ZPO Auf Antrag des 
er 8. Ei 523 * am 30. November 
1907 im Wege der Zwangsvollſtreckung aus einer voll⸗ 
ſtreckbaren Notariatsurkunde auf dem Blatte für ein 
Grundſtück der Baumeiſterseheleute B. in W. für die 
Forderung des L. zu 8000 M eine Hypothek vorgemerkt. 
Der una Due gehen drei Hypotheken von 
16 000 M, 8000 M und 360 M vor. Außerdem war 
am 29. ER re 1907 eine vorbehaltene Hypothek 
„für 74000 M Kreditkaution oder ein beliebig verzins⸗ 
liches Kapital nebſt 7400 M Nebenkaution“ vorgemerkt 
worden, der die Gläubiger der 1. und 2. Hypothek den 
Vorrang eingeräumt haben. Am 12. Dezember 1907 
beantragte L., ſeine Vollſtreckungshypothek in die vor⸗ 
behaltene Rangſtelle einzuſtellen. Das Hypothekenamt 
hat den Antrag abgelehnt. Die Beſchwerde, zu deren 
Begründung auf die in dem ale des Notariats⸗ 
disziplinarhofs vom 7. Januar 1902 (Neue Samml. v. 
Entſch. d. OLG. Bd. 2 S. 1076) enthaltene Bemerkung 
Bezug genommen wurde, „wie der Schuldner auf den 
Rangvorbehalt verzichten könne, könne er auch das 
Eindringen von Zwangshypotheken oder von Hypo⸗ 
theken nach 8 12 Hyp®. in die vorbehaltene Stelle 
nicht hindern“, wurde zurückgewieſen. Auch die weitere 
Beſchwerde des L. iſt zurückgewieſen worden. 


Gründe: Der Rangvorbehalt, den der Eigen⸗ 
tümer nach $ 150 Hyp®. mit einem Hypothekengläu⸗ 
biger vereinbart hat, iſt nicht eine Beſchränkung der 
Hypothek dieſes Gläubigers gegenüber allen ſpäter 
entſtehenden Hypotheken, ſoweit fie den in dem Bor- 
behalte beſtimmten Betrag nicht überſteigen, ſondern 
eine Beſchränkung des Rechtes des Gläubigers, der 
den Vorbehalt bewilligt hat, zugunſten des Eigen- 
tümers, eine Minderung der Beſchränkung des Eigen- 
tums, die ſich aus dem Rechte des Gläubigers ohne 
den Vorbehalt ergeben würde. Der Rangvorbehalt 
kommt deshalb nicht ohne weiteres einer nach deſſen 
Eintragung entſtandenen Hypothek zu ſtatten, ſondern 
es bedarf dazu der Einräumung des Ranges durch 
den Eigentümer. Dies iſt auch in dem Beſchluſſe des 
Notariatsdisziplinarhofs vom 7. Januar 1902 aner- 
kannt. Sollte die oben angeführte Bemerkung, auf 
der übrigens die damalige Entſcheidung nicht beruht, 
den Sinn haben, daß für die Vollſtreckungshypothek 
und die auf einem geſetzlichen Hypothekentitel beruhen— 
den Hypotheken eine Ausnahme zu machen ſei, ſo 
könnte der jetzt entſcheidende Senat ſie nicht für richtig 
erachten. Art. 40 des Geſ. vom 29. Mai 1886 gibt 
ebenſo wie § 866 RPO. dem Gläubiger, der die Zwangs— 
vollſtreckung in das unbewegliche Vermögen des Schuld— 
ners betreibt, nur das Recht auf Erlangung einer 
Hypothek, die nach den allgemeinen Grundſätzen des 
Liegenſchaftsrechts den Rechten, mit denen das Grund— 
ſtück ſchon belaſtet iſt, im Range nachſteht. Eine Vor— 
ſchrift, die mit dem vollſtreckbaren Schuldtitel oder 
mit dem geſetzlichen Hypothekentitel die Ermächtigung 
des Gläubigers verknüpft, das Recht des Eigentümers 
zur Einräumung des vorbehaltenen Ranges für ſich 
auszuüben, iſt der ZPO. und dem HypG. fremd. Nach 
den Vorſchriften der BPO. müßte der Gläubiger, um 
das Recht des Eigentümers im Wege der Zwangsvoll— 
ſtreckung für ſich ausüben zu können, erſt die Pfändung 
des Rechtes und die Ueberweiſung zur Geltendmachung 
erwirken — vorausgeſetzt, daß das Recht überhaupt 
Gegenſtand der Zwangsvollſtreckung ſein kann. Eine 
Pfändung und Ueberweiſung iſt hier nicht erfolgt, es 
kommt deshalb nicht auf die Frage ihrer Statthaftig— 
keit an, die übrigens für den Rangvorbehalt des 
Bayeriſchen Hypothekenrechts ebenſo verneint wird, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Nr. 10. 


wie es für den Rangvorbehalt nach 8 881 BGB. faſt 
allgemein geſchieht 180 des I. ZS. vom a ar 
nuar 1908; IIL, 10/1908) 
1213 
III. 


Borausſetzungen für die Eintragung der Pfändung 
einer Nie ypsthek in das Grundbuch (S 40 GO. 
Im Grundbuche des Amtsgerichts M. iſt auf dem 
Blatte für das Anweſen Nr. 38 an der S.⸗ſtraße der 
Thereſe R. für eine Darlehensforderung des Heinrich 
S. zu 3000 M eine Sicherungshypothek . 
Joſeph K. hat mit der Behauptung, daß Thereſe R 
ihm aus einem Darlehen 3000 M ulde und daß von 
dem Darlehen des Heinrich S. 1700 M zurückgezahlt 
ſeien, eine einſtweilige Verfügung erwirkt, durch die 
der Thereſe R. verboten wird, über die von ihr er⸗ 
worbene Eigentümerhypothek zu 1700 M zum Nachteile 
der Forderung des Joſeph K. zu verfügen, und die 
Eintragung des Verbots in das Grundbuch angeordnet 
wird. Das Grundbuchamt lehnte die von Joſeph K. 
beantragte Eintragung wegen des Mangels des für die 
Berichtigung des Grundbuchs erforderlichen Nach⸗ 
weiſes ab. Die Beſchwerde des Joſeph K. wurde 
zurückgewieſen. Das Ob. hat auch die weitere Be- 
ſchwerde des K. zurückgewieſen. 

Gründe: Nach der herrſchenden Auslegung des 
§ 40 Abſ. 1 GBO. genügt es zur Eintragung von 
Verfügungen des im Grundbuch eingetragenen Eigen— 
tümers des belaſteten Grundſtücks über die Hypothek 
nicht, daß die Hypothek von vorneherein beſtimmt iſt 
Eigentümerhypothek zu werden, der Eigentümer alſo 
gewiſſermaßen als der künftige Berechtigte eingetragen 
iſt, ſondern er muß der gegenwärtige Berechtigte ſein, 
und dies muß nach § 29 GBO. dem Grundbuchamte 
durch öffentliche oder öffentlich- beglaubigte Urkunden 
nachgewieſen werden. Daran hält auch die Recht⸗ 
ſprechung des Kammergerichts feſt, ſie erleichtert die 
Eintragung auf Grund einer Verfügung des Eigen— 
tümers, der ſein Recht in der vorgeſchriebenen Weiſe 
— insbeſondere durch ſogenannte löſchungsfähige 
Quittung des Gläubigers — nachweiſt, nur dadurch. 
daß ſie davon abſieht, vorerſt die Eintragung des 
Eigentümers als des nunmehrigen Berechtigten zu 
verlangen. Es kann dahingeſtellt bleiben, wie dieſe 
Frage zu entſcheiden iſt; denn da kein der Vorſchrift 
des § 29 GBO. entſprechender Nachweis dafür vor: 
liegt, daß die Sicherungshypothek des S. zum Betrage 
von 1700 M auf Thereſe R. übergegangen ift, ift die 
vom Beſchwerdeführer beantragte Eintragung auch 
nach der Rechtsanſicht des Kammergerichts unſtatthaft. 
(Beſchl. des I. 35. vom 20. März 1908, Reg. III, 
29/1908). W. 

1256 | 
IV. 


Krankenverpflegungsrechte Tonnen in Bayern als 
Neallaſt uur beſtellt werden, wenn fie zu einer Leibrente 
oder einem 5 0 gehören (AG. z. BGB. Art. 85, 
BGB. § 1105, EG. z. BGB. Art. 115). Durch notariellen 
Uebergabsvertrag überließ die Bauerswitwe Barbara 
H. ihr Anweſen ihrem Sohne Franz H. gegen ein 
Abſtandsgeld und ein Leibgeding, das in einem 
Wohnungsrechte, vollſtändiger Verpflegung einſchließ— 
lich des Bedarfes in Krankheitsfällen uſw. beſteht. Die 
Leibgedingsreichniſſe wurden zum Gegenſtand einer 
Reallaſt gemacht, mit der das Anweſen belaſtet wurde. 
Der Uebernehmer verpflichtete ſich, ſeinen volljährigen 
Geſchwiſtern Julie und Johann H. je 2500 M als 
Muttergut zu zahlen und beſtellte für dieſe Forde— 
rungen Hypothek, räumte ihnen für die Dauer ihres 
ledigen beſitzloſen Standes die Benutzung beſtimmter 
Gelaſſe des Hauſes als Wohnungsrecht ein und über— 
nahm die Verpflichtung, jedem von ihnen in Er— 
krankungsfällen unentgeltlich Krankenkoſt, ärztliche 


Behandlung und Heilmittel „auf je vierzehn Tage 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


jährlich“ zu beſchaffen, mit der Beſtimmung, daß fie 
eine Reallaſt an dem Hausgrundſtücke Plan⸗Nr. 625 
der Steuergemeinde O. bilden fole. Das Grundbuch⸗ 
amt lehnte die Eintragung der Krankenverpflegungs— 
rechte der Geſchwiſter H. als Reallaſten ab, weil dieſe 
Leiſtungen, da ſie nicht zu einem Leibgedinge gehörten, 
nicht Gegenſtand einer Reallaſt ſein könnten. Die 
von Franz H. eingelegte Beſchwerde wurde zurüd- 
gewieſen. Auch die weitere Beſchwerde des Franz H. 
iſt verworfen worden. Das Leibgeding, das in der 
Regel bei der Ueberlaſſung von Grundſtücken aus⸗ 
bedungen wird, beſteht in Leiſtungen, die dem Bered- 
tigten den Unterhalt beſchaffen ſollen. Es iſt in der Haupt⸗ 
ſache eine Leibrente; die für die gewöhnlichen, ſich ſtets 
erneuernden Bedürfniſſe des Berechtigten beſtimmten 
Leiſtungen ſind in beſtimmten Zeitabſchnitten wieder⸗ 
kehrend zu entrichten, üblicher Weiſe kommen andere 
Leiſtungen hinzu, die für außerordentliche Bedürfniſſe 
beſtimmt ſind und demgemäß nur im Bedarfsfalle 
verlangt werden können. Wiederkehrende Leiſtungen 
jeder Art können nach dem § 1105 BGB. Gegenſtand 
einer Reallaſt ſein und der Art. 41 AG. z. BGB. gibt 
dem Leibgedingsberechtigten die Befugnis, ſoweit ihm 
wiederkehrende Leiſtungen zu entrichten ſind, die nicht 
den Inhalt einer beſchränkten perſönlichen Dienft- 
barkeit bilden können, die Beſtellung einer ents 
ſprechenden Reallaſt zu verlangen. Durch Art. 85 iſt 
hieran nichts geändert, er läßt als Reallaſt ohne Be⸗ 
ſchränkung das Recht auf Leiſtungen zu, die zu einer 
Leibrente, insbeſondere zu einem Leibgedinge gehören, 
ſchließt daher bei dem Leibgedinge die Leiſtungen 
nicht aus, die, weil ſie nicht regelmäßig wiederkehren, 
für ſich allein nicht Gegenſtand einer Leibrente im 
Sinne des § 759 BGB. fein können. Das Grund- 
buchamt hat deshalb mit Recht auch die nach dem 
Vertrage vom 16. Januar 1908 der Witwe H. zu ge- 
währende Krankenpflege als Reallaſt eingetragen. Den 
Geſchwiſtern Julie und Johann H. aber ift ein Leib- 
geding nicht zu entrichten. Die ihnen beſtellten 
Wohnungsrechte und das Recht, in Krankheitsfällen 
auf kurze Dauer Verpflegung zu verlangen, ſind zwar 
für Bedürfniſſe beſtimmt, deren Deckung zu ihrem 
Unterhalte gehört, aber weder das Wohnungsrecht 
noch das Recht auf Krankenpflegung iſt für ſich allein 
oder in Verbindung mit dem anderen Rechte ein Leib- 
geding, die Geſchwiſter beziehen nicht eine Leibrente, 
ſondern müſſen ſich ihren Unterhalt in der Hauptſache 
anderweit beſchaffen. Vereinzelte wiederkehrende 
Leiſtungen von der Art des Rechtes auf Krankenver— 
pflegung können nach dem die Belaſtung eines Grund— 
ſtücks mit Reallaſten in Gemäßheit des Art. 115 EG. 
z. BGB. beſchränkenden Art. 85 nicht Gegenſtand einer 
Reallaſt ſein. Für ſolche Rechte iſt im allgemeinen 
ein Bedürfnis dinglicher Sicherung nicht anzuerkennen. 
Wollen die Beteiligten im einzelnen Falle von ding— 
licher Sicherung nicht abſehen, ſo bietet ſich ihnen die 
Beſtellung einer Höchſtbetragshypothek für den An— 
ſpruch auf Schadenserſatz wegen Nichterfüllung als 


Auskunftsmittel. (Beſchl. des J. ZS. vom 16. März 
1908, Reg. III 26/1908). W. 
1260 


B. Strafſachen. 


Zur Auslegung des Art. 58 PSOV. Mehrere 
Knaben haben während ihrer allgemeinen Sonntags— 
ſchulpflicht den vorgeſchriebenen Beſuch des öffentlichen 
Religionsunterrichtes am 26. Mai 1907 verſäumt und 
ſind hierwegen von der Ortsſchulbehörde vor weiteren 
Verſäumniſſen in der vorgeſchriebenen Form verwarnt 
worden. Im Juli 1907 haben ſie ſich der nämlichen 
Verſäumnis ſchuldig gemacht und ſind deshalb auf 
Anzeige der Schulbehörde unter Anklage geſtellt worden. 


— — ß ͤ LU ̃ʒ—— . ũẽ A—— —ü— 1 ö ..ĩ;]ĩ7—P2ẽ᷑ t ͤ——Ü—— . q“ſlĩĩ —k———vrvK———— —̃ — 


Das freiſprechende Urteil des Berufungsgerichts wurde 
auf Reviſion aufgehoben. 

Aus den Gründen. .. Die Strafkammer legt 
den Art. 58 Abſ. 2 dahin aus, daß der Strafrichter 
nachzuprüfen habe, ob die Verſäumnis, die zu einer 
Beſtrafung oder Verwarnung durch die Schulbehörde 
führte, als ſchuldhaft anzuſehen ſei. Sie nimmt an, 
daß die Angeklagten freizuſprechen waren, weil die 
Würdigung ergeben habe, daß die Verſäumnis vom 
26. Mai 1907 nicht ſchuldhaft war. Hierin liegt ein 
Rechtsirrtum. Zwar iſt es richtig, daß die voraus⸗ 
gegangene disziplinäre Beſtrafung oder Verwarnung 
der Sonntagsſchulpflichtigen keine prozeſſuale 
Vorausſetzung für die Anwendbarkeit des Art. 58 
Abſ. 2 bildet, ſondern ein Tatbeſtandsmerkmal 
dieſes Strafgeſetzes. Dieſes Merkmal liegt aber ſchon 
dann vor, wenn für den Strafrichter die Tatſache feſt⸗ 
ſteht, daß von der Schulbehörde in dem dafür vor⸗ 
geſchriebenen Verfahren eine Beſtrafung oder Ber- 
warnung wegen einer Schulverſäumnis, die die Schul⸗ 
behörde als ſchuldhaft anſah, der Einleitung des 
Strafverfahrens vorausging. Ob die Schulbehörde 
eine ſchuldhafte Verfäumnis mit Recht annahm oder 
nicht, hat der Strafrichter nicht nachzuprüfen; denn 
die beiden Verfahren, das Disziplinarverfahren vor 
der Schulbehörde und das Strafverfahren vor dem 
Gerichte, ſind voneinander unabhängig; ſie ſtehen 
ſelbſtändig nebeneinander, eine Anrufung der Gerichte 
gegen eine im Disziplinarverfahren von der Schul- 

ehörde getroffene Entſcheidung iſt nicht zugelaſſen; 
ein Zuſammenhang zwiſchen beiden beſteht nur in- 
ſoferne, als das Strafverfahren nach Art. 58 PStGB. 
erſt eingeleitet werden darf, wenn das Disziplinar- 
verfahren vor der Schulbehörde durchgeführt iſt. (Urteil 
vom 28. Januar 1908, Rev.⸗Reg. Nr. 620/07). 

11222 3 23 3 


Oberlandesgericht Bamberg. 


VBerſchleierung des Vermögens ſtandes einer Hypo⸗ 
thekenbank durch Nichtangabe ab ee Gg En 
Nuten in zn und Geſchäftsbericht. (88 3 
40, 261, 271 HGB., SS 24, 27, 28, 42 695 Bone) 
In einem Rechtsſtreite gegen eine Hypothekenbank 
(Aktiengeſellſchaft) verlangten mehrere Aktionäre die 
Aufhebung der Beſchlüſſe einer „ 
Es war u. a. ſtreitig, ob es zuläſſig ſei, die a 
geſchriebenen Hypothekenzinſen aus der Bilanz und 
dem Geſchäftsbericht wegzulaſſen. Das Urteil des 
Berufungsgerichts führt hierüber folgendes aus. Für 
Form und Inhalt des kaufmänniſchen Rechnungs— 
abſchluſſes, welchen der Vorſtand und Aufſichtsrat 
einer Hypothekenbank auf Aktien in Geſtalt der Bilanz. 
einer Gewinn- und Verluſtrechnung und eines Geſchäfts— 
berichts alljährlich der Generalverſammlung vorzu⸗ 
legen haben, find die Vorſchriften in den 88 38, 39, 
40, 260 und 261 HGB. ſowie die SS 24, 27, 28, 42 des 
HypBankch. maßgebend. Dieſe Vorſchriften enthalten 
durchwegs zwingendes Recht und find im öffent- 
lichen Intereſſe zum Schutze aller erlaſſen, die mit 
einer ſolchen Bank in Verbindung ſtehen oder zu treten 
beabſichtigen. Es folgt dies ſchon aus 8 265 HGB., 
wonach die Bilanz ſowie die Gewinn- und Verluſt— 
rechnung unverzüglich nach Genehmigung der General— 
verſammlung durch den Vorſtand in den Geſellſchafts— 
blättern, ſohin öffentlich, bekannt zu machen und die 
Bekanntmachung ſowie der Geſchäftsbericht nebſt den 
Bemerkungen des Aufſichtsrates zum Handelsregiſter 
einzureichen find, aber auch aus den in 8 23 Hyp Bank. 
vorgeſchriebenen periodiſchen Veröffentlichungen des 
Hypothekenpfandbriefumlaufs und des Geſamtbetrages 
der in das Hypothekenregiſter eingetragenen Hypotheken. 
Insbeſondere enthalten die 85 24, 27 ff., 42 HypBBankG. 
eine Reihe von verwaltungsrechtlichen Zwangsvor— 


210 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


ſchriften, die bei Aufſtellung der Jahresbilanz unter 
keinen Umſtänden außer acht gelaſſen werden dürfen 
und deren Nichtbeachtung auch nicht nachträglich durch 
einen genehmigenden Mehrheitsbeſchluß der General- 
verſammlung geheilt werden kann. Denn dieſe Vor⸗ 
ſchriften ſind zugleich ein Mittel zur Handhabung der 
geſetzlich ſtatuierten Staatsaufſicht über die Hypo⸗ 
thekenbanken. Der Zweck dieſer Vorſchriften, die auf 
größere Detaillierung und damit auf größere Durch⸗ 
ſichtigkeit der Bilanzen und der Gewinn- und Verluſt⸗ 
konti abzielen, beſteht darin, die Solidität der 
Bilanzierung zu erhöhen, den Einblick in die Liquidität 
der Inſtitute zu erleichtern und namentlich die Art 
der Deckung der Pfandbriefe erſichtlich zu machen. 
Hiernach iſt aber die Anſchauung der Beklagten un⸗ 
richtig, es fei das HypBankG. nicht auch im Intereſſe 
der Aktionäre gegeben und letztere könnten, da für ſie nur 
die Vorſchriften des HGB. maßgebend ſeien, aus 
dieſem Geſetze kein Rügerecht für ſich ableiten. Irrig 
iſt auch, daß die Vertreter der Beklagten meinen, daß 
weder die Zinsabſchreibungen noch das Unkoſtenkonto 
den Aktionären ziffermäßig und im einzelnen nach⸗ 
zuweiſen ſeien, weil es nur auf die Endziffern der 
Konti und die Uebereinſtimmung des Endergebniſſes 
der Bilanz mit der wirklichen Vermögenslage der 
Aktiengeſellſchaft ankomme. Die Folgen dieſer An⸗ 
ſchauung der Beklagten wären geeignet, die oben dar⸗ 
gelegte Abſicht des Geſetzgebers zu vereiteln. Ein 
Abgehen von den geſetzlichen Vorſchriften kann daher 
nnter keiner Bedingung geſtattet ſein. In 8524 HypBankG. 
ſind nun in 8 Ziffern die Poſten aufgezählt, welche 
die Jahresbilanz einer Hypothekenbank getrennt zu 
enthalten hat und darunter iſt bei Ziff. 2 auch der 
Geſamtbetrag der rückſtändigen Hypothekenzinſen an⸗ 
geführt. In § 28 Ziff. 5 ift weiter u. a. vorgeſchrieben, 
daß in dem Geſchäftsbericht oder in der Bilanz auch 
die Jahre, aus welchen die Rückſtände auf die von 
den Hypothekenſchuldnern zu entrichtenden Zinſen 
herrühren, ſowie der Geſamtbetrag der Rückſtände 
eines jeden Jahres erſichtlich zu machen ſind. Hier 
tun der abgeſchriebenen Zinſen zu 105 324 Mk. weder 
der Geſchäftsbericht noch die Bilanz, die Gewinn⸗ und 
Verluſtrechnung Erwähnung. Das war ein Verſtoß 
gegen 269 Abſ. 2 HGB. und gegen $ 24 Ziff. 2, 
§ 28 Ziff. 5 Hyp Bank. Die Beklagten behaupten, 
es ſei dies deshalb nicht geſchehen, weil nach der 
Meinung der Bankleitung die abgeſchriebenen Zinſen 
geſetzlich nicht zu den rückſtändigen gehören. Dieſe 
Anſicht iſt nicht richtig. Unter rückſtändigen Zinſen 
find im Sinne des HypBankG. wie nach allgemeinen 
Rechtsbegriffen ſolche zu verſtehen, die fällig, aber 
nicht eingegangen ſind, und ſie verlieren, wenn ſie als 
uneinbringliche oder zweifelhafte Forderungen gemäß 
§ 40 Abſ. 3 HGB. abgeſchrieben werden, dieſen 
Charakter nicht. Es muß aber die Abſchreibung ſelbſt 
in der Bilanz und, ſoweit die Vorſchrift in 8 28 Ziff. 5 
HypBankG. in Betracht kommt, entweder in dieſer 
oder in dem Geſchäftsbericht in die Erſcheinung treten. 
Dieſen Beſtimmungen kommt eine hervorragende Be— 
deutung zu. Die Höhe der rückſtändigen, alſo auch der 
darin begriffenen, abgeſchriebenen Hypothekenzinſen 
iſt für jeden, der die Bilanz einer Hypothekenbank 
ſamt Gewinn- und Verluſtrechnung und Geſchäftsbericht 
zu leſen verſteht, ein untauglicher Wertmeſſer für die Güte 
des Hypothekenmaterials der Bank und der Geſchäfts— 
1 bei der Beleihung. Die Aufgabe der Bilanz 
beſteht aber in einer wahrheitsgemäßen Daritellung 
des Vermögensſtandes. Es muß daher den Aktionären 
insbeſondere ermöglicht werden zu prüfen, ob die Ab— 
ſchreibungen eine willkürliche, ihre Rechte am Rein— 
gewinn der Geſellſchaft beeinträchtigende, oder eine 
durch die Geſchäftslage gebotene Maßregel ſind. 
Werden ſolche Vorgänge entgegen den geſetzlichen Vor— 
ſchriften in den SS 260 HGB., 24 u. 28 Hyp Banks. 
gar nicht erwähnt, dann liegt eine 


irreführende 


Bilanzierung vor; denn die Nichterwähnung bewirkt 
die Annahme, daß kein beſonderer Grund zu ein⸗ 
gehender Prüfung vorliege, und das iſt geeignet, den 
wahren Stand der Vermögens⸗ und Geſchäftslage der 
f zu verwiſchen. (Urt. v. 16. November 


1251 ' Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


Landgericht München J. 


Aerztliche Sachverſtändigengebühren. a) In einer 
Entmündigungsſache zog das Amtsgericht den Land⸗ 
gerichtsarzt als Sachverſtändigen zu und wies ihm 
für das ſchriftliche Gutachten und die Terminwahr⸗ 
nehmung die Mindeſtgebühren als ſofort zahlbar an, 
weil der Sachverſtändige nicht als Landgerichtsarzt, 
ſondern als pfychiatriſcher Spezialiſt zugezogen worden 
ſei. Auf Beſchwerde der Staatskaſſe wurde die Feſt⸗ 
ſetzung dahin geändert, daß die Auszahlung erſt nach 
Erlegung durch den (vermögensloſen) Zahlungs⸗ 
pflichtigen ſtattfinde. 

Aus den Gründen: Die Beſchwerde iſt ſtatt⸗ 
haft, freilich nicht gegen die Ablehnung der angeregten 
Offizialberichtigung von Amts wegen (vgl. Bl. f. 
Finanzw. Bd. 12 S. 161), ſondern nur gegen die 
urſprüngliche Feſtſetzung; ſie iſt auch ſachlich begründet. 
Unbeſtritten kämen Tagegelder und Reiſekoſten nach 
82 VO. vom 17. November 1902 hier nicht in Betracht, 
weil die Amtsgeſchäfte ſämtlich am Amtsſitze betätigt 
wurden. Eine Unterſcheidung dahin aber, aus welchem 
Anlaß der Amtsarzt als Sachverſtändiger zugezogen 
wurde, iſt der BO. fremd; fie geht offenbar davon 
aus, daß die Zuziehung eines Amtsarztes ſtets als im 
e mit ſeinem Amt angeſehen werden 
1 „ um die früheren mißlichen Unterſcheidungen in 

ieſem Punkt abzuſchneiden. So hat das ObèLG. im 
Beſchluß vom 22. Oktober 1903 (N. S. in StS. Bd. 4 
S. 85; IMBl. 1903 S. 455) einem Bezirksarzt nur 
Tagegelder und Reiſeauslagen ſogar in dem Fall zu⸗ 
geſprochen, wo er als Sachverſtändiger vor das Land⸗ 
gericht und zwar direkt durch den Angeklagten, noch 
dazu aus Anlaß einer Behandlung in ſeiner Privat⸗ 
praxis, geladen war. Dieſer Fall liegt dem jetzigen 
weſentlich gleich. Auch hier iſt der Amtsarzt nicht vor 
dasjenige Gericht geladen worden, bei dem er zunächſt 
aufgeſtellt ift (VO. vom 3. September 1879, GVBl. 
S. 1081); dies iſt aber gleichgültig, weil die Begut⸗ 
achtung an und für ſich gerade in den ſpeziellen 
Geſchäftskreis (Pſychiatrie) fällt, wofür der Sachver⸗ 
ſtändige dem Landgericht als Amtsarzt beigegeben iſt. 
Die Anweiſung hätte alſo nur für den Fall der Er⸗ 
legung durch den Zahlungspflichtigen lauten ſollen; 
die Durchführung des Rückerſatzes iſt Sache der 
Adminiſtrativbehörde. — (Beſchl. vom 12. Dezember 
1907; Beſchw. Reg. 609/07). N. 

b) Eine Gebühr für die perſönliche Unterſuchung 
der zu Entmündigenden und eine Gebühr für das 
Aktenſtudium können nicht nebeneinander verlangt 
werden. Beide Dienſtleiſtungen find einzelne Unter⸗ 
ſuchungsakte und bilden zuſammen mit allen übrigen 
Unterſuchungshandlungen die Unterſuchung des Falls 
im Sinne der Nr. 7 der Gebührenordnung vom 17. 
November 1902. Es kann unmöglich in der Abſicht 
des Geſetzes gelegen ſein, für jede einzelne Unter⸗ 
ſuchungshandlung die Unterſuchungsgebühr zuzulaſſen; 
eine gegenteilige Auffaſſung müßte zu wirtſchaftlich 
unannehmbaren Folgen führen.!) — (Beſchl. vom 29. 
November 1907; Beſchw. Reg. Nr. 542/07). 

1172 


1) Die bisberige Praris nabm insbeſondere bei wiederbolten 
Beſuchen den gegenteiligen Standpunkt ein, wie ja auch die Ent⸗ 
fernungsgebübren für jeden Beſuch geſondert berechnet werden: nur 
für das Aktenſtudium wurde ſchon bisher mangels jeden anderen 
Anbalts ledlalich eine einzige einbeitliche Gebühr zugebilligt, auch 
wenn es mehrere Tage in Anſpruch genommen hatte. Der Einſ. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


Landgericht Bamberg. 


Zuſtändigkeit für die Beſchwerde gegen Verweige⸗ 
rung der Rechtshilfe nach $ 172 Inv 88. Der Bors 
figende des Schiedsgerichts für Arbeiterverſicherung in 
Oberfranken hatte in einer Berufungsſache gegen einen 
die Bewilligung einer Invalidenrente ablehnenden Be⸗ 
ſcheid der oberfränkiſchen Verſicherungsanſtalt ein Amts⸗ 


gericht gemäß § 172 Inv VG. um eidliche Vernehmung | 


von Zeugen erſucht. Der Amtsrichter hatte unter An⸗ 
führung von — allerdings nicht zutreffenden — Rechts⸗ 
gründen das Erſuchen abgelehnt. Der Schiedsgerichts⸗ 
vorſitzende erhob Beſchwerde zum Landgericht mit der 
Eventualbitte, die Beſchwerde dem Oberlandesgerichte 
Bamberg vorzulegen, falls ſich das Landgericht für 
unzuſtändig erklären ſollte. Das Landgericht hat ſich 
für unzuſtändig erklärt. 

Aus den Gründen: 5 172 Inv BG. beſtimmt 
allerdings die Verpflichtung der öffentlichen Behörden, 
wozu zweifellos auch die Gerichte gehören (vgl. Reger, 
Entſch. Bd. 9 S. 400), den im Vollzuge des Inv G. 
an ſie ergehenden Erſuchen des Reichsverſicherungs⸗ 
amtes, der Landesverſicherungsämter, der Schieds⸗ 
gerichte, der Organe der Verſicherungsanſtalten und 
anderer öffentlicher Behörden zu entſprechen. Nach 
$ 17 Abſ. 3 der Kaif. VO. vom 22. November 1900 
betr. das Verfahren vor den Schiedsgerichten für 
Arbeiterverſicherung hat auch der Schiedsgerichts 
vorſitzende das Recht der Beweiserhebung und damit 
die Befugnis, die Rechtshilfe der öffentlichen Behörden 
in Anſpruch zu nehmen, auch ſchon vor Anberaumung 
des Verhandlungstermines. Aber weder das Inv VG. 
noch eine ſonſtige hierzu erlaſſene Vorſchrift trifft Be⸗ 
ſtimmung darüber, wie der Weigerung eines nach $ 172 
InvVG. um Rechtshilfe erſuchten Amtsgerichtes abzu⸗ 
helfen ſei, wer über die Rechtmäßigkeit der Weige— 
rung zu entſcheiden habe. Der vielfach in Literatur 
und Praxis vertretenen Auffaſſung, daß Abhilfe gegen 
die Verweigerung der Rechtshilfe durch Anrufung der 
Dienſtaufſichtsbehörde zu ſuchen fei (vgl. Böhm, Beit- 
ſchrift für intern. Privat⸗ und Strafrecht, Bd. VII 
S. 270 und die dort angezogene Literatur, Rechtſpr. 
der OLG. Bd. XIII S. 2), kann das Gericht wenigſtens 
für den Fall, daß es fih um Verweigerung der Rechts⸗ 
hilfe durch einen erſuchten Richter handelt, nicht bei— 
treten. Der Richter, der eine ihm angeſonnene Hand— 
lung aus Rechtsgründen ablehnt, kann durch dienſt— 
aufſichtliche Weiſung nicht verpflichtet werden, die 
Handlung vorzunehmen, die nach ſeiner Ueberzeugung 
geſetzwidrig iſt. Eine ſolche Dienſtaufſichtsverfügung 
wäre ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit, dem 
er ſich mit Recht widerſetzen könnte. Abhilfe kann nur 
im Inſtanzenzuge durch das vorgeſetzte Gericht getroffen 
werden. Die Frage, ob im Widerſpruche mit der Recht⸗ 
ſprechung des Reichsgerichtes und (teilweiſe) der Ober— 
landesgerichte (vgl. Rechtſprechung des RG. in StS. 
Bd. IX S. 418, Entſch. d. RG. in StS. Bd. XIX 
S. 442, Bd. XX S. 103; Böhm, Zeitſchr. für intern. 
Privat⸗ und Strafrecht Bd. VII S. 268; Rechtſpr. d. 
OLG. Bd. VIII S. 181 lit. i, Bd. XIII S. 2; JW. 1896 
S. 145 Ziff. 1) im Anſchluß an Böhm-Delius, Hand- 
buch des Rechtshilfeverfahrens, 3. Aufl. S. 72, 73, 
und Bay 3fR. 1907 S. 143 ff. und analog der Entſch. 
d. RG. in 3S. Bd. 33 S. 423 die Vorſchriften des 
GVG. (8 157 ff.) entſprechend anzuwenden feien, kann 
hier unerörtert bleiben, da im Falle ihrer Anwend— 
barkeit nach $ 160 jedenfalls nicht das Landgericht, ſon— 
dern das Oberlandesgericht zuſtändig wäre. Aus 
dem gleichen Grunde iſt die Prüfung der etwaigen An— 
wendbarkeit des Art. 77 der bayer. AG. zum GVG. über- 
flüſſig. Die e des Landgerichtes könnte 
nur in Frage kommen auf Grund des § 38 des Geſetzes 
vom 21. Juni 1869, die Gewährung der Rechtshilfe 
betr. Nach SS 1 und 20 dieſes Geſetzes aber haben 
ſich die Gerichte des Bundesgebietes gegenſeitig nur 


Rechtshilfe zu leiſten in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten 

und in Strafſachen. Keines von beiden ſteht hier in 
Frage. Die Verſicherungsanſtalten als Träger der 
| Verſicherung find Anſtalten des öffentlichen Rechtes; 

die vor den Schiedsgerichten zu verfolgenden Anſprüche 
| gegen die Verſicherungsanſtalten auf Gewährung von 
Invalidenrente find rein öffentlich-rechtlicher Natur, 
keine bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten (vgl. auch Recht⸗ 

ſprechung der OLG. Bd. XIII S. 2); das Rechtshilfe⸗ 
geſetz vom 21. Juni 1869 findet daher auf die von den 
Gerichten n% 8 172 Inv VG. zu leiſtende Rechtshilfe 
keine Anwendung. Ergibt ſich bei Verneinung der 
Zuſtändigkeit auch des Oberlandesgerichtes, worüber 
dieſes allein zu befinden hat, auch das unbefriedigende 
Ergebnis, daß es gegenüber der Weigerung des nach 
$ 172 Inv VG. um Rechtshilfe erſuchten Amtsgerichtes 
eine Abhilfe weder in einem Inſtanzenzuge noch im 
Wege der Dienſtaufſicht gibt, ſo iſt es jedenfalls nicht 
Aufgabe der Gerichte, die Lücke der Geſetze im Wege 
einer gewaltſamen analogen Anwendung auf den vor— 
liegenden Fall nicht zutreffender geſetzlicher Beſtim⸗ 
mungen auszufüllen und den Geſetzgeber zu verbeſſern. 
(Beſchl. vom 17. Februar 1908, Nr. 14/08). 

1224 


Literatur. 


Allfeld, Dr. Philipp, o. Profeſſor der Rechte in Er- 
langen. Kommentar zu dem Geſetze be⸗ 
treffend das Urheberrecht an Werken der 
bildenden Künſte und der Photographie 
vom 9. Januar 1907. Nebſt einem Anhang, ent⸗ 
haltend die Verträge des deutſchen Reiches mit aus⸗ 
ländiſchen Staaten zum Schutze des Urheberrechtes 
mit Erläuterungen, ſowie Vollzugsbeſtimmungen. 
ee E C. H. Beckſche Verlagsbuchhandlung, 
Geb. 6 ; 


Unter denen, die die früher erſchienenen urheber— 
rechtlichen Kommentare Allfelds kennen, wird es 
niemand geben, der das Erſcheinen des vorliegenden 
Buches nicht mit lebhafter Freude begrüßt hätte. 
Allfeld befolgt darin in der Hauptſache die in den 
anderen Kommentaren beobachtete Methode und zwar 
mit ſo gutem Erfolge, daß das Buch den Ruf Allfelds 
als einer der erſten Autoritäten auf dem Gebiete des 
Urheberrechtes aufs neue beſtätigen wird. Bei aller 
wünſchenswerten Berückſichtigung deſſen, was von 
anderer Seite auf demſelben Gebiete geleiſtet worden 
iſt, gibt der Verfaſſer doch eine vollkommen ſelbſtändige 
Darſtellung des ſchwierigen Rechtsſtoffes, die ebenſowohl 
der Praxis als der Wiſſenſchaft die beſten Dienſte 
leiſten wird. Allfeld verſchmäht es, in ſeinen Dar— 
legungen nach der Art anderer mit Kenntniſſen auf 
dem Gebiete der Kunſt- und Kunſtgeſchichte zu prunken, 
aber man gewinnt trotzdem die Ueberzeugung, daß 
es ihm keineswegs an dem Maße von Verſtändnis in 
künſtleriſchen Dingen gebricht, ohne das ein Geſetz 
über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künſten 
nicht verſtanden und noch weniger anderen verſtändlich 
gemacht werden kann. Der reiche Stoff iſt überſichtlich 
geordnet; eine Tabelle erleichtert es dem Leſer ſich 
in den internationalen Beziehungen des deutſchen 
Reiches auf dem Gebiete des Urheberrechtes zurecht 
zu finden. Die Gedanken ſind klar auseinander ent— 
wickelt; die Sprache iſt trotz aller in dem Buche 
niedergelegten Gelehrſamkeit nichts weniger als 
ſchwulſtig oder ſchwerfällig, ſondern außerordentlich 
einfach und anſprechend. Kurz, die ganze Darſtellungs— 
weiſe entſpricht ſo vollkommen dem Zwecke des Buches, 
daß es in ſeiner Art ſelbſt ein Kunſtwerk genannt zu 
werden verdient. E -t. 


212 


Dyroff, Dr. Unten, o. Profeſſor an der Univerſität 
München. A. Negers Hand ausgabe des bayer. 
VBerwaltungsgerichtsgeſetzes. Nebſt Voll- 
zugsvorſchriften und ſonſtigen einſchlägigen Be⸗ 
ſtimmungen. 4. vermehrte Auflage. Ansbach 1908, 
Verlag von C. Brügel & Sohn. Gebd. Mk. 7.50. 


Das Geſetz vom 8. Auguſt 1878 verdient die 
Beachtung der Juſtizbeamten, weil ſich bei dem Voll⸗ 
zuge der Vorſchriften über die Vorentſcheidung des 
BGH. (Art. 7) eine Reihe ſchwieriger Streitfragen 
ergeben hat, die auch für den Prozeßrichter Bedeutung 
gewinnen können. Die Ausgabe von Dyroff zeichnet 
ſich durch große Ausführlichkeit aus; ſie enthält 
eigentlich eine kleine Ueberſicht über das ganze 
bayeriſche Verwaltungsrecht, weil dje umfaſſenden 
Zuſtändigkeits⸗Vorſchriften in den Art. 8, 10 und 11 
ein Eingehen auf zahlreiche andere Geſetze notwendig 
machten. von der Pfordten. 


Literatur zum Scheckgeſetz. 

1. Merzbacher, Sigmund, Juſtizrat und Rechtsanwalt 
in Nürnberg. Scheckgeſetz vom 11 März 1908. 
Textausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und 
Sachregiſter. München 1908, C. H. Beck'ſche Ver⸗ 
lagsbuchhandlung (Oskar Beck). Gebd. Mk. 1.20. 


2. Apt, Dr. Max, Profeſſor, Syndikus der Korporation 
der Kaufmannſchaft in Berlin. Scheckgeſetz vom 
11. März 1908. Textausgabe mit Einleitung, An⸗ 
merkungen und Sachregiſter. 2. unveränderter Ab- 
druck. Berlin 1908, J. Guttentag, Verlagsbuch⸗ 
handlung. Gebd. Mk. 1.50. 


Zwei hübſche Ausgaben aus der „roten“ Samm⸗ 
lung und der „grünen“ Sammlung deutſcher Reichs⸗ 
geſetze, die bis zum Erſcheinen größerer Komentare 
die genauere Kenntnis des wichtigen Geſetzes weiteren 
Kreiſen vermitteln folen. Beide find ſehr ſauber aus- 
gearbeitet und entſprechen allen Anforderungen, die 
man an die erſte Erläuterung eines Geſetzes ſtellen 
kann, das ſich erſt einleben muß. von der Pfordten. 


Oetker, Friedrich. Das Verfahren vor den 
Schwur⸗ und Schöffengerichten. Des Hand⸗ 
buches des Strafprozeſſes von Julius Glaſer 3. Band. 
(Binding: Handbuch der deutſchen Rechtswiſſenſchaft 
IX, 4, III). Leipzig 1907, Verlag von Duncker & 
Humblot. Preis 16 Mk. 

Wozu die Fortführung eines Handbuches des 
Strafprozeßrechtes ſo kurze Zeit vor der bevorſtehenden 
Reform? Sollte ihr erheblich mehr als nur rechts— 
geſchichtlicher Wert zukommen? Nun, einſtweilen hat 
es nicht den Anſchein, als ob die Lebenstage unſeres 
gegenwärtigen Strafprozeßrechtes wirklich ſchon gezählt 
ſeien, und dann: das Werk behandelt gerade dasjenige 
Gebiet des Strafprozeßrechtes, auf dem uns die Reform 
nach verſchiedenen Erklärungen von maßgebender Stelle 
vorausſichtlich leider die wenigſten Aenderungen bringen 
wird. Wie dem vorliegenden Werke ſomit noch ge— 
nügend Gelegenheit gegeben iſt der Rechtspflege zu 
dienen, ſo iſt auch ſein Inhalt dazu angetan dieſe 
Aufgabe zu erfüllen. Der Verfaſſer bemerkt im Vor— 
wort, daß die Praxis für den Ausbau des ſchwur— 
gerichtlichen Prozeſſes weit mehr geleiſtet habe als 
die Doktrin; je tiefer er in den Stoff hineingedrungen 
ſei, deſto mehr habe er erkannt, wie weit die Straf— 
prozeßdoktrin noch hinter der Schweſterwiſſenſchaft 
des Zivilprozeſſes zurückſtehe. Es war deshalb ſein 
Bemühen, die „klaffende Lücke zwiſchen der älteren 
Schwurgerichtsdogmatik, ſoweit ſie noch jetzt Bedeutung 
hat, und den Darſtellungen des Reichsſchwurgerichts— 
prozeſſes zu überbrücken und fo die Fäden mit der 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10. 


Vergangenheit zum Nutzen der Gegenwart wieder zu 
knüpfen“. Hierbei berückſichtigt der Verfaſſer abgeſehen 
von Verweiſungen auf das öſterreichiſche Recht nebenher 
in Kürze das engliſche und franzöſiſche Recht, ſowie 
die früheren deutſchen Partikularrechte, die für uns 
nicht nur als die Wurzeln des geltenden Rechtes, 
ſondern auch als Vergleichsmaterial gegenüber den 
vielerlei Reformvorſchlägen für das zukünftige Recht 
von Intereſſe ſind. Aber ſo wenig das Buch dadurch 
zu einem Werke der Rechtsvergleichung geworden ift, 
ebenſowenig gehört es trotz ſeiner Berückſichtigung der 
Reformbeſtrebungen zu der großen Maſſe der Schriften, 
die unſer Recht de lege ferenda behandeln wollen. 
Wir haben vielmehr eine gründlich durchdachte dog⸗ 
matiſche Darſtellung unſeres geltenden Rechtes vor 
uns, innerhalb deren Reformvorſchläge aus älterer 
und neuerer Zeit in der Hauptſache „nur inſofern be⸗ 
rührt werden, als die dogmatiſche Darſtellung die 
reformbedürftigen Punkte unmittelbar ergab”. Dadurch 
wird die Bedeutung des Werkes für die Reform unſeres 
geltenden Rechtes nicht gemindert. Mit Recht ſagt 
Oetker: „Die Rechtspolitik bedarf dringend der gründ⸗ 
lichſten dogmatiſchen Vorarbeit“. Freilich gilt das 
nur von einer Rechtsdogmatik, die ſich nicht erſchöpft 
in abſtrakten juriſtiſchen Konſtruktionen, ſondern mit 
der Sorgfalt Oetkers, ſich nicht beſchränkend auf die 
in den Präjudizienſammlungen mitgeteilten Fälle aus 
der Praxis, den praktiſchen Ergebniſſen nachgeht, zu 
denen die Anwendung der im Geſetz erkannten Rechts⸗ 
ſätze führen muß. Dank dieſem Vorzuge wird Oetkers 
großangelegtes Werk nicht nur ein wertvolles Hilfs⸗ 
mittel bei der Anwendung des geltenden Rechtes ſein, 
ſondern wie der Wiſſenſchaft ſo auch, dem Willen des 
Verfaſſers entſprechend, der Reform des deutſchen Straf⸗ 
prozeßrechtes die beſten Dienſte leiſten. 
Amtsrichter Eckert. 


Arnold, Dr. A., Rechtsanwalt in Nürnberg. Die 
Aufſchlußpflicht von Vorſtand und Auf⸗ 
ſichts rat gegenüber der Generalverſammlung nach 
deutſchem Aktienrecht. gr. 8. 80 S. München 08. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Mk. 2.40. 


Notizen. 


Die e Prüfungen der Nechtskandidaten in 
Preußen ſind durch eine allgemeine Verfügung vom 
30. März 1908 (Preuß. IM Bl. 1908 S. 186 ff.) um- 
geſtaltet worden. Die wichtigſte Neuerung beſteht in 
der Einführung von Klauſurarbeiten. An zwei auf: 
einanderfolgenden Wochentagen ſollen den Kandidaten 
drei Aufgaben vorgelegt werden; eine Aufgabe iſt dem 
bürgerlichen Rechte, eine dem Strafrechte, die dritte 
einem der anderen Gebiete zu entnehmen, die den 
Gegenſtand der Prüfung bilden, alſo dem öffentlichen 
Rechte oder den ſog. Staatswiſſenſchaften. Als Hilfs— 
mittel werden, wie in Bayern, nur Geſetzestexte zu— 
gelaſſen, die den Kandidaten zur Verfügung geſtellt 
werden. Die preußiſchen Prüfungs-Vorſchriften ſtimmen 
jetzt — abgeſehen von der Frage des Zwiſchenexamens 
— in allen weſentlichen Punkten mit den bayeriſchen 
Vorſchriften überein. Es beſteht nur noch ein bedeuts 
ſamer Unterſchied: beibehalten ift die fog. rechtswiſſen⸗ 
ſchaftliche Arbeit; ihr Thema wird vom Vorſitzenden 
der Prufungskommiſſion erteilt; fie muß binnen einer 
Friſt von ſechs Wochen abgeliefert werden. 
1 


266 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


——— — 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


München. den 1. Juni 1908. 


4. J. Jahrg. 


Ikilſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monate 
tm Umfange en mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mt. 8.— ellungen übernimmt jede Buchbandlung und 
Poſtanſtalt (Boſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


in Bayern 


Verlag von 


J. Schweitzer Verlag 
(Arthur Zeller) 
in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
de ebübr 30 Pfg. für dle halbgeſpaltene Petitzelle 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Die bayeriſche Forſtgeſetz⸗Novelle vom 
26. Februar 1908. 


Von Dr. Nitzmann, II. Staatsanwalt in Ansbach. 


Die Novelle dient der Erhaltung der Privat⸗ 
waldungen und hat beſonders die Sicherung 
der Wiederaufforſtung im Auge. 

In letzterer Hinſicht waren bie Behörden 
bisher nur auf Art. 42 ForſtG. angewieſen. 
Nach dieſem Art. des ForſtG. find — abgeſehen 
von erlaubter Rodung, Art. 34 Yorft®. 
kulturfähige Waldblößen aufzuforſten und es muß, 
wo nach erfolgtem Holzſchlage die natürliche 
Wiederbeſtockung unvollſtändig bleibt, nachgeholfen 
werden. Zur Ausführung dieſer Kulturen iſt von 
der Forſtpolizeibehörde eine angemeſſene Friſt zu 
beſtimmen, nach deren fruchtloſem Ablaufe das 
Amtsgericht neben der verwirkten Strafe zu ver⸗ 
ordnen hat, daß die Ausführung der Kulturen 
auf Koſten des Säumigen durch das Forſtamt 
bewirkt werde. Zuwiderhandlungen gegen den Auf: 
an ſtellt der Art. 77 ForſtGG. unter 
Strafe. 

Die Vorſchriften des Art. 42 und 77 ForſtG. 
haben ſich in der Praxis, insbeſondere dem 
Güterhandel gegenüber, als unzureichend erwieſen 
und ſie vermochten nicht, die Wiederaufforſtung 
in wünſchenswertem Maße zu ſichern. 

Die Novelle will deshalb ſowohl eine wirk— 
iame Handhabe zum Vollzug des Art 42 ForſtG. 


als auch neue Beſtimmungen zur Sicherung der 


Wiederaufforſtung ſchaffen. Dieſen Zweck ſucht der 
Geſetzgeber zu erreichen 

a) durch Sonderbeſtimmungen in bezug auf 
den Güterhandel, 


grundſtücks 


Handlungen mit einem Walde, die von beſtimmten, 
im nachfolgenden Abſatze näher zu behandelnden 
Perſonen beabſichtigt werden, das Erfordernis der 
forſtpolizeilichen Genehmigung auf, welch' 
letztere bisher nur für Schutzwaldungen vorge⸗ 
ſchrieben war. Die vorgängige forſtpolizeiliche Ge⸗ 
nehmigung iſt erforderlich, wenn ein Wald, gleich⸗ 
viel, wie groß er iſt, ganz oder teilweiſe abge⸗ 
holzt oder wenn eine der Abholzung in der 
Wirkung gleichkommende Lichthauung vorgenommen 
werden ſoll. Eine ſolche Lichthauung liegt nach 
Ziff. II, 3 der MBek. vom 4. April 1908, betr. 
den Vollzug des Geſ. vom 26. Februar 1908 


(GVBl. S. 256), dann vor, wenn der Hauptbe⸗ 


ſtand ganz oder in einem Maße beſeitigt wird, 
daß die zurückbleibende Beſtockung für eine natür⸗ 
liche Wiederverjüngung des Waldes nicht mehr 
ausreicht, dieſe vielmehr auf künſtlichem Wege 
bewirkt werden muß. 

Anlangend den Kreis der Perſonen, die 
der forſtpolizeilichen Genehmigung be: 
dürfen, fo legen die neuen Art. 42 b und c ForſtG. 
nicht allen Privatwaldbeſitzern die Verpflichtung 
der Genehmigungserholung auf, ſondern nur den . 
gewerbsmäßigen Güterhändlern und 
beſtimmten zu dieſen in gewiſſe Rechts- 
beziehungen getretenen Perſonen. Die 
Pflicht zur Erholung der forſtpolizeilichen Genehmi— 
gung ift zeitlich unbeſchränkt. Die Genehmigung 
iſt erforderlich: 


a) wenn der Güterhändler ein Waldgrund⸗ 
ſtück oder lediglich den Holzbeſtand eines Wald⸗ 
in eigenem Namen erworben hat 


‚ und die Abholzung oder Lichthauung ſelbſt vor: 


b) durch Schaffung einer beſonderen zivilrecht⸗ | 


lichen Haftung für die Koſten der Wiederauf— 
forſtung. 


A. Die Sonderbeſtimmungen gegen den 
Güterhandel. 


1. Die Novelle ſtellt in 8 1 durch die neuen 
Art. 42 b und e für die Vornahme gewiſſer 


zunehmen beabſichtigt, 

b) wenn der Güterhändler ein Waldgrund— 
ſtück oder lediglich den Holzbeſtand eines ſolchen 
in eigenem Namen gekauft, eine Weiterveräuße— 
rung des Waldgrundſtücks oder des Holzbeſtandes 
an einen anderen vorgenommen hat und dieſer 
andere die Abholzung oder Lichthauung vorzu— 


nehmen beabſichtigt, 


c) wenn der Güterhändler als Vertreter — 
geſetzlicher oder vertragsmäßiger — eines anderen 


214 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


ein Waldgrundſtück oder lediglich den Holzbeſtand Genehmigungsverfahren trifft die Bekanntmachung 
eines ſolchen erworben hat und der andere die vom 4. April 1908 die näheren Beſtimmungen. 


Abholzung oder Lichthauung vorzunehmen beab⸗ 2. Die Novelle hat verſchiedene Maßnahmen 
ſichtigt, getroffen, durch die hintangehalten werden fol, 
d) wenn der Güterhändler als Vertreter — daß eine Abholzung ſeitens der zur Genehmigungs⸗ 


erholung Verpflichteten ohne die erforderliche Ge⸗ 
nehmigung oder unter Nichtbeachtung der auf⸗ 
erlegten Bedingungen erfolgt, nämlich: 


geſetzlicher oder vertragsmäßiger — eines anderen 
ein Waldgrundſtück oder lediglich den Holzbeſtand 
eines ſolchen an einen Dritten verkauft hat und 
dieſer Dritte die Abholzung oder Lichthauung a) § 2 der Novelle droht mit feiner Bujak: 
vorzunehmen beabſichtigt. 1 zu Art. 75 ae > eg 

Keine Genehmigung ift erforderlich, wenn trafe des genannten Artikels dem an. der ohne die 
der Güterhändler bloß als Vermittler, nicht nach dem Art. 42 b und erforderliche Genehmi⸗ 
als Bevollmächtigter aufgetreten iſt, oder, wenn gung mit der Abholzung oder einer der Abholzung 


h A in der Wirkung gleichkommenden Lichthauung 
der Güterhändler den Wald für einen anderen beginnt oder bei der Abholzung oder Lichthauung 


den auferlegten Bedingungen zuwiderhandelt. 


b) § 5 der Novelle verfügt mit der Zuſatz⸗ 
beſtimmung zu Art. 78 ForſtG., daß in den 
Fällen einer nach Art. 42 b oder 42 c unerlaubten 
Abholzung oder ihr in der Wirkung gleichkommenden 
Lichthauung von der Forſtpolizeibehörde das weitere 
verbotwidrige Verſahren ſofort eingeſtellt und für 
| au a oder 5 des Waldes 

| auf Koſten des Beteiligten Fürſorge getroffen 
nn o u r p er nach der | werden kann. Dadurch wird die Forſtpolizei⸗ 
A er de 3 G elegge Haft er gleiche ſei . i- behörde in die Lage geſetzt, eine ohne die erforder: 
= es Grundentlaſtungsgeſetzes vom 2. Feb- liche Genehmigung oder ohne Einhaltung der bei 


als deſſen Vertreter erworben hat und dieſer 
andere den Wald oder den Holzbeſtand an einen 
Dritten veräußert und der Dritte nun abholzt 
oder lichthaut. Für dieſe Faͤlle hat die unter 
B erörterte Vorſchrift der Novelle Bedeutung. 


Was den Begriff des gewerbsmäßigen Güter⸗ 
händlers betrifft, hinſichtlich deſſen das Geſetz eine 
ausdrückliche Beſtimmung nicht enthält, ſo weiſt 
Ziff. I. 3 der bereits angezogenen MBek. vom 


ruar 1898, GVBl. S. 19, und daß die zu Art. 19 der Genehmigung auferlegten Bedingungen er: 


a. a. O. ergangene Rechtſprechung zur Begriffs⸗ folgende Ab ä 

; š gende Abholzung oder Lichthauung ſchon dann 
beſtimmung herangezogen werden könne. zu verhindern, wenn mit der Abholzung oder 

Was die Genehmigung ſelbſt betrifft, ſo Lichthauung erſt begonnen iſt. 
hat nach dem neuen Art. 42 b die Forſtpolizei⸗ c) § 1 der Novelle legt dem Güterhändler 
behörde diefe von der Erfüllung der zur Siche⸗ durch den neuen Art. 42a und c die Verpflichtung 
rung der Wiederaufforſtung erforderlichen Be: auf, der Diſtriktsverwaltungsbehörde binnen acht 
dingungen abhängig zu machen, insbeſondere Tagen Anzeige zu erſtatten, wenn er im eigenen 
das Maß der zuläffigen Lichthauungen zu bes | Namen oder als Vertreter eines anderen ein 
ſtimmen und für die Koſten der Wiederaufforftung | Waldgrundſtück oder den Holzbeſtand eines ſolchen 
Sicherheitsleiſtung zu verlangen. Sie darf jedoch erworben oder veräußert hat. Für die Anzeige⸗ 
die Genehmigung nicht verſagen, wenn die Wieder⸗ pflicht iſt es gleichgültig, zu welchem Zwecke das 
aufforſtung hinreichend geſichert iſt. Bei Jung⸗ Grundſtück verwendet werden ſoll. Zuwiderhand⸗ 
holzbeſtänden des Hochwaldbetriebes iſt die Ge⸗ lungen gegen dieſe Anzeigepflicht ſtellt 8 3 der 
nehmigung in der Regel zu verſagen, wenn nicht Novelle durch den neuen Art. 76 a Yorlt®. unter 
mindeſtens 75 Prozent der Stämme auf Bruſt⸗ Strafe. 
höhe eine Stärke von 12 em beſitzen. Beſtände Durch die Anzeige des Güterhändlers ſoll die 
mit Hopfenſtangen fallen hierunter nicht (ſiehe Forſtbehörde in den Stand geſetzt werden, darüber 
Vhdl. d. Kammer d. Abg. 1907 Bd. II S. 138). zu wachen, daß keine Abholzung des Waldes ohne 
Für die Sicherheit gelten die Vorſchriften der die vorgeſchriebene Genehmigung ſtattfindet. 
$S 232 — 240 BGB. Die geleiſtete Sicherheit ift Eine Pflicht zur Anzeigeerftattung war dem 
zurückzugeben, wenn die Wiederaufforſtung hin⸗ Güterhändler ſchon durch die auf Grund der 88 35, 
reichend geſichert ift. Die Forſtpolizei hat ji | 38 GewO. erlaſſene MBek. vom 3. Oktober 1899, 
vor der Erteilung oder Verſagung der Genehmi- (GVBl. S. 844) auferlegt worden, welche für das 
gung mit dem Forſtamte zu benehmen. rechtsrheiniſche Bayern durch MBek. vom 4. April 

Ueber die Anbringung des Genehmigungs- 1908, (GVBl. ©. 255), ausdrücklich außer Kraft 
geſuches, den Schutz der benachbarten Waldgrund: geſetzt worden ift, für die Pfalz jedoch noch weiter 
ſtücke, die Behandlung des Genehmigungsgeſuches, beſteht. Im Intereſſe der Vollſtändigkeit des 
insbeſondere auch wenn ein Antrag auf Rodungs-⸗ Forſtgeſetzes hat man die Vorſchrift über die 
erlaubnis mit ihm verbunden ift, die Genehmigungs- Anzeigepflicht in das Forſtgeſetz übernommen. 
bedingungen, die Sicherheitsleiſtung und deren Die MBek. vom 1. Januar 1894 (GVBl. 
Rückgabe, die Anfechtung der Beſcheide in dem S. 12), wonach die Güterhändler ein Geſchäfts⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


215 


buch zu führen und jedes Güterzertrümmerungs⸗ 
geſchäft der Diſtriktspolizeibehörde anzuzeigen 
haben, wird durch die Novelle nicht berührt. 
Durch die MBek. vom 4. April 1908, (GVBl. 
S. 255), iſt angeordnet, daß die Güterhändler 
alle in den Art 42a und 42 ForſtG. bezeich⸗ 
neten Geſchäftsabſchlüſſe und den Tag der erfolgten 
Anzeige über diefe Verträge an die Diſtrikts⸗ 
verwaltungsbehörde in das vorerwähnte Geſchäfts⸗ 
buch einzutragen haben. 


B. Die beſondere zivilrechtliche Haftung 
für die Koſten der Wiederaufforſtung 
einer abgeholzten Waldfläche. 


Art. 42 ForſtG. verpflichtet den Waldbeſitzer 
zur Aufforſtung der Waldblößen. Im Art. 42 
Abſ. 2 iſt jedoch die zwangsweiſe Erfüllung dieſer 
Verpflichtung nur für zuläſſig erklärt, wenn dem 
Waldbefitzer zur Ausführung der Aufforſtung von 
der Forſtpolizeibehörde eine Friſt beſtimmt und der 
Waldbeſitzer wegen des fruchtloſen Ablaufs der Friſt 
beſtraft worden iſt. Nach der Auslegung, die der 
Art. 77 ForſtG. gefunden hat, kann der Wald— 
beſitzer nicht geſtraft werden, wenn er vor dem 
Ablaufe der Friſt den Wald veräußert hat 
(zu vgl. Entſch. d. ObGerH. in StS. Bd. VII, 
427 und des ObLO. Bd. IV, 213). Dieſe Ver: 
äußerung, insbeſondere an leiſtungsunfähige Per— 
ſonen, vor der Friſtbeſtimmung oder vor dem 
Ablaufe der Friſt bot bisher ein bequemes Mittel, 
um ſich der Pflicht der Wiederaufforſtung zu ent— 
ziehen. Des weitern trifft die Novelle, inſoweit 
ſie die Genehmigung vorſchreibt, nicht alle Fälle, 
in denen Güterhändler tätig werden. Solche Fälle 
ſind bereits oben unter A 1 angedeutet. 


Um nun der Umgehung des Art. 42 Forte. 
nach Möglichkeit einen Riegel vorzuſchieben und 
auch die zuletzt erwähnten Fälle möglichſt zu 
treffen, ordnet § 4 der Novelle durch die Zu: 
ſatzbeſtimmung zu Art. 77 ForſtG. nicht allein 
für den Güterhandel, ſondern allgemein an, 
daß derjenige, welcher eine ganze oder teil: 
weiſe Abholzung oder eine der Abholzung in der 
Wirkung gleichkommende Lichthauung vornimmt, 
jo daß eine nach Art. 42 ForſtG. aufzuforſtende 
Waldblöße entſteht — auch wenn er nicht Eigen— 
tümer des Waldgrundſtücks iſt, ſondern nur das 
Holz auf dem Stamme gekauft hat — ſowie 
derjenige, welcher eine nach Art. 42 ForſtG. 
aufzuforſtende Waldblöße erwirbt — gleichviel, 
wie lange die Waldblöße ſchon beſteht — dem 
Staate für die Koſten der vom Forſtamte vorge— 
nommenen Aufforſtung 1 auch dann 
haftet, wenn nach Art. 77 Abſ. 1 ForſtG. eine 
Beſraſung nicht eintreten kann. Die Geltend— 
machung dieſes zivilrechtlichen Anſpruchs erfolgt 
vor den Zivilgerichten durch die Regierungsfinanz— 
kammern. Derjenige, welcher den Wald abgeholzt 
hat und derjenige, welcher die aufzuforſtende 


— es — — 


Waldblöße erworben hat, haften nach §S 421 BGB. 
als Geſamtſchuldner. Die Verjährung des zivil- 
rechtlichen Anſpruchs des Staates beträgt 5 Jahre 
und zwar von der Entſtehung der Waldblöße 
an für den, der die Abholzung oder Lichthauung 
vorgenommen hat, und dem Erwerbe an für den, 
der die aufzuforſtende Waldblöße erworben hat. 


Zum Schluſſe fei noch, was das Geltungs⸗ 
gebiet der Novelle betrifft, erwähnt, daß ſie ſich 
ebenſo wie das ForſtG. auf die Landesteile rechts 
des Rheins beſchränkt. Die Rechtsverhältniſſe der 
Pfalz werden durch ſie nicht berührt. 


Die Aufnahme von Fypothekdarlehen als 
Erſatz für Vodenzinsablöſungsſummen. 
Von Friedrich Bonſchab, Bankdirektor in München. 


Nach Art. 22 des Geſetzes die Fortſetzung der 
Grundentlaſtung betr. vom 2. Februar 1898 im 
Zuſammenhalt mit Art. 173 AG. z. BGB. iſt 
ein Bodenzinspflichtiger, der ſeine Schuldigkeit 
ablöſt, innerhalb dreier Monate nach der Ablöſung 
oder bei der Beſtellung einer Hypothek nach der 
Ablöſung befugt, auf den bodenzinspflichtigen Grund— 
ſtücken im Range vor den zur Zeit der Ablöſung 
eingetragenen Hypotheken für ein Kapital bis zu 
dem Betrage der Ablöſungsſumme eine Hypothek 
zu beſtellen. Dieſe Geſetzesbeſtimmung iſt der 
Erwägung entſprungen, daß die Ablöſungskapitalien, 
welche die Abgabepflicht repräſentieren, als Sur— 
rogat der letzteren bis zur Bezahlung auf den 
belaſteten Grundſtücken haften und daher den 
Hypothekkapitalien ohnehin im Range vorgehen; 
hiernach beſtehe kein rechtliches Bedenken, dem Ab⸗ 
löſenden für Schuldaufnahmen die Beſtellung von 
Hypotheken mit dem Range vor den bereits ein— 
getragenen Hypotheken zuzugeſtehen, zumal in die 
Rechte der Hypothekgläubiger nicht eingegriffen 
wird, wenn an Stelle eines Bodenzinskapitals ein 
gleich großes Darlehenskapital tritt. Maßgebend 
war die weitere Erwägung, daß auf dieſe Weiſe 
von dem Pflichtigen in vielen Fällen — bei den 
Ablöſungsbodenzinſen ſchon jetzt und im Verlaufe 
der Jahre mit fortſchreitender Amortiſation auch 
bei den Staatskaſſabodenzinſen — eine Minderung 
der Jahresleiſtungen, wenn auch mit Verlängerung 
der Tilgungsperiode, erreicht werden kann. 

Art. 22 Abſ. 1 hatte in der urſprünglichen 
Faſſung als Satz 2 noch die Vorſchrift, daß die 
jährliche Zinſenleiſtung den Betrag der ſeitherigen 
Jahresſchuldigkeit nicht überſteigen dürfe; hierzu 
war in den Geſetzesmotiven ausdrücklich bestimmt, 
daß zu den Zinſen des aufzunehmenden Kapitals 
die etwa übernommenen Tilgungsraten nicht hin— 
zuzurechnen ſind, da durch die letzteren das Kapital 


216 


fortlaufend vermindert und in gleichem Maße auch 
die Lage der Hypothekgläubiger fortſchreitend eine 
günſtigere wird. Der Sutz 2 iſt durch Art. 173 
AG. z. BGB. als mit § 1119 BGB. im Wider: 
9 ſtehend aufgehoben worden. 


Nun kommen in letzter Zeit nicht gar ſelten 
Fälle vor, in welchen ein Pflichtiger ſeinen Boden⸗ 
zins ablöſt und ein Darlehen aufnimmt, welches 
nicht in Annuitäten oder jährlich beſtimmten feſten 
Rückzahlungsraten tilgbar, ſondern als feſt ver⸗ 
zinsliches mit lediglich halb- oder ganzjähriger beider: 
ſeitiger Kündigungsberechtigung ſtipuliert wird. 
Die Aufnahme eines ſolchen Darlehens muß aber 
als im höchſten Grade zweckwidrig bezeichnet werden. 
Ganz augenfällig iſt dies hinſichtlich der Ablöſungs⸗ 
kaſſabodenzinſe, bei denen die zwangsweiſe Tilgung 
ſchon durch das Geſetz vom 28. April 1872 ein⸗ 
geführt iſt, es trifft aber nach dem heutigen Stande 
der Sache ebenſo auf die Bodenzinſe zur Staats⸗ 
kaſſa zu; bezüglich der erſteren wird der End⸗ 
termin des Jahres 1942 mit ziemlicher Sicherheit 
eingehalten werden können und der Endtermin 
für letztere mit dem Jahre 1957 ſteht ebenfalls 
in ziemlich ſicherer Ausſicht.“) 


Dem gegenüber bedeutet aber die Hypothek⸗ 
beſtellung für ein feſt verzinsliches und nicht in 
beſtimmten Teilbeträgen alljährlich rückzahlbares 
Darlehen eine ganz eminente dauernde Ver⸗ 
ſchlechterung der Rechtslage der bisher erſtſtelligen 
und aller folgenden Hypothekgläubiger und es 
ergibt ſich hieraus im beſonderen für Hypotheken⸗ 
banken, Stiftungen, Gemeinden und ähnliche Geld— 
geber die Frage, ob ſie nicht zur Kündigung ihres 
Kapitals berechtigt und verpflichtet ſind. 


Richtig iſt ja, daß ſchon bisher die Boden⸗ 
zinſe den Hypotheken vorgingen, allein in dem 
Eintrag der Bodenzinſe in erſter Abteilung des 
Grundbuchs oder in ihrem Beſtehen als Reallaſt, 
ſoweit ihre Eintragung nach § 22 Ziff. 5 des 
bayer. HypG. nicht erforderlich war und iſt, be⸗ 
ſteht doch ein gewaltiger Unterſchied gegenüber 
dem Beſtehen einer alle anderen Hypotheken 
mit geſetzlicher Macht verdrängenden und ihnen 
vorgehenden Hypothek in 3. Abteilung; und dieſer 
Unterſchied macht ſich eben dann bemerkbar, wenn 
die Sache zum Klappen kommt, d. h. wenn das 


Zeitſchrift für 15 SOSeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908 in Bayern. 1908. Nr. 11. 


Anweſen zwangsweiſe verſteigert wird. Betreibt 


der bisher 1. Hypothekgläubiger — Bank, Stif⸗ 
tung oder Gemeinde — das Verfahren, ſo kommt 
das Bodenzinsablöſungsdarlehen in das Mindeſt— 
gebot und es erhöht ſich ein Gebot um dieſe zur 
Uebernahme zu beſtimmende Summe; betreibt 
aber der Ablöſungskapital-Gläubiger das Ver— 
fahren, ſo beſteht das Mindeſtgebot lediglich aus 
den Koſten und privilegierten Forderungen; die 
Bank iſt daher genötigt, ihrem Guthaben noch 


1) Die Abhandlung it vor den gegenwärtigen 


Verhandlungen des Bodenzins-Ausſchuſſes geſchrieben. 


den ganzen Betrag des Ablöſungskapitals hinzu⸗ 
zurechnen, um ihre Forderung gegen einen dritten 
Anſteigerer zur Deckung zu bringen und hieran 
wird in der Praxis ſich jeder Steigerungsluſtige 
ſtoßen; die Bodenzinſe übernimmt jeder als ge⸗ 
wiſſermaßen ſelbſtverſtändlich; einer beſonderen — 
manchmal nicht unbedeutenden — Hypothek wird er 
ſehr ſkeptiſch gegenüberſtehen, zumal dann, wenn 
der Gläubiger auf der Fälligkeit und Rückzahlung 
des Kapitals beſteht; denn um dieſen Betrag braucht 
er eben mehr Bargeld. Und wenn auch nicht ſo 
febr für den bis zur Ablöſungsdarlehens-Aufnahme 
erſten Hypothekar, ſo birgt doch dieſes Sach⸗ und 
Rechtsverhältnis für die folgenden Hypothekare um 
ſo mehr die Gefahr des Ausfalls, der gegenüber es 
ein ſchlechter Troſt iſt etwa zu ſagen, der be⸗ 
treffende Gläubiger ſoll eben ſelbſt als Anſteigerer 
auftreten. 

Iſt daher dieſe Rechtslage für die Gläubiger 
keineswegs ermutigend, auch wenn das Bodenzins⸗ 
ablöſungsdarlehen als Annuität- oder in beſtimmten 
Friſten rückzahlbares Darlehen beſtellt iſt, ſo ſtellt 
ſie direkt einen Verſtoß gegen jedes Gebot der 
Billigkeit dar, wenn der Schuldner eine Hypothek 
beſtellt, für welche eine jährliche Rückzahlungszeit 
vertraglich nicht vereinbart wird. 

Denn in dieſem letzteren Fall kann es vorkommen, 
daß die Bodenzinſe ſchon erloſchen ſind, während das 
ſeinerzeit aufgenommene Kapital immer noch als 
erſte Hypothek auf dem Anweſen ruht. Es wäre 
daher als im Intereſſe des Schuldners wie im 
wohlbegründeten Intereſſe der zur Zeit der Beſtellung 
eines Bodenzins⸗Ablöſungskapitals eingetragenen 
Gläubiger liegend zu fordern, daß bei einer künftigen 
Novelle zum Grundentlaſtungsgeſetz Art. 22 dahin 
abgeändert wird, daß für das aufzunehmende 
Kapital Abtragung in Annuitäten oder in Friſten 
in beſtimmtem Mindeſtbetrage feſtgeſetzt wird und 
daß dieſe Feſtſetzung rückwirkende Kraft erhält. 


Die nachträgliche Eintragung der 
Goldklauſel. 


Von Wilhelm Mayer, Amtsrichter in München. 


(Fortſetzung.) 

III. In welcher Weiſe gelangt nun die Wirk⸗ 
ſamkeit der nachträglichen Eintragung der Gold— 
klauſel gegenüber den inzwiſchen eingetragenen 
Berechtigten grundbuchmäßig zum Ausdruck? 
Hierfür beſtehen an ſich zwei Möglichkeiten: ent⸗ 
weder ſchon durch die Eintragung überhaupt oder 
durch die Eintragung im Vorrang vor den 
Zwiſchenberechtigten. 


1. Gegenüber der Entſcheidung im letzteren 
Sinne erhebt ſich der eifel ob die Goldklauſel 


überhaupt einen Rang im techniſchen Sinne, unter: 
ſchieden von der räumlichen und zeitlichen Reihen⸗ 
folge, haben kann. Klar ift, daß ihr die Ein: 
tragung an einer beſtimmten Stelle des Grund— 
buchblatts allein noch keinen Rang gibt, ſo wenig, 
als etwa Eintragungen im Titel, die Eintragung 
des Eigentümers, einer Veräußerungsbeſchränkung, 
einer Löſchung, einer Abtretung, eines Widerſpruchs, 
des Höchſtbetrags nach § 882 BGB. u. dgl. einen 
„Rang“ haben. Alle derartigen Eintragungen 
ſtehen wohl in einem mitunter recht bedeutſamen 
(BGB. §$ 892, 893) zeitlichen, und buchmäßig 
geſprochen raumlichen Verhältnis, aber in keinem 
Rangverhältnis. 

Rechte haben einen Rang nur mit Beziehung 
auf ein anderes Recht. „Ein Recht an einem 
Gegenftand hat Rang vor oder gleichen Rang 
mit einem anderen“ bedeutet: Wenn bei der 
Zwangsvollſtreckung in einen Gegenſtand der 
durch ſie erzielte Geldbetrag nicht ausreicht zur 
Befriedigung aller Rechte an dem Gegenſtand, 
ſo iſt der vorhandene Geldbetrag zur Befriedigung 
des vorgehenden Rechts ausſchließlich, bei Gleidh- 
rang zur Befriedigung der gleichſtehenden Rechte 
verhältnismäßig zu verwenden, das nachſtehende 
Recht ift von der Befriedigung inſoweit aus- 
geſchloſſen, als der Geldbetrag durch die vorgehenden 
Rechte in Anſpruch genommen wird. Nur in 
dieſen Fällen kommt dem Rang praktiſcher Wert 
zu, nur mit Rückſicht auf fie iſt das Inſtitut des 
Ranges in die Geſetzgebungen aufgenommen. 
Nun iſt der Erlös bei der Zwangsverſteigerung, 
welcher bar zu berichtigen ift (Zw G. § 49 Abſ. 1, 
3 50), und find die Geldnutzungen bei der Zwangs— 
verwaltung — von der rein zufälligen und praf: 
tiſch kaum vorkommenden Abrede einer Zahlung 
von Miet⸗ und Pachtzinſen in Gold abgeſehen — 
in denjenigen Zahlungsmitteln zu zahlen, in 
welchen nach dem jeweiligen Stand der Geſetz⸗ 
gebung über das Geldweſen der Schuldner Zahlung 
zu leiſten hat, derzeit alſo in beſchränktem Maße 
unter Zulaſſung auch von Silber-, Nickel- und 
Kupfermünzen (MünzG. vom 9. Juli 1873, 
Art. 3 mit RG. vom 1. Juni 1900 Art. II 
Abſ. 1, MünzG. Art. 9 Abſ. 1, Art. 15 Ziff. 1 
mit RG. vom 6. Januar 1876 und Bek. des 
Bundesrats vom 27. Juni 1907). Dieſes Recht 
des Erſtehers, den Verſteigerungserlös, und der 
Mieter oder Pächter, die Miet- oder Pachtzinſe 
in den geſetzlichen Zahlungsmitteln zu zahlen, 
wird durch die Goldklauſel nicht berührt, weil das, 
worauf fie ihre Zahlung leiſten, nicht die Hypothek⸗ 


forderung, ſondern die Forderung auf den Ver- 


ſteigerungserlös und auf die Miet- oder Pacht— 
zinſe ift. Ein Rangverhältnis kann ſonach nur 
zwiſchen Rechten an einem Gegenſtand beſtehen, 


welche entweder ihrem begrifflichen Inhalt nach oder 


kraft poſitiver Geſetzesvorſchrift (3wVG. § 92) eine 
Beteiligung an dem in dengeſetzlichen Zahlungsmitteln 
dargeſtellten Geldergebnis der Zwangsvollſtreckung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


2 —— — ——7— — 1e — — . ————— er — m 


m En SUSA — — 


217 


geſtatten. Nun ift aber die Zahlungsart kein Recht 
an einem Grundſtück und kein Recht an einem Recht: 
ſie läßt ſich unter keine der im Geſetz anerkannten 
Belaſtungsformen unterbringen, weder unter die 
ausdrücklich benannten des 4.— 9. Abſchnitts des 
Sachenrechts, noch unter eine der im Geſetz ledig⸗ 
lich ihrem Inhalt nach umſchriebenen, zum Teil 
erſt von Rechtslehre und Rechtſprechung als Be⸗ 
laſtungs⸗ oder ähnliche Rechtsform konſtruierten 
Rechte (Belaftung nach $ 1010 Abſ. 1, 2044 
Abi. 1 BGB., UeG. Art. 42; dann Rang: 
rücktritt und Rangvorbehalt z. B. nach Planck, 
Komm. z. BGB. $ 880 Pem. II 1, 8 881 


Pem. II 2a Abſ. 2, Vormerkung, vgl. Planck, 


ebenda $ 883 Bem. 2, insbeſ. vorletzter Ab}. a. E., 
Eintragung gemäß $ 1010 Abſ. 2 nach Planck 
a. a. O. $ 1010 Bem. 4 Abſ. 4). Die durch 
die Goldkauſel bedungene Zahlungsart geſtattet 
ferner auch keine Beteiligung an dem Geldergebnis 
der Zwangsvollſtreckung. Die abweichend von der 
geſetzlichen Zahlungsart beſtimmte Zahlungsweiſe 
kann ſich mit ihrem beſonderen Inhalt nicht an 
dem Geldergebnis der Zwangsvollſtreckung be— 
teiligen, weil beide inkommenſurabel ſind. Die 
Zahlungsweiſe iſt lediglich eine Eigenſchaft der 
Forderung, wie etwa ihre Unübertragbarkeit. Ein 
Rang kommt ihr nach der bisherigen Erörterung 
nicht zu, ſondern ſie gilt vom Zeitpunkt ihrer 
Eintragung an gegenüber allen, auch den vorher 
eingetragenen Rechten, wie etwa die Abtretung, 
oder die Eintragung des Eigentümers. 

Daraus ergibt ſich: die nachträgliche Ein⸗ 
tragung der Goldklauſel iſt gegenüber allen Zwiſchen⸗ 
berechtigten wirkſam mit der bloßen Eintragung 
ohne Angabe eines Rangverhältniſſes. Die weitere 
Folge iſt, daß die Eintragung überhaupt erſt 
erfolgen darf, wenn die Zuſtimmung der Zwiſchen— 
berechtigten vorliegt, die nach dem unter II Ge— 
ſagten notwendig iſt. 


2. Die Rangunfähigkeit der Zahlungsart kann 
nicht als unbezweifelt gelten. Z. B. Planck, 
Komm. z. BGB. § 1119 Pem. 1, $ 877 Pem. 2 
Abſ. 2, Endemann, Lehrb. des bürgerl. Rechts 
Bd. II § 117, 4b ſcheinen ſchlechthin jeder 
Aenderung des Inhalts eines Rechts an einem 
Grundſtück einen Rang zuzuerkennen. Ebenſo 
ſetzt z. B. eine Entſcheidung des Kammergerichts 
in Ripr. d. OLG. Bd. 9 S. 313 die Möglich: 
keit voraus, daß die Aenderung von Rückzahlungs— 
beſtimmungen einer Hypothek. in welcher eine 
Erweiterung des Inhalts des Hypothekrechts liege, 
einen anderen Rang erhalten könne, als die 


Hypothek ſelbſt hat. 


Von dieſem Standpunkt aus erlangt die Gold— 


klauſel Wirkſamkeit gegenüber den eingetragenen 


Zwiſchenberechtigten, auch wenn ſie, wie noch er— 
forderlich und hier vorausgeſetzt wird, der Ein— 
tragung zugeſtimmt haben, nicht ſchon durch die 
Eintragung überhaupt, ſondern erſt durch die Ein— 


218 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


tragung im Vorrang vor den Zwiſchenberechtigten. 
Der Vorrang iſt genügend zum Ausdruck gebracht 
durch den Vermerk, daß die Goldklauſel Rang 
habe in der Ziffer, unter welcher die Hypothek⸗ 
forderung ſelbſt eingetragen iſt. Denn damit iſt 
ihr nicht bloß der gleiche Rang, ſondern der 
nämliche Rang zugeſprochen wie der Hypothek⸗ 
forderung ſelbſt, die den nachgekommenen Zwiſchen⸗ 
berechtigten vorgeht. Im Fall der Eintragung in 
Gleichrang entſteht die Frage, ob eine ſolche 
Eintragung von ſelbſt den Vorrang vor den dieſer 
Hypothekforderung nachſtehenden Zwiſchenberech⸗ 
tigten in ſich ſchließt. 


Daß der Satz, der Gleichrang mit einem Recht 
bedeute von ſelbſt den Vorrang vor den dieſem 
Recht nachſtehenden Berechtigten, nicht allgemein 
gelten kann, ergibt BGB. § 880 Abi. 5. Es 
fragt ſich alfo, ob $ 880 Abſ. 5 auch für die 
im Gleichrang mit der Hppothekforderung nad: 
träglich eingetragene Aenderung des Inhalts der 
Forderung gilt, und wenn nicht, ob dieſe Be⸗ 
ſtimmung dann etwa entſprechend darauf anzu⸗ 
wenden iſt. 


Unmittelbar ift die Beſtimmung nicht an: 
wendbar. Sie betrifft die Aenderung des Ranges 
von mehreren Rechten an einem Grundftüd, wie 
der auf den Anfang des $ 879 zurückverweiſende 
Anfang der unmittelbar anſchließenden Vorſchrift 
des $ 880 beweiſt. Die Zahlungsart ift aber kein 
weiteres Recht an dem Grundſtück, das neben 
der in der Zahlungsart abgeänderten Hypothek⸗ 
forderung beſteht, ſondern nur eine Aenderung des 
Inhalts dieſer Hypothekforderung, eine Aenderung 
in objektiver Beziehung, wie die Abtretung eine 
Aenderung in ſubjektiver Beziehung iſt; ſie iſt kein 
Moment außer oder neben der Hypothekforderung, 
ſondern an ihr. Daß die Goldklauſel eine Ver— 
ſchärfung der urſprünglichen Belaſtung in ſich 
ſchließt, macht ſie nicht zu einem weiteren Recht 
an dem Grundſtück, ſo wenig als etwa die Ab— 
änderung der Zahlungszeit durch Feſtſetzung kürzerer 
Kündigungsfriſten oder Ausſchließung früher zu- 
geſtandener Kündigung. § 880 handelt ferner 
von der nachträglichen Aenderung des Rang- 
verhältniſſes. Nachträglich geändert werden kann 
aber nur ein vorher bereits beſtandenes Rang: 
verhältnis, auch beſteht nach § 879 ein Rang- 
verhältnis überhaupt nur zwiſchen bereits ein— 
getragenen Rechten. Die Goldklauſel, deren Vor— 
rang vor den Zwiſchenberechtigten einzutragen 
wäre, wird aber erſt eingetragen, ſie ſteht vor 
der Eintragung des Vorrangs überhaupt noch in 
keinem Rangverhältnis, weil ſie erſt gleichzeitig 
mit dieſem Vorrang eingetragen wird. Eine 
weitere Verſchiedenheit liegt darin, daß die Be— 
ſtimmung von der Relativität der Rangänderung, 
wie ihre Aufnahme in den § 880 zeigt, für die 
auf Vertrag zwiſchen dem vortretenden und zurück— 
tretenden Berechtigten beruhende Rangänderung 


gilt, während hier ein Vertrag unmöglich iſt, weil 
der Vortretende und Zurücktretende dieſelbe Perjon, 
der Gläubiger der in ihrem Inhalt abzuändernden 
Forderung, ift. Planck, Komm. z. BGB. $ 880 
Bem. II 3a Abſ. 2, hält dieſe Verſchiedenheit für 
einſchneidend genug, um in ſolchem Fall den $ 880 
auszuſchließen. 


Dagegen wird die entſprechende Anwendung 
des $ 880 kaum abzuweiſen fein. Denn der 
Grundgedanke iſt in beiden Fällen derſelbe: Wird 
das regelmäßige nach § 879 Abſ. 1 eintretende 
Rangverhältnis von Rechtsverhältniſſen, die eine 
Belaſtung enthalten, und zwiſchen welchen andere 
Rechte ſtehen, durch Rechtsgeſchaͤft geändert, fo 
werden davon die Zwiſchenberechtigten nicht berührt. 


„Fehlt die Zuſtimmung der Zwiſchenberechtigten, 
ſo kann die Goldklauſel zwar eingetragen werden 
und ſogar im Gleichrang mit der Hypothekforderung, 
aber nicht im Vorrang vor den Zwiſchenberechtigten. 
Von dem Nachrang gegenüber dieſen braucht in der 
Eintragung nichts erwähnt zu werden, er iſt durch 
die Stelle im Grundbuch räumlich nach den Zwiſchen⸗ 
berechtigten ohne weiteres ausgedrückt (BGB. § 879 
S. 1), gegenüber Belaſtungen in der II. Abteilung 
durch ein früheres Zeitdatum der Eintragung 
($ 879 S. 2), nur bei gleichem Zeitdatum müßte 
der Nachrang gegenüber den letzteren beſonders 
eingetragen werden. ($ 979 Abſ. 1 a. E., Ab}. 3, 
GBO. § 46 Abſ. 2). 


Würde die Goldklauſel trotz des Mangels der 
Zuſtimmung der Zwiſchenberechtigten im Vorrang 
vor dieſen, oder, ſofern man ihr die Rangfaͤhig⸗ 
keit abſpricht, überhaupt eingetragen, ſo würden 
die Zwiſchenberechtigten ſie trotz der Eintragung 
ſolange nicht gegen ſich gelten laſſen müſſen, als 
die Hypothekforderung, zu welcher die Goldklauſel 
eingetragen wurde, demjenigen zuſteht, der Hypothek⸗ 
gläubiger zur Zeit der Eintragung war. BGB. 
§ 892 kommt dieſem Gläubiger nicht zu ſtatten, 
weil gerade der richtige Inhalt des Grundbuchs 
gegen ihn ſpricht, in dem bereits zur Zeit der Ein- 
tragung der Goldklauſel die Zwiſchenberechtigten 
ſtanden. Auch die Vermutung des § 891 Abſ. 1. 
die an ſich hier Platz greift, iſt jederzeit leicht 
widerlegbar durch die Grundbuchanlagen. Das 
Grundbuch ift inſofern unrichtig, die Zwiſchen⸗ 
berechtigten können die Eintragung eines Wider: 
ſpruchs erwirken. (BGB. § 899). Wird dagegen 
die Hypothek abgetreten, ſo wirkt nunmehr die 
Goldklauſel für den gutgläubigen Erwerber auch 
gegenüber den Zwiſchenberechtigten. ($ 892). 

(Fortſetzung folgt.) 


Beitſchrif für — in 5 in Bayern. yern. 1908. N Nr. 11. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


8 64 der Nechtsanwaltserduung. In den Nummern 
6 und 8 dieſes Jahrgangs iſt erörtert, welche Trag⸗ 
weite die Beſtimmung des $ 64 habe. Die von Staats⸗ 
anwalt Burkhardt vertretene Auffaſſung, daß 8 64 
ſich nicht auf Handlungen beziehe. die ein Rechts⸗ 
anwalt begeht, während er bei einem Gerichte zu⸗ 
gelaſſen iſt, ſteht im Einklang mit der Rechtſprechung 
des Ehrengerichtshofes. Die Frage läßt ſich nicht ſo 
ſtellen, ob unter Zulaſſung im Sinne des § 64 nur 
die letzte oder auch jede frühere zu verſtehen ſei, viel⸗ 
mehr iſt zu unterſcheiden zwiſchen den Handlungen, 
welche ein Rechtsanwalt vor ſeiner Zulaſſung, und 
den Handlungen, welche er während feiner Buz 
laſſung begeht. 


Der Ehrengerichtshof hat in einem Urteile vom 
24. Januar 1906 (Nr. 38/05) ausgeführt: „Die Ver⸗ 
teidigung des Angeſchuldigten, daß nach $ 64 RAD. 
ein ehrengerichtliches Verfahren wegen der in die 
H.⸗Zeit fallenden Verfehlungen nicht zuläſſig ſei, weil 
diefe Handlungen vor feiner jetzigen Zulaſſung be- 
gangen ſind und die Ausſchließung von der Redt- 
anwaltſchaft nicht begründen, iſt in der angefochtenen 
Entſcheidung mit Recht zurückgewieſen. Mag die 
Wortfaſſung des 8 64 nicht beſonders glücklich ſein, 
ſo ſpricht ſie doch nicht gegen die vom Ehrengerichte 
vertretene Auffaſſung. Die Zulaſſung iſt derjenige 
Akt, durch welchen ein zum Richteramte Fähiger Rechts— 
anwalt wird ($ 1 RAD.) wenn auch der Beginn der 
Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltſchaft noch 
weitere Vorausſetzungen hat (§ 20 Abſ. 3). Der Aus: 
druck des § 64 „ein Rechtsanwalt vor feiner Zulaſſung“ 
kann danach jedenfalls fo veritanden werden, daß er 
lediglich einen jetzigen Rechtsanwalt zu der Zeit, als 
er nicht Rechtsanwalt war, im Auge hat. Daß dies 
allein der wahre Sinn der Vorſchrift iſt, ergibt ſowohl 
ihr Zweck wie ihre Entſtehung, die beide von dem 
erſten Richter zutreffend gewürdigt find. 8 64 bezieht 
ſich alſo auf einen Fall der hier vorliegenden Art 
überhaupt nicht; denn der Angeſchuldigte hat die Hand— 
lungen, für die er verantwortlich gemacht wird, be- 
gangen, während er Rechtsanwalt war. Daß er nach 
ihrer Begehung eine Zeit lang (28. November 1901 
bis 17. Mai 1904) nicht Rechtsanwalt geweſen iſt, 
und daß ſie ſomit vor ſeiner jetzigen Zulaſſung be⸗ 
gangen ſind, iſt unerheblich. Für dieſen Fall hat das 
Geſetz eine Ausnahme von der Regel des § 62 RAO. 
nicht gemacht und es konnte ſie vernünftigerweiſe nicht 
machen, wenn es nicht zu unannehmbaren Folgen ge— 
langen wollte . ..“ 


In einem anderen Falle waren der ehrengericht— 
lichen Beurteilung Handlungen unterzogen worden, 
die der Angeklagte nach Aufgabe der erſten Zulaſſung 
und vor der zweiten Zulaſſung begangen hatte, die 
aber die Ausſchließung nicht begründen konnten. Das 
Ehrengericht hatte auf Verweis und Geldſtrafe erkannt. 
Der Ehrengerichtshof beanſtandete in ſeinem Urteile 
vom 19. Januar 1907 (Nr. 32/06), daß das Ehren— 
gericht die Beſtimmung des 8 64 nicht beachtet habe. 
Sodann heißt es: „Zu jener Zeit war der Angeklagte 
nicht Rechtsanwalt. 
Zulaſſung aufgegeben und iſt erſt Ende April 1901 
zur Rechtsanwaltſchaft wieder zugelaſſen worden. Da 
es ſich nicht um die Ausſchließung handelt, konnte das 


Er hatte im Auguſt 1898 die 


219 


— n. ̃ — ̃ —.— (—'— — — 


Verhalten des Angeklagten aus der Zeit von Auguſt 1898 
bis Ende April 1901 der ehrengerichtlichen Beurteilung 
nicht unterzogen werden.“ 

Reichsgerichtsrat Maenner in Leipzig. 


Ein Vorſchlag zur Aufhebung des 5 75 des Ge- 
richtsverfaſſungsgeſetzes. Man betont häufig, daß in 
der Strafrechtspflege die möglichſt ſchnelle Erledigung 
der Strafſachen zweckmäßig ſei. Der ſtrafbaren 
Handlung müſſe alsbald die Strafe folgen. Erſt da⸗ 
durch könne die Strafe die rechte Wirkung ausüben. 
Auch um ein möglichſt richtiges Bild der ſtrafbaren 
Handlung zu gewinnen, ſei eine raſche Behandlung 
der Sache notwendig. Je größer der Zeitraum 
zwiſchen der Begehung der Tat und ihrer Aburteilung 
fei, um fo mehr beſtehe die Gefahr, daß den Haupt⸗ 
beteiligten, insbeſondere den Zeugen, der Vorfall aus 
dem Gedächtnis entſchwinde. Auf Grund dieſer Er⸗ 
wägungen hat man ſchon wiederholt Vorſchläge ge- 
macht, wie die Behandlung der Strafſachen beſchleunigt 
werden könne. Ich möchte darauf hinweiſen, daß 
vornehmlich bei den überwieſenen Schöffengerichts— 
ſachen eine raſchere Erledigung ſehr wohl möglich ſei. 
Der raſchen Erledigung dieler Sachen ſteht § 75 GVG. 
entgegen. Nach dieſer Geſetzesbeſtimmung kann eine 
Reihe von Vergehen durch die Strafkammern an die 
Schöffengerichte unter beſtimmten Vorausſetzungen 
verwieſen werden. Man ſtelle ſich einmal vor, wel- 
chen Weg eine überwieſene Sache zu durchlaufen hat. 
Zunächſt wird die Anzeige bei dem Amtsanwalt ein- 
gereicht. Das geſchieht wenigſtens in allen denjenigen 
Gebietsteilen, wo es ſelbſtändig funktionierende Amts— 
anwälte gibt, ſo in einigen Teilen Preußens, in der 
Rheinpfalz und Rheinheſſen. Der Amtsanwalt be— 
arbeitet die Anzeige, pflegt die noch etwa notwendigen 
Ermittelungen und legt ſie dann dem Staatsanwalt 
vor, vielfach zugleich mit einem Entwurf der Anklage— 
ſchrift. Der Staatsanwalt prüft die Akten und leitet 
ſie der Strafkammer zu, mit dem Antrag, die Sache 
dem Schöffengericht zu überweiſen. Der Vorſitzeude 
der Strafkammer beſtimmt zunächſt einen Referenten 
für die Sache. Falls die geſetzlichen Vorausſetzungen 
zutreffen, beſchließt dann die Strafkammer die Ver: 
weiſung. Nur ſelten ordnet die Strafkammer neue Er— 
hebungen an. Die Akten gehen nunmehr wieder an den 
Staatsanwalt zurück, der ſie dem Amtsanwalt wieder 
zuleitet. Der Amtsanwalt trägt die Sache unter 
einer neuen Ziffer in ſeinem Anzeigeverzeichnis ein 
und legt ſie alsdann dem Amtsrichter zur Termins— 
beſtimmung vor. Man bedenke, welche Zeit darüber 
hingeht, bis die Sache an den aburteilenden Richter 
gelangt. Den günſtigſten Fall angenommen, daß von 
allen beteiligten Beamten prompt gearbeitet wird, 
vergehen von der Vorlegung der Anzeige an den Staats— 
anwalt bis zur Vorlegung an den Amtsrichter zehn bis 
vierzehn Tage. Häufig aber verſtreichen mehrere 
Wochen. Man darf als ſicher annehmen, daß ſowohl 
der Staatsanwalt als auch der Strafkammerreferent 
die Schöffengerichtsſachen nicht ganz mit dem Intereſſe 
behandelt wie die zur ausſchließlichen Zuſtändigkeit 
der Strafkammer gehörigen Sachen. Der Straf— 
kammerreferent wartet in der Regel, bis er mehrere 
Schöffengerichtsſachen zuſammen hat, um dann darüber 
Vortrag zu halten. Hat er dringende Strafkammer— 
ſachen zu bearbeiten, läßt er die Schöffengerichtsſachen 


unter Umſtänden eine Zeit lang unerledigt liegen. 
Die Frage ergibt ſich: Iſt im Intereſſe der Sache 
eine Prüfung und Verbeſcheidung durch die obere 
Inſtanz geboten? 

Nach 8 75 GVG. kann die Strafkammer eine 
Reihe von Vergehen an die Schöffengerichte verweiſen, 
wenn nach den Umſtänden des Falles anzunehmen iſt, 
daß wegen des Vergehens auf keine andere und höhere 
Strafe als auf eine Gefängnisſtrafe von höchſtens 


ſechs Monaten oder eine Geldſtrafe von höchſtens 


1500 M allein oder neben Haft oder in Verbindung 
mit einander oder in Verbindung mit Einziehung und 
auf keine höhere Buße als 1500 M zu erkennen fein 
wird. Die Ueberweiſung ift alfo an das mehr äußer⸗ 
liche Moment der Strafhöhe geknüpft. Die Straf: 
kammer ſoll nicht etwa verweiſen, wenn der Fall be- 
ſonders glatt liegt, der Beweis der Schuld keine 
Schwierigkeiten bietet, ſondern, wenn eine beſtimmte 
Strafhöhe vorausſichtlich nicht überſchritten wird. Die 
Strafkammern neigen zur Verweiſung ſchon aus dem 
Grunde, um ſich zu entlaſten. Das die Sachbehand⸗ 
lung verzögernde Ueberweiſungsverfahren könnte da— 
durch wegfallen, daß die Zuſtändigkeit der Schöffen⸗ 
gerichte erweitert und der Kreis der überwieſenen 
Sachen ihnen von vornherein ganz oder teilweiſe zu— 
gewieſen würde. Man darf wohl davon ausgehen, 
daß, wie die Schöffengerichte im ſtande find, über die 
überwieſenen Sachen zu urteilen, die Schöffengerichts— 
vorſitzenden die Fähigkeit beſitzen, darüber zu ent- 
ſcheiden, ob überhaupt das Verfahren eröffnet werden 
fol. Die Schöffengerichte ſind ja an die dem Ueber- 
weiſungsbeſchluß zugrunde liegende rechtliche Be— 
urteilung des Tatbeſtandes nicht gebunden, wie ſie 
auch die Strafgrenze von ſechs Monaten überſchreiten 
können. Durch die Novelle zum Gerichtsverfaſſungs— 
geſetz vom 5. Juni 1905 wurde ſowohl die primäre 
Zuſtändigkeit der Schöffengerichte als auch die Ueber— 
weiſungsbefugnis der Strafkammern erweitert. Man 
könnte ruhig weitergehen und die Ueberweiſung ganz 
aufheben. Den erheblichſten Prozentſatz der über— 
wieſenen Sachen bilden die Vergehen der qualifi— 
zierten Körperverletzung. Nun ſind für die einfachen 
und fahrläſſigen Körperverletzungen nach der Novelle 
die Schöffengerichte zuſtändig, nicht aber für die 
qualifizierten. Der Begriff der qualifizierten Körper— 
verletzung, unter den in der Praxis hauptſächlich die 
mittels eines gefährlichen Werkzeugs ſowie die gemein— 
ſchaftlich verübte Körperverletzung fällt, iſt nicht derart 
ſchwer feſtzuſtellen, daß zuerſt eine höhere Inſtanz 
darüber befinden müßte. Auch die rechtliche Wür— 
digung der häufig überwieſenen Vergehen des Wider— 
ſtandes gegen die Staatsgewalt, der Beleidigung 
und der Sittlichkeitsvergehen bietet keine beſonderen 
Schwierigkeiten. Im Intereſſe der Beſchleunigung 
des Verfahrens, der Selbſtändigkeit der einzelnen Ge— 
richte und der Entlaſtung der Strafkammern erſcheint 
deshalb die Aufhebung der Ueberweiſung und die be— 
ſtimmte Umgrenzung der ſchöffengerichtlichen Zu— 
ſtändigkeit geboten. Freilich ſetzte eine ſolche Aende— 
rung voraus, daß das Inſtitut der Amtsanwälte für 
das ganze deutſche Bundesgebiet einheitlich geregelt 
würde. Bekanntlich ſind in den einzelnen Bundes— 
ſtaaten die Verhältniſſe der Amtsanwälte durchaus 
verſchieden. In Bayern r. d. Rh. z. B. ift der Neben- 
beamte des Bezirksamts, in verſchiedenen Teilen 
Preußens der Bürgermeiſter oder ein ſonſtiger Be— 
amter der Polizeiverwaltung zugleich Amtsanwalt. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in n Bayern. 1908. Nr. 11. 


Für jedes einzelne Amtsgericht oder nach Lage der 
Geſchäfte für mehrere Amtsgerichte wäre ein Amts- 


anwalt zu beſtellen, der nach ſeiner Vorbildung (Be⸗ 
fähigung zum Richteramt, ausreichende Praxis bei 
einem Staats- oder Amtsanwalt) imſtande wäre, auch 
kompliziertere Anzeigen zu würdigen und Anklage zu 
erheben. Bei entſprechender Vorbereitung der Anklage 
wären die Amtsrichter ſicherlich auch nach der erwei⸗ 
terten Zuſtändigkeit der Schöffengerichte in der Lage, 
über die Eröffnung des Hauptverfahrens einen zu: 
treffenden Beſchluß zu faſſen. 


Amtsrichter Doſenheimer in Ludwigshafen a. Rh. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


Haltung einer bayeriſchen Stadtgemeinde, welche 
die Benützung eines gefährlichen Steges nicht verhindert 
und auch den Zuſtand des Steges nicht verbeſſert. Wit: 
verſchul den des Verletzten. Der Weinhändler K., der 
ſich auf einer Geſchäftsreiſe in dem Städtchen TS. be: 
fand, verirrte ſich am 4. November 1904 abends gegen 
9 Uhr, als er zum Bahnhof gehen wollte; er wurde 
von einem ihm Begegnenden in die Sch.'gaſſe gewieſen, 
von wo aus er über einen Steg unmittelbar an den 
Bahnhof kommen konnte. Dieſer Weiſung folgte K., 
er ſtürzte jedoch von dem über den Kr. bach führenden 
Steg und verletzte ſich. Er beanſpruchte von der Stadt— 
gemeinde W. Schadenserſatz. Das OLG. hat den Klags⸗ 
anſpruch zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt 
erklärt. Die Reviſionen beider Parteien blieben erfolglos. 

Gründe: Der Steg über den Kr. bach bildet die 
Verbindung der Sch.'ſtraße mit einer öffentlichen AMn- 
lage, von der aus man weiterhin zu der M.'ſtraße 
und anderen Straßen gelangt; die Sch.'ſtraße war 
ſohin eine öffentliche Ortsſtraße. Der Steg — das 
Stück eines Staketenzauns — beftand aus zwei Zaun— 
riegeln mit rautenförmig darüber genagelten runden 
Staketen, über die ein 37 em breites, von den beiden 
Ufern 27—30 em abſtehendes Brett gelegt war. Auch 
die Staketen reichten nicht bis an die Ufer, ſo daß ſich 
auf beiden Seiten des Baches zwiſchen den Riegeln 
offene Stellen befanden. Das Zaunſtück war von Un— 
befugten von der Abſchließung der erwähnten öffent— 
lichen Anlage abgeriſſen und über den Bach gelegt 
worden. Nach der Feſtſtellung des OLG. hatte die 
Beklagte bis zum Frühjahr 1904 das Zaunſtück einige— 
male entfernen und an ſeine Stelle verbringen laſſen, 
auch die Schutzmannſchaft angewieſen, die Benützung 
des mangelhaften und für einen ſicheren Uebergang 
ungeeigneten Steges zu verhindern; vom Frühjahr 
1904 an aber hatte ſie jede weitere Bekämpfung des 
ordnungswidrigen Zuſtandes — die ſo, wie geſchehen, 
unzulänglich und ohne Erfolg geweſen ſei — unter— 
laſſen, jo daß das Zaunſtück ſelbſt nach dem fraglichen 
Unfall über dem Bach liegen blieb. Das OLG. hat 
die Haftung der Beklagten für den Unfall bejaht, weil 
das paſſive Verhalten der Beklagten, die aus der Hart— 
näckigkeit des Publikums erſehen habe, daß ein Ver— 
kehr über den Kr. bach von der Sch.'ſtraße aus einem 
allgemeinen Bedürfnis entſpreche, eine ſtillſchweigende 
Duldung der Benützung des ſicherheitsgefährlichen 
Steges ſei, und weil ſie dadurch fahrläſſigerweiſe ihre 
Pflicht, einen gefahrloſen Verkehr innerhalb der Stadt 
zu ſchaffen, verletzt habe. Die Reviſion macht geltend, 
daß der Steg kein öffentlicher Weg geweſen, daß er 


gegen den Willen der Beklagten angebracht worden 
und geblieben, daß auch nicht einmal feſtgeſtellt ſei, ob 
der Bach im Eigentum der Beklagten ſtehe; es könne 
deshalb auch die Beklagte nicht dafür in Anſpruch ge⸗ 
nommen werden, daß bei Benützung des Steges ein 
Schaden entſtanden ſei. Dieſem Angriff kann jedoch 
nicht ſtattgegeben werden. 
Aus den magiſtratiſchen Akten ergibt ſich, daß auf 
mehrere Eingaben von Einwohnern um Errichtung 
eines Stegs über den Kr.'bach zur Verbindung der 
Sch.'ſtraße mit der M.'ſtraße zwar der Magiſtrat bis 
Ende 1902 ſich ablehnend verhalten hat, daß aber das 
Kollegium der Gemeindebevollmächtigten am 1. Mai 
1903 ſich einſtimmig dem Antrag auf Errichtung eines 
Stegs angeſchloſſen und am 29. November 1904 eben- 
falls einſtimmig den erwähnten Antrag gutgeheißen 
und die ungeſäumte Errichtung eines Stegs verlangt 
hat. Weitere Schritte ſind unterblieben, weil man in 
dem Prozeß freie Hand behalten wollte. Hieraus iſt 
zu folgern, daß der Beklagten, die nach der Sachlage 
Eigentümerin der beiden Bachufer war, die Verfügung 
über den Bach und ſeine Ufer an der fraglichen Stelle 
zuſtand (Art. 39 des bayer. Waſſer. vom 28. Mai 1852). 
Wenn nun auch der Uebergang kein öffentlicher Weg 
war, und wenn er auch nicht dadurch, daß die Beklagte 
feit Frühjahr 1904 feine Benützung geduldet hat, ſtill⸗ 
ſchweigend dem gemeinen Gebrauch gewidmet und zum 
öffentlichen Weg geworden iſt (Kahr, GemO. S. 344), 
wenn alſo die Erſatzpflicht der Beklagten ſich nicht 
darauf gründet, daß ſie die gebotene Sorge für die 
Sicherung eines öffentlichen Weges verſäumt hat, ſo 
liegen die Verhältniſſe hier doch ſo eigenartig, daß 
der Auffaſſung des OLG. nicht entgegenzutreten iſt, 
die Beklagte habe durch ihr Verhalten die im Verkehr 
erforderliche Sorgfalt vernachläſſigt und dadurch den 
Unfall herbeigeführt. Der Uebergang ſchuf eine Ver— 
bindung von der Sch.'ſtraße zur M.'ſtraße; er diente 
einem allſeitig anerkannten Verkehrsbedürfnis und 
wurde fortgeſetzt benützt; feit dem Frühjahr 1904 ließ 
die Beklagte die Benützung des Uebergangs ungeſtört 
zu, ſo daß, wie das Beiſpiel des Klägers und der 
Perſon, die ihn auf den Steg gewieſen hat, zeigt, der 
Anſchein im Publikum erweckt wurde, als ſei nunmehr 
der Uebergang ein geſtatteter öffentlicher Weg. Die 
Beklagte war aber nach der Feſtſtellung des OLG. 
nicht im Zweifel, daß insbeſondere Ortsunkundige den 
Steg, wenn ſie dahin gewieſen wurden, betreten und 
verunglücken konnten. Daher durfte die Beklagte nicht 
untätig bleiben, wenn ſie ihrer Pflicht nachkommen 
wollte, den Verkehr innerhalb der Stadt vor Gefähr— 
dung zu ſchützen. Sie mußte entweder einen verkehrs— 
ſicheren Steg über den Bach führen oder den gefähr— 
lichen Uebergang auf dem lückenhaften Zaunſtück ab— 
ſtellen. Sie hat aber weder das eine, noch das andere 
getan, ſondern ſich bis zum Frühjahr 1904 mit den 
vom OLG. als unzulänglich bezeichneten Maßnahmen 
begnügt und ſpäter ſogar den Verkehr trotz der offen— 
ſichtlich drohenden Gefahren freigegeben. Dagegen iſt 
der Uebergang, über den die Beklagte die Verfügungs— 
macht hatte, weder durch einen Beſchluß der Gemeinde— 
verwaltung für unſtatthaft erklärt, noch, wie dies bei 
der Sperre von Wegen zu geſchehen pflegt, durch eine 
ortspolizeiliche Vorſchrift unter Strafandrohung ver— 
boten worden. Das OLG. hat angenommen, daß ſchon 
ein ſolches Verbot nach Beſeitigung des Stegs aus— 
reichend geweſen ſein würde, um jeden Verſuch, den 
Steg wieder herzuſtellen, für die Folgezeit hintanzu— 
halten. Es kommt daher auf die weitere von der Re— 
viſion als überſpannt gerügte Anforderung des OLG. 
nicht an, die Beklagte hätte den Staketenzaun durch 
einen eiſernen oder einen Drahtzaun erſetzen ſollen. 
Der Anſchauung des OL G., daß die eigene Un- 
vorſichtigkeit des Klägers den Unfall mitverurſacht 
habe, ſtehen Bedenken nicht entgegen. Das OLG. hat 
ausgeführt, daß der in W. fremde Kläger als reiſe— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


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221 


gewandter Kaufmann in der unbeleuchteten Sch. ftraße 
hätte merken müſſen, daß er ſich auf keinem normalen 
zum Bahnhof führenden Weg befinde. Statt umzu⸗ 
kehren und beleuchtete Straßen aufzuſuchen, habe er 
auf den Rat eines Unbekannten den dunkeln Weg 
fortgeſetzt und den Steg betreten, der, wie er bei dem 
erſten Schritt erkennen mußte, ohne Geländer war. 
Er hätte ein Streichholz anzünden und vorſichtig taſtend 
den Steg überſchreiten, oder, wenn er ohne Zündholz 
war, ihn nicht begehen ſollen. Die Beurteilung des 
OLG. beruht ſohin weſentlich auf der Würdigung 
perſönlicher und örtlicher, alſo tatſächlicher Verhält⸗ 
niſſe. Ohne Rechtsirrtum hat das OLG. darin eine 
Fahrläſſigkeit des Klägers erblickt, daß er ſich in einer 
fremden Stadt bei finſterer Nacht an abgelegenem Ort 
auf einen Steg wagte, deſſen Beſchaffenheit ihm un⸗ 
bekannt war und von ihm nicht unterſucht wurde. 
Auch die Verteilung des Schadens unter die Parteien 
iſt nicht zu beanſtanden. Wenn dem Kläger, der eilig 
zur Bahn wollte, kein grobes Verſchulden zur Laſt 
fällt, ſo iſt das der Beklagten auch kein beſonders 
ſchweres. (Urt. vom 30. März 1908). 5 
1272 — — cht — — 


II. 


„ Schnelldruckpreſſe kein Gebäudeteil. Begriff des „Gin: 
fügens“. Bedeutung der Berkehrsauſfaſſung. Antriebs vor⸗ 
richtung als Zubehör der Maſchine. Die Klage geht 
auf Grund des im Maſchinenkaufvertrage vom 5. Ok- 


tober 1904 enthaltenen Eigentumsvorbehalts auf Aner— 


kennung des Eigentums an der Alluſtrationsſchnell— 
preſſe „Exzellent“ mit Einrichtungen, Zubehör und 
Ausſtattung, ſowie auf deren Herausgabe. Das LG. 
hat die beklagte Konkursmaſſe, welche die Preſſe als 
Gebäudebeſtandteil in Anſpruch nimmt, zur Heraus— 
gabe verurteilt. Dieſe Entſcheidung wurde unter Auf— 
hebung des die Klage abweiſenden oberlandesgericht— 
lichen Urteils vom Reichsgerichte gebilligt. 

Aus den Gründen: Wie der erſte Richter 
zutreffend ausgeführt hat, wie ſich aus dem Wortlaut 
des § 93 BGB. ergibt und wie das Reichsgericht ſchon 
wiederholt ausgeſprochen hat, kann weſentlicher Be— 
ſtandteil nur das ſein, was Beſtandteil überhaupt, 
d. i. unſelbſtändiges Stück des Geſamtkörpers, mit dieſem 
im wahren (mechaniſchen), nicht bloß im übertragenen 
Sinne verbunden ift. (RGR. 63 S. 171). Dieſe Bor: 
ausſetzung trifft hier nicht zu. Nach den durch die 
Beweisaufnahme der Berufungsinſtanz nicht geänderten 
Feſtſtellungen des landgerichtlichen Urteils ſteht die 
ſtreitige Maſchine auf dem aus Zement hergeſtellten 
Boden des Maſchinenſaales, iſt mit dieſem Boden nicht 
verbunden, hat vielmehr behufs Erzielung der nötigen 
Standhaftigkeit ein ungefähr 100 Ztr. ſchweres Funda— 
ment, das ein Stück der Maſchine ſelbſt bildet. Die 
Maſchine wird elektriſch betrieben. Die oberhalb der 
Maſchine befindliche Uebertragungswelle, welche durch 
Träger feſtgehalten wird, die durch die Decke des 
Maſchinenſaales hindurchgehen, empfängt ihre Kraft 
von dem Motor und überträgt ſie mit dem aufgelegten 
Transmiſſionsriemen auf die Empfängerwelle der 
Maſchine und auf dieſe ſelbſt. Die Schnellpreſſe iſt 
hiernach in das Gebäude nur einfach hineingeſtellt, 
mit ihm nicht körperlich und mechaniſch verbunden, 
alſo kein Beſtandteil des Gebäudes im gewöhnlichen 
Sinne des Wortes. Die notwendige Verbindung mit 
dem Ganzen kann auch nicht darin gefunden werden, 
daß die Maſchine zufolge ihres ſehr großen Eigen— 
gewichts ſehr feſt auf dem Boden aufruht und nur mit 
großer Kraftanwendung weiterbewegt oder wegge— 
nommen werden kann; dadurch wird ſie nicht zu einem 
Stück des Gebäudekörpers ſelbſt. Auch der loſe be— 
wegliche und leicht abwerfbare mittelbare Zuſammen— 
hang, in dem die Preſſe mit dem Gebäude durch Ver— 
mittelung des Transmiſſionsriemens ſteht, kann ſie 
nicht zum Gebäudebeſtandteil machen. Denn erſtlich 


222 


Zeitſchrift für Rechtspflege i in n Bayern. 1908. Nr. 11. 


hat dieſen Zweck der nur zur Inbetriebſetzung der 
Preſſe dienende Transmiſſionsriemen nicht und ſodann 
ſtellt er eine Verbindung von nennenswerter Feſtigkeit 
überhaupt nicht her, da eine ſolche das Merkmal der 
Ruhe erfordert. Iſt aber, wie gezeigt, die Schnellpreſſe 
nicht Gebäudes oder gar Grundſtücksteil im gewöhn⸗ 
lichen Sinne des Wortes, ſo kann ſie auch nicht weſent⸗ 
licher Beſtandteil i. S. der §§ 93, 94 BGB. geworden 
fein. Es kann daher unerörtert bleiben, ob im Be- 
rufungsurteile die übrigen Merkmale dieſer Geſetzes⸗ 
ſtellen, nämlich die Weſensänderung des Druckerei 
gebäudes bei Wegnahme der Maſchine (8 93) und die 
Einfügung der letzteren zur Herſtellung jenes Gebäudes 
(S 94) richtig feſtgeſtellt find. Es mag zugegeben 
werden, daß man unter „Einfügen“ ein Anpaſſen an 
und in die Fugen, an die Bauart, die Gliederung des 
Gebäudes verſtehen und wo dieſe gegeben iſt und noch 
beſonderes Eigenſchwergewicht des eingefügten Gegen— 
ſtandes hinzukommt, unter Umſtänden die Erforder— 
niſſe des § 94 a. a. O. als vorhanden annehmen kann, 
wie dies vom erkennenden Senat für den Dachſtuhl 
eines Neubaues ausgeſprochen worden ift. (RGB. 62 
S. 248). Auch kann im Einzelfalle, wie der Senat 
in feinem Urteile vom 12. November 1907 (V 53/07) 
anerkannt hat, bei ſolchen Fragen die Auffaſſung des 
Verkehrs eine erhebliche Rolle ſpielen, aber auch bei 
ſolchen Erwägungen kann hier der Preſſe die Eigen— 
ſchaft eines weſentlichen Beſtandteils des Gebäudes 
und Grundſtückes nicht zugeſprochen werden; eine be- 
N Anpaſſung der Maſchine an die Fugen, an 
ie Gliederung des Gebäudes lag nicht vor und die 
allgemeine Verkehrsauffaſſung ſpricht im Zweifel eher 
gegen die Beſtandteilseigenſchaft der Maſchinen als 
für ſie. Beſonders verhält es ſich hier noch mit der 
zur Schnellpreſſe gehörigen, Antriebs vorrichtung', 
die allerdings mit der Hauswand verſchraubt iſt. 
Aber dieſe Vorrichtung iſt offenbar mit der Preſſe 
ſelbſt nicht feſt verbunden, wenn auch zu ihr gehörig. 
Als weſentlicher Beſtandteil des Gebäudes kann ſie 
an gelten, muß vielmehr als Zubehör der 

Schnellpreſſe dieſer folgen. (Urt. des V. 8s. 448/07 vom 


4. April 1908). 
1267 
III. 


Bedeutung des e bei Zuſtellungen 
von Amts wegen. Si 12 Abi. 1 der ZBO.). Welche Folgen 
1 das Fehlen des Vermerks, welche Folgen eine uurichtige 

ngabe des Datums der Zuſtellung? ? Die Ehe der Parteien 
iſt vom LG. am 12. Februar 1907 geſchieden worden. 
Der für den ſchuldigen Teil erklärte Beklagte 


legte Berufung ein und beantragte, da nach Ausweis 


der bei den Gerichtsakten befindlichen Zuſtellungsur— 
kunde das landgerichtliche Urteil ſeinem Prozeßbevoll— 
mächtigten am 25. Februar 1907 von Amts wegen, 
die Berufungsſchrift dagegen ohne Vermittelung des 
Gerichtsſchreibers erſt am 26. März 1907 zugeſtellt 
worden war, ihn gegen den Ablauf der Berufungsfriſt 
in den vorigen Stand wieder einzuſetzen. Das OLG. 
hat die Wiedereinſetzung abgelehnt und die Berufung 
als unzuläſſig verworfen. Die Reviſion blieb erfolglos. 

Gründe: 1. In der Berufungsinſtanz behauptete 
der Beklagte, der Poſtbote habe, als er das landge— 
richtliche Urteil feinem Prozeß bevollmächtigten Rechts— 
anwalt G. zuſtellte, aus Verſehen unterlaſſen, 
auf den Briefumſchlag den durch 8212 Abſ. 1 ZPO 
vorgeſchriebenen Vermerk zu ſetzen, daß die Zuſtellung 
am 25. Februar 1907 geſchehen fei. Sein Prozeß⸗ 
bevollmächtigter 2. Inſtanz habe auf telephoniſche An— 
frage bei Rechtsanwalt G. die Mitteilung erhalten, 
daß die Zuſtellung am 27. Februar erfolgt ſei. 
jene Behauptung richtig geweſen, hätte alſo der Poſt— 
bote den Zuſtellungsvermerk auf dem Briefumſchlage 
unterlaſſen, ſo würde dies die „„ der 
Zuſtellung nicht beeinflußt haben. Der Vermerk iſt 
nur dazu beſtimmt, die für die Zuſtellung auf Partei— 


Wäre 


ſtandteil des Zuſtellungsverfahrens. 


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| 


betrieb durch 8 190 Abſ. 2 ZPO. vorgeſchriebene be⸗ 
glaubigte Abſchrift der Zuſtellungsurkunde zu erſetzen. 
In der Rechtſprechung des Reichsgerichts ſteht aber 
feft, daß, wenn der Zuſtellungsbeamte es verſäumt 
hat, dieſe Abſchrift herzuſtellen, oder wenn die herge⸗ 
ſtellte Abſchrift einen Mangel aufweiſt, die Rechts⸗ 
wirkſamkeit des Zuſtellungsaktes dadurch nicht gefährdet 
wird. Der Berufungsrichter iſt im Gegenſatze hierzu 
davon ausgegangen, daß wenn der Vermerk auf dem 
Briefumſchlage wirklich gefehlt habe, die Zuſtellung 
ungültig ſei. Das iſt unrichtig. Auszugehen war 
vielmehr davon, daß die Zuſtellung am 25. Februar 
1907 wirkſam geſchehen iſt, weil die bei den Gerichts⸗ 
akten befindliche, allen geſetzlichen Anforderungen ent: 
ſprechende Zuſtellungsurkunde ſolches ergab. Dann 
aber war die Berufung verſpätet und das Wieder- 
einſetzungsgeſuch aus den in dem Berufungsurteile 
weiterhin dargelegten Gründen hinfällig. Das Fehlen 
des Vermerks hinderte nämlich den für die 2. Inſtanz 
vom Beklagten beſtellten Prozeß bevollmächtigten nicht, 
anſtelle einer unzuverläſſigen telephoniſchen Anfrage 
die Gerichtsakten einzuſehen und dadurch die gehörige 
Zuſtellung ſowie den Zuſtellungstag feſtzuſtellen. Er 
war aber auch in der Lage, der Friſtverſäumnis vor⸗ 
zubeugen, wenn er die durch nichts gerechtfertigte 
Maßnahme unterließ, ſich ſelbſt den Betrieb der Zu— 
ſtellung vorzubehalten (S 168 ZPO.). Zur Rechtferti— 
gung dieſes die Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleinlegung 
geradezu gefährdenden Schrittes hat der Beklagte gar 
nichts vorzubringen vermocht. Wäre er unterblieben, 
jo würde der Beklagte, wie ſich aus dem Eingangs- 
vermerk des OLG. auf die Berufungsſchrift (23. Fe⸗ 
bruar 1907) ergibt, die Rechtsmittelfriſt ohne Zweifel 
eingehalten haben (S 166 Abſ. 1, 168, 196, 207 Abſ. 2 
ZPO.). Jedenfalls ift es nicht zu beanſtanden, wenn 
bei dieſer Sachlage der Berufungsrichter die Voraus— 
ſetzungen für eine Wiedereinſetzung in den vorigen 
Stand nach § 233 Abſ. 1 ZPO. nicht für erfüllt an- 
geſehen hat. 

2. Nun tritt aber der Beklagte in der Reviſions⸗ 
inſtanz mit der neuen Behauptung hervor, der Zu— 
ſtellungsvermerk habe auf dem Briefumſchlage nicht 
gefehlt, ſondern der zuſtellende Poſtbote habe auf dem 
Umſchlage vermerkt, daß die Zuſtellung am 27. F e- 
bruar 1907 ſtattgefunden habe. Die Reviſion ſtellt 
ſich ohne weiteres auf den Standpunkt, daß dieſes und 
nicht das durch die Zuſtellungsurkunde ausgewieſene 
Datum das richtige und daß die Berufung daher 
rechtzeitig eingelegt ſei. Mit dieſer Behauptung kann 
jedoch der Beklagte in der Reviſionsinſtanz nicht mehr 
Gehör finden. Es wäre etwas anderes, wenn der 
Zuſtellungsvermerk auf dem Briefumſchlage ein weſent⸗ 
liches Erfordernis für das Zuſtandekommen einer 
rechtswirkſamen Zuſtellung bildete. Denn in ſolchem 
Falle würde die Verpflichtung des Berufungsrichters, 
von Amts wegen die gehörige Einhaltung oder die 
Nichteinhaltung der Formalien des Rechtsmittels feſt— 
zuſtellen (8 535 ZPO.), ſoweit gehen, daß er in dieſer 
Beziehung ſeine Entſcheidung nicht nach der Zuſtellungs— 
urkunde allein zu treffen hätte, fondern ſich auch den 
Briefumſchlag mit dem Zuſtellungsvermerke vorlegen 
laffen müßte. Wie aber bereits bemerkt wurde, bildet 
weder die Ausſtellung des Vermerkes überhaupt noch 
auch ſeine richtige Ausſtellung einen weſentlichen Be— 
Der Berufungs- 
richter hatte daher angeſichts der in den Gerichtsakten 
befindlichen, allen Geſetzeserforderniſſen entſprechenden 
Zuſtellungsurkunde ſowie mit Rückſicht darauf, daß 
deren Richtigkeit von keiner Seite in Zweifel gezogen 
wurde, keine Veranlaſſung, ſeine Unterſuchung auf 
die gehörige Einhaltung der Vorſchrift des § 212 
Abſ. 1 auszudehnen. Der Vorwurf einer Geſetzesver— 
letzung trifft ihn daher nicht (8 549 Abſ. 1) und es 
liegt insbeſondere kein Fall des § 551 Nr. 2 b, e vor, 
in welchem das jetzige tatſächliche Vorbringen des 


Zeitſchrift für itſchrift für Rechtspflege in Bayern. 19 in Bayern. 1908. Nr. 11. 


Beklagten gemäß 8 561 ZPO. ausnahmsweiſe noch 
in der Reviſionsinſtanz Beachtung finden könnte. Das 
würde ſelbſt dann gelten, wenn die Zuſtellung wirk- 
lich erſt am 27. Februar 1907 ſtattgefunden hätte. (Urt. 
des IV. 35. vom 9. März 1908, IV 582/07). 

1269 


— — = n. 


B. en 


Strafzumeſſung unter keene Feſtſtellung von 
Tatſachen in Schwurgerichtsſachen. Angeblicher Wider⸗ 
ſyruch mit dem Spruche der Geſchworenen. Die allein 
erhobene Rüge, das Strafmaß ſei zum Nachteil der 
Angeklagten in unzuläſſiger Weiſe beeinflußt worden, 
iſt nicht begründet. Da die Geſchworenen die aus 
§ 271 StGB. geſtellte Hauptfrage verneint und nur 
die Hilfsfrage auf fahrläſſige Tötung bejaht hatten, 
durfte das Gericht allerdings nicht ſtrafſchärfend etwa 
die Erwägung Platz greifen laſſen, daß die Ange— 
klagte den Tod ihres Kindes vorſätzlich herbeigeführt 
habe. Dies iſt aber auch nicht geſchehen. Vielmehr 
wurde ſtrafſchärfend nur berückſichtigt, daß die Ange— 
klagte brutal zu Werke gegangen ſei; dieſe Brutalität 
wurde darin gefunden, daß ſie ihr Kind ausſetzte 
und ihm dabei noch Verletzungen durch Fußtritte 
beibrachte. Danach hat ſich das Gericht nicht mit 
dem Spruche der Geſchworenen in Widerſpruch ge— 
ſetzt. Denn mag die Angeklagte auch bei der vom 
Gericht bezeichneten Handlungsweiſe vorſätzlich ge— 
handelt haben, ſo iſt doch mit keinem Worte auch 
nur angedeutet, daß das Gericht eine vorſätzliche 
Herbeiführung des Todes angenommen hat. Zur 
ſelbſtändigen Feſtſtellung jener Tatſachen war aber das 
Gericht berechtigt. Die Geſchworenen haben nur dar— 
über zu befinden, ob das unter Anklage geſtellte Tun 
erwieſen, unter den im Strafgeſetz bezeichneten Tat— 
beſtand zu ſtellen und dem Angeklagten ſtrafrechtlich 
zuzurechnen iſt, während der Gerichtshof die verwirkte 
Strafe nach den Umſtänden des Einzelfalles feſt— 
zuſetzen hat. Soweit dafür das Ergebnis der Ver— 
handlung zu würdigen ift, hat er die Würdigung 
ſelbſtändig vorzunehmen und muß die in Betracht 
kommenden Tatſachen ſelbſtändig feſtſtellen. (RGE. 
Bd. 12 S. 150, Bd. 36 S. 18). Da die 1 auch 
innerhalb des im $ 222 StB. gegebenen Rahmens 


liegt, war die Verwerfung der Reviſion geboten. 
(Urt. d. V. StS. v. 31. März 1908, 5 D 163/08). 
1275 


— — — e — 


II. 


Nach welchem Geſetz iſt die Strafe bei einem unter 
mildernden Umſtänden verübten Verbrechen nach 85 177, 
43, 176 Nr. 3, 3 73 StB. zu bemeſſen? Der Ange⸗ 
klagte iſt durch den Spruch der Geſchworenen der ver— 
ſuchten Notzucht und des vollendeten Verbrechens nach 
§ 176 Nr. 3 StGB. in einheitlichem Zuſammentreffen 
unter Bewilligung mildernder Umſtände für ſchuldig 
befunden worden. Die Strafe ift aus § 176 Nr. 3 
StGB. verhängt worden. Dadurch ift 8 73 StGB. 
verletzt. Denn für die Frage, welches Gefeg die ſchwerſte 
Strafe androht, entſcheidet die Strafandrohung i in thesi. 
Dabei kommt zwar in Betracht, ob das eine oder 
andere der in einheitlicher Handlung verübten Delikte 
im Stadium des Verſuchs geblieben ift.!) Auch die 
für den Fall der Bewilligung mildernder Umſtände 
angedrohte Strafe iſt in Betracht zu ziehen, jedoch 
ohne Rückſicht darauf, ob die mildernden Umſtände 
tatſächlich bewilligt find oder nicht. In erſter 
Linie entſcheidet bei der Gleichheit der Strafart 
das Höchſtmaß der angedrohten ordentlichen 
Strafe; nur wenn bei beiden Delikten die höchſte zu— 


1) Vgl. diefe Ztſchr. Bd. 11 S. 318 Nr. U. 


223 


läſſige ordentliche Strafe gleich bemeſſen iſt, kommt 
das angedrohte Strafminimum und hierbei gegebe— 
nen Falles auch die für den Fall der Bewilligung 
mildernder Umſtände angedrohte niedrigſte Strafe 
in Betracht (RGRſpr. Bd. 10 S. 159, RG. Bd. 30 
S. 284). Darnach mußte hier die Strafe aus 
§§ 177, 44 StGB. verhängt werden, da bei verſuchter 
Notzucht das Höchſtmaß der ordentlichen Strafe 14 
Jahre 11 Monate, bei dem vollendeten Verbrechen 
nach $ 176 Nr. 3 StGB. dagegen nur 10 Jahre Zucht⸗ 
haus beträgt. (Folgt die Ausführung, warum der Ange⸗ 
klagte im vorliegenden Falle durch den Verſtoß nicht 
beſchwert iſt). Auch dadurch, daß in dem Tenor des 
Urteils die Verurteilung des Angeklagten „wegen 
Sittlichkeitsverbrechens, begangen in einheitlicher Hand⸗ 
lung mit Notzuchtsverſuch“ ausgeſprochen iſt, anſtatt, 
wie es hätte geſchehen ſollen, wegen verſuchter Not⸗ 
zucht, begangen in einheitlicher Handlung mit einem 
Verbrechen wider die Sittlichkeit nach 8 176 Nr. 3 


StGB., ift der Angeklagte in keiner Weiſe benach⸗ 

teiligt. (Urt. d. V. StS. v. 24. März 1908, 5 D 

190/08). 3 
1276 


III. 


8 385 Abſ. 1 StPO. Da der Angeklagte nach den 
Ermittelungen am 16. Dezember 1907 in der R. ſtraße 73 
zu E. ein Geſchäftslokal nicht hatte, entſpricht die Zus 
ſtellung des Urteils, die dort zu Handen ſeines übrigens 
auch nicht als Gewerbsgehilfen bezeichneten Sohnes 
erfolgt ift, den nach 8 37 StPO. anzuwendenden Bor- 
ſchriften der ZPO. — 8 180 Abſ. 2, 8 183 Abſ. 1 — 
nicht und hat ſohin die Friſt des § 385 Abſ. 1 StPO. 
nicht in den Lauf geſetzt. (Beſchluß des V. StS. vom 
6. März 1908, 519/08). — —— e — 

1278 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
I. 


Hängt die Fälligkeit eines Hypsthekkapitals 8 5 
ab, daß der Schuldner die Zinſen nicht rechtzeitig zahl 
ſo darf die Vollſtreckungsklauſel zu dem Hypotheken 
briefe nicht deshalb verweigert werden, weil der Verzug 
nicht nachgewieſen iſt. Laut der Urkunde des Notars 
N. in N. (Pfalz) vom 29. Januar 1876 ſchuldeten der 
Winzer Nikolaus K. und ſeine Frau als Geſamt— 
ſchuldner dem Lehrer B. aus einem Darlehen 1300 M. 
Dieſer Betrag war mit 6% zu verzinſen und ein 
Vierteljahr nach der Kündigung zurückzuzahlen. Die 
Zinſen waren jährlich am 11. November zu entrichten; 
wenn fie nach dem Eintritte der Fälligkeit nicht ge- 
zahlt würden, ſollten auch die rückſtändigen Zinſen 
mit 6% verzinſt werden und das Kapital fällig ſein. 
Zur Sicherung der Zahlung des Kapitals, der Zinſen 
und der Koſten verpfändeten die Schuldner mehrere 
Grundſtücke. Der Notar erteilte dem Gläubiger eine 
vollſtreckbare Ausfertigung der Urkunde. Die Hypothek 
wurde in die Regiſter des Hypothekenamts einge— 
ſchrieben. Nach dem Tode des Gläubigers wurde die 
Forderung mit allen Rechten auf die Tochter Suſanne 
H. übertragen. Bei der Anlegung des Grundbuchs 
wurden Nikolaus K. und ſeine acht Kinder, die mit 
ihm die Erben ſeiner Frau geworden waren, als Mit⸗ 
eigentümer der zur Sicherung jener Darlehensforderung 
verpfändeten Grundſtücke und die der Suſanne H. zu— 
ſtehende Sicherungshypothek eingetragen. Die an— 
geführten Urkunden des Notars N. werden jetzt von 
dem Notariate II in N. (Pfalz) verwahrt. An dieſes 
ſtellte Suſanne H. den Antrag, ihr die Vollſtreckungs— 
klauſel zu der Ausfertigung der Urkunde vom 29. Jaz 
nuar 1876 für das Kapital und für die auf 5% er— 
mäßigten Zinſen daraus ſeit dem 1. Januar 1903 


224 


gegen Nikolaus K. und die übrigen Erben feiner Frau 
zu erteilen, weil die Schuldner ſeit jenem Tage Zinſen 
nicht mehr gezahlt hätten. Das Notariat lehnte den 
Antrag ab, weil weder ein Nachweis des Verzugs 
hinſichtlich der Zahlung der Zinſen in der im 8 726 
ZPO. vorgeſchriebenen Form erbracht, noch die Unter- 
brechung oder Hemmung der Verjährung bewieſen ſei. 
Auf den von Suſanne H. an das Landgericht geſtellten 
Antrag, die Entſcheidung des Notariats aufzuheben, 
wies das Landgericht das Notariat an, die Boll- 
ſtreckungsklauſel „für die Zinſen“ zu erteilen; im 
übrigen wies es, weil „der Eintritt der Bedingung 
d. i. des Verzugs der Zinszahlung“ nicht bewieſen fei, 
die „Beſchwerde“ zurück, und unter Anwendung des 
8 92 BPO. legte es die Koſten „den Parteien“ je zur 
Hälfte auf. Gegen dieſe Entſcheidung legte die Witwe 
H. „weitere“ Beſchwerde ein mit dem Erfolg, daß das 
Oberſte Landesgericht die Entſcheidung des Landgerichts, 
ſoweit ſie der Suſanne H. Koſten auferlegte, aufhob 
und im übrigen dahin änderte, daß das Notariat II 
in N. der Suſanne H. die Vollſtreckungsklauſel auch 
für die Hauptforderung von 1300 M zu erteilen hat. 

Gründe: Nach Art. 45 des NotG. vom 9. Juni 
1899 ſind nicht bloß für die Vollſtreckbarkeit der no⸗ 
tariellen Urkunden, ſondern auch für die Erteilung 
voll ſtreckbarer Ausfertigungen folder Urkunden die 
Beſtimmungen der ZPO. maßgebend. Dieſe Vorſchrift 
gilt jetzt auch für die Notariatsurkunden, die unter 
der Herrſchaft des Geſ. über die Organiſation des 
Notariats vom 25. ventöüse XI von einem pfälziſchen 
Notar aufgenommen wurden. Auf Grund der Voll— 
ſtreckungsklauſel, die dem urſprünglichen Gläubiger 
im Jahre 1876 zu der Ausfertigung der Urkunde vom 
29. Januar 1876 in der den damaligen Vorſchriften 
entſprechenden Form erteilt wurde, kann daher die 
Rechtsnachfolgerin jenes Gläubigers zur Zwangs— 
vollſtreckung gegen den Schuldner Nikolaus K. und 
die übrigen Rechtsnachfolger ſeiner verſtorbenen Frau 
nicht ſchreiten. Sie mußte deshalb bei dem Notariate, 
das die Urkunde verwahrt, beantragen, daß zu der in 
ihrem Beſitze befindlichen Ausfertigung der Urkunde 
die Vollſtreckungsklauſel ihr als Rechtsnachfolgerin 
des urſprünglichen Gläubigers gegen die jetzigen 
Schuldner erteilt werde. Nach § 797 Abſ. 2 ZPO. 
konnte das Notariat dem Antrag entſprechen, wenn 
die geſetzlichen Erforderniſſe erfüllt waren. Nach 8 795 
ZPO. finden die Beſtimmungen der 88 724 bis 793, 
alſo auch die Vorſchriften des § 726 Abſ. 1 und des 
8 727, auf die Zwangsvollſtreckung aus notariellen 
Urkunden entſprechende Anwendung. Nach 8 726 Abſ. 1 
darf eine vollſtreckbare Ausfertigung, alſo auch die 
Vollſtreckungsklauſel zu einer ſchon erteilten Aus- 
fertigung, nur erteilt werden, wenn durch öffentliche 
oder öffentlich beglaubigte Urkunden die Tatſache be— 
wieſen iſt, von deren durch den Gläubiger zu be— 
weiſendem Eintritte nach dem Inhalte der Urkunde 
die Vollſtreckung abhängt. Nach dem Inhalte der 
Urkunde vom 29. Januar 1876 konnte der Gläubiger 
die Zurückerſtattung des Darlehens ein Vierteljahr 
nach der Kündigung oder ohne weiteres in dem Falle 
fordern, daß die Schuldner die Zinſen nach dem Ein— 
tritte der Fälligkeit nicht zahlten. Die Gläubigerin 
gibt zu, die Forderung nicht gekündigt zu haben; ſie 
begründet ihren Antrag mit der Behauptung, daß die 
Schuldner ſchon ſeit mehreren Jahren die Zinſen nicht 
gezahlt haben. Das Landgericht ging davon aus, daß 
die Gläubigerin dieſe Tatſache durch eine öffentliche 
oder öffentlich beglaubigte Urkunde beweiſen müſſe. 
Es nahm dabei auf die Entſcheidung des Kammer— 
gerichts vom 11. Januar 1906 Bezug, in der in Ueber— 
einſtimmung mit mehreren Schriftſtellern die Anſicht 
vertreten wird, daß in einem ſolchen Falle der Gläu— 
biger das Ausbleiben der Zinszahlung beweiſen müſſe. 
Das Beſchwerdegericht kann ſich dieſer Anſicht nicht an— 
ſchließen. Nach ihr würde in den meiſten Fällen der Gläu— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


—— .Uuͤ— — — 


biger auf die Erhebung der Klage gegen den Schuldner 
angewieſen ſein, der vielleicht gar nicht beſtreitet, die 
Zinſen nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt zu haben; denn 
er könnte den Beweis kaum jemals führen, wenn ſich der 
Schuldner nicht dazu herbeiläßt, in einer öffentlichen 
oder öffentlich beglaubigten Urkunde zu erklären, daß 
er die Zinſen nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt hat. 
Die Anſicht beruht auf unrichtiger Auslegung des 
§ 726 Abſ. 1 ZPO. Dieſe Vorſchrift enthält nicht eine 
Anordnung, die von den allgemeinen Grundſätzen über 
die Beweislaſt abweicht. Sie beſtimmt nicht, daß die 
Beweislaſt ſtets den Gläubiger trifft, ſondern legt 
ihm dieſe nur für den Fall auf, daß ſie ihm nach den 
allgemeinen Rechtsgrundſätzen obliegt. Nach dieſen 
iſt alſo zu beurteilen, ob der Gläubiger den Eintritt 
der Tatſache zu beweiſen hat, von dem nach dem In⸗ 
halte der Urkunde die Vollſtreckung abhängt. Nach 
dem im Art. 1315 des code civil, der zur Zeit der 
Errichtung der Urkunde vom 29. Januar 1876 in der 
Pfalz galt, ausgeſprochenen, übrigens allen bürger— 
lichen Rechten im weſentlichen gemeinſamen Grund— 
ſatze hat derjenige, welcher einen Anſpruch erhebt, 
die ihn begründenden Tatſachen zu beweiſen. Der 
Gläubiger, der die Erfüllung einer bedingten oder 
betagten Verbindlichkeit fordert, hat alſo in der Regel 
den Eintritt der Bedingung oder des Zeitpunktes zu 
beweiſen. Hängt aber die Entſtehung des Anſpruchs 
oder die Fälligkeit der Leiſtung davon ab, daß der 
Schuldner eine Verbindlichkeit nicht erfüllt, bei einem 
Darlehen insbeſondere das Recht des Gläubigers, die 
Zurückerſtattung zu fordern, von der Tatſache, daß 
der Schuldner die Zinſen nicht pünktlich zahlt, ſo hat 
nicht der Gläubiger die Unterlaſſung der Zahlung, 
ſondern der Schuldner die Zahlung zu beweiſen 
(Seuffert, ZPO. 9. Aufl. Nr. 1 c zu § 726). Denn 
der Sinn des Vertrags iſt im Zweifel nicht der, daß 
die Zurückerſtattung des Darlehens ſo lang geſtundet 
iſt, bis der Schuldner hinſichtlich der Zinſen in Ver— 
zug kommt, ſondern der, daß der Schuldner die Geltend— 
machung des Anſpruchs auf Zurückerſtattung durch 
pünktliche Zahlung der Zinſen bis zum folgenden 
Zinszahlungstage abwenden kann. Darnach kann der 
Gläubiger in einem ſolchen Fall unter Vorlegung der 
ſonſtigen nach S 726 Abſ. 1 erforderlichen Belege ohne 
weiteres die Vollſtreckungsklauſel für das Kapital ver- 
langen; dem Schuldner bleibt überlaſſen, die auf die 
Behauptung rechtzeitiger Zahlung der Zinſen gegrün— 
dete Einwendung nach 8 797 Abſ. 3 ZPO. geltend zu 
machen. Daß die etwaige Verjährung des Anſpruchs 
nicht von Amts wegen zu berückſichtigen iſt, hat das 
Landgericht mit Recht angenommen. (Beſchluß des 
II. 35. vom 3. Februar 1908, Reg. VI 2/1908). 

1274 W. 


II. 


Beſchwerderecht des wegen Geiſtesſchwäche Gnt- 
mündigten a) in feinen perſönlichen Verhältniſſen, b) in 
feinen Vermögensaugelegen heiten (S 114 BGB.; SS 59, 
63 766.) Der wegen Geiſtesſchwäche entmündigte 
Andreas J. in B., der dort ein kleines Anweſen be- 
ſitzt, hat ſchon in den Jahren 1903 und 1905 bei 
dem Vormundſchaftsgericht ohne Erfolg den Antrag 
geſtellt, ſeinen Vormund Heinrich B. zu entlaſſen und 
den Antrag am 11. Dezember 1907 erneuert, „weil 
der Vormund ihm feindlich geſinnt ſei und von der 
Landwirtſchaft nichts verſtehe“. Das Vormundſchafts— 
gericht eröffnete ihm, daß „nach den Erhebungen 
keine Veranlaſſung zu einem Wechſel in der Perſon 
des Vormundes beſtehe“. Andreas J. legte Beſchwerde 
ein und begründete ſie damit, der Vormund ſei nicht 
auf ſein Intereſſe bedacht, er ſei gegen ihn von jeher 
gehäſſig geſinnt und kümmere ſich gar nicht um ihn. 
Das LG. B. hat die Beſchwerde als unbegründet zu— 
rückgewieſen. Auf die weitere zum Protokolle des 
Gerichtsſchreibers des LG. eingelegte und durch eigen— 


händiges Schreiben noch näher begründete Beſchwerde 
des Andreas J. hat das Oberſte Landesgericht das 
Rechtsmittel, ſoweit es ſich auf die die Perſon des 
Beſchwerdeführers betreffenden Angelegenheiten be— 
zieht, zurückgewieſen und ausgeſprochen, das es im 
übrigen nicht berückſichtigt werden kann. 

Aus den Gründen: Der infolge der Ent- 
mündigung wegen Geiſtesſchwäche nach § 114 BGB. 
in der Geſchäftsfähigkeit beſchränkte Beſchwerdeführer 
kann nach den SS 59, 63 FGG. das Beſchwerderecht 
in den feine Perſon d. h feine perſönlichen Verhält- 
niſſe im Gegenſatz zu den nur die Vermögensver— 
waltung betreffenden Angelegenheiten ſelbſtändig aus— 
üben, dagegen iſt er dazu in den nur die Vermögensver— 
waltung betreffenden Angelegenheiten nicht befähigt. 
Eine von ihm in einer ſolchen Angelegenheit einge— 
legte Beſchwerde iſt wegen Mangels der erforder— 
lichen Geſchäftsfähigkeit wirkungslos, ſie muß unbe— 
rückſichtigt bleiben. Soll das dem Entmündigten zu— 
ſtehende Beſchwerderecht ausgeübt werden, ſo iſt, 
wenn es ſich um eine Angelegenheit handelt, in der 
er nicht durch den Vormund vertreten werden kann, 
die Beſtellung eines Pflegers erforderlich. Soweit 
der Beſchwerdeführer mit dem Antrag auf Entlaſſung 
des Vormundes Abhilfe dagegen ſucht, daß durch 
pflichtwidriges Verhalten des Vormundes fein Unter— 
halt beeinträchtigt werde, iſt er befugt, das Be— 
ſchwerderecht ſelbſtändig auszuüben. Die weitere 
Beſchwerde iſt ſtatthaft und, ſoweit ſie durch Er— 
klärung zum Protokolle des Gerichtſchreibers einge— 
legt iſt, formgerecht eingelegt. Dagegen muß das 
nachträglich eingereichte Schriftſtück nach § 29 Abſ. 1 
FGG. unbeachtet bleiben. Die weitere Beſchwerde 
kann nach $ 27 FGG. nur darauf geſtützt werden, 
daß die angefochtene Entſcheidung auf einer Ver— 
letzung des Geſetzes im Sinne des 8 550 BPO. be- 
ruhe. Das über die weitere Beſchwerde entſcheidende 
Gericht hat nur die Rechtsfrage zu prüfen und dabei 
die vom LG. ohne Verletzung des Geſetzes feſtgeſtellten 
Tatſachen ſeiner Entſcheidung zugrunde legen. Hier 
hat das LG. in einwandfreier Weiſe feſtgeſtellt, daß 
eine Gehäſſigkeit des Vormundes gegen den Beſchwerde— 
führer nicht beſteht, und daß das Verhalten des 
Vormundes nur in Maßregeln der pflichtmäßigen 
Sorge für Erhaltung des Mündelvermögens bejtanden 
hat. Durch dieſe Feſtſtellung iſt die Ablehnung der 
Entlaſſung des Vormundes, ſoweit es ſich um eine 
die Perſon des Beſchwerdeführers betreffende Ange— 
legenheit handelt, gerechtfertigt, die weitere Beſchwerde 
muß deshalb inſoweit als unbegründet zurückgewieſen 
werden. Soweit der Beſchwerdeführer mit dem Antrag 
auf Beſtellung eines andern Vormundes ſich der 
Sorge für ſein Vermögen annehmen will, indem er 
eine ſeinen Abſichten mehr entſprechende Vermögeis— 
verwaltung herbeizuführen ſtrebt, fehlt ihm die Fähig— 
keit zu ſelbſtändiger Ausübung des Beſchwerderechts. 
(Beſchluß des I. 35. vom 20. Februar 1908, Reg. III 
Nr. 15/1908). W. 

1248 

111. 


Tragweite des Z 68 ZPO. Erfüllt die Feſtſtellung 
des Notars in einem Teſtamente, der Erblaſſer habe 
erklärt, daß das Schreiben ihn ſehr anſtrenge, die Vor⸗ 
ausſetzungen des 8 2242 Abi. 2 BGB.? Haftung des 
Staates für den durch einen Notar verurſachten Schaden. 
(Art. 126 Not. von 1899; 8 839 Abi. 1 BGB.). 
Der Notar B. beurkundete am 27. April 1902 den 
letzten Willen des Bauersſohnes Philipp B., der in 
dem Teſtamente ſeinen Bruder Lorenz und deſſen Ehe— 
frau Marie B. als Erben und deren Kinder als Nach— 
erben einſetzte, feinen Bruder Alois aber nicht be- 
dachte. Am Schluſſe der Urkunde iſt feſtgeſtellt, daß 
der Notar das Protokoll „dem Teſtator in Gegenwart 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


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der beiden — — Zeugen perſönlich vorgeleſen und, 


Philipp B., welchen das Schreiben ſehr anſtrengt, 


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zur Beſtätigung und nach Inhaltsgenehmigung fein 
Handzeichen am Schluſſe beigeſetzt hat“, während die 
Zeugen und der Notar unterſchrieben haben. Philipp 
B. iſt am 29. April 1902 geſtorben. Den Hauptbeftand- 
teil des Nachlaſſes bildete die Elterngutsforderung 
des Erblaſſers zu 4000 fl., für die das Anweſen des 
Alois B. mit Hypothek belaſtet war. Bei der Eröff— 
nung des Teſtaments durch den Notar beanſtandete 
Alois B. zunächſt die letztwillige Verfügung, weil er 
zu Unrecht übergangen worden ſei, nachdem er aber 
vom Notar darüber belehrt worden war, daß ihm 
ein Noterbrecht nicht zuſtehe, erkannte er das Teſtament 
unter Vorbehalt ſeiner Anſprüche wegen Verpflegung 
des Erblaſſers „nach Form und Inhalt“ als zu Recht 
beſtehend an. Später erklärte Alois B. vor dem 
Nachlaßgerichte, daß er ſeine Anerkennungserklärung 
anfechte, weil Lorenz und Marie B. ihm bei den Ver— 
handlungen über die Anerkennung verſprochen hätten, 
an der Elterngutsforderung des Erblaſſers 2000 M 
löſchen zu laſſen, das Verſprechen aber nicht erfüllt, 
„ihn ſomit getäuſcht hätten und er nur infolge dieſes 
Irrtums zur Anerkennung des Teſtaments veranlaßt 
worden“ ſei, und daß er vorſorglich auch das Teſta— 
ment jelbit anfechte (22). Er glaubte die Wirkſam— 
keit des Teſtaments deswegen beſtreiten zu können, 
weil Philipp B. zur Zeit der Teſtamentserrichtung 
nicht mehr fähig geweſen ſei, ſelbſtändig Beſtimmung 
über ſeinen Nachlaß zu treffen und hatte bereits den 
Juſtizrat H. in P. angegangen, Klage gegen Lorenz 
und Marie B. zu erheben. Juſtizrat H. fand in dem 
Mangel der Feſtſtellung einer Erklärung des Erb— 
laers, daß er nicht ſchreiben könne, einen Verſtoß 
gegen die Formvorſchrift des 8 2242 Abſ. 2 BGB. 
und ſtützte die Klage, mit der er Herausgabe der 
Hälfte des Nachlaſſes an Alois B. verlangte, darauf, 
daß das Teſtament aus dieſem Grunde nichtig ſei. 
Die Beklagten verkündeten dem Fiskus den Streit, 
der Fiskus trat ihnen als Nebenintervenient bei und 
wollte durch Zeugen nachweiſen, daß Lorenz und 
Alois B. ſich bei Gelegenheit der Teſtamentseröffnung 
dahin geeinigt haben, daß der Inhalt des Teſtaments 
für ſie als vertragliche Vereinbarung gelten ſolle, die 
Beklagten beſtritten aber das Zuſtandekommen einer 
ſolchen Vereinbarung. Das Oberlandesgericht hat 
mit einem rechtskräftig gewordenen Urteile der Klage 
ſtattgegeben und ausgeführt, daß die Feſtſtellung, 
den Erblaſſer ſtrenge das Schreiben ſehr an, die Feſt— 
ſtellung der Erklärung des Erblaſſers, nicht ſchreiben 
zu können, nicht erſetze und deshalb das Teſtament 
wegen Formmangels nichtig fei, daß die von Alois B. 
bei der Teſtamentseröffnung abgegebene Erklärung 
ſich auf dieſen Formmangel nicht bezogen habe und 
die Berufung des Fiskus auf den angeblichen Ver— 
gleich gegenüber dem Widerſpruche der Beklagten 
nicht ſtatthaft ſei. Lorenz B. verlangte nun vom 
Fiskus Erſatz des ihm und ſeiner Frau aus der 
fehlerhaften Beurkundung des Teſtaments entſtan— 
denen Schadens und erhob, nachdem ſein Anſpruch 
abgewieſen worden war, Klage, weil Notar B. bei 
der Errichtung des Teſtaments des Philipp B. die 
ihm obliegende Amtspflicht fahrläſſig verletzt und 
dadurch die Nichtigkeit des Teſtaments herbeigeführt 
habe. Der Beklagte beſtritt, daß das Teſtament 
fehlerhaft errichtet ſei, und machte geltend, die Aus— 
legung des § 2242 Abſ. 2 BGB. fei zur Zeit der 
Teſtamentserrichtung ſo beſtritten und zweifelhaft ge— 
weſen, daß dem Notar keine Fahrläſſigkeit vorgeworfen 
werden könne. Außerdem berief er ſich darauf, daß 
Lorenz und Alois B. ſich am 20. Mai 1902 dahin 
verglichen hätten, daß Lorenz B. gegen Erlaß eines 
Teilbetrags von 2000 M an der Elterngutsforderung 
des Erblaſſers den ganzen Nachlaß erhalten ſolle. 
Lorenz und Marie B. hätten in dem früheren Prozeſſe 
die Geltendmachung dieſer Einwendung durch ihren 
Widerſpruch verhindert, Lorenz B. müſſe ſich deshalb 


226 


gefallen ſie ihm entgegengeſetzt werde. 
Das Landgericht erklärte den Anſpruch des Klägers 
Es erwog: Die 
getroffene Entſcheidung, 
Formfehlers nichtig ſei, 
ſei für den neuen Prozeß bindend. Ueber die Bedeu⸗ 

2242 2 BGB. h allerdings 
Meinungsverſchiedenheit beſtanden, im Gegenſatze zu 
der von den Schriftſtellern 


Meinung 
lung des 
ſchreiben könne. 
des § 2242 Abſ. 


deſſen Handzeichen erſetzt werden könne, und den Ge⸗ 
Handzeichens damit begründet, daß den 
ſehr anſtrenge. Notar B. 
nicht die für die Führung ſeines Amtes er⸗ 
Rechtes angeeignet. 
falls er geſchloſſen 
Beteiligten im Mai 
bekannt geweſenen Formfehler des Teſta⸗ 
könne nur den 


1902 nicht 
ments in 


halten habe. 

in der mündlichen Verhandlung vor dem 
Berufungsgerichte Beweis dafür anbieten, 
B. bei der Teſtamentseröffnung Bedenken gegen die 
Gültigkeit des Teſtaments geäußert und ſich erſt auf 
Notars zur Anerkennung 
herbeigelaſſen habe, nachdem Lorenz und Marie B 
ſich verpflichtet hatten, an der Elterngutsforderung 
des Erblaſſers Betrag von 2000 M zugleich für 
„des Erblaſſers nachzulaſſen. Das 
Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewieſen. 
Verneinung der Gültigkeit des Teſta⸗ 
Mangel der 
Erklärung des Erblaſſers, nicht ſchreiben zu können, 


zahlreichen anderen Fällen ſeine 
für Teſtamente geltenden 


Tatſache zugrunde gelegt hätten und bei Kenntnis 
der Nichtigkeit des 
erkennung verhandelt, ſondern ſofort 
ſetzung auf ] 
haben würden. 
bezeichnete die 88 
BB. und den Art. 126 
verletzt. In der mündlichen Verhandlung beantragte 
der Anwalt des Reviſionsklägers 
Urteile der Vorinſtanzen und 

Klage, bezeichnete die Auslegung des 8 2242 Abſ. 2 
BGB. und die Annahme einer Fahrläſſigkeit des 
Notars ſeitens der Vorinſtanzen als irrig 
geltend, daß das Berufungsgericht dem Vergleiche, 
deſſen Zuſtandekommen der Fiskus habe beweiſen 
wollen, mit Unrecht die Wirkſamkeit abgeſprochen 
habe. Der Anwalt des Reviſionsbeklagten bekämpfte 
dieſe Ausführungen, berief ſich insbeſondere auf 8 68 
ZPO. und beantragte Zurückweiſung der Reviſion. 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 
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Dieſem Antrage hat das Oberſte Landesgericht ent⸗ 


1. Nach § 68 ZPO. wird der Neben⸗ 
intervenient im Verhältniſſe zu der Hauptpartei, der 
der Behauptung nicht gehört, 
er dem Richter vorgelegen 
ſei. Der Nebeninter⸗ 
venient muß, weil er den Rechtsſtreit in Gemeinſchaft 
ſeine Angriffs- 
oder Verteidigungsmittel hat geltend machen können, 
die Beurteilung gelten laſſen, die die gemeinſchaft⸗ 
lichen Behelfe in der Entſcheidung des Rechtsſtreits 
gefunden haben. Verhältnis zur Haupt⸗ 
partei iſt a. nur, Gaupp⸗Stein (Komm. . BPE. 


8. Aufl. die 

der Rechtskraft im Sinne des 8 322 BPO. 
fähige Entſcheidung über den durch Klage oder Wider⸗ 
( Anſpruch maßgebend, ſondern es 
gelten auch die Entſcheidungen der einzelnen Tat⸗ und 
Richter getroffen hat, als richtig, 
daß er über die ein⸗ 
zelnen Beſtandteile des Prozeßſtoffs richtig entſchieden 
hat. Hiernach ſteht feft, daß das Teſtament des 
Philipp nichtig iſt und daß 
die von Mai 1902 vor dem Notar 
für ſich allein der 
Geltendmachung des geſetzlichen Erbrechts des Alois 
Dagegen iſt die Berufung des 
die behauptete Vereinbarung, nach der 
Teſtaments gegen den 
Verpflegungsanſpruch 


Alois B. die 
zugleich als Abfindung für ſeinen 
dienenden Erlaß eines Betrags von 2000 M an feiner 
Hypothekſchuld erklärt hat, durch die Vorſchrift des $ 68 
ZPO. nicht ausgeſchloſſen, weil Lorenz und Marie B. 
in dem früheren Rechtsſtreite den Rebenintervenienten 
durch das Leugnen einer ſolchen Vereinbarung an der 
Geltendmachung der Einwendung gehindert haben. 
Das OLG. hat 
Erfolg verſagt. 
1902 von dem 
nis, ſie gingen übereinſtimmend von der Anſicht aus, 
daß das Teſtament in formeller Beziehung keiner 
Beanſtandung ausgeſetzt ſei. i 
mit Recht gefolgert, daß ſie nicht daran gedacht haben, 
für den Fall, daß das Teſtament nichtig und die ge- 
ſetzliche Erbfolge eingetreten ſein 
des Erbteils des Alois B. auf 
zu vereinbaren. 

2. Für den aus der Nichtigkeit des Teſtaments 
entſtandenen Schaden haftet der Staat nur, wenn dem 
ſchuldhafte Verletzung ſeiner Amtspflicht 
Von einem Verſchulden des Notars 
nicht die Rede ſein, wenn 
Feſtſtellung der Anforderung des Geſetzes genügt, in 


In der 
werden. 

das Schreiben ihn ſehr anſtrenge, iſt etwas anderes 
als die im $ 
daß er nicht ſchreiben könne. 
das Schreiben beträchtliche Anſtrengung erfordere, 
läßt zwar den Wunſch erkennen, 
wenn es nicht notwendig iſt, ſtellt 
zu ſchreiben nicht ohne weiteres in Abrede, 
vielmehr den Willen an, das Schreiben mindeſtens 
wenn es für notwendig erachtet wird. 
wenn er dazu veran⸗ 
neberlegung gefunden 
ch ſei, das Protokoll 
zu unterſchreiben, aber nach dem allein in Betracht 


ob ö 
gangen worden. Infolgedeſſen fehlt 
eine der Vorſchrift des g 2242 Abſ. 2 entſprechende 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


227 


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Feſtſtellung und dieſer Mangel hat die Nichtigkeit 
zur Folge. 
3. Die der geſetzlichen Vorſchrift nicht entſprechende 


Feſtſtellung läßt ſich nicht anders als mit Unachtſam⸗ 


keit oder Unkenntnis erklären. Das OLG. iſt auf 
Grund der Wahrnehmungen, die nach dem Rücktritte 
des Notars vom Amte über ſeine Tätigkeit bei der 
Aufnahme von Teſtamenten gemacht worden ſind, zu 
der Ueberzeugung gekommen, daß Unkenntnis der ge⸗ 
jeglichen Vorſchrift die Urſache ift. Die von der Re- 
viſion verſuchte Beanſtandung dieſer Feſtſtellung, 
die die Stichhaltigkeit des angegebenen Grundes bez- 
ſtreitet, iſt nach § 549 BPO. nicht zu beachten. Darin, 
daß der Notar im dritten Jahre nach dem Inkraft⸗ 
treten des BGB. die Vorſchrift des $ 2242 Abſ. 2, 
die zu den für feine Amtsführung wichtigſten Be- 
ſtimmungen gehört, noch nicht gekannt hat, hat das 
OLG. mit Recht eine fahrläſſige Verletzung der Amts⸗ 
pflicht gefunden. Die verletzte Amtspflicht lag dem 
Notar im Sinne des 8 839 Abſ. 1 BGB. nicht nur 
gegenüber dem Erblaſſer ob, deſſen letztwillige Ver⸗ 
fügung er beurkundete, ſondern auch gegenüber den= 
jenigen, die der Erblaſſer in dem Teſtamente mit 
Zuwendungen bedachte. (RGE. Bd. 58 S. 296). Die 
nach Art. 126 Abſ. 1 des Not. von 1899 an die 
Stelle der Haftung des Notars tretende Haftung des 
Staates iſt daher für den dem Kläger und ſeiner 
Frau entſtandenen Schaden begründet. (Urteil des 
1. 35. vom 10. Januar 1908, 1 190 07). W. 
1186 


B. Strafſachen. 
Seſchichtliche Entwickelung des Lotterie⸗Strafrechts. 


Begriff der „in Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie“. 
Das Bankgeſchäft M. hat in M. (Oberbayern) eine 
Niederlaſſung, der der Angeklagte vorſteht. Mit ſeinem 
Wiſſen und Willen wurden in den Geſchäftsräumen 
dieſer Niederlaſſung Loſe der durch Entſchließung 
der unterſränkiſchen Kreisregierung vom 12. Februar 
1906 für den Regierungsbezirk Unterfranken und 
Aſchaffenburg genehmigten Lotterie eines Vereines zu 
W. feilgehalten und verkauft. Der Angeklagte wurde 
auf Grund des Art. 57a des PStGB. angeklagt, aber 
freigeſprochen; die Reviſion wurde verworfen. 

Aus den Gründen: Den Gegenſtand der 
Strafdrohung des Art. 57 a des PStG. bildet „das 
Verkaufen von Loſen oder das Sammeln von Teil— 
nehmern für eine in Bayern nicht zugelaſſene Lotterie 
oder Ausſpielung“. Die Untergerichte haben verneint, 
daß die Lotterie, die von der Regierung von Unter— 
franken nur für ihren Bezirk und nur unter der Be— 
ſchränkung der Bewilligung des Abſatzes auf ihren 
Bezirk genehmigt ift, trotzdem in M. im Sinne der 
Vorſchrift des Art. 57 a eine „in Bayern nicht zuge— 
laſſene Lotterie“ iſt. Der Reviſion iſt zuzugeben, daß 
nach dem bloßen Wortlaut des Art. 57a unter der 
darin bezeichneten „in Bayern nicht zugelaſſenen 
Lotterie“ jede Lotterie ohne Rückſicht auf den Ort 
ihrer Veranſtaltung und daher ſelbſt eine innerhalb 
Bayerns ohne die erforderliche Genehmigung veran— 
ſtaltete Lotterie verſtanden werden kann. Der Sinn 
des Art. 57a ergibt ſich jedoch zuverläſſig nur aus 
ſeiner Entſtehungsgeſchichte und ſeiner Stellung hinter 
und nach dem Art. 57, der das Spielen in „einer in 
Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie“ mit Strafe be— 
droht. Es iſt nicht anzunehmen, daß der Geſetzgeber 
mit ähnlichen Worten in den beiden aufeinanderfol— 
genden Artikeln einen verſchiedenen Sinn verbunden 
hat. Muß angenommen werden, daß der Art. 57 
nur das Spielen in einer auswärtigen Lotterie 
mit Strafe bedroht, ſo liegt die Annahme nahe, daß 
Art. 57 a auch nur „auswärtige,“ „außerbayeriſche“ 
in Bayern nicht zugelaſſene Lotterien im Auge hat. 


Nun bedroht das StGB. in § 286 zwar die ohne 
obrigkeitliche Erlaubnis erfolgende öffentliche Ber- 
anſtaltung von Lotterien und von Ausſpielungen mit 
Strafe, aber die Teilnehmer am Spiele ſind in dem 
StGB. nirgends mit Strafe bedroht. Es wird hieraus 
zu ſchließen fein, daß der deutſche Geſetzgeber beab— 
ſichtigt, in den §8§ 284—286, 360 Nr. 14 StGB. nicht 
nur das Glücksſpiel, ſondern die Materie des Spielens 
überhaupt ſtrafrechtlich N zu regeln und 
damit, ſoweit er die Teilnehmer am Spiele und daher 
auch das Spielen in einer Lotterie nicht mit Strafe 
bedrohte, eine ſolche Handlung ſtillſchweigend für 
ſtraflos erklärte. In dem Urteile des Reichsgerichtes 
vom 3. Mai 1888 (E. 18, 8) wird eine Ausnahme 
von dem Grundſatze, daß durch das StGB. die Materie 
des Glücksſpiels im weiteren Sinne geregelt ſei, nur 
bezüglich der landesgeſetzlichen Verbote des Spielens 
in auswärtigen Lotterien gemacht. Mit dem $ 286 
StGB. ſtimmt der § 268 des preuß. StGB. überein. 
Dieſer iſt aus der preuß. VO. vom 5. Juli 1847 ent⸗ 
nommen und bedroht nur die ohne obrigkeitliche Er⸗ 
laubnis unternommene Veranſtaltung einer öffentlichen 
Lotterie mit Strafe; die Strafdrohung gilt nur der 
Veranſtaltung einer öffentlichen Lotterie im Inlande, 
d. h. in Preußen. Nur dieſer Teil des Inhaltes der 
preuß. BO. ift in den § 268 des preuß. StGB. über- 
gegangen und von da in den § 286 des StGB. Da- 
gegen ift der weitere Inhalt der BO., der das Spielen 
in auswärtigen in Preußen nicht zugelaſſenen Lot- 
terien und das Kollektieren für ſie betrifft, in das 
preußiſche StGB. und in das deutſche StGB. nicht 
übergegangen. Demgemäß iſt in den Motiven zum 
8 281 des Entwurfes des StGB. für den norddeutſchen 
Bund — d. i. im jetzigen $ 286 StGB. — ausdrück⸗ 
lich erklärt: „Die Vorſchriften über das Spielen in 
ausländiſchen Lotterien und das Kollektieren für die— 
ſelben wird durch $ 281 nicht berührt.“ Mit dem in 
den Motiven gebrauchten Ausdruck „ausländiſche 
Lotterien“ dürften, weil es ſich hierbei um die aus 
der preuß. VO. übernommenen Materie handelte, 
ſowohl im Sinne dieſes Partikulargeſetzes als auch 
mit Rückſicht darauf, daß im Lotterieweſen eine Ge- 
meinſchaft der einzelnen Bundesſtaaten nicht herbei— 
geführt, der Begriff des Bundesſtaates nicht geändert 
war, nicht etwa die außerhalb des norddeutſchen 
Bundes veranſtalteten, ſondern nur die außerhalb 
eines Bundesſtaates veranſtalteten Lotterien gemeint 
ſein. Die Rechtſprechung iſt auf Grund der Motive 
zu der Anſchauung gekommen, daß der Tatbeſtand des 
Spielens in auswärtigen Lotterien von der Regelung 
im StGB. ausgenommen, nicht zum Gegenſtande 
reichsgeſetzlicher Regelung gemacht, vielmehr nach 
wie vor der Partikulargeſetzgebung überlaſſen iſt. 

Daraus ergibt fih, daß ein bayeriſches landes- 
rechtliches Strafgeſetz, das das Spielen in einer in 
Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie mit Strafe bedroht, 
nur bezüglich einer „auswärtigen“ d. h. „außer— 
bayeriſchen“ Lotterie zuläſſig, dagegen bezüglich des 
Spielens in einer Lotterie unzuläſſig wäre, die in 
Bayern ohne die erforderliche obrigkeitliche Erlaubnis 
veranſtaltet wird, oder bezüglich deren die Veran— 
ſtaltung nur für einen Teil Bayerns bewilligt worden 
iſt. Dieſer Folgerung kann man um ſo weniger ent— 
gegentreten, als die Geſchichte der bayer. Vorſchriften 
zeigt, daß ſowohl in dem Art. 57 als in dem Art. 57a 
unter einer „in Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie“ 
nur eine auswärtige, d. h. außerbayeriſche Lotterie 
zu verſtehen ift. Der Entw. des bayer. P StGB. 
von 1855 enthält die dem jetzigen Art. 57, 57a ent- 
ſprechenden Vorſchriften als Art. 213, 214, 215. In 
der Begründung iſt unter dem Hinweiſe auf die preuß. 
VO. vom 5. Juli 1847 bemerkt, daß die Art. 213—215 
gegen eine beſondere Art von Glücksſpielen, nämlich 
die öffentlichen Lotterien, Glücksbuden und Aus— 
ſpielungen gerichtet feien. Der Entwurf des PStGB. 


228 Zeitſchrift 


für Rechtspflege 


von 1861 enthält die entſprechenden Vorſchriften in 
den Art. 111—113. Mit Rückſicht auf die Beſtim⸗ 
mung, die im Art. 338 des damals gleichzeitig vor— 
elegten Entwurfes eines StGB. für Bayern ent- 
halten war und ſich gegen unerlaubtes Eröffnen eines 
Haſardſpieles, gegen Mitſpieler und die bei einem 
ſolchen Unternehmen irgendwie Hilfe oder Dienſte 
Leiſtenden richtete, erhielten Art. 111— 113 die Faſſung 
der Art 101— 103 des nachmaligen Geſetzes vom 
10. November 1861, das im Art. 101 Ziff. 1: das 
Unternehmen einer öffentlichen Lotterie ohne polizei— 
liche Bewilligung, im Art. 101 Ziff. 3: das Verkaufen 
von Loſen oder Sammeln von Teilnehmern für 
nicht erlaubte Lotterien, im Art. 102: das Spielen 
in einer ausländiſchen, in Bayern nicht zugelaſſenen 
Lotterie, im Art. 103: das Ankündigen unerlaubter 
Lotterien, das Ausbieten von Loſen oder Promeſſen 
hierzu auf Prämien- oder ausländiſchen Lotterie- 
Anlehen und Einladungen zur nel an ſolchen 
Unternehmungen mit Strafe bedroht. 

In das PStSB. von 1871 ift von den Beſtimmungen 
der Art. 101—103 des älteren Geſetzes nur die des 
Art. 102 und zwar mit Auslaſſung des Wortes „aus— 
ländiſch“ als Art. 57—58 des Entwurfes übergegangen. 
Die Weglaſſung der Strafvorſchriften der Art. 101— 103 
wurde damit begründet, das man die hierin ent- 
haltenen Verbote als durch die SS 286, 47—49 des 
StGB. gedeckt, daher im Hinblick auf § 2 des EG. zum 
BGB die Weglaſſung für geboten hielt. Weshalb 
im Art. 58 des Entwurfes das Wort „ausländiſch“ 
weggelaſſen wurde, iſt nirgends dargelegt; es findet 
ſich nirgends eine Andeutung, daß damit eine ſachliche 
Aenderung der Vorſchrift beabſichtigt war. 

Da die Rechtſprechung die der Polizeigeſetzgebung 
von 1871 zugrunde gelegene Auffaſſung von der Er— 
ſetzung des Art. 101 Ziff. 3 und des Art. 103 PStGB. 
durch die Beſtimmungen des StGB. nicht teilte, legte 
die Regierung im Jahre 1880 den Entwurf zur nad- 
maligen Novelle zum PStGB. vom 28. Februar 1880 
vor, wodurch der jetzige Art. 57a des P StGB. eine 
geſchaltet wurde. Die Begründung verwies auf die 
Lücke der Geſetzgebung, wonach das Publikum fort— 
geſetzt durch Agenten und durch Veröffentlichungen in 
bayeriſchen Zeitungsblättern zur Uebertretung des 
Verbotes des Spielens in auswärtigen, in Bayern 
nicht zugelaſſenen Lotterien ungeſtraft angereizt und 
eingeladen wird. Nach dem Vorſchlag des Regierungs- 
entwurfes iſt in dem durch das Geſetz vom 28. Februar 
1880 in das PStGB. eingeſtellten Art. 57a nach 
Vorausſetzung der neuen Strafdrohung unter Ziff. 1 
der Inhalt der Ziff. 3 des Art. 101 des PStGB. von 
1861 in der Faſſung: „Wer für eine in Bayern nicht 
zugelaſſene Lotterie oder Ausſpielung Lofe verkauft 
oder Teilnehmer ſammelt“, unter Ziff. 2 der Eingang 
des Art. 103 Abſ. 1 des PStGB. von 1861 in der 
Faſſung aufgenommen worden: „Wer eine in Bayern 
nicht zugelaſſene Lotterie oder Ausſpielung öffentlich 
ankündigt, Loſe oder Promeſſen hierzu oder Promeſſen 
auf Prämien eines in- oder ausländiſchen Lotterie— 
anlehens ausbietet oder zur Teilnahme an einem 
ſolchen Unternehmen einladet.“ Eine Vergleichung 
der neuen mit der älteren Faſſung zeigt, daß an die 
Stelle der nicht erlaubten oder unerlaubten Lotterie 
oder Ausſpielung des Art. 101 Ziff. 3 und des Art. 103 
die „in Bayern nicht zugelaſſene Lotterie“ geſetzt, die 
Unerlaubtheit der Lotterie oder Ausſpielung nur mit 
„in Bayern nicht zugelaſſen“ bezeichnet und das Wort 
„ausländiſch“ weggelaſſen und fo nunmehr in beiden 
die Lotterie behandelnden Artikeln des PStGB. nur 
noch von einer „in Bayern nicht zugelaſſenen“ Lotterie 
die Rede iſt. Die Begründung des Geſetzentwurfes 
von 1880 läßt nun darüber keinen Zweifel, daß damit 
nicht dem Vertrieb der Loſe inländiſcher, ohne die in 
Bayern erforderliche obrigkeitliche Erlaubnis veran— 
ſtalteter, ſondern nur dem Vertriebe ausländiſcher, d. h. 


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in Bayern. 1908. Nr. 11. 


außerbayeriſcher Lotterien entgegengewirkt werden 
ſollte. Die Verhandlungen der K. d. Abg. laſſen er: 
kennen, daß faſt alle Redner, die ſich über den Ent⸗ 
wurf äußerten, nur außerbayeriſche Lotterien unter 
den in Bayern nicht zugelaſſenen Lotterien verſtanden. 

Wie die Weglaſſung des Wortes „ausländiſch“ 
bei der Uebernahme des Inhaltes des Art. 102 des 
P StGB. von 1861 als Art. 57 in das PStG B. von 
1871, ſo kann auch die Uebertragung des Inhaltes 
der Vorſchriften des Art. 101 Ziff. 3 und des Art. 103 
des PStGB. von 1861 als Art. 57a in das neue 
P StGB. unter Erſetzung des Wortes „unerlaubte“ 
oder „nicht erlaubte” Lotterie durch „in Bayern nicht 
zugelaſſene“ Lotterie ſchlechthin nicht anders verſtanden 
werden, als daß dort wie hier die Vorſchrift nur für 
ausländiſche d. h. nichtbayeriſche Lotterien gegeben 
werden ſollte, und daß die ausdrückliche Beifügung 
des Wortes „nicht bayeriſch“, „ausländiſch“ oder „aus: 
wärtig“ neben den Worten „in Bayern nicht zugelaſſen“ 
für überflüſſig gehalten wurde. Das findet ſeine 
ganz natürliche Erklärung darin, daß das PSGB. 
von 1861 ſich der Bezeichnung „zugelaſſen in Bayern“ 
nur in bezug auf die nicht bayeriſchen Lotterien be⸗ 
dient, dagegen in bezug auf Lotterie-Veranſtaltungen 
des Inlands von deren polizeilicher Bewilligung ſpricht 
und diefe Ausdrucksweiſe in der Folge durchgängig 
beibehalten wurde. Es ergibt ſich das auch aus den 
BO. vom 24. Januar 1862 und vom 10. Juli 1867, 
die Bewilligung zur Veranſtaltung der öffentlichen 
Lotterien und Ausſpielungen und zur Aufſtellung von 
Glücksbuden an öffentlichen Orten betr., die von der 
„Bewilligung“ zu öffentlichen Lotterien oder Aus- 
ſpielungen handelnd in bezug auf Lotterien, Mus- 
ſpielungen und Lotterie-Anlehen des Auslands von 
deren Zulaſſung ſprachen. Noch deutlicher iſt das 
aus dem Regiſter des Amtsblattes des Miniſteriums 
des Kgl. Hauſes und des Aeußern und des Innern 
erſichtlich, das unter dem Stichworte „Lotterie bewilligt“ 
die Genehmigung inländiſcher Lotterien, hingegen 
unter dem Stichworte „Lotterie in Bayern zugelaſſen“ 
die außerbayeriſchen Lotterien vorträgt, deren Zulaſſung 
zum Abſatze ihrer Loſe in Bayern bedingt oder un⸗ 
bedingt genehmigt wurde. (Urteil vom 7. März 1908, 
RevReg. 41/08). 

1252 


—— [˖n. 


Oberlandesgericht Bamberg. 


eee des Inhabers einer Aus: 
kunftei nach 8 383 Ziff. 5 und § 384 Ziff. 3 350. 
Die Klägerin hatte von der Auskunftei Sch. in M. 
über die Kreditwürdigkeit des Müllers X. Auskunft 
erholt und im Vertrauen hierauf ihm Waren kreditiert. 
Die Auskunft war unrichtig; X. geriet in Konkurs 
und die Klägerin erlitt einen Schaden, deſſen Erſatz 
fie vom Beklagten verlangt, weil die unrichtige Aus- 
kunft durch die wiſſentlich falſche Mitteilung des 
Beklagten an die Auskunftei verurſacht worden ſei. 
Ueber dieſe Behauptung wurde in II. Inſtanz der Leiter 
der Auskunftei S. als Zeuge benannt. S. verweigerte 
das Zeugnis. Das Berufungsgericht erklärte die 
Weigerung für berechtigt und das Reichsgericht be— 
ſtätigte dieſe Entſcheidung. 

Aus den Gründen des Urteils des Ober⸗ 
landesgerichts: Nach 8 383 Ziff. 5 ZPO. find 
zur Verweigerung des Zeugniſſes Perſonen berechtigt, 
welchen kraft ihres Gewerbes Tatſachen anvertraut 
ſind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur geboten 
ift, in betreff der Tatſachen, auf welche fi die Berz 
pflichtung zur Verſchwiegenheit bezieht. Welche Tat— 
ſachen nach ihrer Natur geheim zu halten ſind, hat 
das Gericht nach freiem Ermeſſen mit Rückſicht auf 
die Verkehrsſitte und die berechtigten Erwartungen 
der Auskunftgebenden zu entſcheiden. Solche Tatſachen 


Zeitſchrift fü für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


229 


ſind die den Auskunftſtellen gemachten Mitteilungen. 
Die Auskunfteien haben ſich im Laufe der Zeit zu nahezu 
unentbehrlichen Hilfsmitteln des kaufmänniſchen Kredit⸗ 
verkehrs herausgebildet. Ihre einzige Grundlage und 
unentbehrliche Daſeinsbedingung find die von zahl: 
reichen Gewährsmännern gegebenen Mitteilungen, die 
ihrer Natur nach ſtreng vertraulich ſind. Alle dieſe 
Gewährsmänner geben ihre Mitteilungen in der ent- 
weder ausdrücklich oder ſtillſchweigend erklärten Er- 
wartung, daß die Auskunftei bei der Verwertung ihrer 
Angaben die Herkunft verſchweige. Es beſteht deshalb 
nicht nur eine bloße Gepflogenheit der Auskunfteien, 
ihre Gewährsmänner geheim zu halten, ſondern eine 
durch die Verhältniſſe der Auskunftſtellen gebotene 
Rechtspflicht zur Geheimhaltung der Namen ihrer 
Mittelsperſonen, ſowie aller anderen Umſtände, durch 
deren Bekanntgabe mittelbar die Berfon eines Gewährs— 
mannes feſtgeſtellt werden kann. Die gleiche Schweige— 
pflicht betrifft die Auskunfteien bezüglich aller jener 
Tatſachen, durch deren Feſtſtellung die Autorſchaft 
einer beſtimmten Perſon zu einer beſtimmten Auskunft 
durch Schlußfolgerung nachgewieſen werden könnte. 
Nach $ 384 Ziff. 3 kann das Zeugnis verweigert werden 
über Fragen, welche der Zeuge nicht würde beant— 
worten können, ohne ein Gewerbegeheimnis zu offen— 
baren. Strittig iſt die Auslegung des Wortes „Ge— 
werbegeheimnis“. Während die eine Anſicht 
darunter nur das gewerbliche Fabrikationsgeheimnis 
verſtehen will, ſind nach der andern Meinung durch 
$ 384 Ziff. 3 auch andere geſchäftliche Geheimniſſe 
der Gewerbetreibenden geſchützt.!) Letztere Auffaſſung 
iſt die richtige; ſie entſpricht ſowohl der allgemein 
gehaltenen Faſſung des Geſetzes wie den Bedürfniſſen 
des Rechtsverkehrs. Für Auskunfteien insbeſondere 
find die Quellen ihrer Auskünfte ein den Betrieb ihres 
Gewerbes bedingendes Geheimnis, alſo ein Gewerbe— 
geheimnis. Denn dem Gewerbe der Auskunfteien würde 
vollſtändig der Boden entzogen werden, wenn die Ge— 
währsmänner nicht mehr darauf rechnen könnten, daß 
die Verſchwiegenheit bewahrt werde. Es iſt demnach 
der Inhaber einer Auskunftei ſowohl nach § 383 Ziff. 5 
als nach § 384 Ziff. 3 zur Verweigerung des Zeug— 
niſſes berechtigt. (Zwiſchenurteil vom 18. an 1908, 
beſtätigt durch Beſchluß des VI. ZS. d. RG. vom 
19. März 1908). 

1250 


Oberlandesgericht Nürnberg. 


Bertragsſtrafe. Verſtoß gegen die guten Sitten 
(5 138 BGB.). Die minderjährige Beklagte ſchloß 
am 7. Mai 1900 unter Zuſtimmung ihres Vaters 
ſchriftlich einen Dienſtvertrag mit einem Wäſcherei— 
beſitzer, um das Bügeln zu lernen. Die Lehrzeit 
war auf 3 Monate feſtgeſetzt. Lehrgeld hatte die Be— 
klagte nicht zu zahlen, fie hatte während der Lehrzeit 
keinen Anſpruch auf Lohn. Die Beklagte verpflichtete 
ſich nach der Lehrzeit in dem Geſchäfte des Klägers 
weiter zu arbeiten und vor Ablauf zweier Jahre nicht 
auszutreten. Für den Fall ihres aus irgendwelchen 
Gründen erfolgenden Austritts war die Beklagte bei 
Vermeidung einer Vertragsſtrafe von 500 M ver- 
pflichtet, während eines Zeitraumes von 5 Jahren, 
vom Tage des Austritts an, auf einen Umkreis von 
50 km vom jeweiligen Geſchäftsſitze des Klägers nicht 
in ein gleiches Geſchäft einzutreten oder ein ſolches 
auf eigene Rechnung zu gründen und zu betreiben, 
auch nicht als Büglerin oder Wäſcherin in irgend⸗ 


') Das Reichsgericht bemerkt hierzu: „Es iſt richtig, daß 
durch dieſe Vorſchrift als „Gewerbegeheimnis“ nicht nur die ſog. 
Produktionsgeheimniſſe, ſondern auch andere geſchäftliche Gebeimniſſe 
der Gewerbetreibenden geſchützt find (gl. die Entſcheidungen des 
Ri. Bd 54 Nr. 84 S. 323 ff., auch Bd. 53 Nr. 12 S. 42, Gaupp⸗ 
Stein zu § WI Nr. 3 S. 876). 


Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


„ j —— —̃ a — —̃—ͤ a, — — 


einer Art gegen Entgelt tätig zu ſein. Die Beklagte 
blieb nach der Lehrzeit als Arbeiterin im Geſchäfte 
des Klägers. Nach Kündigung trat ſie am 8. September 
1904 aus. Sie blieb dann faſt 1 Jahre bei ihren 
Eltern und trat im Juni 1906 in Stellung in einem 
Konkurrenzgeſchäfte am Orte der Niederlaſſung des 
Klägers. Die Klage auf Zahlung der Vertragsſtrafe 
wurde abgewieſen, die Berufung verworfen. 

Aus den Gründen: Der Dienſtvertrag ver- 
ſtößt hinſichtlich des Wettbewerbsverbotes gegen die 
guten Sitten und iſt deshalb nichtig. Maßgebend 
ſind, da die GewO. das Wettbewerbsverbot für ge— 
werbliche Arbeiter nicht beſonders regelt, die allge— 
meinen Vorſchriften des BGB., ſowie deffen Bor: 
ſchriften über den Dienſtvertrag und die Vertrags— 
ſtrafe. Was insbeſondere den Begriff des Verſtoßes 
gegen die guten Sitten nach § 138 BGB. betrifft, 
können unbedenklich die Vorſchriften des § 74 HGB. 
und SS 133 ff. GewO. zur Feſtſtellung des allgemeinen 
ſittlichen Empfindens der beteiligten Verkehrskreiſe 
herangezogen werden, weil eben diefe Sondervor— 
ſchriften eines nahe verwandten Rechtsgebiets den 
Ausdruck deſſen enthalten, was auf dem Gebiete des 
Konkurrenzverbotes und der Vertragsſtrafe dem 
jetzigen Billigkeitsgefühl entſpricht. Gegenüber dem 
gewerblichen Arbeiter, der nicht unter den ausdrück— 
lichen Schutzbeſtimmungen der SE 133 ff. GewO. ſteht, 
hat ein Wettbewerbs-Verbot nur dann Anſpruch auf 
richterlichen Schutz, wenn ein erhebliches Intereſſe 
des Arbeitgebers vorliegt und anderſeits die Bindung 
des Arbeiters nicht die Grenzen der Billigkeit, nach 
Ort, Zeit und Gegenſtand des Verbots überſchreitet. 
Gegenüber dem einfachen Arbeiter wird jede Bindung 
der Erwerbstätigkeit ſchweren Bedenken unterliegen, 
es erheben ſich Stimmen, welche für dieſen Kreis ge— 
werblicher Bedienſteter überhaupt das Wettbewerbs— 
Verbot als unſittlich bezeichnen. Sicher aber muß 
einem Vertrage, wenn er die in 8 74 HGB. und Ss 133f. 
Gew. gezogenen Billigkeitsgrenzen überſchreitet, der 
gerichtliche Schutz verſagt werden. Dieſe Vorſchriften 
erklären die von einem minderjährigen Handlungs: 
gehilfen oder höheren Gewerbebedienſteten verein— 
barten Wettbewerbs-Verbote für nichtig. Folgerichtig 
muß dieſe Schutzvorſchrift auch dem einfachen Arbeiter 
zugute kommen, da die Abſicht des Geſetzes dahin 
geht, dem jugendlichen unerfahrenen Arbeitnehmer 
Schutz zu gewähren gegen die Folgen leichtſinniger 
Verpflichtung (Landmann, GewO. 5. Aufl. Bd. II S. 18). 
Hier liegt alſo der erſte Nichtigkeitsgrund vor. Der Um— 
ſtand, daß der geſetzliche Vertreter der minderjährigen 
Beklagten den Vertrag mitunterzeichnet hat, beſeitigt 
dieſen Verſtoß nicht, auch nicht die ſtillſchweigende Werz 
längerung des Vertrags durch die ſpäter großjährig ge— 
wordene Beklagte; eine ausdrückliche ſpätere Beſtätigung 
(S 141 BGB.) ift nicht behauptet. Das Wettbewerbs-Ver- 
bot umfaßt den Zeitraum von 5 Jahren, geht alſo weit 
über die Sperrfriſt hinaus, die 874 HGB. gegenüber dem 
Handlungsgehilfen geſtattet. Dieſe Beſtimmung be— 
ſchränkte die Beklagte ohne genügendes Intereſſe des 
Arbeitgebers in unzuläſſiger Weiſe. Der Beklagten, 
die für den Beruf als Büglerin und Wäſcherin aus— 
gebildet iſt, kann nicht zugemutet werden, ſich einem 
anderen Berufe zuzu wenden oder ein halbes Jahr— 
zehnt auf den Gebrauch ihrer Kenntniſſe und Fähig— 
keiten zu verzichten. Ein weiterer Verſtoß gegen die 
guten Sitten liegt in der Sperre einer Zone von 
50 km vom jeweiligen Betriebsſitz des Klägers im 
Zuſammenhalte mit der Beſchränkung der Beſchäftigung 
der Beklagten, der innerhalb dieſer Zone nicht nur 
die Errichtung eines Konkurrenzgeſchaftes oder der 
Eintritt in ein ſolches, ſondern ſogar das Waſchen 
und Bügeln gegen Entgelt überhaupt verboten iſt. 
Die Anregung des Klägers vom richterlichen Er— 
mäßigungsrechte Gebrauch zu machen, wenn etwa ein— 
zelne Vertragsbeſtimmungen zu hart feien, kann keine 


230 


Berückſichtigung finden. Nach Lage des Falls könnte 
nur die Prüfung veranlaßt ſein, ob nicht etwa der 
Eintritt in ein Konkurrenzgeſchäft am Betriebsſitze 
des Klägers innerhalb 2 Jahren nach dem Austritte 
aus dem Geſchäfte des Letzteren die Beklagte ftraf- 
fällig gemacht habe, weil vielleicht innerhalb dieſer 
Grenzen der Kläger ein ſchutzwürdiges Intereſſe habe 
und eine zu große Härte gegen die Beklagte nicht 
gegeben fei. Damit würde aber die in § 74 HGB. 
und 88 133 f. GewO. dem Richter ausdrücklich gegebene 
Befugnis, die zu harten Beſchränkungen zu mildern 
und das Verbot auf angemeſſene Grenzen zurückzu— 
ühren, auf 8 138 BGB. angewendet werden, der uns 
fitliche Geſchäfte überhaupt mit Nichtigkeit bedroht. 
Das iſt ausgeſchloſſen und ſomit die Klage ſchlechthin 
unbegründet. (Urteil vom 2. April 1908). 

1208 D. 


Landgericht München I. 


Beſtimmtheit der Bezeichnung der Forderung bei 
Sicherungshypstheken; Umfang der Vorlagepflicht für 
Abſchriften. Die Terrain⸗A G. B. beſtellt auf eine An⸗ 
zahl unabgeteilter Bauplätze zugunſten der Stadt- 
gemeinde M. Sicherungshypotheken, für den Erſatz 
künftig entſtehender Straßenpflaſterungskoſten, ſo ins⸗ 
beſondere auf dem Eckbauplatz an der D.- und V.⸗Straße 
in Höhe von 2575 M und 1988 M. Gleichzeitig teilte 
die Hypothekengläubigerin die frühere einheitliche Be— 
laſtung des nunmehr parzellierten Komplexes in der 
Weiſe ab, daß jeder Bauplatz nur mit einem Teil- 
betrag von zwei der urſprünglichen vier Hypotheken 
belaſtet blieb. Zwei dieſer urſprünglichen Hypotheken 
waren bereits bei Anlegung des Grundbuchs ein— 
getragen geweſen; hinſichtlich dieſer befand ſich bisher 
weder eine Urſchrift noch eine Abſchrift der Hypothef- 
beſtellung und Eintragungsbewilligung beim Grund— 
buchamt. In der Hypothekteilungserklärung war auf 
dieſe älteren Notariatsurkunden in keiner Weiſe Bezug 
genommen, ſondern nur auf deren Eintragungen im nun— 
mehrigen Grundbuch ſelbſt. Das Grundbuchamt ver— 
weigerte den Vollzug, weil nicht erſichtlich ſei, ob bei 
dem Eckplatz die Doppelbelaſtung ſich auf die Pflaſte— 
rungskoſten verſchiedener Straßen und gegebenenfalls 
welcher beziehe; ferner, weil die zur Bezugnahme in 
der Eintragungsbewilligung erforderliche beglaubigte 
Abſchrift der älteren Hyvpothekbeſtellungsurkunden 
nicht vorgelegt ſei. In der Beſchwerde wurde geltend 
gemacht, eine Ausſcheidung der Pflaſterungskoſten nach 
Straßen ſei entbehrlich, weil es ſich um Sicherungs— 
hypotheken handle, alſo der Gläubiger zum Beweis 
der Forderung ſich ohnehin nicht auf den Grundbuch— 
eintrag berufen könne; die Vorlegung beglaubigter 
Abſchriften der älteren Hypothekurkunden ſei geſetzlich 
nicht vorgeſehen, weil die Beſtellung noch mit dem 
bayeriſchen Hypothekengeſetz erfolgt ſei. Der Beſchwerde 
wurde ſtattgegeben. 

Aus den Gründen: Die Beſchwerdebegründung 
überſieht, daß $ 1184 Abſ. 1 BGB. die Angabe der 
Forderung, für welche Sicherſtellung bezweckt wird, 
nicht entbehrlich macht (Oberneck § 151 Nr. 3); nur 
braucht die Forderung dem Grundbuchamt nicht urkund— 
lich nachgewieſen zu werden, auch iſt die Angabe des 
Schuldgrunds nicht erforderlich. Es handelt ſich alſo 
ausſchließlich darum, ob die Angabe der Forderungen 
genügt. Nun wäre freilich die vom Grundbuchamt 
vermißte Straßenbezeichnung Thon deshalb angezeigt 
geweſen, weil die Pflaſterungskoſten ſofort nach Arbeits- 
angriff zahlbar ſein ſollen. Es iſt auch allgemein die 
Zweckmäßigkeit einer möglichſt genauen Forderungs— 
bezeichnung anerkannt, um dem Gläubiger den ſpätern 
Nachweis des Beſtands und der Identität der Forde— 
rung tunlichſt zu erleichtern (vgl. Hinsichtlich der 
Pflichten des Notars SS 552 Abſ. 1 und 2, 553 GBDA.). 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


„ — — : Tee T —— ̃ — — 


Nr. 11. 


Immerhin läßt ſich aber nicht geradezu behaupten, daß 
die gewählte Forderungsbezeichnung ohne genauere 
Angabe der in Betracht kommenden Straßen, auf 
denen die Koſten erwachſen können, nicht dem Mindeſt⸗ 
maß des geſetzlichen Erforderniſſes genügt, zumal für 
die beiden gleichartigen Forderungen ſtets der nämliche 
Gläubiger in Betracht kommt. Die vom Grundbuch⸗ 
amt verlangte Ergänzung der Urkunde wird ſich ſohin 
mangels ausreichender geſetzlicher Handhabe nicht er⸗ 
zwingen laſſen. Hinſichtlich der Abſchriften läßt die 
Beſchwerde außer acht, daß die Hypotheken früheren 
Rechts durch Art. 192 EG. z. BGB. in ſolche neuen 
Rechts übergeleitet find, bei letzteren aber der Grund- 
buchrichter zu beſtimmen hat, was unmittelbar in den 
Vermerk ſelbſt aufzunehmen und was mittelbar durch 
Bezugnahme einzutragen ift (8 256 GBDA.). Aller: 
dings wird er dabei hier zu prüfen haben, ob bei 
Einhaltung der §§ 307 ff. GBꝰDA. eine ſolche Bezug- 
nahme überhaupt noch in Betracht kommt und ob der 
Gewinn an Kürze nicht durch die Einbuße an Ueber⸗ 
ſichtlichkeit und Verſtändlichkeit überwogen wird, zumal 
es ſich hier um Teilung früherer größerer Kapitalien 
und um Aenderungen in den Pfandobjekten handelt. 
Jedenfalls kann der Grundbuchrichter aber von dieſer 
Befugnis nur beim Vorliegen der im § 255 Nr. 1 und 2 
G BDA. normierten weſentlichen Vorausſetzungen Ge— 
brauch machen; zur Erfüllung dieſer Vorausſetzungen 
ift jedoch der Antragſteller über die im 8 9 GB. 
(vgl. $s 525, 568 GB DDA.) ſtatuierte Pflicht hinaus 
weder durch Geſetz noch ſonſtige Vorſchrift verbunden. 
Uebrigens leiden die fraglichen beiden älteren Hypo— 
thekeneinträge auch inſofern an einem weſentlichen 
Mangel, als hinſichtlich außergewöhnlicher Verein⸗ 
barungen über Kündbarkeit und Fälligkeit auf die Ein: 
tragungsbewilligung Bezug genommen iſt, ohne daß 
letztere beim Grundbuchamt in Urſchrift oder Abſchrift 
verwahrt wäre. Dieſe allerdings früher vielfach übliche 
Sachbehandlung war fehlerhaft. Bei der hiernach 
alsbald zu veranlaſſenden Behebung dieſes von der 
Partei nicht verſchuldeten Mangels, kommen bei An- 
wendung des Art. II Nr. 4 der HypG Nov. vom 
30. Dezember 1903 ohnehin die Abſchrift oder die 
älteren Urkunden zu den Grundbuchanlagen und wird 
das beanſtandete Vollzughindernis ohne weiteres gegen— 
ſtandslos. (Beſchluß vom 19. Dezember 1907; Beſchw.⸗ 
Reg. Nr. 617/07). N. 
1177 


Aus der Praxis des bayer. Berwaltungs: 
gerichtshofs. 


Keine Verpflichtung zur Entrichtung der Befitz⸗ 
veränderungsgebühr bei Auflöſung einer ang Bater und 
Sohn beſtehenden offenen Handelsgeſellſchaft durch den 
Tod des Vaters und Uebergang des Geſellſchaſtsvermögens 
auf den überlebenden Geſellſchafter (Art. 213, 214 Geb. 
i. d. F. vom 6. Juli 1892, Art. 252 und 253 d. F. von 
28. April 1907). Die aus Vater und Sohn beſtehende 
offene Handelsgeſellſchaft J. S. W. in M. war Eigen— 
tümerin eines Grundſtücks ſeit dem Jahre 1899. Im 
Jahre 1901 wurde fie durch den Tod des Vaters auf- 
gelöſt. Der Sohn hat den Vater ausſchließlich beerbt. 
Das Grundſtück wurde auf ihn als Alleineigentümer 
im Grundbuch umgeſchrieben. Das Rentamt forderte 
von ihm die Beſitzveränderungsgebühr. Auf Beſchwerde 
hat die Regierung, K. d. F., ausgeſprochen, daß der 
überlebende Gejellichafter für den Uebergang des 
Eigentums an dem Anweſen von der offenen Handels— 
geſellſchaft auf ihn ſelbſt die Beſitzveränderungsgebühr 
zu zahlen hat. Auf Beſchwerde hat der VGH. aus- 
geſprochen, daß der Beſchwerdeführer die Beſitzver— 
änderungsgebühr nicht zu entrichten hat. 

Aus den Gründen: Unter „Befigveränderung” 
verſteht der für die Frage der Gebührenpflicht hier 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. 


231 


maßgebende Art. 213 Geb. i. d. F. vom 6. Juli 1892 
nur Veränderungen im Eigentumsbeſitze oder Quaſi⸗ 


beſitze, und es iſt nach dem einſchlägigen Zivilrechte 


zu entſcheiden, ob und wann ein ſolcher Eigentums⸗ 
beſitz und eine Veränderung in ihm gegeben iſt. Da 
die Tatſachen, aus welchen hier die Gebührenpflicht 


hergeleitet werden ſoll, nach dem 1. Januar 1900 ein⸗ 


getreten ſind, haben die Vorſchriften des BGB. und 
des neuen HGB. Maß zu geben. Nach dem bis 
1. Januar 1900 geltenden Rechte mußte die offene 
Handelsgeſellſchaft jedenfalls in ihren Beziehungen zu 


Dritten als ein von den Perſonen der Geſellſchafter 


verſchiedenes ſelbſtändiges Rechtsſubjekt ans 


geſehen werden, auch für das Gebührengeſetz als ſolches 


gelten. Der BGH. ſchließt ſich der in Rechtslehre und 
Rechtſprechung herrſchenden Auffaſſung an, daß nach 
den Grundſätzen des BGB. und HGB. die offene 
Handelsgeſellſchaft weder eine juriſtiſche Perſon, noch 
ein ſonſtwie von den Perſonen der Geſellſchafter 
verſchiedenes und unabhängiges „ſelbſtändiges Rechts⸗ 
ſubjekt“ mit eigenem Vermögen iſt, daß vielmehr die 
Geſellſchafter am Geſellſchaftsvermögen zur geſamten 
Hand berechtigt find. Die Frage, ob für das Geb. 
eine von dem Grundſatze der geſamten Hand abweichende 
Konſtruktion des Vermögens der offenen Handelsgeſell⸗ 
ſchaften zugrunde gelegt werden könne, muß für die 
allein hier in Betracht kommende Beſitzveränderungs⸗ 
gebühr nach Art. 213 Geb. von 1892 (jetzt Art. 252) 
verneint werden. Das Vermögen der offenen Handels» 
geſellſchaft J. S. W. und damit das Anweſen gehörte 
daher nicht dieſer Geſellſchaft als einer ſelbſtändigen 
Rechtsperſönlichkeit, ſondern war während des We- 
ſtandes der Geſellſchaft gemeinſchaftliches Vermögen 
der Geſellſchafter zur geſamten Hand. Die Geſellſchafter 
in ihrer Geſamtheit ſind die Träger und Subjekte der 
Rechte, welche die Geſellſchaft unter ihrer Firma ers 
worben hat. Die oberſten Gerichtshöfe und mit ihnen der 
BSH. ſtimmen darin überein, daß ſchon zur Zeit des 
Beſtandes der Gemeinſchaft den an ihr Mitberechtigten 


hältnis feines Anteils am Geſellſchaftsvermögen 
berechtigt war, dann iſt eine Beſitzveränderung an 
dem ſchon bisher dem Beſchwerdeführer zuſtehenden 
Anteil an dem Anweſen nicht gegeben; dagegen iſt 
eine ſolche gegeben für den vom Vater ererbten 
Anteil. Für dieſe Beſitzveränderung aber iſt der 
Beſchwerdeführer als Erbe ſeines Vaters von der 
Gebühr frei (Art. 214 Abſ. 3 mit Art. 214 Abſ. 1 lit. a, 
jetzt Art. 253). (Beſchluß vom 2. März 1908). 

1270 Mitg. v. Rechtsanwalt Juſtizrat Dr. Blättner in München. 


Aus der Praxis des Reichsmilitärgerichts. 


0 ann der Fahnenflucht. (S 76 RM StGB. 
mit 8 67 Abſ. 2 RStGB. und Art. II S 3 des RGef. 
vom 11. Februar 1888 betr. Aenderung der Wehr⸗ 
pflicht). Die Verjährung beginnt mit dem 1. April, 
nicht dem 31. März desjenigen Kalenderjahres, in dem 
der Wehrpflichtige das 39. Lebensjahr vollendet. Aus 
den Gründen: Für die militäriſchen Delikte gelten 
bezüglich der Verjährung der Strafverfolgung nach 


Maßgabe des 82 RM StGB. im allgemeinen die Bor- 


unmittelbare Anteile auch an den einzelnen Gemein⸗ 
ſchaftsſachen dem Rechte nach zuſtehen, und daß fie 
nur in der Verfügung über dieſe ihnen als Geſell⸗ 


ſchaftern gehörigen Sachen beſchränkt find. Unent- 
ſchieden läßt der VGH. die Frage, ob diefe unmittel- 
bare Anteilsberechtigung der einzelnen Geſellſchafter 
im Sinne der neueſten Rechtſprechung des Reichsgerichts 
(Bd. 65 S. 227 ff.) Ausfluß einer vollen und nur in 
der Verfügungsmacht beſchränkten dinglichen Berech— 
tigung jedes Geſellſchafters auf das Ganze des Geſell— 
ſchaftsvermögens ift, und ob bei Wegfall des einen 
von zwei Teilhabern nur eine Anwachſung in dem 
Sinne ſtattfindet, daß es ſich um eine Hinzuerwerbung 
der Mitberechtigung des ausgeſchiedenen Geſellſchafters, 
ſondern nur um Wegfall dieſer beſchränkenden Wit- 
berechtigung unter Zerſtörung des Geſamthandver— 
bandes handle, oder ob mit dem bayer. Oberſten Landes: 
gerichte eine Mitberechtigung nach Quoten anzunehmen 
iſt. Denn in dem einen wie in dem anderen Falle muß 
die Verpflichtung des Beſchwerdeführers zur Entrichtung 
einer Beſitzberänderungsgebühr verneint werden. Nach 
der Auffaſſung des Reichsgerichts war der Beſchwerde— 
führer ſchon bei Beſtehen der offenen Handelsgeſell— 
ſchaft auf das ganze Anweſen unmittelbar dinglich 
berechtigt und nur durch die Mitberechtigung ſeines 
Vaters im Eigentum beſchränkt. Nach dem Wegfall 
dieſer Mitberechtigung hat demnach der Beſchwerde— 
führer das Eigentum an dem Anweſen nicht neu er— 
worben. Nur dem neuen Eigentumsbeſitzer eines Grund— 
ſtückes ift aber die Entrichtung der Beſitzveränderungs— 
gebühr nach Art. 213 (jetzt Art. 252) Geb. auferlegt. 
Wird aber mit dem bayer. Oberſten Landesgerichte 
angenommen, daß der Beſchwerdeführer auf Grund 
feines Anteilsrechtes an dem Geſellſchaftsvermögen 
und dem Anweſen während des Beſtandes der Geſell— 
ſchaft an dem Anweſen dinglich nur nach Ver- 


pflichtung 


ſchriften des 8 67 NStEB. Nach § 76 RMStGB. 
beginnt die Verjährung der Strafverfolgung wegen 
Fahnenflucht mit dem Tage, an welchem der Fahnen— 
flüchtige, wenn er die Handlung nicht begangen hätte, 
feine geſetzliche oder von ihm übernommene Ber- 
pflichtung zum Dienſte erfüllt haben würde. Dieſe 
Beſtimmung kann grammatikaliſch allerdings ebenſo 
wohl dahin aufgefaßt werden, daß die Verjährungs⸗ 
frift mit dem Tage enden fol, an welchem die geſetz⸗ 
liche Dienſtpflicht erfüllt wird, als auch dahin, daß 
dies der Fall iſt an dem Tage, an welchem die Dienſt⸗ 
pflicht erfüllt iſt. Aus der Entſtehungsgeſchichte dieſer 
Vorſchrift läßt ſich keine ſichere Grundlage für die 
Entſcheidung entnehmen. . .. Bemerkenswert iſt jedoch 
die Ausführung des Berichterſtatters Dr. Lamey über 
die Kommiſſionsberatungen, daß die Kommiſſion beſtrebt 
geweſen ſei, bei aller Rückſicht auf das militäriſche 
Intereſſe ſich auch den Beſtimmungen des bürgerlichen 
StGB. fo ſehr wie möglich zu nähern, und daß fie das 
einzige Vergehen, das in der Vorlage noch als un— 
verjährbar vorkomme — die Fahnenflucht — gleidh- 
falls den allgemeinen Regeln unterwerfen zu müſſen 
glaubte, indem fie den Anfangstermin für fie in 
einem Paragraphen beſtimmte. Daher ift der § 76 
RM StGB. in feinem Verhältniſſe zu 8 67 Abſ. 4 
R StGB. zu prüfen, welcher beſtimmt, daß die Ber- 
jährung mit dem Tage beginnt, an welchem die 
Handlung begangen iſt. Die Fahnenflucht iſt Dauer— 
delikt. Dieſe Delikte werden nach der allgemeinen 
Lehre ſo lange begangen, bis die Verwirklichung des 
geſetzlichen Tatbeſtands aufhört. Dieſer Zuſtand tritt 
bei der Fahnenflucht an ſich erſt ein, wenn der 
Fahnenflüchtige zur Pflicht zurückkehrt oder verhaftet 
ift. 8 76 RMStGB. rückt den Abſchluß der Tat- 
begehung auf den Ablauf der geſetzlichen Dienſtver— 
in der Landwehr 2. Aufgebots zurück. 
Demnach iſt es ſo anzuſehen, als ob der Täter 
darüber hinaus eine geſetzliche Verpflichtung zum 
Dienſte überhaupt nicht mehr habe, während ſie tat— 
ſächlich noch fortdauert, da die Abweſenheit des 
Fahnenflüchtigen in die Dienſtzeit nicht eingerechnet 
wird. Im Grunde zieht alſo § 76 mit der Feſt— 
legung des Anfangstermins der Verjährung nur der 
Strafverfolgung wegen Fahnenflucht eine 
Grenze; das in 8 67 Abſ. 4 R StGB. ausgeſprochene 
Prinzip, daß die Verjährung erſt beginnen könne, 
wenn die Straftat begangen iſt, wird hierdurch in 
keiner Weiſe geändert. Hieraus ergibt fih, daß die 
Fahnenflucht nach der Fiktion des Geſetzes abge— 
ſchloſſen und damit begangen iſt in dem Augenblick, 
da die Dienſtpflicht in der Landwehr 2. Aufgebots 


m ä —ũ—ä— — — nn 


ihr Ende erreicht hätte. Die Worte des § 76 „mit 
dem Tage ꝛc.“ können demzufolge nur dahin ausgelegt 
werden, daß damit der Tag gemeint iſt, der dem Ab⸗ 
ſchluſſe der Dienſtpflicht unmittelbar folgt. Das iſt 
aber der 1. April des Kalenderjahres, in welchem 
der Angeklagte das 39. Lebensjahr erreicht hatte. 
(Im gleichen Sinne auch wiederholte Erkenntniſſe des 
preußiſchen Generalauditoriats, zuletzt am 22. Februar 
1899 und Entſch. des AMGer. II vom 4. Januar 1905 
(ungedruckt).) (Urteil vom 22. April 1908). 
1271 


Literatur. 


Frank, Dr. Reinhard, Profeſſor der Rechte in Tübingen. 
Das Strafgeſetzbuch für das Deutſche Reich 
nebſt dem Sinfübrungägefede. 5. bis 7. neubearbeitete 
Auflage. Tübingen „Verlag von J. C. B. Mohr 
(Paul Siebeck). Geh. Mk. 10.—. Gebd. Mk. 12.—. 


Eine gründliche Erläuterung des StGB. in einem 
nicht einmal unhandlichen Bande zu ſchaffen, konnte 
nur einem Schriftſteller gelingen, der den Stoff völlig 
beherrſcht und es verſteht, aus der verwirrenden Menge 
der Einzelheiten die leitenden Gedanken herauszuſchälen. 
Der Frankſche Kommentar hat ſich binnen kurzer Zeit 
eine führende Stellung verſchafft und man kann be⸗ 
obachten, daß ihn die jüngeren Juriſten vor allen an⸗ 
deren Werken bevorzugen. Dieſer Erfolg iſt wohl⸗ 
verdient. von der Pfordten. 


Schneider, Heinrich von, Präſident des OLG. Nürn⸗ 
erg. Geſetz über die Angelegenheiten der 
e Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898. 
extausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und 
Sachregiſter. 3. Auflage, bearb. unter Mitwirkung 
von Dr. Jalsb Keßler, II. Staatsanwalt in Würz⸗ 
burg. München 1908, C. H. Beck'ſche Verlagsbuch⸗ 
handlung (Oskar Beck). Gebd. Mk. 2.80. 

Die Schneiderſche Ausgabe, die in der bayeriſchen 
Praxis ſehr viel benützt wird, hat ſich zu einem ſtatt⸗ 
lichen Bändchen ausgewachſen. Die neueren Ent⸗ 
ſcheidungen, insbeſondere die Erkenntniſſe des Oberſten 
Landesgerichts find forgfältig nachgetragen. 


von der Pfordten. 


Notizen. 


Berordunng über Apsthekerkammern. Die durch 
§§ 36—40 der Apothekenordnung vom 27. Januar 1842 
(Reg Bl. S. 257) geſchaffenen Apothekergremien find nun⸗ 
mehr durch die VO. vom 26. April 1908 (GVBl. S. 267) 
aufgehoben und durch Apothekerkammern erſetzt. Letztere 
beſtehen „als Standes vertretung der Apotheker“ am 
Regierungsſitz für jeden Regierungsbezirk und find 
Körperſchaften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis 
zur Siegelführung. Sie ſetzen ſich aus gewählten Ver⸗ 
tretern der Apothekeneigentümer und der übrigen appro⸗ 
bierten (auch Militär⸗) Apotheker zuſammen; die Mit- 
gliederzahl iſt für die 1. Wahlperiode (Mai 1908 bis 
Oktober 1911) durch die Min Bek. vom 27. April 1908 
(GVBl. S. 272) beſtimmt. Die Wahl erfolgt durch Stimm⸗ 
zettel, welche von den Wahlberechtigten eigenhändig 
unterſchrieben fein müſſen; gewählt ſind diejenigen, welche 
die meiſten Stimmen erhalten haben. Aufgabe der 
Apothekerkammern iſt die Förderung des Apotheken⸗ 


Beitichrift für Rechtsoflege in Bayern. 1908. 


Nr. 11. 


æ- — 


können bei dieſen geeignetenfalls Anträge ſtellen. 
Jede Apothekerkammer wählt alle 3 Jahre einen Vor⸗ 
ſtand (aus 3 Mitgliedern) und alljährlich einen Aus⸗ 
ſchuß (aus 5 Mitgliedern, für Abgabe von Gutachten 
bei Approbationszurücknahmen) 5 einen Abgeord⸗ 
neten zum Obermedizinalausſchuß. Der Vorſtand ver⸗ 
tritt die Apothekerkammer gerichtlich und außergericht⸗ 
lich. Die Beſchlüſſe des Vorſtandes wie der Kammer, 
deren Verhältniſſe des näheren durch Satzungen zu 
regeln ſind, werden mit abſoluter Stimmenmehrheit 
der Erſchienenen — bei Stimmengleichheit durch Stich⸗ 
entſcheid des Vorſitzenden — gefaßt; ein Vorſtands⸗ 
beſchluß ift auch gültig, wenn er auf Grund ſchrift⸗ 
licher Zuſtimmung gefaßt iſt. Dr. Sch. 
1281 


Geſchäſtsſtatiſtit der Gewerbe: und Kaufmanns 
gerichte für 1907. (Amtsblatt der Kgl. Staatsminiſterien 
es Kgl. Hauſes und des Aeußern und des Innern Nr. 9 
vom 7. Mai 1908). ) Der Geſchäftsanfall bei den 52 
Gewerbegerichten iſt gegenüber dem Vorjahre geſunken 
(6534 Rechtsſtreitigkeiten gegenüber 7381), bei den 
24 Kaufmann ge richken hat er ſich gegenüber dem Jahre 
1906 nicht geändert (1261 Rechtsſtreitigkeiten); 3 Ge⸗ 
werbegerichte (Alſenborn, Erfenbach und Burgfarrn⸗ 
bach) ſowie 1 Kaufmannsgericht (Schwabach) traten 
überhaupt nicht in Tätigkeit. Weniger als 10 Rechts⸗ 
ſtreitigkeiten hatten zu erledigen 9 Gewerbegerichte 
und 11 Kaufmannsgerichte. Bei den Gewerbegerichten 
wieſen die meiſten Klagen einen Streitwert bis zu 20 M 
einſchließlich auf (3421 = 52,3%); bei den Kaufmanns 
gerichten hatten die meiſten Sachen einen Streitwert 
von mehr als 100 M bis zu 300 M (424 = 33,7 %). 
Bis zur Verkündigung eines kontradiktoriſchen End⸗ 
urteils dauerten 


a erg gri g? i 
f 28 ao 25 225 = 
Rechtsſtreitigkeiten | 32 885 85 88 — 82 
E — m ya ‚a — — O 60 22 
bei den Gewerbe⸗ | | i | 
gerichten 396 | 333 194 76 | 8 
| 
bei den Kaufmanns⸗ | | 
gerihten . . . 81 58 26 13 
| i 
Es wurden erledigt: 
nn ET 2 2 52 2 82 2 
SSS S SEE 28 Ze 
Rechtsſtreitigkeiten F Eros 888 SSE 28 
28 28 ** 82 = 
| Š 7E art 


bei den Gewerbe⸗ = | 
gerichten ; vn 70 38 — 559 10071664 
bei den Kaufmanns⸗ | | | 
gerichten 611 — 2 95 85 255 166 
i i | 


Klagen der Arbeitgeber und der Kaufleute waren 
wie bisher ſelten; ſie machten bei den Gewerbegerichten 
8,6 %, bei den Kaufmannsgerichten 9,6% aller Rechts⸗ 
ſtreitigkeiten aus. Prozeſſe zwiſchen Arbeitern des⸗ 
ſelben Arbeitgebers kamen nur 26 vor. 

1) zur der Vorjabre f. diefe Zeltſchrift Bd. II S. 328, 


Bd. III S. 244. 
) Bel den Gewerbegerichten nicht ausgeſchieden. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


— —— — 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing. 


ur. 12. 


2. Münden, den den 15. Juni 1908. 


4. 4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Ch. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
ME. 3. Beſtellungen übernimmt jede A panptung und 
Bohankaft (-Boſtzettungsliſte für Bayern Nr. 9742). 


in Bayern 


Verlag von 

2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 

in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktton und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
i ebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene e 
vs“ deren Raum. Bei gen Rabatt. Stellenanzeigen 

20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Die Vörſengeſetznovelle vom 3. Mai 1908. 


Von Juſtizrat Dr. Julius Kahn in München, 
Nechtsanwalt und Syndikus der Handels- und Gewerbe— 
kammer für Oberbayern. 


Wohl wenige Geſetze werden ſich ſchon ſo bald 
nach ihrem Inkrafttreten als reviſionsbedürftig er⸗ 
wieſen und doch zur Durchführung der Reviſion 
jo lange Zeit benötigt haben, wie das Börſen⸗ 
geſetz vom 22. Juni 1896. Geboren aus der Er⸗ 
kenntnis, daß eine Reihe ſchwerer Mißſtände an 
den deutſchen Börſen ein geſetzgeberiſches Eingreifen 
zu deren Abſtellung dringend erheiſcht, hat es das 
Kind mit dem Bade ausgeſchüttet und neben einer 
Reihe außerordentlich zweckmäßiger, großenteils 
die Erhaltung beſtehender Einrichtungen ſanktio⸗ 
nierender Beſtimmungen auf dem Gebiete des 
Börſenterminhandels ſchwere Fehlgriffe begangen 
und damit wirtſchaftliche Mißſtände der ſchlimmſten 
Art gezeitigt. Alle dieſe Dinge ſind zu bekannt, 
als daß an dieſer Stelle näher hierauf eingegangen 
werden müßte. 

Noch ehe eine Reviſion des Geſetzes aus wirt⸗ 
ſchaftspolitiſchen Erwägungen eingeleitet wurde, hat 
es bereits anläßlich des Inkrafttretens des neuen 
HGB. nicht unerhebliche Abaͤnderungen erfahren. 
So wurden durch Art. 14 EG. z. HGB. die mit 
dem neuen HGB. vom 10. Mai 1897 ſowie mit 
dem BGB. nicht im Einklang ſtehenden SS 33, 
34, 45, 58, 63 und 69 geändert, (den $ 62 in 
dieſe Aenderung miteinzubeziehen wurde überſehen), 
und die 88 70—74, welche vom Kommiſſions— 


geſchäft handelten, aufgehoben. Dieſe Aenderungen, 


waren durch die juriſtiſche Technik geboten. Die 
Bank: und Börſenkreiſe verlangten aber die Ab- 
änderung der Beſtimmungen über den Börjen- 
terminhandel (§§ 68—69 des Geſetzes), welche 
durch die Schaffung des Terminregiſters und die 
Ermöglichung des Regiſtereinwandes zerſtörend auf 
Treu und Glauben eingewirkt, und anſtatt das 
ſpekulierende Publikum zurückzuhalten, es nur an 
die ausländiſchen Börſen getrieben hatten. Dieſen 
durch die ſchlimmen Folgen des Geſetzes gezeitigten 


Wünſchen konnte ſich denn auch der Geſetzgeber 


nicht entziehen, und am 19. Februar 1904 wurde 
dem Reichstag der Entwurf eines Geſetzes, betreffend 
die Aenderungen des die Vorſchriften über den 
Börſenterminhandel enthaltenden Abſchnittes IV 
des Börſengeſetzes, vorgelegt; ungeachtet einer ein⸗ 
gehenden Kommiſſionsberatung gelangte indeſſen 
der Entwurf wegen Schluſſes der Seſſion nicht 
mehr an das Plenum. Die Regierung unierbreitete 
daher dem Reichstag unterm 28. November 1906 
einen neuen Entwurf, welcher wortgetreu den Pe- 
ſchlüſſen der Reichstagskommiſſion der vorigen 
Seſſion entſprach; die Auflöſung des Reichstags 
hinderte die parlamentariſche Erledigung auch dieſer 
Vorlage. Ein neuer Entwurf wurde dem Reichs⸗ 
tag am 22. November 1907 vorgelegt. Er iſt 
nach wechſelvollen Schickſalen in der Kommiſſion, 
die ihn in zahlreichen Punkten geändert hat, zum 
Geſetze geworden. Das Geſetz trägt das Datum 
vom 8. Mai 1908 und iſt im Reichsgeſetzblatt 
Nr. 24, ausgegeben am 18. Mai ds. Js., ver- 
öffentlicht; es tritt ſohin gemäß Artikel 2 der 
Reichsverfaſſung am 1. Juni ds. Js. in Kraft. 
Schon die Ueberſchrift des Geſetzes iſt bemerkens⸗ 
wert. Hatten die beiden früheren Entwürfe ledig⸗ 
lich die Aenderung des IV. Abſchnittes des Börſen⸗ 
geſetzes (des Kapitels über den Börſenterminhandel) 
zum Gegenſtand, ſo lautet das neue Geſetz vom 
8. Mai 1908: Geſetz, betreffend Aenderung des 
Börſengeſetzes. Die Novelle beſchränkt ſich in 
der Tat nicht bloß auf die Aenderungen und Er— 
gänzungen der Beſtimmungen über den Börſen— 
terminhandel, ſie vereinfacht auch einzelne Beſtim— 
mungen über die Zulaſſung von Wertpapieren zum 
Börſenhandel, insbeſondere über die Zulaſſung von 
Reichs- und Staatsanleihen, von Schuldverſchrei— 
bungen, deren Verzinſung und Rückzahlung vom 
Reich oder einem Bundesſtaat gewährleiſtet iſt, 
und von Schuldverſchreibungen einer kommunalen 


Körperſchaft, der Kreditanſtalt einer ſolchen Körper— 


ſchaft, einer kommunal-ſtändiſchen Kreditanſtalt oder 
einer unter ſtaatlicher Aufſicht ſtehenden Pfand— 
briefanſtalt. Immerhin bilden aber den Schwer— 
punkt der Novelle die Vorſchriften über den Börſen— 
terminhandel, die unter Aufhebung der Vorſchriften 


234 


des IV. Abſchnittes des Börſengeſetzes vom 22. Juni 
1896 eine grundlegende Aenderung des bisherigen 
Rechts mit ſich bringen. Ihrer Betrachtung ſeien 
die folgenden Zeilen gewidmet. 

Das alte Geſetz hatte an die Spitze der Vor⸗ 
ſchriften über den Börſenterminhandel eine Legal⸗ 
Definition dieſes Begriffes geſtellt, indem es aus⸗ 


prach: 

„Als Börſentermingeſchäft in Waren oder Wert- 
papieren gelten Kauf- oder ſonſtige Anſchaffungs⸗ 
geſchäfte auf eine beſtimmte Lieferungszeit oder 
mit einer feſt beſtimmten Lieferungsfriſt, wenn ſie 
nach Geſchäftsbedingungen geſchloſſen werden, die 
von dem Börſenvorſtande für den Terminhandel 
feſtgeſetzt ſind, und wenn für die an der betreffenden 
Börſe geſchloſſenen Geſchäfte ſolcher Art eine amt⸗ 
liche Feſtſtellung von Terminpreiſen erfolgt.“ 

Eine ſolche Definition fehlt im neuen Geſetz. 
Die Motive verwerfen ausdrücklich dieſe Begriffs⸗ 
beſtimmung. Sie bemerken, daß ein Börſentermin⸗ 
handel weder Geſchäftsbedingungen benötige, die 
von dem Börſenvorſtande für den Terminhandel 
feſtgeſetzt find, noch die amtliche Feſtſtellung von 
Terminpreiſen; ja es „ſcheine“ nicht einmal unbe⸗ 
dingt erforderlich zu ſein, daß die Geſchäfte auf 
eine feſt beſtimmte Lieferungszeit oder mit einer 
feſt beſtimmten Lieferungsfriſt abgeſchloſſen werden. 
Deshalb könnten die früheren Begriffsbeſtimmungen 
in die neue Faſſung des Geſetzes nicht wieder auf⸗ 
genommen werden; aber auch einer neuen Begriffs⸗ 
beſtimmung ſtünden kaum überwindliche Schwierig⸗ 
keiten entgegen; die Gerichte hätten es bisher 
vermocht, auch ohne geſetzliche Begriffsbeſtimmung 
das Weſen des Börſentermingeſchäftes zutreffend 
zu erfaſſen, und ſo habe denn der Entwurf nach 
dem Vorgang der öſterreichiſchen Geſetzgebung von 
einer geſetzlichen Begriffsbeſtimmung des Börſen— 
termingeſchäftes gänzlich abgeſehen. 

Wir halten dieſes Fehlen einer Begriffs— 
beſtimmung des Börſentermingeſchäftes für einen 
ſchweren Fehler des Geſetzgebers.) Da mit 
dem Abſchluß von Börſentermingeſchäften be— 
ſtimmte Wirkungen nicht bloß zivilrechtlicher, 
ſondern — was ganz beſonders ins Gewicht 
fällt — auch ſtrafrechtlicher Art verknüpft ſind, 
ſo hätte ſich der Geſetzgeber der Verpflichtung 
nicht entziehen dürfen, in klarer und präziſer Weiſe 
die Vorausſetzungen dieſer zivil- und ſtrafrechtlichen 
Folgen feſtzuſetzen; und wenn er zugibt, daß die 
Gerichte das Weſen des Börſentermingeſchäftes zu— 


treffend erfaßt haben, dann hätte er ſich nicht der Auf: | 


gabe entſchlagen dürfen, ebenfalls eine Definition 
dieſes Geſchäftes zu verſuchen und deſſen geſetzliche 
Merkmale aufzuſtellen. Gerade durch das Fehlen 
einer Begriffsbeſtimmung wird einer erhöhten Un— 


— — — 


| 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


ſicherheit und einem Schwanken der Rechtſprechung 
Tür und Tor geöffnet. Auch die Gerichte werden 
nicht umhin können, zu prüfen, ob ein Geſchäft be⸗ 
ſtimmte Merkmale trägt, die es als Börſentermin⸗ 
geſchäft qualifizieren. Das periculum der „definitio 
in jure civili“ iſt aber viel größer, wenn dieſe 
Definition anſtatt generell durch den Geſetzgeber 
im einzelnen Fall durch den Richter erfolgt. 
Ueber die Zulaſſung von Waren oder Wert⸗ 
papieren zum Börſenterminhandel hatten nach 
$ 49 des Geſetzes vom 22. Juni 1896 die 
Börſenorgane nach näherer Beſtimmung der 
Börſenordnung zu entſcheiden. Nun wird zur 
Entſcheidung über die Zulaſſung zum Börſen⸗ 
terminhandel ausdrücklich der Börſenvorſtand für 
befugt erklärt (§ 48 des neuen Geſetzes). Anderen 
Organen kann die Börſenordnung dieſe Ent⸗ 
ſcheidung nicht übertragen. Die Zulaſſung von 
Wertpapieren zum Börſenterminhandel war 
im alten Geſetz davon abhängig gemacht, daß das 
Kapital der betreffenden Erwerbsgeſellſchaft 20 
Millionen Mark betrug; der Zulaſſungsantrag 
konnte ſich auf einen Teil dieſes Betrages be⸗ 
ſchraͤnken. Das ift im neuen a geändert. Es 
geſtattet die Zulaſſung zum Börſenterminhandel 
nur dann, wenn die Geſamtſumme der Stücke, 
in denen der Börſenterminhandel ſtatt⸗ 
finden ſoll, ſich nach ihrem Nennwert mindeſtens 
auf 20 Millionen Mark beläuft. Das bisherige 
Recht hatte den Börſenterminhandel in Anteilen 
von Bergwerks- und Fabrikunternehmungen unter: 
ſagt. Dieſes Verbot ſchwächt das neue Geſetz 
inſoferne ab, als es (in § 61) Börſentermin⸗ 
geſchäfte in Anteilen von Bergwerks⸗ und Fabrik⸗ 
unternehmungen mit Genehmigung des 
Bundesrates zuläßt, während ſie außerdem 
allerdings verboten ſind. Unter Berückſichtigung 
dieſer Einſchränkung aber können nunmehr Wert: 
papiere jeder Art zum Börſenterminhandel zugelaſſen 
werden. Iſt nun hierdurch eine Erweiterung des 
Kreiſes der börſenterminhandelfähigen Effekten ge⸗ 
ſchaffen, ſo trifft das Geſetz doch nach anderer 
Richtung hin wieder die dem bisherigen Rechte un⸗ 
bekannte Beſchränkung, daß Anteile einer inlän: 
diſchen Erwerbsgeſellſchaft — gleichgültig ob es 
fich um Bergwerks- und Fabrikunternehmungen oder 
Transport-, Bankanſtalten ꝛc. handelt — nur mit 
Zuſtimmung der Geſellſchaft zum Börjentermin: 
handel zugelaſſen werden dürfen, wie ſie denn auch 
auf deren Verlangen binnen Jahresfriſt, nachdem 
dieſes Verlangen vorgebracht wurde, vom Termin: 
handel wieder auszuſchließen ſind. Welches Geſell⸗ 
ſchaftsorgan die Zuſtimmung zu erteilen hat, be— 
ſtimmt der Geſetzgeber nicht. Zuſtändig hierfür 
erſcheint der Vorſtand gemäß $ 231 HGB. 
Was den Börſenterminhandel in Waren be— 


) Im gleichen Sinne ſpricht fih Laband im Bant- trifft, fo hat ſchon das alte Geſetz den Börjen- 


archiv VII S. 88 und Düringer ebendaſ. S. 113, 
ferner Heinemann in Holdheims Monatsſchrift XVII 
S. 36 ff. aus, A. A. Bernſtein in Goldſchmitts 
Zeitſchr. XLII S. 149. 


| 


| 


terminhandel in Getreide und Mühlfabrikaten ver- 
boten (S 50 Ab}. 3). Durch Beſchluß des Bundes: 


rats wurde laut Bekanntmachung des Reichskanzlers 


— 


i Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


235 


vom 20. April 1899 auch der Terminhandel in ſcheidet zwiſchen verbotenen und nicht verbotenen 


Kammzug unterſagt. Das neue Recht verbietet gleich: 
falls den Terminhandel in Getreide und Erzeug⸗ 
niſſen der Getreidemüllerei. Der Ausdruck „Getreide⸗ 
müllerei“ gibt den Willen des Geſetzgebers präziſer 
wieder, als das alte Geſetz, indem z. B. die Er⸗ 
zeugniſſe von Oelmühlen nicht dem Terminhandels⸗ 
verbot unterliegen ſollen. Das unter der Herrſchaft 
des früheren Rechts erlaſſene bundesrätliche Verbot 
des Terminhandels in Kammzug behält ſeine Gel⸗ 
tung fort. Der Börſenterminhandel in den vor⸗ 
ſtehend nicht genannten Waren unterliegt keinem 
geſetzlichen Verbote. 


Wie ſchon nach bisherigem Rechte kann der 
Bundesrat auch fernerhin Börſentermingeſchäfte 
in beſtimmten Waren und Wertpapieren verbieten 
oder die Zuläſſigkeit von Bedingungen abhängig 
machen. 


Die einſchneidendſten Aenderungen hat die No- 
velle an denjenigen Beſtimmungen vorgenommen, 
welche die Fähigkeit zum Abſchluß von Börſen⸗ 
termingeſchäften betreffen. Schon das bisherige Recht 
hatte zwiſchen verbotenen und nicht verbotenen 
Börſentermingeſchäften unterſchieden. Verbotene 
Börſentermingeſchäfte — d. h. ſolche, welche durch 
Geſetz oder Anordnung des Bundesrats verboten 
waren (S 50 des alten Geſetzes) — waren von 
Anfang an nichtig. In dieſem Sinne hat ſich 
auch das Reichsgericht — u. E. in durchaus zu: 
treffender Weiſe — wiederholt, beiſpielsweiſe in 
der Entſcheidung Band 47 S. 110, ausgeſprochen, 
und es iſt auffallend, daß die Motive zur Novelle 
(S. 22 des Entwurfs) die Berechtigung dieſes 
Standpunktes Bedenken unterziehen. Das auf 
Grund derartiger nichtiger Geſchäfte Geleiſtete 
konnte zurückgefordert werden. § 66 Abſ. IV des 


alten Geſetzes fand hierauf keine Anwendung 


(RG. 55 S. 183 ff.). Anders mit den nicht ver⸗ 
botenen Börſentermingeſchäften; ihre Rechtswirk— 
ſamkeit hing — abgeſehen von den Ausnahmen 
des § 68 — davon ab, daß beide Parteien zur 
Zeit des Geſchäftsabſchluſſes in ein Börſenregiſter 
eingetragen waren (§ 66 Abſ. 1 des alten Geſetzes). 
War dieſe Vorausſetzung nicht gegeben, ſo war 
das Geſchäft unwirkſam; die Unwirkſamkeit er— 
ſtreckte ſich auch auf die geleiſtete Sicherheit — 
die zurückgefordert werden konnte — und die ab— 
gegebenen Schuldanerkenntniſſe. Auch die Er— 
teilung und Uebernahme von Aufträgen, ſowie 
eine Vereinigung zum Abſchluß von Börfentermin: 
geihäften waren unwirkſam, wenn nicht beide 
Parteien bei Erteilung und Uebernahme des Auf— 
trags oder bei Eingehung der Vereinigung ins 
Börſenregiſter eingetragen waren. Jedoch konnte 
das bei oder nach völliger Abwickelung 
des Geſchäftes zu ſeiner Erfüllung Geleiſtete nicht 
zurückgefordert werden ($ 66 Abſ. 2 und 4 des 
alten Geſetzes). 

Auch die Novelle vom 8. Mai 1908 unter: 


Börſentermingeſchäften. Sie hat aber das Börſen⸗ 
regiſter beſeitigt und kann daher die Rechtswirk⸗ 
ſamkeit der nicht verbotenen Börfentermingeſchäfte 
nicht mehr von der Eintragung der Vertragsteile 
in dieſes Regiſter abhängig machen, ſtellt vielmehr 
gewiſſe perſönliche Eigenſchaften als Vorausſetzung 
der Börſentermingeſchäftsfähigkeit auf. Konnte 
nach dem ſrüheren Rechte jedermann in das 
Börſenregiſter ſich eintragen laſſen, ſoweit nicht 
ſeine Handlungsfähigkeit beſchränkt war, und ſomit 
die Fähigkeit zum Abſchluß von Börſentermin⸗ 
geſchäften erwerben, jo iſt nunmehr der Kreis 
der börſentermingeſchäftsfähigen Per: 
ſonen eingeſchränkt. Denn diejenigen Per⸗ 
ſonen, welche die vom Geſetz verlangten Eigen⸗ 
ſchaften nicht beſitzen, können ſie auch nicht durch 
einen freiwilligen Rechtsakt erwerben. Nach dem 
neuen Rechte ($ 51 der Novelle) iſt das Geſchäft 
verbindlich, wenn auf beiden Seiten als Vertrag: 
ſchließende Kaufleute, die in das Handelsregiſter 
eingetragen ſind, oder deren Eintragung nach 
S 36 HGB. nicht erforderlich ift, oder endlich 
eingetragene Genoſſenſchaften beteiligt ſind. Per⸗ 
ſonen, deren Gewerbebetrieb über den Umfang des 
Kleingewerbes nicht hinausgeht, gehören, auch wenn 
ſie in das Handelsregiſter eingetragen ſind, nicht 
zu den Kaufleuten im Sinne dieſer Vorſchrift. 


Den vorbezeichneten Kaufleuten ſtehen gleich: 


1. Perſonen, die zur Zeit des Geſchäftsabſchluſſes 
oder früher berufsmäßig Börſentermingeſchaͤfte 
oder Bankiergeſchäfte betrieben haben oder zum 
Beſuch einer den Handel mit Waren der bei 
dem Geſchäft in Frage kommenden Art oder 
einer dem Handel mit Wertpapieren dienenden 
Börſe mit der Befugnis zur Teilnahme am 
Börſenhandel dauernd zugelaſſen waren; 


2. Perſonen, die im Inlande zur Zeit des Ge— 
ſchäftsabſchluſſes weder einen Wohnſitz noch eine 
gewerbliche Niederlaſſung haben. 


Wenn die angegebenen Vorausſetzungen auf 
Seite eines der Vertragſchließenden fehlen, iſt das 
Geſchäft rechtsunwirkſam. Die Rechtsunwirkſamkeit 
iſt aber keine vollſtändige, ſie iſt vielmehr nach 
folgenden Richtungen eingeſchränkt: 


1. Zunächſt ift die Beſtellung einer Sicher- 
heit für das an und für fih unwirkſame Börſen⸗ 
termingeſchäft unter gewiſſen Vorausſetzungen rechts— 
wirkſam. Das frühere Recht hatte die Sicherheits— 
beſtellung, ſoweit das Hauptgeſchäft mangels Ein— 
tragung der Vertragsteile im Börſenregiſter un— 
wirkſam war, für unwirkſam erklärt ($ 66 Abſ. 3), 
und infolgedeſſen konnte die beſtellte Sicherheit 
zurückgefordert werden. Die Novelle erkennt die 
Beſtellung einer Sicherheit für rechtswirkſam unter 
folgenden Vorausſetzungen an: 

a) wenn es ſich um ein Börſentermingeſchäft 


236 


in Wertpapieren handelt — alſo nicht bei 


Börſentermingeſchäften in Waren, 

b) wenn derjenige, dem die Sicherheit beſtellt 
wurde, ein Kaufmann oder eine eingetragene Ge: 
noſſenſchaft iſt, 

c) wenn die Sicherheitsleiſtung in Geld oder 
Wertpapieren beſteht, die einen Kurswert haben, 


d) wenn der Beſteller dem andern Teile ſchrift⸗ 
lich und ausdrücklich erklärt hat, daß die Sicher— 
heit zur Deckung von Verluſten aus Börſentermin— 
geſchäften dienen ſoll. 


Die ſchriftliche Erklärung ſelbſt iſt aber wiederum 
nur dann gültig, wenn fie lediglich die vor: 
ſtehend erwähnte Erklärung enthält (andere Zuſätze 
machen ſie unwirkſam) und in dem Falle, daß die 
Sicherheit in Wertpapieren beſteht, letztere nach 
Gattung und Zahl angibt. 


Woferne nicht dieſe ſämtlichen Vorausſetzungen 
erfüllt ſind, iſt die beſtellte Sicherheit unwirkſam. 
Unwirkſam iſt alſo beiſpielsweiſe eine durch Hypo⸗ 
thekbeſtellung oder Bürgſchaft gewährte Sicherheit, 
des weitern ein mündliches Sicherheitsverſprechen, 
ebenſo ein ſchriftliches Verſprechen, welches nicht 
den oben angegebenen Inhalt oder außerdem noch 
weitere Zuſätze enthält. Dem aus den Kreiſen 
des Handels nachdrücklich vertretenen Wunſche, das 
Schuldanerkenntnis aus einem Börſentermingeſchäft 
für wirkſam zu erklären, hat der Geſetzgeber nicht 
entſprochen. Iſt die Sicherheit in rechtswirkſamer 
Weiſe beſtellt, ſo kann der andere Teil aus ihr 
Befriedigung ſuchen; über den Betrag der Sicher— 
heit hinaus aber kann er von deren Beſteller aus 
dem Geſchäfte nichts fordern. Dagegen iſt für 
ihn ſelbſt das Geſchäft feinem vollem Um: 
fange nach verbindlich. Er müßte alſo, wenn 
die Spekulation zu ſeinen Ungunſten abſchließt, ſeiner 
Leiſtungsverpflichtung voll und ganz nachkommen. 

2. Außerordentlich wichtig iſt die Beſtimmung 
des § 53, wonach das auf Grund des Geſchäftes 
Geleiſtete nicht deshalb zurückgefordert werden kann, 
weil nach Maßgabe des Börſengeſetzes für den 
Leiſtenden eine Verpflichtung nicht beſtanden hat 
(ſelbſtverſtändlich iſt Rückforderung aus anderen 
Gründen, z. B. wegen Zwangs, Irrtums, Be— 
trugs ꝛc. zuläſſig). Damit iſt den gröbſten Ver— 
letzungen des kaufmänniſchen Anſtandes, der Rück— 
forderung des bereits auf Grund des Geſchäftes 
Bezahlten, und auch den im Hinblick auf § 66 
Abſ. 4 des alten Geſetzes entſtandenen zahlloſen 
Streitigkeiten darüber, ob eine beſtimmte Leiſtung 
bei oder nach völliger Abwickelung des 
Geſchäftes erfolgt iſt, der Boden entzogen. 

3. Die Unwirkſamkeit des Börſenterminge— 
ſchäftes hindert zufolge $ 54 nicht, daß die daraus 
reſultierende Forderung zur Aufrechnung gegen die 
Forderung aus einem rechtswirkſamen Börſentermin— 
geſchäfte verwendet wird. (Gegen andere Forde— 
rungen können die aus einem rechtsunwirkſamen 


Zeitſchrift ft für Rechtspflege ii in Bayern. 1908. 


Nr. 12. 


Börſentermingeſchäfte entſtandenen Forderungen 
nicht aufgerechnet werden). Durch den § 54 toll 
verhütet werden, daß derjenige, welcher aus einem 
rechtswirkſamen Börſentermingeſchäfte etwas zu 
fordern hat, während er aus einem rechtsunwirk⸗ 
ſamen etwas ſchuldig geworden iſt, einfach das 
Geld aus dem rechtswirkſamen Geſchäfte einſtreicht, 
von feiner Verbindlichkeit aus dem rechtsunwirk— 
ſamen Geſchäfte aber ſich losſchraubt. 


4. Endlich gilt gemäß $ 55 der Novelle ein 
nicht verbotenes Börſentermingeſchäft von Anfang 
an als verbindlich, und zwar für beide Teile, wenn 
der eine Teil bei oder nach dem Eintritt der 
Fälligkeit ſich dem andern Teil gegenüber mit 
der Bewirkung der vereinbarten Leiſtung etnver: 
ſtanden erklärt und der andere Teil dieſe Leiſtung 
an ihn bewirkt hat. Hat z. B. der eine Teil die 
den Gegenſtand des Geſchäftes bildende Ware mit 
Zuſtimmung des anderen Teils an dieſen geliefert 
(welchenfalls ihm gemäß § 53 ein Rückforderungs— 
recht nicht mehr zuſteht), ſo muß der andere Teil 
auch den hierfür geſchuldeten Preis bezahlen. 

Gegen Anſprüche aus Börſentermingeſchäften 
kann von demjenigen, für welchen das Geſchäft nach 
Maßgabe des Börſengeſetzes verbindlich iſt, der 
Spiel- und Differenzeinwand der SS 762 und 
764 BGB. nicht erhoben werden ($ 56 der Vo: 
velle). Die Rechtswirkſamkeit einer Vereinbarung. 
durch die der eine Teil zum Zwecke der Er— 
füllung einer Schuld aus einem nicht verbotenen 
Börſentermingeſchäft dem anderen Teil gegenüber 
eine Verbindlichkeit eingeht, alſo insbeſondere 
eines Schuldbekenntniſſes, ebenſo die Rechtswirk— 
ſamkeit der Erteilung und Uebernahme von Auf— 
trägen, ſowie der Vereinigung zum Zwecke des 
Abſchluſſes von nicht verbotenen Börjentermin: 
geſchäften hängt von den gleichen Vorausſetzungen 
ab, wie die Rechtswirkſamkeit des Abſchluſſes 5 
Börſentermingeſchäften überhaupt (vgl. die SS 
und 58 der Novelle). Keinen Unterſchied a 
begründet es, ob das Geſchäft im Inland oder 
Ausland geſchloſſen wurde oder zu erfüllen ift (§ 69). 
Der Vollſtändigkeit halber ſei erwähnt, daß auch 
die SS 6 und 28 des Geſetzes, in welchen auf die 
bisherigen Vorſchriften über den Börjentermin: 
handel Bezug genommen iſt, eine entſprechende 
Aenderung erfahren mußten. 


Soweit die nicht verbotenen Börſentermin— 
geſchäfte. Bei verbotenen Börſentermingeſchäften 
(ſ. oben S. 235) äußert ſich die Nichtigkeit des 
Geſchäftes in umfaſſenderer Weiſe. Zunächſt er— 
ſtreckt ſich die Unwirkſamkeit dieſer Geſchäfte auch 
auf die Beſtellung einer Sicherheit; letztere kann 
daher, auch wenn ſie in Geld oder Wertpapieren 
beſteht, zurückgefordert werden. Dagegen kann auch 
bei dieſen Geſchäften, ſoweit nicht ein Börjen- 
termingeihäft in Getreide und Erzeug: 
niſſen der Getreidemüllerei in Frage 
ſteht, im Gegenſatz zu dem bisherigen Börjen: 


— — — 


rechte das auf Grund des Geſchäftes Geleiſtete 
nicht deshalb zurückgefordert werden, weil das | 
Geſchäft nach den Beſtimmungen des Börſengeſetzes 
unwirkſam iſt. Bei einem Börſentermingeſchäfte 
in Getreide oder Erzeugniſſen der Getreidemüllerei 
kann das Gezahlte innerhalb zweier Jahre ſeit 
Bewirkung der Leiſtung zurückgefordert werden. 
Das Rückforderungsrecht erliſcht nach dieſer Zeit, 
wenn nicht etwa der Rückforderungsberechtigte vor | 
dem Ablauf der Friſt dem andern Teil erklärt | 
hat, daß er die Herausgabe verlangt ($ 64 Abſ. 2). | 
Den gleichen Vorſchriften wie ein verbotenes Diſfe. 
termingeſchäft unterliegt auch das reine Dif 
renzgeſchäft in Getreide und Erzeugniſſen 5 
Getreidemüllerei, ſelbſt wenn es nicht in den 
Formen des verbotenen Börſentermingeſchäftes ab- 
geſchloſſen wird (§ 66 BG.). Die Anwendung 
der SS 762, 764 BGB. auf derartige Geſchäfte 
wird vom Geſetze ausdrücklich ausgeſchloſſen. Ob 
derartige reine Differenzgeſchäfte in der Praxis 
überhaupt oder in nennenswertem Umfange vor: 
kommen, darf füglich bezweifelt werden. 


Endlich trifft das Geſetz im Intereſſe des 
legitimen Zeitgeſchäſtes die Beſtimmung, daß der 
Kauf und die ſonſtige Anſchaffung von Getreide 
und Erzeugniſſen der Getreidemüllerei dann nicht 
als ein verbotenes Börſentermingeſchäft zu gelten 
haben, wenn der Abſchluß nach Geſchäftsbedingungen 
erfolgt, die der Bundesrat genehmigt hat, und 
als Vertragſchließende nur beteiligt ſind: 


1. Erzeuger oder Verarbeiter von Waren der— 
ſelben Art, wie die, welche den Gegenſtand 
des Geſchäftes bilden, oder 


2. ſolche Kaufleute oder eingetragene Genoſſen— 
ſchaften, zu deren Geſchäftsbetrieb der Ankauf, 
der Verkauf oder die Beleihung von Getreide 
oder Erzeugniſſen der Getreidemüllerei gehört. 


In den Geſchäftsbedingungen muß, wie dies 

ſchon heute der ſogenannte Berliner Schlußſchein 

vorſieht, 

1. dem ſäumigen Vertragsteile eine angemeſſene 
Nachfriſt gewährt, 

2. die Lieferbarkeit 
geſprochen und 


3. innerhalb beſtimmter Grenzen Oualitäts— 
differenzen unter Berückſichtigung eines Mindeſt— 
werts zugelaſſen werden ($ 65). 


Vereinbarungen zum Zwecke der Erfüllung 
einer Schuld aus einem verbotenen Börſentermin— 
geſchäfte oder einem reinen Differenzgeſchaft in 
Getreide oder Erzeugniſſen der Getreidemüllerei 
($ 66), desgleichen Schuldanerkenntniſſe bezüglich 
ſolcher Geſchäfte ſind nichtig. Ebenſo nichtig ſind 
die Erteilung und Uebernahme von Aufträgen, 
ſowie die Vereinigung zum Zwecke des Abſchluſſes 
von verbotenen Börſentermingeſchäften und reinen 
Differenzgeſchäſten in Getreide und Erzeugniſſen der 
Getreidemüllerei. (58 67 und 68). | 


durch Sachverſtändige aus: 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


237 


Um dem Verbote des Abſchluſſes von Börſen⸗ 
termingeſchäften in Getreide oder Erzeugniſſen der 
Getreidemüllerei größeren Nachdruck zu verleihen, 
belegt das Geſetz denjenigen, welcher ein ſolches 
Börſentermingeſchäft abſchließt, mit einer Ord⸗ 
nungsſtrafe bis zu 10 000 M. Für die Ver: 
handlung und Feſtſetzung von Ordnungsſtrafen 
werden durch die Landesregierungen bei den Börſen, 
welche dem Handel mit Getreide oder Erzeugniſſen 
der Getreidemüllerei dienen, beſondere Kommiſſionen 
gebildet. Ein eigener Abſchnitt IV a, umfaſſend 
die 88 69—74 l, regelt dieſes Ordnungsſtraf⸗ 
verfahren. Der gewerbsmäßige Abſchluß von ver⸗ 
botenen Börſentermingeſchäften in Getreide und 
Erzeugniſſen der Getreidemüllerei wird in 77 a 
und, wenn der Abſchluß derartiger Geſchäfte 
in gewinnſüchtiger Abſicht zur Beeinfluſſung der 
Preiſe von Getreide und Erzeugniſſen der Ge: 
treidemüllerei erfolgte, in § 77 b mit Gefängnis 
und Geldſtrafe bis zu 10 000 M beſtraft. 


Der Novelle iſt, ſoweit es ſich um deren Be⸗ 
ſtimmungen über den Ausſchluß des Rückforde⸗ 
rungsrechts, die Zuläſſigkeit der Aufrechnung, die 
Wirkung einer Sicherheitsleiſtung und die Folgen 
der Bewirkung der vereinbarten Leiſtung handelt, 
rückwirkende Kraft beigelegt (Art. V Abſ. 1 der 
Novelle); wenn jedoch ein Anſpruch aus einem 
vor dem Inkrafttreten der Novelle abgeſchloſſenen 
Geſchäft zur Zeit des Inkrafttretens bereits rechts⸗ 
anhängig iſt, ſo bleibt für ihn das bisherige Recht 
maßgebend. (Art. V Abſ. 2 der Novelle). 

Zu begrüßen iſt es auch, daß in Art. VI der 
Novelle dem Reichskanzler die Ermächtigung ein⸗ 
geräumt iſt, den Text des Börſengeſetzes, wie er 
ſich unter Berückſichtigung der inzwiſchen ein— 
getretenen Aenderungen der Geſetzgebung ergibt, 
unter fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen 
und Abſchnitte durch das Reichsgeſetzblatt bekannt 
zu machen, was hoffentlich recht bald geſchehen wird. 

Und nun muß es ſich zeigen, ob das unter 
ſo ſchweren Kämpfen und nach ſo harter Arbeit 
geſchaffene Geſetz vom 8. Mai 1908 auch ſeinen 
Zweck erfüllt und die Erwartungen, die an ſeinen 
Erlaß geknüpft ſind, nicht täuſcht. Nichts wäre 
unangebrachter, als heute ſchon über die voraus: 
ſichtlichen Wirkungen des Geſetzes in Vermutungen 
ſich zu ergehen. Jedenfalls aber darf man der 
Genugtuung darüber Ausdruck verleihen, daß 
wenigſtens ein Teil der Feſſeln, die das frühere 
Geſetz dem legitimen Börſengeſchäft auferlegt 
hat, beſeitigt und den gröbſten Verſtößen gegen 
die geſchäftliche Moral, die unter dem alten 
Geſetz möglich waren, ein wirkſamer Riegel vor— 
geſchoben iſt. 


238 


Virkungen einheitlicher Verbrechen im traf- 
recht und Etrafprozeß.) 


Von Dr. Friedrich Doerr, Amtsrichter und Privatdozent 
in München. 

Dauerverbrechen, fortgeſetztes, zuſammengeſetztes 
und Kollektivdelikt find einheitliche Verbrechen, die 
trotz Mehrheit von Einzeltätigkeiten ihre Einheit 
bewahren und im materiellen Strafrecht wie im 
Prozeß insbeſondere für die Rechtsanwendung be⸗ 
deutſame Wirkungen äußern, deren Begründung 
nur in jener Einheit zu fuchen iſt. 

In materiellrechtlicher Beziehung folgt 
aus der Verbrechenseinheit zunächſt die einheit- 
liche Strafe. Mildernde Umſtände können 
nicht bei einem Teil der Einzelakte einheitlichen 
Verbrechens bejaht und teils verneint werden. 
Für die Frage, ob mildernde Umſtände bezüglich 
einer und derſelben Straftat anzunehmen ſind, 
ift nur die Möglichkeit einheitlicher Löſung vor: 
handen. 

Sft ein Teil eines Einheitsdelikts unter ſchuld— 
oder ſtrafausſchließenden Umſtänden verübt, ſo 
bleibt er bei der Beſtrafung außer Betracht. Daß 
deswegen nicht die ganze Tat gemäß 88 51 ff., 
11 f., 193 StGB. ſtraflos fei, ift ſelbſtverſtändlich. 

Jedes Delikt iſt im Rechtsſinn überall da 
begangen, wo das äußere (unmittelbare oder 
mittelbare) ſtrafrechtlich relevante Handeln ſtatt— 
fand, das mehraktige Delikt alſo überall, wo die 
das Einheitsverbrechen bildenden Einzelakte vor— 
genommen oder ausgeführt wurden, das Unter— 
laſſungsverbrechen, wo die gebotenen Einzelhand— 
lungen geſchehen mußten. 

Die Frage nach dem Begehungsort der 
Teilnahme handlungen am Einheitsver— 
brechen beeinfluſſen in der Hauptſache zwei ver- 
ſchiedene Meinungen: 

Iſt man der Anſicht, daß Mittäter, Anſtifter 
oder Gehilfe nur an dem Ort ihrer perſönlichen 
Tätigkeit die Handlung begehen, ſo iſt hierfür 
der Begehungsort anderweitiger Mittäterſchaft 
oder der der Haupttat gleichgültig, und bei mehr— 
aktiger Teilnahme kommen die Begehungsorte der 
einzelnen Teilnahmehandlungen in Frage. 


Nimmt man aber an, daß der Mittäter, da 
er die Verantwortlichkeit für das geſamte Tun 
aller Mittäter trage, an jedem Ort der Tätigkeit 
ſämtlicher Mittäter handle und daß die Teilnahme 
(Anſtiftung, Beihilfe) ſowohl am Ort der An— 
ſtiftungs- oder Beihilfetätigkeit als vermöge ihrer 
akzeſſoriſchen Natur am Orte der Haupttat be— 
gangen werde, dann iſt für den Mittäter bei dem 
mehraktigen Einheitsverbrechen jeder Ort einer 


jeden Einzelhandlung eines Mittäters und für 


S. 1 


ä Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


1) Vgl. Doerr, Das fortgeſetzte Delikt, Stuttg. 1908, 
83 ff. 


den Teilnehmer ſowohl jeder Ort ſeiner perſön⸗ 
lichen Tätigkeit wie jeder Ort, an dem die Einzel⸗ 
akte der Haupttat ſich abgeſpielt haben, Be⸗ 
gehungsort. 

Der Begehungsort gilt gleichmäßig für das 
materielle wie für das Prozeßrecht und iſt be: 
ſonders wichtig für die örtliche Zuſtändigkeit 
der Gerichte (StPO. § 7) und das inter: 
nationale Recht (StGB. 85 Z ff.). 

Der Gerichtsſtand für das ganze Verbrechen 
iſt hiernach bei jedem ſachlich zuſtändigen Gericht 
begründet, in deſſen Bezirk, wenn auch nur ein 
Akt, ein Teil des Verbrechens begangen iſt. 


Wenn die Einzelakte teils im Ausland, teils 
im Inland begangen, dort aber ſtraflos ſind, 
fallen die im Auslande begangenen Handlungen 
— abgeſehen von den Fällen des § 4 Abſ. 2 
Z. 1, 2 StGB., § 12 Dynamit. und ähnlichen 
Ausnahmen — für die Beurteilung weg. Im 
übrigen kann der inländiſche Richter — und zwar 
gegen einen Deutſchen ſtets — das ganze Ver— 
brechen mit den im Ausland begangenen Akten 
zur Aburteilung bringen. 

Für die Zeit der Begangenſchaft 
müſſen die gleichen Grundſätze maßgebend ſein, 
wie für den Ort der Begehung. Das Einheits⸗ 
verbrechen iſt danach in jedem Zeitpunkt begangen, 
wo eine (nicht bloß die letzte) der Ausführungs⸗ 
handlungen ſtattfand. 

Hieraus ſowie aus der Natur des Einheits— 
delikts, die nur eine Strafe und die Anwendung 
eines Geſetzes, nicht zwecks Straffeſtſetzung die 
Zerlegung des Delikts in ſeine Beſtandteile und 
deren Beſtrafung nach verſchiedenen Geſetzen zu— 
läßt, darf aber nicht ohne weiteres gefolgert 
werden, daß bei einem Wechſel der Ge— 
ſetze das Verbrechen in ſeiner Geſamtheit ſtets 
dem mildeſten Geſetze zu unterwerfen fei, unter 
deſſen Herrſchaft eine der dem Delikt entſprechen⸗ 
den Tätigkeiten fiel. Dies folgt weder aus § 2 
Abſ. 2 StGB. (der nur darauf zu beziehen ift, daß 
nach Begehung der Handlung und vor der Ab— 
urteilung das Geſetz geändert wird, nicht auf den Fall, 
daß während der Tätigkeit das Geſetz wechſelt), 
noch aus allgemeinen ſtrafrechtl. Grundſätzen. Wir 
müſſen vielmehr mangels anderweitiger geſetzlicher 
Regelung unterſcheiden: 

1. Wenn das neuere Geſetz während eines ein— 


heitlichen Handelns eine bisher ſtrafloſe Hand— 
lung mit Strafe bedroht, ſo bleiben die vor dem 
Geſetzeswechſel begangenen Teilakte außer Anſatz 
und beginnt die ſtrafbare Handlung erſt mit dem 
Inkrafttreten des neuen Geſetzes. 


Ebenſo wäre zu entſcheiden, wenn der Täter 
die ſtrafbare Handlung teils vor, teils nach dem 


vollendeten 12. Lebensjahr begangen. 


2. Wenn umgekehrt das neue Geſetz die Strafe 
für ein bislang ſtrafbedrohtes Delikt aufhebt, fo 


können nunmehr die früher begangenen Teilhand⸗ 
lungen ebenſowenig beſtraft werden, wie eine 
einzelne vorher ſtrafbedrohte Handlung aus früherer 
Zeit nach Aufhebung der Strafdrohung noch 
den Gegenſtand einer Beſtrafung bildet. 

3. Bedroht das neue Geſetz eine früher ſchwerer 
geahndete Handlung mit leichterer Strafe, ſo iſt 
das neuere, mildere Geſetz, welches das frühere 
für zu ſchwer hält und daher außer Kraft ſetzt, 
anzuwenden. 

4. Setzt aber das neue Geſetz auf eine zuvor 
leichter ſtrafbare Handlung eine ſchwerere Strafe, 
ſo beſteht keine Veranlaſſung (auch nicht auf Grund 
des § 2 Abſ. 2), ein außer Kraft getretenes Geſetz bloß 
deshalb, weil es milder iſt, anzuwenden, ſondern 
es hat nur das neue Geſetz, unter deſſen Herr⸗ 
ſchaft das einheitliche Verbrechen ja auch noch be⸗ 
gangen iſt, in Anwendung zu kommen. Im übrigen 
kann der Wechſel der Strafdrohungen beim fon- 


kreten Strafausmaß gebührende Würdigung finden. 


Fällt ein Teil des Einheitsdelikts in die Zeit 
vor, ein anderer nach Vollendung des 18. 
Lebensjahres des Täters und wird hinſichtlich der 
erſteren Zeit beim Täter die zur Erkenntnis der 
Strafbarkeit erforderliche Einſicht angenommen, 
to it $ 57 StGB. nicht zu berückſichtigen, ſon⸗ 
dern auf die volle Strafe zu erkennen, wobei das 
Alter in der Feſtſetzung der Strafe in concreto 
berückſichtigt werden mag. Fehlte aber in Ans 
ſehung der vor vollendetem 18. Lebensjahr be: 
gangenen Akte die Strafbarkeitseinſicht, ſo bleiben 
ſie (wie unter Ziff. 1) außer Betracht. 

Der Verbrechens-Einheit entſprechend kann 
die Verjährung der Strafverfolgung auch nur 
einheitlich ſein: Nicht die mehreren unſelbſtändigen 
Teile eines Verbrechens verjähren einzeln und 
ſelbſtändig, ſondern das einheitliche Delikt kann 
nur als Ganzes, nicht ſtückweiſe, verjähren. 

Die Verjährungsfriſt beginnt bei allen Ber- 
brechen nicht mit dem Anfang einer Tätigkeit, 
alſo mit dem erſten Akt, ſondern erſt „mit“ dem 
in die Friſt einzurechnenden Tage ihres Ab— 
ſchluſſes, der Vollendung des zeitlich letzten Akts, 
mit dem das Verbrechen ſelbſt noch „begangen“ 
wird, ſo daß es erſt mit deſſen Beendigung voll— 
ſtändig „begangen ift” (StGB. § 67 Abſ. 4). 


Beim fortgeſetzten Unterlaſſungsdelikt beginnt 


die Verjährung wie beim Dauerdelikt durch Unter— 
laſſung, ſobald die Verpflichtung, zu handeln, 
aufhört. 

Beſondere Beſtimmungen hinſichtlich der Ver— 
jährung enthält außer $ 17 WStempG. vom 
10. Juni 1869 und $ 121 SeemO. vom 2. Juni 
1902 das Urheberrechts. vom 19. Juni 1901: 
Nach 8 50 beginnt die Verjährungsfriſt bei 
Nachdruck mit dem Tage, an welchem die Ver— 


breitung zuerſt ſtattgefunden, bei widerrecht-⸗ 


licher Verbreitung, Aufführung, widerrechtlichem 
Vortrag nach $ 51 mit dem Tage, an dem die 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


239 


widerrechtliche Handlung zuletzt ſtattgefunden hat. 
Im erſteren Falle kommt es alſo für den Be⸗ 
ginn der Verjährung auf ſpätere, wenn auch in 
einheitlichem Tun begangene Handlungen nicht an, 
im letzteren iſt die Annahme einheitlicher Hand⸗ 
lung fur die Frage der Verjährung überflüſſig. 
In ähnlicher Weiſe wird die Verjährung im RG. 
| vom 9. Januar 1907, betr. das Urheberrecht an 
Werken der bildenden Künſte und der Photo- 
graphie, geregelt: Die Verjährung wegen Ver⸗ 
vielfältigung beginnt mit dem Tage, an wel⸗ 
chem dieſe vollendet iſt, wegen der zwecks Ver⸗ 
breitung bewirkten Vervielfaͤltigung erft mit dem 
Tag, an welchem eine Verbreitung ſtattgefunden 
($ 47 Abſ. 2), wegen Verbreitung oder Bor: 
führung mit dem Tag, an welchem die wider⸗ 
rechtliche Handlung zuletzt ſtattgefunden hat, ($ 48 
Nof. 2) und wegen Unterlaſſung der Quellenan⸗ 
gabe mit dem Tage der erſten Verbreitung (§ 49). 

Die Verjährung der Strafverfolgung wegen 
des ganzen Einheitsverbrechens wird gemäß 8 68 
StGB. durch eine auch nur auf eine Teilhandlung 
oder ein hiermit begrifflich zuſammenhängendes 
Delikt ſich beziehende richterliche Handlung unter⸗ 
brochen. 

Wie die Verjährungsfriſt kann die Antrags⸗ 
friſt bei einheitlichen Verbrechen nur eine ein- 
heitliche ſein. 

Die Antragsfriſt beginnt nach 8 61 StGB. 
mit dem Tage, ſeit welchem der Antragsberechtigte 
von der Handlung — beim mehraktigen Ver— 
brechen alſo von der Geſamtheit der Einzelhand— 
lungen, insbeſondere von dem noch einen Teil des 
Verbrechens bildenden letzten Akte — und von 
der Perſon des Täters Kenutnis gehabt hat, ohne 
Rückſicht darauf, ob er von früheren Einzelakten 
auch ſchon früher Kenntnis erlangt hatte. 


Wenn ein einzelner Akt eines einheitlichen Ver⸗ 
brechens zugleich Beſtandteil der Ausführung eines 
andern Delikts iſt, z. B. ein Akt fortgeſetzter oder 
gewerbsmäßiger Unzucht, zugleich das Delikt der 
Blutſchande oder ein ſolches nach $ 176 Ziff. 3 
enthält, ſteht die ganze Unzucht mit dem Delikt 
des § 173 bzw. 176° in Idealkonkurrenz: 
Idealkonkurrenz mit einem Teile eines Verbrechens 
iſt Idealkonkurrenz mit dem ganzen Verbrechen. 


Wenn ein weiterer Akt des fortgeſetzten oder 
Kollektiv-Verbrechens, der fortgeſetzten oder gewerb3- 
mäßigen Unzucht, ein drittes Delikt darſtellt, z. B. 
groben Unfug, Ehebruch oder Beleidigung, ſtehen 
dieſe Delikte ſämtlich untereinander in Ideal— 
konkurrenz — einerlei, ob das fortgeſetzte oder 
Kollektiv-Verbrechen, mit deſſen Einzelakten ver— 
ſchiedene andere Delikte konkurrieren, das ſchwerſte 
iſt oder nicht. 
| Die im geltenden Strafrecht anerkannte akzeſ— 
ſoriſche Natur der Teilnahme macht ſich beim 
einheitlichen Verbrechen beſonders geltend, indem 
die Grundſätze über deſſen einheitliche Behandlung 


240 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


trotz Mehrheit von Tätigkeiten ſowohl für die Be⸗ 
urteilung des Verhältniſſes zwiſchen dem Täter 
eines Einheitsdelikts und den Teilnehmern als für 
diejenige mehrerer Teilnahmehandlungen unter⸗ 
einander in Anwendung kommen. 


Zufolge der akzeſſoriſchen Natur der Teilnahme 
richtet ſich die Qualifikation der Tat des Teil⸗ 
nehmers nach der Qualifikation der Haupttat und 
bilden beiſpielsweiſe ſukzeſſive Beihilfeleiſtungen zu 
einer Mehrheit von Fortſetzungsakten nur ein ein⸗ 
heitliches Reat. 

Daß Teilnahme an einem Einzelakt, dem Teile 
eines Ganzen, ſtets Teilnahme an dem einheit⸗ 
lichen, nicht zerreißbaren Verbrechen ift, folgt un: 
mittelbar aus der Natur der Verbrechenseinheit. 


Dadurch werden aber die Grundſätze über die 
Behandlung des Exzeſſes des Haupttäters nicht 
berührt und bei vernünftiger Strafanwendung im 
konkreten Fall beſondere Härten für den Teilnehmer 
kaum fühlbar. Denn dieſer muß nach SS 48 
Abſ. 2, 49 StGB. „wiſſentlich“ gehandelt und 
alle weſentlichen, die Strafbarkeit bzw. erhöhte 
Strafbarkeit begründenden Tatumſtände gekannt 
haben, ſonſt find fie ihm nach § 59 StGB. nicht 
zuzurechnen. 

Wenn auch die Mittäterſchaft — ſtrenge 
genommen — keine Form der Teilnahme, der 
(unſelbſtändigen) Beteiligung an fremdem Tun, 
iſt, ſo ſind hier doch keine anderen Geſichtspunkte 
maßgebend wie für Anſtiftung und Beihilfe. Wenn 
mehrere ein einheitliches Verbrechen gemeinſchaft⸗ 
lich ausführen, ſei es, daß ſie bei allen oder einigen 
Einzelakten zuſammen mitwirken oder daß der 
eine oder andere von ihnen nur bei einem Akte 
mitwirkt oder daß fie die Ausführung der ein— 
zelnen Akte anderswie unter ſich verteilen, ſo iſt 
gemäß § 47 StGB. jeder Täter der ganzen ftraf: 
baren Handlung, deren Zerlegung in ihre unſelb— 
ſtändigen Teile auch hier nicht ſtatthaft iſt. 

Die Verfolgungsverjährung beginnt hingegen 
für jeden einzelnen Mittäter je mit deſſen letztem 
Tätigkeitsakt, nicht etwa für ſämtliche Mittäter 
mit dem Abſchluß der Tätigkeit des zuletzt Han- 
delnden. 

Dieſelben Grundſätze gelten für die B eg iün- 
ſtigung, nicht dagegen für die Sachhehlerei. $ 257 
StGB. erfordert zur Begünſtigung Beiſtandleiſtung 
nach Begehung (nicht etwa Vollendung im Gegen— 
ſatz zum Verſuch) eines Verbrechens oder Ver— 
gehens; Beiſtandleiſtung während der Ausführung 
eines Delikts zwiſchen deſſen einzelnen Akten ge— 
nügt hierzu nicht, ſondern erweiſt ſich als Bei— 
hilfe, es ſei denn, daß man zum Tatbeſtand des 
§ 257 Beiſtandleiſtung nach mindeſtens teilweiſer 
Begehung des Delikts, ſobald der ſtaatliche Straf— 
anſpruch entſtanden iſt, für ausreichend erachten will. 


Bei der Sach hehlerei hingegen tritt der 
Hehler nur zu der vorher mittels ſtrafbarer Hand— 


Nr. 12. 


lung erlangten Sache, nicht zur ſtraſbaren Hand- 
lung des Haupttäters oder zu dieſem ſelbſt in 
Beziehung. Demgemäß iſt auch die Begehung 
der Hehlerei noch vor Abſchluß eines fortgeſetzten 
Diebſtahls betreffs einzelner der geſtohlenen Sachen 
für den Tatbeſtand des 8 259 StGB. ohne 
Belang. 


Iſt wegen eines einheitlichen Verbrechens durch 
rechtskräftiges Urteil eines inländiſchen Gerichts 
Verurteilung oder Freiſprechung erfolgt, ſo ſind 
damit deſſen ſämtliche Einzelakte, mögen ſie im 
Urteil berückſichtigt ſein oder nicht, gleichviel aus 
welchen (rechtlichen oder tatſächlichen) Gründen ſie 
nicht berückſichtigt ſind, erledigt und können ſelbſt 
unter anderem rechtlichen Geſichtspunkt, wit anderer 
juriſtiſcher Qualifikation, auch wenn ſie auf die 
Strafzumeſſung von Einfluß ſein würden, nicht 
wiederholt gegen dieſelbe Perſon zum Gegenſtand 
einer neuen Strafverfolgung gemacht werden. Die 
Strafklage wegen des ganzen Einheitsdelikts iſt 
durch die Aburteilung verbraucht, die die Tat als 
Ganzes, als unteilbare Geſamtheit in allen ihren 
rechtlichen und tatſächlichen Erſcheinungsformen 
umfaßt. 


In gleicher Weiſe liegt res iudicata für 
das ganze Verbrechen und demgemäß auch für 
alle ſeine Akte vor, wenn eine einzige oder mehrere 
der Einzelhandlungen, obwohl ſie unſelbſtändige 
Teile eines Verbrechens bilden, je als ſelbſtändiges 
Verbrechen rechtskräftig abgeurteilt ſind, ſo daß 
eine nachträgliche Beſtrafung weiterer Teilhand— 
lungen (als ſelbſtändiger, mit den abgeurteilten 
realkonkurrierender Handlungen trotz ihrer Un: 
ſelbſtändigkeit) nicht ſtatthaft iſt. Auch hier be⸗ 
ſteht Identität der Tat, da die im früheren Urteil 
nicht berückſichtigten und die abgeurteilten Einzel- 
handlungen Teile desſelben Ganzen ſind und mit 
der Aburteilung eines Teils wegen der Ver— 
brechenseinheit auch über das unteilbare Ganze 
entſchieden iſt wie umgekehrt. 


Der ſpätere Richter iſt berechtigt und ver⸗ 
pflichtet, eine abgeurteilte und die von ihm abzu⸗ 
urteilende Tat daraufhin zu vergleichen, ob nicht 
die letztere ein Teil der erſteren oder beide Teile 
eines größeren Ganzen ſeien, und er gerät nicht 
in Widerſpruch mit dem rechtskräftigen Urteil des 
früheren Richters, wenn er ihm zur Aburteilung 
vorliegende neue Einzelfälle als der Selbſtändigkeit 
entbehrende und daher nicht ſelbſtändig zu ahndende 
Fortſetzungshandlungen einer abgeurteilten Tat 
betrachtet und feſtſtellt, daß die abgeurteilte und die 


neuerdings unter Anklage geſtellte Tat dieſelbe ſei. 


„ 


Maßgebend iſt nicht, ob der frühere Richter, 
wenn ihm die neue Tat bekannt geweſen wäre, 
über ſie mit entſchieden hätte, ſondern ob er 
die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, auf 
ſie ſeine Entſcheidung auszudehnen; hierüber hat 
der Richter der neuen Tat zu entſcheiden. 


* . 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


241 


Der in die Worte ne bis in idem gekleidete, Tat gerichtete, die mehreren Fälle als Deliktseinheit 


für alle Arten ſtrafbarer Handlungen gleichmäßig 
geltende Rechtsgrundſatz, deſſen Anwendung zur 
Einſtellung des Verfahrens oder zu dem Ausſpruch 
führt, daß die Strafverfolgung unzuläſſig ſei, 
iſt nicht bloß prozeſſualer (wie der Einwand der 
Rechtshängigkeit), ſondern zugleich materiellrecht⸗ 
licher Natur. 
weiteren Strafverfolgung die Strafloſigkeit der 
Tat in größerem oder geringerem Umfang begründet 


indem er durch Ausſchluß einer 


zuſammenfaſſende Hilfsfrage zu ſtellen. 

Der Begriff der Deliktseinheit iſt ein recht⸗ 
licher. Deſſen unrichtige Anwendung oder die 
Nichtanwendung auf die urteilsmäßig feſtgeſtellten 
Tatſachen kann daher ebenſowohl durch Reviſion 


angefochten werden, wie dies bezüglich der An- 


wendung des § 74 StGB. der Fall ift. Hier wie 


dort handelt es ſich um die Verletzung einer ma⸗ 


| 


und dem Täter ein materielles Schutzrecht verleiht. 


In prozeſſualer Beziehung entſpricht dem 


einheitlichen Verbrechen nur die einheitliche 


Entſcheidung. Unzuläſſig und unwirkſam iſt 
daher Einſtellung, Ablehnung der Eröffnung des 
Hauptverfahrens, Außerverfolgungſetzung oder Frei⸗ 
ſprechung wegen eines Teils eines einheitlichen 
Verbrechens. Verfehlt wäre es, ſolche Verbrechens⸗ 
teile zum Gegenſtand beſonderen Verfahrens und 
beſonderer Entſcheidung zu machen. Ein Verſtoß 
gegen dieſen Grundſatz würde das erkennende 
Gericht in der Hauptverhandlung nicht hindern, 
gleichwohl das ganze Einheitsdelikt, wie es ſich 
nach dem Ergebnis derſelben und der Beweis— 
aufnahme darſtellt, ſamt allen von der Delikts⸗ 
einheit umfaßten Einzelhandlungen zum Gegen— 
ſtand der Urteilsfindung zu machen, 
ſie außerhalb der im Eröffnungsbeſchluß örtlich 
und zeitlich umgrenzten Tat liegen. Hierauf be- 
ruht die oben erwähnte Wirkung und der Um— 
fang der Rechtskraft des Urteils. Davon, daß es 
fidh um „eine andere Tat“ i. S. § 265 StPO. 
handle, kann bei Deliktseinheit nicht die Rede ſein. 

Dieſer Grundſatz gilt nicht nur für den in 
erſter Inſtanz erkennenden Richter, ſondern auch 
für das Gericht II. Inſtanz, ſoweit es nova be⸗ 


rückſichtigen darf und ſeine Nachprüfung nicht 


auf revisio in iure beſchränkt iſt. 


Im Schwurgerichtsverfahren iſt nach 
§ 292 Abſ. 3 StPO. für jede — ſelbſtändige — ſtraf⸗ 
bare Handlung eine beſondere Frage zu ſtellen. 
Geht der Eröffnungsbeſchluß auf ein mehraktiges 
Einheitsverbrechen, ſo genügt die Stellung einer 
Frage, da keiner der Akte eine ſelbſtändige ſtraf— 
bare Handlung iſt und die Stellung beſonderer 
Fragen erheiſcht. 

Nimmt der Eröffnungsbeſchluß ſelbſtändige 
ſtrafbare Handlungen in Realkonkurrenz an und 
gibt das Ergebnis der Hauptverhandlung Anlaß 
zur Annahme einheitlichen Verbrechens oder um— 
gekehrt, jo ift unter Beachtung des S 264 StPO., 
jei es von Amts wegen oder auf Antrag ($ 296 
StPO.) des Staatsanwalts oder des Verteidigers, 
nach 8 294 Abſ. 1 im Anſchluß an die mehreren, 
der Zahl der ſachlich zuſammentreffenden Ver— 
brechen entſprechenden und die einzelnen Fälle 


auch wenn 


teriellen Rechtsnorm. 

Der wegen einheitlichen Verbrechens zu Strafe 
Verurteilte hat nach § 497 I StPO. die ſämt⸗ 
lichen Koſten des Verfahrens zu tragen, 
auch wenn das Delikt nicht in dem von der An⸗ 


klage angenommenen vollen Umfang, ſondern nur 


| 


i 


mE a m ̃ ̃ x lin fe ne 


ſelbſtändig behandelnden Hauptfragen (88 292, 293) 
eine auf die vom Eröffnungsbeſchluß Nad | 
Beurteilung der dem Angeklagten zur Laft gelegten | 


ein kleiner Reſt, z. B. ſtatt eines fortgeſetzten oder 
Kollektivverbrechens bloß ein Einzeldelikt als feft- 
geſtellt dem Urteil zugrunde gelegt ift. Denn 8498 
Abſ. 1 StPO. trifft nur die Fälle realer Kon: 
kurrenz. Daß hierdurch Undilligkeiten entſtehen 
können, iſt nicht zu beſtreiten. 


Nur wenn ſtatt Verbrechenseinheit Real: 
konkurrenz mehrerer Delikte angenommen und der 
Angeklagte nur in Anſehung eines Teils verur: 
teilt, im übrigen freigeſprochen wird, iſt er von 
der Tragung der durch die Verhandlung der 
Fälle der Freiſprechung entſtandenen beſonderen 
Koſten nach 8 498 I StPO. zu entbinden, und 
find diefe Koſten vorbehaltlich der 88 499 I, 5011 
StPO. der Staatskaſſe (im Falle des § 506 
StPO. der Reichskaſſe) aufzuerlegen. 


Nach 8 498 Abſ. 2 StPO. haften Mitangeklagte, 
welche in bezug auf dieſelbe einheitliche Tat zu 
Strafe verurteilt ſind, für die Auslagen als Ge— 
ſamtſchuldner, ohne Rückſicht darauf, ob ihre Be— 
teiligung von gleichem oder verſchiedenem Umfang 
iſt, ein Mittäter z. B. ſich nur an einem Teil der 
Einzelhandlungen, aus denen die einheitliche Tat 
beſtand, beteiligt hat. $ 498 Abſ. 1 StPO. fett 
mehrere ſelbſtändige, realkonkurrierende Handlungen 
voraus und trifft deshalb hier nicht zu. 


Die gleichen Grundſätze ſind auf die gegen 
mehrere an einem Einheitsdelikt Beteiligte er— 
kannte Buße anzuwenden. Hierfür haften die 
zu ihr Verurteilten als Geſamtſchuldner. Auf 
ſie wird daher durch Zuſprechen einer einzigen 
Geldſumme erkannt. Dies trifft aber nur zu, 
wenn ſie alle als Beteiligte an der nämlichen 
einheitlichen Straftat erſcheinen. Bei einer Mehr— 
heit ſelbſtändiger Handlungen iſt die Zuerkennung 
einer Geſamtbuße unter Solidarhaft der ver⸗ 
ſchiedenen Täter ausgeſchloſſen. 


die nachträgliche Eintragung der 
Goldklauſel. 
Von Wilhelm Mager, Amtsrichter in München. 


(Fortſetzung.) 
IV. Eine beſondere Betrachtung erfordert der 


Zeitſchrift für Rechtspflege in in t Bayern. 1908. Nr. 12. 


Fall, daß in einer unter der Herrſchaft des früheren 


Hypothekenrechts vollzogenen Hypothekeintragung 
die Goldklauſel nicht hervorgehoben, dagegen in 
der Hypothekbeſtellungsurkunde bedungen iſt. 


A. Welchen Dritten gegenüber iſt eine ſolche 
Goldklauſel wirkſam? 

a) Iſt auf die Urkunde nicht verwieſen, ſo iſt 
die Goldklauſel ſchlechterdings nicht eingetragen. 
Sie iſt gegenüber den gutgläubigen, nach der 
Hypothek eingetragenen Berechtigten unwirkſam. 
Nach altem Hypothekenrecht hat ſie den § 25 d. 
bayer. HypG.), nach neuem die §$ 873, 1115 
Abi. 1, 892 Abſ. 1 des BGB. gegen ſich. 


) Eine e Beſchränkung des öffentlichen Glaubens des 
Hypothekenbuchs auf den Forderungsbetrag, den Zins— 
fuß und die Bezeichnung des Gläubigers, weil 8 22 
des HypG. nur dieje Punkte der Hypothekforderung 
aufführe, die bei Vermeidung der Folgen der SS 25, 26 
ins Hypothekenbuch eingetragen werden müſſen, wäre 
eine einjeitige Auslegung des 8 22, die jhon durch das 
Hypothekengeſetz ſelbſt widerlegt wird durch die beiſpiels⸗ 
weiſe Anführung der Einreden gegen die Richtigkeit der 
Forderung als Gegenſtand des öffentlichen Glaubens 
in 8 26 und durch die Zulaſſung der in § 22 eben⸗ 
falls nicht berückſichtigten Rangoffenhaltung in 8 150, 
die auch nur durch Eintragung ins Buch Dritten 
gegenüber wirkt (Gönner, Komm. z. HypG. 88 59—61 
Bem. IV, 7, b mit 8). Man kann unter den Einreden 

egen die Richtigkeit der Forderung nicht etwa nur 
Eineden gegen das Beſteben der Forderung verſtehen, 
um ſie dann als „Veränderungen“ an dem „Betrag 
der Forderung“ unter § 22 Ziff. 6 in dem Sinn unter- 
zubringen, 


er rt Te ̃˙ sn! —.! —. — — ̃ . I GT —p—̃ ee 


daß der Forderungsbetrag bei dem Vor- 


handenſein ſolcher Einreden ganz oder teilweiſe nicht 


beſtehe. Denn dieſe Auffaſſung, die auf die rechts— 
aufhebenden Einreden noch paſſen könnte, erweiſt ſich 
ſofort als unhaltbar gegenüber den entſtehungshindernden 


Einreden, weil dieſe zu keiner Veränderung der Forde— | 


rung, ganz oder teilweife, führen, ſondern überhaupt 
keine Forderung von Anfang an entſtehen laſſen. Die 
entſtehungshindernden Einreden aber richten ſich gegen 
die Richtigkeit der Forderung nicht weniger als die 
rechtsaufhebenden. Außerdem würde dieſe Auslegung 
den Sinn des Geſetzgebers nicht treſſen: Gönner führt 
im Komm. 3. HypG. Bd. I S. 398 zu 
falls von den Einreden gegen die Richtigkeit der For— 
derung ſpricht, als Beiſpiele ſolcher Einreden nicht nur 
rechtsverneinende, ſondern auch bloß e 
Einreden, wie das S, C. Mac. und Vell., ja jogar Eins 
reden an, mittels deren Gegenrechte geltend gemacht 
werden, wie die „Verletzung“ (laesio enormis) und Ge- 
währſchaftsleiſtung bei Käufen. Auf S. 400, wo er, 
bei der Erläuterung desſelben Paragraphen, von dem 
Dritten ſpricht, dem gegenüber regelmäßig der Schuldner 
keine Einrede gebrauchen könne, die nicht durch das 
Hypothekenbuch kund gemacht wäre, nimmt er keines 
ſeiner kurz vorher aufgeführten Beiſpiele aus. Daß 
Gönner ſelbſt dem § 22 Ziff. 6 keine fo ſtrengen 
Grenzen zog, ſo ſehr er ſich auch manchmal auf deſſen 
Knappheit beruft, beweiſt auch die Erſtreckung des 


§ 46, der eben- 


öffentlichen Glaubens auf die Richtigkeit des Rechts- 


b) Iſt in der Eintragung auf die Urkunde 
verwieſen, ſo iſt 


1. jedenfalls gegenüber den ſeit dem Inkraft⸗ 
treten des nenen Liegenſchaftsrechts eingetragenen 
Berechtigten die Goldklauſel wirkſam. Denn von 
da an verwandelt ſich dasjenige Pfandrecht, welches 
zu dieſer Zeit an einem Grundftüd beſteht, in eine 
neurechtliche Buchhypothek (EG. z. BGB. Art. 192), 
genauer: Die Umwandlung vollzieht ſich an der 
Hypothek für diejenige Forderung, für welche ſie 
beſteht, für welche fie aljo eingetragen ift. (HypG. 
89 II, 20). Eingetragen iſt ſie nicht notwendig 
für die in der Eintragung bezeichnete Forderung, 
z. B. bei falſcher Bezeichnung in der Eintragung, 
ſondern, vom Forderungsbetrag, Zinsfuß und der 
Perſon des Gläubigers abgeſehen (HypGG. § 22 
Ziff. 8), für diejenige Forderung und für die 
Forderung in derjenigen Beſchaffenheit, wie ſie 
nach dem Rechtstitel zur Erwerbung der Hypothek, 
alſo in der Hypothekbeſtellungsurkunde, beſchrieben 
ift. (HypG. 8 9). War für die Forderung nach 
dieſer Urkunde die Goldklauſel bedungen, ſo ent⸗ 
ſtand die Hypothek für eine ſo ausgeſtattete For⸗ 
derung, auch wenn die Klauſel nicht eingetragen 
wurde. Ob der öffentliche Glaube des Hypotheken⸗ 
buchs ſich auf eine ſolche bloß in Bezug genommene 
Goldklauſel erſtreckte, kann hier noch außer Be- 
tracht bleiben, wo es ſich um die ſeit dem 
Geltungsbeginn des neuen Liegenſchaftsrechts ein- 
getragenen Berechtigten handelt. Denn da die 
altrechtliche Hypothek ſich in eine Hypothek mit 
dem Inhalt nach BGB. verwandelte (EG. z. BGB. 
Art. 192), ſo iſt auch der Inhalt der in dem 
1 Hypothekeintrag in Bezug genom— 
menen Hppothekbeſtellungsurkunde, foweit er die 
Forderung näher bezeichnet (BGB. § 1115), nun- 
mehr Gegenſtand der Eintragung geworden und 
unter die hypothekrechtliche Gewähr geſtellt. Dieſe 
Hypothek unterſteht vom Beginn der Geltung des 
neuen Liegenſchaftsrechts an dem öffentlichen Glauben 
des Grundbuchs (BGB. $ 891 Abſ. 1), der fih 
von dieſem Zeitpunkt ab auch auf die durch die 
Goldklauſel gegebene nähere Bezeichnung der For— 
derung hinſichtlich der Hypothek erſtreckt (BGB. 
§ 1138). Die Goldklauſel ift ſomit wirkſam 
gegenüber allen Berechtigten, die von da ab ein— 
getragen ſind. Nicht aber wirkt der öffentliche 
Glaube gegenüber Berechtigten, welche bereits vor 
der Geltung des neuen Liegenſchaftsrechts ihre 
Rechtsſtellung erworben haben; denn das wäre 
eine Rückwirkung auch des öffentlichen Glaubens 
des neuen Rechts. 


titels En a. O. zu § 25 Bd. IS. 277) und auf die 
Beſchränkung des Gläubigers in der Verfügung über 
die Forderung, die er a. a. O. neben der Perſon des 
Gläubigers erwähnt, im Gegenſatz alſo zu $ 22 Ziff. 6, 
wo nur die Perſon des Gläubigers angegeben iſt. In 
Verfügungsbeſchränkungen ſieht das Geſetz nicht etwa 
eine Aenderung an der Perſon des Berechtigten, wie 
die Vergleichung der Ziff. 5 und Ziff. 6 des § 22 beweiſt. 


Die hier zugrunde gelegte Gleichſtellung der 


Eintragungsbewilligung des $ 1115 des BGB. 
mit der alten Hypothekbeſtellungsurkunde recht⸗ 
fertigt ſich aus der Vergleichung des Inhalts und 
der Bedeutung beider Urkunden. Denn die letztere 
enthielt wohl ausnahmslos die Eintragungsbe— 
willigung oder, wenn dies je einmal nicht der Fall 
geweſen fein ſollte, mußte die die Eintragungs— 
bewilligung enthaltende Urkunde ihrerſeits auf die 
Hypothekbeſtellungsurkunde verweiſen, die dadurch 
auch Inhalt der Eintragungsbewilligung wurde. 
Ohne die Verweiſung hätte die Eintragung 
mangels genügender Individualiſierung der Hypo- 
thek, welche eingetragen werden ſollte (H ypG. § 145), 
nicht vollzogen werden können. Die in den alten 
Hypothekeinträgen angeführte Beſtellungsurkunde 
entſpricht ſomit der vom neuen Recht für die Ver— 
weiſung geforderten Eintragungsbewilligung. 

2. Sofern es ſich um die vor dem Beginn 
der Geltung des neuen Liegenſchaftsrechts nach 
der Hypothek eingetragenen Berechtigten handelt, 
erſtreckt ſich der öffentliche Glaube des neuen Rechts 
hinſichtlich der Hypothek auf die zum Inhalt der 
geſicherten Forderung gehörende Goldklauſel nicht. 
Denn ſoweit der öffentliche Glaube des Grund: 
buchs nach neuem Recht auf das Beſtehen der 
Hypothek von Einfluß iſt, ſowohl in dem Sinn, 
ob fie überhaupt beſteht, als auch, für welche For: 
derung und für welche Beſchaffenheit der Forderung, 
trifft Art. 192 des EG. z. BGB. nicht zu, da 
dieſer das Beſtehen der Hypothek und die ge: 
rade durch dieſe Punkte mitbeſtimmte Individua— 
lität des Entſtehungsgrundes der Hypothek nach 
altem Recht vorausſetzt. Zum Inhalt der 
Hypothek aber gehört der öffentliche Glaube des 
Grundbuchs nicht, und die Beſtimmungen über 


den öffentlichen Glauben überhaupt haben keine 


rückwirkende Kraft. (EG. z. BGB. Art. 184). 

Nach dem alten Hypothekengeſetz erſetzt die 
Verweiſung auf die Beſtellungsurkunde die Ein— 
tragung überhaupt nicht. § 21 des HypG. fordert 
vielmehr „die förmliche Eintragung“, welche hier 
nicht, wie in $ 98 Ziff. 2, 109 den Sinn „end— 
gültige“ Eintragung hat, die mit dem einleitenden 


Wort „aber“ in § 109 den vorläufigen Ein- 


ſchreibungen des § 108 gegenübergeſtellt iſt. § 98 
Ziff. 1 fordert vollſtändige Aufnahme der zur 
Eintragung angemeldeten Dinge ins Hypotheken— 
buch. In zahlreichen anderen Stellen kennt das 
HypG. nur die „Eintragung“ ins Hypothekenbuch 
(vgl. z. B. 88 22, 23, 27 a. E., 28), insbeſondere 
auch im $ 124, wo bei der Vorſchrift einer zwar 
vollſtändigen, aber kurzen und bündigen Abfaſſung 


der Einträge der Geſetzgeber gewiß Veranlaſſung 
zur Zulaſſung der Verweiſung auf die Beſtellungs⸗ 


urkunde genommen hätte, wenn ſie in ſeinem Sinn 
gelegen geweſen wäre. Wo das alte HypG. eine 
Verweiſung geſtattet, ſagt es dies ausdrücklich: im 
3130 Ziff. 4, 174, dem ſich dann noch Art. 44 
UebG. und AnlegungsG. vom 18. Juni 1899 


243 


— — let el a e En m nn — 


— —— 


Art. 3, VO. vom 23. Juli 1898 8 30, JMBek. 
vom 11. Juli 1901 § 43 Abſ. 2 Ziff. 1 anreihten. 
| Erſt durch die Novelle vom 20. Dezember 1903 
| Art. I Ziff. 13 ift auch bei der Hypothekeiutragung 
eine Verweiſung zugelaſſen. Iſt die Urſchrift oder 


eine beglaubigte Abſchrift der Eintragungsbe— 
willigung beim Hypothekenamt aufbewahrt, ſo er— 
ſetzt die Verweiſung die ausdrückliche Eintragung, 
und zwar auch dann, wenn die Aufbewahrung der 
die Verweiſung enthaltenden Eintragung erft nad: 
folgt. Der Wortlaut des angeführten Art. I 
Ziff. 13 läßt dies zu, weil er nicht ſagt: „wenn 
gleichzeitig . . .“. Die durch Bezugnahme ein- 
getragene Goldklauſel wirkt dann auch gegenüber 
den nachher und noch unter dem alten Hypotheken⸗ 
recht eingetragenen Berechtigten (HypG. § 25 Abſ. 2), 
und dies ſelbſt dann, wenn die Aufbewahrung der 
Eintragungsbewilligung erſt nach der Eintragung 
dieſer Berechtigten erfolgt. Der Wortlaut des 
Art. II Ziff. 4 „angefochten werden“ könnte 
nur ſcheinbar dagegen angerufen werden, während 
der aus der Geſetzesbeſtimmung ſelbſt, nicht bloß 
aus den Motiven (vgl. Vhdlg. d. K. d. Abg. 
1903/04 Beil. Bd. XIII S. 326), hervortretende 
Zweck der Vorſchrift gebieteriſch dafür ſpricht. 
Das Geſetz ſagt nicht: „Die Rechtswirkſamkeit 
kann nicht mehr . .. angefochten werden“, aljo 
für die Folgezeit, ſondern ſchlechthin: „kann nicht 
angefochten werden“, d. h. die Eintragung unter: 
liegt überhaupt keiner Anfechtung mehr wegen einer 
bloßen Verweiſung. In pofitive Faſſung gebracht 
gibt die Beſtimmung dieſen Sinn noch deutlicher: 
Alle Eintragungen, auch aus der Zeit vor der 
Novelle, mit lediglich auf die Eintragungs— 
bewilligung — wegen gewiſſer Punkte — ver— 
weiſendem Inhalt gelten nunmehr als von An— 
fang an rechtswirkſam in gleichem Maß, als wenn 
der in Bezug genommene Inhalt ſeinerzeit aus— 
drücklich eingetragen worden wäre. Nur ſo wird 
man der rückwirkenden Kraft gerecht, die das Ge— 
ſetz der Zuläſſigkeit der Verweiſung beilegt, nur 
ſo kann der Zweck des Geſetzes, die Rechtswirkſam— 
| keit der alten Verweiſungen enthaltenden Einträge 

zu retten, voll erreicht werden. Damit iſt ein 

einfacher Weg gewieſen, auf dem den noch vor 
| der Novelle durch bloße Bezugnahme eingetragenen 
Goldklauſeln ihre in der Praxis irrtümlich vielfach 
vorausgeſetzte Rechtswirkſamkeit geſetzlich geſichert 
l 


werden fann. 

Dieſer Weg iſt jetzt freilich nur noch gangbar 
in den Gebieten, in welchen das neue Liegenſchafts— 
recht noch nicht gilt. Wo dieſes bereits in Kraft 
getreten iſt, kann die Beſtimmung des Art. II 
Ziff. 4 der Novelle nicht mehr dazu benützt 
werden, um einfach durch Einreichung der Ein— 


tragungsbewilligung beim Grundbuchamt zur Auf: 
bewahrung den alten, eine Verweiſung enthaltenden 


Hypothekeinträgen rückwirkende Kraft für die Ver— 
weiſung zu geben. Denn mit dem neuen Liegen— 
ſchaftsrecht iſt die Hypothekengeſetznovelle außer 


244 


Kraft getreten (RV. Art. 2) — natürlich nicht 

rückwirkend, ſondern für die Folgezeit —, der 

Vorbehalt des Art. 189 Abſ. 1 des EG. z. BGB., 

der mit Art. 218 desſelben Geſetzes die Grund⸗ 

lage für die Novelle bot, iſt damit erledigt. 
(Schluß folgt.) 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Ablehnung eines Geſchworenen während der Haupt⸗ 
verhandlung. In einer ſchwurgerichtlichen Verhand⸗ 
lung gab ein Geſchworener in der Hauptverhandlung 
während der Beweisaufnahme eine Erklärung ab, die 
den Staatsanwalt zur Antragſtellung auf Ablehnung 
des Geſchworenen veranlaßte und die ſich als Bitte 
des Geſchworenen um Enthebung von der Dienſtleiſtung 
wegen Beſorgnis der Befangenheit darſtellte. Das 
Gericht wies die Anträge zurück. Hierzu dürfte fol- 
gendes auszuführen ſein. 

Die Ausſchließung und Ablehnung der Gerichts⸗ 
perſonen im allgemeinen iſt geordnet im Bd.! Abſchn. 3 
StPO. (S8 22—32). Für die Geſchworenen find Sonder- 
vorſchriften gegeben in den 88 279—285 a. a. O. § 279 
lautet: „Vor der Ausloſung ſind, außer den zu 
dem Geſchworenenamte Unfähigen, ſolche Geſchworene 
auszuſcheiden, welche von der Ausübung des Amtes 
in der zu verhandelnden Sache kraft Geſetzes ausge— 
ſchloſſen ſind. Die erſchienenen Geſchworenen ſind zur 
Anzeige etwaiger Ausſchließungsgründe aufzufordern.“ 

Die §§ 280 ff. behandeln die Ablehnung und die 
Art ihrer Ausübung. Von Bedeutung iſt hier nur 
die Vorſchrift, daß die Erklärung, ob Ablehnung er— 
folgt oder nicht, nicht mehr zurückgenommen werden 
kann, ſobald ein fernerer Name gezogen oder die ge— 
ſamte Ziehung für beendet erklärt iſt. 

Soweit die Ausſchließungs- oder Ablehnungs— 
gründe bei Bildung der Geſchworenenbank bekannt 
ſind, iſt die Ausſcheidung des Geſchworenen geſichert. 
Wie verhält es ſich aber, wenn die Ausſchließungs⸗ 
gründe oder die Beſorgnis der ene erſt in 
der Hauptverhandlung zutage treten? 

Durch die 8$ 279—285 StPO. ift hierfür eine 
Beſtimmung nicht getroffen. Es fragt ſich deshalb, 
wieweit die Beſtimmungen des 3. Abſchnittes des 
J. Bandes Anwendung finden können. Der 3. Abſchnitt 
handelt in den 88 22—30 nur von den Richtern. Nach 
§ 31 haben die Beſtimmungen entſprechende Anwen— 
dung auf Schöffen und Gerichtsſchreiber zu finden, 
während der § 32 kurz ſagt: die Beſtimmungen des 
§ 22 finden auf Geſchworene Anwendung. § 22 zählt 
die Gründe auf, aus welchen der Richter kraft Geſetzes 
ausgeſchloſſen iſt. Aus der Gegenüberſtellung von 
Schöffen einerſeits und Geſchworenen anderſeits muß 
gefolgert werden, daß das Geſetz auf die Geſchworenen 
nur den 8 22 a. a. O. angewendet, dagegen die folgenden 
Geſetzesbeſtimmungen ausgeſchloſſen wiſſen will. Die 
Konſequenz iſt auch durch StPO. 8 377 in Ziff. 2 
und 3 gezogen. Auch das Reichsgericht vertritt den 
Standpunkt (RG. Bd. 18 S. 238). 

Weder der $ 25 noch der 830 St; O. können alfo 
auf Geſchworene Anwendung finden. War das Recht 
des Staatsanwaltes auf Ablehnung des Geſchworenen 
auf Grund des § 25 StPO., weil nach Verleſung des 


; 


_Bettichrift für _Seitidrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. in i Bayern. 1908. Nr. 12. 


Eröffnungsbeſchluſſes geltend gemacht, auch bei An⸗ 
wendbarkeit der Geſetzesſtelle auf die Geſchworenen 
verwirkt, RGE. Bd. 8 S. 356, ſo war die Bitte des 
Geſchworenen abzuweiſen, weil $ 30 nicht Anwendung 
finden kann. 

Der § 30 lautet: Das für die Erledigung eines 
Ablehnungsgeſuches zuſtändige Gericht hat auch dann 
zu entſcheiden, wenn ein ſolches Geſuch nicht angebracht 
iſt, ein Richter aber von einem Verhältniſſe Anzeige 
macht, welches ſeine Ablehnung rechtfertigen könnte, 
oder wenn aus anderer Veranlaſſung Zweifel darüber 
entſtehen, ob ein Richter kraft Geſetzes ausgeſchloſſen iſt. 

Aus dem Wortlaute und Sinne der genannten 
Geſetzesſtelle geht hervor, daß ihre Anwendung im 
Gegenſatze zu § 25 zeitlich nicht beſchränkt iſt. 

Der Ausſchluß des $ 30 für die Geſchworenen 
dürfte eine Lücke bilden. Sowohl Ausſchließungs⸗ 
gründe, wie die Beſorgnis der Befangenheit können 
bei dem Geſchworenen ebenſogut wie beim Berufs⸗ 
richter erſt im Laufe der Verhandlung zutage treten. 

Liegt ein Ausſchließungsgrund vor, ſo begründet 
ſeine Nichtbeachtung die Reviſion nach 8 377 Ziff. 2 
StPO. Gleichwohl fehlt es an einer Geſetzesſtelle, 
die die Durchführung eines anfechtbaren Verfahrens 
verhindert. 

Wie ſich aus 8 377 Ziff. 3 StPO. ergibt, bildet 
die Beſorgnis der Befangenheit hinſichtlich eines Ge⸗ 
ſchworenen keinen Reviſionsgrund. Aber immerhin 
ſtellt das Geſetz an den „befangenen“ Geſchworenen 
eine Aufgabe, die es dem Richter und Schöffen nicht 
zumutet. An Bedeutung gewinnt der § 30 St O. 
insbeſondere dadurch, daß hierdurch die Möglichkeit 
gegeben iſt, die Beſorgnis der Befangenheit des Richters 
oder Schöffen in jeder Lage des Verfahrens auch auf 
das Vorbringen des Staatsanwaltes oder Angeklagten 
zu prüfen, da eben der Richter, wenn ihm das Vor- 
bringen begründet erſcheint, Veranlaſſung nehmen wird, 
die Entſcheidung des Gerichts anzurufen, wenn er 
hierzu auch nicht verpflichtet iſt. 

n Stummer in München. 


Aufrechnung mit einer Wechſelgeld forderung. Herr 
Landrichter Dr. Eisner beſpricht in der Deutſchen 
Juriſtenzeitung vom 1. April 1908 folgenden Rechts— 
fall. Kläger läßt durch feine 6 jährige Tochter den 
Beklagten erſuchen, ihm für eine Doppelkrone Klein- 
geld einzuwechſeln. Der Beklagte nimmt die Krone 
in Empfang, händigt aber dem Kinde nur 17.50 M 
mit dem Bedeuten aus, daß Kläger ihm noch 2.50 M 
für Waren ſchulde. Das Gericht verurteilt hierauf 
den Beklagten zur Zahlung dieſer 2.50 M, obwohl 
Kläger das Beſtehen der Gegenforderung an ſich 
nicht beſtreitet und ſtützt ſeine Entſcheidung auf 
zwei Gründe: 

1. Der Anſpruch des Klägers ſtelle ſich als ein 
Anſpruch aus einer unerlaubten Handlung des Be— 
klagten (Unterſchlagung) dar; die Aufrechnung ſci 
deshalb nach S 393 BGB. unzuläſſig. 

2. Faſſe man das Geldwechſeln als Tauſchgeſchäft 
auf, ſo hätte die Verpflichtung des Beklagten darin 
beitanden, dem Kläger das Eigentum an Scheide: 
münzen im Werte von 20 M zu verſchaffen, was er 
nur in Höhe von 17.50 M getan habe. In Höhe 
von 2.50 M wolle er dem Anſpruch des Klägers auf 
Verſchaffung des Eigentums an Einzelgeldſtücken im 
Werte von 2.50 M eine Geldforderung zur Muf- 


rechnung entgegenſetzen, was der § 387 BGB. nicht 
geſtatte. 

Ich halte mit Herrn Landrichter Dr. Eisner die 
richterliche Entſcheidung für zutreffend, kann aber 
ihrer Begründung nicht ohne weiteres beipflichten. 

1. Eine vorſätzlich begangene unerlaubte Handlung 
kann nicht ohne weiteres angenommen werden; ſie 
wird regelmäßig nicht vorliegen. Man denke nur 
daran, daß Beklagter den Entſchluß, 2.50 M in Ab⸗ 
zug zu bringen, erſt nachträglich beim Aufzählen der 
Scheidemünzen faßt, nachdem er die Krone bona fide 
bereits eingeſtrichen und damit z. B. eine ihm von 
dritter Seite in demſelben Augenblicke gerade vorge— 
legte quittierte Rechnung bezahlt hat. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


2. Auch wenn man das Geldwechſeln ſchlechthin 


als Tauſchgeſchäft anſieht, kann Kläger im vorliegen— 
den Falle nur Zahlung von 2.50 M begehren, ebenſo 
wie Beklagter 2.50 M an Kaufgeld zu fordern hat. 


Der Anſpruch des Klägers richtet ſich nicht auf 


individuell beſtimmte Geldſtücke. An dem Erfordernis 
der Gleichartigkeit beider Forderungen fehlt es alſo 
meiner Anſicht nach nicht. 

3. Der Ausſchluß der Aufrechnung beruht aber 
in einem derartigen Falle, wie er hier zur Erörterung 
ſteht, auf der Partei vereinbarung, insbeſondere 
auf Willensinterpretation. Gibt der eine Teil ein 
Goldſtück nur zum Zwecke des Umwechſelns 
hin, ſo bekundet er damit deutlich genug ſeinen 
Willen, daß er die Tilgung einer etwa beſtehenden 
Gegenforderung ablehne, der andere Teil erklärt hier— 
mit ſein Einverſtändnis, indem er die Umwechſelung 
übernimmt und verzichtet dadurch vertragsgemäß 
auf Aufrechnung genau wie derjenige Schuldner, der 
trotz beſtehender Gegenforderung ſofortige Barzahlung 
verſpricht. (Vgl. ROG., IW. 1905 S. 346). 

Juſtizrat Bendix in Breslau. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Der Formvorſchrift des 8 569 Abſ. 2 der ZPL. 
iſt nicht genügt, wenn der Beſchwerdeführer zwar die 
Beſchwerde zu Protokoll des Gerichts ſchreibers des CLO. 
erklärt, zur 2egrändung aber auf ein Schriftſtück ver⸗ 
weiſt, das er ſelbſt verfaßt hat. Gründe: Die das 
Armenrecht betreffende, gegen die Entſcheidung eines 
OLG. gerichtete Beſchwerde war nach dem 8 569 
Abſ. 2 ZPO. entweder durch Erklärung zu Protokoll 
des Gerichtsſchreibers des OLG. oder durch Einreichung 
einer zum Protokolle des Gerichtsſchreibers eines Amts— 
gerichts erklärten oder von einem Rechtsanwalt unter— 
zeichneten Beſchwerdeſchrift einzulegen. Durch dieſes 
Formerfordernis ſoll erreicht werden, daß das Reichs— 
gericht auch in den dem Anwaltszwange nicht unter— 
liegenden Angelegenheiten nicht mit weitläufigen, 
unklar und verworren abgefaßten Beſchwerden befaßt 
wird, und ihm entſpricht die vorliegende Beſchwerde 
nicht. Zu Protokoll des Gerichtsſchreibers des OLG. 
hat der Kläger zwar erklärt, daß er gegen den ſein 
Armenrechtsgeſuch ablehnenden Beſchluß Beſchwerde 
erhebe. Zur Begründung aber hat er dann nur auf 
die Ausführungen Bezug genommen, die in dem augen— 
ſcheinlich von ihm ſelbſt verfaßten Armenrechtsgeſuche 


des 8 574 ZPO. als unzuläſſig zu verwerfen. 


245 


enthalten find. Iſt nun auch zuzugeben, daß die Be- 
ſchwerde einer Begründung nicht bedarf, ſo iſt ander— 
ſeits klar, daß der Kläger ſeine Beſchwerde hat mit 
Gründen verſehen wollen und daß die Ausführungen 
ſeines Armenrechtsgeſuchs zu einem Beſtandteile ſeiner 
Beſchwerde gemacht worden ſind. Jenes Former— 
fordernis aber erſtreckt ſich auf alle Teile der Be- 
ſchwerde und, wie ſich aus dem angegebenen Zweck 
ergibt, namentlich auch auf die der Beſchwerde 
beigegebene Begründung. Die nicht in der geſetzlichen 
Form eingelegte Beſchwerde war nach dem 1. Sa 

em 
ſtand der Umſtand nicht entgegen, daß das nach dem 
2. Abſ. dieſes Paragraphen zur Prüfung und Gnt- 
ſcheidung über die Zuläſſigkeit berufene Oberlandes— 
gericht die Beſchwerde für zuläſſig erachtet hat. (Beſchl. 
des V. RS. vom 22. April 1908, V B 71,08). 


1291 


— — —ı 


II. 


Die Löſchung einer im Handelsregiſter eingetragenen 
Firma kann im Wege der einſtweiligen Verfügung nicht 
angeordnet werden, weil die Löſchung einer Firma end⸗ 

ültig wirkt und mit der Natur der einſtweiligen Ver⸗ 
ügung nur vorlänſig wirkſame Anordnungen verein: 
bar find. Auch bei der Erlaſſung einer eiuſtweiligen 
Verfügung darf über den Antrag nicht hinausgegangen 
werden. Aus den Gründen: Den Beklagten iſt 
durch das angefochtene Urteil die Verpflichtung auf— 
erlegt worden, die Eintragung der Firma A. Sch. 
beim Firmenregiſter des Amtsgerichts löſchen zu 
laffen. Beantragt war ein ſolcher Ausſpruch vom 
Antragſteller nicht. Sein Antrag war vielmehr nur 
dahin gegangen, dem Sch. aufzugeben, jedes Kon— 
kurrenzunternehmen und alle auf die Gründung eines 
ſolchen gerichteten vorbereitenden Maßnahmen, ſowie 
jede Führung und Zeichnung der Firma zu unter— 
laſſen und ſich auch jedes Antrags auf Eintragung 
der Firma in ein deutſches Handelsregiſter zu ent— 
halten. Das vom Berufungsgericht ausgeſprochene 
Gebot, die Eintragung der Firma beim Firmenregiſter 
löſchen zu laſſen, geht ſomit über dasjenige hinaus, 
was der Antragſteller zum Schutz ſeiner Rechte tat— 
ſächlich als einſtweilige Maßregel für notwendig er— 
achtet und beantragt hatte, und kann auch nicht damit 
gerechtfertigt werden, daß nach § 938 Abſ. 1 BPO. das 
Gericht nach freiem Ermeſſen beſtimmt, welche Anord— 
nungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich ſind. 
Denn die Vorſchrift des 8 308 ZPO. gilt auch für 
einſtweilige Verfügungen, und der Antragſteller hatte 
nur darum nachgeſucht, daß feinem Gegner die Füh— 
rung jener Firma und die Gründung eines Kon— 
kurrenzunternehmens unter derſelben Firma verboten 
werde; den Zweck, die im Regiſter noch eingetragen 
gebliebene Firma löſchen zu laſſen, hatte der Antrag 
überhaupt nicht verfolgt. Dem hierauf ſich beziehen— 
den Ausſpruch ſtand aber auch der Rechtsſatz entgegen, 
daß die Anordnungen, welche im Wege der einſt— 
weiligen Verfügung getroffen werden, die Grenzen 
nicht überſchreiten dürfen, welche ſich aus der Natur 
der einſtweiligen Verfügung als einer vorläufigen 
Maßregel ergeben. Eine ſolche Maßregel iſt die 
Löſchung einer Firma nicht; denn ſie wirkt endgültig, 
weil die im Regiſter gelöſchte Firma ohne neuen 
Rechtsgrund nicht wieder eingetragen werden kann. 
Durch die Anordnung des OL G., daß die im Firmen— 
regiſter noch eingetragene Firma zu löſchen ſei, iſt 
demnach der Reviſionskläger beſchwert. (Urt. des 
I. ZS. vom 25. April 1908, I 185 07). — — en. 


1295 
III. 

Begriff der Verzeihung i. S. des E 1570 BGB. 
Unterſchied von einer nur „moraliſchen“ Verzeihung. 
Die Reviſion wendet ſich dagegen, daß der Berufungs— 
richter in der Aeußerung der Klägerin, die ſie nach 


246 


Entdeckung des Ehebruchs zum Beklagten getan haben 
ſoll, keine Verzeihung i. S. des Geſetzes erblickt. Die 
Aeußerung ſoll gelautet haben: „Ich habe es Dir ver— 
geben; ſieh nur zu, daß nichts herauskommt; aber ich 
will nicht verſprechen, daß ich es meinen Eltern nicht 
erzähle“. Allein die Reviſion irrt, wenn ſie mit dem 
Gebrauche des Wortes „Verzeihen“ oder „Vergeben“ 
unter allen Umſtänden den Tatbeſtand des $ 1570 
als gegeben bezeichnet. Wenn auch die Verzeihung 
nicht eigentlich Rechtsgeſchäft und die Kundgebung der 
Verzeihung nicht eigentlich Willenserklärung iſt, ſo 
gilt doch auch hier die Vorſchrift des § 133 BGB., 
wonach der Richter den wahren Sinn der Erklärung 
zu erforſchen und dabei an der buchſtäblichen Bedeu— 
tung des Ausdrucks nicht zu haften hat. Dieſe Prü— 
fung hat der Berufungsrichter vorgenommen. Er 
kommt zu dem Ergebnis, die Klägerin habe damit 
nicht ſagen wollen, ſie ſehe die Ehe trotz des Ehe— 
bruchs nicht als zerrüttet an und halte ein weiteres 
Zuſammenleben mit dem Beklagten für möglich, ſie 
habe ihm vielmehr, wie er ſich ausdrückt, nur eine 
„moraliſche“ Verzeihung gewährt. Er vermißt mit- 
hin auf ſeiten der Klägerin gerade diejenige Sinnes— 
richtung und diejenige Erklärung, welche für den Be— 
griff der Verzeihung weſentlich iſt. Es iſt durchaus 
denkbar, daß fih der gekränkte Ehegatte durch Chriften- 
pflicht und Sittengeſetz für gebunden erachtet, Gefühle 
des Gafes und der Rache zu unterdrücken, aber den- 
noch ablehnt, das Opfer ferneren ehelichen Zuſammen— 
lebens mit dem ſchuldigen Teile zu bringen. Von 
einem geheimen und deshalb nicht zu beachtenden 
Vorbehalt kann dabei umſoweniger die Rede ſein, als 
nach den tatſächlichen Feſtſtellungen die wahre Mtei- 
nung der Klägerin auch dem Beklagten erkennbar ge— 
weſen iſt. Wenn der Berufungsrichter dieſe Annahme 
auch durch das ſpätere Verhalten der Parteien be— 
ſtätigt findet, fo bewegt er ſich damit nur im Rah- 
men der Beweiswürdigung. (Urt. des IV. ZS. vom 
10. Februar 1908, IV 306/07). 
1294 


— — — —n. 
IV. 

Unterſchied zwiſchen „Voransvermächtnis“ nnd „Tei- 
lungsanordnung“. Aus den Gründen: Jn der legt- 
willigen Beſtimmung, auf Grund deren der Kläger die 
Auflaſſung der Grundſtücke zu beſtimmten “reifen 
fordert, erblickt das OLG. nicht ein Vorausvermächtnis 
im Sinne des S 2150 BGB., ſondern eine unter § 2048 
fallende für die Auseinanderſetzung der Erben unter— 
einander maßgebende Teilungsanordnung. Zu dieſer 
Auffaſſung gelangt es auf Grund der Auslegung des 
Teſtaments, die dahin geht, zufolge Anordnung des 
Erblaſſers habe der klagende Miterbe nicht etwa die 
aus dem Nachlaſſe auszuſcheidenden Grundſtücke vor— 
weg erhalten ſollen, vielmehr ſeien ihm die Grund— 
ſtücke im Wege einer beſonderen Anordnung mit der 
Beſtimmung zugewieſen worden, daß er ſich den vom 
Erblaſſer feitgejegten Wert (Preis) auf feinen Erbteil 
anzurechnen habe. Die Ausführungen des OLG. laſſen 
einen Nechtsirrtum nicht erkennen. Das BGB. bietet 
dem Erblaſſer im weſentlichen zwei verſchiedene Wege, 
durch eine letztwillige Verfügung mit obligatoriſcher 
Wirtung beſtimmte Nachlaßſtücke einem von mehreren 
Miterben zuzuweiſen, das Vorausvermächtnis ($ 2150) 
und die Teilungsanordnung. Im erſten Falle erhält 
der Miterbe die zugewendeten Nachlaßſtücke außer 
ſeinem Erbteile, im zweiten Falle muß er ſie ſich auf 
ſeinen Erbteil anrechnen laſſen. Was der Erblaſſer 
im Einzelfalle gewollt hat, iſt Auslegungsfrage. Das 
OLG. hat aus dem gefamten Inhalt des Teſtaments, 
insbeſondere aus der Anordnung, daß der Kläger die 
Grundſtücke zu den vom Erblaſſer beſtimmten Preiſen 
übernehmen ſolle, in dem vorliegenden Falle ent— 
nommen, daß nach dem Willen des Erblaſſers eine 
Anrechnung, und zwar in Höhe der von ihm an— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


— 


gegebenen Wertbeträge, auf den Erbteil des Klägers 
erfolgen folle, ähnlich dem im § 2049 BGB. für Land- 
güter beſonders geregelten Falle einer ZeilungSan- 
ordnung. Die ausreichend begründete Auslegung iſt 
nicht irrig. Es iſt unerheblich, wenn die Reviſion 
darauf . daß der vom Erblaſſer beſtimmte 
Uebernahmepreis erheblich unter dem wirklichen Wert 
der Grundſtücke zurückbleibe und daß mit Rückſicht 
hierauf ein vom BGB. nicht geregeltes Vorausver⸗ 
mächtnis in einem weiteren Sinne vorliege. Allerdings 
kann eine Teilungsanordnung, die einem Miterben 
beſtimmte Nachlaßſtücke zu niedrig bemeſſenen Ueber: 
nahmepreiſen zuweiſt, zugleich eine Bevorzugung eines 
Miterben den anderen Miterben gegenüber enthalten 
und einen ähnlichen wirtſchaftlichen Erfolg haben, 
als wenn dem Miterben ein Vorausvermächtnis in 
Höhe der Preisdifferenz hinterlaſſen wäre. Dieſer 
wirtſchaftliche Erfolg iſt aber für die Beſtimmung 
des rechtlichen Charakters einer Anordnung des Erb- 
laſſers nicht entſcheidend. Bereits in den Motiven zu 
dem mit dem erſten Satze des 8 2048 BGB. faſt genau 
übereinſtimmenden § 2152 des erſten Entwurfs wurde 
hervorgehoben, daß in einer an ſich nicht in den Be— 
reich der Vermächtniſſe fallenden Teilungsanordnung 
ein Vermächtnis enthalten ſein könne, daß es jedoch 
ratſam ſei, die Zuläſſigkeit einer Anordnung dieſer 
Art beſonders auszuſprechen. (Urteil des IV. ZS. vom 
27. Februar 1908, IV 537/07). 
1293 


— — — n. 


V 


. Die Borſchriſt im 8 1004 Abſ. 2 BGB. bezieht ſich 
nicht nur auf eine privat⸗rechtliche ſondern auch anf 
eine öffentlich⸗ rechtliche Duldungspflicht. Aus den 
Gründen: Die Beklagten verteidigen ſich gegenüber 
der Eigentumsſtörungsklage mit der Behauptung, ein 
rechtswidriger Eingriff in das Eigentum des Klägers 
liege deshalb nicht vor, weil ſie zur Vornahme der 
Störungshandlung — Ableitung der Hausabwäſſer 
in den Bahngraben — nach der dem Bahngraben 
landespolizeilich gegebenen Beſtimmung befugt ſeien. 
Dieſen Einwand muß ſich der Kläger gefallen laſſen, 
der die Klage nur auf fein Eigentum an dem Bahn- 
graben ſtützt. Denn nach § 1004 Abſ. 2 BGB. darf 
der Eigentumer von demjenigen, der ihn in ſeinem 
Rechte ſtört, die Beſeitigung der Beeinträchtigung dann 
nicht verlangen, wenn er zu deren Duldung ver— 
pflichtet iſt. Die Vorſchrift hat allerdings anſcheinend 
in erſter Linie den Fall im Auge, daß der Geltend— 
machung des Eigentums auf Grund eines entgegen— 
ſtehenden dinglichen oder perſönlichen Privat rechts 
widerſprochen wird. Nach ihrer allgemeinen Faſſung 
iſt ſie indeſſen unbedenklich auch auf die Fälle zu be— 
ziehen, in denen der Grund für die Eigentums— 
einſchränkung nicht in privaten Rechtsbeziehungen 
liegt, ſondern in landespolizeilichen oder obrigkeit— 
lichen ſonſtigen Anordnungen, die aus Rückſichten des 
Gemeinwohls oder öffentlichen Intereſſes getroffen 
worden ſind. (Urt. des V. ZS. vom 11. April 1908, 
V 460/07). —— en. 

1292 

VI. 

Geſellſchaftsverträge find in erhöhtem Maße von 
Grundſatze von Treu und Glauben beherrſcht. Pflichten 
des geſchäftsführenden Geſellſchafters. Analogie der für 
den Kommiſſionär geltenden Vorſchriſten. In dem 1902 
zwiſchen den Streitsteilen geſchloſſenen Geſellſchafts— 
vertrage heißt es: „A kauft 30 Aktien (einer beſtimmten 
Fabrik) zum Kurſe von 100 % lieferbar Ende Mai a. c.“ 
Beide Geſellſchafter A und B ſollten verpflichtet ſein, 
zu gleichen Teilen die zum Erwerb der Aktien erforder— 
liche Summe einzuſchießen; doch ſollte der Kläger B 
dem Beklagten A den auf dieſen fallenden Betrag vor: 
ſtrecken. Das iſt geſchehen. Gewinn und Verluſt 
ſollten zu gleichen Teilen geteilt werden. Vor dem 


9 


Vertragsabſchluſſe hatte der Beklagte dem Kläger 
erklärt, er habe Gelegenheit, 30 Stück Aktien der 
Fabrik, die damals einen Kurswert von 135% hatten, 
zum Kurſe von 100 zu kaufen; in Wahrheit aber hatte 
er zu dieſer Zeit bereits 30 Stück der fraglichen Aktien 
infolge ſeiner perſönlichen Beziehungen zum Kurſe von 
75 % gekauft. Der Streit der Parteien betrifft nur 
die Frage, ob der Beklagte verpflichtet war, die Aktien 
zum Selbſtkoſtenpreiſe in die Geſellſchaft einzulegen 
und dem Kläger den auf deſſen Anteil fallenden Be— 
trag der Differenz von 3750 M zwiſchen Einlegekurs 
von 100 % und Erwerbspreis von 75% nebſt 5% 
Zinſen von dieſer Differenz zu zahlen. Das LG. hat 
die Frage bejaht; das RG. hat dieſen Standpunkt 
gebilligt und die Berufung des Beklagten gegen das 
landgerichtliche Urteil unter Aufhebung des Berufungs— 
urteils zurückgewieſen. 

Aus den Gründen: Das OLG. führt aus, 
die Grundlage des Geſellſchaftsvertrags ſei der Erwerb 
der Aktien nicht zum beſtmöglichen Erwerbspreiſe, 
ſondern zum feſten Kurſe von 100% geweſen; die 
Geſellſchaft oder der andere Geſellſchafter hätten keinen 
Anſpruch auf Erwerb der Aktien zu dem Angebote 
von 75% gehabt, das dem Beklagten nur auf Grund 
beſonderer verwandtſchaftlicher Verhältniſſe gemacht 
und von ihm vor Bildung der Geſellſchaft ſchon aus— 
genützt worden ſei. Der Beklagte ſei auch nicht ge— 
halten geweſen, dem Kläger, der nach Mitteilung der 
beſonderen Verhältniſſe und nach eigener Prüfung 
zur Bildung der Geſellſchaft auf der Grundlage von 
100 % u bereit war, den ſchon zu 75% erfolgten Kauf 
mitzuteilen. Dieſe Ausführungen ſind zu beanſtanden: 
Das OLG. wendet den Grundſatz, daß Geſellſchafts— 
verträge von Treu und Glauben beherrſcht ſein müſſen, 
zu Unrecht nicht an und irrt in der rechtlichen Be— 
urteilung des Sachverhältniſſes unter Verletzung der 
SS 157, 242, 713, 666, 667 BB. Grundſätzlich müſſen 
die Geſellſchaftsverträge, die auf beſonderem Wer- 
trauen zu beruhen pflegen, in erhöhtem Maße von 
den Grundſätzen von Treu und Glauben beherrſcht 
ſein. Unter den Geſellſchaftern muß in Geſellſchafts— 
angelegenheiten Offenheit und Ehrlichkeit die Richt— 
ſchnur bilden. Bei einem Geſellſchafts verhältnis, das 
auf der Grundlage gleichen Gewinnes und Verluſtes 
beruht, verbietet es die Vertragstreue, daß ein Ge— 
ſellſchafter unter Verheimlichung vor dem anderen 
ih einen beſonderen Vorteil, einen „Schnitt“ ver- 
ſchafft. Gegen dieſen Grundſatz hat der Beklagte vers 
ſtoßen, als er dem Kläger die falſche Tatſache vor— 
ſpiegelte, er habe Gelegenheit zu 100 % zu kaufen 
und ihm verſchwieg, daß er ſchon zu 75% gekauft 
habe. Mit Rückſicht auf dieſe Erklärung und den 
Wortlaut der Urkunde „kauft“ ging der Sinn des Ver— 
trages offenbar dahin, daß der Beklagte für Rechnung 
der Geſellſchaft zu 100% kaufen ſollte. Mithin be— 
ſtimmte ſich der Pflichtenkreis des Beklagten als Be— 
auftragten nach 88 713, 666, 667 BGB. Für Pe- 
meſſung der Anforderungen, welche an die Vertrags⸗ 
treue des Beauftragten zu ſtellen ſind, bilden die für 
den Kommiſſionär geltenden Vorſchriften der SS 384, 
387, 400, 401 HGB. auch in den Fällen ähnlicher Art, 
in denen ſie nicht unmittelbar Anwendung finden, 
einen naheliegenden geſetzlichen Maßſtab. Hieraus 
ergibt ſich, daß der Beklagte die Aktien nicht zu höherem 
Preiſe berechnen durfte, als er dafür zu zahlen hatte. 
Natürlich konnte es dem Kläger gleichgültig ſein, ob 
und wo der Beklagte die Aktien kaufte oder ob er ſie 
bereits gekauft hatte. Woran er aber ein erhebliches 
Intereſſe hatte, das war, daß der Beklagte ihm dafür 
nicht einen höheren als den Selbſtkoſtenpreis be- 
rechnete. Wenn im Geſellſchafts vertrage als Kaufpreis 
100 % angegeben iſt, fo hatte dies offenbar ſeinen Grund 
Saut daß der Kläger im Vertrauen auf die Richtig— 
keit der Angabe des Beklagten von der ſicheren An— 
nahme ausging, dem Beklagten werde es nicht möglich 


Zeitſchrift für t für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


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Nr. 12. 247 


fein, die Aktien, die einen regulären Kurs zu 135% 
hatten, zu einem noch niedrigeren Kurſe als 100 % 
zu erwerben. Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts 
würde er auf einen Geſellſchaftsvertrag auf der Grundlage 
von 100 % ſich ſchwerlich eingelaſſen haben. Jedoch 
kommt es hierauf nicht an. Ausſchlaggebend iſt, daß 
der Beklagte unter Verheimlichung des wahren Sach— 
verhalts und unter Verletzung von Treu und Glauben 
fich vertragswidrig auf Koſten der Geſellſchaft und des 


Klägers einen beſonderen Vorteil verſchafft hat. (Urt. 
des II. 35. Nr. 608/07 vom 3. April 1908). 
1282 | EEE r. 


B. Straffaden. 


I: 


Die unzuläſſige Berlefung eines Protokolls in der 
Hauptverhandlung vor dem Schwurgerichte kann dadurch 
unſchädlich gemacht werden. daß der Borfikende die 
Geſchworenen auweiſt, das Protokoll nicht zu beachten. 
In der Hauptverhandlung wurde das Protokoll über 
die Vernehmung eines verſtorbenen Zeugen verleſen. 
Nach der Verleſung bemerkte man, daß die Unterſchrift 
des Richters fehlte. Der Vorſitzende belehrte die Gez 
ſchworenen darüber, daß das Protokoll ein unzuläſ— 
ſiges Beweismittel ſei, die Verleſung als nicht ge— 
ſchehen zu betrachten und das Protokoll bei Schöpfung 
des Wahrſpruchs außer acht zu laffen fei. Das Reichs- 
gericht billigte dieſes Verfahren.“) 

Aus den Gründen: Der Verteidiger irrt, ſo— 
weit er die Angemeſſenheit und Statthaftigkeit der 
zur Heilung des Verſtoßes vorgenommenen Maßregeln 
beſtreitet. Es liefe dem Geſetze zuwider, wenn wegen einer 
Ordnungswidrigkeit die Hauptverhandlung abgebrochen 
und vor einer neu zu beſetzenden Richter- oder Ge— 
ſchworenenbank vorgenommen würde. Grundſätzliche 
Unheilbarkeit eines Prozeßverſtoßes bei der Beweis— 
aufnahme anzunehmen, iſt weder durch den Begriff 
noch durch die geſetzlichen Vorſchriften geboten. Da 
nach Aufdeckung eines die Reviſion begründenden 
Verſtoßes das Fortfahren in der Hauptverhandlung 
ohne ſeine Beſeitigung als widerſinnig oder verſchlep— 
pend mit den Anforderungen geordneter Rechtspflege 
ſchlechthin unvereinbar wäre, muß eine Berichtigung 
oder Ausſchaltung des Verſtoßes in der Hauptver— 
handlung ſelbſt erlaubt ſein. Nicht einzuſehen iſt, 
weshalb die Geſchworenen der Belehrung durch den 
Vorſitzenden unzugänglich geweſen ſein ſollten. Will 
zufolge neuer Aufklärung ein vernünftiger Menſch 
ernſtlich bei Beurteilung der Beweisergebniſſe einzelne 
Erkenntnisquellen dem Kreiſe ſeiner Erwägungen und 
Schlußfolgerungen fernhalten, ſo kann er das ſelbſt 
dann durchführen, wenn er urſprünglich jenen Er— 
kenntnisquellen Gewicht beigelegt hatte. (Urteil des 
I. Strafſenats vom 2. April 1908, 1 D 140/08). 

1287 


— —— [ n 


II. 


Zweck der Strafe iſt nicht nur die Sühne fondern 
auch die Abſchreckung. Dieſer Zweck darf bei der Straf⸗ 
zumeflung berückſichtigt werden. Das Urteil enthält den 
Satz: „Es erſchien daher angezeigt, durch eine aus— 
giebige Gefängnisſtrafe zu bewirken, daß einem 
ſolchen Treiben Einhalt getan wird, damit die Eltern 
ihre Kinder wenigſtens ohne Sorgen in die öffentlichen 
Bäder ſchicken können“. Selbſt wenn dieſer Satz dahin 
auszulegen wäre, daß das Gericht nicht die Gemein— 
gefährlichkeit des Täters in Betracht gezogen, ſondern 
die Abſchreckung anderer von der Begehung gleicher 
Straftaten bezweckt hat, ſo hätte der Richter dadurch 
ſeine Befugnis nicht überſchritten, die Strafe nach 
freiem Ermeſſen zu beſtimmen. Kein Rechtsſatz beſteht, 

1) Das im 2. Jabrgang dieſer Zeitſchrift auf S. 63, 64 ver- 
öffentlichte Urteil des Reichsgerichts vom 23. November 1905 enthält 
eine Bemerkung, die ein ſolches Verfahren empfiehlt. 


248 


daß beim Ausmaße der Strafe nur die Sühne des 
Verbrechens die Richtſchnur bilden darf und daß nicht 
auch ein Umſtand berückſichtigt wird, der zwar in 
keiner unmittelbaren Beziehung zur Tat und zum 
Täter ſteht, wohl aber, ohne mit dem inneren Weſen 
der Strafe unvereinbar zu ſein, ſich als ihre not⸗ 
wendige gegen außen wirkſame Folge darſtellt. Wer 
ſich des Bruchs der Rechtsordnung ſchuldig macht, 
kann ſich nicht beſchweren, wenn ihm gegenüber bei 
Wiederherſtellung der von ihm mißachteten Rechts⸗ 
ordnung durch Ausſpruch einer Strafe auch das all: 
gemeine Intereſſe der Zurückdrängung und Verhinde— 


rung des Verbrechens zur Geltung kommt. (Urt. des 
I. StS. vom 23. März 1908, 1 D 84/08). 
1288 — — —- - n. 


III. 


Veränderung des Inhalts einer Urkunde als Be⸗ 
ſchädigung; ſpätere Wiederherſtellung des urfprünglichen 
Inhalts (§ 274 Nr. 1, § 267 StGB.). Der Angeklagte 
vermittelte zwiſchen S. und B. die Feſtſetzung eines 
von S. an B. zu zahlenden Betrags. Er ſetzte eine 
Quittung über 60 M auf, ließ fie von S. unterſchreiben 
und legte fie dem B. vor, der ihm hierauf 60 M behufs 
Zahlung an S. behändigte. Bevor der Angeklagte 
ſich zu S. zurückbegab, um ihm das Geld der Abrede 
gemäß auszuhändigen, änderte er in der Quittung 
die Zahl 60 in 35 ab, legte ſie aber dem S. nicht vor, 
ſondern ſchüchterte ihn derart ein, daß er ſich mit 
35 M begnügte, ohne weiter nach der von ihm auf 
60 M ausgejtellten Quittung zu fragen. Der Angeklagte 
behielt 25 M für ſich, ſtellte die Zahl 60 in der Quittung 
wieder her und zeigte ſie dann dem B. zum Nachweiſe 
der Zahlung. In dieſem Sachverhalt iſt der Tat— 
beſtand des § 274 Nr. 1 StGB. nicht enthalten. Denn 
mochte auch in der zweimaligen Veränderung des Jn- 
halts der Urkunde deren Beſchädigung im Sinne des 
§ 274 Nr. 1 enthalten ſein, ſo iſt deſſen Anwendung 
ausgeſchloſſen, weil die Abſicht des Angeklagten nicht 
dahin ging, die Urkunde als Beweismittel zu beſeitigen. 
Nur unter dieſer Vorausſetzung liegt der Tatbeſtand 
des 8 274 Nr. 1 StGB. vor. Richtete fih dagegen 
die Beſchädigung gegen den Inhalt der Urkunde und 
verlieh ihr die Bedeutung eines Beweismittels für 
Tatſachen, für die ſie vorher nicht beſtimmt war, 
handelte es ſich alſo um die Schaffung eines falſchen 
Beweismittels, ſo geht die Beſchädigung der Urkunde 
in deren Verfälſchung über und § 267 StGB. ift als 
das ſpeziellere Geſetz allein anwendbar (Entſch. d. RG. 
Bd. 3 S. 370). Auch von einer vollendeten Urkunden— 
fälſchung kann keine Rede ſein. Als der Angeklagte 
die Quittung das erſtemal dem B. vorlegte, war die 
Verfälſchung noch nicht erfolgt, beim zweitenmale aber 
die inzwiſchen vorgenommene Verfälſchung wieder be— 
ſeitigt. Allerdings kann eine verfälſchte Urkunde weiter 
verfälſcht werden. Allein zum Weſen der Urkunden— 
fälſchung gehört die Herſtellung eines falſchen Beweis— 
mittels. Es ſoll dadurch der Anſchein erweckt werden, 
als wenn der Ausſteller die in der Urkunde verkörperte 
Erklärung abgegeben habe. Handelt es ſich aber unter 
Beſeitigung einer vorgenommenen Verfälſchung um 
die Wiederherſtellung des urſprünglichen Inhalts der 
verfälſchten Urkunde, ſo iſt nichts weiter bewirkt worden, 
als daß die Urkunde jetzt wiederum diejenige Erklärung 
beweiſt, zu deren Beweis ſie urſprünglich beſtimmt 
war. (Es wird dann weiter ausgeführt, aus welchen 
Gründen nach der Sachlage nicht anzunehmen iſt, daß 
eine ſtrafbare verſuchte Urkundenfälſchung gegeben iſt). 
(Urt. d. V. Strafſ. vom 11. Februar 1908, 50 987/07). 

1239 


— — — e — 


IV. 
Mit Gewalt vorgenommene unjüchtige Handlungen 
(S 176 Nr. 1 StGB.). . . . Das fejte Faſſen um den 
Leib und das Feſtfaſſen eines der Beine der N. zwiſchen 
die Kniee des Angeklagten könnten an ſich allerdings 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


Anwendung von Gewalt gegen die Perſon der N. 
darſtellen. Allein es reicht zur Erfüllung des Tat⸗ 
beſtandes aus § 176 Nr. 1 StGB. nicht aus, daß die 
angewendete Gewalt in irgendeinem Zuſammenhange 
mit der Vornahme der unzüchtigen Handlung ſteht. 
Erforderlich iſt vielmehr, daß ſie das Mittel zu deren 
Vornahme bildet, und daß dies im Willen und in der 
Vorſtellung des Täters liegt. Der Wille des Täters 
muß bei der Anwendung der Gewalt dahin gehen, 
durch dieſe den Willen der Frauensperſon zu brechen 
und fein Ziel, die Vornahme der unzüchtigen Hand: 
lung auf dieſem Wege, d. h. dadurch zu erreichen, daß 
der entgegenſtehende Wille der Frauensperſon gemalt: 
ſam überwunden wird. Die unzüchtige Handlung muß 
ſich daher auch im Augenblick ihrer Vornahme als 
die Folge des ſolchergeſtalt tatſächlich überwundenen 
Willens der Frauensperſon darſtellen und der Täter 
muß ſich deſſen bei der Vornahme bewußt ſein. Es 
bleibt, an ſich betrachtet, ſtets denkbar, daß eine der un⸗ 
züchtigen Handlung vorausgehende Gewaltanwendung 
in der Vorausſetzung erfolgte, die Frauensperſon werde 
der unzüchtigen Handlung ſelbſt keinen ernſtlichen 
Widerſtand entgegenſetzen, es werde m. a. W. dazu 
der Anwendung von Gewalt nicht bedürfen, daß alſo 
die angewendete Gewalt nicht dem Zwecke der Ueber: 
windung oder Ausſchließung ernſtlichen Widerſtandes 
diente, vielmehr mit dem Willen geſchah, die Frauens⸗ 
perſon zur Duldung der unzüchtigen Handlung nur 
geneigter zu machen. Dies kann ſehr wohl auch dann 
noch vorliegen, wenn der Täter bei der unzüchtigen 
Handlung ſelbſt nicht annahm, daß die Frauensperſon 
mit ihr — poſitiv — einverſtanden fei. Ob ein ſolches 
Verhältnis obwaltet, iſt nur Tatfrage und der Nach⸗ 
prüfung des Reviſionsgerichts entzogen . .. (Urt. des 
V. StS. vom 28. Februar 1908, 5 D 8,08). 

1277 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
i | 


Grenzen der Zuſtändigkeit des Prozeßgerichts und 
des Vormundſchaftsgerichts zur Entſcheidung über den 
von den Eltern dem Kinde zu gewährenden Unterhalt 
nach § 1612 Abi. 2 BGB. Vorausſetzung des Be 
ſchwerderechts nach 8 20 FGG. Johann R., der erz 
werbsunfähig iſt, hat 1906 bei dem Landgerichte M. 
gegen ſeine Mutter Joſepha S. Klage auf Unterhalt 
erhoben. Sein Antrag, ſeine Mutter zur Entrichtung 
von 30 M monatlich zu verurteilen, wurde zurück⸗ 
gewieſen. Während der Rechtsſtreit in der Berufungs- 
inſtanz anhängig war, ließ Johann R. bei dem Bor: 
mundſchaftsgericht den Antrag ſtellen, die von ſeiner 
Mutter getroffene Beſtimmung, daß er den Unterhalt 
durch Aufnahme in ihre Wohnung und Gewährung 
der Verpflegung in Natur erhalten ſolle, dahin zu 
ändern, daß ſie ihm den Unterhalt in einer Geldrente 
zu gewähren habe. Das Vormundſchaftsgericht hat 
dem Antrage ſtattgegeben. Auf die Beſchwerde der 
Joſepha S. beſchloß das Landgericht die Entſchei— 


dung auszuſetzen, bis in dem Rechtsſtreit über die 


Berufung des Johann R. entſchieden ſei, weil es nicht 
angehe, in die Zuſtändigkeit des Prozeßgerichts ein— 
zugreifen. Gegen dieſe Entſcheidung hat Johann R. 
weitere Beſchwerde mit dem Antrag eingelegt, das 
Beſchwerdegericht anzuweiſen, die Beſchwerde der Jo— 


ſepha S. ſachlich zu verbeſcheiden. Das Oberſte 
Landesgericht hat das Rechtsmittel als unzuläſſig 
zu rückgewieſen. 


Gründe: Die weitere Beſchwerde iſt unzuläſſig, 
weil dem Beſchwerdeführer das Beſchwerderecht nicht 
zuſteht. Nach § 1612 Abſ. 2 BGB. ift für die Art, 
in der von Eltern einem unverheirateten Kinde der 


.— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


249 


Unterhalt gewährt werden ſoll, zunächſt die Beſtim⸗ 
mung der Eltern maßgebend. Aus beſonderen Gründen 
kann das Vormundſchaftsgericht auf Antrag des Kindes 
die Beſtimmung ändern. Durch eine ſolche Beſtim— 
mung erhält die Unterhaltspflicht den Inhalt, daß ſie 
in der vom Vormundſchaftsgerichte beſtimmten Art zu 
erfüllen ift, die Beſtimmung des Vormundſchafts— 
gerichts ift daher, wenn es zu einem Rechtsſtreit 
kommt, für das Prozeßgericht bindend. Einer Men- 
derung durch das Vormundſchaftsgericht bedarf es 
dann nicht, wenn die von den Eltern getroffene Be⸗ 
ſtimmung unausführbar iſt, das Feſthalten an ihr ſich 
alfo als Verweigerung der Unterhaltsleiſtung dar- 
ſtellt. Ob dies der Fall iſt, hat im Rechtsſtreite das 
Prozeßgericht zu entſcheiden. Durch die Anhängigkeit 
eines Rechtsſtreits wird aber die Beſtimmung des 
Vormundſchaftsgerichts nicht ausgeſchloſſen. Macht 
das Vormundſchaftsgericht von feiner Befugnis Ge- 
brauch, ſo ändert ſich gegebenenfalls der Inhalt des 
im Rechtsſtreit erhobenen Anſpruchs und die Aende— 
rung iſt, wenn ſie rechtzeitig geltend gemacht wird, 
vom Prozeßgericht zu berückſichtigen. Die Beſtimmung 
des Vormundſchaftsgerichts wird nach § 16 Abſ. 1 
FGG. mit der Bekanntmachung an die Beteiligten 
wirkſam. Sie kann mit der einfachen Beſchwerde an— 
gefochten werden, die Beſchwerde hat aber nach § 24 
FGG. nicht aufſchiebende Wirkung. Hier hat daher 
die Unterhaltspflicht der Joſepha S. jedenfalls ſeit 
dem 11. Oktober 1907 den Inhalt, daß der Unterhalt 
durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren iſt, 
und dabei bleibt es, bis die Verfügung des Vormund— 
ſchaftsgerichts vom Beſchwerdegericht aufgehoben wird. 
Dadurch, daß das Beſchwerdegericht die ſachliche Ver— 
beſcheidung der Beſchwerde der Joſepha S. ausgeſetzt, 
es alſo einſtweilen bei der Verfugung des Vormund— 
ſchaftsgerichts belaſſen hat, iſt der Beſchwerdeführer 
nicht in ſeinem Rechte beeinträchtigt, infolgedeſſen 
ſteht nach 8 20 FGG. die Beſchwerde ihm nicht zu. 
(Beſchluß des I. ZS. vom 30. März 1908, Rep. III. 
31/1908). 

1261 W. 
II. 


Auf die in Art. 84 UeG. vorgeſehene Ausſchlagung 
der im BGB. beſtimmten Erbfolge finden die SS 1942 
bis 1957 BGB. Anwendung. Der Metzger Georg K. 
in M. hat mit ſeiner am 4. November 1905 verſtor— 
benen Ehefrau, mit der er ſich 1880 verheiratet hat, 
in der Errungenſchaftsgemeinſchaft des bayer. LI., 
feit dem 1. Januar 1900 nach Art. 83 UeG. in dem 
Güterſtande der Verwaltung und Nutznießung gelebt. 
Geſetzliche Erben waren neben ihm die gemeinſchaft— 
lichen Kinder. Zwiſchen dem Witwer und den voll— 
jährigen Kindern fand am 21. November 1905 vor 
dem Nachlaßgericht eine Verhandlung ſtatt, in der der 
Witwer, nachdem er auf die ihm nach dem UeG. zuſtehen— 
den Rechte aufmerkſam gemacht worden war, in Ueber— 
einſtimmung mit den volljährigen Kindern erklärte, 
daß von amtlicher Vermittelung der Auseinander— 
ſetzung abgeſehen werden ſolle. Am 17. Dezember 
1907 gab Georg K. dem Nachlaßgerichte gegenüber 
in öffentlich beglaubigter Form die Erklärung ab, 
daß er die im BGB. beſtimmte Erbfolge ausſchlage 
und den ihm nach LR. T.I K. VI § 37 Nr. 5 gez 
bührenden Ehegewinn verlange. Der Erklarung war 
eine Begründung beigefügt, in der unter Bezugnahme 
auf den Beſchluß des ObèG. vom 4. Januar 1905 
(Neue Sammi. Bd. 6 S. I ff.) ausgeführt wird, die 
im Art. 84 Abſ. 1 Uec. dem überlebenden Ehegatten 
vorbehaltene Ausſchlagung der Erbfolge nach dem 
BGB. habe nicht die Bedeutung der Ausſchlagung der 
Erbſchaft und fet deshalb nicht an die im § 1944 
BiB. beſtimmte Friſt gebunden, der überlebende Ehe- 
gatte habe erſt Anlaß, von dem ihm nach dem Art. 84 
Abſ. 1 zuſtehenden Rechte Gebrauch zu machen, wenn 


die Miterben Ausgleichung des Ehegewinns verlangen, 
wozu ihnen eine Friſt von einem Jahre offen ſtehe, 


| und könne deshalb nicht mit dem Ablaufe der kurzen 


Friſt des § 1944 dieſes Recht verlieren. Das Nachlaß⸗ 
gericht eröffnete dem Witwer, daß ſeiner Erklärung 
rechtliche Wirkſamkeit nicht zukomme, weil er die Erb⸗ 
ſchaft angenommen habe und die Ausſchlagungsfriſt 
abgelaufen ſei. Die Beſchwerde des Witwers wurde 
zurückgewieſen. Auch die weitere Beſchwerde des 
Witwers K. iſt zurückgewieſen worden. 

Gründe: Das UeG. geht von dem Grundſatz 
aus, jeden dem überlebenden Ehegatten nachteiligen 
Eingriff in die erbrechtlichen Wirkungen des bisherigen 
Güterſtandes zu vermeiden, und läßt deshalb dem 
überlebenden Ehegatten, ſofern nicht das bisherige 
Recht unter allen Umſtänden zu einem für ihn 
günſtigeren Ergebniſſe führt, die Wahl zwiſchen den 
ſich aus den bisherigen Vorſchriften ergebenden und 
den ihm nach dem BGB. zuſtehenden Rechten. 
Im einzelnen ſind die Vorſchriften ſo geſtaltet, daß 
zunächſt das unter gewöhnlichen Umſtänden für den 
überlebenden Ehegatten günſtigere Recht zur An— 
wendung kommt und ihm freiſteht, durch Ablehnung 
der ihm hiernach zuſtehenden Rechte den Eintritt der 
ſich aus dem anderen Rechte ergebenden Wirkungen 
herbeizuführen. Durch die für die ablehnende Erklärung 
maßgebenden Vorſchriften iſt Vorſorge getroffen, „daß 
die Frage, ob ſich das Erbrecht nach dem neuen oder nach 
dem alten Rechte beſtimmt, ſpäteſtens mit dem Ablaufe 
der reichsgeſetzlichen Ausſchlagungsfriſt entſchieden 
wird“. Demgemäß iſt, ſoweit zunächſt die erbrechtlichen 
Wirkungen des bisherigen Güterſtandes eintreten, das 
Rechtsverhältnis in den Vorſchriften des Art. 78 Abſ. 2, 
des Art. 79 Abſ. 2, des Art. 80 Abſ. 2, 5, des Art. 82, 
des Art. 84 Abſ. 2, des Art. 86 Abſ. 2, des Art. 88 
Abſ. 1, des Art. 89 Abſ. 1 und des Art. 92 jo geord— 
net, daß das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ſich 
nach den Vorſchriften des BGB. beſtimmt, wenn er 
auf die ſich aus dem Güterſtand ergebenden Rechte ver— 
zichtet, und daß auf den Verzicht die für die Aus- 
ſchlagung der Erbſchaft geltenden Vorſchriften des 
BGB. entſprechende Anwendung finden. Beſtand zur 
Zeit des Inkrafttretens des BGB. die Errungenſchafts— 
gemeinſchaft des bayer. LR., ſo tritt bei dem Tode des 
einen Ehegatten ohne weiteres die Erbfolge nach dem 
BGB. ein, der überlebende Ehegatte wird Erbe nach 
Maßgabe des S 1931 und erhält gegebenfalls den im 
8 1932 beſtimmten Voraus, auf den die für Vermächt— 
niſſe geltenden Vorſchriften Anwendung finden. Nach 
dem Art. 84 Abſ. 1 des UeG. ſtehen ihm aber die in 
den bisherigen Vorſchriften beſtimmten Rechte zu, wenn 
er die im BGB. beſtimmte Erbfolge ausſchlägt. Für die 
Ausſchlagung der Erbſchaft ſind die Vorſchriften der 
83 1942 bis 1957 BGB. maßgebend, ſie ift insbeſondere 
nach dem 8 1943 nicht mehr möglich, wenn der Erbe die 
Erbſchaft angenommen hat oder wenn die im 8 1944 
für die Ausſchlagung vorgeſchriebene Friſt verſtrichen 
iſt; auf die Ausſchlagung des Voraus findet der 8 2180 
Anwendung. Eine andere Ausſchlagung gibt es nicht. 
Der Art. 84 Abſ. 1 hat eine Beſtimmung, wie fie 
in den oben angeführten Artikeln für den Verzicht 
auf die ſich aus dem Güterſtand ergebenden Rechte 
getroffen iſt, deswegen nicht aufgenommen, weil es 
ſich nicht um eine landesrechtliche, ſondern um die im 
BGB. beſtimmte Ausſchlagung handelt. Mit dieſer 
Auffaſſung, die von der Anſicht abweicht, die der 
II. 35. in dem Beſchluſſe vom 4. Januar 1905 auge 
geſprochen hat, ohne ſie näher zu begründen, ſtimmen 
auch Henle und Schneider (Note 2 zum Art. 84 Ued.) 
und Haberſtumpf-Barthelmeß (Geſetz betr. das Nach— 
laßweſen S. 182) überein. Die Bek. vom 20. März 
1903, das Nachlaßweſen betr., enthält in 8 43 Abſ. 4 
die Beſtimmung, daß die Ermittelung des Erben, wenn 
der hinterlaſſene Ehegatte als Erbe in Betracht kommt, 
ſo zeitig vor dem Ablaufe der Ausſchlagungsfriſt 


250 


(8 1944 BGB.) in Angriff genommen werden ſoll, daß 
der Ehegatte das ihm nach dem Güterrechte etwa zu- 
ſtehende und mit dem Ablaufe der Ausſchlagungsfriſt 
verloren gehende Wahlrecht ausüben kann, ohne an— 
zudeuten, daß die Ausſchlagung nach dem Art. 84 
Abſ. 1 nicht an die Ausſchlagungsfriſt gebunden ſei. 
Der Beſchwerdeführer konnte hiernach durch die am 
17. Dezember 1907 dem Nachlaßgerichte gegenüber ab⸗ 
gegebene Erklärung die 1 Erbfolge in den 
Nachlaß ſeiner Ehefrau nicht mehr ausſchlagen, weil 
die für die Ausſchlagung ann Friſt längſt 
verſtrichen war. (Beſchluß des I. ZS. vom 20. Februar 
1908, Reg. III 12/1908). W. 
1247 


B. Strafſachen. 


Die nach dem WIG. ſtrafbare Anbringung von 
Druckvermerken und Etiketten auf Waren⸗Umhüllungen 
ift nicht ein Preßvergehen i. S. des $ 6 EG. z. GBG. 
und des Art. 35 AG. z. GBG. Aus den Gründen: 
Obwohl die Etikette und der Aufbewahrungsvermerk 
Erzeugniſſe der Buchdruckerpreſſe und darum Druck— 
ſchriften i. S. der §§ 2, 6 des Pre ®. find, bilden 
die Taten der Angeſchuldigten doch keine durch die 
Preſſe begangenen ſtrafbaren Handlungen i. S. des 
& 6 EG. z. GVG. und keine mittels eines Preßerzeug— 
niſſes verübten Vergehen i. S. des Art. 35 AG. z. GG., 
ſo daß nicht das Schwurgericht zuſtändig iſt. Die 
Preßdelikte ſind durch Verbreitung von Druck— 
ſchriften bewirkte öffentliche Gedankenäußerungen. 
Die ſtrafbare Tätigkeit liegt bei ihnen in der Ber- 
breitung von Preßerzeugniſſen, durch deren Inhalt 
der Tatbeſtand einer ſtrafbaren Handlung begangen 
wird, da überhaupt die Druckſchriften erſt durch ihre 
Verbreitung in Erſcheinung treten. In jedem Falle, 
in dem es ſich um die Verbreitung von Druckſchriften 
ſtrafbaren Inhalts handelt, iſt aber zu prüfen, ob 
durch diefe Verbreitung auch der Tatbeſtand der ton- 
kreten Rechtsverletzung, die in dem Inhalte der Drud- 
ſchrift enthalten ſein ſoll, nach ſeinen ſonſtigen Be— 
griffsmerkmalen vollendet wird. 

Nun liegt hier der nach 8 15 WIE. ſtrafbare 
Tatbeſtand darin, daß Waren und deren Verpackung 
und Umhüllung unberechtigterweiſe mit einer Aus— 
ſtattung verſehen worden ſind, die innerhalb beteiligter 
Verkehrskreiſe als Kennzeichen gleichartiger Ware eines 
Anderen gilt. Dieſe Straftat war vollendet, ſobald 
die Ware mit der Aufmachung verſehen, die Eti— 
kette und der Aufbewahrungsvermerk angebracht 
waren, ſohin vor der Verbreitung der auf den Waren 
angebrachten Druckſchriften. Die ſpätere Verbreitung 
war nicht mehr eine ſelbſtändige Handlung ſondern 
eine von Anſang an ins Auge gefaßte Folgetätigkeit. 
Sie kann an der für die primäre ſtrafbare Tätigkeit 
begründeten Zuſtändigkeit nichts mehr ändern. 

Es kann dahingeſtellt bleiben, ob überhaupt für 
Druckſachen der in § 6 Abſ. 2 des PreßG. bezeich— 
neten Arten — zu denen auch die Etiketten gehören — 
die Sondervorſchrift des 8 6 EG. z. GVG. gilt. Die 
Reichstagsverhandlungen, die Vorſchriften der SS 21, 
22 PreßG. und die Verhandlungen bei der 3. Leſung 
der fog. großen Juſtizgeſetze legen die Annahme nahe, 
daß die Privilegierung der Preßdelikte nur im Intereſſe 
der Freiheit der Gedankenäußerung, mithin vornehm⸗ 
lich für ſolche Druckſchriften beabſichtigt war, die eine 
Darlegung von Gedanken über das öffentliche Leben, 
die Politik, die Religion oder die Wiſſenſchaft in Wort 
oder Bild enthalten. Dieſe Geſichtspunkte treffen hier 
nicht zu. (Beſchluß vom 7. April 1908, Nr. 220,08). 


1285 — — — — N. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


| 
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| 
2 
| 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Der Generalagent kann Generalbevollmächtigter der 
von ihm vertretenen Geſellſchaft und nach 8 173 388. 
zur Entgegennahme von Inſtellungen beinat fein. Durch 
amtsgerichllichen Beſchluß wurde auf Betreiben des 
Beklagten als Gläubigers der Eheleute H. eine 
dieſen Schuldnern gegen die GL’? Verſicherungsgeſell⸗ 
ſchaft zuſtehende Forderung nach 8 829 BPO. ge- 
pfändet. Der Beſchluß wurde vom Beklagten nicht 
an die Drittſchuldnerin ſelbſt, die in M. ihren Sitz 
hat, ſondern an deren Generalagenten für die Pfalz 
in Fr. zugeſtellt; die Zuſtellung lautet: „An die GL!’ 
Verſicherungsgeſellſchaft, Direktion in Fr. und zwar 

„dem Vorſteher der in der Adreſſe bezeichneten 
Firma, Herrn B.“ Um die Wirkſamkeit dieſer Zu⸗ 
ſtellung dreht ſich der Streit. Das OLG. hat den 
Generalagenten als Generalbevollmächtigten und als 
zur wirkſamen Entgegennahme der Zuſtellung be- 
fugt erachtet. 

Aus den Gründen: Die Pfändung beſteht 
nur zu Recht, wenn die Zuſtellung des Pfändungs⸗ 
beſchluſſes an den Generalagenten ebenſo gültig iſt 
wie die Zuſtellung an die Drittſchuldnerin ſelbſt. 
Die Zuſtellung erfolgt wirkſam an den General bevoll⸗ 
mächtigten (8 173 3PO.). Ob eine Generalvollmacht 
vorliegt, beſtimmt fih nach $ 164 BGB.: Der Um: 
fang der Vertretungsmacht richtet ſich nach dem durch 
Auslegung zu ermittelnden Inhalt der Vollmacht. 
Zum Begriff der Generalvollmacht gehört nicht, daß 
die Vollmacht ſchlechthin alle Vermögensangelegen— 
heiten des Vollmachtgebers umfaßt; es genügt, wenn 
ſich die Vollmacht auf einen beſtimmten, durch objek⸗ 
tive Merkmale begrenzten größeren Teil von er: 
mögensangelegenheiten bezieht, fobald fie nur er- 
mächtigt, innerhalb dieſes Kreiſes den Vollmacht— 
geber bei allen Angelegenheiten zu 1 (S. 
RG. VI, 30. Oktober 1907 im „Recht“ Nr. 3679). Ein 
ſolcher größerer und abgegrenzter Kreis von Ver— 
mögensangelegenheiten lag hier vor. Der Generals 
agent war ermächtigt, „die Geſellſchaft in allen Fällen, 
wo ſie als Klägerin, Beklagte u. dgl. eine Vertretung 
vor den Gerichten des Generalagenturenbezirks be— 
darf, in allen Inſtanzen zu vertreten, namentlich Ur⸗ 
kunden anzuerkennen, Vergleiche zu ſchließen, alle 
gerichtlichen Handlungen vorzunehmen“. Hiernach muß 
der Generalagent in feinem Bezirk als General bevol- 
mächtigter der Geſellſchaft jedenfalls inſoweit gelten, 
als deren Angelegenheiten das Gebiet des Zivil— 
prozeſſes berühren. Ein Pfändungsbeſchluß kann ihm 
alſo mit gleicher Wirkung zugeſtellt werden wie der 
Geſellſchaft ſelbſt. Die Entgegennahme ſolcher Zu— 
ſtellungen muß in der Vollmachtsurkunde nicht aus— 
drücklich aufgeführt werden. (Urt. vom 14. April 
1908, Nr. 26/08). 


1281 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


Oberlandes gericht Augsburg. 


Abtretung einer durch eine Hypothek geſicherten 
Wechſel forderung nach Zahlung der Wechſelſumme. Ber: 
hältnis der abgetretenen Forderung zu der zivilrechtlichen 
Regreßforderung des Erwerbers. Wirkung der teilweiſen 
Befriedigung der Regreßforderung durch einen Zwaugs⸗ 
vergleich. Die Brauerseheleute Franz und Walburga 
D. in A.!) ſtanden mit der Bankfirma Kr. in Geſchäfts— 
verbindung, ſie hatten auf ihrem Anweſen der Firma 
zur Sicherung der Forderungen aus der Geſchäfts⸗ 
verbindung eine Kreditkaution zu 10000 M mit einer 
Nebenkantion zu 1000 M bejtellt und wurden ihr auch 


a 1) Der t ğal fpielt in einem Bezirke, der nicht unter Grundbuch⸗ 
recht ſteb 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


5500 M ſchuldig. Ueber diefe Summe wurden zwei 
Wechſel über 1500 M und 4000 M ausgeſtellt. Der 
1. Wechſel war von Joſeph R. auf Franz D. gezogen, 


von dieſem akzeptiert und zahlbar an die Order der 


Firma Kr., der 2. Wechſel war von Johann R., einem 
Bruder des Joſeph R., auf Franz D. traſſiert, von dieſem 
akzeptiert, zahlbar an die Order des Joſef R. und von 
dieſem an die Order der Firma Kr. giriert. Ueber 
das Vermögen des Franz D. wurde am 15. Januar 1906 
das Konkursverfahren eröffnet. Joſeph R. meldete die 
Beträge von 4000 M und 1500 M als Forderungen 
aus einer für das Guthaben der Firma Kr. über⸗ 
nommenen Bürgſchaft für den Fall an, daß er für 
dieſes Guthaben in Anſpruch genommen werden ſollte. 
Die angemeldeten Forderungen wurden im Konkurſe 
anerkannt. Am 28. März 1906 kam ein Zwangs⸗ 
vergleich auf 18% zuſtande. Am 6. April 1906 erklärte 
Kr. zu notarieller Urkunde, daß das Guthaben der 
Firma an Wechſelforderungen, Zinſen uſw. zu 5643 M 
von Joſeph R. bezahlt worden ſei und daß deshalb 
dem Joſeph R. die Forderung der Firma Kr. an die 
Eheleute D. zu 5643 M mit der Kautionshypothek zu 
10000 M ſamt Nebenkaution abgetreten werde. Der 
Vollzug der Urkunde fand am 9. April 1906 ſtatt. 
Joſeph R. erhob Klage gegen die Eheleute D. auf Be— 
friedigung feiner Forderung zu 5643 M nebft 4% Zinſen 
hieraus feit 3. April 1906 aus der Kaution zu 10 000 M. 
Später wurde der Klageanſpruch um 990 M ermäßigt, 
weil der Kläger feine Regreßforderung zum Konkurſe 
D. angemeldet und aus dem Zwangsvergleiche 18% 
von 5500 M zugeſagt erhalten habe. 
beantragten Abweiſung der Klage, weil die Wechſel— 
rechte der Firma Kr. infolge der Befriedigung 
durch den Kläger erloſchen ſeien und deshalb am 
6. April 1906 nicht mehr hätten übertragen werden 
können. Mit der Forderung des Wechſelgläubigers 
fei auch die Sicherheitshypothek untergegangen. Der 
Kläger habe im Konkurſe des Franz D. ſeine Forderung 
angemeldet, ſie aber nicht als Ausfallsforderung be— 
zeichnet und damit und durch die Annahme der 18 /oigen 
Zwangsvergleichsquote auf abgeſonderte Befriedigung 
verzichtet. Das Landgericht wies die Klage ab. Der 
Kläger legte Berufung ein. 
Zinſen uſw. fallen und ermäßigte deshalb die Forderung 
auf 4510 M nebſt 4% Zinſen daraus feit 6. April 1906. 
Das OLG. gab der Klage in dieſem Umfange ſtatt. 

Gründe: Mit der Entſtehung der Forderung 
zu 5500 M wurde die eingetragene Kaution kraft Ge- 
ſetzes in eine Hypothek verwandelt. Der Firma Kr. 
ſtand daher zu Anfang 1906 gegen die Eheleute D. 
eine Hypothekforderung zu 5500 M und außerdem eine 
Wechſelforderung in gleicher Höhe gegen Franz D. zu. 
Die Hypothekforderung der Firma Kr., die ſich am 
Konkursverfahren mit dieſer Forderung nicht beteiligte, 
wurde durch den Zwangsvergleich nicht berührt. (SS 47, 
64, 193 KO.). 
Konkursverfahrens und des Zwangsvergleiches ihre 
gegen die Eheleute D. erworbene Hypothekforderung 
auf einen anderen übertragen. Durch die Abtretungs— 
urkunde vom 6. April 1906 wurde die der Firma Kr. 
zuſtehende Forderung mit der Kautionshypothek an 
Joſeph R. abgetreten. Selbſtverſtändlich konnte die Ab— 
tretung Wirkung nur haben, wenn der Firma Kr. im 
Augenblicke der Abtretung noch eine Hypothekforderung 
gegen die Eheleute D. zuſtand. Das OLG. nimmt an, 
daß die Forderungen der Firma Kr. im Zeitpunkte 
der Abtretung nicht erloſchen waren und daß die von 
Joſeph R. in der Zeit vom 1. Februar 1906 bis zum 
6. April 1906 der Firma Kr. gewährten Deckungen und 
Zahlungen ihren Beſtand nicht änderten. 

Für die Wirkung der Zahlung ſind der Wille der 
Parteien und ihre Vereinbarung maßgebend. Zahlt 
der Traſſant oder Indoſſant eines Wechſels dem Wechſel— 
inhaber und liefert der Wechſelinhaber den Wechſel 
oh ne Vorbehalt an ihn aus, ſo erliſcht das Forderungs— 


Die Beklagten 


Die Firma Kr. konnte deshalb trotz des 


— — Ü— ——— — — 


251 


recht des Wechſelinhabers, während jenes des Traſſanten 
oder Indoſſanten wieder auflebt. Anders geſtaltet ſich 
die Sache, wenn die Hingabe des Geldes entweder 
nur zur Sicherung des Wechſelinhabers erfolgt oder 
wenn zwiſchen den Parteien vereinbart iſt, daß die 
Zahlung nur gegen Abtretung der dem Wechſel inhaber 
zuſtehenden Rechte zu erfolgen habe. In dieſem Falle 
wird nach dem Willen der Parteien das Forderungs⸗ 


recht des Wechſelinhabers durch die Hingabe des Geldes 
nicht aufgehoben und der Wechſelinhaber iſt deshalb 


in der Lage, auch noch nach Empfangnahme des ganzen 
Forderungsbetrages ſeine Anſprüche dem Zahlenden 
abzutreten. (Vgl. JW. 1904 S. 75 Nr. 49, Staub WO. 
Art. 82 Anm. 59). Hier ift auf Grund der Beweis- 
aufnahme anzunehmen, daß Joſeph R. anfänglich nur 
zur Sicherheitsleiſtung herangezogen werden ſollte, 
daß aber ſpäterhin eine Einigung dahin zuſtande kam, 
daß der Kläger das Guthaben der Firma Kr. zu be— 
zahlen und daß dagegen letztere nach Deckung ihrer 
Geſamtforderung dem Jofeph R. alle ihre Rechte gegen 
die Eheleute D. abzutreten habe. Die Sachlage war 
hiernach ſo, wie wenn der Inhaber einer Hypothek— 
forderung gegen Bezahlung der Valuta ſeine Rechte 
an einen beliebigen Dritten abtritt, ſo daß durch die 
Hypothekabtretung die der Firma Kr. gegen die Be— 
klagten zugeſtandene Hypothekforderung wirkſam auf 
den Kläger übertragen wurde. 

Die Beklagten behaupten nun, daß die Vereinbarung 
zwiſchen der Firma Kr. und dem Joſeph R. über die 
Abtretung der Hypothek nach der Deckung des Schuld— 
betrages der notariellen Verlautbarung bedurft hätte. 
Das ift unzutreffend. Art. 14 des NotG. von 1861 
kann hier nicht in Betracht kommen, weil er ſeit dem 


Inkrafttreten des BGB. nur noch für den dinglichen 


Vertrag gilt, während für den obligatoriſchen Vertrag 
das BGB. maßgebend iſt. 
Unbegründet iſt der Einwand der Beklagten, daß 


der Kläger feine Forderung nicht als Ausfallsforde— 


rung angemeldet habe und daß die Regreßforderung 


Er ließ den Anſpruch auf 


| ſollte. 


| 


des Klägers durch die Auszahlung und Annahme 
der Zwangsvergleichsquote getilgt und Franz D. da— 
mit auch von ſeiner Wechſelverbindlichkeit befreit 
worden fei. Jofeph R. hat zum Konkurſe nur den 
Regreßanſpruch angemeldet, der ihm zuſtehen würde, 
falls er zur Einlöſung der Wechſel gezwungen werden 
Dieſer bedingte Anſpruch iſt mit der Wechſel— 
und Hypothekforderung der Firma Kr. nicht identiſch 
und konnte ſchon deshalb nicht als Ausfallsforderung 
geltend gemacht werden, weil die Abtretung der Hypo— 
thek erft nach der Beendigung des Konkursverfahrens 
erfolgte. Die bedingte Regreßforderung des Jofeph 
R. und die Forderungen der Firma Kr. beſtanden ſelb— 
ſtändig nebeneinander, jene richtete ſich nur gegen Franz 
D. und ſtüßte ſich auf die Unterzeichnung der Wechſel, 
ſowie auf das ihnen zugrunde liegende Auftragsverhält— 
nis, diefe richtete fid gegen Franz D. und feine Frau und 
fand ihre Begründung in der Kautionsbeſtellung, der 
Darlehenshingabe durch die Firma und der Wechſel— 
urkunde. Die Anerkennung und Befriedigung der Re— 
greßforderung konnte alſo den Fortbeſtand der Wechſel— 
und Hypothekforderung der Firma Kr. nicht in Frage 
ſtellen. Außerdem hat Joſeph R. die Vergleichsquote 
zu 990 M nur unter Vorbehalt ſeiner Rechte gegen 
die Eheleute D. aus der damals bereits abgetretenen 
Kautionshypothek in Empfang genommen. Allerdings 
iſt Franz D. nur einmal zur Zahlung verpflichtet und 
braucht den Betrag von 5500 M nicht einmal an Jofeph R. 
und das anderemal an die Firma Kr. oder deren 
Zeſſionar zu leiſten. Abgeſehen von der durch den 
Zwangsvergleich nicht berührten Haftung der Ehefrau 
D. hat Franz D. durch die Berichtigung der Vergleichs— 
quote noch nicht ſeine ganze Schuld, ſondern nur 
ſo viel bezahlt, daß er der Verpflichtung aus dem 
Zwangsvergleich genügte und ſich damit die Mög— 
lichkeit verſchaffte, einer weiteren Geltendmachung der 


252 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. 


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Regreßforderung des R. entgegen zu treten. F. D. iſt 
durch den Zwangsvergleich von ſeiner Hypothekſchuld 
gegenüber der Firma Kr. nicht befreit worden, denn 
der Zwangsvergleich konnte ſich auf dieſe Schuld nicht 
erſtrecken, die Ehefrau D. kann ſich auf den Zwangs⸗ 
vergleich überhaupt nicht berufen, weil die Rechte der 
Gläubiger gegen Mitſchuldner durch einen Zwangs- 
vergleich nicht berührt werden (8 193 KO.). Demzufolge 
könnte gegen den Kläger als Zeſſionar ein Einwand 
nur erhoben werden, wenn er trotz der Zahlung der 
990 M Vergleichsquote noch einmal die ganze Schuld— 
ſumme fordern würde. (Urt. vom 5. Be 9 0 
1273 chw 


Literatur. 


Bierhaus, Dr. F., Oberlandesgerichtspräſident und Land- 
richter Gg. Müller, Sammlung kleinerer 
privatrechtlicher Reichsgeſetze. Text⸗Ausg. 
m. Anm. u. Sachreg. 2. Aufl. (XXXIV, 1018 S.) 
Berlin 1908, J. Guttentag. Geb. Mk. 6.50. 


Eine ſehr reichhaltige Sammlung, die den Text 
von 60 Geſetzen ganz oder auszugsweiſe mit An— 
merkungen wiedergibt. Die Geſetze, deren Text nicht 
aufgenommen iſt, ſind in der Zeitfolge mit aufge— 
zählt; es iſt bei ihnen jeweils auf die Novellen, den 
Geltungsbereich und dgl. verwieſen und angegeben, 
welche Vorſchriften privatrechtliche Bedeutung haben. 
Auch zahlreiche Verordnungen, Bekanntmachungen und 
Staatsverträge ſind angeführt. Die Sammlung wird 
insbeſondere als praktiſches und billiges Hilfsmittel 


bei der zweiten Prüfung gute Dienſte leiſten. 
von der Pfordten. 


Neumann, Dr. Hugo, Juſtizrat. Rechtsanwalt am 
Kammergericht und Notar. Die Rechtſprechung 
des Reichsgerichts in Zivilſachen. Ge⸗ 
ſammelt, bearbeitet und herausgegeben in Ver— 
bindung mit F. Friedrichs, Gerichtsaſſeſſor in Berlin, 
Dr. C. Heinrici, Amtsrichter in Oranienburg, und 
Dr. Th. Olshanſen, Gerichtsaſſeſſor, Hilfsarbeiter im 
Reichs⸗Juſtizamt. I. Bürgerliches Geſetzbuch. Erſte 
und zweite Lieferung. Berlin 1908, Verlag von 
Franz Vahlen. 

Die Mitteilungen von Entſcheidungen haben heute 
einen beinahe beängſtigenden Umfang angenommen. 
An ſich kein Fehler; bleibt doch das Studium der 
Rechtsanwendung das wertvollſte Mittel für die 
juriſtiſche Fortbildung. Nur ſollten die anderen Ge— 
richte eine Entſcheidung nicht, weil ſie gedruckt vor— 
liegt, kritiklos übernehmen. Gegenüber der weit— 
gehenden Zerſplitterung will nun Hugo Neumann, der 
treffliche Organiſator, im Bunde mit andern die ge- 
ſamte zivilrechtliche Rechtſprechung nur des Reichs— 
gerichts, aus der offiziellen Sammlung wie auch aus der 
„Juriſtiſchen Wochenſchrift“ und vielen anderen Zeit— 
ſchriften, zuſammenſtellen. Zunächſt ſind der Recht— 
ſprechung zum BGB. zwei Bände von zuſammen etwa 
130—150 Druckbogen, die noch im Jahre 1908 voll: 
ſtändig vorliegen follen, zum Subſkriptionspreis von 
28 Pfennig für den Bogen, zugedacht. Die Ausdehnung 
der Sammlung auf das HGB. oder ſonſtige Nebengeſetze 
iſt in Ausſicht genommen. Die vorliegenden Liefe— 
rungen laſſen bereits ein Urteil über die Anlage des 
Werkes und über den Wert zu. Die Entſcheidungen 
ſind nach dem Syſtem des BGB. geordnet. Die 
wichtigſten und grundlegenden Entſcheidungen ſind in 
vollem Umfange wiedergegeben. Das übrige Material 
iſt in ausführlich und ſorgfältig gearbeiteten Aus— 
zügen, die den Tatbeſtand hinreichend erkennen laſſen, 


in Form von Anmerkungen behandelt. In der Leber: 
ſchrift zu den einzelnen Paragraphen ſind in Stich⸗ 
worten die Fragen angegeben, die in der abgedruckten 
Entſcheidung behandelt werden. Den Entſcheidungen 
wird ein kurzer Tatbeſtand, größtenteils den Ent⸗ 
ſcheidungsgründen entnommen, in Antiquaſchrift voran 
geſchickt. Das ermöglicht häufig eine erhebliche, die 
Zuverläſſigkeit der Wiedergabe im übrigen aber nicht 
beeinträchtigende Kürzung der Entſcheidungen, ohne 
der Verſtändlichkeit Abbruch zu tun. Lieferung 1 und 2 
bieten auf 160 großen Seiten im Text die Redt- 
ſprechung zu den § 1, 6, 10, 12, 18, 31, 38, 54, 60, 89, 
(S. 44--69), 93, 94, 95, 97, 98, 116—118, 119, 
(S. 106—126), 121, 123 (S. 130— 146), 125, 126 und 
127; dazu treten in den Anmerkungen die Ent: 
ſcheidungen zu den 88 7, 21 ff., 26, 28, 34, 35, 90, 
96, 104, 107 ff., 111, 113, 114, 122 und 124. Das Wert 
behauptet danach ſelbſtändig ſeinen Platz neben den 
größten Kommentaren. Rechtsanwalt Dr. Böckel in Jena. 


Warneher's Jahrbuch der Eutſcheidungen. Leipzig, Roß⸗ 
berg'ſche Verlagsbuchhandlung, Arthur Roßberg. 


In dieſer verdienſtvollen Sammlung find neu 
erſchienen: 


1. Zivil⸗, Handels⸗ und Prozeßrecht. 6. Jahr⸗ 
gang, enthaltend die Literatur und Rechtſprechung 
des Jahres 1907. Unter Mitwirkung von Amts⸗ 
gerichtsrat Meves in Magdeburg und e 
Dr. Gutmann in Dresden. Geb. Mk. 9.— 


2. Strafrecht und Strafprozeß. 2. 8 
enthaltend die Literatur und Rechtſprechung des 
Jahres 1907. Bearbeitet von n Rofen: 
müller in Schandau. Geb. Mk. 6 


3. Arbeiterverſicherungsrecht. 1. Sabegenn; ent⸗ 
haltend die Literatur und Rechtſprechung des Jahres 
1907. Bearbeitet von e Dr. N. 
Dannenberg in Leipzig. Geb. Mk. 4.—. 


Die Art der Anordnung des Stoffes in der War⸗ 
neyer'ſchen Sammlung iſt bekannt. Sie bedarf wohl 
keiner weiteren Empfehlung. 


Strauß, Dr. E., Rechtsanwalt in Augsburg. Das 
Fundrecht des bürgerlichen Geſetzbuchs. 
(8. VI und 72 S.). München 1908, J. Schweitzer 
Verlag (Arthur Sellier). Mk. 2.— 


Notizen. 


Die Auslieferung an Ungarn. Die Entſcheidung 
über die von ungariſchen Behörden geſtellten Aus⸗ 
lieferungsanträge war bisher im allgemeinen den 
Diſtriktspolizeibehörden überlaſſen. Die zunehmenden 
Schwierigkeiten im Verkehr mit Ungarn haben jetzt 
dazu geführt, daß dieſe Entſcheidung dem Staats— 
miniſterium des K. Hauſes und des Äußern vorbehalten 
wurde. Die vorläufige Feſtnahme flüchtiger Verbrecher 
kann auf den Antrag der ungariſchen Behörden nach 
wie vor von den Diſtriktspolizeibehörden verfügt 
werden. An der Stellung der Staatsanwaltſchaft im 
Auslieferungsverfahren (Bek. vom 16. Juli 1890, 
IM Bl. S. 205) ift nichts 5 worden. (Bek. 
vom 6. März 1908, IM Bl. S. 95). 

1298 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pford ten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H., Freiſing. 


-= — — cM 


Ur. 13. München, den 1. Juli 1908. 4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtapflege 


Herausgegeben von + Verlag von 
Th. von der Pfordten IN Bay kr 2. Pen * 
ur er 
s: an in München, Lenbachplatz 1. 


Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im mine! 1 5 mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 

—. ſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
e e für Bayern Nr. 9748). 


Redaktion und Expedition: nn Lenbachplatz 1. 
e e 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Petit — 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Kabalt. E Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uedereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


die Zulaſſung der Abiturienten eines Real- jang nachzuweiſen, der der Reife für die oberfte 


Klaſſe eines Realgymnaſiums entſpricht. Die 
gymnaſiums oder einer Deerrealſchult zur Teilnahme am Kurs iſt auch den humaniſtiſchen 


jnriſtiſchen Laufbahn. — Die Bedeutung der 3 empfohlen, die in der Abgangsprüfung 
i zmi ; für die alten Sprachen keine günſtige Note erzielt 
Ausbildung im 3 = > die Gegen haben. Hiervon wird gleichfalls Gebrauch gemacht. 
wart. — Geſetz und Ned pflege. Fe den er dr a in dieſen 
SR urſen gemacht wurden, ſtehen in der Vertraut⸗ 
Bon Profeſſor Rezelsberger in Göttingen. heit mit dem Lateiniſchen die Realabiturienten 
L im Durchſchnitt hinter dem Durchſchnitt der 


Im bapyeriſchen Landtag ift die Frage erörtert humaniſtiſchen Teilnehmer kaum zurück. 


worden, ob den Abſolventen eines Realgymnaſiums Die Immatrikulation der Realabiturienten in 
oder einer oo. kurz 1 0 1 1 der Juriſtenfakultät hat an den preußiſchen Uni⸗ 


abiturienten, die Berechtigung zum Studium der verfitäten im Sommerſemeſter 1902 begonnen. 
Rechtswiſſenſchaft und der Zutritt zur juriſtiſchen Die Erfahrung iſt demnach noch etwas jung für 
Laufbahn gewährt werden ſoll, wie dies in mehreren „ auf den Einfluß, den die Neuerung 
deutſchen Staaten, vorab in Preußen geſchehen iſt. al Re Zuſammenſetzung bei den Studierenden 
Die Frage wird vorausſichtlich ſobald nicht von der Rechtswiſſenſchaft äußert. Auch ſtehen mir 
der Tagesordnung verſchwinden. Unter dieſen ziffermäßige Angaben nur von der hieſigen Uni⸗ 
Umſtänden it wohl nicht unerwünſcht, Näheres verſität zu Gebot. Indes werden bie Ergebniſſe 
über die Einrichtung in Preußen zu hören und an den andern preußiſchen Univerſitäten im Ver⸗ 
über die Erfahrung, die man damit gemacht hat. hältnis nicht viel abweichen. Deshalb haben die 

J ee e e ee ak folgenden Mitteilungen immerhin einigen Wert. 


erwähnen. An dem Erfordernis der Ausbildung Es wurden in der hieſigen Juriſtenfakultät 
der jungen Juriſten im römiſchen Recht ift neu eingeſchrieben im 
ſtreng feſtgehalten. In der erſten nach Abſchluß V „darunt. m 


wort: : ait, W. (inter) Semeſter 1902/3, „ 167, „ ie 

des Univerſitätsſtudiums abzulegenden juriſtiſchen S Semeſter 1903 215. „ 10 
Staatsprüfung muß jeder Prüfling eine Stelle W. „ 1903/4 „ : 7 
aus dem corpus juris civilis interpretieren. Trog: | S. „ 1904 „ „ 250, „ „ 24 
dem wird von den Realabiturienten für die Jmma: | W. 1904/5 . i 150. i + 12 
trikulation in der juriſtiſchen Fakultät ein Nachweis, S. 1905 „ „ 244, 28 
5 l nn W. 1905/6 „ „ 191, „ „ 20 
über genügende Kenntnis der lateiniſchen und S'“ „ 1906 „ „ 241, „ 32 
der griechiſchen Sprache nicht gefordert. Um aber W. 1906/7 or dr «9 

i iſſenſchaft, die nur | S. 1907 e 5 32 
den Studierenden der Rechtswiſſenſchaft, die nur SE: ee u: 


mit dem Reifezeugnis eines Realgymnaſiums oder 
einer Oberrealſchule verſehen ſind, die Vervoll⸗ Unter den eingeſchriebenen Realabiturienten 
ſtändigung ihrer ſprachlichen Ausbildung zu er- überwiegen die Abſolventen eines Realgymnaſiums. 
leichtern, wird an jeder preußiſchen Univerfität in | Wie aus der Zuſammenſtellung erſichtlich, ift feit 
jedem Semeſter ein Kurſus zur ſprachlichen Ein- mehreren Semeſtern das Verhältnis zwiſchen der 
führung in die Quellen des römiſchen Rechts (mit humaniſtiſchen und der realiſtiſchen Gruppe der 
ſchriftlichen Arbeiten) gehalten. Abiturienten einer | Immatrikulierten ziemlich gleich geblieben. Von 
Oberrealſchule haben für die Aufnahme in den den ehemaligen Realabiturienten haben ſich der 
Kurs die Kenntnis des Lateiniſchen in dem Um- juriſtiſchen Staatsprüfung zurzeit noch jo wenige 


= 


unterzogen, daß von einer allgemeinen Erfahrung 
nicht geſprochen werden kann. 

Mein Urteil in der Frage geht nach wie vor 
dahin: Die Vorbildung in einem humaniſtiſchen 
Gymnaſium verdient für den künftigen Juriſten 
den Vorzug, ſie wird auch für abſehbare Zeit die 
Regel bleiben. Aber den Realabiturienten das 
Tor zur juriſtiſchen Laufbahn zu verſchließen, 
dafür liegt kein ausreichender Grund vor. Ja 
es ware eine Härte, denn wie die Erfahrung 
lehrt, pflegen Befähigung und Neigung zu einem 
beſtimmten Beruf bei den jungen Leuten erſt in 
einer Zeit hervorzutreten, wo ſie am Abſchluß 
ihrer allgemeinen Vorbildung ſtehen. 
tüchtige geiſtige Gymnaſtik bildet immer die 
Hauptſache, ſie kann aber da und dort gewonnen 
werden. 

Andererſeits darf man ſich von dem Eintritt 
ehemaliger Realabiturienten in den Juriſtenſtand 
nicht goldene Aepfel für die Rechtspflege ver⸗ 
ſprechen, als ob ſie eine beſondere Eignung für 


Z3eitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


II. 


In der eingangs erwähnten parlamentariſchen 
Verhandlung haben mehrere Redner den Antrag 
auf Zulafſung der Realabiturienten zur juriſtiſchen 


Laufbahn mit der Behauptung zu ſtützen geſucht, 


| 


| 


Eine 


l 


| 


die Auffaſſung der praktiſchen Lebensverhältniſſe 


mitbrächten. Es wird den realiſtiſch vorgebildeten 
Juriſten ergehen wie ihren humaniſtiſchen Kollegen, 
daß die auf der Mittelſchule geſammelten poſitiven 
Kenntniſſe verfliegen, wenn ſie jahrelang nicht 
in den Beſchäftigungskreis gezogen worden ſind. 
Läge der Wert des Gymnaſialunterrichts im 
Griechiſchen und in der Mathematik nur darin, 
daß der Schüler zeitlebens den Sophokles oder 
den Plutarch in der Urſprache leſen kann, daß er 
nie die Fähigkeit verliert, quadratiſche Gleichungen 
aufzulöſen oder einen Beweis für den ppytha— 
goreiſchen Lehrſatz wiederzugeben, ſo wäre die auf 
dieſen Unterricht verwendete Zeit bei der Mehr— 
zahl der Schüler verloren. So wird auch der 
Realabiturient von ſeinen mathematiſchen und 
naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſen nur wenig in 
die Zeit retten, wo er in einem Patent- oder 
Verſicherungsprozeß als Richter oder Anwalt 
mitzuwirken hat. Man liebt es freilich, die 
Juriſten der Weltentfremdung zu zeihen, ſie als 
Wolkenwandler hinzuſtellen, deren Blick über die 
Geſetzesparagraphen nicht hinausreicht; man fordert 
für ſie eine andere Vorbildung. Ich frage: worin? 
oder richtiger: worin nicht? 
mit dem ganzen großen ſozialen Leben zu tun. 
Wer kann überall zu Hauſe ſein? Angeſichts der 
Weite der Aufgabe und in Erwägung der Grenze 
menſchlichen Wiſſens überhaupt kann ſich die 
heutige Rechtſprechung, inſonderheit die Recht— 
ſprechung unſres Reichsgerichts wohl ſehen laſſen. 
Uebrigens wenn die Juriſten bisher ſo ſehr der 
Fähigkeit entraten haben, ſich in den mannig— 
fachen, oft recht verſchlungenen Wegen des Ver— 
kehrs zurechtzufinden: wie kommt es, daß an die 
Spitze von Banken 
Unternehmungen vielfach Juriſten geſtellt werden? 


und großen induſtriellen 


daß das Studium des römiſchen Rechts in der 
Gegenwart für die juriſtiſche Ausbildung an Be⸗ 
deutung weſentlich verloren habe. Dieſe Behauptung 
deckt ſich mit einem weit verbreiteten, ſelbſt in die 
juriſtiſchen Kreiſe reichenden Urteil. Und dieſes 
Urteil ruht auf einem ſo naheliegenden Schluß, 
daß man ſich wundern müßte, wenn es nicht ent⸗ 
ſtanden wäre. Bis zum 1. Januar 1900 — ſo 
ſagt man — hatte das römiſche Recht in einem 
Teil von Deutſchland die Geltung eines Geſetzes; 
dieſer Eigenſchaft iſt es durch die Einführung des 
bürgerlichen Geſetzbuchs für das Deutſche Reich ent⸗ 
kleidet worden. Alſo! 

Wäre das Urteil nur unrichtig, ſo könnte man 
es wie manchen andern Irrtum ſeinem Schickſal 
überlaſſen, im Vertrauen, daß die beſſere Einſicht 
früher oder ſpäter durchbrechen wird. Aber das 
Urteil iſt auch gefährlich, denn wenn es ſich weiter 
einbürgert, würde es zu einer Verkümmerung, wo 
nicht zur Ausſchaltung des Unterrichts im römiſchen 
Recht vom Rechtsunterricht in Deutſchland führen. 
Darin läge eine Schädigung des Juriſtenſtands 
und damit der Rechtspflege. Es ſteht daher ein 
allgemeines Intereſſe in Frage. Wer in der Er⸗ 


haltung eines tüchtigen Juriſtenſtands eine natio- 


nale Aufgabe erblickt, darf ſich die Mühe nicht 


erſparen, jener Anſchaunng tiefer nachzugehen; alles 


| 


Der Juriſt hat es 


Wer hat die Deutſche Bank auf die gegenwärtige 


Höhe gehoben? ein Gerichtsaſſeſſor. 


Oberflächliche hat etwas Beſtechendes. 


Vor allem iſt eine Wahrnehmung geeignet, an 
der Richtigkeit des erwähnten Urteils Zweifel zu 
erwecken. Im Königreich Preußen vor 1866 hatte 
das römiſche Recht über ein halbes Jahrhundert 
nur in einem ſehr kleinen Gebiet Geſetzesgeltung; 
gleichwohl nahm während dieſer Zeit die Ein: 
führung in das römiſche Recht im amtlich ge: 


regelten Rechtsunterricht einen breiten Raum ein. 
Ebenſo 


hat Oeſterreich an der Unterweiſung im 
römiſchen Recht bis auf dem heutigen Tag feft- 
gehalten, trotzdem daß dort dieſes Recht ſeit dem 
Anfang des vorigen Jahrhunderts aus der unmittel: 
baren Anwendung verdrängt ift. Die gleiche Er: 
ſcheinung weiſen andere Kodifikationsländer auf, wie 
Frankreich und Italien. 

Dies geſchieht nicht zur bloßen Dekoration, 
auch nicht der alten Ueberlieferung zuliebe, ſondern 
in der Ueberzeugung, daß eine Vertrautheit mit 
dem römiſchen Recht auch dem — es ſei das Wort 
geſtattet — Kodifikationsjuriſten not tut. Und 
dieſe Ueberzeugung wird bei uns von einer an— 
geſehenen Zahl von Juriſten geteilt, von Theoretikern 
und von Praktikern. 

Viele werden fragen, worin der Wert beſteht, 
den das Studium des römiſchen Rechts unab— 
hängig von ſeiner poſitiven Geltung hat. Hierauf 


iſt Schon öfter die Antwort gegeben worden, mit 
beredteren Worten als ſie mir zu Gebote ſtehen. 
Aber dieſe Ausführungen haben, wie mir ſcheint, 
gerade auf die Kreiſe nicht den erwünſchten Ein⸗ 
druck gemacht, für die ſie berechnet waren. Der 
Grund liegt vielleicht darin, daß ſie zu allgemein 
gehalten waren, daß fie ſozuſagen der demon- 
stratio ad hominem entbehrten. Es ſei mir der 
Verſuch geſtattet, den Zweck auf dem angedeuteten 
Weg zu erſtreben. 

Für die Beibehaltung des Unterrichts im 
römiſchen Recht wird allgemein folgendes hervor: 
gehoben. Unſer heutiges, hauptſächlich im bürger⸗ 
lichen Geſetzbuch niedergelegtes Privatrecht hat zum 
nicht geringen Teil feine Wurzel im römiſchen 
Recht; viele Rechtsſätze, ja ganze Rechtsinſtitute 
ſind dem römiſchen Recht entnommen. Ein tieferes 
Verſtändnis des geltenden Rechts iſt durch die 
Kenntnis ſeiner geſchichtlichen Grundlage bedingt. 
Darum hat für den deutſchen Juriſten das römiſche 
Recht eine höhere Bedeutung als das Recht eines 
andern fremden Volkes, und ſteht hierin mit dem 
älteren deutſchen Recht auf einer Linie. 

Das iſt gewiß richtig, aber es iſt damit die 
Bedeutung des römiſchen Rechts für uns nicht 
erſchöpft. Ja noch größeres Gewicht hat ſeine 
Eigenſchaft als juriſtiſches Erziehungsmittel. Zum 
Nachweis deſſen muß ich etwas weiter ausholen. 
Ueber die Schwierigkeit der Aufgabe, die von der 
Rechtsanwendung zu löſen iſt, herrſchen in nicht⸗ 
juriſtiſchen Kreiſen vielfach irrige Vorſtellungen; 
man glaubt, wenn erſt der tatſächliche Vorgang, 
ſei es mit oder ohne Beweisführung, feſtſteht, ſo 
bedürfe es nur noch, den entſprechenden Paragraphen 
im Geſetzbuch etwa mit Hilfe eines guten Regiſters 
aufzuſuchen, und das Urteil ſei fertig. Der Juriſt 
weiß, daß die zur gerichtlichen Austragung ge— 
langenden Fälle nur felten jo einfach liegen. Um 
feſtzuſtellen, ob überhaupt ein gerichtlich verfolgbarer 
Anſpruch vorliegt, und wenn ja, ob Kauf- oder 
Werkvertrag, ob Bürgſchaft oder kumulative 
Schuldübernahme, ob Schenkung oder Zweckgabe, 
ob Auflage oder Bedingung uſw., bedarf es oft 
der ſorgfältigen Zergliederung des konkreten Tat— 
beſtands in feine Elemente, einer juriſtiſchen 
Wägung jedes Elements für ſich und in ſeinem 
Zuſammenhang mit den andern, einer Ermittlung 
der beherrſchenden Norm für das durch Auflöſung 
und Vereinigung gewonnene Ergebnis, kurz es 
bedarf einer juriſtiſchen Diagnoſe. Die Diagnoſe 
iſt eine Kunſt. Sie wird wenigſtens vom Durch— 
ſchnittsmenſchen nur durch eine gründliche Schulung 
erworben. Hierin gibt es aber keine beſſeren Lehr— 
meiſter als die alten römiſchen Juriſten. Ein 
Beiſpiel mag dies veranſchaulichen. 

Nach römiſchem wie nach heutigem Recht 
erwirbt an einer herrenloſen beweglichen Sache 
das Eigentum, wer ſie für ſich in Beſitz nimmt. 
Das BGB. fordert noch ein weiteres, wovon hier 
abgeſehen werden ſoll. Es liegt nun folgender 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 255 


Fall vor. Jemand hat eine Vorrichtung zum 
Fangen von Raubzeug aufgeſtellt. In ſeiner 
Abweſenheit fängt ſich ein ſeltener wilder Vogel, 
ein Seeadler. Ein Arbeiter, der dies beobachtet, 
tritt hinzu und bemächtigt ſich des Tieres. Beide, 
der Fallenſteller und der Arbeiter nehmen das 
Eigentum am Vogel in Anſpruch, der Fallen⸗ 
ſteller mit der Behauptung, daß er in dem Augen: 
blick Beſitz und Eigentum erworben habe, wo der 
Vogel in die Falle geraten war; damit habe der 
Vogel aufgehört, herrenlos zu fein. Die Ent: 
ſcheidung ſpitzt ſich ſonach auf die Frage zu: Hat 
der Fallenſteller durch den Vorgang den Beſitz 
am Vogel erworben? Und da der Beſitz einer 
Sache durch die Erlangung der tatſächlichen Gewalt 
über die Sache erworben wird (BGB. 8 854), 
jo läßt ſich die Frage fo fallen: Hat der Fallen- 
ſteller die tatſächliche Gewalt über den Vogel 
dadurch erlangt, daß dieſer fih in der Falle fing? 
Ein gleicher Fall beſchäftigte den römiſchen Juriſten 
Proculus, und es iſt hierüber von ihm folgende 
Erörterung überliefert (L. 55 Dig. A. R. D. 41,1): 
Vor allem iſt darauf zu ſehen, wo die Falle auf— 
geſtellt war, ob auf einem öffentlichen oder auf 
einem Privatgrundſtück; wenn auf einem Privat: 
grundſtück, ob auf einem dem Fallenſteller gehörigen 
oder auf einem fremden; wenn auf einem fremden, 
ob mit oder ohne Erlaubnis des Eigentümers; 
ferner kommt es darauf an, ob das Tier durch 
die Falle ſo feſtgehalten war, daß es ſich durch 
eigene Kraft nicht los machen konnte. 

So lenkt der Juriſt die Aufmerkſamkeit auf 
alle erheblichen Seiten des Falls und zeigt den 
Weg, auf dem zu einer gründlichen Entſcheidung 
zu gelangen iſt. Durch die Einführung in die 
Muſterleiſtungen juriſtiſcher Technik wird das Auge 
für das rechtlich Weſentliche in den bunten Er— 
ſcheinungen des Lebens geſchärft und eine Befähigung 
erworben, deren Verwertung vom Wechſel des 
poſitiven Rechts unabhängig iſt. Wird, wie es 
in den ſeminariſtiſchen Uebungen zu geſchehen 
pflegt, der Studierende veranlaßt, den vom 
römiſchen Juriſten behandelten Fall nach dem 
heutigen Recht zu beurteilen, jo gewinnt fein Ber- 
ſtändnis des geltenden Rechts eine Förderung, 
wie das Eindringen in den Geiſt der Mutter— 
ſprache durch das Ueberſetzen aus einer fremden 
Sprache. 

III. 


Noch ein anderes können wir von den römiſchen 
Juriſten lernen. 

Seit das bürgerliche Geſetzbuch für das Deutſche 
Reich in Kraft getreten iſt, wird heftiger als je 
über das Verhältnis der Rechtſprechung zum Geſetz 
geſtritten. Es fehlt nicht an ſolchen, die, einem 
Zug der Zeit nach ſtärkerer Geltendmachung der 
Individualität folgend, für den zur Rechtsanwendung 
Berufenen die Freiheit in Anſpruch nehmen, einer 
Geſetzesvorſchrift die Folge zu verſagen, welche nach 


feinem Befinden die durch das Weſen des Lebeng- 
verhältniſſes gebotene Regelung verletzt, und an 
deren Stelle den Fall nach einer Norm zu ent⸗ 
ſcheiden, die er der Abwägung der Intereſſen ent⸗ 
nimmt. Im Gegenſatz hierzu lehnen andere jedes 
Hinausgehen der Geſetzesanwendung über den 
Umfang ab, in dem nachweisbar der Geſetzesinhalt 


dem Geſetzgeber vorgeſchwebt hat; jede Weiter: 


führung ſoll der Geſetzgebung vorbehalten ſein. 

Wie ſtellten ſich die römiſchen Juriſten zu 
der Frage? Dem beſtimmten Geſetzesgebot beugten 
ſie ſich, auch wenn es ihrem Rechtsempfinden nicht 
entſprach: perquam durum, sed ita lex scripta. 
Andererſeits gingen ſie den Grundgedanken der 
Geſetzesnormen nach und entwickelten aus den 
treibenden Ideen einen Reichtum an Rechtsſtoff, 
ſo daß für das Privatrecht jahrhundertelang der 
Geſetzgebung wenig zu tun blieb. Was haben 
ſie aus der Lex Aquilia, dem Senatusconsultum 
Macedonianum, Velleianum und andern Geſetzen 
geſchaffen? 

Sollte es nicht Recht und Pflicht der heutigen 
Jurisprudenz ſein, das Geſetzesrecht ihrer Zeit in 
ähnlich freier Weiſe auszubauen, den Faden der 
Geſetzesnormen nach vertiefter Einſicht den Be— 
dürfniſſen des Lebens entſprechend weiter zu 
ſpinnen und ſo das Recht zeitgemäß zu erhalten? 
Man ſagt, die heutige Jurisprudenz habe nicht 
die Machtſtellung der römiſchen. Da liegt doch 
wohl eine Verwechſlung zugrunde zwiſchen der 
römiſchen Prätur und der römiſchen Juris— 
prudenz; dieſe hatte keine andern Machtmittel 
als die heutige: die Wiſſenſchaft und die praktiſche 
Rechtshandhabung. Glaubt aber jemand über den 
Gegenſatz von Altertum und Neuzeit nicht hin— 
wegkommen zu können, ſo wende er ſeinen Blick 
auf unſre Nachbarn jenſeits der Vogeſen. Was 
hat dem code civil die Beliebtheit im franzöſiſchen 
Volk gewonnen und ſeit mehr als einem Jahr— 
hundert erhalten? Nicht die innere Vollkommen⸗ 
heit des Geſetzbuchs, ſondern die Aus- und Fort⸗ 
bildung ſeines Inhalts durch die franzöſiſche 

Jurisprudenz. 

| Das Beiſpiel Frankreichs ift für uns lehr— 
reich. Es zeigt, daß eine freiere Bewegung der 
Jurisprudenz für die Kodifikation nicht nur nicht 
gefährlich iſt, ſondern erhaltend wirkt. Das Ge— 
ſetzbuch iſt auf Dauer berechnet, aber das Leben 
ſchreitet fort und unſere Einſicht in ſeine Bedürf— 
niſſe wächſt. Bald da bald dort zeigt ſich über 
kurz oder lang das Geſetzesrecht als unzureichend 
oder unangemeſſen; ſeine Anpaſſung an die ver— 
änderten Verhältniſſe wird dringendes Bedürfnis. 
Da kann nun freilich die Geſetzgebung ſelbſt Ab— 
hilfe ſchaffen, und ihr Eingreifen iſt nie ganz zu 
entbehren. Aber in der fragmentariſchen Geſetz— 
gebung liegt eine Gefahr für die Einheit des 
Rechts, der Gelegenheitsgeſetzgeber hat nicht immer 
eine geſchickte Hand, er ſtößt zuweilen in das 
wohldurchdachte Syſtem des Geſetzbuchs Löcher, 


— aaa 
— — u nn 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


die vermieden werden konnten. Weit leichter und 
ſchonender greift in die Fortbewegung des Rechts 
die Jurisprudenz ein. In der praktiſchen An⸗ 
wendung und in der wiſſenſchaftlichen Bearbeitung 
des Geſetzesrechts tritt entgegen, daß und wie weit 
nachzuhelfen iſt. Da der Juriſt nicht mit dem 
großen Meſſer des Geſetzgebers arbeitet, ſo iſt er 
angewieſen, ſeine Neuerung möglichſt an das be⸗ 
ſtehende Recht anzuknüpfen, mehr eine Entwicklung 
zu ſchaffen als einen Bruch. Gewiß kommen auch 
hier Mißgriffe vor, aber ihre Beſeitigung vollzieht 
ſich raſcher und leichter, als wo die Geſetzgebungs⸗ 
maſchine in Bewegung geſetzt werden muß; kein 
Richter iſt äußerlich an die Anſichten ſeiner Vor⸗ 
gaͤnger gebunden. 

In Deutſchland iſt man noch vielfach geneigt, 
in der Beteiligung der Jurisprudenz an der 
Rechtserzeugung eine unzuläſſige Grenzüberſchreitung 
zu erblicken. Man erwäge aber, daß es auch in 
der geiſtigen Welt keine ſchroffen Gebietsgrenzen 
gibt, überall beſtehen Uebergänge. So gibt es 
auch für die Rechtsſchaffung ein Gebiet, wo 
Jurisprudenz und Geſetzgebung arbeiten, ſich in 
wünſchenswerter Weiſe ergänzen. Und immerhin 
iſt das Gebiet der rechtſchöpferiſchen Tätigkeit für 
die Jurisprudenz enger abgeſteckt als für die Ge⸗ 
ſetzgebung, wie ſchon die römiſchen Juriſten er⸗ 
kannt haben. 

Man wird mir die Frage entgegenhalten, wo 
die Grenze liegt zwiſchen der gebotenen Unter⸗ 
werfung der Jurisprudenz unter das geſetzte Recht 
und ihrem rechtſchöpferiſchen Walten. Eine all⸗ 
gemeine befriedigende Formel dafür aufzuſtellen, 
iſt ſchwer, wo nicht unmöglich: quod magis in- 
tellectu percipi quam elocutione exprimi 
potest, jagt Julianus (L. 12 $2 Dig. rat. rem. 
46,8) von einer ähnlichen Aufgabe. Es wirkt 
vielleicht nützlicher, wenn ich meinen Standpunkt 
an Beiſpielen deutlicher zu machen verſuche. Der 
Kürze wegen nenne ich die geſetzlichen Erſcheinungen 
der erſten Gruppe ſtarre Geſetzesnormen, die Er⸗ 
ſcheinungen der zweiten ausbaufähige; ich lege 
auf die Wahl der Ausdrücke kein Gewicht. Und 
dann bringe ich nur Beiſpiele, Erſchöpfendes wird 
nicht angeſtrebt. 


A. Starre Geſetzesnormen. 

1. Nach BGB. $ 253 kann wegen eines 
Schadens, der nicht Vermögensſchaden iſt, Ent⸗ 
ſchädigung in Geld nur in den durch das Geſetz 
beſtimmten Fällen gefordert werden. Ich halte 
dieſe Vorſchrift für einen 5 Mißgriff; 
ſie iſt ein Erzeugnis der Angſt vor den Auswüchſen 
richterlicher Bewegungsfreiheit, ein Hemmſchuh für 
die Wirkſamkeit von Verträgen, die auf eine in 
Geld nicht anſchlagbare Leiſtung gerichtet ſind, 
wie für den Schutz der Perſönlichkeitsrechte. Trotz⸗ 
dem bin ich der Anſicht, daß ſich der Richter 
über dieſe Schranke nicht hinwegſetzen darf. 

2. Ob in den Zahlbeſtimmungen des BGB. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


immer das Richtige getroffen iſt, läßt ſich be⸗ 

B. das in $ 246 
feſtgelegte Zinsmaß bei dem derzeitigen Geldſtand 
als mißlich. Aber dem Richter ſteht nicht zu, 
ſtalt in das praktiſche Recht ein und ringen ſich 


zweifeln. So erweiſt ſich z. 


daran zu rütteln. 

3. Es iſt mehrfach aus ſittlichen Erwägungen die 
Klagbarkeit eines Anſpruchs ausgeſchloſſen (Ehe⸗ 
maklerlohn $ 656, Spiel, Wette, Differenzgeſchäft 
SS 762—764, Ehelichungsverſprechen $ 1297). Wie 
man auch über die innere Rechtfertigung dieſer 
Vorſchriften denken mag, die Rechtsanwendung iſt 
durch ſie gebunden. 

4. Nach $ 9 der Konkursordnung ſteht die 
Entſchließung über die Annahme oder Ausſchlagung 
einer Erbſchaft oder eines Vermächtniſſes, die dem 
Gemeinſchuldner vor der Konkurseröffnung an: 
gefallen find, dem Gemeinſchuldner zu und nur ihm; 
er kann alſo durch Ablehnung ſeinen Gläubigern 
Befriedigungsmittel entziehen. Man hat behauptet, 
diefe Regelung verſtoße fo ſtark gegen die ver: 
nünftige Erwägung, daß der Richter ihr die An- 
wendung verſagen dürfe. Die Vorausſetzung iſt 
keineswegs zweifellos; gewichtige Stimmen lauten 
entgegengeſetzt (Jaeger, Komm. KO. § 9 Anm. 5 
und Angeführte). Aber wenn ſich dies auch anders 
verhielte, ſo wäre der daraus gezogene Schluß 
verfehlt; hier gilt: ita lex scripta. 


B. Ausbaufähige Geſetzesnormen. 


1. Im Kommiſſionsverhaltnis geht nach den 
allgemeinen Regeln über Beſitz⸗ und Eigentums: 
erwerb das Eigentum an der vom Kommilfionär 
angeſchafften Sache zunächſt auf den Kommiſſionär 
über. Das hat für den Kommittenten die Gefahr, 
daß die für ſeine Rechnung erworbene Sache von 
den Gläubigern des Kommiſſionärs als Befrie— 
digungsmittel in Anſpruch genommen wird. Um 
dem offenbar mißlichen Ergebnis zu entgehen, hat 
man einen unmittelbaren Eigentumserwerb des 
Kommittenten angenommen, was die einen durch 
Unterſtellung von Willensrichtungen beim Ver— 
äußerer, beim Kommiſſionär oder beim Kommitten— 
ten rechtfertigen, die in Wirklichkeit faſt nie vor⸗ 
handen ſind, während die andern darin eine durch 
Zweckmäßigkeit und Billigkeit gebotene Ausnahme 
erblicken. Ich habe ſchon vor einigen Jahren auf 
eine befriedigendere Löſung hingewieſen (Iherings 
Jahrb. Bd. 44 S. 419 ff.), auf die analoge 
Anwendung vom Handelsgeſetzbuch 8 392 Abſ. 2. 
Vgl. als Vorgänger Strohal in den Verhand— 
lungen des XXII. Deutſchen Juriſtentages Bd. 4 
S. 203. Ich führte aus: Was als Undbilligkeit 
empfunden wird, iſt doch nur, daß die Gläubiger 
des Kommiſſionärs aus dem vermittelnden Erwerb 
ihres Schuldners Gewinn ziehen. Dieſen Zuwachs 
verſagt ihnen das Geſetz a. a. O., ſo lange der 
Erwerb aus dem Ausführungsgeſchäft in einer 
Forderung auf die Lieferung der Ware beſteht. 
Warum ſollte dies anders ſein, wenn die Ware 
dem Kommiſſionär in Erfüllung der Forderung 


257 


übergeben iſt? Man wendet ein, der $ 392 Abſ. 2 
ſei vom Geſetzgeber als Ausnahmevorſchrift gedacht 
worden. Das beſtreite ich nicht. Allein alle 
Rechtsgedanken treten zunächſt in beſchränkter Ge⸗ 


erft im Lauf der Zeit vermöge des in ihnen ent- 
haltenen Triebs nach Entfaltung zu allgemeinerer 
Geltung durch. Aber ſagt man, einer ſolchen 
Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen, iſt nicht 
Amts der Rechtspflege, denn die Ausnahmsrechts⸗ 
ſätze entziehen ſich der analogen Verwertung. 
Dieſe Regel, auf beiläufige Aeußerungen römiſcher 
Juriſten aufgebaut (Paulus und Julianus in L. 14, 
15 D. le legib. 1,3), enthält Wahres und Falſches. 
An der Vorſchrift des BGB. § 2265 ſcheitert jede 
Erſtreckung der gemeinſchaftlichen Teſtamente auf 
Eltern und Kinder oder auf Geſchwiſter. Aber 
viele Rechtsſätze, die zunächſt für einen beſchränkten 
Tatbeſtand geſchaffen ſind, enthalten den Keim eines 
allgemeinen Rechtsgedankens. Dieſe Eigenſchaft 
eines Rechtsſatzes zu erkennen und den Grund— 
gedanken nach dem Bedürfnis des Lebens zu ent— 
wickeln, iſt — ſo äußerte ich mich an einem andern 
Ort!) — die ſchöne, freilich nicht unſchwierige Auf: 
gabe der Jurisprudenz, der Theorie und Praxis. 
Mit der Entfaltung handelt ſie nicht gegen das 
Geſetz ſondern im Dienſte des Geſetzes; ſie erhält 
das poſitive Recht mit den Forderungen des fort— 
ſchreitenden Lebens im Einklang und verhütet die 
Durchbrechung der ruhigen Entwicklung durch das 
plumpe Eingreifen der Geſetzgebung. 

2. In einer leſenswerten Schrift hat Graden— 
witz“) ausgeführt, daß das vom BGB. 8 119 
anerkannte Recht zur Anfechtung von Willens— 
erklärungen wegen Irrtums nicht ſelten vom 
Irrenden geltend gemacht wird, nicht weil er ſich 
durch das irrtümlich Erklärte bedrückt fühlt, ſondern 
weil er vom Geſchäft überhaupt loskommen will, 
das ſich für ihn, ſei es nach beſſerer Erkenntnis 
oder infolge veränderter Verhältniſſe, auch mit dem 
von ihm gewollten Inhalt als unvorteilhaft heraus— 
ſtellt: Der Weizen iſt vielleicht in der Zwiſchen— 
zeit ſo ſtark im Preiſe gefallen, daß er auch mit 
den gewollten 21 zu teuer bezahlt wird, nicht bloß 
mit den irrtümlich geſchriebenen 29. Das An— 
fechtungsrecht wegen Irrtums wird mißbraucht zu 
einem Reurecht. Ein unbefangenes Rechtsempfinden 
fordert, daß der Irrende durch die Anfechtung nicht 
beſſer geſtellt werde als er ohne den Irrtum ſtehen 
würde. Er muß ſich alſo gefallen laſſen, daß er 
bei dem von ihm gewollten Inhalt der Willens— 
erklärung auf Antrag ſeines Gegners, des Er— 
klärungsempfängers, feſtgehalten wird. Dies iſt 
im BGB. nicht ausgeſprochen und wird darum 
von Planck Komm. $ 119 Erl. 1a E. und 
Kipp⸗Windſcheid, 9. Aufl. § 77 Ula E. 


| abgelehnt. In der Tat iſt die Rechtfertigung aus 


1) Münch. Kr. VI Schr. Bd. 47 Heft 4 S. 291. 
) Anfechtung und Reurecht beim Irrtum 1902. 


258 


dem BGB. ſchwer nachzuweiſen; von der geiſt⸗ 
vollen Art, wie Graden witz dieſe Aufgabe zu 
löſen ſucht, werden ſich manche mehr angezogen 
als überzeugt fühlen. Die römiſchen Juriſten 
würden die Weigerung des Irrenden, ſich bei 
ſeinem wirklichen Willen behaften zu laſſen, mit 
einer exceptio doli oder mit einem non audietur, . 
non est ferendus zurückgewiefen haben.“) Die 
heutige Jurisprudenz ſollte darin nachfolgen. 

3. Nach der herrſchenden Auffaſſung beruht 
die Vollmachtgebung auf einer Willenserklärung 
und wirkt kraft der vom poſitiven Recht an⸗ 
erkannten Privatwillensbetätigung. Als Willens⸗ 
erklärung unterliegt ſie aber nach der Regel den 
Folgen eines Willensmangels, inſonderheit der 
Anfechtung. Hierin liegt eine nicht geringe Ge⸗ 
fahr für die Sicherheit des Verkehrs: auf Grund 
der äußerlich tadelfreien Vollmachtserteilung können 
hunderte von Geſchäften geſchloſſen ſein, die ſämt⸗ 
lich zuſammenbrechen, wenn es dem A 
gelingt, die Vollmachtserteilung mit Erfolg an: 
zufechten. Man hat auf verſchiedene Weile dar- 
zutun geſucht, daß die Vollmachtserteilung nicht 
oder nicht in dem gewöhnlichen Umfang der Um⸗ 
ſtoßung wegen eines Willensmangels ausgeſetzt 
ſei; auf die neueſte Behandlung der Frage durch 
Roſenberg (Stellvertretung im Prozeß S. 106ff.) 
kann ich nur hinweiſen. Am radikalſten verfährt 
Wellſpacher (Das Vertrauen auf äußere Tat⸗ 
beſtände im bürg. Recht S. 83 ff.); er beſtreitet, 
daß in der Ausſtellung einer Vollmachtsurkunde 
eine Willenserklärung enthalten ſei, und gründet 
die Haftung des Machtgebers aus dem in ſeinem 
Namen errichteten Vertrag auf den Schutz, den 
das Vertrauen auf das Daſein des dem Ver— 
tragsgegner des Vertreters kundgegebenen Ver— 
tretungsverhältniſſes genießt; mit der Ausſchaltung 
des Willens aus dem Tatbeſtand iſt dem Angriff 
wegen eines Willensmangels der Boden entzogen. 
Ich habe in der Frage eine Mittelſtellung ein⸗ 
genommen mit folgender Ausführung:“) Die 
Vollmachterteilung ſchafft, genauer zugeſehen, einen 
zweifachen juriſtiſchen Tatbeſtand, einmal eine 
Willenserklärung, dann aber auch den äußern 
Schein, daß die Vollmacht erteilt ſei. Wird 
daher dem Dritten, der mit dem Vertreter in 
Hinblick auf die Vollmacht in Verkehr getreten 
iſt, durch Anfechtung die Berufung auf das Daſein 
der Vollmacht entwunden, ſo ſteht ihm noch ſein 
Vertrauen auf den äußern Schein des Daſeins 
ſchützend zur Seite. Freilich deckt dieſer Schein 
nur einen ſolchen Dritten, der dadurch zum 
Glauben an die Wirklichkeit beſtimmt wurde; 
aber mehr fordert auch das Intereſſe der Ver⸗ 
kehrsſicherheit nicht. Man wird einwenden, daß 
der Vertrauensſchutz in dieſer Anwendung im 
BGB. nicht anerkannt fei. Ausdrücklich gewiß 


3) Vgl. eine ähnliche Entſcheidung in L. 3 § 2, L. 4 
mandati 17, 
$) Münch. KrVIcSchr. Bd. 47 Heft 4 S. 290. 


Zeitſchrift für SZieitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. in Bayern. 1908. Nr. 1: 13. 


nicht. Aber erwägen wir. Dem Vertrauen des 
Dritten iſt der Schutz vom BGB. in folgenden 
Richtungen zugeſichert: gegen das Erlöſchen der 
Vollmacht durch Endigung des Grundverhältniſſes 
($ 169) oder durch Widerruf, hier wenn die Bol- 
machterteilung entweder dem Dritten beſonders 
kundgegeben oder öffentlich bekannt gemacht wurde, 
und zwar auf ſo lange, als die Vollmacht nicht 
in derſelben Weiſe widerrufen iſt, in der die Er⸗ 
teilung kundgegeben wurde (§$ 170, 171), gegen 
die Entkräftung der Vollmacht, worüber der Ver⸗ 
treter an den Vertreter eine Urkunde ausgehändigt 
hatte, wenn dieſe Urkunde vom Vertreter dem 
Dritten bei Abgabe der. Vertretererflärung vor: 
gelegt wurde ($ 172). Dieſen Vorſchriften liegt 
der allgemeine Gedanke zugrunde: im Bereich der 
Vollmacht ſoll das Vertrauen in das Daſein der 
Vertretungsmacht geſchützt ſein, wenn die dafür 
ſprechende äußere Erſcheinung unter Mitwirkung 
des Vertretenen entſtanden iſt. Allerdings be⸗ 
ziehen ſich die geſetzlichen Anwendungsfälle ſämtlich 
auf das Vertrauen in die Fortdauer einer 
Vollmacht. Aber warum ſollte das Vertrauen 
in ihre Entſtehung den 1 weniger ver⸗ 
dienen? Im Ergebnis find einverſtanden Dern: 
burg, Allgemeine Lehren 8 163 V, Kipp⸗ 
Windſcheid 9. Aufl. I S. 364; RGE. Bd. 56 
Nr. 16 S. 69. Eine treffliche Begründung findet 
ſich für eine ähnliche Erſchließung eines allgemeinen 
Grundſatzes aus einzelnen Geſetzesbeſtimmungen im 
Erkenntnis des Reichsgerichts vom 2. (27.2) Februar 
1889 (RGE. Bd. 24 Nr. 10 S. 49 ff.). 

4. Iſt jemand zu einer Handlung verurteilt, 
die ausſchließlich von ihm, nicht durch einen 
Dritten vorgenommen werden kann, ſo iſt zur 
Vollſtreckung vom Gericht auf Antrag zu erkennen, 
daß der Schuldner zur Vornahme der Handlung 
durch Geldſtrafe oder durch Haft anzuhalten ſei 
(BPO. $ 888). Nach 8 888 foll aber der Beuge⸗ 
zwang wegfallen bei der Verurteilung zur Ein⸗ 
gehung einer Ehe, zur Herſtellung des ehelichen 
Lebens oder zur Leiſtung von Dienſten aus einem 
Dienſtvertrag. 

So das Geſetz. Nun gibt es aber nicht wenige 
andere unter den allgemeinen Tatbeſtand des § 888 
Nof. 1 fallende Urteile, wo fih der Beugezwang 
ebenſo als eine unangemeſſene Maßregel erweiſt 
und wo, wenn eine Vermögensverletzung vorliegt, 
die Verurteilung des widerſpenſtigen Schuldners 
zum Schadenserſatz die Intereſſen beider Beteiligten 
weit beffer wahrt: es ift ein Schriftſteller aus 
einem Verlagsvertrag zur Verfaſſung eines wiſſen⸗ 
ſchaftlichen oder künſtleriſchen Werks verurteilt 
(Kohler, ArchgivPrax. Bd. 80 S. 248), oder es 
weigert ſich jemand, ein beſtelltes Darlehen von 
hohem Betrag anzunehmen, für das er vielleicht 
wegen veränderter Umſtände keine Verwendung 
hat (hierüber meine Ausführung in IheringsJ. 
Bd. 52 S. 420 ff.). Ich glaube, ein Richter, der 
Gleiches gleich beurteilt, handelt nur nach einer 


höheren Rechtsnorm und überſchreitet nicht die 
ihm gezogenen Grenzen. 

5. Einen ähnlichen Fall der Geſetzesenge er: 
örtert Tuhr (IheringsJ. Bd. 46 S. 54 ff.), er 
empfiehlt gleichfalls die freiere Behandlung. Ich 
muß mich damit beſcheiden, auf die überzeugende 
Ausführung zu verweiſen. 

6. Für mehrere an die Beobachtung einer Form 
gebundene Verträge iſt im BGB. ausgeſprochen, 
daß der Mangel der Form durch die Erfüllung 
des Vertrags geheilt werden kann (§ 313 Ber- 
äußerung eines Grundſtücks, 8 518 Schenkungs⸗ 
verſprechen, $ 766 Bürgſchaftserklärung). Darf 
hieraus die heilende Kraft der freiwilligen Er⸗ 
füllung als eine Regel unſeres Privatrechts ge: 
folgert werden, die auf ähnlich gelagerte Fälle 
Anwendung findet (auf die Fälle der 88 311, 761. 
2317)? Düringer-Hachenburg (Das Handels— 
geſetzbuch von 1897 Bd. 2 S. 17 ff.) bejahen es, 


und an den im Eigentum des Staates oder 
Dritter ſtehenden pPrivatflüſſen. 


Von Juſtizrat Dr. M. Obermeyer, Rechtsanwalt in München. 


Bei den gewöhnlichen Privatflüſſen, die nach 
Art. 21 WG. Beſtandteil der Grundftüde find, 
zwiſchen denen ſie hindurchfließen, iſt das Waſſer⸗ 
benützungsrecht dieſer Ufereigentümer zweifellos ein 
Ausfluß des Eigentums; eine Eintragung ſolcher 
Adjazentengewäſſer im Grundbuch kann nicht in 
Frage kommen und ebenſowenig die Eintragung 
der den Adjazenten zuſtehenden aus deren Eigen: 
tum an den Ufergrundſtücken entſpringenden Waſſer⸗ 
benützungsrechte; anderſeits iſt zweifellos, daß ver⸗ 
tragsmäßige Beſchränkungen der Waſſerbenützungs⸗ 
rechte der Ufereigentümer zugunſten anderer Per: 


gewiß mit Recht. Dagegen glauben andere Planck fonen Dienſtbarkeiten find und daher der Ein: 


Komm. Erl. 4, Staudinger, Komm. $ 125 
Anm. II 2) über den Mangel an Vorſchriften im 
BGB. nicht hinwegkommen zu können. 

Ich ſchließe die Reihe der Beiſpiele, die ſich 
leicht vermehren ließe, mit einer „kühnen ort: 
entwicklung des geſchriebenen Rechts“ (jo Hagens 
in der LZ. I S. 241) durch unſer Reichsgericht. 

7. In der Erklaͤrung des Beitritts zu einer 
Aktiengeſellſchaft, zu einer Geſellſchaft mit be- 
ſchränkter Haftung, zu einer Genoſſenſchaft liegt 
eine Willenserklärung. Finden darauf die Regeln 
des BGB. Anwendung, wonach Willenserklärungen 
mangels der Ernſtlichkeit nichtig, wegen Irrtums 
und Betrugs anfechtbar ſind? Eine Ausnahme 
iſt in den Geſetzen nicht ausgeſprochen. Gleichwohl 
verneint die Frage das Reichsgericht in gleich— 
förmiger Rechtſprechung') im Anſchluß an die 
Praxis des Reichsoberhandelsgerichts. Ein ge: 
nauer Kenner der in unſerm höchſten Gerichtshof 
herrſchenden Anſchauungen meint, es ſei keine 
Ausſicht vorhanden, daß der Standpunkt in der 
Spruchpraxis des Reichsgerichts verlaſſen werde 
(Bol ze in L3. I S. I ff.).“) Beiſtimmend Dern- 
burg, Allg. Lehren § 83 Nr. 13; Staub, Komm. 
z. HGB. $ 189 Anm. 24 (25). Die Gründe 
ſind dem Weſen und dem Zweck der Zeichnungs— 
erklärungen entnommen, wie der Erwägung, daß die 
Zuläſſigkeit der Umſtoßung wegen der genannten 
Mängel dieſe Kreditvereinigungen an der Wurzel 
ſchädigen würde. Sollten dieſe Gründe nicht genügen? 

Es iſt dies nicht der einzige Fall, wo das Reichs— 
gericht immerhin in maßvoller Weiſe eine freiere Stelle 
gegenüber dem Geſetzesrecht eingenommen hat. Das 
erweckt die beſten Hoffnungen für die Zukunft. 


) Der Abweichung in RG. Bd. 36 Nr. 26 S. 105 
iſt das Plenarurteil in RG. Bd. 57 Nr. 67 S. 294 ent⸗ 
gegengetreten. 

) Vgl. die in dieſer Nr. auf S. 269 unter II ab- 
gedruckte Entſcheidung des Reichsgerichts. 


—— —ͤ — 3.43 ꝗ—üU—— — 


SEAE E T1 —-ʃ ——ꝛ ——,.—r.7rC—rĩ᷑ĩ(—ñ—ñññññññññññ ̃ ͤ— — ę('?—̃ — — ͤ — pe Aa 


tragung bedürfen, ſoweit fie ſeit der Anlegung 
des Grundbuchs neu geſchaffen wurden oder ſo— 
bald hinſichtlich der zur Zeit der Grundbuch— 
anlegung ſchon beſtandenen Beſchränkungen die 
Eintragung nach Art. 10 des Geſetzes betreffend 
Uebergangsvorſchriften zum BGB. erforderlich 
ſein wird. 

Eine Frage, die hinſichtlich der Adjazenten⸗ 
flüſſe, ſoweit ich ſehe, bisher nicht aufgeworſen 
wurde, ift die, ob die Zwangsrechte der Art. 157 ff. 
WG. der Eintragung im Grundbuche bedürfen. 


Es iſt zweifellos, daß ſie dieſer Eintragung 
nicht bedürfen als Vorausſetzung ihrer Entſtehung, 
weil die Entſtehung auf einem öffentlich- rechtlichen 
Vorgang beruht. Wohl aber wird man die Ein— 
tragungsbedürftigkeit bejahen müſſen zur Erhaltung 
der Wirkſamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben 
des Grundbuches. 


Auch werden auf die durch ſolche Zwangs— 
rechte verſchafften Rechte die Beſtimmungen des 
Zwangsverſteigerungsgeſetzes, insbeſondere § 52, 
Anwendung finden; eine Ausnahmebeſtimmung, 
ähnlich der in 88 912, 917 BGB. mit $ 52 Ab}. 2 
Zw. normierten beſteht eben nicht. 

Wenn danach die privatrechtliche Beurteilung 
von Waſſerbenützungsrechten an gewöhnlichen Privat: 
flüſſen keine erheblichen Schwierigkeiten bietet, ſo 
ſind dieſe um ſo mehr vorhanden hinſichtlich der 
Waſſerbenützungsrechte an öffentlichen Flüſſen und 
an ſolchen Privatflüſſen, die im Eigentum des 
Staates oder dritter Perſonen ſtehen. 


Der Kommentar von Harſter-Caſſimir zum 
Waſſergeſetz nimmt Seite 286 auf Art. 65 EG. 
z. BGB. Bezug. Demgegenüber darf von vorn— 
herein bemerkt werden, daß die Landesgeſetzgebung 
von der ihr durch dieſe Beſtimmung eingeräumten 
Befugnis, die rechtliche Natur ſolcher Waſſer— 
benützungsrechte zu beſtimmen, keinen Gebrauch 
gemacht hat, entgegen beiſpielsweiſe dem württ. 


260 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


Waſſergeſetz, das in feinem Art. 1 Abſ. 3 im 
Verfolg ſeiner Vorſchrift, wonach alle ftändig 
fließenden Gewäſſer öffentliche Gewäſſer find, auch 
die Rechte Einzelner an dieſen Gewäſſern, mochten 
ſie auf dem öffentlichen oder auf dem Privatrecht 
beruhen, in dem öffentlichen Recht angehörige 
Nutzungsrechte umgewandelt hat, deren Ausübung 
lediglich den Vorſchriften des Waſſergeſetzes unterſteht. 
Eymann (Kommentar z. WG.) Bem. zu Abt. II, 
II3 und Anm. 1b zu Art. 42 S. 424 will zwar 
auch für das Bayer. Waſſerrecht die Waſſer⸗ 
benützungsrechte als öffentlich⸗ rechtliche konſtruieren; 
allein man wird ſeiner Konſtruktion nicht folgen 
können, die darauf beruht, daß die Waſſer⸗ 
a a an ſich nichts anderes ſei, als die 
Anerkennung der natürlichen Handlungsfreiheit 
deſſen, dem die Erlaubnis erteilt worden iſt. 


Bei der Beratung des Waſſergeſetzes hat der 
Korreferent der Kammer der Reichsräte im Aus⸗ 
ſchuß angefragt, welche rechtliche Natur die Kon⸗ 
zeſſionserteilung nach dem Entwurfe haben ſolle. 

Der Kgl. Staatsminiſter der Juſtiz hat darauf 
erwidert, daß die Konzeſſion ein öffentlich⸗recht⸗ 
licher Akt ſei und daß kein Zweifel beſtehen könne, 
daß in den Fällen, in denen eine bloße Er⸗ 
laubnis (WG. Art. 37, 42, 43, 46) erteilt werde, 
ein Privatrecht nicht konſtituiert werde, während 
es natürlich anders ſei, wenn bei der Errichtung 
einer großen Anlage zwiſchen Staat und Unter⸗ 
nehmer ein Vertrag geſchloſſen werde; letzteren⸗ 
falles könne es ſich möglicherweiſe um Einräumung 
eines Privatrechts handeln (vgl. Protokolle des 
Reichsratsausſchuſſes S. 197). 

Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht S. 408 
hält das Waſſerbenützungsrecht für ein Privatrecht 
und ſagt, man könne dabei an ein Recht an fremder 
Sache (Servitut) denken, näher liege aber wohl die 
Annahme eines den Gewerbeprivilegien ähnlichen 
abſoluten Rechtes, wofür er auch auf Pözl S. 103 
und Rehm, Natur der Gewerbekonzeſſion S. 34 
Bezug nimmt. 

Nach Gemeinem Recht wurden Müllergerechtig⸗ 
keiten als privatrechtliche Sonderrechte betrachtet. 
(Vgl. DIZ. 1899 S. 220). Gleiches ift der 
Fall nach dem preuß. Rechte, vgl. Dernburg, Das 
Sachenrecht des Deutſchen Reiches und Preußens, 
2. Aufl. 1901 S. 400. 

Dittmann, ziviliſtiſche Bemerkungen zum Bayer. 
Waſſergeſetz in der BayZfR. 1908 S. 6, bezeichnet 
alle Befugniſſe, welche Dritten an öffentlichen Ge- 
wäfſern zuſtehen, als Rechte an fremder Sache, 
die je nach ihrer Beſchaffenheit Servituten im 
römiſchen Sinne, Grunddienſtbarkeiten oder per— 
ſönliche Dienſtbarkeiten ſein könnten, während in 
anderen Fällen die Analogie des Erbbaurechtes 
heranzuziehen ſei. 

Brenner, Komm. z. WG. zu Art. 43 Note 18 
S. 151 bezeichnet die auf Grund unwiderruflicher 
Erlaubnis eingeräumte Nutzung, z. B. das an 


Private verliehene Recht zur Anlage von Mühlen 
an öffentlichen Flüſſen, als Privatrecht, als ding⸗ 
liches Recht auf Benützung der aus dem öffent⸗ 
lichen Fluß der Mühle zugehenden Waſſerkraft. 

Harſter⸗Caſſimir (Komm. z. WG., namentlich 
S. 272 und 286) polemiſieren zunächft mit Recht 
gegen die oben angeführte vom Kgl. Staatsminiſter 
der Juſtiz bei Beratung des Geſetzes geäußerte 
Anſchauung, wonach es einen Unterſchied machen 
könnte, ob der Abſchluß eines geſonderten Ver⸗ 
trages der Erlaubniserteilung vorhergegangen ſei 
oder nicht; im übrigen erklären ſie die Waſſer⸗ 
benützungsrechte als Privatrechte und finden in der 
Erlaubniserteilung gleichzeitig einen Akt der Staats⸗ 
hoheit und Polizeigewalt und einen privatrecht⸗ 
lichen Akt, durch welchen der Staat als Eigen⸗ 
tümer Nutzungsrechte einräumt, für welche er ſich 
auch Gebühren nach Umſtänden entrichten läßt 
(Art. 73). 

Harſter⸗Caſſimir ſind jedoch der Anſchauung, 
daß es nicht nötig ſei, behufs Unterſuchung der 
Natur dieſes Privatrechts die in ihm enthaltenen 
Befugniſſe in ein Schema des BGB. z. B. in 
88 1018, 1030, 1059, 1090, 1092 einzupreſſen, 
weil angeblich das BGB. die freieſte Geſtaltung 
dinglicher Rechte zulaſſe, und ſind ferner der 
Meinung, daß mit Rückſicht auf die Beſonderheit 
ihres Entſtehungsgrunds dieſe Rechte zu ihrer Wirk⸗ 
ſamkeit auch nicht der Eintragung in das Grund⸗ 
buch bedürfen. Die Anſchauung, daß das BGB. 
die freieſte Geſtaltung dinglicher Rechte zulaſſe, iſt 
irrig; es iſt in Theorie und Praxis einhellig 
anerkannt, daß der Kreis der dinglichen Rechte 


des BGB. geſchloſſen und einer Ausdehnung 


unfähig iſt. 

Das Oberſte Landesgericht hat bereits in zwei 
älteren Entſcheidungen, abgedruckt in Samml. Bd. 12 
S. 96 und Samml. NF. Bd. 8 S. 132 die 
unter der Herrſchaft des früheren Rechts ent⸗ 
ſtandenen Waſſerbenützungsrechte als Dienſtbarkeiten 
bezeichnet. Dieſer Anſchauung hat es neuerdings 
gehuldigt in einem Beſchluß vom 28. April l. J. 
III Nr. 38, 1908. 


Folgerichtig muß Gleiches gelten für die unter 
der Herrſchaft des neuen Waſſerrechts entſtandenen 
Benützungsrechte an öffentlichen, ſtaatsärarialiſchen 
und im Eigentum Dritter ſtehenden Flüſſen (Art. L, 
23, 24 WG.). Abgeſehen von Waſſerbenützungs⸗ 
rechten an den im Eigentum Dritter ſtehenden 
Privatflüſſen (Art. 24 WG.), bei welchen die vor⸗ 
herige vertragsmäßige Einräumung eines dinglichen 
Nutzungsrechtes durch einen den Vorſchriften des 
BGB. entſprechenden Vertrag regelmäßig Voraus: 
ſetzung der waſſerpolizeilichen Konzeſſionserteilung 
ſein wird, falls nicht der Eigentümer ſelbſt die 
Konzeſſion anſtrebt, würde zwar auch vom Stand— 
punkte dieſer oberſtrichterlichen Auffaſſung aus die 
Entſtehung der Waſſerbenützungsrechte an öffent⸗ 
lichen und ſtaatsärarialiſchen Flüſſen von der Ein⸗ 


mo — — — rl 


E i mm ale — —— . — — — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


tragung im Grundbuche nicht abhängen, weil ſie 
auf Konzeſſionserteilung durch den Staat beruht, 
alſo auf einem öffentlichrechtlichen Akte. 


Das wird auch dann gelten, wenn der Kon⸗ 
zeſſionserteilung ein Vertrag zwiſchen dem Unter⸗ 
nehmer und dem Staate vorausgegangen iſt, welcher 
Vertrag, ſoweit er ſchon vor der Konzeſſions⸗ 
erteilung Rechte und Pflichten begründen ſoll, 
oder ſoweit ſein Inhalt nicht vollſtändig in den 
Konzeſſiousbeſcheid aufgenommen wird, notarieller 
Beurkundung bedarf, um dingliche Rechtswirkung 
herbeizuführen. 

Die Eintragung der Waſſerbenützungsrechte 
im Grundbuche wird aber gleichwohl, wenn ihre 
oberſtrichterliche Beurteilung als Rechte an fremder 
Sache herrſchend bleibt, erforderlich ſein, wenn der 
Berechtigte ſich gegen die Rechtsfolgen der Oeffent⸗ 
lichkeit des Grundbuches ſchützen und wenn er die 
Rechtsfolgen des § 52 und anderer Beſtimmungen 
des Zwangsverſteigerungsgeſetzes abwenden will. 


Das gewinnt praktiſch beſondere Bedeutung, 
ſoweit es ſich um Privatflüſſe handelt, die im 
Eigentum Dritter nach Art. 24 WG. ſtehen, wenn 
die Verwaltungsbehörde, weil der Eigentümer ihr 
gegenüber ſein Einverſtändnis mit der Waſſer⸗ 
benützung ſeitens eines anderen erklärt hatte, 
den vorherigen Abſchluß eines privatrechtlichen 
Vertrages auf Beſtellung der Dienſtbarkeit mit 
ihrer Eintragung im Grundbuche nicht als Voraus— 
ſetzung der Konzeſſionserteilung verlangt hatte; 
würde dann der Eigentümer des Privatfluſſes 
dieſen an eine andere Perſon veräußern oder einer 
anderen Perſon Rechte an ihm einräumen, die 
mit dem Waſſerbenützungsrechte unvereinbar ſind, 
ſo hätte der Erwerber der Erlaubnis zur Waſſer— 
benützung zweifellos das Nachſehen und es würde 
ihm nichts helfen, wenn er fih auf die waſſer— 
polizeiliche Konzeſſion und auf die vor ihrer Er— 
teilung ſeitens des Eigentümers des Privatfluſſes 
gegenüber der Berwaltungsbehörde abgegebene Ein- 
verſtändniserklärung berufen würde. 


Aber auch bei den im Eigentum des Staates 
ſtehenden Flüſſen kommen die Rechtsfolgen der 
Oeffentlichkeit des Grundbuches in Betracht; auch 
hier kann es eintreten, daß trotz Erteilung der 
Erlaubnis ſeitens der Waſſerpolizeibehörde, ja ſelbſt 
trotz Abſchluſſes eines der waſſerpolizeilichen Er— 
laubnis vorausgegangenen privatrechtlichen Der: 
trages, das Waſſerbenützungsrecht verloren geht, 
wenn es nicht durch Eintragung im Grundbuch 
gegen die Rechtsfolgen der Oeffentlichkeit geſchützt 
iſt. Bei zahlreichen bayeriſchen Waſſerläufen iſt 
die rechtliche Natur zweifelhaft. 

Wahrend der Staat das Eigentum an manchen 
Waſſerläufen, die bisher als Privatflüſſe galten, 
für ſich beanſpruchen will, kommt es auch um: 
gekehrt vor, wie beiſpielsweiſe an der Alz, daß 
Gemeinden oder die Adjazenten das Eigentum von 


Waſſerläufen beanſpruchen, die bisher der Staat 


261 


als ſein Eigentum betrachtete, und die auch im 
Grundbuch auf ihn eingetragen ſind. 


Man ſetze nun den Fall, daß der Staat einem 
Unternehmer ſowohl die zivilrechtliche Nutzungs⸗ 
befugnis, als die waſſerpolizeiliche Genehmigung 
erteilt habe, die Eintragung des dadurch ver: 
ſchafften Waſſernutzungsrechts im Grundbuche aber 
unterblieben wäre, und nachher, etwa nach Aus⸗ 
führung des konzeſſionierten Unternehmens, einer 
Gemeinde oder einem Privaten es gelänge auf 
dem Rechtswege den Nachweis zu führen, daß in 
Wirklichkeit, ſei es auch nur ein kleiner Teil des 
von dem Unternehmen betroffenen Waſſerlaufs, 
nicht dem Staate, ſondern ihr, bzw. ihm, zu 
Eigentum gehöre, und daß zufolge eines rechts— 
kräftigen Urteils auch die Berichtigung des Grund— 
buches erfolgt; das Waſſerbenützungsrecht wird 
diesfalls gegenüber dieſem wirklichen Eigentümer 
nur dann Wirkſamkeit haben, wenn es im Grund— 
buch eingetragen wurde, da es nur dann durch 
die Vorſchrift des § 892 BGB. geſchützt ift. 

Ein weiterer Fall, an den zu denken iſt, iſt 
die Möglichkeit der Veräußerung eines ſtaats⸗ 
ärarialiſchen Fluſſes oder eines Teiles ſeitens des 
Staates an einen Privaten; in ſolchem Fall würde 
das Waſſerbenützungsrecht gegenüber dem Er: 
werber keine Wirkſamkeit haben, er müßte denn 
von ihm bei Erwerb Kenntnis gehabt haben. 


Bisher pflegten Waſſerbenützungsrechte an 
öffentlichen und ſtaatsärarialiſchen Flüſſen nicht ein= 
getragen zu werden. Die vorſtehenden Zeilen 
werden es als rätlich erſcheinen laſſen, neue, 
d. h. im Oberlandesgerichtsbezirke München ab 
1. Mai 1905 entſtandene Waſſerbenützungsrechte 
zum Eintrag im Grundbuch zu bringen, wozu 
regelmäßig im Hinblick auf § 29 GBO. eine 
Eintragungsbewilligung ſeitens der fiskaliſchen Be— 
hörde erforderlich iſt, die der notariellen Beur— 
kundung nicht bedarf (Meikel, Grundbuchordnung, 
S. 225 zu § 29 Ziff. 6 c p). 

Was die Waſſerbenützungsrechte anlangt, die 
bereits zu der Zeit beſtanden, zu welcher das 
Grundbuch angelegt wurde (alſo für den Ober— 
landesgerichtsbezirk München 1. Mai 1905), fo 
bedürfen fie zur Erhaltung der Wirkſamkeit gegen: 
über dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs 
nach Art. 10 des Gef. betr. Uebergangsvorſchriften 
im Zuſammenhalt mit Art. 187 des EG. z. BGB. 
der Eintragung erſt dann, wenn die daſelbſt vor— 
behaltene durch Kgl. Verordnung zu beſtimmende Friſt 
eröffnet iſt, und auch dann nicht, wenn mit ihnen 
das Halten einer dauernden Anlage verbunden iſt, 
ſo lange die Anlage beſteht. 


262 BR Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


Die nachträgliche Eintragung der 
Goldklauſel. 


Von Wilhelm Mayer, Amtsrichter in München. 


(Schluß.) 

B. Eine andere Frage iſt, wann aus einer 
alten Hypothekeintragung eine Verweiſung auf 
die Beſtellungsurkunde herausgefunden werden 
kann. Das iſt lediglich eine Auslegungsfrage. 
Die früher übliche Formel „lt. Urk. . .“ reicht 
dafür nicht aus, da die Erwähnung der Urkunde 
ſchon zu dem Zweck zu geſchehen hatte, um der 
Vorſchrift des HypG. 8 145 Ziff. 2 alter Faſſung 
zu genügen. Für die Eintragungen aus der Zeit 
nach der Novelle iſt die Auslegung der Wendung 
„lt. Urk. . .“ an fi) als Verweiſung auf die Ur- 
kunde gleichfalls noch unſicher, da auch unter ihrer 
Herrſchaft die Anführung der Urkunde noch ge— 
boten war (VollzInſtr. vom 1. Juni 1822 8 28 
Ziff. 2). Doch gewinnt diefe Auslegung an 
Sicherheit dann, wenn das weitere Erfordernis 
für die Erſetzung der ausdrücklichen Eintragung 
durch die Verweiſung, die Aufbewahrung der an⸗ 
geführten Urkunde beim Hypothekenamt, erfüllt iſt. 
Denn die im Hypothefenbuch ſtehende Angabe des 
Orts, wo beim Hypothekenamt die in der Ein: 
tragung bezeichnete Urkunde zu finden fei, wäre 
zwecklos, wenn ihr nicht der Sinn beigelegt wird, 
an dem angegebenen Ort könne man ſich über 
den Inhalt der Urkunde im einzelnen unterrichten, 
und in etwas anderem beſteht auch der Sinn der 
Verweiſung nicht. Sie wäre um ſo zweckloſer, 
als das alte Hypothekenrecht eine dem § 9 der 
GBO ., $$ 524, 525 der DA. f. d. GBAe. r. d. Rh. 
vom 27. Februar 1905 entſprechende Vorſchrift 
nicht kannte und die Aufbewahrung der Ein— 
tragungsbewilligung eben nur für den Fall der 
Verweiſung vorſah. 

Soweit bei dieſer Auslegungsfrage die Abſicht 
des Hypothekenbeamten, die Urkunde in Bezug zu 
nehmen, in Betracht kommt, und eine ſolche aus 
den geſamten Umſtänden, insbeſondere nach dem 
damaligen Stand der Geſetze und Vollzugsvor— 
ſchriften, nicht erkennbar iſt, fehlt es dann eben 
an einer Verweiſung. Sie darf nicht etwa mit 
Rückſicht auf Art. 192 des EG. z. BGB. nach⸗ 
träglich unterlegt werden, weil der alte Wortlaut 
der Eintragung die Annahme einer ſolchen Ab— 
ſicht geſtatten würde, wenn er einer jetzigen Ein: 
tragung gegeben würde. Das Fehlen der Ab— 
ſicht, Bezug zu nehmen, beruht auf den Beſtim— 
mungen über die formelle Grundbuchführung. 
Auf ſie bezieht ſich deshalb die rückwirkende Kraft 
des materiellrechtlichen Art. 192 nicht, und die 
GBO. hat, außer dem hier nicht einſchlägigen 
8 87, keine Vorſchriften mit rückwirkender Kraft. 

Kann aber die Auslegung eine Verweiſung 
auf die Urkunde in dem altrechtlichen Eintrag 


finden, ſo ſchadet es wegen EG. Art. 192 ihrer 
Bedeutung als Erſatz der ausdrücklichen Ein⸗ 
tragung nicht, wenn die Urſchrift oder eine be⸗ 
glaubigte Abſchrift beim Grundbuchamt fehlt. 
Denn dieſe Bedeutung iſt eine materiellrechtliche 
(BGB. § 1115), die Vorſchrift des 89 GBO. 
lediglich eine Ordnungsvorſchrift der formellen 
Grundbuchführung. Zweckmäßig ift es aber, menu 
in dieſem Fall der Hypothekgläubiger nachträglich 
noch eine beglaubigte Abſchrift der Urkunde dem 
Grundbuchamt übergibt. 

Für eine neurechtliche Eintragung wäre die 
Auslegung der Formel „lt. Urt...” als Ber- 
weiſung anzunehmen. Denn nach den neuen 
Vorſchriften über die Grundbuchführung (DA. f. 
d. GBAe. r. d. Rh. vom 27. Februar 1905 
$ 252 Abſ. 2) iſt die Anführung der Urkunde, 
auf Grund deren die Eintragung erfolgt, nicht 
mehr, wie früher, erforderlich, und darum darf 
in der Anführung die Abſicht des Grundbuch— 
beamten gefunden werden, mehr als eine über: 
flüſſige Benennung der Urkunde zu geben, alſo 
eine die Eintragung ſachlich vervollſtändigende 
Bemerkung, eine Verweiſung auf die Urkunde. 

C. Enthält die Eintragung eine Verweiſung, 
und ift ihr zufolge die Goldklauſel bereits ein: 
getragen, ſo entſteht für den Grundbuchbeamten 
die Frage, ob er einem Antrag auf Eintragung 
einer neuerlichen, aber zu derſelben Hypothek 
vereinbarten Goldklauſel ſtattgeben ſoll. Für die 
Ablehnung kann man zweierlei geltend machen: 
die Vermeidung einer Ueberfüllung des Grund— 
buchs mit überflüſſigen Eintragungen und die 
Unzuläſſigkeit einer Doppelbelaſtung. 

1. Eine Doppelbelaſtung in dem Sinn, daß 
der Wert der nämlichen Belaſtung zweimal aus 
dem Grundſtück verlangt werden könnte, liegt 
darin nicht, weil es eine mehrfache identiſche Be: 
laſtung mit ſolcher Wirkung nicht gibt, und ſie 
liegt in einer mehrfachen Eintragung der Gold— 
klauſel um ſo weniger, als nach den Ausführungen 
oben unter III 1 die Zahlung von Goldſtücken 
aus dem Grundſtück im Zwangsvollſtreckungsweg 
nicht verlangt werden kann. Auch wo alſo nach 
der Zahl der Eintragungen eine mehrfache Be: 
laſtung des nämlichen Inhalts auf einem Grund— 
ſtücksblatt ſtehen würde, würde ſie nicht eine 
Minderung des Werts des Grundſtücks um den 
mehrfachen Betrag oder Wert der Belaſtungen 
bedeuten, weil nach den Geſetzen der allgemeinen 
und juriſtiſchen Logik eine Leiſtung, wenn fie 
einmal bewirkt iſt, nicht nochmals verlangt werden 
kann, ſondern immer nur um den einfachen Be— 
trag oder Wert. Die mehrfache Belaſtung würde 
alſo keine materiellrechtliche und keine wirtſchaft— 
liche Wirkung äußern, ſondern höchſtens eine for— 
melle Bedeutung haben können, nämlich die der 
Ueberfüllung des Grundbuchs. 

Einen Verſtoß gegen das materielle Recht 
würde die mehrfache Eintragung der Goldklauſel 


2 — — , — —— — — 


— — —— 


_ Beitichrift für Rechtspflege für Rechtspflege in m Bayern. 1908. Nr. 199. 1908. Nr. 13. 263 


ausnehmenden Zuſatz erfordern, alſo die Ein⸗ 
tragung nur umſtändlicher machen. Wiederholte 
Eintragungen ſind darum der Praxis auch nicht 
fremd; die Praxis des früheren Hypothekenrechts 
kannte fie z. B. bei Rangeinräumungsverzichten 
hinſichtlich derselben aktiv und paſſiv beteiligten 
Hypotheken, die Uebergangszeit bei den Vor⸗ 
merkungen nach $ 1179 BGB. hinſichtlich der⸗ 
ſelben aktiv und paſſiv beteiligten Hypotheken, 
hinſichtlich deren bereits ein Rangeinraͤumungs⸗ 
verzicht eingetragen war (UeG. Art. 59), die 
neurechtliche Praxis z. B. bei Vormerkungen nach 
8 1179, die ſchlechthin zugunſten desſelben 
Gläubigers (regelmäßig einer Bank) bei jedes⸗ 
maliger Eintragung einer Hypothek für dieſe ein⸗ 
getragen werden. 

D. Zur nachträglichen Eintragung einer neuer: 
lich vereinbarten Goldklauſel iſt die Zuſtimmung 
derjenigen Zwiſchenberechtigten erforderlich, denen 
gegenüber die in der Hypothekeintragung nur in 
Bezug genommene, aber in der Beſtellungsurkunde 
oder Eintragungsbewilligung bedungene Goldklauſel 


nicht enthalten, auch wenn man in ihr eine rang⸗ | 
fähige Belaſtungserſchwerung, in dieſem Sinn eine 
weitere Belaſtung erblicken will. Denn nur für | 
Hypotheken (und Grund: und Rentenſchulden) enthält 
das BGB. in $ 1132 Abſ. 1 eine Beſtimmung, 
welche den Schluß zulaͤßt, daß das Geſetz eine 
mehrfache Eintragung der nämlichen Belaſtung 
auf demſelben Grundſtück ausſchließt, während 
anderſeits gerade diefe Vorſchrift die Zuläffigfeit 
einer mehrfachen Belaſtung desſelben Inhalts — 
auf mehreren Grundſtücken, möglicherweile aber 
auf demſelben Blatt — zu erkennen gibt. Das 
Bedenken der Doppelbelaſtung fällt alſo zuſammen 
mit dem anderen, der Ueberfüllung des Grundbuchs. 
2. Eine Ueberfüllung kann nur durch über⸗ 
flüſſige Eintragungen verurſacht werden. Daß 
aber eine wiederholte Eintragung unter allen Um: 
ſtänden überflüſſig ſei, der Berechtigte an ihr nie 
ein rechtliches Intereſſe haben könne, läßt ſich nicht 
ſchlankweg behaupten. Sein Intereſſe kann z. B. 
dadurch begründet ſein, daß gerade für die einzelne 
Beſtimmung, welche die Goldklauſel betrifft, die 
erforderliche Einigung (BGB. $ 873 Abſ. 1), unwirkſam ift. 
etwa wegen Beſchränkung der Geſchäftsfähigkeit Ob die Zuſtimmung auch derjenigen Zwiſchen⸗ 
des die Eintragung bewilligenden Eigentümers, berechtigten notwendig ift, denen gegenüber bereits 
fehlt, und nach der beſonderen Parteiabſicht die alte Goldklauſel wirkſam iſt, hängt davon ab, 
(BGB. 8 154 „im Zweifel“) der Vertrag für ob ihnen gegenüber die Eintragung der neuen 
den übrigen Teil der Abmachungen, der allein Goldklauſel eine Erſchwerung der Belaſtung be: 
nachträgliche Genehmigung fand, gleichwohl ge- deutet. it die alte Goldklauſel auch materiell 
ſchloſſen fein ſoll, oder die Goldklauſel der An- gültig, ſo bedeutet ſie keine ſolche Erſchwerung, 
fechtung wegen Irrtums, Täuſchung, Drohung, wie die Ausführung oben unter C. 1. ergibt. 
unrichtiger Uebermittelung der Erklärung unter- Iſt ſie aber materiell ungültig (vgl. oben C. 2.), 
liegt. Die nicht vereinbarte oder erfolgreich an⸗ ſo bedeutet ſie in der Tat eine Erſchwerung der 
gefochtene Goldklauſel ift dann nichtig (BGB. Belaſtung. Denn die alte, materiell ungültige 
ss 142, 119, 120, 123). Nicht bloß der Eigen- Klauſel ift auch für die Zwiſchenberechtigten un⸗ 
tümer, der die Erklärung abgegeben, ſondern auch gültig, gegenüber denen ihre Eintragung formell 
jeder ſpätere Eigentümer und jeder nachſtehende wirkſam ift. Der öffentliche Glaube ſchützt den 
Berechtigte kann fih trotz der Eintragung ins Gläubiger der Hypothek mit der alten Goldklauſel 
Grundbuch auf den Mangel berufen, da der gegenüber den ſpäter Eingetragenen nicht, weil 
öffentliche Glaube des Grundbuchs wohl zugunſten der Buchinhalt, der zugunſten ſeines Rechtserwerbs 
desjenigen wirkt, der ein Recht an dem Grund- als richtig gilt, die erſt ſpäter eingetragenen Rechte 
ſtück durch Rechtsgeſchäft erwirbt, oder an den nicht umfaſſen, alſo auch eine durch die damals 
nach dem Grundbuch Berechtigten leiſtet (BGB. erſt einzutragende Goldklauſel eingeſchränkte Rechts⸗ 
§§ 892, 893), aber nicht zu ſeinem Nachteil. ſtellung dieſer Berechtigten nicht ausweiſen konnte. 
Der Hypothekgläubiger kann alſo ein Intereſſe Gegen dieſe Berechtigten kann der öffentliche 
an einer neuen, den Mangel vermeidenden Ver- Glaube auch nicht wirken. §8 891 BGB. be- 
einbarung und ihrer Eintragung haben. Ob der gründet nur eine Vermutung, die widerlegt werden 
Grundbuchbeamte wegen ſolcher Möglichkeiten eine | kann, keine Fiktion wie $ 892. Iſt die Anfech⸗ 
wiederholte Eintragung vornehmen will, ſteht in tung der materiellen Gültigkeit der Klauſel von 
ſeinem pflichtgemäßen Ermeſſen. So dringend Erfolg, ſo iſt eine gegenüber den ſpäter ein— 
ihm die äußerſte Strenge bei der Beurteilung getragenen Berechtigten wirkſame Klauſel nicht 
ſolcher Fälle zu empfehlen iſt, jo unangebracht | mehr vorhanden, die Eintragung einer neuerlichen 
wäre ſie bei der wiederholten Eintragung der Klauſel bedeutet alſo für ſie eine Erſchwerung der 
Goldklauſel, wenn fie durch eine wegen ſonſtiger [Belaſtung. Daß fie von dieſer Bedeutung mög— 
Bezeichnung der Forderung ohnehin angewendeten licherweiſe gar keine Ahnung haben, weil ſie von 
Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung er- einer Anfechtbarkeit der alten nichts wiſſen, hebt 
folgt. Eine Ueberfüllung des Grundbuchs tritt | diefe Bedeutung nicht auf. Nur wenn die neuer- 
hier nicht ein. Die ſtrenge Verwerfung einer lich beantragte Eintragung die ſeinerzeit verein⸗ 
wiederholten Eintragung würde hier einen aus— barte, nicht eine neuerlich vereinbarte Goldklauſel 
drücklichen, die Goldklauſel von der Verweiſung | zum Gegenſtand hat, fallen dieſe Gründe weg, iſt 


264 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


alſo eine Erſchwerung der Belaſtung nicht vor⸗ 
handen. Da nun der Grundbuchbeamte regel: 
mäßig nicht wiſſen kann, ob die alte eingetragene 
Goldklauſel auch materiell gültig iſt, ſo wird er 
die Zuſtimmung auch derjenigen ſpäter Einge⸗ 
tragenen verlangen, denen gegenüber die alte Ein⸗ 
tragung formell wirkſam iſt. Dem kann der die 
neue Eintragung bewilligende Eigentümer nur da⸗ 
durch entgehen, daß er gleichzeitig mit der Aus⸗ 
bedingung einer neuen Goldklauſel und unter der 
Bedingung der Eintragung der neuen Klauſel die 
alte aufhebt. Denn durch die Aufhebungserklärung 
erkennt der Eigentümer die Gültigkeit der alten 
Klauſel an (BB. 8 108 Abſ. 3, 88 114, 144), 
die ja ſonſt einer Aufhebung nicht bedürfte, es 
ſteht alſo feſt, daß die neue Klauſel nicht an 
Stelle einer früheren ungültigen tritt. Eine An⸗ 
erkennung der alten Klauſel ohne ihre gleichzeitige 
Aufhebung würde zwar auch feſtſtellen, daß eine 
Erſchwerung der Belaſtung durch die neue Klauſel 
nicht eintritt, jedoch den Grundbuchbeamten zur 
Ablehnung der in dieſem Fall überflüſſigen Ein⸗ 
tragung der neuen Klauſel veranlaſſen. Zur Auf⸗ 
hebung der alten Klauſel iſt die Bewilligung auch 
des Gläubigers erforderlich. Die Eintragung er: 
fordert keine Löſchung (BGB. $ 877, der den 
$ 875 nicht aufführt), ſondern kann zufammen 
mit der Eintragung der neuen Klauſel durch 
bloße Bezugnahme auf die neue Eintragungs⸗ 
bewilligung erfolgen. 

Mit der nachträglichen Eintragung der Gold— 
klauſel wird oft auch die Eintragung von 5% 
Verzugszinſen für Rückſtände an Annuitäten oder 
an Nebenleiſtungen beantragt, die in den öffent⸗ 
lich bekannt gemachten Satzungen einer Kredit: 
anſtalt bedungen find. Soweit die Annuitäten 
Kapitaltilgungsbeträge enthalten, fallen die Ber- 
zugszinſen daraus unter § 1119 Abſ. 1, im 
übrigen aber tft für die Eintragung ſolcher Ber- 
zugszinſen die Zuſtimmung der gleich- und nach— 
ſtehenden Berechtigten erforderlich, ohne die Zu— 
ſtimmung könnten ſie nur im Rang nach den 
bisher eingetragenen Berechtigten eingetragen werden. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Zur Auslegung des § 115 StpO. Die im 8 115 
StPO. vorgeſchriebene richterliche Anhörung eines 
Verhafteten über den Gegenſtand der Beſchuldigung 
iſt mit ſeiner Vernehmung im Sinne des 8 136 
StPO. dem Inhalte nach im weſentlichen gleich— 
bedeutend; das Wort „gehört“ ſtatt „vernommen“ 
wurde bei den Geſetzgebungsverhandlungen nur des— 
wegen gewählt, weil mehr Gewicht auf die alsbaldige 
als auf die erſchöpfende Vernehmung gelegt werden 
ſollte. Immerhin handelt es ſich aber bei dieſer 
Anhörung um eine Vernehmung des Verhafteten zur 
Sache mit dem Zwecke, ihm die Gelegenheit zur Be— 


ſeitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe, 
zur Geltendmachung der zu ſeinen Gunſten ſprechen⸗ 
den Tatſachen und damit zur Herbeiführung der als⸗ 
baldigen Aufhebung des Haftbefehles wegen Unzu⸗ 
länglichkeit des Verdachtes einer ſtrafbaren Handlung 
zu geben. Daraus ergibt ſich ohne weiteres, daß die ſe 
Anhörung nicht bloß die Erfüllung einer Förmlichkeit 
ſondern eine im Intereſſe des Verhafteten vorge⸗ 
ſchriebene Vernehmung zur Sache bilden ſoll, die ſo 
eingehend zu geſtalten iſt, als es nach dem Stande 
des Verfahrens möglich iſt, und daß ſie nur inſoferne 
eine vorläufige Vernehmung über den Gegenſtand der 
Beſchuldigung darſtellt, als ſie infolge der Einlieferung 
des Verhafteten in das Gefängnis auf einen früheren 
als den nach dem Stande des Verfahrens zweck⸗ 


mäßigen Zeitpunkt verlegt werden muß und als ihr 


nach Lage der Sache noch eine erſchöpfende Ver⸗ 
nehmung im Sinne des $ 136 StPO. im Laufe des 
Verfahrens zu folgen hat. Dieſer Zuſammenhang des 
8 115 loc. cit. mit der letzteren Geſetzesſtelle weiſt 
darauf hin, daß mit der Vorſchrift in $ 115 StPO. 
eine ausſchließlich für das Vorverfahren — Ermitt⸗ 
lungsverfahren und Vorunterſuchung — geltende An⸗ 
ordnung getroffen werden wollte. Daß dieſe Vor⸗ 
ſchrift nicht für alle Fälle der Einlieferung eines 
Verhafteten in das Gefängnis gilt, iſt in Literatur 
und Praxis inſoweit anerkannt, als kein Zweifel 
darüber beſteht, daß eine richterliche Anhörung des 
Verhafteten nach ſeiner Einlieferung in das Gefängnis 
nicht geboten iſt, wenn die Verhaftung im Vorver⸗ 
fahren im unmittelbaren Anſchluſſe an feine verant- 
wortliche Vernehmung oder in einer Hauptverhandlung, 
in welcher er anweſend war, oder nach der Erlaſſung 
des Urteils angeordnet und vollzogen wurde. In den 
übrigen im Laufe eines Strafverfahrens möglichen 
Fällen ſcheint die überwiegende Mehrheit der Theo⸗ 
retiker und Praktiker die Befolgung der Vorſchrift 
des § 115 StPO. für geboten zu halten. Soweit 
ſie dieſe Auffaſſung damit begründen wollen, daß der 
Wortlaut dieſer Vorſchrift keine Beſchränkung auf 
beſtimmte Anwendungsfälle enthält und daß ſie daher 
wahllos auf alle Fälle der Einlieferung eines Ver: 
hafteten in ein Gefängnis anzuwenden ſei, werden ſie 
durch die Tatſache widerlegt, daß die eben erwähnten 
Ausnahmefälle allgemein anerkannt ſind. Abgeſehen 
davon iſt auch nicht erſichtlich, warum die Beſtimmung 
in § 115 StPO. nur nach ihrem Wortlaute und 
nicht nach ihrem Sinne und Zwecke auszulegen ſein 
fol. Der neunte Abſchnitt der Reichsſtrafprozeß⸗ 
ordnung regelt die Unterſuchungshaft im allgemeinen, 
enthält aber dabei einzelne Beſtimmungen, welche 
offenſichtlich nur die vorläufige Feſtnahme und die 
Verhaftung im Vorverfahren betreffen; es beſteht 
daher begründeter Anlaß bei der Auslegung der ein- 
zelnen Vorſchriften dieſes Abſchnittes zu prüfen, ob 
ſie für alle Fälle oder nur für beſtimmte Fälle oder 
nur für einzelne Prozeßabſchnitte erlaſſen wurden. 
Außer dem Wortlaute und dem inneren Zuſammen⸗ 
hange mit den übrigen Geſetzesſtellen darf bei der 
Auslegung einer einzelnen Beſtimmung eines Geſetzes 
deren Zweck nicht unbeachtet bleiben, und zwar ing- 
beſondere dann nicht, wenn dieſe Beſtimmung die 
Vornahme einer Prozeßhandlung betrifft. Die Unter: 
ſtellung, daß in der Reichsſtrafprozeßordnung eine 
richterliche Handlung vorgeſchrieben werden ſollte, 
die unter allen Umſtänden zwecklos iſt, widerſpricht 
ſo ſehr dem Geiſte des Geſetzes und der Bedeutung, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


die ſonſt den richterlichen Handlungen beigelegt wird, 
daß unbedenklich das Gegenteil dieſer Unterſtellung 
als richtig angenommen werden kann. 

Die Durchführung dieſes Gedankens bei der Aus⸗ 
legung der Vorſchrift des 8 115 StPO. führt zu 
der Aufſtellung, daß fih diefe Vorſchrift nur auf die 
Fälle bezieht, in welchen ein Verhafteter im Laufe 
des Vorverfahrens in das Gefängnis eingeliefert wird. 

Die Zweckbeſtimmung des $ 115 loc. cit. trifft 
nämlich in den Fällen nicht mehr zu, in welchen die 
Verhaftung wegen der Tat erfolgt, wegen deren gegen 
den Verhafteten das Hauptverfahren ſchon eröffnet iſt. 

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens iſt das 
Vorverfahren abgeſchloſſen. Die Erhebungen, die in 
der Zwiſchenzeit noch ſtattfinden können, haben nicht 
mehr den Zweck, eine Nachprüfung der Schuld des 
Angeklagten vor der Hauptverhandlung zu ermöglichen, 
ſie dienen nur mehr der ſachgemäßen Durchführung 
der Hauptverhandlung ſelbſt. Für die Entſcheidung 
über Einwendungen des Angeklagten gegen die Schuld— 
frage ift im Rahmen des Strafprozeſſes vor der 
Hauptverhandlung kein Raum mehr. 

Wurde der Verhaftete ſchon im Vorverfahren 
gemäß § 136 loc. cit. verantwortlich vernommen oder 
wurde ihm gemäß 8 199 ibid. die Gelegenheit zur 
Geltendmachung ſeiner Einwendungen gegen die 
öffentliche Klage gegeben, ſo wird ſeine erneute An— 
hörung über den Gegenſtand der Anklage in der 
Regel nur zu einer Wiedererhebung desjenigen führen, 
was er ſchon angegeben hat und was bei der Ent- 
ſcheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens 
vom Gerichte ohnehin ſchon gewürdigt worden iſt. 

Wurde der Verhaftete im Vorverfahren nicht 
richterlich vernommen oder ſonſt erſchöpfend zur Sache 
gehört, ſo beſteht allerdings die Möglichkeit, daß er 
neue und für die Entſcheidung über die Schuldfrage er— 
bebliche Behauptungen vorbringt; allein den Erfolg 
einer Aufhebung des Verfahrens kann er damit nicht 
erreichen; ſeine Angaben können nur dazu führen, 
daß die erforderlichen Beweismittel zur Hauptver- 
handlung herbeigeſchafft werden. Eine Nachprüfung 
der Beweiswürdigung, die dem Eröffnungsbeſchluſſe 
zugrunde liegt, iſt dem Gerichte, welches den Er— 
öffnungsbeſchluß erlaſſen hat, vor der Hauptver- 
handlung nicht eingeräumt. Der Beſchluß, durch 
welchen das Hauptverfahren eröffnet worden iſt, kann 
vom Angeklagten auch nicht mit der Beſchwerde an— 
gefochten werden; es iſt alſo eine Nachprüfung der 
Erheblichkeit der vorliegenden Verdachtsgründe auch 
durch ein Gericht höherer Ordnung ausgeſchloſſen. 

Der verhaftete Angeklagte kann mit Erfolg zur 
Sache ſelbſt nur Angaben machen, welche die Herbei— 
ſchaffung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung 
bezwecken; derartige Anträge hat er gemäß 8 218 
StPO. an den Vorſitzenden des Gerichtes zu ſtellen; 
einer Anhörung des Angeklagten über den Gegen— 
ſtand der Anklage durch einen Richter bedarf es 
hierzu nicht. 

Der verhaftete Angeklagte kann ferner mit Erfolg 
Angaben machen, welche die Aufhebung des Haft— 
befehles bezwecken; als ſolche kommen aber nur die 
Beſtreitung der Identität mit der im Haftbeſehle 
bezeichneten Perſon und die Beſtreitung der Tat— 
ſachen in Betracht, welche zur Annahme des Flucht- 
verdachtes oder der Kolluſionsgefahr geführt haben. 
Dieſe Angaben bilden den Inhalt einer Bef dwe rd 
gegen den Haftbefehl. Eine richterliche Vernehmung 


265 


des Angeklagten zur Sache ift auch hierzu nicht ver- 
anlaßt. Die Beſtreitung der Täterſchaft aus Gründen, 
die mit der Beweiswürdigung zuſammenhängen, 
könnte vom Gerichte aus den oben angegebenen 
Gründen nicht berückſichtigt werden. Die Unanfecht⸗ 
barkeit der Beweiswürdigung, auf welcher der Er- 
öffnungsbeſchluß beruht, ſchließt ihre Anfechtbarkeit 
bei der Entſcheidung über die Haftfrage aus. 

Noch klarer tritt die Zweckloſigkeit einer Anhörung 
des Angeklagten im Sinne des 8 115 StPO. in den 
Fällen hervor, in welchen die Verhaftung nicht wegen 
Flucht⸗ oder Kolluſionsverdachtes, ſondern wegen 
unentſchuldigten Fernbleibens von der Hauptver— 
handlung erfolgt iſt. 

Die in den SS 229 und 230 StPO. vorge- 
ſehenen Maßregeln gegen den Angeklagten haben aus— 
ſchließlich den Zweck, die Durchführung der Haupt- 
verhandlung zu ermöglichen; ſie ſind ohne Rückſicht 
darauf zu erlaſſen, ob die Vorausſetzungen einer Ver— 
haftung nach 88 112 und 113 loc. cit. vorliegen und 
ob der Angeklagte vorausſichtlich verurteilt werden 
wird oder nicht. Welcher Zweck in ſolchen Fällen 
durch das Gebot einer alsbaldigen Anhörung des An— 
geklagten über den Gegenſtand der Anklage erreicht 
werden ſoll, iſt unerfindlich. Die Angaben, die der 
Angeklagte bei ſeiner Vernehmung mit Erfolg vor— 
bringen könnte, würden ſich nur auf das Vorbringen 
von Entſchuldigungsgründen für ſein Fernbleiben von 
der Hauptverhandlung und allenfalls noch auf die 
Beſtreitung ſeiner Identität mit der im Haftbefehle 
bezeichneten Perſon oder auf die Herbeiſchaffung von 
Beweismitteln zur Hauptverhandlung beziehen können. 
Dazu bedarf es aber einer richterlichen Vernehmung 
zur Sache nicht. 

Dieſe Geſichtspunkte waren es hauptſächlich, die 
das Kgl. Oberlandesgericht München im Falle einer 
Verhaftung auf Grund des § 229 StPO. zu der 
Entſcheidung führten, daß auf ſolche Fälle die Vor— 
ſchrift in 8S 115 StPO. keine Anwendung zu finden 
habe. Beſchl. vom 17. April 1880, BlfRA., 
Bd. 46 S. 85. — Dieſe oberſtrichterliche Enſcheidung 
iſt allerdings in den Kommentaren zur StPO. mit 
Stillſchweigen übergangen worden und ſcheint auch in 
der Rechtsanwendung in Vergeſſenheit geraten zu 
ſein; allein mit Unrecht; der ſie leitende Gedanke iſt 
vielmehr ſo ſelbſtverſtändlich, daß man ſich wundern 
muß, daß er bisher noch nicht allgemeine Anerkennung 
gefunden und in feiner logiſchen Weiterentwicklung 
zur Einſchränkung des Anwendungsgebietes des 8 115 
St BO. auf das Vorverfahren geführt hat. 

Rechte des Angeklagten werden nach Abſchluß 
des Vorverfahrens durch die Unterlaſſung ſeiner richter— 
lichen Anhörung über den Gegenſtand der Anklage 
nicht beeinträchtigt. Der Haftbefehl iſt ihm bei der 
Verhaftung, ſpäteſtens aber am Tage nach ſeiner Ein— 
lieferung in das Gefängnis nach Vorſchrift des 8 35 
StPO. bekaunt zu geben, wobei er über das ihm 
zuſtehende Beſchwerderecht zu belehren iſt. Dieſe 
Tätigkeit liegt dem Gerichtsſchreiber ob, der dabei auch 
etwaige Anträge und Beſchwerden des Angeklagten 
zu Protokoll zu nehmen hat. Daß dem Angeklagten 
neben den in 8114 StPO. vorgeſchriebenen Bekannt- 
machungen innerhalb der gleichen Friſt auch noch eine 
Gelegenheit zu einer zweckloſen Verantwortung über 
den Gegenſtand der Anklage aufgedrängt werde, iſt 
durch nichts veranlaßt. Der Angeklagte weiß aus 
dem Inhalte der Anklageſchrift und des Eröffnungs- 


266 


beſchluſſes, wegen welcher Straftaten er ſich in der 
Hauptverhandlung zu verantworten hat; hat er vor 
der Hauptverhandlung noch den Wunſch, von einem 
Richter zur Sache vernommen zu werden, ſo ſteht es 
ihm frei, ein Verhör zu erbitten; die Anordnung der 
erbetenen Vernehmung ſteht dem Gerichte zu — in 
Strafkammerſachen nicht gemäß 8 124 StPO. dem 
Vorſitzenden —; die Vernehmung ſelbſt wird ſo ſach⸗ 
dienlicher und würdiger durchgeführt werden können, 
als wenn der Richter an die Friſtbeſtimmung in 
8 115 StPO. gebunden und dadurch unter Umſtänden 
zu einer Uebereilung in der Vorbereitung des Ver⸗ 
höres gezwungen iſt. 
Landgerichtsrat Schmid in München. 


Noch einmal der „Arbeiter“ im Sinne des Ge⸗ 
werbennfallverſicherungsgeſetzes. Die Bemängelungen 
meiner Ausführungen in Heft 7 S. 142 dieſer Zeit⸗ 
ſchrift durch Dr. Michel (Heft 10 S. 202) haben mich 
leider nicht bekehrt, zwingen mich vielmehr, noch ein— 
mal das Wort zu ergreifen. 

Zur Frage der Entlohnung meint Dr. Michel, 
meine einſchlägigen Ausführungen könnten füglich als 
belanglos übergangen werden, da ja nach den Unfall- 
verſicherungsgeſetzen die Lohnzahlung bekanntlich keine 
Bedingung der Verſicherung iſt. Im letzteren Punkte 
ſtimme ich, wie ja auch aus meinem vorigen Aufſatze 
erſichtlich iſt, mit Dr. Michel vollſtändig überein, nicht 
aber im erſten, denn hierbei überſieht Dr. Michel, daß 
nicht ich, ſondern er ſelbſt in dem Aufſatze S. 84 die 
Frage der Entlohnung hereingezogen und für den vor- 
liegenden Fall bejaht hat, denn er ſchreibt dortſelbſt wort- 
wörtlich: „Die Entſchädigung des Klägers für ſeine Ar— 
beit kam ohne Zweifel im Preis für das Holzſägen zum 
Ausdruck, der ſich höher berechnen müßte, wenn der 
Kläger hierbei nicht behilflich wäre“. Er hat alſo für den 
Fall des Oberlandesgerichtes Zweibrücken die Be- 
hauptung aufgeſtellt, daß der Kläger für ſeine Arbeit 
eine Entlohnung erhalten habe, was ich dann, weil 
nicht richtig, widerlegen mußte, denn die Frage der 
Entlohnung iſt gerade für den gegenwärtigen Fall 
von großer Wichtigkeit. Zwar iſt ja die Entlohnung 
keine abſolute Bedingung für die Begründung eines 
Arbeitsverhältniſſes, aber andererſeits liegt ein Arbeits— 
verhältnis faſt ſtets vor, wenn tatſächlich eine Entloh— 
nung ſtattfindet. Es handelt ſich gegenwärtig auch nicht 
um eine allgemeine Definition des „Arbeiters“ 
im Sinne des Gew G., ſondern darum, ob in dem 
konkreten Falle des Oberlandesgerichtes Zweibrücken 
der Kläger als ſolcher „Arbeiter“ zu erachten iſt oder 
nicht. Würde man annehmen, wie Dr. Michel in 
ſeiner Abhandlung ausdrücklich feſtſtellte, daß eine 
Entlohnung des Klägers tatſächlich erfolgt ſei, ſo 
wären die ſonſtigen beiderſeitigen Ausführungen völlig 
überflüſſig, denn zweifellos hätte er ſich durch die 
Entlohnung in ein perſönliches Abhängigkeitsverhältnis 
zum Beklagten begeben derart, daß er als deſſen Ar— 
beiter gelten mußte. 

Hat nun aber eine Entlohnung nicht ſtattgefunden, 
ſo folgt allerdings daraus nicht ohne weiteres, daß 
ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden wäre. 
Ich habe nun auf Seite 142 im Anſchluß an eine 
ziemlich neue Entſcheidung des Reichsgerichtes (vgl. 
Bl. f. RA. Bd. 73 S. 138) gegenüber der Anſchauung 
Dr. Michels geltend gemacht, es komme für die Be— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


gründung eines Arbeitsverhältniſſes in erſter Linie 
auf das perſönliche Abhängigkeitsver⸗ 
hältnis zu dem Betriebsunternehmer an und für 
dieſes ſei es nicht nur erheblich, ob die Hilfsperſon 
in der einzelnen Arbeit von Anweiſungen des letzteren 
abhängig ſei, ſondern vornehmlich ob ſie nach ihrer 
ſozialen Stellung ſich einem Arbeitsherrn hat unter: 
ordnen, ihre Selbſtändigkeit hat aufgeben, ihre Arbeits⸗ 
kraft dieſem zur Verwertung in ſeinem Gewerbebetriebe 
hat zur Verfügung ſtellen wollen. 

Hierzu meint Dr. Michel, eine derartige enge Be⸗ 
griffsentwicklung finde weder im Geſetze, noch in der 
Rechtſprechung des Reichs- oder Landesverſicherungs⸗ 
amtes irgend welche Unterlage. 

Es hat nun in erſter Linie das Reichsverſicherungs⸗ 
amt wiederholt ausgeſprochen, daß für den Begriff 
des „Arbeiters“ ſtets ein perſönliches Abhängigkeits⸗ 
verhältnis vorhanden ſein muß. So hat es insbeſondere 
ausgeführt (vgl. Amtl. Nachr. d. Reichsverſichungs⸗ 
amtes 1897 S. 262 Nr. 1577): „Man mag den Be⸗ 
griff des Arbeiters auch noch ſo weit faſſen, ſo iſt doch 
zu feiner Erfüllung ein gewiſſes perſönliches Ab- 
hängigkeitsverhältnis zwiſchen dem Arbeit⸗ 
nehmer und dem Arbeitgeber bezw. dem Betriebs⸗ 
unternehmer ein regelmäßiges Erfordernis. Daß die 
Tätigkeit beſtimmter Perſonen den Intereſſen eines 
Betriebes mehr oder weniger entfernt dient, genügt 
nicht allein und ohne weiteres, um dieſe Perſonen als 
in dem Betriebe beſchäftigte Perſonen anzuerkennen“. 

Dann: „Wie das Reichsverſicherungsamt in ſeiner 
Rechtſprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, 
genügt (für die Annahme eines Dienſtverhältniſſes) 
ſchon die Beſchäftigung eines Arbeiters für die Zwecke 
des Betriebes in einem gewiſſen den Begriff des 
Arbeiters kennzeichnenden perſönlichen 
Abhängigkeitsverhältnis zum Betriebsunter⸗ 
nehmer, geht auch zur Genüge her⸗ 
vor, daß die „Kugelſucher“ in einem derartigen Maße 
perſönlich abhängig von der Verwaltung Sind, 
daß ihre Eigenſchaft als Arbeiter der Verwaltung 
nicht zweifelhaft ſein kann.“ (Amtl. Nachr. d. Reichs⸗ 
verſicherungsamtes 1897 S. 346 Nr. 1622). Bei einem 
Kellner iſt ausgeführt: „Er hat den Anweiſungen 
ſeines jeweiligen Arbeitgebers zu folgen und tritt 
dadurch zu dieſem in ein perſönliches Abhängig: 
keitsverhältnis“ (Amtl. Nachr. 1903 S. 360 
Nr. 1034) und bei einem Korbmacher, der zugleich 
Lohndiener war, iſt bemerkt: „Während er als Lohn— 
diener ein felbſtändiger Unternehmer iſt, wobei er 
ſeine Arbeitskraft dem Publikum im allgemeinen, 
ohne zu dem einzelnen Auftraggeber 
in ein perſönliches Abhängigkeitsver⸗ 
hältnis zutreten, zur Verfügung ſtellt“(ibidem); 
endlich: „in dieſer Zeit .. . . hat ein Verhältnis per⸗ 
ſönlicher Abhängigkeit zwiſchen W. einerſeits 
und . . . andererſeits nicht beſtanden und es kann 
daher dem Stadtmagiſtrat in P. nur beigetreten 
werden, daß W.. ſelbſtändiger Unternehmer ge— 
weſen iſt“. (Amtl. Nachr. 1903 S. 361 Nr. 1035). 

Steht nun auf Grund übereinſtimmender Recht— 
ſprechung des Reichsgerichtes und des Reichsverſiche⸗ 
rungsamtes feſt, daß zur Erfüllung des Begriffes 
„Arbeiter“ ein gewiſſes perſönliches Abhängig: 
keitsverhältnis zwiſchen dem Arbeitnehmer und 
Arbeitgeber beſtehen muß, fo ergibt ſich aus dem Be 
griffe „perſönliches Abhängigkeitsverhältnis“ doch 
von ſelbſt, daß die Hilfsperſon von den Anweiſungen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


267 


des Arbeitgebers abhängig ſein muß, daß ſie ſich einem 
Arbeitsherrn unterordnen will und auch ihre Selbſt⸗ 
ſtändigkeit aufgeben will (alles ſelbſtverſtändlich nur 
auf die Dauer des Arbeitsoerhältniſſes), denn worin 
ſollte denn ſonſt das perſönliche Abhängig⸗ 
keits verhältnis beſtehen? Es muß doch in 
irgend einer Form in die äußere Erſcheinung 
treten. Der von Dr. Michel angeführte Fall des Land⸗ 
mannes, der einem Knechte beim Aufladen des Baumes 
behilflich war, beweiſt meiner Anſicht nach durchaus nicht 
das Gegenteil. Denn es iſt doch nicht ausgeſchloſſen, 
daß ſich der Landwirt bei der ja überaus gefährlichen 
Arbeit (lauf die Dauer des übernommenen 


Helfens) unter Aufgabe feiner Selbſtändigkeit auf 


dieſe Dauer dem Knechte unterordnen und insbeſondere 
von den Anweiſungen des Knechtes (der als Stell: 
vertreter ſeines Dienſtherrn handelte) auf die Dauer 
der Aushilfe abhängig ſein wollte. Wollte er dies 


nicht, ſo hatte unter Umſtänden ſeine Aushilfe über⸗ 


haupt keinen Wert. Das Gleiche muß gelten von 
dem anderen Beiſpiele des Fabrikkutſchers. Auch hier 
iſt nicht ausgeſchloſſen, daß er ſich den Anordnungen 
des Bauernſohnes unterordnen wollte — es wäre ja 
denkbar geweſen, daß eine ganz ſpezielle Anordnung 


notwendig geweſen wäre — und für die Dauer der 


Aushilfe auf ſeine Selbſtändigkeit verzichten wollte. 
Selbſt wenn er an Erfahrung dem Bauernſohne über— 
legen geweſen wäre, ſo ändert dies an der Sache nichts, 
denn es konnten allerlei Anweiſungen anderer Art 
notwendig ſein, z. B. das Fuhrwerk konnte einen 
kleinen Defekt haben, ein Pferd konnte biſſig oder ein 
Schläger ſein uſw. Jedenfalls iſt die Möglichkeit nicht 
ausgeſchloſſen, daß auch das Landesverſicherungsamt 
diefe Begriffsmerkmale, wie fie das Reichsgericht vers 
langt hat, für gegeben erachtet hat, zumal ja die 
Tätigkeit der beiden Hilfsperſonen einzig und allein 
im Intereſſe des anderen Teiles erfolgte. 
Es wird ja ſtets quaestio facti fein, ob dieje Begriffs- 
merkmale gegeben ſind oder nicht. Wollte man aber 
ſelbſt ſich auf den Standpunkt ſtellen, daß das 


Landesverſicherungsamt all dieſe Momente für nicht 


gegeben erachtet hätte, dann würde es ſich zweifellos 
mit der Rechtſprechung des Reichsverſicherungsamtes 
und Reichsgerichtes im Widerſpruch befinden. Denn 


worin ſonſt in den beiden Beiſpielen das per ſön⸗ 


liche Abhängigkeitsverhältnis gefunden werden 
ſollte, das, wie erwähnt, nach der Rechtſprechung 
auch des Reichsverſicherungsamtes erforderlich iſt, 
it nicht erſichtlich. Daß im Falle des Oberlandes— 
gerichtes Zweibrücken der Kläger in keinerlei perſön— 
liches Abhängigkeitsverhältnis zum Beklagten treten 
wollte und getreten iſt, habe ich auf Seite 143 aus⸗ 
geführt und möchte nur noch anfügen, daß der Kläger 
dieſe Arbeiten einzig und allein in feinem Intereſſe 
leiſtete, da er bei der raſcheren Erledigung des Sägens 
früher wieder nach Hauſe fahren konnte. (Vgl. auch 
noch das Beiſpiel der obenzitierten Entſcheidung d. RG.). 


Landgerichtsrat Hagen in Frankenthal. 


Kann 8 113 StGB. mit 8 210 StGB. rechtlich 
konkurrieren? Ein Gerichtsvollzieher wurde von dem 
Schuldner während der Pfändung in ein Zimmer ein— 
geſperrt. Vor der Türe ſchrie der Schuldner, daß er 
den Gerichtsvollzieher nicht eher herauslaſſe, bis dieſer 
von der Pfändung abſtehe. Der Staatsanwalt erhob 


Anklage wegen eines Vergehens der Freiheitsberaubung, 
8239 StGB., rechtlich zuſammentreffend mit einem 
Vergehen des Widerſtands gegen die Staatsgewalt, 
8 113 StGB. a. a. O., und mit einem Vergehen des 
Nötigungsverſuchs nach 88 240 und 43 a. a. O. Die 
rechtliche Qualifikation iſt nicht einwandfrei. Behufs 
richtiger Subſumierung des Tatbeſtandes unter die 
einſchlägigen Geſetzesſtellen muß feſtgeſtellt werden: 
das Verhältnis von § 113 zu 8 114, das von 8 114 
zu § 240 und endlich das von § 113 zu § 240 a. a. O. 


Das Reichsgericht hat ſich mit dieſer Frage befaßt und 


ausgeſprochen, daß 8 240 durch 5 114 und letzterer 
beim Vollſtreckungsbeamten während der Vollſtreckung 
durch 8 113 und ſomit 8 240 auch durch $ 113 aus- 
geſchloſſen ſei. (RGE. Bd. 31 S. 3 und die dort 
angeführten Entſcheidungen). Ein rechtliches Bu- 
ſammentreffen von § 113 mit 8 240 StGB. gibt es 
nicht. Dagegen kann in dem Einſperren eine Gewalt 
im Sinne des $ 113 StGB. gefunden werden 
(RGE. Bd. 31 S. 405). Die Tat des Angeklagten 
bildet deshalb ein Vergehen der Freiheitsberaubung, 
rechtlich zuſammentreffend mit einem Vergehen des 
Widerſtandes gegen die Staatsgewalt (83 239, 113 
und 73 StGB.). 


Landgerichtsrat Stummer in München. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Wirkung des Zuſchlags in Anſehung der Beſtand⸗ 
teile und des Zubehörs. Feſtſetzung eines Wegnahme⸗ 
rechts im Beſchluſſe über den Zuſchlag. ae dees des 
Beſchluſſes. Berückſichtigung der Vorgänge des Ber: 
ſteigerungstermins bei der Auslegung. Rechtliche Natur 
des Zuſchlags.!) Eine Rechtsvorgängerin der Klägerin 
hat für die Ziegelei der Frau D. eine Lokomobile mit 
Zubehörſtücken mietweiſe, unter Vorbehalt ihres Eigen- 
tumsrechts, geliefert. Die Ziegelei kam im April 1905 
zur Zwangsverſteigerung. Die Klägerin beantragte 
auf Grund des Eigentumsvorbehalts, die Lokomobile 
mit Zubehör von der Verſteigerung auszuſchließen, 
und erwirkte einen dahingehenden Beſchluß; demgemäß 
wurde im Verſteigerungstermin zu den Verſteigerungs— 
bedingungen der Beſchluß des Vollſtreckungsgerichts 
verkündet, daß dieſe Gegenſtände von der Verſteigerung 
ausgeſchloſſen würden. Der Bäcker H. erhielt den 
Zuſchlag; der Zuſchlagsbeſchluß vom 12. Juli 1905 
enthält u. a. den Vordruck, daß dies auf Grund der 
Ergebniſſe des Verſteigerungstermins unter den ſon⸗ 
ſtigen geſetzlichen Verſteigerungsbedingungen geſchehe; 
von der Lokomobile wird darin nichts erwähnt. H. 
konnte nicht zahlen und im September 1905 wurde 
gegen ihn wiederum die Zwangsverſteigerung einge— 
leitet (SS 132, 133 Zw G.). In der Bekanntmachung 
des Verſteigerungstermins und ebenſo in der nach 
einſtweiliger Einſtellung des Verfahrens erlaſſenen 
neuen Terminsbeſtimmung findet ſich bemerkt, daß 
von dem Zubehör u. a. die Lokomobile nicht mitver- 
ſteigert werde. In dem Protokoll über den Ber 
ſteigerungstermin vom 1. Februar 1906 heißt es: Nach 
Bekanntmachung der das Grundſtück betreffenden Nach— 


1) Anm. des Herausgebers. Wir machen die Notare und 
die Vollſtreckungsrichter auf dieſe ſehr wichtige Entſcheidung ganz 
beſonders aufmerkſam. 


268 


— — 


weiſungen werde weiter bekannt gemacht ꝛc., und ferner 
bei den Verſteigerungsbedingungen: Die Verſteige— 
rungsbedingungen ſeien die geſetzlichen. In dieſem 
Verfahren war der Beklagte Meiſtbietender und erhielt 
den Zuſchlag; der Zuſchlagsbeſchluß vom 1. Februar 
1906 enthält wieder die gleichen Vordrucke wie der 
vom 12. Juli 1905, ohne die Lokomobile zu erwähnen. 

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur 
Herausgabe der Lokomobile nebſt Zubehör oder zur 
Zahlung von 8000 M zu verurteilen. In der Berufungs- 
inſtanz hat ſie in erſter Linie den Antrag geſtellt, den 
Beklagten zur Herausgabe der ſtreitigen Gegenſtände an 
einen gerichtlich zu beſtellenden Sequeſter als Vertreter 
der Intereſſenten zu verurteilen. Die Klage wird 
darauf geſtützt, daß die Maſchine von der Verſteigerung, 
auch von der zweiten Verſteigerung, durch ausdrückliche 
Erklärung des Vollſtreckungsrichters ohne Widerſpruch 
ausgenommen worden und darum nicht Eigentum des 
Beklagten durch Zuſchlag geworden ſei, wie er auch 
ſelbſt brieflich anerkannt habe. Die Klägerin hält 
daher den Beklagten zur Herausgabe oder, wenn die 
Maſchine weſentlicher Beſtandteil des Grundſtücks ge- 
worden ſein ſollte, zur Duldung ihrer Wegnahme 
gemäß § 951 Abſ. 2 BGB. für verpflichtet, ſchlimmſten⸗ 
falls zur Herausgabe der ungerechtfertigten Bereiche— 
rung um den Wert (8000 M) der ohne Gegenwert 
erlangten Maſchine (8 951 Abſ. 1 BGB.). In erſter 
Inſtanz wurde die Klage abgewieſen, in der Berufungs— 
inſtanz dagegen unter Zurückweiſung der Beklagte 
verurteilt, zu geſtatten, daß ein vom Amtsgericht zu 
beſtellender Verwahrer die Lokomobile nebſt Zubehör 
für die Klägerin, den Bäcker H. und die in der zweiten 
Zwangsverſteigerung unbefriedigt gebliebenen Hypo— 
thekengläubiger wegnehme. Im übrigen iſt die Klage 
abgewieſen worden. Die Reviſion des Beklagten hatte 
Erfolg. 

Gründe: 1. Darin iſt dem OLG. beizutreten, 
daß die Klägerin ſich auf ein ſelbſtändiges Recht zur 
Wegnahme der Lokomobile auf Grund des § 951 
Abſ. 2 BGB. nicht ſtützen kann, wenn die Maſchine 
durch Zuſchlag in der Zwangsverſteigerung freies 
Eigentum des Beklagten geworden ſein ſollte, weil es 
dadurch untergegangen ſein würde. Bei gleicher 
Vorausſetzung läßt ſich auch kein Bereicherungsanſpruch 
gegen den Beklagten aus 8 951 Abſ. 1 BGB. bez 
gründen, weil der Beklagte dann die Bereicherung 
nicht durch die Verbindung der Maſchine mit dem 
Grundſtück, ſondern durch den Zuſchlag, alfo nicht 
ohne rechtlichen Grund, erhalten hätte. Die Ent— 
ſcheidung hängt ſomit zunächſt davon ab, ob das 
Eigentum an der Lokomobile durch den Zuſchlag be⸗ 
dingungslos oder ob es, wie der Berufungsrichter 
angenommen hat, belaſtet mit der Verpflichtung zur 
Duldung ihrer Wegnahme auf den Beklagten über— 
gegangen iſt. Während der Vollſtreckungsrichter die 
Lokomobile als Zubehör des Ziegeleigrundſtücks an— 
geſehen hatte, nehmen beide Vorderrichter an, daß ſie 
durch die Art und den Zweck ihrer Verbindung mit 
dem Grundſtück rechtlich zu einem weſentlichen Beſtand— 
teil geworden ſei. Dieſe Auffaſſung iſt richtig; übrigens 
kommt es darauf nicht weſentlich an, da nach SS 55 
Abſ. 2 und 90 Abſ. 2 ZwVG. auch das Zubehör von 
der Verſteigerung und dem Zuſchlage des Grundſtücks 
ergriffen wird. 

2. a) Das OLG. erkennt an, daß dem Beklagten 
die Lokomobile mit dem Grundſtück zugeſchlagen worden 
und er demnach, da der Zuſchlagsbeſchluß die Rechts— 
kraft beſchritten hat, deren Eigentümer geworden iſt. 
Hiergegen laſſen ſich auch keine Bedenken erheben. 
Allein nun ſtellt es weiter feſt, daß der Vollſtreckungs— 
richter im Verſteigerungstermin bekannt gegeben habe, 
die Maſchine ſolle nicht mitverſteigert werden, daß 
dies auch die Beteiligten, darunter der Beklagte, ge— 
hört hätten, die demnach ihre Gebote nach ſolchem 
Ausgebote hätten einrichten müſſen, und daß der Richter 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. ; 


Rr. 13. 


dann den Zuſchlag in dem Sinne erteilt habe, daß 
die Maſchine nicht mit zugeſchlagen ſein ſollte. Er 
erwägt dann: Wenn auch die Annahme des Richters, 
daß die Maſchine überhaupt nicht mit ausgeboten 
worden ſei, auf einem Irrtum beruht habe, ſo ſei doch 
aus dieſen Vorgängen ſein Wille deutlich zu erkennen, 
daß der Erſteher die Maſchine nicht behalten ſolle. 
ſondern fie — nicht gerade zugunſten der Klägerin, 
aber doch zugunſten aller daran beteiligten Perſonen 
— wieder wegnehmen laffen müſſe. Freilich habe die 
Gültigkeit einer ſolchen Verſteigerungsmaßnahme zur 
weiteren Vorausſetzung, daß ſie in dem Zuſchlags⸗ 
beſchluſſe zum Ausdruck gekommen ſei, dies ſei aber 
auch geſchehen. Der Zuſchlagsbeſchluß ſelbſt, der das 
zugeſchlagene Grundſtück nicht weiter als unter Bezug— 
nahme auf das Grundbuch bezeichne, laſſe allerdings 
Zweifeln Raum darüber, was vom Richter unter dem 
zugeſchlagenen Grundſtück verſtanden worden ſei, der 
Beſchluß bedürfe alſo nach dieſer Richtung der Aus⸗ 
legung, aber dafür ſtänden alle Erkenntnisquellen zu 
Gebot, auch die Verſteigerungsverhandlungen, und 
dieſe ſchlöſſen jeden Zweifel daran aus, daß dem Er— 
ſteher die Verpflichtung zur Duldung der Wegnahme 
auferlegt worden ſei und daß auch der Beklagte ſelbſt 
den Zuſchlag nur in dieſem Sinn verſtanden habe. — 
Dies zur Geltung zu bringen, hält das OLG. auch 
die Klägerin für berechtigt, weil die Maßnahme auch 
in ihrem Intereſſe getroffen ſei; daher verurteilt es 
den Beklagten die Wegnahme der Maſchine nebſt 
Zubehör durch einen gerichtlich zu ernennenden Ver— 
wahrer zugunſten der Klägerin, des früheren Eigen- 
tümers H. und der in der letzten Zwangsverſteigerung 
unbefriedigt gebliebenen Hypothekengläubiger zu dulden. 

b) Nun mag zuzugeben ſein, daß im Verſteigerungs⸗ 
verfahren von allen Beteiligten angenommen worden 
iſt, die Lokomobile werde nicht mitverſteigert, und 
daß der Beklagte einen unbeabſichtigten Vorteil er— 
langt, wenn er die Lokomobile behält, die er nicht 
mitbezahlt hat. Der hieraus erklärliche Verſuch des 
OL G., dieſes unerwünſchte Ergebnis zu verhindern, 
iſt jedoch nicht rechtlich ausführbar. Es kann dahin— 
geſtellt bleiben, ob nicht ſchon der Umſtand entgegen: 
ſteht, daß das Grundſtück bereits in der erſten Zwangs⸗ 
verſteigerung einen neuen Eigentümer erhalten hatte, 
und nicht feſtgeſtellt worden iſt, welchen Einfluß dies 
auf die Rechtsverhältniſſe an der Maſchine gehabt 
hat. Anderſeits kann der Einwurf der Reviſion nicht 
für begründet erachtet werden, daß ein Zuſchlag mit 
der vom OLG. angenommenen Auflage unvereinbar 
ſei mit der jetzigen Natur des Zuſchlags als einer 
ſtaatlichen Verleihung des Eigentums; denn wenn 
der Zuſchlag mit der in Frage ſtehenden Auflage er— 
teilt worden wäre, dann ſtände dieſe jedenfalls rechts- 
kräftig feft, da gegen den Zuſchlagsbeſchluß keine Be- 
ſchwerde eingelegt worden iſt. Aber ſcheitern muß 
die Entſcheidung des Berufungsgerichts an der aus— 
drücklichen Vorſchrift in § 82 ZwVG., die vom Voll- 
ſtreckungsrichter nicht beobachtet worden iſt: daß in 
dem Zuſchlagsbeſchluß u. a. das Grundſtück und die 
Verſteigerungsbedingungen bezeichnet werden müſſen. 

c) Der Zuſchlagsbeſchluß vom 1. Februar 1906 
lautet dahin, daß dem Beklagten das Grundſtück B. 
Bl. 55 auf Grund der Ergebniſſe des Ver⸗ 
ſteigerungstermins zugeſchlagen werde 1. um 
den Betrag von 65010 M, 2. unter Fortdauer der 
bei Feſtſtellung des geringſten Gebots berückſichtigten 
Rechte, ſowie 3. unter den ſonſtigen geſetz⸗ 
lichen Verſteigerungs bedingungen. Die 
hier geſperrten Worte ſind in der UÜrſchrift des auf 
einem Formular angefertigten Zuſchlagsbeſchluſſes 
vorgedruckt; unter 3. find die noch ferner vorgedruckten 
Worte „jedoch mit folgenden Aenderungen dieſer Be— 
dingungen“ ausgeſtrichen. Wenn nun auch davon 
ausgegangen wird, daß dem Reviſionsrichter hinſicht— 
lich der Auslegung eines Zuſchlagsbeſchluſſes nich: 


S een en. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bay in Bayern. 1908. Nr. 13. 


269 


die gleiche freie Nachprüfung zuſteht, wie bei gericht⸗ 
lichen Erkenntniſſen in ſtreitigen Rechtsſachen, ſo kann 
es doch ſchon zweifelhaft ſein, ob das OLG. bei ſeinen 
Ausführungen noch auf dem Gebiet der Auslegung 
geblieben iſt, oder nicht vielmehr zu einer unzuläſſigen 
Ergänzung des vermeintlich lückenhaften Zuſchlags— 
beſchluſſes aus den vorangegangenen Verhandlungen 
übergegangen iſt. Aber auch wenn die Ausführungen 
des OLG. noch als Auslegung aufgefaßt werden, ſind 
ſie als ſolche unzuläſſig, weil ſie gegen den klaren 
Inhalt des Zuſchlagsbeſchluſſes verſtoßen und oben⸗ 
drein dem Verſteigerungsrichter eine Abſicht unter⸗ 
legen, die mit der ausdrücklichen Vorſchrift in 8 82 
Zw. in Widerſpruch ſtehen würde. Davon, daß 
die Lokomobile nicht mit zugeſchlagen oder nur mit 
der Auflage einer Duldung ihrer ſpäteren Wegnahme 
zugeſchlagen ſein ſolle, enthält der Zuſchlagsbeſchluß 
erſichtlich gar nichts. Das Grundſtück ift vielmehr 
nur unter den geſetzlichen Verſteigerungsbedingungen 
zugeſchlagen und dieſe umfaſſen den Zuſchlag der 
Lokomobile mit, ſei es als Beſtandteil, ſei es als Zu⸗ 
behör des Grundſtücks. Der im Vordruck des For⸗ 
mulars vorgeſehene Hinweis auf abweichende Be— 
dingungen iſt ſogar ausgeſtrichen. Und ſollte etwa 
nach Anſicht des Berufungsgerichts in den gleichfalls 
vorgedruckten Worten des Formulars, daß der Zu: 
ſchlag erfolge auf Grund der Ergebniſſe des Ver— 
ſteigerungstermins, eine Verweiſung auf den im Ber- 
ſteigerungstermin erklärten Ausſchluß der Lokomobile 
gefunden werden können — während dieſe Worte nichts 
weiter enthalten als einen Hinweis auf das Ver⸗ 
ſteigerungsergebnis — ſo müßte eine ſolche Möglich— 
keit jedenfalls an der Erwägung ſcheitern, daß dann 
bei allen nach dieſem Formular erteilten Zuſchlags⸗ 
beſchlüſſen ein Zurückgehen auf die Verhandlungen im 
Verſteigerungstermin zugelaſſen werden müßte, womit 
dem Zuſchlagsbeſchluß ſelbſt fo gut wie jede Bedeu⸗ 
tung genommen wäre. Nun iſt aber die Vorſchrift 
des § 82, daß der Zuſchlagsbeſchluß die Verſteigerungs⸗ 
bedingungen angeben muß, eine notwendige Folge 
der Bedeutung des Zuſchlages nach Heus 
tig em Recht als einer ſtaatlichen Verleihung 
des Eigentums, die für ſich allein maßgebend iſt 
für den Umfang und für die ſämtlichen Beziehungen 
dieſer Verleihung. Aus dem Zuſchlagsbeſchluß ſelbſt 
müſſen darum für alle Beteiligten auch die Be— 
dingungen erkennbar ſein, unter denen die Eigentums— 
verleihung erfolgt. Wäre es zuläſſig, etwaige an— 
gebliche Lücken des Beſchluſſes durch ein Zurückgehen 
auf vorangegangene Verhandlungen zu ergänzen oder 
im Wege der Auslegung auszufüllen, ſo wäre völlig 
ins ungewiſſe geſtellt, ob überhaupt und in welchem 
Umfange durch den Zuſchlag Eigentum begründet 
worden ſei. Gleichzeitig würden diejenigen Ver— 
ſteigerungsintereſſenten, die im Vertrauen auf den 
Inhalt des Zuſchlagsbeſchluſſes deſſen rechtzeitige An— 
fechtung unterlaſſen haben, in unzuläſſiger Weiſe in 
ihren Rechten verkürzt, falls hinterher dem Beſchluß 
ein ihnen nachteiliger Inhalt untergelegt werden 
dürfte. (Urt. des V. 85. vom 9. Mai 1908, V 488 07). 

1311 


——— n. 


II. 


Auch eine nur „proviforifhe” und „formelle“ Zeich⸗ 
nung von Aktien bindet den Zeichnenden gegenüber der 
Aktiengeſellſchaft. Aus den Gründen: Der Beklagte 
behauptet, daß er die Aktien nur „proviſoriſch und 
formell“ gezeichnet habe, um das Zuſtandekommen der 
Emiſſion ohne Vermittelung eines Bankhauſes zuſtande 
zu bringen und zwar auf Erſuchen des Auſſichtsrats, 
ohne aber deshalb Eigentümer der Aktien werden zu 
wollen. Allein die Zeichnung von Aktien iſt nicht nur 
eine der Geſellſchaft gegenüber verpflichtende Erklärung. 
Sie iſt ein rechtspolizeilicher Akt, welcher auch der 
Regiſterbehörde und dem Verkehr, dem Publikum gegen- 


über abgegeben wird und bedingungslos nach Maß⸗ 
gabe des Inhalts des Zeichnungsſcheines verpflichtet. 
Beſchränkungen, Vorbehalte, private Abmachungen 
zwiſchen dem Zeichner und den Organen der Gefell- 
ſchaft find der letzteren gegenüber nichtig. Eine An- 
fechtung wegen Willensmangel iſt ausgeſchloſſen. Dieſe 
Grundſätze gelten für Kapitalerhöhungen ebenſo wie 
für die Gründung der Aktiengeſellſchaft. Sie gelten in 
gleicher Weiſe für das hier anzuwendende ältere Recht 
wie für das neue Handelsgeſetzbuch. Hieraus ergibt 
ſich, daß der Einwand des Beklagten, er habe nur 
„proviſoriſch“, nur „formell“ gezeichnet, ganz unſtich⸗ 
haltig iſt. Es iſt unerheblich, welche privaten Ab⸗ 
machungen der Beklagte über die Bedeutung ſeiner 
Zeichnung mit den Auſſichtsratsmitgliedern getroffen 
hat. Hieraus mögen ihm unter Umſtänden Anſprüche 
gegen dieſe erwachſen. Seine Zahlungspflicht gegen⸗ 
über der Geſellſchaft kann er deswegen nicht ablehnen. 
(Urteil des I. 8S. vom 8. April 1908, I 82/07). 
1302 5 ei 


III. 


Ablehnung eines Sachverſtändigen wegen früherer 
Aenßerungen über die Anſprüche einer Bartel und den mut⸗ 
maßlichen Ausgang des Rechtsſtreits. Das Ablehnungs⸗ 
geſuch der Beſchwerdeführer iſt durch Beſchluß mit 
Recht zurückgewieſen worden. Allerdings hat der Sach⸗ 
verſtändige als früherer Landrat des Kreiſes F. einige 
Zeit vor Erhebung der Klage in einem Schreiben an 
das Generalkommando das Geſuch der Kläger um 
Entſchädigung wegen Verſandung ihrer Felder befür— 
wortet und dabei auf Grund der von ihm vorgenom— 
menen Beſichtigung der geſchädigten Aecker auch die 
Anſicht geäußert, die Uebungen der Truppen auf dem 
benachbarten Exerzierplatze ſeien ſchuld an der Ver⸗ 
neu Auch ſoll er nach der weiteren Behauptung 
er Beſchwerdeführer den Klägern gegenüber erklärt 
haben, ihre Anſprüche ſeien gerechtfertigt, ſie müßten 
den Prozeß gewinnen. Ob letzteres auf Wahrheit be— 
ruht, kann dahingeſtellt bleiben. Jedenfalls ſind beide 
Tatſachen nicht geeignet, die Beſorgnis zu rechtfertigen, 
daß der Sachverſtändige über die Fragen, die Gegen— 
ſtand des Beweisbeſchluſſes ſind, ſein Gutachten par— 
teiiſch zum Nachteil des Beklagten erſtatten werde. 
Der Sachverſtändige ſoll nicht etwa auf Grund ſeiner 
eigenen Wahrnehmungen ſich über Umfang und Ur⸗ 
ſache der Verſandung gutachtlich äußern. Vielmehr 
ſoll er darüber vernommen werden, ob er nach dem 
Ergebniſſe der Beweisaufnahme imſtande iſt, den 
allein durch die militäriſchen Uebungen auf dem frag— 
lichen Exerzierplatze den Klägern entſtandenen Schaden 
in Geld zu ſchätzen. Er ſoll alſo ſein Gutachten auf 
ganz anderer Grundlage abgeben als zu der Zeit, in 
der er ſich ſchriftlich und angeblich auch mündlich zu— 
gunſten der Schadenserſatzanſprüche der Kläger äußerte. 
Ferner kommt in Betracht, daß der Sachverſtändige 
in keinerlei perſönlichen Beziehungen zu den Klägern 
ſteht, und daß er jene den Klägern günſtigen Aeuße— 
rungen nicht in privatem Intereſſe, ſondern zufolge 
ſeiner damaligen Amtsſtellung getan hat. Darnach 
liegt kein genügender Grund zu der mißtrauenden 
Annahme vor, daß der Sachverſtändige jetzt auf Grund 
der neuen ihm vom Gerichte geſetzten Grundlagen das 
von ihm erforderte Gutachten nicht unparteiiſch und 
nicht nach beſtem Wiſſen erſtatten werde. (Urteil des 
V. 3S. vom 22. April 1908, V B 72/08). 
1297 


— —— n 


IV. 


Unfall durch Nichtverwahrung einer Grube. Der 
Kläger ging abends auf dem Weg von A. nach E. 
bei völliger Dunkelheit einen Fußpfad, der neben dem 
1.60 m breiten Fahrweg im Walde der Beklagten lief. 
Er ſtürzte über den Rand einer als Lehmgrube be— 
zeichneten Aushöhlung, wobei er ſich an Kopf und 


270 


Schulter verletzte. Er fordert von den Beklagten 
Schadenserſatz. Das OLG. hat ihn abgewieſen. Seine 
Reviſion wurde verworfen. 

Aus den Gründen: Die Grube, in die der 
Kläger gefallen iſt, war keine im Betriebe befindliche 
Gräberei, ſondern eine Aushöhlung des vom Fahr⸗ 
weg ſanft anſteigenden Waldgeländes, die dadurch 
entſtanden iſt, daß vor längerer Zeit einige Fuhren 
Lehm oder Erde dort entnommen wurden und die 
ausgeſchürfte Stelle einfach in dem ſo geſchaffenen Zu⸗ 
ſtande blieb. Die Abgrabung begann am Fahrweg, 
legte einen Abhang bis zu einer Höhe von 2 m bloß 
und bildete einen etwa 20 Schritte tiefen, am Weg — 
der Sehne — 30 Schritte langen Bogen. Der Rand 
der Grube hob und ſenkte ſich mit dem Anſteigen und 
Fallen des Geländes. An der Unfallſtelle fiel er fent- 
recht zur Grube in einer Höhe von 1.60 bis 1.70 m ab. 
Fußpfade liefen im Wald längs des Fahrwegs u. vom 
Fahrweg aus in den Wald hinein. Die Grube, die ſich 
von der Ebene des Fahrwegs aus nur wenig vertiefte, 
bot von dieſem aus keine Gefahr. Das OLG. meint, 
daß ſie überhaupt keine Sicherung erfordere u. deshalb 
die Beklagten außer Verſchulden ſeien. Bei Tage ſei 
die Grube auch für außerhalb des Fahrwegs durch 
den Wald gehende oder die Fußpfade benützende Per- 
ſonen 1 geweſen, da jeder Wanderer ſie an 
der plötzlich abſchneidenden Linie des Waldbodens uſw. 
erkennen konnte. Es handle ſich hier um keinen Ort, 
an dem nachts Menſchen zu verkehren pflegten, wes⸗ 
halb § 36712 StGB. nicht anwendbar fei. Die Be- 
klagten hätten nicht damit rechnen können, daß un⸗ 
vorſichtige Menſchen auch bei Nacht die Fußpfade ſtatt 
des Fahrweges benützten. 

Ob das OLG. mit Recht den § 367 12 StGB. aus- 
geſchloſſen hat, weil an der Waldſtelle nachts keine 
Menſchen verkehrten, kann dahin geſtellt bleiben. Denn 
wenn auch die Beklagten wider das Schußgeſetz ver- 
ſtoßen hätten, ſo würden ſie nur im Falle eines ſchuld— 
haften Verſtoßes haften. Die Frage, ob die im Ber- 
kehr gebotene Sorgfalt erfordert, in Wäldern, im 
Gebirge, in Gewäſſern, Abhänge, Gruben, Oeffnungen 
zu verwahren, weil dort Menſchen verkehren und Ge- 
fahr aus der unterlaſſenen Verwahrung für ſie ent— 
ſtehen kann, läßt ſich nicht im allgemeinen gültiger 
Weiſe beantworten. Es kommt auf die Umſtände des 
Falles an, auf Art, Zeit und Umfang des Verkehrs, 
auf die Zweckbeſtimmung der Oertlichkeit, wo der Ver— 
kehr ſtattfindet, auf die Möglichkeit oder Tunlichkeit 
einer Verwahrung, auf die Verkehrsauffaſſung der 
eingeſeſſenen Bevölkerung oder der jene Orte be— 
ſuchenden Perſonenkreiſe u. f. f., afo auf Verhältniſſe, 
deren Beurteilung zur Aufgabe des Tatſachenrichters 
gehört. Die Anſchauung des OL G., daß hier den 
Beklagten kein fahrläſſiges Verhalten zur Laſt falle, 
läßt keinen Rechtsirrtum erſehen. Es beſteht um ſo 
weniger Anlaß ihr entgegenzutreten, als die Beklagten 
keinen Verkehr in ihrem Wald eröffnet, ſondern nur 
aus Entgegenkommen geduldet haben, daß er von dem 
Publikum begangen u. Fußpfade darin getreten wurden, 
daher davon ausgehen mochten, daß die Wanderer 
den Wald mit ſeinen Unebenheiten, Mulden, Steil— 
hängen und ſonſtigen Gefahren nehmen würden, wie 
er fid) bot. (Urt. des VI. 35. vom 27. Februar 1908). 

1265 H. 
V. 


Begriff der perſönlichen Eigenſchaften eines Ehe⸗ 
gatten i. S. von $ 1333 BGB. Bedeutung von Krant- 
heiten bei der Feſtſtellnng dieſes Begriffes. Aus den 
Gründen: Das Ueberſtehen einer Krankheit iſt etwas 
Vorübergehendes und kann den Begriff einer bleiben— 
den Eigenſchaft einer Perſon nicht erfüllen. Ebenſo— 
wenig iſt eine vorübergehende Geiſtes- oder Gemüts— 
ſtörung oder eine bloße Anlage zur Geiſteskrankheit 
eine Eigenſchaft im Sinne des § 1333. Auch eine 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


bloße geiſtige Minderwertigkeit kann regelmäßig zur 
Anfechtung der Ehe wegen Irrtums nicht genügen. 
Allein hier handelt es ſich um mehr. Bei der Be⸗ 
klagten war zur Zeit der Eheſchließung eine dauernde 
Störung auf intellektuellem Gebiete vorhanden, welche 
dadurch eine beſondere Bedeutung gewonnen hatte, 
daß eine ſchwere Erkrankung an chorea (Veitstanz) 
hinzugekommen war. In Verbindung mit dieſer Er⸗ 
krankung bedeutete die geiſtige Schwäche mehr als 
eine bloße Minderwertigkeit. Daß die Beklagte eine 
gewiſſe geiſtige Schwäche hatte, hat der Kläger, der 
nur ſehr kurze Zeit verlobt war, bald nach Eingehung 
der Ehe erkennen müſſen. Was er aber nicht ſogleich 
erkennen konnte und nach der Feſtſtellung des Berufungs⸗ 
gerichts erſt im Februar 1904 erfahren hat, war der 
beſondere Umſtand, daß die Beklagte längere Zeit an 
chorea erkrankt geweſen war, was in Verbindung mit 
dem Grundleiden eine beſondere und erheblich ſchwerere 
Krankheitsform geſchaffen hatte. Mit Recht nimmt 
das Berufungsgericht auf Grund der Gutachten an, 
daß das Beſtehen eines derartigen Leidens einen Mann 
bei verſtändiger Würdigung des Weſens der Ehe ſehr 
wohl von Eingehung der Ehe abhalten konnte. Es 
kommt hierfür in Betracht, daß eine Wiederkehr der 
Choreakrankheit und ein ſchädlicher Einfluß dieſes 
Krankheitszuſtandes auf die Nachkommenſchaft der 
Mutter. zu beſorgen ift. Die objektive Erheblichkeit 
des Irrtums kann hiernach nicht zweifelhaft ſein. 
(Urt. des IV. 35. vom 13. Februar 1908, IV 307/07). 

1290 


— — — — . 


VI. 


Ferm der Abtretung von Briefgrundſchulden bei 
teilweiſe unentgeltlicher, teilweiſe entgeltlicher Ber- 
äußerung. Die Kläger klagen als Erben der Sophie 
Kr. zwei zu deren Nachlaß gehörende Grundſchulden 
von je 3000 M gegen den Beklagten als eingetragenen 
Eigentümer ein. Der Beklagte hat geltend gemacht, 
die Grundſchulden ſeien durch Zuwendung ſeitens der 
Erblaſſerin auf ihn übergegangen. Letztere habe im 
Jahre 1904 ihm die beiden „Hypothekenſcheine“ (es 
handelt fih um Hypotheken des früheren M.fchen Rechts) 
übergeben und dabei erklärt, er fole ſelbſt die Hypo: 
thekenſcheine in Verwahrung nehmen; er ſolle ſie be⸗ 
halten als Dank für die treue Erfüllung ſeiner Kindes⸗ 
pflichten und weil er auf ihre (der Erblaſſerin) Ver⸗ 
anlaffung 3000 M an feinen Bruder ausgezahlt habe. 
Das OLG. hat nach dem Klageantrage erkannt. Die 
Reviſion hatte Erfolg. 

Gründe: 1. Der Berufungsrichter faßt die Er⸗ 
klärung der Erblaſſerin Kr., aus der der Beklagte den 
Erwerb der Grundſchulden herleitet, als Schenkung 
durch Abtretung der Grundſchulden auf und verneint 
die Wirkſamkeit der Erklärung, weil die in § 1154 
Abſ. 1 (8 1192 Abſ. 1) BGB. für die Uebertragung 
von Briefgrundſchulden erforderte Schriftform nicht 
beobachtet fei, die Erklärung auch als Schenkungs— 
verſprechen (ſchenkweiſe Verpflichtung zur Uebertragung 
der beiden Grundſchulden) wegen Mangels der gericht⸗ 
lichen oder notariellen Form (§ 518 BGB.), keinen 
rechtlichen Beſtand haben könne. Dieſe Ausführungen 
ſind zutreffend, ſoweit die beiden Grundſchulden dem 
Beklagten von der Witwe Kr. nicht zur Deckung der 
angeblich ſeinem Bruder gezahlten 3000 M zugewendet 
ſind. Unrichtig iſt inſoweit die Meinung der Reviſion, 
die formloſe Abtretungserklärung als ſolche habe für 
das Verhältnis der Kontrahenten untereinander den 
Uebergang der abgetretenen Grundſchuld auf den Er— 
werber zur Folge und der Beobachtung der in $ 1154 
Abſ. 1 BGB. beſtimmten Abtretungsform bedürfe es 
nur, um die Wirkſamkeit der Abtretung Dritten gegen— 
über zu ſichern. Vielmehr hat die Formvorſchrift des 
§ 1154 für Briefhypotheken (Grundſchulden) dieſelbe 
Bedeutung, wie das Erfordernis der Umſchreibung der 
Hypothek im Grundbuch gemäß §8 1154 Abſ. 3, 873 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


Abſ. 1 BGB. für Buchhypotheken (Grundſchulden); ohne 
ihre Beobachtung kann alſo die Abtretungserklärung 
nur die Wirkung eines pactum de cedendo äußern. 
Letzteres iſt aber nur als entgeltlicher Vertrag form⸗ 
frei. Hat es den Charakter einer Schenkung, ſo iſt es 
ebenfalls unwirkſam, wenn die Beobachtung der Form 
des § 518 BGB. unterblieben ift. Darnach erledigt 
ſich auch der weitere Verſuch der Reviſion, die Wirk⸗ 
ſamkeit der Erklärung trotz ihrer Formloſigkeit daraus 
herzuleiten, daß ſie als perſönlicher, nur die Gläubigerin 
und ihre Erben bindender Verzicht auf Geltendmachung 
der Rechte aus der Grundſchuld aufgefaßt werden könne. 
Auch ein ſolcher Verzicht würde wegen des ihm an= 
haftenden Schenkungscharakters von dem Formzwange 
des 8 518 BGB. nicht befreit fein. 

2. Anders liegt die Sache bei dem Teile der an= 
geblichen Erklärung der Witwe Kr., nach dem ſie dem 
Beklagten die Grundſchulden auch deshalb hat zu— 
wenden wollen, weil er auf ihre Veranlaſſung an feinen 
Bruder 3000 M ausgezahlt habe. Dieſe Aeußerung 
kann nur dahin verſtanden werden, daß die Witwe Kr. 
inſoweit dem Beklagten nichts hat ſchenken wollen, 
ihre Abſicht vielmehr dahin gegangen iſt, ihn für eine 
Leiſtung ſchadlos zu halten, die er auf ihre Anweiſung 
an einen Dritten bewirkt hat. Hat die Erklärung 
dieſen Sinn gehabt und wird feſtgeſtellt, daß tatſächlich 
der Anweiſung der Witwe Kr. gemäß 3000 M von 
dem Beklagten an ſeinen Bruder gezahlt worden ſind, 
ſo iſt damit der entgeltliche Charakter der Zuwendung 
in Höhe von 3000 M dargetan. Es würde demzufolge 
aus der fraglichen Erklärung ſich für die Witwe Kr. 
und jetzt für die Kläger als deren Erben die Verpflich— 
tung ergeben, behufs Herbeiführung des Ueberganges 
der Grundſchulden in der angegebenen Höhe auf den 
Beklagten die noch fehlende Vollzugsſorm nachzuholen 
d. h. die Abtretungserklärung ſchriftlich zu wiederholen. 
Keinesfalls könnten aber die Kläger in Höhe von 
3000 M Zahlung der Grundſchulden durch den Be— 
klagten verlangen und ſich letzterem gegenüber auf 
den Mangel der Vollzugsform für die von ihrer 
Erblaſſerin erklärte und ihnen gegenüber wirkſame 
Abtretung berufen. 

3. Nur dann würde der Rechtsbehelf verſagen, 
wenn angenommen werden müßte, daß ein Fall des 
S 139 BGB. vorliegt, d. h. daß vermöge der beab— 
ſichtigten Einheitlichkeit der ganzen Zuwendung die 
Witwe Kr. die letztere überhaupt nicht gemacht haben 
würde, wenn ſie von deren teilweiſer, durch den 
Schenkungscharakter hervorgerufenen Nichtigkeit Kennt— 
nis gehabt hätte. Bleibt dagegen § 139 BGB. außer 
Anwendung, ſo wäre noch zu prüfen, in welchem 
Anteilsverhältnis die beiden Grundſchulden von zu— 
jammen 6000 M von dem Beklagten wegen der ihm 
aus ihnen in Höhe von 3000 M zu gewährenden 
Deckung in Anſpruch genommen werden dürfen. (Urteil 
des V. 35. vom 22. April 1908, V 513,07). 


1296 


— — — . 


B. Strafſachen. 


1 


Verhältnis des Süßſtoffgeſetzes zum Vereins zollgeſetz 
und ins beſondere des § 9 des erſten Geſeizes zum § 155 
B36. im Falle des § 2 lit. b). Der Staatsanwalt 
hat das Urteil nur inſoweit angefochten, als auf Ein— 
ziehung des Saccharins und nicht auf Werterſatz er— 
kannt iſt. Dieſe Beſchränkung der Anfechtung iſt zu— 
läſſig und zu beachten. Die allgemeinen Ausführungen 
des Erſtrichters über das Verhältnis des Süßſtoff— 
geſetzes zum Vereinszollgeſetz entſprechen der RGE. 
Bd. 38 S. 186. Unzutreffend ift dagegen die daraus 
gezogene Folgerung, daß nur dann Beſtrafung aus 
§ 7 Abſ. 1 des Süßſtoff. in Frage komme, und daß 


) Vgl. dieje Zeitſchrift, Jahrgang 1905 S. 170, 852, 451. 


§ 9 Abſ. 1 1. c. als ſpäter erlaſſenes Sondergeſetz ans 
zuwenden und § 155 VZG. ausgeſchloſſen fei. Nach 
der RGE. Bd. 38 S. 394 ſind im Falle vollendeter 
Kontrebande nach § 2 lit. b des Süßſtoff G. neben deffen 
in § 7 Abſ. 1 gegebenen Strafvorſchriften auch alle 
Strafvorſchriften des VZG. anzuwenden, ſoweit fie 
nicht, wie die über die Geldbuße des 8 134 VZG. oder 
die ihre Schärfung betreffende Beſtimmung des § 144 
nur hilfsweiſe Geltung beanſpruchen. Zu Vorſchriften 
der letztern Art gehören die über Konfiskation und 
Werterſatz im Sinne des $ 154 VZO. nicht. Die Kon- 
fiskation ift vielmehr nach § 134 J. c. die Haupt⸗ 
ſtrafe, die jedenfalls verwirkt iſt. Die Vorſchrift über 
fie erfährt im § 155 1. e. eine Ergänzung und Er- 
weiterung dahin, daß, ſofern die Konfiskation nicht 
vollzogen werden kann, auf Erlegung des Wertes 
der an ſich von der Konfiskation betroffenen Gegen— 
ſtände erkannt werden muß. Dieſer Fall liegt hier 
vor, da das Saccharin verkauft und verbraucht worden 
ift (RGE. Bd. 30 S. 413). Für Verhängung der im 
8 9 des SüßſtoffG. als bloßer Nebenſtrafe vorgeſehenen 
Einziehung bleibt daher kein Raum. Es hätte des— 
halb auf Werterſatz erkannt werden follen. Da die 
tatſächlichen Grundlagen für dieſen geſetzlich not— 
wendigen Ausſpruch vorliegen, konnte er in der Re— 
viſionsinſtanz erfolgen. (Urteil des V. Sts. vom 
28. April 1908, 5 D 211.08). 
1303 


— — — e — 


II. 


Schwerſte Strafe im Sinne des § 73 StGB. Rechts⸗ 
irrig ift die Bemeſſung der Strafe aus 8 10 RM. 
ſtatt aus § 14 des Geſetzes vom 15. Juni 1897 betr. 
den Verkehr mit Butter uſw., da letztere Vorſchrift 
im Sinne des § 73 StGB. die ſchwerere Strafe an— 
droht. Denn bei gleichen Hauptſtrafen ift im Falle 
des 8 14 des letztern Geſetzes die Veröffentlichung 
notwendig (8 20 daſelbſt), im Falle der 8 10 NM. 
aber nur zuläſſig (8 16 daſelbſt). Der Irrtum be- 
ſchwert aber den Angeklagten nicht. (Urteil des V. StS. 
vom 5. Mai 1908, 5 D 275,08). 

1301 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


5265 BGB. ift auf ein unter der Herrſchaft des 
früheren Rechtes entſtandenes Schuldverhältnis nicht an: 
wendbar (EG. z. BGB. Art. 170). Wirkung des 5 94 
HypG. i. d. F. v. 1903. In dem Hypothekenbuche find 
verſchiedene Grundſtücke der Familie von E. einge— 
tragen. Als Beſitzer ſind die Brüder Julius, Otto 
und Alexander von E. auf Grund Erbſchaftszeugniſſes 
vom 29. Juli 1882 eingetragen. Der Grundbeſitz wurde 
am 2. Februar 1890 mit einer Hypothek für ein An— 
nuitätendarlehen einer Bank zu 61500 M belaſtet. Ein 
Teil von urſprünglich 10000 M, der am 1. Dezember 
1907 auf 8750 M 15 Pf gemindert war, ging am 
13. Januar 1908 durch Abtretung auf die Ehefrau des 
Miteigentümers Julius von E., Marie von E., über 
und wurde auf ſie umgeſchrieben. Marie von E. er— 
warb auch eine auf anderem Grundbeſitze der Frei— 
herren von E. ruhende Hypothekenforderung zu 8434/7 
74 Pf und erwirkte für die beiden Forderungen die 
Beſchlagnahme der belaſteten Grundſtücke zum Zwecke 
der Zwangsverſteigerung. Am 2. März 1908 ließ der 
Miteigentümer Alexander von E. zur Deckung der An— 
ſprüche der Beſchlagnahmegläubigerin 18000 M er 
legen und auf Grund des Ş 268 BGB. die Um- 
ſchreibung der Hypotheken auf ihn beantragen. Die 
Umſchreibung wurde in Anſehung der Hypotheken— 


272 


forderung im Betrage von 8750 M 15 Pf „infolge 
Ablöſung im Zwangsvollſtreckungsverfahren auf Grund 
des S 268 BGB.“ am 6. März 1908 vollzogen. Am 
19. März 1908 wurde die Beſchlagnahme aufgehoben. 
Auf Antrag des Julius von E. wurde am 11. März 
1908 eine Proteſtation gegen die Umſchreibung der 
Hypothekenforderung eingetragen, weil Alexander von 
E., der weder Drittbeſitzer noch Hypothekengläubiger 
fei, durch die Befriedigung der Gläubigerin die Hypo- 
thekenforderung nicht habe erwerben können. Alexander 
von E. hat die auf ihn umgeſchriebene Hypotheken- 
forderung an die Gutsbeſitzerswitwe Katharina K. ab— 
getreten. Die Abtretung wurde am 13. März 1908 
vorgemerkt. Gegen die vorgemerkte Abtretung wurde 
auf Antrag der Marie von E., für die zwei im Range 
nachſtehende Hypotheken an dem Anteile ihres Mannes 
an dem Grundbeſitz eingetragen find, am 18. März 1908 
eine Proteſtation desſelben Inhalts wie die vom 
11. März eingetragen. Marie von E. ließ hierauf die 
Löſchung der Umſchreibung auf Alexander von E. be— 
antragen, weil die Hypothek durch die Zahlung er— 
loſchen, die Umſchreibung daher unzuläſſig geweſen 
ſei. Das Hypothekenamt lehnte die Löſchung ab und 
die Beſchwerde der Freifrau von E. wurde zurückge— 
wieſen. Das LG. ſchloß ſich der Anſicht des Hypo- 
thekenamtes an, daß die umgeſchriebene Hypotheken— 
forderung nach § 268 Abſ. 3 BGB. durch Befriedigung 
der Gläubigerin auf Alexander von E. übergegangen 
ſei. Die weitere Beſchwerde wurde zurückgewieſen. 

Gründe: Es iſt zuzugeben, daß die Umſchreibung 
unter Verletzung geſetzlicher Vorſchriften erfolgt iſt. 
Nach der Eintragung vom 2. Februar 1890 ſcheint das 
Annuitätendarlehen von den drei Miteigentümern auf— 
genommen worden zu ſein, die der Bank die Hypothek 
beſtellt haben, jedenfalls iſt aus den Akten nicht zu 
entnehmen, daß Alexander von E. für das Darlehen 
nicht perſönlich haftete, er hat dies ſelbſt nicht be— 
hauptet. Soweit er Schuldner der auf Freifrau von 
E. übertragenen Forderung war, konnte die Vorſchrift 
des § 268 Abſ. 3 BGB., die die Befriedigung des Gläu— 
bigers durch einen „Dritten“ vorausſetzt, auf ihn von 
vorneherein nicht Anwendung finden. Die Frage, in 
welcher Eigenſchaft er die Zahlung geleiſtet hat, iſt 
aber gar nicht erwogen worden. Der Senat iſt übri— 
gens der Anſicht, daß die Vorſchriften des § 268 auf 
die unter der Herrſchaft des früheren Rechtes ent— 
ſtandenen Schuldverhältniſſe nicht anwendbar find. 
§ 268 ſteht in dem Abſchnitte von dem Inhalte der 
Schuldverhältniſſe und die Abſ. 1, 2, die fih mit der 
Frage befaſſen, inwieweit der Gläubiger ſich die Be— 
friedigung durch einen „Dritten“ gefallen laſſen muß, 
gehören ebenſo zu den Vorſchriften, die den Inhalt 
des Schuldverhältniſſes beſtimmen, wie § 1150, der 
entſcheidet, inwieweit ein anderer als der Eigentümer 
des belaſteten Grundſtücks berechtigt iſt, den Hypo— 
thekengläubiger zu befriedigen, zu den Vorſchriften über 
den Inhalt der Hypothek gehört. Für den Inhalt 
eines unter der Herrſchaft des früheren Rechtes ent— 
ſtandenen Schuldverhältniſſes ſind nach Art. 170 EG. 
3. BGB. deſſen Vorſchriften maßgebend. Der Abſ. 3 des 
§ 268 gilt nur für den Dritten, der nach den Abſ. 1, 2 
zur Befriedigung des Gläubigers berechtigt iſt, der 
Zatbeitand, an den der Uebergang der Forderung 
geknüpft ift, fegt daher eine Forderung voraus, deren 
Inhalt ſich nach den Vorſchriften des BGB. beſtimmt. 

Gleichwohl kann die weitere Beſchwerde keinen 
Erfolg haben. Nach § 91 Hyp®. i. d. F. des Gef. vom 
20. Dezember 1903 kann die Beſchwerde gegen eine 
unter Verletzung geſetzlicher Vorſchriften vorgenom- 
mene Eintragung nur dann auf Löſchung gerichtet 
werden, wenn die Eintragung ihrem Inhalte nach un— 
zuläſſig iſt. Es genügt nicht, daß die Eintragung 
wegen des Fehlens einer geſetzlichen Vorausſetzung 
nicht erfolgen durfte und daß ſie mit der wirklichen 
Rechtslage im Widerſpruche ſteht, ſondern eine Ein— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


tragung dieſes Inhalts muß überhaupt unzuläſſig ſein, 
ſie muß unter keinen Umſtänden rechtliche Wirkung 
haben können. Dies trifft bei der Umſchreibung vom 
6. März 1908 nicht zu. Ein Uebergang der Hypotheken- 
forderung durch Ablöſung findet auch nach den SS 58, 
63 HypG. ſtatt, die Eintragung eines ſolchen Ueber- 
ganges iſt daher bei einer unter der Herrſchaft des 
früheren Rechtes entſtandenen Hypothekenforderung 
nicht rechtlich unmöglich. Sollte Alexander von E. 
die Gläubigerin als Dritter im Sinne des $ 268 Abi. 3 
BGB. befriedigt haben, fo würde eine Ablöſung nach 
dem § 58 möglich geweſen ſein. Die Anführung der 
Vorſchrift, auf der der Uebergang beruht, iſt zur Wirk⸗ 
ſamkeit der Eintragung nicht erforderlich, ein Irrtum 
in der Bezeichnung der maßgebenden Vorſchrift macht 
den Inhalt der Eintragung nicht unzuläſſig. Gegen- 
über einer nicht ihrem Inhalte nach unzuläſſigen Ein⸗ 
tragung, die unter Verletzung geſetzlicher Vorſchriften 
erfolgt ift, kann im Wege der Beſchwerde nur die Čin- 
tragung einer Proteſtation beantragt werden. Eine 
ſolche Anordnung kommt hier nicht in Frage, weil 
für die Beſchwerdeführerin ſchon eine Proteſtation ein⸗ 
getragen ift. (Beſchluß des I. 85. vom 1. Mai 1908, 
Rep. III, 39/1908). W. 
1289 
II. 


Hat während eines inländiſchen Konkursverfahrens, 
das durch Zwangsvergleich beendet wurde, für die zum 
Konkurs angemeldete Forderung des Gläubigers anch 
eine Zwangsvollſtreckung im Auslande ſtattgefunden und 
iſt hierdurch ein Teil der Forderung beigetrieben worden, 
jo braucht fih der Gläubiger den Teil nicht auf die ihm 
durch den Zwangs vergleich zukommende Dividende an- 
rechnen zu laffen. Territerialität des Konkurſes (K O. 
8 193, § 237 Abſ. 1, 8 50). Der Wirt L. trat am 
12. Oktober 1899 in Z. (Schweiz) eine ihm gegen den 
Baumeiſter W. zuſtehende Forderung von 30000 Fr. 
nebſt Zinſen zu 3¾ % den Kaufleuten A. R. in Z. 
und Jakob G. in B. (Schweiz) ab und verpflichtete 
ſich, „als Bürge und Selbſtzahler für den Betrag von 
25000 Fr. nebſt Zinſen zu haften“). Da W. nicht 
zahlte, erhoben die neuen Gläubiger im Oktober 1901 
gegen L., der damals in A. (Bayern) wohnte, Klage 
zum LG. A. Durch das rechtskräftig gewordene Ber- 
ſäumnisurteil dieſes Gerichts vom 5. November 1901 
wurde er verurteilt, den Klägern 25 000 Fr. mit Zinſen 
zu 3% %% feit dem 1. April 1899 zu zahlen. Im Jahre 
1901 ließen R. und G. auf Grund eines in der Schweiz 
erwirkten Vollſtreckungstitels durch das Betreibungs- 
amt Z. die Vollſtreckung in das in der Schweiz er- 
mittelte Vermögen des L. betreiben. In dieſem Ber: 
fahren, das am 25. Juni 1904 beendigt war, erhielten 
fie 4476,62 M. Am 15. März 1902 hatte das Amts- 
gericht St. (Elſaß) das Konkursverfahren über das 
Vermögen des L. eröffnet. R. und G. meldeten 
22 834,29 M an, nämlich 20 250 M Hauptſache, 2246,48 M 
Zinſen vom 1. April 1899 bis zum 15. März 1902 und 
337,81 M Soften; im Prüfungstermine beftritt der 
Gemeinſchuldner den Betrag der Forderung. Das 
Konkursverfahren wurde durch einen am 19. Januar 
1903 beſtätigten Zwangsvergleich beendigt. Nach dieſem 
ſollten die nicht bevorrechtigten Gläubiger 20% ihrer 
Forderungen in 10 gleichen Jahresbeträgen erhalten, 
deren erſter am 31. Dezember 1903 fällig wurde. 
R. und G. hatten dem Zwangsvergleiche nicht zu— 
geſtimmt. Am 10. Dezember 1906 ließen ſie auf Grund 
des Verſäumnisurteils vom 5. November 1901 wegen 
der auf 1202,16 M berechneten fälligen Jahresbeträge 
gegen L. in St. die Pfändung vornehmen; es wurden 
bewegliche Sachen im Schätzungswerte von 1220 M 
gepfändet. Auf Grund des § 767 ZPO. erhob L. im 
Januar 1907 Klage gegen R. und G. mit dem An⸗ 
trage, die Pfändung für unzuläſſig zu erklären und 
feſtzuſtellen, daß ſeine Schuld nicht mehr beſtehe oder 


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höchſtens noch 90,24 M betrage, da ſich die Forderung 
der Beklagten durch den Zwangsvergleich auf /, alfo 
auf 4566,86 M gemindert habe; im Jahre 1904 hätten 
fie 4476,62 M erhalten, ihre Forderung habe alſo 
zur Zeit der Pfändung nur noch 90,24 M betragen 
und dieſer Reſt ſei durch Zahlungen des W. getilgt. 
Die Beklagten gaben zu, daß W. nach der Erlaſſung 
des Verſämnisurteils ihnen 4587,67 M gezahlt habe, 
machten aber geltend, die Zahlungen von 4476,62 M 
und 4587,67 M ſeien nicht auf den durch den Zwangs⸗ 
vergleich ihnen gewährten, ſondern auf den übrigen 
Zeil der Forderung anzurechnen. Sie erhoben Wider- 
klage und beantragten, feſtzuſtellen, daß die durch den 
Zwangsvergleich auf 4566,86 M feſtgeſetzte Forderung 
in dieſem Betrage noch beſteht. Das LG. erklärte 
am 15. Juni 1907 die Pfändung, ſoweit ſie für mehr 
als 826,20 M erfolgt war, für unzuläſſig und ſtellte 
jeft, daß die Forderung der Beklagten noch zum Be- 
trage von 2754 M beſteht. Das OLG. wies die 
Berufung des Klägers zurück und änderte auf die Mn- 
ſchließung der Beklagten das Urteil des LG. Es wies 
die Klage ab und ſtellte feſt, daß die Forderung der 
Beklagten noch zu 3671,53 M beſteht; im übrigen wies 
es die Anſchlußberufung zurück und die Widerklage 
ab. Die vom Kläger eingelegte, mit Verletzung des 
§ 49 Abſ. 1 Nr. 2 und des § 193 KO. begründete 
Reviſion iſt mit nachſtehender Begründung zurück⸗ 
gewieſen worden. 

Ob 8 49 Abſ. 1 Nr. 2 KO. verletzt ift, kann dahin- 
geſtellt bleiben, weil die Entſcheidung aus einem 
anderen Grunde richtig iſt. Das Konkursverfahren 
umfaßt nach § 1 KO. allerdings das geſamte Ber- 
mögen des Gemeinſchuldners; daß darunter auch das 
im Auslande befindliche zu verſtehen iſt, geht aus dem 
§ 238 Abſ. 1 hervor, der beſtimmt, daß nur in dem 
dort bezeichneten Falle das Konkursverfahren das im 
Auslande befindliche Vermögen nicht umfaßt. In der 
Regel gehört hiernach auch das im Auslande befind- 
liche Bermögen des Gemeinſchuldners zur Konkurs— 
maſſe; ob es wirklich dazu gezogen werden kann, iſt 
freilich eine andere Frage. Das Ausland wird, wenn 
nicht Staatsverträge beſtehen, dieſe Vorſchrift des 
Deutſchen Rechtes nicht anerkennen und das in ſeinem 
Gebiete befindliche Vermögen nicht ausliefern. Aus 
dem gleichen Grunde ift die Vorſchrift des § 14, daß 
während der Dauer des Konkursverfahrens Zwangs— 
vollſtreckungen in das Vermögen des Gemeinſchuldners 
nicht ſtattfinden, nur auf inländiſche Zwangsvoll— 
ſtreckungen anwendbar. Die Geſetzgebung eines Staates 
kann nicht beſtimmen, daß auch im Auslande Zwangs— 
vollſtreckungen nicht ſtattfinden dürfen. Die Beklagten 
waren demnach nicht gehindert in der Schweiz die 
Zwangsvollſtreckung zu betreiben, und nicht verpflichtet 
das dort Beigetriebene zur Konkursmaſſe abzuliefern. 
Daraus, daß der Gläubiger das im Auslande Bei— 
getriebene nicht zur Konkursmaſſe abzuliefern hat, folgt, 
daß er dazu auch dann nicht verpflichtet iſt, wenn er 
durch dieſe Zwangsvollſtreckung volle Befriedigung er— 
langt hat; im Falle der Schließung eines Zwangs— 
vergleichs muß er alſo auch nicht den Betrag heraus— 
geben, um den das durch die Zwangsvollſtreckung 
Beigetriebene den durch den Zwangsvergleich ihm ge— 
währten Teil ſeiner Forderung überſteigt. Er braucht 
demnach auf dieſen auch ſich nicht anrechnen zu laſſen, 
was er durch die im Auslande bewirkte Zwangsvoll— 
ſtreckung erlangt hat, ſoweit dieſes nicht etwa den Teil 
der urſprünglichen Schuld überſteigt, der nach Abzug 
des durch den Zwangsvergleich gewährten Teiles der 
Forderung ungetilgt bleibt. Nach 8 237 Abſ. 1 KO. 
iſt, wenn ein Schuldner, über deſſen Vermögen im 
Ausland ein Konkursverfahren eröffnet worden iſt, 
Bermögensgegenſtände im Inlande beſitzt, die Zwangs— 
vollſtreckung in das inländiſche Vermögen zuläſſig. 
Dieſe Vorſchrift iſt eine Folgerung aus dem Grund— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


t 


273 


Gebiet des Staates beſchränkt, dem das Konkursgericht 
angehört (Territorialität des Konkurſes). Der § 237 
Ab. 1 entſpricht im weſentlichen dem $ 293 der preuß. 
KO. vom 8. Mai 1855. In einem Falle, auf den diefe 
Vorſchrift anzuwenden war, ſprach das ROHOG. am 
13. Juni 1871 aus, daß die territorialen Geſetze, die 
zu einem Vergleiche zwingen, „eminent ſingulärer 
Natur“ ſind, daß ſie zwar auch dem ausländiſchen 
Gläubiger die weitere Rechtsverfolgung innerhalb des 
Gebiets ihrer Geltung verſagen, aber außerhalb dieſes 
Gebiets, namentlich gegen die Befriedigung aus Ver— 
mögensſtücken, die ſie nicht beherrſchen, ſich machtlos 
erweiſen (Entſch. d. ROHG. Bd. 3 S. 64). Auf dem 
gleichen Standpunkte ſtehen die Entſch. des RG. vom 
20. März 1888, 18. Mai 1889 und 11. Juli 1902 (Entſch. 
in 3S. Bd. 21 S. 7, Bd. 24 S. 383, Bd. 52 S. 155). 
Dieſen Entſcheidungen lagen zwar Fälle zugrunde, 
in denen das Konkursverfahren im Ausland eröffnet 
war und die weitere Rechtsverfolgung im Inlande 
ſtattfand, aber die Grundſätze, auf denen ſie beruhen, 
ſind auch auf den umgekehrten Fall anzuwenden. Dies 
ergibt ſich auch aus dem § 50 (früher § 42) KO., der 
deshalb notwendig war, weil „die Ausſchließung 
anderer als der in der Konkursordnung anerkannten 
Abſonderungsanſprüche über das Gebiet der KO. nicht 
mit Sicherheit hinausreicht“ und daher nicht verhindert 
werden kann, daß ein von der KO. nicht anerkanntes 
Abſonderungsrecht im Auslande tatſächlich ausgeübt 
wird. Das OLG. hat feſtgeſtellt, daß die Zwangs— 
vollſtreckung in der Schweiz für die ganze Forderung 
der Beklagten eingeleitet wurde und daß der auf die 
Beklagten treffende Teil des Erlöſes von dem Be— 
treibungsamte 3. unter Nichtbeachtung des Zwangs— 
vergleichs zur Tilgung eines Teiles der ganzen For— 
derung der Beklagten dieſen ausgezahlt wurde. Die 
in der Schweiz bewirkte Zwangsvollſtreckung war ein 
ſelbſtändiges Verfahren, von dem Konkursverfahren 
wurde es in keiner Weiſe berührt. Wenn auch nach 
der KO. den Beklagten ein Abſonderungsrecht nicht 
zuſtand, waren ſie doch in der Lage, es bezüglich der 
in der Schweiz befindlichen Vermögensgegenſtände des 
Gemeinſchuldners geltend zu machen. Der Kläger kann 
hiernach nicht verlangen, daß der Betrag von 4476,62 M 
auf den durch den Zwangsvergleich den Beklagten ge- 
währten Teil ihrer Forderung angerechnet wird. In 
dem Kommentare von Jaeger iſt ſogar die Anſicht ver— 
treten, daß in einem ſolchen Falle die durch den 
Zwangsvergleich beſtimmte Dividende bis zur vollen 
Befriedigung des Gläubigers für den zur Zeit der 
Konkurseröffnung beſtehenden Betrag der Schuld, nicht 
nur für den nach Abzug der teilweiſen Befriedigung 
bleibenden Reſt ausgezahlt werden müſſe (Jaeger, KO. 
2. Aufl. Anm. 35 zu § 14). Der Gläubiger wäre alfo 
in günſtigerer Lage, als wenn ihm ein Abſonderungs— 
recht nach Maßgabe der KO. zuſtünde (E 64 KO.). Ob 
dieſe Anſicht richtig iſt, muß hier nicht unterſucht 
werden, weil ſich die Beklagten bei der Entſcheidung 
des OLG. beruhigt haben, daß ſie den Betrag von 
4476,62 M ſich auf die Forderung von 22 834,29 M 
anrechnen laffen müſſen. Die Annahme des CLO., 
daß der den Beklagten durch den Zwangsvergleich 
gewährte Teil ihrer Forderung 3671,53 M beträgt 
und daß die Forderung zu dieſem Betrage noch be— 
ſteht, beruht alſo nicht auf unrichtiger Anwendung 
des Geſetzes. Zur Zeit der Erlaſſung des Urteils des 
OLG. waren vier Jahresbeträge von zuſammen 
1468,60 M fällig, das Berufungsgericht hat deshalb 
die am 10. Dezember 1906 für eine Forderung von 
1202,16 M vollzogene Pfändung im ganzen Umfange 
für zuläſſig erachtet. Zur Zeit der Pfändung waren 
allerdings nur drei Jahresbeträge von zuſammen 
1101,45 M fällig, aber ſchon am 31. Dezember 1906, 
alſo ſchon vor der Erhebung der Klage, war der 
367,15 M betragende vierte Teilbetrag fällig geworden, 


ſatze, daß ſich die Wirkung des Konkurſes auf das eine Zuvielforderung der Beklagten beſtand alſo nicht 


274 


mehr. In diefer Beziehung iſt das Urteil übrigens 

auch nicht angefochten. (Urt. des II. ZS. vom 17. Februar 

1908, Rep. I 213/07). W. 
1249 


B. Strafſachen. 


„ Baheriſches Fed ie Politiſcher Verein. Oeffent⸗ 
liche Angelegenheiten i. S. des Vereinsrechtes. Der Zweck 
eines Vereins iſt nicht allein nach dem Inhalt der Sta⸗ 
tuten, fondern anh nach der Abſicht zu beurteilen, die 
die VBereinsangehörigen erreichen wollen. Der minder- 
jährige Angeklagte war Mitglied und Vorſtand der 
Ortsgruppe F. des Verbandes junger Arbeiter und 
Arbeiterinnen Deutſchlands mit dem Sitze in M. Das 
urſprüngliche Statut des Verbandes ſagte in $ 2: Der 
Zweck des Verbandes iſt: „Die heranwachſende Jugend 
zu tüchtigen Mitgliedern für den Befreiungskampf der 
Arbeiterklaſſe zu erziehen“, und in § 3: „Zum Beitritt 
berechtigt iſt jeder der Schule entwachſene junge Mann“. 
Da nach S 2 der Verband, dem auch Minderjährige 
beitreten konnten, ein politiſcher war, nach dem Baye— 
riſchen Vereinsgeſetz aber Minderjährige nicht Mit— 
glieder politiſcher Vereine fein dürfen, wurden § 2 und 
a geändert. Erſterer lautet nun: „Die Vereinigung 
at den Zweck, die geiſtigen und materiellen Intereſſen 
der Mitglieder zu wahren und zu fördern“, während 
in § 3 beſtimmt iſt: „Ueber die Aufnahme entſcheidet 
der Hauptvorſtand“. Der Angeklagte wurde in allen 
Inſtanzen verurteilt. 
Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 
Es ſteht außer Zweifel, daß die Ortsgruppe F. des 
Verbandes junger Arbeiter und Arbeiterinnen Deutſch— 
lands ein Verein, d. i. eine Vereinigung von Perſonen 
iſt, die unter Leitung eines Vorſitzenden gemeinſchaft— 
liche Zwecke verfolgen. Die Strafkammer hat ange— 
nommen, daß dieſer Verein ein politiſcher iſt. In 
öffentlich⸗rechtlicher Hinſicht ift für das Vereinsrecht 
in Bayern bis zur Regelung durch Reichsrecht die 
Landesgeſetzgebung maßgebend. Der Art. 14 des bayer. 
Vereinsgeſetzes bezeichnet als politiſche Vereine ſolche 
Vereine, deren Zweck ſich auf die öffentlichen Ange— 
legenheiten bezieht. Unter öffentlichen Angelegenheiten 
ſind die Angelegenheiten des Staates und ſeiner or— 
ganiſchen Beſtandteile ſowie die Angelegenheiten zu 
verſtehen, die er in den Bereich ſtaatlicher Regelung 
oder Fürſorge gezogen hat und die deshalb nicht nur 
das Privatintereſſe einzelner Rechtsſubjekte, ſondern 
das Intereſſe der Allgemeinheit berühren. Oeffentliche 
Angelegenheiten i. S. des Vereinsrechtes ſind politiſche 
und ſozialpolitiſche Angelegenheiten. Für die Frage, 
ob und unter welchen Vorausſetzungen ſich der Zweck 
des Vereins auf die öffentlichen Angelegenheiten be— 
zieht, gibt Art. 13 des VerG. einen wichtigen Mus- 
legungsbehelf. Hiernach unterliegt ein nicht politiſcher 
Verein allen Anordnungen und Strafbeſtimmungen 
über politiſche Vereine, ſobald er zugleich politiſche 
Zwecke zu verfolgen oder in den Bereich ſeiner 
Verhandlungen zu ziehen beginnt. Dieſe Vor⸗ 
ſchrift, ſo wie ſie jetzt vorliegt, unterſcheidet ſich weſent— 
lich von dem Vorſchlage des Geſetzentwurfs, Art. 22: 
„Gegen nicht politiſche Vereine, welche zugleich poli— 
tiſche Zwecke verfolgen, treten die Beſtimmungen der 
Art. 18 und 21 in Anwendung’, indem ſie einerſeits 
die ſämtlichen für ausgeſprochen politiſche Vereine 
geltenden Vorſchriften auf die Vereine angewendet 
wiſſen will, die erſt zu politiſchen werden, anderſeits 
die politiſche Betätigung des Vereins für gegeben er— 
achtet, nicht nur, wenn er politiſche Zwecke verfolgt, 


„Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


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bringt, um dadurch mittelbar politiſchen Zwecken zu 
dienen. Hiernach läßt das angefochtene Urteil keinen 
Rechtsirrtum erkennen. Es hat angenommen, daß der 
Zweck eines Vereins nicht nach dem Inhalte der ge⸗ 
druckten oder geſchriebenen Statuten, ſondern nach der 
Abſicht zu beurteilen iſt, welche die Vereinsangehörigen 
in Wirklichkeit durch ihren Zuſammenſchluß erreichen 
wollen. Die Strafkammer hat gefunden, daß die Orts: 
gruppe F. nicht bloß, wie der § 2 der neuen Statuten 
ſagt, die geiſtigen und materiellen Intereſſen der Mit⸗ 
glieder zu wahren ſucht, ſondern daß ſie ihre Mit⸗ 
glieder durch Wort und Schrift zum Kampfe gegen 
die ſtaatliche und wirtſchaftliche Ordnung heranzubil— 
den bezweckt. Dieſe Feſtſtellung läßt den Verein als 
politiſchen Verein erſcheinen. Es iſt damit entſchieden, 
daß, wenn fih auch die minderjährigen Vereinsmit— 
glieder noch nicht aktiv an dem Kampfe gegen die 
ſtaatliche und wirtſchaftliche Ordnung beteiligen, fie 
doch dieſen Kampf, der ſich auf politiſchem und ſozial⸗ 
politiſchem Gebiete bewegt, alſo politiſche Zwecke in 
den Bereich der Vereinsverhandlungen ziehen. Dieſe 
Feſtſtellung ift tatſächlicher Natur und daher der Nad- 
prüfung des Reviſionsgerichtes entrückt. Die Rüge, 
daß die Strafkammer irrtümlich dem F.ſchen Orts⸗ 
verein politiſchen Charakter ſchon um deswillen bei— 
gelegt habe, weil die politiſche Zeitſchrift „Die junge 
Garde“, das Organ des Verbandes junger Arbeiter 
im allgemeinen und des Ortsvereins im beſonderen 
ſei, iſt nicht zutreffend. Wenn ein Verein Zeitſchriften 
mit politifcher Tendenz hält und feine Mitglieder he 
leſen, ſo wird der Verein dadurch allerdings nicht ohne 
weiteres zu einem politiſchen. Das Berufungsgericht 
hat das aber nicht behauptet, vielmehr nur im Rahmen 
der freien Beweiswürdigung angenommen, daß die 
Ortsgruppe F., die die Zeitſchrift „Die junge Garde“ 
an ihre Mitglieder verteilt, in ihrem Vereinszweck 
einig geht mit den Zielen, die die Zeitſchrift verfolgt 
und daß zu der ſchriftlichen Werbung des Verbands— 
organs für den „proletariſchen Emanzipationskampf! 
und den „Antimilitarismus“ als Vereinstätigkeit die 
mündliche Erörterung der gleichen politiſchen Zwecke 
hinzutritt. (Urt. v. 14. März 1908, Rev Reg. 85 / 08). H. 


1259 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Nechtliche Natur der Tätigkeit des den Bauplan 
fertigenden und den Bau leitenden Architekten. yallıg 
keit feiner Anſprüche. Zur Anwendung des § 321 868. 
Der Kläger hat für den Beklagten zu einem bis zum 
Rohbau gediehenen Neubau um ein Honorar von 4% 
der auf 22 000 M veranſchlagten Bauſumme die Lieſe— 
rung von Skizze, Entwurf, Detailzeichnungen und 
Koſtenvoranſchlag ſowie die Bauleitung übernommen; 
er hat letztere bis zur Verſteigerungs-Beſchlagnahme 
geführt, bis wohin etwa 14000 M verbaut waren. 
Er verlangt 723 M, nämlich 583 M (= 2,65% von 
22 000 M), für die erſtgenannten Arbeiten und 140 M 
(= 1% von 14000 M) für die Bauleitung. Der Be: 
klagte bezeichnet die Tätigkeit des Klägers als noch 
nicht beendigt, die Forderung alſo als noch nicht fällig. 
Das LG. hat die Klage abgewieſen, da die vereinbarten 
Dienſte, nach deren Leiſtung erſt die Vergütung ge- 
fordert werden könne, vor der Vollendung des Baus 
nicht als geleiſtet angeſehen werden könnten, § 321 BGB. 
aber nur für die Zukunft (Einſtellung der Arbeit bis 
zur Sicherheitsleiſtung) Schutz gewähre. Das OLG. 
erklärte dagegen den Klageanſpruch, ſoweit er die Ber- 


ſondern auch, wenn er fie in den Bereich feiner Ver- | gütung für Herſtellung der Skizze, des Planentwurfs, 


handlungen zieht. Nach Art. 13 Ver. ift alfo davon 
auszugehen, daß ein Verein i. S. des VerG. ein poli- 
tiſcher Verein iſt, wenn er politiſche Zwecke verfolgt, 
d. h. ſie unmittelbar zu erreichen ſucht, aber auch ſchon 


| 


| 


der Detailzeichnungen und des Koſtenvoranſchlags um: 
faßt, dem Grunde nach für gerechtfertigt und wies die 
Klage nur im übrigen ab. 

Aus den Gründen: Die vom Kläger über⸗ 


dann, wenn er ſie von Vereins wegen zur Erörterung nommenen Tätigkeiten ſtehen, gleichviel ob man das 


Verhältnis der Streitsteile als Dienftvertrag oder als 
Werkvertrag auffaßt, unter ſich nicht in einem ſo engen 
Zuſammenhange, daß nicht gewiſſe Abſchnitte unter- 
ſchieden, und trotz der Vereinbarung eines Geſamt— 
honorars und auch ohne den Abſchluß der geſamten 
Tätigkeit für gewiſſe Abſchnitte eine verhältnismäßige 
Bergütung gefordert werden könnte. Ohne Schwierig— 
keit laſſen ſich hier zwei Gruppen unterſcheiden: einmal 
die Anfertigung von Skizze, Plan, Detailzeichnungen 
und Koſtenvoranſchlag als die den Bau vorbereitenden 
Dienſtleiſtungen und dann die Bauleitung als Ueber⸗ 
wachung der Handwerker, mit denen der Beklagte als 
Einzelunternehmer abgeſchloſſen hat. Die vom LG. 
angeführten Entſcheidungen des VII. reichsger. Senats 
vom 18. Oktober 1904 und 18. Mai 1906 (JW. 1905 
S. 20 is und 1906 S. 459) geben zwar die Auffaſſung 
der ſtreitigen Tätigkeit als Dienſte im Sinne von 
§ 611 BGB. und zwar als fortlaufende Dienſte an 
die Hand, können aber, weil ſie ganz andere Fragen 
entſcheiden, nicht ohne weiteres und nicht in allen 
Einzelheiten hier angewendet werden. Dagegen iſt 
die Klage abzuweiſen, inſoweit der Kläger für die bis 
jetzt geführte Bauleitung einen Teilbetrag fordert. 
Die Leitung des Baus iſt eine in ſich zuſammenhängende 
Tätigkeit, mag man in ihr fortlaufende Dienſte oder 
einen Werkvertrag erblicken. Die Vergütung iſt daher, 
wenn nicht Vorſchuß⸗ oder Abſchlagszahlungen vers 
einbart ſind, erſt nach der Vollendung des ganzen 
Baus zu leiſten, da die Klage nicht als Kündigung i. S. 
des 8 626 BGB. gemeint war. Die nach dem Abſchluß 
des Vertrages in den Vermögensverhältniſſen des Be— 
klagten eingetretene Verſchlechterung gibt dem Kläger 
die Befugnis, die Fortſetzung der Bauaufſicht zu ver— 
weigern, bis der Beklagte Sicherheit leiſtet, und gibt 
ihm auch das Recht, einer Klage des Bauherrn auf 
Fortſetzung der Dienſte mit einer Einrede zu begegnen: 
der Kläger gewinnt aber nicht das Recht, für den ge— 
leiſteten Teil der Dienſte eine entſprechende Bezahlung 
ſchon jetzt zu fordern. Der ſich hieraus ergebende, 
dem Kläger ungünſtige Schwebezuſtand läßt ſich nicht 
vermeiden, wenn ſich der Dienſtverpflichtete nicht Ab— 
ſchlags zahlungen oder Vorſchußleiſtungen ausbedingt, 
die nach Zeitabſchnitten oder ſonſtwie bemeſſen ſein 
mögen. (Urteil vom 10. März 1908, Nr. 16/08). 

183 Mitget. v. Oberlandesgerichtsrat TLunglmayr in Zweibrücken. 


Aus der Praxis des bayer. Verwaltungs 
gerichtshofs. 


Gehört die Beſitzveränderungsgebühr für ein im 
Wege der Boa erworbenes Grundſtück zu den Nach⸗ 
laßverbindlichkeiten? Beſchränkt ſich die Haftung des 
Erben für fie anf den Nachlaß, wenn die Nachlaßver⸗ 
waltung angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet iſt? 
(SS 1967, 1975 BGB.). Der BGH. hat diefe beiden 
Fragen in der Entſcheidung vom 10. Februar 1908 
verneint (Sammlung 1908 S. 55). Der Tod des Erb— 
laſſers war vor dem 1. Mai 1905 eingetreten, alſo 
vor dem Inkrafttreten des Grundbuchrechts im Be— 
zirke des OLG. München, in dem die Grundſtücke lagen. 
Der Entſcheidung wurden deshalb die Art. 213 und 
214 Geb. i. d. F. vom 6. Juli 1892 zugrunde gelegt. 
Sie beruht auf der Annahme, daß die Beſitzverände— 
rungsgebühr als „Verkehrsſteuer auf das Grundver— 
mögen“ von dem Erwerber des Grundſtücks in ſeiner 
Eigenſchaft „als neuer Beſitzer“, nicht in feiner 
Eigenſchaft als Erbe geſchuldet werde: Der rechtliche 
Vorgang, auf Grund deſſen die Beſitzveränderung ſtatt— 
findet, habe nach dem Willen des Geſetzes „keine be— 
ſondere Bedeutung für die Verpflichtung des neuen 


Beſitzers“. Die Verſchuldung des Nachlaſſes könne nicht 
in Betracht gezogen werden, weil die Abgabe aus dem 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 


| 


| 


— nn 


275 


Bruttowerte des Grundſtücks zu entrichten fei. 

Der BGH. zieht hieraus die Folgerung, daß ſich der 

Erbe von der Verpflichtung zur Zahlung der Beſitz— 

veränderungsgebühr nur befreien kann, wenn er die 

Erbſchaft ausſchlägt. 
1309 


— — n. 


Literatur. 


Peiſer, Heinrich, Landgerichtsrat in Danzig. Hand⸗ 
buch des Teſtamentsrechts mit zahlreichen 
Beiſpielen und Formularen, unter eingehender Be— 
rückſichtigung der Rechtſprechung und Literatur. 
2. vermehrte und verbeſſerte Auflage. Berlin 1907, 
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 


Die Gleichgültigkeit der deutſchen Bevölkerung 
gegenüber dem geltenden Rechte zeitigt bei der Er— 
richtung letztwilliger Verfügungen die ſchlimmſten 
Folgen. Leute, die von den Grundbegriffen des Erb— 
rechts nicht einmal eine annähernd richtige Vorſtel— 
lung haben — in erſter Reihe begüterte alte Jung— 
fern — treffen mit Vorliebe recht verwickelte Anord— 
nungen und führen dadurch langwierige Rechtsſtreitig— 
keiten herbei, bei denen zwar die juriſtiſchen Zeitſchriften 
nicht aber die Erben auf ihre Rechnung kommen. Der 
Laie, der ein eigenhändiges Teſtament errichten will, 
kommt nicht auf den naheliegenden Gedanken, im 
BGB. nachzuleſen, welche Formerforderniſſe er ein— 
halten ſoll. Er ſudelt auf ein möglichſt kleines Stück 
Papier unverſtändliche Sätze und macht zum mindeſten 
bei der Ortsangabe oder bei der Zeitangabe einen 
Fehler. Wir haben vortreffliche Bücher, in denen fiH 
der Rechtsunkundige Rat erholen kann — wenn ſie 
nur häufiger benützt würden! Ich ſehe einen beſon— 
deren Vorzug des Buches von Peiſer darin, daß es 
auch dem gebildeten Laien dienen kann. Es geht 
zwar den Rechtsfragen nicht aus dem Wege, aber es 
ift doch — ähnlich wie Sauers „Zeitamente und 
Erbverträge in Bayern“ — ſo gehalten, daß es jeder— 
mann verſtehen kann, der die Mühe einigen Nach— 
denkens nicht ſcheut. Daß die Notare und die Nachlaß— 
richter ihm viele Belehrung entnehmen können, iſt 
ſelbſtverſtändlich. Auch notarielle Teſtamente laſſen 
häufig die erforderliche Beſtimmtheit vermiſſen. Bei 
Beachtung der von Weiler gegebenen Beiſpiele (38 
Formulare) wird manche Unklarheit vermieden werden. 

von der Pfordten. 


Hümmer, J., II. Staatsanwalt in Weiden. Das Forſt⸗ 
rügeverfahren im rechtsrheiniſchen 
Bayern. Syſtematiſch dargeſtellt. München 1908, 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Geh. Mk. 2.80. 


Das Forſtſtrafverfahren ift in der Literatur bisher 
ſehr ſtiefmütterlich behandelt worden. Der Verfaſſer 
hat ſich der undankbaren Aufgabe unterzogen, die 
ziemlich verwickelten und keineswegs immer klaren 
Vorſchriften zu verarbeiten und zu allen zweifel haften 
Fragen Stellung zu nehmen. Er beherrſcht den ſpröden 
Stoff vollſtändig und hat ihn in überſichtlicher Weiſe 
gegliedert. Das Juſtizminiſterium hat die praktiſche 
Brauchbarkeit der Arbeit dadurch anerkannt, daß es 
das Buch für die Juſtizbehörden angeſchafft hat. 

von der Pfordten. 


Küttner, Geh. Juſtizrat, Rat am K. Sächſ. Oberlandes— 
gerichte. Leitfaden für die Unterweiſung 
der Refendare im Abfaſſen von Urteilen 
in Zivilſachen. 3. vermehrte Auflage. Mit An— 
hang: Urteilsbeiſpiele zu Klagen aus Forderungs— 
rechten. Leipzig 1908, Dieterichſche Verlagsbuch— 
handlung (Theodor Weicher). Gebod. Mk. 1.60, mit 
Anhang Mk. 3.80. 

Wir haben dieſe vortreffliche Anleitung ſchon im 


276 


Jahrgange 1907 empfohlen (S. 179). Wir raten vor 
allem den Leitern amtlicher und privater Kurſe ſie 
anzuſchaffen. Denn der Rechtspraktikant ſoll nicht nur 
in der Beurteilung verzwickter Rechtsfragen geübt 
werden, ſondern auch in der richtigen Darſtellung ſeiner 
Gedanken. Er zeigt in der Regel eine geradezu er— 
ſtaunliche Unbeholfenheit, wenn er „geſtalten“ ſoll. 
In den Kurſen gibt man ſich nicht genug Mühe, um 
dieſem Mangel abzuhelfen: man unterſchätzt die Be⸗ 
deutung der Form. Der Leitfaden hat durch die Mit- 
gabe der Urteilsbeiſpiele an Brauchbarkeit gewonnen. 
Die Beiſpiele find mit zahlreichen Anmerkungen ver- 
ſehen. von der Pfordten. 


Kohler, Dr. Joſeph, Prof. an der Univerſität Berlin. 
Grundriß des Zivilprozeſſes mit Einſchluß 
des Konkursrechts. Stuttgart 1907, Verlag 
von Ferdinand Enke. Geh. Mk. 4.—. 


Ein kurzgefaßter Ueberblick über Geſchichte und 
Dogmatik des Zivilprozeß- und Konkursrechts. Auch 
das ZwVG. iſt berückſichtigt. Das Buch wird mit 
Erfolg neben dem Vorleſungshefte zur erſtmaligen 
Einführung und zur Repetition benützt werden können. 

von der Pfordten. 


1. Kuttner, Dr. Georg, Gerichtsaſſeſſor in Bonn. Die 
privatrechtlichen Nebenwirkungen der 
Zivilurteile. (München 1908, C. H. Beckſche 
Verlagsbuchhandlung [Oskar Beck). Geh. Mk. 10.—. 


2. Nußbaum, Dr. Arthur, Rechtsanwalt in Berlin. 
Die Prozeß handlungen, ihre Voraus⸗ 
ſetzungen und Erforderniſſe. (München 
1908, C. H. Beckſche Verlagsbuchhandlung [Oskar 
Beck]). Geh. Mk. 6.50. 


Die beiden Monographien find in der von Pro— 
feſſor Dr. Fiſcher in Breslau herausgegebenen Samm— 
lung von Abhandlungen zum Privatrecht und Zivil— 
prozeß des Deutſchen Reiches erſchienen. Zwei Prak— 
tiker haben ſich hier mit Grundproblemen des Zivil— 
prozeßrechts beſchäftigt, an deren Bewältigung ſich 
vor etwa 15 oder 20 Jahren ſicher nur Univerſitäts— 
lehrer herangewagt hätten. Ein erfreuliches Zeichen 
dafür, daß die Praktiker nicht mehr die „Routine“ als 
das einzige oder doch als das wichtigſte Erfordernis 
ihres Berufes betrachten. Beide Verfaſſer haben ihre 
Aufgabe in muſtergültiger Weiſe gelöſt. 

von der Pfordten. 


Notizen. 


Die Haftung für Tierſchaden. Der von Juriſten 
und Laien heiß umſtrittene 8 833 BGB. hat durch die 
Novelle vom 30. Mai d. Js. (RGBl. S. 313) eine Mendes 
rung erfahren, die den Wünſchen der gewerbsmäßigen 
Tierhalter, insbeſondere der landwirtſchaftlichen Be— 
völkerung, entſpricht und in zweiter Linie auch für 
die Haftpflichtverſicherungsgeſellſchaften von Bedeutung 
iſt. Die Novelle gewährt bekanntlich dem Halter des den 
Schaden verurſachenden Haustiers, das ſeinem Berufe, 
ſeiner Erwerbstätigkeit oder ſeinem Unterhalte (nicht 
ſeinem Vergnügen oder ſeiner Sportstätigkeit) zu 
dienen beſtimmt iſt, einen Entlaſtungsbeweis, wie 
er im 8 831 dem Geſchäftsherrn zugeſtanden ift. 
Da die Novelle einen anderen Anfangstermin nicht 
enthält, trat ſie nach Art. 2 der Reichsverfaſſung mit 
dem 20. Juni d. Js. in Kraft. 

1316 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


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Eigentum von J. S ch w eitzer Ver lag (Artyur Sellier) in München. 


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Nr. 13. 


Vogelſchutzgeſez. Das Reichsgeſetz vom 22. März 
1888, betr. den Schutz von Vögeln, hat durch das 
Geſetz vom 30. Mai 1908 (RG Bl. S. 314) ziemlich weit⸗ 
gehende Aenderungen erfahren, die am 1. September 
d. Is. in Kraft treten. Die Aenderungen waren mit 
Rückſicht auf die internationale Uebereinkunft zum 
Schutze der für die Landwirtſchaft nützlichen Vögel 
vom 19. März 1902 (RGBl. 1906, S. 89) erforderlich (f. 
dort Art. 10). Sie wollen ferner dem vielfach unreellen 
Handel mit einheimiſchen Singvögeln entgegentreten. 
An neuen Vorſchriften iſt folgendes hervorzuheben: 
In Zukunft iſt nicht nur das Zerſtören und Ausheben 
der Vogelneſter uſw. ſondern auch der Ankauf. der 
Verkauf, die An- und Verkaufsvermittelung, das Feil⸗ 
bieten, die Ein⸗, Aus⸗ und Durchfuhr und der Trans⸗ 
port der Neſter, Eier und Brut aller in Europa ein- 
heimiſchen Vogelarten verboten, ſoweit ihnen nicht 
ausdrücklich der geſetzliche Schutz verſagt iſt. Geſchützte 
Vögel dürfen auch zur Tageszeit mittels Leimes oder 
Schlingen nicht gefangen werden. Auch mit an ſich 
zuläſſigen Mitteln darf das Fangen und Erlegen von 
Vögeln nicht erfolgen in der Zeit vom 1. März bis 
zum 1. Oktober (bisher dauerte die Schonzeit bis zum 
15. September). In der gleichen Zeit iſt unterſagt 
der An- und Verkauf (mit Einſchluß der Vermittelungs⸗ 
tätigkeit), die Ein-, Aus⸗ und Durchfuhr von lebenden 
und toten Vögeln der in Europa einheimiſchen Arten 
(dazu gehören z. B. nicht die Kanarienvögel). Gewiſſe 
Vogelarten find das ganze Jahr geſchützt (S3 Abſ. 2). 
Der Kreis der nicht geſchützten Vögel (Ş 8) hat ſich 
verengert. Einen gewiſſen Schutz genießen auch ſie 
durch das Verbot des Fangens mittels Schlingen. 
Der Kampf um den Krammetsvogel, der damit endigte, 
daß die deren Fang (das Fangen „im Dohnenſtieg“) 
geſtattenden Abſ. 2 und 3 des 8 8 des alten Geſetzes 
geſtrichen wurden, hat für Bayern wenig Bedeutung: 
der Krammetsvogel ift hier jagdbar ($ 1 B Ziff. 13 
der Kgl. VO. vom 11. Juli 1900); auf die nach Maßgabe 
der Landgeſetze jagdbaren Vögel iſt das Vogelſchutz— 
geſetz nicht anwendbar (§ 8b). 

In Bayern iſt auf Grund des Art. 125 Abſ. 4 

StGB. der Vogelſchutz über die Vorſchriften des 
Reichsgeſetzes von 1888 hinaus durch die Kgl. VO. vom 
15. November 1889 (GVBl. S. 573) erheblich erweitert 
worden. Die landesrechtlichen Beſtimmungen, die zum 
Schutze der Vögel weitergehende Verbote enthalten, 
bleiben auch künftig unberührt. Das Verhältnis des 
neuen Geſetzes zur Verordnung iſt, wenn dieſe nicht 
geändert wird, folgendes: Vom 1. März bis 1. Oktober 
unterliegt der Vogelfang, Vogelhandel und Transport 
dem reichsgeſetzlichen Verbot im § 3 Abſ. 1; die im 
8 3 Abſ. 2 bezeichneten Arten genießen das ganze Jahr 
reichsgeſetzlichen Schutz. Für die Zeit vom 1. Oktober 
bis 1. März iſt außerdem landesrechtlich das Fangen 
und die Erlegung der in der Anlage zur Verordnung 
beſonders bezeichneten Vögel ſowie das Feilhalten 
und deren Verkauf in totem Zuſtande, nicht aber 
z. B. der Ankauf und Verkauf der lebenden Vögel, 
unterſagt. Soweit das reichsgeſetzliche Verbot über— 
treten wurde, muß die Strafe bemeſſen werden nach 
§ 6 des Vogelſchußgeſetzes, ſoweit nur die landes- 
rechtliche Anordnung verletzt wurde, gibt den Straf- 
rahmen Art. 125 Abſ. 4 PStGB. 

Es iſt zu begrüßen, daß der Novelle eine Bekannt— 
machung angefügt wurde, die unter der eingebürgerten 
Ueberſchrift „Vogelſchutzgeſeßz“ den vom 1. September 
an gelienden Text des ganzen Geſetzes wiedergibt. 

1317 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


— m 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing. 


Mr. 14. Münden, den 15. Juli 1908. 4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


n du 1 


in Münden. en, Lenbachplatz 1. 


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d pf. Beilagen nach Uebere 


Die int 1. und 15. jeden Monat 

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n mmt 

Woftanftalt (Poftgeitungslifte für Bayern Nr. 97 


Nachdruck verboten. 


Veſtechung von Poſtbedienſteten. fi gleichwohl ſo handeln und hierfür Geſchenke 


oder andere Vorteile annehmen, ein Verbrechen 
Von Landgerichtsrat Zeiler in Kempten. der Beſtechung nach § 332 StGB. vorliegt und 


Strafverfahren gegen Poſtbedienſtete, die der ob der andere Teil nach § 333 StGB, ſtrafbar 
Beſtechung angeſchuldigt ſind, weil ſie entgegen iſt, iſt zweifelhaft im Hinblick auf die reichs⸗ 
ihrer Inſtruktion poſtamtlich nicht behandelte gerichtliche Rechtſprechung und die zumeiſt zu⸗ 
Sendungen beſtellten, ſind nicht ſelten. Die ſtimmenden Aeußerungen in der Literatur, wonach 
hieſige Strafkammer hat in ſolchen Fällen mehr: Handlungen, die eine Verletzung der Amtspflicht 
mals die Eröffnung des Hauptverfahrens abge⸗ enthalten, nur Amtshandlungen ſein können. 
lehnt; in einem Falle iſt Beſchwerde eingelegt, Das Reichsgericht hat (E. 16, 42) eine ſolche 
vom ObLG. aber zurückgewieſen worden. Da, bloße Privathandlung angenommen in dem Falle 
wie ich inzwiſchen erfahren habe, andere Straf- eines Kriminalkommiſſars, dem durch feine Inſtruk⸗ 
kammern vielfach zur Verurteilung gekommen tion unterſagt war, aus eigener Initiative zur 
find, der erwähnte Beſchluß des ObLG. aber Feſſttſtellung von ſtrafbaren Handlungen Ermitt⸗ 
nicht veröffentlicht worden iſt, ſo dürfte ſich eine lungen anzuſtellen, gleichwohl aber einen ſolchen 
Beſprechung der Frage rechtfertigen. Auftrag gegen Entgelt angenommen und ausge— 
führt hat. Die Entſcheidung hat, ſoweit ich ſehe, 
in der Literatur allſeits Zuſtimmung gefunden 
(f. insbeſ. Olshauſen 8332 Anm. 1; Oppen: 
hoff $ 332 Anm. 2; Binding Lehrbuch, bei. 
Teil II, II S. 718, 719). 

| 


Einen andern Fall der inſtruktionswidrigen 
Uebernahme von Privatgeſchäften erwähnt Ols⸗ 
hauſen $ 332 Anm. 1: Die durch 8 12 RBG. 
verbotene Abgabe eines Gutachtens ohne Geneh⸗ 
migung der vorgeſetzten Behörde. Olshauſen 
bemerkt hierbei jedoch, daß der Begriff der 
Privattätigkeit nicht ausdehnend verſtanden 
werden dürfe: jeder Mißbrauch der amtlichen 
Stellung erſcheine als pflichtwidrige Amtshandlung, 
die auch in der privaten Mitteilung einer amt⸗ 
lich geheim zu haltenden Angelegenheit gefunden 
werden könne; auch der Gefangenaufſeher, der 
eine von einem Strafgefangenen aufgetragene Beltel: 
lung entgegen der ihm bekannten Vorſchrift unter 
Verletzung dieſer Vorſchrift ausrichte, begehe eine 
unter § 332 fallende Amts handlung. Unter 
einer in das Amt einſchlagenden ($ 331 StGB.) 
Handlung verſteht ferner Frank $ 331 Anm. 1 
außer den „Amtshandlungen“ auch ſolche Hand— 
lungen, die von Amts wegen vorgenommen werden 
könnten, im einzelnen Falle aber den Charakter 
von Privathandlungen haben. 


J. 


Nach 8 3 der „Dienſtanweiſung jür Bedienſtet: 
im Orts⸗ und Landpoſtdienſt“ von 1906 iſt den 
Bedienſteten ausdrücklich unterſagt die Beſorgung 
von Briefen und Druckſachen auf eigene oder 
fremde Rechnung oder unentgeltlich, ſofern diefe 
Sendungen ihnen nicht auf dem vorgeſchriebenen 
Wege als Poſtſendungen übergeben werden. 

Nach § 33 der bayer. Poft- und Telegraphen: 
dienſtanweiſung (Abſchn. VII Abſ. 1) darf ferner 
der Poſtillion außer ſeinem Mundbedarf für die 
Fahrt keinerlei Gegenſtände weder für ſich ſelbſt 
noch für ſeinen Dienſtherrn befördern. Ferner 
iſt ihm unterſagt, Perſonen ohne Fahrſchein (mit 
Ausnahme der bei einer beſonders beſtimmten 
Halteſtelle zugegangenen Reiſenden) in den Poſt⸗ 
wagen aufzunehmen oder Briefe, Paketpoſtſtücke 
und Zeitungen anzunehmen in der Abſicht, ſie 
ohne Vermittlung der Poſtanſtalten unterwegs 
oder am Endpunkte der Fahrt an den Empfänger 
oder zur weiteren Beſorgung abzugeben. Kürzer 
gefaßt enthält die gleiche Beſtimmung der $ 15 
des Poſtillionsdienſtbuchs. 

Zweifellos liegt, wenn die bezeichneten Poſt⸗ 
bedienſteten dieſen Anweiſungen zuwiderhandeln, 
eine disziplinäre Verfehlung vor. Ob aber, wenn 


278 


Was insbeſondere die Beſtellung von poſtamt⸗ 
lich nicht behandelten Sendungen durch Poſt⸗ 
bedienſtete anlangt, ſo hatte das Reichsgericht 
einen ſolchen Fall zu behandeln in der E. 10, 45: 
Hier hatte ein Landbriefträger gegen eine beſtimmte 
Vergütung die Mitnahme und Zuſtellung von 
Zeitungen übernommen und ausgeführt. Der 
Briefträger und ſein Auftraggeber waren von der 
Anſchuldigung der Beſtechung nach 88 332 und 
333 StGB. freigeſprochen worden; doch hob das 
RG. das Urteil auf, weil noch zu prüfen ſei, ob 
dem Briefträger nicht durch beſtehende Inſtruktionen 
die Beſorgung der Beſtellung von Zeitungen ver⸗ 
boten ſei. Die Frage, ob eine Verurteilung 
wegen Beſtechung nicht etwa aus dem Geſichts⸗ 
punkte ausgeſchloſſen ſei, daß das Mitnehmen 
und Beſtellen der Zeitungen auf dem Beſtellgang 
als eine lediglich inſtruktionswidrige 
Pri vathandlung erſcheine, ift in dem reichs⸗ 
gerichtlichen Urteile nicht berührt. 

Von Intereſſe iſt ferner eine Entſcheidung 
des Reichsgerichts in E. 10, 325. Hier hatte 
der Angeklagte einem Eiſenbahnſchaffner, als er 
ohne gültige Fahrkarte im Zuge betroffen worden 
war, ein Geldgeſchenk angeboten dafür, daß er 
ihn gleichwohl weiter fahren laſſe. Die Reviſion 
gegen das den Angeklagten wegen Beſtechung 
verurteilende Strafkammerurteil wurde verworfen. 
Das RG. führte aus, Sache des Eiſenbahnſchaffners 
ſei es, zur Sicherung des Verkehrs und zur Auf— 
rechthaltung der Ordnung beim Transport dafür 
Sorge zu tragen, daß zur Beförderung unberech⸗ 
tigte oder ungeeignete Perſonen vom Transporte 
ausgeſchloſſen würden. Sobald nun die Befugnis 
des Schaffners in Frage gekommen ſei, den unbe⸗ 
fugterweiſe im Eiſenbahnwagen weilenden Ange: 
klagten daraus zu entfernen, feit der bahnpolizei- 
liche Charakter des Schaffners aktuell geworden, 
und wenn daher der Angeklagte ihn durch An: 
bieten eines Geldgeſchenks habe beſtimmen wollen, 
das gebotene bahnpolizeiliche Einſchreiten zu unter⸗ 
laſſen, ſo habe ſeine Handlung die geſetzlichen 
Merkmale der im § 333 StGB. vorgeſehenen 
Amtsbeſtechung erfüllt. Dieſes Urteil iſt zweifel⸗ 
los richtig, wie auch der Schaffner, wäre er 
auf das an ihn geſtellte Anſinnen eingegangen, 
wegen paſſiver Beſtechung ſtrafbar geweſen wäre. 


II. 


Prüft man die beſprochenen Dienſtwidrigkeiten 
der Poſtbedienſteten unter Berückſichtigung der 
vorſtehend niedergelegten Anſchauung von Recht: 
ſprechung und Literatur, ſo ergibt ſich folgendes: 


1. Außerhalb ſeines Dienſtes iſt es weder 
einem Poſtbeamten noch einem Poſtillion unter— 
ſagt, beiſpielsweiſe auf einem Spaziergange auf 
ein Nachbardorf, einen Brief oder ein Paket aus 
Gefälligkeit zur Beſorgung mitzunehmen und ſich 
ſelbſt für dieſe Beſorgung bezahlen zu laſſen, 


Bergern für Meitspfege in Bayern. 1908. Sr. 14. 


ſoweit letzteres ihm wie irgend einem anderen nach 
den allgemeinen Beſtimmungen des Poſtgeſetzes 
geſtattet iſt. Hier liegt zweifellos eine reine 
Privathandlung vor, nicht anders, als wenn der 
Beſorgende ein Privatmann wäre. 


Es kann ſich alſo nur fragen, ob eine Amts⸗ 
handlung des Poſtbedienſteten dann vorliegt, wenn 
er auf ſeinem Dienſtgang oder der Dienſt⸗ 
fahrt eine privatim übergebene poſtamtlich nicht 
behandelte Sendung beſorgt. Dafür, daß auch 
in dieſem Fall ein bloßes Privatgeſchäft vorliegt, 
ſpricht nun der Umſtand, daß ſich der Uebergeber 
des Briefes zweifellos darüber klar iſt, daß im 
Fall einer Unterſchlagung oder abſichtlichen Ver⸗ 
nichtung des Briefes von einem Anſpruch gegen 
den Poſtfiskus nicht die Rede ſein kann, daß es 
ſich vielmehr um eine reine Privatangelegenheit 
handelt, die mit der poſtamtlichen Beförderung 
einer Sendung nichts zu tun hat. 

Nun könnte ſich fragen, ob ſich nicht — ab⸗ 
geſehen davon, wie ſich die Beteiligten die 
Sache denken — objektiv die Beſorgung der 
poſtamtlich nicht behandelten Sendung doch als 
eine Amts handlung des Bedienſteten darſtellt, 
weil er die Sendung auf ſeinem Beſtellgang mit⸗ 
nimmt, alfo bei der Ausübung feines Dienſtes, 
ſo daß alſo die Beſorgung der Beſtellung geradezu 
durch jenen Dienſtgang geſchieht. 

Aehnlich wäre der Fall, daß ein ſtädtiſcher 
Schutzmann es durch Vereinbarung mit einem 
Privatmann gegen Entgelt übernommen hätte, 
bei Gelegenheit ſeines nächtlichen Dienſtganges 
immer die Kontrollhandlungen vorzunehmen, die 
die Wach⸗ und Schließgeſellſchaften beſorgen. Auch 
hier iſt klar, daß für eine hierbei begangene 
Vertragswidrigkeit des Schutzmanns nicht die 
Stadtgemeinde aufzukommen hat, und daß es ſich 
um eine reine Privatangelegenheit zwiſchen dem 
Auftraggeber und dem 5 handelt, mag 
dieſem auch die Uebernahme ſolcher Privatgeſchäfte 
und gar deren Ausführung auf ſeinen dienſtlichen 
Gängen nach der Inſtruktion verboten ſein. So 
wurde die Handlung jenes Kriminalkommiſſars 
auch nicht dadurch zu einer amtlichen, daß der 
Mann vielleicht amtliche Ermittlungsgänge mit 
Ermittlungsgängen, die mit dem übernommenen 
Privatauftrag zuſammenhingen, gelegentlich ver⸗ 
bunden hat. 

Läßt ſich ein Landpoſtbote einen poſtamtlich 
nicht behandelten Brief zur Beſorgung mitgeben, 
ſo iſt dies allerdings „eine Handlung, die von 
Amts wegen vorgenommen werden könnte“ 
(Frank a. a. O.), eine Handlung, die der Poſt⸗ 
bote ebenſo ausführt wie die Beſtellung eines 
ihm amtlich zugegangenen Briefes. Durch die 
Beſtimmungen über die Beſtechung aber ſoll „der 
Käuflichkeit einer amtlichen Tätigkeit entgegen: 
getreten werden“ (Ols hauſen $ 331 Anm. 9 a). 
Hier aber liegt nichts weiter vor als „eine bloße 


Privatgefälligkeit, die der Beamte, aller: 


Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


279 


übernimmt, nicht minder, wenn er gegen ein 


dings in Veranlaſſung ſeines Amtes, außer und Trinkgeld einen Fahrgaſt ohne Entrichtung des 


neben dieſem Amte erweiſt“ (Olshauſen ebenda). 
Tätig wird hier nicht der Poſtbote als ſolcher. 
Daß er den Brief zur Beſorgung mitnimmt, hat 
mit ſeiner amtlichen Stellung nichts zu tun, nur 
daß eben ein rein tatſächlicher, äußerer Zuſammen⸗ 
hang inſofern beſteht, als die Ausführung des 
Beſtellganges dem Poſtboten die Gelegenheit gibt, 
den übernommenen Privatauftrag auszuführen, 
und dem Auftraggeber den Anlaß, mit dem An⸗ 
finnen an den Poſtboten heranzutreten. 


Hiernach fällt die Uebergabe und Uebernahme 
eines poſtamtlich nicht behandelten Briefes nicht 
unter die Strafbeſtimmungen der §8 331 bis 
333 StGB. Zu bemerken iſt noch die Beſtim⸗ 
mung, die die Dienſtanweiſung für die Poſtboten 
von 1903 in 84 Abſ. 1 hatte: „Daß den Poſt⸗ 
boten die Uebernahme und Beſorgung von 
Privatgeſchäften und Privataufträgen 
während der Ausübung ihres Dienſtes verboten 
ſei“, insbeſondere die Beſtellung poſtamtlich nicht 
behandelter Briefe. 


Befördert der Landpoſtbote ein poſtamtlich 
nicht behandeltes Paket, ſo wird wohl auch 
dieſe Handlung ihm verboten ſein, obwohl (im 
Gegenſatz zu den für die Poſtillione geltenden 
Beſtimmungen) in $ 3 der Dienſtanweiſung für 
die Bedienſteten von 1906 (wie auch in $ 4 der 
Dienſtanweiſung für Poſtboten von 1903) die 
Beſorgung von Paketen nicht erwähnt iſt. Mag 
dem übrigens ſein wie ihm wolle, jedenfalls liegt 
auch hier die wenn auch verbotene Uebernahme 
eines Privatgeſchäfts vor. Um einen ſolchen 
Fall hat es fih in der dem ObLG. vorgelegenen 
Sache gehandelt. Hier hatten zwei Poſtboten 
mehrmals von der Frau des Poſtagenten einen 
Ruckſack mit Wäſche auf ihren Beſtellgang für 
den Sohn des Poſtagenten mitbekommen und 
hierfür Geldgeſchenke von 10 bis 20 Pfg. ange⸗ 
nommen. Der Beſchluß des ObLG. (vom 3. Mai 
1907 in der Strafſache gegen L. und Gen. wegen 
Unterſchlagung u. a.) gibt zu der Frage keine 
nähere Begründung, ſondern bemerkt nur, daß 
die tatſächlichen Gründe und die rechtlichen Er— 
wägungen gebilligt würden, auf denen der die 
Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnende Straf— 
kammerbeſchluß beruhe. 


2. Was nun die Beſtellung von poſtamtlich 
nicht behandelten Sendungen durch Poſtillione 
anlangt, ſo könnte die Richtigkeit der vorſtehenden 
Anſchauung um deswillen bezweifelt werden, weil 
es ſich hier, bei der Beförderung von Sachen im 
Omnibus, um die Benützung einer poſtaliſchen 
Einrichtung zur Beförderung handelt. Dieſer 
Zweifel erhebt ſich namentlich dann, wenn es ſich 
um Sendungen von größerem Gewichte handelt, 
wenn z. B. der Poſtillion einen Sack Kartoffeln 
zur Abgabe bei einem Käufer in der Stadt 


Fahrgeldes in den Wagen aufnimmt. 

Die letztere Handlung iſt ſicherlich als eine 
Amtshandlung anzuſehen, nicht minder wie in 
dem vom RG. behandelten Falle des Eiſenbahn⸗ 
ſchaffners. Eine Pri va thandlung dahin, daß 
der Poſtillion einen Reiſenden unentgeltlich in 
dem Omnibus mitfahren läßt, iſt nicht denkbar, 
da es ſich um die Beförderung durch das ſtaat⸗ 
liche Beförderungsmittel handelt und die Amts⸗ 
pflicht des Poſtillions iſt, dieſes Beförderungs⸗ 
mittel niemand ohne Entgelt zur Verfügung zu 
ſtellen. Wie der Poſtillion pflichtmäßig einen 
blinden Fahrgaſt, den er im Poſtwagen antrifft, 
daraus wegzuweiſen hat und ſich der Beſtechung 
ſchuldig macht, wenn er ihn gegen ein Trinkgeld 
gleichwohl mitfahren läßt, ſo gilt das gleiche auch 
dann, wenn er von vorneherein den Mann gegen 
ein Trinkgeld in den Poſtwagen aufnimmt. 


Nicht anders aber ſteht es um die Beförderung 
von Paketen und ſonſtigen Sendungen von 
größerem Gewicht. Auch hier handelt es ſich 
nicht mehr um eine perſönliche Dienft- 
leiſtung des Poſtillions, ſondern um eine Be⸗ 
förderung durch das ſtaatliche Beförde⸗ 
rungsmittel. Hier bildet die Uebernahme 
zur Beförderung eine Amtshandlung des Poſtil⸗ 
lions, inſofern er eben das, was er hier ausführt, 
die Beförderung des Pakets, nicht als Privat⸗ 
perſon tun kann, ſondern nur in ſeiner amtlichen 
Eigenſchaft. 

Wie aber bei leichten, kleinen Sachen? Eine 
Beförderung liegt ja hier auch vor, wenn ſie 
von einem Ort zum andern überbracht werden. 
Aber hier wird man viel eher geneigt ſein, den 
Geſichtspunkt der perſönlichen Dienſtleiſtung in 
den Vordergrund treten zu laſſen gegenüber dem 
Geſichtspunkt der ſachlichen Leiſtung einer Waren⸗ 
beförderung. Die Grenze, wo erſteres überwiegt 
oder letzteres, wird oft nicht leicht zu ziehen ſein. 
Aber irgendwo muß dieſe Grenze gezogen werden, 
und damit die Grenze zwiſchen den Fällen, wo 
— zunächſt objektiv betrachtet — eine Strafbar⸗ 
keit wegen Beſtechung in Frage kommt und wo 
nicht. 

Mag man bei der Beurteilung der Sache 
einen noch ſo ſtrengen Standpunkt einnehmen, ſo 
wird doch niemand einen Poſtillion wegen Be⸗ 
ſtechung ſtrafen, wenn er den Auftrag eines Einöd- 
bauern ausführt, der ihm beim Vorbeifahren ſeine 
leere Schnupftabaksdoſe mit der Bitte übergibt, 
ſie ihm beim Krämer im Städtchen füllen zu 
laſſen und beifügt: „kriegſt dann auch eine Priſe“. 
Man wird allgemein ſagen können, daß bei 
kleinen, leichten Gegenſtänden, die der Poſtil— 
lion zu ſich ſteckt, der Geſichtspunkt einer 
Beförderung der Sache von Ort zu Ort hinter 
den der perſönlichen Dienſtleiſtung des Poſtillions 


fo ſtark zurücktritt, daß man vernünftigerweiſe, 
unter Berückſichtigung der Auffaſſung des Ver⸗ 
kehrs, nicht mehr davon ſprechen kann, daß die 
Sache „mit dem Omnibus befördert“ werde. 
Handelt es ſich freilich um Gegenſtände auch 
leichterer Art und kleineren Umfangs, die in dem 
Gepäckraum des Poſtwagens oder ſonſtwo hier 
untergebracht werden, ſo iſt objektiv immer 
eine Beförderung unter Benützung der ſtaatlichen 
Verkehrseinrichtung anzunehmen, daher, ſoweit 
der Poſtillion dieſe Benützung dem andern zur 
Verfügung ſtellt, eine amtliche Handlung des 
Poſtillions. Dabei iſt jedoch zu beachten, daß 
in ſolchen Fällen die aktive oder die paſſive Be⸗ 
ſtechung nicht felten noch aus ſubjektiven 
Gründen ausgeſchloſſen ſein wird. Denn in der 
Regel handelt es ſich bei ſolchen Poſtgeſällshinter⸗ 
ziehungen um recht geringfügige Sachen, meiſt 
auch von ſehr unbedeutendem Wert, die der 
Abſender, wenn ſich nicht die bequeme Gelegenheit 
der Beförderung durch den Poſtillion böte, ſicher 
nicht mit der Poſt befördern, ſondern durch eine 
ſonſt ſich bietende Fahrgelegenheit beſorgen ließe. 
Schließt dies auch die Annahme einer Poſtgefälls— 
hinterziehung nicht aus!), ſo muß doch bei 
Beurteilung der Frage berückſichtigt werden, ob 
der Poſtillion oder der andere ſich bei ihrer 
Handlungsweiſe bewußt waren, daß der Poſtillion 
in amtlicher Eigenſchaft handle, wenn er den 
leeren Kartoffelſack zur Ueberbringung an den 
Vetter auf dem Lande mit hinaus nimmt und 
ihn auf der Fahrt als Unterlage auf ſeinem 
Kutſcherbocke benützt. 


3. Einſchlägig iſt hier auch eine andere Be— 
ſtimmung für die Poſtboten. Nach § 26 Ziff. 4 
PoſtO. für das Königreich Bayern vom 27. März 
1900 (GVBl. 1900 S. 227 ff.) können den 
Poſtboten auf ihren Landzuſtellgängen zur Ein— 
lieferung bei der Poſtanſtalt ihres Dienſtortes 
Briefe, Pakete und ſonſtige Sendungen übergeben 
werden. Hierfür hat der Poſtbote für den Poſt⸗ 
fiskus eine Einlieferung von teils 10 Pig. teils 
5 Pfg. zu erheben. Eine ſolche Einlieferungs— 
gebühr wird dagegen nicht erhoben, wenn die 
Sendung vom Abſender bei einer Poſthilfſtelle 
aufgegeben oder niedergelegt wird. 


In dem dem Ob“. vorgelegenen Falle waren 
die Poſtboten auf Anzeige der Oberpoſtdirektion 
auch des Betrugs angeklagt, weil ſie vielfach (für 
gelegentliche Trinkgelder) ſolche Poſtſendungen 
angenommen, aber nicht auf die Poſtanſtalt ihres 
Dienſtortes gebracht, ſondern auf der näher ge— 
legenen Poſthilfsſtelle W. aufgeliefert hatten, gerade 
wie wenn die Abſender die Sendungen ſelbſt un— 
mittelbar auf der Poſthilfsſtelle aufgegeben hätten. 


1) Stenglein, ſtrafrechtl. Nebengeſetze; Poſtgeſetz 
S 27 Anm. 13; Dambach, Poſtgeſetz 8 27 Nr. 4 
Anm. 5, 6. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


In dieſen Fällen iſt zweifellos der Poſtfiskus 
dadurch geſchädigt worden, daß er die Einlieferungs⸗ 
gebühren nicht erhielt, die er erhalten hätte, wenn 
die Poſtboten die Sendungen mit nach Hauſe zur 
Poſtanſtalt ihres Dienſtortes genommen hätten. 
Die Poſtboten wußten auch, daß ſie durch ihre 
Handlungsweiſe den Abſendern eine Ausgabe er— 
ſparten. Ein Betrug könnte aber nur dann an⸗ 
genommen werden, wenn der Poſtbote den Brief 
gleich in ſeiner amtlichen Eigenſchaft angenommen 
hätte, jo daß alfo damit ſchon der Beförderungs⸗ 
vertrag zwiſchen dem Abſender und dem Poſt⸗ 
fiskus geſchloſſen worden wäre, während ein Be⸗ 
trug nicht angenommen werden kann, wenn der 
Poſtbote (entgegen freilich dem in § 3 der Dienſt⸗ 
anweiſung für die Bedienſteten von 1906 ent⸗ 
haltenen Verbote) die Sendung aus Gefälligkeit 
bis zur Poſthilfsſtelle mitgenommen, damit alſo 
eine reine Privattätigkeit entfaltet hätte; denn in 
dieſem letzteren Falle wäre die Auflieferung der 
Sendung eben nicht durch die Uebergabe an den 
Poſtboten geſchehen, ſondern erſt durch die (vom 
Poſtboten im Auftrage des Abſenders betätigte) 
Aufgabe in W. Die Strafkammer kam auch in 
dieſem Falle zur Nichteröffnung des Hauptver— 
fahrens, weil es als ſehr zweifelhaft erachtet 
wurde, ob ſich die Beieiligten, insbeſondere die 
Poſtboten, über die einſchlägigen Rechtsverhältniſſe 
im klaren, insbeſondere alles deſſen ſich bewußt 
waren, was vorliegen mußte, wenn ihnen ein 
Vergehen des Betrugs zur Laſt gelegt werden 
ſollte. Auch dies ift vom Ob“. gebilligt 
worden. 


III. 


Des Zuſammenhangs wegen mag ſchließlich 
noch eine andere Frage kurz erwähnt werden, die 
nicht felten die Strafgerichte beſchaftigt, und in 
einer andern Strafſache auch die hieſige Straf: 
kammer beſchäftigt hat. 


Mehrere Perſonen hatten in verſchiedenen 
Fällen einen Poſtillion beſtimmt, im Städtchen 
Waren (leih, Brot u. a.) in Geſchäften mit- 
zunehmen und ihnen — poſtamtlich nicht be- 
handelt — heimzubringen. Auf Anzeige der Ober: 
poſt direktion wurde Anklage erhoben nach § 27 Nr. 4 
RG. über das Poſtweſen. Dieſe Beſtimmung 
bedroht mit Strafe denjenigen, „der Sachen zur 
Umgehung der Portogefälle einem Poſtillion zur 
Mitnahme übergibt“. 


Zweifellos trifft dieſe Beſtimmung nach ihrem 
Wortlaute auf den fraglichen Fall nicht zu, 
da die Angeſchuldigten dem Poſtillion die poft- 
dienſtlich nicht behandelten Sendungen nicht mit- 
gegeben, ſondern ihn zum Mitbringen 
veranlaßt haben. 


Es könnte ſich fragen, ob nicht die Handlungs— 
weiſe der Angeklagten durch ausdehnende Aus— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


legung unter die genannte Geſetzesſtelle hätte 
gebracht werden können. Dies iſt aber zu ver⸗ 
neinen, da offenbar die Strafbeſtimmung von der 
Tatſache ausgeht, daß der Vertrag mit dem Poſt⸗ 
fiskus auf Beförderung von Poſtſendungen nicht 
vom Adreſſaten ſondern vom Abſender geſchloſſen 
wird, ſo daß alſo zunächſt nur dieſer wegen Porto⸗ 
hinterziehung verantworlich iſt. 


Dagegen kann der Adreſſat ſtrafbar fein, 
ſofern er nach allgemeinen ſtrafrechtlichen Grund⸗ 
ſätzen Teilnehmer (Anſtifter, Gehilfe) an der 
Straftat des Abſenders ift). Anſtiftung liegt 
zweifellos vor, wenn jemand beim Kaufmann 
brieflich oder mündlich Ware beſtellt und dabei 
den Kaufmann beauftragt, die Sendung dem 
Poſtillion zur Beſorgung mitzugeben. Der 
Poſtillion, der die Sachen zur Beförderung 
annimmt, iſt nicht der Beihilfe ſchuldig, ſondern, 
(da es ſich hier nicht um poſtzwangpflichtige 
Sendungen handelt), nur disziplinär ftrafbar?). 
Es beſtehen aber jedenfalls keine rechtlichen Be⸗ 
denken, Strafbarkeit des Poſtillions wegen An- 
ſtiftung zu den ſtrafbaren Handlungen aus 
§ 27 Nr. 4 PoſtG. anzunehmen, wenn die vom 
Abſender an ihn erfolgte Uebergabe zur uner⸗ 
laubten Beförderung von dem Poſtillion im Sinne 
des § 48 StGB. veranlaßt worden ift. Iſt aber 
der Poſtillion ſeinerſeits wieder im Sinne des 
$ 48 StGB. vom Adreſſaten der Sendung be: 
einflußt worden, den Abſender zu beſtimmen, daß 
er ihm die Sendung zur unerlaubten Beförderung 
mitgebe, dann iſt auch der Adreſſat wegen der 
mittelbaren Anſtiftung des Abſenders neben dieſem 
(und neben dem Poſtillion) nach $ 27 Nr. 4 
PoſtG. ſtrafbar“). 

Beauftragt alſo jemand einen Poſtillion, für 
ihn im Städtchen in einem Geſchäft etwas zu 
kaufen und ihm die Ware heimzubringen, ſo iſt 
er nach 8 27 Nr. 4 PoſtG. nur ſtrafbar, wenn 
nach den allgemeinen ſtrafrechtlichen Beitimmungen | 
eine zweifache Anſtiftung vorliegt, ſo daß alſo 
Verfehlungen dreier Perſonen nach § 27 Nr. 4 
Poſt G. zuſammentreffen. Unter welchen Voraus- 
ſetzungen — bei einer Entlohnung des Poſtillions 
— in ſolchen Fällen Beſtechung anzunehmen 
iſt, iſt unter II, 2 ausgeführt worden. 


N Stenglein, ſtrafrechtl. Nebengeſetze; Poftaeieb 


8 27 Anm. 13; Dambach, Poſtgeſetz § 27 Nr 
Anm. 9. 

) Stenglein, ebenda Anm. 14; Dambach 
ebenda 8 27 Nr. 4 Anm. 8. ö 


) Rifat, Lehrbuch des Strafrechts, § 51, V, 1. 


— — nn — — — ...... 
— —–—:ñ c m — 


281 


Schenkung aus dem Geſamtgut? 
(Zu 8 1446 BGB.). 


Von Amtsrichter Eduard Eckert in Nürnberg. 


Der letzte (achte) Band der Sammlung von Ent⸗ 
ſcheidungen des bayriſchen Oberſten Landesgerichtes 
in Zivilſachen enthält (S. 474) eine Entſcheidung, 
der folgender Sachverhalt zugrunde liegt. 

Der Kaufmann Georg St. erhielt von einer 
Bank die Gewährung eines Kredites gegen Pe- 
ſtellung einer Sicherheit zugeſagt. Die in fort⸗ 
geſetzter Gütergemeinſchaft lebende Witwe R. leiſtete 
dieſe Sicherheit durch Verpfändung einer zu dem 
Geſamtgute gehörigen Hypothek. Den Antrag auf 
Eintragung der Hypothekverpfändung in das Hypo⸗ 
thekenbuch lehnte das Hypothekenamt mit der Be⸗ 
gründung ab, daß der Verpfändung möglicher: 
weiſe eine Schenkung zugrunde liege und deshalb 
entweder die Zuſtimmung der Abkömmlinge oder 
der Nachweis beigebracht werden müſſe, daß keine 
Schenkung vorliege. 

Während das Landgericht als Beſchwerdegericht 
dieje Entſcheidung billigte, gab das Oberſte Landes- 
gericht der weiteren Beſchwerde ſtatt und erklärte 
die Anwendung der § 1446, 1487 BGB. auf 
die Verpfändung der Hypothek für ausgeſchloſſen. 
Die Verpfändung ſei keine unentgeltliche Zu— 
wendung an die Bank, ſondern habe ihren Rechts⸗ 
grund in der Vereinbarung, daß ſie zur Beſchaffung 
der nach dem Kreditvertrage von St. zu ſtellenden 
Sicherheit diene. Sollte zwiſchen der Witwe R. 
und dem Kaufmanne St. eine Vereinbarung ge— 
troffen worden ſein, vermöge deren der Vorteil, 
den St. durch die Verpfändung erlangt habe, als 
Schenkung anzuſehen wäre, jo wäre diefe Ver: 
einbarung nach den angeführten Vorſchriften 
nichtig; St. würde den ihm zugewendeten Vorteil 


ohne rechtlichen Grund erlangt haben und deshalb 


| nach $ 812 BGB. zur Herausgabe verpflichtet 


ſein. Die Nichtigkeit der zwiſchen der Witwe R. 
und Georg St. vereinbarten Schenkung würde 
aber nicht auch die zwiſchen der Witwe R. und 
der Bank vereinbarte entgeltliche Pfandbeſtellung 
ergreifen. 

Iſt dieſe Entſcheidung richtig, dann kann dem 
Geſetzgeber der Vorwurf wohl nicht erſpart werden, 
daß er die Intereſſen der Ehefrau bei allgemeiner 
und der Abkömmlinge bei fortgeſetzter Gütergemein— 
ſchaft nur mangelhaft geſchützt hat. Der zur Ber- 
fügung über das Geſamtgut berechtigte Ehegatte 
kann danach zwar Gegenſtände des Geſamtgutes 
nicht unmittelbar ſchenkungsweiſe auf denjenigen 
übertragen, den er bereichern möchte; die Ueber— 
tragung bedarf zu ihrer Wirkſamkeit der Ein— 
willigung des anderen Gatten oder der Abkömm— 
linge. Aber ohne dieſe Einwilligung ſoll ſie rechts— 
wirkſam ſein, wenn der Mann oder der überlebende 
Ehegatte geſetzeskundig genug iſt, bei ſeinen Zu— 
wendungen einen anderen Weg einzuſchlagen, wenn 


282 


er, Statt feinem Freunde das Geld zur Befriedigung 
ſeiner Gläubiger zu ſchenken, ſelbſt die Schulden 
bezahlt und ſeinen Freund ſo von ſeinen Verbind— 
lichkeiten befreit, oder wenn er einem kredit⸗ 
bedürſtigen Bekannten nicht ſelbſt die nötigen Bar⸗ 
mittel gewährt, ſondern durch eine Verpfändung 
von Gegenſtänden des Geſamtgutes bei einem 
Dritten einen Kredit für ihn flüſſig macht — mag 
hierbei auch jedes Entgelt für das Geſamtgut 
ausgeſchloſſen ſein, Ehefrau oder Abkömmlinge 
haben nichts dreinzureden; denn die dem Dritten 
gewährte Bezahlung oder Sicherſtellung ſeiner 
Forderungen enthält für ihn als Gläubiger keine 
unentgeltliche Zuwendung und iſt darum auch ohne 
die von 88 1446, 1487 geforderte Einwilligung 
rechtswirkſam; dem Geſamtgute bleibt der Be- 
reicherungsanſpruch gegen den befreiten Schuldner 
oder den Kreditnehmer. 

Iſt das wirklich Rechtens? Kein Zweifel, daß 
es für den Zweck, dem der $ 1446 dienen ſoll, 
weit weniger auf die Unentgeltlichkeit der Zu: 
wendung ankommt, die der Dritte erhält, als 
darauf, daß auf der Seite des Geſamtgutes eine 
unentgeltliche Aufwendung vorliegt; wenn die 
Motive (4, 356) bemerken, daß Schenkungen regel: 
mäßig außerhalb des Kreiſes einer ordnungs⸗ 
mäßigen Vermögensverwaltung lägen und deshalb 
die Befugnis, einſeitig Schenkungen aus dem Ge— 
ſamtgute zu machen, dem Ehemanne grundſätzlich 
entzogen ſein müſſe, ſo iſt der Gedanke eben der, 
daß der Mann das Geſamtgut nicht durch Leiſtungen 
ohne Gegenleiſtung ſchmälern können ſoll. Ob 
die Leiſtung aus dem Geſamtgute für den unmittel— 
baren Empfänger eine unentgeltliche Zuwendung 
bedeutet und ihn bereichert oder ob ein Dritter 
infolge der Leiſtung als unentgeltlich bereichert 
erſcheint, iſt für die Intereſſen des Geſamtgutes 
belanglos. Eine andere Frage freilich iſt es, ob 
dieſer Gedanke im Geſetze ſolchen Ausdruck ge— 
funden hat, daß man die Anwendung, die dem 
§ 1446 in dem Beſchluſſe des Oberſten Landes- 
gerichtes widerfahren iſt, als unrichtig bezeichnen 
kann. In dieſer Hinſicht dürfte folgendes zu 
beachten ſein.“) 

8 1446 fordert die Einwilligung der Ehefrau 
nicht nur zu einer Schenkung aus dem Geſamt— 
gute, ſondern auch zu „einer Verfügung über 
Geſamtgut, durch welche das ohne Zuſtimmung 
der Frau erteilte Verſprechen einer ſolchen Schen— 
kung erfüllt werden ſoll“. Statt von dem „Ver— 
ſprechen einer Schenkung“ würde das Geſetz rich— 
tiger wohl von dem ſchenkungsweiſe erteilten Ver— 
ſprechen einer Leiſtung reden (vgl. Planck, BGB. 


N Bei den nachſtehenden Ausführungen wird von 
der Annahme ausgegangen, daß der Hypotheken- oder 
Grundbuchbeamte, wenn der konkrete Sachverhalt die 
Annahme einer Schenkung nahe legt, auch bei Rechts— 
geſchäften, zu denen an ſich die Zuſtimmung der Frau nicht 
erforderlich iſt, den Nachweis verlangen kann, daß keine 
Schenkung vorliegt. RIA. 2, 248, BayObLG. 5, 522. 


E3ettſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


Note 2 drittletzter Abſatz zu $ 516). Jedenfalls 
beſteht darüber kein Zweifel, daß der $ 1446 in 
dieſem Sinne zu verſtehen ift und die ſchenkungs⸗ 
weiſe verſprochene Leiſtung treffen will. Beſieht 
man ſich nun den eingangs mitgeteilten Zat: 
beſtand und fragt man ſich, wie die Witwe R. 
dazu gekommen ift, bei dem Notare die Verpfän: 
dung ihrer Hypothek zu erklären, ſo wird man 
es als das Wahrſcheinlichſte anſehen dürfen, daß 
ſie dies nicht ohne Vorwiſſen des St. getan, 
ſondern ihm vorher verſprochen hat, die Hypothek 
zu verpfänden und ſo den Bankkredit für ihn 
flüſſig zu machen. Hat ſie dieſes Verſprechen 
unentgeltlich erteilt, fo liegt in ſolcher ohne Gegen: 
leiſtung erfolgter Einräumung des Anſpruches auf 
Verpfändung zweifellos eine Bereicherung des St. 
aus dem Geſamtgut, eine Schenkung. Die Ver: 
pfändung ſelbſt kommt dann nicht als Schenkung 
in Betracht, wohl aber iſt ſie eine Verfügung, 
durch die ein ſchenkungsweiſe erteiltes Verſprechen 
erfüllt werden ſoll. Daß die Verpfändung in 
einem Vertrag erfolgt, der nicht mit dem Be: 
ſchenkten abgeſchloſſen wird, ſondern mit einem 
Dritten, der für ſich keine unentgeltliche Zuwen⸗ 
dung erhält, kann an der Tatſache nichts ändern, 
daß ſie zur Erfüllung des Schenkungsverſprechens 
vorgenommen iſt. Es iſt falſch, wenn in dem 
von dem Oberſten Landesgericht entſchiedenen Falle 
der Beſchwerdeführer zur Begründung ſeiner wei— 
teren Beſchwerde behauptet hat, das Rechtsver— 
hältnis zwiſchen St. und der Witwe R. bilde nur 
den rechtlich belangloſen Beweggrund der Ber: 
pfändung. Hat die Witwe R. dem Kaufmann 
St. die Verpfändung der Hypothek verſprochen 
gehabt, dann bildet die Erfüllung dieſes Verſprechens 
den Zweck der Verpfändung (causa solvendi), 
dann iſt es auch nicht zutreffend, wenn es in dem 
oberſtrichterlichen Beſchluß heißt: „Die Leiſtung, 
die der Bank mit der Pfandbeſtellung gemacht 
worden iſt, hat ihren Rechtsgrund in der Ver— 
einbarung, daß ſie zur Beſchaffung der nach dem 
Kreditvertrage von Georg St. zu ſtellenden Sicherheit 
diene.“ Die Verpfändung iſt die von der Witwe 
R. dem Kaufmann St. verſprochene Leiſtung an 
einen Dritten, die ſich „im Rechtsſinn als Leiſtung 
an den Verſprechensempfänger“ erweiſt; „eine 
beſondere Kauſalbeziehung zwiſchen dem Ver— 
ſprechenden und dem Dritten beſteht nicht“ (vgl. 
Oertmann, Recht der Schuldverhältniſſe, Note 2 be 
vor § 328 ff.). Der Rechtsgrund für die Leiſtung 
an die Bank iſt alſo der Vertrag zwiſchen der 
Witwe R. und Georg St.; hat in dieſem Vertrage 
die Witwe R. die Verpfändung der zu dem 
Geſamtgute gehörigen Hypothek ohne Einwilligung 
der Abkömmlinge unentgeltlich verſprochen, dann 
bedarf die Verpfändung als die zur Erfüllung des 
Schenkungsverſprechens vorgenommene Verfügung 
über Geſamtgut der Einwilligung der Abkömmlinge. 

Bei der bisherigen Beweisführung iſt voraus: 
geſetzt, daß die Verpfändung nicht ohne Vorwiſſen 


des St. erfolgt iſt, ſondern zur Erfüllung eines 
ihm vorher gegebenen Verſprechens. Die Bered- 
tigung des Hypotheken⸗ oder Grundbuchamtes in 
einem ſolchen Falle den Nachweis dafür zu fordern, 
daß die durch den Sachverhalt nahe gelegte An⸗ 
nahme der Erfüllung eines Schenkungsverſprechens 
nicht zutreffe oder daß die Einwilligung der Ab- 
kömmlinge erteilt ſei, wird ſich nach dem Geſagten 
mit Rückſicht auf den zweiten Fall des § 1446 
wohl nicht beſtreiten laſſen. Das Oberſte Landes⸗ 
gericht freilich hat offenbar nicht dieſen weitaus 
wahrſcheinlicheren Fall im Auge gehabt, bei dem 
die Schenkung in Geſtalt des Verſprechens der 
Verpfändung dieſer vorangeht, ſondern nur den 
bei einem Sachverhalt, wie er hier in Frage ſteht, 
gewiß ſelten vorkommenden erſten Fall des § 1446 
berückſichtigt, den Fall, daß in der Verpfändung 
ſelber ſich eine Schenkung aus dem Geſamtgute 
vollzieht; denn es ſpricht nur von der Möglichkeit 
einer Vereinbarung, „vermöge deren der Vorteil, 
den St. durch die Verpfändung, erlangt, 
als Schenkung anzuſehen ſein würde“. Aber 
ſollte für dieſen Fall etwas anderes gelten und 
hier die Meinung des Oberſten Landesgerichtes 
zutreffen? 

„Zum richtigen Verſtändnis des Schenkungs— 
inſtituts ift die Scharfe Sonderung der Zuwendung 
und des Schenkungsaktes an erſter Stelle wichtig, 
nur indem man ſie leugnete, kam man zur Leug⸗ 
nung des Vertragscharakters der Schenkung. Aus 
der Unterſcheidung ergibt ſich auch, daß beide von 
verſchiedenen Gültigkeitsbedingungen abhängig ſind 
— wieweit die Zuwendung als ſolche gültig iſt, 
beſtimmt ſich im Prinzip nur nach den über den 
fraglichen Rechtsakt ſonſt geltenden Beſtimmungen, 
nicht nach den Schenkungsregeln; bezahlt 3. B. 
jemand die Schuld eines Dritten, ſo bedarf das 
dem Gläubiger gegenüber weder der etwaigen 
Schenkungsform, noch iſt der Akt etwa aus § 528 
dem Rückforderungsrecht unterworfen, auch nicht 
der Anfechtung wegen Verletzung der Gläubiger .. 
Der gegenteiligen Anſicht bei Planck zu $ 516 
Nr. 5 Abſ. 3 fehlt jede Begründung. Iſt die 
Zuwendung gültig, die Schenkung (causa dona- 
tionis) aber nicht zuſtande gekommen, ſo iſt jene 
sine causa bei dem Begünſtigten. Daher kann 
der Zuwender ſie oder ihren Betrag nach den 
Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (S8 812ff.) 
vom Begünſtigten zurückfordern.“ Nach dieſen 
Ausführungen Oertmanns (a. a. O. Note 2 vor 
$ 516 ff.) müſſen wir in unſerem Fall ebenſo 
wie nach der vom Oberſten Landesgerichte ver— 
tretenen Anſchauung den Verpfändungsvertrag 
zwiſchen der Witwe R. und der Bank unterſcheiden 
von der im Augenblick der Verpfändung vielleicht 
noch gar nicht zuſtande gekommenen (§ 516 Abſ. 2) 
Einigung der Witwe und des St. über die Un— 
entgeltlichkeit der Zuwendung; nur für diefe Eini- 
gung ſoll die Zuſtimmung der Abkömmlinge er: 


forderlich ſein und ihr Mangel die Gültigkeit der | geſchäftes verfügt wird“. 


Zeitſchrift für rift für Rechtspflege in Bayer in Bayern. 1908. Nr. 14. 


283 


Verpfändung nicht berühren. Es iſt zuzugeben, 
daß die Stelle in den Protokollen zweiter Leſung, 
die Planck für ſeine Meinung anführt, die Anſicht 
Oertmanns kaum zu widerlegen geeignet ift. Wenn 
es dort (2, 7) heißt, ein Zweifel darüber, daß 
die Beſtimmungen des Schenkungsrechtes, ins⸗ 
beſondere die Schenkungsverbote der 88 1353, 
1661 (= BGB. 88 1446, 1641) auch auf die 
Schenkungsofferte Anwendung finden müßten, laſſe 
ſich nicht erwarten, jedenfalls ſei ihre Anwend⸗ 
barkeit beabſichtigt, ſo läßt ſich dagegen vom 
Standpunkt Oertmanns aus wohl einwenden, 
daß die Verbote eben nur die Offerte zu dem 
Schenkungsvertrage berühren, nicht aber den hier⸗ 
von zu trennenden rechtlich ſelbſtändig zu beur⸗ 
teilenden Vertrag der Witwe mit der Bank. 
Aber iſt eine ſolche Trennung wirklich gerecht⸗ 
fertigt? iſt ſie es insbeſondere gegenüber dem 
$ 1446 BGB.? Sie ift zweifellos notwendig, um 
das Rechtsgeſchäft nach allen Seiten erſchöpfend zu 
würdigen. Eine andere Frage aber iſt es, ob 
man aus ihr dieſelben Folgerungen, wie Oertmann 
und das Oberſte Landesgericht ziehen darf. Die 
an und für ſich berechtigte Unterſcheidung, die uns 
in der Sicherheitsbeſtellung durch die Witwe R. 
ein Rechtsgeſchäft erkennen läßt, das Rechts⸗ 
wirkungen gegenüber zwei verſchiedenen Perſonen 
äußert und für den einen eine entgeltliche, für den 
anderen eine unentgeltliche Zuwendung enthält, 
berechtigt nicht dazu, aus dieſem einen Rechts⸗ 
geſchäfte zwei zu machen und das eine für ſich 
beſtehen zu laſſen, auch wenn das andere rechts⸗ 
unwirkſam iſt. Die Unterſcheidung darf nicht 
dahin führen, daß man den Beſtimmungen über 
Schenkung nur die Einigung der Witwe R. und 
des Georg St. über die Unentgeltlichkeit der Zu⸗ 
wendung unterſtellt und die Gültigkeit der Zu⸗ 
wendung ſelbſt von dieſen Beſtimmungen unab- 
hängig macht. § 516 BGB. bezeichnet als 
Schenkung nicht etwa die Einigung darüber, daß 
eine Zuwendung, durch die jemand aus ſeinem 
Vermögen einen anderen bereichert, unentgeltlich 
erfolgen ſoll, ſondern die Zuwendung, bei der dieſe 
Vorausſetzungen vorliegen. Dementſprechend haben 
wir auch in § 1446 unter einer Schenkung aus 
dem Geſamtgute, nicht jene Einigung, das obli— 
gatoriſche Rechtsverhältnis zwiſchen dem Schenker 
und dem Beſchenkten zu verſtehen, ſondern die Bu- 
wendung ſelber, das Leiſtungsgeſchäft, in dem ſich 
die Schenkung auf Koſten des Gejamtgutes vol- 
zieht. Unterſtützt wird dieſe Anſicht durch den 
Vorgänger des S 1446 im Entwurf erſter Leſung, 
den § 1353 Abſ. 2. Er fordert die Einwilligung 
der Ehefrau zu einem Rechtsgeſchäft des Ehe— 
mannes, das „ein Schenkungsverſprechen enthält 
oder durch welches ein zum Geſamtgute gehörender 
Gegenſtand verſchenkt oder über einen ſolchen Gegen⸗ 
ſtand zum Zwecke der Erfüllung eines nach den 
Vorſchriften dieſes Paragraphen unwirkſamen Rechts⸗ 
Dieſe Beſtimmung will, 


284 


wie aus dem Wortlaut und überdies aus den 
Motiven (4,357) erſichtlich iſt, in erſter Linie 
„den dinglichen Vertrag, durch welchen ein zum 
Geſamigute gehörender Gegenſtand verſchenkt wird, 
an die Einwilligung der Ehefrau .... binden“, 
und es bedarf wohl keiner weiteren Ausführung 
darüber, daß ſie nicht nur für Rechtsgeſchäfte gelten 
ſollte, durch die das Eigentum an einer zum 
Geſamtgute gehörigen Sache aufgegeben wird, 
ſondern für jeden dinglichen Vertrag, in dem ſich 
eine Schenkung auf Koſten des Geſamtgutes voll⸗ 
ziehen kann. Auch der § 1446 BGB., der die 
Beſtimmung des Entwurfes zwar nicht in dem 
gleichen Wortlaut, aber dem Sinne nach wieder⸗ 
gibt, hat darum auf den dinglichen Vertrag An⸗ 
wendung zu finden, durch den ſchenkungsweiſe über 
einen zu dem Geſamtgute gehörigen Gegenſtand 
verfügt wird. 

Ein ſolcher Vertrag iſt möglicherweiſe die 
Hypothekverpfändung der Witwe R. Enthält ſie 
auch der Bank gegenüber keine unentgeltliche Zu⸗ 
wendung, ſo kann ſie eine ſolche doch gegenüber 
dem Kaufmann St. enthalten; ſie kann ihm gegen⸗ 
über Schenkung ſein und unterliegt dann den 
Schenkungsregeln. Wenn das Oberſte Landesgericht 
bemerkt, das Rechtsgeſchäft der Pfand beſtellung fei 
von der Wirkſamkeit des zwiſchen der Witwe R. 
und St. möglicherweiſe geſchloſſenen Vertrages 
unabhängig, ſo iſt hier verkannt, daß es ſich nicht 
um zwei verſchiedene ſelbſtaͤndige Rechtsgeſchäfte 
handelt, ſondern nur um das eine Rechtsgeſchäft 
der Pfandbeſtellung, das, wenn ſich in ihm eine 
Schenkung an St. vollziehen ſoll, ohne die Ein⸗ 
willigung der Abkömmlinge nicht wirkſam iſt und 
der Einwilligung nicht deshalb entraten kann, weil 
es gleichzeitig eine entgeltliche Verfügung gegenüber 
der Bank enthält; denn es iſt wohl nicht richtig, daß 
die der Bank mit der Pfandbeſtellung gemachte Zu⸗ 
wendung ihren Rechtsgrund, wie es in dem oberſt— 
richterlichen Beſchluß heißt, nur in der Verein⸗ 
barung hat, daß ſie zur Beſchaffung der nach dem 
Kreditvertrage von St. zu ſtellenden Sicherheit 
diene. Es mag dahingeſtellt bleiben, ob man 
hierin überhaupt einen Rechtsgrund für die Pfand— 
beſtellung erblicken kann, ob nicht vielmehr die 
Bezeichnung der durch das Pfand zu ſichernden 
Forderung ebenſo zum notwendigen Inhalte jedes 
Pfandvertrages gehört wie zur Beſtellung einer 
Grunddienſtbarkeit die Benennung des herrſchenden 
Grundſtückes, für deſſen Benützung die Dienſt— 
barkeit Vorteil bieten ſoll. Während Jacubezky 
in ſeinen Bemerkungen zu dem Entwurf eines 
bürgerlichen Geſetzbuches (S. 15) als Rechts⸗ 
grund „auch die Befriedigung ($ 227) oder 
Sicherſtellung (S$ 439, 680 . . .) eines fremden 
Gläubigers“ gelten läßt, bezeichnet Oertmann 
(a. a. O. Note 3 zu 8 267 BGB. = 8 227 
Entw. I), als causa den Schenkungsvertrag, wenn 
jemand in Schenkungsabſicht eine fremde Schuld 
bezahlt. Wie dem auch ſei, mag die Sicherſtellung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


oder Befriedigung eines fremden Gläubigers als 
Rechtsgrund für eine Zahlung oder Pfandbeſtellung 
gelten können oder nicht, jedenfalls liegt zum min⸗ 
deſten neben dieſem Rechtsgrund auch die causa 
donationis jenen Rechtsgeſchäſten zugrunde, wenn 
der Schuldner vereinbarungsgemäß unentgeltlich 
bereichert wird, und dieſe causa macht die Rechts⸗ 
geſchäfte zu Schenkungen. Darum: liegt im Ver⸗ 
hältniſſe der Witwe R. zu St. eine unentgeltliche 
Zuwendung vor, fo ift die Einwilligung der Ab: 
kömmlinge erforderlich, nicht etwa nur zur Gültig⸗ 
keit der Vereinbarung, vermöge deren der Vorteil, 
den St. durch die Verpfändung erlangt, als 
Schenkung anzuſehen iſt, ſondern auch zur Ver⸗ 
pfändung ſelber. Fehlt die von 88 1446, 1487 
geforderte Einwilligung, dann iſt nicht etwa nur 
die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zu⸗ 
wendung rechtsunwirkſam, ſondern auch die Zu⸗ 
wendung ſelber, der dingliche Vertrag, in dem 
ſich die Schenkung vollzieht; auch die Bank hat 
dann infolge der Unwirkſamkeit dieſes Vertrages 
kein Pfandrecht erworben, das in das Hypotheken⸗ 
buch eingetragen werden könnte. 

Man wird alſo die Einwilligung der Abkömm⸗ 
linge gleichmäßig als notwendig erachten müſſen, 
mag Witwe R. vor der Verpfändung dieſe 
ſchenkungsweiſe verſprochen gehabt haben oder 
mag ſich erſt in der Verpfändung eine Schenkung 
gegenüber St. vollziehen — im erſteren Falle, 
weil hier die Verpfändung eine Verfügung über 
Geſamtgut iſt, durch die ein ſchenkungsweiſe ge⸗ 
gebenes Verſprechen erfüllt werden ſoll, im anderen 
Falle, weil der 8 1446 nicht nur für die per: 
ſönlichen Rechtsbeziehungen zwiſchen dem Schenker 
und dem Beſchenkten Geltung hat, ſondern für 
die „Schenkung“ d. i. nach der Legaldefinition 
des § 516 die unentgeltliche bereichernde Zuwen⸗ 
dung, hier die Verpfändung. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Zufalls⸗ oder Geſchicklichkeitsſpiel ? Die Frage, ob 
die ſog. Geldſpielautomaten Geſchicklichkeits⸗ 
oder Zufallsſpiele, alſo Glücksſpiele ſeien, beſchäftigt 
gegenwärtig ſehr viel die deutſchen Gerichts- und 
Polizeibehörden. Die Geldſpielautomaten ſind eine 
Erwerbsquelle der Neuzeit, ſei es ſeitens der 
Fabrikanten, ſei es ſeitens der Automatenbeſitzer, 
unter denen in erſter Reihe die Gaſtwirte zu nennen 
find. Eine energiſche Stellungnahme der Polizei- 
behörden wurde aber eigentlich erſt durch das Ueber⸗ 
handnehmen ſolcher Gewinnſpiele herausgefordert. 
So waren z. B. in Berlin in ganz kurzer Zeit etwa 
60 „Automatenvariétés“ zu zählen, die fih mit ihrem 
nur aus ſolchen Gewinnſpielen beſtehenden Inventar 
in leerſtehenden, z. T. proviſoriſch gemieteten Kauf⸗ 
läden etablierten. Das Einſchreiten der Polizeibehörde 
war um fo unnachlichtlicher, als ſich ein direkt ſchäd⸗ 
licher Einfluß dieſer Gewinnſpiele auf die Jugend 
fühlbar machte, die ſich vielfach die Geldmittel hierfür 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


285 


durch Diebſtahl verſchaffte. Ihr Bemühen entſprach Automatenbeſitzer die geſamten Einſätze der übrigen 


aber zunächſt keineswegs dem erhofften Erfolge, denn 
die Gerichte teilten grundſätzlich nicht die Anſicht der 


Polizei, daß es ſich hier um verbotene Glücksſpiele 


handle. Die Frage iſt zurzeit um ſo weniger gelöſt, 
als ſich Widerſprüche in den Erkenntniſſen der Gerichte 
verſchiedener Städte herausſtellten und die oberit: 
richterliche Entſcheidung noch abzuwarten iſt. 


Ehe ich auf die juriſtiſche Seite dieſer Frage ein⸗ 
gehe, muß ich zum beſſeren Verſtändnis der Sachlage 
erſt die techniſche Seite berühren. Die Vorläufer 
der heute ſo zahlreich öffentlich aufgeſtellten Geld— 
ſpielautomaten ſind die Ring-, Platten⸗ und Tonnen⸗ 
ſvielautomaten, wie fte heute noch auf manchen Jahr- 
märkten anzutreffen ſind. Man hat ſie ebenſowenig 
wie die verſchiedenartigen Kegelſpiele als Glücksſpiele 
angeſehen. Die hier ausſchlaggebenden Beziehungen 
von Urſache und Wirkung der freien 
berechneten Körperbewegung ſind nun bei 
den modernen Geldſpielautomaten auf ein Minimum 
reduziert, nämlich auf die ungleich ſchwerer ab: 
z uſchätzen de Kraft eines automatiſch 
wirkenden Fingerdruckes oder Finger⸗ 
ſchlages. Dieſes Prinzip liegt den am meiſten ver: 
tretenen fog. „Hebelautomaten“ (auch „Knips⸗ 
automaten“ genannt) zugrunde, bei denen eine Kugel 
oder Geldſtücke durch einen federnden Hebel in Gewinn⸗ 
oder Verluſtſpalten loder-Schächte) geſchleudert werden. 
Ein zweites Syſtem ſtellen die ſog. „Fingerſchlag— 
automaten“ dar, bei denen ein Ring oder ein 
Geldſtück zum Teil aus einem Schlitz des Automaten 
hervorſteht, um durch einen Fingerſchlag in gleicher 
Weiſe in den Apparat geſchleudert zu werden. 
Schließlich find noch die fog. „Schieß automaten“ 
zu erwähnen, bei denen die Schleuderkraft der 
geſpannten Feder einer (beweglich angebrachten) Piſtole 
oder eines Gewehres zur Beförderung des Geld— 
ſtückes dient. 


Das Prinzip des Hebelautomaten ermöglicht nicht 
nur verſchiedene einzelne Abarten, ſondern auch eine als 
„Geſellſchaftsſpiel“ konſtruierte Kombination von zehn 
ſolchen Automaten, die im Dezember vorigen Jahres 
in Berlin der Gegenſtand einer gerichtlichen Ver— 
handlung war, die mit Freiſprechung der wegen Ver— 
anſtaltung einer öffentlichen Lotterieausſpielung (§ 286 
Abſ. 2 StGB.) angeklagten Automatenfabrikanten 
endete. Zur näheren Erklärung des Syſtems der 
Hebelautomaten im allgemeinen und des eigenartigen 
„Geſellſchaftsſpiels“ im beſonderen, fei hier die Spiel- 
art dieſes unter dem Namen „Union“ patentierten 
(übrigens auch prämiierten) Spielautomaten beſchrieben. 


Auf den Ruf des Spielleiters, der ſich in einem 
von zehn Hebelautomaten gebildeten Kreis befindet, 
wirft jeder der Mitſpielenden ein Zehnpfennigſtück in 
eine Einwurfsöffnung. Hierauf wird eine bisher feſt— 
gehaltene Elfenbeinkugel frei und fällt auf eine 
Schleudervorrichtung, die wiederum von einem aus 
dem Apparat herausragenden Hebel in Tätigkeit geſetzt 
werden kann. Auf ein erneutes Zeichen des Spiel— 
leiters wird dieſe Schleudervorrichtung nach unten 
gedrückt und ſchnell losgelaſſen, ſo daß jede Kugel in 
die Höhe fliegt und in ein hinter der Glasſcheibe an— 
gebrachtes Fach fällt. Dieſe Fächer ſind mit Nummern 
verſehen Derjenige Spieler, dem es gelingt, die 
Kugel ſeines Apparates in ein Fach mit einer mög— 
lichſt hohen Rummer zu ſchleudern, hat gewonnen und 
erhält nach einem Abzuge von 20 Prozent für den 


Mitſpieler. 
Aus den Entſcheidungsgründen des freiſprechen⸗ 
den Urteils ſei folgende Stelle hervorgehoben: 


„. . . Nach gutachtlicher Aeußerung der Sad- 
verſtändigen hat es der Spieler in der Hand, durch 
Abmeſſung des Druckes auf den Hebel die beſtimmten 
phyſikaliſchen Geſetzen unterworfene Flugbahn der 
Kugel zu beſtimmen und dadurch zu bewirken, daß die 
abgeſchoſſene Kugel in ein Fach mit den höheren 
Nummern fällt, wozu keine außerordentliche Geſchick— 
lichkeit, ſondern nur einige Beobachtung und Uebung 
gehört; dazu wird den Spielern aber Gelegenheit 
gegeben durch die ſog. Freiſchüſſe. Es ſei mit dem 
Billard- und Kegelſpiel zu vergleichen, bei dem auch 
Aufmerkſamkeit und eine gewiſſe Veranlagung des 
Spielers vorausgeſetzt fei. .. Das Gericht hat dem- 
gemäß angenommen, daß Gewinn und Verluſt bei 


den mit Hilfe dieſes Apparates veranſtalteten Spielen 


nicht weſentlich durch Zufall bedingt ſind, ſondern in 
der Hauptſache von der Geſchicklichkeit des Spielers 
abhängen ...“ 

Die Polizei iſt aber nach wie vor der Anſicht, 
daß dieſes Geſellſchaftsſpiel mehr ein Zufallsſpiel ſei, 
da es beim gleichzeitigen Losſchnellen der zehn Kugeln 
unmöglich ſei, die Flugbahn einer einzelnen Kugel zu 
berechnen. Es wurden daher in Berlin vor kurzem 
eine große Anzahl ſolcher Automaten beſchlagnahmt, 
bei denen von einer Berechnung der Flugbahn nicht 
die Rede ſein kann. 


Das Reichsgericht, das ſich neuerdings wieder 
mit der ſtrittigen Frage wird zu beſchäftigen haben, 
ſcheint nicht auf dem Standpunkt des oben erwähnten 
Strafkammerurteils zu ſtehen; denn in ſeinem Urteil 
vom 19. März 1894 (RG St. 25, 192 ff.) hat es 
entſchieden, daß ein Spiel, welches in abstracto 
ſich als ein Geſchicklichkeitsſpiel darſtellt, in concreto 
als ein Zufallsſpiel in Betracht gezogen werden kann. 
In den Entſcheidungsgründen dieſes Urteils, dem ein 
„Ringwurfſpiel“ als Gegenſtand der Verhandlung 
zugrunde lag, iſt ausgeführt, daß im weſentlichen hier 
der Zufall über Gewinn und Verluſt entſcheide. 
Anderſeits habe zu einem erfolgreichen Ringwurf eine 
ſo außergewöhnliche Geſchicklichkeit gehört, wie es bei 
dem ſpielenden Publikum regelmäßig nicht vorhanden 
ſei. Unter dieſen Umſtänden komme es lediglich auf 
den allgemeinen Charakter des Spieles an, den es 
unter den gegebenen Verhältniſſen beſitze, unter welchen 
es geſpielt werde. Es könne deshalb das Spiel für 
das Publikum, welchem es eröffnet worden iſt, ein 
Zufallsſpiel ſein, wenn es auch für ausſchließlich 
Sachkundige dieſen Charakter nicht an ſich trage. 

Schließlich ſei noch auf eine Enſcheidung des 
Reichsgerichts aus der letzten Zeit hingewieſen 
(Urteil vom 7. Dezember 1906, RGSt. 40, 21 ff.), 
in der die begrifflichen Merkmale des Geſchicklichkeits— 
und Glücksſpieles klargelegt werden; hier wird auch 
betont, daß ſelbſt die reinen Geſchicklichkeitsſpiele, wie 
Kegeln, Billard und Schach als „Spiele“ unter die 
Beſtimmung des 8 762 BGB. fallen, wonach die 
Klagbarkeit auch ſolcher Spiele nach geltendem Recht 
ausgeſchloſſen ſei. 

In dem Reichsgerichtsurteil vom 30. Oktober 1905 
(RGE. 38, 205) ift ein weiterer Geldſpielapparat 
(Drehrad) beſchrieben, der auch als Glücksſpiel be— 
trachtet wurde. 


286 | Zeitſchrift 


Sollten aber ſchließlich für die Freigabe der 
modernen Geldſpielautomaten ähnliche Erwägungen 
ins Gewicht fallen, wie für die im $ 22 des Urheber: 
rechtsgeſetzes vom 19. Juni 1901 ſtatuierte Ausnahme⸗ 
ſtellung der Muſikautomaten, die mit Rückſicht auf 
die deutſche Induſtrie, welche die Freigabe der Ueber⸗ 
tragung von Tonwerken auf mechaniſche Muſik⸗ 
inſtrumente dringend erfordere, wenn ſie nicht im 
Kampfe mit der ausländiſchen Konkurrenz unterliegen 
foll, ſeinerzeit in den Kommiſſions⸗ und Reichstags, 
beratungen allgemein gebilligt und gefordert wurde? 

Dr. jur. Schneickert, 
Kriminalkommiſſar in Berlin. 


Das Eigentum an öffentlichen Gewäſſern. In Nr. 1 ff. 
des Jahrg. 1908 dieſer Zeitſchrift findet ſich eine 
Abhandlung über die privatrechtlichen Grundlagen 
des bayeriſchen Waſſerrechtes von Landgerichtsrat 
Dittmann. Darin wird auch zu der Frage nach der 
rechtlichen Natur des Eigentums an öffentlichen 
Flüſſen Stellung genommen und zwar gelangt der 
Verfaſſer zu dem Ergebniſſe, daß dieſes Eigentum ein 
von dem privatrechtlichen Eigentum verſchiedenes ſei, 
indem es ſich nicht auf die einzelne Waſſerwelle, 
ſondern nur auf den Waſſerlauf als Ganzes erſtrecke. 
Begründet iſt dieſe Meinung damit, daß bei anderer 
Konſtruktion ein Diebſtahl an dem Waſſer der öffent- 
lichen Flüſſe möglich ſei. Auch der neue Kommentar 
zum bayer. Waſſergeſetze von Harſter⸗Caſſimir ſtellt 
ſich auf den Standpunkt dieſes Artikels, ohne jedoch 
die Begründung anzunehmen. Er hält den Grund, 
daß die Auffaſſung des Eigentums am Waſſer als 
gewöhnliches Eigentum zu einer Beſtrafung der 
rechtswidrigen Aneignung des Waſſers als Diebſtahl 
führen müſſe, für nicht ſtichhaltig, ſtützt ſich vielmehr 
darauf, daß gerade das Gemeingebrauchsrecht am 
Waſſer dafür ſpreche, daß das Recht des Gewäſſer— 
eigentümers kein Eigentumsrecht an der einzelnen 
Waſſerwelle in ſich ſchließe. 

Ich halte die viel erörterte Frage noch nicht für 
geklärt und es iſt wohl nicht überflüſſig, ſie noch 
näher zu unterſuchen. 

Die Schwierigkeiten liegen darin, daß das Waſſer 
eine Sache ganz beſonderer Art ift. Man hat be- 
hauptet, wegen der Natur des Waſſers als flüchtiger 
Erſcheinung, die niemals am gleichen Orte bleibe, 
ſei ein Eigentum an der einzelnen Welle, d. h. an 
dem einzelnen Waſſerteilchen nicht möglich. Daraufhin 
führt man die Behandlung des Waſſers als res 
omnium communis im römiſchen Rechte zurück. 
Vollſtändig zutreffend macht Harſter-Caſſimir S. 16 
darauf aufmerkſam, daß auch bei Tier und Pflanze 
alle im Stoffwechſelkreislaufe begriffenen Beſtandteile 
des Organismus vom Eigentum erfaßt werden und 
man kann hinzufügen, daß überhaupt die Bewegung 
einer Sache, fei fie eine natürliche oder durch menſch— 
liche Kraft, das Eigentum an der Sache nicht aus— 
ſchließt; auch wenn die Beweglichkeit der Sache eine 
ſolche iſt, daß in jedem Augenblicke die tatſächliche 
Herrſchaft des derzeitigen Eigentümers verloren 
gehen kann, iſt dennoch die Möglichkeit eines Eigen⸗ 
tums nicht zu leugnen. Denn das Eigentum iſt ein 
von der Rechtsordnung dem einzelnen Rechtsſubjekte 
verliehenes Recht an der Sache und es iſt nicht eine 
zuſehen, warum die Rechtsordnung nicht auch ein 
Eigentum an einer derarligen Sache ſollte geben 


f 
| 
| 


Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 114. in Bayern. 1908. Nr. 14. 


können. Freilich wird ſie Konzeſſionen an die prak⸗ 
tiſchen Verhältniſſe machen müſſen und ſo iſt es die 
unausbleibliche Folge, daß ſie das Eigentum nicht 
mehr anerkennt, ſobald die tatſächliche Herrſchaft end- 
gültig verloren gegangen iſt. 

So würde z. B. wohl niemand die Macht des 
Geſetzgebers beſtreiten, heute das Jagdrecht aufzu⸗ 
heben und dem Eigentümer eines Grundſtücks auch 
das Eigentum an dem darauf befindlichen Wilde zu⸗ 
zuerkennen. Iſt es ja ähnlich mit zahmen Tieren, 
die ebenfalls beweglich ſind und trotzdem im Eigen⸗ 
tume ſtehen; bei ihnen geht das Eigentum verloren, 
wenn fie die consuetudo revertendi ablegen. Hier 
liegt eben ein geſetzlicher Eigentumsverluſt vor. Auch 
der Umſtand, daß die einzelnen Waſſerteilchen nicht 
faßbar ſind, macht ein Eigentumsrecht an ihnen nicht 
unmöglich. Denn mit der Mehrbeit iſt eben auch 
das einzelne Atom beherrſchbar. Gerade ſo iſt es 
ja auch mit den übrigen Körpern. Selbſt die 
atmoſphäriſche Luft entzieht ſich nicht der Herrſchaft 
der Menſchen. Dennoch bilden Waſſer, Luft und 
Erde inſoferne eigentümliche Sachen, als ſie wohl in 
ihren Teilen, niemals aber in ihrer Geſamtheit 
beherrſcht werden können. Deshalb bilden auch 
nur ihre Teile jeweils das konkrete Herrſchaftsobjekt. 

Wenn aber ſo die Möglichkeit tatſächlicher Be⸗ 
herrſchung beſchränkt iſt, ſo iſt dennoch ein Recht 
der Beherrſchung wiederum nicht unmöglich und ſei 
es auch nur ein nudum ius. Denn die Rechtsordnung 
beherrſcht alle Dinge; die tatſächliche Herrſchaft der 
Menſchen findet aber ihre Grenzen in der Natur. 

Wenn nun die Geſetzgebung moderner Staaten 
ein Eigentumsrecht an Gewäſſern geſchaffen hat, ſo 
beſteht dieſes Eigentum ohne Rückſicht auf die 
tatſächliche Beherrſchbarkeit des Ge— 
wäſſers oder des Waſſers. 

Aber — auch das Waſſer iſt ja, wenigſtens in 
beſchränktem Maße, beherrſchbar, und zwar ſind es 
gerade kleine Teile des Gewäſſers, die ſich am leich⸗ 
teſten beherrſchen laſſen. Es iſt aber offenbar ein 
ganz anderer Geſichtspunkt, welcher zu der eigen= 
artigen Behandlung des Waſſers geführt hat, welcher 
auch ſchon bei den Römern, wenn auch vielleicht un- 
bewußt, maßgebend geweſen ſein muß: Das iſt die 
über die Intereſſen des Einzelnen hinausgehende Be⸗ 
deutung des Waſſers. Dieſe führt notwendig zu einer 
kommuniſtiſchen Auffaſſung des Rechtes am Waſſer; 
die Anerkennung eines ausſchließlichen Privateigentums 
an den großen Waſſerläufen würde zu einem ganz 
unmöglichen Zuſtande führen, der das Wirtſchafts— 
leben, überhaupt das ganze Leben der Nation auf das 
allerſchwerſte treffen müßte. Daher inſtinktiv die Be⸗ 
handlung des Waſſers im römiſchen Rechte als res 
omnium communis, als Gemeingut. 

Und wenn moderne Staaten dieſen Standpunkt 
verlaſſen zu haben ſcheinen, indem ſie ein Staats⸗ 
eigentum an Gewäſſern anerkannt haben, ſo hat auch 
dies nur den Sinn, daß ſie das Waſſer im Intereſſe 
der Geſamtheit unter ihren beſonderen Schutz ſtellen. 
Das ſtaatliche Eigentum am Waſſer beſteht nicht im 
fiskaliſchen Intereſſe der juriſtiſchen Perſönlichkeit, 
genannt Staat, ſondern im Intereſſe des Staates 
als der Geſamtheit aller. Hier zeigt ſich die 
moderne Auffaſſung vom Staate. Die öffentlichen 
Gewäſſer find nicht Finanzvermögen des Staates, 
beſtimmt, eine Rente abzuwerfen, ſondern ein im 
Intereſſe der Geſamtheit von dem Staate verwaltetes 


Gut. Dies iſt der wahre Grund der eigenartigen 
Geſtaltung des Eigentums an den Gewäſſern. Denn, 
wenn die Gewäſſer für die Geſamtheit nutzbar ge— 
macht werden ſollen, ſo müſſen ſie dem Einzelnen in 
einem gewiſſen Grade zugänglich ſein. Dies führt 
zur Anerkennung des Gemeingebrauchsrechtes an den 
Gewäſſern. 

Dieſes Gemeingebrauchsrecht — es äußert ſich in 
verſchiedener Weiſe — iſt eine Beſchränkung des Staats— 
eigentums, eine öffentlich-rechtliche Dienſtbarkeit. Was 
unter dieſes Gemeingebrauchsrecht fällt, beſtimmt der 
Geſetzgeber nach den konkreten Bedürfniſſen. Der 
Staat hat ſonach dieſes Eigentum, das er für ſich in 
Anſpruch genommen hat, im Intereſſe der Geſamt— 
heit, die er zu ſchützen und zu vertreten hat, beſchränkt. 

Das Eigentum des Staates iſt aber ein volles, 
wie jedes privatrechtliche Eigentum, und empfängt 
ſeine beſondere Natur nur durch ſeine beſondere Be— 
deutung: es iſt ſowohl privatrechtliches als öffentlich— 
rechtliches, auch völkerrechtliches Eigentum. Die 
Satzung aber, die dieſes Eigentum für den Staat in 
Anſpruch nimmt, iſt öffentliches Verwaltungsrecht. 

Als volles Eigentum erſtreckt ſich das Staats— 
eigentum am Waſſer ſowohl über den Waſſerlauf als 
Ganzes als über die einzelnen Teile. Ein Eigentum 
über das Ganze, das ſich nicht auf die Teile erſtreckt, 
ijt logiſch unmöglich. In der Logik findet ſelbſt 
die Allgewalt des Staates ihre Grenzen. 

Harſter-Caſſimir bemerkt, daß ein Diebſtahl am 
Waſſer durch die Gemeingebrauchsrechte ausgeſchloſſen 
wird. Aber auch, wo das Gemeingebrauchsrecht über— 
ſchritten wird, dürfte wegen der allgemeinen Widmung 
des Waſſers an die Geſamtheit nicht Diebſtahl, ſondern 
nur eine Ueberſchreitung des Gemeingebrauchsrechtes 
oder eine Anmaßung eines Gebrauchsrechtes vorliegen. 
Denn das Eigentum des Staates an den einzelnen 
Teilen des Gewäſſers iſt nicht als Beſtandteil des 
Staatsvermögens im finanziellen Sinne geſchützt, 
ſondern wegen des Intereſſes der Geſamtheit an dem 
Gewäſſer. So fehlt es bei dem gedachten Tatbeſtande 
an dem Weſen des Diebſtahlsdeliktes als Eingriff in 
das Vermögen, wenn auch rein äußerlich die Tat— 
beſtandsmerkmale des Diebſtahls gegeben ſind. 

Freilich iſt die Form dieſes Staatseigentums 
keine andere als die des Eigentums am Finanz— 
vermögen. So ſagt Harſter-Caſſimir: Das geltende 
Waſſerrecht ſteht auf dem Boden des Waſſerregals 
oder des fiskaliſchen Eigentums am Waſſer. Dies 
kann jedoch m. E. nur ſo aufgefaßt werden, daß der 
Form nach das Staatseigentum am Waſſer ebenſo 
volles Eigentum iſt wie das Eigentum des Staates 
an ſeinem Finanzvermögen. Ein „hiſtoriſch gewordener 
Anſpruch der Volksgenoſſen auf die Waſſerbenützung“ 
beſteht nicht, ebenſowenig wie Grundrechte des Menſchen 
als ſubjektive Rechte beſtehen: einen Anſpruch auf die 
Waſſerbenützung gibt es nur, ſoweit das Recht ihn 
anerkennt. 

Wenn der Staat als Eigentümer die finanzielle 
Nutzbarmachung der Waſſerläufe zunächſt ſich ſelbſt 
vorbehält, d. h. anderen nur unter der Bedingung 
geſtattet, daß er es genehmigt, ſo iſt das mit der 
Natur ſeines Eigentums als Verwaltungseigentum 
wohl vereinbar. Denn der Staat als Rechtsſubjekt 

ſteht als ſolches den übrigen Rechtsſubjekten voll— 
ſtändig gleich, und da er doch Eigentümer iſt, ſo iſt 
es natürlich, daß er zunächſt auch den finanziellen 
Nutzen der Sache ziehen kann. Aber einſeitige fis— 


287 


kaliſche Ausnutzung der Gewäſſer verbietet ſich durch 
die Natur des Verwaltungseigentums, wenn auch der 
Staat rechtlich nicht beſchränkt iſt. Dieſer Auffaſſung 
des Staatseigentums an den Gewäſſern iſt auch die 
Faſſung des Art. 2 des neuen Waſſergeſetzes gegen— 
über Art. 1 des WBG. von 1852 nicht entgegen. 

Art. 1 WBG. beſtimmte nämlich: „Die öffent- 
lichen Gewäſſer bilden ein zur allgemeinen Benützung 
beſtimmtes Staatsgut“. — Damit war die beſondere 
Natur des ſtaatlichen Eigentums anerkannt. 

Jetzt beſtimmt Art. 2 WG.: Die öffentlichen Ge— 
wäſſer ſtehen im Eigentume des Staates. 

Die Bedeutung dieſer Aenderung liegt nun 
darin, daß, da dieſes Eigentum nur den durch das 
Waſſergeſetz feſtgeſetzten Beſchränkungen unterliegt, 
ein unbeſtimmtes Recht zur allgemeinen Benützung 
der Gewäſſer nicht mehr beſteht, ſondern daß die 
Rechte der Allgemeinbeit gegenüber dem Staats— 
eigentum genau abgegrenzt ſind. 

Und der Zweck dieſer Geſetzesänderung? Ge— 
wiſſen Folgerungen, welche dem ſtaatlichen Eigentum 
unbequeme Schranken auferlegten, die Grundlage zu 
entziehen und dadurch der Staatsregierung in der 
möglichſt rationellen Ausnutzung der ſtaatlichen 
Waſſerkräfte im allgemeinen Intereſſe einen 
größeren Spielraum zu laſſen. (Begr. S. 547, J). 

Etwas anderes folgt aber noch aus dem Dar— 
gelegten: Das Waſſerrecht iſt ſeinem Inhalte nach 
ein Teil des Sachenrechtes: es handelt von Eigen— 
tum und Eigentumsbeſchränkungen, die ihrer Natur 
nach nichts anderes ſind als das Eigentum und die 
Eigentumsbeſchränkungen des bürgerlichen Rechtes. 
Es iſt aber auch Beſtandteil des öffentlichen Ver— 
waltungsrechtes: denn die Statuierung des Staats— 
eigentums beruht auf Grundſätzen der Verwaltung, 
desgleichen die Beſchränkungen dieſes Eigentums. 

Rechtspraktikant Tuma in Paſſau. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


Zum Begriffe der „Abnahme“ beim Werkvertrage. 
Abnahme von Teilen des Werks. (S 641 BGB.). Der 
eingeflagte Wechſel iſt der Klägerin gegeben worden 
zur Deckung für ihre Forderung gegen die Beklagten 
aus einem auf die Herſtellung eines Saalanbaues an 
deren Gaſthof gerichteten Vertrage. Die Klägerin hat 
die übernommenen Arbeiten größtenteils ausgeführt. 
Bevor aber alle Arbeiten vollendet und eine ausdrück— 
liche Abnahme erfolgt war, brannte der Gaſthof mit 
dem Saalanbau gänzlich nieder. Ein vertretbares 
Verſchulden iſt auf keiner Seite feſtgeſtellt. Die Be— 
klagten ſind der Anſicht, daß nach Maßgabe des Ver— 
trages ein Werkvertrag gegeben ſei, wodurch die 
Klägerin die Herſtellung des Saalanbaues als ein— 
heitliches Ganzes übernommen habe. Sie behaupten 
daher unter Berufung auf $ 644 Abſ. 1 BGB. von 
der Verpflichtung zur Leiſtung der Vergütung frei ge— 
worden zu ſein und deshalb auch, da ſie unter dieſen 
Umſtänden die zur Deckung gegebenen Wechſel zurück— 
zuverlangen befugt ſeien, die Haftung aus dem Klage— 
wechſel ablehnen zu können. In 1. und 2. Inſtanz 


288 


ift die Klage abgewieſen worden. Die Reviſion hatte 
Erfolg. 

f Aus den Gründen: Irrtümlich ſind, wie der 
Reviſion zugegeben werden muß, die Ausführungen 
des Berufungsgerichts darüber, daß keine Teilabnahme 
ſtattgefunden habe. Die Reviſion macht geltend, es 
ſei eine ſtillſchweigende Abnahme der einzelnen Teil— 
arbeiten dadurch erfolgt, daß die Beſteller daran die 
von den anderen Unternehmern zu beſorgenden Arbeiten 
hätten vornehmen laſſen, namentlich durch Ausfüllung 
mit dem Mauerwerk und durch Anſtrich der von der 
Klägerin hergeſtellten Holzkonſtruktion. Das OLG. 
hat dieſe Auffaſſung mit der Begründung abgelehnt, 
daß in dem Verhalten der Beklagten nur ihre ver— 
tragsmäßige Mitwirkung zur Vollendung des Baues 
liege. Nun mag man zugeben, daß die nicht von der 
Klägerin übernommenen, ſondern an andere Unter— 
nehmer vergebenen Arbeiten unter dem Geſichtspunkte 
des § 642 BGB. als Handlungen des Beſtellers be- 
trachtet werden können, welche bei der Herſtellung des 
der Klägerin obliegenden Werkes erforderlich waren. 
Dadurch aber, daß der Beſteller ſolche Handlungen auf 
Grund des Vertrages, oder wenigſtens im Zuſammen— 
hange mit dieſem, vornimmt, wird nicht ausgeſchloſſen, 
daß ſie, ſofern ſie ihrem Inhalte nach dazu geeignet 
ſind, auch für die Frage nach der Abnahme des Werkes 
Bedeutung haben können. Inhaltlich aber muß in 
der Benutzung der von der Klägerin hergeſtellten und 
in den Bau eingefügten Konſtruktionsteile zur An— 
bringung der weiteren für den Ausbau erforderlichen 
Arbeiten anderer Unternehmer eine Verfügung über 
das bisher Geleiſtete erblickt werden, die nach Treu 
und Glauben nicht anders als eine auf dieſen Teil des 
Werkes gerichtete Abnahmeerklärung ausgelegt werden 
kann. Wenn die Beſteller es angeordnet haben, daß 
der von der Klägerin ausgeführte Fachwerkbau mit 
Mauerwerk ausgefüllt und die Holzfonjtruftion mit 
Anſtrich verſehen werde, ſo haben ſie dadurch genehmigt, 
daß dieſe Leiſtungen der Klägerin zu den Zwecken 
des Geſamtbaues verwendet würden und damit würde es 
in Widerſpruch ſtehen, wenn ſie trotzdem deren Ab— 
nahme verweigern wollten. Daß fie damit auch ſchon 
auf die Geltendmachung der Mängel dieſer Leiſtungen 
verzichtet hätten, darf freilich ohne weiteres nicht an— 
genommen werden. Aber der Verzicht auf die Mängel— 
rüge gehört überhaupt nicht zum Begriffe der Abnahme. 
Nach der feſtſtehenden Rechtſprechung des Reichsgerichts, 
die auch in der Literatur überwiegende Zuſtimmung 
gefunden hat, iſt die Abnahme nicht Billigung des 
Werkes, ſondern nur deſſen Annahme als Erfüllung, 
nämlich die zur Hinnahme des Werks hinzutretende 
Erklärung, daß man das Werk als der Hauptſache 
nach dem Vertrag entſprechend annehme. Nicht er— 
klärbar wäre das Verhalteu der beklagten Beſteller, 
wenn ſie die Leiſtungen der Klägerin nicht wenigſtens 
in dieſem Sinne annehmen wollten. Die Abnahme— 
erklärung kann aber nicht nur ausdrücklich abgegeben 
werden, ſondern kann auch aus dem Inhalte der Hand- 
lung zu entnehmen ſein. Daß weiter die Abnahme 
nicht auf das vollendete Werk beſchränkt iſt, vielmehr 
auch mit Bezug auf Teile des Werkes geſchehen kann, 
zeigt § 641 Abſ. 1 Satz 2 des BGB. und es unterliegt 
keinem Bedenken, daß dieſe Teilabnahme, ſelbſt wenn 
ſie im Vertrage nicht ausbedungen iſt, freiwillig er— 
folgen kann. Geht man daher von dem unterſtellten 
Verhalten der Beklagten aus, ſo liegt eine ſtill— 
ſchweigende erklärte Abnahme derjenigen Leiſtungen 
der Klägerin vor, welche durch die angeordnete Arbeit 
der anderen Unternehmer für das Ganze des Saal— 
anbaues benutzt und verwendet worden ſind. In wie 
weit eine ſolche Abnahme beſtimmter Teile ſich dann 
auch auf andere damit in natürlichem Zuſammenhange 
ſtehende Werkteile erſtreckt, iſt im weſentlichen Tat— 
frage. (Urt. des J. 35. vom 15. April 1908, I 305/07). 

1301 — — = n. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


II. 


Zur Geltendmachung der Rehte des Wechſelinhabers 
iſt auch derjenige befugt, deffen — undurchſtrichenes — 
Blankoindoſſament dem feine Legitimation begründen: 
den Indoſſamente nachfolgt. Der Kläger klagt im 
Wechſelprozeſſe aus einem an eigene Ordre von A 
auf B gezogenen, von B akzeptierten und nachein⸗ 
ander in blanco von A, C, dem Beklagten, dem 
Kläger, ferner von D und wiederum vom Kläger 
girierten Wechſel. Im Auftrage des Klägers wurde 
am Verfalltage mangels Zahlung Proteſt erhoben. 
Der Kläger begehrte Verurteilung des Beklagten als 
Indoſſanten zur Zahlung der Wechſelſumme ſamt 
Zinſen, der Koſten und einer Proviſion nebſt 6 % 
Prozeßzinſen aus dieſen Beträgen. Der Beklagte wurde 
vom Landgerichte unter Vorbehalt der Ausführung 
ſeiner Rechte koſtenpflichtig nach der Klagbitte ver— 
urteilt. Berufung und Reviſion wurden zurückgewieſen. 
Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 
Es kommt darauf an, ob die Legitimation des Klägers 
zur Proteſterhebung nicht um deswillen zu verneinen 
iſt, weil damals (wie noch jetzt) an letzter Stelle ſein 
Blankoindoſſament auf dem Wechſel ſtand. Allerdings 
ift vom Reichsgerichte (vgl. RGZ. 1 S. 34 Note 1) im 
Anſchluſſe an die Rechtſprechung des ROH. wieder: 
holt ausgeſprochen worden, daß ein Indoſſatar, wenn: 
gleich Beſitzer des Wechſels, dann nicht zur Proteſt— 
erhebung legitimiert ſei, wenn ſich aus der Wechſel— 
urkunde zur Zeit des Proteſtes ergibt, daß durch ſein 
weiteres Indoſſament nach ihm ein Dritter Eigen— 
tümer des Wechſels geworden war, und dieſe Legi— 
timation des Dritten nach der Urkunde auf Grund 
des undurchſtrichenen Indoſſamentes noch beſteht. Der 
Beſitzer kann dann ſeine eigene Legitimation aus der 
Urkunde nur dadurch herſtellen, daß er vor der Proteſt— 
erhebung fein Indoſſament durchſtreicht (RG. 1 S. 32; 
27 S. 41; 32 S. 77). In allen dieſen Fällen wurde 
aber durch das Indoſſament des Beſitzers ein be— 
ſtimmter Dritter als Eigentümer des Wechſels legi— 
timiert. Anders liegt die Sache hier, wo nur ein 
Blankoindoſſament des Klägers auf das ſeine Legi— 
timation begründende Indoſſament folgt. Durch ein 
Blankoindoſſament wird jeder beliebige Beſitzer des 
Wechſels legitimiert. Es liegt kein rechtlicher Grund 
vor, denjenigen, von dem das Blankoindoſſament 
ausgeht, von dieſer Legitimation auszuſchließen. So 
iſt dieſe Frage bereits wiederholt vom Senate ent— 
ſchieden worden. (Bolze Bd. 3 Nr. 542, Urteile vom 
11. Januar 1904 und 14. September 1906. Vgl. Reh⸗ 
bein Art. 9 Note 6; Staub-Stranz Art. 13 Anm. 2, 
Art. 36 Anm. 13 Abſ. 2; Bernſtein Art. 12 § 3 S. 95). 
(Urteil des I. ZS. Nr. 71/08 vom 2. Mai 1908). 
1308 . r. 
III. 


Wie ift der Urteilsſatz im Falle des 3 906 BGB. 
zu faſſen? Die Beklagte unterhält auf ihrem Grundz 
ſtücke eine Dampfkeſſel- und Feuerungsanlage. Die 
Kläger ſind Eigentümer von benachbarten Grundſtücken 
und ſie behaupten, durch den Betrieb der Beklagten 
in übermäßiger Weiſe durch Ruß, Kohlenſtaub und 
Holzreſte beläſtigt zu werden. Mit der Klage war 
beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Vorkehrungen 
zu treffen, die den Auswurf jener Stoffe aus dem 
Schornſteine verhindern. Das LG. gab dieſem An- 
trage inſoweit ſtatt, als die Zuführungen das orts— 
übliche Maß überſteigen. Das OLG. erkannte ab- 
ändernd dahin, daß die Beklagte bei Vermeidung 
richterlicher Strafe die Zuführung von Ruß u. dgl. 
aus dem Fabrikſchornſteine zu unterlaſſen habe, ſoweit 
nicht der § 906 BGB. ſolche Zuführung geſtatte. Die 
Reviſion der Beklagten hatte keinen Erfolg. 

Aus den Gründen: Das OLG. hat die Bes 
klagte verurteilt, die ſchädlichen Zuführungen zu unter— 
laſſen, „ſoweit nicht der § 906 BGB. ſolche geſtatte“. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


Sachgemäßer wäre es geweſen, den Umfang des Unter⸗ 
ſagungsrechts im Anſchluß an den Wortlaut der 
geſetzlichen Vorſchrift in der Urteilsformel ſelbſt zu 
beſtimmen; der Mangel iſt indeſſen ohne ſachliche Be⸗ 
deutung, und es genügt, auf ihn zu weiſen; Unklar⸗ 
heit über den Inhalt des Urteilsausſpruchs beſteht 
nicht. Das Urteil entbehrt auch ſonſt nicht der er- 
forderlichen Beſtimmtheit. Die zukünftigen Einwir⸗ 
kungen laſſen ſich nach Art und Umfang nicht im vor: 
aus überſehen und es muß deshalb der Beurteilung 
in der Zwangsvollſtreckung vorbehalten bleiben, ob 
die Einwirkungen das nach $ 906 BGB. zuläſſige Maß 
überſchreiten und deshalb nicht geduldet zu werden 
brauchen. Die Reviſion hebt auch ſelbſt zutreffend her⸗ 
vor, daß für die Fälle der SS 906 und 1004 BGB. 
die Rechtſprechung beſtimmte „konkrete“ Anträge nicht 
erfordert. Hieran iſt feſtzuhalten. (Urt. d. V. 38. 
v. 9. Mai 1908, V 377/07). 
1319 


— — —ı. 


IV 


Gigentumsübergang beim Verſendungskanf. Zurück ⸗ 
behaltungsrecht an der vom Käufer zurückgewieſenen 
Ware. Bedeutung des Frachtbriefduplikats. Erwerbung 
eines Pfandrechts an verſendeter Ware. Am 21. Februar 
1901 ſchloß die Klägerin mit Franz B. zu M. einen 
Kaufvertrag über Lieferung von Leinmehl. Die Zahlung 
hatte durch Akzept einer Einmonatstratte gegen Dupli— 
katfrachtbrief zu erfolgen. Auf Grund dieſes Vertrages 
ſandte die Klägerin am 15. Mai 1901 im Auftrage von 
B. 20000 kg Leinmehl ab und bezeichnete auftrags— 
gemäß im Frachtbrief als Abſender „Franz B.“ und 
als Empfänger „Max J., Fr.⸗Oſtbahnhof.“ Rechnung 
über 2660 M nebſt Duplikatfrachtbrief und Tratte 
zum Akzept ſchickte die Klägerin an B. Am 18. Mai 
1901 kam die Ware in Fr. an. Am gleichen Tage 
erſuchte der von dem Adreſſaten J. zum Empfang er— 
mächtigte Spediteur P. zu Fr. die Güterabfertigung 
daſelbſt, die 2 Waggons Leinmehl an feine Halle ftellen 
und ihm Avis zukommen zu laſſen, indem er bemerkte, 
er werde den Duplikatfrachtbrief vorlegen. Am 20. Mai 
1901 wurde dann die Ware an P. gegen Einlöſung 
des Frachtbriefes ausgehändigt, ohne daß P. den 
Duplikatfrachtbrief beibrachte und ohne daß J. eine 
Weiſung erteilt hatte, die Auslieferung an P. vorzu— 
nehmen. Nach erfolgter Auslieferung traf noch am 
20. Mai 1901 bei der Güterabfertigungsſtelle eine 
Depeſche des B. ein, die lautete: „Die 2 Wagen Lein— 
mehl unter keinen Umſtänden an J. abliefern. B.“ Hier— 
von erhielt P. ſofort Kenntnis und fragte infolgedeſſen 
gleichfalls noch am 20. Mai bei B. an, wie er ſich ver— 
halten ſolle. Dabei überſandte er an B. den einge— 
löſten Frachtbrief und verlangte von B. die Erſtattung 
der ausgelegten Fracht. In einem Briefe an die 
Klägerin vom 24. Mai 1901 verweigerte B. die Empfang» 
nahme der Tratte unter Hinweis auf ſeine bevorſtehende 
Zahlungseinſtellung ſowie unter Rückſendung der Rech— 
nung, des Duplikatfrachtbriefs und der nicht akzeptierten 
Tratte. Am 25. Mai 1901 wurde der Konkurs über 
das Vermögen des B. eröffnet. Die Klägerin, die mit 
Brief an B. vom 30. Mai 1901 den Kaufvertrag für 
aufgehoben erklärte und Schadenserſatz beanſpruchte, 
nahm P. gegenüber das Eigentum an der Ware für 
ſich in Anſpruch. Sie wurde jedoch von dieſem, der 
ſich nur nach den Intentionen ſeines Auftraggebers 
richtete, auf den Weg der Klage verwieſen. Die Kon— 
kursmaſſe ſowohl als auch der Beklagte J. haben die 
beiden Waggons Leinmehl für ſich beanſprucht und 
der Klägerin, die das Eigentum daran für ſich in An— 
ſpruch nahm, die Herausgabe verweigert. 

Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 
1. Der Reviſionskläger (d. i. der Beklagte J.) rügt, 
zu Unrecht verneine das OL G., daß B. das Eigentum 
an den ihm von der Klägerin verkauften und über— 
ſandten Waren erworben habe, obwohl es davon aus— 


8 


gehe, daß P. die Waren am 20. Mai 1901 für B. als 
Abſender in deſſen Vertretung in Empfang genommen 
und daher deren Beſitz erworben habe. Dieſer Angriff 
ift nicht gerechtfertigt. Durch die Annahme des von dem 
Verkäufer einſeitig ausgeſchiedenen dem Käufer in Er⸗ 
füllung eines Kaufvertrages überſandten Kaufgegen— 
ſtandes allein wird der Uebergang des Eigentums 
auf den Käufer nicht bewirkt; vielmehr muß der Wille 
des Käufers, das Eigentum an der ihm überſandten 
Ware erwerben zu wollen, ausdrücklich oder durch 
ſchlüſſige Handlungen erklärt werden. Denn zur Ueber- 
tragung des Eigentums an einer beweglichen Sache 
ift nach 8 929 BGB. erforderlich, daß der Eigen⸗ 
tümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide 
Teile darüber einig ſind, daß das Eigentum übergehen 
ſoll. Bei einem Gattungskaufe wird nun aus der 
Ueberſendung der Ware regelmäßig und abgeſehen 
von beſonderen Umſtänden auf den Willen des Ver⸗ 
käufers, das Eigentum an der überſandten Ware auf 
den Käufer zu übertragen, geſchloſſen werden müſſen; 
allein es kann in der bloßen Annahme der überſandten 
Ware durch den Käufer noch nicht der Ausdruck des 
Willens, das Eigentum an der Ware zu erwerben, 
gefunden werden. Es entſpricht vielmehr der Ber- 
kehrsſitte, daß der Käufer eine vom Verkäufer einſeitig 
ausgeſchiedene und ihm überſandte Gattungsſache nicht 
unbeſehen erwerben will, ſondern nur unter Vorbehalt 
näherer Prüfung annimmt und von dem Ausfalle der 
Prüfung ſeine Entſchließung abhängig macht, ob er 
das Eigentum daran erwerben will. Hiernach iſt die 
bloße Annahme der Ware durch den Spediteur P. 
für den Eigentumserwerb an der Ware nicht von 
entſcheidender Bedeutung. B. ſelbſt aber hat den 
Eigentumserwerb, wie das OLG. mit Recht angenommen 
hat, in dem Schreiben an die Klägerin vom 24. Mai 1901 
beſtimmt abgelehnt. Daher iſt die Klägerin Eigentümerin 
der Ware geblieben und es bleibt kein Raum für ſolche 
Rechte des Reviſionsklägers, welche das Eigentum 
des B. an der Ware zur Vorausſetzung haben, wie 
das Zurückbehaltungsrecht aus S 369 BGB., da dieſes 
nur an beweglichen Sachen und Wertpapieren des 
Schuldners, alſo nur an dieſem gehörigen Sachen 
und Wertpapieren ſtattfindet. 

2. Dagegen gibt das Berufungsurteil zu rechtlichen 
Bedenken Anlaß, inſoweit auch ein Pfandrecht des 
Beklagten an der Ware verneint iſt. In dieſer Be— 
ziehung hat der Beklagte in der Berufungsinſtanz 
geltend gemacht, B. habe ihm laut ſchriftlicher und 
mündlicher Vereinbarung als Sicherheit für ſeine 
Forderungen gegen Wechſelunterlagen vom 6. und 
10. Mai 1901 in Höhe von 2000 M und 1400 M das 
Leinmehl verpfändet. Die Feſtſtellung, daß Beklagter 
nicht den Beſitz der Ware erlangt habe, beruht auf 
unzureichender Würdigung des Prozeßſtoffes. Bedenken— 
frei hat das OLG. feſtgeſtellt, P. habe die Ware vor 
Eintreffen der Depeſche des B. ausgeliefert erhalten. 
Dagegen iſt bei der Feſtſtellung, daß P. die Ware 
nicht als Vertreter des Empfängers J., ſondern als 
Vertreter des Abſenders B. in Verwahrung genommen 
habe, zunächſt der erhebliche Umſtand nicht berückſichtigt, 
daß in dem Tatbeſtande des landgerichtlichen Urteils 
als unſtreitige Tatſache angeführt iſt, die Ware ſei 
von der Bahn an den von dem Adreſſaten J. zum 
Empfang ermächtigten Spediteur P. ausgeliefert 
worden. Indem das OLG. ferner dem Schreiben des P. 
an B. vom 20. Mai 1901 Bedeutung dafür beimißt, 
daß P. als Vertreter des B. gehandelt habe, läßt es den 
Umſtand unberückſichtigt, daß P. in demſelben Schreiben 
ausdrücklich erklärt hat: „Die 2 Waggon Leinmehl 
würden laut Ordre des Herrn Max J. dorten auf 
mein Lager genommen.“ In dem Berufungsurteil iſt 
einesteils die Vorlegung des Frachtbriefduplikats als 
weſentliches Erfordernis zur Legitimation des P. und 
andernteils die Unterlaſſung dieſer Vorlegung ſeitens 
des B. als Nichterfüllung einer Formalität aufge— 


faßt worden. Dieſe Erwägungen ſcheinen von einer 
irrigen Auffaſſung über die rechtliche Bedeutung eines 
Frachtbriefduplikates beeinflußt zu fein. Nach S 455 
Abſ. 2 des HGB. ſteht im Falle der Ausſtellung eines 
Frachtbriefduplikates dem Abſender das im § 433 be- 
zeichnete Verfügungsrecht nur zu, wenn er das Du— 
plikat vorlegt. Nach § 64 EVerkO. vom 26. Cf- 
tober 1899 erliſcht das Verfügungsrecht des Ab: 
ſenders, auch wenn er das Frachtbriefduplikat beſitzt. 
ſobald nach Ankunft des Gutes am Beſtimmungsorte 
der Frachtbrief dem Empfänger übergeben worden iſt. 
Hiernach hat das Frachtbriefduplikat Bedeutung nur 
für das Verfügungsrecht des Abſenders und verliert 
alle Bedeutung mit der Ausantwortung des Fracht— 
briefes und des Gutes an den Empfänger oder deſſen 
Vertreter. Dem Spediteur P. mochte nun die Vor— 
legung des Frachtbriefduplikats als ein einfaches Mittel 
zu ſeiner Legitimation zweckdienlich erſchienen ſein; 
notwendig war ſie für die Ausantwortung des Gutes 
an den Empfänger oder deſſen Vertreter nicht; viel— 
mehr genügte hierzu im letzteren Falle ein der Eiſen— 
bahn hinlänglich und glaubwürdig erſcheinender Nach— 
weis der Vertretungsmacht des im Frachtbriefe be— 
zeichneten Empfängers. Der Umſtand, daß J. nicht 
in Fr. ſeinen Wohnſitz hatte, konnte dieſen Nachweis 
tatſächlich je nach den Umſtänden etwas erſchweren. 
Bedeutung hatte dies aber nur für die Entſchließung 
der Eiſenbahnverwaltung, auf welche Beweismittel 
hin ſie in die Ausantwortung des Frachtbriefes und 
der Ware an den Vertreter des Adreſſaten willigen 
wollte. Das Rechtsverhältnis des Abſenders zur 
Eiſenbahnverwaltung und zum Empfänger wurde 
hierdurch nicht ohne weiteres berührt. P. hatte nun 
aber Frachtbrief und Ware bereits ausgehändigt er— 
halten, bevor der Widerſpruch des B. bei der Bahn— 
verwaltung in Fr. eintraf. Daraus ergibt ſich, daß 
die Feſtſtellung, P. habe die Ware als Vertreter des 
B. in Beſitz genommen, auf unzureichender Würdigung 
des Prozeßſtoffes beruht. 

3. Unterſtellt man die Richtigkeit der Behaup— 
tungen des Beklagten, ſo iſt die Möglichkeit einer 
Entſtehung des Pfandrechts an der Ware nach Maß— 
gabe der SS 1207 BGB. und 366 HGB. nicht ausge- 
ſchloſſen. Die Sache könnte nämlich dann rechtlich ſo 
aufgefaßt werden, daß B. zur Ausführung der verein— 
barten Verpfändung die Ware an den Beklagten ſenden 
ließ in der Abſicht, ihm den Beſitz der Ware zu ver— 
ſchaffen. Durch Ausſtellung des Frachtbriefes auf 
ſeinen Namen, jedenfalls aber mit Empfang des 
Frachtbriefduplikats wurde B. im Verhältniſſe zur 
Eiſenbahn als Frachtführerin und unmittelbarer Be: 
ſitzerin mittelbarer Beſitzer. Wenn nun P. die Ware 
als Vertreter des Beklagten in Beſitz nahm, ſo erwarb 
dieſer damit den Beſitz und zwar mit Willen des B., 
der dieſen ſeinen Willen durch die Abſendung der 
Ware an den Beklagten zum Ausdrucke gebracht und 
vor der Auslieferung der Ware an P. nicht wider— 
rufen hatte. In dem unterſtellten Falle wurde P. 
unmittelbarer Beſitzer, Beklagter mittelbarer Beſitzer 
und B. als Verpfänder weiterer mittelbarer Beſitzer. 
Mit der Beſitzerlangung wäre dann, da für den guten 
Glauben im Sinne des § 366 HGB. die Vermutung 
ſpricht, das Pfandrecht des Beklagten entitanden, das 
durch eine nachträgliche einſeitige Willenserklä— 
rung des B. nicht rückgängig hätte gemacht werden 
können. (Urt. des II. 35. vom 6. März 1908, II 482 07). 

1251 K. 


B. Strafſachen. 
I. 


Pflicht zur Aufſtellung einer Eröffnungsbilanz bei 
der Eröffnung eines Vollkaufmanngeſchäfts trotz bis: 
heriger Bilanzzichung in einem nicht buchführungs⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


| 


— nern — 


pflichtigen Betriebe (§ 240 Nr. 4 RO., §8 1, 2, 39 G.). 
Der Angeklagte, ein Bauunternehmer, hat im Oktober 
1905 einen Baumaterialienhandel im großen Umfange 
und in einer Art neu begonnen, daß er zum Vollkauf— 
mann im Sinne des § 39 HGB. und des § 240 KO. 
geworden iſt. Nun meint die Reviſion, von der Pflicht 
zur Ziehung einer Eröffnungsbilanz ſei er dadurch 
befreit geweſen, daß er von 1901 ab ununterbrochen 
Jahresbilanzen aufgeſtellt habe. Dem kann ſelbſt dann 
nicht beigetreten werden, wenn auch der Angeklagte 
bei Beginn feines Geſchäfts im Jahre 1901 eine Er⸗ 
öffnungsbilanz aufgeſtellt hat. Das Gegenteil folgt 
nicht nur aus dem Wortlaute, ſondern auch aus dem 
Zwecke und Sinne des Geſetzes. Der Angeklagte war 
vor dem Oktober 1905 nicht Kaufmann; er betrieb 
auch kein Handelsgewerbe im Sinne des 3 39 HGB. 
Mag er auch ſchon vorher fein Geſchäft derart be- 
trieben haben, daß es allen Anſprüchen genügte, welche 
das Geſetz wegen der Bilanzziehung und Buchführung 
an den Vollkaufmann ſtellt, ſo wurde dadurch die 
Verpflichtung nicht berührt, bei der Eröffnung des 
neuen Vollkaufmanngeſchäfts deſſen finanzielle Grund— 
lagen durch eine Bilanz klarzulegen. Gerade in 
dem Zeitpunkt, in dem ein ſolches kaufmänniſches Ge— 
ſchäft eröffnet wird, ſoll der Kaufmann im eigenen 
und im Intereſſe der Gläubiger ſich ſelbſt von ſeiner 
Vermögenslage unterrichten und das kann er nur 
durch eine neue Bilanzziehung in ſicherer Weiſe er— 
reichen. Die Einſicht in die Bücher und frühern Bi— 
lanzen gibt dieſe Sicherheit nicht, ſie leiſtet nicht dafür 
Gewähr, daß derjenige, welcher ſich als Vollkaufmann 
auftut, im Hinblick auf die ſich hieraus ergebende 
größere wirtſchaftliche Verantwortung ſich von ſeiner 
Vermögenslage Rechenſchaft gibt, um ſich in den 


Grenzen feiner wirtſchaftlichen Kräfte halten zu 
können. (Urteil des V. StS. vom 28. April 1908, 

5 D 143/08). — — — e — 
1306 


II. 


Urkunde — Ausſteller — Rechtswidrige Abſicht 
($ 267 StG B.). Der Angeklagte Kaufmann Sch. in 
C. hatte eine inhaltlich wahre, mit „Dr. A.“ unter: 
zeichnete Anzeige an das Kriminalkommiſſariat ge— 
langen laſſen. Das Landgericht verneinte das Zat- 
beſtandsmerkmal der rechtswidrigen Abſicht und ſprach 
frei. Das Urteil wurde aufgehoben. 

Aus den Gründen: Der Begriff der rechts— 
widrigen Abſicht nach 8 267 StGB. erfordert nicht 
eine auf einen materiell rechtswidrigen Erfolg gerichtete 
Abſicht, es genügt vielmehr, daß der Täter beabſichtigt, 
durch den Gebrauch der gefälſchten Urkunde als eines 
Beweismittels eine Einwirkung im Rechtsverkehr aus— 
zuüben, eine Beeinfluſſung, Veränderung oder Ver— 
ſchiebung von Rechten oder Rechtsverhältniſſen zu be— 
wirken (RGE. 35, 117). Wenn daher der Angeklagte 
durch die Unterzeichnung der Anzeige mit „Dr. A.“ 
beabſichtigte, ſeiner Anzeige mehr Nachdruck dadurch 
zu verleihen, daß in dem Anzeigenden eine akademiſch 
gebildete Perſon vermutet wuͤrde, und dadurch das 
einzuleitende Strafverfahren zu beſchleunigen, ſo würde 
damit die rechtswidrige Abſicht gegeben ſein, obwohl 
die Anzeige auf Wahrheit beruhte und der Angeklagte 
im öffentlichen Intereſſe handeln wollte. Bei der er— 
neuten Verhandlung wird aber folgendes zu beachten 
ſein. Wie der Begriff einer echten beweiserheblichen 
Urkunde vorausſetzt, daß ſie regelmäßig aus ſich ſelbſt, 
in beſonderen Fällen wenigſtens unter Mitwirkung 
anderer Umſtände, eine individuell beſtimmte Perſon 
(oder eine beſtimmte Perſonenmehrheit) als den Aus— 
ſteller, zum mindeſten für die Nächſtbeteiligten, kennt— 
lich macht, ſo ſetzt auch der Begriff einer fälſchlich 
angefertigten Privaturkunde voraus, daß ſie den An— 
ſchein erweckt, als ſei ſie von einer beſtimmten aus 
der Urkunde ſelbſt oder doch aus den Begleitumſtanden 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


erkennbaren Perſon und zwar einer andern als der 
des Täters ausgeſtellt. Es genügt nicht, daß ſie nur 
darauf hinweiſt, daß der Ausſteller der Urkunde einer 
beſtimmten Perſonenklaſſe, den Einwohnern einer be— 
ſtimmten Ortſchaft uſw. angehört, während die Indi— 
vidualität des Ausſtellers nicht bezeichnet wird. (So— 
weit in Goltd Arch. 37, 190 anders entſchieden wurde, 
erklärt ſich dies aus den beſondern Umſtänden des 
Falles). Dementſprechend iſt für den innern Tatbeſtand 
der Urkundenfälſchung zu erfordern, daß der Täter 
mit dem Vorſatze handelte, die Urkunde als von einer 
beſtimmten andern Perſon herrührend erſcheinen zu 
lajien. Will er dieſen Anſchein nicht erwecken, fo fehlt 
der Vorſatz der fälſchlichen Herſtellung einer Urkunde 
und das Gebrauchmachen erfolgt ebenſo wie bei einer 
anonymen Anzeige nicht zum Zwecke der Täuſchung 
im Sinne des § 267 StGB. Es wird daher zu prüfen 
ſein, ob die Anzeige nach der Art ihrer Unterzeichnung 
und ihrer ganzen Beſchaffenheit geeignet war, den Ein— 
druck zu erwecken, als ſei ſie von einer beſtimmten, 
als exiſtierend hingeſtellten Perſon mit dem Willen 
ausgeſtellt, ſich zu ihr zu bekennen, und ob der An— 
geklagte dieſen Eindruck erwecken wollte. Daß die 
Anzeige geeignet war, den Eindruck zu erwecken, ſie 
rühre von irgendeiner akademiſch gebildeten Perſon 
her, und daß der Angeklagte dieſen Eindruck erwecken 
wollte, würde nicht genügen, die Anwendung des § 267 
StGB. zu rechtfertigen. (Urteil des V. Sts. vom 
31. März 1908, 5 D 150 08). 
1807 


— — — e — 


III. 


Urkundenfälſchung durch Durchſtreichung eines Kin: 
trags in einem Kontobuch (§ 267 StGB.). In dem Ge- 
ſchäftsbetrieb des Prinzipals des Angeklagten wurde 
ein Kontobuch geführt, in das mit Datum und Betrag 
der Rechnung die Kunden eingetragen wurden, die 
ausnahmsweiſe die Waren nicht gleich beim Empfange 
gezahlt hatten. Ging ſpäter der geſchuldete Betrag 
ein, ſo wurde die in der letzten Spalte ſtehende, den 
Rechnungsbetrag ergebende Zahl durchſtrichen; dadurch 
wurde erkennbar gemacht, daß eine Forderung nicht 
mehr beſtehe. Da der Angeklagte die unwahre An— 
gabe machte, die Rechnungen über die beiden Beträge, 
die er unterſchlagen hatte, ſeien nicht bezahlt worden, 
jo wurden die beiden Kunden in das Kontobuch ein— 
getragen. Der Angeklagte durchſtrich ſelbſt die beiden 
Poſten, damit ſein Prinzipal glaube, ſie ſeien nach— 
träglich gezahlt worden. Das Gericht findet darin den 
Tatbeſtand des 8 267 StGB., indem es die Striche 
für rechts- und beweiserhebliche Privaturkunden hält, 
die der Angeklagte fälſchlich angefertigt habe. Die 
tatſächlichen Feſtſtellungen find nicht geeignet, das 
Urteil zu tragen. Hier iſt als Urkunde nur der Strich 
anzuſehen, mit dem der Rechnungsbelag durchſtrichen 
worden iſt. Daß dem Strich an ſich nicht angeſehen 
werden kann, von wem er herrührt, würde nicht 
hindern, in ihm eine rechts- und beweiserhebliche Ur— 
kunde zu erblicken. Der Angeklagte wollte den An— 
ſchein erwecken, er rühre vom Berechtigten her d. i. 
dem, dem die Führung des Kontobuchs zuſtand. Das 
würde genügt haben. Zum Begriffe der Urkunde ge— 
hört es, daß ſie einen Gedanken in verſtändlicher Weiſe 
zum Ausdrucke bringt. Auch einfache Zeichen können 
eine Urkunde ſein, aber nur, wenn ſie durch Geſetz, 
Herkommen oder Uebereinkunft infolge ihrer An— 
bringung auf einem gewiſſen Gegenſtande den erforder— 
lichen Gedankeninhalt erhalten, ſo daß ſie über die 
Bedeutung des Merkzeichens hinausreichen. Die Ur— 
kunde muß aber auch durch einen maßgebenden Willen 
dazu beſtimmt ſein, zum Beweiſe von Rechten und 
Rechtsverhältniſſen zu dienen (RGE. 34, 53; 36, 317). 
In dieſer Hinſicht ſind die Ausführungen des Erſt— 


buch vom Prinzipale zum Nachweiſe dafür beſtimmt 
geweſen ſei, welche Forderungen ihm noch zuſtanden 
und welche erloſchen waren. Ob dann nicht das Konto- 
buch als Ganzes die der Eutſcheidung zugrunde zu legende 
Urkunde geweſen wäre, kann dahingeſtellt bleiben. 
Es wird nämlich im Anſchluſſe daran und zum Teil 
im Widerſpruche damit betont, daß jede Eintragung 
eine Urkunde bilde, die zunächſt die Entſtehung einer 
Geſchäftsforderung und bei der die Durchſtreichung 
deren Tilgung beweiſe. Abgeſehen davon, daß die 
Eintragung ſelbſt nur mittelbar den Beweis für die 
Entſtehung einer Geſchäftsforderung erbringen würde, 
da in das Kontobuch diejenigen Kunden eingetragen 
wurden, die ausnahmsweiſe die Waren bei der Ueber— 
gabe nicht alsbald zahlten, iſt überſehen, daß ſolche 
kaufmänniſche Handelsbücher nur dann die Eigenſchaft 
von rechts- und beweiserheblichen Privaturkunden 
haben, wenn der Kaufmann ſie zu dem Zwecke führt, 
um ſich darauf gegebenenfalls Dritten z. B. ſeinen 
Schuldnern oder Gläubigern gegenüber als auf Be— 
glaubigungsmittel berufen zu können. Die Urkunden— 
eigenſchaft fehlt ihnen aber, wenn ſie nur dazu be— 
ſtimmt ſind, dem Kaufmann ſelbſt über den Stand 
ſeines Geſchäfts eine Ueberſicht zu verſchaffen oder 
wenn die Eintragungen in die Bücher nur Notizen 
enthalten, deren der Kaufmann für den Betrieb ſeines 
Handelsgewerbes ſelbſt bedarf (RGE. 4, 4; 34, 131). 
So ſcheint nach dem Urteile die Sache hier zu liegen. 
Die Feſtſtellungen müſſen dahin verſtanden werden, 
daß der Prinzipal aus dem Inhalte des Kontobuchs 
ſich allein darüber unterrichten wollte, von wem er 
noch Geld zu erhalten und wen er erforderlichenſalls 
zu mahnen hätte. Es mag dabei auch auf 8 43 
Abſ. 3 HGB. hingewieſen werden. Ob demnach das 
Kontobuch den an ein ordnungsgemäß geführtes 
Handelsbuch zu ſtellenden Anforderungen entſprach, 
iſt zweifelhaft. Jedenfalls wäre feſtzuſtellen geweſen, 
daß einerſeits der Prinzipal beabſichtigt habe, ſich auch 
feinen Kunden gegenüber auf das Kontobuch als Be- 
weismittel für das Fortbeſtehen der Forderungen zu 
berufen, andererſeits, daß es auch im Verkehre mit 
den Kunden trotz der Vorſchrift des § 43 HGB. dem 
Herkommen oder einer Uebereinkunft entſprach, wenn 
die Bezahlung der Schuld durch Durchſtreichung im 
Buche ausgedrückt wurde. Das Urteil war daher auf— 


zuheben⸗ (Urteil des V. StS. vom 28. April 1908 
5 D 250/08). — — — e — 
1305 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 


Kann bei Einleitung der Zwangsenteignnng eines 
Forſtrechts an einem dem Zwangsenteignungsberechtigten 
gehörigen Walde die Eintragung einer Verfügungs- 
beſchränkung auf dem Blatte für das Anweſen verlangt 
werden, mit dem das Recht als Beſtandteil verbunden 
iſt? (Art. XII u. XVI des ZwangsenteignungsG. von 
1537). Mit dem Anweſen der Eheleute E. ift das 
Recht auf den Bezug von Scheit- und Prügelholz 
aus den Staatswaldungen des Forſtamts V. verbunden. 
Das Forſtrecht iſt im Grundbuch auf dem Blatte für 
das Anweſen nicht vermerkt. Die Waldungen ſollen 
für einen Truppenübungsplatz verwendet werden und 
es iſt deshalb das Enteignungsverfahren in Anſehung 
der auf ihnen laſtenden Holzbezugsrechte eingeleitet 
worden. Das Bezirksamt hat bei dem Grundbuchamt 
„Sperrung“ des Grundbuchblatts für das Anweſen 


richters irrig. Es wird zwar dargelegt, daß das Kontos beantragt. Das Grundbuchamt hat die Eintragung 


292 


einer Verfügungsbeſchränkung abgelehnt. Auf Be⸗ 
ſchwerde des Bezirksamts wies das Landgericht das 
Grundbuchamt an, auf dem Blatte für das Anweſen 
„Dispoſitionsbeſchränkung in Anſehung des auf dieſem 
Anweſen ruhenden Forſtrechts nach Art. XII u. XVI 
des ZwangsenteignungsG. einzutragen“. Auf Be- 
ſchwerde des E. wurde vom Oberſten Landesgericht 
die Entſcheidung des Landgerichts aufgehoben und die 
Beſchwerde des Bezirksamts gegen die Verfügung des 
Grundbuchamts zurückgewieſen. 

Gründe: Die fortdauernde Geltung des Art. XII, 
XVI des Geſetzes vom 17. November 1837 unterliegt 
nach Art. 109 EG. z. BGB. und § 83 GBO. keinem 
Bedenken, die angefochtene Entſcheidung beruht aber 
auf Verletzung der Vorſchriften der Art. XII, XVI. 
Das Geſetz vom 17. November 1837 läßt die Ent⸗ 
eignung der im Art. II bezeichneten Rechte nur zu, 
wenn fie mit dem Eigentum an einem zu dem Unter- 
nehmen zu verwendenden Grundſtücke verbunden find 
oder ein ſolches Grundſtück mit ihnen belaſtet iſt. 
Das auf die Enteignung des Grundſtücks gerichtete 
Verfahren erſtreckt ſich auf die zu enteignenden Rechte; 
iſt das Grundſtück mit einem ſolchen Rechte belaſtet, 
ſo gehört der Berechtigte zu den nach Art. XV zu 
dem Verfahren zu ladenden Beteiligten. Die nach 
Art. XVI in das Grundbuch einzutragende Verfügungs— 
beſchränkung wird auf dem Blatte für das zu ent- 
eignende Grundſtück eingetragen. Steht das Recht 
dem jeweiligen Eigentümer des Grundſtücks zu, ſo iſt 
die Eintragung auf dieſem Blatte auch in Anſehung 
des Rechtes wirkſam, ſoweit dieſes von Verfügungen 
über das Grundſtück mitbetroffen wird; iſt das Recht 
eine Belaſtung des zu enteignenden Grundſtücks, ſo 
iſt — abgeſehen von dem Erbbaurecht und den ihm 
gleichgeſtellten Rechten — das für das Grundſtück be— 
ſtimmte Blatt dasjenige, dem auch in Anſehung des 
Rechtes der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu— 
kommt. Steht das Recht einer beſtimmten Perſon zu, 
ſo wird es überhaupt nur auf dieſem Blatte einge— 
tragen, ſteht es dem jeweiligen Eigentümer eines an— 
deren Grundſtücks zu, ſo iſt der etwa nach § 8 Abſ. 1 
GBO. auf dem Blatte dieſes Grundſtücks eingetragene 
Vermerk nicht eine mit dem öffentlichen Glauben aus— 
geſtattete Eintragung (Planck, Komm. z. BGB. 3. Aufl. 
Bd. 3 Bem 2 Abſ. 3 zum § 892 S. 134). Gehört das 
belastete Grundſtück ſchon dem Enteignungsberechtigten, 
ſo findet eine ſelbſtändige Enteignung des Rechtes 
ſtatt, in Anſehung des Blattes, auf dem die Ver— 
fügungsbeſchränkung einzutragen iſt, ſofern ſie über— 
haupt in Frage kommt, tritt aber ſelbſtverſtändlich 
eine Aenderung nicht ein. Der angefochtene Beſchluß 
erachtet die Eintragung auf dem Blatte des Grund— 
ſtücks, deſſen jeweiligem Eigentümer das zu ent— 
eignende Recht zuſteht, deswegen für geboten, weil 
der Art. XII Verfügungen über das Grundſtück ver— 
biete, deren Wirkung ſich auf das Recht erſtreckt. Dieſe 
Tragweite kommt aber dem Art. XII nicht zu. In der 
Verfügung über das Grundſtück, das nicht Gegenſtand 
der Enteignung iſt, behält der Eigentümer freie Hand, 
der Umſtand, daß die Veräußerung des Grundſtücks 
vermöge der Verbindung, in der das Recht mit dem 
Eigentum an dem Grundſtücke ſteht, ihre Wirkung 
auf das Recht erſtreckt, hindert ihn nicht an der Ver— 
äußerung des Grundſtücks. An dem Rechte ſelbſt tritt 
eine Aenderung nicht ein, es ſteht ja nicht dem bis— 
herigen Eigentümer für ſeine Perſon, ſondern dem je— 
weiligen Eigentümer des Grundſtücks zu und hört 
durch die Einleitung des Enteignungsverfahrens nicht 
auf nach $ 96 BGB. als Beſtandteil des Grundſtücks 
zu gelten. Inwiefern dadurch der mit der Vorſchrift 
des Art. XII bezweckte Schutz des Intereſſes des Ent— 
eignungsberechtigten beeinträchtigt werden ſoll, iſt 
ſchwer zu verſtehen. (Beſchl. des I. 35. vom 15. Mai 
1908, Reg. III 42/1908). W. 

1320 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


II. 

Vertretung mehrerer minderjähriger Kinder duré 
e inen Pfleger bei dem Vertrage über Auseinanderſetzung 
der beendeten allgemeinen Gütergemeinſchaft eder der 
Erbengemeinſchaſt zwiſchen der Witwe und den Kindern 
des Erblaſſers (8 181 BGB.). Der Bauer Matthias 
M. ift von feiner zweiten Ehefrau Scholaſtika M., mit 
der er in allgemeiner Gütergemeinſchaft gelebt hatte, 
dem volljährigen erſtehelichen Sohne Jakob M. und 
elf minderjährigen Kindern zweiter Ehe, für die 
Stephan M. zum Pfleger beſtellt wurde, auf Grund 
Ehe- und Erbvertrags zu je '/ıs beerbt worden. In 
dem Vertrag iſt der Witwe das Recht eingeräumt, 
das Anweſen und alle ſonſtigen Rücklaßbeſtandteile 
gegen Herausgabe der Anteile der Kinder zu über— 
nehmen. Zwiſchen der Witwe, dem erſtehelichen 
Sohne und dem Pfleger der zweitehelichen Kinder 
wurde vor dem Notariat A. ein Auseinanderſetzungs- 
vertrag geſchloſſen. Die Auseinanderſetzung erfolgte fo, 
daß die Witwe das geſamte Vermögen übernahm und 
den minderjährigen Kindern „ein Vatergut von je 
950 M“ auszeigte, während Jakob M. auf die Aus- 
zeigung eines Vaterguts verzichtete. Für die Vater⸗ 
güter wurde Hypothek beſtellt. Der Vertrag wurde vom 
Vormundſchaftsgericht genehmigt. Das Hypothekenamt 
ordnete die Umſchreibung auf die Erbengemeinſchaft 
an, lehnte aber die weiteren Eintragungen ab, weil 
der Vertrag nicht nur zwiſchen der Witwe einerſeits 
und den Kindern anderſeits, ſondern auch zwiſchen den 
Kindern untereinander geſchloſſen worden fei und des⸗ 
halb jedes der minderjährigen Kinder durch einen 
beſonderen Pfleger habe vertreten werden müſſen. 
Die Beſchwerde der Witwe M. wurde auf Grund des 
§ 181 BGB. zurückgewieſen. Auf ihre weitere Be- 
ſchwer de hat das Ob G. die Entſcheidungen der Bor- 
inſtanzen aufgehoben und das Hypothekenamt ange 
wieſen, anderweit zu verfügen: 

Gründe: Der Nachlaß beſteht in dem Anteile 
des Erblaſſers an dem Geſamtgute der allgemeinen 
Gütergemeinſchaft, durch den Auseinanderſetzungs— 
vertrag ſoll das Geſamtgut in die Hand der Witwe 
übergehen. Es kann dahingeſtellt bleiben, ob dieſer 
Erfolg dadurch herbeigeführt werden ſoll, daß die 
Kinder ihre Erbteile nach § 2033 Abſ. 1 BGB. auf 
die Witwe übertragen, ſo daß ſich alle Anteile in ihrer 
Hand vereinigen, oder ob die Witwe als Teilhaberin 
des Geſamtguts und Miterbin des anderen Teilhabers 
in Gemeinſchaft mit den Kindern als den anderen 
Miterben die ſämtlichen zu dem Geſamtgute gehörenden 
Gegenſtände auf ſich als Erwerberin überträgt, ſo daß 
fie diefe Gegenſtände aus der nach § 1471 Abſ. 2 
BGB. beſtehenden Gemeinſchaft zur geſamten Hand 
erwirbt. Inwiefern in dem letzteren Falle die Witwe 
nach 8 181 BGB. gehindert fein ſoll, den Vertrag mit 
ſich ſelbſt zu ſchließen, iſt unverſtändlich; das Land— 
gericht ſcheint überſehen zu haben, daß § 181 nur eine 
den Umfang einer Vertretungsmacht beſchränkende 
Vorſchrift enthält. Die Gegenleiſtung konnte auch in 
dem letzteren Falle ſo beſtimmt werden, daß jedes 
Kind eine beſondere Gegenleiſtung erhält, und dies 
iſt geſchehen, die Witwe hat jedem der minderjährigen 
Kinder den ſeinem Anteil an der Hälfte des Geſamt— 
guts entſprechenden Betrag von 950 M zu zahlen, ſie 
ſchuldet elf „Vatergüter“ gleichen Betrags. Als Ber- 
tragſchließende ſtehen die Kinder nur ihr gegenüber, 
bei der Vertragſchließung mit ihr konnte jedes der 
Kinder durch den gemeinſchaftlichen Pfleger vertreten 
werden. Der Pfleger iſt, indem er für jedes Kind das 
gleiche Vatergut ausbedang, allerdings von der An— 
ſicht ausgegangen, daß den einzelnen Kindern auch im 
Verhältnis unter einander gleiche Beträge gebühren, 
daß insbeſondere nicht ein Teil von ihnen den anderen 
gegenüber zu einer Ausgleichung verpflichtet iſt, aber 
ein Vertrag des Inhalts, daß keines der Kinder aus 
der Erbengemeinſchaft von dem anderen etwas zu 


— — — ͥ nn o 


— 


fordern hat, liegt nicht vor, die Kinder teilen nicht 
eine gemeinſchaftliche Gegenleiſtung untereinander 
ſondern jedes erhält von der Witwe ſein beſonderes 
Vatergut. Es war Sache des Vormundſchaftsgerichts, 
zu erwägen, ob etwa gegenſätzliche Intereſſen zwiſchen 
den Kindern beſtehen, die die Beſtellung mehrerer 
Pfleger erforderlich machen, da es hierzu keinen Anlaß 
gefunden hat, beſteht für das Hypothekenamt kein 
Grund, die Vertretung der ſämtlichen minderjährigen 
Kinder durch den gemeinſchaftlichen Pfleger zu bez 


anſtanden. (Beſchluß des I. 35. vom 6. März 1908; 
Reg. III 20/1908). W. 
1258 


B. Strafſachen. 


Unterſchlagung. Begriff der „fremden Sache“. Be: 
wußtſein der Nechtswidrigkeit. In der Behanptung, „es 
handle fih uur um zivilrechtliche Anſprüche“, liegt ein 
Beſtreiten dieſes Bewußtſeins. Der Angeklagte war als 
Vorarbeiter der Firma Sp. in M. auswärts beſchäf— 
tigt und mit der Auszahlung des Lohnes an die Mr- 
beiter betraut. Hierbei mußte er wiederholt von dem 
Wirte D. Geld leihen, der ihm zuletzt 20 M gab. Als 
einen Tag darauf der Ingenieur Sp. der Firma Sp. 
an die Bauſtelle kam, teilte ihm der Angeklagte mit, 
er habe bei Auszahlung der Löhne von D. 20 M ent- 
liehen. Daraufhin gab ihm Sp. 20 M mit der Wei- 
ſung, ſie ſofort an D. zu zahlen, da er nicht haben 
wolle, daß bei fremden Leuten Geld für das Geſchäft 
entliehen werde. Der Angeklagte behielt die 20 M 
für ſich und wurde wegen Unterſchlagung verurteilt. 
Das oberſte Landesgericht wies die Sache an die Straf— 
kammer zurück. 

Aus den Gründen: Die Würdigung der Frage, 
ob für den Angeklagten der ihm von Sp. gegebene 
Betrag eine „fremde Sache“ im Sinne des § 246 StGB. 
war, hängt davon ab, welche Rechtslage dadurch ein— 
getreten iſt, daß D. dem Angeklagten mit Rückſicht auf 
fein Vorbringen 20 M gegeben hat. Je nach den tat- 
ſächlichen Verhältniſſen wurde durch die Hingabe der 
20 MH ein Rechtsverhältnis zwiſchen D. und der Firma 
Sp. oder zwiſchen D. und dem Angeklagten begründet. 

a) War die Firma Sp. Schuldnerin des D. ge— 
worden und hat Sp. dem Angeklagten 20 M mit dem 
Auftrage gegeben, das Geld dem D. zum Zwecke der 
Tilgung der Schuld der Firma zu überbringen, ſo 
wird man die 20 M für eine für den Angeklagten 
„fremde Sache“ halten können, die ihm von deren 
Eigentümer zu einem beſtimmten Zweck anvertraut war. 

b) Wurde der Angeklagte der Schuldner des D., 
fo war er zur Zurückerſtattung des Darlehens ver- 
pflichtet. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß Sp. nicht 
die Firma, ſondern den Angeklagten für den Schuldner 
des D. hielt und daß er 20 M dem Angeklagten gab, 
damit dieſer ſeine Verbindlichkeit erfülle. Die Aeuße— 
rung des Sp. läßt die Deutung zu, daß es ihm gegen 
das Intereſſe der Firma zu ſein ſchien, wenn der An— 
geklagte auf ſeinen Namen und auf ſeine Haftung zur 
Deckung einer Schuld der Firma Geld von dritter 
Seite lieh und daß ihm daran lag, dem Angeklagten 
die Mittel zur Tilgung des Guthabens zu geben. Er— 
hielt der Angeklagte zu dieſem Zwecke von Sp. 20 M, 
ſo iſt er Eigentümer des Geldes geworden und es war 
für ihn keine „fremde Sache“. Selbſtverſtändlich er— 
litt das einmal begründete Eigentum des Angeklagten 
eine rechtliche Veränderung auch nicht etwa in dem 
Falle, daß er das Geld nicht zu dem Zwecke ver— 
wendete, zu dem er es empfangen hat. 

Das Urteil des LG. enthält keine Feſtſtellung über 
die Vorfrage, ob die Firma oder der Angeklagte 
Schuldner des D. geworden iſt. Allerdings findet ſich 
die Aeußerung, daß die 20 M für den Angeklagten 
eine „fremde Sache“ waren, aber dieſe Anſchauung 
entbehrt der tatſächlichen Unterlage. Das LG. mußte 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


293 


zu der Vorfrage ausdrücklich Stellung nehmen, es 
konnte erſt nach Löſung dieſer Frage rechtliche Schluß— 
folgerungen in der Richtung ziehen, ob ſich der An— 
geklagte eine „fremde Sache“ zugeeignet habe. Es 
beſteht ſohin die Vermutung, daß das Gericht das 
geſetzliche Merkmal „fremde Sache“ verkannt hat. 
Einer ausdrücklichen Feſtſtellung des Bewußtſeins 
der Rechtswidrigkeit der Zueignung bedarf es nicht, 
wenn eine Beſtreitung des Angeklagten nicht vorliegt. 
Eine ſolche Beſtreitung liegt aber darin, daß der An— 
geklagte behauptete „es handle ſich nur um zivilrecht— 
liche Anſprüche“. Daher mußte die Strafkammer auch 
darüber eine Feſtſtellung treffen, ob der Angeklagte 
ſich der Eigenſchaft des von Sp. ihm gegebenen Geldes 
als einer fremden Sache bewußt geweſen ſei. Eine 
Prüfung dieſes Umſtandes war um ſo notwendiger, 
wenn der Angeklagte der Meinung ſein konnte, er ſei 
der Eigentümer der 20 M geworden, was angeſichts 
ſeiner Verteidigung nicht ausgeſchloſſen iſt. Selbſt 
wenn er irrigerweiſe dieſe Meinung gehabt hätte, 
würde der zur Unterſchlagung erforderliche Vorſatz 
ausgeſchloſſen ſein. (Urt. vom 14. April 1908, Rev.⸗ 
Reg. Nr. 161/08). H. 
1256 


Oberlandesgericht München. 


Zur Auslegung der ŞS 13, 45 Nr. 5, 47 des Mann: 
ſchafts⸗VerſorgG. v. 31. Mai 1906. Der Schuhmacher 
Auguſt A. hatte von 1888 bis 1891 ſeiner Militär— 
pflicht genügt und wurde am 6. November 1905 als zu— 
folge Dienſtbeſchaͤdigung dauernd ganzinvalid, und dau— 
ernd gänzlich erwerbs- und zivildienſtunfähig zur 
Penſion II. Kl. eines Gemeinen mit monatlich 21 M 
ab 1. Dezember 1905 für immer berechtigt anerkannt. 
Nach Erlaß des Mannſchafts-VerſorgG. erhob A. Anz 
ſpruch auf eine monatliche Penſion I. Kl. von 30 M 
(SS 65, 66 B 2 MPG.) und eine Verſtümmelungszulage 
von 27 M (S 13, 45 MG.), weil er ohne fremde Wart 
und Pflege nicht beſtehen könne. Von den Militär— 
behörden hinſichtlich der Penſionserhöhung abgewieſen, 
weil ihm die neurechtliche Penſion im ganzen betrachtet 
günſtiger ſei, hiernach aber neben der Verſtümmelungs— 
zulage ſtets nur die Penſion II. Kl. zuſtehe, ſtellte er 
gegen den Militärfiskus Klage auf Penſionserhöhung 
und Verſtümmelungszulage, wurde aber damit eben— 
falls abgewieſen. 

Aus den Gründen des Berufungsurteils: 
Die angeſtrebte Erhöhung der Penſion von dem Satze 
der II. Klaſſe des MPG. vom 27. Juni 1871 (8 65) 
auf den Satz der I. Klaſſe dortſelbſt nach Maßgabe 
des 8 66 Lit. B ift unzuläſſig. Der Kläger behauptet 
allerdings die fortdauernde Anwendbarkeit des RG. 
von 1871 auf ſeinen Fall und läßt die Anderung durch 
S 45 Nr. 5 des RG. vom 31. Mai 1906 deshalb nicht 
gelten, weil die Ausnahme des 8 47 letztgenannten 
Geſetzes vorliege, nämlich die Verſorgung des Klägers 
nach den bisherigen Vorſchriften für ihn günſtiger ſei. 
Letzteres folgert er daraus, daß das ältere Geſetz einen 
flagbaren Penſionsanſpruch auf die Penſion I. Kl. ge- 
währe, während die im Verj®. von 1906 eingeräumte 
Verſtümmelungszulage zwar dreifach ſo hoch wie im 
alten Geſetz normiert fei (nämlich 27 M Statt 9 M), 
aber vom Ermeſſen der Militärbehörde abhänge, ſo— 
hin (wie Kläger behauptet) von einem Gnadenakt oder 
von Wohlgewoͤgenheit nach Art einer Almoſenertei— 
lung. Dies iſt aber nicht richtig. Das alte Recht 
legte dem Penſioniſten den Beweis ſeiner Pflegebedürf— 
tigkeit auf; das neue Recht ſtatuiert die Feſtſtellung 
des Grades der Erwerbsunfähigkeit durch die Militär— 
behörde von Amts wegen und in erſter Linie auf Grund 
der militärärztlichen Gutachten (vgl. Siber, Gef. v. 
31. Mai 1906 S. 44 Note 1 zu § 28). Daneben ſtellt 
es dem Penſioniſten frei, ſeinerſeits ſelbſt Beweis— 


294 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Nr. 14. 


mittel (ärztliche Zeugniſſe u. dgl.) beizubringen. Die 
Elemente der Beweisführung ſind alſo im weſentlichen 
dieſelben. Es trifft insbeſondere die im konkreten Falle 
durch die beiderſeitigen Beweisangebote geſchaffene 
Sachlage generell wohl auch ſonſt zu: nach altem 
Recht führt der Patient ſeine Aerzte, Angehörigen, 
Nachbarn zum Beweiſe der Pflegebedürftigkeit vor, der 
Militärfiskus ſtellt dieſen ſeine Experten (zumeiſt Mili⸗ 
tärärzte) zum Gegenbeweis gegenüber, den das Gericht 
nicht ablehnen kann. Nach neuem Recht treten letztere 
an erſter Stelle in Funktion; es muß aber ſowohl 
von ihnen als von der entſcheidenden Militärbehörde 
das Beweismaterial des Penſioniſten ebenfalls ge— 
prüft und gewürdigt werden. Soweit es ſich um die, 
bezüglich der Frage der Pflegebedürftigkeit vor allem 
in Betracht kommenden Sachverſtändigen handelt, iſt 
das Gericht in deren Auswahl und dem Umfang der 
Beweisaufnahme ebenſo frei wie die Militärbehörde 


($ 404 ZPO); hinſichtlich der Zeugen kann ſich letz- 


tere Behörde ſachlich genügend begründeten Anträgen 
des Penſionserwerbers ſchwerlich entziehen, da bei ihr 
nicht minder wie beim Gericht pflichtmäßige gewiſſen— 
hafte Amtsführung vorausgeſetzt werden muß. In 
der Beurteilung des Beweisergebniſſes entſcheidet eben— 
falls nur Pflicht und Gewiſſen der jeweils berufenen 
Behörde. Da hiernach die Beweischancen die gleichen 
ſind, ſo gibt zugunſten des neuen, weſentlich von Amts 
wegen durchzuführenden Beweisverfahrens der Koſten— 


punkt den Ausſchlag: Die militäriſchen Beweiserhebungen 


find koſtenlos, während für die gerichtlichen zunächſt 
und bei ungünſtigem Erfolge auch endgültig der Beweis— 
führer aufzukommen hat. Für die Höhe der Verſor— 
gung ſollte nach dem Entwurf des 8 47 MBerjb. 
(Reichstags-Vhldg. 1903,5 Anl. Bd. V S. 2606) ent- 
ſcheidend ſein, ob die bisherigen Gebührniſſe höher 
jeien. Schließt nun auch die jetzige Faſſung („günftiger“) 
die Heranziehung weiterer Momente nicht aus, ſo ſteht 
doch nach der Faſſung des Entwurfs, wie nach der 
Natur der Sache die Höhe an erſter Stelle. Der 
Berufungskläger irrt, wenn er behauptet, ein mäßiger 
Betrag mit Klagerecht fei wertvoller als ein dreifach 
höherer, vom Ermeſſen der Militärbehörde abhängiger 
Anfprud). Nach der Faſſung der SS 13 Abſ. 1 und 45 
Nr. 5 MVG. ſteht die uneigeniticie Verſtümmelungs— 
zulage der eigentlichen virtuell gleich: ſie konnte nur 
wegen des bei ihr nötigen Eingehens auf die patho— 
logiſchen Beſonderheiten des Einzelfalles nicht all- 
gemein eingeräumt und zum ee Anſpruch er- 
hoben werden. Die im Abſ. 2 des § 13 aufgezählten 
Gebrechen ſind offenkundig und für jeden Laien ſofort 
feſtſtellbar; auch ſind ſie dem Grade nach unter allen 
Umſtänden ſehr ſchwer. Die Geſundheitsſtörungen des 
Abſ. 3 ſind dem Grade und der Einwirkung auf die 
Erwerbsfähigkeit nach ſehr verſchieden; ſpeziell die 
Pflegebedürftigkeit erheiſcht ein genaues Eingehen auf 
die Natur des Leidens. Allein hier wie dort beſteht 
ein „Anſpruch“ auf die Verſtümmelungszulage („it zu 
gewähren“). Auch die Militärbehörde darf alſo, wenn 
fie einmal eine unter § 13 Abſ. 3 fallende Geſund— 
heitsſtörung feſtgeſtellt hat, die Bewilligung nicht von 
ihrem freien Belieben, der perſönlichen Würdigkeit des 
Geſuchſtellers, Empfehlungen oder dgl. abhängig machen. 
Ihr Ermeſſen iſt nur inſoweit frei, als die Notwendig— 
keit fremder Wart und Pflege ſtreitig iſt; in dieſer 
Frage entſcheidet aber praktiſch das arbitrium boni viri 
auf Grund von Sachverſtändigengutachten und dieſe 
Entſcheidung würde jeweils nicht anders ausfallen, 
wenn ſie einem Gerichte übertragen wäre. Die Rich— 
tigkeit dieſer Auffaſſung ergibt ſich aus der weitläufi— 
gen militäriſchen Dienſtanweiſung zur Beurteilung der 
Militärdienſtfähigkeit (Nachtrag I Ziff. 39—49) und 
der Reichstagsverhandlungen (Anl. Bd. VI S. 4353 
Sp. 2). Hiernach iſt die dem Kläger nach dem Geſetz 
von 1871 zuſtehende Verſorgung nicht „günſtiger“ als 
die neurechtlichen Anſprüche. — Auch die Bemänge— 


= ... — T—᷑F—U— — —— ——— — T— ——¾ 


lung des Berufungsklägers gegen den Erſtrichter iſt 
hinfällig, daß letzterer mit Unrecht den § 66 Lit. B des 
Geſetzes von 1871 als durch das Geſetz von 1906 auf— 
gehoben erachtet habe. Dieſe Aufhebung iſt in der 
Tat, wenn auch nicht ausdrücklich, ſo doch nach Weſen 
und Zweck der Geſetzesreform anzunehmen. Es ergibt 
ſich dies aus dem Wortlaut von Satz 2 des $ 45 Nr. 5 
MVG. im Zuſammenhalt mit § 67 B2 MPG von 1871, 
aus der Erläuterung Nr. 30 bei Siber zu $ 45 MBG., 
endlich aus dem im Komm.-Bericht zum damaligen 
§ 46 des Entwurfs (Anl. Bd. VI 4414) angeführten 
verbeſſerten Antrag, der neben der Verſtümmelungs— 
zulage lediglich die Penſion II. Kl. nach dem Geſetz 
von 1871 gewährt. Ein Fall, auf den in Anſehung 
der im 8 45 MVG. bezeichneten Invaliden noch 5 66 
Lit. B Ziff. 2 MPG. von 1871 anwendbar wäre, wäre 
hernach nur denkbar, wenn man letzteres Geſetz gegen— 
über dem neuen als günſtiger erachten könnte, was 
nach den obigen Ausfuͤhrungen ausgeſchloſſen iſt. Dem— 
nach iſt der Kläger mit ſeinem Anſpruch auf Penſions— 
erhöhung (ſtatt Verſtümmelungszulage) abzuweiſen; 
hinſichtlich des Anſpruchs auf Verſtümmelungszulage 
wegen angeblicher Pflegebedürftigkeit hat er ſich nicht 
nur vorläufig, ſondern endgültig und ausſchließlich an 
die Militärbehörde zu wenden, die hierfür allein zu— 
ſtändig ift. (Urteil vom 6. Mai 1908; L. 956/07 I). 
1312 N. 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Beglaubigung der Abſchrift einer Klageſchrift, 
welche die Terminsverfügung des Vorſfitzenden zwiſchen 
Ueberſchrift und Sachvortrag eingerückt enthält. Die 
dem Beklagten zugeſtellte Abſchrift der Klage bezeichnet 
ſich als ſolche und enthält nach dem Rubrum die 
Terminsbeſtimmung ſowie je am Schluſſe des Schrift— 
ſatzes und der Beilagen den Vermerk: „Beglaubigt. 
Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin RA. Dr. M.“ 
Der Beklagte rügt, daß in der zugeſtellten Abſchrift 
der Klageſchrift ſowohl die Terminsverfügung des 
Vorſitzenden als die Klageſchrift ſelbſt der Beglaubigung 
durch den Gerichtsvollzieher, erſtere auch der Beglau— 
bigung durch den Prozeßbevollmächtigten entbehrt 
habe. Das Landgericht verwarf die Einrede, da die 
Beglaubigung des Prozeßbevollmächtigten in genügen— 
der Weiſe den ganzen Inhalt der Klage vom Rubrum 
bis zum Ende umfaſſe, und verurteilte den Beklagten 
im Wechſelprozeſſe nach dem Klageantrage unter Vor— 
behalt der Ausführung ſeiner Rechte. Die Berufung 
wurde zurückgewieſen. 

Gründe: Die Terminsbeſtimmung iſt ſo in die 
Klage aufgenommen, daß ſie durch die am Schluſſe 
befindliche Beglaubigung gedeckt wird. Darüber iſt 
kein Zweifel, daß die dem Beklagten zugeſtellte Mb- 
ſchrift für ihn das entſcheidende Schriftſtück, das 
Original ift (RG. 55 S. 308), aus dem es dem Pe- 
klagten zu erſehen möglich ſein muß, ob ihm die von 
einem Rechtsanwalt beglaubigte Abſchrift des zuzu— 
ſtellenden Schriftſtücks oder der zuzuſtellenden Schrift— 
ſtücke übergeben wurde. Wenn, wie hier, in den die 
Ladung enthaltenden Klageſchriftſatz ſofort die Ter— 
minsbeſtimmung des Vorſitzenden zwiſchen die an 
ſchrift („Klageſchrift für . . . gegen . .. Streitwert. 
und den Beginn des ſachlichen Vortrags eingerückt in, 
ſo bildet, gerade für den empfangenden Beklagten, 
die Klageſchrift mit Ladung und Terminsbeſtimmung 
ein einheitliches Ganzes, das am Schluſſe der Klage 
in völlig genügender Weiſe beglaubigt iſt. Daran 
ändert der Umſtand nichts, daß der Termin durch den 
Vorſitzenden zu beſtimmen war; denn nicht auf deſſen 
Handlung kommt es an, ſondern auf die Tatſache, 


daß die Ladung ſich auf den durch Einrückung der 


Terminsbeſtimmung angegebenen Termin 
(Urt. vom 31. Dezember 1907, M 257,07). 
1315 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


bezieht. 


— — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


OT N TH u — . j— — E 


Landgericht München J. 


Art. 2, 7 des intern. Scheidungsabkommens vom 
12. Inni 1902. Die Ehe der in Lugano (Schweiz) 
wohnenden Eheleute C. (Deutſche Reichsangehörige) 
iſt durch rechtskräftiges Urteil des dortigen Bezirks⸗ 
gerichts vom 30. Juli 1907 geſchieden worden. Bei 
der Vermögensteilung entſtanden Meinungsverſchieden⸗ 
heiten über die Wirkſamkeit des Schweizer Urteils 
im Deutſchen Reich, ſo daß der nun in Deutſchland 
wohnhafte frühere Ehemann gegen die nach Italien 
gezogene geſchiedene Ehefrau Feſtſtellungsklage auf 
den Nichtfortbeſtand der Ehe vor dem Gericht ſeines 
deutſchen Wohnſitzes erhob. Die Klage wurde mangels 
Beobachtung des Scheidungsabkommens (vgl. RGBl. 
1905 S. 716) abgewieſen. 
Aus den Gründen: Das Schweizer Gericht 
hat folgende Schlußfeſtſtellungen getroffen: „Beide 
Ehegatten verlangen die Scheidung, weshalb das 
Gericht ſie ausſprechen ſoll, wenn aus dem Stand der 
Dinge hervorgeht, daß ihr weiteres Zuſammenleben 
mit dem Weſen der Ehe unverträglich iſt (Art. 45 
Eidgenöſſ. Geſetz; Art. 76 Zivil B.). Aus der Ge- 
ſamtheit der angeführten Tatſachen, aus den klaren 
Erklärungen der Parteien und dem hieraus für den 
erkennenden Richter ſich ergebenden Sachverhalt geht 
hervor, daß die ehelichen Bande zwiſchen den Gatten 
infolge einer Reihe von Umſtänden ſich anfangs lockerten, 
nach und nach ſich aber in einer Weiſe auflöſten, daß 
ſie jetzt für ſie eine unerträgliche Laft. find. Es wäre 
nahezu unmoraliſch, zum Schein eine zerſtörte eheliche 
Gemeinſchaft aufrechtzuhalten und das Zuſtandekommen 
eines neuen ſozialen Zuſtands zu verhindern“. Hier⸗ 
nach hat das Schweizer Gericht die Ehe auf Grund 
gegenſeitiger Einwilligung nach Art. 45 des Schweizer 
Bundesgeſetzes vom 24. Dezember 1874 geſchieden und 
damit die lex fori zur Anwendung gebracht. Allerdings 
hat es in ſeinem Urteil beigefügt, daß es außer der 
lex fori auch den 8 1568 BGB. in Betracht gezogen 
habe („visto l'artic 15687). Allein die Vorausſetzungen 
des deutſchen Rechts ſind nach den Urteilsfeſtſtellungen 
nicht gegeben; denn dem deutſchen Recht iſt die 
Scheidung auf Grund gegenſeitiger Uebereinſtimmung 
fremd. Wenn nun auch das Schweizer Bundesgeſetz 
(Art. 45) nicht ohne weiteres die Scheidung auf Grund 
gegenſeitiger Einwilligung zuläßt, ſondern nur, wenn 
das fernere Zuſammenleben mit dem Weſen der Ehe 
unverträglich iſt, ſo iſt doch im feſtgeſtellten Sachverhalt 
kein Scheidungsgrund nach BGB. zu erſehen. Es 
mangelt die Feſtſtellung, daß die Ehezerrüttung auf 
ſchwerer Ehepflichtverletzung beruht und von dem 
anderen Gatten verſchuldet iſt, ſowie daß nach der 
Individualität des Klägers ihm die Ehefortſetzung nicht 
mehr zugemutet werden kann. Das tatſächliche Vor⸗ 
liegen ſolcher Gründe iſt wohl möglich; aber ihr Vor⸗ 
handenſein iſt in dem inländiſchen Urteil nicht mit ge⸗ 
nügender Beſtimmtheit zum Ausdruck gelangt und 
dieſer Mangel kann weder durch die auf das Schweizer 
Redt zugeſchnittene Sachdarſtellung des ausländiſchen 
Urteils noch durch deſſen einfache Bezugnahme auf 
9, 1568 BGB. erſetzt werden. (Urteil vom 17. Januar 
1908; E 4347,07). N. 
1318 


Literatur. 


Sartor, Eugen Freiherr von, Kgl. Landgerichtsdirektor 
in München. Vereinsgeſeh f. d. Deutſche Reich 
vom 19. April 1908. Textausg. m. Anm. u. e. 
Anhang enth. d. Vorſchr. des BGB. über Vereine, 
ferner d. Ausf.⸗Beſt. f. Preußen u. Bayern zum 
RVO. u. ſonſtige einſchl. landesr. Vorſchr. ſowie e. 
Sachreg. 8.0 (X, 3.50 S.). München 1908, C. H. Beckſche 
Verlags buchhandlung (O. Beck). Gebd. Mk. 3.—. 


Der Verfaſſer, der als Kommentator des baye⸗ 


—ꝛ—ñ— A—— aooo — 


295 


riſchen Vereinsgeſetzes bekannt iſt, hat eine handliche, 
aber doch inhaltsreiche Ausgabe geſchaffen. Er hat 
die bisherige Rechtſprechung gründlich verwertet und 
den Zuſammenhang des Geſetzes mit den übrigen 
Reichsgeſetzen und den Landesgeſetzen eingehend dar- 
gelegt. Zweckmäßig war insbeſondere die Beigabe von 
Vorſchriften aus dem BGB. mit Erläuterungen. Sie 
macht die Ausgabe als Handexemplar für Vereins⸗ 
vorſtände, Kaſſierer, Schriftführer tauglich. Die landes- 
rechtlichen Beſonderheiten ſind in den Erläuterungen 
ſorgfältig berückſichtigt, ſo daß die Ausgabe für alle 
größeren Bundesſtaaten gleichmäßig brauchbar iſt. 


von der Pfordten. 


Notizen. 


Durch das Geſetz, betreffend die Erleichterung des 
Wechſelproteſtes, vom 30. Mai 1908, das am 1. Oktober 
1908 in Kraſt tritt, werden folgende Artikel der 
Wechſelordnung geändert: 29, 39, 43, 44, 60, 62, 87, 
88, 90, 91, 92 und 99; der Artikel 2 wird geſtrichen; 
neu eingefügt werden die Artikel 88 a, 88 b, 89 a, 91a. 
In der Hauptſache bewirken die neuen Beſtimmungen 
eine Aenderung des beſtehenden Rechtszuſtandes nach 
zwei Richtungen: die Vorſchriften über die Erhebung 
des Wechſelproteſtes werden vereinfacht und es wird 
die Zuläſſigkeit des Poſtproteſtes ausgeſprochen. In 
erſter Beziehung iſt vor allem von Bedeutung, daß 
der Proteſt mangels Zahlung auf den Wechſel 
oder ein mit dem Wechſel zu verbindendes Blatt zu 
ſetzen iſt und es infolgedeſſen nicht mehr erforderlich 
ſein wird, in den Zahlungsproteſt eine Abſchrift des 
Wechſels mit den darauf befindlichen Indoſſamenten 
und ſonſtigen Vermerken aufzunehmen. (Art. 88, 88 a. 
Die Artikel werden zitiert nach dem Texte der Wechſel⸗ 
ordnung in der vom 1. Oktober 1908 an geltenden 
Faſſung. Bek. des Reichskanzlers vom 3. Juni d. Js.). 
Der Wegfall der Wechſelabſchrift hat zur Folge, daß 
der Zuſtand des Wechſels zur Zeit der Proteſterhebung, 
insbeſondere die Legitimation des Proteſtanten zur 
Proteſtierung, durch den Inhalt des Proteſtes nicht 
mehr feſtgeſtellt wird. Dafür, daß nachträglich hinzu⸗ 
gefügte Indoſſamente als ſolche erſichtlich ſind, ſorgt 
die Beſtimmung des Art. 88 a Abſ. 2 über die Art und 
Weiſe, wie der Proteſt auf dem Wechſel zu vermerken 
iſt. Die Antwort der Perſon, gegen die der Wechſel 
proteſtiert wird, iſt in den Proteſt nicht mehr aufzu⸗ 
nehmen; es genügt die Angabe, daß die bezeichnete 
Perſon ohne Erfolg zur Vornahme der wechſelrechtlichen 
Leiſtungen aufgefordert worden oder nicht anzutreffen 
geweſen iſt (Art. 88 Nr. 2). Zu den Zahlungs- 
proteſten gehört nach Art. 69 Nr. 2 auch der Proteſt, 
durch den feſtgeſtellt wird, daß auf das Duplikat 
Zahlung nicht zu erlangen iſt. Auf Proteſte, die eine 
andere Leiſtung als die Zahlung betreffen, bezieht ſich 
Art. 88a nicht; alſo nicht auf den Annahmeproteſt, 
nicht auf den Proteſt wegen nicht geleiſteter Sicherheit, 
nicht auf die Proteſte nach Art. 69 Nr. 1, Art. 72 
Satz 2. Für dieſe Proteſte iſt deshalb nach wie vor 
eine Abſchrift des Wechſels oder der Wechſelkopie 
nötig. Damit dieſe Proteſte in der äußeren Form 
übereinſtimmen, trifft der Art. 88 b für ſie gemeinſame 
Beſtimmungen. 

Weitere Vereinfachungen des Proteſtverfahrens 
ſind folgende: Die Wechſelzahlung kann an den 
Proteſtbeamten erfolgen. (Ob der Proteſtbeamte 
berechtigt und verpflichtet iſt, die Zahlung anzu⸗ 
nehmen, war bisher in der Wiſſenſchaft und in 
der Rechtſprechung beſtritten). Die Befugnis des 
Proteſtbeamten zur Annahme der Zahlung kann 
nicht ausgeſchloſſen werden (Art. 89a). — Schreib- 
fehler, Auslaſſungen und ſonſtige Mängel der Proteſt⸗ 
urkunde können bis zur Aushändigung der Urkunde 
an die Perſon, für welche der Proteſt erhoben iſt, von 


296 


dem Proteſtbeamten berichtigt werden; die Berichtigung 
iſt als ſolche unter Beifügung der Unterſchrift kenntlich 
zu machen. (Nach geltendem Recht muß der Proteſt 
innerhalb der Proteſtfriſt fertiggeſtellt ſein; einem 
weſentlichen Mangel der Proteſturkunde kann durch 
ſpätere Ergänzungen und Berichtigungen nicht mehr 
abgeholfen werden). Die Vorſchrift des bisherigen 
Art. 90 über die Eintragung der Proteſte in das Proteſt⸗ 
regiſter wird zur Vermeidung von Verzögerungen der 
Aushändigung der Proteſte dahin geändert, daß eine 
Abſchrift der Proteſte zurückzubehalten und daß die 
Abſchriften geordnet aufzubewahren ſind (Art. 90). — 
Der Proteſtbeamte iſt nach geltendem Recht vor der 
Erhebung eines Windproteſtes unbedingt zu einer 
perſönlichen Nachfrage bei der Polizeibehörde nach 
dem Geſchäftslokal oder der Wohnung des Proteſtaten 
verpflichtet; er braucht aber auch anderſeits weitere 
Ermittelungen nicht anzuſtellen. An Stelle der An⸗ 
gabe, daß die Nachfrage bei der Polizeibehörde fruchtlos 
war, tritt künftig der Vermerk, daß das Geſchäftslokal 
oder die Wohnung ſich nicht hat ermitteln laſſen 
(Art. 88 Nr. 2). Iſt dies konſtatiert, bleibt die Proteſt⸗ 
erhebung wirkſam, auch wenn dem Proteſtbeamten die 
Ermittelung möglich war (Art. 91 Abſ. 2). Dadurch 
wird aber die Verantwortlichkeit des Protefibeamten 
nicht berührt, der es unterläßt, geeignete Ermitte⸗ 
lungen anzuſtellen; nur ſoll er nicht gerade, ſelbſt 
wenn er z. B. weiß, daß der Geſuchte ſchon längſt 
verzogen iſt, bei der Polizei nachfragen müſſen. Der 
Proteſtbeamte ift zu weiteren Nachforſchungen nicht vers 
pflichtet, wenn er bei der Polizeibehörde ohne Erfolg 
angefragt hat; die Anfrage braucht nicht perſönlich 
zu geſchehen (Art. 91). — Art. 91a beſtimmt (im An⸗ 
ſchluß an die Rechtſprechung des Reichsgerichts, Entſch. 
Bd. 32 S. 110, Bd. 60 S. 430), daß eine in dem Geſchäfts⸗ 
lokal oder in der Wohnung eines Beteiligten vors 
genommene Handlung auch dann gültig iſt, wenn an 
Stelle des Ortes, in welchem das Geſchäftslokal oder 
die Wohnung liegt, ein benachbarter Ort in dem 
Wechſel angegeben iſt; es wird z. B. im Geſchäftslokal 
eines Kaufmanns in Paſing proteſtiert, obwohl im 
Wechſel als Wohnort München angegeben iſt; der 
Kaufmann hat Geſchäft und Wohnung nur in Paſing. 

Nach geltendem Recht wäre in dieſem Fall Wind⸗ 
proteſt in München aufzunehmen. Der Proteſtbeamte 
hat jedoch bei Anfragen bei der Polizeibehörde ıf. 
oben) ſich nur bei der Polizeibehörde des im Wechſel 
angegebenen Ortes zu erkundigen. — Die Proteſte 
ſollen (abgeſehen von einer ausdrücklichen Einwilligung 
der Perſon, gegen die proteſtiert wird) nur in der 
Zeit von 9 Uhr Vormittags bis 6 Uhr abends er⸗ 
folgen (Art. 92 Abſ. 2). 

Die Zuläſſigkeit des Poſtproteſtes, die ſchon 
dadurch nahegelegt wird, daß bereits jetzt die Poſt⸗ 
beamten (Poſtboten) einen großen Teil der Wechſel 
zur Zahlung präſentieren und daß Reiſekoſten der 
Proteſtbeamten an kleinere Orte erſpart werden, ſpricht 
der Art. 87 aus. Da jedoch die Poſtverwaltungen 
kaum in der Lage wären, ſich der Erhebung von 
Proteſten ohne jede Einſchränkung zu unterziehen, ſo 
beſtimmt 8 3 des Geſetzes, daß der Reichskanzler 
unter Zuſtimmung des Bundesrats anordnen kann, 
daß die Poſtverwaltung für beſtimmte Fälle, ins⸗ 
beſondere mit Rückſicht auf die Art des Proteſtes 
oder die Höhe der Wechſelſumme, die Proteſterhebung 
nicht übernimmt. Die näheren Beſtimmungen über 
die Benützung der Poſtanſtalten zur Aufnahme von 
Proteſten erläßt der Reichskanzler; für den inneren 
Verkehr der Königreiche Bayern und Württemberg 
werden ſie von den zuſtändigen Behörden dieſer 
Staaten erlaſſen. Die Poſtverwaltung wird ihre 
Tätigkeit vorausſichtlich auf die einfachen Proteſte 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14. 


mangels Sahlung beſchränken, die nach ſtatiſtiſchen 
Erhebungen 99% aller Proteſte darſtellen; auch wird 
ſie Wechſel, die eine gewiſſe Summe überſteigen, vor⸗ 
teilhaft ausſchließen. Die Haftung der Poſtverwaltung 
regelt der § 4 des Geſetzes. 

Weitere wichtige Neuerungen ſind folgende: Der 
Art. 43 Satz 2 führt die Gleichſtellung der Domizil⸗ 
wechſel mit benanntem Domiziliaten und der Zahl⸗ 
ſtellenwechſel in bezug auf die Form der Proteſt⸗ 
erhebung herbei. Bei beiden iſt der Proteſt gegen 
den — bei den Zahlſtellenwechſeln als Zahlſtelle ges 
nannten — Dritten zu erheben, der nach Angabe des 
Wechſels zahlen ſoll. (Bisher war bei Zahlſtellen⸗ 
wechſeln gegen den Bezogenen zu proteſtieren). Bei 
Domizilwechſeln mit benanntem Domiziliaten (wie 
bisher ſchon bei den Zahlſtellenwechſeln) iſt künftig 
der Anſpruch gegen den Akzeptanten von der recht⸗ 
zeitigen Erhebung eines Proteſtes unabhängig (Art. 44). 
Im Zuſammenhange hiermit ſtehen die Vorſchriften 


des Art. 99 über den domizilierten eigenen Wechſel. 


Durch 8 2 des Geſetzes wird der 821 des WStemp®. 


geändert. 
1323 


In Nr. 33 des Reichsgeſetzblatts wird die Naß⸗ 
und Gewichtsordunng vom 30. Mai 1908 veröffentlicht. 
Der Zeitpunkt, an dem das Geſetz in Kraft tritt, wird 
durch Kaiſerliche Verordnung mit Zuſtimmung des 
Bundesrats beſtimmt ($ 23); jedoch fol das Inkraft⸗ 
treten der Vorſchriften über die Organiſation der Eich⸗ 
behörden nicht vor dem 1. Januar 1912 erfolgen. 
Mit dem Inkrafttreten des Geſetzes tritt die Maß⸗ und 
Gewichtsordnung für den Norddeutſchen Bund vom 
17. Auguft 1868 und das bayeriſche Geſetz vom 
26. November 1871, betr. die Einführung der Maß⸗ 
und Gewichtsordnung 17 8 369 Abſ. 1 Nr. 2 und 
Abſ. 2 des StGB. außer Geltung ($ 23). Für das 
Reich hat die Kaiſerliche Normal⸗Eichungskommiſſion, 
für Bayern die Kgl. bayeriſche Normal⸗Eichungs⸗ 
kommiſſion darüber zu wachen, daß das Eichweſen nach 


; übereinftimmenden Regeln und dem Intereſſe des Ver⸗ 


kehrs gehandhabt wird (SS 19, 25). Nachſtehend eine 
kurze Inhaltsangabe: Die §§ 1—5 bezeichnen die 
Maß⸗ und Gewichtseinheiten — das Meter und das 
Kilogramm — und ſtellen die Bezeichnungen der Viel⸗ 
fachen der Maßeinheiten feſt (Hundert Gramm heißen 
nach Inkrafttreten des Geſetzes: Hektogramm). Zum 
Meſſen und Wägen im öffentlichen Verkehre dürfen, 
ſoferne dadurch der Umfang von Leiſtungen beſtimmt 
werden ſoll, nur geeichte Maße, Gewichte und Wagen 
angewendet und bereit gehalten werden; auch zur Er- 
mittelung des Arbeitslohnes in fabrikmäßigen Be⸗ 
trieben dürfen nur geeichte Maße angewendet und 
bereit gehalten werden. Soweit Förderwagen und 
Fördergefäße im Bergmerfsbetrieb zur Ermittelung 
des Arbeitslohnes dienen, bedürfen ſie der Neueichung 
(SS 6, 7). Die Eichung beſteht in der vorſchrifts⸗ 
mäßigen Prüfung und Stempelung der Meßgeräte 
durch die zuſtändige Behörde; fie ift entweder Neueichung 
oder Nacheichung (§ 10). 8 11 beſtimmt die Friſten 
der Eichung. Die 83 15 ff. behandeln die Organiſation 
der Eichämter, die ſtaatliche Behörden find. Die Beibe- 
haltung gemeindlicher Eichämter kann von den Landes⸗ 
regierungen in widerruflicher Weiſe den Gemeinden 
geſtattet werden (§ 18 Abſ. 3). 
1324 


Der Deutſche Juriſtentag wird vom 9. bis 13. Sep⸗ 
tember d. J. in Karlsruhe tagen. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing. 


Ur. 15 u. 16. 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im one ke mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jährlich 
3.— ſtellungen übernimmt jede Buchhandlung 

Boftanftalt a fte für Bayern Nr. 974a). 


München, den 1 den 10. - Auguft 1908 1908. 


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Beitfhrift für Rechtspflege 


in Bayern 


Verlag von 

2. Schweitzer Verlag 
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in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
e 30 Pfg. für die hal Daeipaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei ebe Ra Stellenanzelgen 


Nachdruck verboten. 


die Feititellung der Einſicht im Sinne des 
S 56 St. vor der Hauptverhandlung. 


Von Dr. Emil Gütermann, II. Staatsanwalt in München.“) 


I. 


Zu den bei Reform von Strafrecht und Straf: 
prozeß am lebhafteſten erörterten Fragen gehört 
die Behandlung der Jugendlichen. Seit langer 
Zeit hat fih die Meinung mehr und mehr Gel: 
tung verſchafft, daß die, wenn auch vielleicht nicht 
mehr zunehmende, aber jedenfalls jetzt ſchon ſehr 
bedenkliche Kriminalität der heranwachſenden 
Jugend ein beſonders wachſames Auge erfordere, 
daß aber ihre Behandlung im geltenden Straf— 
prozeß den jetzt faſt allgemein als zutreffend an- 
erkannten Grundſätzen nicht mehr entſpreche. 

Die Dringlichkeit der Forderung einer Um⸗ 
geſtaltung des ganzen ſich mit den Jugendlichen 
beſchäftigenden Verfahrens hat denn auch bewirkt, 
daß man im Verordnungswege der Geſetzgebung 
vielfach vorangeeilt iſt. Nachdem die urſprünglich 
in der Hauptſache für die Jugendlichen berechnete 
bedingte ae weiter ausgeſtaltet worden 
iſt, geht man jetzt daran, dem im zukünftigen 
Geſetz kräftig betonten Grundſatz, daß die Jugend: 


1) Anm. des Herausgebers. Nachdem dieje 
Abhandlung der Redaktion zugegangen war, erſchien im 
IM Bl. vom 25. Juli 1908 eine e des 
Staatsminiſteriums der Juſtiz Nr. 28 406 vom 22. Juli 
1908, das Strafverfahren gegen Jugendliche betr. In 
Nr. III 5 dieſer Bekanntmachung heißt es: 


„Die Anklageſchrift darf nicht eingereicht und 
der Antrag auf Erlaſſung eines Strafbefehls darf nicht 
geſtellt werden, bevor nicht ausreichende Erhebungen 
darüber ſtattgefunden haben, ob der Beſchuldigte 
die zur Erkenntnis der Strafbarkeit ſeiner Handlung 
erforderliche Einſicht beſeſſen hat. 
Prüfung dieſer Frage wird vielfach zur Verneinung 
eines ſubjektiven Tatbeſtandmerkmals 
und damit zur Einſtellung des Verfahrens führen.“ 


lichen nicht nur im Strafrecht, ſondern auch im 
Strafprozeß geſondert behandelt und aus der 
Maſſe der übrigen Kriminellen ausgeſchieden 
werden müſſen, die Wege zu ebnen und ſog. 
„Jugendgerichtshöfe“ zu ſchaffen. 

Gegenüber allen dieſen erfreulichen Be⸗ 
ſtrebungen muß aber doch angeſichts der Tatſache, 
daß die vollſtändige Durchführung des Straf: 
prozeßreformwerkes vielleicht noch verhältnismäßig 
lange Zeit in Anſpruch nehmen wird, das 
Augenmerk auch ſtändig auf die Anwendung des 
noch geltenden Rechts gerichtet und geprüft werden, 
ob nicht im Rahmen des alten Geſetzes da und 
dort bei der Auslegung für die Jugendlichen etwas 
geſchehen kann. 

Es ſoll daher in Kürze die Aufmerkſamkeit neuer⸗ 
dings auf die nicht unbeſtrittene und in der Praxis 
verſchieden behandelte Frage gelenkt werden, ob 
es unter allen Umſtänden erforderlich iſt, einen 
Jugendlichen zur Hauptverhandlung zu bringen, 
um die Entſcheidung im Sinne des $ 56 StGB. 
treffen zu können. 


II. 


Die Motive geben einen ſicheren Anhalt für 
die Willensrichtung des Geſetzes nicht. Sie führen 
aus, daß man an Stelle des „Unterſcheidungs— 
vermögens“ des bisherigen preußiſchen Rechts „die 
zur Erkenntnis der Strafbarkeit der Handlung 
erforderliche Einſicht“ geſetzt habe; dieſe Aenderung 
habe aber nur eine klarere Bezeichnung des Ge- 
wollten herbeiführen ſollen; man habe einen ſolchen 
Grad der Verſtandesentwickelung im Auge gehabt, 


welcher nötig ſei, um die Strafbarkeit der konkret 


Die genaue | 


Aus der angeführten Stelle ergibt ſich, daß auch | 


das Miniſterium die Auffaſſung vertritt, daß der Staats- 
anwalt bei Verneinung der Einſicht im Sinne des 8 56 


des StGB. das Verfahren nicht ſelbſt einſtellen kann. 


begangenen Straftat zu erkennen. 
Sie fahren dann fort: 


„Die Vorſchrift, daß der Richter ermächtigt 
ſein ſolle, ſolche jugendliche Angeklagte, welche 
freigeſprochen worden ſind, in eine Erziehungs— 
oder Beſſerungsanſtalt unterzubringen, findet 
in der jhon zu § 55 hervorgehobenen Erwä— 
gung ihre Rechtfertigung, daß erfahrungsmäßig 
derartige jugendliche Uebeltäter meiſtenteils 


298 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


gerade in der eigenen Familie und in dem 
ſchlechten Beiſpiele, welches ſie dort finden, zum 
Verbrechen verleitet werden.“ 


Eine klare Auskunft geben ſonach die Motive 
darüber nicht, ob man die Frage der Einſicht im 
Sinne des $ 56 StGB. ausſchließlich durch den 
erkennenden Richter in der Hauptverhandlung ent⸗ 
ſchieden ſehen wollte; die angeführte Stelle ſcheint 
freilich darauf hinzudeuten, daß man die Prüfung 
5 den Richter als ſelbſtverſtändlich erachtet 

at. 


III. 


Die Rechtſprechung ſteht faſt durchweg auf dem 
Standpunkte, daß Hauptverhandlung erforderlich 
lei. Bereits der ObGH. für Bayern (Samml. 
d. Entſch. in Gegenſt. d. StR. und StP. Bd. 2 
S. 296) hatte entſchieden: 


„Die Unterbringung eines Angeſchuldigten, 
welcher im Alter zwiſchen 12 und 18 Jahren 
ohne Beſitz der erforderlichen Einſicht eine ſtraf⸗ 
bare Handlung begangen hat, in einer Erzie⸗ 
hungs⸗ oder Beſſerungsanſtalt kann nicht in 
einem Einſtellungsbeſchluſſe, ſondern nur in 
einem freiſprechenden Urteile beſtimmt werden.“ 


Er hatte dabei beſonders darauf verwieſen, 
daß nach dem Wortlaut des $ 56 StGB. der 
fragliche Angeſchuldigte freizuſprechen und 
die Beſtimmung nach $ 56 Abſ. 2 in dem Urteile 
zu treffen ſei, und die Frage, ob der Ange⸗ 
ſchuldigte die Straftat überhaupt begangen 
habe, nur in einem Erkenntnis auf Grund einer 
Hauptverhandlung entſchieden werden könne. 


Mit etwa der gleichen Begründung iſt dieſer 
Auffaſſung das ObLG. München (Entſch. Bd. 2 
S. 247, 2 S. 399, 4 S. 469) beigetreten. 


Literatur, namentlich die Kommentare, haben 
ſich im weſentlichen angeſchloſſen. Vgl. insbeſ. 
Frank, StGB. § 56 Anm. I; Olshauſen, Komm. 
8 56 Anm. 17. 


IV. 


Eine andere Auffaſſung iſt zwar keineswegs 
von vornherein von der Hand zu weiſen, wäre 
jedoch nicht zu billigen. Der vierte Abſchnitt des 
erſten Teiles des StGB. behandelt die Gründe, 
welche die Strafe ausſchließen oder mildern. Die 
8$ 51—54 behandeln die Fälle, in welchen eine 
ſtrafbare Handlung nicht vorhanden iſt (Un— 
zurechnungsfähigkeit, Nötigungsſtand, Notwehr, 
Notſtand). 

Anders liegt es in den Fällen der 88 55—58 
(Jugendliche, Taubſtumme). 8 55 ſagt: 


Wer bei Begehung der Handlung das 12. 
Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen der: 
ſelben nicht ſtrafrecht lich verfolgt werden. 


| 


Dagegen § 56: 


Ein Angeſchuldigter, welcher zu einer Zeit, 
als er das 12., aber nicht das 18. Lebensjahr 
vollendet hatte, eine ſtrafbare Handlung be⸗ 
gangen hat, iſt freizuſprechen, wenn ıc. 

In dem Urteile iſt zu beſtimmen ꝛc. 


Aus dem Wortlaute „begangen hat“ läßt ſich 
nichts für die eine oder andere Anſicht folgern; 
auch der 5 55 StGB. ſetzt voraus, daß eine 
Straftat begangen wurde, und niemand wird 
zweifeln, daß der Staatsanwalt hier das Verfahren 
durch ſeinen Beſcheid zu beendigen oder, wenn 
die Tatſache, daß das 12. Lebensjahr bei Be⸗ 
gehung noch nicht vollendet war, aus irgendwelchem 
Grunde erſt ſpäter feſtgeſtellt iſt, das beſchließende 
Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab⸗ 
zulehnen haben wird. 


Nun ließe ſich aus den Worten des § 56 
„Ein Angeſchuldigter“ folgern: 


Nach § 155 StPO. ift im Sinne dieſes Ge- 
ſetzes „Angeſchuldigter“ der Beſchuldigte, gegen 
welchen die öffentliche Klage erhoben iſt; das 
Verfahren nach $ 56 StGB. hat alfo nur dann 
einzutreten, wenn öffentliche Klage erhoben iſt; 
wie dagegen der Staatsanwalt ſein Ermittelungs⸗ 
verfahren abſchließen muß, wird durch den $ 56 
StGB. nicht geregelt. 


Hiergegen iſt aber zu berückſichtigen, daß dann 
immer noch die Notwendigkeit einer Haupt⸗ 
verhandlung nach Erhebung der öffentlichen Klage 
bliebe, weil eine Entſcheidung durch das beſchließende 
Gericht nicht vorgeſehen iſt, und daß die Feſt⸗ 
ſetzung des Begriffes „Angeſchuldigter“ in obigem 
Sinne erſt durch die StPO. längere Zeit nach 
Schaffung des StGB. erfolgt iſt. 


Zuſammenhang und Wortlaut des Geſetzes 
weiſen offenbar darauf hin, daß eine Prüfung 
durch den erkennenden Richter beabſichtigt war. 


Dies geht mindeſtens aus dem Abſ. II des 
8 56 deutlich hervor. Darüber, ob der An⸗ 
geſchuldigte ſeiner Familie zu überweiſen oder in 
eine Erziehungs- oder Beſſerungsanſtalt zu bringen 
iſt, muß eine Entſcheidung getroffen werden, wenn 
die Einſicht nicht vorhanden war. Nun könnte der 
Staatsanwalt durch Einſtellung des Verfahrens 
mangels Vorliegens der Einſicht allerdings mittel- 
bar bewirken, daß der Beſchuldigte ſeiner Familie 
überwieſen wird; allein die Ueberweiſung in eine 
Erziehungs- oder Beſſerungsanſtalt anzuordnen, 
wäre er nicht befugt; dies hat das Geſetz aus⸗ 
drücklich dem Urteile vorbehalten. Es darf daher 
durch Einſtellung des Verfahrens durch den 
Staatsanwalt oder Nichteröffnung des Haupt⸗ 
verfahrens durch das beſchließende Gericht die 
notwendige Entſcheidung über Unterbringung in 
der . oder einer Anſtalt nicht umgangen 
werden. 


ar eis: 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


V. 


Die Notwendigkeit der Löſung der Frage in 
dieſem Sinne iſt um ſo mehr zu beklagen, als die 
Zahl der Fälle überaus groß iſt, bei welchen 
das Ermittelungsverfahren bereits deutlich ergibt, 
daß der Beſchuldigte, namentlich wenn er das 
12. Lebensjahr noch nicht erheblich überſchritten 
hat, die Einſicht im Sinne des § 56 StGB. 
nicht beſeſſen hat und daß auch eine Unter⸗ 
bringung in einer Anſtalt nicht geboten iſt. 

Es darf daher gehofft werden, daß Fälle 
dieſer Art bei der Reform des Strafprozeſſes 
beſonders in das Auge gefaßt werden und neben 
vollſtändiger Abſonderung des Verfahrens gegen 
Jugendliche die Möglichkeit gegeben wird, bei 
zweifelfreier Sachlage eine Erledigung des Straf- 
verfahrens ohne jede Hauptverhandlung herbei⸗ 
zuführen. 


VI. 


Eine gewiſſe Beſchränkung der Zahl der 
Hauptverhandlungen gegen Jugendliche läßt ſich 
jedoch auch jetzt ſchon dadurch ermöglichen, daß 
bei Anklageerhebung und Beſchlußfaſſung über Er— 
öffnung des Hauptverfahrens die Tatbeſtandsmerk— 
male der fraglichen ſtrafbaren Handlung gerade 
mit Rückſicht auf die Eigenſchaft des Beſchuldigten 
als eines Jugendlichen, alſo einer regelmäßig 
körperlich und geiſtig noch unentwickelten Perſon, 
beſonders ſorgſam geprüft werden. 

So wird bei allen Delikten, welche die Rechts: 
widrigkeit als Tatbeſtandsmerkmal aufweiſen (vgl. 
z. B. §§ 123, 242, 246, 249, 263, 267, 268, 
303, 304 StGB.), eine gründliche Prüfung in 
vielen Fällen ſchon vor der Hauptverhandlung er— 
geben, daß der Jugendliche geiſtig noch nicht 
ſoweit entwickelt iſt, um bemeſſen zu können, was 
gegen das Recht verſtößt, rechtswidrig iſt. 

In den nicht ſeltenen Fällen einer Anklage 
auf Grund des § 176 Ziff. 3 StGB. gegen einen 
noch nicht 18 Jahre alten Burſchen hätte vielleicht 
eine genaue Prüfung der Körperbeſchaffenheit und 
der Geſchlechtsreife des Beſchuldigten durch den 
ſachverſtändigen Arzt ergeben, daß von der vom 
Geſetze geforderten wollüſtigen Abſicht, der Luſt der 
Erregung oder Befriedigung des eigenen Geſchlechts— 
triebs, noch keine Rede ſein konnte, daß vielmehr 
der beanſtandeten Handlung lediglich Neugierde, 
Nachahmungstrieb u. dgl. zugrunde lag. 

Die Aufzählung ſolcher Fälle ließe ſich noch 
außerordentlich vermehren. 

Es genügt aber wohl das Geſagte als Beleg 
dafür, daß es angezeigt iſt, auch auf dieſe Weiſe 
alles zu tun, um vor Inkrafttreten der Reform- 
geſetzgebung Jugendliche, ſoweit dies nur irgend 
im Rahmen des geltenden Geſetzes zuläſſig iſt, 
vor den ſchädlichen Wirkungen einer zweckloſen 
Hauptverhandlung zu bewahren. 


299 


Die rechtliche Natur der Kgl. privilegierten 
Echützengeſellſchaften. 
Von Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vervier in Würzburg. 


Ueber das innere Weſen und den rechtlichen 
Charakter der * hat ſich neuer⸗ 
dings eine Streitfrage entſponnen, welche den 
Anlaß zu den nachfolgenden Erörterungen gegeben 
hat. Verſchiedenartige Auffaſſungen wurden in 
den letzten Nummern der BayZfR. Nr. 5 S. 104; 
Nr. 6 S. 121; Nr. 8 S. 164 über die vor⸗ 
würfige Frage laut, ohne daß eine Einigung der 
Meinungen erzielt worden wäre. Und doch hat 
dieſe Streitfrage ſchon zweimal auch den bayeriſchen 
oberſten Gerichtshof beſchäftigt. 


J. 


Will man der Löſung des Problems näher 
treten, ſo iſt es unerläßlich, das Weſen der 
öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältniſſe und der dar— 
aus entſpringenden publiziſtiſchen Individualrechte!), 
über deren Natur ſich die Anſchauungen in der 
Literatur noch nicht vollſtändig geklärt haben, 
wenigſtens in den wichtigſten Grundzügen zu 
erörtern. Fällt doch die konkrete Frage nach 
der rechtlichen Natur der Schützengeſellſchaften 
weſentlich zuſammen mit der abſtrakten Frage 
nach der reinlichen Scheidung zwiſchen den Auf— 
gaben und Rechtsverhältniſſen, welche zur Ent— 
ſcheidung der Juſtizbehörden, und denjenigen, 
ra zur Entſcheidung der Verwaltungsbehörden 
tehen. 

Die Geſamtheit rechtserheblicher Erſcheinungen 
und Fragen, welche ſich um die Grenzgebiete der 
Zuſtändigkeit der Zivilgerichte und der Verwaltungs— 
behörden gruppieren, bildet den Inhalt des 
materiellen Kompetenzproblems. Die wichtigſte 
bei der Unterſuchung dieſes Stoffes auftauchende 
Erſcheinung iſt gleichbedeutend mit der Beantwor— 
tung der Frage, wann ein geltend gemachtes Rechts— 
verhältnis dem Gebiete des öffentlichen Rechts und 
wann es dem Bereiche des Privatrechts angehört. 
Hierüber beſteht in weſentlichen Punkten Streit. 


Ein Rechtsverhältnis gehört m. E. dann dem 
öffentlichen Rechte an, wenn zwei Vorausſetzungen, 
eine objektive und eine ſubjektive, in Wechſel— 
wirkung treten. Einerſeits muß der Streitgegen— 
ſtand dem Gebiete des öffentlichen Rechts ange— 
hören, auderſeits iſt erforderlich, daß die Streits— 
teile nach ihren perſönlichen Eigenſchaften in öffent— 
lich-rechtlichen Beziehungen zum Streitgegenſtand 
ſtehen. Nur in der Syntheſe dieſer beiden Koordi— 
naten erſchöpft fih der Begriff des öffentlich-recht⸗ 
lichen Rechtsverhältniſſes und der daraus hervor: 


1) Die neueſte Erſcheinung auf dieſem Gebiete ift 
Gg. Jellinecks Werk: Syſtem der ſubjektiven öffentlichen 
Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1905. 


300 


gehenden öffentlichen Individualrechte. Dieſe 
bilden gewiſſermaßen den Querſchnitt des publi⸗ 
ziſtiſchen Rechtsverhältniſſes. 


Das Weſen der öffentlich-rechtlichen Rechts⸗ 
verhältniſſe, deſſen Erörterung in den einfachſten 
Grundzügen für das Verſtändnis der gegenwaͤrtigen 
Streitfrage als deren Kernpunkt unerläßlich iſt, 
ergibt ſich aus ihrer Entſtehung. 

In einer geordneten Rechtsgemeinſchaft nimmt 
der einzelne Menſch eine Doppelſtellung ein, welche 
den Gegenſatz zwiſchen dem öffentlichen Recht und 
dem Privatrecht ſcharf hervortreten läßt. Dieſer 
Gegenſatz iſt auch unmittelbar in der menſchlichen 
Natur begründet. Der einzelne iſt nicht nur ein 
ſelbſtändiger, von den ihn umgebenden Individuen 
unabhängiger Träger von Rechten und Pflichten, 
nicht nur eine Einzelerſcheinung im Rechts- und Wirt⸗ 
ſchaftsleben, er ift zugleich auch ein toov rroAırıxov, 
ein dienendes Glied im Organismus höherer 
Verbände. Dieſe höheren Korporationen dienen 
der Ausgleichung der beiden Antipoden: der freien, 
durch keinen Zwang gehemmten wirtſchaftlichen 
Kräfteentfaltung des Individuums einerſeits, der 
Wahrung des Gleichgewichts und der Lebens⸗ 
intereſſen der Geſellſchaft gegen individuelle Ueber⸗ 
griffe anderſeits. Aus dieſer Scheidung entſtehen 
für den einzelnen Rechte und Verbindlichkeiten, 
welche aus dem unmittelbaren, rein privaten und 
perſönlichen Rechts⸗ und Vermögenskreis des 
Einzelnen hinaustreten und Intereſſen und Tätig- 
keiten betreffen, zu deren Wahrnehmung das 
Individuum für ſich normalerweiſe keine Ver⸗ 
pflichtung und keinen Anlaß hat. Dieſe derge⸗ 
ſtalt ausgeſchiedenen Tätigkeiten werden von ſtaat⸗ 
lich ins Leben gerufenen oder in ihrer Exiſtenz 
anerkannten, ſtaatlich organiſierten und beaufſich⸗ 
tigten territorialen Zwangsverbänden und den 
dieſen organiſch eingegliederten Zweckverbänden 
ausgeübt, welch' letztere als niedrigere Stufe und 
innerhalb der erſteren exiſtieren. Es wird dieſen 
Zweckverbänden die Erfüllung beſtimmter Auf— 
gaben zugeteilt, welche ſich aus der Natur und 
dem Daſein der einzelnen höheren Korporationen 
unmittelbar ergeben, und deren Vollzug zugunſten 
der Geſamtheit anvertraut. 


Aus dem Rechtsgrund der Zugehörigkeit zu dieſen 
im öffentlichen Intereſſe beſtehenden oder ſtaatlich 
ins Leben gerufenen und organiſierten Zweckver— 
bänden entſtehen dann für den einzelnen Menſchen 
Untertanenrechte und Untertanenpflichten, welche 
unter dem Namen: „ſubjektiv⸗öffentliche Rechte“ 
zuſammengefaßt werden. Sie ſind losgelöſt von 
der individuellen Willkür und Autonomie des 
einzelnen, ſeine wirtſchaftlichen Angelegenheiten zu 
regeln, losgelöſt von den aus dem Geſichtspunkt 
des Geſellſchaftsintereſſes belangloſen Betätigungen 
des Individuums, zugunſten der ſtärkeren Hervor— 
hebung und Einwirkung des Staatsgedankens und 
der ſtaatlichen Machtſphäre. Aus dieſer Entwickelung 


—U— ——— ͤ&³jw 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


ergibt ſich das Weſen der öffentlichen Individual⸗ 
rechte. Es ſind mit ſtaatlichem Rechtsſchutz um⸗ 
gebene Zwangsverbands- und Zwecksverbandsrechte, 
ein Ausfluß der mehr oder minder ſtark entwickelten 
Zugehörigkeit des Einzelnen zu einer ſolchen dem 
Staate organiſch eingegliederten Körperſchaft. 


II. 


Dieſe grundlegenden Ausführungen geben 
die leitenden Geſichtspunkte für die Beurteilung 
und Beantwortung der gegenwärtigen Streit⸗ 
frage an. 


Aus der hiſtoriſchen Entwickelung der Schützen⸗ 
geſellſchaften bis auf unſere Zeit iſt deren recht⸗ 
liche Natur als öffentliche Körperſchaften, inſoweit 
ſie ſich innerhalb der ihnen vom Staate im öffent⸗ 
lichen Intereſſe zugewieſenen Rechtsſphäre bewegen, 
zweifelsfrei nachzuweiſen. 


Die alten Schützengilden, wie ſie weit und 
breit im alten Deutſchen Reich beſtanden und auch 
im neuen Reiche unter dem Namen „Schützen⸗ 
geſellſchaften“ noch zahlreich vorhanden ſind, hatten 
wenigſtens in früheren Zeiten nicht ausſchließlich 
den Zweck, ihren Mitgliedern des Vergnügens 
halber Gelegenheit zu Schießübungen zu geben, 
ſondern waren vorzugsweiſe dazu beſtimmt, die 
Untertanen zum Zwecke allenfallfiger Vaterlands⸗ 
verteidigung im Gebrauche der Feuerwaffe zu üben. 
Dieſe Aufgabe der Schützengeſellſchaften war in 
den damaligen Zeiten von größter Bedeutung. 
Die Schützengilden waren vielfach die Repräſen⸗ 
tanten des Schutzes des Staatsgebietes ſowie der 
inneren Ordnung und dienten der Wehrhaftmachung 
des Volkes in Zeiten, in welchen man die afl- 
gemeine Wehrpflicht noch nicht kannte. Nicht um⸗ 
ſonſt waren ſie daher von den deutſchen Kaiſern 
mit Privilegien, insbeſondere mit der Verleihung 
von Korporationsrechten ausgezeichnet worden. 


Vorſtehendes geht aus der Einleitung der baye⸗ 
riſchen Schützenordnung vom 21. Juli 1796 (ent: 
halten in Mayrs Gen.-Samml. Bd. V S. 864) 
klar hervor. Der erwähnte Zweck der Schützen⸗ 
geſellſchaften leuchtet auch aus der Verordnung 
vom 9. Juli 1809 hervor, welche jeden neu an= 
gehenden Bürger verpflichtet, drei Jahre lang die 
Schießſtätte zu beſuchen und fih dort im Scharf⸗ 
ſchießen zu üben. Eine derartige Anordnung kann 
nur dadurch ihre Erklärung finden, daß ſolche 
Schießübungen im Staatsintereſſe nicht nur für 
wünſchenswert, ſondern für dringend geboten er: 
achtet werden. Die Schützengeſellſchaften waren 
ſonach zufolge ihres Zweckes nicht Privatvereine, 
nicht Vergnügungsgeſellſchaften ohne höhere, im 
öffentlichen Intereſſe zu verfolgende Zwecke, ſondern 
vergleichbar den Zünften, öffentliche Korporationen, 
welche unter der Aufſicht von Staatsbehörden und 
Gemeindebehörden ſtanden, und für welche ſogar, 
wie beſonders in Bayern am 21. Juli 1796, von 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15. u. 16. 


301 


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der Staatsregierung Schützenordnungen erlaſſen 
wurden. 

Die Schützengeſellſchaften waren ſonach ſtaat⸗ 
lich genehmigt, mit befonderen Schützenordnungen 
verſehen, — meiſt erließen die unteren Verwaltungs⸗ 
behörden oder die Stadtverwaltungen ſelbſt dieſe 
Statuten —, ſtanden unter der Kontrolle öffent⸗ 
licher Behörden, insbeſondere der Magiſtrate in 
den Städten, welche ſogar über die finanzielle Ge⸗ 
bahrung der Schützengeſellſchaften in vielen Fällen 
die Oberaufſicht und Kontrolle ausübten, auch die 
Durchführung der genehmigten Satzungen nach den 
Prinzipien der Schützenordnungen zu überwachen 
hatten. Die Schützengeſellſchaften mußten normaler⸗ 
weiſe dem Magiſtrate innerhalb beſtimmter Friſt 
Rechnung legen, hatten aber anderſeits auch An⸗ 
ſprüche auf herkömmliche Beihilfen und Zuſchüſſe 
als Entſchädigung für ihre im Intereſſe des Ge⸗ 


Frage die Entſcheidung des Oberappellations⸗ 
gerichts München vom 27. Mai 1854 und des 
Oberſten Landesgerichts München vom 23. Juni 
1903, enthalten in der Samml. Bd. IV S. 486 ff. 
n. F., in Sachen der Schützengeſellſchaft Winter⸗ 
hauſen gegen die Gemeinde Winterhauſen a. M. 
Die juriſtiſche Literatur hat, ſoweit ſich dies über⸗ 
ſehen ließ, zu dieſer Frage in eingehender Weiſe 
noch keine Stellung genommen. 


III 


Im Verlaufe der hiſtoriſchen Entwickelung, 
insbeſondere in der Zeit der Einführung der all⸗ 
gemeinen Wehrpflicht mußten die öffentlich⸗ redt- 
lichen Aufgaben der Schützengeſellſchaften allmählich 
in den Hintergrund treten. Eine Reform dieſer 
Einrichtung war unausbleiblich. Der Hauptzweck 
der Schützengeſellſchaften, die Hebung im Gebrauch 


meinweſens ſowie des Staates entwickelte öffentlich- der Feuerwaffe zu pflegen und zu fördern zum 


rechtliche verdienſtvolle Tätigkeit. In manchen 
Städten waren den organiſierten Mitgliedern der 
Schützengeſellſchaften auch polizeiliche Aufgaben 
überwieſen und wurde ihnen der allgemeine Bürger⸗ 
ſchutz und die Sicherheit für Gut und Leben an- 
vertraut. Zu dieſem Zwecke waren die Angehörigen 
der Schützengeſellſchaften militäriſch organiſiert und 
bildeten in einigen Landesteilen ein Anhängſel der 
alten Landwehr: Schützenkompagnien und Schützen⸗ 
bataillone. Ihre Tätigkeit war insbeſondere in 
Kriegszeiten und den Revolutionsjahren, haupt⸗ 
ſächlich im Jahre 1848, von großer Bedeutung. 

Es waren ſonach die Schützengeſellſchaften mit 
dem Gemeinweſen und dem Staate geradezu ver⸗ 
wachſen geweſen. 

Nach den obigen einleitenden Ausführungen 
erfüllten ſomit damals die Schützengeſellſchaften 
alle Vorausſetzungen, um als Inſtitute des öffent- 
lichen Rechts zu gelten. Sie hatten die Eigen⸗ 
ſchaft öffentlich⸗rechtlicher Korporationen, indem fie 
in den weitaus meiſten Fällen unter direkter Leitung 
und Kontrolle der Gemeindebehörden ſtehende 
ſtädtiſche Inſtitute und geradezu organiſch in die 
politiſche Gemeinde eingegliedert waren. Letztere 
Auffaſſung muß allſeitig anerkannt werden, wenn 
man erwägt, daß jeder Bürger mit der Anſäſſig⸗ 
machung zwangsweiſe einer ſolchen Schützengilde 
beitreten mußte. Dieſe Verpflichtung war ſomit 


| 


ohne weiteres an den Eintritt in den Kreis der 


wirklichen Gemeindeglieder, der Gemeindebürger 
verknüpft. 
daß die Zugehörigkeit des einzelnen zur Schützen⸗ 
gilde lediglich in deſſen Beziehung zur politiſchen 


Gemeinde, in deſſen Eigenſchaft als Gemeinde⸗ 


bürger, ſohin nicht in einem privatrechtlichen Ver— 
hältniſſe ihren Grund hatte, daß ſie gewiſſermaßen 
als eine mit dem Erwerb des Bürgerrechts ver— 


Zwecke allenfallſiger Vaterlandsverteidigung, war 
dadurch von ihnen abgenommen und an das 
ſtehende Heer übertragen worden. Es war des⸗ 
halb begreiflich, daß die bayeriſche Regierung am 
25. Auguft 1868 fih veranlaßt fab, „in der Er- 
wägung, daß die allgemeine bahyeriſche Schützen⸗ 
ordnung vom 21. Juli 1796 der gegenwärtigen 
Ausbildung des Schützenweſens nicht mehr ent⸗ 
ſpricht, wie es im Eingang jener Verordnung vom 
25. Auguſt 1868 wörtlich heißt, unter letzterem 
Datum eine „allgemeine Schützenordnung“ für 
das Königreich Bayern zu erlaſſen, um Zweck und 
Organiſation der Schützengeſellſchaften dem neu⸗ 
zeitlichen Charakter und der Veränderung der 
politiſchen Verhältniſſe entſprechend anzupaſſen“. 

Immerhin ift nach § dieſer Verordnung die 
öffentlich-rechtliche Zweckbeſtimmung der Schützen⸗ 
geſellſchaften im weſentlichen in ihrer Grundlage 
nicht verändert worden. Die Schützengeſellſchaften 
haben danach den Zweck, ihre Mitglieder zu ge: 
meinſchaftlichen Schießübungen zu vereinigen, um 
durch fortgeſetzte Handhabung der Feuerwaffe 
und durch Förderung des Schützenwefens im all: 
gemeinen die Wehrkraft des Volkes zu er— 
höhen. Hierdurch wurden ſonach ihre Aufgaben 
lediglich im Sinne der neuzeitlichen Umgeſtaltung 
geändert. Das für den jeweiligen Umfang des 
Bereiches des öffentlichen Rechts maßgebende Ge— 
ſetz der zunehmenden Staatstätigkeiten, der ſog. 
Spezialiſierung des Individualismus bei aufſteigen— 


Aus dieſer Tatſache erhellt zweifelsfrei, der Wirtſchafts- und Kulturentwickelung im all: 


gemeinen, hat für die Entwickelung der gegen— 
wärtigen Streitfrage ausnahmsweiſe eine rückläufige 
Bewegung zu verzeichnen. Dieſe Tatſache findet 
ihre Erklärung in einem politiſchen Moment. Es 
iſt das Prinzip der zunehmenden Zentraliſierung 
der politiſchen Machtbefugniſſe, welches eine Ber- 


knüpfte gemeindebürgerliche Verpflichtung, ſomit ſchiebung der Machtverhältniſſe der niederen Terri- 


als ein Ausfluß der Zugehörigkeit zu einem öffent⸗ 
lich⸗ rechtlichen Zwangsverband angeſehen wurde. 


In dem gleichen Sinne äußert ſich über dieſe 


torialverbände ſowie der Zweckverbände zugunſten 
des höchſten politiſchen Verbandes im Gefolge hatte. 
Aber trotz dieſer Entwickelung ſind die Schützen— 


302 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16 


geſellſchaften öffentliche Korporationen geblieben, Schützenkommiſſariat jederzeit die nötigen Auf⸗ 
woferne fie ſich nur den Beſtimmungen der gez ſchlüſſe verlangen kann: 88 27, 21/2, 24 Abi. 4. 
nannten VO. unterwerfen, und zwar mit der Das für den öffentlich⸗ rechtlichen Charakter 
Aufſtellung des Schützenkommiſſariats nach 8 4 einer Einrichtung weſentliche Merkmal der Abhängig⸗ 
Abſ. 2 VO. Hat eine Schützengeſellſchaft die keit vom Staate und der Unterordnung unter deffen 
VO. zur Grundlage ihrer Satzungen gemacht, ſo Verwaltungsbehörden kommt dadurch klar zum 
ift fie hiermit kraft der VO. eine öffentliche Kor- Ausdruck, daß den Schützengeſellſchaften gegen Ber- 
poration, ſoferne ſie nicht nachzuweiſen vermag, fügungen des Staatskommiſſariates jederzeit binnen 
daß fie fih infolge älterer Privilegien bereits im | 14 Tagen Beſchwerde zuſteht, welche (außer bei der 
Beſitze korporativer Rechte befindet: § 2 VO. Hauptſchützengeſellſchaft München, deren Rechtsver⸗ 
Ihre Natur als öffentlich'rechtliches Inſtitut, hältniſſe vielfach abweichend geregelt find), von der 
beſtehend in der Eingliederung in den Staats- Diſtriktspolizeibehörde in erſter und der vorgeſetzten 
organismus, haben diefe Schützengeſellſchaften Kreisregierung in zweiter Inſtanz verbeſchieden wird: 

nicht verloren. Sie ftehen bezüglich der Be: | SS 45, 46, 19, 21 BO. i 
obachtung der gegenwärtigen Schüßenordnung | . Nach Zweck und Organiſation, mag dieſe auch 
unter der Aufficht von Staatskommiſſären, in der nicht mehr fo ſtraff wie früher geregelt fein, find 
Einrichtung des ſog. Schützenkommiſſariats, welches demnach die Kgl. privilegierten Schützengeſellſchaften 
in den durch die Schützenordnung beſtimmten öffentlich ⸗rechtliche Zweckverbände und Korporationen 
Fällen das öffentliche Intereſſe zu wahren und des öffentlichen Rechts geblieben. Eintritt, Aus⸗ 
das ſtaatliche Aufſichtsrecht zu handhaben hat: tritt und Ausſchluß von Mitgliedern, Verpflichtung 
84 BO. 5 1 900 hot Ane i 1 5 * für 
. ses wecke der Geſellſchaft, Anſprüche der letzteren an 
. ie Sotite ober hr istas auf Berabrridung 
ſchaften tief einſchneidende Vollmachten verliehen herkömmlicher jährlicher Beiträge gemäß 8 80 BO. 
J ſind ſomit auch jetzt noch Gegenſtände, welche im 


Die ganze innere Wirkſamkeit der Geſellſchaft i i A 3 
ſteht unter ſeiner Kontrolle. Wenn auch die . nicht der Entſcheidung der Zivilgerichte 


frühere intenſive Finanzkontrolle ſeitens der vor— , PEN 
geſetzten ftaatlihen oder ſtädtiſchen Behörden weg⸗ C 
En 1 0 Aenderung hervorgerufen. Nach der herrſchenden 

3” an Lehre ſind die juriſtiſchen Perſonen des öffentlichen 
der Etat mit den allenfallſigen Reviſionserinne⸗ Rechts, ſomit auch die Kgl. privilegierten Schützen⸗ 
rungen zur Kenntnisnahme übergeben werden muß geſellſ chaften bezüglich ihrer ſämtlichen Rechts⸗ 
zum Zwecke oberauffichtlicher Prüfung: 541 Ab}. 2 beziehungen, ſoweit fie nicht einen privatwirtſchaft⸗ 


VO. Eine im öffentlichen Intereſſe aufgeſtellte, .. ; ; 
die wirtſchaftliche und finanzielle Bewegungsfrei⸗ die Eingelſaaten nich 1 


heit der Schützengeſellſchaften hemmende Be— Schneider, AG : 
5 | . zum BGB. Vorbem. Ziff. 1 zu 
ſchränkung it auch in § 21 BO. niedergelegt. Art. 1/2 des bayer. UebG. z. BB. S. 382; 


inſoferne hiernach das Schützenkommiſſariat be— f i 
rechtigt ift, Beſchlüſſe der Generalverſammlung, Meikel, Die bayer. AG. Note zu Art. 1 des UebG. 


welche die Veräußerung oder Verpfändung des 
Geſellſchaftssermögens zum Gegenſtande haben, 
ſofort mündlich in der Generalverſammlung oder 
binnen 3 Tagen durch eine ſchriftliche Erklärung 
an das Schützenmeiſteramt zu inhibieren. 

Auch für die ſämtlichen übrigen Entſchließungen 
der Geſellſchaft, d. h. für die in der Generalverſamm⸗ Die Pfändung von Hypothekforderungen unter: 
lung gefaßten Beſchlüſſe, ift dem Schützenkommiſ⸗ liegt im allgemeinen den für die Pfändung von 
ſariat eine entſprechende Machtbefugnis verliehen. Geldforderungen überhaupt erlaſſenen Normen und 
vgl. 55 18 Ab}. 2, 19, 21/2, 27 BD. ſetzt daher wie dieſe die Erlaſſung und Zuſtellung 

Bezüglich der Aufnahme und des Austrittes eines mit arrestatorium und inhibitorium ver- 
von Mitgliedern hat ſich eine Wandelung nach | ſehenen gerichtlichen Pfändungsbeſchluſſes gemäß 
der Richtung hin vollzogen, daß zwar ein Beitritts- $ 829 ZPO. voraus. Eine Beſonderheit beſteht 
zwang, insbeſondere für Gemeindebürger ent- nur inſofern, als nach $ 830 ZPO. entſprechend 
ſprechend der neuzeitlichen Entwickelung in Heer den Vorſchriften über die Abtretung einer durch 
und Polizei nicht mehr beſteht, daß aber immer- Hypothek geſicherten Forderung ($ 1154 BGB.) 
hin die Aufnahme und der Ausſchluß von Mit- bei Briefhypothekforderungen noch die Uebergabe 
gliedern ſtaatlich überwacht und beaufſichtigt wird, | des Hypothekenbriefs an den Gläubiger und bei 
indem bei Aufnahme in die Geſellſchaft, bei Buchhypothekforderungen noch die Eintragung der 
Austritt und Ausſchluß von Mitgliedern das | Pfändung im Grundbuche gefordert wird. 


Die Vorpfändung von Vuchhypothek⸗ 
forderungen. 


Von Amtsrichter Dr. Schanz in München. 


— — —— —— — —— ͤ—m uʒ ö — — —— — — — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


Der die Pfändung einer Geldforderung be⸗ 
treibende Gläubiger kann, um ſich gegen eine 
etwaige Verzögerung der Pfändung zu ſchützen, 
gemäß § 845 ZPO. ſchon vor der Pfändung auf 
Grund ſeines Vollſtreckungstitels dem Dritt⸗ 
ſchuldner und dem Schuldner durch den Gerichts⸗ 
vollzieher einen Schriftſatz zuſtellen laſſen, in dem 
unter der Aufforderung an den Drittſchuldner, 
nicht an den Schuldner zu zahlen, und unter der 
Aufforderung an den Schuldner, ſich jeder Ver⸗ 
fügung über die Forderung, insbeſondere der Ein⸗ 
ziehung, zu enthalten, die bevorſtehende Pfändung 
angekündigt wird. Der Benachrichtigung an den 
Drittſchuldner iſt die Wirkung eines Arreſtes 
($ 930 ZPO.) beigelegt, ſoferne die Pfändung 
innerhalb drei Wochen — gerechnet vom Tage 
der Zuſtellung — bewirkt wird. 

Die fog. Vorpfändung des 8 845 ZPO. findet 
auch bei Hypothekforderungen Anwendung. Dies 
kann wohl nicht bezweifelt werden, da der $ 845 
ZPO. üh mangels jeder weiteren Unterſcheidung 
oder Ausnahmefeſtſetzung auf alle in den voraus⸗ 
gehenden Paragraphen (§8 828 ff. ZPO.) geregelten 
Pfändungen bezieht und daher, da auch nicht etwa 
aus der Natur der Sache ein Ausſchluß hergeleitet 
werden kann, die in 8830 ZPO. geregelte Pfändung 
von Hypothekforderungen umfaßt. 

Wohl aber beſtehen Meinungsverſchiedenheiten 
darüber, ob und in welcher Weiſe die Vorpfändung 
von Buchhypothekforderungen im Grundbuch ein⸗ 
getragen werden muß. Schon unter der Herrſchaft 
des alten Hypothekenrechts war dieſe Frage be⸗ 
ſtritten. Regelsberger (Bayer. HypR. 2. Aufl. S. 435) 
forderte die Einſchreibung der Pfändungsbenach⸗ 
richtigung; andere hingegen ließen nur die Ein⸗ 
tragung einer Proteſtation zu oder verneinten 
überhaupt die Eintragungsfähigkeit (Merkel, BRA. 
Erg Bd. XII S. 145). Für das neue Recht ver⸗ 
treten Seuffert (Komm. z. ZPO., 9. Aufl., 
Note 4* zu 8 845, Bd. II S. 517) und im Anſchluß 
an dieſen Peterſen (Komm. z. ZPO., 5. Aufl., 
Note 6 zu § 845, Bd. II S. 528) die Anſchauung, 
daß der Gläubiger auf Grund der Pfändungs⸗ 
benachrichtigung (arg. BGB. $ 883) eine Bor- 
merkung in das Grundbuch eintragen laſſen könne, 
während von Gaupp⸗Stein (Komm. z. ZPO., 
6./7. Aufl., Note III zu § 845, Bd. II S. 609 
die Zuläſſigkeit einer Vormerkung mit der Be⸗ 
gründung, daß der Gläubiger einen Anſpruch auf 
Einräumung eines Pfandrechts an der Hypothek 
nicht habe, in Abrede geſtellt und die Eintragung 
der Vorpfändung im Grundbuch überhaupt nicht 
für erforderlich erklart wird. 

Weder die Verneinung der Eintragungs⸗ 
bedürftigkeit noch die Verweiſung auf den Weg 
der Vormerkung kann bei näherer Betrachtung 
als zutreffend erachtet werden. 

Die Benachrichtigung des Drittſchuldners von 
der bevorſtehenden Pfändung hat gemäß § 845 
Abſ. II ZPO. die Wirkung eines Arreſtes 


303 


($ 930), ſoferne die Pfändung der Forderung 
innerhalb drei Wochen nach den Vorſchriften des 
$ 829 3PO. bewirkt wird. Unter „Arreſt“ ift 
hier nicht bloß der Arreſtbefehl, ſondern, wie 
ſich unzweifelhaft aus der Anführung des § 930 
ZPO. im Geſetzestext ergibt, die Arreſtvoll⸗ 
ziehung verſtanden (RG. Bd. 26 ©. 427). 
Die Arreſtvollziehung aber begründet nach $ 930 
BPO. ein Pfandrecht. Daraus folgt, daß auch 
die Vorpfändung, wenn ſie im Falle rechtzeitiger 
Herbeiführung der Pfändung die Wirkung einer 
Arreſtvollziehung haben ſoll, dem Gläubiger ein 
Pfandrecht verſchaffen muß. Das Pfandrecht 
iſt jedoch ein bedingtes, weil ſeine Exiſtenz von 
dem Umſtand abhängig iſt, daß die Pfändung 
innerhalb drei Wochen bewirkt wird. Wird die 
Bedingung erfüllt, die nach richtiger Anſchauung 
eine aufſchiebende (vgl. auch Köhler, Die Bor: 
pfändung nach $ 744 [alt] der RIPO., Erfurt 1897, 
S. 33 ff.), nicht eine auflöſende iſt (Beſchl. d. KG. 
vom 4. Nov. 1901, OLGRIpr. Bd. III S. 445), fo 
wird das Pfändungspfandrecht auf den Zeitpunkt 
der Vorpfändung zurückdatiert; es beſtimmt ſich 
mithin der Rang des Pfandrechts nach dem Zeit⸗ 
punkte der Pfändungsbenachrichtigung (RG. 
Bd. 43 S. 427). 

Aus den aufgeſtellten Sätzen über die rechtliche 
Natur der Vorpfändung ergibt ſich zunächſt 
negativ, daß für die Eintragung einer 
Vormerkung bei der Vorpfändung kein 
Raum iſt. Ganz abgeſehen davon, daß die Ein⸗ 
tragung nach $ 885 BGB. nur auf Grund einſt⸗ 
weiliger Verfügung oder Eintragungsbewilligung 
erfolgen könnte, muß die Vormerkung um des⸗ 
willen ausſcheiden, weil ſie nur bei gewiſſen, 
in $ 883 BGB. näher bezeichneten obligato: 
riſchen Privatrechtsanſprüchen zuläſſig 
iſt, hier aber ein, wenn auch nur bedingtes, 
dingliches Recht vorliegt. Selbſt wenn das 
Vorhandenſein eines dinglichen Rechtes in Abrede 
geſtellt würde, könnte höchſtens ein fog. publi⸗ 
ziſtiſcher Anſpruch in Frage kommen, der einer 
Sicherung durch Vormerkung niemals fähig wäre 
(RG3Z. Bd. 56 S. 9, insbeſ. S. 14 ff.). 

In poſitiver Beziehung folgt aus dem 
Charakter des bedingten Pfandrechts, daß die 
Vorpfändung als ſolche im Grundbuch 
eingetragen werden kann und einge⸗ 
tragen werden muß. Sie kann eingetragen 
werden, weil mangels einer ausdrücklichen gegen⸗ 
teiligen Beſtimmung ($ 925 Abſ. II BGB.) be: 
dingte Rechte, gleichgültig ob es ſich dabei um 
aufſchiebende oder um auflöſende Bedingungen 
handelt, ohne weiteres dann eintragbar ſind, wenn 
ſie ohne die Bedingung eingeſchrieben werden 
können, die Eintragungsfähigkeit des Pfändungs⸗ 
pfandrechts im Hinblick auf § 830 Abſ. I Satz 3 
3PO. außer allem Zweifel ſteht und eine die 
Einſchreibung des bedingten Rechtes unterſagende 
Anordnung hier fehlt. Die Vorpfaͤndung muß 


eingetragen werden, da anders der im Falle Ein: 
tritts der Bedingung nach dem Zeitpunkte der 
Pfändungsbenachrichtigung ſich beſtimmende Rang 
des Pfändungspfandrechts gegenüber etwaigen, in 
der Zeit zwiſchen Pfändungsbenachrichtigung und 
Erlaß des Pfändungsbeſchluſſes zur Eintragung 
gelangenden Rechten mit Rückſicht auf den öffent⸗ 
lichen Glauben des Grundbuchs nicht feſtgehalten 
werden kann. 

Die formelle Behandlung eines Antrags 
auf Eintragung einer Vorpfändung kann nennens- 
werte Schwierigkeiten nicht bieten. Der Grund— 
buchrichter wird beſonders zu prüfen haben, ob 
die Zuſtellung an den Drittſchuldner ordnungs— 
gemäß bewirkt worden iſt. Die Einſchreibung 
ſelbſt hat durch einen entſprechenden Vortrag in 
der dritten Abteilung des Grundbuchblattes zu 
erfolgen ($ 401 Abſ. I Nr. 7 Dienſtanw.). Die 
Faſſung kann etwa lauten: 

„Die Hypothekforderung Nr. 3 / II zu 1000 M 
des A. ift gemäß $ 845 BPO. vorgepfändet zu⸗ 
gunſten des B. für eine Forderung von 1200 M 
Hauptſache nebſt 4°/o Zinſen feit 1. Januar 1907.“ 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Der Bußeanſpruch der Ehefran im Strafprozeſſe. 
Das geltende Recht enthält keine ausdrückliche Be⸗ 
ſtimmung, ob der Ehemann, der für die beleidigte 
oder körperlich mißhandelte Ehefrau zweifellos als 
Nebenkläger auftreten kann (SS 195, 232 MI StGB., 
SS 414 III, 435 StPO.), als Nebenkläger auch Buße 
für fie verlangen darf. Das Geſetz hat nur die prozeß— 
rechtliche Beſtimmung: wer kann als Nebenkläger auf— 
treten? (SS 414, 443 StPO.), und in welcher Form 
muß die Buße in einem auf erhobene öffentliche Klage 
anhängigen Verfahren geltend gemacht werden? ($443 Il 
StPO.), ferner regelt es eine materiell-rechtliche Frage: 
wer ift Inhaber des Bußanſpruchs? (SS 231, 188 
StGB). Aber es trifft keine prozeßrechtliche Be- 
ſtimmung: wer kann die Buße im Strafprozeſſe geltend 
machen? Man ift darüber einig, daß für den Minder- 
jährigen es der geſetzliche Vertreter tun kann, aber 
Streit beſteht darüber, ob es der Ehemann tun darf. 
Welche Beſtimmung ſpricht für den geſetzlichen Ver— 
treter? Mit Unrecht würde man dies aus § 414 II 
StVO. folgern, denn dieſes Geſetz beſtimmt für den 
Minderjährigen dasſelbe, wie 8 414 Abſ. H für den 
Ehemann, dem Oppenhoff-Delius auf Grund einer 
Entſcheidung des preußiſchen Obertribunals (Bd. 19 
S. 108) das Recht grundſätzlich abſprechen will 
(Note 4,5 zu 8 188 StB). Meines Erachtens ſtützt 
dieſe Entſcheidung die Anſicht des Kommentators nicht. 

Die Streitfrage kann nur entſchieden werden aus 
dem rechtlichen Charakter der Buße, ob man nämlich 
den Bußanſpruch als einen Anſpruch auf Privatſtrafe 
oder als einen zivilrechtlichen Entſchädigungsanſpruch 
0 (Ebenſo Stenglein im Gerichtsſaal Bd. 24 

330). 

Unſer geltendes Recht faßt aber den Bußanſpruch 
als zivilrechtlichen Entſchädigungsanſpruch auf (vgl. 
RG. in EStS. Bd. 15 S. 440, Mot. z. StPO. $ 367 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


dem geltenden $ 443, Birkmeyer, Strafprozeßrecht S. 120 
Anm. 15, dagegen allerdings anſcheinend Mot. zum 
bayeriſchen Geſetz, den Vollzug der Einführung des 
Strafgeſetzbuches in Bayern betr. S. 73). Es herrſcht 
alſo bei der Buße das privatrechtliche Moment vor. 
Folglich wird man, wie oben erwähnt, auch den geſetz⸗ 
lichen Vertreter als zum Verlangen der Buße be— 
rechtigt annehmen müſſen, inſoweit er den Verletzten 
in ſeinen zivilrechtlichen Beziehungen zu vertreten be⸗ 
rufen ift, alfo den Vater, den Vormund ıc., endlich 
den Ehemann, inſoferne er den Bußanſpruch der Ehe⸗ 
frau nach dem einſchlägigen Güterrecht gerichtlich in 
eigenem Namen geltend machen darf. Beim geſetz⸗ 
lichen Güterſtand des Bürgerlichen Geſetzbuches zum 
Beiſpiel gehört der Bußanſpruch zum eingebrachten 
Gut. (BGB. § 1380; Meikel, BlfRA. Bd. 65 S. 
155; Engelmann⸗Staudinger, Familienrecht 3/4. Aufl. 
Bd. 5, S. 181; Gerichtsſaal Bd. 35 S. 324; Recht⸗ 
ſprechung des Obertribunals in StS. Bd. 19 S. 108). 


II. Staatsanwalt Dr. Haberſtumpf in München. 


Zum Begriff des „Arbeiters“ im Sinne des GewNBG. 
Die Ausführungen des Herrn Landgerichtsrats Hagen 
in Heft 13 S. 266 dieſer Zeitſchrift veranlaſſen mich 
noch zu folgenden Berichtigungen: 

Die Frage der Entlohnung wurde allerdings zu- 
erſt von mir (Heft 4 S. 84), aber nur als unweſent⸗ 
lich geſtreift, und dabei ausdrücklich bemerkt, daß die 
Tatſache der Arbeitsleiſtung unter den hier gegebenen 
Umſtänden „allein genügt“ zur Annahme eines 
verſicherungspflichtigen Arbeitsverhältniſſes. Da nun 
Hagen die Entlohnung im vorliegenden Falle beſtritt, 
konnte auf die weitere Behandlung dieſer Frage ſofort 
verzichtet werden, da ja die Entlohnung nicht das 
einzige und insbeſondere nicht ein weſentliches 
Kriterium für den Arbeiterbegriff im Sinne der Un— 
fallverſicherungsgeſetze iſt. 

Im übrigen habe ich zur Sache noch folgendes 
zu bemerken: Da es ſich im gegebenen Falle um einen 
Unfall in der Holzinduſtrie handelt, wäre zur legt: 
inſtanziellen Entſcheidung nicht das Reichs-, ſondern 
das Landesverſicherungsamt berufen, weshalb von mir 
vornehmlich die Rechtſprechung des Letzteren angezogen 
wurde. Doch ändern auch die von Hagen zitierten 
Entſcheidungen des Reichsverſicherungsamtes an der 
Beurteilung der konkreten Sachlage nichts. Wenn ich 
auch nicht mit Hagen die Rechtſprechung des RVA. 
oder RG. ohne weiteres für das LVA. aus dem 
Grunde für bindend erachten kann, weil letzteres ſich 
ſonſt „zweifellos mit der Rechtſprechung des RBA. 
und RG. im Widerſpruche befinden“ würde, ſo glaube 
ich doch die Erörterung dieſer Frage hier ausſchalten 
zu dürfen, da gerade im gegebenen Falle eine Ver— 
ſchiedenheit der Grundſätze gar nicht zum Ausdruck 
kommt, und der Kläger auch nach der zitierten 
Rechtſprechung des RVA. vorübergehend als 
Arbeiter im Betriebe des Beklagten aufzufaſſen iſt. 

Die Annahme Hagens, es ſei auch bei dem in 
meinem Beiſpiele erwähnten Fabrikkutſcher „nicht aus⸗ 
geſchloſſen“, daß er ſich dem verhältnismäßig uner— 
fahrenen Bauernſohne untergeordnet und von ihm 
entſprechende Anweiſungen erhalten habe, gehört ja 
gewiß dem weiten Reiche der Möglichkeiten an, viel 
wahrſcheinlicher aber iſt es, daß im vorliegenden 
Falle der Kläger, der vorübergehend eine für ihn 
ganz berufsfremde Tätigkeit übernahm, vom Be— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


klagten entſprechende Anweiſungen erhielt. Mag man 
alfo mit Hagen ſolche Anweiſungen des Betriebs⸗ 
inhabers für den Begriff des Arbeiters fordern, oder 
mag man ſie mit mir als unweſentlich bezeichnen, weil 
ſchon die tatſächliche Beſchäftigung auf Erſuchen 
und im Intereſſe des Betriebsinhabers genügt, 
für den vorliegenden Fall — und es handelt ſich 
ja nicht um eine abſtrakte Erörterung — iſt dies voll⸗ 
ſtändig gleichgültig, da ja auch die von Hagen ge: 
forderten Begriffsmerkmale gegeben ſind. Jedenfalls 
hat ſich der in meinem Beiſpiele S. 203 erwähnte 
Landwirt, ſowie der mehrerwähnte Fabrikkutſcher zu 
nicht mehr verpflichtet und verpflichten wollen, als dies 
Hagen S. 143 im gegebenen Falle beim Kläger an⸗ 
nehmen will. Die Richtigkeit der Zitate Hagens wird 
daher wohl anerkannt, doch treffen ſie die Sache nicht 
und ſind nicht geeignet, meine kritiſchen Ausführungen in 
Heft 4 S. 84 zu entkräften. 

Der Annahme Hagens endlich, daß der Kläger 
die Arbeiten „einzig und allein in ſeinem Intereſſe“ 
übernahm, wird nicht widerſprochen, aber ebenſo richtig 
ift, daß feine Tätigkeit gleichzeitig und unmittel⸗ 
bar auch den Intereſſen des Betriebsin⸗ 
habers diente, und letzterer den Kläger, was 
Hagen immer noch zu überſehen ſcheint, ausdrücklich 
um ſeine Beihilfe erſuchte, „um keine Unterbrechung 
des Sägebetriebes eintreten zu laſſen“. (3. Jahrg. 
S. 333). Kann der Kläger bei raſcherer Erledigung 
des Sägens, wie Hagen meint, „früher wieder nach 
Hauſe fahren“, ſo kann der Beklagte in ſeinem Betriebe 
früher wieder an die Erfüllung anderer Aufträge gehen, 
ſo daß das beiderſeitige Intereſſe ganz offen⸗ 
kundig iſt. 


Dr. Michel, rechtsk. Bürgermeiſter in Landsberg a. L. 


Nachſchrift des Herausgebers. Die Streit— 
frage dürfte nunmehr zur Genüge erörtert ſein. Wir 
ſchließen ihre Beſprechung mit der Verweiſung auf 
ein Urteil des Reichsgerichts (IV. 3 S., IV 409.07) 
vom 26. März 1908. Ein Pächter hatte dem Knechte 


eines Landwirts beim Ausſpannen der Pferde ge- 


bolren, weil der Knecht damit allein nicht zurecht kam; 
er brachte eines der Pferde in den Stall. Dabei 
wurde er von dem Tiere geſchlagen und ſtarb. Das 
OLG. hatte angenommen, daß der Unfall im land- 
wirtſchaftlichen Betriebe des Tierhalters erfolgt ſei, 
„in den der Verſtorbene als Arbeiter zur Hilfeleiſtung 
vorübergehend eingeſprungen ſei“. Das Reichsgericht 
hob das Urteil auf und führte u. a. folgendes aus: 


Die Reviſion macht nicht ohne Grund geltend, 
ein Abhängigkeits- und Arbeiterverhältnis laſſe ſich 
nicht feſtſtellen angeſichts der Behauptung der Be— 
klagten, der Verunglückte habe aus Gefälligkeit ein— 
gegriffen. Die Annahme, daß der Verunglückte in den 
ihm an ſich fremden Betriebskreis als unſelbſtändiger 
Arbeiter getreten ſei und daß er ſich mit ſeinem Ein— 
tritte dem fremden Betriebe unterordnen und in ein 
perſönliches Abhängigkeitsverhältnis zu dem fremden 
Unternehmer begeben wollte, ließe ſich nach Lage des 
Falles nur auf beſondere Erwägungen (?) ſtützen. Der 
Verunglückte war ſelbſtändiger Betriebsunternehmer 
in nicht ganz kleinen Verhältniſſen; ſeine Hilfeleiſtung 
erfolgte gelegentlich, ohne daß erſichtlich die Not es 
gebot, aus freiem Antriebe und ohne Aufforderung 
durch den Knecht der Beklagten. Nach der Regel des 
Lebens iſt an und für ſich nicht anzunehmen, daß ſich 
der Erblaſſer bei dieſer Geſtaltung der Lage unter die 
Botmäßigkeit eines fremden Betriebs hat ſtellen wollen. 


305 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Freiwillige Gerichtsbarkeit. 


Der Mann, der ein Grundſtück für das Gefamtgut 
der allgemeinen Gütergemeinſchaft oder der Sipan 
ſchaftsgemeinſchaft erwirbt, kann es ohne die Zuſtim⸗ 
mung der Fran mit einer Hypothek für den Kaufpreis 
belaſten. Sch. verkaufte ein Grundſtück an R., der mit 
ſeiner Frau in Errungenſchaftsgemeinſchaft lebt. R. 
beſtellte eine Sicherungshypothek für den Reſt des 
Kaufſchillings. Das Grundbuchamt lehnte die Ein- 
tragung der Hypothek ab, weil die Zuſtimmung der 
Frau R. nicht beigebracht ſei. Die Beſchwerde hatte 
keinen Erfolg. Das Oberſte Landesgericht hielt die 
Zuſtimmung der Frau gleichfalls für notwendig. Es 
legte aber die weitere Beſchwerde nach § 79 Abſ. 2 
der GBO. dem Reichsgericht vor, weil das OLG. 
Colmar anders enſchieden hatte (OL GRſpr. 15, 407). 
Das Reichsgericht billigte die Anſchauung 
des Oberſten Landesgerichts nicht; es hob die 
Entſcheidungen der Vorinſtanzen auf. 

Gründe: Seit der Einführung der neuen Geſetz— 
gebung wird die Streitfrage viel erörtert, ob der Ehe— 
mann, der in allgemeiner Gütergemeinſchaft oder in 
Errungenſchaftsgemeinſchaft lebt und neue Grundſtücke 
zum Geſamtgut nach SS 1438 Abſ. 1, 1519 Abſ. 1 
BGB. erwirbt, ſie gleichzeitig ohne Zuſtimmung der 
Frau mit einer Hypothek für den Kaufpreis oder deſſen 
Reſt belaſten kann. § 1443 gibt ihm im allgemeinen 
freies einſeitiges Verfügungsrecht über das Geſamtgut, 
dieſes Recht iſt aber durch die Ausnahmen in den 
SS 1444, 1445, 1446 eingeſchränkt. Insbeſondere bez 
darf der Mann nach § 1445 der Einwilligung der 
Frau zur Verfügung über ein zu dem Geſamtgute ge— 
hörendes Grundſtück ſowie zur Eingehung der Ver— 
pflichtung zu einer ſolchen Verfügung. Man mag zu— 
geben, daß der Wortlaut des § 1445 an ſich die Ver⸗ 
fügung über erſt künftig aufzulaſſende Grundſtücke in 
ſich begreift und daher für die Meinung der Vorder— 
richter ſpricht. Allein im Wege der Auslegung gelangt 
man dazu, daß das Geſetz den Fall nicht treffen wollte, 
daß der Ehemann allein für den Erwerbspreis des 
Grundſtückes oder deffen Reſt Hypothek beſtellt. $ 1443 
ſtellt den Grundſatz auf, daß dem in Gütergemeinſchaft 
lebenden Ehemanne im allgemeinen die freie Verwal- 
tung des Geſamtgutes und die Verfügung darüber 
zuſteht. Ein ſolcher Ehemann iſt auch zum Erwerb 
beweglicher und unbeweglicher Sachen und zur Ein— 
gehung von Verbindlichkeiten hierbei unzweifelhaft 
befugt. Wenn die SS 1444—1446 Ausnahmen von 
jenem Grundſatz feſtſetzen, ſo iſt ausdehnende Aus— 
legung und Anwendung dieſer Ausnahmebeſtimmungen 
ſchon nach allgemeinem Rechtsſatze, um ſo mehr aber 
deshalb unzuläſſig, weil die den § 1445 begleitenden 
SS 1444 und 1446 dem Ehemann nur beſonders ſchwer— 
wiegende und eingreifende einſeitige Maßnahmen, 
nämlich Verfuͤgungen über das Geſamtgut im ganzen, 
Verpflichtungen dazu, Schenkungen, Schenkungsver— 
ſprechen u.dgl. verbieten. Es muß hieraus gefolgert 
werden, daß ſich auch der inmitte dieſer Vorſchriften 
ſtehende § 1445 nur auf Geſchäfte erſtreckt, die eine 
ähnliche verhängnisvolle Wirkung auf das Geſamtgut 
möglicherweiſe üben können, und die daher im gewöhn— 
lichen Geſchäftsverkehr auch nur felten vorkommen. 
Zu ſolchen Geſchäften kann aber die von jeher und 
alltäglich geübte Pfandbeſtellung für den Preis oder 
den Reſt des Preiſes für die Erwerbung eines Grund— 
ſtückes nicht gerechnet werden. Sie ändert nichts an 
dem Weſen eines ſolchen Vertrages als eines Erwerbs— 
geſchäftes und wird unter gewöhnlichen Umſtänden, 
namentlich bei billigem oder doch preiswertem Erwerb 


306 


von Grundſtücken, der faſt immer zu vermuten ift, von 
niemandem für gefährlich erachtet. Der in Güter— 
gemeinſchaft oder Errungenſchaftsgemeinſchaft lebende 
Ehemann iſt zum Erwerb von Grundſtücken für das 
Geſamtgut nach § 1443 befugt, er muß ohne aus— 
drückliches Verbot auch zur alleinigen Feſtſetzung der 
notwendigen oder zweckmäßigen Vertragsbedingungen 
als ermächtigt gelten, ſoweit ſie eine Schenkung nicht 
enthalten. Wenn er dem Geſamtgute ein mit dem 
Reſt des Erwerbspreiſes, oder auch mit dem ganzen 
Erwerbspreis belaſtetes Grundſtück hinzufügt, ſo ver⸗ 
mehrt er jedenfalls das Grund vermögen und läßt 
bei preiswertem Erwerb das Reinvermögen des Ge— 
ſamtgutes ebenſo unverändert, wie wenn er, wie ihm 
auch freiſtand, den Wert des erworbenen Grundſtückes 
bar ausgezahlt haben würde. Mit den ſeltenen Mus- 
nahmefällen, daß der Ehemann Grundſtücke zu über⸗ 
mäßigem Preis oder zwar preiswert aber im Ver⸗ 
hältnis zu den Kräften des Geſamtgutes in zu großer 
Zahl erwirbt, kann hierbei nicht gerechnet werden. 

Daß das Geſetz in § 1445 die einſeitige Hypothek⸗ 
beſtellung des Ehemannes für den Kaufpreis des Grund— 
ſtückes nicht verbieten wollte, dafür ſpricht auch die 
Geſchichte der Entſtehung des BGB. Die Begründung 
zum 1. Entw. geht davon aus, daß das Geſamtgut der 
unbeſchränkten Verwaltung des Ehemannes unter— 
liegen ſoll und ſie will nicht, daß dieſer Grundſatz 
durch die Ausnahmen wieder umgeſtoßen wird. Dar- 
um gibt ſie dem Ehemann z. B. die Verfügung auch 
über Hypotheken frei. Zu einer Umſtoßung des Grund— 
ſatzes würde es aber nahezu führen, wenn dem Ehe— 
mann eine der wichtigſten und alltäglichſten Ber- 
fügungen beim Grundſtückserwerb verboten wäre, wie 
es die Verpfändung des Kaufgegenſtandes für den 
rückſtändig bleibenden Kaufpreis iſt. Dann wäre er 
überhaupt an der Schließung von ſolchen Verträgen 
ohne Zuſtimmung der Frau in ſehr vielen Fällen ge— 
hindert, da bei Grundſtückserwerb die Vorausſetzung 
des § 1447 Abſ. 1 BGB. wohl nur ſelten gegeben ſein 
würde. Der weſentliche Inhalt der Begründung zum 
jetzigen $ 1445 ($ 1353 des 1. Entw.) geht ferner da= 
hin, daß der ſchon vorhandene Grundſtock des 
unbeweglichen Geſamtgutes vom Ehemann ohne Zu— 
ſtimmung der Frau nicht veräußert und belaſtet werden 
ſoll, was auf den Neuerwerb von Grundſtücken unter 
deren gleichzeitiger Verpfändung für den Kaufpreis 
nicht zutrifft. (Mot. IV S. 351, 355). 

Zwar kann zugegeben werden, daß an ſich die 
Möglichkeit, eine Geſetzesvorſchrift zu umgehen, nicht 
als beſonders zwingender Grund für die eine oder 
andere Auslegung dieſer Vorſchrift gelten muß, und 
die Motive führen u. a. aus, daß das Verbot einſeitiger 
Velaſtung der unbeweglichen Beſtandteile des Geſamt— 
gutes (auf dem Wege der 88 1459 BGB., 740, 866 
BPO.) umgangen werden kann und daß es ſich gleich— 
wohl empfiehlt. Wenn man aber erwägt, daß die 
Belaſtung des neuzuerwerbenden Grundſtücks mit dem 
geſchuldeten Kaufpreis beſonders leicht durch Unter— 
werfung des kaufenden Ehemannes unter ſofortige 
Zwangsvollſtreckung, ferner durch vorgängige Be— 
ſtellung einer vom Erwerber zu übernehmenden Grund— 
ſchuld, vielleicht auch durch Eintritt des Ehemannes 
in die Kaufrechte eines Dritten erſetzt werden kann, 
ſo muß man doch ein Verbot ſolcher Belaſtung des Kauf— 
gegenſtandes als nahezu wirkungslos, möglicherweiſe 
zur Verſchleierung des wahren Sachverhalts führend 
und daher vom Geſetzgeber nicht gewollt erachten. 

Wenn nach dem allen noch ein Zweifel über die 
Auslegung des § 1445 beſtehen könnte, fo müßte dieſer 
bei Berückſichtigung der älteren Hauptrechte ſchwinden. 
Nach gemeinem Rechte hatte ſich trotz der wohl da— 


——— ——— . —ß— +⏑üẼ— un ä äBöñœ — —— db - b—ẽöẽ̃ ä ñ—ẽ —— —— 


gegen ſprechenden Quellenſtelle Dig. 27, 9 de rebus . 


eorum 2c. 1.18 4, J. 2 feit Jahrhunderten die Rechts- 
übung herausgebildet, daß das Pfandrecht für den 


ö Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


privilegierten Pfandrecht vorgehe. Damit gelangte 
die Anſchauung zur Geltung, daß das Pfandrecht für 
den Kaufpreis, wenn es auch vom Erwerber erſt be— 
ſtellt ſein möge, dennoch als ein ſolches gelten müſſe, 
mit dem ſchon belaſtet die erworbene Sache in das 
Vermögen des Erwerbers übergehe. (Vgl. RG. Bd. 3 
S. 176, Dernburg, Band. Bd. I § 288 Anm. 13). Für 
die deutſchrechtliche Gütergemeinſchaft beſtand wohl 
vielleicht im allgemeinen die Vorſchrift, daß der Ehe⸗ 
mann das unbewegliche Gut nicht allein veräußern 
und belaſten dürfe, aber damit war die vorwürfige 
Streitfrage noch nicht entſchieden, ſodann beſtanden 
in dieſen Richtungen ſo verſchiedene, bald den Mann 
beſonders einſchränkende, bald ihn mit freieſtem Ver⸗ 
fügungsrechte ausſtattende örtliche Sonderrechte, daß 
fih allgemeine ſichere Rechtsſätze des deutſchen Privat- 
rechts über jene Streitfrage kaum gewinnen laſſen. 
(Vgl. Roth, Deutſches Privatrecht II S. 83, 85). Preußen 
hatte aber in § 378 I 1 feines Allgd R. angeordnet, 
daß der in Gütergemeinſchaft lebende Ehemann Grund- 
ſtücke und Gerechtigkeiten nicht ohne Einwilligung der 
Frau verpfänden oder veräußern dürfe. Alsbald er⸗ 
hoben ſich über diefe Beſtimmung die nämlichen Zweifel, 
wie fie jetzt gegen § 1445 BGB. angeregt wurden, fte 
ſind jedoch faſt vollſtändig durch den preußiſchen Juſtiz⸗ 
miniſterialerlaß vom 23. März 1821 (v. Kamptz, Jahrb. 
für Pr. Geſetzgebung Bd. 17 S. 19 u. 25) beſeitigt 
worden. Dieſer Erlaß verneint mit dem OLG. für 
Pommern die Frage, ob bei beſtehender Gütergemein⸗ 
ſchaft die Einwilligung der Ehefrau zur Verpfändung 
von Grundſtücken auch alsdann erforderlich iſt, wenn 
das vom Ehemann verpfändete Grundſtück mit den 
Schulden, wofür es verpfändet wurde, erkauft oder 
ſonſt erworben worden ift. Dieſe Entſcheidung bezog 
ſich ſelbſtverſtändlich und laut ausdrücklicher Bemer⸗ 
kung in ihrer Begründung namentlich auch auf die 
Verpfändung des erkauften Grundſtückes für den Kauf⸗ 
geldrückſtand. Seit dieſer beſonders gewichtigen Aus- 
legung des 8 378 II 1 AllgedR. tauchte die Streit- 
frage in der preußiſchen Rechtſprechung kaum jemals 
wieder auf und ſoweit es doch geſchah, war dieſe 
Rechtſprechung mit der Preußiſchen Rechtslehre darin 
einig, daß dem Ehemann die Verpfändung des zu er- 
werbenden Grundſtücks für den rückſtändigen Kaufpreis 
geſtattet ſei. Die Begründung des jetzigen § 1445 
BGB. bezieht fH ausdrücklich auf den § 378 II 1 
AllgLdR. Es iſt faſt undenkbar, daß fie die frühere 
Streitfrage hierzu und deren Löſung überſehen hat 
oder gar, ohne dies auszuſprechen, fie wieder ein- 
führen oder im entgegengeſetzten Sinne entſchieden 
wiſſen wollte. 

Ausdrücklich iſt hervorzuheben, daß hier darüber 
nicht entſchieden wird, ob der in allgemeiner Güter⸗ 
gemeinſchaft oder Errungenſchaftsgemeinſchaft lebende 
Ehemann das zu erwerbende Grundſtück auch für 
andere Schulden, als den Erwerbspreis, z. B. auch 
für ein zu deſſen Tilgung aufgenommenes Darlehen 
belaſten kann. Doch ſei auf den leicht erkennbaren 
Unterſchied zwiſchen Verfügungen hingewieſen, die 
aufs engſte mit dem Erwerbsvertrage ſelbſt zu— 
ſammenhängen und ſolchen Geſchäften, die gar nicht 
oder nur loſe in Beziehung zu ihm ſtehen. (Beſchluß 
des V. ZS. vom 8. Juli 1908, Reg. V B e 


1358 


B. Zivilſachen. 


I. 


Von welchen Grundſätzen ift bei der Bemeſſung 
des Werts einer Grunddienſtbarkeit auszugehen, die 
durch den Zuſchlag in der Zwangsverſteigerung erloſchen 


rückſtändigen Kaufpreis auch dem fpäter entſtandenen iſt und für die Erſatz aus dem Verſteigerungserlöſe zu 


gewähren ift. Auf einem Grundſtücke laſtete eine 
zugunſten des Eigentümers des Nachbargrundſtücks 
beſtellte Grunddienſtbarkeit. Sie enthielt das Recht 
auf Benützung der Einfahrt zum Gehen und Fahren 
ſowie als Hofraum, das Recht den Abtritt über den 
Hofraum jenes Grundſtücks zu leeren, ein Recht auf 
Licht und Luft für die Nordſeite, ein Trauf- und Lidt- 
recht für die Wetterſeite und das Recht, einen Ablauf- 
kanal durch die gedachte Einfahrt zu führen. Das 
belaſtete Grundſtück kam zur Zwangsverſteigerung und 
wurde dem H. zugeſchlagen. Nach Vereinbarung der 
Beteiligten blieben die der Grunddienſtbarkeit voraus- 
gehenden Hypotheken der betreibenden Gläubigerin, 
ſowie die der Grunddienſtbarkeit im Range folgenden, 
an 3., 4. und 5. Stelle eingetragenen Hypotheken und 
von der an 6. Stelle eingetragenen Hypothek der Klägerin 
ein Betrag von 5700 M stehen. Für die Grunddienſt— 
barkeit wurde im Verteilungsverfahren — unter der An— 
nahme, daß ſie erloſchen und an ihre Stelle der Anſpruch 
auf Erſatz ihres Wertes aus dem Verſteigerungserlöſe 
getreten ſei — der von der Beklagten als Eigentümerin 
des herrſchenden Grundſtücks angemeldete Betrag von 
5000 M eingeſtellt. Danach entfielen von dem bar zu 
berichtigenden Teile des Meiſtgebots auf den bar zu 
befriedigenden Teil der Hypothek der Klägerin nur 
129.38 M, während 15 520.18 M ausfielen. Die Klägerin 
widerſprach dem Anſatz von 5000 M, inſoweit er den 
Betrag von 500 M überſtieg. Darauf wurden der 
Beklagten 500 M unbedingt und 4500 M unter der 
Bedingung zugewieſen, daß der Widerſpruch nicht für 
begründet erklärt werde, und feſtgeſtellt, daß der 
ſtreitige Betrag von 4500 M der Klägerin in der Höhe 
zufalle, in der ihr Widerſpruch für begründet erklärt 
werde. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihren 
Widerſpruch. Das LG. hat ihn als teilweiſe be— 
gründet erkannt, den Teilungsplan dahin berichtigt, 
daß der Klägerin von den beſtrittenen 4500 M der 
Betrag von 1313.80 M, der Beklagten außer den ihr 
bereits unbedingt zugeteilten 500 M die Summe von 
3186.20 M zugewieſen wird, und die Klägerin mit 
ihrem weitergehenden Anſpruch abgewieſen. Die Be— 
rufung der Klägerin wurde zurückgewieſen. Das OLG. 
hat auf Grund des Gutachtens der Sachverſtändigen 
den Wert der Grunddienſtbarkeit auf 3686.20 M ange- 
nommen. Dieſer Betrag ſetzt ſich nach dem Gutachten 
zuſammen aus den auf 1736.20 M berechneten Koſten 
eines durch den Wegfall der Grunddienſtbarkeit not- 
wendig gewordenen Umbaus des Hauſes auf dem 
herrſchenden Grundſtücke, einem auf 150 M geſchätzten 
ſich aus der Beläſtigung der Mieter während des 
Umbaus ergebenden Mietzinsausfall, einem zu einem 
Kapitalbetrage von 1600 M angenommenen dauernden 
Minderwert der Wohnungen infolge Wegfalles des 
Mitbenutzungsrechts des Hofes und Verkleinerung der 
Wohnung im Erdgeſchoß und einem Betrage von 
200 M für die ſich aus der Verlegung des Kanals 
ergebenden Nachteile. Die Reviſion beanſtandet dieſe 
Art der Wertermittelung. Sie hatte keinen Erfolg. 

Gründe: Die Annahme der Vorinſtanzen, daß 
an die Stelle der der Hypothek der Klägerin dem 
Range nach vorgehenden, durch den Zuſchlag gemäß 
den SS 52, 91 Zw. erloſchenen Grunddienſtbarkeit 
der Beklagten ein Anſpruch auf Erſatz des Wertes 
aus dem Verſteigerungserlöſe getreten iſt, entſpricht 
dem § 92 Abſ. 1 ZwVG. Ohne Rechtsverletzung fonnte 
das OLG. den Betrag dieſes Erſatzanſpruches auch in 
dem von den Sachverſtändigen ermittelten Betrage 
finden, und ohne Grund bezeichnet die Reviſion den 
hierbei eingeſchlagenen Weg als verfehlt. Aus dem 
§ 92 ergibt ſich nur, daß der Erſatz in Geſtalt eines 
Kapitals, nicht — wie bei den in Abſ. 2 bezeichneten 
Rechten — durch Zahlung einer Rente zu leiſten iſt, 
ſowie daß der Betrag des Erſatzes durch den Wert 
der Grunddienſtbarkeit beſtimmt wird. Daraus, daß 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 


15 u. 16. 


bindung mit dem Weſen der Grunddienſtbarkeit, wie 
es in dem § 1019 BGB. zum Ausdruck kommt, läßt 
ſich entnehmen, daß der Wert ins Auge zu faſſen iſt, 
den die Grunddienſtbarkeit für das herrſchende Grund— 
ſtück hat (vgl. §7 ZPO). Sonſt findet ſich in den 
Geſetzen kein Anhalt für die Wertermittlung und eben⸗ 
ſowenig eine Beſtimmung des Begriffes „Wert“. In 
den Mot. z. I. Entw. des BGB. (Bd. 3 auf S. 30 
unter 3) iſt eine ſolche mit der Begründung abgelehnt: 
„der Begriff des Wertes iſt an ſich als ein wirtſchaft⸗ 
licher Begriff für das Privatrecht gegeben und im 
allgemeinen auch nicht zweifelhaft“. Der Wert eines 
Gegenſtandes aber beſtimmt ſich wirtſchaftlich nicht 
nur durch den Nutzen, den er ſeinem Beſitzer gewährt, 
ſondern namentlich auch durch das Maß von Auf— 
wendungen, das erforderlich iſt, um ſich den Gegen— 
ſtand oder den Nutzen zu verſchaffen, den er bringt. 
Der Nutzen, den eine Grunddienſtbarkeit gewährt, wird 
durch den Beſitz des herrſchenden Grundſtücks vermittelt 
und kann nur aus dem dienenden Grundſtück oder 
einem Grundſtücke kommen, das zum herrſchenden in 
einem entſprechenden räumlichen Verhältnis ſteht. 
Von einem gemeinen Verkehrswerte kann bei einer 
Grunddienſtbarkeit ihrer Natur wegen keine Rede ſein, 
und ein objektiver Wert läßt ſich bei ihr nur ſo be— 
ſtimmen, daß auf den Nutzen geſehen wird, den ſie 
jedem Eigentümer des herrſchenden Grundſtücks ge— 
währt. Dieſem Nutzen entſpricht die Entwertung, die 
das herrſchende Grundſtück durch den Wegfall der 
Grunddienſtbarkeit erleidet. Hiernach konnte das OLG. 
die Wertberechnung der drei Sachverſtändigen ſehr 
wohl ſeiner Enſcheidung zugrunde legen. Der Nutzen, 
den das Grundſtück der Beklagten von der Grund— 
dienſtbarkeit hatte, beſtand darin, daß ſie ihm den 
fehlenden Hof erſetzte, daß ſie insbeſondere das Be— 
ſtehen eines Hauseinganges von der Seite der Ein— 
fahrt her und hiermit zugleich eine vorteilhaftere 
Raumeinteilung im Hauſe ermöglichte. Der Wegfall 
der Grunddienſtbarkeit macht nach der Feſtſtellung des 
OLG. die Herſtellung eines anderen Hauseinganges, 
eine Verlegung des Ablaufkanals und eine Aenderung 
der Raumeinteilung im Hauſe nötig und läßt auch 
dann noch eine Beeinträchtigung der Verwertbarkeit 
des Grundſtücks übrig. Die durch den Umbau ent— 
ſtehenden Koſten und Mietzinsausfälle und der Betrag, 
der für die nach dem Umbau bleibende Beeinträchtigung 
angeſetzt iſt, bezeichnen dann ebenſo das Maß der Ent— 
wertung des Grundſtücks wie das Maß des mit der 
Grunddienſtbarkeit verbundenen Nutzens, alſo deren 
Wert, und zwar ohne Rückſicht auf die Perſon des 
derzeitigen Grundſtückseigentümers. Der Gegenſatz, 
den die Reviſion zwiſchen einer Schadens- und einer 
Wertsermittelung machen will, iſt, wenigſtens für einen 
Fall, wie er vorliegt, nicht anzuerkennen. Nicht be— 
hauptet und nicht zu unterſtellen iſt, daß die Beklagte 
die Möglichkeit hat oder gehabt hat, ihrem Grund— 
ſtücke die Grunddienſtbarkeit durch Vereinbarung mit 
dem Erſteher des dienenden Grundſtücks, und zwar 
mit einem geringeren als dem von den Sachverſtändigen 
herausgerechneten Aufwande, zu erhalten oder wieder 
zu verſchaffen. Daß die Beklagte ſich einen ausreichenden 
Erſatz für die Grunddienſtbarkeit billiger von einem 
anderen ihrer Nachbaren zu verſchaffen imſtande iſt, 
daß eine an einem anderen Nachbargrundſtücke be— 
gründete Dienſtbarkeit die erloſchene überhaupt er— 
ſetzen kann, iſt nach Lage der Sache ſogar ausgeſchloſſen. 
Aus den von der Reviſion noch herangezogenen 
ss 818, 849, 882 BGB. läßt fiH gegen die Richtigkeit 
der Wertsermittelung nichts entnehmen. Wäre bei 
der Belaſtung des verſteigerten Grundſtücks mit der 
Grunddienſtbarkeit gemäß dem § 882 ein Höchſtbetrag 
des im Falle des Erlöſchens durch den Zuſchlag an 
ihre Stelle tretenden Werterſatzanſpruches zwiſchen den 
Beteiligten vereinbart und eingetragen worden, ſo 


es ih um den Erfah des Rechtes handelt, in Ver- hätte dieſer Werterſatzanſpruch allerdings den einge- 


308 


tragenen Höchſtbetrag nicht überſchreiten können. Ein 

ſolcher Höchſtbetrag iſt aber nicht vereinbart. (Urt. 

des V. 35. vom 3. Juni 1908, V 519/08). — — —n. 
1338 


II. 


1. Wenn der Erbe den Vermächtnisuehmer vor an: 
deren Nachlaßglänbigern befriedigt hat, fo haben diefe 
keinen Herausgabe oder Bereicherungsanſpruch gegen 
den Vermächtnisnehmer. 


2. Dagegen kaun die Erfüllung des Vermächtnis⸗ 
auſpruchs unter Umſtänden nach 88 3a, 7 des Auf. 
angefochten werden, auch wenn die Erfüllung uur in der 
n einer Hypothek auf einem Nachlaßgrundſtücke 

eſtand. 

3. Aenderung des „rechtlichen Geſichtspunkts“ ohne 
Aenderung der die Klage begründenden Tatſachen iſt 
keine Aenderung der Klage. 


Der verſtorbene Kaufmann J. hatte in ſeinem 
Teſtamente ſeine zwei Söhne J. zu Erben eingeſetzt 
und den Beklagten, ſeinen Töchtern, Vermächtniſſe als 
Abfindungen ausgeſetzt, die auf einen Teil feiner Grund- 
ſtücke eingetragen werden ſollten. Am 1. Juli 1905 
ließen die Erben ſich als Eigentümer der Nachlaß— 
grundſtücke und für die Beklagten auf die im Tefta- 
mente bezeichneten Grundſtücke Hypotheken für die 
Abfindungen eintragen. Der Kläger erwirkte am 
16. Januar 1906 auf Grund eines Urteils vom 21. Sep⸗ 
tember 1905, das er gegen die Söhne J. aus einem 
von ihnen am 9. März 1905 angenommenen Wechſel 
erſtritten hatte, die Eintragung von drei Sicherungs- 
hypotheken auf einen Teil der zuletzt genannten Nad- 
laßgrundſtücke und am 22. Januar 1906 die Eintragung 
von Vormerkungen zur Erhaltung des Rechtes auf 
Eintragung des Vorranges der Sicherungshypotheken 
vor den Hypotheken der Beklagten. Sodann erhob 
er Klage mit dem Antrage, die Beklagten zu verur— 
teilen, feine Befriedigung aus feinen Sicherungs- 
hypotheken vor ihren Hypotheken zu dulden „und 
in eine Vorrangseinräumung zu willigen“. Er be⸗ 
hauptete, die Forderung, für die die Sicherungs- 
hypotheken eingetragen wurden, ſei eine Forderung 
gegen den Nachlaß des verſtorbenen Vaters der Be— 
klagten. Ihr gebühre daher der Vorrang vor den 
Vermächtnishypotheken der Beklagten, da die Nachlaß— 
ſchulden vor den Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen, 
Pflichtteilen und Auflagen zu decken ſeien. Deshalb 
ſeien die Beklagten zur Bewilligung des Vorranges 
verpflichtet. Der erſte Richter erkannte auf Abweiſung 
der Klage. In 2. Inſtanz machte der Kläger noch 
geltend, fein Anſpruch fei gemäß 8 3a und § 7 AnfG. 
begründet. Die Beklagten ſahen darin eine unzu— 
läſſige Klageänderung und widerſprachen ihr. Das 
OLG. wies die Berufung des Klägers zurück. Die 
Reviſion hatte Erfolg. 

Gründe: 1. Der Klageanſpruch war in der 
1. Inſtanz nur darauf gegründet, daß der Kläger als 
angeblicher Gläubiger des Nachlaſſes des J. sen. ohne 
weiteres geſetzlich berechtigt fei, von den Beklagten 
als Vermächtnisnehmern zu verlangen, daß ſie ſeine 
Befriedigung aus dem Nachlaſſe vor ihren Hypotheken 
duldeten, weil Nachlaßſchulden vor den Verbindlich— 
keiten aus Vermächtniſſen befriedigt werden müßten. 
Dieſen Klagegrund erklärt das OLG. für ungerecht— 
fertigt, weil das Recht, vor den Vermächtnisnehmern 
befriedigt zu werden, den Nachlaßgläubigern ohne 
weiteres gemäß 8 226 Abſ. 1, 2 KO. nur dann gegeben 
ſei, wenn ſie im Nachlaßkonkurſe mit noch nicht be— 
friedigten Vermächtnisnehmern zuſammenträfen. Die 
Reviſion macht geltend, aus § 1991 Abſ. 4 BGB. und 
8 226 Abſ. 2 Nr. 5 KO. folge, daß Vermächtnisnehmer 
das, was ſie aus dem Nachlaſſe vor den Gläubigern 
des Erblaſſers erlangten, an dieſe herausgeben müßten, 


Hensche für Meitäpflege in Bayern. 1008. Mr. 15 u. 16. 


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weil es ohne allen Rechtsgrund an fie gekommen ſei. 
Das ift unzutreffend. Nach § 1967 BGB. haftet der 
Erbe für die Nachlaßverbindlichkeiten und zu den Ieg- 
teren gehören auch Verbindlichkeiten aus Vermächt⸗ 
niſſen. Iſt der Nachlaß überſchuldet, ſo kann der Erbe, 
auch wenn er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbe⸗ 
ſchränkt haftet, gemäß 88 215, 216, 217 KO. Nachlaß⸗ 
konkurs beantragen. Ferner iſt er, wenn er nicht un⸗ 
beſchränkt haftet (§ 2013 BGB.), gemäß § 1981 BGB. 
berechtigt, die Anordnung der Nachlaßverwaltung zu 
beantragen, worauf der Nachlaßverwalter nach SS 1985, 
1980 BGB. die Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Nach⸗ 
laffe zu berichtigen oder, wenn der Nachlaß zur Be- 
richtigung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht, feiner- 
ſeits den Nachlaßkonkurs zu beantragen hat. In dem 
Konkursverfahren ſind dann die Verbindlichkeiten aus 
Vermächtniſſen, ſoweit ſie nicht etwa ſchon vorher von 
dem Erben oder dem Nachlaßverwalter berichtigt 
worden find, in der im § 226 Abſ. 2 Nr. 5 KO. vor⸗ 
geſehenen Rangordnung, insbeſondere auch in dem 
Range nach den Forderungen der Nachlaßgläubiger, 
zu berichtigen. Iſt die Eröffnung des Konkurſes oder 
die Anordnung der Nachlaßverwaltung wegen Mangels 
einer den Koſten entſprechenden Maſſe nicht tunlich 
(8 107 KO., 8 1982 BGB.) oder beruht die Ueber- 
ſchuldung des Nachlaſſes, wie hier vom Kläger be- 
hauptet wird, auf Vermächtniſſen, ſo iſt der Erbe, 
ausgenommen, wenn er unbeſchränkt haftet (§ 2013 
BGB.), gemäß SS 1990, 1991, 1992 BGB. berechtigt, 
die Befriedigung des andrängenden Nachlaßgläubigers 
inſoweit zu verweigern, als der Nachlaß nicht aus⸗ 
reicht, in dieſem Falle jedoch verpflichtet, den Nachlaß 
zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege 
der Zwangsvollſtreckung herauszugeben. Sind mehrere 
Nachlaßgläubiger vorhanden, ſo iſt der Erbe hinſicht⸗ 
lich der Herausgabe des Nachlaſſes, damit die Nad- 
laßgläubiger fie als für Rechnung des Nachlaſſes er- 
folgt gelten laffen müſſen (8 1979 BGB.), nicht zur 
Einhaltung einer beſtimmten Reihenfolge der Gläu— 
biger verpflichtet; jedoch ſind in dieſer Hinſicht aus⸗ 
genommen die Berechtigten aus Pflichtteilsrechten, Ver- 
mächtniſſen und Auflagen, deren Anſprüche der Erbe 
gemäß § 1991 Abſ. 4 BGB. nur ſo berichtigen darf. 
wie fe im Falle des Konkurſes zur Berichtigung 
kommen würden. Hat der Erbe trotz Ueberſchuldung 
des Nachlaſſes infolge von Vermächtniſſen die Ver- 
bindlichkeit aus einem Vermächtniſſe mit Mitteln des 
Nachlaſſes erfüllt, ohne zuvor die vorgehenden Nad- 
laßgläubiger aus dem Nachlaſſe zu decken, ſo mögen 
dieſe Gläubiger berechtigt ſein, gegen den Erben ſo 
vorzugehen, wie wenn er an den Vermächtnisnehmer 
aus dem Nachlaſſe nichts geleiſtet hätte, auch mag 
dem Erben, wenn er in Unkenntnis der Ueberſchuldung 
des Nachlaſſes geleiſtet hätte, gegen den Vermächtnis— 
nehmer ein Rückforderungsrecht gemäß § 813 BGB. 
zuſtehen (Planck Anm. 1 f., 5 zu § 1991 BGB.). Aber 
zwiſchen dem Vermächtnisnehmer und den 
anderen Nachlaßgläubigern ſind dadurch, daß 
der Erbe den erſteren vor den letzteren befriedigt hat, 
keine rechtlichen Beziehungen begründet worden, die 
den Vermächtnisnehmer verbinden würden, das Er- 
haltene an die Nachlaßgläubiger herauszugeben. Dar: 
aus folgt, daß der Kläger nur deswegen, weil die 
feinen Sicherungshypotheken zugrunde liegende For- 
derung angeblich ſchon gegen den Erblaſſer begründet 
war, dagegen die Hypotheken der Beklagten zur Siche— 
rung von Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen beſtellt 
worden ſind, nicht verlangen kann, daß die Beklagten 
ſeine Befriedigung aus den Sicherungshypotheken vor 
ihren Hypotheken dulden und mit dieſen Hypotheken 
den Sicherungshypotheken den Vorrang einräumen. 
2. Dagegen greift die Reviſion die weitere An— 
nahme des OLG. mit Recht an, daß auch inſoweit die 
Klage unzuläſſig geändert worden ſei, als der Kläger 
in 2. Inſtanz erklärt habe, fein Anſpruch auf Befrie— 


Zeitſchrift für ir Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. in Bayern. 1 


digung aus den Vermächtnishypotheken der Beklagten 
fei nach den Vorſchriften der SS 3a, 7 AnfG. begründet. 
Der Kläger hat in 1. Inſtanz vorgetragen, er habe 
wegen der Forderung gegen den Erblaſſer, zu deren 
Sicherung die Hypotheken eingetragen worden ſeien, 
einen vollſtreckbaren Titel gegen die Erben erlangt, 
die Zwangsvollſtreckung gegen ſie ſei fruchtlos aus— 
gefallen, die ſeinen Sicherungshypotheken vorgehenden 
Hypotheken ſeien von den Erben zur Sicherung von 
Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen auf Nachlaß— 
grundſtücke am 1. Juli 1905 eingetragen worden. Da⸗ 
her müßten die Beklagten ſeine Befriedigung aus den 
Nachlaßgrundſtücken vor ihren Hypotheken dulden. 
Darnach ſind vom Kläger Tatſachen behauptet 
worden, die zur Begründung des Anfechtungsanſpruches 
nach §3a AnfG. ausreichen. Denn unterſtellt man die 
Richtigkeit dieſer Behauptungen, fo haben „die Erben“ 

durch Eintragung der Hypotheken für die Beklagten 
auf Nachlaßgrundſtücke „Vermächtniſſe aus dem Nach— 

laſſe erfüllt“, da unter „Erfüllung“ in § 3a nach dem 
Zwecke des Geſetzes auch Rechtsakte zur Sicherung 
von Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen zu verſtehen 
ſind, wodurch dem Nachlaſſe zum Nachteile der übrigen 
Gläubiger Vermögen entzogen wird (Falkmann, AnfG. 
S. 42, Jaeger Anm. 3 zu 8 3a Anfc .). Ferner iſt 
dann der Kläger ein Nachlaßgläubiger, der im Kon- 
kurſe über den Nachlaß den Beklagten als 5 Emp⸗ 
fängern der Hypotheken gemäß 8 226 Abſ. 2 Nr. 5 
KO. im Range vorgehen würde; weiter wären auch 
die im 8 2 des Gef. beſtimmten allgemeinen Voraus— 
ſetzungen für die Anfechtung gegeben, indem der Kläger 
für ſeine fällige Forderung einen vollſtreckbaren Titel 
hätte und die Zwangsvollſtreckung gegen den Schuldner, 
der im Sinne des § 3a des Gef. der Erbe ift (Jaeger 
Anm. 11 zu S 3a AnfG.), zur Befriedigung des Klägers 
nicht geführt hätte. Endlich wäre auch die im 8 3 
Nr. 3 AnfG. beſtimmte beſondere Vorausſetzung für 
die Anfechtung der Leiſtung der Erben als einer un— 
entgeltlichen Verfügung vorhanden, daß nämlich die 
Anfechtung innerhalb eines Jahres ſeit Vornahme der 
unentgeltlichen Verfügung erfolgt. Denn die Hypo— 
theken ſind am 1. Juli 1905 eingetragen worden und 
die Klage iſt im Februar 1906 erhoben. Auch der 
Klageantrag würde, ſoweit Duldung der Befriedigung 
aus den Nachlaßgrundſtücken vor den Hypotheken der 
Beklagten verlangt wird, dem § 7 AnG. entſprechen. 
Waren aber die zur Begründung des Anfechtungs— 
anſpruches genügenden Tatſachen bereits in 1. Inſtanz 
behauptet, ſo liegt nicht deshalb eine Klageänderung 
vor, weil der Kläger erft in 2. Inſtanz den recht- 
lichen Standpunkt vertreten hat, daß fein An- 
ſpruch nach dem AnfG. begründet fei. (Urt. des V. ZS. 
vom 13. Juni 1908, V 471/08). 

1341 


—— n. 


TII. 


Zum Begriffe der Kündigung eines Darlehens. Iſt 
die Benennung eines beſtimmten Zahlungstermins ein 
weſentlicher Beſtandteil der Kündigung? Wirkt die 
vorzeitig erhobene Klage als Kündigung? Aus den 
Gründen: 1. Der Beklagte hat von der Klägerin ein 
verzinsliches Darlehen entgegengenommen. Der Streit 
der Parteien dreht ſich nur darum, ob die Klägerin 
das Darlehen rechtzeitig gekündigt hat, und der An— 
ſpruch daher ſchon fällig iſt. Es war vertragsmäßig 
eine vierteljährige Kündigungsfriſt feſtgeſetzt und das 
Berufungsgericht hat dieſe deswegen als eingehalten 
angeſehen, weil der Rechtsanwalt S. am 20. September 
1906 im Auftrag und im Namen der Klägerin brief— 
lich vom Beklagten Zahlung der Darlehensſumme 
und der rückſtändigen Zinſen bis zum 25. September 
1906 verlangt hat und weil die Klage dann erſt am 
19. Januar 1907 erhoben worden iſt. Der Beklagte 
hat ſich demgegenüber auf die Definition der Kün- 


309 


1908. Nr. 15 u. 16. 


digung berufen, die früher einmal auf dem Boden 
des gemeinen Rechtes vom III. ZS. des RG. aufge- 
ſtellt worden ift (Entſch. in ZS. Bd. 26 S. 191). Es 
muß zugegeben werden, daß dieſe, ſo lange man ſich 
an ihren Wortlaut hält, der Rechtsauffaſſung des 
OLG. im Wege ſtehen würde. Dem Wortlaute nach 
iſt dort nämlich die Bezeichnung des beſtimmten zeit⸗ 
lichen Endpunktes für einen weſentlichen Beſtandteil 
der Kündigung erklärt; da nun aber hier als letzter 
Zeitpunkt der verlangten Rückzahlung nur der 25. Sep⸗ 
tember 1906 genannt war, zu welchem eine am 20. Sep⸗ 
tember 1906 ausgeſprochene Kündigung noch nicht 
wirken konnte, ſo würde eine anderweitige Kündigung 
in dem fraglichen Schreiben nach jener Definition 
nicht gefunden werden können. Es kann nun aber 
die Definition des III. ZS. in dieſem Punkte nicht für 
glücklich gefaßt erachtet werden; ſie wird deswegen auch 
mißbilligt von Thiele, im ArchéivPrax. Bd. 89 S. 86, 
womit der Sache nach auch übereinſtimmt Planck, 
BGB. (Aufl. 3) Bem. 2 d zu $ 564 S. 489; vermut- 
lich hat auch der III. 38. ſelbſt, bei deffen damaliger 
Entſcheidung es auf dieſen Punkt gar nicht weiter an— 
kam, ihm kein großes Gewicht beigelegt und daher 
mehr zufällig eine Rechtsfolge der Willenserklärung 
in die Angabe ihres Inhaltes mitaufgenommen. Wie 
dem übrigens auch ſei: keinesfalls könnte anerkannt 
werden, daß nach dem Rechte des BGB., das allein 
hier maßgebend iſt, irgend ein Grund vorläge, die 
Benennung eines beſtimmten Termins für einen weſent— 
lichen Beſtandteil jeder Kündigung zu halten. 

2. Damit iſt nun freilich noch nicht geſagt, daß 
die Auffaſſung des Schreibens vom 20. September 1906 
als einer Kündigung des Darlehens rechtlich durchaus 
unbedenklich iſt. Der erkennende Senat läßt dieſe 
Frage unentſchieden, weil das angefochtene Urteil doch 
jedenfalls aus einem anderen Grunde gemäß § 563 
NPO. aufrecht erhalten werden müßte. In der etwa 
vorzeitig angeſtellten Klage würde nämlich zugleich 
eine Kündigung liegen, und die vom 19. Januar 1907 
ab zu berechnende Vierteljahrsfriſt würde an dem 
Tage, an welchem das Berufungsurteil erging, am 
5. Juli 1907, längſt abgelaufen geweſen ſein. Daß 
eine verfrühte Klage bei kündbaren Rechtsverhältniſſen 
zugleich als Kündigung wirke, iſt nach den früheren 
Rechten vom Reichsgericht öfters ausgeſprochen worden 
(vgl. Entſch. in 35. Bd. 17 S. 149 f.). Warum dies 
nach dem Rechte des BGB. anders ſein ſollte, wäre 
nicht einzuſehen; auch hat der V. 35. ſchon wieder— 
holt die Anſicht zu erkennen gegeben, daß nach dieſem 
Rechte das Gleiche gelte; vgl. Entſch. in ZS. Bd. 53 
S. 213 und Seuff Arch. Bd. 59 Nr. 55. Auch ſonſt iſt 
dieſe Meinung vorherrſchend; vgl. Planck a. a. O. 
Bem. 2 b zu § 564 S. 488 f.; Dernburg, Bürgerl. 
Recht Bd. 2 Abt. 1 (Aufl. 3) $ 55 II S. 129; Thiele 
a. a. O. S. 145. Der erkennende Senat ſchließt ſich ihr 
an. Anderſeits ſteht es in der Rechtſprechung feſt, 
daß es für die Verurteilung zur Zahlung einer Schuld 
genügt, wenn die letztere nur zur Zeit der Urteils- 
fällung bereits fällig geworden war. (Urt. des VI. ZS. 
vom 12. März 1908, VI 468/07). 

1331 


— -u. 


IV. 


Umfang der Pflicht zur Vorlegung von Urkunden 
nach $ 810 BGB. Der Kläger war Vorſtand der nun— 
mehr in Liquidation befindlichen beklagten Aktiengeſell— 
ſchaft. Er wurde wegen Bilanzfälſchung entlaſſen. 
Es wurden gegen ihn Schadenserfatzanſprüche von 
den Aktionären der Beklagten geltend gemacht. Er 
behauptet, daß ſeine Berufung auf die Handelsbücher 
der Beklagten, aus denen er die Richtigkeit der von 
ihm aufgeſtellten Bilanzen habe nachweiſen wollen, 
keinen Erfolg gehabt habe, da er ohne Einſicht der 
Handelsbücher genügend begründete Behauptungen 


310 


nicht habe aufſtellen können. Mit der Klage beantragt | 


der Kläger die Beklagte zu verurteilen, ihm zu ge⸗ 
ſtatten, näher bezeichnete Handelsbücher der Beklagten 
aus den Jahren 1897 — 1900 unter Zuziehung eines 
gerichtlich beeidigten Bücherſachverſtändigen einzuſehen. 
In der 1. und 2. Inſtanz wurde die Klage abgewieſen. 
Die Reviſion hatte Erfolg. 


Gründe: Die Reviſion rügt mit Recht, daß das 
OLG. den § 810 BGB. zu enge auslegt. Der Kläger 
iſt von der beklagten Aktiengeſellſchaft und von ihren 
Aktionären wegen angeblicher Verletzung aktienrecht⸗ 
licher Pflichten in Anſpruch genommen. Das Rechtsver⸗ 
hältnis, in welches der Kläger in ſeiner Eigenſchaft als 
Vorſtand zu der Aktiengeſellſchaft und zu den Aktionären 
getreten iſt, war nicht bloß ſein Anſtellungsverhältnis, 
ſondern es iſt das geſamte Pflichtverhältnis, welches 
ſich aus der geſetzlichen Organiſation der Aktiengeſell⸗ 
ſchaft und den dem Vorſtand obliegenden geſetzlichen 
Verbindlichkeiten für dieſen ergibt. Wenn der Kläger 
zum Zwecke feiner Verteidigung ſich auf die Haupt- 
bücher, die Warenverſandbücher, die Kaſſabücher, die 
Memoriale und Journale der Aktiengeſellſchaft be- 
ruft und deren Einſicht unter Zuziehung eines gericht— 
lich ernannten Bücherſachverſtändigen begehrt, ſo läßt 
ſich zunächſt ſein Intereſſe an der Einſicht nicht in 
Zweifel ziehen. Es muß aber auch anerkannt werden, 
daß in dieſen Büchern das zwiſchen ihm und der 
Aktiengeſellſchaft beſtandene Rechtsverhältnis beur- 
kundet iſt, inſofern ſie die urkundliche Unterlage für 
die Darlegung der ganzen Geſchäftsführung des Vor⸗ 
ſtands, für die Erfüllung feiner aktienrechtlichen Ber- 
pflichtungen und ſeine Verantwortung hierüber bilden. 
Ueberdies behauptet der Kläger, daß nach ſeinem Aus⸗ 
ſcheiden falſche Bilanzen aufgeſtellt und fingierte Poſten 
in die Bücher der Geſellſchaft eingetragen worden ſeien, 
mit denen er belaſtet wurde; er glaubt dieſe Buchungen 
durch die Beurkundungen in den oben erwähnten Ge— 
ſchäftsbüchern widerlegen zu können. (Urteil des I. 3S. 
vom 8. April 1908, I 599/07). 

1300 


— — n. 


V. 


1. Iſt der Mangel der Erlaubnis zum Betrieb einer 
Gaſtwirtſchaft ein „Fehler“ des Grundſtücks im Sinne 
des 5 459 Abſ. 1 BGB. oder eine „Eigenſchaft“ im 
Sinne des 8 119 Abſ. 2 B88. 


2. Stillſchweigende Vereinbarung einer Bedingung 
beim Kauf eines Grundſtücks. 


Die Beklagten haben, nachdem ihnen in der Zwangs— 
verſteigerung ein Gaſtwirtſchaftsgrundſtück zugeſchlagen 
worden war, ihre „Rechte aus dem Meiſtgebot“ an 
den Kläger abgetreten und dieſem ſodann das Grund— 
ſtück aufgelaſſen. Die Veräußerung erfolgte in der 
Erwartung, daß, da auf dem Grundſtück feit unvor— 
denklichen Zeiten die Gaſtwirtſchaft betrieben worden 
iſt, auch dem Kläger die gewerbepolizeiliche Erlaubnis 
hierzu erteilt werden würde. Durch rechtskräftige Ent— 
ſcheidung iſt indeſſen die vom Kläger nachgeſuchte Er— 
laubnis wegen mangelnden Bedürfniſſes verweigert 
worden. Der Kläger hat darauf den „Kauf bzw. die 
Abtretung der Rechte aus dem Meiſtgebot“ wegen 
Irrtums angefochten und klagend beantragt, die Be— 
klagten zu verurteilen, gegen Rückauflaſſung des 
Grundſtücks an den Kläger 4984 M zu zahlen. Der 
erſte Richter hat die Beklagten verurteilt. Auf die 
Berufung der letzteren wurde die Klage abgewieſen. 
Die Reviſion hatte Erfolg. 

Aus den Gründen: 1. Mit Unrecht bekämpft 
die Reviſion die Ausführungen, welche die Anwend— 
barkeit der SS 459 Abſ. 1, 119 Abſ. 2 BGB. verneinen. 
Allerdings kann auch die Nichterteilung der Erlaubnis 
zum Gaſtwirtſchaftsbetriebe unter Umſtänden ein 
Mangel des Grundſtücks ſein. Dies ſetzt aber voraus, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


daß die Verſagung der Erlaubnis ihren Grund in 
Eigenſchaften des Grundſtücks hat, zufolge deren letz⸗ 
teres den polizeilichen Anforderungen (8 33 Abſ. 2 
Ziff. 2 GewO.) nicht genügt. Ein folder Fall liegt 
nicht vor, da die Erlaubnis zum Gaſtwirtſchaftsbetrieb 
wegen des Fehlens eines Bedürfniſſes verſagt worden 
iſt. Daraus ergibt ſich auch die Unanwendbarkeit des 
8 119 Abſ. 2 BGB., inſofern darnach die Eigenſchaft 
einer Sache hinſichtlich der Anfechtung einer Willens⸗ 
erklärung wegen Irrtums als zum Inhalt der Er⸗ 
klärung gehörig angeſehen wird. Außerdem iſt auch 
der weitere Grund zutreffend, daß es ſich bei der An⸗ 
nahme des Klägers, er werde die bisher ſtets erteilte 
Betriebserlaubnis für ſeine Perſon ebenfalls erhalten, 
nicht um einen Irrtum über vergangene oder gegen⸗ 
wärtige Tatſachen, ſondern um unrichtige Beurteilung 
zukünftiger Verhältniſſe handelt, ein Irrtum letzterer 
Art aber nur den Beweggrund des Geſchäfts⸗ 
abſchluſſes betrifft und daher deſſen Gültigkeit nicht 
beeinflußt. 

2. Begründet war dagegen die weitere Rüge der 
Reviſion, daß der Berufungsrichter den Behauptungen 
über den Abſchluß eines bedingten Geſchäfts nicht 
gerecht geworden ſei. Nach der Behauptung des 
Klägers hat dieſer kurz vor dem Vertragsſchluß einem 
der beiden Beklagten erklärt, er werde das Grundſtück 
nur kaufen, wenn ihm die Konzeſſion erteilt würde, 
und es iſt ihm darauf erwidert worden, es unterliege 
keinem Zweifel, daß ihm die Konzeſſion erteilt werden 
würde. Der Berufungsrichter hält dieſe Anführungen 
für unerheblich, weil in der angeblichen Erwiderung 
kein Einverſtändnis mit der vom Kläger geſtellten 
Bedingung zu erblicken ſei, die Erklärung vielmehr 
nur den Charakter einer Meinungsäußerung habe. 
Selbſt wenn dies richtig iſt, würde dies dennoch dem 
Zuſtandekommen eines bedingten Vertrages mit dem 
vom Kläger behaupteten Inhalt nicht entgegen ſtehen, 
weil anzunehmen iſt, daß der Kläger auch noch bei dem 
Vertragſchluß an dieſer Bedingung feſthielt. Erkannten 
die Beklagten dies und ſchloſſen ſie nichtsdeſtoweniger 
den Vertrag ab, ohne den Kläger darauf aufmerkſam 
zu machen, daß ſie der Bedingung nicht zuſtimmten, 
während andererſeits der Kläger nach Lage der Um— 
ſtände ſich für berechtigt halten durfte, ihr Schweigen 
als Zuſtimmung zu deuten, fo können fie nicht hinter⸗ 
her geltend machen, es habe an dieſer Zuſtimmung 
gefehlt; vielmehr müſſen ſie alsdann nach Treu und 
Glauben den Vertrag als unter der Bedingung ge— 
ſchloſſen gegen ſich gelten laſſen. Der Berufungsrichter 
ſcheint nun freilich ſeine abweiſende Entſcheidung auch 
noch darauf ſtützen zu wollen, daß kein Anhalt dafür 
vorhanden ſei, daß noch zur Zeit der Auflaſſung 
Willensübereinſtimmung zwiſchen den Parteien über 
einen bedingten Vertragſchluß beſtanden habe. Dabei 
ift jedoch überſehen, daß, wenn nicht Umſtände vor— 
liegen, die gegen eine Fortdauer der früher erzielten 
Willenseinigung bis zur Auflaſſung ſprechen, dieſe 
Fortdauer anzunehmen iſt, eine beſondere Beweislaſt 
alſo der ſich darauf berufenden Partei nicht obliegt. 
(Urt. des V. 3S. vom 13. Mai 1908, V 337/07). 

1318 


— — n. 


VI. 


1. Wie iſt die Beweislaſt zu verteilen, wenn be: 
hauptet wird, dahs der Käufer die „Verſchlechterung“ 
des Kaufgegenſtandes im Sinne der G 467, 351, 347 
BGB. verſchuldet habe? f 

2. Kann eine „Verſchlechterung“ des verkauften 
Grundſtücks in dem Rüdgange eines anf ihm betriebenen 
Gewerbes gefunden werden? 

Aus den Gründen: 1. Nach den S8 467, 351 
BGB. ſchließt eine vom Käufer verſchuldete weſent— 
liche Verſchlechterung des empfangenen und gemäß dem 
8 346 zurückzugewährenden Gegenſtandes die Wande- 


lung aus, und nach den §§ 467, 347, 989 begründet 
eine jede auch nicht weſentliche Verſchlechterung dieſes 
Gegenſtandes einen Schadenserſatzanſpruch des Ver⸗ 
käufers, wenn ſie vom Käufer verſchuldet iſt. Das 
Verſchulden des Käufers 90 aber regelmäßig nicht, wie 
das OLG. angenommen hat, von demjenigen zu bes 
weiſen, der aus der Verſchlechterung den Ausſchluß 
der Wandelung oder den Schadenserſatzanſpruch Her- 
leitet. Wenn die Verſchlechterung oder die weſent⸗ 
liche Verſchlechterung feſtſteht, ift es vielmehr regel- 
mäßig Sache des Käufers, darzutun, daß ſie nicht von 
ihm verſchuldet ift. Mit der Vollziehung der Wande- 
lung erwächſt nach den Grundſätzen der SS 467, 346 bis 
348, 350 bis 354 die Verpflichtung des Käufers und 
des Verkäufers, den Zuſtand herzuſtellen, der beſtehen 
würde, wenn der Kaufvertrag nicht geſchloſſen wäre, 
demnach insbeſondere einander die empfangenen Lei— 
ſtungen zurückzugewähren. Und zwar iſt das Verhältnis 
ſo zu beurteilen, als wenn ſich die Parteien hierzu 
ſchon durch den Kaufvertrag für den Fall der Wande⸗ 
lung verpflichtet hätten. Jedenfalls handelt es ſich 
bei dieſer auf beiden Seiten beſtehenden Verpflichtung 
zur Rückgewähr um ein Schuldverhältnis, für das die 
Beweisregel des $ 282 BGB. gilt. Dieſe aber weiſt 
dem zur Rückgewähr Verpflichteten nicht nur im Falle 
des Unterganges oder der anderweitigen Unmöglich— 
keit der Herausgabe des empfangenen Gegenſtandes, 
ſondern auch im Falle ſeiner Verſchlechterung die Be— 
weislaſt zu, da die Verſchlechterung die Unmöglichkeit 
begründet, den Gegenſtand in dem vorher bezeichneten 
Zuſtande zurückzugewähren. Dieſe Verteilung der Be— 
weislaſt wird überdies allein dem praktiſchen Bedürfnis 
gerecht; denn über den Grund der Verſchlechterung 
wird regelmäßig nur der zur Rückgewähr Verpflichtete, 
nicht aber der andere Teil unterrichtet fein. Ein Ber- 
ſchulden des Beklagten an der Verſchlechterung wird 
dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß ſie erſt eingetreten 
iſt, nachdem er mit ſeinem Wandelungsverlangen her— 
vorgetreten war, und daß dies Verlangen gerecht— 
fertigt iſt. Die durch den Empfang des Gegenſtandes 
mit bezug auf die Rückgewährpflicht begründete Ver⸗ 
antwortlichkeit dauert bei der Wandelung bis zu deren 
Vollziehung gemäß dem § 465, und diefe Vollziehung 
und nicht ſchon das einſeitige Verlangen der Wande— 
lung tritt an die Stelle der Rücktrittserklärung des 
Rücktrittsberechtigten insbeſondere auch als dasjenige 
Ereignis, bis zu deſſen Eintritt ein Verſchulden der 
im § 351 bezeichneten Art den Ausſchluß des Wande- 
lungsrechts zur Folge hat. 

2. Den Rückgang der auf dem Kaufgrundſtücke 
betriebenen Fleiſcherei hat das OLG. deshalb als zur 
Begründung des Ausſchluſſes der Wandelung oder 
eines Schadenserſatzanſpruches ungeeignet bezeichnet, 
weil die Fleiſcherei nicht Beſtandteil oder Eigenſchaft 
des Kaufgrundſtücks und ihr Rückgang nicht eine Ver— 
ſchlechterung des Kaufgegenſtandes fei. Die Angriffe 
der Reviſion dagegen ſind nicht begründet. Unter dem 
empfangenen Gegenſtande“ ift in den 88 347 und 351 
der auf Grund des Vertrages empfangene Gegenſtand 
verſtanden. Auf Grund des Kaufvertrages kann aber 
der Beklagte nur etwas empfangen haben, was nach 
dieſem Vertrage Kaufgegenſtand iſt. Nach dem klaren 
Wortlaut des Vertrages ift das nur das Grundſtück 
und das „vorhandene zum Betriebe der Fleiſcherei 
gehörige Inventar“. Allerdings hat nicht nur die 
Ehefrau des Klägers, ſondern auch der Polizeikanzliſt 
K. bekundet, daß der Beklagte das Haus nicht als Miet-, 
ſondern als Geſchäftshaus erworben habe, um die dort 
ſeit 32 Jahren betriebene Fleiſcherei mit der alten 
Kundſchaft weiter zu betreiben, daß er vierzehn Tage 
vor der Uebernahme im Geſchäfte tätig geweſen ſei, 
um die Kunden kennen zu lernen, und daß bei den 
Kaufverhandlungen über das Geſchäft und die Kunden 
geſprochen worden ſei. Allein daraus läßt ſich nicht 
entnehmen, daß nicht nur das Grundſtück nebſt Fleiſcherei— 


—— . nn ͤ&äꝓV— 
—— .. 8—3—— — N— 


311 


inventar, ſondern auch das vom Kläger mit Erfolg 
betriebene Fleiſchereigeſchäft mit Kundſchaft Kauf- 
gegenſtand hat ſein ſollen, und zwar auch dann nicht, 
wenn daraus zu ſchließen wäre, daß die Kundſchaft 
auf die Bemeſſung des Preiſes von Einfluß geweſen 
iſt. Das würde den bekundeten Tatſachen nur die 
Eigenſchaft eines außerhalb des Vertrages liegenden 
Beweggrundes verleihen; während die Annahme, das 
Fleiſchereigeſchäft mit Kundſchaft ſei ebenfalls Kauf⸗ 
gegenſtand, die Feſtſtellung fordert, daß ſeine Ueber— 
tragung mit Gegenſtand der Verpflichtung des Klägers 
und daß der vereinbarte Preis zugleich ein Entgelt, 
eine Gegenleiſtung für dieſe Leiſtung des Klägers hat 
ſein ſollen, eine Feſtſtellung, der ſchon der Wortlaut 
des Vertrages widerſpricht. Ebenſowenig begründen 
jene Tatſachen die vom OLG. abgelehnte Auffaſſung 
des Fleiſchereigeſchäfts oder der damit verbundenen 
Kundſchaft als eines Beſtandteils oder einer Eigen— 
ſchaft des Kaufgrundſtücks. Nach der bedenkenfreien 
Feſtſtellung des OLG. enthält das Grundſtück keine 
für den Fleiſchereibetrieb beſonders eingerichteten 
Räumlichkeiten oder Anlagen. Es fehlt in dem Partei- 
vorbringen ferner an jedem Anhalt dafür, das die 
Lage des Grundſtücks es zu dieſem Gewerbebetriebe 
beſonders geeignet machte. Jedenfalls wird der vom 
Kläger behauptete Rückgang des Fleiſchereibetriebes 
von ihm ſelbſt nicht auf eine Verſchlechterung der Lage, 
Räumlichkeiten oder Anlagen des Grundſtücks zurück— 
geführt. Im übrigen aber iſt die mit dem Fleiſcherei— 
geſchäft verbundene Kundſchaft und der in ſeinem 
Betriebe erzielte größere oder geringere Umſatz und 
Gewinn ebenſo, wie die Tatſache dieſes Gewerbe— 
betriebes ſelbſt, vom Grundſtücke und deſſen Beſitz 
ganz unabhängig und nur auf die Perſon und die 
perſönlichen und geſchäftlichen Eigenſchaften ſeines je— 
weiligen Beſitzers zurückzuführen, was deshalb auch 
keinen Einfluß auf die Bewertung des Hauſes üben 
kann. (Urt. des V. ZS. vom 3. Juni 1908, V 597/07). 

1339 


— — — N. 


VII. 


Der Schadenserſatzanſpruch der Ehefrau nach § 844 
BGB. iſt nicht deswegen ausgeſchloſſen, weil ſie zur 
Zeit der Tötung des Mannes von ihm getrennt in ehe: 
brecheriſchem Verkehre lebte. Aus den Gründen: 
Das OLG. hat den Beweisantrag des Beklagten, die 
Klägerin habe fünf Jahre von ihrem Manne ge— 
trennt gelebt, ſei mit andern Mannsperſonen im Lande 
herumgezogen und habe mit ihnen Ehebruch getrieben, 
als unerheblich abgelehnt. Die Reviſion erblickt darin 
eine Verletzung des § 844 BGB., der nicht Erſatz für 
einen abſtrakten Schaden, ſondern nur für das ge— 
währe, was dem Unterhaltsberechtigten durch die 
Tötung tatſächlich entgehe. Habe Z. der Klägerin 
ſeit Jahren keinen Unterhalt gereicht und wegen ihres 
unſittlichen Lebenswandels, der ihn zur Scheidungs— 
klage berechtigt hätte, keinen Unterhalt zu reichen 
brauchen, ſo ſei der Klägerin durch ſeinen Tod auch 
kein Schaden entſtanden. Der Angriff konnte keinen 
Erfolg haben. Der Unterhaltsberechtigte hat nach 
8 844 einen Anſpruch auf Schadenserſatz, wenn ihm 
infolge der Tötung das Recht auf Unterhalt 
entzogen wurde, inſoweit als der Getötete zur Ge— 
währung des Unterhalts verpflichtet geweſen ſein 
würde. Gemäß § 1360 Abſ. 1 BGB. hat der Mann 
der Frau nach Maßgabe ſeiner Lebensſtellung, ſeines 
Vermögens und ſeiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu 
gewähren. Das OLG. nimmt an, daß der Getötete 
ein geſunder, kräftiger Mann war, der im Tag 3—6 M 
verdiente und recht wohl in der Lage war, ſeiner 
Unterhaltspflicht zu genügen. Damit iſt feſtgeſtellt, 
daß der Klägerin, wenn ſie ihr geſetzliches Recht auf 
Unterhalt nicht verloren hat, durch den Tod ihres 
Ehemannes ein Schaden entſtanden iſt. Dieſes Recht 
erloſch aber weder deshalb, weil ſie von ihrem Ehe— 


312 


mann getrennt lebte, noch weil fie angeblich ein ehe- 
brecheriſches Leben führte. Der letztere Umſtand hätte 
die Klägerin nach 88 1611 Abſ. 2, 2335 BGB. nur auf 
das Recht beſchränkt, den notdürftigen Unterhalt 
zu verlangen. Die Erörterung, ob dieſe Vorausſetzung 
für eine Kürzung des Schadenserſatzes zutrifft, durfte 
das Berufungsgericht dem Verfahren über den Betrag 
des Klageanſpruchs überlaſſen. Der Beklagte hat 
darüber, welche Stellung der Getötete gegenüber dem 
behaupteten Verhalten der Klägerin eingenommen hat, 
keinen Beweis angetreten und abgeſehen von dem von 
der Klägerin beſtrittenen, nicht mit Beweis vertretenen 
Vorbringen, er habe ihr in der Zeit des Getrennt- 
lebens keinen Unterhalt gereicht, nicht einmal irgend 
welche Anführungen gemacht. Es braucht daher nicht 
geprüft zu werden, ob und welchen Einfluß dieſe 
Stellung des Ehemanns unter Umſtänden auf den 
Schadenserſatzanſpruch der Klägerin gehabt haben 
könnte. (Urt. des VI. 3S. vom 22. Juni 1908, VI 
70 / 08). — — = n. 
1332 
VIII. 


Umfang der Haftung des Hauseigentümers für Un: 
fälle in einem Stallgebäude. Der Kläger iſt auf dem 
Grundſtück des Beklagten beim Betreten des Stalles 
in eine hinter der Stalltüre in den Boden eingelaſſene 
Jauchentonne gefallen, deren loſer Deckel ſich ver— 
ſchoben hatte und hat ſich verletzt. Er verlangt 
Schadenserſatz. Das LG. hat den Klageanſpruch dem 
Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das OLG. hat 
die Klage abgewieſen. Die Reviſion blieb erfolglos. 

Aus den Gründen: Das OLG. hat die Klage 
nur um deswillen abgewieſen, weil der Beklagte keinen 
Verkehr in dem vermieteten Stall eröffnet habe. Es 
iſt zuzugeben, daß dieſer Grund die Entſcheidung nicht 
trägt. Denn die Haftpflicht des Eigentümers für einen 
verkehrsgefährlichen Zuſtand in ſeinem Grundſtück be— 
ſchränkt ſich nicht auf den Fall, daß er einen Verkehr 
darin eröffnet hat. Sondern, ſoweit ſeine Macht über 
die Räume reicht, hat er dafür Sorge zu tragen, daß 
ſolche Zuſtände nicht geſchaffen werden, oder, wenn 
er ſie bei dem Erwerb des Grundſtücks angetroffen 
hat, nicht beſtehen bleiben, und zwar vermöge des 
allgemeinen Grundſatzes, daß jeder für die Beſchä— 
digung durch ſeine Sachen aufzukommen hat, inſoweit 
er ſie bei billiger Rückſichtnahme auf die Intereſſen 
anderer hätte verhüten müſſen. Aber dies trifft nur 
zu, wenn der Eigentümer die Gefährlichkeit einer An— 
lage in ſeinem Grundſtück erkannt hat oder bei Be— 
obachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen 
müſſen. 

Fehl geht zunächſt der Angriff der Reviſion, daß 
der Beklagte wider das Schutzgeſetz des §S 367 StGB. 
verſtoßen habe. Denn der Stall, in den nur hie und 
da der Fleiſchermeiſter oder einer ſeiner Bedienſteten 
kam, um ein Schlachttier einzubringen und fortzu— 
ſühren, das Tier zu warten und den Boden zu reinigen, 
war kein Ort, wo Menſchen zu verkehren pflegten 
(vgl. Olshauſen A. zu § 3671) d. h., den noch an: 
dere Perſonen mit einer gewiſſen Häufigkeit beſuchten 
als die wenigen, die berufsmäßig darin zu tun hatten. 
Mag nun auch die Jauchentonne eine unzweckmäßige 
und an ſich verkehrsgefährliche Einrichtung geweſen 
ſein, ſo durfte doch der Beklagte, wenn ſie ihm be— 
kannt war, angeſichts der Beſchaffenheit und ganz be— 
ſchränkten Benutzbarkeit des Stalls ohne Verſchulden 
damit rechnen, daß für ordnungsmäßige Bedeckung 
der Tonne geſorgt werde, daß nur mit der Oertlich— 
keit vertraute Perſonen den Stall betreten, die von 
der Tonne wußten und mit geringer Vorſicht ſich vor 
Schaden ſchützen konnten und daß äußerſtenfalls Orts— 
unkundige ſich nur in Begleitung des Geſchäftsinhabers 
oder eines ſeiner Leute in den fremden Stall begeben 
und dabei auf die Tonne aufmerkſam gemacht würden. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


— — — — ———— — —̃ — — — . — —̃ ——ñ a — — 


Wenn der Beklagte als Grundſtückseigentümer die 
entfernte Möglichkeit nicht bedacht hat, daß irgend 
jemand, wie der Kläger, ohne Anmeldung und Be— 
gleitung in den Stall gehen und in die gerade un— 
bedeckte Grube fallen könne, ſo kann ihm daraus nicht 
der Vorwurf gemacht werden, daß er die im Verkehr 
gebotene Ueberlegung und Achtſamkeit verſäumt habe. 
(Urt. des VI. ZS. vom 15. Juni 1908, VI 500,07). 
1329 


— — — I. 


C. Straffaden. 
I 


Zum Tatbeſtande des Mundraubs $ 370 Nr. 5 
StGB.). Verletzung des 8 266 Abſ. 2 StPO. Aaj: 
hebung des Urteils auch zugunſten der verurteilten 
Oehler nach § 397 StPO. Der Verteidiger hat nach 
dem Protokoll und dem Urteil „die Auffaſſung ver— 
treten, daß Mundraub vorliege“. Der Erſtrichter hat 
dieſen die Strafbarkeit verneinenden Umſtand (Entſch. 
des RG. Bd. 5 S. 404) nur bezüglich der vollendeten 
Reate, nicht aber in Anſehung des verſuchten Delikts 
behandelt. Angeſichts des erhobenen Einwandes konnte 
aber der Erſtrichter zu einer Verurteilung wegen ver— 
ſuchten ſchweren Diebſtahls nur dann gelangen, wenn 
er ausdrücklich feſtſtellte, daß der geltend gemachte 
Umſtand nicht vorliege, d. h. daß den Angeklagten 
nur eine den Vorausſetzungen des § 370 Nr. 5 StGB. 
entſprechende Abſicht nicht beigewohnt habe, daß ſie 
es alſo nicht auf die Entwendung von Nahrungs: 
und Genußmitteln unbedeutenden Wertes oder geringer 
Menge zum alsbaldigen Verbrauch abgeſehen hatten 
(Rſpr. des RG. Bd. 3 S. 701). Der Erſtrichter ift 
aber auch, ſoweit er den Einwand gewürdigt hat, von 
einer rechtsirrigen Anſchauung ausgegangen. Bei der 
Frage, ob eine Handlung den Tatbeſtand des Dieb— 
ſtahls (88 242 ff. StGB.) oder des Mundraubs (8 370 
Nr. 5 StGB.) verwirklicht, ift allerdings die Geſamt— 
heit des Entwendeten inſofern in Betracht zu ziehen, 
als bei der Entwendung durch mehrere Täter nicht 
der auf den einzelnen fallende Teil ausſchlaggebend 
(Entſch. des RG. Bd. 8 S. 406, Rſpr. des RG. Bd. 6 
S. 422) und als bei dem fortgeſetzten Delikt 
eine Zuſammenfaſſung des durch die einzelnen Aus— 
führungsakte Entwendeten geboten ift (Ripr. des R. 
Bd. 10 S. 333). Es ſind auch, wenn mehrere 
ſelbſtändige Handlungen vorliegen, für die 
Frage, ob die Entwendung zum alsbaldigen 
Verbrauch erfolgte, nicht die einzelnen Fälle für 
ſich, ſondern im Zuſammenhalte mit den andern gleich— 
zeitigen und gleichartigen Handlungen zu betrachten 
(Rſpr. des RG. Bd. 5 S. 545). Dagegen ift bei 
mehreren ſelbſtändigen Handlungen für die 
Frage, ob jeweils Nahrungs- oder Genußmittel von 
un bedeutendem Werte oder in geringer 
Menge entwendet worden ſind, der Wert oder die 
Menge des in jedem einzelnen Falle Weggenommenen 
maßgebend, dagegen „der geſamte Betrag der ent— 
wendeten Sachen“ belanglos. Dieſen aber hat der 
Erſtrichter als ausſchlaggebend für die Entſcheidung 
jener Frage betrachtet. Unter dieſen Umſtänden mußte 
das Urteil und zwar nach 8 397 StPO. auch in An: 
ſehung der Hehler, auf die es ſich erſtreckt, aufgehoben 
werden (Urt. des V. Sts. vom 26. Mai 1908. 5D 
335/08). 

1328 


— — — e — 


II. 


Unter welchen Umſtänden ift das Stimmenverhältnis 
nach Maßgabe des § 307 Abſ. 2 StPO. bei der Ber: 
neinung der Frage anzugeben, ob mehrere Taten durch 
eine fortgeſetzte Handlung begangen find? Die Reviſion 
findet mit Recht einen Verſtoß gegen 8 307 StPO. 
darin, daß die Geſchworenen die Frage 7 — ob die 


— — 


in den Fragen 1 und 5 bezeichneten Taten durch eine 
fortgeſetzte Handlung begangen ſeien — nach Bejahung 
jener beiden Fragen ohne Angabe eines Stimmenverhält— 
niſſes verneint haben. Nach § 307 Abſ. 2 StPO. war 
bei dieſer Verneinung die Angabe des Stimmenverhält- 
niſſes erforderlich, wenn die Verneinung eine dem An⸗ 
geklagten nachteilige Entſcheidung darſtellte. Daß dies 
unter den obwaltenden Umſtänden der Fall ift, unter- 
liegt keinem Bedenken. Allerdings läßt ſich nicht all- 
gemein die Frage beantworten, ob die Zuſammen— 
ziehung mehrerer an ſich ſelbſtändiger, den vollen 
Tatbeſtand einer ſtrafbaren Handlung enthaltenden 
Tätigkeitsakte zu der juriſtiſchen Einheit eines fort— 
geſetzten Delikts dem Angeklagten nachteilig oder günſtig 
iſt; ihre Beantwortung hängt vielmehr von der be— 
fonderen Geſtaltung des Falles ab. So kann, wenn 
die Rechtzeitigkeit des Strafantrags oder die Ber- 
jährung in Frage ſteht oder wenn zu prüfen iſt, ob 
der Gegenſtand der Straftat, z. B. beim Diebſtahl, von 
unbedeutendem Werte iſt, die Zuſammenfaſſung der 
einzelnen Tätigkeitsakte zu einem fortgeſetzten Delikte 
dem Angeklagten zum Nachteile gereichen. Regelmäßig 
wird dies aber nicht der Fall ſein, vielmehr wird ſich 
der Angeklagte meiſtens bei der Annahme eines fort— 
geſetzten Delikts beſſer ſtehen. Denn dann wird er 
eben nur wegen einer Straftat beſtraft und die Strafe 
wird der Natur der Sache nach geringer ausfallen, 
als wenn wegen mehrerer ſelbſtändiger Handlungen 
nach Maßgabe des § 74 StGB. verfahren werden 
müßte, ganz abgeſehen davon, daß bei einer Mehr— 
heit von Straftaten im Sinne der Realkonkurrenz die 
Strafgrenze nach oben bei allen Strafarten erheblich 
erweitert iſt. Wie aus den Urteilsgründen erhellt, 
kommen Ausnahmefälle, welche die Annahme eines 
fortgeſetzten Delikts als dem Angeklagten nachteilig 
erſcheinen ließen, nicht in Betracht. Das Stimmen— 
verhältnis mußte deshalb bei der Verneinung der 
Frage angegeben werden. Die Unterlaſſung führt zur 
Aufhebung des Urteils (daß dieſes auf dem Prozeß— 
verſtoße beruht, wird unter Hinweiſung auf SS 300 ff. 
StPO., RGE. Bd. 21 S. 70, Bd. 23 S. 402 näher be- 
gründet). (Urt. des V. StS. vom 12. Mai 1908, 5 D 
284/08). 
1327 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
1 


Nangänderung zwiſchen zwei Sicherungshypotheken 
desſelben Gläubigers (BGB. SS 873, 877, 880). Die 
Brauerei L. (Aktiengeſellſchaft) hat durch notariell be— 
glaubigte Erklärung ihrer Vorſtandsmitglieder be- 
ſtimmt, daß der Rang einer für ſie eingetragenen 
Sicherungshypothek von 1000 M einer demnächſt für 
le einzutragenden Sicherungshypothek von 2000 M 
zukommen ſolle, mit der dasſelbe Grundſtück belaſtet 
werden ſollte; ſie hat die Eintragung der Rangände— 
rung beantragt. Die Eigentümer des Grundſtücks 
ſtimmten durch notariell beglaubigte Erklärung zu. 
Die Hypothek zu 2000 M wurde ſodann eingetragen. 
Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung der Rang— 
aͤnderung ab. Die Beſchwerde der Aktiengeſellſchaft 
wurde zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht erachtete 
die Verfügung des Grundbuchamts für gerechtfertigt, 
weil § 880 BGB. zu der Rangänderung die Einigung 
des zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten 
erfordere und keine beſondere Vorſchrift für den Fall 
getroffen ſei, daß die Rechte demſelben Berechtigten 
zuſtehen. Auf weitere Beſchwerde wurden die Ent— 
ſcheidungen der Vorinſtanzen aufgehoben und das 
Grundbuchamt angewieſen, anderweit zu verfügen. 

Gründe: Das Kammergericht hat allerdings in 


Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


— —̃ — ——U—— . —— ——. 44 Z— mn = 


— 


feinen Beſchlüſſen vom 28. Jan. 1901 (RJ A. Bd. 2 S. 50) 
und vom 9. März 1903 (OL GRſpr. Bd. 7 S. 10) als 
ſelbſtverſtändlich angeſehen, daß bei einer Rangände— 
rung zwiſchen Rechten, die demſelben Berechtigten zu- 
ſtehen, an die Stelle der nach 8 880 Abſ. 2 BGB. ers 
forderlichen Einigung des zurücktretenden und des 
vortretenden Berechtigten die Beſtimmung des Be⸗ 
rechtigten tritt, und ein großer Teil der Schriftſteller 
ift ihm darin gefolgt (3. B. Dernburg, Sachenrecht 
8 217 I Abſ. 2; Staudinger-Kober, Komm. z. BGB. 
Bd. 3 Anm. 2a zu $ 880; Predari, GBO. Anm. 7 a 
zu § 46 GB.). Dabei beruft ſich Predari auf die 
Vorſchrift des 8 1151 BGB. über die bei der Teilung 
einer Hypothekenforderung ſtattfindende Aenderung 
des Rangverhältniſſes der Teilhypotheken unter ein— 
ander. Andere (insbeſondere Planck, Komm. z. BGB. 
3. Aufl. Bd. 3 Bem. 3a zu 8880; Maenner, Sachen⸗ 
recht 2. Aufl. Anm. 19 zu § 9; Turnau -Jörſter, 
Liegenſchaftsrecht Bd. 1 Anm. II 1 zu § 880 BGB.) 
ſind dieſer Anſicht entgegengetreten und erachten in 
ſolchem Falle eine Rangänderung nach dem $ 880 
für ausgeſchloſſen, indem ſie an dem Erforderniſſe der 
Einigung feſthalten, die nur unter verſchiedenen Per- 
ſonen möglich iſt. Es iſt nicht erforderlich, auf die 
Frage einzugehen, ob derjenige, dem die bei der Rang— 
änderung beteiligten Rechte zuſtehen, durch feine ein- 
ſeitige Beſtimmung und Eintragung in das Grund— 
buch eine Aenderung herbeiführen kann, bei der es 
ſich nicht um das Zurücktreten einer Hypothek, einer 
Grundſchuld vder einer Rentenſchuld handelt und ob 
im Falle des S 1151 BGB. das Beſtimmungsrecht des 
Gläubigers nicht als Ausfluß ſeiner Teilungsbefugnis 
anzuſehen iſt. Die von der Beſchwerdeführerin be— 
zweckte Rangänderung zwiſchen ihren Sicherungs— 
hypotheken iſt eine Aenderung des Inhalts der zurück— 
tretenden Hypothek oder der beiden Hypotheken und 
kann als ſolche nach den 88 873, 877 BGB. durch 
Einigung des Eigentümers und des Gläubigers und 
Eintragung in das Grundbuch bewirkt werden. Die 
Beſchwerdeführerin braucht nicht die in der Hypothek 
zu 1000 M enthaltene Zurückdrängungsmacht auf die 
Hypothek zu 2000 M zu übertragen, ſondern es ge— 
nügt, wenn nicht andere Rechte zwiſchen den beiden 
Hypotheken ſtehen, die unmittelbar aufeinander folgen, 
den Inhalt der Hypothek zu 1000 M dahin zu ändern, 
daß ſie das Recht auf Befriedigung aus dem Grund— 
ſtück nur unbeſchadet des in der Hypothek zu 2000 M 
enthaltenen Befriedigungsrechts gewährt. Sollten 
andere Rechte inmitte ſtehen, ſo könnte mit dieſer 
Aenderung des Inhalts der Hypothek zu 1000 M die 
Aenderung des Inhalts der Hypothek zu 2000 M da- 
hin verbunden werden, daß ſie das Recht auf Be— 
friedigung aus dem Grundſtück inſoweit gewährt, als 
die Befriedigung unbeſchadet der Rechte der anderen 
Beteiligten geſchehen kann. Eine ſolche Aenderung 
des Inhalts der Hypotheken ift durch den 8 880 nicht 
ausgeſchloſſen; der § 880 trifft Beſtimmung über die 
unmittelbare Aenderung des Rangverhältniſſes, die 
er als eine Angelegenheit der Inhaber der beteiligten 
Rechte behandelt: die Aenderung des Inhalts der 
Hypotheken durch Zuſammenwirken des Eigentümers 
und des Gläubigers führt mittelbar zu dem nämlichen 
Ergebniſſe. Die nach den SS 873, 877 erforderliche 
Einigung kann unbedenklich in der Zuſtimmung der 
Eigentümer des belaſteten Grundſtücks zu der von der 
Gläubigerin getroffenen Beſtimmung gefunden werden. 
(Beſchl. des I. 35. vom 19. Juni 1908, Reg. III 55/1908). 
1344 W. 
II. 

Gegen den mit feiner Frau im Güterſtande des BGB. 
lebenden Maun kann der Notar dem Hypothekgläubiger die 
Vollſtreckungsklauſel auf Duldung der Zwangsvollſtreckung 
in das Anweſen aus der vor Anlegung des Grundbuchs 
aufgenommenen Hypothekurkunde nicht erteilen, wenn nicht 
die Erklärung des Mannes vorliegt, daß er die Zwangs⸗ 


314 


vollſtreckung bewillige (Not®. v. 1899 Art. 45; ZPO. 
8 739, § 794 Abſ. 2; AG. z. BGB. Art. 166 Abſ. 2; AG. 
3. ZPO. u. KO. Art. 128, 136; UeG. Art. 24). Laut no⸗ 
tarieller Urkunde vom 15. Juni 1900 erklärte Nikolaus 
B. in P., daß er „gegenüber der H.- und W.⸗Bank in M. 
Darlehensſchuldner von 11000 M geworden fei“. Er 
verpflichtete ſich, das Darlehen mit 4% zu verzinſen 
und das Kapital durch Leiſtung von Annuitäten zurück- 
zuzahlen. Zur Sicherung der Darlehensforderung und 
einer Nebenkaution beſtellte er eine Hypothek an ſeinem 
Anweſen in P.; die Hypothek wurde am 16. Juni 1900 
im Hypothekenbuche eingetragen. Am 20. Juni erteilte 
der Notar der Gläubigerin eine Ausfertigung der Ur— 
kunde „zum Zwecke der Zwangsvollſtreckung, und zwar 
hinſichtlich der jeweils fälligen Zinſen und Annuitäten“. 
Laut notarieller Urkunde vom 22. Januar 1907 ver⸗ 
kaufte Nikolaus B. das verpfändete Anweſen an Frau 
Albertine M. Die Käuferin übernahm die Hypotheken— 
ſchulden, insbeſondere auch die Schuld an die H.- und 
W.⸗Bank und zwar dieſe „zur dinglichen und perſön— 
lichen Haftung“. In der Urkunde iſt feſtgeſtellt, daß 
-nach Angabe der Beteiligten die M.fchen Ehegatten 
im geſetzlichen Güterſtande des BGB. leben“. Die 
Beſtimmung in Nr. XI des Vertrags lautet: „Herr 
Charles M. ſtimmt dem Vertragsſchluſſe ſeiner Frau 
zu“. Im Dezember 1907 ſtellte die Gläubigerin an 
das Notariat St. den Antrag, ihr zu der von ihm 
aufgenommenen Urkunde vom 15. Juni 1900 die Voll- 
ſtreckungsklauſel zu erteilen in der Richtung gegen 
Albertine M. und deren Mann, und zwar gegen dieſen 
auf Duldung der Zwangsvollſtreckung. Das Notariat 
entſprach dem Antrage nur ſoweit, daß es die Aus— 
fertigung der Urkunde der Gläubigerin erteilte „in 
der Richtung gegen die im geſetzlichen Güterſtande der 
Verwaltung und Nutznießung nach dem BGB. lebende 
Albertine M. in M. als grundbuchmäßige Beſitznach— 
folgerin des Nikolaus B. in P. zum Zwecke der Zwangs— 
vollſtreckung“. Die Erteilung der Vollſtreckungsklauſel 
in der Richtung gegen den Mann auf Duldung der 
Zwangsvollſtreckung lehnte es ab wegen des Mangels 
„des Nachweiſes, daß der Ehemann hinſichtlich der 
Forderung der Bank die ſofortige Zwangsvollſtreckung 
in das Frauengut bewilligt hat“. Der Antrag der 
Gläubigerin an das LG., die Weigerung des Notars 
für ungerechtfertigt zu erklären, wurde zurückgewieſen. 
Die Beſchwerde wurde verworfen. 

Gründe: Nach § 706 der ZPO. vom 30. Januar 
1877 konnte die Landengeſetzgebung auf Grund anderer 
als der in den SS 644, 702 bezeichneten Schuldtitel 
die gerichtliche Swangsvorlftredtung zulaſſen und in— 
ſoweit von den Beſtimmungen der BPO. abweichende 
Vorſchriften treffen. Dieſe Beſtimmung ſollte auch auf 
Hypothekenurkunden Anwendung finden. Auf Grund 
dieſes Vorbehalts hat das AG. z. RPO. u. KO. vom 
23. Februar 1879 in Art. 127 — 138 Vorſchriften über 
die Vollſtreckbarkeit von Hypothekenurkunden getroffen. 
Als Hypothekenurkunden, aus denen die Zwangsvoll— 
ſtreckung ſtattfindet, gelten darnach, abgeſehen von den 
in der Zeit vor dem 1. Juli 1862 errichteten Hypo⸗ 
thekenbriefen, nur ſolche Notariatsurkunden, in denen 
die Hypothek vertragsmäßig für einen Anſpruch be⸗ 
ſtellt iſt, der die Zahlung einer beſtimmten Geldſumme 
zum Gegenſtande hat und durch die Urkunde feſtgeſtellt 
iſt, und die die Beſtätigung des Hypothekenamts über 
die Eintragung der Hypothek enthalten. Dieſe Vor— 
ſchriften bezweckten eine Erleichterung der Zwangs— 
ung aus ſolchen Urkunden den Vorſchriften 
der ZPO. gegenüber; fie bildeten eine Neuerung im 
Verhältniſſe zu den bisherigen landesrechtlichen Vor— 
ſchriften über die Zwangsvollſtreckung (ZPO. von 1877 
SS 665, 666, 702 Nr. 5). Auf Grund des Vorbehalts 
im Artikel VIII des EG. vom 17. Mai 1898 zu dem 
Geſetze, betr. Aenderungen der ZPO., beſtimmt Art. 166 
Abſ. 2 AG. z. BGB., daß die Art. 127 — 134, 136 
AG. z. ZPO. u. KO. vom 23. Februar 1879 in An⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


ſehung der Hypotheken in Kraft bleiben, welche zu der 
Zeit beſtehen, zu der das Grundbuch als angelegt an⸗ 
zuſehen iſt. Das Geſetz, betr. Aenderungen der ZPO., 
und das AG. z. BGB. traten gleichzeitig in Kraft. 
Eine das Zwangsvollſtreckungsverfahren teilweiſe än- 
dernde Vorſchrift enthält der § 739 der am 20. Mai 
1898 bekannt gemachten Faſſung der ZPO.; darnach 
iſt bei dem Güterſtande der Verwaltung und Nutz⸗ 
nießung die Zwangsvollſtreckung in das eingebrachte 
Gut der Ehefrau nur zuläſſig, wenn die Ehefrau zur 
Leiſtung und der Ehemann zur Duldung der Zwangs⸗ 
vollſtreckung in das eingebrachte Gut verurteilt iſt. 
Ergänzt wird diefe Vorſchrift durch die des 8 794 
Abſ. 2; ſoweit zur Zwangsvollſtreckung aus einer Ur: 
kunde der im Abſ. 1 Nr. 5 bezeichneten Art nach § 739 
die Verurteilung des Ehemanns zur Duldung der 
Zwangsvollſtreckung erforderlich iſt, wird ſie dadurch 
erſetzt, daß der Mann in einer nach Abſ. 1 Nr. 5 des 
8 794 aufgenommenen Urkunde die ſofortige Zwangs⸗ 
vollſtreckung in die feinem Rechte unterworfenen Gegen- 
ſtände bewilligt. Da an den Vorſchriften der Art. 127 ff. 
AG. vom 23. Februar 1879, ſoweit ſie durch den 
Art. 166 Abſ. 2 AG. z. BGB. aufrecht erhalten find, 
nichts geändert wurde, find Zweifel darüber ent- 
ſtanden, ob dem durch die Aenderungen der ZPO. 
aufgeſtellten weiteren Erforderniſſe für die Zwangs- 
vollſtreckung gegen eine Ehefrau, die in einem der im 
S 739 bezeichneten Güterſtande lebt, ſofern die Hwangs- 
vollſtreckung in das eingebrachte Gut erfolgen ſoll, 
auch in den Fällen der Zwangsvollſtreckung aus den 
„Hypothekenurkunden“ genügt ſein muß. Dieſe Zweifel 
ſind im Hinblick auf den Zweck, den die Vorſchriften 
der Art. 127 ff. AG. z. ZPO. u. KO. verfolgten, und 
darauf nicht unbegründet, daß nach den landes— 
rechtlichen Vorſchriften, die bis dahin galten, weder 
eine prozeßgerichtliche Entſcheidung erforderlich war, 
daß der Mann die Zwangsvollſtreckung in das ein: 
gebrachte Gut der Frau zu dulden hat, noch feine aus- 
drückliche Bewilligung der ſofortigen Zwangsvoll— 
ſtreckung in die ſeinem Verwaltungs- und Nutznießungs⸗ 
recht unterworfenen Gegenſtände. Die Frage, ob in 
einem ſolchen Falle der Betreibung der Zwangsvoll⸗ 
ſtreckung durch den Gläubiger der Frau jetzt der § 739 
und der § 794 Abſ. 2 ZPO. formell hindernd im 
Wege ſtehen, ſofern der Zugriff auf eingebrachtes Gut 
der Frau erfolgt, ohne daß der ſogenannte Duldungs— 
oder Bewilligungstitel vorliegt, hat verſchiedene Be— 
antwortung erfahren (BayziR. Bd. 3 ©. 12, 90, 106). 
Für die Bejahung ſpricht der Umſtand, daß nach der 
ausdrücklichen Vorſchrift des Art. 136 AG. z. ZPO. 
u. KO. „im übrigen“, d. h. ſoweit nicht in den vorher: 
gehenden Artikeln beſondere Vorſchriften enthalten 
find, auf die Zwangsvollſtreckung aus Hypotheken⸗ 
urkunden die Beſtimmungen der ZPO. entſprechende 
Anwendung finden. Hinſichtlich des Güterſtandes der 
Ehen, die am 1. Januar 1900 beſtanden, iſt im Art. 24 
UeG. beſtimmt, daß, ſoweit nach dieſem Geſetze für den 
Güterſtand die Vorſchriften des BGB. maßgebend ſind, 
auch die für den Güterſtand geltenden Vorſchriften 
der ZPO. Anwendung finden. In der Begründung 
dieſer Vorſchrift (Beil. X zu den Verhandl. des Juſtiz⸗ 
geſetzgebungs-Ausſchuſſes der K. d. Abg. 1898/99, Beil.⸗ 
Bd. XX Abt. I S. 640) ſind als dabei in Betracht 
kommende Vorſchriften der ZPO. ausdrücklich die Bor- 
ſchriften über die Zwangsvollſtreckung erwähnt. In 
dem vorliegenden Falle ſteht zwar nicht feſt, daß der 
Güterſtand der Verwaltung und Nutznießung für die 
Ehegatten M. erſt nach dem Inkrafttreten des BGB. 
eingetreten iſt; dies iſt aber belanglos, weil die recht— 
liche Grundlage für die Entſcheidung die gleiche iſt, 
mag der geſetzliche Güterſtand des BGB. vom Beginne 
der Ehe an beſtanden haben oder an die Stelle des 
Güterſtandes des Bayès R. oder des gemeinen Dotal— 
rechts getreten fein (Art. 83 Abſ. 1, Art. 90 Abſ. 1 UeG.). 
Von dieſem Standpunkte war demnach die Weigerung 


des Notars, eine vollſtreckbare Ausfertigung der Ur- 
kunde vom 15. Juni 1900 in der Richtung gegen den 
Mann der Schuldnerin zu erteilen oder die Boll: 
ſtreckungsklauſel auf die Duldungspflicht des Mannes 
auszudehnen, auch im Hinblick auf Art. 45 Not®. ge⸗ 
rechtfertigt. Gerade der $ 750 der ZPO. fegt voraus, 
daß die Vollſtreckungsklauſel nach Maßgabe der ein⸗ 
ſchlägigen Vorſchriften der Urkunde beigefügt ift (ZPO. 
Ss 794, 795). Nimmt man aber an, daß das Voll⸗ 
ſtreckungsgericht befugt ift, trotz der erwähnten Aen⸗ 
derungen der ZPO. bei Anträgen auf Zwangsvoll— 
ſtreckung aus Hypothekenurkunden nach den Vorſchriften 
zu verfahren, die bis dahin galten, alſo in den Fällen, 
in denen es ſich wie hier um eine Schuld der Frau 
handelt, zu deren Begründung der Mann ſeine Zu— 
ſtimmung erteilt hat, die beantragte Vollſtreckungs— 
mußregel, die Zwangsverſteigerung oder Zwangsver— 
waltung, in Anſehung der mit der Hypothek belaſteten 
Grundſtücke anzuordnen und es dem Manne zu über⸗ 
laſſen, gegen die Zwangsvollſtreckung Widerſpruch zu 
erheben (8 771 ZPO.; 8690 ZPO. von 1877), fo ift 
die Weigerung des Notars ebenfalls gerechtfertigt, 
weil in dieſem Falle die Erteilung einer vollſtreckbaren 
Ausfertigung der Urkunde in der Richtung gegen eine 
andere Perſon als die Rechts- und Beſitznachfolgerin 
des Hypothekenſchuldners nicht notwendig, ja über⸗ 
haupt nicht zuläſſig war. Geht man nämlich davon 
aus, daß der § 794 Abſ. 2 ZPO. auf die Zwangs⸗ 
vollſtreckung aus Hypothekenurkunden nicht anzuwenden 
iſt, ſo kann nur der Art. 128 AG. z. ZPO. u. KO. an⸗ 
gewendet werden. „Dritter Beſitzer der Sache“ im 
Sinne dieſes Artikels konnte aber nur die Frau als 
Käuferin der mit der Hypothek belaſteten Grundſtücke, 
nicht deren Mann ſein. Zwar iſt der Mann berechtigt, 
die zum eingebrachten Gute der Frau gehörenden 
Sachen in Beſitz zu nehmen (BGB. § 1373); dieſer 
Beſitz beruht aber nicht auf einem rechtsgeſchäftlichen 
Erwerbe, wie im Art. 128 vorausgeſetzt iſt (ſ. auch 
Art. 129 AG. z. ZPO. u. KO. und $ 53 HypG.). Bei 
dieſer Sachlage braucht nicht erörtert zu werden, ob 
wegen der Weigerung des Notariats die Beſchwerde— 
führerin genötigt ſein würde, gegen den Mann ihrer 
Hypothekenſchuldnerin Klage auf Duldung der Zwangs— 
vollſtreckung zu erheben (Bayobe G3. Bd. 1 S. 477), 
ferner ob es nicht zuläſſig geweſen wäre, daß der 
Mann, der dem von feiner Frau geſchloſſenen Vertrage 
vorbehaltslos zugeſtimmt hatte, die Bewilligung der 
jofortigen Zwangsvollſtreckung in die verpfändeten 
Grundſtücke auch in Anſehung der von der Frau über— 
nommenen Hypothekenſchulden erklärte, oder ob ſich 
ein Hypothekengläubiger für den Fall der Veräußerung 
der mit der Hypothek belaſteten Sache an eine Ehe— 
frau im voraus durch eine beſondere Vereinbarung 
mit dem Schuldner gegen die möglichen Folgen des 
Mangels des ſogenannten Duldungstitels ſchützen kann. 
(Beſchluß des II. 35. vom 3. Februar 1908, Reg. VI, 
4/1908). W. 
1257 


III. 

Unter dem Eigentümer, deſſen Zuſtimmung nach 
§ 22 Abſ. 2 GYO. zur Berichtigung des Grundbuchs 
erforderlich iſt, iſt nicht der eingetragene Eigentümer 
zu verſtehen, ſondern wer als Eigentümer eingetragen 
werden ſoll. Notwendigkeit der Zuſtimmung des ein: 
getragenen Eigentümers trotz § 22 Abſ. 1 GBO. Die 

ckererseheleute Peter und Barbara L. haben am 
17. Februar 1846 an den Bäcker Johann W. und feine 
Frau Katharina einen Teil der Plan-Nr. 81 verkauft, 
der in der Folge mit der Plan-Nr. 81 bezeichnet 
wurde, und ihnen das Miteigentum an dem in ihrem 
Hofe befindlichen Brunnen mit dem Rechte des Durch— 
ganges zum Brunnen eingeräumt. Die Eheleute W. 
vertauſchten am 20. November 1850 das erworbene 
Anweſen an den Handelsmann Iſaak B. Iſaak B. 
iit geſtorben und hat fünf Kinder hinterlaſſen. Auf 


| 


Grund Erbvertrags hatte auch feine Witwe einen Erb⸗ 
teil zu beanſpruchen. Sie hat ihren Erbteil auf die 
Söhne Simon und Moriz B. übertragen; Moriz B. 
hat dann das zum Nachlaſſe gehörende Anweſen durch 
Vertrag mit den Geſchwiſtern erworben und es an 
ſeinen Bruder Simon veräußert. Simon B. hat das 
Anweſen am 16. Dezember 1902 an die Kaufmanns⸗ 
eheleute Karl und Roſa H. in N. verkauft. Der Kauf— 
vertrag wurde durch einen Nachtrag vom 24. Oktober 
1906 dahin berichtigt, daß „zu dem verkauften An⸗ 
weſen als Zubehör der Anteil an dem im Hofe des 
Peter L. in N. befindlichen Brunnen ſamt dem Durch— 
gangsrechte durch den Hof des Peter L. gehört“. In 
der notariellen Urkunde über den Tauſchvertrag vom 
20. November 1850 iſt der Anteil am Brunnen und 
das Durchgangsrecht ausdrücklich erwähnt, die Ur⸗ 
kunden über die ſpäteren Verträge führen ſie bei der 
Beſchreibung des Anweſens nicht an. Bei der An⸗ 
legung des Grundbuchs wurden Peter L. I als Eigen: 
tümer des den Brunnen enthaltenden Anweſens 
Plan⸗Nr. 81 und die Eheleute H. als Eigentümer des 
Anweſens Plan-Nr. 81'/s eingetragen. Das Miteigen— 
tum am Brunnen und das Durchgangsrecht wurden 
nicht eingetragen. Auf Grund der Urkunde über die 
die Kaufvertragsurkunde vom 16. Dezember 1902 be⸗ 
richtigende Vereinbarung vom 24. Oktober 1906 hat 
die Meſſungsbehörde von Plan-Nr. 81 eine Fläche 
von 3 qm weggemeſſen und als Plan-Nr. 81 / “ zu 
0,0001 ha gemeinſchaftlicher Brunnen, Hälfteanteil an 
der ganzen Fläche von 3 qu, einerſeits dem Peter L. I 
und anderſeits den Eheleuten H. zugeſchrieben. Um 
das Grundbuch zu berichtigen, haben die fünf Kinder 
des Iſaak B. und die Eheleute H. in einer notariellen 
Urkunde beantragt, die Teilung der Plan-Nr. 81 in 
Plan-Nr. 81 und 81 einzutragen, ferner bei der 
neuen Plan-Nr. 81 Peter L. als Eigentümer und die 
Belaſtung mit der dem jeweiligen Eigentümer von 
Plan⸗Nr. 81½ zuſtehenden Grunddienſtbarkeit des 
Durchganges zum Brunnen und als Miteigentümer 
von Plan-Nr. 81½ die fünf Kinder des Iſaak B. und 
Peter L. J einzutragen. Zugleich erklärten ſie ſich da— 
hin einig, daß das Miteigentum zur Hälfte an Plan— 
Nr. 81¼ù von den B.'ſchen Kindern auf die Eheleute 
H. je zur Hälfte übergehe und bewilligten und be— 
antragten die Eintragung der Eigentumsänderung. 
Das Grundbuchamt wies alle Anträge zurück. Auf 
Beſchwerde der B.'ſchen Kinder und der Eheleute 9. 
ordnete das Landgericht die Eintragung der Teilung 
des Grundſtücks Plan-Nr. 81 in Plan-Nr. 81 und 
Plan-⸗Nr. 81 ¼ und des an der neuen Plan-Nr. 81 dem 
jeweiligen Eigentümer von Plan-Nr. 8118 zuſtehenden 
Durchgangsrechts an, dagegen wies es die Beſchwerde 
im übrigen zurück. Auf weitere Beſchwerde wurde der 
abweiſende Teil der Entſcheidung des Landgerichts 
aufgehoben und die Sache zurückverwieſen. 
Gründe: Das LG. hat mit Unrecht die Zu— 
ſtimmung des Peter L. J zu der Eintragung des Mit— 
eigentumsverhältniſſes an dem Brunnengrundſtücke 
Plan⸗Nr. 8115 auf Grund des § 22 Abſ. 2 GBO. für 
erforderlich erachtet. Die Vorſchrift will mit Rückſicht 
darauf, daß mit dem Eigentum an Grundſtücken 
öffentlichrechtliche Verpflichtungen verſchiedener Art 
verbunden ſind, verhüten, daß im Wege der Berich— 
tigung des Grundbuchs nach dem Abſ. 1 des 5 22 jez 
mand ohne ſeine Zuſtimmung als Eigentümer eines 
Grundſtücks in das Grundbuch eingetragen wird, ſie 
trifft aber nicht den Fall einer Berichtigung des In— 
halts, daß dem als Alleineigentümer Eingetragenen 
nur das Miteigentum zur Hälfte zuſteht. Die Be— 
richtigung enthält nicht die vollſtändige Löſchung des 
Rechtes des als Eigentümer eingetragenen und eine 
neue Eintragung als Miteigentümer, ſondern die Be— 
ſchränkung ſeines eingetragenen Rechtes auf einen An— 
teil. Die Zuſtimmung des Peter L. 1 würde allerdings 
nach $ 19 GBO. erforderlich fein, wenn deſſen Ein- 


316 


tragung als Alleineigentümer unter Verletzung geſetz⸗ 
licher Vorſchriften erfolgt, insbeſondere der Vertrag 
vom 17. Februar 1846 dem Amtsgerichte bei der An⸗ 
legung des Grundbuchs bekannt geweſen ſein ſollte. 
Das Grundbuchamt würde nach § 54 Abſ. 1 GBO. 
auch bei dem Nachweiſe der Unrichtigkeit der Ein⸗ 
tragung nicht befugt ſein, ſie zu ändern, und eine 
Beſchwerde gegen die Ablehnung der Aenderung würde 
nach § 71 Abſ. 2 GBO. ebenſo unzuläſſig fein wie die 
unmittelbare Anfechtung der unrichtigen Eintragung; 
es könnte nur die Eintragung eines Widerſpruchs be- 
antragt werden. War dagegen die Eintragung des 
Peter L. J als Alleineigentümers nach den Umſtänden, 
die dem Amtsgericht vorlagen, gerechtfertigt, ſo bedarf 
es nach § 22 Abſ. 1 GBO. feiner Zuſtimmung nicht, 
die Beibringung ſeiner Zuſtimmung kann jedoch ver⸗ 
langt werden, wenn Grund zu einem Bedenken beſteht, 
ob die vehauptete wirkliche Rechtslage in völlig ver- 
läſſiger Weiſe nachgewieſen, ob nicht etwa der durch 
den Vertrag vom 17. Februar 1846 veräußerte Anteil 
an dem Brunnengrundſtück in der Zwiſchenzeit zwiſchen 
dem Vertrage vom 20. November 1850 und der An⸗ 
legung des Grundbuchs von dem Eigentümer des An- 
weſens Plan⸗Nr. 81 zurückerworben worden ift. (Be⸗ 
ſchluß des I. ZS. vom 22. Mai 1908, Reg. III 47/1908). 
1322 W. 


IV. 


Kann eine beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit mit 
dem Inhalte beſtellt werden, daß der Eigentümer einer 
Mühle, der das Waſſer eines im Eigentum eines Dritten 
ſtehenden Privatflußes 1 darf, ſich einem anderen 
gegenüber verpflichtet, die Wegleitung des größeren Teiles 
des Waſſers zu dulden? (BGB. § 1090). Die C.⸗Geſell⸗ 
ſchaft m. b. H. in B. will behufs Anlage eines Kraft- 
werkes das Waſſer der A. in einen Werkkanal ableiten, 
ſo daß in der A. nur noch drei Sekunden-Kubikmeter 
Waſſer verbleiben werden. Die Ausführung des Unter— 
nehmens wird den Waſſerbezug der an einem Neben— 
arme der A. liegenden Mühle Haus-Nr. 35 beein- 
trächtigen. Der in der Steuergemeinde F. liegende 
Teil der A. ift als Plan-Nr. 2046 im Grundbuche 
des Amtsgerichts B. als ein dem Staate gehörender 
Privatfluß eingetragen, der die Plan-Nr. 2013 führende 
Nebenarm iſt nicht eingetragen. Ein mit der Mühle 
verbundenes Waſſerbenutzungsrecht iſt nicht eingetragen. 
Am 23. November 1907 hat C. für die Geſellſchaft mit 
dem Müller B. F. in G., dem Eigentümer der Mühle 
Haus-Nr. 35, vor dem Notariate einen Vertrag über 
Beſtellung einer beſchränkten perſönlichen Dienſtbarkeit 
Bein elle, der im weſentlichen folgende Beſtimmungen 
enthält: 

B. F. räumt als Eigentümer des Anweſens 
Haus-Nr. 35 in G. und der damit verbundenen Rechte 
auf Waſſerbezug aus der A. und Waſſerbenutzung der 
Geſellſchaft eine beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit 
dahin ein, daß er ſich verpflichtet, die beabſichtigte 
Waſſerableitung und die damit eintretende Schmälerung 
feiner Waſſerbezugs- und Waſſerbenutzungsrechte ſowie 
ſonſtige Schädigungen zu dulden. 
ſoll in Wirkſamkeit treten, wenn der Geſellſchaft die 
verwaltungsrechtliche und miniſterielle Konzeſſion erteilt 
wird, und ſolange in Kraft bleiben, als die Konzeſſion 
dauert. Sobald die Geſellſchaft den Grund für ihre 
Anlage erworben hat, wird F. auf Verlangen an 
Stelle der perſönlichen Dienſtbarkeit eine Grund— 
dienſtbarkeit gleichen Inhalts beſtellen. F. bewilligt 
und beantragt die Eintragung einer Vormerkung zur 
Sicherung des Anſpruchs der Geſellſchaft auf Ein— 
räumung der beſchränkten perſönlichen Dienſtbarkeit. 
Das Grundbuchamt hielt die Eintragung einer Vor— 
merkung nur unter der Vorausſetzung für ſtatthaft, 
daß das Waſſerbezugsrecht des F. auf deſſen Eigentum 
an einem Teile des Waſſerlaufs beruhe, und beſtimmte 
demgemäß dem Antragſteller eine Friſt zur Darlegung 


Die Dienſtbarkeit 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


des Rechtsgrundes ſeines Waſſerbenutzungsrechts und 
gegebenenfalls zur Bezeichnung der ihm zuſtehenden 
Teile des Fluſſes und der Ufergrundſtücke. Gegenüber 
einer von F. eingereichten Vorſtellung beharrte es bei 
ſeiner früheren Entſcheidung. B. F. ließ Beſchwerde mit 
dem Antrag einlegen, die Eintragung der Vormerkung 
auf dem Grundbuchblatte für die Mühle anzuordnen. 
Die Beſchwerde wurde zurückgewieſen. Die weitere 
Beſchwerde 1 keinen Erfolg. 

Gründe: Nach § 1090 Abf. 1 BGB. kann eine 
beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit mit dem Inhalte 
beſtellt werden, daß der Berechtigte das Grundſtück 
in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder daß ihm 
die Befugnis zuſteht, zu verlangen, daß die Ausübung 
eines Rechtes unterbleibt, das ſich aus dem Eigentum 
an dem belaſteten Grundſtück ergibt. Unter dem „Be: 
nutzen“ verſteht die Vorſchrift das Genießen von Vor⸗ 
teilen, die nach S 100 BGB. Nutzungen bilden. Für die 
in der erſten Beſchwerdeſchrift aufgeſtellte Behauptung, 
die Beeinträchtigung des Waſſerzufluſſes ſei als Be⸗ 
nutzung der mit dem Mühlbetriebe wirtſchaftlich ver⸗ 
bundenen Grundſtücke anzuſehen, iſt eine Begründung 
nicht verſucht worden. Der in dem Vertrage vom 
23. November 1907 vereinbarten Duldungspflicht ent⸗ 
ſpricht das Recht der Geſellſchaft, zu verlangen, daß 
die Ausübung des dem Duldungspflichtigen zuſtehenden 
Verbietungsrechts unterbleibt. Den Inhalt einer Be⸗ 
laſtung der Grundſtücke kann eine Beſchränkung des 
Verbietungsrechts nur inſoweit bilden, als es ſich um 
das ſich aus dem Eigentum an den Grundſtücken er- 
gebende Verbietungsrecht handelt. Eine Beſchränkung 
dieſes Rechtes ſteht aber nicht in Frage. Der Figen- 
tümer eines Grundſtücks, das an einem Privatfluſſe 
liegt, der einem anderen gehört, kann, auch wenn ihm 
ein Waſſerbezugsrecht nicht zuſteht, ein weſentliches 
Intereſſe daran haben, daß die an ſeinem Grundſtücke 
vorüberfließende Waſſermenge nicht gemindert wird, 
aber das Eigentum an ſeinem Grundſtücke gibt ihm 
nicht die Befugnis, eine ihm nachteilige Aenderung 
des Waſſerzufluſſes zu verbieten. Dies gilt ſowohl 
für die Vorteile, die die Lage am Fluſſe für die Aus- 
übung des Gemeingebrauchs des Waſſers bietet, und 
die Möglichkeit, mit der erforderlichen Erlaubnis oder 
Genehmigung Anlagen zur Waſſerbenutzung zu errichten, 
als für den Einfluß, den eine Ableitung aus dem 
Fluſſe auf die Grundwaſſerverhältniſſe und die Be- 
wäſſerung des Grundſtücks übt. Bei den im Eigen- 
tum eines anderen als des Staates ſtehenden Privat⸗ 
flüſſen ift das Intereſſe der Anlieger durch die Bor- 
Schriften des Art. 47 Abſ. 1 Ziff. 2, Abſ. 2 WG. geſchützt, 
aber diefe Vorſchriften enthalten nicht eine Erweite— 
rung des Eigentumsrechts an den Ufergrundſtücken, 
ſondern eine dem öffentlichen Rechte angehörende Be— 
ſchränkung des Eigentums an dem Privatfluſſe. 

Die Beſchwerdeſchrift behauptet, die durch Erlaub— 
nis des Eigentümers des Privatfluſſes erlangte Be: 
fugnis zur Benutzung des Fluſſes ſei eine beſondere 
Seite des Eigentums an dem Ufergrundſtücke, das ſich 
grundſätzlich auch auf den im Eigentum eines anderen 
ſtehenden Privatfluß erſtrecke. Dieſe Aufſtellung iſt 
willkürlich und ſteht mit dem Begriffe des Eigentums 
in unlösbarem Widerſpruche. Die Benützungsrechte, 
die an einem in fremdem Eigentum ſtehenden Waſſer— 
laufe durch Vertrag oder Verjährung erworben wurden, 
ſind unter der Herrſchaft des früheren Rechtes von 
der Rechtſprechung als Dienſtbarkeiten angeſehen worden. 
Eine unter der Herrſchaft des früheren Rechtes ents 
ſtandene Grunddienſtbarkeit dieſer Art iſt nach Art. 184 
EG. z. BGB. bei dem Inkrafttreten des BGB. mit 
ihrem bisherigen Inhalte beſtehen geblieben und be— 
darf, ſolange mit ihr das Halten einer dauernden An- 
lage verbunden ift, nach Art. 10 Abſ. 1 Satz 2 ue. 
auch zur Erhaltung der Wirkſamkeit gegenüber dem 
öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Ein: 
tragung in das Grundbuch. Die Grunddienſtbarkeit gilt 


nach 8 96 BGB. als Beſtandteil des Grundſtücks, deſſen 
jeweiligem Eigentümer ſie zuſteht. Die Belaſtung des 
Grundſtücks mit einem Nießbrauch oder einem be— 
ſchränkten Benutzungsrechte, deſſen Inhalt die Mus- 
übung der Grunddienſtbarkeit mitumfaßt, erſtreckt ſich 
auch auf ſie, aber die Verpflichtung zur Duldung einer 
Beeinträchtigung der Grunddienſtbarkeit kann nicht 
den Gegenſtand einer perſönlichen Dienſtbarkeit an dem 
Grundſtücke bilden, die in einer Beſchränkung des ſich 
aus dem Eigentum ergebenden Verbietungsrechts be— 
ſteht, weil das Recht zur Abwehr einer ſolchen Beein- 
trächtigung ſich nicht aus dem Eigentum an dem Grund— 
ſtücke, ſondern nach 8 1027 BGB. und des Art. 184 
EG. aus der Grunddienſtbarkeit ſelbſt ergibt. Gegen— 
ſtand ſelbſtändiger Belaſtung kann die Grunddienſt— 
barkeit aber deswegen nicht ſein, weil ſie nicht zu den 
Rechten gehört, für welche die ſich auf Grundſtücke 
beziehenden Vorſchriften gelten. Das gleiche gilt von 
einer ſtaatlichen Erlaubnis zum Waſſerbezug oder 
einer anderen Waſſerbenutzung, gleichviel ob ſie un— 
widerruflich oder widerruflich ift. (Beſchluß des I. ZS. 
vom 28. April 1908, Reg. III. 38/1908). W. 
1299 


V. 


Erwerbung von Ernndſtücken durch eine Geſellſchaft 
in der gelſchatter und dez Wirkung des Beitritts 
neuer Geſellſchafter und des Austritts eines Gefell- 
ſchafters. e ee des Grundbuchs, wenn nicht 
alle i eingetragen find (BGB. § 738; GBO. 
§ 22 Abf. 2, SS 29, 40, 48). Im e , 
waren auf den Blättern für die Anweſen Hs.-Nr. 48, 
50 an der I.ſtraße und Hs.-Nr. 20, 21 an der | 
in M., die den Wirtseheleuten O. gehörten, u. a. Vor⸗ 
merkungen eingetragen für den Fuhrwerksbeſitzer Ant. 
K., den Parkettenfabrikanten Adolf H., den Baumei— 
ſter Georg G., den Dekorationsmaler Philipp A. und 
den Kupferſchmied Andreas B. in M. Für eine For— 
derung des Ziegeleibeſiters Jofeph Gr. war Hypothek 
eingetragen. Als die Zwangsverſteigerung der An— 
weſen bevorſtand, ſchloſſen die fünf zuerſt genannten 
Gläubiger am 26. September 1901 einen notariellen 
Geſellſchaftsvertrag, in dem ſie vereinbarten, die An— 
weſen gemeinſchaftlich zu erwerben und weiterzuver— 
äußern. Der Gewinn ſollte zunächſt zu verhältnis— 
mäßiger Berichtigung der Forderungen der Geſell— 
ſchafter, ſoweit ſie bei der Zwangsverſteigerung aus— 
fielen, verwendet, der Ueberſchuß ſollte gleichheitlich 
geteilt werden. Jeder Geſellſchafter hatte ſpäteſtens 
am 30. September eine bare Einlage von 5000 M bei 
dem Notare zu hinterlegen, Säumnis ſollte das Aus— 
ſcheiden zur Folge haben. Philipp A. ſchied in dieſer 
Weiſe aus, infolgedeſſen erhöhten die übrigen Geſell— 
ſchafter ihre Einlagen auf je 6000 M. In dem Ber: 
ſteigerungstermine erhielten H., B., K. u. G. auf das 
gemeinſchaftliche Meiſtgebot den Zuſchlag. Eine An: 
gabe über das zwiſchen ihnen beſtehende Rechtsver— 
hältnis wurde nicht gemacht. Am 11. Januar 1902 
wurden die vier Erſteher in das Hypothekenbuch als 
Eigentümer der Anweſen eingetragen. Inzwiſchen 
hatten ſie am 6. Dezember 1901 mit dem Ziegelei— 
beſitzer Joſeph Gr. in O. einen notariellen Vertrag 
geſchloſſen, in dem beſtimmt wurde, daß Joſeph Gr. 
in die Geſellſchaft eintrete, als Einlage 6000 M leiſte 
und bei der Verteilung des Gewinns mit feiner For- 
derung, ſoweit ſie nicht aus dem Verſteigerungserlöſe 
berichtigt werde, ebenſo zu berückſichtigen ſei wie die 
übrigen Geſellſchafter. Am Schluſſe heißt es: 

„Nachdem die vier bisherigen Geſellſchafter die 
Anweſen bereits eingeſteigert haben, verzichtet Herr 
Gr. ausdrücklich darauf, als Miteigentümer in den 
öffentlichen Büchern eingetragen zu werden. 

Nach dem Tode des Adolf H. wurden ſeine An— 
teile am 18. September 1903 „auf Grund Erb: 
vertrags“ auf ſeine Witwe Marie H. umgeſchrieben. 


Zeitſchrift für Rechtspflege i in ı Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


Am 21. November 1907 hat Marie H. in einer öffent- 
lich beglaubigten Urkunde die Bewilligung erklärt, 
daß das Grundbuch dadurch berichtigt werde, daß die 
ſie als Miteigentümerin bezeichnenden Eintragungen ge⸗ 
löſcht werden, weil ſie aus der Geſellſchaft mit G., K., 
B. und Gr. ausgeſchieden und daher ihr Anteil am 
Geſchäftsvermögen auf die übrigen Geſellſchafter über- 
gegangen ſei. Ein Vertreter der Geſellſchafter G., K., 

B. und Gr. hat die Urkunde dem Grundbuchamt mit 
dem Antrage vorgelegt, die Berichtigung zu bewirken. 
Der Antrag wurde zurückgewieſen und der Beſchwerde 
wurde der Erſolg verſagt. Die weitere Beſchwerde 
iſt zurückgewieſen worden. 

Gründe: Es iſt zuzugeben, daß die Unterlaſſung 
einer Angabe über das Gemeinſchaftsverhältnis, in 
dem die Erſteher ſtanden, nicht hinderte, daß ſie durch 
den Zuſchlag die Anweſen zum Geſellſchaftsvermögen 
erwarben. Sie haben im Verſteigerungstermine nicht 
kundgegeben, daß ſie die Anweſen zu Miteigentum 
nach Stopfteilen erwerben wollten, ſondern über das 
zwiſchen ihnen beſtehende Rechtsverhältnis geſchwiegen 
und der verſteigernde Notar hat keine Erklärung dar— 
über verlangt; für die Erteilung des Zuſchlags an 
ſie war es gleichgültig, ob ſie Miteigentümer mit 
Bruchteilsanteilen oder als Geſellſchafter Miteigen— 
tümer zur geſamten Hand wurden. Die Beſtimmung 
darüber, welche von beiden Geſtaltungen des Mit— 
eigentums eintreten ſollte, ſtand bei ihnen: wenn ſie 
bei der Erteilung des Zuſchlags darüber einig waren, 
die Anweſen zum Geſellſchaftsvermögen zu erwerben, 
ſo wurden die Anweſen Geſellſchaftsvermögen. Zu 
den vier Geſellſchaftern, die die Anweſen durch den 
Zuſchlag erworben haben, kam durch den Vertrag 
vom 6. Dezember 1901 Gr. hinzu, er wurde Teilhaber 
des Geſellſchaftz vermögens und der Anweſen. Zu der 
Uebertragung des Eigentums an den Grundſtücken der 
bisherigen Geſellſchaft würde nach dem damals gel— 
tenden Art. 14 des Not. von 1861 die notarielle 
Beurkundung des Vertrags in Verbindung mit der 
Beſitzeinräumung genügt haben. Gehörten die An— 
weſen zum Geſellſchaftsvermögen, fo konnte die das 
Geſellſchaftspverhältnis und die Beteiligung des Gr. 
nicht erſichtlich machende Eintragung in das Hypo— 
thekenbuch daran nichts ändern. Sie ſetzte die Geſell— 
ſchafter der Gefahr aus, die ſich aus dem öffentlichen 
Glauben des Hypothekenbuchs ergab, die Geſellſchafter 
waren aber nicht darüber hinaus an ſie gebunden. 

Die Geſellſchaftsverträge enthalten keine ausdrück— 
liche Beſtimmung darüber, daß die Geſellſchaft im 
Falle des Todes eines Geſellſchafters mit dem Erben 
fortgeſetzt werden und daß ſie im Falle der Kündi— 
gung eines Geſellſchafters unter den übrigen Geſell— 
ſchaftern fortbeſtehen folle. Aber es war wenigſtens 
für einen beſtimmten Fall das Ausſcheiden eines Ge— 
ſellſchafters vorgeſehen und der Zweck der Geſellſchaft 
deutet darauf hin, daß dieſe Geſtaltung des Geſell— 
ſchaftsverhältniſſes in Ausſicht genommen war. Die 
Geſellſchaft war inſofern eine Liquidationsgeſellſchaft, 
als es ſich darum handelte, den Verluſt der Aufwen— 
dungen abzuwenden, die die Geſellſchafter durch ihre 
Leiſtungen für die in den Anweſen errichteten Bauten 
gemacht hatten, und die in die Bauten verwendeten 
Mittel wieder flüſſig zu machen. An der Wieder— 
erlangung der aufgewendeten Mittel hatte der Erbe 
eines Geſellſchafters dasſelbe Intereſſe wie dieſer ſelbſt, 
und wenn ein Geſellſchafter es aufgab, dieſen Zweck 
weiter zu verfolgen, und deshalb das Geſellſchafts— 
verhältnis kündigte, ſo beſtand für die übrigen Ge— 
ſellſchafter das Bedürfnis fort, zur Erreichung des 
gemeinſchaftlichen Zweckes zuſammenzuwirken. Nach 
dem Tode des Adolf H. haben denn auch die übrigen 
Geſellſchafter das Geſellſchaftsverhältnis mit der Witwe 
und Erbin fortgeſetzt. Hiernach iſt auch gegen das 
Ausſcheiden der Witwe H. mit der Wirkung, daß ge— 
mäß § 738 BGB. ihr Anteil am Geſellſchaftsver— 


318 


mögen den übrigen Geſellſchaftern zuwächſt, kein Be⸗ 
denken zu erheben. 

Aber wenn auch das Rechtsverhältnis ſo geſtaltet 
ſein mag, wie die Beſchwerde behauptet, ſo wird da⸗ 
durch der geſtellte Antrag nicht gerechtfertigt. Die 
Eintragungsbewilligung der Witwe H. und der An- 
trag laſſen das Anteilsrecht des Geſellſchafters Gr. 
außer Betracht, das die Beteiligten nicht nach Be⸗ 
lieben ausſchalten können. Ueberdies fehlt es an den 
formellen Vorausſetzungen der Eintragung. Die Ein⸗ 
tragung im Hypothekenbuche bedurfte, auch abgeſehen 
davon, daß die Beteiligung des Gr. nicht erwähnt iſt, 
1 9 nach den früheren Vorſchriften der Ergänzung 

urch Angabe des Gemeinſchaftsverhältniſſes, und das 
Gleiche gilt für die Eintragung im Grundbuche nach 
§ 48 GBO. Von der Eintragung des Zuwachſens des 
Anteils der Witwe H. an die übrigen Geſellſchafter 
werden die Anteile aller Geſellſchafter betroffen, der 
der Witwe H. inſofern, als er als beſonderer Anteil 
erliſcht, die der übrigen Geſellſchafter inſofern, als ſie 
fih erweitern. Nach § 40 GBO. müſſen deshalb die 
Anteilsrechte der Geſellſchafter im Grundbuch einge— 
tragen ſein, wenn die durch das Ausſcheiden der 
Witwe H. bewirkte Aenderung eingetragen werden 
ſoll, und dazu gehört insbeſondere auch die Eintragung 
des Anteilsrecht des Geſellſchafters Gr. Da die be— 
ſtehende Eintragung nur entnehmen läßt, das die 
eingetragenen Beteiligten in irgend welcher Weiſe 
Miteigentümer ſind, über das Anteilsrecht jedes ein⸗ 
zelnen aber keinen Aufſchluß gibt, ſo iſt zur Berich— 
tigung des Grundbuchs durch Eintragung der Anteils- 
rechte nach § 22 Abſ. 2 GBO. die Zuſtimmung der 
Geſellſchafter erforderlich, die nach $ 29 EBD. durch 
öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nach— 
gewieſen werden muß. Ebenſo bedarf es der Zuſtim— 
mung zur Eintragung der ſich durch das Zuwachſen 
des Anteils der Witwe H. ergebenden Erweiterung 
der übrigen Anteile. (Beſchl. des I. ZS. vom 14. Fe⸗ 
bruar 1908; Reg. III, 14/08). 

1225 W. 

VI. 


Kann der Erbſchaſtsvermächtnisnehmer im Ber- 
fahren über den Nachlaß des Beſchwerten die auf An- 
trag der Erben angeordnete ee, mit 
Beſchwerde anfechten? (BGB. § 2062; JGG. 8 57 Abf. 1). 
Die am 24. September 1881 verſtorbene Privatiers⸗ 
witwe Katharine K. hat in ihrem Teſtamente vom 
21. Mai 1881, in dem ſie ihre drei Kinder Iſabella, 
Georg und Chriſtian als Erben eingeſetzt hat, u. a. 
beſtimmt, daß ihr Anweſen in R. den Kindern Iſabella 
und Georg zu gleichen Anteilen gehören und der Sohn 
Chriſtian nur eine Abfindung von 10000 Gulden er- 
halten ſolle, und hinzugefügt: „Auch iſt es mein Wunſch, 
daß das geſamte Anweſen ſeinerzeit auf alle meine 
Enkel übergehen fol”. Der bei dem Anweſen befind— 
liche Stadtgrabenteil gehörte nicht der Erblaſſerin 
allein, ſondern ſtand in ihrem und der Kinder Iſabella 
und Chriſtian Miteigentum zu gleichen Anteilen. Das 
Nachlaßgericht erteilte am 30. September 1881 den 
Geſchwiſtern Iſabella und Georg K. ein Erbſchafts— 
zeugnis des Inhalts, daß der Nachlaß ihrer Mutter 
auf ſie als die Erben übergegangen ſei. Iſabella und 
Georg K. ſchloſſen am 20. Oktober 1881 einen notariell 
beurkundeten Erbvertrag, durch den ſie vereinbarten, 
daß nach dem Tode der Iſabella K. das geſamte An- 
weſen mit Einſchluß des Anteils des Bruders Chriſtian 
an dem Stadtgrabenteile, den ſie von ihm erwerben 
wollten, auf Georg K., und falls er vor ſeiner Schweſter 
ſterben ſollte, auf ſeine Erben übergehen ſolle. Am 
3. November 1882 kam zwiſchen Chriſtian K. und ſeinen 
Geſchwiſtern ein notariell beurkundeter Vertrag zu- 
ſtande, in dem er ſich durch die Zahlung von 20000 M 
„mit allen ſeinen Anſprüchen an den mütterlichen 
Rücklaß und hinſichtlich feines Stadtgrabenanteils“ 


| ſchwerten. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


befriedigt erklärte und ſein Miteigentumsrecht ſeinen 
Geſchwiſtern zu gleichen Anteilen abtrat. Im An- 
ſchluſſe hieran übertrug Iſabella K. ihrem Bruder 
Georg die Hälfte ihres Drittelsanteils, fo daß fie 
nunmehr in Anſehung des gefamten Anweſens Mitr- 
eigentümer zu Hälfteanteilen waren. Als ſolche wurden 
ſie in das Hypothekenbuch, jetzt Grundbuch, für R. 
eingetragen. Georg K. iſt am 26. Januar 1905 ohne 
Hinterlaſſung von Abkömmlingen geſtorben und von 
ſeiner Witwe Thereſe beerbt werden, Chriſtian K. iſt 
am 27. November 1907 geſtorben und hat eine Tochter 
Katharine H. hinterlaſſen. Iſabella K. hat am 16. März 
1903 ein notarielles Teſtament errichtet, in dem ſie 
als Erben ihres „Geſamtnachlaſſes' mit Ausnahme 
des Anteils an dem Anweſen, über den ſie mit Rück⸗ 
ſicht auf den Erbvertrag vom 20. Oktober 1881 nicht 
letztwillig verfügen könne, die Schreinergehilfens⸗ 
eheleute Georg und Marie Kü. in R. einſetzte. Im 
September 1907 wurde ihr wegen Gebrechlichkeit und 
Geiſtesſchwäche ein Pfleger beſtellt. Am 27. November 
1907 iſt ſie geſtorben. Das Nachlaßgericht erteilte am 
27. Dezember 1907 den Eheleuten Kü. einen Erbſchein 
des en daß fie Erben der Iſabella K., hinſichtlich 
ihres beweglichen Nachlaſſes“ geworden feien. Den 
Anteil der Verſtorbenen an dem Anweſen beanſpruchen 
Thereſe K. auf Grund des Erbvertrags vom 20. Of- 
tober 1881 und Katharine H., ſoweit er aus dem 
Nachlaß ihrer Großmutter herſtammt, auf Grund des 
Teſtaments der Katharine K. vom 21. Mai 1881. 
Katharine H. beſtreitet auch die Gültigkeit des Teſta⸗ 
ments der Iſabella K., weil die Erblaſſerin zur Zeit 
der Errichtung des Teſtaments geſchäftsunfähig ge⸗ 
weſen ſei, und nimmt den Nachlaß als geſetzliche Erbin 
in Anſpruch. Ueber die behauptete Geſchäftsunfähig⸗ 
keit der Erblaſſerin ſind Ermittelungen veranſtaltet 
worden, die noch nicht abgeſchloſſen find. Die Efe- 

leute Kü. und Thereſe K. beantragten die Anordnung 

einer Nachlaßverwaltung, Katharine H. erklärte ſich 

damit für das bewegliche Nachlaßvermögen einver: 

ſtanden, widerſprach aber der Erſtreckung der Nadlak: 

verwaltung auf den Grundbeſitz, in Anſehung deſſen, 

ſoweit er aus dem Nachlaſſe der Katharine K. her⸗ 

ſtammt, Frau H. die „einzige Nacherbin“ ſei. Das 

Nachlaßgericht ordnete die Nachlaßverwaltung für den 

geſamten Nachlaß an. Frau H. beantragte Berichtigung 

der Verfügung dahin, daß die Nachlaßverwaltung ſich 

auf das bewegliche Nachlaßvermögen beſchränke, und 

legte gegen die den Antrag zurückweiſende Verfügung 

Beſchwerde ein. Das LG. hat die Beſchwerde ver— 

worfen. Auch die weitere Beſchwerde der Frau Katha— 

rina H. wurde zurückgewieſen. 

Gründe: Die Beſchwerdeführerin ftüßt das be- 
anſpruchte Recht, daß ohne ihre Zuſtimmung eine ſich 
auf das unbewegliche Nachlaßvermögen erſtreckende 
Nachlaßverwaltung nicht angeordnet werden dürfe, 
nur auf die in dem Teſtament ihrer Großmutter zu— 
gunſten der Enkel getroffene Beſtimmung. Auf Grund 
dieſer Beſtimmung ſteht ſie aber auf keinen Fall zu 
dem Nachlaſſe der Iſabella K. in einer ſolchen Be⸗ 
ziehung, daß nach 8 2062 BGB. zu der Anordnung 
der Nachlaßverwaltung ihre Zuſtimmung erforderlich 
iſt. Infolge der Beſtimmung der Großmutter mag der 
Anteil der Iſabella K. an dem Anweſen, ſoweit er 
zu dem Nachlaſſe der Katharine K. gehört hat, mit 
dem Tode der Iſabella K. auf die Beſchwerdeführerin 
übergegangen ſein, er würde dann aber, auch wenn 
die Beſtimmung des Teſtaments vom 21. Mai 1881 
als Anordnung eines Erbſchaftsvermächtniſſes ange- 
ſehen werden könnte, nicht zum Nachlaſſe der Iſabella 
K. gehören, ſondern die Beſchwerdeführerin würde ihn 
aus dem Nachlaß ihrer Großmutter erlangt haben, 
das Erbſchaftsvermächtnis begründet eine Nachfolge 
in den Nachlaß des Erblaſſers, der es angeordnet hat, 
es macht den Bedachten nicht zum Erben des Be— 
Der Mitbeſitz der Iſabella K. iſt nach 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


— — — 


S 857 BGB. auf die Erben übergegangen, die Be- 
ſchwerdeführerin würde daher ihren Eigentumsanſpruch 
auf Ueberlaſſung des Mitbeſitzes gegen die Erben 
geltend machen müſſen und zur Erwirkung der Be— 
richtigung des Grundbuchs könnte ſie von den Erben 
nach § 894 BGB. die Zuſtimmung zu der Berichtigung 
verlangen. Die Beſtellung eines Nachlaßverwalters 
hat die Folge, daß nunmehr dieſer den auf die Erben 
übergegangenen Mitbeſitz auszuüben hat, ihm würde 
es obliegen, den Mitbeſitz der Beſchwerdeführerin ein— 
zuräumen, er würde die Zuſtimmung zu der Berich— 
tigung des Grundbuchs zu erteilen haben, gegen ihn 
muß die Beſchwerdeführerin gegebenenfalls ihre Mn- 
ſprüche auf Ueberlaſſung des Mitbeſitzes und Bu- 
ſtimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs geltend 
machen. Die Anordnung der Nachlaßverwaltung hat 
für ſie nur die Bedeutung, daß ihr an Stelle der 
Erben der Nachlaßverwalter gegenüberſteht, und dies 
muß fie ſich nach S 76 Abſ. 1 FG. gefallen laffen. 
(Beſchluß des I. ZS. vom 29. Mai 1908, Reg. III 1908). 
1321 W. 


B. Straffaden. 


Wahrnehmung berechtigter Intereſſen für einen 
Auftraggeber. Einfluß des Irrtums über die Beweg⸗ 
aründe des Auftraggebers. 1) Die unverehelichte L. von 
Sch., die früher im Hauſe ihrer Verwandten, der 
Wirtseheleute G. in L. weilte und dieſen im Geſchäfts— 
betriebe geholfen hat, hat dort den Bauführer D. 
kennen gelernt und trat gegen den Willen ihrer Ver— 
wandten zu ihm in Beziehungen, die auf eine ſpätere 
Heirat abzielten. Als die L. nach ihrem Heimatorte 
zurückgekehrt war, erſchien dort J. B.; er warnte die 
L. vor einer Heirat mit D. und machte ihr hierbei in 
Gegenwart ihrer Eltern die Mitteilung, daß D. durch 
den Verkehr mit Kellnerinnen ſich eine Geſchlechts— 
krankheit zugezogen habe, daß er durch dieſe Krankheit 
ruiniert fei und bei einer allenfallſigen Heirat auch 
eine Frau ruinieren könne. Die Reiſe nach Sch. und 
die Mitteilung an die L. hat B. nicht aus eigenem 
Entſchluſſe, ſondern auf wiederholtes Bitten des Wirts 
G. und nur im Rahmen des ihm von dieſem erteilten 
Auftrags betätigt. Wegen der Aeußerung des B. hat 
D. Privatklage erhoben. B. wurde vom Schöffengericht 
und vom Landgericht freigeſprochen. Die Reviſion 
hatte keinen Erfolg. 

Gründe: Nach dem Vorbringen der Reviſions— 
ſchrift hat das LG. durch die Annahme, es habe die 
Hauptverhandlung Anhaltspunkte dafür ergeben, daß 
der Wirt G. nicht aus lauteren Beweggründen han— 
delte, ſondern ſelbſt zur L. in intime Beziehungen zu 
treten verſuchte, ſelbſt feſtgeſtellt, daß berechtigte Inter— 
eſſen tatſächlich durch den Auftraggeber des Angeklagten 
nicht gewahrt wurden und gewahrt werden ſollten; 
in dieſem Falle ſei es gleichgültig, ob der Angeklagte 
das Vorhandenſein ſolcher Intereſſen angenommen 
habe oder nicht, da das Strafgeſetz keine „Putativ- 
wahrung“ berechtigter Intereſſen kenne. Allein das 
LG. hat ausdrücklich feſtgeſtellt, daß der Angeklagte 
von jenen anderen Beweggründen ſeines Auftrag— 
gebers nichts wußte, vielmehr bei der Uebernahme 
und Erledigung des Auftrags mit Rückſicht auf die 
ihm bekannten verwandtſchaftlichen Beziehungen ſeines 
Auftraggebers zur Familie L. und in der begründeten 
Vermutung, daß beim Privatkläger auch in allerletzter 
Zeit die Folgen der früheren Geſchlechtserkrankung 
noch nicht völlig behoben ſeien, des guten Glaubens 
war und ſein durfte, daß die Vorausſetzungen vor— 
1 ſeien, unter denen das Recht des Privatklägers 


1) Val. die Entſcheidung des Oberſten Landesgerichts im Jabr- 
gang 1907 S. 498, die einen ähnlichen Fall behandelt und in der 
Gewährung des Schutzes des 5 193 StGB. gleichfalls ziemlich 


weit geht. 


319 


auf Schonung ſeiner Perſon hinter dem Rechte der 
Familie L. auf Aufklärung zurücktreten müſſe, und 
daß G. bei der Auftragerteilung von der Abſicht ge— 
leitet ſei, die Intereſſen der Familie L. wahrzunehmen. 
Wollte G. als Verwandter in der begründeten Ber- 
mutung, daß bei dem Privatkläger die Folgen der 
früheren geſchlechtlichen Erkrankung noch nicht völlig 
gehoben ſeien, der L. zwecks Warnung vor der in der 
Eingehung einer Ehe mit dem Privatkläger für fie 
liegenden Gefahr Mitteilung machen laſſen — und 
von dieſen Tatſachen ging der Angeklagte, wie feft- 
geſtellt iſt, aus — ſo war, ſelbſt wenn man neben 
dem (fremden) Intereſſe der L. und deren Familie 
nicht ein Intereſſe der Familie G. und damit ein 
eigenes des G. ſelbſt annehmen will, die Wahrneh⸗ 
mung jener fremden Intereſſen doch eine den G. als 
Verwandten der L. ſelbſt nahe angehende Sache; es 
waren daher die vorhin bezeichneten Vorausſetzungen 
gegeben und es ſtand dem G. der Schutz des 8 193 
StGB. zur Seite. Es ift nicht einzuſehen, warum G. 
dieſe Wahrnehmung berechtigter Intereſſen nicht follte 
einem anderen übertragen können, und warum der in 
Ausführung und im Rahmen diefes Auftrags Qan- 
delnde nicht des gleichen Schußes teilhaftig ſein ſoll, 
gleichviel ob er den Auftrag gegen oder ohne Ent— 
lohnung, berufsmäßig oder nicht berufsmäßig über— 
nommen hat. Die Wahrnehmung berechtigter Intereſſen 
darf auch durch einen Stellvertreter ausgeübt werden. 
Dieſer begeht eine ſtrafbare Handlung nicht, wenn er 
ſich ſtreng in dem Rahmen des zu wahrenden Inter— 
eſſes hält. Dieſen Rahmen hat der Angeklagte ein— 
gehalten; ohne Rechtsirrtum iſt auch im Hinblick auf 
die Art des Vorbringens der Angeklagten gegenüber 
der L. feitgeitellt, daß das Vorhandenſein einer Be- 
leidigung weder aus der Form des Vorbringens 
noch aus den Umſtänden hervorgeht, unter welchen 
es geſchah. War der Angeklagte in einem Irrtum 
über die Beweggründe und Abſicht ſeines Auftrag— 
gebers, fo beruht dieſer Irrtum nicht etwa auf Uns 
kenntnis oder irriger Auffaſſung des Strafgeſetzes und 
hat der Angeklagte nicht etwa unter „berechtigten 
Intereſſen“ etwas anderes verſtanden, als das Geſetz 
unter dieſem Ausdrucke verſtanden wiſſen will, ſondern 
er befand ſich in einem Irrtum über eine Tatſache, 
der ihm den Schutz des § 193 StGB. nicht nimmt. 
(Urt. vom 19. Mai 1908, Nevfleg. 218,08). 

1310 Mitgeteilt von Rechtsanwalt G. Müller in Ludwigs bafen. 


Landgericht München I. 


Zur Auslegung des Reichsmilitärpenſions &. vom 
27. Juni 1871; Verhältnis zum bayer. ri ae Re 
vom 16. Mai 1868 und zum RG. vom 31. Mai 1901. 
Mit Klage vom Dezember 1904 begehrte der Häusler 
W. vom bayeriſchen Militärfiskus 2116 M unter der 
Begründung, er habe als Gemeiner des 1. Bayr. Inf. 
Reg. 1870 in der Schlacht bei Sedan durch einen 
Streifſchuß einen Finger der linken Hand verloren 
und ſei hierdurch dauernd felddienſtuntauglich (halb— 
invalide) geworden, was bei der erſten Penſionsan— 
meldung im Dezember 1870 durch die zuſtändige Stelle 
auch anerkannt worden ſei. Gleichwohl habe man 
ihm auf Grund unrichtiger militärärztlicher Berichte im 
Jahre 1872 die ſeit 8. Januar 1871 nach dem bayer. 
Beni. eingewieſene Penſion wieder entzogen. Erft 
mit Verfügung des Generalkommandos III. Armee— 
korps vom 3. Juli 1901 fei dem Kläger wiederum eine 
monatliche Penſion von 6 M und ein monatlicher 
Penſionszuſchuß von 10 M bewilligt worden; die Nad- 
zahlung werde aber für die Zeit vom 1. Februar 1872 bis 
Ende April 1901 verweigert und ſei die Beſchwerde 
1905 durch das Kriegsminiſterium im September 
1904 endgültig zurückgewieſen worden. Der Kläger 


320 


fordere hiernach bis April 1901 monatlich 6 M 
Penſion und für April 1901 (auf Grund des RG. 
vom 31. Mai 1901) 6 + 10 = 16 M. Der beklagte 
Fiskus beantragte Klageabweiſung und führte aus, 
die Entziehung der Penſion ſei deshalb durch Reſkript 
des Kriegsminiſteriums vom 13. März 1872 erfolgt, 
weil W. durch oberſtärztliches Gutachten als felddienit- 
tauglich erklärt worden ſei, da ihm bloß die beiden 
erſten Glieder des linken Kleinfingers fehlten und der 
Stumpf gut verheilt ſei. Deshalb ſei W. auch wieder 
in den Liſten als Reſerviſt in Zugang genommen 
worden; gegen das die Penſion entziehende Miniſterial- 
reffript habe W. niemals bisher den Rechtsweg be— 
ſchritten. Erſt auf ein neuerliches Geſuch des Klägers 
vom April 1901 fei der Kläger durch Anerkennungs- 
verfügung des Generalkommandos vom 3. Juli 1901 
wieder dauernd als Halbinvalide erklärt und ihm ab 
1. Mai 1901 für immer die Invalidenpenſion 5. Klaſſe 
nach dem RMilPG. mit 6 M monatlich eingewieſen 
worden, weil er nach Maßgabe ſeiner Verletzung auf 
Grund der (in der Zwiſchenzeit geänderten) Dienjt- 
anweiſung zur Beurteilung der Militärdienſtfähigkeit 
von 1894 (Beil. II Ziff. 23) jetzt nur mehr als garniſons⸗ 
dienſtfähig erſcheine. Mit Anerkennungsverfügung vom 
26. Juli 1901 habe der Kläger außerdem auf Grund 
der Penſionsnovelle vom 31. Mai 1901 die Kriegs- 
zulage mit 10 M monatlich für Halbinvalide zuge— 
wieſen erhalten und zwar laut Berichtigungsverfügung 
vom 10. Auguſt 1901 erſt ab 1. Mai 1901 ſtatt, wie 
urſprünglich irrtümlich, ab 1. April 1901. Gegen die 
Bemeſſung dieſer Penſion nach dem RG. ſtatt nach 
dem bayer. Benj®. habe er ſich zwar beſchwert, fei 
aber mit Kriegs MEntſchl. vom 30. Juli 1901 legt- 
inſtanziell abgewieſen worden; den Rechtsweg habe 
er bisher nicht betreten. Erſt ſeit 1903 habe er die 
Penſionsnachzahlung entſprechend der nunmehrigen 
Klage betrieben, ſei aber auch damit letztinſtanziell 
am 6. September 1904 abgewieſen worden. Hiernach 
ſeien die Klageanſprüche ſämtlich unbegründet, denn W. 
habe die Friſt zur Klage gegen die füheren Miniſterial— 
beſcheide unbenützt verſtreichen laſſen und ſeinem jetzigen 
Nachzahlungsverlangen ſtehe S115 RMil PG. entgegen, 
wonach die Gerichte an die Entſcheidung der Militär- 
behörden darüber gebunden ſeien, ob und in welchem 
Grade Dienſtunfähigkeit eingetreten ſei; für die Zeit 
vor 1901 ſei aber ein ſolcher Ausſpruch nicht erfolgt. 
Uebrigens habe W. gelegentlich ſeiner Neuanmeldung 
vom Jahre 1901 ausdrücklich erklärt, er verlange keine 
Nachzahlung; dies ſtelle einen Verzicht dar und außer— 
dem liege Verjährung vor. Da die Eingabe des 
Klägers vom April 1901 als Neuanmeldung anzuſehen 
ſei, beziehe Kläger mit Recht die Reichspenſion und 
zwar nach § 99 RMilPG. ab 1. Mai 1901; ſelbſtver⸗ 
ſtändlich könne auch erſt von da ab die Kriegszulage 
laufen. — Die Klage wurde aus folgenden Gründen 
abgewieſen. Gemäß 8116 RMilPG. vom 27. Juni 1871 
mit SS 97 ff. FormVO. vom Y. Dezember 1825 ſteht 
die geſetzliche Vertretung des Fiskus hier dem Kriegs— 
miniſterium zu und demgemäß iſt das Gericht nach 
SS 18 3PO., 23, 70 GVG. ſachlich und örtlich zuſtändig. 
Grundlage der Penſionierung iſt, da es ſich um einen 
Teilnehmer des deutſch-franzöſiſchen Krieges von 1870 
handelt, das RMilßG. vom 27. Juni 1871, zunächſt 
ausdrücklich hinſichtlich der SS 58—112 (II. Teil), 
folgerichtig und nach ſtändiger Praxis aber auch hin— 
ſichtlich des III. Teils (88 113—117); nur darf nach 
8 111 die reichsrechtliche Penſion nicht hinter dem 
Betrag zurückbleiben, der dem Penſioniſten bei etwa— 
iger Penſionierung vor Erlaſſung dieſes Geſetzes ſchon 
zugeſtanden hätte. Das RMil PG. ift in Bayern als— 
bald nach feiner Verkündung in Kraft getreten (7.21. 
Juli 1871; RG Bl. S. 275). Das bayer. Geſetz vom 
16. Mai 1868 enthält dem S 114, 115 entſprechende 
Vorſchriften nicht. Nach den hiernach anzuwendenden 
ss 113 ff. RMil G. findet der Rechtsweg hinſichtlich der 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Nr. 15 u. 16. 


Penſion erſt ſtatt, wenn der Inſtanzenzug bei den 
Militärverwaltungsbehörden erſchöpft iſt; die Klage 
muß aber dann bei Verluſt des Klagerechts binnen 6 


Monaten nach Bekanntmachung der endgültigen Ent- 


ſcheidung der Militärverwaltungsbehörde nach § 267 
ZPO. zugeſtellt fein. Der Sinn dieſer Vorſchrift ift 
nach Wortlaut und Stellung im Geſetz klar; es ſollen 
voreilige wie verſchleppte Klagen hintangehalten 
werden; ein förmlicher adminiſtrativer Inſtanzenzug 
ſollte dem Penſionserwerber damit nicht garantiert 
werden. Das RMilPGG. beſtimmt daher auch nichts 
über die zur Verbeſcheidung zuſtändige Verwaltungs⸗ 
behörde. Es iſt und war alfo insbeſondere der § 114 
auch in denjenigen Bundesſtaaten vollziehbar, die die 
Penſionsentſcheidung in erſter und zugleich letzter In⸗ 
ſtanz dem Kriegsminiſterium zuwieſen, wie dies in 
Bayern der Fall war. Das iſt nunmehr ſeit der Ent⸗ 
ſcheidung des RG. Bd. 31 S. 126 ſtändige Rechtſpre⸗ 
chung (vgl. RG. im Recht 1907 S. 1338; ObLG. in 
Bl. f. RA. Bd. 63 S. 151). Eine beſtimmte Form der 
Bekanntmachung iſt nicht vorgeſehen, auch mündliche 
Verſtändigung genügt (Bl. f. RA. Bd. 45 S. 501) 
z. B. durch die Vermittlung des Bezirkskommandos. 
Iſt die Friſt verſäumt, ſo iſt das Klagerecht erloſchen, 
d. h. dem Penſionserwerber gegenüber der Verwal— 
tungsausſpruch ebenſo unangreifbar, wie ein rechts— 
kräftiges Urteil; wiederholte Geſuche ſetzen die Klage⸗ 
friſt, die eine Ausſchluß⸗, nicht „ 1 
nicht neuerlich in Lauf (RG E. Bd. 31 S. 125 
RA. EB. 14 S. 172). Dagegen ſteht den Militar⸗ 
behörden jederzeit das Recht zu, auf Grund ander— 
weitigen Tatbeſtands (vgl. § 100 RMil PG.) die Ent- 
ſcheidung zu ändern; ſoweit dies zu ungunſten des 
Penſionswerbers geſchieht, iſt dagegen wieder der 
Rechtsweg zuläſſig und läuft eine neue Klagefriſt. 
Dies gilt insbeſondere für Penſionsentzug (RGE. 31, 
125; 35, 97). Die Anwendung dieſer Sätze auf den 
vorliegenden Tatbeſtand ergibt, daß die im Jahre 
1872 erfolgte Einziehung der Penſion wegen Vernei— 
nung der Dienſtunfähigkeit längſt unanfechtbar ge- 
worden iſt. Daher iſt die Penſionsentziehung vom 
13. März 1872 längſt gegen den Kläger gleich einem 
abweiſenden Urteil rechtsbeſtändig und zwar hinſicht— 
lich ihres ganzen Inhalts, nicht etwa bloß der im 
§ 115 RMilpPG. aufgeführten Punkte. Für die Ver- 
gargen et ift hierin durch die auf das Geſuch vom 
April 1901 erfolgte Zubilligung nn Penſion ab 
1. Mai 1901 nichts geändert werden. Der Rechtsweg 
und das Klagerecht wurden dem W. damals nur in⸗ 
ſoferne wieder frei, als er entgegen der urſprüng— 
lichen Anerkennung nur die Reichsmilitärpenſion, nicht 
aber die Sätze des bayer. Geſetzes vom 16. Mai 1808 
erhält (6 M ſtatt 11 M 14 Pf.), weil laut Kr. 
vom 30. Juli 1901 ausgeſprochen wurde, es handle 
ſich um einen Neuantrag unter der Herrſchaft des 
RMilpG. Auch gegen dieſe letztinſtanzielle Entſchei⸗ 
dung hat W. trotz Eröffnung im Auguſt 1901 den 
Klageweg nicht beſchritten. Es ſteht alſo weiter 
bindend gegen ihn feft, daß er nach den Sätzen des 
RMilPG. zu penſionieren war und daß fein Antrag 
vom 3. April 1901 ein Neuantrag iſt. Als notwendige, 
übrigens ohnehin nach dem Wortlaut klare Folge er⸗ 
gibt ſich ferner, daß die jetzige Penſionszubilligung 
nicht eine rückwirkende Aufhebung der früheren Pen— 
ſionsentziehung darſtellt, vielmehr die Dienſtunfähig— 
keit nur ab Geſuchseinreichung feſtgeſtellt, ſohin feines: 
wegs der Entziehung der Penſion für die frühere 
Zeit damit präjudiziert ift. Seit wann die Dienſt— 
unfähigkeit beſteht, wird von der Militärbehörde für 
das Gericht bindend entſchieden; denn dieſe Frage 
iſt nicht von derjenigen trennbar, ob für eine gegebene 
Zeit Dienſtunfähigkeit vorliegt. Daraus ergibt ñd, 
daß der Kläger für die im § 99 Abſ. 3 RMil pc. 
nicht mitumfaßte Zeit weder nach bayeriſchen noch 
nach Reichsnormen Penſion fordern kann und daß als 


— . — 


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die nach § 99 Abſ. 3 maßgebende Anmeldung diejenige 
vom 3. April 1901 angeſehen werden muß, demnach 
iſt aber die Penſionsanweiſung ab 1. Mai 1901 dem 
Geſetz entſprechend und, wie bereits oben ausgeführt, 
für die frühere Zeit die formelle Bindung durch den 
Ausſpruch von 1872 unberührt. Daß das Nachzahlungs⸗ 
geſuch bei der Militärverwaltung inſtanziell behandelt 
worden iſt, ändert dem Gericht gegenüber nichts 
daran, daß durch ſolche erfolgloſe Geſuchswiederholung 
einmal verlorene Klägerrechte nicht wieder aufleben 
(RGE. 31, 125). Die Sache liegt hier weſentlich 
anders, als wenn zunächſt lediglich für die Jukunft 
eine Penſion bewilligt und dann für die Vergangen= 
heit nachträglich ebenfalls um Nachzahlung erſucht 
wird, ohne daß für letztere Zeit Ablauf der Ausſchluß⸗ 
friſt vorliegt. Die Situation iſt vielmehr ganz ähn⸗ 
lich, wie wenn im Fall des 8 323 ZPO. wegen ver: 
änderter Umſtände eine Rente für die Zukunft zuge- 
billigt wird; dadurch allein wird auch die Aberfen- 
nung für die Vergangenheit nicht berührt. Es bedarf 
daher eben wegen dieſer Fortdauer des Klagerechts- 
verluſtes keiner Würdigung des ſonſtigen Vorbringens 
in dieſem Punkte. Bemerkt mag lediglich werden, 
daß die Normen für Feſtſtellung der Dienſtunfähigkeit 
ſelbſtverſtändlich der Verwaltung überlaſſen ſind und 
bleiben mußten, wie auch weder das RMilPG. noch 
die ſonſtigen Militärgeſetze dieſe regeln, ſie vielmehr 
als gegeben vorausſetzen. Die ganz allgemeinen Er— 
örterungen des Klägers darüber, ob jetzt höhere oder 
niedere Anforderungen an die Dienſttauglichkeit geſtellt 
werden, find wertlos, ſolange er nicht eine der Norm 
der jetzigen (d. h. ab 1894 bis 1905 in Kraft geweſenen 
Nr. 23 der Dienſtanweiſung) gleiche ältere Beſtim— 
mung beibringen kann, wonach ſchon 1872 Verluſt 
zweier Glieder an einem Finger die Felddienſttaug— 
lichkeit aufgehoben hat. Aber auch ſolchenfalls würde 
das Gericht die Penſion nur zuerkennen können, wenn 
der dem § 115 Nr. 1 MPO. entſprechende Admini— 
ſtrativausſpruch vorläge und die Friſt nicht verſäumt 
wäre. Mit Recht weiſt übrigens die beklagte Partei 
darauf hin, daß ſtreng genommen, lediglich die Dienſt— 
fähigkeitsnormen zur Zeit der Penſionierung oder der 
endgültigen Penſionsentſcheidung maßgeben können 
(vgl. RGE. 60, 215; 63, 289); denn man zieht einen 
Ausgemuſterten auch nicht nachträglich wegen Er— 
leichterung der Dienſtfähigkeitsnormen mehr ein und 
man nimmt aus dieſem Grunde auch nicht nachträg— 
lich eine bewilligte Penſion weg. Dies muß nach 
Anſicht des Gerichts umſomehr gelten, wenn die 
günſtigeren Normen erſt nach Ablauf der geſamten 
Militärpflicht eingetreten ſind, wie hier. Daß eine 
vor 1894 eingegangene Meldung nicht im Sinne des 
§ 99 RMil PG. berückſichtigt werden könnte, ift dem 
Gericht ohne weiteres klar; denn damals fehlte es ja 
noch an der Grundlage der Penſionierung. — Ver— 
zicht und Verjährung kämen an ſich auch gegenüber 
den Militärpenſionen als zivilrechtliche Erlöſchungs— 
gründe zur Anwendung (RGE. Bd. 31 S. 125). Bei 
erſterem wäre gegenüber den Ausführungen des Klägers 
insbeſondere auf $ 151 BGB. hinzuweiſen, wornach 
eine ausdrückliche Erklärung der Annahme des Ver— 
zichts nicht unter allen Umſtänden geboten geweſen 
wäre. Hinſichtlich der altrechtlichen Verjährung wäre 
nicht das Geſetz vom 26. März 1859, ſondern § 31 
des FinG. vom 28. Dezember 1881 zugrunde zu legen, 
(ſoweit nicht Art. 19 des RG. von 22. Mai 1893 ein⸗ 
greift). Es kommt aber nach obigem auf dieſe Punkte 
nicht mehr an. Was endlich die für April 1901 ge— 
forderten 16 M angeht, fo wird die darin enthaltene 
Normalpenſion von 6 M durch die vorſtehenden Aus- 
führungen unmittelbar mitbetroffen, denn inſoweit 
handelt es ſich lediglich um Penſionsnachzahlung. Die 
Kriegszulage von 10 M dagegen ift geſoͤndert einge— 
wieſen und auch geſondert zu beurteilen. An ſich kann 
kein Zweifel beſtehen, daß dieſe Zulage nicht früher 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


321 


beginnen kann, als die Penſion ſelbſt; dies ergibt ſich 
aus der Natur der Sache und dem Geſetz vom 31. Mai 
1901 ſelbſt; denn deffen § 25 will nur Nachzahlungen 
über 1. April 1901 zurück unter allen Umſtänden 
verbieten, nicht aber den Beginn von da ab für alle 
Fälle vorſchreiben. Nun will der Kläger daraus 
Nutzen ziehen, daß die Anerkennung urſprünglich irr⸗ 
tümlich auf 1. April 1901 ausgeſtellt worden iſt und 
beruft ſich hierwegen auf § 90 MilPG., wonach die 
Penſion nur erliſcht, wenn das Gegenteil ihrer Vor⸗ 
ausſetzungen bewieſen iſt. Daraus folgert der Kläger, 
daß einmal angewieſene Penſionen nicht mit Rück⸗ 
wirkung eingezogen werden können, mögen ſie auch 
noch nicht ausbezahlt ſein. Es mag dahin geſtellt 
fein, ob § 99 RMilpPG. wirklich den Militärfiskus in 
ſolch abnormer Weiſe an der Korrektur eines offen- 
baren Irrtums hindern könnte, zumal wenn für die 
Anerkennung von Anfang an die geſetzliche Grundlage 
mangelt (vgl. 88 812 ff. BGB.). Hier ſteht aber der 
Klage des W. entgegen, daß er gegen die nachträg— 
liche Abänderung der Anerkennungsverfügung des 
Generalkommandos hinſichtlich des Beginns der Kriegs⸗ 
zulage überhaupt keine Beſchwerde zum Kriegsmini⸗ 
ſterium eingelegt hat, der Rechtsweg hinſichtlich dieſer 
10 M alfo noch gar nicht eröffnet ift. Die Bekannt⸗ 
gabe der Aenderung an den Kläger iſt aktenmäßig 
aber bereits im Auguſt 1901 erfolgt. Sollte es ſich 
bei dieſer Aenderung aber um eine Verfügung des 
Kriegsminiſteriums ſelbſt gehandelt haben, was aus 
den Akten nicht klar hervorgeht, ſo wäre die Klage— 
friſt bereits längſt verſtrichen. Einer ausdrücklichen 
Belehrung über den Rechtsweg bedurfte es zum Frift- 
beginn nicht. (Urteil vom 12. Februar 1908; A N 
1314 


Landgericht Memmingen. 


Die Auslagen für ärztliche Gutachten zur Bor- 
bereitung der Klage können zu den Prozeßkoſten gehören. 
In einem Viehgewährſchaftsſtreit hat der Beklagte, 
nachdem ihm der Mangel vom Käufer angeſagt worden 
war, Tierärzte zu Rate gezogen. Er nahm auf Grund 
ihrer Gutachten den Streit auf und ſiegte. Im Koſten— 
feſtſetzungsverfahren ſtrich das Amtsgericht die vom 
Beklagten beanſpruchten Koſten der Gutachten, weil 
es annahm, daß fe nicht zu den Prozeßkoſten gehören. 
Als dann die Koſten durch eine Klage eingefordert 
wurden, wies das LG. den Anſpruch in der 2. In- 
ſtanz mit folgender Begründung zurück: Koſten, die 
im Laufe eines Rechtsſtreits dadurch erwachſen, daß 
von einer Partei ein Gutachten zur Aufklärung des 
Sachverhalts erholt wird, damit ſie ſich vergewiſſere, 
ob es vorteilhaſt ſei, den Prozeß fortzuführen oder 
wie ſie ihn zu betreiben habe, gehören zu den Prozeß— 
koſten im Sinne der 8S 91 ff. ZPO. Denn zu dieſen 
gehört jede Vermögensaufopferung zum Zweck der 
Prozeßfuͤhrung (f. Planck, Lehrbuch des d. Zivilprozeß— 
rechtes, Bd. IS 69, 2 S. 384). Demnach bildet die Ent- 
ſcheidung über die Prozeßkoſten ein jeder Selbſtändigkeit 
entbehrendes Anhängſel des Rechtsſtreits, ſo daß nur 
der Richter über fie zu erkennen hat, der mit dem Rechts- 
ſtreit befaßt war, in dem ſie entſtanden ſind. Ein vom 
Rechtsſtreite losgelöſtes Verfahren über die Frage des 
Erjaßes der Prozeßkoſten und ein ſelbſtändiger, im Wege 
eines neuen Prozeſſes verfolgbarer Privatrechtsanſpruch 
einer Partei gegen die andere auf Koſtenerſatz ſind 
ausgeſchloſſen. Nur Anſprüche auf Koſtenerſtattung, 
die ſich aus beſonderen Tatbeſtänden ergeben, z. B. 
aus Verträgen, unerlaubten Handlungen u. dgl., können 
in einem beſonderen Verfahren durchgeſetzt werden 
(f. Seuffert I Abſ. 3 der Vorbem vor § 91 3P O.). 
Deshalb ſchließt fih auch die Feſtſetzung der Koſten in 
dem beſonderen Verfahren nach SS 103—106 3PO. 
an den Rechtsſtreit als Fortſetzung an; die Feſtſetzung 


kann nicht im Wege der Klage herbeigeführt werden. 
Die Grundlage des hier geltend gemachten Anſpruchs 


auf Erſatz von Koſten iſt nur deren Eigenſchaft als 


Prozeßkoſten. Gerade der Umſtand, daß ſie auf— 
gewendet wurden, weil P. ohne Grund das Pferd 
beanſtandet und Klage erhoben hatte, läßt ſie als 
Prozeßkoſten erſcheinen;: der vom Berufungsführer 
angeführte § 488 BGB. ift nicht anwendbar. Daß 
die Aufwendung der Koſten ſchuldhaft durch eine un- 
erlaubte Handlung veranlaßt worden wäre, wird 
nicht behauptet. Demnach fällt der Anſpruch unter 
die Koſten, über deren Erſtattung vorbehaltlich der 
Prüfung ihrer Notwendigkeit das Urteil in dem 
früheren Rechtsſtreite entſchieden hat. Damit, daß 
dieſe Koſten im Feſtſetzungsverfahren aus allerdings 
nicht zutreffenden Gründen nicht zugebilligt wurden 
und daß hiergegen Beſchwerde nicht eingelegt wurde, 
hat die Frage der Erſatzpflicht ihre Erledigung ge— 
funden. (Urteil vom 1. Juli 1908). 

1347 Mitgeteilt v. Rechtsanwalt Goldbach in Memmingen. 


Literatur. 


Schneickert, Dr. jur. Hans, Kgl. Kriminalkommiſſar am 
olizeipräſidium in Berlin. Signalementslehre 
(Syſtem Alphonſe Bertillon). I. Das „geſprochene 
Porträt“ (Portrait parle), von Prof. Dr. R. A. Reik, 
Lauſanne. II. Identitätsfeſtſtellungen ohne Sig— 
nalement, von Dr. H. Schneickert. Handbuch für 
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeiſchulen. 
Erweiterte deutſche Ausgabe. (IV, 164 Seiten, mit 
ſieben Tafeln und 132 Illuſtrationen im Tert). 
München 08, J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). 
Gebd. Mk. 4.50. 


Der bekannte Profeſſor für Polizeiwiſſenſchaft an 
der Univerſität Lauſanne Dr. R. A. Reiß, ein Schüler 
Bertillons, hat es unternommen das „Portrait parle“ 
ſeines Lehrers in einem handlichen Werkchen in klarſter 
und verſtändlicher Weiſe zu populariſieren, das heißt 
in dieſem Falle dem Verſtändnis der Polizeiexekutiv— 
beamten nahe zu bringen. Dr. Schneickert hat das 
Werk überſetzt und für die deutſche Praxis aufs glück— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in 1 Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


lichite bearbeitet. In einem Anhang gibt er ergänzende 


Bemerkungen zur Signalementslehre, über die Lehre 
und Einführung des „Portrait parlé“ oder Gedächtnis— 
bilder, ſowie über die andern Identifikationsmethoden 


wie Anthropometrie oder Bertillonage und Daktylo- 


ſkopie. Das Buch iſt mit erläuternden Zeichnungen 
und ausgezeichneten Lichtbildern reich ausgeſtattet und 


wird bald bei keiner Polizeibehörde und Schule für | 


Exekutivbeamte mehr fehlen. Auch ſür die Staats- 
anwaltſchaften und Gerichte iſt es insbeſondere durch 


das dreiſprachige Wörterverzeichnis der Signalements⸗ 


lehre ein wertvolles Hilfsmittel zur Entzifferung und 
zum Verſtändnis der bisweilen vorliegenden auslän— 


diſchen Signalementskarten. 
I. Staatsanwalt Groſch. Offenburg. 


Kuoh, Dr. jur. et rer. pol. Sigmund, gepr. Rechts⸗ 
praktikant aus Schlierſe.. Die allgemeinen 
Grundſätze des bayeriſchen Forſtſtraf⸗ 
rechts. Nürnberg 1908, U. E. Sebald, Kgl. bayer. 
Hofbuchdruckerei. 


Man befaßt ſich in der jüngſten Zeit wieder 
eifriger als bisher mit der wiſſenſchaftlichen Erforſchung 
des „Mikrokosmus“ des bayeriſchen Landesrechts. Das 
vorliegende Buch zeigt, daß hier noch manche inter— 
eſſante Frage der Löſung harrt. Der Praktiker macht 
ſich in der Regel nur von Fall zu Fall mit den ihm 
weniger geläufigen Materien vertraut und ſchöpft ſein 
Wiſſen faſt nur aus den wenig zahlreichen oberſt— 
richterlichen Entſcheidungen. Es kann ihm nichts 
ſchaden, wenn er zuweilen eine ſyſtematiſche Unter- 


weiſung zur Hand nimmt. Die mit großer Sorgfalt 
und ſcharfem juriſtiſchem Urteil bearbeitete Darſtellung 


von Dr. Knoch kann ihm nur empfohlen werden. 
von der Pfordten. 


Literatur zum Geſetz über den Verſicherungs vertrag. 


1. Hagen, Dr. P. und Behrend, Dr. R., Regierungs: 
räte im Kaiſerl. Aufſichtsamte für Privatverſiche⸗ 
rung. Reichsgeſetz über den Verſicherungs⸗ 
vertrag mit dem EG., mit Einleitung, ausführ- 
lichen Erläuterungen und Sachregiſter Berlin 1908, 
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd. Mk. 5.—. 


2. Schneider, Konrad, Oberlandesgerichtsrat in Stettin. 
Geſetz über den Verſicherungs vertrag. 
Text⸗Ausg. m. Einleitung, Anmerkungen u. Sad- 
regiſter. 8°. (VIII, 555 S.). München 1908, C. H. 
Beck'ſche Verlagsbuchh. (O. Beck). Gebd. Mk. 5.—. 


3. Beſt, Dr., Geheimrat in Darmſtadt, Geſetz über 
den Verſicherungs vertrag vom 30. Mai 1908. 
(263 S.). Stuttgart 1908, Deutſche Verlagsanſtalt. 
Gebd. Mk. 5.—. 


Das Geſetz tritt zwar erſt am 1. Januar 1910 in 
Kraft; da es aber ſehr umfangreich und nicht leicht 
zu verſtehen iſt, werden die Juriſten und die beteiligten 
Kreiſe gut tun, ſich möglichſt bald mit ihm vertraut 
zu machen. An Ausgaben fehlt es nicht, wie man 
aus dieſer Anzeige ſehen kann. Die hier angeführten 
Handkommentare ſind alle ſorgfältig bearbeitet und 
können mit Erfolg zu einer kurzen Orientierung über 
den weſentlichen Inhalt des Geſetzes verwendet werden. 

von der Pfordten. 


Griffel, Joh. Bapt., Pfarrer. Baufallſchätzung an 
den kath. Pfründegebäuden in Altbayern 
nach der miniſteriellen Bekanntmachung vom 1. Sep- 
tember 1907. (40 S.). München 1908, J. J. Lentner- 
fhe Buchhandlung (J. Stahl). Mk. —.60. 

Die Abhandlung unterzieht die Min Bek. vom 

1. September 1907 über Baufallſchätzungen einer näheren 

Prüfung daraufhin, inwiefern ſie iu den Pfründe⸗ 

inhaber eine Erleichterung gebracht hat. Der Verfaſſer 

verneint dieſe Frage zunächſt hinſichtlich des materiellen 

Rechts der Unterhaltspflicht, bezüglich deren die MinBek. 

auf eine Entſcheidung des VGH. verweiſt, wonach für 

die altbayeriſchen Gebietsteile die Beſtimmungen des 

BGB. über die Nutznießung in Anwendung kommen. 

Er bedauert, daß durch die Einführung des BGB. die 

Rechtsunſicherheit nicht beſeitigt worden iſt. An den 

formellen Vorſchriften bemängelt er vor allem die 

Einführung von Abnützungsquoten, welche in der 

Praxis nur dahin führen werden, auch für gewöhn⸗ 

liche Abnützung in den Fällen, in welchen eine bau— 

liche Wendung noch nicht notwendig iſt, eine Pauſch— 
ſumme anzuſetzen. Endlich ſieht er in der gänz— 
lichen Ausſchaltung des Pfründenachfolgers, der doch 
ein Recht auf Uebergabe der Gebäude in gutem Zu— 
ſtand hat, bei der Baufallſchätzung eine Schlechter— 
ſtellung der abziehenden Pfründeinhaber. Dem Ver— 
faſſer ift in allen Punkten beizupflichten und feine Ans 
regungen werden bei der künftigen Geſtaltung der 
Vorſchriften wohl Beachtung finden. Vor allem die 
Geſtaltung des materiellen Rechts iſt nicht ganz ein— 


wandfrei. Während die Entſcheidung des VGH. be- 
tont, daß der Pfründeinhaber Veränderungen der 


Sache nicht zu vertreten hat, die durch die ordnungs— 
mäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt 
werden, nimmt die MinBek. ihn für Erneuerung des 
Anſtrichs von Türen und Fenſtern, die Ausbeſſerung 
von Teilen der Zimmerböden oder Pflaſterungen uſw. 
in Anſpruch, die ohne Beeinträchtigung der Benütz⸗ 
barkeit der Pfründegebäude unbedenklich auf einen 
ſpäteren paſſenden Zeitpunkt zurückgeſtellt werden 


können. Dadurch erleidet das beſtehende Recht eine 
Aenderung. Der Pfründebeſitzer als Nutznießer hat 
nur die kleinen Baufälle zu tragen. Die Anſätze für 
geringfügige Baugebrechen, die mehr Schönheitsfehler 
als Baufälle find, find keine Baufälle. Das Bau- 
pflichtrecht mutet deren Wendung dem Pfründes 
inhaber nicht zu und nach Nießbrauchsrecht haftet er 
nicht, weil derartige Schönheitsfehler gewöhnliche Ab— 
nützungen ſind, ſoweit es ſich nicht um eine das ge⸗ 
wöhnliche Maß überſchreitende, eine wirkliche Wen⸗ 
dung erheiſchende Abnützung handelt. Der Pfründe— 
nachfolger hat eben nur ein Recht auf Uebergabe der 
Wohnung in bewohnbarem Zuſtand, nicht auf Ein— 
räumung einer neuhergerichteten Mietwohnung und 
er kann die Wohnräume nach Belieben neu ausſtatten. 
Wie der Nutznießer die Wohnung dem Eigentümer 
zurückzuſtellen hat, ſo hat der Pfründeinhaber ſie dem 
Nachfolger zu übergeben, alſo in dem bei normaler 
Abnützung eingetretenen Zuſtand. Schönheitsfehler 
hat er nicht zu beſeitigen. Das materielle Recht der 
Min Bek. ſtellt alfo eine authentiſche Auslegung des 
geltenden Rechts dar, die nur durch Geſetz herbei— 
geführt werden kann, da der Kuratelbehörde wohl die 
Staatsaufſicht zukommt nicht aber die Befugnis der 
Rechtſetzung. Der Pfründegenuß ift ein Stiftungs- 
genuß. Deſſen Regelung kann nur durch ein Geſetz 
erfolgen, nicht durch Verwaltungsvorſchriften. Tr 


Krückmaun, Dr. iur. Paul, Univerſitätsprofeſſor in 
München. Spruchrecht. Ausgewählte höchſt— 
richterliche Entſcheidungen in der Syſtematik des 
BGB. zur Einführung in das Rechts- und Wirtſchafts⸗ 
leben. Cöln 1908, Verlag der Du Mont-Schau⸗ 
berg'ſchen Buchhandlung. 


Das Spruchrecht iſt eine zweckmäßige und 
notwendige Ergänzung der anderen juriſtiſch-pädagogi⸗ 
ſchen Werke von Krückmann. Es beſteht aus einer 
Sammlung intereſſanter Zivilrechtsfälle, die nach 
didaktiſchen Geſichtspunkten ausgewählt ſind, und ge— 
währt durch unverkürzte Wiedergabe der Tatbeſtände 
und Gründe dem Anfänger einen Einblick in die „Werk: 
ſtätte“ des Praktikers. Freilich gibt es hier für den 
Studierenden manche harte Nuß zu knacken: er wird 
die einzelnen Entſcheidungen fünfmal und ſechsmal 
leſen, Geſetz, Lehrbuch und Skriptum nebenher zur 
Hand nehmen müſſen, um Verſtändnis für die ge— 
heimnisvolle Welt zu gewinnen, die ſich ihm hier auf— 
tut. Ich ſehe aber darin nicht einen Fehler, ſondern 
einen Vorzug der Sammlung: ſie bietet dem Studieren— 
den, der es mit der Wiſſenſchaft ernſt nimmt, eine An— 
regung zu ſelbſtändiger Tätigkeit, wie ſie trockene Vor— 
leſungen niemals geben können. Das „Spruchrecht“ 
wird dazu beitragen, die leider noch immer ziemlich 
breite Kluft zwiſchen Univerſitätsbetrieb und juriſti— 
ſcher Praxis zu verringern. von der Pfordten. 


Hallbauer, M. G., Senatspräſident am Oberlandes- 
gerichte Dresden. Das deutſche Hypotheken- 
recht. Ein Leitfaden. 2. verbeſſerte und vermehrte 
Auflage. Leipzig 1908, Roßberg'ſche Verlagsbuch— 
handlung, Arthur Roßberg. Gebd. Mk. 4.—. 

Eine gewiſſe Kenntnis des Hypothekenrechts, 
wenigſtens der Grundzüge, ſollte heutzutage jedem 
Gebildeten zu eigen ſein. Wäre nur das Hypotheken— 
recht des BGB. ſo geartet, daß es wenigſtens der 
Juriſt verſtehen und beherrſchen könnte, ohne ſich mit 
der Ueberwältigung einer unüberſehbaren Anzahl von 
Streitfragen abquälen zu müſſen! Der Verfaſſer hat, 
da er nur einen Leitfaden liefern wollte, mit Recht 
mehr auf die Unterdrückung als auf die Aufſpürung 
von Zweifeln Bedacht genommen und ſo eine Ueber— 
ſicht geſchaffen, die auch für den Anfänger und für den 
Laien verſtändlich iſt. von der Pfordten. 


Stölzle, Dr. iur. Hans, Rechtsanwalt in Kempten. 
Güter⸗ und Erbrechts verhältniſſe im 
Allgäu. Auf Grund der Beſtimmungen des bayer. 
Uebergangsgeſetzes vom 9. Juni 1899 und des BGB. 
Kempten und München 1907, Verlag der Jof. Köſel⸗ 
ſchen Buchhandlung. Gebd. Mk. 4 —, geh. Mk. 3.—. 


Der Verfaſſer iſt meines Wiſſens der erſte, der 
ſich an die eingehendere Bearbeitung von Vorſchriften 
gewagt hat, bei deren bloßer Erwähnung ſich den 
Juriſten — von einigen Auserwählten abgeſehen — 
die Haare ſträuben. Ich glaube, daß es ihm gelungen 
iſt, ſie ſoweit verſtändlich zu machen, als es eben 
möglich war. Die ſchwäbiſchen Nachlaßrichter und 
Notare werden es ihm zu danken wiſſen, daß er ſich 
mutvoll einer ſo widerhaarigen Aufgabe unterzogen 
hat. Sehr wertvoll für die Praxis iſt auch die im 
IV. Buch beigegebene Zivilgeſetzſtatiſtik, die durch ſorg— 
fältige Nachprüfung dem Stande der Gegenwart an— 
gepaßt iſt. von der Pfordien. 


Notizen. 


Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Aenderungen 
der Gemeindeordnungen und des Polizeiſtrafgeſetzbuchs 
betr. (GVBl. 1908 S. 353) enthält einige ſehr be⸗ 
grüßenswerte Vorſchriften über den ſog.„Heimatſchutz“. 
Sie entſprechen zum Teile den preußiſchen Vorſchriften, 
über die wir in der Notiz auf S. 376 des 3. Jahrg. 
berichtet haben. Nach Art. 1 find die Gemeinden fünf- 
tig auch bei Veräußerung, Belaſtung, Reſtauration oder 
Veränderung beweglicher Sachen von prähiſtoriſchem, 
hiſtoriſchem oder kunſthiſtoriſchem Wert an die vor- 
herige Genehmigung der vorgeſetzten Verwaltungs- 
behörde gebunden (Art. 159 der rechtsrheiniſchen und 
Art. 91 der pfälziſchen GemO.). Im Polizeiſtrafgeſetz— 
buch wird ein neuer Art. 22 b eingeſtellt. Danach wird 
an Geld bis zu 150 M oder mit Haft beſtraft, wer 
den durch Verordnung oder oberpolizeiliche Vorſchriſten 
erlaſſenen Beſtimmungen über Ausgrabungen und 
Funde von prähiſtoriſchen oder hiſtoriſch merkwürdigen 
Gegenſtänden zuwiderhandelt. Gleicher Strafe unters 
liegt, wer den ober-, diſtrikts⸗ oder ortspolizeilichen 
Vorſchriften zuwiderhandelt, die zum Schutze ein— 
heimiſcher Tier- und Pflanzenarten gegen Ausrottung 
oder zum Schutze von Orts- und Landſchaftsbildern 
gegen verunſtaltende Reklame erlaſſen find. Der Straf- 
richter hat der Polizeibehörde die Befugnis zur Be- 
ſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes zuzuſprechen; 
er kann das auch dann tun, wenn die Verfolgung 
oder Verurteilung einer beſtimmten Perſon nicht aus— 
führbar iſt. Der Art. 101 Abſ. 3 enthält eine neue 
Faſſung, wonach im Intereſſe der Verſchönerung bau— 
polizeiliche Vorſchriften durch Verordnung, diſtrikts— 
oder ortspolizeiliche Vorſchriſten erlaſſen werden 
können. Bisher konnten diſtrikts polizeiliche 
Vorſchriften ſolche Anordnungen überhaupt nicht 
treffen; durch Verordnung konnten ſie nur für 
Städte mit mehr als 20000 Einwohnern getroffen 
werden. Der Gleichgültigkeit der kleineren Gemeinden 
gegenüber dem Intereſſe an der Erhaltung architek⸗ 
toniſcher Schönheiten und an der Vermeidung ſtil— 
widriger, die Umgebung verunzierender Neubauten 


kann jetzt wirkſamer entgegengearbeitet werden. 
1352 


Das Geſetz vom 16. Juni 1908, die Scheckproteſte 
beir., beſtimmt in feinem Art. 1, daß die Gerichts— 
vollzieher zuſtändig ſind, Scheckproteſte zu erheben 
(S 16 Abſ. 1 Nr. 3 des ScheckG.). Die Zuſtändigkeit der 
Notare zur Erhebung der Proteſte ergibt fidh aus 8 16 
Abſ. 2 des ScheckG. und Art. 87 Satz 1 der WO. Der 
Art. 2 beſtimmt, daß in dem Geſetz über das Ge— 
bührenweſen in der Faſſung der Bekanntmachung 
vom 28. April 1907 (GVBl. S. 395) nach dem Art. 282 


324 


unter der Ueberſchrift, VI. Titel: Proteſte“ der Art. 282a 
(Wechſelproteſte und Scheckproteſte unterliegen einer 
Gebühr zu eins vom Tauſend der Gegenſtandsſumme, 
mindeſtens aber einer ſolchen von 1 M) und der 
Art. 282 b (Beſtimmungen über die Zuftändigfeit und 
das Verfahren bei Streitigkeiten über die Verpflichtung 
zur Entrichtung der Gebühr des Art. 282 a) einge⸗ 
ſchoben werden. Die Art. 172 und 196 Abſ. 1 des 
GebG. werden aufgehoben; der Eingang des Art. 250 
geändert. Im Anſchluß hieran werden durch die 
Allerh. VO. vom 26. Juni 1908, den Vollzug des Shed- 
geſetzes betr. (GVBl. 1908 S. 345) die SS 11 und 21 
der GVollzO. vom 16. Dezember 1899, die 88 8 und 9 
der LandesGebO. für die Gerichtsvollzieher vom 16. Dez 
zember 1899 und der Art. 42 der NotGebO. vom 
28. Dezember 1899 in der Hauptſache dahin geändert, 
daß die Vorſchriften auch für die Scheckproteſte gelten. 
1350 


Das Geſetz vom 6. nk 1908, den Vollzug des 
Vereinsgeſetzes betr. (GVBl. 1908 S. 351) erklärt in 
Art. 1 als Verwaltungsrechtsſachen alle beſtrittenen 
Rechtsanſprüche und Verbindlichkeiten, welche die Auf— 
löſung von Vereinen und Verſammlungen auf Grund 
der §§ 2 und 15 des Ver. vom 19. April 1908 zum 
Gegenſtande haben. In Art. 2 wird zur Entſcheidung 
über die Auflöſung eines Vereins und über die AMn- 
fechtung der Auflöſung einer Verſammlung die Diſtrikts— 
verwaltungsbehörde, in München die Polizeidirektion 
in erſter Inſtanz als zuſtändig erklärt. Nach Art. 3 
find die auf Grund der SS 3, 5, 7, 12 und 14 des 
Ver. ergehenden Amtshandlungen der Behörden ge— 
bührenfrei. 

1348 


Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Abänderung 
des Titels VII E 26 der Berfaffungsurkunde betr. 
(GVBl. 1908 S. 352) gibt dem § 26 im Anſchluß 
an den Art. 31 der Reichsverfaſſung eine neue präziſere 
Faſſung. Während der Verſammlung des Landtags 
in ordentlicher oder außerordentlicher Tagung kann 
hiernach ohne Einwilligung der Kammer gegen ein 
Mitglied des Landtags eine Strafverfolgung weder 
eingeleitet noch fortgeſetzt und eine Haft nicht vollzogen 
werden. Ausgenommen ſind die Fälle, daß das Mit— 
glied bei Beginn der Tagung verhaftet war oder daß 
es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächſten 
Tages ergriffen wird. In dieſen Fällen iſt auf Ver— 
langen der Kammer für die Dauer der Tagung die 
Unterbrechung der Strafverfolgung und der Haft her— 
beizuführen. Dieſe Vorſchriften finden auf die Mit— 
glieder eines bei nicht verſammelten Landtag ein— 
berufenen beſonderen Ausſchuſſes für die Dauer ſeiner 
Tagung mit der Maßgabe entſprechende Anwendung, 
daß die Einwilligung oder das Verlangen an Stelle 


der Kammer dem Ausſchuſſe zuſteht. 
1349 


Die Bekanntgabe von Vorſtrafen der Angeklagten 
und Zeugen in der Hauptverhandlung einzuſchränken 
und dadurch Bloßſtellungen zu verhindern, iſt das 
Ziel der im IM Bl. Nr. IX S. 131—133 veröffent: 
lichten Bekanntmachung des Staatsminiſteriums der 
Juſtiz vom 25. Juni 1908. 

1. Sie legt den Vorſitzenden der Strafgerichte 
nahe, in jedem Falle zu prüfen, ob es notwendig iſt, 
daß die früheren Beſtrafungen des Angeklagten bei 
ſeiner Vernehmung über die perſönlichen Verhältniſſe 
bekannt gegeben werden oder ob nicht billige Rück— 
ſichtnahme auf die Intereſſen des Angeklagten es er— 
heiſcht, daß die Bekanntgabe von Vorſtrafen ganz oder 
teilweiſe unterbleibt oder doch auf einen ſpäteren 
Zeitpunkt der Hauptverhandlung verſchoben wird. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. 


Die Staats⸗ und Amtsanwälte werden folgerichtig 
angewieſen, die Strafregiſterauszüge zunächſt nur zum 
eigenen Gebrauch zu erholen, die Frage, ob deren 
Einträge als Beweismittel zu bezeichnen ſind, ſtets 
ſorgfältig zu prüfen und in der Hauptverhandlung 
dafür einzutreten, daß die Bekanntgabe früherer Bes 
ſtrafungen des Angeklagten unterbleibe, wenn und 
ſoweit ſie zwecklos oder entbehrlich iſt, und keinesfalls 
früher erfolge, als es notwendig iſt. Eine vorſichtige 
Handhabung dieſer Grundſätze, die darauf Bedacht 
nimmt, daß nicht dem erkennenden oder beſchließenden 
Gerichte die richtige Würdigung der Eigenart des 
Täters erſchwert wird, wird gute Folgen haben 
können. 

2. Fragen nach früheren Beſtrafungen des Zeugen 
ſollen nach der Bekanntmachung nur dann geſtellt 
werden, wenn eine zwingende Veranlaſſung dazu be⸗ 
ſteht, z. B. wenn angenommen werden muß, daß es 
für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen 
von Wichtigkeit wäre, wenn er die behauptete Ve- 
ſtrafung erlitten hätte, oder wenn die Unterlaſſung 
der Fragen allgemeine Intereſſen der Rechtspflege oder 
vom Geſetze gewährleiſtete Rechte eines Prozeßbetei⸗ 
ligten beeinträchtigen würde. Die Bekanntmachung 
befaßt fih insbeſondere mit der Frage nach einer et- 
waigen Vorbeſtrafung des Zeugen wegen Meineids, 
die nach dem Geſetze zur Feſtſtellung der Eidesfähig⸗ 
keit nicht umgangen werden kann. Soferne nicht 
ſchon beim Aufruf der Zeugen dieſen gemeinſam aus— 
einandergeſetzt wird, daß und aus welchem Grunde 
dieſe Frage geſtellt werden muß, wird ſie häufig in 
einer Form erfolgen können, welche die bereits vor— 
läufig beſtehende gegenteilige Annahme des Richters 
ausdrückt und dadurch der Frage die verletzende Wir⸗ 
kung nimmt. 

Die Bekanntmachung behandelt aber nicht nur 
die Stellung von Fragen nach etwaigen Beſtrafungen 
des Zeugen, ſondern will ganz allgemein Vorkehrungen 
zum Schutze der Zeugen gegen Bloßſtellungen treffen. 
Sie behandelt insbeſondere in ausführlicher Weiſe 
den Schutz des Zeugen gegenüber Fragen, die ſeine 
Glaubwürdigkeit betreffen. Der Grundſatz, daß dem 
Zeugen Fragen, die ſeine Glaubwürdigkeit betreffen, 
nur im Falle wirklichen Bedürfniſſes und nur dann 
vorzulegen ſind, wenn es ſich um Fragen über Um⸗ 
ſtände handelt, die gerade in der konkreten Sache für 
ſeine Glaubwürdigkeit von Bedeutung ſind, wurde 
namentlich in Privatklageſachen nicht immer mit der 
nötigen Straffheit zur Durchführung gebracht. Der 
Hinweis der Bekanntmachung, daß der Zeuge, ſoweit 
es nur immer ohne Nachteil für eine zutreffende und 
erſchöpfende Beurteilung der Sache geſchehen kann, 
vor allen Fragen zu bewahren iſt, die dem erwähnten 
Grundſatze zuwiderlaufen oder gar den Zweck ver— 
folgen, den Zeugen oder eine ihm naheſtehende Perſon 
bloßzuſtellen, iſt geeignet, dem Mißſtande abzuhelfen, 
daß der Zeuge zum Ingquiſitionsobjekt gemacht, in 
ſeinen Kredit- und Erwerbsverhältniſſen geſchädigt, ja 
ſogar um feinen häuslichen Frieden gebracht wird, 
und der Gefahr vorzubeugen, daß ſich Zeugen, die 
weſentliches zur Klärung der Sache beitragen könnten, 
der Zeugſchaft aus Furcht vor perſönlichen Angriffen 
und Verunglimpfungen entziehen. 


Die Allerh. VO. vom 18. Juli 1908, die Kaminkehrer 
betr. (GBl. 1908 S. 363) hat den § 15 der VO. 
vom 26. März 1903 geändert, der Beſtimmungen über 
den Unterſtützungsverein für bayeriſche Kaminkehrer— 
witwen enthält. 

139% 
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H., Freiſing. 


Zeitſchrift für Rechtpflege 


Herausgegeben von Verlag von 


e dene. ill Buhr Saia 


in München. in München, Lenbachplatz 1. 


Ar. 17. München, den 1. September 1908. 1908. 4. Jahrg. 


Die Zeitſchrift erſche int = 1. und 15. jeden Mon N 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlertellahrlich ; 
ME 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Sr orani unb 
Bokanflalt (Boſtzettungeliſte für Bayern Nr. 974a). 


on und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
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si aum. Bel Wiederholungen Rabatt. Stelle gen 
4 20 Mfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Nachdruck verboten. 


Zur Einführung in das Keichsgeſetz hunderts, der ſich u. a. ſo auffällig in dem Aus⸗ 


8 wand 8 v 9. Juli 1897 b kl 
über den Verſicherungsvertrag. F 


i l ihm faſt gleichalterige Parallelgeſetz der Schweiz 

Von Oberlandesgerichtsrat K. Schneider in Stettin. (vom April 1908), eine ganze Reihe ſogenannter 
Das Reichsgeſetz betreffend den Verſicherungs⸗ zwingender Vorſchriften (Jus cogens“), die dem 
vertrag vom 30. Mai 1908, ſpäteſtens am Belieben der Beteiligten oder richtiger dem Druck 
1. Januar 1910 in Kraft tretend, darf als eine des jeweilig wirtſchaftlich Ueberlegenen von ihnen 
ſehr bedeutſame Erſcheinung in der deutſchen nicht nachgeben. Ohne ſie bliebe in der Tat die 
Rechtsentwicklung betrachtet werden, — ſeines ganze Regelung des privaten Verſicherungsrechts 
juriſtiſchen Gehaltes, ſeiner kunſtgerechten Faſſung dem „Spiel der Kräfte“ überlaſſen und wäre 
und feiner hervorragenden wirtſchaftlichen Be: mehr oder weniger 9 ſie wäre vielleicht ein 
deutung wegen. Freilich ift auf dem Gebiete des juriſtiſch vollendetes geſetzgeberiſches Gebilde, aber 
Verſicherungsweſens das ſogenannte Verſicherungs⸗ auch nur ſozuſagen ein Schaugericht, das niemanden 
aufſichtsgeſetz vom 12. Mai 1901 ja rechtlich und ſättigt. Es bliebe alles wieder dem Wirken der 
wirtſchaftlich bereits von großem Einfluſſe geweſen. Aufſicht, ſoweit diefe überhaupt reichen kann, und 
Aber der Zwang des Verwaltungsrechts bietet dem allerdings nicht zu unterſchätzenden Einfluſſe 
doch eben noch nicht die Bürgſchaft, daß in jedem des Wettbewerbes der Verſicherungsanſtalten unter⸗ 
einzelnen Streitfalle eine wirklich gerechte Aus- einander überlaſſen, wobei dieſer freilich durch 
gleichung der gegenſeitigen Rechte und Pflichten deren bekannte Kartellierung ſtark an Bedeutung 
bei dem betreffenden Verſicherungsverhältniſſe und Vorteil für die Verſicherungsſuchenden einbüßt, 
eintritt; daß nicht, entgegen den genehmigten während ihm andererſeits wieder das Gegenüber⸗ 
„Allgemeinen Bedingungen“, irgend welche be- ſtehen der privaten und öffentlichrechtlichen Ber- 
ſonderen ungünſtigen Bedingungen dem einzelnen ſicherungsanſtalten aufhilft. Wer bisher überhaupt 
Verſicherungsnehmer aufgedrängt und zu ſeinem Verſicherung bekommen will, muß ſich notgedrungen 
Nachteile ausgebeutet werden. Wer das eigen- immer den von dem betreffenden „Verbande“ 
artige Verhältnis derartiger öffentlichrechtlicher | oftroyierten, ihm vielleicht durchaus nicht genehmen 
Geſetze zu privatrechtlichen Beſtimmungen zu Bedingungen fügen. Es iſt alſo von großer 
würdigen weiß und in ihrer Vereinigung für Bedeutung, wenn demgegenüber dem Berjiche- 
manches rechtliche Gebiet erft die Krönung des rungsſuchenden das Geſetz die wichtigſten Punkte 
Rechtsſchutzes erblickt, wird über das Geſagte und feiner Rechtsſtellung durch zwingend durd- 
die Wichtigkeit des jetzt erreichten Fortſchrittes greifende Beſtimmungen ſichert. Im übrigen iſt 
nicht im Zweifel ſein. Erſt die jetzt erlaſſenen es anderſeits bekannt, wie ſehr, beſonders im 
privatrechtlichen Vorſchriften werden zur unver- Kreiſe der Verſicherer, der Umfang und der Ein: 
rückbaren Grundlage, zur Sicherheit dafür, daß fluß dieſer zwingenden Vorſchriften überſchätzt 
das Recht des einzelnen Vertragsbeteiligten nach und ſie immer wieder als unwürdige und vor 
billigem Maße gemeſſen und mittelſt der Gerichts- allem ſachwidrige Feſſel für die Betätigung der 
gewalt unbedingt durchgeſetzt werden kann. Eben Verſicherungsunternehmungen angefeindet werden. 
deshalb bedient fih auch das neue deutſche Gele | Und das, obwohl es fid) die Begründung des 
in ſehr hervortretender Weiſe des hier beſonders deutſchen Geſetzes (S. 5), die „Botſchaft“ des 
wirkenden Mittels des Privatrechts, der „zwingen- ſchweizeriſchen Bundesrats von 1904 zu dem 
den“ Rechtsſätze, und folgt darin nur dem ſtetig w jetzigen Verſicherungsgeſetze (S. 22) und ebenſo 
ſich verſtärkenden Zuge unſerer Geſetzgebung feit auch die Begründung zum II. öſterreichiſchen Ent: 
Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahr- wurfe eines Verſicherungsvertragsgeſetzes von 1907 


326 


(S. 54) angelegen fein laſſen, dieſem Einwurfe bezeichnet und erſt nach ihrer Entſtehung dem 


ö Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


entgegen zu treten. Wie Deutſchland und ebenſo Verſicherer einzeln aufgegeben werden“, z. B. 


Oeſterreich ſeit 1880, hat auch die Schweiz ja 
längſt, ſeit 1885, eine ſtaatliche, wenngleich vielleicht 
gegenüber der deutſchen etwas beſchränktere Auf⸗ 
ſicht über den Betrieb des Verſicherungsweſens; 
und doch erklärt jene „Botſchaft“ (S. 10): Der 
Geſetzgeber iſt „berufen, die zwiſchen Verſicherer 
und Verſichertem gegenwärtig gegebene Rechts⸗ 
lage in dem Sinne zu verrücken, daß er dem 
Verſicherten zu denjenigen Rechten verhilft, welche 
aus dem Weſen und der Zweckbeſtimmung der 
Verſicherung reſultieren, und die der Berechtigte 
unter der Herrſchaft einer ſchrankenloſen Vertrags⸗ 
freiheit heute vielfach unbeſehen preisgeben muß. 
Im Verſicherungsverkehre iſt die Vertragsfreiheit 
in Tat und Wahrheit „Freiheit“ nur für den 
Verſicherer“. 

Mit dem Erlaſſe des deutſchen Verſicherungs⸗ 
vertragsgeſetzes kann jedoch der Streit über die 
Berechtigung der Zahl und des Umfanges der 


| 


aufzuſtellenden zwingenden Rechtsſätze füglich als 


für uns vor der Hand erledigt angeſehen werden. 
Es könnte ſich nur fragen, ob die künftige Ent⸗ 
wickelung unſeres Verſicherungsweſens demjenigen 
recht gibt, der eine unnötige Feſſelung, insbeſondere 
bei neu entſtehenden Verſicherungszweigen, durch 
ſie befürchtete. Das wird ſich demnächſt aber 
wohl kaum zeigen! 

Außerdem iſt noch auf folgendes hinzuweiſen. 
Wer den ziemlich müſſigen Verſuch machen will, 
die Zahl der ſogenannten zwingenden Beſtim⸗ 
mungen, — wozu, wie man den Juriſten freilich 
nicht zu ſagen braucht, diejenigen über Rechts⸗ 
beziehungen zu Dritten, z. B. Hypothekaren, trotz 
ihrer ſelbſtverſtändlichen Unabänderlichkeit für die 
Vertragſchließenden natürlich nicht gehören, — 
ihre Zahl alfo mit der der Rechtsſätze (oder Para- 


a 
1 
| 
1 


| 
| 


graphen) im neuen Geſetze überhaupt zu vergleichen, | 


zöge einen ſchiefen Maßſtab zur Hilfe. 
nicht mit dieſen Rechtsſätzen im Geſetze ſelbſt und 
allein, ſondern mit den ungezählten, der privaten 
Autonomie überlaſſenen Feſtſetzungen unbehin⸗ 
derten Inhalts dürfte doch nur jene Zahl 
der zwingenden Rechtsſätze, die, beiläufig geſagt, 
gerade im ſchweizeriſchen Geſetze noch größer iſt, 
als im deutſchen, zuſammengehalten und ver: 
glichen werden. 

Ferner iſt wohl zu beachten, daß die nicht unter 
das Geſetz fallende See- und die Rückverſicherung 
($ 186) ſelbſtverſtändlich von allen „in dieſem Geſetze 
vorgeſehenen Beſchränkungen der Vertragsfreiheit“ 
frei bleiben; und daß weiter die wichtigen Reihen 
des $ 187 Abſ. 1 und 2: die Gütertransport— 
verſicherung, die Kreditverſicherung, die Ver— 


ſicherung gegen Kursverluſte und gegen Arbeits- 


loſigkeit, ſowie jede Art „laufender“ Schadens: 
verſicherung (nämlich „die in der Weiſe genommen 
wird, daß die verſicherten Intereſſen bei der 


Schließung des Vertrags nur der Gattung nach, 


Verſicherung von Strohdiemen im landwirtſchaft⸗ 
lichen Betriebe, von Poſtſendungen unter Minder⸗ 
wertangabe) von den Beſchränkungen der Vertrags⸗ 
freiheit ausgenommen ſind. Desgleichen, und 
zwar wenigſtens von einem Teile dieſer beſchränkenden 
Vorſchriften, nach § 189 die Verſicherungen, „die 
bei einem Vereine genommen werden, der als 
kleinerer Verein im Sinne“ des Verſicherungs⸗ 
aufſichtsgeſetzes gilt, und die „Sterbegeldver⸗ 
ſicherung, die Volksverſicherung ſowie ſonſtige 
Arten der Lebensverſicherung mit kleinen Beträgen“. 
Endlich bei ſonſtigen, nämlich nicht unter die 
Ausnahmevorſchrift des Abſ. 1 im § 192 fallenden 
„Verſicherungen, die bei einer nach Landesrecht er⸗ 
richteten öffentlichen Anſtalt genommen werden“: 
§ 192 Abſ. 2. Durch § 188 find auch noch 
weitere Sicherheitsventile, wenn der Ausdruck er⸗ 
laubt iſt, geſchaffen. Denn „durch Kaiſerliche 
Verordnung kann mit Zuſtimmung des Bundes⸗ 
rats beſtimmt werden, daß bei den im zweiten, 
dritten und vierten Abſchnitte nicht beſonders 
geregelten Verſicherungszweigen, auch 
ſoweit ſie nicht unter den § 187 fallen, ſowie bei 
der Verſicherung von Schiffen gegen die Gefahren 
der Binnenſchiffahrt die in dieſem Geſetze 
vorgeſehenen Beſchränkungen der Vertragsfreiheit 
ganz oder zum Teil außer Anwendung 
bleiben“. Hierbei iſt zu beachten, daß als ſolche, 
beſonders geregelte Verſicherungszweige anzuſehen 
find die Feuer-, Hagel⸗, Vieh⸗, Transport- und 
Haftpflichtverſicherung, die Lebens- und die Unfall⸗ 
verſicherung, jo daß z. B. die Glas-, Sturmſchäden⸗, 
Froſt⸗, Waſſerleitungs⸗, Schlachtvieh⸗, Streit: 
verſicherung uſw. je nach Bedürfnis freigelaſſen 
werden dürfen; und etwa neu entſtehende Ver⸗ 
ſicherungszweige wenigſtens dann dieſes Vorteils 
teilhaftig werden können, wenn ſie ſich nach 


Denn Ueberwindung des erſten Entwicklungsſtadiums 


über ſich ſelbſt und ihre Vertrauenswürdigkeit 
ohne die zwingenden Rechtsſätze des Geſetzes aus⸗ 
gewieſen haben. Daß hier zunächſt eine erſprieß⸗ 
liche Entwicklung volkswirtſchaftlich berechtigter 
Neuſchöpfungen von Verſicherungsarten unter Um⸗ 
ſtänden durch die zwingenden Vorſchriften gehindert 
werden könnte, wird ſich freilich nicht beſtreiten 
laſſen. Immerhin iſt es nicht leicht, ſich einen 
ſolchen Fall vorzuſtellen; und dann iſt ja auch 
zu hoffen, daß mittelſt der Kaiſerlichen Verordnung 
jedesmal noch rechtzeitig Abhilfe geſchaffen werden 
kann. Bedenklicher iſt entſchieden der Einwand, 
daß der deutſche Verſicherer, durch die zwingenden 
Rechtsſätze unter gewiſſen Verhältniſſen zur 
Leiſtung gezwungen, wo er ſich ſonſt davon durch 
Vertragsbedingung frei machen könnte, das Gleich⸗ 
gewicht durch erhöhte Prämien aufrecht zu erhalten 
beſtrebt ſein muß; dann aber im auslaͤndiſchen 


Wettbewerbe hinter dem fremden Verſicherer, der 


nicht unter dieſem Zwange abſchließt und deshalb 


billiger verſichern kann, leicht zurückſtehen wird. 
Aber die tatſächliche Mehrleiſtung unſerer heimiſchen 
Verſicherung muß dabei doch ſchließlich auch mit 
ins Gewicht fallen. 

Hervorgehoben werden muß noch, daß die Liſte 
der zwingenden Vorſchriften, die die erſte Kom- 
miſſion des Reichstages zur Beratung des jetzigen 
Geſetzes ihrem Berichte als Anlage beifügte, als 
vollſtändig nicht angeſehen werden kann. In meinen 
(bei Beck, München) erſchienenen Erläuterungen zum 
Verſicherungsvertragsgeſetze (S. 79) habe ich ſchon 
darauf hingewieſen, daß beiſpielsweiſe $ 51 Abſ. 1 
in jener Aufzählung fehlt (Recht auf Herabſetzung 
der Ueberverſicherung, bei dem doch unmöglich ein 
Verzicht zuläſſig ſein kann, wie ihn denn auch der 
erwähnte II. öſterreichiſche Geſetzentwurf § 43 
Ab}. 1 in Verbindung mit $ 57 ausſchließt; anders 
freilich wieder das ſchweizeriſche Geſetz Art. 51). 
Ebenſo find die SI 30 und 67 auf dieſen Punkt 
zu prüfen, obwohl ſie in jenem Verzeichniſſe fehlen. 
Der Kommentar von Gerhard, Hagen u. a. 
(Ernſt Siegfried Mittlers Verlag) ſpricht ſich hierzu 
nur bei § 30 aus; verneint aber unter Berufung 
auf Meinungsäußerungen in der zweiten Reichs— 
tagskommiſſion die Unabänderlichkeit. Ich glaube 
nicht, daß ſich das aufrecht erhalten läßt. 

Die fog. nachgiebigen oder abänderlichen Rechts— 
ſätze des neuen Geſetzes laſſen nicht nur an und für 
ſich dem Belieben des Vertragſchließenden freie 
Hand; ſondern ſie ſind auch keineswegs für alle 
Verſicherungszweige oder ſonſt irgendwie erſchöpfend 
aufgeſtellt. Letzteres gilt wohl am meiſten bei der 
Hagel: und Viehverſicherung. Es handelt fid) bei 


ihnen vielmehr nur um eine verhältnismäßig kärg⸗ 


liche Zahl von Rechtsregeln, die hier der Geſetz⸗ 


geber an die Hand gibt, falls die Beteiligten nicht 


anders wollten oder zu wollen vergaßen. Eine 
jür den Juriſten ſehr auffällige Erſcheinung, die 
für ihn zugleich praktiſch nicht unwichtig iſt, trat 
gerade wieder bei der Vorbereitung der lang— 
wierigen Verhandlungen vor Feſtſtellung des Ver— 
ſicherungsvertragsgeſetzes beſonders deutlich hervor, 
nämlich die faſt völlige Verſtändnisloſigkeit nicht: 
juriſtiſcher Kreiſe für die eigentliche Bedeutung 
dieſer jog. abänderlichen Rechtsſätze. Sie wurden 
und werden immer wieder als unabwendbare Ge: 
ſetzesbefehle aufgefaßt und gefürchtet. Gefürchtet 
übrigens auch deshalb, weil man, wohl nicht ganz 
mit Unrecht, in ihnen das vom Geſetzgeber hin— 
geſtellte Mittelmaß gegenſeitiger Rechte und 
Pflichten der Vertragsbeteiligten erblickt, das nicht 
ohne Gefahr vor der Konkurrenz und dem miß— 
fälligen Urteile der Verſicherungsluſtigen beiſeite 
geſetzt und unbeachtet gelaſſen werden dürfe. Auch 
in den Verhandlungen der erſten Reichstags— 
kommiſſion (S. 44) wurde es gegenüber einem 
Vorſchlage, doch von der gewährten Vertragsfreiheit 
Gebrauch zu machen, ausgeſprochen, „das Schwer— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


327 


Jede Abweichung davon, die zum — wenn auch 
nur ſcheinbaren — Nachteile der Verſicherungs⸗ 
nehmer gereiche, belaſte den Verſicherer mit dem 
Verdachte der Illoyalität“. Es handelte ſich dabei 
um die Beſchränkung der Vertretungsbefugniſſe der 
Agenten nach § 47 des jetzigen Geſetzes. Aehnliche 
Auffaſſungen ſind übrigens auch ſonſt ſchon zutage 
getreten. So äußerte bei den Vernehmungen im 
Reichsamte des Innern über das Buchhändler: 
kartell Profeſſor Dr. Bücher: Das dispoſitive 
Recht „will doch die Mittellinie finden zwiſchen 
den beiderſeitigen Intereſſen, und ich meine, daß 
ſich aus dieſer Stellung der dispoſitiven Normen 
ergibt, daß fie, wenn nicht beſondere Gründe vor- 
liegen, von dieſen Normen abzuweichen, maß— 
gebend ſein ſollen“. Macht man nun aber ein⸗ 
mal, ohne Rückſicht auf ſolche allgemeine Er— 
wägungen, eine praktiſche Probe, z. B. bei 8 82 
des neuen Geſetzes, ſo ergibt ſich, daß jene Be⸗ 
ſorgnis doch zu weit geht. Denn wenn es hier 
heißt: „Der Verſicherer haftet für den durch Brand, 
Exploſion oder Blitzſchlag entſtehenden Schaden“, 
ſo kann es doch unmöglich gegen ihn ausgebeutet 
werden, wenn er ſein Verſicherungsgeſchäft auf 
Brand- und Blitzſchlagsfälle beſchränkt, und wenn 
er Exploſionen gewiſſer Gaſe davon ausſchließt. — 

Konnte ich zu Anfang das Erſcheinen des 
neuen Geſetzes über den Verſicherungsvertrag als 
ein Ereignis in der deutſchen Rechtsgeſchichte be— 
zeichnen, ſo darf auch ſein eingehendes Studium 
ſchon jetzt empfohlen werden, obwohl ſein Inkraft— 
treten vielleicht noch auf längere Zeit ausgeſetzt 
iſt und möglicher, ja wahrſcheinlicher Weiſe erſt 
auf den 1. Januar 1910 fällt. Dieſes Hinaus— 


ſchieben eines fo lange ſehuſüchtig erwarteten und 


gewicht der geſetzlichen Norm ſei zu groß, als daß 
ein Verſicherer leichthin davon abweichen könnte. ſicherungsvertragsgeſetze (Feuermobiliar- und Hagel- 


praktiſch unentbehrlichen Geſetzes war, beiläufig 
bemerkt, unvermeidlich, da einmal auf Grund des 
Geſetzes eine weſentliche Umarbeitung der ſog. 
„Allgemeinen Bedingungen“ der privaten Ver— 
ſicherungsanſtalten geboten erſcheint und vermutlich 
eintritt, wie ſie ja inzwiſchen auch ſchon während 
der langen und durch die Reichstagsauflöſung 
Ende 1906 rein zufälligen Hinzögerung ſeines Er— 
ſcheinens angebahnt iſt. Dieſe „Allgemeinen Be— 
dingungen“, vielfach auf Verbandsbeſchlüſſen gleich: 
artiger Verſicherungsunternehmungen beruhend, 
gehen zum Teil von ſo ganz anderen Anſchauungen 
und Geſichtspunkten aus, daß ihre Anpaſſung an 
die neuen geſetzlichen Grundſätze nicht ohne einige 
Schwierigkeit bewirkt werden kann. Ferner wurde 
eine Zwiſchenzeit beſtimmt in Rückſicht auf die 
Ueberleitung der Satzungen der öffentlichrechtlichen 
Verſicherungsanſtalten, die ja in Preußen längſt 
ins Auge gefaßt iſt und auch anderswo, — das 
ergaben die Erklärungen der Bundesratsbevoll— 
mächtigten bei den Verhandlungen der zweiten 
Reichstagskommiſſion, — geplant wird; insbe— 
ſondere vorausſichtlich auch in Bayern, wenn von 
dem Reſervatrechte des Art. 2 im EG. zum Ver— 


verſicherung) kein Gebrauch mehr gemacht werden 
ſollte. Daß dann dieſes Reformwerk gleichzeitig 
mit dem Inkraſttreten des Reichsgeſetzes ſelbſt ab⸗ 
geſchloſſen werden könnte, iſt allerdings ſehr 
wünſchenswert. 

Ein eingehenderes Sichbekanntmachen mit dem 
neuen Verſicherungsgeſetze empfiehlt ſich aber be⸗ 
ſonders deshalb, weil in ihm doch vielfach nur die 
Ergebniſſe der bisherigen Praxis und Wiſſenſchaft 
zuſammenfaſſend und klärend Aufnahme gefunden 
haben, ſo daß es alſo gewiſſermaßen jetzt ſchon eine 
brauchbare Anleitung für die richterlichen Ent⸗ 
ſcheidungen bietet. Ferner, weil ſich ihm zum Teil 
jetzt ſchon, wie oben bemerkt, die „Allgemeinen 
Bedingungen“ der Verſicherungsanſtalten ange⸗ 
ſchloſſen oder doch angenähert haben, ſo daß mit 
des Geſetzes Erläuterung auch dieſe ſelbſt eine 
Erläuterung finden; endlich weil die Bewältigung 
des Geſetzes keine kleine Aufgabe iſt, alſo ſchon 
frühzeitig in Angriff genommen ſein will. Für 
dieſe Schwierigkeit der Auslegung und Anwendung 
iſt zum Teil die darin geregelte keineswegs ein⸗ 
fache wirtſchaftliche Grundlage die Veranlaſſung, 
zumal ſie, trotz ſteigender Bedeutung für unſer 
ganzes Kulturleben, doch in ihren Einzelheiten 
und techniſchen Beſonderheiten dem Juriſten 
regelmäßig und vielſach noch fern liegt. Es 
würde ſonſt wohl nicht vorkommen, daß ein höheres 
deutſches Gericht das vertragliche Verbot mehr— 
facher Verſicherung desſelben Intereſſes bei mehreren 
Verſicherern als einen Verſtoß gegen Treu und 
Glauben bezeichnete, während z. B. die Begründung 
des neuen Geſetzes ein ſolches als unter mancherlei 
Umſtänden durchaus gerechtfertigt hinſtellt (vgl. 
Arch BürgR. Bd. 25 S. 304). Oder wenn 
das KG. (OL Gꝗſpr. Bd. 5 S. 34) in einem Be: 
ſchluſſe vom 26. Mai 1902 ein Verſicherungs⸗ 
unternehmen im Sinne des Aufſichtsgeſetzes darin 
erblickt, daß eine Genoſſenſchaft gegen eine von 
ihren Mitgliedern zu zahlende Proviſion für die 
Ausfälle der Hypotheken dieſer Genoſſen bei deren 
Gläubigern einzutreten ſich verpflichtet. Sollen 
hier die Gläubiger, die von einem „nachteiligen 
künftigen Ereigniſſe“ betroffen werden könnten, 
oder die die „Prämie“ zahlenden Genoſſen die Ver: 
ſicherungsnehmer ſein?! 

Und dieſe techniſchen Grundlagen des Verſiche— 
rungsweſens und damit notwendig auch der Ver— 
ſicherungsvertragsverhältniſſe ſpielen doch eben nicht 
allein für den Geſetzgeber, wie u. a. in hervorragendem 
Maße von der „Botſchaft“ des ſchweizeriſchen Ver⸗ 
ſicherungsgeſetzes betont iſt, — eine Probe davon 
f. u., — eine große Rolle, ſondern auch bei der 
Auslegung und Anwendung des Geſetzes. Freilich 
gilt es umgekehrt ebenſoſehr, ſich hierbei nicht, 
wie in den Jahren der früheſten Entwickelung des 
Verſicherungsrechts, von derartiger Beurteilung bei 
der Entſcheidung der Rechtsſtreitigkeiten völlig ins 
Schlepptau nehmen zu laſſen. Hat man es ſeinerzeit 
doch verſtanden, bei den Gerichten durchzuſetzen, 


— b ::—ẽ— ——6.2——ͤ . '0' . og — n! ' —ä—Hbgw . —ö: 
—— nn 


daß der Verſicherungsvertrag zuungunſten des 
Verſicherungsnehmers als „strictum jus“ be⸗ 
handelt würde, der dann aber doch die Beobachtung 
einer „uberrima fides“ auf deſſen Seite (nicht 
auf der des Verſicherers!) verlange; wie es denn 
auch kürzlich noch das Handelsgericht in Marſeille 
fertig gebracht hat, zu entſcheiden: „Die Ver⸗ 
ſicherungsverträge ſind ſtrengen Rechtes; die in 
der Police getroffenen Vereinbarungen müſſen eng 
ausgelegt werden“! Aber freilich ſelbſt das deutſche 
Reichsgericht hat vor wenigen Jahren noch darauf 
hinweiſen müſſen, daß das Verſicherungsrecht nicht 
unter beſonderen Auslegungsregeln ſtehe. 

Trotz dieſer durch die wirtſchaftliche Eigen⸗ 
art der Unterlagen der Verſicherungsverhältniſſe 
bedingten Schwierigkeiten iſt es bei dem neuen 
Verſicherungsgeſetze faſt noch mehr deſſen außer⸗ 
ordentlich knappe, ſcharf zugeſpitzte Faſſung, die, 
durchaus dem BGB. ebenbürtig, dann aber doch 
wiederum ſein Verſtändnis und ſeine demnächſtige 
Handhabung nicht leicht macht. Und endlich 
wirkt in gleicher Richtung die Aufſtellung einzelner 
neuer juriſtiſcher Begriffe, wie der einer „Ob— 
liegenheit“ im Sinne des § 6, ſowie im allgemeinen 
die ganz eigenartige Durchbildung, die das Recht 
der Schuldverhältniſſe beim Verſicherungsrechte 
erfährt, — bezüglich der „Erfüllungshandlungen“, 
der „Verwirkung“ im engeren und weiteren Sinne, 
der Verantwortlichkeit für Stellvertreter des Ver⸗ 
ſicherungsnehmers beim Abſchluſſe (88 2, 19 und 79 
des Geſetzes), ſowie überhaupt für andere neben dem 
Verſicherungsnehmer ſtehende Perſonen (Familien⸗ 
angehörige, Geſinde uſw.), die Abſtufung der 
Haftung des Verſicherungsnehmers im Gegenſatze 
zu SS 276 und 254 des BGB., die Behandlung 
der „Unmöglichkeit“ ($ 306 dort und $$ 2, 68 im 
Verſicherungsvertragsgeſetze) um. Es it mit 
anderen Worten die Selbſtändigkeit, die das Ver⸗ 
ſicherungsrecht für ſeine Rechtsſätze gegenüber den 
Vorſchriften im Titel 1—6 des II. Buches im 
BGB. beanſprucht und in Wahrheit auch ein: 
nimmt; handelt es ſich dabei doch um die Ent⸗ 
ſtehung und Abwickelung eines der komplizierteſten 
Schuldverhältniſſe. So kann es deshalb auch 
nicht wunder nehmen, daß ſich hier ein Sonder: 
gebiet juriſtiſcher Forſchung herausbildet, das ſich 
literariſch und durch Pflege der Verſicherungs— 
rechtswiſſenſchaft an den Univerſitäten und ſonſtigen 
Hochſchulen neben die Bearbeitung der eigentlich 
techniſchen, insbeſondere auch der mediziniſchen und 
mathematiſchen Seiten des Verſicherungsweſens 
ſtellt. Was die Verſicherung unſerem deutſchen 
Volke geworden iſt, das zeigt der Rückblick auf 
die Entwicklung der Zwangsverſicherungen feit 
etwa einem Vierteljahrhundert und weiter ein 
Blick auf die Rieſenſummen, die die freiwillige 
Verſicherung an ſich zu ziehen verſtanden hat, um 
ſie dann dem Verſicherungsnehmer und dadurch 
zugleich dem Allgemeinwohle dienſtbar zu machen. 
In der „Botſchaft“ zum ſchweizeriſchen Geſetze 


(S. 19) findet ſich darüber die feine Bemerkung: 
„Den Aſſoziationsgedanken teilt die Verſicherung 
mit vielen anderen Gebilden des wirtſchaſtlichen 
Lebens. Was die Verſicherung als eigenartige 
Fürſorgeeinrichtung charakteriſiert und von 
anderen ähnlichen Inſtituten ſcharf abgrenzt, iſt 
ihre Technik, die Art und Weiſe, wie die Ver⸗ 
ſicherung ihr Verteilungsamt unter den 
Gefahrgenoſſen ausübt, wie ſie Leiſtung und 
Gegenleiſtung verteilt. Die Verſicherungstechnik 
gipfelt in jener genialen Einrichtung, die mit 
Hilfe der Statiſtik und der Wahrſcheinlichkeits⸗ 
rechnung eine ebenſo ſichere wie rationelle Schäden⸗ 
verteilung ermöglicht. Die techniſchen Grundlagen 
ſind das Produkt wiſſenſchaftlicher Arbeiten, das 
rechneriſche Reſultat ſtatiſtiſcher Maſſenbeob⸗ 
achtungen über die Häufigkeit und die Art und 
Weile des Eintreffens beſtimmter Ereigniſſe.“ 
Einen vortrefflichen Mittelpunkt haben alle 
dieſe verſicherungswiſſenſchaftlichen Beſtrebungen 
jetzt in Deutſchland in dem deutſchen Verein 
für Verſicherungswiſſenſchaft und ſeiner „Zeit⸗ 
ſchrift für die geſamte Verſicherungswiſſenſchaft“ 
(zurzeit Jahrgang VIII) gefunden. Die letztere 
wird ſich auch für die Gerichtsbehörden mehr und 
mehr als unentbehrlich erweiſen. Und was den 
Erfolg der deutſchen Geſetzesarbeit anlangt, ſo iſt 
es ſehr erfreulich zu ſehen und zugleich praktiſch 
ſo wichtig wegen der zahlreichen internationalen 
Beziehungen des Verſicherungsweſens, das ſeine 
Fäden und Netze über die ganze Kulturwelt 
ſpannt, daß ſich das ſchweizeriſche Geſetz, auf eine 
ähnlich lange Vorbereitungszeit, wie das unſere, 
zurückſehend, und der 1907 erſchienene II. öſter⸗ 
reichiſche Entwurf in wichtigen Punkten den 
deutſchen Grundſätzen und Regeln genähert haben. 
So bilden alle drei, — denn auch der öfter: | 
reichiſche Entwurf wird ſicher über kurz oder lang 
in ſeiner jetzt vorliegenden Faſſung zum Geſetze | 
erhoben, — ein lehrreiches einheitliches Syſtem 
dieſes wichtigen Rechtsſtoffes. (Fortſetzung folgt.) | 


An Art. 18 des Geſetzes über die Fortſetzung | 
der Grundentlaſtung vom 2. Februar 1898. 


) 


Bon Rentamtmann Pblagger in Eichſtätt. | 


Nach Art. 18 des genannten Geſetzes find die 
Rentämter verpflichtet, jedem Grundbeſitzer auf 
Verlangen gebührenfrei ein Zeugnis über die Be— 
laitungsverhältniffe auszuſtellen. Aus dieſem Zeug: 
nijfe muß, ſoferne ein Beſitz mit Bodenzinſen belaſtet 
it, die Jahresſchuldigkeit zur Staats- und Ab- 
löſungskaſſe, das urſprüngliche Bodenzinskapital 
und das zur Zeit der Ausſtellung des Zeugniſſes 
beſtehende Reſtkapital zu erſehen ſein. 

Das Formular hierzu, ſowie die weiteren An- 
weiſungen über die Ausſtellung wurden in der 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


verlangen. 


329 


— 0. 


Bekanntmachung des Staatsminiſteriums der Fi⸗ 
nangen vom 5. Februar 1898 Ziff. 14 (JM Bl. 
S. 31 ff.) bekanntgegeben. 

Nicht beſonders erwähnt ſind die Belaſtungen 
mit Handlöhnen; es dürfte aber keinem Zweifel 
unterliegen, daß auch dieſe Belaſtungen, wo ſie 
überhaupt noch beſtehen, und zwar mit Fixum 
und Aequivalent anzugeben ſind. 

Ueber die bei Teilung eines komplexual belaſteten 
Grundbeſitzes vor Ausſtellung des Zeugniſſes vor⸗ 
zunehmende Repartition der Bodenzinſe ergingen 
verſchiedene Miniſterialentſchließungen, deren Haupt⸗ 
ergebnis dahin zuſammen zu faſſen iſt, daß das 
Zeugnis ſtets in voller Uebereinſtimmung mit dem 
Gefällskataſter ſtehen muß. 

Ob bei Komplexualbelaſtung eine Repartition 
vor ihrer Anerkennung und Umſchreibung im Ge: 
fällskataſter vorhergehen ſoll, hängt nach einer 
neuen Beſtimmung (FME. vom 6. September 1906 
Nr. 12837) vom Antrage des Pflichtigen ab. 
Während nämlich bisher im Hinblicke auf Ziff. 14 
Ab). 2 der Bekanntmachung vom 5. Februar 1898 
bei Teilung eines komplexual belaſteten Beſitzes 
ſtets (auch ohne Antrag) die Repartition ſtatt— 
gefunden hat und Belaſtungszeugniſſe nur auf 
Grund anerkannter und umſchriebener Repartition 
ausgeſtellt wurden, erklärt die Entſchließung vom 
6. September auch bei Teilveräußerungen die Aus: 
ſtellung von Komplerual belaſtungszeugniſſen 
für zuläſſig, wenn ein Antrag der Partei nicht 
geſtellt wurde. 

Dieſer Antrag kann nur vom bisherigen Grund— 


beſitzer oder deſſen Bevollmächtigten geſtellt werden. 


Wird der Antrag von einem Notariat geſtellt, ſo 
dürfte es mit Rückſicht auf die dienſtliche Stellung 


des Notariats (Not G. Art. 6/ II) nicht notwendig 


ſein, einen Nachweis für die Bevollmächtigung zu 
In anderen Fällen jedoch ift er ſehr 
angezeigt. 

Das Haupterfordernis der Belaſtungszeugniſſe 
iſt, wie bereits bemerkt, vollſtändige Uebereinſtim⸗ 
mung mit dem Gefällskataſter und rentamtlichen 
Grundbuch. Hierſür haftet das Rentamt. In 
Ziff. 14 Abſ. 7 der allgemeinen Bekanntmachung 
iſt die Haftung des Rentamtmannes ausdrücklich 
erwähnt. Die Fälle, daß unrichtige Belaſtungs— 
zeugniſſe ausgeſtellt wurden, dürften gar nicht ſo 
ſelten ſein und zwar aus folgenden Gründen. 

1. Sind die Gefällskataſter der Rentämter 
ſehr verſchiedenartig angelegt und vielfach recht 
unüberſichtlich. 

2. Iſt namentlich in neuerer Zeit das mit 


dem Umſchreibweſen betraute Perſonal meiſt mangel— 
haft ausgebildet und infolge häufigen Wechſels mit 
den lokalen Verhältniſſen wenig vertraut. 


3. Wird bei Ausſtellung des Belaſtungszeug— 


niſſes meiſt übereilt gearbeitet, weil die 
Parteien und das Notariat es in der letzten Mi— 
nute beſtellen und meiſt zugleich darauf warten. 


330 


Da ſohin Haftungen ſehr leicht eintreten können, 
möchte es nicht überflüſſig ſein, die Haftungsfrage 
näher zu unterſuchen. 

Die hierbei ſich ergebenden Fragen find fol: 
gende: 

1. Wer haftet? 

2. Wem gegenüber beſteht die Haſtung? 

3. Wann tritt die Haftung ein? 

Die erſte Frage beantwortet die Bekanntmachung 
vom 5. Februar 1898 Abſ. 7 dahin, daß der Rent⸗ 
amtmann haftbar ſei. 

Dieſer Beſtimmung lag die nach der früheren 
Organiſation beſtehende Anſicht der unbedingten 
Haftung der Rentamtmänner für ihr Perſonal 
zugrunde. 

Abgeſehen davon, daß dieſe Anſicht niemals 
einwandfrei gewefen, ift durch die neue Organi- 
ſation eine grundſätzliche Aenderung eingetreten. 
Die unbedingte Haftung des Rentamtmanns iſt 
beſeitigt. Jeder haftet in erſter Linie für ſeine 
Sparte. Der Rentamtmann haftet nur inſoweit, 
als ihn wegen mangelnder Kontrolle ein Ber- 
ſchulden trifft ($ 10 Allerh. VO. vom 10. Mai 1903, 
FMBl. S. 211). Hierzu beſtimmt § 37 Abſ. 2 
GA., daß dem Rentamtmann die ſorgfältige Ueber: 
wachung des Kataſterumſchreibdienſtes obliegt. Daß 
hierzu die Kontrolle der ausgeſtellten Belaftungs- 
zeugniſſe gehört, dürfte nicht in Abrede zu ſtellen 
ſein. Es fragt ſich nur, wie weit dieſe Kontrolle geht. 

Die Kontrolle hat ſich auf den Vergleich mit 
dem Gefällskataſter oder Grundbuch und auf die 
Richtigkeit der Berechnung des urſprünglichen und 
des Reſtkapitals zu beſchränken. Denn das Er— 
fordernis der formellen Richtigkeit des Belaſtungs— 
zeugniſſes iſt, wie bereits ausgeführt, deſſen genaue 
Uebereinſtimmung mit dem Gefällskataſter (Ziff. 14 
Abſ. 3 der Bek. vom 5. Februar 1898). Stimmt 
die Belaſtung mit dem Gefällskataſter überein und 
iſt hiernach das Kapital richtig berechnet, ſo iſt 
formell das Zeugnis richtig. Die Frage nach der 
Richtigkeit des Gefällskataſters und der hierdurch 
bedingten materiellen Vollſtändigkeit und Richtig— 
keit des Belaſtungszeugniſſes muß hier ausſcheiden. 
Denn es iſt vollkommen klar, daß man die Prüfung 
dieſer Vorfragen bei Ausſtellung der Be— 
laſtungszeugniſſe ſchon mit Rückſicht auf die Kürze 
der Zeit unmöglich verlangen kann. So viel 
dürfte feſtſtehen, daß bei jenen Rentämtern, bei 
welchem kein Rentamtsaſſeſſor aufgeſtellt oder ihm 
die ſpezielle Ueberwachung des Umſchreibdienſtes 
nicht übertragen iſt (FM Bl. 1903 ©. 332/7), der 
Rentamtmann jedenfalls dann haftbar iſt, wenn er 
keine Nachprüfung des Belaſtungszeugniſſes vor— 
genommen hat. Iſt jedoch dem Rentamtsaſſeſſor 
die ſpezielle Ueberwachung des Umſchreibdienſtes 
übertragen (FM Bl. 1903 S. 327 ff.), fo gehen 
die oben bezeichneten Aufgaben auf ihn über und 
der Amtsvorſtand wird fih nur zu überzeugen 
haben, daß der Rentamtsaſſeſſor durch Mitzeichnung 


BZBeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


im allgemeinen darüber zu wachen haben, 
daß ſeitens des Rentamtsaſſeſſors eine Prüfung 
der Belaſtungszeugniſſe in obigem Sinne ſtatt⸗ 
findet. Hiernach entſcheidet ſich die Frage, welche 
Perſonen haften, wie folgt: 

In erſter Linie haftet jener Amtsgehilfe, der 
die Belaſtungszeugniſſe ausgeſtellt hat. In zweiter 
Linie haftet der Rentamtmann oder der Rent⸗ 
amtsaſſeſſor, inſoferne ihnen ein Verſchulden bei 
der formellen Kontrolle nachgewieſen werden kann, 
oder wenn ſie einem andern als dem durch die 
Geſchäftsordnung hierzu berufenen Gehilfen dieſe 
Arbeit übertragen und ſie hierbei ein Verſchulden 
in der Auswahl trifft. 

Die Antwort auf die zweite Frage lautet: 

Die Haftung beſteht gegenüber dem durch die 
unrichtige Ausſtellung mittelbar oder un: 
mittelbar Geſchädigten. Wie kann durch 
eine irrige Ausſtellung eines Belaſtungszeugniſſes 
eine Schädigung eintreten? 

Die möglichen Fälle ſind folgende: 

1. Das Belaſtungszeugnis enthält einen im 
Gefällskataſter oder Grundbuch ausgewieſenen 
Bodenzins nicht. 

2. Es weiſt einen geringeren Betrag als der 
Gefällskataſter oder das Grundbuch aus. 

3. Es enthält einen im Gefällskataſter oder 
Grundbuch nicht nachgewieſenen Bodenzins. 

4. Es weiſt einen höheren Bodenzins als der 
Gefällskataſter oder das Grundbuch aus. 

5. Es weiſt ein zu geringes Kapital aus. 

6. Es weiſt ein zu großes Kapital aus. 

Die materielle Richtigkeit des Gefälls⸗ 
kataſters und Grundbuchs vorausgeſetzt, erwächſt 
in den Fällen 1, 2 und 5 dem Käufer und in 
den Fällen 3, 4 und 6 dem Verkäufer ein Schaden, 
wenn die Kauf- oder Verkaufsſumme mit Rück⸗ 
ſicht auf die durch das irrige Zeugnis nachgewieſene 
Belaſtung zu hoch oder zu niedrig bemeſſen wurde. 

Dem Fiskus kann aus der irrigen Ausſtellung 
unmittelbar kein Schaden erwachſen, denn die Be: 
laſtung wird durch die Ausſtellung des Zeugniſſes 
in keiner Weiſe geändert, ſie bleibt rechtlich bis 
zur wirklichen vollſtändigen Ablöfung beſtehen und 
mit ihr die dingliche und perſönliche Haftung des 
früheren Beſitzers, ſowie die dingliche Haftung 
des neuen Beſitzers für die jährlichen Leiſtungen 
und für das Ablöſungskapital (vgl. Stengel, 
GrundentlG. § 16 S. 137/141, AG. z. BGB. 
Art. 128). 

Mittelbar allerdings kann ſich für den Staat 
ein Schaden inſoferne ergeben, als der Beſchädigte 
die Haftung des Staates für ein Verſchulden des 
Amtsvorſtandes nach § 89 BGB. (vgl. den Aufſatz 
in den Annalen des Deutſchen Reichs 1901 
Nr. 7/8) in Anſpruch nimmt. Art. 60 des AG. 
z. BGB. dürfte nicht einſchlagen, denn die dem 
Rentamte übertragene Verwaltung der Grund— 


des Zeugniſſes für deſſen Prüfung einſteht, und gefälle ift fider nicht eine Ausübung öffentlicher 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 331 


Gewalt. Es ergibt ſich übrigens in beiden Fällen 
das gleiche Reſultat. 

Selbſtverſtändlich haftet der Beamte dem Staate 
gegenüber für den hierdurch entſtandenen Schaden. 
Es können ſich hiernach nachſtehende Haftungen 
ergeben: 

1. Für das Verſchulden des Amtsvorſtandes 
und des Aſſeſſors haftet der Staat (BGB. $ 89). 
Eine Haftung des Staats für den Gehilfen be- 
ſteht nicht. 

2. Der Amtsvorſtand und der Aſſeſſor haften 
hier wieder dem Staat aus der Verletzung ihrer 
Amtspflicht (BGB. § 823, EG. Art. 78, BER. 
T Kap. XXIV, 88/9; Geret, Rechg. Recht 

54). 

Die weitere Frage, wann die Erſatzpflicht ein⸗ 
tritt, iſt dahin zu beantworten, daß der Schaden 
und damit die Erſatzpflicht gegeben iſt, wenn das 
Grundſtück zu teuer gekauft oder zu billig verkauft 
iſt. Der Käufer oder Verkäufer braucht ſich nicht 
die Einrede gefallen zu laſſen, daß ihm gegen den 
Verkäufer oder Käufer ein Minderungs- oder ein 
Erſatzanſpruch nach $ 462 BGB. oder ein An: 
fechtungsanſpruch nach § 123 BGB. zuſtehe. Prat- 
tiſch wird die Haftungsfrage allerdings erſt dann, 
wenn der Fiskus den 1 mit der 
Bodenzins- oder Ablöſungspflicht in Anſpruch nimmt 
oder nehmen muß, ohne daß der Verkäufer oder 
der Käufer die Sache vorher durch Ablöſung oder 
Entſchädigung ſeines Käufers oder Verkäufers ge— 
regelt hat oder doch ſofort freiwillig zum Ausgleich 
bringt. 

Eine weitere Frage ift die, ob dem erſatz— 
pflichtigen Fiskus oder Beamten ein Anſpruch auf 
Uebertragung einer derartigen Forderung zuſteht. 
Dieſe Frage iſt beſtritten. 

„Planck“ bejaht ſie. „Staudinger“ verneint 
fie; nach dem Wortlaute des Geſetzes ift ein Ueber: 
tragungsanſpruch nicht ausgeſchloſſen. (Vgl. Stau: 
dinger, BGB. II S. 61/2). Gegebenen Falles 
kann auch ein Anſpruch wegen ungerechtfertigter 
Bereicherung gegen die Käufer oder Verkäufer in 
Frage kommen (BGB. $ 812). 

Die erſte Vorausſetzung der Geltendmachung 
einer Haftung iſt der Nachweis der unrichtigen 
Ausſtellung eines Belaſtungszeugniſſes und die 
Feſtſtellung der hierwegen haftenden Perſönlichkeit. 

Mit Rückſicht hierauf intereſſiert uns ganz 
beſonders die Frage, was denn mit dem Be— 


laſtungszeugniſſe nach feiner Ausſtellung geichieht. | 


Es wird teils den Parteien, teils dem Notariats— 


erſtere Behandlung läßt ſich nichts einwenden. Die 
letztere aber iſt bedenklich. 

Es fragt ſich, was dann weiter mit dem 
Zeugniſſe geſchieht. 

Die Antwort hierauf lautet verſchieden. Einige 
Notare bewahren die Zeugniſſe auf, einige geben 
ſie den Parteien hinaus, hier gehen ſie meiſtens 
verloren, und einige Notare vernichten ſie. 

Insbeſondere die beiden letzteren Möglichkeiten 
ſind ſehr bedenklich. Wenn eine Differenz zwiſchen 
Urkunde und Gefällskataſter ſich ergibt, wie iſt 
da ein einwandfreier Nachweis möglich, daß das 
Zeugnis unrichtig war? 

Noch viel weniger aber läßt ſich die Frage 
beantworten, wer als Ausſteller, Mitzeichner und 
Unterfertiger haftbar iſt. 

Bezüglich der Uebereinſtimmung zwiſchen Zeugnis 
und Urkunde begründet die notarielle Urkunde nach 
$ 418 BPO. vollen Beweis, allerdings nur bis 
zum Nachweiſe des Gegenteils, allein wie kann 
dieſer Nachweis geführt werden und iſt wirklich 
eine Irrung in der Urkunde gänzlich ausgeſchloſſen? 

Für die Beantwortung der Frage aber, wer 
als Ausſteller des Zeugniſſes, wer als Kontroll: 
beamter haften ſoll, fehlt jeder Anhaltspunkt. 

Darum wäre es im Intereſſe der Rechtsſicher⸗ 
heit dringend zu wünſchen, daß die Beiheftung 
der Zeugniſſe ausnahmslos angeordnet würde. 
Will die Partei ein Exemplar für ſich, ſo kann 
ſie ſich leicht eine Abſchrift verſchaffen. 


Mitteilungen ans der Praxis. 


Die Prüfungspflicht des Vormund ſchaftsgerichts bei 
Genehmigung zweifelhafter Nechtsgeſchäfte und die Be: 
ſchwerde vor der Pflegſchaftsanordunng. Dem Beſchluß 
des Kammergerichts vom 14. Februar 1907 (RIA. 8, 
170 = BBI. 8, 79 KGJ. 34, 11) liegt, ſoweit er hier 
in Betracht kommt, folgender Sachverhalt zugrunde: 
Nach dem Tode des X. übernahm ſeine Witwe durch 
notariellen Vertrag den Nachlaß von den Erben zu 
Alleineigentum; von dieſen war einer minderjährig 
und es war für ihn bei der notariellen Verhandlung 
Y. als Vertreter aufgetreten, obwohl er als Pfleger 
gar nicht beſtellt war. Der Notar ſtellte ſodann beim 
Vormundſchaftsgericht den Antrag auf Genehmigung 
der von Y. abgegebenen Erklärungen und das Vor— 
mundſchaftsgericht lehnte die Genehmigung ab, weil 
die notarielle Vertragsurkunde wegen eines Form— 
fehlers nichtig ſei; die Beſchwerde war erfolglos. 
Nunmehr legte der minderjährige Miterbe, der das 
18. Lebensjahr vollendet hatte, weitere Beſchwerde ein, 


perſonal zum Gebrauche bei der Beurkundung die das KG. für zuläſſig erachtete mit der Ausführung: 


ausgehändigt. 
Die weitere Behandlung iſt in Ziff. 2 Abſ. 2 


der Bek. des Staatsmin. d. Juſtiz v. 23. Fe⸗ 
Justi 8 treten werden; er ſtehe als Pflegebefohlener alſo nach 


bruar 1898 (JM Bl. S. 187) geregelt. 


Hiernach haben die Notare das Belaſtungs— 
zeugnis entweder der Urkunde beizuheften oder 
deſſen Inhalt in der Urkunde zu vermerken. Gegen 


der Beſchwerdeführer ſtehe unter der elterlichen Ge— 
walt feiner Mutter, der Grundſtücksübernehmerin, 
müſſe aber bei der Teilung durch einen Pfleger ver— 


8 1915 BGB. einem Mündel gleich. Ein Mündel 
habe aber nach 8 59 Abſ 1 Sau 2 FGG. ein felb- 
ſtändiges Beſchwerderecht in allen Angelegenheiten, 
in denen er vor einer Entſcheidung des Vormund— 


332 


ſchaftsgerichts gehört werden ſoll, was im vorliegenden 
Fall nach § 1827 Abſ. 2 zutreffe. Der Umſtand, daß 
bisher eine Pflegſchaft noch nicht angeordnet iſt, ſtehe 
dem Beſchwerderecht des Minderjährigen nicht ent⸗ 
gegen. — 

Dieſer Anſicht iſt nicht beizuſtimmen. 

Den Antrag des Notars auf Genehmigung des 
Vertrags mußte das Vormundſchaftsgericht ohne 
weiteres zurückweiſen, da ja eine Pflegſchaft noch gar 
nicht angeordnet war, die Genehmigung aber eine 
Verwaltungshandlung innerhalb der beſtehenden 
Pflegſchaft iſt. Wohl aber mußte das Gericht aus 
dieſem Antrag des Notars Anlaß nehmen, eine Pfleg— 
ſchaft nunmehr von Amts wegen anzuordnen und den 
N., der bei der Erbteilung bereits als Vertreter des 
Pfleglings aufgetreten war, zum Pfleger zu beſtellen, 
wofern nicht beſondere Gründe dem entgegenſtanden. 
Sodann mußte der beſtellte Pfleger entweder namens 
des Pfleglings einen neuen Teilungsvertrag mit der 
Witwe und den Miterben ſchließen oder die von ihm 
unbefugt abgegebenen Erklärungen mindeſtens nach 
8 185 Abſ. 2 BGB. genehmigen, was nach 8 182 
Abf. 1 gleichfalls nur durch Erklärung gegenüber der 
Witwe (Uebernehmerin) oder gegenüber den Erben 
geſchehen konnte. Dieſe Zuſtimmung bedurfte einer 
beſonderen Form zwar nicht, § 182 Abſ. 2; aber eine 
Genehmigung des Vertrags durch das Vormund— 
ſchaftsgericht konnte doch erſt dann in Frage kommen, 
wenn der Vertrag an ſich (d. h. abgeſehen von der 
erforderlichen Genehmigung des Vormundſchafts— 
gerichts) rechtswirkſam geſchloſſen war. Das Gericht 
mußte alfo etwa den öffentlich-urkundlichen Nachweis 
verlangen, daß der beſtellte Pfleger nunmehr ſeine 
früheren Erklärungen den Beteiligten nochmals ab⸗ 
gegeben habe; ſodann mußte das Gericht das unter 
Pflegſchaft ſtehende Kind nach § 1827 über die Er- 
teilung der Genehmigung hören und wenn das Ge— 
richt dann die Erteilung der Genehmigung verweigerte, 
ſo war das Kind zur Beſchwerde berechtigt. Dagegen 
war für das Beſchwerderecht des Kindes kein Raum, 
ſolange eine Pflegſchaft noch gar nicht beſtand, dem- 
nach eine Angelegenheit, in der das Kind vor der 
Entſcheidung gehört werden konnte, noch gar nicht 
vorlag. Allerdings wird, worauf das KG. hinweiſt, 
vom Geſetz auch eine der Bevormundung bedürftige 
Perſon als „Mündel“ bezeichnet, fo in 88 1787, 1846 
BGB., § 36 FGG.; allein dieſer Ausdrucksweiſe 
bedienen ſich die Geſetze nur da, wo die Anord- 
nung der Vormundſchaft oder die vor der Anord— 
nung erforderlichen Maßregeln in Frage ſtehen. Das 
Beſchwerderecht aus § 59 Abſ. 1 Satz 2 fegt aber 
eine (erfolgte oder unterbliebene) Abhörung des 
Mündels voraus und von dieſer kann nur nach er— 
folgter Anordnung der Vormundſchaft die Rede ſein. 
Vor erfolgter Auordnung iſt die Möglichkeit der Ab— 
hörung nicht gegeben, alſo für eine Beſchwerde kein 
Raum. — Für dieſe Anſicht ſpricht auch folgende 
Erwägung: Auf Grund der Entſcheidung des KG., 
das die notarielle Urkunde als rechtsgültig erachtete, 
mußte das Vormundſchaftsgericht, an das die Sache 
zurückverwieſen wurde, nunmehr prüfen, ob der Ver- 
trag jetzt vom Standpunkt des Auſfſichtsrechts als 
im Intereſſe des Pfleglings liegend zu genehmigen 
fei; es mußte doch aber behufs Vornahme dieſer 
Prüfung zunächſt eine Pflegſchaft anordnen und den 
Pfleger beſtellen. Geſetzt, daß dieſer nun aber (mochte 
es der bisher aufgetretene Y). oder ein anderer ſein) 


Komm. zum JOG., 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


eine Teilung der früher beſchloſſenen Art aus irgend⸗ 
welchen Gründen nicht für angemeſſen hielt, ſo war 
die Möglichkeit vorhanden, daß das ganze Verfahren, 
das zur Entſcheidung über die Beſchwerde Anlaß gab, 
hinfällig und hiermit die Entſcheidung des Beſchwerde⸗ 
gerichts völlig überflüſſig wurde. Man kann aber 
nicht annehmen, daß das Geſetz beabſichtige, Ent- 
ſcheidungen der Beſchwerdegerichte erforderlich zu 
machen, deren Wirkſamkeit erſt von ganz ungewiſſen 
Ereigniſſen abhängig iſt. 

Dieſe letztere Erwägung muß aber auch gelten 
für die Frage, unter welchen Vorausſetzungen das 
Vormundſchaftsgericht ſelbſt verpflichtet iſt, eine ſach⸗ 
liche Entſcheidung über die beantragte Genehmigung 
zu erlaſſen. Es kann dieſe ſicher nicht deshalb ab⸗ 
lehnen, weil die Wirkſamkeit des vom Vormund be⸗ 
tätigten Rechtsgeſchäfts zweifelhaft iſt. Zeigt z. B. 
der Käufer, der vom Vormund das Mündelgrundſtück 
erworben hat, dem Gericht, noch bevor es ſich über 
die Erteilung der vom Vormund nachgeſuchten Ge- 
nehmigung ſchlüſſig gemacht hat, an, daß er den Ver⸗ 
trag nicht als wirkſam anerkenne oder ſich zum Rück⸗ 
tritt berechtigt erachte, und bleibt demgegenüber der 
Vormund beim Antrag auf Genehmigung, ſo hat das 
Vormundſchaftsgericht, wenn die völlige Nichtig⸗ 
keit des Vertrages und deren Unheilbarkeit Elar- 
liegt, die Sachentſcheidung abzulehnen; denn dem Ge⸗ 
richt der freiwilligen Gerichtsbarkeit iſt nicht zuzu⸗ 
muten, zu Rechtsakten mitzuwirken, die von vornherein 
gegenſtandslos ſind.) Dagegen darf das Vormund⸗ 
ſchaftsgericht wegen bloßer Zweifel über die 
Gültigkeit des Vertrags die Sachentſcheidung über die 
Genehmigung nicht ablehnen; es hat vielmehr auch 
bei zweifelhafter Gültigkeit des Rechtsgeſchäfts ſich 
darüber zu äußern, ob vom Standpunkt des Aufſichts⸗ 
rechts des Vormundſchaftsgerichts der Vertrag zu 
genehmigen iſt und die Frage nach der materiellen 
Wirkſamkeit des Vertrags bleibt dem Prozeßgericht 
vorbehalten.) Denn die Tätigkeit des Vormundſchafts⸗ 
gerichts iſt dazu beſtimmt, dem Wohl des Mündels 
zu dienen; dieſes erfordert aber, daß, bevor ein 
zweifelhafter und koſtſpieliger Prozeß begonnen wird, 
der Vormund darüber Gewißheit haben muß, daß der 
Vertrag nicht nachträglich an der Verſagung der Ge- 
nehmigung ſcheitere und der Prozeß nicht völlig 
zwecklos geführt wird. Eine Ueberſpannung dieſes 
richtigen Grundſatzes aber ift es, wenn in KOX. 32, 49 
eine Sachentſcheidungspflicht des Vormundſchafts⸗ 
gerichts über die Genehmigung in folgendem Fall anz 
genommen iſt: Eine Witwe hatte durch notariellen 
Vertrag ein Grundſtück an ein minderjähriges Kind 
ihres e verkauft; das Kind war hierbei durch 


) Ueber eine andere Anwendung dieſes Rechts— 
ſatzes fiche Joſef im ArchBürgR. 29, 74 

2) Dem Vormundſchaftsgericht ſteht alfo nicht die 
Entſcheidung über die Gültigkeit des Vertrags zu. Der 
in der freiwilligen Gerichtsbarkeit ſonſt herrſchende 
Grundſatz, daß das Gericht, wenn die Feſtſtellung des 
ſtreitigen Rechts eine Vorausſetzung für die Erlaſſung 
der Entſcheidung iſt, auch über das ſtreitige Recht zu 
entſcheiden habe, findet hier keine Anwendung, da 
nach der Abſicht des Geſetzes das Vormundſchafts— 
gericht hier nur zu entſcheiden hat, ob vom Stand— 
punkt ſeines Aufſichtsrechts die Rechtshandlung im 
Intereſſe des Mündels zu genehmigen iſt. Joſef, 
2. Aufl. 1906, Zuſ. IX zu 8 1 und 
Buf. A zu 8 12. 


den Vater vertreten und hatte Hypotheken in An⸗ 
rechnung auf den Kaufpreis übernommen, ſo daß 
hiernach (8 1822 Ziff. 10 mit § 1613) die Genehmi⸗ 
gung des Vormundſchaftsgerichts erforderlich war. 
Noch bevor dieſe erteilt wurde, erklärte die Ver⸗ 
käuferin gegenüber dem Vormundſchaftsgericht, daß 
fie den Vertrag nicht mehr aufrecht halte. Die Xn- 
ſtanzgerichte hatten darauf die Sachentſcheidung über 
die Genehmigung abgelehnt, weil der Vater kraft 
Geſetzes ($ 1795 Ziff. 1 mit § 1630) von der Berz 
tretung ſeines Sohnes bei einem zwiſchen dieſem und 
der Mutter des Vaters abgeſchloſſenen Vertrag aus⸗ 
geſchloſſen war. Das KG. erklärte aber das Vor⸗ 
mundſchaftsgericht für verpflichtet zur Sachentſcheidung, 
alſo zu prüfen, ob der Vertrag vom Standpunkt der 
Aufſicht zu genehmigen iſt. Dem iſt nicht beizutreten. 
Nach der vom RG. ſtändig feſtgehaltenen Recht⸗ 
ſprechung (RG3Z. 56, 107; JW. 08, 5 Nr. 4 und 271 
Nr. 5) bewirkt Mangel der Vertretungsmacht in den 
Fällen der SS 181, 1795, 1630 allerdings keine Nichtig⸗ 
keit, ſondern nur eine Unwirkſamkeit, die durch nach⸗ 
trägliche Genehmigung geheilt werden kann; in unſerem 
Fall würde der Kaufvertrag alſo rechtswirkſam ge⸗ 
ſchloſſen und vollgültig ſein, wenn inzwiſchen etwa 
das Kind volljährig geworden und den Vertrag ge⸗ 
nehmigt hätte. Aber eine ſo erfolgte Genehmigung 
kam in dem entſchiedenen Fall gar nicht in Frage; 
vielmehr war die Rechtslage dieſelbe wie bei Abſchluß 
des Vertrags, d. h. der Vertrag war unwirkſam ge⸗ 
ſchloſſen und unwirkſam geblieben. Es lag alſo ein 
nil actum vor und der vom Vater geſchloſſene Ver⸗ 
trag war nicht anders zu beurteilen, als wenn irgend: 
ein Unberufener für das Kind Erklärungen abgegeben 
bätte. Die bloße Möglichkeit, daß ein vom Vormund⸗ 
ſchaftsgericht zu beſtellender Pfleger vielleicht den 
unwirkſamen Vertrag genehmigt hätte, konnte das 
Vormundſchaftsgericht nicht verpflichten, eine ſachliche 
Entſcheidung über den Antrag auf Genehmigung des 
juriſtiſch gar nicht vorhandenen Rechtsgeſchäfts ab- 
zugeben. Vielmehr war der richtige Weg der, daß 
das Vormundſchaftsgericht, da der Vater bei dem Ans 
trag auf Genehmigung verblieb, zunächſt dem Kind 
einen Pfleger beſtellte; dieſer mußte ſodann pflicht⸗ 
mäßig in Erwägung ziehen, ob er die vom Vater 
unbefugt abgegebenen Erklärungen genehmigen ſolle 
und wenn er dies getan, dann erſt hatte das Vor⸗ 
mundſchaftsgericht die Sachentſcheidung darüber ab- 
zugeben, ob der Vertrag vom Standpunkt des Auf⸗ 
ſichtsrechts zu genehmigen ſei. 

Anders, wenn der Vater nicht von der Vertretung 
des Kindes ausgeſchloſſen geweſen wäre; dann hätte 
ein rechtsgültiger Vertrag vorgelegen und die bloße 
Tatſache, daß die Wirkſamkeit des Vertrages zweifel⸗ 
haft war, weil die Verkäuferin dem Vormundſchafts— 
gericht erklärt hatte, ſie halte ſich an den Vertrag 
nicht für gebunden, hätte hier das Vormundſchafts— 
gericht nicht von der Verpflichtung befreit, über den 
Antrag auf Genehmigung ſachlich zu entſcheiden. 

Das Ergebnis dieſer Unterſuchung iſt hiernach: 

1. Xit die Wirkſamkeit eines der vormundſchafts⸗ 
gerichtlichen Genehmigung bedürftigen Rechtsgeſchäfts 
zweifelhaft, ſo darf das Vormundſchaftsgericht nicht 
um deswillen eine Sachentſcheidung ablehnen; dagegen 
iſt ſie abzulehnen, wenn das Rechtsgeſchäft nichtig 
oder deshalb unwirkſam iſt, weil das Rechtsgeſchäft 
gar nicht vom geſetzlichen Vertreter oder von dieſem in 
einem Fall vorgenommen iſt, wo er geſetzlich von der 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


Vertretung ausgeſchloſſen war. Die bloße Möglich: 
keit, daß der geſetzliche Vertreter oder ein zu be- 
ſtellender Pfleger die unbefugt abgegebenen Erklärungen 
genehmigen könnte, verpflichtet das Gericht nicht zur 
Sachentſcheidung über die Genehmigung des zurzeit 
völlig unwirkſamen Rechtsgeſchäfts. 

2. Das Beſchwerderecht aus § 59 Abſ. 1 Satz 2 
FGG. ſteht nicht bloß einem Mündel, ſondern auch 
dem unter Pflegſchaft ſtehenden Kinde zu; da Vor⸗ 
ausſetzung der Beſchwerde aber eine Angelegenheit 
iſt, in der das Kind vor der Entſcheidung gehört 
werden foll, dies alfo eine bereits beſtehende Pfleg⸗ 
ſchaft vorausſetzt, ſo ſteht die Beſchwerde nur dem 
bereits unter Pflegſchaft geſtellten, nicht dem erſt unter 
Pflegſchaft zu ſtellenden Kind zu. 


Rechtsanwalt Dr. Eugen Joſef in Freiburg i. Br. 


Zur Frage der Zuſtändigkeit bei Anſprüchen eines 
im Wiederanfnahmeverfahren Freigeſprochenen. Die 
Eheleute H. wurden vom Schöffengerichte zu Geld⸗ 
ſtrafen von je 10 Mk. und zur Tragung der Koſten ver⸗ 
urteilt, ſpäter aber von demſelben Gerichte im Wieder⸗ 
aufnahmeverfahren unter Aufhebung des früheren Ur⸗ 
teils und Ueberbürdung der Koſten auf die Staatskaſſe 
freigeſprochen. Zugleich mit dieſem zweiten Urteile 
wurde durch Beſchluß nach § 4 des Geſetzes vom 
20. Mai 1898, betreffend die Entſchädigung der im 
Wiederaufnahmeverfahren freigeſprochenen Perſonen, 
die Staatskaſſe für entſchädigungspflichtig erklärt. Sie 
verlangten Rückerſtattung der auf Grund des erſten 
Urteils gezahlten Koſten und Geldſtrafen. 

Meinungsverſchiedenheiten, die ſich hierbei hin⸗ 
ſichtlich der Frage ergaben, ob die Eheleute H. ihre 
Anſprüche mittels des Verfahrens nach 8 5 des be⸗ 
zeichneten Geſetzes, alſo durch Antragſtellung bei der 
Staatsanwaltſchaft, verfolgen könnten oder gar müßten, 
veranlaſſen mich zu folgenden Bemerkungen: 

Daß der auf Rückerſtattung gezahlter Koſten 
gerichtete Anſpruch in keinerlei Zuſammenhang mit 
dem FreigeſprG. ſteht, ift ohne weiteres klar. Denn 
nach deffen § 2 ift Gegenſtand des dem Verurteilten 
zu leiſtenden Erſatzes nur der für ihn durch die S tra f- 
vollſtreckung entſtandene Vermögensſchaden. Es 
kann ſich deshalb auch der nach $ 4 ergebende Be⸗ 
ſchluß nur auf den durch die Strafvollſtreckung ent- 
ſtandenen Vermögensſchaden beziehen. Da endlich das 
im 8 5 geregelte Verfahren nur inſoweit Platz greift, 
als „auf Grund des die Verpflichtung der Staatskaſſe 
zur Entſchädigung ausſprechenden Beſchluſſes ein Ans 
ſpruch geltend gemacht wird“ und die Beitreibung der 
Koſten von dem Verurteilten keine Strafvollſtreckung 
enthält, fo wenig wie die Verurteilung zu den Koſten 
eine Nebenſtrafe bildet (vgl. Ullmann, Lehrbuch des 
d. Strafprozeßrechts S. 649: „Die Verbindlichkeit zur 
Tragung der Koſten iſt eine zivilrechtliche“) folgt von 
ſelbſt, daß eine Rücker ſtattung gezahlter Koſten nicht 
im Wege des 8 5 d. FreigeſprG. verlangt werden kann. 
Die Erläuterungen zu dieſem Geſetze von E. Burlage 
und von Löwe⸗Hollweg erachten dies offenbar für 
ſelbſtverſtändlich, fo daß fie hierüber kein Wort ver- 
lieren. 

In Anſehung des Anſpruches auf Rückerſtattung 
der Geldſtrafe ſcheint dagegen die Sache auf den 
erſten Blick anders gelagert zu ſein. Die eben ge— 
zogene Schlußfolgerung in Verbindung mit dem Um— 
ſtande, daß die Beitreibung der Geldſtrafe, der die 


— 


334 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


freiwillige Zahlung gleichſteht, tatſächlich als Straf- 
vollſtreckung aufzufaſſen iſt, ſcheint zu der Annahme 
zu drängen, daß dieſer Anſpruch (auch) gemäß 8 5 
d. FreigeſprG. geltend gemacht werden kann. Dieſen 
Standpunkt vertritt in der Tat der Kommentar von 
E. Burlage (vgl. S. 125 Note 10: „Auf die Be: 
reicherungsklage zurückzugreifen, kann namentlich dann 
für den Verurteilten von Intereſſe ſein, wenn der 
Entſchädigungsanſpruch nach 8 5 erloſchen fein ſollte“). 

Bei näherem Zuſehen ergeben ſich aber hiergegen 
Bedenken. 

Wie bezüglich gezahlter Koſten jo auch hinſichtlich 
einer gezahlten Geldſtrafe hatte der im Wiederauf— 
nahmeverfahren Freigeſprochene ſchon vor dem Geſetze 
vom 20. Mai 1898 einen Rückzahlungsanſpruch gegen 
die Staatskaſſe aus dem Geſichtspunkte der ungerecht— 
fertigten Bereicherung unmittelbar auf Grund des im 
Wiederaufnahmeverfahren ergangenen Ausſpruchs, daß 
das frühere Urteil, zufolge deſſen die Zahlung erfolgte, 
aufgehoben fei. Es war nicht Zweck des FreigeſprG., 
über bereits nach dem bisherigen Rechte beſtehende 
Anſprüche unſchuldig Beſtrafter Beſtimmungen zu 
treffen. Seine Aufgabe beſtand vielmehr darin, An- 
ſprüche zu gewähren, die bisher nicht beſtanden, und 
dabei erſchien es angezeigt, auch gleich den Weg ein: 
heitlich zu regeln, auf dem dieſe Anſprüche zu verfolgen 
feien. Es wird daher auch nicht ohne weiteres an- 
zunehmen ſein, daß das FreigeſprG. für ſchon nach 
dem früheren Rechte begründete Anſprüche neben dem 
bisherigen Wege der Geltendmachung einen neuen 
Weg eröffnen wollte. Hierzu kommt aber, daß eine 
Reihe wichtiger Beſtimmungen, die das FreigeſprG. 
über die von ihm gewährte „Entſchädigung“ unter⸗ 
ſchiedslos trifft, auf die gezahlte Geldſtrafe nicht an- 
wendbar find. So Abſatz 2 des $ 3: „Bis zum Pez 
trage der geleiſteten Entſchädigung tritt die Kaſſe in 
die Rechte ein, welche dem Entſchädigten gegen Dritte 
um deswillen zuſtehen, weil durch deren rechtswidrige 
Handlungen ſeine Verurteilung herbeigeführt war.“ 

Zweifellos kann derjenige, der auf Grund einer 
böswilligen Anzeige und Ausſage zu einer Geldſtrafe 
verurteilt worden iſt und dieſe bezahlt hat, gemäß 
§ 826 BGB. von dem böswilligen Anzeiger und Zeugen 
Erſatz für die gezahlte Geldſtrafe verlangen. Trog- 
dem kann keine Rede davon ſein, daß die Staatskaſſe, 
von der die gezahlte Geldſtrafe dem im Wiederauf— 
nahmeverfahren Freigeſprochenen zurückerſetzt worden 
iſt, bis zum Betrage dieſes Rückerſatzes in das Recht 
des Entſchädigten gegen den böswilligen Anzeiger und 
Zeugen eintritt; denn es kann nicht im Sinne der an— 
geführten Geſetzesbeſtimmung liegen, die Staatskaſſe 
in einem ſolchen Falle beſſer zu ſtellen, als ſie ohne 
die böswillige Anzeige und Ausſage geſtellt geweſen 
wäre). So ferner Abſatz 4 des § 5: „Bis zur end- 
gültigen Entſcheidung über den Antrag tft der An— 
ſpruch (d. h. auf die Entſchädigung) weder übertragbar, 
noch der Pfändung unterworfen.“ Es geht doch nicht 
wohl an zu ſagen: „Der Anſpruch auf Rückerſtattung 
einer gezahlten Geldſtrafe iſt wie jeder Anſpruch aus 
ungerechtfertigter Bereicherung übertragbar und pfänd— 
bar, wenn er nicht auf dem Wege des 5 5 verfolgt 
wird, andernfalls aber unübertragbar und unpfänd— 
bar, bis über den Antrag im Verfahren nach 8 5 
endgültig entſchieden iſt.“ Bei dieſer Unterſtellung wäre 
der Gläubiger, der einen ſolchen Anſpruch pfänden 
laſſen will, in einer üblen Lage. Sein Schuldner 
hätte drei Monate Zeit zur Wahl, ob er den Anſpruch 


im Wege des 85 verfolgen will; inſolange könnte er 
alſo nicht pfänden laſſen; mittlerweile aber könnte der 
Schuldner Rückerſatz der Geldſtrafe bei der Finanz- 
behörde verlangen und bekommen und der Gläubiger 
hätte das Nachſehen. Oder wollte man die Unpfänd⸗ 
barkeit und Unübertragbarkeit erſt mit der Stellung 
des Antrages bei der Staatsanwaltſchaft beginnen 
laſſen? Jedenfalls hat der Geſetzgeber einen ſo 
eigentümlichen Rechtszuſtand nicht ſchaffen wollen. 
„Durch die Beſtimmung in Abſ. 4 folte einem un: 
würdigen Handel mit der Entſchädigungs forderung 
vorgebeugt und verhindert werden, daß die dem Ver⸗ 
urteilten zugedachte Wohltat demſelben durch Dritte 
verkümmert wird“ (Begr. z. FreigeſprG.). Eine Ab- 
änderung des bisherigen Rechts in Anſehung der nach 
ihm bereits begründeten Forderungsanſprüche lag dem⸗ 
nach ferne. So endlich Abſ. 1 Satz 1 des 8 5, wonach 
der Anſpruch bei Vermeidung des Verluſtes binnen 
drei Monaten zu verfolgen iſt, und Abſ. 3 Satz 2, 
demzufolge für die Anſprüche auf Entſchädigung das 
Landgericht ausſchließlich zuſtändig iſt. 

Ferner iſt zu beachten, daß die Gründe, welche 
im öffentlichen Intereſſe zur Einführung des Bor: 
verfahrens nach § 5 bewogen haben, für den Anſpruch 
auf Rückerſtattung einer Geldſtrafe nicht zutreffen. 
Man ſieht ſchlechterdings nicht ein, warum die oberſte 
Behörde der Landesjuſtizverwaltung mit der Ent: 
ſcheidung über einen Anſpruch befaßt werden ſollte, 
der dem Grunde und der Höhe nach durch das im 
Wiederaufnahmeverfahren ergangene Urteil und die 
aktenmäßige Tatſache der erfolgten Zahlung bereits 
feſtſteht. Man kann auch nicht einwenden, daß dieſer 
Behörde immer noch die Prüfung obläge, ob nicht 
der nach 8 4 ergangene Beſchluß infolge Aufhebung 
des freiſprechenden Urteiles außer Kraft getreten ſei. 
Denn — und das iſt ein weiterer Geſichtspunkt gegen 
die bekämpfte Anſchauung — der Anſpruch auf Rück⸗ 
zahlung der Geldſtrafe iſt von einem Beſchluſſe nach 
§ 4 fo unabhängig, daß er auch beſteht, wenn der 
Beſchluß beim Mangel der Vorausſetzungen des 81 
Ab}. 1 Satz 2 oder beim Vorliegen der Voraus: 
ſetzungen des §1 Abſ. 3 dahin lautet, daß die Staats⸗ 
kaſſe zur Entſchädigung nicht verpflichtet ſei. In dieſem 
Falle aber wird niemand daran denken, daß der Weg 
des § 5 gangbar ſein könnte. 

Aus all dem dürfte zur Genüge erhellen, daß 
das FreigeſprG. den Anſpruch auf Rückerſtattung einer 
gezahlten Geldſtrafe nicht mit umfaſſen will und daß 
dieſer deshalb auch nicht mittels des Verfahrens nach 
85 verfolgt werden kann. Die Faſſung des 82 ſtebt 
dem nicht im Wege; diefe Beſtimmung kann obne 
Zwang dahin verſtanden werden: „Gegenſtand des zu 
leiſtenden Erſatzes iſt der durch die Strafvollſtreckung 
entſtandene, nicht {hon nach dem bisherigen 
Rechte zu erſetzende Vermögensſchaden“. 

Der gleichen Anſicht Scheint Löwe-Hollweg, Komm. 
z. StPO. S. 1009 Note 2 zu fein: „In den nach 
früherem Rechte begründeten Rechtszuſtand hat das 
Geſetz nicht eingreifen wollen. Soweit es ſich aber 
um weiteren, durch die Einziehung der Geldſtrafe ver— 
urſachten Vermögensſchaden handelt, gelten die Grund— 
ſätze des (Freigeſpr.) G. auch hier.“ 

Nach m. A. konnten alſo die Eheleute H. ihre 
Anſprüche nur durch Angehung der Finanzbehörde 
geltend machen. Hätten ſie einen durch die Einziehung 
der Geldſtrafe ihnen entſtandenen beſonderen Ver— 
mögensſchaden (Zinsverluſte, Pfändungskoſten x.) ers 


— Ulm nn — — 00 nn 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


ſetzt verlangt, ſo hätten ſie inſoweit, aber auch nur | 


inſoweit, Antrag bei der Staatsanwaltſchaft zu Stellen 
gehabt. 

Vielleicht hat eine „oberſte Behörde der Landes⸗ 
juſtizverwaltung“ zu der hier erörterten Frage bereits 


Stellung genommen. Die Mitteilung eines ſolchen 


Falles wäre ſehr erwünſcht. 
II. Staatsanwalt Schülein in Bayreuth. 


Soll der Staatsanwalt einen beſtimmten Straf: 
antrag ſtellen? Das geltende Recht ſpricht ſich über 
dieſen Punkt überhaupt nicht aus, es handelt in 8 257 
StPO. nur davon, daß der Staatsanwalt nach 
Schluß der Beweisaufnahme das Recht hat, das Wort 
zu ſeinen Ausführungen und Anträgen zu ergreifen. 
Es iſt deshalb auch, da nicht einzuſehen wäre, warum 
dieſe Befugnis gerade Halt machen ſollte vor einem 
Ausſpruch über Art und Höhe der Strafe, beim 
Schweigen des Geſetzes ein gar nicht zu bezweifelndes, 
vielmehr allgemein anerkanntes und ausgeübtes Recht 
der Staatsanwaltſchaft, ſich auch über Strafart und 
Strafhöhe auszuſprechen. 

Eine andere Frage iſt die, ob dieſem Zuſtand auch 
ein hinreichender Berechtigungsgrund zur Seite ſteht, 
ob hier nicht vielmehr de lege ferenda eine Aenderung 
anzuſtreben wäre in der Weiſe, daß der ſtaatsanwalt⸗ 


allgemeinen über Anwendung einer höheren oder 
niederen Strafe ausſprechen könne, ſei weder nötig 
noch ratſam. Wenn dem entgegengehalten wurde, das 
Ziel der öffentlichen Klage und der Strafverfolgung 
fei nicht die Schuldigerklärung, ſondern die Berur- 
teilung zu einer beſtimmten Strafe, der Staat habe 
darüber hinaus auch ein Intereſſe an der richtigen 


Strafe, an der Strafbemeſſung, ſchon deshalb müſſe 


ſchaftliche Antrag lediglich auf Verurteilung, Frei⸗ 


ſprechung oder Einſtellung zu lauten hätte, nicht aber 
auch auf ein beſtimmtes Strafmaß. Mancherlei ſpricht 
für eine Regelung in dieſem Sinne. 

Schon bei Schaffung unſerer Strafprozeßordnung 
wurde diefe Frage aufgeworfen und erörtert (ſ. Protokolle 
der Reichstagskommiſſion S. 395 ff.). 


dem Staatsanwalt das Recht verbleiben, in dieſer 
Hinſicht beſtimmte Anträge zu ſtellen, ſo iſt dies 
nicht ſtichhaltig. Gewiß iſt richtig, daß der Staats⸗ 
anwalt nicht nur die Anklage zu vertreten, ſondern 
das Verfahren überhaupt zu betreiben hat, aber 
das zweifellos vorhandene Intereſſe des Staates an 
der Strafzumeſſung beſteht doch nicht im gleichen Sinn 
und gleicher Stärke wie an der Strafverfolgung über⸗ 
haupt, wofür ja in erſter Linie der Staatsanwalt 
berufen iſt, ſondern doch lediglich in dem Sinne und 
Umfang, daß eben der Staat für die Strafrechtspflege 
überhaupt zu ſorgen hat. Dieſer Pflicht aber wird 
er gerecht durch Beſtellung eigener Organe, der Richter, 
die ja übrigens auch die Strafzumeſſung zu begründen 
haben, eine Sollvorſchrift, die nötigenfalls ohne weiteres 
zur Mußvorſchrift erhoben werden könnte. „Daher 
überlaſſe man die Sorge für Ausmeſſung der Strafen 
und damit die Sorge für die Kontinuität der Recht⸗ 
ſprechung am beſten den unbeeinflußten Richtern, nicht 
aber dem Staatsanwalt, der unter dem Drucke ſeiner 
amtlichen Stellung ſteht, wenn er zu niedere Straf⸗ 
anträge ſtellt, da er dadurch Gefahr läuft, nicht als 
energiſch genug zu gelten (ſ. Prot.). Es iſt nicht zu 
leugnen, daß die Fragen der Strafbemeſſung ſich vom 
ſtaatsanwaltſchaftlichen Standpunkt aus immer etwas 


anders darſtellen als vom unabhängigen Richterſtand⸗ 
punkt aus. 


Ueberblickt man die damals geltend gemachten 


Gründe und Gegengründe, ſo wird man ſagen dürfen, 
daß erſtere letztere überwogen und man hätte er⸗ 
warten dürfen, daß dem jetzigen § 257 ſchon damals 
die zur Debatte ſtehende Beſtimmung: „Der Staats⸗ 
anwalt hat einen beſtimmten Antrag über 
die Bemeſſung der Strafe innerhalb des 
geſetzlichen Strafſatzes nicht zu ſtellen“ 
hinzugefügt würde. 
beſcheidung dieſer Frage noch eine nahezu 30jährige 


Nunmehr ſteht aber für Ver⸗ 


Praxis und Erfahrung zu Gebote, ſo daß heute manches, 


was damals nur als Befürchtung hingeſtellt werden 
konnte, jetzt als feſtbegründete Tatſache vertreten 
werden, und anderſeits manches anſcheinend begrün⸗ 
dete Bedenken als haltlos oder wenigſtens über⸗ 
trieben bezeichnet werden kann. Man wird daher 
in Zuſammenfaſſung und Ergänzung der in der Reichs⸗ 
tagskommiſſion hervorgehobenen Argumente aufs neue 
und mit größerer Berechtigung dieſem Antrag das 
Wort reden müſſen und zwar aus folgenden Er⸗ 
wägungen heraus: 


1. Schon die Stellung des Staatsanwalts 


jelbit erfordert eine ſolche Neform. Es muß 


an der in der RTR. vertretenen Anſicht feſtgehalten 


werden (ſ. Protokolle), daß die Aufgabe des Staats⸗ 
anwalts nur dahin gehe, dahin zu wirken, daß der 
Schuldige nach dem Geſetz, das auf den betreffenden 
Falls paſſe, beſtraft werde, fein Beruf fei nur, inner- 
halb dieſes Rahmens die Anwendung des Straf⸗ 
geſetzes zu provozieren, nicht aber, dem Gericht inner⸗ 
halb des Strafmaßes eine beſtimmte Linie vorzu⸗ 
zeichnen; mehr als das, daß ſich der Staatsanwalt im 


Wenn weiter entgegnet wurde, dieſe Anträge ſeien 
eines der Mittel, zu bewirken, daß den Fragen der 
Strafzumeſſung die gleiche Sorgfalt zugewendet würde 
wie der Schuldfrage, da auch die Strafſchärfungs⸗ und 
⸗milderungsgründe der Rede und Gegenrede unter- 
worfen blieben, es ſei alſo, wie es Loewe in ſeinem 
Kommentar zur StPO. (f. Anm. zu $ 257) ausdrückt, 
eine Erörterung der Strafzumeſſungsgründe gerade 
im Intereſſe des Angeklagten inſofern, als er dadurch 
erfahren werde, welche Umſtände als Strafſchärfungs⸗ 
gründe gegen ihn geltend gemacht würden, und ſomit 
Gelegenheit erhalte, auch in dieſer Beziehung zu wider⸗ 
ſprechen und Gegengründe zu bringen, ſo trifft dieſer 
Einwand m. E. die Sache überhaupt nicht. Denn 
es würde, wie ohne weiteres erſichtlich, durch die ange⸗ 
regte Aenderung des § 257 eine Erörterung der 
Strafzumeſſungsgründe von Seite des Staatsanwalts 
in keiner Weiſe ausgeſchloſſen, ſie bliebe nach wie 
vor geſtattet, und nur von einem beſtimmten Straf— 
antrag hätte der Staatsanwalt abzuſehen, in der 
Weiſe, wie es beute ſchon bei den Plaidoyers vor den 
Schwurgerichten geſchieht. 

Ebenſowenig kann der weitere von einem Gegner 
in der RTK. ausgeſprochene Einwand durchdringen, 
das Anſehen des öffentlichen Anklägers werde durch 
Entziehung dieſes Rechtes erheblich beeinträchtigt. Ein 
anderes Kommiſſionsmitglied betonte demgegenüber, 
die Stellung des Staatsanwalts werde dadurch nur 
gewinnen, er werde dann viel leidenſchaftsloſer vor- 
gehen. Mag letztere Erwartung nun zutreffen oder nicht, 
mag man überhaupt mit oder ohne Berechtigung von 


einer Leidenſchaftlichkeit ſprechen, jedenfalls würde ſich 


nicht eine Minderung des Einfluſſes des Staats⸗ 
anwalts, ſondern eine Hebung ſeiner Stellung 
daraus ergeben. Dieſe, die an ſich noch unter mancher⸗ 
lei rechtlichen Unklarheiten leidet, würde nur reiner 
und geklärter werden. Er würde in vielen Fällen 
frei werden von einem gewiſſen Odium, das dem 
Staatsanwalt nun einmal von der Maſſe der Un⸗ 
gebildeten entgegengebracht wird, aus denen ſich ja 
hauptſächlich die ſtraffälligen Perſonen rekrutieren, 
und aus dem heraus, wie bekannt, ſchon mancher be⸗ 
ſonders bösartige oder leidenſchaftliche Angeklagte im 
Merger über einen hohen Strafantrag und in Ber- 
kennung der Verhältniſſe ſich zu Exzeſſen, ſogar tät⸗ 
licher Art, dem amtierenden Staatsanwalt gegenüber 
hat hinreißen laſſen. Denn gewöhnlich iſt der Anlaß 
zu ſolchen Exzeſſen nicht in der Wut über den Richter⸗ 
ſpruch, ſondern im Aerger über einen hohen Straf: 
antrag zu ſuchen. Dieſe, die Stellung des Staats⸗ 
anwalts, den Gang der Verhandlung und die Würde 
des Gerichts im allgemeinen gewöhnlich in gleicher 
Weiſe beeinträchtigenden Vorkommniſſe würden in Zu⸗ 
kunft in den meiſten Fällen wegfallen. 

Schließlich kann man auch nicht die Parallele mit 
dem Verteidiger als dem Gegenſtück zum Staats- 
anwalt ziehen. Denn abgeſehen davon, daß ſich infolge 
weſentlicher Ungleichheiten in der Stellung überhaupt 
nicht ſo ohne weiteres ein Vergleich ziehen läßt, fehlt 
dem Verteidiger auch die Umkleidung mit ftaat= 
licher Autorität mit all den bieraus ſich ergebenden 
Folgen. Dieſer Einwand wurde ſchon damals zu- 
treffend mit dem Hinweis entkräftet, daß vom Ber- 
teidiger jeder wiſſe, er handle lediglich zugunſten des 
Angeklagten, der Staatsanwalt dagegen handle im 
Namen des Staates. 

2. Das Hauptargument, das für eine Aenderung 
des beſtehenden Zuſtandes ſpricht, ſcheint mir aber in 
dem ſeinerzeit in der RT K. ausgedrückten Bedenken zu 
liegen, daß es immer einen ſchlechten, peinlichen 
Eindruck mache, wenn das Gericht anders erkenne 
als der Staatsanwalt beantragt habe, nur ſelten aber 
werde das Gericht mit den Anträgen übereinſtimmen, 
es werde ſo etwas immer als eine kleine Niederlage 
des Staates aufgefaßt, da man gewohnt ſei, den 
Staatsanwalt mit der tatſächlichen Strafgewalt des 
Staates zu identifizieren. Darauf wußte man weiter 
nichts zu erwidern, als daß diefe Befürchtung jeden⸗ 
falls übertrieben ſei, außerdem mache es den gleichen 
ſchlechten Eindruck, wenn der Staatsanwalt Frei— 
ſprechung beantrage, das Gericht aber verurteile. 
Letzteres iſt jedoch nicht richtig; denn ein ſolcher An— 
trag vermeidet eben infolge ſeiner Allgemeinheit und 
Unbeſtimmtheit all die gerügten Mißſtände, aber ſelbſt 
wenn es richtig wäre, kommt dieſer Fall doch ſo ſelten 
vor, daß er ſchon deshalb ohne Bedeutung wäre. Aber 
es iſt auch, das kann man heute nach ca. 30 Jahren 
füglich behaupten, jene Befürchtung nicht übertrieben. 
Es muß tatſächlich den ungünſtigſten Eindruck machen, 
wenn ſolche klaffende Gegenſätze zwiſchen Strafantrag 
und ⸗ausſpruch entſtehen, zumal wenn wie meiſtens 
die Erkenntniſſe hinter den Anträgen zurückbleiben. 
Und es wirkt um ſo peinlicher, je größer und je 
häufiger dieſe Unterſchiede auftreten. Die große 
alle weiß diefe Vorkommniſſe nicht richtig zu 
würdigen, fie weiß nicht, daß es Aufgabe des Staats- 
anwalts iſt, gerade die Strenge des Geſetzes zu ver— 
treten, ſie ſieht darin eine Art von Demütigung des 
Staatsanwalts und ſo entſteht gar leicht das Zerrbild 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


des „böſen“ Staatsanwalts. Dieſe Vorkommniſſe laſſen 
den Gedanken nicht aufkommen, daß ſie doch alle, Ge⸗ 
richt, Staatsanwalt und Rechtsanwalt zum Dienft der 
Rechtspflege berufen ſind, ſondern beſtärken vielmehr 
die Idee von der Gegenſätzlichkeit der Intereſſen 
dieſer Organe. Dieſe ſich ſo unangenehm bemerkbar 
machenden Tatſachen tragen gewiß nicht zur Hebung 
des Anſehens der Juſtiz bei, und wenn ihre Be⸗ 
ſeitigung auch auf die Rechtspflege unmittelbar, auf 
ihre Güte, ohne Einfluß bleiben würde, ſo iſt 
ſie doch heutzutage, wo das Schlagwort von der 
Hebung des Vertrauens des Volkes in die Rechts⸗ 
pflege eine ſo große Rolle ſpielt, von Wichtigkeit, als 
eines der kleinen aber durchaus nicht unweſentlichen 
Mittel, dieſes Vertrauen zu ſtärken, und die angeregte 
Geſetzesänderung daher wohl wert. 

3. Durch einen beſtimmten Strafantrag wird oft 
eine unerwünſchte Beeinfluſſung der Richter, der Be⸗ 
rufsrichter weniger als der Laienrichter hervorgerufen. 
Man wies ſchon in der RK. darauf hin, daß bei 
ſchwachen Richtern der Staatsanwalt durch ſeinen 
Antrag Einfluß auf die Strafabmeſſung gewinnen 
werde, da ſolche es gerne vermeiden möchten, allzuſehr 
zu differieren mit dieſen Anträgen, die Richter würden 
bei Wegfall des beſtimmten Strafantrags mit mehr 
Unbefangenheit zu Werke gehen. Dieſer Grund iſt 
allerdings ziemlich hinfällig. Denn wenn auch der 
von der Gegenſeite getane Ausſpruch, daß Richter, 
welche ſich auf dieſe Weiſe beeinfluſſen ließen, den 
Namen Richter überhaupt nicht verdienten, als gar 
zu apodiktiſch zu weit geht, — muß man doch ſagen, 
daß ſolche ſich bei einzelnen findende Schwächen 
durchaus normale, in der menſchlichen Natur be- 
gründete Eigenſchaften ſind, die übrigens auch regel⸗ 
mäßig paralyſiert werden durch die Mehrzahl der 
Richter, denen nur ein Staatsanwalt gegenüberſteht —, 
fo iſt doch richtig, daß, wenn eine Beeinfluſſung in 
dieſem Punkt zu fürchten wäre, ſie auch in jeder andern 
Hinſicht begründet wäre. Zurückzuweiſen iſt aller⸗ 
dings der Einwand, daß, wenn der Vorwurf der Be⸗ 
einfluſſung begründet wäre, ſie durchaus nicht durch 
die angeregte Aenderung beſeitigt würde, da der 
Staatsanwalt im allgemeinen erklären könne, daß er 
die eine oder andere Strafe für angemeſſen halte. 
Denn eine ſolche Handhabung würde dem klaren Ge⸗ 
ſetzeslaut, wie er nach der Aenderung lauten würde, 
direkt widerſprechen, die Reviſionsinſtanzen würden 
diefe Auslegungsfrage ſicherlich in dieſem Sinne ver: 
beſcheiden. Der befürchtete und unerwünſchte Einfluß 
tritt vielmehr vor allem den Schöffen gegenüber her⸗ 
vor. Auf ſie wirkt ein hoher Strafantrag weit mehr 
und es gelingt oft nicht, wenn nicht beſondere Um⸗ 
ſtände vorliegen, die Schöffen demgegenüber auf ein 
milderes Strafmaß herabzuſtimmen. 

4. Schließlich verfängt den erwähnten Punkten 
gegenüber auch nicht der Einwurf, daß der Staats⸗ 
anwalt ja das Recht der Berufung hat, wenn ihm 
die Strafe zu nieder erſcheint. Denn abgeſehen davon, 
daß die Berufung nur gegen Schöffengerichtsurteile 
ſtattfindet, wo infolge der weit engeren Strafrahmen 
und der Möglichkeit der Strafbefehle ſolche Gegen: 
ſätze zwiſchen Strafantrag und ⸗ausſpruch nicht fo 
groß ſein und daher auch nicht ſo unliebſam auffallen 
können, vermeidet dieſer Weg der Berufung überhaupt 
alle die Mißſtände, die durch die Reform getroffen 
werden ſollen. Folgerichtig müßte allerdings die 
Berufung des Staatsanwalts wegen der Straf: 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


böhe, eine unmittelbare Folge der Anerkennung des 
ſtaatsanwaltſchaftlichen Einfluſſes auch auf die Straf⸗ 
bemeſſung, überhaupt wegfallen. Dies kann ohne 
weiteres geſchehen, da ſie ebenſowenig nötig iſt als 
die Antragsbefugnis ſelbſt. 

Es genügt alſo nach dem Geſagten die heute bloß 
in das Belieben des Staatsanwalts geſtellte Möglich⸗ 
keit, beſtimmte Strafanträge zu ſtellen oder zu unter⸗ 
laſſen, nicht, es iſt eine geſetzliche Regelung bei der 
bevorſtehenden Reform der StPO. erforderlich. 

Rechtspraktikant Karpf in Nürnberg. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Formvorſchrift des 8 313 BGY. Unrichtige Benr: 
kundung des Kaufpreiſes. Unterſchied zwiſchen einer 
Zuwendung, die den Berkäufer für die Unterhandlungen 
günftig ſtimmen foll, und der Sorani lung eines Teiles 

es Kaufpreiſes. Aus einem notariellen Kaufvertrage 
wird auf Uebergabe und Auflaſſung geklagt. Die 
Beklagte bezeichnet den Vertrag als nichtig, weil darin 
eine unrichtige Summe als Kaufpreis beurkundet ſei, 
nämlich 36 000 M, während ein Kaufpreis von 36600 M 
vereinbart fei, wovon 600 M ſchon vor dem notari- 
ellen Abſchluß bezahlt worden ſeien. Der Kläger gibt 
zu, daß er vor der notariellen Beurkundung der Bes 
klagten bar 525 M gegeben und noch 50 M an den 
Vermittler zahlen zu wollen erklärt habe, behauptet 
aber, dies ſei geſchehen, um die Beklagte zu einem 
Abſchluß für 36000 M geneigt zu machen; er habe 
dabei geſagt, dieſe Zahlung betrachte er nicht als 
Kaufgeld, ſondern nur als Opfer für das Zuſtande— 
kommen des Vertrags, als Kaufgeld ſolle nur die 
Summe von 36 000 M gelten. Das OLG. hat die 
Klage abgewieſen. Die Reviſion wurde verworfen. 

Aus den Gründen: Das OLG. geht davon 
aus, daß eine Leiſtung, die der Käufer neben dem 
Kauſpreiſe mache, fo lange fie fih als Entgelt für die 
Ueberlaſſung des Kaufgegenſtandes darſtelle, wirt— 
ſchaftlich wie rechtlich als Teil des in Wirklichkeit 
gewollten Kauſpreiſes behandelt werden müſſe, möchten 
auch die Parteien ihr wörtlich eine andere Rechtsnatur 
beigelegt haben. Für die Auslegung des Vertrages 
ſei der rechtliche Begriff des Kaufpreiſes und die billige 
Auslegung des eigentlichen Parteiwillens maßgebend 
und dieſe ergäben, daß die Auffaſſung der Beklagten 
die naturgemäße, die des Klägers dagegen eine ge— 
zwungene ſei. Auch der Kläger habe nach Lage der 
Sache die 600 M nur als einen Teil des eigentlichen 
Kaufpreiſes anſehen können und offenbar auch in 
Wirklichkeit als ſolchen betrachtet. Die Erklärung 
vor dem Notar enthalte nicht die Vereinbarung, daß 
die Summe von 36 000 M der richtige Kaufpreis fein, 
ſondern nur daß ſie als Kaufpreis beurkundet werden 
ſolle, und dadurch ſei die Beurkundung unrichtig ge— 
worden. Daraus folge die Nichtigkeit des ganzen 
Vertrages, denn bei der Höhe der Summe von 600 M 
laſſe ſich nicht annehmen, daß etwa der Vertrag auch 
ohne dieſe Preiserhöhung geſchloſſen worden ſein 
würde (§ 139 BGB.). Der Begründung des Berufungs- 
urteils war beizutreten. Es kann zugegeben werden, 
daß eine Zuwendung, die gemacht wird, um den Emp— 
fänger für erft bevorſtehende Kaufverhandlungen 
geneigt zu ſtimmen, nicht ohne weiteres als Teil des 
künftigen Kaufpreiſes angeſehen werden kann. So 
liegt aber die Sache hier nicht. Der Kläger hatte ſich 


337 


überzeugen müſſen, daß das Grundſtück nicht unter 
36 600 M zu haben war, und wenn er unter dieſen 
Umſtänden die Beklagte vorher mit einer Barzahlung 
von annähernd 600 M abfand, um dann mit ihr einen 
notariellen Kaufvertrag zu dem darin angegebenen 
Preiſe von 36 000 M zu ſchließen, fo kann es keinem 
Zweifel unterliegen, daß jene Barzahlung wirtſchaftlich 
ein Entgelt, eine Gegenleiſtung für das verkaufte 
Grundſtück war, das der Kläger anders nicht erhalten 
konnte. Dann iſt ſie aber auch rechtlich als Kaufpreis 
zu behandeln und die Beklagte in dieſer Beziehung 
eines weiteren Beweiſes überhoben. Ob ſich über: 
haupt Umſtände denken laffen, die eine andere recht- 
liche Beurteilung rechtfertigen könnten, mag dahin- 
geſtellt bleiben. Eine bloße Erklärung der Parteien, 
daß eine derartige Leiſtung nicht als Kaufpreis ge— 
rechnet werden ſolle, würde dafür noch nicht genügen 
und es mag beiſpielshalber erwähnt werden, daß der 
etwaige Zweck des Käufers, auf dieſe Weiſe an Stempel 
und Koſten zu ſparen, nichts gegen die Kaufpreis— 
eigenſchaft, wohl aber umgekehrt bewieſe, daß der 
Kaufpreis nur verſchleiert werden ſollte. (Urt. des 
V. 3S. vom 30. Mai 1908, V 463/07). — — —n. 
1340 


II. 


Ein Bebeg gegen die guten Sitten liegt nicht vor, 
wenn in einer Anzeige ein zwar ungünſtiger aber nicht 
unrichtiger Vergleich zwiſchen der angepriefenen Ware 
und der Ware eines Konkurrenten gezogen wird. Die 
Beklagte vertreibt unter der Bean „W.“ Wein- 
moſt“ einen naturreinen Traubenſaft. In einer Zeit— 
ſchrift hat ſie dieſen Saft als beſonders geeignet zur 
Traubenkur und Blutreinigung empfohlen und im 
Anſchluß hieran über das von der Klägerin herge— 
ſtellte Getränk (eine aus getrockneten Aepfeln her— 
geſtellte Art von Apfelſaft) behauptet: „Vollwertiger, 
edler Traubenſaft iſt kein alkoholfreies Erſatzgetränk, 
wie z. B. billiges, aber gehaltarmes Backobſtwaſſer 
(folgt die Bezeichnung des Getränks).“ Sie iſt vom 
LG. verurteilt worden, die Wiederholung und Ver— 
breitung derartiger Angaben zu unterlaſſen. Ihre 
Berufung iſt zurückgewieſen worden. Das RG. wies 
die Klage ab. 

Aus den Gründen: Die Vorinſtanzen halten 
den Klaganſpruch für begründet, weil in der von der 
Klägerin beanſtandeten Anzeige ein Verſtoß gegen die 
guten Sitten liege, durch den der Klägerin vorſätzlich 
Schaden zugefügt werde, und fomit eine Zuwider— 
handlung gegen § 826 BGB. vorliege. Das OLG. 
führt aus: Die Bezeichnung des von der Klägerin 
hergeſtellten Getränks als eines billigen, aber gehalts— 
armen Backobſtwaſſers könne vom Zeitungsleſer beim 
Fehlen einer Erläuterung nur dahin verſtanden werden, 
daß es ſich um ein billiges und ſchlechtes Genußmittel 
handle, durch deſſen Erwerb man ſich ſchädige, und 
zweifellos habe dieſe Beurteilung den Abſatz des Ge— 
tränks beeinträchtigt. Zweifellos habe die Beklagte 
auch vorausgeſehen, daß ihre Anzeige jene Auslegung 
finden und dieſen Erfolg für die Klägerin haben werde; 
ſie habe dem Publikum ihr herabſetzendes Urteil ohne 
jede Unterlage für eine ſelbſtändige Nachprüfung kund— 
gegeben und hierzu ſich auch nach den vorgelegten 
Gutachten nicht für befugt halten können. Nach dieſen 
ſei das Getränk nicht als an ſich geringwertig zu be— 
zeichnen, wie es die Anzeige der Beklagten tue. Dieſe 
ſelbſt laſſe es als für Erfriſchungszwecke brauchbar 
gelten; es ſei daher anzunehmen, daß ſie ſich allein 
von der Abſicht habe leiten laſſen, das Erzeugnis der 
Klägerin zu verunglimpfen. 

Die Reviſion iſt begründet. Da das OLG. den 
Inhalt der Anzeige und den Zweck, den die Beklagte 
mit ihr verbunden hat, nur dieſer ſelbſt und der 
Stellung der Parteien im geſchäftlichen [Leben zuein— 
ander entnommen hat, ſo handelt es ſich inſoweit 


338 


nicht um eine konkrete tatfächliche Feſtſtellung, ſondern 
um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung vom Re— 
viſionsgericht nachzuprüfen iſt. Dieſe Nachprüfung 
führt zu dem Ergebnis, daß nicht der geringſte Mn- 
halt dafür gegeben iſt, daß die Beklagte ſich habe von 
der Abſicht leiten laſſen, das Erzeugnis der Klägerin 
zu verunglimpfen und als ein ſchlechtes Genußmittel 
hinzuſtellen, durch deſſen Genuß man ſich (pekuniär) 
ſchädige. Die Bezeichnung des Getränks als eines 
billigen, aber gehaltsarmen Backobſtwaſſers enthält 
nach dem Zuſammenhang mit dem übrigen Inhalt 
der Anzeige nichts objektiv unrichtiges; denn nach der 
von den Parteien im weſentlichen übereinſtimmend 
angegebenen Herſtellungsweiſe iſt es ein Produkt, das 
durch Auslaugen getrockneter Aepfel mit Waſſer ge— 
wonnen wird. Es liegt auf der Hand, daß ein ſolches 
Produkt jedenfalls im Vergleich zu dem in der 
Anzeige erwähnten „vollwertigen edlen Traubenſaft“ 
als ein gehaltarmes bezeichnet werden darf und der 
Ausdruck „Backobſtwaſſer“ ſagt weiter nichts, als 
daß das Getränk durch Auslaugen getrockneter Aepfel 
mit Waſſer hergeſtellt wird. Mag auch der Ausdruck 
etwas draſtiſch ſein, ſo geht er doch nicht über das 
im wirtſchaftlichen Kampfe erlaubte Maß hinaus, 
keinesfalls kann in ſeinem Gebrauch ein Verſtoß wider 
die guten Sitten gefunden werden. Vielmehr dient 
das Verfahren der Beklagten einem erlaubten und 
berechtigten Zweck, namentlich, wenn man berückſichtigt, 
daß die Anzeige das Getränk nur zum Vergleiche 
mit der von der Beklagten vertriebenen Ware er— 
wähnt; insbeſondere ſagt ſie keineswegs, daß es ein 
„ſchlechtes“ oder ein — wenn auch nur pekuniär — 
„ſchädliches“ Genußmittel fei. (Urt. des VI. ZS. vom 
11. Juni 1908, VI 295/07). — — gn. 
1330 
III. 


1. Umfang der Haftung des Automobilbeſitzers für 
den 1 75 eur. Die Haftung ift nach § 831 Abſ. 1 
Satz 2 BOY. nnr dann auögeſchloſſen, wenn der Dienſt⸗ 
herr auch bei Prüfung der fittlichen und geiſtigen Eigen⸗ 
ſchaſten des Chauffeurs die erforderliche Sorgfalt be⸗ 
obachtet hat. 

2. Muß über die Frage, ob gemäß § 843 Abſ. 3 BGB. 
dem Verletzten eine Kapitalabfindung ftatt einer Rente 
zu gewähren ift, ſtets im Zwiſchenurteil über den Grund 
des Anſpruchs entfchieden werden?) 

Aus den Gründen: 1. Eine Perſon, der die 
ſelbſtändige Leitung eines zu ſchneller Fortbewegung 


beſtimmten Gefährts an verkehrsreichen Orten über- 


tragen werden ſoll, iſt hierzu nur dann geeignet, wenn 
ſie neben den dazu nötigen techniſchen Fertigkeiten auch 
die zur Bewältigung der durch einen ſtarken Verkehr 
verurſachten Schwierigkeiten und zur Vermeidung der 
dadurch entſtehenden Gefahren erforderlichen geiſtigen 
und ſittlichen Eigenſchaften hat — Beſonnenheit, 
Umſicht, Geiſtesgegenwart l. ein reges Pflicht- 
und Verantwortlichkeitsgefühl. Dieſe Anforderungen 
müſſen in verſtärktem Maße für die Führer von Auto— 
mobilen geſtellt werden. 
die Haftung für den durch das ſchuldhafte Verhalten 
ihres Chauffeurs M. den Klägern verurſachten Schadens 
nur dann ablehnen, wenn ſie dargetan hätte, daß ſie 
bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorg— 
falt davon habe überzeugt ſein dürfen, daß M. in 
dieſem Sinne eine zur ſelbſtändigen Führung eines 
Automobils geeignete Perſönlichkeit ſei. M. iſt zu— 
nächſt einige Zeit als Schloſſer in dem Geſchäft der 
Beklagten tätig geweſen, dann / Jahr lang als 
Chauffeur ausgebildet worden und hat dann die durch 
die Polizeiverordnung vom 15. April 1901 vorge— 
ſchriebene Prüfung vor einem behördlich anerkannten 


1) Yul. bier zu die Abbandlung von Reichsgerichtsrat Schneider 
in Nr. 2 dieſes Jabrnangs. 


Die Beklagte könnte daher 


Sachverſtändigen beſtanden, worüber ihm ein Zeugnis 
erteilt worden iſt. Zu der Zeit, als die Beklagte zur 
nächſt den M. als ſelbſtändigen Führer von Automo⸗ 
bilen verwendete, lag ſonach ein poſitiver Anhalt wohl 
über feine Kenntniſſe und Fertigkeiten bei der Be: 
handlung und Leitung von Kraftfahrzeugen vor, nicht 
aber darüber, ob er die ſonſtigen für einen Leiter von 
ſolchen erforderlichen Eigenſchaften, insbeſondere das 
nötige Maß von Pflicht- und Verantwortlichkeitsgefühl 
habe. Ein begründetes Urteil hierüber haben die Be- 
klagten aber auch in der Zeit zwiſchen dem Tage, von 
dem ab M. als ſelbſtändiger Automobilführer über: 
haupt erſt verwendet werden durfte, und dem Unfall 
nicht erlangt und auch nicht erlangen können. Denn 
ſie haben gar keine Maßnahmen ergriffen, die geeignet 
geweſen wären, ihnen verläßliche Kenntnis davon zu 
verſchaffen, wie fih M. in feinem Dienſte als Auto- 
mobilfahrer verhalte. Sie haben nicht dafür geſorgt, 
daß hierüber eine angemeſſene Zeit hindurch von dazu 
geeigneten Perſonen Beobachtungen angeſtellt wurden, 
ebenſowenig bei Perſonen, die von ihm geführte Wagen 
benutzt hatten, Erkundigungen eingezogen und nicht 
einmal Vorkehrungen dahin getroffen, daß ihnen 
etwaige Strafen bekannt würden, die er ſich durch die 
Art, wie er fuhr, zuziehe. Günſtige Urteile, die in ver⸗ 
einzelten Fällen von Perſonen ausgeſprochen worden 
waren, die mit M. gefahren waren, konnten nicht aus- 
reichen, die Ueberzeugung der Beklagten zu begründen, 
daß M. zu der ihm übertragenen verantwortlichen 
Tätigkeit geeignet ſei. Von der Reviſion iſt geltend 
gemacht worden, eine ſolche Vorſicht bei der Auswahl 
von Automobilführern, wie fie vom OLG. verlangt 
werde, könne nicht als durch die im Verkehr erforder: 
liche Sorgfalt geboten angeſehen werden, da ſie tat— 
ſächlich nicht durchführbar ſei. Es ſei unmöglich, als 
Führer von Kraftwagen immer nur Leute zu ver⸗ 
wenden, bei denen das Vorhandenſein der von dem 
Berufungsgericht geforderten geiſtigen und moraliſchen 
Eigenſchaften durch längere Beobachtung und Er— 
probung bereits dargetan ſei, und es könne daher auch 
nicht eine zum Schadenserſatze verpflichtende Verſchul— 
dung des Automobilbeſiters ſchon darin gefunden 
werden, daß er die Leitung ſeines Gefährts einem 
Manne anvertraue, der dieſe Eigenſchaften praktiſch 
zu bewähren noch keine Gelegenheit gehabt habe. Es 
müſſe alſo, wenn nicht unmögliches verlangt werden 
ſolle, genügen, wenn der Beſitzer eines Kraftwagens 
deſſen Leitung einem Manne übertrage, der erwieſener— 
maßen die dazu nötigen techniſchen Kenntniſſe und 
Fertigkeiten im vollen Maße beſitze, unbeſcholten und 
nüchtern ſei und nach ſeiner ganzen Perſönlichkeit als 
ein ordentlicher und beſonnener Menſch erſcheine. Auch 
dieſer Ausführung iſt nicht beizuſtimmen. Die Haftung 
für den von M. verurſachten Schaden wird der Be— 
klagten nicht angeſonnen, weil fie ſelbſt ein Verſchulden 
treffe, und deshalb ihre Schadenserſatzpflicht aus § 823 
BGB. begründet erſcheine, ſondern auf Grund der 
Vorſchrift in 8831. Nach dieſer ift, wer einen andern 
zu einer Verrichtung beſtellt, grundſätzlich zum Erſatze 
des Schadens verpflichtet, den dieſer andere in Aus— 
führung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich 
zufügt, ohne Rückſicht darauf, ob den Geſchäftsherrn 
ein Verſchulden trifft. Iſt dieſer im einzelnen Falle 
infolge allgemeiner oder beſonderer Verhältniſſe nicht 
in der Lage, ſeine Auswahl auf eine Perſon zu richten, 
für welche die Annahme hinreichend gerechtfertigt iſt, 
daß ſie die zu der betreffenden Verrichtung nötigen 
Fähigkeiten und ſonſtigen Eigenſchaften habe, ſo wird 
hierdurch das Maß der Anforderungen, welche bezüg— 
lich der Auswahl zu ſtellen ſind, nicht beeinflußt, es 
tritt vielmehr, wenn der Nachweis nicht erbracht 
wird, daß dieſen Anforderungen genügt worden fei, 
die im § 831 ſtatuierte Regel in Kraft, weil eben der 
Ausnahmefall nicht vorliegt, für den ſie nach dem 
Geſetz ausgeſchloſſen ſein ſoll. 


2. Die Reviſion hat geltend gemacht, es hätte ſchon 
in dem Zwiſchenurteil über den Grund des Klag— 
anſpruchs die Frage entſchieden werden müſſen, ob 
den Klägern die ihnen zugebilligte Entſchaͤdigung 
durch eine Kapitalabfindung oder in der Form einer 
Rente zu gewähren fei. In der Tat hat der er- 
kennende Senat ſchon öfter ausgeſprochen, daß die 
erwähnte Frage in den Bereich des Streits über den 
Grund des Klaganſpruchs fällt. Es iſt auch hieran 
grundſätzlich feſtzuhalten, jedenfalls in dem Sinne, 
daß, wenn allein Kapitalabfindung gefordert iſt, der 
Klaganſpruch für dem Grunde nach berechtigt nur er— 
klärt werden darf, wenn ausnahmsweiſe das Verlangen 
nach dieſer Art der Entſchädigung begründet erſcheint, 
daß alſo in Fällen, wo eben nur dieſe eine Art der 
Entſchädigung beantragt iſt, die Entſcheidung darüber, 
ob ſie verlangt werden kann, nicht dem Verfahren 
über den Betrag überwieſen werden kann. Aber auch 
dann, wenn in erſter Linie Kapitalabfindung und nur 
eventuell Gewährung einer Rente gefordert worden iſt, 
wie es hier geſchehen iſt, muß jedenfalls die Frage 
von vornherein geprüft werden, ob die zuerſt verlangte 
Art der Entſchädigung berechtigt fei, und es ent- 
ſpricht, wenn ſie zu verneinen iſt, allein der Natur 
der Sache, daß dann die Klage, ſoweit fie auf Kapital- 
abfindung gerichtet war, abgewieſen und nur der in 
zweiter Reihe erhobene Anſpruch auf Zubilligung einer 
Rente für dem Grunde nach berechtigt erklärt wird. 
Mitunter kann indes die Feſtſtellung der Höhe des zu 
leiſtenden Schadenerſatzes auch für die Frage von weſent— 
licher Bedeutung fein, in welcher der beiden in § 843 
des BGB. vorgeſehenen Formen er zu leiſten ſei. 
Ferner wird nicht ſelten, wenn es einer Beweisauf— 
nahme nicht bloß über die Höhe des Schadens, ſondern 
auch über die Frage bedarf, ob Kapitalabfindung oder 
Rente zuzuſprechen ſei, eine Verbindung beider Be— 
weisaufnahmen im Intereſſe der Vereinfachung des 
Prozeſſes und der Vermeidung von Koſten wünſchens— 
wert und angemeſſen ſein. Es darf unbedenklich als 
im Sinne des & 304 der ZPO. liegend angeſehen 
werden, daß in ſolchen Fällen, obwohl die Frage noch 
nicht ſpruchreif iſt, welche der Entſchädigungsarten zu 
wählen ſei, gleichwohl ein Zwiſchenurteil über den 
Grund des Anſpruchs erlaſſen werden dürfe in der 
Weiſe, daß der erhobene Schadenserſatzanſpruch im all— 
gemeinen für berechtigt erklärt wird und die Frage, 
in welcher Weiſe der Erſatz zu leiſten ſei, ſpäterer 
Entſcheidung vorbehalten bleibt, die mit derjenigen 
über den Betrag verbunden wird. Hier hat die Wor- 
inſtanz einen ſolchen Vorbehalt in den Entſcheidungs— 
gründen ausdrücklich ausgeſprochen, es iſt alſo jedes 
Mißverſtändnis darüber ausgeſchloſſen, daß durch die 
im entſcheidenden Teile des Urteils gewählte Formel 
noch nicht der Anſpruch auf Kapitalabfindung für be— 
rechtigt erklärt iſt. (Urt. des VI. 35. vom 15. Juni 
1908, VI 341/08). —— n. 

1334 
IV 


Berteilung der Beweislaſt beim Schadeuser jak: 
anſpruche wegen angeblich fahrläſſiger Verletzung eines 
Nenſchen durch einen Schuß. (Verantwortlichkeit des 
Schätzen für die Beſchaffenheit der Patrone.) Aus 
den Gründen: Sicherlich trifft den Kläger, der auf 
die Behauptung einer unerlaubten Handlung des Be— 
klagten nach $ 823 Abſ. 1 BGB. einen Schadenserſatz— 
anſpruch ſtützt, die Beweislaſt, daß der Beklagte vor— 
ſätzlich oder fahrläſſig eines der in der bezeichneten 
Geſetzesbeſtimmung aufgeführten Rechtsgüter des 
Klägers widerrechtlich verletzt habe; ſein Beweis hat 
ſich nicht nur auf den objektiven Tatbeſtand der 
widerrechtlichen Handlung, ſondern auch auf den ſub— 
jektiven Tatbeſtand, das Verſchulden des in Anſpruch 
genommenen Beklagten, zu richten. Aber er genügt 
dieſer Beweispflicht, wenn er einen Sachverhalt dartut, 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


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339 


der an ſich betrachtet nach dem regelmäßigen Zu— 
ſammenhang der Dinge zunächſt die Folgerung recht— 
fertigt, daß der eingetretene Unfall vom Beklagten 
verſchuldet ſei; Sache des Beklagten iſt es demgegen— 
über alsdann, die etwaigen beſonderen Umſtände nach— 
zuweiſen, aus denen ſeine Schuldloſigkeit ſich ergibt. 
(Vgl. Oertmann, R. d. Schuldv. 2. Aufl. N. 9 Abſ. 1 
zu § 823 BGB.; JW. 1905 S. 448 und S. 69623; 
Entſch. in ZS. Bd. 65 S. 11). Hier hat das OLG. feft- 
geſtellt, daß in der vom Beklagten verwendeten Patrone 
25 bis 30 Schrotkörner durch ein Bindemittel, wie 
etwa Wachs, zuſammengehalten waren, und daß eben 
dadurch die Verletzung des Klägers ermöglicht und 
herbeigeführt wurde. Es ſteht aber weiter feſt und 
iſt durch den Beklagten ſelbſt vorgetragen worden, 
daß er die von ihm bei der Jagd verwendeten Patronen 
ſelbſt hergeſtellt hat; durch ihn ſelbſt, durch ſeine 
eigene Handlung iſt mithin der gefährliche Klebſtoff 
in die Patrone gelangt. Wenn er die ſo hergeſtellte 
Patrone verwendet hat, ſo liegt darin zunächſt eine 
ſchuldhafte Handlung, und er iſt verantwortlich für 
den infolge dieſes Schuſſes entſtandenen Schaden, ſo— 
lange er nicht ſeinerſeits den Nachweis führt, daß er bei 
der Herſtellung ſeiner Patronen und bei der Auswahl 
der für die Jagdverwendung am Unfallstage be— 
ſtimmten Geſchoſſe die im Verkehr erforderliche Sorg— 
falt beobachtet hat, daß ihn nach beiden Richtungen 
kein Vorwurf ſchuldhaften Verhaltens treffen kann. 
(Urt. des VI. 35. vom 15. Juni 1908, VI 337/07). 
1333 —— n. 


V 


Eutſchädigungspflicht der Verſichernugsgeſellſchaft, 
wenn der Tod des Verſicherten durch „Verhebung verur: 
ſacht worden ift. — Beurteilung der Rechtzeitigkeit der an 
die Verſicherungsgeſellſchaft zu erſtattenden Todesanzeige 
nach den Grundſätzen über Treu und Glauben. Der 
Reſtaurateur G. B. in B., der bei einer Lebens— 
verſicherungsbank in N. gegen Unfall verſichert war, 
erkrankte am 19. November 1904 und ſtarb am fol- 
genden Tage 6 Uhr 15 Minuten vormittags. Noch 
am gleichen Vormittag machte ſeine Witwe dem 
Agenten der Bank durch einen Boten davon Mitteilung. 
Der Agent entwarf am 21. November 1904 die formular— 
mäßige Unfallanzeige, ließ ſie von der Witwe unter— 
zeichnen und ſandte ſie am gleichen Tage an die 
Lebensverſicherungsbank „N. (Bezirksverwaltung) in 
N.“ ab. Am folgenden Tag vormittags 8 Uhr wurde 
die Anzeige der Lebensverſicherungsbank „N. (Bezirks— 
verwaltung) in N.“ zugeſtellt, ſie gelangte aber nach 
der Behauptung der Bank erſt am Nachmittag an die 
Unfallabteilung. Inzwiſchen hatte am 22. November 
1904 die Beerdigung des G. B. ſtattgefunden; die von 
der Lebensverſicherungsbank geforderte Sektion der 
wieder ausgegrabenen Leiche erfolgte am 6. Dezember 
1904. Die Witwe beanſpruchte die für den Todesfall 
vereinbarte Entſchädigung, weil der Tod ihres Mannes 
auf einen unter die Verſicherung fallenden Unfall 
zurückzuführen ſei; er habe nämlich am Tage ſeiner 
Erkrankung ein etwa 26 Liter haltendes Faß auf den 
Zapfbock gehoben und ſich hierdurch eine Darmein— 
klemmung zugezogen, die eine Bauchfellentzündung 
und den Tod verurſacht habe. In dem Rechtsſtreit 
hat die Bank beſtritten, daß ein entſchädigungspflich— 
tiger Unfall den Tod verurſacht habe, jedenfalls ſei 
ein etwaiger Entſchädigungsanſpruch nach den Ver— 
ſicherungsbedingungen dadurch verwirkt, daß die 
binnen 36 Stunden zu erſtattende telegraphiſche An— 
zeige über das Ableben des Verſicherten überhaupt 
nicht und der weiter vorgeſchriebene ſchriftliche Bericht 
nicht innerhalb der vorgeſchriebenen drei Tage an 
die Direktion erjtattet worden fei. Das LG. hat dem 
Klaganſpruch ſtattgegeben, das OLG. hat die Berufung 
der Lebensverſicherungsbank zurückgewieſen; beide 
Inſtanzen nahmen an, es ſei erwieſen, daß das Heben 


340 


eines Faſſes die unmittelbare alleinige Urſache des 
Todes des G. B. geweſen ſei, und es ſeien die Ver⸗ 
ſicherungsbedingungen dahin auszulegen, daß die 


Verhebung unter den Verſicherungsvertrag falle; auch 


ſei eine Verwirkung des Anſpruchs nicht gegeben. 
Denn es ſei das Unterlaſſen der telegraphiſchen An⸗ 
zeige deshalb unſchädlich, weil der ausführliche Bericht 
rechtzeitig in N. eingetroffen ſei, daß die Beklagte 
noch rechtzeitig die allein in Betracht kommende Maß⸗ 
regel — Anordnung der Sektion — hätte treffen 
können; dafür, daß der bei der Bezirksverwaltung 
vormittags 8 Uhr eingegangene Bericht angeblich erſt 
am Nachmittag an die zuſtändige Abteilung gelangt 
ſei, ſei die Klägerin nicht verantwortlich. Die Reviſion 
der Beklagten wurde zurückgewieſen. 

Gründe: 1. Unbegründet iſt die Rüge der 
Reviſion, daß das OLG. gegen den klaren Wortlaut 
des § 3 der Verſicherungsbedingungen den Unfall als 
entſchädigungspflichtig betrachte. Den Vorderrichtern 
iſt darin beizutreten, daß der Wortlaut dieſer Bes 
ſtimmung inſofern unklar ift, als im Eingang dieſes 
Paragraphen ausdrücklich geſagt iſt: „Dagegen ſind in 
die Verſicherung eingeſchloſſen alle .. .. Verhebungen 
. . . ., dann aber fortgefahren wird „wenn fie nicht 
etwa unter Mitwirkung einer eigenen ſubjektiven 
Kraftäußerung, wie z. B. Heben .. .. entſtanden 

nd.“ Zutreffend führen die Vorinſtanzen aus, daß 

jedes Heben und Verheben — unter „Verheben“ iſt 
ein Heben zu verſtehen, das eine körperliche Schädi- 
gung zur Folge hat — ein freiwilliges Tun, eine 
eigene ſubjektive Kraftäußerung vorausſetzt. Liegt 
hiernach eine Beſtimmung vor, deren Sinn nicht klar 
ift, fo war es Sache des OL G., fie auszulegen. Die 
von ihm gefundene Auslegung, daß Fälle der vor— 
liegenden Art in die Verſicherung eingeſchloſſen ſein 
ſollen, läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die 
Entſcheidung wird aber auch durch die Erwägung 
getragen, daß jedenfalls der Verſicherte nach dem 
Wortlaut des 83 davon ausgehen durſte, daß die 
Beklagte in Fällen der vorliegenden Art die Ent- 
fchädigungspflicht übernehmen wollte. 

2. Auch der Verwerfung des Verwirkungseinwandes 
iſt nicht entgegenzutreten. Das OLG. geht zutreffend 
davon aus, daß die Vertragsbeſtimmungen nach Treu 
und Glauben zu handhaben ſind und daß eine Ver⸗ 
ſicherungsgeſellſchaft ih der Entſchädigungspflicht nicht 
dadurch entziehen kann, daß fie ſich auf die Nicht- 
beobachtung einer Vorſchrift beruft, deren Innehaltung 
im gegebenen Fall gänzlich bedeutungslos geweſen 
ſein würde. Es iſt feſtgeſtellt, daß die Beklagte an 
der allerdings unterlaſſenen telegraphiſchen Anzeige 
ein berechtigtes Intereſſe nicht gehabt hat, daß die 
Klägerin der Beklagten durch den am 21. November 
abgeſendeten 1 Bericht mindeſtens in 
gleicher Weiſe wie durch eine innerhalb 36 Stunden 
nach dem Ableben des Verſicherten aufgegebene kurze 
Depeſche die Möglichkeit gewährt hat, über die allein 
in Frage kommende Sektion ſich noch ſo rechtzeitig 
ſchlüſſig zu machen, daß ſie noch vor der Beerdigung 
veranlaßt werden konnte. Dieſe Feſtſtellung beruht 
auf tatſächlichen Erwägungen. Dem OLG. ift aber 
darin beizutreten, daß die Beklagte ſich ſo behandeln 
laſſen muß, als ſei die ſchriftliche Anzeige am Vor— 
mittag des 22. November bei ihr eingegangen. Es 
iſt Sache der Verſicherungsgeſellſchaft, Vorkehrung zu 
treffen, daß eine Eingabe, die bei einer der mehreren 
Abteilungen eingeht, die am Sitze der Direktion ein— 
gerichtet ſind und die auf den erſten Blick die Eiligkeit 
der Sache erkennen läßt, ſofort an die nach dem 
innern Geſchäftsbetrieb zuſtändige Abteilung weiter— 
gegeben wird. Die Beklagte kann ſich jedenfalls nicht 
auf eine Verſpätung berufen, die durch unzweckmäßige 
und deshalb nicht vorauszuſetzende Art des Geſchäfts— 
betriebs herbeigeführt ift. Das OLG. hat auch feft- 
geſtellt, daß die Sektion vom 6. Dezember 1904 noch 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


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i 


ein klares Bild gegeben hat, fo daß durch die Nicht⸗ 
abſendung der telegraphiſchen Anzeige der Beklagten 
ein Nachteil nicht erwachſen ift. Auch mit Rückſicht 
hierauf konnte das OLG. der Berufung auf die Ber- 
wirkungsklauſel den Erfolg verſagen, weil ſie wider 
Treu und Glauben verſtößt. (Urt. vom 24. are 1908). 
1345 — — cht — — 


B. Straffaden. 


I 


Strafzumeſſung nach § 398 Abf. 2 StPO. in An: 
ſehung der Einzelſtrafen und der Geſamtſtrafe. Durch 
das infolge der Reviſion des Angeklagten aufgehobene 
Urteil war der Angeklagte wegen zweier Verbrechen 
der Urkundenfälſchung nach 8 268 Nr. 2 StGB. unter 
Annahme mildernder Umſtände zu einer Geſamt⸗ 
gefängnisſtrafe von acht Monaten verurteilt worden; 
die Einzelſtrafen waren mit je fünf Monaten bemeſſen 
worden. In dem nunmehr mit der Reviſion ange⸗ 
griffenen Urteile hat das Gericht, weil die Geſchworenen 
die Fragen nach dem Vorhandenſein mildernder Um⸗ 
ſtände verneint haben, für jeden einzelnen Fall eine 
Zuchthausſtrafe von einem Jahre feſtgeſetzt, beide Strafen 
auf eine Geſamtzuchthausſtrafe von 1 Jahr 1 Monat 
zurückgeführt und erklärt, es ſehe nur im Hinblick auf 
§ 398 Abſ. 2 StPO. von der Verhängung dieſer Strafe 
ab und ſpreche acht Monate Geſamtgefängnisſtraſe 
aus. Dabei iſt aber überſehen, daß die nach 8 74 
StGB. feſtzuſetzenden Einzelſtrafen nicht unfelbftändige 
Faktoren für die Berechnung der Geſamtſtrafe bilden, 
ſondern ihre Verhängung einen ſelbſtändigen richter 
lichen Ausſpruch darſtellt, der der Rechtskraft fähig 
iſt, während der Feſtſetzung der Geſamtſtrafe nur die 
Bedeutung einer zweiten richterlichen Entſcheidung 
über die Modalität der Vollſtreckung der Einzelſtrafen 
zukommt. Daher enthält ſchon die höhere Feſtſetzung 
der Einzelſtrafen unter Beibehaltung der früheren Ge⸗ 
ſamtſtrafe eine reformatio in pejus (RGE. Bd. 26 S. 167). 
Nach dieſer Rechtsanſicht, an der das Reichsgericht ſeit 
dem Plenarbeſchluſſe Bd. 25 S. 297 feſtgehalten hat, 
hätten für jeden einzelnen Fall nicht mehr als fünf 
Monate Gefängnis feſtgeſetzt werden dürfen und wäre 
die Geſamtſtrafe nach freiem Ermeſſen mit der 
Maßgabe zu finden geweſen, daß ſie 8 Monate Ge⸗ 
fängnis nicht überſtieg. Das Gericht hat aber dieſes 
Ermeſſen nicht walten laſſen, ſondern acht Monate 
ausgeſprochen, weil eine Zuchthausſtrafe von 1 Jahr 
1 Monat die niedrigſte geſetzlich zuläſſige Straſe ſei. 
Dies iſt rechtsirrig. (Urt. des V. StS. vom 12. Mai 


1908, 5 D 284/68). — —e— 
1326 
II. 
Vornahme unzüchtiger Na mit einer Ber ſon 
unter 14 Jahren (8 176 Nr. 3 StGB.). Es ift tat- 


ſächlich mehr nicht feſtgeſtellt, als daß der Angeklagte 
aus Sinnenluſt ſeinen Geſchlechtsteil aus der Hoſe 
herausgenommen und dann die fünfjährige 3. zu feiner 
ſinnlichen Erregung daran herumgeſpielt hat. Da⸗ 
durch wird die Annahme, daß der Angeklagte mit 
einer Perſon unter 14 Jahren unzüchtige Handlungen 
vorgenommen hat, nicht genügend gerechtfertigt. Die 
erſte Alternative des § 176 Nr. 3 StGB. erfordert, 
daß der Körper der jugendlichen Perſon berührt oder 
in Mitleidenſchaft gezogen wird. Die Handlung, die 
der Angeklagte vorgenommen hat, die Herausnahme 
des Geſchlechtsteils, war keine mit dem Kinde vor- 
genommene Handlung. Daß dieſes dann an dem Ge: 
ſchlechtsteile herumſpielte, war eine Handlung des 
Kindes. Eine Verleitung des Kindes dazu ſeitens 
des Angeklagten — zweite Alternative des § 176 Nr. 3 


StGB. — ift bisher nicht feſtgeſtellt. Das Urteil 
unterlag daher der Aufhebung. (Urt. des V. StS. vom 
1. Mai 1908, 5 D 261/08). 


1325 


— — — e — 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
1 


Die Anordnung einer Abweſenheitspflegſchaft kann 
vom Prozezgegner des Abweſenden nicht mit Beſchwerde 
angefochten werden. (S 20 FG.). Der verſtorbene 
Privatier Johann S. und deſſen verſtorbene Ehefrau 
Elifabeth S. haben in einem gemeinſchaftlichen Teſta— 
mente beſtimmt, daß der überlebende Teil auf Lebens— 
zeit im Beſitz und Genuß des beiderſeitigen Vermögens 
bleiben fole und als Erben ihres „ganzen Vermögens“ 
ihren Sohn Wilhelm eingeſetzt. Johann S. hat aber 
in einem Teſtamente vom 4. Auguſt 1905, ohne das 
gemeinſchaftliche Teſtament zu erwähnen, den Sohn 
Wilhelm enterbt und den Landwirtsſohn Heinrich Sch. 
und fünf andere Perſonen zu Erben ernannt. Wil- 
helm S. hat ſich vor längerer Zeit nach Auſtralien 
begeben. Auf Grund ſchriftlichen Auftrags des Wil- 
helm S. hat der Kaufmann Max R. in M. in deſſen 
Namen im März 1907 durch Rechtsanwalt H. in A. 
bei dem Landgericht A. gegen die in dem Teſtamente 
des Vaters S. vom 4. Auguft 1905 eingeſetzten Erben 
Klage auf Herausgabe der Erbſchaft erheben laſſen. 
Da in dem Rechtsſtreite die Vollmacht des Max R. 
beſtritten und Beibringung einer öffentlich beglaubigten 
Vollmacht angeordnet wurde, der Aufenthalt des Wils 
helm S. aber nicht ermittelt werden konnte, ſo hat 
auf Antrag des Rechtsanwalts H. das Vormundſchafts— 
gericht eine Abweſenheitspflegſchaft für Wilhelm S. 
angeordnet. Auf Antrag der eingeſetzten Erben hat 
es aber, bevor ein Pfleger beſtellt wurde, die Anord- 
nung wieder aufgehoben. Auf die Beſchwerde des 
Rechtsanwalts H. hat das Landgericht das Vormund— 
ſchaftsge richt zur Beſtellung eines Abweſenheitspflegers 
angewieſen. Gegen dieſe Entſcheidung haben Heinrich 
Sch. und ſeine Miterben weitere Beſchwerde mit dem 
Antrag eingelegt, ſie aufzuheben und den Antrag auf 
Beſtellung eines Abweſenheitspflegers zurückzuweiſen. 
Das Rechtsmittel iſt als unzuläſſig verworfen worden. 

Gründe: Den Beſchwerdeführern ſteht das Be— 
ſchwerderecht nicht zu. Nach dem § 1911 BGB. iſt 
ein Abweſenheitspfleger nur zu beſtellen, ſoweit Ver⸗ 
mögensangelegenheiten des Abweſenden der Fürſorge 
bedürfen, für die Anordnung der Pflegſchaft iſt nur 
das Schutzbedürfnis des Abweſenden, nicht das Jnter- 
eſſe eines Dritten maßgebend. Wird die Anordnung 
abgelehnt, fo ſteht nach 8 57 Abſ. 1 Nr. 3 FGG. die 
Beſchwerde jedem zu, der ein rechtliches Intereſſe an 
der Aenderung der Verfügung hat; für den Fall der 
Anordnung der Pflegſchaft iſt eine entſprechende Vor⸗ 
ſchrift nicht gegeben, die Beſchwerde ſteht daher nach 
§ 20 Abſ. 1 JOG. nur dem zu, defen Recht durch die 
Verfügung beeinträchtigt iſt. Die Anordnung einer 
Pflegſchaft, für die es an den geſetzlichen Voraus— 
fegungen fehlt, kann das Recht des Pilegebefohlenen 
beeinträchtigen, ſein Gegner im Rechtsſtreit iſt aber 
nicht berufen, das Recht des Pflegebefohlenen im Wege 
der Beſchwerde wahrzunehmen, und das eigene Recht 
des Gegners wird durch die Beſtellung eines Pflegers, 
auch wenn ſie nicht gerechtfertigt ift, nicht beeinträch⸗ 
tigt. So erwünſcht es für ihn ſein möchte, daß das 
Recht des Abweſenden im Rechtsſtreite nicht durch 
einen Vertreter wahrgenommen werde, ſo entgeht ihm 
infolge der Beſtellung eines Pflegers doch nur ein 
Vorteil, auf deſſen Erlangung er kein Recht hat. Die 
Anordnung der Pflegſchaft iſt ein Vorgang, der ſich 
innerhalb des Rechtskreiſes des Abweſenden vollzieht, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


341 


wie [die Eröffnung des Konkurſes ſich innerhalb des 
Rechtskreiſes des Gemeinſchuldners vollzieht, der 
Gegner muß die eine Maßregel hinnehmen wie die 
andere, weil ſie nicht in ſeinen Rechtskreis eingreift, 
er hat nur ein Recht darauf, daß ihm als Vertreter 
nur ein Inhaber wirklicher Vertretungsmacht gegen⸗ 
übertritt, und in dieſer Beziehung iſt er durch die 
Vorſchrift des § 32 FGG. geſchützt, die auf die Prozeß⸗ 
atung entſprechende Anwendung findet. (Beſchluß 
es I. 35. vom 12. Juni 1908, Reg. III 54/1908). 
1335 W. 


II. 


Unter welcher Voransſetzung ift die jofortige wei: 
tere Beſchwerde zuläſſig, wenn die Borinſtanzen die 
Eintragung eines Vereins in das Vereinsregiſter zurück⸗ 
ewieſen haben? (BGB. 5 60 Abſ. 2; ZPO. 8 568 

bf. 23. In A. beſteht unter dem Namen ‚Aus⸗ 
ſtattungsanſtalt A.“ eine gemeinnützige Einrichtung 
mit dem Zwecke, durch Verloſung von Geldbeträgen 
angehenden Eheleuten die häusliche Einrichtung zu 
erleichtern. Die Mittel werden durch den Verkauf 
der Loſe beſchafft. Die Geſchäfte werden von zwölf 
„Adminiſtratoren“ geführt, bei dem Ausſcheiden eines 
Adminiſtrators wählen die übrigen einen Nachfolger. 
Die derzeitigen Adminiſtratoren haben eine Satzung 
beſchloſſen, in der beſtimmt iſt, daß die jeweiligen 
Adminiſtratoren einen Verein bilden und daß dieſer 
in das Vereinsregiſter eingetragen werden ſoll. Das 
Regiſtergericht hat die Anmeldung der „Ausſtattungs— 
anſtalt A.“ zur Eintragung in das Vereinsregiſter 
zurückgewieſen, weil die Ausſtattungsanſtalt nicht ein 
Verein ſondern eine „wohltätige Lotterieanſtalt mit 
ſtiftungsähnlichem Charakter“ und ihr Zweck auf einen 
wirtſchaftlichen Geſchäftsbetrieb gerichtet ſei. Die 
ſofortige Beſchwerde der Adminiſtratoren wurde als 
unbegründet zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht 
nahm an, daß die Ausſtattungsanſtalt kein Verein 
ſei, weil eine Beſtimmung über den Erwerb der Mit⸗ 
gliedſchaft fehle und die Zahl der Mitglieder ſtets 
gleich bleibe. Die Adminiſtratoren legten ſofortige 
weitere Beſchwerde ein. Sie wurde als unzuläſſig 
verworfen. 

Gründe: Gegen einen Beſchluß, der die Anmel- 
dung eines Vereins zur Eintragung in das Vereins— 
regiſter zurückweiſt, findet nach der Vorſchrift des 3 60 
Abſ. 2 BGB., die im § 1 FGG. vorbehalten ift, die 
ſofortige Beſchwerde nach den Vorſchriften der ZPO. 
ſtatt und demgemäß find auch für die weitere Be- 
ſchwerde die prozeßrechtlichen Vorſchriften maßgebend. 
Dies gilt, wie ſich aus dem Wortlaute „gegen einen“ 
(nicht „gegen den“) zurückweiſenden Beſchluß ergibt, 
für jeden eine Anmeldung zurückweiſenden Beſchluß, 
gleichviel aus welchem Grunde die Zurückweiſung 
erfolgt. Nach 8568 Abſ. 2 ZPO. ift eine weitere 
Beſchwerde nur inſoweit zuläſſig, als die Entſcheidung 
des Beſchwerdegerichts einen neuen ſelbſtändigen Be- 
ſchwerdegrund enthält. An dieſer Vorausſetzung fehlt 
es hier. Das Beſchwerdegericht hat die Beſchwerde 
als unbegründet zurückgewieſen, die beiden Vor— 
inſtanzen haben der Ausſtattungsanſtalt die Fähigkeit 
zur Eintragung in das Vereinsregiſter abgeſprochen, 
weil fie nicht ein Verein fei, das Hindernis der Eins 
tragung alſo in dem Weſen der Anſtalt gefunden. 
Dieſer Grund war auch im Sinne des Amtsgerichts 
zur Zurückweiſung genügend, ſo daß es auf die Rich— 
tigkeit des zweiten Grundes, den das Beſchwerdegericht 
nicht für zutreffend erachtete, nicht ankam. Wenn das 
Landgericht neben der Veränderlichkeit des Mitglieder- 
beſtandes auch eine Beſtimmung über den Erwerb 
der Mitgliedſchaft vermißte, ſo hat es damit ſeiner 
Entſcheidung nicht einen die Beſchwerdeführer noch 
weiter beſchwerenden Inhalt gegeben, ſondern nur 
einen weiteren Entſcheidungsgrund für die dem In— 
halte nach mit der Verfügung des Amtsgerichts über— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 


einſtimmende Entſcheidung beigefügt. Die Vorinſtanzen 
haben eine beſtimmte Aeußerung über die rechtliche 
Eigenſchaft der Ausſtattungsanſtalt vermieden, das 
Amtsgericht iſt über die Frage mit der Redewendung 
hinweggegangen, fie fei eine wohltätige Anſtalt mit 
ſtiftungsähnlichem Charakter, das Landgericht hat ſich 
mit der Andeutung begnügt, daß ſie eine Geſellſchaft oder 
. eine Stiftung fein könne. Die Beſchwerdeſchrift glaubt 
darin, daß dieſe nebenſächlichen Bemerkungen nicht 
vollſtändig übereinſtimmen, einen neuen ſelbſtändigen 
Beſchwerdegrund zu finden. Dieſe Anſicht beruht auf 
einem Irrtum; die Beſchwerdeführer ſind nicht durch 
die nebenſächliche Bemerkung des Landgerichts, ſon— 
dern dadurch beſchwert, daß das Landgericht in Ueber- 
einſtimmung mit dem Amtsgerichte die Anmeldung 
zur Eintragung zurückgewieſen hat. (Beſchl. des I. ZS. 
vom 19. Juni 1908, Reg. III 56/1908). W. 
1336 


B. Strafſachen. 
1 


Strafrechtliche Berantwortlichkeit des in feinem 
Kraftfahrzenge fahrenden Eigentümers für ſtrafbare 
Handlungen des Führers.) Der Fabrikant N. war durch 
die Ortſchaft X. mit ſeinem Automobil übermäßig 
ſchnell gefahren. Er wurde vom Schöffengericht wegen 
einer Uebertretung nach 8 366 Nr. 10 StGB. und 
S9 17, 28 der oberpol. Vorſchr. über den Verkehr mit 
Kraftfahrzeugen vom 17. Sept. 1906 verurteilt. Das 
LG. hob das Urteil auf, weil das Fahrzeug auf der 
Fahrt durch X. nicht von dem Angeklagten, ſondern 
von dem Chauffeur geführt wurde und nach SS 15—19 
der oberpol. Vorſchriften nur der Führer des Fahr: 
zeugs für die Einhaltung der Beſtimmungen über die 
Fahrgeſchwindigkeit ſtrafrechtlich verantwortlich ſei. Als 
ſolcher komme nur der damals führende Chauffeur in 
Frage. Das Oberſte Landesgericht hob dieſes Urteil auf. 

Aus den Gründen: Die Beſtimmungen der 
89 17 und 18 der oberpol. Vorſchriften ſtehen aller: 
dings in dem die Ueberſchrift „Beſondere Pflichten des 
Führers“ führenden Unterabſchnitte b. des Abſchnittes 
C dieſer Vorſchriften. Dieſer Umſtand bringt es aber 
nicht notwendig mit ſich, daß nur der Führer des 
Kraftfahrzeugs zur Beobachtung der Beſtimmungen 
verpflichtet iſt. Vielmehr iſt die Möglichkeit gegeben, 
daß auch die anderen Inſaſſen des Fahrzeugs, nament- 
lich deſſen Eigentümer, nach jener Richtung verant— 
wortlich ſind, wenn die allgemeinen Grundſätze des 
Strafrechts es mit ſich bringen oder eine ausdrückliche 
beſondere Beſtimmung es vorſchreibt. Eine ſolche Be— 
ſtimmung fehlt zur Zeit. Dagegen kann aus den auch 
für die Uebertretung geltenden Beſtimmungen der 
SS 1-79 StGB. eine Haftung des in feinem Kraft- 
fahrzeuge fahrenden Eigentümers für ſtrafbare Hand— 
lungen des Führers begründet ſein. Allerdings kann 
im gegebenen Falle Beihilfe nicht in Frage kommen, 
weil nach § 49 StGB. die Beihilfe zu einer Ueber— 
tretung überhaupt nicht ſtrafbar iſt. Wohl aber 
wäre es denkbar, daß der im Innern des Kraft— 
wagens ſitzende Eigentümer als Anſtifter im Sinne 
des § 48 StGB. anzuſehen wäre, fei es dazu, daß der 
Führer überhaupt über Gebühr ſchnell fuhr, fei es 
dazu, daß der Führer fein verbotswidriges Verhalten 
fortſetzte, nachdem der Eigentümer das Uebermaß der 
Fahrgeſchwindigkeit erkannt hatte. Die Anſtiftung 
müßte nicht gerade in einem ausdrücklichen Auftrage 
oder Befehle zutage getreten ſein; ſie hätte auch als 
Billigung des Vorgehens durch Gebärden, Zeichen oder 


iy Anmerkung des Herausgebers. Das Urteil ſteht in 
einem bemerkenswerten Gegenſatze zu dem Urteile desſelben Gerichts 
vom 1. Februar d. Js. (f. dieſe Zeitſchr. S. 128) und ift von dem 
gleichen Geiſte erfullt wie die auf S. 338 abgedruckte Entſcheidung 
des Reichsgerichts Dringen dieſe Rechtsgrundſätze durch, ſo darf 
man boiſen, daß die jetzt herrſchende Unſicherbeit des Straßenverkehrs 
eine merkbare Eindämmung erfährt. 


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ſonſt ſchlüſſige Handlungen, ja ſelbſt nur durch, beredtes“ 
Stillſchweigen zum Ausdruck gebracht werden können. 
Möglich wäre auch, daß eine Mittäterſchaft im Sinne 
des § 47 StGB., ein poſitives Zuſammenwirken des 
Angeklagten mit dem Führer in Frage käme, und es 
würde hierzu unter Umſtänden auch eine bloße Billi- 
gung des Verfahrens des Führers durch den Ange: 
klagten ausreichen können, ſofern ein bewußtes Zu— 
ſammenwirken beider obgewaltet, namentlich der 
Angeklagte die Tat als eigene, wenn auch in Gemein: 
ſchaft mit dem Chauffeur auszuführende, gewollt und 
nicht bloß eine Handlung des Chauffeurs unterſtützt 
hätte. Eine Mitwirkung des Angeklagten neben dem 
Chauffeur hätte ferner in der Art vor ſich gehen 
können, daß ihm ein nur paſſives Verhalten, eine 
Unterlaſſung, zur Laft fiele. Eine ſolche „Mehrtäter: 
ſchaft“ oder „Nebentäterſchaft“ hat zur Vorausſetzung, 
daß für den „Nebentäter“ eine Rechtspflicht zu einem 
poſitiven Eingreifen beſtanden hat, und zwar entweder 
auf Grund einer beſonderen Rechtsvorſchrift oder als 
Folge eines, ſelbſt an und für ſich nicht rechtswidrigen, 
vorangegangenen Tuns, das eine nachfolgende vor— 
fäßliche oder fahrläſſige Untätigkeit pflichtwidrig er: 
ſcheinen läßt, m. a. W. nach den allgemeinen Regeln 
über die Begehung fog. Kommiſſivdelikte durch Unter: 
laſſung. Namentlich konnte dadurch, daß der Ange— 
klagte mit dem Chauffeur abwechſelte und ihm zeit— 
weiſe die Führung des Kraftfahrzeuges übertrug, ein 
Zuſtand geſchaffen werden, der bei Unachtſamkeit des 
Chauffeurs eine Gefahr für andere herbeiführen konnte, 
und konnte deshalb für den Angeklagten infolge ſeiner 
autoritativen Stellung als Auftraggeber des Chauffeurs 
die Verpflichtung begründet werden, alle gefahrdrohen— 
den Handlungen des Chauffeurs zu verhindern, ſofern 
er rechtzeitig davon Kenntnis erhalten hat oder wenig— 
ſtens bei Anwendung der nötigen Sorgfalt hätte er— 
halten können und er ferner die tatſächliche Möglich— 
keit gehabt hat, hindernd einzugreifen. Wenn der 
Angeklagte unter ſolchen Umſtänden es unterlaſſen 
haben ſollte, dem Führer des Fahrzeugs die Ver⸗ 
langſamung der Fahrgeſchwindigkeit zu befehlen und 
ſo das ihm zu Gebote ſtehende Mittel zur Vermei⸗ 
dung einer möglichen Gefahr, der gerade die Beſtim— 
mung des § 17 der oberpol. Vorſchr. entgegenwirken 
will, nicht ergriffen haben ſollte, ſo könnte er wegen 
Außerachtlaſſung der pflichtmäßig ihm obliegenden Sorg— 
falt ſtrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. 
Eine ſolche Beurteilung der Sache entſpräche nicht nur 
einer unausweichlich ſich aufdrängenden Anſchauung 
des Lebens, ſondern überhaupt den modernen Rechts— 
anſchauungen. Die Strafkammer hat bei Würdigung 
des Sachverhalts alle dieſe Erwägungen unberüd: 
ſichtigt gelaſſen. Das Urteil war infolge deſſen auf⸗ 
zuheben. (Urt. vom 27. Juni 1908, Rev Reg. 221/08). 
1361 11 —ch. 


Herſtellung von Backwaren mit Margarine und 
Palmin. Kenntnis des Publikums. Subjektive Tat: 
beſtandsmerkmale der SS 10, 11 RMG. und des § 367 
Nr. 7 StGB. Auf S. 89 dieſes Jahrgangs ift ein Ur: 
teil des ObèLG. vom 14. Dezember 1907 mitgeteilt. 
Es hatte das Urteil der Strafkammer aufgehoben und 
die Sache zurückverwieſen. Gegen das nunmehr auf 
Verurteilung lautende Urteil der Strafkammer wurde 
Reviſion eingelegt. (Wegen des Tatbeſtandes vgl. 
das Urteil vom 14. Dezember 1907). Die Reviſion 
wurde als unbegründet verworfen. Sie hatte gerügt: 
Das ObvG. habe in den Gründen des Urteils vom 
14. Dezember 1907 ausgeführt, es ſei feſtzuſtellen, ob 
in F. allgemein oder auch nur vorwiegend in den 
Bäckereien der Brauch herrſche, daß zu mürbem Gebäck 
Palmin oder Margarine verwendet werde und ob das 
Publikum zu der Zeit, als die Angeklagten ſolche Fett- 
ſtoffe dem Teige beimiſchten, davon Kenntnis hatte 
oder Kenntnis haben mußte. Die Strafkammer habe 


Zeitſchrift für = Beiticheift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1 in Bayern. 1908. Nr. 17. 


nunmehr zwar angenommen, daß es in F. in den 
Bäckereien Geſchäftsgebrauch war, zu mürbem Gebäck 
auch Margarine oder Palmin zu verwenden, ſie habe 
Bang aber nur feſtgeſtellt, daß der überwiegende Teil 
des Publikums von dieſem Geſchäftsgebrauche keine 
Kenntnis habe, während es doch nur auf die Geſamt⸗ 
heit des Publikums ankommen könnte und ſie habe 
überhaupt nicht geprüft, ob das Publikum den Ge⸗ 
ſchäftsgebrauch nicht habe kennen müſſen, ob es ihn alſo 
fahrläſſig nicht gekannt habe. Auch die ſubjektiven Tat⸗ 
beſtandsmerkmale ſeien nicht einwandfrei feſtgeſtellt. 
Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 
Der Senat hat in dem Urteile vom 14. Dezember 1907 
ausgeführt, daß Margarine nach dem jetzigen Stande 
der Geſetzgebung von Rechts wegen die Eigenſchaft 
eines im Verhältniſſe zu Butter und Butterſchmalz 
minderwertigen Erzeugniſſes hat. Die Strafkammer 
war nach 8 398 Abſ. 1 StPO. an diefe Auffaſſung 
gebunden, ſie hat überdies feſtgeſtellt, daß ſich die 
Auffaſſung auch auf tatſächlichem Gebiete mit der An⸗ 
ſchauung des Sachverſtändigen deckt. Die Darlegung 
des angefochtenen Urteils, daß die Verwendung von 
Margarine und Palmin in den Fler Bäckereien zu der 
im Eröffnungsbeſchluſſe bezeichneten Zeit Geſchäfts⸗ 
gebrauch geworden war, daß ſich aber der Uebergang 
von der Verwendung von Naturbutter zur Verwen— 
dung jener Erſatzmittel ohne Kenntnis des überwie⸗ 
genden Teiles des Publikums vollzogen hat, genügt 
für die Annahme, daß in dem Verhalten der Ange⸗ 
klagten der objektive Tatbeſtand einer Verfälſchung 
von Nahrungs» uud Genußmitteln gegeben ift. Es 
war nicht notwendig und auch nicht möglich, feſtzu⸗ 
ſtellen, daß ſich das Publikum in F., d. i. die orts⸗ 
anweſende urteilsfähige Bevölkerung, in ſeiner Ge⸗ 
ſamtheit jenen Vorgängen gegenüber unwiſſend vers 
hielt. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß gewiſſe Kreiſe der 
Bevölkerung, die in den Bäckereien bedienſteten Leute, 
die mit der Lieferung und Beiſchaffung der Fettſtoffe 
befaßten Perſonen u. dgl. von der Verwendung von 
Margarine und Palmin in den Bäckereien wiſſen 
mußten. Das ſchließt nicht aus, daß der Geſchäfts⸗ 
gebrauch der Bäcker im allgemeinen unbekannt war, 
und es liegt auch kein Widerſpruch darin, daß die 
Strafkammer bald von dem „überwiegenden Teile“ 
des Publikums bald vom Publikum“ ſchlechthin in 
dieſem Zuſammmenhange ſpricht. Hier wie dort iſt 
die für die Beurteilung der öffentlichen Meinung aus- 
ſchlaggebende Mehrheit des Publikums gemeint. In 
dem Urteile vom 14. Dezember 1907 iſt davon die 
Rede, es ſei feſtzuſtellen, ob das Publikum von dem 
etwaigen Geſchäftsgebrauch der F.er Bäcker Kenntnis 
hatte oder Kenntnis haben mußte. Damit iſt nicht 
das Wiſſen dem fahrläſſigen Nichtwiſſen gleich⸗ 
geſtellt, ſondern „Kennenmüſſen“, wie die Worte 
‚annehmen muß“ in § 259 StGB. — vgl. Entſch. d. 
RG. Bd. 7 S. 85, 87 — in dem Sinne gebraucht, daß 
die ausdrückliche Feſtſtellung, das Publikum habe den 
Geſchäftsgebrauch gekannt, dadurch erſetzt werden kann, 
daß Umſtände erwieſen werden, die jedem urteils— 
fähigen Menſchen, der bei dem Angeklagten mürbes 
Gebäck kaufte, die Wiſſenſchaft davon übermitteln 
mußten, daß er mit Palmin oder Margarine zube— 
reitete Ware erwirbt. Es war hierbei hauptſächlich an 
Anſchläge in den Läden, öffentliche Bekanntmachungen, 
beſondere Bezeichnung der Ware u. dgl. gedacht. Da 
die Strafkammer ausdrücklich feſtgeſtellt hatte, daß 
das Publikum in F. mit Einſchluß der Kontrollorgane 
der Nahrungsmittelpolizei den Geſchäftsgebrauch der 
dortigen Bäcker nicht gekannt hat und daß der Ueber— 
gang von der Butterverwendung zu Erſatzmitteln 
äußerlich nicht in die Erſchein ung getreten 
iſt, konnte ſie es unterlaſſen, noch hervorzuheben, daß 
das Publikum unter ſolchen Umſtänden von dem Ge— 
ſchäftsgebrauche der Bäcker keine Kenntnis haben 
mußte. Das Fehlen dieſer Feſtſtellung kann die richter— 


343 


liche Ueberzeugung, die ſich in bezug auf die ſubjektive 
Seite der Tat gebildet hat, nicht nachteilig beeinflußt 
haben. Nach der Annahme des angefochtenen Urteils 
wußten die Beſchwerdeführer, daß das F.er Publikum 
die Verwendung von Butter und Butterſchmalz bei 
Herſtellung des mürben Gebäcks erwarte. Die in der 
Reviſionsinſtanz aufgeworfene Frage, ob nicht der 
Kundenkreis der Angeklagten eine andere Geſchmacks⸗ 
richtung gehabt habe, als die Mehrheit des Publikums, 
wäre auch in der Berufungsinſtanz ſchon um des⸗ 
willen nicht zu erörtern geweſen, weil der Bäcker, der 
verfälſchte Ware herſtellt und unter Verſchweigung 
dieſes Umſtandes in ſeinem Laden feilhält, überhaupt 
nicht für einen beſtimmten Kundenkreis, ſondern für 
jeden tätig iſt, der ihm Gebäck abkaufen will und 
kann. Die Strafkammer hat endlich nicht verkannt, 
daß der Preisunterſchied zwiſchen Margarine oder 
Palmin und Butter oder Butterſchmalz allein nicht 
ausſchlaggebend für die Frage iſt, ob in Palmin und 
Margarine minderwertige, eine Verſchlechterung des 
Erzeugniſſes herbeiführende Erſatzſtoffe verwendet 
wurden. Sie hat nur darauf, daß die Angeklagten 
ſelbſt nicht angeben konnten, inwieferne Margarine 
und Palmin trotz ihres geringen Preiſes der Butter 
und dem Butterſchmalze gleichwertig ſein ſollten, ge⸗ 
folgert, daß ſie die Minderwertigkeit gekannt haben, 
die in der Regel in niedrigen Marktpreiſen zum Aus⸗ 
druck kommt. Zudem iſt noch zutreffend darauf ver⸗ 
wieſen, daß die Beſchwerdeführer Margarine und Pal⸗ 
min nicht für gleichwertig mit Butter gehalten haben 
können, da ſie ſonſt nicht noch zur Hälfte Butter als 
Fettſtoff für den Teig des mürben Gebäcks verwendet 
hätten. (Urteil vom 13. Juni 1908; RevR. Nr. =) 
1348 


ie Zweibrücken. 


Keine Haftung für Verletzung eines Kindes durch 
eine in der Scheuer ungeſichert ſtehende 1 hine, 
u der fih die ſpielenden Kinder durch eigenmächtige 
effnung des Schenertores Zugang verſchafft haben. 
Die Kinder des Beklagten, eines Landwirts, 6 und 
4 ½ Jahre alt, der Kläger (Taglöhnersſohn), 5 ½ 
Jahre alt und ein 7 Jahre altes Mädchen ſpielten 
im Mai 1906 unbeaufſichtigt in dem nach der Dorf⸗ 
ſtraße zu offenen Hofraume des Beklagten. Die Kinder 
amen dabei, nachdem eines mit einem Stock oder 
Stein den Riegel des Türchens zurückgeſchlagen und 
das Tor geöffnet hatte, in die Scheune, die in dem 
hinteren an den Garten anſtoßenden Teile des Hof— 
raumes liegt. In der Scheune verletzte ſich der Kläger 
an der dort ohne Schutzvorrichtung frei daſtehenden, 
von einem der Kinder mittels des leicht beweglichen 
Schwungrades in Tätigkeit geſetzten Häckſelmaſchine, 
deren Meſſer ihm die oberen Glieder von vier Fingern 
der rechten Hand abſchnitten. Die Klage begehrt Er- 
ſatz der Kurkoſten, Zahlung eines Schmerzensgeldes 
und Feſtſtellung der Pflicht zum Erſatze des ſeinerzeit 
in 50—60 „oiger Erwerbsbeſchränktheit zutage treten⸗ 
den Schadens, ſie iſt u. a. auf einen Verſtoß wider 
die am 21. Januar 1906 in Kraft getretenen Unfalls 
ni der forſt⸗ und landwirtſchaft⸗ 
lichen Berufsgenoſſenſchaft geſtützt, die nur den Ge— 
brauch von Häckſelmaſchinen mit Verdeckung der Meſſer 
zula ſſen und für die Zeit der Nichtbenutzung das ein 
Umdrehen verhindernde Anhängen des Meſſerſchwung— 
rades mittels Sperrkette vorſchreiben (8 823 Abſ. 1 
BGB.), ſowie auf Fahrläſſigkeit nach 8 823 Abſ. 1 
(mangelnde Sicherung und Verwahrung der Maſchine). 
Klage und Berufung wurden zurückgewieſen. 
Aus den Gründen des Berufungsurteils 


1. Das Lwu VG. vom 30. Juni 1900 bezweckt nur 


I 


| 


den Schutz der in dem Betriebe beſchäftigten Arbeiter 
und nicht den der Allgemeinheit. Die nach § 120 des 
Geſetzes erlaſſenen Unfallverhütungsvorſchriften ſind 


344 


beſtimmt, eine zu ſtarke Inanſpruchnahme der Berufs- 
genoſſenſchaft hintanzuhalten, und dienen nur der 

Sicherheit der verſicherten Arbeiter, nicht der ihrer 
Angehörigen oder gar ihrer Nachbarn. Dritten gegen⸗ 
über ſind die Unfallverhütungsvorſchriften kein Schutz 
geſetz im Sinne des § 823 Abſ. 2 BGB. 


2. Dem Inhalte der Unfallverhütungsvorſchriften 
iſt aber für die Beurteilung des Verhaltens des Be⸗ 
klagten auch inſofern keine Bedeutung beizumeſſen, 
als ſie Winke für die Vermeidung von Verletzungen 
enthalten. Denn der Beklagte behauptet unwiderlegt, 
daß er dieſe Vorſchriften nicht gekannt habe; ſie waren 
ja damals allerdings erſt ſeit einem Vierteljahre ein⸗ 
geführt, durch längere Uebung noch nicht bekannt und 
es iſt zu glauben, daß die beteiligten Kreiſe von 
dieſen Vorſchriften trotz 19 57 vorſchriftsmäßigen 
Bekanntmachung — Ausſchreibung im Kreisamtsblatt, 
Niederlegung eines Abdrucks auf der Bürgermeiſterei, 
Anſchlag der ſehr umfangreichen Kundgebung an der 
0 itterten Gemeindetafel — weder Kenntnis erlangt 

Gebrauch gemacht haben. Würde der Beklagte 
die Unfallverhütungsvorſchriften zur Zeit des Unfalls 
gekannt und dazu gewußt haben, daß ſich auch in Ab⸗ 
weſenheit Erwachſener öfters Kinder in der Scheune 
umhertrieben, fo trüge das Berufungsgericht kein 
Bedenken, in der Außerachtlaſſung der gebotenen 
Winke eine grobe Fahrläſſigkeit zu erblicken. 


3. Es folgt aber ſchon aus der auch bei Nicht⸗ 
kenntnis der Unfallverhütungsvorſchriften beim Be⸗ 
klagten anzunehmenden allgemeinen Kenntnis von der 
ſehr großen Gefährlichkeit einer Häckſelmaſchine ſeine 
Verpflichtung zur Vorkehrung entſprechender Siche⸗ 
rungsmaßnahmen. An der Häckſelmaſchine ſelbſt war 
keine zur Verhütung von Verletzungen durch unbe- 
fugtes Inbetriebſetzen geeignete Vorkehrung getroffen; 
es fragt fih alfo, ob der Beklagte die im 
Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, wenn 
er ſich damit begnügte, die Maſchine in der durch das 
Tor allein zugänglichen regelmäßig mittels Riegels 
verſchloſſenen Scheuer zu verwahren. Dieſe Frage iſt 
vom Erſtrichter in Anlehnung an RGE. VI, 1. No⸗ 
vember 1904, JW. 1905 S. 15/6 bejaht worden; 
wichtig iſt insbeſondere die tatſächliche Feſtſtellung, 
daß das Scheuertor zu der Zeit, wo in der Scheuer 
nicht gearbeitet wurde, ſtets geſchloſſen war. Auch 
das Berufungsgericht erachtet für feſtſtehend, daß der 
Riegel des Türchens am Tore der im hinteren Teile 
des (dort geſchloſſenen) Hofes liegenden Scheuer von 
Erwachſenen und Kindern ſchwer vorzuſchieben und 
nur mit Gewalt wegzuſchieben war, daß kurz vor dem 
Unfalle der Riegel vorgeſchoben war, daß es zur Zeit 
des Unfalls im Dorfe üblich war, Häckſelmaſchinen 
ohne Schutzvorrichtungen in den nur von außen mit 
einem Riegel zu verſchließenden Scheuern ſtehen zu 
laſſen, und daß bis dahin im Dorfe niemals von 
einer Verletzung von Kindern durch Häckſelmaſchinen 
etwas bekannt geworden war. Ein anderer als der 
Riegelverſchluß, insbeſondere ein ſolcher mittels 
Schlüſſels iſt nach der Anſicht des Berufungsgerichts 
auch in der Tat mit den Bedürfniſſen der Wirtſchafts⸗ 
führung auf dem Lande nicht vereinbar; der vom 
Beklagten angewendete Riegelverſchluß muß als ge— 
nügender Schutz gegen die Gefahren der ungeſicherten 
Häckſelmaſchine erachtet werden. Etwas anderes wäre 
es, wenn ſich die Kinder ſchon öfter durch Zurück— 
klopfen des Riegels Zugang zum Innern der Scheuer 
verſchafft hätten und dies dem Beklagten zur Kennt— 
nis gekommen wäre. (Urt. vom 18. März 1908 
Nr. 273/07). 

1358 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. für Rechtspflege in Bayern. 1908. 1908. 


Nr. 17. 


Literatur. 


Das Urkundweſen der dentſchen Staaten. Herausgegeben 
vom Deut gaen Notarverein, e. B. zu Halle a. S. 
Leipzig 190 7, C. E. M. Pfeffer. 


Die Vorſchriften über öffentliche Beglaubigung 
und Beurkundung ſind leider auch nach dem 1. Januar 
1900 ebenſo buntſcheckig geblieben, wie zuvor. Wenn 
man das vorliegende Buch durchblättert, könnte man 
ſogar auf den Gedanken kommen, die Verwirrung ſei 
größer denn je. Die Herausgeber haben ſich durch 
die mit großem Fleiße gearbeiteten Ueberſichten den 
Dank aller Juriſten verdient, die den Verſuch machen 
wollen, ſich in dem Chaos zurechtzufinden. Auch der 
öſterreichiſche Rechtszuſtand iſt dargeſtellt. Den bayeri⸗ 
ſchen Teil hat Herr Notar Dr. Denn ler bearbeitet. 


von der Pfordten. 


Niehl, Dr. jur. K., Rechtsanwalt in München. Die 
Anweiſung. 8°. VIII, 64 S. München 08. J. 
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). 2.— 


Notizen. 


Die dentſch⸗belgiſche Uebereinkunft über den Schutz 
an Werken der Literatur und Kunſt und an Phots⸗ 
praphien vom 16. Oktober 1907 (RG Bl. 1908 S. 405), 
n Kraft feit dem 13. Juli d. J8., ſchließt iH ihrem 
weſentlichen Inhalt und Wortlaute nach der deutſch⸗ 
italieniſchen Uebereinkunft an, ſoweit nicht in der letz⸗ 
teren das italieniſche Landesrecht beſondere Vorſchriften 
erforderlich machte. Auf die Beſprechung in dieſer 
Zeitſchrift Jahrg. 1908 S. 172 wird deshalb Bezug 
n Die deutſch⸗belgiſche Uebereinkunft vom 
2. Dezember 1883 iſt aufgehoben. 
1368 


Die nenen Vorſchriften für die gerichtlichen Leichen: 
uuterſuchungen (Bek. vom 7. Juli d. 38., JM Bl. S. 152) 
betreffen wie die bisher geltende Inſtruktion von 1880 
in erſter Linie das Verfahren der Aerzte, haben aber 
auch für den Richter manches Intereſſe, obwohl er 
bei den Sektionen, wie ſich dies von ſelbſt verſteht, 
in der Regel eine paſſive Rolle ſpielt. Die Fortſchritte 
der ärztlichen Wiſſenſchaft, die die neuen Vorſchriften 
jedenfalls berückſichtigen, kann der Laie nicht näher 
betrachten. Eine gute Empfehlung iſt das Beſtreben 
ihres Verfaſſers, ſich ſtets klar und — deutſch aus⸗ 
zudrücken. Die für den Richter wichtigen Vorſchriften 
über die Abfaſſung des Protokolls (88 25 f.) wurden 
wenig geändert. Das vor der Beendigung der Vor⸗ 
unterſuchung beliebte „Schlußgutachten“ ift dem Namen 
nach verſchwunden und durch das „begründete Gut⸗ 
achten“ (8 29) erſetzt. Bisher war es üblich, das 
Schlußgutachten von einem Gerichtsarzt erſtatten zu 
laſſen. Die neuen Vorſchriften ſcheinen dieſer Uebung 
entgegentreten zu wollen. Nach § 29 Abſ. 5 muß 
das begründete Gutachten von beiden Gerichtsärzten 
unterſchrieben werden. 

1369 


Druckfehler⸗ Berichtigung. 


In Nr. 15/16 Seite 301 rechte Spalte Zeile 12 
von unten muß es ſelbſtverſtändlich heißen „Soziali⸗ 
ſierung“ des Individualismus. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H, Freiſing. 


Ur. 18. 18. München, den 1: den 15. . September 1908. 19038. 4. JI. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


semean il Gaye e 


in München. in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, e 

Inſertionsgebühr 30 Wer für die halbgeſpaltene Peti 

2. deren Raum. Bel Wiederholungen Rabati. € Stellenanze En 
20 Pfg. Beilagen nach Uebere inkunft 


Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im Umfange v 1 3 ns 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
8—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung 

Foſtanſtalt (Boſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9748). 


Nachdruck verboten. 


„ | i ° P à .. 

| f verhältniſſe dieſer Staatsdiener aber nur teilweiſe 

da5 a bayerische Leamtenrecht | einheitlich geregelt worden. Die Ungleichheit der 
Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. . der nn brachte manche 
Bayern hat das Verdienſt, mit feiner Haupt: Unzufriedenheit mit fih, da die Unterſcheidung 
3 vom 1. — Ti zwiſchen pragmatiſchen und nichtpragmatiſchen Be- 
brechendes Werk auf dem Gebiete des Staats⸗ amten vielfach eine zufällige und willkürliche war. 
dienſtrechtes geſchaffen zu haben. Auf den Grunb: Die Einfügung großer neuer Beamtenkörper, be⸗ 
ſätzen dieſer Pragmatik ift das Staatsdieneredikt, 5 jener der Verkehrsverwaltung, in den 
die IX. Beilage zur bayeriſchen Verfaſſungs⸗ ehördenorganismus ſchuf neue Verhältniſſe und 
urkunde, aufgebaut; eine hohe Auffaſſung vom Bedürfniſſe, denen das unter einfacheren Verhält⸗ 
Stande der Staatsdiener ſpricht aus ſeinen Be⸗ niſſen entſtandene Beamtenrecht nicht mehr voll 
ſtimmungen; ſelbſt jene, welche dem am 1. Januar gerecht zu werden vermochte. Dadurch war die 
1909 in Kraft tretenden neuen Beamtengeſetze Entſtehung von Sondervorſchriften für die ein⸗ 
das uneingeſchränkte Lob eines modernen, von zelnen Verwaltungsgebiete begünſtigt und ſchließlich 
freiheitlichen Ideen getragenen Geſetzes ſpenden, iſt auch das beſte Recht nach 100 jährigem Be⸗ 
werden der Dienſtespragmatik, die faſt ein Jahr⸗ ſtande reformbedürftig. Das Reich und Württem⸗ 
hundert lang die Verhältniſſe der pragmatiſchen berg haben ſich zu Aenderungen ihrer Beamten⸗ 
Staatsdiener beſtimmt hat, die Anerkennung nicht geſetze im verfloſſenen Jahre veranlaßt geſehen, 
verjagen, daß fie ein ehrenvolles Begräbnis ver- obwohl ihre Beamtengeſetze erſt in den Siebziger 
dient. Es war nicht im Geiſte der Dienſtes⸗ Jahren erlaſſen waren. In Bayern freilich wurde 
pragmatik, daß der Kreis der Beamten, welche das Bedürfnis einer Neugeſtaltung weniger von 
pragmatiſche Rechte genoſſen, verkleinert und da- den Beamten als von der Regierung empfunden; 
neben ein Heer von Beamten 2. Klaſſe geſchaffen abgeſehen von den begreiflichen Beſtrebungen ein⸗ 
worden iſt. Das ungeahnte Anwachſen des Be⸗ zelner Klaſſen nichtpragmatiſcher Beamter nach 
amtenkörpers drängte dazu, aus fiskaliſchen Erlangung pragmatiſcher Rechte, waren die bayer⸗ 
Gründen einen großen Teil des Perſonals nur iſchen Beamten, beſonders die pragmatiſchen, mit 
auf Ruf und Widerruf aufzunehmen; man ſchied ihrem Beamtenrechte zufrieden; nur eine Auf: 
die nichtpragmatiſchen Staatsdiener in nicht⸗ beſſerung ihrer unzulänglichen Gehalte tat ihnen 
pragmatiſche Beamte und Bedienſtete; einzelne not. Die Regierung dagegen entbehrte einer ge⸗ 
Klaſſen der nichtpragmatiſchen Beamten errangen nügenden Handhabe zur Ausübung der Dienſt— 
in ſpäterer Zeit nach einer beſtimmten Dienſtzeit 
Penſionsrechte, andere nur gnadenweiſe Zuſicherung 
von Ruhegehalten, während wieder andere Klaſſen 
weder Anſprüche noch Anwartſchaft auf Ruhe- 


gewalt gegenüber pflichtvergeſſenen Beamten, wo— 
rauf ſpäter zurückzukommen ſein wird. Die in den 
Jahren 1851, 1853 und 1879 gemachten Verſuche, 
1 1 für . Beamte 
ehalte hatten. Die ſonſtigen Rechtsbeziehungen der zu ſchaffen, waren mißlungen. Mit der unabweisbar 
1 nn m ent⸗ notwendig gewordenen Neuregelung der Gehalts: 
behrten überhaupt einer feſten Grundlage; erſt verhältniſſe war die günſtige Gelegenheit zur 
durch die Kgl. Verordnung vom 26. Juni 1894, Unterbringung einer das geſamte Beamtenrecht 
die Dienſtverhältniſſe der nichtpragmatiſchen Be- neuregelnden Vorlage gegeben. Die gleichzeitige 
amten und Bediensteten betreffend, find die Ge: Neuregelung der Gehalte und der übrigen Ver— 


8 hältniſſe der Beamten erſchien der Regierung auch 
halts⸗ und Penſionsverhältniſſe die übrigen Rechts⸗ hesbaih geboten: weil man r Berhalime-eine 


allzuſtarken Belaſtung des Staatshaushaltes den 
Beamten neben höheren Gehalten die bisherigen 


Abkürzungen: BG. = Beamtengeſetz. 
RDG. = Richter⸗Disziplinargeſetz. 


346 


Penſionen nicht mehr gewähren zu können glaubte. 
Der Vorlage des Entwurfes einer Gehaltsordnung, 
die am 24. Februar 1908 dem Landtage zuge⸗ 
gangen war, folgte am 17. April 1908 die Vor⸗ 
lage des Entwurfes eines Beamtengeſetzes. Das 
Nebeneinander der beiden wichtigen Vorlagen war 
nicht zum Vorteil des Beamtengeſetzes; das 
allgemeine Intereſſe wurde zu ſtark von letzterem 
abgelenkt. Gegenüber der Hochflut der Kritiken 
und Petitionen zur Gehaltsordnung verſchwanden 
die wenigen an die Oeffentlichkeit gebrachten Be⸗ 
urteilungen des Entwurfs des Beamtengeſetzes. 
Auch dem Landtage bereitete die Gehaltsordnung 
mehr Schwierigkeiten als das Beamtengeſetz. 

Das BG. ift unter Beobachtung der für Ver: 
faſſungsänderungsgeſetze vorgeſchriebenen Formen 
erlaſſen; es wird aber ſelbſt nicht Beſtandteil der 
Verfaſſung, nicht Verfaſſungsgeſetz. 

Das Geſetz iſt keine geniale Neuſchöpfung, 
ſondern hauptſächlich eine kompilatoriſche Arbeit. 
Nahezu ganze Abſchnitte und in anderen Teilen 
viele Artikel ſind wörtlich oder mit geringen 
Aenderungen aus anderen Geſetzen, hauptſächlich 
der VO. vom 26. Juni 1894, dem Richter⸗ 
disziplinargeſetze, dem Reichsbeamtengeſetze, den 
preußiſchen Beamtengeſetzen und dem Reichsunfall⸗ 
fürſorgegeſetz übernommen. 

Wie ſchon der Entwurf, wird auch das Geſetz 
verſchieden beurteilt werden. Es iſt nicht leicht, 
im erſten Augenblicke dem Geſetze unter dem Ein⸗ 
drucke der Erregung gerecht zu werden, die ge⸗ 
täuſchte Erwartungen beſonders in den Kreiſen 
der Richter hervorgerufen haben, welche durch die 
Aufhebung ihrer Richterpenſionsrechte einen ſehr 
empfindlichen Verluſt erleiden. Es war ein 
ſchweres Stück Arbeit, ein brauchbares, einheitliches 
Recht für einen Organismus zu ſchaffen, deffen 
Elemente nicht nur nach geſellſchaftlicher Stellung, 
Vorbildung und Arbeitsleiſtung weit verſchieden 
ſind, ſondern auch zufolge der hiſtoriſchen Ent⸗ 
wickelung des bayeriſchen Beamtenrechts bisher 
eine verſchiedene Rechtsſtellung eingenommen 
haben. Der Beſitz eines einheitlichen Beamten⸗ 
rechts ift jedenfalls ein Gewinn; Verluſte Ein: 
zelner ſind bei ſolchen Umwälzungen kaum ganz 
vermeidlich; aber ich bezweifle doch, ob das 
Geſetz in ſeiner jetzigen Geſtalt je Annahme ge— 
funden hätte, wenn man nicht bei jeder Frage, 
ob bisherige Rechte der Beamten geſchmälert 
werden ſollen, die Erhöhung der Gehalte in die 
Wagſchale geworfen hätte. Die Gehaltsaufbeſſerung 
ſollte doch nur den Ausgleich für den geſunkenen 
Geldwert bilden und durfte am allerwenigſten als 
Schmerzensgeld angeſehen werden, wo es ſich um 
andere als Vermögensrechte handelte. Die ver— 
gleichende Darſtellung wird zeigen, daß auch 
ernſte Verluſte auf anderem als vermögensrecht— 
lichem Gebiete zu verzeichnen ſind. Freilich hat 
das Geſetz auch große Vorzüge und es iſt an— 
zuerkennen, daß es, wenn man von Einzelheiten 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


abſieht, einen Vergleich mit den Beamtengeſetzen 
der anderen Bundesſtaaten und dem Reichs⸗ 
beamtengeſetze nicht zu ſcheuen hat. Das iſt freilich 
noch kein beſonderes Lob, denn bisher war Bayern 
hinſichtlich der Rechtsſtellung ſeiner pragmatiſchen 
Beamten allen deutſchen Staaten voran; nur aus 
dem Vergleich mit dem ſeitherigen bayeriſchen 
Beamtenrecht läßt ſich beurteilen, ob das Geſetz 
berechtigten Erwartungen gerecht wird. Als einer 
ſeiner größten Vorzüge gegenüber dem derzeitigen 
Recht wird ſein dem Richterdisziplinargeſetz nach⸗ 
gebildetes Dienititrafverfahren gerühmt. Man darf 
aber nicht vergeſſen, daß einigen Vorzügen des 
neuen Verfahrens eine Ausdehnung der Dienſtſtraf⸗ 
gewalt gegenüberſteht, wie ſie ohne genügende Ge⸗ 
währleiſtung gerechter, von augenblicklichen Ström- 
ungen unbeeinflußter Handhabung einfach unan⸗ 
nehmbar geweſen wäre, und daß es überhaupt recht 
fraglich iſt, ob die vom ſeitherigen Rechte für die 
Sicherheit der Stellung des pragmatiſchen Beamten 
dadurch gebotene Garantie, daß eine Amtsentſetzung 
nur durch Urteil eines ausſchließlich aus Berufs⸗ 
richtern zuſammengeſetzten Disziplinargerichts er⸗ 
folgen konnte, nicht mehr wert war als die ſorg⸗ 
fältigſte Ausgeſtaltung des Verfahrens vor einem 
gemiſchten Gerichte. 

Mit der Einbuße an den ſeitherigen Penſions⸗ 
anſprüchen mag die Erhöhung der Witwen⸗ und 
Waiſengelder einigermaßen verſöhnen; aber auch 
hier wird man bei genauerer Vergleichung finden, 
daß der Vorteil nicht ſo groß iſt als es auf den 
erſten Blick ſcheint. Die vielgeprieſene Schaffung 
eines einheitlichen Beamtenſtandes aber iſt zum 
Teil auf Koſten der pragmatiſchen Beamten 
erzielt, weil man die Einheit nicht bloß durch 
Hebung der nichtpragmatiſchen Staatsdiener, 
ſondern auch durch Abbröckelung an den prag⸗ 
matiſchen Rechten hergeſtellt hat. 

So wird denn das Urteil über das Geſetz 
ſtark davon beeinflußt ſein, ob der Beurteiler zu 
den Gehobenen oder zu den Verkürzten gehört, 
ferner davon, wie hoch vom Einzelnen der augen⸗ 
blickliche Vorteil eingeſchätzt wird, den die neue 
Gehaltsordnung bringt. Die Gewinnung eines 
objektiven Urteils habe ich durch Vergleichung 
aller wichtigen Vorſchriften des Geſetzes mit dem 
ſeitherigen Rechte zu erleichtern geſucht. 

Nicht die dienſtrechtlichen Verhältniſſe aller 
unmittelbaren Staatsbeamten werden durch das 
Beamtengeſetz geregelt; der bereits eingebürgerte 
Begriff „Staatsbeamter“ (§ 70 Abſ. III des 
GG., Art. 26 des AG. z. BGB.) konnte daher 
nicht na Ausgangspunkte der Beſtimmungen 
über den 


Machtbereich des Geſetzes 
gemacht werden und es gab kaum einen beſſeren 
Weg zur Beſtimmung des Kreiſes der Beamten, 
auf welche das Geſetz Anwendung finden ſoll, als 
den ſchon vom Reichsbeamtengeſetz und Württem⸗ 


bergiſchen Beamtengeſetz eingeſchlagenen Weg ber 
Schaffung eines beſonderen Begriffes des „Be⸗ 
amten im Sinne des Beamtengeſetzes“. Der 
Art. 1 beſtimmt dieſen Begriff in naher An⸗ 
lehnung an den $ 1 der Kgl. VO. vom 26. Juni 
1894 „die Dienſtverhältniſſe der nichtpragmatiſchen 
Staatsbeamten und Staatsbedienſteten betreffend“: 

Beamte im Sinne des Beamtengeſetzes ſind 
die Perſonen, welche ſich auf Grund einer 
(mündlich oder ſchriftlich erklärten) Entſchließung 
des Königs oder einer vom König ermächtigten 
Behörde in einem (zu Gehorſam verpflichtenden) 
Dienſtverhältniſſe zum Staate befinden und ent⸗ 
weder einer in der Gehaltsordnung aufgeführten 
Beamtenklaſſe angehören oder durch Anordnung 
der Staatsregierung (ſei es durch Geſetz, ſonſtige 
allgemeine Anordnung oder durch Verfügung im 
Einzelfalle) als Beamte im Sinne des Beamten⸗ 
geſetzes erklärt ſind. 

Hiernach ſcheiden alle Perſonen aus, welche 
auf Grund geſetzlicher Vorſchrift dem Staate 
Dienſte zu leiſten verpflichtet ſind, ferner alle jene, 
die durch Abſchluß rein privatrechtlicher Verträge 
zu Dienſtleiſtungen für den Staat gewonnen 
werden, dann jene, welche zwar in einem öffentlich: 
rechtlichen Dienſtverhältniſſe zum Staate ſtehen, 
aber weder einer in der Gehaltsordnung auf: 
geführten Beamtenklaſſe angehören noch als 
Beamte im Sinne des Beamtengeſetzes erklärt ſind. 

Die Beamten im Sinne des BG. ſcheidet 
das Geſetz in „etatsmäßige“ und „nichtetats⸗ 
mäßige“ Beamte. Nur der etatsmäßige Beamte 
ſtellt den Vollbeamten, den Typ des Staats⸗ 
dieners im ſeitherigen Sinne dar, deſſen Dienſt⸗ 
verhältnis nicht bloß Pflichten auferlegt, ſondern 
auch Rechte begründet. Auf den nichtetatsmäßigen 
Beamten ſind faſt ausſchließlich die läſtigen Be⸗ 
ſtimmungen des Geſetzes, nämlich die Vorſchriften 
über die Pflichten der Beamten (Abſchn. II), 
über Dienſtaufſicht und Zwangsmittel (Art. 102 
bis 104), ein Teil der dienſtſtrafrechtlichen Be⸗ 
ſtimmungen (nach Art. 164, 168 u. 169), die 
Beſtimmungen der Art. 171—175 über vor⸗ 
läufige Dienſtenthebung und des X. Abſchn. über 
das Verfahren bei Erſatzzuweiſungen anwendbar. 
Der Kreis ihrer Rechte iſt ein ganz enger: ſoferne 
ſie überhaupt beſoldet ſind, haben ſie Anſpruch 
auf den bereits verdienten und im Falle der 
nicht wegen Pflichtverletzung verfügten Entlaſſung 
auf Fortbezahlung des Gehaltes für die Dauer 
von 3 Monaten ſeit Mitteilung der Entlaſſung 
(Art. 8 Abſ. 2), Anſpruch auf Umzugskoſten bei 
unfreiwilliger unverſchuldeter Verſetzung (Art. 8 
Abi. 1), Anſpruch auf Unfallfürſorge nach den 
Beſtimmungen des VI. Abſchnittes, endlich das 
Recht, ihre Entlaſſung aus dem Staatsdienſte 
zu fordern (Art. 10). Zur Verfolgung ihrer ver— 
mögensrechtlichen Anſprüche ſteht ihnen nach 
Maßgabe der Beſtimmungen des IX. Abſchn. der 
Rechtsweg offen. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


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347 


Die wichtigen Abſchnitte III mit V über 
Dienſteinkommen, Verſetzung in den Ruheſtand 
und Hinterbliebenenfürſorge gelten nur für die 
etatsmäßigen Beamten. Etatsmäßige Beamte 
ſind jene einer in der Gehaltsordnung aufge⸗ 
führten Beamtenklaſſe angehörigen Beamten, 
deren Ernennung zum etatsmäßigen Beamten 
durch Aushändigung einer Anſtellungsurkunde 
oder durch amtliche Ausſchreibung und durch den 
Eintritt des in der Urkunde oder Ausſchreibung 
beſtimmten Zeitpunktes wirkſam geworden iſt 
(Art. 2, Art. 5 Abſ. 1 u. 3). 

Der im Reiche und anderwärts gebräuchliche 
Ausdruck „etatsmäßige Beamte“ beſagt nicht das, 
was das bayeriſche Beamtengeſetz unter „etats⸗ 
mäßigen Beamten“ verſteht. Daß die verliehene 
Stelle eine etatsmäßige iſt, iſt nur eine der 
beiden Vorausſetzungen für den Erwerb der 
Eigenſchaft als etatsmäßiger Beamter. Das unter⸗ 
ſcheidende Kennzeichen iſt ein rein formelles, das 
nämliche, das bisher zum pragmatiſchen Beamten 
ſtempelte: die Aushändigung einer Ernennungs⸗ 
urkunde oder die amtliche Ausſchreibung ihres 
Inhalts. 

Nicht allen etatsmäßigen Beamten wird 
jedoch das volle Maß von Rechten zugemeſſen, 
welche die Gegenleiſtung des Staates für die 
Dienſtleiſtung bilden können; eine Reihe von 
Rechten und Garantien wird nur dem „uns 
widerruflichen“ Beamten zugeſtanden; nur mit 
ihm beſchäftigt ſich eine große Anzahl von 
Artikeln des Geſetzes. Darüber jpäter. 

Da fih die Neuregelung der Gehaltsverhält⸗ 
niſſe durch die Gehaltsordnung nahezu auf alle 
bisher pragmatiſchen Beamten und nichtpragmati⸗ 
ſchen Beamten und Bedienſteten erſtreckt, werden 
faſt alle dieje Beamten unter die Begriffsbe⸗ 
ſtimmung des Art. 1 fallen. Dagegen bedurfte es 
einer beſonderen Beſtimmung, welche von den bei 
Inkrafttreten des Geſetzes bereits angeſtellten Be⸗ 
amten als etatsmäßige Beamte im Sinne des 
BG. zu gelten haben. Der Art. 208 beſtimmt 
nun, daß mit dem Zeitpunkte des Inkrafttretens 
des Geſetzes alle im Dienſt befindlichen Beamten 
und Bedienſteten, die vor dieſem Zeitpunkte in 
pragmatiſcher oder in nichtpragmatiſcher ſtatus— 
mäßiger Dienſteseigenſchaft angeſtellt waren und 
in eine in der Gehaltsordnung aufgeführte Be⸗ 
amtenklaſſe übergeleitet werden, als etatsmäßige 
Beamte im Sinne des BG. gelten. Nur dieſer 
Ueberleitungsakt ſtempelt die am 1. Januar. 1909 
bereits angeſtellten Beamten zu etatsmäßigen Be— 
amten im Sinne des Art. 2; wer nicht über⸗ 
geleitet wird, hat dieſe Eigenſchaft nicht, auch 
wenn er eine etatsmäßige Stelle bekleidet. Die 
Ueberleitung wird auf Grund des Art. 211 BG. 
durch Kgl. Verordnung geregelt. Die Ueberleitung 
wird zweifellos für alle pragmatiſchen Beamten 
erfolgen. Dagegen werden nicht ſämtliche nichtprag— 


matiſche Beamte und Bedienſtete die Eigenſchaft 


348 


etatsmäßiger Beamter erhalten, da einige Klaſſen 
in die neue Gehaltsordnung nicht Aufnahme ge⸗ 
funden haben. 

Der XI. Abſchn. bringt beſondere Vorſchriften 
für einzelne Klaſſen von Beamten. Sie gehören 
inſofern hierher, als fie teils den Kreis der Pe- 
amten erweitern, auf welche das Geſetz ganz oder 
teilweiſe Anwendung finden fol, indem fie be- 
ſtimmten Klaſſen angehörige Beamte, die nicht 
unter Art. 1 oder doch nicht unter Art. 2 des 
BG. fallen würden, als etatsmäßige Beamte oder 
doch als Beamte im Sinne des BG. erklären 
oder einzelne Partien des Geſetzes auf dieſe Be⸗ 
amtenklaſſen für anwendbar erklären, teils die 
ipätere Erweiterung des unter das Geſetz fallenden 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


Ruhegehalt der Zivilſtaatsminiſter und die An⸗ 
ſprüche ihrer Hinterbliebenen bemeſſen fih dem nach 
in Zukunft nach den Vorſchriften des BG. für 
unwiderrufliche Beamte. Jedoch kann der König 
dem von ihm aus eigenen Antrieb oder gemäß 
Art. III des Miniſterverantwortlichkeitsgeſetzes 
ſeiner Stelle enthobenen Staatsminiſter einen 
höheren Ruhegehalt zumeifen, der aber 75 % 
des penſionsfähigen Dienſteinkommens nicht über⸗ 
ſteigen darf. Auf den Kriegsminiſter findet das 
BG. nicht Anwendung; jedoch erwirbt auch er 
nach Art. I n. F. des Miniſterverantwortlichkeits⸗ 
geſetzes mit der Uebertragung des Miniſteriums 


Anſpruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenen— 
| verſorgung nach Inhalt der vorbezeichneten Vor: 


Beamtenkreiſes ermöglichen, indem fie die Er: ſchriften des BG., ſoweit ihm und feinen Hinter- 


mächtigung erteilen, beſtimmten Klaſſen angehörige 
Beamte, die nicht Beamte im Sinne des BG. 
ſind, als etatsmäßige Beamte zu erklären oder 
doch die Vorſchriften des BG. auf dieſe Beamten 
ganz oder teilweiſe für entſprechend anwendbar zu er⸗ 

klären (Uebergangsbeſtimmungen hierzu in Art. 208 
Abſ. 2 u. 3). Im übrigen enthält dieſer XI. Abſchn. 
Beſtimmungen, durch welche für beſtimmte Be⸗ 
amtenklaſſen die Anwendbarkeit einzelner Teile 
des Geſetzes ausgeſchloſſen wird und die für nicht 
anwendbar erklärten Vorſchriften teilweiſe durch 
andere erſetzt werden. Die beſonderen Vorſchriften 
für die Mitglieder der ordentlichen Gerichte und 
die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes ſowie 
für die den letzteren in bezug auf den Anſpruch 
auf Gehalt und die Vorrückung im Gehalt, in 
bezug auf Dienſtaufſicht und Dienſtſtrafverfahren, 
die vorläufige Dienſtenthebung, die unfreiwillige 
Verſetzung auf eine andere Stelle und in den 
Ruheſtand nunmehr gleichgeſtellten Mitglieder des 
Oberſten Rechnungshofes (Art. 184) werden jeweils 


— — ——— R—wäutꝛ nn 


bei Beſprechung der für die nicht richterlichen Be— 
amten geltenden Vorſchriften vergleichend angereiht 
werden. Ebenſo werden die beſonderen Vorſchriften 
für weibliche Beamte an geeigneter Stelle ein— 
gefügt werden. Von den übrigen beſonderen Vor— 
ſchriften dieſes Abſchnittes dürften nur noch jene 
für die Staatsminiſter 


Intereſſe 
beanſpruchen. 

Für die Stellung der Staatsminiſter bleiben 
die Geſetze vom 4. Juni 1848, die Verantwort⸗ 
lichkeit der Miniſter betr., und 30. März 1850, 
den Staatsgerichtshof und das Verfahren bei 
Anklagen gegen Miniſter betr., (mit Aenderung 
durch Art. 72 AG. z. StPO.) in erfter Linie 
maßgebend. Erſteres Geſetz erfährt jedoch durch 
Art. 221 BG. einige durch die Aufhebung der 
IX. Verf B. notwendig gewordene Aenderungen. 
Im übrigen finden auf die Zivilſtaatsminiſter 
die für unwiderrufliche Beamte geltenden Vor— 
ſchriften der Abſchn. I mit VI und IX des BG. 


allgemeines 


Anwendung, ſoweit fid nicht aus dem Miniſter⸗ 


aus deſſen 
Auch der 


verantwortlichkeitsgeſetz, beſonders 
Art. III und VII, ein anderes ergibt. 


bliebenen nicht höhere Beträge nach den in erſter 
Linie maßgebenden Vorſchriften des Offiziers⸗ 


penſionsgeſetzes und des Militärhinterbliebenen: 


geſetzes zukommen (Art. 182, 221). 

Das Geſetz hat mit ſeiner Begriffsbeſtimmung 
des Beamten im Sinne des BG. und mit der 
beſprochenen Ausdehnung ſeiner Anwendbarkeit 
noch immer nicht alle Perſonen getroffen, in 
deren Dienſtverhältniſſe es eingreifen will. Zwar 
eröffnet ſchon Art. 1 die Möglichkeit, alle Per⸗ 
ſonen, die ſich in einem Dienſtverhältniſſe zum 
Staate befinden oder in ein folches eintreten, dem 
Geſetze dadurch zu unterſtellen, daß ſie als 
Beamte im Sinne des BG. erklärt werden. Dies 
kann jedoch aus verſchiedenen Gründen unangebracht 
erſcheinen. Um nun auch gegen die in einem 
Dienſtverhältniſſe zum Staate ſtehenden Perſonen, 
welche nicht Beamte im Sinne des Geſetzes find, 
die Handhabe zur Geltendmachung der Bientt: 
gewalt, insbeſondere zum Anziehen der Schraube 
des Dienſtſtrafrechts zu gewinnen, hat das Geſetz 
(Art. 25, 181, 165) eine Reihe von Artikeln für 
anwendbar erklärt auf 

1. jene Staatsdienſtadſpiranten, die nicht als 
Beamte im Sinne des Art. 1 erklärt find; 

2. Perſonen, die, ohne als Beamte im Sinne 
des Art. 1 erklärt zu ſein, mit den Ver⸗ 
richtungen ſolcher Beamten ſtändig oder 
vorübergehend betraut ſind (Vorbild Art. 112 
des AG. z. StPO.). 

Ob jemand zu den in Ziff. 2 bezeichneten 
Perſonen gehört, kann im Einzelfalle zweifelhaft 
ſein. Aus dem Inhalte der für anwendbar er⸗ 
klärten Vorſchriften, insbeſondere jener über den 
Dienſteid, ergibt ſich, was auch die Begründung 
zu Art. 25 des Entwurfs hervorhebt, daß Per- 
ſonen ausſcheiden, welche auf Grund rein privat: 
rechtlichen Vertrags Beamtenverrichtungen für 
den Staat übernehmen. Die Grenze zwiſchen rein 
privatrechtlichem und nicht rein privatrechtlichem 


Dienſtvertrag mag aber nicht immer leicht zu 


finden ſein. Unzweifelhaft fallen unter die Be⸗ 
ſtimmung jene Beamtendienſte leiſtenden Perſonen 
(z. B. Kanzliſten der Gerichte), die nur deshalb 


a a dr 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 349 


nicht zu Beamten ernannt werden, weil ſie noch 
nicht volljährig find. Als weitere Beiſpiele werden des HG., ſoweit diefe Verhältniſſe im Geſetze 
genannt die bei Staatsbetrieben mit wechſelnder geregelt ſind, nur noch nach dem BG. zu be⸗ 
Inanſpruchnahme durch nicht rein privatrechtlichen urteilen. Einige für dieje Beamten außer Wirt- 


dienſtlichen Verhältniſſe der Beamten im Sinne 


Dienſtvertrag nur für die Dauer des erhöhten ſamkeit tretende Vorſchriften find beſonders auf: 
Betriebes eingeſtellten Hilfskräfte und folde nicht gezählt; die wichtigſten find die IX. Verf B. und 
zu Beamten ernannte Perſonen, die zwar dauernd. die noch gültigen Teile der Hauptlandespragmatik 
aber ohne Anwartſchaft auf Einrückung in eine vom 1. Januar 1905. Es iſt zu betonen: 
etatsmäßige Stelle auf Kündigung in einem 1. daß dieſe Beſtimmungen nicht vollſtändig, 
ſtaatlichen Betriebe angenommen werden. ſondern nur für die Beamten im Sinne des 
Die Beſprechung der durch das BG. geregelten BG. aufgehoben werden, weil ſie zum Teil auch 
dienſtrechtlichen Verhältniſſe dieſer unter Ziff. 1 für andere Beamte gelten und gültig bleiben 
u. 2 genannten Perſonen ſoll der Ueberſichtlichkeit ſollen, aber auch für die Uebergangszeit zufolge 
halber gleich hier eingeſchaltet werden: der im BG. gemachten Vorbehalte teilweiſe noch 
Sie leiſten gleich den Beamten den Dienft: für die im übrigen dem BG. unterworfenen 
eid (Art. 23) und ſind gleich dieſen verbunden: Beamten Bedeutung haben. Vollſtändig aufgehoben 
zur gewiſſenhaften Erfüllung der Amtspflicht und werden jedoch die Art. 107, 113 Abſ. II, 115 
zur Beobachtung eines würdigen Verhaltens in und 116 des AG. z. StPO., während die 
und außer dem Amte (Art. 11), zum Gehorſam Art. 103 - 106, 108 - 111 und 114 dieſes Geſetzes 
gegenüber dem Dienſtbefehle (Art. 12 Abſ. 1 u. 2), in Zukunft nur auf Beamte, deren Dienſtſtrafrecht 


zur Beobachtung der Amtsverſchwiegenheit (Art. 14) durch das BG. geregelt ift, keine Anwendung 
und zur Anzeige einer beabſichtigten Eheſchließung mehr finden (Art. 223); 

oder Einholung der dienſtlichen Erlaubnis hierzu 2. daß auch für die Beamten im Sinne des 
(Art. 17). Es gelten für fie ferner die Verbote BGG. nicht alle auf Staatsbeamte bezüglichen 
der Teilnahme an einem Verein, deſſen Zwecke Vorſchriften aufgehoben werden, ſondern nur 
den ſtaatlichen oder dienſtlichen Intereſſen zu⸗ jene, welche mit dem Geſetz in Widerſpruch ſtehen, 
widerlaufen, (Art. 16) und der Annahme von Be: demnach z. B. nicht der Art. 12 des AG. z. 
lohnungen, Geſchenken, Gehalten und Aus- | BGB. über die Aufrechnungsbefugnis des Staates 
zeichnungen nach Maßgabe des Art. 20, ferner gegen die Gehalte und Penſionen der Beamten 
die Beſchränkung in der Uebernahme von Neben: und über Unübertragbarkeit und Unpfändbarfeit 
ämtern und Nebengeſchäften gemäß Art. 18 der Witwen: und Waiſenbezüge. Wichtig ift die 
Abſ. 1 und in der Wahl des Wohnſitzes nach ausdrückliche Aufrechterhaltung (Art. 222 Abſ. 2) 
Art. 21; ſie haften gleich Beamten für jeden dem | des AG. z. GVG., das nur an 2 Artikeln (durch 
Staate durch Verletzung der Amtspflicht ent⸗ Art. 222 Abſ. 1 BG.) eine Aenderung erfährt; 
ſtandenen Schaden (Art. 13) und können im in Geltung bleibt ferner das RDG., allerdings 
Erſatzzuweiſungsverfahren (Art. 179, 180) zum mit wichtigen Aenderungen (Art. 221). Aende⸗ 
Schadenserſatz angehalten werden; ihre dienſtlichen rungen haben außerdem folgende Geſetze erlitten: 
Verfehlungen können nach den Beſtimmungen das Geſetz vom 26. Oktober 1887, die Erläuterung 
der Art. 105—107, 111—117 mit Ordnungs- und den Vollzug des Titels II § 18 der Verfll. 
ſtrafen (Verweis oder Geldſtrafe bis zu 100 M) betreffend, das AG. z. BGB., das Fin G. vom 
geahndet werden. Nach Auflöſung des Dienft: 30. Juni 1900, das Not G. und das Schulbedarf—⸗ 
verhältniſſes kann über dieſe Perſonen wegen geſetz (Art. 225—229). 

einer während des Beſtehens oder nach Auflöſung Das BG. räumt mit manchen vom bisherigen 
des Dienſtverhältniſſes begangenen Verletzung der Rechte den Beamten eingeräumten Anſprüchen auf 
Amtsverſchwiegenheit, wenn nicht nach den Straf: oder beſchränkt ſie. Die uneingeſchränkte Anwendung 
geſetzen Strafe verwirkt iſt, im Wege des für die des Geſetzes auf Beamte, für welche unter den 

| 


unwiderruflichen aktiven Beamten vorgeſehenen alten Normen ſolche Anſprüche bereits entſtanden 
Disziplinarverfahrens Geldſtrafe bis zu 600 M | find oder doch Anwartſchaft darauf begründet 
verhängt werden (Art. 168, 169). Die von der war, würde zu großen Härten führen. Dem beugt 
Staatsregierung erlaſſenen und noch zu erlaſſenden das Geſetz durch verſchiedene Vorbehalte vor, durch 
Vorſchriften über Sonntagsruhe und Urlaub welche es die erworbenen Rechte ſchützt, insbeſondere 
finden auch auf dieje Perſonen Anwendung; ein Verluſte an Gehalten und Ruhegehalten hintanhält 
Anſpruch auf Urlaub ſteht ihnen nicht zu. Auf: und Anwartſchaften wahrt. Es geht noch einen 
fällig iſt, daß die Art. 104 und 105 auf dieſe Schritt weiter, indem es etliche günſtigere Be— 
Perſonen nicht für anwendbar erklärt ſind. ſtimmungen des neuen Rechtes den ſchon früher 

Mit dem Inkrafttreten des BG. treten alle dieſem in Ruheſtand verſetzten Beamten und deren Hinter— 
entgegenſtehenden Vorſchriften für die Beamten bliebenen, für welche im übrigen die ſeitherigen 
im Sinne des BG. außer Kraft, ſoweit nicht im Penſionsvorſchriften fortgelten, zugute kommen 
Geſetze ſelbſt Vorbehalte gemacht ſind (Art. 220). läßt (Art. 211—217); auch Art. 209 und 210 
Es ſind alſo, von Vorbehalten abgeſehen, die gehören in gewiſſem Sinne hierher. 


350 


Einige Schwierigkeit bereitet die Beſtimmung 
der Grenze der Anwendung der alten und neuen 
Vorſchriften über Dienſtſtrafrecht. Der mit. un: 
wefentlichen Aenderungen aus dem Not®. (Art. 135) 
übernommene Art. 219 BGG. entſcheidet die Frage 
nur für die bei Inkrafttreten des Geſetzes bereits 
anhängigen Dienſtſtrafſachen. Hiernach ſind dieſe 
nach dem bisherigen Verfahren zu erledigen, 
während hinſichtlich der auszuſprechenden Strafe 
das mildere u zur Anwendung kommt und 
weiter beſtimmt iſt, daß auf Haft oder Arreſt 
nicht mehr erkannt werden kann. Ob das alte 
oder neue Dienſtſtrafrecht auf eine Dienſtſtrafſache 
Anwendung findet, welche erſt nach dem Inkraft⸗ 
treten des Geſetzes anhängig wird und eine vor 
Inkrafttreten des Geſetzes begangene Verfehlung 
betrifft, iſt nicht geſagt. Nach allgemeinen Grund⸗ 
ſätzen wird in einer ſolchen, natürlich nach den 
neuen Vorſchriften über das Verfahren zu be⸗ 
handelnden Dienſtſtrafſache ſich Strafbarkeit und 
Strafe nach dem milderen Geſetze bemeſſen. 

(Fortſetzung folgt.) 


Zur Einführung in das Reichsgeſetz 
über den Verſicherungs vertrag. 
Von Oberlandesgerichtsrat K. Schneider in Stettin. 


(Fortſetzung.) 

Ich will nunmehr verſuchen, einige der er— 
heblichſten Grundzüge des deutſchen Geſetzes in 
Kürze vorzuführen. 

Hierzu gehören vor allem die Vorſchriften 
über den urſprünglichen Gefahrenſtand. Das 
ſind diejenigen Umſtände, aus deren Wirkend— 
werden die Verpflichtung des Verſicherers über— 
haupt (bei der Schadensverſicherung) oder doch 
verfrüht (bei der Lebensverſicherung) erwachſen 
kann, und die daher, 
ſcheinlichkeit berechnet, für die Entſchließung des 
Verſicherers, die betreffende Verſicherung zu über: 
nehmen, maßgebend ſind. Sie bilden die wichtige 
Grundlage für den Abſchluß des Vertrages, an 
deren genauer Feſtſtellung und tullichſter 
Feſthaltung für die Dauer des Vertrags— 
verhältniſſes für den Verſicherer und mittelbar 
deshalb auch für den Verſicherungsluſtigen und 
a Verſicherungsnehmer das größte Intereſſe 
eſte 

Zu ihrer Feſtſtellung, ſoweit ſie dem 
Verſicherer nicht allein möglich iſt, ſtellt das 
Geſetz eine Aufklärungspflicht des Verſicherungs— 
luſtigen zur Verfügung: „Der Verſicherungs— 
nehmer hat bei der Schließung des Vertrags alle 
ihm bekannten Umſtände, die für die Uebernahme 
der Gefahr erheblich ſind, dem Verſicherer anzu— 
zeigen“ ($ 16 Abſ. 1). Abgeſchwächt wird diefe 
Verpflichtung jedoch dadurch, daß ſie nur bei 


nach Statiſtik und Wahr: 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Baye in Bayern. 1908. Nr. 18. 


Verſchulden als verletzt gilt ($ 16 Abſ. 3, 817 
Abſ. 2); und durch die Berückſichtigung der Ver⸗ 
kehrsgepflogenheit, dem Verſicherungsluſtigen einen 
Fragebogen vorzulegen, in dem der Verſicherer 
alles das als Frage zuſammenzufaſſen pflegt, was 
ihm zu willen wertvoll erſcheint. Zwar gelten 
dieſe Fragen im Zweifel als erheblich; anderer⸗ 
ſeits kommt aber der Verſicherungsluſtige damit 
aus, nur ſie zu beantworten, und haftet daher 
im Falle der Verſchweigung von anderen, an 
und für ſich nach 8 16 anzuzeigenden Umſtänden 
nur bei Argliſt (8 18 Abſ. 1 und 2. Zum 
Vorteile des Verſicherungsnehmers gilt dann aber 
der eingegangene Verſicherungsvertrag wegen 
etwaigen Irrtums über dieſe Grundlage des Ver⸗ 
trages, obwohl $ 119 BGB. hier ſehr wohl 
anwendbar wäre, als unanfechtbar; wegen un: 
verſchuldet verborgen gebliebener und dann nach⸗ 
träglich entdeckter Gefahrumſtände hat der Ver⸗ 
ſicherer nur das Recht auf eine dadurch etwa 
bedingte höhere Prämie ($ 41). 

Dieſe Aufklärungspflicht dauert bis zum Augen⸗ 
blicke des Vertragsabſchluſſes; auf dieſen, obwohl 
er theoretiſch und praktiſch nicht ſo ganz einfach 
zu finden iſt, kommt es alſo ganz beſonders an. 

Sie hört aber auch dann nicht auf, ſondern 
dauert, wenngleich nur als ähnliche Pflicht und 
mit anderen Rechtsfolgen bei Verletzung, für die 
ganze Abwickelung des Verſicherungsverhältniſſes 
fort und tritt neben die Pflicht, den urſprünglichen 
Gefahrenſtand tunlichſt feſtzuhalten. Der Ver⸗ 
ſicherungsnehmer fof ihn weder ſelbſt verſchärfen, 
noch verſchärfen laſſen; iſt das doch geſchehen oder 
ohne ſein Zutun geſchehen, ſo tritt noch jene An⸗ 
zeigepflicht in Wirkung. Was aber als eine ſolche 
Verſchärfung anzuſehen ſei, iſt im allgemeinen 
ſchwer zu fagen. § 29 beſchränkt ſich auf eine 
verneinende Vorſchrift: „Eine unerhebliche Erhöhung 
der Gefahr kommt nicht in Betracht. Eine Ge⸗ 
fahrerhöhung kommt auch dann nicht in Betracht, 
wenn nach den Umſtänden als vereinbart anzuſehen 
iſt, daß das Verſicherungsverhältnis durch die Ge⸗ 
fahrerhöhung nicht berührt werden ſoll.“ Nur 
8 164 gibt für die Lebensverſicherung die beſondere 
Vorſchrift: „Als Erhöhung der Gefahr gilt nur 
eine ſolche Aenderung der Gefahrumſtände, welche 
nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrer⸗ 
höhung angeſehen werden ſoll.“ Im 8 29 gerät 
das Geſetz leider wieder in die gängige Redewendung 
„als vereinbart“, obgleich es eben auf eine ſolche 
Vereinbarung gar nicht ankommt, und eine ſolche 
in Wahrheit fehlt. Alles kommt auf das unter 
den betreffenden Umſtänden, z. B. in dem Ge- 
werbebetriebe und nach den Lebensgewohnheiten 
des Verſicherungsnehmers, übliche und deshalb, 
mangels gegenteiliger Aeußerung, den Beteiligten 
als maßgebend hingeſtellte an! Im übrigen könnte 
man mit der Begründung des Geſetzes (S. 42) 
ſagen, daß zur Gefahrerhöhung „begrifflich an ſich 
jede tatſächliche Aenderung, welche die Möglichkeit 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 351 


des Eintritts des Verficherungsfalles in irgend Aufſichtsbehörde da, wo ein Verſicherungsunter⸗ 
einer Richtung naͤher rückt“, genüge. Mit nehmer die Fälle des Außerverſicherungtretens 
Recht wird a. a. O. aber weiter bemerkt, daß ſich unter gewiſſen Vorbedingungen zu weit ausdehnte — 
der Verſicherer von vorneherein auf gewiſſe im alſo ſtatt bloße Obliegenheitsverletzungen mit Ent⸗ 
Laufe der Dinge vorkommende und nicht unge- ſchuldigungsbefugnis des Verſicherungsnehmers nach 
wöhnliche Gefahrerhöhungen gefaßt machen und 8 6 zu ſchaffen — nach 87 Nr. 2 oder $ 64 
dieſe auf ſich nehmen müßte. Das iſt eben das Abſ. 2 des le — wegen 
bezeichnete Uebliche. Und weil ſich bei mancher Gefährdung der Intereſſen der Verſicherungs⸗ 
ſeiner tatſächlich die Gefahr erhöhenden Handlungen nehmer einzuſchreiten Anlaß nehmen könnte, ob- 
ein Verſicherungsnehmer deffen kaum bewußt ift, gleich es, wie geſagt, grundſaͤtzlich nach § 29 des 
fo fol ihm auch nur die verſchuldete Gefahr: Geſetzes dem Verſicherer freiſteht, zu beſtimmen, 
erhöhung ernſtlich ſchaden, wenn ſie auch an und welche Gefahr und in welchem Umfange er ſie 
für ſich dem Verſicherer das Recht der Löſung übernehmen will. Ich halte mich wenigſtens big- 
des Vertrages, aber in milderer Form, beläßt: her überzeugt, daß hierin die richtige und ein⸗ 
§ 24 Abſ. 2 Satz 2. fache Löſung dieſer heiklen Frage gefunden iſt, 
Beſondere Schwierigkeiten macht dabei dann vor die das neue Geſetz ſtellt, und habe den ent⸗ 
aber die Entſcheidung, wann aus bloßer Gefahr: ſprechenden Standpunkt daher in meinen oben: 
erhöhung für die verſicherte Sache oder Perſon bezeichneten Erläuterungen zum Geſetze ausführ⸗ 
ein Außerverſicherungtreten derſelben wird, licher vertreten. Es iſt jedenfalls unerläßlich, ſich 
da es zweifelloſes Recht des Verſicherers iſt, den über dieſen Punkt klar zu werden! 
Umfang der Gefahr. die er übernehmen will, genau Dabei iſt ſchließlich nur noch auf den einen 
zu beſtimmen. Im ſchweizeriſchen Geſetze (Art. 33) Punkt hinzuweiſen, daß unter dem belt des 
hat dies noch beſonderen Ausdruck gefunden. 8 6 im deutſchen Geſetze — kein Verluſt des 
Dieſelbe Grenzlinie iſt übrigens auch ſonſt zu Nach aus der Verſicherung bei Entſchuldigungs⸗ 
ziehen, nämlich bei Eintritt beſtimmter, dem Ver⸗ möglichkeit des Verſicherungsnehmers — nur die 
ſicherer unliebſamer Ereigniſſe, die auf den Willen Ereigniſſe ſtehen, die auf eine entſchuldbare oder 
des Verſicherungsnehmers zurückzuführen find, z. B. unentſchuldbare Handlung eben des Verſicherungs⸗ 
wenn ihm der Abſchluß einer Doppelverſicherung | nehmers zurückgeführt werden können. An | onſtige 
verboten iſt. Es kann dies als Verletzung einer Ereigniſſe, alſo z. B. auch an den Abſchluß einer 
Vertragspflicht, aber auch als Eintritt eines außer: Doppelverſicherung ohne Willen und Willen des 
halb der übernommenen Gefahrenreihe (a 4 b) Verſicherungsnehmers, etwa durch einen Dritten 
liegenden Gefahrenumſtandes (c) oder, allgemeiner | (Lagerhalter) in der Form einer Verſicherung für 
geſagt, als ein Beendigungsgrund für die Ver- fremde Rechnung, kann unbekümmert um jenen 
ſicherung durch den Verſicherungsvertrag bezeichnet § 6 der volle Verluſt des Rechtes aus der Ber- 
ſein, wonach alſo letzterenfalls eine Verſicherung fiherung für den Verſicherungsnehmer geknüpft 
nicht mehr beſtände. Dieſer Unterſchied iſt des- werden. 
halb fo wichtig, weil § 6 des deutſchen Geſetzes Eine intereſſante Ausnahme von der Wirkung 
einen Verluſt des Rechts aus der Verſicherung einer Gefahrerhöhung, für die der Verſicherungs— 
(der alſo auch mit dem Aufhören der Verſiche- nehmer verantwortlich iſt, ſtellt, im Anſchluſſe an 
rung gegeben wäre) nur bei verſchuldeter Ber: das HGB. $ 814, der § 26 im neuen deutſchen 
letzung einer Vertragspflicht durch den Verſiche- Geſetze auf. Die betreffenden Vorſchriften über 
rungsnehmer zulaſſen will. In jenem Falle der die willkürliche Gefahrerhöhung ſollen keine An— 
Doppelverſicherung würde alſo, wenn dadurch eine wendung finden, „wenn der Verſicherungsnehmer 
Vertragspflicht verletzt würde, die Sachlage nach zu der Erhöhung der Gefahr — durch ein 
§ 6 zu prüfen fein; wenn ein Aufhören der Ver- Gebot der Menſchlichkeit veranlaßt wird”. Wenn 
ſicherung dagegen abgemacht wäre, entfiele das. nun der Verſicherungsnehmer nicht nur dieſes tut, 
Die Lölung dieſer Schwierigkeit wird vermehrt, ſondern unmittelbar durch grobfahrläſſiges oder 
wenn beide Fälle im Vertrage nicht deutlich aus— 1 Aa Handeln den Eintritt des Verſicherungs— 
einander gehalten find; fie wird aber, ſoweit ich falls herbeiführt und dadurch nach § 61 den Verluſt 
nach ſorgfältiger Prüfung zu finden geglaubt habe, 1 5 Rechtes aus der Verſicherung erleidet, ſo 
dadurch gelöſt, daß einmal gewiſſe Fälle von Ber- muß es auffallen, daß ihm nicht auch hierbei der 
tragsverletzungen (3. B. die Nichtanzeige des Ber: in 8 26 ausgeſprochene Grundſatz zu Hilfe kommt. 
ſicherungsfalles) ſich gar nicht zu einer Verſiche- Ich habe deshalb in meinen Erläuterungen zum 
rungs beendigung statſache vereinbarungsweiſe Verſicherungsgeſetze (S. 46 Anm. 46) die Ber: 
machen laſſen, alſo immer unter § 6 bleiben. mutung ausgeſprochen, der eigentliche Gedanke des 
Sodann, daß das Geſetz andere beſtimmte Fälle Geſetzes ſei in § 26 zu finden und fet im übrigen 
unabänderlich regelt, z. B. die Veräußerung der nur ſozuſagen in der Entwickelung ſtecken geblieben. 
verficherten Sache (8 69), die aljo wiederum nicht Eine nähere Ausführung darüber in der „Oeſter— 
zu einer glatten Verſicherungsbeendigungs- reichiſchen Revue“ 1907 hatte zu einer literariſchen 
tatſache gemacht werden kann. Endlich, daß die Fehde mit dem bekannten Verſicherungsſchriftſteller 


Dr. Georgii Cuna geführt, dem ich dann 
wieder in der Nr. 18 und 19 obiger Zeitſchrift 
aus 1908 entgegnete. Nachträglich habe ich für 
meine Auffaſſung an dem ſchweizeriſchen Geſetze 
einen trefflichen Bundesgenoſſen gefunden; denn 
ſein Artikel 15 beſtimmt ausdrücklich, daß der 
Verſicherer im vollen Umfange hafte, wenn der 
Verſicherungsnehmer „gemäß einem Gebote der 
Menſchlichkeit gehandelt und dadurch das be- 
fürchtete Ereignis herbeigeführt“ habe, nämlich 
den Verſicherungsfall. Dieſem Artikel 15 ent: 
ſpricht der Artikel 32 Nr. 2 dort betreffend eine 
Gefahrerhöͤhung. Da nun aber für das deutſche 
Recht eine dem Artikel 15 gleichende Beſtimmung 
fehlt, ſo iſt hierzu allerdings noch einiges Weitere 
zu ſagen, das aber an dieſer Stelle allzu weit⸗ 
läufig würde. Nur das mag noch bemerkt ſein, 
daß auch das Reichsgericht in einem Urteile vom 
16. September 1906 betreffend einen ſelbſt her: 
beigeführten Todesunfall eines Beamten der 
Thyſſenſchen Werke in Weſtfalen in gewifſer Hin⸗ 
ſicht zu dieſer auch praktiſch nicht ganz unwichtigen 
Frage Stellung genommen hat. 

Wenn bisher von Pflichten und Vertrags⸗ 
verletzung die Rede war, ſo gebraucht das deutſche 
Geſetz in ſeinem $ 6 (und mit ihm der öfter: 
reichiſche Entwurf und das . Geſetz) 
den Ausdruck „Obliegenheit“!); er wurde von mir 
zum oben ſchon erwähnt. 8 6 lautet im 
Abſ. 1: „Iſt in dem Vertrage beſtimmt, daß 
bei Verletzung einer Obliegenheit, die 
vor dem Eintritte des Verſicherungsfalles dem 
Verſicherer gegenüber zu erfüllen ift, der Ber- 
ſicherer zum Rücktritte berechtigt oder von der 
Verpflichtung zur Leiſtung frei ſein ſoll, 
ſo tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn 
die Verletzung als eine unverſchuldete anzuſehen iſt.“ 

Zum einſtweiligen Ueberblicke füge ich hinzu: 
die Verwirkung (Verluſt des Rechtes aus der 
Verſicherung — keine Beſtimmung anderer Rechts⸗ 
nachteile wie Verfallen von Vertragsſtrafen) muß 
im Vertrage ausgemacht ſein, die geſetzlichen 
Verwirkungsfälle regelt das Geſetz ſelbſt, z. B. 
in §S 61. Die Obliegenheit ſelbſt kann auf 
Geſetz oder Vertrag beruhen. Ihre Verletzung 
muß etwas ſein — wie ſich aus Wortlaut und 
Zuſammenhang ergibt — wofür der Verſicherungs⸗ 
nehmer verantwortlich gemacht werden kann, alſo 
nicht ein von ihm durchaus unabhängig ein: 
tretendes Ereignis. Das wurde früher ſchon an- 
gedeutet. So könnte vereinbart werden, daß jede 
Entſchädigung bei Brandſtiftung durch die Dienſt— 
boten desjenigen wegfällt, der gegen Feuer Ver— 
ſicherung nahm, obgleich er geſetzlich für keinen 
anderen (ohne eigenes Verſchulden — bei Beauf— 
ſichtigung, Auswahl uſw.) haftet, und obgleich er 
auch an den betreffenden Verſicherungsfall gänzlich 


) Wegen der ſprachlichen Bedenken gegen! 3 
Ausdruck j. dieſe Zeitſchrift Jahrgang 1907 S. 


Zeitſchrift für Rechtspflege tr in Bayern. 1908. Nr. 18. 


unſchuldig iſt. Eine „Obliegenheit“, die Dienſt⸗ 
boten von der Brandſtiftung fern zu halten, darf 
in eine ſolche Vereinbarung eben nicht hinein⸗ 
gelegt werden. Obliegenheiten ſind alſo nur eigene 
Handlungen oder Unterlaſſungen des Verſicherungs⸗ 
nehmers; hiernach ift die Tragweite des § 6 zu 
bemeſſen. 
Der Verſicherungsvertrag zeigt dann aber da⸗ 
durch noch eine, freilich auch ſonſt bei Vertrags⸗ 
verhältniſſen nicht unbekannte Eigentümlichkeit, 
daß dieſe Obliegenheiten nicht zu der dem Ver⸗ 
ſicherungsnehmer zukommenden Erfüllung an den 
Verſicherer gehören. Erfüllung iſt vielmehr die 
Zahlung der Prämie an ihn; alle übrigen 
„Pflichten“ des Verſicherungsnehmers ſind keine 
ihm abverlangten Erfüllungshandlungen im Sinne 
des 8 278 BGB., ſondern fie bedingen nur 
das Recht des Verſicherungsnehmers auf die 
Leiſtung des Verſicherers. Der Verſicherer ſelbſt 
hat kein Recht auf deren Vornahme. Der Klar: 
ſtellung dieſes beſonderen Verhältniſſes habe ich 
ſeinerzeit die in „Iherings Jahrbüchern für Dog⸗ 
matik“ Bd. 53 S. 1 ff. erſchienene Abhandlung 
gewidmet; im einzelnen muß und darf ich auf 
meine dortigen Ausführungen verweiſen. Hier nur 
kurz folgendes: 
Die Nichterfüllung einer „Obliegenheit“ des 
Verſicherungsnehmers kann, wie nach § 322 
„aufſchiebend wirken. Nach $ 34 des 
VerſG. kann der Verſicherer mit ſeiner Leiſtung 
ſolange an ſich halten, als ihm nicht die nötigen 
Belege für den Verſicherungsfall beigebracht ſind; 
einen Anſpruch auf deren Beibringung oder ein 
Recht auf Schadenserſatz hat er ſelbſtverſtändlich nicht. 
Die Verletzung einer „Obliegenheit“ kann ferner 
zum Schadenserſatzanſpruche des Verſicherers führen, 
wenn z. B. der Verſicherungsnehmer gegen geſetz⸗ 
liches Verbot (bei Feuer- und Hagelverſicherung 
83 93, 111) oder gegen eine beſondere vertraglich 
übernommene Verpflichtung an dem Tatbeſtande, 
wie ihn der Verſicherungsfall hinterließ. Aende- 
rungen vornahm. Doch hat dieſer Schadens⸗ 
erſatzanſpruch die Eigentümlichkeit, daß er nie die 
Entſchädigungsſumme überſteigen und darüber 
hinaus gegen den Verſicherungsnehmer geltend 
gemacht werden könnte. Denn ein Recht des 
Verſicherers ſelbſt iſt nicht dadurch verletzt; nur 
eine Vorausſetzung für das des Verſicherungs— 
nehmers iſt mangelhaft beſchafft. Dieſer Grundſatz 
iſt in den Artikeln 38 Abſ. 2 und 61 Abſ. 2 des 
ſchweizeriſchen Geſetzes beſonders zum Ausdruck 
gebracht. 
Die Verletzung einer ſolchen „Obliegenheit“ 
kann endlich aber auch vertraglich zur Verwirkung 
im engeren Sinne, zum Verluſte des ganzen Rechts 
aus der Verſicherung für den Verſicherer führen; 
oder zur Verwirkung im weiteren Sinne, d. h. zur 
Verwirkung von anderweitigen Rechtsnachteilen, 
Vertragsſtrafen, Strafzinſen, vorzeitiger Kündi— 
gungsbefugnis des Verſicherers uſw. Das Wort 


— m A 


gebrauche in einem verſchiedenen Sinne gebraucht. 
Bei „Obliegenheiten“, an deren Verletzung im 
Vertrage ein ſolcher Vollverluſt geknüpft wurde, 
tritt dann für den Verſicherungsnehmer der Schutz 
des § 6 ein, d. h. er darf die Verletzung als 
unverſchuldet nachweiſen und kann damit dem 
Eintritte jener Rechtsverwirkung im engeren Sinne 
vorbeugen. Das war ſchon geſagt; hinzugefügt 
| 


„Verwirkung“ wird hier nach dem deutſchen Sprach⸗ 
| 


mag aber noch werden, daß auch bei Verwirkungs⸗ 
klauſeln in dem weiteren Sinne der Entſchuldigungs— 
beweis, wenn er nicht, wie denkbar und zuläſſig 
iſt, ausdrücklich im Vertrage ausgeſchloſſen wäre 
(RG. Bd. 62 S. 191), geführt werden darf. 
Und ferner, daß bei Vertragsſtrafen das richter— 
liche Ermäßigungsrecht nach BGB. § 343 eintritt 
(mit ſeiner Ausnahme nach dem HGB.). Zu 
ſolchen „Vertragsſtrafen“ ſind auch, entgegen dem 
Wortlaute des $ 339 BGB., diejenigen zu zählen, 
die, ohne an eine mangelhafte Erfüllung der Ber- 
bindlichkeit durch den Verſicherungsnehmer als 
Schuldner geknüpft zu fein, doch den Zwecken des 
Vertragsverhältniſſes dienen ſollen. 

Damit hat dann alſo das Geſetz ſür alle unter 
den § 6 fallenden Obliegenheitsverletzungen den 
wichtigen und von der früheren, teilweiſe ſo ſtarren 
Handhabung des Verſicherungsrechtes vorteilhaft ab: 
ſtechenden Grundſatz aufgeſtellt, daß der Verſiche⸗ 
rungsnehmer feine Schuldloſigkeit an der ihm 
ſonſt zur Laſt fallenden Verletzung nachweiſen dürfe. 
Und zwar iſt dieſer Grundſatz der Abänderung 
durch Vertragsbelieben entzogen. Dadurch wird 
zweierlei gewonnen. 

In den wichtigſten Fällen des ihm drohenden 
Rechtsverluſtes ſoll der Verſicherungsnehmer die 
Möglichkeit haben, darzulegen, daß ihn bei der 
ihm ſcheinbar zur Laſt fallenden Verletzung kein 
Verſchulden treffe, und daß deshalb die glatte Ver— 
weigerung der Verſicherungsleiſtung an ihn ein 
offenbares Unrecht wäre. Eine einfache Erledigung 
der Sache, wie bei der ſchroffen Verweigerung der 
Leiſtung des Verſicherers, wird dadurch freilich nicht 
erreicht; wohl aber eine allerdings auf Gefahr des 
Verſicherungsnehmers laufende Aufdeckung des 
wahren Sachverhaltes im Intereſſe einer wirklich 
gerechten Auseinanderſetzung zwiſchen den beiden 
Vertragsbeteiligten herbeigeführt. Andererſeits 
darf ſich der Verſicherer auf den äußeren, den 
Verſicherungsnehmer verdächtigenden Sachverhalt 
berufen und hat inſoweit glatte Sache; er darf 
abwarten, daß der Verſicherungsnehmer dann ſo— 
zuſagen ſeine Karten aufdeckt und dartut, daß ihn 
in Wahrheit eine Verantwortung für den dem 
Verſicherer ungünſtigen Sachverhalt nicht treffe. So 
iſt eine derartig vertraglich vereinbarte Verwirkung 
infolge der Beweislaſtverſchiebung eine feinerſonnene 
Waffe in der Hand des Verſicherers, mit der er 
in fih ungerechtfertigte Anſprüche des Verſicherungs— 
nehmers auch dann abwehrt, wenn er ſeinerſeits 
nicht in der Lage wäre, ihm eine Schuld nachzu⸗ 


Beitichrift f für ür Rechtspflege in Baye in Bayern. 1908. A 


Nr. 18. 


weiſen. Dieſe Regelung iſt aber im Grunde ſchon 
altes Recht. Denn wenn 3. B. jemand ſich ver⸗ 
pflichtet hatte, bei 100 M Strafe vor dem Schieds⸗ 
richter zu erſcheinen und kam dann nicht wegen 
Erkrankung, ſo wurde ihm nach römiſchen Rechte 
trotz des entgegenſtehenden Wortlautes der vertrag⸗ 
lichen Abmachung der Nachweis mangelnden Ver⸗ 
ſchuldens geſtattet. 

Das Geſetz verfährt nun bei den von ihm 
ſelbſt geregelten derartigen Fällen, z. B. bei der 
Verwirkung der Entſchädigung infolge willkürlicher 
Gefahrerhöhung (8 25 Abſ. 2 Satz 1), ebenſo; 
und ähnlich iſt es dann, wenn außerdem die 
Beweislaſt wegen des urſächlichen 
Zuſammenhanges verſchoben wird. So be⸗ 
ſtimmt 8 125: „Hat der Verſicherungsnehmer 
vorſätzlich oder aus grober Fahrläſſigkeit das Tier 
ſchwer mißhandelt oder ſchwer vernachläſſigt [Be⸗ 
weis des Verſicherers], fo ift der Verſicherer von 
der Verpflichtung zur Leiſtung frei, es ſei denn 
[Beweis des Verſicherungsnehmers], daß der 
Schaden nicht durch die Mißhandlung oder die 
Vernachläſſigung entſtanden iſt“, — z. B. bei 
Tötung durch Blitzſchlag. Von einem Beweiſe der 
Nichtverſchuldung kann hier nicht die Rede ſein; 
es bleibt der Regel nach, wie bei § 61 (Herbei⸗ 
führung des Verſicherungsfalles), dem Verſicherer 
überlaſſen, die Schuld dem Verſicherungsnehmer 
nachzuweiſen. § 6 und die entſprechenden geſetz⸗ 
lichen Fälle bilden alſo eigentümliche Ausnahmen 
kraft Anknüpfung der Verwirkung an gewiſſe 
äußere Tatbeſtände, die eine Annahme der Ber: 
letzung der Vertragspflichten durch den Verſiche⸗ 
rungsnehmer nahe legen. Ein allgemeiner, unbe⸗ 
dingter Grundſatz iſt alſo der ſog. Entſchuldigungs— 
grundſatz des § 6 im deutſchen Verſicherungsgeſetze 
nicht. Eine Verbindung des dem Verſicherungs— 
nehmer geſtatteten Entſchuldigungsbeweiſes und des 
Beweiſes eines Mangels an dem ſog. urſächlichen 
Zuſammenhange tritt z. B. nach § 32 bei der 
Verletzung von Obliegenheiten ein, die ihm „zum 
Zwecke der Verminderung der Gefahr oder zum 
Zwecke der Verhütung einer Gefahrerhöhung“ auf— 
erlegt waren. Hier ſoll ſich der Verſicherungs— 
nehmer nicht nur auf den Mangel eines Ver— 
ſchuldens ſeinerſeits nach $ 6 berufen dürfen, 
ſondern auch noch nach Satz 2 dieſes § 32 darauf, 
daß „die Verletzung keinen Einfluß auf den Ein— 
tritt des Verſicherungsfalles und auf den Umfang der 
Leiſtung des Verſicherers gehabt“ habe, wenn näm— 
lich ſonſt vertraglich Verwirkung daraufhin an- 
gedroht war. Und wie bei dieſen vertraglich be- 
ſtimmten Fällen wird es auch bei den im Geſetze 
ſelbſt vorgeſehenen Verwirkungsfällen gehalten 
(§ 25 Abſ. 3). 

Ich möchte den Unterſchied zwiſchen der nach 
äußerlichen Umſtänden beſtimmten Erledigung 
einer Angelegenheit und derjenigen, bei der dem 
Verſicherungsnehmer eine Darlegung geſtattet 
wird, trotz entgegenſtehenden äußeren Anſcheins 


354 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


unter Anklage ſtehenden Tat, den Abriß des Sach⸗ 
verhalts, ſeine rechtliche Würdigung und ſchließlich 
einen mehr oder minder langen Tenor enthält. Schon 
nach einigen Sekunden hat der Zuhörer den Faden 
verloren: er ſieht keinen Ausweg mehr aus dem Wuſt 
der ineinander geſchachtelten Nebenſätze und der über⸗ 
einander getürmten Partizipien. Sind gar mehrere 
Angeklagte vorhanden, die ſich „teilweiſe allein, teil⸗ 
weiſe gemeinſchaftlich“ verfehlt haben und deren ein⸗ 
zelne ſtrafbare Handlungen „teilmeife rechtlich, teil- 
weiſe ſachlich unter ſich zuſammentreffen“, ſo kann 
man in den Mienen der Zuhörer und der Zeitungs⸗ 
Berichterſtatter deutlich die Verwunderung über die 
Darſtellungskunſt der Juriſten leſen. Wie eine Ironie 
wirkt es, wenn dann der Vorſitzende zur Anklagebank 
gewendet ſpricht: „Sie haben gehört, was Ihnen zur 
Laſt liegt! Haben Sie die Anklage verſtanden?“ Ein 
wahres Glück iſt es, daß der Angeklagte in der Regel 
ſchon im Ermittelungsverfahren oder in der Bor- 
unterſuchung erfahren hat, um was es ſich handelt. 
Die Schöffen, die Geſchworenen und die beiſitzenden 
Richter der Strafkammern find nicht in dieſer glück⸗ 
lichen Lage; häufig genug können ſie erſt während des 
Verhörs und der Beweisaufnahme ein Bild vom 
Gegenſtande der Anklage gewinnen. 

Mit Entſchuldigungen iſt man raſch bei der Hand. 
Die Erwägungsform iſt angeblich deswegen unent⸗ 
behrlich, weil ſie es allein ermöglicht, daß mühelos 
ganze Abſchnitte der Anklageſchrift in den Eröffnungs- 
beſchluß herübergenommen oder, wie der Kunſtausdruck 
lautet, „inſeriert“ werden. Der Einwand iſt nicht 
recht verſtändlich; er iſt wohl nur dadurch zu erklären, 


| 
| 
daß man noch nie verſucht hat, ob das ‚Inſerieren“ 


fih auf einen Mangel an Verſchulden zu berufen, 
noch mit einem eigentümlichen Mechanismus bei 
den Friſten des Verſicherungsgeſetzes vergleichen. 
Vielfach wird nämlich zur Erfüllung der Anzeige⸗ 
pflicht dem Verſicherungsnehmer eine feſte Friſt 
mit einer gewiſſen Anzahl von Tagen geſetzt, 
innerhalb deren er alſo, ob ſäumig oder nicht, 
ſeiner Pflicht jedenfalls genügt. Er ſoll ihr aber 
auch dann noch genügen können, wenn er etwa 
dieſe ſeſte Friſt überſchritte; dann aber nachwieſe, 
daß er immer noch unverzüglich, d. h. ohne 
ſchuldhaftes Zögern, der Anzeigepflicht ent⸗ 
ſprochen habe. Neben § 92 Abſ. 2: „Der Pflicht 
zur Anzeige des Verſicherungsfalls wird genügt, 
wenn die Anzeige binnen zwei Tagen nach dem 
Eintritte des Verſicherungsfalls erfolgt“, ſteht 
aljo noch 8 6 Abſ. 2, wonach im Falle einer 
vertraglich an die Verabſäumung geknüpften Ver⸗ 
wirkung des Rechtes auf Entſchädigung dem Ver⸗ 
ſicherungsnehmer bei Verabſäumung jener feſten 
Friſt der Entſchuldigungsbeweis offen bleibt, daß 
er nicht grobfahrläſſig oder gar argliſtig die 
Anzeige unterlaſſen habe. (Schluß folgt.) 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Anuklageſchriſten und Eröffunngsbeſchlüſfe. Die 
Juriſten beginnen allmählich einzuſehen, daß ſie ſich 
mit ihrem Erwägungsſtile beim Publikum lächerlich 
machen. Aber ganz können ſie ihn doch nicht miſſen: 
er beſitzt noch eine Zwingburg, die es ihm geſtattet, 
ſein verfehltes Daſein für ein Weilchen zu friſten — 
die Anklageſchriften und die Eröffnungsbeſchlüſſe. 
Wenn nun Sturm gelaufen wird wider dieſen Hort 
und wenn verſucht wird, die Zweckwidrigkeit einer 
Form nachzuweiſen, die durch einen „Brauch von 
altersher“ geheiligt ift, fo wird manches Bureaufraten= 
herz erbeben. Manchem wird es zumute ſein wie 
dem Wodansprieſter, wenn der chriſtliche Sendbote 
die Axt an die Göttereiche legte: er wird erwarten, 
daß ein Blitz aus heiterem Himmel den Frevler zu 
Boden ſchmettert. 

Ich würde den Angriff auf die altehrwürdige 
Einrichtung nicht verſuchen, wenn ich nicht überzeugt 
wäre, daß fie unſere Strafrechtspflege ſchädigt.) Der 
Eröffnungsbeſchluß fol die Grundlage der Haupt- 
verhandlung bilden; man follte alſo erwarten, daß er 
ſich durch beſondere Klarheit und Einfachheit der 
Faſſung auszeichnet. Allein der Vorſitzende entfaltet 
ein umfangreiches Aktenſtück und verlieſt einen einzigen 
Satz, der in wirrer Unverſtändlichkeit zunächſt die 
Beſetzung der Eröffnungskammer, Tag und Stunde 
des Beſchluſſes, die perſönlichen Verhältniſſe des An- 
geklagten, die einzelnen geſetzlichen Merkmale der 


nicht auch auf andere Weiſe gelingt. Denn warum 
folte eine ſchlechte Stiliſierung die Umformung er: 
leichtern? 

Ich will nur ganz kurz andeuten, in welcher 
Weiſe Anklageſchrift und Eröffnungsbeſchluß in ein 
vernünftiges Deutſch gebracht werden können, ohne 
daß man die bequeme und lobenswerte Gewobnheit 
des „Einſetzens“ aufgeben muß. Die Form, die ich 
angeben will, ſoll keineswegs ein allgemein gültiges 
Muſter fein; man wird andere und beſſere finden, 
wenn man ſich nur einmal aus dem Banne der An— 
ſchauung losgerungen hat, daß man ohne die alten 
Formulare nicht auskommen könne. 

Es wird in der Regel zweckmäßig ſein, mit dem 
„Tenor“ der Anklage und des Eröffnungsbeſchluſſes 
zu beginnen. Alſo: 

„Ich erhebe die öffentliche Klage gegen N. N. 
(perſönliche Verhältniſſe) wegen eines Verbrechens der 
Urkundenfälſchung, das mit einem Vergehen des Be— 
trugs rechtlich zuſammentrifft (58 .. .).“) Ich bean: 
trage hierwegen?) das Hauptverfahren gegen N. N. 
vor der J. Strafkammer des Landgerichts B. zu 
eröffnen.“ 

Der Eröffnungsbeſchluß wird dann anheben: 

„Es wird gegen N. N. (perſönliche Verhältniſſe) 
das Hauptverfahren vor der I. Strafkammer des 


) Die übliche Form: „wegen eines mit einem 
Vergehen des Betrugs rechtlich zuſammentreffenden 
Verbrechens der Urkundenfälſchung“ tut der deutſchen 
Beſſerung bringen (vgl. 8 198 Abſ. 1 Satz 2; § 204 | Sprache Gewalt an, der ſolche zuſammengepreßte 
des Entwurfs). Der Entwurf zeigt überhaupt das Wendungen nicht geläufig ſind. 
lobenswerte Beſtreben, der Schreibſeligkeit Einhalt 2) Nicht „wegen der oben bezeichneten ſtrafbaren 
zu tun. Handlungen“ oder „wegen der oben genannten Renate“. 


1) Die Reform des Strafprozeſſes wird wohl eine 


Landgerichts B. eröffnet wegen eines Verbrechens der aus dem Leſerkreiſe noch weitere Vorſchläge. 


Urkundenfälſchung, das mit einem Vergehen des Be⸗ 
trugs rechtlich zuſammentrifft. (SS . . .)“ 

Nun folgt die Begründung: „N. N. iſt hinreichend 
verdächtig „. Dieſer Teil, der im weſentlichen 
in der bisher gebräuchlichen Weiſe abgefaßt werden 
muß, wird aus der Anklageſchrift wörtlich in den 
Eröffnungsbeſchluß herübergenommen werden können. 


Soweit wäre alles gut. Wie ſoll aber die Dar⸗ 
ſtellung des Sachverhalts untergebracht werden? Zur⸗ 
zeit pflegt man ſie mit „indem“ an den geſetzlichen 
Tatbeſtand anzuhängen, damit jedermann ſehe, der 
Sachverhalt ſtehe noch unter der Herrſchaft des „hin⸗ 
reichend verdächtig“, werde alſo nur als beweisbar, 
nicht etwa als bewieſen hingeſtellt. Gerade dadurch ent⸗ 
ſteht die Unverſtändlichkeit unſerer Anklageſchriften 
und Eröffnungsbeſchlüſſe. Die Hauptſache kommt in 
einen Nebenſatz, noch dazu in einen Nebenſatz, der in 
einem Atem ohne Unterbrechung eine Geſchichte er— 
zählt, aus der man zuweilen einen ganzen Kriminal- 
roman machen könnte. Solange man fih nicht entz 
ſchließt mit dieſer Gewohnheit zu brechen, iſt eine 
Beſſerung nicht zu hoffen. Der Sachverhalt muß in 
kurzen einfachen Sätzen der Zeitfolge nach erzählt 
werden, ſo wie man eben eine Geſchichte hübſch und 
ſauber erzählt. Allein ich höre ſchon die ängſtliche 
Frage, ob die Aufhebung des Zuſammenhangs mit 
dem „hinreichend verdächtig“ nicht dazu führen wird, 
daß man die Anklage mit einem Urteile verwechſelt. 
Es ſtünde ſchlimm um die Erfindungsgabe unſerer 
Juriſten, wenn ſie dieſer Gefahr nicht begegnen könnten. 
Durch eine kurze Ueberſchrift oder durch einen kleinen 
einleitenden Satz kann man dem Leſer zu verſtehen 
geben, daß der Staatsanwalt und die eröffnende 
Kammer nur annehmen, der Sachverhalt werde ſich 
in der Hauptverhandlung feſtſtellen laſſen. Man kann 
ſchreiben „Beweisbarer Sachverhalt“ oder „Es wird 
folgender Sachverhalt bewieſen werden“ oder „Die 
bisherigen Ermittelungen haben folgendes ergeben“. 
Die in ungezwungener Rede folgende Erzählung wird 
aus der Anklageſchrift wörtlich in den Eröffnungs— 
beſchluß eingeſetzt. 

Daß die im Sachverhalte geſchilderten Handlungen 


des Angeklagten den Tatbeſtand des Verbrechens oder 


Vergehens erfüllen, wegen deſſen Anklage erhoben 
und das Hauptverfahren eröffnet wird, iſt ſelbſtver— 
ſtändlich und muß nicht nochmals hervorgehoben 
werden. Aus den Eröffnungsbeſchlüſſen können auch 
die langweiligen Eingänge verſchwinden, in denen um— 
ſtändlich geſchildert wird, wie ſich die drei Richter 
„vormittags 9½ Uhr“ zur „geheimen Beratung“ zu- 
ſammenſetzen (ſ. hierüber die Fußnote auf S. 30 
meiner Schrift „Der dienſtliche Verkehr und 
die Amtsſprache“, 2. Aufl., München 1908). 

Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die empfohlene Form 
nicht immer verwendbar iſt. Wenn Eröffnung des 
Hauptverfahrens, Nichteröffnung und Einſtellung des 
Verfahrens nach § 208 Abſ. 1 der StPO. zuſammen— 
treffen, kann die Geſtaltung des Eröffnungsbeſchluſſes 
einige Schwierigkeiten machen. Bei einigem Nach— 
denken wird man aber auch in ſolchen Fällen eine 
überſichtliche Anordnung treffen können: das Mehr 
an Arbeit, das dem Berichterſtatter zufällt, kommt 
dem entſcheidenden Gerichte zugute. 

Ich wäre erfreut, wenn meine Anregung auf einen 
fruchtbaren Boden fiele. Vielleicht bringt eine Stimme 


AZeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


Grundſatzes, 


l 


— — ee —ä —³0 ] 


Es 
wäre ſehr zu wünſchen, daß die Herren Amts⸗ 
vorſtände und geſchäftsleitenden Staatsanwälte ihre 
Aufmerkſamkeit auf eine Angelegenheit lenken, die 
nicht nur formelle Bedeutung hat. 

Landgerichtsrat von der Pfordten in München. 


Ein Ausnahmezuſtand bei der Entſcheidung ge- 
werblicher Streitigkeiten. Die Durchbrechung des 
daß jeder Rechtsſchutzbedürftige ſein 
Recht vor dem ordentlichen Richter zu ſuchen habe, wie 
es insbeſondere im Gewerbegerichts- und Kaufmanns⸗ 
gerichtsgeſetz an den Tag getreten iſt, läßt trotz der Be⸗ 
ſtimmungen der 88 1, 3, 55 GewGG. noch Ausnahmen 
zu, die bei dem Standpunkte, den die Geſetzgebung 
hinſichtlich der gewerblichen Arbeiter einnimmt, eigen⸗ 
tümlich anmuten. 

Bekanntlich beſtimmt § 84 des GewGG., daß die 
Zuſtändigkeit der Innungsſchiedsgerichte durch das 
Gew. keine Einſchränkung erleide und daß durch die 
Zuſtändigkeit eines Innungsſchiedsgerichtes die Zu⸗ 
ſtändigkeit eines für den Bezirk der Innung beſtehen⸗ 
den Gewerbegerichts ausgeſchloſſen werde. 

Die durch die Gewerbeordnung zugelaſſenen 
Innungsſchiedsgerichte find nun entſprechend den Ge- 
werbegerichten zur Hälfte mit Innungsmitgliedern, zur 
Hälfte mit den bei ihnen beſchäftigten Geſellen (Ge— 
hilfen) und Arbeitern und einem Vorſitzenden beſetzt 
(S 91 I, II Gew.). Sie find alfo Sondergerichte, 
Standesgerichte im eigentlichen Sinne des Wortes, 
da ſie außer dem Vorſitzenden, der der Innung nicht 
anzugehören „braucht“ (5 91 III a. a. O.), aus lauter 
Fachgenoſſen, Angehörigen desſelben Gewerbes, zu- 
ſammengeſetzt ſind. Gleichwohl ſcheint man ihnen 
nicht die Gewähr einer zuverläſſigen Rechtſprechung. 
zuzutrauen, ſondern ſieht in ihnen nur eine Art 
Sühnegericht, wenn auch die Entſcheidungen nach 
§ 91 b GewO. in Rechtskraft übergehen, wenn nicht, 
und das iſt das Widerſprechende der Geſetzgebung, 
innerhalb eines Monats von einer Partei Klage beim 
ordentlichen Gericht erhoben wird. 

$ 91 der GewO. enthält außerdem in ne 
6. Abſatz noch die bezeichnende Beſtimmung, daß, wenn 
die achttägige Friſt zur Auberaumung des erſten Termins 
nach Eingang der Klage nicht innegehalten wird, der 
Kläger verlangen kann, daß ſtatt des Innungsſchieds⸗ 
gerichts das Gewerbegericht oder, wo ein ſolches nicht 
beſteht, das ordentliche Gericht entſcheidet. 


Hat aber das Innungsſchiedsgericht einmal in 
einer Sache entſchieden, jo ift nicht, wie man an= 
nehmen ſollte, das für den keiner Innung unter: 
ſtehenden Arbeiter zuſtändige Gewerbegericht auch von 
dem einer Innung unterſtehenden Arbeiter oder Ge— 
hilfen anzugehen, ſondern das ordentliche Gericht, 
alſo in der Regel das Amtsgericht. 

In dieſem Falle greift natürlich dann nicht die 
Beſchränkung des § 55 GewGdG. Platz, wonach Be: 
rufung nur zuläſſig iſt, wenn der Wert des Streit— 
gegenſtandes den Betrag von 100 M überjteigt, ſondern 
die Berufung it uneingeſchränkt zuläflig; es ſteht auch 
das Landgericht noch offen. Der Innungsarbeiter hat 
aljo die Möglichkeit, fein Recht vor drei Inſtanzen, zu 
ſuchen. Dieſes Recht iſt ihm nur dann unmöglich ge— 
macht, wenn er, um ſchneller zu ſeinem Rechte zu 


356 Zeitſchrift für Rechtspflege in 


kommen, im Falle des § 91 VI GewO. an das Ge- 
werbegericht geht. 
Daß dieſer ſonderbare Zuſtand für die Beteiligten 


der Innung von Nachteil iſt, wird nun wohl nicht 


behauptet werden können, er bildet aber doch einen 
Ausnahmezuſtand gegenüber den übrigen keiner Innung 
zugehörenden und den Gewerbegerichten unterſtehenden 
Arbeitgebern und Arbeitern. Dadurch iſt der Grund— 
ſatz: „Gleiches Recht und gleiches Gericht für alle“ 
in erhöhtem Maße durchbrochen. 

Rechtsanwalt Zahn in Straubing. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Welcher Beweis muß geführt werden, um die Ber: 
mutungen Helene der Ehelichkeit eines Kindes zu ent⸗ 
kräften? Begründung einer Vaterſchaft durch künſtliche 
Befruchtung? Die Ehefrau des Klägers hat ein Kind 
geboren. Die Ehelichkeit hat der Kläger mit der Klage 
angefochten, weil es nur in außerehelichem Geſchlechts— 
verkehr erzeugt ſein könne. Abgeſehen von einigen 
ergebnisloſen Verſuchen in der erſten Zeit der Ehe 
ſei es niemals, insbeſondere nicht in der Empfängnis— 
zeit zwiſchen ihm und ſeiner Ehefrau zu einer Bei— 
wohnung oder auch nur zu einem Verſuche der Bei— 
wohnung gekommen. Außerdem ſei der Kläger zeugungs— 
unfähig. Die Beklagte beſtritt dieſe Anführungen und 
behauptete, die Empfängnis könne auch dadurch her— 
beigeführt ſein, daß die Ehefrau des Klägers aus dem 
Bettuche im Bette des Klägers, das dieſer eben ver— 
laſſen gehabt habe, den friſch ergojienen Samen auf— 
geſammelt und in die Scheide eingeführt habe. Nach 
Erſtattung eines Gutachtens über die Zeugungsfähig— 
keit des Klägers wurde die Klage abgewieſen. In 
2. Inſtanz wurde weiterer Beweis erhoben. Es wurde 
insbeſondere über die Möglichkeit der künſtlichen Be— 
ſruchtung ein Gutachten des Profeſſors F. erſtattet. 
Die Berufung wurde ſodann zurückgewieſen. Die Revi— 
ſion des Klägers hatte Erfolg. 

Gründe: 1. Nach § 1591 BGB. ift ein nach Ein- 
gehung der Ehe geborenes Kind ehelich, mag es die 
Frau vor oder während der Ehe empfangen haben, 
wenn der Mann innerhalb der Empfängniszeit der 
Frau beigewohnt hat. Für dieſe Beiwohnung ſpricht 
nach § 1591 Abſ. 2 die Vermutung, auch in dem Falle, 
daß die Empfängniszeit in die Zeit vor der Ehe fällt, 
wo allerdings die Vermutung nur in beſchränktem 
Maße gilt. Die Vermutung hat, ſoweit die Empfäng— 
nis in die Zeit der Ehe fällt, ihre Grundlage in der 
durch die eheliche Gemeinſchaft begründeten Wahr— 
ſcheinlichkeit des Geſchlechtsverkehrs. Die Führung des 
Gegenbeweiſes, daß der Ehemann während der Emp— 
fängniszeit der Frau nicht beigewohnt hat, iſt unbe— 
ſchränkt zuläſſig. Wird die Vermutung durch Gegen— 
beweis widerlegt, ſo fällt auch die Vermutung der 
Ehelichkeit des Kindes fort. Wird die Vermutung 
nicht widerlegt, ſo gilt das Kind als ehelich, es wird 
in dieſem Falle vermutet, daß durch die Beiwohnung 
des Ehemanns während der Empfängniszeit die Er— 
zeugung des Kindes bewirkt iſt. Dieſe Vermutung 
der Urſächlichkeit kann nicht ohne weiteres dadurch 
beſeitigt werden, daß Umſtände nachgewieſen werden, 
die es zweifelhaft erſcheinen laſſen, ob das Kind aus 
der Beiwohnung des Ehemanns und der Mutter her— 
rührt. Im Intereſſe der Ehelichkeit des Kindes iſt zur 
Entkräftung der Vermutung nur der Beweis zuge— 


... ĩ—ꝓt̃¶⅛—ðs . 1 ——— —rC—[ß——2ñꝛ—ꝛ—xx—— ̃ ͤ— Me ⅛ ͤꝶV— — — ̃ —— — — —— —ꝛ—ę— — — —— 


Bayern. 1908. Nr. 18. 


laſſen, daß es den Umſtänden nach offenbar unmöglich 
iſt, daß die Frau das Kind von dem Manne emp— 
fangen hat (§ 1591 Abſ. 1 Satz 2). Verbleiben irgend 
welche Zweifel, ſo iſt zugunſten der Ehelichkeit zu ent— 
ſcheiden. Dieſe Beſchränkung des Gegenbeweiſes greift 
aber nur Platz, wenn das Kind nach 8 1591 Abſ. 1 
Satz 1 als eheliches anzuſehen iſt. In dem erſten 
Entwurf (88 1468, 1469) war ohne Zulaſſung eines 
Gegenbeweiſes die Fiktion aufgeſtellt, daß das von 
der Ehefrau geborene Kind von dem Ehemann erzeugt 
fei, wenn er innerhalb der in die Zeit der Ehe fallen- 
den Empfängniszeit mit der Ehefrau den Beiſchlaf 
vollzogen hatte. Erſt von der 2. Kommiſſion (Prot. 
Bd. 4 S. 463) wurde dem Ehemann die Möglichkeit 
des Gegenbeweiſes gewährt, daß es den Umſtänden 
nach offenbar unmöglich ſei, daß die Ehefrau das Kind 
von ihm empfangen habe. 8 1591 Abſ. 1 Satz 2 ſtellt 
nicht unabhängig von der Beſtimmung des Abſ. 1 
Satz 1 eine ſelbſtändige Rechtsregel des Inhalts auf, 
daß ein jedes in der Ehe geborene Kind ehelich ſei, 
ſofern nicht die offenbare Unmöglichkeit der Erzeugung 
durch den Ehemann vorliege, ſondern gibt nur eine 
Ausnahme von der in Satz 1 enthaltenen Beſtimmung. 
Dieſer Zuſammenhang tritt auch ſprachlich darin her— 
vor, daß, während Satz 1 von einem nach Eingehung 
der Ehe geborenen Kinde ſpricht, Satz 2 mit den 
Worten: „Das Kind iſt nicht ehelich“ auf dasjenige 
Kind zurückverweiſt, von dem im Satz 1 die Rede war. 
Die negative Faſſung in Satz 2 ift gegenüber der pofi- 
tiven Faſſung in Satz 1 gewählt, um damit auszus 
drücken, daß dem die Ehelichkeit Anfechtenden, der den 
Tatbeſtand des Satz 2 behauptet, die Beweislaſt Hier- 
für zufällt (vgl. z. B. die Ausdrucksweiſe in § 814, 
2339 Satz 2). Das Verhältnis der beiden Sätze zu 
einander iſt genau dasſelbe, als wenn der zweite Satz 
mit den Worten „es ſei denn, daß“ an den erſten 
Satz angeſchloſſen wäre. 

Dieſe Rechtslage wird, wie die Reviſion mit Recht 
rügt, von dem Berufungsrichter verkannt. Nach der 
im Berufungsurteil getroffenen Feſtſtellung liegt der 
Fall vor, daß der die Ehelichkeit anfechtende Kläger 
ſeiner Ehefrau, von der das Kind geboren iſt, während 
der Empfängniszeit nicht beigewohnt hat, auch keinerlei 
Verſuche der Beiwohnung gemacht hat. Die Empfäng— 
nis fol dadurch bewirkt fein, daß die Mutter des be- 
klagten Kindes, nachdem der Kläger fein Bett ver- 
laſſen hatte, den während der Nacht in das Bettuch 
ergoſſenen Samen des Klägers mittels einer Kerze 
aufgeſammelt und in die Scheide eingeführt hat. Daß 
dies kein Fall der Beiwohnung im Sinne des 81591 
iſt, bedarf keiner Ausführung. Mag es auch zuläſſig 
ſein, den Begriff der Beiwohnung im Sinne dieſes 
Geſetzes auf beiwohnungsähnliche Handlungen in wei— 
teſtem Umfange auszudehnen, ſo kann doch der hier 
vorliegende Tatbeſtand, daß die Ehefrau ohne mit— 
wirkende Handlung und in Abweſenheit des Ehemanns 
deſſen Samen zur Selbſtbefruchtung verwendet, keines— 
falls der Vorſchrift des 8 1591 Abſ. 1 mit der Wirkung 
unterſtellt werden, daß die hier aufgeſtellte, nur durch 
den Gegenbeweis der offenbaren Unmöglichkeit der Er— 
zeugung durch den Ehemann zu beſeitigende Ver— 
mutung der Ehelichkeit des von der Ehefrau geborenen 
Kindes zur Anwendung gebracht werden kann. Es 
iſt durch nichts gerechtfertigt, den Kindern, die in 
dieſer anomalen Weiſe durch künſtliche Befruchtung 
empfangen ſein ſollen — ihre Möglichkeit voraus— 
geſetzt — dieſelbe Vorzugsſtellung hinſichtlich des Be— 
weiſes der Ehelichkeit einzuräumen, wie den durch Bei— 
wohnung empfangenen Kindern. Rechtlich verfehlt iſt 
es hiernach, wenn der Berufungsrichter den Stand— 
punkt einnimmt, das beklagte Kind ſei nur dann als 
ein uneheliches anzuſehen, wenn die Unmöglichkeit, 
daß die Ehefrau des Klägers das Kind auf die von 
ihr angegebene Weiſe empfangen habe, offen zutage 
liege. Von dieſem das materielle Recht betreffenden 


Rechtsirrtum wird die Beweiswürdigung des Vorder— 
richters in jeder Hinſicht beherrſcht. 

2. Die Aufhebung des Berufungsurteils ift des- 
halb geboten. Der Berufungsrichter wird nunmehr 
von der richtigen Rechtsgrundlage aus zu prüfen haben, 
ob von der Beklagten der Beweis geführt iſt, daß die 
Ehefrau des Klägers das Kind wirklich von ihrem 
Ehemann empfangen hat. Es wird hierbei auch zu 
prüfen ſein, ob es nach den Regeln der Wiſſenſchaft 
überhaupt möglich iſt, daß auf dem von der Ehefrau 
des Klägers geſchilderten Wege eine künſtliche Be— 
fruchtung zuſtande kommt. Der Berufungsrichter hat 
eine ſolche Möglichkeit angenommen und ſich dabei 
auf verſchiedene Schriftſteller berufen. Es iſt aber 
nicht anzuerkennen, daß die in Bezug genommenen 
Stellen (die von der Möglichkeit der Empfängnis trotz 
hochgradiger Verengung der vagina ſprechen) hierfür 
etwas beweiſen. Irrig iſt die Meinung des Vorder— 
richters, daß nach den Motiven zum 1. Entwurf Bd. 4 
S. 656 die Ehelichkeit des Kindes im Falle der Im— 
potenz des Mannes nicht habe ausgeſchloſſen und die 
Beurteilung des äußerſt ſelten vorkommenden Falles 
der künſtlichen Befruchtung der Rechtſprechung habe 
überlaſſen werden follen. In den Motiven wird an 
der angeführten Stelle bei Erörterung des § 1469 des 
1. Entwurfs, welcher im Falle ehelicher Beiwohnung 
den Gegenbeweis gegen die Vermutung der Ehelichkeit 
ausſchließen wollte, die Frage beſprochen, ob trotz des 
äußerlichen Aktes der Beiwohnung das Vorhandenſein 
einer Beiwohnung im Sinne des Geſetzes wegen man— 
gelnder Zeugungsfähigkeit des Mannes verneint werden 
könne, und wird geſagt, daß die Beantwortung dieſer 
Frage der Rechtswiſſenſchaft zu überlaſſen ſei. Mit 
der künſtlichen Befruchtung hat dies nichts zu tun. 
Bei der Frage, ob und unter welchen Vorausſetzungen 
die künſtliche Befruchtung möglich iſt, handelt es ſich 
um eine naturwiſſenſchaftliche Frage, die nicht ohne 
genaue Prüfung des jetzigen Standes der phyſiologi— 
ſchen Forſchungsergebniſſe unter Zuziehung von Sach— 
verſtändigen entſchieden werden kann. Der Sachver— 
ſtändige Profeſſor F. hat die Möglichkeit der künſtlichen 
Befruchtung entſchieden verneint. Würde gleichwohl 
der Berufungsrichter ſie bejahen wollen, ſo würde 
weitere Beweiserhebung unter Vernehmung anderer 
Sachverſtändiger unerläßlich ſein. Dadurch, daß er 
das Gutachten für anfechtbar erklärt, iſt eine Beweis— 
grundlage für die Annahme der Möglichkeit der künſt— 
lichen Befruchtung nicht geſchaffen. Auch in dieſer 
Hinſicht ſtellt ſich der Vorderrichter auf den rechtlich 
unhaltbaren Standpunkt, daß es nicht darauf an— 
komme, die Möglichkeit der Empfängnis auf dem von 
der Beklagten behaupteten Wege, ſondern deren Un— 
möglichkeit darzutun. 

3. Es kann ſchließlich noch die Frage aufgeworfen 
werden, ob es rechtlich möglich iſt, durch künſtliche 
Befruchtung eine Vaterſchaft desjenigen zu begründen, 
gegen oder ohne deſſen Willen der Samen zur Herbei— 
führung der Empfängnis benutzt wird. Seitens der 
Beklagten iſt in dieſer Beziehung der Sachverhalt ſo 
dargeſtellt, daß der Kläger ſich ein Kind gewünſcht 
habe und daß ſeine Ehefrau, um ihm dieſen Wunſch 
zu erfüllen und zugleich ein beſſeres Verhältnis zu 
ihrem Ehemann herzuſtellen, zu der künſtlichen Be— 
fruchtung ſich entſchloſſen habe, womit der Kläger 
ſehr einverſtanden geweſen wäre, wenn er nur die 
Ueberzeugung gewinnen könnte, wirklich auf dieſem 
Wege Vater geworden zu ſein. Auf eine Prüfung 
dieſer Anführungen nach ihrer tatſächlichen Richtigkeit 
und nach ihrer rechtlichen Bedeutung iſt der Berufungs— 
richter bisher nicht eingegangen, was nötigenfalls noch 
nachzuholen iſt. Das Reviſionsgericht ſieht ſich nicht 
veranlaßt, zu der aufgeworfenen Rechtsfrage, deren 
Bejahung allerdings wegen der ſich hieraus ergebenden 
Folgen, zumal bei Mitberückſichtigung der außerehe— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


ß ĩ ͤÄ... — — — — ——— —— — 


lichen Empfängnis, begründeten Bedenken unterliegt, 


ſchon jetzt vor Aufklärung des in Betracht kommen— 
den tatſächlichen Sachverhalts endgültig Stellung zu 


nehmen. (Urt. des IV. 35. vom 4. Juni 1908, 1V 
443/07). 3 
1364 


II. 


Eine Forderung der Fran auf einen Geſchäſts⸗ 
gewinn iſt nicht Vorbehaltsgut im Sinne des § 1367 
BGB., wenn fie vor der Eingehung der Ehe begründet 
wurde, mag fie auch erft nach der Eingehung der Ehe 
fällig werden. Der vom Berufungsgericht einge— 
nommene Standpunkt in Anſehung des Geſchäfts— 
gewinnes, der ſchon vor Eingehung der Ehe von der 
Klägerin durch Begründung von Forderungen ver— 
dient, aber zufolge der vereinbarten ratenweiſen Ab— 
zahlungen erſt ſpäter fällig wurde, iſt rechtsirrig. 
Vorbehaltsgut im Sinne des S 1367 BGB. ift nur 
das, was eine Ehefrau während der Ehe durch ihre 
Arbeit oder durch den ſelbſtändigen Betrieb eines Er- 
werbsgeſchäfts erwirbt. Was dagegen eine Frau ſchon 
vor Eingehung der Ehe erarbeitet hat, was ihr bereits 
damals als Geſchäftsgewinn aus früheren Geſchäfts— 
abſchlüſſen von Dritten geſchuldet wurde, gehört zu 
ihrem eingebrachten Gut. Maßgebend iſt der Zeit— 
punkt des Abſchluſſes eines gewinnbringenden Geſchäſts, 
nicht der Tag des Eingangs des ſich als Gewinn 
darſtellenden Geldbetrages. Das Berufungsgericht 
hat gegenüber der Behauptung der Klägerin, alle 
Geſchäfte, um deren Gewinn es ſich handle, ſeien vor 
Eingehung der Ehe mit ihren Käufern geſchloſſen 
worden, eine entgegenſtehende tatſächliche Feſtſtellung 
nicht getroffen. Es konnte daher bei Anwendung des 
§ 1361 Abſ. 2 BGB. der Klägerin nicht entgegen: 
halten, daß ihr für die nächſten Jahre auf 5000 M 
jährlich veranſchlagtes Einkommen aus den vor Ein— 
gehung der Ehe geſchloſſenen Geſchäften Vorbehalts— 
gut ſei, das ſie unter Wegfall jeglichen Unterhalts— 
beitrags des Ehemannes gemäß 85 1367, 1371, 1427 
Abſ. 2 BGB. zur Beſtreitung ihres Unterhalts zu 
verwenden habe. (Urt. des IV. ZS. vom 15. Juni 
1908, IV 604/07). — — n. 

1365 


III. 


Orts⸗ und Zeitangabe beim eigenhändigen Teſtamente. 
Wie find Orts: und Zeitangaben zu beurteilen, die fidh 
auf einem „Umſchlage“ befinden? Bei der Errichtung 
eines eigenhändigen Teſtamentes hat der Erblaſſer 
zur Angabe des Ortes und Tages einen Vordruck in 
der Weiſe benutzt, daß die Worte „W. a. d. Ruhr“ 
überhaupt nicht und in der Jahreszahl die Ziffer 1 
ebenfalls nicht von ſeiner Hand herrühren. Das Teſta— 
ment befand ſich jedoch in einem verſiegelten Umſchlage, 
der die von dem Erblaſſer ſelbſt geſchriebene Aufſchrift 
trägt: 
„Teſtament von G. W. 
W. am 14. 7. 1900.“ 


Beides, der Umſchlag und das in ihm enthaltene 
Teſtament befanden ſich wiederum in einem zweiten, 
gleichfalls verſiegelten Umſchlage und zwar zuſammen 
mit einem an das Amtsgericht W. gerichteten Schreiben. 
Das Reichsgericht äußerte ſich zu der Frage der Gültig— 
keit des Teſtaments in folgender Weiſe: 

Das OLG. geht davon aus, daß die in Ş 2231 
Nr. 2 für das eigenhändige Teſtament vorgeſchriebene 
handſchriftliche Beurkundung nicht allein die ſachliche 
Erklärung des Erblaſſers, ſondern auch die Angabe 
des Ortes und Tages der Errichtung zu umfaſſen 
habe. Mit Unrecht wird die Richtigkeit dieſes Rechts— 
ſatzes von der Reviſion in Zweifel gezogen. Muß die 
Erklärung „unter Angabe des Ortes und Tages“ 
von dem Erblaſſer eigenhändig geſchrieben und unter— 
ſchrieben werden, ſo bedeutet dies bei ungezwungener 
Geſetzesauslegung nicht eine formfreie Datierung neben 


einer gleichzeitigen Steigerung der an bie Erklärung 
ſelbſt geſtellten Schriftlichkeitsanforderungen (vgl. § 126 
Abſ. 1 BGB.), fo daß es nur auf einen zeitlichen und 
höchſtens noch auf einen räumlichen Zuſammenhang 
zwiſchen der Orts- und Tagesangabe und der Er— 
klärung ankäme. Es iſt damit vielmehr die von dem 
ae in eigner Perſon vorzunehmende handſchrift— 
liche Beurkundung einheitlich für die ganze Ur- 
kunde und ſo auch für das Datum als einen ihrer 
weſentlichen Beſtandteile vorgeſchrieben. Nur das 
Unterſchriftserfordernis des §S 2231 Nr. 2 BGB. ift 
auf die ſachliche Erklärung des Erblaſſers beſchränkt, 
ſo daß die Angabe des Ortes und Tages auch ununter— 
ſchrieben der Erklärung räumlich nachfolgen darf 
(RGE. Bd. 52 S. 277 ff.). Die Formanforderungen an 
das Datum noch weiter herabzuſetzen, verbietet die 
Rückſicht auf die Rechtsſicherheit. Denn entweder gilt 
das Gebot der eigenhändigen Niederſchrift auch für die 
Angabe des Ortes und Tages oder es gilt für ſie 
nicht. Im letzteren Falle wären ungeſchriebene Da— 
tierungen aller Art, alſo nicht nur ſolche, die unter 
Benutzung eines Vordrucks hergeſtellt ſind, ſondern 
auch Vermerke durch Stempelaufdruck oder in Maſchinen— 
Schrift hinreichend und fogar bei handſchriftlichen Ver- 
merken von fremder Hand käme es auf die Frage an, 
ob der Erblaſſer ſie als Teil der Urkunde in dieſe 
hineinnehmen wollte oder ob ſie ohne ſeinen Willen 
mißbräuchlich hinzugeſetzt ſind. Es iſt ausgeſchloſſen, 
daß es in der Abſicht der Geſetzgebung gelegen haben 
könnte, die Entſcheidung über die Rechtsgültigkeit des 
eigenhändigen Teſtaments von dem Ergebnis derartiger 
Unterſuchungen abhängig zu machen. Zugegeben kann 
dabei werden, daß die Ausdehnung des Gebots der 
Eigenhändigkeit auf das Datum des Privatteſtaments 
im art. 970 code eivil ſowie im Satze 970 des bad. LR. 
einen beſtimmteren Ausdruck gefunden hat als im 
& 2231 Nr. 2 BGB. Aus der Abweichung der Geſetzes— 
faſſung läßt ſich aber nicht der Schluß ziehen, daß die 
an das eigenhändige Teſtament zu ſtellenden Form— 
anforderungen im Vergleiche zu denen des franzöſiſchen 
Rechts herabgeſetzt werden ſollten. Ein derartiges 
Beſtreben iſt bei der Entſtehung des BGB. niemals 
hervorgetreten. Schon der J. Entw. hat das eigen— 
händige Teſtament als außerordentliche Teſtaments— 
form unter beſtimmten Vorausſetzungen zulaſſen wollen 
(SS 1931, 1927 Abſ. 1 Nr. 2) und in erweitertem Maße, 
nämlich für Verordnungen von beſtimmtem Inhalt 
ſollte das eigenhändige Teſtament nach den Beſtim— 
mungen des Entwurfs der 2. Leſung allgemein zuge— 
laſſen werden (vgl. SS 2117 Abſ. 2, 2114 Abſ. 1 Nr. 2, 
2119, 2120 II. Entwurf). Die Faſſung der Beſtim— 
mungen war in beiden Entwürfen mit Bezug auf die 
Formanforderungen im weſentlichen überall die gleiche 
wie im § 2231 Nr. 2 BGB. Zum Muſter aber hat 
nach den Bemerkungen der Motive Bd. 5 S. 288 ff. 
unter anderem auch das preuß. Geſetz vom 3. April 
1823 (Geſetzſammlung S. 40) gedient, deffen § 2 über 
das Erfordernis der eigenhändigen Niederſchrift des 
Datums gleichfalls keinen Zweifel läßt. Es kann 
daher nur bei dem verbleiben, was bereits in dem 
Urteile des Senats vom 7. April 1902 (RGE. Bd. 51 
S. 169) ausgeführt worden ift, daß die Faſſung des 
8 2231 Nr. 2 BGB. nicht darauf abzielt, an das eigen- 
händige Teſtament geringere Formanforderungen zu 
ſtellen, wie fie im art. 970 code civil geſtellt find, 
ſondern darauf, in gewiſſer Beziehung die Formſicher— 
heit fogar noch zu verſtärken. 

Hieraus ergibt ſich für den vorliegenden Fall, 
inſoweit als das Teſtament vom 14. Juli 1900 uns 
mittelbar mit einem Datum verſehen iſt, daß zwar 
die Angabe des Tages der Errichtung, wenn man die 
von dem Erblaſſer geſchriebenen Worte und Ziffern 
allein gelten läßt, für genügend angeſehen werden 
könnte. Es fehlt dagegen an einer von der eigenen 
Hand des Erblaſſers herrührenden ſchriftlichen Angabe 


des Errichtungsortes, und da dieſer weſentliche Form⸗ 
beſtandteil durch die Verwendung eines Vordrucks 
nicht erſetzbar ift, fo ift das Teſtament gemäß § 125 
Satz 1 BGB. nichtig, es ſei denn, daß dieſer, der 
Teſtamentsurkunde anhaftende Formmangel durch die 
Datierung des inneren Umſchlages aufgewogen wird. 
Der Berufungsrichter hält die Aufſchrift des inneren 
Umſchlags, obwohl ſie vollſtändig von der Hand des 
Erblaſſers herrührt, nicht für geeignet, die der Teſta⸗ 
mentsurkunde fehlende Ortsangabe zu erſetzen. Er 
führt aus: der Umſchlag bilde keine Fortſetzung des 
Teſtaments, ſeine Aufſchrift ſei nur eine Inhaltsangabe. 
Die Annahme, daß der Erblaſſer vielleicht von Zweifeln 
über die Ordnungsmäßigkeit der Datierung auf dem 
Teſtamente erfüllt geweſen ſei und aus dieſem Grunde 
die Hülle des Teſtaments nochmals mit einem eigen- 
händig geſchriebenen Datum verſehen habe, ſei verfehlt. 
Denn unter ſolcher Vorausſetzung würde der Erblaſſer, 
wie anzunehmen ſei, das ganze Teſtament in eine 
andere Form gebracht oder ſofort anders datiert, 
außerdem aber auch nicht wie geſchehen den Monat 
der Errichtung nur mit einer 7 bezeichnet haben. 
Die Reviſion hält das für unrichtig. Sie verweiſt auf 
das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 13. Of- 
tober 1902 (RGE. Bd. 52 S. 277 ff.) und behauptet, 
daß das Datum des Umſchlages fo, wie in dieſer Ent- 
ſcheidung verlangt werde, zu dem Teſtamente in eine 
räumliche Beziehung geſetzt ſei, vermöge deren ſich 
ſeine Beſtimmung, den Ort und Tag der getroffenen 
letztwilligen Verfügung zu kennzeichnen, hinreichend 
erſehen laſſe. Stände die Richtigkeit dieſer Behauptung 
tatſächlich feſt, ſo würde der Reviſion beigetreten und 
das Berufungsurteil aufgehoben werden müſſen. 
Allein der Berufungsrichter hat eine entgegengeſetzte 
tatſächliche Feſtſtellung getroffen. Seiner Annahme 
nach bildet der Umſchlag mit ſeiner Aufſchrift keinen 
Teil des Teſtaments. Das Teſtament war, wenn⸗ 
gleich mit einem Formfehler behaftet, ſo doch äußerlich 
fertig, als der Erblaſſer es mit einem doppelten Um— 
ſchlage und den inneren Umſchlag mit einer Aufſchrifi 
verſah, durch die er auf den Inhalt, nämlich auf das 
abgeſchloſſene Teſtament hinwies. Der Berufungs— 
richter verneint ausdrücklich, daß die Umſchlagsauf— 
ſchrift eine Fortſetzung des Teſtaments bilde. Recht- 
liche Verſtöße liegen ſeiner Annahme nicht zugrunde. 
Insbeſondere ſteht der Inhalt der Teſtamentsurkunde 
und der Umſchlagsaufſchrift nicht in einem unverein— 
baren Widerſpruch zu der Annahme, daß beide Schrift- 
ſtücke eine ſelbſtändige Bedeutung haben. Die nur 
äußere Verbindung zwiſchen dem Teſtamente und dem 
Umſchlage reicht ebenſowenig hin, wie wenn die Um— 
hüllung des Teſtaments mit einem anderen Schrift— 
ſtücke hergeſtellt wäre, das ſeinem Inhalte nach mit 
dem Teſtamente überhaupt nichts zu tun hätte. Hat, 
wie der Berufungsrichter annimmt, der Erblaſſer nicht 
den Willen gehabt, mit der Teſtamentserrichtung fort: 
zufahren, als er den Umſchlag mit der Aufſchrift 
verſah, fo kann ſchon aus dieſem Grunde weder diefe 
Aufſchrift noch auch das in ihr enthaltene Ortsdatum 
als Beſtandteil des Teſtamentes gelten. (Urt. des 
IV. 35. vom 2. April 1908, IV 118/07). — — gn. 
1372 


B. Strafſachen. 
I. 

Prüfung der Gültigkeit von Keichsgeſetzen durch 
den Richter. Die Reviſion meint, der & 302 e StGB. 
ſei ungültig, weil dieſes Geſetz zu einer Zeit publiziert 
worden ſei, zu der derjenige Reichstag, von dem die 
Vorlage genehmigt worden ſei, nicht mehr exiſtiert 
habe, dagegen der Reichstag in der aus den Neu— 
wahlen hervorgegangenen Zuſammenſetzung bereits 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


berufen geweſen ſei. Die Richtigkeit dieſer in der 
Literatur vereinzelt vertretenen Anſicht muß hier 
nicht unterſucht werden. Das Geſetz, betr. Ergänzung 
der Beſtimmungen über den Wucher, wodurch 8 302 e 
in das StGB. eingeſtellt wurde, ift „im Namen des 
Reichs“ vom Kaiſer unter Gegenzeichnung des Reichs— 
kanzlers am 19. Juni 1893 ausgefertigt und in Nr. 24 
des RGBl. von 1893 verkündet worden (Art 17 RB.). 
Hierdurch hat es gemäß Art. 2 RV. nach Ablauf der 
dort vorgeſehenen Friſt verbindliche Kraft erlangt 
und zwar unbedingt für jedermann im Gebiete ſeiner 
Gültigkeit, alſo auch für die richterliche Anwendung. 
Mit dem Rechte der Ausfertigung und Verkündung 
der Reichsgeſetze, das nach Art. 17 RV. dem Kaiſer 
zuſteht, iſt für ihn und an ſeiner Stelle für den 
Reichskanzler notwendig auch das Recht und die 
Pflicht verbunden, zu prüfen, ob die verfaſſungsmäßigen 
Vorausſetzungen für jene Maßnahmen gegeben ſind. 
Wird durch die Ausfertigung und Verkündung eines 
Reichsgeſetzes das Vorhandenſein der Vorausſetzungen 
bejaht, ſo muß gegenüber dieſem Ergebniſſe der ver— 
faſſungsmäßig allein möglichen Prüfung jede Nach— 
prüfung und insbeſondere auch eine ſolche durch den 
Richter ausgeſchloſſen fein. (RGE. in 35.9 S. 235,6). 
(Urt. des I. StS. vom 29. Juni 1908, I D 445/06.) 

1359 


— — — — . 


II. 


Zu 88 384, 392 StPO. — Beſchränkung der Revi: 
fion auf einen Teil des Urteilsſpruches. Aus den 
Gründen: Die Angeklagte iſt wegen eines Verbrechens 
des Meineids aus SS 154, 153, 157 Nr. 1 StGB. ver- 
urteilt worden und es ift dabei gegen fie gem. § 161 
Abi. 1 StGB. auf dauernde Unfähigkeit erkannt worden, 
als Zeugin oder Sachverſtändige eidlich vernommen zu 
werden. Die zugunſten der Angeklagten eingelegte 
Reviſion des Staatsanwaltes ift auf den gem. 8 161 
erlaſſenen ebenerwähnten Ausſpruch beſchränkt und be— 
antragt, inſoweit das Urteil aufzuheben und zu er— 
kennen, daß die Nebenſtrafe wegzufallen habe. Da 
die Anwendung der zwingenden Vorſchrift des § 161 
Abſ. 1 StGB. nur von abſtrakten Vorausſetzungen ab- 
hängt und ein Eingehen auf die Haltbarkeit oder Un— 
haltbarkeit dieſer Vorauſetzungen nach Maßgabe des 
einzelnen Falles nicht erfordert, iſt eine ſelbſtändige 
rechtliche Prüfung der Anwendung dieſer Geſetzesſtelle 
möglich und es iſt daher auch die Beſchränkung des 
Rechtsmittels auf den angefochtenen Ausſpruch des 
Urteils zuläſſig. Der fragliche Ausſpruch war daher, 
da er geſetzlich nicht begründet iſt, in entſprechender 
Anwendung des 8 394 StPO. zu beſeitigen.!) (Urteil 
des I. Strafſenats vom 6. April 1908; 1 D 195/08). 

1360 — — — ch. 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
1 


Haftung der Gründer einer Aktiengeſellſchaft für 
Zulagen au die Aktiengeſellſchaft, die fie vor oder bei 
der nn gegenüber den Mitgründern abgegeben 
haben, die aber in das Statut nicht aufgenommen 
wurden (HGB. SS 202 mit 186, Art. 2134 und 209 b 
des Allg. Deutſchen HGB.). Unter der Firma Jm- 
mobilien⸗Aktiengeſellſchaft N. mit dem Sitze in N. 
wurde am 28. Juli 1898 eine Aktiengeſellſchaft errichtet. 
Gegenſtand des Unternehmens waren der Kauf, die 


.) Anm. des Einſenders. Eine Entſcheldung für ſolche 
Fälle lag bisber nicht vor. Da die Reviſion Fehlerhaftigkeit der 
Geſctzesanwendung rügte, war zu befürchten, daß moͤglicherweiſe eine 
matetiellrechtliche Prüfung des geſamten Urteils vorgenommen werde. 
Die Zuläſſigkeit der vorgenommenen Beſchränkung war zweifelbaft. 


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359 


Verwaltung und die Verwertung der im § 2 des Statuts 
bezeichneten Grundſtücke mit dem Geſamtflächeninhalte 
von 35,682 ha. Zu den Gründern der Geſellſchaft ge— 
hörten u. a. die Witwe Luiſe O. und der Kaufmann 
Otto O. Das Grundkapital der Geſellſchaft wurde 
auf 4200000 M feſtgeſetzt und in 4200 auf den In- 
haber lautende Aktien zum Nennwerte von je 1000 M 
zerlegt. Von dem Grundkapital übernahmen durch 
Zeichnung von Aktien Luiſe O. 375000 M, Otto O. 
124 000 M. Die Einzahlung der von ihnen gezeichneten 
Beträge leiſteten ſie dadurch, daß ſie Grundſtücke, die 
ihnen allein oder gemeinſchaftlich mit anderen Gründern 
gehörten, „in die neugegründete Geſellſchaft einlegten“; 
der in dem Geſellſchaftsvertrage feſtgeſetzte Wert der 
Grundſtücke wurde auf das von ihnen gezeichnete Aktien- 
kapital angerechnet. Die Grundſtücke ſind im Statut 
und im Geſellſchaftsvertrage durch Angabe ihrer Plan— 
nummern genau bezeichnet. Das Eigentum an den 
Grundſtücken Pl.-Nr. 222 ff. mit dem Geſamtflächen⸗ 
inhalte von 2,079 ha ſtand der Witwe Luiſe O. und 
dem Kaufmann Otto O. zu je ¼, dem bei der Er— 
richtung der Aktiengeſellſchaft ebenfalls als Gründer 
beteiligten Kaufmann Hans K. in N. und ſeiner Frau 
zu ¼ und den vier minderjährigen Kindern der Luiſe 
O., die ebenfalls zu den Gründern gehörten, zu / zu. 
Dieſe Grundſtücke finden ſich in der Aufzählung der 
von den genannten Perſonen in die Geſellſchaft ein— 
gelegten Grundſtücke nicht. Durch einen Vertrag vom 
4. April 1899 wurden fie aber von den Miteigentümern 
um 510000 M an die Aktiengeſellſchaft verkauft. Die 
Aktiengeſellſchaft erhob gegen Luiſe O. und die Erben 
des inzwiſchen geſtorbenen Otto O. Klage mit dem 
Antrage, die Beklagten als Geſamtſchuldner zu ver— 
urteilen, der Klägerin 322000 M zu zahlen. Zur Bes 
gründung machte die Klägerin geltend: Die Beklagten 
hätten vor und bei der Gründung der Geſellſchaft zu- 
geſichert, auch das aus den Grundſtücken Pl.-Nr. 222 ff. 
beſtehende ſog. Webergrundſtück um den von den ſämt— 
lichen Gründern für die einzulegenden Grundſtücke 
vereinbarten Einheitspreis von 0.80 M für den Quadrat- 
fuß in die Geſellſchaft einzulegen. Bei Zugrundelegung 
dieſes Preiſes wäre die Erwerbung der Klägerin nur 
auf 195000 M zu ſtehen gekommen; dieſen Betrag 
überſteige der Preis, um den die Geſellſchaft das 
Grundſtück gekauft hat, um 314800 M, und zu dieſem 
Mehraufwande ſei der Mehrbetrag an Gebühren uſw. 
hinzuzurechnen. Für den durch die Nichterfüllung ihrer 
Zuſage entſtandenen Schaden ſeien Luiſe und Otto O. 
als Geſamtſchuldner haftbar. Ihre Haftung folge auch 
aus den Vorſchriften des HGB. über die Verantwort— 
lichkeit der Gründer und der Mitglieder des Aufſichts— 
rats, zu denen auch Luiſe und Otto O. gehürten, weil 
ihre Angaben hinſichtlich der Einlagen unrichtig und 
unvollſtändig geweſen ſeien, und weil ſie die Pflicht, 
den Hergang der Gründung zu prüfen, verſäumten 
und die erforderliche Berichtigung der Eintragung der 
Geſellſchaft im Handelsregiſter herbeizuführen unter— 
ließen. Das Landgericht wies die Klage, ſoweit ſie 
gegen die Erben des Otto O. gerichtet war, ab; der 
Luiſe O. legte es einen Eid auf. Auf die Berufung 
der Klägerin und die Anſchlußberufung der Beklagten 
Luiſe O. wurde die Anſchlußberufung zurückgewieſen, 
das Urteil des LG. aufgehoben, der Klaganſpruch als 
dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt, die Entſchei— 
dung über die Koſten dem Endurteile vorbehalten und 
die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwieſen. 
Gegen dieſes Urteil haben die Beklagten Reviſion ein- 
gelegt. Das Oberſte Landesgericht hat das Urteil des 
OLG. aufgehoben und die Klage abgewieſen. 
Gründe: Das OLG. fah als bewieſen an, daß 
Luiſe und Otto O. „vor und bei der Gründung der 
Geſellſchaft teils ausdrücklich teils ſtillſchweigend ihren 
Mitgründern gegenüber die Einlegung des ſog. Weber— 
grundſtücks zugeſagt haben“. Es nahm an, beide hätten 
dadurch, daß ſie dem Juſtizrate M. bei der Erteilung 


360 


der Anweiſung für die Vorbereitung des Geſellſchafts— 
vertrags und der Anmeldung zum Handelsregiſter die 
die Plannummern des Webergrundſtücks enthaltenden 
Kataſterauszüge nicht mitteilten, bewirkt, daß ſowohl 
im Geſellſchaftsvertrag als in der Anmeldung zum 
Handelsregiſter unrichtige und unvollſtändige Angaben 
in Anſehung der eingelegten Grundſtücke und des Be— 
trags der dafür gewährten Aktien gemacht wurden. 
Auf dieſen Tatbeſtand hat das OLG. die SS 186 und 
202 HGB. angewendet. Allein es liegen die Voraus— 
ſetzungen für die Anwendung der Vorſchriften des 
Art. 213 a des Allg. Deutſchen HGB. — denn nach 
dieſem, nicht nach § 202 HGB. wäre der Fall zu be- 
urteilen — nicht vor. Nach Art. 213a ſind „der Geſell⸗ 
ſchaft die Gründer für die Richtigkeit und Vollſtändig— 
keit der Angaben, welche ſie rückſichtlich der Zeichnung 
und Einzahlung des Grundkapitals ſowie rückſichtlich 
der im Art. 209 b vorgeſehenen Feſtſetzungen behufs 
Eintragung des Geſellſchaftsvertrags in das Handels— 
regiſter machen, ſolidariſch verhaftet“. Die unrich— 
tigen oder unvollſtändigen Angaben müſſen gemacht 
worden fein, um die Eintragung des Geſellſchaftsver— 
trags d. h. der Geſellſchaft in das Handelsregiſter zu 
erwirken. Es iſt aber nicht feſtgeſtellt, daß Luiſe und 
Otto O., ſei es in dem die Anmeldung enthaltenden 
Schriftſtück oder in einem der Anmeldung beigefügten 
Schriftſtück, insbeſondere im ſogenannten Gründerbericht 
(Art. 209g) oder in der über die Schließung des Gefell- 
ſchaftsvertrags errichteten notariellen Urkunde, unrich— 
tige oder unvollſtändige Angaben der im Art. 213a 
bezeichneten Art gemacht haben oder daß der von den 
Reviſoren erſtattete Bericht (Art. 209 h) Angaben ſolcher 
Art enthielt, die auf Angaben der Luiſe und des 
Otto O. zurückzuführen ſind. Der Inhalt aller An— 
gaben und Erklärungen, die zum Zwecke der Ein— 
tragung der Geſellſchaft in das Handelsregiſter er— 
folgten, deckte ſich vollſtändig nicht nur mit dem Inhalte 
des notariell beurkundeten Geſellſchaftsvertrags, in dem 
die ſämtlichen in die Geſellſchaft einzulegenden Grund— 
ſtücke angegeben und durch die Angabe ihrer Plan— 
nummern bezeichnet ſind, ſondern auch mit dem In— 
halte des Errichtungsvertrags, denn es iſt nicht feſt— 
geſtellt, daß der Inhalt der von den ſämtlichen 
Gründern bei der Errichtung der Geſellſchaft getroffe— 
nen Vereinbarungen (Art. 209 e, 209 d) in Widerſpruch 
mit dem Inhalte der über die Schließung des Gefell- 
ſchaftsvertrags errichteten Urkunde ſteht. Der Beſtand 
der Geſellſchaft, die Gültigkeit der Aktienzeichnung oder 
der Einlageleiſtung, überhaupt die Wirkſamkeit des 
Gründungsvorgangs iſt denn auch von keinem der 
Gründer angefochten worden. Darnach muß ange— 
nommen werden, daß die Angaben, die in jenen Er— 
klärungen enthalten ſind, ſowohl in Anſehung der 
Beſtimmung der Höhe des Grundkapitals als in An— 
ſehung der Tatſache ſeiner Einzahlung, ferner in An— 
ſehung der Einlagen und des Betrags der für die 
eingelegten Grundſtücke gewährten Aktien (Art. 209 b 
Abſ. 2) richtig und vollſtändig waren. Daß die Geſell— 
ſchaft durch die Art der Einlagen oder die Feſtſetzung 
ihres Wertes von Luiſe und Otto O. böslicherweiſe 
geſchädigt wurde (Art. 213a Abſ. 1 Satz 2), kommt 
nicht in Frage, und es iſt nicht feſtgeſtellt, daß zu 
Laſten der Geſellſchaft erfolgte Feſtſetzungen im Sinne 
des Art. 209 b Abſ. 1, 3 in der Urkunde über den 
Geſellſchaftsvertrag nicht enthalten oder unrichtige 
oder unvollſtändige Angaben darüber bei der An— 
meldung der Geſellſchaft zur Eintragung in das Han— 
delsregiſter gemacht worden feien. Jene „Zuſage“ 
der Luiſe und des Otto O. konnte demnach nicht als 
Beſtandteil der Vereinbarung der Gründer, des Grün— 
dungsbeſchluſſes, des Statuts und des beurkundeten 
Geſellſchaftsvertrags gelten, ſie konnte deshalb auch 
nicht Gegenſtand der Angaben ſein, die zum Zwecke 
der Eintragung der Geſellſchaft in das Handelsregiſter 
gemacht werden ſollten und gemacht wurden. Daß 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


G— .. ͤr. rx —7———83sßð—] . ...ͤĩrX˙˖jAꝗyxxx 1111111 


Nr. 18. 


die Annahme des OLG., Luiſe und Otto O. hätten 
durch die Nichterfüllung der „Zuſage“, das Weber: 
grundſtück einzulegen, unrichtige oder unvollſtändige 
Angaben im Sinne des Art. 213 a gemacht, nicht zu⸗ 
treffend iſt, geht auch daraus hervor, daß bei dieſer 
Annahme das Grundkapital der Geſellſchaft nicht auf 
4200000 M hätte feſtgeſetzt werden und die Zahl der 
zu zeichnenden Aktien nicht bloß 4200 hätte betragen 
dürfen, ſondern das Grundkapital auf einen um 
195000 M höheren Betrag hätte feſtgeſetzt und die 
Zahl der Aktien um 195 hätte größer ſein müſſen. 
Nach der Behauptung der Klägerin belief ſich der Wert 
des Webergrundſtückes bei Zugrundelegung des Ein— 
heitspreiſes von 0.80 M für den Quadratfuß auf 
195000 M und dieſe Summe wäre auf den Nennwert 
der 195 weiteren Aktien anzurechnen geweſen, die die 
Eigentümer des Grundſtücks hätten übernehmen müſſen. 
Daß eine Feſtſetzung ſolchen Inhalts bei der Errich— 
tung der Geſellſchaft getroffen wurde, iſt nicht be— 
hauptet, es würde nach dem Inhalte des Statuts und 
des Geſellſchaftsvertrags auch als ausgeſchloſſen er- 
achtet werden müſſen. Auch bei der fog. ſimultanen 
und qualifizierten Gründung einer Aktiengeſellſchaft 
von der Art der Immobilienaktiengeſellſchaft N. ſtehen 
die Gründer weder einzeln noch in ihrer Geſamtheit 
der Geſellſchaft, die ja erſt geſchaffen werden ſoll, als 
Vertragſchließende gegenüber, alfo in einem Vertrags- 
verhältniſſe zu dieſer. Die Gründer ſind grundſätzlich 
nicht Vertreter ſondern Schöpfer der rechtlich erſt 
künftig entſtehenden Aktiengeſellſchaft; aus der „Zu— 
ſage“ eines Gründers, die nicht Inhalt des Statuts 
geworden war, kann daher die Geſellſchaft Anſprüche 
nicht erwerben. Wollte man auch annehmen, für den 
Fall, daß die Gründer durch einen mit anderen Per- 
ſonen geſchloſſenen Vertrag für die „zu errichtende 
Geſellſchaft“ Vermögensſtücke übernehmen (Art. 209 b 
Abſ. 2), fingiere das Geſetz gleichſam eine Vertretung 
der rechtlich noch nicht beſtehenden Geſellſchaft durch 
die Gründer, ſo trifft dies doch hier nicht zu, weil es 
fih hier nicht um die Uebernahme von Vermögens- 
ſtücken dritter, bei der Gründung nicht beteiligter Per— 
ſonen ſondern nur um Einlagen durch Gründer handelt. 

Allerdings waren Luiſe und Otto O. nicht nur 
Mitgründer der Geſellſchaft, ſondern auch Mitglieder des 
in der konſtituierenden Generalverſammlung gewählten 
Aufſichtsrats. Da aber bei der Anmeldung des Gefen- 
ſchaftsvertrags (der Geſellſchaft) zur Eintragung in 
das Handelsregiſter unrichtige oder unvollſtändige An— 
gaben hinſichtlich der Einlagen der Gründer und der 
für dieſe gewährten Aktien nicht gemacht worden waren, 
ſondern dieſe Angaben dem Inhalte des Statuts und 
des Geſellſchaftsvertrags entſprachen, fehlte auch jeder 
Grund für eine „Berichtigung“ der Angaben und des 
Eintrags im Handelsregiſter. Davon, daß Luiſe und 
Otto O. die Prüfungspflicht verletzt haben und des— 
halb nach Art. 213c des Allg. D. HGB. haften, ferner 
davon, daß der Geſellſchaft infolge der Verletzung der 
Prüfungspflicht Schaden entſtanden iſt, kann alſo nicht 
die Rede ſein. 

Der Klaganſpruch konnte endlich mit Erfolg auch 
nicht auf die Vorſchriften des allgemeinen bürgerlichen 
Rechtes, insbeſondere nicht auf die Vorſchriften des 
preuß. LR., gegründet werden. Darüber, ob, unter 
welchen Vorausſetzungen und in welchem Umfange 
auch außerhalb des Rahmens des Art. 213 a Schadens: 
erſatzanſprüche gegen die Gründer geltend gemacht 
werden können, beſteht Uebereinſtimmung nicht. Die 
den Wortlaut, die Entſtehungsgeſchichte und den Zweck 
des Geſetzes berückſichtigende Auslegung des Art. muß 
aber dazu führen, daß ſein Inhalt ein Sonderrecht 
für die Aktiengeſellſchaften bildet und daß die Sonder- 
vorſchriften dazu beſtimmt find, die der Geſellſchaft 
gegenüber beſtehende Haftung der Gründer und die 
Anſprüche der Geſellſchaft, die aus den Umſtänden 
des Gründungsvorgangs gegen die Gründer abgeleitet 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


werden, einheitlich und erſchöpfend zu regeln. Vom 
Standpunkte des bürgerlichen Rechtes könnten für die 
Beurteilung der rechtlichen Natur und der Wirkung 
der „Zuſage“ der Luiſe und des Otto O. nur zwei 
Auffaſſungen in Betracht kommen. Nach der einen 
würde ſie als vertraglich bindende Abrede der Gründer 
gelten. In dieſem Falle könnten nur die Mitgründer 
Rechte aus der Vereinbarung ableiten, ſofern ſie über— 
haupt wirkſam war; eine Geſellſchaft beſtand im Zeit— 
punkte der Erteilung der Zuſage rechtlich noch nicht. 
Nur eine beſtehende Geſellſchaft kann nach dem bürger— 
lichen Rechte (durch Vertreter) handeln; Vertreter, 
die die „Zufage* hätten annehmen können, waren 
aber nicht vorhanden, die Geſellſchaft iſt der angeblichen 
Vereinbarung auch nicht beigetreten. Die Meinung, 
daß diefe Zuſage ein dictum et promissum fei, aus 
dem auch die Geſellſchaft Anſprüche ableiten könne, 
beruht auf mißverſtändlicher Auffaſſung der Bemerkung 
von Staub a. a. O. 5. Aufl. 8 9 Ziff. 3 der Anm. zu 
Art. 213 a S. 441; 8. Aufl. Anm 25 zu § 202 S. 696. 
Nach der anderen Auffaſſung wäre die „Zuſage“ 
als die in der Abſicht, Mitgründer zu täuſchen, von 
Luiſe und Otto O. abgegebene Erklärung eines Willens 
anzuſehen, den ſie in Wirklichkeit nicht hatten. Auf 
dieſe Auffaſſung deutet die Bezugnahme der Klägerin 
auf die Vorſchriften in Tl. I Tit. 6 des Allg. preuß. 
LR. hin. In dieſem Falle könnten aber nur die 
einzelnen getäuſchten Mitgründer einen Anſpruch auf 
Erſatz des durch die Argliſt ihnen etwa entſtandenen 
Schadens geltend machen, nicht die Geſellſchaft, die 
als ſolche nicht getäufcht werden konnte, weil eine 
Vertretung nicht beſtand. (Urt. des II. ZS. vom 
14. Januar 1908, Reg. I 103/1907). W. 
1245 


II. 


Beſchwerderecht in Nachlaßſachen; Zuſtändigkeit des 
Nachlaßgerichts, wenn der Tod des Erblaſſers oder die 
ritten von Bermögensteilen zum Nachlaſſe be- 

ritten ift (FGG. SS 80, 86; Nachlaßch. v. 1902 
Art. 4, 5). Als Erben der am 23. Mai 1894 in K. 
verſtorbenen Chriſtine K. ſind im Juni 1894 vom 
Nachlaßgericht 16 Seitenverwandte der Erblaſſerin 
ermittelt worden, darunter der Konditor Paul K. in 
L., der Hafner Robert K. in W. und der am 24. Juli 
1837 in U. geborene Händler Friedrich St. Dieſer 
war 1878 nach Amerika ausgewandert und war z. Zt. 
des Eintritts des Erbfalls verſchollen. Deshalb iſt 
der Hafner Johann K. zum Abweſenheitspfleger für 
ihn beſtellt worden. Der Pfleger hat den Erbteil des 
Friedrich St. zu 2975 M 09 Pf. in Empfang genommen, 
ſeitdem verwaltet und die Zinſen dem Kapital zuge— 
ſchlagen. Friedrich St. iſt durch Ausſchlußurteil vom 
12. April 1904 für tot erklärt worden (Zeitpunkt 
des Todes 1. Januar 1890). Im Verlaufe der vom 
Nachlaßgericht eröffneten Nachlaßverhandlungen ift 
eine von Julie 3. in T. bei New-p)ork am 18. Auguſt 
1904 vor dem Notare L. in Brooklyn auf Eid abge— 
gebene Erklärung zu den Akten gelangt, daß ſie den 
Friedrich St. zum letztenmale am 20. Dezember 1890 
geſehen und ſeitdem nichts mehr von ihm gehört 
habe. Anderes als das von dem Pfleger verwaltete 
Vermögen des Friedrich St. iſt nicht vorhanden. Das 
Nachlaßgericht hat das Verfahren eingeſtellt, weil 
jeder Anhalt dafür fehle, daß Friedrich St. den Anfall 
der Erbſchaft der Chriſtine K. erlebt hat, der ihm 
zugewieſene Erbteil daher nicht als von ihm erworben 
gelten könne, und den von den Kindern und Enkeln 
der vorverſtorbenen Schweſter des Friedrich St. in U. ge- 
ſtellten Antrag, die Verhandlungen wiederaufzunehmen, 
zurückgewieſen. Auf die Beſchwerde hat das LG. die 
Verfügung aufgehoben und das Nachlaßgericht ange— 
wieſen, die Nachlaßverhandlungen wiederaufzunehmen. 
Das Beſchwerdegericht erachtete die durch die Todes— 


361 


erklärung begründete Vermutung, daß Friedrich St. 
am 1. Januar 1890 geſtorben fei, für widerlegt durch 
den Nachweis, daß er am 20. Dezember 1890 noch 
gelebt hat, und nahm an, daß bei der über die Zeit 
ſeines Todes beſtehenden Ungewißheit ſich nicht die 
Vermutung aufſtellen laffe, daß er den Tod der 
Chriſtine K. nicht erlebt habe. Durch etwaige An— 
ſprüche dritter Perſonen auf den Nachlaß würden die 
dem Nachlaßgericht obliegenden Verrichtungen nicht 
ausgeſchloſſen. Das Nachlaßgericht hat die Vernehmung 
der Erben der Chriſtine K. über den Anſpruch der 
St.ſchen Erben auf das aus dem Nachlaſſe der Chriſtine 
K. ſtammende Vermögen für notwendig erachtet. 
Mehrere von ihnen haben der Verteilung des Erb— 
teils des Friedrich St. unter deſſen Erben wider— 
ſprochen, einer hat den Widerſpruch damit begründet, 
daß von einem Nachlaſſe des Friedrich St. nicht die 
Rede ſein könne, wenn die durch die Todeserklärung 
begründete Vermutung durch die eidliche Ausſage der 
Julie Z. widerlegt ſei, es ſei dann zu vermuten, daß 
Friedrich St. noch lebe. Die Miterben Paul K. in 
L. und Robert K. in W. haben durch Erklärung zum 
Protokolle des Amtsgerichts N. ſich ſeiner Erklärung 
angeſchloſſen und gegen die Entſcheidung des LG. 
Beſchwerde eingelegt. Vom Oberſten Landesgericht 
iſt das Rechtsmittel als unzuläſſig verworfen worden. 

Gründe: Die weitere Beſchwerde kann nach 
§ 29 FGG. bei dem Gericht 1. Inſtanz eingelegt 
werden, die Einlegung kann aber, falls nicht eine von 
einem Rechtsanwalt unterzeichnete Beſchwerdeſchrift 
eingereicht wird, nach $ 21 Abſ. 2 FGG. nur durch 
Erklärung zum Protokolle des Gerichtsſchreibers 
erfolgen, die Erklärung zum Protokolle des Gerichts 
entſpricht der Formvorſchrift nicht (RJ A. Bd. 1 S. 41, 
N. Samml. v. Entſch. d. Obs G. Bd. 5 S. 510). Weber: 
dies ſteht den Beſchwerdeführern das Beſchwerderecht 
nicht zu. Zu der Beſchwerde ift nach § 20 und § 29 
Abſ. 4 FGG. nur derjenige berechtigt, deffen Recht 
durch die Entſcheidung beeinträchtigt iſt; die in dem 
landgerichtlichen Beſchluſſe getroffene Anordnung ent— 
hält aber eine Beeinträchtigung des Rechtes der Be— 
ſchwerdeführer nicht. Das Nachlaßgericht hat weder 
nach den bis zum 1. Januar 1900 in Geltung ge— 
weſenen Vorſchriften noch nach § 86 FIG. und den 
Art. 4, 5 des Geſ. vom 9. Auguſt 1902, das Nachlaß— 
weſen betr., darüber zu entſcheiden, ob die durch die 
Todeserklärung begründete Vermutung, daß Friedrich 
St. am 1. Januar 1900 geſtorben ſei, im Verhältniſſe 
der als deſſen Erben auftretenden Verwandten zu den 
Erben der Chriſtine K. durch die eidliche Erklärung 
der Julie 3. widerlegt iſt. Ein Streit der Beteiligten 
über die Wirkſamkeit des nach Art. 99 Abſ. 1 und 
Art. 100 Abſ. 1 AG. z. ZPO. und KO. fuͤr Friedrich 
St. erfolgten Erwerbes des Erbteils aus dem Nach— 
laſſe der Chriſtine K. kann nur im Rechtswege aus— 
getragen werden. Das Beſchwerdegericht hat in der 
Annahme, daß in der Erklärung der Julie Z. eine 
Nachricht vorhanden ſei, der zufolge Friedrich St. im 
Jahre 1890 noch gelebt hat, und demgemäß nach § 19 
BGB. ſein Fortleben bis zum Schluſſe des Jahres 
1900 zu vermuten fei, das Nachlaßgericht angewieſen, 
den Erbteil des Friedrich St. als zu deſſen Nachlaſſe 
gehörend anzuſehen. Damit hat es nur über die dem 
Nachlaßgerichte gegenüber den Erben des Friedrich 
St. obliegende Amtspflicht entſchieden. Das Nachlaß— 
gericht darf die ihm in Anſehung des Nachlaſſes des 
Friedrich St. obliegenden Verrichtungen nicht des— 
wegen ablehnen, weil ein Nachlaßvermögen nicht vor— 
handen ſei, und muß insbeſondere den Beteiligten 
ſeine Vermittelung zu der Auseinanderſetzung in An— 
ſehung des Nachlaſſes gewähren. Sollte der Erbteil 
in Wirklichkeit nicht zum Nachlaſſe gehören, ſo würde 
dadurch, daß er bei der Auseinanderſetzung unter den 
Erben geteilt wird, das Recht der K.ſchen Erben von 
den St.ſchen Erben beeinträchtigt, das Nachlaßgericht 


362 


würde aber durch die Gewährung feiner Vermittelung 
nicht in das Recht der K.ſchen Erben eingreifen. Sie 
könnten nicht von dem Nachlaßgerichte die Einſtellung 
ſeiner vermittelnden Tätigkeit verlangen, ſondern 
müßten ihren Anſpruch gegen die tfen Erben 
geltend machen. Wäre die Anordnung des Beſchwerde⸗ 
gerichts nicht gerechtfertigt, weil nicht feſtſteht, daß 
der Erbfall eingetreten iſt, ſo würde die Stellung des 
Nachlaßgerichts gegenüber den K.ſchen Erben die 
gleiche ſein. Ihr Recht wird durch die Tätigkeit des 
Nachlaßgerichts auch dann nicht beeinträchtigt, wenn 
in Anſehung des Vermögens des Friedrich St. die 
Vorausſetzungen für ſeine Tätigkeit nicht vorliegen. 
(Beſchl. des I. 8S. vom 30. Juni 1908, Reg. III 
61/1908). W. 
1370 


B. Strafſachen. 


I. 


Rann eine von einem uubekaunten Schüben ge: 
ſchoſſene, vom Jagdpächter in Beſitz genommene Reh⸗ 
geiz, oder der von ihm durch Verkauf erzielte Erlös 
gemäß Art. 125 Abſ. 3 PStGB. eingezogen werden?) 
Können die den Einziehungsintereſſenten erwachſenen not: 
wendigen Auslagen der Staatskaſſe überbürdet werden? 
(88 449 Abſ. 2, 478 Abſ. 3 StPO.). Ein Jäger fand 
bei einem Reviergang eine angeſchoͤſſene Rehgeiß, die 
er abknicken mußte. Der Jagdherr, dem er ſie brachte, 
verkaufte ſie. Ungefähr zur ſelben Zeit fand ein Jagd— 
pächter in einem benachbarten Jagdgebiete eine ver— 
endete Rehgeiß. In beiden Fällen beantragte der 
Amtsanwalt gemäß Art. 125 Abſ. 3 des PStGB. beim 
Amtsgerichte die Einziehung der Rehgeiß und des Er— 
löſes. Das Gericht gab dem Antrage ſtatt; das Land— 
gericht hob das Urteil auf und erklärte die Einziehung 
für unzuläſſig. Das Oberſte Landesgericht beſtätigte 
dieſes Urteil. 

Aus den Gründen: 1. Unter der Herrſchaft 
des alten PStGB. vom 10. November 1861 galt der 
Grundſatz, daß die Einziehung nicht ſchlechthin, ſondern 
nur dann zuläſſig iſt, wenn das Wild einem Dritten 
gehört, der für die Uebertretung ſtrafrechtlich verant— 
wortlich ift. An Stelle des Art. 229 des alten PStGB. 
iſt im weſentlichen Art. 125 des neuen PStGB. ge- 
treten, Art. 10 des alten Geſetzes iſt durch die Art. 17 
und 18 des neuen erſetzt worden. Danach iſt die 
Einziehung von Wild, das mit Uebertretung der Be— 
ſtimmungen über die Hege oder Hegezeit erlegt wird, 
nunmehr im objektiven Verfahren auch dann zuläſſig, 
wenn der für die Uebertretung ſtrafrechtlich verant— 
wortliche Täter aus ſachlichen oder rechtlichen Gründen 
nicht verfolgt werden kann. Der Grundſatz des früheren 
P StGB., daß die Einziehung nicht zur Verletzung 
dritter, nicht ſchuldiger Perſonen führen darf, iſt durch 
die Beſtimmung des Art. 18 Abſ. 1 des PStGB. nicht 
aufgehoben worden. Erfolgt die Verurteilung einer 
beſtimmten Perſon wegen Uebertretung der die Hege 
oder Hegezeit betreffenden Beſtimmungen, ſo ergibt 
ſich aus dem Charakter der Einziehung als einer 
Nebenſtrafe, daß die Einziehung nur zum Nachteile 
einer für die Uebertretung ſtrafrechtlich verantwort— 
lichen Perſon verfügt werden darf. Wo das Geſetz 
ausnahmsweiſe die Einziehung von Gegenſtänden „ohne 
Unterſchied, ob ſie dem Verurteilten gehören oder nicht“ 
wegen vordringlichen, öffentlichen Intereſſes zuläßt, 
hat es dies ausdrücklich hervorgehoben (vgl. Art. 39, 
54 PStGB.). Aber auch im objektiven Verfahren ift 
die Einziehung nur unter der Vorausſetzung zuläſſig, 
daß das einzuziehende Wild einer Perſon gehört, die 
wegen verbotener Erlegung des Wildes zu verfolgen 
und zu verurteilen geweſen wäre.. Es ift kein Grund 
einzuſehen, warum das objektive Verfahren Rechte 


1) Val. hierzu dlefe Zeitſchrift Jabrgang 1905 S. 408. 


__Beitiärift für Rednspflege in Bayern 


mm m ee . 1 


1908. Nr. 18. 


Dritter weniger berückſichtigen ſolle, wie das ordent: 
liche Verfahren. Art. 18 des PStSB. will nur die 
Durchführung der Einziehung, nicht auch deren ſonſtige 
Vorausſetzungen erleichtern. Dies ergibt ſich auch aus 
einem Vergleich mit den einſchlägigen Vorſchriften: 
s8 40, 42 des StGB., denen Art. 18 des PSGB. nad: 
gebildet iſt. Es iſt daher daran feſtzuhalten, daß auf 
Einziehung des unter Uebertretung der Beſtimmungen 
über Hege und Hegezeit erlegten Wildes gem. Art. 125, 
18 PStGB. nur dann erkannt werden darf, wenn die 
Einziehung das Vermögen einer Perſon betrifft, die 
ſich der Uebertretung der jagdpolizeilichen Vorſchriften 
als Täter, Mittäter oder Anſtifter ſchuldig gemacht 
hat. Auch 8 958 Abſ. 2 BGB. ſteht dieſer Mus- 
legung nicht entgegen. Irrig ift insbeſondere die Auf— 
faſſung, daß der Jagdberechtigte in Bayern an einer 
von einem Dritten ohne fein Zutun erlegten Rehgeiß, 
die er im Jagdbogen auffindet, nach § 958 Abſ. 2 BGB. 
Eigentum nicht erwerben könne, weil Rehgeißen in 
Bayern das ganze Jahr hindurch Schonzeit hätten 
und deshalb ihre Aneignung geſetzlich verboten ſei. 
Auch in Bayern iſt bei Rehgeißen nur die Aneignung 
im gewöhnlichen Jagdbetriebe verboten; nicht aber die 
Aneignung von Fallwild oder von Rehgeißen, bei 
denen die Hege zwecklos wäre, weil ſie wegen ſchwerer 
Verletzung zur Zucht ungeeignet ſind. Der Erlös, 
den ein Jagdpächter aus dem Verkaufe gemacht hat, 
kann überhaupt nie eingezogen werden, weil nach dem 
P StGB. nur die Einziehung beſtimmter Sachen, nicht 
auch die Einziehung des Wertes dieſer Sachen, wenn 
dieſe bereits untergegangen ſind, geſtattet iſt. Dies 
war bereits nach dem alten bayer. PStGB. fo und ift 
auch vom Reichsſtrafrechte allgemein anerkannt. Wenn 
der Geſetzgeber gewollt hätte, daß ſich die Einziehungs— 
befugnis auch auf den Erlös erſtrecken ſolle, ſo hätte 
er in das PStGB. von 1871 ſicher eine ſolche Be- 
ſtimmung aufgenommen, wie es in § 335 des StGB. 
und § 155 des Ver. geſchehen ift. Anders verhalt 
es ſich dann, wenn die Sache von der Polizeibehörde 
nach Art. 20 Abſ. 2 P St B. mit vorläufigem Beſchlage 
belegt, in Verwahrung genommen und wegen drohen— 
den Verderbs veräußert worden iſt; hier tritt ſelbſt⸗ 
verſtändlich der Erlös auch für die Einziehung an die 
Stelle der Sache. 

2. Die den Einziehungsintereſſenten erwachſenen 
notwendigen Auslagen waren entgegen der Anſchau— 
ung des Reichsgerichts (Bd. 22 S. 351) der Staats- 
kaſſe zu überbürden. Es iſt richtig, daß § 499 der 
StPO. nur von Uebernahme der Auslagen des freis 
geſprochenen oder außer Verfolgung geſetzten Ange— 
ſchuldigten auf die Staatskaſſe ſpricht. Allein die 
Rechtſprechung hat dieſe Beſtimmung ſchon auf die 
geſetzlichen Vertreter des Angeſchuldigten ausgedehnt, 
die kraft eigenen Rechtes für den Angeſchuldigten der 
Anklage entgegentreten. Daher iſt es billig, auch dem 
Einziehungsintereſſenten, der den Einziehungsanſpruch 
des Staates mit Erfolg bekämpft, in ſinngemäßer Jln- 
wendung des § 499 Abſ. 2 der StPO. ebenſo einen 
Erſatzanſpruch für die hierbei erwachſenen notwendigen 
Auslagen zuzuerkennen, wie dem freigeſprochenen oder 
außer Verfolgung geſetzten Angeklagten, da § 478 Abſ. 3 
der StPO. dem Einziehungsintereſſenten alle Befug— 


niſſe einräumt, die dem Angeklagten zuſtehen. (Urt. 
vom 20. Juli 1908). Dr. L. 
1355 
II. 


Zur Auslegung des § 79 StGB. und des § 492 
StPO. A wurde rechtskräftig verurteilt: 1. am 9. März 
1908 vom Schöffengerichte X zu einer Woche Ge— 
fängnis; 2. am 20. Juni 1908 von der Strafkammer 
X wegen verſchiedener, vor dem 9. März 1908 be- 
gangener Straftaten zu einer Reihe von Einzelſtrafen 
— Einſatzſtrafe 4 Monate — und an deren Stelle zu 
einer Geſamtgefängnisſtrafe von einem Jahre; 3. am 


2 
„ * Y 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


1. Juli 1908 vom Schwurgericht Y wegen eines am 
18. April 1908 verübten Verbrechens zu einer Gefängnis⸗ 
ftrafe von 5 Monaten und unter Einbeziehung der 
Strafen unter Ziffer 2 zu einer neuen Geſamtſtrafe 
von 1 Jahre und 3 Monaten. Als nach Eintritt der 
Rechtskraft des ſchwurgerichtlichen Urteils dem Staats- 
anwalt bekannt wurde, daß die Strafe unter Ziffer 1 
noch nicht verbüßt war, ſtellte er an die Strafkammer 
Antrag auf Vereinigung aller Straſen zu einer 
Geſamtſtrafe. Die Strafkammer Y wies dieſen Antrag 
ab, da eine Zuſammenfaſſung ſämtlicher Strafen nicht 
möglich ſei, vielmehr unter Auflöſung der vom 
Schwurgerichte ausgeſprochenen Geſamtſtrafe die 
Strafen unter 1 und 2 zu einer Geſamtſtrafe zu ver⸗ 
einigen ſeien, hierfür aber die Strafkammer X zu⸗ 
ſtändig ſei. Nach dieſer Anſchauung wäre alſo die 
vom Schwurgerichte erkannte fünfmonatige Gefängnis⸗ 
ſtrafe geſondert zum Vollzuge gekommen. Die Be⸗ 
ſchwerde des Staatsanwalts wurde abgewieſen und 
ausgeſprochen: 
„1. Es hat bei der vom Schwurgerichte ausgeſprochenen 

Geſamtſtrafe fein Bewenden. 
2. Die vom Schöffengerichte erkannte Strafe iſt ge⸗ 

ſondert zu vollziehen. 

Gründe: An ſich wären die vom Schöffengerichte 
X und von der Strafkammer X erkannten Einzel⸗ 
ſtrafen nach §§ 74 und 79 StGB. und $ 492 StPO. 
auf eine Geſamtſtrafe zurückzuführen. Das gleiche 
Berhältnis beſteht zwiſchen den von der Strafkammer X 
ausgeſprochenen Strafen und der vom Schwurgerichte Y 
verhängten Gefängnisſtrafe von 5 Monaten. Dagegen 
kann die letzterwähnte Strafe nicht mit der vom 
Schöffengerichte X am 9. März 1908 erkannten eins 
wöchigen Gefängnisſtrafe zu einer Geſamtſtrafe ver⸗ 
einigt werden, weil die vom Schwurgerichte abgeurteilte 
Straftat erſt nach dem 9. März 1908 verübt worden 
iſt. Unter ſolchen Umſtänden bleibt nur die Möglich⸗ 
keit, entweder die vom Schöffengerichte und von der 
Strafkammer erkannten Einzelſtrafen auf eine Geſamt⸗ 
ſtrafe zurückzuführen und die vom Schwurgerichte aus⸗ 
geſprochene 5 monatige Gefängnisſtrafe geſondert zu 


vollziehen oder die von der Straflammer und dem 


Schwurgerichte erkannten Einzelſtrafen, wie es das 
Schwurgericht getan hat, auf eine Geſamtſtrafe zurück⸗ 
zuführen und die vom Schöffengerichte ausgeſprochene 
einwöchige Gefängnisſtrafe geſondert zu vollziehen. 
Das erſtere Verfahren wäre für den Angeklagten 
ungünſtiger als das zweite, weil bei dem erſteren 
neben einer Geſamtſtrafe von einem Jahre oder etwas 
darüber noch eine fünfmonatige Gefängnisſtrafe zur 
Vollſtreckung gelangen würde, während nach dem 
zweiten neben einer Gefängnisſtrafe von einem Jahre 
und 3 Monaten nur noch eine einwöchige Gefängnis⸗ 
ſtrafe zu vollziehen ift. Die Beſtimmungen der $$ 74 
und 79 StGB. find nun aber zugunſten des Angeklagten 
getroffen. Der in dem rechtskräftigen Urteile des 
Schwurgerichts enthaltene Ausſpruch einer Geſamt⸗ 
ſtrafe kann deshalb nicht nachträglich in Anwendung 
des § 492 StPO. geändert werden, weil das zu un⸗ 
gunſten des Angeklagten wirken würde und anderſeits 
der Staatsanwalt nicht vor der Rechtskraft des ſchwur⸗ 
gerichtlichen Urteils deſſen Abänderung im Sinne des 
oben zuerſt erwähnten Verfahrens mit der Reviſion 
angeſtrebt hat. (Beſchluß des F StS. BeſchwReg. 562,08). 

1362 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Zum Begriff des Tierhalters. Stillſchweigender 
Anschluß der Tierhalterhaftung? Vorübergehend an: 
gestellter Arbeiter in laudwirtſchaftlichem Betrieb? Der 
Kläger, ein Kohlen- und Viktualienhändler, der die 
zu ſeinem Gewerbe nötigen Transporte mit ſeinem 


363 


Pferdefuhrwerk beſorgt — er hat weder Grundbeſitz 
noch ſonſtigen Viehſtand, treibt keine Landwirtſchaft, 
auch kein landwirtſchaftliches Nebengewerbe und gehört 
keiner Beruſsgenoſſenſchaft an — fuhr am 9. Juli 
1906 auf das Aderfeld des Beklagten, um dort die 
von dieſem gekauften Kartoffeln zu holen. Die vom 
Beklagten eben ausgemachten Kartoffeln lagen zerſtreut 
auf dem Felde umher, der Kläger las ſie in Körbe 
zuſammen und lud ſie auf den Wagen. Da der Acker⸗ 
boden weich war und das Gelände gegen die Straße 
hin anſteigt, konnte das Pferd des Klägers die Laſt 
nicht vorwärts bringen. Ein gemeinſchaftlicher Ver⸗ 
ſuch, das jüngere kräftigere Pferd des Beklagten eins 
zuſpannen, wurde wegen der Störrigkeit des Tieres 
aufgegeben. Man nahm dann einige Körbe ab und 
ließ den erleichterten Wagen, während der Beklagte 
ſein eigenes Pferd oben an der Straße an einer 
Telegraphenſtange feſtband, durch das Pferd des 
Klägers auf den Weg hinaufziehen. Hierauf erſuchte 
der Beklagte den Kläger, ihm zum Wiedereinſpannen 
ſeines zu dem fruchtloſen Verſuch ausgeſpannten Pferdes 
zu helfen und bemerkte „er könne jetzt auch mitheim⸗ 
fahren“. Der Kläger leiſtete die erbetene Hilfe, wurde 
aber hierbei durch das ſteigende und ihn darnach 
überrennende Pferd des Beklagten verletzt. Der Be⸗ 
klagte wurde vom Landgerichte durch Teilurteil zur 
Zahlung von Schmerzensgeld ſowie von Heil⸗ und 
Pflegekoſten verurteilt; feine Berufung wurde zurück- 
gewieſen. 

Aus den Gründen des Berufungs⸗ 
urteils: 1. Der Begriff des Tierhalters iſt vom 
Erſtrichter nicht verkannt; für dieſen Begriff iſt die 
Frage des Eigentums oder ähnlicher Rechts beziehungen 
nicht ausſchlaggebend. Es kommt darauf an, wer 
durch Gewährung von Obdach und Unterhalt die 
Sorge für das Tier übernommen hat; wer es wartet, 
pflegt und nutzt, iſt Tierhalter, mag er das Tier auch 
nur auf Probe gekauft haben und den Zweck verfolgen, 
die Gebrauchsfähigkeit und die Charaktereigenſchaften 
des Tieres näher kennen zu lernen. (RGE. 62 S. 80; 
52 S. 117). 


2. Auch der zweite Angriff des Beklagten, es ſei 
angeſichts einer vorliegenden Gefälligkeit nach Billig⸗ 
keitsgrundſätzen ein ſtillſchweigender Ausſchluß der 
Tierhaltergefahr anzunehmen, verſagt. Es mag ſein, 
daß der Kläger aus Erkenntlichkeit für ein voraus⸗ 
gegangenes Entgegenkommen dem Erſuchen des Bes 
klagten, beim Wiedereinſpannen zu helfen, nachkam. 
Es handelt ſich aber — was den ſchadenſtiftenden 
Vorgang anlangt — nicht um eine vom Beklagten 
dem Kläger, ſondern um eine von dieſem dem Bes 
klagten geleiſtete Gefälligkeit. Alſo kann keine Rede 
davon ſein, daß der Kläger, als er zugriff, um das 
Pferd des Beklagten wieder einſpannen zu helfen, den 
Beklagten von der Tierhaltergefahr habe entbinden 
wollen. Es geht auch nicht an, die Vorgänge vom 
Ausſpannen bis zum Wiedereinſpannen des Pferdes 
des Beklagten einer einheitlichen Beurteilung zu unter- 
ſtellen und zu ſagen, daß die mit dem Ausſpannen 
begonnene Gefälligkeit des Beklagten ihr Ende erſt 
mit dem Wiedereinſpannen erreicht habe. Mochte der 
Kläger auch die verſuchte Einſtellung des jüngeren 
Pferdes als eine Art landläufigen Entgegenkommens 
empfinden, ſo erwuchs ihm doch hieraus keinerlei 
Verbindlichkeit in der Richtung, daß er den beſagten 
Verſuch durch eine Mitwirkung beim Wiedereinſpannen 
auszugleichen gehabt hätte. Vielmehr behielt die 
Handreichung des Klägers beim Wiedereinſpannen den 
Charakter einer ſelbſtändigen dem Beklagten geleiſteten 
Gefälligkeit. 

3. Endlich geht auch der dritte, gegen die An— 
wendung von § 151 Lw. gerichtete Angriff fehl, 
mit dem geltend gemacht werden will, daß der Unfall 
in dem verſicherungspflichtigen Betriebe vorgekommen, 


364 


der Kläger aber, der als vorübergehend angeftellter 
Arbeiter dieſes Betriebes erſcheine, mangels ſtraf⸗ 
gerichtlicher Feſtſtellung vorſätzlicher Unfallſtiftung 
einen Anſpruch nicht erheben könne. Der Unfall iſt 
allerdings im landwirtſchaftlichen Betriebe des Be— 
klagten paſſiert; der Kläger war aber kein in dieſen 
Betrieb voruͤbergehend eingeſtellter Arbeiter. Der Kläger 
griff nur aus Gefälligkeit, wenn auch auf Erſuchen ein; 
er handelte bei feiner Hilfeleiſtung nach eigenem Gut- 
dünken, konnte ſie unterlaſſen oder einſtellen nach Be⸗ 
lieben, er empfing vom Beklagten auch keine Anleitung 
oder Anweiſung, ebenſowenig auch eine Entlohnung; 
vielmehr befand er ſich außerhalb jeder Abhängigkeit 
vom Beklagten. Wenn ſolchergeſtalt im Felde beſchäf⸗ 
tigte Perſonen einander mit einer kurzdauernden Hilfe- 
leiſtung an die Hand gehen, um wie hier, für eine 
gemeinſchaftliche Heimfahrt fertig zu werden, ſo tritt 
nicht der eine in ein Arbeitsverhältnis zum andern. 
(JW. 1908 S. 211, 351). (Urt. vom 7. Juli 1908 
Nr. 146/08). 

1857 Mltg. von Oberlandesgerlchtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


Notizen. 


Warnung vor dem juriſtiſchen Studium. Die Klage 
über die Ueberfüllung der gelehrten Berufe iſt all⸗ 
gemein. Auch die Schar der jungen Rechtsbefliſſenen 
wächſt in beängſtigender Weiſe. Unter dem Einfluſſe 
der ſchlechten Beförderungsverhältniſſe hatte ſich um 
die Wende des Jahrhunderts die Zahl der Rechts— 
praktikanten nicht unerheblich vermindert. Im Jahre 
1903 wurde der Tiefſtand erreicht; es unterzogen ſich 
181 Kandidaten dem fog. Staatskonkurs. Mit dieſer 
Zahl kann der jährliche Bedarf reichlich gedeckt werden. 
Die folgenden Jahre brachten aber in raſcher Steigerung 
eine Verdoppelung. Heuer werden etwa 400 Prakti⸗ 
kanten geprüft werden. Der Höhepunkt iſt damit kaum 
erreicht. Die ernſte Gefahr, daß ein juriſtiſch gebildetes 
Proletariat heranwächſt, hat die 6 Zivilſtaatsminiſterien 
veranlaßt, vor dem juriſtiſchen Brotſtudium eindringlich 
zu warnen (IMBI. 1908 S. 173). Zugleich wird 
bekannt gegeben, daß eine Verſchärfung der Brüfungs- 
vorſchriften bevorſteht. Wir können uns der Warnung 
nur anſchließen und halten es für die Pflicht eines 
jeden, der mit den Verhältniſſen vertraut ift, un: 
erfahrene junge Leute aufzuklären. Die Warnung 
gilt vor allem dem, der Juriſt werden will, weil er 
zu keinem Studium rechte Luſt und Befähigung hat. 
Er würde bittere Erfahrungen machen. Die Zeit 
fordert als Richter und Verwaltungsbeamte Männer, 
die ſich ihrer ernſten Aufgabe mit Luſt und Liebe 
unterziehen und dabei auch über eine angemeſſene 
allgemeine Bildung verfügen. Hier hätte freilich ſchon 
das Gymnaſium anders einzuſetzen als bisher. 

1374 


Die Stellung unter Bolizeiauffiht. Die neuen 
Vorſchriften (GVBl. S. 561) ſtehen mit den Vor⸗ 
ſchriften über die Handhabung des Ausweiſungsrechtes 
gegenüber beſtraften Perſonen (dieſe Zeitſchr. Jahrg. 
1908 S. 112) in engem Zuſammenhange. Auch hier 
gilt als oberſter Grundſatz: keine mechaniſche, formular: 
mäßige Ausübung der polizeilichen Befugniſſe; Berück- 
ſichtigung der Eigenart des einzelnen Falles! Vor— 
läufig Entlaſſene und bedingt Begnadigte, gegen die 
ein Widerruf nicht ergangen iſt, ſollen nicht unter 
Polizeiaufſicht geſtellt werden. Auch die Verurteilten, 
hinſichtlich deren die Beamtenkonferenz der Straf— 
anſtalt oder der Vorſtand des Gerichtsgefängniſſes 
fih gutachtlich gegen die Stellung unter Polizeiaufſicht 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 


nicht unterworfen werden. Die Ueberwachung des 
unter Aufſicht Geſtellten liegt jetzt der Diſtrikts⸗ 
polizeibehörde des jeweiligen Aufenthaltsortes ob. Sie 
hat in ſchonender Weiſe zu erfolgen. Der Verurteilte 
11 dadurch in ſeinem Fortkommen nicht geſtört werden. 

olizeiliche Erkundigungen bei Arbeitgebern uſw. find 
möglichſt zu vermeiden. Bei der Ueberwachung kann 
ſich die Polizeibehörde der Mitwirkung von Vertrauens⸗ 
perſonen (Mitglieder der Obſorgevereine für entlaſſene 
Strafgefangene u. a., auch Verwandte des Verurteilten) 
bedienen. Beſchränkungen, die nicht im Geſetze vor⸗ 
geſehen ſind, dürfen nicht auferlegt werden. Darf 
darnach in Zukunft noch angeordnet werden, daß der 
Beaufſichtigte jede, auch vorübergehende Entfernung 
von ſeinem Wohnorte der Polizeibehörde zu melden 
hat? Die Antwort ift nicht unzweifelhaft ($ 8 Abſ. 3 
und 4) und für die Strafverfolgungsbehörden mit 
e auf § 361 Nr. 1 StGB. von Intereſſe. 

í 


Das Wiſcheretseſet für das Königreich Bayern iſt 
am 15. Auguft d. 8. ſanktioniert worden (GVBl. 
S. 527). Das Geſetz bildet den Schlußſtein der neuen 
bayeriſchen Waſſergeſetzgebung und iſt für den Zivil⸗ 
richter, den Strafrichter und den Verwaltungsbeamten 
von gleich großer Bedeutung. Wir behalten uns vor, 
in den nächſten Monaten auf das Geſetz zurückzukommen, 
und machen hier nur darauf aufmerkſam, daß der 
Artikel 14, der die grundbuchrechtliche Behandlung 
des Fiſchereirechts betrifft, mit der Verkündung des 
Geſetzes in Kraft getreten iſt. Im übrigen tritt das 


Geſetz am 1. April 1909 in Kraft. 
1376 


Die Koſten der Rechtshilfe bei der Vernehmung 
von Sachverſtändigen. Die gerichtlichen Gutachten von 
Sachverſtändigen pflegen koſtſpielige Dinge zu ſein. 
Finanzielle Erwägungen haben bekanntlich auch dazu 
geführt, daß den Gerichten und Staatsanwälten emp: 
fohlen wurde, ſich mit den in einem anderen Bundes- 
ſtaate wohnenden Sachverſtändigen unmittelbar in 
Verbindung zu ſetzen und das Gutachten ſich ſchriftlich 
erſtatten zu laffen. In Zivilſachen hat aber der Sach— 
verſtändige vor Erſtattung des Gutachtens regel- 
mäßig einen Eid zu leiſten (8 410 ZPO.; f. § 15 
GG.). In den bisherigen Vorſchriften war darauf 
nicht Rückſicht genommen. Die Praxis hat ſich viel⸗ 
fach damit geholfen, daß in Zivilſachen und Ange⸗ 
legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ſchriftliche 
Begutachtung angeordnet und das Amtsgericht des 
Wohnortes des Sachverſtändigen nur um die vor— 
herige Abnahme des Eides erſucht wurde. Der Zweck, 
die Kaſſen der anderen Bundesſtaaten vor der Be- 
laſtung mit den Koſten der Gutachten zu fügen, 
wurde auch auf dieſem Wege erreicht. Die Bekannt⸗ 
machung vom 20. Juli ds. Js. (JM Bl. S. 174) billigt 
dieſe Uebung und fordert die Gerichte auf, ſich der 
Uebung allgemein anzuſchließen. In Strafſachen 
iſt die Sachlage etwas anders. Die ſchriftliche Er— 
ſtattung des Gutachtens iſt nur im Vorverfahren zu— 
läſſig. Im Vorverfahren findet aber gewöhnlich keine 
Beeidigung ſtatt. Die Bekanntmachung vom 21. Juli 
1900 (MBI. S. 1067) gilt hier unverändert weiter. 


1375 


Beamtengeſetz. Die Nr. 59 des Geſetz⸗ und Ber: 
ordnungsblattes enthält u. a. das Beamtengeſetz vom 
16. Auguft d. Is. In der Inhaltsangabe der Nummer 
iſt als Datum des Geſetzes unrichtig der 15. Auguſt 
bezeichnet. 


BASE 
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H, Freiſing. 


ur. 9. 19. QWi.nchen, den den 1. 1. Oktober 1908. 1908. | 4. J. Jahrg. 


Zeitfhrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 
Th. von der Pfordten in Bay ein 3. een ch zn 
ur Zellier 
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Redaktion und Expebition: München, Lenbachplatz 1. 
ae e 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petltzeile 
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Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im Umfange pon mindeſtens 2 Bogen. Preis e 
8.— ungen übernimmt jede Buchbandlu 
Boftanftalt (Moftgeltungslifte für Bayern Nr. 974a). 


Nachdruck verboten. 


Hafteutſchädigung bei Nealkonkurrenz. | aburteilbar.”?) Ebenſo kann die Aburteilung ein- 


zelner real konkurrierender Straftaten vor ver⸗ 
Von Reichsgerichtsrat Burlage in Leipzig. ſchiedenen Gerichten gleicher Ordnung (vgl. auch 
88 384, 394 Abi. 2 StPO.) ſowie vor der 
Das Reichsgeſetz vom 14. Juli 1904 über die unteren und höheren Inſtanz erfolgen. Wäre 
Entſchädigung der unſchuldig Verhafteten enthält nun — wie Ha berſtumpf will — die „reſtloſe“ 
keine beſonderen Vorſchriften über die Fälle der Freiſprechung Vorausſetzung für den Erlaß des 
Realkonkurrenz. Unter den hierdurch veranlaßten Entſchädigungsbeſchluſſes, ſo könnte dieſer immer 
Zweifeln tritt die praktiſch ſehr wichtige Streitfrage nur von dem zuletzt urteilenden Gericht erlaſſen 
hervor, ob zugunſten des Verhafteten, welcher werden. Dieſes müßte dann auch darüber be— 
mehrerer ſelbſtändiger Straftaten ($ 74 StGB.) finden, ob wegen der früher abgeurteilten Straf- 
angeklagt (oder angeſchuldigt) iſt, ein Entſchädigungs⸗ taten „das Verfahren die Unſchuld ergeben oder 
beſchluß nur in dem Falle und erſt dann erlaſſen dargetan hat, daß ein begründeter Verdacht 953 
werden kann, wenn der Beſchuldigte „reſtlos“ d. h. vorliegt“ ($ 1) oder ob etwa eine der im $ 2 
„von allen durch ein Verfahren umfaßten“ ſtraf⸗ aufgeführten negativen Bedingungen des Ent⸗ 
baren Handlungen freigeſprochen ift (Haber: ſchädigungsanſpruchs fehlt.“) Hierüber zu urteilen 
ſtumpf in dieſer Zeitſchrift 1, 71 und 2, 27), iſt aber nicht das zuletzt ſprechende Gericht, ſondern 
oder ob ein Beſchluß ſchon ergehen muß, wenn nur dasjenige Gericht befähigt, welches das vorher— 
nur wegen einer der mehreren Straftaten Frei- gehende freiſprechende Urteil gefällt hat. Denn 
ſprechung erfolgt (Trauſe in dieſer Zeitſchrift „der vom erkennenden Gerichte neben dem Urteile 
4, 197, Burlage, Die Entſchädigung der un- | zu faſſende beſondere Beſchluß über die Voraus⸗ 
ſchuldig Verhafteten S. 45 ff., Krauſe in dem ſetzungen des Entſchädigungsanſpruchs ergeht auf 
gleichen Kommentar S. 166). Nach meiner An- Grund der Beweisergebniſſe, die das ... Ber: 
ſicht ift es nach wie vor als unzweifelhaft an- fahren im Rahmen der ihm geſtellten Aufgabe 
zuſehen, daß die Frage!) in dem bezeichneten gleichzeitig für die Entſcheidung der Frage der 
zweiten Sinne zu beantworten iſt. Unſchuld geliefert hat.“ Es ſollen die Ergebniſſe 
Zu dieſer Antwort führen ſchon die beiden des ordentlichen Strafverfahrens verwertet werden, 
Sätze, daß der Beſchluß über die Entſchädigung „um auch über die Frage der Unſchuld des Frei⸗ 
von dem über die Tat urteilenden Gerichte glei: geſprochenen eine Entſcheidung zu erzielen.“) Gleiches 
zeitig mit feinem freiſprechenden Urteile zu erlaffen gilt ſelbſtverſtändlich für die Ausſchließungsgründe 
ift (S 4 Abf. 1, 4 des Reichsgeſetzes), ſowie daß des 5 2. De lege ferenda wäre allenfalls der 
der Strafprozeß im Falle der Realkonkurrenz teil- Ausweg denkbar, über die Entſchädigung auch 
bar ift. „Jede der mehreren Straſſachen ift durch⸗ durch das zuerſt erkennende Gericht erft dann bes 
aus ſelbſtändig und trennbar. Daher kann z. B. finden zu laſſen, nachdem alle Straftaten ab⸗ 
ſehr wohl Aburteilung der einen Tat unter gleich- geurteilt ſind. Vom ih iſt aber dieſer Ausweg 
zeitiger Vertagung der Verhandlung bezüglich der — was auch ſchon Krauſe a. a. O. betont hat 
anderen Straſſache erfolgen; und würde das Ge- — durch die ausdrückliche Vorſchrift des 8 4 
richt aus Verſehen eine oder die andere der Abt: 1 verſchloſſen worden, nach der von dem 
mehreren Strafſachen unabgeurteilt gelaſſen haben, 


ſo wäre der Reſt natürlich noch unerledigt und YBennede- Beling, Lehrb. d. D. Reichsſtrafproz. 
8 61 IV S. 209 

3) Bal auch Krauſe in dieſer Zeitſchrift 4. 198. 

) Davon ift die andere im Nachverfahren ($ 6 des t) Begründung des Reichsgeſetzes von 1904 S. 857; 


Reichsgeſetzes) zu entſcheidende Frage ſcharf zu trennen, vgl. dazu Burlage, Kommentar Anm. 13 bei 8 4 
ob Schadenserſatz zu gewähren iſt. S. 83 ff. 


366 Beitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1: für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


Gerichte „gleichzeitig mit feinem den Verhafteten 
freiſprechenden Urteile“ über die Entſchädigung Be⸗ 
ſtimmung zu treffen ift. Hätte der Geſetzgeber 
dieſen Weg gehen wollen, ſo wären auch beſondere 
Vorſchriften über das Zuſammenwirken der mehreren 
erkennenden Gerichte miteinander und über das 
Verhältnis der zu erlaſſenden Beſchlüſſe zueinander 
erforderlich geweſen.“) Davon ift jedoch im Geſetze 
überall keine Rede. 


Es wird nicht verkannt, daß die erörterten 
Fälle der Spaltung des Strafprozeſſes in der 
Praxis außerhalb der allgemeinen Regel liegen 
und daß für den Regelfall gleichzeitiger Aburteilung 
der ſämtlichen in einem Verfahren vereinigten 
Straftaten der Anwendung des von Haber⸗ 
ſtumpf verfochtenen Grundſatzes der „reſtloſen“ 
Freiſprechung praktiſche Schwierigkeiten nicht im 
Wege ſtänden. Es fol daher die Unterſuchung 
nicht umgangen werden, ob — was Haberſtumpf 
behauptet — die vom Reichsgericht für die Aus⸗ 
legung des $ 60 StGB. anerkannten Grundjäße 
auch für die Anwendung des Reichsgeſetzes von 
1904 als maßgebend anzuſehen ſind. Nach der 
Anſicht des Reichsgerichts“) kann in einem ſchon 
zur Zeit der Verhängung der Unterſuchungshaft 
mehrere ſelbſtändige Straftaten umfaſſenden Straf⸗ 
verfahren auch die Haft, welche der Angeklagte 
wegen einer Straftat erlitten hat, für die Frei⸗ 
ſprechung erfolgt, auf die wegen einer anderen — dem 
Haftbefehle nicht untergelegten Tat — erkannte 
Strafe angerechnet werden. Zur Begründung ſeiner 
Anſicht führt das Reichsgericht“) aus, es „könne 
überhaupt nicht mit Grund behauptet werden, daß 
die Unterſuchungshaft nur wegen eines dieſer 
Delikte geſchwebt habe, da das Verfahren als ein 
Ganzes anzuſehen ſei, in welchem ſich die Prozedur 
nach dem für das ſchwerſte Vergehen vorgeſchriebenen 
Verfahren richte.“ Haberſtumpf )) ſieht in 
dieſer Rechtſprechung des Reichsgerichts „allgemeine 
Grundſätze des Haftrechts überhaupt, die ſowohl 
auf § 60 StGB. als auch auf das Geſetz vom 
14. Juli 1904 zutreffen“, und folgert daraus, 
daß die „reſtloſe“ Freiſprechung Vorausſetzung für 
die Haftentſchädigung nach dem bezeichneten Reichs⸗ 
geſetze ſei. 

Die gedachte Auslegung des $ 60 StGB. 
dient dem berechtigten Schutze des Verhafteten. 
Könnte der $ 60 nicht im weiteren Sinne vers 
ſtanden werden, ſo würde für den Verhafteten, 
der nur wegen der Straftat b, welche nicht die 
Grundlage des Haftbefehls ($ 114 Abſ. 2 StPO.) 


8) Es hätte etwa daran gedacht werden können, den 
erſten Entſchädigungsbeſchluß unter dem Vorbehalte zu 
erlaſſen, daß auch wegen der übrigen in Realkonkurrenz 
ſtehenden Straftaten ein die Entſchädigungspflicht aus: 
ſprechender Beſchluß ergehen würde. 

6) Vgl. RG. 3, 264; 30, 185; 31, 244; RG. IV 
vom 9 Juni 1903 im Arch. für Strafr. 50. 388 u. a. 
1) RG. II vom 21. Januar 1881 Bd. 3, 265. 

) S. dieſe Zeitſchrift 2, 27. 


— —— • 0n—ͤͤ —Uö—ñ2 4 ——ä— 


bildete, deren Verfolgung aber durch die wegen 
der Tat a verhängte Unterſuchungshaft tatſächlich 
geſichert wurde, zu Strafe verurteilt wäre, die 
Anrechnung der Haft auf die erkannte Strafe aus⸗ 
geſchloſſen ſein, die doch im Falle der reſtloſen 
Verurteilung auf die Geſamtſtrafe hätte angerechnet 
werden können. Auf Grund jener Auslegung des 
§ 60 konnte und kann der Angeklagte wenigſtens 
in gewiſſen Fällen für erlittene, materiell ungerecht⸗ 
fertigte Unterſuchungshaft durch Aufrechnung von 
Haft und Strafe, gleichſam von einer Forderung 
des Freigeſprochenen an den Staat und einer 
Schuld des zugleich Verurteilten bei dem Staate, 
entſchädigt werden. Eine Entſchädigung, aber eine 
allgemein durchgreifende, iſt ebenfalls der Zweck 
des Reichsgeſetzes von 1904. Dieſem Geſetzeszwecke 
würde es widerſtreiten, wenn die zur weiten Aus⸗ 
legung des § 60 dienenden Gründe zu einer Ein- 
ſchränkung des neuen Entſchädigungsgeſetzes heran⸗ 
gezogen würden. Eine ſolche Verwertung dieſer 
Gründe iſt mit nichten geboten. Mag immerhin 
die wegen einer Straftat verhängte Unterſuchungshaft 
in Beziehung zum ganzen, auch andere Straftaten 
umfaſſenden Verfahren ſtehen und dadurch die 
Anwendung des $ 60 in dem erörterten Falle 
ermöglicht werden, ſo kann doch nicht nachgewieſen 
werden, daß das Geſetz von 1904 die Ent: 
ſchädigungspflicht von der Beurteilung der einzelnen 
den Haftbefehl tragenden Straftat ($ 114 Abſ. 2 
StPO.) losgelöſt und dafür den zufälligen Um- 
ſtand der Vereinigung mehrerer Straftaten in 
einem Verfahren zur Grundlage der Entſchadigungs⸗ 
pflicht gemacht hätte. Für dieſe Auffaſſung läßt 
ſich der Wortlaut des Geſetzes, das offenbar nur 
den Regelfall einer einzigen dem Angeklagten zur 
Laſt gelegten Straftat ins Auge faßt, keineswegs 
verwerten. Gegen dieſe Auffaſſung ſpricht die oft 
angeführte Aeußerung des Regierungsvertreters in 
der Reichstagskommiſſion.“) Dagegen ſpricht vor 
allem aber der das ganze Geſetz durchziehende 
Grundſatz der Billigkeit gegenüber dem Verhafteten. 
Es wäre an ſich unbillig, dem Angeklagten, deſſen 
Verhaftung ſich auf eine ihm als Unſchuldigem 
zur Laſt gelegte Tat gründete, deswegen die Ent⸗ 
ſchädigung zu verſagen, weil er wegen einer anderen, 
vielleicht ganz geringfügigen ſtrafbaren Handlung, 
welche die Verhaftung nicht verurſacht und nicht 
getragen hat, zufällig in demſelben Verfahren 
verurteilt wird. Die auf jene Tat geſtützte Ver⸗ 
haftung zog den Schaden nach ſich; war ſie 
materiell ungerechtfertigt, ſo iſt dieſer Schaden zu 
erſetzen.!“) Von zwei das gleiche Ziel verfolgenden 
Wohltaten ſoll nicht die erſte kleinere — die An⸗ 
rechnung der Unterſuchungshaft auf Grund einer 
weiten Auslegung des $ 60 StGB. — dazu be 
nutzt werden, die zweite große — die Entſchädigung 


9) S. Kommiſſionsbericht S. 2060. 

10) Darüber, wie ſich nach der hier vertretenen An⸗ 
ſicht die verſchiedenen Fälle geſtalten, f. Buria gea. a. O. 

5 ff., 64. 


— 


S. 45 


— — e — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


nach dem Geſetze von 1904 — zu beeinträchtigen. 
Haberſtumpf beruft ſich auf den Satz, die 
Unterſuchungshaft „ſei ein Uebel, das nicht in 
der ſtrafbaren Handlung ſelbſt, ſondern in der 
notwendigen Unterſuchung derſelben begründet 
ſei“. Allein es iſt nicht gerechtfertigt, dieſem vom 
Reichsgericht (Entſch. Bd. 3 S. 265) für die Aus⸗ 
legung des $ 60 StGB. verwerteten Gedanken 
maßgebenden Einfluß auf die Auslegung des 
Reichsgeſetzes von 1904 einzuräumen. Die erſte 
und weſentliche Grundlage der Unterſuchungshaft 
iſt der dringende Verdacht einer beſtimmten Tat 
($ 112 StPO.). Die Verkehrung dieſes Verdachts 
ins Gegenteil, nämlich die Feſtſtellung der „Un⸗ 
ſchuld“ in Betreff dieſer Tat, iſt von dem Ent⸗ 
ſchädigungsgeſetz ($ 1), das alle Verletzung pro⸗ 
zeſſualer Vorſchriften außer Acht läßt, zur Grund⸗ 
lage der Entſchädigung gemacht worden. 


Das nene bayeriſche Beamtenrecht. 


Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. 
(Fortſetzung.) 
Begründung des Dienſtverhältuniſſes. 


Das Dienſtverhältnis zum Staate wird be⸗ 
gründet durch Berufung zum Staatsdienſte mit 
Entſchließung des Königs oder einer vom Könige 
ermächtigten Behörde, alſo durch einſeitigen Re⸗ 
gierungsakt und zwar mit dem Zeitpunkte, den 
die Entſchließung beſtimmt. Einer Annahme⸗ 
erklärung bedarf es nicht; das war auch nach 
bisherigem Rechte der Fall (IX. Verf B. § 1). 
Die alte Streitfrage, ob die Wirkſamkeit der Er⸗ 
nennung auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrage 
beruht, entſcheidet das Geſetz nicht; ſicher iſt, daß 
ſich aus den Beſtimmungen des BG. fo wenig 
eine Pflicht zum Eintritt in den Staatsdienſt ab- 
leiten läßt, als bisher eine ſolche beſtand; dann 
kann aber auch die Berufung nie gegen den 
Willen des Ernannten wirkſam werden. Das gibt 
auch die Begründung zu Art. 5 des Entwurfes 
zu; wenn fie aber dann doch die Zuläſſigkeit der 
Ablehnung unbedingt aus dem Grunde verneint, 
daß bei Unterſtellung eines Vertrages in der Er— 
nennung die Annahme des Anerbietens des Be— 
werbers liegt, geht ſie fehl. Denn ſie trifft nur 


den Normalfall es kann aber vorkommen, daß - 


eine Ernennung ohne Bewerbung erfolgt, wenn 
z. B. eine beantragte Streichung aus der Liſte 
der Staatsdienſtbewerber verſehentlich unterlaſſen 
worden ift; folgt man der Seydelſchen Meinung, 
daß dem Dienſtverhältniſſe ein öffentlich-rechtlicher 
Vertrag zugrunde liegt, muß man in ſolchem 
Falle die Ablehnung für zuläſſig anſehen. 

Das Recht der Ernennung der Beamten ſteht 
nach Tit. II § 1 der Verfll. dem Könige zu, der 
das Recht, ſoweit nicht geſetzlich Ernennung durch 


— — — — — . — — 
„ —-—-tä —vñ,;n.... ——T—x . — ee 


367 


den König erfordert wird, auf Behörden über⸗ 
tragen kann. 

Die pragmatiſchen Beamten wurden gemäß 
$ 1 der IX. Verf B. ſtets vom Könige „angeſtellt“; 
die „Aufnahme der nichtpragmatiſchen Beamten und 
Bedienſteten war durch $ 2 Abſ. I der Kgl. VO. 
vom 26. Juni 1894 den Staatsminiſterien oder 
den von dieſen beſtimmten Stellen und Behörden 
übertragen. Ueber die Berufung der nichtetats⸗ 
mäßigen Beamten enthält das BG. keine naͤheren 
Beſtimmungen; ihre Berufung als „Anſtellung“ 
oder „Ernennung“ zu bezeichnen, würde dem 
Sprachgebrauche widerſprechen (man wird z. B. 
nicht zum Rechtspraktikanten „ernannt“); es wird 
ſich die Beibehaltung des Ausdrucks: „Aufnahme“ 
empfehlen. Die Berufung der etatsmäßigen Be⸗ 
amten iſt im Geſetze als „Ernennung“ bezeichnet; 
nach Art. 4 BG. erfolgt die Ernennung jener 
etatsmäßigen Beamten, die eine höhere wiſſen⸗ 
ſchaftliche, techniſche oder künſtleriſche Berufs⸗ 
bildung nachzuweiſen haben, „in der Regel“ durch 
den König; die Beſtimmung, welche Beamte 
hierunter fallen, für welche weitere etatsmäßige 
Beamte die Ernennung durch den König erfolgt 
und wieweit zur Ernennung die Behörde zuſtändig 
iſt, iſt Kgl. VO. vorbehalten. Vorſchlagsrechte 
ſür die Ernennung einiger Landtagsbeamten ſind 
in Art. 185 vorgeſehen. Ernennung durch den 
König muß erfolgen, wo dies, wie für die Richter, 
Oberſtaatsanwälte, Staatsanwälte und Gerichts⸗ 
ſchreiber (Art. 1, 52 u. 60 d. AG. 3. GV.), durch 
Geſetz vorgeſchrieben iſt. Die Kgl. Anſtellungs⸗ 
entſchließungen bedürfen nach wie vor der Gegen⸗ 
zeichnung des zuſtändigen Miniſters. 

Nur für die Ernennung der etatsmäßigen Be⸗ 
amten iſt eine beſondere Form vorgeſchrieben: die 
Ausfertigung einer Ernennungsurkunde — hier 
kehrt aljo das Anſtellungsreſkript des $ 1 der 
IX. VerfB. wieder —, in welcher der Zeitpunkt, 
von dem an die Ernennung wirkſam wird, zu 
bezeichnen und anzugeben „iſt“, daß die Ernennung 
in etatsmäßiger Eigenſchaft erfolgt (Art. 5 Abſ. 1), 
und in welche der dem Ernannten zugewieſene Ge⸗ 
halt aufgenommen werden „ſoll“ (Art. 26 Ab}. ID; 
durch die Aushändigung dieſer Urkunde oder die 
amtliche Ausſchreibung ihres Inhalts wird die Er— 
nennung mit dem in der Urkunde beſtimmten Zeit⸗ 
punkte wirkſam (Art. 5 Abſ. 2 und 3); die ver⸗ 
ſchiedene Faſſung der Vorſchriften über den Inhalt 
der Urkunde iſt geeignet, Zweifel zu erwecken, ob 
die wirkſam gewordene Ernennung zum Beamten 
einer in der Gehaltsordnung aufgeführten Beamten⸗ 
klaſſe auch dann zum etatsmäßigen Beamten macht, 
wenn in der Urkunde nicht angegeben iſt, daß die 
Ernennung in etat3mäßiger Eigenſchaft erfolgt; die 
Aeußerung der Begründung zu Art. 5, daß in der 
Ernennungsurkunde „jedenfalls“ ausdrücklich zu be— 
merken wäre, daß die Ernennung in nichtetats— 
mäßiger Eigenſchaft erfolgt, hat zwar im Wortlaut 
des Geſetzes keine Stütze, fußt aber auf der richtigen 


368 


Erwägung, daß die Ernennung auf eine etats— 


mäßige Stelle in nichtetatsmäßiger Eigenſchaft als 


ſeltene Ausnahme gedacht iſt; für durchſchlagend 
halte ich die Zuſammenſtellung mit der Vorſchrift, 
daß in der Urkunde auch der Zeitpunkt der Wirk⸗ 
ſamkeit der Ernennung anzugeben iſt. Denn darüber 
kann kein Zweifel ſein, daß das Fehlen der An⸗ 
gabe eines Zeitpunktes der Wirkſamkeit der Er⸗ 
nennung nicht Abbruch tut; das Datum der Ur- 
kunde ift dann der Zeitpunkt, mit dem die Er: 
nennung durch Aushändigung der Urkunde wirkſam 
geworden iſt. Das Ernennungsrecht iſt ein freies, 
ſoweit es nicht durch Geſetze beſchränkt iſt, wie z. B. 
durch die Beſtimmungen der Strafgeſetze über Un⸗ 
fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter als 
Rechtsfolge einer Verurteilung oder des GVG. über 
Fahigkeit zum Richteramte. Selbſtverſtändliche Vor⸗ 
ausſetzung der Ernennung iſt die Erfüllung der 
durch die Prüfungs- und Anſtellungsvorſchriften 
für die einzelnen Dienſtzweige vorgeſchriebenen Vor⸗ 
bedingungen; eine Zuſammenſtellung dieſer Vor: 
ſchriften findet ſich in Weber's Geſ. u. VO.⸗Samml., 
Anhangband (1894) S. 348 ff.; die Rechtswirk⸗ 
ſamkeit der Ernennung iſt jedoch von der Er— 
füllung dieſer Vorbedingungen ſo wenig abhängig, 
wie von der Beachtung der Sollvorſchrift des Art. 3 
BG., daß zum etatsmäßigen Beamten nur er⸗ 
nannt werden ſoll, wer 
1. die deutſche Reichsangehörigkeit beſitzt oder mit 
der Ernennung erwirbt (vgl. § 9 Abſ. 1 des 

RG. vom 1. Juni 1870); 
das 21. Lebensjahr vollendet hat; 
der Militärpflicht und im Falle der Aushebung 

der aktiven Dienſtpflicht genügt hat ($ 22, § 5 

Ziff. 3a, SS 6, 7 und 8 Wehr.). 

Die Vorſchrift unter Ziff. 2 iſt neu, jene unter 
Ziff. 1 und 3 aus $ 2 der VO. vom 26. Juni 
1894 übernommen. 

Es ſteht auch im freien Ermeſſen des Er: 
nennenden, ob ein Beamter in etatsmaͤßiger oder 
nichtetatsmäßiger Eigenſchaft berufen werden ſoll; 
dieſe uneingeſchränkte Befugnis der Beſetzung etats⸗ 
mäßiger Stellen mit nichtetatsmäßigen Beamten 
iſt nicht unbedenklich; die Frage iſt im Ausſchuß 
angeſchnitten, nach einigen, den Kern der Sache 
nicht treffenden Erklärungen des Finanzminiſters 
aber fallen gelaſſen worden. 

Niemand hat ein Recht auf Anſtellung im 
Staatsdienſt; die erfolgte Ernennung iſt aber 
nicht mehr zurücknehmbar, ſobald die Ernennungs— 
urkunde ausgehändigt oder die amtliche Ausſchrei— 
bung erfolgt ift. 

Die Berufung zum Staatsdienſt zielt zwar regel: 
mäßig auf Begründung eines dauernden Dienſt— 
verhältniſſes ab; trotzdem begründet die Ernennung 
nur für einen kleinen Teil der Beamten die Garantie 
für dauernden Beſtand des Dienſtverhältniſſes; es 
iſt das eines der unvorteilhaften Erbſtücke aus dem 
ſeitherigen bayeriſchen Beamtenrecht; nach § 2 der 
IX. VerfB. ift das Dienſtverhältnis der nicht- 


DD 


Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1% 1908. Nr. 19. 


richterlichen pragmatiſchen Beamten drei Jahre lang 
5 proviſoriſch“; das Dienſtverhältnis der nichtprag⸗ 
matiſchen Beamten und Bedienſteten nach 88 VO. 
vom 26. Juni 1894 dauernd widerruflich. Von 
der Auffaſſung, daß jeder Beamte erſt eine Probe⸗ 
zeit durchmachen müſſe, hat man ſich nicht los⸗ 
reißen können; ein Fortſchritt iſt jedoch inſofern 
zu verzeichnen, als nunmehr das Dienſtverhältnis 
aller etatsmäßigen Beamten, alſo auch nahezu 
ſämtlicher bisher nichtpragmatiſchen Staatsdiener 
nach Ablauf einer beſtimmten, nach dem Maße 
der Vorbildung abgeſtuften Probezeit, unwiderruf⸗ 
lich wird. 
| Den Richtern hatte ſchon § 4 der IX. VerfB. 
eine Ausnahmeſtellung durch ſofortige Gewährung 
des Definitivums eingeräumt und ihre Ernennung 
auf Lebenszeit iſt nunmehr auch reichsgeſetzlich 
($ 6 GWG.) vorgeſchrieben; 8 2 des VGH. hat 
die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes den 
Richtern der ordentlichen Gerichte gleichgeſtellt. 
Das BG. bringt in einer Anlage I unter A das 
Verzeichnis der etatsmäßigen Beamten, die ſofort 
mit ihrer Ernennung unwiderruflich ſind; es hat 
den Richtern der ordentlichen Gerichte und den 
Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshoſes die Mit⸗ 
glieder des Oberſten Rechnungshofes!) und die 
ſtändigen Mitglieder des Landesverſicherungsamts 
im Hauptamt angefügt. Unter B der Anlage I 
ſind die Beamten anfgezählt, deren Dienſtverhältnis 
nach einer etatsmäßigen Dienſtzeit von 3 Jahren 
unwiderruflich wird; durch die Art. 186, 188 und 
194 ſind Angehörige von Beamtenklaſſen, welche 
nach Art. 2 nicht zu den etatsmäßigen Beamten 
zählen würden, als etatsmäßige Beamte erklärt 
worden; die Anlagen II mit IV zählen jene dieſen 
Klaſſen angehörigen Beamten auf, deren Dienſt— 
verhältnis nach 3 Jahren unwiderruflich wird. 
Das Dienſtverhältnis aller übrigen etatsmäßigen 
Beamten wird erſt nach einer etatsmäßigen Dienit: 
zeit von 10 Jahren unwiderruflich. 

Für etatsmäßige Beamte, die erſt ſpäter in 
die Gehaltsordnung oder eine der beſonderen Ge⸗ 
haltsordnungen für den Bereich der Verſicherungs⸗ 
kammer und des Waſſerverſorgungsbureaus auf— 
genommen werden, iſt die Beſtimmung der Dauer 

der Widerruflichkeit Kgl. VO. vorbehalten (Art. 6 
Abſ. 1—4). Das Dienſtverhältnis aller nicht: 
e 6 Ai Beamten ift dauernd widerruflich 


(Art. 6 Abſ. 5). 

Das Dienſtverhältnis der weiblichen Beamten 
wird, auch wenn es bereits unwiderruflich war, 
mit ihrer Verehelichung dauernd widerruflich 
(Art. 206 Abſ. 1 Ziff. 1). 

Zur bequemeren Unterſcheidung hat das Geſetz 
die Ausdrücke: „Widerrufliche Beamte“ und „un— 
widerrufliche Beamte“ geprägt (Sprachſünde !). 


1) Die Richter der ordentlichen Gerichte, die Mit— 
glieder des Verwaltungs-Gerichtshoſes und des Oberſten 
Rechnungshofes werden im folgenden unter der Be— 
zeichnung: „Richterliche Beamte“ zuſammengefaßt. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


Für die Uebergangszeit ſind die Beſtimmungen des Widerrufs die Beamten, deren Ernennung der 
des Art. 209 wichtig; hiernach wird den aktiven Reichsverweſer nicht mehr hätte widerrufen können, 


Beamten und Bedienſteten, welche in eine in der 


Gehaltsordnung aufgeführte Beamtenklaſſe über⸗ 


geleitet werden, für den Eintritt der Unwiderruflich⸗ 
keit als etatsmäßige Dienſtzeit die Zeit angerechnet, 


welche ſie in pragmatiſcher oder in nichtprag⸗ 


matiſcher ſtatusmäßiger Dienſteseigenſchaft bereits 
zurückgelegt haben; es ſollen ferner die vor Inkraft⸗ 


treten des Geſetzes angeſtellten pragmatiſchen, aber 


noch nicht definitiv gewordenen Beamten auch 
dann, ſpäteſtens mit Ablauf des nach den bis— 


herigen Beſtimmungen berechneten Proviſoriums 
unwiderruflich werden, wenn ſie nicht zu den in 
Anlage I B oder in den Anlagen II und III 


aufgeführten Beamten gehören und deshalb nach 
den neuen Beſtimmungen erſt nach 10 jähriger 
etatsmäßiger Dienſtzeit unwiderruflich würden; 
ſind ihnen die neuen Beſtimmungen günſtiger, 
kommen dieſe zur Anwendung; dieſe können des⸗ 
halb günſtiger ſein, weil der pragmatiſchen Dienſt⸗ 
zeit die in nicht pragmatiſcher ſtatusmäßiger 
Dienſteseigenſchaſt verbrachte Dienſtzeit hinzuge⸗ 
rechnet wird. 

Wie ſchon bisher ſind die Beſtimmungen über 
die Dauer der Widerruflichkeit des Dienſtverhält⸗ 
niſſes nicht zwingender Natur; es kann „aus 
beſonderen Gründen“ das Dienſtverhältnis ſofort 
für unwiderruflich erklärt oder die Friſt der Wider⸗ 
ruflichkeit abgekürzt werden (Art. 7). 

Nach Titel II § 18 der Verfü. können während 
der Reichsverweſung alle erledigten Aemter mit 
Ausnahme der Juſtizſtellen nur proviſoriſch beſetzt 
werden; die den Beamten günſtige Auslegung, 
welche dieje Verfaſſungsbeſtimmung durch das 
Geſetz vom 26. Oktober 1887 erfahren hat, kommt 
nun zufolge der durch Art. 225 BG. getroffenen 
Abänderung des Abſ. 1 dieſes Geſetzes allen etats⸗ 
mäßigen Beamten zugute: dieſe Aenderung bringt 
zugleich eine Auslegung des Begriffs „Juſtizſtelle“ 
im Sinne des Titel II § 18 der Verfll. Das 
Ergebnis ift folgendes: Die während der Reichs— 
verweſung erfolgten Ernennungen der Richter, der 
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes und 
Oberſten Rechnungshofes ſowie der ſtändigen Mit: 
glieder des Landesverſicherungsamtes im Haupt— 
amte (und der Notare, deren dienſtrechtliche Ver⸗ 
hältniſſe in dieſem Aufſatze außer Betracht ge: 
laſſen werden, weil die Notare nicht Beamte im 
Sinne des BG. ſind), können nach Beendigung 
der Reichsverweſung nicht widerrufen werden; die 
vom Reichsverweſer proviſoriſch ernannten etats— 
mäßigen Beamten ſind während der Reichsver— 
weſung ganz fo zu behandeln, wie wenn ihre Er: 
nennung durch den König erfolgt wäre und er— 
langen insbeſondere nach Ablauf der Probezeit 
die Rechte der unwiderruflichen Beamten; nach 
Beendigung der Reichsverweſung kann zwar der 
König die vom Reichsverweſer ausgegangenen Er— 
nennungen widerrufen, es behalten aber im Falle 


j 


die erworbenen Heimatsrechte und Rechte auf 
Ruhegehalt und Hinterbliebenenverſorgung. 

Die Erlangung der Unwiderruflichkeit iſt für 
den Beamten von größter Wichtigkeit; erſt die 
Unwiderruflichkeit ſchützt ihn gegen Entlaſſung aus 
dem Staatsdienſte im Wege der Verwaltungs⸗ 
verfügung, gegen Verſetzung unter Einbuße an 
Rang oder Gehalt und gegen Vorenthaltung von 
Umzugskoſten im Verwaltungswege bei Verſetzung, 
erſt die Unwiderruflichkeit gibt dem Beamten unter 
beſtimmten Vorausſetzungen Anſpruch auf Ver⸗ 
ſetung in den Ruheſtand, ſowie Anſpruch auf 
Ruhegehalt und ſchützt ihn im Ruheſtand gegen 
den Entzug der Befugnis zur Weiterführung 
ſeines Titels, erſt ſie vermittelt ſeinen Hinter⸗ 
bliebenen klagbaren Anſpruch auf Hinterbliebenen⸗ 
verſorgung, der den Hinterbliebenen der wider⸗ 
ruflichen Beamten erſt nach Anweiſung von 
Witwen- und Waiſengeld durch die Verwaltungs⸗ 
behörde zuſteht. 


Die Vorſchriften der Art. 4 Abſ. 1 und 2 BG. 
über die Zuſtändigkeit zur Ernennung der etats⸗ 
mäßigen Beamten und des Art. 5 Abſ. 1 mit 3 
über Form und Eintritt der Wirkſamkeit der Er⸗ 
aang gelten auch (Art. 4 Abſ. 3, Art. 5 Abſ. 4) 
ür die Ä 

Wiederanſtellung. 


Die in Art. 64 BGG. vorgeſehene „Wieder⸗ 
berufung zur Dienſtleiſtung“ des zeitlich oder 
dauernd in den Ruheſtand verſetzten, wieder dienſt⸗ 
fähig gewordenen Beamten iſt nichts anderes als 
Wiederanſtellung; die nach Art. 42 verſügte Wieder⸗ 
berufung zur Dienſtleiſtung der auf Wartegeld ge- 
ſetzten Beamten iſt ſtreng genommen keine Wieder⸗ 
anſtellung, da dieſe Beamte geblieben ſind, das 
Geſetz bezeichnet ſie aber an anderer Stelle (Art. 29 
Abſ. 1) als Wiederanſtellung; die beſagten Vor⸗ 
ſchriſten gelten daher auch für die Wiederberufung 
zur Dienſtleiſtung der einſtweilen, zeitlich oder 


dauernd in den Ruheſtand verſetzten Beamten. 


Die Wiederanſtellung bietet keine Beſonder⸗ 
heiten; nur für die Bemeſſung des Gehaltes ſoll 
den auf Wartegeld geſetzt geweſenen Beamten die 
im einſtweiligen Ruheſtand verbrachte Zeit und 
kann dem unverſchuldet entlaſſenen Beamten die 
vor Löſung des Dienſtverhältniſſes in etatsmäßiger 
Eigenſchaft zurückgelegte Dienſtzeit ganz oder teil⸗ 
weiſe angerechnet werden. 

Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden 
über Wiederanſtellung ſind für den Streitrichter 
bindend (Art. 178 Ziff. 3). 


Niemand wird allgemein zum Staatödienite 
berufen, zum Beamten ernannt, ſondern jede Er: 
nennung erfolgt unter Verleihung eines beſtimmten 
Amtscharakters; man wird z. B. zum Amtsrichter, 
zum Bezirksamtsaſſeſſor ernannt; in der Regel, 


370 


aber nicht notwendig verbindet ſich damit die Ueber⸗ 
tragung der Verſehung eines beſtimmten Amtes; 
der Beamte hat keinen Anſpruch auf Uebertragung 
eines ſolchen, der nichtrichterliche Beamte hat auch 
kein Recht auf das ihm verliehene Amt, nicht ein⸗ 
mal einen Anſpruch auf Dienſtleiſtung überhaupt. 
Daraus ergeben ſich als wichtige Folgen: 
1. Die Entziehbarkeit der Befugnis zur Ausübung 
des Amtes durch vorläufige Dienſtenthebung; 
2. die Verſetzbarkeit. 


Die vorläufige Dienſtenthebung 


entzieht dem Beamten nur die Befugnis zur Mus- 
übung ſeines Amtes, nicht aber das Amt ſelbſt; 
ſie trägt niemals den Charakter einer Strafe. 
Alle Pflichten des Beamten, mit Ausnahme ſelbſt— 
verſtändlich der auf die Amtsausübung ſelbſt be- 
züglichen beſtehen für den von der vorläufigen 
Dienſtenthebung betroffenen Beamten fort; es ver⸗ 
bleiben ihm auch ſeine Rechte, unter beſtimmten 
Vorausſetzungen hat jedoch die vorläufige Dienſt⸗ 
enthebung eine Beſchränkung des Anſpruchs auf 
das Dienſteinkommen zur Folge. Es iſt zu unter⸗ 
ſcheiden 


A. die vorläufige VI nach 
Art. 170 BG 


Dieſe hat keinen Einfluß auf die Vermögens⸗ 
rechte des Beamten; fie kann gegen den nicht: 
richterlichen unwiderruflichen Beamten jederzeit ver⸗ 
fügt werden, an irgendwelche Vorausſetzungen iſt 
ihre Verhängung nicht geknüpft. Einer Beſtimmung 
im Geſetz, daß fie auch über den widerruflichen Pe- 
amten verhängt werden kann, bedurfte es nicht, da 
ſich die Zuläſſigkeit dieſer Maßnahme aus der 
weitergehenden Befugnis zur Dienſtentlaſſung von 
ſelbſt ergibt. Ein Beſchwerderecht ſteht dem Be— 
amten gegen die Verfügung nicht zu; Vorſtellungen 
an die der verfügenden Behörde vorgeſetzten Be: 
hörden ſind ihm natürlich nicht verwehrt. Die 
vorläufige Dienſtenthebung konnte ſchon bisher auf 
Grund des $ 19 der IX. VerfB. jederzeit über 
den pragmatiſchen Beamten verhängt werden. Die 
Zuläſſigkeit ihrer Verhängung ergab fih gegenüber 
den nichtpragmatiſchen Beamten und Bedienſteten 
aus der Widerruflichkeit des Dienſtverhältniſſes. 

Die Richter der ordentlichen Gerichte und die 
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes konnten 
ſchon bisher nicht aus adminiſtrativen Erwägungen 
ihres Amtes enthoben werden; ſie haben ein Recht 
auf das verliehene Amt (Art. 8 Abi. 1 GG., 
Art. 2 Abi. 1 VGHG., Art. 79 RDG.); der 
Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 7 BG. ſtellt die Unanwend— 
barkeit des Art. 170 noch ausdrücklich feſt und 
Art. 184 BG. ſtellt die Mitglieder des Oberſten 
Rechnungshofes auch in dieſer Beziehung den Mit— 
gliedern des Verwaltungsgerichtshofes gleich. 

Nur die Befugnis zur vorläufigen Dienſtent— 
hebung nach Art. 170 gehört als Folge des Satzes, 
daß der Beamte kein Recht auf die Dienſtleiſtung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


— — — 


hat, hierher; es werden jedoch zweckmäßig die Vor⸗ 
ſchriften über 


B. die vorläufige Dienſtenthebung nach 
Art. 171—175 (Suspenſion) 


gleich angereiht; ſie tritt in beſtimmten Fällen 
kraft Geſetzes ein (Art. 171) und kann unter be⸗ 
ſtimmten Vorausſetzungen durch die vorgeſetzte 
Dienſtbehörde verfügt werden; gegen die Ver⸗ 
fügung ſteht dem Beamten die Beſchwerde im 
Inſtanzenzuge offen; der richterlichen Nachprüfung 
. iſt die Entſcheidung entzogen (Art. 178 
iff. 11). 

Sowohl in den Fällen der kraft Geſetzes ein⸗ 
tretenden als der nach Art. 172 verfügten vor⸗ 
läufigen Dienſtenthebung wird den Beamten 
während deren Dauer von Ablauf des Monats 
an, in dem ſie eintritt, der dritte Teil des 
Gehalts einbehalten (Ausſetzung der Einbehaltung 
ſ. Art. 174 Abſ. 4); in Fällen der Not des 
Beamten kann die Einbehaltung auf einen geringeren 
Teil beſchränkt werden; der einbehaltene Teil wird 
nachbezahlt, wenn das Verfahren nicht zum Verluſt 
des Amtes geführt hat und ſoweit er nicht im Falle 
der Verurteilung zur Deckung der dem Beamten 
auferlegten Koſten des Disziplinarverfahrens. der 
erkannten Gelditrafe und im Falle des Amts⸗ 
verluſtes oder der Strafverſetzung zur Deckung der 
Stellvertretungskoſten aufgebraucht wird, andern⸗ 
falls wird der nichtverbrauchte Teil den Wohlfahrts⸗ 
einrichtungen für die Beamten zugewendet. 

Die Vorſchriften der Art. 171— 175 gelten 
für die widerruflichen und die unwiderruflichen 
Beamten; ſie weichen vom bisherigen Rechte 
(Art. 111 und 112 des AG. 3. StPO. und S 15 
der VO. vom 26. Juni 1894, § 19 der IX. Verf B.), 
wenigſtens in ihren praktiſchen Ergebniſſen nicht 
ſehr erheblich ab. 

Für die richterlichen Beamten gelten die durch 
Art. 224 BG. erheblich geänderten Beſtimmungen 
der Art. 59 mit 64 des RDG. Nur dieſe Aen⸗ 
derungen ſollen hier beſprochen werden; fie be- 
treffen, von einer nicht erheblichen Aenderung des 
Art. 59 abgeſehen, nur die Fälle der durch Be⸗ 
ſchluß der Disziplinarkammer oder des Disziplinar— 
hofs verhängten vorläufigen Dienſtenthebung und 
die vermögensrechtlichen Folgen dieſer Dienſt— 
enthebung. 

Die wichtigſte Aenderung iſt die Ausdehnung 
der Befugnis der Disziplinargerichte zur Ber- 
hängung der vorläufigen Dienſtenthebung auf die 
Fälle, daß: 

1. über das Vermögen des Richters das Konkurs⸗ 
verfahren eröffnet iſt; 

2. gegen den Richter das Entmündigungsverfahren 
eingeleitet oder der Richter bereits entmündigt iſt; 

3. der Richter unter vorläufige Vormundſchaft 
geſtellt iſt; 

4. die Entſcheidung ergangen iſt, daß der Richter 


Beitjchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


371 


auf eine andere Stelle verſetzt werden kann 
(Art. 6 Abſ. 2 Satz 2 und Art. 70 RDG.); 


das die unfreiwillige Verſetzung des Richters 


in den Ruheſtand bezweckende Verfahren nach 


dienſtſtellung und verſchieden in ihren Wirkungen, 


der VI. Abteilung des RDG. eingeleitet iſt; 


der Zeitpunkt der Einleitung fällt wohl mit 
der in Art. 72 und 75 vorgeſchriebenen Er⸗ 
öffnung an den Richter zuſammen. 


Von den Beſtimmungen des Art. 61 über die 
Dauer der vorläufigen Dienſtenthebung iſt hervor⸗ 
zuheben, daß die Enthebung, wenn auf Straf— 
verſetzung erkannt, oder der Richter für verſetzbar 
erklärt iſt, bis zum Vollzuge der Entſcheidung 
währt, jedoch außer Wirkſamkeit tritt, wenn die 
Verſetzung nicht binnen 6 Monaten von der 
Rechtskraft der Entſcheidung an erfolgt iſt. 

Die vermögensrechtlichen Wirkungen der vor- 
läufigen Dienſtenthebung ſind in den Fällen der 
kraft Geſetzes eintretenden Suspenſion (Art. 59) 
und in jenen Fällen der von den Disziplinar— 
gerichten verhängten Suspenſion, in welchen dieſe 
ſchon bisher nach Art. 60 RDG. (nun Art. 60 
Ziff. 1 und 2 n. F.) verfügt werden konnte, die 
gleichen, wie bei der vorläufigen Dienſtenthebung 
nichtrichterlicher Beamter; in den neu einge— 
gliederten (dem Not®. Art. 92 Ziff. 5-7 ent: 
nommenen) voraufgeführten Fällen der vorläufigen 
Dienſtenthebung hat dieſe keinerlei Wirkungen 
auf die Vermögensrechte des richterlichen Beamten. 


Die Entſcheidungen über die vorläufige Ent— 
hebung eines Beamten vom Dienſte und die Ent— 
ſcheidungen über den Betrag, der einem vorläufig 
vom Dienſt enthobenen Beamten für Stellver— 
tretungskoſten an dem einbehaltenen Gehalt ab— 
zuziehen iſt, ſind im Prozeſſe für den Streitrichter 
bindend (Art. 178 Ziff. 11 und 12). 

Die für Staatsanwälte und Amtsanwälte be- 
ſtehenden Vorſchriften betr. die Mitteilungen an 
die Finanzbehörden über ſtrafgerichtliche Unter— 
ſuchungen gegen Beamte und öffentliche Diener 
($ 84 der Vorſchr. über die Geſchäftsbehandlung 
in Schöffenſachen, JMBN. 1879 Beil. S. 37, 
Bek. vom 2. Dezember 1884, JM Bl. S. 209 ff. 
und Bek. vom 18. Juli 1901, JM Bl. S. 551) 
werden den neuen Beſtimmungen des BG. an— 
zupaſſen ſein; vgl. auch über die Mitteilung von 
Verhängung und Ende der Suspenſion eines 
Richters § 6 Abſ. III d. Bek vom 24. Mai 1881, 
JMBl. S. 283. 

Die Beſtimmung des $ 19 der IX. VerfB. 
ermöglichte nicht nur die vorläufige Dienſtent— 
hebung in dem oben unter A erörterten Sinne, 
ſondern auch die „Quieszierung“ (Zurverfügung— 
ſtellung), d. h. Außerdienſtſtellung — zum Unter— 
ſchied von der dauernden Quieszenz ohne Löſung 
des Dienſtverhältniſſes — mit Anſpruch auf Rube- 
gehalt und Ausſicht auf Wiederberufung zum Dienſt. 
Das BG. kennt dieſe Quieszierung in doppelter 
Geſtalt, verſchieden nach dem Grunde der Außer— 


indem es anderen Beamtengeſetzen das Inſtitut 
der einſtweiligen Verſetzung in den Ruheſtand mit 
Wartegeld entlehnt und daneben die zeitliche Ver⸗ 
ſetzung in den Ruheſtand beibehalten hat; letztere 
iſt als reſolutiv bedingte Entlaſſung bei Beſprechung 
der Auflöſung des Dienſtverhältniſſes zu behandeln, 
erſtere wäre im Anſchluß an die vorläufige Dienſt⸗ 
enthebung zu beſprechen, ſoll aber wegen der Be⸗ 
rührungspunkte, die ſie mit der echten Verſetzung 
in den Ruheſtand hat, mit der ſie auch im Geſetz 
in einen Abſchnitt zuſammengeworfen iſt, erſt mit 
dieſer der Erörterung unterſtellt werden. 


Die Verſetzung. 
A. Der nichtrichterlichen Beamten. 


Die Verſetzung kann vorkommen 


1. als Verſetzung von Ort zu Ort ohne Aenderung 
der dienſtlichen Stellung; 


2. als Verſetzung auf ein anderes Amt innerhalb 
des nämlichen Reſſorts; 


3. als Verſetzung auf ein Amt eines anderen 
Reſſorts. 


Die Verſetzung kann vorkommen als freiwillige 
Verſetzung (auf Anſuchen) oder als unfreiwillige 
Verſetzung; letztere wiederum als Strafverjegung 
oder als Verſetzung auf Grund Verfügung der 
Staatsregierung im dienſtlichen Intereſſe. Die Ver⸗ 
ſetzung zur Strafe wird bei Darſtellung des Dienſt— 
ſtrafrechtes beſprochen werden. Verſetzung auf An⸗ 
ſuchen kann natürlich von Ort zu Ort und von 
Amt zu Amt beliebig verfügt werden; ein Anſpruch 
auf Verſetzung ſteht dem Beamten niemals zu. 


Die Vorſchriften der Art. 4 und 5 über die 
Ernennung der etatsmäßigen Beamten (über Zu: 
ſtändigkeit, Form und Wirkſamwerden der Er— 
nennung) gelten auch für deren Verſetzung (Art. 4 
Abſ. 3, Art. 5 Abſ. 4); es entſpricht dies der big- 
herigen Auffaſſung, daß die Verſetzung in ihrer 
Rechtswirkung eine Anſtellung ift (Seydel) II 
S. 199). 

Beſonderer Regelung bedurfte nur die unfrei— 
willige Verſetzung. 

Nach § 20 der IX. Verf. konnte bisher die 
Verſetzung des pragmatiſchen Beamten aus admini— 
ſtrativen Rückſichten oder infolge organiſcher Ein- 
richtungen verfügt werden, wenn damit keine Zurück— 
ſetzung in Beziehung auf die Dienſtesklaſſe (d. h. 
den Rang) oder auf den ſtändigen Gehalt ver— 
bunden war. Ob für die nicht rein örtliche Ver— 
ſetzung als weitere Beſchraͤnkungen galten, daß Ver— 
ſetzungen nur innerhalb des nämlichen Dienſtzweiges 
erfolgen durften und die neue Amtsſtelle der Berufs— 
bildung des Beamten entſprechen mußte, war be— 
ſtritten (Seydel II S. 200); die Verſetzung der nicht: 
pragmatiſchen Staatsdiener war unbeſchränktzuläſſig, 


1) Seydel ift ſtets in II. Auflage zitiert. 


jedoch wahrte $ 18 der VO. vom 26. Juni 1894 
bei unverſchuldeter Verſetzung den Fortbezug des 
ſeitherigen Gehalts ſamt Zulage und Vorrückungs— 
ausſicht. . 

Unter der Herrſchaft des BG. kann kein Be⸗ 
amter gegen feinen Willen auf eine Amtsſtelle ver: 
ſetzt werden, die feiner Berufsbildung nicht entſpricht; 
unter Berufsbildung verſteht das Geſetz nicht bloß 
die allgemeine wiſſenſchaftliche Vorbildung, ſondern 
auch die beſondere Fachausbildung. Daraus ergibt 
ſich, daß zwar die Befugnis zur Verſetzung nicht 
grundſätzlich auf den Dienſtzweig beſchränkt iſt, dem 
der Beamte bisher angehörte, aber die neue Stelle 
der allgemeinen Vorbildung und der Fachaus— 
bildung des zu verſetzenden Beamten entſprechen 
muß. Während nun die Verſetzbarkeit der wider⸗ 
ruflichen Beamten an weitere Vorausſetzungen nicht 
geknüpft iſt, iſt die Verſetzbarkeit der unwiderruf⸗ 
lichen Beamten noch weiter davon abhängig, daß 
die neue Amtsſtelle in etatsmäßiger Weiſe über⸗ 
tragen wird und damit weder eine Zurückſetzung 
im Range noch eine Schmälerung des Gehalts 
(d. h. des in der Gehaltsordnung ſür die betreffende 
Amtsſtelle vorgeſehenen Gehalts ohne Berück⸗ 
ſichtigung etwa bisher bezogener Zulagen und Ver⸗ 
gütungen) verknüpft iſt; unter dem Range iſt 
der mit dem Amte verknüpfte, nicht der per⸗ 
ſönliche Rang des Beamten gemeint; davon ſpäter. 
Eine Schmälerung des Gehalts müſſen ſich unter 
Umſtänden auch unwiderrufliche Beamte der Ver⸗ 
kehrsverwaltung bei Verlegung in eine andere Dienſt⸗ 
ſparte gefallen laffen (Art. 9 Satz 3, Art. 30 Ab}. 6). 

Der ohne Anſuchen verſetzte unwiderrufliche 
Beamte hat Anſpruch auf Gewährung von Um: 
zugskoſten nach den darüber im Verordnungswege 
erlaſſenen Vorſchriften (3. Zt. der VO. vom 20. No: 
vember 1902 GVBl. S. 709, deren § 2 Z. 3 und 
§ 5 geändert werden müſſen), der widerrufliche 
Beamte nur im Falle unverſchuldeter Verſetzung. 

Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden 
über Verſetzung ſind für den Streitrichter bindend 
(Art. 178 Ziff. 1). 


B. Der richterlichen Beamten. 


Nach § 8 Abſ. 3 des GVG. können unfrei- 
willige Verſetzungen der Richter der ordentlichen 
Gerichte auf eine andere Richterſtelle bei einer 
Veränderung in der Organiſation der Gerichte 
oder ihrer Bezirke unter Belaſfung des vollen 
Gehalts durch die Landesjuſtizverwaltung verfügt 
werden; die Beſtimmung findet auch Anwendung 
(Art. 76 RDG.) auf die auf eine Stelle außer 
dem Status berufenen Richter bei Einziehung der 
Stelle; in anderen Fällen kann unfreiwillige Ver— 
ſetzung nur auf Grund der Vorſchriften des RDG. 
erfolgen ($ 8 Abſ. 1 GWG.; Art. 183 Abſ. 1, 
Art. 184 BG.); unverſetzbar find hiernach der 
Präſident und die Senatspräſidenten des Oberſten 
Landesgerichts (Art. 65 Abſ. 2, Art. 66 RDG.), 
die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes und 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


— — —u———ä— — U—UJ—eP. .8ůß3—3—3ßs—ßÆœl410äͤ⁊ ʃriJʃk'— a ⁊ñ— —L. .. ĩXö(⸗GVm ä a e ee m ae e a e e ·—[—[Q[k — — ———• tẽ— 


die Mitglieder des Oberſten Rechnungshofs (Art. 79 

Abſ. 2 RDG., Art. 184 BG.). Da die Vor: 

ſchriften des RDG. über unfreiwillige Verſetzung 

(Art. 65 — 70) eine Aenderung nicht erlitten haben, 

kann von ihrer Wiedergabe abgeſehen werden. 
(Fortſetzung folgt.) 


Zur Einführung in das Reichsgeſetz 
über den Verſicherungsvertrag. 


Von Oberlandesgerichtsrat K. Schneider in Stettin. 


(Schluß.) 

Die eigentümliche Einwirkung der techniſchen 
Anforderungen des Verſicherungsbetriebes tritt 
beſonders bei der Anerkennung der ſog. Unteil⸗ 
barkeit der Prämien hervor, deren Not⸗ 
wendigkeit im ſchweizeriſchen Geſetze und ſeiner 
„Botſchaft“ allerdings noch weit mehr betont wird, 
als es im deutſchen Geſetze (Begründung S. 98, 
129) und im öſterreichiſchen Entwurfe geſchieht. 
die ſie grundfätzlich ablehnen, aber tatſächlich faſt 
immer anerkennen. Nicht übel wird dieſe An⸗ 
forderung, die alſo trotz der inzwiſchen wegfallenden 
Pflicht zur Verſicherungsleiſtung die Prämie doch 
für eine beſtimmte Zeit ihrer Bemeſſung, die 
„Verſicherungsperiode“ ($ 9 des deutſchen Geſetzes), 
alſo regelmäßig für ein volles Jahr, weiter ver⸗ 
langt, auf S. 57 jener „Botſchaft“ gerechtfertigt. 
Es heißt dort: „Die ſtatiſtiſchen Unterlagen der 
Verſicherungstechnik ſind Maſſenbeobachtungen, die 
man während beſtimmter Zeit gemacht hat. 
Hierbei werden die Schwankungen, denen das 
einzelne Riſiko während der Beobachtungsperiode 
hinſichtlich ſeiner Gefährlichkeit naturgemäß unter⸗ 
worfen iſt, nicht beachtet. Unter der Voraus⸗ 
ſetzung, daß die Beobachtungszeit ausreichend 
bemeſſen iſt, dürfen jene Schwankungen als aus⸗ 
geglichen gelten. Der Verſicherer muß daher den 
Zeitabſchnitt, nach dem er die Prämieneinheit 
berechnet, ſo bemeſſen, daß er auf Ausgleich der 
Schwankungen rechnen darf. Da die techniſche 
Wirkung des Riſiko auf die dargelegte Beob⸗ 
achtungsmethode zurückgreift, iſt es unmöglich, 
korrekt feſtzuſtellen, welche Prämienquote dem 
Verſicherer gebührt, wenn ſeine Haftung vor Ab: 
lauf der Verſicherungsperiode wegfällt. Es wird 
daher aſſekuranzrechtlich allgemein anerkannt, daß 
die Prämie für die laufende Verſicherungsperiode 
unteilbar iſt.“ Das geſchieht alſo, obwohl unſer 
neuzeitliches Recht ganz beſonders darauf aus iſt, 
Leiſtung und Gegenleiſtung in ein gewiſſes 
Gleichgewicht zu ſetzen. Man vergleiche dazu 
etwa § 323 Abſ. 1 und § 138 Abſ. 2 BGB. 
und erinnere ſich daran, daß auch dann, wenn 
das verſicherte Intereſſe am erſten Tage einer 
Verſicherungsperiode wegfiele, doch nach § 68 
Abſ. 2 des deutſchen Verſicherungsgeſetzes die ganze 
Prämie dieſer Periode dem Verſicherer zugeſprochen 


wird. Als Ipärliche Ausnahmen von diefem Grund: 
ſatze der Unteilbarkeit habe ich im neuen Geſetze 
nur die Vorſchriften feiner $ 96 Abſ. 3 Satz 2, 
9 158 Abſ. 3 Satz 2 und $ 40 Abi. 3 zu ent: 
decken vermocht. Nach § 41 Abſ. 1 Satz 1 und 2 
ſoll der Grundſatz der Unteilbarkeit aber ſogar 
rückwärts wirken. Ja, das deutſche Geſetz hält 
ſo ſehr zugunſten des Verſicherers an der ein: 
mal abgemachten Prämie feſt, daß in dem um⸗ 
gekehrten Falle von $ 41. wenn gefahrerhöhende 
Umſtände wegfallen, dem Verſicherungsnehmer 
kein Recht auf Herabſetzung der Prämie, wie 
nach Art. 23 des ſchweizeriſchen Geſetzes und § 28 
des öſterreichiſchen Entwurfes, gegeben ſein ſoll. 
Er ſieht ſich dann alſo auf ſein etwaiges ver: 
tragsmäßiges Kündigungsrecht angewieſen. 

So unerbittlich alſo das deutſche Geſetz in 
dieſem Geldpunkte iſt, ſo kommt es doch ander⸗ 
ſeits dem Verſicherungsnehmer auch bei der 
Prämienzahlung ſehr entgegen. Die Prämie ſoll 
nach § 36 Abſ. 1 zwar Bringſchuld ſein; doch 
greift hier, in richtiger Erkenntnis ſtillſchweigender 


Willenserklärungen, $ 37 durch die Beſtimmung 


ein: „Iſt die Prämie regelmäßig bei dem Ver⸗ 
ſicherungsnehmer eingezogen worden, ſo iſt dieſer 
zur Uebermittelung der Prämie erſt verpflichtet, 
wenn ihm ſchriſtlich angezeigt wird, daß die 
Uebermittelung verlangt werde“, — ein Widerruf 
des bisher Befolgten, zu dem übrigens ein Ver⸗ 
ſicherungsagent nicht befugt iſt. Der Ver⸗ 
ſicherungsnehmer gerät dann erſt in Verzug; und 
für feine tunliche Sicherung ſelbſt in ſolchem Falle 
ſorgen dann noch in ausgiebiger Weiſe der $ 38 (betr. 
die fog. erſte Prämie) und § 39 (betr. alle folgenden). 

Eine der wichtigſten Neuerungen des deutſchen 
Verſicherungsgeſetzes, bei der es übrigens von der 
ſchweizeriſchen Regelung und den öſterreichiſchen 
Vorſchlägen (Art. 34 dort, — $ 14 hier und 
dazu Begründung dieſes II. Entwurfs, S. 72, 73) 
erheblich abweicht, betrifft die Stellung der ſog. 
Verſicherungsagenten; in den an dieſer 
Stelle herrſchenden Wirrwarr der Anſchauungen 
in Lehre und Rechtshandhabung hat der Geſetz⸗ 
geber jetzt mit feſter Hand und mit Geſchick ein⸗ 
gegriffen. Die Vorſchriften find in den $$ 43 —48 
enthalten; daneben kommt noch $ 85 des HGB. 
in Betracht, den ich jedoch übergehe. Zu jenen 
Vorſchriften jedoch in Kürze ſolgendes. 

Der Zweck des Geſetzes bei § 43 ift zu: 
nächſt, den Vermittlungsagenten als bevoll— 
mächtigten Vertreter für die rechtsgeſchäftlichen 
Beziehungen zwiſchen Verſicherungsluſtigen oder 
Verſicherungsnehmer und Verſicherer grund: 
ſätzlich auszuſchalten; insbeſondere der Aus— 
legung entgegenzutreten, die in der Beſtellung 
eines ſolchen Vermittlers und in dem Zulaſſen 
ſeines Tätigwerdens im Intereſſe des Verſicherers 
eine ſtillſchweigend erteilte Vollmacht 
erblicken möchte. 
gewiſſe Vertretungsmacht in 


Da dann aber andererſeits eine 
rechtsgeſchäftlicher 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bauern. 1908. Nr. 19. 


| 


373 


Hinſicht, — alſo über die äußerliche, vermittelnde 
Handreichung hinaus (Briefkaſten und Zahlbüchſe!) 
— im dringenden Intereſſe der Verſichernden 
liegt (Bgr. S. 57), die ja eben auch nach Abſicht 
des Verſicherers mit dieſen Agenten in Verbindung 
treten ſollen, ſo wird ihnen kraft Geſetzes und 
unabhängig von dem Bevollmäͤchtigungswillen 


des einzelnen Verſicherers und ſeinem Bevoll⸗ 


mächtigungswillen im einzelnen die Vertretungs⸗ 
macht bei einigen, eine Verallgemeinerung aus⸗ 
ſchließenden Rechtshandlungen erteilt, — alſo 
z. B. zu der die Schuld tilgenden Annahme der 
Prämienzahlung für den Verſicherer. Und das 
alles noch vorbehaltlich der nach § 47 zuläſſigen 
Ausſchließung dieſer Befugniſſe gegenüber dem 
eine ſolche Ausſchließung Wiſſenden; und weiter 
der Bindung des Verſicherungsnehmers an die 
Schriftform für die Anzeigen und ſonſtigen 
Mitteilungen. Eine wichtige Folge der Entkleidung 
des Vermittelungsagenten von jeglicher Vollmacht 
(BGB. $ 166 Abſ. 1) iftim $ 44 gezogen; feine 
„Kenntnis“ rechtserheblicher Umſtände ſteht der des 
Verſicherers ſelbſt nicht gleich. 

Trotz dieſer vom Geſetze vorgenommenen Aus- 
ſchaltung der Tätigkeit des Vermittelungsagenten 
bei den rechtsgeſchäftlichen Beziehungen der Ber: 
ſicherungsbeteiligten bleibt es, wie ſchon § 831 
BGB. zeigt, unvermeidlich, daß feine Vermittelung 
ſtörend in das Vertragsverhältnis eingreift. Denn 
er vermag dabei den Verſicherungsluſtigen oder 
Verſicherungsnehmer in Irrtümer über deſſen 
Inhalt und Bedeutung zu bringen oder ihn gar 
argliſtig in den Vertrag hineinzulocken (BGB. 
$ 123). Dies muß dann wenigſtens mittelbar 
für den Verſicherer von Bedeutung werden, ing- 
beſondere in den zahlreichen Fällen, wo eine Ver: 
tragspflichtverlegung vom Verſicherungsnehmer 
entſchuldigt werden darf ($$ 6, 16 ff. uſw.). 
Die Begründung des neuen Geſetzes S. 61 führt 
dazu aus: „Ob ein Verſchulden vorliegt oder 
nicht, hat der Richter auf Grund der jeweiligen 
Sachlage feſtzuſtellen, und hierbei kann das von 
dem Agenten gegenüber dem Verſicherungsnehmer 
betätigte Verhalten von weſentlicher Bedeutung 
ſein. So können die Umſtände des Falles es 
rechtfertigen, den Verſicherungsnehmer in bezug 
auf eine nicht ordnungsmäßig gemachte Anzeige 
als entſchuldigt anzuſehen, wenn er den Frage— 
bogen unter der Anleitung des Agenten ausfüllt 
oder die Ausfüllung dieſem überläßt, oder wenn 
der Agent eine an ihn von dem Verſicherungs⸗ 
nehmer erſtattete Anzeige ohne Widerſpruch ent- 
gegennimmt, obwohl ihm die Befugnis zur Ent— 
gegennahme von Anzeigen der betreffenden Art 
entzogen iſt. Ebenſo wird der Verſicherungs— 
nehmer ſich unter Umſtänden auf das Verhalten 
des Agenten berufen können, wenn er den Ein— 
tritt des Verſicherungsfalls anzuzeigen unter— 
laſſen hat, weil er wußte, daß der Agent bei dem 
betreffenden Ereigniſſe ſelbſt zur Stelle war, oder 


374 


wenn er bei den Maßregeln zur Abwendung oder 
Minderung des Schadens einer Anordnung des 
Agenten gefolgt ift, die fih dann als unzweck⸗ 
mäßig erwies. Auch ſonſt iſt es nicht aus⸗ 
geſchloſſen, daß Erklärungen, die der Agent dem 
Verſicherungsnehmer gegenüber abgegeben hat, bei 
der Entſcheidung der Frage in Betracht gezogen 
werden, ob die Verletzung einer dem Verſicherungs⸗ 
nehmer obliegenden Pflicht entſchuldbar iſt. Nament⸗ 
lich wird dies inſoweit der Fall ſein, als der In⸗ 
halt der allgemeinen Bedingungen oder des bei 
dem Abſchluſſe des Verſicherungsvertrags auszu⸗ 
füllenden Fragebogens zu Zweifeln Anlaß gibt.“ 

Als Grundlage der Schadensverſicherung dient 
das „Intereſſe“. Als ſolches verſicherbar iſt 
nach dem Vorbilde des 8 779 im HGB. jede 
vermögensrechtlich wertvolle Beziehung zu einer 
Sache, — heiße fie Eigentum, Pfandrecht uſw., 
oder beſtehe ſie nur in der Fürſorgepflicht für 
eine Sache; weiter aber auch jeder ſonſtige Ver: 
mögenswert, wie z. B. „künftiger Gewinn“. 
Doch wird auch im erſteren Falle das Intereſſe 
verſichert, nicht die Sache als ſolche; jenes bildet 
dann den jog. Werſicherungswert, der für 
Ueberverſicherung und ihre beſondere Form, die 
Doppelverſicherung, für die Unterverſicherung, für 
die Beſtimmung der Prämienhöhe, für die Be— 
rechnung des Erſatzwertes uſw. eine erhebliche 
Rolle ſpielt. Ohne ein ſolches Intereſſe in ſeiner 
Hand verſichert der Verſicherungsnehmer in den 
Wind, wie § 68 Abſ. 1 zeigt, mag auch der für 
die Verſicherung ins Auge gefaßte Wert in einer 
anderen Hand wirklich durch die betreffende 
„Gefahr“ zerſtört oder beſchädigt ſein. Es bleibt 
alfo grundſätzlich bei der ſcharfen Abgrenzung, die 
noch kürzlich ein Urteil des Oberlandesgerichts in 
Kaſſel (nach Mitteilung in der „LZ.“ 1908 
S. 475) vorgenommen hat. Freilich fragt es ſich 
wohl auch unter dem neuen Geſetze, ob in einem 
derartigen Falle, wo ein Ehemann das Frauen: 
gut ohne Bezeichnung desſelben verſichert hatte, 
nicht mit einer Auslegung nach $ 157 des BGB. 
dem Verſicherungsnehmer doch noch inſofern zu 
Hilfe zu kommen wäre, als man ſagen könnte, 
bei einer ſolch nahen Beziehung des Abſchließenden 
zu dem verſicherten Gute und der hohen Wahr: 
ſcheinlichkeit, daß die eventuelle Entſchädigung in 
die richtige Hand fließen werde, ſei über dieſen 
Fehler beim Abſchluſſe hinwegzuſehen. Im 
übrigen iſt das Geſetz gegen die Verſicherung 
fremden Intereſſes, wenn dies nur mit Angabe 
der Sachlage geſchieht, keineswegs ſo ſtreng und 
abweiſend, wie es die Begründung vermuten läßt; 
eine ſolche Verſicherung iſt auch nicht etwa an die 
Rechtsform der Verſicherung für fremde Rechnung 
(S 74 ff.) gebunden. 

Mit der Erörterung dieſer Punkte glaube ich 
mich begnügen zu ſollen, ſo verlockend noch die 
Beſprechung der intereſſanten geſetzlichen Regelungen 
im § 5 über die Anerkennung des Verſicherungs— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


—— . • ;ñ A+a——z——̃ ᷓ ——Ü— 3 —A— 2—— —ä—— S 


ſcheines, im $ 67 über das Rückgriffsrecht des 
Verſicherers gegen den ſchadenſtiftenden Dritten, 
in den 83 69 ff. über die Veräußerung einer 
verſicherten Sache und deren Folgen uſw. auch 
erſcheint. Aber damit würde ich ja zu tief in 
Einzelheiten hineingeraten. Ich beſchränke mich 
deshalb auf folgende Schlußbemerkung: 

Von beſonderem Intereſſe für Bayern iſt 
Art. 2 des EG. zum Verſicherungsvertragsgeſetze. 
Er lautet: „Die Vorſchriften des Geſetzes über den 
Verſicherungsvertrag und dieſes Geſetzes erlangen 
im Königreiche Bayern für das Immobiliar— 
verſicherungsweſen nur mit Zuſtimmung der 
Kgl. bayer. Regierung Geltung. Die erfolgte 
Zuſtimmung wird vom Reichskanzler im Reichs⸗ 
geſetzblatt bekannt gemacht“. 

Es wiederholt ſich hier, wie zu § 125 Abſ. 4 
des Verſicherungsaufſichtsgeſetzes, die Frage, 
und fie ift tatſächlich ſchon von verſchiedener Seite 
beſprochen, — was unter dem Worte „Immobiliar— 
verſicherungsweſen“ zu verſtehen ſei. Die richtige 
Auffaſſung ſcheint mir die zu ſein, daß die Ge⸗ 
bäudebrandverſicherung und die Hagelverſicherung 
von Bodenerzeugniſſen unter dieſem Ausdrucke zu: 
ſammengefaßt werden, — entſprechend dem in 
Wahrheit hier und nur hier beſtehenden Wunſche 
und Bedürfniſſe Bayerns, freie Hand zu behalten. 
Dies wird von Profeſſor Dr. Julius Gierke in 
einem wohlbegründeten Aufſatze in der „Zeitſchrift 
für die geſamte Verſicherungswiſſenſchaft“ Bd. IV 
S. 341 verteidigt. Er fügt S. 351 hinzu: „Unter 
die Gebäudeverſicherung fallen auch die Verſiche⸗ 
rungen von Gebäudebeſtandteilen und Gebäude: 
zubehörſtücken, inſofern ſie mit Gebäuden zu— 
ſammen verſichert werden. Daher werden von 
dem bayeriſchen Reſervatrecht nicht ergriffen Ber: 
ſicherungen von Gebäuden gegen Waſſerleitungs— 
ſchäden, Sturmſchäden, Hausſchwamm; ferner auch 
nicht die Verſicherungen von Bodenerzeugniſſen 
gegen Froſtgefahr, Mißwachs, Ueberſchwemmung“. 
Ausführlich hat ſich auch Rehm in ſeinem be⸗ 
kannten Kommentare zum Verſicherungsaufſichts— 
geſetze (II. Aufl.) S. 395 hierüber ausgeſprochen. 
Er gelangt zu demſelben Ergebniſſe wie Gierke. 
Anders dann wieder, und zwar im Anſchluſſe an 
die auf alle Fälle ſehr vorſichtige Haltung des 
Aufſichtsamts zu dieſer Frage, der Kommentar 
zum Verſicherungsgeſetze von Gerhard und Ge— 
noſſen S. 792. Nach ihm wären denn doch die 
eben abgewieſenen Verſicherungsarten chinzugefügt 
iſt noch die Maſchinenverſicherung) wenigſtens zum 
Teil der Immobiliarverſicherung hinzuzuzählen. 

Eine „Zuſtimmung“ iſt bisher (Mitte Juli) 
im Reichsgeſetzblatte noch nicht bekannt gegeben. 
Hervorgehoben werden muß aber noch, daß auch 
dann die öffentlichrechtlichen Verſicherungs⸗ 
anſtalten Bayerns nach dem Verſicherungsvertrags— 
geſetze S 192 Abſ. 1 oder jedenfalls Abſ. 2 ihre 
Sonderſtellung behalten. 


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Mitteilungen aus der Praxis. 


Darf der Staatsanwalt das Berfahren gegen den 
ingendlichen Beſchuldigten wegen mangelnder Einſicht 
in die Strafbarkeit der Tat einſtellen? In der Fuß⸗ 
note zu dem Aufſatze von Dr. Gütermann über Feſt⸗ 
ſtellung der Einſicht im Sinne des 8 56 StGB. vor 
der Hauptverhandlung (Seite 297) iſt die Anſchauung 
vertreten, das Juſtizminiſterium habe ſich in der Be— 
kanntmachung vom 22. Juli 1908, das Strafverfahren 
gegen Jugendliche betreffend, gleichfalls auf den Stand— 
punkt geſtellt, daß der Staatsanwalt bei Verneinung 
der Einſicht im Sinne des $ 56 StGB. nicht ein⸗ 
ſtellen dürfe; es iſt zuzugeben, daß der in dieſer 
Fußnote zitierte Satz der IM Bek.: „die genaue Pri- 
fung dieſer Frage wird vielfach zur Verneinung eines 
ſubjektiven Tatbeſtandsmerkmals und da⸗ 
mit zur Einſtellung des Verfahrens führen“, die Auf— 
faſſung nicht ausſchließt, es ſei nur an Fälle gedacht, 
wie ſolche unter Ziff. VI des Aufſatzes von Dr. Güter: 
mann konſtruiert ſind und es wolle nur geſagt werden, 
daß der Staatsanwalt nach gründlichen Erhebungen 
zwar nicht wegen mangelnder Einſicht, wohl aber zu— 
folge Verneinung eines ſubjektiven Tatbeſtandsmerk— 
mals, z. B. des Bewußtſeins der Rechtswidrigkeit der 
Handlung, häufig zu einem Einſtellungsbeſchluſſe kom⸗ 
men könne; man kann ſich für dieſe Anſchauung viel— 
leicht darauf berufen, daß die nach 8 56 StGB. zur 
Strafbarkeit erforderliche Einſicht nicht ein ſubjektives 
Tatbeſtandsmerkmal, vielmehr der Mangel dieſer Ein— 
ſicht ein Strafausſchließungsgrund ſei. 

Ueberwiegende Gründe ſcheinen mir aber für die 
Anſicht zu ſprechen, daß das Miniſterium mit jenem 
Satze ſich eher für, ſicher aber nicht gegen die Zu— 
läſſigkeit der Einſtellung wegen mangelnder Einſicht 
des Täters ausſprechen wollte. Dieſe Anſicht wird 
wohl von allen Staatsanwälten geteilt, welche ent— 
gegen der in der Literatur vorherrſchenden Meinung 
die Einſtellung des Verfahrens gegen Jugendliche 
wegen fehlender Einſicht für zuläſſig halten und 
ſchon bisher den Mut hatten durch Hinwegſetzung 
über theoretiſche Bedenken anderer in zahlreichen 
Fällen jugendliche Sünder vor einer meiſt zweckloſen 
Schleppung vor Gericht zu bewahren. 


Zunächſt kann gar kein Zweifel darüber beſtehen, 
daß die Vorſchrift in Nr. II 5 der Bek. nur die ſtaats⸗ 
anwaltſchaftliche Einſtellung im Auge haben kann; 
denn das Gericht könnte nur die Eröffnung des 
Hauptverfahrens ablehnen oder nach durchgeführter 
Hauptverhandlung freiſprechen, nicht aber „einſtellen“. 
Hätte aber das Miniſterium nur die Fälle im Auge, 
in welchen eine ſolche Einſtellung mangels Nachweiſes 
des Bewußtſeins der Rechtswidrigkeit oder eines ſonſti— 
gen ſubjektiven Tatbeſtandsmerkmals erfolgen kann, 
würde es kaum an das Gebot ausreichender Er- 
hebungen über das Vorhandenſein der zur Strafbar— 
keit erforderlichen Einſicht vor Einreichung der An— 
klageſchrift oder Stellung des Antrages auf Erlaſſung 
eines Strafbefehls unvermittelt den Hinweis geknüpft 
haben, daß die genaue Prüfung „dieſer Frage“ viel- 


fach zur Verneinung eines ſubjektiven Tatbeſtands— 


merkmales und damit zur Einſtellung des Verfahrens 
führen werde, ſondern würde zur Vermeidung von 
Mißverſtändniſſen darauf aufmerkſam gemacht haben, 
daß in manchen Fällen die Verneinung der Einſicht 
in die Strafbarkeit auch zur Verneinung des rechts- 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


Nr. 19. 375 


widrigen Vorſatzes führen könne. Ich gebe zu, daß 
man in einer nicht geringen Anzahl von Fällen ſich 
um die kritiſche Frage herumdrücken kann, indem man 
3. B. ſagt: Der Beſchuldigte hat geſtohlen; es ſteht 
feſt, daß ihm die zur Erkenntnis der Strafbarkeit 
ſeiner Handlung erforderliche Einſicht gefehlt hat; 
dieſe Tatſache begründet zwar die Einſtellung nicht; 
aber der Mangel der Verſtandesreife des Beſchuldig⸗ 
ten beweiſt mir, daß er den Eingriff in fremdes 
Eigentum nicht als einen Verſtoß gegen die Rechts- 
ordnung erkannt hat; ich verneine daher die Abſicht 
der rechtswidrigen Zueignung und ſtelle mit dieſer 
Begründung ein. Steht man auf dem Standpunkte, 
daß 8 56 StGB. ausſchließlich dem erkennenden 
Richter die Prüfung der Einſicht im Sinne dieſer 
Geſetzesſtelle zuweiſen will, würde man ſich in den 
meiſten Fällen des Gefühls nicht erwehren können, 
daß man bei ſolcher Begründung doch eigentlich nur 
ein ſophiſtiſches Spiel mit juriſtiſchen Begriffen treibt 
und damit das Geſetz umgeht; hat man aber wirklich 
notwendig, mit gekünſtelten Konſtruktionen zu arbeiten, 
um zu einem vernünftigen Reſultate zu kommen? Ich 
glaube nicht. 

Ich will gegen die Rechtſprechung, die auf Grund 
des § 56 StGB. die Ablehnung der Eröffnung des 
Hauptverfahrens für unzuläſſig erklärt, nicht anz 
kämpfen, obwohl ich ſie für angreifbar halte; die 
Frage verliert ihre Bedeutung, wenn der Staats⸗ 
anwalt Fälle, in welchen der Mangel der Einſicht 
feſtſteht oder das Vorhandenſein der Einſicht nicht 
beweisbar iſt, nicht mehr an das Gericht bringt. 

Die Frage aber, in welchen Fällen dem Staats: 
anwalt die Pflicht zur Anklageerhebung obliegt, kann 
nicht aus § 56 StGB., ſondern nur aus 8 152 Abſ. 2 
der StPO. gelöſt werden; ſoweit 8 56 StGB. eine 
prozeſſuale Vorſchrift enthält, wendet ſich dieſe an 
den Richter, nicht an den Staatsanwalt: letzterer 
prüft nach der Prozeßordnung, ob er zur Erhebung 
der Anklage verpflichtet iſt; verpflichtet hierzu iſt er 
aber nur, wenn eine gerichtlich ſtrafbare und verfolg⸗ 
bare Handlung vorliegt; das iſt nicht der Fall, wenn 
dem Beſchuldigten ein Schuldausſchließungsgrund zur 
Seite ſteht; übrigens ſtellt ſich der Mangel der er— 
forderlichen Einſicht nur zufolge der verunglückten 
Faſſung des § 56 Abſ. 1 StGB. formell als Schuld⸗ 
ausſchließungsgrund dar; da ein Schuldausſpruch nur 
zuläſſig ift, wenn das Vorhandenſein dieſer Erkennt- 
nis poſitiv feſtgeſtellt iſt, iſt das Erfordernis in 
Wahrheit nichts anderes als ein beſonderes, nur für 
jugendliche Miſſetäter aufgeſtelltes ſubjektives Tat— 
beſtandsmerkmal; Einſtellung hat daher auch ſchon 
zu erfolgen, wenn ſich die Einſicht nicht beweiſen 
läßt; die Anordnung nach § 56 Abſ. 2 StGB. ift 
keine Strafe; die Rückſicht auf die Möglichkeit dieſer 
Anordnung darf daher für ſich allein überhaupt nicht 
zur Erhebung der öffentlichen Klage Anlaß geben; 
ſelbſt wenn man dieſe Auffaſſung nicht billigt, recht— 
fertigt ſich die Erhebung der öffentlichen Klage aber 
doch ſicher nur dann, wenn der Staatsanwalt ein 
praktiſches Bedürfnis für eine ſolche Anordnung für 
gegeben hält; zweckloſe Anklagen ſoll er nicht nur 
nicht erheben, ſondern darf er nicht erheben. Ein 
Bedürfnis liegt aber in allen jenen Fällen nicht vor, 
in denen von vorneherein klarliegt, daß auf Unter— 
bringung in eine Erziehungs- oder Beſſerungsanſtalt 
nicht erkannt werden wird, weil z. B. die Eltern es 
an der Erziehung in nichts fehlen ließen und ein Rück⸗ 


fall des Beſchuldigten gar nicht zu befürchten iſt; 
bloß zu dem Zweck aber ein gerichtliches Verfahren 
einzuleiten, den völlig inhaltsloſen Ausſpruch herbei⸗ 
zuführen, daß der Jugendliche ſeiner Familie zu über⸗ 
weiſen ſei, mit anderen Worten, daß gar nichts zu ge⸗ 
ſchehen habe, wäre doch zu ſinnlos, als daß man dem 
Geſetzgeber die Abſicht eines ſolchen Befehles zu⸗ 
trauen dürfte. Seit dem Beſtehen des Zwangs⸗ 
erziehungsgeſetzes iſt aber auch in den meiſten Fällen 
ein Bedürfnis zur Herbeiführung eines Ausſpruchs 
auf Ueberweiſung in eine Erziehungs- und Beſſerungs⸗ 
anſtalt nicht mehr gegeben, da die Durchführung der 
Zwangserziehung von der Anordnung des Straf⸗ 
richters nicht mehr abhängig iſt und in Fällen, in 
welchen Art. 1 Ziff. 1 und 3 des ZwErz G. nicht zu- 
trifft, auch der Strafrichter regelmäßig nur auf Ueber⸗ 
weiſung an die Familie erkennen würde. 

Die Auffaſſung, das Miniſterium habe in der 
Bek. vom 25. Juli 1908 zu der Streitfrage im Sinne 
der Unzuläſſigkeit der Einſtellung Stellung genom⸗ 
men, halte ich aber auch mit der ganzen Tendenz 
der Bekanntmachung für unvereinbar; man will den 
Jugendlichen das höchſte Maß von Schutz gewähren, 
das auf Grund der beſtehenden ſtrafrechtlichen und 
ſtrafprozeßrechtlichen Beſtimmungen gewährt werden 
kann; es iſt nicht anzunehmen, daß eine ſtrittige 
Frage ohne zwingenden Grund — denn vertretbar 
dürfte die Anſchauung von der Zuläſſigkeit der Ein⸗ 
ſtellung doch jedenfalls ſein — im gleichen Atemzuge 
zu ungunſten der Jugendlichen entſchieden werden 
will, mit dem man ſonſt alles nur Mögliche zu ihren 
Gunſten anordnet; die Verhütung unnötiger Prozeſſe 
gegen Jugendliche iſt aber doch noch weit wichtiger 
als Schutzmaßregeln im Prozeſſe; erklärt man die 
Einſtellung für unzuläſſig, müßten bei jedem größeren 
Gerichte jährlich hunderte von Fällen der bloßen Er: 
füllung einer Formalität wegen vor Gericht gezogen 
werden. 

I. Staatsanwalt Freilinger in Regensburg. 


Nachſchrift des Herausgebers. Wir 
werden auf die hier erörterten Fragen vorausſichtlich 
nochmals zurückkommen. Zunächſt ſei nur bemerkt, 
daß u. E. der Gebrauch des Ausdrucks „ein ſubjektives 
Tatbeſtandsmerkmal“ jeden Zweifel über die Abſichten 
der Bek. vom 22. Juli 1908 ausſchließt. Die Ter⸗ 
minologie des Strafrechts geſtattet es nicht, die Ein⸗ 
ſicht des Jugendlichen in die Strafbarkeit der Hand— 
lung unter den Begriff „ſubjektives Tatbeſtands— 
merkmal“ zu bringen. 


Zur Haftung der Poſtſekretäre bei Einſchreib⸗ 
ſendungen. Ein Beamter N., welcher Genoſſe einer Spar: 
und Kreditbank in einer Nachbarſtadt Berlins war, 
hatte durch Einſchreibbrief ſeinen Austritt zum Schluſſe 
des Jahres aus der Genoſſenſchaft erklärt. Dieſen 
Einſchreibbrief hatte er am 29. Dezember 1904 zur 
Poſt gegeben. Der Brief war am Nachmittage des 
nächſten Tages auf dem Poſtamt der Adreſſatin des 
Briefes angelangt, und zwar noch vor der letzten 
Briefbeſtellung an dieſem Tage, die um 7 Uhr 45 
Minuten abends erfolgte. Die Beſtellung des Briefes 
an dieſem Tage unterblieb jedoch ſeitens der Poſt, 
weil die Adreſſatin des Briefes, die Spar- und Leib- 
bank, mit dem Poſtamt ihres Sitzes die Vereinbarung 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


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getroffen hatte, daß Einſchreibbriefe und Wertſendungen 
nur in der Zeit von 4—6 Uhr Nachmittags werk⸗ 
täglich beſtellt werden ſollten. Der dienſttuende Poſt⸗ 
ſekretär (Oberpoſtaſſiſtent), welcher den Brief bei 
ſeiner Ankunft in Empfang genommen und für die 
Beſtellung Sorge zu tragen hatte, legte den Brief 
für den nächſten Tag zurück zwecks Beſtellung 
durch diejenige Poſt, welche um 4 Uhr 15 Minuten 
das Poſtamt verließ. Dieſer Tag war nun aber der 
31. Dezember, an dem der Poſtbeamte derartig 
dienſtlich überlaſtet war, daß er überſah, den von 
ihm zurückgelegten Einſchreibbrief rechtzeitig zur Zeit 
des Abganges der Nachmittagspoſt um 4 Uhr 15 
Minuten dem Briefträger mitzugeben. Da der nächſte 
Tag, der 1. Januar, ein Feiertag war, an dem die 
mit der Adreſſatin vereinbarte Nachmittagsbeſtellung 
wegfiel, ſo gelangte der Brief der Vereinbarung mit 
der Adreſſatin entſprechend erſt am 2. Januar nach⸗ 
mittags in deren Hände. 

Infolge der verſpäteten Beſtellung des Kündigungs⸗ 
ſchreibens konnte der Beamte N. nicht, wie beabſichtigt, 
ſchon am 31. Dezember 1905, ſondern erſt ein Jahr 
ſpäter aus der Spar- und Kreditbank ausſcheiden, da 
nach der Satzungsbeſtimmung die Kündigung bis zum 
Schluſſe des Jahres 1904 hätte erfolgen müſſen. 

Beim Ausſcheiden am 31. Dezember 1905 wäre 
dem Beamten N. ſein Geſchäftsguthaben ohne Abzug 
ausgezahlt worden. Auf Grund eines Generalver: 
ſammlungsbeſchluſſes vom 30. März 1906 iſt aber 
dem Guthaben des Genoſſen Beamten N. nach dem 
Stande vom 31. Dezember 1906 ein Betrag von 
70% = 567 M abgeſchrieben, einbehalten und nicht 
zurückgezahlt worden. 

Der Beamte N. hat wegen dieſes Vermögens⸗ 
ſchadens gegen den dienſttuenden Poſtbeamten Klage 
erhoben mit der Behauptung, daß der Beklagte, welcher 
unſtreitig am 30. und 31. Dezember 1904 den Dienſt 
bei dem Poſtamte verſehen hatte, die ihm obliegende 
Amtspflicht verletzt und den oben bezifferten Schaden 
zu erſetzen habe, da er (der Kläger) nicht auf andere 
Weiſe Erſatz erlangen könne. Nach dem Reichsgeſetz 
über das Poſtweſen hafte die Poft nur für den Berlu ft 
rekommandierter (eingeſchriebener) Sendungen. Ein 
Verſuch des Klägers, trotzdem von der zuſtändigen 
Oberpoſtdirektion Schadenserſatz zu erlangen, ſei 
fehlgeſchlagen. 

Der Beklagte hat Abweiſung der Klage bean— 
tragt. Er hat zwar nicht in Abrede ſtellen können, 
daß er am 31. Dezember 1904 die Beförderung des 
Einſchreibbriefes unterlaſſen habe, hat aber jede Nach: 
läſſigkeit und Fahrläſſigkeit ſeinerſeits deshalb in 
Abrede geſtellt, weil er als einziger Beamter 
des betreffenden Poſtamts für Einſchreibbriefe und 
Wertſendungen am letzten Tage des Jahres mit 
Amtsgeſchäften derart überbürdet geweſen ſei, daß 
ſelbſt bei größter Sorgfalt und Gewiſſenhaftigkeit ein 
derartiges Verſehen leicht unterlaufen könne. Er hat 
ferner im vorliegenden Falle auch deshalb jede Haftung 
abgelehnt, weil die Poft mit der Adreſſatin der Ein- 
ſchreibſendung ein Abkommen getroffen habe, nach 
welchem die Beſtellung dieſer Art Sendungen nur 
zu gewiſſen Zeiten erfolgen durfte. Wäre jenes Nb: 
kommen nicht geweſen, ſo hätte die Sendung recht— 
zeitig und ordnungsmäßig beſtellt werden können. 


Der Beklagte wurde vom Landgericht III in 
Berlin, welches, da es ſich um einen Schadengerfap: 


* E ya * 


— KNX. nn m eTetmoen 


anſpruch aus pflichtwidriger Unterlaſſung einer dem 
Beklagten als Reichsbeamten obliegenden Amtspflicht 
handelte, gemäß § 70 Nr. 2 GVG. zuſtändig war, 
nach dem Klageantrage verurteilt, und zwar aus 
folgenden Gründen: 

Hat ein Reichs⸗ oder Staatsbeamter durch ſeine 
Amtshandlung das Recht eines anderen verletzt, ſo 
iſt er ſchon nach den Grundſätzen über unerlaubte 
Handlungen dem Dritten haftbar. Es genügen die 
Vorſchriften des 8 823 Abſ. 1 und Abſ. 2 BGB., um 
einen Erſatzanſpruch des geſchädigten Dritten gegen 
den Beamten zu begründen (Vgl. P. Altmann, Ver⸗ 
faſſung und Verwaltung des Deutſchen Reichs. Bd. 1. 
Berlin 1907, S. 34). 

Der Beamte haftet ferner (auch der Reichsbeamte 
gemäß § 13 des RBG.) nach 5 839 Abſ. 1 Satz 1 BGB. 
dem Dritten für jedes Verſchulden bei Verletzung 
feiner Amtspflicht. Jedoch ift diefe Haftung im An- 
ſchluß an das preußiſche Recht inſofern gemildert 
und eine ſubſidiäre, als der Beamte wegen fahr: 
läſſiger Pflichtverletzung erſt dann in Anſpruch 
genommen werden kann, wenn der Beſchädigte nicht 
auf andere Weiſe Erſatz zu erlangen vermag (68 839 
Abſ. 1 Satz 2 BGB. und P. Altmann, a. a. O. S. 35 
und RGC. in Zivilſachen Bd. 51 S. 192). 

Der Kläger hat in dem vorliegenden Falle den 
Nachweis geführt, daß die Poſtverwaltung für den 
hier eingeklagten Schaden nicht haltet und daß auch 
eine Inanſpruchnahme der vorgeſetzten Dienſtbehörde, 
der Kaiſerl. Ober⸗Poſtdirektion in Berlin, nach der un— 
widerſprochenen Angabe des Klägers fehlgeſchlagen iſt. 

Da tatſächlich hier der Fall fo liegt, daß die 
rechtliche und tatſächliche Möglichkeit auf andere Weiſe 
Erſatz zu verlangen nicht in Frage kommt, ſo kann 
ein weiterer Nachweis von dem Kläger nach dieſer 
Richtung hin nicht verlangt werden (RGE. in 38. 
Bd. 51 S. 192). 

Der Kläger behauptet eine Vermögensſchädigung 
durch den Beklagten, weil dieſer als Beamter der 
Reichspoſt ſchuldhafterweiſe durch nicht ordnungs— 
mäßige Expedition eines Einſchreibbriefes die Nicht: 
ankunft dieſes Briefes innerhalb einer ſtatutariſch 
beſtimmten Friſt verſchuldet habe, wodurch dem Kläger 
ein Vermögensſchaden erwachſen ſei. 

Es iſt unſtreitig, daß der Kläger Genoſſe der 
Spar- und Kreditbank, e. G. m. beſchr. H., war und 
durch Einſchreibbrief vom 30. Dezember 1904 ſeinen 
Austritt aus der Genoſſenſchaft zum 31. Dezember 
1905 erklärt hat. Dieſer Brief iſt am 30. Dezember 
1904 beim Poſtamt des Abſenders aufgegeben und 
an demſelben Tag zur letzten Poſtbeſtellung, die um 
7¼ Uhr abends begann, auf dem Poſtamt der 
Adreſſatin eingegangen. Es mag zutreffend ſein, wie 
der Beklagte behauptet, daß eine Beſtellung an dieſem 
Abend deshalb ausgeſchloſſen war, weil die Adreſſatin 
des Briefes, die Spar- und Kreditbank, der Poſt ihres 

Wohnortes mitgeteilt hatte, daß Einſchreibbriefe und 
Wertſendungen nur in der Zeit von 4—6 Uhr nach— 
mittags bei ihr beſtellt werden ſollten. Es kann hier 
dahingeſtellt bleiben, ob eine derartige Vereinbarung, 
welche nur die Beziehungen der Poſt zu der Adreſſatin 
regelt, für Dritte irgendwelche Bedeutung hat, da 
hier noch der 31. Dezember in Frage kam, an dem 
auch unter Berückſichtigung der zwiſchen der Poſt und 
der Adreſſatin getroffenen Vereinbarung der Brief 
ordnungsmäßig und rechtzeitig hätte beſtellt werden 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


können. Tatſächlich iſt das Kündigungsſchreiben des 
Klägers erſt am 2. Januar 1905 nachmittags in die 
Hände der Adreſſatin gelangt. 

Der Beklagte hat ſelbſt zugegeben, daß die Be⸗ 
ſtellung in der zwiſchen der Poſt und der Adreſſatin 
vereinbarten Zeit am 31. Dezember dadurch unmöglich 
geworden ift, daß er im Drange der Geſchäfte ver- 
geſſen habe, dieſen Brief dem Poſtbeamten, der um 
4 Uhr 15 Minuten das Poſtamt verlaſſen habe, mit- 
zugeben. 

Es kann nicht zweifelhaft ſein, daß durch dies 
Verhalten im Dienſte der Beklagte gegen ſeine 
Amtspflicht verſtoßen hat, die ihm auch dem 
Dritten gegenüber, alſo dem Kläger gegenüber, oblag, 
wobei noch ferner feſtzuſtellen iſt, daß die Verletzung 
der dem Beklagten dem Kläger als Dritten gegenüber 
obliegenden Amtspflicht auf einem Verſchulden 
beruhte, da die Fahrläſſigkeit ſich auf die Verletzung 
der Amtspflicht bezog. (Vgl. P. Altmann a. a. O. 
Bd. 1 S. 36 821). Auf den Grad der Fahrläſſigkeit kommt 
es nicht an (Urteil des RG. v. 14. April 1902, E. in 
Zivilſachen Bd. 41 S. 191). Wann Fahrläſſigkeit an= 
zunehmen ift, beſtimmt jid nach 8 276 BGB. Maß⸗ 
gebend iſt daher die Sorgfalt eines pflichttreuen Durch— 
ſchnittsbeamten (vgl. P. Altmann a. a. O. Bd. 1 S. 36 
§ 21). Man wird im vorliegenden Falle nicht annebmen 
können, daß der Beamte den vorſtehenden Anforde— 
rungen genügt hat, denn wenn auch am 31. Dezember 
jeden Jahres erfahrungsgemäß die Poſtbeamten 
dienſtlich ſehr in Anſpruch genommen werden, und 
dies auch an dem hier fraglichen 31. Dezember der 
Fall geweſen iſt, ſo darf dies kein Grund ſein, in der 
Erfüllung der Amtspflichten nicht ſorgfältig zu ver— 
fahren. Der Beklagte hat daher für den dem Kläger 
durch fein Verhalten als Beamter entſtandenen Ver- 
mögensſchaden zu haften und ihn zu vertreten. 

Wegen der Höhe ſeines Schadens hat der Kläger 
das Schreiben der Spar- und Kreditbank vom 1. Auguſt 
1907 überreicht, aus dem hervorgeht, daß infolge der 
verſpäteten Beſtellung vom 30. Dezember 1904 der 
Kläger nicht, wie beabſichtigt, am 31. Dezember 1905, 
ſondern erſt am 31. Dezember 1906 aus der Genoſſen⸗ 
ſchaft ausſcheiden konnte, daß ferner beim Ausſcheiden 
am 31. Dezember 1905 das Geſchäftsguthaben des 
Klägers ohne jeden Abzug ausgezahlt worden wäre, 
endlich daß nunmehr auf Grund des Beſchluſſes der 
Generalverſammlung vom 30. März 1907 betreffend 
die Abſchreibung von 70% ſämtlicher Guthaben nach 
dem Stande vom 31. Dezember 1906 567 M des Gut- 
habens des Klägers einbehalten und nicht zurückgezahlt 
worden ſind. 

Aus vorſtehender Auskunft ergibt ſich, daß dem 
Kläger durch die erſt am 2. Januar 1905 erfolgte 
Beſtellung ſeines Kündigungsſchreibens, welches erſt 
2 Tage nach Ablauf der ſtatutariſch feſtgeſetzten Kiin- 
digungsfriſt durch die Schuld des Beklagten an die 
Adreſſatin des Briefes gelangt iſt, ein Vermögens— 
ſchaden von 567 M erwachſen ift. Da in dieſer Höhe 
ſein Guthaben gekürzt worden iſt, und er gleichzeitig 
aus der Genoſſenſchaft ausgeſchieden iſt, ſo iſt der 
Schaden auch ein definitiver, da etwaige Ueberſchüſſe 
für die Genoſſen in den folgenden Geſchäftsjahren 
für ihn nicht mehr in Betracht kommen. 

Landgerichtsrat Dr. P. Altmann in Berlin. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
Zivilſachen. 
1 


Wen trifft die Beweislaſt, wenn gegenüber der 
Klage auf den Kauſpreis behauptet wird, der Berkänfer 
habe die Ware vertragswidrig einem Dritten übergeben? 
Der Beklagte hat am 2. April 1906 bei einer von 
dem Kläger abgehaltenen Auktion 26 Kiſten Kupfer 
gekauft und dieſe gleich nach der Auktion an Franz P. 
weiter verkauft. Am 5. April 1906 iſt die Ware von 
dem Kläger auf Anweiſung des Beklagten an P. aus⸗ 
geliefert worden. Als der Kläger ſpäter von dem Be⸗ 
klagten Zahlung forderte, beſtritt dieſer ſeine Zahlungs⸗ 
pflicht unter der Behauptung, daß er den Kläger aus⸗ 
drücklich angewieſen gehabt habe, die Ware nur gegen 
Kaſſazahlung auszuliefern. Der Kläger beſtritt die Er⸗ 
teilung dieſer Anweiſung. Franz P. iſt am 22. Auguſt 
1906 in Konkurs geraten. Der Kläger hat nun mit 
der Klage — unter Angebot der Rückübertragung der 
ihm gegen P. abgetretenen Rechte — Zahlung des 
Kaufpreiſes und vorſorglich die Feſtſtellung verlangt, 
daß der Beklagte verpflichtet iſt, ihm die Differenz 
zwiſchen 5466,44 M und der Dividende in jenem Kon⸗ 
kurſe zu erſtatten. Der Streit der Parteien betrifft 
im weſentlichen die Frage, ob der Beklagte den Muf- 
trag zur Auslieferung der Ware an P. ſchlechthin 
oder nur mit der ausdrücklichen Beſchränkung erteilt 
habe, die Ware nur gegen Kaſſazahlung auszuliefern. 
Das LG. hat die Entſcheidung hierüber von einem 
dem Beklagten auferlegten richterlichen Cide, das OLG. 
hingegen von einem dem Kläger zugeſchobenen Eide 
abhängig gemacht. Das OLG. hat ausgeführt, es ſei 
unſtreitig, daß der Kläger das Kupfer an P. habe 
ausliefern follen; es fei nicht zweifel haft, daß er auch 
den Kaufpreis von P. habe einziehen ſollen und es 
ſei unbeſtritten, daß er den Kaufpreis von P. damals 
auch erhalten haben würde, wenn er die Auslieferung 
des Kupfers von der Zahlung des Preiſes abhängig 
gemacht hätte. Zugunſten des Beklagten nimmt es 
an, daß der Kläger, im Falle er den Auftrag über⸗ 
nommen habe, die Ware nur gegen Kaſſazahlung aus⸗ 
zuliefern, ſich durch die Nichterfüllung der übernom— 
menen Verpflichtung ſchadenserſatzpflichtig gemacht 
habe und daß demnach, da der Wert des Kupfers dem 
Kaufpreiſe entſprach, die Klage auf Zahlung des Preiſes 
gegen den Beklagten unbegründet ſei. Andernfalls 
hingegen ſei die an ſich unbeſtrittene Klageforderung 
begründet. Beweispflichtig für das von ihm behauptete 
Abkommen ſei der Beklagte. Der Beweis ſei aber 
bisher nicht geführt. Deshalb komme es auf den von 
dem Beklagten dem Kläger zugeſchobenen Eid an. Mit 
Recht wird Verkennung der Beweislaſt gerügt. Das 
OLG. überfieht, daß der Beklagte wegen der angeblichen 
Nichterfüllung des Auftrages nicht einen Schadens- 
erſatzanſpruch geltend macht, in welchem Falle 
allerdings der Beklagte für die von ihm behauptete 
Beſchränkung ſeines Auftrages beweispflichtig wäre, 
ſondern daß er nur zur Verteidigung gegen die Kauf— 
preisforderung fih auf die auftragswidrige Ausliefe— 
rung der Ware berufen hat. Zur Begründung ſeiner 
Kauſpreisforderung iſt aber der Kläger in vollem Um— 
fange beweispflichtig. Er hat alſo zu beweiſen, daß 
er ſeine Pflicht als Verkäuſer, die Ware zu übergeben 
und das Eigentum zu verſchaffen, erfüllt habe oder 
doch zu erfüllen imſtande und bereit ſei. Die von ihm 
behauptete Vertragserfüllung ſetzt im gegebenen Falle 
voraus, daß er die Ware der Anweiſung des Beklagten 
gemäß an P. ausgeliefert hat. Ging nun dieſe An— 
weiſung dahin, daß die Ware nur gegen Kaſſazahlung 
ausgeliefert werden ſollte, fo hat der Kläger, der un- 
ſtreitig ohne Kaſſazahlung ausgeliefert hat, feinen 


Seicen für Recta ege in Bayern. 1908. N. 19. 


Auftrag überſchritten. Die Ueberſchreitung des Auf⸗ 
trages iſt rechtlich ſo anzuſehen, als ob der Kläger 
ohne Auftrag die Ware ausgeliefert hätte. Der Be⸗ 
klagte braucht die ſeinem Auftrage zuwiderlaufende 
Auslieferung nicht gegen ſich gelten zu laſſen. Durch 
die Auslieferung der Ware an P. hätte der Kläger 
ſich die Vertragserfüllung an den Beklagten unmöglich 
gemacht und damit ſeinen Anſpruch auf den Kaufpreis 
verloren, § 325 BGB. Die Einwendung des Beklagten 
iſt ſomit nicht eine ſelbſtändige Einrede, ſondern viel⸗ 
mehr ein motiviertes Leugnen der dem Kläger ob= 
liegenden und von ihm zu beweiſenden Vertrags⸗ 
erfüllung. Der Beweis der letzteren kann aber nur 
durch den Beweis geführt werden, daß dem Kläger 
der Auftrag einfach ſo erteilt worden iſt, wie er es 
behauptet. (Urt. des II. 35. vom 19. Juni 1908 
II 67/08). K. 
1380 
II. 
eſtſtellung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des 
f 843 B68. Aus den Gründen: Das OLG. 
tellt zwar in einwandfreier Weiſe feſt, daß die Er⸗ 
werbsfähigkeit des Klägers gegenwärtig und auch für 
die Zukunft um 75% gemindert iſt. Seine Begrün⸗ 
dung erweckt aber den Anſchein, als ob er ſchon die 
abſtrakte Erwerbsunfähigkeit für genügend erachte, 
um daraufhin dem Kläger gemäß § 813 BGB. eine 
Rente zuzubilligen. Damit wäre der enge Zuſammen⸗ 
hang des § 843 mit $ 842 verkannt und außer acht 
gelaſſen, daß Schadenserſatz immer nur für wirklich 
erlittene Nachteile zu gewähren ift. Dieſer Grundfag 
behält auch dann volle Geltung, wenn es ſich um 
Schadenserſatz für die Zukunft, alſo um den Ausgleich 
zukünftig drohender Nachteile handelt. Wenn das 
OLG. hierzu ausführt, daß der Kläger vorausſichtlich 
anderswo eine Stellung als Kutſcher nicht mehr werde 
finden können und als Handarbeiter oder in ähnlicher 
Stellung Beſchäftigung werde ſuchen müſſen, ſo iſt 
dabei die unſtreitige Tatſache außer Betracht geblieben, 
daß der Kläger ſeit dem im Jahre 1902 erlittenen 
Unfall bis zum Schluſſe der mündlichen Verhandlung 
in der Berufungsinſtanz nach wie vor bei dem Be- 
klagten als Kutſcher in Dienſten geblieben iſt und 
wenigſtens in der Hauptſache die gleiche Dienſtver⸗ 
gütung gewährt erhalten hat. Solange dieſes Ver- 
hältnis fortdauert, kommen augenſcheinlich Nachteile, 
die der Verletzte in feinem Erwerb oder Fortkommen 
erlitte, abgeſehen von gewiſſen geringfügigeren Ein⸗ 
bußen, nicht in Betracht. Unter dieſen Umſtänden 
hätte das OLG. das jetzt noch zwiſchen den Parteien 
beſtehende Verhältnis nach der tatſächlichen und recht⸗ 
lichen Seite genauer erörtern und, wenn es die 
Schadenserſatzpflicht für die Zukunft regelt, fi auch 
über die vorausſichtliche zukünftige Geſtaltung dieſes 
Verhältniſſes ein Urteil bilden müſſen, das demnächſt 
bei freier Würdigung der Umſtände der Bemeſſung 
des Schadenserſatzes zugrunde zu legen wäre. Jeden- 
falls hat es dieſer Würdigungspflicht nicht durch die 
in anderem Zuſammenhange gemachte Bemerkung ge— 
nügt, „es ſteht nicht feſt, ob der Beklagte und eventuell 
in welcher Höhe er dem Kläger in Zukunft die bis- 
herigen Bezüge auf die Rente gewähren werde“. (Urt. 
des IV. 35. vom 21. Mai 1908, IV 509/07). 
1373 


III. 


Schadenserſatz wegen zwangsweiſer Berieigerung 
eines Grundſtücks trotz wörtlichen Angebots der Schuld⸗ 
fumme? Das Haus des Klägers ift von der Beklagten 
wegen einer Hypothek von 100000 M zur Zwangs— 
verſteigerung gebracht worden. Der Kläger behauptet, 
hierdurch um 100 000 M geſchädigt zu fein, indem der 
Verſteigerungserlös um dieſen Betrag hinter dem 
wahren Werte des Grundſtücks zurückgeblieben ſei. 
Die Beklagte ſei zum Erſatze des Schadens verpflichtet, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


weil ſie vor dem Verſteigerungstermin ſich ausdrück⸗ 
lich geweigert 
angebotenen 100000 M anzunehmen und den Ver⸗ 
ſteigerungsantrag zurückzuziehen. Die Klage wurde 
abgewieſen. Die Reviſion hatte keinen Erfolg. 


abe, die ihr mit Zinſen und Koſten 


Gründe: Vor dem Verſteigerungstermin hat der 


Kläger zunächſt ſelbſt und dann durch feinen Be- 
vollmächtigten J. mit dem Bevollmächtigten des Be⸗ 
klagten, Aſſeſſor K., verhandelt. In beiden Fällen 
hat ein „tatſächliches“ Angebot der 100 000 M — 8 294 
BGB. — nicht ſtattgefunden. Nun würde zwar auch 
ein bloß „wörtliches“ Angebot, wenn es den Erfor⸗ 
derniſſen des §8 295 entſprochen hätte, hingereicht 
haben, um die Beklagte als Gläubigerin in Annahme⸗ 
verzug zu verſetzen, allein nicht auch, um den Klage⸗ 
anſpruch auf Schadenerſatz zu begründen. Die Schaden- 
erſatzpflicht iſt im BGB. — 8 286 — als Verzugs⸗ 
folge nur für den Fall eines dem Schuldner zur Laſt 


fallenden Leiſtungsverzugs anerkannt worden; die 


Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs ſind dagegen in 
den 8S 300 ff. BGB. geregelt worden, und hier findet 
NH eine dem 8 286 BGB. entſprechende Vorſchrift 


nicht. Die Reviſion macht nun zwar geltend, daß die 


Beklagte, indem ſie trotz angeblich gehörigen Angebots 
der Leiſtung die Zwangsverſteigerung weiter betrieben, 
ſich eines Verſtoßes mindeſtens gegen 8 823 BGB. 
ſchuldig gemacht habe, und daß deshalb der Anſpruch 
auf Schadenserſatz auch nach Maßgabe dieſer Vorſchriften 
begründet ſei. Allein dem kann nicht beigepflichtet 
werden. Daß dem Kläger nur gegen Abtretung der 
Hypothek das Geld zur Verfügung geſtellt war, entzog 
ſich der Kenntnis des K., und es war Sache des Klägers 
oder feines Bevollmächtigten J., den K. darüber auf- 
zuklären, daß das von ihm vorgeſchlagene Verfahren 


unter den beſonderen Umſtänden des Falles nicht aus» 88 


führbar fei, und daß es deshalb der Abtretung der 
Hypothek bedürfe. 
ſo konnte und durfte K., ohne die im Verkehr gebotene 
Sorgfalt zu verletzen, davon ausgehen, daß der 
Schuldner von der Beſtimmung des § 75 ZwVG., die 
nach Beginn der Verſteigerung Zahlung an das Ge— 
richt Gericht geſtattet, Gebrauch machen und dadurch 
die Zwangsverſteigerung zur Einſtellung bringen werde, 
ſofern die gemachten Angaben überhaupt der Wahr— 
heit entſprechen. Der eingetretene Erfolg iſt hiernach 
auf ein auch nur fahrläfliges Verhalten der Beklagten 


Unterblieb ein Hinweis hierauf, 


oder ihres Vertreters K. nicht zurückzuführen. (Urt. 
des V. 35. vom 24. Juni 1908, V 452/07). 
1382 — — — . 


IV. 


Beſteht eine Verpflichtung der Verſicherungsgeſell⸗ 
ſchaft, den Pfandgläubiger einer Police von der ] 
zahlung der fälligen Prämie des Pfandſchuldners im 
Kenntnis zu ſetzen? Der Generalagent der Beklagten 
hatte im Juni 1902 vom Kläger ein Darlehen von 
15 000 M erhalten. Zur Sicherung des Darlehens— 
gebers hatte L. für 15000 M Lebensverſicherung bei 
der Beklagten genommen und ſeine Rechte aus der 
Police dem Kläger verpfändet. Unter der Police bes 
findet ſich ein von der Beklagten unterzeichneter „Nach— 
trag“ folgenden Wortlauts: „Hierdurch nehmen wir 
genehmigend Vermerk, daß der Herr Verſicherte dieſe 
Police an Herrn (den Kläger) verpfändet hat.“ L. 
hatte die am 20. Juni 1903 fällig gewordene Halb— 
jahrsprämie trog Mahnung nicht gezahlt. Die Ber: 
ſicherung war deshalb von der Beklagten ohne Be— 
nachrichtigung des Klägers für erloſchen erklärt worden. 
Der Kläger hielt ſich für berechtigt von der Beklagten 
Schadenserſatz zu fordern und klagte auf Zahlung 
des von L. nicht bezahlten Reſtes der Darlehensſchuld. 
Die Klage wurde abgewieſen. Die Reviſion blieb er— 
folglos. 

Gründe: Der Kläger gründet ſeinen Anſpruch 
auf die Behauptung, daß die Beklagte ihm zum 


icht 


379 


Schadenserſatze verpflichtet ſei, weil ſie es unterlaſſen 
habe, ihn von dem Prämienrückſtande feines Pfand- 
ſchuldners L. und von dem infolgedeſſen vertrags- 
mäßig drohenden Erlöſchen des verpfändeten Ver⸗ 
ſicherungsanſpruchs zu benachrichtigen. Der Verſiche⸗ 
rungsvertrag enthält die ausdrückliche Beſtimmung, 
daß die Geſellſchaft nicht verpflichtet iſt, an die Prämien⸗ 
zahlung zu erinnern oder die Prämie abholen zu laſſen. 
Dieſe Beſtimmung muß der Kläger ſo gut gegen ſich 
gelten laſſen, wie ſie gegen den Verſicherten ſelbſt galt. 
Daran kann auch die an die Beklagte gerichtete Anzeige 
von der Verpfändung und die durch die Beklagte er⸗ 
folgte Genehmigung der Verpfändung nichts ändern. 
Die Anzeige war geſetzlich ($ 1280 BGB.) erforderlich, 
um das Pfandrecht überhaupt zur Entſtehung zu 
bringen, und die Genehmigung entſprach dem in den 
Verſicherungsbedingungen gemachten Vorbehalte. Es 
fehlt ſonach an jeglichem Anhalte für die Annahme, 
daß die Beklagte durch den auf die Poliee geſetzten 
Genehmigungsvermerk dem Kläger gegenüber irgend⸗ 
welche weitergehende Verpflichtungen übernommen 
11 2 als ſie vertragsmäßig gegen den Verſicherten 
atte. Auf der bloßen Grundlage des mit L. ge- 
ſchloſſenen Verſicherungsvertrags in Verbindung mit 
der Verpfändung iſt hiernach der Klageanſpruch ohne 
Geſetzesverletzung verworfen worden. Die Reviſion 
hat nun geltend gemacht, daß aus den Vorgängen, 
die nach den Behauptungen des Klägers zu dem Dar— 
lehens⸗ und Pfandvertrage zwiſchen ihm und L. ge— 
führt haben, ein beſonderes Vertrags verhältnis zwiſchen 
dem Kläger und der Beklagten zu entnehmen ſein 
würde. Auf die Nichtberückſichtigung jener Behaup— 
tungen glaubt deshalb die Reviſion die Rüge einer 
Verletzung der §§ 286, 287, 551 Nr. 5 ZPO. und der 
157, 162, 242, 815 BGB. gründen zu können. 
Allein günſtigſtenfalls würden die behaupteten Tat⸗ 
ſachen nur ergeben, daß die Beklagte durch den von 
ihren geſetzlichen Vertretern beauftragten Prokuriſten 
und Betriebsdirektor R., in der Abſicht, die Verhält⸗ 
niſſe des verſchuldeten L. zu regeln und ſich ſo deſſen 
wertvolle Dienſte zu erhalten, das Darlehen von dem 
Kläger für L. unter Vorſchlag der erfolgten, der Siche— 
rung des Klägers dienenden Abmachungen erwirkt 
hat. Die Reviſion ſelbſt ſagt: Gegenſtand des bes 
haupteten Auftrags der Beklagten an R. ſei „die Er⸗ 
haltung des .. . L. für die Beklagte in der Weiſe gez 
weſen, daß der Kläger als Geldgeber und Geſchäfts⸗ 
teilnehmer gewonnen wurde und die Beklagte bei 
gleichzeitiger teilweiſer Regulierung ihrer Anſprüche 
es übernahm, dem Kläger durch die Police ..., No— 
tierung der Verpfändung und Geſtattung der Abtretung 
von Forderungen des L. Sicherung und Befriedigung 
zu verſchaffen“. Wenn hieraus ein direktes Vertrags— 
verhältnis zwiſchen der Beklagten und dem Kläger zu 
entnehmen wäre, ſo könnte es nach Lage der Sache 
nur den Inhalt haben, daß die Beklagte die Ge— 
nehmigung der Verpfändung nicht verſagen durfte. 
Dieſer Verpflichtung hat ſie genügt. Eine Verpflichtung 
aber, dem Kläger von dem Prämienrückſtande Nach— 
richt zu geben, würde jenes Bertragsverhältnis nirgends 
ergeben. 

Der Kläger kann ſich auch auf die Vorſchrift des 
§ 823 BGB. mit Erfolg nicht berufen. Wäre es ferner 
ſelbſt richtig, was der Kläger behauptet, daß bei den 
Verſicherungsgeſellſchaften, und insbeſondere auch bei 
der Beklagten ſelbſt, die Uebung beſteht, dem Pfand— 
gläubiger von Prämienrückſtänden Kenntnis zu geben, 
und könnte „in einer im Einzelfall erfolgten Abweichung 
von dieſer tatſächlichen Uebung ein Verſtoß gegen die 
guten Sitten im Sinne des 8 826 BGB. gefunden 
werden, ſo ſetzt doch ein auf dieſe Geſetzesvorſchrift 
gegründeter Erſatzanſpruch die vorſätzliche Schadens- 
zufügung voraus. Daß dieſes Erfordernis erfüllt ſei, 
hat das OLG. verneint. Eine Geſetzesverletzung ift 
auch hierin nicht zu finden. Für die Beklagte beſtand, 


380 


ſoweit erſichtlich, kein Anlaß zu der Annahme, daß 


der Kläger nicht ſelbſt feine Intereſſen als Pfand- 
gläubiger wahrnehmen und auf rechtzeitige Entrichtung 
der Verſicherungsprämien durch den Pfandſchuldner 
achten, z. B. Vorlegung der Prämienquittungen von 
ihm fordern würde. Insbeſondere nötigte auch die 
Tatſache, daß L. auf einem laufenden Konto bei der 
Beklagten ein Guthaben hatte, und daß ſie aus dieſem 
Guthaben gerade in der hier in Betracht kommenden 
Zeit noch erhebliche Zahlungen für Rechnung des L. 
an den Kläger auf deſſen Darlehensforderung geleiſtet 
hat, die Beklagte nicht zu der Annahme, Kläger werde 
ſich darauf verlaſſen, daß das Guthaben auch zur 
Deckung des Prämienrückſtandes noch ausreichen und 
verwendet werden würde. Es fehlte ſomit an der 
Grundlage, auf der das Berufungsgericht Hätte feft- 
ſtellen können, daß die Benachrichtigung von der Be⸗ 
klagten auch nur in dem Bewußtſein unterlaſſen worden 
fei, daß hierdurch die Schädigung des Klägers ein- 
treten würde. (Urt. des VII. ZS. vom 23. Juni 1908, 
VII 456/07). M. 
1381 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
I 


Befugnis des N der elterlichen Gewalt zur 
Löſchung einer ſeinem Kinde zuſtehenden Hypothek (BGB. 
8 1795 Abſ. 1 Nr. 1 u. 2 mit SS 1630 u. 1686). Im 
Grundbuche Z. für die StG. N. it auf dem Platte 
für die Grundſtücke Pl.⸗Nr. 383,384 der Ackerers⸗ 
eheleute Jakob und Emma H. in N. eine Sicherungs⸗ 
hypothek von 1800 M für „Forderung für Erbver⸗ 
mögen“ des minderjährigen Auguſt N., eines unter 
der elterlichen Gewalt ſeiner verwitweten Mutter 
Eliſabeth N. ſtehenden vollbürtigen Bruders der 
Emma H. eingetragen. In einem Schriftſtücke vom 
6. Mai 1908 erklärte die Witwe Eliſabeth N., daß ſie 
als geſetzliche Vertreterin ihres Sohnes die Löſchung 
bewillige und beantrage, die Eheleute H. erklärten, 
daß ſie der Löſchung zuſtimmen und ſie ebenfalls be⸗ 
antragen. Die Echtheit der Unterſchriften wurde von 
dem Notariate beglaubigt und die Urkunde dem 
Grundbuchamt vorgelegt. Das Grundbuchamt lehnte 
die Löſchung ab, weil Eliſabeth N. bei der Bewilligung 
und Beantragung der Löſchung als einem Rechts⸗ 
geſchäfte zwiſchen ihrem Sohne und ihrer Tochter den 
Sohn nicht vertreten könne, wenn nicht feſtſteht, daß 
die Löſchungsbewilligung ausſchließlich in der Er— 
füllung einer Verbindlichkeit beſteht und ſich jedenfalls 
auf die Bewilligung der Löſchung beſchränken müßte. 
Die Beſchwerde der Eliſabeth N., die darauf geſtützt 
wurde, daß die Forderung des Auguſt N. von den 
Eheleuten H. an die Mutter des Gläubigers bezahlt 
worden ſei, daß die belaſteten Grundſtücke zum Ge— 
ſamtgute der Errungenſchaftsgemeinſchaft der Ehe— 
leute H. gehören und daß die Vorſchrift des § 1795 
Abſ. 1 Nr. 1 BGB. nur für annahmebedürftige Rechts- 
geſchäfte und auf keinen Fall für ſolche Rechtsgeſchäfte 
gelte, die dem Grundbuchamte gegenüber vorgenommen 
werden, wurde vom LG. als unbegründet zurück— 
gewieſen. Das LG. erachtet als feſtſtehend, daß der 
geſchuldete Betrag an Eliſabeth N. als Vertreterin 
ihres Sohnes gezahlt worden iſt und billigte die An— 
wendung des § 1795 Abſ. 1 Nr. 1 BGB. auf die 
Löſchungsbewilligung. Auf die weitere Beſchwerde 
der Witwe N. iſt die Entſcheidung des LG. aufgehoben 
worden. 
Gründe: Die Anſicht der Beſchwerde, daß die 
nach § 1630 Abſ. 2 Satz 1 und § 1686 BGB. auf 
Vater und Mutter als Inhaber der elterlichen Ge— 
walt entſprechend anwendbare Vorſchrift des 8 1795 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


Abſ. 1 Nr. 1 BGB. den Vater oder die Mutter von 
der Vertretung des Kindes nur bei ſolchen Rechts⸗ 
geſchäſten zwiſchen ſeinem Ehegatten oder einem ſeiner 
Verwandten in gerader Linie einerſeits und dem 
Kinde anderſeits ausſchließe, bei denen die Erklärung 
des einen Beteiligten der Annahme ſeitens des anderen 
bedarf, geht allerdings fehl. Ein Rechtsgeſchäft 
„zwiſchen“ zwei Perſonen ift jedes Rechtsgeſchäft, 
das von der einen im Sinne des $ 181 BGB. „mit“ 
der anderen vorgenommen wird, bei dem dem einen 
Beteiligten ein anderer gegenüberſteht, ſei es auch nur 
als derjenige, dem die Erklärung zugehen muß. Das 
Geſetz unterſcheidet nicht zwiſchen zweiſeitigen und 
einſeitigen Rechtsgeſchäften, weil die Gefährdung der 
Intereſſen des Kindes, der es vorbeugen will, auch 
bei einſeitigen Rechtsgeſchäften eintreten kann (Planck, 
Komm. z. BGB. Bd. IV Erl. 1a zu 8 1795 S. 671). 
Dem LG. ift auch darin zuzuſtimmen, daß die Bor- 
ſchrift des 8 1795 Abſ. 1 Nr. 1 auf ein Rechtsgeſchäft, 
das für eine der dort bezeichneten Perſonen beſtimmt 
iſt, auch dann Anwendung findet, wenn das Rechts⸗ 
geſchäft ſtatt durch Erklärung gegenüber der Perſon, 
für die es beſtimmt iſt, durch Erklärung gegenüber 
dem Grundbuchamt oder durch anderweitige Betätigung 
des rechtsgeſchäftlichen Willens vorgenommen wird. 

Das LG. hat ſich über die Behauptung der 
Beſchwerdeführerin, daß die mit der Hypothek bes 
laſteten Grundſtücke zum Geſamtgute der Errungen⸗ 
ſchaftsgemeinſchaft der Eheleute H. gehören, nicht 
geäußert, es ſcheint ſie für belanglos zu erachten. 
Dieſer Anſicht tritt die weitere Beſchwerde mit Recht 
entgegen. Die Verwaltung des Geſamtguts ſteht 
nach den 88 1443, 1519 BGB. dem Manne zu, er 
handelt dabei kraft eigenen Rechtes, nicht in Anſehung 
des Anteils der Frau als ihr Vertreter, eine das 
Geſamtgut betreffende Erklärung iſt an ihn zu richten 
und wird nicht deswegen, weil fie vermöge der Güter: 
gemeinſchaft auch der Frau zuſtatten kommt, zu einer 
auch für die Frau beſtimmten Erklärung. Hat die 
Beſchwerdeführerin ihre Erklärung überflüſſiger Weiſe 
auch der Frau H. gegenüber abgegeben, ſo wird da— 
durch die Wirkſamkeit der dem Manne gegenüber ab— 
gegebenen Erklärung nicht beeinträchtigt, weil nicht ans 
genommen werden kann, daß die Erklärung nur dann 
wirkſam ſein ſollte, wenn ihr auch inſoweit Wirkſam⸗ 
keit zukommt, als ſie der Frau gegenüber abgegeben 
worden iſt. Die Vertretungsmacht des Vaters oder 
der Mutter iſt nicht ausgeſchloſſen, wenn es ſich um 
ein Rechtsgeſchäft handelt, das ausſchließlich in der 
Erfüllung einer Verbindlichkeit beſteht. Unter dieſer 
Vorausſetzung konnte auch Emma H. eine dem Auguſt 
N. gegenüber wirkſame Zahlung an ihre Mutter 
leiſten, und wenn Auguſt N. befriedigt wurde, ſo iſt 
nach § 1163 Abſ. 1 Satz 2 und des § 1177 Abſ. 1 
BGB. die Hypothek als Grundſchuld oder gegebenen 
Falles nach § 1143 BGB. die Forderung mit der 
Hypothek auf die Eheleute H. übergegangen. In 
beiden Fällen ſind ſie nach dem 8 894 BGB. berech⸗ 
tigt, von dem Gläubiger die Zuſtimmung zu der Be- 
richtigung des Grundbuchs zu verlangen. Die Ér- 
klärung, daß das Recht des Gläubigers erloſchen ift, 
und die Bewilligung der dieſer Rechtslage entſprechen⸗ 
den Eintragung in das Grundbuch, ſei es der Um— 
ſchreibung der Hypothek auf die Eheleute H. oder der 
von ihnen beantragten Löſchung, ift dann ein aus- 
ſchließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit be⸗ 
ſtehendes Rechtsgeſchäft. Das LG. hat angenommen, 
daß Auguſt N. durch Zahlung befriedigt iſt, und es 
war bei der Prüfung der Vertretungsmacht der Mutter 
nicht auf die im § 29 GBO. vorgeſchriebenen Nach- 
meife beſchränkt (RGE. Bd. 65 S. 214, 223). Gleich⸗ 
wohl hat es der Erklärung der Beſchwerdeführerin 
nicht die Bedeutung der Zuſtimmung zu der Berichti— 
gung des Grundbuchs beigelegt ſondern es ſieht ſie 
als Erklärung des Willens an, die noch dem Auguſt 


— 


N. zuſtehende Hypothek nach 88 875, 1183 BGB. auf- 
zuheben. Die Faſſung der Erklärung, nach der die 
Witwe N. die Löſchung nicht nur bewilligt, ſondern 
auch beantragt, ſteht der Annahme nicht entgegen, 
daß es ſich um Berichtigung des Grundbuchs handelt, 
ſie enthält, wenn die Hypothek nicht mehr dem Auguſt 
N. zuſtand, ebenſo wie die „Zuſtimmung“ der Eheleute 
H. nur einen Fehlgriff im Ausdrucke. Die Entſchei⸗ 
dung des LG. muß deshalb aufgehoben werden. Die 
Wirkſamkeit der Erklärung der Beſchwerdeführerin iſt 
aber, wenn ihr die Vorſchrift des § 1795 Abſ. 1 Nr. 1 
nicht entgegenſteht, mit Rückſicht auf die ebenfalls auf 
Vater und Mutter entſprechend anwendbare Vorſchrift 
der Nr. 2 des S 1795 Abſ. 1 gleichwohl zweifelhaft. 
Die Bezeichnung der Forderung des Auguſt N. als 
„Forderung für Erbvermögen“ legt die Vermutung 
nahe, daß es ſich um ſeinen väterlichen Erbteil handelt, 
und wenn dies der Fall iſt, ſpricht eine gewiſſe 
Wahrſcheinlichkeit dafür, daß die Beſchwerdeführerin 
ihrem Sohne den deſſen Erbvermögen bildenden Be— 
trag ſchuldet. In dieſem Falle würde die Annahme 
der Zahlung die Aufhebung der für die Forderung 
des Auguft N. gegen feine Mutter beſtehenden Sicher- 
heit, das Erlöſchen ſeines Rechtes in Anſehung der 
Hypothek bewirken und würde deshalb die Mutter 
nach § 1795 Abſ. 1 Nr. 2 dabei von der Vertretung 
ihres Sohnes ausgeſchloſſen ſein (Planck, Komm. z. 
BGB. Bd. IV Erl. 1 lit. b zu 8 1795 S. 672, RIJA. 
Bd. 3 S. 50, 56), eine wirkſame Zahlung würde des- 
halb nicht vorliegen. Ebenſowenig würde die Mutter 
eine auf den Verzicht auf die Hypothek oder auf die 
Aufhebung der Hypothek gerichtete Erklärung mit 
Wirkſamkeit für den Sohn abgeben können. Da aus 
den Akten nicht zu entnehmen iſt, wie es ſich mit der 
Forderung des Auguſt N. verhält, muß die Sache zu 
anderweitiger Entſcheidung zurückverwieſen werden. 
(Beſchl. des I 35. vom 30. Juni 1908, Reg. III 
60/1908). W. 
1371 
1. 

Gebühr für die Eintragung von vier Geſamt⸗ 
rokuriſten einer Aktiengeſellſchaft in ſechs vom gleichen 
egiſtergerichte für ebenſoviele Amtsgerichtsbezirke 

geführte Handelsregiſter. Geb. (n. F. von 1906) 
Art. 55, 56, 57. Bei der am 24. Oktober 1905 er⸗ 
folgten Eintragung der Aktiengeſellſchaft P. B. in L. 
in das Handelsregiſter wurden die Namen der 5 Mit- 
glieder des Vorſtandes und die Namen von 22 „Geſamt— 
prokuriſten“ ferner die Beſtimmung des Geſellſchafts— 
vertrags eingetragen, daß die Geſellſchaft vertreten 
wird 1. durch zwei Vorſtandsmitglieder, 2. durch ein 
Vorſtandsmitglied und einen Prokuriſten, 3. durch 
zwei Prokuriſten. 
am 20. Dezember 1905, am 15. Mai 1906 und am 
16. Juni 1906 die Namen je eines weiteren „Geſamt— 
prokuriſten“ eingetragen. Am 19. Dezember 1906 
meldete die Aktiengeſellſchaft bei dem Amtsgerichte L. 
zur Eintragung in das Handelsregiſter an, daß ſie 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


Auf ſpätere Anmeldungen wurden; 


ihren Handlungsbevollmächtigten Georg K. und Heinrich, 
K. in L. und Auguſt W. und Louis H. in Mannheim 


Geſamtprokura erteilt habe. Das Amtsgericht vollzog 
am 5. Januar 1907 die Eintragung im Handelsregiſter 
für die in L. beſtehende Hauptniederlaſſung und in 
den Handelsregiſtern für die in S., N., Bad D., G. 
und F. beſtehenden Zweigniederlaſſungen. Am 22. Juni 
1907 erklärten die Direktoren E. und S. zu Protokoll 
des Gerichtsſchreibers, bei der Anmeldung ſei über— 
ſehen worden, anzugeben, daß von den angemeldeten 
weiteren „Geſamtprokuriſten“ ebenſo wie von allen 
übrigen je zwei die Geſellſchaft vertreten und daß auch 
einer allein in Gemeinſchaft mit einem Vorſtands— 
mitgliede zur Vertretung befugt iſt. Das Amtsgericht 
nahm am 24. Juni 1907 die dieſer Erklärung ent— 
ſprechende Eintragung in das Handelsregiſter der 


Hauptniederlaſſung und die Handelsregiſter der gez 


381 


nannten fünf Zweigniederlaſſungen vor und ordnete 
die Niederſchlagung der Gebühren an, die dadurch 
entſtanden waren, daß die Eintragung vom 5. Januar 
1907 nicht ſofort richtig erfolgte. Der rechnungs⸗ 
führende Sekretär nahm an, daß vier Erteilungen der 
Prokura eingetragen wurden und fegte für die Çin- 
tragung einer jeden in die Regiſter der Hauptnieder⸗ 
laſſung und der fünf Zweigniederlaſſungen viermal 
die im Art. 55 Ziff. 4 des GebG. beſtimmte Gebühr 
an, und zwar für die Eintragung in die Handels⸗ 
regiſter für L., N., D. und F., weil an dieſen Orten 
die Aktiengeſellſchaft mit einer Gewerbeſteuer von 
Be als 1000 M angelegt ift, je viermal 75 M, alfo 
je 300 M, für die Eintragung in das Handelsregiſter 
für G., wo die Geſellſchaft mit einer Gewerbeſteuer 
von 913.17 M angelegt ift, viermal 50 M, alfo 200 M, 
für die Eintragung in das Handelsregiſter für S., 
wo „keine Steuer zur Umlagenerhebung ausgeſchieden 
ift“, viermal 2 M, alfo 8 M, insgeſamt demnach 
1408 M. Die Aktiengeſellſchaft erhob Erinnerungen. 
Das Amtsgericht wies dieſe zurück. Auf die Beſchwerde 
der Aktiengeſellſchaft hiergegen entſchied das Land⸗ 
gericht, der Beſchluß des Amtsgerichts ſei aufzu⸗ 
heben und für die Eintragung der vier Prokuriſten 
in das Handelsregiſter feien nur 225 M (= 3 x 75 M) 
Gebühren zu erheben. Auf die von der Regierungs- 
finanzkammer eingelegte weitere Beſchwerde hat das 
Oberſte Landesgericht für die Eintragung der 4 Pro- 
kuriſten in das Handelsregiſter die Erhebung einer 
Gebühr von 300 M (= 4 x 75 M) angeordnet und 
im übrigen das Rechtsmittel zurückgewieſen. 
Gründe: Das Landgericht hat mit Recht zwei 
Eintragungen in das Handelsregiſter auseinander- 
gehalten: diejenige, welche durch die Erteilung der 
Prokura als Geſamtprokura an die vier bisherigen 
Handlungsbevollmächtigten der Aktiengeſellſchaft ver— 
anlaßt war, und die Eintragung der jedem der neu 
beſtellten Prokuriſten erteilten Ermächtigung, die 
Aktiengeſellſchaft gemeinſchaftlich mit einem Vorſtands⸗ 
mitgliede zu vertreten. Die Entſcheidung des Land⸗ 
gerichts, daß nach Art. 57 des GebG. für die Cin- 
tragung des zweiten Vertretungsverhältniſſes eine be⸗ 
ſondere Gebühr nicht zu erheben iſt, beruht nicht auf 
Verletzung einer Rechtsvorſchrift. Soweit ſich die weitere 
Beſchwerde gegen die Anſchauung richtet, daß am 
5. Januar 1907 „drei neue Geſamtprokuren“ in das 
Handelsregiſter eingetragen worden ſeien, iſt fie be- 
gründet. Das LG. ging davon aus, daß auch von 
den neu angemeldeten wie von allen übrigen „Geſamt— 
prokuriſten“ je zwei die Geſellſchaft vertreten können. 
Den neu Angemeldeten ſei alſo Geſamtprokura in der 
Weiſe erteilt worden, daß jeder mit einem der drei 
anderen oder mit einem der ſchon früher eingetragenen 
Prokuriſten die Geſellſchaft vertreten kann. Das LG. 
hat demnach die Frage, wie viele Erteilungen zur 
Eintragung angemeldet wurden, von dem Geſichts— 
punkt aus betrachtet, wie ſich die Vertretungsbefugnis 
der neu angemeldeten Prokuriſten geſtaltet. Zu der 
Annahme, daß die Erteilung „dreier neuen Geſamt— 
prokuren“ einzutragen geweſen fei, ift es dann dadurch 
gekommen, daß es die Erteilung der Prokura als 
Geſamtprokura an die vier Perſonen nur in Anſehung 
ihrer Wirkung ſür das Vertretungsverhältnis in das 
Auge faßte, in dem die neuen Prokuriſten zueinander 
ſtehen, die dieſen ebenfalls zuſtehende Befugnis aber, 
je mit einem der ſchon früher eingetragenen ‚Geſamt— 
prokuriſten“ die Geſellſchaft zu vertreten, außer Betracht 
ließ. Dieſe Erwägungen beruhen jedenfalls inſoweit 
auf nicht richtiger Anwendung von Rechtsvorſchriften, 
als ſie für die Entſcheidung darüber, welche Gebühren 
für die Eintragung der neuen Prokuriſten anzuſetzen 
ſind, für maßgebend erachten, welchen Inhalt ihre 
Vertretungsbefugnis hat. Die Prokura iſt eine nur 
geſetzlich umſchränkte, durch Vertrag und Wirkung 
gegen Dritte nicht beſchränkbare Vollmacht. Auch der, 


382 


dem die Prokura als Geſamtprokura erteilt ift, iſt zur 
Vertretung der Geſellſchaft bevollmächtigt, ſeine Ver⸗ 
tretungsbefugnis iſt aber kraft des Geſetzes inſofern 
beſchränkt, als er ſie nicht allein ſondern nur durch 
gemeinſchaftliches Handeln mit den anderen Perſonen, 
denen die Prokura ebenfalls als Geſamtprokura erteilt 
iſt, oder mit einer von ihnen ausüben kann. Dem⸗ 
gemäß kommt es, wenn eine Vermehrung der Perſonen 
zur Eintragung in das Handelsregiſter angemeldet 
wird, denen die Prokura als Geſamtprokura erteilt 
ift, für die Beſtimmung der Gebühren nur darauf an, 
um wie viele Perſonen die Zahl derer vermehrt wird, 
denen die Prokura als Geſamtprokura erteilt iſt, denn 
jeder von ihnen iſt die Prokura erteilt; daß ſie nur 
als Geſamtprokura erteilt iſt, iſt belanglos. Es kann 
daher auch nicht von der Eintragung einer Mehrzahl 
von „Prokuren“ oder „Geſamtprokuren“ ſondern nur 
von der Eintragung einer Mehrzahl von Erteilungen 
der Prokura oder einer Mehrzahl von Perſonen ge- 
ſprochen werden, denen die Prokura ſchlechthin oder 
als Geſamtprokura erteilt iſt. Was die Aktiengeſell⸗ 
ſchaft am 19. Dezember 1906 zur Eintragung in 
das Handelsregiſter nach 8 53 HGB. angemeldet hat, 
ift hiernach die Erteilung der Prokura als Gefamt- 
prokura an vier weitere Perſonen; für die am 5. Januar 
1907 erfolgte Eintragung der Erteilung der Prokura 
als Geſamtprokura an vier Perſonen iſt deshalb der 
Art 65 8 ff. 4 der Gebühr anzuſetzen, die nach 

4 Geb. für die Eintragung „einer 
Prokura“ RE wird. Zu verneinen iſt die Frage, 
ob nicht Art. 57 Abſ. 1 auf dieſe Eintragung inſoweit 
anzuwenden iſt, daß nur eine einzige Gebühr deshalb 
erhoben wird, weil auf Grund einer und derſelben 
Anmeldung mehrere Eintragungen in das Handels⸗ 
Ber desſelben Gerichts erfolgten, die ſich, wenn 
auch nicht a „diefelbe Prokura“ doch auf „dieſelbe 
Geſellſchaft“ beziehen. Der Art. 57 ſteht in innerem 
Zuſammenhange mit dem Art. 55. Deſſen nach Art. II 
des Geſetzes vom 20. Auguſt 1906 am 1. September 
1906 in Kraft getretene jetzige Faſſung unterſcheidet 
zunächſt, ob ſich die Eintragung in das Handelsregiſter 
bezieht auf einen Einzelkaufmann (Ziff. 1) oder auf 
eine offene Handelsgeſellſchaft oder Kommanditgeſell⸗- 
ſchaft (Ziff. 2) oder auf eine Aktiengeſellſchaft, Kommandit⸗ 
geſellſchaft auf Aktien oder Geſellſchaft m. b. H. (Ziff. 3), 
und behandelt dann in Ziff. 4 die Eintragung der 
Erteilung der Prokura beſonders, ohne zu unter 
ſcheiden, ob der Inhaber des Handelsgeſchäfts ein 
Einzelkaufmann oder eine der in Ziff. 2, 3 bezeichneten 
Geſellſchaften iſt. Die Vorſchrift des Art. 57 Abſ. 1 
ſchließt ſich an die Gliederung des Inhalts des Art. 55 
inſofern an, als er unterſcheidet, ob ſich die mehreren 
Eintragungen, die auf Grund einer und derſelben 
Anmeldung erfolgen, auf „dieſelbe Firma“ oder auf 
„dieſelbe Geſellſchaft“ oder auf „dieſelbe Prokura“ 
beziehen. Der Ausdruck „Firma“ bedeutet in dieſem 
Zuſammenhang offenbar „Einzelkaufmann“ (Art. 55 
Ziff. 1). denn anderenfalls würde, da ja auch jede 
Handelsgeſellſchaft eine „Firma“ haben muß, nicht 
erklärlich ſein, warum neben der „Firma“ die „Geſell— 
ſchaft“ beſonders angeführt ift, und unter „dieſelbe 
Prokura“ kann nichts anderes verſtanden werden als 
„Erteilung der Prokura an dieſelbe Perſon“. Die 
Vorſchrift des Art. 57 Abſ. 1 muß demnach ſo aus— 
ausgelegt werden, daß, wenn mehrere Eintragungen 
zu machen ſind, die ſich auf verſchiedene Einzelkauf— 
leute oder auf verſchiedene Geſellſchaften oder auf die 
Erteilung der Prokura an verſchiedene Perſonen be— 
ziehen, für die Eintragungen die entſprechende Mehr— 
zahl von Gebühren anzuſetzen iſt, mögen ſie auch auf 
Grund einer und derſelben Anmeldung in das Handels— 
regiſter desſelben Gerichts erfolgen. Als Gebühr für 
die Eintragung der am 19. Dezember 1906 angemeldeten 
Erteilung der Prokura als Geſamtprokura an vier 
Perſonen iſt demnach nicht eine einzige Gebühr ſondern 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


das Vierfache der im Art. 55 Ziff. 4 beſtimmten Gebühr 
anzuſetzen. Die Eintragung erfolgte nach § 13 HGB. 
nicht nur im Handelsregiſter der Hauptniederlaſſung 
der Aktiengeſellſchaft, ſondern auch in die Handels- 
regiſter der fünf Zweigniederlaſſungen zu N., Bad D., 

„ G. und S. Die Beſchwerdeführerin rügt, daß 
das LG. den Art. 56 Geb. nicht beachtet habe, nach 
dem der vorgeſchriebene Gebührenſatz für die Ein⸗ 
tragung in jedes der bezeichneten ſechs Regiſter 
beſonders zu erheben geweſen wäre. Die Rüge iſt 
nicht begründet. Das LG. hat angenommen, daß an 
ſich der im Art. 56 bezeichnete Fall vorliege, iſt aber 
auf Grund des Art. 57 zu der Anſicht gekommen, daß 
für die Eintragung jeder der angemeldeten Erteilungen 
der Prokura in die ſechs Handelsregiſter a je eine 
einzige nach dem höchſten der im Art. 55 Ziff. la 
beſtimmten Sätze zu berechnende Gebühr anzuſetzen 
ſei. Dieſe Auffaſſung beruht nicht auf der Verletzung 
einer Rechtsvorſchrift. Die Vorſchrift des Art. 57 
mußte das LG. anwenden, weil die auf Grund einer 
und derſelben Anmeldung erfolgten mehreren Ein⸗ 
tragungen einer jeden der vier Erteilungen der Pro: 


kura in das Handelsregiſter desſelben Gerichts erfolgt 


ſind, nämlich in das des Amtsgerichts L., das das 
Regiſtergericht für alle Amtsgerichte des Landgerichts⸗ 
bezirks F. iſt. Ob, wie der Art. 57 fordert, die 
mehreren Eintragungen in das Handelsregiſter „ des⸗ 
ſelben Gerichts“ erfolgt ſind, könnte allerdings deshalb 
fraglich ſein, weil für jeden Amtsgerichtsbezirk bei dem 
Regiſtergericht ein beſonderes Handelsregiſter geführt 
wird. Hierauf ſcheint auch die Regierungsfinanzkammer 
ihre Anſicht zu ſtützen, daß die vier Erteilungen der Pro⸗ 
fura in die Handelsregiſter ſechs verſchiedener Gerichte 
eingetragen wurden. Der im Art. 57 gebrauchte 
Ausdruck „das Handelsregiſter desſelben Gerichts“ 
darf aber nicht in dieſem Sinne ausgelegt werden. 
Die Führung des Handelsregiſters lag in Bayern 
urſprünglich den Handelsgerichten, ſeit dem 1. Oktober 
1879 bis zum Inkrafttreten des FGG. den Kand: 
gerichten ob. Das Geb. enthält als Art. 58 Abſ. 1 
ſeiner urſprünglichen Faſſung und der Faſſung von 
1892 und als Art. 57 Abſ. 1 der Faſſung von 1899 
die nämliche Vorſchrift, die der Art. 57 Abſ. 1 der 
jetzigen Faſſung enthält. Da jedes LZ. nur ein 
einziges Handelsregiſter für ſeinen ganzen Bezirk zu 
führen hatte, konnte darüber, was unter „Handels: 
regiſter desſelben Gerichts" zu verſtehen fei, damals 
ein Zweifel nicht beſtehen. Würde der den Gegen— 
ſtand der Entſcheidung bildende Fall eingetreten ſein, 
ſolange dieſe Einrichtung beſtand, ſo wäre die Erteilung 
der Prokura an die vier Perſonen nur in das bei 
dem LG. F. geführte einzige Handelsregiſter eingetragen 
worden; jetzt mußte fie, weil jede der fünf Zweig⸗ 
niederlaſſungen ſich in einem anderen Amtsgerichts⸗ 
bezirke befindet als die Hauptniederlaſſung, in ſechs 
Handelsregiſter eingetragen werden. Die Beſtimmung 
des 8 6 Abſ. 1 der Vorſchriften über die Führung 
des Handelsregiſters würde alſo, wenn die Anſicht 
der Regierungsfinanzkammer richtig wäre, bewirken, 
daß ſtatt der einzigen Gebühr, die bei dem Beſtehen 
der früheren Einrichtung für die Eintragung der 
einzelnen Erteilung der Prokura erhoben worden 
wäre, jetzt ſechs Gebühren gezahlt werden müßten. 
Dieſe Tragweite kann der in dem § 6 Abſ. 1 ent⸗ 
haltenen, eine bloße Verwaltungsvorſchrift bildenden 
Anordnung nicht beigelegt werden. Dazu kommt, daß 
nach der Faſſung des $ 125 Abſ. 2 JGG., mit dem 
dieſe Anordnung in gewiſſem Zuſammenhange ſteht, 
nicht die Führung „der Regiſter“ ſondern die Führung 
„des Regiſters“ für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem 
Amtsgericht übertragen werden kann und daß auch— 
die landesrechtlichen Vorſchriften wiederholt den Aus- 
druck „das Handelsregiſter“ für die Geſamtheit der 
bei einem Regiſtergerichte geführten „befonderen 
Handelsregiſter“ gebrauchen. Der Grundgedanke, auf 


A en 


— nn 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19. 


dem die Vorſchriften der Art. 56, 57 beruhen, iſt 
übrigens offenbar der, daß in den dort behandelten 
Fällen nur eine einzige Gebühr dann erhoben werden 
ſoll, wenn durch die Anmeldung die Tätigkeit nur 
eines einzigen Gerichts in Anſpruch genommen worden 
iſt. Für die Beantwortung der Frage, ob oder inwie⸗ 
weit die Vorſchriften der Art. 56, 57 anwendbar ſind, 
müſſen hiernach, wenn an Grund derſelben An- 
meldung eine Eintragung, die ſich auf die Erteilung 
der Prokura an dieſelbe Perſon bezieht, zwar ſowohl 
in das Handelsregiſter der Hauptniederlaſſung als 
auch in die Handelsregiſter von Zweigniederlaſſungen 
erfolgt, die Handelsregiſter der Zweigniederlaſſungen 
aber von demſelben Gerichte geführt werden, das das 
Handelsregiſter der Hauptniederlaſſung führt, die in 
dieſe ſämtlichen Regiſter erfolgten Eintragungen als 
Eintragungen „in das Handelsregiſter desſelben 
Gerichts“ angeſehen werden. Der Art. 56 ift daher 
nicht anwendbar. Demnach iſt auf Grund der am 
22. Juni 1907 vervollſtändigten Anmeldung der Aktien⸗ 
geſellſchaft vom 19. Dezember 1906, alſo „auf Grund 
einer und derſelben Anmeldung“, die Erteilung der 
Prokura an vier Perſonen „in das Handelsregiſter 
desſelben Gerichts“ eingetragen worden. Für die 
Eintragung der Erteilung der Prokura an jede einzelne 
der vier Perſonen iſt die im Art. 55 Ziff. 4 beſtimmte 
Gebühr einmal anzuſetzen. Bei der Beſtimmung des 
Betrags der Gebühr iſt das LG. mit Recht davon 
ausgegangen, daß dafür der Betrag der Gewerbeſteuer 
maßgebend iſt, mit dem die Aktiengeſellſchaft in L. 
angelegt iſt, wo ſich ihre Hauptniederlaſſung beſindet. 
Da ſie dort mit einer Gewerbeſteuer von mehr als 
1000 M angelegt ift, hat es die Gebühr für die Ein- 
tragung der einzelnen Erteilung der Prokura auf 75 M 
ſeſtgeſetzt. Dieſer Betrag entſpricht den Vorſchriften 
des Art. 55 Ziff. 1a und Ziff. 4 und liegt auch der 
von der Beſchwerdeführerin aufgeſtellten Berechnung 
zugrunde. Da aber nicht, wie das LG. angenommen 
hat, drei ſondern vier Erteilungen der Prokura eins 
getragen wurden, muß die angefochtene Entſcheidung 
dahin geändert werden, daß für die Eintragungen 
vier Gebühren von je 75 M, alfo von zuſammen 300 M, 
anzuſetzen ſind. Im übrigen muß die weitere Beſchwerde 
als unbegründet i werden. (Beſchl. d. 
II. 35. vom 4. Mai 1908, Reg. V, 12/1908). 
1337 


B. Strafſachen. 


de Ihrer igt in Pl. Ein Dienſtmädchen, das 
den Hund ihrer nicht in Bayern wohnenden Dienſtherr⸗ 
ſchaft mit ſich nach Bayern nimmt, muß den Hund inner⸗ 
halb der geſetzlichen Friſt anmelden, auch wenn fie uur 
vorübergehend in Bayern verweilt. Berſchulden. Die 
als Dienſtmädchen in Düſſeldorf in Stellung befind- 
liche Angeklagte wurde im Sommer 1907, als ihre 
Herrſchaft eine Erholungsreiſe antrat, von ihrem Dienſt⸗ 
herrn mit deſſen Hund in ihre Heimatgemeinde L. in 
Bayern geſchickt, wo ſie etwa 12 Wochen verweilte. 
Den Hund hatte ſie die ganze Zeit bei ſich. Das Oberſte 
Landesgericht entſchied, daß die Angeklagte den Hund 
zur Verſteuerung hätte anmelden müſſen. 


Aus den Gründen: 1. Nach Art. 1 des Gef., die 
Erhebung einer Gebühr für das Halten von Hunden 


2. Junt 1876 ii 
betr. vom nn 1888 hat für jeden über 4 Monate 


En — — 


alten Hund der Beſitzer für das Kalenderjahr eine 


Gebühr zu entrichten. Der Art. 3 beſtimmt in Abſ. 1, 
daß im Januar oder Februar die Beſitzer der der Gebühr 
unterliegenden Hunde dieſe bei der Ortspolizeibehörde 
zur Eintragung anzumelden haben. 
Art. 3 ſind Hunde, die nach dem Anmeldungstermin 
in Beſitz genommen werden, innerhalb 14 Tagen nach 


— mn 3 ͤ3s«—! . 2 2''!'!eer!r! ( — 


383 


der Beſitzerlangung, junge Hunde, welche nach jenem 
Termin in das Alter von 4 Monaten eintreten, inner⸗ 
ap 14 Tagen nach dieſem Zeitpunkte anzumelden. 

ach Abſ. 4 des Art. 3 hat bei Aenderung des Wohn- 
ſitzes die Anmeldung innerhalb 14 Tagen nach Ein⸗ 
bringung des Hundes in den neuen Wohnort bei der 
Ortspolizeibehörde dieſes letzteren zu erfolgen. Der 
Abſ. 5 des Art. 3 endlich beſtimmt, daß Perſonen, 
welche nur vorübergehend im Königreiche ver⸗ 
weilen, ihre Hunde innerhalb 14 Tagen bei der Orts⸗ 
polizeibehörde eines der Orte, in welchen die Hunde 
während dieſer Zeit gehalten werden, anzumelden 
haben. Die Abſ. 1 und 4 des Art. 3 ſetzen auf Seite 
des Hundebeſitzers einen feſten Wohnſitz in Bayern 
voraus, der Abſ. 5 ein vorübergehendes Verweilen im 
Königreiche. 

2. Mit Rückſicht auf den vorwiegend geſundheits⸗ 
polizeilichen Zweck des Geſetzes iſt das Strafbare nur 
in der Unterlaſſung der Anmeldung, nicht in der 
Hinterziehung der Gebühr zu erblicken. Hieraus folgt 
aber, daß bei der Uebertretung nach Art. 7 nicht ſchon, 
wie dies bei der Hinterziehung von Steuern und 
anderen Gefällen der Fall iſt, das Vorhandenſein des 
objektiven Tatbeſtandes die Strafbarkeit begründet, 
ſondern, daß ein Verſchulden feſtgeſtellt werden muß; 
als Verſchulden iſt auch Fahrläſſigkeit anzurechnen. 
Das LG. hat die Eigenſchaft der Angeklagten als Be⸗ 
ſitzerin verneint aus der Erwägung, daß als Beſitzer 
der anzuſehen ſei, wer die tatſächliche Gewalt über 
den Hund ausübe, vorausgeſetzt, daß ſeinem Verhält⸗ 
niſſe zu dem Tier ein gewiſſer Grad von Selbſtändigkeit 
innewohnt, vermöge deren er Dritte von der Verfügung 
über das Tier ausſchließen kann. Dieſe Selbſtändigkeit 
fehle Perſonen, die als Dienſtboten vermöge eines 
begrenzten Abhängigkeitsverhältniſſes verpflichtet ſind, 
den ſich auf das Tier beziehenden Weiſungen eines 
anderen Folge zu leiſten; ſolche Perſonen übten die 
tatſächliche Gewalt nicht ſelbſtändig, ſondern nur als 
Stellvertreter, ja gewiſſermaßen als Werkzeug deſſen 
aus, von dem ſie vermöge des dienſtlichen Verhält⸗ 
niſſes abhängig ſind. 


3. Art. 3 Abſ. 1 bis 4 des Hundegeb®. regelt die 
Anmeldepflicht der Hundebeſitzer mit dauerndem Auf⸗ 
enthalt in Bayern, Abſ. 5 die Anmeldepflicht der Per⸗ 
ſonen, die nur vorübergehend in Bayern verweilen. 
Nach der tatſächlichen Geſtaltung des Falles kann nur 
der Abſ. 5 des Art. 3 in Betracht kommen. Es fragt 
ſich, ob Abſ. 5 auf die Angeklagte zutrifft. Eine Aus⸗ 
legung der Beſtimmung im Abſ. 5, wonach unter dem 
Ausdrucke „ihre Hunde“ nur die zu verſtehen wären, 
die den vorübergehend im Königreiche verweilenden 
Perſonen zu Eigentum gehören, würde dem vom Geſetz⸗ 
geber verfolgten Zwecke widerſprechen. Mit dieſem 
iſt nur die Auslegung vereinbar, daß Perſonen, die 
unter Mitführung eines Hundes über die Grenze nach 
Bayern zum Zwecke vorübergehenden Aufenthalts im 
Königreiche kommen, den mitgeführten Hund, gleich⸗ 
viel, wem er gehört, innerhalb 14 Tagen bei der 
Ortspolizeibehörde eines der Orte anzumelden haben, 
an dem während dieſer Zeit der eingeführte Hund in 
Bayern gehalten wird. Da hier nicht der Eigentümer 
des Hundes, ſondern nur deſſen Dienſtmädchen vor⸗ 


übergehend in Bayern verweilte, diefe in das Land 


Nach Abſ. 3 des 


den Hund ihres Dienſtherrn mitbrachte, und ihn wäh⸗ 
rend des im Geſetze vorgeſehenen Zeitraumes in Bayern 
hielt, ſo lag nur der Angeklagten die Anmeldepflicht 
ob. (Urt. vom 13. Juni 1908, Rev. Reg. e 
1366 f 


384 


Literatur. 


Buff, Dr. Siegfried, Das deutſche Scheckgeſetz 
vom 11. März 1908. (168 S.) . 1908. Deutſche 
Verlagsanſtalt. Gbd. Mk. 


Der Verfaſſer hat in os Erläuterungen 
die wichtigſten juriſtiſchen Fragen erörtert, zu denen 
das neue Geſetz Anlaß gibt und ſeine volkswirtſchaft⸗ 
liche Bedeutung dargelegt. Die Gewohnheiten des 
Scheckverkehrs find — zuweilen unter Verweiſung 
daß die Verhältniſſe im Ausland — ſoweit erläutert, 
daß auch der im käufmänniſchen Zahlungsweſen 
weniger bewanderte Leſer ſich ein Bild von ihnen 
Buches kann. Die ſehr elegante Ausſtattung des 
Buches ſei beſonders hervorgehoben. 


— — — 0 =~ — — 


Schweitzers Ausgabe des neuen bayer. Beamtengeſetzes. 
Geſetz vom 16. Auguſt 1908. Mit Anhang: Ge⸗ 
altsordnung und Allerh. Verordnung vom 

. September 1908 über die Gehaltsverhältniſſe der 
etatsmäßigen Staatsbeamten. Teztausgabe mit Ver⸗ 
weiſungen auf die Materialien und ausführlichem 
Beamten⸗ und Sachregiſter. München 1908, J. 
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Gebd. Mk. 1.—. 


Durch das Beamtengeſetz vom 16. Auguſt ſind 
langjährige berechtigte Wünſche unſerer Beamtenſchaft 
zum größten Teil in Erfüllung gegangen. Es wurde 
zum erſtenmale neben einer durchgreifenden Verbeſſe⸗ 
rung der Einkommensverhältniſſe ein einheitliches 
und gleichmäßiges Recht für ſämtliche Staatsange⸗ 
ſtellten geſchaffen. Hierin — nicht in der Gehalts- 
ordnung — liegt die weittragende Bedeutung des 
neuen Geſetzes. Zur Vermittlung der Kenntnis der 
neuen Beſtimmungen ſcheint uns vorliegende Ausgabe 
ſehr geeignet. Õie ift ſehr überſichtlich angelegt, ver: 
weiſt auf die Materialien und enthält ausführliche 
alphabetiſche Sach- und Beamtenregiſter. Ihr trotz 
der guten Ausſtattung ſehr niedriger Preis (kart. 
Mk. 1.— bei 240 Seiten) ermöglicht weiteſten Kreiſen 
die Anſchaffung. 


Adolph, Dr. jur. B., Regierungsrat im Sächſiſchen 
Miniſterium des Innern. Vereinsgeſetz vom 
19. April 1908. Unter Berückſichtigung aller 
bish. Landesgeſetzgebungen. (XVI. 196 S.). Leipzig 
1908, Roßberg'ſche Verlagsbuchh. Gebd. Mk. 3.—. 


Die Erläuterungen beſchränken ſich zwar in der 
Hauptſache auf Auszüge aus den Motiven und den 
parlamentariſchen Verhandlungen, gleichwohl kann die 
Ausgabe wegen der geſchickten Art, wie ſie die reichs— 
rechtlichen und die bisherigen landesrechtlichen Vor— 
ſchriften gegenüberſtellt, nur empfohlen werden. 

von der Pfordten. 


Notizeu. 


Die nene pfälziſche Städteverfaſſung, nach der den 
pfälziſchen Städten auf Antrag der Gemeindeverwal— 
tung durch Kgl. Entſchließung die Verfaſſung der 
ſtädtiſchen Gemeinden r. d. Rh. und damit die Kreis- 
unmittelbarkeit verliehen werden kann, hat auch einige 
Bedeutung für die Juſtizverhältniſſe in der Pfalz (Ge— 
ſetz vom 15. Auguſt 1908, Vollzugsbek. vom 18. Auguſt 
1908, GVBl. Nr. 52 S. 471 ff.) Betroffen wird durch 
die Neuerung insbeſondere die Anwendung des Art. 24 
AG. z. GVG. (Wahl der Vertrauensmänner nach 8 40 
Abſ. 3, 4 GVG.) und die Organiſation der Gemeinde— 
waiſenräte (Art. 94—98 AG. z. BGB.). Die Amts- 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. 


rührt. 


Nr. 19. 


anwaltſchaft wird in den unmittelbaren Städten der 
Pfalz nach wie vor durch Beamte der Juſtizverwal⸗ 
tung beſorgt werden; auch die Vorſchriften über die 
Beaufſichtigung der Standesbeamten bleiben unbe⸗ 
Zivilrechtliche Bedeutung kann die Vorſchrift 
des Art. 3 Abſ. 1 des Geſetzes vom 15. Auguſt 1908 
gewinnen, wonach der Diſtriktsverband bei Verleihung 
der Kreisunmittelbarkeit an pfälziſche Städte aufrecht⸗ 
erhalten bleibt und die Löſung nur auf Grund einer 
Vereinbarung der Beteiligten erfolgen kann (vgl. 
Ziffer VI der Vollzugsbekanntmachung). 
1383 


Heimatſchutz. Auf Grund der Vorſchrift im Art. 22 b 
des PStGB., der durch das Geſetz vom 6. Juli 1908 
in das PStGB. eingeſtellt wurde (f. die Notiz in Nr. 15 16 
dieſes Jahrgangs der Zeitſchrift, S. 323), wurde eine 
Kgl. Verordnung vom 6. September 1908 über die 
Ausgrabungen und Funde von prähiſtoriſchen oder 
hiſtoriſch merkwürdigen Gegenſtänden erlaſſen; ſie tritt 
am 1. November 1908 in Kraft. Die Ausführungs⸗ 
vorſchriften enthält eine Bekanntmachung des Kultus- 
miniſteriums vom 7. September 1908 (GVBI. Nr. 60 
S. 762 und 763). Damit ſind einige neue ſtrafrecht⸗ 
liche Tatbeſtände geſchaffen worden. Verboten iſt es 
künftig, ohne Genehmigung der Diſtriktsverwaltungs⸗ 
behörde (in München des Stadtmagiſtrats) Ausgra⸗ 
bungen nach prähiſtoriſchen oder hiſtoriſch merkwür⸗ 
digen Gegenſtänden vorzunehmen oder zu anderen 
Zwecken auf Grundſtücken zu graben, in denen ſolche 
Gegenſtände zu vermuten ſind. Die Diſtriktsverwal⸗ 
tungsbehörde kann die Erlaubnis von Bedingungen 
abhängig machen. Auf diefe Weiſe fol der Denkmäler⸗ 
beſtand vor Zerſtörungen und Beſchädigungen geſchützt 
werden; Ausgrabungen durch unkundige Perſonen 
folen verhindert und Grabungen auf „ hiſtoriſchem 
Boden“ unter ſachkundige Beobachtung geſtellt werden. 
Wer bei einer Erdarbeit, einer Bau- oder Abbruch— 
arbeit prähiſtoriſche oder hiſtoriſch merkwürdige Sachen 
findet, d. h. zuerſt auf ſie ſtößt, hat der Ortspolizei⸗ 
behörde Anzeige zu erſtatten. Der Finder kann die 
Anzeigepflicht auf den Unternehmer der Arbeiten, 
deſſen Stellvertreter oder den Leiter der Arbeiten ab⸗ 
wälzen, wenn er dieſen Perſonen Mitteilung von dem 
Funde macht. Die Arbeiten ſind einzuſtellen und die 
gefundenen Gegenſtände ſind aufzubewahren; dieſe 
Verpflichtung dauert bis zum 7. Tage nach der Anzeige⸗ 
erſtattung fort. Die Anzeigepflicht ſoll die Möglich⸗ 
keit bieten, die ſachkundige Unterſuchung der Fund⸗ 
ſtellen und die Erwerbung der Fundgegenſtände im 
Wege des freien Kaufs für bayeriſche Sammlungen 
herbeizuführen. Unberührt bleiben die Vorſchriften 
des bürgerlichen Rechts über den Eigentumserwerb 
(vgl. z. B. 8 984 BGB.). Keine Anzeigepflicht beſteht, 
wenn prähiſtoriſche oder hiſtoriſch merkwürdige Gegen⸗ 
ſtände nicht bei Gelegenheit einer Erdarbeit u. dgl. 
ſondern freiliegend gefunden werden, etwa von einem 
Spaziergänger oder bei der Durchſuchung alter Räume 


in Gebäuden. 
1:84 


Errichtung nener Bezirksämter. Bezirksämter wer⸗ 
den mit Wirkung vom 16. Oktober 1908 an in Rieden⸗ 
burg und Lauf errichtet. Das Bezirksamt Riedenburg 
wird den vom Bezirksamtsſprengel Beilngries abge⸗ 
trennten Amtsgerichtsbezirk Riedenburg umfaſſen, das 
Bezirksamt Lauf den Amtsgerichtsbezirk Lauf, der bis⸗ 
her sum Bezirksamte Hersbruck gehörte (GVBl. S. 757/8). 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H, Freiſing. 


Ar. 20. 


Herausgegeben. von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat, verw. im K. Baner. 
Staats miniſterium der Yuftiz. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jäbrlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748). 


Noch einmal die Unterhaltungspflicht des 
§ 1021 ROY. 


Von Reichsgerichtsrat Predari in Leipzig. 


Die Frage, die bei Anwendung des $ 1021 
Abſ. 1 Satz 2, Abſ. 2 BGB. entſteht, ift neueſtens 
von ſachkundiger Feder in Nr. 9 des laufenden 
Jahrgangs dieſer Zeitſchrift (S. 173 ff.) erörtert, 
auch in den Lehrbüchern und Kommentaren mehr 
oder weniger ausführlich behandelt. Das letzte 
Wort ſcheint mir aber über ſie noch nicht geſprochen 
zu ſein. Deshalb mag eine nochmalige Prüfung | 
nicht überflüſſig fein, zumal der Gegenſtand des 
Streites für die Praxis nicht unwichtig iſt. Der 
8 1021 BGB. ſpricht ſich darüber nicht weiter 
aus, ob die abweichend vom Geſetz kraft be— 
ſonderen Vertrages dem Eigentümer des 
herrſchenden Grundſtücks auferlegte Pflicht, eine 
zur Ausübung einer Grunddienſtbarkeit auf dem 
dienenden Grundſtück vorhandene, auch von deſſen 
Eigentümer mitzubenützende Anlage allein zu 
unterhalten, auf dem Blattes des herrſchenden 
Grundſtücks als Reallaſt einzutragen iſt, oder ob 
die Eintragung der Dienſtbarkeit mit dem ihr durch 
jenen Vertrag zu ungunſten des herrſchenden Grund: 
ſtücks gegebenen beſonderen Inhalt auf dem Blatte 
des dienenden Grundſtücks genügt, um der 
Unterhaltungspflicht dingliche Wirkung zu verleihen. 
Es erhebt ſich daher der Zweifel, ob für dieſe 
Pflicht, auf die nach Abſ. 2 des $ 1021 BGB. 
die Vorſchriften über die Reallaſt entſprechende 
Anwendung finden, das Eintragungsprinzip gilt 
oder nicht. Es gälte nicht, wenn die Buchung 
der Dienſtbarkeit auf dem Blatte des dienenden 
Grundſtücks ausreichte; denn ſeine Bedeutung be⸗ 
ſteht eben darin, daß das Grundbuch eines Grund— 
ſtücks vollſtändige Auskunft über die auf ihm 
ruhenden Beſchwerungen geben ſoll, ſoweit nicht 
Ausnahmen vom Geſetze zugelaſſen ſind, und dieſe 
Auskunft gibt es nicht, wenn nicht auf dem Blatte 
des belaſteten, ſondern auf dem Blatt eines anderen 
Grundſtücks die Beſchwerung zu finden iſt. Die 
Anſichten find ſehr geteilt, wie die in dem er— 


München, den 15. Oktober 1908. 


Zeitſchrift für 
in Bayern 
3 


W 
Nachdruck verboten. 


2 


) Inſertionsgebühr 30 Pf 


4. Jahrg. 


Rechtspflege 


(Arthur Sellier) 
in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachvplatz 1. 
g. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


wähnten Aufſatz angezogene Literatur erkennen läßt; 
nachzutragen wäre vielleicht, daß gegen die Ein⸗ 
tragung auch find Gierke, Sachenrecht § 144 
S. 649, Eck⸗Leonhard, Vorträge 2 8 24 Anm. 4 
und Crome, Syſtem 3 $ 430 Anm. 29, während 
ich mich in meinem Kommentar zur GBO. Anm. 


37 f zu 9 19 S. 347 für die Buchung ausgefprochen 


habe. Daß es ſich unter Umſtänden um recht 
erhebliche Beträge handeln kann, erhellt, wenn 
man beiſpielsweiſe an eine Fahrtgerechtigkeit und 
eine im Wegzuge liegende Brücke denkt, die der 
Hochwaſſergefahr ausgeſetzt ift. Soviel iſt ſicher, 
daß die auf vertragsmäßiger Regelung beruhende 
Inſtandhaltungspflicht lediglich eine Einſchränkung 
des eingeräumten Servitutrechtes, ein akzeſſoriſches 
Rechtsverhältnis neben dieſem darſtellt, das in ſeinem 
Beſtande von ihm abhängt (vgl. Mot. 3, 484). 
Aber nicht fo ficher erſcheint es mir, ob die unſelb⸗ 
ſtändige Natur jener Pflicht ohne weiteres d. h. ohne 
Ausſpruch im Geſetz die Eintragung unnötig macht, 
dergeſtalt, daß die Unterhaltungslaſt als dingliche, 
aus dem herrſchenden Grundſtücke zu befriedigende 
vermöge des durch Eintragung auf dem Blatte 
des dienenden Grundſtücks entſtandenen Haupt⸗ 
rechts, das im übrigen für den Eigentümer dieſes 
Grundſtücks eine Pflicht ift, geltend gemacht werden 
kann. Denn daß jene Laſt entſprechend den Real⸗ 
laſten zu behandeln fei, jagt der Abſ. 2 des $ 1021 
BGB. ausdrücklich und die Mot. (3, 484) be⸗ 
tonen als den Unterſchied der mit einer Grund— 
dienſtbarkeit verbundenen Leiſtungsverbindlichkeit von 
der Reallaſt nur eben dieſe Verbindung. Es iſt 
deshalb nicht angängig, das dingliche Moment bei 
der Unterhaltungslaſt auszuſchalten und dem Be⸗ 
rechtigten d. i. dem Eigentümer des dienenden 
Grundſtücks den Zugriff auf das Grundſtück zu 
verſagen. Wie wäre ſonſt ein auch nur reallaſt⸗ 
ähnliches Gebilde zu konſtruieren? Darüber 
herrſcht auch im allgemeinen kein Streit (abweichend, 
ſoviel ich ſehe, nur Kretzſchmar i. d. Einf. i. d. 
Grundbuchrecht II, 281 und Sachenrecht Anm. 3 d 
zu § 1021 BGB.). Die Frage ift alfo dahin 
zu ſtellen: Kann der Eigentümer des dienenden 
Grundſtücks wegen ſeines Anſpruchs auf die aus 


386 


der vertragsmäßigen Unterhaltungspflicht ent: 
ſpringenden wiederkehrenden Leiſtungen, die praktiſch 
regelmäßig Geldleiſtungen ſein werden (weil der 
Eigentümer die Inſtandſetzung zunächſt ſelbſt beſorgt 
und die Erſtattung der vorgeſchoſſenen Koſten vom 
anderen Teile fordert), Befriedigung aus dem herr: 
ſchenden Grundſtück im Wege der Zwangsvollſtreckung 
auch ohne Eintragung der Laſt auf dem 
Blatte dieſes Grundſtücks verlangen? Wer die 
Frage bejaht, vollzieht einen Bruch mit dem im BGB. 
in voller Schärfe durchgeführten Grundbuchſyſtem. 
Man wird daher prüfen müſſen, ob dieſer Bruch 
für unſeren Fall wirklich im Geſetz ausgeſprochen 
iſt. Ausdrücklich iſt es nicht geſchehen; es kann 
ſich nur darum handeln, ob nach dem ganzen Zu— 
ſammenhange der in Betracht kommenden Normen 
der Schluß gerechtfertigt iſt, daß das Geſetz von 
der Notwendigkeit der Eintragung hat abſehen 
wollen. Im weſentlichen wird zugunſten dieſes 
Schluſſes die Unſelbſtändigkeit der Unterhaltungs— 
laſt, ihre durch das Daſein der Grunddienſtbarkeit 
gegebene Bedingtheit angeführt. 
ſelbſtändige, von dem zugrundeliegenden Zweck— 
geſchäft unabhängig gemachte Belaſtungen ein: 
tragungsfähig ſeien, iſt nirgends geſagt. Neben 
der Grund- und Rentenſchuld und neben der eigent: 
lichen Reallaſt ſteht die Hypothek in ihren ver⸗ 
ſchiedenen Formen, von denen jedenfalls die 
Sicherungshypothek und ihre Abart, die Höchſt— 
betragshypothek nicht als ſelbſtändige Belaſtungen 
angeſprochen werden können. Man wird einwenden, 
daß es ſich in dieſen Fällen um die Abhängigkeit 
von einem Rechtsverhältnis außerhalb des Grund— 
buchs handelt, während die Unterhaltungslaſt mit der 
nur tabularmäßig möglichen Dienſtbarkeit ſteht und 
fällt. Der Einwand wäre zu beachten, wenn es 
richtig wäre, daß Recht und Pflicht als fidh gegen 
ſeitig bedingend nur an einer Stelle, nämlich an 
der zur Aufnahme des Rechtes beſtimmten Stelle, 
gebucht werden könnten und daß daher die Pflicht 
mit dem Recht auf dem Blatte des dienenden 
Grundſtücks gebucht fet (gebucht mit den fih aus 
dem Vertrauensprinzip ergebenden Wirkungen). 
Aber auch dies ift aus dem Geſetze nicht zu ent: 
nehmen. Wird ein Erbbaurecht gegen eine ein— 
malige Leiſtung oder gegen wiederkehrenden Zins 
beſtellt, ſo iſt das Gegenſeitigkeitsverhältnis zwiſchen 
beiden Rechten gewiß nicht zu bezweifeln, ebenjo: 
wenig aber, daß die für die Einräumung des 
Erbbaurechts gewährte Gegenleiſtung grundbuch— 
mäßig nur als Hypothek oder Reallaſt auf dem 
Blatte des Erbbaurechts dargeſtellt werden 
kann und daß ſie nicht eingetragen iſt, wenn ihrer 
nur mit dem Erbbaurecht im Grundbuche des mit 
dieſem belaſteten Grundſtücks gedacht iſt. Und 
wie verhält es ſich, wenn der Erbbauberechtigte ge— 
wiſſe wiederkehrende Verpflichtungen zur Erhaltung 
des Bauwerks, das er auf dem Grundſtücke haben 
darf, übernimmt? Sind ſie dinglich geſichert, 
wenn ſie als beſondere Ausgeſtaltung des Erb— 


| 


Allein daß nur 


Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


— — .... Gl. ͤ ——ͤ — 
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baurechts, als nähere Beſtimmung ſeines Inhalts 
mit dieſem gebucht ſind? Hier iſt auch Kretzſchmar 
(Sachenrecht, Vorbem. 3 zu 88 1021 ff. BGB.) 
der Meinung, daß ſolche Verpflichtungen als Real⸗ 
laſt auf dem Blatte des Erbbaurechts einzutragen 
ſeien. Ein Rechtsſatz, daß, ſofern mit einem 
buchungspflichtigen Recht auch Laſten verknüpft 
ſeien, dieſe mit dem Rechte ſelbſt als eingetragen 
zu gelten hätten und beſonderer Buchung auf dem 
beſchwerten Grundſtücke nicht bedürften, iſt im 
BGB. nicht zu finden. Wo wäre auch die Grenze 
zu ziehen? Man ſetze den Fall, daß der Eigen— 
tümer des herrſchenden Grundſtücks die Unter— 
haltungspflicht in Form einer jährlich zu entrichtenden 
feſten Pauſchalgeldentſchädigung (Rente) übernimmt. 
Soll hier dieſe Rente, um dinglich verſichert zu 
ſein, nur auf dem Blatte des dienenden Grundſtücks 
gebucht zu werden brauchen? Ein grundſätzlicher 
Unterſchied zwiſchen dieſem Fall und dem, daß 
der Servitutberechtigte lediglich verſpricht, die vor— 
kommenden Ausbeſſerungsarbeiten zu übernehmen. 
möchte nicht beſtehen. Die Belaſtung muß, damit 
ſie dingliche Kraft erlange, auf dem Blatte des 
Grundſtücks (oder grundſtücksgleichen Rechtes) ein: 
getragen ſein, das von ihr betroffen wird. Will 
es das Geſetz anders, jo ift dies unzweideutig aus: 
geſprochen. So bei der Ueberbau- und Notwegrente 
(S$ 914, 917 BGB.), bei denen aber auch wieder 
die Regel Platz greift, wenn die Höhe der Rente 
durch Vertrag feſtgeſtellt wird. Wäre im Falle 
des 8 1021 BGB. die Abſicht geweſen, die Unter: 
haltungslaſt vom Eintragungszwange zu befreien, ſo 
würde dies geſagt worden ſein. Es kann auch 
nicht anerkannt werden, daß ſich für die zweifache 
Buchung Schwierigkeiten ergeben. Ich habe dies 
ſchon in meinem Kommentar angedeutet. Soll 
eine Grunddienſtbarkeit eingetragen werden, bei 
welcher der Eigentümer des herrſchenden Grund: 


ſtücks vertragsmäßig über das Geſetz hinausgehende 


Verpflichtungen rückſichtlich der Unterhaltung von 
Anlagen übernimmt, ſo ſind beide Eigentümer (des 
herrſchenden wie des dienenden Grundſtücks) paſſiv 
beteiligt, beide haben die Eintragung für je ihr 
Grundſtück zu bewilligen. Freilich wird die Buchung 
der Dienſtbarkeit nicht zu beanſtanden ſein, auch 
wenn es an der Bewilligung für die Unterhaltungslaſt 
fehlt; dann fehlt es aber für dieſe auch an der ding⸗ 


lichen Sicherung. Die Stelle, an der die Laſt ein⸗ 


zutragen iſt, iſt die für die Laſten überhaupt be- 
ſtimmte Stelle (die zweite Abteilung des Grund⸗ 
buchs in Preußen und in Bayern; die Meinung. 
daß auch das Beſtandsverzeichnis geeignet zur Auf— 
nahme des Vermerks fei, gebe ich auff. Der Ber- 
merk muß die Verknüpfung der Laſt mit der 
Dienſtbarkeit erſichtlich machen, wie dies in der 
von mir vorgeſchlagenen Eintragungsformel ge— 
ſchehen iſt. Damit iſt auch grundbuchmäßig die 
akzeſſoriſche Natur der Unterhaltungspflicht und ihr 
Erlöſchen mit dem Erlöſchen der Dienſtbarkeit klar⸗ 
geſtellt. Der Pflicht eines jeden Eigentümers ſteht 


das entſprechende Recht gegenüber, deſſen nochmalige 
Aufnahme in das Beſtandsverzeichnis ſich erübrigen, 
aber nicht unzuläſſig ſein wird. Richtig iſt, daß, 
inſoweit die Unterhaltungslaſt nur mit Bewilligung 
des Eigentümers des dienenden Grundſtücks ge: 
löſcht werden kann, darin eine gewiſſe Ver⸗ 
kehrserſchwerung liegt, die aber doch kaum die 
Außerkraftſetzung des Eintragungsprinzips zu recht⸗ 
fertigen vermag. Uebrigens zeigt der $ 24 i. V. 
mit Abſ. 2 des $ 23 GBO. einen Weg, auf dem 
ohne jene Bewilligung zum Ziele zu gelangen iſt. 
Das Recht auf die Inſtandhaltung der dem gemein⸗ 
ſamen Nutzen dienenden Anlage erliſcht mit der 
Aufhebung der Grunddienſtbarkeit, fällt alfo unter 
den § 24 GBO. Die Möglichkeit von Rückſtänden 
beſteht. Die Unterhaltungslaſt würde danach unter 
allen Umftänden nach Ablauf eines Jahres ſeit 
der — regelmäßig von der alleinigen Entſchließung 
des Servitutberechtigten abhängigen — Löſchung 
der Dienſtbarkeit auf dem Blatte des dienenden 
Grundſtücks erfolgen können; ſie wird ſogleich er⸗ 
folgen dürfen, wenn im Grundbuch bei der Laſt 
vermerkt iſt, daß zur Löſchung der Nachweis des 
Erlöſchens der Dienſtbarkeit genügen ſoll. Die Ein⸗ 
tragung eines ſolchen Vermerks empfiehlt ſich daher. 
Die hier vertretene Meinung ſchafft klare Ver⸗ 
hältniſſe. Zweifel über den Rang des Unterhaltungs— 
rechts (wie vom Standpunkte des Eigentümers des 
dienenden Grundſtücks zu fagen ift) und feine Be: 
handlung in der Zwangsverſteigerung können nicht 
entſtehen. Der Rang des Rechtes beſtimmt ſich 
nach der Regel des $ 879 BGB.; es geht nicht 
den ſämtlichen eingetragenen oder nicht eingetragenen 
dinglichen Rechten (mit Ausnahme der Ueberbau— 
und Notwegrente) vor. Daß bei dieſer Auffaſſung 
der Dienſtbarkeitsverpflichtete des ausreichenden 
N entbehren würde, kann nicht anerkannt 
werden. 


unverträglich iſt, vermag alſo wegen ſeiner 
Anſprüche aus der Unterhaltungspflicht Befrie— 
digung aus dem herrſchenden Grundſtück lediglich 
auf Grund und nach Maßgabe der Eintragung 
zu erlangen. Eine andere Frage iſt es, ob er nicht 
bei Verweigerung der dem Servitutberechtigten ob— 
liegenden Leiſtungen der Ausübung der Dienſt— 
barkeit auch ohne die Unterlage des Grundbuchs 
wirkſam entgegenzutreten vermag. Wer das aus 
der Grunddienſtbarkeit entſpringende Recht bean: 
ſprucht, die Erfüllung der eine Einſchränkung dieſes 
Rechtes bedeutenden Pflicht jedoch verweigert, dem 
wird mit Fug der Vorwurf der Argliſt zu machen 
ſein und an ihm wird die konfeſſoriſche Klage 
ſcheitern. Auch eine Klage des Unterhaltungsberech— 
tigten mit dem Ziele der Verurteilung des Beklagten, 
daß er ſich entweder der Ausübung der Servitut 
enthalte oder aber die bedungene Unterhaltungspflicht 
erfülle, möchte denkbar und zuläſſig ſein. Beide 
Rechtsbehelfe verſagen freilich, wenn es ſich ledig: 
lich um Rückſtände aus der Beſitzzeit eines Rechts⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


5 Er entbehrt nur des Schutzes, der 
mit der Eintragungsbedürftigkeit ſeines Rechtes 
nur die Richter können gegen ihren Willen nicht 


des Beamten widerruflich iſt; 


387 


vorgängers des jetzigen Servitutberechtigten handelt, 
für welche dieſer als Sonderrechtsnachfolger nicht 
haftet. Die Eintragung der Unterhaltungslaſt auch 


auf dem Blatte des herrſchenden Grundftüds ift 
daher unter allen Umſtänden anzuraten. 


Jas neue baheriſche Beamtenrecht. 


Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. 
(Fortſetzung.) 


Eine Aenderung in der dienſtlichen Stellung 
des Beamten kann ſich ferner ergeben durch 


Beförderung. 


Das BG. fegt den Begriff der Beförderung 
als bekannt voraus. Beförderung eines Staats- 
dieners iſt Verleihung eines höheren ſtaatsdiener⸗ 
lichen Ranges und der hiermit verbundenen Rechte 
(Seydel II S. 202); die Verſetzung auf eine 
Amtsſtelle, die in eine höhere Gehaltsklaſſe ein⸗ 
gereiht iſt, iſt keine Beförderung, wenn mit der 
neuen Stelle nicht ein höherer Rang verknüpft 
iſt. Bei der Lückenhaftigkeit und Unklarheit der 
Beſtimmungen über die Rangverhältniſſe der Be- 
amten, beſonders der bisherigen nichtpragmatiſchen 
Staatsdiener, kann es häufig ſehr zweifelhaft ſein, 


' ob eine Verlegung auf eine Stelle, die einer 


höheren Gehaltsklaſſe zugeteilt iſt als die bisherige 
Stelle, eine Beförderung in dieſem Sinne iſt. 

Die Vorſchriften der Art. 4 Abſ. 1 und 2 
und Art. 5 Abſ. 1—3 (über Zuſtändigkeit zur 
Ernennung der etatsmäßigen Beamten, Form und 
Zeitpunkt der Wirkſamkeit der Ernennung) gelten 
auch für die Beförderung der etatsmäßigen Beamten 
(Art. 4 Abſ. 3, Art. 5 Abſ. 4). 

Die Beförderung kann nicht abgelehnt werden; 


befördert werden (8 8 Abſ. 1 GG.). 

Die Beförderung eines widerruflichen Beamten 
iſt ſolange widerruflich, als das Dienſtverhältnis 
| fie bewirkt aber 
auch keine Verlängerung der Dauer der Wider— 
ruflichkeit. Die Beförderung des unwiderruflichen 
Beamten iſt unwiderruflich; im Geſetz iſt das nicht 


ausdrücklich geſagt, es ergibt ſich aber daraus, daß 


das Geſetz nur die Widerruflichkeit des „Dienſt— 


verhältniſſes“ innerhalb einer beſtimmten Probe— 


zeit kennt (ogl. Begr. zu Art. 6 S. 88); daß 
die Mehrzahl der in der Geſetzesbeilage I B auf: 
gezählten Beamtenſtellungen wohl nie vor Er— 
langung der Unwiderruflichkeit erreicht find, darf 
nicht irre machen. 

Die Regelung entſpricht dem ſeitherigen Rechte; 
nach dieſem konnte aber die Beförderung provi— 
ſoriſch nach $ 3 der IX. VerfB. durch Ernennung 
zum Verweſer erfolgen und war diesfalls 3 Jahre 
lang widerruflich; der proviſoriſch Beförderte genoß 


388 

bis zum allenfallſigen Widerruf die mit der höheren 
Stelle verbundenen Rechte. Nun ſagt die Begr. 
zu Art. 6 (S. 88), die bisher beſtandene Möglich: 
keit, jede Beförderung zunächſt nur proviſoriſch 
eintreten zu laſſen, erſcheine in Zukunft nr 
ſchloſſen; man wird angeſichts des Art. 27 Abſ. 2 
ſofort eines Schlimmeren belehrt; dieſer ſagt: „Auch 
kann .. . ein bereits ernannter Beamter zunächſt 
ohne Aenderung ſeines Gehalts oder unter vor: 
läufiger Gewährung einer Zulage mit der Ver⸗ 
ſehung einer Amtsſtelle betraut werden, für die 
in der Gehaltsordnung ein höherer Gehalt vor⸗ 
geſehen iſt.“ Das Ergebnis iſt, daß nicht einer 
ſchädlichen Verweſerwirtſchaft (vgl. Seydel Bd. II 
S. 204) ein Riegel vorgeſchoben iſt, ſondern im 
Gegenteil zum Schaden der Beamten die Beſetzung 
höherer Stellen ohne die bisher mit der provi⸗ 
ſoriſchen Beförderung verbundene Erhöhung im 
Rang und Gehalt ermöglicht iſt; die beruhigenden 
Verſicherungen des Finanzminiſters bei den Aus⸗ 
ſchußberatungen laffen hoffen, daß von dieſer Er- 
mächtigung nur ganz ausnahmsweiſe Gebrauch 
gemacht wird. 

Die Stelle eines Richters oder eines Mitglieds 
des Verwaltungsgerichtshofs und des oberſten 
Rechnungshofes darf nicht mit einem Verweſer 
beſetzt werden (Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 1; Aus⸗ 
nahme f. Art. 2 des AG. z. 6885. und zum 3G. 
Dafür, daß ein Beamter durch Ueberführung in 
eine höhere Gehaltsklaſſe keine Einbuße an Dienſt⸗ 
einkommen oder an Ausſicht auf Vorrückung in 
eine höhere Dienſtaltersſtufe erleidet, trifft Art. 30 
Vorſorge. 

In der Uebergangszeit bleiben bei Berechnung 
des Ruhegehalts, des Witwen- und Waiſengeldes 
und der Waiſenunterhaltsbeiträge unter Umſtänden 
die nach dem Inkrafttreten des Geſetzes erfolgten 
Beförderungen der Beamten außer Betracht 
(Art. 213 - 215), worauf noch zurückzukommen 
ſein wird. 


Das B. enthält keine Beſtimmungen über den | 
Nang 


der Beamten; in ſeinen Vorſchriften ſpielt der 
Rang eine Rolle bei der Verſetzung (Art. 9) und 
Strafverſetzung (Art. 109 Abſ. 1) und bei der 
Wiederberufung der eeinſtweilen, zeitlich oder dauernd 
in den Ruheſtand verſetzten Beamten (Art. 42 
und 64 Abſ. 1). Die geltenden Beſtimmungen 
über die Rangverhältniſſe der Beamten bedürften 
dringend einer Neuregelung. Die Rangverhältniſſe 
richten ſich keineswegs nach den Gehaltsordnungen 
($ 2 der VO. vom 11. Juni 1892 die Gehalts- 
bezüge der pragmatiſchen Staatsdiener betr. und 
S 10 der VO. vom 26. Juni 1894, ferner 82 der VO. 
vom 6. September 1908, die Gehaltsverhältniſſe der 
etatsmäßigen Staatsbeamten betr.) ſondern immer 
noch nach dem Generalmandat vom 21. März 1800 
und den ſeitdem über den Dienſtrang erlaſſenen 


— —— ͤ wWͤvb— — — — — 


388 Beltidrift für Rechtspflege für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 9. 1908. Nr. 20. 


Verordnungen; die Rangverhältniſſe der Richter, 
Staatsanwälte und Gerichtsſchreiber ſind in der 
VO. vom 23. Auguft 1879 zum Vollzug des 
AG. z. GVG. (SS 5, 6, 14 und 24) geregelt; 
im agen kann auf die Darſtellung der Rang⸗ 
verhältniſſe der bayeriſchen Staatsdiener in Webers 
Geſ. u. VS. zn (1894) ©. 464 und auf 
die Schrift O. Rebers. Rangordnung für die 
Kgl. bayer. Hof- und Staatsbeamten, ſowie für 
das Militär, verwieſen werden. Bei Verſetzung 
in den Ruheſtand und ſelbſtverſtändlich bei Ent: 
laſſung aus anderen Gründen erliſcht der Rang. 


Es kann dem Beamten auch ein höherer Rang 
als der mit ſeiner dienſtlichen Stellung verbundene 
beſonders verliehen werden (ſ. bezüglich der Über: 
amtsrichter, Landgerichtspräſidenten und Staats⸗ 
anwälte § 6, 15 der VO. vom 23. Auguſt 1879). 


Das Dienſtverhältnis begründet eine Reihe von 
Pflichten und Beſchränkungen der Beamten, als 
deren wichtigſte im Abſchn. II beſonders genannt 
werden: 

A. Pflichten: 

1. Die Pflicht zur gewiſſenhaften, geſetzmäßigen 
Amtsführung; der Beamte hat, wie das Geſetz ſich 
ausdrückt, alle Obliegenheiten des ihm übertragenen 
Amtes den Geſetzen, Verordnungen und Dienſt— 
vorſchriften entſprechend gewiſſenhaft wahrzunehmen 
(Art. 11). Dem Staate gehört die volle Arbeits: 
kraft des Beamten; ſeine Pflicht zur Dienſtleiſtung 
iſt keine gemeſſene, ſie erſchöpft ſich daher auch 
5 in der Verſehung des ihm übertragenen Amtes, 

oferne dieſes nicht ſeine volle Zeit und Kraft in 
An ſpruch Pe folgerichtig können ihm, ſoweit 
nicht geſetzliche Verbote der Aemterhäufung beſtehen, 
mehrere Aemter übertragen werden. Die Be— 
ſtimmung des Art. 26 Abſ. 3 BG.: „Keinem 
Beamten können gleichzeitig mehrere Amtsſtellen 
im Hauptamte übertragen werden! ſtellt kein Aemter⸗ 
häufungsverbot im Sinne eines Schutzmittels gegen 
übermäßige Belaſtung vor, ſondern ſchneidet dem 
Beamten, dem mehrere Aemter aufgebürdet werden, 
nur den Anſpruch auf ein mehrfaches Dienſtein— 
kommen ab; es können ihm nur nicht mehrere 
Amtsſtellen im Hauptamt übertragen, wohl aber 
können ihm außer dem Hauptamte weitere Amts: 
ſtellen im Nebenamte aufgebürdet werden; ebenſo 
können ihm Nebengeſchäfte zugewieſen werden; die 
Beſtimmung des Art. 19 HG., daß der Beamte 
die Uebernahme von Nebenämtern oder Neben: 
geſchäften im ſtaatlichen Dienſte nicht verweigern 
kann, iſt daher keine beſondere, neben der allge— 
meinen Dienſtpflicht beſtehende Verflichtung, ſondern 
nur die Folge der Pflicht zu ungemeſſener Dienſt— 
leiſtung und bringt auch gegenüber dem bisherigen 
Rechte nichts Neues; die Pflicht des Beamten zur 


Uebernahme von Nebenämtern und Nebengeſchäften 


beſteht aber nur dann, wenn dieſe ſeiner Berufs: 
bildung und dienſtlichen Stellung entſprechen; dieſe 
Einſchränkung entſpricht ebenfalls dem bisherigen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 389 


Rechte, wenigſtens dann, wenn man das Dienft- ihren Wohnſitz nehmen und beſtimmt das Staatz- 
verhältnis als auf Vertrag gegründet anſieht. miniſterium der Juſtiz, inwieweit benachbarte Orte 
Einen Rechtsbehelf hat der Beamte gegen die Auf: im Sinne dieſer Vorſchriften als ein Ort anzu⸗ 
bürdung von Nebenämtern und Nebengeſchäften ſehen ſind. 

nicht, die Entſcheidung, ob er nicht überbürdet iſt 2. Die Pflicht des Beamten, ſich durch ſein 


und ob Nebenamt oder Nebengeſchäft ſeiner Be⸗ Verhalten in und außer dem Amte der Achtung 
rufsbildung und dienſtlichen Stellung entſprechen, di ˖ 
17 0 den vorgeſetzten Dienſtbehörden ausſchließ⸗ 12 00 a e 


lich zu. | Die Vorſchrift iſt nicht ſo harmlos, als es auf 

d Da nach 5 4 des EG. z. GG. nur den den erſten Blick ſcheint; daß der Beamte ſich eines 
ordentlichen Gerichten als ſolchen Gegenſtände der achtungswürdigen Verhaltens zu befleißigen habe 
Verwaltung, außer ſolchen der Justizverwaltung. darf wohl als ſelbſtverſtändlich gelten; man kann 
nicht übertragen werden dürfen, beſteht reichs⸗ aber darüber ſehr verſchiedener Meinung ſein, ob 
rechtlich kein Hindernis für die Uebertragung von ein beſtimmtes Verhalten des Beamten z. B. auf 
Verwaltungsgeſchäften irgendwelcher Art auf ein: dem Gebiete der Politik oder der Kritik würdig 
zelne Richter; dagegen ergibt ſich eine Beſchränkung oder unwürdig iſt; nun bildet aber die Vorſchrift 
der Befugnis zur Mebertragung von Nebengeſchäften des Art. 11 über das Betragen des Beamten eine 


aus der Vorſchrift des $ 152 GVG., daß Staats⸗ der wich 
: = N r wichtigſten materiellen Grundlagen des Dienſt⸗ 
anmälten richterliche Geſchäfte nicht übertragen ſtrafrechtes, das keine beſtimmten ſtrafbaren Tat⸗ 


werden dürfen und aus Art. 2 des VGH. hin: . : i 
ſichtlich der Verwendung der Mitglieder dieſes Ge- ner u "di ee 91 


richtshofes zur ſtändigen Verwendung im Der: V . f 
waltungsdienſte. Ueber die Verpflichtung der Ge- Hl en 6 1 a 
richte und Staatsanwälte zur Erſtattung von denken erregt, das in Art. 1 Ziff. 2 den Beamten 


Gutachten über Angelegenheiten der Geſetzgebung eines Dienſtvergehens ſchuldig erklärt, der ſich durch 
und Juſtizverwaltung I. Art. 1> AG. z. 636. ſein a. in oder außer en Amte der Achtung, 
Aus der Pflicht zur Amtsführung ergibt ſich die ſein Beruf fordert, unwürdig zeigt, und hat zu 
von ſelbſt die Präſenzpflicht und die Reſidenzpflicht; Abänderungsanträgen und langen Exörterungen 
auch dieſe können daher nicht als beſondere Pflichten Anlaß gegeben; auf die intereſſanten Verhand⸗ 
betrachtet werden; das BG. enthält denn auch über lungen kann hier nur verwieſen werden (Vhdl. d. 
die ſogenannte Präſenzpflicht keine eigene Beltim: | K. d. Abg. 1880 Sten B. Bd. V S. 20, 21, 
mung, ſondern beſchäftigt fih nur in den von | 23—30, Beil. Bd. X S. 194). Wie damals find 
Sonntagsruhe und Urlaub — die Beſtimmungen auch bei Beratung des Beamtengeſetzes die auf 
hierüber beeinfluſſen die Präſenzpflicht, ihre Cr: Schutz freier Meinungsäußerung auf politiſchem, 
laſſung ift aber der Staatsregierung übertragen‘) — religiöſem und wiſſenſchaftlichem Gebiete abzielenden 
„ Pi 15 1 5 0 Anträge abgelehnt worden. 
er unerlaubten Fernhaltung vom Amte und dem e ? 
Verfahren zur Verwirklichung dieſer Folgen, worauf Dienſtbeſch 1 ku 2. 1 
noch zurückzukommen ift; dagegen regelt es in antwortung trifft den Befehlenden. Für einzelne 


Art. 21 die ſog. Reſidenzpflicht, die ſich eigentlich J . . j 
als eine aus der Dienftpflicht ergebende Beſchränkung Dienſtzweige kann die Gehorſamspflicht und Ver⸗ 


| 
| 
| 
in der Wahl des Wohnſitzes darſtellt: Der Be⸗ antwortung abweichend von der allgemeinen Norm 


f i lt werden (Art. 12 Abſ. 1 und 2). Die 
amte hat ſeinen Wohnſitz derart zu nehmen, daß . f 1 l 
hierdurch die Erfüllung feiner dienstlichen Obliegen— dienſtliche Gehorſamspflicht gilt für Beamte ſoweit 


5 VF ; icht, als fie die richterliche Gewalt ausüben 
heiten nicht beeinträchtigt iſt. Ob der Wohnſitz fich i 15 ; 
dieſer Anforderung entſpricht, wird, wenn ein (Art. 12 Abf. 3; dazu für Richter der ordent 


= lichen Gerichte $ 1 CVG., Tit. VIII § 3 der 
Zweifel darüber beſteht, von der vorgeſetzten Dienſt— 1 i a f 
behörde entſchieden“. Die Beſtimmung enthält Verfll.): es ift zu beachten, daß bie Ausnahme⸗ 


r R a beſtimmung des Abſ. 3 des Art. 12 nicht von 
5 V ; . l Saun i 
55 KEN ee richterlichen Beamten ſpricht ; auch nichtrichterliche 
anwälte und Gerichtsvollzieher beſtanden Beamte ſchulden den dienſtlichen Gehorſam nicht, 
Dieſe Bori christen 3 Art. 6 und 53 AG. ; ſoweit ſie zur Ausübung richterlicher Funktionen 
i — Art. 1 i 


in Streit- oder Disziplinarverfahren oder im ver: 
GVG., IJMBek. vom 11. September 1879 JW. waltunasrechtlichen Verf berufen ſind. 
S. 642; 8 9 Abi, 2 der Ger Volz. vom altungsrechtlichen Verfahren berufen ſin 


16. Dezember 1899 IM Bl. S. 517 — bleiben 4. Die Pflicht zur Beobachtung der Amts⸗ 
in Geltung: ee bicie Beamten am verſchwiegenheit. Sie dauert auch nach Auflöſung 
Site des Gerichts bei dem ſie angeſtellt ſind, des Dienſtverhältniſſes fort. Die dieſe Pflicht feſt— 

legende Vorſchrift des Art. 13 BG. entſpricht genau 
der Vorſchrift des Art. 106 des AG. z. StPO. 


9 Di beſtehend Vorſchrift bei Weber ; 1 . , 
JJ Die Verletzung dieſer Pflicht hat unter beſtimmten 


Geſ. u. VS. IV S. 559, XXX S. 290. 


Vorausſetzungen e ai Folgen ($$ 92 Ziff. 1 
88 353a, 355 StGB.). 

Die Pflicht zur Leiſtung des Dienſteides 
At. 23). Der Eid iſt regelmäßig vor dem Dienſt⸗ 
antritt zu leiſten; die Gültigkeit der Amtshand⸗ 
lungen iſt jedoch von der Leiſtung des Eides nur 
abhängig, wenn beſondere Geſetze für die Ueber⸗ 
nahme gewiſſer Aemter die Ableiſtung eines Dienſt⸗ 
eides ausdrücklich vorſchreiben, wie das AG. 
z. GWG. Art. 2—4 den Amtseid der Richter; 
ſonſt iſt die unterbliebene Verpflichtung auf die 
Gültigkeit der Amtshandlungen und auf die Ver⸗ 
antwortlichkeit für Pflichtverletzungen ohne Einfluß. 
Der geleiſtete Eid verpflichtet auch für alle ſpäter 
übertragenen Aemter; ſo daß bei Aenderungen der 
dienſtlichen Stellung (auch bei Wiedereinſtellung 
eines entlaſſenen Beamten?) weder eine Wieder⸗ 
holung der Eidesabnahme noch eine Zurück⸗ 
erinnerung an den geleiſteten Eid erforderlich iſt; 
trotzdem formuliert das Geſetz keinen einheitlichen 
Dienſteid; falls nicht die Ausführungsvorſchriften 
eine Aenderung bringen, ſind nach wie vor die 
bisher vorgeſchriebenen verſchiedenen Dienſteide ab⸗ 
zunehmen; es kann auf deren Zuſammenſtellung 
in Schweitzers Juriſtenkalender 1908 S. 98—95 
verwieſen werden (ſ. auch im Generalregiſter zu 
Webers Geſ. u. VS. unter „Verpflichtung“). 

Wegen krimineller Strafbarkeit einer falſchen 
amtlichen, unter Berufung auf den Dienſteid vor 
einer zur Abnahme von Eiden zuſtändigen Pe- 
hörde abgegebenen Verſicherung f. § 155 Z. 3 StGB. 
Wegen Entbindung von der Verpflichtung zur 
Amtsverſchwiegenheit aus Anlaß gerichtlicher Ber- 
nehmungen f. Bek. vom 7. Januar 1882 GVBl. 
S. 39. 

B. Nechtsbeſchränkungen. 

1. In bezug auf Verehelichung. 

Nach bisherigem Rechte bedurften alle prag— 
matiſchen und nichtpragmatiſchen Staatsdiener und 
ſonſtige im Staatsdienſte nicht bloß widerruflich 
verwendeten Perſonen der Verehelichungsbewilligung 
($ 1 der VO. vom 28. Auguſt 1868 RBI. 
S. 1633; § 6 der VO. vom 26. Juni 1894; 
§ 1 Abſ. 1 GerVollz O. und VO. vom 16. Juli 1870 
RBL. S. 1281; $ 40 RMilG.; vgl. $ 38 
PStG.). 

Die nur widerruflich im Staatsdienſte ver: 
wendeten Perſonen hatten bei Vermeidung der 
Entlaſſung aus der Verwendung, die Staatsdienſt— 
aſpiranten bei Meidung der Streichung aus den 
Bewerberliſten Anzeige von der beabſichtigten Ver— 
ehelichung zu erſtatten und dem dienſtaufſichtlichen 
Einſpruch ſich zu fügen. 

Nach Art. 17 des BG. bedürfen in Zukunft 
nur noch die Angehörigen jener Beamtenklaſſen, 


Beitſchrift für Rechtspflege in Ba in in Bayern. 1908. Nr. 20. 


— —— — ́ʒꝗ— 


ehelichung der zuſtändigen Dienſtbehörde lediglich 
rechtzeitig anzuzeigen hat. Entſprechend dem bis⸗ 
herigen Rechte darf die Erlaubnis nur verweigert 
werden, wenn der Eingehung der Ehe dienſtliche 
Bedenken entgegenſtehen; fiskaliſche Intereſſen 
dürfen nicht in Betracht gezogen werden. 

Seither hatte die Nichteinholung der dienſt⸗ 
lichen Erlaubnis die Folge, daß Witwe und 
Kinder keine Penſions- und Unterhaltsan⸗ 
ſprüche erlangten (Art. 24 $ 23 der Haupt⸗ 
landespragmatik; $ 33 der VO. vom 26. Juni 
1894); das BG. kennt dieſe Folge nicht; dieſe 
Aenderung iſt nicht von großer praktiſcher Be⸗ 
deutung. Denn der Mangel der vorgeſchriebenen 
Verehelichungsbewilligung bildet ein aufſchiebendes 
Ehehindernis ($ 1315 BGB.); der Standesbeamte 
muß vor Beibringung der dienstlichen Verehelichungs⸗ 
bewilligung die Eheſchließung ablehnen (Anw. 
z. Vollz. des PStG. Ziff. 35 0 JMBN. 1900 
S. 897). Sollte dem Beamten, für den das Er: 
fordernis dieſer Bewilligung in Zukunft beſtehen 
wird, die Eheſchließung ohne dienſtliche Bewilligung 
gelingen, wird ihn je nach ſeiner Stellung als 
widerruflicher oder unwiderruflicher Beamter die 
Dienſtentlaſſung auf adminiſtrativem Wege oder 
durch Disziplinarerkenntnis in der Regel treffen 
und damit für ſeine Familie der Verluſt der 
Hinterbliebenenverſorgung eintreten. 

Für die Beamten, für welche in Zukunft das 
Erfordernis dienſtlicher Verehelichungsbewilligung 
wegfäallt, entfällt das Ehehindernis des $ 1315 
des BGB.; der Eheſchließung ſteht kein rechtliches 
Hindernis entgegen, auch wenn die Dienſtbehörde 
die Eheſchließung mißbilligt; damit iſt aber nicht 
gejagt, daß der Staat die mißbilligte Ehe— 
ſchließung eines Beamten, dem nur noch die 
Pflicht der Anzeige der beabſichtigten Verehelichung 
obliegt, ruhig hinnehmen muß. Die Begr. zu 
Art. 17 des Entw. läßt keinen Zweifel darüber, 
daß die vorgeſchriebene Anzeige nicht etwa bloß dem 
Zweck dient, daß die Dienſtbehörde von der be— 
abſichtigten Aenderung des Familienſtandes des 
Beamten Kenntnis nimmt, ſondern dieſer Ge— 
legenheit zur Prüfung geben ſoll, ob der beab— 


ſichtigten Ehe dienſtliche Bedenken entgegenſtehen 


und daß ſolche Bedenken dem Beamten unter 


Hinweis auf die möglichen Folgen mitzuteilen 


für welche durch Verordnung die Einholung der 


dienſtlichen Verehelichungsbewilligung vorgeſchrieben 
wird, der Verehelichungsbewilligung, während als 
Regel gilt, daß der Beamte die beabſichtigte Ver— 


| 


find; fie fügt an, der Beamte habe es dann in 
der Hand, von der Verehelichung abzuſtehen, oder 
die Folgen, die ſich „beiſpielsweiſe durch die Not⸗ 
wendigkeit einer Verſetzung auf eine andere Stelle 


oder nötigenſalls infolge disziplinären Einſchreitens 


ergeben, auf ſich zu nehmen“. 

Was dieſe möglichen Folgen betrifft, kann der 
unwiderrufliche Beamte allerdings nach Art. 8 
Abſ. 1 verſetzt, oder nach Art. 8 Abſ. 2 entlaſſen 
werden; der unwiderrufliche Beamte kann nach 
Art. 9 verſetzt werden; ein Einſchreiten im Dis— 
ziplinarwege gegen den unwiderruflichen Beamten 
wegen Mißachtung der dem Beamten bekannt 


Zeitſch rift für ür Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 391 


— — — — 


gegebenen Mißbin gung der Eheſchließung kann | weiter, als fie an die Stelle der Zuläſſigkeit des 
aber nicht erfolgen. Denn das Geſetz räumt den Verbots ein allgemeines Verbot ſetzt; der un⸗ 
Dienſtbehörden gegenüber dem Beamten, dem nur beſtimmte Begriff „dienſtliche Intereſſen“, worunter 
die Anzeigepflicht obliegt, kein Einſpruchsrecht ein; man ſchließlich alles unterbringen fann, ift ſtehen⸗ 
die Bekanntgabe der Mißbilligung ſtellt auch geblieben. Durch die gleichzeitigen Aenderungen 
keinen Dienſtbefehl vor; das Geſetz bietet auch der Art. 118 und 138 Abſ. 2, zufolge deren 
ſonſt keine Handhabe. den Beamten in ſolchem nunmehr zur Verhängung von Dienſtſtrafen wegen 
Falle wegen Ungehorſams zu faſſen. Das Dienſt⸗ Zuwiderhandlung gegen die Vorſchrift des Art. 16 
ſtrafrecht kann daher nur in dem Falle einſetzen, in allen Fällen, alfo hier ausnahmsweiſe auch 
daß die vom Staate mißbilligte Eheſchließung fih | von Ordnungsſtrafen, nur die Disziplinargerichte 
auf Grund des Art. 11 des Gef. als Dienft: zuſtändig find, dürfte die Gefahr einer bedenklichen 
vergehen darſtellt, weil das außerdienſtliche Ver- Auslegung des Verbots beſeitigt fein. Es wird 
halten des Beamten die Achtung ſchädigt, die ſein auch nicht in allen Fällen, in denen das Disziplinar⸗ 
Beruf erfordert; das wird z. B. zutreffen, wenn gericht den objektiven Tatbeſtand eines Dienſtver⸗ 
der Beamte eine verrufene Perſon heiratet. geheng nach Art. 16 feſtſtellt, Beſtrafung erfolgen 
2. Das Verbot der Teilnahme an Vereinen, können; die Verwarnung der Aufſichtsbehörden allein 
deren Zwecke oder Beſtrebungen den ſtaatlichen oder wird nicht immer zum Nachweiſe ausreichen, daß 
dienſtlichen Intereſſen zuwiderlaufen (Art. 16). der Beamte, der es in einem zweifelhaften Falle 
Dieſes Verbot ift an die Stelle des ſcharf- auf die Entſcheidung der Disziplinargerichte an- 
umſtrittenen Art. 16 des Entw. getreten, welcher kommen läßt, erkeunen mußte, daß Zwecke oder 
beſagte: „Dem Beamten kann die Teilnahme an Beſtrebungen des Vereins ſtaatlichen oder dienſt— 
beſtimmten Vereinen aus dienſtlichen Gründen lichen Intereſſen zuwiderlaufen. 
unterſagt werden.“ Die Staatsregierung ſtellte Die Aenderung gegenüber dem Entwurfe läßt 
ſich auf den Standpunkt, die Vorſchrift des keinen Zweifel, daß die Staatsregierung nicht be— 
Art. 16 entſpreche im weſentlichen den bisherigen fugt fein fol, dem Beamten die Teilnahme an 
Beſtimmungen, nur ſei das Verbot ſeither nur Vereinen zu verbieten, welche nicht ſchon auf Grund 
„auf dem Umwege des Dienſteids“ wirkſam ge- des Art. 16 verboten find; etwa ergehenden Ber- 
weſen. Das dürfte nicht vollſtändig zutreffend fein. | boten kann nur die Bedeutung einer Erklarung 
Der Vereinseid hat ſich aus dem ſog. Illumi⸗ zukommen, daß die Regierung einen Verein als 
nateneide entwickelt. Früher waren alle geheimen einen verbotenen nach Art. 16 BG. betrachtet; 
Geſellſchaften und Verbindungen verboten, nicht nur unter dieſem Geſichtspunkt wird auch der 
nur für die Staatsdiener, ſondern für alle Unter: ME. vom 18. März und 3. April 1850 (Weber, 
tanen; die Staatsdiener ließ man ſchwören, daß Geſ. u. V. S. IV S. 103), welche den bei den unmittel⸗ 
fie keiner geheimen oder (allgemein) verbotenen baren Polizeiſtellen und Behörden verwendeten, mit 
Geſellſchaft oder Verbindung angehören; Grund | der Beaufſichtigung politiſcher Vereine befaßten 
des Verbotes und Eides war die vermeintliche | Staatsbeamten die Teilnahme an politiſchen Ber- 
Staatsgefährlichkeit geheimer Geſellſchaften; die einen verbietet, noch Bedeutung beigemeſſen werden 
Tendenz, den Beamten die andern Untertanen können. Es iſt aber nicht unzweifelhaft, ob die 
nicht unterſagte Teilnahme an einer Geſellſchaft Faſſung des Art. 16 das Verbot der Teilnahme 
aus dienſtlichen Intereſſen zu verbieten, taucht der Polizeibeamten an politiſchen Vereinen deckt, 
jedoch ſchon in der Allerh. Entſchl. vom 20. Fe: obwohl mit Sicherheit anzunehmen ift, daß fie 
bruar 1808 auf, welche die Mitgliedſchaft von ſolche und ähnliche Fälle nach Abſicht des Geſetz— 
Staatsdienern bei Freimaurerlogen, die damals gebers decken ſoll; der Grund des Verbots der 
nicht mehr zu den „unbedingt verbotenen“ Ge- bezeichneten ME. liegt darin, daß ſich die Mit— 
ſellſchaften gehörten, für unzuläſſig erklärte. Nach gliedſchaft mit der Tätigkeit eines Kontrollorgans 
dem Inkrafttreten des Vereinsgeſetzes vom 26. Fe- | nicht wohl verträgt; das Verbot des Art. 16 aber 
bruar 1850 ſchrieb die VO. vom 15. März 1850 ſtellt darauf ab, daß Zwecke oder Beſtrebungen 
einen Eid vor, mit dem der Staatsdiener zu ge: | des Vereins ſelbſt den ſtaatlichen oder dienſtlichen 
loben hatte, daß er keinem dem Staate nicht an- Intereſſen zuwiderlaufen, was man von vielen 
gezeigten Vereine angehören oder beitreten und politiſchen Vereinen nicht wird behaupten können. 
in keinem Verbande mit einem von der zuſtändigen Die VO. vom 15. März 1850, welche die 
Stelle geſchloſſenen oder ſolchem Vereine bleiben Abnahme des Vereinseides vorſchreibt, muß als 
werde, an welchen ihm die Teilnahme in Gemäß: durch Art. 220 Abſ. I des BG. aufgehoben er: 
heit der jeweils beſtehenden Disziplinarvorſchriften achtet werden; dem Verlangen einer eidlichen Ver— 
„unterſagt fein wird“ (Weber, Gel. u. VS. I ſicherung feinem nach Art. 16 verbotenen Vereine 
S. 138, 154, 462; II S. 615; IV S. 101 anzugehören oder beizutreten, würde Art. 16 des 
und 103). Geſetzes nicht entgegenſtehen; aber ein Eid, keinem 
Die Faſſung des Art. 16 könnte gegenüber Verein anzugehören, deſſen Bildung dem Staate 
jener des Entwurfs für ſich allein als keine Ver- nicht angezeigt iſt, kann von dem Beamten nicht 
beſſerung angeſehen werden, fie geht inſoferne noch | mehr gefordert werden. 


— ————— — ———e — — ͤ äwÄo . —ñů33ů33ů3ů3ꝛ3˖ꝛ.ññÜX3'—2Vs.. ĩ —— — — —— — — —— — 


3. Das Verbot der Annahme von Titeln, 
Ehrenzeichen und Gehalten von anderen Regenten 
oder Regierungen ohne Erlaubnis des Königs oder 
der vom König ermächtigten Behörde, das in Art. 20 
BG. Aufnahme gefunden hat, ſtellt eine ſpezielle 
Rechtsbeſchränkung der Beamten nicht dar, da es 
nach Tit. IV 8 14 Abſ. 2 der Verfll. für alle Staats⸗ 
angehörigen gilt (ſ. dazu Bek. vom 15. Oktober 1811 
und 17. Juni 1835 RegBl. S. 1583 und 645; 
JIMBek. vom 23. Januar 1887 IMBI. S. 40; 
Strafbeſtimmung § 360 Nr. 8 StGB.); der be- 
zeichnete Art. fügt aber als Rechtsbeſchränkung der 
Beamten das neue Verbot der Annahme von Be: 
lohnungen und Geſchenken von anderen Regenten 
und Regierungen ohne die vorbezeichnete Erlaubnis 
an und das weitere Verbot, ſonſtige Belohnungen 
oder Geſchenke, die dem Beamten in bezug auf 
ſein Amt zugedacht ſind, ohne Erlaubnis der zu— 
ſtändigen Dienſtbehörde anzunehmen; ein allge— 
meines Verbot letztbezeichneten Inhalts hat bisher 
nicht beſtanden, wohl aber fanden fih ſolche Ber- 
bote in Dienſtesinſtruktionen (3. B. § 14 der DInſtr. 
für die Gendarmerie vom 20. September 1879). 
Die Annahme von Geſchenken und anderen Vor— 
teilen iſt unter gewiſſen Vorausſetzungen nach § 331, 
332, 334 StGB. als Beſtechung ſtrafbar. 

4. Beſchränkungen in der außerdienſtlichen 
Tätigkeit. Art. 18 Abſ. 1 des BG. ſtellt in Leber: 
einſtimmung mit > 21 Abſ. 3 der IX. VerfB. 
als Grundſatz auf, daß der Beamte ein Neben: 
amt oder Nebengeſchäft nur übernehmen darf, fo- 
weit dies mit der gewiſſenhaften Erfüllung ſeiner 
Pflichten und mit der Achtung, die ſein Beruf er— 
fordert, vereinbar iſt; es iſt dies eigentlich nur ein 
Folgeſatz aus der Vorſchrift des Art. 11 über die 
Dienſtpflicht; als weitere ſelbſtverſtändliche Folge 
ergibt ſich, daß dem Beamten jede auch an ſich 
erlaubte Art von Nebenbeſchäftigung inſoweit unter— 
ſagt werden kann, als ſie die Erfüllung der 
Dienſtesaufgabe beeinträchtigt. Der Staat ver— 
ſchafft ſich nun eine Kontrolle über die außerdienſt— 
liche Tätigkeit des Beamten in gewiſſem Umfange 
dadurch, daß er dem Beamten eine Anzeigepflicht 
für eine Anzahl von Nebenbeſchäftigungen auferlegt. 

Der Beamte hat ſeiner vorgeſetzten Dienſt— 
behörde anzuzeigen: die Uebernahme eines unbe— 
zahlten Nebenamtes im Dienſte des Reiches oder eines 
anderen Bundesſtaates, einer ehrenamtlichen Stel— 
lung in den Verwaltungsorganen einer Gemeinde, 
Anſtalt, Stiftung, Kaſſe, Religions- oder Kirchen: 
geſellſchaft, Erwerbsgeſellſchaft oder Genoſſenſchaft, 
des Amtes eines Schiedsrichters, Teſtamentsvoll— 
ſtreckers, Vormundes, Pflegers oder Beiſtandes, 
oder einer anderen Verwaltung fremder Angelegen— 
heiten (Art. 18 Abſ. 2). Dieſe Vorſchriften ent— 
ſprechen dem ſeitherigen Rechte (VO. vom 10. März 
1868 RegBl. 449), das nur eine ausdrückliche 
Vorſchrift hinſichtlich der Uebernahme von Aemtern 
im Dienſte des Reiches und eines Bundesſtaates 
nicht kannte, weil als ſelbſtverſtändlich galt, daß 


Zeitſchrift für Rechtspflege in! in Bayern. 1 1908. Nr. 20. 


die Beſchäftigung eines bayeriſchen Staatsdieners 
in außerbayeriſchen Dienſten nur mit Wiſſen und 
Willen der Regierung erfolgen kann; die ſeitherige 
Vorſchrift der Anzeige der Übernahme von Funk⸗ 
tionen bei Vereinen, die nicht bloß Förderung der 
Geſelligkeit oder von Kunſt und Wiſſenſchaft be- 
zweckten ($ 1 der VO. vom 10. März 1868 mit 
ME. vom 13. November 1868 JM Bl. S. 245) 
war noch in den Geſetzentwurf übernommen, iſt 
aber geſtrichen worden. 

Eigentliche Beſchränkungen der außerdienſtlichen 
Tätigkeit begründen nur die Vorſchriften des Ge- 
ſetzes, welche die Entſaltung einer außerdienſtlichen 
Tätigkeit aus anderen Gründen als wegen Beſorg⸗ 
nis einer Beeinträchtigung der richtigen Erfüllung 
der Dienſtesaufgaben von Einholung der Erlaub— 
nis der zuſtändigen Dienſtbehörde abhängig machen. 
Hierher gehört das Verbot des Art. 15, ohne Er: 
laubnis der vorgeſetzten Behörde als Sachver— 
ſtändiger außergerichtliche Gutachten abzugeben. 

Wenn die Aeußerung des Finanzminiſters 
hierzu bei den Ausſchußberatungen im Berichte 
S. 12 richtig wiedergegeben iſt, daß es ſich bei 
dieſem Verbote nur um die Verarbeitung von 
Material handle, das dem Beamten auf Grund 
ſeiner Dienſtesſtellung zur Kenntnis gelangt ſei 
und das unter das Amtsgeheimnis falle, war 
dieſe Auslegung irrig; zur Verhütung der Er— 
ſtattung von Gutachten, die nur unter Verletzung 
der Pflicht der Amtsverſchwiegenheit erſtattet 
werden könnten, bedurfte es im Hinblick auf 
Art. 14 keiner beſonderen Beſtimmung; die Be— 
deutung des Art. 15 liegt gerade in der Unter: 
ſagung der Abgabe von Gutachten über Gegen— 
ſtände, die nicht unter das Amtsgeheimnis fallen, 
und das Verbot beſchränkt ſich nicht einmal auf 
die Verwertung ſolcher Kenntniſſe und Erfahrungen, 
die der Beamte in ſeinem Berufe geſammelt hat. 
ſondern gilt ganz allgemein, da das Geſetz nicht 
nach dem Gegenſtand des Gutachtens unterſcheidet. 
Nur dieſe Auslegung entſpricht dem Wortlaut und 
dem Zweck der Beſtimmung, der in der Wahrung 
der Unbefangenheit des Beamten und in der Ber: 
hütung der Ausbeutung der amtlichen Stellung 
des Gutachters zu Spekulation und Reklame zu 
ſuchen iſt. Es iſt auch gleichgültig, ob das Gut— 
achten entgeltlich oder unentgeltlich erſtattet wird. 
Zur Abgrenzung des Begriffs des Sachverſtändigen— 
gutachtens gegenüber der literariſchen Arbeit dient 
als Prüfſtein, ob die Meinungsäußerung der 
Allgemeinheit oder nur praktiſchen (rechtlichen oder 
wirtſchaftlichen) Zwecken Einzelner oder doch eines 
beſchränkten Intereſſentenkreiſes zu dienen beſtimmt 
iſt; das Unterſcheidungsmerkmal wird auch dann 
nicht verſagen, wenn die Umgehung des Geſetzes 
durch Veröffentlichung des für einen Intereſſenten 
erſtatteten Gutachtens in einem Fachblatt ver— 
ſucht wird. 

Ein gleichinhaltliches, für alle Beamten gültiges 
Verbot beſtand bisher nicht. Wegen Abgabe ge— 


richtlicher Gutachten vgl. § 76 Abſ. 2 StPO., 
$ 408 Abſ. 2 ZPO., Bek. vom 7. Januar 1882 
Abſchnitte IV und V GVBl. S. 39—40. 

Erlaubnis iſt ferner einzuholen zur Beteiligung 
als Gründer an der Errichtung einer auf Gewinn 
gerichteten Geſellſchaft, als welche jedoch eine 
Genoſſenſchaft nicht gilt, deren Tätigkeit auf 
den Kreis ihrer Mitglieder beſchränkt ift, ferner 
zum Eintritt in den Vorſtand, Aufſichtsrat oder 
Verwaltungsrat einer ſolchen Geſellſchaft (Art. 18 
Abſ. 3 Ziff. 3). Die Erlaubnis darf nicht erteilt 
werden, wenn mit der Tätigkeit unmittelbar oder 
mittelbar ein Gewinn oder eine Entlohnung ver⸗ 
bunden iſt (Art. 18 Abſ. 4); dieſe Beſtimmung 
wirkt als Verbot der Entfaltung einer gewinn⸗ 
bringenden Tätigkeit des Beamten auf dieſem 
Gebiete. 

Gründer einer Geſellſchaft ſind jene Perſonen, 
welche die Geſellſchaft ins Leben rufen, in der 
Regel alſo jene, welche den Geſellſchaftsvertrag 
feſtſtellen; wo aber ein Geſetz, wie $ 187 des HGB. 
für die Aktiengeſellſchaft, einen techniſchen Gründer⸗ 
begriff feſtſtellt, entſcheidet dieſer, wer Gründer 
iſt. Nur der Beamte, der „als Gründer“ einen 
Gewinn zieht oder beabſichtigt, wird von dem 
Verbote betroffen; ein Gewinn, den der Gründer 
nicht als Gründerlohn, ſondern als Frucht ſeiner 
kapitaliſtiſchen Beteiligung ohne Vorrechte vor 
anderen Geſellſchaftsmitgliedern aus den Betriebs⸗ 
überſchüſſen erzielt, hindert die Erteilung der Er⸗ 
laubnis alſo nicht. 

Die Verbote des Art. 18 Abſ. 3 Ziff. 3 
weichen nur wenig vom ſeitherigen Rechte ab 
(ſ. Landtagsabſchied vom 28. April 1872 § 51 
Ziff. 1 und 3 GVBl. S. 264), dag die Teil- 
nahme an einem Gründerkonſortium und die 
Uebernahme beſoldeter Aufſichts⸗ und Verwaltungs⸗ 
ratsſtellen bei finanziellen und induſtriellen Unter⸗ 
nehmungen mit Ausnahme der genoſſenſchaftlichen 
und weſentlich gemeinnützigen Inſtitute verbot. 

Die Erlaubnis der zuſtändigen Dienſtbehörde 
iſt ferner erforderlich: 

a) Zum Betrieb eines Gewerbes im Sinne 
der GewO. und zwar nicht bloß ſeitens des 
Beamten ſelbſt, ſondern auch ſeitens der Ehefrau 
oder einer andern dem Hausſtande des Beamten 
angehörenden Perſon (Art. 18 Abſ. 3 Ziff. 1). 
Die Einſchiebung der Worte: „Im Sinne der 
Reichsgewerbeordnung“ in den Text der Vorſchrift 
iſt dem Ausſchuß der Abgeordnetenkammer zu 
verdanken; damit iſt zwar der Umfang des Ver⸗ 
bots der gewerblichen Tätigkeit des Beamten auch 
noch kein ſcharf abgegrenzter geworden (f. Land: 
mann, GewO. Einl. Ziff. 5), aber es bieten doch 
Literatur und Rechtſprechung bereits ein reiches 
Material zur Entſcheidung in Zweifelfällen, während 
der Ausdruck „Gewerbe“ im Entwurf eine Ab: 
grenzung gegen andere Erwerbsarten überhaupt 
nicht ermöglicht hätte. Die Einſchränkung des 
Gewerbebetriebes der Frau und ſonſtiger dem 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


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393 


Hausſtand des Beamten angehörenden Perſonen, 
alſo nicht bloß der Familienmitglieder, ſoll zur 
Verhütung der Umgehung des Geſetzes dienen; 
die Einſchränkung iſt auf Grund des § 12 Abſ. 2 
der GewO. zuläſſig. 

Die Vorſchrift deckt ſich mit der bisher für 
nichtpragmatiſche Staatsdiener geltenden Be⸗ 
ſtimmung des $ 7 der VO. vom 26. Juni 1894; 
pragmatiſche Beamte waren ſeither von der Aus⸗ 
übung der ſtreng bürgerlichen Gewerbe, von der 
Führung einer Bank oder ähnlichen Anſtalt und 
von dem perſönlichen Betrieb einer Fabrik nach 
8 21 Abſ. I und III der IX. Verf B. aus⸗ 
geſchloſſen; dagegen beſtand eine Beſchränkung des 
Gewerbebetriebes der Angehörigen des pragmatiſchen 
Beamten nicht. 

b) Zur Uebernahme eines Nebenamtes oder 
Nebengeſchäftes, womit eine Entlohnung verbunden 
iſt (Art. 18 Abſ. 3 Ziff. 2); ob die Entlohnung 
eine einmalige oder in beſtimmten oder unregel⸗ 
mäßigen Zeiträumen ſich wiederholende iſt, iſt 
gleichgültig. Die Begründung zum Entwurf be⸗ 
tont, daß wiſſenſchaftliche, künſtleriſche und ſchrift⸗ 
ſtelleriſche Tätigkeit nicht unter den Begriff 
„Nebengeſchäft“ fällt. Die Beſchränkung galt 
ſchon bisher auf Grund der VO. vom 10. März 1868 
I 3 Ziff. 2 RegBl. S. 451; $ 15 der GerVollzO. 

Die erteilte Erlaubnis kann in allen Fällen 
jederzeit zurückgenommen werden. 

Nicht übernommen hat das Geſetz die nach 
§ 21 Abſ. 2 der IX. Verf B. ſeither beſtehende 
Beſchränkung der im äußern Dienſte der Rechts⸗ 
pflege, Verwaltung oder Finanzverwaltung an: 
geſtellten pragmatiſchen Beamten in der Erwerbung 
von Grundbeſitz innerhalb ihres Amtsbezirkes. 
Als aufgehoben ſind wohl auch anzuſehen die 
Vorſchriften, welche für einzelne Beamtenklaſſen 
die Erholung der dienſtlichen Bewilligung zur 
Pachtung von Jagden forderten (3. B. ME. vom 
3. Juni 1863, die Pachtung von Jagden durch 
ſtadt⸗ und landgerichtliche Beamte betr. JM Bl. 
S. 11), da ſie kaum als Dienſtvorſchriften im 
Sinne des Art. 11 des BGG. gelten können. 

Beſchraänkungen, welche Geſetze den Beamten 
oder einzelnen Beamtenklaſſen auferlegen (3. B. 
Art. 229 des Berggeſetzes) beſtehen natürlich fort. 


Aufgabe der 
Dienftanfficht 


ift es, die richtige Erfüllung der dienstlichen 
Pflichten der Beamten zu überwachen und durch 
Warnung, Rüge und Zwangsmittel den ſaͤumigen 
Beamten dazu anzuhalten (vgl. Art. 71 AG. z. 
GG.), ſowie nötigenfalls die Anregung zur 
Einleitung des Disziplinarverfahrens zu geben. 
Die Dienſtaufſicht erſtreckt ſich, ſoweit ihr 
nicht, wie gegenüber den Richtern, engere Schranken 
gezogen ſind, auf die geſamte dienſtliche Tätigkeit 
der untergebenen Beamten. Der Entwurf des 
BG. hatte ſich darauf beſchränkt, Vorſchriften über 


394 _ Beitichrift für Rechtspflege in! in Bayern 1908. Nr. 20. 


Rügerecht und Zwangsmittel aufzunehmen; auf nacheinander aus dem gleichen Anlaſſe verhängte 
Grund der Ausſchußberatungen iſt eine die Quali: Zwangsſtrafen dürfen den Geſamtbetrag von 
fikation der Beamten betreffende Vorſchrift ein- | 50 M nicht überſteigen. 
gefügt worden. | Gegen die im I ira „ 
mahnungen und Warnungen und angewendeten 
Bet, 19 Er ee the na | Zwangsmittel fteht dem Beamten kein Beſchwerde⸗ 
recht zu, nur die gegen jede dienſtliche Verfügung 
wie vor durch die Staatsregierung erlaſſen; zufäffige Anrufung der hoheren Stelle um Ab- 
bleiben die beſtehenden Vorſchriften, don en, hilfe im Dienſtauffichtswege fteht ihm offen. 
wann und nach welchen 1 da ali | Die gegenüber nichtrichterlichen Beamten der 
1 dad die Bet 3 = 110 Sl Juſtizverwaltung bereits in Art. 71 des AG. z. 
Dal Februar 1886 und 19. Juli 1905 GVG. den Aufſichtsbehörden eingeräumte Befug⸗ 
(JM Bl. 1883 S. 293; 1886 S. 76, 1905 nis zur Verhängung von Zwangsſtrafen iſt dem 
S. 781); ein Recht der Beamten auf Mitteilung Art. 104 BG. angepaßt worden und bleibt neben 


der Qualifikation und ein förmliches Beſchwerde⸗ ar in 1 a 15 
recht beſtand ſeither nur, ſoweit die für die ein⸗ auf Grun 3 En m 3- befriſ A 8 i 
zelnen Reſſorts verſchiedenen Vorſchriften ſolches geſprochenen Zwangeſtrafen i D) iſtete Be⸗ 


i ſchwerde zuläſſig (Art. 72 a. a. O.). 
17. Angus er Eee ee ER e Sowohl die auf Grund des Art. 71 AG. z. 


TE GWG., als die nach Art. 104 BG. verhängten 
L . 102 u 
„ auf 1 . Zwangsſtrafen werden den Wohlfahrtseinrichtungen 
der Einträge in feiner Qualifikationsliſte bekannt für a on a ee: 
zu geben; der Zuſatz „weſentlich“ ift nicht ganz d . a gelten nicht für 
klar; es iſt nicht anzunehmen, daß er die Hand: die „ 5 1 Rich int die Dienſtauf 
habe zur Geheimhaltung der „Bemerkungen“ egenüber den Richtern ift die Dienſtaufſicht 
bieten ſoll, denn gerade dieſe bilden häufig einen beſchränkt; fie findet nicht ſtatt, ſoweit die Richter 
mindeſtens ebenſo „weſentlichen“ Beſtandteil der „ a 1 5 15 
Qualifikation, als die Noten und übrigen Ein— d G.; Art. 183, die Ri 1 a ATEEN 
träge; unweſentliche Einträge ſollte die Quali- der Dienſtaufſicht über die Richter kann hier nicht 
fikationsliſte überhaupt nicht enthalten. eingegangen werden. Hinſichtlich der Dienſtauf⸗ 
Dem Beamten iſt nunmehr die Beſchwerde fd * 91 F 
„ n „ ind Be f 
gegen die Einträge in feine Qualifikationsliſte . GRG. md 125 dazu ergangenen Bek. vom 
eingeräumt. 11. Juli 1900 und 19. Juli 1905 getroffen 
Zurechtweiſung und Zwangs mittel. 


(JMBl. 1900 S. 997 und 1905 S. 783; f. 
Das Geſetz gibt jedem Vorgeſetzten das Recht, auch IMBI. 1901 ©. 494, 1900 ©. 348, ferner 
den ihm untergebenen Beamten mündlich oder 


8 = der GerVBol;dD.). * bort 

ý ach Art. 3 des RDG. (gemäß Art. 79 dortſelbſt 
. N 8 ns anwendbar auf die Mitglieder des Verwaltungs⸗ 
Warnungen haben keinen dienſtſtrafrechtlichen gerichtshofes und nunmehr auch nach Art. 184 BG. 
Charakter, ebenſowenig find dienſtſtrafrechtlicher auf die Mitglieder des Oberſten Rechnungshofes) 
Natur die Zwangsmittel, welche das Geſetz den können auch den Richtern innerhalb der Grenzen des 
„vorgeſetzten Dienſtbehörden“ gegenüber dem Aufſichtsrechts wegen geringer Dienſtvergehen münd⸗ 
ſaumigen Beamten an die Hand gibt (Art. 104). lich oder ſchriftlich Ermahnungen oder Warnungen er- 

Dieſe Zwangsmittel ſind: 


teilt werden; durch Einfügung des neuen Art. 4 a 
i ; in das RDG. durch Art. 221 Abi. II BG. ijt 

1. Die Entſendung eines Warteboten auf eine wichtige Garantie gegen Mißbrauch des Dienſt— 
Koſten des ſäumigen Beamten; . aufſichtsrechtes geſchaffen worden. Der Richter kann 
2. die Verhängung von Zwangsſtrafen; in Zukunft gegen eine ihm erteilte Mahnung oder 

3. die Beigabe einer Geſchäftsaushilfe zur Warnung die Entſcheidung der Disziplinarkammer 
Erledigung rückſtändiger Amtsgeſchäfte auf Koſten anrufen; er hat die Wahl zwiſchen Einlegung der 
des ſäumigen Beamten. Aufſichtsbeſchwerde und dem Antrage auf Ent: 
Während die Verhängung der letztgenannten ſcheidung der Disziplinarkammer; der Antrag 
Maßregel an keine weitere Vorausſetzung geknüpft ſchließt die Beſchwerde, die Beſchwerde den Antrag 
iſt, als daß der Beamte mit der Erledigung ſeiner aus. Bedauerlicherweiſe hat man dem Richter 
Amtsgeſchäfte ſchuldhaft im Rückſtande iſt, ſetzt | den Gebrauch der dankeswerten Neuerung durch eine 
die Anwendung der unter 1 und 2 bezeichneten | doppelte mit dem Antrage verbundene Gefahr er: 
Zwangsmittel voraus, daß für die Erledigung | Schwert. Der die Entſcheidung der Disziplinar⸗ 
eines beſtimmten Amtsgeſchäftes eine Friſt geſteckt kammer anrufende Richter riskiert nicht bloß 
und das Zwangsmittel angedroht war; mehrere | Koften — in einem Verfahren, das doch in erſter 


f 


| 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


395 


Linie im öffentlichen Intereſſe die Wahrung der eingefügten Abſ. 5. Die Faſſung des Satzes 2 dieſer 


Unabhängigkeit der Richter bezweckt — ſondern 


neuen Beſtimmung iſt ungenau; ihr Wortlaut deckt 


ſogar eine reformatio in pejus; letzteres dann, die Fälle nicht, daß die Aufhebung der Verfügung 


wenn die Disziplinarkammer den Antrag nicht nur 
für unbegründet, ſondern ein Dienſtvergehen für ge⸗ 
geben erachtet, für das nach Art. 4 Abſ. 1 des RDG. 
Disziplinarbeſtrafung am Platze iſt; in dieſem Falle 
hat die Disziplinarkammer die Einleitung des Diszi⸗ 
plinarverfahrens (vgl. Art. 23 RDG.) zu beſchließen; 
nach Art. 4 Abſ. 1 tritt Disziplinarbeſtrafung ein, 


ſich als erfolglos erweiſt oder wegen der Schwere 
des Dienſtvergehens eine Ermahnung oder Warnung 


gegeben erachten kann; doch gewiß nicht deshalb, 
weil der Richter die durch feinen Antrag bekaͤmpfte 
Warnung oder Ermahnung nicht befolgt hat; es 
wäre aber auch nicht unbedenklich, im Falle der 
Richter die erſte Warnung erfolglos mit Beſchwerde 
angefochten hat und gegenüber der zweiten aus 
gleichem Anlaſſe erteilten Warnung zur Abwehr 
eines vermeintlich unzuläſſigen Eingriffs in ſeine 
richterliche Unabhängigkeit die Entſcheidung der 
Disziplinarkammer angerufen hat, in der Nicht⸗ 
befolgung der Warnungen ein mit Disziplinar⸗ 


ſtrafe zu ahndendes Dienſtvergehen zu erblicken; 


der Fall aber, daß der Richter nach einer erſten 
abweiſenden Entſcheidung der Disziplinarkammer 
aus gleichem oder gleichartigen Anlaſſe eine zweite 
Ermahnung oder Warnung erhält und gegen dieſe 
wieder die Entſcheidung des Disziplinargerichts an- 
ruft, ſcheidet, praktiſch betrachtet, ſchon deshalb aus, 
weil man zu einer nochmaligen Warnung nicht 
greifen, ſondern ſogleich das Disziplinarverfahren 
einleiten würde. 

Findet die Disziplinarkammer, daß der Richter 
fih eines Dienſtvergehens ſchuldig gemacht hat, 
ohne daß die Vorausſetzungen des Art. 4 Abſ. 1 
gegeben ſind, hat der Beſchluß auf Zurückweiſung 
des Antrags des Richters zu lauten; erachtet ſie ein 
Dienſtvergehen nicht für gegeben, hat ſie durch 
Beſchluß die Aufhebung der Verfügung der Auf— 
ſichtsbehörde auszuſprechen. 

Gegen den Beſchluß der Disziplinarkammer 
ſteht dem Staatsanwalt und dem Richter die Be— 
ſchwerde an den Disziplinarhof zu; auf die Be: 
ſchwerde finden die Beſtimmungen der StPO. 
über die ſofortige Beſchwerde entſprechende An— 
wendung (Art. 56 RDG). Dem unterlegenen 
Richter ſind die im Verfahren erwachſenen baren 
Auslagen aufzubürden (Art. 224 Abſchn. 33: 
neuer Satz zu Art. 77 Abſ. 2 RDG.); wenn der 
Richter ſiegt, trägt die Staatskaſſe die Koſten 
(Art. 77 Abſ. IV RDG), es können aber auch 
die dem Richter erwachſenen notwendigen Auslagen 
einſchließlich der Koſten der Verteidigung der 
Staatskaſſe auferlegt werden auf Grund des durch 


| 


der Aufſichtsbehörde erft auf Beſchwerde des Richters 
oder auf die zu deſſen Gunſten eingelegte Beſchwerde 
des Staatsanwalts durch den Disziplinarhof er: 
folgt, für welche Fälle die Beſtimmung doch ſicher 
auch gelten ſoll. 

Etwas Neues bringt ferner der in das RDG. 


weiter eingefügte Art. 4 b; die Aufſichtsbehörde 
wenn die ſchriftlich erteilte Mahnung oder Warnung 


kann, bevor fie auf Grund des Art. 3 RDG. eine 
Ermahnung oder Warnung erteilt, die Entſcheidung 


der Disziplinarkammer darüber beantragen, ob dem 
als unzureichend erſcheint. Es iſt nicht recht klar, 
unter welchen Vorausſetzungen die Disziplinar⸗ 
kammer die 1. Alternative des Art. 4 Abſ. 1 für 


Richter ein Dienſtvergehen zur Laſt fällt; gegen 
die Entſcheidung ſteht dem Staatsanwalt und dem 
Richter die ſofortige Beſchwerde an den Diziplinar⸗ 
hof zu. 

Dem Richter kann kein Wartbote geſandt und 
keine Geſchäftsaushilfe auf ſeine Koſten zur Er⸗ 
ledigung rückſtändiger Amtsgeſchäfte beigegeben 
werden; Zwangsſtrafen können gegen ihn nur auf 
Beſchwerde der Beteiligten wegen Verzögerung der 
Rechtspflege nach Art. 73 und 74 des AG. z. 
GVG. bis zum Höchſtbetrage von 100 M ver: 
hängt werden. 

Nach Art. 178 Ziff. 10 ſind die Entſcheidungen 
der Beamten und Behörden über die Verhängung 
von Zwangsſtrafen bindend für die Beurteilung 
der gerichtlich geltend gemachten vermögensrecht⸗ 
lichen Anſprüche. (Fortſ. folgt). 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Mäklervertrag, Dienſtvertrag und Schenkung. 
1. Wird dem Mäkler beim Abſchluß des Vertrags 
der Lohn oder ein Teil des Lohnes auch für den Fall 
verſprochen, daß das Geſchäft nicht zuſtande komme, 
ſo liegt eine Verbindung von Mäklervertrag und 
Dienſtvertrag vor, niemals Schenkung. Darüber be— 
ſteht Einigkeit (ſo Staub, HGB., 8. Aufl. Exkurs 
vor § 93 Anm. 17; Staudinger, BGB. 8 652 
Anm. 1? und 31; OLG. Darmſtadt vom 7. Februar 
1902 im Recht 1902, 292). 

Zweifelhaft dagegen iſt die Beurteilung des 
Falles, daß dem Mäkler ſpäter, nach Abſchließung 
des Mäklervertrags, zugeſagt wird, er ſolle den 
Lohn auch dann bekommen, wenn das Geſchäft nicht 
zum Abſchluß komme. 

Erfolgt diefe ſpätere Vereinbarung noch, bevor 
der Mäkler tätig wird, ſo kann auch hier von einer 
Schenkung keine Rede ſein, die ſpätere Vereinbarung 
iſt nichts anderes als ein Nachtrag zum Mäkler— 
vertrag und hat die Wirkung, daß nun das 
aus Mäklervertrag und Dienſtvertrag zuſammen— 
geſetzte Rechtsverhältnis vorliegt. Das gleiche gilt 
auch, wenn der Mäkler ſchon tätig geworden iſt, 
aber nach der Vereinbarung des Vertragsnachtrags 
noch eine weitere weſentliche Tätigkeit entfalten ſoll. 

2. Anders dann, wenn dem Mäkler nach Ab— 


Art. 224 Abſchn. 29 in den Art. 77 RDG. neu | ſchluß ſeiner Vermittlertätigkeit eine Provi— 


396 


ſion verſprochen wird, obwohl das Geſchäft überhaupt 
nicht oder nicht durch ſeine Vermittlung zuſtande ge⸗ 
kommen iſt. Hier iſt fraglich, ob nicht ein Schenkungs⸗ 
verſprechen vorliegt, eine Frage, die namentlich wegen 
der Formvorſchrift des 8 518 BGB. von Bedeutung ift. 

Scherer in ſeinem Komm. z. BGB. Anm. 20 
zu 8 652 bemerkt: „In ſolchen Fällen liege eine 
Schenkung vor. Man dürfe dem Mäkler vorher für 
den Fall, daß er keinen Erfolg erziele, eine Gebühr 
verſprechen, alſo auch nachträglich.“ Die Begründung, 
die Scherer gibt, ift wohl nicht ſtichhaltig; denn das 
iſt eben die Frage, ob nicht der Fall des urſprünglich 
kombinierten Mäkler⸗ und Dienſtvertrags anders 
liegt als der Fall, daß dem Mäkler für die von ihm 
geleiſtete Tätigkeit trotz ihrer Erfolgloſigkeit, alſo 
trotz des Fehlens eines Anſpruchs auf Mäklerlohn, 
eine Entlohnung verſprochen wird. 

Das OLG. Breslau hat in dem Urteil vom 
9. März 1905 (Recht 1905, 312) für einen Fall dieſer 
Art ausgeſprochen, es liege eine Schenkung i im Sinne 
des § 534 vor — alfo immerhin eine Schenkung. Im 
Anſchluß an dieſe Entſcheidung bemerkt Achilles 
Anm. 2 zu 8652: „Keine Schenkung, wenn gleich von 
vornherein für alle Fälle zugeſichert; wenn nach— 
träglich, Schenkung.“ Auch Planck, Vorbem. zum 
8. Titel Nr. V1 nimmt ein Schenkungsverſprechen an 
in dem Fall, daß jemand einem Mäkler eine Ber- 
gütung für die Dienſte verſpricht, die der Mäkler 
geleiſtet hat, ohne daß vorher ein Mäklervertrag 
abgeſchloſſen war. 

Zum entgegengeſetzten Ergebnis ſcheint das OLG. 
Dresden in dem Urteil vom 29. Dezember 1903 ge⸗ 
kommen zu ſein. Die Ueberſchrift, unter der dieſe 
Entſcheidung in der Rechtſpr. d. OLG. Bd. 9 S. 8 
mitgeteilt wird, lautet: „Formfreiheit des Verſprechens 
einer Proviſion für den ſchon erfolgten Nachweis 
eines Kaufluſtigen.“ Die mitgeteilte Begründung 
führt allerdings nur näher aus, daß in dieſem Falle 
ein abſtraktes Schuldverſprechen nicht vorlag 
und darum die Schriftlichkeit nicht erforderlich war. 

3. Für die Entſcheidung der Frage, ob ein 
Schenkungsverſprechen anzunehmen iſt oder nicht, iſt 
das Weſen der Schenkung zu berückſichtigen. Es liegt 
nahe anzunehmen, daß in dem nachträglichen Ver— 
ſprechen für die auf Grund Mäklervertrags oder 
auch ohne ein beſtehendes Rechtsverhältnis geleiſtete 
Vermittlertätigkeit eine (remuneratoriſche) Schenkung 
liegt, weil in einem ſolchen Falle eine Verpflichtung 
zur Entrichtung eines Lohnes nicht beſteht. Zum 
Begriff der Schenkung gehört jedoch ganz allgemein, 
daß beide Teile über die Unentgeltlichkeit der Zu— 
wendung einig feien (vgl. Planck Anm. 3 zu 8 516; 
RG. vom 23. Mai 1906 in JW. 1906, 462). In der 
zitierten RGE. iſt mit Recht betont, daß es bezüglich 
der Einigkeit beider Teile über die Unentgeltlichkeit 
der Zuwendung darauf ankomme, welche Bedeutung 
die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck kommenden 
ſubjektiven Standpunkt der Zuwendung beigelegt 
hätten. Es kommt alſo auf die Auslegung der beider— 
ſeitigen Willenserklärungen an. 

Bei einem Leiſtungsverſprechen der fraglichen 
Art wird aber den Beteiligten in der Regel der Ge— 
danke fern liegen, daß der Verſprechende dem andern 
eine Freigebigkeit erweiſen wolle, und es iſt vielmehr 
anzunehmen, daß insbeſondere der Mäkler es zurück— 


weiſen würde, wenn der andere ihm Zahlung in der 


Weiſe verſpräche, daß er ihm damit ein Geſchenk machen 


Zeitſchrift für EdBBeuſchrift für Rechtspflege in Bayern in Bayern. 1908. Nr. 20. 


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wolle. Die Vereinbarung iſt vielmehr nach den Um⸗ 
ſtänden, unter denen ſie erfolgt, dahin auszulegen, daß 
der Verſprechende dem andern nicht eine unentgelt⸗ 
liche Zuwendung macht, ſondern daß er mit dieſem. 
allerdings erſt nachträglich, nach Leiſtung der Dienſte, 
einen Dienſtvertrag abſchließt. Rechtlich ſteht 
nichts im Wege, einen Vertrag dieſer Art zu ſchließen. 
bei dem der eine Teil die Leiſtung, die auf Grund 
des Vertrags zu machen iſt, vor dem Vertragsſchluß 
ſchon ganz oder teilweiſe gemacht hat. So z. B. wenn 
der Malermeiſter A., ein Anfänger, den Baumeiſter 
B. dazu beſtimmt, ihn zur Vorführung ſeiner Leiſtungs⸗ 
fähigkeit einen Raum des Neubaus ausmalen zu laſſen 
und ſodann, nachdem die Arbeit des A. entſprochen 
hat, A. und B. vereinbaren, daß A. den ganzen 
Neubau ausmale und für den qm Arbeitsleiſtung 
einſchließlich des bereits bemalten 
Raumes — einen beſtimmten Preis erhalte: oder 
wenn A., von B. wegen Unbotmäßigkeit als Gärtner 
entlaſſen, aber auf die Gutherzigkeit des B. bauend, 
gleichwohl ohne deſſen Wiſſen nachher tagelang die 
herbſtliche Arbeit des Baumputzens beſorgt, und je 
daun A. und B. vereinbaren, daß dieſer für ſeine 
Arbeit den treffenden Taglohn erhalten ſolle; oder 
wenn der Dieb eines alten Gemäldes den Künſtler A. 
mit der Ausbeſſerung des Gemäldes beauftragt und 
der Eigentümer B., nachdem A. mit der Arbeit fertig 
iſt, mit A. vereinbart, daß dieſer für das Werk den 
der Arbeit entſprechenden Lohn erhalten ſolle. Den 
Ausführungen in dem Urteil des OLG. Colmar 
vom 29. Januar 1904 (Rechtſpr. d. OLG. Bd. 9 S. 7) 
„es liege in der Natur des Mäklervertrags, daß er 
ſich uur auf zukünftige, nicht auf vergangene Dienſte 
beziehen könne; ſoweit eine Belohnung für bereits 
geleiſtete Dienſte verſprochen werde, liege ein Mäfler- 
vertrag nicht vor“, kann nicht beigetreten werden: 
dem Weſen des Mäklervertrags widerſpricht es nicht 
mehr als dem Weſen irgend eines andern auf eine 
„Leiſtung“ gerichteten Vertrags anzunehmen, daß die 
Entlohnung für die bereits gemachte Leiſtung er- 
folgen ſolle. So hat auch das OLG. Dres den in 
der erwähnten Entſcheidung (Rechtſpr. d. OLG. Bd. 9 
S. 8) die nachträgliche Vereinbarung des Mäkler⸗ 
lohnes für den ſchon erfolgten Nachweis eines Kauf: 
luſtigen dem regelmäßigen Fall, daß der Mäkler⸗ 
vertrag vor der Leiſtung des Mäklers geichlofien 
worden iſt, vollkommen gleichgeſtellt. Kann aber der 
Mäklervertrag ſelbſt nach Leiſtung der Mäkler⸗ 
dienste wirkſam geſchloſſen werden, fo ſteht der Gül- 
tigkeit eines nach Leiſtung der Dienſte geſchloſſenen, 
neben den Mäklervertrag tretenden Dienſtvertrags 
nichts im Wege. 

So hat auch das Reichsgericht in dem Er- 
kenntnis vom 11. April 1899 (Bolze, Praxis des 
RG., Bd. 7 S. 151 Nr. 418) in einem ähnlichen Fall 
mit Recht das Vorliegen einer remuneratoriſchen 
Schenkung verneint. Hier war der Kläger als Ver— 
mittler bei einem Grundſtückskauf des Beklagten tätig 
geweſen. Der Beklagte hat auch das Grundſtück ge— 
kanft, allein nicht von C., dem gegenüber der Kläger 
tätig geworden war, ſondern von D., der zunächſt 
das Grundſtück von C. erworben hatte. Das dem 
Kläger ſpäter von dem Beklagten gegebene Verſprechen, 
er ſolle gleichwohl ſeine Proviſion erhalten, hat das 
RG. für wirkſam erklärt. In der Begründung iſt 
u. a. bemerkt, „der Beklagte ſelbſt habe nicht die Ab— 
ſicht gehabt, den Kläger zu bereichern, ſondern habe 


ihn für die in feinem Intereſſe gehabten Mühen und 
Arbeiten entſchädigen wollen“. Wenn auch nach dem 
Rechte des BGB. zum Begriffe der Schenkung eine 
Bereicherungs abſicht nicht mehr gefordert wird, 
fo muß doch die Zuwendung als eine unentgelt⸗ 
liche gewollt ſein, und gerade dieſe Abſicht hat in 
dem vom RG. entſchiedenen Falle gefehlt, ſo daß alſo 
die Entſcheidung auch für das heutige Recht noch voll⸗ 
kommen zutrifft. 

4. Hat der Mäkler durch ſeine Tätigkeit die an 
einem formbedürftigen Vertrage beteiligten Perſonen 
zur mündlichen Vereinbarung gebracht, ſo kann der 
Lohn ſeiner Bemühungen immer noch zu nichte werden, 
wenn aus der Verbriefung des Vertrags nichts wird. 
In dieſer Lage kommt es nicht ſelten vor, daß der 
Mäkler, um für alle Fälle entlohnt zu werden, dazu 
greift, ſich von beiden Teilen eine Vergütung ver⸗ 
ſprechen zu laſſen, die derjenige zu zahlen habe, der 
am feſtgeſetzten Tage ſich zur Verbriefung des Ver⸗ 
trags nicht einfinden würde. Die Tätigkeit des 
Mäklers iſt nach der Annahme der Beteiligten in 
dieſem Zeitpunkt bereits abgeſchloſſen. Die Verein⸗ 
barung ift aber nach dem Ausgeführten nicht Schenkungs⸗ 
verſprechen, iſt alſo formlos gültig. Sie iſt auf Seiten 
des einen Teils, der dem Mäkler den Auftrag ge⸗ 
geben hatte, rechtlich als nachträgliche Aenderung und 
Ergänzung des urſprünglichen Mäklervertrags auf- 
zufaſſen, auf Seiten des andern Teiles als die Ab⸗ 
ſchließung eines Dienſtvertrags, bei dem die Leiſtung 
des Dienſtverpflichteten bereits vor der Schließung des 
Vertrags erfolgt iſt, eines Vertrags ferner, bei dem 
der Verſprechende eine Entlohnung für die nicht ihm, 
ſondern dem andern Teil erwieſenen Dienſte verſpricht, 
freilich um des Umſtandes willen, daß dieſe Dienſte, 
da ſie zu dem Vertragsſchluß geführt haben, auch ihm 
zugute gekommen ſind. Bei den beiden ſo geſchloſſenen 
Verträgen liegen nur bedingte Leiſtungsverſprechen vor. 

Zweifel können beſtehen, ob eine ſolche Verein⸗ 
barung nicht aus dem Geſichtspunkt des 8 314 BGB. 
unwirkſam iſt; man könnte daran denken, daß das 
vom Mäkler ausbedungene und ihm von beiden Teilen 
bedingt gegebene Leiſtungsverſprechen nur den Zweck 
haben ſollte, auf die Vertragsteile einen Druck dahin 
auszuüben, daß dieſe das formbedürftige Rechtsgeſchäft 
abſchlöſſen. Eine ſolche Auffaſſung kann unter Um— 
ſtänden gerechtfertigt ſein; ſie braucht aber keineswegs 
immer zuzutreffen. Eine ſolche Vereinbarung ver— 
dankt ibre Entſtehung nur dem Beſtreben des Mäklers, 
für alle Fälle eine Entlohnung für ſeine Tätigkeit zu 
bekommen, und es kann ihm, zumal wenn die Leiſtung, 
die er ſich durch die nachträgliche Vereinbarung ver: 
ſprechen läßt, nicht oder nur wenig hinter dem ur— 
ſprünglich bedungenen Mäklerlohn ſelbſt zurückbleibt, 
gleichgültig ſein, ob nun das Rechtsgeſchäft zuſtande 
kommt oder nicht. Wollte man in ſolchen Fällen aus 
dem angegebenen Grunde die Unwirkſamkeit der Ver— 
einbarung annehmen, ſo müßte das gleiche auch für 
die Fälle gelten, daß fih ein Mäkler von vorn— 
herein von dem Auftraggeber neben dem Mäkler— 
lohn ein Honorar auch für den Fall verſprechen läßt, 
daß das Geſchäft nicht zuſtande komme. 


Landgerichtsrut Zeiler in Kempten. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 397 


weis verfahren der Grundbuchordnung. Das Grundbuch⸗ 
verfahren iſt ein Antragsverfahren mit Beweislaſt, 
d. i. ein Verfahren, bei dem die Betreibung des in 
Frage kommenden privaten Intereſſes gegenüber der mit 
ſeiner Befriedigung betrauten Rechtspflegeſtelle und 
ebenfo die Beſchaffung der Entſcheidungs-⸗ 
grundlagen dem privaten Intereſſenten überlaſſen 
iſt (ſ. m. Ausf. im „Recht“ 1908, 370). Beides hindert 
jedoch nicht, daß nicht ſowohl hinſichtlich der Be⸗ 
treibung des Verfahrens als auch hinſichtlich der 
Beſchaffung der Eintragungsgrundlagen — nur vom 
Eintragungsverfahren ſoll hier die Rede ſein — auch 
eine Offizialtätigkeit des Grundbuchamts vorkommen 
kann; ſind doch auch im Zivilprozeſſe mit ſeinem aus⸗ 
geſprochenen Parteibetriebe unzweifelhafte Offizial⸗ 
| 


Die Offizialtätigkeit des Grundbuchbeamten im Be: 
| 
| 


pflichten nachweisbar. Offizialpflichten im Betriebe 
des Eintragungsverfahrens der Grundbuchordnung 
ſind zahlreich vorhanden; ich verweiſe nur auf Predari 
258, 259 und meinen „Prozeßgang des formalen 
Grundbuchrechts“, Sachregiſter unter „Offizialpflicht“ 
und „Offizialprüfung“. Nicht ſo klar liegt die Offizial⸗ 
beteiligung des Grundbuchamts bei der Beſchaffung 
von Eintragungsgrundlagen. Was zunächſt die Ein⸗ 
tragungsgrundlagen im engeren Sinne, die zur Eins 
tragung erforderlichen Erklärungen im Sinne des 8 29 
Satz 1 GBO. anlangt, fo zerfällt ihre Beſchaffung, 
wie ich an anderer Stelle dargelegt habe,“) in Mit⸗ 
teilung in beweiskräftiger Form, bei Stellung des 
Antrags, und in Beweis im engeren Sinne, nach 
Erlaß einer Zwiſchenverfügung gemäß § 18 GBO. 
Iſt die Entgegennahme und Prüfung der beweis— 
kräftig mitgeteilten rechtsgeſchäftlichen Erklärungen 
eine Offizialtätigkeit? Zur Beantwortung dieſer Frage 
wird es zunächſt der näheren Beſtimmung des Be— 
griffs der Offizialpflicht bedürfen. 

Ohne Zweifel iſt die gedachte Entgegennahme und 
Prüfung Amtspflicht des Grundbuchamts. Wäre aber 
Amtspflicht gleichbedeutend mit Offizialpflicht, dann 

| wäre die geſamte gerichtliche Tätigkeit bei Führung 
auch des Zivilprozeſſes Offizialtätigkeit. Dies wider: 
ſpricht dem ſprachgebräuchlichen Sinne des Wortes. 
Das Wort hat vielmehr den Sinn des Eigenbetriebs, 
| der Initiative. So wird es gebraucht, wenn das anz 
tragloſe Verfahren z. B. des Vormundſchaftsgerichts 
als Offizialverfahren bezeichnet wird (Recht“ a. a. O.). 
Das amtspflichtmäßige Verhalten des Grundbuchamts 
| zum Zwecke der Kenntnisnahme von Eintragungs— 
unterlagen könnte demnach als Offizialtätigkeit nur 
| dann bezeichnet werden, wenn das Grundbuchamt ſich 
| Diete Unterlagen ſelbſt verſchaffte, was durch § 29 
Satz 1 GBO. ausgeſchloſſen iſt. 
\ Iſt es Offizialtätigkeit, wenn das Grundbuchamt 
| eine Zwiſchenverfügung gemäß $ 18 GBO. auf Nach— 
bringung von Eintragungsunterlagen erläßt? Auch 
dieſe Frage iſt zu verneinen. Eine Zwiſchenverfügung 
| dieſer Art kann enthalten einmal das Anheimſtellen, 
gewiſſe bisher noch nicht mitgeteilte Tatſachen 
| (Erklärungen Beteiligter) in beweiskräftiger Form 
dem Grundbuchamt mitzuteilen (3. B. Nachbringung 
einer Zuſtimmungserklärung), das anderemal das An— 
heimſtellen, für gewiſſe nicht überzeugend mitgeteilte 
Tatſachen die beweiskräftige Form nachzubringen. In 
beiden Fällen aber muß die Mitteilung oder ihre Er— 
gänzung vom Antragſteller ausgehen: die Initiative 


| ) BofMSchr. in einem der nächſten Hefte. 


398 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


verbleibt demnach trotz der prozeſſualen Bemängelung 
durch das Grundbuchamt beim Antragſteller. 

Wie aber, wenn das Grundbuchamt mittels 
Zwiſchenverfügung den Nachweis des Vorliegens von 
Prozeßvorausſetzungen, ſei es allgemeiner, die zugleich 
Vorausſetzungen der Gültigkeit des zu bewährenden 
Geſchäfts (f. m. „Prozeßgang“ S. 8 ff.) find, oder be- 
ſonderer (a. a. O.) anheimſtellt? An anderer Stelle! 
habe ich dargelegt, daß der Grundbuchrichter 
unter gewöhnlichen Umſtänden die Rechts⸗ und Ge⸗ 
ſchäftsfähigkeit des Antragſtellers als allgemeine Vor⸗ 
ausſetzungen des Geſchäfts auf Grund eines Induktions⸗ 
ſchluſſes des Geſetzgebers“) als vorhanden anzunehmen 
hat. Hierin liegt eine Offizialtätigkeit noch nicht, 
ſondern nur eine beſondere Art der prozeſſualen 
Würdigung der Eintragungsgrundlagen. Denn auch 
hier fehlt noch, was oben als Kennzeichen der Offizial⸗ 
tätigkeit feſtgeſtellt wurde, die Initiative des Grund⸗ 
buchamts. Liegen aber ungewöhnliche Umſtände vor, 
d. i. ſind oder werden dem Grundbuchbeamten Um⸗ 
ſtände bekannt, die dem Schluß auf Rechts⸗ oder Ge⸗ 
ſchäftsfähigkeit des Antragſtellers entgegenſtehen, ohne 
doch das Gegenteil zu erweiſen, ſo hat jetzt das 
Grundbuchamt die Rechts⸗ oder Geſchäftsfäbigkeit zum 
Beweiſe zu verſtellen. Und hierin nun liegt allerdings 
eine Offizialtätigkeit des Grundbuchamts. Denn da⸗ 
mit unterzieht ſich das Grundbuchamt einem Forſchen 
nach einem Umſtande, der vom Antragſteller weder 
behauptet war noch auch behauptet zu werden brauchte, 
um den geſtellten Antrag zu rechtfertigen. Dadurch 
hebt ſich dieſe Art der Amtstätigkeit ſcharf von der 
oben geſchilderten Verſtellung der rechtsgeſchäftlichen 
Eintragungsunterlagen zum Beweiſe ab. Und dieſes 
Verlangen des Beweiſes für etwas nicht Behauptetes 
oder zu Behauptendes, dieſes Hinſtellen des dem 
Schluß auf Rechts⸗ und Geſchäftsfähigkeit entgegen⸗ 
ſtehenden Umſtands zur Widerlegung oder Entkräftung 
und ſomit Einführen eines neuen Gegenſtands und 
einer neuen (negativen) Art des Beweiſes im engeren 
Sinne, dies alles enthält allerdings eine Initiative 
des Grundbuchamts in der Beweisbeſchaffung. Frei⸗ 
lich beſchafft es nicht ſelbſt den Beweis, aber es führt 
doch den ihm von außen her bekannt gewordenen 
Gegenumſtand (sit venia verbo!) zum Zwecke ſeiner 
Widerlegung oder Entkräftung in das Verfahren ein, 
wirkt alſo negativ doch zur Herſtellung des Beweis⸗ 
ergebniſſes mit. Hier läßt fih demnach eine Offizial- 
tätigkeit negativer Art feſtſtellen. 

Was nun die beſonderen Prozeßvorausſetzungen 
der örtlichen und ſachlichen Zuſtändigkeit des Grund— 
buchamts anlangt, ſo iſt bei ihnen kein Schluß der 
erwähnten Art möglich. Denn es ſpricht keine generelle 
Erfahrung dafür, daß Antragſteller ihre Anträge an 
das örtlich und ſachlich zuſtändige Grundbuchamt 
richten. Es müſſen demnach die Umſtände, auf denen 
die Zuſtändigkeit beruht, dem Grundbuchamte mit- 
geteilt werden. Dies geſchieht im weſentlichen ſchon 
durch Mitteilung der Eintragungsunterlagen, aus 
denen die Zuſtändigkeit mittels rechtlicher Schluß— 
folgerung zu erſchließen iſt. Auch hier aber kann die 
Sache ſo liegen, daß dem Grundbuchamt ein tatſäch— 


1) PoſM Schr. a. a. O. 

2) Auf einem Schluſſe dieſer Art kann auch die 
zivilrechtliche Rechtsvermutung beruhen, nur daß dabei 
dem Prozeßgegner die Entkräftung des Schluſſes über— 
laſſen wird. 


licher Umſtand bekannt iſt, der die Zuſtändigkeit als 
zweifelhaft — nicht als widerlegt — erſcheinen lößt. 
Alsdann hat es dieſen Umſtand gleichfalls von ſich 
aus dem Antragſteller zur Entkräftung oder Wider⸗ 
legung zu ſtellen. Alſo auch hier eine — negative — 
Offizialtätigkeit des Grundbuchamts. 

Damit dürfte das Gebiet der Offizialpflicht im 
Beweisverfahren im weſentlichen umſchrieben ſein. 
Freilich gibt es noch mannigfache Tätigkeiten des 
Grundbuchamts, die hierher gerechnet werden könnten. 
Allein dieſe entſprechen nicht prozeſſualen Amtspflichten, 
ſondern beruhen auf andern Gründen. So braucht 
z. B. die Wendung, es entſpreche dem nobile officium 
des Grundbuchbeamten, etwas Beſtimmtes zu tun, 
nicht zu beſagen, daß der Grundbuchbeamte kraft 
prozeſſualer Amtspflicht etwas zu tun habe; vielmehr 
kann damit auch geſagt fein folen, daß er kraft feiner 
allgemeinen Stellung, z. B. als Beamter zur Förderung 
des Rechtsverkehrs, gewiſſe Verpflichtungen habe 
(„noblesse oblige“). In dieſem nobile officium 
kann insbeſondere auch die auf Herbeiführung von Er⸗ 
klärungen gerichtete Anordnung liegen (f. m. „Prozeß⸗ 
gang“ S. 19). Solche Tätigkeiten aber ſind keine 
prozeſſual erheblichen Entſcheidungen und entſprechen 
keiner Offizialpflicht des Grundbuchamts in dem oben 
bezeichneten Sinne (f. dazu m. Ausf. in SächſRpfl A. 
1907, 409 ff., 1906, 529 ff.). 

Landrichter du Chesne in Leipzig. 


Ans der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Der Konkursverwalter ift nicht berechtigt, Zubehör⸗ 
ſtücke eines mit Hypstheken belaſteten Grundſtückes des 
Gemeinſchuldners zu veräußern und den Erlös zur 
Maſſe zu ziehen, falls die hg Ale nicht durch die 
Regeln einer ordunngsmäßigen Wirtſchaft geboten if. 
Die Hypothekglänbiger können den Erlös aus der Mafie 
zurückfordern, auch wenn fie der Veränßerung nicht 
widerſprochen haben.) Der Konkursverwalter hat eine 
Anzahl beweglicher Gegenſtände durch einen Auktio⸗ 
nator verſteigern laſſen, die ſich in dem zur Konkurs⸗ 
maſſe gehörigen Hauſe befunden hatten. Die Sachen 
wurden von den Käufern fortgenommen, den Erlös 
zog der Konkursverwalter zur Konkursmaſſe. Auf 
Antrag des Klägers, eines Hypothekengläubigers, iſt 
die Zwangsverwaltung des Grundſtücks angeordnet, 
und ſpäter auf Antrag des Konkursverwalters das 
Grundſtück zur Zwangsverſteigerung gebracht worden. 
In dem Zwangsverſteigerungs verfahren hat der Kläger 
an ſeiner Hypothek einen Verluſt erlitten. Er be⸗ 
hauptet, daß die verkauften beweglichen Sachen Wirt⸗ 
ſchaftsinventar, alſo Zubehör des ihm verpfändeten 
Hauſes, geweſen ſeien. Er klagt gegen den Konkurs⸗ 
verwalter auf Anerkennung ſeines Abſonderungs— 
rechts daran und auf Herauszahlung des Erlöſes an 
ihn. Vor dem Verkauf hatte der Kläger keine Ab— 
ſonderungsrechte gegen den Konkursverwalter geltend 
gemacht. Er wirft dem Konkursverwalter vor, daß 
er es auf Vernichtung des ihm wohlbekannten Ab: 


1) Anm. des Herausgebers. Eine für die Konkursver⸗ 
walter febr wichtige Entſcheidung, auf die wir die Herrn Rechts⸗ 
anwälte beſonders aufmerkſam machen. 


— m u m — mau. m 0 UL M 


ſonderungsrechts abgeſehen habe. Zum Verkauf fei 
der Konkursverwalter nicht berechtigt geweſen, die 
Konkursmaſſe ſei jetzt grundlos bereichert worden. 
Das OLG. wies die Klage ab. Die Reviſion des 
Klägers hatte Erfolg. 

Gründe: Daß die verkauften Gegenſtände Zu— 
behör des Hauſes waren, iſt nicht ſtreitig. Das Land⸗ 
gericht hat den Anſpruch des Klägers auf Herausgabe 
des Erlöſes an ſich als begründet anerkannt, ſoweit 
es ſich um verkauftes Zubehör handelt. Es findet 
wegen des in § 865 Abſ. 2 ZPO. ausgeſprochenen 
Pfändungsverbots eine ungerechtfertigte Bereicherung 
der Konkursmaſſe darin, daß der Konkursverwalter in 
mißbräuchlicher Ausübung des auf ihn übergegangenen 
($ 6 KO.), dem Eigentümer in § 1121 BGB. einge- 
räumten Verfügungsrechts, unter Nichtbeachtung des 
Abſonderungsrechts des Klägers, Grundſtückszubehör 
der Pfandhaftung entzogen und den Erlös der Kon— 
kursmaſſe zugeführt hat. Das OLG. ift zu einem 
entgegengeſetzten Ergebnis gelangt. Es nimmt an, 
daß der Konkursverwalter nicht bloß berechtigt, ſon— 
dern fogar verpflichtet geweſen fei, von dem erwähn— 
ten Verfügungsrecht des Eigentümers zum Beſten der 
Konkursmaſſe Gebrauch zu machen. Die Beſtimmung 
in § 865 Abſ. 2 BPO. hält es nicht für anwendbar, 
weil der Verkauf durch den Konkursverwalter inſoweit 
nicht wie eine Vollſtreckung zu behandeln ſei. Auch 
hätte nach ſeiner Anſicht der Kläger vor der Ver— 
ſilberung des Zubehörs ſein Abſonderungsrecht gel— 
tend machen müſſen, was nicht einmal außergerichtlich 
geſchehen fei. Die Entſcheidung des OLG. ift nicht richtig. 

Da nach § 6 KO. mit der Eröffnung des Konkurſes 
das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Eigen— 
tümers auf den Konkursverwalter übergeht, ſo iſt 
dieſer in der Lage, in Ausübung des dem Eigentümer 
in § 1121 BGB. eingeräumten Rechts die dort bezeich— 
neten Gegenſtände, darunter auch Zubehörſtücke, von 
der Haftung für die Hypothek frei zu machen, ſolange 
ſie noch nicht für den Hypothekengläubiger in Beſchlag 
genommen ſind. Damit iſt aber noch nicht die Frage 
entſchieden, was aus dem Erlöſe wird. Veräußert der 
Eigentümer, ſo fällt natürlich ihm auch der Erlös zu, 
aber der Konkursverwalter iſt nicht Eigentümer, ſon— 
dern hat nur deſſen Verwaltungs- und Verfügungs— 
recht auszuüben und zwar nicht vorwiegend im Intereſſe 
des Eigentümers, ſondern zu den Zwecken des Kon- 
kurs verfahrens, die darauf hinauslaufen, daß die 
Konkursgläubiger zu ihrem Recht kommen. Das Recht 
der Konkursgläubiger beſchränkt ſich aber auf die 
Konkursmaſſe, und es kann darum nicht die Aufgabe 
des Konkursverwalters ſein, dieſe Maſſe auf Koſten 
anderer, beſſer Berechtigter zu vermehren. Daß dies 
geſchähe, wenn der Maſſe Werte zugeführt werden, an 
denen noch Abſonderungsrechte beſtanden, liegt auf 
der Hand. Nun wird wohl geſagt, an den in 8 1121 
BGB. bezeichneten Gegenſtänden beſtehe nur ein be— 
dingtes Abſonderungsrecht, nämlich nur unter der 
Bedingung, daß ſie vom Gläubiger in Beſchlag ge— 
nommen ſeien, bevor der Eigentümer ſie veräußere und 
wegbringe. Das iſt auch inſoweit richtig, als in der 
Tat dem Eigentümer im Intereſſe feiner Wirtſchafts— 
führung, um ihn im wirtſchaftlichen Intereſſenkampfe 
nicht zu febr einzuengen, das Recht verliehen ift, ein- 
zelne dieſer Gegenſtände zu Gelde zu machen und der 
Haftung für die Hypotheken zu entziehen. Aber dabei 
iſt ſchon zu beachten, daß dieſes Recht, ſobald es ſich 
um Zubehör handelt, ſeine Schranke hat in dem Ge— 


bot ordnungsmäßiger Wirtſchaftführung, denn der 


§ 1135 gibt den Hypothekengläubigern das Recht, 
gegen eine dieſem Gebot zuwider erfolgende Ver— 
ſchleuderung von Zubehörſtücken mit einer Klage auf 
Unterlaſſung einzuſchreiten, und in weiterer Folge 
davon können ſie den Eigentümer wegen widerrecht— 
licher Verletzung ihres Hypothekenrechts aus 8 823 
BGB. auf Schadenserſatz in Anſpruch nehmen. 


Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens iſt nun 
aber der wirtſchaftliche Kampf für den Eigentümer zu 
Ende; was nun folgt, dient nur den Zwecken des 
Konkursverfahrens. Daraus ergibt ſich, daß das in 
§ 1121 BGB. dem Eigentümer eingeräumte Ber- 
fügungsrecht in der Hand des Konkursverwalters eine 
andere Bedeutung gewinnt. Wie es ſich mit Beziehung 
auf die übrigen in 8 1121 bezeichneten Gegenſtände 
geſtaltet, ingleichen wie weit das ähnliche Verfügungs⸗ 
recht des Eigentümers über Miet- und Pachtzinſe, ſo⸗ 
wie über Verſicherungsgelder durch den Konkursver— 
walter ausgeübt werden kann, iſt hier nicht zu er⸗ 
örtern. Aber wenn der Konkursverwalter Zubehör- 
ftü de eines Grundſtücks veräußert, nicht etwa in 
ordnungsmäßiger Fortführung der bisherigen Bemirt- 
ſchaftungsweiſe, ſondern nachdem dieſe aufgegeben iſt, 
fo kann das zwar eine für die ordnungsmäßige Verwal⸗ 
tung der Konkursmaſſe nützliche oder gar not= 
wendige Maßregel ſein. Aber im Intereſſe einer 
ordnungsmäßigen Bewirtſchaftung des Grun dſtücks 
liegt ſie dann nicht, iſt darauf auch gar nicht berechnet, 
ſondern ſie ſoll nur dazu dienen und hat jedenfalls 
im vorliegenden Fall nur dazu gedient, die infolge 
Aufgebens der Wirtſchaft überflüſſig gewordenen Zu— 
behörſtücke in Geld umzuſetzen. Damit kann aber die 
Abführung des Erlöſes in die Konkursmaſſe nicht ge— 
rechtfertigt werden, die Konkursmaſſe würde vielmehr 
dadurch Werte empfangen, die nicht ihr zukommen 
ſondern den Abſonderungsberechtigten, um die alſo 
fie rechtlos bereichert werden würde (8 59 Ziff. 3 KO.). 
Es iſt unrichtig, wenn zur Verteidigung der entgegen— 
geſetzten Anſicht der Satz aufgeſtellt wird: der Kon- 
kursverwalter habe nicht bloß nach 8 6 KO. das Recht, 
ſondern nach SS 82, 117 fogar die Pflicht, noch nicht 
in Beſchlag genommene Zubehörſtücke zum Beſten der 
Konkursmaſſe zu verwerten. Die Pflicht des Konkurs— 
verwalters in dieſer Beziehung erſchöpft ſich in einer 
ordnungsmäßigen Verwaltung der Konkursmaſſe, zu 
einer grundloſen Bereicherung der Konkursmaſſe und 
Entwertung oder doch Verſchlechterung der Hypotheken 
durch Wegbringung des Zubehörs hat er aber kein 
Recht und vollends keine Verpflichtung. Auch darf 
nicht eingewandt werden, daß nach § 4 Abſ. 2 KO. 
die abgeſonderte Befriedigung unabhängig vom Kon— 
kursverfahren erfolgt und daß deshalb der Konkurs— 
verwalter die Rechte der Abſonderungsberechtigten 
nicht von Amts wegen zu berückſichtigen hat. Daraus 
folgt nicht, daß der Konkursverwalter dieſe Rechte zu 
verletzen berechtigt wäre und die rechtliche Macht hätte, 
den Abſonderungsberechtigten Werte zu entziehen und 
der Konkursmaſſe zuzuwenden, auf die dieſe kein 
Recht hat. 

Die angefochtene Entſcheidung iſt aber auch des— 
wegen unhaltbar, weil in § 865 Abſ. 2 ZPO. die 
Pfändung von Zubehör für unzuläſſig erklärt wird. 
Der Grund ift, daß der ſchon im öffentlichen Intereſſe 
gebotene wirtſchaftliche Zuſammenhang zwiſchen Grund— 
ſtück und Zubehör aufrecht erhalten werden ſoll. Nun 
iſt zwar die Verwertung durch den Konkursverwalter 
keine Pfändung, aber ſchon in den Urteilen des Se- 
nats vom 13. Oktober und 6. November 1886 (JW. 
1886 S. 414 Z. 3) und vom 12. November 1898 (Entſch. 
Bd. 42 Nr. 22 S. 85 ff.) iſt ausgeführt worden, daß ſie 
materiell einer ſolchen gleich ſteht und in Beziehung 
auf Dritte, denen das Geſetz ein Widerſpruchs- oder 
ein Vorzugsrecht für den Fall einer Zwangsvoll— 
ſtreckung beigelegt hat, wie eine ſolche wirkt. An dieſer 
Auffaſſung iſt feſtzuhalten. Hiernach iſt die rechtliche 
Stellung der Abſonderungsberechtigten zu der durch 
den Konkursverwalter erfolgten Veräußerung von Zu— 
behör — wenn ſie ſich nicht etwa als eine zur ord— 
nungsmäßigen Fortführung der Wirtſchaft gehörige 
Maßregel und als aus dieſem Grunde zuläſſige Ver— 
waltungsmaßregel rechtfertigen läßt, was hier nicht 
der Fall iſt —, ſo zu beurteilen, wie wenn die Ver— 


äußerung im Wege der Zwangsvollſtreckung für per- 
ſönliche Gläubiger ftattgefunden hätte. In dieſem 
Fall ſtände aber dem Abſonderungsgläubiger das 
Recht zu, den Erlös für die Immobiliarmaſſe in An⸗ 
ſpruch zu nehmen oder aus ihr ſeine vorzugsweiſe 
Befriedigung zu verlangen, wie in dem Urteil Bd. 42 
S. 90 dargelegt iſt, alſo den Erlös zu dieſer Maſſe 
zurückzuziehen, da die Gegenſtände ſelbſt durch deren 
Veräußerung und Entfernung vom Grundſtück aus der 
Pfandhaftung ausgeſchieden ſind und damit das Recht 
auf ihre Zurückbringung zur Immobiliarmaſſe erloſchen 
iſt. Nun lag freilich in den erſterwähnten beiden Fällen 
die Sache ſo, daß der Hypothekengläubiger wenigſtens 
außergerichtlich der Veräußerung durch den Konkurs- 
verwalter widerſprochen hatte, und es wurde ausge— 
führt, daß dies genüge, um ihm das Vorzugsrecht auf 
den Erlös zu erhalten, während unentſchieden gelaſſen 
wurde, ob dies auch der Fall ſein würde, wenn kein 
Widerſpruch erhoben wäre. Allein dies erklärt ſich 
aus der Vorſchrift in $ 206 des damals maßgebenden 
preußiſchen Zwangsvollſtreckungsgeſetzes vom 13. Juli 
1883, wonach die Zwangsvollſtreckung in bewegliche 
Gegenſtände, die zur Immobiliarmaſſe gehören, frei— 
gegeben und dem Realberechtigten nur das Recht ein⸗ 
geräumt war, dagegen Widerſpruch zu erheben. Das 
ift nun aber inzwiſchen durch den $ 865 ZPO. geän⸗ 
dert worden, der in Abſ. 2 die Pfändung von Zu— 
behör ausſchließt. Daß der Hypothekengläubiger nicht 
etwa auf den Weg der Beſchwerde gegen die verbotene 
Pfändung beſchränkt ift (8 766 ZPO.), ſondern ſich 
ihrer mit der Widerſpruchsklage aus 8 371 BPO. er- 
wehren könnte — die bis zum Schluß der Zwangs— 
vollſtreckung, alſo bis zur Auskehrung des Erlöſes an 
den pfändenden Gläubiger möglich iſt —, das iſt be— 
reits in dem Urteil des erkennenden Senats in den 
Entſch. Bd. 55 Nr. 49 S. 209 ausgeführt worden. Aber 
angeſichts dieſes nunmehrigen Pfändungsverbots kann 
die Zuläſſigkeit der Widerſpruchsklage nicht mehr von 
der vorherigen Erhebung eines Widerſpruchs gegen 
die Pfändung abhängig ſein. Die Unterlaſſung eines 
Widerſpruchs würde die Pfändung nicht gültig machen, 
ſeine Erhebung wäre ſomit eine leere Formalität. 
Das Gleiche muß dann aber auch gegenüber der Ver— 
äußerung von Zubehör durch den Konkursverwalter 
gelten, zumal da das Verlangen eines Widerſpruchs 
hier obendrein die unerwünſchte Folge haben würde, 
daß ein Wettlauf zwiſchen dem Abſonderungsberech— 
tigten und dem Konkursverwalter um das Zuvor— 
kommen entſtände und von deſſen Ausfall, häufig alſo 
vom Zufall, die Entſcheidung abhinge. Aus dieſen 
Gründen iſt der Anſpruch des Klägers auf Heraus— 
gabe des Erlöſes aus dem Zubehör, der zu Unrecht 
an die Konkursmaſſe abgeführt worden iſt, berechtigt. 
Der vom Beklagten hervorgehobene Umſtand, daß in— 
zwiſchen ein Teil des Erlöſes, den er auf 1387.83 M 
beziffert, an bevorrechtigte Konkursgläubiger ausbe— 
zahlt worden iſt, iſt unerheblich. Selbſt wenn die 
Behauptung dahin zu verſtehen wäre, daß die Aus— 
zahlung mit den aus dem Verkauf des Zubehörs her— 
rührenden Geldſtücken bewirkt ſei, würde dadurch eine 
fortdauernde Bereicherung der Konkursmaſſe durch den 
Erlös nicht beſeitigt worden ſein, da nicht behauptet 
worden iſt, daß der Maſſe keine Mittel zur Verfügung 
ſtänden oder noch zufließen würden, aus denen dieſe 
Verwendung fremder Gelder wieder gedeckt werden 
könnte. (Urt. des V. 35. vom 22. Juni 1908, V 627,07). 

1390 


— — -= n. 


II. 


Die Aufforderung zur Herſtellung der ehelichen 
Gemeinſchaft im Sinne des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 BSD. 
kann nicht in einer Klage auf Herſtellung der Gemein⸗ 
ſchaft gefunden werden, die mit einer Scheidungeklage 
nur vorſorglich verbunden wurde. Die Parteien ſind 
ſeit dem 26. März 1904 verheiratet. Am 16. September 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


1904 verließ die Beklagte den Kläger, ſeitdem leben 
ſie getrennt. Mit der im Januar 1905 erhobenen 
Klage begehrte der Kläger in erſter Linie Scheidung 
der Ehe auf Grund des § 1568 BGB., vorſorglich 
verlangte er Herſtellung der häuslichen Gemeinſchaft. 
Die Beklagte beantragte Klagabweiſung. Das Land— 
gericht hielt die Scheidungsklage nicht für gerecht⸗ 
fertigt, gab jedoch dem Eventualantrage des Klägers 
ſtatt. Die Beklagte legte Berufung ein. Sie wieder⸗ 
holte zunächſt den Antrag auf Klagabweiſung und 
ſtellte ſodann in der Verhandlung vom 5. Februar 
1907 den weiteren Antrag, die Ehe aus Verſchulden 
des Klägers auf die von ihr erhobene Widerklage zu 
ſcheiden. Das OLG. änderte die Entſcheidung des 
Landgerichts. Der Beklagten wurden vier Eide über 
Verfehlungen des Klägers auferlegt. Für den Fall 
der Leiſtung der Eide wird unter Abweiſung der 
Klage die Ehe auf die Widerklage aus Verſchulden 
des Klägers geſchieden. Für den Fall der Ver⸗ 
weigerung der Eide wird unter Abweiſung der auf 
Scheidung gerichteten Klage und der Widerklage die 
Beklagte verurteilt, die häusliche Gemeinſchaft mit 
a Kläger herzuſtellen. Die Reviſion hatte keinen 
rfolg. 

Gründe: Das OLG. hat mit Bezug auf die in 
2. Inſtanz am 5. Februar 1907 erhobene Widerklage 
ausgeführt, die ſechsmonatige Friſt des § 1571 BGB. 
fei gewahrt, weil die Parteien nur vom 26. März 
bis 16. September 1904 zuſammengelebt hätten, von 
letzterem Tage an aber die häusliche Gemeinſchaft auj- 
gehoben geweſen ſei. Die Reviſion rügt Verletzung 
der § 1571 und 1572 BGB. Sie meint, daß die für 
die Widerklage ſelbſtändig zu berechnende Friſt von 
ſechs Monaten zur Zeit der Erhebung der Widerflage 
deshalb längſt abgelaufen geweſen ſei, weil in dem 
auf Herſtellung der häuslichen Gemeinſchaft gerichteten 
Eventualantrage der bereits im Januar 1905 erhobenen 
Klage des Ehemanns die die Friſt in Lauf ſetzende 
Aufforderung des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 enthalten 
geweſen ſei. Die Angriffe konnten keinen Erfolg 
haben. Allerdings kann ſich die eine Widerklage auf 
Scheidung erhebende Partei nicht darauf berufen, daß 
die von ihr hinſichtlich ihrer Widerklage zu wahrende 
Friſt zur Zeit der Erhebung der Scheidungsklage des 
Klägers noch nicht abgelaufen geweſen fei. Das Ox. 
hat ſich hierauf zur Darlegung der rechtzeitigen Er— 
hebung der Widerklage nicht bezogen, ſomit auch nicht 
gegen § 1572 verſtoßen. Dagegen ift das OLG., das 
auf die feit dem 16. September 1904 beſtehende Auf: 
hebung der häuslichen Gemeinſchaft der Parteien hin- 
wies, davon ausgegangen, daß die Vorausſetzungen 


des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 nicht gegeben feien. Dieſe 
Annahme iſt rechtlich nicht zu beanſtanden. Nach dem 


der bezeichneten Vorſchrift zugrunde liegenden Ge— 
danken ſollte bei wirklichem oder vermeintlichem Vor- 
liegen eines Scheidungsgrundes dem gekränkten Ehe⸗ 
gatten die Möglichkeit gewährt werden, fih tatſächl ich 
von dem anderen Ehegatten zu trennen, ohne hier- 
durch ſein Scheidungsrecht zu verlieren. Andererſeits 
ſollte aber auch dem verlaſſenen Ehegatten, dem der 
durch die tatſächliche Trennung geſchaffene Zuſtand 
unerträglich erſchien, die Möglichkeit gewährt werden, 
eine endgültige Entſcheidung herbeizuführen. Zu 
dieſem Zwecke geſtattet das Geſetz dem verlaſſenen 
Ehegatten, den anderen Ehegatten aufzufordern, ent— 
weder die häusliche Gemeinſchaft wieder herzuſtellen 
oder die Scheidungsklage zu erheben, und zwar mit 
der Wirkung, daß die zu wahrende Klagfriſt von dem 
Empfange der Aufforderung an läuft. An die Beob- 
achtung einer beſonderen Form iſt die Aufforderung 
nicht gebunden, ſie muß aber dem Wortlaut und 
Zweck der geſetzlichen Vorſchrift entſprechend nach 
ihrem Inhalt und ihrer ſonſtigen Beſchaffenheit unzwei⸗ 
deutig erkennen laſſen, daß der aufgeforderte Ehegatte 
nunmehr vor die Wahl geſtellt wird, zurückzukehren 


oder Scheidungsklage zu erheben. Die Frage, ob 
eine den geſetzlichen Anforderungen genügende Kund— 
gebung unter Umſtänden in der Erhebung der Klage 
auf Herſtellung der häuslichen Gemeinſchaft gefunden 
werden kann, mag dahin geſtellt bleiben. (Vgl. einer- 
ſeits Planck BGB. § 1571 N. 2 c, andererſeits 
Staudinger $ 1571 N. 3 d). Keinenfalls kann die 
Erhebung einer Scheidungsklage, mit der nur vor— 
ſorglich die Klage auf Herſtellung der häuslichen Ge— 
meinſchaft verbunden iſt, den geſetzlichen Anforderungen 
des S 1571 Abſ. 2 Satz 2 genügen. In einem ſolchen 
Falle gibt der klagende Ehegatte dem anderen Gatten 
kund, es komme ihm hauptſächlich und in erſter Linie 
darauf an, eine Scheidung der Ehe wegen der dem 
anderen Ehegatten zugeſchriebenen Verfehlungen zu 
erreichen, nur für den Fall, daß die behaupteten 
Scheidungsgründe keine Anerkennung ſeitens des 
Gerichts finden ſollten, begehrt er Herſtellung der 
häuslichen Gemeinſchaft. Der in dieſer Weiſe vor⸗ 
gehende Ehegatte gibt dem anderen Gatten nicht zu 
erkennen, daß er ihn vor die Wahl ſtelle, zurück- 
zukehren oder ſeinerſeits innerhalb der ſechsmonatigen 
Friſt Scheidungsklage zu erheben. (Urt. d. IV. 38. 
vom 7. Mai 1908, IV 497/07). — — — n. 
1362 


B. Strafſachen. 


Kann ein „Inzipient“ einer Gemeindekanzlei in 
Bayern zur Ausſtellung von Invalidenverſicherungs⸗ 
karten zuftäudig fein? Aus den Gründen: Nach 
§ 10 der Bayer. VO. vom 14. Dezember 1899, den 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. N 


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401 


Nr. 20. 


regiſter des Amtsgerichts M. wurde die von dem Kauf⸗ 
mann Carl F. in M. angemeldete Firma ‚Inſtitut 
R. R. Carl F.“ eingetragen. Gegenſtand ift die leber- 
laſſung mit Fahrrädern ausgerüſteter Leute zu vorüber- 
gehenden Dienſtleiſtungen gegen Vergütung; die Be⸗ 
ſtellungen werden in den Geſchäftsräumen des Unter- 
nehmens entgegengenommen. Im Mai 1908 meldete 
Carl F. die Aenderung ſeiner Firma in: „Dienſt⸗ 
mann⸗Inſtitut R. R. Carl F.“ zur Eintragung an. 
Das Regiſtergericht gab der Polizeidirektion M. Kennt- 
nis. Dieſe erklärte, die Verhältniſſe der Dienſtmänner 
feien ausſchließlich durch die auf Grund des § 37 GewO. 
und des Art. 152 P StGB. erlaſſenen ortsp. Vorſchr. 
vom 10. April 1896 geregelt, die beſtehenden Dienſt⸗ 
manninſtitute ſeien Vereinigungen ſelbſtändiger Dienſt— 
männer, zum Betrieb einer Dienſtmänneranſtalt ſei 
Genehmigung der Polizeidirektion erforderlich, es ſei 
nicht zuläſſig, daß ein Unternehmen, das nicht nach 
den ortspolizeilichen Vorſchriften zugelaſſen und ein- 
gerichtet ſei, ſich als Dienſtmanninſtitut bezeichne. Das 
Regiſtergericht hat der Vorſtellung der Polizeidirektion 
keine Folge gegeben und die geänderte Firma einge— 
tragen. Die Polizeidirektion regte hierauf die Löſchung 
der Firmenänderung nach § 142 FGG. an und erſuchte 
das Regiſtergericht, im Falle der Ablehnung die Akten 
dem LG. zum Verfahren nach $ 143 vorzulegen. Das 
Regiſtergericht lehnte die Einleitung des Löſchungs— 
verfahrens ab; auch das LG. M., Kammer für Handels— 
ſachen, hat beſchloſſen, der Anregung der Polizeidirektion 
keine Folge zu geben. Das Oberſte LG. hat die Be- 


ſchwerde als unzuläſſig verworfen. 


Vollzug des Invalid Sgeſetzes 13. i 
, e ee ee ee ee dns e e Bal 
das Oberſte LG. zu entſcheiden, das in § 143 Abſ. 2 


1899 betr. (GVBl. S. 1008), erfolgt die Ausſtellung 
der Quittungskarten (§ 134 Inv.) in Bayern „durch 
die Gemeindebehörde“. Weder die obenerwähnte VO., 
noch die dazu ergangene Bek. des Staatsminiſteriums 
des Innern vom 27. Dezember 1899 mit der beige- 
fügten „Anweiſung“ (M ABl. 1899 S. 757) enthält 
eine Vorſchrift darüber, daß die Ausſtellung nur durch 
ſolche Gemeindebeamte oder Bedienſtete erfolgen dürfe, 
bei denen beſtimmte beſondere Vorausſetzungen ge— 
geben wären. Da auch aus den Beſtimmungen der 
Gemeindeordnung derartiges nicht zu entnehmen iſt, 
muß angenommen werden, daß mit der Ausſtellung 
der Quittungskarten in Vertretung der Gemeinde— 
behörde jede im Dienſte der Gemeinde angeſtellte 
Perſon betraut werden kann. Im vorliegenden Falle 
iſt der Inzipient K. eigens zum Zwecke der Ausſtellung 
der Quittungskarten im Dienſte der Landgemeinde 
Sch angeſtellt und vom Bürgermeiſter mit dieſer Auf: 
gabe betraut worden (Art. 129 Abſ. 4, 132, 145 Abſ. 1 
Gem.). Er ift als ein in Vertretung der Gemeinde 
handelnder Beamter anzuſehen (8 359 StGB.) und in 
dieſer Eigenſchaft auch berufen, die mit der Aus— 
ſtellung von Quittungskarten verbundenen Beurkun— 
dungen mit öffentlichem Glauben zu bewirken. Die 
Zuſtändigkeit des Inzipienten K. zur Ausſtellung der 
Quittungskarten war in dieſem Sinne gegeben. (Urt. 
des I. StS. vom 30. April 1908, 1 D 231,08). 
1394 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 


Bedarf der Gebrauch des Firmenzuſatzes „Dienſt⸗ 
manu-Inſtitut“ polizeilicher Genehmigung (HGB. 8 18 
Abſ. 2, GewO. 8 37, PStchB. Art. 152)? Beſchwerde⸗ 
recht der Polizeibehörde und Beſchwerdegericht (in Bayern) 
im Falle des 8 143 Abſ. 2 JOG. (SS 20, 199 FGG., 
Art. 167 Ziff. XII AG. z. BGB.). In das Handels⸗ 


— ̃ — a an 
— — — 


Gründe: Gegen den Beſchluß des LG., durch 
welchen die Einleitung des Verfahrens nach § 143 FGG. 
abgelehnt wird, findet nach 8 19 Abi. 1 FGG. die 


mit § 199 Abſ. 2 JGG. und Art. 167 Ziff. XII AG. 
z. BGB. zur Entſcheidung in den Fällen der ſofortigen 
Beſchwerde ausdrücklich berufen und damit für das 
Verfahren nach § 143 FGG. allgemein als Beſchwerde— 
gericht bezeichnet iſt. Das Rechtsmittel iſt jedoch nicht 
zuläſſig, weil der beſchwerdeführenden Behörde ein 
Beſchwerderecht nach § 20 FGG. nicht zuſteht. Ein 
allgemeines Recht zur Mitwirkung bei der Berichtigung 
des Handelsregiſters iſt den Behörden der inneren 
Verwaltung nicht eingeräumt. Die Vorausſetzungen 
für die Anwendung der Art. 20 bis 22 PStGGB., nach 
denen die Polizeibehörde befugt iſt, gegen ſtrafbare 
Handlungen vorläufig einzuſchreiten und zum Vollzuge 
von Geſetzen oder Verordnungen, deren Uebertretung 
nicht mit Strafe bedroht iſt, an beſtimmte Perſonen 
Anordnungen zu erlaſſen und, wenn nötig, die Folge— 
leiſtung zu erzwingen, liegen nicht vor. Denn die 
beſtehenden Geſetze und Verordnungen machen die 
Bezeichnung einer Perſon als Dienſtmann oder eines 
gewerblichen Unternehmens als Dienſtmanninſtitut 
von der Erfüllung beſonderer Bedingungen oder von 
einer behördlichen Bewilligung nicht abhängig und 
enthalten kein Verbot des Gebrauchs dieſer Bezeich— 
nungen durch hierzu nicht beſonders ermächtigte Per— 
ſonen. Die Befugnis der Polizeidirektion zur Er— 
laſſung eines ſolchen Verbots folgt auch nicht aus 
8 37 GewO. und Art. 152 P StGB., nach welchen das 
Gewerbe der Perſonen, die ihre Dienſte auf öffentlichen 
Straßen oder Plätzen anbieten, der Regelung der 
Ortspolizeibehörde unterliegt. Die Polizeibehörde 
kann auf Grund dieſer Vorſchriften den hierunter 
fallenden Perſonen den Gebrauch einer beſtimmten 
Bezeichnung ihrer gewerblichen Tätigkeit vorſchreiben; 
allein ihr Anordnungsrecht iſt auf den Kreis der in 
den erwähnten Vorſchriften bezeichneten Gewerbe— 
treibenden beſchränkt; ſie kann nur an dieſe Befehle 
erlaſſen und kann insbeſondere anderen Perſonen nicht 
verbieten, ſich der von ihr für die Straßengewerbe 
vorgeſchriebenen Bezeichnungen zu bedienen. Die Er- 


402 


— — — — — —— 


wägung, daß durch ein ſolches Verbot der Zweck der 
polizeilichen Regelung vielleicht verläſſiger und volle 
ſtändiger erreicht würde, kann hieran nichts ändern. 
Die ortspolizeilichen Vorſchriften vom 10. April 1896 
betr. die Dienſtmännerordnung (Münchener Amtsbl. 
S. 301) enthalten dieſes Verbot nicht; es würde der 
Wirkſamkeit entbehren, gleichwie auf Grund der Bor- 
ſchriften der GewO. und des PStGB. dem Publikum 
nicht verboten werden könnte, die Dienſte anzunehmen, 
die auf öffentlichen Straßen oder Plätzen entgegen den 
polizeilichen Vorſchriften angeboten werden. Ein der 
Beſchwerdeführerin zuſtehendes Recht ift daher durch 
die Eintragung der Firmenänderung in das Handels- 
regiſter nicht beeinträchtigt. (Beſchluß des Je 5s. 
vom 22. Juli 1908, Reg. III, 66/1908). 
1379 


B. Strafſachen. 


Zur Banorduung. Wann liegt eine bauliche Anlage 
in einem Dorfe vor? Feſtſetzung der Baulinie; Wirkung 
dieſer Feſtſetzung; fortdauernde Wirkung des Beſchluſſes; 
Fehlen des Bauplaues; Wirkung des Umſtandes, da 
eine Mauer zum Teile im See um Teile außerhal 
des Dorfes errichtet wird. F. A. beſitzt in dem Dorfe 
H. ein Anweſen an der von Norden nach Süden laufen⸗ 
den Hauptſtraße, an das fih in öſtlicher Richtung 3u- 
nächſt der Hausgarten anſchließt. Von dieſem durch 
eine 120 m lange und 1m hohe Stützmauer getrennt 
und Um tiefer gelegen als jener, liegt ein Weinberg, 
der vom Hausgarten durch eine fünfſtufige Treppe 
von 2m Breite für Fußgänger, nicht aber für Fuhr⸗ 
werke zugänglich iſt und bei einer mittleren Länge 
von etwa 240 m und einer mittleren Breite von etwa 
100 m eine Fläche von etwa 11 Morgen umfaßt. Der 
Weinberg grenzt nördlich an den von der Hauptſtraße 
zum Friedhof abzweigenden fog. Friedhofweg von 
durchſchnittlich 6 m Breite und an einen ſich vom 
Friedhof in öſtlicher Richtung fortſetzenden Pfad von 
etwa 1 m Breite und öſtlich an den fog. Lettenpfad 
von 1.27 — 1,90 m Breite. Um den Weinberg ließ A. 
durch den Mitangeklagten H. vom Ende Juli bis An⸗ 
fangs Dezember 1906 auf der öſtlichen und nördlichen 
Seite eine durchſchnittlich 2,50 m hohe maſſive Stein- 
mauer aufführen. Der Bau, der ohne vorherige Feſt⸗ 
ſetzung der Baulinie ausgeführt wurde, wurde polizei- 
lich eingeſtellt. Das LG. nahm an, daß feine der 
Vorausſetzungen des §S 1 der BauO. gegeben fei. Auf 
die Reviſion des Staatsanwaltes wurde das Urteil 
aufgehoben. 

Aus den Gründen: 1. Nach 8 1 der Baud. 
hat die Baulinie einzuhalten, wer an beſtehenden oder 
neu anzulegenden öffentlichen . . .. Wegen in zuſammen— 
hängend gebauten Dörfern ein Gebäude oder eine bau— 
liche Anlage der im § 8 bezeichneten Art neu auf- 
führen oder an der Umfaſſung beſtehender Gebäude 
oder baulichen Anlagen gegen die Straßenſeite eine 
Hauptreparatur oder Hauptänderung vornehmen will; 
iſt eine Baulinie noch nicht gegeben, oder ſoll von der 
gegebenen abgewichen werden, ſo iſt vor allem die 
Baulinie feſtzuſetzen und es darf vorher eine Bau— 
führung nicht vorgenommen werden. (Es folgt die 
Feſtſtellung, daß H. ein zuſammenhängend gebautes 
Dorf iſt, ſowie daß der Friedhofweg und der Letten— 
weg „öffentliche Wege“ i. S. des $ 1 der Baud. find). 

2. Zunächſt iſt erheblich, ob die errichtete Mauer 
an einem öffentlichen Weg in dem zuſammenhängend 
gebauten Dorfe H. errichtet iſt. Der Senat geht bei 
der Würdigung der Frage, ob eine bauliche Anlage 
in einem zuſammenhängend gebauten Dorf oder in 
der Flurmarkung des Dorfes errichtet iſt, von den 
Erwägungen aus, die in der Entſcheidung vom 28. Mai 
1906 (Samml. Bd. VII S. 25) ausgeſprochen worden 
ſind. Nach ihnen iſt eine bauliche Anlage in dem 


Dorfe errichtet, wenn ſie zu den ſchon vorhandenen 
Beſtandteilen der Ortſchaft in das Verhältnis des 
Zuſammenhanges der Bebauung tritt und demzufolge 
als ein Teil der Ortſchaft erſcheint; das ſog. Aus⸗ 
dehnungsgebiet der Ortſchaft, das nach menſchlicher 
Vorausſicht in einer nicht zu fernen Zukunft durch die 
zu erwartende Bautätigkeit der Ortſchaft angeſchloſſen 
wird, kommt nicht in Betracht. Demnach kann die 
Frage, ob eine bauliche Anlage in einer Ortſchaft 
errichtet iſt, in der Regel nur nach den Verhältniſſen 
des Falles entſchieden werden. Sie wird in der Regel 
bejaht werden müſſen, wenn es ſich um eine Bau- 
führung in einem Teile der Ortsmarkung und des 
Gemeindebezirkes handelt, für den eine Baulinie ſchon 
feſtgeſetzt iſt, zumal eine Baulinie für ein Gebiet, das 
[19 unmittelbar an den Kern der beſtehen⸗ 

en Ortsanlage anſchließt (vgl. 8 3 Baub.). 
Die Baupolizeibehörde pflegt die Frage der Feſtſetzung 
einer Baulinie erſt beim Vorhandenſein eines hin⸗ 
reichenden Bedürfniſſes zu erwägen, insbeſondere, wenn 
ſichere Anhaltspunkte dafür beſtehen, daß die bauliche 
Entwickelung des zuſammenhängend gebauten Dorfes 
in naher Zeit über den beſtehenden Kern der bisherigen 
Ortsanlage hinausdrängt, wenn es mithin gilt, das 
künftige Bebauungs- und Beſiedelungsgebiet nach be- 
ſtimmten Grenzen und Richtungen abzuſtecken und 
namentlich ſeine Verbindung mit der beſtehenden Orts⸗ 
anlage herzuſtellen und zu ſichern. Iſt von der Bau- 
polizeibehörde unter Einhaltung des vorgeſchriebenen 
Verfahrens die Baulinie feſtgeſetzt worden, ſo wird 
das Gebiet, für das die Baulinie in Frage kommt, 
als in den Zuſammenhang mit der beſtehenden Bau— 
an eingezogen anzuſehen fein. 

Im Jahre 1883 wurde von der Kreisregierung 
für eine neue Straße von der Kirche bis 
zum Friedhof in H. die Baulinie feſtgeſetzt. Es 
iſt nicht zu verkennen, daß ſich dieſe Baulinie auf ein 
Gebiet bezieht, das an die beſtehende zuſam men⸗ 
hängende Bauanlage unmittelbar anſchließt; ſie 
bezieht ſich auch auf ein Gebiet, in dem die Bauführung 
erfolgte, die den Gegenſtand des Strafverfahrens bildet. 
Dafür fehlen die Anhaltspunkte, daß von der zuſtän⸗ 
digen Behörde der dieſe Baulinie feſtſetzende Beſchluß 
ausdrücklich wieder aufgehoben wurde. Geſchah dieſes 
nicht, ſo dauert die durch den Beſchluß geſchaffene 
Rechtslage fort und ift nach Maßgabe des § 1 zu 
beachten. Der Beſchluß ift nicht deshalb außer Wirf- 
ſamkeit getreten, weil der „Alignementplan in der 
Zwiſchenzeit zu Verluſt gegangen ift”. Der Plan diente 
zur Erläuterung des Inhaltes des Beſchluſſes, es iſt 
nicht unmöglich, daß der Inhalt durch andere Beweis— 
mittel, als den Plan, feſtgeſtellt wird. Daher iſt die 
Anſchauung des LG. irrig, daß wegen des Fehlens 
des Planes „eine Baulinie nicht beſtehe“. 

4. Hiernach durfte das LG. bei der Würdigung 
der Frage, ob die am Friedhofwege errichtete Mauer 
zu der ſchon beſtehenden Ortsanlage des Dorſes H. 
in das Verhältnis des Zuſammenhanges getreten ſei, 
die Tatſache des Beſtehens einer Baulinie für eine 
neue Straße von der Kirche bis zum Friedhof nicht 
unberückſichtigt laffen. Das Gericht mußte zur er⸗ 
ſchöpfenden Erörterung der Frage, ob die Mauer als 
„in dem Dorf“ errichtet anzuſehen fei, mit den ihm 
zugänglichen Beweismitteln die Gründe für die Feſt— 
ſetzung der Baulinie, den Inhalt und die Tragweite 
des die Baulinie beſtimmenden Beſchluſſes feſtſtellen; 
es mußte ferner erwägen, ob nicht die vor ein paar 
Jahren erfolgte Verbreiterung eines Teiles des Fried— 
hofweges — ſie erfolgte von der Abzweig ung 
des Weges aus der Hauptſtraße an bis zum 
Friedhof auf eine Strecke von 186 m — ſich ungefähr 
an die Richtung hielt, die der feſtgeſetzten Baulinie 
nahe kommt, und ob nicht in dieſer Verbreiterung 
ein Anhaltspunkt für die Annahme zu finden iſt, daß 
der Kern des Bebauungsgebietes eine Ausdehnung und 


Verbindung mindeſtens ſoweit genommen hat, als die 
Verbreiterung reicht. 

5. Wird die zur Entſcheidung ſtehende Frage nach 
den angedeuteten Geſichtspunkten und unter Berück⸗ 
ſichtigung der übrigen örtlichen Verhältniſſe gewürdigt, 
ſo iſt es nicht undenkbar, daß ſie zu dem Ergebniſſe 
führt, es ſei der Teil der „am Wege zum Friedhof“ 
errichteten Mauer als „im Dorfe“, der andere Teil 
als außerhalb des Dorfes, in der Flurmarkung ers 
richtet, anzuſehen. Dieſe Verſchiedenheit der tatſäch— 
lichen Auffaſſung könnte auch zu verſchiedenen recht— 
lichen Folgerungen führen. Soweit nämlich die 
Errichtung der Mauer „in das Verhältnis des Zu— 
ſammenhanges“ der Bebauung tritt, unterliegt die 
Bauführung den Beſchränkungen des Eigentums, die 
ſich mit Rückſicht auf die Pflicht zur Einhaltung der 
Baulinie ergeben, ſoweit jenes nicht der Fall iſt, iſt 
die Bauführung den Beſchränkungen nicht unterworfen. 
Der Zuläſſigkeit der verſchiedenen rechtlichen Beurtei— 
lung ſteht nicht entgegen, daß die Mauer als Ganzes 
einem wirtſchaftlichen Zwecke zu dienen beſtimmt iſt; 
die Baufreiheit iſt nur den durch die Bauordnung zu— 
gelaſſenen Schranken unterworfen. Die hier ange— 
deutete Verſchiedenheit der rechtlichen Behandlung kann 
insbeſondere auch von Bedeutung werden für die „Bes 
ſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes?, da dieſer 
Zuſtand genau zu bezeichnen iſt. (Urt. vom 13. Juni 
1908, Rev. Reg. Nr. 2201908). H. 

1367 


Oberlandesgericht Bamberg. 


Beweislaſt im Falle des § 30 Ziff. 2 KO. Zahlungs: 
einſtellung durch Flucht des Gemeinſchuldners. Die 
Klage ſtützt ſich auf § 30 Ziff. 2 und 35 KO. Nach 
erſterer Vorſchrift ſind u. a. für anfechtbar erklärt die 
nach Zahlungseinſtellung oder in den letzten 10 Tagen 
vor dem Eröffnungsantrag erfolgten Rechtshandlungen, 
welche einem Konkursgläubiger eine Sicherung gez 
währen, die er nicht zu beanſpruchen hatte, ſofern er 
nicht beweiſt, daß ihm zur Zeit der Handlung weder 
die Zahlungseinſtellung noch eine Abſicht des Gemein— 
ſchuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu be— 
günſtigen, bekannt war. Solche Rechtshandlungen 
ſind nicht nur die vom Gemeinſchuldner vorgenom— 
menen, auch die ohne oder wider feinen Willen ers 
wirkte Vollſtreckung unterliegt gemäß 8 35 KO. der 
Anfechtung. Das Geſetz läßt hier die Anfechtung in 
zwei Fällen zu, nämlich wenn der Vorgang erfolgt 
iſt entweder nach Zahlungseinſtellung, oder in den 
letzten zehn Tagen vor dem Eröffnungsantrag. Hier 
find die Vorausſetzungen beider Fälle ganz oder teil- 
weiſe behauptet. Das Vorhandenſein einer Deckung 
ohne Anſpruch hierauf i. S. des § 30 Ziff. 2 KO. ift 
unbeſtritten. 

a) Gründet der Konkursverwalter ſeine Anfechtung 
nur auf die Behauptung der Vornahme einer anfecht⸗— 
baren Rechtshandlung in den letzten zehn Tagen vor 
dem Eröffnungsantrag, ſo hat er nur zu beweiſen, 
daß der Eröffnungsantrag in einem beſtimmten Beit- 
punkt geſtellt wurde und daß die angefochtene Rechts— 
handlung in den kritiſchen Zeitraum fällt. Beides iſt 
hier unbeſtritten. Der Anfechtungsgegner dagegen 
muß behaupten und beweiſen, daß er eine Begünſtigungs— 
abſicht des Gemeinſchuldners zur Zeit der Handlung 
nicht gekannt habe. Dies muß er auch dann, wenn 
der anfechtende Konkursverwalter das Vorliegen einer 
Begünſtigungsabſicht gar nicht behauptet, weil ſie bis 
zum Beweis des Gegenteils geſetzlich vermutet wird. 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


a a UA LE ́⁴ —— —¹— — — —— mn D—w— — 9 — BON 


Die Vorſchrift des § 30 Ziff. 2 KO. beruht zwar außer 


auf dem Verdacht der Kenntnis der kritiſchen Tatſache 


auch auf dem Verdacht der Begünſtigungsabſicht und 


403 


ihrer Kenntnis; aber die Begünſtigungsabſicht des 
Gemeinſchuldners und deren Kenntnis ſind nicht als 
klagebegründende Tatſachen geſetzt, ſondern ihr Mangel 
bildet vielmehr den Gegenſtand einer rechts ver⸗ 
neinenden Einwendung (RG. in LZ. Bd. 1 
S. 602). 

b) Wird die Vornahme einer Rechtshandlung nach 
der Zahlungseinſtellung behauptet, ſo hat der Kläger 
den objektiven Tatbeſtand zu beweiſen, nämlich, daß 
an einem beſtimmten Zeitpunkt die Zahlungseinſtellung 
erfolgte und daß der Beklagte nach dieſem Zeitpunkt 
eine Rechtshandlung vorgenommen hat. Iſt dem 
Kläger dieſer Beweis gelungen, ſo iſt es Sache des 
Anfechtungsgegners, durch den zweifachen Nachweis 
ſeiner Unkenntnis der Zahlungseinſtellung und der 
Begünſtigungsabſicht des Gemeinſchuldners die An— 
fechtbarkeit feiner Rechtshandlung auszuſchließen. Hier 
iſt der Nachweis der Unkenntnis der Zahlungsein— 
ſtellung nicht erbracht. Es iſt unbeſtritten, daß der 
Gemeinſchuldner am 2. Januar 1906 nach Unterſchla— 
gung von 18000 M und Hinterlaſſung einer großen 
Zahl ungedeckter Schulden ins Ausland flüchtete; 
ferner, daß der Beklagte am 9. Januar 1906 auf 
Grund eines dinglichen Arreſtes bewegliche Gegen— 
ſtände pfänden ließ. Beſtritten iſt dagegen, ob die 
Flucht des Gemeinſchuldners eine Zahlungseinſtellung 
im Sinne des 8 30 Ziff. 2 KO. war. Zahlungsein— 
ſtellung iſt die ausdrückliche oder ſtillſchweigende Er— 
klärung eines Gemeinſchuldners an ſeine Gläubiger 
dahin, daß er wegen eines vorausſichtlich dauernden 
Mangels an Zahlungsmitteln ſeine ſofort zu erfüllen— 
den Geldſchulden im weſentlichen nicht mehr erfüllen 
könne. Dieſe Erklärung kann der Schuldner auch durch 
ſchlüſſige Handlungen abgeben; als ſolche muß auch die 
Flucht ins Ausland angeſehen werden. Allerdings 
ſteht nicht jede Flucht ins Ausland einer Zahlungs— 
einſtellung gleich. Wenn z. B. jemand die Flucht er⸗ 
greift, um ſich einer ihm wegen ſchwerer Körperver— 
letzung drohenden Strafe zu entziehen, ſo wird man 
nicht ohne weiteres annehmen können, daß er damit 
auch den Willen zum Ausdruck gebracht hat, ſeine 
Zahlungen einzuſtellen. Aber ganz anders liegt der 
Fall, wenn der Schuldner wie hier wegen Unter⸗ 
ſchlagungen flüchtig geht. Der Defraudant iſt jeder- 
zeit verpflichtet, die unterſchlagenen Gelder zurückzu- 
geben und wenn er ſich dieſer Verpflichtung durch die 
Flucht entzieht, ſo erklärt er damit ſtillſchweigend, daß 
er dieſe ſofort fällige Verpflichtung nicht mehr erfüllen 
könne und wolle. (Urt. des I. ZS. vom 29. Februar 
1908, BR. 286/07). 

13837 Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


Literatur. 


Entwurf einer Strafprezeßordunng und Novelle zum Gre- 
richtsverfaſſungsgeſetze nebſt Begründung. Mit der amt⸗ 
lichen Ausgabe übereinſtimmender Abdruck. Berlin 
1908, Verlag von Otto Liebmann. Geh. Mk. 2.— 


Wir werden auf den Entwurf, der hier in eleganter 
Ausſtattung den deutſchen Juriſten zur Kenntnis ge⸗ 
bracht wird, vorausſichtlich noch öfters zurückkommen. 
Die meiſten Angriffe werden ſich wohl gegen die ge— 
plante Organiſation der Berufungsſenate richten, 
während gegen die vorgeſchlagenen Detail-Reformen 
im Prozeßgang grundſätzliche Bedenken wohl nicht 
erhoben werden können. von der Pfordten. 


404 


Notizen. 


Die vorlänfige Eutlaſſung von Strafgefangenen. 
Die bisher in Bayern geltenden Vollzugsvorſchriften 
zu den 88 23-26 des StGB. haben durch die Be- 
kanntmachung vom 14. September 1908 (JM Bl. S. 183) 
eine einſchneidende Umgeſtaltung erfahren. Das gilt 
vor allem für die Berechnung der Strafzeit, die nach 
8 23 des StGB. verbüßt fein muß. Bisher konnte 
der Gefangene nur dann vorläufig entlaſſen werden, 
wenn er ſeit dem Zeitpunkt ſeiner Einlieferung in die 
Strafanſtalt , mindeſtens aber 1 Jahr der im Urteil 
ausgeſprochenen Strafe verbüßt hatte; ob auf dieſe 
eine Unterſuchungshaft anzurechnen war, blieb bei 
Berechnung der ¼ außer Betracht. Nach 8 4 Ziff. 4 
der Bekanntmachung, die ſich mit dieſer Vorſchrift an 
die in anderen Bundesſtaaten beſtehende Praxis an⸗ 
ſchließt, gilt als auferlegte Strafe im Sinne des 8 23 
nur die Strafe, die der Verurteilte in der Strafanſtalt 
zuzubringen hat. Iſt auf die Strafe eine Unterſuchungs⸗ 
haft anzurechnen, ſei es auf Grund ausdrücklicher Be⸗ 
ſtimmung im Urteil gemäß $ 60 des StGB. oder 
gemäß § 482 der StPO., fo wird dieſe von der im 
Urteil ausgeſprochenen Strafe abgezogen und erft aus 
der ſich hiernach berechnenden Strafzeit werden die 
% bemeſſen. Ein Beiſpiel möge den Unterſchied 
zwiſchen den beiden Berechnungen erläutern. Ein 
längere Zeit in Unterſuchungshaft befindlicher An- 
geflagter wird zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt; 

Monate werden angerechnet. Das Urteil wurde 
rechtskräftig am 7. Mai 1906 nachmittags 2 Uhr; die 
Einlieferung in die Straſanſtalt erfolgte am 24. Auguſt 
1906 nachmittags 5 Uhr; das Strafende fällt auf den 
7. November 1909 nachmittags 2 Uhr. Bisher konnte 
dieſer Gefangene vorläufig entlaſſen werden, wenn er 
feit dem 24. Auguft 1906 ¼ der gegen ihn aus- 
geſprochenen 4 jährigen Zuchthausſtrafe, alſo 3 Jahre, 
verbüßt hatte, ſohin am 24. Auguſt 1909. Nach der 
Bekanntmachung vom 4. September 1908 dagegen 
werden die ¼ berechnet aus der Zeit vom 24. Auguſt 
1906 nachmittags 5 Uhr bis zum 7. November 1909 
nachmittags 2 Uhr, das ſind 3 Jahre 2 Monate 
13 Tage und 21 Stunden. ½ hiervon find 2 Jahre 
4 Monate 25 Tage und 9 Stunden. Sie find verz 
büßt am 19. Januar 1909 vormittags 2¼ Uhr. An 
dieſem Tage kann der Gefangene vorläufig entlaſſen 
werden. Er gewinnt alſo gegenüber der früheren 
Berechnungsweiſe über 7 Monate. 


Darüber, wie es bei der Vollſtreckung mehrerer 
ſelbſtändiger Strafen mit der vorläufigen Entlaſſung 
zu halten ſei, beſtanden bisher Vorſchriften nicht. Die 
Bekanntmachung regelt dieſe Frage in folgender 
Weiſe. Liegen hinſichtlich der erſten Strafe die Vor— 
ausſetzungen der vorläufigen Entlaſſung vor, ſo kann 
dieſe ſofort erfolgen, wenn dem Verurteilten in An— 
ſehung der zweiten Strafe eine Bewährungsfriſt be- 
willigt wird. Wird eine Bewährungsfriſt nicht be— 
willigt, muß alſo die Vollſtreckung der zweiten Strafe 
eingeleitet werden, ſo kann die vorläufige Entlaſſung 
zunächſt nicht erfolgen; es wird vielmehr die Voll: 
ſtreckung der erſten Strafe von dem Zeitpunkte an 
unterbrochen, in dem der Gefangene vorläufig ent— 
laffen werden könnte, ſodann die zweite Strafe voll- 
ſtreckt und erſt nach deren Verbüßung die vorläufige 
Entlaſſung hinſichtlich der erſten Strafe bewilligt. 
Liegen auch hinſichtlich der zur Vollſtreckung ge— 
langenden zweiten Strafe die Vorausſetzungen der 
vorläufigen Entlaſſung vor, ſo wird dieſe bewilligt, 
der Ablauf der Strafzeit (8 26 StGB.) abgewartet 
und alsdann auch in Anſehung der erſten Straſe, 
deren Vollſtreckung unterbrochen war, die vorläufige 
Entlaſſung bewilligt. 


— me 


Eigentum von J. Schwei ger ® erlag (Arthur Sellier) in München. 


nach Anhörung der Beamtenkonferenz 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 


Alle Geſuche um vorläufige Entlaſſung werden 
nunmehr vom Juſtizminiſterium verbeſchieden. Tie 
Befugnis der Strafanſtaltsvorſtände, ſolche Geſuche 
abzuweiſen. 
wenn ſie ihnen zur Befürwortung nicht geeignet er⸗ 
ſchienen, iſt aufgehoben. 

Während die früheren Vorſchriften als Voraus- 
ſetzung für die Bewilligung der vorläufigen Entlaſſung 
noch die gründliche und nachhaltige Beſſerung des Ge⸗ 
fangenen aufſtellten, iſt von dieſem Erfordernis nunmehr 
abgeſehen. Die Beamtenkonferenzen der Strafanſtalten 
werden ſich alſo mit prophetiſchen Weisſagungen über 
das künftige Verhalten des 8 A nicht mehr ab⸗ 
zugeben haben. Auch den früheren Beſtrafungen wird 
nicht mehr dasſelbe Gewicht beigelegt wie bisher. Za- 
gegen ift gute Führung eine weſentliche Vorausſetzung. 
Bei völlig tadellofer Führung können unter beſonderen 
Umſtänden ſogar Verbrecher vorläufig entlaſſen werden, 
die ſchon ſchwer beſtraft und der Landespolizeibehörde 
überwieſen worden find. Beſonderer Wert wird darauf 
gelegt, daß der Gefangene nach der Entlaſſung fein 
Fortkommen und Gelegenheit zu redlichem Erwerb 
findet. Die Strafanſtaltsvorſtände haben mit allem 
Nachdruck auf die Erfüllung dieſer Vorausſetzung hin⸗ 
zuwirken, beſonders dann, wenn kriminal- oder ſozial⸗ 
politiſche Gründe dafür ſprechen, daß der Gefangene 
wieder in die Freiheit übergeführt wird. 

Die polizeilichen Maßnahmen zur Ueberwachung 
ſind auf das Mindeſtmaß beſchränkt, die Mitwirkung der 
Ortspolizeibehörden iſt ausgeſchaltet. Der Entlaſſene 
unterſteht der Schutzaufſicht der Diſtriktspolizeibehörde, 
in München der Polizeidirektion; eine polizeiliche Leber- 
wachung unterbleibt überhaupt, wenn es gelungen iſt, 
einen Fürſorger zu gewinnen. 

Die Geringfügigkeit des Strafreſts ſteht der vor- 
läufigen Entlaſſung nicht entgegen. Mit der Gewohn— 
heit, fie nur dann zu bewilligen, wenn der Strafreſt 
mindeſtens 3 Monate betrug, hat das Juſtizminiſterium 
ſchon ſeit längerer Zeit gebrochen. 

1396 


Aenderung der Dienſtvorſchriften für die Notare 
und die Gerichtsvollzieher. Das Geſetz über die Er⸗ 
leichterung des Wechſelproteſies vom 30. Mai 1908 
(dieſe Zeitſchr. S. 295) und das Geſetz über die Scheck⸗ 
proteſte vom 18. Juni 1908 (dieſe Zeitſchr. S. 323) 
gaben den Anlaß zu einer Reihe von Aenderungen 
und Ergänzungen der in den Dienſtvorſchriften für 
die Notariate und die Gerichtsvollzieher enthaltenen 
Anweiſungen über die formelle Behandlung der Proteſt— 
erhebung (Bekanntmachung vom 15. September d. 38., 
JM Bl. S. 199). Daneben bringt die Bekanntmachung 
aber auch ſonſtige Aenderungen der Geſchäftsanweiſung 
für die Gerichtsvollzieher. Wichtig iſt folgendes: Nach 
8 208 Abſ. 2 der Anweiſung iſt eine Geldſtrafe, die 
gegen den Schuldner im Zwangsvollſtreckungs verfahren 
zur Erzwingung einer Handlung feſtgeſetzt ift (S 888 
Abſ. 1 ZPO.), vom 1. Oktober 1908 an — der Ein: 
gang der Bekanntmachung enthält bei der Beſtimmung 
des Anfangstermins einen offenſichtlichen Druckfehler — 
nicht mehr auf Grund eines vom Prozeßgericht er⸗ 
teilten ſchriftlichen Auftrags, ſondern im Auftrage 
des Gläubigers zu vollſtrecken. Die Vollſtreckung der 
auf Grund des 8 890 Abſ. 1 ZPO. ausgeſprochenen 
Geldſtrafe foll dagegen wie früher von dem ſchrift⸗ 
lichen Auftrage des Prozeßgerichts abhängig ſein. 
Damit hat ſich die Juſtizverwaltung in der über die 
Auslegung des § 888 Abſ. 1 entſtandenen Streitfrage 
der Anſicht des Reichsgerichts angeſchloſſen (E. in Z8. 
Bd. 53 S. 181). 

1397 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing. 


Ar. 21. 


München, den 1. November 1908. 


4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Nechtapflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat, verw. im K. Baner. 
Staatsminiſterium der Juſtiz. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Zum Grundſtücks begriff. 


Von Amtsrichter Dr. Wilhelm Kriener in Würzburg. 


Der oberſtrichterlichen Entſcheidung vom 
24. Juli 1907, abgedruckt im dritten Jahrgang 
Seite 351 dieſer Zeitſchrift, liegt folgender Tat- 
en zugrunde: 

R. beſtellt unter bisherigem Liegenſchaftsrecht 
mit notarieller Urkunde auf einem Teil ſeiner 
Pl.⸗Nr. 198 eine Dienſtbarkeit und beantragt 
deren Eintragung in das Hypothekenbuch. 


Die Entſcheidung ſührt aus: 


1. Die Beſtellung einer Dienſtbarkeit auf dem 
Teile eines Grundſtücks iſt nach gemeinem Rechte 
nicht zuläſſig. 

2. Aus dem Teile eines Grundſtücks kann aber 
ein neues Grundſtück durch bloße Willenserklärung 
des Berechtigten gebildet werden; hierzu genügt 
auch ſtillſchweigende Willenserklärung; eine ſolche 
liegt z. B. in der Beſtellung einer Dienſtbarkeit 
auf dem bisherigen Teile eines Grundſtücks und 
dem damit kundgegebenen Willen, über dieſen 
Teil wie über ein ſelbſtſtändiges Grundſtück zu 
verfügen; amtliche Feſtſtellung. Eintragung in 
öffentliche Verzeichniſſe und Beobachtung einer 
beſtimmten Form (mit anderen Worten: geometriſche 
Vermeſſung und Bildung einer eigenen Plan— 
nummer) iſt zur Schaffung eines ſolchen neuen 
Grundſtücks nicht erforderlich. 

3. Die Dienſtbarkeit und mit ihr das durch 
ihre Beſtellung neu geſchaffene Grundſtück kann 
aber ohne weiteres in das Hypotheken- und zus 
künftige Grundbuch nicht eingetragen werden; denn 
dort beſteht das neue Grundſtück vorerſt noch 
nicht als ſolches, ſondern nur als ein Teil der 
Pl.⸗Nr. 198; die trotzdem vorgenommene Ein— 
ſchreibung könnte als die Bekundung eines nach 
dem Geſetze unmöglichen Rechtszuſtandes angeſehen 
werden und würde für jeden Fall in ſich wider— 


ſpruchsvoll fein; die endgültige Einſchreibung ift 


daher unzuläſſig, ſolange nicht die Trennung der 
beiden Grundſtücksteile im Hypothekenbuch er: 
ſichtlich iſt. 


in Bayern 


Verlag von 


J. Schweitzer Verlag 
(Arthur Zellier) 
in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


. 
Nachdruck verboten. 


Dies iſt aber nur durch geometriſche Ver⸗ 
meſſung und Bildung einer eigenen Plannummer 
möglich. 

Nach Ziff. 2 iſt alſo durch Beſtellung einer 
Dienſtbarkeit auf einem Teile der Pl.⸗Nr. 198 
ein neues Grundſtück entſtanden; zu ſeiner Ent⸗ 
ſtehung bedurfte es der Bezeichnung mit eigener 
Plannummer nicht. 


Nach Ziff. 3 beſteht aber noch kein der Ein⸗ 
tragung ins Hypothekenbuch fähiges Grundſtück; 
zu ſeiner Eintragung bedarf es der Bezeichnung 
mit eigener Plannummer. 


Es gibt demnach zwei Arten von Grundſtücken: 
Solche mit und ſolche ohne Plannummern⸗ 
bezeichnung. 

Nur erſtere, nicht aber letztere ſollen der Ein⸗ 
tragung in das Hypothekenbuch fähig ſein. 

Dieſer Satz iſt um ſo bedeutungsvoller, als im 
ſogenannten Anmeldungsverfahren eine ſehr große 
Zahl von Dienſtbarkeiten und zwar beſonders von 
ſolchen, die nur einen Teil von Plannummern 
belaſten, in das Hypothekenbuch ohne vorherige 
Vermeſſung eingetragen wurden und noch ein— 
getragen werden. Nach dem obigen Satze aber 
wären dieſe Eintragungen unzuläſſig; denn mit 
dem Beſtehen dieſer Dienſtbarkeiten an Teilen von 
Plannummern wären ſelbſtändige Grundſtücke 
entſtanden, Dienſtbarkeit und Grundſtück könnten 

| aber in das Hypothekenbuch erſt eingetragen werden. 
nachdem dieſes mit eigener Plannummer verſehen 
worden iſt. 

Ob die Behauptung, daß nur mit eigener 
Plannummer bezeichnete Grundſtücke ſich zum 
Eintrag ins Hypotheken- und zukünftige Grund— 
buch eignen, unter allen Umſtänden richtig iſt, 
ſoll im folgenden unterſucht werden. 


l. 


Grundſtücke find nicht wie andere körperliche 
Sachen etwas von vornherein beſtehendes, nach 
Umfang und Inhalt durch ſich ſelbſt beſtimmtes; 


ſondern nur die ungeteilte Erdoberfläche. 


406 


Erft dadurch, daß der Grund und Boden 
durch Ziehen von Linien — die teils dem 
natürlichen Laufe von Bächen, Gräben folgten, 
teils durch Herſtellung von Rainen, Zäunen, 
Mauern kenntlich gemacht, teils durch abſtands⸗ 
weiſes Setzen von Steinen, Einrammen von 
Pfählen u. a. lediglich angedeutet wurden — in 
einzelne Stücke geteilt und dieſe hierdurch gegen⸗ 
hen abgegrenzt wurden, wurden Grundſtücke ge- 
chaffen 

Anlaß zu dieſer Abgrenzung gab die Sonder⸗ 
herrſchaft der einzelnen Menſchen an Grund und 
Boden, das Eigentum; der Begriff des Grund: 
ſtücks iſt mithin jünger, als der des Eigentums. 

Flächenausſchnitt und Eigentum wären dem⸗ 
nach die einzigen Merkmale des Grundſtücks⸗ 
begriffes, Grundſtück wäre alſo jede durch Linien 
abgegrenzte Grundfläche, die dem nämlichen Eigen⸗ 
tumsrechte unterworfen iſt. 

Zweifellos war dies auch der urſprüngliche 
Grundſtücksbegriff. Für das gemeine Recht ſteht 
aber dieſem Begriff der Satz entgegen: Ein 
Grundſtücksteil kann mit einer Dienſtbarkeit nicht 
belaſtet werden. 

Denn da andererſeits feſtſteht, daß reale Teile 
einer im Sondereigentum ſtehenden Fläche mit 
Dienſtbarkeiten belaſtet werden können (man denke 
nur an eine gewaltig große Fläche, von der ein 
ganz ſchmaler Streifen, und zwar nur dieſer, mit 
einem Fahrtrecht belaſtet iſt, in welchem Fall doch 
gewiß nicht behauptet werden kann, die Dienſtbar⸗ 
keit erſtrecke ſich auf die ganze Fläche, nur die 
Ausübung ſei auf die Teilfläche beſchränkt), ſo iſt 
die Schlußfolgerung unabweislich, daß in einem 
ſolchen Falle eben nicht ein, ſondern zwei Grund— 
ſtücke vorhanden ſind, die zwar beide dem näm⸗ 
lichen Eigentumsrechte unterworfen ſind, die aber 
verſchiedenartig mit Dienſtbarkeiten belaſtet ſind. 
Hiernach iſt aber unter Grundſtück des gemeinen 
Rechtes eine durch Linien begrenzte Grundfläche 
zu verſtehen, die mit allen ihren Teilen gleichartig 
nicht nur dem nämlichen Eigentum unterſteht, 
ſondern auch den nämlichen Dienſtbarkeiten unter⸗ 
worfen iſt, ſoweit ſolche vorhanden ſind. Ein 
neues Grundſtück entſteht demnach nicht allein, wenn 
an Teilflächen Sondereigentum, ſondern ſchon dann, 
wenn an ſolchen lediglich eine Dienſtbarkeit be⸗ 
gründet wird. 


2. 


Einen vom gemeinrechtlichen verſchiedenen Grund- 
ſtücksbegriff ſchuf die Grundſteuergeſetzgebung zu An— 
fang des vorigen Jahrhunderts. Maßgebend für 
die Beſteuerung des Grund und Bodens war ledig— 
lich das Eigentum an den einzelnen Grundflächen, 
deren Größe und deren hier nicht weiter in Be— 
tracht kommende Ertragsfähigkeit; ganze oder teil— 
weiſe Belaſtung mit Dienſtbarkeiten hatte auf die 
Beſteuerung keinerlei Einfluß und wurde daher 
nicht berückſichtigt. 


Zur Feſtſetzung der Steuer- 


— ae S nn a e e e nn ae 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


ſchuldigkeit wurden die Grenzlinien der einzelnen 
im Sondereigentum ſtehenden Flächen im Maß⸗ 
ſtabe von 1 bis 5000 auf den ſog. Flurplan über⸗ 
tragen und die Größen dieſer Flächen berechnet. 
Zur Ermöglichung der Steuereinhebung wurden 
die auf den Flurplan übertragenen Eigentums⸗ 
objekte einzeln nummeriert und die Plannummern 
mit Angabe der Eigentümer und der Flächengröße 
in den Grundſteuerkataſter aufgenommen.; 


Hiernach verſtand die Steuerbehörde unter 
Grundſtück eine lediglich den naͤmlichen Eigentums⸗ 
verhältniſſen unterliegende, mit eigener Plannummer 
bezeichnete Fläche. Abgeſehen von dem Erfordernis 
der Vermeſſung und Plannummerbezeichnung iſt 
alfo dieſer mit dem urſprünglichen Grundſtücks⸗ 
begriff identiſch. 

Hiermit beſtanden nunmehr zwei Arten von 
Grundſtücken: 


1. Grundſtücke im materiellen Sinn: die den 
nämlichen Eigentums⸗ und Dienſtbarkeitsrechten 
unterliegenden Flachen; 

2. Grundſtücke im ſteuertechniſchen, formellen 
Sinn: die lediglich den naͤmlichen Eigentumsrechten 
unterliegenden, mit eigener Plannummer bezeich⸗ 
neten Flächen, auch ſchlechtweg Plannummern ge⸗ 
nannt. 

Iſt letzteres nicht oder in gleicher Weiſe mit 
Dienſtbarkeiten belaſtet, ſo iſt es mit erſterem 
ſeinem Inhalt und Umfang nach identiſch, die 
Grenzlinien beider Grundftüde find die gleichen; 
weiſt es dagegen verſchiedenartige Dienſtbarkeits⸗ 
belaſtung auf, ſo beſteht es inhaltlich ſtets aus einer 
Summe von Grundſtücken im materiellen Sinn. 


3. 


Beide Grundſtücksarten unterſcheiden ſich ferner 
dadurch, daß die Aenderung ihrer Grenzlinien und 
hiemit die Bildung neuer und die Veränderung 
beſtehender Grundſtücke in ganz verſchiedener Weiſe 
ſtattfindet. Beim materiellen Grundſtück konnten 
Grenzänderungen durch bloße Willenserklärung des 
Berechtigten ohne jegliche Form erfolgen; nicht 
aber beim formellen Grundſtück. Dieſes kam 
urſprünglich nur als Steuerobjekt in Betracht; 
mit der Aenderung ſeiner Eigentumsgrenzen ver⸗ 
ſchob ſich aber auch ſeine Flächengröße und damit 
auch ſeine Steuerbelaſtung; um aber dieſe ermitteln 
zu können, bedurfte es in jedem Falle der Neu⸗ 
vermeſſung der abgetretenen Teilfläche und der 
Berichtigung in Flurplan und Kataſter; bei Ver⸗ 
änderung und Neubildung von formellen Grund— 
ſtücken war daher ſtets Vermeſſung der Grenzlinien 
erforderlich und vorgeſchrieben. 

Gerade dieſer Umſtand aber war für das gegen⸗ 
ſeitige Verhältnis der beiden Grundſtücksarten von 
ausſchlaggebender Bedeutung. Denn um den Steuer— 
behörden die Evidenthaltung der Kataſter zu er- 
möglichen, wurde jetzt angeordnet, daß man ſich bei 
allen Eigentums abtretungen zur Bezeichnung 


der Rechtsobjekte lediglich mehr der Plannummern 
bedienen durfte; dies hatte aber bei Abtretung 
von Teilflächen die Verpflichtung zur jedesmaligen 
Vermeſſung zur Folge; ſoweit daher nunmehr 
Grundflächen als Eigentumsobjekte in Frage 
kamen, wurde der Begriff des materiellen Grund- 
ſtücks von nun an von jenem des formellen Grund— 
ſtücks vollſtändig verdrängt; im übrigen aller⸗ 
dings beſtand erſterer in gleicher Weiſe wie bisher 
fort. Jetzt aber verſtand man unter dieſem nur 
mehr eine Fläche, welche, innerhalb einer Plan- 
nummer gelegen, geſondert mit einer Dienſt⸗ 
barkeit belaſtet war; für diefe Grundſtücke ſchrieb 
weder die Steuergeſetzgebung die Bildung einer 
eigenen Plannummer vor, noch war dies durch das 
bisherige Recht veranlaßt. 

Die Folge war, daß auch in der Folgezeit 
ſolche materielle Grundſtücke durch Beſtellung 
von Dienſtbarkeiten entſtehen konnten, und zwar 
ohne Vermeſſung, durch bloßen Parteiwillen; zur 
näheren Bezeichnung des Umfangs der Dienſtbarkeit 
und damit des Umfangs des materiellen Grund- 
ſtücks diente lediglich die möglichſt genaue Pe- 
ſchreibung ſeiner Lage innerhalb der Plannummer. 


4. 

Wir ſehen daher die in der Entſcheidung ge⸗ 
ſchilderte Rechtslage: durch die Beſtellung der 
Dienſtbarkeit auf einem Teile der Pl.⸗Nr. 198 war 
zwar ein neues Grundſtück gebildet, nicht aber eine 
neue Plannummer. 

Erſt mit der Anlegung des Grundbuchs ergab 
fih teils die Zweckmäßigkeit, teils die Notwendig: 
keit, nach bisherigem Rechte entſtandene Dienſt— 
barkeiten in das Hypothekenbuch und zukünftige 
Grundbuch einzutragen, und, falls ſich die Dienſt— 
barkeit nur auf einen Teil der Plannummer er— 
ſtreckt, das materielle Grundſtück zu buchen. Iſt 
nun in dieſen Fällen die Bildung einer eigenen 
Plannummer notwendig? Das bisherige Recht gibt 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


auf dieje Frage keine Antwort; auch in den Ueber: 


leitungsvorſchriften iſt ſie nicht berührt worden; 
vielleicht läßt ſich aus dem Grundbuchrecht des 
BGB. eine Weiſung dafür entnehmen, wie dieſe 
Fälle zu behandeln ſind. 


407 


ſich dieſer a m noch ausdrücklich aus 88 1018 
und 1090 BG 

Lediglich — einer aus dem Spezialitäts⸗ 
prinzip ſich ergebenden, im Geſetz aber gar nicht 
ausdrücklich erwähnten Ordnungsvorſchrift ſollen 
die einzelnen Grundſtücke gleichartigen Eigentums⸗ 
rechten unterliegen; daß aber eine ſolche Ordnung- 
vorſchrift bezüglich der Dienſtbarkeiten im Prinzip 
nicht beſteht, beſtimmt ausdrücklich 8 6 Satz 2 
der GBO. | 

Grundſtück des BGB. iſt alſo eine mit 
eigener Plannummer bezeichnete Fläche, die dem 
nämlichen Eigentumsrechte unterliegen ſoll. Der 
Begriff des bisherigen Grundſtücks im formellen 
Sinn (Plannummer) genügt aber demnach für 
den Grundſtücksbegriff des BGB. vollſtändig; 
mit dem Eintritte der Geltung des neuen Liegen⸗ 
ſchaftsrechtes ſind daher auch die Plannummern 
des bisherigen Rechtes zu Grundſtücken des Grund⸗ 
buchrechtes geworden. Dieſes kennt aber nur 
einen einheitlichen Grundſtücksbegriff; mit dem 
nämlichen Moment haben die bisherigen Grund— 
ſtücke im materiellen Sinne aufgehört zu exiſtieren, 
fie find zu bloßen Grundſtücksteilen geworden. 

Eben wegen des nur mehr kurzen Beſtehens 
dieſer materiellen Grundſtücke wird es bei Ein- 
tragung von Dienſtbarkeiten an Teilen von Plan: 
nummern der umſtändlichen Vermeſſung und 
Bildung eigener Plannummern nicht mehr be— 
dürfen; denn iſt dies nach neuem Recht nicht 
mehr nötig, ſo iſt nicht einzuſehen, warum dies 
für die kurze Lebenszeit des alten Rechtes, das 
ſich dem neuen jetzt ſchon nach Möglichkeit an⸗ 
ſchmiegen ſoll, erforderlich ſein ſoll. 

Demnach find aber Dienſtbarkeiten ohne Ber: 
meſſung und Bildung einer eigenen Plannummer, 
ſind alſo auch materielle Grundſtücke der Ein⸗ 
tragung in das Hypothekenbuch fähig. 


Das nene bayeriſche Beamtenrecht. 


| 

Von Jofeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. 
| (Fortfegung.) 

| Die Folgen der Verletzung von Pflichten der Beamten 


Das neue Liegenſchaftsrecht verſteht unter 
Grundſtück lediglich eine Fläche, die in einem 
amtlichen Verzeichnis unter einer Nummer oder 


einem Buchſtaben aufgeführt ift (S 2 GBO.); 
an und für ſich iſt weder erforderlich, daß dieſe 
Fläche gleichartigem Eigentum, noch weniger, daß 
ſie den nämlichen Dienſtbarkeiten unterliegt; Eigen⸗ 
tum ſowohl als Dienſtbarkeiten ſind nach BGB. 
auch an Teilen von Grundſtücken möglich; dies 
ergibt ſich ſchon allgemein aus $ 93 BGB.; 
denn hiernach können nur weſentliche Beſtand⸗ 
teile einer Sache nicht Gegenſtand beſonderer 


können rein vermögensrechtliche, dienſtſtrafrechtliche 
und ſtrafrechtliche ſein. Mit den ſtrafrechtlichen 
Folgen hat ſich dieſe Darſtellung nicht zu befaſſen; 
es ſei nur erwähnt, daß die Verurteilung wegen 
kriminell ſtrafbarer Pflichtverletzungen den Verluſt 
des Amtes zur Folge haben kann (SS 358, 319, 


31, 33, 35 StGB.). 


Was die rein vermögensrechtlichen 
Folgen betrifft, ſo ſcheidet die Haftung des Beamten 


Rechte ſein; die einzelnen Flächenabſchnitte eines fur den a Verletzung feiner Amtspflicht einem 


Grundſtücks bilden aber nicht weſentliche Beſtand— 
teile; im beſonderen für die Dienſtbarkeiten ergibt 


Dritten zugefügten Schaden wegen ihres privat— 
rechtlichen Charakters aus der Darſtellung des 


408 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


Beamtenrechts aus; dagegen ift der Anſpruch des ſchließt fie im Erſatzzuweiſungsverfahren!) 


Staates auf Erſatz des Schadens, der dem Staate 
durch die Verletzung der Amtspflicht zugegangen 
ift, öffentlich⸗rechtlicher Natur und ſomit die Re: 
gelung der Erſatzanſprüche Gegenſtand des Beamten— 
dienſtrechts. Die Frage der Erſatzpflicht des Be⸗ 
amten iſt von um ſo größerer Bedeutung, als der 
Staat für den von dem Beamten einem Dritten 
zugefügten Schaden teils neben dem Beamten 
($ 89 BGB.), teils an Stelle des Beamten haftet 
($ 12 der GBO.; § 77 des EG. z. BGB. mit 
Art. 60 und 61 des AG. z. BGB.). 


Die Erſatzpflicht des Beamten für den vom 
Staate gedeckten, vom Beamten bei Ausübung 
der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt einem 
Dritten zugefügten Schaden iſt durch Art. 60 
ADİ. 4 des AG. z. BGB. ſchon ſeither geſetzlich 
feſtgelegt geweſen; für andere Haftungsfälle fehlte 
es an einer allgemein gültigen Vorſchrift, es war 
jedoch in Theorie und Praxis das Beſtehen der 
Erſatzpflicht des Beamten für dem Staate ſchuld— 
ſchaft verurſachte Schäden unbeſtritten; ſtrittig 
war nur, ob auf die Erſatzpflicht die Beſtimmungen 
über den privatrechtlichen Dienſtvertrag analoge 
Anwendung finden, oder jene über unerlaubte 
Handlungen Platz greifen ſollten. 


Art. 13 des BG. erklärt nun den Beamten 
für den Schaden haftbar, den er durch vorſätzliche 
oder fahrläſſige Verletzung feiner Amtspflicht dem 
Staate verurſacht, ohne Unterſchied, ob der 
Schaden vom Beamten bei Ausübung der öffent: 
lichen Gewalt oder bei Beſorgung wirtſchaftlicher 
Angelegenheiten des Staates letzterem unmittelbar 
oder mittelbar zugefügt wird. Das Geſetz erklärt 
für die Schadenshaftung die für unerlaubte Hand— 
lungen geltenden Beſtimmungen der 85 827, 830, 
840 Abſ. 1, 852 Abſ. 2 und 853 des BGB. 
über Befreiung von der Haftung, Haftung mehrerer 
Beſchädiger, über die Pflicht zur Herausgabe 
einer Bereicherung nach Vollendung der Verjährung 
und über das Recht des Verletzten, gegenüber 
einer durch unerlaubte Handlung erlangten 
Forderung die Erfüllung auch nach Verjährung 
des Anſpruchs auf Aufhebung der Forderung zu 
verweigern, für entſprechend anwendbar. 


Der Erſatzanſpruch des Staates verjährt in 
drei Jahren von dem Zeitpunkt der ſeitens einer 
zur Geltendmachung des Anſpruchs zuſtändigen 
Behörde erlangten Kenntnis vom Schaden und 
der Perſon des Erſatzpflichtigen, im Falle der 
Erſatzleiſtung des Staates an den geſchaͤdigten 
Dritten vom Zeitpunkte der dem Beſchädigten 
gegenüber erfolgten Anerkennung oder rechts— 
kräftigen Feſtſtellung der Erſatzpflicht des Staates 
an, ſpäteſtens aber in 30 Jahren von Begehung 
der ſchaͤdigenden Handlung an. Ob die Haftung 
des Beamten in Anſpruch genommen werden ſoll, 
iſt dem Ermeſſen der zuſtändigen Behörde über— 
laſſen; will dieje ihn haftbar machen, jo be: 


. 


| 


(Art. 179, 180), daß der Beamte für den Schaden 
haftbar iſt und in welcher Höhe er dem Staate 
Erſatz zu leiſten hat. Gegen den Beſchluß ſteht 
dem Beamten die Beſchwerde im Inſtanzenzuge 
offen; die zweiwöchige Beſchwerdefriſt läuft vom 
Tage der Eröffnung des Beſchluſſes. Der Be⸗ 
ſchluß wird mit Ablauf der Beſchwerdeſriſt oder 
der Eröffnung der Entſcheidung der letzten Inſtanz 
nach Maßgabe der Vorſchriften der Art. 6 und 7 
des AG. z. ZPO. und KO. vollſtreckbar, kann 
aber bei Gefahr auf Verzug ſchon früher, jedoch 
unter Geſtattung der Abwendbarkeit der Voll⸗ 
ſtreckung durch Sicherheitsleiſtung oder Hinter⸗ 
legung, für vorläufig vollſtreckbar erklärt werden. 

Die Feſtſtellung der Erſatzpflicht des Beamten 
im Erſatzzuweiſungsverfahren iſt aber nur eine vor⸗ 
läufige; dem Beamten ſteht gegen den vollſtreck⸗ 
baren Beſchluß ſowohl hinſichtlich der Erſatzver⸗ 
bindlichkeit als auch hinſichtlich der ziffermäßigen 
Schadensfeſtſetzung die Beſchreitung des Rechts⸗ 
weges binnen einer vom Tage des Eintritts der 
Vollſtreckbarkeit laufenden einjährigen Ausſchluß⸗ 
friſt offen, ohne daß die vorherige Betretung des 
Adminiſtrativweges nach Art. 2 des AG. z. ZPO. 
und KO. geboten wäre. Eine Beſchränkung des 
richterlichen Nachprüfungsrechts ergibt ſich aber 
für die Fälle, in denen die Erſatzpflicht für einen 
vom Staate gedeckten, vom Beamten in Ausübung 
der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt einem 
Dritten verurſachten Schaden in Frage ſteht, daraus. 
daß die Nachprüfung der vor Inanſpruchnahme 
des Staates ſeitens des Dritten vom Verwaltungs⸗ 
gerichtshof zu treffenden Vorentſcheidung den Ge⸗ 
richten entzogen ift (Art. 7 des BGG. in der 
Faſſung des Art. 165 des AG. z. BGB.). 

Das B iſt nicht bloß 
gegen aktive, ſondern auch gegen im Ruheſtand 
befindliche und entlaſſene Beamte wegen der in 
der Aktivität geſtifteten Schäden zuläſſig. 

Auch die richterlichen Beamten haften dem 
Staate für den durch Pflichtverletzung zugefügten 
Schaden; ihnen gegenüber greift aber nur info- 
weit, als ſie Hinterlegungsbeamte ſind, das Erſatz⸗ 
zuweiſungsverfahren Platz (Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 8), 
ſonſt ift der Staat auf den Zivilrechtsweg an- 
gewieſen. 

Das Erſatzzuweiſungsverfahren iſt zwar dem 
bayer. Beamtenrechte nicht neu, hatte aber nur für 
Kaſſaabgänge eine geſetzliche Grundlage; ſeine An— 
wendung auf andere Beamte als Kaſſabeamte und 
Materialverwalter beruht nur auf Gewohnheits— 
recht und war ausgeſchloſſen in allen Fällen, in 
welchen der Staat den Beamten auf Grund des 
Art. 60 Abſ. 4 des AG. z. BGB. für den ihm 
mittelbar zugefügten Schaden verantwortlich machen 


1) Anm. des Herausgebers. Ein ſehr un- 
glücklich gewählter, anſcheinend aus dem Finanzdeutſch 
ftammender Ausdruck! 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


wollte. Ob die Ausdehnung der Zuläſſigkeit des 
Erſatzzuweiſungsverfahrens auf alle Erſatzverbind⸗ 
lichkeiten der nichtrichterlichen Beamten „zumeiſt im 
Intereſſe des Beamten ſelbſt gelegen“ iſt, wie die 
Begründung zum X. Abſchnitt des Geſetzes meint, 
iſt doch ſehr zu bezweifeln; wer ſich nicht verant⸗ 
wortlich fühlt, wird ſich durch den beſtbegründeten 
Beſcheid der Verwaltungsbehörde von Betretung 
des Rechtsweges kaum abhalten laſſen; der Vorteil 
der Ausdehnung liegt daher wohl einzig auf Seite des 
Staates, der raſch zu einem vollſtreckbaren Beſcheide 
kommt und den Beamten im Prozeß in die Rolle des 
Klägers drängt; ſoweit dagegen das Adminiſtrativ⸗ 
verfahren ſchon bisher auf Grund der Gerichts: 
ordnung vom Jahre 1753, der verbeſſerten Hof⸗ 
ratsordnung vom 2. Juli 1750 und der Hof: 
kammerordnung vom 16. Auguſt 1779 oder 


! 


409 


des RDG. in Geltung (Art. 183 Abſ. 1 BG.); 
ſie trifft der Verluſt des Dienſteinkommens im 
Falle des unerlaubten Fernbleibens vom Amte 
oder der Urlaubsüberſchreitung erft, wenn eine 


nach Art. 4 RDG. erfolgte Ermahnung fruchtlos 


gewohnheitsrechtlich Platz griff,“) bringen die Vor: | 


ſchriften des Beamtengeſetzes inſofern dem Beamten 
eine Beſſerſtellung, als die Zuläſſigkeit der Pe- 
ſchreitung des Rechtsweges nicht mehr von vorgängiger 
Zahlung oder Sicherſtellung der Erſatzſumme durch 
den Beamten abhängig iſt und die bisherige 
Streitfrage, inwieweit die Gerichte zur Nad: 
prüfung der Erſatzpflicht des Beamten zuſtändig 
ſind, durch Anerkennung der Zuſtändigkeit der 
Gerichte zu dieſer Nachprüfung, ſofern nicht eine 
Vorentſcheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu 
reſpektieren iſt, gelöſt iſt. 

Die Neuregelung der Erſatzpflicht und des 
Erſatzzuweiſungsverfahrens hat Aenderungen des 
Art. 60 Abſ. 4 und die Aufhebung des Art. 175 
Abſ. 3 des AG. z. BGB. zur Folge gehabt 
(Art. 226). 

Für einen ſpeziellen Fall ſetzt das Geſetz in 
Art. 22 eine beſondere Folge der Pflichtver— 
letzung feſt: 

Ein Beamter, der ſich ohne den erforderlichen 


war, und die Entziehung des Dienſteinkommens 
kann nur in dem in Art. 57 geregelten Verfahren 
erfolgen. 

Die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde 
gegenüber nichtrichterlichen Beamten und jene des 
Disziplinargerichts gegenüber richterlichen Beamten 
ſind für den Streitrichter bindend (Art. 178 
Ziff. 6 BG.). 


Die dienſtſtrafrechtlichen Folgen der Pflichtverletzung. 


An einem einheitlichen Dienſtſtrafrecht für die 
nichtrichterlichen Beamten hat es bisher in Bayern 
gefehlt. Das Dienſtſtrafrecht für die pragmatiſchen 
Beamten war zunächſt in den 88 9—15 der IX. 
Verf B. geregelt; dieje Regelung konnte nur in: 
ſolange einigermaßen dem Bedürfniſſe genügen, 
als die Strafgeſetze eine Reihe gröberer Pflicht: 
verletzungen der Staatsdiener neben peinlichen 
Strafen mit der Dienſtentlaſſung oder Degra— 
dation bedrohten. Als mit Einführung des StGB. 
die Grenzen der peinlichen Beſtrafung von Be: 
amtendelikten enger als vordem gezogen waren, 
half man ſich dadurch, daß man Beſtimmungen, 
welche die nicht mehr mit krimineller Strafe be- 
drohten dienſtlichen Verfehlungen nun mit Dienſt⸗ 
ſtrafen bedrohten, in das Geſetz vom 26. De— 
zember 1871, den Vollzug der Einführung des 
StGB. für das Deutſche Reich in Bayern betr., 
einſtellte und dieſe dann mit einigen Aenderungen 
in das AG. z. StPO. übernahm. Der VI. Ab: 
ſchnitt dieſes Geſetzes bildete ſonach die Ergänzung 
der Disziplinarſtrafbeſtimmungen des Staatsdiener— 
edikts; während nun die Disziplinarſtrafbe— 


Urlaub von ſeinem Amte fernhält oder den er— ſtimmungen des AG. z. StPO. nach ausdrück— 


teilten Urlaub überſchreitet, ohne daß ihm aus— 


reichende Entſchuldigungsgründe zur Seite ſtehen, 
iſt unbeſchadet dienſtſtrafrechtlichen Einſchreitens 


für die Zeit des unerlaubten Fernbleibens vom 
Amte ſeines Dienſteinkommens verluſtig. Vom 
Amte hält ſich auch der Beamte unbefugt ferne, 


| 


licher Beſtimmung des Art. 112 dieſes Geſetzes 
auf alle königlichen Staatsbeamten und öffentlichen 
Diener, ferner auf die mit Verrichtungen ſolcher 
betrauten Perſonen Anwendung fanden, herrſchte 


nie Klarheit darüber, ob die dienſtſtrafrechtlichen 


Beſtimmungen des Staatsdienerediktes, wie Seydel 


der im Falle ſeiner Verſetzung, Beförderung oder (Bd. II S. 277 u. 284) behauptet, auch für die 
Reaktivierung die ihm übertragene Stelle ohne nichtpragmatiſchen Beamten und Bedienſteten galten, 
auf dieſe analog oder gar nicht anwendbar waren. 


ausreichende Entſchuldigungsgründe rechtzeitig an— 
zutreten unterläßt. 
einkommens erfolgt durch Verfügung der zur 
Urlaubserteilung zuſtändigen Behörde. Dem 
Beamten ſteht gegen die Verfügung die Beſchwerde 
im Inſtanzenzuge offen; die Beſchwerdefriſt be— 
trägt zwei Wochen von der Eröffnung an. 
Einziehung des Dienſteinkommens trägt nicht den 
Charakter einer Strafe. Für richterliche Beamte 
bleiben die Beſtimmungen der Art. 7 und 57 


1) Vgl. dieſe Zeitſchrift Jahrg. 1907 S. 366. 


Die 


Die Einziehung des Dienſt⸗ 


Für einzelne Beamtenklaſſen ſind beſondere Dis— 
ziplinarvorſchriften erlaſſen worden, ſo u. a. für 
die Notare, die Gerichtsvollzieher, das Perſonal 
der Verkehrsverwaltung, der Rentämter, der Gen: 
darmerie und der Grenzwache. 


Von einer vollſtändigen Darſtellung des ſeit— 


her geltenden Dienſtſtrafrechtes muß hier abgeſehen 


werden; folgende Angaben darüber werden genügen, 


beim Vergleich mit den neuen Beſtimmungen zu 


ſehen, wie viel ſtraffer in Zukunft die Zügel an— 
gezogen werden können und wie gründlich die ſeit⸗ 


410 


herigen Hinderniſſe der Ausſtoßung bedenklicher 
Elemente aus dem Beamtenſtande beſeitigt ſind. 

Das AGG. z. StPO. hat in den Art. 103 — 106 
einige ſtraſbare Tatbeſtände feſtgelegt und im Art. 107 
beſtimmt, daß neben dem Ausſpruch der angedrohten 
Geldſtrafen auf disziplinäre Entziehung des Amtes 
erkannt werden kann; auf letztere konnte nach 
Art. 109 ferner erkannt werden, wenn ein Beamter 
bei Ausübung ſeines Dienſtes oder unter Mik- 
brauch ſeines Dienſtverhältniſſes eine ſtrafbare, 
aber kein Verbrechen oder Vergehen im Amte 
bildende Tat verübt hatte und deshalb zu einer 
Gefängnisſtrafe von mehr als einem Jahr verurteilt 
worden war; ſonſt konnte nur nach dem zur Er⸗ 
gänzung der 88 10 und 11 des Staatsdieneredikts 
dienenden Art. 110 des AG. z. StPO. (neben 
disziplinärer Geldſtrafe) auf Verluſt des Amtes 
erkannt werden, wenn der Beamte nach dreimaliger 
Disziplinarbeſtrafung im Sinne der 88 11 und 12 
des Staatsdieneredikts wegen Fahrläſſigkeit, Un⸗ 
fleiß, Leichtſinn oder Unſittlichkeit ſich neuerdings 
einer Pflichtverletzung folcher Art ſchuldig gemacht 
hatte; dazu konnte es kaum je kommen, da mit 
Dienſtſtrafen (Verweis, Geldbuße von 9—90 M, 
Hausarreſt oder Zivilarreſt) erft nach erfolgloſen 
Ermahnungen und Drohungen eingeſchritten werden 
durfte, nur die geſchärften, d. h. ausdrücklich als 
erſte, zweite, dritte zur Stellung vor Gericht führende 
Strafe bezeichneten Disziplinarſtrafen zählten und 
zwiſchen jeder geſchärften Strafe mindeſtens eine 
einfache Dienſtſtrafe liegen mußte. 

Bevor ich zur Beſprechung des materiellen 
Dienſtſtrafrechtes und des Verfahrens nach dem 
BG. übergehe, ſoll die Frage erörtert werden, auf 
welche Perſonen die Beſtimmungen des BG. über 
das Dienſtſtrafrecht Anwendung finden. 

Das BG. ſchafft einheitliches Dienſtſtrafrecht 
für alle aktiven nichtrichterlichen Beamten im Sinne 
des BG.; die ſeither beſtehenden beſonderen Straf— 
ordnungen für einzelne Beamtenklaſſen treten, ſo— 
weit nicht das Geſetz ſelbſt Vorbehalte enthält, 
(vgl. für die Gendarmeriemannſchaften Art. 204 
Abſ. 2; ſ. ferner Art. 200, 201, 203 hinſichtlich 
der Beamten der Militärverwaltung; daß auf die 
Staatsminiſter die Vorſchriften des VII. Abſchnittes 
überhaupt nicht Anwendung finden können, iſt oben 
ſchon dargelegt) außer Kraft (Art. 220 Abſ. 1). 
Nicht unzweifelhaft ift, ob die in 835 der Ger VollzoO. 
vom 16. Dezember 1899 enthaltenen dienſtſtraf— 
rechtlichen Vorſchriften nicht erſt beſonderer Auf— 
hebung bedürfen; zwar treten nach Art. 220 Abſ. 1 
BG. alle dieſem Geſetz entgegenſtehenden Vorſchriften, 
ſoweit nicht in den Art. 212 — 217 und 222 Vor: 
behalte gemacht ſind, für die Beamten im Sinne 
des BG. außer Kraft; anderſeits aber bleiben 
nach Art. 222 Abſ. 2 die nicht durch Abſ. 1 gez 
änderten Borjchriften, alfo auch Art. 65, des 
AG. z. GVG. unberührt; nach letztbezeichnetein 
Artikel iſt aber die Regelung der Dienſtverhältniſſe 
der Gerichtsvollzieher den auf dem Verordnungs— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


wege zu erlaſſenden Dienſtvorſchriſten vorbehalten 
und auf Grund dieſer Geſetzesbeſtimmung iſt die 


GerVollzO. erlaſſen. 


Mit dem Unterſchied in der Rechtsſtellung der 
unwiderruflichen und der widerruflichen Beamten 
hängt es zuſammen, daß nicht alle Beſtimmungen 
des BG. über Dienſtſtrafrecht auch auf die wider⸗ 
ruflichen aktiven Beamten Anwendung finden. Da 
dieſe jederzeit im Verwaltungswege entlaſſen und 
auch auf eine Stelle mit geringerem Rang und 
Gehalt, bei vorliegendem Verſchulden auch ohne 
Erſatz der Umzugskoſten verſetzt werden können, 
konnte ihre Entlaſſung und Strafverſetzung nicht 
von einem Disziplinarerkenntniſſe abhängig ge: 
macht werden. Die Vorſchriften des Geſetzes über 
Strafverſetzung und Dienſtentlaſſung, ſowie über 
das die Verhängung dieſer Strafen betreffende 
Disziplinarverfahren finden daher auf die wider⸗ 
ruflichen Beamten keine Anwendung. Nur in dem 
einzigen Falle, daß die Dienſtentlaſſung mit der 
Wirkung des Verluſtes des Anſpruchs auf Unfall: 
fürſorge verhängt werden ſoll, finden auch die 
Vorſchriften über die Dienſtentlaſſung der un- 
widerruflichen Beamten auf die widerruflichen Be⸗ 
amten Anwendung (Art. 164). 

Da in Art. 164 und 166 Abſ. 2 für die 
widerruflichen Beamten und ebenſo in Art. 165 
für die in Art. 25 bezeichneten Perſonen nur die 
Vorſchriften der Art. 105 — 107, 111—117, nicht 
aber der Art. 118 für entſprechend anwendbar er⸗ 
klärt find, genießen die widerruflichen Beamten 
und die in Art. 25 genannten Perſonen den durch 
die Aenderungen an den Art. 118 und 138 Abſ. 2 
des Entwurfes geſchaffenen Schutz gegen miß⸗ 
bräuchliche Beeinträchtigung der Vereinsfreiheit 
nicht. Dieſer Rechtszuſtand widerſpricht unzweifelhaft 
dem Willen des Ausſchuſſes der Kammer der Ab— 
geordneten, deſſen Bekämpfung des Art. 16 des 
Entwurfes die beſagten Aenderungen zu danken 
ſind, und kann das merkwürdige Reſultat zeitigen, 
daß widerrufliche Beamte wegen Zugehörigkeit zu 
einem Verein von ihren Vorgeſetzten mit Ordnungs— 
ſtrafen belegt werden, während derſelbe Verein 
von den Disziplinargerichten als kein verbotener 
erklärt wird, unwiderrufliche Beamte ihm alſo an⸗ 
gehören dürfen. Man kann einwenden, daß dem 
jederzeit entlaßburen Beamten die Anwendbarkeit 
des Art. 118 nichts nützen würde; aber zu der 
Gewalttat, einen Beamten wegen Zugehörigkeit 
zu einem der Regierung mißliebigen Vereine zu 
entlaſſen, obwohl das Disziplinargericht ein Dienſt— 
vergehen für nicht vorliegend erklärt, würde keine 
Regierung ſchreiten. Ich halte es für ein Ver: 
ſehen, daß mit dem Art. 118 nicht auch die 
Art. 164, 165 und 166 Abſ. 2 geändert worden ſind. 

Der den dienſtſtrafrechtlichen Vorſchriften des 
BG. unterworfene Beamte unterliegt dieſem nicht 
bloß hinſichtlich der Verfehlungen, deren er fich 
als Beamter im Sinne des BGG. ſchuldig ge: 
macht hat, ſondern auch hinſichtlich ſolcher Dienſt⸗ 


Zeitſchrift für EU“M!MoBlBeiſchritt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. in Bayern. 1908. Nr. 21. 


vergehen, F er während feines früheren Dienft- 
verhältniſſes als Notar oder öffentlicher Beamter 
begangen hat. Auch der in eine andere Staats⸗ 
dienerſtellung übergetretene frühere Richter unter⸗ 
liegt wegen eines als Richter begangenen Dienſt⸗ 
vergehens den Vorſchriften des BG. und nicht 
mehr jenen des RDG.; es iſt alſo nicht die Zeit 
der Verübung des Dienſtvergehens, ſondern die 
Zeit der Verfolgung für die Frage der Anwend⸗ 
barkeit der Vorſchriften des BG. entſcheidend. 
Es iſt ſogar, obwohl in ſolchen Fällen von 
einem Dienſtvergehen nicht die Rede ſein kann, 
dienſtſtrafrechtliches Einſchreiten nach den Vor⸗ 
ſchriften des BG. wegen Handlungen zuläſſig, die 
der Beamte vor dem Eintritt in den Staatsdienſt 
zu einer Zeit begangen hat, da er weder Staats⸗ 
beamter noch öffentlicher Beamter war, jedoch nur 
dann, wenn die Handlung die Strafverſetzung oder 
Dienftentlaffung begründet. Dem ſeitherigen Rechte 
war eine ſolche Beſtimmung für nichtrichterliche 
Beamte fremd. 

Daß die Dienſtſtrafgewalt ſich nicht bloß auf 
Beamte im Sinne des VG., ſondern darüber 
hinaus auf die in Art. 25 bezeichneten Perſonen 
erſtreckt, iſt bei Beſprechung deren Rechtsverhältniſſe 
ſchon dargelegt worden. Die Dienſtſtrafgewalt hat 
aber auch mit der Entlaſſung des Beamten ihr 
Ende nicht erreicht; ihre bedenkliche Erweiterung 
gegenüber den in den Ruheſtand verſetzten Beamten 
wird bei Erörterung der Rechtsverhältniſſe der in 
Ruheſtand befindlichen Beamten, die Dienſtſtraf— 
gewalt gegenüber den ſonſt entlaſſenen Beamten 
bei Beſprechung der Auflöſung des Dienſtver— 
hältniſſes zur Sprache kommen. 

Das BGG. hat vollſtändig davon abgeſehen, 
ſtrafbare Tatbeſtände einzeln feſtzulegen; jede Ver— 
letzung der dem Beamten obliegenden Pflichten iſt 
als Dienſtvergehen ſtrafbar (Art. 105). Die Straf: 
barkeit iſt von keiner erfolgloſen Ermahnung oder 
Warnung abhängig. Für jedes, auch das erſte 
Dienſtvergehen kann jede, auch die ſchwerſte der 
zuläſſigen Dienſtſtrafen verhängt werden. 


Das BGG. ſcheidet die Dienſtſtrafen in Ord: 
nungsſtrafen und Disziplinarſtrafen. Ordnungs— 
ſtrafen ſind: 

1. Verweis. 

2. Geldſtrafe. 

Disziplinarſtrafen ſind: 

1. Strafverſetzung (Art. 109) mit oder ohne 
Veränderung des Dienſtortes und zwar entweder: 

a) Verſetzung auf eine Amtsſtelle mit gleichem 

Rang und Gehalt, neben der auf Geldſtrafe 

bis zur Höhe des 3. Teiles des zuletzt be- 

zogenen Jahresgehaltes erkannt werden kann; 
b) Verſetzung auf eine Amtsſtelle mit geringerem 


Rang und geringerem Gehalt, wobei jedoch 
die Gehaltsminderung den 5. Teil des zuletzt 


411 


bezogenen Jahresgehaltes nicht überſchreiten 
darf; neben dieſer Art der Strafverſetzung 
kann nicht auf Geldſtrafe erkannt werden. 


Da Verſetzung auf eine Stelle mit geringerem 
Rang und geringerem Gehalt zuläſſig iſt, muß 
auch Verſetzung auf eine Stelle mit geringerem 
Gehalt aber gleichem Rang oder auf eine ſolche 
mit gleichem Gehalt aber geringerem Rang für 
zuläſſig erachtet werden, Fälle, die nach dem was 
über den Rang oben geſagt worden iſt, im Be⸗ 
reiche der Möglichkeit liegen. Die Beſtimmung 
der Amtsſtelle, auf welche der Beamte zu verſetzen 
ift, ſteht der Verwaltungsbehörde, nicht dem Dis⸗ 
ziplinargerichte zu. Der zur Strafe verſetzte Be⸗ 
amte hat keinen Anſpruch auf Vergütung der 
Umzugekoſten. 


2. Dienſtentlaſſung mit der Folge des Ver⸗ 
luſtes des Titels, der Dienſtabzeichen und des 
Anſpruchs auf Dienſteinkommen, Ruhegehalt und 
Hinterbliebenenverſorgung (Art. 110 Abſ. 1). Das 
Geſetz ſieht jedoch die Möglichkeit einer Milderung vor. 


Die Geldſtrafen werden nach Art. 107 Abſ. III 
den Wohlfahrtseinrichtungen für die Beamten zu— 
gewendet; Art. 107 handelt aber nur von den 
Ordnungsſtrafen. Für die neben der Strafverſetzung 
erkannte Geldſtrafe, die den Charakter der Dis- 
ziplinar (Neben-) Strafe hat, ift die Vorſchrift nicht 
wiederholt; fie wird demnach der Staatskaſſe zu: 
fallen. Das Ergebnis dürfte kaum beabſichtigt 
ſein, ſondern auf einem Redaktionsverſehen beruhen. 


Der Staat hat kein Intereſſe mehr an der 
Verhängung von Dienſtſtrafen, wenn der Beamte 
unter Verzicht auf alle aus dem Dienſtverhältnis 
entſtandenen Rechte aus dieſem ausſcheidet; das 
Dienſtſtrafverfahren wird daher eingeſtellt, wenn 
der Beſchuldigte unter Verzicht auf Titel und 
Dienſtabzeichen ſowie auf Dienſteinkommen, Ruhe— 
gehalt und Hinterbliebenenverſorgung um Ent: 
laſſung aus dem Staatsdienſte nachſucht und der 
Beamte in bezug auf ſeinen Dienſt ſich nicht in 
verſchuldetem Rückſtande befindet und über eine 
ihm anvertraute Verwaltung von öffentlichem Ver— 
mögen Rechnung abgelegt hat (Art. 114); die 
Koſten des eingeſtellten Verfahrens find dem Be⸗ 
ſchuldigten aufzuerlegen (Art. 162 Abſ. 3 u. 6). 


Für Dienſtſtrafſachen gilt das Legalitätsprinzip 
nicht; die Ahndung von Pflichtverletzungen ſeiner 
Beamten zu betreiben ift ein Recht des Dienſt— 
herrn, das er nach ſeinem Ermeſſen üben oder 
nicht ausüben kann (Begr. S. 210). Inwieweit er 
die zur Verhängung von Ordnungsſtrafen zu: 
ſtändigen Beamten und Behörden zum Strafen 
verpflichten will, hat in den Vorſchriften über die 
Dienſtaufſicht zum Ausdruck zu kommen; die Ein— 
leitung des Disziplinarſtrafverfahrens iſt von einem 
Antrage des zuſtändigen Miniſteriums oder der 
von ihm ermächtigten Behörde abhängig gemacht 
(Art. 129). Die Zurücknahme des Antrags iſt 


bis zur Verkündung des Urteils der Disziplinar⸗ 
kammer zuläſſig, nach dem Erlaſſe des Ver⸗ 


weiſungsbeſchluſſes jedoch nur mit Zuſtimmung 


des Beſchuldigten; die Zurücknahme des Antrags 
hat die beſchlußmäßige Einſtellung des Verfahrens 
5 (Art. 151); wegen der Koſten ſ. Art. 162 

Aus dem RDG. übernommen hat das BG. 
die Beſtimmungen (Art. 115 u. 116) über den 
Einfluß eines ſtrafrechtlichen Verfahrens und deſſen 
Ergebniſſes auf die Zuläſſigkeit der Einleitung 
oder Fortſetzung eines Dienſtſtrafverfahrens. 


Die Verurteilung im ſtrafrechtlichen Verfahren 
ſchließt ein dienſtſtrafrechtliches Verfahren dann 
aus, wenn die Verurteilung den Verluſt des Amtes 
kraft Geſetzes nach ſich zieht, oder zugleich auf 
Verluſt des Amtes erkannt iſt; andernfalls kann 
nach Beendigung des Strafverfahrens das Dienſt⸗ 
ſtrafverfahren eingeleitet oder fortgeſetzt werden. 


Die ſeitherige Streitfrage, ob Dienſtvergehen 
verjähren, hat das BG. durch Herübernahme der 
Beſtimmung aus dem RDG., daß die Stra}: 
verfolgung von Dienſtvergehen in fünf Jahren 
verjährt, aus der Welt geſchafft, der übernommenen 
Vorſchrift des RDG. jedoch die Beſchränkung an- 
gefügt, daß die dienſtſtrafrechtliche Verjährung 


keinesfalls vor der ſtrafrechtlichen Verjährung ein⸗ 


tritt, wenn die Tat auch gegen ein Strafgeſetz 
verſtößt (Art. 113 Abſ. 1). Ueber Unterbrechung 
der Verjährung enthält Art. 113 al 2 Be: 
ſtimmungen. 


Vor dem Eingehen auf das 
Dienftftrafverfahren 


nach dem BG. ſei ein kurzer Rückblick auf das 
ſeitherige Verfahren unter Ausſchaltung der in 
den beſonderen Strafordnungen enthaltenen Be⸗ 
ſtimmungen geworfen. 

Zuſtändig zur Verhängung von Dienſtſtrafen 
war beim „ſubalternen Perſonal“ der Vorſtand, 
wo dieſer aus mehreren Perſonen beſtand, das 
geſamte Direktorium, beim höheren Perſonal die 
vorgeſetzte Amtsbehörde. Bei Verhängung einfacher 
1 war Gehör des Beſchuldigten, für 
die 2. und 3. geſchärfte Dienſtſtrafe ſchriftliche 
Vernehmung, Erſtattung ſchriftlichen Vortrages 
und kollegiale Beratung vorgeſchrieben. Die dritte 
geſchärfte Dienſtſtrafe konnte nur vom vorgeſetzten 
Miniſterium verhängt werden; jeder Strafbeſcheid 
mußte ſchriftlich ausgefertigt, mit Gründen ver— 
ſehen und zugeſtellt werden. Gegen die Ver— 
hängung geſchärfter Dienſtſtrafen fand Beſchwerde 
mit aufſchiebender Wirkung an die nächſthöhere 
Behörde und, wenn ein Staatsminiſterium in 
erſter Inſtanz entſchieden hatte, an den Staatsrat 
ſtatt. Kam es nach drei geſchärften Dienſtſtrafen zur 
„Stellung vor Gericht“, ſo erfolgte gegen die nicht 
der Militärgerichtsbarkeit unterſtehenden Beamten 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


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Behandlung und Aburteilung des Straffalles durch 
die Landgerichte nach den Vorſchriften der StPO. 
und des GVG. über das Verfahren in den zur 
Zuſtändigkeit der Landgerichte gehörigen Straf: 
ſachen jedoch unter Ausſchluß der Oeffentlichkeit 
der Verhandlung. Gegen das landgerichtliche Urteil 


fand Berufung an das Oberlandesgericht ſtatt; 


das gleiche Verſahren fand in den Fällen einer 
Verfehlung gegen Art. 103 bis 107 und bei 
disziplinärer Entziehung des Amtes nach Art. 109 
des AG. z. StPO., alfo in allen Faäͤllen ſtatt, 


in welchen gegen einen Beamten auf Verluſt des 


Amtes erkannt werden konnte. 


Nach neuem Recht werden die Dienſtſtrafen 
teils im Ordnungsſtrafverfahren, teils im Dis⸗ 
ziplinarverfahren verhängt; nicht die Art der Ver⸗ 
fehlung, ſondern die Art der zu verhängenden 
Strafe entſcheidet über das Verfahren. Die Ord⸗ 
nungsſtrafen werden im Ordnungsſtrafverfahren, 
die Disziplinarſtrafen im Disziplinarverfahren ver⸗ 
hängt; da nun, wie bereits oben dargelegt, jedes 
Dienſtvergehen jede Art von Dienſtſtrafe zur Folge 
haben kann, muß in jedem Falle eine Vorprüfung 
ſtattfinden, ob nach Erheblichkeit des Dienſtvergehens 
mit beſonderer Rückſicht auf die geſamte Führung 
des Beſchuldigten lediglich eine Ordnungsſtrafe am 
Platze iſt oder vorausſichtlich auf Strafverſetzung 
oder Dienſtentlaſſung zu erkennen ſein wird. Dieſe 
Prüfung liegt zunächſt den zur Verhängung von 
Ordnungsſtrafen zuſtändigen Beamten oder Be⸗ 


hörden ob; halten dieſe eine Ordnungsſtrafe für 


ausreichend, wird das Ordnungsſtrafverfahren durd- 
geführt, halten ſie eine Disziplinarſtrafe für an⸗ 


gezeigt, fo entſcheidet das zuſtändige Miniſterium 


oder die von dieſem ermächtigte Stelle, ob das 
Disziplinarverfahren zu beantragen iſt (Art. 117, 
129 Abſ. 1). 

Die Regel, daß der Charakter der voraus⸗ 
ſichtlich zu verhaͤngenden Strafe als Ordnungs⸗ 
ſtrafe oder Disziplinarſtrafe für die Art des Ber- 
fahrens maßgebend iſt, erleidet eine Ausnahme 
hinſichtlich der durch Zugehörigkeit zu einem nach 
Art. 16 unterſagten Vereine begangenen Dienſt⸗ 
vergehen. Hier find die Disziplinargerichte gegen: 
über unwiderruflichen aktiven Beamten zur Ent⸗ 
ſcheidung zuſtändig ohne Rückſicht, ob auf Ordnungs⸗ 
ſtrafe oder Disziplinarſtrafe zu erkennen ſein wird 
(Art. 118) 


Das Ordunngsſtrafverfahren 


iſt im Geſetz mit wenigen Sätzen abgetan. Für 
zuſtändig zur Verhängung der Ordnungsſtrafen 
werden die vorgeſetzten Behörden und Beamten 
erklärt und die Erlaſſung der näheren Vorſchriften 
hierüber wird der Staatsregierung vorbehalten. 
Die Verhängung der Ordnungsſtrafe kann ohne 
oder nach vorheriger Androhung ſtattfinden; erſteren⸗ 
falls iſt Gehör des Beamten vorgeſchrieben. Der 
Strafbeſcheid wird ſchriſtlich oder zu Protokoll er- 


laffen und muß die Gründe der Beſtrafung an- 
geben. Die wichtige Frage nach den Rechtsmitteln 
gegen die Strafverfügung wird durch den Satz 
erledigt: „Die näheren Vorſchriften über das Be⸗ 
ſchwerdeverfahren werden von der Staatsregierung 
erlaſſen“. Die Faſſung geſtattet wenigſtens den 
Schluß, daß die Beſchwerde nicht ausgeſchloſſen 
werden kann. Die Frage des Korreferenten, ob die 
Beſchwerde aufſchiebende Wirkung habe, hat der 
Finanzminiſter bei den Beratungen des Ausſchuſſes 
der Abgeordnetenkammer bejaht; die Frage, ob 
weitere Beſchwerde bis zur höchſten Inſtanz zu⸗ 
läſſig iſt, wäre wichtig genug geweſen, um im 
Geſetze geregelt zu werden, iſt aber bei den Be⸗ 
ratungen nicht einmal angeſchnitten worden. 


Mit um ſo größerer Sorgfalt iſt das 
Disziplinar verfahren!) 


ausgeſtaltet worden; es ſpielt ſich vor den Dis⸗ 
ziplinargerichten ab. Disziplinargerichte erſter In⸗ 
ſtanz ſind die „Disziplinarkammern für nicht⸗ 
richterliche Beamte“, die am Sitze jedes Ober⸗ 
landesgerichts errichtet werden und aus dem 
Präſidenten des Oberlandesgerichts als Präſidenten, 
den Mitgliedern und ſtellvertretenden Mitgliedern 
der DR. für richterliche Beamte, ferner aus zwei 
bis ſechs Beamten aus dem Geſchäftskreiſe jedes 
Miniſteriums und der erforderlichen Anzahl von, 
Stellvertretern beſtehen. 

Disziplinargericht zweiter Inſtanz iſt der „Dis— 
ziplinarhof für nichtrichterliche Beamte“ mit dem 
Sitze in München; er beſteht aus dem Präſidenten 
des oberſten Landesgerichts als Präſidenten, den 
Mitgliedern und den ſtellvertretenden Mitgliedern 
des DH. für richterliche Beamte und aus drei 
bis ſechs Beamten aus dem Geſchäftskreiſe jedes 
Miniſteriums und der erforderlichen Anzahl von 
Stellvertretern. Die Mitglieder der DK. und des 
DH., welche dieſem nicht als Mitglieder der 
Disziplinargerichte für richterliche Beamte an- 
gehören, werden vom König für die Dauer des 
von ihnen bekleideten Hauptamtes ernannt und 
müſſen unwiderrufliche Beamte ſein. 


Die DR. entſcheiden in der Beſetzung von 
fünf, der DH. in der Beſetzung von ſieben Mit: 
gliedern einſchließlich des Präſidenten; die Bu- 
ſammenſetzung der Disziplinargerichte erfolgt durch 
deren Präſidenten. Das Uebergewicht der Berufs— 
richter iſt durch die Beſtimmung geſichert, daß bei 
den Entſcheidungen der DR. außer dem Präſidenten 
zwei Mitglieder oder ſtellvertretende Mitglieder 
der DK. für richterliche Beamte, bei jenen des 
DH. außer dem Präſidenten drei Mitglieder oder 


) Abkürzungen: DV. = Disziplinarverfahren. 
DK. = Disziplinarkammer. 
DH. = Disziplinarhof. 
VU. Vorunterſuchung. 
StA. = Staatsanwalt. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 1908. Nr. 21. 


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ftellvertretenbe Mitglieder des DH. für richterliche 
Beamte mitwirken müſſen; die übrigen Mitglieder 
werden dem Geſchäftskreiſe des Miniſteriums ent⸗ 
nommen, dem der Beſchuldigte unterſteht. 

Die Beſtimmungen des Geſetzes über örtliche 
Zuſtändigkeit der DK., Nichtvereidigung, Aus: 
ſchließung und Ablehnung von Mitgliedern der 
Disziplinargerichte und das Verfahren hierbei, 
über Friſtenlauf und Wiedereinſetzung in den 
vorigen Stand, über Beeidigung von Zeugen und 
Sachverſtändigen, deren Pflicht zur Abgabe des 
Zeugniſſes oder Gutachtens und die Folgen der 
Weigerung ſowie über Zuſtellungen, ferner die 
Vorſchrift, daß alle im Disziplinarverfahren er⸗ 
gehenden Entſcheidungen mit Gründen zu verſehen 
find (Art. 122, 123, 127, 128, 130 — 133) find 
aus dem RDG. (Art. 14, 15, 20, 21, 24 — 27) 
übernommen. Auch die weiteren Vorſchriften über 
das Verfahren ſchließen ſich ſo eng an jene des 
DG. an, daß nur die Abweichungen von deſſen ſeit⸗ 
herigen Beſtimmungen wiedergegeben werden ſollen. 
Die Einleitung des DV. erfolgt auf Antrag 
des zuſtändigen Miniſteriums oder der von dieſem 
ermächtigten Stelle durch Verfügung des Präſi⸗ 
denten der DK. Dieſe Verfügung iſt ein Formal⸗ 
akt; der Präſident hat nur zu prüfen, ob ein 
Antrag der zuſtändigen Stelle vorliegt. Zur Vor⸗ 
nahme der bei Gefahr auf Verzug vor der Ein— 
leitung des DV. zuläſſigen Unterſuchungshand⸗ 
lungen ſind die dem Beamten vorgeſetzten Be⸗ 
hörden und Beamten zuſtändig; das Geſetz ſchreibt 
die Beiziehung eines beeidigten, im Notfall eigens 
zu beeidigenden Protokollführers zu dieſen ſowie 
zu allen Unterſuchungshandlungen in der VU. vor. 
Die VU. iſt in allen Fällen notwendig. Der ſie 
führende Beamte wird durch den Präſidenten im 
Benehmen mit dem zuſtändigen Miniſterium und 


mit der Stelle, welche die Einleitung des Ver⸗ 


fahrens beantragt hat, beſtimmt; ſie muß einem 
Beamten aus dem Geſchäftskreiſe des Miniſteriums 
übertragen werden, dem der Beſchuldigte unter- 
ſteht. Die Beſtimmung iſt vergebens mit guten 
Gründen bekämpft worden. Die Vorſchriften über 
die Beweiserhebung in der VU. haben eine Pe- 


reicherung durch die Beſtimmung des Art. 134 


| 


Abſ. 7 über Zuläſſigkeit der kommiſſariſchen Ber- 
nehmung von Zeugen und Sachverſtändigen in 
der VU. erfahren. Schon im Laufe der VU. 
ſoll dem Beſchuldigten, ſoweit es ohne Gefährdung 
des Unterſuchungszweckes geſchehen kann, im Inter— 
eſſe ſeiner Verteidigung von wichtigen oder neuen 
Beweisergebniſſen Mitteilung gemacht werden. Vor 
dem Schluſſe der BU. muß ihm das Ergebnis 
mitgeteilt und ihm nochmals Gelegenheit zu ſeiner 
Verteidigung gegeben werden (Art. 136 Abſ. 2 u. 3). 
Erſcheint der Beſchuldigte in einem Termine nicht, 
der ihm ausdrücklich als zur Entgegennahme be— 
ſtimmt bezeichnet worden war, wird die Vorſchrift 
als erfüllt anzuſehen ſein (vgl. Arndt, RBG. 
Anm. zu $ 97). Zur Entſcheidung über einen 


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Antrag des StA. auf Ergänzung der VU., dem 
der die BU. führende Beamte nicht ſtattgeben will, 
iſt nicht die DK., ſondern deren Präſident zu⸗ 
ſtändig (Art. 137 Abſ. 2). 

Lautet der Antrag des StA. auf Verweiſung 
der Sache zur Hauptverhandlung, hat der StA. 
eine die weſentlichen Ergebniſſe der Ermittelungen 
enthaltende „Anſchuldigungsſchrift“ einzureichen. 
Dieſe wird dem Beſchuldigten zur Erklärungsabgabe 
binnen einer vom Präſidenten zu beſtimmenden 
Friſt zugeſtellt. Nach deren Ablauf entſcheidet die 
DE. über die Anträge des StA.; fie kann vorher 
eine Ergänzung der VU. anordnen (Art. 137 
Abſ. 4 und 5). 

Antrag des StA. und Beſchluß der DE. 
können außer auf Außerverfolgungſetzung, vor⸗ 
läufige Einſtellung oder Verweiſung zur Haupt⸗ 
verhandlung auf Einſtellung des Verfahrens lauten; 
dieſe hat zu erfolgen, wenn zwar ein Dienſt⸗ 
vergehen vorliegt, die Verurteilung zur Straf⸗ 
verſetzung oder Dienſtentlaſſung aber nicht zu 
erwarten iſt und es ſich nicht um ein durch Teil⸗ 
nahme an einem unterſagten Verein begangenes 
Dienſtvergehen handelt. Wenn Einſtellung erfolgt, 
kann die zuſtändige Behörde eine Ordnungsſtrafe 
verhängen (Art. 138 Abſ. 2), was im Falle der 
Außerverfolgungſetzung unſtatthaft iſt. In den 
Fällen der Außerverfolgungſetzung und der Ein- 
ſtellung iſt dem Beſchuldigten eine Ausfertigung 
des Beſchluſſes zu erteilen (Art. 138 Abſ. 2 und 4); 
in beiden Fällen kann das DV. auf Grund neuer 
Tatſachen oder Beweismittel auf Antrag des zu: 
ſtändigen Miniſteriums oder der von dieſem er: 
mächtigten Stelle durch Beſchluß der DR. wieder 
aufgenommen werden, die Wiederaufnahme iſt 
jedoch im Falle der Einſtellung ausgeſchloſſen, 
wenn eine Ordnungsſtrafe verhängt worden iſt 
(Art. 141). Verweiſung zur Hauptverhandlung 
erfolgt, wenn der Beſchuldigte eines Dienſtvergehens 
wider Art. 16 oder eines Dienſtvergehens Hin- 
reichend verdächtig ift, das die Strafverſetzung 
oder Dienſtentlaſſung begründet. Der „Verweiſungs— 
beſchluß“ iſt dem Beſchuldigten mit der Ladung 
zur Hauptverhandlung abſchriftlich zuzuſtellen und 
zu Beginn der Hauptverhandlung zu verleſen. Die 
Darſtellung der Beweisaufnahme durch den Be— 
richterſtatter in der Hauptverhandlung hat ſich 
nur auf die im Verweiſungsbeſchluß enthaltenen 
Anſchuldigungspunkte zu erſtrecken und eine Ver— 
urteilung des Beſchuldigten kann nur wegen der 
im Verweiſungsbeſchluß bezeichneten Tat erfolgen 
(Art. 138 Abſ. 2, 139, 142 Abſ. 2, 144 Abſ. 1 
und 3, 148 Abſ. 3). Das Miniſterium oder die 
von ihm ermächtigte Stelle iſt befugt, einen Be— 
amten in die Verhandlung abzuordnen (Art. 143 
Abſ. 3). Für die Reihenfolge bei der Abſtimmung 
bemißt ſich das Dienſtalter nach der Zeit der Er— 
nennung zum Mitgliede der DK. (Art. 148 Abſ. 6). 
Die DE. hat ſelbſt auf Ordnungsſtrafe zu erkennen, 
wenn ſie auf Grund des Ergebniſſes der Beweisauf— 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


nahme findet, daß nur eine Ordnungsſtrafe zu ver⸗ 
hängen ſei (Art. 148 Abſ. 2). Die Verkündung des 
Urteils erfolgt ſofort oder ſpäteſtens innerhalb der 
auf den Schluß der Verhandlung folgenden 
14 Tage. Die Verleſung der Entſcheidungsgründe, 
deren ſchriftliche a a ihon vor Verkündung 
des Urteils nur vorgeſchrieben ift, wenn die Wer: 
kündung ausgeſetzt war, kann ſtets durch münd⸗ 
liche Mitteilung des weſentlichen Inhalts erſetzt 
werden (Art. 148 Abſ. 5). 


Die Vorſchriften über die Berufung und das 
Verfahren in zweiter Inſtanz entſprechen vollſtändig 
jenen des RDG. mit dem einzigen Unterſchiede, 
daß die Befugnis zur Verlängerung der Friſten 
zur Rechtfertigung und Beantwortung der Be⸗ 
rufung dem Präſidenten der DE. ſtatt dieſer ſelbſt 
zuſteht und für die Reihenfolge bei der Abſtimmung 
das Dienſtalter nach der Zeit der Ernennung zum 
85 des DH. maßgebend iſt (Art. 157, 158 

6). 

Die dem Beſchuldigten erwachſenen notwendigen 
Auslagen einſchließlich der Koſten der Verteidigung 
können im Falle der Außerverfolgungſetzung oder 
Freiſprechung der Staatskaſſe auferlegt werden. 


Wiederaufnahme des Verfahrens findet nach 
den Vorſchriften des Vierten Buches der StPO. 
über die Wiederaufnahme in den vor den Schöffen: 
gerichten verhandelten Sachen ſtatt; auf Grund 
neuer Tatſachen oder Beweismittel iſt alſo die 
Wiederaufnahme nur ſtatthaft, wenn der Verurteilte 
dieſe in dem früheren Verfahren nicht gekannt 
hatte oder doch ohne ſein Verſchulden nicht hatte 
geltend machen können. Die Vorſchrift des § 403 
StPO. findet nicht Anwendung, es kann aljo 
Wiederaufnahme auch zum Zwecke der Aenderung 
der Strafe ſtattfinden. Die auf Grund eines zu: 
läſſigen Antrags angeordnete Beweiserhebung wird 
nach den für die VU. in Disziplinarſachen, die 
erneute Hauptverhandlung nach den über das 
Verfahren in Disziplinarſachen geltenden Vor⸗ 
ſchriften durchgeführt. Oeffentliche Bekanntmachung 
der Aufhebung des früheren Urteils durch Aus⸗ 
ſchreibung findet nicht ſtatt. Entſchädigung des 
im Wiederaufnahmeverfahren freigeſprochenen Be⸗ 
amten findet nach den Vorſchriften des RG. vom 
20. Mai 1898 betr. die Entſchädigung der im 
Wiederaufnahmeverfahren freigeſprochenen Perſonen 
ſtatt, jedoch entſcheidet über den Entſchädigungs⸗ 
antrag vorbehaltlich der Berufung auf den Rechts⸗ 
weg das zuſtändige Miniſterium oder die von ihm 
hierzu ermächtigte Stelle. Führt das Wiederauf⸗ 
nahmeverfahren nur zu einer geringeren Strafe, 
ſteht es im Ermeſſen des DG., gänzlichen oder 
teilweiſen Erſatz des Vermögensſchadens anzuordnen. 

(Schluß folgt). 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Verhältnis zwiſchen dem Nachlaßgerichte und dem 
Hypsthekenamte. Begriff der Nechtshilſe. (SS 65 ff. 
NachlO. vom zl. Februar 105 8 2 BGO., 88 158 ff. 
GVG.). Das Amtsgericht H. (Landgerichts A.) er- 
mittelte als Nachlaßgericht, daß der am 6. Juli 1908 
zu W. geſtorbene Privatier M. J. auf Grund des 
Geſetzes und zufolge der von ſeiner Witwe A. J. er⸗ 
klärten Ausſchlagung der Erbſchaft von ſeinem Sohne 
J. J. allein beerbt worden iſt und daß zum Nachlaß 
auch mehrere im Bezirke des Amtsgerichts R. (Land⸗ 
gerichts N.) gelegene Grundſtücke gehören, als deren 
Eigentümer im Grundſteuerkataſter und im Hypo⸗ 
thekenbuche noch der Erblaſſer M. J. eingetragen iſt. 
Zu dem über dieſe Verhandlungen errichteten Proto- 
kolle des Nachlaßgerichts beantragte der Erbe J. J. 
die Ausſtellung eines Erbſcheins, — die ſofort zu den 
Akten erfolgte —, und die Umſchreibung des Eigen- 
tums an den Grundſtücken durch die einſchlägigen 
Hypothekenämter. Das Nachlaßgericht überſandte die 
Nachlaßakten zum Vollzuge der beantragten Um— 
ſchreibung auch an das Hypothekenamt des Amts: 
gerichts R. Dieſes verlangte zunächſt die Errichtung 
und Ueberſendung eines geſonderten Protokolls über 
den Eintragungsantrag nach $ 70 Abſ. II NachlO. 
Das Amtsgericht H. lehnte dies als überflüſſig ab 
und veranlaßte die Vorlegung der Akten „an das als 
Beſchwerde⸗Inſtanz zuſtändige Oberlandesgericht Ni., 
damit durch dieſes gemeinſchaftliche obere Gericht 
Entſcheidung getroffen werde“. 

Dieſem Antrage auf Entſcheidung wurde aus 
folgenden Gründen nicht ſtattgegeben: 


„Die Eintragung des Erben im Hypothekenbuche 
erfolgt grundſätzlich nur auf Antrag des Erben und 
nicht von Amts wegen. Die Erledigung dieſes An— 
trags liegt ausſchließlich dem Hypothekenamte ob, in 
deſſen Bezirke die Grundſtücke gelegen ſind und von 
dem die Hypothekenbücher geführt werden (8 63 Abſ. II 
Nachl O., 88 86, 89, 96, 120 HypG., Art. 15 und 18 
AG. z. GG.). Das Nachlaßgericht hat weder die 
Eintragung des Erben von Amts wegen zu bewirken 
noch etwa gar den Vollzug dieſer Eintragung in 
eigener Zuſtändigkeit zu betätigen, ſondern nur auf 
die Berichtigung des Hypothekenbuchs (und des 
Kataſters) bei der Ermittelung des Erben „hinzu— 
wirken“: es hat den Erben zu veranlaſſen, den An- 
trag auf Eintragung im Hypothekenbuche zu ſtellen, 
und es hat ſodann den Antrag dem Hypothekenamte 
mit dem Erſuchen um Umſchreibung zu überſenden 
(88 65 ff., 73 Nachl O.). Seine Mitwirkung beſchränkt 
ſich alſo darauf, die Stellung des erforderlichen An— 
trags des Erben und ſeine Ueberſendung an das 
Hypothekenamt zu vermitteln. Das Erſuchen des 
Nachlaßgerichts betrifft demnach nicht die Vornahme 
einer zu feiner ſachlichen Zuſtändigkeit ges 
hörigen und ſeinen eigenen Zwecken dienenden 
Amtshandlung durch das erſuchte Gericht, ſondern 
nur die tatſächliche Uebermittelung des Eintragungs— 
antrags des Erben, deſſen Erledigung außerhalb 
des nachlaßgerichtlichen Geſchäftskreiſes liegt, an das 
ausſchließlich zuſtändige Hypothekenamt, für 
deſſen Amtszwecke allein hierbei das Nachlaßgericht 
behufs möglichſt raſcher Bereinigung der Hypotheken— 
bücher tätig zu fein hat (v. Schneider, FGG. (3.) 
S. 7 Anm. 5 zu § 2; Keidel, FGG. 2) S. 9 ff. 
Anm. 2 zu 8 2; Haberſtumpf⸗Varthelmeß, Nach⸗ 
laßweſen (2.) S. 46, 210 u. 213, Anm. 1 zu Art. 4 
NachlG., Anm. zu § 65 und Anm. 4 zu 867 NachlO.). 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


In der Ueberſendung der Akten und des Eintragungs⸗ 
antrags durch das Nachlaßgericht in H. an das 
Hypothekenamt in R. lag alſo nicht ein Erſuchen um 
„Rechtshilfe“ und in der Verfügung des Hypo⸗ 
thekenamts nicht die Ablehnung eines ſolchen Er⸗ 
ſuchens. Für eine Entſcheidung des Oberlandesgerichts 
— nicht als gemeinſchaftlichen oberen Gerichts für die 
Amtsgerichte H. und R., ſondern als des Gerichts, 
zu deſſen Bezirke das erſuchte Amtsgericht R. ge⸗ 
hört —, im Sinne der § 160, 158 ff. GVG., § 2 
FAG., Art. 129 AG. z. BGB. fehlen hiernach die 
geſetzlichen Vorausſetzungen. u einer Tätigkeit 
des Oberlandesgerichts als „gemeinſchaftlichen oberen“ 
Gerichts iſt überhaupt kein geſetzlicher Anlaß gegeben 
(SS 5, 46, 75 JOG., § 25 Abſ. III Nachl O., Art. 129 
AG. z. BGB.). — Wenn ſchließlich das Amtsgericht 
H. als Nachlaßgericht für ſich ſelbſt ein ſachliches Be⸗ 
ſchwerderecht gegenüber der ablehnenden Verfügung 
des Hypothekenamts R. beanſprucht haben ſollte, 
würde es an der Zuſtändigkeit des Oberlandesgerichts 
zur Verbeſcheidung dieſer Beſchwerde mangeln (Art. 129 
AG. z. BGB., $ 94 Hyp®. in der Faſſung des Gef. 
vom 20. Dezember 1903, 88 19 Abſ. II und 30 FGG.), 
ganz abgeſehen von der Frage, ob ein derartiges Be⸗ 
ſchwerderecht dem Nachlaßgerichte als ſolchem über⸗ 
haupt zukäme und nicht vielmehr dem Erben als 
Antragſteller allein zuſtände, falls er die vom Nach⸗ 
laßgerichte H. vertretene Anſicht teilen wollte (8 20 
Abſ. II JOG., S$ 70 Abſ. II und 73 Nachl O.). (Bes 
ſchluß des Fer.⸗Sen. vom 26. Auguſt 1908; BeſchwReg. 
Nr. 214/08). 


Bei der weiteren Betrachtung des einfachen Sach⸗ 
verhalts, der zunächſt nur zu der oben mitgeteilten 
Entſcheidung führen konnte, gelangt man zu folgenden 
Ergebniſſen: 


1. Nach dem Grund buchrechte liegt ein Fall 
der Rechtshilfe ebenfalls nicht vor. Die Um⸗ 
ſchreibung des Eigentums an Grundſtücken gehört 
zur Zuſtändigkeit des Grundbuchamts, nicht des 
— nur vermittelnden — Nachlaßgerichts. Die Ueber⸗ 
tragung der Verrichtungen beider Behörden an das 
Amtsgericht darf nicht zur Verwiſchung oder Ver— 
ſchiebung der geſetzlichen Grenzen ihrer Zuſtändigkeit 
führen (SS 2, 72 FGG., 88 1, 13, 18 GBO., Art. 1, 
4, 8 AG. z. GBOO.; Bay 3fR. 1906 S. 83, 97, 138, 
270; Ps GBO. S. 227; Haberſtumpf-Barthelmeß 
a. a. O.). 


2. Dem Nachlaßge richte Steht das Rechtsmittel 
der Beſchwerde Gur Zivilkammer des Landgerichts) 
gegen die Entſcheidung des Grundbuchamts (Hypo— 
thekenamts) nicht zu. In der Vermittelung des 
Erbenantrags auf Umſchreibung liegt nicht ein 
— kraft Reichsrechts oder vorbehaltenen Landes⸗ 
rechts — zum Amtspflichtenkreis des Nachlaßgerichts 
gehöriges „Erſuchen“ an das Grundbuchamt (Hypo⸗ 
thekenamt); dieſes wird bier nur auf Grund des 
Parteiantrags, nicht auf Grund eines behördlichen 
Erſuchens tätig (S8 39, 71, 72, 81 GBO., 88 139, 
525 Abſ. II GBDA., BaygfR. 1905 S. 321, 355; 
1906 S. 425 ff. und die dort angeführten Belegſtellen; 
ROLG. 12 S. 384; Meikel, GBO. S. 385 Anm. 40 
zu 8 71, S. 268 Anm. 1 zu § 39; Fuchs-Arnheim, 
GBO. S. 660 Anm. 16; Turnau-Förſter, GBO. 
S. 349 Anm. 2 zu 8 71 und S. 261 Anm. 5 zu 839; 
ferner S8 63—74 Nachl O., Ob LG. n. F. 7 S. 337; 
v. Schneider, FGG. S. 46 ff. Anm. 4 zu § 20; Keidel, 
FGG. S. 105 Anm. 3d zu 8 20). 

3. Das Nachlaßgericht iſt zur Beſchwerde auch 
dann nicht berechtigt, wenn es die Auseinander- 


416 Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


— — :]A— (— —-t-: — — — — — — — — — — — — — — — B- 


ſetzung in Anſehung des Nachlaſſes zwiſchen mehreren 
Erben (auf Antrag oder von Amts wegen) ver- 
mittelt hat. Seine Aufgabe iſt mit der rechts⸗ 
kräftigen Beſtätigung der Auseinanderſetzung erledigt, 
ihr Vollzug geſchieht nicht von Amts wegen, ſondern 
iſt Sache der Beteiligten. Hieran wollte und konnte 
mangels geſetzlicher Handhabe die Nachlaßordnung 
nichts ändern ($$ 192, 88 ff. FGG.; Art. 4 ff. NachlG., 
ss 100 ff., 73, 67 ff. Nachl O., v. Schneider, FGG. 
S. 202 Anm. 4 Abſ. II zu § 93; Keidel, FGG. S. 235 
und 271 Anm. 1a zu 8 86 und Anm. 3 zu 8 98; 
Bayg3fR. 1906 S. 97 ff.). 


4. Das Grundbuchamt iſt berechtigt, die Er⸗ 
richtung und Ueberſendung eines geſonderten 
Protokolls des auswärtigen Nachlaßgerichts über 
den Antrag auf Umſchreibung zu verlangen. Dieſe 
Urkunde, auf die ſich die zu vollziehende Eintragung 
gründet, ift von ihm in den Grundbuchanlagen auf- 
zubewahren, ſeiner Aufbewahrungspflicht entſpricht 
die Uebergabepflicht der Beteiligten, ihre Erfüllung 
hat das Nachlaßgericht zu vermitteln (S 9 GBO.; 
Meikel, GBO. S. 93 ff., 425 ff. Anm. 2a und 7a zu 
§ 9 und Anm. 3 zu 8 94; 8 70 Abſ. II Nachl O.; 
S$ 524, 525 GBDA.). Verſchieden hiervon ift die 


Fehlens des für die Grundbuchanlagen beſtimmten 
geſonderten Protokolls den Antrag auf Eintragung 
zurückweiſen darf und ob es nicht vielmehr zur Er: 
möglichung des etwa veranlaßten ſofortigen Vollzugs 
des Umſchreibungsantrags verpflichtet und berechtigt 
iſt, von dem den Antrag enthaltenden Teile des nach— 
laßgerichtlichen Protokolls ſelbſt eine Abſchrift 
für die Grundbuchanlagen auf Koſten des Erben zu 
nehmen (3525 Abſ. II — Schluß — GBDDA.; Fuchs⸗ 
Arnheim a. a. O. S. 132 Anm. 10 zu 8 9). 


5. Ob vor der Anlegung des Grundbuchs auch 
das Hypothekenamt die Vorlegung eines ge— 
ſonderten Protokolls über den Umſchreibungs— 
antrag des Erben verlangen kann, hängt von der 
Auslegung der Vorſchrift des § 73 NachlO. ab. 
Hiernach finden die Vorſchriften der S8 66—72 auf 
die Herbeiführung der Umſchreibung im Hypotheken- 
buch „entſprechende“ Anwendung. Ihre Anwendung 
iſt ausgeſchloſſen, ſoweit ihnen Vorſchriften des 
Hypothekengeſetzes entgegenſtehen. Dies iſt hier nicht 


Nachlaßgericht zur Uebermittlung eines geſonderten 
Protokolls veranlaſſen, um dieſes nach dem Vollzuge 
der Eintragung unter die „Beilagen zum Hypotheken— 
protokolle“ aufzunehmen. Zur Ablehnung des Ein— 
tragungsantrags nur wegen des Mangels des ge— 
ſonderten Protokolls wird jedoch auch das Hypotheken— 
amt nicht kommen können, es wird vielmehr aus dem 
den Antrag enthaltenden Protokolle des auswärtigen 
Gerichts über die Nachlaßverhandlungen, das nicht 
zu den Beilagen genommen werden kann, ſondern 
dem Nachlaßgerichte zurückzugeben iſt, eine Regi— 
ſtratur in das Hypothekenprotokoll aufzue 
nehmen haben. Dieſes nach dem Hyypothekengeſetze 
noch zuläſſige Verfahren dürfte alſo die dem Nach— 
laßgerichte leines auswärtigen Amtsgerichts) an ſich 
obliegende Herſtellung eines geſonderten Protokolls 
in dringenden Fällen . machen, falls ſie 
einmal unterblieben ift SS 8, 9 Inſtr. z. HypG.; 
v. Henle, HypGG. (5) S. 143 Anm. 1 und 2; vgl. 
OILA. n. F. 5 S. 508). 


6. Das Rechtsmittel der Beſchwerde gegen die 
den ſofortigen Vollzug des Antrags ablehnende Ver- 
fügung des Grundbuchamts (Hypothekenamts) 
ſteht nur dem Erben als Antragſteller zu. Sein 
Rechtskreis allein iſt durch die Entſcheidung betroffen, 
er allein hat an ihrer Beſeitigung ein rechtliches 
Intereſſe (Art. 129 AG. z. BGB. und 8 20 FGG. 
bzw. 8 71 GB.). 

7. Gegenüber der Weigerung des Nach la ß⸗ 
gerichts, den Umſchreibungsantrag zu geſondertem 
Protokoll entgegenzunehmen, iſt nicht das Rechtsmittel 


der Rechtsbeſchwerde, ſondern nur die Anrufung der 


Dienſtaufſichtsbehörde möglich. Es handelt 


| 


ſich um eine Verletzung der Ausführungsvorſchrift 
des § 70 Abſ. II NachlO., die nicht zugleich eine Ber- 
letzung geſetzlicher Vorſchriften in ſich ſchließt (Art. 129 
AG. z. BGB., § 19 JGG., Art. 69 ff. AG. z. GVG.; 
Haberſtumpf⸗Barthelmeß a. a. O. S. 140 Anm. 1). 


Oberlandesgerichtsrat Bauer in Nürnberg. 


1. Die Erweiterung der Strafliſte zu einem 


Perſonalbsgen.) 2. Koſtenermäßigung gegenüber dem 


Frage, ob das Grundbuchamt lediglich wegen des don vorneherein geſtändigen Angeklagten. 1. Groß 


macht in ſeinem ausgezeichneten Handbuch für Unter⸗ 
ſuchungsrichter (4. Aufl. S. 36 u. 37) nachdrücklich auf 
die Wichtigkeit des Studiums der Vorakten zur Bes 
urteilung der Perſönlichkeit des Angeklagten, „mag 
ſeine Schuld oder ſeine Nichtſchuld bewieſen werden 
jollen“, aufmerkſam. Das von einem Menſchen in 
gründlich geführten Akten niedergelegte Bild werde 
ſich auch fpäter wiederholen. Für ein ſolches gerade 
in ſchweren Fällen erforderliches Studium der Vor: 
akten wären aber ſehr oft gerade die Akten, in denen 
das Verfahren mit einer Außerverfolgungſetzung 
oder Freiſprechung des Angeſchuldigten endigte, viel 
dienlicher als die aus der Strafliſte erſichtlichen 
Akten. Raffinierten Verbrechern gelingt es häufig 
zum Schaden der Gerechtigkeit und ihrer Mitmenſchen 
den Maſchen des Geſetzes zu entſchlüpfen, in denen 
irgend ein armer Teufel hängen bleibt. (Schlau ein⸗ 
gefädelte Betrügereien im großen — Zechprellerei!) Die 
Vorakten, die zur endlichen Ueberführung derartiger 
gemeinſchädlicher Menſchen beitragen würden, ſind 


häufig, namentlich bei größeren Gerichten, Perſonal⸗ 
der Fall. Das Hypothekenamt darf alſo zunächſt das häufig größ 


wechſel uſw., dem mit dem neuen, mit dem früheren 
oft ſehr ähnlichen Fall befaßten Staatsanwalt und 
Richter nicht bekannt. Es dürfte deswegen vielleicht 
zweckmäßig fein, die Strafliſte zu einem Perſonal⸗ 
bogen auszugeſtalten. Es könnte generelle Anweiſung 


dahin ergehen, daß in die Strafliſte nach näherer 
Anordnung auch diejenigen zur Beurteilung der 


Perſönlichkeit eines Angeſchuldigten dienlichen Akten 
vorgemerkt würden, in denen es nicht zu einer Ber- 
urteilung gekommen iſt. Die Vormerkung könnte auf 
Einlagebögen in die Strafliſte erfolgen, die hiervon 
zu erholenden Abſchriften hätten im einzelnen Fall 
bei den ſtaatsanwaltſchaftlichen Akten zu verbleiben. 


Eine Bloßſtellung des Beſchuldigten (oder auch eines 


wichtigen Zeugen) dürfte natürlich hierdurch nicht 
erfolgen. 

Vielleicht wäre es auch nicht unzweckmäßig, in 
die zu einem Perſonalbogen zu erweiternde Strafliſte 


| auch ſonſtige am zweckförderlichſten bei einer Behörde 


) Vgl. auch diefe Zeitſchrift Jahrg. 1907 S. 464. 


——— 
— — — 


zu führende Einträge, wie z. B. die Leiſtung des Offen⸗ 
barungseides, als Beilage aufzunehmen. 

2. Das Gerichtskoſtengeſetz gibt in den 88 64, 65 
die Möglichkeit, den von vorneherein geſtändigen 
Angeklagten mit geringeren Koſten zu belegen. Dieſe 
vom Gerichtskoſtengeſetz gewollte Privilegierung des 
geſtändigen Angeklagten, die ſowohl im Urteil als 
mittels nachträglicher Entſcheidung erfolgen kann 
(ſ. Pfafferoth Anm. zu 88 64, 65 GG.), wird in 
der Praxis ſo ſelten angewendet, daß ein Hinweis 
darauf angebracht erſcheinen dürfte. 


Landgerichtsrat Vogl in Nürnberg. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivilſachen. 
I. 
Bedeutung der Löſchungsvormerkung (8 1179 868.) 
insbeſendere in der Siwangöberfteigerung. Kommt es 
zwiſchen dem Gläubiger einer Sicherungs⸗ 


hypothek und dem aus der Löſchungsvor⸗ 
merkung Berechtigten zu einem Rechts⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


417 


an die offene Handelsgeſellſchaft F. L. Sch. hat, und 
im Gegenſatz zum LG. hat das OLG. in dieſer Be- 
ziehung dem Kläger den Beweis zugeſchoben. Damit 
hat es die Beweislaſt verkannt. Dem OLG. ift darin 
beizupflichten, daß die Hypotheken der Beklagten 
ebenſo wie die des Klägers Höchſtbetragshypotheken 
im Sinne des $ 1190 BGB. find. Nicht entſcheidend 
dafür iſt, ob der Betrag der zu ſichernden Forderungen 
zur Zeit der Eintragung ungewiß war. Dies ſchloß 
die Beſtellung einer Sicherungshypothek im Sinne des 
8 1184 und ſelbſt die Beſtellung einer gewöhnlichen 
Buch⸗ oder Verkehrshypothek nicht aus. Anderſeits 
ſteht jener Annahme nicht entgegen, daß die Hypo: 
theken im Eintragungsvermerke nicht als Höchſt⸗ 
betragshypotheken bezeichnet find. Erforderlich 
iſt nur, daß der Eintragungsvermerk ſie als ſolche 
erkennbar macht, und dies trifft zu, wenn kein For⸗ 
derungsbetrag als feſtſtehend angegeben, vielmehr 
erſichtlich ift, daß die Feſtſtellung des Betrages der 
Forderung ſpäterer Zeit vorbehalten fein ſoll (vgl. 
Planck, Komm. Anm. 1, 2c zum 8 1190). Bei den in 
Rede ſtehenden Hypotheken bezeichnen die 25000 M 
offenſichtlich nicht den Betrag der Forderung (f. § 1115), 
ſondern nur den Betrag der Hypothek (f. g 1113 Abſ. 1), 
und das kann nur im Sinne eines Höchſtbetrages, 
bis zu dem die Grundſtücke für die in ihrem Betrage 
erſt feſtzuſtellenden Forderungen haften ſollen, ver⸗ 
ſtanden werden. Für die Entſcheidung der Frage der 
Beweislaſt kommt es übrigens, wie das OLG. wieder- 


um zutreffend bemerkt, darauf, ob Höchſtbetrags- oder 


ſtreite über die Verteilung des Verſteige⸗ 


rungserlöſes, ſo muß der erſtere das 
Daſein feiner Forderung beweiſen. Auf 
zwei Grundſtücken waren eingetragen je eine Siche— 
rungshypothek von 25000 M für „alle Forderungen“, 
welche der Beklagten „gegen die Firma F. L. Sch aus 
einem Warenkredit zuſtehen“, und unmittelbar das 
hinter je eine Sicherungshypothek von 25000 M für 
„alle Forderungen“, welche dem Kläger „gegen die 
Firma F. L. Sch. aus einer Kreditgewährung erwachſen 
ſind oder noch erwachſen ſollten“. Neben jeder der 
beiden Hypotheken der Beklagten war zugunſten des 
Klägers eine Vormerkung eingetragen, daß der Eigen— 
tümer verpflichtet ſei, die Hypotheken löſchen zu laſſen, 
wenn ſie ſich mit dem Eigentum in einer Perſon 
vereinigen. Ueber das Vermögen der unter der Firma 
F. L. Sch. begriffenen offenen Handelsgeſellſchaft wurde 
das Konkursverfahren eröffnet und beide Grundſtücke 
kamen zur Zwangsverſteigerung. Nach den Teilungs⸗ 
plänen entfielen auf die Sicherungshypotheken der Be- 
klagten aus dem einen Verſteigerungserlöſe 15422.55 M 
und aus dem anderen 9728.74 M, zuſammen 25 151.29 M, 
während die Hypotheken des Klägers ausfielen. Dieſer 
widerſprach der Auszahlung an die Beklagte. Der 
Vollſtreckungsrichter ordnete die Hinterlegung an und 
ergänzte die Teilungspläne dahin, daß die hinterlegten 
Beträge nebſt Hinterlegungszinſen an den Kläger zu 
zahlen ſeien, falls endgültig feſtgeſtellt werde, daß der 
Beklagten eine Forderung aus Warenkredit, wofür 
ihr die Hypotheken beſtellt worden, nicht zuſteht. Im 
Prozeſſe verfolgen die Parteien ihre Anſprüche auf die 


hinterlegten Beträge. Das LG. hat die Beklagte flage- 


gemäß verurteilt, in die Auszahlung der 25 151.29 M 
nebſt Hinterlegungszinſen an den Kläger zu willigen 
und die Widerklage abgewieſen. Dagegen hat das 
Berufungsgericht die Klage abgewieſen und auf die 
Widerklage feſtgeſtellt, daß der Widerſpruch des Klägers 
gegen die Teilungspläne unbegründet ſei und daß die 
hinterlegten Gelder nebſt den Zinſen an die Beklagte 
zu zahlen ſeien. Die Reviſion des Klägers hatte 
Erfolg. 

Gründe: Die Parteien ſtreiten darüber, ob die 
Beklagte Forderungen, wegen deren die verſteigerten 
Grundſtücke kraft ihrer Sicherungshypotheken hafteten, 


OLG. im allgemeinen beizupflichten. 


andere Sicherungshypotheken, nicht an. Für beide 
gelten die Sätze des S 1184 (ſ. §S 1190 Abſ. 3): daß 
ſich das Gläubigerrecht aus der Hypothek nur nach 
der Forderung beſtimmt und daß der Gläubiger ſich 
zum Beweiſe der Forderung nicht auf die Eintragung 
berufen kann, ſo daß er, auch wenn er nur das Gläu— 
bigerrecht aus der Hypothek geltend macht, im Streit- 
falle die Forderung anderweit beweiſen muß (f. Planck 
Anm. 1a zum $ 1184). Anderſeits findet auf beide 
der § 1163 Anwendung, demzufolge die Hypothek, in- 
ſoweit die Forderung nicht entſtanden oder erloſchen 
iſt, nicht wegfällt, ſondern dem Eigentümer als Eigen⸗ 
tümergrundſchuld (1177) zuſteht, mit der Maßgabe, 
daß dies bei der Höchſtbetragshypothek erſt dann der 
Fall iſt, wenn auch feſtſteht, daß aus den ihr zugrunde 
liegenden Rechtsverhältniſſen keine weiteren Forde: 
rungen mehr entſtehen können. Die Löſchungsvor⸗ 
merkung ($ 1179) greift nur in letzterer Beziehung 
ein. Sie dient dem Intereſſe am Erlöſchen der von 
ihr betroffenen Hypothek und an dem dadurch ver⸗ 
mittelten Nachrücken der Nachrechte. Dem perſön⸗ 
lichen Anſpruche des Vormerkungsberechtigten gegen 
den Eigentümer auf Löſchung gibt ſie eine dingliche 
Sicherung, zwar nicht in der Weiſe, daß die Hypothek 
nicht als Eigentümergrundſchuld beſtehen kann und 
unter den Vorausſetzungen einer Eigentümergrund— 
Een: von ſelbſt erliſcht, ſondern nur in der 

eiſe, daß ſie eine Verfügung über die Hypothek, die 
jenen perſönlichen Anſpruch vereiteln oder beeinträch— 
tigen würde, gegenüber dem Berechtigten unwirkſam 
macht und ihm den Dritten, der durch die Verfügung 
die Hypothek oder ein Recht daran erlangt hat, vers 
pflichtet, ſeine Zuſtimmung zur Löſchung zu geben. 
Vollends gibt ſie dem Berechtigten nicht ein dingliches 
Recht an der Hypothek und es iſt inſofern nicht zu 
beanſtanden, wenn das OLG. ſagt: Der Vormerkungs— 
gläubiger ſtehe, auch wenn er der Gläubiger der nach— 
ſtehenden Hypothek fei, außerhalb der von der Vor— 
merkung betroffenen Hypothek. Auch in dem, was es 
über die Wirkung der Löſchungsvormerkung bei der 
Zwangsverſteigerung des Grundſtücks ſagt, iſt dem 
Aus dem uns 
ſtreitigen Sachverhalt ergibt ſich, daß die Hypotheken 
der Beklagten gemäß den ES 91, 52 Zw. durch den 
Zuſchlag erloſchen find. Vermöge des dem 8 92 Zw G. 


418 


zugrunde liegenden Surrogationsprinzips tritt der 
Verſteigerungserlös derart an die Stelle des ver⸗ 
ſteigerten Grundſtücks, daß die Rechte, die an dieſem 
beſtanden haben, ſoweit fie durch den Zuſchlag er- 
löſchen, auf den Erlös übertragen werden. Der Erlös⸗ 
teil, der danach auf eine ſolchergeſtalt erloſchene Hypo⸗ 
thek entfällt, gebührt inſoweit, als bei ihr die Voraus⸗ 
ſetzungen für das Beſtehen einer Eigentümergrundſchuld 
vorliegen (S 1163), dem Eigentümer, alfo dem Sub⸗ 
haſtaten jedenfalls dann, wenn er, wie hier, Eigen⸗ 
tümer auch zur Zeit der Eintragung der Hypothek 
war. Ein durch die Vormerkung des 8 1179 geſicher⸗ 
ter Löſchungsanſpruch verpflichtet den Eigentümer 
aber gegenüber dem Löſchungsberechtigten, das Recht 
aus der Eigentümergrundſchuld aufzugeben und den 
darauf entfallenen Erlösteil, ſoweit jener ein Intereſſe 
daran hat, den nachfolgenden Realberechtigten zu 
überlaſſen. Und die Vormerkung gibt dieſem Ans 
ſpruche des Löſchungsberechtigten die gekennzeichnete 
Wirkſamkeit gegenüber Dritten, ſo daß auch der Voll⸗ 
ſtreckungsrichter bei der Verteilung des Verſteigerungs⸗ 
erlöſes entſprechende Rückſicht darauf zu nehmen hat. 
Zu den Dritten, denen gegenüber der Löſchungsanſpruch 
mittels der Vormerkung wirkſam wird, gehört auch 
der Inhaber der von dieſer betroffenen Hypothek. 
Beſtehen hinſichtlich dieſer die Vorausſetzungen, unter 
denen fie zur Eigentümergrundſchuld wird, oder unter 
denen ſie ſich, wie es in den bei den Hypotheken der 
Beklagten eingetragenen Vormerkungen heißt, mit dem 
Eigentum in einer Perſon vereinigt, ſo ſetzt ſich das 
Recht des Löſchungsberechtigten auf Ueberlaſſung des 
auf die Hypothek entfallenden Erlösteils an die Nach⸗ 
berechtigten deshalb auch ihm gegenüber durch. Ob 
aber jene Vorausſetzungen beſtehen, iſt beim Streit 
zwiſchen ihm und dem Löſchungsberechtigten nach den 
im 8 1163 bezeichneten objektiven Merkmalen beſonders 
feſtzuſtellen. Keineswegs iſt dafür eine zwiſchen ihm 
und dem Eigentümer getroffene Feſtſtellung maßgebend, 
ſo daß das Recht des Löſchungsberechtigten, wie ſeitens 
der Beklagten in dieſer Inſtanz geltend gemacht iſt, 
in ſolcher Feſtſtellung ſeine „Begrenzung“ findet. Aller⸗ 
dings kann der Nachhypothekar ſeinen Widerſpruch 
gegen das Liquidat des Vorhypothekars regelmäßig 
nicht darauf ſtützen, daß dieſem eine durch ſeine Hypo⸗ 
thek geſicherte Forderung nicht zuſtehe. Der Grund hier⸗ 
für liegt aber darin, daß der Nachhypothekar mit einem 
ſolchen Widerſpruch regelmäßig kein eigenes Intereſſe 
verfolgt, weil die Vorhypothek dann eben Eigentümer⸗ 
grundſchuld ſein und der darauf entfallende Erlösteil 
nicht ihm, ſondern dem Eigentümer gebühren würde. 
Und dieſer Grund entfällt gegenüber dem Löſchungs⸗ 
berechtigten — namentlich auch dann, wenn er, wie 
hier der Kläger, zugleich Nachhypothekar iſt. Sein 
erörtertes, durch die Vormerkung in der bezeichneten 
Weiſe mit dinglicher Wirkung bekleidetes Recht würde 
auch bedeutungslos ſein, wenn die Feſtſtellung ſeiner 
Vorausſetzungen ſo, wie die Beklagte meint, in die 
Hände der Verpflichteten gegeben wäre. 

Aus dem Weſen der Löſchungsvormerkung und 
namentlich daraus, daß ſie ihre Wirkung nur unter 
der Vorausſetzung äußert, daß die von ihr betroffene 
Hypothek Eigentümergrundſchuld iſt, rechtfertigt ſich aber 
auch die Annahme des OLG. nicht, daß der Kläger 
das Beſtehen dieſer Vorausſetzung zu beweiſen, alſo 
den Nachweis zu führen hat, daß die Beklagte eine 
Forderung gegen die Firma F. L. Sch. „aus einem ders 
ſelben von ihr eingeräumten Warenkredit“ nicht hat. 
Das Gegenteil ergibt ſich dagegen aus der Natur ihrer 
Hypotheken als Sicherungs- und insbeſondere Höchſt— 
betragshypotheken. Die Sätze, daß ſich das (dingliche) 
Gläubigerrecht bei ſolchen Hypotheken nach der Forde— 
rung beſtimmt und daß der Gläubiger ſich zum Beweiſe 
der Forderung nicht auf die Eintragung berufen kann, 
gelten auch im Zwangsverſteigerungs verfahren. Der 
auf die Hypothek entfallende Teil des Verſteigerungs— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


erlöſes iſt deshalb — wenn von einer Löſchungs⸗ 
vormerkung abgeſehen wird — an den Gläubiger nur 
dann auszuzahlen, wenn der Schuldner (Subhaſtat) 
deſſen Recht darauf anerkennt, ſonſt aber zu hinter⸗ 
legen — auch dann, wenn kein Widerſpruch erfolgt. 
Und in dem zwiſchen dem Schuldner und dem Gläubiger 
über den hinterlegten Betrag geführten Rechtsſtreite 
muß letzterer ſeine Forderung beweiſen, widrigenfalls 
der Betrag dem erſteren zuzuſprechen iſt. Dies nimmt 
auch das OLG. an, indem es zutreffend hinzufügt: 
daß es dabei gleichgültig ſei, ob der Gläubiger klage 
oder verklagt werde. Und doch beſteht das Recht des 
Schuldners auf den auf die Hypothek entfallenden Teil 
des Verſteigerungserlöſes auch nur auf Grund der 
Vorausſetzung, daß die Hypothek Eigentümergrund⸗ 
ſchuld ift. Jene dem § 1184 entnommenen Sätze gelten 
bei ihrer allgemeinen Faſſung ebenſo im Verhältniſſe 
zwiſchen dem Gläubiger und dem hinſichtlich ſeiner 
Hypothek Löſchungsberechtigten und ergeben für den 
Streit zwiſchen ihnen die gleiche Regelung der Beweis⸗ 
laſt. Die Vorausſetzung der Eigentümergrundſchuld iſt 
bei einer Sicherungs⸗ und Höchſtbetragshypothek eben 
damit gegeben, daß der eingetragene Gläubiger ſeine 
Forderung nicht beweiſt. (Urt. des V. 35. vom 
8. Juli 1908, V 436/07). — — — n. 
1391 


u 


Auslegung eines Kartellvertrags, in dem Bertrags⸗ 
ſtrafen feſtgeſetzt find, aber nicht ausdrücklich beſtimmt 
iſt, wem ſie zufallen ſollen. Verſchiedene Buchdrucker, 
die ſich mit der Herſtellung von Fahrſcheinen für 
Straßenbahnen befaßten, vereinigten ſich für 5 Jahre 
zu einem Kartell, um einem unwirtſchaftlichen Preis⸗ 
rückgang entgegenzutreten. Es wurden Beſtimmungen 
über die zu fordernden Preiſe getroffen und für jeden 
Teilnehmer ein Kundenkreis feſtgeſetzt, den die andern 
zu reſpektieren hatten. Jeder verpflichtete ſich bei 
Meidung einer Vertragsſtrafe von 5000 M, die Ver⸗ 
abredungen einzuhalten. In einem Rechtsſtreite er- 
klärte das OLG. den Vertrag für nichtig. Das NE. 
trat dieſer Anſchauung nicht bei. 

Aus den Gründen: Der Kartellvertrag ſoll 
deshalb nichtig ſein, weil er nicht beſtimme, wem die 
Vertragsſtrafen zufließen. Allein ehe ein ſolches Ur⸗ 
teil gefällt wurde, hätte unterſucht werden müſſen, 
ob auch bei freier Auslegung des Vertrags unter Be⸗ 
rückſichtigung des Weſens der Sache und der von den 
Kontrahenten verfolgten Zwecke eine Beſtimmung 
nicht zu gewinnen ift (BGB. §§ 133, 157). Eine folde 
Unterſuchung hat das OLG. nicht angeſtellt. Es iſt 
zwar richtig, daß der Schutzverband ſelber die Gelder 
nicht behalten ſollte. Das folgt aus § 12 des Ver⸗ 
trages, der die an den Verband abzuführenden Lei⸗ 
ſtungen erſchöpfend aufzählt, ohne die Vertragsſtraſen 
zu erwähnen. Mit Unrecht aber hält es das Gericht 
für ungewiß, ob die ſämtlichen übrigen Vertrags⸗ 
genoſſen die Empfänger ſein ſollten oder derjenige, 
in deffen Kundenkreis der Verletzer eingriff. Nach § 8 
wurden die Strafen verſprochen nicht nur für Ueber⸗ 
ſchreitung der Kundenkreiſe, ſondern für Verletzungen 
aller Verpflichtungen, die in den vorhergehenden 
Paragraphen geregelt waren. Namentlich war auch 
die Einhaltung von Mindeſtpreiſen gegenüber neuen 
Kunden (8 5) und die Beſchränkung in der Ueber- 
nahme von Reklamen (8 6) von Bedeutung. Durch 
einen Verſtoß gegen dieſe beiden letzteren Verpflich⸗ 
tungen konnte begrifflich nur die Geſamtheit der übri⸗ 
gen Teilnehmer, nicht ein beſtimmter einzelner ver⸗ 
letzt werden. In dieſen Fällen verbietet es ſich da⸗ 
her, einen einzelnen als Empfänger der Strafgelder 
zu denken. Da der Vertrag aber nicht unterſcheidet, 
iſt eine ſolche Annahme überhaupt von der Hand zu 
weiſen. Nur das ließe ſich fragen, ob die Gelder der 
Geſamtheit aller Kontrahenten, einſchließlich des Ver⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 419 


letzers, zukommen ſollten, oder — wie z. B. in dem 
Bd. 53 S. 19 RG. behandelten Fall — nur den 
übrigen ohne ihn. Es wird das weſentlich davon 
abhängen, ob durch den Kartellvertrag eine eigentliche 
Geſellſchaft errichtet wurde oder ob der Vertrag nur 
geſellſchaftsähnlichen Charakter hat. Zur Entſcheidung 
der Streitſache iſt es nicht erforderlich, die Frage zu 
beantworten. Es genügt die Feſtſtellung, daß die 
Antwort gefunden werden kann. Die Einwendung 
der Nichtigkeit des Vertrags wegen Fehlens einer 
weſentlichen Beſtimmung iſt damit widerlegt. (Urt. 
des I. 85. vom 11. Juli 1908, I 132/08). 
1406 — — -n. 


III. 


Voll ſtreckbarkeit öſterreichiſcher Urteile in Dentſch⸗ 
land. Prüfung der red der ausländiſchen 
Gerichte. Der Kläger hat auf Grund des 8 722 ZPO. 
Klage erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvoll⸗ 
ſtreckung für zuläſſig zu erklären aus dem vom Han⸗ 
delsgericht zu Wien erlaſſenen Wechſelzahlungsauftrag 
und aus den dieſen beſtätigenden öſterreichiſchen Ur⸗ 
teilen. Der Beklagte hat Klagabweiſung beantragt, 
da der Erlaß des Vollſtreckungsurteils nach 8 723 
Abſ. 2 und § 328 Abſ. 1 Ziff. 1 und 5 BPO. ausges 
ſchloſſen ſei. Das LG. hat die Zuſtändigkeit der 
Wiener Gerichte und die Verbürgung der Gegenſeitig⸗ 
keit angenommen, und hat infolgedeſſen nach dem 
Klagantrag erkannt. Die Berufung des Beklagten 
hat das OLG. als unbegründet zurückgewieſen. Seine 
Reviſion hatte keinen Erfolg. 

Aus den Gründen: 1. Zunächſt hat das OLG. 
mit Recht angenommen, daß auch nach deutſchem Recht 
die Zuſtändigkeit der Wiener Gerichte gegeben iſt. 
Wie das Reichsgericht bereits in ſeiner in Band 51 
S. 135 j; der Sammlung abgedruckten Entſcheidung 
ausgeführt hat, ſteht der deutſche Geſetzgeber auf dem 
Standpunkt, daß dem ausländiſchen Urteil die An: 
erkennung nicht zu verſagen iſt, wenn überhaupt die 
Zuſtändigkeit eines Gerichts des in Betracht kommen⸗ 
den ausländiſchen Staates aus irgendeinem dem deut— 
ſchen Recht angehörigen Grund anzunehmen tjt.!) Der 
deutſche Richter hat nicht etwa die Entſcheidung des 
ausländiſchen Gerichts bezüglich der Zuſtändigkeit 
nachzuprüfen, ſondern er hat völlig ſelbſtändig zu 
prüfen und zu entſcheiden, ob nach den Umſtänden 
des Falls auf Grund des deutſchen Rechts die Zus 
ſtändigkeit gegeben ſein würde. Beim Mangel einer 
gegenteiligen Beſtimmung muß dem OLG. darin bei- 
getreten werden, daß der inländiſche Richter die ge— 
ſamte Sachlage, alſo auch ſolche Tatumſtände berück— 
ſichtigen muß, die dem ausländiſchen Gerichte nicht 
vorgetragen worden ſind. Dem Kläger, der vor dem 
ausländiſchen Gericht deſſen Zuſtändigkeit nur nach 
dem ausländiſchen Recht darzulegen hat, muß es un⸗ 
benommen ſein, vor dem inländiſchen Richter zum 
Nachweis, daß das ausländiſche Gericht auch nach 
deutſchem Rechte zuſtändig fein würde, neue Tatums 
ſtände geltend zu machen. War hiernach der Kläger 
berechtigt im Verfahren auf Erlaß des Vollſtreckungs— 
urteils zum Nachweis der Zuſtändigkeit des aus— 
ländiſchen Gerichts ſich nunmehr auch darauf zu be— 
rufen, daß der Beklagte nach ſeinem eigenen Vorbringen 
in dem Verfahren vor den Wiener Gerichten in Oeſter⸗ 
reich keinen Wohnſitz, wohl aber Vermögen beſaß, 
fo ift nach § 529 ZPO. eine ſolche Geltendmachung 
eines weiteren Zuſtändigkeitsgrundes auch noch in der 
Berufungsinſtanz mit Recht zugelaſſen worden. Daß 
aber das OLG. auf Grund des unbeſtrittenen Vor— 
bringens des Klägers über die betrügeriſche Art und 
Weiſe, wie M. und Zſch. ſich die Akzepte von den Bes 
klagten verſchafft haben, annimmt, daß die Wiener 
Gerichte auch nach deutſchem Recht gemäß § 23 ZPO. 


1) Ebenſo Seuffert Bem. 3 zu § 328 ZPO. 


zuſtändig geweſen ſein würden, iſt nach keiner Rich⸗ 
tung zu beanſtanden. Die Ausführungen der Reviſion, 
daß eine Schädigung des Beklagten erſt eintrete, wenn 
er an gutgläubige Dritte zahlen muß und daß ihm 
deshalb jedenfalls zur Zeit der Erhebung der Klage 
vor dem Wiener Handelsgericht ein Anſpruch von 
irgendwelchem Vermögenswert gegen die genannten 
Perſonen nicht zugeſtanden habe, gehen fehl. Nach 
ſeiner eigenen Darſtellung war der Beklagte jedenfalls 
in dem Zeitpunkt geſchädigt, als die durch Betrug von 
ihm erlangten Akzepte an den gutgläubigen Kläger 
weiter begeben wurden; ſchon damals ſtand ihm 
gegen M. und Zſch. mindeſtens ein Anſpruch auf Be⸗ 
freiung von der Wechſelſchuld zu — ein Anſpruch, 
der einen Vermögenswert beſitzt und deshalb zur Be⸗ 
nt des Gerichtsſtands des 8 23 ZPO. aus- 
reicht 


2. Bezüglich der Verbürgung der Gegenſeitigkeit 
(8 328 Abſ. 1 Ziff. 5 ZPO.) nimmt das OLG. zu- 
treffend an, daß durch die vom öſterreichiſchen Juſtiz⸗ 
miniſter erlaſſene Verordnung vom 19. Oktober 1904 
die Vorſchrift des § 80 Nr. 2 der Exekutionsordnung 
vom 27. Mai 1896 Deutſchland gegenüber außer An⸗ 
wendung geſetzt iſt und daß deshalb aus ihr ein Be⸗ 
denken bezüglich der Verbürgung der Gegenſeitigkeit 
nicht mehr zu entnehmen ift. (Urt. des I. ZS. vom 


25. Juli 1908, I 278/08). 
1412 - — n. 


IV. 


aftung des Wirts für den Zuſtand der Zugänge 
zum Gaſtlokal. Wer nach außenhin als der 
Unternehmer einer Schankwirtſchaft auf⸗ 
tritt, kann ſich von der Haftung nicht 
durch den Nachweis befreien, daß der Be⸗ 
trieb für Rechnung eines andern geführt 
wird. Der Umſtand, daß der Zugang zur 
Wirtſchaft auch den Zugang zu denübrigen 
Räumen des Hauſes bildet, hebt die Haf- 
tung nicht auf. 

Aus den Gründen: Die Treppe, auf der die 
Klägerin gefallen iſt, bildet den Zugang nicht bloß 
zu dem Café P., ſondern auch zu den übrigen Stod- 
werken des Hauſes. Eigentümer des letzteren war N., 
der auch das Café P. eingerichtet hatte. Die zu deſſen 
Betrieb erforderliche Erlaubnis der Gewerbebehörde 
war dem Beklagten R. als ſelbſtändigem Unterneh- 
mer erteilt, er leitete auch den Betrieb in der Weiſe, 
daß er nach außen, insbeſondere gegenüber der Ge- 
werbebe hörde und dem Publikum, das in dem Café 
verkehrte, als deſſen Inhaber galt. Zufolge des 
zwiſchen den beiden Beklagten geſchloſſenen Vertrags 
ging indes der Betrieb für Rechnung des N., R. er⸗ 
hielt von dieſem neben freier Wohnung und Koſt 
feſten Gehalt und gewiſſe Prozente vom Umſatz und 
vom Reingewinn. Mit Recht hat die Vorinſtanz an⸗ 
genommen, daß auch auf R. der Rechtsſatz Anwendung 
zu finden hat, wonach derjenige, welcher in einem 
Gebäude einen Verkehr für andere eröffnet, die Bor- 
kehrungen zu treffen hat, die nötig ſind, um einen 
gefahrloſen Verkehr zu ermöglichen. Ihm war für 
ſeine Perſon die Erlaubnis erteilt, in dem Hauſe 
Nr. 46 der Guſtav-Adolfſtraße als ſelbſtändiger Unters 
nehmer Schankwirtſchaft zu betreiben, er hat auch 
tatſächlich die Wirtſchaft eröffnet und dergeſtalt ge— 
leitet, daß er der Gewerbebehörde und dem Publikum 
gegenüber als der Unternehmer des Schankgewerbes 
erſchien. Durch ſein Verhalten wurde der Betrieb der 
Wirtſchaft erſt ermöglicht und ſomit auch der Verkehr 
geſchaffen, den dieſer Betrieb mit ſich brachte. Des— 
halb lag auch ihm die Verantwortung dafür ob, daß 
ſich die den Zugang zu dem Café bildende Treppe 
dauernd in demjenigen Zuſtand befand, den die Sicher— 
heit der das Café beſuchenden Perſonen erforderte, 
und er kann ſich dieſer Verantwortung nicht durch die 


420 


— — 


Berufung darauf entziehen, daß das Café zufolge eines 
von ihm mit N. getroffenen geheimen Abkommens 
wirtſchaftlich ein Unternehmen des N. geweſen ſei, 
indem dieſem der Gewinn zugefloſſen und der etwaige 
Berluft zu feinen Laſten gegangen ſei. An den hier⸗ 
aus ſich ergebenden Folgerungen ändert auch der 
Umſtand nichts, daß die Treppe als Zugang zu allen 
Stockwerken des Hauſes diente. Denn daraus folgt 
nur, daß auch N. als Beſitzer des Hauſes für die Ver⸗ 
kehrsſicherheit der Treppe zu ſorgen hatte, die Ver⸗ 
pflichtung des R., die Treppe in gefahrloſem Zuſtande 
für diejenigen Perſonen zu erhalten, die ſie als Weg 
zu oder aus dem Café benutzten, wurde dadurch nicht 
berührt. Daß er an den hierzu erforderlichen Maß⸗ 
nahmen durch den Umſtand gehindert geweſen ſei, 
daß die Treppe dem geſamten Hausverkehr diente und 
der Verfügungsgewalt N.s unterlag, hat er ſelbſt gar 
nicht behauptet. (Urt. des VI. 35. vom 2. Juli 1908, 


VI 452/07). 
1404 


— — — . 


B. Strafſachen. 


1 


Begriff des Schülers nach 8 174 Abſ. 1 Nr. 1 StG. 
(Bayern). In der Diözeſe Augsburg beſteht die auf 
kirchlichen Vorſchriften beruhende Uebung, daß die aus 
der Sonntagsſchule entlaſſene Jugend den Befuch der 
Chriſtenlehre bis zur Vollendung des achtzehnten Jahres 
fortſetzt. Ein ſtaatlicher Zwang hierzu findet nicht ſtatt. 
Der Beſuch iſt nur Gewiſſenspflicht. Die Teilnahme 
der aus der Schule Entlaſſenen beſchränkt ſich auf das 
Zuhören. Fragen werden nur an die Schulpflichtigen 
geſtellt. Der Verurteilte, ein katholiſcher Pfarrer, hatte 
an der ſiebzehnjährigen W., die bei ihm die Chriften- 
lehre beſuchte, unzüchtige Handlungen vorgenommen. 
Das LG. nahm an, W. ſei die Schülerin des Pfarrers 
geweſen und ſtrafte dieſen nach 8 174 Abſ. 1 Nr. 1 
StGB. Die Reviſion wurde verworfen. 

Aus den Gründen: Es iſt unweſentlich, ob die 
W. nach kirchlichen Vorſchriften zum Beſuche der Chriſten⸗ 
lehre verpflichtet war oder ob ſie ſich nur freiwillig 
als Schülerin beteiligte (E. Bd. 11 S. 271). Noch weni⸗ 
ger iſt es von Belang, daß die W. nach den ſtaatlichen 
Vorſchriften nicht mehr ſchulpflichtig war. Durch das 
Erteilen und Empfangen des Unterrichts wurde bei 
dem überlegenen Wiſſen und Können des Angeklagten 
zwiſchen ihm und der W. von ſelbſt ein Unterord⸗ 
nungsverhältnis begründet, das zugleich eines der ſitt⸗ 
lichen Vertrauens verhältniſſe darſtellt, die durch 8 174 
Abſ. 1 Nr. 1 geſchützt werden ſollen (E. Bd. 33 S. 423, 
425). Da die W. zu den jugendlichen Perſonen ge— 
hörte, zu deren Unterricht die Chriſtenlehre beſtimmt 
iſt, wurde ihre Eigenſchaft als Schülerin im Sinne 
des Geſetzes auch dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß 
ihre Teilnahme an dem Unterrichte ſich auf das Zu— 
hören beſchränkte. Dieſe Teilnahme kann nicht dem 
Anhören einer Predigt gleichgeſtellt werden. War ſich 
der Angeklagte der Eigenſchaft der W. als feiner 
„Schülerin“ nicht bewußt, obwohl er alle tatſächlichen 
Umſtände kannte, die ſeine Beziehung zur W. als die 
eines Geiſtlichen zu feiner Schülerin erſcheinen laſſen, 
ſo befand er ſich in einem nicht zu beachtenden Irrtum 
über den ſtrafrechtlichen Begriff der Schülerin. (Urt. 
des I. StS. vom 16. März 1908, 1 D 150/08). Bl. 

1398 

II. 


Wie iſt bei tatſächlicher Unmöglichkeit der Ver⸗ 
nehmung eines geladenen und erſchienenen Zeugen in 
der Hauptverhandlung zu verfahren? (S 244 StPO.). 

Aus den Gründen: Die Vernehmung des 
6jährigen Sohnes des Angeklagten iſt nach dem 
Sitzungsprotokoll unmöglich geweſen, weil er keine 


—— 9 ç–ͤWwmʒꝛ—— 3 e . j (—[—2— Š — a 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


Antwort gab und zu weinen anfing. Die Nichtver⸗ 
nehmung des Zeugen iſt alſo durch eine tatſächliche 
Unmöglichkeit, nicht durch eine Maßregel des Vor⸗ 
ſitzenden oder des Gerichts herbeigeführt und kann 
darnach keinen Reviſionsgrund bilden. Ob es möglich 
geweſen wäre, durch eine andere Art der Behandlung 
den Zeugen zu einer Ausſage zu veranlaſſen, entzieht 
ſich der Prüfung des Reviſionsgerichts. Für dieſes 
iſt allein maßgebend die durch das Protokoll be⸗ 
urkundete Tatſache der Nichtvernehmbarkeit des Zeugen. 
(Urt. des Ferienſenats v. 11. Auguſt 1908, 3 D 669/08). 
1407 B. 


III. 


Wann kann angenommen werden, daß das Urteil 
auf einem Berſtoße gegen § 302 EtBO. nicht bern he? 

Aus den Gründen: Wie das Protokoll ergibt, 
ſind die von dem Beſchwerdeführer bezeichneten Ur⸗ 
kunden in beglaubigten Abſchriften den Geſchworenen 
während der Beweiserhebung zum beſſeren 
Verſtändnis eingehändigt worden. Damit iſt genügend 
zum Ausdruck gebracht, daß nach Abſchluß der Beweis⸗ 
verhandlungen die Schriftſtücke den Geſchworenen nicht 
mehr vorgelegen haben. Für die Behauptung der 
Reviſion, daß die Abſchriften ſämtlich oder doch zum 
Teil von den Geſchworenen mit in das Beratungs⸗ 
zimmer genommen ſeien, bietet das Sitzungsprotokoll 
keinen Anhalt; es iſt daher nicht zu erörtern, ob, 
wenn es geſchehen wäre, dies für unzuläſſig erachtet 
werden müßte Uebrigens würde auf einem 
etwaigen Verſtoße gegen $ 302 StPO. das angefochtene 
Urteil nicht beruhen. Die erwähnte Vorſchrift bezweckt 
nur, zu verhüten, daß die Geſchworenen bei der Bes 
ratung Umſtände in Betracht ziehen, die nicht Gegen⸗ 
ſtand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung 
geweſen ſind; hier handelt es ſich aber ausſchließlich 
um ſolche Urkunden, die ihrem ganzen Inhalte nach 
gemäß § 248 StPO. in der Hauptverhandlung ver: 
leſen waren. (Urt. des Ferienſenats v. 24. Auguſt 1908, 
4 D 686/08). B. 

1408 


IV. 


1. Verpflichtung der Geſchäftsführer einer Gefell: 
ſchaft m. b. H. zu kanfmänniſcher Buchführung. 

2. Wann liegt Unterlaſſung der Führung von 
Handelsbüchern vor? 

Aus den Gründen: Nach den Vorſchriften der 
§§ 13 Abſ. 3, 41 und 42 des Geſetzes, betr. die Gefell- 
ſchaften m. b. H. i. d. F. vom 20. Mai 1898 in Ber- 
bindung mit den §§ 6 Abſ. 1, 38 ff. HGB. hatten die 
Angeklagten als Geſchäftsführer der von ihnen be 
gründeten Geſellſchaft für die ordnungsmäßige Bud- 
führung der Geſellſchaft Sorge zu tragen. Für die 
Erfüllung dieſer Pflicht waren fie nach 8 240 Abſ. 1 
Nr. 3 KO. ſtrafrechtlich verantwortlich (vgl. RGSt. 
13 S. 236 ff., deren Ausführungen unbedenklich auf 
die Geſellſchaften m. b. H. auszudehnen ſind). Ueber 
die Zahl und die Art der hiernach erforderlichen Ge— 
ſchäftsbücher, ſowie über ein beſtimmtes Buchführungs⸗ 
ſyſtem iſt ebenſowenig wie für den Einzelkaufmann 
und andere Handelsgeſellſchaften auch für die Geſell— 
ſchaften m. b. H. im Geſetze etwas vorgeſchrieben. Die 
tatſächlich geführten Handelsbücher müſſen aber zu 
einem zuverläſſigen Ergebnis führen können und eine 
vollſtändige Ueberſicht des Vermögensſtandes der Ges 
ſellſchaft gewähren. Die aus dem Fehlen beſonders 
eines Hauptbuches und dem Mangel der Anlage ein⸗ 
zelner beſtimmter Konti in den geführten Büchern gez 
troffene Schlußfolgerung und Feſtſtellung, die Ange⸗ 
klagten hätten die Handelsbücher ſo unordentlich ge— 
führt, daß fie keinen Ueberblick über den Vermögens- 
zuſtand der Geſellſchaft gewährten, iſt rechtlich nicht 
zu beanſtanden. Irrtümlich iſt allerdings die von dem 
Vorderrichter neben der Annahme einer unordentlichen 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 421 


Buchführung getroffene Feſtſtellung, daß die Ange⸗ 
klagten es unterlaſſen haben, Handelsbücher zu führen, 
deren Führung ihnen geſetzlich oblag. Nach der feſt⸗ 
ſtehenden Rechtſprechung des Reichsgerichts (RGSt. 11 
S. 142, 161, Bd. 13 S. 236, 0 S. 170) liegt eine 
Unterlaſſung der Führung ſolcher Handelsbücher nur 
dann vor, wenn jede Buchführung fehlt und das 
Fehlen einzelner Bücher und Buchführungsakte kann 
nur als unordentliche Buchführung in Betracht kommen. 
(Urt. des I. StS. v. 25. Juni 1908, 1 D. 439/08). 
1410 B 


Oberſtes Landesgericht. 


A. Zivilſachen. 
I. 


Beſteht ein geſetzlicher Hypothekentitel für Anwalts: 
Toften, die durch den Antrag auf Eintragung einer Hypo: 
thekenvormerkung von Bauferderungen entſtehen ? (5 648 
BGB., Art. 50 Ue.). Rechtsanwalt O. hat als Be⸗ 
vollmächtigter des O. an das Hypothekenamt den An⸗ 
trag geſtellt, auf dem Blatte für das Anweſen der 
Eheleute P. Hs.⸗Nr. 55 für eine durch Einbauung von 
Heizkörperverkleidungen und Kachelherden in das Haus 
Nr. 55 entſtandene Forderung nebſt 5% Verzugs— 
zinſen feit 15. Juli 1908 und für 8.60 M durch die 
Antragſtellung entſtandene Anwaltskoſten eine Hypo⸗ 
thek vorzumerken. Das Hypothekenamt hat die Hypo⸗ 
thek für die Hauptſache und die Zinſen vorgemerkt, 
die Vormerkung einer Hypothek für die Anwaltskoſten 
aber abgelehnt. Die Beſchwerde, zu deren Begrün— 
dung geltend gemacht wurde, daß nach den SS 1210, 
1257 BGB. auch die Koſten der Rechtsverfolgung zu 
den Forderungen aus dem Werkvertrage gehören, für 
die ein geſetzlicher Hypothekentitel beſteht, wurde zurück- 
gewieſen. Das LG. erachtete für den Umfang der 
Haftung des Grundſtücks, die ſich aus der nach 3 648 
BGB. einzuräumenden Sicherungshypothek ergibt, 
nicht den § 1210 fondern den 8 1118 BGB. für mağ- 
gebend, der die Haftung nicht auf die Koſten der Eins 
tragung erſtreckt, fand eine Beſtätigung ſeiner Anſicht 
in der für die Vollſtreckungshypothek geltenden Sonder— 
vorſchrift des 8 867 Abſ. 1 Satz 3 ZPO. und wies 
darauf hin, daß die beantragte Vormerkung, wenn 
die Haftung des Grundſtücks ſich kraft des Geſetzes 
auf die Koſten der Eintragung erſtreckte, gegenſtands⸗ 
los und darum unzuläſſig ſein würde. Auf die weitere 
Beſchwerde wurden die Entſcheidungen der Vorinſtanzen 
aufgehoben. 

Gründe: Nach Art. 50 UeG. ſteht dem Unter⸗ 
nehmer eines Bauwerkes oder eines einzelnen Teiles 
eines Bauwerkes, ſolange das Grundbuch nicht als 
angelegt anzuſehen iſt, für ſeine Forderungen aus 
dem Vertrag anſtelle des in 8 648 BGB. beſtimmten 
Anſpruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek 
ein geſetzlicher Hypothekentitel zu. Während die dem 
Schuldner obliegende Verpflichtung zur Einräumung 
einer Sicherungshypothek es mit ſich bringt, daß er 
die zur Erfüllung ſeiner Verpflichtung aufzuwendenden 
Koſten der Eintragung zu tragen hat, iſt es bei dem 
geſetzlichen Hypothekentitel Sache des Gläubigers, die 
Eintragung der Vormerkung zu erwirken, und erfolgt 
die Eintragung, bei der der Schuldner nicht mitzu- 
wirken hat, auf Koſten des Gläubigers. Der Schuld— 
ner iſt nicht ohne weiteres verpflichtet, ihm die auf— 
gewendeten Koſten zu erſetzen, und wenn eine ſolche 
Verpflichtung beſteht, ſo erſtreckt ſich die Haftung des 
Grundſtücks aus der auf Grund des Hypothekentitels 
erlangten Hypothek nach § 43 HypP®. gleichwohl nicht 
auf die Koſten der Vormerkung und Eintragung. Die 
Geltendmachung des geſetzlichen Hypothekentitels iſt 
nicht eine Maßregel der Zwangsvollſtreckung. Die 


—— ———.———————— — ᷑—w . —ꝛἈ . — — — — —¼ —- — — 


Haftung des Grundſtücks für die dem Gläubiger zu 
erſetzenden Koſten kann nur durch Belaſtung mit einer 
Hypothek begründet werden, es fragt ſich alſo, ob die 
Erſatzforderung des Beſchwerdeführers, falls ſie be⸗ 
gründet iſt, zu den Forderungen aus dem Werkvertrag 
im Sinne des § 648 BGB. gehört, für die der ge- 
ſetzliche Hypothekentitel beſteht. Der von dem Be- 
ſchwerdeführer für die Bejahung der Frage geltend 
gemachte Grund iſt allerdings nicht zutreffend. Dar⸗ 
aus, daß das Pfandrecht, das nach $ 647 BGB. dem 
Unternehmer für ſeine Forderungen aus dem Vertrag 
an den von ihm hergeſtellten oder ausgebeſſerten 
Sachen des Beſtellers zuſteht, ſich nach den SS 1210, 
1257 BGB. auf die dem Unternehmer zu erſetzenden 
Koſten der Rechtsverfolgung erſtreckt, läßt ſich, auch 
wenn die Geltendmachung des geſetzlichen Hypotheken— 
titels durch Eintragungsantrag als „Rechtsverfolgung“ 
angeſehen werden könnte, nicht entnehmen, daß die 
Erſatzforderung wegen der Koſten zu den Forderungen 
aus dem Werkvertrage gehört. In 8 1210 werden 
vielmehr die „zu erſetzenden Koſten“ in Abſ. 2 der 
„Forderung in ihrem gegenwärtigen Beſtand“, von 
der Abſ. 1 ſpricht, gegenüber geſtellt und wird die 
Haftung des Pfandes auf fie durch eine pfandrecht— 
liche Vorſchrift erſtreckt, die der hypothekenrechtlichen 
Vorſchrift des 8 1118 entſpricht. Aber wenn der 
Schuldner durch ſeinen Verzug dem Gläubiger Anlaß 
gibt, zur Sicherung der Forderung von dem ſich aus 
dem Werkvertrag ergebenden Rechte Gebrauch zu 
machen, die Eintragung einer Hypothek zu erwirken, 
und deshalb nach § 286 Abſ. 1 BGB. verpflichtet iſt, 
dem Gläubiger die zur Erwirkung der Eintragung 
erforderlich geweſene Aufwendung zu erſetzen, ſo iſt 
der Erſatzanſpruch des Gläubigers eine aus dem Ber- 
trage hervorgegangene Forderung und es erſtreckt ſich 
deshalb auf ihn der geſetzliche Hypothekentitel. Hier 
hat der Beſchwerdeführer, wie ſich aus dem Anſpruch 
auf Verzugszinſen ergibt, behauptet, daß die Eheleute 
P. ſich im Verzuge befinden, und das Hypothekenamt 
hat keinen Anſtand genommen, den Anſpruch auf 
Verzugszinſen als glaubhaft gemacht anzuſehen. Bei 
dieſer Sachlage beruht die Zurückweiſung des Antrags, 
die Hypothekenvormerkung auf die Koſten der Er— 
wirkung der Eintragung zu erſtrecken, auf Ver— 
letzung des Art. 50 des UeG. (Beſchluß des I. 38. 
vom 21. September 1908, Rep. III 76/1908). 
1401 


II. 


Beſchwer derecht des nach früherem Rechte geschiedenen 
Ehemannes in einer Angelegenheit, welche die Sorge für 
die Perſon eines aus der geſchiedenen Ehe herdorge: 
gangenen Kindes betrifft, deffen Erziehung durch Vertrag 

er Mutter überlaſſen wurde, wenn die Anordnung 
der Mutter Er ntereffe des Kindes nicht entſpricht 
($ 57 Abſ. 1 Nr. 9 GG., EG. z. BGB. Art. 203, 206, 
BGB. § 1635). 

Begründet das Zuſammenleben einer wegen Ehe⸗ 

un geichiedenen Frau mit dem Manne, mit dem fie 

die Ehe gebrochen, aber ohne Befreiung von dem Ber: 
bote des § 1312 BGB. im Ausland eine neue Ehe ge: 
ſchloſſen hat, den Vorwurf des e Verhaltens 
im Sinne des 3 1666 Abſ. 1 BB 

Die Ehe des Kaufmanns i N. von M. mit 
Klara G. ift durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 
9. Juli 1897 auf Grund vertragsmäßiger Einigung 
nach talmudiſchem Rechte geſchieden worden, nachdem 
die Ehegatten den Vorſchriften des talmudiſchen Rechtes 
gemäß in notarieller Urkunde Vereinbarungen über 
die Ordnung der Vermögensverhältniſſe und die Er— 
ziehung der Kinder Rudolf und Alice getroffen hatten. 
Die Erziehung des Knaben wurde dem Vater über— 
laſſen, die Tochter wurde der Mutter zur Erziehung 
übergeben. Der Vater ſollte für den Unterhalt der 
Tochter vierteljährlich einen Geldbetrag entrichten und 


422 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


mit ihr perſönlich verkehren dürfen. Er hat inzwiſchen 
feinen Wohnſitz nach New⸗York verlegt, ift aber 
Deutſcher geblieben. Die Mutter hat ſich am 18. Juli 
1899 mit dem Kaufmanne Salo B. in M. wieder⸗ 
verheiratet. Dieſe Ehe iſt durch rechtskräftig gewordenes 
Urteil aus Verſchulden der Frau wegen Ehebruchs mit 
dem Kaufmanne Heinrich F. geſchieden worden. Klara 
B. hat am 12. Auguſt 1908 in London eine neue Ehe 


in das der Mutter zuſtehende Recht der Sorge für die 


mit Heinrich F. geſchloſſen. Alice iſt ſeit etwa 5 Jahren 


zur Erziehung und Ausbildung in dem klöſterlichen 
Inſtitute zu W. untergebracht. Am 6. Juli 1908 ſtellte 
der mütterliche Großvater mit Rückſicht darauf, daß 
die Mutter während der bevorſtehenden Ferien voraus⸗ 
ſichtlich das Kind zu ſich nehmen wolle und in dieſem 
Falle ihr Verkehr mit F. das geiſtige Wohl des Kindes 
ernſtlich gefährden würde, an das Vormundſchafts⸗ 
gericht den Antrag, ihr zu verbieten, Alice aus dem 
Inſtitute zu entfernen, und anzuordnen, daß das Kind 
während der Ferien bei dem Antragſteller unterzu⸗ 


daß das Kind während der Ferien im Inſtitute ver⸗ 
bleibe, verwahrte ſich aber dagegen, daß es zu ihrem 
Vater komme. Das Vormundſchaftsgericht ordnete an, 
daß das Kind bis auf weiteres in der Anſtalt zu 
bleiben habe, und teilte dieſe Anordnung der Oberin 
mit. Die Oberin berichtete hierauf, im Intereſſe des 
Kindes, das durch die Vorgänge im Elternhauſe er⸗ 
ſchüttert und aufgeregt ſei und unbedingt der Erholung 
bedürfe, ſei dringend zu wünſchen, daß ihm geſtattet 
werde, während der Ferien die Großeltern in die 
Sommerfriſche zu begleiten. Hermann G. ließ den 
Antrag, anzuordnen, daß ſeine Enkelin während der 
Ferien bei ihm unterzubringen ſei, erneuern. Dagegen 
beantragte die Mutter, zu beſtimmen, daß das Kind 
vorerſt in der Anſtalt in W. zu bleiben habe. Das 
Vormundſchaftsgericht erließ einſtweilige Anordnung 
dahin, daß es bei der Beſtimmung der Mutter, daß 
das Kind zunächſt in der Anſtalt in W. zu bleiben 
habe, bis auf weiteres ſein Bewenden habe. In der 
Begründung wurde ausgeführt, die Mutter müſſe in 
der Ausübung ihres Rechtes, den Aufenthalt des Kindes 


Perſon des Kindes durch eine abweichende Anordnung 
eingreifen, wenn eine ſolche Anordnung aus beſonderen 
Gründen im Intereſſe des Kindes geboten war, und 
es ſtand nichts im Wege, eine auf eine beſtimmte Zeit 
beſchränkte Anordnung zu erlaſſen, wenn es ſich um 
ein von vorneherein zeitlich beſchränktes Intereſſe des 
Kindes handelte. Beſondere Gründe, die die Anordnung 
im Intereſſe des Kindes gebieten, ſind anzunehmen, 
wenn das Intereſſe des Kindes einer ernſtlichen Ge⸗ 
fährdung ausgeſetzt iſt, die nur durch eine abweichende 
Anordnung über das Recht der Sorge für die Perſon 
des Kindes abgewendet werden kann. Das LG. konnte 
ohne Rechtsirrtum in der von dem Vater geltend ge⸗ 
machten und von der Oberin bezeugten Erholungs⸗ 


bedürftigkeit des Kindes einen Umſtand finden, der 


im Intereſſe der Geſundheit des Kindes Abhilfe er⸗ 
heiſchte, und wenn das Kind, wie das LG. einwand⸗ 


frei feſtgeſtellt hat, in der Anſtalt die nötige Erholung 
bringen ſei. Klara B. erklärte ſich damit einverſtanden, 


nicht finden konnte, eine Anordnung für geboten er⸗ 
achten, die dem Vater ermöglichte, dem Kinde ange- 
meſſene Gelegenheit zur Erholung zu verſchaffen. Da 
die in der Hauptſache getroffene Entſcheidung ſich hier⸗ 
nach als gerechtfertigt erweiſt, ſo iſt das Bedenken 
ohne weſentliche Bedeutung, das ſich gegen die Anſicht 
des LG. über das Zuſammenleben der Mutter mit F. 
erheben läßt. Wenn auch die im Auslande geſchloſſene 
Ehe nach § 1328 Abſ. 1 BGB. nichtig ift, fo ift doch. 
abgeſehen davon, daß ſie als von Anfang an gültig 
anzuſehen ſein würde, wenn nachträglich Befreiung 
von dem Verbote des $ 1312 bewilligt werden ſollte, 
nach 8 1329 BGB. das Zuſammenleben der Ehegatten 
der nichtigen Ehe, ſolang nicht die Ehe für nichtig 


erklärt iſt, als eheliche Lebensgemeinſchaft im Sinne 


zu beſtimmen, geſchützt werden, weil bei der von ihr 


getroffenen Beſtimmung eine Gefährdung des Wohles 
des Kindes durch ihren Verkehr mit F. ausgeſchloſſen 
ſei. Gegen dieſe Anordnung legte Alfred N., der in⸗ 
zwiſchen nach M. gekommen war, Beſchwerde mit dem 
Antrag ein, das Kind während der Ferien den Groß— 
eltern G. zu überlaſſen. Er berief ſich a den Be- 
richt der Oberin und fügte bei, er habe bei einem 
Beſuch in W. ſeine Tochter aus Gram über die Ver⸗ 
fehlung ihrer Mutter in hohem Maße niedergeſchlagen 
gefunden, ſie bedürfe unbedingt einer Erholung, die 
ihr nur durch einen Landaufenthalt bei den Großeltern 
gewährt werden könne. Das LG. M. hat die Ver⸗ 
fügung des Vormundſchaftsgerichts aufgehoben und 
angeordnet, daß Alice N. für die Dauer der Sommer: 
ferien 1908 den mütterlichen Großeltern zu überlaſſen 
fei. Das Oberſte Landesgericht hat die weitere Be- 
ſchwerde der Mutter zurückgewieſen. 

Gründe: Eine Verletzung des Geſetzes iſt darin 
nicht zu finden, daß das LG. Alfred N. als zu der 
Beſchwerde berechtigt angeſehen hat. Er iſt nach Art. 203 
EG. z. BGB. Inhaber der elterlichen Gewalt und nach 
Art. 206 nur in dem Rechte und der Pflicht der Sorge 
für die Perſon des Kindes durch die in der Vereinbarung 


des § 1353 Abf. 1 BGB. anzuſehen und läßt ſich des⸗ 

halb hieraus der Vorwurf unſittlichen Verhaltens im 

Sinne des 8 1666 Abſ. 1 BGB. gegen die Mutter 

nicht herleiten. (Beſchluß des Fer ZS. vom 5. Sep- 

tember 1908, Reg. III. 77/1908). W. 
1402 


B. Strafſachen. 


Wahrung i Intereſſen durch einen Be: 
laftungszengen gegenüber einem Eutlaſtungszeugen in 
der Haupt verhandlung. Am 20. Januar 1 fand 
Hauptverhandlung ſtatt gegen K. W. wegen Körperver⸗ 
letzung an H. B. Als nach der Vernehmung der Bers 
letzten H. B. der Fabrikarbeiter F. als Entlaſtungs⸗ 
zeuge auftrat, äußerte H. B., ſie nehme ihn als Zeugen 
nicht an, er ſei ihr noch Geld ſchuldig, er ſei ein Rache⸗ 
zeuge, er habe Kuppelei getrieben. F. erhob deshalb 
gegen H. B. Privatklage. H. B. wurde von der Straf- 
kammer freigeſprochen, die Reviſion des F. wurde 
verworfen. 

Aus den Gründen: Die Strafkammer hat er⸗ 
wogen: Die Angeklagte ſei von der Tatſache über⸗ 
zeugt geweſen, daß der Privatkläger feiner Schlaf⸗ 
gängerin in ſeiner Wohnung intimen Verkehr mit 


ſeinem Schwager geſtattet habe, ſie habe ein berech⸗ 


vom 30. Juni 1897 getroffenen Beſtimmungen beſchränkt, 


nach § 57 Abſ. 1 Nr. 9 JGG. ſtand ihm daher das 
Beſchwerderecht in der die Sorge für die Perſon des 
Kindes betreffenden Angelegenheit zu; ſein berechtigtes 
Intereſſe an der Wahrnehmung der Angelegenheit er— 
gab ſich ohne weiteres aus ſeiner rechtlichen Stellung 
zu dem Kinde. Ebenſowenig verſtößt die angefochtene 
Entſcheidung gegen die nach Art. 206 EG. auch hier 
anwendbare Vorſchrift des § 1635 Abſ. 1 Satz 2 BGB. 
Nach dieſer Vorſchrift konnte das Beſchwerdegericht 


| 


tigtes Intereſſe an der Klarſtellung der Sache in der 
Verhandlung gehabt; als Verletzte habe ſie einen 
öffentlich-rechtlichen Anſpruch auf Beſtrafung der 
Schuldigen und einen privatrechtlichen Anſpruch auf 
Schadenserſatz gehabt, ſie ſei als Zeugin beeidigt ge⸗ 
weſen und habe ſchon im Hinblick auf § 134 StGB. 
die Wahrheit fagen müſſen und ein berechtigtes Jn- 
tereſſe daran gehabt als einwandfreie Zeugin zu er⸗ 
ſcheinen; mit dem Hinweiſe darauf, daß F. ſich der 
Kuppelei ſchuldig gemacht habe und daß ihm deshalb 
auch zugemutet werden könne, er werde, zumal er ihr 
noch Geld ſchuldig ſei, der Wahrheit nicht die Ehre 
geben, habe ſie berechtigte Intereſſen wahrgenommen 
und da auch weder aus der Form der Aeußerung, noch 
aus den Umſtänden, unter denen ſie erfolgte, das 


Vorhandenſein einer Beleidigung fich ergebe, ſei nach 
8 193 StGB. die Freiſprechung geboten. Dieſe Aus- 
führungen ſind frei von einem Rechtsirrtum. Die 
Annahme, daß H. B. in ihrer doppelten Eigenſchaft 
als Verletzte und beeidigte Zeugin ein berechtigtes 
Intereſſe an der Klarſtellung der Sache und an der 
Aufklärung des Richters über die Perſönlichkeit des 
als Gegenzeugen aufgetretenen F. hatte, läßt ſich nicht 
beanſtanden. Als beeidigte Zeugin hatte ſie nicht bloß 
das Recht, ſondern die Pflicht, alles vorzubringen, 
was zum Nachweiſe der Schuld der Angeklagten dienen 
konnte, insbeſondere auch darauf aufmerkſam zu 
machen, daß F. als ihr Schuldner und wegen ſeines 
Verhaltens dem Liebespaare gegenüber nicht unbe⸗ 
dingt glaubwürdig erſcheine. Dabei hat ſie die Grenze 
der ihr als Zeugin obliegenden Pflicht zur Wahrheits⸗ 
angabe in keiner Weiſe überſchritten. Bei der wei⸗ 
teren unangreifbaren tatſächlichen Feſtſtellung, daß 
das Vorhandenſein einer Beleidigung weder aus der 
Form der Aeußerung noch aus den ſie begleitenden 
Umſtänden entnommen werden kann, ae ſich 
die Freiſprechung. (Urt. vom 1. September 1908, Rev.⸗ 
Reg. 357/08). H 
1378 ; 


Oberlandesgericht München. 


Bollzug von Zengenſtrafen (3 380 StPO.). Der 
Metzger R. in St. war durch Beſchluß des OLG. vom 
4. März 1908 wegen unentſchuldigten Ausbleibens 
als Zeuge zu 20 M Geldſtrafe, umgewandelt, falls 
uneinbringlich, in zwei Tage Haft, verurteilt worden. 
Die Pfändung blieb erfolglos. Das OLG. beſchloß 
nunmehr die Haftſtrafe zu vollziehen und darum das 
. des Wohnſitzes des Zeugen zu erſuchen. 

us den Gründen: Der Vollzug erfolgt auf 
Grund des gemäß $ 794 Nr. 3 ZPO. ſofort vollſtreck⸗ 
baren, bisher mit Beſchwerde trotz längſt erfolgter 
Zuſtellung nicht angegriffenen Strafbeſchluſſes. Da 
es fih nicht um eine Zwangs- oder Sicherheitshaft 
im Sinne der K. VO. vom 3. Dezember 1881 (GVBl. 
S. 1331) und der JMBel. vom 6. Dezember 1881 
(JM Bl. S. 483) handelt, erfolgt die Vollſtreckung ge- 
mäß Art. 26 AG. z. StPO. im Amtsgerichtsgefängnis 
des Wohnortes des Verurteilten. Da jedoch nicht eine 
nach Maßgabe der StPO. ausgeſprochene Strafe in 
Frage ſteht, find die SS 483 ff. StPO. über Mitwir⸗ 
kung der Staatsanwaltſchaft beim Vollzug unanwend— 
bar (vgl. Gaupp⸗Stein, ZPO. zu § 380); letzterer ift 
vielmehr in ähnlicher Weiſe durch das erkennende Ge— 
richt ſelbſt herbeizuführen, wie der Vollzug der Ord- 
nungsſtrafen nach $ 181 GVG. durch den Vorſitzenden. 
Die Inanſpruchnahme des zuſtändigen (inländiſchen) 
Amtsgerichts entſpricht der Sachlage und dem Ge— 
richtsgebrauche und iſt durch keine geſetzliche Beſtim⸗ 
mung gehindert (vgl. Art. 77 AG. z. GVG.) . (Beſchl. 
pom n Auguft 1908, L 764/05 I). N. 
1386 


Oberlandesgericht Zweibrücken. 


Beſchädigung eines Pferdes durch den abaerifienen 
Draht der Starkſtremleitung eines Elektrizitätswerkes 
(88 836, 837, 8 823 Abſ. 1 B68 B.). Im März 1906 
kam das Chaiſenpferd des Klägers mit dem abgeriſſenen 
Teile der Starkſtromleitung des Elektrizitätswerkes zu 
N. in Berührung; es wurde zu Boden geworfen und 
erkrankte infolge der Einwirkung des Stromes. Die 
gegen den Inhaber des Elektrizitätswerkes gerichtete, 
auf 88 836/7 BGB. geſtützte Klage begehrt Erſatz wegen 
Minderung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit 
des Tieres. Landgericht und Oberlandesgericht haben 


Seinen für Negiepftege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


t 
i 


dem Klagantrage ftattgegeben mit dem Abmaße, dak 


423 


das Berufungsgericht den Schadenserſatzbetrag etwas 
ermäßigte. 

Aus den Gründen des Berufungsurteils: 
Es ſteht feſt, daß das Pferd durch die Einwirkung des 
elektriſchen Stromes, nicht durch ein mechaniſches 
Hängenbleiben zu Schaden gekommen iſt. Es han⸗ 
delt ſich auch um eine Beſchädigung, die durch eine 
Ablöſung von Teilen eines Werkes im Sinne von 
§ 836 BGB. verurſacht worden ift. Die elektriſche 
Leitung ruht auf den in den Boden eingerammten 
Maſten, iſt alſo eine mit dieſem verbundene Anlage. 
Die Haltung der Anlage iſt nach Maßgabe der Kon⸗ 
zeſſionsverhandlungen ein auf dreißig Jahre ein⸗ 
geräumtes Recht des Beklagten; ein Widerruf durch 
die Diſtriktsgemeinde, auf deren Grund und Boden 
die Leitung ruht, iſt nicht vorbehalten. Die Ver⸗ 
antwortlichkeit des Beklagten iſt in gleicher er 
gegeben, ob man (Zurnau-Förfter I 39, RGE. 39, 
204; 60, 422) die Starkſtromleitung als einen Be 
ſtandteil des Elektrizitätswerkes, mit dem das Leitungs⸗ 
netz in feſter Verbindung ſteht, oder ob man die Ein⸗ 
richtung als ein auf fremdem Grund und Boden ge⸗ 
haltenes Werk anſieht. Wird die Sache unter dem 
Geſichtspunkt von 88 836/7 BGB. gewürdigt, fo iſt 
kein Zweifel, daß der Kläger der ihm obliegenden 
Beweispflicht — Schädigung durch den ee 
elektriſch geladenen Draht, objektiv fehlerhafte Anlage 
und mangelhaſte Unterhaltung der Leitung — genügt 
hat; die fehlerhaſte Anlage ergibt ſich aus der Ver⸗ 
wendung alten gelöteten Drahtes, aus der Nichtver⸗ 
ankerung des in der Böſchung ſtehenden, alſo ohnehin 
einer Neigungsgefahr ausgeſetzten Leitungsmaſtes und 
aus der ungenügend hohen und ſtraffen Spannung 
des Drahtes. Sich zu entlaſten, hat der Beklagte 
keinen ernſtlichen Verſuch gemacht. Seine Behauptung, 
der Draht ſei infolge eines Schneeſturms geborſten, 
verfängt nicht: der in Frage kommende Schneeſturm 
war kein Naturereignis von ſolcher Abnormität, daß 
bei der Herſtellung der Anlage und bei Bemeſſung 
der Drahtſtärke nicht darauf hätte Rückſicht genommen 
werden müſſen. Daß der Draht an anderen Stellen 
nicht geriſſen iſt, deutet auf beſondere Umſtände, die 
hier den Draht gegenüber Stürme und Schnee weniger 
widerſtandsfähig machten: der Draht war nicht ſtraff 
geſpannt und lag auch auf dem Dachfirſte auf. Wollte 
man mit Rückſicht auf den Wortlaut von 88 836/7 
BGB. Bedenken tragen, diefe Beſtimmungen angu- 
wenden, fo käme § 823 BGB. zur Anwendung, da 
der am Boden liegende, mit Elektrizität geladene und 
infolge der fortbeſtehenden Verbindung mit der Zentral⸗ 
ſtelle diefe Kraft ergänzende Draht den Schaden Her- 
vorgebracht hat und der Beklagte verantwortlich iſt, 
der — wie vom Kläger nachgewieſen iſt — in der 
Unterhaltung und Ueberwachung der elektriſchen Lei⸗ 
tung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht 
gelaſſen hat. Der Beklagte hätte die allmähliche Sen- 
kung des Maſtes, die ſich im Zeitraum mehrerer Wochen 
vollzog, ſelbſt oder durch ſeine Organe wahrnehmen 
und die Neuverankerung oder Geradeſtellung vorneh— 
men müſſen, womit dann das Aufliegen des Drahts 
auf dem Dache wegfiel, das nicht beſonders erkennbar 
zu ſein brauchte. Wurde die Senkung des Maſtes, 
wurden die ſchwankenden Bewegungen des Drahtes, 
die für ſich allein ſchon die Gefahr des Abreißens 
nahelegten, überſehen oder ignoriert, fo ift das ein 
Außerachtlaſſen der gebotenen Vorſicht und Sorgfalt. 
Der Beklagte, der bei ordnungsmäßiger Beaufſichtigung 
und Kontrolle der Leitungsanlage die Loslöſung und 
das Herabfallen des Drahtes hätte verhindern können, 
haftet, wenn ein auf die Straße gefallener Teil eines 
von ihm gehaltenen Werkes eines fremde Sache be— 
ſchädigt. (Urt. vom 22. Januar 1908, Nr. 162/07). 


1356 Mitg. von Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken. 


424 


Literatur. 


Barthelmeßz, N., Kgl. Amtsrichter in München. Geſetz 
betr. die Berufsvormundſchaft vom 23. Fe⸗ 
bruar 1908. Handausgabe mit Erläuterungen und 
Sachregiſter. VIII u. 138 S. München 1908, J. 
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Kart. Mk. 3.—. 


Der Verfaſſer hat beſonderen Wert darauf gelegt, 
eine Ausgabe zu ſchaffen, die von den einzelnen Be⸗ 
rufsvormündern bei der Ausübung ihres Amtes be⸗ 
nützt werden kann. Er hat ſich deshalb nicht darauf 
beſchränkt, die kurzen aber nicht immer leicht verſtänd⸗ 
lichen Vorſchriften des Geſetzes zu erläutern, ſondern 
zugleich einen gedrängten Abriß des Vormundſchafts⸗ 
rechts gegeben. Die Erläuterungen nehmen zu allen 
Fragen Stellung, die ſich beim Vollzuge des Geſetzes, 
insbeſondere in Anſehung des Verhältniſſes des Be- 
rufsvormunds zum Vormundſchaftsgericht und zum 
Mündel ergeben können. Der Verfaſſer hat mit Ver⸗ 
ſtändnis vorausgefühlt, wo ſich etwa Schwierigkeiten 
und Reibungen ergeben könnten, was um ſo mehr 
anzuerkennen iſt, als ihm die dürftige Rechtſprechung 
nur wenige Anhaltspunkte bot. Er zeigt auch überall 
ſelbſtändiges und geſundes Urteil. von der Pfordten. 


Meisner, Chr., Rechtsanwalt in Würzburg. Die Vor⸗ 
ſchriften des BGB. über die Viehgewähr⸗ 
ſchaft nebſt der Kaiſerl. VO. vom 27. März 1899. 
2. vollftändig umgearbeitete Auflage. München 1908, 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Gebd. Mk. 4.—. 


Die Fragen des Viehgewährſchaftsrechts werden 
nur ſelten vor den höheren Gerichten ausgetragen. 
Die wenigen reichsgerichtlichen Erkenntniſſe, die zur 
Verfügung ſtehen, find nicht alle zu gefunden Ergeb- 
niſſen gelangt, der Standpunkt des Reichsgerichts in 
der Frage der Anfechtbarkeit von Kaufverträgen iſt 
ſogar recht bedenklich. Auch in der wichtigen Frage, 
inwieweit der Verkäufer wegen „argliſtigen Ber- 
ſchweigens“ haftet, gehen die Meinungen weit aus— 
einander (vgl. diefe Zeitſchrift 1906 S. 225, 436, 470; 
1907 S. 29). Die Zahl kleinerer Streitfragen ift ge- 
radezu unermeßlich. Der Verfaſſer hat den verwickelten 
Rechtszuſtand ſehr klar und überſichtlich geſchildert; 
als vielerfahrener Praktiker hat er alle erdenklichen 
Vorkommniſſe rechtlich gewürdigt. Auch der „tierärzt- 
liche“ Teil iſt ſorgfältig und in einer dem Laien faß— 
baren Weiſe behandelt. von der Pfordten. 


Guttentagſche Sammlung dentſcher Reichsgeſetze. 
In dieſer Sammlung ſind neu erſchienen: 


1. Knitſchky, weil. Dr. jur. E. W. Die Seegeſetz⸗ 
gebung des Deutſchen Reichs. Unter Be- 
rückſichtigung der Entſch. des Reichsoberhandels— 
und des Reichsgerichts, des hanſeat. Oberlandes— 
gerichts und der Seeämter. Textausgabe mit An— 
merkungen und Sachregiſter. 4. verm. und verb. 
Auflage, bearbeitet von Otto Rudorff, Oberlandes— 
gerichtsrat in Hamburg. XXIV, 1155 S. Berlin 
1908, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd. 
Mk. 6.—. 


2. Fiſcher, Dr. P. D., Wirkl. Geheimer Rat. Die 
deutſche Poft- und Telegraphen-Geſetz⸗ 
gebung. Nebſt den Weltpoſtverträgen, dem inter— 
nationalen Telegraphenvertrag und dem inter— 
nationalen Funkentelegraphenvertrag. Text-Ausg. 
mit Anmerkungen und Sachregiſter, fortgeführt von 
Dr. jur. M. König, Geh. Oberpoſtrat, vortr. Rat 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 


im Reichs⸗Poſtamt. 6. Auflage. 580 S. Berlin 
111 J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd. 


3. Lutter, N., Geh. Regierungsrat im kaiſ. Patentamt, 
Patentgeſetz vom 7. April 1891. Nebſt Ausfüh⸗ 
rungsbeſtimmungen, völkerrechtlichen Verträgen und 
Patentanwaltsgeſetz. Bisher herausgeg. von Bro: 
feſſor Dr. N. Stephan. 7. völlig neubearbeitete 
Aufl. 353 S. Berlin 1908, J. Guttentag, Ber- 
lagsbuchhandlung. Gebd. Mk. 2.80. 


4. Hemptenmacher, Th., Wirkl. Geh. Ober⸗Regierungs⸗ 
rat. Börſengeſetz. Nebſt Ausführungsbeſtim⸗ 
mungen. Text⸗Ausg. mit Anmerkungen und Sach⸗ 
regiſter. Urſprüngl. herausgegeben von Unterſtaats⸗ 
ſekretär A. Wermuth und Regierungsrat H. Brendel. 
2. völlig neu bearb. Auflage. 293 S. Berlin 1908, 
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlg. Gebd. Mk. 2.—. 


5. Meyer, Gg., Juſtizrat, Rechtsanwalt in Berlin. 
Das Recht der Beſchlagnahme von Lohn⸗ 
und VNV Auf Grundlage 
der RG. vom 21. VI. 1869 u. 29. III. 1897 und 
der ZPO. mit Einleitung, Anmerkungen u. Sach⸗ 
regiſter. 3. vermehrte Auflage. 185 S. Berlin 
m 2 90 Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd. 


Notizen. 


Die Berwendung der Schreibmaſchine bei den Ne: 
tariaten. Die Schreibmaſchine hat bei den Gerichten 
ſchon feit Jahren Eingang gefunden; ihr Anwen: 
dungsgebiet wächſt von Tag zu Tag. Mit der Zu: 
laſſung der Schreibmaſchine im Urkundendienſt der 
Notariate hat ſich das Juſtizminiſterium dagegen bis⸗ 
her zurückgehalten, weil der Stand der Technik noch 
keine genügende Gewähr für die Dauerhaftigkeit der 
Schreibmaſchinenſchrift zu bieten ſchien. Bisher war 
die Verwendung der Schreibmaſchine den Notaren 
nur für die amtliche Korreſpondenz und für gewiſſe 
für die Grundbuchämter beſtimmte Abſchriften ge⸗ 
ſtattet. (DA. für die GBAe. § 569 Abſ. I). Die 
Fortſchritte in der Technik haben das Miniſterium 
jetzt veranlaßt, die Verwendung der Schreibmaſchine 
in weiterem Maße zuzulaſſen, wie das in Preußen 
und in Helfen anſcheinend ſchon früher ohne nad- 
teilige Erfahrungen verſucht worden iſt. (Bek. vom 
2. Oktober 1908, IM Bl. S. 229). Die Verwendung 
der Schreibmaſchine zur Herſtellung von Urſchriften 
von Urkunden iſt jedoch vorerſt wie bisher nicht 


geſtattet. 
1410 


Die ee von Leumundszengniſſen durch die 
Polizeibehörden ſoll künftig nicht mehr in der Weiſe 
erfolgen, daß alle Beſtrafungen angeführt werden 
(Entſchl. des Staatsminiſteriums des Innern vom 
25. Auguſt 1908, Amtsblatt Nr. 17 S. 418). Die 
Polizeibehörden ſollen vielmehr mit Takt und Sorg⸗ 
falt prüfen, ob nicht trotz geringfügiger oder weit 
zurückliegender Beſtrafungen die Beſcheinigung eines 
guten Leumunds erteilt werden kann. 
1414 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing. 


Ar. 22. München, den 15. November 1908. J. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


% 
Th. von der Pfordten IN N kl I 2. Schweitzer Verlag 
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Baner B (Arthur Bellier) 
Staats miniſterium der Juſtiz. in München, Lenbachplatz 1. 
* . Ê 
a Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 


k. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9743). 


Inſertionsgebübr 30 fg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellena en 


U = 
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats k 
20 Pfg. Beilagen nach Uedereinkunft. 


3) Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 


Se 22 
Nachdrud verboten. 


Das Siebenmännermonopol. verteilung, wie ſie nun einmal im Reichsgerichte 


Be K —.— iſt und ſein muß, und bei der Zuſammenſetzung 
Eine Lehre aus dem Streit um den Eigentums⸗ der Senate iſt die Bildung der maßgebenden 
vorbehalt an den eingebauten Maſchinen. Mehrheiten in den Senaten zu ſehr Zufallsſache 
| und die Schwenkung des 5. Senates hängt ſicher 
mit den ſtarken Perſonalveränderungen zuſammen, 
nd naer l E die inzwiſchen in ihm ftattgefunden haben. Das 
Der Maſchineninduſtrie it noch in empfind- Siebenmännermonopol ift oft nur ein Viermänner⸗ 
licher Erinnerung, welche Opfer fie einer unrich⸗ monopol und das geht denn doch nicht. Es geht 
tigen juriſtiſchen Doktrin hat bringen müſſen, bis insbeſondere dann nicht, wenn für eine beſtimmte 
teilweiſe Umkehr erfolgte. Aber auch nur teilweiſe, Gruppe von Rechtsfragen weſentlich nur ein einziger 
denn das Reichsgericht iſt ſich nicht einig. Das Senat zuſtändig iſt. Die Mehrheitsabſtimmung 
Bild ift augenblicklich jo, daß erſt kürzlich außer perſchärft eben die Monopolſtellung einiger weniger 
dem 5. Senat auch noch der 2. Senat, treu ſeiner Richter ganz erheblich und daher kann man ganz 
idon vor Jahren geäußerten Anſicht den Eigen- gewiß nicht ſagen, daß ein Erkenntnis eines be— 
tumsvorbehalt anerkannt hat, daß aljo, wenn ſtimmten Senates immer die Anſicht des ganzen 
man nur die Senate zählt, die entſchiedene Mehrheit Reichsgerichtes wiedergebe. 
des Reichsgerichtes dem Eigentumsvorbehalt freund— Das i d dec une i er ene re heiden 
lich geſonnen iſt.) Trotzdem bedeutet dies wegen (Bieter hier nicht ganz daſſende Ausdruck it der 
der Geſchafts verteilung praktiſch doch nur, ab Kürze halber gewählt) der Fall. Dieſe kann 
etwa in zwei Dritteln aller „ an aber vermieden werden, wenn die Rechtsfrage als 
?!; On. Umgengni toe eine Tatfrage behandelt wird. Nach der Formel: 
ſicher zugunſten der N wird ent⸗ 11 
VV; an einen andern Tatbeſtand vor uns, wird jetzt der 
o . ten der Konkursmaſſe Widerſpruch unter den verſchiedenen Senaten in 
nn 088 0 1 1 u. paa onkursmaſſe Permanenz erklärt, wenn einige von ihnen auch 
i Ip 3 3 Je. Taed i jetzt noch an der bisherigen Rechtſprechung feft- 
Dieſer Zuſtand iſt unerträglich, weil praktiſch halten wollen. 
ein Würfelſpiel, und alles andere als Rechtsſicher? Es läßt ſich verſtehen, wenn ein Senat wie 
heit. Die Senate ſprechen aneinander vorbei in dieſer Frage es vorzieht, eine Rechtsfrage 
und die Parteien müſſen bitten: 5 mir hinter einer angeblichen Tatfrage zu verſtecken, 
nicht Recht, ſondern einen günſtigen Senat. Es ‚um nicht in einer Plenarentſcheidung, deren Mus- 
klingt ſo voll, wenn es heißt, das Reichsgericht gang ungewiß iſt, mundtot gemacht zu werden. 
habe entſchieden, tatſächlich find es formell nur Dies ift dann taktiſch nicht ganz unberechtigt, 
7 Richter, in Wirklichkeit find es regelmäßig wenn der betreffende Senat einen Gedanken 
jogar viel weniger, 6, 5 oder gar nur 4. Nun pertritt, der an fich richtig und billigenswert ift, 
bedenke man, daß unter Umſtänden 4 Richter, aber noch keine Ausſicht auf Anerkennung bei den 
die die geſchloſſene Mehrheit in dem zuſtändigen anderen Senaten hat. Unter Umſtänden kann 
Senate bilden, dauernd die Rechtſprechung von es auch nützlich erſcheinen, erſt einmal abzuwarten, 
ganz Deutſchland beherrſchen können, ohne daß welche Aufnahme die betreffende Rechtſprechung 
fih daran etwas ändern ließe. Bei der Geſchaͤfts. in der Wiſſenſchaft findet und danach das künftige 
— Verhalten einzurichten. Auch darüber läßt ſich 
reden, daß dem Nachbarſenate gangbare Rückzugs— 
brücken gebaut werden. Alle dieſe Mittel einer 


Von Profeſſor Krückmaunn in Münſter i. W. 


) Vgl. die Nachweiſe in meiner Schrift: Weſent⸗ 
licher Beſtandteil und Eigentumsvorbehalt S. 2 ff., 8 ff. 
Günſtig find auch 1, 3 3S. BayᷣSbsG. 


es 


vermittelnden Taktik ſoll man nicht unbedingt 
verwerfen, wenn es auch leicht iſt, vom „grund⸗ 
ſätzlichen Standpunkte“ aus ſie in Grund und 
Boden zu verdammen als verwerflich und ſtörend 
für die reine und unentwegte Rechtſprechung. 
Nichts iſt ideal und vollkommen und ſo ſoll eine 
kluge Taktik, die im Dienſte des Rechtes mit 
mancherlei Menſchlichkeit rechnet, gar nicht unbe: 
dingt verworfen werden. Sie kann, am richtigen 
Orte und im richtigen Maße angewandt, unſtreitig 
viel Gutes tun. Aber gerade dieſe Taktik führt 
in unſerer Frage die Zerſplitterung herbei. Wir 
müſſen daher ein Mittel gewinnen, auch gegen 
den Willen der in Betracht kommenden Senate 
zu einer Plenarentſcheidung zu kommen. Dies 
iſt nun nicht anders möglich, als wenn das 
Reichsgericht, durch den Reichskanzler 
bindend aufgefordert, zu einer Plenar: 
entſcheidung zuſammentritt. Es muß 
möglich ſein, ihm eine Rechtsfrage zur 
Entſcheidung vorzulegen, ohne daß dar— 
über gerade zurzeit ein Prozeß an— 
hängig iſt, damit eine für die Unter— 


gerichte beachtliche höchſtrichterliche 


Entſcheidung gewonnen wird. Die Voraus- 


ſetzungen hierfür, wann dem Reichskanzler zuſteht, 
ein ſolches bindendes Erſuchen zu ſtellen, werden 
am beiten gar nicht geſetzlich feſtgelegt. Der 
Reichskanzler wird ja doch praktiſch die Entſcheidung 
immer in die Hand des Reichsjuſtizamtes legen 
und dieſes iſt eine ſo bedächtige Behörde, daß 
niemals zu fürchten ſein wird, es werde an das 
Reichsgericht zu oft das Erſuchen um eine Plenar— 
entſcheidung geſtellt werden. Als Anwendungs— 
fälle dieſes Verfahrens wären zu denken einmal 
ſolche Lage, wie ſie z. B. in der Frage des 
Eigentumsvorbehalts beſteht, es muß aber auch 
ſchon genügen, daß die nach der Geſchäftsverteilung 
zuſtändigen Senate auf beachtlichen Widerſpruch 
ſtoßen, ohne daß dieſer Widerſpruch bisher inner— 
halb des Reichsgerichtes ſelber laut geworden iſt. 
Zurzeit beſteht keine Möglichkeit, die nach der 
Geſchäftsverteilung zuſtändigen Senate, wenn ſie 
einig ſind, dem kritiſchen Votum des geſamten 
Reichsgerichts zu unterwerfen, hierfür iſt aber 
gerade dann doppeltes Bedürfnis, wenn die zu— 
ſtändigen Senate in demſelben Irrtum befangen 
ſind. So hätte z. B. in der Frage des Eigen— 
tumsvorbehaltes ſchon lange vor der Schwenkung 
des 5. Senates eine Plenarentſcheidung ergehen 
müſſen. 
Frage reif, ſeitdem ſind keine neuen Geſichtspunkte 
mehr beigebracht worden. Wir hätten alſo ſchon 
ſeit etwa 2 Jahren eine andere Rechtſprechung 
haben können, denn mit Hilfe der anderen, dem 
Vorbehalt günſtig geſinnten Senate war eine 
ſichere Mehrheit ſchon damals zu erzielen. Da 
diejenigen, die auf eine Plenarentſcheidung hin— 
drängen, ſich immer genau Rechenſchaft davon 
geben müſſen, ob die Frage ſchon zu einer ſolchen 


Mindeſtens ſeit Anfang 1907 war die 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


werden müſſen und überdies bleibt der 


| nehmen. 


Plenarentſcheidung ſpruchreif iſt, werden ſie natur⸗ 
lich entſprechende Verſuche nicht früher machen, 


als bis ſie genügendes Material geſammelt haben. 
Praktiſch wird vielfach die Oeffentlichkeit der 
Reichstagsverhandlungen in Anſpruch genommen 
ſelb⸗ 
ſtändigen Initiative des Reichsjuſtizamtes ebenfalls 
Raum, um in geeigneten Fällen von dem Reichs⸗ 
kanzler ein ſolches Erſuchen zu erwirken. 

Aber noch ein anderes wird geſagt werden 
müſſen. Das Reichsgericht wäre wahrſcheinlich 
ſchon früher bedenklich geworden, wenn auch die 
Oberlandesgerichte ihm mehr Widerſtand geleiſtet 
hätten. Außer den bayeriſchen Gerichten. Kiel 


und dem wie meiſtens ſelbſtändigen Hamburg 


haben ſich die Oberlandesgerichte der reichsgerickt— 
lichen Lehre denn doch zu lange gefügt. Zu Anfang, 


als auch die Theorie hin und her tappte und wir 
alle noch im Fahrwaſſer der Motive ſegelten, war 


es verſtändlich, daß die ſcheinbar ſo einfache Formel 
des RG. überall Nachfolge fand, als aber die 
große Schädigung offenbar wurde, die die Redt- 
ſprechung des RG. anzurichten drohte, als ein 
theoretiſcher Gegengrund nach dem anderen herbei— 
geſchafft wurde, hätten die Oberlandesgerichte doch 
wohl mehr Selbſtändigkeit zeigen können, als ſie 
getan haben. Die Folge der vorzeitigen Warren: 
ſtreckung ift, daß fie jetzt, nachdem fih das Reichs 
gericht überwiegend von der früheren Rechtſprechung 
abgekehrt hat, dieſe Schwenkung ignorieren und 
den unbefriedigenden Rechtszuſtand, ſoweit fie können. 
verewigen müſſen, oder, daß ſie genau ſo, wie ſie 
damals die Rechtſprechung des Reichsgerichtes ohne 
eigene Zutaten angenommen haben, dies heute 
mit der veränderten Rechtſprechung tun müſſen. 
Das Anſehen unſerer Gerichte wird dadurch 
auf keine Weiſe gehoben. Gewiß iſt urſprünglich 
die Praxis durch die Theorie irregeleitet worden 
und die Hauptſchuld lag zunächſt bei der Theorie, 
aber dann hat die Praxis den Umſchwung der 
Theorie nicht beachtet. Hierin hätten gerade die 
Oberlandesgerichte, die ſich nicht ſo eingeſetzt hatten, 


wie der 5. und. 7. Senat, beweglicher und elaſtiſcher 


ſein können. Das wäre gerechter geweſen und hätte 
mehr Ruhm und Ehre gebracht. 


polizei und Etrafrechtsreform.) 


Von Bezirksamtsaſſeſſor Dr. Friedrich Haenle in Kötzting. 


Die Reform unſeres Strafrechts ſteht nicht 
mehr in weiter Ferne. Es iſt daher an der Zeit, 
daß auch die Beamten der inneren Verwaltung 
zu den hierbei auftauchenden Streitfragen Stellung 
Sie ſind hierzu vor allem berufen, da 


1) Anm. des Herausgebers. Der Verfaſſer ver⸗ 
tritt zwar etwas zu einſeitig die Anſchauungen der Ver— 
geltungslehre, immerhin bringt aber ſeine Abhandlung 
beachtenswerte Anregungen. Es iſt nicht zu verkennen, 


fie jeden Tag in ihrer polizeilichen Tatigkeit die 
Wirkungen der Strafgeſetzgebung kennen lernen. 
Mögen die folgenden Zeilen die Verwaltungs⸗ 
beamten veranlaſſen, in erhöhtem Maße die 
Reformvorſchläge einer kritiſchen Würdigung zu 
unterziehen! 

Der Werdegang des Strafrechts iſt bekannt. 
Sein Ausgangspunkt iſt die Rache, die Talion. 
Dadurch, daß der Staat die Verfolgung in die 
Hand nahm, wurde die blinde Rache des in 
ſeinem Rechtsfrieden Gekränkten zum gerechten 
Gerichte der den Rechtsfrieden garantierenden 
Macht. Nach wie vor blieb jedoch das Ziel die 
Sühne der begangenen Tat ohne Anſehen der 
Perſon des Täters. Das war und iſt heute 
gerechte Strafjuſtiz. Geändert haben ſich im 
Lauf der Zeiten nur die Strafen und Strafarten. 

Es iſt noch nicht lange her, daß die heute 
ſo ſeltene Todesſtrafe eine häufig angewandte 
Strafart bildete. Schon bei Delikten, die jetzt 
ſehr milde beurteilt werden, wurde ſie angewandt 
(insbeſondere bei Eigentumsdelikten; augenſcheinlich 
iſt der Reſpekt vor dem Privateigentum im All⸗ 
gemeinempfinden gegen frühere Zeiten geſunken). 
Man hat mit Recht geſagt, daß wir noch heute 
dieſer für unſere Gefühle rohen Strafjuftiz zu 
Dank verpflichtet ſind wegen der Ausleſe, welche 
der Galgen und das Richtſchwert unter den ſozial 
minderwertigen Individuen hielten. Die Strafjuſtiz 
beſorgte damit früher in wirkſamer Weiſe die 
Geſchäfte der Polizei. Dies alles hat ſich im 
Lauf der Zeiten geändert. Die Strafen ſind viel 
leichter geworden; ihre polizeiliche Wirkung ſteht 
ſehr in Frage. Die Polizei ſelbſt aber hat außer 
bei Bettlern, Landſtreichern, Dirnen, Zuhältern 
und Arbeitsſcheuen bei der Behandlung des Ver— 
brechertums faſt nichts zu ſagen. Sie hat das 
Recht und die Pflicht, wenn ein Verbrechen vor: 
gekommen iſt, den Täter ausfindig zu machen 
und muß tagtäglich die Klagen über die wachſende 
Rechtsunſicherheit über ſich ergehen laſſen. Sie 
hat nur bei minderjährigen Perſonen unter ge- 
wiſſen Umſtänden das Recht der Zwangserziehung 
und außerdem das Recht der Polizeiaufſicht. 
Letztere Maßregel hat notoriſch keinen praktiſchen 
Wert; ſie hindert denjenigen, der ſich nicht beſſern 
will, nicht an der Begehung ſtrafbarer Hand 
lungen; demjenigen, der ſich beſſern will, macht 
ſie aber die Beſſerung unmöglich, da im allge— 
meinen kein vernünftiger Menſch eine Perſon bei 
ſich aufnehmen will, bei der polizeiliche Ueber- 
wachung für nötig erachtet wird. 

Dieſer Zuſtand muß anders werden. Der 


daß der jetzige Uebergangszuſtand ſeine Gefahren hat. 
Insbeſondere führt die übergroße Milde gegen die 
„Jugendlichen“, die nicht durch eine energiſche Durch— 
führung des Zwangserziehungsgeſetzes ausgeglichen 
wird, zu einer Lockerung der Staatsautorität; ſie kann 
1 als Anreiz zur Begehung ſtrafbarer Handlungen 
wirken. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


| 


427 


— — — — 


Polizei muß in Zukunft bei der Bekämpfung des 
Verbrechertums neben der Strafjuſtiz eine aus⸗ 
ſchlaggebende Rolle zugewieſen werden. Wenn 
die Polizei ſchon jetzt das Recht hat, gemein⸗ 
gefährliche Geiſteskranke zu verwahren, ſo muß 
ihr dies Recht aus dem gleichen Grund bei gemein⸗ 
gefährlichen Geiſtesgeſunden eingeräumt werden. 
Alle die Hochſtapler, Betrüger, Diebe, Einbrecher, 
Meſſerhelden, welche das Leben und Gut ihrer 
Mitbürger tagtäglich bedrohen, können heute polizei⸗ 
lich nicht behandelt werden. Unſer Strafgeſetzbuch 
iſt inſofern wirklich, wie ein Strafrechtslehrer 
ſagt, die magna charta des Verbrechers. 

Der Fehler unſerer jetzigen Geſetzgebung liegt 
darin, daß durch die Strafe gleichzeitig ſtrafrecht⸗ 
liche und polizeiliche Zwecke verwirklicht werden 
ollen. Darunter leidet notwendig ſowohl die 
Strafjuſtiz, wie die Polizei. Dem Strafrichter 
ſind zwei ganz heterogene Aufgaben überbürdet. 
Auf der einen Seite ſoll er gerecht ſtrafen 
ohne Anſehen der Perſon, auf der andern Seite 
ſoll er gerade mit Rückſicht auf die Perſon und 
ihr Vorleben die Strafe individualiſieren. Sieht 
man nicht, daß hier der Strafrichter vor eine 
unlösbare Aufgabe geſtellt iſt? Mit einem 
Erkenntnis ſoll der Richter die Tat ſühnen, den 
Verbrecher beſſern, die Geſellſchaft vor ihm ſchützen, 
die Verbrecherzunft warnen! Der neueſte Ge⸗ 
danke iſt die unbeſtimmte Verurteilung ohne 
Feſtſetzung der Verwahrungsdauer; das bedeutet 
aber den Erſatz der Strafe durch die polizeiliche 
Verwahrung. Alſo eigentlich Abſchaffung der 
Strafgeſetzgebung! Wenn man das will, dann 
ſage man es doch offen und erkläre, daß in Zu— 
kunft an Stelle der Strafe aus Anlaß des Be— 
gehens gewiſſer, verpönter Handlungen die polizei— 
liche Verwahrung zu treten habe! Es iſt aber 
nicht anzunehmen, daß die geſetzgebenden Faktoren, 
ſo wie die Dinge heute liegen, für eine derartige 
Umwälzung in der Geſetzgebung zu haben ſind. 
Man muß daher darauf ſtehen bleiben: die 
Strafe hat nach ihrer Geſchichte und den heute 
noch geltenden Anſchauungen lediglich eine Daſeins⸗ 
berechtigung, inſoweit als ſie erkannt wird als 
Sühne für die begangene Tat. Eine Folge⸗ 
erſcheinung der Strafe iſt die Generalprävention 
(das iſt zwar eine polizeiliche Wirkung der erkannten 
Strafen; auf ſie braucht aber bei der Strafzu— 
meſſung keine Rückſicht genommen zu werden, da 
die Strafandrohung und das Straferkenntnis als 
ſolches unabhängig von der ſpeziellen Strafge— 
ſtaltung präventiv wirken). 

Neben die Strafgeſetzgebung hat nun als gleich— 
wertiger Faktor die ſyſtematiſche Bekämpfung des 
Verbrechertums durch die Verwaltung zu treten. 
Zu dieſem Zwecke wäre ein eigenes Geſetz über 
die polizeiliche Behandlung gemeingefährlicher Per: 
ſonen auszuarbeiten. Den Verwaltungsbehörden 
wäre darin das Recht einzuräumen im verwaltung3- 
rechtlichen Verfahren Perſonen, die auf Grund 


428 ' Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


ihres Vorlebens als gemeingefährlich zu erachten Strafgerichtsbarkeit und Polizei würde eine wirt- 
ſind, auf Zeit oder lebenslänglich zu verwahren. ſame Bekaͤmpfung des Verbrechertums garantieren. 
Etwaige Bedenken gegen die hierdurch der Während ſich heute die Schärfe der Strafe 
Polizeiverwaltung einzuräumende Macht ließen ſich hauptſaͤchlich in der Länge der Verwahrungsdauer, 
durch eine geeignete Faſſung des Geſetzes leicht dies faſt nur aus polizeilichen Erwägungen, 
zer ſtreuen. dokumentiert, würde in Zukunft eine kurze, aber 
Vorausſetzung für die Einleitung des Verfahrens energiſchere Beſtrafung (vgl. Militärſtrafgeſetzbuch) 
bei den Verwaltungsbehörden wäre ein neben dem genügen und ſicher im allgemeinen mehr wirken; 
Urteil geſondert zu faſſender Beſchluß des Straf: bei Gemeingefährlichen würde ſich ohnehin die 
gerichts, wonach der Verbrecher wegen Gemein: polizeiliche Verwahrung anſchließen. 
gefährlichkeit der Landespolizeibehörde überwieſen Es iſt auch anzunehmen, daß die völlige Aus⸗ 
wird. Es wäre zu dieſem Behuf von den geſetz⸗ ſchaltung polizeilicher Erwägungen bei der Straf: 
gebenden Faktoren der Verbrechenskatalog dahin geſtaltung das Vertrauen des Volkes in die Straf⸗ 
zu prüfen, welche Verbrechen einen Rückſchluß, rechtspflege hebt. Denn polizeiliche Erwägungen 
event. bei wiederholter Begehung auf die Gemein: bringen eine Individualiſierung des Falles mit 
gefährlichkeit des Täters zulaſſen. Dieſe Frage ſich und erwecken damit den Eindruck einer Rück⸗ 
ift natürlich mit die ſchwerſte der ganzen Geſetz⸗ ſichtnahme auf die betreffende Perſon. 
gebung; immerhin wird man erwägen müſſen, daß Es iſt zu hoffen, daß unſere geſetzgebenden 
eine etwas weitherzige Beantwortung einer enge Faktoren rechtzeitig erkennen, wie jede Strafgeſetz⸗ 
herzigen vorzuziehen iſt, da die Ausführung des gebung, welche ſtrafrechtliche und polizeiliche Ge⸗ 


Geſetzes mit Garantien ohnehin umgeben werden ſichtspunkte gleichzeitig verwirklichen will, an einem 
muß, welche einen Mißbrauch der Befugniſſe inneren Widerſpruch krankt! Hier wie überall gilt 
direkt ausſchließen. Das Strafgericht müßte der der Leitſatz, der jedem Juriſten ſtets vorſchweben 
Beſchlußfaſſung natürlich nicht nur die anlaß⸗ ſoll: Primum est distinguere ! 

gebende Tat, ſondern das ganze Vorleben des zu 
Ueberweiſenden zugrunde legen; daher wäre Ver⸗ 
nehmung der Eltern, Verwandten, Erzieher, Lehrer, 
Militärbehörden, Arbeitgeber, Nachbarn, Bekannten, 
Vormundſchaftsgerichte, Aufenthaltspolizeibehörden 
x. vorher geboten. Man darf zu den Gerichten 
das Vertrauen beſitzen, daß ſie einen ſolchen Be⸗ 
ſchluß nicht ohne Grund faſſen. 


Damit iſt ſchon geſagt, daß neben dem Be— 
ſchluß die rechtskräftige Verurteilung wegen einer 
ſchweren Straftat einhergehen muß. Freiſprechung 
wegen Mangels an Beweis oder allein die be— 
kundete gemeingefährliche Geſinnung laſſen einen 
Schluß auf Gemeingefährlichkeit nicht zu; erſt die 
nachweisliche Verwirklichung der Geſinnung in der 
Tat genügt als Beweis. 


Die Verwaltungsbehörde hätte ſodann unter 
Zuziehung des Amtsarztes und eines Laien nach 
ärztlicher Unterſuchung und mündlicher Verhand— 
lung über die Art des Vollzugs ſich ſchlüſſig zu 
machen und hierbei das ganze, event. durch weitere 
Erhebungen ergänzte Aktenmaterial zugrunde zu 
legen. Die Unterbringung könnte je nach der 
Perſönlichkeit in Beſſerungsanſtalten, Arbeitshäu— 
ſern, Verwahrungshäuſern (beſonders für geiſtig 
Minderwertige), Arbeiterkolonien ꝛc. erfolgen; 
vielleicht ließe ſich auch hierbei ein Verſuch mit 
der Deportation in unſere Kolonien wagen? 

Alljährlich würde unter Zugrundelegung der 
ſeitens der Anſtalten ꝛc. gemachten Wahrnehmungen 
neuerlich Beſchluß zu faſſen ſein. Dem Unterzu— 
bringenden wäre ein Offizialverteidiger beizugeben. 
Gegen jeden Beſchluß müßte der Weg der Be— 
ſchwerde zum Verwaltungsgerichtshof offen ſtehen. 

Nur eine derartige reinliche Scheidung von 


Das neue bayeriſche Beamtenrecht. 


Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. 
(Fortſetzung ſtatt Schluß). 
Das Dienſtſtrafrecht für die richterlichen Beamten 


regelt das durch Art. 183 Abſ. 1 BG. aufrecht 
erhaltene RDG.; nur die Aenderungen, welche 
dieſes Geſetz durch Art. 224 BG. erfahren hat, 
ſollen hier dargeſtellt werden, ſoweit ſie nicht 
ihon bei Beſprechung der Dienſtaufſicht und der 
vorläufigen Enthebung vom Amte beſprochen 
worden find und bei der Beſprechung der Ver: 
ſetzung in den Ruheſtand zur Erörterung kommen 
werden. 

Zu den Disziplinarſtrafen iſt eine neue, die 
Entziehung des Anſpruchs auf Vorrückung im 
Gehalt auf die Dauer von höchſtens drei Jahren 
gekommen. Die Neuerung ift veranlaßt durch die 
Beſtimmung des Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 2, welche 
den richterlichen Beamten im Gegenſatz zu den 
übrigen Beamten einen Anſpruch auf Vorrückung 
im Gehalte nach Maßgabe der Gehaltsordnung 
und des Dienſtalters einräumt. Von Einleitung 
einer VU. kann Umgang genommen werden (Art. 224 
Abſchn. 10). Auf die Entziehung des Anſpruchs 
kann nicht neben einer anderen Disziplinarſtrafe 
erkannt werden. Im Urteil iſt zugleich zu be 
ſtimmen, ob und inwieweit durch die Entziehung 
der Zeitpunkt für die ſpäteren Gehaltsvorrückungen 
hinausgeſchoben wird (Art. 224 Abſchn. 3 Ziff. 1 
Nr. 3 und Ziff. 3). Das Geſetz ſieht die Mög⸗ 


429 


lichkeit einer nachträglichen Milderung der Strafe 
vor; wenn nämlich der Richter ſich nach der Ver: 
urteilung längere Zeit gut geführt hat, kann die 
DK. die Entſcheidung auch dann, wenn diefe in 
2. Inſtanz vom DH. erlaſſen iſt, hinſichtlich der 
Zeit, für die der Anſpruch auf Vorrückung im 
Gehalt entzogen iſt, und bezüglich des Zeitpunktes 
der jpäteren Gehaltsvorrückung zugunſten des 
Richters ändern. Gegen die Entſcheidung ſteht die 
ſofortige Beſchwerde zum DH. offen (Art. 224 
Abſchn. 23 und Abſchn. 22). Die Beſtimmung 
gibt zu Zweifeln Anlaß: 1. in welcher Weiſe 
dieſes nachträgliche Verfahren in Fluß kommt; 
wohl auf Anregung der Dienſtaufſichtsbehörde; 
2. wie ſich das Nachtragsverfahren abſpielt; die 
Aenderung des Urteils wird ohne mündliche Ver⸗ 
handlung nach Anhörung des StA. auf Grund 
der Aktenlage durch Beſchluß der DR. zu treffen 
ſein; 3. über die Perſon des Beſchwerdeberechtigten; 
die entſprechende Beſtimmung des Art. 33 Abſ. 2 
BG. geſtattet den Schluß, daß nur der verurteilte 
Richter beſchwerdeberechtigt ſein ſoll; 4. ob Aende⸗ 
rung des Urteils nur mit Wirkung für die Zus 
kunft oder auch mit rückwirkender Kraft, ſodaß 
teilweiſe Nachzahlung der vorenthaltenen Vorrückung 
zu erfolgen hat, beſchloſſen werden kann; mit Rüd: 
ſicht auf den Wortlaut des Art. 56a Abſ. 1 dürfte 
letzteres anzunehmen fein, obwohl Abſ. 2 für die 
Anordnung der Nachzahlung (noch) einen anderen 
Weg unter anderen Vorausſetzungen vorſieht. 
„Aus beſonderen Gründen“ kann nämlich die Juſtiz⸗ 
verwaltung die teilweiſe oder volle Nachzahlung 
der vorenthaltenen Dienſtalterszulage verfügen. 
Aus der Begr. zu Art. 31 (S. 112) ergibt ſich, 
daß hierbei hauptſächlich an die Fälle gedacht iſt, 
in denen nachträglich das Verhalten des Beamten 
in einem milderen Lichte oder vollkommen ent: 
ſchuldbar erſcheint, wenn ſich z. B. ſpäter heraus⸗ 
ſtellt, daß die ungenügenden Leiſtungen oder das 
nicht entſprechende Verhalten des Richters durch 
eine in der Entſtehung begriffene körperliche oder 
geiſtige Erkrankung veranlaßt war. Die aus Art. 31 
übernommene, auf die Verſagung der Vorrückung 
im Verwaltungswege zugeſchnittene Vorſchrift des 
Art. 56a Abſ. 2 paßt nicht zum Straſcharakter 
der Entziehung der Vorrückung gegenüber dem 
Richter; die Anordnung der Nachzahlung iſt beim 
Verwaltungsbeamten als Korrektur der verſagenden 
Verfügung gedacht, hier dagegen wirkt ſie wie 
eine Begnadigung, obwohl die „beſonderen Gründe“ 
mehr als die nachträgliche gute Führung eine 
Korrektur des verurteilenden Erkenntniſſes am Platze 
erſcheinen laſſen und zumeiſt wohl auch die Wieder: 
aufnahme des Verfahrens nach Art. 55 RDG. 
begründen werden. Die Entſcheidungen der Dis— 
ziplinargerichte über Verſagung der Gehaltsvor— 
rückung einſchließlich der nachträglichen Aenderung 
der Entſcheidung ſind für den Streitrichter bindend 
(Art. 178 Nr. 5). 

Der 1. Satz des zwiſchen Art. 6 Abſ. 1 und 2 


Zieitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


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eingeſchobenen neuen Abſ. 2: „Auf Strafverjegung 
iſt zu erkennen, wenn durch eine Handlung, die 
ein ſchweres Dienſtvergehen bildet, Umſtände ge⸗ 
geben ſind, vermöge deren die amtliche Wirk⸗ 
ſamkeit des Richters auf der bisherigen Stelle in 
einer nicht bloß vorübergehenden Art geſtört wird“ 
ſpricht nur ausdrücklich aus, was ſchon bisher 
aus Art. 5 und 65 zu folgern war und dient 
nur als Einleitung zu der angeknüpften neuen Be⸗ 
ſtimmung: „Sind ſolche Umſtände zwar nicht ohne 
Verſchulden des Richters gegeben, iſt aber das 
Verſchulden nicht derart, daß die Strafverſetzung 
angemeſſen iſt, ſo kann das Disziplinargericht un⸗ 
abhängig von der Entſchei dung über die Strafe 
ausſprechen, daß der Richter unter Vergütung der 
Umzugskoſten auf ein Richteramt von gleicher 
Dienſtesklaſſe und gleichem Gehalt verſetzt werden 
kann“ und füllt eine im RDG. beſtandene Lücke 
aus. Deſſen Art. 65 läßt die unfreiwillige, nicht zur 
Strafe und nicht zufolge einer Organiſation er⸗ 
folgende Verſetzung eines Richters im Falle der 
ganz unverſchuldeten Störung ſeiner amtlichen 
Wirkſamkeit zu, dagegen trifft er die Faͤlle nicht, 
in welchen die die Störung verurſachenden Um- 
ſtände zwar nicht ohne Verſchulden des Richters 
eingetreten ſind, dieſes Verſchulden aber zur Ver⸗ 
hängung der harten Strafe der Straſverſetzung 
nicht ſchwer genug iſt. 

Die Aeußerung der Begr. S. 283, auf Ver⸗ 
ſetzbarkeit könne auch im Falle der Freiſprechung 
erkannt werden und werde diesfalls die Einleitung 
eines beſonderen Verfahrens nach Art. 65 Ziff. 1 
erſpart, iſt für den wohl häufigeren Fall unrichtig, 
daß die Freiſprechung damit begründet wird, ein 
Verſchulden des Richters liege nicht vor. Die neue 
Beſtimmung füllt aber auch die ſeither beſtandene 
Lücke nicht vollſtändig aus, da die Möglichkeit, 
auf Verſetzbarkeit zu erkennen, die Verweiſung zur 
Hauptverhandlung nach Art. 36 nicht rechtfertigt 
und, wenn die DK. mit der Begründung, daß 
zwar ein Verſchulden des Richters vorliege, dieſes 
aber nicht von der Art ſei, daß es ein Dienſt⸗ 
vergehen darſtelle, außer Verfolgung ſetzt, weder 
die DK. in der Lage iſt, die Verſetzbarkeit aus⸗ 
zuſprechen, noch die Vorausſetzungen des Art. 65 
vorliegen. Es wäre alſo wohl richtiger geweſen, 
die Lücke durch eine Ergänzung des Art. 65 ſelbſt 
auszufüllen. 

Von den die Dienſtentlaſſung und deren Folgen 
betreffenden Beſtimmungen des Art. 6 und Art. 5 
ſind die Aenderungen des ſeitherigen Abſ. 3 (nun 4) 
Ziff. 1 des Art. 6 und der ſeitherigen Abſ. 4 und 5 
(nun Abſ. 5) des Art. 5 nur redaktioneller Natur. 


Neu iſt die Herübernahme der Beſtimmung 
des Art. 110 Abſ. 3 BG. als neuer Abſatz 6 des 
Art. 5, wonach dem entlaſſenen Beamten oder 
ſeinen Hinterbliebenen, auch wenn das Urteil des 
Disziplinargerichts eine Milderung der Wirkungen 
der Entlaſſung nicht vorſieht, im Wege der Gnade 


430 


1 P Unterhaltsbeiträge gewährt werden 
oͤnnen. 

Die Vorſchrift des Art. 2 über die Verjährung 
iſt mit jener des Art. 113 BG. in Uebereinſtimmung 
gebracht durch Einfügung der Beſtimmung, daß 
die Strafverfolgung des Dienſtvergehens, wenn 
die Tat auch gegen ein Strafgeſetz verſtößt, nicht 
verjährt, bevor die Strafverfolgung der Straftat 
verjährt iſt. Nur redaktioneller Natur iſt die 
Anpaſſung der Vorſchrift des Art. 9 (über Ein⸗ 
ſtellung des Verfahrens zufolge Geſuchs des Be⸗ 
ſchuldigten um Entlaſſung aus dem Staatsdienſte) 
an die Faſſung des Art. 114 BG. 

Durch eine Einſchaltung in den Art. 10 iſt 
der Verfügung der Anklage im militärgerichtlichen 
Verfahren (8 250 Mil StG.) die gleiche hemmende 
Wirkung auf das DV. beigelegt worden, wie der 
Erhebung der öffentlichen Klage im Verfahren 
nach der StPO. 

Der DR. ift die Befugnis eingeräumt, vor 
der Beſchlußfaſſung über die Einleitung des DV. 
die Vornahme einzelner Ermittlungen, die Ver⸗ 
nehmung von Zeugen oder Sachverſtändigen und 
die ſchriftliche Verantwortung des Beſchuldigten 
anzuordnen (Art. 224 Abſchn. 11). Im Zuſammen⸗ 
hange damit iſt durch die Aenderung des Art. 30 
RDG. (Art. 224 Abſchn. 12 BG.) eine Verein⸗ 
fachung des Verfahrens in jenen Fällen ermöglicht, 
in welchen von Einleitung einer BU. Umgang 
genommen wird. Bisher mußte nach Einleitung 
des DV. und vor Entſcheidung über die Ver⸗ 
weiſung zur Hauptverhandlung mindeſtens ſchrift⸗ 
liches Gehör des Beſchuldigten ſtattfinden. Die 
neue Faſſung ordnet zwar gleichfalls an, daß in 
ſolchen Fällen der Beſchuldigte mit ſeiner ſchrift⸗ 
lichen Verantwortung zu hören und das zur münd— 
lichen Verhandlung etwa weiter Erforderliche vor- 
zubereiten ſei, erteilt aber die Ermächtigung, von 
Vorerhebungen, auch dem Gehör des Beſchuldigten, 
abzuſehen, wenn durch die Ermittlungen der Dienſt— 
aufſichtsbehörden oder durch die von der DR. 
vor der Beſchlußfaſſung über die Einleitung des 
DB. angeordneten Erhebungen die Sache genügend 
aufgeklärt und der Beſchuldigte bereits ausreichend 
gehört iſt, ſodaß nunmehr unter dieſen Voraus— 
ſetzungen mit dem Beſchluß auf Einleitung des 
Verſahrens der Beſchluß auf Verweiſung zur Haupt⸗ 
verhandlung verbunden oder aber, wenn die vor 
Einleitung des DV. angeordneten Erhebungen zur 
Entlaſtung des Beſchuldigten geführt haben, die Nicht: 
eröffnung des Verfahrens beſchloſſen werden kann. 

Neu ift die dem § 208 StPO. nachgebildete 
Beſtimmung über die Zuläſſigkeit der vorläufigen 
Einſtellung in Anſehung ſolcher Dienſtvergehen, 
deren Feſtſtellung unweſentlich iſt. Die vorläufige 
Einſtellung kann von Amts wegen nach Vernehmung 
des StA. beſchloſſen werden (neuer Art. 36 a 
und neuer Abſ. 2 Satz 3 des Art. 45 RDG., 
Art. 224 Abſchn. 15 und 18 BGG.). Aus der StPO. 
($ 265) herübergenommen ift ferner die Vorſchrift 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22 


des neuen Abſ. 2 Satz 1 des Art. 45 über Zu⸗ 
läſſigkeit der Einbeziehung einer im Laufe der Haupt⸗ 
verhandlung 1. Inſtanz neu erhobenen Beſchuldi⸗ 
gung in die Verhandlung und Aburteilung mit 
Zuſtimmung des Angeſchuldigten. Sie iſt abweichend 
von der StPO. nicht von einem Antrage des StA. 
abhängig, der jedoch darüber gehört werden muß; 
die Einbeziehu ng ift unzuläſſig, wenn nach dem 
Ermeſſen der D 15 des neuen Dienſtvergehens 
vorausſichtlich auf Strafverſetzung oder Dienſtent⸗ 
laſſung zu erkennen iſt (Art. 45 Abſ. 2 Satz 2). 


Die Vorſchrift des Art. 45 Abſ. 3, jetzt Abj. 4 
über die Verkündung der Urteile iſt mit jener des 
Art. 148 Abſ. 5 des BG. in Uebereinſtimmung 
gebracht worden — ſie unterſcheidet ſich von der 
ſeitherigen dadurch, daß die Entſcheidungsgründe 
nicht mehr verleſen werden müſſen, ſondern die 
mündliche Mitteilung ihres weſentlichen Inhalts 
genügt und die Verkündung der Entſcheidung auf 
vierzehn Tage (bisher eine Woche) vertagt werden 
kann (Art. 224 Abſchn. 18) — ebenſo jene des 
Art. 55 über die Wiederaufnahme des Verfahrens 
mit jener des Art. 159 BG. (Art. 224 Abſchn. 20). 
Als Art. 55 a find dem Art. 160 BG. entſprechende 
Beſtimmungen über Entſchädigung des im Wieder⸗ 
aufnahmeverfahren freigeſprochenen oder mit einer 
geringeren Strafe belegten Richters eingefügt; der 
Antrag auf Entſchädigung nach 85 des RG. 
vom 20. Mai 1898 iſt bei dem zuſtändigen Ober: 
ſtaatsanwalt zu ſtellen (Art. 224 Abſchn. 21). 
Die Entſcheidungen der Beamten, Behörden und 
Disziplinargerichte über die Verhängung von Ord— 
nungs- und Disziplinarſtrafen find für den Streit: 
richter bindend (Art. 178 Nr. 10). 


Die Rechte der Beamten und der Schutz dieſer Nechte. 


8 Ehrenrechte der Beamten ſind: Das Recht 
au 

1. den Dienſtrang, von dem ſchon oben die 
Rede war; 

2. auf den Titel (die Bezeichnung der dienſt⸗ 
lichen Stellung des Beamten); das Recht kann 
dem aktiven Beamten nicht entzogen werden. Die 
Entlaſſung zur Strafe hat den Verluſt des Amts— 
titels zur Folge; der Titel geht ferner zu Verluſt 
durch die auf Grund Entſchließung des Königs 
oder der zur Ernennung zuſtändigen Behörde er— 
folgende einſeitige Löſung des Dienſtverhältniſſes 
eines widerruflichen Beamten (Art. 8 Abſ. 2), 
ebenſo durch die auf Anſuchen bewilligte Ent— 
laſſung des widerruflichen oder unwiderruflichen 
Beamten, doch kann dem auf Anſuchen entlaſſenen 
Beamten die Weiterführung des Titels in wider— 
ruflicher Weiſe geſtattet werden (Art. 10 Abſ. 4). 
Die in Ruheſtand verſetzten Beamten ſind zur 
Weiterführung des Amtstitels mit dem Beiſatz 
„außer Dienſt“ befugt. Während aber dem un— 
widerruflichen Beamten dieſe Befugnis nur im 
Wege des DB. entzogen werden kann, kann fie 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22, 481 


dem widerruflichen Beamten jederzeit im Der: 
waltungswege entzogen werden (Art. 70). Wegen 
der Titel der Juſtizbeamten ſ. VO. vom 23. Auguſt 
1879 z. Vollz. d. AG. z. GVG. Welche Beamte 
in Zukunft ihrem Titel die Bezeichnung „König⸗ 
lich“ vorzuſetzen befugt ſind, wird durch VO. ge⸗ 
regelt werden; vgl. ME. vom 11. September 
1856, Weber, GCVS. Bd. V S. 1. Dem Be: 
amten kann natürlich, wie ſeither, ein höherer 
als der ihm nach ſeiner dienſtlichen Stellung zu— 
kommende Titel beſonders verliehen werden. 

3. Die Dienſtabzeichen, ſoweit nach den Dienft: 
vorſchriften ſolche beſtehen (ſ. für die Juſtizbeamten 
Bek. vom 7. Juni 1858 RegBl. S. 617, VO. 
vom 23. Auguft 1879 88 8, 16 und 26 JMBl. 
S. 381, im übrigen die Zuſammenſtellung bei 
Weber, Anhangband S. 493 ff.). Ueber Verluſt 
des Rechtes und über die Geſtattung zum Weiter: 
tragen der Dienſtabzeichen an entlaſſene Beamte 
gilt das zu Ziff. 2 Geſagte; die in Ruheſtand 
verſetzten Beamten haben keinen Anſpruch auf das 
Weitertragen der Dienſtabzeichen, doch kann ihnen 
das Tragen in widerruflicher Weiſe geſtattet 
werden (Art. 8 Ab}. 2, Art. 10 Abi. 4, Art. 70 
Abſ. 1 und 2, Art. 110 Abſ. 1 BG., Art. 5 
Abſ. 5, Art. 8 ff. RDG.). Die neuen Beſtim— 
mungen bringen gegenüber dem ſeitherigen Rechte 
infoferne eine Verſchlechterung, als ſeither dem 
zeitweilig oder wegen Dienſt- oder Lebensalters 
dauernd quieszierten Beamten ein Recht auf 
Weitertragen der Dienſtabzeichen zuſtand (IX. Verf.: 
Beil. § 19 Abſ. 4, § 22 B und C). 

II. Angeſichts der Beſtimmung des Art. 22 
Abſ. 2 HBG., wonach jedem etatsmäßigen Beamten 
jährlich ein angemeſſener Urlaub bewilligt werden 
ſoll, ſoweit nicht außergewöhnliche Verhältniſſe 
entgegenſtehen, wird man abweichend vom ſeit— 
herigen Rechte von einem bedingten Anſpruch 
dieſer Beamten auf Urlaub nach Maßgabe der 
von der Staatsregierung zu erlaſſenden Vor— 
ſchriften ſprechen können — für die Juſtizbeamten 
bleibt vorerſt die Kgl. VO. vom 8. Juni 1904 
SNB. S. 105 in Kraft. Ein Recht der Be: 
amten auf Sonntagsruhe iſt dagegen nicht an— 
erkannt; die Anregung im Ausſchuß der K. d. Abg. 
hat nur zur Einfügung der Beſtimmung geführt, 
daß die Vorſchriften über Sonntagsruhe von der 
Staatsregierung erlaſſen werden (Art. 22 Abſ. 1). 

III. Die wichtigſten Beſtimmungen des Ge— 
ſetzes über die Vermögensrechte der Beamten 
(über Dienſteinkommen, Wartegeld, Ruhegehalt 
und Hinterbliebenenfürſorge) gelten nur für die 
etatsmäßigen Beamten. 

1. Die Beſoldung der Beamten hat eine voll— 
ſtändige Umgeſtaltung erfahren. Die Rückſicht 
auf die Einhaltung der dem Umfang des Auf— 
ſatzes geſteckten Grenzen nötigt dazu, mich für 
die Folge auf die Darſtellung der wichtigſten 
Beſtimmungen des Geſetzes zu beſchränken; die 
Beſprechung der Vorſchriften über die Beſoldung 


wird um ſo knapper ſein können, als gerade dieſe 
Materie ſchon am gründlichſten öffentlich be⸗ 
ſprochen ift und wohl auch von jedem Intereſ⸗ 
ſenten durchgearbeitet ſein wird. Eine Darſtellung 
der ſeitherigen Beſoldungsnormen gibt die Denk⸗ 
ſchrift zur GO. (S. 4—6, 14, 16, 20—22). 

Der etatsmäßige Beamte hat Anſpruch auf 
Dienſteinkommen. Grundſätzlich bildet in Zukunft 
„der Gehalt“ die einzige Entlohnung für die 
Dienſtleiſtung; mit den „Zulagen“ iſt mit einigen 
Ausnahmen (Auslandszulagen, Materialerſparnis⸗ 
prämien) aufgeräumt. Für die im Hauptamt 
übertragene Stelle darf neben dem dafür be⸗ 
ſtimmten Gehalt eine weitere Vergütung nur ge⸗ 
währt werden, wenn ſie in der GO. vorgeſehen 
iſt oder wenn die Dienſtleiſtung in außergewöhn⸗ 
licher Weiſe über das normale Maß hinausgeht. 
Damit hängt die Aufhebung der VO. vom 
23. April 1806 die Gratifikation der Staats⸗ 
diener und des 8 19 des Landtagsabſchieds vom 
28. April 1872 durch Art. 220 BG. zuſammen. 
Auch für ein Nebenamt oder Nebengeſchäft kann 
dem Beamten eine beſondere Vergütung nur be⸗ 
willigt werden, wenn es mit dem Hauptamte 
nicht in unmittelbarem Zuſammenhange ſteht oder 
den Beamten in beſonderem Maße in Anſpruch 
nimmt. Die Gehalte bemeſſen ſich nach der 
GO. (Anl. zur Kgl. VO. vom 6. September 1908 
GeſVBl. S. 681). Der Anſpruch auf Gehalt 
entſteht erſt mit deſſen Zuweiſung; der Beamte 
kann mit einem geringeren als dem in der GO. 
vorgeſehenen Anfangsgehalt ernannt werden und 
ohne Aenderung des Gehalts oder unter vor— 
läufiger Gewährung einer Zulage mit Verſehung 
einer höheren Stelle betraut werden. Vom Per- 
bot der Beſetzung der Stelle eines Richters oder 
Mitglieds des VerwGerH. mit einem Verweſer war 
bereits oben die Rede. Dem richterlichen Beamten 
darf kein geringerer Gehalt als der in der GO. be⸗ 
ſtimmte zugewieſen werden, jedoch ſieht das Geſetz 
eine Ausnahme für die Vorſtände der Amtsgerichte 
und der Abteilungen der Amtsgerichte vor; es 
darf dieſen aber kein geringerer Gehalt als der 
eines Oberamtsrichters zugewieſen werden (Art. 183 
Abſ. 2 Nr. 1). Während bei nichtrichterlichen 
Beamten in Erkrankungsfällen nach Ablauf von 
26 Wochen die unverkürzte Gehaltszahlung und 
die Uebernahme der weiteren Stellvertretungskoſten 
auf die Staatskaſſe beſonderer Erlaubnis bedarf, 
entfällt die Notwendigkeit dieſer Erlaubnis bei 
den richterlichen Beamten (Art. 35 Abſ. 2; 
Art. 183 Abſ. 2 Nr. 5). N 

Aus dienſtlichen Rückſichten kann einem Pe- 
amten ausnahmsweiſe ein höherer als der in der 
GO. vorgeſehene Gehalt verliehen werden; von 
dieſen Ausnahmen abgeſehen erhält der Beamte 
bei ſeiner Ernennung oder Beförderung den 
Gehalt der unterſten Stufe (Anfangsgehalt) ſeiner 
Klaſſe. In ähnlicher Weiſe wie ſeither $ 4 der 
VO. vom 11. Juni 1892 und $ 12 der BO. 


432 


vom 26. Juni 1894 trifft Art. 30 BG. Bor: 
ſorge, daß kein Beamter durch Beförderung oder 
ſonſtige Ueberführung in eine höhere Gehaltsklaſſe, 
weder ſofort noch ſpaͤter, eine Einbuße an Gehalt 
erleidet. 

Auf die Vorrückungen in den Gehalt einer 
höheren Dienſtaltersſtufe hat der nichtrichterliche 
Beamte keinen Rechtsanſpruch; während aber ſeit⸗ 
her die Vorrückung nicht nur durch die Würdigkeit 
des Beamten bedingt, ſondern außerdem bei prag⸗ 
matiſchen Beamten von Allerh. Genehmigung, 
bei den übrigen Staatsdienern von Genehmigung 
des Miniſteriums oder der von dieſem ermächtigten 
Stelle abhängig war, iſt in Zukunft nur noch be⸗ 
friedigende Dienſtleiſtung und tadelfreies dienſt⸗ 
liches und außerdienſtliches Verhalten Voraus⸗ 
ſetzung; doch muß auch in Zukunft die Vorrückung 
ausdrücklich verfügt werden. Soll die Vorrückung 
nicht in vollem Maße bewilligt werden, muß ver⸗ 
ſagende Verfügung erlaſſen werden und 19 5 kann 
die Vorrückung ganz oder teilweiſe verſagt, oder 
in längeren Friſten, oder nur in widerruflicher 
Weiſe bewilligt werden. Gegen die ſamt Gründen 
ſchriftlich zu eröffnende Verfügung ſteht dem Be⸗ 
amten unbefriſtete Beſchwerde an das Staats⸗ 
miniſterium und, wenn die Verfügung von dieſem 
erlaſſen iſt, an den Staatsrat zu. Bei ſpäterer 
Bewilligung muß zugleich Beſtimmung getroffen 
werden, ob und inwieweit durch die Verſagung 
der Vorrückungen der Zeitpunkt für die ſpäteren 
Vorrückungen hinausgeſchoben wird; auch teilweiſe 
oder volle Nachzahlung kann aus beſonderen 
Gründen genehmigt werden. Die Verfügungen 
ſind in gleicher Weiſe wie die Verſagung der 
Vorrückung mit Beſchwerde des Beamten anfecht⸗ 
bar (auh die eine Nachzahlung genehmigende 
Verfügung? Redaktionsfehler bei Art. 33 Abſ. 2 7). 
Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden über 
Zuweiſung des Gehalts und über Verſagung und 
nachträgliche Anweiſung der Gehaltsvorrückungen 
find für den Streitrichter bindend (Art. 178 Nr. 5). 

Die richterlichen Beamten haben einen nur 
durch Urteil des Disziplinargerichts entziehbaren 
Anſpruch auf Vorrückung im Gehalt nach Maß— 
gabe der GO. und des Dienſtalters. Art. 33 
Abſ. 1, nach dem die Vorrückung durch das 
Miniſterium oder die von dieſem ermächtigte 
Stelle verfügt wird, gilt zwar auch für die richter— 
lichen Beamten; dieſe können aber ihren Anſpruch 
auf die Vorrückung klagend geltend machen. Hier 
ſind nur die Entſcheidungen der Disziplinargerichte 
für den Streitrichter bindend (Art. 183 Abſ. 1 
und Abſ. 2 Nr. 2 und 3, Art. 178 Nr. 5). 
Dafür ſind die Beſtimmungen des Art. 32 über 
die kraft Geſetzes eintretende Ausſetzung der Vor— 
rückung gegenüber dem richterlichen Beamten 
durch Art. 183 Abſ. 2 Nr. 4 verſchärft, um zu 
verhüten, daß der Anſpruch auf Vorrückung 
während der Dauer eines Strafverfahrens wirk— 
ſam wird. 


Beitichrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 222 in Bayern. 1908. Nr. 22. 


Wichtige V enthalten die 
Art. 211 Abſ. 2—7, 217 BG. und die 
8§ 4 und 5 der Kgl. BO. 5 6. September 1908; 
dieſe Verordnung betont wieder, daß die Ein⸗ 
reihung in die Klaſſen der GO. für den Dienſt⸗ 
rang der Beamten nicht maßgebend iſt. 

Den Beſtimmungen über die Beſoldung hat 
das Geſetz ſolche über Dienſtwohnungen angereiht; 
ſie hätten beſſer ihren Platz im Abſchnitt über 
die Pflichten der Beamten gefunden, da die Dienſt⸗ 
wohnung, von den wenigen in der GO. vorge⸗ 
ſehenen freien Dienſtwohnungen abgeſehen, als 
Nebenbezug des Beamten ſich nicht mehr dar⸗ 
ſtellt, der Beamte keinen Anſpruch auf Zuweiſung 
einer Dienſtwohnung oder auf Beibehaltung der 
angewieſenen Dienſtwohnung hat, dagegen zur 
Uebernahme der Dienſtwohnung verpflichtet iſt. 
Das BG. geht davon aus, daß das Verhältnis 
des Inhabers der Dienſtwohnung zum Staate 
öffentlichrechtlicher Natur iſt und beſtimmt, daß 
ſich das Verhältnis, ſoweit es nicht im Geſetze 
ſelbſt geregelt iſt, nach den von der Staats⸗ 
regierung erlaſſenen Vorſchriften bemißt. Das 
Geſetz beſchränkt ſich darauf, die Pflicht des Be⸗ 
amten zur Annahme und Benützung der Dienſt⸗ 
wohnung feſtzulegen, die Verpflichtung zur Ent⸗ 
richtung der „Mietentſchädigung“ zu regeln und 
zu beſtimmen, daß die Dienſtwohnung jederzeit 
durch eine andere erſetzt oder unter Einhaltung 
einer angemeſſenen Kündigungsfriſt entzogen werden 
kann und beim Ausſcheiden des Beamten aus 
ſeiner Amtsſtelle innerhalb angemeſſener, von der 
zuſtändigen Behörde zu beſtimmender Friſt zu 
räumen iſt; im übrigen bleiben vorerſt hinſicht⸗ 
lich der Benützung und Unterhaltung der Dienſt⸗ 
wohnungen die Vorſchriften der VO. vom 28. Fe⸗ 
bruar 1851 (Reg Bl. S. 161) in Geltung. 

Die Vorſchriften über die Vergütung für den 
Genuß einer Dienſtwohnung (bisher nicht einheit⸗ 
lich geregelt) hat das Geſetz auf neuerer und 
gerechterer Grundlage aufgebaut. Die Entſchädi⸗ 
gung wird von Fall zu Fall feſtgeſetzt. Es wird 
zunächſt der „wirkliche Wert“ der Wohnung nach 
Größe, Beſchaffenheit und ortsüblichen Mietpreiſen 


feſtgeſtellt, es iſt aber auch der Wert zu berück⸗ 
ſichtigen, den die Wohnung für den Beamten 
hat, (der vielleicht als Junggeſelle eine große 


Familienwohnung beziehen muß); dieſer ſubjektive 
Wert iſt aber bei der Beſtimmung der Miet⸗ 
entſchädigung nur mitbeſtimmend, er bildet nicht 
deren obere Grenze, die das Geſetz vielmehr durch 
die Vorſchrift beſtimmt, daß die Mietentſchädigung 
zwei Drittel des „wirklichen Wertes“ nicht über: 
ſteigen darf. Die Beſtimmungen über Dienſt⸗ 
wohnungen gelten nicht für Wohnungen, die der 
Staat nicht zu Dienſtwohnungen beſtimmt, ſondern 
ausſchließlich oder vorwiegend im Intereſſe der 
Beamten (3. B. zur Steuerung einer Wohnungs: 
not) als Vertragsteil nach bürgerlichem Recht an 
Beamte vermietet. 


Kein Beamter hat in Zukunft Anſpruch auf 
Zuweiſung von Dienſtgrundſtücken; das Geſetz hat 
auch keine Pflicht zur Uebernahme ſolcher aufge⸗ 
ſtellt; für die übernommenen Grundſtücke iſt 
„Pachtentſchädigung“ zu bezahlen; die nähere 
Regelung des Verhältniſſes kann durch allgemeine 
Vorſchrift erfolgen. Die Entſcheidungen der Ver⸗ 
waltungsbehörden über die Höhe der Entſchädi⸗ 
gungen für Dienſtwohnungen, Gärten und ſonſtige 
Grundſtücke ſowie über die Angemeſſenheit der 
Kündigungs- und Räumungsfriſten find für den 
Streitrichter bindend (Art. 178 Eingang u. Nr. 7). 


2. Der Beamte hat Anſpruch auf Eric des 
Dienſtaufwandes; das Geſetz hat ſich auf die 
Aufrechterhaltung der beſtehenden Vorſchriften 
beſchränkt (Art. 27 Abſ. 4). Nach den in der 
Denkſchrift zur GO. (S. 29) aufgeſtellten Grund⸗ 
ſätzen ſollen die Dienſtaufwandentſchädigungen 
jedoch im allgemeinen nur in einer Höhe bemeſſen 
werden, daß fie keinen eigentlichen Beſoldungs⸗ 
beſtandteil bilden, ſondern lediglich zur Beſtreitung 
des tatſächlichen Dienſtaufwandes ausreichen; die 
derzeitigen Vorſchriften werden daher vorausficht: 
lich bald eine Umgeſtaltung erfahren. 


Als Dienſtaufwandentſchädigungen kommen 
in Betracht: 

a) Tagegelder und Reiſekoſten bei auswärtigen 
Dienſtreiſen; eine Zuſammenſtellung der 
wichtigſten Vorſchriften ſiehe in Schweitzers 
Juriſtenkalender unter „Diätenregulativ“. 

b) Die Fahrgelder des Perſonals der Verkehrs— 
verwaltung; 

c) Repräſentationsbezüge; die GO. ſieht ſolche 
nur für die Staatsminiſter und Regierungs- 
präſidenten vor. 


3. Der Beamte hat bei Verſetzung auf eine 
andere Amtsſtelle in den bereits beſprochenen 
Fällen (Art. 8 Abſ. 1 Satz 2, Art. 9 Abi. 1 
Satz 2) Anſpruch auf Umzugsgebühren, ebenſo 
der Beamte, der ſeinen dienſtlichen Wohnſitz außer— 
halb Bayerns hat, im Falle der Verſetzung in 
den Ruheſtand (Art. 39 Abſ. 3, Art. 52 Abſ. 4). 
Art. 27 Abſ. 1 BGG. hält die bisherigen Vor⸗ 
ſchriften über die Gewährung von Umzugskoſten 
aufrecht, es bleibt alſo die VO. vom 20. November 
1902, die Vergütung der Umzugskoſten an 
Beamte und Bedienſtete des Zivilſtaatsdienſtes 
betr. (GVBl. S. 709), in Geltung. Es iſt bereits 
darauf hingewieſen worden, daß § 2 Ziff. 3 
und § 5 dieſer Verordnung mit den Beſtim— 
mungen des BG. nicht in Einklang ſtehen und 
daher durch Art. 220 Abſ. 1 BG. für aufgehoben 
gelten müſſen. 

4. Alle Beamten im Sinne des BHG., gleich: 
viel ob männlich oder weiblich, etatsmäßig oder 
nichtetatsmäßig, beſoldet oder unbeſoldet, haben 
Anſpruch auf Unfallfürſorge; auf die Beamten 
der Militärverwaltung findet jedoch der VI. Abſchnitt 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


Reichshaftpflichtgeſetze 


433 


des BG. nicht Anwendung, weil dieſe nach wie 
vor Unfallfürſorge nach dem Reichsunfallfürſorge⸗ 
geſetz vom 18. Juni 1901 genießen. Seither 
war die Unfallfürſorge nur für die nichtpragma⸗ 
tiſchen Staatsdiener und deren Hinterbliebene 
landesgeſetzlich geregelt (VO. vom 26. Juni 1894 
§$ 44—51; VO. vom 13. Juni 1902 mit 
Nachtrag vom 5. Januar 1906 GVBl. S. 701 
bzw. S. 7); bei den pragmatiſchen Beamten 
beſtand angeſichts ihrer verhältnismäßig guten 
Penſionen kein Bedürfnis zur Unfallfürſorge. 

Nach dem BG. greift die Unfallfürſorge bei 
allen im Dienſte erlittenen Verunglückungen Platz, 
ſowohl bei Betriebsunfällen, die in reichsgeſetzlich 
der Unfallverſicherung unterliegenden Betrieben 
ſich ereignen einſchließlich der Unfälle, welche den 
in ſolchen Betrieben beſchäftigten Perſonen bei 
Verrichtung häuslicher oder anderer Dienſte zu: 
ſtoßen, zu denen fie nebenbei von ihren Borge- 
ſetzten herangezogen werden, als auch bei Unfällen, 
welche der Beamte in einem reichsgeſetzlich der 
Unfallverſicherung nicht unterliegenden Betriebe 
oder Dienſtzweig erleidet. 


Der Verunglückte hat Anſpruch auf 
a) Erſatz der Koſten des Heilverfahrens; 
b) auf Ruhegehalt nach den Beſtimmungen der 
Art. 89, 92—95. 
Die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde, 
ob Dienſtunfähigkeit vorliegt, tft für den Streit: 
richter bindend (Art. 178 Nr. 2). 


Die Hinterbliebenen erhalten 

a) „Sterbegeld“, wenn ſie keinen Anſpruch 
auf Ruhegehalt haben; 

b) eine Rente nach den Beſtimmungen des 
Art. 90; der Witwe kann im Falle der Wieder⸗ 
verheiratung eine einmalige Beihilfe bis zum 
5 fachen Betrag der Witwenrente gewährt werden. 


An Stelle dieſer Bezüge erhalten der Verletzte 
und die Hinterbliebenen, wenn ihnen nach den 
Vorſchriften über Verſetzung in den Ruheſtand 
und Hinterbliebenenfürſorge (Abſchn. IV und V) 
höhere Beträge zuſtehen, dieſe höheren Beträge. 
Ueber die Notwendigkeit der Anmeldung der 
Anſprüche ſ. Art. 97, über den Uebergang der 
Erſatzanſprüche des Verunglückten an den Staat 
Art. 100 Abſ. 2 und 3 und 101 Abſ. 2, über 
Ausſchluß weiterer als der im BG. eingeräumten 
Anſprüche ſ. Art. 99, 100 Abſ. 1, Art. 101 
Abſ. 1. Darauf, daß Beamte, die in einem 
reichsgeſetzlich der Unfallverſicherung nicht unter— 
liegenden Betrieb oder Dienſtzweig verunglücken, 
unter Umſtänden die höheren Anſprüche nach dem 
geltend machen können, 
während den in einem reichsgeſetzlich der Unfall— 
verſicherung unterſtellten Betriebe verunglückten 
Beamten nur die Anſprüche nach den Unfallfür— 
ſorgevorſchriften des BG. zuſtehen (vgl. Art. 99 
und 101), ſonach zwei beim ſelben Unfall ver— 


434 


unglüdte Beamte verſchiedener Reſſorts ganz 
verſchiedene Anſprüche erwerben können, iſt ſchon 
bei den Ausſchußberatungen aufmerkſam gemacht 
worden. 

Keinen Anſpruch auf Unfallfürſorgebezüge hat 
der Verletzte, welcher den Unfall vorſätzlich oder 
durch ein Verſchulden herbeigeführt hat, wegen 
deſſen auf Dienſtentlaſſung oder nach Auflöſung 
des Dienſtverhältniſſes auf Verluſt des Titels 
und Ruhegehalts erkannt oder wegen deſſen die 
Fähigkeit zur Beſchäftigung in einem öffentlichen 
Dienſtzweig aberkannt worden iſt. Das Verſchulden 
muß durch ein Disziplinarurteil feſtgeſtellt ſein; 
es findet deshalb die Entlaſſung mit der Wirkung 
des Verluſtes auf Unfallfürſorge auch bei wider⸗ 
ruflichen Beamten im DV. ſtatt. Falls das 
Verfahren wegen Ablebens oder in der Perſon 
des Verletzten liegenden Gründen nicht durchführ⸗ 
bar ift, kann der Anſpruch ganz oder teilweiſe ab- 
gelehnt werden; der Rechtsweg bleibt natürlich offen. 


5. Der unwiderufliche Beamte hat bei Ber- 
ſetzung in den Ruheſtand Anſpruch auf Wartegeld 
und Ruhegehalt; er hat auch, dem ſeitherigen 
Rechte entſprechend, einen natürlich bedingten und 
betagten Anſpruch auf Hinterbliebenenverſorgung; 
die Beſprechung dieſer Anſprüche wird in den 
Abſchnitt über Verſetzung in den Ruheſtand und 
Hinterbliebenenfürſorge eingereiht werden. 

Die Beſtimmungen über den Schutz der Rechte 
der Beamten entſprechen kaum den auf das neue 
Geſetz geſetzten Erwartungen. 

Zwar eröffnet Art. 176 für alle vermögens⸗ 
rechtlichen Anſprüche der Beamten aus ihrem 
Dienſtverhältniſſe mit Ausnahme der Anſprüche 
auf Vergütung der Umzugskoſten und auf die 
Entſchädigungen für Dienſtreiſen den Rechtsweg 
und erweitert damit gegenüber dem ſeitherigen 
Rechtszuſtande das Recht auf gerichtliche Ent— 
ſcheidung, da ſeither die pragmatiſchen Beamten 
und ihre Hinterbliebenen einen klagbaren Rechts— 
anſpruch nur bezüglich der ihnen im Staatsdiener— 
edikt zugeſicherten Rechte hatten und die Klagbar— 
keit der den nichtpragmatiſchen Staatsdienern 
eingeräumten Rechte ſtrittig war. Anderſeits 
bringt das Geſetz eine ganz unerwartete Schmäle— 
rung der Rechte der ſeitherigen pragmatiſchen 
Beamten inſofern, als es den Rechtsweg für nicht— 
vermögensrechtliche Anſprüche (die Ehrenrechte der 
Beamten) nicht eröffnet, während er ſeither den 
pragmatiſchen Beamten hinſichtlich aller im Staats— 
dieneredikt zugeſicherten Rechtsanſprüche offen ſtand. 
Dieſer Verluſt trifft auch die richterlichen Beamten, 
da § 9 des GVG. den Richtern und Art. 2 
VerwGHG. den Mitgliedern des Verwaltungs: 
gerichtshofes den Rechtsweg nur für alle ver— 
mögensrechtlichen Anſprüche aus dem Dienſtver— 
hältniſſe ſichert; nur der Ausſchluß des Rechts— 
weges hinſichtlich der Anſprüche auf Umzugskoſten 
und auf Entſchädigung für Dienſtreiſen gilt 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


gegenüber den richterlichen Beamten nicht (Art. 183 
Abſ. 1, Art. 184 Abſ. 2). 

Aber auch die Einräumung des Rechtsweges 
für die vermögensrechtlichen Anſprüche verliert 
durch den Art. 178 ſehr viel an praktiſchem Wert, 
weil hiernach für die Beurteilung der vor Gericht 
geltend gemachten vermögensrechtlichen Anſprüche 
die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden und 
Disziplinargerichte, welche dieſe nach ihrem pflicht⸗ 
gemäßen Ermeſſen zu treffen berechtigt ſind, 
bindend ſind. Die an die Beſtimmung unter 
12 Nummern angeknüpfte Aufzählung bindender 
Entſcheidungen betrifft Rechtsanſprüche der Beamten 
— von der Wiedergabe wird hier abgeſehen, da 
in dem Aufſatz bei Beſprechung des Gegenſtandes 
der bindenden Entſcheidungen (Verſetzung, Gehalts⸗ 
zuweiſung uſw.) die Bindung des Richters je⸗ 
weils vermerkt iſt; ſoweit die Verwaltungs⸗ 
behörden reine Ermeſſensfragen entſcheiden, ſind 
ihre Entſcheidungen in allen Fallen für den 
Streitrichter bindend. Für ein eigenes Urteil des 
Streitrichters bleibt ſonach recht wenig Stoff; 
die Bindung entſpricht übrigens der ſchon ſeither 
herrſchenden Auffaſſung. Zur Entſcheidung über 
Anſprüche der Beamten aus ihrem Dienſtverhält⸗ 
niſſe ſowie ihrer Hinterbliebenen gegen den Staat 
ſind ohne Rückſicht auf den Streitwert die Land⸗ 
gerichte zuſtändig (Art. 26 Nr. 1 AG. z. GG.). 

Den Verwaltungsrechtsweg eröffnet das Geſetz 
nirgends; es ift aber auch äußerſt ſparſam in 
Einräumung des Rechtsmittels der Beſchwerde; ab⸗ 
geſehen vom Dienſtſtrafverfahren und vom Ber: 
fahren nach Art. 4 a, b RDG. läßt es Beſchwerde 
gegen die Verfügungen der Verwaltungsbehörden 
nur in 6 Fällen zu. In den Fällen der Art. 33 
und 51 geht die Beſchwerde an das Staats⸗ 
miniſterium und wenn die beſchwerende Ent⸗ 
ſcheidung von dieſem ausgegangen iſt, an den 
Staatsrat, in den Fällen der Art. 22, 172 und 
179 findet „Beſchwerde im Inſtanzenzuge“ ſtatt; 
die Beſchwerde gegen die Einträge in der Quali⸗ 
fikationsliſte (Art. 102) iſt einfach „als Beſchwerde“ 
bezeichnet; man muß wohl annehmen, daß die 
Unterſcheidung beabſichtigt iſt, hier alſo weitere 
Beſchwerde nicht ſtattfindet. Die Beſchwerde iſt 
in den Fällen des Art. 22, 51 und 179 befriſtet, 
in den übrigen Fällen unbefriſtet; eine Form iſt 
für die Beſchwerde nicht vorgeſchrieben.! 

Bei den Ausſchußberatungen iſt mehrmals 
teils die ſyſtematiſche Regelung des Beſchwerde⸗ 
rechts, teils die Einräumung der Beſchwerde für 
beſtimmte Fälle angeregt, die Sache aber nach 
Erklärungen des Finanzminiſters, das Beſchwerde⸗ 
recht ſei etwas Selbſtverſtändliches, nicht weiter 
verfolgt worden (AB. S. 7—8; 50; 61). Das Be: 
ſchwerderecht iſt aber nichts Selbſtverſtändliches; 
es kann im Gegenteil gar kein Zweifel darüber 
beſtehen, daß die Beſchwerde nur da zuſteht, wo 
ſie das Geſetz ausdrücklich zuläßt. Die Beſchwerde, 
welche der Finanzminiſter im Auge gehabt hat, 


— 11 


— A mn m m 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


kann nur die ſog. Aufſichtsbeſchwerde ſein, die 
Anrufung der höheren Behörden um Abhilfe, 
welche aber keine Beſchwerde im Sinne eines 
Rechtsbehelfes ift. Die Auſfſichtsbeſchwerde be- 
gründet kein Recht auf einen Beſcheid; ſie hat 
auch keine auſſchiebende Wirkung. 

(Schluß folgt.) 


Mitteilungen ans der Praxis. 


Sind Gewerbsunzucht treibende Frauensperſonen, 
welche in Bayern von der zuſtändigen Polizeibehörde 
wegen geſchlechtlicher Erkrankung zur Heilung in eine 
öffentliche Krankenanſtalt verwieſen find und dort Ver: 
wahrt werden, Gefangene im Sinne des 9 122 StGB.? 
Dieſe Frage iſt zu bejahen. Es beſteht zwar in 
Bayern mangels eines ſyſtematiſchen Geſetzes über 
die Polizeiverwaltung keine ausdrückliche Beſtimmung, 
welche der Polizeibehörde das Recht verleiht, Gewerbs— 
unzucht treibende, geſchlechtlich erkrankte Frauensper⸗ 
ſonen in einer öffentlichen Krankenanſtalt unterzu⸗ 
bringen und dort, erforderlichenfalls auch gegen deren 
Willen, bis zur Heilung zu verwahren. Ein ſolches 
Recht ergibt ſich aber ſchon aus dem Notwehrrecht, 
welches den Polizeibehörden ebenſo wie jedem Ein— 
zelnen zuſteht. In Art. 66 Abſ. II PStGB. ift der 
Polizeibehörde die Befugnis vorbehalten, Perſonen, 
die wiſſentlich an einem anſteckenden Uebel leiden und 
mit Verheimlichung desſelben ſich als Dienſtboten, 
Ammen, Geſellen ꝛc. verdingen, oder, im Dienſt von 
einem ſolchen Uebel befallen, es dem Arbeitgeber ver— 
heimlichen, abſondern und heilen zu laſſen. Wenn 
derartige Maßregeln gegen Perſonen zuläſſig find, 
welche einer geregelten Beſchäftigung obliegen, um 
wieviel mehr ſind ſie dann angezeigt gegen geſchlechtlich 
erkrankte Dirnen, die durch Unzucht ihren Lebensunter— 
halt erwerben und ſo im Fall ihrer Freiheit eine ſtete 
Gefahr für die öffentliche Geſundheit bilden? 

Art. 21 Abſ. II PStGB. bietet den Polizeibe— 
hörden zu ſolchen Maßnahmen die erforderliche ge— 
ſetzliche Handhabe. Hiernach ſind die Verwaltungs— 
behörden berechtigt, ihren Verfügungen auch durch 
körperliche Gewalt Gehorſam zu verſchaffen, wenn 
und ſoweit dies erforderlich iſt. 

Ohne Beſchränkung der Willensfreiheit der Dirnen 
iſt jedoch eine derartige Maßregel nicht durchzuführen; 
denn die Androhung von Ungehorſamsſtrafen, wie 
ie Art. 21 Abſ. II PStGB. vorſieht, wäre gegen 
jene wirkungslos. 

Wenn nun ſolche Perſonen des Gebrauchs ihrer 
perſönlichen Freiheit durch ſtaatliche Gewalt mit Recht 
beraubt wurden, ſind ſie auf die Dauer der Verwahrung 
in der öffentlichen Krankenanſtalt als „Gefangene“ zu 
betrachten. Die notwendige Folge hiervon iſt, daß ſie 
ſich nicht ſelbſt befreien dürfen und, falls im übrigen 
der Tatbeſtand des 8 122 StGB. gegeben ift, den 
geſetzlichen Strafen unterliegen. 

In dieſem Sinne hat das Kgl. Landgericht Mün⸗ 
chen I kürzlich Urteil erlaſſen. 


Landgerichtsrat Gmaehle in München. 


— a —— 


| 


A ͤů—' ni 


435 


Zur Frage des Kanfalzufammenhanges im Haft: 
pflichtrecht. In einem Erkenntnis vom 14. April 1908 
(JW. 08 S. 405), insbeſondere aber in einem Erkenntnis 
vom 19. Juni 1908 (JW. 08 S. 562) hat das Reichsgericht 
ausgeſprochen, daß ein Betriebsunternehmer — es 
handelt ſich offenbar um eine Eiſenbahn, der einen 
anderen für ein bei einem Unfall erlittenes Nervenleiden 
zu entſchädigen hat, auch für denjenigen Schaden 
aufzukommen habe, den dieſer infolge der durch das 
Nervenleiden begünſtigten Aufregung über den wegen 
der Erſatzpflicht anhängig gewordenen Prozeß erleidet, 
bzw. ihm dafür nach 8 847 BGB. Entſchädigung zu 
leiſten habe. Dieſe Entſcheidung iſt m. E. bedenklich 
und zwar deshalb, weil hier offenbar der Kauſal⸗ 
zuſammenhang zwiſchen dem Unfall und dem durch 
die Aufregung verurſachten Schaden unterbrochen iſt. 


Nach §1 HaftpflG. haftet der Betriebsunternehmer, 
wenn bei dem Betriebe einer Eiſenbahn ein Menſch 
getötet oder körperlich verletzt wird, für den dadurch 
entſtandenen Schaden. Es unterliegt keinem Zweifel, 
daß zu dem durch den Unfall entſtandenen Schaden 
auch ein durch Nervenleiden verurſachter gehören kann:) 
der Auffaſſung aber, daß die hier in Frage ſtehende Aut- 
regung durch den Unfall veranlaßt worden iſt, kann 
nicht beigetreten werden. Denn der Kläger hat ſich 
zweifellos nicht in einem durch das Nervenleiden ver⸗ 
anlaßten Zuſtande dauernder Aufregung befunden; 
vielmehr iſt dieſe Aufregung, zu der den Kläger das 
in Frage ſtehende Nervenleiden höchſtens disponiert 
hat, lediglich durch den Haftpflichtprozeß verurſacht 
worden. Dieſer Prozeß hinwiederum iſt aber nicht 
als ſchädliche und vom Unternehmer zu vertretende 
Folge des Betriebsunfalls im Sinne des $ 1 HaftpflG. 
anzuſehen, ſondern als die ganz naturgemäße Folge 
des Verlangens des Betriebsunternehmers, die Frage 
nach dem Beſtehen eines Entſchädigungsanſpruches, 
die ihm doch ohne richterliche Entſcheidung zweifelhaft 
erſcheint, durch eine ſolche Entſcheidung feſtgeſtellt zu 
ſehen. Es ift nicht zu leugnen, daß im rein natür- 
lichen Sinne die ſchädigende Aufregung ohne den 
Betriebsunfall nicht eingetreten wäre; daraus geht 
aber noch nicht hervor, daß ſie auch im rechtlichen 
Sinne eine Folge des Betriebsunfalls geweſen iſt:“ 
vielmehr ift hier als eigentliche Urſache der Schädi— 
gung ein von dem Betriebsunternehmer nicht zu ver— 
tretender Umſtand, nämlich der Haftpflichtprozeß, in 
die Kauſalreihe eingetreten.“ 

Nimmt man aber, ſelbſt entgegen der oben ver— 
tretenen Auffaſſung, nicht den Haftpflichtprozeß ſondern 
den Betriebsunfall als Urſache der ſchädigenden Auf- 
regung des Klägers an, ſo kann auch dies nicht zur 
Verurteilung des Beklagten zum Erſatze des dadurch 
entſtandenen Schadens führen, weil in der dem Kläger 
als Entſchädigung für das erlittene Nervenleiden zu— 
zubilligenden Rente ja der Erſatz für alle damit 
zuſammenhängenden Schädigungen enthalten iſt.“ 

Die prakliſchen Folgen einer derartigen Recht- 


1) Vgl. Reindl, „ S. 36. 

2) Vgl. Reindl a. a. O. 

2) Vgl. RG. vom 19. Marz ao: wonach der 
Kanal ban ne ng erfordert, daß „das Dazwiſchen— 
treten eines dem bisherigen natürlichen Verlaufe 
fremden, neuen Kauſalmoments ausgeſchloſſen erſcheint“. 

4) Für den Fall einer erheblichen zur Zeit des 
Urteils nicht zu überſehenden Aenderung der Ver— 
hältniſſe gibt dem Kläger § 323 ZPO. ein Mittel. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


ſprechung ſind namentlich für die Eiſenbahnen höchſt 
unbefriedigend, weil der Ausnützung der Eiſenbahn⸗ 
haftpflicht durch das Publikum damit Tür und Tor 
geöffnet wird. Denn die Eiſenbahn kann jetzt, ſobald 
ein Haftpflichtanſpruch gegen ſie erhoben wird, wenn 
ſie nicht ganz ſicher iſt, den Nachweis eigenen Ver⸗ 
ſchuldens oder höherer Gewalt führen zu können, es 
auf einen Prozeß nicht mehr ankommen laſſen, falls 
ſie nicht Gefahr laufen will, die Gegenpartei noch 
für die durch den Prozeß erlittene Aufregung ent- 
ſchädigen zu müſſen. Daß ſie aber in vielen Fällen 
wünſchen muß, eine richterliche Entſcheidung herbei⸗ 
zuführen, iſt angeſichts der Tatſache völlig verſtändlich, 
daß fie durch die Vorſchriften des Haftpflichtgeſetzes 
überhaupt einer ſehr ſtrengen Haftungslaſt unterliegt; 
dazu kommt noch, daß ein aus einem Delikts- oder 
deliktähnlichen) Tatbeſtand in Auſpruch Genommener 
in der Regel weniger geneigt ſein wird, die Gegen⸗ 
partei ohne richterliches Urteil zu befriedigen als ein 
vertraglich verpflichteter Schuldner, weil der gegen 
jenen gerichtete Anſpruch dem richterlichen Ermeſſen 
in weit höherem Grade unterliegt. Steht man der 
oben vertretenen Auffaſſung entſprechend auf dem 
Standpunkte, daß hier ein Kauſalzuſammenhang 
zwiſchen dem Unfall und der ſchädigenden Aufregung 
nicht beſteht, ſo kann man nicht umhin, mit der 
Reviſion“) anzunehmen, daß es fih hier um eine 
Wiedereinführung der alten poenae temere litigan- 
tium handelt. Es iſt aber m. E. anzunehmen, daß 
dem Gerechtigkeitsgefühl in dieſer Beziehung durch 
die Vorſchriften über die Koſtenverteilung im Zivil⸗ 
prozeß völlig genügt iſt. Das Reichsgericht iſt auch 
ſelbſt nicht immer der in dieſer neueſten Entſcheidung 
vertretenen Auffaſſung geweſen,) und es wäre im 
Intereſſe der Billigkeit zu wünſchen, daß die frühere 
Rechtſprechung auf dieſem Gebiete wieder Platz greift.“) 


Referendar Dr. Eger in Berlin. 


— — — 


) Daß eine obligatio ex delicto bzw. quasi ex d. 
hier vorliegt, wird von Eger beſtritten (RHaftpflG. 
S. 79) und ROHG. Bd. 12 S. 78, Bd. 13 S. 68, 
RG. vom 18. September 1885 verneint. Die Streit: 
frage iſt übrigens hier bedeutungslos. 

e) Vgl. IW. 1908 S. 526. 

) Vgl. RG. vom 5. März 1906 in JW. 1906 
S. 231; ebenſo das Reichsverſicherungsamt (27. Mai 
1908) für das Gebiet des Unfallverſicherungsrechts 
(Vgl. dtſche. Verſz. 1908 S. 133). 

e) Ebenſo zweifelhaft ift m. E. die Frage nach 
dem Kauſalzuſammenhange, wenn jemand durch den 
einem Dritten drohenden Betriebsunfall veranlaßt 
wird, Schutzmaßregeln zugunſten des Dritten zu er- 
greifen und hierbei einen Unfall erleidet, der ſich nicht 
als Betriebsunfall darſtellt. Das Reichsgericht (vom 
21. März 1892, Eifenb&. Bd. 20 S. 122) hat einen 
Zuſammenhang mit der Begründung angenommen, 
es liege „in dieſem Falle für den Verletzten eine 
moraliſche und rechtliche Pflicht vor“ (Eger a. a. O. 
S. 74); m. E. kann aber dieſe Erwägung erſt für die 
Beantwortung der nächſten Frage, nämlich ob der 
Einwand des eigenen Verſchuldens des Verletzten 
Platz greift, in Betracht kommen, wenn bereits das 
Vorliegen des Kauſalzuſammenhanges aus anderen 
Gründen feſtſteht, z. B. wenn der betr. Retter bei 
dem Rettungswerk ſelbſt wieder einen Betriebsunfall 
erleidet. 


Aus der Praxis der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. Zivil faen. 
1 


1. Nach welchen Geſichtspunkten iR die Zuläfſigkeit 
des Nechtswegs u prüfen? Iſt der geſamte Inhalt 
der Prozeßverhandlungen maßgebend, insbeſondere auch 
die erg ten des un: 

2. Haften Beamte für Nechtsverletzungen auch na 
den allgemeinen Borſchriften des BGY. oder nur na 
8 839 BGB.? 

3. Kann fi der Beamte, der eine Rechts verletzung 
ener: hat, auf einen Dienſtbefehl feines Borgeſetzten 

erufen 

Der Kläger iſt Mitpächter der Gemeindejagd zu 
O., die von fisfaliidem Gebiete begrenzt wird. Der 
Beklagte hat als Königlicher Förſter dieſe fiskaliſche 
Jagd aber in Anſehung des Forſtſchutzes auch das 
Gemeindejagdgebiet zu beaufſichtigen. Der Kläger be⸗ 
hauptet, der Beklagte habe ihn fortgeſetzt gefliſſentlich 
in der Ausübung der Jagd geſtört, indem er, ſobald 
der Kläger oder deſſen Gäſte die Jagd auszuüben im 
Begriff ſtanden, durch abſichtliche Erregung von Lärm 
das Wild verjagt habe. Er hat den Antrag geſtellt, 
den Beklagten zu verurteilen, Störungen des Klägers 
in der Ausübung der Jagd zu unterlaſſen. 

Aus den Gründen des Reviſionsurteils: 
1. Den vom Beklagten erhobenen Einwand der Unzu⸗ 
läſſigkeit des Rechtsweges hat das OLG. verworfen. 
Mit der Klage verteidige der Kläger ſein Recht auf 
Ausübung des ihm verpachteten Jagdrechtes gegen 
widerrechtliche Störungen durch den Beklagten. Dem⸗ 
nach handle es ſich bei der Rechtsverfolgung nicht 
um einen Gegenſtand des öffentlichen Intereſſes oder 
Gemeinwohles, ſondern um die Verteidigung des 
Rechtsgutes eines Einzelnen, die daher im Wege 
eines bürgerlichen Rechtsſtreites zu erfolgen habe. 
Daß der Beklagte Beamter ſei und vielleicht in Aus⸗ 
übung oder in Veranlaſſung der Ausübung ſeines 
Amtes gehandelt habe, ſtehe ſeiner zivilrechtlichen 
Verfolgung nicht entgegen, da von ſeiner vorgeſetzten 
Behörde der Konflikt nicht erhoben fei (8 11 des 
Einf. G. zum GVG.). Die Reviſion wendet ein, daß 
für die auf Unterlaſſung gerichtete Klage der 
Rechtsweg unzuläſſig fei. Das OLG. prüfe die Zu⸗ 
läſſigkeit nur nach der Begründung der Klage, 
während für dieſe Frage der geſamte Inhalt der 
Prozeßverhandlungen maßgebend ſei, insbeſondere 
alſo auch die Verteidigung des Beklagten. Dieſer 
mache nun geltend, er habe alle ihm vorgeworfenen 
Handlungen vorgenommen zur Erfüllung ſeiner Amts⸗ 
pflicht und habe hierbei ſich auch im Einverſtändniſſe 
mit ſeinem vorgeſetzten Oberförſter befunden, auf 
deffen Anordnungen gehandelt. Demnach fei Gegen- 
ſtand des Prozeſſes nicht eine bürgerliche Rechtsſtreitig⸗ 
keit. Ob die Handlungen eines Beamten ſich als 
rechtmäßige Ausübung ſeines Dienſtes darſtellen, könne 
zwar dann Gegenſtand der Beurteilung durch die 
ordentlichen Gerichte werden, wenn die Verletzung der 
Amtspflicht zur Grundlage eines Entſchädig ungs⸗ 
anſpruches gemacht ſei; dagegen ſeien die Gerichte 
nicht befugt, in den Dienſtkreis einer anderen Behörde 
derart einzugreifen, daß ſie durch Ausſprechen von 
Verboten die dienſtliche Tätigkeit eines Beamten be⸗ 
ſtimmen. Dieſe Einwendungen ſind nicht gerechtfertigt. 
Maßgebend für die Entſcheidung über die Zuläſſigkeit 
des Rechtsweges iſt die rechtliche Natur des Streit⸗ 
gegenſtandes und den Streitgegenſtand beſtimmt zu⸗ 
nächſt die Klage. Für den Begriff der „bürgerlichen 
Rechtsſtreitigkeit“ insbeſondere kommt es darauf an, 
ob mit dem in der Klage erhobenen Anfpruch ein 
der individuellen Rechtsſpäre des Einzelnen angehöriges 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


Intereſſe oder Rechtsgut verfolgt oder verteidigt wird. 
Ob das zutrifft, wird regelmäßig die Klagebegrün⸗ 
dung ergeben. Freilich kann der Kläger nicht etwa 
durch Behauptungen in der Klagbegründung will⸗ 
kürlich einen Streit, der nach dem objektiven, aus 
dem Parteivorbringen erhellenden Tatbeſtande auf 
öffentlich⸗ rechtlichem Gebiete liegt, zu einer bürger⸗ 
lichen Rechtsſtreitigkeit ſtempeln, und inſofern mag es 
nicht unrichtig ſein, wenn geſagt wird (Droop, Der 
Rechtsweg in Preußen 83 S. 5), es ſei für die Beurtei⸗ 
lung der Zuläſſigkeit des Rechtsweges nicht nur die 
Begründung der Klage, ſondern der geſamte Inhalt 
der Prozeßverhandlungen maßgebend. Allein keinen⸗ 
falls ift das entſcheidende Moment in der Berteidi- 
gung des Beklagten zu ſuchen und macht ſchon die 
Berufung des Beklagten darauf, daß ihm ein ftaat- 
liches oder amtliches Recht zu dem fraglichen Eingriffe 
zuſtehe, den Rechtsweg unzuläſſig. — Die Unterſchei⸗ 
dung, welche die Reviſion zwiſchen dem Anſpruch auf 
Leiſtung von Schadenserſatz und der Unterlaſſungs⸗ 
klage aufſtellen will, iſt nicht zutreffend. Bei dem in 
Frage ſtehenden Eingriff in die Privatrechtsſphäre 
des Klägers, fei es Störung im Beſitze (88 862, 868 
BGB.), fei es unerlaubte Handlung im Sinne von 
8 839 oder 8 826 BGB., kommt es für die Zuläſſig⸗ 
keit des Rechtsweges nicht darauf an, ob Schadenserſatz 
wegen bereits erfolgter oder Abwehr fernerhin drohen— 
der Eingriffe erlangt werden ſoll. Beide Anſprüche 
beruhen auf ein und demſelben Privatrechtsverhält— 
niſſe. Im Berufungsurteile wird die Verpflichtung 
des Beklagten zur Unterlaſſung weiterer unerlaubter 
Handlungen ſogar ausdrücklich aus der in 8 249 des 
BGB. geregelten Schadenserfakpflicht hergeleitet. Das, 
was nach dem Klagbegehren dem Beklagten unterſagt 
werden ſoll, iſt nicht die Vornahme von Amtshand— 
lungen, die Ausübung des ſtaatlichen Rechtes, ſondern 
die außerhalb der Grenzen feiner Amtsbefugniſſe 
von ihm verübte und weiter zu beſorgende rechts— 
widrige Schädigung des Klägers. Die Feſtſetzung der 
Grenzen der Dienſtpflichten des Beklagten iſt aller— 
dings, wie die Reviſion bemerkt, eine Angelegenheit 
des öffentlichen Rechtes, aber um deswillen iſt dem 
ordentlichen Richter nicht die Beurteilung entzogen, 
ob der Beklagte jene Grenzen überſchritten hat. 

2. Das OLG. hat die Anſicht des Beklagten, daß 
Beamte für Rechtsverletzungen nicht nach den alls 
gemeinen Vorſchriften des BGB. hafteten, als uns 
richtig abgelehnt. Der § 839 BGB. regle nur die 
Haftung des Beamten für Verletzung einer Amtspflicht 
gegenüber dem Geſchädigten, die hier nicht geltend 
gemacht ſei, nicht aber befreie dieſe Vorſchrift die 
Beamten von der Haftung für andere in Veranlaſſung 
der Ausübung ihres Amtes begangene unerlaubte 
Handlungen. Die Reviſion rügt, daß zu Unrecht die 
Anwendbarkeit des $ 839 BGB. verneint fei. Dieſer 
regle gerade die Schadenserſatzpflicht des Beamten 
aus den in Veranlaſſung (nicht bloß bei Gelegenheit) 
der Ausübung des Amtes begangenen unerlaubten 
Handlungen. Es ſei dann eben die Frage, ob er ſeine 
Befugniſſe überſchritten habe. Ein Beamter aber, der 
den Anordnungen ſeiner Vorgeſetzten Folge zu leiſten 
habe, handle in rechtmäßiger Ausübung ſeines 
Amtes, wenn er die ihm gegebenen Anordnungen 
ausführe. Dieſer Angriff kann, ſoweit er den 8 839 
BGB. betrifft, keinen Erfolg haben. Die angeführte 
Begründung des Berufungsurteils iſt ohne Zweifel 
dahin zu verſtehen, daß es ſich nicht um die Verletzung 
der dem Beamten „einem Dritten gegenüber“ 
obliegenden Amtspflicht handle. Ob das zutrifft, 
kann unerörtert bleiben. Richtig iſt jedenfalls, daß 
durch die Vorſchrift des 8 839 der Beamte nicht 
ſchlechthin der Haftung aus den allgemeinen Be— 
ſtimmungen über unerlaubte Handlungen in dem Falle 
enthoben iſt, wenn er auch gegen ſeine Dienſtpflicht 
verſtoßen hat. So kann ſich ein Beamter insbeſondere 


e ⁵ ooo . A A TT ————— . — . P ⁰ . nn en 


437 


auch nach § 826 BGB. haftbar machen (vgl. Oertmann, 
Recht der Schuldverhältniſſe $ 839 Bd. 2 c S. 986; 
Staudinger, Komm. § 839 Bd. 3 S. 925; Planck § 839 
Bd. 1). Die Spezial beſtimmung in $ 839 Abſ. 1 Satz 2, 
welche eine Konkurrenz der ſonſtigen, allgemeinen 
Deliktshaftung ausſchließen könnte, greift hier nicht 
Platz, ſofern dem Beklagten nach der Feſtſtellung des 
Berufungsgerichts nicht bloß Fahrläſſigkeit, fondern 
vorſätzlich unerlaubtes Handeln zur Laſt fällt. 

3. Der Beklagte hat verſucht, die ihm zur Laſt 
gelegten Handlungen als berechtigte und ſogar ge⸗ 
botene Abwehrmaßregeln gegen unberechtigte Ueber— 
griffe der Jagdpächter darzuſtellen. Dieſen entgegen⸗ 
zutreten, ſei er von ſeinen Vorgeſetzten beſonders 
angewieſen geweſen. In allem, was er getan, habe er 
auf Befehl ſeines direkten Vorgeſetzten, des Forſtmeiſters 
v. N., gehandelt. Das OLG. hat auch dieſes Schutz⸗ 
vorbringen zurüdgemiefen. Den Beklagten habe feine 
Dienſtinſtruktion nicht zu den feſtgeſtellten Störungen 
der Jagd berechtigt. Wenn ſein Vorgeſetzter auch ſein 
Verhalten gebilligt und ſelbſt angeordnet haben ſollte, 
ſo würde dadurch die Schuld des Beklagten und ſeine 
Verantwortlichkeit doch nicht beſeitigt werden; denn 
der Beklagte ſei deshalb doch nicht zu ſolchen Hand— 
lungen verpflichtet geweſen und habe, wie anzunehmen, 
ſich nicht dazu für verpflichtet gehalten. Dieſe Auf⸗ 
faſſung hinſichtlich der Bedeutung eines Einverſtänd— 
niſſes oder eines Befehls des Vorgeſetzten iſt grund⸗ 
ſätzlich nicht zu beanſtanden. Der Untergebene 
braucht eine geſetzlich verbotene oder ſittlich verwerf⸗ 
liche Handlung auf Befehl des Vorgeſetzten nicht 
auszuführen (vgl. Delius, Die Haftpflicht des Beamten 
8 11 S. 24). Auch für einen Königlichen Förſter be: 
deutet die Gehorſamspflicht nicht die Verpflichtung, 
den Anordnungen ſeiner Vorgeſetzten blindlings 
zu folgen. (Urt. des VI. 35. vom 21. September 1908, 
VI 538/07). 

1419 


— — —n 


II 


Begründung des Urteils in Anſehung der Beweis⸗ 
würdiaung. Aus den Gründen: Die Reviſion 
rügt Verletzung des è 286 3PO.; das Berufungsge— 
richt habe eine Reihe von Momenten, die für die 
Behauptung des Klägers ſprächen, nicht berückſichtigt. 
Der Angriff iſt jedoch nicht begründet. Das Gericht 
iſt nicht verpflichtet, jede einzelne als 
Indiz für die Wahrheit einer ſtreitigen 
Behauptung vorgebrachte Tatſache für 
ſich zu würdigen und über jede Zeugen⸗ 
ausſage ſich beſonders aus zuſprechen;) es 
genügt, wenn aus den Entſcheidungsgründen ſich 
ergibt, daß es ſie nicht für erheblich erachtet. Das 
iſt hier der Fall. Das Berufungsgericht iſt bei Prüfung 
des Vorbringens der Parteien und des Ergebniſſes 
der Beweisaufnahme zu der Annahme gelangt, daß 
kein Anlaß vorliege, einer der Parteien den richter— 
lichen Eid anzuvertrauen. Damit bewegt es ſich auf 
dem Boden freier Beweiswürdigung. (Urt. des VI. ZS. 
vom 5. Oktober 1903, VI 549/07). 


1417 
III. 


Nechtsverhältniſſe an der Kaution eines Angeſtell⸗ 
ten. Der Umſtand, daß die Kautionsſumme 
dem Geſicherten ſpäter als Darlehen ges 
geben wird, bewirkt nicht unter allen lim» 
ftänden, daß die Kautionshaftung des 
Geldbetrags untergeht. Insbeſondere 
kann ein ſolcher Untergang nicht ohne 
weiteres daraus geſchloſſen werden, daß 
in dem Darlehens⸗-Schuldſchein die Fort⸗ 
dauer der Haftung nicht ausdrücklich er- 
wähnt wird. Der Kläger war vom Juli 1902 


— — — . 


1) An m. d. Herausgebers. Möchten doch unſere Biel- 
ſchreiber dieſen Satz des Reichsgerichts beachten! 


438 


bis zum Frühjahr 1903 Lagerhalter des beklagten 
Vereins und hinterlegte als ſolcher am 16. Juli 1902 
eine bare Kaution von 3000 M bei einem Bankhauſe. 
Nachdem er im Frühjahre 1903 Vorſtandsmitglied 
des Vereines geworden war, hat er mit dem Be⸗ 
klagten eine Vereinbarung getroffen, auf Grund deren 
ein von den beiden andern Vorſtandsmitgliedern fo- 
wie den Mitgliedern des Aufſichtsrates unterſchriebe⸗ 
ner Schuldſchein vom 2. Juli 1903 ausgeſtellt wurde, 
worin jene Vertreter des Beklagten bekennen, von 
dem Kläger 3000 M als Darlehen erhalten zu haben, 
welches vierteljährig kündbar ſein und mit 4% verzinſt 
werden pa Mit Schreiben vom 24. Auguft 1904 Hat der 
Kläger die 3000 M gekündigt. Der Beklagte verweigert 
die Zahlung, weil die 3000 M bis zu dem (am 1. Mai 
1905 erfolgten) Austritte des Klägers aus ſeiner 
Stellung den Charakter der Kaution nicht verloren 
haben und vom Kläger nicht zurückverlangt werden 
könnten, bevor er für die Zeit Rechnung gelegt habe, in 
der er geſchäftsführender Direktor geweſen ga LG. und 
OLG. gaben der Klage ſtatt. Die Reviſion hatte Erfolg. 

Aus den Gründen: Zwar ift dem OLG. 
nicht vorzuwerfen, daß es im Hinblick auf § 607 
Abſ. 2 BGB. die Beweislaſt verkannt habe. Mit 
Vorlegung der Schuldurkunde vom 2. Juli 1903 hat 
der Kläger zunächſt feiner Beweispflicht für das Be- 
ſtehen der behaupteten Darlehensſchuld genügt. Von 
einem baren Darlehen iſt in dem Schuldſchein nicht 
die Rede, ein Darlehen kann aber ebenſowohl durch 
Umwandlung einer andern Schuld in ein Darlehen 
gegeben werden (RG. Bd. 56 S. 237, Bd. 57 S. 322). 
Aber wenn auch im allgemeinen die Vermutung da- 
für ſpricht, daß die Parteien ſchließlich über das einig 
geworden find, was Beſtandteil der Urkunde gewor⸗ 
den iſt, und daß ſie das, was ſie etwa in Widerſpruch 
mit der Schrift hin und her geredet haben, nicht haben 
aufrecht erhalten wollen (RG. Bd. 52 Nr. 7 S. 25 ff.), 
ſo greift doch dieſe Vermutung der Vollſtändigkeit des 
Inhaltes einer Vertragsurkunde hier nicht ſchlechthin 
durch. Unſtreitig waren die 3000 M ſeinerzeit als 
Kaution hinterlegt worden; es fragt ſich, ob der Geld— 
betrag durch Umwandlung in ein Darlehen ſeinem 
bisherigen Zwecke, als Sicherheit für die Anſprüche 


des Beklagten zu dienen, vollſtändig entzogen werden 


ſollte, oder ob das beſtehende Kautionsverhältnis nur 
— durch Verbindung mit demjenigen eines Dar- 
lehens — geändert worden ift. Die letztere Geſtal— 
tung wäre rechtlich wohl möglich und auch mit dem 
Inhalte des Schuldſcheines vom 2. Juli 1903 trotz 
der darin feſtgeſetzten vierteljährlichen Kündbarkeit des 
Darlehens nicht, wie das OLG. annimmt, unverein— 
bar. Es iſt denkbar, daß eine Kaution in der Weiſe 
beſtellt wird, daß dem Empfänger die Befugnis ein— 
geräumt würde, den ihm übergebenen oder hinterleg— 
ten Geldbetrag für ſich zu verbrauchen, und er ver— 
pflichtet iſt, die entſprechende Summe nach den Grund— 
ſätzen eines Darlehens oder eines depositum irregu— 
lare (BGB. 8 700) zurückzuerſtatten, unter Beibehal— 
tung jedoch der Haftung des Geldbetrages als Kaution. 
Das würde die Bedeutung haben, daß die Rückgabe, 
ſolange die Kautionshaftung fortdauert, durch Wieder— 
einlegung der Summe bei der Hinterlegungsſtelle be— 
werkſtelligt wird, oder auch, daß der Empfänger dann, 
wenn das Darlehen als ſolches, etwa auf erfolgte 
Kündigung, rückzahlbar wäre, den Betrag weiterhin, 
jetzt aber nur nach Maßgabe des Sicherungsrechtes 
einbehalten darf. Dementſprechend könnte auch ein 
beſtehendes Kautionsverhältnis nachträglich abgeändert 
werden. — Jedenfalls aber wäre dem Beklagten gegen— 
über der Schuldurkunde der Gegenbeweis zu geſtatten, 
daß vereinbarungsgemäß die 3000 M gleichwohl Kaution 
bleiben ſollten. In dieſer Richtung hat das OLG. die 
hier vorliegenden Verhältniſſe nicht erſchöpfend ge— 
würdigt. (Urt. des VI. ZS. vom 9. Juli 1908, VI 372/07). 

1495 


— — — N. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


B. Strafſachen. 
1 


Können in Bayern Beſchädigungen von ſtehenden 
Holze im Walde als Sachbeſchädigung nach 8 303 E68. 
ſtraſbar fein? Aus den Gründen: Das Vergehen 
der Sachbeſchädigung ſoll vom Angeklagten dadurch 
begangen worden ſein, daß er in dem Walde des 
Bauers J. L. 35 Birken⸗ und ebenſoviele Fichten⸗ 
bäumchen im Werte von zuſammen 100 M aus Rach⸗ 
ſucht angehauen und geknickt hat. Die Strafkammer 
hat den 8 303 StGB. und nicht die Beſtimmungen 
des Bayer. Forſtgeſetzes vom 17. Juni 1590 für anwend⸗ 
bar erachtet, weil die Tat aus Rachſucht verübt ſei. 
Nach Art. 49 des Forſtgeſetzes ſind alle durch dieſes 
Geſetz in den Art. 79 bis 105 bezeichneten Entwen⸗ 
dungen, Beſchädigungen uſw. ohne Rückſicht auf den 
Wert des entwendeten Gegenſtandes und den Betrag 
des verurſachten Schadens, Forſtfrevel und nach Maß⸗ 
gabe der angeführten Artikel zu beſtrafen. Inſoweit 
Beſtrafung auf Grund der Beſtimmungen des Forſt⸗ 
geſetzes erfolgt, iſt eine ſolche nach den allgemeinen 
Strafgeſetzen ausgeſchloſſen (§S 2 EG. z. StGB.). Der 
Art. 95 des Forſtgeſetzes regelt die Beſtrafung der 
Beſchädigung von forſtlichen Erzeugniſſen und ordnet 
an, daß anſtatt mit Geldſtrafe durch Haft geſtraft 
werden ſoll, wer Holz, um dieſes für ſeine Beſtimmung 
ganz oder teilweiſe untauglich zu machen, aus Mut⸗ 
willen oder Bosheit beſchädigt. In der Begründung 
zum Geſetzentwurfe iſt hierzu bemerkt, daß Beſchädi⸗ 
gungen aus Mutwillen oder Bosheit ihres Beweg— 
grundes wegen mit der eindringlicheren Strafe des 
Arreſtes zu belegen ſeien (Verh. der K. d. Abg. 1851, 
Beil. Bd. I S. 633 zu Art. 86 des Entw.). Hiernach 
kann es keinem Zweifel unterliegen, daß nach der 
Abſicht des Bayeriſchen Forſtgeſetzes die von ihm be⸗ 
ſprochenen Holzbeſchädigungen nicht nur ohne Rückſicht 
auf die Höhe des Schadens, ſondern auch ohne Rüd- 
ſicht auf den Beweggrund als Forſtfrevel behandelt 
und beſtraft werden ſollen. Die von dem Angeklagten 
verübte Beſchädigung iſt eine der in Art. 95 des 
Forſtgeſetzes angeführten und es iſt daher nicht zu 
billigen, daß die Strafkammer die Handlung des An- 
geklagten deshalb nicht als Forſtfrevel, ſondern als 
Sachbeſchädigung aus § 303 StG B. erachtet hat, weil 
ſie „der Rachſucht“ entſprungen ſei. Zum Beweggrund 
der Bosheit im Sinne des Art. 95 muß auch die 
Rachſucht gerechnet werden und es geht nicht an, aus 
dem von der Strafkammer für ihre Anſicht angezogenen 
Art. 114 des Bayer. P StGB. in das daneben ſelb⸗ 
ſtändig beſtehende Forſtgeſetz einen Unterſchied hinein⸗ 
zutragen, den das Forſtgeſetz nicht kennt und nicht 
machen will. Die Verurteilung des Angeklagten aus 
8 303 StGB. ift ſohin haltlos. (Urt. des I. Sts. 
vom 1. Oktober 1908, 1 D. 702/08). B. 

1420 


II 


Wer iſt i im Sinne des § 117 
StGB.? Aus den Gründen: Der Anweſensbeſitzer 
A. W. hat mit ſeinem Schwiegerſohne A. H. eine 
formloſe Uebereinkunft getroffen, wonach jeder von 
ihnen die Hälfte des zum Anweſen des A. W. ge⸗ 
hörigen nicht unter neuem Grundbuchrechte ſtehenden 
Grundbeſitzes für ſich allein bewirtſchaftet und be 
nützt. Dies iſt auch der Fall bezüglich eines Waldes. 
A. H. ift, wie das Urteil jagt, „in tatſächlichem Befitz 
und Mitgenuß“ des ihm zugewieſenen Waldteiles. 
Soweit für den Wald gemeinſchaftliche Nutzungen und 
Laſten in Betracht kommen, nimmt A. H. in dem ihm 
zuſtehenden Verhältniſſe daran teil. Am 4. Januar 
1908 ging A. H. zur Ausübung des Forſtſchutzes in 
ſeinen Waldteil und hier wurde er von dem Ange⸗ 
klagten angegriffen. Auf Grund dieſes Sachverhalts 


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hält die Strafkammer den Angeklagten für überführt, 

einen Waldeigentümer bzw. Forſtberechtigten wäh⸗ 
rend der Ausübung ſeines Rechtes tätlich angegriffen 
zu haben“, und verurteilt ihn deshalb aus § 117 
Abſ. 1 und 2 des StGB. Die unentſchiedene Bezeich⸗ 
nung des A. H. als eines „Waldeigentümers bzw. 
Forſtberechtigten“ läßt vermuten, daß die Strafkammer 
ſich nicht klar gemacht hat, inwiefern A. H. unter dem 
Schutze des § 117 StGB. geſtanden iſt. Immerhin 
waren nach den Feſtſtellungen des Urteils die Voraus— 
ſetzungen für dieſen Schutz gegeben. Zwar iſt ſicher, 
daß A. H. nicht „Waldeigentümer“ geweſen iſt (Art. 14 
des bayer. NotG. vom 10. Nov. 1861, Art. 189 EG. 
3 BGB., Art. 132 des bayer. Not®. vom 9. Juni 
1899), allein bezüglich des Begriffs des „Forſtberech— 
tigten“ macht das Geſetz keinen Unterſchied in den zu 
ſchützenden Rechten; es werden nicht etwa dingliche 
Rechte, Rechte an der Sache erfordert, ſondern es 
kommen Rechte jeder Art in Betracht, alſo auch 
ſolche aus perſönlichen Rechtsverhältniſſen. Es ſteht 
daher auch kein rechtliches Bedenken entgegen, den 
A. H. auf Grund der zwiſchen ihm und dem Wald— 
eigentümer getroffenen Vereinbarung, der die Natur 
eines perſönlichen Vertrages zukommt, deffen Rechts» 
gültigkeit nicht zu bezweifeln ift, zufolge der ihm hier⸗ 
nach zuſtehenden perſönlichen Rechte als Forſtberech— 


tigten im Sinne des 8 117 StGB. anzuſehen. (Urt. 
des I. StS. vom 27. Mai 1908, 1 D 340/08). 
1395 B. 


III. 


Wie iſt die Strafe innerhalb des geſetzlichen 
Strafrahmens zu bemeſſen? Aus den Gründen: 
Dagegen geben die Ausführungen des Urteils über 
die Strafzumeſſung Anlaß zu Bedenken. Nach An— 
führung von Straſerſchwerungsgründen wird dort 
geſagt: „Dieſe Gründe waren beſtimmend, über die 
ordentliche Strafe, die nach 8 244 Abſ. 1 StGB. 
2 + 61/3 = 8½ Jahre betragen würde, etwas hinaus— 
zugehen, ſo daß eine Zuchthausſtrafe von 10 Jahren 
für angemeſſen erachtet wurde.“ Nach der Faſſung 
dieſer Stelle muß angenommen werden, daß die Straf— 
kammer hier einen Rechtsſatz aufſtellen wollte, wo— 
nach auf das rechneriſche Mittel des Strafrahmens 
von 2 bis 15 Jahren ($ 244 Abſ. 1 StGB.) zu erz 
kennen wäre, wenn nicht tatſächliche Strafzumeſſungs— 
gründe eine Abweichung nach oben oder unten an— 
gezeigt erſcheinen ließen. Ein ſolcher Rechtsſatz beſteht 
nicht. Der Richter hat nach dem Willen des Geſetzes 
die für den einzelnen Fall gebotene Strafe unter Be— 
rückſichtigung und Abwägung der für die Strafzu— 
meſſung in Betracht kommenden Umſtände innerhalb 
des vorgeſchriebenen Strafrahmens nach freiem Er— 
meſſen zu beſtimmen; er kann ſich hierfür einen Durch— 
ſchnittsmaßſtab bilden; aber es wäre rechtsirrtümlich 
und würde dem Geiſte des Geſetzes widerſprechen, 
wenn er rein rechneriſch das Mittel des angedrohten 
Strafrahmens ziehen und dieſes kraft des Geſetzes zu— 
nächſt als maßgebend und ſich hieran bei der Straf— 
zumeſſung ſei es nach oben oder unten irgendwie für 
gebunden erachten wollte. Da im vorliegenden Falle 
ein ſolcher Rechtsirrtum zu vermuten iſt, iſt das Ur— 


teil im Strafausſpruche nicht haltbar. (Urt. des 
I. StS. vom 23. Mai 1908, 1 D 380,08). 
1393 B. 


IV. 

Können Geiſteskranke als Zeugen vernommen 
werden? Aus den Gründen: Die StPO. enthält 
keine Beſtimmung, wonach die Zuläſſigkeit der zeug: 
ſchaftlichen Vernehmung einer Perſon von deren 
geiſtigen Eigenſchaften und Fähigkeiten abhängig zu 
machen wäre; nur die Zuläſſigkeit der Beeidigung 
kann unter Umſtänden dadurch in Frage geſtellt 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


— — ———— — 


439 


werden ($ 56 Nr. 1 StPO.). Es beſteht daher kein 
prozeßrechtliches Hindernis, anch geiſteskranke Perſonen 
als Zeugen zu vernehmen. (Urt. des I. StS. vom 


7. Mai 1908, 1 D 309/08). B. 
1392 


vV. 


Zum Begriffe der Befreiung von Gefangenen im 
Sinne des & 347 StGB. Was gehört zum Borſatz? 
Aus den Gründen: Der ſtaatlich als Gefangenen⸗ 
aufſeher angeſtellte Angeklagte hat wiederholt den 
Strafgefangenen 4 ſeine (des Angeklagten) Ehefrau 
bei Geſchäftsgängen in die Stadt begleiten laſſen und 
einmal hat er den Strafgefangenen B allein zum Çin- 
kaufen von Erdöl für das Gefängnis in die Stadt 
geſchickt, in beiden Fällen ſind aber die Gefangenen, 
ohne die Flucht ergriffen zu haben, in das Gefängnis 
zurückgekehrt. Der Angeklagte iſt von der Anklage 
wegen zweier Vergehen aus 8 347 StGB. freige⸗ 
ſprochen worden, weil beide Gefangene nur die Diög- 
lichkeit zur Entweichung erlangt, aber ſie nicht be— 
nützt hätten und weil der Angeklagte den Willen, 
daß ſie die Gelegenheit zur Flucht ausnutzen möchten, 
nicht gehabt, folglich nicht vorſätzlich im Sinne von 
8 347 Abſ. 1 StGB. gehandelt habe; feine Beſtrafung 
wegen fahrläffiger Gefangenenbefreiung wird mit 
Rückſicht auf das Fehlen des äußeren Tatbeſtandes 
abgelehnt. Jene Erwägungen laſſen eine unrichtige 
Auffaſſung der Tatbeſtandsmerkmale des Entweichen⸗ 
laſſens und der Vorſätzlichkeit erkennen und ſind nicht 
geeignet, die Freiſprechung zu tragen. Wie in der 
reichsgerichtlichen Rechtſprechung ſtets feſtgehalten 
wurde (Bd. 5 S. 324 [326], Bd. 9 S. 41, Bd. 26 
S. 54), verſteht das Geſetz unter Befreiung eines Ge— 
fangenen nichts anderes, als die für den Gefangenen 
erkennbare Beſeitigung des tatſächlichen Zuſtandes 
der Unfreiheit oder Gefangenſchaft, und daß das Ver— 
halten des Angeklagten einen ſolchen Erfolg in Wirk— 
lichkeit herbeigeführt hat, kann vom Boden der Einzel— 
feſtſtellungen aus kaum zweifelhaft ſein. Für beide 
Gefangene beſtand nicht bloß die Möglichkeit der Ent— 
weichung, was vielleicht der Fall geweſen wäre, wenn 
der Angeklagte die zur Verhütung einer Flucht er— 
forderliche Bewachung nur auf kurze Zeit verabſäumt 
hätte, vielmehr hörte bei A und bei B der tatſächliche 
Zuſtand der Gefangenſchaft von ſelbſt auf, ſobald fie 
ohne jede unmittelbare oder zwar aus der Entfernung 
betätigte aber doch vollwirkſame Bewachung durch 
einen Beamten oder durch eine mit der Bewachung 
betraute andere Perſon das Gefängnis verlaſſen und 
die ſo geſchaffene Sachlage erkannt hatten. Sie haben, 
nach Maßgabe der erörterten Begleitumſtände, und 
zwar 4, falls er nicht durch die Ehefrau des Ange— 
klagten überwacht wurde, ihre Gänge zur Stadt und 
die Rückkehr in das Gefängnis nicht unter dem Druck 
beſtehender Freiheitsentziehung, nicht als Gefangene, 
ſondern als tatſächlich in der Selbſtbeſtimmung un— 
gehindert, kraft eigener, von fremdem Zwang unab— 
hängiger Willensentſchließung ausgeführt, da nichts 
ſie hinderte, in jedem beliebigen Augenblick andere 
Wege einzuſchlagen. Darauf, daß ſie ſich ohne zu 
fliehen freiwillig aus dem Zuſtande der Freiheit in 
den der Gefangenſchaft zurückbegaben, kommt mithin 
für den Begriff der Befreiung nichts an, weil hinſichtlich 
ſeiner nur die äußere Sachlage, nicht die Willens— 
richtung des Gefangenen den Ausſchlag gibt. Eine 
beſondere Abſicht, eine auf das Entweichen von Ge— 
fangenen gerichtete Zweckvorſtellung des Täters wird 
nach dem klaren Wortlaut des Y 347 Abſ. 1 für den 
inneren Tatbeſtand nicht verlangt. Es genügt, un— 
beſchadet der ſtrafausſchließenden Wirkung eines et— 
waigen tatſächlichen Irrtums, insbeſondere über die 
Befugnis zu dem eingeſchlagenen Verfahren oder über 
die Beurteilung der Sachlage durch den Gefangenen, 
die Vorſätzlichkeit der äußeren Handlung, wenn weiter— 


440 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


hin dem Täter diejenigen Tatſachen, in welchen das 
Merkmal der Gefangenenbefreiung erblickt werden 
muß, entweder als vorhanden bekannt oder doch als 
möglich zum Bewußtſein gekommen waren. Deshalb 
haftet den Urteilsgründen auch inſoweit ein Rechts⸗ 
irrtum an, als fie darauf Nachdruck legen, der An: 
geflagte habe „den beiden Gefangenen Vertrauen 
ſchenken zu können geglaubt und ſich auch in ſeinem 
Vertrauen nicht getäuſcht geſehen“, ferner „in dieſem 
Vertrauen nicht weiter überlegt“, daß im Entſenden 
der Gefangenen zur Stadt ein zeitweiliges Freiſein 
gefunden werden könnte. Nicht die Willensrichtung 
der Gefangenen, ſondern die Erkennbarkeit der Sach⸗ 
lage für ſie iſt in Richtung auf den äußeren Tatbe⸗ 
ſtand des § 347 Abſ. 1 entſcheidend; folglich kommt 
auch dem Bewußtſein oder der Meinung des Ange⸗ 
klagten nur im gleichen Umfang Erheblichkeit zu. 
Hätte ſich der Angeklagte aus pflichtwidriger Sorg⸗ 
loſigkeit unrichtige Gedanken gemacht, könnte es ſich 
unter allen Umſtänden höchſtens um eine fahrläſſige 
Vergehung handeln. (Urt. des I. StS. vom 29. Juni 
1908, 1 D. 410/08). B. 
1421 


Oberſtes Landesgericht. 


Zi vilſachen. 
I. 


Rann die Firma eines Kaufmanns anf den Gr: 
werber eines einzelnen Geſchäftszweiges übergehen, den 
der Erwerber zu einem nenen ſelbſtandigen Handels⸗ 
geſchäfte macht? (HGB. §§ 22, 23, 30). Für den 
Kaufmann H. B in B., der dort ein Handelsgeſchäft 
in Landesprodukten, Sämereien, Dürrobft und Futter- 
artikeln betreibt, iſt im Handelsregiſter die Firma 
„H. B.“ eingetragen. Die Geſchäftsräume des B. 
befinden ſich in der Kapellenſtraße, dort betreibt er 
den Großhandel, daneben hatte er bis zum 1. Oktober 
1906 für den Einzelverkauf ſeiner Waren einen Laden 
in der Oberen Königſtraße. Das Ladengeſchäft war 
eine Zeitlang verpachtet, nach Beendigung der Pacht 
wurde es wieder wie vorher von einer Ladnerin 
beſorgt, die die aus dem Hauptgeſchäfte gelieferten 
Waren zu den feſtgeſetzten Preiſen zu verkaufen, die 
Einnahmen in einem Aufſchreibbuche zu verzeichnen 
und fie täglich oder jeden zweiten Tag abzuliefern 
hatte. Am 1. Oktober 1906 verkaufte B. das Laden- 
geſchäft mit Warenvorräten und Einrichtungsgegen— 
ſtänden an den Kaufmann F., der es ſeitdem als 
Landesprodukten- und Sämereiengeſchäft ſelbſtändig 
betreibt. Bei den Unterhandlungen war die Befugnis 
des F. zum Gebrauche der Firma H. B. zur Sprache 
gekommen. F. behauptet, in dem Kaufvertrage ſei 
ihm das Recht dazu eingeräumt worden, H. B. be- 
ſtreitet es. F. führt für ſein Geſchäft die Firma „H. 
B. Nachfolger“. Auf Anregung des H. B. gab ihm 
das Regiſtergericht unter Androhung einer Ordnungs— 
ſtrafe auf, ſich des Gebrauchs dieſer Firma zu ent— 
halten oder ihn binnen zwei Wochen mittelſt Einſpruchs 
zu rechtfertigen. Der Einſpruch wurde als unbegründet 
verworfen, zugleich wurde das Verbot und die An— 
drohung der Ordnungsſtrafe erneuert. Der ſofortigen 
Beſchwerde, in der u. a. angeführt wurde, daß das Laden- 
geſchäft eine Zweigniederlaſſung B.s geweſen ſei, 
wurde der Erfolg verſagt. Die weitere Beſchwerde 
wurde zurückgewieſen. 

Gründe: Das LG. hat einwandfrei feſtgeſtellt, 
daß das von dem Beſchwerdeführer erworbene Laden— 
geſchäft des H. B. nur ein unſelbſtändiger und unter— 
geordneter Beſtandteil des Beſchen Handelsgeſchäfts, 
eine einfache Verkaufſtelle geweſen iſt. Als ſolche 
konnte fie nach den 8S 22, 23 HGB. nicht mit der 
Befugnis zur Fortführung der Firma H. B. über- 


tragen werden. Dieſe Befugnis kann, da die Firma 
der Name ift, unter dem das gefamte Handelsunter⸗ 
nehmen betrieben wird, nur dem Erwerber des 
Handelsgeſchäfts im ganzen eingeräumt werden, nicht 
mit einem einzelnen Geſchäftszweige, den der Erwerber 
zu einem neuen ſelbſtändigen Handelsgeſchäfte macht, 
auf den Nachfolger übergehen. H. B. konnte, da ein 
Kaufmann auch in demſelben Geſchäftszweig und an 
demſelben Orte mehrere ſelbſtändige Handelsnieder⸗ 
laſſungen haben kann, allerdings das Ladengeſchaäft 
zu einem ſelbſtändigen Handelsgeſchäfte machen und 
er konnte dies auch noch unmittelbar vor der Ver⸗ 
äußerung und zu dem Zwecke tun, um dieſes Geſchäft 
mit deffen Firma übertragen zu können. Nach 8 F 
HGB. durfte er aber für ſein neues Handelsgeſchäft 
nicht die für ſein bisheriges Geſchäft beſtehende und 
in das Handelsregiſter eingetragene Firma annehmen, 
ſondern es mußte die Firma des neuen Geſchäfts ſich 
von der des bisherigen Geſchäfts deutlich unterſcheiden. 
In dieſer Beziehung würde es auch keinen Unterſchied 
machen, wenn das am Orte der Hauptniederlaſſung 
befindliche Ladengeſchäft bisher eine Zweigniederlaßung 
geweſen wäre. Der Beſchwerdeführer konnte daher 
durch die behauptete Vereinbarung die Befugnis zum 
Gebrauche der Firma „H. B. Nachfolger“ auch dann 
nicht erlangen, wenn es für ſtatthaft erachtet werden 
könnte, bei der Veräußerung einer Verkaufsſtelle 
ebenſo, wie es für die Veräußerung einer Zweignieder⸗ 
laſſung anerkannt iſt, in der Einräumung des Rechtes 
zur Fortführung der Firma zugleich die Umwandlung 
der bisher unſelbſtändigen Geſchäftseinrichtung in ein 
ſelbſtändiges Geſchäft und die Annahme der bisherigen 
Firma für das nunmehr ſelbſtändige Geſchäft zu finden. 


(Beſchluß des Fer ZS. vom 12. September 1908, III 
78/08). W. 
1413 


I. 


Der Ansſchluß eines Mitglieds aus einem nicht 
zen lehnen Vereine, deffen Statuten en 
zulaſſen, kann durch Mehrheitsbeſchlußz eriolaen. Da 
der Ansſchluz nach den Statuten nur aus beftimmten 
Gründen erfolgen, fo ift die Ausſchließung unwirkſan. 
wenn dem Betroffenen der Grund nicht bekannt gegeben 
wird. (BGB. SS 54, 709). In W. beſteht ſchon ſeit 
der Zeit vor 1900 die Geſellſchaft 3. Ihr Zweck iſt 
nach § 1 der „Statuten“, „ihre Mitglieder durch ae: 
ſelliges Beiſammenſein und ſonſtige Vergnügungen 
zu unterhalten“. Die Eigenſchaft eines anerkannten 
Vereins im Sinne des Geſetzes vom 29. April 1869 
hatte ſie nicht erworben; ſeit dem Inkrafttreten des 
BGB. iſt ſie in das Vereinsregiſter nicht eingetragen 
worden. Im 8 6 der Statuten find die Gründe be 
ſtimmt, aus denen ein Mitglied ausgeſchloſſen werden 
kann. Die Leitung der Geſellſchaft liegt nach 8 9 der 
„Geſamtverwaltung“ ob. Dieſe beſteht aus zehn 
Perſonen; die an ihrer Spitze ſtehende Perſon iſt der 
„Vorſtand“. Sie „überwacht alle Vereinsangelegen: 
heiten und bildet auch im Falle von Streitigkeiten 
und ſonſtigen Anſtänden das Schiedsgericht, wobei 
ſie ermächtigt iſt, nach Umſtänden Mitglieder aus dem 
Verein ee en, Der den Schluß der Statuten 
bildende § 22 lautet: „Bei in allen Fällen etwa vor: 
kommenden Stimmengleichheiten entſcheidet der Bor: 
ſtande. Der Büttner Franz E. in N. war Mitglied 
geworden. Im Januar 1907 kam es zu Streitigkeiten 
zwiſchen ihm und dem Mitgliede der Geſamtverwal— 
tung G.; er erhob gegen dieſen Privatklage wegen 
Beleidigung. Das Verfahren wurde durch einen Ver: 
gleich beendigt; G. übernahm dabei die Koſten. In 
der Sitzung der Geſamtverwaltung vom 6. April, an 
der acht Mitglieder teilnahmen, wurde einſtimmig be⸗ 
ſchloſſen, den Franz E. aus der Geſellſchaft auszu— 
Schließen. Hiervon erhielt er am 8. April durch 
Schreiben der Geſellſchaft Z. ohne Mitteilung des 
Grundes der Ausſchließung Kenntnis. Er erhob Klage 


gegen die Geſellſchaft mit dem Antrage, feſtzuſtellen, 
daß er noch Mitglied iſt. Am 16. Mai 1907 fand 
eine außerordentliche Sitzung der Geſamtverwaltung 
ſtatt; als Gegenſtand der Tagesordnung war bezeichnet 
worden: „Ausſchluß des Herrn E.“; alle zehn Mit- 
glieder der Geſamtverwaltung nahmen teil. Es wurde 
wiederum beſchloſſen, den Franz E. aus der Geſell⸗ 
ſchaft auszuſchließen; für die Ausſchließung ſtimmten 
acht Mitglieder. Der Kläger bezeichnet die Beſchlüſſe 
vom 6. April und 16. Mai als unwirkfam, weil ſie 
nicht einſtimmig gefaßt ſeien, er vor der Beſchluß⸗ 
faſſung nicht gehört und ein Grund der Ausſchließung 
weder feſtgeſtellt noch ihm mitgeteilt worden ſei. Sie 
ſeien übrigens auch ſachlich ungerechtfertigt, weil ein 
Grund für die Ausſchließung nicht vorgelegen habe. 
Das Landgericht gab der Klage ſtatt. Das OLG. 
hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Auf 
Reviſion des Klägers hat das Oberſte Landesgericht 
unter Aufhebung des Urteils des OLG. die Berufung 
der Geſellſchaft gegen das Urteil des Landgerichts 
zurückgewieſen: 

Gründe: Die beklagte Geſellſchaft iſt ein nicht 
rechtsfähiger Verein. Da ſie zur Zeit des Inkraft⸗ 
tretens des BGB. ſchon beſtand, finden nach Art. 2 
Ue®. z. BGB. jetzt die Vorſchriften des BGB. über 
die Geſellſchaft auf ſie Anwendung. Ihre „Statuten“ 
bezeichnen im 8 6 die Gründe, aus denen ein Mit- 
glied ausgeſchloſſen werden kann, ermächtigen im 89 
die Geſamtverwaltung, Mitglieder auszuſchließen. Daß 
eine Geſellſchaft im Geſellſchafts vertrage die Befugnis, 
Mitglieder auszuſchließen, einem Organe der Geſell— 
ſchaft überträgt, iſt zuläſſig; der Reviſionskläger hat 
die Gültigkeit dieſer Beſtimmung auch nicht beanſtandet. 
Wenn der Beſchluß, durch den der Kläger aus der 
Geſellſchaft ausgeſchloſſen worden iſt, weder gegen 
das Geſetz noch gegen die Statuten verſtößt, kann das 
Gericht nicht prüfen, ob ein genügender Anlaß zur 
Ausſchließung vorlag. Auch der nicht rechtsfähige 
Verein ift eine Körperſchaft, keine „Geſellſchaft“; er 
ſoll nach dem Geſetze nur ſo behandelt werden, als 
wäre er eine Geſellſchaft. Der Verein und die Ge— 
ſellſchaft unterſcheiden ſich in weſentlichen Beziehungen. 
Die Zahl der Mitglieder iſt in der Regel bei der 
Geſellſchaft klein, bei dem Vereine größer; die Ge— 
ſellſchaft verfolgt einen, häufig nur vorübergehenden, 
wirtſchaftlichen Zweck, der Verein in der Regel einen 
dauernden Zweck anderer Art. Die Geſellſchaft wird 
durch das Ausſcheiden eines Mitglieds aufgelöſt, wenn 
nicht im Geſellſchaftsvertrag etwas anderes beſtimmt 
iſt; der Beſtand des Vereins iſt vom Wechſel der 
Mitglieder unabhängig. Für den Verein beſteht des- 
halb das Bedürfnis, in der Satzung Beſtimmungen 
über die Ausſchließung von Mitgliedern zu treffen, 
deren ferneres Verbleiben im Verein als dem Vereins- 
zwecke nicht förderlich angeſehen wird. Sind ſolche 
Beſtimmungen getroffen, ſo muß, ſoweit ſich nicht aus 
der Satzung etwas anderes ergibt, davon ausgegangen 
werden, daß durch den Beſchluß über die Ausſchließung 
eines Mitglieds der Verein ſeinem Willen als Körper— 
ſchaft Ausdruck gibt; er will ſelbſt endgültig darüber 
beſtimmen, wer Mitglied ſein ſoll. Daß die beklagte 
Geſellſchaft ihre Beſchlüſſe über die Ausſchließung von 
Mitgliedern in dieſer Beziehung der Prüfung des 
Richters unterwerfen wollte, geht weder aus dem 89 
noch aus einer anderen Beſtimmung der Statuten 
hervor. Soweit die Reviſion darauf geſtützt ift, daß 
ein Grund für die Ausſchließung des Klägers nicht 
beſtand, iſt ſie hiernach nicht begründet. 

Für die „Generalverſammlung“ beſtimmt der 
§ 13 der Statuten, daß alle Mitglieder daran teil- 
nehmen „follen“, „mindeſtens aber / der Mitglieder 
anweſend ſein muß“, und der 8 18 beſtimmt, daß 
„die bei der Generalverſammlung nicht Erſchienenen 
ſich unbedingt den dort gefaßten Beſchlüſſen zu fügen 
haben“. Für die Verſammlungen und die Beſchlüſſe 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


441 


der Geſamtverwaltung beſtehen ſolche Vorſchriften 
nicht; daraus folgt, daß zur Faſſung eines gültigen 
Beſchluſſes die Anweſenheit aller Mitglieder erforder- 
lich iſt. Daß am 6. April acht Mitglieder für die 
Ausſchließung des Klägers geſtimmt haben und daß 
dieſe die Mehrheit auch dann gebildet haben würden, 
wenn alle Mitglieder verſammelt geweſen wären, iſt 
belanglos. Der Beſchluß wurde nicht von der Ge- 
ſamtverwaltung, ſondern nur von acht Mitgliedern 
gefaßt, und es iſt möglich, daß, wenn die fehlenden 
zwei Mitglieder an der Beratung teilgenommen hätten, 
die Abſtimmung ein anderes Ergebnis gehabt haben 
würde. Der Beſchluß vom 6. April iſt daher ſchon 
deshalb ungültig, weil nicht alle Mitglieder der 
Geſamtverwaltung mitgewirkt haben. Dem Beſchluſſe 
vom 16. Mai haftet dieſer Mangel nicht an. Mit 
Unrecht macht die Reviſion geltend, daß dieſer Be— 
ſchluß deshalb nicht habe gefaßt werden können, weil 
der Kläger ſchon am 6. April aus der Geſellſchaft 
ausgeſchloſſen worden war. Unzuläſſig iſt es, ein 
Mitglied eines Vereins auszuſchließen, das aus dem 
Verein ausgetreten iſt, dieſem alſo nicht mehr ange— 
hören will!). Der Kläger aber hat die Wirkſamkeit 
des Beſchluſſes vom 6. April nicht anerkannt, ſondern 
geltend gemacht, daß er noch Mitglied ſei. Dies war 
der Anlaß zu dem Beſchluſſe der Geſamtverwaltung 
vom 16. Mai, durch den etwaige Mängel des Be— 
ſchluſſes vom 6. April geheilt werden ſollten. Da- 
durch, daß die Geſamtverwaltung einen ungültigen 
Beſchluß gefaßt hatte, war ſie nicht gehindert, einen 
neuen Beſchluß zu faſſen, der die bei der Faſſung 
des erſten begangenen Fehler vermied. Die vom 
OLG. dem $ 22 der Statuten gegebene Auslegung, 
daß er Mehrheitsbeſchlüſſe zuläßt und auch für die 
Beſchlüſſe der Geſamtverwaltung gilt, beruht nicht 
auf Verletzung des Geſetzes; der Umſtand, daß der 
Beſchluß vom 16. Mai mit Stimmenmehrheit gefaßt 
wurde, berührt daher ſeine Gültigkeit nicht. Auch 
der § 709 BGB. ift auf ihn nicht anwendbar; die 
Vorſchrift gilt für die Führung der „Geſchäfte“ der 
Geſellſchaft, die Ausſchließung eines Mitglieds iſt aber 
kein „Geſchäft“ im Sinne dieſer Vorſchrift. Nicht 
unbedenklich iſt dagegen, daß dem Kläger vor der 
Faſſung des Beſchluſſes nicht Gelegenheit gegeben 
wurde, ſich über das zu äußern, was ihm als ein 
ſeine Ausſchließung rechtfertigendes Verhalten zur 
Laſt gelegt wurde. Ob die Gultigkeit des Beſchluſſes 
dadurch berührt wird, kann aber dahingeſtellt bleiben, 
denn er iſt deshalb ungültig, weil in ihm, ſoweit er 
dem Kläger bekannt gemacht worden iſt, der Grund 
der Ausſchließung nicht angegeben iſt. Nach den 
Statuten ſteht die Ausſchließung eines Mitglieds nicht 
im Belieben des Vereins oder der Geſamtverwaltung, 
ſondern ſie iſt nur aus beſtimmten Gründen zuläſſig. 
Sie kann nach S 6 erfolgen, wenn das Mitglied mit 
Zahlung des Vereinsbeitrages drei Monate lang im 
Rückſtand iſt, ferner wenn es ſich „unehrenhaſte 
Sachen, unanſtändiges Benehmen im Verein u. dgl.“ 
zu ſchulden kommen läßt. Die Mitglieder haben hier— 
nach ein Recht darauf, nicht aus irgend einem anderen 
Grunde ausgeſchloſſen zu werden, und demgemäß, um 
dieſes Recht nötigenfalls wahren zu können, Anſpruch 
darauf, daß ihnen der Ausſchließungsbeſchluß Auf— 
ſchluß darüber gibt, aus welchem Grunde die Aus— 
ſchließung erfolgte; es genügt nicht, daß das von 
einem Ausſchließungsbeſchluſſe betroffene Mitglied 
vermuten kann, aus welchem Anlaß es ausgeſchloſſen 
wurde. Entſteht Streit darüber, ob der Verein die 
Grenzen eingehalten hat, die ihm für die Ausübung 
des Ausſchließungsrechts gezogen ſind, ſo hat das 
Gericht zu prüfen, ob die Ausſchließung aus einem 
Grunde erfolgt iſt, der in der Satzung des Vereins 


1) Vgl. die Entſcheidungen des Reichsgerichts und des Oberſten 
Landgerichts in dieſer Zeitſchrift Bd. 1 S. 222/3 und Bd. 3 S. 210%. 


442 


als Ausſchließungsgrund bezeichnet iſt. Dies zu prüfen, 
ift dem Gerichte nicht möglich, wenn aus dem Be- 
ſchluſſe nicht hervorgeht, ob er auf der Annahme 
beruht, daß ein in der Satzung beſtimmter Aus⸗ 
ſchließungsgrund vorliegt. Der Beſchluß vom 16. Mai 
hätte den Grund der Ausſchließung um ſo mehr an⸗ 
geben müſſen, als nach 8 7 Abſ. 1 der Statuten ein 
Mitglied, das ausgeſchloſſen worden iſt, weil es ſich 
„unehrenhafte Sachen oder unanſtändiges Benehmen“ 
hat zu Schulden kommen laſſen, nicht wieder auf⸗ 
genommen werden kann. Es iſt alſo für den Aus⸗ 
geſchloſſenen von Bedeutung, ob die Ausſchließung 
auf dieſem Grunde oder einem anderen beruht. Die 
Feſtſtellung des OL G., der Kläger habe ohne weiteres 
annehmen können, daß Mo Zwiſtigkeiten mit G. den 
Grund ſeiner Ausſchließung bildeten, iſt belanglos, 
denn der Kläger kannte in dieſem Falle zwar den 
Anlaß zu ſeiner Ausſchließung, wußte aber damit 
noch nicht, daß die Geſamtverwaltung jene Zwiſtig⸗ 
keiten als eine „unehrenhafte Sache“ oder als „uns 
anſtändiges Benehmen im Verein“ angeſehen, ihn alſo 
aus einem Grunde ausgeſchloſſen habe, aus dem nach 
den Statuten die Ausſchließung erfolgen konnte. Der 
Kläger iſt hiernach nicht durch einen den Vorſchriften 
der Statuten entſprechenden Beſchluß aus der Geſell⸗ 
ſchaft ausgeſchloſſen worden und iſt daher noch ihr 
Mitglied. Die Entſcheidung des LG. iſt demnach 
richtig, allerdings aus anderen als den von ihm an⸗ 
gegebenen Gründen. (Urt. des II. ZS. vom 30. März 
1908, Reg. I 45/1908). W. 
1280 


Oberlandesgeridt München. 


I 


Zur Auslegung des § 127 KO. Allerdings hat 
der Konkursverwalter nach 8 127 KO. das Recht, die 
von Dritten vor der Konkurseröffnung gepfändeten 
beweglichen Sachen des Gemeinſchuldners an Stelle 
des Pfandgläubigers nach Maßgabe der Vollſtreckungs— 
normen oder derjenigen über den Pfandverkauf 
(8 1233 ff. BGB.) zu veräußern, den Erlös zur 
Maſſe zu ziehen und den Pfändungspfandgläubiger 
auf die dem 8 805 BPO. ähnliche Vorrechtsklage zu 
verweiſen. Er kann ſich dazu ſogar des nämlichen 
Gerichtsvollziehers bedienen, der die Vollſtreckung für 
den Pfandgläubiger eingeleitet hat und kann das 
Verfahren nach § 127 KO., das keines Gerichtsbeſchluſſes 
und keiner Begründung bedarf, auch dazu verwenden, 
um ſich in Anfechtungsfällen die Rolle des Beklagten 
und zunächſt den Erlös zu ſichern, ohne, was ſonſt 
die Regel wäre, das Gericht nach 88 771, 769 ZPO. 
gegen den Pfändungsgläubiger angehen zu müſſen. 
Solchenfalls handelt dann der Gerichtsvollzieher aber 
nur mehr als Beauftragter des Konkursverwalters, 
der ihm auch nötigenfalls für einen Koſtenausfall 
haftet und es bemißt ſich nur nach den auf Grund 
des 8 132 Abſ. 1 KO. getroffenen Beſtimmungen, wo 
der Erlös einzuzahlen iſt. Mit Recht beſtreitet aber 
die Beſchwerde, daß hier wirklich nach § 127 KO. 
verfahren worden iſt. Die Vollſtreckungsakten laſſen 
mehr nicht entnehmen, als daß der Konkursverwalter 
am Tage nach der Konkurseröffnung (einen Tag vor 
dem Verſteigerungstermin) dem Gerichtsvollzieher 
ſchrieb: „In Sachen M. gg. B., in welcher Sie morgen 
Pfandobjekte verſteigern wollen, bitte ich Sie um 
Hinterlegung des Verſteigerungserlöſes, da die Pfän— 
dung angefochten werden wird“. Das Verſteigerungs— 
protokoll ſelbſt führt als Auftraggeber für die Ver— 
ſteigerung nicht etwa den Konkursverwalter, ſondern 
nur den Pfändungsgläubiger auf, während allerdings 
die Hinterlegung nicht zur Verfügung des Letzteren, 
ſondern ausſchließlich des Konkursverwalters geſchah. 
Wenn dieſer jetzt behauptet, den Gerichtsvollzieher 


freiwilliger 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


mündlich beauftragt zu haben, die Verſteigerung „für 
die Konkursmaſſe vorzunehmen“, ſo iſt dies nicht nur 
mit dem Wortlaut des obigen ſchriftlichen Auftrags 
Eley vereinbar, 12 8 auch unbehelflich, weil eben 
er Gerichtsvollzieher, gleichgültig, ob mit Recht oder 
mit Unrecht, tatſächlich nicht für die Konkursmaſſe, 
ſondern für den Pfändungsgläubiger verſteigert hat, 
wie das maßgebende Protokoll ausweiſt. Es iſt alſo 
nicht die Wirkung des § 127 KO., ſondern diejenige 
des 8 819 BPO. (Zahlung) eingetreten. Daran konnte 
das einfache Hinterlegungs verlangen des Konkurs⸗ 
verwalters nichts mehr ändern, wenn es auch bei 
Uebereinkunft der Beteiligten einer 
praktiſchen Uebung entſprechen mag. Die Hinter⸗ 
legung hätte ſolchenfalls nur auf Grund eines Be⸗ 
ſchluſſes des Vollſtreckungsgerichts gemäß 8 769 Abſ. 2 
ZPO. erfolgen dürfen, der durch feine Friſtbeſtimmung 
für den Pfändungsgläubiger günftiger als die gegen⸗ 
wärtige Sachlage geweſen wäre. Hiernach hätte das 
Landgericht die Beſchwerde des Konkursverwalters 
gegen den die Wiederhinausgabe des Erlöſes an den 
Pfandgläubiger anordnenden amtsgerichtlichen Beſchluß 
zurückweiſen folen; unzuläſſig — wie der Pfand- 
gläubiger meint — war dieſe Beſchwerde nicht, denn 
das Amtsgericht hat, wie fein Zitat des $ 102 ZPO. 
bei der Koſtenüberbürdung auf den Gerichtsvollzieher 
und die Zuſtellung zeigt, als Einwendungsgegner von 
Anfang an nicht den Gerichtsvollzieher, ſondern den 
Konkursverwalter betrachtet; vgl. übrigens bezüglich der 
Zuläſſigkeit der Beſchwerde Dritter bei § 766 ZPO. 
auch RG. in JW. 1890 S. 275. (Beſchl. v. 25. Sept. 
50 ; Beſchw. Reg. Nr. 584/08 I). N. 

14 


II. 


Zur Auslegung des $ 5 ZPO. Zwiſchen der Stadt- 
gemeinde T. als eingeſetzter Nacherbin und dem Ver⸗ 
mächtnisnehmer W. entſtand Streit darüber, ob das 
Vermächtnis bedingt oder nur betagt ſei und ob die 
Stadtgemeinde die Nacherbſchaft angenommen habe. 
Erſterer Zweifel war dadurch veranlaßt, daß das den 
alleinigen Gegenſtand des Vermächtniſſes bildende, 
unſtreitig 40600 M werte Haus erft nach dem Tode 
der Vorerbin an den Vermächtnisnehmer gelangen 
ſollte. Letzterer klagte nun gegen die Stadtgemeinde 
T. auf Feſiſtellung, daß fein Vermächtnisrecht bereits 
jetzt veräußerlich (und vererblich) fei, ferner gemäß 
S 259 ff. ZPO. auf Herausgabe des Hauſes nach Ein- 
tritt der Nacherbfolge an ihn „oder feine Rechtsnach— 
folger“. Das LG. wies die Leiſtungsklage ab, weil 
die Annahme der Nacherbſchaft und die Gefährdung 
des Klägers nicht nachgewieſen ſei, gab dagegen dem 
Feſtſtellungsantrag ſtatt und ſetzte den Streitwert auf 
60 000 M mit der Begründung feft, es handle ſich um 
zwei ſelbſtändige Anſprüche, nämlich bei der TFeit- 
ſtellung um das Recht bis zum Eintritt der Nacherb⸗ 
folge und bei der Leiſtung um das Recht nach deren 
Eintritt; letzterer Anſpruch fei nach § 6 ZPO. auf den 
Hauswert zu beziffern; erſterer nach freiem Ermeſſen 
auf deſſen Hälfte. Auf Beſchwerde wurde der Streit⸗ 
wert auf 40 600 M herabgeſetzt. 

Aus den Gründen: Die im § 5 BPO. vor⸗ 
geſchriebene Zuſammenrechnung mehrerer Anſprüche 
entfällt, wenn es an der Selbſtändigkeit eines An⸗ 
ſpruchs mangelt. Dies gilt insbeſondere im Verhält⸗ 
nis von Feſtſtellung und Leiſtung (Bay gZfR. 1905 
S. 470), ſei es daß der Leiſtungsantrag nur eine 
Folgerung aus der Feſtſtellung darſtellt, ſei es, daß 
er wie bei Individualanſprüchen (RGB. Bd. 33 S. 1 ff.) 
die Feſtſtellung in ſich begreift; auf die Zuläſſigkeit 
einer foldjen Häufung kommt bei der Streitwertsfeſt— 
ſetzung nichts an. Im gegebenen Falle würde kein 
Zweifel über die Anwendbarkeit dieſer Ausnahme bes 
ſtehen, wenn der Feſtſtellungsantrag das geſamte 
Recht des Vermächtnisnehmers umfaſſen würde. Dann 


wäre der Leiſtungsantrag durchweg nur eine Fol— 
gerung aus der Feſtſtellung. Dadurch aber, daß ein 
Teil des Rechts des Klägers unbeſtritten und deshalb 
in den Feſtſtellungsantrag nicht mitaufgenommen iſt, 
kann ſich der Streitwert unmöglich erhöhen. Dies 
entſpricht der Natur der Sache; denn der Kläger kann 
mit ſeiner Klage mehr als den Anweſenswert nicht 
für fih erreichen; dieſer aber ift nach 8 6 ZPO. 
ſchon für den Herausgabeantrag an den Kläger ſelbſt 
anzuſetzen. Daß die verſchiedenen Anträge nicht gleich— 
heitlich entſchieden zu werden brauchen, hat auf die 
Bewertung des Vermächtniſſes keinen Einfluß; denn 
wirklicher Streitgegenſtand iſt nur das Anweſen und 
ſomit deſſen Wert. (Beſchl. vom 21. September 1908, 
Beſchw.⸗Reg. 589/08 I). 


13970 N. 


Oberlandesgericht Bamberg. 
Koſten eines mit Unrecht erwirkten Verſänmnis⸗ 


urteils (S 344 3P O.). Die Beklagte hatte 5 Tage vor 


dem Verhandlungstermin Hauptſache und Zinſen an 
die Klägerin geſandt und gleichzeitig unter Mitteilung 
der Zahlung vom Anwalt der Klägerin die Bekannt— 
gabe der Prozeßkoſten gefordert. Dieſer gab keine 
Antwort, ſondern nahm im Verhandlungstermin Ver— 
ſäumnisurteil auf Hauptſache, Zinſen und Koſten. Auf 
Einſpruch überbürdete das LG. die Koſten des Ver: 
ſäumnisurteils der Klägerin, das OLG. hob dieſe Ent— 
ſcheidung auf. 

Aus den Gründen: Der Erſtrichter hat die 
Koſten des Verſäumnisurteils der Klägerin auferlegt, 
weil dieſe die Erlaſſung des ſachlich nicht begründeten 
Verſäumnisurteils verſchuldet habe. Dieſe Ent- 
ſcheidung ſteht im Widerſpruch mit dem § 344 ZPO. und 
den Grundſätzen der JPO. über die Koſtenverteilung, 
wonach die objektive, vom Verſchulden abſehende 
Koſtenhaftung durchgeführt ift. (Gaupp-Stein, 3PO., 
8.9. Aufl. § 91 I und Borbem. zu 8 91 ff. IV). Nach 
dieſen Grundſätzen genügt für den Fall der Verſäumnis 
zur Begründung der Koſtenpflicht des ſäumigen Teils 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


die bloße Tatſache des Nichterſcheinens (SS 95 und 344 


ZPO.) Die Koſten der Verſäumnis find der ſäumigen 
Partei unter allen Umſtänden aufzuerlegen, auch wenn 
fie ſpäter in der Hauptſache ſiegt, auch wenn die 
Säumnis ganz unverſchuldet war und die Erwirkung 
des Verſäumnisurteils eine unerlaubte Handlung im 
Sinne der 89 823 oder 826 BGB. darſtellt. Voraus- 
ſetzung iſt nur, daß das Verſäumnisurteil in geſetzlicher 
Weiſe ergangen iſt. Dies iſt der Fall, wenn nach 
dem vom Gericht als zugeſtanden anzunehmenden, 
tatſächlichen mündlichen Vorbringen des Erſchienenen, 
deſſen Antrag gerechtfertigt iſt, nicht aber iſt ein un— 
gejeglich ergangenes Verſäumnisurteil vorhanden, wenn 
die das Verſäumnisurteil rechtfertigenden tatſächlichen 
Behauptungen der Wahrheit nicht entſprechen oder 
wiſſentlich falſch find. (Gaupp-Stein a. a. O. § 344 I; 
Seuffert 8. Aufl. § 344, 1). Nach den in der Klage 
enthaltenen und im Termin vom 21. Oktober 1907 
vom Kläger wiederholten tatſächlichen Behauptungen 
war das erlaſſene Verſäumnisurteil in geſetzlicher 
Weiſe ergangen; damit iſt die Koſtenpflicht der Be— 
klagten ohne weiteres feſtgeſtellt. Der Erſtrichter hat 
ſonach mit Unrecht die Frage der ſchuldhaften Er— 
wirkung des Verſäumnisurteils zum Gegenſtand ſeiner 
Entſcheidung gemacht; auf dem Wege der Koſtenent— 
ſcheidung war dies nicht ſtatthaft. Eine andere Frage 
iſt es, ob nicht der Beklagten eine Schadenserſatzforde— 
rung gegen die Klägerin wegen ſchuldhafter, gegen die 
guten Sitten verſtoßender Erwirkung des Verſäumnis— 
urteils zuſteht. Dieſe Forderung wird durch den 
§ 344 3PO. nicht ausgeſchloſſen. Prozeſſual ift das 
primäre Verlangen der Beklagten, die Klägerin zur 
Rückgewähr des unter Vorbehalt gezahlten Betrags 
für Verſäumniskoſten zu verurteilen, ein Inzident— 


antrag. Solche Anträge, welche nicht als Widerklagen 
anzuſehen find, läßt die ZPO. nur in einigen Fällen 
zu, ſo in § 302 bei Vollſtreckung aus Vorbehaltsurteilen, 
in § 600 aus ſolchen in Urkundenprozeß und in § 717 
aus vorläufig vollſtreckbaren Urteilen, wenn dieſe 
Urteile hinterher als unbegründet aufgehoben werden. 
Dagegen iſt ein ſolcher Antrag nicht geſtattet in dem 
Falle der unberechtigten Erwirkung eines Verſäumnis⸗ 
urteils. Es kann alſo dem Antrag nicht ſtattgegeben 
werden. Vorſorglich wird von der Beklagten die Rück⸗ 
zahlung der Verſaͤumniskoſten im Wege der Wider— 
klage begehrt und zwar auf Grund ſchuldhafter Hand— 
lung der Klägerin. Anſpruch und Begründung ſind 
daher mit dem Inzidentantrag identiſch. Der Anſpruch 
iſt unbedingt rechtshängig gemacht, der Rechtsſchutz 
iſt unbedingt verlangt. Bedingt iſt aber die Art ſeiner 
prozeßrechtlichen Geltendmachung. Die beiden Rechts: 
behelfe wurden gehäuft und alternativ zur Wahl des 
Gerichtes geſtellt; es ſollte die Klägerin entweder auf 
Grund des Inzidentantrages oder der Widerklage 
unbedingt verurteilt werden. Es liegt alſo eine im 
Sinne der Entſcheidung RG. Bd. 40 S. 331 unſtatt⸗ 
hafte nur vorſorgliche Widerklage nicht vor. Dagegen 
ift die Widerklage aus anderen Gründen unzuläſſig. 
Der damit geltend gemachte Schaden tritt endgültig 
erſt mit der rechtskräftigen Erledigung des Rechtsſtreits 
ein. Es iſt daher der Anſpruch noch nicht entſtanden 
und kann jetzt nicht durch Klage noch durch Wider— 
klage geltend gemacht werden. (Beſchluß des I. 38. 
vom 10. Januar 1908. Beſchw. R. 17/08). 


138⁰ Mitgt. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg. 


Literatur. 


Poſener, Paul Dr. jur., Gerichtsaſſeſſor. Handbuch 
des geſamten Rechts. Ein ſyſtematiſches Lehr— 
buch für Studierende und Kandidaten. 4 Bände. 
Berlin 1908, Verlag von Erich Weber. Broſch. 
Mk. 41.—, gebd. Mk. 45.—. 


Dem Studierenden, der in wenigen Semeſtern 
den ganzen Examensſtoff einpauken will, mag ein 


Hilfsmittel, wie es hier geboten wird, ſehr mill- 


| 


kommen ſein. Mit unverkennbarem techniſchem Geſchick 
hat der Verfaſſer alle Gegenſtände des Univerſitäts— 
Unterrichts (mit Einſchluß der Volkswirtſchaft) in 
vier ganz überſichtliche Bände zuſammengefaßt. Wer 
aber der Meinung iſt, daß das Eindringen in die Ge— 
heimniſſe der Rechtswiſſenſchaft nicht mit dem Er⸗ 
lernen eines Handwerks auf eine Stufe geſtellt werden 
kann, wird an ſolchen Büchern keine Freude haben. 
Sie befördern die Verflachung des juriſtiſchen Nach: 
wuchſes und füllen den Studierenden mit einer Maſſe 
unverdauter Wiſſensbrocken. Man mag zugeben, daß 
nicht alle wiſſenſchaftlichen Lehrbücher Vertiefung mit 
kräftiger Anſchaulichkeit und mit Wirklichkeitsſinn ver- 
einigen. Zur Ausfüllung dieſer Lücke ſind jedoch ge— 
wandte Kompilatoren nicht berufen. von der Pfordten. 


Falkmann, N., Senatspräſident am Kammergericht. 
Die Anfechtung von Rechtshandlungen 
durch die Gläubiger außerhalb des Konkurſes. 
(117 S.) Berlin 1908, Franz Siemenroth. 


Das Buch, ein Sonderabdruck aus der 2. Auflage 
der Zwangsvollſtreckung des gleichen Verfaſſers, 
enthält eine ſyſtematiſche Darſtellung des Anfechtungs— 
rechtes und den Text des Anfechtungsgeſetzes mit 
Verweiſungen auf die Darſtellung. Die Vorzüge des 
Geſamtwerkes über die Zwangsvollſtreckung ſind ſo 
allgemein anerkannt, daß es kaum geboten iſt, ſie 
hier ausführlich hervorzuheben. Auch bei der Behand— 
lung des Anfechtungsrechtes hat der Verfaſſer bei der 
eingehendſten Berückſichtigung einer reichhaltigen Ka— 
ſuiſtik, der Streitfragen und der Rechtſprechung das 


444 


Hauptgewicht darauf gelegt, die den einzelnen Geſetzes⸗ 
vorſchriften zugrunde liegenden Rechtsgedanken klar 
und ſcharf herauszuſtellen. Dieſes Verdienſt iſt um 
ſo höher anzuſchlagen, als das Anfechtungsrecht zu 
den ſchwierigſten Materien der Zwangsvollſtreckung 
gehört. Gtr. 


Fedderſen, J., Landgerichtsrat in Göttingen. Das 
Schwurgericht. Unter Berückſichtigung der 
Rechtſprechung des Reichsgerichts für die Praxis 
dargeſtellt. (244 S.) Berlin 1907, Verlag von 
Otto Liebmann. Gebd. 6 Mk. 


Die Einleitung des Werkes, worin ſich der Ver⸗ 
faſſer als entſchiedener Gegner des Schwurgerichtes 
bekennt, enthält eine kurze, ſcharfe Beleuchtung der 
Mängel des ſchwurgerichtlichen Verfahrens. Das 
Buch ift aber keine Kampf- und Reformſchrift, ſondern 
eine objektive und umfaſſende Darſtellung des geltenden 
Rechtes für das geſamte ſchwurgerichtliche Verfahren 
von der Bildung der Spruchliſte an bis zur Urteils- 
verkündung. Die Rechtſprechung des Reichsgerichtes 
iſt durchweg mit peinlicher Gewiſſenhaftigkeit berück— 
ſichtigt, die Behandlung der Frageſtellung und des 
Spruches überdies durch zahlreiche praktiſche Beiſpiele 
anſchaulich gemacht. Der Stoff ift klar und überſicht— 
lich angeordnet, weitſchweifige theoretiſche Erörterungen 
über die zahlloſen wiſſenſchaftlichen Streitfragen auf 
dieſem Gebiet ſind dem Zweck des Buches entſprechend 
vermieden. Wer ſich über das geltende Recht raſch 
und ſicher unterrichten will, dem wird das Buch un— 
entbehrliche Dienſte leiſten. Seine Bedeutung für die 
Praxis wird auch die Reform des Strafprozeßrechtes 
überdauern, da am ſchwurgerichtlichen Verfahren 
vorausſichtlich nichts weſentliches geändert wird. 

Gtr. 


Notizen. 


Vogelſchutz und Jagdſchutz. Die am 1. September 
d. Irs. in Kraft getretenen reichsgeſetzlichen Aende— 
rungen der Vorſchriften über den Vogelſchutz und ihr 
Verhältnis zu den landesrechtlichen Beſtimmungen 
wurden auf S. 276 des laufenden Jahrgangs dieſer 
Zeitſchrift beſprochen. Die Kgl. VO. vom 15. November 
1889 iſt jetzt durch die am 26. Oktober in Kraft ge— 
tretene Kgl. VO. vom 19. Oktober 1908 (GVBL. S. 965) 
erſetzt worden, die die landesrechtlichen Ergänzungen 
dem Reichsrecht anpaßt. Das Verhältnis des Reihs- 
rechts zum Landesrecht iſt jetzt kurz das folgende: 
Vom 1. März bis 1. Oktober unterliegt der Bogel- 
fang, Vogelhandel und Transport dem reichsgeſetz— 
lichen Verbot im § 3 Abſ. 1; die im § 3 Abſ. 2 bez 
zeichneten Arten genießen das ganze Jahr reichsgeſetz— 
lichen Schutz. Für die Zeit vom 1. Oktober bis 
1. März iſt außerdem landesrechtlich das Fangen und 
die Erlegung der in der Anlage I der BO. angeführten 
Vögel, der Ankauf, der Verkauf und das Feilbieten, 
die Vermittelung des An- und Verkaufs, der Trans— 
port ſolcher Vögel in totem Zuſtande verboten. 
Das Verbot des Handels und Transports lebender 
Vögel wurde auf das ganze Jahr nur hinſichtlich 
einiger in der Anlage II bezeichneter Singvögel aus— 
gedehnt. Durch beſondere Ueberſichtlichkeit zeichnen 
ſich die Vorſchriften über den Vogelſchutz nicht aus. 
Es iſt aber im einzelnen Falle wichtig feſtzuſtellen, ob 
das reichsgeſetzliche oder das landesgeſetzliche Verbot 
übertreten wurde, da die Strafrahmen verſchieden ſind. 

Die neue VO. enthält auch einige mit dem Vogel- 
ſchutze zuſammenhängende Aenderungen der Kgl. VO. 
vom 5. Oktober 1863 über die Ausübung der Jagden 
und der Kgl. VO. vom 11. Juli 1900 über die jagd— 
baren Tiere. Für den Juriſten iſt von Intereſſe, daß 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22. 


P6000 —Tü————————— — . mn Pa 2 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 


jetzt Hauskatzen, die in der Zeit vom 1. März bis 
31. Auguſt in einer Entfernung von mindeſtens 200 m 
von den nächſten bewohnten Anweſen oder in öffent- 
lichen Anlagen „umherſtreifend betroffen werden“, von 
dem Jagdausübungsberechtigten oder dem von ihm 
aufgeſtellten Jagdaufſeher getötet werden dürfen. 

1427 | 


Sprachecke 
des Allgemeinen Deutſchen Sprachvereins. 


Scheinbar, auſcheinend. Allen Mahnungen zum Trotz 
werden „ſcheinbar“ und „anſcheinend“ immer wieder 
verwechſelt. Häufig genug kommt es allerdings vor, 
daß fih die Bedeutungen beider nahekommen, z. B. 
wenn bei einer Felddienſtübung ein Soldat bei der 
Beſchreibung ſagt: „Halblinks von der Waldecke ein 
grauer Fleck, anſcheinend ein Heuſchober“, jo 
könnte er auch fagen: „ſcheinbar ein Heufchober“, 
dann nämlich, wenn die Entfernung ſo weit iſt, daß 
er nicht unterſcheiden kann, ob es nur „ſcheinbar“ 
ein Heuſchober, alſo in Wirklichkeit kein Heuſchober, 
oder „anſcheinend“ einer, nämlich ſehr wahr⸗ 
ſcheinlich einer iſt. Scheinbar verneint nämlich, 
bezeichnet den falſchen Schein; anſcheinend aber 
bejaht, wenigſtens bedingungsweiſe. Das „ſcheinbar“ 
ging vielleicht von der „ſcheinbaren Mannsbreite“ 
aus und überwucherte nun im Heerweſen das „ans 
ſcheinend“; aber auch die „Icheinbare Mannsbreite“ 
iſt ſchon unrichtig, denn der Ausdruck bedeutet in der 
gebräuchlichen Anwendung, daß am Ziele etwas ſo 
breit ausſieht, wie ein Mann dort „erſcheinen“ würde, 
oder daß es um eine ſolche Breite von etwas anderem 
entfernt iſt u. ä. Es handelt ſich alſo tatſächlich um 
keine nur „ſcheinbare“, ſondern um eine wirkliche 
Mannsbreite, nur in der Verkleinerung der Ent— 
fernung. Für manchen ſtammt alſo vielleicht aus 
ſeiner Dienſtzeit die Gewöhnung an das Wort, das 
infolgedeſſen in der Umgangsſprache, in den Zeitungen 
und beſonders in der Gerichts- und Verwaltungs- 
ſprache ſein Weſen treibt. Klingt es aber nicht ſehr 
abſonderlich, iſt es nicht eigentlich beleidigend, wenn 
eine Steuerbehörde einem höheren Beamten ſchreibt: 
„Sie find ſchein bar im vorigen Jahre zum Direktor 
befördert worden“? So iſt es auch unrichtig, wenn 
man einem Bekannten erzählt: „Ich war geſtern ver- 
geblich an deiner Wohnung; die Tür war ſcheinbar 
verſchloſſen.“ Sagt man ihm aber: „Du warſt ſchein⸗ 
bar nicht zu Hauſe“, fo enthält dieſer Satz oft eine 
Wahrheit, wenn auch eine ungewollt unhöfliche. Ganz 
falſch iſt es auch, wenn geſchrieben wird: „Der Ver⸗ 
unglückte hat ſchein bar die Geleiſe überſchreiten 
wollen, um den Weg zu feiner Wohnung abzukürzen“, 
denn es ſoll doch nur heißen: wahrſcheinlich, vermut⸗ 
lich o. ä., und es hätte alſo geſchrieben werden müſſen: 
„Der V. hat anſcheinend die Geleiſe überſchreiten 
wollen.“ — Es beſteht alfo der himmelweite Unter: 
ſchied, daß „ſcheinbar“ nach heutigem Sprachge⸗ 
brauche die Wirklichkeit verneint, den falſchen 
Schein ausdrückt, während „anſcheinend'“ fie, wenn 
auch nur bedingt, bejaht und eben ausdrückt, daß alle 
Anzeichen dafür ſprechen, daß es wirklich ſo ſei, 
wie es den Anſchein hat. — Scheinbar nur ein 
kleiner Fehler, wird dieſe ewige Verwechſlung der 
beiden Wörter anſcheinend — und leider nicht etwa 
bloß „ſcheinbar“ — nur mit dazu beitragen, daß das 
feine Sprachgefühl im Alltagsleben immer mehr ver« 


loren geht. 
1416 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing. 


München, den 1. 1. Dezember 1908. 1908. 


4. I Jahrg. 


Feitfhrif rift für Rechtspflege 


in Bayern 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. 
Staats miniſterium der Juſtlz. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

im 9 von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Voſtanfalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Die Reform des Etrafverfahrens und die 
Geſchäftsvereinfachung. 


Von Oberlandesgerichtsrat R. Deinhardt in Jena. 


Verlag von 


2. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier) 
in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
A deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 

20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


1 . GL 
Nachdruck verboten. 


In Vervielfältigung des Schreibwerks ift das 
Streben, den Angeklagten und ſeinen Verteidiger 
möglichſt zu Eu und zu ſchirmen, ausgelaufen. 
Durch die Ueberfülle der Formen will man dem 
Streben genügen, milde Richter zu ſchaffen. Statt 


Der Entwurf zur StPO. beſchäftigt fih in dem Richter Bewegungsfreiheit, das belebende Be- 


der Hauptſache damit, die eigenartigen Grundſatze 
des Strafprozeßverfahrens in Einzelheiten anders 
zu regeln. Nur nebenbei ſtreift er die allgemeinen 
Grundſätze jedes Verfahrens. Daß unſere ganze 
Geſchäftsbehandlung einfach und kurz, überſichtlich 
und ohne zweckloſes Beiwerk, gedrungen und ſich 
auf das Notwendige beſchränkend ſein muß, ent⸗ 
ſpricht der Entwickelung unſeres ganzen Verkehrs 
und die Staatsnotwendigkeiten drängen von allen 
Seiten dazu, immer mehr die Weitläufigkeiten, 
die Umſtändlichkeiten, den unnützen Formen⸗ 
wirrwarr abzuſchütteln. Jeder Betrieb ſucht die 
wachſenden Aufgaben und Tätigkeiten dadurch zu 
bewältigen, daß er die Betriebsmethoden verbeſſert 
und überflüſſige Räder ausſchaltet, die vorhandenen 
Kräfte beffer verwendet, die Einrichtungen zu: 
ſammenfaßt, aber kein verſtändiger Geſchäftsleiter 
bleibt, um des Neuen Herr zu werden, bei ver: 
alteten Betriebsformen und dehnt ſie lediglich dem 
Umfange nach aus. Mehr Umſatz und Leiſtungen, 
weniger Speſen, heißt es überall. Handels- und 
Fabrikbetriebe leiſten mit denſelben Kräften mehr 
als früher, die Landwirtſchaft bringt mehr hervor 
mit weniger Kräften. Leider trägt der Entwurf 
ſolchen Geſichtspunkten noch nicht Rechnung. 
Zwar braucht es zur Eröffnung des Haupt— 
verſahrens nicht mehr der Mitwirkung dreier 
Richter, der Vorſitzende allein wird tätig, der 
Eröffnungsbeſchluß fällt weg, es wird nur Haupt: 
verhandlung anberaumt; zur Ueberweiſung iſt nicht 
mehr der Antrag des Staatsanwalts, Beſchluß 
der Dreimännerfammer, Abgabe der Akten an 
das Schöffengericht zur Anſetzung des Termins 
notwendig, ſondern der Staatsanwalt erhebt die 
Anklage ohne weiteres bei dem Amtsgericht. Das 
iſt aber ſo ziemlich alles auf dieſem Gebiete. Im 
übrigen hat der Entwurf alte Weitläufigkeiten be- 
ſtehen laſſen und neue im Uebermaß geſchaffen. 


wußtſein der Selbſtändigkeit zu geben, dadurch 


die Freude zu ſeinem Berufe zu ſtärken und das 
menſchliche Wohlwollen zu vermehren, hat man 
ihm überall Zäune von Stacheldraht gezogen, 
daß er nicht abirrt, und ertötet die Arbeitsluſt. 
Er wird Automat, der herausgibt, was die Par⸗ 
teien hineintun. 


Den Angeklagten und ſeinen Verteidiger hat 
man mit liebevollerer Sorgfalt angeſehen, als den 
Richter. Ihnen hat man alles Vertrauen ent⸗ 
gegengebracht, fie möglichſt von allen Einſchnü⸗ 
rungen und Einſchränkungen befreit, den Richter 
aber betrachtet man mit allem möglichen Miß⸗ 
trauen, alles wird bei ihm „reglementiert“ und 
„dekretiert“, der beſchränkte Untertanenverſtand 
kehrt hier als beſchränkter Richterverſtand wieder, 
in jeder Lage wird ihm gebieteriſch vorgeſchrieben, 
was er zu tun und zu laſſen hat. In dieſer un⸗ 
ſeligen Neigung des Deutſchen, alles in Para: 
graphen zu faſſen und alles recht förmlich zu 
machen, ſchwelgt der Entwurf; die unwirtſchaft⸗ 
liche Vielſchreiberei, das Vieltun wegen unweſent⸗ 
licher Dinge, die ſubalternſte Bürokratie wird ver- 
mehrt. Man beklagt ſich, daß die Richter pedan⸗ 
tiſche Buchſtabenmenſchen ſeien; das iſt zum Teil 
auch richtig. Nicht ohne ihre Schuld hat ſich 
der Irrglaube feſtgeſetzt, daß das Verſteifen auf 
das Formale das ſei, was das Weſen der 
Richter ausmache. Die Geſetzgebung züchtet ſie 
ja aber zu Beamten heran, die zunächſt peinlich 
auf die Form achten müſſen, und dabei kommt 
es ganz von ſelbſt, daß über der Achtſamkeit auf 
das kleinliche Aeußerliche das Sachliche Schaden 
leidet. Der Sinn für das Weſentliche geht da— 
durch oft verloren und er iſt doch die Grundlage 
aller Tätigkeiten. Das Aeußere und Aeußerlichſte 
der Dinge bekommt eine ſich blähende Wichtigkeit; 
was der wirkliche Inhalt, ob er echt und ſachlich 


446 


ift, dieſe Frage verſchwindet oft ganz. Die Ge: 
ſetzgebung iſt es, die dafür ſorgt, daß das Geiſtige, 
Menſchliche ausgetrieben wird, die Feſſeln der 
Form ſind Fallſtricke, die gerade bewirken, das 
Anſehen der Juriſten herabzuſetzen und das ganze 
Verfahren ſo unvolkstümlich wie möglich zu machen. 
Aufgabe einer verſtändigen Reform müßte es ſein, 
den Richter nicht durch kleinliche Pedanterien zu 
zügeln, ſondern durch den Hinweis auf die großen, 
ſachlich entſcheidenden Geſichtspunkte zu einer in 
ſich gefeſtigten, kraftvollen, ſelbſtändigen Perſönlich⸗ 
keit immer mehr heranzubilden, ihn nicht zum 
Formaliſten herabzudrücken, ſondern zum freien, 
des Ziels bewußten Menſchen emporzuheben. Bei 
der Einengung und Beſchränkung, dem Zurück— 
drängen auf die Form und beſtimmt vorgeſchrie⸗ 
bene Erwägungen kommt die Erziehung zum Willen, 
zur Initiative in Rückſtand. Von den Seelen⸗ 
kräften leidet die Willensſeite Schaden. Zu wenig 
Tatbereitſchaft, zu wenig Verantwortlichkeitsdrang, 
kein praktiſches und taktiſches Handeln und Ent⸗ 
ſchließen. Geiſtige Kräfte werden in weitem Maße 
brachgelegt. Die Tat iſt immer ſtärker geweſen 
als das Wort. Wenn es dem Richter an Wohl: 
wollen fehlen ſollte, was wundert man ſich dar— 
über, da ihn die Geſetzgebung ſelbſt nicht mit 
Wohlwollen behandelt und ſelbſt ihn als den 
ſchwarzen Mann betrachtet, der immer darauf 
ausgeht, dem Angeklagten über Gebühr Uebeles 
zuzufügen, den ſie deshalb möglichſt einengen und 
binden muß. Dieſe Zeitſchrift und ihr Heraus: 
geber find immer dafür eingetreten, die Rechts⸗ 
pflege von überlebtem äußerlichem Formenweſen 
zu befreien und eine friſchere Betätigung des 
Richters zu erſtreben. Deshalb mögen einige Pe: 
merkungen zu dem Entwurfe unter dieſen Geſichts— 
punkten geſtattet ſein. Maßgebend iſt dabei der 
Gedanke: Was fällt, ſollt ihr noch ſtoßen. 

Der Entwurf will nach der Begründung der 
örtlichen Zuſtändigkeit erhöhte Berückſichtigung ge— 
währen und bisher beſtehende Schranken beſeitigen 
(S. 190 der Liebmannſchen Ausgabe). 

Er ſetzt ſich damit in Widerſpruch mit der 
ſonſtigen Entwickelung. Sie geht ohne Zweifel 
auf Zurückdrängung des Formalen. Die Zu— 
ſtändigkeitsfragen gehören hierzu. Der Entwurf 
zur Abänderung der ZPO., der jetzt den Reihs- 
tag beſchäftigen wird, ſucht den Unzuſtändigkeits— 
einreden die Giftzähne auszubrechen und ſchränkt 
ihre Wirkſamkeit ein. Er ſetzt fort, was die 
Novelle von 1905 begonnen hatte. Mit Recht 
ſagt die Begründung dazu, daß Streitigkeiten 
über die Zuſtändigkeit für die Partei meiſt un— 
fruchtbar und koſtſpielig ſeien. Sie ſind ein 
Ueberbleibſel aus der Zeit, wo das Prozeſſeführen 
oft ein anmutiges, unterhaltendes Spiel mit pro— 
zeſſualen Formen war, in dem die Geſchicklichkeit, 
mit ſolchen umzugehen, entſchied. Unſere An— 
ſchauung iſt doch tiefer, mehr auf die Sache und 
die Wahrheit gerichtet. Es ſcheint nicht ange— 


T Viren — . KV—— . — — — — — .——ꝛ—— . ꝛ. ——ñ — . — —ũ . — — — . — — —— — 


— — . . — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


bracht, das Feld für die Unzuſtändigkeitseinreden 
im Strafprozeß noch zu erweitern. Im Gegenteil. 
Die Möglichkeit, daß ein örtlich unzuſtändiges 
Gericht entſcheidet, wird ganz gering; wenn die 
Unzuſtändigkeit ſich erſt in ſpäteren Abſchnitten 
des Verfahrens zeigt, handelt es ſich um ſo 
geringfügige Feinheiten, daß ſie nicht berückſichtigt 
zu werden brauchen, und der Angeklagte erleidet 
dadurch keinen Schaden. Es wäre deshalb zu 8 1 
ein Zuſatz zu machen, daß die Einrede der ört⸗ 
lichen Unzuſtändigkeit nach der Eröffnung des 
Hauptverfahrens nicht mehr berückſichtigt wird. 
Die Weitläufigkeiten des $ 209 find in einer 
derartig formalen Sache nicht notwendig und die 
Einrede der örtlichen Unzuſtändigkeit könnte beim 
Berufungs- und Reviſionsverfahren ausgeſchaltet 
werden ($ 329 Abſ. 2, § 347). 

Die Einrichtung von viererlei Arten der Ge- 
richte erſter Inſtanz (Amtsrichter, Amtsrichter mit 
Schöffen, Strafkammer, Schwurgericht), wenn man 
das Reichsgericht mitrechnet, von fünferlei, iſt zu 
umſtändlich und widerſpricht dem Grundſatze, daß 
die Gliederung der Zuſtändigkeit einfach und leicht 
verſtändlich ſein muß. Die Weiterentwickelung 
muß auf Vereinfachung hinausgehen und man 
wird wohl dazu kommen, die Zuſtändigkeit der 
Amtsgerichte noch auszudehnen. Das entſpricht 
der ſozialen Umſchichtung unſerer Bevölkerung. 
Man kann als Wertsgrenze bei Diebſtahl, Unter- 
ſchlagung, Betrug, Sachbeſchädigung ſtatt 150 M 
300 M annehmen und die Ueberweisbarkeit 
braucht man nicht an ſolche kleinliche Beſtim⸗ 
mungen zu knüpfen, ob ſechs Monate Strafe zu 
erwarten iſt oder mehr. Dieſe Abgrenzung iſt 
doch recht willkürlich. Man ſoll die Möglichkeit 
der Ueberweiſung bei allen Vergehen mit einzelnen 
Ausnahmen geben, und es dem Ermeſſen des 
Staatsanwalts überlaſſen, ob er von der Mög⸗ 
lichkeit nach Lage des Falles Gebrauch machen 
will. Die Sachen können ja gerade auch dann 
rechtlich und tatſächlich einfach liegen, wenn eine 
höhere Strafe geboten iſt. 

Eine Häufung von unnützem Schreibwerk, 
Aktenverſendungen, Tagebucheintragungen, über— 
flüſſigen Kontrollen ergibt ſich aus der Stellung, 
die der Staatsanwaltſchaft dem Gericht und den 
Staatsanwaltſchaften gegenüber den Polizeiorganen 
angewieſen worden iſt. 

Daß die Vollſtreckung der Entſcheidungen in 
$ 29 der Staatsanwaltſchaft, der Vollſtreckungs— 
behörde nach $ 463, zugewieſen ift, mag praktiſchen 
Sinn haben. Daß die Staatsanwaltſchaft aber 
auch die Zuſtellungen der gerichtlichen Verfügungen 
beſorgt, beruht auf einer lediglich doktrinären Muj- 
faſſung über die Stellung von Gericht und Staats— 
anwaltſchaft. Für die Praxis iſt dieſe Auffaſſung 
vollſtändig bedeutungslos, ja ſchädlich. Der 
Richter ſoll mit dem Zuſtellungsweſen verſchont 
bleiben und ſich nur ſeiner Rechtſprechung widmen, 
war der Gedanke. In Wirklichkeit ſtellt doch nicht 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


der Richter oder der Staatsanwalt zu, ſondern 
der Gerichtsſchreiber oder der Sekretär der Staats⸗ 
anwaltſchaft. Dem Richter wird gar keine Arbeit 
erſpart. Der Entwurf durchbricht ſein Prinzip des 
§ 29 ſchon durch den Abſ. 2, durch die bisherige 
Beſtimmung für das Privatklageverfahren ($ 389 
Abſ. 2), über die Vollſtreckung durch den Amts— 
richter ($ 463 Abſ. 2) und durch die neue Be: 
ſtimmung, daß Urteile, gegen die Berufung oder 
Reviſion eingelegt wird, vom Gerichtsſchreiber zu: 
zuſtellen find (88 316, 337). Die Begründung 
ſieht hierin eine Vereinfachung und Beſchleunigung 
des Verfahrens (zu 88 315 bis 318 a. E.). Und 
in der Tat! Die Zuſtellung durch die Staats— 
anwaltſchaft führt zu zweckloſen Weitläufigkeiten: 
Beſchluß des Gerichtsvorſitzenden, daß die Akten 
an die Staatsanwaltſchaft zur Zuſtellung abzu— 
geben ſind, Abgabe der Akten dahin, Eingangs— 


l 


vermerk, Eintragung in deren Tagebuch, Akten⸗ 


zeichen, Beſchluß des Staatsanwalts, Ausführung 
durch Sekretär und Diener, Beſchluß des Staats— 
anwalts auf Rückgabe der Akten, Eingangsver⸗ 
merk beim Landgericht: während bei der Zuſtellung 
durch den Gerichtsſchreiber die Akten bei dem 
Gericht bleiben und alles Beiwerk wegfällt. Die 
Gerichtsſchreiberei kann in dem Zeitalter der 
Schreibmaſchinen am beſten die Abſchriften ſofort 
mit den Beſchlüſſen herſtellen, es wird Zeit geſpart 
und ſie kann gleich die Zuſtellung beſorgen. 
Welche Behörde oder welches Geſchäft, das ſelber 
Einrichtungen zur Verſendung von Briefen hat, 


tun. 


| 


überläßt das einer anderen Stelle und gibt zu 
der einzelnen Verſendung die ganzen Akten weg? 


Die jetzige Regelung führt zu den kleinlichſten 
Zuſtändigkeitsſtreitigkeiten, die oft mit dem An- 
ſpruch auf die größte Wichtigkeit ausgetragen 
werden, z. B. ob der Gerichtsſchreiber für die Ab— 
ſchriften zu ſorgen hat oder der Sekretär und wer 
ſie zu beglaubigen hat. 

Regelungen von Formſachen, die Anlaß zu 
nichtigen Zuſtändigkeitsſtreitigkeiten geben und das 
Verfahren mit unnützen Weitläufigkeiten belaſten, 
die auch von vielen Ausnahmen durchbrochen 


werden, ſoll man vermeiden. Wenn der Gerichts- 


ſchreiber Entſcheidungen, die angefochten werden, 
zuſtellt, warum ſoll er nicht auch ſolche zuſtellen, 
die auf die Anfechtung ergehen? Will man die 


Beſchleunigung und Vereinfachung nicht auch dem 


Verfahren im ganzen zuteil werden laſſen? Was 
für die Schöffengerichtsſachen, die doch die Haupt— 
maſſe bilden, durchgeführt iſt, ſollte das nicht auch 
für die anderen Strafſachen der natürlichſte und 
einfachſte Weg ſein? Man ſchaffe deshalb freie 
Bahn und beſtimme in § 29: 

Zuzuſtellen hat die Entſcheidungen der Ge— 
richtsſchreiber. 
der Staatsanwaltſchaft, dieſer ſind die Ent— 
ſcheidungen zu übergeben. 

Entſcheidungen, die den inneren Dienſt der 
Gerichte oder die Ordnung während der 


Die Vollſtreckung iſt Sache 


447 


Sitzung betreffen, oder deren Vollſtreckung 
eilig iſt, ſind durch den Vorſitzenden, Ent⸗ 
ſcheidungen, Beſchlüſſe und Verfügungen des 
Unterſuchungsrichters und des Amtsrichters 
ſind durch dieſe ſelbſt zu vollſtrecken. 

$$ 316, 337 wären entſprechend zu ändern. 

Nicht weniger iſt es eine Weitläufigkeit und 
Verlangſamung des Verfahrens, daß die Staats⸗ 
anwaltſchaft die Beteiligten, den Angeklagten, Ver⸗ 
teidiger und die Zeugen ladet (88 211, 216). 
Der Vorſitzende beſtimmt den Termin, beſchließt, 
daß die Akten an die Staatsanwaltſchaft gehen, 
ſie gelangen durch den Gerichtsſchreiber an die 
Staatsanwaltſchaft uſw. und von da auf dem 
üblichen Wege und deſſen amtlicher Regiſtrierung 
zurück. In Schöffengerichtsſachen iſt es jetzt doch 
wohl meiſt ſo geordnet, daß der Gerichtsſchreiber 
alles beſorgt. Das kann überall eingeführt werden. 
In § 29 könnte neben zuzuſtellen eingefügt werden: 
Er hat auch die Ladungen zu beſorgen. 

Bei allen dieſen Dingen hat die Staats⸗ 
anwaltſchaft doch wenigſtens noch etwas Sachliches zu 
Blokes Beförderungsinſtitut, Durchgangs— 
ſtation für die Gerichtsakten iſt ſie bei dem Ver⸗ 
kehr zwiſchen den Inſtanzen. 

Auf die Berufung ſchickt der Gerichtsſchreiber 
die Akten der Staatsanwaltſchaft, dieſe überſendet 
ſie dem Staatsanwalt bei dem Berufungsgericht. 
Dieſer übergibt ſie binnen einer Woche dem Vor⸗ 
ſitzenden des Berufungsgerichts (8 331). Ebenſo 
geht der Weg zurück, wenn das Berufungsurteil 
oder der Beſchluß auf die Beſchwerde erlaſſen iſt. 
Und derſelbe Aktenrundreiſeverkehr ſpielt ſich ab 
nach der Reviſionsinſtanz und von der Reviſions⸗ 
inſtanz über Reichsanwalt, Oberſtaatsanwalt, 


Staatsanwalt zurück ($ 338). Daß der vorgeſetzte 


Staatsanwalt die Berufung des ihm untergeord— 
neten prüft und, wenn fie unbegründet ift, zurück⸗ 
nimmt, trifft nur in ganz vereinzelten Fällen zu. 
Die Prüfung der ſtaatsanwaltſchaftlichen Rechts⸗ 
mittel kann aber auch auf anderem Wege erreicht 
werden. Bei Rechtsmitteln der Angeklagten iſt 
der Durchgangsverkehr der Akten ganz bedeutungs— 
los. Die Akten werden bei der Weitergabe gar 
nicht geprüft, das ſollte man aus der Praxis er: 
kennen. Die Eröffnungs- und Ueberweiſungs— 
beſchlüſſe hat man bisher wenigſtens in der Regel 
geprüft, trotzdem hat man hier die Praxis wohl 
durchſchaut und ſie von einer leeren Form befreit. 
Irgend ein ſachlicher Erfolg tritt bei dem Durch— 
gangsverkehr nicht ein, das ganze Herumſchicken 
dient nur dazu, die Schreibarbeit, die Zahl der 
Geſchäftsnummern zu vermehren. Dieſe Art der 
Benutzung der Einrichtung der Staatsanwaltſchaft 
reicht noch nicht einmal an ihre Tätigkeit in Ehe⸗ 
prozeſſen heran, die doch auch vollkommen unglück— 
lich geordnet iſt. Es genügte auf alle Fälle die 


Vorſchrift, daß der Gerichtsſchreiber, nachdem er Ur: 


dem Vorſitzenden des Berufungsgerichts überjendet. 


teil und Berufungsanträge zugeſtellt hat, die Akten 


448 


Für das Privatklageverfahren aber gar iſt nach 
der Praxis, die ſich nicht ändern wird und ſich 
auch nicht zu ändern braucht, der Aktenrundreiſe⸗ 
verkehr der lebensfremdeſte, zopfigſte Behörden⸗ 
verkehr, unwürdig ganz und gar des Zeitalters, das 
im Zeichen des Verkehrs ſteht, zweckloſe Beläſtigung 
der Gerichte und Staatsanwaltſchaften (§ 395 Abſ. 3). 


Man mag annehmen, die Staatsanwaltſchaft 
erfahre dabei, wenn ein öffentliches Intereſſe vor⸗ 
liege, daß ſie die Verfolgung übernehmen müſſe. 
Welcher Staatsanwalt lieſt die Akten? Sie werden 
in das Tagebuch eingetragen, ein Ueberſendungs⸗ 
beſchluß wird darauf geſetzt, ſie gehen weiter. Ein 
Briefträger pflegt nur ſelten die Poſtkarten, die er 
befördert, zu leſen. Und der Staatsanwalt würde 
die Zeit verſchwenden, wenn er die Privatklage⸗ 
ſachen durchleſen wollte, um einmal eine Perle 
herauszufinden, bei der ſich die öffentliche Ver⸗ 
folgung lohnte. 

Das erfährt er auf anderen Wegen genug und 
übergenug. Das Intereſſe der Beteiligten ift 
dazu mehr als ausreichend. Anzeigen zu machen 
und Beſchwerden bis zur oberſten Juſtizverwaltungs⸗ 
behörde einzureichen, das unterlaſſen Geſchädigte 
wahrhaftig nicht. 

Der Möglichkeit, daß die Staatsanwaltſchaft 
die Verfolgung übernimmt, ſollen auch die Mit⸗ 
teilungen an ſie dienen, die im Privatklageverfahren 
vorgeſchrieben ſind. Hier ſorgt man nur für 
die Anhäuſung von Makulatur in den Schreib⸗ 
ſtuben der Staatsanwaltſchaft. Die meiſten Privat⸗ 
klagen — 99 von 100 — ſind für ſie ohne 
Intereſſe, Schimpfereien oft recht kleinlicher Art, 
ein böſes Wort, das ſonſt 10 mal ertragen wird, 
wird aus Rachſucht, übergroßer Empfindlichkeit 
und ſonſtiger kleinlicher Veranlaſſung verfolgt, 
unlautere Beweggründe allerlei Art ſpielen eine 
Rolle, ein ernſter Ehrenſtreit iſt es oft nicht, 
einer, der die Oeffentlichkeit angeht, nur ganz felten. 


Wenn die Staatsanwaltſchaft Intereſſe haben 
kann, ſo iſt das Beſtreben der Privaten, das 
läſtige Privatklageverfahren zu vermeiden und die 
eigene Verantwortung auf die Staatsanwaltſchaft 
abzuwälzen, ausreichend genug, daß ſie Kenntnis 
bekommt. Zum Ueberfluſſe könnte man noch eine 
Beſtimmung einfügen, daß das Gericht von dem 
Privatklageverfahren der Staatsanwaltſchaft Mit: 
teilung zu machen hat, wenn ein öffentliches In⸗ 
tereſſe vorliegt. Nur was wirklichen Sinn hat, 
zu tun, kann man dem Richter vorſchreiben, ver: 
fehlt iſt es, ihm ſolche Vorſchriften zu machen, 
deren Ausführung in den meiſten Fällen ohne 
jeglichen Sinn iſt. Die Arbeit des Mannes, der 
Sinnloſes tun muß, verliert ihre ſittlich erhebende 
Kraft. Die Häufung der Mitteilungen iſt aber 
überflüſſig. Die Klage ſoll mitgeteilt werden 
($ 386), der Termin zur Hauptverhandlung iſt mit⸗ 
zuteilen (§ 390 Abi. 4), der Einſtellungsbeſchluß, 
wenn die Klage zurückgenommen iſt oder der 


— —— —ů2— et —iiu . —. i- — 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


ift mitzuteilen ($ 396 Abſ. 4) 
— wenn der Verletzte ſelbſt verzichtet ‚oder ſich 
ſeiner Sache nicht annimmt, iſt ſie nicht wert, 
daß die Staatsanwaltſchaft es erfährt —, der 
Vergleich iſt der Staatsanwaltſchaft bekannt zu 
machen (8 397), — wenn die Parteien ſich ver⸗ 
gleichen, ſollte die Sache für die Staatsanwalt⸗ 
ſchaft erledigt ſein und es auch keiner beſonderen 
Mitteilung bedürfen; der Tod des Privatklägers 
iſt der Staatsanwaltſchaft bekannt zu machen ($ 398), 
die ſchriftlich erhobene Widerklage iſt der Staats⸗ 
anwaltſchaft mitzuteilen (8 399 Abſ. 4); endlich 
aber ein Lichtblick: die mündliche iſt nur mit⸗ 
zuteilen, wenn es das Gericht für angezeigt er⸗ 
achtet ($ 399 Abſ. 4), eine vernünftige Be⸗ 
ſtimmung, die man einfach auf alle Handlungen 
im Privatklageverfahren ausdehnen ſollte. 

Daß nach § 162 Abſ. 2 die Staatsanwaltſchaft 
Ermittelungen jeder Art anſtellen oder auch durch 
die Behörden des Polizei⸗ oder Sicherheitsdienſtes 
anſtellen laſſen kann, bringt nicht in der wünſchens⸗ 
werten Weiſe zum Ausdruck, daß der Staats- 
anwalt die Ermittelungen ſelbſt vornimmt und 
daß er die Kriminalbeamten direkt beauftragt. 
Eine Gewähr für Geſchäftsvereinfachung wird alſo 
nicht gegeben, es bleibt die jetzige Handhabung, 
daß die Akten immer möglichſt bald wieder aus 
den Augen des Staatsanwalts wegkommen und 
in der Welt herumlaufen. Aktenbeiziehung. nach 
2 Wochen Perſonalbogen beiziehen, C-Anfrage, 
dann Auftrag an einen Gendarmen, bald an einen 
anderen. Und dann der Verkehr mit dem Ge: 
meindevorſtand derſelben Stadt, in der der Staats⸗ 
anwalt amtiert: Eintragung in deſſen „Regi⸗ 
ſtrande“, Zwiſchenverfügung des Gemeindevor⸗ 
ſtandes, Abgabe an den Schutzmann und auf 
demſelben Wege Rückſendung; dafür müßte ein⸗ 
fache Abgabe an den Schutzmann oder Vorladung 
vor den Staatsanwalt treten. 

Hier verſagt der Entwurf vollſtändig. 

(Schluß folgt). 


Kläger ausgeblieben iſt, 


Einige Fragen des neuen Fiſchereirechts. 


Von Joſeph Bleyer, II. Staatsanwalt in München, 
verw. im Kgl. Staatsminiſterium der Juſtiz. 


I. Beſitz und Eigentum an Fiſchen. 


Die Fiſche ſind nach dem Sprachgebrauche des 
BGB. ($ 960) „wilde Tiere“ und als ſolche in 
der Regel der menſchlichen Herrſchaft nicht unter⸗ 
worfen, herrenlos. Wer einen herrenloſen Fiſch 
in Eigenbeſitz nimmt, erwirbt daran das Eigen⸗ 
tum, ſofern nicht die Aneignung geſetzlich verboten 
oder durch die Beſitzergreifung das Aneignungs— 
recht eines andern verletzt wird. „Aneignung“ 
im Sinne des $ 958 BGB. iſt demnach der recht⸗ 


re — — — 


lich erlaubte Erwerb des unmittelbaren oder mittel⸗ 
baren Eigenbeſitzes an einer herrenloſen Sache. Der 
Aneignung find die in Teichen oder anderen ge: 
ſchloſſenen Privatgewäſſern gehaltenen Fiſche nicht 
unterworfen, denn fie find nach $ 960 Abſ. 1 
Satz 2 nicht herrenlos. 

Das Fiſchereigeſetz vom 15. Auguſt 1908 be⸗ 
ſtimmt in Art. 1 Abſ. 1 als den Inhalt des 
Fiſchereirechts die Befugnis 1. die Fiſche zu hegen, 
2. die Fiſche fih anzueignen. Da das Geſetz hier 
zwiſchen geſchloſſenen und nicht geſchloſſenen Ge⸗ 
wäſſern nicht unterſcheidet, liegt die Annahme nahe, 
daß es entgegen dem § 960 Abſ. 1 BGB. auch 
die Fiſche in geſchloſſenen Gewäfſern als herrenlos 
betrachtet. Die Folgerung wäre irrig. Mit der 
Frage, unter welchen Vorausſetzungen die Fiſche 
herrenlos oder nicht herrenlos ſind, befaßt ſich das 
Fiſch G. nicht. Das dort geregelte Aneignungsrecht 
erſchöpft ſich in der Befugnis, dem Fiſchfange 
nachzugehen (den Fiſchen nachzuſtellen, ſie zu fangen) 
und an den Fiſchen Eigentum zu erwerben, Ío- 
weit fie nicht hon dem Berechtigten 
nach den allgemeinen bürgerlich recht— 
lichen Vorſchriften gehören. Ob an den 
Fiſchen Eigentum beſteht, muß deshalb auch unter 
der Herrſchaft des FHG. nach dem BGB. beant- 
wortet werden. Die Schwierigkeiten ſind damit 
allerdings nicht beſeitigt, denn die Vorſchriften 
des Reichsrechts zeichnen ſich nicht durch Klarheit 
aus. Ich greife zwei wichtigere Fragen heraus, 
deren Entſcheidung auch für das Strafrecht von 
Bedeutung iſt. 


A. Die geſchloſſenen Privatgewäſſer des 
8 960 Abſ. 1. 


Die Fiſche, die ſich in einem rings um⸗ 
ſchloſſenen Gewäſſer befinden, ſind in ihrer Be— 
wegungsfreiheit durch die Grenzen des Gewäſſers 
beſchränkt, aber auch dem Zugriffe des ale 
nicht ohne weiteres unterworfen. Es kann zweifel- 
haft ſein, ob die ſo begrenzte Verfügungsgewalt 
des Menſchen mangels einer beſonderen Be— 
ſtimmung von der Rechtsordnung als GBeſitz 
und) Eigentum an den Fiſchen anerkannt iſt. 
Die Vorſchrift des § 960 Abſ. 1 Satz 2 hat 
den Zweck, darüber Klarheit zu ſchaffen. Schon 
der I. Entwurf des BGB. enthielt die Beſtim— 
mung (mit einer redaktionellen Abweichung). In 
den Motiven Bd. III S. 371 iſt dazu bemerkt: 
„In der . . . Vorſchrift wird einem Mißverſtänd— 
niſſe, welches das Gefangenhalten zu eng auffaßt, 
vorgebeugt. Das Gefängnis kann ein engeres 
oder ein weiteres, alfo auch . . . ein abgeſchloſſenes 
Gewäſſer ſein“. Als Vorbilder wurden bezeichnet 
das Preuß. ALR. I, 9 8 176 f. und § 229 
S. 2 des Sächſ. BGB. Das letztere beſchränkt 
ſich auf die Vorſchrift „Fiſche in Teichen ſind 
nicht herrenlos“. Das preußiſche Landrecht be— 
ſtimmt: „Teiche, Hälter, Seen und andere ge— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


449 


ſchloſſene Gewäſſer, welche ſich nicht über die 
Grenze des Grundſtlücks erſtrecken, in welchem fie 
liegen, ſind in der Regel als das Eigentum des 
Grundherrn anzuſehen. Die Fiſche in ſolchen 
Privatgewäſſern gehören alſo auch dem Eigen⸗ 
tümer des Grundſtücks“. Bei der II. ing 
wurde der Antrag, den jetzigen $ 960 Abi. 1 

S. 2 als „ſelbſtverſtändlich“ zu ſtreichen, „im Inter⸗ 
eſſe der Deutlichkeit“ abgelehnt (Prot. III S. 254). 

Leider iſt das Geſetz nicht ſo deutlich, als die 
Verfaſſer annahmen. In der Literatur iſt be⸗ 
ſtritten, was ein „geſchloſſenes Privatgewäſſer“ 
im Sinne des BGB. iſt. Planck 3. Aufl. Erl. 2 
zu 8 960 meint: „Geſchloſſene Gewäſſer find 
ſolche, welchen es an einer für den Wechſel der 
Fiſche geeigneten Verbindung fehlt; ſolche Ge: 
wäſſer ſind ſtets Privatgewäſſer, d. h. nicht 
öffentliche Gewäſſer im Sinne des Waſſerrechts“. 
Kretzſchmar, Sachenrecht Bem. 2 zu 8 960 fordert 
dagegen ein geſchloſſenes im Privateigentum ſtehendes 
Gewäſſer; wenn das Gewäſſer öffentlich im Sinne 
des Landeswaſſerrechts ſei, finde der Satz 2 keine 
Anwendung. Der Kommentar von Staudinger 
Bem. 1 8 zu 8 960 läßt im Anſchluß an 
Staudinger, BIRA. Bd. 63 S. 288 den Begriff 
„Privatgewäſſer“ durch das Landeswaſſerrecht be⸗ 
ſtimmen, ebenſo der Kommentar von Biermann 
Bem. 1 zu $ 960. 

Dieſen Anſichten iſt für bayeriſche Verhältniſſe 
folgendes entgegenzuhalten: Das Landeswaſſer⸗ 
recht iſt im Waſſergeſetze vom 23. März 1907 
und im Fiſchereigeſetze vom 15. Auguſt 1908 
enthalten. In beiden Geſetzen kehrt der Begriff 
„geſchloſſenes Gewäſſer“ wieder, aber mit ver⸗ 
ſchiedener Bedeutung. Das FiſchG. unterſcheidet im 
Art. 2 drei Arten von geſchloſſenen Gewäſſern. 


Für ihre Abgrenzung von den anderen Gewäſſern 


waren nicht Rückſichten auf zivilrechtliche Ver⸗ 
hältniſſe maßgebend, ſondern das Bedürfnis, die 
Anwendung einer Reihe von Vorſchriften des FiſchG. 
auf gewiſſe Arten von Gewäſſern auszuſchließen. 
Die in Nr. 1 bezeichneten künſtlich angelegten 
Fiſchteiche find geſchloſſene Gewäſſer im Sinne 
des Fiſch GG. auch dann, wenn fie mit einem natür- 
lichen Gewäſſer in Verbindung ſtehen. Nach aus⸗ 
drücklicher Beſtimmung des Geſetzes („im Sinne des 
Geſetzes“) ſoll übrigens ſeine Abgrenzung der ge— 


ſchloſſenen Gewäſſer nur für die Auslegung des 


vorſchriften) gelten. 


(und der noch zu erlaſſenden Vollzugs— 
Der Auslegung des BGB. 
darf ſie nicht zugrunde gelegt werden. 

Das WG. unterſcheidet zwiſchen geſchloſſenen 
öffentlichen und geſchloſſenen Privatgewäſſern (Art. 1 
Abſ. 2; Art. 16). Zu den geſchloſſenen Privat— 
gewäſſern rechnet es nicht nur Gewäſſer, denen 
es an einer für den Wechſel der Fiſche geeigneten 
Verbindung fehlt, ſondern auch Quellen, dann 
künſtlich angelegte Kanäle, Gräben. Bei der Unter— 
ſcheidung der öffentlichen und privaten Gewaͤſſer 
geht das WG. nicht von tatſächlichen Merkmalen 


FiſchG. 


450 


aus, die im Einzelfalle die Feſtſtellung ermög⸗ 
lichen, ob ein öffentliches oder ein privates ge⸗ 
ſchloſſenes Gewäſſer vorliegt, ſondern von den „be: 
ſtehenden Rechtsverhältniſſen“, d. h. den bei dem 
Inkrafttreten des alten Geſetzes von 1852 be⸗ 
ſtehenden Rechtsverhältniſſen (f. die Kommentare 
zu Art. 1 Abſ. 2 WG.). Von zwei rings um⸗ 
ſchloſſenen Seen kann der kleinere ein öffentliches, 
der größere ein privates Gewäſſer ſein. Was den 
erſteren zum öffentlichen Gewäſſer macht, iſt das 
Beſtehen eines Gemeingebrauchs an ihm, dem der 
andere nicht unterworfen iſt. 

Auf dieſe vielfach zufällige und unſichere 
Scheidung läßt fidh der bürgerlich rechtliche Pe- 
griff des geſchloſſenen Privatgewäſſers nicht 
aufbauen, abgeſehen davon, daß zu den ge: 
ſchloſſenen Privatgewäſſern des Waſſerrechts Ge⸗ 
wäſſer gehören, denen die räumliche Begrenzung 
fehlt. Die Auslegung des BEB. ift deshalb 
unabhängig von den gleichlautenden Begriffen des 
Landeswaſſerrechts zu verſuchen. Eine Handhabe 
dafür bietet die Entſtehungsgeſchichte. Das BGB. 
wollte fih der bisherigen Rechtsauffaſſung an: 
ſchließen. Bis zum Jahre 1900 hat die Literatur 
und Rechtſprechung im Einklange mit der im 
Volke herrſchenden Anſchauung, allerdings mit 
manchen Abweichungen in der Begründung und 
Anwendung, auch da, wo geſetzliche Vorſchriften 
fehlten, angenommen, daß die Fiſche, die ſich in 
nicht zu großen rings umſchloſſenen Gewäſſern 
befinden, ſchon vor dem Fange der Verfügungs— 
gewalt und damit dem Beſitz und dem Eigentume 
des Waſſereigentümers oder unter Umſtänden einer 
anderen Perſon (auch des Fiſchwaſſerpächters) unter⸗ 
liegen. Fiſchte hier ein Unberechtigter, ſo galt er 
als Dieb. Dagegen wurden die Fiſche in größeren, 
wenn auch abgeſchloſſenen Gewäſſern Eo 
Seen u. dgl.) als zunächſt herrenlos betrachtet. 
Da das BGB. eine grundſätzliche Aenderung der 
bisherigen Auffaſſung nicht beabſichtigte, kann die 
Unterſcheidung unbedenklich auch der Auslegung 
des BGB. zugrunde gelegt werden. Sie ent— 
ſpricht der für das Eigentum an jagdbaren Tieren 
bedeutſamen Abgrenzung der Tiergärten von den 
eingehegten Jagdrevieren (§ 960 Ab}. 1 Satz 2). 
Eine feſte Grenze kann dort wie hier nicht gezogen 
werden, da es an feſtſtehenden Unterſcheidungs— 
merkmalen fehlt. Die tatſächlichen Verhältniſſe 
find entſcheidend (fo auch Olshauſen N. 5 d 2 
zu $ 242 StGB.). Man wird im Einzelfalle 


Rückſicht zu nehmen haben auf die Größe, die 


Lage des Gewäſſers und wohl auch auf die in 
der betreffenden Gegend herrſchende Volksanſchauung 
(die im römiſchen Rechte einer ähnlichen Unter— 
ſcheidung zugrunde gelegte existimatio circum- 
colentium: Windſcheid-Kipp Bd. IS 146). 
In erſter Linie wird man dabei fordern müſſen, 
daß es dem Gewäſſer an einer für den Wechſel 
der Fiſche geeigneten regelmäßigen Verbindung 
mit einem freien Gewäſſer fehlt. Nicht aus— 


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ſchlaggebend darf fein, ob das Gewäſſer natürlich 
oder künſtlich iſt oder ob es mit einer Ablaßvor⸗ 
richtung verſehen iſt. Der Nachdruck liegt auf der 
Geſchloſſenheit des Gewäſſers. 

Daß das Geſetz geſchloſſene Privat gewäſſer 
fordert, erklärt ſich aus der Entſtehungsgeſchichte. 
Das als Vorbild dienende Preuß. ALR. entzieht 
die öffentlichen Gewäſſer dem Privateigentum, auch 
des Fiskus (RGZ. Bd. 4 S. 258 [260], Bd. 35 
S. 235 [238). Zu den nicht öffentlichen Ge- 
wäſſern gehören außer den Privatflüſſen alle 
ringsum von Grundſtücken abgeſchloſſenen Ge— 
wäſſer ohne Rückſicht auf ihre Größe (ſ. RGZ. 
Bd. 10 S. 78); ſie ſind Privateigentum des 
Grundherrn. Den geſchloſſenen Privatgewäſſern 
ſtehen nicht wie nach dem bayeriſchen Rechte die 
geſchloſſenen öffentlichen Gewäſſer gegenüber, ſon⸗ 
dern alle geſchloſſenen Gewäſſer ſind geſchloſſene 
Privatgewäſſer. Bei der Aufnahme der Vorſchrift 
in das BGB. hat man demnach an einen Gegen: 
ſatz der Privatgewäſſer zu öffentlichen Gewaͤſſern 
nicht gedacht. Allerdings muß man, nachdem das 
Geſetz einmal ſeine Vorſchrift auf Privatgewäſſer 
beſchränkt, eine Ausnahme feſtſtellen können. M. E. 
ift damit nur geſagt, daß das geſchloſſene Ge- 
wäſſer im Privateigentum ſtehen muß; iſt das 
Gewäſſer nicht eigentumsfähig, ſo kann auch an 
den Fiſchen Eigentum nicht beſtehen. Für Bayern 
iſt die Einſchränkung ohne Bedeutung, weil alle 
geſchloſſenen Gewäſſer ohne Rückſicht auf ihren 
öffentlichen oder privaten Charakter dem Eigentum 
unterworfen find (f. Art. 2, 16 WG.). 


B. Geſetzliche Aneignungsverbote. 


Nach § 958 Abſ. 2 BGB. (zwingende Vor⸗ 
ſchrift: Art. 69 EG. z. BGB.) wird das Eigen: 
tum an herrenloſen Fiſchen durch Beſitzergreifung 
nicht erworben, wenn die Aneignung geſetzlich ver⸗ 
boten iſt. Dem geſetzlichen Verbote kann man 
unbedenklich gleichſtellen Verbote, die auf Grund 
geſetzlicher Ermächtigung von Behörden erlaſſen 
werden. Zur Wirkſamkeit des Verbots in Ver— 
waltungsvorſchriften iſt aber erforderlich, daß das 
ihnen zugrunde liegende Geſetz den Ausſchluß 
des Eigentumserwerbs unzweideutig ge— 
ſtattet. Dieſe Vorausſetzung iſt m. E. bei den 
bisherigen Erörterungen über die bei der Aus— 
legung des $ 958 Abſ. 2 entſtandene, im Jagd— 
rechte wiederkehrende Streitfrage nicht genügend 
gewürdigt worden (Staudinger, BIRA. Bd. 63 
S. 291, unter deſſen Einfluß die Mehrheit der 
Schriftſteller ſteht; Oertmann, Bayer. Landes— 
privatrecht S. 380 mit Literaturangaben; ſ. auch 
das I. Prot. des Ausſch. d. K. d. R. zur Ber. 
des FiſchGEntw. S. 3 unten). 

Es iſt beſtritten, ob die Uebertretung der 
fiſchereipolizeilichen Vorſchriften über Fangverbote, 
Schonzeiten u. dgl. außer der Straffolge die 
zivilrechtliche Wirkung hat, daß an den verbots— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


widrig gefangenen Fiſchen Eigentum nicht er⸗ 
worben wird. 

Staudinger hat die Frage nach der noch 
geltenden Landesfiſchereiordnung vom 4. Oktober 
1884 unterſucht und iſt zu folgendem Ergebniſſe 
gekommen: Ein abſolutes, den Erwerb des 
Eigentums hinderndes Aneignungsver— 
bot beſteht „ganz zweifellos“ hinſichtlich des Fanges 
weiblicher Krebſe (LFiſchO. § 7), dann hinſichtlich 
des Fanges von Fiſchen beſtimmter Art und männ⸗ 
lichen Krebſen unter dem Brittelmaß oder Minimal⸗ 
gewichte (3. B. LFiſchO. §8 5 bis 7). Hinſichtlich 
der unter Mißachtung des Schonzeitverbots ge⸗ 
fangenen Fiſche neigt ſich Staudinger der An⸗ 
ſchauung zu, daß die Aneignung nur unter Strafe 
geſtellt, nicht geſetzlich verboten iſt, er bezeichnet 
aber die Frage als zweifelhaft. Ein zivilrechtliches 
Aneignungsverbot enthalten nach ihm jedenfalls 
nicht die Schonvorſchriften, die auf örtliche Be⸗ 
ſchränkungen des Aneignungsrechts (§S 14) oder 
das Verbot von beſtimmten Fangarten oder Fang⸗ 
geräten (8 8 f.) gerichtet find. 

Dieſe Unterſcheidung kann zunächſt mit dem 
Wortlaute der CFiſch O. nicht gerechtfertigt werden. 
Ein abſolutes, dauerndes Aneignungsverbot gibt 
es ſchon wegen der vielen Ausnahmen und Unter: 
ausnahmen nicht. Der Wortlaut läßt auch nicht 
die Deutung zu, daß an der einen Stelle ein 
zivilrechtlich wirkſames Verbot der Zueignung aus: 
geſprochen werden wollte, an der anderen nicht. 
Es ift willkürlich, wenn man z. B. der Beſtim⸗ 
mung „der Fang weiblicher Krebſe iſt verboten“ 
($ 7 Abſ. 1) eine zivilrechtliche Bedeutung geben 
will, die die Beſtimmung „auf Fiſche, ſolange fie 
der Schonzeit unterliegen, darf in keinem Gewäſſer 
ein Fang unternommen werden“ ($ 2 Ab}. 1) 
nicht haben ſoll. Abgeſehen davon fehlt es an der 
geſetzlichen Ermächtigung zum Ausſpruche des zivil— 
rechtlichen Aneignungsverbots. Geſetzliche Grund— 
lage der LFiſchO. ift der Art. 126 Abſ. 1 Ziff. 1 
des PStGB. Mit Strafe ift danach bedroht, 
wer den oberpolizeilichen Vorſchriften über die 
Zeit und Art des Fiſch- und Krebsfangs 
zuwiderhandelt. Polizeigeſetze beſchränken ihre 
Wirkung im allgemeinen auf das Gebiet des Straf— 
rechts. Die Regelung zivilrechtlicher Fragen liegt 
ihnen ferne. Wer die Ausnahme behauptet, muß 
ſich auf den zweifelfreien Wortlaut und Sinn des 
Geſetzes berufen können. Das PStGB. enthält 
keine Vorſchrift darüber, daß unter gewiſſen Vor— 
ausſetzungen der Eigentumserwerb an Fiſchen aus— 
geſchloſſen ſein ſoll. Es ermächtigt auch die Ver— 
waltungsbehörden nicht, den Erwerb des Eigen— 
tums zu verbieten. Es iſt nicht erſichtlich, daß 
das Geſetz mit der Zulaſſung polizeilicher Be— 
ſchränkungen in der Ausübung des Fiſch- und 
Krebsfangs zivilrechtliche Wirkungen hervorrufen 
will. Das Geſetz nimmt nicht einmal Rückſicht 
darauf, ob an den von den Fangbeſchränkungen 


451 


ſchloſſene Privatgewaͤſſer!) oder nicht. Es iſt ihm 
darum zu tun, Vorſchriften über die Erhaltung 
gewiſſer Fiſcharten und der Krebſe zu ermöglichen, 
nicht aber den Eintritt der zivilrechtlichen Wirkung 
der Beſitzergreiſung zu hindern. Soweit der 
Delinquent den Erfolg der ſtrafbaren Handlung 
nicht genießen ſoll, ordnet das Geſetz die Einziehung 
an (vgl. die Bemerkungen von Jacubezky S. 241). 
Auch das neue Fiſchereigeſetz befaßt ſich, wie ſchon 
früher geſagt wurde, nicht mit den Eigentums⸗ 
verhältniſſen an Fiſchen und anderen Waſſertieren. 
Die Grundlage der in Ausſicht geſtellten neuen 
LFiſchO. wird der Art. 72 ſein, der „die Beſtim⸗ 
mungen über die Zeit und Art des Fiſch⸗ 
fangs, über beſondere Fangbeſchränkungen ſowie 
über Markt⸗ und Verkehrsverbote für Fiſche“ uſw. 
oberpolizeilichen Vorſchriften vorbehält. Ueber den 
Ausſchluß des Eigentumserwerbs oder die Ermächti⸗ 
gung dazu enthält das Geſetz nichts. Wie ſeine 
Stellung im Geſetze beweiſt, hat der Art. 72 den 
Zweck, polizeiliche Vorſchriften über den Schutz 
der Fiſcherei gegen Schädigungen zu er⸗ 
möglichen. Die Schädigung liegt in der verbots⸗ 
widrigen Ausübung der Fiſcherei, nicht im Erwerbe 
des Eigentums. Allerdings hat die Polizei ein 
Intereſſe daran, den Handel mit Fiſchen zu ver⸗ 
hindern, die entgegen ihrem Verbote gefangen 
wurden. Das Fiſch. geſtattet deshalb die Cin- 
ziehung der Fiſche ohne Rückſicht darauf, ob ſie 
dem Verurteilten gehören oder nicht (Art. 106). 

Ich faſſe meine Anſicht in dem Satze zu⸗ 
ſammen: Die Verletzung der polizeilichen Vor⸗ 
ſchriften über Fangverbote und Fangbeſchränkungen 
hindert nicht, daß der Berechtigte Eigentümer der 
verbotswidrig gefangenen Waſſertiere wird, weil 
weder das PStGB. noch das FiſchG. ein Verbot 
der Aneignung oder eine Ermächtigung zur Er⸗ 
laſſung dieſes Verbots enthält. 

Der entgegengeſetzten Meinung fehlt nicht nur 
die juriſtiſche Begründung, ſondern auch die 
praktiſche Durchführbarkeit. Beiſpiele: Der Fiſcherei⸗ 
berechtigte X fängt am letzten Tage der Schonzeit 
abſichtlich oder irrtümlich eine Forelle und ſchenkt 
fie feinem Freunde Y, der weiß oder doch wiſſen 
muß, daß die Schonzeit noch nicht beendigt war. 
X hat den Fiſch mittels einer ſtrafbaren Hand— 
lung, einer Uebertretung nach Art. 126 P StGB., 
erlangt. Y hat die Forelle „ſeines Vorteils wegen“ 
an ſich gebracht, weil ihm das Verzehren der 
Forelle einen „ſinnlichen Genuß“ bereitet. Er 
hat dadurch „die hinſichtlich der Sache geſchaffene 
rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalten“ und 
muß nach § 259 StGB. wegen Hehlerei mit Ge: 
fängnis beſtraft werden. Hat die Frau des Y die 
Forelle als willkommene Bereicherung des Mittag— 
tiſches, alſo im eigenen Intereſſe, entgegen— 
genommen und zubereitet, ſo muß auch ſie wegen 
Hehlerei ins Gefängnis wandern. Hätte der 
Fiſchereiberechtigte X den Filh zufällig in feinem 


betroffenen Fiſchen ſchon Eigentum beſteht (ge: geſchloſſenen Gewäſſer gefangen, fo wäre die Sache 


450 


aus, die im Einzelfalle die Feſtſtellung ermög⸗ 
lichen, ob ein öffentliches oder ein privates ge⸗ 
ſchloſſenes Gewaͤſſer vorliegt, fondern von den „be: 
ſtehenden Rechtsverhältniſſen“, d. h. den bei dem 
Inkrafttreten des alten Geſetzes von 1852 be⸗ 
ſtehenden I» (ſ. die Kommentare 
zu Art. 1 Abſ. 2 WG.). Von zwei rings um⸗ 
ſchloſſenen Seen kann der kleinere ein öffentliches, 
der größere ein privates Gewäſſer ſein. Was den 
erſteren zum öffentlichen Gewäſſer macht, iſt das 
Beſtehen eines Gemeingebrauchs an ihm, dem der 
andere nicht unterworfen iſt. 

Auf dieſe vielfach zufällige und unſichere 
Scheidung läßt ſich der bürgerlich rechtliche Be⸗ 
griff des geſchloſſenen Privatgewäſſers nicht 
aufbauen, abgeſehen davon, daß zu den ge— 
ſchloſſenen Privatgewäſſern des Waſſerrechts Ge- 
wäſſer gehören, denen die räumliche Begrenzung 
ſehlt. Die Auslegung des BGB. iſt deshalb 
unabhängig von den gleichlautenden Begriffen des 
Landeswaſſerrechts zu verſuchen. Eine Handhabe 
dafür bietet die Entſtehungsgeſchichte. Das BGB. 
wollte ſich der bisherigen Rechtsauffaſſung an⸗ 
ſchließen. Bis zum Jahre 1900 hat die Literatur 
und Rechtſprechung im Einklange mit der im 
Volke herrſchenden Anſchauung, allerdings mit 
manchen Abweichungen in der Begründung und 
Anwendung, auch da, wo geſetzliche Vorſchriften 
fehlten, angenommen, daß die Fiſche, die ſich in 
nicht zu großen rings umſchloſſenen Gewäſſern 
befinden, ſchon vor dem Fange der Verfügungs⸗ 
gewalt und damit dem Beſitz und dem Eigentume 
des Waſſereigentümers oder unter Umſtänden einer 
anderen Perſon (auch des Fiſchwaſſerpächters) unter⸗ 
liegen. Fiſchte hier ein Unberechtigter, ſo galt er 
als Dieb. Dagegen wurden die Fiſche in größeren, 
wenn auch abgeſchloſſenen Gewäſſern 6 
Seen u. dgl.) als zunächſt herrenlos betrachtet. 
Da das BGB. eine grundſätzliche Aenderung der 
bisherigen Auffaſſung nicht beabſichtigte, kann die 
Unterſcheidung unbedenklich auch der Auslegung 
des BGB. zugrunde gelegt werden. Sie ent— 
ſpricht der für das Eigentum an jagdbaren Tieren 
bedeutſamen Abgrenzung der Tiergärten von den 
eingehegten Jagdrevieren (§ 960 Abſ. 1 Satz 2). 
Eine feſte Grenze kann dort wie hier nicht gezogen 
werden, da es an feſtſtehenden Unterſcheidungs— 
merkmalen fehlt. Die tatſächlichen Verhältniſſe 
find entſcheidend (jo auch Olshauſen N. 5 d 8 
zu $ 242 StGB.). Man wird im Einzelfalle 
Rückſicht zu nehmen haben auf die Größe, die 
Lage des Gewäſſers und wohl auch auf die in 
der betreffenden Gegend herrſchende Volksanſchauung 
(die im römiſchen Rechte einer ähnlichen Unter— 
ſcheidung zugrunde gelegte existimatio circum- 
colentium: Windſcheid-Kipp Bd. IS 146). 
In erſter Linie wird man dabei fordern müſſen, 
daß es dem Gewäſſer an einer für den Wechſel 
der Fiſche geeigneten regelmäßigen Verbindung 
mit einem freien Gewäſſer fehlt. Nicht aus— 


Zeltſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. in Bayern. 1908. Nr. 23. 


ſchlaggebend darf ſein, ob das Gewäſſer natürlich 
oder künſtlich iſt oder ob es mit einer Ablaßvor⸗ 
richtung verſehen iſt. Der Nachdruck liegt auf der 
Geſchloſſenheit des Gewäſſers. 


Daß das Geſetz geſchloſſene Privat gewäſſer 
fordert, erklärt ſich aus der Entſtehungsgeſchichte. 
Das als Vorbild dienende Preuß. ALR. entzieht 
die öffentlichen Gewäſſer dem Privateigentum, auch 
des Fiskus (RGZ. Bd. 4 S. 258 [260], Bd. 35 
S. 235 [238]. Zu De nicht öffentlichen Ge⸗ 
wäfjern gehören außer den Privatflüſſen alle 
ringsum von Grundſtücken abgeſchloſſenen Ge— 
wäſſer ohne Rückſicht auf ihre Größe (ſ. RG3. 
Bd. 10 S. 78); ſie ſind Privateigentum des 
Grundherrn. Den geſchloſſenen Privatgewäſſern 
ſtehen nicht wie nach dem bayeriſchen Rechte die 
geſchloſſenen öffentlichen Gewäſſer gegenüber, ſon⸗ 
dern alle geſchloſſenen Gewäſſer find geſchloſſene 
Privatgewäſſer. Bei der Aufnahme der Vorſchrift 
in das BGB. hat man demnach an einen Gegen: 
ſatz der Privatgewäſſer zu öffentlichen Gewäſſern 
nicht gedacht. Allerdings muß man, nachdem das 
Geſetz einmal ſeine Vorſchrift auf Privatgewäſſer 
beſchränkt, eine Ausnahme feſtſtellen können. M. E. 
iſt damit nur geſagt, daß das geſchloſſene Ge⸗ 
wäſſer im Privateigentum ſtehen muß; iſt das 
Gewäſſer nicht eigentumsfähig, ſo kann auch an 
den Fiſchen Eigentum nicht beſtehen. Für Bayern 
iſt die Einſchränkung ohne Bedeutung, weil alle 
geſchloſſenen Gewäſſer ohne Rückſicht auf ihren 
öffentlichen oder privaten a dem Eigentum 
unterworfen find (ſ. Art. 2, 16 WG.). 


B. Geſetzliche Aneignungsverbote. 


Nach § 958 Abſ. 2 BGB. (zwingende Vor- 
ſchrift: Art. 69 EG. z. BGB.) wird das Eigen: 
tum an herrenloſen Fiſchen durch Beſitzergreifung 
nicht erworben, wenn die Aneignung geſetzlich ver⸗ 
boten iſt. Dem geſetzlichen Verbote kann man 
unbedenklich gleichſtellen Verbote, die auf Grund 
geſetzlicher Ermächtigung von Behörden erlaſſen 
werden. Zur Wirkſamkeit des Verbots in Ver— 
waltungsvorſchriften iſt aber erforderlich, daß das 
ihnen zugrunde liegende Geſetz den Ausſchluß 
des Eigentumserwerbs unzweideutig ge- 
ſtattet. Dieſe Vorausſetzung iſt m. E. bei den 
bisherigen Erörterungen über die bei der Aus— 
legung des § 958 Abſ. 2 entſtandene, im Jagd- 
rechte wiederkehrende Streitfrage nicht genügend 
gewürdigt worden (Staudinger, BURA. Bd. 63 
S. 291, unter deſſen Einfluß die Mehrheit der 
Schriftſteller ſteht; Oertmann, Bayer. Landes— 
privatrecht S. 380 mit Literaturangaben; ſ. auch 
das I. Prot. des Ausſch. d. K. d. R. zur Ber. 
des FiſchGEntw. S. 3 unten). 

Es iſt beſtritten, ob die Uebertretung der 
fiſchereipolizeilichen Vorſchriften über Fangverbote, 
Schonzeiten u. dgl. außer der Straffolge die 
zivilrechtliche Wirkung hat, daß an den verbots— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


widrig gefangenen Fiſchen Eigentum nicht er⸗ 
worben wird. 

Staudinger hat die Frage nach der noch 
geltenden Landesfiſchereiordnung vom 4. Oktober 
1884 unterſucht und iſt zu folgendem Ergebniſſe 
gekommen: Ein abjolutes, den Erwerb des 
Eigentums hinderndes Aneignungsver⸗ 
bot beſteht „ganz zweifellos“ hinſichtlich des Fanges 
weiblicher Krebſe (LFiſchO. 8 7), dann hinſichtlich 
des Fanges von Fiſchen beſtimmter Art und männ⸗ 
lichen Krebſen unter dem Brittelmaß oder Minimal⸗ 
gewichte (3. B. LFiſchO. 88 5 bis 7). Hinſichtlich 
der unter Mißachtung des Schonzeitverbots ge⸗ 
fangenen Fiſche neigt ſich Staudinger der An⸗ 
ſchauung zu, daß die Aneignung nur unter Strafe 
geſtellt, nicht geſetzlich verboten iſt, er bezeichnet 
aber die Frage als zweifelhaft. Ein zivilrechtliches 
Aneignungsverbot enthalten nach ihm jedenfalls 
nicht die Schonvorſchriften, die auf örtliche Be⸗ 
ſchränkungen des Aneignungsrechts (S 14) oder 
das Verbot von beſtimmten Fangarten oder Fang⸗ 
geräten ($ 8 f.) gerichtet find. 

Dieſe Unterſcheidung kann zunächſt mit dem 
Wor tlaute der LFiſchO. nicht gerechtfertigt werden. 
Ein abſolutes, dauerndes Aneignungsverbot gibt 
es ſchon wegen der vielen Ausnahmen und Unter: 
ausnahmen nicht. Der Wortlaut läßt auch nicht 
die Deutung zu, daß an der einen Stelle ein 
zivilrechtlich wirkſames Verbot der Zueignung aus— 
geſprochen werden wollte, an der anderen nicht. 
Es ift willkürlich, wenn man z. B. der Beſtim⸗ 
mung „der Fang weiblicher Krebſe iſt verboten“ 
($ 7 Abſ. 1) eine zivilrechtliche Bedeutung geben 
will, die die Beſtimmung „auf Fiſche, ſolange ſie 
der Schonzeit unterliegen, darf in keinem Gewäſſer 
ein Fang unternommen werden“ ($ 2 Abi. 1) 
nicht haben ſoll. Abgeſehen davon fehlt es an der 
geſetzlichen Ermächtigung zum Ausſpruche des zivil— 
rechtlichen Aneignungsverbots. Geſetzliche Grund— 
lage der LFiſchO. ift der Art. 126 Abſ. 1 Ziff. 1 
des PStGB. Mit Strafe ift danach bedroht, 
wer den oberpolizeilichen Vorſchriften über die 
Zeit und Art des Fiſch- und Krebsfangs 
zuwiderhandelt. Polizeigeſetze beſchränken ihre 
Wirkung im allgemeinen auf das Gebiet des Straf— 
rechts. Die Regelung zivilrechtlicher Fragen liegt 
ihnen ferne. Wer die Ausnahme behauptet, muß 
ſich auf den zweifelfreien Wortlaut und Sinn des 
Geſetzes berufen können. Das PStGB. enthält 
keine Vorſchrift darüber, daß unter gewiſſen Vor: 
ausſetzungen der Eigentumserwerb an Fiſchen aus— 
geſchloſſen ſein ſoll. Es ermächtigt auch die Ver— 
waltungsbehörden nicht, den Erwerb des Eigen— 
tums zu verbieten. Es iſt nicht erſichtlich, daß 
das Geſetz mit der Zulaſſung polizeilicher Be— 


—— 32 ß —kG32 ꝝ-Ʒ2—ͤ UYYJnV.ů— un 


451 


ſchloſſene Privatgewäſſer!) oder nicht. Es iſt ihm 
darum zu tun, Vorſchriften über die Erhaltung 
gewiſſer Fiſcharten und der Krebſe zu ermöglichen, 
nicht aber den Eintritt der zivilrechtlichen Wirkung 
der Beſitzergreifung zu hindern. Soweit der 
Delinquent den Erfolg der ſtrafbaren Handlung 
nicht genießen ſoll, ordnet das Geſetz die Einziehung 
an (vgl. die Bemerkungen von Jacubezky S. 241). 
Auch das neue Fiſchereigeſetz befaßt ſich, wie ſchon 
früher geſagt wurde, nicht mit den Eigentums⸗ 
verhältniſſen an Fiſchen und anderen Waſſertieren. 
Die Grundlage der in Ausſicht geſtellten neuen 
LFiſchO. wird der Art. 72 ſein, der „die Beſtim⸗ 
mungen über die Zeit und Art des Fiſch— 
fangs, über beſondere Fangbeſchränkungen ſowie 
über Markt⸗ und Verkehrsverbote für Fiſche“ uſw. 
oberpolizeilichen Vorſchriften vorbehält. Ueber den 
Ausſchluß des Eigentumserwerbs oder die Ermächti⸗ 
gung dazu enthält das Geſetz nichts. Wie ſeine 
Stellung im Geſetze beweiſt, hat der Art. 72 den 
Zweck, polizeiliche Vorſchriften über den Schutz 
der Fiſcherei gegen Schädigungen zu er- 
möglichen. Die Schädigung liegt in der verbots⸗ 
widrigen Ausübung der Fiſcherei, nicht im Erwerbe 
des Eigentums. Allerdings hat die Polizei ein 
Intereſſe daran, den Handel mit Fiſchen zu ver- 
hindern, die entgegen ihrem Verbote gefangen 
wurden. Das Fiſch. geſtattet deshalb die Ein- 
ziehung der Fiſche ohne Rückſicht darauf, ob ſie 
dem Verurteilten gehören oder nicht (Art. 106). 

Ich fafſe meine Anſicht in dem Satze zu: 
ſammen: Die Verletzung der polizeilichen Vor⸗ 
ſchriften über Fangverbote und Fangbeſchränkungen 
hindert nicht, daß der Berechtigte Eigentümer der 
verbotswidrig gefangenen Waſſertiere wird, weil 
weder das PSGB. noch das FiſchG. ein Verbot 
der Aneignung oder eine Ermächtigung zur Er⸗ 
laſſung dieſes Verbots enthält. 

Der entgegengeſetzten Meinung fehlt nicht nur 
die juriſtiſche Begründung, ſondern auch die 
praktiſche Durchführbarkeit. Beiſpiele: Der Fiſcherei⸗ 
berechtigte X fängt am letzten Tage der Schonzeit 
abſichtlich oder irrtümlich eine Forelle und ſchenkt 
ſie ſeinem Freunde Y, der weiß oder doch wiſſen 
muß, daß die Schonzeit noch nicht beendigt war. 
X hat den Fiſch mittels einer ſtrafbaren Hand: 
lung, einer Uebertretung nach Art. 126 PStGB., 
erlangt. Y hat die Forelle „ſeines Vorteils wegen“ 
an ſich gebracht, weil ihm das Verzehren der 
Forelle einen „ſinnlichen Genuß“ bereitet. Er 
hat dadurch „die hinſichtlich der Sache geſchaffene 
rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalten“ und 
muß nach § 259 StGB. wegen Hehlerei mit Ge- 
fängnis beſtraft werden. Hat die Frau des Y die 
Forelle als willkommene Bereicherung des Mittag— 


Ihränfungen in der Ausübung des Fiſch⸗ und tiſches, alfo im eigenen Intereſſe, entgegen: 


Krebsfangs zivilrechtliche Wirkungen hervorrufen 
will. Das Geſetz nimmt nicht einmal Rückſicht 
darauf, ob an den von den Fangbeſchränkungen 
betroffenen Fiſchen ſchon Eigentum beſteht (ge: 


genommen und zubereitet, ſo muß auch ſie wegen 
Hehlerei ins Gefängnis wandern. Hätte der 
Fiſchereiberechtigte X den Fiſch zufällig in ſeinem 
geſchloſſenen Gewäſſer gefangen, ſo wäre die Sache 


452 


noch verwickelter; man könnte aber dem Y und 
ſeiner Frau mit der Erwägung helfen, daß in 
dieſem Falle X wenn auch ſtrafbar, ſo doch unan⸗ 
fechtbarer Eigentümer des Fiſches iſt. Dagegen 
muß der Beſchenkte in folgenden Fällen als Hehler 
geſtraft werden: X fängt in ſeinem Fiſchwaſſer 
einen Fiſch, der in dem betreffenden Regierungs⸗ 
bezirke, z. B. in Niederbayern, geſchont it (8 1 
Abſ. 4 LFiſch O.), und ſchickt ihn dem Y nach Ober- 
bayern, wo der Fiſch keine Schonzeit hat. — Das 
Minimalmaß für die Forelle beträgt nach 8 5 
LFiſchO. 24 cm; die Kreisregierungen find jedoch 
ermächtigt, für einzelne Bezirke das Minimalmaß 
herabzuſetzen. Wenn der Berechtigte in einem 
Bezirke, für den das Regelmaß gilt, eine Forelle 
von 22 cm fängt und behält, erlangt er fie mittels 
einer ftrafbaren Handlung. Der Freund Y, der 
die Forelle „an ſich bringt“, kann gegen die An⸗ 
klage wegen Hehlerei nicht einwenden, daß in 
ſeinem Bezirk ein kleineres Fangmaß zugelaſſen 
ſei und dort Forellen mit 22 cm veräußert werden 
dürften. Schließlich folgendes Beiſpiel: Der Be⸗ 
rechtigte X fängt unabſichtlich einen weiblichen 
Krebs. Er unterläßt es ſträflicherweiſe, ihn 
„unverzüglich in das N Gewäſſer frei 
wieder einzuſetzen“ ($ 7 Abſ. 2 CFiſchO.), und 
ſchenkt ihn unter Erzählung des Sachverhalts dem 
Y, der den Krebs nach Hauſe trägt. X iſt Hehler; 
er geht nur dann ſtraflos aus, wenn der Krebs 
aus einem geſchloſſenen Gewäſſer ſtammt. 

Der Ausſchluß des Eigentumserwerbs würde 
auch auf dritte Perſonen wirken. Entwendet 2 
dem X oder Y den unter Mißachtung eines 
Fangverbots gefangenen Fiſch, ſo kann er wegen 
vollendeten Diebſtahls nicht beſtraft werden, weil 
der Fiſch herrenlos iſt. Weiß 2, daß der Fiſch 
herrenlos iſt, ſo iſt auch die Beſtrafung wegen ver⸗ 
ſuchten Diebſtahls nicht möglich. Z iſt auch wegen 
Hehlerei nicht ſtrafbar, denn er hat ſich des Fiſches 
gegen den Willen des Vortäters bemächtigt 
(Frank IV 2 zu 8 259), ebenſowenig nan 
unbefugten Fiſchens, denn der gefangene Fiſch ift 
nicht mehr Gegenſtand des Fiſchereirechts. Man 
müßte fogar einen Schritt weitergehen und den Z, 
der den herrenloſen, aber außerhalb des Gewäſſers 
einem ausſchließenden Aneignungsrechte nicht mehr 
unterworfenen Fiſch (Art. 1 Abſ. 1 FiſchG.) in 
Eigenbeſitz nimmt, als Eigentümer des Fiſches 
anerkennen (8 958 Abſ. 1 BGB.), obwohl er 
landläufig als Dieb gilt. 

Es bedarf keiner Darlegung, daß dieſe Ergeb— 
niſſe unangemeſſen und unerträglich ſind. Sie 
werden vermieden, wenn man die Fangverbote 
nur als polizeiliche Beſchränkungen der Aus— 
übung der Fiſchereiberechtigung betrachtet und 


ihnen die Wirkung auf den Erwerb des Eigen- 


tums verſagt (Olshauſen N. 17, Frank II 3 
zu § 259). Freilich wird auch dann die Ver— 
äußerung der verbotswidrig gefangenen Waller: 
tiere ſtrafrechtlich verfolgt. Das ſog. Marktverbot 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


($ 2 Abi. 3, 8 6 Abſ. 1, 8 7 Abſ. 3 CFiſchO.) 
macht aber den auf die Uebereignung gerichteten 
Vertrag nicht nichtig; es ergreift nicht den Ver⸗ 
trag im ganzen, ſondern nur die Tätigkeit des 
Veräußerers. Die zivilrechtliche Gültigkeit der 
Uebereignung wird durch das Verbot nicht betroffen 
($ 134 BGB. — RG. (Ver. 35.) Bd. 60 S. 275). 
(Schluß folgt.) 


Das neue bayeriihe Beamtenrecht. 


Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. 
(Schluß.) 
Die Auflöſung des Dienſtverhältniſſes. 


Von der Auflöſung des Dienſtverhaͤltniſſes als 
ſtrafrechtlicher Folge und zufolge der durch Dis⸗ 
ziplinarerkenntnis verhängten Strafe der Dienſt⸗ 
entlaſſung war bereits die Rede; hiervon abgeſehen 
kann die Auflöſung des Dienſtverhältniſſes außer 
durch den Tod des Beamten erfolgen durch 

1. Verſetzung in den Ruheſtand; in Ueber⸗ 
einſtimmung mit dem ſeitherigen Rechte (ſ. Seydel II 
300—301) behandelt nämlich das BG. ſowohl 
die zeitliche als die dauernde Verſetzung in den 
Ruheſtand — nicht dagegen die einſtweilige Ver⸗ 
ſetzung in den Ruheſtand mit Wartegeld — als 
Beendigung des Dienſtverhältniſſes durch Ent⸗ 
laſſung (vgl. Art. 1 Begr. S. 130, 140—141, 
216), wobei jedoch weſentliche Fortwirkungen des 
früheren Dienſtverhältniſſes beſtehen bleiben; die 
Verſetzung in den Ruheſtand wird im nächſten 
Abſchnitt beſprochen; 

2. die auf adminiſtrativem Wege erfolgende 
Entlaſſung; die Beſtimmungen hierüber bringen 
nichts weſentlich Neues: Während der unwider⸗ 
rufliche Beamte ohne ſeine Zuſtimmung nur im 
Wege des DB. entlaſſen werden kann, kann das 
Dienſtverhältnis des widerruflichen Beamten ſeitens 
des Staates jederzeit ohne Grundangabe einſeitig 
gelöſt werden. Erfolgt die Entlaſſung nicht wegen 
Pflichtverletzung, iſt dem Beamten der Gehalt noch 
für die Dauer von 3 Monaten ſeit Mitteilung 
der Entlaſſung zu gewähren. Daß die Entlaſſung 
auch des unwiderruflichen Beamten im DV. zu 
erfolgen hat, wenn fie mit der Wirkung des Ber- 
luſtes des Anſpruchs auf Unfallfürſorge erfolgen 


ſoll, iſt bereits beſprochen. 


beſonderen 


| feine Erklärung allein löſen; 


Wie ſeither exiſtiert auch in Zukunft ſo wenig 
eine Verpflichtung, im Staatsdienſte zu verbleiben, 
wie eine ſolche zum Eintritt in ihn. Trotzdem 
kann der Beamte das Dienſtverhältnis nicht durch 
er kann nur jeder⸗ 
zeit — vorausgeſetzt, daß nicht die Verpflichtung 
zu längerer Dienſtleiſtung auf Dienſtvertrag oder 
Dienſtvorſchriften beruht — ohne 


SASleitſckrift für Rechtspflege in Baye für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 23. 


Grundangabe um ſeine Entlaſſung „nachſuchen“; 
die Löſung erfolgt erſt durch die Genehmigung, 
die aber nur unter beſtimmten Vorausſetzungen 
(Art. 10 Abſ. 1—3, Abſ. 2) verweigert werden 
darf. Gegen die Verſagung der nachgeſuchten 
Entlaſſung ſteht dem Beamten nur allenfalls die 
Aufſichtsbeſchwerde, aber kein Rechtsmittel zu. Die 
Entſcheidungen über die Entlaſſung ſind nach 
Art. 178 3. 4 auch für den Streitrichter bindend. 
Durch die im Adminiſtrativwege auf Anſuchen 
oder ohne ſolches erfolgte Entlaſſung verliert der 
Entlaſſene Titel, Dienſtabzeichen und Dienſtein⸗ 
kommen ſowie Anſpruch oder Ausſicht auf Ruhe⸗ 
gehalt und Hinterbliebenenverſorgung; doch kann 
dem auf Anſuchen Entlaſſenen Weiterführung des 
Titels und Weitertragen der Dienſtabzeichen wider: 
ruflich geſtattet werden. Mit der Entlaſſung wird 
der Beamte auch der Dienſtpflichten ledig, nur 
die Pflicht zur Verſchwiegenheit nach Art. 14 
dauert fort und es kann wegen Verletzung dieſer 
Pflicht gegen den entlaſſenen Beamten, auch den 
durch Disziplinarurteil entlaſſenen, noch nach 
Auflöſung des Dienſtverhältniſſes Geldſtrafe bis 
zu 600 M im DV. verhängt werden, ſofern 
100 eine andere Strafe verwirkt iſt (Art. 168, 

Ueber die Zuläſſigkeit der Anrechnung der 
vor der Entlaſſung in etatsmäßiger Eigenſchaft 
zurückgelegten Dienſtzeit für die Berechnung des 
Gehaltes und Berechnung des Ruhegehaltes im 
Falle der Wiederanſtellung und die Zuläſſigkeit 
der Zuſicherung einer ſolchen Anrechnung bei Be— 
1 n der Entlaſſung ſ. Art. 29 Abſ. 2, 

rt. 57 


Die Verſetzung in den Nuheſtand und die Rechtsſtellung 
der im Nuheſtand befindlichen Beamten.) 


Nur der etatsmäßige Beamte kann in den 
Ruheſtand verſetzt werden. 


Das BG. unterſcheidet: 


I. die einſtweilige Verſetzung in den Ruheſtand 
mit Wartegeld; 


II. die Verſetzung in den Ruheſtand mit 
Ruhegehalt und bei dieſer wiederum 

1. die zeitliche V. i. R. 

2. die dauernde 

Die mit Wartegeld und die mit Ruhegehalt 
in den Ruheſtand verſetzten Beamten ſind Beamte 
außer Dienſt (wegen Weiterführung des Titels 
und Tragens der Dienſtabzeichen ſ. o.). Warte— 
geld und Ruhegehalt berechnen fih aus dem pen- 
ſionsfähigen Dienſteinkommen; als ſolches gilt der 
zuletzt bezogene Gehalt und der durch die GO. 
als penſionsfähig erklärte Teil des Nebenein— 


9 Abkürzungen: V. i. R.⸗Verſetzung in den Ruheſtand. 
E. V. i. R. = Einſtweilige Verſetzung in den Ruhe: 
ſtand mit Wartegeld. 
V. i. R. m. R. — Verſetzung in den Ruheſtand mit 
Ruhegehalt. 


| 


453 


kommens; ferner wird — bei richterlichen Be⸗ 
amten unbedingt, bei den übrigen Beamten unter 
der Vorausſetzung befriedigender Dienſtleiſtung 
und tadelfreien dienſtlichen und außerdienſtlichen 
Verhaltens — der Teilbetrag der naͤchſten Dienſt⸗ 
alterszulage nach Maßgabe der feit der legten 
Gehaltsvorrückung zurückgelegten Dienſtzeit ein- 
gerechnet, wobei jedoch nur volle Monate berück⸗ 
ſichtigt werden. 

Für die Beurteilung der gerichtlich geltend ge⸗ 
machten vermögensrechtlichen Anſprüche auf Warte⸗ 
geld und Ruhegehalt ſind die Entſcheidungen der 
Verwaltungsbehörden und Disziplinargerichte über 
V. i. R. bindend (Art. 178 Ziff. 2). 


Die einſtweilige Berichung a. den Nuheſtand mit 
rtege 


iſt bereits oben (S. gr als ein anderen Be: 
amtengeſetzen nachgebildetes Inſtitut charakteriſiert 
worden. Die Nachbildung iſt aber keine voll⸗ 
ſtändige. Während nämlich das RBG. und die 
preußiſchen Geſetze die einſtweilige V. i. R. nur 
gegenüber den Inhabern einzelner in dieſen Ge⸗ 
ſetzen bezeichneter Aemter bedingungslos, im 
übrigen aber nur dann zulaſſen, wenn zufolge 
einer Organiſation das vom Beamten verwaltete 
Amt aufhört, das württembergiſche BG. die Zu⸗ 
läſſigkeit dieſer Maßregel überhaupt auf den letzt⸗ 
bezeichneten Fall beſchränkt, hat man ſich in 
Bayern von der „Quieszierung infolge admini⸗ 
ſtrativer Erwägung“ nicht ganz loszumachen ver: 
mocht und außer dem Falle, daß infolge einer 
Aenderung in der Organiſation der Behörden oder 
ihrer Bezirke zur Verwendung des Beamten im 
Staatsdienſte keine Gelegenheit mehr gegeben iſt, 
die E. V. i. R. auch dann für zuläſſig erklärt, 
wenn ohne Verſchulden des Beamten Umſtände 
vorliegen, durch die ſeine amtliche Wirkſamkeit 
auch auf einer anderen Stelle nicht bloß vorüber⸗ 
gehend geſtört wäre; der Wortlaut dieſer Be⸗ 
ſtimmung iſt dem Art. 71 Ziff. 2 und Art. 65 
Abſ. 1 Ziff. 1 RDG. nachgebildet. 

Die Beſtimmungen über die E. V. i. R. ſind zu⸗ 
nächſt auf den unwiderruflichen Beamten zugeſchnitten, 
es kann jedoch auch der widerrufliche etatsmäßige 
Beamte unter gleichen Vorausſetzungen auf Warte⸗ 
geld geſetzt werden; ihm ſteht aber ein Anſpruch 

auf Gewährung oder Belaſſung des Wartegelds 
10 zu. 

Das Wartegeld beträgt / des penſionsfähigen 
Dienſteinkommens. 

Der auf Wartegeld geſetzte Beamte kann unter 
den gleichen Vorausſetzungen wie der aktive Be⸗ 
amte in den zeitlichen oder dauernden Ruheſtand 
verſetzt werden; von den Vorſchriften über die 
Pflichten der Beamten ſind auf ihn anwendbar 
jene des Art. 11 über achtungswürdiges Ver— 
halten außer dem Amte, des Art. 17 über An⸗ 
zeige einer beabſichtigten Verehelichung oder Ein: 
holung der Erlaubnis hierzu und das Verbot des 


454 


Art. 20 über Annahme fremder Titel uſw. ohne 
Erlaubnis. Das für den aktiven Beamten gültige 
Dienſtſtrafrecht findet auf den auf Wartegeld ge- 
ſetzten Bamten mit einigen der Eigenart ſeiner 
Stellung und ſeinen Bezügen angepaßten Aende⸗ 
rungen (Art. 166) Anwendung. 

Der auf Wartegeld geſetzte Beamte kann jeder⸗ 
zeit unter Gewährung der Umzugskoſten wieder 
zur Dienſtleiſtung berufen werden; jedoch nur 
auf eine Amtsſtelle, auf die er in feiner legten 
dienſtlichen Stellung hätte verſetzt werden können. 

Die Beſtimmungen über E. V. i. R. finden auf 
die richterlichen Beamten nicht Anwendung. Da 
diefe jedoch in dem in Art. 75 RDG. vor: 
geſehenen Verfahren, wenn ohne Verſchulden des 
Richters Umſtände gegeben ſind, die ſeine amtliche 


Wirkſamkeit nicht bloß vorübergehend ſtören, in 


den Ruheſtand verſetzt werden können, mußte Vor⸗ 
ſorge getroffen werden, daß der richterliche Beamte 
nicht ſchlechter geſtellt iſt, wie der nichtrichterliche, 
der unter der gleichen Vorausſetzung auf Warte⸗ 
geld geſetzt werden kann. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


Durch die Vorſchrift 


des Art. 183 Nr. 6 Abſ. 1, welcher für dieſen 


Fall für die Bemeſſung und Zahlung des Ruhe: 
gehaltes des richterlichen Beamten die Art. 39 
bis 41 entſprechend anwendbar erklärt, ift die 
Gleichſtellung erreicht und dem richterlichen Pe- 
amten für dieſen Fall der V. i. R. der höchſte Satz 
des Ruhegehaltes geſichert. 


Die Verſetzung in den Nuheſtand mit Ruhegehalt: 


a) der nichtrichterlichen Beamten. 


Nach ſeitherigem Rechte konnte nur der defini⸗ 
tive pragmatiſche Staatsdiener „Anſpruch“ auf 
Ruhegehalt erwerben; nach neuem Rechte erwirbt 
der weit größere Kreis der unwiderruflichen Be- 
amten unter beſtimmten Vorausſetzungen Anſpruch 
auf V. i. R. m. R. Widerrufliche Beamte können 
„Anſpruch“ auf Ruhegehalt nur auf Grund der 
Beſtimmungen über Unfallfürſorge erwerben; je— 
doch „können“ ſie wegen Dienſtunfähigkeit in den 
Ruheſtand verſetzt werden und es „kann“ ihnen 
in dieſem Falle ein Ruhegehalt bis zur Höhe des 
nach den Vorſchriften für die unwiderruflichen Be— 
amten ſich berechnenden Betrages gewährt werden. 

Wie ſeither dem definitiven pragmatiſchen Be— 
amten ſteht künftig dem unmiderruflichen Beamten 
Anſpruch auf V. i. R. m. R. im Falle der infolge 
eines körperlichen Gebrechens oder Schwäche der 
körperlichen oder geiſtigen Kräfte eingetretenen 
Dienſtunfähigkeit zu. Wenn nicht ausgeſchloſſen 
iſt, daß der dienſtunfähig Gewordene wieder dienſt— 
fähig wird, iſt er, wie bisher, zunächſt nur für 
die Dauer der vorausſichtlichen Dienſtunfähigkeit 
in den (zeitlichen) Ruheſtand zu verſetzen. Der 
in zeitlichem Ruheſtand Befindliche tritt weder mit 
dem Friſtablauf von ſelbſt in die Aktivität zurück, 
noch hat er ein Recht auf Wiederanſtellung. Er 
„kann“, wenn er das 65. Lebensjahr noch nicht 


— . ͤ6ö— 6— — — —ä— ——— 5 ã¼ ä — —— 4 mn 


überſchritten hat, nach wiedererlangter Dienſt⸗ 
fähigkeit wieder zur Dienſtleiſtung auf eine Amts⸗ 
ſtelle berufen werden, auf die er als aktiver Be⸗ 
amter hätte verſetzt werden können. Aber auch der 
wegen Dienſtunfähigkeit in den dauernden Ruheſtand 
verſetzte Beamte kann in Zukunft unter den gleichen 
Vorausſetzungen wieder zur Dienſtleiſtung berufen 
werden, wie der in den zeitlichen Ruheſtand ver⸗ 
ſetzte Beamte. Seither beſtand eine Verpflichtung, 
einer Wiederberufung zum Dienſte Folge zu leiſten, 
nur für die nichtpragmatiſchen Staatsdiener. 

Gegen die Wiederanſtellung gibt es keinen 
Rechtsbehelf; zwar kann der wieder zum Dienſt 
Berufene den ihm auf Grund des Art. 65 Ziff. 1 
entzogenen Ruhegehalt klagend geltend machen, 
aber die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde, 
welche die Wiederanſtellung verfügt hat, iſt nach 
Art. 178 Ziff. 3 für das Gericht bindend, die 
Beſchreitung des Rechtsweges daher zwecklos. 

Zum Nachweiſe der Dienſtunfähigkeit eines um 
Verſetzung in den Ruheſtand nachſuchenden Be⸗ 
amten ift in Zukunft die Erklärung der unmittel- 
bar vorgeſetzten Dienſtbehörde, daß ſie nach pflicht⸗ 
mäßigem Ermeſſen die Vorausſetzungen für die 
V. i. R. für gegeben erachtet, erforderlich und in 
der Regel genügend. Die zu § 22 D der BerfUrt. 
ergangenen Vorſchriſten über den Nachweis der 
Dienſtunfähigkeit (Weber II S. 78, 378, III S. 227, 
IV S. 184, 634; JMBl. 1870 S. 50) find mit 
dem Inkrafttreten des BG. aufgehoben. 

Außer wegen Dienſtunfähigkeit kann der un: 
widerrufliche Beamte wie ſeither der pragmatiſche 
Beamte die V. i. R. wegen hohen Lebensalters be⸗ 
anſpruchen. Das BG. hat die Altersgrenze (ſeit⸗ 
her vollendetes 70. Lebensjahr) auf das vollendete 
65. Lebensjahr herabgeſetzt, dafür aber das ſeit⸗ 
herige Recht der pragmatiſchen Beamten, wegen 
Dienſtalters (nach vollen 40 Dienſtjahren) die 
V. i. R. zu beanſpruchen, beſeitigt. 

Ohne ſein Anſuchen kann der unwiderrufliche 
Beamte in den Ruheſtand verſetzt werden: 


1. ohne weiteres, wenn er das 65. Lebensjahr 
vollendet hat; es iſt kein Verfahren, nicht 
einmal Anhörung des Beamten vorge— 
ſchrieben; der Satz der Begründung (S. 128 
bis 129), daß das Verfahren nach Art. 51 
(„in dieſen Fällen“) Platz greife, iſt irrig; 

2. wegen Dienſtunfähigkeit; 

3. wenn durch Verſchulden des Beamten Um— 
ſtände vorliegen, durch die ſeine amtliche 
Wirkſamkeit auch auf einer anderen Stelle 
nicht bloß vorübergehend geſtört wäre, ein 
Disziplinarverfahren aber wegen Verjährung 
ausgeſchloſſen ift (vgl. Art. 71 Ziff. 2 mit 
Art. 65 RDG.). 

Durch dieſe Beſtimmungen iſt das ſeitherige 
Recht der Staatsregierung, den Beamten jederzeit 
aus adminiſtrativen Erwägungen in den zeitlichen 
oder dauernden Ruheſtand zu verſetzen, einge⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


ſchränkt worden und das für die unter Ziff. 2 ftrafgewalt auf die im Ruheſtand befindlichen 


u. 3 angeführten Fälle in Art. 51 Abſ. 1 mit 6 


angeordnete Verfahren ſowie das den Beamten 
eingeräumte Beſchwerderecht bieten ihm Garantien 
für eine gründliche Prüfung der Vorausſetzungen 


für die zwangsweiſe Ruheſtandverſetzung; anderer⸗ 


ſeits aber trifft dieſe den Beamten zufolge der 


Schmälerung der Penfſionsrechte viel Härter als 
ſeither. 

Die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde über 
die Frage, ob die Einwendungen eines Beamten 
oder ſeines Vertreters gegen die V. i. R. begründet 
waren oder nicht, iſt für den Streitrichter bindend 
(Art. 178 Ziff. 8). 

Die Rechtsſtellung der in zeitlichen — oder 
dauernden — Ruheſtand verſetzten Beamten iſt 
von jener der ſonſt entlaſſenen Beamten weſentlich 
verſchieden; der Staat, der ihnen Unterhalt fort⸗ 
gewährt, legt ihnen auch Pflichten und Pe- 
ſchräͤnkungen auf. Die Verpflichtung, der Wieder: 
berufung zum Dienſte bei Wiedereintritt der 
Dienſtfähigkeit Folge zu leiſten, liegt nur den in 


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den zeitlichen Ruheſtand und den wegen Dienſt⸗ 


unfähigkeit in den dauernden Ruheſtand verſetzten 
Beamten ob; für alle in den zeitlichen oder 
dauernden Ruheſtand verſetzten Beamten dagegen 
gelten laut Art. 24 
1. die Verpflichtung zur Beobachtung eines 
ihrer früheren dienſtlichen Stellung würdigen 
Verhaltens; 


Beamten. 

Seither konnte der im dauernden Ruheſtand 
befindliche nichtrichterliche Beamte nur auf Grund 
des Art. 106 des AG. z. StPO. wegen Ber: 
letzung des Dienſtgeheimniſſes disziplinär mit Geld 
bis zu 600 M beſtraft werden. Nun können zwar 
Ordnungsſtrafen (Verweis oder Geldſtrafe bis zum 
Betrage des einmonatigen Ruhegehaltes) auch nur 
wegen Verletzung der Pflicht der Amtsverſchwiegen⸗ 
heit gegen den im zeitlichen oder dauernden Ruhe⸗ 
ſtand befindlichen Beamten verhängt werden, es 
kann aber nunmehr gegen den in Ruheſtand ver: 
ſetzten unwiderruflichen Beamten wegen ſolcher 
Handlungen, die gegenüber einem aktiven Beamten 
die Dienſtentlaſſung begründen würden, gleichviel 
ob dieſe Handlungen in der Dienſtesaktivität oder 
im Ruheſtand begangen ſind, ein Disziplinarver⸗ 
fahren eingeleitet werden und iſt an Stelle der 
Dienſtentlaſſung auf Verluſt des Titels, der 
Dienſtabzeichen, des Ruhegehalts ſowie des An⸗ 
ſpruchs auf Hinterbliebenenverſorgung zu erkennen; 
zur Milderung allzugroßer Härten finden auch 
hier die Beſtimmungen des Art. 110 Abſ. 2 u. 3 
entſprechende Anwendung. 

Die wichtigſten Beſtimmungen über die 
künftig der Berechnung des Ruhegehalts zu— 
grunde zu legende Dienſtzeit ſollen kurz erörtert 
werden. Der Berechnung wird die nach Voll— 
endung des 21. Lebensjahres in der Eigenſchaft 


2. die Verpflichtung zur Wahrung des Amts: als (beſoldeter oder unbeſoldeter) Beamter im 


geheimniſſes; 

3. das Verbot der Annahme von Geſchenken, 
Belohnungen uſw. ohne Erlaubnis nach 
Maßgabe des Art. 20. 


Dem in den zeitlichen Ruheſtand verſetzten 


Beamten liegt außerdem noch die Verpflichtung 
zur Anzeige der beabſichtigten Verehelichung oder 
an der Erlaubnis hierzu ob (Art. 24 

. 1). 

Aus der gegenüber dem ſeitherigen Rechte 
ſtrengeren Auffaſſung von dem Fortbeſtand eines 
Pflichtverhältniſſes der in Ruheſtand verſetzten 
Beamten zum Staat hat das BG. die äußerſten 
Folgerungen gezogen. Seither war die Penſion 
des nichtrichterlichen pragmatiſchen Beamten un- 
entziehbar ſelbſt im Falle der Verurteilung des 
penſionierten Beamten wegen einer in der Aktivität 
begangenen ſtrafbaren Handlung zu einer Strafe, 
die für den aktiven Beamten den Verluſt des 
Amtes zur Folge gehabt hätte. Das BG. hat 
die bisher nur für die nichtpragmatiſchen Be— 


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amten gültige Beſtimmung des § 28 Abſ. 1 Ziff. 3 


der VO. vom 26. Juni 1894, wonach die Penſion 
durch rechtskräftige Verurteilung zu einer Strafe, 
welche für den aktiven Beamten den Verluſt des 
Amtes kraft Geſetzes zur Folge gehabt hätte, als 
für alle, auch für die richterlichen Beamten gültigen 


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Sinne des Art. 1 HG. zugebrachte Dienitzeit 
zugrunde gelegt; dieſe wird regelmäßig vom Tage 
der erſten eidlichen Verpflichtung als Beamter an 
— für Juriſten alſo von der Verpflichtung als 
Rechtspraktikant an — gerechnet, wenn aber nach⸗ 
weisbar die Eigenſchaft als Beamter im Sinne 
des BG. ſchon früher erworben war, von dieſem 
Zeitpunkte an. Wichtig iſt, daß auch die Zeit 
eingerechnet wird, während welcher der Beamte 
als Staatsdieneraſpirant den für die Ernennung 
zum etatsmäßigen Beamten angeordneten oder zu⸗ 
gelaſſenen Vorbereitungsdienſt abgeleiſtet hat. Im 
übrigen fei auf die Vorſchriften der Art. 54 —58 
verwieſen. 

Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden 
über die Anrechnung einer Dienſtzeit, die nach 
Art. 56 und 57 angerechnet werden kann, ſind 
für den Streitrichter bindend (Art. 178 Ziff. 8). 

Ungünſtiger als das ſeitherige Recht ſind die 
Beſtimmungen des Art. 66 über Ruhen des An- 
ſpruchs auf Ruhegehalt, beſonders jene in Ziff. 2 
dieſes Artikels. Seither hörte nur mit dem 
Wiedereintritt des Quieszenten in die Aktivität 
der Penſionsbezug auf; dagegen gab es keine 
Norm, die den Einzug der Penſion wegen Bezugs 
eines anderen Einkommens aus öffentlichem Dienſt 
gerechtfertigt hätte. So hatte z. B. die leber- 


Rechtssatz aufgenommen (Art. 65); er ſtimmt zu | nahme eines Notariats keinen Einfluß auf den 
der nun zu beſprechenden Ausdehnung der Dienft: Ruhegehalt des Penſioniſten (Bl. f. RA. 50 S. 85). 


456 


In Zukunft kürzt der Staat den Ruhegehalt, 
ſolange der Beamte a. D. ein ſolches Einkommen 
bezieht, um den Betrag, um welchen Einkommen 
und Ruhegehalt zuſammengerechnet den vor der 
Ruheſtandsverſetzung bezogenen Gehalt überſteigen 
würden. Die kurgzſichtige fiskaliſche Beſtimmung 
wird ihren Zweck verfehlen und nur den Erfolg 
haben, die in Ruheſtand verſetzten Beamten in 
Privatſtellungen zu treiben. 

Auch ein ganz vorübergehendes Einkommen 
aus öffentlichem Dienſt rechtfertigt den Abzug, ſo 
wenn z. B. ein Amtsrichter a. D. dadurch, daß 
er auf einige Monate die Verweſung eines 
Notariats übernimmt, für dieſe Zeit unter Hinzu⸗ 
rechnung ſeines Ruhegehalts ein ſeinen früheren 
Gehalt überſteigendes Einkommen genießen würde. 
Erdient der Beamte a. D. in der neuen Stellung 
einen Ruhegehalt, ein Wartegeld oder einen ähn⸗ 
lichen Bezug, ſo bildet der Betrag des Ruhegehalts, 
den er ſich verdient haben würde, wenn er die in 
der neuen Stellung zugebrachte Zeit in der ur: 
ſprünglichen Stellung fortgedient hätte, die Grenze 
feiner Geſamtbezüge; den Betrag, um den die 
Summe der beiden Ruhegehalte dieſen fingierten 
Ruhegehalt überſteigt, kürzt der Staat an dem 
urſprünglichen Ruhegehalt. 

Weibliche unverheiratete Beamte haben An— 
ſpruch auf Ruhegehalt gleich den männlichen 
Beamten; ſie verlieren auch den Anſpruch auf 
Ruhegehalt durch Verehelichung nicht. Der An— 
ſpruch der weiblichen Beamten auf Ruhegehalt 
ruht jedoch für die Dauer der Ehe, gleichviel ob 
der weibliche Beamte fih erft nach der V. i. R. 
verheiratet oder während der Dauer der Ehe in 
Ruheſtand verſetzt wird. In den ungeſchmälerten 
Bezug ſeines Ruhegehalts tritt der weibliche Be: 
amte aber auch nach dem Tode des Mannes nur 
dann, wenn er nicht durch die Ehe Anſpruch auf 
Witwengeld aus der Staatskaſſe oder einer ſonſtigen 
öffentlichen Kaſſe erworben hat; neben dem Witwen⸗ 
geld wird der Ruhegehalt nur ſoweit gewährt, als 
er das Witwengeld überſteigt (Art. 206 Abſ. 1 
Ziff. 2 und 3). 

Beim Zuſammentreffen von ſtaatlichem Ruhe- 
gehalt mit Witwengeld aus der Staatskaſſe' er— 
geben ſich Schwierigkeiten aus Art. 86 Abſ. Ziff. 3 
Satz 2 über Ruhen des Witwengeldes. Dieſe Be— 
ſtimmung ſetzt offenbar die ungeſchmälerte Zahlung 
des Ruhegehalts, Art. 206 die ungeſchmälerte 
Zahlung des Witwengelds voraus; wird das aus 
der Staatskaſſe zu zahlende Witwengeld nach Art. 86 
gekürzt, muß der Ruhegehalt aus der Staatskaſſe 
ſoweit gewährt werden als er das gekürzte Witwen— 
geld überſteigt. 

Steht dem weiblichen Beamten der Anſpruch 
auf Ruhegehalt auf Grund der Vorſchriften über 
Unfallfürſorge zu, tritt weder ein Ruhen des 
Ruhegehalts für die Dauer der Ehe noch eine 
Kürzung des Ruhegehalts beim Zuſammentreffen 
mit einem Anſpruch auf Witwengeld ein. Richtet 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


ſich jedoch der Anſpruch auf Witwengeld gegen die 
Staatskaſſe, erhält der weibliche Beamte das 
Witwengeld nur ſoweit, als dieſes den Betrag 
der Unfallpenſion überſteigt (Art. 206 Abſ. 2). 
Zweifel ſind jedoch wieder in dem Falle möglich, 
daß die Ruhegehaltsberechtigte die Witwe eines 
aus einer anderen öffentlichen Kaſſe beſoldeten 
Beamten im Sinne des BGG. iſt (ogl. Begr. 
S. 82) und deshalb den Anſpruch auf Witwen⸗ 
geld gegen dieſe Kaſſe auf Grund des BG. hat. 
Hier fragt es ſich, ob ein Ruhen des („nach dieſem 
Geſetze ſich berechnenden“) Witwengelds nach Art. 86 
eintritt. Die Entſcheidung hängt wohl von Be⸗ 
antwortung der Frage ab, ob der Unfallbezug, 
der ja den Charakter der Penſion hat (ſ. Be⸗ 
gründung S. 171 unten), eine aus der Ver⸗ 
wendung im Staatsdienſte „erdiente“ Penſion 
iſt; das iſt nicht unzweifelhaft, weil der Anſpruch 
auch dem ſonſt nicht penſionsberechtigten Beamten 
zuſteht; da aber der Anſpruch doch ſeine Wurzel 
im Dienſtverhältniſſe hat, dürfte die Frage zu 
bejahen ſein. 

Der Ruhegehalt darf in Zukunft ohne Ge— 
nehmigung im Auslande verzehrt werden; auch 
ein Abzug an dem ins Ausland bezogenen Ruhe⸗ 
gehalt findet nicht mehr ſtatt. 

Den zur Zeit des Inkrafttretens des Geſetzes 
aktiven Beamten wahrt dieſes ihre erworbenen 
Rechte in der Weiſe, daß es ihnen den höheren 
Ruhegehalt ſichert, den ſie bei fortdauernder Gültig⸗ 
keit der ſeitherigen Vorſchriften über die Gehalte 
und Penſionen im Zeitpunkte der V. i. R. verdient 
haben würden, jedoch ohne Berückſichtigung der 
mit oder nach dem Inkrafttreten des Geſetzes ein⸗ 
getretenen Beförderungen. Es kommen jedoch die 
neuen Beſtimmungen über Ruhegehalt zur An⸗ 
wendung, wenn dieſe dem Beamten günſtiger find. 
Das gleiche gilt für die zwar ſchon vor dem In⸗ 
krafttreten des BG. in Ruheſtand verſetzten, aber 
nach dieſem Zeitpunkte wieder angeſtellten Be- 
amten. Das Geſetz ſchweigt ſich darüber aus, wie 
feſtgeſtellt werden ſoll, ob der Beamte bei Fort⸗ 
dauer der alten Normen und der früheren Stellung 
die Vorrückungen, die ihm, wenn er ſie verdient 
hätte (ſ. Begr. S. 269), für die vergleichende Be⸗ 
rechnung zugute zu rechnen ſind, erhalten oder 
nicht erhalten hätte. Ob die früher erforderliche 
beſondere Genehmigung erteilt worden wäre, iſt 
nicht feſtſtellbar; es muß wohl unterſtellt werden, 
daß dem Beamten die Vorrückungen unter den 
alten Normen bewilligt worden wären, ſoweit ihm 
nicht ſolche unter der Herrſchaft des BG. entzogen 
worden ſind. Art. 213 Abſ. 2 wahrt ferner den 
vor dem 1. Januar 1909 ernannten Beamten die 
Anrechnung einer nach den ſeitherigen Vorſchriften 
bei Bemeſſung des Ruhegehaltes anzurechnenden, 
nach den neuen Vorſchriften nicht anzurechnenden 
Dienſtzeit. Wichtig für jene Beamte, welche in 
den erſten 6 Jahren nach Inkrafttreten des BG. in 
den Ruheſtand verſetzt werden, iſt ferner die Ueber— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


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— . —— . ——ö— . —ä — — ꝛtͤ—ę——ũ 


gangsbeſtimmung des Art. 211 Abſ. 8, welche für 
die Bemeſſung des Ruhegehalts und der Hinter⸗ 
bliebenenbezüge die für die Ueberleitung verfügte 
Sperre der letzten oder der beiden letzten Dienſt⸗ 
altersſtufen ausſchaltet. 


Was die Stellung der vor oder mit dem In⸗ 
krafttreten des BG. in Ruheſtand verſetzten Be⸗ 
amten betrifft, könnten die Vorſchriften des Art. 212 
Abſ. 1 und 2, welche für dieſe Beamten und 
deren Hinterbliebene die ſeitherigen Penſionsvor⸗ 
ſchriften und Vorſchriften über die einmalige Ab- 
fertigung ſowie über die Unterhaltsbeiträge aus⸗ 
drücklich aufrecht erhalten, ſowie einzelne Sätze 
der Begründung zu Art. 212 zu dem Schluſſe 
verleiten, daß an Stelle der nicht ausdrücklich auf⸗ 
recht erhaltenen früheren Normen auch für die 
unter den alten Normen in den Ruheſtand ver: 
ſetzten Beamten die neuen Vorſchriften Anwendung 
zu finden haben, alſo z. B. die Vorſchrift des 
Art. 64 über Wiederberufung zur Dienſtleiſtung, 
dann jene über Dienſtſtrafrecht. Dieſer Schluß 
wäre irrig; dieſe Beamten a. D. waren nie Be⸗ 
amte im Sinne des BGG. und können nicht nad): 
träglich als ſolche erklart werden. 
BG. von in den Ruheſtand verſetzten Beamten 
ſpricht, hat es nur die unter ſeiner Herrſchaft in 
den Ruheſtand verſetzten Beamten im Auge. An der 
Rechtslage der vor oder mit dem Inkrafttreten des 
BG. penſionierten Beamten ändert ſich ſohin weiter 
nichts, als daß nach Art. 212 Abſ. 3 die Vor: 
ſchriften über das Erfordernis einer Erlaubnis zum 
Genuß einer Penſion im Auslande auch für ſie 
außer Kraft treten. 


b) der richterlichen Beamten. 


Die Verſetzung der richterlichen Beamten in 
den dauernden Ruheſtand auf Anſuchen bietet keine 
Beſonderheit. Für ihre unfreiwillige Verſetzung 
in den Ruheſtand ſind die Beſtimmungen des RDG. 
maßgebend. Nur die auf die V. i. R. bezüglichen 
Aenderungen, welche das RTG. durch Art. 224 
BG. erfahren hat, ſollen kurz beſprochen werden. 


In Zukunft kann auch der richterliche Beamte 
wider ſeinen Willen in den Ruheſtand verſetzt 
werden, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat, 
jedoch nur unter der weiteren Vorausſetzung, daß 
ſeine V. i. R. im Intereſſe der Rechtspflege liegt 
(Art. 224 Abſchn. 25 und 31, 184 BG.); es 
greift dasſelbe Verfahren nach Art. 72 — 74 bzw. 


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Wo das 


Art. 79 Abſ. 4 RDG. Platz, wie ſeither im Falle 


der unfreiwilligen V. i. R. wegen Dienſtunfähigkeit. 
Die Vorſchriften über dieſes Verfahren haben eine 
Ergänzung erhalten, indem in ähnlicher Weiſe wie 
beim Verfahren gegen nichtrichterliche Beamte nach 
Art. 51 BG. für den Fall Vorſorge getroffen 
worden iſt, daß eine Verſtändigung mit dem 
richterlichen Beamten nicht möglich iſt. 


Der in den dauernden Ruheſtand verſetzte 
richterliche Beamte kann zwar unter den gleichen 


Vorausſetzungen wie der nichtrichterliche Beamte 
wieder zur Dienſtleiſtung berufen werden, es können 
jedoch Richter der ordentlichen Gerichte nur auf 
eine Richterſtelle dieſer Gerichte, Mitglieder des Ver⸗ 


waltungsgerichtshofs und Mitglieder des Oberſten 


Rechnungshofs nur wieder als Mitglieder des Ge⸗ 
richtshofs, dem ſie zuvor angehörten, berufen werden 
(Art. 183 Ziff. 6 Abſ. 2, Art. 184 BG.). 

Durch Aenderung des Art. 8 des RDG. 
(Art. 224 Ziff. 5 und Ziff. 6 Abſ. 2) hat die 
Disziplinarſtrafgewalt gegenüber dem im Ruhe⸗ 
ſtand befindlichen Richter eine erhebliche Aus⸗ 
dehnung erfahren, wie nachfolgende Vergleichung 
ergibt: 

1. Wegen in der Aktivität oder im Ruheſtand 
begangener Verletzung der Pflicht zur Amts⸗ 
verſchwiegenheit iſt zwar künftig wie ſeither Ver⸗ 
weis oder Geldſtrafe bis zum Betrage des ein- 
monatigen Ruhegehalts zuläſſig, wenn aber der 
Fall ſo gelagert iſt, daß gegenüber dem aktiven 
Richter die Dienſtentlaſſung begründet ſein würde, 
iſt nicht bloß wie bisher auf Verluſt des Titels 
und der Dienſtabzeichen, ſondern auch auf Ver⸗ 
luſt des Ruhegehaltes zu erkennen, wobei aller⸗ 
dings die Möglichkeit der Milderung überein⸗ 
ſtimmend mit Art. 110 Abſ. II und III des 
BG. vorgeſehen iſt. 

2. Wegen ſolcher Verfehlungen, welche in der 
Dienſtesaktivität zur Dienſtentlaſſung geführt 
haben würden, war bisher auf Verluſt des Titels 
und der Junktionszeichen zu erkennen, und nur 
in dem Falle, daß die Einſchreitung wegen einer 
in der Dienſtesaktivität verübten ſtrafbaren Hand⸗ 
lung erfolgte, welche nach ſtrafgeſetzlichen Be⸗ 
ſtimmungen den Verluſt des Amtes zur Folge 
haben konnte, konnte zugleich der Verluſt des 
Ruhegehalts oder eines Teiles ausgeſprochen 
werden. 

Nunmehr iſt ohne Beſchränkung auf ſolche 
Verfehlungen, welche nach ſtrafgeſetzlichen Be⸗ 
ſtimmungen den Verluſt des Amtes zur Folge 
haben können, und ohne Rückſicht darauf, ob die 
Verfehlung während der Aktivität oder während 
des Ruheſtands begangen iſt, neben dem Ver⸗ 
luft des Titels und der Dienſtabzeichen auf Ver: 
luſt des Ruhegehalts und, was nach bisherigem 
Rechte niemals ausgeſprochen werden konnte, auf 
Verluſt des Anſpruchs auf Hinterbliebenenver⸗ 
ſorgung zu erkennen, jedoch die Möglichkeit der 
Milderung in Uebereinſtimmung mit Art. 110 
Abſ. II u. III offen gehalten. 


Ein etwas erfreulicheres Bild bieten die Vor: 

ſchriften über 
Hinterbliebenenfürſorge. 

Freilich ſtehen auch hier neuen günſtigeren 
Beſtimmungen Verluſte ſeitheriger Rechte der 
Hinterbliebenen der pragmatiſchen Beamten gegen— 
über; immerhin darf man für die ſchon vor dem 
1. Januar 1909 angeſtellten Staatsdiener von 


458 


einer Beſſerſtellung ſprechen. Ob aber die Beſſer⸗ 
ſtellung der Hinterbliebenen jener Beamten, die 
ſeither zu den pragmatiſchen zählten, eine dauernde 
fein wird, dürfte von dem Schickſal des Alge- 
meinen Unterſtützungsvereins und der Töchterkaſſe 
abhängen; der Verluſt der Unterſtützungen und 
Präbenden aus dieſen Fonds würde durch die 
Erhöhung des Witwen- und Waiſengeldes vielfach 
nicht aufgewogen werden. 


Bei der folgenden Darſtellung bleiben die 


Unfallfürſorgeanſprüche der Hinterbliebenen (ſ. oben) 
außer Betracht. 

Seither wurde Gehalt oder Penſion des Be⸗ 
amten noch für den Sterbemonat und Sterbe⸗ 
nachmonat an die Erben fortbezahlt. Künftig 
haben die Witwe und die ehelichen oder legiti- 
mierten Kinder des etatsmäßigen — widerruf— 
lichen oder unwiderruflichen — Beamten und die 
ehelichen oder legitimierten Kinder, nicht aber der 
Witwer der weiblichen Beamten „Anſpruch“ auf 
Fortzahlung des Gehalts, Wartegelds oder Ruhe— 


gehalts noch für das auf den Sterbemonat folgende 
unter beſtimmten Vorausſetzungen 


Vierteljahr; 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


„kann“ der Sterbegehalt, wenn weder eine Witwe 


noch Kinder vorhanden ſind, anderen Perſonen 
gewährt werden (Art. 78 Abſ. 2). Der Sterbe⸗ 
gehalt iſt nicht abtretbar, nicht verpfändbar und 
nicht pfändbar. 

Der Kreis der zum Bezug von Penſionen 
berechtigten Perſonen erfährt durch das BG. mehr— 
ſache Verſchiebungen. Eine Erweiterung inſoferne, 
als 1. Witwe und Kinder aller unwiderruflichen 
Beamten künftig Anſpruch auf „Witwengeld“ und 
„Waiſengeld“ haben, der Kreis der unwiderruf— 
lichen Beamten aber ein größerer als jener der 
ſeither pragmatiſchen Beamten ſein wird; 2. nicht 
nur, wie ſeither den ehelichen und durch nach— 
folgende Ehe legitimierten, ſondern auch den für 
ehelich erklärten Kindern der Anſpruch auf Waiſen— 
geld zuſteht; 3. künftig im Gegenſatz zum ſeit— 
herigen Rechte auch den Hinterbliebenen aus Ehen, 
die ohne die erforderliche dienſtliche Bewilligung 
oder im zeitlichen Ruheſtand geſchloſſen ſind, der 
Anſpruch zuſteht (ſ. Hauptlandespragmatik Art. 
XXIV 
1894). Eine Verengerung erfährt der Kreis der 
Berechtigten dadurch, daß der den Hinterbliebenen 
der pragmatiſchen widerruflichen Beamten zuge— 
ſtandene Anſpruch auf Penfion, wenigſtens als 
ſofort mit dem Tode des Beamten wirkſamer An— 
ſpruch, wegfällt. Die Witwe und die ehelichen 
oder legitimierten Kinder eines widerruflichen etats— 
mäßigen Beamten erhalten zwar auch in Zukunft 
Witwen- und Waiſengeld nach den für die un— 
- widerruflihen Beamten beſtehenden Vorſchriften, 
wenn der Beamte in Aktivität geſtorben iſt oder 
im Zeitpunkte ſeines Todes auf Grund der 
Art. 46, 68 im Genuß eines Wartegeldes oder 
Ruhegehalts ſtand, haben jedoch einen klagbaren 
Anſpruch erſt dann, wenn ihnen durch Entſcheidung 


§ 23 be, vgl. § 33 VO. vom 26. Juni 


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der zuſtändigen Verwaltungsbehörde, die für den 
Streitrichter nach Art. 178 Ziff. 9 bindend iſt, 
Witwen: oder Waiſengeld zuerkannt worden ift. 

Keinen Anſpruch auf Witwen- und Waiſen⸗ 
geld haben die Hinterbliebenen eines Beamten aus 
einer erſt nach der Verſetzung des Beamten in 
den dauernden Ruheſtand geſchloſſenen Ehe und 
die Hinterbliebenen der weiblichen Beamten. 

Die Sätze der Hinterbliebenenbezüge anlangend 
waren ſeither die Hinterbliebenen der im Ruhe- 
ſtand geſtorbenen pragmatiſchen Beamten ſchlechter 
gehalten als jene der in Aktivität geſtorbenen; 
mit dieſer Unterſcheidung hatte ſchon die VO. 
vom 26. Juni 1894 gebrochen. In Zukunft 
beträgt das Witwengeld 40% des Ruhegehalts, 
den der Mann bezogen hat oder bezogen haben 
würde, wenn er am Todestage in den Ruheſtand 
verſetzt worden wäre, jedoch nie über 30 % des 
penſionsfähigen Einkommens des Mannes und, 
abgeſehen von den Fällen, daß es nur zufolge 
einer Kürzung nach Art. 76 (wenn Witwen- und 
Waiſengeld zuſammen den Betrag des Ruhegehalts 
des Mannes überſteigen) unter dieſen Betrag zu: 
ſammenſchrumpft, nicht unter 300 M im Jahre. 
Eine weitere wohltätige Neuerung bringt die Be— 
ſtimmung, daß der Witwe bei der Wiederver- 
heiratung, die wie ſeither das Erlöſchen des Be⸗ 
zugsrechtes zur Folge hat, eine einmalige Beihilfe 
bis zum 5 fachen Jahresbetrage des Witwengeldes 
gewährt werden kann. 

Die Erhöhung des Witwengeldes bringt eine 
Erhöhung des ein Fünftel oder ein Drittel des 
Witwengeldes betragenden Waiſengeldes mit ſich. 
Das BGG. vermeidet, wie ſchon die VO. vom 
26. Juni 1894, die Bezeichnungen „einfache Waiſe“ 
und „Doppelwaiſe“; es ſpricht, noch weitergehend 
als die letztbezeichnete Verordnung, den höheren 
Satz dem Kinde zu, deſſen Mutter nicht mehr 
lebt oder zur Zeit des Todes des Beamten zum 
Bezuge von Witwengeld nicht berechtigt war. Es 
erhalten hiernach auch die Kinder aus einer ge: 


ſchiedenen Ehe, deren Mutter noch lebt, ferner 


die Kinder, die eine Stiefmutter haben und zwar 
ſelbſt dann, wenn letztere Witwengeld bezieht, das 
höhere Waiſengeld. Als weitere Verbeſſerungen 
ſind zu nennen: 1. die Feſtſetzung des Zeitpunktes, 
in dem der Anſpruch auf Waiſengeld erliſcht (ſeit⸗ 
her Eintritt in das 21. Lebensjahr) auf den Ab⸗ 
lauf des Monats, in dem die Waiſe das 21. Lebens⸗ 
jahr vollendet hat; 2. die Nichtübernahme der 
Vorſchriften über a) das Erfordernis einer Er— 
laubnis zum Genuß der Bezüge ins Ausland, 
b) Anrechnung von Präbenden und Stipendien 
aus der Staatskaſſe, wogegen allerdings künftig 
Kürzung der Hinterbliebenenbezüge um den Be: 
trag der auf Grund der Unfallverſicherungsgeſetze 
aus der Staatskaſſe bezogenen Witwen- und Kinder— 
rente und unter beſtimmten Vorausſetzungen An: 
rechnung der Hälfte des Bezugs aus einer Knapp— 
ſchaftskaſſe erfolgt (Art. 74 Abſ. 3, Art. 79; vgl. 


Hauptlandespragmatik Art. XXIV 822 8 23d oder Waiſe im Jahresbetrage von mehr als 2000 M 


und VO. vom 26. Juni 1894 8 35). 

Bei Einſchätzung der Vorzüge der neuen Vor⸗ 
ſchriften darf man nicht überſehen, daß der höhere 
Satz des Witwengeldes ſich häufig aus einem 
geringeren Ruhegehalt des Mannes berechnen wird 
und auch Verluſte an pragmatiſchen Rechten zu 
verzeichnen ſind; von dieſen Verluſten iſt beſonders 
ſchwerwiegend der Wegfall der Erhöhun 
Witwen- und Kinderpenſion um die Hälfte (Preſt⸗ 
haftigkeitszulage) und des Rechtes der unverſorgten 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


der 


gebrechlichen Waiſen auf den Bezug von Unterhalts⸗ 
dauernden Gültigkeit der ſeitherigen Vorſchriften 
über die Gehalte und Penſionen der Beamten 


beiträgen über die normale Bezugszeit hinaus nach 
Art. XXIV 58 10—13 der Hauptlandespragmatik. 
In Zukunft „können“ den hinterbliebenen 


ehelichen und legitimierten Kindern eines etats⸗ 


mäßigen Beamten nach Vollendung des 21. Lebens⸗ 
jahres im Falle der Erwerbsunfähigkeit und Unter⸗ 


ſtützungsbedürftigkeit fortlaufende Unterhaltsbeiträge 


bis zur Höhe des nach dem BG. ſich berechnenden 
Waiſengeldes bewilligt werden. Für die Waiſen 
der ſeitherigen nichtpragmatiſchen Staatsdiener, für 
welche eine Fürſorge über das vollendete 20. Lebens⸗ 
jahr hinaus nicht vorgeſehen war, bedeutet die 
Neuregelung allerdings eine Verbeſſerung. 

Neu iſt auch die Kürzung des Witwengeldes 
der Witwe, die mehr als 15 Jahre jünger war 
als ihr verſtorbener Gatte (Art. 77, 78). Un⸗ 
günſtig gegenüber dem Rechte für die pragmatiſchen 
Beamten wirkt die nun allgemein gültige, ſeither 
nur für die Hinterbliebenen der nichtpragmatiſchen 
Staatsdiener beſtandene Beſchränkung, daß Witwen⸗ 
und Waiſengeld zuſammen den Betrag des wirk⸗ 


lichen oder angenommenen Ruhegehalts nicht über: 


ſteigen dürfen (Art. 76). Ein weiterer Verluſt 
iſt der Wegfall der ſeither jenen nichtverſorgten 
Waiſen der pragmatiſchen Beamten, welche wegen 
Ueberſchreitung des 20. Lebensjahres nicht mehr 
in den Genuß eines Unterhaltsbeitrages kommen, 
gewährten einmaligen Abfindung. Zu Verluſt 
gehen endlich die ſeitherigen Rechte der Kinder 


der Staatsminiſter, Miniſterialreferenten, Kollegial⸗ 


präſidenten, Kollegialdirektoren und jener Kollegial⸗ 
råte, welche entweder eine 25 jährige Kollegial- 
dienſtzeit oder 40 Dienſt⸗ oder 70 Lebensjahre 
zurückgelegt haben, auf den Fortgenuß der Unter⸗ 
haltsbeiträge bis zur Verſorgung oder bis zum 
Ableben. 

Auch die Beſtimmungen des Art. 86 über 
Ruhen des Witwen⸗ und Waiſengeldes ſind un⸗ 
günſtiger als die ſeitherigen Vorſchriften; die neuen 
Beſtimmungen ſehen ein vollſtändiges oder teilweiſes 
Ruhen des Anſpruchs vor bei Verluſt der Reichs⸗ 


459 


bzw. 1000 M aus Staatsdienſt, Verwendung im 
Staatsdienſt oder einem anderen öffentlichen Dienſt 
und beim Zuſammentreffen von Witwengeld mit einer 
aus ſolcher Verwendung erdienten Penſion oder 
ähnlichen Verſorgung im Jahresbetrage von über 
1500 M (Ziff. 3). Den ſeinerzeitigen Hinter: 
bliebenen der in die neue Gehaltsordnung über⸗ 
geleiteten, ſowie derjenigen Beamten, welche zwar 
am 1. Januar 1909 ſich im Ruheſtand befinden, 
ſpater aber wieder angeſtellt werden, wahrt Art. 214 
die höheren Bezüge unter der Fiktion der fort⸗ 


und über die Bezüge der Hinterbliebenen und 
ohne Berückſichtigung einer unter der Herrſchaft 
des BG. eingetretenen Beförderung. Tritt der 
Fall ein, daß für die Witwe die alten, für die 
Kinder oder einzelne von ihnen die neuen Vor⸗ 
ſchriften günſtiger find oder umgekehrt, wird für 
jeden Berechtigten der Bezug nach den ihm 
günſtigeren Vorſchriften angewieſen. 

Den Kindern der bereits vor dem 1. Januar 
1909 in pragmatiſcher Eigenſchaft ernannten Be⸗ 
amten iſt der Anſpruch auf den Fortbezug der 
Unterhaltsbeiträge nach Art. XXIV 88 10—13 
der Hauptlandespragmatik gewahrt. Den Söhnen 
und Töchtern jener Staatsminiſter uſw. (ſ. oben), 
welche dieſe Dienſtesſtellung ſchon vor dem 1. Januar 
1909 eingenommen haben, wahrt Art. 215 die in 
Art. XXIV 89 der Hauptlandespragmatik ein- 
geräumten Rechte nach Maßgabe der bisherigen 
Penſionsvorſchriſten; hat der Kollegialrat am 
1. Januar 1909 die rn A an welche 
die Hauptlandespragmatik die Anſprüche knüpft, noch 
nicht erfüllt, wahrt das Geſetz die Anſprüche doch, 
wenn er dieſe Vorausſetzungen noch nach dem 
1. Januar 1909 erfüllt oder im Falle er vor 
deren Erfüllung auf Grund der neuen Beſtim⸗ 
mungen, welche die unfreiwillige V. i. R. nach 
Vollendung des 65. Lebensjahres zulaſſen, in den 
Ruheſtand verſetzt wird, wenn er nur den Zeit⸗ 
punkt erlebt, in welchem er unter der Fiktion fort⸗ 


dauernder Aktivität und fortdauernder Gültigkeit 


| 


| 


angehörigkeit (Ziff. 1), beim Zuſammentreffen von 


Witwen⸗ oder Waiſengeld mit einer weiteren Ver⸗ 
ſorgung, die der Beamte aus anderweitiger Verwen⸗ 
dung im Staats⸗ oder einem ſonſtigen öffentlichen 
Dienſte für feine Hinterbliebenen erdient hatte (Ziff. 2) 
und beim Zuſammentreffen von Witwen: oder 
Waiſengeld mit einem Dienſteinkommen der Witwe 


der alten Normen dieſe Vorausſetzungen erfüllt 
haben würde. Die Beſtimmung hat für den 
Kollegialrat das Mißliche, daß er, ſollen die 
Kinder den Anſpruch nicht verlieren, es nach Voll⸗ 
endung des 65. Lebensjahres auf feine zwangs⸗ 
weiſe Penſionierung ankommen laſſen muß. 

An den Rechten der Hinterbliebenen der Beamten 
und Bedienſteten, die vor dem Inkrafttreten des 
BG. geſtorben find, oder in dieſem Zeitpunkte ſich 
in Ruheſtand befinden, treten keine nachteiligen 
Aenderungen ein; von den günſtigeren Beſtim⸗ 
mungen des BG. kommen auf ſie nur zu ent⸗ 
ſprechender Anwendung die Vorſchriſt des Art. 74 
Abſ. 4 (Zuläſſigkeit der Gewährung einer einmaligen 
Beihilfe bei Wiederverheiratung der Witwe), die 
Aufhebung der Anrechnung von Präbenden und 


460 


Stipendien aus der Staatskaſſe auf die Hinter: 
bliebenenbezüge und die Vorſchriften des Art. 72 
über den Sterbegehalt; zu letzterem Punkte iſt 
die Faſſung des Art. 212 Abſ. 2 kaum richtig; 
die Vorſchriften des Art. 72 ſollen offenbar nur 
auf die Hinterbliebenen der am 1. Januar 1909 
im Ruheſtand beſindlichen, nicht aber auf jene 
der bereits vorher geſtorbenen Beamten Anwendung 
finden, da eine Nachzahlung z. B. an die Hinter⸗ 
bliebenen eines vor 10 und mehr Jahren ge⸗ 
ſtorbenen Beamten doch gewiß nicht beabſichtigt 
ift. Zum Genuß der Hinterbliebenenbezüge im 
Ausland iſt keine Erlaubnis mehr erforderlich. 


— 


Ich ſchließe den Aufſatz mit dem Wunſche, 
daß eine wohlwollende Handhabung des Geſetzes 
die dieſem charakteriſtiſche ſtarke Betonung der 
Dienſtgewalt möglichſt wenig fühlbar mache. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Führung verbstener Waffen durch Frauen in Selbſt⸗ 
mordabſicht? Daß ein von ſeinem Liebhaber verlaſſenes 
Mädchen einen Selbſtmordverſuch begeht, iſt nicht un⸗ 
gewöhnlich; daß es ſich hierzu eines Revolvers be⸗ 
dient, iſt naheliegend. Daß es aber deshalb ſtrafbar 
ſein ſoll, wenn es das Unglück hat, Dienſtbote zu ſein, 
iſt verwunderlich. Der Fall iſt tatſächlich vorgekommen, 
daß der Liebhaber, der ſo viel Edelmut noch auf⸗ 
brachte, dem Mädchen die Waffe, die es gegen ſich 
erhoben hatte, zu entreißen, dann die Stirne beſaß, 
die Sache der Polizei mitzuteilen, die eine Anzeige 
gegen das Mädchen wegen Führens verbotener Waffen, 
nämlich wegen Uebertretung des Art. 39 PStGB. 
mit 8 1 Abſ. 1 der VO. vom 19. November 1887, 
aufnahm und an den Amtsanwalt weitergab. 

Die erſte Vorausſetzung für die Anwendbarkeit 
der angeführten Beſtimmungen ift, daß Frauen iiber- 
haupt unter $1 der VO. fallen. Es werden dort 
aufgezählt auf der einen Seite die nach Zigeunerart 
umherziehenden Perſonen, die wegen Geiſteskrankheit 
entmündigten Perſonen, die Perſonen unter 18 Jahren, 
die Lehrlinge, die Dienſtboten und die in der Haus— 
induſtrie beſchäftigten Perſonen; es iſt nach dem 
Wortſinn der Bezeichnungen gewiß, daß hierzu die 
Frauen ebenſo gehören, wie die Männer. Auf der 
anderen Seite ſind genannt die Bettler, die Land— 
ſtreicher, die Zigeuner, die bei Eiſenbahnbauten bez | 
ſchäftigten Arbeiter, die Taglöhner, die Gewerbegehilfen 
und die Fabrikarbeiter; hierunter verſteht die Um— 
gangſprache nur die männlichen Angehörigen der auf— 
geführten Perſonenklaſſen, da für die Bezeichnung der 
weiblichen eigene Formen gebräuchlich ſind. Endlich 
werden die noch im Brot des Familienhauptes ſtehen— 
den ledigen Hausſöhne von dem Verbot getroffen; 
hier kann kein Zweifel ſein, daß nur die männlichen 
Familienglieder gemeint ſind. Kommt man alſo zu 
der Entſcheidung, daß Frauen der zuerſt genannten 
Perſonenklaſſen ſich der Führung verbotener Waffen 
ſchuldig machen können, die übrigen dagegen nicht? 
Das wäre eine Buchſtaben-Jurisprudenz, für die ich 


Zeitſchrift fi für ))) ] ð²2ꝛ T in Bayern. 1908. Nr. 23. 


kein Verſtändnis hätte. Jede Vorſchrift hat einen 
Zweck, der bei Unklarheit des Wortlautes zur Aus⸗ 
legung herangezogen werden darf und muß. Was 
ſollte es aber für einen Sinn haben, die Waffenfübrung 
einem weiblichen Dienſtboten zu verbieten, wenn ſie 
einer Haustochter, die in den gleichen Verhältniſſen 
wie der Dienſtbote ſein kann, oder einer Gewerbe⸗ 
gehilfin erlaubt iſt, oder einen Unterſchied zwiſchen 
einer Fabrikarbeilerin und einer Hausinduſtriellen zu 
machen? Geradezu unſinnig wäre es, die Anwend⸗ 
barkeit des Art. 39 PStGB. auf Frauensperſonen, 
die nach Zigeunerart herumziehen, zu bejahen, auf 
Zigeunerinnen ſelbſt zu verneinen. Dieſe Beiſpiele 
zeigen klar, daß einheitlich entſchieden werden muß; 
entweder bezieht ſich das Verbot auf F Frauen über⸗ 
haupt nicht oder auf alle Frauen, die den in § 1 der 
VO. aufgeführten Gruppen angehören oder ibnen 
wenigſtens in der weiblichen Sphäre entſprechen. 
Nun iſt nach dem klaren Wortlaut der Vorſchrift 
unbeſtreitbar, daß ſie auf Haustöchter nicht Anwendung 
finden kann und bei der zweiterwähnten Perſonen⸗ 
klaſſe führt die wörtliche Auslegung zu demſelben Er⸗ 
gebnis, daß nämlich die Frauen außer Betracht bleiben. 
Folglich kann unter den als „Perſonen“ aufgeführten 
Gruppen nur der männliche Teil gemeint ſein. Daß 
dies dem Wortſinn Zwang antäte, läßt ſich nicht 
behaupten, wenn man berückſichtigt, daß nur bei 
den Perſonengruppen, für welche die Sprache kein 
eigenes Maskulinum, kein eigenes Femininum hat, die 
neutrale Form gewählt iſt, und daß im übrigen ſtets 
das Maskulinum angewendet wird. Ein Sinn für 
eine ſolche Unterſcheidung zwiſchen Frauen und Männern 
iſt leicht erſichtlich. Der Strafgeſetzgeber hat auch ſonſt 
(freilich nicht immer mit Recht) zu den Frauen ein 
größeres Vertrauen als zu den Männern — man 
denke z. B. nur an 8 175 StGB. — und mag fid 
der Erwartung hingegeben haben, die Waffenführung 
durch Frauen beeinträchtige die öffentliche Sicherheit 
nicht in dem Maß, daß eine Polizeivorſchrift angezeigt 
erſcheine; es iſt bekannt, daß Burſchen aus den Kreiſen, 
wie fie in § 1 der VO. aufgezählt find, in der Trunken⸗ 
heit oder bei Streit gerne zum Meſſer oder den eben⸗ 
falls dort genannten Waffen greifen, während man 
das im allgemeinen den Frauen nicht nachſagt. Nicht 
zu verkennen iſt freilich, daß die Entſtehungsgeſchichte 
der behandelten Strafvorſchrift dagegen zu ſprechen 
ſcheint. Die älteſte in Betracht kommende Verordnung. 
die vom 30. Dezember 1862 (Reg Bl. 1863 S. 9), ver- 
bot die Führung beſtimmter Waffen „allen unanſäſſigen 
Perſonen“ ohne weiteren Beiſatz; hierunter fallen an 
ſich die Frauen. Sie wurde aufgehoben und erſetzt 
durch die Verordnung vom 21. Januar 1872 (RegBl. 
S. 333), die das Verbot auf alle „unſelbſtändigen 
Perſonen“ bezieht und wegen dieſes Begriffes auf 
Art. 6 des Heim G. verweiſt, wo in Abſatz 2 als un: 
ſelbſtändig außer den auf Grund richterlicher Ver— 
fügung unter Kuratel ſtehenden Perſonen die Dienſt⸗ 
boten, Gewerbegehilfen und Hausſöhne, letztere unter 
einer beſtimmten Vorausſetzung, genannt find. So 
weit die Hausſöhne in Betracht kommen, konnten 
freilich nur männliche Perſonen unter das Verbot 
fallen (erft durch das AG. 3. BOB. ift das Wort 
„Hausſöhne“ durch „Kinder“ erſetzt worden); im 
übrigen iſt es dagegen zweifellos, daß das Heimat: 
geſetz unter Dienſtboten und Gewerbegehilfen auch 
weibliche Perſonen verſtand, weil ja auch ſolche einen 
Heimatanſpruch erlangen können. Mit Rückſicht auf 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


die vorigen Ausführungen dürfte aber dieſe Ent⸗ 
ſtehungsgeſchichte nicht in Betracht kommen; vielmehr 
muß angenommen werden, daß mit der Verordnung 
von 1887 eine Aenderung des bisherigen Rechts⸗ 
zuſtandes gewollt war. 

Da aber das Ergebnis nicht zweifelfrei iſt, 
wird eine Unterſuchung darüber angezeigt ſein, ob 
überhaupt eine Waffenführung im Sinn des Geſetzes 
vorlag. Auch das iſt zu verneinen. Der Begriff der 
Waffenführung iſt dem Reichsſtrafgeſetzbuch gleichfalls 
bekannt (8 243 Abſ. 1 Ziff. 5, vgl. auch § 123 Abſ. 3) 
und es iſt für dieſes beſtritten, ob das Beiſichtragen 
der Waffe, der bloße Beſitz genügt, oder ob die Ab⸗ 
ſicht erforderlich iſt, ſich der Waffe zum Angriff oder 
zur Verteidigung zu bedienen (ſ. Olshauſen, Komm. 
z. StGB. 7. Aufl. 8 243 N. 46 auf einer Seite, 
Frank, Komm. z. StGB. 5.7. Aufl. 8 243 N. VI 
auf der anderen Seite). Stellung zu dieſer Frage 
zu nehmen, ſcheint mir nicht notwendig, da eine Ueber- 
nahme der Definition in das weſentlich verſchiedene 
Gebiet des Polizeiſtrafrechts bedenklich wäre. Nach 
dem polizeilichen Zweck des Art. 39 PStGB. ift viel- 
mehr auf alle Fälle für deſſen Anwendbarkeit die 
Abſicht notwendig, von der Waffe auch allenfalls Ge⸗ 
brauch zu machen, wie dies der vormalige oberſte 
Gerichtshof in ſeiner Entſcheidung vom 30. Januar 
1875 (Sammlg. Bd. 5 S. 38) ausgeſprochen hat und 
wie es ſeitdem unbeſtritten geblieben iſt. Da die 
Vorſchrift darauf abzielt, „Gefahren für die Sicher: 
heit der Perſon“ abzuwenden und da Selbſtmord oder 
Selbſtmordverſuch ſtraflos ſind, muß die erforderliche 
Abſicht genauer dahin beſtimmt werden, in einer die 
perſönliche Sicherheit anderer Perſonen gefährdenden 
Weiſe die Waffe zu gebrauchen. Die öffentliche Ord- 
nung kann freilich auch durch einen Selbſtmordverſuch 
erheblich geſtört werden; allein gegen eine ſolche Be⸗ 
einträchtigung richtet fid Art. 39 PStGB. nach 
feinem deutlichen Wortlaut nicht. Damit iſt klar⸗ 
geſtellt, daß nicht gegen dieſe Beſtimmung fehlt, wer 
eine der in 8 1 der Verordnung aufgeführten Waffen 
ausſchließlich zu dem Zweck bei ſich führt, um ſich 
damit das Leben zu nehmen. 


Ratsaſſeſſor Dr. Fiſcher in Nürnberg. 


Ueber den Erwägungsſtil. Zu den Ausführungen 
des Herausgebers dieſer Zeitſchrift in Nr. 18 dieſes 
Jahrgangs über den Erwägungsſtil, insbeſondere in 
Anklageſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſen, ſeien noch 
folgende Ergänzungen geſtattet. Daß es auch ohne 
den Erwägungsſtil geht, beweiſt der Umſtand, daß 
die dort empfohlene Form zum Teil ſeit mehreren 
Jahren geübt wird. Eröffnungsbeſchlüſſe zwar 
gehen nicht leicht vom Erwägungsſtil ab. Dagegen 
kann man ſchon ſeit Jahren Anklageſchriften ver— 
ſchiedener Staatsanwälte leſen, welche ohne die alte 
Form auskommen, kurz und bündig den Gegenſtand 
der Anklage bezeichnen, den Antrag ſtellen und dieſen 
dann geſondert hiervon begründen wie es in jedem 
Urteil auch gemacht wird. Jenen Ausführungen iſt 
auch darin beizuſtimmen, daß es ſich dabei nicht nur 
um eine Sache von formeller Bedeutung handelt, 
ſondern der alte Unfug die Strafrechtspflege geradezu 
ſchädigt. Er bewirkt nicht nur, daß ſich der Juriſt 
damit beim Publikum lächerlich macht, ſondern auch, 


————— — ——— rr —. .. r... ̃ ... — Er 


heuer des Erwägungsſtils verschwinden. 


461 
den Angeklagten nicht darüber aufzuklären vermag, 
worum es ſich in der Anklage und im Hauptverfahren 
handelt. Ä 

Dagegen irrt der Verfafler, wenn er den Grund 
der vermeintlichen Unentbehrlichkeit des Erwägungs⸗ 
ſtils in dieſen Fällen vor allem darin ſucht, daß man 
glaube, nur fo gelinge das Einrücken oder „Inſerieren“. 
Dieſer Grund würde ſchon für die Anklageſchriften 
nicht zutreffen; denn da fehlen in der Regel die Vor⸗ 
lagen, aus denen Stellen herübergenommen werden 
können. Und auch für Eröffnungsbeſchlüſſe iſt das 
ungehörige und mit Recht verpönte „Inſerieren“ 
durchaus nicht allgemein verbreitet, gleichwohl aber 
der Erwägungsſtil, auch da wo der Beſchluß ſelb⸗ 
ſtändig, ganz unabhängig von der formellen Faſſung 
der Anklageſchrift, ausgearbeitet wird. Im allge⸗ 
meinen kann man wohl den Grund für die Beliebtheit 
des Erwägungsſtils einfach darin ſuchen, daß man 
ihn überkommen hat und die meiſten es eben ſo weiter⸗ 
treiben wie ſie es vorgefunden haben, ohne darüber 
nachzudenken, ob ſie es nicht beſſer oder ſchöner machen 
könnten. Es gilt eben auch da das bekannte Natur⸗ 
geſetz von dem Beharrungsvermögen oder der — 
durchaus nicht der Faulheit; im Gegenteil, ich wun⸗ 
dere mich immer, wie ſich jemand durch dieſe ſchwer⸗ 
fällige Schreibart ſeine Arbeit ſo erſchweren mag; 
ſtatt feine Gedanken Satz für Satz flott drauflos þin- 
zuſchreiben, muß er bei jeder neuen Schachtelperiode, 
ja bei jeder neuen Wendung, immer und immer wieder 
auf fein ſchönes Machwerk von allem Anfang an zu- 
rückſehen um herauszuklügeln, wie die neue Wendung 
ſich mit all den vorausgehenden: daß, indem, nachdem 
uſw. zuſammenreimen läßt. Der hier beſprochene be⸗ 
ſondere Fall der Faſſung der Anklageſchriften und 
Eröffnungsbeſchlüſſe aber läßt ſich weder mit der 
Bequemlichkeit des „Inſerierens“ noch auch genügend 
mit der Macht der Gewohnheit erklären. Die Er⸗ 
klärung iſt wo anders zu ſuchen, und darauf möchte 
on Aufmerkſamkeit richten, nämlich im Formular⸗ 
weſen. 

Das amtliche Formular für die Anklageſchriften 
des Amtsanwalts und die Eröffnungsbeſchlüſſe des 
Amtsgerichts hierauf (Form. IX) ſowie das für die 
Eröffnungsbeſchlüſſe in Privatklageſachen (Form. XIX), 
ebenſo das für die landgerichtlichen Eröffnungs⸗ 
beſchlüſſe (Form. VI) iſt im Erwägungsſtil abgefaßt. 
Nach dieſen Muſtern angefertigte Formulare werden 
den Amtsanwälten und Amtsgerichten von den 
höheren Juſtizverwaltungsbehörden geliefert und bei 
den Landgerichten auf Soften ihrer Regie hergeſtellt. 
Der Staatsanwalt und der Richter kann nicht anders 
als ſich nach ihnen richten, mag er ſich auch noch ſo 
ſehr ihrer Fehler oder Unſchönheiten bewußt ſein 
und ſonſt auch noch ſo ſehr beſtrebt ſein, in gutem 
Deutſch zu ſchreiben. 

Hier alſo wäre einzuſetzen, wenn es beſſer werden 
ſoll. Sobald aus den Formularen der Vordruck „In 
Erwägung, daß“ verſchwindet, ſtatt deſſen in dem 
Formular der Anklageſchriſten die Formel für die 
Erhebung der Anklage und den Antrag an den An— 
fang geſtellt wird und dann das Wort „Gründe“ folgt, 
ebenſo in dem Formular der Eröffnungsbeſchlüſſe der 
Vordruck für die Formel des Beſchluſſes an den 
Anfang geſtellt und dann wieder „Gründe“ vor— 
gedruckt würde, ebenſobald würde das ganze Unge— 
Am ein 


daß das Schriftſtück infolge feiner Unverſtändlichkeit ! Tfachſten ließe ſich dies ſchon jetzt in den landgericht— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


lichen Beſchlüſſen machen, weil das für ſie vorge⸗ 
ſchriebene Formular nur den Vordruck des Kopfes 
enthält und nichts nötig wäre als die Worte „In 
Erwägung, daß“ auszuſtreichen. Anders liegt die 
Sache für Amtsanwalt und Amtsgericht, weil die für 
fie beſtimmten Formulare nicht nur den Kopf ent- 
halten, ſondern den Vordruck für den Text der ganzen 
Anklageſchrift und des ganzen Eröffnungsbeſchluſſes. 
Hier kann nur durch eine vollſtändige Umarbeitung 
der Formulare Wandel geſchaffen werden. 

Eine ſolche Umarbeitung der meiſten Formulare 
in Strafſachen tut ja ohnedies längſt not. Die 
Sprache der Zeit, aus der die Formulare ſtammen, 
hat zwar vor der heutigen den Vorzug, daß ſie ſich 


— 


E E E — — — — — 


ſtatt in den jetzt gebräuchlichen vielen abſtrakten und 
für den Laien unverſtändlichen Begriffen in konkreten, 


allgemein verſtändlichen ausdrückt. Dagegen iſt ihr 
Satzbau und die Wahl mancher unſchöner Ausdrücke 
des Kanzleideutſch für unſer heutiges Sprachgefühl 
nicht mehr muſtergültig. Außerdem gälte es dabei 
auch eine ganze Anzahl Ungenauigkeiten zu verbeſſern 
ja ſelbſt Fehler auszumerzen. So prangt, um 
bei den Anklageſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſen 
ſtehen zu bleiben, in dem Formular der amtsgericht— 
lichen Eröffnungsbeſchlüſſe in Privatklageſachen (XIX) 
und in dem entſprechenden für öffentliche Klagen (X) 
noch immer der Vorladungsbefehl des Gerichts- 


ſchreibers bzw. Amtsanwalts an den Gerichtsvollzieher 


und deſſen Vollzugsanzeige, obwohl es dergleichen 
ſeit bald neun Jahren nicht mehr gibt; ſo gehört 


der Auftrag des Amtsrichters an den Gerichts⸗ 


ſchreiber die Ladungen der Parteien und Zeugen zu 
bewirken nicht wie in Form. XIX in den Text des 
Eröffnungsbeſchluſſes und nicht wie in Form. XIX a 
mit dem Beſchluß den Parteien zugeſtellt, ſondern 
dieſer Auftrag hat nach dem Eröffnungsbeſchluß eine 
Verfügung unter einer beſonderen Ziffer zu bilden 
und geht die Parteien nichts an, iſt ihnen nicht mit⸗ 
abzuſchreiben. So erſcheint heutzutage der Ans 
geklagte nicht mehr hinreichend verdächtig, ſondern 
er iſt es; ſeine Tat begründet nicht mehr ein 
Vergehen nach Paragraph ſoundſoviel, ſondern ſie 
ift ein ſolches Vergehen; von einem Reich 3: Ges 
richtsverfaſſungsgeſetz zu reden ift überflüſſig, weil 
wir kein anderes haben; der Eröffnungsbeſchluß iſt 
dem Amtsanwalt vorzuzeigen zur Beſorgung der 
Ladungen, nicht zur Beſorgung der erforderlichen 
Ladungen, denn andere als die erforderlichen beſorgt 
er ohnedies nicht; die Ladung der „kehrſeits“ aufge— 
führten Zeugen iſt nicht „nach Maßgabe“ der dort 
bezeichneten Formulare zu bewirken, ſondern die auf 
der Rückſeite aufgeführten Zeugen ſind nach den 
dort bezeichneten Formularen zu laden. Alle ſolche 
geſchwollenen Ausdrücke vergangener Menſchenalter 
paſſen nicht mehr in unſere Zeit geläuterten Sprach— 
gefühls. Dies ſind nur einige Beiſpiele aus zwei 
von Dutzenden von Formularen. 
Fehler, Ungenauigkeiten und Unſchönheiten aus ihnen 
allen nachweiſen und Verbeſſerungsvorſchläge machen, 
ſo würde ein ganzes Heft dieſer Zeitſchrift kaum dazu 
ausreichen. 

Daß eine ſolche vollſtändige Umarbeitung der 
Formulare in Strafſachen nottut, dieſer Einſicht wird 
man ſich an den maßgebenden Stellen kaum ver— 
ſchließen. Die Möglichkeit einer baldigen neuen 
Strafprozeßordnung, welche dieſe Formulare wieder 
über den Haufen würfe, dürfte kein Hinderungsgrund 


ſein. Denn mit einer neuen Strafprozeßordnung 
rechnen wir nun ſchon ſeit ungefähr 15 Jabren ver⸗ 
geblich und wer kann wiſſen, wie lange ſie jetzt noch 
ausbleiben wird? Daß diefe Formulare eine ge- 
diegene Arbeit würden, dafür bürgen die in den letzten 
Jahren auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichts⸗ 
barkeit erlaſſenen. Sie ſind alle oder ſo ziemlich alle 
in formeller Beziehung bis in die größten Kleinig⸗ 
keiten hinein ſo muſterhaft ausgearbeitet, daß ſie auch 
bei der Prüfung des ſtrengſten Stiliſten glänzend be⸗ 
ſtehen können. 
Amtsrichter Dr. Kübel in Landau a. J. 


Aus der Praxis der Gerichte. 
Reichsgericht. | 
A. Zivilſachen. 
I. 


Zu § 313 BGB. Wenn beieinemPertrage 
über den Austauſch von Grundſtücken Einig- 
keitdarüber beſteht, daß der Wert der beiden 
Grundſtücke ſichausgleicht, fo verletzteine 
unrichtige Angabe über den Wert in der 
Vertragsurkunde die Form vorſchrift des 
8 313 BG B. nicht. 

Gründe: Nicht begründet iſt der Einwand der 
Formungültigkeit des Vertrages. Die Angabe des 
Wertes der gegeneinander ausgetauſchten Sachen ge— 
hört nicht zu den weſentlichen Beſtandteilen des Tauſch⸗ 
vertrages. Nicht der Wert der von der einen Seite 
tauſchweiſe hingegebenen Sache, ſondern die Sache 
ſelbſt bildet den Gegenwert für die von dem anderen 
Teile veräußerte Sache und tritt an die Stelle des 
Preiſes beim Kauf. Wenn beide Teile darüber einig 
ſind, daß der Wert der beiderſeits gegebenen Sachen 
ſich ausgleicht, ſo bedarf es der Aufnahme der Werts⸗ 
angaben in der Vertragsurkunde überhaupt nicht. Aus 
den Vorſchriften über die Minderung des Kaufpreiſes 
bei Gewährsmängeln (§§ 472 ff. BGB.) kann die Not⸗ 
wendigkeit nicht hergeleitet werden. Die Anwendung 
des § 472 auf den Fall des Tauſches unvertretbarer 
Sachen führt ſinngemäß zu einer Vergleichung des 
wirklichen Wertes, den die gegeneinander vertauſchten 
Sachen zur Zeit des Tauſches hatten. (Vgl. $ 473 
a. a. O.). Die im Koſten- und Stempelintereſſe er- 
forderliche Angabe des Wertes berührt das Vertrags- 
verhältnis nicht. Es hat alſo der Berufungsrichter 
die unter Eidesbeweis geſtellte Behauptung des Be— 
klagten, der Wert der auszutauſchenden Grundſtücke 
fci nur im Intereſſe der Koſtenerſparnis im Vertrage 
auf 36000 M anſtatt, wie verabredet, auf 48000 M 
angegeben, mit Recht für unerheblich erachtet, und es 
liegt die gerügte Verletzung des § 313 BGB. nicht 


vor. (Urt. des V. 8S. vom 17. Oktober 1908, V 


Wollte man die 


607.07). 
1438 


— — — . 


II. 


Unter welchen . haftet der Mann 
aus den von der Frau mit ſeinem Namen unterzeichneten 
Akjepten? Aus den Gründen: Die Annahme, daß 
dem Beklagten gegen den Kläger aus dem Geſchäfts⸗ 
verkehr eine perſönliche Forderung von 7720 M nebſt 
Zinſen zuſteht, gründet das OLG. u. a. auf die 13 
Wechſel, die als Akzepte den Namen des Klägers tragen. 
Das Gericht erachtet für erwieſen, daß die Akzepte 
von der Frau des Klägers mit deſſen Genehmigung 


abgegeben find und daß es fih dabei nicht um Gefällig⸗ 
keitsakzepte, ſondern um Prolongationen älterer zur 
Verfallzeit nicht eingelöſter Wechſel handelt. Als 
Schuldgrund kommen ſie für den Anſpruch auf 6% 
Zinſen und für die mitberechneten Wechſelproteſtkoſten 
in Betracht. Inſoweit war zu der Frage Stellung 
zu nehmen, ob der Kläger durch die von ſeiner Frau 
mit ſeinem Namen abgegebenen Akzepte wechſelrechtlich 
verpflichtet ift. Nach den von der Reviſion heran— 
gezogenen Urteilen des I. 35. (RGE. Bd. 50 Nr. 14 
und Bd. 58 Nr. 99) iſt dem Erfordernis der Schrift— 
form gemäß dem in dieſer Beziehung auch auf dem 
Gebiete des Wechſelrechts maßgebenden $ 126 BGB. 
dadurch genügt, daß ein bevollmächtigter Vertreter 
den Namen des Vertretenen als Akzept auf den Wechſel 
geſetzt hat, während eine eigenhändige Unterſchrift des 
Ausſtellers im Sinne des § 126 nicht vorliegt, wenn 
ſich der durch das Akzept Bezeichnete zu deſſen Her— 
ſtellung lediglich einer fremden Hand als Schreibhilfe 
bedient hat. Der Senat hat keine Veranlaſſung ge— 
funden, ſich auf einen abweichenden Standpunkt zu 
ſtellen, ſondern im Anſchluß an jene Rechtſprechung 
angenommen, daß der Kläger, der nach der Feſtſtellung 
des OLG. die Akzeptierung der 13 Wechſel durch feine 
Frau genehmigt hat, aus den Akzepten auch wechſel— 
rechtlich verpflichtet iſt. Die Feſtſtellung des OLG. 
läßt keinen Zweifel darüber, daß des Klägers Frau 
bei der Akzeptierung nicht als bloßes Werkzeug tätig 
geweſen iſt, ſondern als Vertreterin ihres Mannes 
im Willen gehandelt hat. Und darauf, ob die Ge— 
nehmigung des Klägers zur Akzeptierung im Sinne 
einer Voll machtserteilung vorher oder im geſetzlichen 
Sinne ($ 184 BGB.) nachträglich erteilt iſt, kommt 
es nicht an, da die nachträgliche Genehmigung auf 
den Zeitpunkt der Akzeptierung zurückwirkt (8 184) 
und die fehlende Vollmacht erſetzt (SS 177, 180). So⸗ 
wohl die Vollmacht als auch die (nachträgliche) Ge— 
nehmigung konnte auch durch Erklärung des Klägers 
gegenüber feiner Frau erteilt werden (SS 167, 182) 
und dieſe Erklärung bedurfte keiner beſonderen Form. 
Der Vorwurf der Reviſion, die Genehmigung ſei nicht 
aus ſchlüſſigen Tatſachen gefolgert, iſt hinfällig. Das 
OLG. hat in dieſer Beziehung namentlich feſtgeſtellt, 
daß der Beklagte für das von der Frau geleitete Ge— 
ſchäft des Klägers Waren geliefert und Darlehen ge— 
währt, daß der Kläger ſelbſt zwecks Begleichung der 
Schuld Wechſelakzepte gegeben hatte, die zur Verfall— 
zeit nicht eingelöſt wurden, daß an Stelle dieſer 
Wechſel und weiterer zur Verfallzeit nicht eingelöſter 
Prolongationswechſel bis zu jenen 13 Wechſeln hin 
von der Frau namens des Klägers ſtets wieder Af- 
zepte gegeben worden ſind und der Kläger hiervon 
jedenfalls durch die die erwachſenen Wechſelſpeſen mit— 
hinein beziehenden, ihm vom Beklagten überſandten 
Kontoauszüge Kenntnis erhalten hat, ohne jemals 
Widerſpruch zu erheben. Dies ſind Tatſachen, die den 
Schluß nicht nur auf die Kenntnis des Klägers von 
dieſen von ſeiner Frau in ſeinem Namen und in ſeinem 
Intereſſe vorgenommenen Wechſelgeſchäften, ſondern 
auch auf ſein Einverſtändnis damit ſehr wohl zu be— 
gründen geeignet ſind. Ohne Grund beruft ſich die 
Reviſion auf das Urteil des Senates vom 5. Ok— 
tober 1904 (bei Gruchot Bd. 49 S. 669 f.), und, wenn 
in dieſem Urteile weiter die Feſtſtellung derjenigen 
Handlungen und Erklärungen gefordert iſt, in denen 
die Genehmigung gefunden wird, ſo entſpricht das 
angefochtene Urteil auch dieſem Erfordernis; denn hin— 
ſichtlich eines Teiles der 13 Wechſel iſt eine aus— 
drückliche Genehmigung des Klägers feſtgeſtellt und 
im übrigen konnte bei Lage der Sache die Geneh— 
migung ſehr wohl, wie geſchehen, in dem Unterlaſſen 
jedes Widerſpruchs auf die Mitteilung der Konto— 
auszüge gefunden werden. (Urt. des V. 35. vom 
11. Juli 1908, V 545/07). — — — n. 
1432 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


463 


III. 


Beweislaft für das Vorliegen einer Verzeihung im 
Eheprozeſſe. Aus den Gründen: Den Beweis dafür, 
daß es zu einer Ausſöhnung zwiſchen den Parteien 
gekommen iſt, entnimmt das OLG. daraus, daß der 
Kläger in Begleitung ſeiner Frau eine Wohnung in 
B. beſichtigt und gemietet hat und daß die Beklagte 
am gleichen Tage in B. in Gegenwart des Klägers 
ihr Zeugnis in dem Strafverfahren verweigert hat, 
das gegen dieſen wegen einer ihr zugefügten Miß— 
handlung eingeleitet war. Bezüglich des Mietens der 
Wohnung bemerkt das OL G., es fei zwar von keiner 
Seite beſonders hervorgehoben, daß es ſich um eine 
Familienwohnung gehandelt habe, aber nach Lage 
der Sache beim Fehlen einer entgegenſtehenden Be— 
hauptung ſei dies zu unterſtellen. Die Reviſion wendet 
ſich hiergegen mit der Ausführung, in der Erwiderung 
der Beklagten, daß aus dem Mieten nichts geworden 
fei, liege ein Beſtreiten des Moments der Familiens 
wohnung. Dem Kläger habe daher der Beweis ob— 
gelegen, daß die fragliche Wohnung eine Familien- 
wohnung geweſen ſei. Allein ein beſonderer Beweis 
war hierfür, ſelbſt wenn in jener Erwiderung ein 
Beſtreiten geſehen werden könnte, nicht zu verlangen, 
da der Sachverhalt unzweideutig ergibt, daß die Be— 
ſichtigung und das Mieten der Wohnung im gemein— 
ſchaftlichen Intereſſe erfolgt iſt. Die Reviſion meint 
ferner, aus der Zeugnisweigerung, welche die ver— 
ſchiedenſten Gründe gehabt haben könne, ſei für eine 
Ausſöhnung nichts zu folgern. Dabei überſieht ſie, 
daß das OLG. hierfür nicht bloß die Zeugnisweigerung, 
ſondern auch das zeitlich zuſammenfallende Mieten der 
Wohnung verwertet. Dieſe beiden Umſtände konnten 
ihm ſehr wohl die Ueberzeugung davon verſchaffen, 
daß es in der Tat zu einer Ausſöhnung gekommen 
war, daß die Beklagte nicht bloß für die Zukunft eine 
Ausſöhnung in Ausſicht geſtellt hatte. Die hiergegen 
erhobenen Angriffe können keinen Erfolg haben. Be— 
denklich find allerdings die am Schluſſe des Berufungs- 
urteils enthaltenen Ausführungen, es ſei nicht aus— 
geſchloſſen, daß die Beklagte nur aus Furcht vor Miß— 
handlungen oder aus anderen Gründen, ohne die 
Abſicht dem Kläger zu verzeihen, ihr Zeugnis ver— 
weigert und mit ihm die Wohnung beſichtigt habe. 
Dies ſei aber nicht zu unterſtellen, ſondern wäre von 
der Beklagten darzulegen geweſen, die jedoch nichts 
derartiges vorgebracht habe. Eine derartige Teilung 
der Beweislaſt, daß der die Verzeihung Behauptende 
nur den äußeren Vorgang der Verzeihung nachzuweiſen 
hat und demgegenüber der Beweis, daß der äußere 
Vorgang eine Verzeihung nicht bedeutet, dem Gegner 
zufällt, würde den im Eheprozeſſe zu ſtellenden Be— 
weisanforderungen widerſprechen. Nachzuweiſen iſt, 
daß nach den Umſtänden des Falles eine Verzeihung 
vorliegt. Das Gericht hat zu prüfen, ob nach dem 
geſamten Sachverhalt eine Verzeihung anzu— 
nehmen iſt, ob das Verhalten des verletzten Ehegatten 
erkennen läßt, daß er die Verfehlungen des anderen 
nicht mehr als ehezerrüttend empfindet. Selbſtver— 
ſtändlich hat das Gericht bei Beurteilung des Sach— 
verhalts auch darauf Rückſicht zu nehmen, daß beſondere 
Einwendungen, durch welche das Vorhandenſein einer 
Verzeihung ausgeſchloſſen wird, nicht vorgebracht find. 
Daraus folgt jedoch nicht, daß den Gegner eine eigent— 
liche Beweislaſt trifft. Es ift ihm nur freigeſtellt, die 
Darlegung, die zur Annahme einer Verzeihung führt, 
durch den Nachweis eines gegenteiligen Sachverhalts 
zu widerlegen. In einem anderen Sinne ſind aber auch 
die Ausführungen des OLG. nicht aufzufaſſen, wenn 
ſchon die Ausdrucksweiſe nicht ganz zutreffend ijt. 
(Urt. des IV. 35. vom 28. September 1908, IV 642/07). 

1430 


— — er II. 


464 


IV. 


Feſtſtellung der Erklärung des Teſtators, daß er 
nicht ſchreiben könne. Bedentung des Handzeichens. 
J. M. errichtete zu gerichtlichem Protokoll ein Teſta⸗ 
ment. Der Schlußſatz des Protokolls lautete: „Hier⸗ 
auf wurde das Protokoll dem Erblaſſer vorgeleſen, 
von ihm mündlich genehmigt und, wie folgt, eigen⸗ 
händig mit dem Handzeichen + + + verfehen, welches 
die unterzeichneten Gerichtsperſonen als dasjenige des 
ſchreibensunkundigen Erblaſſers J. M. beſtätigten. 

Geſchloſſen: 
J. .. Amtsrichter. S. .. Gerichtsſchreiber“. 

Nach dem Tode des Erblaſſers ergab ſich Streit 
über die Gültigkeit des Teſtaments. Das OLG. er⸗ 
klärte es für gültig. Das RG. billigte diefe AMn- 
ſchauung und führte aus: 

Die Reviſion rügt Verletzung des $ 2242 Abſ. 2 
des BGB. Sie macht geltend, das Protokoll vom 
16. Oktober 1905 enthalte nicht die geſetzlich erforder⸗ 
liche Feſtſtellung der Erklärung des Erblaſſers, daß 
er nicht ſchreiben könne. Der Angriff konnte keinen 
Erfolg haben. Für die Formgültigkeit des Teſtaments 
eines Schreibensunkundigen kommt es allerdings gerade 
auf deſſen Erklärung an. Es iſt aber nicht erforder: 
lich, daß dieſe Erklärung mit beſtimmten rechtsförm⸗ 
lichen Worten in dem Protokoll Ausdruck gefunden 
hat; es genügt vielmehr, daß die Feſtſtellung der Er⸗ 
klärung irgendwie in einer ſchlüſſigen und zweifels⸗ 
freien Weiſe aus dem Protokolle hervorgeht. Ins— 
beſondere kann unter Umſtänden die Unterkreuzung 
des Protokolls durch den Erblaſſer mit ſeinem Hand— 
zeichen von Bedeutung fein. Das OLG. erblickt in 
der ſich in dem Schlußvermerke des Protokolls finden⸗ 
den Unterzeichnung des Erblaſſers mit drei Kreuzen 
in Verbindung mit den unmittelbar vorausgehenden 
und nachfolgenden Worten des Vermerks zunächſt die 
Erklärung des Erblaſſers gegenüber dem das Teſta— 
Pa aufnehmenden Richter, daß er nicht ſchreiben 
önne, 
tokolle zu entnehmende Feſtſtellung dieſer Erklärung 
des Erblaſſers. Die Auslegung, zu der der Tatrichter 
gelangt iſt, war nach dem geſamten Inhalte des Pro— 
tokolls möglich und, da ihr eine rechtsirrtümliche Auf— 
faſſung des § 2242 BGB. nicht zugrunde liegt, für 
das Reviſionsgericht maßgebend. (Urt. des IV. 38. 


vom 2. Juli 1908, IV 580/07). — —— n 
1428 
V. 
Begriff des „mit einem Grundſtücke verbundenen 


Werkes“ i. S. des 8 836 BGB. (Zelt). Haftung des 
Mieters nach 8 837 HGY. Am 16. Juli 1905 ſtürzte 
in A. infolge eines Sturmes das Dach des mit Leinen 
umſpannten Reſtaurationszelts ein, welches der Be— 
klagte zum dortigen Kinderfeſt auf dem von der Ge— 
meinde A. ihm hierfür vermieteten Platze errichtet hatte. 
Die Frau des Klägers wurde von einer niederfallenden 
Zeltitange verletzt. Der Anſpruch auf Schadenserſatz 
wurde vom LG. und OLG. dem Grunde nach für ge— 
rechtfertigt erklärt. Die Reviſion blieb erfolglos. 
Aus den Gründen: 1. Zu Unrecht meint die 
Reviſion, daß das Reſtaurationszelt mit Rückſicht auf 
ſeine Beſchaffenheit und ſeinen vorübergehenden Zweck 
kein mit dem Grundſtück verbundenes Werk im Sinne 
des 8 836 BGB. fei und deshalb die Anwendbarkeit 
dieſer Vorſchrift entfalle. § 836 findet nicht bloß An- 
wendung auf Bauwerke, ſondern auf ein jedes mit 
dem Grundſtück verbundene Werk, das durch menſch— 
liche Tätigkeit zu einem beſtimmten Gebrauchszweck 
geſchaffen iſt und deſſen Herſtellung nach gewiſſen 
techniſchen Regeln zu erfolgen hat. Darauf, daß ein 
ſolches Werk für längere oder kürzere Dauer beſtimmt 
iſt, kann es nicht ankommen. Es kann hiernach keinem 
Zweifel unterliegen, daß das durch Einlaſſen der Pfähle 


und ſodann die unzweideutig aus dem Pro⸗ 


S Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


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in das Erdreich mit dem Grund und Boden ver⸗ 
bundene, zum Gebrauche bei dem Kinderfeſt in A. 
kunſtgerecht hergeſtellte Reſtaurationszelt des Beklagten 
unter die Vorſchrift des 8 836 fällt. 2. Unbegründet 
iſt ferner die Anſicht der Reviſion, daß der Beklagte 
für den Unfall nicht hafte, weil er nur Mieter des 
vielfach vorher anderweit vermieteten Zeltes geweſen 
fei. 8 837 BGB. beſtimmt, daß, wenn jemand auf einem 
fremden Grundſtück in Ausübung eines Rechts ein 
Gebäude oder ein anderes Werk beſitzt, ihn an Stelle 
des Beſitzers des Grundſtücks die in $ 836 verordnete 
Verantwortlichkeit trifft. Dieſer Fall liegt hier vor. 
Unbeſtritten hat der Beklagte den Platz für Er- 
richtung des Reſtaurationszelts von der Gemeinde A. 
gemietet. Damit iſt die Verantwortung für gehörige 
Errichtung und Unterhaltung des Zelts, womit die 
Gemeinde A. nichts zu tun hat, dem Beklagten, der 
in Ausübung ſeines Rechts als Mieter das Zelt mit 
dem Grundſtücke der Gemeinde A. verbunden hat 
(S 95 BGB.), als ſelbſtändigem Beſitzer dieſes Werks zu⸗ 
gefallen. Ohne jede Bedeutung iſt, daß er die einzelnen 
Materialien zu dem Zelt von dem Wirt St. gemietet 
hat, der aus dieſem Vermieten ein Geſchäft macht. 
Hierdurch ift der Vermieter nicht der Beſitzer des auf- 
geſtellten Zeltes geworden. Ein abweichender Grund— 
fatz iſt auch nicht in dem von der Reviſion angezogenen 
Urteil Bd. 59 S. 9 der RGE. ausgeſprochen, in wel chem 
das Verhältnis des Mieters des Hauſes zu dem bez- 
ſitzenden Hauseigentümer erörtert iſt und in welchem 
anerkannt iſt, daß der Mieter, wenn er in Ausübung 
eines Rechts an einem fremden Grundſtücke ein Ge⸗ 
bäude mit dieſem verbunden hat, Eigenbeſitzer des 
Gebäudes wird. (Urt. des IV. ZS. vom 21. September 
1908, IV. 153/08). 
1429 


B. Strafſachen. 
I. 


Beag. - Preßzvergehen (§ 22 des RPreßG. 
vom 7. Mai 

Aus 5 per: Durch den Spruch der 
Geſchworenen iſt V. ſchuldig erkannt, Ende Auguſt 
oder Anfang September 1906 in K. eine unzüchtige 
Schrift ... zum Zwecke der Verbreitung hergeſtellt 
und odann dieſe Schrift verteilt zu haben. Das an⸗ 
gefochtene Urteil zieht den Angeklagten aus § 184 
Abſ. 1 Nr. 1 StGB. zur Verantwortung, wozu es aus- 
führt: die ſtrafbaren Handlungen ſeien Ende Auguſt 
oder Anfang September 1906 verübt worden und vor 
dem 9. März 1907, dem Tage der Eröffnung der Vor⸗ 
unterſuchung, habe keine richterliche Handlung gegen ihn 
ſtattgefunden; gleichwohl komme ihm „die Wohltat 
des § 22 des PreßG.“ nicht zuſtatten, weil feine „in 
mehrere Einzelakte zerfallende fortgeſetzte Handlung“ 
nur einheitlich verjähren könne und „für einen ihrer 
Einzelakte — das Herſtellen der unzüchtigen Druck⸗ 
ſchrift — die Friſt des § 22 nicht zutreffe, mithin der 
Angeklagte die ſpäteſte Verjährung gegen ſich gelten 
laſſen müſſe“. Dieſe Ausführungen ſtehen in Wider⸗ 
ſpruch mit der Rechtsanſicht, die in einem ähnlichen 
Falle das Reichsgericht durch Erkenntnis vom 3. Juni 
1905 aufgeſtellt und ausführlich begründet hat (E. 38 
S. 72). Wie hier nachgewieſen iſt, verjährt die ſtraf⸗ 
bare Herſtellung von Druckſchriften unzüchtigen Inhalts 
gemäß $ 22 des Geſetzes über die Preſſe innerhalb 
6 Monaten mindeſtens dann, wenn ſich an ſie in einer 
einheitlichen Handlung das Verbreiten anſchließt. 
Letzteres trifft hier nach dem Spruche der Geſchworenen 
zu. Demzufolge war das Urteil — unbeſchadet der 
tatſächlichen Feſtſtellungen — aufzuheben und der An- 
geklagte wegen eingetretener Verjährung .... frei- 
zuſprechen. (Urt. des I. St S. v. 7. Mai 1908, 1 D 183/08). 

1109 B. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


II 


Auslegung des Abl. III des 8 3 Wein.; Verwendung 

von Treſterwein zur Bereitung von Wermntwein und 
Wermutlikör; Möglichkeit der Verwechslung von Treſter⸗ 
wafer mit Wein. 1. Für die Anwendbarkeit des 8 3 
Wein. ift es gleichgültig, wie der Täter den verbots⸗ 
widrig hergeſtellten Wein verwenden will, ſoſerne nur 
das Erzeugnis überhaupt zur gewerblichen Verwertung 
beſtimmt iſt. Das ergibt ſich aus dem Zwecke des 
Verbots. Um zu verhüten, daß Kunſtwein in den 
Handel gelangt, iſt ſchon ſeine Herſtellung unterſagt. 
Daher muß es für die Strafbarkeit des Herſtellers 
belanglos ſein, ob er bei der Zubereitung die Abſicht 
verfolgt, ſein Erzeugnis als „Wein“ abzuſetzen oder 
ob er in dieſem Zeitpunkte etwa deſſen weitere Ver⸗ 
arbeitung für die Zeit nach der Vollendung in Ausſicht 
genommen hat. Denn die Tatſache allein, daß der 
Herſteller eine beſtimmte Art der Verwendung des 
fertigen Erzeugniſſes vorſieht, hebt die Verwendbarkeit 
zur gewerblichen Veräußerung als Wein nicht auf. 
Durch § 3 Abſ. III Wein. wird die Richtigkeit dieſer 
Auffaſſung des geſetzlichen Verbots beſtätigt. Nicht 
der Verkauf von Treſterwein an die Branntwein⸗ 
brennereien zum Zwecke der Deſtillation iſt zugelaſſen, 
ſondern es ſoll nur die Verwertung der Treſter als 
Rohſtoff innerhalb der Brennereien ermöglicht, alſo 
dieſen die gewerbsmäßige Herſtellung von Treſterwein 
als Zwiſchenfabrikat geſtattet werden, jedoch nur 
ſoweit, als durch die Kontrolle der Steuerbehörde 
Sicherheit dafür geſchaffen iſt, daß der zubereitete 
Treſterwein auch in der Tat zu Branntwein verarbeitet 
wird und nicht eher und anders in den Verkehr gelangt, 
als nachdem ihm die weſentlichen Eigenſchaften des 
Weins genommen ſind und jede Gefahr beſeitigt iſt, 
daß das fertige Erzeugnis im Verkehr mit Wein ver⸗ 
wechſelt werden kann. Dieſe Sicherheit fehlt, wenn 
die Herſtellung von Treſterwein außerhalb der 
Brennereien ſtattfindet; ſie kann durch die Abſicht des 
Herſtellenden, den Treſterwein zur demnächſtigen ge⸗ 
werblichen Umarbeitung zu verwenden, nicht erſetzt 
werden. Der Verteidiger ſucht aus der Entſcheidung 
Bd. 37 S. 422/24 die gegenteilige Anſicht zu be⸗ 
ründen. Dabei überſieht er, daß nicht in Frage 
ommt, ob Wermut wein oder Wermutlikör als 
Wein, weinhaltige oder weinähnliche Getränke zu gelten 
haben, ſondern nur, ob die Herſtellung des von dem 
Angeklagten durch Auslaugung von Treſtern und 
Gärung gewonnenen Erzeugniſſes dadurch erlaubt 
wurde, daß der Angeklagte dieſes zur Bereitung von 
Wermutwein oder Wermutlikör gewerblich verwenden 
wollte. Darauf bezieht ſich die angezogene Entſchei⸗ 
dung nicht. 

2. Hiernach hat ſich das Urteil zutreffend auf die 
Prüfung der Frage beſchränkt, ob das von dem An- 
geklagten durch Aufguß von Waſſer auf Treſter her- 
geſtellte Erzeugnis als „Wein“ hergeſtellt iſt oder als 
Nachahmung von ſolchem zu gelten hat. Die Frage 
iſt aus zutreffenden Gründen bejaht worden. Wenn 
die durch Auslaugung der Treſter gewonnene Flüſſig⸗ 
keit die alkoholiſche Gärung durchgemacht hat (Zreiter- 
brühe, Treſterwaſſer), ſo kann ſie erfahrungsgemäß 
als ein Getränk gelten, das ſich äußerlich als durch 
Gärung ordnungsmäßig gewonnenen Traubenmoſtes 
in erlaubter Herſtellungsart erzeugter Wein darſtellt. 
Die Herſtellung des Treſterwaſſers fällt in dieſem 
Falle unter das geſetzliche Verbot, mag immerhin 
ſeine Verwendung regelmäßig auch nur die ſein, mit 
anderem geſtreckten Wein verſchnitten und ſo in den 
Verkehr gebracht zu werden. Ob im Einzelfall die 
Möglichkeit ausgeſchloſſen iſt, daß das Treſterwaſſer 
als Wein angeſehen und mit ſolchem verwechſelt 
werden kann, darüber hat der Tatrichter unter Zu— 
grundelegung der Geſamterſcheinung des Erzeugniſſes 
zu entſcheiden und er wird dabei auf die Eigenſchaften, 


465 


die den Wein beſonders kennzeichnen, alſo Farbe und 
Ausſehen, Geruch und Geſchmack Rückſicht zu nehmen 


haben. (Urt. des I. Sts. vom 24. September 1908, 
1D. 530/08). H. 
1422 


III 


Zum Begriffe des „hinterliſtigen Ueberfalls“ und 
der „das Leben gefährdenden Behandlung“ im Sinne 
des 5 223 a StSB. Aus den Gründen: 1. Zum 
Begriffe des hinterliſtigen Ueberfalles gehört ein 
plötzlicher, von dem Angegriffenen nicht vermuteter 
Ueberfall, der mit einer gewiſſen Liſt, wie Auflauern 
oder Heranſchleichen, verbunden iſt und wobei die 
Abſicht des Täters hervortritt, dem Angegriffenen die 
Möglichkeit der Abwehr zu nehmen. Zu dem Vor- 
ſatze der Körperverletzung hat noch hinzuzutreten, daß 
die Handlung des Täters verſteckt iſt und der andere 
Teil die Liſt erſt dann erkennt, wenn ihr Zweck erreicht 
oder wenigſtens geſichert ift (vgl. E. 2 S. 74, 22 S. 311). 
Die hiernach erforderliche Willensrichtung und Tätig- 
keit des Angeklagten iſt genügend feſtgeſtellt. Er hat 
ſich in dem Keller, in den er ſich unberechtigterweiſe 
begeben, verborgen, als die Frau Sp. den Keller 
betrat, hat dann, um einen Angriff auf ſie zu begehen, 
ſich an die Abteilung herangeſchlichen, wo ſie arbeitete, 
und, als ſie, durch ein Geräuſch ängſtlich geworden, 
den Keller verlaſſen wollte, ſich in einer Niſche des 
Kellers in die Ecke gedrückt, um ſich ſo verborgen zu 
halten, die Sp. vorübergehen zu laffen und von rück- 
wärts zu überfallen. Die Tatſache, daß ſie im letzten 
Augenblicke beim Schein ihres Lichtes den fremden 
Mann ſah, iſt nicht geeignet, das weſentlich in dem 
Willen des Täters liegende Tatbeſtandsmerkmal des 
hinterliſtigen Ueberfalls zu beſeitigen. Der Angeklagte 
hat ſofort, als er bemerkte, daß die Sp. ihn ſah, ſie 
überfallen und ſeine Abſicht, ihr die Möglichkeit der 
Abwehr zu nehmen, auch inſofern verwirklicht, als ſie 
durch das Würgen und Droſſeln am Halſe verhindert 
wurde, um Hilfe zu ſchreien. 

2. Der erſte Richter hat aus der Art des Angriffes 
des Angeklagten, insbeſondere dem Droſſeln und 
Würgen am Halſe der Sp., der Schwächlichkeit der 
Frau, der Stärke und Dauer des Würgens und auch 
aus deſſen Wirkungen geſchloſſen, daß der Angriff 
geeignet war, bei der Sp. die Erſtickungsgefahr herbei- 
zuführen und aufs höchſte zu ſteigern. Damit iſt eine 
das Leben gefährdende Behandlung feſtgeſtellt (vgl. 
E. 6 S. 396). In ſubjektiver Beziehung iſt das Be⸗ 
wußtſein des Täters, daß fein Handeln eine Lebens- 
gefährdung der angegriffenen Perſon enthalte, nicht 
erforderlich (vgl. E. 10 S. 100, 17 S. 279). Daß 
aber der Angeklagte die Tat, wie er ſie begangen hat, 
mit ihren Wirkungen in ſeinen Willen aufgenommen 
hat, kann nach den Feſtſtellungen des angefochtenen 
Urteils nicht zweifelhaft fein. (Urteil des Fer S. vo 
11. Auguſt 1908, 1 D. 642/08). B. 

1411 


IV. 


Iſt ein in eine öffentliche Irrenauſtalt eingeſchaffter 
gemeingefährlicher Geiſteskranker ein Gefangener im 
Sinne des § 347 StGB.? Aus den Gründen: 
Die Freiheitsentziehung, die dem Begriffe eines Ge— 
fangenen in den SS 120, 121, 122 und 347 StGB. 
zugrunde liegt, muß die Folge eines geſetzlichen Eingriffs 
des Staates, ſeiner Straf- und Polizeigewalt ſein; 
die Staatsgewalt iſt Angriffsobjekt. Dies ſtaatliche 
Haftrecht findet ſeine geſetzliche Grundlage in der Ver— 
faſſung und anderen Geſetzen öffentlichrechtlichen 
Charakters. In Baden ſteht die perſönliche Freiheit 
unter dem Schutze der Verfaſſung vom 22. Auguſt 1818, 
$ 13. Die Aufnahme von Geiſteskranken in Irren— 
anſtalten iſt in der landesh. VO. vom 3. Oktober 1895 
— das Verfahren bei Aufnahmen von Geiſteskranken 


466 


und Geiſtesſchwachen in öffentliche und private Irren⸗ 


und Krankenanſtalten betr. — geregelt. Nach 8 3! 
dieſer VO. kann das Bezirksamt die Aufnahme eines 
gefährlichen Kranken in eine öffentliche Irrenanſtalt 
anordnen. Dies iſt hier geſchehen. E. G. befindet 
fih mit kurzen Unterbrechungen feit dem ... in der 
Heil⸗ und Pflegeanſtalt E., ſeine Belaſſung iſt durch 
Entſchließung des Bezirksamts K. vom ... angeordnet 
worden. In dieſe Heilanſtalt können u. a. Seelen- 
geſtörte aufgenommen werden, die für ſich und andere 
gefährlich ſind; zu dieſen gehört nach dem Urteil der 


genannte Kranke, er iſt dem Eigentum ſeiner Mit⸗ 


menſchen in hohem Grade gefährlich. Nach den in 
Entſch. Bd. 39 S. 7 vom Senate ausgeſprochenen 
Grundſätzen iſt er deshalb Gefangener. Seine Feſt— 
haltung iſt im geſetzmäßigen Verfahren von den zu— 
ſtändigen Behörden zum Schutze der Geſellſchaft gegen 
einen gemeingefährlichen Irren angeordnet worden; 
die ſtaatliche Haftgewalt, die das Angriffsobjekt der 
Tat bildet, ift verletzt. (Urt. des I. StS. vom 


5. Oktober 1908, 1 D. 507/08). B. 
1436 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 
1 


Wie kaun eine nach älterem Rechte auf Beran: 
laſſung des Nachlaßgerichts im Hypsthekenbuche (nun 


Grundbuch) eingetragene nurichtige Beſitztitelberichtigung 
geändert werden? (G BO. § 36, S 22). Der verſtorbene 


Austrägler Georg L. in N. hat in ſeinem notariellen 
Teſtamente die fünf Kinder ſeiner vor ihm verſtorbenen 
Tochter als Erben eingeſetzt, die Stiſtung eines „Jahr— 
tags“ angeordnet und beſtimmt, daß die in ſeinem 
Nachlaſſe befindlichen Grundſtücke „der Erbteil des— 


jenigen von den Kindern ſein ſollen, das das elterliche 


Anweſen Hs.⸗Nr. 10 in N. übernimmt, wogegen dieſes 
Kind von dem übrigen Nachlaſſe nichts miterbt, gleich— 
wohl aber von den Nachlaßverbindlichkeiten und der 
Jahrtagſtiftung ebenſoviel zu tragen hat, als jedes 
ſeiner vier Geſchwiſter“. Zum Nachlaſſe gehörten u. a. 
eine Hypothekenforderung von 925 M und die Grund- 
ſtücke Pl.⸗Nr. 1395 der StG. P. und Pl.-Nr. 355 473 
der StG. D. Bei der Eröffnung des Teſtaments durch 
das Nachlaßgericht beantragten die Erben, „da ſich das 
Anweſen Nr. 10 in N. noch im Beſitze des Bauers 
Joſeph S. befinde und zurzeit noch ungewiß ſei, wer 
dieſes Anweſen übernimmt“, die Grundſtücke und die 
Hypothekenforderung auf die fünf Erben zu gleichen 
Teilen umzuſchreiben. Auf Erſuchen des Nachlaß— 
gerichts wurde die beantragte Umſchreibung in An- 
ſehung der drei Grundſtücke in den Hypothekenbüchern 
(nun Grundbüchern) vollzogen. Am 6. Oktober 1904 
übergab der Bauer Joſeph S. das Anweſen Hs.-Nr. 10 
in N. ſeinem Stiefſohne Friedrich St., einem der 
Erben. Friedrich St. und ſeine mit ihm in allge— 
meiner Gütergemeinſchaft lebende Frau beſtellten als 
nunmehrige Eigentümer des Anweſens und der von 
Georg L. hinterlaſſenen Grundſtücke am 27. Mai 1908 
einer Bank für ein Darlehen Hypothek an dieſem ge— 
ſamten Grundbeſitze. Um die Eintragung der Hypothek 


auf den Blättern für die Nachlaßgrundſtücke zu er- 


wirken, ließ Friedrich St. unter Vorlegung der Urkunde 
vom 27. Mai 1908, des Uebergabsvertrags vom 
6. Oktober 1904, einer beglaubigten Abſchrift des 
Teſtaments des Georg L. und der Protokolle des 
Nachlaßgerichts über die Eröffnung des Teſtaments 
und die Nachlaßverhandlungen und Bezugnahme auf 
die Nachlaßakten bei den Grundbuchämtern N. und K. 
die Berichtigung des Grundbuchs dahin beantragen, 
daß das Eigentum an den drei von Georg L. hinter— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


laſſenen Grundſtücken uunmehr ihm und ſeiner Frau 
zuſtehe. Das GBA. N. (für die StG. P.) gab dem 
Antrage ſtatt, dagegen lehnte das GBA. K. die bean⸗ 
tragte Berichtigung ab, weil nach den für die erb— 
rechtlichen Verhältniſſe maßgebenden Vorſchriften des 
früheren Rechtes zur Eintragung von Verfügungen 
über Nachlaßgrundſtücke ein Erbſchaftszeugnis erforder- 
lich ſei. Die Beſchwerde des Friedrich St. wurde 
anrüdfgemiefen. Das LG. billigte die Ablehnung der 
Berichtigung, weil aus dem Teſtamente des Georg L. 
nicht zu entnehmen ſei, „ob die an Friedrich St. ge⸗ 
machten Zuwendungen als Erbeinſetzung, Prälegat, 
Legat, Teilungsanordnung oder was ſonſt anderes zu 
erachten ſind“. Das Oberſte Landesgericht hat auch 
die weitere Beſchwerde des Friedrich St. zurückgewieſen. 

Gründe: Das LG. iſt mit Recht davon ausge- 
gangen, daß für die Eintragung eines nach den erb— 
rechtlichen Vorſchriften des früheren Rechtes einge— 
tretenen Eigentumsüberganges in das Grundbuch nicht 
die dem Hypothekenrechte des früheren Rechtes ange— 
hörende Vorſchrift des 8 141 HypG. maßgebend, 
ſondern der $ 36 GBO. entſprechend anzuwenden ift. 
Es kann ihm aber darin nicht zugeſtimmt werden, 
daß es wegen Zweifels über die Auslegung der letzt— 
willigen Verfügung des Georg L. die Beibringung 
eines Erbſchaftszeugniſſes für erforderlich erachtet hat. 
Es ſteht nicht eine Zweifelhaftigkeit des Inhalts der 


Verfügung in Frage, zu deren Aufklärung außerhalb 


des Teſtaments liegende Umſtände in Betracht zu 
ziehen find, ſondern es handelt ſich nur um die redt- 
liche Beurteilung des in dem Teſtamente klar ausge— 
ſprochenen Willens des Erblaſſers. Der Beantwortung 
einer ſolchen Rechtsfrage darf das GBA. ſich nicht 
durch das Verlangen eines Erbſcheines oder eines 
Erbſchaftszeugniſſes des früheren Rechtes entſchlagen. 
Georg L. hat ſeine fünf Enkel als Erben eingeſetzt 
und für den Fall, daß einer von ihnen das Anweſen 
Hs.⸗Nr. 10 in N. übernehmen werde, wie die Beſtim⸗ 
mung über die Haftung des Uebernehmers für die 
Nachlaßverbindlichkeiten zeigt, nicht den Uebernehmer 
mit einem Erbſchaftsvermächtniſſe zugunſten der 
Geſchwiſter beſchwert, ſondern die Nachlaßgegenſtände 
durch Vorausvermächtniſſe nach BL R. III K. 6 8 5 
Nr. 3 unter die Erben verteilt, indem er die Grund— 
ſtücke dem Uebernehmer des Anweſens und die übrigen 
Nachlaßgegenſtände den Geſchwiſtern zugewieſen hat. 
Mit dem Eintritte der Bedingung durch den Ueber— 
gabsvertrag vom 6. Oktober 1904 hat daher der 
Beſchwerdeführer das Eigentum an den Grundſtücken 
erlangt. Gleichwohl iſt die Ablehnung der beantragten 
Berichtigung gerechtfertigt. Es kann dahin geſtellt 
bleiben, ob daraus, daß der Vermächtnisnehmer nach 
BER. III K. 6 § 11 Nr. 1 fidh nicht eigenmächtig in 
den Beſitz der vermachten Sache ſetzen darf, zu folgern 
iſt, daß der Uebergang des Eigentums an dem ver— 
machten Grundſtück auf ihn nur mit Bewilligung des 
Erben in das Grundbuch eingetragen werden darf. 
Denn dem Antrage des Beſchwerdeführers kann ſchon 
mit Rückſicht auf den Inhalt und die Grundlage der 
Eintragung, die berichtigt werden ſoll, nicht ſtatt— 
gegeben werden. Nach dem Teſtamente des Georg L. 
iſt das Eigentum an den Grundſtücken mit dem Erb— 
ſchaftsantritt auf die fünf Erben als Miteigentümer 
unter der auflöſenden Bedingung übergegangen, daß 
die Grundſtücke nicht infolge der Uebernahme des 
Anweſens einem der Erben allein zufallen. Die Ein— 
tragung in dem jetzt als Grundbuch geltenden Hypo— 
thekenbuche würde daher der wirklichen Rechtslage 
nur entſprochen haben, wenn ſie den Vermerk enthielte, 
daß das Eigentum im Falle der Uebernahme des 
Anweſens durch einen der Erben auf dieſen übergehe, 
die ohne dieſen Vermerk bewirkte Eintragung war von 
vorneherein unrichtig. Wäre die Rechtslage ſo geweſen, 
wie ſie in der Eintragung beurkundet iſt, ſo hätte die 
Uebernahme des Anweſens durch den Beſchwerdeführer 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


467 


eine Aenderung im Eigentum an den Grundſtücken ſtücke als Ausſtattung bildet den rechtlichen Grund 


nicht herbeiführen können. Es handelt ſich alſo nicht 


bloß darum, die Wirkung des Eintritts der Bedingung 


in das Grundbuch einzutragen, ſondern die Eintragung 


| 
| 


fol dahin berichtigt werden, daß das Miteigentum 


der einzelnen Erben von vorneherein von der auf- 
löſenden Bedingung abhängig war. Die von Anfang 
an unrichtige Eintragung iſt auf Erſuchen des Nachlaß⸗ 
gerichts bewirkt worden, das mit ſeinem Erſuchen 
bezeugt hat, daß der in dem Erſuchen bezeichnete Inhalt 
der zu bewirkenden Eintragung den erbrechtlichen 
Verhältniſſen entſpreche (Neue Samml. v. Entſch. d. 
OLG. Bd. 5 S. 508). Es liegt ihr alfo ein Erbſchafts⸗ 
zeugnis zugrunde und der Beſchwerdeführer ſtützt 
ſeinen Antrag darauf, daß der Inhalt des Zeugniſſes 
unrichtig fei. Ueber diefe Frage hat aber das GBA. 
nicht zu entſcheiden. Nach 8 36 GBO. genügt an 
Stelle des Erbſcheines oder Erbſchaftszeugniſſes des 
früheren Rechtes die Vorlegung der in einer öffent- 
lichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen 
und des Protokolls über die Eröffnung der Verfügung, 
die Vorlegung dieſer Urkunden erſetzt den Erbſchein 
oder das Erbſchaftszeugnis, aber wenn ein ſolches 
Zeugnis des Nachlaßgerichts vorgelegt und auf grund 
deffen die Eintragung nach § 36 GBO. bewirkt worden 
iſt, ſo hat es für das GBA. dabei ſein Bewenden 
(vgl. Predari Anm. 4a zum $ 36 S. 526). Es kann 
deshalb ihm gegenüber nicht durch Vorlegung des 
Teſtaments nach $ 22 GBO. nachgewieſen werden, 
daß der Inhalt des Zeugniſſes und infolgedeſſen die 
Eintragung im Grundbuch unrichtig iſt, ſondern es 
muß, um die Berichtigung zu erwirken, entweder ein 
neues Zeugnis des Nachlaßgerichts vorgelegt oder die 
Bewilligung der Beteiligten beigebracht werden. 
(Beſchl. des I. ZS. vom 2. Oktober 1908, Reg. III. 
83/1908). W. 


1423 
II. 

Können Minderjährige die Auflaſſung wirkſam 
erklären? Begründen Bedenken über die Wirkſamkeit 
des den rechtlichen Grund der Auflaſſung bildenden 
Nechtsgeſchäfts die Ablehnung ihrer Eintragung? (SS 106, 
107, 873, 925 BGB.). Die Eheleute W. haben mit ihren 
Kindern, von denen zwei minderjährig aber über 
18 Jahre alt ſind, zu notarieller Urkunde vereinbart, 
daß jedes Kind als Ausſtattung ein aus Beſtandteilen 
ihres Grundbeſitzes gebildetes „Gutlos“ im Werte von 
5500 M zu Eigentumerhalten fol. Die Beteiligten haben 
erklärt, darüber einig zu ſein, daß das Eigentum an 
den jedem der Kinder zugeteilten Grundſtücken auf 
den Uebernehmer übergeht. Die Urkunde enthält am 
Schluſſe die Beſtimmung: Da die obigen Gutsloſe an 
Wert einander völlig gleich ſind, findet unter den 
Uebernehmern keine Herauszahlung ſtatt. Das GBA. 
lehnte die Eintragung des Ueberganges des Eigentums 
ab, weil die zwei minderjährigen Kinder zu der Ueber— 
nahme der Grundſtücke mit der Beſtimmung eines 
Anſchlagspreiſes, die fie für eine künftige Auseinander⸗ 
ſetzung mit den Geſchwiſtern binde, der Vertretung 
durch Pfleger bedürften, und beſtimmte auf den An— 
trag des Notariats, die Eintragung vorzunehmen, zur 
Beibringung der Genehmigungserklärungen der für 
die Minderjährigen zu beſtellenden Pfleger eine Friſt. 
Die Beſchwerde der Beteiligten wurde zurückgewieſen. 
Das oberſte Landesgericht hat auf die weitere Be— 
ſchwerde der Eheleute W. die Entſcheidungen aufge— 
hoben und das GBA. angewieſen, anderweitig zu 
verfügen. 

Gründe: Die notariellen Verträge enthalten 
zwei Rechtsgeſchäfte, die Uebertragung des Eigentums 
an den den einzelnen Kindern zugeteilten Grundſtücken 
und die Vereinbarung, daß die Grundſtücke den Kindern 
als Ausſtattung mit der Beſtimmung zugewendet 
werden, daß eine Herauszahlung an die Geſchwiſter 
nicht ſtattzufinden hat. Die Zuwendung der Grund— 


des Grundſtücks verpflichtet iſt. 


für die Uebertragung des Eigentums, dieſe erfordert 
nach 8873 Abſ. 1 und § 925 Abſ. 1 BGB. nur die 
Einigung der Beteiligten über den Eigentumsübergang 
und deſſen Eintragung in das Grundbuch; das 
Rechtsgeſchäft, das den rechtlichen Grund der Auf⸗ 
laſſung bildet, iſt nicht Beſtandteil der Auflaſſung 
Die Unwirkſamkeit dieſes Rechtsgeſchäfts macht nicht 
die Auflaſſung unwirkſam, ſondern hat nach § 812 
BGB. die Folge, daß der Erwerber zur Herausgabe 
Das GBA. hat des⸗ 
halb die Wirkſamkeit des den rechtlichen Grund der 
Auflaſſung bildenden Rechtsgeſchäfts nicht zu prüfen 
und darf nicht wegen Bedenken gegen die Wirkſamkeit 
dieſes Rechtsgeſchäfts die Eintragung des Eigentums- 
überganges ablehnen. Hier hatte es daher nur zu 
prüfen, ob die minderjährigen W.ſchen Kinder in: 
ſoweit geſchäftsfähig ſind, daß ſie das Anerbieten der 
Uebereignung der Grundſtücke wirkſam annehmen 
konnten. Dieſe Frage iſt, da die beiden Minderjährigen 
über 18 Jahre alt find, nach den 8S 106, 107 BGB. 
zu bejahen, weil die Erlangung des Eigentums an 
den ihnen zugeteilten Grundſtücken nur einen recht⸗ 
lichen Vorteil bildet. Dem ſteht auch nicht, wie Neu⸗ 
mann (BGB. Bem. 1b zum 8 107) annimmt, die mit 
dem Beſitz oder dem Eigentum an Grundſtücken ver⸗ 
bundene Pflicht zur Tragung gewiſſer öffentlicher 
Laſten entgegen, denn dieſe Pflicht iſt eine Wirkung 
des Beſitzes oder des Eigentums und gehört nicht zum 
Inhalte der Auflaſſung. (Beſchluß des I. ZS. vom 
23. Oktober 1908, Rep. III 86/08). W. 
1443 


B. Strafſachen. 


Zur Banordunng. Berſchulden bei falſcher Aus- 
kunft durch den Diſtriktstechniker. „Beſondere techniſche 
Vorfichtsmaßregeln“ des 8 7 Ziff. 2. Ein Urteil, durch 
welches im objektiven Verfahren der Polizeibehörde 
die Beſeitigungsbefugnis nicht zuerkannt wurde, be: 
gründet nicht den Einwand ne bis in idem für die 
Strafverfolgung nach § 367 Nr. 15 StGB. Verjährung. 
Das Landgericht hatte folgendes feſtgeſtellt: Am 19. 
März 1907 ſuchte S. beim Bezirksamte F. um die 
Genehmigung zum Aufbau eines Stockwerkes auf ſein 
Wohnhaus nach. Das Bürgermeiſteramt äußerte, daß 


S. auch beabſichtige, in die Rückſeite der zum Wohn⸗ 


haus gehörigen Scheune ein Tor zu brechen. Das 
Bezirksamt erteilte die Genehmigung zur Ausführung 
des Aufbaues, äußerte ſich aber hinſichtlich der 
Scheunenwand nicht. Schon vor dem Eintreffen der 
Genehmigung hatten die Angeklagten, S. als Bauherr 
und R. als Baumeiſter, in die Scheunenwand ein Tor, 
ein Fenſter und ein Luftloch ausgebrochen und vollendet, 
ohne um baupolizeiliche Genehmigung nachgeſucht zu 
haben, weil ihnen auf Befragen der Diſtriktstechniker 
erklärt hatte, daß die beabſichtigte Bauführung nicht 
genehmigungspflichtig ſei: Bei der Ausführung der 
Torarbeiten waren eine Anzahl von Sicherungs— 
maßregeln erforderlich, die von den Angeklagten auch 
getroffen wurden. Die Angeklagten wurden beſtraft 
und der Polizeibehörde die Ermächtigung zur Be— 
ſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes zuge— 
ſprochen. Ihre Reviſionen wurden verworfen. 

Aus den Gründen: Nach § 6 Abſ. 1 der Bauz 
ordnung iſt baupolizeiliche Genehmigung zu erholen 
zur Herſtellung von neuen Haupt- und Nebengebäuden, 
ſowie zur Vornahme einer Hauptreparatur oder Haupt— 
änderung an ſolchen. Als Hauptreparaturen ſind nach 
8 7 Ziff. 2 insbeſondere zu betrachten: Die Schwächung, 


Verſetzung, Beſeitigung oder Erneuerung von Um- 


faſſungen, ſoferne die Aenderung auf eine ganze Ge— 
bäudeſeite ſich erſtreckt, oder von ſolcher Bedeutung iſt, 
daß bei ordnungsgemäßem Verfahren beſondere tech— 


niſche Vorſichtsmaßregeln erforderlich find. Die Straf: 
kammer hat feſtgeſtellt, daß durch den Ausbruch der 
für das Tor beſtimmten Rohöffnung eine Schwächung 
der Umfaſſung der Scheune des ©. eingetreten iſt. 
Die Begründung dieſer Feſtſtellung läßt erſehen, daß 
der Begriff „Schwächung von Umfaſſungen“ nicht 
verkannt iſt. Die Strafkammer hat weiter feſtgeſtellt, 
daß die Aenderung von ſolcher Bedeutung war, daß 
bei ordnungsmäßigem Verfahren beſondere techniſche 
Vorſichtsmaßregeln erforderlich waren. Der in der 
Bauordnung nicht beſtimmte Begriff „beſondere tech⸗ 
niſche Vorſichtsmaßregeln“ iſt ein Rechtsbegriff, deſſen 
Auslegung der Nachprüfung des Reviſionsgerichtes 
unterliegt. Die Strafkammer hat als unter dieſen 
Begriff fallend die vorgenommenen Abſprießungen und 
Abbolzungen angeſehen, weil Arbeiten in Frage 
ſtünden, die über den Bereich des gewöhnlichen Maurers 
hinausgehen und daher beſondere techniſche Vorſichts⸗ 
maßregeln notwendig machten. Dieſe Begründung 
läßt eine Verkennung des Begriffes nicht erſehen; im 
übrigen iſt die Feſtſtellung tatſächlicher Natur. In 
ſubjektiver eure erfordert 8 367 Nr. 15 StGB. ein 
Verſchulden, das auch in Fahrläſſigkeit beſtehen kann. 
Die Feſtſtellung des Verſchuldens durch die Straf— 
kammer läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Das Be⸗ 
rufungsgericht hat aus der Tatſache, daß die zuſtändige 
Baupolizeibehörde durch den Bericht des Bürger— 
meiſteramtes von der Abſicht des S., die fragliche 
Bauvornahme auszuführen, Kenntnis erhielt, trotzdem 
aber die eingereichten Pläne für den Umbau des 
Vordergebäudes genehmigte, die Bauvornahme an der 
Scheune aber mit Stillſchweigen überging, nicht den 
Schluß gezogen, daß das Bezirksamt die letztere ſtill⸗ 
ſchweigend genehmigt habe und daß die Angeklagten 
dies annehmen konnten. Die gegenteilige Anſchauung 
der Beſchwerdeführer enthält einen unzuläſſigen An- 
griff auf die Feſtſtellungen der Vorinſtanz. Der Tat⸗ 
beſtand einer Uebertretung nach § 367 Nr. 15 StGB. 
iſt hiernach gegeben. Der Verurteilung der beiden 
Angeklagten auf Grund dieſer Strafvorſchrift ſteht der 
Grundſatz „ne bis in idem“ nicht entgegen; dieſer iſt 
nicht bloß prozeſſualer, ſondern auch materiellrechtlicher 
Natur; er enthält das Verbot, daß wenn durch rechts- 
kräftiges Urteil darüber entſchieden iſt, ob eine Perſon 
für eine beſtimmte Tat ſtrafrechtlich verantwortlich 
ſei, dieſe Perſon wiederholt wegen derſelben Tat 
ſtrafrechtlich verfolgt werde. Nach dem angefochtenen 
Urteil und den vorliegenden Akten hat das Schöffen— 
gericht bei dem Amtsgerichte G. durch rechtskräftig 
gewordenes Urteil im objektiven Verfahren ausge— 
ſprochen: Der Polizeibehörde wird die Ermächtigung, 
die Beſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes (hin— 
ſichtlich der fraglichen Scheune) anzuordnen, nicht 
zuerkannt. Das durch das bezeichnete Urteil zum Ab— 
ſchluſſe gelangte Verfahren hatte die Verfolgung des 
Angeklagten wegen einer Uebertretung nach 8 367 
Nr. 15 StGB. überhaupt nicht zum Gegenſtande. 
Die Strafkammer hat die Frage der Verjährung ver— 
neint; ſie iſt davon ausgegangen, daß der Lauf der 
Verjährung mangels Erſtattung der im 8 73 BauO. 
vorgeſchriebenen Bauvollendungsanzeige überhaupt noch 
nicht begonnen habe und hat ſich der ſtändigen Recht— 
ſprechung des Oberlandesgerichtes und des oberſten 
Landesgerichtes angeſchloſſen, derzufolge der Beginn 
der Verjährung einer lediglich in der eigenmächtigen 
Vornahme einer genehmigungspflichtigen Bauführung 
beſtehenden Uebertretung nicht von dem Zeitpunkte 
der tatſächlichen Vollendung des Baues, ſondern von 
dem der Erſtattung der in § 73 Baud. vorgeſchriebenen 
Bauvollendungsanzeige an zu berechnen ſei. Der Lauf 
der Verjährung beginnt gleichmäßig in der Richtung 
gegen den Bauherrn und den Baumeiſter; der Um⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23. 


en 


ſtand, daß in 8 73 die Erſtattung der Bauvollendungs⸗ 

anzeige nur dem Bauherrn auferlegt iſt, ändert hieran 

nichts. (Urt. vom 6. Oktober 1908, RevReg. ge 
1424 


Literatur. 


Deunler Dr. W., Kgl. Notar in Lauf. Geſetz über 
die Einführung einer Beſitzverände⸗ 
rungsabgabe für Gemeinden vom 15. Juni 
1898. Handausgabe mit Erläuterungen. (63 S.). 
München 1908, J. Schweitzer Verlag (Arthur 
Sellier). 

Obwohl das Geſetz nur aus einem einzigen Artikel 
beſteht, war ſeine Erläuterung eine recht dankeswerte 
Aufgabe mit Rückſicht auf die verſchiedenen, mitunter 
nicht einfachen Beſtimmungen aus anderen Geſetzen, 
die hier in Betracht kommen. Das Buch bietet eine 
überſichtliche und gründliche Beſprechung aller ein= 
ſchlägigen Vorſchriften und kann für den . 
Gebrauch beſtens empfohlen werden. 


Sprachecke 
des Allgemeinen Deutſchen Sprachvereins. 


Häufung von Verhältniswörtern (Präpoſitienen). 
Nicht felten findet man mehrere Verhaältniswörter 
nebeneinander. Hierdurch wird das erſte zuweilen 
recht weit von ſeinem abhängigen Hauptworte getrennt. 
Wuſtmann meint, dies ſei für jeden Menſchen von 
feinerem Gefühl eine der beleidigendſten Sprach— 
erſcheinungen, und er hat recht damit. Wer ſtieße 
ſich denn nicht an einem Satze wie dem folgenden: 
„Für die nach der durch das von dem Kloſter 
Loccum erbaute Hoſpiz in weiteren Kreiſen bekannt 
gewordene Inſel Langeoog kommenden Badereiſenden 
hat ſich für die kommende Saiſon (Badezeit) eine 
weſentliche Verbeſſerung hinſichtlich der Seereiſe voll⸗ 
zogen“. Ueber all den „für, nach, durch von” hat 
der Verfaſſer hier gar ſelbſt den Faden verloren und 
vergeſſen, daß es nach „nach“ doch „gewordenen“ 
heißen müßte. Sehr anſtößig iſt z. B. auch folgender 
Satz: „Ich hatte für von einem an der Küſte von 
Schantung geſtrandeten deutſchen Schiffe geraubte 
Güter eine Entſchädigung verlangt“. Eine faſt un⸗ 
glaubliche Häufung von Verhältniswörtern findet ſich 
aber in folgendem Satze, der der Eingabe eines öſter— 
reichiſchen Anwalts entſtammen fol: „Das Gericht .. 
wolle erkennen, der Beklagte ſei ſchuldig, mir für 
die von mir für ihn an die in dem von ihm zur 
Bearbeitung übernommenen Steinbruch beſchäftigten 
Arbeiter vorgeſchoſſenen Arbeitslöhne Erſatz zu leiften“. 
Eine Vermeidung ſolcher Ungeheuerlichkeiten läßt ſich 
meiſtens mit Hilfe eines bezüglichen Fürworts (Relativs) 
oder durch Zerlegung des Satzes in zwei oder mehr 
Sätze oder durch Umſtellung der Wörter bewirken. 
Dies letzte z. B. genügt bei dem Satze: „Das iſt ein 
Verbrechen, welches in Paris mit bis zu fünf Jahren 
Zuchthaus beſtraft wird“. Es brauchte nur zu heißen: 
„mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren“. — Unſtatthafte 
Auslaſſung eines Wortes findet ſich in ſolchen Anzeigen 
wie: „Für ins Gebirge! Für an die See!“ Setzt 
man zwiſchen für und ins (an) einen von dem 
Wörtchen „für“ abhängigen Ausdruck, etwa Reifen, 
ſo iſt alles in Ordnung. Solche falſche Redeweiſe 
hört man ſelbſt in gebildeten Kreiſen häufig. Dadurch 
wird ſie jedoch um nichts beſſer. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 


K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſteriumd. Juſtiz. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. 
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


G. m. b. H., Freiſing. 


Ur. 24. München, den 15. Dezember 1908. 4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


0 
Th. von der Pfordten IN Bayern 2. Schweitzer Verlag 
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. (Arthur Bellier) 


Staats miniſterium der Juſtiz. in München, Lenbachplatz 1. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mf. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Voſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9748). 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebühr 80 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzelle 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzelgen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


N A 
Nachdruck verboten. 


i ſtimmung ſchaffen müſſen, welche Zuſtellung nun 
Nee deform de; etrafverfahren; und die | eigentlich die Rechtsmittelfriſt in Lauf fegt. Diele 
Geſchäftsvereinfachung. | er zu Smile Bunde man 5 n 

; l Beſeitigung von Streitfragen wäre an dieſem 

Von Oberlandesgerichtsrat N. Deinhardt in Jena. Orte auch eine Beſtimmung erwünſcht, daß die 
(Schluß). Einlegung von Rechtsmitteln auch ſchon vor Zu⸗ 

Wie die Berückſichtigung der öffentlichen In: | telung erfolgen kann. Der Angeklagte, der nicht 
tereſſen, ſo hat der Entwurf auch die Verſtärkung erſchienen und deſſen Berufung verworfen wird, 
des Schutzes der Verteidigung in dem Verbrauch legt Rechtsmittel ein, ſobald er von ſeinem Schickſal 
von Tinte und Papier zu erreichen gehofft. erfährt und glaubt damit genug getan zu haben. 
Aeußerlichkeiten, nicht Formen, die auf den inneren Zu ſeinem Leide muß er bei manchem Gerichte 
Geiſt erziehend wirken. Der Verteidiger war bie: erfahren, daß fie eine ſolche Einlegung für un 
her zu den Hauptverhandlungen beſonders neben gültig halten und er muß von vorn beginnen. 
dem Angeklagten zu laden. Man ſollte meinen, Daß der Gerichtsſchreiber den, der Berufung 
das genügte, alle anderen Mitteilungen wären | oder Reviſion eingelegt hat, darauf hinweiſt, daß 
dementſprechend dem Angeklagten allein zu machen. er fie begründen muß (8 316 Abſ. 2, 8 337) ift 
Dem Angeklagten geht die Sache fo nahe, daß durchaus zweckmäßig; wie die Reviſion jetzt ge⸗ 
er ſeinem Verteidiger davon Mitteilung macht | ordnet iſt, iſt eine Rechtsfalle. Wenn jemand 
und dies benutzt, um mit ihm darüber zu ſprechen. Reviſion eingelegt hatte, ſo meinte er oft, damit 
Wenn beide beſondere Mitteilungen bekommen, alles getan zu haben, er ging, weil er die geſetz⸗ 
iſt zu befürchten, daß ſie nebeneinander hergehen liche Beſtimmung, daß ſie zu begründen ſei, nicht 
und ſich nicht ausſprechen. Alſo eine direkt ſchäd⸗ kannte, oft des klarſten Rechtes verluſtig, ſeine 
liche Nebenwirkung. Rerviſion wurde verworfen. 

Der Verteidiger iſt von den Terminen zu Daß jedoch der Angeklagte in' der Haupt: 
benachrichtigen, in denen über die Fortdauer der verhandlung, wenn die Ladungsfriſt nicht ein- 
Haft entſchieden wird ($ 116 Abſ. 3), der Antrag gehalten ift, die Ausſetzung des Verfahrens ver- 
auf Vorunterſuchung iſt auch dem Verteidiger mit: langen kann und der Vorſitzende ihn darauf hin⸗ 
zuteilen, die Ablehnung ift mitzuteilen (§ 184). | weiſen ſoll, iſt eine die Verſchleppungsgelüſte unter: 
Soweit tunlich, ift er auch von den Beweis- ſtützende Beſtimmung. Die Ausſetzung ift doch 
erhebungsterminen zu benachrichtigen ($ 170). Der nur dann gerechtfertigt, wenn der Angeklagte be: 
Beſchluß über die Eröffnung der Vorunterſuchung ſondere Vorbereitungen zur Hauptverhandlung 
iſt dem Angeklagten und Verteidiger bekannt zu | nötig hatte und dieſe nicht hat ausführen können. 
machen (3 185), ebenſo die Entſcheidung über die Geſchieht ihm durch die Verhandlung gar kein 
Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 198), die Mn- | Unrecht, ſo iſt die Ausſetzung, weil etwa ein Tag 
klageſchrift (§ 203), der Beſchluß, daß vor einem an einer Woche fehlt, eine Aeußerlichkeit und er- 
Gericht niederer Ordnung Hauptverhandlung ſtatt- faßt die Sache ſelbſt gar nicht. Wenn der An⸗ 
finden fol ($ 210) uſw. Man ſollte eine all- wgeklagte auch gar nichts dafür vorbringen kann, 
gemeine Beſtim mung ſchaffen, daß die Mitteilung daß er ſich noch erkundigen müſſe, wenn der 
an den Angeklagten genügt und daß nur für die Richter überzeugt ift, der Angeklagte hat ſich vor: 
Hauptverhandlung der Verteidiger beſonders ge- bereitet, er braucht keine Vorbereitung mehr, er 
laden wird. Will der Verteidiger die Zuſtellung wird freigeſprochen auch ohne Ausſetzung, ſo muß er 
an ſich haben, ſo kann er eine darauf hinweiſende wiederum etwas tun, was ihm wider ſeine praktiſche 
Vollmacht einreichen. Infolge der doppelten Zu- Vernunft geht. Er muß dem Scheinweſen dienen, 
ſtellung hat man in $ 304 eine beſondere Be: das nicht auf Sachlichkeit und inneren Wert geht. 


— SCS en A — 


470 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


Das Beſtreben, in minderwichtigen Sachen richtigung eine leere Aeußerlichkeit. Dieſen Ge- 
Eidesleiſtungen zu erſparen, wird durchkreuzt durch danken würde man zum Ausdruck bringen, wenn 
die Beſtimmung, daß ſie nicht unterbleiben kann, man ſagte: 


wenn ein Prozeßbeteiligter ſie verlangt und daß | Der Richter hat, wenn er die Zuziehung 
der Richter dieſe zu befragen hat, ob ſie die Ver⸗ des Verteidigers und Staatsanwalts für 
eidigung verlangen. Kläger und Angeklagte in zweckmäßig hält, dieſe zu benachrichtigen. 


den Privatklageſachen oft fragwürdiger Natur, Ebenſo iſt die Parteiöffentlichkeit nach $ 168 
wie ſie die Gerichte überſchwemmen, urteilen höchſt einfacher zu geſtalten, daß bei Vernehmung von 
ſelten objektiv über den Zeugen, und die Beſtim⸗ Zeugen der Richter die Anweſenheit der Be⸗ 
mung wird dazu dienen, dem Streben, das man teiligten zu geſtatten hat, wenn ſie zur Aufklärung 
jetzt ſo oft bemerkt, dem Zeugen etwas anzu- zweckdienlich erſcheint. Daß er den Staatsanwalt 
hängen, ihn vielleicht mehr als den Angeklagten und Verteidiger nach $ 170 von ſämtlichen Ter- 
zu verdächtigen, noch eine neue Grundlage zu minen benachrichtigen muß, erzeugt eine zweckloſe 
geben. Es gibt auch Anwälte, die ſich mit den | Schreiberei, und daß bei ihrer Verhinderung auf 
Parteien eins dünken und nun darauf ausgehen, Antrag der Termin verlegt werden muß, wird 
ihnen zu beweiſen, daß fie auf dem Poſten find. ſtörend in die Geſchäfte eingreifen, einen ſachlichen 
Auch diefe laffen fidh verleiten, dem Zeugen härter Erfolg aber nicht haben. Die Beſchuldigten 
zuzuſetzen, als es objektiv notwendig iſt und An⸗ können kaum die Koſten aufwenden, zu ſämtlichen 
träge auf Beeidigung zu ſtellen, die objektiv nicht Vernehmungsterminen, die ſich oft wiederholen, 
gerechtfertigt ſind. Das Gericht iſt die objektiv zu erſcheinen, die Staatsanwaltſchaft wäre nur 
entſcheidende Stelle. Wenn die Begründung für bei ſtarker Vermehrung ihres Perſonals dazu im: 
die Stellung des Verteidigers darauf hinweiſt, ſtande. Die Anwälte müßten ihre Tätigkeit 
daß er als öffentlich⸗rechtliches Organ der Rechts: | noch mehr zerſplittern als jetzt, fie würden, da 
pflege tätig werde, jo mutet fie doch der menſch⸗ ſie doch an ihrem Wohnort und auswärts noch 
lichen Natur zu viel zu. Der Verteidiger wird Ziviltermine an verſchiedenen Gerichten, Privat- 
von ſeinem Auftraggeber angenommen. Dieſem klagen, Hauptverhandlungen in Strafſachen, häus⸗ 
hat er zu dienen, und er gewöhnt ſich allmählich liche Beſprechungen und ſonſtige Geſchäfte haben, 


daran, die Sache nur von dieſem Geſichtspunkte ſehr oft nicht kommen können, ſehr oft Vertagungs⸗ 
aufzufaſſen, er wird eins mit den Anſichten ſeines | anträge ſtellen, und auch zu den vertagten Ter⸗ 
Auftraggebers. Es iſt ſeiner ganzen Stellung nach minen, da ſich ihre übrige Beſchäftigung oft 
zuviel verlangt, daß er noch eine zweite Seele in | ändert, nicht erſcheinen können. Der Richter wird 
ſich mit gleicher Inbrunſt nährt, die der anderen in eine oft ſehr unangenehme Lage kommen und 
ganz entgegengeſetzt iſt. | wird in feinem Streben, die Sache zu fördern, 
Statt daß das Gericht erft im Urteil aus: mit ſchwerüberwindlichen Maͤchten zu kämpfen 
führt, eine Ausſage fei trotz Beeidigung unglaub - haben. Das Vertagungsunweſen in Zivilprozeſſen 
würdig, kann es den Eid überhaupt erſparen. 10 5 1 an en ab⸗ 
| l ſchrecken. Daß die Gründe für die Verſagung 
nn Au n der Anweſenheit angegeben werden müſſen (8 168 
Die: dere gung de Segen k Ý Abſ. 1), wird eine Quelle der Unzufriedenheit für 
terbleib gung N Mitalied 5 5 © den Angeſchuldigten und Verteidiger bilden. 
unterbieiben, wenn alle eriglieder des Ge: Außerdem wird der Richter dadurch oft gezwungen 
richts ſeine Ausſage für unglaubwürdig halten. werden, den Beſchuldigten klug zu machen, ob 
e DATA 1 5 1 a erſt gleichzeitig und was er etwa noch in ſeinem Intereſſe tun 
T E e beſch tepen. l könnte. Kolluſionen mehrerer Angeklagter find 
Wird die Nichtvereidigung erſt bei dem Urteile jetzt in den Gefängniſſen trotz größter Aufmerk⸗ 
beſchloſſen, jo ift fie unbedenklich. ſamkeit ſchwer zu verhindern, wie ſoll es erſt bei 
Daß, wenn der Verhaftete gegen den Haft- der Geſtattung der Anweſenheit in den Gerichts— 
befehl Einwendung erhoben hat und darüber nach zimmern werden? Die Rechtspflege wird mand: 
ſeiner Anhörung beſchloſſen werden ſoll, die übrigen mal in Nachteil kommen. 
Prozeßbeteiligten und der Verteidiger benachrichtigt Daß bei Privatklagen der Amtsrichter vor 
werden müſſen, hält das Verfahren auf und ver- der Eröffnung des Hauptverfahrens Ermittelungen 
zögert die Entſcheidung, oft aljo die Freilaſſung. vornehmen kann, ift eine Maßregel, die zur Be: 
Auch hier macht ſich in aufdringlicher Weiſe das ſchleunigung und Vereinfachung des Verfahrens 
Formale ohne Rückſicht auf die ſachliche Be- , beitragen kann, unnötige Hauptverhandlungen 
deutung geltend. Es kommt natürlich auf werden vermieden. Mehr in der Faſſung des 
die Lage des Falles an, ob es zweckentſprechend Geſetzes als in dem Sinne der Beſtimmung liegt 
iſt, daß Verteidiger und Staatsanwalt anweſend es, daß es ſcheint, als ob die Ermittelungen nur 
find. Hat der Richter die Ueberzeugung, daß fie auf Antrag vorzunehmen wären. Die Praxis 
noch weniger wiſſen als er ſelbſt und nichts zur wird diefe Beſtimmung jo auffaſſen. Indem ge: 
Aufklärung beitragen können, jo ift die Benah- | jagt wird, der Amtsrichter fol, wenn Ermitte— 


lungen beantragt werden, fie anftellen, ſo weit er 
ſie für nötig hält, wird dies mit dem ſo beliebten 
Unkkehrſchluſſe fo ausgelegt werden, als ob er 
ohne Antrag die Ermittelungen nicht vornehmen 
ſolle. Der Sinn ließe ſich leicht durch eine 
Aenderung klarſtellen: Der Amtsrichter kann Er⸗ 
mittelungen anſtellen, ſoweit diefe zur Aufklärung 
der Sache erforderlich ſind, und wenn der Privat⸗ 
kläger oder der Beſchuldigte ſolche beantragen, 
ſoll er dem entſprechen. Da es im geltenden 
Recht nicht unbeſtritten iſt, ob der Amtsrichter 
berechtigt iſt, Ermittelungen anzuſtellen, es jeden⸗ 
falls nicht üblich iſt, daß er es tut, wäre ein 
ausdrücklicher Ausſpruch angebracht. Zu Er: 
mittelungen und Vergleichsabſchlüſſen würde es 
gerade in Privatklageſachen ſehr zweckmäßig ſein, 
einen Vortermin einzuführen. Als Ergebnis der 
Privatklageſachen eines Terminstages vor dem 
Schöffengericht und auch vor dem Landgericht 
ſtellt ſich heraus, daß drei Vierteile oder die 
Hälfte verglichen werden. Die Parteien ſprechen 
ſich aus, der Amtsrichter redet mit ihnen, ſie 
wiſſen nun, wie die Sache ungefähr läuft, ſie 
ſind allmählich ruhiger geworden, die Koſten ſind 
gewachſen, für einen Vergleich ift der Boden ge- 
ebnet. Die Schöffen tun gewöhnlich nichts dazu 
und die Koſten für ſie könnten geſpart werden. 
Die Sühne vor dem Schiedsrichter macht den 
Vortermin nicht überflüſſig. Das Gericht hat 
mehr Anſehen bei den Parteien und, was dort 
nicht gelingt, glückt aus dieſen und anderen 
Gründen vor dem Gericht.“) 

Dem Staatsanwalt ift nach § 200 die Be: 
ſchwerde gegeben, wenn das Gericht den Ange— 
ſchuldigten außer Verfolgung ſetzt oder das Ber: 
fahren vor einem Gericht niederer Ordnung er— 
öffnet. Der letztere Umſtand ſollte kein Grund | 
für die Anfechtung fein, die erſte Beſtimmung 
genügte. 

Die Vorſchriften über das Kreuzverhör werden 
nie Leben bekommen. Man ſoll ein Geſetz nicht 
mit Beſtimmungen belaſten, die nie praktiſch 


— . —1— — 


werden. 

Was die Verfaſſung der Gerichte und die 
Formen ihrer Entſchließungen anlangt, ſo drängen 
ſich folgende Gedanken auf: 

Vom Standpunkte der praktiſchen Geſchäfts— 
erledigung treten die Vorzüge des Einzelrichtertums 
in den Vordergrund. Dem ſtehen natürlich Rad: 
teile gegenüber und bei der Frage, ob ein Einzel: 
richter oder drei Richter entſcheiden ſollen, prallen 
grundſätzliche Anſchauungen aufeinander. 

Ob drei oder fünf oder ſieben entſcheiden, iſt 
nicht von der grundſätzlichen Bedeutung wie die 
Frage ob einer oder drei. Beim Dreimänner— | 
kollegium tritt der Nachteil der Schwerfälligkeit 
und Langſamkeit am wenigſten hervor, die Vor— 


1) Vgl. die Abhandlung von Landgerichtsrat 
Dr. Erlacher S. 96, 117, 137, 159 dieſes Jahrgangs. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


471 


teile gegenüber dem Einzelrichtertum mögen hier 
überwiegen. Die Nachteile der Kollegialverfaſſung 
machen ſich gewöhnlich mehr geltend, wenn die 
Zahl der Mitglieder über drei ſteigt und die 
Sache, die zu behandeln iſt, den Aufwand und 
Zahl und ausgeſuchte Güte der Mitglieder nicht 
rechtfertigt. Die Zahl von fünf Mitgliedern ent⸗ 
ſpricht bei Oberlandesgerichten oft nicht der 
inneren Bedeutung der Sache und der Wirkung 
der Entſcheidung. Die Fragen, die ein Ober⸗ 
landesgerichtsſeuat entſcheidet, werden von den 
ungefähr 21 anderen Strafſenaten des Reichs 
gleich oder abweichend entſchieden. Die bunteſte 
Mannigfaltigkeit herrſcht auf dieſem Gebiete. Die 
Sachen ſind oft unbedeutend: Beſchwerden, die 
als unzuläſſig ſormularmäßig verworfen werden 
müſſen, einfache Beſchwerden im Wiederaufnahme⸗ 
verfahren von Verurteilten, die immer wieder die⸗ 
ſelben Dinge in anderem Aufputz vorbringen, 
Haftſachen, Reviſionen in Privatklageſachen unter⸗ 
geordneter Bedeutung, die oft wegen tatſächlicher 
Angriffe eingelegt werden, weil die Partei die 
einmal beſtehende dritte Inſtanz auch benutzen 
will. Haftbeſchwerden ſollten mindeſtens binnen 
24 Stunden erledigt werden. Jetzt muß man 
auf den Sitzungstag warten. Drei Mitglieder 
ließen ſich an einem anderen Tage leicht zu⸗ 
ſammenbringen, wie man das bei Landgerichten tut. 

Es würde alfo in $ 127 des GWG. heißen 
können: 

Die Senate des Oberlandesgerichts ent⸗ 
ſcheiden in der Beſetzung von drei Mit⸗ 
gliedern mit Einſchluß des Vorſitzenden. 
Mindeſtens ſollte man für die Beſchlußſachen 

einführen, daß über ſie von drei Mitgliedern ent⸗ 
ſchieden werden kann und beſtimmen: 

Die Senate entſcheiden in der Beſetzung von 
drei Mitgliedern mit Einſchluß des Vor⸗ 
ſitzenden. In der Hauptverhandlung ent: 
ſcheiden ſie in der Beſetzung von fünf Mit⸗ 
gliedern mit Einſchluß des Vorſitzenden. 
Für die Reichsgerichtsſenate genügte eine Be— 

ſetzung von fünf Mitgliedern. Man beginne von 
oben her damit, die Vergeudung von Richter— 
kräften einzuſchränken. 

Das Schwurgerichtsverfahren ſpringt mit Zeit 
und Geld wahrhaft verſchwenderiſch um. Wie 
ſchließlich ein Geſchworener, um an einem Tage 
Dienſt zu tun, zwei Wochen von Haus und Hof 
entfernt ſein muß, iſt eine Beläſtigung, die der 
Zweck nicht fordert, und wird nun eine Ausgabe 
für den Staat, die nicht im Verhältnis zur Sache 
ſteht. Die beiſitzenden Richter erſchöpfen ihre 
Tätigkeit wirklich in dieſem Beiworte. Die als 
Palladium des Schwurgerichts gedachte freie Ab— 
lehnung von Geſchworenen iſt ein umſtändliches 
Verfahren; aber das ginge noch hin; wie ſie als 
Mittel benutzt wird, es nicht auf die Ablehnung 
eines Urlaubsgeſuchs ankommen zu laſſen, ſondern 


ſich ohne Urlaub freie Tage zu verſchaffen, iſt ein 


bi 


72 


— 


— 


Zerrbild. Es ließe ſich leicht einrichten, die beiden 
Beiſitzer abzuſchaffen, die Zahl der Geſchworenen 
herabzuſetzen, und über das Strafmaß und Be⸗ 
weisanträge den Vorſitzenden zuſammen mit den 
Geſchworenen entſcheiden zu laſſen. 

Die Urteile über die tatſächliche Beurteilung 
müſſen nunmehr oft nicht nur in Schöffengerichts⸗ 
ſachen, ſondern auch in den Strafkammerſachen 
zweimal abgefaßt werden, in der erſten und Be⸗ 
rufungsinſtanz. Man wird ſehr oft dasſelbe ſagen 
müſſen. Um dem wörtlichen Abſchreiben auszu⸗ 
weichen, ſagt man es mit anderen Worten und 
dieſe ſind nicht immer beſſer. Man hat oft das 
Bedürfnis wegen der ganzen tatſächlichen Feſt⸗ 
ſtellungen oder eines Teils davon ſich dem erſten 
Richter anzuſchließen, wegen der Vorausſetzungen 
des Rückfalls auf die Feſtſtellungen in der Anklage⸗ 
ſchrift oder bei Geſtändnis ganz auf dieſe zu ver⸗ 
weiſen. Dies hält man für unzuläſſig, weil die 
StPO. im Gegenſatz zur ZPO. Verweiſungen 
nicht für zuläſſig erklärt. 

Zu § 259 waͤre deshalb ein Zuſatz wünſchens⸗ 


wert: 
Entſpricht ein Geſtändnis dem Inhalte der 


Anklageſchrift, ſo iſt die Verweiſung auf dieſe 


zulaͤſſig; im übrigen kann auch wegen der 
Vorausfetzungen des Rückfalls auf ſie ver⸗ 
wieſen werden. 
und zu $ 329: 
Eine Verweiſung auf das erſtinſtanzliche 
Urteil iſt zuläſſig, ſofern durch ſie die Klar⸗ 
heit, was feſtgeſtellt wird, nicht leidet. 
Daß das Urteil von ſämtlichen Richtern unter: 
ſchrieben werden muß, führt bei ſtark beſetzten 
Kollegien zur Verlangſamung des Verfahrens. 
Bei ſieben Richtern kann allein mit dem Einholen 
der Unterſchriften mehr als eine Woche hingehen, 
bei fünf Richtern oft eine Woche. Beſonders um: 
ſtaͤndlich wird dies bei den Berufungsſenaten werden, 
da die Richter oft nicht an einem Platze wohnen. 
Das Prinzip wird | 
daß die Schöffen nicht unterſchreiben, bei Urteilen 
des Amtsgerichts nur ein Name, bei denen der 
Strafkammer zwei darunter ſtehen. Dies führt 
dazu, daß die Schöffen nach außen hin als nicht 
gleichwertig den Berufsrichtern erſcheinen. Dieſen 
üblen Schein vermeidet man dadurch, daß die 
Unterſchrift des Vorſitzenden und eines Beiſitzers 
genügt. So handhabt es das Reichsgericht bei 
Beſchlüſſen, die doch oft von großer Bedeutung 
ſind, die öſterreichiſche Zivilprozeßordnung begnügt 
ſich auch damit und es wird gegen jetzt keine fad- 
liche Aenderung eingeführt. Denn hat der Ver: 
faſſer und der Vorſitzende unterſchrieben, ſo geben 
die übrigen Mitglieder mit größerer oder ge— 
ringerer Ueberzeugung, mehr oder minder not— 
gedrungen, ihre Namen; der Inhalt wird nicht 
mehr geändert. 
Die Durchführung der Berufung auch in 
Strafkammerſachen wird ſicher dazu beitragen, die 


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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


Prozeſſe weitläufiger zu machen. Immerhin doch 
nicht ſo, wie es auf den erſten Blick ſcheint. Es 
werden dafür viele Reviſionen wegfallen; denn 
in vielen Fällen ſucht man auf dem Umwege der 
Reviſion an die tatſächlichen Feſtſtellungen heran⸗ 
zukommen. Dieſe gehen dem Betroffenen an Herz 
und Nieren, nicht die Rechtsausführungen. Die 
Reviſion wird nur eingelegt und künſtlich begründet, 
weil die Berufung fehlt. 

Die Aufhebung des $ 366 wird viel Zeit und 
Geld koſten, und zwar zum Teil unnütz. Der 
Entwurf führt hier einmal ein Prinzip, das der 
Unmittelbarkeit, rein bis zum Ende durch, ohne 
abzuſtufen, wie er es ſonſt tut. Es gibt genug 
Sachen, in denen die protokollierte Ausſage erſter 
AR auch für die zweite genügte. Haben 

pſychologiſche Forſchungen nachgewieſen, daß eine 
Ausſage je öfter ſie wiederholt wird, deſto unzu⸗ 
verläſſiger wird, ſo werden die Vorteile der Un⸗ 
mittelbarkeit von den Nachteilen der Wiederholung 
durchkreuzt. Es iſt den Zeugen nicht verſtändlich, 
daß, was ſie ausführlich ausſagen, nicht nieder⸗ 
geſchrieben wird. 

Die Aufhebung des $ 380 iſt zu billigen. 

Daß aber wegen jeden kleinen Formenmangels 
ein Urteil in der geringfügigſten Sache aufgehoben 
werden ſoll, weil die Annahme nicht ausgeſchloſſen 
iſt, daß ohne die prozeſſuale Verfehlung anders 
erkannt worden wäre, und daß ein ganzes weit⸗ 
läufiges Verfahren, das ſachlich eine richtige Ent- 
ſcheidung gebracht hat, an einer Kleinigkeit ſcheitert, 
trägt ſchon jetzt dazu bei, die Juſtiz in den Ruf 
des lächerlichen Spielens mit Formen zu bringen. 
Gerade dieſe Betonung des Formalen iſt das dem 
Laien (aber auch dem praktiſchen Juriſten) Unver⸗ 
ſtändliche, das, was das Verfahren beſonders unvolks⸗ 
tümlich macht. 

Es empfiehlt ſich deshalb eine andere Be⸗ 
ſchränkung der Reviſionen wegen Verletzung von 
Verfahrensvorſchriften. Es müßte zu $ 345 noch 


„Inſoweit Mängel des Verfahrens feſt⸗ 
geſtellt find, unterliegt es dem freien Er: 
meſſen des Reviſionsgerichts, ob ſie weſentlich 
genug ſind, die Aufhebung des Urteils zu 
rechtfertigen.“ 
Das Berufungsgericht ift durch diefe Beſtim— 
mung genügend kontrolliert, verliert aber nicht 
über der Beachtung der Formen den Sinn für 
das Weſentliche, wozu die jetzige Formenſtrenge 
oft verführt, und der Reviſionsrichter wird ge: 
zwungen, mit praktiſchem Geiſte zu arbeiten und 
muß ablaſſen, immer im luftleeren Raume der 
Begriffe zu ſchweben. 

Es iſt nur zu wünſchen, daß man bei der 
Prüfung durch den Bundesrat ſich den Entwurf 
auch einmal von unten anſieht, das heißt darnach, 
wie im alltäglichen Leben ſich die Geſchäfts⸗ 
behandlung darſtellt. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 473 


os i ere des (dinglichen) Fiſchereirechts. Dieſer ift in d 
Ginige Fragen des nenen Jiſcherrirechts. Re der Eigeriumer des Gemla (rt. J, 


Von Joſeph Bleyer, II. Staatsanwalt in München, beſteht das Fiſchereirecht als ſelbſtändiges ding⸗ 


verw. im Kgl. Staatsminiſterium der Juſtiz. liches Nutzungsrecht an einem fremden Gewäſſer 
(Art. 9 Abſ. 1), ſo iſt er ein anderer als der 

(Schluß). 3 Eigentümer. 
II. Der Fiſchereiberechtigte. — Der zur Unbübung der Der Inhaber des Fiſchereirechts iſt nicht 
Fiſcherei Berechtigte. immer fähig, das Recht auszuüben. Der ge⸗ 


Das FiſchG. enthält in einer Reihe von Ar: ſchäftsunfähige Inhaber iſt unfähig, die bei der 
tikeln Vorſchriften über ſubjektive Rechte, Anſprüche Ausübung erforderlichen Willenserklärungen ab- 
und Verbindlichkeiten, die im Streitfalle Gegen: zugeben (5 105 BGB.), Die juriſtiſche Perſon 
fand der Entſcheidung der Zwilgerichte, der Ber- des öffentlichen oder des Privatrechts (Körperſchaft, 
waltungsgerichte oder der Verwaltungsbehörden Stiftung oder Anſtalt) entbehrt der natürlichen 
find und nicht felten vom Strafrichter als Bor: Handlungsfähigkeit. Durch welche Organe fie fid 
fragen feiner Entſcheidung gewürdigt werden müſſen. bei der Ausübung vertreten laſſen muß, beſtimmt 
Es iſt im einzelnen Falle nicht immer leicht, den das Geſetz im allgemeinen nicht (ſ. Art. 27 Abſ. 2, 
Träger des Rechtes feſtzuſtellen und zu beſtimmen, Art. 30; anderſeits Art. 31 Abſ. 1). Die Ausübung 
wer zur Sache legitimiert iſt, d. h. wer den An⸗ erfolgt in dem Umfange, wie ſie entſprechenden⸗ 
ſpruch erheben kann und wer die Verbindlichkeit falle der natürlichen Perſon zuſtünde, durch die 
erfüllen muß, oder prozeſſualiſch genommen, wer Perſonen, deren Willen als der Wille der juriſtiſchen 
der richtige Kläger und wer der richtige Beklagte iſt. Perſon gilt (4.8. den Vorſtand oder den anderen 


verfaſſungsmäßig berufenen Vertreter des einge⸗ 

pa db en tet Gee ee Tagen Beni, br de ore . 
ſchaft, den Geſchäftsführer der Gm ie be⸗ 

punkte ar die Aufftellung allgemeiner Sätze ge: zeichneten Organe gelten, ſoweit es ſich um 
5 En b t als die Perſon, d die Ausübung des Fiſchereirechts handelt, als 
rs ee as Me Bern r gin | „ib Sam Ge limit a 


aber di t kt ( 
bindlichkeit erfüllen ſoll, regelmäßig den „Fiſcherei⸗ aber die juriſtiſche Perſon. Praktiſche Folgen: 


Die Willensorgane der juriſtiſchen Perſonen be- 
berechtigten“. Bisweilen wird von den „Inhabern pi Ausübung d für di ti- 
der Fiſch chereirechte“ oder den „Berechtigten“ ſchlecht⸗ )%%%%%C% un 


ſche Perſon keines Erlaubnisſcheins nach Art. 35, 
hin geſprochen (ſ. Art. 5, 17). Davon unterſcheidet | ebenſowenig des ſchriftlichen Ausweiſes nach Art. 68, 
das Geſetz den „zur Ausübung der Fiſcherei Bez Art. 1 Abi. 4 
rechtigten“ (Art. 1 Abſ. 4, Art. 70 Abſ. 1 u. 2). 3 Der Inhaber des Fiſchereirechts iſt nicht 
den „zur Ausübung der Fiſcherei Befugten“ immer berechtigt, das Recht auszuüben. In 
„in dem betreffenden Gewäſſer zum Fiſchen B — die Berechtigung der Ausübung hat das Geſetz 


— — nn —— — nn 


fugten“ (Art. 103 Nr. 1 u. 2). Der zur Aus: beſonders in der Abteilung III durch viele und 
übung der Fiſcherei Berechtigte iſt nicht immer einſchneidende Beſchränkungen eingegriffen. Der 
identiſch mit der Perſon, die „das Fiſchereirecht Inhaber des Rechtes kann ſich auch durch Vertrag 
ausübt“ (Art. 16), oder dem „Fiſcher (Art. 69). mit einem Dritten von der Ausübung des Rechtes 
Von dem Berechtigten iſt ferner zu unterſcheiden ausſchließen. Der praktiſch wichtigſte Fall iſt die 
ſein „Vertreter“ oder „Stellvertreter“ (Art. 65 Verpachtung des Rechtes, durch die der Inhaber 
Nr. 2, Art. 103 Nr. 2). Die Fälle, in denen verpflichtet wird, dem Pächter die Ausübung ſeines 
der Berechtigte einen Vertreter aufſtellen kann, d — in der Regel — 
find im Geſetze nicht erſchöpfend aufgeft ſich der Ausübung des Rechtes zu enthalten. In⸗ 
ſonderer Unterſuchung bedürfen ſpäter die Falle dem der Pächter das Fiſchereirecht des andern 
der vom Geſetz angeordneten Vertretung (Art. 25 j mei genen Namen ausübt, erſcheint auch er 
Abſ. 2, Art. 27 Abſ. 1). Als Perſonen, die die als „Fiſchereiberechtigter“. Seine Berechtigung 
Fiſcherei ausüben, bezeichnet das Geſetz weiter x umfaßt aber nur die Ausübung des Rechtes. 
„beſonders aufgeſtellten Fiſcher“ (Art. 20 Abs 1 Dieſem Ergebniſſe trägt das Geſetz Rechnung. 
Nr. 1, Art. 30), das Hilfs: (und Aufſichts⸗Per⸗ Es vermeidet zwar, von obligatoriſchen Fiſcherei⸗ 
ſonal (Art. 65 Nr. 1, Art. 67 bj. 3, Art. 70, 86), berechtigungen zu ſprechen, verſteht aber überall 
die „nicht ſelbſtändigen Familienangehörigen” des da, wo es ſich um Rechte und Pflichten hinſicht⸗ 
Fiſchereiberechtigten (Art. 65 Nr. 2). Beſondere lich der Ausübung des Rechtes handelt, unter dem 
Behandlung hat in mancher Hinſicht erfahren die Fiſchereiberechtigten außer dem Inhaber des Rechtes 
rechtliche Stellung des Pächters und Unterpächters, auch den Pächter (f. die Begr. des Reg.⸗Entw. 
des Inhabers eines Erlaubnisſcheins (Art. 35), Bd. I Verh. K. Abg. 1907 S. 346, 351). Dem 
des Genoſſenſchaftsvorſtands. | Pächter ſteht in der Ausübung des Rechtes der 
A. Wer iſt der „Fiſchereiberechtigte“? Nießbraucher des Rechtes gleich, ebenſo der Nutz⸗ 
Das Geſetz verſteht darunter zunächſt den Inhaber nießer des Rechtes kraft ehelichen Güterrechts oder 


474 


elterlicher Gewalt, ſo verſchieden ſonſt ihre recht: 
liche Stellung von der des Pächters iſt. 


Ob die öffentliche Fiſcherei-Genoſſen⸗ 


ſchaft, vertreten durch ihren Vorſtand, zu den 
„Fiſchereiberechtigten“ gerechnet werden darf, iſt 
nicht ganz klar. 


über. Nur die Ausübung der Rechte geht auf 
ſie über und dieſe nur ſoweit, als es der Zweck 
der Genoſſenſchaft erfordert. Das Geſetz erwähnt 
die Genoſſenſchaft wiederholt neben dem Fiſcherei⸗ 
berechtigten (z. B. in Art. 17, 35, 80, 86). An 
anderen Stellen führt es nur den Fiſchereiberech⸗ 
tigten an, wo es dieſem die ausübungsberechtigte 
Genoſſenſchaft zweifellos gleichſtellen will (3. B. in 
Art. 79, 85). Die Genoſſenſchaft wird darnach 
den Inhabern der Fiſchereirechte in der Ausübung 
der Rechte auch ohne beſondere geſetzliche Er: 
wähnung ſoweit gleichſtehen, als nach ihrem Zwecke 
und ihrer Satzung die Ausübung auf ſie über⸗ 
gegangen iſt. Den nach Art. 37 Nr. 2 zur ge⸗ 


meinſamen Bewirtſchaftung und Nutzung der Fiſch⸗ 


waſſer gebildeten Genoſſenſchaften wird in der 
Regel die geſamte Ausübung der einbezogenen 
Rechte in der Weiſe zuſtehen, daß die ſelbſtändige 
Ausübung der Rechte durch die Genoſſen aus— 
geſchloſſen iſt. 

Es iſt weiter nicht unzweifelhaft, wer in dem 


gemeinſchaftlichen Fiſchereibetriebe mit 
mehr als zwei Beteiligten hinſichtlich der Aus- 


übung als „Berechtigter“ zu gelten hat, wenn die 
Fiſcherei auf Rechnung der Beteiligten durch be: 
ſonders aufgeſtellte Fiſcher betrieben wird (Art. 20). 


Die Inhaber der einzelnen Rechte find zur Aus: 


Rechtsnachfolgerin der Genoſſen 
iſt ſie nicht, denn die Rechte gehen nicht auf ſie 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


übung nicht mehr befugt. Der aufgeſtellte Fiſcher 


iſt Hilfsperſon bei der Ausübung (darüber ſpäter). 
Man wird die Beteiligten in der Geſamtheit als 
Berechtigte hinſichtlich der Ausübung betrachten 
müſſen. 

Das Ergebnis läßt ſich in folgenden Sätzen 
zuſammenfaſſen: 

Soweit es ſich um den Beſtand des dinglichen 
Fiſchereirechts, beſonders den Erwerb und den 
Verluſt, den Inhalt und den Umfang des Rechtes 
handelt, iſt der Inhaber des Rechtes als der 
Fiſchereiberechtigte zur Sache legitimiert. Soweit 


das Geſetz Anſprüche und Verbindlichkeiten hinſicht⸗ 
lich der Ausübung des Rechtes regelt, iſt der 
„Fiſchereiberechtigte“ 1. der Inhaber des Rechtes, 


2. an ſeiner Stelle die zur Ausübung des Rechtes 
im eigenen Namen und im eigenen Intereſſe be— 
rechtigte Perſon oder Perſonengemeinſchaft, die 
den Inhaber des Rechtes von der Ausübung des 
Rechtes ausſchließt. Iſt der Inhaber des Rechtes 
(oder die ſonſtige andere Perſon, aus deren Rechte 
die Befugnis der Ausübung abgeleitet wird) aus— 


B. Die „zur Ausübung der Fiſcherei 
Berechtigten“ bilden einen größeren Kreis als 
die Fiſchereiberechtigten. Die Fiſcherei darf vor⸗ 
behaltlich beſonderer Beſchränkungen außer von 
dem Fiſchereiberechtigten von allen Perſonen aus: 
geübt werden, die von dem Fiſchereiberechtigten 
hierzu ermächtigt werden. Dieſe weite Faſſung 
legt das Geſetz dem Art. 103 Nr. 1 u. 2 zugrunde. 
Von der dort angedrohten Beſtrafung ſind alle 
Perſonen ausgenommen, die zur Ausübung der 
Fiſcherei irgendwie materiellrechtlich befugt ſind 
z. B. kraft zuläſſigen Auftrags oder kraft zuläſſiger 
Erlaubnis des Fiſchereiberechtigten. Im übrigen 
muß der Kreis der Perſonen, die zu den zur Aus: 
übung Berechtigten gehören, enger gezogen werden. 
Darauf deutet der Wortlaut des Art. 70, der 
neben dem zur Ausübung der Fiſcherei Berechtigten 


ausdrücklich deſſen Hilfe: und Aufſichtsperſonal 


nennt. Zu den „zur Ausübung der Fiſcherei 
Berechtigten“ gehören in der Regel nicht 

1. die Perſonen, die im Namen und Auftrage 
des Fiſchereiberechtigten die Fiſcherei in der 
Weiſe ausüben, daß fie den auf die Aus: 
übung fih beziehenden Weiſungen des Be- 
rechtigten Folge leiſten müſſen — das Hilfs— 
(und Aufſichts-)Perſonal mit Einſchluß der 
beſonders aufgeſtellten Fiſcher und der nicht 
ſelbſtändigen, d. h. der ledigen (?), im Brote 
des Fiſchereiberechtigten ſtehenden, von ihm 
alſo wirtſchaftlich abhängigen Familienan⸗ 
gehörigen; 

2. die Perſonen, denen der Fiſchereiberechtigte 
die Ausübung der Fiſcherei dem gemein— 
rechtlichen precarium entſprechend auf be⸗ 
liebigen Widerruf überlaſſen hat — die 
Fiſchereigäſte. 

Dagegen werden zu den Ausübungsberechtigten 
zu zählen fein die Perſonen, die außer dem Fiſcherei⸗ 
berechtigten die Fiſcherei im eigenen Namen 
ausüben, nämlich die nach Art. 27 Abſ. 2 be⸗ 


rechtigten Innungsmitglieder, die Inhaber eines 


Erlaubnisſcheins nach Art. 35. 

Das Geſetz ſpricht an mehreren Stellen (ſ. o.) 
von dem Vertreter des Fiſchereiberechtigten, läßt 
aber in Zweifel, wen es darunter verſteht. Häufig 
wird der Vertreter Hilfsperſon ohne Vertretungs— 
macht ſein. Z. B. der Gutsbeſitzer, dem ein Fiſcherei⸗ 
recht zuſteht, läßt die Fiſcherei durch ſeinen 
Verwalter tatſächlich ausüben. Wenn der Ver— 
treter Vertretungsmacht hat, wirken die Rechts⸗ 
handlungen, die er innerhalb der Vertretungsmacht 


im Namen des Vertretenen vornimmt, unmittelbar 


für und gegen den Vertretenen. Für Willens— 
erklärungen ſpricht dies der $ 164 Abſ. 1 BGB. aus; 
der Grundſatz muß aber auch für ſonſtige Rechts— 


handlungen wie die Beſitzergreifung an herrenloſen 


nahmsweiſe daneben zur Ausübung berechtigt 


(3. B. der Rechtsurheber behält ſich als Verpächter 
die eigene Ausübung vor), ſo ſind die mehreren 
nebeneinander „Fiſchereiberechtigte“. 


Waſſertieren, die Ausübung des Uferbenützungs— 
rechts nach Art. 70, die Ausübung des Fang- und 
Tötungsrechts nach Art. 85 gelten. Die auf die 
Ausübung des Fiſchereirechts ſich beziehenden An- 


ſprüche und Verbindlichkeiten entſtehen demnach 
regelmäßig unmittelbar in der Perſon des Ver⸗ 
tretenen. 

Zweifelhaft iſt die Stellung der im Geſetze 
beſonders vorgeſehenen Vertreter, die den Berech⸗ 
tigten oder die Berechtigten von der Ausübung 
der Fiſcherei tatſächlich ausſchließen (Art. 25 Abſ. 2, 
Art. 27 Abſ. 1). Aber auch ſie ſind nicht die zur 
Ausübung der Fiſcherei Berechtigten im Sinne 
des Geſetzes, denn ſie handeln in fremdem Namen 
und Auftrag und auf fremde Rechnung und be- 
rechtigen und verpflichten unmittelbar die ver- 
tretenen Perſonen. 

Die Vertretung durch einen anderen bei der 
Ausübung der Fiſcherei berührt deshalb die Sad- 
legitimation des Berechtigten nicht. Anſprüche 
und Verbindlichkeiten des Vertreters, die mit 
der Ausübung der Fiſcherei zuſammenhängen, be— 
dürfen einer beſonderen rechtlichen Grundlage. Der 
Vertreter haftet z. B. dem Dritten wegen einer 
unerlaubten Handlung. 

Folgt man dieſen Abgrenzungen, ſo kommt 
man in der Regel zu angemeſſenen Ergebniſſen 
bei der Auslegung des Geſetzes. Immerhin iſt 
es erforderlich, bei jeder Beſtimmung den Inhalt 
und den Zuſammenhang mit anderen Vorſchriften 
genau zu erforſchen. Die folgenden Beiſpiele zeigen, 
wie die Begriffe ineinander greifen und dadurch 
die Auslegung erſchweren. 

a) Die Berechtigung zum Froſchfang 
(Art. 1 Abſ. 4). M. E. iſt die Rechtslage ſo: 
Der Fiſchereiberechtigte bedarf zum Froſchfang 
ebenſowenig eines Ausweiſes über ſeine materielle 
Berechtigung wie zum Fiſchfange (ſ. Art. 68). Er 
darf aber, obwohl der Froſchfang nicht Ausübung 
des Fiſchereirechts iſt, dem Froſchfange nur nach— 
gehen, wenn er zur Ausübung der Fiſcherei be— 
rechtigt ift. Dies folgt aus dem Abi. 4 Satz 1. 
Iſt er von der Ausübung der Fiſcherei ausge— 
ſchloſſen, ſo darf er grundſätzlich anderen den 
Froſchfang nicht erlauben. Hat er das Recht ver: 
pachtet, ſo iſt in der Regel nur der Pächter zum 
Froſchfang und zur Geſtattung des Froſchfangs 
berechtigt. Iſt eine öffentliche Genoſſenſchaft aus— 
übungsberechtigt, jo übt fie diefje Rechte durch den 
Vorſtand aus. Wie liegt aber die Sache, wenn 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


ein gemeinſchaftlicher Betrieb (Art. 19) gebildet 


iſt? Der beſonders aufgeſtellte Fiſcher iſt Hilfs— 
perſon und bedarf ſowohl zum Fiſchfange wie zum 
Froſchfange der ſchriftlichen Erlaubnis der Ge— 
ſamtheit oder ihres Vertreters. Die Bewilligung 
zum Froſchfange kann er deshalb anderen nur als 
Beauftragter der Geſamtheit erteilen. Die Geſamt— 
heit ift berechtigt, anderen den Froſchfſang zu ge: 
ſtatten, ohne ſich der Vermittelung des Fiſchers 
zu bedienen. Der einzelne Berechtigte kann die 
Fiſcherei im eigenen Namen nicht mehr ausüben. 
Er darf alſo dem Froſchfang auch im eigenen 


475 


Die nach Art. 25 Abſ. 2 und Art. 27 Abſ. 1 
ſtändig beſtellten Vertreter bedürfen zum Fiſch⸗ 
fange des Ausweiſes nach Art. 68 und zum Froſch⸗ 
fange des Ausweiſes nach Art. 1 Abſ. 4. Die 
Ausweife können wie in ſonſtigen Fällen in einem 
Schriftſtück enthalten ſein. Die Vertreter können 
im Namen der Vertretenen anderen den Froſch⸗ 
fang erlauben. Dieſe Befugnis bleibt aber auch 
den Vertretenen, da ſie nur von der Ausübung 
der Fiſcherei in Perſon ausgeſchloſſen ſind. — 
Nach ſolchen Erwägungen iſt auch zu entſcheiden, 
ob die Begleitung des Fiſchereiberechtigten zur 
Legitimation des Froſchfängers ausreicht. Des 
ſchriftlichen Ausweiſes bedürfen nur die Perſonen 
nicht, die den Fiſchereiberechtigten begleiten, der 
den Froſchfang erlauben kann. Hierzu 
kommen nach Abſ. 4 Satz 1 die Perſonen, die 
außer dem Fiſchereiberechtigten zu den „zur Aus— 
übung der Fiſcherei Berechtigten“ gehören, alſo 
die nach Art. 27 Abſ. 2 berechtigten Berufsfiſcher 
und die Inhaber eines Erlaubnisſcheins. 

b) Intereſſante Vergleiche ermöglicht der Art. 6. 
Das Recht der Fiſchnacheile gehört zum 
geſetzlichen Inhalte des Fiſchereirechts; anderſeits 
bildet es eine geſetzliche Beſchränkung des Eigen— 
tums an dem überfluteten Grundſtücke. Iſt der 
Beſtand des Rechtes der Nacheile ſtreitig (es wird 
z. B. behauptet, daß die dem Geſetz entſprechende 
Geltendmachung des Rechtes durch eine auf dem 
Waſſergrundſtück oder dem ſelbſtändigen Fiſcherei⸗ 
rechte laſtende Grunddienſtbarkeit ausgeſchloſſen 
ſei), ſo ſind zur Sache legitimiert der Inhaber 
des Fiſchereirechts und der Eigentümer des über: 
fluteten Grundſtücks. Handelt es ſich nur um 
die Art der Ausübung und die daraus entſpringenden 
rechtlichen Beziehungen, beſonders das Recht auf 
Schadenserſatz, jo ſtehen fid) gegenüber der Fiſcherei— 
berechtigte in dem oben feſtgeſtellten weiteren Sinne 
und der unmittelbare Beſitzer (Eigentümer, Nieß— 
braucher, Pächter u. a.) des belaſteten Grundſtücks. 
Der Fiſchereiberechtigte braucht das Recht der 
Nacheile nicht in Perſon auszuüben. Der Grund— 
beſitzer muß die Ausübung durch jeden dulden, 
der die Fiſcherei im eigenen oder fremden Namen 
ausüben darf. Der Fiſchereiberechtigte iſt aber 
wegen der ihn treffenden Haftpflicht in der Lage, 
die Ausübung der Nacheile allen Perſonen zu 
unterſagen, die das Recht zur Ausübung der 
Fiſcherei von ihm ableiten. Der Inhaber eines 
Erlaubnisſcheins iſt deshalb gegen das Verbot des 
Fiſcherei berechtigten zur Nacheile nicht berechtigt. 
Anderſeits haftet er für den dem Grundlbeſitzer 
verurſachten Schaden niemals nach Art. 6 Abſ. 1 
Satz 2 und Abſ. 3, ſondern nur nach den Vor— 
ſchriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes. 

c) Im Gegenſatze zum Art. 6 beſtimmt der 
Art. 70, daß das Uferbenützungsrecht dem 
zur Ausübung der Fiſcherei Berechtigten 


Gewäſſer nur mit ſchriftlicher Bewilligung der zuſteht; in deſſen Namen und auf deſſen Verant— 
Geſamtheit oder ihres Vertreters nachgehen. — wortung (Abſ. 2) darf auch das Hilfsperſonal 


476 


(mit Einſchluß der Gäſte) und das Aufſichtsperſonal 
die fremden Ufer betreten. Der Berufsfiſcher 
(Art. 27 Abſ. 2), der Inhaber eines Erlaubnis⸗ 
ſcheins (Art. 35) können das Uferbenützungsrecht 
ohne Ermächtigung ſeitens des Fiſchereiberechtigten 
ausüben; dafür trifft ſie auch die Verpflichtung 
zum Schadenserſatz unmittelbar und unter Ausſchluß 
des Fiſchereiberechtigten, ſoferne dieſer nicht nach 
den Vorſchriften des BGB. haftet. Z. B.: Der 
Inhaber eines Erlaubnisſcheins begeht mit einem 
Begleiter, der ihm als „Gehilfe“ dient, das fremde 
Ufer. Der Begleiter beichädigt fahrläſſig eine 
Anpflanzung. Der Begleiter haftet nach § 823 
Abi. 1 BGB., der Inhaber des Erlaubnisſcheins 
haſtet daneben auch ohne eigenes Verſchulden als 
Geſamtſchuldner nach Art. 70 Abſ. 2, der Aus⸗ 
ſteller des Erlaubnisſcheins iſt in der Regel von 
der Haftung befreit. 

d) Das Recht des Fanges und der 
Erlegung der im Art. 85 bezeichneten 
ſchädlichen Tiere hat der „Fiſchereiberechtigte“. 
Den „Fiſchereiberechtigten“ trifft die Verpflichtung, 
über den Ort der Aufſtellung von Schlageiſen 
zum Otterfange dem Jagdberechtigten oder feinem 
Vertreter Mitteilung zu machen und dieſem die 
gefangenen oder getöteten jagdbaren Tiere ab⸗ 
zuliefern. Der „Fiſchereiberechtigte“ darf fih die 
zur Erlangung einer Entlohnung erforderlichen 
Körperteile aneignen. Der „ZJiſchereiberechtigte“ 
iſt verpflichtet, den durch die Aufſtellung der Schlag⸗ 
eiſen entſtehenden Schaden zu erſetzen. 

Das Recht der Beſeitigung ſchädlicher Tiere 
gehört zum geſetzlichen Inhalte des Fiſchereirechts; 
es wird bei der Ausübung des Fiſchereirechts 
verwirklicht. Träger der bezeichneten Rechte und 
Pflichten iſt deshalb der Fiſchereiberechtigte in 
dem oben feſtgeſtellten weiteren Sinne. Dies 
ſchließt nicht aus, daß fih der Berechtigte bei der 
Ausübung feiner Befugniſſe und der Erfüllung 
ſeiner Verpflichtungen durch andere entſprechend 
ermächtigte oder beauftragte Perſonen vertreten 
läßt. Dieſe Perſonen haften aber dem Jagd⸗ 
berechtigten und überhaupt dritten Perſonen nur 
nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Bor- 
ſchriften. Die weitere Folge iſt, daß auch der 
Berufsfiſ cher (Art. 27 Abſ. 2) und der Inhaber 
eines Erlaubnisſcheins (Art. 35) zu dem Fangen 
und Erlegen der Tiere einer beſonderen Erlaubnis 
des Fiſchereiberechtigten bedürfen. Erhalten ſie 
die (ausdrückliche oder ſtillſchweigende) Erlaubnis, 
ſo ſtehen ſie den Hilfsperſonen des Berechtigten 
gleich. Stellen ſie den jagdbaren Tieren nach, 
obwohl der Berechtigte es ihnen verboten hat, ſo 
ſind ſie wegen unberechtigter Ausübung der Jagd 
ſtrafbar. 

Der Fiſchereiberechtigte haftet ſelbſtverſtändlich 
nicht für den Schaden, der dadurch entſteht, daß 
im Fiſchwaſſer ein Unberechtigter (z. B. ein Wil: 
derer) ein Schlageiſen aufſtellt. Soweit er ſich 
dritter Perſonen zur Erfüllung ſeiner Verbindlich— 


Beitſchriſt für Rechtapflege in Bayern. 1908. Nr. ꝶc . für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


keiten (Abſ. 2, 3) bedient, hat er deren Verſchulden 
nach $ 278 BGB. zu vertreten. Für den ſonſtigen 
Schaden, den der von ihm zum Fangen oder Er⸗ 
legen ſchädlicher Tiere Beſtellte in Ausführung 
dieſer Verrichtung einem Dritten widerrechtlich 
zufügt, haftet der Fiſchereiberechtigte nach § 831 
BGB. Drei Beiſpiele werden die Rechtslage er: 
läutern: 1. Der Hund des Jagdberechtigten gerät 
zufällig in das von dem Fiſcher des Berechtigten 
aufgeſtellte Schlageiſen; Haftung des Berechtigten 
ohne Rückſicht auf fein oder des Fiſchers Ber- 
ſchulden nach Art. 85 Abſ. 5. 2. Der angeſtellte 
Fiſcher verſäumt die rechtzeitige Ablieferung des 
getöteten Tieres, das dadurch für den Jagd: 
berechtigten wertlos wird; Haftung des Berch: 
tigten nach 8 278 BGB. 3. Der angeſtellte 
Fiſcher verwendet zum Fange eigenmaͤchtig Giſt, 
der Hund des Jagdberechtigten geht daran zu: 
grunde; Haftung des Berechtigten nach 8 831 BGB. 


Mitteilungen aus der Praxis. 


Zu 8 1021 BGB. In Nr. 20 des laufenden 
Jahrgangs der Zeitſchrift wird von berufener Seite 
im Gegenſatze zu den Erörterungen in Nr. 9 daran 
feſtgehalten, daß die dem Eigentümer des herrſchen⸗ 
den Grundſtücks auferlegte Pflicht eine vom Eigen- 
tümer des dienenden Grundſtücks mit benützte Anlage 
zu unterhalten, nur dann das herrſchende Grundſtück 
belaſte, wenn ſie auf dem Blatte dieſes Grundſtücks 
eingetragen werde. Die gegenteilige Anſicht wird als 
ein Bruch mit dem ſcharf durchgeführten Syſtem des 
Grundbuchs bezeichnet. 


Die Prüfung wird indeſſen nicht überflüſſig ſein, 
ob hiermit in der Tat eine befriedigende Löſung der 
viel umſtrittenen Frage gefunden iſt. 


I, Die gegneriſchen Ausführungen ſtellen den 
Satz an die Spitze, daß nach dem Zuſammenhang der 
geſetzlichen Beſtimmungen von der Eintragung auf 
dem Blatte des herrſchenden Grundſtücks auch dann 
nicht Umgang genommen werden könne, wenn die 
Belaſtung ſich nicht als ein ſelbſtändiges Recht dar⸗ 
ſtellt. Zur Stütze werden mehrere Beiſpiele angezogen, 
in denen die Eintragung unſelbſtändiger Belaſtungen 
im Grundbuche ausdrücklich vorgeſchrieben ſei. 


1. Dem zuerſt aufgeführten Beiſpiele, der Hypothek, 
wurde gegneriſcherſeits ſelbſt keine ausſchlaggebende 
Bedeutung beigemeſſen. Es ſei hier indeſſen doch noch 
darauf hingewieſen, daß das Hypothekrecht, ſobald es 
durch die Eintragung im Grundbuche begründet iſt, 
grundbuchmäßig in feinem Beſtande von der For: 
derung, zu deren Sicherung das Recht dienen ſoll, 
unabhängig wird. 


Die Hypothekrechte — einſchließlich der Siche⸗ 
rungs- und Höchſtbetraghypothek — gehen durchaus 
nicht mit der Forderung unter, ſondern bleiben als 
Eigentümergrundſchulden beſtehen. Nicht zugegeben 
kann daher werden, daß die Hypothek buchmäßig als 
unſelbſtändige Belaſtung ſich darſtellt. 


477 


— . ——— e ———᷑S . d ' (—ͤ— 


2. Wenn ſodann darauf verwieſen wird, daß Recht 
und Pflicht, auch wenn ſie ſich gegenſeitig bedingen, 
im Grundbuche nicht an einer Stelle gebucht werden, 
ſo wird dem in keiner Weiſe entgegengetreten. Allein 
für die hier beſprochene Streitfrage dürfte hiermit 
nichts gewonnen ſein. Bekanntlich iſt der Kreis der 
Rechte, die im Grundbuche eingetragen werden, ein 
geſchloſſener. Liegen die erforderlichen Eintragungs⸗ 
bewilligungen vor, ſo wird das Grundbuchamt zu 
prüfen haben, ob ein oder mehrere eintragungsfähige 
Rechte gegeben ſind. Sind mehrere Rechte gegeben, 
ſo wird jedes getrennt von dem anderen an der Stelle 
eingetragen, die ihm zukommt, und in keinem der Ein⸗ 
träge das andere Recht mit aufgenommen. Auch ein 
5 Gegenſeitigkeitsverhältnis ändert hieran 
nichts. 

Wenn infolge eines gegebenen Gegenſeitigkeits⸗ 
verhältniſſes die Eintragung eines Rechtes von der 
Eintragung des anderen Rechtes abhängig gemacht 
iſt, ſo wird zwar das Grundbuchamt keines der beiden 
Rechte eintragen, wenn nicht auch die Vorausſetzungen 
für die Eintragung des anderen Rechts vorliegen. 
Sobald aber beide Rechte eingetragen ſind, kann 
keines der Rechte als Beſtandteil des anderen an⸗ 
geſprochen werden. Sie ſind beide buchmäßig ſelb⸗ 
ſtändig. 

Angeſichts dieſer Rechtslage kann ſelbſtverſtänd⸗ 
lich niemals davon die Rede ſein, daß durch die Ein⸗ 
tragung des einen Rechts von ſelbſt das andere Recht 
dinglich wirkſam wird. 

Aber unſelbſtändige Belaſtungen liegen nicht vor. 
Wird beiſpielsweiſe bei der Uebertragung des Eigentums 
an einem Grundſtücke gegen Entgelt für einen Teil 
der Gegenleiſtung (Kaufpreis) Hypothek beſtellt, ein 
anderer Teil der Gegenleiſtung in einer Reallaſt ge- 
währt, ſo wird nicht wohl beſtritten werden können, 
daß durch die Eintragung des Eigentumsübergangs, 
die Eintragung der Hypothek, endlich die Eintragung 
der Reallaſt buchmäßig durchaus ſelbſtändige Rechte 
begründet werden. 


Ebenſo wird es ſich bei dem vom Gegner als 
zweites Beiſpiel angeführten Erbbaurecht verhalten. 
Während die Vereinbarung über die Unterhaltung 
der Anlage durch die Vorſchrift des § 1021 BGB. 
ausdrücklich zum Beſtandteil der Grunddienſtbarkeit 
erklärt iſt, fehlt es an der gleichen Beſtimmung beim 
Erbbaurechte. Im Gegenſatze zur Grunddienſtbar⸗ 
keit dürfte die Beſtellung einer buchmäßig ſelbſtän⸗ 
dig zu behandelnden Reallaſt vorliegen, wenn der 
Erbbauberechtigte in dinglicher Weiſe gegenüber dem 
Eigentümer des belaſteten Grundſtücks wiederkehrende 
Verpflichtungen zwecks Erhaltung des Bauwerks 
übernimmt. Zweifellos muß die Reallaſt auf dem 
Blatte des Erbbaurechts gebucht werden. Allein, und 
das unterſcheidet dieſen Fall ganz weſentlich von der 
Grunddienſtbarkeit, bei der Eintragung des Erbbau— 
rechts als Belaſtung des betroffenen Grundſtücks 
wird die beſtellte Reallaſt, da ſie nicht Beſtandteil des 
Erbbaurechtes iſt, in keiner Weiſe zu berühren ſein. 

Die geſtellte Frage, ob die Verpflichtung dinglich 
geſichert iſt, wenn ſie als beſondere Ausgeſtaltung 
des Erbbaurechts, als nähere Beſtimmung ſeines Jn- 
halts mit dieſem gebucht wird, dürfte dahin zu beant— 
worten ſein, daß die Buchung auf dem Blatte des 
Erbbaurechts grundbuchmäßig nicht wird ſtattfinden 
können. 


— — 0 9 e a e o 2X —— 


Die Berufung auf Kretzſchmar, Vorbemerkung 3 
zum vierten Abſchnitt des Sachenrechts S. 303 geht 
fehl. Wie ſich aus den Ausführungen Kretzſchmars 
im 3 Bl G. von Lobe Bd. 3 S. 485 ergibt, ift die 
Reallaſt, welche Kretzſchmar an der erſterwähnten 
Stelle ſeines Kommentars auf dem Blatte des Erb⸗ 
baurechts eintragen läßt, eine ſelbſtändige Belaſtung, 
welche buchmäßig mit dem Erbbaurechte nichts zu 
ſchaffen hat. Kretzſchmar, dem hier durchaus beige⸗ 
pflichtet wird, hat es als ausgeſchloſſen erklärt, 
daß der Erbbauberechtigte kraft des Rechts zur 
Unterhaltung des Gebäudes verpflichtet wird. 

3. Vor Beantwortung der Frage, wie es zu halten 
ſei, wenn der Eigentümer des herrſchenden Grund⸗ 
ſtücks bei einer Grunddienſtbarkeit die Unterhaltungs⸗ 
pflicht in Form einer jährlich zu entrichtenden Pauſchal⸗ 
entſchädigung (Rente) bezieht, wird die Frage aufzu⸗ 
werfen ſein, wer die Rente erhält. 

Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, 
daß der Empfänger nach gegneriſcher Anſchauung in 
dem Eigentümer des dienenden Grundſtücks zu er⸗ 
blicken iſt, welcher dagegen für die tatſächliche Unter⸗ 


haltung der Anlage zu ſorgen hat. Haben die Be⸗ 


teiligten in dieſer Weiſe die Unterhaltungspflicht ge⸗ 
regelt, dann iſt die Regelung grundverſchieden von 
dem Falle, in welchem der Eigentümer des herrſchen⸗ 
den Grundſtücks verſprochen hat, die Unterhaltungs⸗ 
arbeiten zu übernehmen. 

Während in letzterem Falle die Unterhaltungspflicht 
dem Eigentümer des herrſchenden Grundſtücks obliegt, 
trifft ſie in erſterem Falle den Eigentümer des dienen⸗ 
den Grundſtücks. Die ausgeworfene Rente bildet nichts 
weiter als die buchmäßig von der Grunddienſtbarkeit 
vollſtändig zu trennende Gegenleiſtung, welche der 
Unterhaltungspflichtige für die übernommene Pflicht 
zu erhalten hat. Bei der Eintragung der Grund⸗ 
dienſtbarkeit auf dem Blatte des dienenden Grund⸗ 
ſtücks wird der Rente keine Erwähnung zu geſchehen 
haben, dagegen zu vermerken ſein, daß der Eigentümer 
des dienenden Grundſtücks die Verpflichtung zur Unter⸗ 
haltung der Anlage übernommen hat. Wurde die 
Rente in Form einer auf dem herrſchenden Grund⸗ 
ſtücke laſtenden Reallaſt gewährt, ſo iſt ſie aus⸗ 
ſchließlich auf dem Blatte des herrſchenden Grund⸗ 
ſtücks als ſelbſtändiges Recht, nicht als Beſtandteil 
der Grunddienſtbarkeit einzutragen. 

Dem Gegner dürfte es nicht gelungen ſein, ein 
Beiſpiel dafür ausfindig zu machen, daß nach dem 
Grundbuchſyſtem irgend welcher nebenſächlicher Be⸗ 
ſtandteil eines dinglichen Rechts getrennt vom Haupt⸗ 
rechte zu buchen iſt. 

II. Nicht beſtritten wurde, daß rechtlich die Grund- 
dienſtbarkeit mit der Eintragung auf dem Blatte des 
dienenden Grundſtücks dingliche Wirkſamkeit erhält, 
auch wenn die Unterhaltungspflicht auf dem herrſchen— 
den Grundſtücke nicht eingetragen wird, nach der 
gegneriſchen — hier bekämpften — Anſchauung ſohin 
nicht das herrſchende Grundſtück belaſtet. 

Der anerkanntermaßen nicht löslichen Verbindung 
der Unterhaltungspflicht mit der Dienſtbarkeit wird 
vom Gegner dadurch Rechnung getragen, daß dem 
Eigentümer des dienenden Grundſtücks die Befugnis 
eingeräumt wird, die Klage des Servitutberechtigten, 
der die Unterhaltungspflicht weigert, durch den Vor— 
wurf der Argliſt zum Scheitern zu bringen. Ja es 
wird die Stellung einer Klage auf Erlaſſung eines 


Urteils dahin gewährt, daß entweder die Ausübung 
der Dienſtbarkeit zu unterlaſſen oder die bedungene 
Unterhaltungspflicht zu erfüllen ſei. 

Billig wird die Frage aufzuwerfen ſein, ob dann 
noch davon geſprochen werden kann, daß die Grund⸗ 
dienſtbarkeit — mit Ausſchluß der Unterhaltungs⸗ 
pflicht — dinglich wirkſam geworden ſei, wenn ſie 
ohne Erfüllung der Unterhaltungspflicht doch nicht 
ausgeübt werden kann, und ob nicht die tatſächlichen 
Verhältniſſe mit dem nach der gegnerischen Konſtruktion 
gegebenen Rechtsverhältniſſe in Widerſpruch ſtehen. 


III. Bekennt man ſich zu der Anſchauung. daß es 
der Eintragung auf dem Blatte des berrſchenden 
Grundſtücks bedarf, um dieſes mit der Unterhaltungs⸗ 
pflicht zu belaſten, ſo wird — das muß eingeräumt 
werden — der Rang der Belaſtung nach Vorſchrift 
des § 879 BGB. beſtimmt werden. 


Wie verhält es ſich aber dann im Falle der 
Zwangsverſteigerung? Wenn der Erlös aus dem 
verſteigerten herrſchenden Grundſtücke nur zur Deckung 
zeitlich früher eingetragener Rechte zureicht, ſo geht 
— das wird ſich nicht wohl beſtreiten laſſen — die 
Unterhaltungspflicht unter, und iſt gemäß 88 52, 91, 
130 ZwVG. auf dem Blatte des herrſchenden Grund- 
ſtücks zu löſchen. Die durch Eintragung auf dem 
dienenden Grundſtücke geſicherte Grunddienſtbarkeit 
bleibt beſtehen und geht auf den Erwerber des 
herrſchenden Grundſtücks über. In dieſem Falle wird 
nimmer dem Erwerber des herrſchenden Grundſtücks 
und deſſen Rechtsnachfolgern der Vorwurf der Arg⸗ 
liſt gemacht werden können, wenn ſie die wohl er⸗ 
worbene Grunddienſtbarkeit ausüben, und ſich der er⸗ 
loſchenen Pflicht, die Anlage zu unterhalten, weigern. 


Die Rangbeſtimmung für die Unterhaltungspflicht, 
welche mit der Eintragung auf dem herrſchenden 
Grundſtücke verbunden iſt, führt demnach dazu, daß 
ganz gegen den Willen der Beteiligten und entgegen 
der Vorſchrift des § 1021 BGB., welche die Unter⸗ 
haltungspflicht zum Beſtandteil der Grunddienſtbarkeit 
gemacht hat, diefe Pflicht von der Dienſtbarkeit los⸗ 
geriſſen und ſelbſtändig zum Erlöſchen gebracht wird. 
Dieſe Rechtslage iſt nicht annehmbar und dürfte wohl 
auch den Herrn Gegner nicht befriedigen, der durch 
entſprechende Geſtaltung der Eintragungsformel dafür 
ſorgen will, daß das Erlöſchen der Unterhaltungs⸗ 
pflicht als nebenſächliches Recht mit dem Erlöſchen 
der Dienſtbarkeit zuſammenfällt. 


Will man der Stellung der Unterhaltungspflicht 
im Verhältniſſe zum Hauptrechte gerecht werden, ſo 
muß man durch gehobene Rangſtellung dafür ſorgen, 
daß die Pflicht unberührt beſtehen bleibt, wenn das 
herrſchende Grundſtück der Zwangsverſteigerung unter⸗ 
ſtellt wird. Das kann und wird erreicht werden, 
wenn man die Anwendung des § 879 BGB. dadurch 
ausſchließt, daß man die dingliche Haftung für die 
Unterhaltungspflicht nicht von der Eintragung auf 
dem herrſchenden Grundſtücke abhängig macht. 

Ich komme zu dem Schluſſe, daß der Zuſammen— 
hang der in Betracht kommenden rechtlichen Vor— 
ſchriften gegen die Eintragung auf dem herrſchenden 
Grundſtücke ſpricht, und daß es ſich empfiehlt, von 
dieſer Eintragung unter allen Umſtänden abzuſehen. 

Senatspräſident Clarus in Augsburg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


Gefangenanſtalt oder Gefangnenanſtalt? Ueber 
den deutſchen Sprachgebrauch ſteht keiner Autorität, 


mag fte nun Duden,) Wuſtmann oder anders beißen, 


ein apodiktiſches Urteil zu, ſondern jeder vernünftige 
Deutſche kann ſtrittige Fälle ſelbſt entſcheiden, indem 
er ſie von zwei Geſichtspunkten aus prüft: Richtig⸗ 
keit (nah Sprachgeſchichte und Analogie) und Schön⸗ 
heit (nach Gehör und Gebrauch). In unſerm Fall 
iſt auf die Frage nach der Richtigkeit aus der Sprach⸗ 
geſchichte wenig zu entnehmen; nur daß bei Wörtern 
wie „der Gefangene, der Haſe“ das in allen weiteren 
Kaſus ſcheinbar angefügten n in Wahrheit zum Wort: 
ſtamm gehört, daß alfo „Haſe braten“ (oder „Has⸗ 
braten“ ?) ebenſo unſinnig wäre wie etwa lateiniſch 
origoalis (origalis) ftatt originalis. Demnach. 
Oder halt! man könnte einwenden, unſerer Zuſammen⸗ 
ſetzung liege garnicht das Subſtantiv „der Gefangene“, 
ſondern das Partizip „gefangen“ zugrunde. Die ſprach⸗ 
geſchichtliche Begründung würde zu weit führen; ſo 
mag die Analogie ſprechen. „Abgeordnetwahl“ 
oder „Abgeordnetenwahl“? „Gefreitknopſ“ 
oder „Gefreitenknopf“? Ueberzeugender wäre 
freilich ein Fall, wo das Partizip nicht auf t, ſondern 
auf en ausginge. Nun geſetzt, jemand empfände das 
Bedürfnis, „Fürſorge für Hinterbliebene“ in einem 
Wort auszudrücken: wie wird es lauten müſſen? — 
Man bilde beliebige Beiſpiele: die Analogie erklärt 
einſtimmig „Gefangl(e)hnenanſtalt“ für die richtige 
Form. 

Von der anderen Inſtanz iſt nach einem bekannten 
Wort ein logiſch zwingender Spruch nicht zu erwarten. 
Wenn ſich jemand darauf verſteift, die Häufung ng 
— nn unſchön zu finden, oder wenn er die richtige 
Form für ſchwerfällig, zeitraubend beim Sprechen und 
Schreiben, alſo unpraktiſch und damit im höheren Sinn 
unſchön erklärt, ſo kann ihm niemand verwehren die 
andere vorzuziehen. Wohl aber kann man die Frage 
ſtellen, und für vernünftige Menſchen beantwortet ſie 
ſich ſelbſt, ob das Angeführte ſchwer genug wiegt, um 
deswegen der ſprachlichen Richtigkeit und damit dem 
Sprachgefühl ins Geſicht zu ſchlagen. Denn das iſt 
die ernſte Seite der Sache, die an ſich kaum ſo viele 
Worte wert wäre: jede unrichtige Bildung (ſchon für 
ſich allein und noch mehr noch durch die Analogien, 
die ſie nach ſich zieht) erſchüttert den geringen Reſt 
geſunden Sprachgefühls, den wir heute überhaupt 
noch haben. Daß dies letzte nicht zuviel geſagt iſt, 
dafür nur eine kleine Probe: Zeichnenlehrer oder 
Zeichenlehrer? Die wenigſten werden ſofort mit 
Sicherheit entſcheiden können, daß und warum hier 
gerade umgekehrt die kürzere Form die richtige iſt. 


Gepr. Lehramtskandidat Steck in München. 


1) Das genannte Wörterbuch ſchreibt mit den 
amtlichen Verordnungen „Gefangenwärter, Gefangen: 
anſtalt“ uſw. Wuſtmann, Allerhand Sprachdumm— 
heiten, behandelt die Frage nicht. 


Aus vr Braris der Gerichte. 


Reichsgericht. 
A. nn 


1. Steht eine anf Gai des k 935 ZPO. ange: 
ordnete Zwangsverwaltung unter den Regeln des Zw.? 

2. e für die Gewährung des Bor: 
rechts nach § 10 Nr. 1 Zw V 

Für den Beklagten ſtand auf zwei Grundſtücken 
zur 1. Stelle eine Hypothek von 10000 M. Wegen 
dieſes Anſpruchs ordnete das Vollſtreckungsgericht 
durch einſtweilige Verfügung die Zwangsverwaltung 
an, die auch eingeleitet wurde. Damals befand ſich 
auf jedem der beiden Grundſtücke ein noch unfertiger 
Neubau. Der Verwalter ſetzte die Arbeiten fort und 
führte den einen Bau vollſtändig aus. Die Mittel 
forderte das Vollſtreckungsgericht vom Beklagten als 
Antragſteller ein, der vorſchußweiſe 57 969 M zahlte. 
Dann wurden beide Grundſtücke zwangsweiſe ver- 
ſteigert und vom Kläger erſtanden. Im Verteilungs- 
termine wurden an 1. Stelle aus 8 10 Nr. 1 ZwVG. 
jene Vorſchüſſe berückſichtigt und es erlitt infolgedeſſen 
der Kläger auf eine nacheingetragene Hypothek einen 
Ausfall. Der Kläger beſtritt das Vorrecht für die 
Vorſchüſſe, erhob Widerſpruch gegen den Teilungsplan 
und klagte. Die Klage wurde vom LG. und vom 
OLG. abgewieſen. Die Reviſion hatte keinen Erfolg. 

Gründe: 1. Das Vollſtreckungsgericht hat die 
einſtweilige Verfügung auf Grund des § 935 ZPO. 
erlaſſen, um eine die Sicherheit der Hypothek ge— 
fährdende Verſchlechterung der Pfandgrundſtücke zu 
verhindern. Nach dem Inhalte des Beſchluſſes beſteht 
kein Zweifel, daß die Zwangsverwaltung als eine 
ſolche im Sinne des ZwG. angeordnet worden ift. 
Dazu war das Gericht bei dem ihm in § 938 ZPO. 
geſtatteten freien Ermeſſen befugt, und hieraus ergibt 
fih, daß die Vorſchriften der § 10 und 146 ff. mit 
Recht auch hier angewendet worden ſind. Allerdings 
ift die Zwangsverwaltung nur zum Zwecke der Siche- 
rung und nicht zum Zwecke der Befriedigung des 
Gläubigers angeordnet worden, allein dies allein kann 
mangels einer einſchränkenden Beſtimmung des Geſetzes 
nicht dazu führen, jene Vorſchriften für unanwendbar 
zu erachten. Das iſt um ſo weniger zuläſſig, als das 
ZwVG. ebenfalls dem Prozeßrechte angehört und ge- 
radezu als Beſtandteil der ZPO. gedacht ift. 

2. Die Reviſion rügt, daß das OLG. den durch 
den Tatbeſtand feſtgeſtellten Sachverhalt nicht in 
vollem Umfange berückſichtigt habe. Sie weiſt darauf 
hin, es ſei geltend gemacht worden, daß der Beklagte 
das Grundſtück bereits für fih gekauft gehabt, und 
daß er in dem Schreiben vom 18. November 1905 
verſichert habe, er wolle das Grundſtück nicht aus⸗ 
bauen laſſen, und es würde hierzu auch der künftige 

wangsverwalter nicht verpflichtet ſein. Der Beklagte 
abe dann auch die Leiſtung von Vorſchüſſen zunächſt 
abgelehnt. Allein für die Entſcheidung war nicht er⸗ 
heblich, welchen Zweck der Beklagte mit dem Antrage 
auf Anordnung der Zwangsverwaltung verfolgt und 
welche Vorſtellung er ſelbſt von den im Rahmen der 
Zwangsverwaltung vorzunehmenden Maßnahmen ge— 
habt hat. Mit Unrecht legt die Reviſion auch darauf 
beſonderes Gewicht, daß es ſich, wie übrigens auch 
das OLG. nicht verkennt, bei der durch den Voll— 
ſtreckungsrichter erfolgten Anordnung der Zwangs— 
vollſtreckung um die Sicherung der Hypothek von 
10 000 M gehandelt hat. Es kann unterſtellt werden, 
daß hierzu ſchon ein Schutz der Bauten gegen Be: 
ſchädigungen, namentlich gegen Witterungseinflüſſe, 
genügt haben würde, und daß der weitere Ausbau 
mit einem Koſtenaufwande von mehr als 57000 M 
nicht nur zur Erhaltung, ſondern zu einer weſentlichen 


Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


479 


— AOE 


1. Dezember 1904. 


Verbeſſerung der e geführt jas Allein 
dies 1 ſteht dem Anſpruche des Be lagten aus 
8 10 Nr. 1 ZwVG. nicht entgegen. Es war Sache 
des Vollſtreckungsgerichts, zu prüfen, ob die Anordnung 
einer Zwangsverwaltung in den Formen des ZwVBG. 
eine zur Erreichung des Sicherungszweckes geeignete 
und gebotene Maßregel war. War die Anordnung 
einmal getroffen, ſo waren, ſolange das Vollſtreckungs⸗ 
gericht nicht abweichende Anordnungen traf, für die 
Ausführung die 1 . maßgebend. 
Der Verwalter hatte — 8 152 — wie das Recht fo 
auch die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die 
erforderlich waren, um die Grundſtücke in ihrem wirt⸗ 
ſchaftlichen Beſtande zu erhalten und fie ordnungs⸗ 
mäßig zu benutzen. Er führte die Verwaltung nicht 
nur für den Beklagten als Antragſteller, ſondern auch 
für den Schuldner und die ſonſtigen „Beteiligten“ — 
89 — und war dieſen allen verantwortlich. Deshalb 
war für den Umfang ſeiner Rechte und Pflichten nicht 
der Zweck maßgebend, zu dem der betreibende Gläu⸗ 
biger die Anordnung der Vollſtreckungsmaßregel er⸗ 
wirkt hatte, ſondern die Rückſicht auf das allgemeine 
Intereſſe der ſäͤämtlichen Beteiligten. Das OLG. hat 
nun feſtgeſtellt, daß die Fortführung der Bauten und 
die Vollendung des einen Baues aus techniſchen 
Gründen notwendig war, da ſonſt eine Entwertung 
der Grundſtücke zu befürchten ſtand. 

Hiernach haben die Ausgaben, wenn nicht zur 
Erhaltung, ſo mindeſtens zur nötigen Verbeſſerung 
der Pfandgrundſtücke gedient, und an eine weitere 
Vorausſetzung ift in § 10 Nr. 1 a. a. O. der Erſatz⸗ 
anſpruch des die Zwangsverwaltung betreibenden 
Gläubigers nicht geknüpft. Deshalb brauchte auch 
nicht, wie die Reviſion glaubt, näher feſtgeſtellt zu 
werden, ob mehr oder minder der Beklagte die Bau— 
arbeiten geleitet und ob er unmittelbar und auf eigenen 
Namen mit einzelnen Handwerkern Verträge abge- 
ſchloſſen hat. Zudem beſteht darüber kein Streit, daß 
der Beklagte, wenn auch mit im eigenen Intereſſe, 
ſo doch im Einverſtändniſſe mit dem Zwangsverwalter 
für die Maſſe und für deren Rechnung gehandelt hat. 
Mit Unrecht rügt auch die Reviſion Nichtberückſichtigung 
der Behauptung, daß 11088 M zur Bezahlung bereits 
vom Vollſtreckungsſchuldner beſtellter Arbeiten ver⸗ 
wendet worden ſeien, und daß inſoweit für dieſen 
vielleicht eine Verpflichtung zur Abnahme beſtanden 
habe; jedenfalls ſtand die Ausführung der Arbeiten 
noch aus, und dieſe war, wie erſichtlich das OLG. 
annimmt, nach dem finanziellen Zuſammenbruche des 
Vollſtreckungsſchuldners nur auf Koſten der Maſſe zu 
erreichen. Hiernach beſtehen gegen die Annahme des 
OL G., daß die Ausgaben zur Erhaltung oder nötigen 
Verbeſſerung der Grundſtücke gemacht ſind, keine Be⸗ 
denken. (Urt. des V. 35. vom 14. Oktober 1908, V 
585/07). — — — n. 

1439 
II. 


Zuſtändigkeit der Kaufmannsgerichte. Der Kläger 
hat mit dem Beklagten am 17. April 1901 einen 
Vertrag geſchloſſen, durch den er zum Geſchäftsführer 
eines in N. unter der Firma des Beklagten am 
1. Juli 1901 zu errichtenden Handelsgeſchäftes beſtellt 
wurde. Er ſollte neben einem Gewinnanteile von 
10% ein Gehalt von monatlich 350 M bekommen 
und das Recht haben, Einlagen in Höhe bis zu 
100 000 M zu machen. Solche Einlagen hat er nicht 
gemacht. Das Geſchäftsführerverhältnis begann mit 
dem 1. Juli 1901 und endete durch Uebereinkunft am 
Der Kläger hat unſtreitig an 


Gehalt noch 900 & zu fordern. Er behauptet weiter, 


daß ihm ein Mindeſtgewinnanteil von 1000 jährlich 
garantiert worden ſei und fordert mit der Klage den 
Gehaltsreſt von 900 M und für die Monate September 
bis November 1904 den Gewinnanteil von 225 M, 
insgeſamt alfo 1125 M. Der Beklagte hat die Mindeſt— 


480 


gewinngarantie beſtritten und ſeinerſeits aufrechnungs⸗ 
und widerklageweiſe einen Anſpruch von 10998 M 
geltend gemacht. Die 1. Inſtanz hat von der Klage 
den Betrag von 900 M, von den Gegenforderungen 
den Betrag von 9440 M als begründet erachtet, nach 
vollzogener Aufrechnung die Klage abgewieſen und 
auf die Widerklage den Kläger zur Zahlung von 
8540 M verurteilt. Die Berufung des Klägers wurde 
zurückgewieſen. Auf ſeine Reviſion wurde das Urteil, 
ſoweit eine Verurteilung des Klägers auf Grund der 
Widerklage erfolgte, aufgehoben und in dieſem Um⸗ 
fange die Sache zurückverwieſen. 

Aus den Gründen: Die Klage iſt vor dem 
1. Januar 1905, dem Tage des Inkrafttretens des 
KGG., erhoben, für fie ift ohne Zweifel nach § 21 
a. a. O. das ordentliche Gericht zuſtändig. Die Wider⸗ 
klage iſt am 29. Mai 1905 durch Vortrag in der 
mündlichen Verhandlung erhoben worden. Erſt an 
dieſem Tage wurde fie im Sinne des 8 21 anhängig, 
mochte ſie auch längſt vorher angekündigt ſein (8 281 
ZPO., 8 161 KGG., § 25 GG.). Da nun am 
29. April 1905 das Kaufmannsgericht zu N. bereits 
beſtand, gehörten die mit der Widerklage verfolgten 
Anſprüche, ſoweit für ſie die Vorausſetzungen der 
88 1. 4, 5 KGG. erfüllt waren, vor dieſes Gericht, die 
Zuſtändigkeit der ordentlichen Gerichte war nach § 6 
KGG. ausgeſchloſſen. Irrtümlich ift die Anſchauung 
des OL G., daß die Widerklage unter allen Umſtänden 
wegen ihres Zuſammenhanges mit der Klage vor 
dasſelbe Gericht wie die Klage gehöre, da beide die⸗ 
ſelbe beſtrittene Frage beträfen. Die Zuläſſigkeit des 
ordentlichen Rechtsweges iſt für die Widerklage überall 
ſelbſtändig zu prüfen, gleich als ob ſie als Klage 
erhoben wäre. Und wenn zwiſchen Erhebung der 
Klage und Erhebung der Widerklage durch Aenderung 
der Geſetzgebung für den mit der Widerklage ver⸗ 
folgten Anſpruch der ordentliche Rechtsweg ausge⸗ 
ſchloſſen wird, ſo kann der rechtliche Zuſammenhang 
zwiſchen beiden dieſe Wirkung des Geſetzes nicht be⸗ 
ſeitigen. Eine Uebergangsvorſchrift iſt für dieſen Fall 
nicht getroffen, § 21 beläßt nur die bereits anhängigen 
Streitigkeiten bei den bisherigen Behörden. Die mit 
der Widerklage geltend gemachten Anſprüche beruhen 
ſämtlich auf der einheitlichen Grundlage des Dienft- 
vertrages und der aus ihm abgeleiteten Pflicht des 
Klägers zur Herausgabe deſſen, was auf Grund der 
Geſchäftsführung in feine Hand gelangt ift (SS 611, 
675, 666, 667 BGB.). Die Sonderung dieſes einheit⸗ 
lichen Anſpruchs in ſechs verſchiedene Poſten hat ihren 
Grund erſt in der Verteidigung des Widerbeklagten, 
in ſeiner Rechtfertigung über den Verbleib der in 
ſeine Hände gelangten Geſchäftsgelder. Es handelt 
ſich alfo bei diefen Summen um Streitigkeiten über 
die Leiſtungen aus dem Dienſtverhältniſſe oder um 
Schadenserſatz wegen Nichterfüllung dieſer Leiſtungen 
(S 5 Ziff. 2, 4 KGG.). Daß der Kläger Handlungs: 
gehilfe des Beklagten (S 1 a. a. O.) geweſen ift, beruht 
auf der einer Anfechtung nicht unterliegenden Aus— 
legung des Vertrages vom 17. April 1901, wonach 
der Kläger als Geſchäftsführer angeſtellt und ihm 
geſtattet wurde, ſich durch Einlagen als ſtiller Geſell— 
ſchafter zu beteiligen. Dies hat er nicht getan, ein 
ſpäteres Geſellſchaftsverhältnis war in Ausſicht ge- 
nommen, aber nicht von vornherein eingegangen. 
Auf Handlungsgehilfen, deren Jahresarbeitsverdienſt 
an Lohn oder Gehalt den Betrag von 5000 Mk. über- 
ſteigt, finden die Vorſchriften des KGG. keine Anwendung 
($ 4). Ob dies für den Kläger zutrifft, ſteht bis jetzt 
nicht feſt. Er hat nach dem Vertrage zu beziehen: 
4200 Dit. und 10% des Reingewinns. Der Jahres- 
arbeitsverdienſt im Sinne des 8 4 begreift auch die 
Tantiemen in ſich (Mot. z. KGG. S. 10). Ob in dem 
Geſchäfte des Beklagten ein Reingewinn erzielt worden 
iſt, an dem der Kläger teilnehmen kann, iſt nicht feſt— 
geſtellt. Der Kläger hat behauptet, daß ein Mindeſt— 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


gewinn von 1000 M ihm für das Jahr garantiert 
worden ſei, hat hierauf ſeine Klage geſtützt und über 
den tatſächlich erzielten Gewinn keine Behauptung 
aufgeſtellt. Der Beklagte hat die Gewinngarantie 
beſtritten und behauptet, daß tatſächlich ein Gewinn 
nicht erzielt ſei. Nach des Klägers Darſtellung hat 
er alſo über 5000 M, nach des Beklagten Darſtell ung 
unter 5000 M Jahresarbeitsverdienſt gehabt. Für 
die Zuſtändigkeit des Kaufmannsgerichtes hinſichtlich 
der Widerklage kommt es nicht auf die Behauptung 
des Widerklägers über die Höhe der Bezüge an, ent⸗ 
ſcheidend iſt die objektive Sachlage; das Gericht hat 
von Amts wegen feſtzuſtellen, wie viel der Jahres⸗ 
arbeitsverdienſt beträgt. Kann die Feſtſtellung, daß 
der Handlungsgehilfe mehr als 5000 M verdient, 
wegen unſicherer Bezüge nicht getroffen werden, ſo iſt 
das Kaufmannsgericht zuſtändig. Denn das iſt die 
Regel, 8 4 die Ausnahme. Das OLG. hat nach Ber- 
neinung der Mindeſtgewinngarantie über die Höhe 
des Jahresarbeitsverdienſtes des Klägers unter Ein: 
rechnung des 10% igen Gewinnanteils keine Entſchei⸗ 
dung getroffen, weil der bilanzmäßige Gewinnanteil 
nicht eingeklagt war. Dieſe Frage iſt noch offen und 
deshalb die Sache zurückzuverweiſen. (Ausgeführt iſt 
noch, daß die Anſprüche des Beklagten im Verfahren 
vor dem ordentlichen Gerichte inſoweit zu prüfen 
geweſen ſeien, als der Aufrechnungseinwand reiche, 
weil das Recht der Aufrechnung nicht davon abhängig 
ſei, daß die ſich gegenüberſtehenden Forderungen beide 
vor den ordentlichen Gerichten oder beide vor den 
Kaufmannsgerichten einklagbar ſein müßten. Es iſt 
gebilligt, daß die feſtgeſtellte Gegenforderung zur Auf⸗ 
rechnung gegen die Klage zugelaſſen und die Klage 
demgemäß abgewieſen wurde). (Urt. des III. 3S. 
vom 12. Mai 1908, III 494/07). D. 
1408 


B. Straffaden. 
I 


Kann der yerfönlich haftende Geſellſchafter einer 
Kommanditgeſellſchaft im Sinne des & 266 Nr. 2 StGB. 
Bevollmächtigter der Geſellſchaft und der Geſellſchafter 
ſein? Aus den Gründen: Wenn der Angeklagte, 
weil perſönlich haftender und geſchäftsführender Ges 
ſellſchafter der Firma M. & Cie. als Bevollmächtigter 
dieſer Geſellſchaft und mittelbar als ſolcher der Kom⸗ 
manditiſten angeſehen und angenommen worden iſt, 
er habe die nachteiligen Verfügungen über Vermögens⸗ 
ſtücke der Firma innerhalb des Kreiſes der ihm durch Voll⸗ 
macht eingeräumten Vertretungsbefugniſſe getroffen, ſo 
iſt das rechtlich nicht zu beanſtanden. Hinſichtlich der 
Stellung als Vertreter der Geſellſchaft und der Geſell⸗ 
ſchafter nach außen unterſcheidet ſich der perſönlich 
haftende Geſellſchafter der Kommanditgeſellſchaft vom 
offenen Geſellſchafter nicht (SS 161 Abſ. 2, 170, 125 bis 
127 HGB.) und im Verhältnis zu dem Kommanditiſten 
ift eine Beſchränkung feiner Befugniſſe durch den Ge- 
ſellſchafter ebenſo zuläſſig, wie in der offenen Gefell- 
ſchaft (SS 163, 109 HGB.). Daher treffen auf den 
perſönlich haftenden Geſellſchafter der Kommandit- 
geſellſchaft alle Erwägungen zu, auf Grund deren in 
den Entſcheidungen Bd. 18 S. 272, Bd. 23 S. 316 der 
offene Handelsgeſellſchaſter als „Bevollmächtigter der 
Geſellſchaft und der Geſellſchafter“ erachtet iſt; auch 
er leitet gleich dem perſönlich haftenden Geſellſchafter 
ſeine nach außen unbeſchränkten Vertretungsbefugniſſe 
zwar zunächſt aus dem Geſetz her, ſie beruhen aber 
doch nur auf dem Geſellſchaftsvertrag, mit dem das 
Geſetz als Rechtsfolge die Vertretungsbefugnis ver— 
knüpft; es iſt ſonach bei dem einen wie dem anderen 
die Befugnis, mit rechtlicher Wirkung für die Gefell- 
ſchaft und die darin vereinten Perſonen Rechtsgeſchäfte 
vorzunehmen, auf die privaten Willenserklärungen 
der letzteren und den darin verkörperten Auftrag der 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


Geſellſchaft zu den in der Geſchäftsführung notwendigen 

Rechtsgeſchäften gegründet. (Urt. des I. StS. vo 

28. September 1908, 1 D. 797/08). B. 
1425 


II. 


Die vom Staatsanwalt erhobene öffentliche Klage 
kaun noch . werden, wenn das Gericht 
nach Einreichung der Anklageſchrift die Vornahme ein: 
elner Beweiserhebungen angeordnet hat (§ 154 StPO.). 

us den Gründen: Der 1. Abſchnitt des 2. Buches 
der StPO. (§ 151 mit 155) befaßt ſich mit der öffent- 
lichen Klage als der notwendigen Vorausſetzung für 
„die Eröffnung einer gerichtlichen Unterſuchung“ ($ 151) 
und beſtimmt in § 154, daß die öffentliche Klage „nach 
Eröffnung der Unterſuchung“ nicht zurückgenommen 
werden kann. „Die Eröffnung einer gerichtlichen Unter⸗ 
ſuchung“ im Sinne der StPO. erfordert begriffsgemäß 
einen richterlichen Beſchluß, durch den erklärt wird, 
daß die Anordnung und Durchführung der Unter⸗ 
ſuchungshandlungen, die zur Strafverfolgung nötig ſein 
werden, in ihrer Geſamtheit in eine einheitliche richter⸗ 
liche Hand gelegt und auf dieſem Wege einer richter⸗ 
lichen Entſcheidung zugeführt werden ſoll. Von der 
Eröffnung einer gerichtlichen Unterſuchung kann daher 
nur geſprochen werden bei der Eröffnung der Vor⸗ 
unterſuchung (§ 182, 200 StPO.) und der Eröffnung 
des Hauptverfahrens (SS 201 ff. StPO.), wogegen 
dadurch, daß das Gericht nach § 200 StPO. „einzelne 
Beweiserhebungen anordnet“, ſchon dem Wortlaut nach 
keine gerichtliche Unterſuchung im Sinne der 88 151, 
154 „eröffnet“ wird. Mit der Anordnung einzelner 
Beweiserhebungen erklärt das Gericht noch nicht, daß 
nun die Unterſuchung in ihrer Geſamtheit in einheit⸗ 
liche richterliche Hand übergehen ſoll, es will vielmehr 
die Entſcheidung darüber, ob das geſchehen ſoll, noch 
durch die Beſchaffung weiteren Stoffes vorbereiten. 
Es kann daher in einem ſolchen Falle der Staats⸗ 
anwalt die öffentliche Klage zurücknehmen. (Urt. des 
I. StS. vom 12. März 1908, 1 D. 158/08). — ch. 

1426 


III. 


Sind Verſuchshandlungen zur Notzucht (§ 177 StGB.) 
ſtets unzüchtige Handlungen im Sinne des $ 176 Nr. 1 
Sts B.? Aus den Gründen: Der Ausführung des 
Verteidigers, daß der Spruch der Geſchworenen einen 
unlösbaren inneren Widerſpruch enthalte, kann nicht 
zugeſtimmt werden. Die Frage war darauf gerichtet, 
ob der Angeklagte ſchuldig ſei, durch eine und dieſelbe 
Handlung a) mit Gewalt unzüchtige Handlungen an 
einer Frauensperſon vorgenommen und b) den Ent⸗ 
ſchluß, durch Gewalt eine Frauensperſon zur Duldung 
des außerehelichen Beiſchlafs zu nötigen, durch Gand- 
lungen betätigt zu haben, die einen Anfang der Aus⸗ 
führung dieſes Verbrechens enthalten. Die Geſchworenen 
haben die Frage a) verneint, die zu b) bejaht. Der 
Widerſpruch ſoll darin liegen, daß jede Handlung, die 
einen Anfang der Ausführung des Verbrechens der 
Notzucht enthält, ohne weiteres unzüchtig ſei, und daß, 
wenn die Unzüchtigkeit der vorgenommenen Handlung 
verneint werde, auch kein Anfang der Ausführung der 
Notzucht, ſondern nur eine Vorbereitungshandlung 
vorliegen könne. Allein zum Tatbeſtande der Notzucht 
gehört auch die Gewalt und ſobald Gewalt zur Er— 
zwingung des Beiſchlafs angewendet worden iſt, iſt 
auch mit der Ausführung der Notzucht begonnen. 
Dieſe Gewalt braucht aber nicht notwendig in einer 
ſchon an ſich unzüchtigen Handlung zu beſtehen, eben⸗ 
ſowenig wie die hier zwar nicht in Betracht kommende, 
aber der Gewalt gleichgeſtellte Drohung mit gegen— 
wärtiger Gefahr für Leib oder Leben an ſich unzüchtig 
iſt. (Die ebenfalls angeregte Frage, ob ein rechtliches 
Zuſammentreffen zwiſchen Notzuchtsverſuch und dem 


481 


Verbrechen des 8 176 Nr. 1 StGB. denkbar oder ob 
Geſetzeskonkurrenz anzunehmen iſt, iſt unentſchieden 
geblieben). (Urt. d. I. StS. v. 12. Oktober 1908, 1 D. 
595/08). B. 


1441 


Oberſtes Landesgericht. 
A. Zivilſachen. 


Kann der Prinzipal vom Negiſtergericht oder dem 
vorgeſetzten Landgerichte die Löſchung der Firma er⸗ 
wirken, unter der ohne ſeine Genehmigung ſein Handlungs⸗ 
gehilfe während des Dienſtverhältniſſes ſic hat im Handels: 
regiſter als Inhaber eines Konkurrenzgeſchäfts eintragen 
laffen? (HGB. SS 29, 60; JGG. pS 142, ). Am 
5. September 1908 haben Jofeph S. und Guſtav 
W. in M., die bis zum Ende des Monats September 
1908 Angeſtellte der Firma „Dienſtmann⸗Inſtitut 
R. R.“ in M. waren, bei dem Regiſtergericht die 
offene Handelsgeſellſchaft „Expreß⸗ und Gepäck⸗ 
beförderungs⸗Inſtitut B. R., S. und W.“ zur Eintragung 
angemeldet. Als den Zeitpunkt, mit dem die Geſell⸗ 
ſchaft begonnen hat, beantragten ſie den 27. Auguſt 
1908, den Tag der Schließung des Geſellſchaftsvertrags, 
einzutragen, indem fie erklärten, der eigentliche Geſchäfts⸗ 
betrieb könne, da ſie bis zum 30. September in ihrer 
bisherigen Stellung bleiben müßten, erſt am 1. Oktober 
aufgenommen werden, ſie hätten aber nach Abſchluß 
des Geſellſchaftsvertrags ſchon Geſchäftsräume gemietet, 
einen Geſchäftsführer in Dienſt genommen, Fahrräder 
gekauft und andere vorbereitende Rechtsgeſchäfte ge⸗ 
ſchloſſen. Das Regiſtergericht trug die Geſellſchaft 
ein. Der Kaufmann Karl S., Inhaber der Firma 
„Dienſtmann⸗Inſtitut R. R.“, beantragte bei der 
Kammer für Handelsſachen die Löſchung der Geſell⸗ 
ſchaftsfirma, weil die Geſellſchafter, ſolange ſie An⸗ 
geſtellte ſeines Geſchäfts 1 nicht ein Konkurrenz⸗ 
geſchäft betreibende Vollkaufleute ſein könnten, eine 
Verpflichtung zur Anmeldung einer Firma, durch 
deren Eintragung eine Vertragspflicht verletzt oder 
gefährdet werde, nicht le und einem Angeſtellten, 
der wider Treu und Glauben eine Konkurrenzfirma 
zur Eintragung anmelde, nicht durch die Eintragung 
die ihm nicht gebührende rechtliche Stellung eines 
Vollkaufmanns verſchafft werden dürfe. Die K. f. H. 
wies den Antrag zurück. Auch die Beſchwerde des Karl 
S. iſt zurückgewieſen worden. 

Gründe: Der Beſchluß wird ſchon durch die 
zutreffende Erwägung getragen, daß, auch wenn es 
an einer weſentlichen Vorausſetzung der er 
mangelte, nach den Umſtänden kein zureichender Grun 
beſteht, die Löſchung anzuordnen (vgl. Bek. vom 24. 
Dez. 1899, die Führung des Handelsregiſters betr., 
IMBI. S. 814, § 80 Abſ. 1 der beigegebenen Bor- 
ſchriften, Neue Samml. v. Entſch. d. Obs G. Bd. 3 
S. 670). Ein Fall der in den SS 142, 143 JGG. 
bezeichneten Art liegt nicht vor. Die K. f. H. hat es 
mit Recht p überflüſſig erachtet, auf die Frage ein⸗ 
zugehen, ob die Geſellſchafter S. und W. ſchon durch 
die Anmeldung der Geſellſchaft zur Eintragung in 
das Handelsregiſter dem im 8 60 Abſ. 1 HGB. be- 
ſtimmten Verbote zuwidergehandelt haben, und es iſt 
auch ohne Belang, ob fie ſchon nach § 1 Abſ. 2 Nr. 5 
HGB. Kaufleute waren (vgl. Staub 8. Aufl. Bd. 2 
Anm. 2 zu § 425 S. 1847), oder diefe Eigenſchaft erft 
durch die Eintragung in das Handelsregiſter nach 
82 HGB. erlangten. Für die Behauptung, ein An⸗ 
geſtellter eines kaufmänniſchen Geſchäfts könne ſchon 
begrifflich nicht Vollkaufmann mit einem Konkurrenz— 
geſchäfte ſein, fehlt es an jedem Anhalt; es iſt un⸗ 
verſtändlich, warum nicht dieſelbe Perſon in dem einen 
Geſchäft als Angeſtellter, in einem anderen als Unter⸗ 
nehmer ſoll tätig ſein können. Aus dem Dienſtverhält⸗ 
niſſe des Angeſtellten ergibt ſich nach 8 60 Abſ. 1 


482 


HGB. die Verpflichtung, nicht ohne Einwilligung des 
Prinzipals ein Handelsgewerbe zu betreiben, aber 
dieſe Vertragspflicht ſchließt es ebenſowenig aus, daß 
derjenige, der im Widerſpruche mit ihr eines der im 
8 1 Abſ. 2 HGB. bezeichneten Handelsgewerbe betreibt, 
Kaufmann und Vollkaufmann ift, wie nach § 7 HGB. 
eine Zuwiderhandlung gegen Vorſchriften des öffent- 
lichen Rechtes hindert, daß dem Zuwiderhandelnden 
die Eigenſchaft eines Kaufmanns zukommt (vgl. Staub 
Bd. 181 Anm. 22, 87 Anm. 1 mit 3). Im erſteren 
Falle kann der Prinzipal, im zweiten die zuſtändige 
Behörde die Einſtellung des Betriebes erwirken, aber 
ſolange das Handelsgewerbe betrieben wird, iſt der 
Unternehmer als Kaufmann den für Kaufleute geltenden 
Vorſchriften des HGB. unterworfen, insbeſondere ver⸗ 
pflichtet, nach S 29 feine Firma zur Eintragung an= 
zumelden. Ebenſo muß, wer ein gewerbliches Unter- 
nehmen der im $ 2 HGB. bezeichneten Art betreibt, 
ſein Unternehmen dadurch zu einem Handelsgewerbe 
und ſich zum Kaufmann machen, daß er die Eintragung 
ſeiner Firma in das Handelsregiſter herbeiführt, auch 
wenn er als Angeſtellter eines anderen dieſem gegen- 
über verpflichtet iſt, ſich des Betriebs zu enthalten. 
Einer geſetzlich vorgeſchriebenen Anmeldung muß das 
Regiſtergericht entſprechen. Eine Verletzung von Treu 
und Glauben mag darin zu finden ſein, daß der An⸗ 
meldende ſich durch feine Handlungsweiſe in die Lage 
bringt, die Anmeldung machen und die damit ver⸗ 
bundenen Folgen herbeiführen müſſen; die Erfüllung 
der geſetzlichen Pflicht ſelbſt verſtößt aber nicht gegen 
Treu und Glauben. Einer Eintragung, durch die der 
vorgeſchriebenen Anmeldung entſprochen wird, fehlt 
es nicht deswegen an einer weſentlichen Vorausſetzung, 
weil der Anmeldende die Handlungen hätte unterlaſſen 
ſollen, die ihn zu der Anmeldung verpflichten; ſie iſt 
nicht unzuläſſig ſondern geſetzlich geboten. (Beſchluß 
des I. ZS. vom 14. Oktober 1908, Reg. III. . 
1447 ; 


B. Strafſachen. 


„Oeffeutlicher Verkehr“ i. S. der Maß⸗ und Gewichts⸗ 
ordnung vom 17. Anguſt 1868, Art. 10; „Zum Ge: 
brauche im Gewerbe geeignete Maße“ i. S. des 9 369 
Nr. 2 StGB. Die Angeklagten haben Baſaltbrüche 
gepachtet und laſſen das gewonnene Rohmaterial zu 
Straßendeckmaterial zerkleinern. Das ſo gewonnene 
Material wird durch die Angeklagten von ihren Arbeits— 
plätzen aus nach Kubikmetern verkauft. Die Meſſung 
geſchieht mit geſetzlich geeichten Rahmenmaßen. Außer 
den bei Verkäufen zur Anwendung kommenden geeichten 
Rahmenmaßen beſitzt jeder Angeklagte an ſeinem 
Arbeitsplatze noch ein bis drei Maße, ungefähr / chm 
faſſend. Sie weichen in Geſtalt und Größe von dem 
Rahmenmaße ab, das durch die Entſchl. des StM. d. J. 
vom 18. Dezember 1877 für die Abmeſſung des für 
die Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Deck— 
materials vorgeſchrieben iſt. Dieſe Maße ſind nicht 
geeicht und nur dazu beſtimmt, wegen ihrer beſſeren 
Handlichkeit bei der Berechnung der Arbeitslöhne Ver— 
wendung zu finden. Dieſe geſchieht ſo, daß die Arbeiter 
das zerkleinerte Material in Käſten füllen und für 
jeden gefüllten Kaften 1 M oder 1 M 30 3 erhalten. 
Die Angeklagten wurden in zwei Inſtanzen verurteilt. 
Unter Aufhebung des Strafkammerurteils wurde die 
Sache zurückverwieſen. 

Aus den Gründen: 1.8 369 Nr. 2 StGB. 
bedroht die Gewerbetreibenden mit Strafe, bei denen 
zum Gebrauch in ihrem Gewerbe geeignete, mit dem 
geſetzlichen Eichungsſtempel nicht verſehene oder un— 
richtige Maße, Gewichte oder Wagen vorgefunden 
werden. Er verfolgt ebenſo wie Art. 10 der Maß— 
und Gewichtsordnung vom 17. Auguſt 1868, der zum 
Zumeſſen und Zuwägen im öffentlichen Verkehre nur 
die Anwendung der nach der Maß- und Gewichts— 


— ——— , 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


ordnung gehörig geſtempelten Maße, Gewichte und 
Wagen erlaubt, nur den Zweck, die Anwendung vor: 
ſchriftswidriger Meßgeräte im Verkehr zu verhindern. 
Strafbar iſt daher nur die Verwendung vorſchrifts⸗ 
widriger Meßgeräte an einem Orte, an dem ſie ſich 
im öffentlichen Verkehre befinden. Der Begriff des 
„öffentlichen Verkehrs“ umfaßt die Fälle, in denen 
Waren von Gewerbetreibenden oder anderen Perſonen 
nach Maß und Gewicht verkauft werden. Er vollzieht 
ſich an den Orten, die jedermann zum Ans und Ber- 
kauf von Waren zugänglich ſind. An dieſen Orten, 
gleichviel ob öffentlichen oder nichtöffentlichen, darf 
der Gewerbetreibende nur ſolche Maße uſw. Haben, 
die den geſetzlichen oder verordnungsmäßigen Beſtim⸗ 
mungen entſprechen. Die Strafbarkeit iſt nicht da⸗ 
durch bedingt, daß die vorſchriftswidrigen Meßgeräte 
tatſächlich im öffentlichen Verkehre benützt werden. 
oder zur Benützung darin beſtimmt ſind, doch iſt ſie 
ausgeſchloſſen, wenn die Werkzeuge nur den inneren 
Zwecken des Gewerbebetriebes dienen und in einer 
Weiſe zur Anwendung gelangen, daß ſie im öffent⸗ 
lichen Verkehre zum Zumeſſen oder Zuwägen an das 
Publikum nicht gebraucht werden können. Das OLG. 
hat feſtgeſtellt, daß die Angeklagten das gewonnene 
Steinmaterial von ihren Arbeitsplätzen aus nach 
Kubikmetern verkauft haben und daß ihnen die Tat⸗ 
fahe der Aufbewahrung der Rahmenmaße an „dem 
öffentlichen Verkehre ihres Gewerbes dienenden Orten“ 
bekannt war, das Urteil ſpricht auch von dem mit 
dem Gewerbe der Angeklagten verbundenen öffentlichen 
Verkehre, nämlich der „käuflichen Abgabe von Material 
an das Publikum auf den Arbeitsplätzen“. Dieſe Feſt⸗ 
ſtellungen laſſen nicht mit Sicherheit entnehmen, ob 
tatſächlich die Abwickelung des Verkehrs, das Zu⸗ 
meſſen an die Abnehmer mit den geſetzlich geeichten 
Maßen auf den Arbeitsplätzen der Angeklagten erfolgte, 
wo auch die hier in Frage ſtehenden Meßkäſten auf- 
bewahrt waren und den Arbeitern gegenüber ver⸗ 
wendet wurden. Nur in dieſem Falle könnte davon 
geſprochen werden, daß ſich die vorſchriftswidrigen 
Maße im öffentlichen Verkehre befunden haben. 

2. Für die Anwendbarkeit des § 369 Nr. 2 StGB. 
iſt weiter erforderlich, daß die bei den Gewerbe⸗ 
treibenden vorgefundenen vorſchriftswidrigen Maße 
zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignet ſind. Dieſe 
Vorausſetzung iſt nicht ſchon dann gegeben, wenn mit 
den Geräten überhaupt gemeſſen werden kann, ſondern 
ſie müſſen zum Gebrauch in dem im beſonderen Falle 
vorliegenden Gewerbe geeignet ſein, ihre Verwendung 
muß dem in dieſem Betriebe herrſchenden Geſchäfts— 
gebrauch und der Verkehrsanſchauung des Publikums 
entſprechen, das nach dieſen Maßen zu kaufen pflegt 
und das durch vorſchriftswidrige Maße getäuſcht 
werden kann. Denn die Abſicht des Geſetzes geht eben 
dahin, Schädigungen des die Waren auf Treu und 
Glauben hinnehmenden Publikums zu verhüten. Auch 
nach dieſer Richtung ſind die Feſtſtellungen des Urteils 
nicht ausreichend. Die Strafkammer ſtellte nur feft, 
daß die Meßkäſten einerſeits eine den in dem S 32 
der Eichordnung vom 1. Auguft 1885 beſchriebenen 
Meßwerkzeugen für Mineralprodukte ähnliche Geſtalt. 
andererſeits ein in Bruchteilen eines Kubikmeters be⸗ 
ſtimmtes Faſſungsvermögen haben, ferner daß der 
Verkauf des Straßendeckmaterials nach dem Hohlmaße 
im Geſchäfte der Angeklagten üblich iſt. Sie gelangt 
ſodann zu dem Schluſſe, daß diefe Meßkäſten nach der 
Natur und dem Geſchäftsgebrauche im Gewerbe der 
Angeklagten und nach ihrer Beſchaffenheit, Form und 
Größe an ſich geeignet ſind, in dem Gewerbebetriebe der 
Angeklagten zum Zumeſſen gebraucht zu werden. Es 
ſteht hiernach nicht außer Zweifel, daß das LG. bei 
feiner Schlußfolgerung alle weſentlichen Umſtände, 
namentlich die allgemeine Verkehrsauffaſſung ent⸗ 
ſprechend gewürdigt hat. Hierbei kommt insbeſondere 
auch in Betracht, daß das Urteil ausdrücklich feſtſtellt, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


daß die Angeklagten faſt ausſchließlich an den Staat 
und an Diſtriktsgemeinden verkaufen, daß aber die 
beſchlagnahmten Maße in Geſtalt und Größe von 
dem durch die Miniſterialentſchließung vom 18. Dezember 
1877 vorgeſchriebenen, zur Abmeſſung des für die 
Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Deck⸗ 
materials beſtimmten Rahmenmaße abweichen. (Urt. 
H. 


vom 20. Oktober 1908, Rev Reg. 396,08). 
1445 


Oberlandesgericht München. 


Zu 3 170 StPO. Der Antrag auf gerichtliche 
Entſcheidung iſt formell unzuläſſig, ſchon deshalb, 
weil der Antragſteller E der beigeſchafften 
Akten des Amtsgerichts M. wegen Geiſteskrankheit 
entmündigt, ſohin zu gerichtlichen Handlungen und 
Anträgen unfähig iſt, dieſe Geiſteskrankheit auch nach 
dem Inhalt der eingereichten Schriftſtücke offenbar bis 
heute fortbeſteht. Sodann iſt der Antrag aber auch 
mangels Mitunterzeichnung durch einen Rechtsanwalt 
unzuläſſig. Der im Auslande wohnhafte Antragſteller 
hat zwar beantragt, dieſe Unterzeichnung durch das 
OLG. „im eigenen Wirkungskreiſe“ beiſetzen zu laſſen. 
Die Herbeiführung dieſer Anwaltsunterſchrift iſt aber 
Sache des Antragſtellers und es ſteht dem Gericht 
hierfür keinerlei Mitwirkung, weder nach 8 33 NAD. 
noch nach § 141 StPO. zu (Entſch. des OLG. München 
in Straff. Bd. 2 S. 111; Bd. 8 S. 492). Hier würde 
dem Antragſteller übrigens auch die Fähigkeit mangeln, 
die Vollmacht rechtsgültig zu erteilen. (Beſchl. vom 
6. November 1908; Reg.⸗Nr. 50/08). N. 

1437 


Landgericht München I. 


Scheidung öſterreichiſcher Jsraeliten im 9 
Reide. Die Zuſtändigkeit ift gemäß 8 606 Abſ. 1 
und 4 ZBO. gegeben, weil der Ehemann feinen Wohn- 
ſitz in Bayern hat und die öſterreichiſchen Geſetze einen 
ausſchließlichen öſterreichiſchen Gerichtsſtand für die 
Scheidung im Auslande wohnhafter Oeſterreicher nicht 
anordnen (SS 76, 100 Oeſter. Jur.⸗Norm). Zur Sache 
ſelbſt iſt zwar das internationale Scheidungsabkommen 
vom 12. Juni 1902 bis heute zwiſchen dem Deutſchen 
Reich und Oeſterreich nicht ratifiziert; gleichwohl 
kommt das öſterreichiſche Scheidungsrecht ſchon nach 
Art. 17 Abſ. 1 EG. z. BGB. zur Anwendung. Auf 
Scheidung kann nach Abſ. 4 im Inlande jedoch nur 
erkannt werden, wenn auch das deutſche Recht ſie 
gegebenenfalls zuläßt. Hierbei iſt im Hinblicke auf 
Art. 201 EG. z. BGB. neben dem BGB. auch das 
frühere Recht, alſo das moſaiſche Recht zu berüdfich- 
tigen (Bayer. QR., Anm. z. T.I Kap. VI § 49). Ehe- 
bruch ift nach $ 1565 BGB. ein abſoluter Scheidungs⸗ 
grund und auch nach § 135 Allg. öſterr. BGB. iſt bei 
jüdiſchen Ehegatten der Mann berechtigt, ſolchenfalls 
die Frau ſelbſt wider ihren Willen durch einen Scheide— 
brief von ſich zu entlaſſen; dies entſpricht dem moſa⸗ 
iſchen Recht (Bl. f. RA. Bd. 48 S. 438). Die mate⸗ 
rielle Scheidungsgrundlage iſt hiernach in ſämtlichen 
Geſetzen gleichmäßig gegeben. Allerdings hat der 
Kläger erklärt, er ſei nicht in der Lage, die formelle 
Aushändigung eines Scheidungsbriefes darzutun, da 
das hieſige Rabbinat die Mitwirkung hierzu mit Rück- 
ſicht auf die deutſche Geſetzgebung bis nach rechts⸗ 
kräftigem Spruch des Zivilgerichts verweigere. Es 
bedarf aber im Deutſchen Reiche auch dieſer formellen 
Handlung gar nicht. Nach 8 1564 BGB. mit § 15 
GVG. erfolgt hier die Scheidung durch Urteil unter 
Ausſchluß jeder geiſtlichen Gerichtsbarkeit. Hiernach 
it für das im Falle des 8 135 öſterr. BGB. in 


483 


Oeſterreich gebräuchliche, vom urſprünglichen moſa⸗ 
iſchen Recht bereits abweichende Verfahren kein Raum 
(gewöhnliche Klage auf Annahme des Scheidebriefs; 
nach Rechtskraft Ueberreichung des Scheidebriefs 
im Gerichtstermin und Urteilsausſpruch, daß damit 
die Ehe getrennt ſei, vgl. Leske⸗Löwenfeld, intern. 
Rechtsverf. Bd. 4 S. 76). Denn ſoweit es ſich bei 
der Uebergabe des Scheidebriefs um materielle Nor⸗ 
men handeln ſollte, ſteht Art. 30 EG. z. BGB. ent- 
gegen (ogr: RG.Z. Bd. 57 S. 250; BayObLG. neue 
Samml. Bd 6 S. 540); ſoweit es ſich aber um Ver⸗ 
fahrensvorſchriften handelt, gilt für das deutſche Ge⸗ 
richt innerhalb feiner einmal anerkannten Zuſtändig⸗ 
keit nur die 1 ZPO. Nach ähnlichen Grund⸗ 
ſätzen (vgl. Bl. f. RA. Bd. 48 S. 439) ift übrigens 
auch ſchon zwiſchen 1870 und 1900 in Bayern ver⸗ 
fahren worden, wenn es ſich um die Scheidung israe⸗ 
litiſcher Ehen handelte. Der materielle Scheidungs⸗ 
grund wurde dem moſaiſchen Recht als maßgebendem 
Zivilrecht entnommen. Die Scheidungsformen regelten 
fih nach 85 76 ff. PerſsStG. in Verbindung mit der 
jeweils geltenden Prozeßordnung. Letztere iſt ein 
Beſtandteil der öffentlichen Ordnung im Sinne des 
Art. 30 EG. z. BGB. Selbſtverſtändlich bleibt es den 
Parteien unbenommen, neben und außerhalb des 
gegenwärtigen Verfahrens zwecks Erfüllung religiöſer 
Vorſchriften oder zwecks ſicherer Anerkennung des 
gegenwärtigen Urteils in Oeſterreich die Scheidebrief⸗ 
erteilung nachzuholen; dem deutſchen Ehegericht ſteht 
aber hierbei eine Mitwirkung nicht zu. Demnach 
war gemäß 8&$ 1565, 1574 deutſches BGB., Art. 17 
EG. hierzu; § 135 öfter. BGB. mit 8 6 öſterr. 
Juſtiz⸗»M VO. vom 9. Dezember 1897 (Schuldausſpruch), 
S 624, 91 deutſche ZPO. zu erkennen wie geſchehen. 
(Urteil vom 13. Mai 1908; E 458/08). N. 

1435 


Literatur. 


Seuffert, Dr. Lothar, o. ö. Profeſſor der Rechte in 
München. Kommentar zur Zivilprozeßord⸗ 
nung in der Faſſung der Bekanntmachung vom 
20. Mai 1898 mit den Aenderungen der Novelle 
vom 5. Juni 1905 nebſt den Einführungsgeſetzen. 
10. neu bearbeitete Auflage. 2 Bände. XXIX, 724 
und IV, 872 Seiten. München 1908, C. H. Beck'ſche 
e (Oskar Beck). Mk. 36.—, gebd. 


Es wird nicht erforderlich ſein, die Vorzüge dieſes 
hervorragenden Werkes nochmals beſonders Hervor- 
zuheben. Wir freuen uns, daß es geglückt iſt, die 
10. Auflage ſo rechtzeitig zu vollenden, daß ſie in der 
kurzen Zeitſpanne bis zur Reform des Zivilprozeſſes 


noch als Ratgeber für die Praxis dienen kann. 
von der Pfordten. 


Habicht, Dr. Hermann +, Geheimer Oberjuſtizrat und 
vortragender Rat im preuß. Juſtizminiſterium. 
Internationales Privatrecht nach dem 
EG. z. BGB. Aus dem Nachlaſſe herausgegeben 
von Max Greiff, Geheimem Oberjuſtizrat und vor⸗ 
tragendem Rat im preuß. Juſtizminiſterium. Berlin 
1907. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 254 S. 


Der Verfaſſer des bekannten großen Werkes über 
die „Einwirkung des BGB. auf zuvor entſtandene 
Rechtsverhältniſſe“ wurde leider durch den Tod gez 
hindert, eine neu begonnene größere Arbeit, die Kom— 
mentierung des EG. z. BGB. zu vollenden. Bei ſeinem 
Ableben waren indes wenigſtens die Erläuterungen 
der Vorſchriften über das internationale Privatrecht 
nach dem EG. z. BGB. ſchon fo vollſtändig durd- 
gearbeitet, daß ſie nur mehr weniger Ergänzungen 


482 


HGB. die Verpflichtung, nicht ohne Einwilligung des 
Prinzipals ein Handelsgewerbe zu betreiben, aber 
dieſe Vertragspflicht ſchließt es ebenſowenig aus, daß 
derjenige, der im Widerſpruche mit ihr eines der im 
8 1 Abſ. 2 HGB. bezeichneten Handelsgewerbe betreibt, 
Kaufmann und Vollkaufmann ift, wie nach 87 HGB. 
eine Zuwiderhandlung gegen Vorſchriften des öffent- 
lichen Rechtes hindert, daß dem Zuwiderhandelnden 
die Eigenſchaft eines Kaufmanns zukommt (vgl. Staub 
Bd. 181 Anm. 22, 87 Anm. 1 mit 3). Im erſteren 
Falle kann der Prinzipal, im zweiten die zuſtändige 
Behörde die Einſtellung des Betriebes erwirken, aber 
ſolange das Handelsgewerbe betrieben wird, iſt der 
Unternehmer als Kaufmann den für Kaufleute geltenden 
Vorſchriften des HGB. unterworfen, insbeſondere vers 
pflichtet, nach § 29 feine Firma zur Eintragung an= 
zumelden. Ebenſo muß, wer ein gewerbliches Unter— 
nehmen der im $ 2 HGB. bezeichneten Art betreibt, 
ſein Unternehmen dadurch zu einem Handelsgewerbe 
und ſich zum Kaufmann machen, daß er die Eintragung 
ſeiner Firma in das Handelsregiſter herbeiführt, auch 
wenn er als Angeſtellter eines anderen dieſem gegen— 
über verpflichtet iſt, ſich des Betriebs zu enthalten. 
Einer geſetzlich vorgeſchriebenen Anmeldung muß das 
Regiſtergericht entſprechen. Eine Verletzung von Treu 
und Glauben mag darin zu finden fein, daß der Ans 
meldende iH durch feine Handlungsweiſe in die Lage 
bringt, die Anmeldung machen und die damit ver- 
bundenen Folgen herbeiführen müſſen; die Erfüllung 
der geſetzlichen Pflicht ſelbſt verſtößt aber nicht gegen 
Treu und Glauben. Einer Eintragung, durch die der 
vorgeſchriebenen Anmeldung entſprochen wird, fehlt 
es nicht deswegen an einer weſentlichen Vorausſetzung, 
weil der Anmeldende die Handlungen hätte unterlaſſen 
ſollen, die ihn zu der Anmeldung verpflichten; ſie iſt 
nicht unzuläſſig ſondern geſetzlich geboten. (Beſchluß 
des I. ZS. vom 14. Oktober 1908, Reg. III. e 
1447 


B. Strafſachen. 


„Oeffentlicher Verkehr“ i. S. der Map: und Gewichts: 
ordnung vom 17. Auguft 1868, Art. 10; „Zum Ge: 
brauche im Gewerbe geeignete Maße“ i. ©. des 8 369 
Nr. 2 StS. Die Angeklagten haben Baſaltbrüche 
gepachtet und laſſen das gewonnene Rohmaterial zu 
Straßendeckmaterial zerkleinern. Das ſo gewonnene 
Material wird durch die Angeklagten von ihren Arbeits- 
plätzen aus nach Kubikmetern verkauft. Die Meſſung 
geſchieht mit geſetzlich geeichten Rahmenmaßen. Außer 
den bei Verkäufen zur Anwendung kommenden geeichten 
Rahmenmaßen beſitzt jeder Angeklagte an ſeinem 
Arbeitsplatze noch ein bis drei Maße, ungefähr / cbm 
faſſend. Sie weichen in Geſtalt und Größe von dem 
Rahmenmaße ab, das durch die Entſchl. des StM. d. J. 
vom 18. Dezember 1877 für die Abmeſſung des für 
die Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Ded- 
materials vorgeſchrieben iſt. Dieſe Maße ſind nicht 
geeicht und nur dazu beſtimmt, wegen ihrer beſſeren 
Handlichkeit bei der Berechnung der Arbeitslöhne Ver— 
wendung zu finden. Dieſe geſchieht ſo, daß die Arbeiter 
das zerkleinerte Material in Käſten füllen und für 
jeden gefüllten Kaften 1 M oder 1 M 30 3 erhalten. 
Die Angeklagten wurden in zwei Inſtanzen verurteilt. 
Unter Aufhebung des Strafkammerurteils wurde die 
Sache zurückverwieſen. 

Aus den Gründen: 1. 8 369 Nr. 2 StGB. 
bedroht die Gewerbetreibenden mit Strafe, bei denen 
zum Gebrauch in ihrem Gewerbe geeignete, mit dem 
geſetzlichen Eichungsſtempel nicht verſehene oder un— 
richtige Maße, Gewichte oder Wagen vorgefunden 
werden. Er verfolgt ebenſo wie Art. 10 der Maß: 
und Gewichtsordnung vom 17. Auguſt 1868, der zum 
Zumeſſen und Zuwägen im öffentlichen Verkehre nur 
die Anwendung der nach der Maß- und Gewichts⸗ 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


ordnung gehörig geſtempelten Maße, Gewichte und 
Wagen erlaubt, nur den Zweck, die Anwendung vor⸗ 
ſchriftswidriger Meßgeräte im Verkehr zu verhindern. 
Strafbar iſt daher nur die Verwendung vorſchrifts⸗ 
widriger Meßgeräte an einem Orte, an dem ſie ſich 
im öffentlichen Verkehre befinden. Der Begriff des 
„öffentlichen Verkehrs“ umfaßt die Fälle, in denen 
Waren von Gewerbetreibenden oder anderen Perſonen 
nach Maß und Gewicht verkauft werden. Er vollzieht 
ſich an den Orten, die jedermann zum An⸗ und Ver⸗ 
kauf von Waren zugänglich find. An dieſen Orten, 
gleichviel ob öffentlichen oder nichtöffentlichen, darf 
der Gewerbetreibende nur ſolche Maße uſw. haben, 
die den geſetzlichen oder verordnungsmäßigen Beſtim⸗ 
mungen entſprechen. Die Strafbarkeit iſt nicht da⸗ 
durch bedingt, daß die vorſchriftswidrigen Meßgeräte 
tatſächlich im öffentlichen Verkehre benützt werden, 
oder zur Benützung darin beſtimmt ſind, doch iſt ſie 
ausgeſchloſſen, wenn die Werkzeuge nur den inneren 
Zwecken des Gewerbebetriebes dienen und in einer 
Weiſe zur Anwendung gelangen, daß ſie im öffent⸗ 
lichen Verkehre zum Zumeſſen oder Zuwägen an das 
Publikum nicht gebraucht werden können. Das OLG. 
hat feſtgeſtellt, daß die Angeklagten das gewonnene 
Steinmaterial von ihren Arbeitsplätzen aus nach 
Kubikmetern verkauft haben und daß ihnen die Tat⸗ 
ſache der Aufbewahrung der Rahmenmaße an „dem 
öffentlichen Verkehre ihres Gewerbes dienenden Orten‘ 
bekannt war, das Urteil ſpricht auch von dem mit 
dem Gewerbe der Angeklagten verbundenen öffentlichen 
Verkehre, nämlich der „käuflichen Abgabe von Material 
an das Publikum auf den Arbeitsplätzen“. Dieſe Feſt⸗ 
ſtellungen laſſen nicht mit Sicherheit entnehmen, ob 
tatſächlich die Abwickelung des Verkehrs, das Zu⸗ 
meſſen an die Abnehmer mit den geſetzlich geeichten 
Maßen auf den Arbeitsplätzen der Angeklagten erfolgte. 
wo auch die hier in Frage ſtehenden Meßkäſten auf⸗ 
bewahrt waren und den Arbeitern gegenüber ver⸗ 
wendet wurden. Nur in dieſem Falle könnte davon 
ne werden, daß ſich die vorſchriftswidrigen 
aße im öffentlichen Verkehre befunden haben. 

2. Für die Anwendbarkeit des § 369 Nr. 2 StGB. 
iſt weiter erforderlich, daß die bei den Gewerbe⸗ 
treibenden vorgefundenen vorſchriftswidrigen Maße 
zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignet ſind. Dieſe 
Vorausſetzung iſt nicht ſchon dann gegeben, wenn mit 
den Geräten überhaupt gemeſſen werden kann, ſondern 
ſie müſſen zum Gebrauch in dem im beſonderen Falle 
vorliegenden Gewerbe geeignet ſein, ihre Verwendung 
muß dem in dieſem Betriebe herrſchenden Geſchäfts⸗ 
gebrauch und der Verkehrsanſchauung des Publikums 
entſprechen, das nach dieſen Maßen zu kaufen pflegt 
und das durch vorſchriftswidrige Maße getäuſcht 
werden kann. Denn die Abſicht des Geſetzes geht eben 
dahin, Schädigungen des die Waren auf Treu und 
Glauben hinnehmenden Publikums zu verhüten. Auch 
nach dieſer Richtung ſind die Feſtſtellungen des Urteils 
nicht ausreichend. Die Strafkammer ſtellte nur feſt, 
daß die Meßkäſten einerſeits eine den in dem § 32 
der Eichordnung vom 1. Auguft 1885 beſchriebenen 
Meßwerkzeugen für Mineralprodukte ähnliche Geſtalt, 
andererſeits ein in Bruchteilen eines Kubikmeters be⸗ 
ſtimmtes Faſſungsvermögen haben, ferner daß der 
Verkauf des Straßendeckmaterials nach dem Hohlmaße 
im Geſchäfte der Angeklagten üblich iſt. Sie gelangt 
ſodann zu dem Schluſſe, daß dieſe Meßkäſten nach der 
Natur und dem Geſchäftsgebrauche im Gewerbe der 
Angeklagten und nach bres Beſchaffenheit, Form und 
Größe an ſich geeignet ſind, in dem Gewerbebetriebe der 
Angeklagten zum Zumeſſen gebraucht zu werden. Es 
ſteht hiernach nicht außer Zweifel, daß das LG. bei 
feiner Schlußfolgerung alle weſentlichen Umſtände, 
namentlich die allgemeine Verkehrsauffaſſung ent- 
ſprechend gewürdigt hat. Hierbei kommt insbeſondere 
auch in Betracht, daß das Urteil ausdrücklich feſtſte llt, 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


daß die Angeklagten faſt ausſchließlich an den Staat 
und an Diſtriktsgemeinden verkaufen, daß aber die 
beſchlagnahmten Maße in Geſtalt und Größe von 
dem durch die Miniſterialentſchließung vom 18. Dezember 
1877 vorgeſchriebenen, zur Abmeſſung des für die 
Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Deck⸗ 
materials beſtimmten Rahmenmaße abweichen. (Urt. 
H. 


vom 20. Oktober 1908, Rev Reg. 396/08). 
1445 


Oberlandesgericht München. 


Zu 8 170 StPO. Der Antrag auf gerichtliche 
Entſcheidung iſt formell unzuläſſig, ſchon deshalb, 
weil der Antragſteller ausweislich der beigeſchafften 
Akten des Amtsgerichts M. wegen Geiſteskrankheit 
entmündigt, ſohin zu gerichtlichen Handlungen und 
Anträgen unfähig iſt, dieſe Geiſteskrankheit auch nach 
dem Inhalt der eingereichten Schriftſtücke offenbar bis 
heute fortbeſteht. Sodann iſt der Antrag aber auch 
mangels Mitunterzeichnung durch einen Rechtsanwalt 
unzuläſſig. Der im Auslande wohnhafte . 
hat zwar beantragt, dieſe Unterzeichnung durch das 
OLG. „im eigenen Wirkungskreiſe“ beiſetzen zu laſſen. 
Die Herbeiführung dieſer Anwaltsunterſchrift iſt aber 
Sache des Antragſtellers und es ſteht dem Gericht 
hierfür keinerlei Mitwirkung, weder nach 8 33 RAD. 
noch nach § 141 StPO. zu (Entſch. des OLG. München 
in Strafſ. Bd. 2 S. 111; Bd. 8 S. 492). Hier würde 
dem Antragſteller übrigens auch die Fähigkeit mangeln, 
die Vollmacht rechtsgültig zu erteilen. (Beſchl. vom 
6. November 1908; Reg.⸗Nr. 50/08). N. 

1437 


Landgericht München I. 


Scheidung öſterreichiſcher Jsraeliten im ro 
Reihe. Die Zuſtändigkeit ift gemäß 8 606 Abſ. 1 
und 4 BPO. gegeben, weil der Ehemann feinen Wohn⸗ 
fig in Bayern hat und die öſterreichiſchen Geſetze einen 
ausſchließlichen öſterreichiſchen Gerichtsſtand für die 
Scheidung im Auslande wohnhafter Oeſterreicher nicht 
anordnen (S 76, 100 Oeſter. Jur. Norm). Zur Sache 
ſelbſt iſt zwar das internationale Scheidungsabkommen 
vom 12. Juni 1902 bis heute zwiſchen dem Deutſchen 
Reich und Oeſterreich nicht ratifiziert; gleichwohl 
kommt das öſterreichiſche Scheidungsrecht ſchon nach 
Art. 17 Abſ. 1 EG. z. BGB. zur Anwendung. Auf 
Scheidung kann nach Abſ. 4 im Inlande jedoch nur 
erkannt werden, wenn auch das deutſche Recht ſie 
a zuläßt. Hierbei iſt im Hinblicke auf 
Art. EG. z. BGB. neben dem BGB. auch das 
EN Recht, alfo das moſaiſche Recht zu berückſich⸗ 
tigen (Bayer. LR., Anm. z. T.I Kap. VI § 49). Ehe⸗ 
bruch iſt nach 8 1565 BGB. ein abſoluter Scheidungs— 
grund und auch nach § 135 Allg. öſterr. BGB. ift bei 
jüdiſchen Ehegatten der Mann berechtigt, ſolchenfalls 
die Frau ſelbſt wider ihren Willen durch einen Scheide— 
brief von fih zu entlaſſen; dies entſpricht dem moſa— 
iſchen Recht (Bl. f. RA. Bd. 48 S. 438). Die mate⸗ 
rielle Scheidungsgrundlage iſt hiernach in ſämtlichen 
Geſetzen gleichmäßig gegeben. Allerdings hat der 
Kläger erklärt, er ſei nicht in der Lage, die formelle 
Aushändigung eines Scheidungsbriefes darzutun, da 
das hieſige Rabbinat die Mitwirkung hierzu mit Rück- 
ſicht auf die deutſche Geſetzgebung bis nach rechts⸗ 
kräftigem Spruch des Zivilgerichts verweigere. Es 
bedarf aber im Deutſchen Reiche auch dieſer formellen 
Handlung gar nicht. Nach 3 1564 BGB. mit § 15 
GG. erfolgt hier die S810 durch Urteil unter 
Ausſchluß jeder geiſtlichen Gerichtsbarkeit. Hiernach 
ift für das im Falle des 8 135 öſterr. BGB. in 


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483 


Oeſterreich gebräuchliche, vom urſprünglichen moſa⸗ 
iſchen Recht bereits abweichende Verfahren kein Raum 
(gewöhnliche Klage auf Annahme des Scheidebriefs; 
nach Rechtskraft Ueberreichung des Scheidebriefs 
im Gerichtstermin und Urteilsausſpruch, daß damit 
die Ehe getrennt fei, vgl. Leske⸗Löwenfeld, intern. 
Rechtsverf. Bd. 4 S. 76). Denn ſoweit es ſich bei 
der Uebergabe des Scheidebriefs um materielle Nors 
men handeln ſollte, ſteht Art. 30 EG. z. BGB. ent⸗ 
gegen (vgl. RG. Z. Bd. 57 S. 250; BayObRG. neue 
Samml. Bd 6 S. 540); ſoweit es ſich aber um Ver⸗ 
V handelt, gilt für das deutſche Ge⸗ 
richt innerhalb ſeiner einmal anerkannten Zuſtändig⸗ 
keit nur die deutſche ZPO. Nach ähnlichen Grund⸗ 
ſätzen (vgl. Bl. f. RA. Bd. 48 S. 439) ift übrigens 
auch ſchon zwiſchen 1876 und 1900 in Bayern vers 
fahren worden, wenn es ſich um die Scheidung israe⸗ 
litiſcher Ehen handelte. Der materielle Scheidung$: 
grund wurde dem moſaiſchen Recht als maßgebendem 
Zivilrecht entnommen. Die Scheidungsformen regelten 
ih nach 88 76 ff. Perſ sts. in Verbindung mit der 
jeweils geltenden Prozeßordnung. Letztere iſt ein 
Beſtandteil der öffentlichen Ordnung im Sinne des 
Art. 30 EG. z. BGB. Selbſtverſtändlich bleibt es den 
Parteien unbenommen, neben und außerhalb des 
gegenwärtigen Verfahrens zwecks Erfüllung religiöſer 
Vorſchriften oder zwecks ſicherer Anerkennung des 
gegenwärtigen Urteils in Oeſterreich die Scheidebrief- 
erteilung nachzuholen; dem deutſchen Ehegericht ſteht 
aber hierbei eine Mitwirkung nicht zu. Demnach 
war gemäß §§ 1565, 1574 deutſches BGB., Art. 17 
EG. hierzu; § 135 öſterr. BGB. mit 8 6 öſterr. 
ufti: MVO. vom 9. Dezember 1897 (Schul dausſpruch), 
SS 624, 91 deutſche ZPO. zu erkennen wie N 
(Urteil vom 13. Mai 1908; E 458/08). 
1435 


Literatur. 


Senffert, Dr. Lothar, o. ö. Profeffor der Rechte in 
München. Kommentar zur Zivilprozeßord⸗ 
nung in der Faſſung der Bekanntmachung vom 
20. Mai 1898 mit den Aenderungen der Novelle 
vom 5. Juni 1905 nebſt den Einführungsgeſetzen. 
10. neu bearbeitete Auflage. 2 Bände. XXIX, 72 
und IV, 872 Seiten. München 1908, C. H. Beck'ſche 
. (Oskar Beck). Mk. 36.—, gebd. 


Es wird nicht erforderlich ſein, die Vorzüge dieſes 
hervorragenden Werkes nochmals beſonders hervor— 
zuheben. Wir freuen uns, daß es geglückt ift, die 
10. Auflage ſo rechtzeitig zu vollenden, daß fie in der 
kurzen Zeitſpanne bis zur Reform des Zivilprozeſſes 
noch als Ratgeber für die Praxis dienen kann. 

von der Pfordten. 


Habicht, Dr. Hermann +, Geheimer Oberjuſtizrat und 
vortragender Rat im preuß. Juſtizminiſterium. 
Internationales Privatrecht nach dem 
EG. z. BGB. Aus dem Nachlaſſe herausgegeben 
von Max Greiff, Geheimem Oberjuſtizrat und vor— 
tragendem Rat im preuß. Juſtizminiſterium. Berlin 
1907. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 254 S. 


Der Verfaſſer des bekannten großen Werkes über 
die „Einwirkung des BGB. auf zuvor entſtandene 
Rechtsverhältniſſe“ wurde leider durch den Tod ge- 
hindert, eine neu begonnene größere Arbeit, die Kom— 
mentierung des EG. z. BGB. zu vollenden. Bei ſeinem 
Ableben waren indes wenigſtens die Erläuterungen 
der Vorſchriften über das internationale Privatrecht 
nach dem EG. z. BGB. ſchon fo vollſtändig durd- 
gearbeitet, daß ſie nur mehr weniger Ergänzungen 


484 


durch den Herausgeber bedurften. Da dieſe in den 
Art. 7 mit 31 der angeführten Geſetze enthaltenen 
Vorſchriften mit den übrigen Teilen des Geſetzes in 
keinem onnan gong ſtehen, vielmehr ein in ſich 
geſchloſſenes Ganzes bilden, ſo war die Herausgabe 
des vollendeten Bruchſtückes der Habichtſchen Arbeit 
möglich und ſie war auch durchaus geboten, da das 
Buch gewiß eine wertvolle Bereicherung der Literatur 
über das internationale Privatrecht bedeutet. Es 
bringt nicht nur eine klare, gründliche und erſchöpfende 
Erläuterung der einzelnen Geſetzesvorſchriften, es 
zeigt auch auf, wie die mannigfachen Lücken, deren 
Ausfüllung der Geſetzgeber, wie ſo häufig, der Wiſſen⸗ 
ſchaft und der Praxis überlaſſen hat, am beſten zu 
ſchließen find. Der Kommentierung der einzelnen 
Artikel ift eine das Verſtändnis des behandelten Rechts⸗ 
ſtoffes erheblich fördernde, präziſe und bei aller 
Knappheit gleichwohl vollſtändige ſyſtematiſche Dar⸗ 
ſtellung der Grundſätze des internationalen Privat⸗ 
rechtes vorausgeſchickt. Die Literaturangaben ſind 
ſehr reichlich; alle Staatsverträge über das inter⸗ 
nationale Privatrecht ſind verzeichnet, das beſonders 
wichtige Haager Abkommen vom 12. Juni 1902 iſt 
überdies vollſtändig abgedruckt. St. 


Leſſiug, Dr. iur. et phil. Haus, Rechtsanwalt und 
Bankvorſtand in Bamberg. Scheckgeſetz vom 
11. März 1908. Mit Einleitung, Erläuterungen 
und Sachregiſter ſowie einem Anhang, betr. die 
Einführung des ln: und Shed- 
verkehrs. München 1908, J. Schweitzer Verlag 
(Arthur Sellier). En Mk. 5.—. 


An Erläuterungen des Scheckgeſetzes iſt gerade 
kein Mangel. Die neue Bearbeitung von Leſſing 
bietet aber weit mehr als die bisher erſchienenen 
Handausgaben. Sie iſt ein umfaſſender Kommentar, 
der einerſeits die ziviliſtiſchen Grundfragen des Scheck⸗ 
rechts ſorgfältig und ſelbſtändig prüft, anderſeits ſich 
auch in Kaſuiſtik vertieft. Den Auffaſſungen, die in 
den früher erſchienenen Ausgaben vertreten wurden, 
tritt der Verfaſſer häufig in längeren Beweisführungen 
entgegen. von der Pfordten. 


Geigel, Dr. Neinhard, Die Trennung von Staat 
und Kirche in Frankreich. IV, 94 
non 1908, J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). 


Der Gedanke der Trennung von Staat und Kirche 
beſchäftigt heute mehr denn je die Geiſter auch bei 
uns. Deshalb ſollte die neueſte Geſchichte der Kirchen⸗ 
politik in Frankreich mit der geſetzgeberiſchen Löſung 
dieſer Frage in einem Land, das bei kulturellen Um⸗ 
wälzungen ſtets bahnbrechend vorangeſchritten iſt, 
jedem Gebildeten geläufig ſein. Mit Freuden muß 
daher ein Buch über dieſes Thema begrüßt werden, 
um ſo mehr, wenn es aus der Feder eines Renners 
des Kirchenrechts wie Dr. Geigel ſtammt, der ſich ins⸗ 
beſondere auch wiederholt mit Gegenſtänden des reichs— 
ländiſchen und franzöſiſchen Staatskirchenrechts ſchrift— 
ſtelleriſch befaßt hat. In anſchaulicher Weiſe führt 
uns der Verfaſſer nach kurzem Ueberblick über die 
Entwickelung ſeit der franzöſiſchen Revolution mit der 
Säkulariſation des Kirchenguts, ſeiner Reſtitution und 
der Organiſation der Kirche unter Napoleon und der 
ſpäteren Entfaltung in das grundlegende Trennungs— 
geſetz von 1905 ein. Durch Vergleichung mit der 
älteren franzöſiſchen Geſetzgebung wie auch mit dem 
bayeriſchen Recht macht er uns den nicht einfachen 
Stoff verſtändlich, wobei er auch das Weſen der 
Rechtsverhältniſſe und der Organiſation darlegt. In 
kurzen, ſcharfen Strichen zeichnet er den durch dieſes 


Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 


Geſetz entfachten Kampf, die Gegenſätze zwiſchen Kurie 
und Regierung, die Vermittelungsverſuche des franzö⸗ 
ſiſchen Epiſkopats, das zweite Trennungsgeſetz von 
1907, welches dem von 1905 eine gemäßigte Aus⸗ 
legung und Ergänzung gab, und endlich das Ent⸗ 
gegenkommen der Regierung in einzelnen Fragen wie 
der Förderung der Hilfskaſſen für Geiſtliche, während 
ſie in der Kernfrage den Sieg behielt: Die Religion 
iſt Privatſache; eine Staatsreligion . nicht mehr. 
Der Verfaſſer iſt ernſthaft beſtrebt, die durch die 
Parteileidenſchaften entſtellten und verſchleierten Bers 
hältniſſe ſtreng objektiv zu behandeln. Möchten alle 
die, welche blind nachbetend gegen die Vergewaltigung 
der Religion und den Kirchenraub proteſtieren, dieſes 
er leſen. Vielleicht würden auch fie eines andern 
elehrt. Tr. 


Notizen. 


Die Poſtſcheckoerduung m u Königreich Bayern 
it im GVBl. Nr. 73 vom 17. November 1908 ver: 
öffentlicht. Sie tritt am 1. ar 1909 in Kraft. In 
$ 1 wird der Beitritt zum Poſtüberweiſungs⸗ und 
Scheckverkehr geregelt, welcher jeder Privatperſon, 
Handelsfirma, Behörde, juriſtiſchen Perſon freiſteht. 
Ueber die Einzahlungen auf ein Poſtſcheckkonto wird 
in §§ 2 bis 5 das Erforderliche beſtimmt; fie können 
mittels Zahlkarte, Poſtanweiſung oder Ueberweiſung 
von einem anderen Poſtſcheckkonto geſchehen. Gemäß 
88 2 bis 8 kann der Kontoinhaber über fein Gut: 
1 durch Ueberweiſung auf ein anderes Poſtſcheck⸗ 
onto oder mittels Schecks verfügen. Für beide Arten 
der Verfügung werden dem Kontoinhaber vom Poſt⸗ 
ſcheckamte Formulare geliefert — Ueberweiſungs⸗ 
formulare in Blattform und Poſtkartenform und 
Scheckformulare. Die Beſtimmungen in § 9 bis 13 
betreffen die für die Dienſtleiſtungen der Poſt zu 
zahlenden Gebühren, die Portofreiheit der Sendungen 
der Poſtſcheckämter und Poſtanſtalten, die Aenderungen 
in den Verhältniſſen eines Kontoinhabers, den Aus 
tritt aus dem Scheckverkehr, welcher dem Kontoinhaber 
jederzeit freiſteht und die Gewährleiſtung der Poſt⸗ 
verwaltung. § 14 enthält eine Uebergangsbeſtimmung. 
Die geſetzliche Grundlage für den i 
bildet das Schedgefeg vom 11. März 1908 (RGI 
S. 71). Die Poſt kommt als Bezogene im Sinne des 
S 2 dieſes Geſetzes in Betracht. Die Beſtimmungen 
der Poſtſcheckordnung haben als Beſtandteil des Ver⸗ 
tragsverhältniſſes zwiſchen der Poſt und dem Konto⸗ 
inhaber zu gelten. Auch in Württemberg und im 
Reichspoſtgebiete wird vom 1. Januar 1 an der 
Poſtſcheckverkehr eingeführt werden. 


Urheberrechtsſchutz in den deutſchen Schutzgebieten. 
Nach Art. 19 der Berner Konvention haben die Ver⸗ 
bandsländer jederzeit das Recht, der Konvention auch 
für ihre Kolonien oder auswärtigen Beſitzungen bei⸗ 
zutreten. Das Deutſche Reich hat von dieſem Rechte 
jetzt für alle ſeine Schutzgebiete Gebrauch gemacht. 
Eine Kaiſ. Verordnung vom 15. Oktober 1908 TROSI. 
S. 627) beſtimmt, daß die Berner Konvention, die in 
Abänderung oder Ergänzung dieſer Uebereinkunft ge⸗ 
troffenen Abkommen und die Vorſchriften der zur 
Ausführung der Uebereinkunft erlaſſenen Geſetze und 
Verordnungen am 1. Januar 1909 mit einigen Ueber⸗ 
eee in den Schutzgebieten in Kraft treten. 


Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten, 
K. durch dieſes K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juftis. 


Eigentum von J. Schweitzer Verlag ( Verlag (Arthur Sellier) in München. 


Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., 


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G. m. b. H., Freifing. 


1 
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Ur. 1. München, den 1. Jannar 1908. 4. Jahrg. 


Zeitfhrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


© 
Th. von der Pfordten N N EIN 2. Schweitzer Verlag 
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. (Arthur Sellier) 


Staatsminiſterium der Juſtlz. in München, Lenbachplatz 1. 


Die Zeitſchreift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bavern Nr. 974a). 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1. 
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Radatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Inhalt: 


Abhandlungen: Selte en iik Seite 

Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat in Leipzig, Die Entlaſtung 8 d of Zu Art. 15 
der Zivilfenate des Reichsgerichts. . 1 Sgchilein, ul. Staatsanwalt in Baptertb, Rechtlicher Bu- 
Dittmann, Landgerichtsrat in Nürnberg. Ziviliſtiſche Bes . zwiſchen nden 15 Unterſchlagun 

merkungen zum bayeriſchen Waſſergeſetz von 1907 4 Is E a a ee a j 15 


Walter, Dr., Notar in Hof, Ueberweiſungs⸗ und Scheck⸗ 


i 12 Aus der Praxis der Geridte ...... 16 

iia zwiſchen Hypothekenbanken und Notaren d 26 
Mitteilungen aus der Praxis: Notiz: 
Noſenthal, Dr., Rechtsanwalt in Würzburg, Pfändung Die Vollzugsvorſchriften zum neuen Waſſergeſetz vom 

eigener Sachen ee ee en 13 | 23. Marz // A a a 27 


Neumiller 


Zivilprozeßordnung 


für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen 
unter beſonderer Berückſichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebnng und Nechtspflege 


und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz. 
Zweite umgearbeitete Auflage 
8. XII, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 8.—. 


Urteil: 


„Der ee iſt in hervorragendem Maße mit dem Geſchick begabt, mit denkbar wenig Worten, 5 oft 
ſogar nur mit einem Ausdruck alles Erforderliche zu ſagen. Daher birgt das Buch eine ſeinem Umfange nach nicht 
zu vermutende Fülle des Inhalts. Aus der Praxis für die Praxis beſtimmt, gibt es in kürzeſter Friſt dem be⸗ 
aaga Richter und Anwalt zuverläſſige Auskunft über alle Werz des Verfahrens, die im Getriebe des Tages 
an ihn herantreten. .. Der geeignete Platz für dieſes Werk, das allen Praktikern angelegentlich empfohlen 
werden kann und das ſich deren Gunſt ſicherlich in kurzer Zeit erobern wird, iſt der Richtertiſch und der Ar⸗ 
beitstiſch des Anwalts.“ (RGR. Meyn in der „Deutſchen Juriſtenzeitung“ 1907 Nr. 18.) 


Nachtrag mit Erläuterung 


der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zeitelausgabe — erſcheinen. 


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Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer 


Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. 


Dr. E. Jaeger 


Professor der Rechte in Leipzig 


H. Könige 


Reichsgerichtsrat 


Preis halbjährlich Mk. 10.—. 


Jahrgang 1 (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrg. Inhalt der Nummer 1 (00 Spalten): 


Abhandlungen: 


Simon, Dr. Herman Veit, Justizrat in Berlin, Firmen als Mit- 
1 des Aufsichtsrats von Aktiengesellschaften. 
ugleich ein Beitrag zur Frage der Kumulierung der 

Aufs ichtsratsstellen. 

Emminghaus, Dr. iur. A., Professor in Gotha, Stellung der 
bei Oesellschaftsfusionen beteiligten Versicherten 
nach Deutschem Recht. 

Wolff, Dr. Th., Kammergerichtsrat, Geh. Justizrat in Berlin, Das 
Zurückbehaltungsrecht im Konkurse. 


Mitteilungen und Erörterungen: 


Hachenburg, Dr., Rechtsanwalt in Mannheim, Die Novelle zur 
Zivilprozessordnung. (Auszug aus seinem Referat auf dem 
Anwaltstage vom 23. November 1907). 

Könige, Reichsgerichtsrat, Die Oesetzentwürfe über den 
Versicherungsvertrag in Oesterreich, der Schweiz 
und in Frankreich, 


Katz, Dr. Edwin, Justizrat in Berlin, Beweisaufnahme in 
Patentprozessen. 


Jacusiel, Dr. jur. Max, Berlin, Die Befugnis des Einzel- 
staates zum Erlass eines Automobilhaftpflichtgesetzes. 


Zsengery, M., Professor, Bankprokurist in Budapest, Privatver- 
mögen und Bilanz. 


Stern, Dr. Bruno, Rechtsanwalt in Würzburg, Rechtsfall zu 
Depotgesetz 88 2, 9. 
Aus der Rechtsprechung: 
I. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
ll. Entscheidungen. 


Reichsgericht. 

Bayerisches Oberstes Landesgerichl. 
Oberlandesgerichte. 

Landgerichte. 


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die Waſſerverſorgung 


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verwaltungsrechtlichen, ſowie finanziellen Fragen der 
Waſſerverſorgung von dem Urſprunge des Waſſers 
bis zu feinem Verbrauche, unter Zugrundelegung des 
neuen banerifhen Waſſergeſetzes. 


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ie Patentgesetze aller Völker 


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: verzeichnis versehen. 


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5 | von — by 

k Josef Kohler Maximilian Mintz 
Seh. Justizrat, ord. Professor an der Universität Berlin. Patentanwalt in Berlin. 


Der erste Band des Werkes liegt nunmehr vor. Er enthält: 


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= Lig. l. Srossbritannlens Patentgesetzgebung, gehef tte M. 5.— 
„ II. Patentgesetze der afrikanischen Kolonien Grossbritanniens. 1. Te ihk „ 6.— 
i D , . rg 
„. IV. Asiatische Kolonien Grossbritanniens a 
i „ V. Australische Kolonien Grossbritanniens err EAA a a a E 
„ VI u, VII erscheint soeben und enthält: 
Ñ Die Patentgesetze der Amerikanischen Kolonien Grossbritanniens \ 
{ Das Konsularrecht von China, Japan, Korea, Siam und Nachträge 


| Der komplett in Halbleder gebundene Band I des Werkes kostet 52 Mk. 
i Die elegante Einbanddecke ist auch einzeln zu haben. Preis 2.60 Mk. 
l Das Werk wird bei einem Umfang von zirka 130 Bogen zirka Mk. 65.— kosten. 
; 
h 


„Die Patentgesetze aller Völker“ 


beabsichtigen eine vollständige Sammlung der zurzeit geltenden Patentgesetze aller Länder der Erde zu 
bilden, Sie erscheinen in der Ursprache und dann, sofern es sich nicht um die englische oder französische 
Sprache handelt, in korrekter deutscher Uebersetzung. Auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Texte 
ist alle Sorgfalt verwandt, und der umfangreiche Stoff derart geordnet, dass für die Einteilung die Art 
dies Patenterteilungsverfahrens, also der Hauptinhalt der Gesetze, massgebend gewesen ist. Es sind daher 
die Länder des englischen Rechts, die Länder des Vorprüfungsverfahrens und die Länder des Anmelde- 
= Systems unterschieden. Ein geschichtlicher Abriss und eine Charakterisierung eines jeden Gesetzes — 
= deutsch und englisch — ist in Form einer Einleitung beigefügt. Ausserdem werden in einer tabellarischen 
= Uebersicht die wesentlichsten Punkte des Rechts — ebenfalls zweisprachig — zusammengefasst. Am 
Schluss des Werkes wird ein Wörterbuch technischer Ausdrücke beigelegt werden. 


Von Zeit zu Zeit erscheinende Nuchträge sollen etwaige Abänderungen oder neue Gesetze ent- 
halten und so das Werk immer auf der Höhe der Brauchbarkeit halten. 


Pe; leder Interessent für internationales Patentrecht bzw. jedes grössere Patentbureau wird eine 


* = 


Anzahl ausländischer Patentgesetze, sowie der dazu gehörigen Rules, Regulations usw. bedürfen. Das 
umfangreiche Material der Patentgesetze aller Völker bietet das vorliegende Werk zu einem verhältnis- 
mässig billigen Preise und in einer Bearbeitung, die den Wert des wichtigen Materials besonders hebt. 


| Das Werk, dessen 1. und 2, Lieferung in J. Guttentag’s Verlagsbuchhandlung erschien, ist in unseren Verlag 
| übergegangen, 
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Zum erſten Male wird hier eine eingehende Kommentierung der deutſchen Re 1 
anwaltsordnung geboten. Der Kommentar gibt im weſentlichen eine Darſtellung rei 

rechtlicher Vorſchriften, doch find die wichtigſten zur RAO. erlaſſenen Ausführungs⸗ 
beſtimmungen der Bundesſtaaten im Text teils verwertet teils angeführt. 


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Ur. 2. München, den 15. Januar 1908. 


Zeitſchrift für Rechtapflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


8. Landgerichts rat, verw. im K. Bayer, 
Staatäminifterium der Juſtlg. 


Abhandlungen: 


Schneider, Neichsgerichterat in Leipsig, Die 5 
dung über den Grund des Anſpru 


Dittmann, Landoerichtsrat in Nürnberg. Ziviliſtiſche Be 


merkungen on bayeriſchen Waſſergeſetz von 1907 
(Fortſezunnhl g 
Durmaher, Dr., Regierungsatzeifit in Speyer, Bemerkungen 
N Entwurfe einer Kirchengemeindeordnung 
für Bayern 
Mitteilungen aus der Praxis: 


pua Dr., Rechtsanwalt in München, DM in Zukunft 
ie Prozeſſe billiger? . . 


se 8 o â oò â òo 95 er we e % 


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Bleyer, II. Staatsanwalt in München, Zu § 428 Eon 
Angerer, Dr., Muitargerichtspraktikant in Nürnberg, Ko 
pflicht bei Uebergang einer zivilſtra erichtlichen 
Unterſuchung in die militäriſche Gerichtsbarkeit 


Aus der Praxis meS Seria E EE 
Literatur . 
Notizen: 
Die Mitteilungen des bayerifchen Nichtervereins 
Der ns von Perſonenſtandsurkunden mit der 
Schweiz. (Bekanntmachung vom 2. Oktober 1907) 
Vorſchriften über die Unterbrechung der Verjährung 
der Strafverfolgung und der Strafvollftredung . 


Kommentar 


nechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Dr. Adolf Friedländer, 


Candgerichtsrat in Limburg a / L. 
— 8° (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.. 


Von 
und Dr. Max Friedländer, 


Rechtsanwalt in München. 


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nung geboten. Der Kommentar gibt im weſentlichen eine Darſtellung reichs⸗ 

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rift. Literaturblatt 1906 Nr. 4: W über das S und 8 recht des geltenden Rechtes 5 
8 be Be prechung und des Schrifttum d onek und 1 ee . lch das Studium Biefer | ſy nan ge. er fe eig 
Dr. 77 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Fr. Keidel, 
K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit 
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berüdfichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften. 


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landesrechtlichen Vorſchriften find jetzt einheitlich nebeneinander in ein geſchloſſenes Ganzes verarbeitet. Dieſe 
Kommentierungsmethode hat ſich ſehr bewährt und erfreut ſich allenthalben größter Beliebtheit. Wir ver⸗ 
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Zurückbehaltungsrecht im Konkurse, 
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Ha chenburg, Dr., Rechtsanwalt in Mannheim, Die Novelle zur 


Zivilprozess ordn ung, (Auszug aus seinem Referat auf dem 
Anwaltstage vom 23. November 1907). 
Könige, Reichsgerichtsrat, Die Gesetzentwürfe über den 
Versicherungsvertrag in Oesterreich, der Schweiz 
und in Frankreich. 


f “Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.— 


Inhalt der Nummer 1 (96 Spalten): 


Katz, Dr. Edwin, justizrat in Berlin, Beweisaufnahme in 
Patentprozessen, 
Jacusiel, Dr, jur. Max, Berlin, Die Befugnis des Einzel- 
staates zum Erlass eines Automobilhaftpflichtgesetzes, 
Zsengery, M., Proiessor, Bankprokurist in Budapest, Privatver- 
mögen und Bilanz, 
Stern, Dr. Bruno, Rechtsanwalt in Würzburg, Rechtsfall zu 
Depotgesetz §§ 2, 9 
Aus der Rechtsprechung: 
I. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
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Reichsgericht. 
Bayerisches Oberstes Landesgerichl, 


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vom 23. März 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter m Dr. Joſef Caſſimir 


K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
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Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben ſich bei der Bearbeitung die 
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen 
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft tretende neue Waſſergeſetz den 
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Neben dem Juriſten kommt hier zum 
erſten Male auch der Techniker zum Worte. Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten 
Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete iſt ſeine Mitarbeit von beſonderer Bedeutung. 
Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen unterſtützten Erläuterungen er⸗ 
möglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen Fragen, an denen er nicht 
vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach dem bewährten Muſter 
Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes. 

Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird 
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten 
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüſtzeug bilden. 

Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Gefamt- 
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen. 


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Inhalt: 
Abhandlungen: Selte N Seite 
Weyl, Dr., Profeſſor in Kiel, „Einwilligung“, „Genehmi— | Mitteilungen aus der Praxis: 
gung“ und „Zuftimmung“ im Bürgerlichen Ge- Schmitt, Oberreglerungsrat in München, Die Poſtportofrei— 
11 und im . niche 8 53 heit und die Portoablöſung in Bayern 5 
aun, Landgerichtsrat in Nürnberg, Ziviliſtiſche e⸗ 
merkungen 7 bayeriſchen Waſſergeſetz von 1907 Aus der Praxis der Gerichte 688 
(Hortfegung) . m ee ee 


Durmayer, Dr., Meglerungsatzefſit in Speyer, Bemerkungen i 
zu dem Entwurfe einer eee Notizen: 
für Bayern (Fortſetzun dg 62 Die Anwendung der Zeugniszwangshaßft . .. 72 


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Vollzugsvorſchriften ꝛc. 


gr. 8°. 32 Bogen. Preis in Ganzin; gebd. ca. Mk. 12.— 


Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine 
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen 
Normen geltenden Grundbuchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende 
Buch; bei der Erläuterung der reichsrechtlichen Vorſchriften wird jeweils darauf hingewieſen, 
inwieweit fie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Kommentar 


Bayeriſ chen Waſſergeſebze 


vom 23. März 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter 8 Dr. Joſef Caſſimir 


K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Lieferung 1 (5 Bogen in gr. 80.) Mk. 1.80. 
== Preis des vollſtändigen Werkes ca. ME. 16.—. = 


Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben fich bei der Bearbeitung die 
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen 
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft tretende neue Waſſergeſetz den 
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Neben dem Juriſten kommt hier zum 
erſten Male auch der Techniker zum Worte. Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten 
Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete iſt ſeine Mitarbeit von beſonderer Bedeutung. 
Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen unterſtützten Erläuterungen er- 
möglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen Fragen, an denen er nicht 
vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach dem bewährten Muſter 
Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes. 

Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird 
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten 
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüſtzeug bilden. 

Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Gefamt- 
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r. 3. München, den 1. Februar 1908. 4. Jahrg. 


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in München. in Münden, Lenbachplatz 1. 


Die Sed gchrikt erſcheint an 1. und 15. jeben Monats 

im Umfange von mindeftens 2 Bogen. Preis viertel jährlich 

k. Beſtellungen übernimmt lede n und 
Boftanftalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748), 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1: 
suledens ebühr 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Bett 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanze 105 

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* 9 Bari in Re, „Einwilligung“, „Genehmi⸗ | Mitteilungen aus der Praxis: 


ut mmung“ im Bürgerlichen Ges Schmitt, Oberreglerungsrat in München, Die . 

ſezbuche ı ei 8 53 heit und die Portoablöſung in Bayern 

„ Landgerichts rat in Nürnberg, wiliſtiſche Bes 
merkungen zum bageriſchen Waſſergeſetz von 1907 Aus der Pratis der Gerichte 68 
„ i 60 | Biteratur ... rn. mM 

rmaher, Dr., Negierungsatzeſſiſ in Speyer, Bemerkungen 

dem Entwurfe einer eee Notizen: 
en Bayern (Fortfegung) . . 62 | Die Anwendung der Zeugniszwangs hatt 72 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Ende nächſter Woche erſcheint vollſtändig: 


Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München 


Grundbuchordnung 


für das Deutſche Reich 


unter beſonderer Berüdfichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen 
Vollzugsvorſchriften ꝛc. 


or. 3». 32 Bogen. Preis in Ganzin; gebd. ca. Mk. 12.— 


Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine 
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen 
Normen geltenden Grund buchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende 
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Soeben erſchien: 


Kommentar 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 
von 


Dr. Theodor Harſter a Dr. Joſef Caſſimir 


K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 


ſterium für Verkehrsangelegenheiten 


Lieferung 2 (5 Bogen in gr. 80.) Mk. 1.80. 
=== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Mk. 16.—. == 


Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben ſich bei der Bearbeitung die 
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darftellung der Rechtsfragen und technifchen 
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft tretende neue Waſſergeſetz den 
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite, 
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen 
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es 
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte. 
Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete 
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen 
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen 
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach 
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes. 

Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird 
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten 
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüſtzeug bilden. 

Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Geſamt⸗ 
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen. 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer 


Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. 


Dr. E. Jaeger 


Professor der Rechte in Leipzig 


H. Könige 


Reichsgerichtsrat 


Preis halbjährlich Mk. 10.—. 


Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.— 


II. Jahrg. 


Abhandlungen: 
Düringer, Dr., Reichsgerichterat in Leipzig, Zur Lehre vom 
Sicherungskauf. 

Wolff, Dr. Th., Kammergerichtsrat, Geh. Justizrat in Berlin, Das 
Zurückbehaltungsrecht im Konkurse. (Schluss.) 
Behrend, Dr. Richard, Regierungsrat im Aufsichtsamte für Privat- 

versicherung in Berlin, Lebensversicherung und Gläu- 
biger. Ill. Der Konkurs des Versicherungsnehmers. 
Mitteilungen und Erörterungen: 
Könige, Reichsgerichtsrat, Der österreichische Entwurf über 
den Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses. 
Jaeger, Dr. E., Professor der Rechte in Leipzig, Zuständigkeit 
der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte in Fällen 
der Rechtsnachfolge. 


Inhalt der Nummer 2 (80 Spalten): 


Saeger, Dr., Landrichter in Braunschweig, Die Vergütung des 
Konkursverwalters. 


Finger, Landgerichisrat in Strassburg, Rücktritt von Ver- 
sicherungsverträgen bei geänderten Umständen. 


Heine, Rechtsanwalt in Bielefeld, Ueber die Konzessions- 
pflicht privater Versicherungsunternehmungen. 


Aus der Rechtsprechung: 
l. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
II. Entscheidungen. 


Reichsgericht. 
Oberlandesgerichte. 


Kurze Bücheranzeigen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


9 


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Preis Mk. 2.50 poſtfrei. v 


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Eine Zierde für jeden Schreibtiſch 


ift der nebenſtehend abgebildete 


2 Sammelkaſten > 


der Zeitichrift für Rechtspflege in Bayern. 


Seine beſonderen Vorteile find: 


Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern 


liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


Staubfreie Aufbewahrung der erscheinenden 


Nummern und größte Ordnung. 


Gediegene Ausführung (teilweise in Holz), 


daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus. 


Nenmiller Zivilprozeßordnung 


| für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen 
unter beſonderer Berückſichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebung und Rechtsp e 


und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz. 


Zweite umgearbeitete Auflage 
8. XII, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 3.—. 


Urteil: 
Das „Recht“ 1907 Nr. 23: Die neue Auflage bietet eine unermeßliche Fülle von Stoff zur Anwendung des Ge⸗ 
ſetzes auf allen bezüglichen Gebieten des Reichs⸗ und des bayeriſchen Landesrechts. Die Erläuterungen ſelbſt ver⸗ 
werten mit feinem N und erfahrenem Blicke bei ſcharfer Kürze die geſamte Rechtſprechung, enthalten 
zahlreiche praktiſche Winke und bieten vielfach wertvolle Beiſpiele unter zuverläſſiger Anführung der Belegſtellen 
aus den Zeitſchriften und Spruchſammlungen. Mit dieſen ſeltenen Vorzügen empfiehlt ſich das Buch ſelbſt jedem 
porren Von ganz befonderem Werte ift das Werk für bayeriſche Verhältniſſe. Neumillers Handausg abe 
ildet ein vollkommenes reichs⸗ und landesrechtliches Nachſchlagewerk, das, wie kein einziger Kommentar, allen 
innerhalb und außerhalb des Sitzungsſaales auftretenden Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis mit kundigem Blicke 


Rechnung trägt, und für jeden bayeriſchen Zivilprozeßpraktiker 3 iſt. 
(Oberlandesgerichtsrat N. Bauer im „Recht“ 1907 Nr. 23). 


Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende Novelle z. BPO. u. 3. G88. Geſetz geworden iſt, wird ein 
Nachtrag mit Erläuterung ug 


der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zeitelausgabe — erſcheinen. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Vor kurzem ift vollſtändig geworden: 


Haus Kößler 


Kal. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Handbuch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienft. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Entſchlietzungen bearbeitet 


Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen fein. Neben der ſelbſtverſtänd lichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß- bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der ‚Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 


dere Ausdehnung und Neugeftaltung. 


3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München 


rn 2 28 1908 


Ar. 4. München, den 15. Februar 1908. 4. Jahrg. 
Zeitſchrift für Rechts i l 
Herausgegeben von è 15 1 9 i 
Ch. von der Pfordten f i mat er? erlag 
E agaes M SAET ere 


Redaktion und Expedition: München. bachplatz 1. 

. ebühr 30 Pfg. für die e Betitzeile 

oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Mona . 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis pierteljährli 
Mt. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung 
Boſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


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Inhalt: 
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Mitteilungen aus der Praxis: Pſychiatriſche Ausbildung der Juriſen . . 92 
Framberger, Amtsrichter in Eichſtätt, Zu N 105 2 
| Polizeiſtrafgeſetzbuches 83 


Soeben it voll ſtändig geworden: 
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München 


Grundbuchordnung 


für das Deutſche Reich 


unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen 
Vollzugsvorſchriften x. 


gr. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzlu. gebd. Mk. 12.50. 


Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine 
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen 
Normen geltenden Grundbuchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende 
Buch; bei der Erläuterung der reichsrechtlichen Vorſchriften wird jeweils darauf hingewieſen, 
inwieweit ſie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Fr. Keidel, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit 


v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriſten. 


2. vollſtändig umgearbeitete Auflage. 


gr. 8%. VII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60. 


Die 1., ſehr beliebte Ausgabe hat in der 2. eine weſentliche Umgeſtaltung erfahren. Die reichs⸗ und 
landesrechtlichen Vorſchriften ſind jetzt einheitlich nebeneinander in ein geſchloſſenes Ganzes verarbeitet. Dieſe 
Kommentierungsmethode hat ſich fehr bewährt und erfreut ſich allenthalben größter Beliebtheit. Wir ver⸗ 
weiſen nur auf Meikel GBO. und Steiner BVG. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Vor kurzem iſt vollſtändig geworden: 


Haus Kößler 


Kal. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Handbuch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts⸗ und Notariatsdienit. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Entichliegungen bearbeitet 


Dritte vollſtäudig umgearbeitete Auflage. 
8. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 


Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrg. Inhalt der Nummer 2 (80 Spalten): 


Saeger, Dr., Landrichter in Braunschweig, Die Vergütung des 


Abhandlungen: 
Konkursverwalters. 


Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat in Leipzig, Zur Lehre vom 


Sicherungskauf. Finger, Landgerichtsrat in Strassburg, Rücktritt von Ver- 
Wolft, Dr. Th., Kammergerichtsrat, Geb. Justizrat in Berlin, Das sicherungsverträgen bei geänderten Umständen. 


Behrend, Dr. Richard, Regierungsrat im Aufsichtsamte für Privat- pflicht privater Versicherungsunternehmungen. 
versicherung in Berlin, Lebensversicherung und Gläu- 
biger. Ill. Der Konkurs des Versicherungsnehmers. 

Mitteilungen und Erörterungen: 

Könige, Reichsgerichtsrat, Der österreichische Entwurf über 

den Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses. 


Aus der Rechtsprechung: 
I. Rechtssätze des Reichsgerichts. 


| 
| 
Zurückbehaltungsrecht im Konkurse. (Schluss.) | Heine, Rechtsanwalt in Bielefeld, Ueber die Konzessions- 
| 
II. Entscheidungen, 


Reichsgericht. 
Jaeger, Dr. E., Professor der Rechte in Leipzig, Zuständigkeit Oberland ichte. 
der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte in Fällen ee 
der Rechtsnachfolge. Kurze Bücheranzeigen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Eine Zierde für jeden Schreibtiich 


iſt der nebenſtehend abgebildete 


e Fanmellaſten = 
GR ED 2 der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bauern. 
£ = 5 : IQ GE: 7 a Seine befonderen Vorteile find: 


Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern 


liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden 


Nummern und größte Ordnung. 


Gediegene Ausführung (teilweiſe in Holz), 
daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus. 


Preis Mk. 2.50 poſtfrei. 


Nenmiller 


Zivilprozeßordnung 


für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen 
unter beſonderer Berückſichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebung und Rechtsp 


und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz. 


Zweite umgearbeitete Auflage 
8°. XI, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 8.—. 


Arte it: 

Das „Recht/ 1907 Nr. 23: Die neue Auflage bietet eine unermeßliche Fülle von Stoff zur Anwendung des Ge⸗ 
ſetzes auf allen bezüglichen Gebieten des Reichs- und des bayeriſchen Landesrechts. Die Erläuterungen ſelbſt ver- 
werten mit feinem . und erfahrenem Blicke bei ſcharfer Kürze die geſamte Rechtſprechung, enthalten 
zahlreiche praktiſche Winke und bieten vielfach wertvolle Beiſpiele unter zuverläſſiger Anführung der Belegſtellen 
aus den Zeitſchriften und Spruchſammlungen. Mit dieſen ſeltenen Vorzügen empfiehlt ſich das Buch ſelbſt jedem 
Juriſten. Von ganz beſonderem Werte iſt das Werk für bayeriſche Verhältniſſe. Neumillers Handausgabe 
bildet ein vollkommenes reichs- und landesrechtliches Nachſchlagewerk, das, wie kein einziger Kommentar, allen 
innerhalb und außerhalb des Sitzungsſaales auftretenden Bedürfniſſen der en Praxis mit kundigem Blicke 
Rechnung trägt, und für jeden bayeriſchen Zivilprozeßpraktiker „ 

(Oberlandesgerichtsrat N. Bauer im „Recht“ 1907 Nr. 23). 


Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende Novelle z. ZPO. u. z. GBG. Geſetz geworden ift, wird ein 
Nachtrag mit Erläuterung am 


der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zettelausgabe — erſcheinen. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Vor kurzem iſt vollſtändig geworden: 


Haus Köhler 


Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Hand buch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienft. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Eutſchlieungen bearbeitet 


Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab- 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß- bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München 


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Ah 4. München, den 15. Februar 1908. 4. Jahrg. 


Zeilſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


Th. von der Pfordten in h ein J. Schweitzer Verlag 
K. Landgerichtsrat (Arthur Sellier) 


in München. in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile 
oder deren Raum. Bel Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
Im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a), 


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Dittmann, Landgerichtsrat in Nürnberg, Ziviliſtiſche Be- e kai S 8 . 1 und 2, 84 
merkungen zum eee Waffe von 1907 $ . 8 
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Mitteilungen aus der Praxis: Pſychiatriſche Ausbildung der Juriſten .. 92 
Pramberger, Amtsrichter in Eichſtätt, Zu Art. 105 des 
Polizeiſtrafgeſetzbuches .. ; 4 83 


Soeben ift vollſtändig geworden: 


Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München 


Grundbuchordnung 


für das Deutſche Reich 


unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen 
Vollzugsvorſchriften ꝛc. 


gr. 3“. 520 Seiten. Preis in Ganzin. gebd. Mk. 12.50. 


Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine 
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen 
Normen geltenden Grundbuchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende 
Buch; bei der Erläuterung der reichsrechtlichen Vorſchriften wird jeweils darauf hingewieſen, 
inwieweit fie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden. 


Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Fr. Keidel, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit 


v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften. 


2. vollſtändig umgearbeitete Auflage. 


gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60. 


Die 1., ſehr beliebte Ausgabe hat in der 2. eine weſentliche Umgeſtaltung erfahren. Die reichs⸗ und 
landesrechtlichen Vorſchriften ſind jetzt einheitlich nebeneinander in ein geſchloſſenes Ganzes verarbeitet. Dieſe 
Kommentierungsmethode hat ſich ſehr bewährt und erfreut ſich allenthalben größter Beliebtheit. Wir ver⸗ 
weiſen nur auf Meikel GBO. und Steiner 3G. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Vor kurzem iſt vollſtändig geworden: 


Haus Kößler 


Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Handbuch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienft. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Eutſchließungen bearbeitet 


Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen fein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge- 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß- bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München 


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| für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 
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3 Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
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Il. Jahrg. Inhalt der Nummer 2 (80 Spalten): 
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nger, Dr., Reichsgerichtsrat in Leipzig, Zur Lehre vom | Konkursverwalters. 


Sicherungsk auf. 


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12 Zurückbehaltungsrecht im Konkurse. (Schluss.) 


es Dr. ae Regierungsrat i im Aufsichtsamte für Privat- 


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e und Erörterungen: 
Könige, Reichsgerichtsrat, Der österreichische Entwurf über 
den Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses. 
Jae ger, Dr. E., Professor der Rechte in Leipzig, Zuständigkeit 


der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte in Fällen 
der Rechtsnachfolge. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) Mün 


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Preis Mk. 2.50 poſtfrei. 


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Finger, Landgerichtsrat in Strassburg, Rücktritt von Ver- 
sicherungsverträgen bei geänderten Umständen. 
Heine, Rechtsanwalt in Bielefeld, Ueber die Konzessions- 
pflicht privater Versicherungsunternehmungen, 


Aus der Rechtsprechung: 
l. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
II. Entscheidungen. 


| 
Reichsgericht. 
Oberlandesgerichte. 


Kurze Bücheranzeigen. 


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Eine Zierde für jeden Schreibtiſch 


iſt der nebenſtehend abgebildete 


2 Sammelkaſten = 


der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


Seine beſonderen Vorteile ſind: 


Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern 


liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden 


Nummern und größte Ordnung. 


Gediegene Ausführung (teilweise in Holz), 
daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus. 


Die 12. und 13. Lieferung 


der 3./ 4. neubearbeiteten Auflage von 


Staudingers Kommentar m BGB. 


erſchienen ſoeben, enthaltend: 


Lieferung 12: Band V, 108 1, iR fü t, 88 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 
ogen. Mk. 4. 
Lieferung 13: Band IV, Liefg. 4, Familienrecht, 88 1589—1715, erläutert von Staatsanwalt am 
Oberlandesgericht Dr. Th. Engelmann. 20 Bogen. Mk. 7.50. 


2 + Band !: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbſrz. Mk. 20.—. 
ollftänd i Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 
Ferner liegen vor: 


Bd. II, Lig. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (Ofg. 10 des Geſamtwerkes.) 

Bd. IV, Ifg. 1/3: Familienrecht, 88 1297—1588, erl. von Staatsanwalt Dr. Th. Engelmann. 45 Bogen. Mk. 16.80. 
(fg. 3., 5., 8 des Geſamtwerkes.) 


Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 
Soeben erschien: DR. H ANS GRO ss 
S ) 


O. G. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ. 


HANDBUCH FÜR UNTERSUCHUNGSRICHTER 
SYSTEM DER KRIMINALISTIK 


Z. umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text. | 
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—. 


Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines 
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und 
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet. 


Aus Urteilen über die 4. Auflage: 


Zentralblatt für Rechtswissenschaft. XXIV I. 
— — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und 
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. — — Appelius. 
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189. 
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare 
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — - 


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r. 5. 


München, den 1. März 1908. 


Zeitschrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von 


Th. von der Pfordten 


K. Landgerichtsrat 
in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 

= 3 von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 

Boßanſtalt oſtgettungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


| Abhandlungen: 


Troeltſch, m. Staatsanwalt in Augsburg, Ein Verſagen der 
f Rehtfprejung oder eine Lücke des Geſetzes auf 
dem Gebiete des Arbeiterſchutzes? 
Kerlacher, Dr., Landgerichtsrat in Sof, Zur Reform des 
rivatflageverfahrens . . 
Daum Dr., Profeffor in Tübingen, Zur Lehre von der 
usführung“ ſtrafbarer Handlungen (Schluß) 
Mitteilungen aus der Praxis: 


Ssetzelmaun, Notar in Roding Geringſtes Gebot bei 
e . fhebung einer 


in Bayern 


Verlag von 


(Arthur Sellier) 


Redaktion und Expedition: München, Jenbachp 
he oTe o 80 Pfg. für die halb er dr 
ober deren Raum. Bel Wiederbolungen Rabatt 
20 Pfa. Beilagen nach Uebereinkunft. 


HS 
Inhalt: 


Amaye. Rechtspraktikant in München, Bagel che Sangen 
geſellſchaften ü- ; 
Aus der Praxis der Gerichte ; 
Aus der Pr Bern: x age er. Bermaltungs- 
gerichtshofs 
N 
Notizen 
Die Ausweiſu ung beſtrafter Perſonen 
Die Aufbringung der Mittel für die unterſtaung der 
Notariatsgehilfen 
Die Verwertung eingezogenen Weines 


4. Jahrg. 


2. Schweitzer Verlag 
in München, Lenbachplatz 1. 


* 
Stellenanzeigen 


Seite 


104 
105 


111 
112 


112 


112 
112 


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| 
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Soeben it vollſtändig geworden: 


Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München 


Grundbuchordu ung 


für das Denutſche Reich 
unter beſonderer Berückfichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlagigen 
Vollzugsvorſchriften ꝛc. 
gr. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzlu. gebd. Mk. 12.50. 


Urteil, 


Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906. 
Was in dieſen beiden Heften an Kommentierungskunſt ee wird, läßt erwarten, daß ber 


Verfaſſer feine Hufg gabe in glänzender Weiſe löſen wird. 


ſteter und vollſtändi ge Berückſichtigun 


der Rechtſprechung und des Schrifttums 


ne weitſchweifig zu Jen ne 
n verhältnis» 


mäßiger Kürze das Keichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit 
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗ 
vas eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der REBO. erſchloſſen 


Bea Nase Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte empfohlen werden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 
6ꝙ6ðZvd ... —. ̃᷑km9 TSEENE 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Kommentar 


Bayeriſ chen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter as Dr. Joſef Caſſimir 


K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


3. Lieferung (8 Bogen in gr. 80.) Mk. 3.—. 


preis des vollftändigen Wertes ca. MI. 16.—. = 


% 


Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben fich bei der Bearbeitung die 
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen 
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft getretene neue Waſſergeſetz den 
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite, 
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen 
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es 
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte. 
Gerade bei dieſem Geſetze mit feinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete 
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich. Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen 
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen 
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach 
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes. 

Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird 
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten 
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüftzeug bilden. 

Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Gefamt- 
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen. 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer 


Reichsgerichtsrat 


Dr. E. Jaeger 


Professor der Rechte in Leipzig 


H. Könige 


Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrg. 


Abhandlungen: 

Lobe, Dr., Oberlandesgerichtsrat in Dresden, Der vorläufige 
Entwurf eines Oesetzes, betreffend die Abänderung 
des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wett- 
bewerbs vom 27. Mai 1890. 

Faid, Dr., Justizrat in Mainz, Das Individualrecht an der 
Prämienreserve bei Oegenseitigkeitsgesellschaften. 

Sieveking, Dr. Gustav, Rechtsanwalt in Hamburg, Seever- 
sicherung gegen Minengefahr. 


Mitteilungen und Erörterungen: 
Mitteis, Dr. L., Professor in Leipzig, Das Unternehmen als 
Gegenstand des Rechtsverkehrs. 


Danziger, Hugo, Kechtsanwalt in Breslau, Erfüllungs- und 
Unterlassungszwang bei Vertragsbruch von Ange- 
stellten. 


Inhalt der Nummer 3 (80 Spalten): 


Klein, Dr., Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, 


Erfinderrecht und Zwangsvollstreckung. 


Voss, Amtsgerichtsrat a. D. in Stralsund, Die Unanfechtbar- 


keit sittlich gebotener Erfüllungsleistungen, 


Baumgarten, A., Reierendar in Tübingen, Zum 8 70 KO, 
Marcuse, Dr. jur. P., Berlin, Die Vollstreckbarkeit ameri- 


kanischer Urteile in Deutschland. 
Aus der Rechtsprechung: 


I. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
ll. Entscheidungen, 


Reichsgericht. 
Oberlandesgerichte. 
Landgerichte. 


Kurze Bücheranzeigen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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Preis Mk. 2.50 poſtfrei. 


Eine Zierde für jeden Schreibtiſch 


iſt der nebenſtehend abgebildete 


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der Jeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 
Seine beſonderen Vorteile find: 


Aeußerſt praktiſche Form: Die Nummern 


liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden 
Nummern und größte Ordnung. 


Gediegene Ausführung (teilweiſe in Holz), 


daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus. 


Soeben erſchien: 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Landgerichtsrat in Limburg a / I. Rechtsanwalt in München. 
== 8. (VII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk. 


Jurifijhe Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes zo auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes fein zu müſſen. 


J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München 


S. Schwab, 2. Amtsrichter in Schwabach. 
Grundriß des 


kon | materiellen Liegenſchaftsrecht 
= Ari Für ae des Bürgerlichen Geſetzbuchs 


Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗ 
und Uebergangsvorſchriften. 


Gr. 8. (88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen 
Mk. 2.80. 


Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05. 

Was das Buch ſein will, ein Wegweiſer in das neue 
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe. 
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materielle 
Liegenſchaftsrecht unter Berückfichtigung des landes recht⸗ 
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; fie ermöglicht 
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In⸗ 
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für den 
bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An⸗ 
wendungsbehelf. 


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in Ganzleinen zum III. Jahrgange der Zeitſchrift für 
Rechtspflege in Bauern können zum Preiſe von a Mk. 1.20 
bezogen werden. 


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kr. 6. München, den 15. März 1908. I. Jahrg. 


Zeitschrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Berlag von 


gar M Gaye rarae 


in München. in München, Lenbachplatz 1. 


Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats f N a) Redaktion und Expedition nchen, Lenbachplatz 1. 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Prelë vierteljährlich MU . See ee 80 Die: für die ee Beti 
Me. 38—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und E Í . ungen Ra Ade ngen 
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9748). O 20 Pig. Beilagen U ebereinkunft. 


Inhalt: 
Abhandlungen: Seite Selie 
Dürr, Dr., II. Staatsanwalt in München, Mangel eines 
fter, Oberlaudesgerichtsrat, Amtsgerichtsvorſtand in Paſſau⸗ 0 
pf VF and forſpvollzelliche Straf⸗ 11g 55 Schutzes der Möfperrung von Wal 12 
en 2% 
% II. Staatsanwalt in Augsburg Ein Berfagen der 
ur tſprechung oder eine Lücke bes Gefehes auf Aus der Praxis der Gerichte . 123 
dem Gebiete des Arbeiterſchutzes? (Shlu) 115 Literat 131 
Ferlacher, Dr., Landgerichtsrat in Hof, Zur Reform Ser 
vatklageverfahrens (FJortfegung) . . . 117 Notizen: 
Mitteilungen aus ber Praxis: Die neuen Vorſchriften über die Polizeiſtunde . 131 
Dertmaun, Dr., Brofeffor in Erlangen. Bayeriſche Schützen⸗ Die Strafmitteilungen an die öffentlichen Unter⸗ 
1 F 121 ſuchungsanſtalten für Nahrungs⸗ und Genußmittel 132 
. Entfernt, on en zum chrengerichlichen Beri ven Die Beſtrafung roher und unſittlicher Handlungen 132 
gegen Rechtsanwäl lte . 121] Berichtigung . 132 


Soeben erſchien: 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


| Bon 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. War Friedländer, 


Landgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München. 


= 8° (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk... 


uriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem 8 Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchung en empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
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Mit der demnächſt erſcheinenden 14. Lieferung 
der 8. / 4. neubearbeiteten Auflage von 


Staudingers Kommentar m BGB. 


wird 


Band IV (Familienrecht) vollſtändig. 


2 Teile ca. 45 und ca. 47 Bogen. 
Broſch. ca. Mk. 36.—. Gebd. in Halbfrz. ca. Mk. 41.—. 


Ferner liegen vor: 
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 


Band III: Sachenrecht. Brosch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbftz. Mk. 26.50. 


Bd. II, Lig. 1: Necht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. 8. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (Ofg. 10 des Geſamtwerkes.) 


Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, 58 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. J. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
(Big. 12 des Geſamtwerkes.) 


Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben it vollſtändig geworden: 
Meikel, Gg., ası. 1 Staatsanwalt in Munchen 


Grundbuchordnung 


für das Dentſche Reich 
unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen 
Vollzugsvorſchriften ꝛc. 
urteil. gr. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzin. gebd. Mk. 12.50. 


Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906. 


Was in 05 beiden Heften an e eboten wird, läßt erwarten, daß der i 


Verfaſſer feine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweiſig zu je iſt unter 
ſteter und vollſtändiger Berückſichtigung der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis⸗ 
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit 


einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗ | 


rechts eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der RGB. erſchloſſen 
wird Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte ug 5 
erneck. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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N 2 - = E 1 


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Rechtspflege in Bayern können zum Preiſe von a Mk. 1.20 
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Strafgeſetzbuch 


für das Deutſche Reid. 


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Kriminalbeamte. 


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Bisher gab es keine Erläuterung des StGB., die 
ſich direkt und allein den Zwecken des nicht akademiſch 
gebildeten Polizeibeamten dienſtbar machte. Die vors 
liegende Handausgabe ſoll diefe Lücke ausfüllen. Sie 
bringt in knapper, aber doch bis zum vollen Verſtändnis 
durchgeführter Form alles das was die genannten Be⸗ 
amten brauchen, um, auf ſich allein angewieſen, ihrem 
Berufe mit der nötigen Geſetzeskenntnis ausgerüſtet nach⸗ 
gehen zu können. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) Nünchen. 


Fr. Keidel, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit 


v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berüdfichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften. 
2. vollſtändig umgearbeitete Auflage. 


gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60. 


Deutſche Iuriſtenzeitung 1908 Nr. 5. ... Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen 
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laſſen, 
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des 
Geſetzes unter ih und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche 


Anordnung der Anmerkungen. 


Vermöge feiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn 
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


OberfiLER. Pfannſchmidt. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Kommentar 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter m Dr. Joſef Caſſimir 
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


3. Lieferung (8 Bogen in gr. 80.) Mk. 3.—. 
=== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Ml. 16.—. == 


Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben ſich bei der Bearbeitung die 
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen 
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft getretene neue Waſſergeſetz den 
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite, 
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen 
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es 
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte. 
Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete 
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich. Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen 
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen 
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach 
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes. 

Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird 
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten 
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüftzeug bilden. 

Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erfi cheinen. Der Geſamt⸗ 
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen. 


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APN 21 


Ar. 7. München, den 1. April 1908. 4. Jahrg. 


Zeitschrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


esparra il Bayern eee 


in München. in München, Lenbachplatz 1. 


Redaktion und tion: München, e 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
Inſertionsgebühr 30 Pfg. 10, fur die bal Dgeipaltene Peti 


im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis i 
Mk. 3. Hungen übernimmt jede Buchbandlung oder deren Raum. Bei er Ra Stellena 
BoRannalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 20 Pfg. Bellagen nach U 
S 
Inhalt: 
Abhandlungen: Selte | Selte 
agen, Landgerichtsrat in Frankenthal, Zum Begriffe des 
Hellmann, Dr., Univerfitätsprofeffor in München. Zum Ent⸗ 9 85 
wurf eines Geſetzes betr. Aenderungen des Ge⸗ e i des e ve 
richtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeßordnung, 959 . 
des Gerichtskoſtengeſetzes und der Gebührenordnung Aus der Praxis der delit na - .. 143 
für Rechtsanwälte 133 
erlacher, Dr., Landgerſchtsrat in Hof, Zur Reform des Literatur 151 
rivatklageverfahrens (Fortſetzung) 137 Notizen: 
òu bb Landrlchter in Leipzig, Die Berpfänbung t von 139 Die neue Verordnung über die Handelskammer und 
Forderungen Handelsgremien „„ „ 152 
Mitteilungen sus der Praxis: Die Beſtrafung der Majeſtats beleidigungen 3 152 
Kübel, Dr., Amtsrichter in Landau a. J., Die . der Die Einberufung von . u das > Kaifer- 
Einträge im Grundbuch 142 liche Statiſtiſche Amt 152 


Soeben iſt vollſtändig geworden: 
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München 


Grundbuchordnung 


für das Deutſche Reich 


unter beſonderer Berüdfichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen 


Vollzugsvorſchriften ꝛc. 
er. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzin; gebd. ME. 12.50. 


Urteil. 
Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906. 

Was in Auge beiden Heften an Kommentierungskunſt geboten wird, läßt erwarten, daß der 
Verfaſſer feine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweifig zu fein, N t unter 
fteter und vollſtändiger Berückſichtigung der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis⸗ 
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit 
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗ 
11 5 eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der RGB. erſchloſſen 


Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte 2 5 
erne 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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oeben erschien DR HANS GROSS, 


O. O. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ. 


HANDDUCR FÜR UNTERSUCHUNGSRICHTER 
SYSTEM DER KRIMINALISTIK 


5., umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text. 
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—. 


5 Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines 
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und 
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet. 


Aus Urteilen über die 4. Auflage: 


Zentralblatt für Rechtswissenschaft. XXIV I. 
— — — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und 
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. — — Appelius. 
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189. 
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare 
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — — 


Fr. Keidel, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit 


v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften. 
2. vollſtändig umgearbeitete Auflage. 


gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60. 


Deutſche Inriſtenzeitung 1908 Nr. 5. . .. Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen 
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laſſen, 
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des 
Geſetzes unter ſich und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche 
Anordnung der Anmerkungen. 

Vermöge ſeiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn 
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen. 
8 Oberſtͤ R. Pfannſchmidt. 


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Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 


II. Jahrg. Inhalt der Nummer 4 (80 Spalten): 


Abhandlungen: Kisskalt, Rechtsanwalt in München, Die Vollstreckbarkeit 
Breit, Dr. James, Rechtsanwalt in Dresden, Inhaberscheck und kalifornischer Urteile in Deutschland. 
Regressrechte. Ein Beitrag zum neuen Scheckrecht. Aus der Rechtsprechung: 


Kleinrath, O., Rechtsanwalt in Hannover, Der Zwangsvergleich 
zur Abwendung des Konkurses. l. Rechtssätze des Relchsgerichts. 


Wertheimer, Dr. jur. Ludwig, Rechtsanwalt zu Frankfurt a. M., Il. Entscheidungen. 


Die Zwangsvollstreckung in gewerbliche Schutzrechte. Reichsgericht. 
Mitteilungen und Erörterungen: Oberlandesgerichte. 
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Rehm, Dr., Professor in Strassburg i. E., Reserveeinlagen und 
statthafte Zuwenigabschreibung. III. Ausländische Rechtsprechung. 


Wörner, Dr., Rechtsanwalt, Dozent der Versicherungswissenschaft 
an der Handelshochschule Leipzig, Das Recht auf Offen- 
legung der Mitgliederliste eines Versicherungs- 
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Preis Mk. 2.50 poſtfrei.ꝛĩvõ daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus. 


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der 3./ 4. neubearbeiteten Auflage von 


Staudingers Kommentar zu BGB. 


wird 


Band IV (Familienrecht) vollſtändig. 


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Band 1: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
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Mk. 7.50. (Sfg. 10 des Geſamtwerkes.) 


Bd. V, Ifg. 1: Erbrecht, SS 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
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Der Preis bes Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 
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Kol. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


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Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen fein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ges 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz befon- 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


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München, den 15. April 1908. 4. Jahrg. 


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h. von der Pfordten in Bay etn 3. 1 * 
R. Landgerichtsrat ee, 
in 3 in München, Lenbachplatz 1. 
ö nd Expedition: München, Senbachvla 
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Poſtauſtalt en Re fur Bayern ge «I 20 Pfg. Beilagen gr 8 „ 
ur: 
Inhalt: 
Abhandlungen: Seite Selte 


Hämmer, II. Staatsanwalt in Weiden, Gegenſeitiges Vers 


von Oelhaſen, Oberlandesgerichtarat, Amtsgericht. Borſtand in hältnis der Tatbeſtände des Art. 58 Abſ. 2 PSGB. 163 


Weibenburg /., Die Berufsvormundſch att 153 gepr. Rechtspraktltant in München, Bayeriſche 
Lieberich, Sandgerichtsrat in Münden, Das Geſetz betr. die Schägengeſellſchaften e ee a a 164 
Dehrafung ber Majeftätsbeleibigung vom 17. Fe- | Aus der Praxis ber Gerichte 164 
Erl er, Dr. „ Landgerichtsrat in Hof, Zur Reform des Literatur kk 171 

vatklageverfahrens (Schlußß)ß . . 159 Notizen: 

W zwiſchen Deutſchland und Italien, be⸗ 

Mitteilungen aus der Praxis: treffend den Schutz an Werken der Literatur und 
Friedländer, Dr., gandgerichts rat in Simburg a. /g. Zum ehren⸗ Kunſt und an Photographien, vom 9. Dezember 1907 172 
gerichtlichen Verfahren gegen Rechtsanwälte. 162 Die Errichtung der Dorfteſta mente 172 


Mit der ſoeben erſchienenen 14. Lieferung 
der 3. / 4. neubearbeiteten Auflage von 


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Band IV (Familienrecht) vollſtändig. 


2 Teile. 45 und 48 Bogen. 
Broſch. Mk. 37.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 42.—. 


Ferner liegen vor: 
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 


Bd. II, Big. 1: Necht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (Ofg. 10 des Geſamtwerkes.) 


Bd. V, Big. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
(fg. 12 des Geſamtwerkes.) 


Der Preis bes Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München 


— 


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Kommentar 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter en Dr. Joſef Caſſimir 


K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmint- 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


3. Lieferung (8 Bogen in gr. 80.) Mk. 3.—. 
== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Ml. 16.—. == 


à 


Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben fih bei der Bearbeitung die 
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen 
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft getretene neue Waſſergeſetz den 
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite, 
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen 
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es 
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte. 
Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete 
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich. Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen 
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen 
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach 
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes. 

Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird 
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten 
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüftzeug bilden. 

Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Geſamt⸗ 
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen. 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 


Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrg. Inhalt der Nummer 3 (80 Spalten): 


Abhandlungen: klein, Dr., Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, 


Lobe, Dr., Oberlandesgerichtsrat in Dresden, Der vorläufige Erfinderrecht und Zwangsvollstreckung. 
Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung | Voss, Amtsgerichtsrat a. D. in Stralsund, Die Unanfechtbar- 
des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wett- keit sittlich gebotener Erfüllungsleistungen, 
bewerbs vom 27. Mai 18%. Baumgarten, A., Referendar in Tübingen, Zum 8 70 KO, 
Fuld, Dr., Justizrat in Mainz, Das Individualrecht an der Marcuse, Dr. jur. P., Berlin, Die Vollstreckbarkeit ameri- 
Prämienreserve bei Oegenseitigkeitsgesellschaften. kanischer Urteile in Deutschland. 


Sievekiag, Dr. Gustav, Rechtsanwalt in Hamburg, Seever- i 
sicherung gegen Minengefahr. Aus der Rechtsprechung: 


Mitteilungen und Erörterungen: 1. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
Mitte is, Dr. I., Professor in Leipzig, Das Unternehmen als | ll. Entscheidungen, 


Gegenstand des Rechtsverkehrs. Reichsgericht. 

Danziger, Hugo, Rechtsanwalt in Breslau, Erfüllungs- und Oberlandesgerichte. 
Unterlassungszwang bei Vertragsbruch von Ange- Landgerichte. 
stellten. Kurze Bücheranzeigen. 


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liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


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Ferner liegen vor: 


Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 


Bd. II, Lig. 1: Necht der Schuldverhältniſſe, 88 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (Bfg. 10 des Geſamtwerkes.) 


Bd. V, Ofg. 1: Erbrecht, SS 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. J. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
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8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


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wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 
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Poftanftalt Mofgeltungslifte für Bayern Nr. 


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ümmer, II. Staatsanwalt in Welden, Ge le er 
von Oelbaſen, Dserlanbengerigtärat, Amtsgerihts-Borftand in älinis der Tatbeſtande des Art. 56 Abſ. 2 P 163 
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F en eee vom 17. Fe⸗ 156 Aus der Praxis der Gerichte 164 
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vatklageverfahrens (Schlußßß .. . 159 Notizen: 
nl, zwiſchen Deutſchland und Italien, be⸗ 
Mitteilungen aus der Praxis: treffend den Schutz an Werken der Literatur und 
Friedländer, Dr., Sandgerichts rat in Simburg a. / L. Zum ehren⸗ Kun ſt and an Photographien, vom 9. Dezember 1907 172 
gerichtlichen Verfahren gegen Rechtsanwälte. 162 Die Errichtung der Dorfteſtam ente 172 


Mit der ſoeben erſchienenen 14. Lieferung 
der 3./ 4. neubearbeiteten Auflage von 


Staudiugers Kommentar zu BGB. 
Band IV (Familienrecht) vollſtändig. 


2 Teile. 45 und 48 Bogen. 
Broſch. Mk. 37.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 42.—. 


Ferner liegen vor: 
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 


Bd. II, Lg. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (Sfg. 10 des Geſamtwerkes.) 

Bd. V, Big. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
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Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 


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Bor kurzem iſt vollſtändig geworden: 


Haus Küpler 


Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Hand buch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts und Notariatsdienſt. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Aumerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Entſchließungen bearbeitet 


Dritte vollftändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz befon- 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


2. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Tandgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München. 
= 8° (VII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk. 


Juriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unfer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchrankte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen. 


| J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von | 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 


Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrg. Inhalt der Nummer 4 (80 Spalten): 


Abhandlungen: 
Breit, Dr. James, Rechtsanwalt in Dresden, Inhaberscheck und 
Regressrechte. Ein Beitrag zum neuen Scheckrecht. 
Klelsrath, O., Rechtsanwalt in Hannover, Der Zwangsvergleich 
zur Abwendung des Konkurses. 


Wertheimer, Dr, jur. Ludwig, Rechtsanwalt zu Frankfurt a. M., 


Die Zwangsvollstreckung in gewerbliche Schutzrechte. 
Mitteilungen und Erörterungen: 

Rehm, Dr., Professor in Strassburg i. E., Reserveeinlagen und 
statthafte Zuwenigabschreibung. 

Wörner, Dr., Rechtsanwalt, Dozent der Versicherungswissenschaft 
an der Handelshochschule Leipzig, Das Recht auf Offen- 
legung der Mitgliederliste eines Versicherungs- 
vereins a. O. 


Kisskalt, Rechtsanwalt in München, Die Vollstreckbarkeit 
kalifornischer Urteile in Deutschland. 


Aus der Rechtsprechung: 
I. Rechtssätze des Reichsgerichts. 


II. Eatscheiduagen., 


Reichsgericht. 
Oberlandesgerichte. 
Landgerichte. 


III. Ausländische Rechtsprechung, 
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J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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Eine Zierde für jeden Schreibtisch 


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der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 


Seine beſonderen Vorteile find: 


Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern 


liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden 


Nummern und größte Ordnung. 


Gediegene Ausführung (teilweiſe in Holz), 
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Handbuch 
für Unterſuchungsrichter 


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Aus Urteilen über die 4. Auflage: 


Die Polizei 1904 Nr. 2 vom 29. IV. 04. 

. Wir können die Beſchaffung dieſes Werkes den Behörden 
nur dringend empfehlen. Es gehört zu dem notwendigſten Hand⸗ 
werkszeug des Kriminalbeamten 


Oeſterreichiſche Nichterzeitung 1904 Nr. 3: 

Wir erachten es für überflüſſig, auf den Inhalt des babnbrechen⸗ 
den Buches näher elmiugeben, da die erften drei 3 ibm die 
vollſte Anerkennung feltens der maßgebenden Kreiſe bereits nun 
haben Das Werk iſt dem Unterſuchungsrichter unentbehrlich. 
jedem Juriſten nützlich und auch für den Laien intereſſant. 


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schaften auf Aktien, eingetragenen Genossen- 
schaften, Versicherungsvereine auf Gegen- 
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und Bandelsgesellschaften überhaupt nach 
deutſchem und dfterreihifchhenm Handels⸗, Steuers, 
Verwaltungs- und Strafrecht. Lex. 8". (XX, 938 ©.) 
1903. Broſch. Mk. 27.—, in Halbfranz geb. Mk. 30.—. 


Deutſche Juriſtenzeitung. 1903. Nr 21. l 
Mit großem Verſtändnis behandelt Rehm's Werk alle Bilanz 
fragen vom buchtechniſchen, zivilrechtlichen und ſteuerrechtlichen Stand: 
unkte. Es enthält elne wahre Fundgrube zur Löſung von Einzel⸗ 
agen auf dieſem wichtigen Geblete. 


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Neumiller 


Zivilprozeßordnung 


für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen 


unter beſonderer Berückfichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebung und Rechtspflege 


und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz. 


Zweite umgearbeitete Auflage 
8. XII, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 3.—. 


Urteil: 


Das „Necht“ 1907 Nr. 23: Die neue Auflage bietet eine unermeßliche Fülle von Stoff zur Anwendung des Ge- 
ſetzes auf allen bezüglichen Gebieten des Reichs⸗ und des bayeriſchen Landesrechts. Die Erläuterungen ſelbſt ver⸗ 
werten mit feinem Verſtändniſſe und erfahrenem Blicke bei ſcharfer Kürze die geſamte e enthalten 
zahlreiche praktiſche Winke und bieten vielfach wertvolle Beiſpiele unter zuverläſſiger Anführung der Belegſtellen 
aus den Zeitſchriften und Spruchſammlungen. Mit dieſen ſeltenen Vorzügen empfiehlt ſich das Buch ſelbſt jedem 
Juriſten. Von ganz beſonderem Werte iſt das Werk für bayeriſche Verhältniſſe. Neumillers Handausgabe 
bildet ein vollkommenes reichs⸗ und landesrechtliches Nachſchlagewerk, das, wie kein einziger Kommentar, allen 
innerhalb und außerhalb des Sitzungsſaales auftretenden Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis mit kundigem Blicke 
Rechnung trägt, und für jeden bayeriſchen Zivilprozeßpraktiker * iſt. 8 

. Bauer im „Recht“ 1907 Nr. 23). 


(Oberlandesgerichtsrat 
Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende Novelle z. ZPO. u. z. 696. Geſetz geworden ift, wird ein 


Nachtrag mit Erläuterung 


der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zettelausgabe — erſcheinen. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) Münden. 


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im Umfange von are 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
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Abhandlungen: 
Clarus, S4 natspräſident In Fre Die ee i In 8 Zu 8 57 . und 
pflicht des § 1021 BOB. 173 8 
Lieberich, Landgerichtsrat in Munchen. Das Geſet betr. die Pramberger, imterliter in tigni, Güterzertrümmerung 179 
Beſtrafung der maisftätsbeleidigung vom 17. ğe- Eckert, umts richter in Nürnberg, Zu 181 BGB. . . . 180 
5 Schluß) i 0 176 Aus der Praxis der Gericht 182 
eilungen aus der Praxis: i 
Bogl, Sandgerictsrat in Nürnberg, Buztehung von Anwälten „ N e er. B ermaltungs 5 
zu den durch die Min Bek. vom 11. N 1900 an⸗ 
geordneten Beſprechungen 178 BIleEralur u 192 


Soeben erſchien: 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Landgerichtsrat in Limburg a /I. | Rechtsanwalt in München. 
— 8° (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk... 


Juriſtiſche Wschenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem orarie Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem 15 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wie 

als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchung en empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen. 


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Soeben erſchien: 


Geſetz, die Einführung einer 


Veſitzberänderungsabgabe 


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vom 15. Juni 1898. 
Handausgabe mit Erläuterungen und ausführlichem 


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Strafgeſetzbuch 


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Bisher gab es keine Erläuterung des StGB., die 
ſich direkt und allein den Zwecken des nicht akademiſch 
gebildeten Polizeibeamten dienſtbar machte. Die vor⸗ 
liegende Handausgabe ſoll dieſe Lücke ausfüllen. Sie 
bringt in knapper, aber doch bis zum vollen Verſtändnis 
durchgeführter Form alles das was die genannten Be⸗ 
amten brauchen, um, auf ſich allein angewieſen, ihrem 
Berufe mit der nötigen Geſetzeskenntnis ausgerüſtet nad 
gehen zu können. 


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Fr. Keidel, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit 


v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften. 
2. vollſtändig umgearbeitete Auflage. 


gr. 8. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60. 


Deutſche Juriſtenzeitung 1908 Nr. 5. ... Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen 
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laſſen, 
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des 
Geſetzes unter ſich und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche 
Anordnung der Anmerkungen. 

Vermöge ſeiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn 
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen. 
OberſtscR. Pfannſchmidt. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Reichs⸗Erbſchaftsſteuergeſetz 


vom 3. Juni 1906 
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern, 
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig. 
Erläutert von 
Dr. F. W. N. Zimmermaun 
Geh. Finanzrat in Braunſchweig. 
80. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


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Soeben erſchien: 


Kommentar zum 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter is Dr. Joſef Caſſimir 
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
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Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


pup- 4, Lieferung (12 Bogen in gr. 8°.) Mk. 4.50. 


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Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren 
Frage wird er zu Nate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen 
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen 
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ftete Berückſichtigung der bisherigen 
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Rechtſprechung, ſowie die üb erſichtliche 
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent⸗ 
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert. 


wir bitten die Beſprechung auf Seite 171 der nummer 8 zu beachten!! 


Schreiben ohne Druckas- 
wendung. Sehr . Fr 
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Das Reichsvereinsgeſetz. 


Unter Benutzung der amtlichen Quellen 
bearbeitet und erläutert von 


Dr. jur. A. Romen, 
Wirklichem Geheimen Kriegsrat im Kgl. preuß. Kriegsminiſterinm. 
Taſchenformat. Gebunden in ganz Leinen ca. M. 1.—. 


Scheckgeſetz. 


Vom 11. März 1908. 


Text⸗ Ausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und 
Sachregiſter. Von 


Profeſſor Dr. Max Apt, 
Syndikus der Korporation der Kaufmannſchaft von Berlin. 
4. Aufl. Taſchenformat. Geb. in ganz Leinen M. 1.50. 


Reichsbeamtengeſetz. 


Vom 31. März 1873 in der Faſſung der Bekannt⸗ 
machung vom 18. Mai 1907 und feine Ergänzungen. 
Erläutert von 
Profeſſor Dr. Adolf Arndt, 

Geheimer u. Ober⸗Bergrat. 
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Soeben erſchien die 14. Lieferung 
der 8. / 4. neubearbeiteten Auflage von 


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Band. II, Lieferung 2: Recht der Schuldverhältniſſe. 


Staudiugers Kommentar zu BGB. 


Allg. Teil (88 390—432) erläutert von 


Dr. L. Kuhlenbeck; Spez. Teil (88 433 — 534) erläutert von K. Kober. 


Preis broſchiert Mk. 8.50. 
Ferner liegen vor: 

Band I: 
Band III: 
Band IV: 

Bd. II, Ofg. 1: 


Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. 
Familienrecht. 2 Teile. 


Mk. 7.50. (Big. 10 des Geſamtwerkes.) 


Bd. V, Ofg. 1: 
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Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 


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Erbrecht, 58 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 


Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 


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Voſtanſtalt (Boſtzeltungaliſte für Bayern Nr 20 fe. Beilagen uach Hehereinfunft, N 
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Inhalt: 
Abhandlungen: Selte Seite 
| der Vaterſchaft durch den unehelichen Vater und 
Binder, Dry IT. 2004 aa Bur Auslegung ber 193 | die Verträge über die Zahlung des Unterhalts. 202 


Rranfe, Landrichter in Altenburg, Der Beſchluß über die 
e ee bei real konkurrierenden Straf⸗ 157 
taten 


Michel, Dr., rechtst. Bürgermelſter in Landsberg a. 8. Zum Bes 
griffe des „Arbeiters“ im Sinne des Gewu BVG. 202 


Maher, Amterichter in München. Die nagtragliche čin- | Aus der Praxis der Gerichte . . 203 
tragung der Goldklauſel 199 | Literature s a a ea 211 
Mitteilungen aus der e Notizen: 
Steinharter, Dr., Rechtsanwalt in München, Die Protokolle | Die juriftifchen Sn der en. N 
i 


des Vormundſchaftsgerichts über die Anerkennung Preußen 212 


Alsbald nach Verkündung des Geſetzes erſcheint: 


Reichsgeſetz über den 
Verſicherungs vertrag 


mit dem Einführungsgeſetz und dem Geſ. betr. Abänderung der 
Vorſchriften des Handelsgeſetzbuches über die Seeverſicherung 


erläutert von 


Dr. jur. h. c. J. A. Zehnter, 


Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 


8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50. 


Dem bDerſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des re ens und feine Mitwirkung am Zuftande- 
kommen des Era Beta e ee e laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen 
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und ee Seb alten: Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus 85 Sre fondern auf Grund von Beſtim⸗ 
mungen anderer 2a wie des BGB., HGB. und Priv., entſcheiden find. Die bisherige ver- 
en tliche Rechtſprechung wird, ſoweit ſie nach se Kodifitation der bisher geſetzlich nicht geregelten 

aterie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt. 


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Kommentar zum 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter REN Dr. Joſef Caſſimir 
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


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== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Mk. 16.—. = 


Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren 
Frage wird er zu Nate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen 
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen 
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ſtete Berückſichtigung der bisherigen 
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Rechtfprechung, ſowie die üb erſichtliche 
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent⸗ 
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert. 


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Gr. 8°. XII und 547 Seiten. 1906. Cleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—. 


e e 1906 Nr. 4: Wer ſich über das Sachen⸗ und Liegenſchaftsrecht des geltenden Rechtes nach dem heutigen Staude 
fie 1 5 tſprechung und des Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich das Studium dieſer fy poran 8 en Dar» 
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Jurik. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906. 
Was in Bu beiden Heften an Kommentierungskunſt geboten wird, läßt erwarten, daß der 


Verfaſſer feine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweiſig zu Jein, ift unter 
ſteter und vollſtän ge ml aun der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis- 
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit 
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Bandes- 
rechts eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der REBO. erſchloſſen 
Wird Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte en ee 
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Zum Gebrauch für Polizei⸗, Sicherheits⸗ und 
Kriminalbeamte. 


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Bisher gab es keine Erläuterung des StGB., die 
ſich direkt und allein den Zwecken des nicht alademiſch 
gebildeten Polizeibeamten dienſtbar machte. Die vor⸗ 
liegende Handausgabe ſoll dieſe Lücke ausfüllen. Sie 
bringt in knapper, aber doch bis zum vollen Verſtändnis 
durchgeführter Form alles das was die genannten Be⸗ 
amten brauchen, um, auf RA allein angewieſen, ihrem 
Berufe mit der nötigen Geſetzeskenntnis ausgerüſtet nach⸗ 
gehen zu können. 


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Abhandlungen: Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung 
Könige, H., Reichsgerichtsrat, Die Grenzen der Staatsauf- mit sich selbst als Vertreter eines anderen Gesell- 
sicht bei Geschäftsplanänderungen der Versicherungs- schafters. 
unternehmungen. ' Sternberg, Dr. M., Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, Die Ver- 
Wertheimer, Dr, jur. Ludwig, Rechtsanwalt zu Frankfurt a. M., schuldensfrage im österr. Automobilgesetzentwurf. 
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Fürst, Dr., Rechtsanwalt in Heidelberg, Zur Wahl von juristi- | il. Eutscheidungen. 
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Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat, de P Mitglieder des Oberlandesgerichte. 
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Wenz, Lothar, Rechtsanwalt in Zweibrücken, Zulässigkeit des ul. Ausländische Rechtsprechung. 
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vom 15. Inni 1898. 


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Das Forſtrügeverfahren 


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gr. 8°. VIII u. 102 Seiten. Kartoniert Mk. 2.80. 


Die Handhabung des Forſtrügeverfahrens bietet 
den damit befaßten Behörden nicht ſelten erhebliche 
Schwierigkeiten, weil das bayer. Forſtrügerecht viele 
Beſtimmungen enthält, die aus einer längſt 1 ar 
Strafprozeßgeſetzgebung hervorgegangen find. Das 
Forſtgeſetz iſt 190 dem in die Praxis tretenden Richter 
zumeiſt fremd. Die Einarbeitung wurde dadurch er⸗ 
ſchwert, daß eine zuſammenhängende Darſtellung des 
jetzt 9 bayer. Forſtrügerechts bisher gefehlt hat. 

ieſe Lücke ſoll das vorliegende Werkchen ausfüllen. 
Es ſoll den Gerichten und Forſtämtern ein zuverläſſiger 
Wegweiſer ſein, der durch ſyſtematiſche F andlung, 
die ſtets auf den Zuſammenhang der landesrechtlichen 
Vorſchriften mit den Normen des ordentlichen Straf⸗ 
prozeſſes hinweiſt, die Anwendung der einſchlägigen 
Beſtimmungen in der Praxis weſentlich erleichtert. 


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Fr. Keidel, 


K. Landgerichtsrat in München. 


Geſetz über die Angelegenheiten der frei. Gerichtsbarkeit 


v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften. 


2. vollftändig umgearbeitete Auflage. 


gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60. 


Deutſche Inriſtenzeitung 1908 Nr. 5. . .. Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen 
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laffen, 
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des 
Geſetzes unter ſich und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche 


Anordnung der Anmerkungen. 


Bermöge feiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn 
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen. 


OberfiLENR. Pfannſchmidt. 


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Soeben erſchien: 


Kommentar 


nechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Tandgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München. 
— 8° (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk. 


Juriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem farien 
juriſtiſchen kritiſchen Geifte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unfer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes fein zu müſſen. 


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Soeben erſchien die 15. Lieferung 
der 3. / 4. neu bearbeiteten Auflage von 


Staudiugers Kommentar zu BGB. 


Inhalt: 


Band. II, Lieferung 2: Recht der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (88 390—432) erläutert von 
Dr. L. Kuhlenbeck; Spez. Teil (88 433 —534) erläutert von K. Kober. 
Preis broſchiert Mk. 8.50. 


Ferner liegen vor: 

Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—. 


Bd. II, Lg. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (fg. 10 des Geſamtwerkes.) 

Bd. V, Lg. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
(fg. 12 des Geſamtwerkes.) 


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Die Zeitſchrift erscheint am 1. und 15. jeden M 
im Umfange von mindeſtenz 2 Bogen. Preis vlertellahrlic 
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Pofankalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


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. Seite 

Abhandlungen: Seite Doſenheimer, Amtsrichter in Zudwigsbafen a. Rh., Ein Bor- 

Nitzman, Dr., n. Staatsanwalt in Ansbach, Die 10 8578 ſchlag zur Aufhebung des § 75 des Br 
Forſtgeſetz⸗Novelle vom 26. Februar 1908 213 verfaſſungsgeſetzeees 219 
Benſchab, Bankdirettor in München, Die Aufnahme von Aus der Praxis der Gerichte e.’ 220 

ypothekdarlehen als ers für une Aus der Praxis des bayer. V emule ngs- 
ablöfungsfummen . . 215 gerihtshofs . 230 
Mayer, Amtsrichter in München, Die nachträgliche tim Aus der Praxis des Reigsmititärgeriğts 231 
tragung der Goldklauſel (Fortfegung) . - 216 Literatur 232 

i , Notizen: 

Mitteilungen aus der Praxis: Verordnung über Apothekerkammern 232 

Maenner, Reichsgerichts rat in a. 8 64 Dr u er der en > Raufmannsgerichte 
anwaltsordnung . : 219 für 232 


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Soeb rschien: 
oeben erschien DR HANS GROSS, 


O. G. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ. 


HANDDUCH FÜR ÜNTERSUCHUNGSRICHTER 
SYSTEM DER KHIMINALISTIK 


S. umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text. 
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—. 


Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines 
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und 
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet. 


Aus Urteilen über die 4. Auflage: 


Zentralblatt für Rechts wissenschaft. XXIV 1. 
— — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und 
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. — — Appelius. 
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189. 
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare 
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — — 


Die soeben erschienene Nr. Nr. 2 des Il. Jahrg. von 


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Dr. Ernſt Müller. Meiningen, 


K. Landgerichtsrat, Reichstags und Landtagsabgeordneter, 


Urheberrecht an Werken der bildenden Künſte 
und der Photographie 


Geſetz vom 9. Januar 1907. 


(2. Band des deutſchen „Arheber⸗ und Verlagsrechts“.) 
8e. VIII, 332 Seiten. Preis broſch. Mt. 5.50, geb. Mk. 6.50. 


Pe De — — — — 


Der erſte Band dieſes Kommentars, der im Jahre 1901 ausgegeben wurde und das literariſche und 
muſikaliſche Urheberrecht ſowie das Verlagsgeſetz enthält, fand bei der geſamten wiſſenſchaftlichen Kritik die 
beſte Aufnahme und ausnahmslos die günſtigſte Beurteilung. Der Verfaſſer, Mitglied der Reichstagskommiſſion 
und deren Berichterſtatter für das Plenum, iſt wie kein Anderer dazu berufen, die Auslegung des ebenfo 
intereſſanten wie ſchwierigen Geſetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künfte 
und der Photographie, der zukünftigen Rechtsgrundlage deutſchen Kunſtſchaffens, allen Beteiligten, d. h. 
in dieſem Falle der ganzen deutſchen Nation, zu vermitteln. Die beiden Bände ſind auch einzeln zu beziehen. 


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Reichs⸗ ⸗Erbſchaftsſteuergeſetz 


vom 3. Inni 1906 


Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern, 
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig. 


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Erläutert von 


Dr. F. W. R. Zimmermann 


Geh. Finanzrat in Braunſchweig. 
8°. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—. ' 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Soeben erſchien die 15. Lieferung 
der 8. / 4. neu bearbeiteten Auflage von 


Staudiugers Kommentar im BGB. 


Inhalt: 
Band. II, Lieferung 2: Recht der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (88 390—432) erläutert von 
Dr. L. Kuhlenbeck; Spez. Teil (88 433 — 534) erläutert von K. Kober. 
Preis broſchiert Mk. 8.50. 


Ferner liegen vor: | | 

Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—. 


Bd. II, Lig. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen. 
Mk. 7.50. (OIfg. 10 des Geſamtwerkes.) 

Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, SS 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
(Big. 12 des Geſamtwerkes.) 


Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München 


An k auf J. Schweitzer Sortiment (Arthur Sellier) 


Buchhandlung, Antiquariat und Leihinstitut 


juristischer für Rechts- und Staats wissenschaften 
Bibliotheken u. einzelner Werke München, Lenbachplatz 1, nächst dem Justizpalast 


Soeben erſchien vollſtändig: 


Kommentar m Baneriichen Notariatsgeſetze 


vom 9. Juni 1899 
von Heinrich Kaiſenberg, nach vefen Tode fortgeführt von Dr. Wilhelm Dennler, 
weil. K. Juſtizrat und Notar in München K. Notar in Lauf. 
gr. 8. VIII u. 493 Seiten. Preis broh. Mk. 10.50, gebd. in Halbfranz Mk. 13.—. 


| 


Urteil: 

Mit dem Kaiſenberg'ſchen Kommentar liegt ein außerordentlich wertvolles, klares und praktiſch verwendbares 
Werk vor, welches die Intereſſenten auf keine Frage ohne Antwort läßt. Durch die Beifügung eines ungemein ſorg⸗ 
fältigen und erſchöpfenden alphabetiſchen Regiſters iſt die Verwendbarkeit des Buches noch erheblich geſteigert worden. 
Als Anhang ift dem Kommentar die Geſchäftsordnung für die Notariate vom 24. Dezbr. 1899 beigegeben und durch 
kurze Hinweiſe auf andere einſchlägige Vorſchriften ſowie auf Ergebniſſe der Rechtſprechung und der Rechtslehre iſt 
der Wert des Anhangs erhöht worden. In einem Nachtrag ſind auch die Aenderungen und Neuerungen, welche 
bezüglich der in den erſten drei Lieferungen enthaltenen Artikel ſich ergeben haben, dargeſtellt. 

| Fränk. Kurier 1907 Nr. 257 vom 22./ V. 1907. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Vor kurzem it vollſtändig geworden: 


Hans Kößler 


Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Hand buch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienſt. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erlänterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. minik. 
Entſchlietzungen bearbeitet 


Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8. VIO u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


U 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab- 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München 


Alsbald nach Verkündung des Geſetzes erſcheint: 


Reichsgeſetz über den 
Verſicherungsvertrag 


mit dem Einführungsgeſetz und dem Gef. betr. Abänderung der 
Vorſchriften des Handelsgeſetzbuches über die Seeverſicherung 


erläutert von 


Dr. jur. h. c. J. A. Zehnter, 


Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 


8°, Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50. 


Dem Derfiherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen $ 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſi e een und ſeine Mitwirkung am Zu $ 
kommen des D e laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen 
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und Ben gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze 15 auf Grund von Beſtim · 
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver- 
ſi . Rechtſprechung wird, ſoweit fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten 
aterie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt. 


| J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


| 


Ti \ 9 JUL 6 1908 


Jeilſchrift für Rechtspflege 


Verlag von 


Soeben erſchienen die 16. und 12. Lieferung 
der 8. / 4. neubearbeiteten Auflage von 


Staudiugers Kommentar m BGB. 


Inhalt: 
Band V, Lieferung 2: Erbrecht (88 1975—2054) erläutert von Dr. F. Herzfelder. Preis Mk. 4.—. 


Band. II, Lieferung 3: Recht der Schuldverhältniſſe. Spezieller Teil (88 535— 645) er: 
läutert von K. Kober. Preis Mk. 7.50. 


Ferner liegen vor: 


Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—. 


Bd. II, Ofg. 1 u. 2: . der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (SS 241—432) erläutert von Dr. L. Kuhlenbeck; 
Spez. Teil (88 433 — 534) erläutert von K. Kober. Preis broſchiert Mk. 16.—. (Ifg. 10 und 15 
des Geſamtwerkes.) 
Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
(fg. 12 des Gefamtwerkes.) 


Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur celier) München 


r. 12. Münden, den 15. Juni 1908. 4. Jahrg. 


Herausgegeben von 
€h. von der Pfordten in a J. Sch ge Yertas 
K. Landgerichtsrat Arthur 
in Dan in Münden, Lenbachplatz 1. 
Di i und 15 München, 
im Umfan 3 8 2 Bog Bo 1 Brel ede . eolie 80 2 die $ ae 
Mk. 8.—. Beſtellungen 8 jede gt holungen 
Boſtanſtalt (Boſtzeltungsliſte für Bayern Nr. N Bee elage mag ereinkunft. 
Inhalt: 
; Geite 
Abhandlungen: Seite Mitteilungen aus der Praxis: 
Kahn, Dr., Juftisrat, Rechtsanwalt und Syndikus der Handels⸗ Stummer, Landgerichts rat in München. Ablehnung eines 
und Gewerbetammer für 1 Die Börſengeſetz⸗ Geſchworenen während der Hauptverhandlung 244 
novele vom 8. Mai 1989. 233 Bendix, Juſtizrat in Breslau, Aufrechnung mit einer Wechſel⸗ 
Doerr, Dr., Amtsrichter und Privatdozent in München, Wir⸗ geld forderung 244 
kungen einheitlicher Verbrechen im Strafrecht und Aus der Praxis der Ger iche 245 
Strafprozess 238 Literatur 252 
Mayer, umtarichter in München, Die nachtraͤgliche Su Notizen: 
tragung der Goldklauſel (Fortfegung) . . 242 Die Auslieferung an Un gam 252 


Soeben erſchien: 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Tandgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in Münden. 
== 8° (VII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk. 


nriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, ift das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Bor kurzem erſchien: 
Dr. jur. A. Schlecht 
Das 


Recht der Elektrizität. 


Gr. 85. VIII und 174 Seiten. 
In eleg. Ganzleinen geb. Mk. 4.20. 


Ein einheitliches Elektrizitätsrecht beſitzen wir in 
Deutſchland noch nicht. Es exiſtieren nur, zerſtreut in 
den verſchiedenen Rechtsgebieten, einzelne Geſetzesbe⸗ 
ſtimmungen, die das Recht der Elektrizität notdürftig 
regeln. Was hiervon allgemeine Geltung hat, iſt in 
vorliegendem Buche zum erſtenmal überſichtlich zu⸗ 
ſammengeſtellt und erläutert. Bei der immer ſtei⸗ 
genden Bedeutung, die der elektriſchen Kraft im deutſchen 
Wirtſchaftsleben zukommt, iſt die Kenntnis des für ſie 
geltenden Rechts unentbehrlich. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) Rinden 


Für die Herren Rechtsanwälte und Notare! 


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200 Blätter durchlaufend numeriert mit 2 
perforierten Coupons für Akt u. Kassa. 
Elegant gebunden. Format 14 X 23 cm. 


Preis M. 2.50, 4 Stück für M. 10.— franko. 


Probeblatt steht kostenlos zu Diensten. 


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Buchhandiung f. Rechts- u. Staatswissenschaften 


München, 
Lenbachplatz 1. 


Alsbald nach Verkündung des Geſetzes erſcheint: 


Reichsgeſetz über den 


erſicheruugsvertrag 


mit dem Einführungsgeſetz 


erläutert von 


Dr. jur. h. c. J. A. Zehnter, 


Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 
8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50. 


Dem Derfiherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungsweſens und ſeine 1 am Zuſtande ; 
0 


kommen des Verſicherungsvertragsgeſetzes laffen den Verfaſſer zu deffen Kommentierung als 
erſcheinen. Die Erläuterungen find präzis und überfi 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht un 


nders berufen 
gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen 


ar aus dem Geſetze, ſondern auf Grund von Beftim- 


mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver- 
ſicherungsrechtliche Rechtſprechung wird, joti fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten 
gt. 


Materie noch von Bedeutung iſt, berückſichti 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Die 
Praxis der Swangsverfteigerung 
und Zwangsverwaltung. 


Ein Pandbuch des Verfahrens in der Swangs⸗ 
verſteigerung und Zwangsverwaltung. 


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Dr. S. Dispeler, 


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gr. 8°. (VI und 110 Seiten.) Preis gebunden in Gana- 
leinen Mk. 3.60. 


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aufgaben enthält die 


Juristische Monatschrift 


zur Vorbereitung auf die Prüfungen für den höheren 
Justiz- und Verwaltungsdienst in Bayern. 


Herausgegeben unter Mitwirkung mehrerer Juristen 
von 
Dr. Heinrich Becher, 


K. Landgerichtarat. 


Die Jurist. Monatschrift erscheint seit 1. Januar 
1900 nicht mehr. Die veröffentlichten 9 Jahrgänge 
behalten jedoch auf Jahre hinaus ihren Wert als vor- 
zügliches Vorbereitungsmittel für den Staatskonkurs. 
Um die Anschaffung zu erleichtern, wurde der Preis, 
der für die ganze Serie im Abonnement Mk. 90.— 
betrug, bedeutend herabgesetzt. Solange die zum Teil 
geringen Vorräte reichen, kosten: 


Die Jahrgänge I—IX (1891/99) zusammen Mk. 15.— 


Einzeln kosten die Jahrgänge I—II à Mk. 2.50. 
IV—IX à Mk. 1.50. 


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J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellie) München 


Demnächſt erſcheint in 2. verbeſſerter Auflage: 


Der dienſtliche Derfehr und die Amtsſprache. 


Auf der Grundlage der Bekanntmachung der Sivil⸗Staatsminiſterien vom 28. April 1901 
unter beſonderer Berückſichtigung des dienstes bei den Juſtizbehörden. 


Bon Th. von der Pfordten, 


Kgl. Sandgerichtsrat in München. 


8ů. Preis kartonniert ca. Mk. 1.80. 


Die 1. Auflage dieſes Werkchens war ſchon kurze Zeit nach dem Erſcheinen vollſtändig vergriffen. 
In der jetzt vorliegenden neuen Auflage ſind verſchiedene Abſchnitte weſentlich erweitert worden, ganz 
neu ſind darin die Bekanntmachungen über die Entlaſtung der Richter von Schreibarbeit und über die 
Abfaſſung der Urteile. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Demnächſt wird erſcheinen: 


Das Vereinsgeſetz 


vom 19. April 1908 
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten. 


Erläutert von 


Dr. E. Müller⸗ Meiningen Dr. Georg Schmid 


Landgerichtsrat in München, und RNegierungsaſſeſſor in Stuttgart. 
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, 8 
Landtags abgeordneter für Hof. 


— 8° ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5.— — 


Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und politiſchen 
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meinigen, verdankt das Geſetz ſein Zuſtandekommen und ſeine 
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. 
dae e mit Regierungsaſſeſſor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus- 
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften 
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle 
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


ur. 2. Mulchen, den 1. Juli 1908. | 4. Jahrg. 
Zeitschrift für Rechtspflege 
Herausgegeben von + 45 1 1 i 

Sh. von der Pfordten f |  Schmeiker erlag 
ee DE n a 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
i sgebühr ES Pfg. für die halbgeſpaltene Wetitzelle 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellen 
20 Pfg. Bellagen nach Uebereinkunft. 


Die Zeliſchelft erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis ehr 
Mt. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede „ 
Bonanſtalt oſtzettungsliſte für Bayern Nr. 974). 


. Se Hagen, Landgerichtsrat in Frankenthal, Noch einmal der . 
Kegelsberger, Profeſſor in Göttingen, Die Zulaſſung der 4 A 
Abiturienten eines Realgymnaſiums oder einer un erei pi Sinne des e 66 
Oberrealſchule zur juriſtiſchen Laufbahn. — Die 858 E T 
Bedeutung der Ausbildung im römiſchen Recht Stummer, Landgerichtsrat in Münden, Kann 8 113 Sto. 
für die Gegenwart. — Geſetz und Rechtspflege. 253 mit 8 240 StB. rechtlich konkurrieren?) . 267 
Obermeyer, Dr., Juſtizrat, Nechtsanwalt in München, Die Aus d 18 iche 2287 
Waſſerbenützungsrechte an öffentl. Flüſſen und an | BE DER RER ES RN 
den im Eigentum des Staates oder Dritter F Aus der Praxis des en . 
den Privatflüſſen 259 gerihtshofs . . 275 
Maher, Amtsrichter in München, Die nasteäglige Ein. 
tragung der Goldklauſel (Schluß) 2622 Site ratur 27 
Mitteilungen aus der Praxis: „ 
»Schmid, Landgerichtsrat in München, Zur n des ie Haftung für ae De ee ee AÀ 
8 115 StPO. . . 264 Vogel utzgeſez e 


Demnächſt erſcheint in 2. verbeſſerter Auflage: 


Der dienftliche Verkehr und die Amtsſprache. 


Auf der Grundlage der Bekanntmachung der Sivil⸗Staatsminiſterien vom 28. April 1001 
unter beſonderer Berückſichtigung des Dienſtes bei den Juſtizbehörden. 


Von Th. von der Pfordten, 


Kgl. Landgerichtsrat in München. 
Preis kartonniert ca. Mk. 1.80. 


Die 1. Auflage dieſes 8 war fon kurze Zeit nach dem Erſcheinen vollſtändig vergriffen. 
n der jetzt vorliegenden neuen Auflage ſind verſchiedene Abſchnitte weſentlich erweitert worden, neu einge⸗ 


J 
fügt find die Bekanntmachungen über die Entlaſtung der Richter von Schreibarbeit und über die Abfaſſung der Urteile. 


Aus dem Vorwort: 
Dieſes Büchlein ſoll zunächſt als Leitfaden für den Rechtspraktikanten dienen und ihm das Verſtändnis 
für die Formen vermitteln, in denen iH heutzutage 15 ſchriftliche Amtsverkehr bei den Behörden abſpielt. 
Es verfolgt aber noch einen weiteren Zweck. Es iſt höchſte Se daß die Behörden mit den alten 


ſchwerfälligen Formen aufräumen, die ſie vor dem Inkrafttreten der Bekanntmachung vom 28. April 1901 an⸗ 
wendeten und von deren Gebrauch ſie ſich leider immer noch nicht entwöhnen können. Es muß ſich allmählich 
die Erkenntnis durchringen, daß das Maß der Arbeitsleiſtung nicht nach dem Volumen und dem Gewichte des 
vollge 1 Papiers bemeſſen werden kann. Und ebenſo dringend notwendig iſt es, daß die Behörden 
endlich wieder zu einem natürlichen Sprachgebrauche zurückkehren und das papierene Juri tendeutſch ablegen. 
Darum will dieſe Schrift die jungen Juriſten zur Aufmerkſamkeit anſpornen und verhüten, daß ſie aus 
Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit den herkömmlichen Schlendrian mitmachen. Sie wendet ſich aber auch an 
die älteren Praktiker, die im Drange der Dienſtgeſchäfte nur allzu leicht die Bedeutung eines ſprachlich 
richtigen und lebendigen Ausdrucks vergeſſen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Kommentar zum 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter er Dr. Joſef Caſſimir 
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


4. Lieferung (12 Bogen in gr. 8°.) Mk. 4.50. 
Die Schlußlieferung wird in allernächſter Zeit erſcheinen. 
== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Mk. 16.— = 


Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren 
Frage wird er zu Rate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen 
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen 
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ſtete Berückſichtigung der bisherigen 
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Rechtſprechung, ſowie die üb erſichtliche 
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent- 
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert. 


Das Sachenrecht 


nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der Grundbuchordnung für das Deutſche Reich 
2. neubearbeitete Auflage des „Rechts der Grundſtücke“ === 
Von 
Karl Maenner, 
Neichsgerichtsrat. 
Gr. 8°. XII und 547 Seiten. 1906. Eleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—. 
Yurift. Literaturblatt 1906 Nr. 4: Wer ſich über das Sachen⸗ und Llegenſchaftsrecht des geltenden Rechtes nach dem beutigen 1 


der Rechtſprechung und des Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich das Studium dieſer ſyſtematiſchen 
ſtellung. Dr. Ober neck. 


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Kein Praktiker, 


der in Zweifelsfällen raſche Orientierung wünſcht, ſoll 
ohne 
Müller und Meikel 


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Das bürgerliche Recht 
des Deutſchen Reich 
Syſtematiſch dargeſtellt und durch Beiſpiele erläutert 
— 2, vollſtändig umgearbeitete Auflage 
arbeiten. Der Zweck des Werkes, das bürgerliche 
Recht ſpeziell für die Bedürfniſſe des Praktikers dar⸗ 
zuſtellen, iſt durch die ee tliche Stoffanordnung, 
durch umfaſſende Berückſichtigung der Literatur und 


Rechtſprechung, eingehende Sach⸗ und Quellenregiſter 
erreicht worden. 


2 Bde. 1880 Seiten. Broſch. ME. 18.—, gebd. Mk. 20.—. 


Urin für Bürgerliches Recht. Bd. 25. H. 12. 


Das zweibändige Werk fol vor allem praktiſchen Bedüefniffen 
gerecht werden. Und dlefe Aufgabe ift fiber geldft. 


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bitten wir auf die 


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Bezug zu nehmen. 


Soeben erschien: 


Signalementslehre 


(System Alphonse Bertillon) 
enthaltend 


I. Das „gesprochene Porträt“ (Portrait parlé). 
Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne. 


II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement. 
Von Dr. H. Schneickert. 


Handbuch für 
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen, 


Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text 


Deutsche Ausgabe 
bearbeitet und erweitert 
von 


Dr. iur. Hans Schneickert 


Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin. 


8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50. 


Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll- 
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon 
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine 
im „Portrait parié“ dargestellte Signalementslehre 
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei- 
technik. 

Niemand wird bestreiten, dass die Personen- 
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen 
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei- 
beamte auch weiss, auf was es bei Personen- 
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es 
ihm doch an einer systematischen Schulung auf 
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis 
heute noch keine Signalementslehre und begnügen 
uns mit blossen Traditionen. 

Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun 
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem 
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait 
Runter dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und 

ukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen 
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der 
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen 
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen 
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man 
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen- 
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder 
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet. 

Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait 
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat, 
fügt der eigentlichen Signalementsiehre noch ein 
wichtiges Kapitel über ‚dentitätetentstellungen ohne 
Signalement bei. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchienen die 16. und 17. Lieferung 
der 8./ 4. neu bearbeiteten Auflage von 


Staudiugers Kommentar zu BGB. 


Inhalt: 


Band V, Lieferung 2: Erbrecht (88 1975—2054) erläutert von Dr. F. Herzfelder. Preis Mk. 4.—. 
Band. II, Lieferung 3: Recht der 8 ae Teil (88 535—645) er: 
läutert von K. Kober. Preis M 
Ferner liegen vor: 
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—. 
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50. 
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—. 


Bd. II, Ofg. 1 u. 2: Necht der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (SS 241—432) erläutert von Dr. L. Kuhlenbeck; 
Spez. Teil (88 433—534) erläutert von K. Kober. Preis broſchiert Mk. 16.—. (fg. 10 und 15 
des Geſamtwerkes.) 

Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, SS 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—. 
(fg. 12 des Geſamtwerkes.) i 


Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München 


—EqZ——— ñꝶʃ— — — — —äP—— ñ̃— S —'H̃— —-— —-ᷣ — — — — —y— —⁰ . — — — 


Soeben erſchien: 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


; Bon 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Tandgerichtsrat in Limburg a / T. " Rechtsanwalt in München. 
8. (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk. 


Juriſtiſche e 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens en nu 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


„„ Pe, “3 84 
JUL 29 1908 


Jeitfhrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


+ 

Th. von der Pfordten IN Ba ein 2. Sc warte, Yerlag 
K. Landgerichtsrat = 8 (Arthn ) 

in München. Münden, Lenbachplatz 1. 


Redaktlon und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Nee 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Petttzelle 
oder deren Raum, Bei Wiederholungen Rabatt. Stelle gen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Die Zeliſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel lährlich 
Mt. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Boſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748). 


Abhandlungen: Seite i Seite 
Zeiler, Landgerichts rat in Kempten, Beſtechung von Poft- Aus der Praxis der Gerichte . . 287 
bedienſtetennn 277 Bien 295 
Eckert, Amtsrichter in Nürnberg, Schenkung aus dem Ges e ze ee Re ae 
Mitteilungen aus der Praxis: g betr 
Schneickert, Dr. jur., Kriminalkommiſſar in Berlin, Zufalls⸗ „ 50. 20 1006 s : = „ 295 
oder Geſchicklichkeitsſpien; > 2 2 22284 Maß⸗ und Ge er chtsordnung 296 
Tuma, Nechtspraktikant in Paſſau, Das Eigentum an öffent- e en eee en 
lichen Gewäſſern ...... 286 Deutſcher Juriſtentgagagaag agg 296 


Die Nummern 15 und 16 werden mit Kückſicht auf die Gerichtsferien zu einer 
Doppelunmmer vereinigt, die am 10. Auguft erſcheinen wird. 


Soeben erſchien in 2. verbeſſerter Auflage: 


Der dienſtliche Derkehr und die Amtsſprache. 


Auf der Grundlage der Bekanntmachung der Zivil:Staatsminifterien vom 28. April 1901 
unter beſonderer Berückſichtigung des dienſtes bei den Juſtizbehörden. 


Von Th. von der Pfordten, 


Kgl. Landgerichtsrat in München. 
8. Preis kartonniert Mk. 1.80. 


Die 1. Auflage dieſes Werkchens war ſchon kurze Zeit nach dem Erſcheinen vollſtändig vergriffen. 
In der jetzt vorliegenden neuen Auflage ſind verſchiedene Abſchnitte weſentlich erweitert worden, neu einge⸗ 
fügt ſind die Bekanntmachungen über die Entlaſtung der Richter von Schreibarbeit und über die Abfaſſung der Urteile. 


Aus dem Vorwort: 

Dieſes Büchlein ſoll zunächſt als Leitfaden für den Rechtspraktikanten dienen und ihm das Verſtändnis 
für die Formen vermitteln, in denen ſich heutzutage der ſchriftliche Amtsverkehr bei den Behörden abſpielt. 

Es verfolgt aber noch einen weiteren Zweck. Es iſt höchſte Zeit, daß die Behörden mit den alten 
ſchwerfälligen Formen aufräumen, die ſie vor dem Inkrafttreten der Bekanntmachung vom 28. April 1901 an⸗ 
wendeten und von deren Gebrauch ſie ſich leider immer noch nicht entwöhnen können. Es muß ſich allmählich 
die Erkenntnis durchringen, daß das Maß der Arbeitsleiſtung nicht nach dem Volumen und dem Gewichte des 
e Papiers bemeſſen werden kann. Und ebenſo dringend notwendig iſt es, daß die Behörden 
endlich wieder zu einem natürlichen Sprachgebrauche zurückkehren und das papierene Juriſtendeutſch ablegen. 
Darum will dieſe Schrift die jungen Juriſten zur Aufmerkſamkeit anſpornen und verhüten, daß ſie aus 
Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit den herkömmlichen Schlendrian mitmachen. Sie wendet ſich aber auch an 
die älteren Praktiker, die im Drange der Dienſtgeſchäfte nur allzu leicht die Bedeutung eines ſprachlich 
richtigen und lebendigen Ausdrucks vergeſſen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Kommentar l 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Tandgerichtsrat in Limburg a / T. Rechtsanwalt in München. 
8. (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk. 


uriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 


Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen. 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Dr. A. Groſch, 


I. Staatsanwalt. 


Strafgeſetzbuch 


für das Deutſche Reid. 


Zum Gebrauch für Polizei⸗, Sicherheits⸗ und 
Krimiualbeamte. 


8°. IV, 219 Seiten. Gebunden Ml. 2.50. 


Empfohlen im Amtsblatte der gl. Staatsminiſterien 
des Königlichen Hauſes und des Aenßern und des 
Innern in Nr. 9 vom 7. Mai 1908 S. 240: 


„Das Buch ift ausſchließlich für die Zwecke der 
„Vollzugsbeamten geſchrieben und eignet ſich daher 


„aang beſenders zur Anſchaffung für Polizei“ 
„Sicherheits⸗ und Kriminalbeamte.“ 


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In Wiſſenſchaft und Praxis erfreut ſich ımein- 

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Steiner A., Rgl Amisriöter, 
Geſetz über die 


Jpangsperſteigerung und 
die Zwangsverwaltung 


vom 24. März 1897 


unter beſonderer Berückſichtigung des bayerifchen Aus- 
führungsgeſetzes und der einſchlägigen Vollzugsvor⸗ 
ſchriften nebſt Anhang. enthaltend: Beispiele und ge⸗ 
bührenxechtliche Beſtimmungen. 
gr. 8°. VIII und 482 Seiten. 
Preis in Ganzleinen gebunden Mk. 9.80. 


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Dr. S. Dispeler, nechtsanwalt in München. 
Die 
praxis der Iwangsverſteigerung 
und Zwangsverwaltung. 


Ein Bandbuch des verfahrens in der Swangs⸗ 
verſteigerung und Zwangsverwaltung. 


gr. 8°. (VI und 110 Seiten.) Preis gebunden in Ganz 
leinen Mk. 3.60. 


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Das Buch bietet, nach dem gewöhnlichen Gang des 
Verfahrens geordnet, die im e 
fahren zu erlaſſenden Beſchlüſſe und Verfügungen in Fors 
mularform. An jedes Formular laltreich ſich knapp ge⸗ 
haltene, aber außerordentlich inhaltreiche, die geſamte 
bisherige Rechtſprechung und die Ausführungsgeſetze der 
Bundesſtaaten berückſichtigende Anmerkungen. Das Buch 
wird von der Praxis, der es weſentliche Dienſte leiſtet, 
freudig begrüßt werden. 


J. Schweitzer Verlag (arthur celier München 


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Juftiz⸗ u. Verwaltungs dienſt 


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vorſchriften über die Praxis der geprüften 
Bewerber um Anſtellung im höheren bayer. 
Juftizdienft 


(geprüfte Rechtspraktikanten) 


Mit e. Anhang enth. d. Studienpläne u. d. Promotions⸗ 
ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗ 
Univerſitäten. 


Herausgegeben von 


II. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg. 
8°. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


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empfiehlt ihr Spezialgeschäft von Amts- 
trachten für Justizbeamte zu ausser- 
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Landgerichtsrat in Limburg a / I. Rechtsanwalt in München. 
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Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes fein zu müſſen. 


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nwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


— ... — ses 0 
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I. Staatsanwalt. 


Strafgeſetzbuch 


für das Leutſche Reid. 


Zum Gebrauch für Polizei-, Sicherheits⸗ und 
Kriminalbeamte. 


8°. IV, 219 Seiten. Gebunden Mk. 2.50. 


Steiner A., Rol Amtsrichter, 
Geſetz über die 


Zwangsberſteigerung und 
die Zwangsverwaltung 


vom 24. März 1897 


des b Aus- 
Empfohlen im Mmtöblatte ber Rgl. Staatminifterien unter befonberer Berüctjidhtigm 
des Königlichen Hauſes und des Aeußern und des eſetzes und der einſchlägigen Bo or. 
Innern in Nr. 9 vom 7. Mai 1908 S. 240: ſchriften nebſt Anhang, enthaltend: Beispiele und ge 
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* empfiehlt ihr Spezialgeschäft von Amts- 
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gewöhnlich billigen Preisen. 


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Auſſichtsrat gegenüber der Generalverſammlung 
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Signalementslehre 


(System Alphonse Bertillon) 


enthaltend 


I. Das „gesprochene Porträt“ (Portrait parlé). 


Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne. 


II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement. 
Von Dr. H. Schneickert. 


Handbuch für 
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Pofizeischulen, 


Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text 


Deutsche Ausgabe 
bearbeitet und erweitert 
von 


Dr. iur. Hans Schneickert 


Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin. 


8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4,50. 


Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll- 
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon 
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine 
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre 
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei- 
technik. 

Niemand wird bestreiten, dass die Personen- 
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen 
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei- 
beamte auch weiss, auf was es bei Personen- 
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es 
ihm doch an einer systematischen Schulung auf 
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis 
heute noch keine Signalementslehre und begnügen 
uns mit blossen Traditionen. 

Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun 
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem 
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait 
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und 
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen 
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der 
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen 
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen 
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man 
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen- 
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder 
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet. 

Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait 
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat, 
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein 
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne 
Signalement bei. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Neumillers 


ZPO 


2. Auflage 


gebührt unter den Handausgaben der ZPO. die erste 


Stelle 


Der Stoff ist sehr geschickt angeordnet, 


das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben. 
(Prof. Or. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1907 Nr. 5) 


8°. (All und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.—. 


Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende 


Novelle zu ZPO. und GVG. 


Gesetz geworden ist, wird ein 


Nachtrag mit Erläuterung 


der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel- 


S. 


ausgabe — erscheinen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sollier) München. 


Schwab, R. Amtsrichter in Schwabach. 
Grundriß des 


materiellen Liegenſchaftsrechts 


des Bürgerlichen Geſetzbuchs 


Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗ 


Gr. 80. 


und Uebergangsvorſchriften. 


(88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen 
Mk. 2.80. 


Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05. 


Was das Buch ſein will, ein Wegweiſer in das neue 
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe. 
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materielle 
Liegenſchaftsrecht unter Berückſichtigung des landesrecht⸗ 
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; ſie ermöglicht 
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In⸗ 
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für den 


bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An⸗ 


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. Schweiger Verlag (Arthur Sellier) München 


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m. B. 1. Niuiaden, den 10. Auguft 1908 4. Jahrg 
Herausgegeben von 7 3 PP 2 i 
Th. von der Pfordten f ) | ° hen er Verlag 
rthur Sellier 
= 55 IN l ei in NL ra . 1. 


Die Zeitſchrift erfdeint am 1. und 18. jeden Mon 
Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlertellährlie 
Mk. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung u 
Boſtanſtalt (Wofjeltungslifte für Bayern Nr. 974a). 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
Inſertionsgebühr 80 Pfg. für die halbgeſpaltene e 
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzelgen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


: Seite 
MbbennTungen N | Aus der Praxis der . „ 305 
Süter mann, Dr., U. Staatsanwalt in München, Die Feſt⸗ Literatur 322 
ſtellung der Einſicht im Sinne des 8 56 StGB. ee e e e 
vor der Hauptverhandlung. . . q . 2597 Notizen: 
Bervier, Dr., Rechtsanwalt in Würzburg, Die rechtliche Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Aenderungen der Ge⸗ 
Natur der Kgl. privilegierten Schützengeſellſchaften 299 meindeordnungen und des Polizeiſtrafgeſetzbuchs betr. 323 
Schanz, Dr., Amtsricbter in München, Die Vorpfändung Das Geſetz vom 16. Juni 1908, die Scheckproteſte betr. 323 
von Buchhypothekforderungen rennen. 302 Das 9515 5 Juli 1908, den Vollzug des Vereins⸗ a 
F geſetzes betr 
Mitteilungen aus der Praxis: Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Abänderung des 
Haber ſtumpf, Dr., . Staatsanwalt in München, Der Buhe- Titels VII 8 26 der Verfaſſungsurkunde betr. . 324 
anſpruch der Ehefrau im Strafprozeſſe 304 | Die Bekanntgabe von Vorſtrafen der Angeklagten und 


Michel, Dr., rehte. Bürgermelſter in Landsberg a. L., Zum Alen gen 324 
Begriff des „Arbeiters“ im Sinne des Gewu. 304 Die Allerh. BO. vom 18. Juli 1908, die Kaminkehrer betr. 324 


5 S chw eitzer's neuen bayer. 
Beamtengeſetzes 


mit Anhang Gehaltsordnung. 
Textausgabe mit ausführlichem Sachregiſter. 
kl. 8°. (ca. 14 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—. 


Diefe Ausgabe wird ſich durch ihre praktiſche, überſichtliche Anlage, gute Aus⸗ 
ſtattung und billigen 1 auszeichnen und ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit 
erwerben. Bei der Wichtigkeit der neuen Beſtimmungen iſt ihr Beſttz für 

jeden Beamten unentbehrlich. 


Beſtellungen können ſchon jetzt aufgegeben werden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Bor kurzem iſt vollſtändig geworden: 


Dans Köhler 


Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Hand buch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienit. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Eutſchlieungen bearbeitet ; 


Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs 
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗ 
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗ 
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung 
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗ 
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Vor kurzem erſchien die 3. Auflage von 
Die vorſchriften über die 


Neumillers 


2 9 O Prüfungen für den höheren 
2. Auflage Juftizeu. Derwaltungsdienft 
bührt unter i Handausgaben der ZPO. die erste in SR 


Stelle... . Der Stoff ist sehr geschickt angeordnet, 
das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben. 
(Prof. Dr. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1007 Nr. 5) 


Vorſchriften über die Praxis der geprüften 
Bewerber um Anſtellung im höheren bayer. 
Juftizdienft 
(geprüfte Rechtspraktikanten) 


Mit e. Anhang enth. d. Studienpläne u. d. Promotions⸗ 
ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗ 
ö Univerſitäten. 


8°. (XII und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.—. 


Sobald die 


Novelle zu ZPO. und GVG. 


Gesetz geworden ist, wird ein 


Nachtrag mit Erläuterung 


der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel- 
ausgabe — erscheinen. 


Herausgegeben von 


II. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg. 
8. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80. 


d. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 8 (80 Spalten): 


Werner, Rechtsanwalt in Magdeburg, Prospekt für eigene 
Aktien und Anleihen. 


Düringer, Reichsgerichtsrat, Der 29. deutsche Juristentag. 


Abhandlungen: 

Hagens, Dr., Reichsgerichtsrat, Ist die in § 30 Abs. 3 Pat. 
vorgesehene „Androhung der Zurücknahme“ eine mit 
der Berufung anfechtbare Entscheidung? 

Jacusiel, Dr. Max, in Berlin, Der Börsenterminhandel in Aus der Rechtsprechung: 
Wertpapieren unter dem neuen Börsengesetz. I. Rechtssätze des Reichsgerichts 

Josef, Dr. Eugen, Rechtsanwalt in Freiburg i. Br., Auflösend be- 
dingte Versicherungsverträge und der nachträgliche | Il. Entscheidungen, 
Wegfall des versicherten Interesses. 


Reichsgericht. 
Mitteilungen und Erörterungen: Oberlandesgerichte. 
Levetzow, Dr., Rechtsanwalt in Berlin und Kurlbaum, Rechts- Landgerichte. 


anwalt in Leipzig, Der Kostenerstattungsanspruch des 


Qemeinschuldners. Zwei Beiträge zu $ 10 KO. Kurze Bücheranzeigen. 


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Reichs⸗Erbſchaftsſteuergeſetz 


vom 3. Juni 1906 
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern, 
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig. 
Erläutert von 
Dr. F. W. R. Zimmermann 
Geh. Finanzrat in Braunſchweig. 
8°. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. J 


Oemnächſt erſcheint: . 


 Reichsgejeß über den 
Verſicherungsvertrag 


mit dem Einführungsgeſetz 


erläutert von 


Dr. jur. J. A. Zehnter, 
Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 


8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50. 


Dem berſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungs weſens und feine Mitwirkung am Zuftande- 
kommen des De he laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen 
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, fondem auf Grund von Beſtim ⸗ 
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver- 
ſicherungsrechtliche Rechtſprechung wird, ſoweit ſie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten 

aterie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt. 


IJ. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


— —— ¶ — nn nn nn 


In kurzem erſcheint: 


Das Vereinsgeſetz 
vom 19. April 1908 
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten. 


Erläutert von 


Dr. E. Müller- Meiningen Dr. Georg Schmid 
Landgerichtsrat in München, und Regierungsaſſeſſor in Stuttgart. 


Reichstagsabgeordneter für Meiningen, 
Landtagsabgeordneter für Hof. 


— 8° ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5.— — 


Diefe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriftifden und politiſchen 
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meinigen, verdankt das Geſetz ſein Zuſtandekommen und ſeine 
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. 
Zuſammen mit Regierungsaffeffor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus- 
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften 
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle 
Bundesstaaten fortlaufend berückſichtigt. 


IJ. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


| Kr S OCF 2.2 Leu O 


l. 7. 11. lr. 7. Die, den 1. , den 1. September 1908. 1908. | J. I. Jahrg. 
Herausgegeben von sf pflege r 
Th. von der Pfordten | weitzer Verlag 

in Binden i Sayer in munen, dead vlt L 


Redaktion und Expedi latz 1. 
1 80 no: fur "hte m i a lle 
e Rabatt. el en 
20 Pfg. Beilagen 25 Uebereinkunft 


Die Zeltſchrift . am 1. und 15. jeden Mo 
Im umfang: Don a ſtens 2 Bogen. Preis viertelfabrlich 
Mk. 8. ſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Boßanfelt (Moftgeltungstife für Bayern Nr. 974a). 


2 
| Inhalt: | 
Abhandlungen: Seite Seite 
neider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Zuständigkeit, bei Anſprüchen eines im Wieder⸗ 


86 aufnahmeverfahren Frei 
. geſprochenen 333 
* das Reichsgeſetz über den Verſicherungsvertrag 325 Karpf, Rechtsprattikant in Nürnberg. Soll der Stantsanmalt 
5 der = 15 ae einen beſtimmten Strafantrag ftellen? . . . 335 
an, Febran ie esung nn Kae n ns 399 Aus der Praxis der n „ a 337 
. e 344 
Mitteilungen aus der Praxis: Roti 
Jofel, Dr., Rechtsanwalt in Freiburg t. Br., Die Prüfungs Die deuſch⸗ belgische Uebereinkunft über den Schutz an 
pflicht des Bormundfchaftsgerichts bei Genehmi⸗ Werken der Literatur und Kunſt und an Photo⸗ 
gung zweifelhafter Rechtsgeſchäfte und die Be⸗ graphien vom 16. Oktober 1907 (RG Bl. 1908 S. 405) 344 


ſchwerde vor der Pflegſchaftsanordnung 331 Die neuen Vorſchriften für die gerichtlichen Leichen⸗ 
— Schülein, II. Staatsanwalt in Bayreuth, Zur Frage der | unter[unungen (Bel.vom7.Zulid.48..JMBL.S.152) 344 


Die Nr. 18 und die folgenden Nummern werden eine größere Abhandlung über 


— Das nene bayeriſche Beamtenrecht von Jofeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg 


enthalten. Sie ſtellt den neuen Rechtszuſtand unter Vergleichung mit den bisher geltenden Geſetzen in ſyſte⸗ 
matiſcher Form eingehend dar und nimmt zu verſchiedenen zweifelhaften Fragen Stellung, die ſich bei der 
Auslegung des neuen Geſetzes ergeben werden. Da größere Kommentare zum Beamtengeſetz vor dem Ende 
des Jahres wohl nicht mehr erſcheinen werden, wird die Abhandlung vorausſichtlich für längere Zeit das 
einzige wiſſenſchaftliche Hilfsmittel zur Einführung bilden. 


Schweitzer's wg 
Beamtengeſetzes 


mit Anhang Gehaltsordnung. 


Textausgabe mit aus führl. Sachregiſter kl. 8. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—. 


Dieſe Ausgabe wird ſich durch ihre praktiſche, überſichtliche Anlage, gute Aus- 
ſtattung und billigen a. auszeichnen und ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit 
erwerben. Bei der Wichtigkeit der neuen Beſtimmungen iſt ihr Beſitz für 


jeden Beamten unentbehrlich. 
Gefi. Beſtellungen werden ſchon jetzt erbeten. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Das Sachenrecht 


nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der 
Grundbuchordnung für das Deutſche Reich 


2. neubearbeitete Auflage des „Rechts der Grundſtucke“. 


Von 


Karl Maenner, 


Reichsgerichtsrat. 


Gr. 8. XII und 547 Seiten. 1906. 
Eleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—. 


Juriſt. Literaturblatt 1906 Nr. 4: 
Wer fi über das Sachen⸗ und Liegenſchaftsrecht des geltenden 
Rechtes nach dem heutigen Stande der Rechtſprechung und des 
Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich 


das Studium dieſer ſyſtematiſchen Darſtellung. 
Dr. Oberneck. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) Rinden 


Soeben erſchien: 


Das Forſtrügeverfahren 


im rechtsrheiniſchen Bayern. 
Von J. Hümmer 


Kgl. II. Staatsanwalt 
gr. 8. VIII u. 102 Seiten. Kartoniert Mk. 2.80. 


Die Handhabung des poama everfahrens bietet 
den damit befaßten Behörden nicht felten erhebliche 
Schwierigkeiten, weil das bayer. Forſtrügerecht viele 
Beſtimmungen enthält, die aus einer längſt beſeitigten 
Strafprozeßgeſetzgebung hervorgegangen find. Das 
Forſtgeſetz ift auch dem in die Praxis tretenden Richter 
zumeiſt fremd. Die Einarbeitung wurde dadurch er⸗ 
ſchwert, daß eine zuſammenhängende Darſtellung des 
jetzt geltenden bayer. Forſtrügerechts bisher gefehlt hat. 

Dieſe Lücke ſoll das vorliegende Werkchen ausfüllen. 
Es fol den Gerichten und Forſtämtern ein zuverläſſiger 
Wegweiſer ſein, der durch ſyſtematiſche Stoffbehandlung, 
die ſtets auf den Zuſammenhang der landesrechtlichen 
Vorſchriften mit den Normen des ordentlichen Straf⸗ 
prozeſſes hinweiſt, die Anwendung der einſchlägigen 
Beſtimmungen in der Praxis weſentlich erleichtert. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erschien: 


Signalementslehre 


(System Alphonse Bertillon) 


enthaltend 


I. Das „gesprochene Porträt“ (Portrait parlé). 


Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne. 


II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement. 
Von Dr. H. Schneickert. 


Handbuch für 
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen. 


Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text 


Deutsche Ausgabe 
bearbeitet und erweitert 
von 


Dr. iur. Hans Schneickert 


Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin. 


8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50. 


Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll- 
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon 
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine 
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre 
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei- 
technik. 

Niemand wird bestreiten, dass die Personen- 
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen 
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei- 
beamte auch weiss, auf was es bei Personen- 
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es 
ihm doch an einer systematischen Schulung auf 
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis 
heute noch keine Signalementslehre und begnügen 
uns mit blossen Traditionen. 

Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun 
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem 
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait 
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und 
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen 
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der 
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen 
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen 
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man 
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen- 
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder 
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet. 

Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait 
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat, 
fügt der eigentlichen Signalementsiehre noch ein 
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne 
Signalement bei, 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Empfohlen im Juſtizminiſterialblatt 1908 Nr. XII Seite 181. 


Soeben wurde vollſtändig: 
Kommentar zum 


Bayeriſchen Waſſergeſetze 


vom 23. März 1907 


der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907 


von 


Dr. Theodor Harſter nud Dr. Joſef Caſſimir 


K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗ 
ſterium für Verkehrs angelegenheiten 


Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text. 


XV und 922 Seiten. 


Elegant in Ganzleinen gebunden Mk. 19.50. 


Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren 
Frage wird er zu Nate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen 
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen 
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ſtete Berückſichtigung der bisherigen 
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Nechtſprechung, ſowie die überfichtliche 
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent⸗ 
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. J., Berlin W. 35. 


„an Borſengeſetz. 
Beſchla gnahme Anzeigepflicht Nebſt Ansführungsbeſtimmungen 
von ee m BEIM. im Text⸗Ausgabe mit Anmerkungen 
mom 21, gami 1865 enen 1807 Schuldrecht — Vernsgähen von 


mit Einleitung, Anmerkungen und Sachreglſter A. Wermuth, Brendel, 
dargeſtellt von von Unterſtaatsſekretär. eglerungzrat. 


Juſtizrat Seorg Meyer Zweite, völlig ugubsarbeitste Auflage 
e bel den A 1905 Land⸗ Dr. jur. peter Klein. von ch. hem tenmacher, 
gerichten I. D, II Berlin. Wirkl. Geb. Ober⸗Regierungsrat, Staatse 
vitte, vermehrte $. gr go Preis 3 Mk kommiſſar bei der Berliner Börfe. 
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Patentgeſet Das geſetzliche die 
Nebſt En ao. volker · 5 eräußerungs⸗ Aus lieferung⸗ 
verträge 


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di 
N Fragt des Patentamt. = E verbot des deutſchen Reichs und der 
i 6 u = des Bürgerlichen Geſetzbuchs. deutſchen Bundesſtaaten. 
rofeſſor Dr. R. Stephan. Bon 
Text⸗Ausgabe mit Anmerkungen und 
Siebente, völlig neubearbeitete Auflage Dr. Ceo Ra € Sachregiſter 


von R. Lutter watdozent an der U 8 tät Bonn. 
Geh. Reg.⸗Rat im Kaiſerl. Patentamt. o = von D T. jur. A. Cohn. 
Taſchenformat. Geb. in ganz Seinen 2 Mk. 80 Pf. gr. 8. Preis 5 Mk. Taſchenformat. Gebunden in ganz Leinen 3 MT. 


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In kurzem erſcheint: 


Das Vereinsgeſetz 


vom 19. April 1908 
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten. 


Erläutert von 


Dr. E. Müller⸗Meiningen Dr. Georg Schmid 

Landgerichtsrat in München, und Regierungsaſſeſſor in Stuttgart. 

Reichstagsabgeordneter für Meiningen, ö 
Landtagsabgeordneter für Hof. 


— 8°, ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5. — —— 


Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und b h 
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müͤller⸗Meinigen, verdankt das Geſetz fein Zuſtandekommen und ſeine 
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. 
ammen mit Regierungsaſſeſſor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus⸗ 
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften 
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle 
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


ey hen 21908 


tir. 18. Miünchen. den 15. September 1908. | | J. I .Jahrg. 
Herausgegeben von spflege i 

h. von der Pfordten f ) weit er erlag 
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Redaktion und Expedition: Münden, Lenbachplatz 1. 

Salons ebübr 30 Bez Br dle e Petitgelle 

oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenangelgen 
20 Pfo. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. 
im Umfange von muss 2 Bogen. uch lebe 10 5 
Mk. 3. Beſtellungen übernimmt jede B 
Bokanfalt (Boftzeitungslifte für Bayern Ar. nn 


Inhalt: 
Abhandlungen: Seite eite 
a Zahn, Rechtsanwalt in Straubing, Ein Ausnahmezuſtand 
ee a a AR RENE Bauen: 345 bei der Entſcheidung gewerblicher Strelligkelten. 355 
Schneider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Aus der Praxis der Gerichte 356 
in das Reichsgeſetz über den Verſicherungsvertrag Notizen: 
(Fortſetzunn ggg 350 n vor dem juriſtiſchen Studium 364 
Die Stellung unter Polizeiaufſicht .. 364 
Mitteilungen aus der Praxis: Das Fiſchereigeſetz für das Königreich Bayern . . 364 
den der Pfordten, Landgerichtsrat in Münden, Anklage⸗ Die Koſten der Rechtshilfe bei der Vernehmung von 
ſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſs . .» 354 Sadverftändigen . . > 2 2 2 0 2 nn. 364 


Schweitzer's uses: des 
Beamtengeſetzes 


Geſetz vom 16. Auguſt 1908 


mit Anhang: Gehaltsordnung 
und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats- 
mäßigen Staatsbeamten. 


Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem 
Beamten⸗ und Sachregiſter. 


kl. 8°. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—. 
Dieſe Ausgabe zeichnet ſich durch ihre praktiſche, überſichtliche Anlage, gute Uus- 


ſtattung und billigen Preis aus und wird ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit 
erwerben. Bei der Wichtigkeit der neuen Beſtimmungen iſt ihr Beſitz für 


jeden Beamten unentbehrlich. 


| 
| 
Soeben erſchien: 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H., Berlin W. 35. 


Das Recht der i ; Boörſengeſetz. 
Beſchlagnahme Anzeigepflicht Nebſt waagen e 


von Lohu- und Gehaltsſorderungen. Text⸗Ausgabe mit Anmerkungen 


Auf Grundlage der Reichsgeſete und Sachregiſter 
vom 21. Juni 1869 und 29, März 1897 chul ch i 
er Bivilprojeßorbuung S dre t Urſprünglich herausgegeben von 
mit Einleitung, Anmerkungen und Sachreglſter A. Wermuth, . Brendel, 
dargeſtellt von von Unterſtaatsſekretär. eglerungsrat. 
Juſtizrat Seorg Meyer Zweite, völlig uen bearbeitete Auflags 
ne dei den Reni lichen Land⸗ Dr. jur. peter Klein. von Ch. Hemptenmacher, 
gerichten L U. II Berlin. Wirkl. Geh. Ober⸗Negierungsrat, Staat- 
Dritte, vermehrte Auflage: gr. 8. Preis 3 Mk. kommiſſar bei der Berliner Böͤrſe. 


Taſchenformat. Geb. in ganz Leinen 2 Mk. 50 Pf. 


Patentgeſet: Das geſetzliche die 


Taſchenformat. Geb. in ganz Leinen 2 Mk. 


7. April 1891. j | ieferungs⸗ 
Neb ſt dis * volker Veräußerungs⸗ Ausliefe a N 
rechtlichen Verträgen und Batentanwaltd« t 
ee D Busu eaat verbot eg 
g Praxis des Saas = R des Deutſchen Reichs und der 
Bisher herausgegeben von des Bürgerlichen Geſetzbuchs. deutſchen Bundesſtaaten. 


Profeſſor Dr. R. Stephan. Von 
Siebente, völlig neubearbeitete Auflage 


Text⸗Ausgabe mit Anmerkungen und 


Dr. Leo Raape Sachregiſter 
von R. Lutter 3 
Geh. Reg.-Rat im Kaiſerl. Pa RE, Privatdugent an der Univerfität Bonn. von Dr. jur. A. Cohn. 
Taſchenformat. Geb. in ganz Leinen 2 Mk. 80 Pf. gr. 8. Preis 5 Mk. Taſchenformat. Gebunden in ganz Leinen 3 Mk. 


In kurzem erſcheint: 


Das Vereinsgeſetz 
vom 19. April 1908 
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten. 


Erläutert von 


Dr. E. Müller⸗Meiningen Dr. Georg Schmid 


Landgerichtsrat in München, und Negierungsaſſeſſor in Stuttgart. 
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, | 
Landtagsabgeordneter für Hof. 


— 8° ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5. —— 


Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und es ke 
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller-Meinigen, verdankt das Geſetz fein Zuſtandekommen und feine 
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. 
Zufammen mit Regierungsaffeffor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus⸗ 
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften 
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle 
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt. N | 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


% TR b 


Ur. 18. 18. u Münden, den 15. . September 1908. 1908. | 4, I. Jahrg. 


Beitfhrift für Behtsplege 


Herausgegeben von Verlag von 


1 Sayern on 


in München. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monat 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis arc 
Me. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung u 
Boſtanſtalt (Boftzeltungslifte für Bayern Nr. 974a). 


Redaktlon und Expedition: München, Lenbachplatz 
eee eee 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Peti 
oder deren 


Inhalt: 
Abhandlungen: Selte 
5 Zahn, Rechtsanwalt in Straubing, Ein Ausnahmezuſtand 
e e e in 8 Das ee 345 bei der Entſcheidung gewerblicher Streitigkeiten. 
Schneider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Aus der Praxis der Gerichte 5 
in das Reichsgeſetz De den . Notizen: 
(Fortſetzungh)d 350 Warming vor dem juriſtiſchen Studium 


Die Stellung unter Polizeiaufſicht 

Nitteilungen aus der Praxis: Das Fiſchereigeſetz für das Königreich Bayern 

von der Pfordten, Landgerichtsrat in München, un Die Koſten der Rechtshilfe bei Der Vernehmung von 
ſchriften und Eröffnungsbefhlüfe . . 354 Sachverſtändigen 


München, Lenbachplatz 1. 


aum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenange 17 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Schweitzer's sgte res 
Beamtengeſetzes 


Geſetz vom 16. Auguſt 1908 


mit Anhang: Gehaltsordnung 
und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats- 
mäßigen Staatsbeamten. 


Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem 
Beamten: und Sachregiſter. 
kl. 8°. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—. 
Dieſe Ausgabe zeichnet ſich durch ihre praktiſche, überſichtliche Anlage, gute Aus- 


ſtattung und billigen Preis aus und wird ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit 
erwerben. Bei der Wichtigkeit der neuen Beſtimmungen iſt ihr Beſitz für 


jeden Beamten unentbehrlich. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Vor kurzem erſchien die 3. Auflage von 
Die Vorſchriften über die 


Prüfungen für den höheren 
Juſtiz⸗ u. Verwaltungs dienſt 


in Bayern 


und die 


vorſchriften über die Praxi: der geprüften 
Bewerber um Anſtellung im höheren bayer. 
Juftizdienft 


(geprüfte Rechtspraktikanten) 


Mit e. Anhang enth. d. Studienpläne u. d. Promotions- 
ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗ 
Univerfitäten. 


Kein Praktiker, 


der in Zweifelsfällen raſche Orientierung wünſcht, ſoll 


ohne 
Müller und Meikel 


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Das bürgerliche Recht 
des Deutſchen Reichs 
Syſtematiſch dargeſtellt und durch Beiſpiele erläutert 
— 2. vollſtändig umgearbeitete Auflage 
arbeiten. Der Zweck des Werkes, das bürgerliche 
Recht ſpeziell für die Bedürfniſſe des Praktikers dar⸗ 
zuſtellen, ift durch die überſichtliche Stoffanordnung, 
durch umfaſſende eng hr der Literatur und 


Rechtſprechung, eingehende Sach- und Quellenregiſter 
erreicht worden. 


2 Bde. 1880 Seiten. Broſch. Mk. 18.—, gebd. Mk. 29.—. 
Archiv für Bürgerliches Recht. Bd. 25. H. 12. 


Das zweibändige Werk fol vor allem praktiſchen Bedürfniſſez 
gerecht werden. Und dlefe Aufgabe ift fider gelöſt. 


3. Ghweiter Berlag Gärthr Celier) Ründe 


Herausgegeben von 


TI. Staatsanwalt 3: Schiedermair in Nürnberg. 
8% VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München 


Grundbuchordnung 


für das Deutſche Reih 


unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen 
| 
| 
| 


Vollzugsvorſchriften ꝛc. 


. 8°. 520 A i In. gebd. Mk. 12.50. 
urteil. gr Seiten. Preis in Ganzin. gebd 


Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906. 

Was in dieſen beiden Heften an Kommentierungskunſt geboten wird, läßt erwarten, daß der 
Verfaſſer ſeine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweifig zu ſein, iſt unter 
ſteter und vollſtändiger Berückſichtigung der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis⸗ 
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit 
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗ 
rechts eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der RGB. erſchloſſen 
wird Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte 5 MN 

erned. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer 


Reichsgerichtsrat 


Dr. E. Jaeger 


Professor der Rechte in Leipzig 


H. Könige 


Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10. 


Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrgang. 


Abhandlungen: 

Hachenburg, Dr., Rechtsanwalt, Mannheim, Aus dem Rechte 
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ill. Be- 
dingung und Vorbehalt bei der Gründung einer Ge- 
sellschaft mit beschränkter Haftung. 

Schanze, Dr., Professor, Dresden, Geschmacksmustergesetz 
und Kunstschutzgesetz. 

Pollak, Dr. Rudolf, 
verwalter. 
Wertheimer, Dr. jur Ludw., Rechtsanwalt, Frankfurt a. M., Die 
Ergebnisse des Leipziger Kongresses für gewerb- 

lichen Rechtsschutz. 


Professor, Wien, Laien als Konkurs- 


Mitteilungen und Erörterungen: 


Josef, Dr. Eugen, Rechtsanwalt, Freiburg i. Br., Die Haftpflicht- 
versicherung verbundener Rechtsanwälte. 
Müller, Dr., Gerichtsassessor, Göppingen, Die Wirkung der 


Inhalt der Nummer 9 (80 Spalten): 


heutigen exceptio rei venditae et traditae (8 986 BGB.) 
im Konkurs. 

Jaeger, E., Entgegnung. 

Spiess, Landgerichtsrat, Halle a. S., Kann der Verkaufs- 
kommissionär auf den Käufer Eigentum nach $ 930 
BGB. (durch constitutum possessorium) übertragen. 

Weissbart, Dr., Berlin, Sind in Preussen Verträge über die 
im Reich hergestellten Erzeugnisse des Verkäufers 
stempelpflichtig. 


Aus der Rechtsprechung: 


J. Rechtssätze des Reichsgerichts 


II. Entscheidungen, 
Reichsgericht. 
Oberlandesgerichte. 
Landgerichte. 


Kurze Bücheranzeigen. 


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Dr. Herm. Rehm, 
Univ.-Prof. in Straßburg i. E. 


Die Bilanzen 


der Aktiengesellschaften und Gesellschaften m. b. H., Kommanditgesellschaften auf Aktien, 
eingetragenen Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Hypotheken- 
und Notenbanken und Handelsgesellschaften überhaupt 


nach deutschem und österreichischem 


Handels-, Steuer-, Verwaltungs- und Strafrecht. 


Lex. 8°. (XX und 938 S.) 


Preis: ungebd. Mk. 27.—, in Halbfranz gebd. Mk. 30.—. 


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Signalementslehre 


(System Alphonse Bertillon) 


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I. Das „gesprochene Porträt“ (Portrait parlé). 
Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne. 


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Von Dr. H. Schneickert. 


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Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen. 


Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text 


Deutsche Ausgabe 
bearbeitet und erweitert 
von 


Dr. iur. Hans Schneickert 


Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin. 


8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50. 


Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll- 
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon 
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine 
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre 
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei- 
technik. 

Niemand wird bestreiten, dass die Personen- 
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen 
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei- 
beamte auch weiss, auf was es bei Personen- 
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es 
ihm doch an einer systematischen Schulung auf 
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis 
heute noch keine Signalementslehre und begnügen 
uns mit blossen Traditionen. 

Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun 
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem 
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait 
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und 
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen 
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der 
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen 
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen 
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man 
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen- 
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder 
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet. 

Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait 
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat, 
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein 
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne 
Signalement bei. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Seltier) München 


Das Jagdrecht des Königr. B 


für das rechtsrhein. Bayeru und die al 
ſyſtematiſch bearbeitet K- 


von L. F. Wirſchinger, £. Beıttamtmann a. 2 ý 2 
gr. 8°. (XII, 425 S.) broſch. Mk. 6.80 geb. in Ganzleinen D 


München. 3. schweizer . ela f 
(Arthur € un = 


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Preis Mk. 2.50 poſtfrei. 


Eine Zierde für jeden Schreibtiſch 


iſt der obenſtehend abgebildete 


2 Sammelkaften 3 


der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. | 


Seine beſonderen Vorteile ſind: 


Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern 


liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen. 


Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden 


Nummern und größte Ordnung. 


Gediegene Ausführung (teilweise in Hol), 


daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinast, 


— — — | 


G8 257 
NOW FE 1909 


tr. 19. Munchen, den 1. Oktober 1969. JI.Jahrg. 
Jeitſchrift für Rechtspflege 
Herausgegeben von + 2 PE 1 9 i 

Th. von der Pfordten „Schweitzer Verlag 
e ill Hahn dee 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Mon 
tm Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis dlertellährlic 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 
Boſtanſtalt (Poſtgeitungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Redaktion und Expedition: ungen Lenbachplatz k 
ale ebühr a Pfg. für bie halbgeſpaltene Veti 
oder deren Raum. Bel Wiederholungen Rabatt. Stellenanze Fe 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Inhalt: 
Abhandlungen: Seite Seite 
Burlage, werdet in e Haſtenkſchädigung bei Be ee Tat en innat in die 5 
ealkonkurreng 2 
Altmann, Dr., Landrichter in Berlin, Zur Seftung der Bolt 
Freilinger, 1. Staatsanwalt in Neben Das neue barer. , 

ſche Beamtenrecht (Fortſetzung ). 367 ſekretäre bei Einſchreibſendungen 76 
Echneider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Aus der Praxis der Gerichte 378 
in das Reichsgeſet a ben e ii aa ee 38A 

(Schluß) 372 | 

Notizen: 

Mitteilungen aus der Praxis: Die neue lische eee en 6. . . 384 
Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg, Darf der Staats⸗ Heimatſchutz · . . 384 
anwalt das Verfahren gegen den jugendlichen Errichtung neuer Bezirksämter „ e e e ee 3A 


Soeben iſt erſchienen: 


Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die 


Viehgewährſehaft 


nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899 


Erläutert von 


Chr. Meisner 


Rechtsanwalt in Würzburg 


2., vollſtändig umgearbeitete Auflage 
8°. VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden mk. 4.—. 


Seit Erſcheinen der 1. Auflage (1900) haben Wiſſenſchaft und Rechtſprechung auf Grund des neuen 
bürgerlichen Rechts unabläſſig und erfolgreich auch am Ausbau der Beſtimmungen über die Viehgewähr⸗ 
Jaor gearbeitet. Eine vollſtändige Neugeſtaltung des Werkes war deshalb notwendig. Die vorliegende 

Auflage bietet jetzt nicht nur die neueſte, ſondern wohl auch die umfaſſendſte Darſtellung des ſchwierigen 
und an ſich unüberſichtlichen Rechtsſtoffes. Die Vertrautheit des Autors mit dem praktiſchen Leben zeigt 
auch die neue Auflage. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 
DR. HANS GROSS, 


O. G. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ. 


HANDBUCH FÜR ÜNTERSUCHUNGSRIEHTER 
SYSTEM DER KRIMINALISTIK 


| ., umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text. 
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—. 


i Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines 
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und 
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet. 


Aus Urteilen über die 4. Auflage: 


Zentralblatt für Rechtswissenschaft.e XXIV I. 
— — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und 
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. —— Appelius. 
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189. | 
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare 
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — — 


Soeben erschien: 


Soeben erſchien: 


Das Forſtrügeverfahren 


im rechtsrheiniſchen Bayern. 
Von J. Hümmer 


Kgl. II. Staatsanwalt 
VIII u. 102 Seiten. Kartoniert Mk. 2.80. 


S. Schwab, 2. Amtsrichter in Schwabach. 
Grundriß des 


materiellen Liegenſchaftsrechts 
des Bürgerlichen Geſetzbuchs 


Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗ 
und Uebergangsvorſchriften. gr. 80. 


Gr. 8°. (88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen 


Mk. 2.80. Die Handhabung des Feu bietet 


den damit befaßten Behörden nicht ſelten erhebliche 
Schwierigkeiten, weil das bayer. Forſtrügerecht viele 
Beſtimmungen enthält, die aus einer längjt beſeitigten 
Strafprozeßgeſetzgebung hervorgegangen ir Das 
Forſtgeſetz iſt auch dem in die Praxis tretenden Richter 
zumeiſt fremd. Die Einarbeitung wurde dadurch er⸗ 


Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05. 
Was das Buch ſein will, ein Wegweiſer in das neue 
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe, 


ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materielle 
Liegenſchaftsrecht unter Berückſichtigung des landesrecht⸗ 
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; ſie ermöglicht 
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In⸗ 
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für den 
bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An⸗ 
wendungsbehelf. 


ſchwert, daß eine zuſammenhängende Darſtellung des 
jetzt geltenden bayer. Forſtrügerechts bisher gefehlt hat. 

Dieſe Lücke ſoll das vorliegende Werkchen ausfüllen. 
Es ſoll den Gerichten und Forſtämtern ein zuverläſſiger 
Wegweiſer fein, der durch ſyſtematiſche Stoffbehandlung, 
die ſtets auf den Zuſammenhang der landesrechtlichen 
Vorſchriften mit den Normen des ordentlichen Straf⸗ 
prozeſſes hinweiſt, die Anwendung der einſchlägigen 


Beſtimmungen in der Praxis weſentlich erleichtert. 


— — — 


F. Gchweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München 


— — — —— — — — — 


„„ 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer 


Reichsgerichtsrat 


Dr. E. Jaeger 


Professor der Rechte in Leipzig 


H. Könige 


Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. 


Preis halbjährlich Mk. 10.—. 


Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrgang. 


Abhandlungen: 


Hachenburg, Dr., Rechtsanwalt, Mannheim, Aus dem Rechte 
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ill. Be- 
dingung und Vorbehalt bei der Gründung einer Qe- 
sellschaft mit beschränkter Haftung. 

Schanze, Dr., Professor, Dresden, Geschmacksmustergesetz 
und Kunstschutzgesetz. 
Pollak, Dr. Rudolf, Professor, Wien, 

verwalter. | 

Wertheimer, Dr. jur. Ladw., Rechtsanwalt, Frankfurt a. M., Die 
Ergebnisse des Leipziger Kongresses für gewerb- 
lichen Rechtsschutz. 


Mitteilungen und Erörterungen: 


Josef, Dr. Eugen, Rechtsanwalt, Freiburg i. Br., Die Haftpflicht- 
versicherung verbundener Rechtsanwälte. 
Möller, Dr., Gerichtsassessor, Göppingen, Die Wirkung der 


Laien als Konkurs- 


Inhalt der Nummer 9 (80 Spalten): 


heutigen exceptio rei venditae et traditae (8 986 BOB.) 
im Konkurs. 

Jaeger, E., Entgegnung. 

Spiess, Landgerichtsrat, Halle a. S, Kann der Verkaufs- 
kommissionär auf den Käufer Eigentum nach 8 930 
BOB. (durch constitutum possessorium) übertragen. 

Welssbart, Dr., Berlin, Sind in Prengel Verträge über die 
im Reich hergestellten Erzeugnisse des Verkäufers 
stempelpflichtig. 


Aus der Rechtsprechung: 


l. Rechtssätze des Reichsgerichts 


II. Entscheidungen. 
Reichsgericht. 
Oberlandesgerichte. 
Landgerichte, 


Kurze Bücheranzeigen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Das Sachenrecht 


nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der Grundbuchordnung für das Deutſche Reich 


2. neubearbeitete Auflage des „Rechts der Grundſtücke- === 
Von 


Karl Maenner, 


Reichs gerichtsrat. 


Gr. 8°. XII und 547 Seiten. 


1906. Eleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—. 


Juriſt. Literaturblatt 1906 Nr. 4: Wer fiH über das Sachen⸗ und Liegenſchaftsrecht des geltenden Rechtes nach dem . Stande 
der Rechtſprechung und des Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich das Studium dieſer mal ſchen Dar⸗ 
r 


ſtellung. 


; erned. 


J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München. 


Standinger's Kommentar zun HOY. 


herausgegeben von 


Dr. Thesder Loewenfeld, Dr. Erwin Niezler, Philipp Mayring t, 
Univ.⸗Profeſſor und Rechtsanwalt in München. Profeſſor an der Univerſität Freiburg i. B. weil. K. Oberlandesgerichtsrat in München. 
Dr. Ludwig Kuhlenbeck, Rari Kober, Dr. Thesdor Engelmann, 
Profeſſor an der Univerſität Lauſanne. K. Oberlandesgerichtsrat in München. K. Staatsanwalt am Oberlandesgericht in München. 
Dr. Felix Herzfelder, Jsſeyh Wagner, 
Rechtsanwalt in München. Rat am K. Oberſten Landesgericht in München. 


— 


Vollſtändig find: 


Band 1 Allgemeiner Zeil Band III Sachenrecht 
erläutert von Dr. Loewenfeld und Dr. Niezler erläutert von K. Kober 
Lex. 8. XVIII, 687 Seiten. Broſch. Mk. 17.50, Lex. 8. VIII, 974 Seiten. Broſch. Mk. 24.—, 
geb. Mk. 20.—. geb. Mk. 26.50. 
(Sieferung 1, 6, 9 des Geſamtwerkes) (Bieferung 2, 4, 7, 11 des Geſamtwerkes) 


Band IV Familienrecht 
erläutert von Dr. Th. Engelmann 


Lex. 8. 2 Teile. VIII, VIII, 1472 Seiten. Broſch. Mk. 37.—, geb. Mk. 42.—. 
(Lieferung 3, 5, 8, 13, 14 des Geſamtwerkes.) 


Außerdem liegen vor: 
Bd. II, fg. 1/3: Necht der Schuldverhältniſſe 88 241—432, erläutert von Prof. Dr. Kuhlenbeck; 
88 433—645 erläutert von K. Kober. Mk. 23.50. (Efg. 10, 15 und 17 des Geſamtwerkes.) 


Bd. V, Lig. 1/2: Erbrecht 88 1922 — 2054, erläutert von Dr. F. Herzfel der. Mk. 8.—. 
(Lig. 12 und 16 des Geſamtwerkes.) 


Bd. II wird Anfang Oktober 1908, Bd. V Ende 59 8 Die Vollendung des ganzen Werkes darf bis 
Ende 1908 erwartet werden. Geſamtpreis ca. Mk. 1 


Mit jeder neuen Auflage, mit jedem neuen Bande trat Staudingers Kommentar mehr in den Vordergrund 
der wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Literatur zum BGB. Unter den Kommentaren ſteht er jetzt mit an erſter Stelle. 
In der Rechtſprechung und Literatur findet ſeine Anſicht ſtändige Beachtung und Berückſichtigung. Staudinger gilt als 


der für den Praktiker geeignetſte kommentar zum BGB. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


RR Dee | 0 d 1908 


Ur. 20. München, den 15. Oktober 1908. | 4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Berlag von 


% 
Sh. von der Pfordten N h ki 3. Schweiger Verlag 
8. Landger ichtsrat, verw. im K. Bayer. (Arthur Sellier) 

Staats miniſterlum der Juſtlz. in München, Lenbachplatz 1. 


a. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jährli 
Mk. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung un 
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
e BEDADE 80 Pfg. für die balbgeſpaltene Betitgeile 
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Abhandlungen: Seite 
FPredari, Neichsgerichtsrat in Leipzig, Noch einmal die Unter⸗ i im y av n der 397 
haltungspflicht des 8 1021 BGB. 385 e 
Freilinger, 1. Staatsanwalt in Regensburg, Das neuebager Aus der Praxis der gerichte e e e. 38 
ſche Beamtenrecht (Fortfegung). . . . . 387 Literatur 403 
Mitteilungen aus der Praxis: Notizen: 
Zeiler, Landgerichtsrat in Kempten, Mäklervertrag, Dienſt⸗ Die vorläufige Entlaſſung von Strafgefangenen 404 
vertrag und Schenkung 395 Aenderung der Dienſtvorſchriften en die au und 
Du Chesne, Landrichter in Lelpzig, Die Offizialtatigkeit die Gerichtsvollzieher . 404 


Soeben iſt erſchienen: 


Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die 


Viehgewährſehaft 


nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899 
Erläutert von 


Chr. Meisner 


Rechtsanwalt in Würzburg 


2., vollſtändig umgearbeitete Auflage 
8°. VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden Mi. 4.—. 


Seit Erſcheinen der 1. Auflage (1900) haben Wiſſenſchaft und Rechtſprechung auf Grund des neuen 
bürgerlichen Rechts unabläſſig und erfolgreich auch am Ausbau der Beſtimmungen über die Viehgewähr⸗ 
Laer gearbeitet. Eine vollſtändige Neugeſtaltung des Werkes war deshalb notwendig. Die vorliegende 

2. Auflage bietet jetzt nicht nur die neueſte, ſondern wohl auch die umfaſſendſte Darſtellung des ſchwierigen 


und an ſich unüberſichtlichen Rechtsſtoffes. Die Vertrautheit des Autors mit dem praktiſchen Leben zeigt 
auch die neue Auflage. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Kaiſenbergs Tabellen 


der bei Kotariatsgeſchäften anfallenden 
Staats-, Gemeinde- und Notariatsgebühren. 


2. durch eine große Wand⸗Tabelle vermehrte Ausgabe. 


In Ganzleinen gebunden Mk. 7.—. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Gellier) Rinden 


Dr. A. Groſch, 


I. Staatsanwalt. 


Strafgeſetzbnch 


für das Deutſche Reid. 


Ergänzt durch das Geſetz vom 17. Februar 1908, betr. 
die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung. 


Zum Gebrauch für Polizei⸗, Sicherheits⸗ und 
Kriminalbeamte. 


8°. IV, 219 Seiten. Gebunden Mk. 2.50. 


Empfehlen im Amtsblatte der Kgl. Bayer. Staats: 
miniſterien des Königlichen Hauſes und des Aenßern 
und des Innern in Nr. 9 vom 7. Mai 1908 S. 240: 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München. 


— — — ———— ũã— 3— — — 


d. Schweitzer Sortiment 


(Arthur Sellier) 


Buchhandlung 
Antiquariat, Leihinstitut 
für Rechts- und Staatswissenschaften 


Ankauf von Werken und Bibliotheken. 
Kataloge kostenfrei. 


MÜNCHEN 


Karlsplatz 29 


aäöchst dem Justizpalast, 


Soeben erschien: 


Signalementslehre 


(System Alphonse Bertillon) 


enthaltend 


I. Das „gesprochene Porträt‘ (Portrait parle). 


Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne. 


II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement. 
Von Dr. H. Schneickert. 


Handbuch für 
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen. 


Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text 


Deutsche Ausgabe 
bearbeitet und erweitert 
von 


Dr. iur. Hans Schneickert 


Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin. 


8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50. 


Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll- 
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon 
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine 
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre 
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei- 
technik. 

Niemand wird bestreiten, dass die Personen- 
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen 
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei- 
beamte auch weiss, auf was es bei Personen- 
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es 
ihm doch an einer systematischen Schulung auf 
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis 
heute noch keine Signalementslehre und begnügen 
uns mit blossen Traditionen. 

Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun 
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem 
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait 
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und 
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen 
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der 
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen 
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen 
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man 
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen- 
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder 
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet. 

Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait 
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat, 
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein 
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne 
Signalement bei. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Leipziger Zeitschrift | 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 


Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—. 
a 


II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 10 (80 Spalten): 
Abhandlungen: | Kirchberger, Dr., Reterendar, Leipzig, Die Wirkung der An- 


Zehnter, Dr. J. A., Landgerichtspräsident, M. d. R., Offenburgi. B., fechtung gemäss § 30 KO. auf die der angefochtenen 


Das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag. | Endung nach 8 845 ZPO. vorausgegangene Vor- 
N „ Dr. I | j pfändung. 
mn e München, Der Kampf: um die, Meuret, Rechtsanwalt, Stuttgart, Zum Begriff des Betriebs- 
Voss Amitsgerichtarat a. D., Stralsund, Ueber die Anwendung n nSt 00 Bichir anaie maie cheidung ar 
des § 205 II ZPO. auf Konkursfeststellungsprozesse. „nallxersicherangeinstanzen gebunden? 
(Schluss folgt.) Aus der Rechtsprechung: 


un 75 5 1 Geschmacksmustergesetz l. Rechtssätze des Reichsgerichts 
un unstschutzgesetz. (Forts etzung. 
eg ( une II. Entscheidungen. 


Mitteilungen und Erörterungen: Reichsgericht. 


Saeger, Dr., Landrichter, Braunschweig, Müssen die Inhaber u 1 seh 5 
von Fremdenpensionaten ihre Firma im Handels- g j 
register eintragen lassen ? Kurze Bücheranzeigen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


— 


Reichs⸗Erbſchaftsſtenergeſetz 


vom 3. Juuni 1906 


Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern, 
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig. 
Erläutert von 


Dr. F. W. R. Zimmermaun 
Geh. Finanzrat in Braunſchweig. 


80. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—. 
be J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. S 


Schweitzer s Ay a 
Beamtengeſetzes 


Geſetz vom 16. Auguſt 1908 


mit Anhang: Gehaltsordnung 


und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats⸗ 
mäßigen Staatsbeamten. 


Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem 
Beamten⸗ und Sachregiſter. 


kl. 8. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—. 


Wiſſenſchaftliche Beilage der „Münchener Neueſten Nachrichten“ 1908 Nr. 80: Die durd- 
greifende Neugeſtaltung unſeres Beamtenrechtes wird es allen Beamten als Wohltat er⸗ 
ſcheinen laſſen, in einer brauchbaren Handausgabe den Text des Geſetzes zu erhalten. Ein 
genaues Studium des neuen Rechtes, die Ueberwindung der mancherlei Schwierigkeiten, 
welche der neue Rechtszuſtand namentlich in der Uebergangszeit mit ſich bringt, wird freilich 
nur an der Hand eines ausführlichen Kommentars möglich ſein, wie er ebenfalls von der 
rührigen Schweitzerſchen Verlagsbuchhandlung in Vorbereitung iſt. Aber auch die kleine 
vorliegende Ausgabe hat ihre Vorzüge. Vor allem bringt ſie in kurzen Noten unter 
den einzelnen Artikeln Hinweiſe p den Entwurf des Geſetzes, die Verhandlungen in 
der Abgeordnetenkammer und die Motive. Dem Text iſt in dankenswerter Weiſe ein 
ausführliches Beamten: und Sachregiſter beigegeben. Dr. Weiß. 
e . an a 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Demnächſt erſcheint: 


| Reichsgeſetz über den 
Verſicherungsvertrag 


mit dem Einführungegeſetz 


erläutert von 


Dr. jur. 3. A. Zehnter, 


Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 


8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50. 


Dem berſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungsweſens und feine Mitwirkung am Zuſtande⸗ 
kommen des eee elle laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen 
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, ſondern auf Grund von Beſtim ; 
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVBG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver 
ſicherungsrechtliche Rechtſprechung wird, ſoweit ſie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten 
Materie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


a 


2 7 U i l i u 
RP NOV 15- 4500 
Ur. 21. München, den 1. November 1908. 4. Jahrg. 
Berausgegeben von + | Berlag von 
Th. d t 9. Schweitzer Verlag 
| Hahern . 
Staats miniſtertum der Juſtlz. in München, Lenbachplatz 1. 


Die Zeliſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich 
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und 


i oder deren Raum. Bei Wiederbolunnen Rabatt. Stellenanzeigen 
Poſtanſtalt (Boftzeitungstiite für Bayern Nr. 9748), 


7 *. Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
: 8 Inſertlonsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene nen 
{ í 20 Pfg. Beilagen nach Uebereintunft. 


Inhalt: 

. Seite 

Abhandlungen: Seite | gl, Landgerichterat in Nürnberg. 1. Die Erweiterung ber 

Kriener, Dr., Amtsrichter in Würzburg, Zum Grundſtücks⸗ Strafliſte zu einem Perſonalbogen. 2. Koſten⸗ 

begriff 405 ermäßigung gegenüber dem von vorneherein ge⸗ 
Freilinger, L Staatsanwalt in Regensburg. Das neue bayeri⸗ ſtändigen Angeklagten —ð*ßſ 416 
ſche Beamtenrecht (Fortfegung). d. 407 Aus der Praxis der Gerichte . 47 
Mitteilungen aus der Praxis: Literatur „ „ O on r Q 8 424 

Baner, Oberlandesgerichtsrat in Nürnberg, Verhältnis zwiſchen Notizen: 

dem Nachlaßgerichte und dem Hypothekenamte. Die Verwendung der Schreibmaſchine bei den Notariaten 424 
Begriff der Rechtshiltfe . 415 Die Ausſtellung von Leumundszeugniſſen . . 424 


Soeben erſchien: 


Das Vereinsgeſetz 


vom 19. April 1908 


nebſt den Ausführungsbeſtimmungen der ſämtlichen deutſchen Bundes ſtaaten und 
Anhang (bisheriges preußiſches, bayeriſches, ausländiſches Vereinsrecht uſw.) 


Erläutert von 


Dr. E. Müller⸗ Meiningen Dr. Georg Schmid 


Landgerichtsrat in München, und Regterungsaffeflor in Stuttgart. 
Neichstagsabgeordneter für Meiningen, 
Landtagsabgeordneter für Hof. 


— 8. XII, 400 Seiten. In Leinen geb. Mk. 7.— — 


Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und politiſchen 
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen, verdankt das Geſetz fein Zuſtandekommen und feine 
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. 
5 mit B Dr. Schmid⸗Stuttgart hat Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus- 

e geſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Bollzugsvorſchriften 


a 
ber einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie ſind deshalb für alle 
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt und im Anhang nochmals vollſtändig abgedruckt worden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Bibliotheken u. einzelner Werke 


Bor kurzem iſt vollſtändig geworden: 


Haus Kößler 


Kgl. laudgerichtl. Ober⸗Sekretär in München 


Hand buch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienſt. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt. 
Eutſchließungen bearbeitet 


Dritte vollfländig umgearbeitete Auflage. 


8°. VII u. 989 Seiten. 


Preis gebd. 12.50 ME. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Vor kurzem erſchien die 3. Auflage von 
Die Vorſchriften über die 


Prüfungen für den hoheren 
Juſtiz⸗ u. Derwaltungsdienſt 


in Bayern 
und die 
vorſchriften über die Praxis der geprüften 
Bewerber um Anſtellung im höheren bayer. 
Juftizdienft 


(geprüfte Rechtspraktikanten) 

Mit e. Anhang enth. d. Studienpläne u. d. Promotions- 
ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗ 
Univerſitäten. 

Herausgegeben von 


U. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg. 
8°. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Ankauf I 


juristischer 


Neumillers 


ZPO 


2. Auflage 


gebührt unter den Handausgaben der ZPO. die erste 
Stelle... . Der Stoff ist sehr geschickt angeordnet, 
das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben. 

(Prof. Dr. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1007 Nr. 5) 


8°. (XII und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.—. 


Sobald die 


Novelle zu ZPO. und GVG. 


Oesetz geworden ist, wird ein 


Nachtrag mit Erläuterung 


der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel- 
ausgabe — erscheinen. 


d. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


J. Schweitzer Sortiment (Arthur Sellier) ` 
Buchhandlung, Antiquariat und Leihinstitut 
für Rechts- und Staatswissenschaften 


München, Lenbachplatz 1, nächst dem Justizpalast 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 


Reichsgerichtsrat i Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 10 (80 Spalten): 


Abhandlungen: Kirchberger, Dr., Relerendar, Leipzig, Die Wirkung der An- 
Zehater, Dr. J. A.. Landgerichtspräsident, M. d. R., Offenburg i. B., fechtung gemäss $ 30 KO. auf die der angefochtenen 
Das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag. Landung nach 8 845 ZPO. vorausgegangene Vor- 

; pfändung. | 
ar: o aa arl, Professor, München, Der Kampf um die Meuret, Rechtsanwalt, Stuttgart, Zum Begriff des Betriebs- 


unfalles. Ist der Richter an die Entscheidung der 


Voss, Amtsgerichtsrat a. D., Stralsund, Ueber die Anwendung Unfallversicherungsinstanzen gebunden? 


des $ 20511 ZPO. auf Konkursfeststellungsprozesse. 
(Schluss folgt.) Aus der Rechtsprechung: 


Schanze, Dr., Professor, Dresden, Geschmacksmustergesetz | 1. Rechtssätze des Reichsgerichts 
und Kunstschutzgesetz. (Fortsetzung.) 
ll. Entscheidungen. 


Mitteilungen und Erörteru ngen : Reichsgericht. 
Saeger, Dr., Landrichter, Braunschweig, Müssen die Inhaber 5 
von Fremdenpensionaten ihre Firma im Handels- nage e. 
register eintragen lassen? Kurze Bücheranzeigen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Reichs⸗Erbſchaftsſteuergeſetz 


vom 3. Inni 1906 
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern, 
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig. 
Erläutert von 
Dr. F. W. R. Zimmermann 
Geh. Finanzrat in Braunſchweig. 
8°. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Kommentar 
Rechtsanwaltsordnung 


vom 1. Juli 1878. 


Von 
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer, 


Landgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München. 
== 8°, (VIH, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.. 


Juriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen 
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen 
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum 
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗ 
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein 
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige 
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das 
auch unfer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit 
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas 
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer 
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Schweitzer's Au, m 
Beamtengeſetzes 


Geſetz vom 16. Auguſt 1908 


mit Anhang: Gehaltsordnung 


und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats- 
mäßigen Staatsbeamten. 


Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem 
Beamten⸗ und Sachregiſter. 


kl. 8°. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—. 
Wiſſeuſchaftliche Beilage der „Münchener Neueſten Nachrichten“ 1908 Nr. 80: Die durd- 


greifende Neugeſtaltung unſeres Beamtenrechtes wird es allen Beamten als Wohltat er⸗ 
ſcheinen Laffen, in einer brauchbaren Handausgabe den Text des 1 zu erhalten. Ein 


genaues Studium des neuen Rechtes, die Ueberwindung der mancherlei Schwierigkeiten, 
welche der neue Rechtszuſtand namentlich in der Uebergangszeit mit ſich bringt, wird freilich 
nur' an der Hand eines ausführlichen Kommentars möglich ſein, wie er ebenfalls von der 
rührigen Schweitzerſchen Verlagsbuchhandlung in Vorbereitung iſt. Aber auch die kleine 
vorliegende Ausgabe hat ihre Vorzüge. Vor allem bringt ſie in kurzen Noten unter 
den einzelnen Artikeln Hinweiſe EN den Entwurf des Geſetzes, die Verhandlungen in 
der Abgeordnetenkammer und die Motive. Dem Text iſt in dankenswerter Weiſe ein 
ausführliches Beamten: und Sachregiſter beigegeben. Dr. Weiß. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Pa 


p | po è o 184 | 
3 + + 8 
kitſchrift für Rechtspflege 
Ch. a a l f | 2. acwetter Verlag 
em M AAJN ee, 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 


A. Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1. 
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis „ K) ertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzelle 
8 5 -i 


Sul) 

ME. 4—. Beſtell übernt 
— — 1 — 
Inhalt: 

Abhandlungen: Seite gr Seite 
â ankenanſtalt verwieſen find und dort verwahrt 
1 gehre N en 5 werden, Gefangene im Sinne des § 122 StGB.? 435 
Eigentumsvorbehalt an den eingebauten Maſchinen 425 Eter, Pr., Referendar in Berlin, Zur Frage des Kauſal⸗ 
Haenle, Dr., A in 5 ilad, Polten und zuſammenhangs im Haftpflichtrecht. . 435 
Strafrechtsreforr mn 446 Aus der Praxis der Ger iche 4386 
Freilinger, L Staatsanwalt in Regensburg. Das neue bayeri⸗ Siteratvu 443 
ſche Beamtenrecht (Fortfegung) . „ „ 28 on i 
Mitteilungen aus der Praxis: B ` 
Gmachle, Sandgerichtsrat in München, Sind Gewerbsunzucht ogelſchuz und Jagdſchut 
treibende Frauensperſonen, welche in Bayern von Sprachecke des Allgemeinen Deutſchen 
der zuſtändigen Polizeibehörde wegen geſchlecht⸗ Sprachvereins: 
licher Erkrankung zur Heilung in eine öffentliche Scheinbar, anſcheinedd » > 2 2 444 


Soeben ift erſchienen: 


Schelkgeſetz 


vom 11. März 1908 


mit Erläuterungen und Anhang betr. die Einführung des 
Poſt⸗Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehrs 


von 


Dr. Haus Leſſing, 


Rechtsanwalt und Bankvorſtand in Bamberg. 
8°. VIII u. 262 Seiten. Gebunden Mk. 5.—. 


Dieſe Ausgabe konnte neben den Materialien und der Rechtſprechung über das bisherige Scheckrecht 
die Ergebniſſe der geſamten zum neuen Geſetze erſchienenen Literatur bis in die allerneueſte Zeit berück⸗ 
ſichtigen. Sie bietet ſomit die neueſte und vollſtändigſte Darſtellung der jetzigen Lehre vom Scheck. Die 
ausländiſche Geſetzgebung und die Vorſchriften über den Poſtüberweiſungs⸗ und Scheckverkehr ſind berück⸗ 
ſichtigt. Die mit wiſſenſchaftlicher Sorgfalt bearbeiteten Erläuterungen zeugen durchweg von einer genauen, 
aus eigener praktiſcher Erfahrung ſchöpfenden Kenntnis des Scheckverkehrs und ſeiner Bedürfniſſe. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


S. Schwab, R. Amtsrichter in Schwabach. 
Grundriß des 


materiellen Liegenſchaftsrechts 
des Bürgerlichen Geſetzbuchs 


Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführung 
und Uebergangsvorſchriften. 


Gr. 8%. (88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen 
Mk. 2. 80. 


Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05. 

Was das Buch fein will, ein Wegweiſer in das neu 
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe 
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materiell. 
Liegenſchaftsrecht unter Berückfichtigung des landesrecht 
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; ſie ermöglich 
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In: 
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für der 
bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An 
wendungsbehelf. 


3. Gihweiger Berl (rar Sie) Winden 


J. Schweitzer Verlag (Arthur semer) München | 


Schad, Dr. Karl, 2. Rotar in München. 
Kommentar zum Geſetz das 


Nachlaßweſen betr. 


vom 9. Aug. 1902. Nebſt den 88 86—99 
des Reichsgeſetzes üb. d. Angelegenh. der 
freiw. Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898. 


gr. 8˙. (VI, 364 S.) In Ganzleinen geb. Nl. 6.—. 


Archiv . birg. Recht. 8d. 25. 


.. . . Das Buch wendet ih vornehmlich an 
den Praktiker; Gerichten und Notaren wird es 
gleich willkommen ſein, denn die Darſtellung iſt 
außerordentlich klar, die Stoffgruppierung übers 
ſichtlich; auch die wichtigſten materiellen Geſichts⸗ 
punkte werden an gelegener Stelle in kurzer Dar⸗ 
ſtellung vorgetragen. 


Schweitzers Terminkalender 


für die bayerischen Juristen 
1909 


Preis gebunden Mk. 3.—. 
Mit Beilage : Neue Gehaltsordnung für die bayerischen Staatsbeamten. 


— — — a 


Ankauf J. Schweitzer Sortiment (Arthur Sellier) 
Buchhandlung, Antiquariat und Leihinstitut 
juristischer für Rechts- und Staats wissenschaften 
Bibliotheken u. einzelner Werke München, Lenbachplatz 1, nächst dem Justiz palast 


Soeben erſchien in 2. verbeſſerter Auflage: 


Der dienſtliche Verkehr 


und die Amtsſprache. 


Auf der Grundlage der Bekanntmachung der 

Zivil⸗Staatsminiſterien vom 28. April 1901 
es bei d 

unter beionderer lee Dienſt en 


Von Th. von der Pfordten, 
nchen. 


Kgl. Zandgerichtsrat in 
8°. Preis kartoniert Mk. 1.80. 
| Empfohlen 
im Amtsblatt der Kgl. Staatsminiſterien des 


Kgl. Hanſes und des Aeutzern und des Innern 


1908 Nr. 16 Seite 404 
im Miniſterialblatt für Kirchen: und Schul: 
angelegenheiten 1908, Nr. 24 Seite 352 
im Finauzminiſterialblatt Nr. 1 vom 
2. Februar 1908. 


Vom Kal. Bayer. Inſtizminiſterinm wurde das 
Buch für alle Gerichtsbehörden Bayerns 
angeſchafft. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Soeben erſchien: 


Soeben erschien 


Antiquariats-Katalog No. 44 


Rechts wissenschaft 
(mit über 3000 Nummern) 


Neueres Recht. 


Enthaltend die a Werke 
aus den Bibliotheken der 7 


A. v. Bechmann 


erren Professoren 


G. Rümelin 
München. Freiburg i.B. 
Inhalt: 


Zeitschriften und Sammelwerke. 

Allgemeines. Rechtsphilosophie. Encyklo- 
pädien. Biographien. 

Allgemeines Privatrecht. 

Bürgerliches Recht und BGB. 

Zivilprozess. Gerichtsverfassung. Konkurs- 
recht. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Grund- 
buchordnung. Zwangs versteigerung. Gerichts- 
kosten. Notariat. 

VI. Handels-, Wechsel- u. Seerecht. Urheberrecht. 


München J. Schweitzer Sortiment 
Lenbachplatz! (Arthur Selller) 

nächst dem Buchhandlung, Antiquariat u Leihinstitut 
Justizpalast. für Rechts- und Staats wissenschaften. 


Das Vereinsgeſetz 


vom 19. April 1908 


nebit den Ausführungsbeſtimmungen der ſümtlichen dentſchen Bundesſtaaten und 
Anhang (bisheriges preußiſches, bayeriſches, ausländisches Vereinsrecht usw.) 


Erlaͤutert von 
Dr. E. Müller⸗Meiningen und 


Landgerichtsrat in München, 
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, 
Landtagsabgeordneter für Hof 


— 8° XII, 400 Seiten. In Leinen gebunden Mk. 7.— — 


Dieſe Ausgabe wird 8 Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und politiſchen 
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen, verdankt das Geſetz ſein Zuſtandekommen und ſeine 
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung lag deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. 
Sooman mit bie Pr Bine Dr. Schmid⸗Stuttgart hat Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus⸗ 
gabe geſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften 
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie ſind deshalb alle 
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt und im Anhang nochmals vollſtändig abgedruckt worden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Dr. Georg Schmid 


Regierungsaſſeſſor in Stuttgart. 


Soeben iſt erſchienen: 


Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die 


Viehgewährſechaft 


nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899 
Erläutert von 


Chr. Meisner , 


Rechtsanwalt in Würzburg 


2., vollſtändig umgearbeitete Auflage 
8°, VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden Mt. 4.—. 


Wir bitten den Proſpekt in dieſer Nummer zu beachten. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


F ̃—.. ——— —— ſ— 
Soeben erſchien: 


Reichsgeſetz über den 
Verſicherungsvertrag 


mit dem Einführungsgeſetz 
erläutert von 5 


Dr. jur. J. A. Zehnter, 


Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 
8°. XVI u. 304 Seiten. Preis geb. Mk. 6.50. 


Dem Derfiherer, Derfiherten und dem Jurien wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungsweſens und ſeine Mitwirkung am ande; 
kommen des Verſicherungsvertragsgeſetzes laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen 
erſcheinen. Die Erläuterungen find präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit e alle Ye 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, sg auf Grund von Beftim- 
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver- 
Materie tliche Rechtſprechung wird, Be fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten 

9 


aterie noch von Bedeutung iſt, berückſich 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


München, den 1. Dezember 1908. 


FEB 19 1909 


————— ——uul/ . im nz — ‚ ‚ —— — . —..ññññññññr—ñ—ñññ—ñ—ññññ—̃ ſ—ññ—ñ—ñ 


Herausgegeben von 


Eh. von der Pfordten 


R. Sandger ichtsrat, verw. im K. Bayer. 


Jeilſchrift für Rechtspflege 


in Bayern 


Verlag von 


(Arthur Zeller) 


4. Jahrg. 


J. Schweiger Yerlag 
Lenbachplatz 1. 


Staats miniſterium der Juſtiz. 


Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden 
im Umfange von mindeftens 2 Bogen. Preis plerteljährl 
Mt. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung 
Boſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9742). 


Redaktion und Expedition: München, Lenbachpla 5 
ee ao. 80 pie: Baa die halbgeſpaltene Peti 
aum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanze jan 
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft. 


Abhandlungen: Seite Selte 
deinhardt, Oberlandesgerichtsrat in Jena. Die Reform des | Bun DT; a eee Ueber, Den * 461 
Strafverfahrens und die Geſchäftsvereinfachung. 445 | gung * 
Bleyer, IL Staatsanwalt in München, verw. im Kgl. Staats: Aus der Praxis der a, ...... |; y- 
miniſtertum der Jufti, Einige Fragen des neuen | 
iſchereirechts z E 448 Literatur . 468 
ger, L Staats anwalt in Regensburg as neue ayer s 
fhe Beamtenrecht (Schluß ) . 62 Sp og ER ia einen een 
Ritteilungen aus ber Praxis: 
ſcher, Dr., Natsaſſeſſor in Rürnberd, Führung verbotener Häufung von Verhältniswörtern (Präpoſitionen)?) 468 
Waffen durch Frauen in Selbitmorbabfiht? . . 460 


Demnaͤchſt erſcheint: 
in 2., vollſtändig umgearbeiteter und vermehrter Anflage 
Das in Bayern geltende 


Nachbarrecht 


' mit Berückſichtigung des Berg: und Waſſerrechts 


von 


Chriſtiau Meisner, 


. Rechtsanwalt in Würzburg. 
1. Lieferung. Gr. 8°. 80 Seiten. M. 1.50. 


Das Nachbarrecht hat in Bayern, wo zahlreicher Kleinbeſitz und die vielfach vorhandene Parzellierung der Güter 
die Möglichkeit der Verletzung nachbarrechtlicher Beſtimmungen vermehrt, eine beſonders große praktiſche Bedeutung. 
Trotzdem fehlt eine einheitliche, in ſich geſchloſſene Regelung dieſes Re tsgebiets. Die geltenden Normen müſſen einer 
Reihe reichs und landesrechtlicher, zivil⸗ und öffentlicherechtlicher Geſetze entnommen werden. Eine zuſammenhängende 
Darſtellung aller dieſer Normen, wie fie Meisners Nachbarrecht bietet, entspricht nn einem Bedürfniſſe der Praxis. 
Die 2. Auflage iſt mit . auf die Neuregelung verigiebener Materien vollſtändig umgearbeitet worden; fie 
verwertet die geſamten Er onne der Wiſſenſchaft und tſprechung, die ſeit dem Eiſcheinen der 1. Auflage ver⸗ 
Öffentliht wurden. Das Werk wird in feiner neuen Geſtalt bei Handhabung des Nachbarrechts unentbehrlich fein. 

Es werden 3 Lieferungen ausgegeben, die e etwa 25—30 Bogen umfaſſen und Anfang 1909 vorliegen 
werden. Geſamtpreis: etwa M. 8.— bis M. 9.— 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


- — — . — — — — 


Neumillers 


ZPO 


2. Auflage 


die vorſchriften über die 
Prüfungen für den höheren 
Juſtiz⸗ u. Derwaltungsdienſt 


in Bauern 
und die 


vorschriften über die Praris der geprüften 


Bewerber um Anſtellung im höheren bayer. 


Juftizdienft 


(geprüfte Rechtspraktikanten) 


Mit e. Anhang enth. d. Studienpläne u. d. Promotions⸗ 
ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗ 
Univerfitäten. 


gebührt unter den Handausgaben der ZPO. die erste 
Stelle. Der Stoff ist sehr geschickt angeordnet, 
das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben. 

(Prof. Dr. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1907 Nr. i 


8°. (XII und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.— 


Sobald die 


Novelle zu ZPO. und GVG. 


Gesetz geworden ist, wird ein 


Nachtrag mit Erläuterung 


der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel. 
ausgabe — erscheinen. 


Herausgegeben von 


II. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg. 
8°. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80. 


J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München. 


Vor kurzem erſchien die 3. Auflage von 
| 
| 
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Soeben erſchien: 


2 Reichsgeſetz über den 
Verſicherungsvertrag 


mit dem Einführungsgeſetz 
erläutert von 


Dr. jur. J. A. Zehnter, 
Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 
8°. XVI u. 304 Seiten. Preis geb. Mk. 6.50. 


Dem berſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen 
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des eto aper rungen und feine Mitwirkung am Zuftande 


kommen des Verſicherungsvertragsgeſetzes laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen 
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen 
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, 3 auf Grund von Beſtim- 
1 es Ge Ei = des 1 un a der Kodiſtatt 1 1125 u lach 5 ver · 

erungsrechtliche Rechtſprechung wird, ſoweit fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten 
Materie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt. I. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. 


Teſtamente 1. Erbberträge 
in Bayern 


nebſt einer kurzen Darſtellung des geſetzlichen 

Erbrechtes, des Pflichtteilsrechtes und Nachlaß 
verfahrens fowie einem Anhang enthaltend 
Muſter für Teſtamenie und Erbverträge 


von Marl Haner, 


k. Landgerichtsrat in Würzburg. 
8°. XII, 447 S. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.80. 


In dieſem Werte gelangt die Errichtung der ordentlichen und 
außecordenflichen Teſtamente, namentlich auch der fogen. Dorf- 
teſtamente, ferner der Erbverträge, eingehend zur Erörterung; 
hieran reiht AG eine kurze Darſtellung des geſetzlichen Erbrechtez, 
des Pflichttells rechtes und des Nadlakverfahrens. 

Eine größere Anzahl von Formularen, die MNuſter von 
Teſtamenten und Erdverträgen enthalten, bildet den Schluß. 


Lehne Belag (rar elier) Rinde 


J. Schweitzer Verlag (Arthur semer) München 


Schad, Dr. Karl, 2. Rotar in München. 
Kommentar zum Geſetz das 


Nachlaßweſen betr. 


vom 9. Aug. 1902. Nebſt den 88 86—99 
des Reichsgeſetzes üb. d. Angelegenh. der 
freiw. Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898. 


gr. 8. (VI, 864 S.) In Ganzleinen geb. M. 6.—. 


Archi f. bürg. Recht. Bd. 25. 


. . . . Das Buch wendet ſich vornehmlich an 
den Praktiker; Gerichten und Notaren wird es 
gleich willkommen ſein, denn die Darſtellung iſt 
außerordentlich klar, die Stoffgruppierung über⸗ 
ſichtlich; auch die wichtigſten materiellen Geſichts⸗ 
punkte werden an gelegener Stelle in kurzer Dar⸗ 
ſtellung vorgetragen. 


Soeben erschien: 


Signalementslehre 


(System Alphonse Bertillon) 


enthaltend 


I. Das „gesprochene Porträt“ (Portrait parlé). 


Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne. 


II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement. 
Von Dr. H. Schneickert. 


Handbuch für 
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen. 


Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text 


Deutsche Ausgabe 
bearbeitet und erweitert 


von 


Dr. iur. Hans Schneickert 


Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin. 


8° (IV, 104 S.) Preis gebunden Mk. 4.50. 


Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll- 
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon 
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine 
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre 
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei- 
technik. 

Niemand wird bestreiten, dass die Personen- 
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen 
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei- 
beamte auch weiss, auf was es bei Personen- 
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es 
ihm doch an einer systemauschen Schulung auf 
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis 
heute noch keine Signalementslehre und begnügen 
uns mit blossen Traditionen. 

Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun 
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem 
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait 
arl&“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und 

ukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen 
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der 
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen 
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen 
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man 
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen- 
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder 
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet. 

Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait 
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat, 
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein 
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne 
Signalement bei. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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Allgemeiner Deutscher Versicherungs -Verein In Stuttgart 


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Unter Garantie der Stuttgarter Mit- und Rückversicherungs-Aktiengesellschaft. 
Kapitalanlage über 50 Millionen Mark. 


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München, Lenbachplatz 4 


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liefert alle | kauft stets | 
in dieser Zeitschrift angezeigten ganze juristische Bibliotheken un 1 


und besprochenen Werke. einzelne Werke. 


Soeben iſt erſchienen: 


Schedkgeſetz 


vom 11. März 1908 


mit Erläuterungen und Anhang betr. die Einführung des 
Poſt⸗Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehrs 


von 


Dr. Haus Leſſing, 


Rechtsanwalt und Bankvorſtand in Bamberg. 
8°. VIII u. 262 Seiten. Gebunden Mk. 5.—. 


Dieſe Ausgabe konnte neben den Materialien und der Rechtſprechung über das bisherige Scheckrecht 
die Ergebniſſe der geſamten zum neuen Geſetze erſchienenen Literatur bis in die allerneueſte Zeit berück⸗ 
ſichtigen. Sie bietet ſomit die neueſte und vollſtändigſte Darſtellung der jetzigen Lehre vom Scheck. Die 
regel) Geſetzgebung und die Vorſchriften über den Poſtüberweiſungs⸗ und Scheckverkehr find berück⸗ 
ſichtigt. Die mit wiſſenſchaftlicher Sorgfalt bearbeiteten Erläuterungen zeugen durchweg von einer genauen, 
aus eigener praktiſcher Erfahrung ſchöpfenden Kenntnis des Scheckverkehrs und ſeiner Bedürfniſſe. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


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24. | München, den 15. Dezember 1908. 4. Jahrg. 


Zeitſchrift für Rechtspflege 


Herausgegeben von Verlag von 


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Inhalt: 
8 andlungen: Seite Seite 
Far: Oberlandesgerichtsrat in Jena, Die Reform des ewi er Gefangnenanftalt? München. Gefangenanſtalt 478 
Schlaf. und die Geſchäftsvereinfachung e 
d re E E 469 Aus der Praxis der Gerichte . 479 
ler K IL A AE in München, verw. im Kgl. Staats⸗ 
minifterium der Juſtiz, Einige Fragen des neuen Meisen a ee E A a 483 
Fiſchereirechts (Shluß) - - - > > 2 22. 473 Notizen: 
titteilungen aus der Praxis: Die Poſtſcheckordnung für das Königreich Bayern 


Er 


larus, Senatspräſident in Augsburg, Zu 8 1021 BGB. . 476 Urheberrechtsſchutz in den deutſchen Schutzgebieten 


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Das Regiſter über den 4. Jahrgang rc. 


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Brentano, Lujo — alles — 

Corpus juris civilis \ Deutsche Uebersetzung von 

Corpus juris on Schilling und Sintenis. 

Corpus jur. canonici. 

Czyhlarz, institutionen. 

Dernburg, Pandekten, 3. Aufl. u. folgende. 

Dienstanweisung für Grundbuchämter. 

Entscheidungen des Relchsgerichts In Zlvilsachen 
— auch einzelne Bände — 

Finanz-Ministerlalblatt Jahrg. 1903. 

Gierke, Genossenschaftsrecht. | 

Goldammer Archiv f. Strafrecht. Einzelne Bände. 

Handbuch d. Unfallversioherung. 3. Aufl. 

Henle, Zwangsenteignung. 1890. 

Herrmann, Staatsw. Untersuchungen. 

Jaeger, Konk.-Ordg. 2. Aufl. 

Keller, röm. Civiiprozess. 1883. 

Knies, Geld und Kredit. 

Knles, Polit. Oekonomle 1883. 

Mugdan, Materialien z. BGB. 

„Das Recht“. 

Reger, Gewerbeordnung. 4. Aufl. 

Rehbeln-Relncke, Preuss. Landr. 5. Aufl. 

Riehm, Konsumvereinswesen (München, Volksw. 
Studien H. 51). 

Roscher, Geschichte d. Nationalökonomie. 

Schmeller, bayer. Wörterbuch. 

Stengl, Pfarramt. 2. Aufl. 

Völderndorff, Civilgesetzstatistik. 

Wetzel, Civiiprozess. 3. Aufl. 1878. 

Wochenschrift, Jurist. 1872/80. 1900 u. ff. 


J. Schweitzer Sortiment 


(Arthur Selller). 


Buchhandlung, Antiquariat u. Leihinstitut 
für Rechts- und Staatswissenschaften 


München © Lenbachplatz 1. 


Das Jachenrecht 


nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der 
Grundbuchordnung für das Deutſche Reich 


2. neubearbeitete Auflage des Rechts der Grundſtücke“. 
Von 


Karl Maenner, 


Reichsgerichtsrat. 


Gr. 8. XII und 547 Seiten. 1906. 
Cleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—. 


Inriſt. Literaturblatt 1906 Nr. 4: 


Wer ſich über das Sachen⸗ und Liegenſchafts recht des geltenden 
Rechtes nach dem heutigen Stande der Rechtſprechung und des 
Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich 


das Studium dieſer ſyſtematiſchen Darſtellung. 
Dr. Oberneck. 


J. schweitzer erlag (Arthur Sellier) Nünchen 


Soeben erſchien: 


Das Vereinsgeſetz 


vom 19. April 1908 


nebſt den Ansführungsbeſtimmungen der ſämt⸗ 
lichen dentſchen Bundesſtaaten und Anhang 
(bisheriges prenßiſches, bayeriſches, ansländiſches 
Vereinsrecht uſw.) 


Erläutert von 


Dr. C. Rüller⸗Neiningen . 


„ Dr. Georg Schmid 


Landgerichtsrat in München, Regierungsaſſeſſor 
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, n Stuttgart. 
Landtagsabgeordneter für Hof 


8°. XII. 400 Seiten. In Leinen gebunden Mk. 7.—. 


Diefe dem ha wird größte Beachtun ng finden. Dem Sachver⸗ 
Rene dem en und politiſchen Geſchick ihres Autors, bes 
Abg Müller⸗Meiningen, verdankt das Geſetz fein Buftandefommen 
und a jetzige Faſſung. Seine Kommentierung lag bde&balb bel 
Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen. F 
mit Reglerungsaſſeſſor Dr. Schmid⸗ Stuttgart hat Dr. Müller eine 
eingebend erläuterte Handausgabe geſchaffen, die ſich den beſonderen 
Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften 
der einzelnen Staaten baben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bes 
deutung. Sie find deshalb für alle Bundes ſtaaten fortlaufend bes 
rückſichtigt und im Anhang nochmals vollſtändig abgedruckt worden. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Leipziger Zeitschrift 


für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht 


herausgegeben von 


Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige 


Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat 


Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—. 
Jahrgang 1 (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—. 


II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 12 (80 Spalten): 


Abhandlungen: Wenz, Rechtsanwalt, Zweibrücken, Anfechtung von Aende- 
Wienstein, Kammergerichtsrat, Berlin, Neues vom fiduziari- rungen des ehelichen Qüterstandes, insbesondere der 
schen Rechtsgeschäft, Gütertrennung, und Haftung der Ehefrau wegen Ver- 
bindlichkeiten ihres Ehemannes als Mitglied einer 


ne Dresden, Vinkulation und Genossenschaft bei deren Konkurs. 
Meuret, Rechtsanwalt, Stuttgart, Das Absonderungsrecht des Aus der Recht ch : 
Haftpflichtgläubigers im Konkurs des Haftpflichtver- ee R 
sicherten ($ 157 VVG.) l. Rechtssätze des Reichsgerichts. 
- Mitteilungen und Erörterungen: l. 5 
eichsgericht. 
Heck, Professor, Tübingen, Aktionärpflicht und Prospekt- Oberlandesgerichte. 
haftung. Landgerichte. 
Neumann, Patentanwalt, Berlin, XI. Kongress der internatio- 
p nalen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz vom Kurze Bücheranzeigen. 
7 ~ 26.—30. August 1908. 


J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


Vor kurzem ift vollſtändig geworden: 


| Haus Kökler 


Kgl. Tandgeridtl. Ober⸗Sekretär in München 


Hand buch für die Praxis bei den Gerichten 


und für den Anwalts: und Notariatsdienſt. 


Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Aumerkungen, den Gebührennermen u. d. miniſt. 
Eutſchlietzungen bearbeitet 


Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage. 
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München 


— tn ie 


Soeben iſt erſchienen: 


Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die 


Viehgewährſchaft 


nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899 
Erläutert von 


Chr. Meisner 


Rechtsanwalt in Würzburg 


2., vollſtändig umgearbeitete Auflage 
8°. VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden Mk. 4.—. 


Seit Erſcheinen der 1. Auflage e haben Wiſſenſchaft und Rechtſprechung auf Grund des neuen 
bürgerlichen Rechts unabläſſig und erfolgreich auch am Ausbau der Beſtimmungen über die Biehgewähr⸗ 
ſchaft gearbeitet. Eine vollſtändige Neugeſtaltung des Werkes war deshalb notwendig. Die vorliegende 

2. Auflage bietet jetzt nicht nur die neueſte, ſondern wohl auch die umfaſſendſte Darſtellung des ſchwierigen 
und an ſich unüberſichtlichen Rechtsſtoffes. Die Vertrautheit des Autors mit dem praktiſchen Leben zeigt 
auch die neue Auflage. 


J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München 


— — . —E6—y— I/. 7*·ꝗür. — 3. 


Soeben erſchien: 


Reichsgeſetz über den 


Verſicherungsbertrag 


mit dem Einführungsgeſetz 
erläutert von 
Dr. jur. J. A. Zehnter, 
Landgerichtspräſtdent in Offenburg, Mitglied des Reichstags. 
8°. XVI u. 304 Seiten. Preis geb. Mk. 6.50. 


Dem Berſicherer, Berſicherten und dem Inriſten wird 
hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen Gebrauch 
geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungs⸗ 
weſens und ſeine Mitwirkung am Zuſtandekommen des 


Soeben erſchien: 


Scheckgeſetz 


vom 11. März 1908 
mit Erläuterungen und Anhang betr. die 
Einführung des Poſt⸗Neberweiſungs⸗ und 
Scheckverkehrs 


von 
Dr. Haus Leſſing, 
Rechtsanwalt und Bankvorſtand. 
== 8° VIII, 262 Seiten. Gebunden Mk. 5.— = 


Dieſe Ausgabe konnte neben den Materialien und 
der Rechtſprechung über das bisherige Scheckrecht die 


Ergebniſſe der geſamten zum neuen Geſetze erſchienenen 
Literatur bis in die allerneuefte Zeit berückſichtigen. Sie 
bietet ſomit die neueſte und vollſtändigſte Dar⸗ 
ſtellung der jetzigen Lehre vom Scheck. Die ausländiſche 
Geſetzgebung und die Vorſchriften über den Poſt⸗Ueber⸗ 
weiſungs⸗ und Scheckverkehr find berückſichtigt. Die mit 
wiſſenſchaftlicher Sorgfalt bearbeiteten Erläuterungen 
zeugen durchweg von einer genauen, aus eigener prakti⸗ 
ſcher Erfahrung ſchöpfenden Kenntnis des Scheckverkehrs 
und feiner Bedüͤrfniſſe. 


3. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) Nünchen. 


Verſicherungsvertragsgeſetzes laſſen den Verfaſſer zu deſſen 
Kommentierung als beſonders berufen erſcheinen. Die Er⸗ 
läuterungen find präzis und überfichtlich gehalten. Sie 
erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen praktiſchen Fragen, 
vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, 
ſondern auf Grund von Beſtimmungen anderer Geſetze. 
wie des BGB., HB. und Priv., zu entſcheiden find. 
Die bisherige verficherungsrechtliche Nechtſprechung wird, 
ſoweit ſie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht 


geregelten Materie noch von Bedeutung iſt, NIE 


J. Schweiger Verlag (Arthur Sellier) Münden. 


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