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1016 1
89 7
20
Ba. H 1909.
HARVARD LAW LIBRARY
—
Received APR 21 1909
Digitized by Google
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28
etfrift für Rechtspflege
— il Bahern ——
wur — — — — — —
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
Kgl. Landgerichtsrat, verw. im Kgl. Bayer. Staatsminiſterium der Juſtiz.
IV. Jahrgang 1903.
— —— e e — —
München 1908.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
APR 21 1909
=l Q Nm 18
> 2%
* . N
„Genoſſenſchaftsrecht. Berfiherungsret Haft⸗
Inhaltsverzeichnis zum Regiſter.
I. Syſtematiſches Verzeichnis.
A. Abhandlungen. Seite
Bürgerliches Recht IV
a) Reichsrecht . IV
b) Landesrecht IV
Handelsrecht. Gewerberecht Verſicherungsrecht IV
: uns ae . IV
Strafrecht IV
Strafprozeß IV
Juſtizverwaltung. „ 8 V
Staatsrecht. Kirchenrecht. V
Finanzweſen e V
Allgemeine juriſtiſche und rechtspolitiſche
Gegenſtände E E a E V
B. Mitteilungen aus der Praxis.
Bürgerliches Recht V
a) Reichsrecht . V
b) Landesrecht. V
.Verſicherungsrecht, Heid be ech u. l V
Zivilprozeß. Zwangsverſteigerung. V
Freiwillige Gerichtsbarkeit. Scundbuchweien V
Strafrecht : EA kei V
Strafprozeß. VI
Juſtiz verwaltung. VI
Sprache. VI
C. Praris der Gerichte.
Bürgerliches Recht VI
A. Reichsrecht. ; VI
a) Allgemeine Lehren. i VI
b) Recht der Schuldverhältniſſe VII
1. Allgemeine Lehren VII
2. Einzelne ö VII
c) Sachenrecht VIII
d) Familienrecht. VIII
e) Erbrecht. e IX
f) Einführungs- und Uebergangsrecht.
Internationales Redt . ; IX
B. Landesrecht IX
Handelsrecht X
Wechſelrecht. X
Urheberrecht u. dgl.. X
pflichtrecht
6. Zivilprozeß. Gerichtsverfaſſung Selz
7. Konkursverfahren 2 XII
8. Zwangsverſteigerung XII
9. Freiwillige Gerichtsbarkeit XII
10. Grundbuchweſen . P ra XII
11. Gerichtskoſten. Gebühren.. XII
12. Strafrecht 8. 85 XIII
A. Reichsrecht. XIII
a) Strafgeſetzbuch XIII
1. Allgemeiner Teil. XIII
2. Beſonderer Zeil . XIII
b) Nebengeſetze XIV
B. Landesrecht XIV
19. Strafprozeß . e e e e XV
14. Staatsrecht. Verwaltung. Militärweſen XV
D. Notizen.
1. Bürgerliches Recht XV
2. Zivilprozeß. XV
3. Strafrecht XV
4. Strafprozeß XV
5. Internationales Recht i XV
6. Iuftizverwaltung . XVI
7. Staatsrecht. XVI
8. Verwaltung XVI
9. Finanzweſen XVI
10. Handel. Verkehr. XVI
11. Statiſtik . e u tar e u VE u r a AVI
12. Allgemeine juriſtiſche und rechtspolitiſche
Gegenſtände e w a AV
E. Sprachecke des Allgemeinen Dentichen
Sprachvereins.
II. Alphabetiſches Verzeichnis. XVII
III. Verzeichnis der Geſetzesſtellen.
A. Reichsgeſetze . XXX
B. Landesgeſetze XXXV
C. Anhang. Einzelne wichtige Verordnungen
und Dienſtesvorſchriften . . XXXVIl
IV. Verzeichnis der Mitarbeiter. XXXVIII
x V. Beſprochene Bücher u. Zeitſchriften. XXXIX
I. Syſtematiſches Verzeichnis.
(Die Zahlen bedeuten die Seiten.)
A. Abhandlungen.
1. Bürgerliches Recht.
a) Reichsrecht.
„Einwilligung“, „Genehmigung“ und „Zuſtim⸗
mung“ im Bürgerlichen Geſetzbuche und im
Handelsgeſetzbuche.
Zum Grundſtücksbegriff.
Kriener in Würzburg
Grunddienſtbarkeiten und forſtpolizeiliche Straf⸗
vorſchriften. Oberlandesgerichtsrat Bernhard
Pfiſter, Amtsgerichtsvorſtand in Paſſau
Die Unterhaltungspflicht des S 1021 BGB. Senats⸗
präſident Eduard Clarus in Augsburg
Noch einmal die Unterhaltungspflicht des § 1021
Amtsrichter Dr. Wilhelm
1
Profeſſor Dr. Weyl in Kiel 53
40⁵
113
73
BGB. Reichsgerichtsrat Predari in Leipzig 385
Die nachträgliche Eintragung der Goldklauſel.
Amtsrichter Wilhelm Mayer in München
199, 216, 242, 262
ne nun von Forderungen. Paul a
Chesne in Leipzig
3 aus dem Geſamtgut? (Zu S 1446 BGB. a:
Amtsrichter Eduard Eckert in Nürnberg
Zur Auslegung der SS 2065 II, 2094 vo.
Profeſſor Dr. 3. Binder in Erlangen
b) Landesrecht.
Die rechtliche Natur der Kgl. privilegierten Schützen⸗
geſellſchaften. Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vervier
in Würzburg
Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayerischen Waſſer⸗
geſetz von 1907. Landgerichtsrat Dittmann
in Nürnberg 4, 34, 60,
Die Waſſerbenützungsrechte an öffentl. Flüſſen und
an den im Eigentum des Staates oder Dritter
ſtehenden Privatflüſſen. Juſtizrat Dr. M. Ober⸗
meyer, Rechtsanwalt in München
Einige Fragen des neuen Fiſchereirechts. II. Staats⸗
anwalt Bleyer in München, verw. im Kgl.
Staatsminiſterium der Juſtiz
Die 1 Forſtgeſetz⸗Novelle vom 26. Februar
1908. II. Staatsanwalt Dr. Rig mann in Ans—
bach 2
Die Aufnahme von Hppothekdarlehen als Erſatz
für Bodenzinsablöſungsſummen. Bankdirektor
Friedrich Bonſchab in München
Die Berufsvormundſchaft. Oberlandesgerichtsrat
von Oelhafen, Amtsgerichts-Vorſtand in
Weißenburg i / B.
2. Handelsrecht. Gewerberecht.
Die Börſengeſetznovelle vom 8. Mai 1908. Juſtiz⸗
rat Dr. Julius Kahn in München, Rechtsanwalt
2
u
~]
299
|
|
9
259
448, 473
13
15
153
Verſicherungsrecht.
und Syndikus der Handels- und Gewerbekammer
für Oberbayern
Ein 1 der Rechtſprechung oder eine Lücke
des Geſetzes auf dem Gebiete des Arbeiter:
ſchutzes? II. Staatsanwalt Rudolf Troeltſch
in Augsburg 93, 115
Sur, Einführung in das Reichsgeſetz über den
i Oberlandesgerichtsrat K.
Schneider in Stettin 25, 350, 372
233
3. Gerichtsverfaſſung. Zivilprozeß.
. „ über den Grund des
Anſpruchs. Reichsgerichtsrat Schneider in
Leipzig 29
Die Vorpfändung von Buchhypothekforderungen.
Amtsrichter Dr. Schanz in München 302
Zum Entwurf eines Geſetzes betr. Aenderungen
des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeß—
ordnung, des Gerichtskoſtengeſetzes und der
Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Uni⸗
verſitätsprofeſſor Dr. Friedrich Hellmann in
München 133
Die Entlaſtung der Zivilſenate des Reichsgerichts.
Reichsgerichtsrat Dr. Dürin ger in Leipzig 1
Das Siebenmännermonopol. Eine Lehre aus dem
Streit um den Eigentums vorbehalt an den ein⸗
gebauten Maſchinen. Profeſſor Krückmann in
—
Münſter i. W. 425
4. Strafrecht.
Zur Lehre von der „Ausführung“ ſtrafbarer
Handlungen. Profeſſor Dr. Ernſt Beling in
Tübingen 73, 99
Wirkungen einheitlicher Verbrechen im Strafrecht
und Strafprozeß. Amtsrichter und Privatdozent
Dr. Friedrich Doerr in München 2
Die Feſtſtellung der Einſicht im Sinne des § 56
|
StGB. vor der Hauptverhandlung. II. Staat:
anwalt Dr. Emil Gütermann in München 297
Beſtechung von Poſtbedienſteten. Landgerichtsrat
Zeiler in Kempten 277
Das Geſetz betr. die Beſtrafung der Majeſtäts—
beleidigung vom 17. Februar 1908. Landgerichts—
rat Lieberich in München 156, 176
Polizei und Strafrechtsreform. Bezirksamtsaſſeſſor
Dr. Friedrich Haenle in Kötzting 426
5. Strafprozeß.
Zur Reform des Privatklageverfahrens. Land—
gerichtsrat Dr. Erlacher in Hof 96, 117, 137, 159
Haftentſchädigung bei Realkonkurrenz. Reichsgerichts⸗
rat Burlage in Leipzig 6⁵
___Imhaltöverzeihnid der Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1908. V
Der Beſchluß über die Haftentſchädigung bei real⸗ Bemerkungen zu dem Entwurfe einer Kirchen⸗
konkurrierenden Straftaten. Landrichter Krauſe | gemeindeordnung für Bayern. Regierungsakzeſſiſt
in Altenburg 197 Dr. A. Durmayer in Speyer 37, 62, 81
Die Reform des Strafverfahrens und die Ge⸗ ;
ſchäftsvereinfachung. Oberlandesgerichtsrat 8. Finanzweſen.
Deinhardt in Jena 415, 469 Zu Art. 18 des Geſetzes über die Fortſetzung der
Grundentlaſtung vom 2. Februar 1898. Rent⸗
6. Juſtizverwaltung. amtmann Yblagger in Eichſtätt 329
Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen Hypo⸗ 9. Allgemeine juriſtiſche und rechtspolitiſche
thekenbanken und Notaren. Notar Dr. Walter en Gegenſtände.
ö Die Sulaffung ut ne 1 i Real-
; ymnaſiums oder einer errealſchule zur
een wee huriftifchen Laufbahn. — Die Bedeutung der
Das neue bayeriſche Beamtenrecht. I. Staats⸗ Ausbildung im römiſchen Recht für die Gegen⸗
anwalt Joſeph Freilinger in Regensburg , wart. — Geſetz und Rechtspflege. Profeſſor
345, 367, 387, 407, 428, 452 Regels berger in Göttingen 253
B. Mitteilungen aus der Praxis.
1. Bürgerliches Necht. | 3. Zivilprozeß. Zwangsverſteigerung.
f .
ER Pfändung eigener Sachen. Rechtsanwalt Dr. Roſen⸗
a) Reichsrecht. | thal in Würzburg 13
Zu 8 181 BGB. Amtsrichter Eckert in Nürnberg 180 Werden in Zukunft die Prozeſſe billiger? Rechts⸗
Aufrechnung mit Eines eee Juſtiz— anwalt Dr. Alfred Bloch II in München l 40
rat Bendix in Breslau 214 Zu 8 57 Zw. und 8 565 BGB. Amtsrichter
Mäklervertrag, Dienſtvertrag und Schenkung. Land» Kraus in München 1
gerichtsrat Zeiler in Kempten 395 Geringſtes Gebot bei Zwangsverſteigerungen be⸗
Zu $ 1021 BGB. Senatspräſident Clarus in hufs Aufhebung einer Gemeinſchaft. Notar
Augsburg 476 Goetzelmann in Roding 102
ur Haftung der Poſtſekretäre bei Einſchreib⸗ 8 ; f
3 ae on Dr. P. lea n in | 4. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Grundbuchweſen.
Berl 2 ae Prüfungspflicht e ee
b) Q | l ei Genehmigung zweifelhafter Rechtsgeſchäfte
andes ech und die Beſchwerde vor der Pflegſchaftsan⸗
Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Gepr. Rechts⸗ ordnung. Rechtsanwalt Dr. Eugen Joſef in
praktikant Diemayer in München 104, 164 Freiburg i. Br. 331
Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Prof. Dr. Oert⸗ Die Protokolle des Vormundſchaftsgerichts über die
mann in Erlangen 121 | Anerkennung der Vaterſchaft durch den unehe—
Das Eigentum an öffentlichen Gewäſſern. Rechts⸗ | lichen Vater und die Verträge über die Zahlung
praktikant Tuma in Paſſau 286 des Unterhalts. Rechtsanwalt Dr. Stein-
Güterzertrümmerung. Amtsrichter Pramberger harter in München 202
in Eichſtätt 179 Verhältnis zwiſchen dem Nachlaßgerichte und dem
| Hypothekenamte. Ball Der M DODE Ober- i
landesgerichtsrat Bauer in Nürnberg
2.
Berſicherung recht. Gewerberecht u. dgl. Die Offizialtätigkeit des Grundbuchbeamten im Be—
Unfall beim Holzſchneiden mit einer Kreisſäge; | weisverfahren der Grundbuchordnung. Land-
Haftung des i nach $ 823 Abſ. 1 | richter du Chesne in Leipzig 397
und 2, § 662 BGB. Rechtsk. Bürgermeiſter Dr. Die Datierung der Einträge im Grundbuch. Amts—
Michel in Landsberg a. L. 8⁴ richter Dr. Kübel in Landau a. J. 142
Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des Ge—
e e e Landgerichts⸗ | 5. Strafrecht.
t 2 5
V 142 Kann 8 113 StchB. mit $ 210 StGB. rechtlich
Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des
GewllVG. Rechtsk. Bürgermeiſter Dr. Michel
in Landsberg a. L. 202
Noch einmal der „Arbeiter“ im Sinne des Ge—
konkurrieren? Landgerichtsrat Stummer in
München 267
Rechtlicher Zuſammenfluß zwiſchen Untreue und
e im Amte. II. Staatsanwalt
werbeunfallverſicherungsgeſetzes. Landgerichtsrat
V 0 a 15 55 ena itsſpiel? Kriminal k
7) 5: e : ‘ Z
"Gern, Neat Wlrgermeitee Dr Wider, Prmior Dr. jur, Gn eidert in Berlin 284
in Landsberg a. L. 304 Sind Gewertsungucht ende a
i welche in Bayern von der zuſtändigen Polizei-
Ein i Aa 1 a behörde wegen geſchlechtlicher Erkrankung zur
Straubin 355 Heilung in eine öffentliche Krankenanſtalt ver-
Zur Frage = Kauſalzuſammenhanges im Haft⸗ im Sl nn e 8701
5 im Sinne es > Jandgerichtsra
pflichtrecht. Referendar Dr. Eger in Berlin 435 Gmaehle in M e : 135
.
= —
I. Syſtematiſches Verzeichnis.
Führung verbotener Waffen durch Frauen in
Selbſtmordabſicht? Ratsaſſeſſor Dr. Fiſcher
in Nürnberg 460
Mangel eines ſtrafrechtlichen Schutzes der Ab⸗
ſperrung von Waldungen. III. Staatsanwalt
Dr. Dürr in München 122
W e 5 der Tatbeſtände des
Abſ. 2 PStGB. II. Staatsanwalt
Hümmer in Weiden 163
Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuchs. Bezirks⸗
amtsaſſeſſor Dr. Stein bach in Pfaffenhofen 15
Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuches. Amtsrichter
Pramberger in Eichſtätt 83
6. Straſprozeß.
Ein Vorſchlag zur Aufhebung des § 75 des Ges
richtsverfaſſungsgeſetzes. Amtsrichter PELIS
heimer in Ludwigshafen a. Rh.
Darf der Staatsanwalt das Verfahren gegen Rs
e Beſchuldigten wegen mangelnder
Einſicht in die Strafbarkeit der Tat einſtellen?
I. Staatsanwalt Freilinger in Regensburg 375
Zur Auslegung des 8 115 StPO. Landgerichts⸗
rat Schmid in München 264
Anklageſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſe. Land⸗
gerichtsrat von der Pfordten in München 354
Soll der Staatsanwalt einen beſtimmten Straf⸗
antrag ſtellen? Rechtspraktikant Karpf in Nürn⸗
erg 335
Ablehnung eines Geſchworenen während der Haupt⸗
verhandlung. Landgerichtsrat Stummer in
München 244
Zu § 428 StPO. II. Staatsanwalt Bleyer in
München 41
Der Bußeanſpruch der Ehefrau im Strafprozeſſe.
| II. Staatsanwalt Dr. Haberftumpf in
ö München 304
‚ Koftenpflict bei Uebergang einer zivilſtrafgericht⸗
lichen Unterſuchung in die militäriſche Gerichts⸗
barkeit. Militärgerichtspraktikant Dr. M. Angerer
in Nürnberg
N rage der Zuſtändigkeit bei Anſprüchen eines im
A deraufnahmeverfahren Freigeſprochenen.
I. Staatsanwalt Schüle in in Bayreuth
42
333
7. Inſtizverwaltung.
Die Poſtportofreiheit und die Portoablöſung in
Bayern. Oberregierungsrat Schmitt in München 65
1. Die Erweiterung der Strafliſte zu einem
Perſonalbogen. 2. Koſtenermäßigung gegenüber
| dem von vorneherein geitändigen Angeklagten.
| Landgerichtsrat Vogl in Nürnberg
Zum ehrengerichtlichen Verfahren gegen Rechts⸗
anwälte. Landgerichtsrat Dr. Friedländer
in Limburg a. / L. 162
Zwei Bemerkungen zum ehrengerichtlichen Ver⸗
fahren gegen Rechtsanwälte. Staatsanwalt
| Burkhardt am OLG. München 121
8 64 der Rechtsanwaltsordnung. Reichsgerichtsrat
Maenner in Leipzig 219
Zuziehung von Anwälten zu den durch die Min.⸗
Bek. vom 11. Juli 1900 angeordneten Be⸗
anger Landgerichtsrat Vogl in Nürn⸗
berg 178
Ueber den Erwägungsſtil. Amtsrichter Dr. Kübel
416
C. Praxis der Gerichte.
RG. bedeutet Reichsgericht, ObL G. =
BSH.
1. Bürgerliches Recht.
A. Neichsrecht.
a) Allgemeine Lehren.
Vorausſetzungen der Todeserklärung.
LG. München 1 192
Der Ausſchluß eines Mitglieds us einem nicht
rechtsfähigen Vereine, deffen Statuten Mehr:
heitsbeſchlüſſe zulaſſen, kann durch Mehrheitsbe⸗
ſchluß erfolgen. Darf der Ausſchluß nach den
Statuten nur aus beſtimmten Gründen erfolgen,
ſo iſt die Ausſchließung unwirkſam, wenn dem
Betroffenen der Grund nicht bekannt 91590
wird. (BGB. 88 54, 709). 440
Schnelldruckpreſſe kein Gebäudeteil. Begriff des
„Einfügens“. Bedeutung der Verkehrsauffaſſung.
Antriebsvorrichtung als Zubehör der Maß u =
Mündliche Nebenabrede zu einem notariellen Ver:
trag. Nichterhebung beantragter Beweiſe. RG. 203
Fall der Gültigkeit der in das Beſtätigungs⸗
e aufgenommenen Vereinbarung eines
Erfüllungsortes, wenn der unter Kaufleuten
zunächſt mündlich geſchloſſene Vertrag dieſen
Punkt nicht erwähnt. Einwendung, man habe
Oberſtes Landesgericht, OLG. =
= Verwaltungsgerichtshof.
in Landau a. J 461
8. Sprache. |
Gefangenanſtalt oder Gefangnenanſtalt? Gepr.
Lehramtskandidat Steck in München 478
Cberlandesgericht, LG. = Landgericht
die jene Klauſel entbaltenben allgemeinen Ber:
tragsbedingungen nicht geleſen.
OLG. Zweibrücken 191
| Auslegung eines Kartellvertrags, in dem Ber:
tragsſtrafen feſtgeſetzt ſind, aber nicht aus⸗
drücklich beſtimmt iſt, wem ſie zufallen Ne
418
Die Anfechtung wegen Betrugs ſchließt die An⸗
fechtung wegen Irrtums in ſich. RG. 166
Verſteckter Diſſens. Scherz. (BGB. S$ 116, 118,
154, 155). OLG. Bamberg 49
i Verſtoß gegen die guten Sitten
(§ 138 BGB.). OLG. Nürnberg 229
S zwiſchen Deutſchen am Orte
einer ausländiſchen Spielbank zum Zwecke des
Spielens bei dieſer verſtößt ohne beſondere
Umſtände nicht gegen $ 138 BGB. RG. 165
Zu 8 138 BGB. RG. 144
Vertretung mehrerer minderjähriger Kinder durch
einen Pfleger bei dem Vertrage über Mug-
einanderſetzung der beendeten allgemeinen Güter—
gemeinſchaft oder der Erbengemeinſchaft zwiſchen
der Witwe und den Kindern des Erblaſſers
(§ 181 BGB.). Ob LG. 292
Kann zwiſchen mehreren minderjäbrigen Ge:
i ſchwiſtern ein nicht ausſchließlich in der Erfüllung
einer Rechtsverbindlichkeit beſtehendes Rechts⸗
geſchäft vom gemeinſchaftlichen Vormund allein
geſchloſſen werden, wenn ein Gegenſatz der
Intereſſen nicht vorliegt? RG. 16
b) Recht der Schuldverhältniſſe.
1. Allgemeine Lehren.
He Examen, kein Kalendertag (8 281
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern.
LG. München I 131
Zu § 313 808 (Wenn bei einem Vertrage
über den Austauſch von Grundſtücken Einig—
keit darüber beſteht, daß der Wert der beiden
Grundſtücke ſich ausgleicht, ſo verletzt eine
unrichtige Angabe über den Wert in der Ver⸗
tragsur ande die Formvorſchrift des 9 313
BGB. nicht.) RG 462
Jornworſchrif des 8 313 BGB. Unrichtige Beur-
kundung des Kaufpreiſes. Unterſchied zwiſchen
einer Zuwendung, die den Verkäufer für die
Unterhandlungen günſtig ſtimmen ſoll, und der
Vorauszahlung eines Teiles des eee
1908.
Fälligkeit 8855 Anſprüche. Ba Anwendung
des § 321 BGB. OLG. Zweibrücken 274
Zum Begriffe $ „Abnahme“ beim Werkvertrage.
Abnahme von Teilen des Werks. (§ 641 8 Br
Das Recht des Unternehmers eines Bauwerks auf
Einräumung einer Sicherungshypothek erſtreckt
ſich nicht nur auf Forderungen aus Arbeiten,
die unmittelbar die Herſtellung des Bauwerks
zum Gegenſtande haben. RG.
Rechtsnatur der unentgeltlichen Behandlung in
einer ſtaatlichen Klinik: Berückſichtigung der
Verjährung beim Armenrecht. OLG. München 149
Beſteht ein geſetzlicher Hypothekentitel für An-
waltskoſten, die durch den Antrag auf Ein-
tragung einer Hypothekenvormerkung von Bau—
N entſtehen? (8648 BGB., Art. 50
UeG.). Obe G. 421
166
Maäklerlohn für Vermittelung des Verkaufes einer
Buchhypothek (SS 652, 678, 1154 Abſ. 3 BGB.).
OLG. München 129
Wer einer von ihrem Manne getrennt lebenden
RG. 337
Kann die une einer Schuldübernahme
nach BGB. erfolgen, ohne daß eine
ſchriftliche tele an den Gläubiger vorher-
gegangen iſt? RG. 124
2. Einzelne Schuldverhältniſſe.
Wen trifft die Beweislaſt, wenn gegenüber der
Klage auf den Kaufpreis behauptet wird, der
Verkäufer habe die Ware vertragswidrig einem
Dritten übergeben? RG. 378
Die Vereinbarung eines Ortes als Erfüllungsort
für beide Teile bei einem Kaufvertrage erſtreckt
ſich nicht auf den Wandelungsanſpruch und die
aus ihm fließenden Leiſtungsanſprüche. Der
geſetzliche Erfüllungsort hierfür iſt der Ort,
wol der, Kaufgegenſtand zurückzugeben iſt.
OLG. Zweibrücken 169
Der Veräußerer eines Grundſtückes iſt nicht unbe—
dingt verpflichtet, die Schätzung der Mieterträg—
niſſe durch Angaben über ihre Grundlagen zu er—
läutern. Er handelt nicht unter allen Um⸗
ſtänden argliſtig, wenn er Vorkommniſſe ver:
ſchweigt, aus denen hervorgeht, daß auf den in
der Schätzung angeſetzten Ertrag mit Sicher—
heit nicht zu rechnen iſt. RG.
1. Iſt der Mangel der Erlaubnis zum Betrieb
einer Gaſtwirtſchaft ein „Fehler“ des Grund—
ſtücks im Sinne des § 459 Abſ. 1 BGB. oder
eine „Eigenſchaft“ im Sinne des § 119 Abſ. 2
BGB.? 2 „Stillſchweigende Vereinbarung einer
Bedingung beim Kauf eines Grundſtücks. RG. 310
1. Wie iſt die Beweislaſt zu verteilen, wenn be⸗
hauptet wird, daß der Käufer die „Berz
ſchlechterung“ des Kaufgegenſtandes im Sinne
der 85 467, 351, 347 BGB. verſchuldet habe?
2. Kann eine „Verſchlechterung“ des verkauften
Grundſtücks in dem Rückgange eines auf ihm
betriebenen Gewerbes gefunden werden? RG. 310
Zu 8 530 BGB. RG. 105
Rechtsverhältniſſe an der Kaution eines Angeſtellten.
RG. 437
Zum Begriffe der Kündigung eines Darlehens.
Iſt die Benennung eines beſtimmten Zahlungs⸗
termins ein weſentlicher Beſtandteil der Kündi—
gung? Wirkt die vorzeitig erhobene Klage als
Kündigung? R
Rechtliche Natur der Tätigkeit des den Bauplan
fertigenden und den Bau leitenden Architekten.
G. 309
Frau Unterhalt gewährt, kann nicht ohne weiteres
vom Manne Erſatz nach den Vorſchriften über
die Geſchäftsführung ohne Auftrag verlangen.
RG. 86
a 8 Aufnahme zur Beherbergung S 995 sE
e von Grundſtücken durch eine .
in der Zwangsverſteigerung. Wirkung des Bei—
tritts neuer Geſellſchafter und des Austritts
eines Geſellſchafters. Berichtigung des Grund—
buchs, wenn nicht alle Geſellſchafter 1
find (BGB. 8 738; GBO. 8 22 Abſ. 2, 88 29,
40, 48). Obs. 317
Geſellſchaftsverträge ſind in erhöhtem Maße vom
Grundſatze von Treu und Glauben beherrſcht.
Pflichten des geſchäftsführenden Geſellſchafters.
Analogie der für den Kommiſſionär geltenden
Vorſchriften. RG. 216
Umfang der 1 900 it Vorlegung von Urkunden
nach $ 810 B RG. 309
Sicherung des 1 8 über eine öffentliche Treppe.
Pflicht der bayeriſchen Gemeinden zur Be—
leuchtung der Ortsſtraßen. Beaufſichtigung
öffentlicher Wege. Kauſalzuſammenhang bei
Unfällen (§ 823 BGB.). OLG. Bamberg 25
Unfall durch Nichtverwahrung einer Grube. RG. 269
Verteilung der Beweislaſt beim Schadenserſatz—
anſpruche wegen angeblich fahrläſſiger Verletzung
eines Menſchen durch einen Schuß. (Verant—
wortlichkeit des Schützen für die Beſchaffenheit
der Patrone.) RG. 339
Schadenserſatz wegen zwangsweiſer Verſteigerung
eines Grundſtücks trotz wörtlichen m
Schuldſumme? 378
Umfang der Haftung des ie e ar
Unfälle in einem Stallgebäude. H. 312
Keine Haftung für Verletzung eines Kindes e
eine in der Scheuer ungeſichert ſtehende Häckſel—
maſchine, zu der ſich die ſpielenden Kinder durch
eigenmächtige Oeffnung des Scheunentores Buz
gang verſchafft haben. OLG. Zweibrücken 313
Haftung des Wirts für den Zuſtand der Zugänge
zum Gaſtlokal. RG. 41
Automobilunfall. Welcher Grad von Vorſicht kann
von dem die Fahrſtraße überſchreitenden Noch
gänger verlangt werden? 68
Zu 8 826 BGB. OLG. 9 169
Ein Verſtoß gegen die guten Sitten liegt nicht vor,
wenn in einer Anzeige ein zwar ungünſtiger
VIII
aber nicht unrichtiger Vergleich zwiſchen der
angeprieſenen Ware und der Ware eines Kon⸗
kurrenten gezogen wird. RG. 337
Auf Grund der Vorſchrift im 8 826 BGB. kann
die Unterlaſſung eines Bordellbetriebs in Nach⸗
barhäuſern beanſprucht werden. RG
Automobilunfall. Bedeutung der über den Ver⸗
kehr mit Kraftfahrzeugen erlaſſenen Polizei⸗
verordnungen. Bedeutung der Eigenſchaften
und Kenntniſſe des Kraftwagenführers bei der
Anwendung des § 831 BGB. RG. 183
1. Umfang der fp des Automobilbeſitzers
für nn Chauffeur. Die Haftung ift nach $ 831
Abſ. 1 Satz 2 BGB. nur dann ausgeſchloſſen,
wenn der Dienſtherr auch bei Prüfung der ſitt⸗
lichen und geiſtigen Eigenſchaften des malen
die erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. 2 155
über die Frage, ob gemäß § 843 Abſ. 3 S
dem Verletzten eine Kapitalabfindung ſtatt 28
Rente zu gewähren iſt, ſtets im Zwiſchenurteil
über den Grund des Anſpruchs .
werden? RG.
Beſchädigung eines Pferdes durch den abgeriſſenen
Draht der Starkſtromleitung u Elektrizitäts⸗
werkes (88 836, 837, da bf. 1 BGB.).
OLG. Zweibrücken 423
Zum Begriff des Tierhalters. Stillſchweigender
Ausſchluß der Tierhalterhaftung? Vorüber⸗
gehend angeſtellter Arber in landwirtſchaft⸗
lichem Betrieb? OLG. Zweibrücken 363
Begriff des „mit einem Grundſtücke verbundenen
Werkes“ i. S. des § 836 9 15 (Zelt). Haf⸗
tung des Mieters nach 8 837 BGB. NG. 464
1. Nach welchen Geſichtspunkten I die Zuläſſigkeit
des Rechtswegs zu prüfen? Iſt der geſamte In⸗
halt der Prozeßverhandlungen maßgebend, ins:
beſondere auch die Verteidi ipung des Beklagten?
2. Haften Beamte für Re e auch
nach den 1 NEN Vorſchriften des BGB.
oder nur nach 8 839 BGB.? 3. Kann fidh der
Beamte, der eine Rechtsverletzung begangen
hat, auf einen Dienſtbefehl ſeines Vorgeſetzten
berufen? RG. 436
oet ung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des
8 843 BGB. RG. 378
Der Schadenserſatzanſpruch der Ehefrau nach 8 844
BGB. iſt nicht deswegen ausgeſchloſſen, weil
ſie zur Zeit der Tötung des Mannes von ihm
getrennt in ehebrecheriſchem Verkehre Ta 95
. 183
Unter welchen Vorausſetzungen kann bei einem
Eiſenbahnunfall auf Grund des Beförderungs-
vertrages Erſatz der Reiſekoſten und Schadens⸗
erſatz für Beſchädigung von Sachen verlangt
werden? Verjährung ſolcher Anſprüche. Foa
weislaſt. . 166
c) Sachenrecht.
Rangänderung zwiſchen zwei 1
desſelben Gläubigers (BGB. 88 873, 8
Können einem Grundſtücke, das im Grundbuche
mit mehreren anderen auf demſelben Blatte ein:
getragen iſt, auf dem gleichen Blatte andere
Grundſtücke als Beſtandteile zugeſchrieben
werden? (BGB. 8 890, GBO. 8 4, Banh ð.
5 120). DILG. 46
Wie iſt der Urteilsfag‘ im Falle des S 906 BGB.
zu faſſen RG. 2
1. Eine unzuläſſige Einwirkung auf ein Grund⸗
ſtück i. S. des § 907 Abſ. 1 BGB. kann in der
I. Syſtematiſches Verzeichnis.
6,313
| Beſchattung des Grundſtücks und in der Ber-
Ä 8 des Luftzutritts nicht gefunden
| Dergo 2. Nach gemeinem Rechte beſteht bei
der Vornahme von Veränderungen an einer
öffentlichen Straße oder gänzlicher Aufbebung
der Straße kein een, der
Anlieger. RG. 123
Umfang des Rechts zur Benutzung einer gemein⸗
ſchaftlichen Grenzmauer (88 921, 922 BGB.).
| RG. 42
Können Minderjährige die Auflaſſung wirkſam
erklären? Begründen Bedenken über die Wirk⸗
ſamkeit des den rechtlichen Grund der Auf:
laſſung bildenden Rechtsgeſchäfts die Ablehnung
80078 Eintragung? (88 106, 107, i 925
b G. 467
Die Vorſchrift im § 1004 Abſ. 2 BGB. bezieht
ſich nicht nur auf eine privat⸗ rechtliche ſondern
auch auf eine öffentlich⸗ rechtliche Duldungs⸗
pflicht. RG. 246
Kann eine beſchränkte, perſönliche Dienſtbarkeit
mit dem Inhalte beſtellt werden, daß der Eigen⸗
tümer einer Mühle, der das Waſſer eines im
Eigentum eines Dritten ſtehenden Privatfluſſes
benützen darf, ſich einem anderen gegenüber
verpflichtet, die Wegleitung des größeren Teiles
des Waſſers zu dulden? (BGB. § 10901. Ob G. 316
Liegt ein für Mehrere gemeinſchaftliches Recht im
Sinne von 8 48 GBO., 5 741 BGB. vor, wenn
„je ein lebenslängliches Aae Woh⸗
nungsrecht“ für zwei Perſonen an denſelben
Wohnräumen beſtellt wird? (BGB. 88 1093,
1090). ObLO. 186
Form der Abtretung von Briefgrundſchulden bei
teilweiſe unentgeltlicher, teilweiſe entgeltlicher
Veräußerung. RG. 270
d) Familienrecht.
Begriff der perſönlichen EN eines Che:
gatten i. S. von 8 1333 BGB. Bedeutung
von Krankheiten bei der Feſtſtellung dieſes Be⸗
griffes. RG. 270
Vorausſetzungen und Pren der Vertretungsmacht
| der Frau nach 8 1357 BGB. Inwieweit beſteht
ſie während einer Trennung der Gatten? Maß⸗
ſtab für die Beurteilung des Umfangs der
Schlüſſelgewalt. Ueberſchreitung und Miß⸗
brauch der Vertretungsmacht. Iſt der Dritte
geſchützt, der die Ueberſchreitung der Ber-
ö tretungsmacht nicht kannte? Verteilung der Be⸗
| weislaſt. RG. 17
Eine Forderung der Frau auf einen Geſchäfts⸗
gewinn iſt nicht Vorbehaltsgut im Sinne des
| 8 1367 BGB., wenn fie vor der Eingehun
der Ehe begründet wurde, mag fie auch erit
nach der Eingehung der Ehe fällig 5
| Der Mann, der ein Grundſtück für das Geſamt—
gut der allgemeinen Gütergemeinſchaft oder der
rrungenſchaftsgemeinſchaft erwirbt, kann es
ohne die Zuſtimmung der Frau mit 1
Hypothek für den Kaufpreis belaſten. RG. 3
| 1. Letztwillige Verſügungen eines Gatten bei cn
| ſtehen der allgemeinen Gütergemeinſchaft. 2.
Veräußerung eines Grundſtücks durch den über⸗
lebenden Ehegatten bei fortgeſetzter Güter—
gemeinſchaft. RG. 124
8 Satz 2 BGB. Objektiver oder ſubjek⸗
tiver Maßſtab. Einfluß eines Mitverſchuldens
des mißhandelten Ehegatten. RG. 43
Be vr Bar groben Mißhandlung im Sinne des
„Inhalts verzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1
Vorausſetzung der Scheidung wegen eee
er der Verzeihung i. S. des $ 1570 BGB.
nterſchied von einer nur „moraliſchen“ Ver⸗
zeihung. RG. 245
Beweislaſt für das Vorliegen einer e
im Eheprozeſſe. RG. 463
Die e oreg zur Herſtellung der ehelichen
Gemeinſchaft im Sinne des § 1571 Abſ. 2 Satz 2
B. kann nicht in einer Klage auf Herſtellung
der Gemeinſchaft gefunden werden, die mit einer
Scheidungsklage nur vorſorglich verbunden
wurde. RG.
Welcher Beweis muß geführt werden, um die Ver⸗
mutungen zugunſten der Ehelichkeit eines Kindes
zu entkräften? Be tündung, einer Aalen LAN
durch künſtliche Befruchtung? RG. 35
Beſugnis des Inhabers der elterlichen Gewalt zur
Löſchung einer ſeinem Kinde Dnr Denten Hypo⸗
thek (BGB. § 1795 Abſ. 1 Nr. 1 u. 2 mit
§§ 1630 u. 1686). Ob
Grenzen der Zuſtändigleit des Prozeßgerichts und
des Vormundſchaftsgerichts zur Entſcheidung
über den von den Eltern dem Kinde zu ge⸗
währenden Unterhalt nach 8 1612 Abſ. 2 BGB.
Vorausſetzung des Beſchwerderechts nach § 20
FGG. Ob G. 248
ar HE auf Herausgabe eines Kindes (8 1632
GB.) kann nicht gegen denjenigen erhoben
a der das Kind auf Grund einer nach
$ 627 ZPO. im aroro erlaſſenen 7
weiligen Verfügung bei ſich behält. RG
Muß das Vormundſchaftsgericht vor der .
des Verkehrs des geſchiedenen und für ſchuldig
erklärten Ehegatten mit ſeinem Kinde den
anderen . oder ſonſtige Verwandte
des Kindes hören? ObLO. 22
e des Vaters für das Kind (8 1654
B.). OLG. München 25
a EAA (Vormund) bedarf zur Verpfändung
einer Hypothek des unter feiner Gewalt ſtehen⸗
den Kindes (Mündels) für eine fremde Ver-
bindlichkeit der Genehmigung des Vormund⸗
ſchaftsgerichts. SOS § 1613, § 1822 Nr. 10).
ObL G. 127
5 Erbrecht.
Richtpunkte für die Feſtſetzung der dem Nachlaß—
pfleger zu gewährenden Vergütung (Bo:
SS 1960, 1836, 1915). Ob“. 168
1. Paſſivlegitimation des Teſtamentsvollſtreckers
in Mietſtreitigkeiten. 2. Auslegung von Miet-
verträgen. 3. Ausübung des Kündigungsrechts
nach § 569 BGB. durch den Teſtamentsvoll⸗
ſtrecker. OLG. Augsburg 90
Unterſchied zwiſchen „Vorausvermächtnis“ und
eilungsanordnung“. G. 24
Abgrenzung der Rechte des Vorerben gegenüber
den Rechten des Nacherben in Anſehung der
Nutzungen (Dividenden und Gewinnanteile).
(SS 2111, 101 BGB.). RG.
Erforderniſſe des Vermerks über die Verleſung
des bei der Teſtamentserrichtung aufgenommenen
Protokolls. (S 2212 Abſ. 1 Satz 2 BGB.). RG.
Feſtſtellung der Erklärung des Teſtators, daß er
nicht ſchreiben könne. Bedeutung des Hand—
85
zeichens. RG. 464
Orts⸗ und Zeitangabe 9 eigenhändigen Tefta-
mente. ie ſind Orts⸗ und Zeitangaben zu
beurteilen, die ſich auf einem eee 1
finden:
be G. 380
©)
19
1908.
Verhältnis mehrerer letztwilliger . des
2 Erblaſſers. Auslegungsfragen G. 182
1. Wenn der Erbe den Vermächtnisnehmer vor
anderen Nachlaßgläubigern befriedigt hat, ſo
haben dieſe keinen Herausgabe- oder Be⸗
reicherungsanſpruch gegen den Vermächtnis⸗
nehmer. 2. Dagegen kann die Erfüllung des
e unter Umſtänden nach
88 3 a, 7 des AnfG. angefochten werden, auch
wenn die Erfüllung nur in der Beſtellung einer
Topon! auf einem Nachlaßgrundſtücke beſtand.
enderung des „rechtlichen Geſichtspunkts“
| ohne Aenderung der die Klage begründenden
Tatſachen iſt keine Aenderung der Klage. RG. 308
| gorme orori des § 2239 BGB. Gegenwart
eſtamentszeugen während der ganzen Ver⸗
| Banbhimo: RG.
Bedeutung einer vor dem Nachlaßgericht abgegebenen
Erklärung, durch welche die Verpflichtung zur
Ausgleichung von Vorempfängen anerkannt
wird. RG. 19
|
f) Einführungs- und Uebergangsrecht.
Internationales Recht.
Zu Art. 17 und 29 EG. z. BGB., S8 1567, 1568
BGB. RG. 68
§ 268 BGB. ift auf ein unter der Herrſchaft des
früheren Rechtes 1 E
nicht anwendbar (E A 3 170).
Wirkung des 8 94 Hyp F. v. 1903.
Ob LG. 271
2 Art. 2, 7 des intern. Scheidungsabkommens vom
12. Juni 1902. LG. München 1 295
Scheidung öſterreichiſcher Israeliten im Deutſchen
Reiche. LG. München I 483
Zu Art. 1 des Haager Abkommens zur Regelung
der Vormundſchaft über Minderjährige vom
12. Juni 1902. (Vormundſchaftsrecht in den
| Niederlanden). RG. 144
B. Landesrecht.
nn rechtsfähige Vereine nach Art. 2 UeG. Aus⸗
chließung von Mitgliedern. OLG. Nürnberg 130
Haftung einer bayeriſchen Stadtgemeinde, welche
die Benützung eines gefährlichen Steges nicht
| verhindert und auch den Zuſtand des Steges
nicht verbeſſert. Mitverſchulden des ä
Die Auflaſſung kann in Bayern außer vor dem
| Grundbuchamte nur vor einem bayerischen
Notar, nicht aber vor dem Prozeßgericht oder
einem beauftragten Richter rechtswirkſam er—
klärt werden. (BGB. § 925, CG. 3.— BGB.
Art. 143, AG. 3. BGB. Art. 81). ObLG. 127
Krankenverpflegungsrechte können in Bayern als
Reallaſt nur beſtellt werden, wenn ſie zu einer
Leibrente oder einem Leibgedinge gehören (AG.
BGB. Art. 85, BGB. $ 1105, EG. z. BGB.
Art. 115). Ob G. 208
Wohnungsrecht als 78 e; Tragweite des
Art 27 AG. z. GBO. u VG.
OLG. München 129
Wie weit geht die Zuſtändigkeit des Hypotheken—
amts (Grundbuch-Anlegungs-Beamten) zur Be—
urkundung von Erklärungen ꝛc. ꝛc., die durch
die Anlegung des Grundbuchs veranlaßt werden?
(Art. 10 des Geſetzes über die Anlegung des
Grundbuchs.) Obe G. 147
|
|
| Erforderniſſe der Eintragung des Enteignungsbe—
7 rechtigten als Eigentümers und der Löſchung
2
X I. Syſtematiſches Verzeichnis.
der Verfügungsbeſchränkung des Abtretungs⸗
pflichtigen im Grundbuch. L mt Ac.
eſetz v. 1837 Art. XII und XVI mit A
x es Art. 139, II und Art. 174; G
88 22, 30). Ob LG. 108
Kann bei Einleitung der Zwangsenteignung eines
Sad an einem dem Zwangsenteignungs⸗
erechtigten gebörigen Walde die Eintragung
einer e eee auf dem Blatte
für das Anweſen verlangt werden, mit dem
das Recht als Beſtandteil verbunden iſt?
(Art. XII u. XVI des ZwangsenteignungsG.
von 1837). ObLG. 291
Ein radiziertes Gewerberecht kann nur mit diſtrikts⸗
polizeilicher Genehmigung auf ein anderes An-
weſen übertragen werden. Umfang des öffent⸗
lichen Glaubens des Grundbuchs 8
88 892, 893). be G. 46
Vorausſetzungen für die Eintragung einer a
heits⸗(Kautions⸗) Hypothek (HypG. SS 11, 19).
Ob“ G. 47
Formloſe Abtretun 8 are geſicherter
Strichſchillinge. (Art. 189 EG „Art. 14
NotG. v. 1861, § 154 BGB.). „ech Bamberg 90
Geiſteskrankheit der Eltern rechtfertigt die Anord⸗
nung der Zwangserziehung der Kinder nicht,
kann aber die Vormundſchaft veranlaſſen, von
dem Rechte Gebrauch zu machen, den Aufenthalt
des Mündels zu beſtimmen. (Zwangserziehungs—
geſetz Art. 1, BGB. SS 1631, 1800, I is
er HA Nutzungsrechte an Familiengütern,
die i auf Beſtimmungen nach § 104 der VII.
Verf.⸗Beil. gründen, fallen nicht unter § 1010
BGB. und deshalb auch nicht unter § 71 der
VO. vom 23. Juli 1898 über die Fe
Grundbuchs.
Sind die 55 26, 27 des Fideikommißedikts 1
§ 883 BGB. oder andere Vorſchriften des
neuen ee erſetzt oder find fie noch in
Geltung? (AG. z. BGB. Art. 135). ObL G. 71
Bei Veränderungen in dem Beſtand an Wert-
papieren eines Familienfideikommiſſes gereichen
Kursſchwankungen der Subſtanz des Fidei-
kommißvermögens, nicht dem Fideikommißbe—
ſitzer zum Vorteil oder Nachteile. ObLO.
Auf die in Art. 84 UeG. vorgefebene Ausſchlagung
der im BGB. beſtimmten Erbfolge u die
$5 1912 bis 1957 Anwendung. ObLG. 249
2. Handelsrecht.
Bedarf der Gebrauch des Firmenzuſatzes „Dienſt—
mann -Inſtitut' polizellicher Genehmigung?
(HGB. 8 18 Abſ. 2, GewO. § 37, PSGB.
Art. 1520 Beſchwerderecht der Polizeibehörde
und 148 00, F 80h (in Bayern) im ae
des 8 143 Abſ. 2 FGG. (SS 20, 199 FG.
Art. 167 Ziff. XII AG. z. BGB.). O59. 401
Kann die Firma eines ai auf den Er⸗
werber eines einzelnen Geſchäftszweiges über:
gehen, den der Erwerber zu einem neuen ſelb—
ſtändigen Handelsgeſchäfte macht? (HGB. 85 22,
23, 30). Ob “LG. 440
Verſchleierung des Vermögensſtandes einer Hypo—
thekenbank durch Nichtangabe abgeſchriebener
Hypothekenzinſen in Bilanz und Geſchäftsbe—
richt. (SS 38—40, 240, 261, 271 HGB., 85 24,
27, 28, 42 Hyp Bank.). OLG. Bamberg 209
Die Löſchung einer im Handelsregiſtex eingetragenen
Firma kann im Wege der einſtweiligen Ver:
fügung nicht angeordnet werden, weil die Löſchung
1
d
G88. |
einer Firma endgültig wirkt und mit der Natur
der einſtweiligen Verfügung nur vorläufig wirk⸗
ſame Anordnungen vereinbar ſind. Auch bei der
Erlaſſung einer einſtweiligen Verfügung darf
über den Antrag nicht hinausgegangen 9 305
Kann eine offene Handelsgeſellſchaft durch Mehr⸗
heitsbeſchluß der „ liSohet aufgelöſt werden?
(HGB. 88 119, 109). Ob G. 187
Bertetungebefunis der Ehefrau im Erwerbs⸗
eſchäft des Ehemanns. Auslegung des 8 344
gOS, Stillſchweigende e
(5 1959 BGB.). LG. München I 50
Auch eine nur „proviſoriſche“ und „formelle“
Zeichnung von Aktien bindet den 3eichnenben
gegenüber der Aktiengeſellſchaft. RG. 269
Haftung der Gründer einer Aktiengeſellſchaft für
Zuſagen an die Aktiengeſellſchaft, die ſie vor
oder bei der Gründung gegenüber den Mit⸗
aründern abgegeben haben, die aber in das
Statut nicht aufgenommen wurden (HGB.
$$ 202 mit 186, 585 213 a und 209 b des
Allg. Deutſchen HGB. Ob“ G. 359
Klage auf „Abnahme“ a an den Käufer abge-
lieferten, von dieſem zur Verfügung geſtellten
und bei einem Spediteur hinterlegten Ware.
OLG. Zeibrücken 48
Eigentumsübergang beim Verſendungskauf. Zurück⸗
behaltungsrecht an der vom Käufer zurück-
gewieſenen Ware. Bedeutung des Frachtbrief
duplikats. Erwerbung eines ee, a
verſendeter Ware. 289
3. Wechſelrecht.
Zweifel über die Perſon des Wechſelſchuldners,
wenn der Ehemann der Prokuriſt ſeiner Ehefrau
iſt und mit viniem Namen gezeichnet hat, den
auch feine Frau als Firma führt. Beſchränkte
Wirkung der Rechtskraft in ſubjektiver Be-
ziehung. RG. 205
Unter welchen Vorausſetzungen haftet der Mann
aus den von der Frau mit ſeinem Namen unter—
zeichneten Akzepten? RG. 462
Zur N der Rechte des Wechſel—
inhabers iſt auch permas befugt, deffen —
undurchſtrichenes — Blankoindoſſament dem
ſeine Legitimation begründenden Indoſſamente
nachfolgt. RG. 288
Abtretung einer durch eine Hypothek geſicherten
Wechſelforderung nach Zahlung der Wechſel⸗
ſumme. Verhältnis der abgetretenen Forde—
rung zu der zivilrechtlichen Regreßforderung
des Erwerbers. Wirkung der teilweiſen Be⸗
friedigung der Regreßforderung durch einen
Zwangsvergleich. OLG. Augsburg 250
4. Urheberrecht u. dgl.
Die nach dem WZ. ftrafbare Anbringung von
Druckvermerken und Etiketten auf u Um:
Ian iſt nicht ein Preßvergehen i. S. des
86 CG. z. GVG. und des Art. 35 AG. 3.
OLG. 250
5. Genoſſenſchaftsrecht. Verſicherungsrecht.
Haftpflichtrecht.
Zu 8$ 29, 42, 45 des Gef. betr. die G. m. b. H.
und 88 35, 162 BGB. OLG. Nürnberg 26
Zum a des Betriebsunfalls im Sinne des
HaftpflG RG.
—
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift
1. Erforderniſſe pa” die pea virpa Ate bindenden
Fine i. Gew G.
Unfall eines Propiſtong-Reiſenden, der 8
Aber ed im Fabrikbetriebe tätig wird. RG. 20
Zum Begriffe des land⸗ oder cee
Nebenbetriebs. . 106
Auslegung von Haftpflicht⸗Verſicherungs⸗ a
gungen. RG. 105
a nn. der i
wenn der To „ durch „Verhebung“
verurſacht worden iſt. — Beurteil un der Recht⸗
zeitigkeit der an die Verſicherungsgeſellſchaft zu
erſtattenden Todesanzeige nach den Grundſätzen
für Rechts pflege in Bayern.
über Treu und Glauben. RG. 339
Bericht, eine Ver uiotung der Verſicherungsgeſell⸗
chaft, den Pfandgläubiger einer Police von
LE Nichtzahlung der fälligen Prämie des
Pfandſchuldners in Kenntnis zu ſetzen? RG. 379
Welche er find bei Prüfung der Verwechſe⸗
lungs fähigkeit zweier Warenzeichen in Betracht
zu ziehen? RG. 20
6. Zivilprozeß. Gerichtsverfaſſung.
Zur Auslegung des 8 5 ZPO. OLG. München 442
Auslegung des 8 29 BVO. OLG. Bamberg 150
Tragweite des 8 68 ZPO. Erfüllt die Feſtſtellung
des Notars in einem Teſtamente, der Erblaſſer
habe erklärt, daß das Schreiben ihn ſehr an⸗
568.5 8 die e des § 2242 Abſ. 2
Haftung des us für den durch
einen Notar berurfachten Schaden. (Art. 126
NotG. von 1899; $839 Abſ. 1 BGB.). Obs G. 225
Die Auslagen für ärztliche Gutachten zur Bor:
bereitung der Klage können zu den Prozeßkoſten
gehören. LG. Memmingen 321
Ganggebühr (8 91 3 NO.). LG. München I 131
geari der feſtzuſetzenden nn (SS 104, 788
3PO.). G. München 1 111
Bedeutung des FE bei Bus
Me ungen uon Amts wegen. (8 212 Abſ. 1 der
che Folgen hat das Fehlen des
ae it Folgen eine e An:
gabe des Datums der Zuſtellung? RG. 222
Der Generalagent kann Generalbevollmächtigter
der von ihm vertretenen Geſellſchaft und nach
§ 173 ZPO. zur eee von Zu⸗
en befugt fein. LG. Zweibrücken 250
Zu 8 280 ZPO. NG. 144
veglaubigung der Abſchrift einer Klageſchrift,
welche die Terminsverfügung des Vorſitzenden
zwiſchen Ueberſchrift und Sachvortrag eingerückt
enthält. G. Zweibrücken 294
Begründung des Urteils in Anſehung der Beweis⸗
würdigung. RG. 437
Umfang der Rechtskraft. 0 fung des Eides über
eine Genehmigung. (3 $$ 322, 345, 19 w
Koſten eines mit le erwirkten 3
urteils (S 344 ZPO.). OLG. Bamberg 443
R Bredt des Inhabers einer
el nach § 383 Ziff. 5 und § 384 Ziff. 3
OLG. Bamberg 228
Dane nung eines Sachverſtändigen wegen früherer
eußerungen über die Anſprüche einer Partei
und den mutmaßlichen Ausgang des Rechts-
ſtreits. RG. 269
Der Umſtand, daß in der Berufungsſchrift das
angefochtene Urteil nicht genügend bezeichnet iſt,
iſt unſchädlich, wenn nach den Umſtänden des
Der Formvorſchrift des 8 569 Abf. 2
— ——U— —— ͤ ꝛ— —'³—ñ.—— —
Neuer Vermögenserwerb.
N
Falles ein Zweifel darüber nicht möglich ift,
auf welches Urteil ſich die Berufung bezieht. RG. 143
Wird während der Anhängigkeit eines Rechtsſtreits
in der eee zunächſt von einer Partei
die Zurücknahme der Klage und ſpäter von der
anderen die Zurücknahme der Reviſion erklärt,
ſo kann die letztere ein Urteil über den Koſten⸗
punkt vom Reviſionsgerichte nicht mehr ver⸗
langen. RG.
Berechnung der Reviſionsſumme, wenn der Be⸗
klagte zur Rechnungsſtellung über die Führun
der Geſchäfte einer mehreren gemeinſchaftli
5 Ziegelei verurteilt worden iſt und
eviſion eingelegt hat. (ZPO. 8 0 1). a
der BROD.
ift nicht genügt wenn der Beſchwerdeführer
war die Beſchwerde zu Protokoll des Gerichts⸗
ſchreibers des OLG. erklärt, zur Begründun
aber auf ein Schriftſtück verweiſt, das er 111000
43
verfaßt hat.
Die Klage, durch die ein Entmündigungsbeſchluß
angefochten wird, iſt auch dann gegen den An⸗
tragſteller zu richten, wenn dieſer nach der Er-
laſſung des Beſchluſſes ſein A ver⸗
loren hat. RG.
Hängt die Fälligkeit eines Hypothekkapitals davon
ab, daß der Schuldner die Zinſen nicht recht⸗
zeitig zahlt, ſo darf die Vollſtreckungsklauſel
zu dem Hypothekenbriefe nicht deshalb ver-
weigert werden, weil der Verzug nicht nad:
gewieſen iſt. Ob G. 223
Vollſtreckbarkeit öſterreichiſcher Urteile in Deutſch⸗
land. Prüfung der Zuſtändigkeit der aus⸗
ländiſchen Gerichte. RG.
Gegen den mit ſeiner Frau im Güterſtande des
BGB. lebenden Mann kann der Notar dem
Hypothekgläubiger die Vollſtreckungsklauſel auf
Duldung der Zwangsvollſtreckung in das An⸗
weſen aus der vor Anlegung des Grundbuchs
aufgenommenen Hypothekurkunde nicht erteilen,
wenn nicht die Erklärung des Mannes vorliegt,
daß er die omang DuER dumm bewillige
(Not G. v. 1899 Art. 45; BVO. § 739, 8 5
Abſ. 2; A0. z. BGB. Art. 166 Abſ. 2; PE
BVO. u. KO. Art. 128, 136; UeG. e
Fallen Schauſteller unter 8 811 Nr. 5 ZPO.?
Entbehrlichkeit von Erſatzſtücken. LG. München 1 151
Kein Anſpruch auf eine vom Eigentümer vorbe—
haltene Rangſtelle für eine Vollſtreckungshypothek.
e der F Ueberweiſ lung
des Rechtes auf eine vorbehaltene Rangſtelle
(HG. 8150, u z. SubhO. Art. 40, BGB.
§ 881, ZPO. 8 866). Ob“ G. 208
Vorausſetzungen für die e eines Wider⸗
ſpruchs gegen eine Hypothek auf Antrag eines
Gläubigers des Eigentümers, der die Pfändung
der angeblichen Eigentümerhypothek und des
Anſpruchs auf Berichtigung des Grundbuchs
ſowie die Ueberweiſung der gepfändeten An-
ſprüche zur DN erwirkt hat. (BGB.
SS 894, 899; ZPO. 8 836). Obs G.
Fortwirkung des an im unge
eidsverfahren. (SS 900, 901 BBE
LG. München 1 72
($ 903 3] O.).
OLG. München 111
Zuſtändigkeit der Kaufmannsgerichte. RG. 479
Zuſtändigkeit für die Beſchwerde gegen Ver⸗
weigerung der Rechtshilfe nach § 172 Inv.
LG. Bamberg 211
245
106
313
207
XII
I. Syſtematiſches Verzeichnis
7. Konkursverfahren.
Der Konkursverwalter iſt nicht berechtigt, Zubehör⸗
ſtücke eines mit Hypotheken belaſteten Grund⸗
ſtückes des Gemeinſchuldners zu veräußern und
den Erlös zur Maſſe zu ziehen, falls die Ver⸗
äußerung nicht durch die Regeln einer ordnungs⸗
mäßigen Wirtſchaft geboten ift. Die Hypothek⸗
gläubiger können den Erlös aus der Maſſe
zurückfordern, auch wenn ſie der Veräußerung
nicht widerſprochen haben. RG.
Beweislaſt im Falle des § 30 Ziff. 2 KO. Zahlungs-
einſtellung durch Flucht des Gemeinſchuldners.
OLG. Bamberg 403
Wirkung der Konkursanfechtung A den formellen
Beſtand einer Pfändung.
G. München 1 170
Zur Auslegung des § 127 KO. OLG. München 442
Hat während eines inländiſchen Konkursverfahrens,
das durch Zwangsvergleich beendet wurde, für
die zum Konkurs angemeldete Forderung des
Gläubigers auch eine Zwangsvollſtreckung im
Auslande ſtattgefunden und iſt hierdurch ein
Teil der Forderung beigetrieben worden, ſo
braucht ſich der Gläubiger den Teil nicht auf
die ihm durch den Zwangsvergleich zukommende
Dividende anrechnen zu laſſen. Territorialität
des e (KO. 8 193, 8 237 Abſ. 5 15 50).
bL G. 272
8. Zwangsverſteigerung.
Abänderung des § 10 ZwVG. durch Vereinbarung.
LG. München
Wirkung des Zuſchlags in Anſehung der Beſtand⸗
teile und des N Feſtſetzung eines Weg-
nahmerechts im Beſchl nije über den Zuſchlag.
Ausle egung des Beſchluſſes. Berückſichtigung
der Vorgänge des Verſteigerungstermins bei
171
der Auslegung. Rechtliche Natur des Zuſch gs
RG. 267
Schickſal einer zur Sicherung des Anſpruchs auf
Auflaſſung eingetragenen Vormerkung in
Zwangsverſteigerung. R
Von welchen Grundſätzen iſt bei der Bemeſſung
des Werts einer Grunddienſtbarkeit auszugehen,
die durch den Zuſchlag in der Zwangsver⸗
ſteigerung erloſchen iſt und für die Erſatz aus
der
G. 1
dem Verſteigerungserlöſe zu gewähren iſt? RG. 306
Bedeutung der Löſchungsvormerkung (8 1179
BGB.), insbeſondere in der eee
RG. 417
rung.
1. Steht eine auf Grund des § 935 ZPO. ange:
ordnete e unter den Regeln
des Zw G.? 2. Vorausſetzungen für die Ges
währung des Vorrechts nach § 10 Nr. 1 105
9. Freiwillige Gerichtsbarkeit.
Unter welcher Vorausſetzung iſt die ſofortige
weitere Beſchwerde zuläſſig, wenn die Vorin⸗
ſtanzen die Eintragung eines Vereins in das
Vereinsregister zurückgewieſen haben? (BGB.
§ 60 Abſ. 2; BPO. 8 678 Abſ. 2).
Die Anordnung einer Abweſenheitspflegſchaft kann
vom Prozeßgegner des Abweſenden nicht mit
Beſchwerde angefochten werden (§ 20 FGG.).
479
Ob“ G. 341
ObLO. 341
Beſchwerderecht des nach früherem Rechte ge⸗
ſchiedenen Ehemannes in einer Angelegenheit,
welche die Sorge für die Perſon eines aus der
geſchiedenen Ehe hervorgegangenen Kindes be—
j
398
l
|
l]
Beſchwerderecht des wegen Geiſtesſchwäche Ent:
trifft, deſſen Erziehung durch Vertrag der
Mutter überlaſſen wurde, wenn die Anord-
nung der Mutter on Intereſſe des 50055
nicht entſpricht (8 „Abf. 1 Nr. 9
EG. z. BGB. Art. 203. 206, BGB. 8 1635
Begründet das Zuſammenleben einer en
Ehebruchs geſchiedenen Frau mit dem Manne,
mit dem ſie die Ehe gebrochen, aber ohne Be⸗
freiung von dem Verbote des § 1312 BGB.
im Ausland eine neue Ehe geſchloſſen hat, den
Vorwurf des amta Verhaltens im Sinne
des § 1666 Abi. 1 BGB. ObLO.
mündigten a) in feinen perſönlichen Verhältniſſen,
b) in ſeinen Vermögensangelegenheiten (8 114
BGB.; SS 59, 63 FGG.). ObLO.
Kann bet Erbſchaftsvermächtnisnehmer im Ber-
0 8 über den Nachlaß des Beſchwerten die
auf Antrag der Erben angeordnete Nachlaß⸗
verwaltung mit Beſchwerde e (BGB.
§ 2062; FGG. § 57 Abſ. 1). Ob LG.
Die Auseinanderſetzung des Nachlaſſes darf nicht
dadurch gehindert werden, daß möglicherweiſe
unermittelte Abkömmlinge von erbberechtigten,
für tot erklärten Verſchollenen vorhanden ſind.
(Nachlaßgeſetz Art. 3, FGG. § 86). Obs G.
Beſchwerderecht in Nachlaßſachen; Zuſtändigkeit
des Nachlaßgerichts, wenn der Tod des Erb⸗
laſſers oder die Zugehörigkeit von Vermögens⸗
teilen zum Nachlaſſe beſtritten ift (FGG. SS 80,
86; NachlaßG. v. 1902 Art. 4, 5).
Kann der Prinzipal vom Regiſtergericht oder dem
vorgeſetzten Landgerichte die Löſchung der
Firma erwirken, unter der ohne ſeine Genehmi⸗
gung ſein Handlungsgehilfe während des Dienſt⸗
verhältniſſes ſich hat im Handelsregiſter als
nhaber eines e e 142
laſſen? (G GB. 88 29, 60; FG. 8 .
10. Grundbuchweſen.
Beſtimmtheit der Bezeichnung der Forderung bei
Sicherungshypotheken; Umfang der Vorlage—
pflicht für Abſchriften.
Unter dem Eigentümer, deſſen Zuſtimmung nach
8 22 Abſ. 2 GBO. zur Berichtigung des Grund-
buchs erforderlich iſt, iſt nicht der eingetragene
Eigentümer zu verſteben, ſondern wer als Eigen⸗
tümer eingetragen werden ſoll. Notwendigkeit
der Zuſtimmung des eingetragenen Eigentümers
trotz § 22 Abſ. 1 GBO. Ob
Vorausſetzungen für die Eintragung der Pfändung
einer i in das Grundbuch
(S 40 ObLO.
Wie kann eine nach älterem Rechte auf Veran⸗
laſſung des Nachlaßgerichts im Hypotheken—
buche (nun Grundbuch) eingetragene unrichtige
e geändert werden? A
6, § 22.
11. Gerichtskoſten. Gebühren.
Zur Anwendung der 88 12 Abſ. 2, 13 Abſ. 3
GKG.; Begriff der weiteren Seſcwerde im
Falle des 8 571 Halbſatz 1 BVO
421
224
318
146
Ob G. 361
481
LG. München 1 230
315
208
be G. 466
OSG. München 190
Vergleichsgebühr (S 21 GKG.).
Entſchädigung der ärztlichen Sachverſtändigen für
Aktenſtudium. OLG. München
Aerztliche Sachverſtändigengebühren.
LG. München 1 131
72
LG. München I 210
au
Gebühr für die Eintragung von vier Geſamt⸗
prokuriſten einer Aktiengeſellſchaft in ſechs
vom gleichen ee für ebenſoviele
i geführte Handelsregiſter.
GebG. (n. F. von 1906) Ar 55, 56, 57.
i ObLO. 381
Gebühr für eine außerhalb Bayerns beurkundete
Zeſſion einer in einem bayeriſchen Grundbuch
eingetragenen Hypothek. (GebG. in d. F. von
1899 Art. 119, 155: NotGebO. Art. 17 88 a
Keine Verpflichtung zur Entrichtung der Beſitz⸗
e bei Auflöſung einer aus
Vater und Sohn beſtehenden offenen Handels⸗
geſellſchaft durch den Tod des Vaters und Ueber⸗
gang des Geſellſchaftsvermögens auf den über:
8 Geſellſchafter (Art. 213, 214 Geb.
d. F. vom 6. Juli 1892, Art. 253 und 253
b. F. vom 28. April 1907). VGH. 230
Gehört die Beſitzveränderungsgebühr für ein im
Wege der Erbfolge erworbenes Grundſtück zu
den e A en 2 Beſchränkt ſich
die Haftung des Erben für ſie auf den Nachlaß,
wenn die Nachlaßverwaltung angeordnet oder
der ee eröffnet iſt? (SS 1967, 1975
BGB.) VG. 275
Wertangabe zur Berechnung der Teſtaments⸗
gebühr des Notars (Notariatsgebührenordnung
Art. 27). ObLO.
Auslegung von Urkunden zum Zwecke der Beſtim⸗
mung der Staatsgebühren. Berückſichtigung
von Umſtänden, die nicht aus der Urkunde
hervorgehen (Geb. Art. 48, BGB. 9 855 as
Zuſtändigkeit für einen Streit über Beſitzverände⸗
rungsgebühren, die nicht auf einer notariellen
Urkunde, ſondern unmittelbar auf dem Geſetze
beruhen. (GebG. Art. 247, 248, 47). ObLG.
23
12. Strafrecht.
A. Neichsrecht.
a) Strafgeſetzbuch.
1. Allgemeiner Teil.
Zweck der Strafe iſt nicht nur die Sühne ſondern
auch die Abſchreckung. Dieſer Zweck darf bei
der Strafzumeſſung berückſichtigt werden. RG. 247
Kann der Eigentümer eines Kraftwagens für die
von dem Chauffeur begangenen Uebertretungen
ſtraßenpolizeilicher Vorſ riften alle
AJunuhaltsverzeichnis der r Jeitſchrift fi für Rechtspflege in Bayern. 1 1908.
2. Beſonderer Teil.
Verurteilung nach 8 95 StGB. ohne Ermittelung
des Wortlauts oder Inhalts der gebrauchten
als „grobe Schimpfworte“ gekennzeichneten Aus⸗
rücke. RG. 108
Drohung im Sinne des $ 114 StGB. RG. 86
Begriff des 5 nach § 174 Abſ. 1 Nr. 1
StGB. (Bayern). RG. 420
verantwortlich gemacht werden? Ob G. 128
Strafrechtliche Verantwortlichkeit des in 195
Kraftfahrzeuge fahrenden Eigentümers hit ſtraf⸗
bare Handlungen des Führers. Obe
Eigentliche und vermeintliche Notwehr (88 53, 59
StGB.); in der Sachlage begründete Not—
wendigkeit, ſich über 8 53 Abſ. 3 StGB. aus:
zuſprechen. RG.
Notwehr ge gen den Angriff eines Tieres. ($ 53
StGB.). Putativnotwehr (E 228 BGB.). Irrtüm⸗
licher Glaube hinſichtlich einer drohenden Ge⸗
988 deren Abwendung im Sinne des $ 228
45
bLG. 342
Urkundenfälſchung durch Fertigung eines eigen⸗
Obs G. 48
Schwerſte Strafe im Sinne des 8 73 StGB. RG. 271
Zur Sa denung des 8 79 StGB. und des 8 492
SPD. ObL G. 362
Wie iſt die Strafe innerhalb des geſetzlichen Sr
rahmen zu gemener, RG. 439
Vornahme unzüchtiger Handlungen mit einer Perſon
unter 14 Jahren ($ 176 Nr. 3 StGB.). RG. 340
Mit Gewalt vorgenommene unzüchtige Handlungen
(5 176 Nr. 1 StGB.). RG.
Unter welchen Vorausſetzungen ſind photo—
graphiſche Darſtellungen nackter menſchlicher
Körper unzüchtige Abbildungen? RG. 10
Nach welchem Geſetz iſt die Strafe bei einem
unter mildernden Umſtänden verübten Ver⸗
brechen nach Ss 177, 43, 176 Nr. 3, 8 73 StGB.
zu bemeſſen? RG. 223
Sind Verſuchshandlungen zur Notzucht 8 177
StGB.) ſtets e Handlungen im Sinne
des § 176 Nr. 1 StGB.? RG. 481
In dem Beflaggen des Hauſes beim Umzuge Een
Perſon kann eine Beleidigung liegen. VOLG. 169
Idealkonkurrenz zwiſchen § 187 und § 185 nn 8
Innere Vorgänge als Umstände des 8 193 ea ? 55
Wahrung berechtigter Intereſſen durch einen Be⸗
laſtungszeugen gegenüber einem Entlaſtungs⸗
zeugen in der Hauptverhandlung. Ob G. 422
Wahrnehmung berechtigter Intereſſen' für einen
Auftraggeber. Einfluß des Irrtums über Die.
Beweggründe des Auftraggebers. Ob LG. 3
Zum Begriffe des „hinterliſtigen Ueberfalls“ 1
der „das Leben gefährdenden Behandlung“ im
Sinne des § 223a StGB. RG. 465
Wee der nach $ 257 oder § 346 StGB.
ſtrafbaren an 2 ($ 264 StPO.). RG. 167
Unterſchlagung. egriff der „fremden Sache“.
Bewußtſein De echtswidrigkeit. In der Be:
auptung, „es handle ſich nur um zivilrechtliche
nſprüche“, liegt ein Beſtreiten dieſes 7291 0
ſeins. Ob LG. 293
Abtretung einer künftigen Forderung, die 1 un⸗ |
abtretbar zur Entſtehung gelangt. Betrug durch
Verſchweigung dieſes letzteren Umſtands. Ver—
Ae ($ 263 StGB.; 559. 399,
402 BGB RG.
Kann der 1 haftende Geſellſchafter einer
Kommanditgeſellſchaft im Sinne des 8 266
Nr. 2 StGB. Bevollmächtigter der eee
und 85 Geſellſchafter ſein? H. 480
Urkundenfälſchung durch Durchſtreichung eines nn
trags in einem Kontobuch ($ 267 StGB.). RG. 291
20
händigen Teſtaments mit dem Willen des
Teſtators ($ 267 StGB., § 2231 Nr. 2 BO A
enne — 100 — Rechtswidrige Abſicht
(S 267 StGB RG. 290
* (SS 267, 268 Nr. 1 StGB..
RG. 206
Telephoniſch aufgegebenes Telegramm als beweis—
erhebliche Urkunde (§ 267 StGB.). RG. 166
Veränderung des Inhalts einer Urkunde als Be—
ſchädigung; ſpätere Wiederherſtellung des ur:
ſprünglichen Inhalts (S 274 Nr. 1. 8 267
StGB.). R. DIS
Beiſeiteſchaffung von Vermögensbeſtandteilen (8 288
StGB.). RG. 45
n . — Wee
(8 288 StGB.). RG. 145
Eigentum an dem Gas, das noch im Leitungsrohr
ſteht, aber bereits die Gasuhr paſſiert hat.
Miteigentum. Sachbeſchädigung an dieſem Gas
durch Einpumpen von Luft. Berechtigung zum
Strafantrag. ObLO. 190
Zu § 328 StGB. Obe G. 128
Zum Begriffe 5 a ung von Gefangenen im
Sinne 5 34 Was gehört zum
Vorſatz? RG. 439
Iſt ein in eine öffentliche Nee EIRO Datter
BEENDEN I Geiſteskranker ein Ges
angener im Sinne des § 347 StGB.? RG. 465
§ 363 oder § 267 StGB.? RG. 21
Zum Tatbeſtande des Mundraubs (8 370 Nr. 5
StGB.). Verletzung des $ 266 Abſ. 2 St
Aufhebung des Urteils auch zugunſten der ver-
urteilten Hehler nach $ 397 StVO. RG. 312
b) Nebengeſetze.
Verjährung der Fahnenflucht. (S 76 RMStGB.
mit 8 67 Abſ. 2 R StGB. und Art. II 8 3 des
RGeſ. vom 11. Februar 1888 betr. Aenderung
der PEON Die Verjährung beginnt mit
dem 1. April, nicht dem 31. März desjenigen
Kalenderjahres, in dem der Wehrpflichtige das
39. Lebensjahr vollendet. Reichsmilitärgericht 231
1. Verpflichtung der Geſchäftsführer einer Geſell⸗
ſchaft m. b. H. zu kaufmänniſcher Buchführung.
2. Wann liegt Unterlaſſung der Führung von
AE nchen vor? RG. 42
Pflicht zur Aufſtellung einer Eröffnungsbilanz bei
der Eröffnung eines Vollkaufmanngeſchäfts trotz
bisheriger Bilanzziehung in einem nicht buch⸗
fübrungspflichtigen Betriebe (8 240 Nr. 4 K O.,
88 1. 2 ip 39 HGB.). R G. 290
Verjährung von ee (S 22 des Ru
vom 7. Mai 1874). 464
Verhältnis des 1 zum 8
eſetz und insbeſondere des § 9 des eriten 5
ſetzes zum $ 155 VBO. im Falle des § 2 lit. b
RG. 27¹
Herſtellung von Backwaren mit Margarine und
Palmin ſtatt Butter. Oertliche Uebung. Kennt—
nis des Publikums hiervon. Feſtſtellung dieſer
Kenntnis. Obe G. 89
Herſtellung von Backwaren mit Margarine und
Palmin. Kenntnis des Publikums. Subjektive
Tatbeſtandsmerkmale der SS 10, 11 NG. und
des § 367 Nr. 7 StGB. Obs G. 342
Zum Weingeſetz. RG. 184
Altes und neues Weingeſetz. Die Höhe der Ver—
kaufspreiſe rechtfertigt den Schluß, auf Waſſer⸗
zuſätze. Fortgeſetztes Vergehen bei Verfehlungen
gegen das alte und neue Weingeſetz. Welches
Geſetz gibt Maß für die anzuwendenden Straf—
e ? Iſt der Zuckerzuſatz (unter
der Herrſchaft des alten Wetngeje ges), der nur
ur Vermehrung nicht zur Verbeſſerung erfolgt,
erfälſchung im Sinne des RM., auch wenn
die Grenzzahlen eingehalten ſind? RG. 126
Auslegung des Abſ. III des § 3 WeinG.; Ver:
wendung von Treſterwein zur Bereitung von
Wermutwein und Wermutlikör; Möglichkeit
der Verwechslung von Treſterwaſſer mit 910 5
G. 465
JI. Syſtematiſches ches Verzeichnis.
Geſchichtliche Entwickelun
—— — — —— ——ͤ1—— ——— — m' — — —
Die in 8 139 GewO. vorgeſehene Mittagspauſe
von mindeſtens 1 Stunden muß auch an
Sonntagen trotz der verkürzten ee. ge
währt werden. b G. 110
Zum Begriff der ie
Geſetzes vom 4. Juli 1905, betr. die?
öffentlich veranſtalteten Pferderennen).
G8 3, 6 des
etten bei
RG.
B. Landesrecht.
Zur Auslegung des Art. 58 PStGB. ObLG. 209
Kann eine von einem unbekannten Schützen ge⸗
ſchoſſene, vom Jagdpächter in Beſitz N
Rehgeiß, oder der von ihm dur erkauf er⸗
zielte Erlös gemäß Art. 125 Abi. 3 PStGB.
eingezogen werden? Können die den Ein⸗
ziehungsintereſſenten erwachſenen notwendigen
Auslagen der „Staatska e überbürdet werden?
(S8 449 Abſ. 2, 478 Mbl. 3 StPO.). Ob LG. 362
i- 55 ee im Sinne des 8 117
RG. 438
eg in, Bayern Beſchädigungen von ſtehendem
Holze im Walde als Sachbeſchädigungen mow.
§ 303 StGB. ſtrafbar fein? RG
Bayeriſches Vereinsgeſetz. Politiſcher .
effentliche Angelegenheiten i. S. des Vereins⸗
rechtes. Der Zweck eines Vereins iſt nicht
allein nach dem Inhalt der Statuten, ſondern
auch nach der Abſicht zu beurteilen, die die
Vereinsangehörigen erreichen wollen. ObL G. 274
Verpflichtung des Trödlers zur Führung des
Geſchäftsbuches, auch wenn er gleichzeitig noch
ein Großhandelsgeſchäft mit den gleichen Gegen⸗
ſtänden betreibt. Unmöglichkeit der Ausſcheidung
zwiſchen großen und kleinen Geſchäften. ObLG. 24
| Ausſchank des „eigenen Erzeugniſſes“ 998 ſog.
Kommunbrauer. LG. 148
und rechtliche Grund⸗
lagen der Theaterzenſur in Bayern. Welche
Strafvorſchrift iſt bei Zuwiderhandlungen ae
Konzeſſionsbedingungen anzuwenden? Ob LG.
Geſchichtliche Entwickelung des Lotterie⸗ „
Begriff der „in Bayern nicht zugelaſſenen
Lotterie“. Ob“ G. 227
Zum Hundegebührengeſetz. Ein Dienſtmädchen,
das den Hund ihrer nicht in Bayern wohnenden
Dienſtherrſchaft mit ſich nach Bayern nimmt,
muß den Hund innerhalb der geſetzlichen Friſt
anmelden, auch wenn ſie nur vorübergehend in
Bayern verweilt. Verſchulden. Ob LG. 383
Zur Bauordnung. Wann liegt eine bauliche Anlage
in einem Dorfe vor? Feſtſetzung der Baulinie;
Wirkung dieſer Feſtſeung: fortdauernde Wir—
kung des Beſchluſſes; Fehlen des Bauplanes;
Wirkung des Umſtandes, daß eine Mauer zum
Teile im Dorfe, zum Teile außerhalb des Dorfes
errichtet wird. Obs G. 402
Zur Bauordnung. Verſchulden bei falſcher Aus-
kunft durch den Diſtriktstechniker. „Beſondere
techniſche Vorſichtsmaßregeln“ des 8 7 Biff. 2.
Ein Urteil, durch welches im objektiven
Verfahren der Polizeibehörde die Beſeitigungs—
befugnis nicht zuerkannt wurde, begründet nicht
den Einwand ne bis in idem für die Straf—
verfolgung nach 8 367 Nr. 15 StGB. Ber:
jährung. Obs G. 467
„Oeffentlicher Verkehr“ i. S. der Maß- und Ger
wichtsordnung vom 17. Auguſt 1868, Art. 10;
„Zum Gebrauche im Gewerbe geeignete Maße“
i. S. des 8 369 Nr. 2 StGB. Ob“ G. 482
13. Strafprozeß.
Mitwirkung eines nach § 22 Nr. 4 StPO. aus-
geſchloſſenen Richters bei dem Beſchluß 1
die Eröffnung des Hauptverfahrens. RG.
Können Geiſteskranke als Zeugen vernommen
werden? RG. 43
Beweislaſt des Angeklagten im lee
$ 186 StGB. G.
Begriff des ſchriftlichen Strafantrags (8 156 Abſ. 2
StPO.). RG. 45
Zu § 170 StPO. OLG. München 483
Die vom Staatsanwalt erhobene öffentliche Klage
kann noch zurückgenommen werden, wenn das
Gericht nach Einreichung der Anklageſchrift
die Vornahme einzelner Beweiserhebungen an⸗
geordnet hat ($ 154 StPO.). RG. 481
Antrag auf Vernehmung eines r
als Zeuge, gegen den nach 8 203 StPO. wegen
Abweſenheit das Verfahren vorläufig ein⸗
geſtellt ift. (S 243 StPO.). G.
un ef Ablehnung von Beweisanträgen (8 243
StPO.). RG. 2
Wie iſt bei tatſächlicher Unmöglichkeit der Ver⸗
nehmung eines geladenen und erſchienenen
Zeugen 85 der Hauptverhandlung zu verfahren?
(S 244 StPO.). RG. 420
Hinweiſung auf die Veränderung des rechtlichen
Geſichtspunktes. ($ 264 StPO.). RG. 185
Wann kann angenommen werden, daß das Urteil
auf einem Verſtoße gegen $ 302 StPO. nicht
beruhe? RG. 420
Wiederholte Vornahme einer Prozeßhandlung.
RG. 145
Die unzuläſſige Verleſung eines Protokolls in der
Hauptverhandlung vor dem Schwurgerichte
kann dadurch unſchädlich gemacht werden, daß
der Vorſitzende die Geſchworenen anweiſt, das
Protokoll nicht zu beachten. RG. 247
Strafzumeſſung unter ſelbſtändiger Feſtſtellung von
Tatſachen in Schwurgerichtsſachen. Angeblicher
Widerſpruch mit dem Spruche der Gef ä =
Unter welchen Umſtänden iſt das Stimmenver⸗
hältnis nach Maßgabe des § 307 Abſ. 2 StPO.
Inhaltsver ze ichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern
A
1908.
XV
bei der Verneinung der Frage anzugeben, ob
mehrere Taten Durch eine fortgeſetzte Handlung
begangen ſind? RG. 312
Vollzug von Zeugenſtrafen (§ 380 StPO.).
OLG. München 423
= 88 384, 392 StPO. — Beſchränkung der Re-
viſion auf einen Teil des Urteilsſpruches. RG. 359
§ 385 Abſ. 1 StVO. RG. 223
Beſchränkung der Reviſion auf die Ueberweiſung
an die Landespolizeibehörde. (8 392 98 i
Aufhebung des Urteils unter a 11
Feſtſtellungen (88 393, 394 StPO.). RG. 108
Strafzumeſſung nach § 398 Abſ. 2 St Bd. in An-
ſehung der Einzelſtrafen und der eee 7
Protokollrüge. RG. 145
Tod des Nebenklägers in der eee
(§ 442 StPO.). . 185
Beweisantrag des Nebenklägers. Unzuläffige 555
wegnahme des Beweisergebniſſes. RG. 21
7 14. Staatsrecht. Verwaltung. Militärweſen.
Prüfung der Gültigkeit von Reichsgeſetzen 1
den Richter. RG
Kann ein „Inzipient“ einer Gemeindekanzlei in
Bayern zur Ausſtellung von Invalidenver⸗
ſicherungskarten zuſtändig fein? RG. 401
Wer erteilt in Bayern die Vollſtreckungsklauſel zu
den Ausſtandsverzeichniſſen der Berufsgenoſſen⸗
ſchaften? LG. München 1 151
Ausübung der Jagd auf ausmärkiſchen Ja 2055 11
zirken.
Die Vertretung der Rechtsanwälte durch Rechts⸗
praktikanten im Verwaltungsrechtsverfahren.
VGH. 192
Haftung des Staates für Baubeamte. VGH. 111
Zur Ausle egung der 88 13, 45 Nr. 5, 47 des Manns
ſchafts⸗VerſorgG. v. 31. Mai 1906.
OLG. München 293
Zur Auslegung des Reichsmilitärpenſions G. vom
27. Juni 1871; Verhältnis zum Bo 10
gefel vom 16. Mai 1868 und
31. Mai 1901. L den T. 319
D. Notizen.
1. Bürgerliches Recht.
Die Haftung für Tierſchaden
Geſetz, betreffend die um des e
proteſtes, vom 30. Ma
. Geſetz vom 16. Juli 8 die T i m
Das giſchereigeſetz für das Königreich Bayern
Die Errichtung der Dorfteſtamente
2. Zivilprozeß.
Die Koſten der mec bei der Vernehmung
von Sachverſtändigen 364
276
=
364
172
3. Strafrecht.
Die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigungen
Vogelſchutzgeſetz
152
276
Vogelſchutz und Jagdſchutz 444
Die Beſtrafung roher und unſittlicher Handlungen 132
4. Strafprozeß.
Die Anwendung der Zeugniszwangshaft 72
Vorſchriften über die Unterbrechung der Verjährung
der Strafverfolgung und der Strafvollſtreckung 52
Die Bekanntgabe von Vorſtrafen der Angeklagten
und Zeugen 324
Die Strafmitteilungen an die öffentlichen Unter—
ſuchungsanſtalten für Nahrungs- und Genuß⸗
mittel 132
5. Internationales Recht.
= ea von Perſonenſtandsurkunden mit
chweiz. Bekanntmachung vom 2. Oktober
1507 (JM Bl. 1907 S. 418) 52
XVI I. Syſtematiſches Verzeichnis.
Die deutſch⸗belgiſche Uebereinkunſt über den Schutz | Die Ausweisung beſtrafter Perſonen. Bet, des
an Werken der Literatur und Kunſt und an Staatsminiſteriums des Innern vom 27. Januar
10 0 vom 16. Oktober 1907 (RGBl. | 1908, MABI. ©. 75) 11
1908 ©. 405) 344 Die Ausſtellung von Leumundszeugniſſen 424
1 zwiſchen Deutſchland und Italien, i „ 35 =
betreffend den Schutz an Werken der Literatur Die neuen Vorſchriften über die Polizeiſtunde 1
Maß⸗ und Gewichtsordnung 296
d Kunſt >
ie ee eh 172 | Die ol ugato el zum neuen Waſſergeſetz
Urbeberrechtsſchutz in den deutſchen Schutzgebieten 484 | Ba 5 =
ene ai Die Allerh. VO. vom 18. Juli 1908, die Kamin⸗
kehrer betr. (GVBl. 1908 S. 363) 324
6. Inſtizverwaltung.
Die vorläufige Entlaſſung von Strafgefangenen 404 ,
Die neuen Vorſchriften für die gerichtlichen Leichen⸗ 9. Finanzweſen.
e (Bek. vom 7. Juli d. Is. el, Die Verwertung eingezogenen an (Bek. vom
S. 152) 344 18. Januar 1908, IM Bl. S. 2 112
Verordnung über Apothekerkammern 232
Aenderung der Dienſtvorſchriften für die Notare
und die Gerichtsvollzieher 404 10. Handel. Verkehr.
ie ee der Schreibmaſchine bei den . Die Poſtſcheckordnung für das Königreich Bayern 484
Die neue Verordnung über die Handelskammern
Die Aufbringung der Mittel für die Unterſtützung 8
der 17088 8 400 (Geſetz vom 28. Januar und Handelsgremien 152
1908, GVBl. ©. 4 112 ne
11. Statiſtik.
7. Staatsrecht. Geſchäftsſtatiſtik der Gewerbe- und Kaufmanns⸗
Beamtengeſetz 364 berichte für a „ der! ol 7 ng
miniſterien des Kal. Hauſes und des Aeußern
C und des Innern Nr. 9 vom 7. Mai 1908) 232
(GVBl. 1908 S. 352) 324 Die Einberufung von Hilfsreferenten in das Kaiſer⸗
| liche Statiſtiſche Amt 152
8. Verwaltung.
Das Geſetz vom 6. Juli 1908, den Vollzug des 12. Ufgemeine inriftifhe und recztsvelitiſche
Vereinsgeſetzes betr. (GVBl. 1908 S. 351) 324 | Gegenſtände.
Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Aenderungen Die Mitteilungen des bayeriſchen Richtervereins 52
der Gemeindeordnungen und des Polizeiſtraf⸗ Deutſcher Juriſtentag 296
geſetzbuchs betr. (GVBl. 1908 S. 353) 323 Pſychiatriſche Ausbildung der Juriſten 92
Die neue pfälziſche Städteverfaſſung 384 Warnung vor dem juriſtiſchen Studium 364
Errichtung neuer Bezirksämter 384 Die juriſtiſchen Prüfungen der Rechtskandidaten in
Die Stellung unter Polizeiaufſicht 364 Preuß ßen 212
E. Sprachecke des Allgemeinen Dentſchen Sprachvereins.
Scheinbar, anſcheinend 444 Häufung von Verhältniswörtern (Präpoſitionen) 468
II. Alphabetiſches Verzeichnis.
(Die Zahlen bedeuten die Seiten.)
A.
Abgeordnete, Strafverfolgung 324
AbHängigfeitsverhältnis, Begriff 142, 202, 266,
304, 363
A b 214
244
269
179, 215, 329
6
holzung von Wäldern
Ablehnung von Geſchworenen
— von Sachverſtändigen
Ablöſung von Bodenzinſen
— des Poſtportos 5
Abnahme, Begriff beim Werkvertrage 287
— Klage auf A. 48
Abriß vom Flußufer 9
Abſchreckung als Strafzweck 247
Abſchriften, Vorlegung zum GBA. 230
Abſicht im Strafrecht 73, 176
Abſperrungsmaßregel, Verletzung 128
Abtretung künftiger Forderungen 20
— von Wechſelforderungen 250
— von Strichſchillingen 90
— ſ. a. Uebertragung.
Abweſenheit als Grund der Einſtellung eines
Strafverfahrens 125
Abweſenheitspflegſchaft, Beſchwerde gegen
Anordnung 341
Agent als Zuſtellungsvertreter 250
— f. a. Verſicherungsagent.
Aktenſtudium, Gebühren des Sachverſtändigen 72,210
Aktien, Zeichnung 259, 269
Aktiengeſellſchaft, Haftung der Gründer
359
— Geſamtprokura 381
— Teilnahme von Beamten 393
Aktphotographien 107
Akzept f. Wechſel.
Alveus relictus 11
Amtsanwaltſchaft in der Pfalz 384
Amtsärzte, Gebühren 210
Amtsgerihtlihes Verfahren, Reform 135
AmtsSpflicht, Verletzung 36
Amtsvergehen, Idealkonkurrenz mit Untreue 15
A eee n e ſ. Dienſtgeheimnis.
Anderung der Klage 308
Aneignung, Begriff 448
— Verbote 450
Anerkennung der Vaterſchaft 202
— Bereicherung durch A. 105
— Ĵĵ. a. Schuldanerkenntnis.
Anfechtung wegen Betrugs und Irrtums 166, 257, 310
— einer Anerkennung
— einer Vollmacht
— der Ehelichkeit 356
— der Erfüllung einer Vermächtnisforderung 308
— der Entmündigung 106
— im Konkurs 170, 403
Angebot, wörtliches der Schuldſumme 379
Angeklagter, Beweislaſt im Strafprozeß 87
Angeſchuldigter als Zeuge 125
— Verhör bei Unterſuchungshaft 264
Anklageſchrift, Form 354, 461
Anlage, Begriff 123
— zur Ausübung einer Grunddienſtbarkeit 173, 385
Anmeldung von Hunden 383
Anmeldungs verfahren f. Grundbuchanlegung.
Annahme ſtillſchweigende der Erbſchaft 50
Annahmeproteſt
Annahmeverzug 379
Anſcheinend, Unterſchied von „ſcheinbar“ 444
Anſtalts vormund 153
Anſtellung ſ. Beamter.
Anſtiftung, Begriff 75
Antrag ſ. Strafantrag.
Anwachſung im Erbrecht 195
Anzeige, Unterzeichnung mit falſchem Namen 290
Anzeigepflicht der Beamten 167
— bei Güterzertrümmerung 179, 214
Apotheker kammern 232
Arbeiter, Begriff 84, 142, 202, 266, 304, 362
— Sonntagsruhe 93, 115
— Mittagspauſe 110
— Verbot der Waffenführung 460
Architekt, Anſprüche aus Bauleitung 275
Argliſt beim Verkauf 44
Armenrecht, Verweigerung wegen Verjährung 149
— Beſchwerde in Armenrechtsſachen 245
Arreft, Wirkung 303
Arzte, Gebühren 72, 210
Aufforſtung 213
Auflaſſung, Form in Bayern 127
— an Minderjährige 467
— Sicherung durch Vormerkung 164
Auflöſung von Vereinen 324
— von Schüßengeſellſchaften 104
— einer offenen Handelsgeſellſchaft 187
Aufrechnung mit Forderungen aus Börſenge—
ſchäften 236
— beim Geldwechſeln 244
— Behandlung im Prozeſſe 31
Aufſichtsbeſchwerde f. Beſchwerde.
Aufſichtsrat, Zugehörigkeit von Beamten 393
Auseinanderſeßzung des Geſamtguts 292
— des Nachlaſſes 146, 292, 416
— zwiſchen mehreren Mündeln 16
Ausführung ſtrafbarer Handlungen, Begriff 73, 99
Ausgleichung von Vorempfängen 19
— bei Gemeinſchaftsverſteigerung 102
Ausgrabungen. Genehmigungspflicht 384
Auskunfteiinhaber, Zeugnisverweigerung 229
Auslagen, Erſatz im Prozeß 40
— der Einziehungsintereſſenten 362
Ausland als Tatort bei Weinfälſchung 184
— Wirkung des Konkurſes im A. 273
— Vollſtreckbarkeit von Urteilen 419
Auslegung von Mietverträgen 90
— von Kartellverträgen 418
— von Geſellſchaftsverträgen 246
— letztwilliger Verfügungen 182
— von Verſicherungsverträgen 105
— von Urkunden bei Gebührenberechnung 186
XVIII
Auslegung des Zuſchlagsbeſchluſſes 267
Auslieferung an Ungarn 252
Ausmärkiſche Bezirke, Jagd 111
Ausſchlagung nach dem Ue. 249
Ausſetzung der Hauptverhandlung 469
Ausſpielung, Konzeſſionspflicht 227
Ausſtandsverzeichniſſe der Berufsgenoſſen⸗
ſchaften 151
Ausſteller einer Urkunde, Begriff 291
Ausweiſung, Vollzug 112
Automaten zum Zwecke des Glücksſpiels 284
Automobil, Haftung des Eigentümers für den
Chauffeur 128, 183, 338, 342
Automobilunfall, Haftung 68, 183
B.
Backwaren, Verwendung von Margarine u. dgl. 89,
342
Bad, Beſchädigung 37
Bahnſteig, Betriebsunfall auf dem B. 85
Banken ſ. Hypothekenbanken.
Baubeamte, Haftung des Staats 111
Bauforderungen, Vormerkung im Hypotheken⸗
buch 421
Bauleiter, Anſprüche 274
Baulinie, Feſtſetzung 402
Bäume, Beſchädigung 438
Baupolizei, Verjährung der Uebertretungen 467
— ſ. a. Polizeibehörde.
Bauwerk, Begriff 464
— Abnahme 288
— Sicherungshypothek des Unternehmers 166
Beamter, Begriff 347
— Anſtellung 367
— Probezeit 368
— Wiederanſtellung 369, 454
— Dienſtenthebung 370
— Verſetzung 371, 411
— Beförderung 387
— Pflichten 388, 455
— Verheiratung 390, 455
— Vereinszugehörigkeit 349, 391, 410
— Nebengeſchäfte 392
— Haftung 111, 349, 376, 408, 436
— Dienſtaufſicht 393
wangsmittel 394
— Dizdziplinarverfahren 409, 428
— Entlaſſung 411, 452
— Rang 372, 388, 430
— Titel 392, 430
— Dienſtabzeichen 431
— Dienſtaufwand 433
— Gehalt 428, 431, 434, 458
— Unfallfürſorge 347, 433
— Ruheſtand 453
— Wartegeld 453
— Ruhegehalt 454
— Rechte der Hinterbliebenen 457
— Uebergangsvorſchriſten 369, 432, 456, 459
— Beſtechung 277
— Beſtrafung wegen Untreue 15
Beauftragter Richter, Beurkundung einer
Auflaſſung
Bedingtes Endurteil bei Vorabentſcheidung
über den Grund 32
— Faſſung 109
Bedingte Tatbegehung im Strafrecht 99
Bedingungen, ſtillſchweigende Feſtſetzung 310
— bei der Erbeinſetzung 194
Beeidigung von Sachverſtändigen 364
— Reformvor chläge 135, 470
— im ehrengerichtlichen Verfahren 121, 162
— f. a. Dienſteid.
Befangenheit ſ. Ablehnung.
|
T Alphabetiſches Verzeichnis.
Beförderung ſ. Beamte.
Beförderungsvertrag der Eiſenbahn 166
Befruchtung, künſtliche 356
Begehungsort, Begriff 238
Beglaubigung von Standesurkunden 52
— der Abſchrift der Klageſchrift 294
Begriffsbeſtimmungen des BGB. 53
Begünſtigung eines fortgeſetzten Verbrechens 240
Beherbergung, Begriff 203
Beihilfe, Begriff 73, 99
B eee von Vermögensſtücken, Begriff >
3
Beitragdverband, Begriff
Beitritt zur Bmwangäverfteigerung 103
Belaftungszeugnis f. Bodenzinſe
Beleidigung, Tatbeſtand 108, 169
— f. a. Majeſtätsbeleidigung, Intereſſe.
Beleuchtung von Ortsſtraßen 25
Belgien, Vertrag über Urheberſchutz 344
Benachrichtigungen im Strafprozeß 469
Bereicherungsklage bei Anerkennung 105
— gegen den Erſteher 268
— Umfang 50
Berichtigung des Grundbuchs, bei Zwangsent⸗
eignung 108
— des Beſitztitels 466
— bei Geſellſchaftsverhältniſſen 317
— Zuſtimmung des Eigentümers 315
— Pfändung des Anſpruchs 207
Berner Konvention 484
Berufsgenoſſenſchaft, Entſchädigung für Bes
triebsunfälle 85, 142
— Entſcheidung über Rentenanſprüche 204
— Ausſtandsverzeichniſſe 150
Berufsvormundſchaft 153
Berufung, Einſchränkung 133
— gegen Urteile der Gewerbegerichte 355
Berufung sſchrift, formelle Erforderniſſe 143
Beſchädig ung von Urkunden 248
Beſchattung eines Grundſtücks als unzuläſſige
Einwirkung 123
Beſchwerde in Zivilſachen, Form 245
— in der freiw. Gerichtsbarkeit 224, 248, 318, 331,
341, 361, 401, 421
— des Nachlaßgerichts gegen das Hypothekenamt 415
— im Beamtenrecht 394, 412, 429, 434
Beſitz, Vorausſetzung des Erwerbs 255, 257
Beſitztitel, Berichtigung 466
Beſitzvberänderungsgebühr, Haftung des
Erben 275
— bei Auflöſung einer Handelsgeſellſchaft 230
— Zuſtändigkeit für Streitigkeiten 88
Beſſerungsanſtalt, Einweiſung im Strafver⸗
fahren 298, 375
Beſtandteil, Begriff 221, 425
— Grundſtück als B. 46
— Wirkung des Zuſchlags 267
Beſtätigungsſchreiben, Bedeutung beim Kauf—
vertrag 191
Beſtechung von Poſtbedienſteten 277
Betrag des Anſpruchs, Vorbehalt der Entſcheidung 30
Betriebsruhe 93, 115
Betriebsunfall, Begriff 84, 106, 142, 202, 204,
266, 304, 363
— auf der Eiſenbahn 85, 435
Betrug bei Abtretung von Forderungen 20
— als Anfechtungsgrund
Beurkundung im Anlegungsverfahren 147
— ſ. a. Auflaſſung.
Bevollmächtigter, Zuſtellung 250
— Begriff im Strafrecht 480
Beweisanträge des Nebenklägers 21
— Ablehnung 204, 207
Beweislaſt bei Streit über Ernſtlichkeit eines
Rechtsgeſchäfts 49
— für vertragswidrige Lieferung 378
_ Snhaltsverzeihnis der Beitichrift für . in in Bayern.
-`a = =
Beweislaſt für Verſchlechterung der Kaufſache 310
— bei fahrläſſiger Körperverletzung 339
— für Ausfüllung einer Sicherungshypothek 417
— bei Anfechtung der Ehelichkeit 356
— für Verzeihung im Eheprozeſſe 463
— für Vertretungsmacht der Frau 18
— bei Eiſenbahnunfällen 166
— bei Streit über Rechte an öffentlichen Flüſſen 5
— im Strafprozeß 87
Beweisverfahren in Grund buchſachen 397
Beweiswürdigung im Urteil in Zivilſachen 437
Bezirksämter, neue 384
Bezirksarzt, Terminsgebühr 210
Bilanz, Pflicht zur Aufſtellung 290
— Verſchleierung 209
Blankoindoſſament des Wechſelinhabers 288
Bodenzinſe, Ablöſung 179, 215
— Zeugnis 329
Bordellbetrieb, Klage auf Unterlaſſung 183
Jörſenhandel, Zulaſſung 233
Börſenregiſter, Aufhebung 235
Börſentermingeſchäft, Begriff 234
Böswilligkeit, Begriff 158, 176
42
Brandmauer, Aufſetzung auf eine Grenzmauer
Bran dverſicherung 3
Brauereien ſ. Kommunbrauer.
Briefgrundſchuld, Abtretung 270
Briefträger ſ. Poſtbedienſtete.
Buchführung der Geſellſchaften m. b. H. 420
— der Trödler 24
Buchhyp othek, Verpfändung 302
Bühnenwerke, unbefugte Aufführung 172
Bundesrat, Zulaſſung von Terminsgeſchäften 284
Bürgſchaft für Börſengeſchäfte 236
Buße bei Einheitsdelikten 241
— Beitreibung durch den Ehemann 304
Butter, Erſetzung durch Margarine 89
C.
Chauffeur, Haftung des Eigentümers 128,
338
D.
Darlehen, zum Zwecke des Spiels 165
— Aufnahme durch die Ehefrau 50
— Umwandlung einer Kaution in ein D. 438
— Kündigung 308
Datierung der Grundbucheintragungen 142
— f. a. Zeitangabe.
Denaturierung eingezogenen Weins 112
Diebſtahl, durch einen Mittäter 73
— am Waſſer 5, 286
— an Fiſchen 450
Dien ſtabzeichen f. Beamter.
Dienſtaufſicht ſ. Beamter.
Dienſtbarkeit, perſönliche am Waſſer 316
— ſ. a. Wohnungsrecht, Krankenverpflegungsrecht,
Grunddienſtbarkeit.
Dienſtbefehl, Gehorſamspflicht 389
— Bedeutung bei Haftung des Beamten 436
Dienſtboten, Verpflichtung zur Anmeldung von
Hunden 383
— Verbot der Waffenſührung 460
Dienſteid der Beamten 349, 390
Dien ſtenthebung f. Beamter.
Dienſtgeheimnis 349, 389, 392, 455
Dien ſtmannsinſtitut, Genehmigung durch die
Polizeibehörde 401
Dienſtſtrafrecht ſ. Disziplinarverfahren.
Dienſtunfähigkeit, Feſtſtellung 320, 433, 454
Dien ſtvertrag, Begriff 395
Dien ſtwohnung, Mietentſchädigung 432
Differenzgeſchäfte 236
— ——̃ —
1908. XIX
Dirnen, Einſchaffung in Krankenanſtalten 435
Diſſens, verſteckter 49
Diſtriktsgemeinde, Beamter als Berufsvor⸗
mund 154
— in der Pfalz 384
Diſtriktspolizeibehörde, Ausübung der Poli⸗
zeiaufſicht | 364
— Genehmigung zu Ausgrabungen 381
— Ueberwachung vorläufig Entlaſſener 404
— |. a. Polizeibehörde.
Diſtriktstechniker, falſche Auskunft in Bau⸗
ſachen 467
Disziplin arverfahren, Zeugniszwang 72
— gegen Beamte 349, 370, 391, 395, 409, 428
— f. a. Ehrengerichtliches Verfahren.
Dividenden, Verteilung zwiſchen dem Vorerben
und dem Nacherben 85
Domizilwechſel, Proteſt 296
Dorf, Begriff i. S. der Bauordnung 402
172
Dorfteſtament, Form
Drittſchuldner, Benachrichtigung von der Pfän⸗
dung 303
Drohung, Begriff 86
250
Druckſchrift, Begriff
Duldung der Zwangsvollſtreckung durch den Mann 313
E.
Ehe, Feſtſtellung der Nichtigkeit 144
Ehefrau, Schlüſſelgewalt 17
— Unterhaltsanſpruch 86
— Vertretungsbefugnis im Erwerbsgeſchäft 2
35
— Geſchäftsgewinn
— Schadenserſatzanſpruch wegen Tötung des Mannes 34
— Anſpruch auf Buße 304
Ebehindernis der mangelnden Verehelichungs—
bewilligung 390
Ehelichkeit, Vermutung 356
Ehemann, Aufnahme von Hypotheken 305
— Duldung der Zwangsvollſtreckung 313
Eheprozeß. Mängel der Zuſtellung 485
6
— Beweis der Verzeihung
Eheſcheidung, maßgebendes Recht 68, 295
— wegen Mißhandlung 43
— wegen Trunkſucht 182
— wegen böslicher Verlaſſung 68
— der Israeliten 48:
— in der Schweiz 295
Ehrengerichtliches Verfahren gegen Rechts⸗
anwälte 121, 162, 219
392
Ehrenzeichen, unbefugte Annahme
Ehrverletzung, Begriff bei R 5
Eichungsweſen
Eid ſ. Beeidigung, Nacheid, Dienſteid.
Eigenſchaft einer Sache, Begriff 310
Eigentum an öffentl. Gewäſſern 5, 286
— an Fiſchen 449
Eigentümerhypothek, Pfändung 207, 208
Eigentumsvorbehalt, Wirkung in der Zwangs⸗
verſteigerung 267
— an Maſchinen 425
Einfügen, Begriff 221
238
Einheitsdelikte, Behandlung
Einigung über Abtretung bei der Zwangsenteig—
nung 109
Einſchreibſendſungen, Haftung der Poft 377
Einſicht in die Strafbarkeit, Feſtſtellung 297, 375
Einſpruch gegen Verſäumnisurteile 135
Einſtellung des Strafverfahrens gegen Jugend—
liche 297, 375
Einſtweilige Verfügung, zuläſſiger Inhalt 245
— über die Sorge für die Perſon eines Kindes 69
Vollzug durch Zwangsverwaltung 479
Einwilligung, Begriff 53
38
XX
Einwirkung, unzuläſſige auf ein Grundſtück 123, 246
Einziehung gefälſchten Weins 112
— geſchmuggelter Ware 271
— geſchoſſener Rehgeißen 362
Eis, Entwen dung 5
— Gemeingebrauch
Eiſenbahn, Haftung für Unfälle 166, 435
Elektrizitätswerk, Unfälle 423
Elterliche Gewalt f. Vater.
Enteignung j. Zwangsenteignung.
Entlaſſung des Berufsvormunds 155
— vorläufige 364, 404
— von Beamten ſ. Beamter.
Entmündigter, Beſchwerderecht 224
Entmündigung, Anfechtung 106
Erbbaurecht, Eintragung 386
Erbe, Haftung für die Beſitzveränderungsgebühr
— für Nachlaßſchulden 3
— Umſchreibungsantrag 415
Erbeinſetzung, Erfordernis der Beſtimmtheit 194
Erbengemeinſchaft, Auseinanderſetzung 292
Erbſchaft, ſtillſchweigende Annahme 50
Erfüllungsort, Begriff 150
— bei Kaufverträgen 169, 191
Ermittelungs verfahren gegen Jugendliche 299
Ernſtlichkeit eines Rechtsgeſchäfts, Beweislaſt 49
Eröffnungsbeſchluß, Mitwirkung eines ausge⸗
ſchloſſenen Richters
— im Privatklageverfahren 97
— Form 354, 461
Eröffnungsbilanz f. Bilanz.
een gen ee Aufnahme
von Hypotheken durch den Mann 305
Erlagzumweifungsverfahren 347, 408
Erſitzung von Nutzungsrechten 7
Erwägungsſtil | 354, 461
Erweiterung des Klageanſpruchs 32, 144
Erwerbsgeſchäft, Vertretungsmacht der Frau 50
— Geſchäftsgewinn der Frau 357
Erwerbsunfähigkeit, Feſtſtellung 378
Erziehung, Anordnungen des Vormundſchafts⸗
gerichts 421
Erziehungsanſtalt, Einweiſung im Straf⸗
verfahren 298, 375
Etiketten, ſtrafbare Anbringung 250
exceptio plurium 202
F.
Fabrikarbeiter ſ. Arbeiter.
Fabriken, Abwaſſer 60
— Unfälle 204
Fahnenflucht, Verjährung 231
Fahrtrecht an einem Waldgrundſtück 113
Fälſchung von Nahrungsmitteln 89, 342
— von Wein 126, 184, 465
— f. a. Urkundenfälſchung.
Familie, Begriff 105
Familiengüter, Nutzungsrechte 167
Feiertage f. Sonntagsruhe.
Ferienſachen 134
Feſtſtellungen, Aufrechterhaltung bei Aufhebung 108
Feſtſtellungsklagee, Vorabentſcheidung über
den Grund 30
Fideikommiß, Wertpapiere als Beſtandteil 22
— Einverleibung von Grundſtücken 71
Fideitommißedikt, Umfang der Geltung 71
Firma, Zuſätze 401
— Uebergang 440
— Löſchung 245, 481
Fiſchereiberechtigter, Begriff 473
— Schädigung durch Verunreinigung des Waſſers 62
— durch Flußkorrektion 79
Fiſchereirecht, neues 364, 449
II. Alphabetiſches Verzeichnis N
34
Fiskus ſ. Staat.
Flurplan, Bedeutung
Flüſſe, Rechtsverhältniſſe
Flußkorrektion
Flußlauf, Veränderungen 9
406
5, 9, 34, 60, 79, 259
79
Forderungen, Verpfändung 139
Form des Grundſtückskaufs 337
— des Grundſtückstauſchs 462
— der Auflaſſung in Bayern 127
— des Teſtamentsprotokolls 19, 69
— des Dorfteſtaments 172
— des eigenhändigen Teſtaments 21, 357
— Heilung des Mangels 259
— der Beſchwerde in Zivilſachen 245⁵
— des Strafantrags 45
Formulare in Strafſachen, Mängel 461
Forſtberechtigter, Begriff 439
Forſtfrevel durch Betreten von Schonungen 113
1
1
Forſtpolizeibehörde, Sorge für Aufforſtungen
Forſtrecht, Enteignung 291
Forſtwirtſchaft, Nebenbetrieb
Fortgeſetztes Verbrechen, Begriff 126
— Behandlung 238
Frachtbriefduplikat, Bedeutung 289
Frau, als Berufsvormund 154
— als Beamter 368, 456, 458
— Verbot der Waffenführung 460
— f. a. Ehefrau.
Freiheitsberaubung, Begriff 267
Freimaurerlogen, Teilnahme von Beamten 391
Fröſche, Fang 475
Früchte, Verteilung zwiſchen dem Vorerben und
dem Nacherben 85
Funde, hiſtoriſche u. dgl. 323
Fürſorger für vorläufig Entlaſſene 404
G.
Ganggebühr im Zivilprozeß 131
Gas, Eigentumsverhältniſſe 190
Gaſtwirtſchaften ſ. Wirtſchaften.
Gebäude, Beſtandteil 221, 427
Gebühren nach der Zivilprozeßreform 40, 136
— für Vergleiche 131
— des Staats für Beurkundungen 186
— für Hypothekzeſſion | 87
— für Eintragung einer Geſamtprokura 381
— für Scheckproteſte 324
— der Aerzte 72, 210
— j. a. Beſitzveränderungsgebühr.
Gefahrenſtand bei der Privatverſicherung 350
Gefangener, Begriff 435, 465
— Befreiung ö 439
Gefangnenanſtalt, Schreibweiſe 478
Gefällskataſter 329
Gegenſeitigkeit in Vollſtreckungsſachen mit
Oeſterreich 419
Gehaltsordnung 388, 431
Gehilfe, Begriff im Strafrecht 73, 99
Geiſteskranke als Zeugen 439
— Einſchaffung 465
Geiſtesſchwache, Beſchwerderecht 224
Geiſtliche, unzüchtige Handlungen 420
Geldrente bei Unterhalt der Frau 86
— ſ. a. Unfallfürſorge.
Geldſpielautomaten 284
Geldſtrafe, Vollſtreckung 404
— Zurückerſtattung 333
— gegen Beamte 411
Geldwechſeln, Rechtsverhältniſſe 244
Gemeindebehörde, Ausſtellung von Invaliden—
verſicherungskarten
Gemeinden, Einführung der Berufsvormundſchaft 153
— Pflicht der Straßenbeleuchtung 25
— Haftung für Stege 220
been, le nn, K ë ye —— — TFT . — a an an =
b n *
Gemeinden, Portofreiheit 66
— Ĵĵ. a. Kirchengemeinde.
Gemeindeverfaſſung, pfälziſche 384
Gemeingebrauch am Walter
Gemeinſchaft, Aufhebung, 16,
— Aufhebung durch Zwangsverſteigerung
— eheliche, Klage auf Herſtellung
Gemeinſchuldner, Ausſchlagung einer Erbſchaft T
— Flucht ins Ausland 403
Genehmigung, Begriff 53
292
102
400
— einer Schuldübernahme 124
— der Unterzeichnung von Wechſeln 462
— Eideszuſchiebung über eine G. 109
— f. a. Vormundſchaftsgericht.
Generalagent als Zuſtellungs vertreter 250
Generalvorm und ſchaft i. Berufs vormundſchaft.
Genoſſenſchaften, Fähigkeit zu Börſengeſchäften 235
— als Fiſchereiberechtigte 474
Genußmittel, Verfälſchung 89
Gerich tskoſten, Neuregelung 136
Gericht sſchreiber, Aufnahme von Beſchwerden 245
Gerichtsverfaſſung, Reform 1, 133, 471
Gerichtsvollzieher, Scheckproteſt 322, 404
— Dienſtſtrafrecht 410
— Widerſtand gegen den ©. 267
Geringſtes Gebot bei Verſteigerungen zur au
hebung einer Gemeinſchaft
Geruch, Zuführung ©
Geſamtgut, Schenkungen daraus 281
— Auseinanderſetzung 292
— Aufnahme von Hypotheken 305
„Geſamthypothek, Behandlung in der Zwangs⸗
verſteigerung 102
Geſamtkirchengemeinde, Begriff 37
Geſamtprokura, Eintragun 381
Geſamtſtrafe, Vorſchriften über die Bildung 340, 362
Geſchäfts bericht der Hypothekenbanken 209
Geſchäfts bücher der Trödler 24
— der Güterhändler 214
420
Geſchäftsführer, Pflicht An Buchführung
Geſchäftsführung ohne Auftrag durch Unter⸗
haltsleiſtung 86
Geſchäftsgebrauch, Bedeutung bei N
mittelfälſchung , 342
Geihäftsneminn der Ehefrau 357
Geſchäftslokal als Zuſtellungsort 223
Geſchäftsmäßigkeit, Begri 70
Geſchäftsunfähig ee, Beſchwerderecht 224
Geſchäftsverein fachung im Strafprozeß 445, 469
Geſchworene, Ablehnung 244
— Einſicht in Urkunden
— Urlaub
— f. a. ſchwurgerichtliches Verfahren.
420
471
34, 60, 286
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern.
t
i
Gewichte
1908.
Gewerbsunzucht |. Dirnen.
296, 482
Gewinnanteile ſ. Dividenden.
Giro verkehr ſ. Scheckverkehr.
Glaubensbekenntnis, Bedeutung bei Auswahl
des Vormunds 154
Glücksſpiel, Begriff 284
— Konzeſſionspflicht 227
— Darlehen zum G. 165
Glyzerin. Zusatz zu Wein 184
Goldklauſel, nachträgliche Eintragung
199, 216, 242, 262
Gräben, Rechtsverhältniſſe 8, 449
Grenzmauer, Benutzungsrecht 42
Grenzzahlen beim Wein 126
Grund des Anſpruchs, Vorabentſcheidung 30
Geſellſchaften. Erwerbung von Grundſtücken 317
— Sonderrechte der Mitglieder 26
— Pflicht zur Buchführung 420
— Teilnahme von Beamten 393
— jį. a. Kommanditgeſellſchaft, Aktiengeſellſchaft.
Geſellſchafts verträge, Auslegung 246
Geſetze, Prüfung der Gültigkeit durch den Richter 358
Geſtändnis als Grund für Koſtenermäßigung 416
Getreide, Börſenhandel 235
Gewalt bei unzüchtigen Handlungen 248, 481
Gewäſſer, öffentliche, Rechtsverhältniſſe 5, 34, 259, 286
— private, Rechtsverhältniſſe 259, 449
— Verunreinigung 60
— jį. a. Gemeingebrauch, Seen.
Gewerbebetrieb durch Beamte 393
— f. auch Konzeſſion.
Gewerbegerichte, Zuſtändigkeit 355
— Statiſtik 232
Gewerberecht, Uebertragung 46
Gewerbsgehilfe, Zuſtellung 223
— Verbot der Waffenführung 460
Gewerbs mäßigkeit, Begriff 184
Grundbuch, Eintragung einer Unterhaltungs⸗
pflicht 173, 385, 476
— — der Pfändungsbenachrichtigung 303
— — von Waſſerbenützungsrechten 259
— öffentl. Glaube 46, 167
— Datierung der Einträge 142
— f.a. Berichtigung, Rang, Verfügungsbeſchränkung.
Grundbuchamt, Prüfung der Vertretungsmacht 380
— Offizialverſahren 397
Grundbuchanlegung, Befugniſſe des Anlegungs⸗
beamten 147
— Anmeldung von Nutzungsrechten
Grund buchblatt, Zuſammenſchreiben von Grund⸗
ſtücken 46
Grunddienſtbarkeiten auf Grundſtücksteilen 405
— an Gewäſſern 6, 259
— an Schonungen 113
— Anlage zum Zwecke der Ausübung 173, 385, 476
— Erlöſchen in der Verſteigerung 307
167
Grundeigentümer, Jagdausübung 111
Grundentlaſtung ſ. Bodenzins.
Gründer der Aktiengeſellſchaft, Haftung 359
— Beamte als Gr. 393
Grundſchuld, Abtretung 270
Grundſtück, Begriff 8, 10, 46, 405
46
— Zuſchreibung von Beſtandteilen
— Form von Kauf und Tauſch 337, 462
— Begriff der Eigenſchaften 310
— Einverleibung in ein Fideikommiß 71
Grundwaſſer, Begriff 8
Gutachten, Behandlung der Koſten im Prozeſſe
321, 364
— Erſtattung durch Beamte 392
Gütergemeinſchaft, Auseinanderſetzung 292
— Einfluß auf letztwillige Verfügungen 124
— fî. a. Gejamtgut.
Güterhandel, forſtpolizeiliche Beſchränkungen 213
Güterrecht, Ueberleitung 249
— Einfluß auf den Bußanſpruch 304
— Berückſichtigung bei Zwangsvollſtreckung 313
Güterzertrümmerung, Anzeigepflicht 179
H.
Haager Abkommen 144, 295
Haft im Offenbarungseidsverfahren 72
— f. a. Unterſuchungshaft, Zeugniszwang.
Haftentſchädigung f. Unterſuchungshaft.
Haftpflicht der Eiſenbahn 85, 435
Haftpflichtverſicherung, Auslegung der Ber-
träge 105
Hagelverſicherung 374
Handelsbücher ſ. Buchführung.
Handelsgeſchäft, Verkauf 440
Handelsgeſellſchaft, offene, Auflöſung 187, 230
— Teilnahme von Beamten 393
Handelsgremien, Organiſation
Handelskammern, Organiſation
152
152
XXII
Handelsregiſter, Löſchung von Eintragungen
245, 401, 481
— Gebühren 381
Handelsſachen ſ. Kammer für Handelsſachen.
Handlöhne, Belaſtungszeugnis 329
Handlung? g ehilfen, Konkurrenzverbot 481
Handzeichen beim Teſtament 172, 464
Hauptverfahren ſ. Eröffnungsbeſchluß.
Hauseigentümer, Haſtung für Unfälle 312
Hebelautomaten 285
Hehlerei, Tatbeſtand 240
Heim atſchutz 323, 384
Heiratsu ben den, Austauſch mit der Schweiz 50
Herrenlo ſigkeit, Begriff 255, 448
Hinterbliebenenfürſorgeſ. Beamter.
Hinterlegung beim Notar 12
Holland ſ. Niederlande.
Holz. ſtehendes f. Bäume.
Holzſchneiden, Unfall 84, 106, 142, 202, 266, 304
Hotelier, Haftung für eingebrachte Sachen 203
Hunde, Anmeldungspflicht 283
Hypothek, Uebertragung 87, 90, 129
— Verpfändung 127
— Pfändung 207, 302
— Löſchung 380
— Aufnahme durch den Ehemann 305
— Haftung des Zubehörs 398
— für Börſengeſchäfte 236
— für eine Wechſelforderung 250
— f. a. Goldklauſel.
Hypothekenbanken, Scheckverkehr mit Notaren 12
— Verſchleierung des Vermögensſtands 209
Hypothekenbeamter, Befugnis zur Beurkundung 147
— Verhältnis zum Nachlaßgericht 415, 466
Hypothekenbrief, Vollſtreckungsklauſel 223
Hypothekentitel für Bauforderungen 421
Hypothekenurkunde, Vollſtreckbarkeit 313
Hypothekenzinſen, Angabe der en,
in der Bilanz
J ().
Illuminateneid 391
Immiſſion im Waſſerrecht 60
Immobiliarverſicherung 374
Indizien, Anführung im Urteil 437
Indoſſament, Bedeutung als Legitimation 288
Innungsſchiedsgerichte, Zuſtändigkeit 355
Intereſſe, berechtigtes, Wahrnehmung
87, 157, 319, 422
— des Verſicherten, Begriff 374
In validen verſicherung, Rechtshilfe e
den Schiedsg erichten 211
Inzipient einer Gemeindekanzlei als Beamter 401
Irrenanſtalten, Inſaſſen als Gefangene 465
Irrtum als Anfechtungsgrund 166, 257, 310
— über Eigenſchaften eines Ehegatten 270
— im Strafrecht 101,
JS8raeliten, Eheſcheidung 483
Italien, Uebereinkunft über Urheberrecht 172
J (i). |
Jag d an 5 Bezirken 111
— auf V 276
. durch Beamte 393
Jagdſchutz 444
Juden ſ. Israeliten.
Jugendliche, Behandlung im Strafrecht 297, 375,427
Juriſtiſche Perſonen als Fiſchereiberechtigte 473
— f. a. Rechtsfähigkeit.
Juriſtiſches Studium, Ueberfüllung 364
128, 319
II. Alphabetiſches Verzeichnis.
|
a ii nn E ee — —
— nn ñ—
Juſtizverwaltung, Beſorgung durch die Richter 389,
K.
Kaffeegeſchäfte, Polizeiſtunde 132
Kalendertag, Begriff 131
Kaminkehrer, Unterſtützungsverein 324
Kammer für Han delsſachen, Zuſtändigkeit 134
Kammzug, Börſenhandel 235
Kanäle, Rechtsverhältniſſe 8, 449
— Gemeingebrauch 34
Kanarienvögel, Handel 276
Kapitalabfindung bei Vorabentſcheidung über
den Grund des Anſpruchs 338
Kartellvertrag, Auslegung 418
Kaſſatoriſche Klauſel 223
Kataſter, Bedeutung für den Grundſtücksbegriff 406
— f. auch Gefällskataſter.
Katzen, Tötung durch den Jagdberechtigten 444
Kaufmann, Fähigkeit zu Börſengeſchäften 235
— Pflicht zur Bilanzziehung 290
— zur Buchführung 420
en Sa eTii; Statiſtik 232
— Zuſtändigkeit 479
Kaufvertrag, Bedeutung des Beſtätigungs⸗
ſchreibens 191
— Bedingungen 310
— Erfüllungsort 169, 191
— über Grundſtücke, Form 337
— j. a. Verſendungskauf.
Kauſalzuſammenhang bei Unfällen 25, 68
— Begriff im Strafrecht 75
Kaution des Angeſtellten, Rechtsverhältniſſe 437
Kautionshypothek f. Sicherungshypothek. -
Kirhengemeinde, Begriff 37, 62, 81
Kirchenumlagen 38
Klagegrund, Vorabentſcheidung 29
— Aenderung 308
Klageſchrift, Beglaubigung der Abſchriſt 294
Klauſurarbeiten bei der Prüfung 212
Klinik, Rechtsverhältniſſe 9
14
Kollegialverfaſſung, Vorzüge und Nachteile 1, 471
Kolonien ſ. Schutzgebiete.
Kommanditgeſellſchaft, Untreue der Geſell⸗
ſchafter 480
Kommiſſionär, Eigentumserwerb 257
Ko ne rauer, Ausſchank des eigenen Erzeug-:
niſſes
Komplexlaſten 329
Konkurrenzverbot, Zuläſſigkeit 229
— Folgen der Verletzung 481
Konkursverfahren, Wirkung auf Vollſtreckungen
27
im Ausland 2
Konkursverwalter, Anfechtung von Rechts⸗
handlungen 170, 403
— Veräußerung von Zubehör 398
— Veräußerung gepfändeter Sachen 442
Kontobuch, Fälſchung 291
Konzeſſion von derb engen u. dgl. 188
— von Lotterien 227
— von Dienſtmannsinſtituten 401
Körperverletzung, Tatbeſtand 465
Korporationen, öffentl., Begriff
39, 63, 104, 121, 164, 299
Korrektionen ſ. Flußkorrektionen.
Koſlen der Rechtshilfe 364
— von Verſäumnisurteilen 40, 443
— bei Einheitsdelikten 241
— der Vormerkung von Bauforderungen 421
— bei Ueberweiſung an ein Militärgericht 42
— Erſatz bei Freiſprechung 333
— Ermäßigung beim Geſtändnis 416
— ſ. a. Prozeßkoſten.
Koſtenfeſtſetzung im Privatklageverfahren 97
— durch den Gerichtsſchreiber 135
Koſtkin der, Berufsvormund 154
Kraftwagen ſ. Automobil.
Inhaltsverzeichnis de der r Zeitſchrift für tſchrift für Rechtspflege in Bayern. 19 in Bayern.
Krammets vogel, Jagdbarkeit 276
Kranken anſtalt, Inſaſſen als Gefangene 435
Krankenverpflegungsrechte als Reallaſten 208
Krankheit als Grund der Anfechtung der Ehe 270
Krebſe, Fang 451
Kriegszulage 320
309
Kün di igu ng "bes Darlehens
— von Mietverträgen durch den Teſtamentsvollſtrecker 90
— bei Zwangsverſteigerung 179
Kunſt butter f. Magarine.
Kunſtwerke ſ. Urheberrecht
Kurs differenz bei Wertpapieren als See
eines Fideikommiſſes 22
L.
Ladungen im Strafprozeß 447, 469
Lan desfiſchereiordnung, Bedeutung der Bor-
ſchriften 451
Landespolizeibehörde, Ueberweiſung 125
Landes verſicherungsamt, Stellung der Be⸗
amten 369
210
Landgerichtsarzt, Terminsgebühr
Landgerichtspräſident, Heglaubigung von
Urkun den
Landgerichtsrat, Verwendung am Amtsgericht 133
Landſchaften ſ. Heimatſchutz.
Landtag ſ. Abgeordnete.
Landtagsbeamte, Vorſchlagsrechte 367
Land wirtſchaft, Nebenbetrieb 106
— Unfälle 363
Lebensverſicherung, Todesanzeige 339
Legaliſation ſ. Beglaubigung.
Legitimationspapiere, Fälſchung 21
Leibgedinge, Begriff 129
— Krankenverpflegungsrechte als L. 208
Leichenunterſuchung, neue Vorſchriften 344
Leiſtungsklage, Vorabentſcheidung über den
Grund 80
Letztwillige Verfügung, Beſtimmtheit des
Inhalts 193
— Verhältnis mehrerer l. V. 182
— bei Gütergemeinſchaft 124
Leum undszeugniſſe, Inhalt 424
Literatur ſ. Urheberrecht.
Löſchung von Hypotheken Minderjähriger 380
— von Firmen 245, 401, 481
— von Verfügungsbeſchränkungen 109
Löſchungsvormerkung, Behandlung in der
4
Zwangsverſteigerung 17
Lotterieſtrafrecht in Bayern 227
Luftzutritt, Verhinderung 123
Luſtbarkeiten, öffentliche, Konzeſſionspflicht 188
M.
Magiſtrate, Portozahlung 68
Mahnverfahren, Reformfragen 136
Majeſtätsbeleidigung, Tatbeſtand
108, 152, 156, 176
1908. XXIII
Mietvertrag, Kündigung durch den Teſtaments⸗
vollſtrecker
Militärgericht, Uebergang von Strafſachen 42
Militärpaß, Fälſchung 21
Militärpenſionen 293, 319
Militärſachen, Portofreiheit 65
Minde A ährige. Erklärung der Auflaſſung 467
— ſ. a. Vater, Vormund, Vormundſchaft, Vormund⸗
ſchafts gericht.
Mindeſtgebot ſ. Geringſtes Gebot.
Miniſter f. Staatsminiſter.
Mißhandlung, Begriff 43
Mittagspauſe der Arbeiter 110
Mittäterſchaft bei Einheitsdelikten 240
— bei Uebertretung der Vorſchriften über den Auto-
mobilverkehr 342
Mitverſchulden des Verletzten 68, 220
— des mißhandelten Ehegatten 43
Mündel, Beſtimmung des Aufenthalts 168
— f. a. Vormund, Vormundſchaftsgericht.
Mundraub, Tatbeſtand 312
N.
Nachbarrecht 42
Nacheid im Zivilprozeß 135
Nacherbe, Verhältnis zum Vorerben 85
Nachlaß, Auseinanderſetzung 146, 292, 416
Nachlaßgericht, Zuſtändigkeit 361
— Verhandlungen über Ausgleichung 19
— Verhältnis zum Hypothekenamt 415, 466
Nachlaßgläubiger, Verhältnis zum Vermächt⸗
nehmer 308
[Nachlaßpfleger, Vergütung 168
Nachlaßverbindlichkeiten, Begriff 275
Nachlaß verwaltung, Beichwerde des N
nisnehmers 318
Mäklerlohn bei Verkauf einer Hypothek 129
Mäklervertrag, Begriff 395
Margarine, Verwendung beim Backen 89, 342
Maſchine, Zubehör 221
— Eigentums vorbehalt 425
Maße 296, 482
Mehrheitsbeſchluß bei Auflöſung einer
Handelsgeſellſchaft 18
— bei Vereinen 440
Miete, Einfluß der Zwangsverſteigerung 179
MNietentſchädigung für Dienſtwohnungen 432
Mieter, Haftung für den Zuſtand des Gebäudes 464
Mietertrag, Schätzung beim Verkauf
Nach verfahren über den Betrag des Anſpruchs 32
Nacktheit, Bedeutung für Feſtſtellung der Un⸗
züchtigkeit 107
Nahrungsmittel, Verfälſchung 89, 342
— Entwendung 312
Natron, Zuſatz zu Wein 184
Nebena b reden, mündliche, bei notariellen en
trägen 02
Nebenbetrieb, landwirtſchaftlicher 106
Neben geſchäfte der Beamten 349, 392, 431
Nebenintervenient, Prozeßſtellung 226
Nebenkläger, Beweisanträge 21
— Einfluß des Todes 185
— Anſpruch auf Buße 304
Nervenleiden als Unfallsfolge 435
Nichtigkeit der Ehe, Feſtſtellung 144
Niederlande, Vormundſchaſtsrecht 144
Nießbrauch an einem Fiſchwaſſer 473
Nobile officium des Richters, Begriff 398
Normal-Eichungskommiſſion 296
Notar, Scheckproteſt 323, 404
— Behandlung von Belaſtungszeugniſſen 331
— Scheckverkehr mit Banken 12
— Verwendung der Schreibmaſchine 424
— Portozahlung 67
— Haftung des Staats 225
Notariatsgehilfen, Unterſtützung 112
Notariatsurkunden, Vollſtreckbarkeit 224, 313
Nötigung, Begriff 86
Notſtand, Begriff 48
Notteſtament |. Dorfteſtament.
Notwehr, Begriff 45, 48
Notzucht, Verſuch 481
Nutzungen des Fideikommißvermögens 22
— Verteilung zwiſchen dem Vorerben und dem
Nacherben
Nutzungsrechte an Gewäſſern 6
44
— an Familiengütern
XXIV
——
O.
Oberlandesgericht, Beſchwerde zu Protokoll des
Gerichtsſchreibers 245
— Zuſtändigkeit in Rechtshilfeſachen 415
— Reformfragen 471
Oberrealſchüler, Zulaſſung zum jur. Studium 253
O berſter Rechnungshof, Stellung va
345, 368, 370, 372, 388, 394, 434, 457
Oberſtes Landesgericht, Zuſtändigkeit 401
Offenbar un gs eid, Widerſpruch 72
— Begriff des neuen Bermögenderwerb® 111
Offentliche Angelegenheiten, Begriff 274
Offentliche Klage, Zurücknahme 481
Offentlicher Glaube des Grundbuchs 46
Offentlicher Vertehr, Begriff 482
Offizialverfahren in Grundbuchſachen 397
Ordnungsſtrafen gegen den Berufsvormund 155
Zeugen, Vollzug 422
— 349, 411, 412
237
357
63, 81
419
483
476
Ortskirchenbedürfnis, Begriff
Oeſter reich,
— Scheidung von Israeliten
Otter fang
P.
Pacht, Einfluß der Zwangsverſteigerung 179
— von Jagden durch Beamte 393
— von Fiſchwaſſern 473
Palmin, Verwendung beim Backen 89, 342
Pauſchalgebühr für Auslagen 40, 137
Pauſe |. Mittagspauſe, Ruhepauſe.
Penſionen Í. Militärpenſionen, Beamter.
Perſonalbogen für Verurteilte 416
Perſon enſtandsurkun den, Austauſch mit der
Schweiz 52
Pfalz, Behandlung der Standesurkunden 52
— Zuſtändigkeit in Waſſerſachen 7
— Städteverfaſſung 384
Pfandrecht an verſendeter Ware 289
— an Forderungen 139
— an einer Verſicherungspolice 379
Pfändung eigener Sachen 13
von Buchhypotheken
von Eigentümerhypotheken
einer offenen Rangſtelle
II
— Anfechtung im Konkurs 170
Pfändung sbenachrichtigung 303
Pferderennen, Wetten 70
Pflanzung ſ. Schonung.
— — —— —
| g ,
i Realgymnaſiaſten, Zulaſſung zum juriſtiſchen
3
II. Alphabetiſches Verzeichnis 6
Poſtporto, Neuregelung 65
Poſtproteſt 296
Poſtſcheckverke hr 484
Poſtſekretäre, Haftung für Einſchreibſendungen 376
Prämien bei der Privatverſicherung 372
— Folgen der Nichtzahlung 379
Präpoſitionen, Häufung 468
Präſenzpflicht der Beamten 389
Preßvergehen, Begriff 250
— Verjährung 464
Preußen, Ausbildung der Juriſten 253
— juriſtiſche Prüfungen 212
Privatflü ſſe, Benützungsrechte 259, 316
— f. auch Gewäſſer, private.
Privatklageverfahren, Reform er 117, 137,
59, 448, 470
Privatverjid erung Í Verſicherungsvertrag.
Privilegien 6
Prokuriſt, Wechſelzeichnung 205
— Eintragung der Geſamtprokura 381
Proteſt Í. Wechſelproteſt, Scheckproteſt.
rotokoll bei der Teſtamentserrichtung 19, 69
— über den Umſchreibungsantrag des Erben 417
— unzuläſſige Berlefung 247
— Rüge der Unvollſtändigkeit im Strafprozeß 145
Pro viſion ſ. Mäklerlohn, Mäklervertrag.
Pro viſionsreiſender ſ. Reiſender.
Prozeßge richt, Beurkundung einer Auflaſſung 127
— Regelung des Unterhalts 248
Prozeßhandlung, Wiederholung 145
Prozeßkoſten, Umfang des Begriffs 321
— Entſcheidung in der Reviſionsinſtanz 43
— Wirkung der Reform 40
Prüfungen in Preußen 212
Putativnotwehr, Begriff 45, 48
Putzmachereien, Sonntagsruhe 95
Q.
Qualifikation der Beamten 394
Quellen, Rechtsverhältniſſe 8, 449
Quiedzierung 371, 453
R.
Rang der Rechte an Grundſtücken 175, 217, 478
— Aenderung 312
— der Beamten ſ. Beamter.
Rangſtelle, offene, Pfändun 208
Studium
Pfleger, bei Rechts geſchäften zwiſchen minder ⸗ Realkonkurrenz⸗, Behandlung der Haftentſchädigung
jährigen Geſchwiſtern 16 197, 365
— Vertretung mehrerer Kinder 292 Reallaſt, zuläſſiger Inhalt 174, 208, 385
Pflegſch aft, Beſchwerde gegen die Anordnung | Realrechte, Uebertragung 46
331, 3414 Rechnung sſtellung, Streitwert der Klage 70
Photograp hien, unzüchtige 107 | Rechtsanwalt, Zuziehung zu Beſprechungen der
— Urheberſchutz 172, 344 Richter 178
Plannummernbezeichn ung; Bedeutung 405 — Vertretung 192
Plenarentſche i dungen des Reichsgerichts 2, 425 — Nachholung der Unterſchrift 483
Police Í. Verſicherungspolice. 1 ehrengerichtliches Verfahren 121, 162, 219
Polizeiaufſicht 364, 427 — Hypothekentitel für Koſten 421
Polizeibeamte, Teilnahme an politiſchen Vereinen 391 | — Gebühren 136
Polizeibehörde, Ermächtigung zur Beſeitigung Rechtsfähigkeit der Kirchengemeinden 38
eines Zuſtands 15, 83, 467 — der Schützengeſellſchaften 104, 121, 164, 299
— Beſchwerderecht in Regiſterſachen 401 — ätterer Vereine 130
— f. auch Diſtriktspolizeibehörde. Rechtshilfe, Begriff 415
Polizeiſtunde, neue Vorſchriften 131 — Koſten 364
Polizeiverordnungen über den Automobil⸗ gegenüber Verſicherungsanſtalten 211
verkehr 183 Rechts irrtum im Strafrecht 128
Portopflichtige Dienſtſachen 67 Rechtskandidaten, Ausſichten in Bayern 364
Poſtbedien ſtete, Beſtechung 277 — Prüfungen in Preußen 212
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in 1 Bayern. 1908. XXV
Rechtskraft, Umfang 109, 206 Schätzung von Mieterträgniſſen beim Verkauf 44
— des Zwiſchenurteils nach § 304 ZPO. Schauſpielunternehmer, Konzeſſionspflicht 188
— bei Baupolizeiübertretungen 467 Schauſteller, Pfändung von Werkzeugen 151
— bei Einheitsdelikten 240 Scheidebrief der Israeliten 483
Rechtsmittel, Beſchränkung 3 Scheckproteſte 323, 404
— gegen Zwiſchen- und Teilurteile 33 Scheckverkehr zwiſchen Banken und Notaren 12
— ſ. auch Beſchwerde, Berufung, Reviſion. E der Poſt 484
Rechtspraktikant, Auftreten in Verwaltungs— Scheinbar, Unterſchied von „anſcheinend“ 444
rechts ſachen 192 Schenkung, Begriff 395
Rechtsverhältnis, Feſtſtellung im Prozeſſe 144 — Widerruf 105
Rechtsweg, Zuläſſigkeit 434, 426, 454 — aus dem Geſamtaut 281
reformatio in peius, Verbot 340 Scherz bei Rechtsgeſchäften 49
— im Disziplinarverfahren 395 Scheune, Unfall 343
Regentſchaft, Anſtellungen 369 Schiedsgerichte ſ. Invalidenverſicherung,
Regiſterſachen Beſchwerderecht der Polizeibehörde 401 Innungsſchiedsgerichte.
— ſ. auch Handelsregiſter. Schie automaten 285
Regulierung von Flüſſen ſ. Flußkorrektion. Schiffahrt als Gemeingebrauch 35
Rehgeiß, Einziehung 362 Schlüſſelgewalt der Ehefrau 17
Reichsgericht, Entlaſtung 1 Schmuggel. Einziehung der Ware 271
— Plenarentſcheidungen 425 Schnelldruckpreſſe als Beſtandteil eines Ge-
— Reform 471 bäudes 221
Reichsgeſetze, Prüfung der Gültigkeit durch den Schöffengericht, Ueberweiſung 219, 445
Richter 358 Schonungen, unbefugtes Betreten 113
Reichs verweſung ſ. Regentſchaft. Schonzeit der Fiſche, Bedeutung 451
Reiſekoſten, Erſatz bei Eiſenbahnunfällen 166 Schreibgebühren im Prozeß 40
— der Beamten 433 Schreibmaſchine, Verwendung bei Notariaten 424
Reiſender, Unfall im Fabrikbetriebe 204 Schreibun fähigkeit des Erblaſſers beim Teſta—
Reklame, Verunſtaltung von Ortſchaften u. dgl. 323 ment 172, 225, 464
Religions unterricht, Verſäumung 209 Schreibwerk f. Geſchäftsvereinfachung.
Rennen ſ. Pferderennen. Schriftform, Begriff 45
Rentamtmann, Haftung bei Ausſtellung von Schuldanerkenntnis aus Börſengeſchäften 236
Belaſtungszeugniſſen 33 — Anfechtung 105
Rente ſ. Geldrente. Schuldübernahme, Genehmigung 124
Reſidenzpflicht der Beamten 389 Schüler, Begriff 420
Reviſion, Begründung 469 Schulpflichtige f. Sonntagsſchulpflichtige.
— Einſchränkung 359 Schützengeſellſchaften, Rechtsfähigkeit
— Zurücknahme 43 104, 121, 164, 299
— gegen Ueberweiſung an die Landespolizei— Schutzgebiete, Urheberrechtsſchutz 484
behörde 125 Schwefelſäure, Zuſatz zu Wein 184
— Reformvorſchläge 3, 425 Schweiz, Austauſch von Perſonenſtandsurkunden 52
Reviſions ſumme, Berechnung 70 — Ehbeſcheidung 295
Revolver ſ. Waffen. Schwurgerichtliches Verfahren, eee
Rheinpfalz ſ. Pfalz. Verleſung
Richter, Ausſchließung 70 — Behandlung von Einheitsdelikten 241, 15
— Dienſtverhältniſſe 368, 372, 387, 388, 389, 394, 432, — Angabe des Stimmenverhältniſſes 312
434, 454, 457, 459 — Strafzumeſſung 223
Richterverein, bayerischer 52 — Reform 471
Rodung von Wald 213 — f. a. Geſchworene.
Röhrenleitungen, Rechtsverhältniſſe 8 Seen, Rechtsverhältniſſe 5, 9
Römiſches Recht, Bedeutung für die Gegen— — Eigentum an den Fiſchen 449
wart 254 Selbſtkontrahieren, Verbot 180
Rücktritt vom Verſuch 99 Sicherheit, Beſtellung für Börſengeſchäfte 235
Ruhepauſen für die Arbeiter 93, 115 Sicherheitshypothek, Vorausſetzungen der
Ruheſtand ſ. Beamter. Eintragung
Sicherungshypothek, Aenderung des Rangs 313
— Beſtimmtheit der Forderung 230
S | — Beweislaſt für Ausfüllung 417
* — des Unternehmers eines Bauwerks 166
Sacharin, Schmuggel 271 — f. a. Vollſtreckungshypothek.
e an Gas 190 Silbermünzen ale Zahlungsmittel 199
— an Waldbäumen 438 Singvögel, Handel 276
Sach verſtändige, Ablehnung 269 Sonderrecht eines Geſellſchafters 26
— Beeidigung im Zivilprozeß 135, 364 Sonntags ruhe der Arbeiter 93, 110, 115
— im ehrengerichtlichen Verfahren 121 — der Beamten 344, 389, 431
— Gebühren 210 Sonntagsſchulpflichtige, unerlaubter Wirts—
— Entſchädigung für Aktenſtudium 72, 210 hausbeſuch 163
Sägewerksbeſitzer, Haftung für Unfälle 84, 142, — ſtrafbare Schulverſäumniſſe 209
202, 266, 304
Schadenserſatz wegen rechtswidriger Verſteigerung 379
— wegen Tötung 311
— wegen Immiſſion 61
— wegen Flußkorrektion 79
— bei Eiſenbahnunfällen 435
— Umfang 256
Schankſtuben, Polizeiſtunde 131
Spiel ſ. Glücksſpiel. A
Staat als Eigentümer öffentlicher Flüſſe 5
— Entſchädigung Freigeſprochener 333
— Haftung für Verletzung der Amtspflicht 36, 111, 408
— — für Notare 225
— — für Klinikbeamte 149
— — für Rentämter 330
Staatsanwalt, Strafantrag 335
XXVI
Staatsdienſtaſpiranten, Verhältniſſe
— Anrechnung der Dienſtzeit
Staatsgebühren f. Gebühren.
Staatsminiſter, Verhältniſſe
Städteverfaflung, pfälziſche
Stadtmagiſtrate ſ. Magiſtrate.
348
455
348, 433, 459
384
Stall, Unfälle 312
Standesämter in der Piah 384
Statiſtik der Gewerbe. und Kaufmannsgerichte 232
Statiſtiſches Amt, Kaiſerliches, Einberufungen 152
Stege, Unterhaltung durch die Gemeinde 220
Stellvertretung bei Ausübung der Fiſcherei 474
Stiftungen, Portofreiheit 66
Stiftungs vermögen, Verwaltung 39
Stimmen verhältnis, Angabe beim Spruch
der Geſchworenen l 312
Strafantrag, Form 45
— bei Einheitsdelikten 239
— bei Majeſtätsbeleidigung 177
— bei Sachbeſchädigung 190
— Vertrag über Unterlaſſung 144
— des Staatsanwalts 335
Strafbefehl, Ermächtigung der Polizeibehörde
zur Beſeitigung eines Zuſtands 15, 83
Strafliſte ſ. Strafregiſter.
Strafprozeß, e 117, 137, 159, 445, >
Strafrechtsref orm
Strafregifter, Erweiterung 416
Strafzumeſſung, Antrag des Staatsanwalts 335
3
— bei Geſamtſtrafen 40
— im ſchwurgerichtlichen Verfahren 223
— Begründung 439
Strafzweck 247
Straßen beleuchtung durch die Gemeinden 25
Streitwert bei mehreren Anſprüchen 442
Strichſchillinge, Abtretung 90
Sühne als Strafzweck 247
Sühneverſuch im Privatklageverfahren 97, 137,
160, 471
Suspenſion f. Beamter.
Süßſtoffgeſetz, Verhältnis zum Vereinszollgeſetz 271
T.
Tagegelder der Beamten 433
Tanz unterhaltung, unerlaubter Beſuch 163
Tatbeſtand 3mertmal „ſubjektives, Begriff 375
Tateinheit f. Einheitsdelikte.
Täterſchaft, mittelbare 73, 99
Tauſch von Grundſtücken, Form 462
Täuſchung als Anfechtungsgrund 166
Teich, Eigentum an den Fiſchen 449
Teilnahme im Strafrecht, Begriff 73, 99
— bei Einheitsdelikten 240
Teilungsanordnung, Begriff 246
Teilurteil nach § 301 RPO. 29
Eh bei Vorabentſcheidung über den Grund 32
Telegramme, Gebühren 67
— als Urkunden
Telephon verkehr, Gebühren 67
Termingeſchäfte ſ. Börſentermingeſchäfte.
Terminologie ſ. Begriffsbeſtimmungen.
Terminsbeſtimmung durch den Vorſitzenden,
Beglaubigung 295
Terminsgebühr im Zivilprozeß 136
— der Aerzte 210
Teſtament, Beſtimmtheit des Inhalts 193
— Verleſung des Protokolls bei Errichtung 19
— Zeugen 69
— eigenhändiges 21, 357
— Aufhebung 182
— Notariatsgebühren 23
— Fälſchung 21
ſ. a. Dorfteſtament, Schreibunfähigkeit.
II. Alphabetiſches Verzeichnis.
|
|
|
l
Teſtamentsvollſtrecker, Befugnifie 17, 90
— als Beklagter in Mietſtreitigkeiten 90
Theaterzenſur in Bayern 188
Tiere, Notwehr gegen ſie 48
Tierhalter, Begriff 363
— Haftung 276
Titel, unbefugte Führung 392
Todesanzeige bei Lebensverſicherung 339
Todeserklärung, Vorausſetzungen 192
Tonwerke, unbefugte Aufführung 172
Tötung, Schadenserſatzanſprüche 311
Transferierung ſ. Uebertragung.
Trennung im Zivilprozeſſe 29
Treppe, öffentliche, Verkehrsſicherheit 25
Treſterwein 465
Triftgewäſſer, Gemeingebrauch 35
Trödler, Verpflichtung zur Buchführung 24
Trunkſu ch t als Scheidungsgrund 182
U.
Ueberfall, Begriff 465
Ueberlegung, Begriff 158
Uebertragung von Hypotheken 87, 129
— von Grundſchulden 270
— von Gewerberechten 46
Ueberweiſung gepfändeter Anſprüche
— an das Schöffengericht
Ueberweiſungsverkehr
und Notaren
Ufereigentümer,
korrektion
219, 445
zwiſchen Banken
12
Entſchädigung bei Fluß⸗
80
Ufergrundſtücke, Untergang 9
— Benützung beim Fiſchfang 475
Umlagen j. Kirchenumlagen.
Umſchlag des Teſtaments, Bedeutung 357
Um zugskoſten der Beamten 347, 372, 433
Undank des Beſchenkten 105
Uneheliche Kinder, Unterhaltsverträge 202
Unfall im verſicherungspflichtigen Betrieb 84, 108,
142, 202, 204, 266, 304, 363
— auf der Eiſenbahn 166, 435
— in einer Wirtſchaft 419
— in einem Stall 312
— in einer Scheune 343
— auf einem Fußpfad 269
— ſ. a. Kauſalzuſammenhang, Automobilunfall.
Unfallfürſorge für Beamte 347, 433
Unfallverhütungsvorſchriften, Be⸗
deutung 344
Ungarn, Auslieferung 252
Unſittlichkeit von Verträgen 144, 165, 229
Unterbrechung der Verjährung 52
Unterhalt unehelicher Kinder 202
— der getrennt lebenden Frau 86
— Vertrag über U. 144
— Regelung durch das Vormundſchaftsgericht
Unterhaltung einer Grunddienſtbarkeitsanlage
173, 385, 476
Unternehmer, Anſpruch auf Sicherungshypo⸗
thek 166
Unterſchlagung, Tatbeſtand 293
— Idealkonkurrenz mit Untreue 15
Unterſchrift beim Strafantrag 45
— bei den Grundbucheintragungen 142
— beim Dorfteſtament 172
— beim Wechſel 462
— bei Urteilen 472
— f. auch Schreibunfähigkeit.
Unterſuchungsanſtalten, Strafmitteilungen 132
Unterſuchun'gshaft, Entſchädigung 197, 3 5
— Verhör des Verhafteten 2 4
— von Abgeordneten 3 4
‘s | er | tai j } aà
1 i 1 t 1 1 I
~
-
Untreue der Geſellſchafter einer Kommandit⸗
geſellſchaft
— Idealkonkurrenz mit Amtsvergehen
Unzüchtige Darſtellungen, Begriff 107
Unzüchtige Handlungen, Begriff 481
— Vornahme mit Gewalt 248
— an Kindern 340
— an Schülern 420
Urheberrecht, internationaler Schutz 172, 344, 484
Urkunden, Vollſtreckbarkeit 224
— i 248
— Pflicht zur Vorlegung 309
Urkundenfälſchung, Tatbeſtand 206, 290, 291
— bei Telegrammen 166
— beim Militärpaß 21
— beim eigenhändigen Teſtament ' 21
Urlaub der Beamten 349, 409, 431
— der Geſchworenen 471
Urteil in Zivilſachen, Begründung 437
— in Strafſachen, Begründung 472
— f. auch Zwiſchenurteil, Verſäumnisurteil.
V.
Vater, Befugnis zur Hypotheklöſchung 380
— Verpfändung von Hypotheken 217
— Haftung für Prozeßkoſten des Kindes 25
Vaterſchaft, Anerkennung 202
— Vermutung 356
Veräußerung, Begriff 145
— von Zubehör 398
Vereine, ale 104, 121, 130, 164, 299
— Beſchwerde wegen Nichteintragung 341
— Ausſchluß von Mitgliedern 130, 440
— Teilnahme von Beamten 349, 391, 410
— politiſche B., Begriff 274
— Auflöſung 324
Vereinszollgeſetz, Verhältnis zum Süßſtoff⸗
geſe 271
Verfälſchung von Nahrungsmitteln 89, 342
— von Wein 126, 184, 465
Berfügungsbeſchränkung, Löſchung 109
— Eintragung bei Zwangsenteignung 291
Vergeltungslehre 247
Vergleich im Privatklageverfahren 97, 117, 138, 160
— Gebühr 131
Verhältniswörter, Häufung 468
Verheiratung der Beamten 390
Verhör des verhafteten Angeſchuldigten 264
Verjährung von Schadenserſatzanſprüchen gegen
die Eiſenbahn 166
— von Einheitsdelikten 239
— der Majeſtätsbeleidigung 176
— von Preßvergehen 464
— von Baupolizeiübertretungen 467
— von Dienſtvergehen 412, 430
— der Fahnenflucht 231
— unvordenkliche B. 7
— Unterbrechung 52
— Berückſichtigung bei Armenrechtsgeſuchen 149
Verkauf eingezogenen Weines 112
Verkäufer, Haftung für Argliſt 44
Verkaufgeſchäfte, Sonntagsruhe 91
Verkehrs unfähigkeit der öffentlichen Gewäſſer 6
Verlaſſung, bösliche 68
Berlefung des Protokolls über Teſtaments⸗
errichtung 19
— von Zeugenausſagen 121
— unzuläſſige im ſchwurgerichtlichen Verfahren 247
Vermächtnis, Begriff 246
Bermächtnis nehmer, Verhältnis zum Nachlaß⸗
gläubiger 308
— Anfechtung der Nachlaßverwaltung 318
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 1908.
|
Vermeſſung von Grundſtücken 405
480 Vermittler ſ. Mäklerlohn, Mäklervertrag, Agent.
7
Vermittelung von Weiten
Vermögensbeſchädigung, Begriff beim Betrug 20
Vermögensbeſtandteile, Beiſeiteſchaffen 45
Verpfändung von Forderungen 139
— von Hypotheken 127
Verſäumnisurteil über den Grund des Ans
ſpruchs 31
— im Nachverfahren über den Betrag 52
Verfäumungdurteil, Koften 40, 443
Verſchlechterung der Kaufſache, Begriff 310
Verſchollenheit ſ. Todeserklärung.
Verſchulden bei der Privatverſicherung 352
Verſchweigen als Argliſt 44
Verſendungskauf, Eigentumsübergang 289
Verſetzung f. Beamter.
Verſicherungsagent, Vertretungsrecht 327, 373
Verſicherungsanſtalten, Rechtshilfe 211
Verſicherungsgeſellſchaft,
Verhältnis zum
Pfandgläubiger des Verſicherten 379
— Benachrichtigung vom Tode 339
Verſicherung police, Pfandrecht 379
Verſicherungs verträge, Auslegung 105, 339
' neues Recht 325, 350, 372
Verſionsklage, Umfang 50
Verſteigerung eingezogenen Weines 112
Verwandte, Anhörung durch das Vormundſchafts.
22
ſ. auch Zwangsverſteigerung.
Verſteigerungstermin, Bedeutung der Ver⸗
handlungen 267
Verſuch, Rücktritt 99
— der Notzucht 481
Verteidigung, Reformfragen 469
Vertragsfreiheit bei der Privatverſicherung 326
Vertragsſtrafe bei Konkurrenzverbot 229
— in Kartellverträgen 418
Vertretungsmacht der Frau 17, 50
— Beſchränkung bei Intereſſenkolliſion 16
Verunreinigung von Flüſſen 60
Verwaltungsgerichtshof, Stellung der Mit-
glieder 348, 368, 370, 372, 388, 394, 434, 457
Verwaltungsrechts verfahren, Vertretung
durch Rechtspraktikanten 192
Verwaltungs rechtsweg in Waſſerſachen 7
gericht
411
Verweis gegen Beamte
Verweſung von Stellen 388, 431
Verzeihung, Begriff 245
— Beweislaſt 463
Verzug des Gläubigers 379
Viehſeuchen, Abſperrungsmaßregeln 128
Vo gelſchutz 276, 444
Vollmacht für Strafantrag 45
— bei Güterzertrümmerung 180
— Anfechtung 258
Vollſtreckung f. Zwangsvollſtreckung.
Vollſtreckungshypothek, Eintragung an
offener Rangſtelle 208
Vollſtreckungsklauſel zu Hypothekenbriefen 223
— zu Ausſtandsverzeichniſſen der Berufsgenoſſen-
ſchaften 151
Vollſtreckungs urteil, Vorausſetzungen 419
Vorabentſcheidung über den Grund des
Anſpruchs 29, 338
Vorau svermächtnis, Begriff 246
Vorbehaltsgut, Umfang 357
Vorbehaltsurteil nach 8 302 3PO. 29
Vorbildung der Juriſten 253
Vorempfänge, Ausgleichung 19
Vorentſcheidung bei Haftung des Staats für
Beamte 111
Vorerbe, Verhältnis zum Nacherben 85
Vormerkung von Bauforderungen 421
— des Anſpruchs auf Auflaſſung 164
XXVIII
Vormerkung bei Pfändung von Hypotheken 303
— auf Löſchung 417
— bei Einverleibung von Grundſtücken in ein Fidei-
kommiß 71
Vormund, Befugnis zur Vertretung mehrerer
Mündel 16
— Verpfändung von Hypotheken 127
Vormundſchaft, maßgebendes Recht 144
— f. a. Berufs vormundſchaft.
Vormundſchaftsgericht, Ren zu
II. II. Alphabetiſches Verzeichnis.
Rechtsgeſchäften 331
— Unterhaltsverträge 202
— Regelung des Unterhalts 248
— Beſtimmung des Aufenthalts des Mündels 168
Regelung des Verkehrs mit Kindern aus ge—
ſchiedenen Ehen 22
Vorpfändung von Buchhypotheken 302
Vor ſatz, Begriff 73
— bei der Majeſtätsbeleidigung 157, 176
Vorſtrafen, Bekanntgabe
Vorunterſuchung im ehrengerichtlichen Ver—
fahren gegen Rechtsanwälte 121, 162
W.
Widerſpruch gegen Zablungsbefehle
— im Offenbarungseidverfahren 72
Widerſtand, Begriff 267
Wiederanſtellung ſ. Beamter. 5
Wiederaufnahmeverfahren, Entſchädi⸗
gung 333
— im Disziplinarverfahren 414
Wilde Tiere, Begriff 448
Win dproteſt' 296
Wirt, Haftung für eingebrachte Sachen 203
— für Unfäll 419
Wirtſchaften, Konzeſſionspflicht 148
— Polizeiſtunde 131
Wirtſchaftsgerechtſame ſ. Realrechte.
Wirtshausbeſuch, unerlaubter 163
Wiſſentlichkeit, Begriff 128
Witwengeld f. Beamter.
Wohnſitz der Beamten 389
Wohnungsrecht als Leibgedinge 129
—- gemeinſchaftliches 186
Zahlungs bedingungen,
Waffen, verbotene 460
Wahrheitsbeweis bei Majeſtätsbeleidigung 177
Währung 199
Waiſengeld f. Beamter.
Wald, Grunddienſtbarkeiten 43
— Abſperrung 122
— Aufforſtung 213
— Beihädigung von Bäumen 438
— Enteignung von Forſtrechten 291
Wandelungsanſpruch, Erfüllungsort 169
Waren, Zulaſſung zum Börſenhandel 234
Warenzeichen, Möglichkeit der Verwechslung 20
— unzuläſſige Anbringung 250
Wartegeld ſ. Beamter.
Waſſerbenützung rechte 259, 316
Waſſerleitungen, Rechtsverhältniſſe 8
Waſſerrecht, neues bayeriſches 4, 27, 34, 60, 79,
259, 286, 449
Waſſerzuſatz zum Wein 126
Wechſel, Unterzeichnung durch den Mann für die
Frau 205
— Unterzeichnung durch die Ehefrau 463
Wechſelforderung, Abtretung 250
Wechſelproteſt, Befugnis zur Erhebung 288
— Neuerungen 295, 404
Wege, Feſtſtellung der Eigentumsverhältniſſe 147
— Beauſſichtigung 25
— in Waldungen 122
Wegnahmerecht, Feſtſetzung im Zuſchlag 267
Wehrpflicht ſ. Fahnenflucht.
Wein, Fälſchung 126, 184, 465
— Verwertung bei Einziehung 112
Werkvertrag, Abnahme des Werks 287
Werkzeug bei ſtrafbaren Handlungen 73, 99
Wermutwein 465
Wertpapiere, Zugehörigkeit zum Fideikommiß 22
— Zulaſſung zur Börſe 2.34
Wetten bei Pferderennen 70
Widerklage, Behandlung bei Vorabentſcheidung
über den Grund 32
— im Eheprozeſſe 401
— Zuſtändigkeit 480
im Privatklageverfahren 41
Ri iderruf der Vollmacht 258
— der Schenkung 105
— der Anſtellung 368
Widerſpruch, Eintragung im Grundbuch 71
— gegen eine Hypothek 207
— von Forſtrechten
3.
der Hypothek
Zahlungsbefehl ſ. Mahnverfahren.
Zahlungseinſtellung, Begriff 403
Zahlungsproteſt 295
Zahlungstermin bei der Kündigung 309
Zäune, unbefugtes Ueberſteigen 122
Zeitangabe im Grundbuch 142
— beim eigenhändigen Teſtament 357
Zelt als Bauwerk 464
Zenſur ſ. Theaterzenſur.
Zeſſion ſ. Uebertragung.
Zeugen, beim Teſtament 69
— Beeidigung im Zioilprozeß 13⁵
— im Strafprozeß 470
— im ehrengerichtlichen Verfahren 121
— Geiſteskrankheit 439
— Unmöglichkeit der Vernehmung 42⁰
— Bekanntgabe von Vorſtraſen 324
— Ordnungsſtrafen 423
Zeugnis über Bodenzinfe 329
Zeugnisverweigerung durch einen au
kunfteiinhaber
Zeugniszwang 72
Zigeuner, Waffenverbot 460
Zivilkammer, Zuſtändigkeit 134
Zivilprozeß, Reform 1, 29, 40, 133
Zubehör, Begriff 221
— Veräußerung durch den Konkursverwalter 398
Wirkung des Zuſchlags 267
Züchtigung der Ehefrau 43
Zuckerung des Weins 126
Zurückbehaltungs recht an verkaufter Ware 289
Zurücknahme der Reviſion, Wirkung
— der öffentlichen Klage
Zurückverweiſung des Rechtsſtreits 33
Zuſchlag, rechtliche Natur und Wirkungen
Zuſchreibung von Grundſtücken 46
Zuſtändigkeit nach der Zivilprozeßreform 133
— des Nachlaßgerichts 361
— der Kaufmannsgerichte 479
— der Innungsſchiedsgerichte 355
— bei Einheitsdelikten 238
— Prüfung beim Vollſtreckungsurteil 419
Zuſtellung an einen Generalbevollmächtigten 250
— im Strafprozeß 223, 446
— Folgen der Mängel 222
Zuſtimmung, Begriff 53
Z3Zwangsenteignung, Behandlung im Grund⸗
buch 1
291
Eintragung bei
200
— — — — m Aue e aain
— — a y — . -
Zwangserziehung wegen Geiſteskrankheit der
Eltern
— Vollzug 155
Zwangsmittel gegen Beamte 394
Z3wangdvergleid, Wirkung 250
— Anrechnung im Auslande beigetriebener Beträge 272
Zwangsverſteigerung, Wirkung auf Miete
und Pacht 179
— bevorrechtigte Anſprüche 479
— Behandlung von Vormerkungen 164
— Berechnung des Werts erloſchener Rechte 307
— Behandlung der Löſchungsvormerkung 417
— bei Gemeinſchaft 102
— rechtswidrige 378
— ſ. a. Zuſchlag.
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
|
A
|
|
i
Zwiſchen verfügung des Grundbuchamts
XXIX
Zwangsverwaltung, Verteilung der Ueber⸗
ſchüſſe
— bei einſtweiligen Verfügungen
Zwangsvollſtreckung aus Vergleichen im
Privatklageverfahren 97, 160
171
479
— aus öſterreichiſchen Urteilen 419
— wegen Geldſtrafen 404
— zur Erzwingung von Handlungen 258
— Einfluß des Giterrechts 313
— Vereitelung 145
— f. auch Vollſtreckungsklauſel.
Z3Zwingende Rechtsſätze im Verſicherungsrecht 326
Zwiſchenurteil über den Grund des An—
ſpruchs 29, 338
398
S SSS S8
S &
III. verzeichnis der Geſetzesſtellen.
(Die fetten Zahlen bedeuten die Paragraphen oder Artikel, die kleinen die Seiten,,
A. RNeichsgeſetze.
1. Bürgerliches Geſetzbuch. 467 310 812 169, 331
472 462 813 308
361 180 463 488 322 814 356
104, 121, 164 181 16, 180, 292, 515 44 815 379
121, 164 333, 380 516 283 SIS 169, 307
111, 149 182 16, 56, 181, 518 259, 270, 396 823 25, 37, 44, 62,
55, 131, 188 332, 463 528 283 84, 111, 149,
26 183 55 530 105 476
104, 440 184 59, 463 534 396 826 44, 169, 183,
104 185 332 564 309 331, 337, 338,
341 228 48 565 179 339, 343, 379,
57 232 214 569 90 399, 423, 437
57 240 214 571 179 831 111, 183, 338,
111, 149, 330, 242 247, 379 572 179 373, 476
408 249 437 573 179 836 207, 423, 464
221, 407 253 256 574 179 87 423, 464
222 254 31 575 179 839 225, 226, 437
292, 317 267 54, 284 607 165, 438 841 54
316 268 200, 271 611 275, 480 812 378
473 269 150 626 275 813 338, 378
467 273 289 638 166 814 311
467 276 226 641 287 847 435
54, 264 278 352, 476 612 288 819 307
85 282 311 644 287 82 149
224, 264 281 131 647 421 857 319
49 286 379, 421 648 421 862 437
105, 166, 258, 294 379 652 129, 395 868 437
263, 310 295 379 656 257 878 71, 200, 242,
263 300 379 662 84 263, 313
53, 166 311 259 666 247, 480 874 129
166, 263, 331, 313 71, 203, 258, 667 247, 480 875 264
373 337, 462 675 480 876 174, 200
203, 226, 358 321 274 679 86 877 200, 217, 264,
45, 358, 463 322 352 683 86 313
183, 186, 246, 323 124, 372 681 56 878 129
418 325 124, 378 700 438 879 142, 173, 217,
452 328 282 701 203 387, 478
144, 165, 229, 344 397 705 104, 130 880 201,217,313
372 346 310 709 50, 130, 440 S81 208
203, 271, 337 317 310 713 247 882 217, 307
229 350 310 714 50 883 71, 164, 217,
263 351 310 723 130 303
264 354 310 737 130 88 303
49, 90, 263 399 20 738 317 890 46, 102
4 402 20 741 186 891 218, 242, 263
247, 374, 379, 414 124 744 54 892 46, 71, 217,
418 415 56 759 209 242, 261, 292
26, 379 416 124 761 259 S93 46, 217, 263
19, 474 421 215 762 236, 257, 286 $94 71, 207, 319,
373 432 140 763 57 380
463 449 105 764 236, 257 S99 207, 218
258 458 54 766 259 903 61, 113, 183
258 459 44, 310 779 226 904 114
258 2 331 781 19, 105 906 62, 183, 289
258 463 44, 150 | 795 54 907 123
19, 56, 463 465 311 | 810 309 911 341
m mee
6, 62, 183, 246
167,
114,
307
114,
173,
4
417
217
407
175
385, 476
317
316, 407
208
175, 200, 242,
202
201
200,
421
55, 200, 217
399
263
399
242
380
200,
313
90
129,
380,
380,
263,
201
230,
201
417
270
201
201
141
290
42
442
272
270, 302
418
417
417
417
357
124, 305
305, 380
54, 305
54, 124, 305
54, 281, 305
306
54, 124
292
306
124, 281
124
124
124
124
124
305, 380
55
168
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
55
332
168
16, 333, 380
168
58
58
16, 127, 333
XXXI
19, 23, 56, 69,
225, 464
2. Einführungsgeſetz zum Bürgerlichen Geſetzbuch.
30 1
65, 483
54
113
3. Handelsgeſetzbuch.
1 290, 394, 481,
482
2 290, 481, 482
50
420
7 482
18 401
58, 59, 440
23 440
24 58, 59
25 58, 59
29 481, 482
30
114
115, 208
124
90, 167, 181,
244, 439
6, 115
230, 242, 262
483
421
421
244
440
235
24, 209, 420
209, 290
54, 59
58, 60, 481
XXXII III. Verzeichnis der Gefeßesftellen. u
74 229 326 58, 59 9. Geſetz, betr. das Urheberrecht au Werken der
85 59, 373 327 59 Literatur und Tonkunſt.
86 57, 58 34 50 47 239 49 239
109 187, 480 366 290 48 239
112 54, 58 371 58 |
116 54, 59 373 49, 59 1Idͥ0. Geſetz, betr. das Urheberrecht an Werken der
119 59, 187 374 49 | bildenden Künfte und der Phstsgraphie.
125 480 378 59
126 50, 480 379 49 |
127 480 381 247 | 11. Berlagsgeſetz.
161 480 3856 59 | 28 60
163 480 387 247 |
170 480 392 257 er 12. Gewerbeordunng.
180 59 3903 54, 59 1 190 1056 115
186 359 400 247 | 12 393 105 e 115
187 393 401 247 32 189 120 93
195 59 433 290 33 310 120 b 95
201 59 455 290 33a 189 120e 116
202 359 4m) 57, 59 35 24, 214 133 229
212 59 501 59 37 401 135 93, 116
231 234 503 58, 59 38 24, 214 136 93, 95, 116
236 58, 59 506 59 40 189 137 93, 95, 116
238 59 544 58 | 41 94 1390 94, 110, 116
260 59, 209 553 54, 58, 59 | 41 96 144 190
261 209 565 58 41b 96 146 95, 110, 117
264 59 566 59 55 96 146a 95, 117
265 209 641 59 89b 60 147 95, 117, 189
270 59 642 58 91 355 154 93
276 59 779 374 105 a 96 154 a 93
281 59 782 59 105 b 93, 94, 95, 110,
304 59 813 59 115, 117
305 57, 59 816 59
323 59 886 59 | 13. Hypsthekenbankgeſetz.
23 209 41 104
4. Wechſelordunng. | 24 210 42 210
43 296 88a 295 28 210
44 296 88b 295 A
69 295 »9a 295 14. Börſengeſetz.
72 295 90 296 a 99.
S7 296, 323 91 296 5 1
2095 92 296 49 234 6⁵ 237
50 234 66 235
5. Schelgeſetz. 51 235 68 237
2 484 16 323 | 54 236 774 237
55 236 77 b 237
6. Geſetz über den Verſicherungs vertrag. | .
2 39 - 15. Haftpflichtgeſetz.
2 328 4 373 |
6 328, 351 47 373 1 86, 435
9 372 51 327
16 350 61 a 16. Gewerbe⸗Uufallverſicherungsgeſetz.
17 350 67 327 i i
19 328 48 372, 374 12 85 102 101
24 351 5 i 14 85 103 151
„ „ 70 205 135 84, 204
29 350 82 327 73 204 ’
30 327 92 354
F 282 Qu 7: 2 N
37 9055 N 17. Unſallverſicherungsgeſetz für die Land- und
31 352 158 373 Forſtwirtſchaft
36 373 186 326 :
37 373 187 326 1 106 146 85
40 373 188 326 120 343 151 363
41 350, 373 189 326
43 373 192 326, 374 18. Krankenverſicherungsgeſetz.
7. Geſetz betr. die Geſellſchaften m. b. H. st N
13 420 41 420 i
17 60 2 286, 420 19. Invalidenverſicherungsgeſe tz.
2 26 45 26 | 134 401 172 21
S. Geſetz zum Schutze der Warenbezeichnungen. 20. Perſonenſtandögeſetz
15 250 20 20 | 76 483
Inhaltsverzeichni
1
6
S —
NSN
RISE
103
21. Geridhtsverfafinngsgefeg.
151, 389 75 219
368 101 134
133, 370, 372, 109 134
387 127 471
434 152 389
483 158 415
384 160 211, 415
133 181 423
346 202 134
134
22. Nechtshilfegeſetz.
211 38 211
211
23. Zivilprozeßorduung.
442 475 110
142 482 135
307 504 135
419 505 135
150, 170 506 136
135 508 135
225 515 44
32, 131, 135, 518 143
321. 443, 483 529 419
30, 224 535 222
443 538 29
34 539 34
43 550 225
442 551 379
321 546 70
97 549 222, 227
321 550 168
29 551 222
222 561 223
222 563 309
250 566 44
222 568 341
222 569 245
222 571 190
222 574 245
222 600 443
442 606 68, 483
43 624 183
144 627 69
480 646 106
379, 437 680 106
33, 379 681 106
29 717 29, 136, 443
29, 443 722 419
29, 143 723 419
29 724 224
245 726 224
109, 226 727 224
202 735 104
419 739 190, 314
32 7410 306
32 750 315
44 766 400, 442
443 767 32, 170, 272
109 769 442
400 771 315, 442
228 780 30
228 793 224
135 794 97, 314
135 1795 224
135 797 136, 224
135 801 151
109 807 111
29 808 14
109 819 442
8 der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
XXXIII
828
829
836
845
865
866
867
303
250, 302
302
207
303
399
208, 306
121
888
903
927
935
936
938
910
258
111
69
479
69
245, 479
69
24. Geſetz über die Gewerbegerichte.
25
55
180
355
355
25. Geſetz über die Kaufmannsgerichte.
1 480
4 480
5
3 308
10
43
4
48
49
50
52
55
57
59
60
6
71
2
id
29. Ginführnngsgefeh zum Zwangsverſteigerungsgeſetz.
180
6
16
21
26. Konkursorduung.
273
399
399
257
170, 403
251
273
273
399
251, 273
399
308
27. Aufechtungsgeſetz.
308
117
127
132
193
213
215
216
217
226
237
238
240
480
180
480
399
142
442
251, 252, 272
104
308
308
308
308
273
273
290, 420
28. Zwangsverſteigerungsgeſeßz.
171, 479
60
175, 200
164
200, 217
217
200, 259, 307,
417
268
179
60, 103, 200,
60
102
60
379
9 129
30. Gerichtskoſtengeſetz.
111
190
190
131
82
81
4
91
92
105
132
133
146
152
155
181
182
48
64
6⁵
92
268
60
268
165, 307, 417,
165, 217, 307,
417
60
267
267
479
179
171
60
103
136
417
417
25
31. Nechtsanwaltsordnung.
219
122, 163
163
163
163
219
192
483
122, 163
62
64
68
7:
75
86
SS
%
122, 219
122
122, 163
121, 162
162
162
121, 162
122
2, 163, 219
XXXI
32. Gebührenordnung für Nechtsanwälte.
76 137
33
Gerichtsbarkeit.
1 341 57 318, 341, 421
2 415 59 225, 331
5 415 63 225
15 364 72 415
16 249 75 415
19 401, 415 76 319
20 248, 341, 401, 80 361
416 s6 146, 361
21 361 SS 416
24 249 125 382
27 168, 225 142 481
29 361 143 401, 481
30 415 174 69
32 341 192 416
36 332 199 401
46 415
34. Grundbuchordnung.
1 415 29 109, 208, 261,
2 407 318, 397
4 46 30 108
6 407 36 466
8 60, 174, 292 39 415
9 230, 262, 416 40 208, 318
12 408 45 142
13 415 46 218
18 397, 415 48 186, 318
19 200, 315 50 129
21 60 54 316
22 108, 315, 318, 71 316, 415
466 72 415
23 386 81 415
24 386 83 292
28 200 87 262
35. Strafgeſetzbuch.
3 184 79 362
4 238 95 108, 177
11 238 97 176
31 407 99 176
33 407 101 177
35 407 113 267
40 362 114 86, 267
42 362 117 438
43 223, 267 120 465
3 99 121 465
47 76, 185, 228, 122 435, 465
240, 342 123 123, 160, 299
48 76, 228, 240, 131 422
281, 342 153 359
49 128, 185, 228, 154 359
240, 342 157 359
51 238 161 359
5.3 45, 48 73 239
55 298 174 420
56 298, 375 176 223, 239, 218,
57 239 299, 340, 481
58 298 177 223, 481
59 45, 185, 240 181a 125
60 366 184 107
61 239 185 44, 169, 177
64 161 186 87, 177
67 239 187 44, 177
73 16, 126, 223, 188 304
267, 271 193 87, 177, 238,
74 241, 313, 340, 319, 422
303, 365 194 139
Geſetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
195 304 286 227
199 177 288 45, 145
100 178 301 74
221 79 3026 358
222 223 303 123, 160, 190,
223a 160, 465 299, 438
231 304 304 299
232 139, 160, 304, 306 74
239 267 307 74
240 267 319 407
241 160 328 128
242 79, 299, 312 331 277
244 439 332 277
246 79, 185, 293, 333 277
299 346 167
219 299 347 439, 465
257 167, 240 350 16
259 240, 243, 451 358 407
263 20, 299 359 401
266 15, 480 360 227
267 21, 166, 206, 363 21
248, 290, 299 366 122, 128, 342
268 206, 299, 340 367 83, 342, 467
271 223 368 83, 123
274 248 369 482
281 227 370 160, 312
36. Einführungsgeſetz zum Strafgeſetzbuch.
2 438
37. Preßgeſetz.
20 178 22 464
38. Geſetz betr. die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung.
152, 156, 176.
39. Spreuaftofigeieh.
as preugſtoffgeſetz
40. Geſetz über das Poſtweſen.
280
41. Vereinszollgeſetz.
1; 271 154 271
14 271 155 271, 362
42. Münzgeſetz.
3 217 15 217
9 21
43. Wettgeſetz.
3 70 6 70
44. Vogelſchutzgeſetz.
3 276, 444 8 276
6 276 sn 276
45. Nahrungsmittelgeſetz.
10 126, 271, 342 16 271
11 342
46. Weingeſetz.
2 126, 184, 465 13 126, 184
3 126, 185 18 112
7 126, 184 22 126
8 126
47. Süßſtoffgeſet.
21 9 271
7 271
48. Margarinegeſetz. 423 120 449 362
1 271 20 271 424 161 178 362
= z 424 118, 160 483 423
426 98 492 362
49. Militärſtrafteſetzbuch. 427 97 496 42, 118, 160
E 428 4i 497 42, 241
Eu 167 2g 430 41 498 241
431 97, 118, 139 499 241, 362
50. Strafprozeßerduung. = 2 125
2 70, 244 257 145, 335 435 304 303 97, 160
25 244 259 42, 97, 118, 472 443 304 506 241
30 244 260 184 447 84 564 70
31 244 264 167, 185, 241
32 205 265 241, 430
35 265 273 145 51. Einführungsgeſetz zur Strafprozeßordnung.
37 223 274 145 4 177 .
51 167 279 244
56 439 280 244 dn 8 r
60 470 28 244 52. Geſetz, betr. die Entſchädigung für unſchuldig
64 292 241 erlittene Unterſuchungshaft.
112 367 293 241 „ 8
114 265, 366 291 241 1 6 1%8
115 264 296 241 N
116 469 300 145 | . 1
124 266 302 421 | 53. Geſetz, betr. die Eutſchädigung der im Wieder-
5 = > 095 aufnahmeverfahren freigeſprochenen Perfonen.
141 483 307 312 | 1 4 333
151 481 308 145 | 2 333 5 333, 430
184 375 309 313 3 334
154 481 311 146
155 125, 298 316 469 54. Militärſtrafgerichtserdunng.
156 45 i 329 472 6 42 469 42
168 47 337 469 | 250 430
170 469, 470, 483 345 472
182 481 7 41 i a
isi 469 366 472 55. Neichsmilitärgeſetz.
18 469 376 70, 126 40 390
198 469 377 70, 244 aa
199 70 380 41, 423, 472 56. Militärpenſionsgeſetz.
200 471, 481 381 359, 365 : 29 100 320
202 41, 42 35 223 67 201 115 320
20 125, 469 392 125, 359 90 321 116 320
208 355, 430 303 70, 108 | m 320
209 41 394 108, 359, 365 =
210 469 397 312 |
218 265 398 340, 343 | 57. Mannſchaftsverſorgungsgeſetz.
229 265 414 98, 159, 304 3 209.9 47 293
230 265 415 16ʃ 8 215
242 97 416 139, 161 |
243 98, 125, 207 420 98, 120, 137, | l ;
244 97. 420 160 | i 58. Reichsbeamtengeſetz. u
218 420 422 185 | 12 277 13 377
B. Landesgeſetze.
1. Ausführungsgeſetz zum Bürgerlichen Geſetzbuch. 3. Geſetz, Uebergangsvorſchriften betreffend.
1 7, 36 8 208 2 104, 130, 441 so 249
32 129 128 330 10 316 83 249
41 209 129 415 | 42 217 84 249
18 129 135 71 15 6 88 249
59 26, 62, 71 147 7, 9 50 421 89 249
60 36, 149, 330, 408 166 314 78 249 92 249
61 408 167 401 | 19 249
69 416 175 409
81 127 |
f | ührungs ur Zivilprojeßordnung und
2. Geſetz, betr. die Berufsvormundſchaft. 4̃. Ausführung 1 a nn x yeb 8
154 6 155 | i
2 154 7 155 | 2 149 128 314
4 155 8 155 6 151 136 314
5 155 | 100 361
XXXIV
III. Verzeichnis der Geſetzesſtellen.
— — =
— — n a ——käůꝛʒʒ—72dx
— ne,
32. Gebührenordnung für Rechtsanwälte. 195 304 286 227
76 137 | 199 177 288 45, 145
| 100 178 301 74
33. Geſetz über die Angelegenheiten der freiwilligen | 3 23 a = 160. 100
Gerichtsbarkeit. 2233 160 465 j 299 43 4 q
= ast N e 299, t 8
1 341 57 318, 341, 421 281 304 301 299
2 115 225, 331 — 139, 160, 304, 306 74
5 63 225 239 267 307 74
1 1 5 3
16 249 75 415 | 241 160 328 128
19 401, 415 76 319 | 242 79, 299, 312 331 277
20 248, 341, 401, 80 361 244 139 332 277
1 306 86 146, 361 | H6 79 185, 293, 333 277
21 36 SS 416 21 ;
24 249 12⁵ 92 249 299 317 439 465
27 168, 225 142 481 257 167, 240 350 16
29 361 143 401, 481 259 240, 243, 451 358 407
2 7 17409 263 20, 400 359 401
32 34. 192 416 2666 15, 480 360 227
36 332 199 401 | 267 21, 166, 206, 303 21
46 415 | | 248, 290, 299 366 122, 128, 342
| 268 206, 299, 340 367 83, 342, 467
f 34. Grund bucherduung. i sn = 15 123
1 415 29 109, 208, 261, | 281 227 370 100, 312
— u t |
1 105 = 15 | 36. Einführungsgeſetz zum Strafgeſetzbuch.
8 60, 174, 292 39 415 2 438
9 230, 262, 416 40 208, 318 37. Preßgeſetz.
12 408 45 142 di i A. ie
18 397, 415 48 186, 318 ; i 3 181
19 200, 315 50 129 38. Geſetz betr. die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung.
21 60 54 316 152, 156, 176
| 22 108, 315, 318, 71 316, 415
! ) 2 415 s
23 2 G 415 21238 39. Sprengſtoffgeſetz
24 386 292 EB
58 kid 4 0 0
28 200 87 262 40. Geſetz über das Poſtweſen.
' 27 280
i 35. Strafgeſetzbuch. ,
. y Ii paai | 41. Vereinszollgeſetz.
5 505 35 | 134 271 154 271
4 238 95 108, 177 141 271 ~ 95 6
; 11 938 97 176 ál 155 271, 362
31 407 99 176
33 407 101 177 42. Münzgeſetz.
35 407 113 267 3 217 15 217
40 362 114 86, 267 9 217 Ber
42 362 117 438 N
DD) 987 2 465 :
40 el = 5 f 43. Wettgeſetz
47 76, 185, 228, 122 435, 465 2 6 70
240, 342 123 123, 160, 299
48 2 19 240, > 5 | 44. Vogelſchutzgeſetz.
49 128, 185, 228, 154 359 1 en S 276
240, 342 157 359 276 Sn 276
51 238 161 359
> n” 172 5 | 45. Nahrungsmittelgeſetz.
56 208, 375 176 223, 239, 248, „ e
57 239 299, 340, 481 | e
58 298 177 223, 481 r
59 45, 185, 240 isla 125 | 16. Weingejch.
60 366 181 107 2 126, 184, 465 13 126, 184
61 239 185 44, 169, 177 3 126, 185 IS 112
64 161 186 87, 177 7 126, 184 22 126
67 239 187 44, 177 8 126
73 16, 126, 223, 188 304 .
267, 271 193 87, 177, 238, | 47. Süßſtoffgeſetz.
714 241, 313, 340, 319, 422 | 2 271 9 271
363, 365 191 139 7 271
— . —
is *
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908.
48. Margarinegeſetz.
14 271 20 271
49. Militärſtrafgeſetzbuch.
2 231 76 231
50. Strafprszeßordnung.
22 70, 244 257 145, 335
25 244 259 42, 97, 118, 472
30 244 260 184
31 244 264 167, 185, 241
32 244 265 241, 430
35 265 273 145
37 223 274 145
51 167 279 244
56 439 280 244
60 470 285 244
64 139 292 241
112 367 2 241
114 265, 366 291 241
115 264 296 241
116 469 300 145
124 266 302 421
125 197 304 469
136 264 306 146
141 483 307 312
151 481 308 145
152 375 309 313
154 481 311 146
155 125, 298 316 469
156 | 329 472
168 470 337 469
170 469, 470, 483 345 472
In? 481 347 41
181 469 366 472
18 469 376 70, 126
198 469 377 70, 244
199 70 380 41, 423, 472
200 471, 481 384 359, 365
202 42 385 223
W3 125, 469 392 125, 359
A 355, 430 393 70, 108
X9 41 394 108, 359, 365
210 469 397 312
218 265 398 340, 343
229) 265 414 98, 159, 304
230 265 415 161
212 97 416 139, 161
213 98, 125, 207 420 98, 120, 137,
34 97, 420 160
218 420 422 185
I. Aus führungsgeſetz zum Bürgerlichen Geſetzbuch.
2. Geſetz, betr. die Berufsvormundſchaft.
1 7, 36 85
32 129 128
11 209 129
IS 129 135
59 26, 62, 71 147
60 36, 149, 330, 408 166
61 408 167
69 416 175
I 127
1 154 6
2 154 7
4 155 8
5 155
XXXV
423 120 449 362
424 161 478 362
424 118, 160 483 423
426 492 362
427 97 496 42, 118, 160
428 41 497 42, 241
430 41 498 241
431 97, 118, 139 499 241, 362
432 162 501 241
433 118 502 42
435 304 503 97, 160
443 304 506 241
447 84 564 70
51. Einführungsgeſetz zur Strafprozeßorduung.
4 177
52. Geſetz, betr. die Eutſchädigung für unſchuldig
erlittene Unterſuchungshaft.
2 198, 365 6 198
4 197, 365
33. Geſetz, betr. die Entſchädigung der im Wieder-
| aufnahmeverfahren freigeſprochenen Perſonen.
1 334 4 333
2 333 5 333, 430
3 334
6 42 469 42
250 430
55. Neichsmilitärgeſetz.
56. Militärpenſionsgeſetz.
66 294 100 320
67 294 115 320
90 321
99 320
54. Militärſtrafgerichtserdnung.
|
|
116 320
57. Maunſchaftsverſorgungsgeſetz.
13 293 47 293
| 45 293
| 58. Neichsbeamtengeſetz.
| 12 277 13 377
B. Landesgeſetze.
208
155
155
155
3. Geſetz, Uebergangsvorſchriften betreffend.
2 104, 130, 441 80 249
10 316 83 249
42 217 81 249
50 421 89 249
78 249 92 249
79 249
| 45 6 NS 249
|
|
4. Ausführungsgeſetz zur Zivilprozeßordnung und
Konkursordnung.
2 149 128 314
| 6 151 136 314
| 100 361
XXXVI
*
1 367
15 415
18 415
24 384
35 250
52 367
60 367
6. Ausführungsgeſetz zur Grundbuchordnung und zum
1 415 8 415
2 388 27 129
4 415
7. Gtſetz über die Anlegung des Grundbuchs.
10 147
8. Nachlaßzgeſetz.
3 146 5 361
4 361, 415
9. Hypothekengeſeh.
9 242 89 415
11 47 91 271,
12 208 96 115
19 47 98 243
21 243 120 46,
22 216, 242 124 243
25 242 130 243
43 421 141 466
53 315 145 243,
58 272 150 208,
63 272 174 243
86 115
14 90, 147,
410
416
393
395
395
389
423
„ Ansführungsgeſetz zum Gerichts verfaſſungsgeſetz.
Zwangs verſteigerungsgeſetz.
415
262
242
10. Notariatsgeſetz von 1861.
181,
251, 439
6 329 126 225
15 224, 314 132 439
68 12
12. Waſſergeſetz.
1 5, 260, 449 43 6
2 10, 287, 450 46 8
4 5 47 9, 316
5 7, 10 48 6
6 7, 10 59 37
12 11 95 27
14 10 96 8
16 8, 449 109 80
19 8 157 259
23 10, 260 166 7, 27
24 260 177 7
25 11 177 a 5, 35
26 7, 34 195 80
27 36, 62 204 5
29 35 206 35
30 35 211 36
37 37, 61
13. Fiſchereigeſetz.
1 449, 473, 475 17 473, 474
3 173 19 475
5 473 20 473, 474
6 475 25 473, 475
9 473 27 173, 474, 475,
14 364 476
16 473 30 473
11. Notariatsgeſetz.
III. Verzeichnis der Geſeßesſtellen.
31 473
35 473, 474, 476
37 474
65 473
67 473
68 473, 475
69 473
23 114
31 213
42 213
12 a 214
42 b 213
12 c 213
14. Forſtgeſetz.
473, 474, 475,
474
474, 476
473, 474
473, 474
15. Forſtſtrafgeſetz für die Pfalz.
30
113
16. Jagdgeſetz.
111
111
4
111
17. Grundentlaſtungsgeſetz.
329
179
50
u O
18. Gebührengefet.
88
186
381
381
381
186
247
248
252
253
288
215
19. Ans führungsgeſetz zur Straſprozeßordunng.
26
72
103
106
107
108
423
348
349, 410
349, 410, 455
349, 410
349
110
111
112
113
114
115
410
370
348,
349
349
34y
20. Polizeiſtrafgeſetzbuch.
22 b 32 3: 384
188
84, 362, 460
154
84, 362
162
227
227
209
21. Beamteugeſetz.
347
347
368
367, 369,
347, 367,
368
369
390, 430,
288
430, 453
387
387
372,
370, 409
„ 388, 453
, 389
, 408
„392, 453
„ 391
390, 453
ER,
392, 454
EEE
349 138
389, 409, 431, 141
434 143
349, 390 148
455 191
348, 410 197
367, 388 158
388, 433 159
369 162
372, 388, 432 164
432 165
428 166
431 168
433 169
369, 388 170
454 171
433 172
369, 388 176
454 178
+31
460
459 179
459 180
459 181
458 182
456, 459 183
433
347, 394
344, 412 181
349, 394
349, 411 185
411 206
388, 411 208
411, 429, 431, 200
455 211
412, 430 212
411, 430 213
412 214
112 215
391, 410 217
413 219
413 220
413 221
413 222
411 222
413 224
413
413 225
414 226
1. Dienſtanweiſung für die Grundbuchämter.
46
142
142
262
230
230
415
249
145
415
410, 414
430
7, 410
454
453
453
371, 395,
„430, 434,
408, 434
‚408
388, 394,
428, 431,
370, 372,
456
432
410, 433
„ 344
3904
305, 428,
Inhaltsverzeichnis der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
|
XXXVII
22. Nichterdisziplinargeſetz.
2 130 55 429
3 394 55 131
4 3095, 409 53 395
4a 304, 434 57 409
4b 395, 434 59 370
5 429 61 371
6 371 65 372, 429, 453
7 1409 66 372
8 131, 457 71 453
9 130 72 457
10 430 75 454
23 395 76 372
30 1430 77 395
36a 430 79 370, 394, 457
45 130
23. Gemeindeordnung.
3 122 132 401
48 151 145 401
65 104 159 323
129 401
24. Armengeſetz.
10 154
25. Zwangserziehungsgeſetz.
1 168 5 154
26. Vereinsgeſetz.
13 274 14 274
27. Einkommenſteuergeſetz.
13 40
28. Hundegebührengeſetz.
1 383 7 383
3 383
C. Anhang. Einzelne wichtige Verordnungen und Dienſtesvorſchriften.
401
524
525
552
553
569
304
262,
262,
230
230
424
2. Nachlaßorduung.
67
70
7
100
416
415
415
416
416
415
3. Rotariatögebührenerdnung.
12 87 97 12
24 87 98 12
4. Gerichtsvollzieherordnung.
4 390 32 394
9 389 35 110
15 393
5. Verordnung, betr. die Gebühren für ärztliche
Dienſtleiſtungen bei Behörden.
2 210 3 72
IV. verzeichnis der Mitarbeiter.
(Hier ſind nur die Mitarbeiter berückſichtigt, die ſich durch Einſendung von Abhandlungen und
Mitteilungen aus der Praxis beteiligt haben.)
Altmann, Dr., Landrichter, Berlin 376
Angerer, Dr., Militärgerichtspraktikant, Nürn⸗
berg 42
Bauer, Oberlandesgerichtsrat, Nürnberg 415
Beling, Dr., Univerſitätsprofeſſor, Tübingen 73, 99
Bendix, Juſtizrat, Breslau 244
Binder, Univerſitätsprofeſſor, Erlangen 193
Bleyer, II. Staatsanwalt im K. Staatsmini⸗
ſterium der Juſtiz, München 41, 448
Bloch, Dr., Rechtsanwalt, München 40
Bonſchab, Bankdirektor, München 215
Burkhardt, Staatsanwalt am Oberlandes⸗
gerichte München (jebt 1. Staatsanwalt,
Nürnberg) 121
Burlage, Reichsgerichtsrat, Leipzig 365
Clarus, Senatspräſident, Augsburg 173
Deinhardt, Oberlandesgerichtsrat, Jena 445
Diemayr, gepr. Rechtspraktikant, München 104, 164
Dittmann, Landgerichtsrat, Nürnberg 4, 34, 60, 79
Doerr, Dr., Amtsrichter und Privatdozent,
München 238
Doſenheimer, Amtsrichter, Ludwigshafen 219
du Chesne, Landrichter, Leipzig 139, 397
Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat, Leipzig 1
Durmayer, Dr., Regierungsakzeſſiſt, Speyer
(jetzt Bezirksamtsaſſeſſor, Stadtſteinach) 37, 62, 81
Dürr, Dr., III. Staatsanwalt, München 122
Eckert, Amtsrichter, Nürnberg 180, 281
Eger, Dr., Referendar, Berlin 435
Erlacher, Dr., Landgerichtsrat, Hof 96, 117, 137, 159
Fiſcher, Dr., Ratsaſſeſſor, Nürnberg 460
Freilinger, l. Staatsanwalt, Regensburg
345, 367, 375, 387, 407, 428, 452
Friedländer, Dr., Landgerichtsrat, Lime
burg a. L. 162
Gmaehle, Landgerichtsrat, München 435
Goetzelmann, Notar, Roding 102
Gütermann, Dr., II. Staatsanwalt, München 297
Haberſtumpf, Dr., II. Staatsanwalt, München 304
Haenle, Dr., Bezirksamtsaſſeſſor, Kötzting 426
Hagen, Landgerichtsrat, Frankenthal 142, 266
Hellmann, Dr., Univerſitätsprofeſſor, München 133
Hümmer, II. Staatsanwalt, Weiden 163
Joſef, Dr., Rechtsanwalt, Freiburg i. B. 331
Kahn, Dr., Juſtizrat, Rechtsanwalt und Syn-
dikus der Handels- und Gewerbekammer für
Oberbayern, München 233
Karpf, Rechtspraktikant, Nürnberg 335
)
|
Kraus, Amtsrichter, München 179
Krauſe, Landrichter, Altenburg 197
Kriener, Dr., Amtsrichter, Würzburg 405
Krückmann, Univerſitätsprofeſſor, Münſter 425
Kübel, Dr., Amtsrichter, Landau a. J. 142, 461
Lieberich, Landgerichtsrat, München 156, 176
Maenner, Reichsgerichtsrat, Leipzig 219
Mayer, Amtsrichter, München 199, 216, 242, 262
Michel, Dr., rechtsk. Bürgermeiſter, Lands⸗
berg 84, 202, 304
Obermeyer, Dr., Juſtizrat, Rechtsanwalt,
München 259
Oelhafen, von, Oberlandesgerichtsrat, Amts⸗
gerichtsvorſtand, Weißenburg i. B. 153
Oertmann, Dr., Univerſitätsprofeſſor, Erlangen 121
Pfiſter, Oberlandesgerichtsrat, Amtsgerichts⸗
borſtand, Paſſau 113
i Pfordten, von der, Landgerichtsrat im
Staatsminiſterium der Juſtiz. München 354
Pramberger, Amtsrichter, Eichitätt 83, 179
Predari, Reichsgerichtsrat, Leipzig 38⁵
4
Regelsberger, Univerſitätsprofeſſor, Göttingen 253
Ritzmann, Dr., II. Staatsanwalt, Ansbach 213
Roſenthal, Dr., Rechtsanwalt. Würzburg 13
Schanz, Dr., Amtsrichter, München 302
Schmid, Landgerichtsrat, München 261
Schmitt, Oberregierungsrat im Staatsmini⸗
ſterium der Juſtiz, München (jegt Reichs⸗
gerichtsrat, Leipzig) 65
Schneider, Reichsgerichtsrat, Leipzig 29
Schneider, Oberlandesgerichtsrat, Stettin
325, 350, 372
Schneickert, Dr. iur., Kriminalkommiſſar, Berlin 284
Schülein, II. Staatsanwalt, Bayreuth 15, 333
Steck, gepr. Lehramtskandidat, München 478
Steinbach, Dr., Bezirksamtsaſſeſſor, Pfaffen⸗
hofen 15
Steinharter, Dr., Rechtsanwalt, München 202
Stummer, Landgerichtsrat, München 244, 267
Troeltſch, II. Staatsanwalt, Augsburg 93, 115
Tuma, Rechtspraktikant, Paſſau 286
Vervier, Dr., Rechtsanwalt, Würzburg 299
Vogl, Landgerichtsrat, Nürnberg 178, 416
Walter. Dr., Notar, Hof 12
Weyl, Dr., Univerſitätsprofeſſor, Kiel 53
Yblagger, Rentamtmann, Eichſtätt 239
Zahn, Rechtsanwalt, Straubing 355
Zeiler, Landgerichtsrat, Kempten 277, 395
V. Beſprochene Bücher und Seitſchriften.
Adolph, Dr. jur. P., Vereinsgeſetz vom 19. April
1908 384
Allfeld, Dr. Philipp, Kommentar zu dem Geſetze
betreffend das Urheberrecht an Werken der bilden:
den Künſte und der Photographie vom 9. Januar
1907 211
Apt. Dr. Max, Scheckgeſetz vom 11. März 1908.
2. Abdruck 212
Archiv für Arbeiterverſicherung, herausgegeben von
A. Wengler
Arnold, Dr. A., Die Aufſchlußpflicht von Vorſtand
und Auſſichtsrat 212
Barthelmeß, R. Geſetz betr. die Berufsvormund⸗
ſchaft vom 23. Februar 1908 424
Beſt, Dr., Geſetz über den Verſicherungsvertrag
vom 30. Mai 1908 32
Borcherdt, H., Das Erbrecht und die Nachlaßbe—
handlung. 2. Aufl. Bd. I 192
Boßert, Dr. G., Beiſpiele zum Zwangsverſteigerungs—
und Zwangsverwaltungsverſahren. 2. Aufl.
Brenner. Guſtav, Das Waſſergeſetz für das
Königreich Bayern vom 23. März 1907
Buff, Dr. Siegfried, Das deutſche Scheckgeſetz vom
11. März 1908
Dennler, Dr. W., Geſetz über die Einführung
einer Beſitzveränderungsabgabe für Gemeinden
vom 15. Juni 1898.
Dyroff, Dr. Anton, A. Regers Handausgabe des
bayer. Verwaltungsgerichtsgeſetzes. 4. Aufl.
Entwurf einer Strafprozeßordnung
und Novelle zum Gerichts verfaſſungs⸗
geſetz nebſt Begründung 403
Eymann, Otto, Das Waſſergeſetz für das König—
reich Bayern vom 23. März 1907. Bd. I 171
Falkmann, R. Die Anfechtung von Rechtshand—
lungen durch die Gläubiger 443
Fedderſen, J., Das Schwurgericht
Fiſcher, Dr. P. D., Die deutſche Poſt- und Tele—
graphen-Geſeßgebung. Text-Ausg. mit Anmerk.
und Sachregiſter, fortgeführt von Dr. jur. M.
König. 6. Aufl. 424
Frank, Dr. Reinhard, Das Strafgeſetzbuch für das
Deutſ ſche Reich. 5. /7. Aufl. 232
Friedländer, Dr. Adolf, und Friedländer,
Dr. Max, Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung 92
Fromm, Dr. Leo, Das Zubehör bei der Zwangs—
verſteigerung 172
Geigel, Dr. R., Die Trennung von Staat und
Kirche in Frankreich
Griffel, Joh. Bapt., Baufallſchätzung an den kath.
Pfründegebäuden in Altbayern 322
92
171
381
468
212
444
484
Gro ſch, Dr. A., Strafgeſetzbuch für das Deutſche 8
9
Reich
Groß, Dr. Hans, Handbuch für Unterſuchungs—
richter. 5. umgearbeitete Aufl. 91
Guttmann, Max, Unmittelbarkeit und freie Beweis—
würdigung 72
72
Guyer, Dr. jur., Ernſt, Ein Schweizeriſches Bundes⸗
72
72
geſetz über die Haftung der Automobilhalter
— Das künftige ſchweizeriſche Patentrecht
! Haberſtumpf und Bartelmeß, Nachtrag zum
171
Nachlaßgeſetz. 2. Aufl.
Habicht, Dr. H. f, und M. Greiff, Internationales
Privatrecht nach dem EG. z. BGB. 483
Hagen, Dr. P. und Behrend, Dr. R., Reichs-
geſetz über den Verſicherungsvertrag 322
Hallbauer, M. G., Das deutſche Hypothekenrecht.
2. Aufl. 322
Harſter, Dr. Theodor und Caſſi mir, Dr. Joſeph.
Kommentar zum bayeriſchen Waſſergeſetze c.
Lfrg. 1/3. 171
2 Hellmann, Dr. Friedrich, Lehrbuch des deutſchen
Konkursrechts 51
Hempten macher, Th., Börſengeſetz. Urſprüngl.
herausgeg von A. Wermuth und H Brendel.
2. Aufl. 424
Homberger, Dr. Ludwig, Das Recht der entſtehenden
Aktiengeſellſchaft 72
Hümmer, J., Das Forſtrügeverfahren im rechts—
rheiniſchen Bayern 275
Jaeger, Dr. Ernſt, Kommentar zur Konkursordnung
und den Einführungsgeſetzen. 3. u. 4. neuz
bearbeitete Aufl. Lfrg. 1 52
Knitſchky, weil. Dr. jur. E W., Die Seegeſetz—
gebung des Deutſchen Reichs. 4. verm. u. verb.
Auflage, bearb. von Otto Rudorff 424
Knoch, Dr. jur. et. rer. pol. Sigmund, Die allge:
Kohler.
meinen Grundſätze des bayeriſchen Forſtſtrafrechts 322
Dr. Joſeph, Grundriß des Zivilprozeſſes
mit Einſchluß des Konkursrechts 276
Krückmann, Dr. jur. Paul, Spruchrecht 323
— Unmöglichkeit und Unmöglichkeitsprozeß 51
Küttner, Leitſaden für die Unterweiſung der Re-
ferendare im Abfaſſen von Urteilen in Zivilſachen.
3. vermehrte Auflage 275
Kuttner, Dr. Georg, Die privatrechtlichen Neben—
wirkungen der Zivilurteile 276
Leſſing, Dr. iur. et phil. H., Scheckgeſetz vom
11. März 1908 484
Lobe, Dr. Adolf, Die Bekämpfung des unlauteren
Wettbewerbs 51
Lucas, Dr. jur. Hermann, Anleitung zur ſtraf—
rechtlichen Praxis. 2. Teil. 2. Aufl. 26
Lutter, R., Patentgeſetz vom 7. April 1891. Bis:
her herausgeg, von Dr. R. Stephan. 7. Aufl. 424
Maas, Dr. jur., Georg, Jurisprudentia Germaniae
1906. 72
Meisner, Chr., Die Vorſchriften des BGB. über die
Viehgewährſchaft. 2. Aufl. 424
Merzbacher, S., Geſetz, betr. die Geſellſchaften
m. b. H. 3. Aufl. 52
212
— Scheckgeſetz vom 11. März 1908
-in in. vl — ihn u Feten X
XL N Beſprochene Bücher und 1d Zeitſchriſten.
Meyer, Gg., Das Recht der Beſchlagnahme von
Lohn- und Gehaltsforderungen.
Müller, Dr. Ernſt, Das deutſche Urheber⸗ und
Verlagsrecht. 2. Band: Künſtl. und photogr.
Urheberrecht 151
Neumann, Dr. Hugo, Die Rechtſprechung des
Reichsgerichts in Zivilſachen. Herausgegeben in
Verbindung mit F. Wr ichs, Dr. C.
Heinrici und Dr. Th. Olshauſen. Bd. I
BGB. 1. u. 2. Lfrg. 252
Nußbaum, Dr. Arthur, Die Prozeßhandlungen,
ihre Vorausſetzungen und Erforderniſſe 76
Oetker, Friedrich, Das Verfahren vor den Schwurs
und Schöffengerichten 212
Peiſer, Heinrich, Handbuch des Teſtamentsrechts
2. Auflage. 275
Pfaff, Hermann von, und Reiſenegger, Anton
von, Das bayeriſche Geſetz über das Gebühren:
weſen. 6. Aufl., herausgegeben von Hermann
Schmidt 51
Poſener, Paul Dr. jur., Handbuch des geſamten
Rechts N 443
Predari, C., Die Grundbuchordnung vom 24. März
1897 171
Reiß⸗Schneickert, Signalementslehre. I. Das
„geſprochene Porträt“ (Portrait parlé), von Prof.
Dr. R. A. Reiß, II. Identitätsfeſtſtellung ohne
Signalement v. Dr. H. Schneickert 32
to
Schneider, Konrad,
3. Aufl. 424
Geſetz über den Verſiche⸗
rungsvertrag 322
Schweitzers Ausgabe des neuen bayer. Beamten-
|
!
Riehl, Dr. jur. K., Die Anweiſung 344
Romen, Dr. jur. A., Geſetz über die Verſorgung
der Perſonen der Unterklaſſen des Reichsheeres,
der Kaiſerlichen Marine und der Kaiſerlichen
Schutztruppen vom 31. Mai 1906 171
Rumpf, Dr. M., Geſetz und Richter 51
Sammlung der Entſcheidungen des bayeriichen
Gerichtshofes für Kompetenzkonflikte. 1. Bd. E. a
d. Jahren 1880—1906 27
Sartor, Eugen Freiherr von, Vereinsgeſetz f. d.
Deutſche Reich vom 19. April 1908 295
Schindler, Arthur, Geſamtregiſter zur deutſchen
Juriſtenzeitung. 1.— 10. Jahrg. 1896 — 1905 51
Schneider, Heinrich von, Geſetz über Angelegen—
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom
17. Mai 1898. 3. Aufl. bearb. unter Mitwirkung
von Dr. Jakob Keßler 232
Wolf, Dr. L., Das Bürgerliche Geſetzbuch. In Ver⸗
geſetzes 384
Seuffert, Dr. L., Kommentar zur Zivilprozeß—
ordnung in der Faſſung der Bekanntmachung
vom 20. Mai 1898 mit den Aenderungen der
Novelle vom 5. Juni 1905 nebſt den Einführungs—
geſetzen. 10. neubearbeitete Aufl. 483
Staub, Hermann, Kommentar zuui Handelsgeſetz⸗
buch. 8. Aufl., bearbeitet von Heinrich Könige,
Dr. Joſeph Stranz. Albert Pinner. I. Bd.
2. Hälfte (S8 373—473) 151
Stölzle, Dr. jur. Hans, Güter- und Erbrechts⸗
verhältniſſe im Allgäu 323
Strauß, Dr. E., Das Fundrecht des bürgerlichen
Geſetzbuchs. 252
Sydow, R., Deutſches Gerichtskoſtengeſetz nebſt den
Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher und
für Zeugen und Sachverſtändige. 8. Aufl. von
L. Buſch 17¹
Das Urkund weſen der deutſchen Staaten
Herausgegeben vom Deutſchen Notarverein, e. V.
zu Halle a. S. (Bayeriſcher Teil bearbeitet von
Notar Dr. Denn ler) 344
Vierhaus, Dr. F. und Gg. Müller, Sammlung
kleinerer privatrechtlicher Reichsgeſetze. 2. Aufl. 252
Warneyer, Dr. Otto, Das BB. für das Deutſche
Reich. 2. Aufl. 131
Warneyers Jahrbuch der Entſcheidungen.
1. Zivil⸗, Handels⸗ und Prozeßrecht. Unter Mit-
wirkung von Meves und Dr. Gutmann.
6. Jahrgang 252
2. Strafrecht und Strafprozeß. Bearbeitet von
Roſenmüller 2. Jahrgang an
3. Arbeiterverſicherungsrecht. Bearbeitet von Dr. M.
Dannenberg 1. Jahrgang 252
Webers Juriſten⸗Kalender für 1908 112
Weil, Dr. jur., Paul, Begriff und Bedeutung der |:
Nebeni ſachen und Zutaten im bürgerlichen Recht 72 J.
bindung mit Rechtsanwalt Dr. C. Neukirch,
Dr. A. Roſen mayer, Dr. J. Telgmann 51
í
ur. 1.
Mauünchen, den 1. Januar 19 1908.
4. Jahrg.
Feitf drift für Rechtspflege
Herausgegeben von
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K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer.
Staatsminiſterium der Juſtiz. °
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich
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20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
die Eutlaſtung der Zivilſenate des
Neichsgerichts.
Von Reichsgerichtsrat Dr. Düringer in Leipzig.
I. Niemand kann beſtreiten, daß der veröffentlichte
Entwurf der Zivilprozeßnovelle hinſichtlich des
Verfahrens vor den Amtsgerichten eine Reihe
von Vorſchriften bringt, welche als eine weſentliche
Verbeſſerung des derzeitigen Prozeſſes erſcheinen.
Auch auf dem außerordentlichen Anwaltstage in
Leipzig vom 23. November d. J. wurde dies an-
erkannt, obgleich der Entwurf wegen anderer
Beſtimmungen als unannehmbar bezeichnet wurde.
Man verlangte eine einheitliche Reform des ganzen
Zivilprozeſſes, nicht nur des amtsgerichtlichen Ver⸗ |
fahrens. Man verwahrte ſich gegen eine Zeil: |
reform, deren Koſten weſentlich die Anwaltſchaft ft
zu tragen hätte, während der Staat dadurch eine
erhebliche Mehreinnahme erzielen würde. Wie man |
ſich nun auch zu dem Regierungsentwurf und der
an ihm geübten Kritik ſtellen mag, einerlei, ob man
die Beſchränkung auf das amtsgerichtliche Ver-
fahren aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder der
geſetzgeberiſchen Taktik billigt oder nicht — das
Verlangen nach einer organiſchen Reform
unſeres Prozeßverfahrens wird nicht zur
Ruhe kommen, ehe es befriedigt iſt.
|
Unſere geltende Zivilprozeßordnung iſt keines⸗
wegs, wie Fuchs (Karlsruhe) im „Recht“ 1907
S. 1388 behauptet, ein „gründlich verf ehltes Mach—
werk“. Sie iſt im Gegenteil ein ausgezeichnetes, durch:
aus auf modernen Ideen beruhendes und theoretiſch
fein durchdachtes Geſetz, das der öſterreichiſchen
Zivilprozeßordnung, die uns nunmehr als Muſter
vorgehalten wird, vielfach als unmittelbares Vor-
bild gedient hat. Aber es trifft unſere Zivil-
prozeßordnung wohl der Vorwurf, daß fie ihre
Prinzipien zu theoretiſch durchgeführt hat, daß ſie
den Bedürfniſſen der Praxis in verſchiedenen
Beziehungen zu wenig Rechnung trägt und zu
wenige Mittel bietet, den hierbei unvermeidlich
auftretenden Mißſtänden wirkſam entgegenzutreten.
„Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch
hart im Raume ſtoßen ſich die Sachen“, kann
nan auch von ihr fagen. Der konſequent durch—
geführte Parteibetrieb hat vielfach eine heilloſe
Verſchleppung der Prozeſſe zur Folge gehabt. Das
ganz unbeſchränkte Mündlichkeitsprinzip läßt ſich,
fo ſchön es gedacht ift, in der Praxis nicht durd-
führen. Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme
ſteht bei der Geſchäftslaſt der Kollegialgerichte
eigentlich nur auf dem Papier. Der Parteieid
hat ſich als ein recht zweiſchneidiges Mittel zur
Feſtſtellung der materiellen Wahrheit erwieſen.
Die liberale, faſt unbeſchränkte Gewährung der
Rechtsmittel hat zu einer außerordentlichen Lebens—
dauer der Prozeſſe geführt und gleichzeitig die
Autorität der richterlichen Entſcheidungen beein—
trächtigt. In allen dieſen Beziehungen wird die
beſſernde Hand anzulegen und werden die Er—
fahrungen zu berückſichtigen ſein, welche eine faſt
dreißigjährige Handhabung des Geſetzes in der
Praris gezeitigt hat.
Il. Die anläßlich der Reformbeſtrebungen, ins—
beſondere auf Anregung von Adikes, ſo viel
erörterte Frage, ob Einzelrichter oder Richter—
kollegium vorzuziehen ſei, hat in dem Entwurf der
Zivilprozeßnovelle keine prinzipielle Erörterung ge—
funden. Es bedurfte ihrer auch nicht, weil ſie nur
für das Amtsgericht, alſo den Einzelrichter gedacht
iſt. Ich perſönlich bekenne mich als ein An—
hänger des Kollegialſyſtems. Nur das
Kollegium ermöglicht den Austauſch der Meinungen,
erft an dem Widerſpruch ſchärft und erprobt fidh
die Richtigkeit des Urteils. Aber auch in dieſer
Beziehung läßt ſich nicht verkennen, daß unſere
geltende Gerichtsverfaſſung mit ihrem theoretiſch
ſo ſchön aufgebauten Syſtem von drei, von fünf,
von ſieben Richtern, wie Adikes richtig hervor—
hebt, zu einer außerordentlichen „Verſchwendung
von richterlichen Kräften“ geführt hat, welche viel:
fach nicht entfernt im Verhältnis ſteht zu den
geſtellten Aufgaben und zu den gewonnenen Re—
ſultaten. Auch wer in dem Kollegium die ſicherſte
Gewähr für eine möglichſt gründliche und vielſeitige
Beurteilung eines Rechtsfalles erblickt, wird doch
zugeben müſſen, daß die numeriſche Größe
2 ZBeeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
des Kollegiums dabei keine Rolle ſpielt, daß im
Gegenteil die Vorteile der kollegialen Beratung
ſich leicht in Nachteile verkehren, wo ein Kollegium
zu groß und die Verantwortlichkeit und individuelle
Mitwirkung des einzelnen Votanten dadurch herab⸗
gelegt wird. Schon während meiner Beſchäftigung
beim Oberlandesgericht habe ich mir oft die Frage
vorgelegt, ob drei Richter in der Berufungsinſtanz
nicht ebenſogut judizieren würden als fünf, und
ob die Gewähr für die beſſere Rechtſprechung der
Oberlandesgerichte nicht ſchon genügend in der
reicheren Erfahrung, der unterſtellbar beſſeren Quali⸗
tät der Richter, dem für die Bearbeitung des ein⸗
zelnen Falles zur Verfügung ſtehenden größeren
Zeitraum gefunden werden könnte. In dieſer Auf⸗
faſſung bin ich durch meine Tätigkeit beim Reichs⸗
gericht eher beſtärkt worden. Eine ſehr große
Anzahl der reichsgerichtlichen Erkenntniſſe ſind
Majoritätsentſcheidungen. Sehr häufig
ſtehen ſich Anſichten gegenüber, von denen jede
mit ſo guten Gründen vertreten werden kann, daß
es faſt wie ein Zufall erſcheint, ob die eine oder
die andere ſchließlich durchdringt. Kann man
Senate ein Hindernis der Rechtsentwick⸗—
lung. Abhilfe könnte hier ſchon dadurch geboten
werden, daß bei Meinungsverſchiedenheiten zwiſchen
Senaten nur die beiden zuletzt diſſentierenden
zur Entſcheidung zuſammenträten, und daß auch
dieſes beſchränkte Plenum dann nicht erforderlich
wäre, wenn der Senat, von deſſen Entſcheidung
abgewichen werden ſoll, beſchließt, bei ſeiner Rechts⸗
auffaſſung nicht zu beharren.
III. Während die Strafſenate durch die! Geſetz⸗
gebung des Jahres 1905 eine recht erhebliche, auf ab⸗
ſehbare Zeit genügende Entlaſtung erfahren haben,
hat die Zivilprozeßnovelle vom 5. Juni 1905 nur
eine ganz vorübergehende Erleichterung gebracht.
In einzelnen Senaten (jo im 1.35.) ift ihre
Wirkung kaum verſpürt worden. Die Termine
in Zivilſachen müſſen auf über ein Jahr
hinaus angeſetzt werden, weil alle Sitzungstage
bis dahin bereits voll beſetzt find. Es ift ein un:
ſagen, daß das mathematiſche Verhältnis von 4:3
eine größere Garantie für die Richtigkeit der Ent⸗
ſcheidung in Rechtsfragen bietet, als ein Verhältnis
von 3:22 Eine ganz beiſpielloſe Ueberſpannung
des Kollegialſyſtems bietet die gegenwärtige Einrich⸗
tung des reichs gerichtlichen Plenums. Will
ein Zivilſenat (ich rede hier nur von dieſen) von der
Entſcheidung eines anderen Zivilſenats abweichen,
ſo müſſen zur Entſcheidung über die Rechtsfrage
die ſämtlichen Zivilſenate zuſammentreten; will
er von der Auffaſſung eines Strafſenats ab-
weichen, ſo iſt ein Plenum aller Senate erforder⸗
lich. Schon die Vorbereitung des Plenums er—
fordert eine außerordentliche Arbeitsleiſtung.
Referent und Korreferent fühlen ſich verpflichtet,
vor der Sitzung ihr Votum ſo eingehend und
erſchöpfend ſchriftlich zu begründen, daß ihre
Arbeiten nach Inhalt und Umfang ganze Mono—
graphien werden. Dieſe werden vorher unter die
Mitglieder verteilt, damit ſie ſich möglichſt gründ—
lich über die zu entſcheidende Frage orientieren
können. Dann treten 7 Präſidenten und 52 Räte,
alſo zuſammen 59 Richter (bei einem Plenum
erträglicher Rechtszuſtand, daß die Parteien ein
ganzes Jahr oder länger warten müſſen, ehe ihre
Sache überhaupt verhandelt werden kann. Er⸗
folgt Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Zurückverweiſung der Sache an das Oberlandes⸗
gericht, ſo iſt das Ende des Prozeßes nicht abzu⸗
ſehen. Dabei werden in jeder Woche von jedem
Senate des Reichsgerichts zwei Sitzungen abge—
halten, welche von morgens 9 Uhr bis nad):
mittags 4 oder 5 Uhr, zuweilen auch erheblich lan ger
währen, nur durch eine knappe Frühſtückspa uſe
von etwa 20 Minuten unterbrochen. Dieſe
Sitzungen ſind eine geiſtige und körperliche Stra-
paze für die Teilnehmer, und ich halte es für
ausgeſchloſſen, fie, wie Scherer vorſchlägt,) auf
drei in der Woche zu vermehren. Wo ſollte dann
noch Zeit für Vorbereitung und Ausarbeitung
der getroffenen Entſcheidungen bleiben? Mit be-
aller Senate find es fogar 100 Richter) zu:
ſammen, um über die ſtreitige Rechtsfrage zu be—
raten. Und nun betrachte man die Fragen, über
die bisher das Plenum entſchieden hat! Gewiß
ſind ſie zum Teil recht wichtig; es ſind aber auch
ſolche darunter, bei welchen die Aufwendung eines
ſo enormen Richterapparates in einem ſchreienden
Mißverhältnis zu dem praktiſchen Ergebnis ſteht.
Kein Wunder, daß der horror pleni eine gewiſſe
imponderabile Bedeutung erlangt. M. E. iſt die
Einrichtung des Plenums, ſo theoretiſch richtig
ſie an und für ſich gedacht iſt, in ihrer gegen—
wärtigen Geſtalt und bei der ſeit der Gründung
des Reichsgerichts eingetretenen Vermehrung der
ſonderem Danke iſt es anzuerkennen, daß die
Rechtsanwälte beim Reichsgericht durch
einen — unbeſchadet der Vollſtändigkeit — mög⸗
lichſt kurzen Sachvortrag die Arbeitslaſt des Ge—
richtshofs tunlichſt zu erleichtern beſtrebt ſind.
Die kurze Zuſammenfaſſung des Sach- und
Streitſtoffs erfordert eine viel intenſivere Bear⸗
beitung als die bequeme Ausführlichkeit.) Eine
Entlaſtung der Zivilſenate iſt aber nicht nur
im Intereſſe des rechtſuchenden Publikums, ſie
iſt auch im Intereſſe ſeiner Mitglieder dringend
notwendig. Es muß ihnen die Möglichkeit ge⸗
wahrt bleiben, ſich wiſſenſchaftlich weiter zu bilden,
mit der theoretiſchen und literariſchen Behandlung
der Rechtsdisziplinen in ſteter Fühlung zu bleiben.
Es wird mit Recht von der Judikatur des Reichs⸗
gerichts verlangt, daß fie nicht eine formaliſtiſche,
gelehrte Juriſtenweisheit zum Ausdruck bringe.
ſondern daß ſie den wirtſchaftlichen und
1) Annalen des Deutſchen Reichs 1907 Heft 11.
) Vgl. meine Ausführungen im „Recht“ 1907
034.
S. 1
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 3
ſozialen Bedürfniſſen, daß ſie dem welche nicht ſchon nach dieſer Vorprüfung als
praktiſchen Leben Rechnung trage. Ich
perſönlich habe nie allzuviel von jenen Richtern
gehalten, welche in bureaukratiſchem Eigendünkel
oder gelehrter Selbſtgefälligkeit ſich in ihrem Bureau
von der Außenwelt abſchließen, den großen, die
Zeit bewegenden Fragen aber teilnahmslos und
verſtändnislos gegenüberſtehen. Das mögen vor⸗
zügliche juriſtiſche Techniker oder Dialektiker ſein.
Gute Richter ſind ſie deshalb noch lange nicht!
Deshalb darf der Richter nicht derart mit
Arbeit belaſtet werden, daß ihm kein anderer
Gedanke mehr übrig bleibt als der an Para⸗
graphen, an Präjudizien und Rechtsfälle. Unter
ſolcher Einſeitigkeit leidet ſein praktiſches Judizium,
die Freiheit ſeines Urteils not. Alle dieſe Dinge
find ſchon oft und in vortrefflicher Weile geſagt
worden; aber es iſt notwendig ſie immer und
immer wieder zu betonen.
Das Reichsgericht iſt nicht nur Reviſions⸗
gericht. Es iſt auch Berufungsgericht in Patent⸗
und in Konſularſachen. Die richtige Bearbeitung
der Patentſachen erfordert regelmäßig Spezial:
ſtudien auf Gebieten, welche dem Juriſten an
ſich ganz ferne liegen. Es müſſen naturwiſſen⸗
ſchaftliche und techniſche Gebiete durchforſcht werden,
um zu dem richtigen Verſtändnis des Streitſtoffs
zu gelangen. Es iſt einleuchtend, daß die Vor⸗
bereitung hier ungewöhnliche Anforderungen an
die Zeit und Arbeitskraft der einzelnen Mit⸗
glieder ſtellt. Auch hierbei muß mit größter Aner⸗
kennung der Unterſtützung gedacht werden, welche
der Gerichtshof durch die ſorgfältige Vorbereitung
der Patentſachen ſeitens der Rechtsanwälte des
Reichsgerichts erfährt. Aber auch der lichtvollſte
und klarſte Vortrag eines Parteivertreters über⸗
hebt das einzelne Gerichtsmitglied nicht der Ver⸗
pflichtung, ſich derart in die Materie zu vertiefen,
daß es ein ſelbſtändiges, über den Anſchauungen
der Parteien ſtehendes Urteil gewinnt.
IV. Die Mittel zur Entlaſtung der Zivilſenate
find ſeit Jahren Gegenſtand der ernſteſten Prüfung
der beteiligten Faktoren. Den bequemſten Aus⸗
weg bot bislang die Vermehrung der
Senate). Aber auch dieſe hat ihre Grenzen.
Sie erſchwert die Einheitlichkeit der Rechtſprechung,
fie beeinträchtigt die Zuſammenſetzung des Ge-
richtshofs in qualitativer Hinſicht. Die Er-
höhung der Reviſionsſum me begegnete in
weiten Kreiſen heftigem Widerſpruch und hat ſich
als ein trügeriſches Mittel erwieſen. Mehr Erfolg
verſprechen die Beſtrebungen, welche auf eine
Aenderung des Rechtsmittelverfahrens
gerichtet find. Schon vor der Novelle von
1905 war empfohlen, eine Vorprüfung des
Rechtsmittels einzuführen und nur ſolche Re⸗
viſionen zur mündlichen Verhandlung zuzulaſſen,
) Neuerdings wieder empfohlen von Syring,
Juriſtiſche Wochenſchrift 1907 S. 688 ff.
ausſichtslos erſcheinen“). Eine gewiſſe Verminderung
der Reviſionsverhandlungen würde dadurch gewiß
herbeigeführt. Aber man wird den Erfolg nicht
überſchätzen dürfen. Bisher wird nämlich dieſe
Vorprüfung tatſächlich durch die Rechtsanwalt⸗
ſchaft beim Reichsgericht geleiſtet, welche mit an⸗
erkennenswerter Gewiſſenhaftigkeit die Einlegung
ſolcher Reviſionen ablehnt, von denen kein Erfolg
zu erwarten iſt. Würde die richterliche Vor⸗
prüfung eingeführt, ſo iſt mit Beſtimmtheit zu
erwarten, daß die Einlegung des Rechtsmittels
mit viel weniger Vorſicht gehandhabt würde, da
die Verantwortlichkeit für den Erfolg der Reviſion
dadurch gemindert wird). Man könnte ferner
daran denken, durch Erweiterung der amts⸗
gerichtlichen Kompetenz in ſachlicher
Hinsicht gewiſſe Rechtsmaterien von der An-
gehung der Reviſionsinſtanz überhaupt auszu⸗
ſchließen. Damit verzichtet man aber auf die
Gewähr der Einheit der Rechtſprechung auf dieſen
Gebieten, worin gerade die wichtigſte und wert⸗
vollſte Funktion des Reichsgerichts zu erblicken iſt.
Die faſt unbeſchränkte Eröffnung von drei
Inſtanzen hat, wie ſchon oben erwähnt, indi⸗
rekt zu einer Beeinträchtigung der Autorität der
richterlichen Erkenntniſſe geführt. Die meiſten
kapitalkräftigen Parteien (ſo namentlich Handels⸗
geſellſchaften, Banken, Genoſſenſchaften, Korpo⸗
rationen, Vereine, auch der Fiskus) ſind bei An⸗
hängigmachung eines Rechtsſtreits von vornherein
entſchloſſen, ihn nur durch das Reichsgericht ent⸗
ſcheiden zu laſſen. Die Urteile der Vorinſtanzen
haben für ſie, wie auch ſchon von anderer Seite
treffend betont, „nur die Bedeutung von Gut-
achten“. Sie imponieren ihnen nicht, weil doch nur
das Reichsgericht in ihrer Sache das Recht ſpricht.
Man ſollte den Grundſatz aufſtellen,
daß jeder Prozeß endgültig entſchieden
iſt, wenn zwei Inſtanzen materiell
übereinſtimmend über ihn geurteilt
haben (duae conformes !). Bei der überein-
ſtimmenden Entſcheidung zweier Richterkollegien
müßte ſich jede Partei beruhigen. Begnügte man ſich
bisher mit zwei Inſtanzen doch auch in Straſſachen,
wo es ſich vielfach um ungleich wichtigere Rechts⸗
güter handelt, als in Zivilſachen. Die dritte Jw
ſtanz ſollte hiernach nur dann eröffnet
werden, wenn bei der materiellen Beur—
teilung des Streitfalles Landgericht und
Oberlandesgericht zu verſchiedenen Ergeb—
niſſen gelangt ſind. Man hat gegen dieſen Vor—
ſchlag den Einwand erhoben, daß dann die Oberlandes—
gerichte, um die Reviſion abzuſchneiden, meiſtens
) So insbeſondere von Reichsgerichtsrat Dr.
Hagens in ſeinen Aufſätzen in der Deutſchen Juriſten—
277 ff.
zeitung 1904 S. 181 ff., 277
|
») Syringa. a. O.; vgl. auch deſſen weitere recht
beachtlichen Vorſchläge S. 690, die allerdings kaum eine
durchſchlagende Wirkung haben dürſten.
4 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
der erſten Inſtanz beitreten würden. Ich ver⸗
ſtehe nicht, wie man einen derartigen
Einwand überhaupt erheben kann. Es
liegt in ihm ein ſo ſchwerer Vorwurf gegen die
Rechtſprechung der Oberlandesgerichte, daß ich
ihn gar nicht für diskutabel halte. Wenn das
engliſche Volk zu ſeinen Richtern ſo großes
Vertrauen hegt, daß es in ihre Hand die Ent⸗
ſcheidung legt, ob ein Rechtsmittel überhaupt zu⸗
gelaſſen wird oder nicht, ſo kann auch das deutſche
rechtſuchende Publikum die Gewißheit haben, daß
ſich kein Senat eines deutſchen Oberlandesgerichts
findet, welcher ſeine Rechtsauffaſſung davon ab⸗
hängig macht, ob die Reviſion gegen die Ent:
ſcheidung zuläſſig iſt oder nicht. Den Mann
möchte ich ſehen, der die Stirne hätte zu be⸗
haupten, daß ich als Inſtanzrichter mein Votum
jemals dadurch hätte beeinfluſſen laſſen, daß die
zu erlaſſende Entſcheidung anfechtbar war! Und
ſo wird jeder gewiſſenhafte Richter denken.
V. Die Beſchränkung der Reviſionen in Zivil⸗
ſachen iſt nach dem oben Ausgeführten eine
dringende Notwendigkeit. Sie wird für
die Rechtſuchenden ſelbſt ein Segen ſein. Denn
die lange Lebensdauer der Prozeſſe iſt ein Un⸗
glück für die Parteien, eine Quelle von Unſicher⸗
heit, Verdruß, materiellen und pſychiſchen Nach⸗
teilen. Jeder Prozeß iſt wie eine Krankheit, die
man allerdings nicht nach Art des Doktor Eiſen⸗
bart kupieren kann, die man aber doch ſo raſch
als möglich der naturgemäßen Heilung zuführen
ſoll. Die Aufgabe des Reichsgerichts iſt in
erſter Linie nicht die, in möglichſt vielen Pro-
zeſſen Recht zu ſprechen, ſondern vielmehr die, die
Rechtseinheit zu wahren. Man gebe ſich
doch keiner Täuſchung hin! Sehr viele Ent⸗
ſcheidungen des Reichsgerichts würden ſicher der
Aufhebung oder Abänderung unterliegen, wenn
wir erſt ein Oberreichsgericht und eine Ober⸗
reviſion hätten. So hoch ich die Redt:
ſprechung des Reichsgerichts ſtelle, — für
unfehlbar halte ich ſie keineswegs. Eine ſehr er⸗
hebliche Anzahl der Erfenntnifje find, wie er:
wähnt, Majoritätsentſcheidungen. Nur ganz aus⸗
nahmsweiſe kommt die Minorität in die Lage,
ſich nachträglich von der Unrichtigkeit ihres Stand⸗
punktes zu überzeugen. Der Schwerpunkt des
Reichsgerichts und ſeiner Rechtſprechung liegt
immer darin, daß es die oberſte und letzte In⸗
ſtanz iſt.
Dieſe oberſte Inſtanz nicht nur formell,
ſondern auch virtuell auf ihrer Höhe zu er:
halten, ſie nicht zu einer handwerks- oder fabrik⸗
mäßigen Abfertigung ihrer Aufgabe durch Ar—
beitsüberlaſtung zu nötigen, ſie vielmehr zu einem
Brennpunkt geiſtiger Bildung und wiſſenſchaft—
lichen Strebens zu geſtalten, iſt die ernſte Auf—
gabe des deutſchen Geſetzgebers.
|
s
Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayeriihen
Vaſſergeſetz von 1907.)
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg.
Was uns die Rechtsbücher Juſtinians an
Fragmenten aus den Schriften der römiſchen
Juriſten über Waſſerrecht überlieſert haben, genügt,
um zu erkennen, wie Bedeutendes jene auch auf
dieſem Gebiete gefhaffen haben, genügt aber nicht,
um auch nur für die grundlegenden Fragen
zweifelsfreie Entſcheidungen zu treffen. So kam
es, daß das gemeinrechtliche Waſſerrecht an teil⸗
weiſe bedeutungsvollen Kontroverſen reich genug
war. Die bayeriſche Waſſergeſetzgebung von 1852
behandelte die zivilrechtliche Seite der Materie nicht
erſchöpfend, vielleicht weil man ſie in dem damals
angeſtrebten Zivilgeſetzbuche endgültig zu regeln
gedachte. Das neue Waſſergeſetz beſeitigt einige
der grundlegenden Streitfragen, hat aber manche
neue Zweifelspunkte hinzugefügt. Bei der Be⸗
trachtung des neuen Rechts hat man ſich vor
allem den durch die Einführung des BGB. ge⸗
ſchaffenen Rechtszuſtand zu vergegenwärtigen. Nach
dem Art. 65 des EG. z. BGB. bleiben zwar die
dem Waſſerrecht angehörenden Vorſchriften der
Landesgeſetze aufrecht, durch Art. 1 des EG. z.
BGB. ſind jedoch die einſchlägigen landesgeſetzlichen
Vorſchriften des bürgerlichen Rechts, ſoweit ſie aus
der Zeit vor der Erlaſſung der Verfafſungsurkunde
von 1818 ſtammten, aufgehoben worden. Die Folge
dieſer wohl gar zu radikalen?) Amputation war,
daß nicht bloß einige Inſtitute des — für die
meiſten Landesteile geltenden — gemeinen Rechts,
welche trotz der ihnen anhaftenden Streitfragen
einen ſehr brauchbaren Kern beſaßen, wie die
Operis novi Nuntiatio und die Cautio damni
infecti, gänzlich verſchwunden find, fondern daß
auch vielfach Zweifel möglich ſind, ob überhaupt
für die betreffenden Materien der Zivilrechtsweg
eröffnet und auf welche Beſtimmungen des BGB.
er zu ſtützen ſei. Eine Unterſuchung über einige
) Lit.: Regelsberger, Band. I. Bd. 8$ 112—117;
Bekker, Band. I §§ 76, 78; Gierke, Deutſch. Privatrecht II
102; Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht; Meisner,
Nachbarrecht; Becher, Landeszivilrecht 8 184 ff. Die Ma-
terialien des Gej. find enthalten in den Vhoͤlgen d. K. d.
Abg. 1905/1906 Beil. Bd. I S. 509 ff. (Entw. mit Begr.);
Beil. Bd. III. 155 (Bericht des VIII. — beſonderen — Aus:
ſchuſſes); Sten B. V 665 ff., 708 ff., 760 ff., VII 11 ff.
(Plenarberatung); Beil. Bd. III 310 Entwurf in der ur-
ſprünglichen Faſſung d. K. d. Abg. Die Referate der
Abg. Freiherr v. Malſen und Sartorius ſind leider nur
zum Gebrauch des Landtags gedruckt worden. Die ſämt—
lichen Vhdlgen der K. d. RR. und ihres Ausſchuſſes,
ſowie die Berichte des Referenten Freiherrn v. Lindenfels
und des Korreſerenten v. Thelemann find enthalten im
Anhang zum Beil. Bd. Nachſeſſion 1907 betreffend, künftig
zitiert als Anhang.
2) Siehe darüber unten bei der Lehre vom Ge—
mein gebrauch; noch bedenklicher als die Aufhebung der
bisherigen waſſerrechtlichen Vorſchriften ift die der wege⸗
rechtlichen. i
—
der wichtigſten Gegenſtände dürfte daher wohl
angebracht ſein.
I. Die Sigentumsverhältniſſe an den öffentlichen 6:
wällern; Sonderrechte; Zuſtändiglkeit.
Die Lehre des gemeinen Rechtes iſt zur Bildung
einer communis opinio über das Eigentum an öffent:
lichen Gewaſſern nicht gelangt. Während, um ſtatt
vieler einen anzuführen, Windſcheid⸗Kipp Bd. I
9 146 Anm. 11 auf dem Standpunkt verharrte,
die öffentlichen Gewäſſer ſtünden in niemandes
Eigentum, der Staat übe nur Hoheitsrechte an
ihnen aus, vertrat Dernburg, Pand. I 8 73 die
Auffaſſung vom privatrechtlichen Eigentum des
Staates. Dieſe Streitfrage ging infolge der un⸗
klaren Faſſung des Art. 1 des WBG. von 1852
auch in das bayeriſche Recht über. Während jedoch
Pözl in den beiden Auflagen ſeines Kommentars —
Aufl. 1 S. 66, Aufl. 2 S. 49 — eine ſchwankende
Haltung einnahm, erklärten ſich die führenden
Schriftſteller, Paul v. Roth und Mar v. Seydel,
ſowie der Oberſte Gerichtshof (Entſch. VII, 55;
XIII, 279) für das Eigentum des Staates und
der Art. 2 des neuen Waſſergeſetzes, der dem Staat
das Eigentum an den öffentlichen Gemäffern zu:
ſchreibt, hat daher das tatſächlich geltende Recht
nur beſtätigt. Legt aber der Geſetzgeber dem Staate
das Eigentum an den öffentlichen Gewäſſern bei,
ſo kann er dies in dem Sinne tun, daß er jenes
Eigentum als öffentlich⸗ rechtliches behandelt, oder
in dem Sinne, daß er das ſtaatliche Eigentum
als Privateigentum betrachtet, welches dem öffent⸗
lichen Rechte nur hinſichtlich ſeiner Zweckbeſtimmung
angehört und für den beſtimmten Zweck „objektiv
gebunden“ ift: eine Gebundenheit, welche die Folge
der betreffenden Norm, nicht das Ergebnis einzelner
ſubjektiver öffentlich⸗ rechtlicher oder gar privater
Rechte Dritter iſt.) Die letztere Auffaſſung ift
die des bayeriſchen Rechtes bezüglich der öffentlichen
Sachen überhaupt und insbeſondere auch, wie die
Motive zur Abt. 1 S. 538 erſehen laſſen, die
Auffaſſung des WG. hinſichtlich der öffentlichen
Gewäſſer. Vom theoretiſchen Standpunkt aus
wäre die erſtere Löſung, welche im franzöſiſchen
Rechte in dem Begriffe des domaine public)
ihre Anerkennung gefunden hat, wegen der Ein⸗
fachheit der Konſtruktion wohl vorzuziehen; ſie
hätte übrigens für Bayern eine erhebliche Er⸗
weiterung des Gebietes der Verwaltungsgerichts⸗
barkeit zur logiſchen Folge gehabt. Die von der
bayeriſchen Geſetzgebung gewählte Löſung kombiniert
alſo ein privatrechtliches Moment — das Privat:
eigentum des Staates — mit einem öffentlich⸗
den nämlich der durch Normen und Akte
des öffentlichen Rechtes daran geknüpften Zweck⸗
) Sendel I. Aufl. V 410, II. Aufl. III 251 8 331.
) Wenigſtens nach der herrſchenden Auslegung:
Crome⸗Zachariä, Franz. Zivilrecht Bd. I 8 108, und die
unten deim Gemeingebrauch anzuführenden Schriften
von Otto Mayer.
Zeitſchrift für A Zeitſchrift für Rechtapflege in Bayern. in Bayern. 1908. Nr. 1. 5
beſtimmung. Wir können die öffentlichen Gewäſſer
des bayeriſchen Rechtes definieren als ſolche Ge⸗
wäſſer, welche im privatrechtlichen Eigentum des
Staates ſtehen, jedoch der öffentlichen Benützung
gewidmet ſind. Ob ein ſolcher Widmungsakt
vorliegt, iſt eine rein hiſtoriſche Frage; bei Flüſſen,
die neuerlich zur Schiffahrt eingerichtet werden,
beginnt die Eigenſchaft als öffentliches Gewaͤſſer
nicht mit der Vollendung der betreffenden techniſchen
Arbeiten, ſondern tritt durch die Widmungserklärung
der Staatsregierung ein (Art. 4 d. G.). Bei den
meiſten öffentlichen Flüſſen iſt die Frage nach ihrer
Oeffentlichkeit ſelbſtverſtändlich längſt durch das Her⸗
kommen entſchieden, ein etwaiger Streit darüber,
ob ein Gewäfjer ein öffentliches ift, it Verwaltungs⸗
rechtsſache (Art. 177). Aus dem ſoeben gefundenen
Begriff des öffentlichen Gewäſſers laffen fih zahl-
reiche, a bedeutſame Folgerungen ableiten.
„Eigentum an Gewäſſern“. Gibt
es ein 19 85 an Flüſſen, deren einzelne Waſſer⸗
teilchen doch ſtets in Bewegung ſind? Gewiß läßt
ſich nicht verkennen, daß der Begriff des Eigen⸗
tums hier eigentlich nur im Wege der Analogie,
nicht in ſeiner Urbedeutung angewandt wird.
Eigentum in der urſprünglichen Bedeutung gibt
es nur an dem Waſſer, das in Ziſternen, Waſſer⸗
leitungen, kleinen Teichen u. dgl. eingeſchloſſen ge⸗
halten wird;) hier allein beherrſcht der Eigen⸗
tümer auch die einzelnen Waſſerteilchen und kann
fich ihrer durch Ausſchöpfen, Auslaufenlaſſen uſw.
bemächtigen (vgl. auch BGB. § 960). Bei größeren
Flußläufen und Seen dagegen — und nur ſolche
kommen nach Art. 1 des WG. als öffentliche Ge⸗
wäſſer in Betracht — handelt es ſich nur um
eine entſprechende Anwendung des Eigentumbegriffs;
nur das Bett und das Waſſer des Fluſſes, Sees
oder Kanals in ſeiner Totalität, nicht die einzelnen
Waſſerwellen ſtehen im Staatseigentum, letztere
find herrenlos.“) Das ſtaatliche „Eigentum“ fegt
ſich alſo zuſammen aus dem Eigentum am Bett
und einem dinglichen, vorbehaltlich geſetzlicher oder
beſonderer Beſchränkungausſchließenden Benützungs⸗
recht am Waſſer. Wer demnach zu Unrecht aus
einer fremden Ziſterne Waſſer ſchöpft, aus einem
fremden Weiher Eis entnimmt oder unbefugt einen
Anſchluß an eine Wafſerleitung herſtellt, begeht
Diebſtahl; 3 wer aus einem öffentlichen Gewäſſer
oder aus einem Privatfluß unbefugt Eis entnimmt,
iſt nur wegen Uebertretung nach Art. 204 Ziff. 3
WG. ſtrafbar.
2. Kraft des Eigentums hat der Staat, ſoweit
Privatrechte an öffentlichen Gewäſſern geltend ge:
macht werden, die Vermutung für ſich, der Dritte
hat die Beweislaſt. Entſteht alfo etwa Streit
über das Beſtehen eines Fiſchrechts an öffentlichen
5) Nicht e entſcheidend ift, daß auch in Waſſerleitungen
uiw. die einzelnen Waſſerteilchen ſtets ihre Stellung im
Raume wechſeln.
6) Oertmann S. 120 $ 30 und dort Zit.
7) Olshauſen, Komm. z. StGB. Note 3 zu § 242.
— — — — —
4 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
der erſten Inſtanz beitreten würden. Ich ver⸗
ſtehe nicht, wie man einen derartigen
Einwand überhaupt erheben kann. Es
liegt in ihm ein ſo ſchwerer Vorwurf gegen die
Rechtſprechung der Oberlandesgerichte, daß ich
ihn gar nicht für diskutabel halte. Wenn das
engliſche Volk zu ſeinen Richtern ſo großes
Vertrauen hegt, daß es in ihre Hand die Ent⸗
ſcheidung legt, ob ein Rechtsmittel überhaupt zu⸗
gelaſſen wird oder nicht, ſo kann auch das deutſche
rechtſuchende Publikum die Gewißheit haben, daß
ſich kein Senat eines deutſchen Oberlandesgerichts
findet, welcher ſeine Rechtsauffaſſung davon ab⸗
hängig macht, ob die Reviſion gegen die Ent⸗
ſcheidung zuläſſig iſt oder nicht. Den Mann
möchte ich ſehen, der die Stirne hätte zu be⸗
haupten, daß ich als Inſtanzrichter mein Votum
jemals dadurch hätte beeinfluſſen laſſen, daß die
zu erlaſſende Entſcheidung anfechtbar war! Und
ſo wird jeder gewiſſenhafte Richter denken.
V. Die Beſchränkung der Reviſionen in Zivil⸗
ſachen iſt nach dem oben Ausgeführten eine
dringende Notwendigkeit. Sie wird für
die Rechtſuchenden ſelbſt ein Segen ſein. Denn
die lange Lebensdauer der Prozeſſe iſt ein Un⸗
glück für die Parteien, eine Quelle von Unſicher⸗
heit, Verdruß, materiellen und pſychiſchen Nach⸗
teilen. Jeder Prozeß iſt wie eine Krankheit, die
man allerdings nicht nach Art des Doktor Eiſen⸗
bart kupieren kann, die man aber doch ſo raſch
als möglich der naturgemäßen Heilung zuführen
ſoll. Die Aufgabe des Reichsgerichts iſt in
erſter Linie nicht die, in möglichſt vielen Pro:
zeſſen Recht zu ſprechen, ſondern vielmehr die, die
Rechtseinheit zu wahren. Man gebe ſich
doch keiner Täuſchung hin! Sehr viele Ent:
ſcheidungen des Reichsgerichts würden ſicher der
Aufhebung oder Abänderung unterliegen, wenn
wir erſt ein Oberreichsgericht und eine Ober⸗
reviſion hätten. So hoch ich die Recht⸗
ſprechung des Reichsgerichts ſtelle, — für
unfehlbar halte ich ſie keineswegs. Eine ſehr er⸗
hebliche Anzahl der Erxkenntniſſe find, wie er:
wähnt, Majoritätsentſcheidungen. Nur ganz aus:
nahmsweiſe kommt die Minorität in die Lage,
ſich nachträglich von der Unrichtigkeit ihres Stand:
punktes zu überzeugen. Der Schwerpunkt des
Reichsgerichts und ſeiner Rechtſprechung liegt
immer darin, daß es die oberſte und letzte In⸗
ſtanz iſt.
Dieſe oberſte Inſtanz nicht nur formell,
ſondern auch virtuell auf ihrer Höhe zu er—
halten, fie nicht zu einer handwerks- oder fabrik⸗
mäßigen Abfertigung ihrer Aufgabe durch Ar—
beitsitberlaftung zu nötigen, ſie vielmehr zu einem
Brennpunkt geiſtiger Bildung und wiſſenſchaft—
lichen Strebens zu geſtalten, iſt die ernſte Auf—
gabe des deutſchen Geſetzgebers.
iie
|
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Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayeriidhen
Vaſſergeſetz von 1907,
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg.
Was uns die Rechtsbücher Juſtinians an
Fragmenten aus den Schriften der römiſchen
Juriſten über Waſſerrecht überliefert haben, genügt,
um zu erkennen, wie Bedeutendes jene auch auf
dieſem Gebiete geſchaffen haben, genügt aber nicht,
um auch nur für die grundlegenden Fragen
zweifelsfreie Entſcheidungen zu treffen. So kam
es, daß das gemeinrechtliche Waſſerrecht an teil⸗
weiſe bedeutungsvollen Kontroverſen reich genug
war. Die bayeriſche Waſſergeſetzgebung von 1852
behandelte die zivilrechtliche Seite der Materie nicht
erſchöpfend, vielleicht weil man ſie in dem damals
angeſtrebten Zivilgeſetzbuche endgültig zu regeln
gedachte. Das neue Waſſergeſetz beſeitigt einige
der grundlegenden Streitfragen, hat aber manche
neue Zweifelspunkte hinzugefügt. Bei der Be⸗
trachtung des neuen Rechts hat man ſich vor
allem den durch die Einführung des BGB. ge⸗
ſchaffenen Rechtszuſtand zu vergegenwärtigen. Nach
dem Art. 65 des EG. z. BGB. bleiben zwar die
dem Waſſerrecht ae orab Vorſchriften =
Landesgeſetze aufrecht, durch Art. 1 des EG.
BGB. ſind jedoch die einſchlägigen landesgeſehlichen
Vorſchriften des bürgerlichen Rechts, ſoweit ſie aus
der Zeit vor der Erlaſſung der Verfaſſungsurkunde
von 1818 ſtammten, aufgehoben worden. Die Folge
dieſer wohl gar zu radikalen?) Amputation war,
daß nicht bloß einige Inſtitute des — für die
meiſten Landesteile geltenden — gemeinen Rechts,
welche trotz der ihnen anhaftenden Streitfragen
einen ſehr brauchbaren Kern beſaßen, wie die
Operis novi Nuntiatio und die Cautio damni
infecti, gänzlich verſchwunden ſind, ſondern daß
auch vielfach Zweifel möglich ſind, ob überhaupt
für die betreffenden Materien der Zivilrechtsweg
eröffnet und auf welche Beſtimmungen des BGB.
er zu ſtützen ſei. Eine Unterſuchung über einige
) Lit.: Regelsberger, Band. I. Bd. 85 112—117;
Bekker, Band. I 88 76, 78; Gierke, Deutſch. Privatrecht II
8 102; Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht; Meisner,
Nachbarrecht; Becher, Landeszivilrecht 8 184 ff. Die Ma-
terialien des Geſ. ſind enthalten in den Vhoͤlgen d. K. d.
Abg. 1905/1906 Beil. Bd. I S. 509 ff. (Entw. mit Begr.);
Beil. Bd. III. 155 (Bericht des VIII. — beſonderen — Aus-
ſchuſſes); Sten. V 665 ff., 708 ff., 760 ff., VII 11 ff.
(Plenarberatung); Beil. Bd. III 310 Entwurf in der ur⸗
ſprünglichen Faſſung d. K. d. Abg. Die Referate der
Abg. Freiherr v. Malſen und Sartorius ſind leider nur
zum Gebrauch des Landtags gedruckt worden. Die ſämt—
lichen Ihdlgen der K. d. RR. und ihres Ausſchuſſes,
ſowie die Berichte des Referenten Freiherrn v. Lindenfels
und des Korreſerenten v. Thelemann ſind enthalten im
Anhang zum Beil. Bd. Nachſeſſion 1907 betreffend, künftig
zitiert als Anhang.
2) Siehe darüber unten bei der Lehre vom Bes
meingebrauch; noch bedenklicher als die Aufhebung der
bisherigen waſſerrechtlichen Vorſchriften iſt die der wege⸗
rechtlichen.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 5
— —— TT—ʃ—?˙ .. — —... .. —.. IM aMMa
der wichtigſten Gegenſtände dürfte daher wohl
angebracht ſein.
I. Die Eigentumsverhältniſſe an den öffentlichen Ge-
wäflern; Sonderrechte; Zuſtändigkeit.
Die Lehre des gemeinen Rechtes iſt zur Bildung
einer communis opinio über das Eigentum an öffent⸗
lichen Gewäffern nicht gelangt. Während, um ſtatt
vieler einen anzuführen, Windſcheid⸗Kipp Bd. I
9146 Anm. 11 auf dem Standpunkt verharrte,
die öffentlichen Gewäſſer ſtünden in niemandes
Eigentum, der Staat übe nur Hoheitsrechte an
ihnen aus, vertrat Dernburg, Pand. I § 73 die
Auffaffung vom privatrechtlichen Eigentum des
Staates. Dieſe Streitfrage ging infolge der un⸗
klaren Faſſung des Art. 1 des WBG. von 1852
auch in das bayeriſche Recht über. Waͤhrend jedoch
Pözl in den beiden Auflagen ſeines Kommentars —
Aufl. 1 S. 66, Aufl. 2 S. 49 — eine ſchwankende
Haltung einnahm, erklärten ſich die führenden
Schriftſteller, Paul v. Roth und Max v. Seydel,
ſowie der Oberſte Gerichtshof (Entſch. VII, 55;
XIII, 279) für das Eigentum des Staates und
der Art. 2 des neuen Waſſergeſetzes, der dem Staat
das Eigentum an den öffentlichen Gewaͤſſern zu-
ſchreibt, hat daher das tatſächlich geltende Recht
nur beſtätigt. Legt aber der Geſetzgeber dem Staate
das Eigentum an den öffentlichen Gewäſſern bei,
ſo kann er dies in dem Sinne tun, daß er jenes
Eigentum als öffentlich- rechtliches behandelt, oder
in dem Sinne, daß er das ſtaatliche Eigentum
als Privateigentum betrachtet, welches dem öffent⸗
lichen Rechte nur hinſichtlich ſeiner Zweckbeſtimmung
angehört und für den beſtimmten Zweck „objektiv
gebunden“ ift: eine Gebundenheit, welche die Folge
der betreffenden Norm, nicht das Ergebnis einzelner
ſubjektiver öffentlich⸗-rechtlicher oder gar privater
Rechte Dritter ift. `) Die letztere Auffaſſung ift
die des bayeriſchen Rechtes bezüglich der öffentlichen
Sachen überhaupt und insbeſondere auch, wie die
Motive zur Abt. 1 S. 538 erſehen laſſen, die
Auffaſſung des WG. hinſichtlich der öffentlichen
Gewäſſer. Vom theoretiſchen Standpunkt aus
wäre die erſtere Löſung, welche im franzöſiſchen
Rechte in dem Begriffe des domaine public ‘)
ihre Anerkennung gefunden hat, wegen der Ein:
fachheit der Konſtruktion wohl vorzuziehen; fie
hätte übrigens für Bayern eine erhebliche Er:
weiterung des Gebietes der Verwaltungsgerichts—
barkeit zur logiſchen Folge gehabt. Die von der
bayeriſchen Geſetzgebung gewählte Löſung kombiniert
aljo ein privatrechtliches Moment — das Privat-
eigentum des Staates — mit einem öffentlich:
rechtlichen, nämlich der durch Normen und Akte
des öffentlichen Rechtes daran geknüpften Zweck—
) Sendel I. Aufl. V 410, II. Aufl. III 251 8 331.
) Wenigſtens nach der herrſchenden Auslegung:
Crome-Zachariä, Franz. Zivilrecht Bd. I § 108, und die
unten beim Gemeingebrauch anzuführenden Schriften
von Otto Mayer.
beſtimmung. Wir können die öffentlichen Gewäſſer
des bayeriſchen Rechtes definieren als ſolche Ge⸗
wäſſer, welche im privatrechtlichen Eigentum des
Staates ſtehen, jedoch der öffentlichen Benützung
gewidmet find. Ob ein folder Widmungsakt
vorliegt, iſt eine rein hiſtoriſche Frage; bei Flüſſen,
die neuerlich zur Schiffahrt eingerichtet werden,
beginnt die Eigenſchaft als öffentliches Gewäſſer
nicht mit der Vollendung der betreffenden techniſchen
Arbeiten, ſondern tritt durch die Widmungserklärung
der Staatsregierung ein (Art. 4 d. G.). Bei den
meiſten öffentlichen Flüſſen iſt die Frage nach ihrer
Oeffentlichkeit ſelbſtverſtändlich längſt durch das Her⸗
kommen entſchieden, ein etwaiger Streit darüber,
ob ein Gewäſſer ein öffentliches iſt, iſt Verwaltungs⸗
rechtsſache (Art. 177 a). Aus dem ſoeben gefundenen
Begriff des öffentlichen Gewäſſers laſſen ſich zahl⸗
reiche, rechtlich bedeutſame Folgerungen ableiten.
A. 1. „Eigentum an Gewaͤſſern“. Gibt
es ein ſolches an Flüſſen, deren einzelne Waſſer⸗
— . —..———————————————b ——— ä——ä.——ä—ä ä -ü.äää ! . .dbä ͥ ũ äö-ũ çw ——
teilchen doch ſtets in Bewegung ſind? Gewiß läßt
ſich nicht verkennen, daß der Begriff des Eigen⸗
tums hier eigentlich nur im Wege der Analogie,
nicht in ſeiner Urbedeutung angewandt wird.
Eigentum in der urſprünglichen Bedeutung gibt
es nur an dem Waſſer, das in Ziſternen, Waſſer⸗
leitungen, kleinen Teichen u. dgl. eingeſchloſſen ge⸗
halten wird;“) hier allein beherrſcht der Eigen⸗
tümer auch die einzelnen Waſſerteilchen und kann
ſich ihrer durch Ausſchöpfen, Auslaufenlaſſen uſw.
bemächtigen (vgl. auch BGB. 8 960). Bei größeren
Flußläufen und Seen dagegen — und nur ſolche
kommen nach Art. 1 des WG. als öffentliche Ge⸗
wäſſer in Betracht — handelt es ſich nur um
eine entſprechende Anwendung des Eigentumbegriffs;
nur das Bett und das Waſſer des Fluſſes, Sees
oder Kanals in ſeiner Totalität, nicht die einzelnen
Waſſerwellen ſtehen im Staatseigentum, letztere
find herrenlos.“) Das ſtaatliche „Eigentum“ fegt
ſich alſo zuſammen aus dem Eigentum am Bett
und einem dinglichen, vorbehaltlich geſetzlicher oder
beſonderer Beſchränkung ausſchließenden Benützungs—
recht am Waſſer. Wer demnach zu Unrecht aus
einer fremden Ziſterne Waſſer ſchöpft, aus einem
fremden Weiher Eis entnimmt oder unbefugt einen
Anſchluß an eine Waſſerleitung herſtellt, begeht
Diebſtahl;“) wer aus einem öffentlichen Gewäſſer
oder aus einem Privatfluß unbefugt Eis entnimmt,
iſt nur wegen Uebertretung nach Art. 204 Ziff. 3
WG. ſtrafbar.
2. Kraft des Eigentums hat der Staat, ſoweit
Privatrechte an öffentlichen Gewäſſern geltend ges
macht werden, die Vermutung für ſich, der Dritte
hat die Beweislaſt. Entſteht alſo etwa Streit
über das Beſtehen eines Fiſchrechts an öffentlichen
5) Nicht entſcheidend ift, daß auch in Waſſerleitungen
uſw. die einzelnen Waſſerteilchen ſtets ihre Stellung im
Raume wechſeln.
6) Oertmann S. 120 8 30 und dort Zit.
1) Olshauſen, Komm. z. StGB. Note 3 zu § 242.
6 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
Gewäſſern, fo braucht fih der Staat, um dem
Gegner die Beweislaſt zuzuſchieben, noch nicht
einmal auf den in den meiſten Landesteilen ehedem
herrſchenden Grundſatz der Regalität der Fiſchrechte
zu berufen. Da der Staat Eigentümer iſt, ſo
ſind alle Befugniſſe, welche Dritten kraſt dinglichen
Privatrechts an öffentlichen Gewäſſern zuſtehen,
Rechte an fremder Sache, jura in re aliena,
nicht bloß ſogenannte Vorzugsrechte. Die ding⸗
lichen Rechte Dritter können je nach ihrer Be⸗
ſchaffenheit Servituten im römiſchen Sinne, Grund⸗
dienſtbarkeiten, oder, was ſelten zutreffen wird,
perſönliche Dienſtbarkeiten ſein, ſo z. B. das Recht
auf Waſſerentnahme. In anderen Fällen, ſo bei
Triebwerken, Schöpfrädern, dem dinglichen Rechte,
eine Badeanſtalt im Fluſſe zu unterhalten, dürfte
teils die Analogie des Erbbaurechts, teils der Be⸗
griff der — dem Erbbau dienenden — Grund:
dienſtbarkeit zur Konſtruktion heranzuziehen fein, 3)
letzterer deshalb, weil dieſe Anlagen eine gewiſſe
Herrſchaft über eine Strecke des Fluſſes voraus⸗
ſetzen. Denn bei Triebwerken würde die Errichtung
eines weiteren, oberhalb des erſteren gelegenen
dieſem die erforderliche Triebkraft, bei Bade⸗
anſtalten die Errichtung einer zweiten der erſten
die erforderliche Reinheit des Waſſers unter Um⸗
ſtänden rauben. Ueber Beſitzſchutz von Waſſer⸗
gerechtigkeiten vgl. Art. 191 Abſ. 2 EG. z. BGB.
und Art. 45 UeG.
3. Als Eigentümer hat der Staat alle Rechts⸗
mittel des Eigentümers, insbeſondere die negatoriſche
Klage aus $ 1004 BGB. Bei den umfaſſenden
Zuſtändigkeiten, welche das Geſetz den Verwal⸗
tungsbehörden einräumt, wird der Staat freilich
nur ſelten in der Lage ſein, von der Zivilklage
Gebrauch machen zu müſſen. Auf der anderen
Seite ift der Staat paffio legitimiert gegen:
über Klagen, welche Verpflichtungen aus dem
Eigentum betreffen. Gerade in dieſer Beziehung
hat das neue Waſſerrecht, indem es das ſtaatliche
Eigentum verkündete, eine wertvolle Klärung der
Rechtslage herbeigeführt. (Anwendungsfälle ſiehe
unten beim Gemeingebrauch).
B. Aus dem Umſtande, daß die öffentlichen
Gewäſſer, obſchon im Privateigentum des Staates
ſtehend, dem öffentlichen Gebrauche gewidmet ſind,
folgt ihre Verkehrsunfähigkeit. Durch
ausdrücklichen Rechtsſatz iſt dieſe nirgends aus—
geſprochen, ſie folgt überhaupt bei den öffentlichen
Sachen des bayeriſchen Rechts lediglich aus der
Natur der öffentlichen Sache, und findet darin
ihre Begrenzung. Die Folge iſt, daß wie der
8) Dies ſcheint mir paſſender als die von Oertmann
S. 408 nach Pözls Vorgang verſuchte Heranziehung
der abſoluten Gewerbeprivilegien; dieſe ſind keine ſura
in re aliena. Daß Fahrgerechtigkeiten und Badeanſtalten
häufig als reale Gewerberechte vorkommen. ift ein Punkt
für ſich, weil die Bezeichnung als Realrechte zunächſt
ihre gewerbepolizeiliche, nicht ihre waſſerrechtliche Stellung
charakteriſiert.
Vertreter der Staatsregierung im Ausſchuſſe der
K. d. Abg.“) äußerte, „der Staat kraft ſeines
Eigentums befugt iſt, unter den Vorausſetzungen,
die ſonſt für die Veräußerung von Staatsgut be⸗
ſtehen, auch Wegveräußerungen vom Bette öffent:
licher Flüſſe vorzunehmen, ſoweit ſie ſich ohne
Eingriff in die Natur des öffentlichen Gewäſſers
denken laſſen“. Dazu iſt zu bemerken, daß es
ein ſubjektives Recht auf den Beſtand öffentlicher Ge⸗
wäſſer, ſei es nun ein privates oder ein öffentliches,
nicht gibt; ein ſolches kann insbeſondere aus dem
Gemeingebrauch nicht abgeleitet werden.““) Ein
Bierbrauer, der bisher kraft des Gemeingebrauchs —
alſo nicht etwa kraft eines ſpeziellen Rechtstitels
— aus einem Altwaſſer Eis zu entnehmen pflegte,
kann nicht etwa Anfechtungsklage ſtellen oder die
Nichtigkeit des Vertrages vorſchützen, wenn der
Staat das Altwaſſer an einen Privaten veräußert
und dieſer es zuſchütten läßt.
Die objektive Gebundenheit der öffentlichen Ge⸗
wäſſer für volkswirtſchaftliche Zwecke ſchließt nicht
aus, daß an ihnen Sonderrechte einzelner —
von Bekker „Vorzugsrechte“ genannt — mit jenem
Zwecke ſich vereinigen laſſen. Vielfach, z. B. bei
Mühlen und anderen mit Staumerfen verknüpften
Anlagen, iſt überhaupt die volkswirtſchaftliche Aus⸗
nützung der Waſſerkraft nur durch Einräumung
von Sonderrechten möglich. Infolge der Doppel⸗
natur des Staatseigentums an den öffentlichen
Gewäſſern als eines zwar privatrechtlichen, aber
öffentlichrechtlich gebundenen hat auch die Çin:
räumung ſolcher Nutzungen ſtets einen doppelten
Charakter; die privatrechtliche Nutzungsgewährung
erzeugt privatrechtliche, die polizeiliche Genehmigung
erzeugt öffentlichrechtliche Wirkung.“) Dabei ift
zu bemerken, daß manche hier ſcheinbar einſchlägige
Akte, wie z. B. die Verpachtung des Weidenſchnitts,
die Benützung der öffentlichen Gewäſſer überhaupt
nicht berühren und daher allerdings nur auf dem
Boden des Privatrechts fih bewegen; eine ähn-
liche Stellung nimmt die Fiſcherei ein. Die Er—
teilung von Sonderrechten kann widerruflich oder
unwiderruflich erfolgen. (Art. 43, 58). Im letzteren
Falle iſt mit der polizeilichen Genehmigung die
Einräumung eines dinglichen Rechtes verknüpft,
im erſteren Falle liegt ein prekariſtiſches Ver⸗
hältnis zwiſchen dem Staat und dem Vorzugs⸗
9) Beilagenband III S. 157, ſiehe auch die Aeußerung
des Miniſters v. N im RR.⸗Ausſchuß Anhang
3- Beilagenband S.
1%) Die Sache liegt analog, wie beim Wegerecht,
worüber zu vergleichen Seydel 1. Aufl. V 487 Note 1,
491; 2. Aufl. III 298 Note 7.
11) Seydel 1. Aufl. V 409, 410, 2. Aufl. III 252
8 331. Die Verquickung beider Akte in dem Begriff
der „Konzeſſion“ oder gar des „Privilegiums“ hat in
der gemeinrechtlichen Lehre und Rechtſprechung zu arger
Verwirrung geführt. Im weſentlichen übereinſtimmend
mit der im Text vertretenen Auffaſſung die Erklärung
des Kgl. Staatsminiſters der Juſtiz im Ausſchuß d. K.
d. RR. Anhang 109, ſiehe auch die e des
Abg. v. Malſen in ſeinem Berichte S. 3
berechtigten vor, in beiden Fällen aber genießt
der Vorzugsberechtigte Dritten gegenüber Privat⸗
rechtsſchuz. (Vgl. auch Kompetenzkonfliktserk.
RegBl. 1872 S. 426 ff.).
Bezüglich der Form, in welcher Sonderrechte
an öffentlichen Gewäſſern geſchaffen werden können,
war ſchon im gemeinen Rechte anerkannt, daß nur
ein Vertrag des Staates mit Dritten oder die
Erteilung eines Privilegiums und die unvordenkliche
Verjährung, nicht aber die Erſitzung in Frage
kommen können.!) Auch das WBG. von 1852
kennt den Rechtstitel der Erſitzung nicht und
ebenſowenig das neue WG. Die Vorſchriften des
gemeinen Rechtes und der übrigen Territorialrechte
über die Erſitzung ſind überdies durch Art. 1 und
Art. 147 AG. z. BGB. weggefallen. Künftig kann
alſo die Neubegründung nur durch ſtaatliche Ver⸗
leihung erfolgen.
Das Recht des Staates, Sonderrechte an öffent⸗
lichen Gewäſſern einzuräumen, findet ſeine Grenze in
dem Gemeingebrauch, ſoweit dieſer in der bayeriſchen
Geſetzgebung — im Gegenſatze zu dem viel weiter
gehenden gemeinen Rechte — anerkannt iſt (vgl.
Art. 26 - 36 WG.). Demnach würde ein Vertrag
nichtig ſein, kraft deſſen der Staat an jemand die
Eisbahn auf einem Fluſſe oder das Recht, Vieh
zu ſchwemmen, verpachten würde.
C. Aus der Doppelnatur des Rechtsverhältniſſes
der öffentlichen Gewäſſer ergibt ſich von vornherein,
daß für ſtrittige Rechte und Verbindlichkeiten auf
dem Gebiete des Waſſerrechts nach der Natur der
Sache in manchen Fällen der Zivilrichter zuſtändig
it, während in anderen der Verwaltungs rechtsweg
eröffnet ſein ſollte. In Wirklichkeit iſt jedoch dieſer
mehrfach durch den bloßen Verwaltungsweg erſetzt
und ſeine Zuläſſigkeit, wie auch ſonſt nach baye⸗
riſchem Recht, nur aufzählend, nicht durch generelle
Norm beſtimmt (Art. 166 mit 177 d. Geſ.). Die
gerichtliche Zuſtändigkeit hingegen iſt nur negativ
im Art. 166 umſchrieben, nach welchem „der Vollzug
des Geſetzes vorbehaltlich der Zuſtändigkeit der
Gerichte den Behörden der inneren Verwaltung
obliegt“. „Der gerichtlichen Entſcheidung“, ſagen
die Motive zu Art. 164 des Entwurfs (Beil. Bd. I
574) „unterliegen die auf privatrechtlicher Grund—
lage erhobenen Rechtsanſprüche, ſoweit ſie nicht
durch das Geſetz ausdrücklich zunächſt, d. h. in
vorſorglicher Weiſe oder überhaupt, den Ver—
waltungsbehörden zugewieſen ſind“ (folgen zahl—
reiche Beiſpiele). Eine eigentliche Rechtsvermutung
zugunſten der Zuſtändigkeit der Verwaltungs—
behörden beſteht hiernach im allgemeinen nicht.
55 gerichtliche Zuſtändigkeit iſt nach allgemeinen
Grundſätzen — vgl. z. B. Erk. d. Gerichtshofs für
Kompetenzkonflikte Beil. I zum GeſBl. 1906 und
dort Zitierte — davon abhängig, daß der geltend
gemachte Anſpruch nach den zu ſeiner Begründung
2) Seufferts Archiv 21 Nr. 97, A Nr. 10; RG. i.
38S. 23, 152, Oberſtes Landesg. IV. 1
Aeitchriſt für Rechtspflege in B für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1. 7
behaupteten Tatſachen auf einem dem Gebiete des
bürgerlichen Rechts angehörenden Rechtsgrunde
beruht. Iſt dies nach der Klage der Fall, ſo iſt
die gerichtliche Zuſtändigkeit gegeben, falls nicht
kraft poſitiver Beſtimmung des Geſetzes eine der
oben angedeuteten, freilich ſehr weittragenden Aus⸗
nahmen Platz greift.
Eine Folgerung aus dieſen Grundſätzen iſt,
daß die gemäß Art. 6 des Geſ. durch die Ver⸗
waltungsbehörde erfolgende Feſtſetzung der Ufer⸗
linie den Eigentumsverhältniſſen nicht praͤjudiziert
und daß im Streitfalle die Gerichte über letztere
zu entſcheiden haben. (Vgl. die Aeußerung des
Miniſters v. Feilitzſch im Ausſchuß der Reichsrats⸗
kammer Anhang S. 139). Für das rechtsrheiniſche
Bayern iſt dieſer Satz 3 des Kompetenz⸗
konfliktserkenntniſſes RegBl. 1863 S. 1233 kein
neuer, wohl aber, wie es ſcheint, für die Pfalz.
Dort wurde bisher auf Grund der einſchlägigen
Beſtimmungen des franzöſiſchen Rechts, wenn auch
feit Inkrafttreten der bayeriſchen Zivilprozeßordnung
von 1869, hier Art. 1, wohl mit Unrecht der
Adminiſtration die Zuſtändigkeit zugeſchrieben, über
den Umfang des domaine public zu befinden, z. B.
über die Grenzen zwiſchen den Rheindämmen und
den Grundſtücken der Angrenzer (vgl. Kompetenz:
konfliktserkenntnis RegBl. 1867 S. 139 ff.). Dieſe
wohl ſchon für das bisherige Recht — vgl. namentlich
Seydels geiſtvolle Bemerkungen über das pfälziſche
Wegerecht I. Aufl. V 504, II. Aufl. § 338 III 308
— kaum mehr zutreffende Anwendung franzöſiſcher
Kompetenzbeſtimmungen dürfte gegenüber dem neuen
Waſſergeſetz jedenfalls unhaltbar geworden ſein, denn
wenn auch eine ausdrückliche Aufhebung der älteren
franzöſiſchen Zuſtändigkeitsbeſtimmungen weder in
dem neuen Waſſergeſetz, noch, da es ſich um Vor⸗
ſchriften des öffentlichen Rechtes handelt, in Art. 1
AG. z. BGB. erfolgt ift, fo dürfte doch deren Auf:
hebung mittelbar durch Art. 166 Abſ. 1 WG.
erfolgt fein. Denn dieſer Artikel will offenbar für
das ganze Königreich einheitliches Recht ſchaffen
und damit ſind die pfälziſchen Beſtimmungen, wollte
man ihnen gegenüber der grundſätzlich abweichenden
Auffaſſung des deutſchen Rechts und dem Art. 1
der PO. von 1869 noch bisher die Fortdauer
zubilligen, jedenfalls beſeitigt. Es ſcheint dies auch
der Standpunkt der Motive zu ſein, welche privat:
rechtliche Anſprüche aus Art. 5 Abſ. 1 zur gericht—
lichen Zuſtändigkeit zählen, ohne eines pfälziſchen
Sonderrechts zu gedenken. (Mot. zu Art. 164
Beil Bd. I 574). Es würde alfo nach neuem Recht
der den Anlaß des vorhin angeführten Kompetenz—
konfliktes von 1867 bildende Rechtsſtreit durch die
Gerichte zu entſcheiden ſein. Eine andere Frage
iſt freilich, welche Rechtswirkung die Feſtſetzung der
Uferlinie für die Eigentumsverhältniſſe der Anlieger
hat, mit anderen Worten, ob der Zivilrichter die
von der Verwaltungsbehörde feſtgeſetzte Uferlinie
ſeiner Entſcheidung als bindend zugrunde legen
muß oder nicht. Der Wortlaut des Art. 6 WG.
6 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
— äñ˖wU—2ͤĩ˙ qt... —ö——————————————————— — am
Gewaͤſſern, fo braucht fih der Staat, um dem
Gegner die Beweislast zuzuſchieben, noch nicht
einmal auf den in den meiſten Landesteilen ehedem
herrſchenden Grundſatz der Regalität der Fiſchrechte
zu berufen. Da der Staat Eigentümer iſt, ſo
ſind alle Befugniſſe, welche Dritten kraft dinglichen
Privatrechts an öffentlichen Gewäſſern zuſtehen,
Rechte an fremder Sache, jura in re aliena,
nicht bloß ſogenannte Vorzugsrechte. Die ding⸗
lichen Rechte Dritter können je nach ihrer Be⸗
ſchaffenheit Servituten im römiſchen Sinne, Grund⸗
dienſtbarkeiten, oder, was ſelten zutreffen wird,
perſönliche Dienſtbarkeiten ſein, ſo z. B. das Recht
auf Waſſerentnahme. In anderen Fällen, ſo bei
Triebwerken, Schöpfrädern, dem dinglichen Rechte,
eine Badeanſtalt im Fluſſe zu unterhalten, dürfte
teils die Analogie des Erbbaurechts, teils der Be⸗
griff der — dem Erbbau dienenden — Grund:
dienſtbarkeit zur Konſtruktion heranzuziehen ſein, 8)
letzterer deshalb, weil diefe Anlagen eine gewiſſe
Herrſchaft über eine Strecke des Fluſſes voraus⸗
ſetzen. Denn bei Triebwerken würde die Errichtung
eines weiteren, oberhalb des erſteren gelegenen
dieſem die erforderliche Triebkraft, bei Bade⸗
anſtalten die Errichtung einer zweiten der erſten
die erforderliche Reinheit des Waſſers unter Um⸗
ſtänden rauben. Ueber Beſitzſchutz von sun
gerechtigkeiten vgl. Art. 191 Abſ. 2 EG. z. BGB
und Art. 45 UG.
3. Als Eigentümer hat der Staat alle Rechts⸗
mittel des Eigentümers, insbeſondere die negatoriſche
Klage aus § 1004 BGB. Bei den umfaſſenden
Zuſtändigkeiten, welche das Geſetz den Verwal⸗
tungsbehörden einräumt, wird der Staat freilich
nur ſelten in der Lage ſein, von der Zivilklage
Gebrauch machen zu müſſen. Auf der anderen
Seite iſt der Staat paſſiv legitimiert gegen⸗
über Klagen, welche Verpflichtungen aus dem
Eigentum betreffen. Gerade in dieſer Beziehung
hat das neue Waſſerrecht, indem es das ſtaatliche
Eigentum verkündete, eine wertvolle Klärung der
Rechtslage herbeigeführt. (Anwendungsſälle ſiehe
unten beim Gemeingebrauch).
B. Aus dem Umſtande, daß die öffentlichen
Gewäſſer, obſchon im Privateigentum des Staates
ſtehend, dem öffentlichen Gebrauche gewidmet ſind,
folgt ihre Verkehrsunfähigkeit. Durch
ausdrücklichen Rechtsſatz iſt dieſe nirgends aus⸗
geſprochen, ſie folgt überhaupt bei den öffentlichen
Sachen des bayeriſchen Rechts lediglich aus der
Natur der öffentlichen Sache, und findet darin
ihre Begrenzung. Die Folge iſt, daß wie der
6) Dies ſcheint mir paſſender als die von Oertmann
S. 408 nach Pözls Vorgang verſuchte Heranziehung
der abſoluten Gewerbeprivilegien; dieſe ſind keine jura
in re aliena. Daß Fahrgerechtigkeiten und Badeanſtalten
häufig als reale Gewerberechte vorkommen. ift ein Punkt
für ſich, weil die Bezeichnung als Realrechte zunächſt
ihre gewerbepolizeiliche, nicht ihre waſſerrechtliche Stellung
[Abg. v. Malſen in ſeinem Berichte S. 34.
charakteriſiert.
Vertreter der Staatsregierung im Ausſchuſſe der
K. d. Abg.“) äußerte, „der Staat kraft feines
Eigentums befugt iſt, unter den Vorausſetzungen,
die ſonſt für die Veräußerung von Staatsgut be⸗
ſtehen, auch Wegveräußerungen vom Bette öffent:
licher Flüſſe vorzunehmen, ſoweit ſie ſich ohne
Eingriff in die Natur des öffentlichen Gewäſſers
denken laffen“. Dazu ift zu bemerken, daß es
ein ſubjektives Recht auf den Beſtand öffentlicher Ge-
wäſſer, ſei es nun ein privates oder ein öffentliches,
nicht gibt; ein ſolches kann insbeſondere aus dem
Gemeingebrauch nicht abgeleitet werden.““) Ein
Bierbrauer, der bisher kraft des Gemeingebrauchs —
alſo nicht etwa kraft eines ſpeziellen Rechtstitels
— aus einem Altwaſſer Eis zu entnehmen pflegte,
kann nicht etwa Anfechtungsklage ſtellen oder die
Nichtigkeit des Vertrages vorſchützen, wenn der
Staat das Altwaſſer an einen Privaten veräußert
und dieſer es zuſchütten läßt.
Die objektive Gebundenheit der öffentlichen Ge⸗
wäſſer für volkswirtſchaftliche Zwecke ſchließt nicht
aus, daß an ihnen Sonderrechte einzelner —
von Bekker „Vorzugsrechte“ genannt — mit jenem
Zwecke ſich vereinigen laſſen. Vielfach, z. B. bei
Mühlen und anderen mit Stauwerken verknüpften
Anlagen, iſt überhaupt die volkswirtſchaftliche Aus⸗
nützung der Waſſerkraft nur durch Einräumung
von Sonderrechten möglich. Infolge der Doppel⸗
natur des Staatseigentums an den öffentlichen
Gewäſſern als eines zwar privatrechtlichen, aber
öffentlichrechtlich gebundenen hat auch die Ein⸗
räumung ſolcher Nutzungen ſtets einen doppelten
Charakter; die privatrechtliche Nutzungsgewährung
erzeugt privatrechtliche, die polizeiliche Genehmigung
erzeugt öffentlichrechtliche Wirkung.“) Dabei ift
zu bemerken, daß manche hier ſcheinbar einſchlägige
Akte, wie z. B. die Verpachtung des Weidenſchnitts,
die Benützung der öffentlichen Gewäſſer überhaupt
nicht berühren und daher allerdings nur auf dem
Boden des Privatrechts ſich bewegen; eine ähn⸗
liche Stellung nimmt die Fiſcherei ein. Die Er⸗
teilung von Sonderrechten kann widerruflich oder
unwiderruflich erfolgen. (Art. 43, 58). Im letzteren
Falle iſt mit der polizeilichen Genehmigung die
Einräumung eines dinglichen Rechtes verknüpft,
im erſteren Falle liegt ein prekariſtiſches Ver⸗
hältnis zwiſchen dem Staat und dem Vorzugs⸗
9) Beilagenband III S. 157, ſiehe auch die Aeußerung
des Miniſters v. Fan ſch im RR.⸗Ausſchuß Anhang
z. Beilagenband S.
1%) Die Sache 99915 analog, wie beim Wegerecht,
worüber zu vergleichen a 1. Aufl. V 487 Note 1,
491; 2. Aufl. III 298 Note 7.
n) Seydel 1. Aufl. V 409, 410, 2. Aufl. III 252
$ 331. Die Verquickung beider Akte in dem Begriff
der „Konzeſſion“ oder gar des „Privilegiums“ hat in
der gemeinrechtlichen Lehre und Rechtſprechung zu arger
Verwirrung geführt. Im weſentlichen übereinſtimmend
mit der im Text vertretenen Auffaſſung die Erklärung
des Kgl. Staatsminiſters der Juſtiz im Ausſchuß d. K.
d. RR. Anhang 109, ſiehe auch die Bemerkungen des
berechtigten vor, in beiden Fällen aber genießt
der Vorzugsberechtigte Dritten gegenüber Privat⸗
rechtsſchutz. (Vgl. auch Kompetenzkonfliktserk.
RegBl. 1872 S. 426 ff.).
Bezüglich der Form, in welcher Sonderrechte
an öffentlichen Gewäſſern geſchaffen werden können,
war ſchon im gemeinen Rechte anerkannt, daß nur
ein Vertrag des Staates mit Dritten oder die
Erteilung eines Privilegiums und die unvordenkliche
Verjährung, nicht aber die Erſitzung in Frage
kommen können.!) Auch das WBG. von 1852
kennt den Rechtstitel der Erſitzung nicht und
ebenſowenig das neue WG. Die Vorſchriften des
gemeinen Rechtes und der übrigen Territorialrechte
über die Erſitzung ſind überdies durch Art. 1 und
Art. 147 AG. z. BGB. weggefallen. Künftig kann
alſo die Neubegründung nur durch ſtaatliche Ver⸗
leihung erfolgen.
Das Recht des Staates, Sonderrechte an öffent⸗
lichen Gewäſſern einzuräumen, findet ſeine Grenze in
dem Gemeingebrauch, ſoweit dieſer in der bayeriſchen
Geſetzgebung — im Gegenſatze zu dem viel weiter
gehenden gemeinen Rechte — anerkannt iſt (vgl.
Art. 26 — 36 WG.). Demnach würde ein Vertrag
nichtig ſein, kraft deſſen der Staat an jemand die
Eisbahn auf einem Fluſſe oder das Recht, Vieh
zu ſchwemmen, verpachten würde.
C. Aus der Doppelnatur des Rechtsverhältniſſes
der öffentlichen Gewäſſer ergibt ſich von vornherein,
daß für ftrittige Rechte und Verbindlichkeiten auf
dem Gebiete des Waſſerrechts nach der Natur der
Sache in manchen Fällen der Zivilrichter zuſtändig
it, während in anderen der Verwaltungsrechtsweg
eröffnet ſein ſollte. In Wirklichkeit iſt jedoch dieſer
mehrfach durch den bloßen Verwaltungsweg erſetzt
und ſeine Zuläſſigkeit, wie auch ſonſt nach baye⸗
tiſchem Recht, nur aufzählend, nicht durch generelle
Norm beſtimmt (Art. 166 mit 177 d. Geſ.). Die
gerichtliche Zuſtändigkeit hingegen iſt nur negativ
im Art. 166 umſchrieben, nach welchem „der Vollzug
des Geſetzes vorbehaltlich der Zuſtändigkeit der
Gerichte den Behörden der inneren Verwaltung
obliegt“. „Der gerichtlichen Entſcheidung“, ſagen
die Motive zu Art. 164 des Entwurfs (Beil. Bd. I
574) „unterliegen die auf privatrechtlicher Grund—
lage erhobenen Rechtsanſprüche, ſoweit ſie nicht
durch das Geſetz ausdrücklich zunächſt, d. h. in
vorſorglicher Weiſe oder überhaupt, den Ver⸗
waltungsbehörden zugewieſen ſind“ (folgen zahl⸗
reiche Beiſpiele). Eine eigentliche Rechtsvermutung
zugunſten der Zuſtändigkeit der Verwaltungs⸗
behörden beſteht hiernach im allgemeinen nicht.
Die gerichtliche Zuſtändigkeit iſt nach allgemeinen
Grundſätzen — vgl. z. B. Erk. d. Gerichtshofs für
Kompetenzkonflikte Beil. I zum GeſBl. 1906 und
dort Zitierte — davon abhängig, daß der geltend
gemachte Anſpruch nach den zu ſeiner Begründung
5 Seufferts Archiv 21 Nr. 97, 22 Nr. 10; RG. i.
35.23, 152, Oberſtes Landesg. IV, 11.
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Zeitſchrift für Zeitſchrift für Rechtspflege in Bar in Bayern. 1908. 1908. Nr. 1. 7
behaupteten Tatſachen auf einem dem Gebiete des
bürgerlichen Rechts angehörenden Rechtsgrunde
beruht. Iſt dies nach der Klage der Fall, ſo iſt
die gerichtliche Zuſtändigkeit gegeben, falls nicht
kraft poſitiver Beſtimmung des Geſetzes eine der
oben angedeuteten, freilich ſehr weittragenden Aus⸗
nahmen Platz greift.
Eine Folgerung aus dieſen Grundſätzen iſt,
daß die gemäß Art. 6 des Geſ. durch die Ver⸗
waltungsbehörde erfolgende Feſtſetzung der Ufer⸗
linie den Eigentumsverhältniſſen nicht präfmdiziert
und daß im Streitfalle die Gerichte über letztere
zu entſcheiden haben. (Vgl. die Aeußerung des
Miniſters v. Feilitzſch im Ausſchuß der Reichsrats⸗
kammer Anhang S. 139). Für das rechtsrheiniſche
Bayern iſt dieſer Satz A des Kompetenz⸗
konfliktserkenntniſſes RegBl. 1863 S. 1233 kein
neuer, wohl aber, wie es ſcheint, für die Pfalz.
Dort wurde bisher auf Grund der einſchlägigen
Beſtimmungen des franzöſiſchen Rechts, wenn auch
ſeit Inkrafttreten der bayeriſchen Zivilprozeßordnung
von 1869, hier Art. 1, wohl mit Unrecht der
Adminiſtration die Zuſtändigkeit zugeſchrieben, über
den Umfang des domaine public zu befinden, z. B.
über die Grenzen zwiſchen den Rheindämmen und
den Grundſtücken der Angrenzer (vgl. Kompetenz⸗
konfliktserkenntnis Reg Bl. 1867 S. 139 ff.). Diele
wohl ſchon für das bisherige Recht — vgl. namentlich
Seydels geiſtvolle Bemerkungen über das pfälziſche
Wegerecht I. Aufl. V 504, II. Aufl. $ 338 III 308
— kaum mehr zutreffende Anwendung franzöſiſcher
Kompetenzbeſtimmungen dürfte gegenüber dem neuen
Waſſergeſetz jedenfalls unhaltbar geworden ſein, denn
wenn auch eine ausdrückliche Aufhebung der älteren
franzöſiſchen Zuſtändigkeitsbeſtimmungen weder in
dem neuen Waſſergeſetz, noch, da es ſich um Vor⸗
ſchriften des öffentlichen Rechtes handelt, in Art. 1
AG. z. BGB. erſolgt iſt, ſo dürfte doch deren Auf⸗
hebung mittelbar durch Art. 166 Abſ. 1 WG.
erfolgt ſein. Denn dieſer Artikel will offenbar für
das ganze Königreich einheitliches Recht ſchaffen
und damit ſind die pfälziſchen Beſtimmungen, wollte
man ihnen gegenüber der grundſätzlich abweichenden
Auffaſſung des deutſchen Rechts und dem Art. 1
der PO. von 1869 noch bisher die Fortdauer
zubilligen, jedenfalls beſeitigt. Es ſcheint dies auch
der Standpunkt der Motive zu ſein, welche privat⸗
rechtliche Anſprüche aus Art. 5 Abſ. 1 zur gericht⸗
lichen Zuſtändigkeit zählen, ohne eines pfälziſchen
Sonderrechts zu gedenken. (Mot. zu Art. 164
Beil Bd. 1574). Es würde alfo nach neuem Recht
der den Anlaß des vorhin angeführten Kompetenz—
konfliktes von 1867 bildende Rechtsſtreit durch die
Gerichte zu entſcheiden ſein. Eine andere Frage
iſt freilich, welche Rechtswirkung die Feſtſetzung der
Uferlinie für die Eigentumsverhältniſſe der Anlieger
hat, mit anderen Worten, ob der Zivilrichter die
von der Verwaltungsbehörde feſtgeſetzte Uferlinie
ſeiner Entſcheidung als bindend 1 legen
muß oder nicht. Der Wortlaut des Art. 6 WG.
8 Zeitſchriſt ift für Rechtspflege in Bayern.
(bisher Art. 19 WBG.) ſpricht allerdings für die
Bejahung dieſer Frage, wofür ſich auch Meisner
§ 27 S. 202 ausſpricht. Aus den Motiven des
alten WBG. ift nichts zu entnehmen; nach Pözl
ſoll die Beſtimmung übrigens aus dem franzöſiſchen
Rechte entlehnt ſein. Während aber nach der
franzöſiſchen Auffaſſung der Gewaltenteilung —
vgl. hierüber Seydels Bemerkungen über das
pfälziſche Wegerecht I. Aufl. V, 504, II. Aufl. 8 338
III, 308 und dort Zitierte — anerkannt iſt, daß
Ausſprüche der Adminiſtration, durch welche Privat⸗
eigentum öffentlichen Zwecken gewidmet, hier alſo
zum öffentlichen Fluß gezogen wird, auch bei Mangel
privatrechtlicher Befugnis der Verwaltungsbehörden
rechtsbeſtändig ſind, verhält ſich die Sache nach der
deutſchen Rechtsauffaſſung gerade umgekehrt. Mag
nun aber der Art. 19 WBG. fo oder jo auszulegen
geweſen fein, jedenfalls wird der Art. 6 WG. nach
der oben zitierten Aeußerung des Staatsminiſters
v. Feilitzſch, zumal wenn man die vorangehende
Anfrage des RR. v. Thelemann erwägt, dahin
auszulegen ſein, daß gegenüber der Feſtſetzung der
Verwaltungsbehörde die Beſchreitung des Rechts⸗
weges zuläſſig iſt, vorausgeſetzt natürlich, daß ein
Eigentumsprozeß angeſtrengt und ſo überhaupt eine
zivilgerichtliche Zuſtändigkeit begründet wird. Eine
allgemeine actio finium regundorum gegenüber dem
Ausſpruch der Verwaltungsbehörde beſteht nicht, denn
die Verwaltungsbehörde. welche die Uferlinie feſtſetzt,
handelt als Polizeibehörde, nicht als Vertreterin
des Fiskus. Selbſtverſtändlich darf aber auch der
Zivilrichter feiner Entſcheidung nur „den mittleren
Waſſerſtand unter beſonderer Berückſichtigung der
Grenze des „ zugrunde legen.
Die Eigentumsklage iſt z. B. gegeben, wenn der
Fiskus auf Grund der von der Verwaltung feſt⸗
geſetzten Uferlinie das Gras auf zuweilen unter
Waſſer ſtehenden Wieſen verpachtet und die Anlieger
das Eigentum an dieſer Wieſe in Anſpruch nehmen.
Derlei Differenzen kommen ſowohl bei Erhöhung
des Flußbetts durch Korrektionsbauten als bei
Verlandungen vor, auch für den letzteren Fall
ſprechen die Motive zu Art. 8 Beil Bd. J 548 und
zu Art. 164 S. 574 von einer Zuſtändigkeit der
Gerichte. Dabei kann unmöglich an eine bloß den
Verwaltungsausſpruch wiedergebende und deshalb
für die Kläger von vornherein wertloſe Entſcheidung
gedacht ſein.
II. Die Eigentums verhältuiſſe an den Privatgewäſſern.
1. Geſchloſſene Gewäſſer.
Der Art. 16 WG. gibt mit redaktionellen
Aenderungen den Inhalt des Art. 33 WBG.
wieder. Er gibt zu folgenden Erörterungen Anlaß.
a) Grundwaſſer: Darunter fallen nicht die
teilweiſe oder zeitweiſe unterirdiſch fließenden Flüſſe,
wie ſie im Juragebiet öfters vorkommen (vgl. das
Korreferat des RR. v. Thelemann Anh. S. 50 und
Verhandlungen des Reichsratsausſchuſſes ebenda
S. 148).
1908. J .
— — ———— nn
— — —
b) Quellen: Die Beſtimmung hierüber
hat ſchon zwiſchen dem Referenten und dem Kor⸗
referenten der Kammer der Abgeordneten und
mehr noch in dem Ausſchuſſe der K. d. RR.
zu einer ſehr eingehenden Erörterung darüber
geführt, ob das Eigentum an der Quelle ſich auf
dieſe nur erſtrecke, ſolange ſie das Urſprungs⸗
grundſtück im engeren Sinne noch nicht verlaſſen
hat, oder ob es die Quelle auch umfaſſe, ſolange
ſie das mit dem Urſprungsgrundſtück in natürlichem
und wirtſchaftlichem Zuſammenhang ſtehende Be⸗
ſitztum desſelben Eigentümers noch nicht verlaſſen
hat, mit anderen Worten, ob die Quelle Privat⸗
fluß ſei, wenn ſie zwar nicht mehr auf dem
eigentlichen Urſprungsgrundſtücke, wohl aber auf
anſtoßenden, in gleicher Kulturart ſtehenden Grund⸗
ſtücken des Eigentümers des Urſprungsgrundſtückes
fließt.“) Dieſe, im Hinblick auf Art. 19 und 46
d. Geſ. wichtige Frage hat ſchließlich durch Ab⸗
lehnung des Antrags des RR. v. Auer ihre Er⸗
ledigung dahin gefunden, daß das OQuelleneigen⸗
tum ſich auf das Urſprungsgrundſtück beſchränkt.
Mit anderen Worten: unter Grundſtück im Sinne
des Art. 16 ift nur der betreffende kataſtermaͤßig
vermeſſene und durch eine Plannummer bezeichnete
Abſchnitt der Erdoberfläche zu verſtehen (ſiehe
v. Malſens Referat S. 10, Sartorius Korreferat
S. 13 und die Protokolle des RR.⸗Ausſchuſſes
S. 149 ff., S. 269 des Anhangs).
c) Künſtlich angelegte Waſſerlei⸗
tungen, Kanäle und Gräben. In dieſer
Beziehung bedeutet die neue Faſſung des Geſetzes
einen entſchiedenen Fortſchritt gegenüber der bis⸗
herigen, denn ſie bringt deutlich zum Ausdruck,
daß auch bei den kraft einer Dienſtbarkeit über ein
Grundſtück geleiteten Kanälen uſw. das Eigentum
am Bachbett über das Eigentum am Kanal uſw.
entſcheidet. Vorausſetzung für die Anwendung
der Beſtimmung iſt aber, daß das Waſſer wirklich
in Gräben, Kanälen u. dgl., oberirdiſch und
ofſen geleitet wird; wird Waſſer auf Grund einer
Dienſtbarkeit in Röhren, hölzernen Gerinnen
und dergleichen Behältern ober- oder unterirdiſch
geleitet, ſo iſt die Dispoſitive des Art. 16 nicht
anwendbar, es greift hier vielmehr der Vorbehalt
des Art. 16 Abſ. 1 Platz: „ſoweit nicht andere Rechts⸗
verhältniſſe beſtehen“. (Erklärung des Miniſters
v. Feilitzſch im RR.⸗Ausſchuß Anhang S. 149).
Was vom Waſſer gilt, gilt ſelbſtverſtändlich auch
vom Eiſe, das ja nichts anderes als gefrorenes
un it.
Erhebliche Schwierigkeiten hat von jeher die
Abgrenzung der „Kanäle“ von den „Privatflüſſen“
der Rechtsanwendung bereitet. Bei der Beratung
des neuen WG. im Ausſchuſſe der RR.⸗Kammer
forderte deshalb RR. v. Thelemann eine geſetzliche
Definition des auch in Art. 1, 96 WG. vor⸗
10 Lehlere nor vertrat für das bisherige Recht
Meisner § 28 N. 8 S. 209.
kommenden Ausdrucks „Kanäle“. Der Staats-
miniſter des Innern hielt dies nicht für angängig
und verwies auf die bisherige Praxis und Recht⸗
ſprechung. Aus dieſer dürfte außer den bei Reuß
(WG. zu Art. 33) bereits zitierten Entſch. insbeſ.
die Entſch. des ObL G. XIV S. 775 hervorzu⸗
heben ſein. Hiernach iſt das wichtigste Unter⸗
ſcheidungsmerkmal, daß der „Kanal“ einen für
eine Waſſerzuleitung oder -Ableitung künſtlich
hergeſtellten Waſſerlauf, der Fluß oder Bach ein
in natürlichem Rinnſal fließendes Gewäſſer
darſtellt. Die Worte des Art. 16 Abſ. 1 Ziff. 1
„künſtlich angelegt“ beziehen ſich nicht nur auf
„Waſſerleitungen“, ſondern auch auf „Kanäle“ und
„Gräben“. Ob der Kanal ſtehendes oder fließendes
Waſſer enthält, iſt gleichgültig. Privatkanäle im
Sinne des Art. 16 ſind im Gegenſatz zu den
ſtaatlichen Kanälen der Art. 1, 96 jene, welche
von Privatperſonen für Privatzwecke unter⸗
halten werden; daß ſie gerade von Privatperſonen
angelegt ſind, ft nicht entſcheidend; der Franken⸗
thaler Kanal würde z. B., wenn der wiederholt
angeſtrebte Verkauf ſtattjände, ſich in einen Privat⸗
kanal verwandeln können. Dabei iſt zu bemerken,
daß ſelbſtverſtändlich auch der Staat als Fiskus
Privatkanäle, z. B. für Bergwerkszwecke, beſitzen
kann. Ob das im Kanal befindliche Waſſer aus
einem öffentlichen Fluſſe, oder aus einem Privat:
fluſſe abgezweigt iſt, iſt für das Eigentumsverhältnis
am Privatkanal gleichgültig. Legt man dieſe
Kriterien zugrunde, ſo wird man in den meiſten
Fällen zu einer zweiſelsfreien Entſcheidung ge:
langen; bei umgelegten oder korrigierten Waſſer⸗
läufen können fih freilich immer noch Schwierig:
keiten für die Auslegung ergeben. Dem in Ur—
kunden uſw. oft mißbräuchlich angewandten Worte
„Kanal“ darf keine übermäßige Bedeutung bei—
gemeſſen werden; entſcheidend iſt, ob der betreffende
Waſſerlauf ſich als ein in der Hauptſache natür-
licher, wenn auch vielleicht durch Abſchneidung
von Windungen, Verbreiterung oder Deriefung |
regulierter oder als eine neue, künſtliche Ab⸗
zweigung und Ableitung darſtellt. (Vgl. hierzu
insbeſondere Entſch. d. OGH. XV 783). Die
einſchlägigen Streitfragen des gemeinen Rechtes,
(worüber zu vergleichen RGZ. XXIII 154), ſind
für Bayern belanglos.
Das Recht des Eigentums am Kanal ſchließt
ſelbſtverſtändlich, ſoweit nicht beſondere Rechts—
verhältniſſe beſlehen, die Befugnis zur Waſſer—
entnahme, z. B. durch Abzapfung für e
von Wieſen, in ſich, während bei Privatflüſſen im
Eigentume Dritter die Beſtimmung des Art. 47
Abſ. 1 Ziff. 2 Platz greift.
d. Seen. Den Unterſchied zwiſchen See
und Weiher erblickt das Geſetz nach der Erklärung
der Staatsregierung im Ausſchuß der Kammer
der Abgeordneten (Beil. Bd. III, 160) darin,
daß der „Weiher“ im Gegenſatz zum „See“ ab—
gelaſſen werden kann. Ueber die Frage, wie
|
Zeitſchrift für ſt für Rechtspflege in Be in Bayern. 1908. Nr. 1. 9
mangels beſonderer Vereinbarung die Rechtsver⸗
hältniſſe ſich regeln, wenn der See, vielmehr die
Ufer des Sees verſchiedenen Perſonen gehören,
enthält das Geſetz keine Norm; der Staatsminiſter
des Innern verwies auf die Anfrage des RR. v.
Thelemann auf die Vorſchriften des bürgerlichen
Rechtes. (Anhang S. 148). Bei manchen Seen
dürften übrigens unter den Anliegern ſogenannte
Genoſſenſchaften des deutſchen Privatrechts, ähnlich
wie vielfach noch bei Waldungen, beſtehen.
2. Privatflüſſe.
Der einſchlägige Artikel des neuen WG. ſchließt
ſich mit nur redaktionellen Aenderungen an den be⸗
reits im Art. 147 AG. z. BGB. formell geänderten
Art. 89 des alten WBG. an. Angeſichts der
etwas präziſeren Faſſung darf angenommen werden,
daß die ſeinerzeit von Schellhaß Nachbarrecht
S. 33, 38) aufgeſtellte Theorie, der Fluß in
ſeiner Geſamtheit ſtehe im Miteigentum ſeiner
ſämtlichen Anlieger,“) künftig keine Anhänger
mehr finden wird. Dagegen iſt vielleicht nicht
überflüſſig, darauf hinzuweiſen, daß das Geſetz
im Gegenſatz zu den urſprünglichen Vorſchlägen
zum Entwurf eines WG. die Privatflüſſe und Bäche
nicht als „weſentliche“ Beſtandteile der Grundſtücke,
zwiſchen denen ſie hindurchfließen, erklärt und damit
die Veräußerlichkeit des Waſſergrundſtücks, unab⸗
hängig vom Ufergrundſtück im Einklange mit dem
bisher geltenden Rechte zugelaſſen hat (ſ. Korreferat
des RR. v. Thelemann Anhang S. 57 und Ber:
handlung des RR.⸗Ausſchuſſes S. 167). Es können
ſich alſo auch künftig ſogenannte Privatflüſſe im
Eigentum Dritter bilden, ſei es, daß jemand den
Anliegern nur das Bachbett ohne die Ufergrund⸗
ſtücke abkauft, ſei es, daß jemand, der das Adja—
zenteneigentum am Bach beſitzt, bloß die Ufer:
en verkauft und das Bachbett im Eigentum
behält
III. Untergang von Ufergrundſtücken, Abriß und natür:
liche Veränderung des Flußlaufes.
1. Die Tätigkeit des Waſſers kann auf fünf⸗
fache Weiſe rechtlich bedeutſame Veränderungen
an Grundſtücken herbeiführen: ein Grundſtück kann
durch dauernde Ueberflutung ganz oder teilweiſe
untergehen; ein Grundſtück kann durch Veränderung
des Flußlaufs oder Inſelbildung neu entſtehen;
ein Grundſtück kann endlich durch Verlandung
oder durch Abriß ſich vergrößern. Die moderne
Rechtsanſchauung weicht von der alten unklaren
unter anderem dadurch ab, daß ſie auch bei
fließenden Gewäſſern den Begriff des Waſſergrund—
ſtückes, das iſt eines dauernd mit Waſſer über—
fluteten Grundſtückes kennt. Zwar findet fidh
dieſer Ausdruck in dem Waſſergeſetze nirgends,
aber der Begriff ergibt ſich mit Notwendigkeit
aus der Annahme des zivilrechtlichen Eigentums
%) Leider auch angenommen von OGH. IX 677
und Reuß Anmerk. zu Art. 39, dagegen Oertmann 8 96
413.
10 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
an den fließenden Gewäſſern im Zuſammenhalt
mit der modernen Kataſter⸗ und Grundbuchein⸗
richtung. Für letztere iſt bekanntlich unter Grund⸗
ſtück ein kataſtermäßig vermeſſener und durch eine
Plannummer bezeichneter Abſchnitt der Erdober⸗
fläche zu verſtehen, der natürlich auch mit Waſſer
bedeckt ſein kann. Von den oben erwähnten fünf
Fällen regelt das neue Waſſergeſetz nur die vier
letzterwähnten, über den Untergang eines Grund⸗
ſtückes ſchweigt es. Das iſt vielleicht ein kleiner
Schönheitsfehler des Geſetzes, denn in dem Augen⸗
blicke, da man den Begriff des Waſſergrundſtückes
aufſtellt, darf man eigentlich nicht mehr von Untergang
eines Grundſtückes reden, ſondern nur von der Ver⸗
wandlung eines Landgrundſtückes in ein Waller:
grundſtück und man wäre daher faſt zu glauben
verſucht, der bisherige Eigentümer behalte das
Eigentum an der nunmehr überfluteten Grund:
fläche und könne ſich dort Schilf oder gar Fiſche
aneignen, wo er ehedem Wieſen beſaß. Doch
kann trotz des Schweigens des Geſetzes kein Zweifel
beſtehen, daß das Geſetz dieſe Konſequenz, die
eine Aenderung des bisherigen Rechtsſtands ent⸗
hielte, nicht ziehen will; es ergibt ſich dies
indirelt aus Art. 2 im Zuſammenhalt mit Art. 5
Abſ. 1. Mag daher auch das Grundſtück im
Sinne der öffentlichen Bücher nicht untergehen,
ſo geht doch das Eigentum am Grundſtück durch
dauernde Ueberflutung unter und fällt dem Fluß⸗
eigentümer zu. Da nun bei öffentlichen Flüſſen
und Staatsprivatflüſſen nach Art. 6 mit 23 die
Uferlinie nach dem mittleren Waſſerſtande feſt⸗
zuſetzen iſt, und dieſes Prinzip auch auf Privatflüſſe
im Eigentum Dritter Anwendung leidet, ſo tritt
der erwähnte Eigentumswechſel dann ein, wenn
das Grundſtück, nach dem mittleren Waſſer⸗
ſtande gerechnet, als dauernd überflutet anzu-
ſehen iſt.
2. Während die Fälle der Verlandung und
der Inſelbildung durch Anſchwemmung bei den
klaren Beſtimmungen des Geſetzes keiner Erläute—
rung bedürfen, ſo iſt dies beim Abriß und der
Veränderung des Flußlaufes der Fall. Der Abriß
in öffentlichen Gewäſſern ift in Art. 14 WG. ge:
regelt, welcher die Art. 29 und 30, 31 des WBG.
erſetzt. Die Frage, ob der Art. 14 ſo auszulegen
ſei, daß zwar der bisherige Beſitzer und Eigentümer
des Abriſſes den Beſitz verliere und daß der Beſitz
ſofort auf den Eigentümer des Grundſtückes über—
gehe, an welches ſich der Abriß angelegt habe,
daß das Eigentum aber bei dem alten Eigentümer
verbleibe und erſt dann auf den neuen Eigentümer
übergehe, wenn der bisherige Eigentümer innerhalb
des Jahres weder Klage geſtellt, noch eine Aner—
kennung ſeines Rechtes erwirkt, noch ſeine Erklärung
bei der Verwaltungsbehörde abgegeben habe, wurde
zwar im Ausſchuſſe der Reichsratskammer, wo
Korreferent RR. v. Thelemann ſie aufwarf, von
der Staatsregierung als eine reine Konſtruktions—
frage erklärt, die der Praxis und den Gerichten
überlaſſen bleiben müſſe. (Anhang S. 49, 147).
Dagegen erklären die Motive S. 549, daß das
abgeriſſene (erkennbare) Stück Land nach richtiger
Theorie im Gegenſatz zum bisherigen Rechte lediglich
als eine vom Grundſtück getrennte und daher
beweglich gewordene Sache, die ſich auf einem
anderen Grundſtück auflege, kurz als ein Mobile
anzuſehen ſei. Gewiß iſt dies richtig, aber die
daraus gezogenen Schlußfolgerungen der Motive.
mit denen ſich auch der Abgeordnete v. Malſen
(f. deffen Bericht S. 10 und die Ausſchußverhand—
lungen d. K. d. Abg. Beil Bd. III 159) einverſtanden
erklärte, dürften nicht überzeugend ſein. Beim
Abriſſe wird freilich eine Erdſcholle auf ein ſchon
beſtehendes, jedoch mit Waſſer bedecktes !“) Grund:
ſtück getrieben, allein dieſe Grundfläche gehört,
von den Adjazentenflüſſen abgeſehen, nicht dem
Ufereigentümer, ſondern dem Eigentümer des
Flußbetts, beim öffentlichen Gewäſſer alſo dem
Staat. Die theoretiſche Konſequenz würde alſo
fordern, daß der Staat Eigentümer des Abriſſes
würde, ein Teil des Waſſergrundſtückes würde ſich
nur in ein Landgrundſtück verwandeln, man hätte
eine Analogie des römiſchen „superficies cedit
solo“. Wenn der Geſetzgeber dem Flußeigentümer
das Recht am Abriſſe nicht eingeräumt hat, ſo
unterließ er dies offenbar, weil die vom Abriß
verdrängte Waſſerfläche faſt wertlos iſt und weil
auch der Abriß ſelbſt im Staatsbeſitz meiſt ſchwer
verwertbare Parzellen darſtellen würde, der Staat
daher auf der einen Seite keinen Schaden erleidet,
auf der andern wenig Nutzen hätte. Dagegen iſt
weder ein theoretiſcher noch ein praktiſcher Grund
zu finden, aus welchem der Ufereigentümer vor
Eintritt der in Art. 14 geregelten fingierten
Dereliktion des Geſchädigten Eigentümer einer
Fläche werden ſoll, zu welcher der Flußeigentümer
das „Grundſtück“ im Rechtsſinne, der durch den
Abriß Geſchädigte den wirtſchaftlich wertvollen
Humus beizuſteuern hätte. Die von den Motiven
angeführten Beiſpiele der Anlandung, ferner, wenn
von einem höher gelegenen Grundſtück infolge
eines Naturereigniſſes Erde auf ein tiefer liegendes
abgeſchwemmt wird, ſind nicht überzeugend. Denn
bei der Anlandung handelt es ſich um Erdmaſſen,
deren Herkunft nicht erkennbar iſt, es bleibt daher
aus rein natürlichen Gründen nichts übrig, als
ſie dem Ufereigentümer zu überlaſſen. Bei der
Abſchwemmung von Humus aber war doch der
Unterlieger Eigentümer des verſchütteten Grund—
ſtücks, während der Ufereigentümer außer bei
Adjazentenflüſſen eben nicht Eigentümer des vom
Abriß bedeckten Waſſergrundſtückes iſt.
5) Die Motive ſprechen von einem „vielleicht
mit Waller bedeckten Grundſtück“. Dieſes „vielleicht“ ift
zu ſtreichen, denn ein Abriß iſt eine Anlagerung an ein
Ufer, nicht eine Auflagerung auf ein Landgrundſtück.
Leßtere im WG. nicht geregelte Frage wurde im Aus-
ſchuß der Reichsratskammer zweimal aufgeworfen, die
nicht ganz gleichförmigen Antworten der Regierungs—
vertreter ſ. Anh. 147, 169.
— —
Zettſchrift für Zenga für Rechtäpflege in Bayern. 1908 Nr. 1. l in Bayern. 1908 Nr. 1.
Die Löſung unſerer Kontroverſe dürfte alſo
dahin zu lauten haben, daß der Eigentümer des
Abriſſes das Eigentum an dem durch Auflagerung
des Abriſſes auf einem bisherigen Waſſergrundſtück
neu gebildeten Landgrundſtück erlangt, daß aber
das Eigentum an letzterem Grundſtück auf den
Ufereigentümer übergeht, wenn nicht der bisherige
Eigentümer oder ein ſonſtiger Berechtigter binnen
Jahresfriſt die in Art. 14 des WG. vorgeſehenen
Handlungen vornehmen. Die geänderte Faſſung
des Geſetzes hat alfo den bisherigen Rechtszuſtand
bezüglich der Eigentumsfrage nicht geändert; ein
beſonderer Beſitzerwerb an dem neuen Landgrund⸗
ſtück ſeitens des Abrißeigentümers dürfte allerdings
erforderlich ſein, da das zuletzt von ihm beſeſſene
Mobile nach Vereinigung mit einem Immobile
nicht mehr vorhanden iſt.
3. Die Eigentumsverhältniſſe, welche bei natür⸗
licher Aenderung des Flußlaufs
alveus relictus — entſtehen, regelt das WG.
nur bezüglich der öffentlichen Flüſſe und der
Staatsprivatflüſſe in den Artikeln 12 und 23;
bei Privatflüſſen, mögen ſie nun im Eigentum
der Ufereigentümer oder im Eigentum Dritter
ſtehen, ermangelt es einer ausdrücklichen Beſtim⸗
mung und es ſpricht ſich in Art. 25 nur über
das den Beteiligten eingeräumte, aber der Koſten
halber meiſt wertloſe Wiederherſtellungsrecht aus.
Infolge dieſes Schweigens hat ſich im Ausſchuſſe
der RR.⸗Kammer eine intereſſante Erörterung
über das Eigentum am alten und am neuen
Flußbett entwickelt (Anhang S. 170). Es wurde
Einigkeit darüber erzielt, daß bei den Adjazenten⸗
flüſſen das verlaſſene Flußbett im Eigentum der
bisherigen Eigentümer verbleibe und das neue
Bett Eigentum der Angrenzer werde, ferner darüber,
daß bei Privatflüſſen im Eigentum Dritter das
bisherige Bett dem bisherigen Flußeigentümer
mangels einer gegenteiligen Beſtimmung verbleibe.
Dagegen wurde keine Einigkeit darüber gewonnen,
ob bei den Privatflüſſen im Eigentume Dritter
der Fluß ſeine Eigenſchaft als Eigentum eines
Dritten beibehalte, oder ob vielmehr der Eigen—
tümer des Grundſtücks, über das nun der Fluß
gehe, auch das Eigentum am Fluß für die treffende
Strecke erwerbe. Reichsrat v. Thelemann vertrat
die erſtere Auffaſſung, Reichsrat v. Auer die letztere.
Auch der Kgl. Kommiſſär v. Henle bemerkte,
die Anſicht des Reichsrat v. Thelemann entſpreche
nicht nur der bisherigen Praxis, ſondern auch
den natürlichen Verhältniſſen, der Auffaſſung im
gemeinen Rechte und in der bayeriſchen Geſetz⸗
gebung. Allein gegen letztere Beweisführung ſpricht,
daß der das neue Waſſergeſetz beherrſchende Ge⸗
danke des „Waſſergrundſtücks“ im gemeinen Rechte
faft gar nicht anerkannt, und in der bayeriſchen
Geſetzgebung bisher mindeſtens nicht zur Klarſtellung
gelangt war. Das gemeine Recht würde in unſerem
Falle das überflutete Grundſtück als durch Natur⸗
ereignis untergegangen anſehen. (RGZ. S. 8, 81
11
und dort Zitierte). Nach bayeriſchem Rechte
aber kann der Eigentümer eines Fluſſes das Eigen⸗
tum am ganzen Fluſſe oder an ſeinen Teilen
veräußern, ein Dritter alſo durch Rechtsgeſchäft
Eigentümer einer Flußſtrecke werden; ich finde
daher keinen Grund, weshalb nicht der bisherige
Eigentümer des nunmehr überfluteten Grundſtücks
das Eigentum an dem jetzt darüberſtrömenden
Fluß auf die treffende Strecke erwerben ſoll. Für
eine Analogie des Art. 12 Abſ. I ift kein Raum,
denn der dort aufgeſtellte Rechtsſatz iſt nur eine
Konſequenz aus dem Prinzip des Art. 4, wonach
bei öffentlichen Flüſſen das Eigentum am Fluß:
bett dem Flußeigentum folgt. Eher ſchiene Art. 23,
welcher für Staatsprivatflüſſe die entſprechende
Anwendung des Art. 12 vorſchreibt, zu einer
Analogie zu berechtigen. Allein für's erſte iſt es
gewiß für die Auslegung bedeutungsvoll, daß der
Geſetzgeber für jenen Fall die entſprechende An⸗
wendung des Art. 12 ausdrücklich vorgeſchrieben,
dagegen für unſeren Fall, obwohl Anlaß zur
Regelung der Sache beſtand, eine ſolche Anwendung
nicht geboten hat; anderſeits findet bei den Staats⸗
privatflüſſen der Eigentumserwerb des Staates
am neuen Bett ſein Korrelat in dem Rechte und
in der moraliſchen Pflicht des Staates, das ver⸗
laſſene Bett zum Beſten der Geſchädigten zu ver⸗
wenden. Eine ſolche wenn auch nur moraliſche
Pflicht werden nicht alle Eigentümer von Privat⸗
flüſſen anerkennen. Ich komme daher zu dem
Schluſſe, daß nach der Natur der Sache und
gerade wegen des Mangels einer entgegengeſetzten
poſitiven Beſtimmung dem bisherigen Eigentümer
des neuen Betts auch das Eigentum am Fluſſe
auf die betreffende Strecke zufällt; handelt es ſich
um Ueberflutung mehrerer Grundſtücke, deren
Grenzen parallel der nunmehrigen Flußaxe ver-
liefen, ſo kann ſich Adjazenteneigentum bilden.
Man wird für diefe Auffaſſung auch den Billigkeits⸗
grund anführen dürfen, auf den Reichsrat v. Auer
ſich berief, daß der Eigentümer des bisher frucht⸗
bringenden, nun überfluteten Grundſtücks ohnedies
genug geſchädigt iſt, wenn er ſtatt jenes den minder
wertvollen Waſſerlauf erhält. Im Ausſchuſſe der
RR.⸗Kammer wurde auch die Frage erörtert, ob
die auf den Teilen des neuen Flußbetts bisher
beſtehenden Belaſtungen infolge analoger An—
wendung des Art. 12 Abſ. I Satz II untergehen
und ob die auf dem bisherigen Flußbett beſtehenden
Belaſtungen auf das neue Flußbett übergehen,
oder ob umgekehrt die am neuen Flußbett bisher
beſtehenden Belaſtungen beſtehen bleiben. Für die
erſtere Auffaſſung ſprachen ſich, von ihrem Stand—
punkt aus mit Recht, RR. v. Thelemann, für die
letztere RR. v. Lindenfels aus, während der Kgl.
Kommiſſär v. Henle eine Mittelmeinung vertrat
und ſich zwar für das Beſtehenbleiben der Be—
laſtungen des alten Bettes, aber auch für Wegfall
der bisherigen Belaſtungen des neuen Bettes äußerte;
eine andere Frage ſei, ob die bisherigen Be—
12 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
laſtungen, z. B. das Recht, aus dem nun ver⸗ Tat eigene Beteiligung des Notars an Amts⸗
landeten alten Flußbett Streu zu holen, auch geſchäften, wenn auch ohne Gewinnabficht iſt.
tatſächlich noch ausgeübt werden könnten. Eine Abgeändert werden müßten ferner Art. 288
Einigung wurde auch über dieſen Punkt nicht (letzter Redaktion) des bayeriſchen Gebührengeſetzes
erzielt. Folgt man der im Texte vertretenen Auf: und Art. 97 der Notariatsgebührenordnung. Beide
faſſung, fo ift die Löſung einfach; die Belaftungen Beſtimmungen billigen Gebühren an Staat und
des alten Betts bleiben beſtehen, weil das Geſetz Notar nur für die „Aufbewahrung“ bzw. für die
das Gegenteil nirgends beſtimmt und weil auch „Uebernahme, Verwahrung und Ablieferung“ der
aus der Natur der Sache, abgeſehen von der Gelder zu.
durch v. Henle angedeuteten tatſächlichen Mög⸗ Die Argumentation des Herrn Verfaſſers aus
lichkeit einer künftig beſchränkten Ausnützung der Art. 98 NotGebO. it nicht ſtichhaltig, denn
Streurechte u. dgl. nichts anderes folgt; die Be: | einmal muß der dort erwähnten Hinterlegung
laſtungen des neuen Betts hingegen bleiben gleich: | bei der Bank die Hinterlegung beim Notar als
falls vorbehaltlich der tatſächlichen Ausnützbarkeit der gebührenpflichtige Akt vorausgehen; anderſeits
beſtehen, weil ja das Eigentum des neuen Bettes iſt ja gerade im Art. 98 die Hinterlegung bei
durch die Ueberflutung nach der oben vertretenen der Bank als keiner beſondern Gebühr unterliegend
Auffafſung fih nicht ändert, Art. 12 Abſ. I Satz IL ; bezeichnet. Es muß deshalb entgegen der Beweis⸗
daher ebenſowenig wie Satz 1 daſelbſt anwend⸗ führung des Herrn Verfaſſers betont werden, daß
— ——— — —
bar iſt. (Fortſetzung folgt.) die gegenwärtigen Gebührenbeſtim mungen eine Be-
wertung des Giroverkehrs der Notariate nicht
zulaſſen.
Endlich aber müßte — und das wäre das
leberweifungs“ und Schetkverkehr zwiſchen | jcen geandert werben. um den Giroverfeße in
Hypothekenbanken und Votaren. der vom Herrn Verfaſſer gewünſchten Weiſe ver⸗
| wirklichen zu können. Als Vorausſetzung der
Von Dr. Walter, Notar in Hof. Errichtung von Girokonten für die Notariate be⸗
Der Auſſatz des Herrn Bankdirektors Bonſchab trachtet der Herr Verfaſſer die Tatſache, daß das
über den Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen Konto des Notariats von dem Konto des Notars
Hypothekenbanken und Notaren in Nr. 19 des getrennt geführt wird. Dies halte ich nach dem
3. Jahrgangs der Zeitſchrift für Rechtspflege in gegenwartigen Stande der Geſetzgebung für nicht
Bayern gibt mir zu folgender Erwiderung Anlaß. A — Das Notariat if feine vom
Der Herr Verfaſſer betrachtet feine Anregungen rer unterichiebene Sechtöperföntichteit. Inhaber
A aller Anſprüche und Verpflichteter aus allen Ber-
offenbar ſelbſt nur als Vorſchläge behufs Ab- bindlichkeiten des Kontos it demnach nur der
änderung der derzeit beſtehenden Depoſitengeſetz⸗ 1%;
gebung für Notare dies beweiſt fein Schluß-Appell | 98 8 85 Se
an die Staatsregierung. Denn es bedarf wohl ſetzung des Notariats gehen derzeit keine Ver⸗
keines weiteren Beweiſes, daß ohne eine gründliche , x
Aenderung der beitehenden Beſtimmungen der * 1 5
Girokontoverkehr für die Notariate nicht eingeführt | u: ger e
nur die „in der amtlichen Verwahrung befind-
werden kann. | lichen“ Gelder zu übernehmen. Die Anſprüche
Abgeändert werden müßte vor allem Art. 4 aus Girokonten gehen nicht mit über. — Abge⸗
des Notariatsgeſetzes, der nur eine körperliche ſehen vom Wechſel in der Beſetzung der Notariate
Uebergabe des Geldes an den Notar und Ueber: würden aber aus der Tatſache, daß der Notar
nahme des Geldes durch dieſen kennt. perſönlicher Inhaber des Kontos iſt, noch weitere
Abgeändert werden müßten die beſtehenden Schwierigkeiten erwachſen. Es könnte ihn näm⸗
Depoſitenvorſchriften vom 5. Juni 1897, die — lich ohne einſchneidende geſetzliche Regelung niemand
fußend auf dem Grundſatz, daß der Notar nur hindern, feine privaten und die amtlichen Ver:
zur Verwahrung des Geldes ſelbſt befugt ift — | mögensangelegenheiten auf einem und demſelben
das Syſtem eingeführt haben, daß jede Maffe ge: Konto zu erledigen. Mit den beſtehenden Diszipli⸗
trennt von allen übrigen Beſtänden als ein Sonder- narbeſtimmungen kann nicht argumentiert werden;
vermögen verwahrt, verwaltet und verrechnet werden denn disziplinär wäre ja die Errichtung eines Giro—
muß. kontos für das Notariat, auch wenn es nur für
Abgeändert werden müßten die Diſziplinar- Angelegenheiten des Notariats geſchähe, auf alle
beſtimmungen des Notariatsgeſetzes, insbeſ. Art. 68 Fälle, da immer nur der Notar perſönlich Inhaber
Abſ. 2, welcher jede eigene Beteiligung des Notars des Kontos wäre und demnach — wie bereits
an amtlichen Geſchäften verbietet; wir werden oben erwähnt — eine disziplinäre eigene Be—
unten ſehen, daß die Ueberweiſung von Geldern teiligung vorläge.
auf Girokonto des Notars oder Notariats in der In der Führung des Kontos „für das No—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
tariat“ liegt darum die ſchwerſte und meines Er⸗
achtens ohne erhebliche Neuerungen in der Ver⸗
faſſung des Notariats gar nicht zu löſende Frage.
Ob es ſich nun für die von dem Herrn Ver⸗
faſſer angerufene Staatsregierung empfehlen wird,
mit Rückſicht auf die beſtehende hohe Geldſpannung
und auf das Riſiko der Geldverſendung die be⸗
ſtehenden Rechtsnormen in ſo erheblicher Weiſe
zu ändern, erſcheint mir ſehr zweifelhaft; denn
meines Erachtens wird gerade durch die derzeitige
ſtrenge Sonderung der Hinterlegungsangelegen⸗
heiten von einander die glatte Erledigung der
einzelnen Sache viel mehr gewährleiſtet als durch
die Vereinigung aller Beſtände infolge des Giro:
kontos; ferner iſt es überhaupt zweifelhaft, ob die
Einführung von Girokonten bei den Notariaten
die Geldſpannung weſentlich verringern würde;
denn die mittleren Geſchäftsleute und kleinen
Kapitaliſten, die der Notar etwa mittels Scheck
bezahlen würde, würden doch ihren Scheck ſofort
in Baargeld umſetzen müſſen.
Nur nebenbei ſei bemerkt, daß gerade die
genannten Perſonenkategorien es kaum als Fort⸗
ſchritt begrüßen würden, wenn fie, ftatt ihr
bares Geld beim Notariat zu bekommen, erſt
mit einem Scheck zur Bank geſchickt würden, wo
die Auszahlung durch Echtheitsprüfung noch mög⸗
licherweiſe verzögert wird.
Auch ſei darauf hingewieſen, daß der Giro:
verkehr ſich für Landnotariate durchaus nicht wird
durchführen laſſen, da die Landbevölkerung ſich
a. an die Zahlung mittels Scheck gewöhnen
wird.
Endlich ſei bemerkt, daß die Haftung des
Staates durch die Einführung der Girokonten
durchaus nicht verringert wird; denn einerſeits
kann der Notar bis zur Ausſchöpfung des Kontos
von ihm Abhebungen machen, die dann ebenſo in
die Kaſſe des Notars gelangen wie dies bisher
geſchah; anderſeits iſt die Kontrolle über die
Zahlungsvermittelung der Notare von ſeiten der
revidierenden Staatsbeamten bei Girokonten viel
ſchwieriger als bei den bisherigen Depoſiten.
Mitteilungen aus der Praxis.
Pfändung eigener Sachen. Die in Nr. 1907 dieſer
Zeitſchrift aufgeworfene Frage der Pfändung eigener
Sachen“ bietet Anlaß zu folgender Betrachtung:
I. Verkauf einer Ware unter Eigentumsvorbehalt,
Lieferung von Waren als Kommiſſionsgut und Siche—
rungsübereignung ſind die drei weſentlichen Formen,
die fich der Verkehr zur Herbeiführung eines und des-
ſelben Erfolges, nämlich der Beſtellung einer ding—
lichen Sicherheit an einer nicht im Gewahrſam des
Gläubigers befindlichen beweglichen Sache geſchaffen
1) gl. auch Jahrgang 1906 ©. 477.
13
ſelben Rechtsbedürfniſſe, das dadurch hervorgerufen
wird, daß das BGB. auf dem Standpunkte des Fauſt⸗
pfands ſteht und die Möglichkeit ausſchließt, ſich Gegen⸗
ſtände verpfänden zu laſſen und ſie gleichwohl im
Gewahrſam des Schuldners zu belaſſen.
Die Sicherheit, die auf einem dieſer Wege ge⸗
ſchaffen wird, hat aber dennoch durchaus Pfand⸗
charakter. Der Kaufmann, welcher ſeine Ware „in
Kommiſſion“ verkauft, der Händler, welcher fein Pferd
dem Käufer unter Eigentumsvorbehalt übergibt, der
Inhaber des Abzahlungsgeſchäfts, der ſich bis zur
völligen Tilgung des Kaufpreiſes den Herausgabe⸗
anſpruch ſichert, ſie wollen alle nicht das Vertrags⸗
objekt wieder zurückerwerben: ihr Geſchäft verlangt
Umſatz ihrer Ware, nicht deren Rückerwerb, ſie rechnen
von Anfang an nicht damit, daß fie den Eigentunis⸗
vorbehalt eines Tages durch Geltendmachung des
Herausgabeanſpruchs in Wirkſamkeit ſetzen; ſie wollen
das ebenſowenig wie der Lederhändler, der einen
heutzutage ſo häufig abgeſchloſſenen fiduziariſchen
Vertrag eingeht und fih die geſamte Haus- und Ge-
ſchäftseinrichtung ſeines Kunden zur Sicherung über⸗
eignen läßt, die Stühle, Betten, Tiſche, Leiſten,
Hammer und Nägel uſw. ſeines Kunden in ſein Eigen⸗
tum und ſeinen Beſitz bringen will.
Der Wille geht vielmehr in allen derartigen Fällen
in erſter Linie dahin, ſich ein dingliches Vorzugsrecht
an den Gegenſtänden zu verſchaffen und andere
Gläubiger von ihrer Pfändung und der Befriedigung
aus ihnen auszuſchließen. Das negative Moment,
die Ausſchließung Dritter, überwiegt; denn ſchon der
Umſtand, daß die Gegenſtände im Gewahrſam des
Schuldners bleiben, daß er damit im Rahmen ſeines
Gewerbebetriebs arbeiten und wirtſchaften, ja ſogar,
beim Kommiſſionsgnut, darüber verfügen fol, beweiſt,
daß nicht die Ausübung poſitiver Rechte, ſondern die
Abwehr des Zugriffs Dritter den eigentlichen Vertrags:
zweck bildet. Der Eigentumsvorbehalt, von welchem
der Aufſatz der Herrn Kollegen Then ausgeht, hat
mithin ebenſo Pfandcharakter und den Zweck, den
Kaufpreis dinglich Sicher zu ſtellen, wie das Pfand-
recht an fremden Sachen und die Sicherungsüber⸗
eignung; der Verkäufer will ſich für den Kaufpreis
am Kaufsobjekt ein Vorrecht wahren.
Es tritt aber in allen dieſen Fällen eine Miſchung
zweier Rechtsgebilde zutage, nach außen hin die
Form des Eigentums, nach innen dem Willen der
Vertragskontrahenten entſprechend die Wirkung der
Verpfändung. So ſetzt ſich das rechtsgeſtaltende
Bedürfnis des praktiſchen Lebens auseinander mit den
Schwierigkeiten der formalen Jurisprudenz, die ein
Pfandrecht an der eigenen Sache ſo wenig zuläßt wie
ihr eine Verpfändung fremder Sache ohne Beſitz—
einräumung entſpricht.
II. Es fragt ſich nun, in welcher Weiſe aus dieſen
dinglichen Sicherheiten die Befriedigung der Gläubiger
herbeigeführt wird; die Intereſſen der Gläubiger
gehen nicht dahin, dies wurde bereits betont, die mit
Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenſtände zurück—
zuerwerben: abgeſehen davon, daß ja die Gegenſtände
durch die Benützung ſeitens des Schuldners in ihrem
Wert zumeiſt weſentlich gemindert ſind, ſtrebt der
Handel eben ganz allgemein nach Abſatz und Umſatz.
Die Einziehung des Kaufpreiſes im Wege der Voll—
ſtreckung liegt ihm näher als die Geltendmachung des
Eigentumsvorbehalts durch Wegnahme.
12
laſtungen, z. B. das Recht, aus dem nun ver:
landeten alten Flußbett Streu zu holen, auch
tatſächlich noch ausgeübt werden könnten. Eine
Einigung wurde auch über dieſen Punkt nicht
erzielt. Folgt man der im Texte vertretenen Auf⸗
faſſung, ſo iſt die Löſung einfach; die Belaſtungen
des alten Betts bleiben beſtehen, weil das Geſetz
das Gegenteil nirgends beſtimmt und weil auch
aus der Natur der Sache, abgeſehen von der
durch v. Henle angedeuteten tatſächlichen Mög⸗
lichkeit einer künftig beſchränkten Ausnützung der
Streurechte u. dgl. nichts anderes folgt; die Be⸗
laſtungen des neuen Betts hingegen bleiben gleich⸗
falls vorbehaltlich der tatſächlichen Ausnützbarkeit
beftehen, weil ja das Eigentum des neuen Bettes
durch die Ueberflutung nach der oben vertretenen
Auffaſſung fih nicht ändert, Art. 12 Abſ. I Satz II
daher ebenſowenig wie Satz I daſelbſt anwend⸗
bar iſt. (Fortſetzung folgt.)
leberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen
Hypothekenbanken und Notaren.
Von Dr. Walter, Notar in Hof.
Der Aufſatz des Herrn Bankdirektors Bonſchab
über den Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehr zwiſchen
Hypothekenbanken und Notaren in Nr. 19 des
3. Jahrgangs der Zeitſchrift für Rechtspflege in
Bayern gibt mir zu folgender Erwiderung Anlaß.
Der Herr Verfaſſer betrachtet ſeine Anregungen
offenbar ſelbſt nur als Vorſchläge behufs Ab⸗
änderung der derzeit beſtehenden Depoſitengeſetz⸗
gebung für Notare; dies beweiſt ſein Schluß-Appell
an die Staatsregierung. Denn es bedarf wohl
keines weiteren Beweiſes, daß ohne eine gründliche
Aenderung der beſtehenden Beſtimmungen der
Girokontoverkehr für die Notariate nicht eingeführt
werden kann.
Abgeändert werden müßte vor allem Art. 4
des Notariatsgeſetzes, der nur eine körperliche
Uebergabe des Geldes an den Notar und Ueber—
nahme des Geldes durch dieſen kennt.
Abgeändert werden müßten die beſtehenden
Depoſitenvorſchriften vom 5. Juni 1897, die —
fußend auf dem Grundſatz, daß der Notar nur
zur Verwahrung des Geldes ſelbſt befugt iſt —
das Syſtem eingeführt haben, daß jede Maſſe ge⸗
trennt von allen übrigen Beſtänden als ein Sonder—
vermögen verwahrt, verwaltet und verrechnet werden
muß.
Abgeändert werden müßten die Dilziplinar:
beſtimmungen des Notariatsgeſetzes, insbeſ. Art. 68
Abſ. 2, welcher jede eigene Beteiligung des Notars
an amtlichen Geſchäften verbietet; wir werden
unten ſehen, daß die Ueberweiſung von Geldern
auf Girokonto des Notars oder Notariats in der
U
—— ——— —
— An m m nn
< — . ii a aom m =
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
Tat eigene Beteiligung des Notars an Amts⸗
geſchäften, wenn auch ohne Gewinnabſicht ift.
Abgeändert werden müßten ferner Art. 288
(letzter Redaktion) des bayeriſchen Gebührengeſetzes
und Art. 97 der Notariatsgebührenordnung. Beide
Beſtimmungen billigen Gebühren an Staat und
Notar nur für die „Aufbewahrung“ bzw. für die
„Uebernahme, Verwahrung und Ablieferung“ der
Gelder zu.
Die Argumentation des Herrn Verfaſſers aus
Art. 98 NotGebO. ift nicht ſtichhaltig, denn
einmal muß der dort erwähnten Hinterlegung
bei der Bank die Hinterlegung beim Notar als
der gebührenpflichtige Akt vorausgehen; anderſeits
iſt ja gerade im Art. 98 die Hinterlegung bei
der Bank als keiner beſondern Gebühr unterliegend
bezeichnet. Es muß deshalb entgegen der Beweis⸗
führung des Herrn Verfaſſers betont werden, daß
die gegenwärtigen Gebührenbeſtimmungen eine Be⸗
wertung des Giroverkehrs der Notariate nicht
zulaſſen.
Endlich aber müßte — und das wäre das
Schwerwiegendſte — die Organiſation der Notariate
ſelbſt geändert werden, um den Giroverkehr in
der vom Herrn Verfaſſer gewünſchten Weiſe ver⸗
wirklichen zu können. Als Vorausſetzung der
Errichtung von Girokonten für die Notariate be⸗
trachtet der Herr Verfaſſer die Tatſache, daß das
Konto des Notariat? von dem Konto des Notars
getrennt geführt wird. Dies halte ich nach dem
gegenwärtigen Stande der Geſetzgebung für nicht
durchführbar. — Das Notariat iſt keine vom
Notar unterſchiedene Rechtsperſönlichkeit. Inhaber
aller Anſprüche und Verpflichteter aus allen Ver⸗
bindlichkeiten des Kontos iſt demnach nur der
Notar und zwar derjenige Notar, für den das
Konto errichtet wurde. Beim Wechſel der Be⸗
ſetzung des Notariats gehen derzeit keine Ver⸗
mögensrechte des Vorgängers auf den Nachfolger
über. Der Nachfolger hat nach $ 11 der Geſch O.
nur die „in der amtlichen Verwahrung befind⸗
lichen“ Gelder zu übernehmen. Die Anſprüche
aus Girokonten gehen nicht mit über. — Abge⸗
ſehen vom Wechſel in der Beſetzung der Notariate
würden aber aus der Tatſache, daß der Notar
perſönlicher Inhaber des Kontos iſt, noch weitere
Schwierigkeiten erwachſen. Es könnte ihn näm⸗
lich ohne einſchneidende geſetzliche Regelung niemand
hindern, ſeine privaten und die amtlichen Ver⸗
mögensangelegenheiten auf einem und demſelben
Konto zu erledigen. Mit den beſtehenden Diszipli⸗
narbeſtimmungen kann nicht argumentiert werden;
denn disziplinär wäre ja die Errichtung eines Giro-
kontos für das Notariat, auch wenn es nur für
Angelegenheiten des Notariats geſchähe, auf alle
Fälle, da immer nur der Notar perſönlich Inhaber
des Kontos wäre und demnach — wie bereits
oben erwähnt — eine disziplinäre eigene Be-
teiligung vorläge.
In der Führung des Kontos „für das No:
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
tariat“ liegt darum die ſchwerſte und meines Er⸗
achtens ohne erhebliche Neuerungen in der Ver⸗
faſſung des Notariats gar nicht zu löſende Frage.
Ob es ſich nun für die von dem Herrn Ver⸗
faſſer angerufene Staatsregierung empfehlen wird,
mit Rückſicht auf die beſtehende hohe Geldſpannung
und auf das Riſiko der Geldverſendung die be⸗
ſtehenden Rechtsnormen in ſo erheblicher Weiſe
zu ändern, erſcheint mir ſehr zweifelhaft; denn
meines Erachtens wird gerade durch die derzeitige
ſtrenge Sonderung der Hinterlegungsangelegen⸗
heiten von einander die glatte Erledigung der
einzelnen Sache viel mehr gewährleiſtet als durch
die Vereinigung aller Beſtände infolge des Giro⸗
kontos; ferner iſt es überhaupt zweifelhaft, ob die
Einführung von Girokonten bei den Notariaten
die Geldſpannung weſentlich verringern würde;
denn die mittleren Geſchäftsleute und kleinen
Rapitaliften, die der Notar etwa mittels Scheck
bezahlen würde, würden doch ihren Scheck ſofort
in Baargeld umſetzen müſſen.
Nur nebenbei ſei bemerkt, daß gerade die
genannten Perſonenkategorien es kaum als Fort⸗
ſchritt begrüßen würden, wenn ſie, ſtatt ihr
bares Geld beim Notariat zu bekommen, erſt
mit einem Scheck zur Bank geſchickt würden, wo
die Auszahlung durch Echtheitsprüfung noch mög⸗
licherweiſe verzögert wird.
Auch ſei darauf hingewieſen, daß der Giro⸗
verkehr ſich für Landnotariate durchaus nicht wird
durchführen laſſen, da die Landbevölkerung ſich
92 5 an die Zahlung mittels Scheck gewöhnen
wird.
Endlich ſei bemerkt, daß die Haftung des
Staates durch die Einführung der Girokonten
durchaus nicht verringert wird; denn einerſeits
kann der Notar bis zur Ausſchöpfung des Kontos
von ihm Abhebungen machen, die dann ebenſo in
die Kaſſe des Notars gelangen wie dies bisher
geſchah; anderſeits iſt die Kontrolle über die
Zahlungsvermittelung der Notare von ſeiten der
revidierenden Staatsbeamten bei Girokonten viel
ſchwieriger als bei den bisherigen Depoſiten.
Mitteilungen aus der Praxis.
Pfändung eigener Sachen. Die in Nr. 1907 dieſer
Zeitſchrift aufgeworfene Frage der Pfändung eigener
Sachen“ bietet Anlaß zu folgender Betrachtung:
I. Verkauf einer Ware unter Eigentumsvorbehalt,
Lieferung von Waren als Kommiſſionsgut und Siche⸗
rungsübereignung ſind die drei weſentlichen Formen,
die ſich der Verkehr zur Herbeiführung eines und des⸗
ſelben Erfolges, nämlich der Beſtellung einer dings
lichen Sicherheit an einer nicht im Gewahrſam des
Gläubigers befindlichen beweglichen Sache geſchaffen
bat. Alle derartigen Rechtsgeſchäfte entſpringen dem⸗
1) Vgl. auch Jahrgang 1906 S. 477.
13
ſelben Rechtsbedürfniſſe, das dadurch hervorgerufen
wird, daß das BGB. auf dem Standpunkte des Fauſt⸗
pfands ſteht und die Möglichkeit ausſchließt, ſich Gegen⸗
ſtände verpfänden zu laſſen und ſie gleichwohl im
Gewahrſam des Schuldners zu belaſſen.
Die Sicherheit, die auf einem dieſer Wege gez
ſchaffen wird, hat aber dennoch durchaus Pfand⸗
charakter. Der Kaufmann, welcher ſeine Ware „in
Kommiſſion“ verkauft, der Händler, welcher ſein Pferd
dem Käufer unter Eigentumsvorbehalt übergibt, der
Inhaber des Abzahlungsgeſchäfts, der ſich bis zur
völligen Tilgung des Kaufpreiſes den Herausgabe⸗
anſpruch ſichert, ſie wollen alle nicht das Vertrags⸗
objekt wieder zurückerwerben: ihr Geſchäft verlangt
Umſatz ihrer Ware, nicht deren Rückerwerb, ſie rechnen
von Anfang an nicht damit, daß fie den Eigentunis⸗
vorbehalt eines Tages durch Geltendmachung des
Herausgabeanſpruchs in Wirkſamkeit ſetzen; ſie wollen
das ebenſowenig wie der Lederhändler, der einen
heutzutage ſo häufig abgeſchloſſenen fiduziariſchen
Vertrag eingeht und ſich die geſamte Haus⸗ und Ge⸗
ſchäftseinrichtung ſeines Kunden zur Sicherung über⸗
eignen läßt, die Stühle, Betten, Tiſche, Leiſten,
Hammer und Nägel uſw. ſeines Kunden in ſein Eigen⸗
tum und ſeinen Beſitz bringen will.
Der Wille geht vielmehr in allen derartigen Fällen
in erſter Linie dahin, ſich ein dingliches Vorzugsrecht
an den Gegenſtänden zu verſchaffen und andere
Gläubiger von ihrer Pfändung und der Befriedigung
aus ihnen auszuſchließen. Das negative Moment,
die Ausſchließung Dritter, überwiegt; denn ſchon der
Umſtand, daß die Gegenſtände im Gewahrſam des
Schuldners bleiben, daß er damit im Rahmen ſeines
Gewerbebetriebs arbeiten und wirtſchaften, ja ſogar,
beim Kommiſſionsgut, darüber verfügen ſoll, beweiſt,
daß nicht die Ausübung poſitiver Rechte, ſondern die
Abwehr des Zugriffs Dritter den eigentlichen Vertrags⸗
zweck bildet. Der Eigentumsvorbehalt, von welchem
der Aufſatz der Herrn Kollegen Then ausgeht, hat
mithin ebenſo Pfandcharakter und den Zweck, den
Kaufpreis dinglich ſicher zu ſtellen, wie das Pfand⸗
recht an fremden Sachen und die Sicherungsüber⸗
eignung; der Verkäufer will ſich für den Kaufpreis
am Kaufsobjekt ein Vorrecht wahren.
Es tritt aber in allen dieſen Fällen eine Miſchung
zweier Rechtsgebilde zutage, nach außen hin die
Form des Eigentums, nach innen dem Willen der
Vertragskontrahenten entſprechend die Wirkung der
Verpfändung. So ſetzt ſich das rechtsgeſtaltende
Bedürfnis des praktiſchen Lebens auseinander mit den
Schwierigkeiten der formalen Jurisprudenz, die ein
Pfandrecht an der eigenen Sache ſo wenig zuläßt wie
ihr eine Verpfändung fremder Sache ohne Beſitz⸗
einräumung entſpricht.
II. Es fragt ſich nun, in welcher Weiſe aus dieſen
dinglichen Sicherheiten die Befriedigung der Gläubiger
herbeigeführt wird; die Intereſſen der Gläubiger
gehen nicht dahin, dies wurde bereits betont, die mit
Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenſtände zurück—
zuerwerben; abgeſehen davon, daß ja die Gegenſtände
durch die Benützung ſeitens des Schuldners in ihrem
Wert zumeiſt weſentlich gemindert ſind, ſtrebt der
Handel eben ganz allgemein nach Abſatz und Umſatz.
Die Einziehung des Kaufpreiſes im Wege der Voll—
ſtreckung liegt ihm näher als die Geltendmachung des
Eigentumsvorbehalts durch Wegnahme.
14 Zeitſchrift für eitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. N in Bayern. 1908.
Daher kommt es, daß in den meiſten derartigen
Fällen nicht eine Klage auf Herausgabe der Sicher⸗
heitsobjekte geſtellt, ſondern die Bezahlung des Kauf⸗
preiſes begehrt wird. Dies führt dann zur Pfändung
auf Grund des Vollſtreckungstitels und vielfach zur
Pfändung gerade derjenigen Objekte, an welchen dem
Gläubiger dingliche Sicherheit bereits vertragsmäßig
eingeräumt iſt.
Mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Then,
wonach eine derartige Pfändung von dem Gerichts-
vollzieher nach $ 808 ZPO. nicht nur wirkſam vor-
genommen werden kann, ſondern ſogar vorgenommen
werden muß, bin ich durchaus einverſtanden. Weil
der Gerichtsvollzieher den Gegenſtänden nicht anſehen
kann, in weſſen Eigentum ſie ſtehen, weil er ſeine
pfändende Tätigkeit auf alles Vermögen ausdehnen
muß, das ſich im Gewahrſam des Schuldners findet,
weil er nicht zu prüfen vermag, ob und inwieweit
vertragsmäßig beſtellte dingliche Rechte wirkſam ſind
und deren Geltendmachung von dem Gläubiger be⸗
abſichtigt iſt, muß er die Pfändung ohne Rückſicht
auf Privatrecht und dingliche Rechtsverhältniſſe voll⸗
ziehen, die nach Angabe des Schuldners bejteben.
So kann ein Pfändungspfandrecht an der eigenen
Sache des Gläubigers zur Entſtehung gelangen, es
wird ſich ein Pfändungspfandrecht an das für den⸗
ſelben Gläubiger längſt beſtehende fiduziariſche Siche⸗
rungsrecht anſchließen; ja es ſcheint mir ſogar wirt⸗
ſchaftlich das Endziel der vorhergetroffenen Siche—
rungen, daß die der Sicherung unterworfenen Gegen—
ſtände fo lange den Zugriffen anderer Gläubiger ent-
zogen werden, bis der bevorzugte Gläubiger entweder
befriedigt iſt oder durch die Vermittlung der Zwangs—
vollſtreckung eben an denſelben Objekten nunmehr ſein
endgültiges und geſetzmäßiges Pfandrecht erwirbt.
III. Selbſtverſtändlich iſt, daß das vertragsmäßig
beſtellte Vorzugsrecht an der Sache durch die Ver—
wertung des Gegenſtandes in der Zwangsverſteigerung
untergeht.
Dagegen kann ich mich nicht damit einverſtanden
erklären, wenn dinglich der Vorgang ſeitens des Herrn
Kollegen Then ſo konſtruiert wird, daß der Gläubiger
nicht endgültig und nicht unbedingt, ſondern nur vor:
übergehend auf fein Eigentum, vielmehr auf die Aus—
un ſämtlicher daraus fließender Rechte Verzicht
eiſtet
Dieſe Annahme ſcheint mir ſchon um deswillen
unrichtig zu ſein, weil ſie zu einem Zuſtande führen
würde, in welchem das Eigentum bedingt übertragen
oder gar zwiſchen Gläubiger und Schuldner geteilt
wäre, Vorgänge, die mit dem Weſen des Eigentums
unvereinbar ſind. Das Eigentum an den Objekten
der Vollſtreckung kann in jedem Stadium des Ver—
fahrens ungeteilt nur dem Gläubiger oder dem Schuld—
ner zuſtehen; ſteht es beim Gläubiger, dann kann er
nicht zu ſeiner eigenen Befriedigung ſeine eigene Sache
verſteigern laſſen; leiſtet er darauf Verzicht, gelangt
die Sache ſohin in das Eigentum des Schuldners,
ſo kann der Gläubiger das dingliche Recht nicht mehr
ipso iure zurückerwerben, wenn das Pfandobjekt aus
irgend welchen Gründen nicht verſteigert wird.
Das dingliche Recht müßte von neuem auf ihn
übergehen, dazu fehlen aber nach ſeiner Aufgabe der
Uebertragungsakt wie der Uebertragungswille.
Es beſteht aber meines Erachtens auch abgeſehen
von der juriſtiſchen Unmöglichkeit wirtſchaftlich keine
Notwendigkeit zu ſolcher Konſtruktion.
f
Nr. 1.
Das Hauptbedenken gegen eine andere Annahme
ſoll darin liegen, daß nach Umſtänden der Gläubiger
ſein Eigentum durch Verzicht verlieren und Rechte
aus der Pfändung nicht erwerben würde, weil die
Gegenſtände unpfändbar ſind. Dies Bedenken ſcheint
mir nicht durchſchlagend zu ſein, denn offenbar ſteht
ja dem Gläubiger, der von dem Gerichtsvollzieher
pflichtgemäß davon verſtändigt worden iſt, daß er nur
Objekte habe pfänden können, an denen der Gläubiger
bereits ein dingliches Recht erworben hat, das Wahl⸗
recht offen, entweder ſein vertragsmäßiges dingliches
Recht geltend zu machen und demgemäß den Gerichts⸗
vollzieher von der weiteren Durchführung der Zwangs⸗
vollſtreckung abzuhalten oder die Sache ausdrücklich
oder ſtillſchweigend im Zwangswege verwerten zu
laſſen und durch dieſe Geſtattung der Vollſtreckung
a jein Eigentum oder ſonſtiges Recht Verzicht zu
leiſten.
Er hat es mithin in der Hand, vor Ausübung
dieſes Wahlrechts zu prüfen, welcher der beiden Wege
ihm größere Vorteile bietet; läuft er Gefahr, durch
Verzicht auf das Eigentum alle Rechte an dem Gegen-
ſtande zu verlieren, weil er der Pfändung nicht unter-
worfen iſt oder beſteht Ausſicht, daß beim Zwangsverkauf
weniger erlöſt wird, als der Gläubiger beim Verkauf
aus freier Hand erzielen würde, dann muß er eben
rechtzeitig an Stelle des Pfändungspfandrechts ſeinen
Herausgabeanſpruch in den Vordergrund ſtellen;
zweifellos kann er auf Grund ſeines älteren dinglichen
Rechts Aufhebung der Pfändung verlangen.
Gehört der Gegenſtand nicht zu den unpfänd—
baren Sachen oder iſt der Vermögensſtand des
Schuldners derart, daß noch weitere pfändbare Habe
vorhanden ift, dann ſteht der Verwertung nichts ent-
gegen und die Aufgabe des Eigentums ſchließt keinerlei
Riſiko für den Gläubiger in ſich. Der Gläubiger hat
es mithin an der Hand zu wählen, aber er muß den
Entſchluß endgültig faſſen. Der von Herrn Kollegen
Then vorgeſchlagene Weg eines bedingten Verzichts
führt zu einer Zweifrontenpolitik; der Gläubiger ſoll
Rechte dazu erwerben, ohne welche aufgeben zu müſſen:
er würde dadurch den Schuldner wirtſchaftlich ſchädigen.
Durch eine endgültige Stellungnahme des Släus
bigers dagegen werden keinerlei Rechte des Schuldners
verletzt. Er kann den Gläubiger nicht abhalten, er—
worbene Rechte aufzugeben, er kann keinerlei Einſpruch
dagegen erheben, wenn der Gläubiger zugunſten eines
weniger weittragenden Pfändungspfandrechts auf den
Eigentumsanſpruch Verzicht leiſtet; er kann keinen
Zwang dahin ausüben, daß der Gläubiger etwa ſeinen
Eigentumsanſpruch geltend machen muß, ſo wenig
wenn der Gläubiger ſelbſt pfändet als wenn ein
Dritter mit Pfändung vorgeht.
Auf dieſem Weg werden der wirtſchaftliche Zweck
und die juriſtiſche Konſtruktion reſtlos in Einklang
gebracht werden können; deshalb beſtehen auch für
den Gerichtsvollzieher, der manchesmal Bedenken
äußert, wenn er im Eigentum des Gläubigers ſtehende
Sachen gepfändet hat, keinerlei Schwierigkeiten. Es
kann unbedingt ein ſtillſchweigender Verzicht auf die
Geltendmachung des Eigentums unterſtellt werden,
wenn der Gläubiger auf die Mitteilung ſchweigt, daß
ſeine aa Sache beim Schuldner gepfändet worden ſei.
Nunmehr hat das Reichsgericht in der Ent-
a vom 4. Oktober 1907 13807 II JW. 1907
S. 743 Nr. 10 zu der vorwürfigen Frage Stellung
genommen und ſie dahin entſchieden, daß von den Um—
—
1 r- rr
—
ftänden des Falles abhängig ſei, ob ein Verzicht auf
den Eigentumsvorbehalt vorliege und daß gegebenen
Falles der Käufer durch dieſen Verzicht von Rechts
wegen Eigentümer der Sache werde. Welcher Art
dieſe Umſtände ſein ſollen, iſt nicht ausgeführt.
Jedenfalls geht aber dieſe reichsgerichtliche Ent⸗
ſcheidung weiter, als die Anſchauung des OLG. Bam⸗
berg, nach welcher die Pfändung eigener Sachen
ſchlechthin als unzuläſſig erklärt ift (vgl. Beſchluß
vom 16. Oktober 1902 Seuff A. Bd. 58 Nr. 66 S. 124 ff.).
Rechtsanwalt Dr. Roſenthal in Würzburg.
Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuchs. Art. 105
Abſ. 1 des PStGB. lautet: „In den Fällen des § 367
Ziff. 13—15 und § 368 Ziff. 3 und 4 des Strafgeſetz—
buchs für das Deutſche Reich und der Art. 101 (und
102) des gegenwärtigen Geſetzes hat der Richter im
Strafurteile auszuſprechen, daß die Polizeibehörde be—
rechtigt iſt, die Beſeitigung des ordnungswidrigen
Zuſtandes anzuordnen und zu dieſem Zwecke die
Sicherſtellung, Abänderung, den gänzlichen oder teil-
weiſen Abbruch des betreffenden Bauwerks oder der
betreffenden Vorrichtung zu verfügen“.
Dieſe Beſtimmung ift in der Praxis dahin aug-
gelegt worden, daß in den Fällen des § 367 Ziff. 15
StGB. und Art. 101 PStGB. die Erlaſſung eines
Strafbefehls überhaupt unzuläſſig ſei und daß in
ſolchen Fällen unter allen Umſtänden ein Urteil er—
gehen müſſe Daß dieſe Auffaſſung unrichtig iſt, ſoll
im folgenden kurz auseinandergeſetzt werden.
Zunächſt iſt gewiß, daß die Baupolizeibehörde
oft genug an der Zuerkennung der Beſeitigungsbefug—
nis nicht das mindeſte Intereſſe hat. So z. B., wenn
ein Bau ohne Genehmigung begonnen wurde, dieſe
aber hinterher erfolgt iſt, oder wenn zwar überhaupt
keine Genehmigung erholt worden iſt, der Bau aber
vollſtändig vorſchriftsmäßig ausgeführt wurde, oder
wenn vom genehmigten Plan abgewichen wurde, die
Abweichungen aber nicht zu beanſtanden ſind, oder
wenn zwar bauordnungswidrig gebaut, aber Diſpens
erteilt worden iſt.
In allen dieſen Fällen hat es keinen Sinn, einen
Ausſpruch nach Art. 105 zu erwirken, weil von ihm
ja kein Gebrauch gemacht werden kann.
Es iſt deshalb auch unnötig und unzweckmäßig,
eine Hauptverhandlung und ein Urteil herbeizuführen,
einerſeits aus Gründen der Geſchäftsvereinfachung,
anderſeits im Intereſſe des Beſchuldigten, dem ſowohl
Koſten als auch der immerhin unangenehme Gang zu
Gericht erſpart werden können.
Auch der Wortlaut des Art. 105 nötigt feines-
wegs zu der bekämpften Auffaſſung. Art. 105 ſetzt
ein Strafurteil voraus und ſchreibt vor, daß in ihm
die Beſeitigungsbefugnis zugeſprochen werden müſſe,
anderſeits geht aus ihm hervor, daß im Straf—
befehls verfahren ein ſolcher Ausſpruch nicht erfolgen
könne; dagegen iſt keineswegs die Unzuläſſigkeit des
letzteren Verfahrens überhaupt ausgeſprochen.
Hiermit ſtimmt, ſoviel mir bekannt, die Brarig
überein: insbeſondere führt das Urteil des Oberlandes—
gerichts München vom 22. Auguſt 1884 (Min. A. Bl.
d. J. S. 250) ganz das Gleiche aus; endlich iſt auch
aus den Kommentaren zum Polizeiſtrafgeſetzbuch nir—
gends das Gegenteil zu entnehmen, vielmehr ſcheinen
ſie ebenfalls der hier vertretenen Auffaſſung beizu—
pflichten. (Vgl. Riedel⸗Sutner 7. Aufl. S. 380 Anm. 3,
|
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. für Rechtspflege ir in Bayern. 1908. Nr. 1. 15
Reger⸗Dames, 3. Aufl. S. 284 und weiter Englert,
Bauordnung 2. Aufl. S. 148 Anm. 2).
Der Amtsanwalt hat alſo die Wahl, ob er einen
Strafbefehl oder eine Hauptverhandlung beantragen
will; er wird genau zu prüfen und nötigenfalls die
Baupolizeibehörde zu befragen haben; im Zweifel
empfiehlt es ſich ſelbſtverſtändlich, eine Hauptverhand⸗
lung anberaumen zu laſſen, dies um fo mehr, als na ch:
träglich die Beſeitigungsbefugnis nicht mehr erwirkt
werden kann.!)
Unrichtig aber iſt die Anſchauung, daß Art. 105
a. a. O. die Ausſchließung des Strafbefehlsverfahrens
bezwecke, wenn immer eine der dort bezeichneten Ueber-
tretungen vorliege.
Bei der in Ausſicht ſtehenden Reviſion des Polizei-
ſtrafgeſetzbuchs wird vielleicht Art. 105 noch etwas
präziſer gefaßt werden können.
Bezirksamtsaſſeſſor Dr. Steinbach in Pfaffenhofen.
Rechtlicher Zuſammenflußß zwiſchen Untrene und
Unterſchlagung im Amte. Zu den vielen Streitfragen
über die einzelnen Tatbeſtände der Untreue gehört
auch diejenige, ob Beamte als Bevollmächtigte im
Sinne der Ziffer 2 des 8 266 StGB. in Betracht
kommen können. Nach der in der Rechtswiſſenſchaft
vorherrſchenden Meinung hat das Geſetz nur die
rechtsgeſchäftlich beſtellten Bevollmächtigten, nicht
aber auch die geſetzlich beſtellten Bevollmächtigten
im Auge, ſo daß die Beamten (mit Ausnahme des
Gerichtsvollziehers) völlig ausſcheiden (vgl. Binding,
Lehrb. d. D. Strafr. beſ. Teil Bd. I S. 399, Ols⸗
hauſen Note 6 zu § 266 und Frank Note III 2 zu
§ 266, ſowie die in dieſen beiden Kommentaren anz
geführten Schriftſteller). Demgegenüber hat das Reihs-
gericht, dem ſich Oppenhoff (Note 14 a zu § 266) an=
ſchließt, in zwei Entſcheidungen (Rechtſprechung Bd. 4
S. 683 und Entſcheidungen Bd. XV S. 41) die Ver⸗
urteilung von Beamten wegen Untreue gebilligt. Von
dieſen Entſcheidungen iſt allerdings nach der hier in
Rede ſtehenden Richtung nur die zweite eingehend be—
gründet, während die erſte die Bejahung der ſtrittigen
Frage als ſelbſtverſtändlich vorauszuſetzen ſcheint.
Für die Praxis wird dieſer Standpunkt des Reichs⸗
gerichts eine nennenswerte Erweiterung des Gebietes
der Untreue nicht bedeuten, wenigſtens nicht in dem
Sinne, daß Handlungen, die ſonſt ſtraflos wären, aus
§ 266 Ziff. 2 StGB. geahndet werden können; denn
Fälle, wie ſie den beiden Reichsgerichtsentſcheidungen
zugrunde liegen —: ein Güterexpedient hatte durch
falſche Angaben über das Gewicht des Frachtguts im
Frachtbriefe bewirkt, daß die Eiſenbahnverwaltung das
Frachtgut zu einem niedrigeren als dem gebührenden
Preiſe beförderte: ein ſtädtiſcher Bürgermeiſter hatte
die Bezahlung von Schulden aus der Stadtkaſſe her—
beigeführt, deren Tilgung vereinbarungsgemäß ihm
ſelbſt oblag — werden nicht ſonderlich häufig vor—
kommen.
Dagegen hat die Anſchauung des Reichsgerichts
eine andere praktiſche Seite zugunſten der „Beamten“,
die vielleicht bisher nicht immer Beachtung gefunden
hat. Und dieſe hat mich veranlaßt, mich näher mit
der erwähnten Streitfrage zu befaſſen.
Es läßt ſich nicht verkennen, daß die geſetzliche
0 Vgl. auch die Min.⸗Entſchl. vom 25. März 1863
Webers Samml. Bd. VI S. 178.
16 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
Mindeſtſtrafe von drei Monaten für das Vergeben
nach 8 350 StGB. in manchen Fällen zu bart ift,
namentlich dann, wenn es von Beamten begangen wird,
die dieſe Bezeichnung eben nur im Sinne des 8 359
StGB. verdienen, im übrigen aber nach Vorbildung
und ſozialer Stellung dem allgemeinen Beamtenbegriffe
ſehr wenig entſprechen, wenn es die Aneignung ganz
geringfügiger Werte oder Beträge zum Gegenſtand
hat, oder wenn es nicht mit der Abſicht einer Schä⸗
digung des Vermögens des Amtgebers begangen wird
und auch deſſen Gefährdung nicht im Gefolge hat.
Hier kann ja wohl eine teilweiſe Begnadigung den
nötigen Ausgleich ſchaffen.
In manchen dieſer Fälle aber bietet die angegebene
Anſchauung des Reichsgerichts bereits dem Gerichte
die Möglichkeit, eine der Schuld angemeſſene, dem
billigen Empfinden entſprechende Strafe zu verhängen,
nämlich immer dann, wenn der „Beamte“ die Unter⸗
ſchlagung in Beziehung auf Gelder oder Sachen be-
geht, die er bei Erledigung an ſich rein wirtſchaftlicher
Geſchäfte des Staates oder der Korporation, der er
dient, als Bevollmächtigter im erörterten Sinne
empfangen hat.
Man denke z. B. an den Fall, daß ein ſog. Halte⸗
ſteller bei einer Lokalbahn, dem die Fahrkartenausgabe
und die Güterexpedition ꝛc. auf ſeiner Halteſtelle ob⸗
liegt, von den hierbei eingenommenen Geldern einen
kleinen Betrag entnimmt, um einem zufällig zu ihm
an den Schalter gekommenen Fahrgaſt eine Privat-
ſchuld zu bezahlen, dabei aber in der ſpäter auch
verwirklichten Abſicht handelt, das Geld wieder zurück⸗
zuerſtatten, ſobald ſeine bloß augenblickliche Geldver⸗
legenheit behoben iſt. Hier iſt bei Zugrundelegung
der Anſchauung des Reichsgerichts rechtlicher Zuſammen⸗
hang zwiſchen erſchwerter Untreue und einfacher Unter-
ſchlagung im Amte gegeben. Die Möglichkeit eines
rechtlichen Zuſammenhangs der Untreue mit anderen
Vergehen wird ja, von der gemeinen Meinung wenig—
ſtens, anerkannt (vgl. Olshauſen a. a. O. Note 16 a «
und die dortigen Zitate und beiſpielsweiſe RGE. Bd. 3
S. 285, OLG. München Bd. 4 S. 449 und Ob. LG.
Bd. 5 S. 127).
Von dieſen beiden verletzten Strafgeſetzen enthält
nun die Untreue im Sinne des 8 73 StGB. die
ſchwerſte Strafandrohung, weil nach 8 266 Abſ. 2
neben der Gefängnisſtrafe noch auf Geldſtrafe erkannt
werden kann, fo daß die Strafe aus dieſem Straf-
geſetze zu bemeſſen ift (vgl. RGE. Bd. 32 S. 259 a. E.)
und auf eine Gefängnisſtrafe von einem Tage berunter⸗
gegangen werden kann.
Zwar hat das Reichsgericht (E. Bd. 8 S. 800 ſich
dahin geäußert, es werde regelmäßig eine aus dem
Rechtsgefühl und der Natur der Sache entſpringende
Aufgabe des Inſtanzrichters ſein, durch entſprechende
Zumeſſung der Strafe aus dem ſchwereren Geſetze zu
bewirken, daß nicht durch Konkurrenz eines ſchwereren
Geſetzes mit einem leichteren, das Ergebnis entſteht,
daß der Schuldige nicht einmal die Strafe des leichteren
Vergehens erleidet, die er doch erleiden müßte, wenn
er nur dieſes leichtere Vergehen begangen hätte.
Allein hiermit hat das Reichsgericht zugleich die Zu—
läſſigkeit von Ausnahmen anerkannt und es liegt weder
im Willen des Geſetzgebers noch im Intereſſe des
Staates, daß eine unbillig harte Strafe ausgeſprochen
wird, wenn das Geſetz ſelbſt eine niedrigere Strafe
zuläßt. II. Staatsanwalt Schülein in Bayreuth.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Freiwillige Gerichtsbarkeit.
Raun zwiſchen mehreren e Geſchwiſtern
ein nicht an Hangos in der Erfüllung einer Nechts⸗
verbindlichkei . Nast vom gemein:
ſchaftlichen Vormund allein geſchloſſen werden, wenn
ein Gegeuſatz der Intereſſen nicht vorliegt? Das
Obs. hat im egenfag zum OLG. Colmar
(Rſpr. d. OLG. Bd. 6 S. 39) diefe Frage verneint
und gemäß 8 28 Abſ. 2 FGG. eine weitere Be-
ſchwerde, in der über die Frage zu enſcheiden war,
dem RG. vorgelegt (f. 3. Jahrg. S. 436). Das RG.
hat die Frage gleichfalls verneint.
Gründe: Das Anweſen ſtand im Geſamteigen⸗
tum der Erben und es ſollte durch den notariellen
Vertrag in Bruchteilseigentum der einzelnen Mit-
erben umgewandelt werden. Den Gegenſtand des
Vertrages bildet daher eine teilweiſe Erbauseinander⸗
ſetzung, und es bedurfte für die Umwandlung des
Geſamteigentums in Bruchteilseigentum der Auf-
laſſung. Bei dem Vertrage wie bei der Auflaſſung
gab der Pfleger als Vertreter eines jeden einzelnen
Mündels die erforderlichen Erklärungen ab und
nahm ſie zugleich als Vertreter der übrigen Mündel
entgegen. Er ſchloß jene Rechtsgeſchäfte mithin im
Namen jedes einzelnen Mündels mit ſich als gleich⸗
zeitigem Vertreter auch der übrigen Mündel. Das
war nach der ausdrücklichen Vorſchrift des § 181 des
BGB. unſtatthaft, ſofern nicht entweder dem Pfleger
ein Anderes geſtattet war, oder das Rechtsgeſchäft
ausſchließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit
beſtand. Daß die Vorſchrift des 8 181 auch für den
Vormund und den Pfleger gilt, kann nicht zweifelhaft
fein; beide find „Vertreter des“ Mündels, da ihnen
kraft Geſetzes „Vertretungsmacht⸗ zuſteht. Ueberdies
ift in 8 1915 des BGB. beſtimmt, daß auf die Pfleg⸗
ſchaft die für die Vormundſchaft geltenden Bor:
ſchriften entſprechende Anwendung finden, und es iſt
dann in § 1795, nachdem zunächſt für einzelne Fälle
die Vertretungsbefugnis des Vormundes eingeſchränkt
worden, ausdrücklich hervorgehoben, daß im übrigen
„die Vorſchrift des § 181 des BGB. unberührt bleibe.“
Es kann ſich daher nur fragen, ob einer jener beiden
in 8 181 des BGB. vorgeſehenen Ausnahmefälle hier
vorliegt. Auch dies iſt zu verneinen.
Dem Pfleger war zunächſt nicht „geſtattet,“ den
Vertrag für die mehreren Mündel zu ſchließen. Un⸗
erheblich iſt der Umſtand, daß der der Auflaſſung zu—
grunde liegende Vertrag vormundſchaftsgerichtlich ge-
nehmigt ift. Von der vormundſchaftsgerichtlichen Ge-
nehmigung hing die Wirkſamkeit des Vertrages ab
($ 182 BGB.), die Genehmigung mußte zu der Erklärung
des Pflegers hinzutreten, es bedurfte der genehmigten
und der genehmigenden Erklärung, wenn der Ver-
trag für die Mündel überhaupt wirkſam werden ſollte.
Die Genehmigung erfüllte das Erfordernis des § 1822
Nr. 2 des BGB., allein ſo wenig ſie eine Anfechtung
der Erklärung des Pflegers wegen eines Willens⸗
mangels hindern konnte, ebenſowenig konnte ſie einen
nach Lage der allgemeinen geſetzlichen Vorſchriften im
Einzelfalle vorhandenen Mangel in der Vertretungs-
macht beſeitigen. Sondervorſchriften, die dem Vor—
mundſchaftsgerichte die Ermächtigung geben, für die
rechtsgeſchäftliche Vertretung der mehreren Mündel
eine Ausnahme von der Vorſchrift des § 181 des
BGB. zu geſtatten oder durch die eigene Genehmigung
dem Mangel abzuhelfen, enthält das BGB. nicht.
In dieſer Beziehung iſt insbeſondere auch nicht die
Vorſchrift des § 1775 von Bedeutung, wonach der
Regel nach für mehrere Geſchwiſter nur ein Vors
mund beſtellt werden ſoll; ſie ſchließt nicht aus, daß
verſchiedene Vormünder oder Pfleger für die
einzelnen Mündel beſtellt werden müſſen, ſofern
dies durch die Umſtände des Falles geboten iſt. Dies
aber war hier mit Rückſicht auf die Vorſchrift in
§ 181 a. a. O. der Fall. Bloße Zweckmäßigkeits⸗
gründe können nach Lage der Geſetzgebung eine ab⸗
weichende Auffaſſung nicht rechtfertigen. Auch Dern⸗
burg, der in feinem Bürgerl. R. Bd. 1 S. 557 Anm.
5 die Anſicht des OLG. Colmar als zweckmäßig be⸗
zeichnet, betont, daß die Schranken des § 181 auch
für die geſetzlichen Vertreter gelten, und er erklärt
insbeſondere in Bd. 4 S. 372 Anm. 8 bezüglich der
Erbauseinanderſetzung unter den Geſchwiſtern, daß
jeder Teil einen beſonderen Vertreter haben müſſe.
Die gleiche Auffaſſung wird durchweg auch ſonſt in
der Literatur vertreten, und ſie enſpricht auch der
ftändigen Rechtſprechung des Kammergerichts. Eine abs
weichende Auffaſſung liegt auch nicht den Entſch. des
RG. Bd. 58 S. 299 und Bd. 51 S. 139 zu Grunde.
Hier handelt es ſich für beſtimmte Fälle um rechts⸗
geſchäftliche Befugniſſe des Teſtaments voll⸗
ſtreckers, die aus dem mit der Anordnung der
Teſtamentsvollſtreckung vom Erblaſſer verfolgten Zwecke
und damit auch dem Willen des Erblaſſers ſelbſt her⸗
geleitet wurden. Hier können ſolche Erwägungen
nicht Platz greifen. Hiernach liegt der erſte Aus⸗
nahmefall des 8 181 nicht vor.
Es fehlt weiter auch an den Vorausſetzungen
für den zweiten Ausnahmefall. Die Teilung des An⸗
weſens bildet kein „Rechtsgeſchäft, das ausſchließlich
in der Erfüllung einer Verbindlichkeit beſtand.“ Die
gegenteilige Auffaſſung, die in der DIB. 1902 S. 267
vertreten ift, findet im Geſetz keine Stütze. Das An-
weſen ſtand im Geſamteigentum der Miterben, ein
Anſpruch auf Umwandlung in Bruchteilseigentum
ſtand keinem Erben zu. Der einzelne Miterbe konnte
nur zwecks Auseinanderſetzung die Aufhebung der
Gemeinſchaft durch Zwangsverſteigerung beanſpruchen,
nicht aber Zuteilung von Bruchteilseigentum (SS 2042,
753 BGB.). Sollte letzteres durch Vertrag und Auf⸗
luͤſſung geſchaffen werden, fo handelte es ſich weder
überhaupt noch ausſchließlich um die Erfüllung einer
Verbindlichkeit, es wurde nicht eine geſchuldete Leiſtung
an den Gläubiger bewirkt und dadurch ein Schuldver—
hältnis zum Erlöſchen gebracht. (Beſchluß des V.
35. v. 9. November 1907; Reg. V. B. 154/1907).
1106 W.
Nachſchrift des Herausgebers. In dem
Beſchluſſe vom 7. September 1907 (3. Jahrg. S. 436)
hat das Obs G. den Satz aufgeſtellt, „zur wirkſamen
Vornahme der die Erbteilung bezweckenden Rechtsge—
ſchäfte werde es genügen, zwei Pfleger in der
Weiſe zu beſtellen, daß der eine jeweils die ver⸗
aͤußernden und der andere jeweils den erwerbenden
Pflegebefohlenen zu vertreten hat“. Dieſer nicht
recht verſtändlichen Auffaſſung hat ſich das RG.
nicht angeſchloſſen; ſie würde u. E. dazu führen, daß
man doppelt ſo viele Pfleger als Mündel zu
beſtellen hätte. |
B. Zivilſachen.
I.
Boransſetzungen und Umfang der Vertretungsmacht
der Fran nach 3 1357 BGB. Inwieweit beſteht fie
während einer Treunung der Gatten! Maßſtab für die
Beurteilung des Umfangs der Schlüſſelgewalt. Ueber⸗
ſchreitung und Mißbrauch der Vertretungsmacht. Iſt
der Dritte geſchützt, der die Ueberſchreitung der Ver:
tretung macht nicht kannte? Berteilung der Beweislaſt!).
) Anm. des Herausgebers. Wir machen die Lefer auf
i vorzüglich begründete Entſcheidung beſonders aufs
merkſam.
— — a
17
Der Beklagte war früher mit Anna geb. A. verhei⸗
ratet. Die Ehe iſt jetzt geſchieden. Im Jahre 1901,
als die Ehe noch beſtand, hat die Frau in Monte
Carlo aus dem dortigen Zweiggeſchäfte einer Pariſer
Firma Kleidungsſtücke bezogen. Wegen der Bezahlung
der Preiſe zu 17029 Mk. nimmt die Firma den Be⸗
klagten in Anſpruch. Sie behauptet, die erſten Be⸗
ſtellungen habe der Beklagte ſelbſt in Gemeinſchaft
mit ſeiner Ehefrau gemacht. Er ſei auch bei den
Anproben zugegen geweſen und habe die an ihn ſelbſt
adreſſierten Lieferungen angenommen. Die ſpäteren
Beſtellungen habe er genehmigt. Jedenfalls habe
aber die Ehefrau, als ſie die Kleider für ſich an⸗
fertigen ließ, in geſetzlicher Vertretung des Mannes
gehandelt. Der Beklagte hat zwar die behaupteten
Lieferungen nicht beſtritten. Er ſtellt jedoch alle
weiteren Behauptungen der Klägerin in Abrede. Das
Landgericht hat durch Vorabentſcheidung über den
Grund des Anſpruchs dieſen für gerechtfertigt erklärt.
Die gleiche Entſcheidung hat auf die Berufung des
Beklagten das OLG. in Höhe von 7500 Frank erlaſſen;
es hat inſoweit die Sache zurückverwieſen. Wegen des
darüber hinausgehenden Betrages iſt in zweiter Inſtanz
auf einen Eid für den Beklagten erkannt worden.
Wenn Beklagter mit dieſem Eide verneint, in der
Zeit von Ende April bis Anfang November 1901
gewußt zu haben, daß ſeine frühere Ehefrau für mehr
als 7500 Frank Kleidungsſtücke bei der klagenden
irma auf Kredit entnommen hat, ſo ſoll der hierüber
inausgehende Klageanſpruch für unbegründet erklärt,
andernfalls dagegen auch inſoweit auf Feſtſtellung
des Anſpruchs ſeinem Grunde nach ſowie auf Zurück⸗
verweiſung in die erſte Inſtanz erkannt werden. Die
Klägerin hat Reviſion eingelegt. Sie beantragt, das
Berufungsurteil aufzuheben und im vollen Umfange
auf Zurückweiſung der Berufung zu erkennen. Der
Beklagte hat ſich der Reviſion angeſchloſſen. Er be⸗
antragt, das Berufungsurteil inſoweit aufzuheben,
als es den Klageanſpruch ſeinem Grunde nach in
Höhe von 7500 Frank für gerechtfertigt erklärt und
die Klage inſoweit abzuweiſen oder die Sache zu
anderweitiger Verhandlung und Entſcheidung in die
Inſtanz zurückzuverweiſen. Beide Rechtsmittel blieben
erfolglos.
Gründe: Nur in Höhe von 7500 Frank, d. h.
unter Feſtſtellung eines Höchſtbetrages, über den bei
der ſpäteren Bezifferung des Anſpruches nicht hinaus⸗
gegangen werden darf, hat der Berufungsrichter den
Klageanſpruch bedingungslos für gerechtfertigt
erklärt. Seine Entſcheidung beruht inſoweit auf
einer Anwendung des § 1357 Abſ. 1. Er hat dabei
unter eingehender Prüfung der obwaltenden Verhält—
niſſe in Betracht gezogen, wie zu der Zeit, als die
Beſtellungen bei der Klägerin gemacht wurden, das
Hausweſen des Beklagten und ſeiner damaligen Ehe—
frau dem äußeren Zuſchnitte nach beſchaffen war.
Ihm entſprechend hat er den häuslichen Wirkungs—
kreis der Frau, innerhalb deffen fie zur rechtsgeſchäft—
lichen Vertretung des Mannes kraft Geſetzes ermächtigt
war, ſoweit bemeſſen, daß ſie in der entſcheidenden
Zeit und am gegebenen Orte, in Monte Carlo, durch
Entnahme von Kleidern auf Kredit den Beklagten bis
zum Betrage von 7500 Frank, nicht aber darüber
hinaus habe verpflichten dürfen. Ueber dieſe Ein—
ſchränkung der geſetzlichen Ermächtigung wird mit der
Reviſion der Klägerin Beſchwerde geführt, während
die Anſchlußreviſion des Beklagten ſich dagegen wendet,
daß die bezeichnete Geſetzesvorſchrift überhaupt zur
Anwendung gekommen ſei. Beides iſt unbegründet.
1. Die Entſcheidung des Berufungsrichters über
den Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht, die
der Ehefrau des Beklagten kraft Geſetzes zuſtand, be—
ruht durchweg auf den Rechtsgrundſätzen, die das
Reichsgericht in der Entſcheidung vom 31. Mai 1905
18 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
(Bd. 61 S. 78 ff.) aufgeſtellt und näher begründet
hat. Freilich weicht der Tatbeſtand des damaligen
Rechtsfalles von dem jetzigen Rechtsfalle in einer Be⸗
ziehung ab. Damals handelte es ſich um Beſtellungen
für den Bekleidungsbedarf der Frau, die von dieſer
in Berlin zu einer Zeit gemacht waren, als der Be⸗
klagte mit ihr neben ſeiner Haushaltung auf dem
Schloſſe Schl. in Pommern in Berlin einen zweiten
Haushalt führte. Es entſtand daher nicht wie hier
die Frage, ob die Vertretungsbefugnis zeitlich fort⸗
beſteht, wenn die Frau vom Manne getrennt lebt.
Dies wird für ſolche Fälle, in denen ſie die häusliche
Gemeinſchaft willkürlich und nicht nur vorübergehend
aufgegeben hat, von der überwiegenden Mehrheit der
Schriftſteller mit Recht verneint. Denn der Wirkungs-
kreis der Frau, auf deſſen Bereich ſich ihre Ver⸗
tretungsbefugnis nach § 1357 Abſ. 1 erſtreckt, ſetzt
hier wie im § 1356 eine Gemeinſchaftlichkeit des
Hausweſens voraus. Die Verbindung mit dem Haus⸗
weſen des Mannes wird aber nicht nur tatſächlich,
ſondern in dieſer Beziehung auch rechtlich gelöſt, ſo⸗
bald die Frau aus eigner Entſchließung ſich auf die
Dauer vom Manne trennt. Umgekehrt bleibt die
Gemeinſchaftlichkeit des Hausweſens und darum auch
die Vertretungsbefugnis der Frau erhalten, wenn
die Trennung eine nur vorübergehende iſt und ins⸗
beſondere dann, wenn ſie im Einvernehmen mit dem
Manne vor ſich geht. Für den gegebenen Fall traf,
obwohl die Ehefrau des Beklagten ſich mehr als ſechs
Monate in Monte Carlo aufhielt, beides zu. Be⸗
klagter ſelbſt hat darauf hingewieſen, daß ſeine Frau
ſich damals nur der Erholung wegen auf ärztlichen
Rat an der Riviera aufgehalten habe.
2. 5 erſtreckte ſich daher die geſetzliche
Vertretungsmacht auch auf die Dauer dieſer Trennung.
Damit iſt aber noch nicht entſchieden, ob auch ſach⸗
lich der Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis
die Beſchaffung von Kleidungsſtücken umfaßte, für die
ſich ein Bedarf gerade erſt durch das Auftreten der
Frau an einem Orte wie Monte Carlo ergab. Auf
eine Verneinung dieſer Fragen zielt die Begründung
der Anſchlußreviſion mit der Ausführung hin, Be⸗
klagter habe ſeiner Frau zwar eine Reiſe nach der
Riviera geſtattet, ſeine 55 ſei aber deswegen noch
nicht befugt geweſen, ſich in Monte Carlo auf ſein
Konto für 7500 Frank Kleider anfertigen zu laſſen.
Das würde, da es ſich hier nicht um die Frage einer
rechtsgeſchäftlichen Bevollmächtigung ($ 166 Abſ. 2
BGB.) ſondern um die geſetzliche Vertretungsbefugnis
handelt, in dem Falle zutreffend ſein, wenn die Reiſe
und der Aufenthalt der Frau an der Riviera in der
Lebensführung der Eheleute etwas Ungewöhnliches
geweſen wäre. Denn um als Maßſtab für die Be—
ſtimmung des Inhalts und Umfanges der Schlüſſel—
gewalt dienen zu können, müſſen die Einrichtungen
des Hausſtandes und der ehelichen Lebensführung
mit dem Willen des Mannes die Eigenſchaft der
Ständigkeit angenommen haben. Der Berufungs—
richter hat indeſſen dieſem Geſichtspunkte Rechnung
getragen. Er ſtellt feſt, die Ehefrau des Beklagten
ſei Schon feit dem Jahre 1900 ſehr wenig einheimiſch
geweſen und habe ihre Zeit viel mehr an Orten wie
Marienbad, Territet, Monte Carlo, Rom und Palermo
verbracht. Daß ſie dieſes Leben im Einverſtändniſſe
mit dem Beklagten führte, kann um ſo weniger be—
zweifelt werden, als der Beklagte, wie der Berufungs—
richter gleichfalls feſtſtellt, Oſtern 1902 ſeine Frau in
Monte Carlo aufgeſucht und mit ihr in einem der
teuerſten Gaſthöfe gewohnt hat, in dem ſie vorher
bereits allein abgeſtiegen war. Rechtlich iſt es dem—
nach nicht zu beanſtanden, wenn der Berufungsrichter
angenommen hat, es habe der beſonderen Geſtaltung
des gemeinſchaftlichen Hausweſens entſprochen, daß,
ſich die Ehefrau des Beklagten als „Dame der Geſell—
ſchaft' auch für längere Beſuche in Paris und an der
— — ———ͤ !— — —ẽ
Riviera einzelne ſehr teure Kleider beſtellte und wenn
ſie für ſolche Zwecke jährlich 10000 Frank aufwandte.
Sie habe überdies, wie das unter gleichen Berhält-
niſſen üblich ſei, die Gelegenheit in Monte Carlo
wahrnehmen dürfen, um in Vertretung des Mannes
für eine über ihren dortigen Aufenthalt hinausgehende
Zeit und zwar im ganzen für neun Monate ſich mit
Kleidungsſtücken von entſprechender Koſtbarkeit zu
verſorgen. Auf dieſe Weiſe iſt der Berufungsrichter
zu dem Betrage von 7500 Frank gekommen. In
prozeſſualer Beziehung entbehrt dieſe Feſtſtellung
keineswegs, wie die Anſchlußreviſion ihr vorwirft,
der erforderlichen Begründung. Sie hält ſich auch
durchaus in den Grenzen der dem Berufungsrichter
gemäß 8 286 ZPO. zuſtehenden freien Tatſachen⸗
würdigung, ſo daß die beiderſeitige Rüge einer Ver⸗
letzung dieſer Geſetzesvorſchrift hinfällig ift.
3. Allein ſelbſt unter der Vorausſetzung, daß die
Ehefrau des Beklagten mit ihren Beſtellungen über
den Betrag von 7500 Frank nicht hat hinausgehen
dürfen, hält die Reviſion der Klägerin den Beklagten
nach den in dem Urteile des Reichsgerichts vom
31. Mai 1905 entwickelten Grundſätzen (a. a. O. S. 83 ff.)
für verpflichtet, die Klagerechnung im vollen Umfange
zu begleichen. Denn der Beklagte verteidige ſich mit
einem Mißbrauche der geſetzlichen Vertretungsmacht.
er habe daher, um damit durchzudringen, nicht allein
die Tatſache dieſes Mißbrauchs, ſondern zum mindeſten
auch deſſen Erkennbarkeit für den anderen Vertrags⸗
teil nachweiſen müſſen. Und an dieſem Beweiſe habe
er es fehlen laſſen. Dem kann nicht beigetreten werden.
Hat die Ehefrau des Beklagten mit der Klägerin Ber-
träge über Kleiderlieferungen für mehr als 7500 Frank
abgeſchloſſen, ſo handelt es ſich bei dem Mehrbetrage
nicht um einen Mißbrauch ſondern um eine lleb er-
ſchreitung der Vertretungsmacht. Die geſetzliche
Vertretungsmacht hat ihr inſoweit gefehlt. Ein
Mißbrauch ſetzt deren Vorhandenſein voraus. Nach
Annahme des Berufungsrichters hat nun freilich die
Ehefrau des Beklagten ſich auch eines Mißbrauchs
der geſetzlichen Vertretungsbefugnis ſchuldig gemacht.
Denn die bei der Klägerin gemachten Beſtellun gen
traten zu anderen Beſtellungen von gleicher Art
hinzu, die ſie in derſelben Zeit bei anderen Mode⸗
geſchäften gemacht hatte, ſo daß der von ihr getriebene
Kleideraufwand in ſeiner Geſamtheit über das zu—
läſſige Maß hinausging. Sie hat ſich alſo mißbräuch⸗
lich ihrer Vertretungsmacht zu wiederholten
Malen bedient. Da ſich aber dieſe geſetzliche Er⸗
mächtigung der Frau nicht auf beſtimmte ein zelne
Anſchaffungsgeſchäfte ſondern auf beſtimmte Arten
von ſolchen Geſchäften bezieht, ſo ſind an ſich die mit
einem jeden der mehreren Lieferanten abgeſchloſſenen
Geſchäfte je bis zum Betrage von 7500 Frank für
den Beklagten bindend. Nur im inneren Ver⸗
hältnis zwiſchen Mann und Frau darf der Beklagte
ſchlechthin geltend machen, er habe für den Bedarf
der Frau nicht in einem über einmal 7500 Frank
hinausgehenden Betrage aufzukommen. Nach außen—
hin dringt er dagegen hiermit nur durch, wenn er
zugleich dartut, daß der andere Teil die bereits durch
andere Beſtellungen geſchehene Deckung des Bedarfs
gekannt habe, oder daß er doch den Mißbrauch der
Vertretungsmacht, auch wenn er nur die unter den
gegebenen Verhältniſſen allgemein übliche Sorgfalt
anwendete, habe erkennen müſſen.
4. Dieſen Grundſätzen entſpricht die Art und
Weiſe, wie der Berufungsrichter nicht in Widerſpruch,
ſondern in Uebereinſtimmung mit den in dem Urteile
vom 31. Mai 1905 enthaltenen Darlegungen die Be—
weislaſt verteilt hat. Es war Sache der Klägerin,
die ſich darauf beruft, daß die mit der Ehefrau des
Beklagten abgeſchloſſenen Verträge als in deſſen Namen
abgeſchloſſen zu gelten hätten, darzulegen und nad-
zuweiſen, daß die Vorausſetzungen der geſetzlichen Ver—
ni ia - = ET rn ERDE EEE — — En Ar —— —
I N. I E a „ — — I Gm
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 1908. Nr. 1.
tretungsmacht beim Vertragsabſchluſſe vorhanden
waren und wie weit die Ermächtigung kraft Geſetzes
reichte. Gewann dadurch der Berufungsrichter den
Maßſtab für die Abgrenzung des Vertretungsrechts
der Frau, der Beklagte aber wollte die mit der Klägerin
abgeſchloſſenen Geſchäfte, ſelbſt ſoweit ſie im Einzel⸗
falle dieſe Grenze einhielten, aus dem erörterten Grunde
nicht gegen ſich gelten laſſen, ſo war es ſeine Sache,
neben dem Nachweiſe des Mißbrauchs der geſetzlichen
Ermächtigung auch
Klägerin nachzuweiſen. Unbegründet iſt ferner die
Rüge der Anſchlußreviſion, es ſei nicht mit aus⸗
reichender Begründung feſtgeſtellt, daß die Ehefrau
des Beklagten die Beſtellungen in feinem Namen ge-
macht habe. Eines beſonderen Nachweiſes bedurfte
es für dieſe Annahme überhaupt nicht, weil nach
§ 1357 Abſ. 1 Satz 2 BGB. die von der Frau innerhalb
ihres häuslichen Wirkungskreiſes vorgenommenen
Rechtsgeſchäfte ohne weiteres als im Namen des
Mannes vorgenommen zu gelten haben, es ſei denn,
daß ſich aus den Umſtänden ein anderes ergibt. Die
Rüge würde unter weſentlich anderen Geſichtspunkten
in Betracht zu ziehen ſein, wenn ſich die Anſchluß⸗
reviſion auch auf den anderen Teil der W
des Berufungsrichters erſtreckt hätte, bei dem es ſi
um die Frage handelt, ob die Ehefrau des Beklagten
unter Ueberſchreitung des Betrages von 7500 Frank,
alſo ohne Vertretungsmacht, im Namen des Beklagten
gehandelt, Beklagter aber die in feinem Namen ab-
geſchloſſenen Verträge genehmigt hat (vgl. 83 177
Abf. 1, 164 Abſ. 2 BGB.). Dieſen Teil der Entſcheidung
hat jedoch der Beklagte mit der Anſchlußreviſion über⸗
haupt nicht h (Urt. des IV. 35. vom
30. September 1907, IV 50/07).
1110
— — — :.
II.
Erſerderniſſe des Bermerks über die Berleſung des
bei der Teſtamentserrichtung aufgenommenen Protokolls.
(F 2242 Abſ. 1 Satz 2 BGB.). Die Parteien ftreiten
darüber, ob das am 1. Mai 1900 von B. zu no⸗
tariellem Protokoll errichtete Teſtament der Form—
vorſchrift des 8 2242 BGB. entſpricht. Das Protokoll
beginnt mit den Worten:
„Verhandelt D. den 1. Mai 1900.
Betreffend: Teſtament des H. B. dahier“.
Nach der „ daß ſich der Notar mit
den beiden Zeugen in die Wohnung des Erblaſſers
auf deſſen ausdrücklichen Wunſch begeben habe, wird
im Protokolle fortgefahren:
-Erblaſſer erklärte hierauf dem unterzeichneten
2 in Gegenwart der zugezogenen Zeugen, wie folgt:
ein
Teſtament:
I. Zu Erben meines dermaleinſtigen Nachlaſſes
fege ich einn
Der Schluß des Protokolles lautet:
„Vorſtehendes Teſtament iſt wörtlich vorgeleſen,
vom Erblaſſer genehmigt und ſodann von ihm fomie
den zugezogenen Zeugen und dem amtierenden Notar
wie folgt unterſchrieben worden:“
— Unterſchriften —
Der zu den nicht eingeſetzten geſetzlichen Erben
des Erblaſſers gehörende Kläger hat auf Feſtſtellung
der Nichtigkeit des Teſtaments geklagt. Die Klage
und die Berufung des Klägers wurden als unbegründet
zurückgewieſen. Die Reviſion blieb erfolglos.
Gründe: Der Kläger hat die Gultigkeit des
notariellen Teſtaments vom 1. Mai 1900 wegen des
von om behaupteten Verſtoßes gegen § 2212 Abſ. 1
Satz BGB. beſtritten. Er meint, weil in dem
Vorleſungsvermerk nicht das Wort „Protokoll“, ſondern
„Teſtament“ gebraucht ſei, fehle im Protokolle die
erforderliche Feſtſtellung, daß das ganze Protokoll
vorgeleſen worden fei; er vertritt die Auffaſſung, aus
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deffen Erkennbarkeit für die
19
— ——
dem Protokolle ſei nur die Vorleſung des mit Teſta⸗
ment überſchriebenen verfügenden Teiles erſichtlich.
Das Berufungsgericht iſt der Auffaſſung des Klägers
entgegengetreten. Es hat unter Hinweis auf die
natürliche, dem Sprachgebrauche des gewöhnlichen
Lebens entſprechende Bedeutung das im Vorleſungs—
vermerk enthaltene Wort „Teſtament“ dahin ausge:
legt, daß damit nicht bloß der verfügende Teil der
Teſtamentsurkunde, ſondern vernünftigerweiſe der
ganze über die Teſtamentserrichtung aufgenommene
Akt gemeint ſei. Die Angriffe der Reviſion konnten
keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat ſich
nicht darauf beſchränkt, auf die einen ähnlichen Fall
betreffende Entſcheidung des Reichsgerichts Bd. 50 S. 23
zu verweiſen. Es hat die Umſtände des vorliegenden
Falls geprüft und iſt daraufhin zu der von ihm ver:
tretenen ſehr wohl möglichen Auslegung ohne Rechts—
irrtum gelangt. Auf Grund dieſer Auslegung ſieht
das Berufungsgericht als dargetan an, daß der vom
Kläger in Zweifel gezogenen Vorausſetzung für die
Gültigkeit des Teſtaments durch Vorleſung des Proto—
kolls genügt worden iſt. Wenn das Berufungsgericht
noch hervorgehoben hat, daß Teſtamente möglichſt
aufrecht zu erhalten ſeien, ſo iſt die darin enthaltene
Bezugnahme auf die Vorſchrift des § 2084 BGB. zwar
nicht zutreffend, aber unerheblich. Denn nach den
Ausführungen des Berufungsgerichts läßt der Bor:
leſungsvermerk bei verſtändiger Würdigung nicht noch
eine abweichende, ſondern nur die vom Berufungs-
gericht vertretene Auslegung zu; für Zweifel blieb
mithin kein Raum. (Urt. des IV. ZS. vom 3. Oktober
1907, IV 62/07). — — n.
1103
Bedeutung einer vor = Rahla gericht abgegebenen
Aa durch welche die Very tung zur Aus⸗
plei chung von Borempfängen anerkannt wird. Aus
en Gründen: Das Berufungsgericht hat ausge—
führt: Es bedürfe nicht des Nachweiſes, ob die Eltern
oder der Vater des Beklagten bei jeder einzelnen Zus
wendung die Ausgleichung angeordnet hätten oder
unter welchen ſonſtigen Umſtänden die Zuwendungen
gemacht ſeien. Entſcheidend ſei, daß der Beklagte in
dem Termin vor dem Nachlaßgericht am 3. Juli 1902
ſeine jetzt allein noch ſtreitige Ausgleichungspflicht
wegen der 21000 Mk. den Klägern gegenüber ſtill—
ſchweigend anerkannt habe. Dies ergebe ſich, wenn
auch das Protokoll über die gerichtliche Verhandlung
vom 3. Juli 1902 die 21000 Mk. nicht erwähne, aus
dem Verlaufe der Nachlaßverhandlung ſelbſt, aus
den vorher und nachher gepflogenen Verhandlungen
der Parteien und aus dem Verhalten und den Er—
klärungen des Beklagten in dem Rechtsſtreite. Das
Berufungsgericht lehnt es ſonach ab, zu erörtern, ob
eine geſetzliche Ausgleichungspflicht beſtand, es leitet
die Verpflichtung des Beklagten, die 21000 Mk. zur
Ausgleichung zu bringen, aus einem ſtillſchweigenden
Anerkenntnis des Beklagten vom 3. Juli 1902 her.
Nach dem hier maßgebenden Rechte des BGB. erzeugt
das einſeitige Anerkenntnis des Schuldners noch keine
rechtliche Verbindlichkeit, wenn es auch als Beweis—
mittel für das Beſtehen eines Schuldverhältniſſes in
Betracht kommen kann. Zur ſelbſtändigen, von dem
Beſtehen eines früheren Schuldverhältniſſes unab—
hängigen Begründung der Verpflichtung eines Schuld—
ners bedarf es eines rechtswirkſamen Vertrages mit
dem Gläubiger. Daß es am 3. Juli 1902 zum Ab—
ſchluß eines ſolchen die hier in Rede ſtehende Mus-
gleichungsverbindlichkeit des Beklagten ſelbſtändig be—
gründenden Vertrages gekommen iſt, hat das Be—
rufungsgericht, wie die Reviſion mit Recht rügt, nicht
feſtgeſtellt. Es fehlt zunächſt an jedem Anhalt dafür,
daß ein den Erforderniſſen des § 781 BGB. ent:
ſprechender Schuldanerkenntnisvertrag zum Abſchluß
gelangt ijt. Aus den Ausführungen des Berufungs-
gerichts erhellt auch nicht, daß die kurze Erwähnung
des Vertreters der Kläger in dem Termine vom
3. Juli 1902, die 21000 Mk. könnten bei der Erb⸗
auseinanderſetzung als gegenſeitig ausgeglichen aus⸗
ſcheiden, die Bedeutung eines vertragsmäßigen An⸗
gebots hatte und daß daraufhin eine vertragliche
Einigung der Parteien zuſtande gekommen ſei, die
den Beklagten verpflichtete, die hier fraglichen 21000 Mk.
unter allen Umſtänden, auch für den Fall des Nicht⸗
beſtehens einer geſetzlichen Verpflichtung, bei der Erb⸗
auseinanderſetzung mit den Klägern zur Ausgleichung
zu bringen, De die Kläger einen Vorempfang ihrer
Mutter in Höhe von 21000 Mk. zur Ausgleichung
bringen. Das vom Berufungsgericht angeführte Ur⸗
teil vom 27. Oktober 1865 (Seuff A. Bd. 22 Nr. 224)
betrifft einen anders gearteten Sachverhalt. Uebrigens
iſt dort zur Begründung der Annahme einer ſelbſt⸗
verſtändlichen natürlichen Kollationsverbindlichkeit auf
die mutmaßliche Abſicht der Beteiligten bei der Zu⸗
wendung, mithin gerade auf ſolche Umſtände hinge⸗
wieſen worden, hinſichtlich deren das Berufungsgericht
eine Prüfung der Sachlage abgelehnt hat. (Urt. des
IV. 85. vom 14. Oktober 1907, IV 68/07).
1102 — — ½· n.
IV.
Welche Umſtände find bei Prüfung der Verwechſe⸗
lungs fähigkeit zweier Warenzeichen in Betracht zu ziehen?
(§ 20 WZG.). Aus den Gründen: Diejenigen Aus-
führungen des Berufungsgerichts geben zu rechtlichen
Bedenken Anlaß, durch welche die Gefahr einer Verwech⸗
ſelung der von den Parteien auf ihren Säcken benutzten
Zeichen verneint iſt. Bei Prüfung der Verwechſelungs⸗
gefahr iſt das Berufungsgericht von einer genaueren
Betrachtung beider Zeichen ausgegangen und es hat
hierbei die Anordnung der Umſchriften und deren
Inhalt von vornherein bei der Vergleichung ausge-
ſchieden und ſich im weſentlichen auf eine Vergleichung
des hauptſächlichſten Beſtandteils beider Zeichen, näm⸗
lich des fünfzackigen Sterns mit dem Worte „Stern⸗
marke“ in dem klägeriſchen Warenzeichen und des
vierzackigen Sterns mit den vier Punkten in dem
Warenzeichen der Beklagten beſchränkt. Nun kann
zwar nach der feſtſtehenden Rechtſprechung des Senats
ein einzelner Beſtandteil eines Warenzeichens aus
dieſem oder jenem Grunde ſo vorherrſchen und eine
ſo hervorragende Bedeutung haben, daß dadurch der
Geſamteindruck des Warenzeichens beſtimmt wird.
Dies darf jedoch, da nur das Geſamt bild das Ent⸗
ſcheidende iſt, nicht dazu führen, von vornherein bei
der Vergleichung zweier Zeichen die Kennzeichnung in
Haupt⸗ und Nebenbeſtandteile zu zerlegen; vielmehr
können auch diejenigen Teile eines Warenzeichens,
welche an und für ſich und bei genauer Betrach—
tung nebenſächlich ſind, durch die Art ihrer Anordnung,
Umſchrift u. dgl. im Zuſammenhalt mit dem übrigen
Inhalte des Zeichens dazu beitragen, den Geſamt—
eindruck zu beſtimmen und damit die Gefahr einer
Verwechſelung zu begründen oder zu erhöhen. Nicht
ohne alle Bedeutung für den Geſamteindruck iſt übrigens
auch der Einfluß, der durch die beſtimmungsmäßige
und verkehrsübliche Art der Verwendung eines Zeichens
ausgeübt wird. Grundſätzlich hat zwar das Be—
rufungsgericht darin recht, daß das Warenzeichen nur.
in der eingetragenen Erſcheinung Schutz genießt und
daß der Zeicheninhaber für eine deutliche Anbringung
des Zeichens Sorge tragen muß. Der Grundſatz muß
auch mit einer gewiſſen Strenge angewandt werden,
um die Grenze des Zeichenſchutzes nicht zu verwiſchen.
Allein ſeine Anwendung darf nicht ſtarr und ohne jede
Rückſicht auf die Zweckbeſtimmung der Warenzeichen
und die Umſtände des Falles bis zur äußerſten Kon—
ſequenz durchgeführt werden. Das Warenzeichen hat
die Veſtimmung, den Bedürfniſſen des geſchäftlichen
20 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
Verkehrs zu dienen und dieſe ſeine Zweckbeſtimmung
verlangt, daß bei der Prüfung einer Verwechſelungs⸗
gefahr der Eindruck nicht ganz außer Betracht bleiben
darf, wie es ſich bei beſtimmungsmäßiger und verkehrs⸗
üblicher Art ſeines Gebrauches darſtellt. Nun wird
aber bei Waren, welche, wie Mehl u. dgl., in Säcken
verpackt werden, das Warenzeichen nach den Gepflogen⸗
heiten des Verkehrs auf den Säcken ſelbſt angebracht
und es iſt natürlich, daß dadurch je nach Beſchaffenheit
der Ware der Eindruck des Zeichens im Verkehre be-
einflußt wird. Das Berufungsgericht geht nun zu weit.
wenn es dieſem in der Natur der Sache liegenden Ein⸗
fluſſe des Gebrauchs auf den Geſamteindruck eines
Zeichens alle und jede Bedeutung für die Frage der
Verwechſelungsgefahr abſpricht. (Urt. des II. 38.
vom 15. Oktober 1907, II 149/07).
1095 RK; e.
C. Strafſachen.
I:
Abtretung einer künftigen Forderung, die als un⸗
abtretbar zur Entſtehung gelangt. Betrug durch Ber-
ſchweigung dieſes letzteren Umſtands. Bermögensbe⸗
ſchädigung. ($ 263 StGB.; 88 399, 402 B.). Daß
der zwiſchen dem Angeklagten und K. abgeſchloͤſſene
Abtretungsvertrag vom 15. Mai 1905 rechtsgültig
war, obwohl er eine zukünftige Forderung des Ange⸗
klagten betraf, ift richtig (Entſch. des RG. in ZS.
d. 55 S. 334, Bd. 58 S. 72). Richtig iſt auch, daß
der Angeklagte infolge des Vertrags rechtlich ver-
pflichtet war, dem K., deſſen Kredit er auf Grund des
Vertrages in Anſpruch nehmen wollte, davon Mit⸗
teilung zu machen, daß die Stadt G., die Schuldnerin,
den Abſchluß des Fuhrvertrags mit dem Angeklagten
von der Rückgängigmachung jener Abtretung ab-
hängig gemacht hatte, die ihr der Angeklagte ange⸗
zeigt hatte. Dieſe rechtliche Verpflichtung ergibt ſich,
abgeſehen von den Grundſätzen über Treu und Glauben,
aus dem § 402 BGB., wonach der bisherige Gläubiger
dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der
Forderung nötige Auskunft zu erteilen hat. Es iſt
auch gegen die weitere Feſtſtellung des Erſtrichters,
der Angeklagte habe die Benachrichtigung des K. unter⸗
laffen, weil er andernfalls deffen Kredit zu verlieren
fürchtete, alſo in der Abſicht, ſich einen rechtswidrigen
Vermögensvorteil zu verſchaffen, ein rechtliches Be⸗
denken nicht zu erheben. Mit dieſer Feſtſtellung
ſtimmt auch die weitere Begründung des Urteils
überein, wonach der Angeklagte durch die Unter⸗
drückung jener wahren Tatſache den K. in den Irr—
tum verſetzt habe, daß er die Anſprüche des Ange:
klagten aus dem Fuhrvertrage mit der Stadt G. ge-
nieken würde, und dadurch allein den K. zur Kredit-
gewährung veranlaßt habe. Irrtümlich iſt es aber,
daß der Erſtrichter die dem K. zugefügte Vermögens⸗
beſchädigung nicht in der Gewährung des Kredits,
. darin erblickt hat, daß der Angeklagte trotz
er Abtretung der Forderungen, die ihm auf Grund
des Fuhrvertrages mit der Stadt G. erwuchſen, dieſe
in der Höhe von 1519 Mk. 5 Pfg. ſelbſt eingehoben hat.
Dabei wird überſehen, daß dem K. trotz des Ab⸗
tretungsvertrags ein Anſpruch gegen die Stadt G.
auf Zahlung der dem Angeklagten geſchuldeten Be—
träge nicht erwachſen iſt. Denn wenn auch künftige
Forderungen abgetreten werden können, ſo können ſie
doch nur fo, wie fie nachmals entſtehen, uni wenn fie
in tatſächlicher oder rechtlicher Beziehung beſchränkter
begründet werden, als bei der Abtretung vorausge—
ſetzt wurde, lediglich in diefem engen Umfange von
der Abtretung ergriffen werden. Wer ſich eine noch
nicht beſtehende Forderung abtreten läßt, muß darauf
gefaßt fein, daß ihm damit nicht mehr Rechte gegen
den künftigen Schuldner übertragen werden, als dieſer
dem abtretenden Gläubiger nachmals einräumen wird,
und kann ſich wegen des darüber hinaus Abgetretenen
allein an den Abtretenden halten. Dies gilt nicht
bloß von dem Umfange der Abtretung, ſondern auch
von der Abtretung überhaupt, wenn der Schuldner
bei oder — wie hier — vor der Eingehung des
Schuldvertrages mit dem Gläubiger vereinbart, die
Forderung dürfte nicht an einen andern übertragen
werden (8 399 BGB.). Denn dann iſt nur eine
Forderung entſtanden, die von vorneherein unabtret⸗
bar war. Der Vertrag vom 15. Mai 1905 war
ſomit in Bezug auf die darin erklärte Abtretung
gegenſtandslos und konnte irgend welche Rechts⸗
wirkungen zugunſten des K. gegen die Stadt G.
nicht begründen. Dieſe war allein dem Angeklagten
zur Zahlung der infolge des JFuhrvertrages zu
leiſtenden Beträge verpflichtet und er war ihr gegen⸗
über zu deren Einziehung berechtigt. Die Beſchädigung
des Vermögens des K. dürfte ſohin nicht darin ges
funden werden, daß der Angeklagte von dieſem ledig⸗
lich ihm zuſtehenden Rechte der Einziehung Gebrauch
machte, ſondern darin, daß K. ſich im Vertrauen auf
die Wirkſamkeit des Abtretungsvertrages zur Ge⸗
währung von Kredit an den Angeklagten bereit finden
ließ. (Urt. d. V. StS. v. 20. Sept. 1907, 5 D 261/07).
1058
— — — 88 —
II.
Urkundenfälſchung durch Fertigung eines eigen⸗
ändigen Teſtaments mit dem Willen des Teſtators
3267 St., 5 2231 Nr. 2 BEB.). Ohne Rechtsirrtum
iſt dargetan, daß die der Angeklagten zur Laſt gelegte
Niederfchrift des Teſtamentes ihres Vaters unter deſſen
Namen objektiv die fälſchliche Anfertigung einer Urs
kunde darſtellt. Nach 8 2231 Nr. 2 BGB. ift Eigen⸗
händigkeit der Schrift weſentliche Vorausſetzung der
dort vorgeſehenen Teſtamentsform. Ohne dieſe Eigen⸗
händigkeit fehlt dem Teſtament als Urkunde die ge⸗
ſetzliche Form. Jeder andere — außer dem Teſtator
ſelbſt — ermangelt hiernach kraft zwingender Rechts⸗
vorſchrift des Rechtes, für ihn und an ſeiner Statt
das Teſtament niederzuſchreiben und mit des Teſtators
Namen zu unterzeichnen. Hieran vermag auch der Wille
des Teſtators nichts zu ändern: dieſer kann keinen
andern rechtswirkſam ermächtigen und beauftragen,
dieſe Rechtshandlung für ihn vorzunehmen. Die
gleichwohl vorgenommene Rechtshandlung bleibt ob:
jektiv rechtswidrig, d. h. auch Ermächtigung und Nuf-
trag ändern nichts daran, daß der das Teſtament
Fertigende, obwohl die Fertigung dem Willen des
Teſtators entſpricht, dennoch objektiv unbefugt handelt;
insbeſondere ohne rechtliche Befugnis ſich des Namens
des Teſtators zur Unterzeichnung und damit zur ab—
ſchließenden Herſtellung der Teſtamentsurkunde bedient.
Nicht mit der Rechtsunwirkſamkeit des Inhalts der
Urkunde wird die Fälſchung begründet, ſondern mit
der ſich nach dem objektiven Recht als unſtatthaft und
damit als Mißbrauch darſtellenden Verwendung einer
beſtimmten Urkundenform (vgl. Entſch. d. RG. Bd. 5
S. 151). Ob die Angeklagte dabei auch in rechtswidriger
Abſicht handelte, ift weſentlich Tatfrage .. (Urt. d.
V. StS. vom 11. Oktober 1907, 5 D 481/07).
1084
— — ee — —
III.
Beweisantrag des Nebenklägers. Unzuläſſige
Borwegnabhme des Beweisergebniſſes. Erfolg mußte
die von der Reviſion des Nebenklägers erhobene Rüge
haben, der Erſtrichter habe den von ihm geſtellten
Beweisantrag ungenügend und rechtsirrtümlich ges
würdigt, „den vernehmenden Richter darüber zu hören,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
u air Er EEE — ͤ•vdſ ?ê1«é«ẽmwñ ᷑ ?:74d.. ·½o⅛²]3iß — — . — —. — — ..... ...- — 9
Nr. 1.
21
—
daß ein Mißverſtehen bei dem Geſtändniſſe des An⸗
geklagten weder auf der einen noch auf der andern
Seite vorgelegen habe“. Der Erſtrichter führt in dieſer
Hinſicht in dem Urteil aus, es müſſe damit gerechnet
werden, daß zum mindeſten auf ſeiten des Angeklagten
ein Mißverſtändnis vorliege; daß dies der Fall ge⸗
weſen, könne auch durch die von dem Nebenkläger
beantragte Vernehmung des Richters nicht widerlegt
werden; denn Miso könnte nur bekunden, daß auf
ſeiner Seite ein Mißverſtändnis nicht obgewaltet habe,
dagegen nichts darüber wiſſen, ob der Angeklagte ſelbſt
ſich nicht etwa ſo ausgedrückt habe, wie er es nicht
beabſichtigt hatte. Der Erſtrichter lehnt deshalb den
Beweisantrag ab. Dieſe Ablehnung enthält eine un⸗
zuläſſige Vorwegnahme des Beweisergebniſſes. Der
Antrag bezweckte nachzuweiſen, aus den Umſtänden,
unter denen der Angeklagte die ihn belaſtenden An⸗
gaben zu Protokoll des ihn vernehmenden Richters
gemacht habe, gehe hervor, daß entweder der Richter
ſie nicht verſtanden oder der Angeklagte ſich anders
als beabſichtigt ausgedrückt habe. Ob das letztere der
Fall war oder nicht, konnte der Erſtrichter erſt dann
eurteilen, wenn er den Zeugen gehört hatte. Das
Urteil unterlag daher der Aufhebung. (Urt. d. V. StS.
vom 24. September 1907, 5D 445 07). — —e— —
1083
IV.
$ 363 oder $ 267 Sts.? Der Angeklagte Hatte
ſich bei der Polizeiverwaltung in C. um Anſtellung
als Polizeiſergeant beworben und in dem ſchriftlichen
Geſuch angeführt, er ſei Unteroffizier der Reſerve.
Auf die Aufforderung, den Nachweis dafür zu ers
bringen, legte er ſeinen Militärpaß vor, in dem er
— ſchon vor der Bewerbung — fälſchlich die Beförde—
rung zum Unteroffizier eingetragen hatte. Die Straf—
kammer nimmt unter Anlehnung an die Entſch. d.
RG. Bd. 8 S. 37 an, der Angeklagte habe in Be-
tätigung einer allgemeinen und unbeſtimmten Willens⸗
richtung, mit Hilfe der Urkunde ſich irgendwelche
günſtige Ausſicht für ſein Fortkommen zu ſchaffen,
ſeinen Militärpaß verfälſcht und von ihm der Polizei⸗
verwaltung gegenüber wiſſentlich Gebrauch gemacht . ..
Dabei iſt überſehen, daß der Angeklagte jedenfalls
die Vorlegung des gefälſchten Paſſes aus Anlaß und
zum Zwecke der Bewerbung um eine beſtimmte amt«
liche Stellung ausgeführt hat. Die Annahme, es ſei
das wiſſentliche Gebrauchmachen zum Zwecke des
beſſeren Fortkommens geſchehen, beruht auf einer irr—
tümlichen Auffaſſung des $ 363 StB. Der Anges
klagte hat dadurch, daß er ſich als zum Unteroffizier
befördert bezeichnet hat, in die Rechte der Militärs
behörden eingegriffen, denen die Befugnis zur Be—
förderung beigelegt iſt; er hat ſich einen militäriſchen
Rang angemaßt, mit deſſen Beſitz beſtimmte Rechte
und Befugniſſe privatrechtlicher oder öffentlichrecht—
licher Natur verbunden ſind. Er hat ferner die
Rechte der Anſtellungsbehörde verletzt, indem er in
der Abſicht, die Stelle eines Polizeiſergeanten zu er—
langen, die Polizeiverwaltung in C. über ſeinen mili—
täriſchen Rang zu täuſchen unternommen hat. In
doppelter Richtung iſt alſo durch das Gebrauchmachen
in konkrete Rechte Dritter eingegriffen. Daß auf eine
ſo geſtaltete Verfehlung die Vorſchrift des § 363
StGB. nicht anwendbar ift, ergibt fidh aus der feft-
ſtehenden Rechtſprechung des Reichsgerichts (Entſch.
Bd. 31 S. 296, Bd. 38 S. 145). (Urt. des V. StS.
v. 20. Sept. 1907, 5 D 380,07).
1087
— — k — —
22
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I. „
Muß das Vormundſchaſtsgericht vor der Regelung
des Verkehrs des geſchiedenen und für ſchuldig erklärten
Ehegatten mit ſeinem Kinde den anderen Ehegatten oder
fonftige Verwandte des Kindes hören? (BOB. 88 1636,
1673). Das Amtsgericht M. als Vormundſchaftsgericht
hat den perſönlichen Verkehr der aus ihrem Verſchulden
von ihrem Manne G. Z. geſchiedenen nunmehrigen
Kunſtmalersgattin E. St. in P. mit ihrer erſtehelichen
Tochter geregelt. Später regte E. St. bei dem Vor⸗
mundſchaftsgericht eine Aenderung und Ergänzung der
Regelung an. Dieſem Antrage hat das Vormund chafts⸗
gericht ohne weiteres ſtattgegeben. Auf Beſchwerde
des Vaters hat das Landgericht die Verfügung des
Vormundſchaftsgerichts aufgehoben und die Sache an
das Vormundſchaftsgericht zurückverwieſen, weil durch
Unterlaffung der Anhörung des Vaters die Vorſchrift
des 8 1673 BGB. verletzt worden fei und die Würdigung
ſeiner Einwendungen zu einer anderen Entſcheidung
führen könne. Auf weitere Beſchwerde der E. St. iſt
die Entſcheidung aufgehoben und das LG. angewieſen
worden anderweit zu entſcheiden.
Gründe: Nach dem $ 1673 Abſ. 1 BGB. ſoll
das Vormundſchaftsgericht vor einer Entſcheidung,
durch die die Sorge für die Perſon des Kindes dem
Vater entzogen oder beſchränkt wird, den Vater hören.
Eine ſolche Entſcheidung ſteht aber bei einer nach
§ 1636 Satz 2 BGB. zu treffenden Anordnung nicht
in Frage. Die dem Vater zuſtehende Sorge für die
Perſon des Kindes ift im Falle des 8 1635 von vorn
herein durch das im § 1636 Satz 1 beſtimmte Recht
der geſchiedenen Mutter beſchränkt, die Anordnung,
durch die das Vormundſchaftsgericht den perſönlichen
Verkehr der Mutter mit dem Kinde näher regelt, ent⸗
hält nicht einen das Recht des Vaters mindernden
Eingriff in die dem Vater zuſtehende Sorge für die
Perſon des Kindes ſondern trifft nur die zur zweck⸗
mäßigen Verwirklichung des Rechtes der Mutter er⸗
forderliche nähere Beſtimmung über die Art, wie dieſes
Recht ausgeübt werden fol. Der 8 1673 Abſ. 1 iſt
deshalb auf ſie ebenſowenig anwendbar wie die Vor⸗
ſchriſt des Abſ. 2 des § 1673, nach der vor der im
Abſ. 1 bezeichneten Entſcheidung auch Verwandte oder
Verſchwägerte des Kindes gehört werden ſollen.
Ermangelung einer beſonderen Vorſchrift hat das Vor⸗
mundſchaftsgericht über die Anhörung des Vaters nach
pflichtmäßigem Ermeſſen zu entſcheiden. Erachtet das
In
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
S., deffen derzeitiger Beſitzer L. v. H. ift, gehören
Kapitalien, die in Pfandbriefen zu 3¼ / angelegt
find. Am 28. Mai 1907 zeigte die Hauptbank als
Hinterlegungsſtelle dem Fideikommißgericht an, daß
bei der letzten Verloſung ein Pfandbrief zu 2000 Mk.
zum Zuge gelangt ſei und die Einlöſung bei der
Bankabteilung erfolge. Das Fideikommißgericht er⸗
teilte der Hinterlegungsſtelle die Weiſung, den Pfand⸗
brief an den Fideikommißbeſitzer hinauszugeben.
Gleichzeitig ſtellte es an ihn das Erſuchen, für das
verloſte Wertpapier Erſatz zu beſchaffen. Am 27. des⸗
ſelben Monats wurde von der Hinterlegungsitelle der
Pfandbrief an L. v. H. hinausgegeben. Am 1. Juli
zeigte dieſer dem Fideikommißgericht an, daß er an
Stelle des ausgeloſten Pfandbriefs zu 2000 Mk. zwei
Pfandbriefe der gleichen Art zu je 1000 Mk. erworben
und an die Hinterlegungsſtelle eingeſendet habe.
Hierauf erſuchte das Gericht den Fideikommißbeſitzer
für die Aufzahlung der Differenz zwiſchen dem Ein⸗
löſungswert des verloſten Pfandbriefes zu 2000 Mk.
und dem Anſchaffungspreis der beiden neu erworbenen
Pfandbriefe Erſatz zu beſchaffen. L. v. H. ſtellte den
Antrag, dieſen Auftrag zurückzunehmen. Am 3. Auguſt
ordnete das Fideikommißgericht an, daß die Kurs⸗
differenz von 138 Mk. dem Fideikommißvermögen zu
erſtatten ſei. Die Beſchwerde des L. v. H. wurde
zurückgewieſen. g
Gründe: Das FidE. bezeichnet die Rechts⸗
ſtellung des Fideikommißbeſitzers dahin, daß er nicht
der Eigentümer oder der alleinige Eigentümer ſondern
nur „Nutzungseigentümer“ — ift und ſpricht ihm
weiter alle Befugniſſe eines „Nutznießers“ zu, legt
ihm dagegen auch alle Verpflichtungen eines ſolchen
auf (88 42, 44, 74). Der jeweilige Inhaber des Fidei⸗
kommiſſes iſt demzufolge berechtigt, die ordentlichen
und die zufälligen außerordentlichen Nutzungen der
zum Fideikommißvermögen gehörenden Gegenſtände
zu ziehen. Dagegen muß er die Subſtanz dieſer Gegen⸗
Beſchwerdegericht die Einwendungen des Vaters für
beachtenswert, ſo iſt es nicht gehindert, unter Auf⸗
hebung der angefochtenen Verfügung das Vormund⸗
ſchaftsgericht anzuweiſen, über ſie zu entſcheiden. Hier
hat aber das Beſchwerdegericht infolge ſeiner irrigen
Rechtsanſicht ſich nicht mit der Frage befaßt, ob das Vor⸗
mundſchaftsgericht nach pflichtmäßigem Ermeſſen den
Vater hätte hören müſſen, und es iſt die Möglichkeit
nicht ausgeſchloſſen, daß für die urückverweiſung der
3 8 N | 3 15 kommißbeſitzer als verpflichtet erachtet werden könnte,
Sache an das Vormundſchaftsgericht die Annahme von
weſentlicher Bedeutung war, daß das Verfahren des
Vormundſchaftsgerichts gegen eine geſetzliche Vorſchrift
verſtoße. Mit Rückſicht hierauf muß die richtige An-
wendung des § 1673 BGB. zur Aufhebung der Ent⸗
ſcheidung und zur Zurückverweiſung führen. (Beſchluß
des I. 3 S. vom 22. November 1907, IH 82,07). W.
1105
II.
Bei Veränderungen in dem Beſtand an Wert
papieren eines Familienfideikommiſſes gereichen Kurs⸗
ſchwankungen der Subſtanz des Fideikommißvermögeus,
nicht dem Fideikommißbeſitzer zum Vorteil oder Nach⸗
teile (VII. Verfaſſungsbeilage 88 42, 44, 73—75). Zu
dem Vermögen des v. H.ſchen Familienfideikommiſſes
ſtände, ſofern fie nicht zum Verbrauche beſtimmt und
nur zu ſurrogieren ſind, unverſehrt erhalten. Sie
vermehren oder ihren Wert erhöhen muß er nicht;
für eine Minderung des Wertes der Subſtanz des
Fideikommißvermögens haften er und ſeine Allodial⸗
erben nur, wenn ihn der Vorwurf einer Pflichtver⸗
ſäumnis in der ordnungsmäßigen Verwaltung des
Fideikommißvermögens trifft, ihm ein Verſchulden zur
Laſt fällt (ss 6, 44, 73, 74, 75). Bei der Anwendung
dieſer Grundſätze ergibt ſich folgendes: Sind zum
Fideikommißvermögen gehörende Kapitalien in Wert⸗
papieren angelegt, ſo beſteht die Subſtanz dieſes Ver⸗
mögensteiles in dem wirklichen, d. h. dem jeweiligen
Verkaufswerte, der nach den wechſelnden wirtſchaft⸗
lichen Verhältniſſen des Kredits und des Geldmarktes
gewiſſen Schwankungen — durch Sinken oder Steigen
des Kurſes — unterliegt. Dieſe Kursſchwankungen
dürfen dem Fideikommißbeſitzer weder zum Vorteil,
noch zum Nachteil gereichen; ſie berühren zunächſt nur
das Fideikommißvermögen, d. h. die Geſamtheit der
an ihm Berechtigten. So wenig deshalb der Fidei⸗
bei der Erwerbung eines Wertpapiers, das zum Erſatz
eines anderen zur Einlöſung gelangten zu dienen hat,
einen Mehraufwand aus eigenen Mitteln (wegen ge⸗
ſtiegenen Kurſes) zu machen, ebenſowenig iſt er befugt,
den Betrag, den er bei dem erwähnten Erſatzgeſchäft
von dem Subſtanzwerte des Kapitals nicht aufzu⸗
wenden brauchte, weil der Anſchaffungspreis hinter
dem Einlöſungspreiſe zurückblieb, für ſich einzubehalten.
Dazu wäre er nur dann berechtigt, wenn der beim
Surrogierungsgeſchäft eingeſparte Betrag, die ſoge⸗
nannte Kursdifferenz, als eine ordentliche oder außer⸗
ordentliche „Nutzung“ des Kapitals angeſehen werden
könnte. Von einer ſolchen Nutzung kann aber in
ſolchen Fällen die Rede nicht ſein. Hier ſteht feft,
daß der volle Barbetrag des Nennwertes des Pfand⸗
Zeitſchrift Fü für Rechtspflege in Bayern. 1908. Rr. 1.
briefs bei der Einlöfung an den Fideikommißbeſitzer
gezahlt wurde; er genügt alſo ſeiner Verpflichtung
zur Erhaltung der Subſtanz des in Wertpapieren an⸗
gelegten Kapitals nur dann, wenn er den ganzen
empfangenen Wertbetrag dem Vermögen wieder zu—
führt. Da weiter feſtſteht, daß der Anſchaffungspreis
der zum Erſatz dienenden zwei Pfandbriefe um 138 Mk.
weniger betrug als die Einlöſungsſumme, beſteht
ſeine Verpflichtung zu der Hinterlegung der beiden
Wertpapiere und des Barbetrags von 138 Mk. Der
Beſchwerdeführer macht zwar geltend, die Verpflichtung,
zur Erhaltung der Subſtanz beſtehe nur darin, Sachen
gleicher Gattung, Zahl uſw. und von gleichem Wert,
wie fie in dem nach § 43 Ziff. 1 des Edikts angu-
fertigenden Verzeichniſſe aufgeführt ſind, jeweils zu
beſchaffen und dem Nachfolger zu hinterlaſſen. Er
ift der Meinung, das Wertpapier fei auch eine be-
wegliche körperliche Sache, die unter dieſe Vorſchrift
falle. Die Frage ſei nicht anders zu beantworten,
wie in dem Falle, daß das Verzeichnis als Beſtandteil
des Fideikommißvermögens 100 hl Weizen a 10 Mk.
ausweiſt; in dieſem Falle ſei der Fideikommißbeſitzer
nur verpflichtet, ſeinem Nachfolger 100 hl der näm⸗
lichen Gattung zu hinterlaſſen, auch wenn er die
empfangene Quantität um 11 Mk. für das Hektoliter
verkauft und die zum Erſatz beſchaffte Quantität um
nur 9 Mk. erworben, alfo 200 Mk. „Lufriert“ hätte.
Dieſe Ausführungen ſind unzutreffend. Wertpapiere
gehören nicht ſchlechthin zu den beweglichen körper—
lichen Sachen, weil in ihnen ein Forderungsrecht ver—
brieft iſt; ſie werden nur in einzelnen Beziehungen
nach ſachen rechtlichen Vorſchriften behandelt. Jeden—
falls find fie nicht, wie die zum Inventar der Fidei—
kommißgüter gehörenden Getreidevorräte „verbrauch—
bare“ Sachen — weder im Sinne des älteren, noch
dem des neuen bürgerlichen Rechtes. An den zum
Verbrauche beſtimmten Sachen geht das Eigentum auf
den Nutzungseigentümer und auf den Nießbraucher
über. Der Fideikommißbeſitzer iſt alſo in Anſehung
der im Wege ordnungsmäßiger Verwaltung ver—
brauchten (veräußerten) Sachen nur zur Erſtattung des
Schätzungswertes verpflichtet, — unbeſchadet ſeiner
Befugnis, Sachen von gleicher Gattung, Menge uſw.
und von gleichem Wert in natura zu beſchaffen und zu
hinterlaſſen (BGB. SS 92, 1067, 1084). (Beſchl. des
II. 3S. vom 21. Oktober 1907, Reg. III. 58/07).
1088 W.
III.
Wertangabe zur en der Teſtamentsgebühr
des Notars (Notariatsgebührenordunng Art. 27). Der
Notar A. beurkundete am 16. April 1907, daß der
Privatmann Erhard E. in A. ihm einen verſchloſſenen
Papierumſchlag mit der mündlichen Erklärung über—
reichte, das in dem Umſchlag liegende Schriftſtück ent-
halte ſeinen letzten Willen. Den Wert deſſen, worüber
er letztwillig verfügt hatte, gab er nicht an. Der
Notar ſetzte daher auf Grund des Art. 27 der NotGebO.
i. d. F. der VO. v. 4. Juli 1903 als Gebühr für die
Errichtung der Urkunde 50 Mk. an. E. verweigerte
die Zahlung, weil er der Anſicht war, daß er nur
eine geringere Gebühr ſchulde. Der Notar beantragte
deshalb bei dem LG. die Feſtſetzung der Gebühr. Das
Gericht ließ zunächſt den E. auffordern, ſich über den
Wert des Vermögens zu äußern, über das er letzt—
willig verfügt hatte. Er gab als deſſen Wert
35 000 Mk. an, und das LG. ſetzte die Gebühr des Notars
auf 25 Mk. feſt. Der Notar legte Beſchwerde ein; er be—
antragte, die Gebühr auf 50 Mk. feſtzuſetzen. Zur
Begründung führte er aus, der Erblaſſer habe ſich zu
einer Erklärung über den Wert des Gegenſtandes
erſt herbeigelaſſen, nachdem durch den Antrag auf
Feſtſetzung der Gebühr die Sache rechtshängig ge—
worden war. Seine Erklärung ſei daher verſpätet
und nicht mehr zu beachten. Die von ihm gemachte
Wertangabe ſei auch unrichtig, denn er habe über
i
23
fein ganzes Vermögen letztwillig verfügt und dieſes
fei 70 000 bis 80 000 Mk. wert; durch Ermittlungen
ſei dies leicht feſtzuſtellen. Nach Mitteilung der Be⸗
ſchwerdeſchrift erklärte E., er habe durch das Teſta—
ment allerdings über ſein ganzes Vermögen verfügt,
dieſes habe aber zur Zeit der Errichtung des Teſta—
ments nur einen Wert von „rund 40000 Mk.“ gehabt.
Das ObLO. hat die Gebühr des Notars auf 27 Mk.
feſtgeſetzt.
Aus den Gründen: Das vom Notar vorge⸗
nommene Amtsgeſchäft iſt die Beurkundung der Er⸗
richtung eines Teſtaments durch Uebergabe einer den
letzten Willen enthaltenden verſchloſſenen Schrift nach
8 2231 Nr. 1 und $ 2238 BGB. Für die Beur⸗
kundung hat der Notar nach der jetzt geltenden
Faſſung des Art. 27 der NotGebdO. eine innerhalb
gewiſſer Grenzen nach dem reinen Werte des Gegen:
ſtandes, über den verfügt iſt, zu berechnende Gebühr
und, wenn die Wertangabe unterbleibt, eine Gebühr
von 50 Mk. zu beanſpruchen. Der Erblaſſer hat aller⸗
dings eine Wertangabe zunächſt nicht gemacht; er hat ſie
aber im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt.
Es beſteht keine Vorſchrift, die die Zuläſſigkeit nach—
träglicher Angabe ausſchließt. Durch den Antrag
auf Feſtſeßzung der Gebühr wird zwar die Sache
rechtshängig, die Rechtshängigkeit hat aber nicht die
Wirkung, daß Tatſachen, die für die Entſcheidung
von Belang ſind, deshalb nicht beachtet werden
dürfen, weil ſie erſt im Laufe des Verfahrens einge—
treten ſind. Auch die Beſtreitung der Richtigkeit der
vom Erblaſſer gemachten Wertangabe kann den vom
Notar beabſichtigten Erfolg nicht herbeiführen. Wer
ein Teſtament dadurch errichtet, daß er dem Notar
eine Schrift mit der mündlichen Erklärung übergibt,
die Schrift enthalte ſeinen letzten Willen, braucht
dem Notar von dem Inhalte ſeines letzten Willens
nicht Kenntnis zu geben, und die Schrift ſoll nur
verleſen werden, wenn der Erblaſſer es wünſcht
(BGB. § 2241, insbeſondere Nr. 3; Staudinger,
Komm. zum BGB. 2. Aufl. Bem. 2 Abſ. 3 zu § 2238,
Bem. 1 Abſ. 4, Bem. 3 Nr. 1 zu den § 2240 — 2242;
GeſchO. für die Notariate 8 230). Die Vorſchriften
im 8 2238 und im § 2246 follen offenbar gerade da:
zu dienen, den Inhalt der letztwilligen Verfügung
vor anderen Perſonen geheim zu halten. Dieſen Vor—
ſchriften entſpricht es, bei der Beſtimmung der Ge—
bühr des Notars für die durch Uebergabe einer ver—
ſchloſſenen Schrift geſchehene Errichtung eines Teſta—
ments es bei der Wertangabe des Erblaſſers be—
wenden zu laſſen und jedenfalls vor dem Eintritte
des Erbfalls weitere Ermittlungen über den Wert
nicht anzuſtellen, ſofern nicht nach vernünftigem Er—
meſſen angenommen werden muß, daß die Wertan—
gabe des Erblaſſers offenbar unrichtig iſt (Art. 10
Abſ. 2 der NotGeboO.). Anhaltspunkte für diefe Mn-
nahme beſtehen nicht; insbeſondere hat der Beſchwerde—
führer beſtimmte Tatſachen ſelbſt nicht behauptet, aus
denen geſchloſſen werden könnte, daß das Vermögen
des Erblaſſers einen reinen Wert von 70000 bis
80 000 Mk. hat, und die deshalb die Grundlage für
Anſtellung weiterer Ermittlungen (NotG. Art. 59
Abſ. 2) bilden könnten. Daher kann bei der jetzigen
Entſcheidung dahingeſtellt bleiben, ob nicht, wenn
nach vernünftigem Ermeſſen die Wertangabe des Erb—
laſſers als offenbar unrichtig anzuſehen iſt, ſtatt der
Anſtellung von Ermittlungen ohne weiteres die An—
fegung der Gebühr von 50 Mk. deshalb als gerecht—
fertigt zu erklären iſt, weil eine offenbar unrichtige
Wertangabe als Wertangabe im Sinne des Art. 27
der NotGeboO. überhaupt nicht gelten kann. Die Ge-
bühr muß daher nach den Art. 12 und 27 der
NotcebO. unter Zugrundelegung des Wertes von
40 000 Mk. auf 27 Mk. feſtgeſezt werden. (Beſchluß
des Ferien-Z3S. vom 26. Auguſt 1907, Reg. VI. 5/07).
1052 W.
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen. |
I.
Muß das Vormundſchaſtsgericht vor der Regelung
des Verkehrs des geſchiedenen und für ſchuldig erklärten
Ehegatten mit ſeinem Kinde den anderen Ehegatten oder
ſonſtige Verwandte des Kindes hören? (BGB. 88 1636,
1673). Das Amtsgericht M. als Vormundſchaftsgericht
hat den perſönlichen Verkehr der aus ihrem Verſchulden
von ihrem Manne G. Z. geſchiedenen nunmehrigen
Kunſtmalersgattin E. St. in P. mit ihrer erſtehelichen
Tochter geregelt. Später regte E. St. bei dem Vor⸗
mundſchaftsgericht eine Aenderung und Ergänzung der
Regelung an. Dieſem Antrage hat das Vormundſchafts⸗
gericht ohne weiteres ſtattgegeben. Auf Beſchwerde
des Vaters hat das Landgericht die Verfügung des
Vormundſchaftsgerichts aufgehoben und die Sache an
das Vormundſchafte gericht zurückverwieſen, weil durch löſungswert des verloſten Pfandbriefes zu 2000 Mik
Unterlaſſung der Anhörung des Vaters die Vorſchrift
des 8 1673 BGB. verlegt worden fei und die Würdigung
ſeiner Einwendungen zu einer anderen Entſcheidung
führen könne. Auf weitere Beſchwerde der E. St. iſt
die Entſcheidung aufgehoben und das LG. angewieſen
worden anderweit zu entſcheiden.
Gründe: Nach dem § 1673 Abſ. 1 BGB. fol
das Vormundſchaftsgericht vor einer Entſcheidung,
durch die die Sorge für die Perſon des Kindes dem
Vater entzogen oder beſchränkt wird, den Vater hören.
Eine ſolche Entſcheidung ſteht aber bei einer nach
§ 1636 Satz 2 BGB. zu treffenden Anordnung nicht
in Frage. Die dem Vater zuſtehende Sorge für die
Perſon des Kindes iſt im Falle des § 1635 von vorn
herein durch das im § 1636 Satz 1 beſtimmte Recht
der geſchiedenen Mutter beſchränkt, die Anordnung,
durch die das Vormundſchaftsgericht den perſönlichen
Verkehr der Mutter mit dem Kinde näher regelt, ent-
hält nicht einen das Recht des Vaters mindernden
Eingriff in die dem Vater zuſtehende Sorge für die
Perſon des Kindes ſondern trifft nur die zur gwed-
mäßigen Verwirklichung des Rechtes der Mutter er-
forderliche nähere Beſtimmung über die Art, wie dieſes
Recht ausgeübt werden fol. Der § 1673 Abſ. 1 ift
deshalb auf fie ebenſowenig anwendbar wie die Bor-
ſchrift des Abſ. 2 des § 1673, nach der vor der im
Abſ. 1 bezeichneten Entſcheidung auch Verwandte oder
Verſchwägerte des Kindes gehört werden ſollen. In
Ermangelung einer beſonderen Vorſchrift hat das Vor—
mundſchaftsgericht über die Anhörung des Vaters nach
pflichtmäßigem Ermeſſen zu entſcheiden. Erachtet das
Beſchwerdegericht die Einwendungen des Vaters für
beachtenswert, ſo iſt es nicht gehindert, unter Auf—
hebung der angefochtenen Verfuͤgung das Vormund—
ſchaftsgericht anzuweiſen, über ſie zu entſcheiden. Hier
hat aber das Beſchwerdegericht infolge ſeiner irrigen
Rechtsanſicht ſich nicht mit der Frage befaßt, ob das Vor:
mundſchaftsgericht nach pflichtmäßigem Ermeſſen den
Vater hätte hören müſſen, und es iſt die Möglichkeit
nicht ausgeſchloſſen, daß für die Zurückverweiſung der
Sache an das Vormundſchaftsgericht die Annahme von
weſentlicher Bedeutung war, daß das Verfahren des
Vormundſchaftsgerichts gegen eine geſetzliche Vorſchrift
verſtoße. Mit Rückſicht hierauf muß die richtige An—
wendung des § 1673 BGB. zur Aufhebung der Ent»
ſcheidung und zur Zurückverweiſung führen. GBeſchluß
des I. 35. vom 22. November 1907, III 82 07). W.
1105
II.
|
Bei Veränderungen in dem Beſtand an Wert:
papieren eines Familienfideikommiſſes gereichen Kurs⸗
ſchwankungen der Subſtanz des Fideikommißvermögens,
nicht dem Fideikommißbeſitzer zum Vorteil oder Rath:
teile (VII. Verfaſſungsbeilage SS 42, 44, 73—75). Zu
dem Vermögen des v. H.ſchen Familienfideikommiſſes
|
i
S., deſſen derzeitiger Beſitzer L. v. H. ift, gehören
Kapitalien, die in Pfandbriefen zu 3½ % angelegt
ſind. Am 28. Mai 1907 zeigte die Hauptbank als
Hinterlegungsſtelle dem Fideikommißgericht an, daß
bei der letzten Verloſung ein Pfandbrief zu 2000 Mk.
zum Zuge gelangt ſei und die Einlöſung bei der
Bankabteilung erfolge. Das Fideikommißgericht er⸗
teilte der Hinterlegungsſtelle die Weiſung, den Pfand-
brief an den Fideikommißbeſitzer hinauszugeben.
Gleichzeitig ſtellte es an ihn das Erſuchen, für das
verloſte Wertpapier Erſatz zu beſchaffen. Am 27. des-
ſelben Monats wurde von der Hinterlegungsſtelle der
Pfandbrief an L. v. H. hinausgegeben. Am 1. Juli
zeigte dieſer dem Fideikommißgericht an, daß er an
Stelle des ausgeloſten Pfandbriefs zu 2000 Mk. zwei
Pfandbriefe der gleichen Art zu je 1000 Mk. erworben
und an die Hinterlegungsſtelle eingefendet, habe.
Hierauf erſuchte das Gericht den Fideikommißbeſitzer
für die Aufzahlung der Differenz zwiſchen dem Ein-
und dem Anſchaffungspreis der beiden neu erworbenen
Pfandbriefe Erſatz zu beſchaffen. L. v. H. ſtellte den
Antrag, dieſen Auftrag zurückzunehmen. Am 3. Auguſt
ordnete das Fideikommißgericht an, daß die urs-
differenz von 138 Mk. dem Fideikommißvermögen zu
erſtatten ſei. Die Beſchwerde des L. v. H. wurde
zurückgewieſen. N
Gründe: Das FideéE. bezeichnet die Rechts⸗
ſtellung des Fideikommißbeſitzers dahin, daß er nicht
der Eigentümer oder der alleinige Eigentümer ſondern
nur „Nutzungseigentümer“ — ift und ſpricht ihm
weiter alle Befugniſſe eines „Nutznießers“ zu, legt
ihm dagegen auch alle Verpflichtungen eines ſolchen
auf (SS 42, 44, 74). Der jeweilige Inhaber des Fidei-
kommiſſes iſt demzufolge berechtigt, die ordentlichen
und die zufälligen außerordentlichen Nutzungen der
zum Fideikommißvermögen gehörenden Gegenſtände
zu ziehen. Dagegen muß er die Subſtanz dieſer Gegen—
ſtände, ſofern ſie nicht zum Verbrauche beſtimmt und
nur zu ſurrogieren ſind, unverſehrt erhalten. Sie
vermehren oder ihren Wert erhöhen muß er nicht;
für eine Minderung des Wertes der Subſtanz des
Fideikommißvermögens haften er und feine Allodials
erben nur, wenn ihn der Vorwurf einer Pflichtver-
ſäumnis in der ordnungsmäßigen Verwaltung des
Fideikommißvermögens trifft, ihm ein Verſchulden zur
Laſt fällt (SS 6, 44, 73, 74, 75). Bei der Anwendung
dieſer Grundſätze ergibt ſich folgendes: Sind zum
Fideikommißvermögen gehörende Kapitalien in Wert—
papieren angelegt, ſo beſteht die Subſtanz dieſes Ver—
mögensteiles in dem wirklichen, d. h. dem jeweiligen
Verkaufswerte, der nach den wechſelnden wirtſchaft—
lichen Verhältniſſen des Kredits und des Geldmarktes
gewiſſen Schwankungen — durch Sinken oder Steigen
des Kurſes — unterliegt. Dieſe Kursſchwankungen
dürfen dem Fideikommißbeſitzer weder zum Vorteil,
noch zum Nachteil gereichen; ſie berühren zunächſt nur
das Fideikommißvermögen, d. h. die Geſamtheit der
an ihm Berechtigten. So wenig deshalb der Fidei—
kommißbeſitzer als verpflichtet erachtet werden könnte,
bei der Erwerbung eines Wertpapiers, das zum Erſatz
eines anderen zur Einlöſung gelangten zu dienen hat,
einen Mehraufwand aus eigenen Mitteln (wegen ge—
ſtiegenen Kurſes) zu machen, ebenſowenig iſt er befugt,
den Betrag, den er bei dem erwähnten Erſatzgeſchäft
von dem Subſtanzwerte des Kapitals nicht aufzu—
wenden brauchte, weil der Anſchaffungspreis hinter
dem Einlöſungspreiſe zurückblieb, für ſich einzubehalten.
Dazu wäre er nur dann berechtigt, wenn der beim
Surrogierungsgeſchäft eingeſparte Betrag, die ſoge—
nannte Kursdifferenz, als eine ordentliche oder außer⸗
ordentliche „Nutzung“ des Kapitals angeſehen werden
könnte. Von einer ſolchen Nutzung kann aber in
ſolchen Fällen die Rede nicht ſein. Hier ſteht feſt,
daß der volle Barbetrag des Nennwertes des Pfand—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
23
briefs bei der Einlöſung an den Fideikommißbeſitzer
gezahlt wurde; er genügt alſo ſeiner Verpflichtung
zur Erhaltung der Subſtanz des in Wertpapieren an⸗
gelegten Kapitals nur dann, wenn er den ganzen
empfangenen Wertbetrag dem Vermögen wieder zu:
führt. Da weiter feſtſteht, daß der Anſchaffungspreis
der zum Erſatz dienenden zwei Pfandbriefe um 138 Mk.
weniger betrug als die Einlöſungsſumme, beſteht
ſeine Verpflichtung zu der Hinterlegung der beiden
Wertpapiere und des Barbetrags von 138 Mk. Der
Beſchwerdeführer macht zwar geltend, die Verpflichtung
zur Erhaltung der Subſtanz beſtehe nur darin, Sachen
gleicher Gattung, Zahl uſw. und von gleichem Wert,
wie fie in dem nach § 43 Ziff. 1 des Edikts anzu⸗
fertigenden Verzeichniſſe aufgeführt ſind, jeweils zu
beſchaffen und dem Nachfolger zu hinterlaſſen. Er
iſt der Meinung, das Wertpapier ſei auch eine be⸗
wegliche körperliche Sache, die unter dieſe Vorſchrift
falle. Die Frage ſei nicht anders zu beantworten,
wie in dem Falle, daß das Verzeichnis als Beſtandteil
des Fideikommißvermögens 100 hl Weizen a 10 Mk.
ausweiſt; in dieſem Falle ſei der Fideikommißbeſitzer
nur verpflichtet, feinem Nachfolger 100 hl der näm⸗
lichen Gattung zu hinterlaſſen, auch wenn er die
empfangene Quantität um 11 Mk. für das Hektoliter
verkauft und die zum Erſatz beſchaffte Quantität um
nur 9 Mk. erworben, alfo 200 Mk. „lukriert“ hätte.
Dieſe Ausführungen ſind unzutreffend. Wertpapiere
gehören nicht ſchlechthin zu den beweglichen körper—
lichen Sachen, weil in ihnen ein Forderungsrecht ver—
brieft iſt; ſie werden nur in einzelnen Beziehungen
nach ſachenrechtlichen Vorſchriften behandelt. Jeden—
falls ſind ſie nicht, wie die zum Inventar der Fidei—
kommißgüter gehörenden Getreidevorräte „verbrauch—
bare“ Sachen — weder im Sinne des älteren, noch
dem des neuen bürgerlichen Rechtes. An den zum
Verbrauche beſtimmten Sachen geht das Eigentum auf
den Nutzungseigentümer und auf den Nießbraucher
über. Der Fideikommißbeſitzer iſt alſo in Anſehung
der im Wege ordnungsmäßiger Verwaltung ver-
brauchten (veräußerten) Sachen nur zur Erſtattung des
Schätzungswertes verpflichtet, — unbeſchadet ſeiner
Befugnis, Sachen von gleicher Gattung, Menge uſw.
und von gleichem Wert in natura zu beſchaffen und zu
hinterlaſſen (BGB. SS 92, 1067, 1084). (Beſchl. des
II. 35. vom 21. Oktober 1907, Reg. III. 58/07).
1088
III.
Wertangabe zur deb abe der Teſtamentsgebühr
des Notars (Notariatsgebührenorduung Art. 27). Der
Notar A. beurkundete am 16. April 1907, daß der
Privatmann Erhard E. in A. ihm einen verſchloſſenen
Papierumſchlag mit der mündlichen Erklärung über—
reichte, das in dem Umſchlag liegende Schriftſtück ent-
halte ſeinen letzten Willen. Den Wert deſſen, worüber
er letztwillig verfügt hatte, gab er nicht an. Der
Notar ſetzte daher auf Grund des Art. 27 der NotGebd.
i. d. F. der VO. v. 4. Juli 1903 als Gebühr für die
Errichtung der Urkunde 50 Mk. an. E. verweigerte
die Zahlung, weil er der Anſicht war, daß er nur
eine geringere Gebühr ſchulde. Der Notar beantragte
deshalb bei dem LG. die Feſtſetzung der Gebühr. Das
Gericht ließ zunächſt den E. auffordern, ſich über den
Wert des Vermögens zu äußern, über das er legt-
willig verfügt hatte. Er gab als deſſen Wert
35 000 Mk. an, und das LG. ſetzte die Gebühr des Notars
auf 25 Mk. feſt. Der Notar legte Beſchwerde ein; er be—
antragte, die Gebühr auf 50 Mk. feſtzuſetzen. Zur
Begründung führte er aus, der Erblaſſer habe ſich zu
einer Erklärung über den Wert des Gegenſtandes
erſt herbeigelaſſen, nachdem durch den Antrag auf
Feſtſetzung der Gebühr die Sache rechtshängig ge—
worden war. Seine Erklärung ſei daher verſpätet
und nicht mehr zu beachten. Die von ihm gemachte
Wertangabe ſei auch unrichtig, denn er habe über
a — . — —
— —„—T — — —— ͤ — rf — ——ꝛę—
ſein ganzes Vermögen letztwillig verfügt und dieſes
ſei 70 000 bis 80 000 Mk. wert; durch Ermittlungen
ſei dies leicht feſtzuſtellen. Nach Mitteilung der Be⸗
ſchwerdeſchrift erklärte E., er habe durch das Tefta-
ment allerdings über ſein ganzes Vermögen verfügt,
dieſes habe aber zur Zeit der Errichtung des Tefta-
ments nur einen Wert von „rund 40 000 Mk.“ gehabt.
Das Obe G. hat die Gebühr des Notars auf 27 Mk.
feſtgeſetzt.
Aus den Gründen: Das vom Notar vorge⸗
nommene Amtsgeſchäft ift die Beurkundung der Er-
richtung eines Teſtaments durch Uebergabe einer den
letzten Willen enthaltenden verſchloſſenen Schrift nach
8 2231 Nr. 1 und § 2238 BGB. Für die Beur-
kundung hat der Notar nach der jetzt geltenden
Faſſung des Art. 27 der NotGebO. eine innerhalb
gewiſſer Grenzen nach dem reinen Werte des Gegen—
ſtandes, über den verfügt iſt, zu berechnende Gebühr
und, wenn die Wertangabe unterbleibt, eine Gebühr
von 50 Mk. zu beanſpruchen. Der Erblaſſer hat aller-
dings eine Wertangabe zunächſt nicht gemacht; er hat ſie
aber im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt.
Es beſteht keine Vorſchrift, die die Zuläſſigkeit nach—
träglicher Angabe ausſchließt. Durch den Antrag
auf Feſtſetzung der Gebühr wird zwar die Sache
rechtshängig, die Rechtshängigkeit hat aber nicht die
Wirkung, daß Tatſachen, die für die Entſcheidung
von Belang ſind, deshalb nicht beachtet werden
dürfen, weil ſie erſt im Laufe des Verfahrens einge—
treten ſind. Auch die Beſtreitung der Richtigkeit der
vom Erblaſſer gemachten Wertangabe kann den vom
Notar beabſichtigten Erfolg nicht herbeiführen. Wer
ein Teſtament dadurch errichtet, daß er dem Notar
eine Schrift mit der mündlichen Erklärung übergibt,
die Schrift enthalte ſeinen letzten Willen, braucht
dem Notar von dem Inhalte ſeines letzten Willens
nicht Kenntnis zu geben, und die Schrift ſoll nur
verleſen werden, wenn der Erblaſſer es wünſcht
(BGB. § 2241. insbeſondere Nr. 3; Staudinger,
Komm. zum BGB. 2. Aufl. Bem. 2 Abſ. 3 zu § 2238,
Bem. 1 Abſ. 4, Bem. 3 Nr. 1 zu den 88 2240 — 2242;
GeſchO. für die Notariate 8 230). Die Vorſchriften
im 8 2238 und im § 2246 follen offenbar gerade da-
zu dienen, den Inhalt der letztwilligen Verfügung
vor anderen Perſonen geheim zu halten. Dieſen Bor-
ſchriften entſpricht es, bei der Beſtimmung der Ge—
bühr des Notars für die durch Uebergabe einer ver—
ſchloſſenen Schrift geſchehene Errichtung eines Teſta—
ments es bei der Wertangabe des Erblaſſers be—
wenden zu laſſen und jedenfalls vor dem Eintritte
des Erbfalls weitere Ermittlungen über den Wert
nicht anzuſtellen, ſofern nicht nach vernünftigem Er—
meſſen angenommen werden muß, daß die Wertan—
gabe des Erblaſſers offenbar unrichtig iſt (Art. 10
Abſ. 2 der NotGebdOO.). Anhaltspunkte für diefe Ans
nahme beſtehen nicht; insbeſondere hat der Beſchwerde—
führer beſtimmte Tatſachen ſelbſt nicht behauptet, aus
denen geſchloſſen werden könnte, daß das Vermögen
des Erblaſſers einen reinen Wert von 70000 bis
80 000 Mk. hat, und die deshalb die Grundlage für
Anſtellung weiterer Ermittlungen (Not. Art. 59
Abſ. 2) bilden könnten. Daher kann bei der jetzigen
Entſcheidung dahingeſtellt bleiben, ob nicht, wenn
nach vernünftigem Ermeſſen die Wertangabe des Erb—
laſſers als offenbar unrichtig anzuſehen iſt, ſtatt der
Anſtellung von Ermittlungen ohne weiteres die An—
ſetzung der Gebühr von 50 Mk. deshalb als gerecht—
fertigt zu erklären iſt, weil eine offenbar unrichtige
Wertangabe als Wertangabe im Sinne des Art. 27
der NotGebO. überhaupt nicht gelten kann. Die Ge-
bühr muß daher nach den Art. 12 und 27 der
NotchebO. unter Zugrundelegung des Wertes von
40 000 Mk. auf 27 Mk. feſtgeſezt werden. (Beſchluß
des Ferien-Z3S. vom 26. Auguft 1907, Reg. VI. 5/07).
1052 W.
24 Zeitſchrift für Rechtspflege in t Bayern. 1908. Nr. 1.
B. Strafſachen.
Verpflichtung des Trödlers zur Führung des Ge⸗
ſchäftsbuches, auch wenn er gleichzeitig noch ein Grok-
ie te mit den leihen Gegenſtänden betreibt.
Unmöglichkeit der Unsicheidung zwiſchen großen und
kleinen Geſchäften. Der Angeklagte treibt in L. ſchon
lange Jahre Handel mit altem Eiſen und Stahl,
Metallgeräten, Maſchinenteilen u. dgl. Er kauft die
Gegenſtände meiſtens im Großen, gelegentlich aber
auch in kleineren Mengen von Privaten. Die Zahl
der Erwerbsgeſchäfte der letzteren Art überſteigt die -
ahl der ins Große gehenden Geſchäfte, dagegen
leibt der Umſatzwert der erſteren hinter dem der
letzteren bedeutend zurück. Bezugsquellen für den
Einkauf im Großen ſind zum größten Teile Fabriken
und Kleinhändler. Ein Trödlerbuch hat der Ange-
klagte ſeither nicht geführt, dagegen werden von ſeinem
Handlungsgehilfen kaufmänniſche Bücher geführt, in
die jedoch die Kleineinkäufe nicht, wenigſtens nicht
regelmäßig eingetragen werden.
Aus den Gründen: 1. Nach 8 38 Abſ. 4
der GewO. können die Zentralbehörden Vorſchriften
darüber erlaſſen, in welcher Weiſe die im § 35 Abſ. 2
verzeichneten Gewerbetreibenden — hierunter befinden
ſich die Perſonen, die den Trödelhandel, d. i. u. a. der
Kleinhandel! mit altem Metallgeräte, Metallbruch
u. dgl., betreiben —, ihre Bücher zu führen und
welcher polizeilichen Kontrolle über den Umfang und
die Art ihres Geſchäftsbetriebes ſie ſich zu unterwerfen
haben. Auf dieſer Grundlage iſt die Bek. des StM.
des Innern vom 16. Februar 1878, das Geſchäft der
. betr. (GVBl. S. 86) ergangen; ſie beſtimmt
n Ziff. 1: „Jeder Trödler iſt zur ordnungsmäßigen
a eines Geſchäftsbuches verpflichtet“; in Ziff. 3:
„Jedes abgeſchloſſene Geſchäft iſt in das Buch deutlich,
vollſtändig und wahrheitsgetreu einzutragen“; in
Ziff. 4: „Jeder von einem Trödler in ſeinem Geſchäfts⸗
betriebe erworbene Gegenſtand muß mit einer der
betreffenden Nummer des Geſchäftsbuches (Ziff. 3 Abſ. 2
Lit. a) entſprechenden Nummer verſehen fein“; in
Ziff. 10: „Die Trödler ſind verpflichtet, dem Polizei⸗
perſonal jederzeit . . . . die Bücher und die aufbe—
wahrten Gegenſtände vorzuzeigen“. Dieſe Vorſchriften
nn den Grundgedanken, die für die Schaffung
des § 38 GewO. maßgebend geweſen find. In den
Motiven zum 8 35 des Entw. zur GewO. war aus-
geſprochen, daß das Trödlergewerbe von beſonderer
Wichtigkeit deshalb ſei, weil es, wenn in zuverläſſigen
und achtſamen Händen, der Entdeckung von Dieb—
ſtählen weſentliche Unterſtützung biete. Bei den Be—
ratungen wurde hervorgehoben, es ſei nicht zu ver—
kennen, daß das Trödlergewerbe erheblich dazu bei—
tragen könne, Diebſtähle u. dgl. zu verdecken und es
ſei daher wünſchenswert, daß denen, die das Gewerbe
betreiben, eine Verpflichtung auferlegt werde, wie ſie
ihre Bücher zu führen haben; es ſei das notwendig
im Intereſſe der Sicherheitspolizei und ebenſo müſſe
die Sicherheitspolizei in den Stand geſetzt ſein, auch
ohne beſtimmte direkte Anzeige Nachſuchungen an—
ſtellen zu können.
2. Dieſe Geſichtspunkte verlieren natürlich dadurch
nicht an Bedeutung, daß der, welcher den Trödel—
handel, insbeſondere den Kleinhandel mit altem
Metallgeräte, Metallbruch u. dgl. betreibt, gleichzeitig
auch ein Großhandelsgeſchäft mit dieſen Gegenſtänden
betreibt und in dieſer letzteren Beziehung Vollkaufmann
iſt. Die Geſchäftsbücher, die er in der Eigenſchaft
als Kaufmann nach 8 38 HGB. führen muß, eignen
ſich, wenn auch aus ihnen ſeine Handelsgeſchäfte und
die Lage ſeines Vermögens erſichtlich ſein müſſen,
keineswegs dazu, den ſicherheitspolizeilichen Anforde—
rungen an die Bücher der Trödler zu genügen. Würden
diejenigen, welche neben dem Großhandel mit Alt—
metall auch Einkäufe im Kleinen vornehmen, der Ver—
bindlichkeit enthoben fein, die durch die Min Bek. vom
16. Februar 1878 angeordneten, genaueren Aufzeich-
nungen zu machen, ſo würden vorausſichtlich Perſonen,
die Altmetall auf unredliche Weiſe erworben haben,
dieſes nicht mehr an Kleinmetallhändler, ſondern an
Großhändler veräußern. Auf dieſe Weiſe würde die
Abſicht des Geſetzgebers ganz und gar vereitelt werden.
Ueberdies ſteht nichts im Wege, eine Perſon, die ver⸗
ſchiedenartige Geſchäfte treibt, auch je nach der Art
dieſer Geſchäfte verſchiedenen Vorſchriften zu unter⸗
ſtellen. Wie ein Bankier, der neben ſeinem Bank⸗
geſchäft als Immobiliaragent tätig iſt, für dieſes
letztere . beſondere Bücher führen muß (vgl.
GewA. Bd. 5 S. 444), fo muß auch der, welcher
neben dem A mit Metall Einkäufe von
ſolchem im Kleinen vornimmt, ſich den für dieſe
letzteren geltenden Anordnungen unterwerfen. Die
Verteidigung des Angeklagten, daß ihm die Führung
eines Trödlerbuches unmöglich ſei, weil eine Aus⸗
ſcheidung zwiſchen großen und kleinen Geſchäften nicht
durchgeführt werden könne, wurde mit Recht für un-
beachtlich gehalten. Sie wendet ſich gegen die Zweck⸗
mäßigkeit der in Frage ſtehenden Vorſchriften, aber
dieſe darf vom Richter nicht in Erwägung gezogen
werden. Es muß jedem Geſchäftstreibenden anheim—
geſtellt bleiben, wie er Vorſorge dafür trifft, den für
ſein Geſchäft beſtehenden Vorſchriften Genüge zu leiſten.
Der Angeklagte würde übrigens allen Schwierigkeiten
aus dem Wege gehen können, dadurch, daß er im
Zweifel darüber, ob in einem beſtimmten Falle ein
Kleineinkauf oder ein Engroseinkauf vorliegt, den ge—
naueren, für den erſteren vorgeſchriebenen Eintrag
machen läßt. Darauf, ob dadurch ſeine Buchführung
etwas umſtändlicher wird, kann gegenüber den In—
tereſſen des Gemeinwohls keine Rückſicht genommen
werden. Uebrigens beziehen fi die Vorſchriften be-
züglich des Trödlerbuches vorwiegend nur auf den
Einkauf, da es für den Begriff des Trödelhandels
keineswegs erheblich iſt, ob der Verkauf der einge-
kauften Waren wieder im kleinen oder im großen
ſtattfindet. Inſoweit der Angeklagte ſelbſt oder durch
ſein Perſonal Altmetall im Kleinen ankauft, liegen
darum bei ihm die Merkmale des Trödelhandels vor:
er tritt ſeinem Großhandelslager gegenüber ebenſo
als Lieferant auf, wie der Kleinmetallhändler O. W.,
der nach der Feſtſtellung der Strafkammer das im
einzelnen eingekaufte Altmetall im Großen an den
Angeklagten weiterverkauft.
3. Der Umſtand, daß die MinBBek. v. 16. Februar
1878 den „Trödlern“ beſtimmte Verpflichtungen auf—
erlegt, hindert keineswegs daran, ſie auch dann für
anwendbar zu erachten, wenn jemand in ſeinem
Hauptberufe nicht Trödler iſt. Da ſolche Fälle nicht
häufig vorkommen, konnte der Geſetzgeber ſeinen Er—
laß auf die Perſonen beſchränken, die ihren ausſchließ⸗
lichen Beruf in dem Trödelhandel haben. Ohnehin
find, wie dies auch aus dem 8 35 GewO. hervorgeht.
die Vorſchriften nicht ſowohl für die Trödler, als
vielmehr für den Trödelhandel vermeint und es fehlt
darum an jedem Anhaltspunkte für die Notwendigkeit
einer Unterſcheidung, je nachdem der Trödelhandel
als ausſchließlicher, oder als Hauptberuf oder nur
als Nebenberuf betrieben wird. Eben deshalb ſind
alle, die in der einen oder anderen Weiſe Trödel—
handel treiben, den für dieſen erlaſſenen Vorſchriften
unterſtellt.
4. Mit Unrecht will der Angeklagte aus dem vom
erkennenden Senate am 17. Januar 1907 in der Straf—
ſache gegen O. W. erlaſſenen Urteil, im beſonderen aus
dem Satze: „§ 38 Abſ. 4 GewO. überläßt es den
Zentralbehörden, falls für die in 8 35 bezeichneten
Gewerbetreibenden nicht ſchon auf Grund einer
anderen Geſetzesvorſchrift die Pflicht zur Bücher—
führung beſteht, vorzuſchreiben, ob ſie überhaupt
Bücher zu führen haben, vorausgeſetzt, daß zugleich
- 8 —
1 IM
über die Art der Bücherführung Beſtimmungen er:
laſſen werden“, die Folgerung ableiten, daß er nach
der Anſicht des oberſten Landesgerichtes 1 weil
als Vollkaufmann ohnedies zur Buchführung vers
pflichtet, kein Trödlerbuch führen müſſe. Es iſt ohne
weiteres erſichtlich, daß hierbei nicht bloß eine geſetz⸗
liche Pflicht zur Bücherführung überhaupt vermeint
war, ſondern die Pflicht zur Fuͤhrung ſo genauer und
zweckentſprechender Bücher, wie fie den im § 35 be-
zeichneten Gewerbetreibenden obliegt und wie ſie bei
den Vollkaufleuten und ebenſo auch bisher bei dem
Angeklagten nicht üblich iſt. (Urt. vom 15. Oktober 1907,
Rev R. Nr. 374, 07). H.
1078
Oberlandesgericht München.
Loſtenha ftung des Vaters für das Kind (8 1654 B B.).
Der Maſchiniſt Johann R. klagt gegen die Hausbe—
ſizerseheleute G. in eigenem Namen auf Zahlung von
29 Mk. Kurkoſtenerſatz, ferner namens ſeines elfjährigen
Kindes auf Feſtſtellung der künftigen Schadenserſatz—
pflicht, weil zufolge mangelhafter Unterhaltung des
Hausdaches des Beklagten dem genannten Kinde ein
Ziegelſtein auf den Kopf gefallen war. Die Klage
wurde abgewieſen und ausgeſprochen, daß „die Kläger
die Koſten des Rechtsſtreits zu tragen haben“. Beiden
Klägern war das Armenrecht bewilligt; der Streit-
wert wurde auf 1000 Mk. feſtgeſetzt. Nach Rechtskraft
beanſprucht der Fiskus vom Mitkläger Johann R. die
Zahlung von 96 Mk. Gerichtsgebühren, 7 Mk. Schreibs
gebühren und 16 Mk. 50 Pf. Zeugengebühren, zu—
ſammen 119 Mk. 50 Pf. unter Berufung auf § 1654
. und 8 92 GKG. mit dem Bemerken, hiervon
gehe der auf die eigene Forderung des R. zu 29 Mk.
etwa entſtandene Koſtenbetrag ab. Der in Anſpruch
genommene Mitkläger erhob Einwendungen, weil
ihnen ja das Armenrecht bewilligt und er zur Koſten—
zahlung auch nicht imſtande ſei. Das Landgericht
wies die Einwendungen im Anſchluß an die als
herrſchend bezeichnete Auslegung des § 1654 BGB.
zurück und führt weiter aus, das dem Kinde be—
willigte Armenrecht enthalte nur eine Stundung und
komme ſonach dem Geſamtſchuldner Johann R.
SS 422 ff. BGB.) nicht zu gute. Zeilen Beſchwerde
blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Ginge man nur von der
wörtlichen Auslegung des $ 1654 BGB. aus (fo ins-
beſondere das Kammergericht Berlin, Rſpr. d. OLG.
Bd. 7 S. 73 u. Bd. 14 S. 253, DIY. 1906 S. 881 und
LG. München in Bay 3fR. 1906 S. 26), fo könnte aller:
dings aus der Wortfaſſung des Satz 1 und Satz 3
des § 1654 die gegenteilige Auffaſſung entnommen
werden. Geht man jedoch auf die Entſtehungsge—
ſchichte dieſer Vorſchrift nach den verſchiedenen Ent-
würfen an der Hand der Materialien näher ein, ſo
ergibt ſich klar, daß der Geſetzgeber dieſe Haftung des
Vaters von dem Nutzgenußrechtserträgniſſe unabhängig
ſtellen wollte, analog der Haftung des Ehemanns der
Ehefrau gegenüber beim geſetzlichen Guͤterrecht. Es
mag in dieſer Hinſicht genügen, auf die eingehenden
Ausführungen hinzuweiſen, welche in dem Beſchluſſe
des OLG. München vom 13. Juni 1906 niedergelegt
ind, der die gleiche Rechtsfrage behandelt (BeſchwR.
350/06 IV, abgedruckt in Bl. f. RA. Bd. 72 S. 166).
Aus der Nichterwähnung des § 1387 in Satz 2 des
§ 1654 kann ein Schluß zugunſten der rein wörtlichen
Auffaſſung nicht gezogen werden, weil im Hinblick
auf die Faſſung jener Geſetzesvorſchrift ihre analoge
Geltung nicht angeordnet werden konnte, anderſeits
die Frage der Koſtenpflicht des Vaters bei Rechts—
ſtreiten für das Kind eben in Satz 3 des § 1654 ſelbſt
ihre beſondere Regelung gefunden hat. Es kann auch
nicht geſagt werden, daß dem Vater kein geſetzliches
Mittel gegeben wäre, ſich der Haftung zu entziehen;
25
das Mittel liegt im § 1662, wonach der Vater auf
das Nutzungsrecht als ſolches verzichten kann. Qin-
gewieſen ſei auch noch darauf, daß das Reichsgericht
hinſichtlich der analogen Haftung des Ehemanns
bereits ausgeſprochen hat, daß dieſe auch dann zu
Recht beſteht, wenn die Ehefrau keinerlei einge—
brachtes Gut hat (JW. 1901 S. 735). Die hier
vorgetragene Meinung ift auch die herrſchende (vgl.
Planck Bem. 3 zu § 1654, OLG. Breslau in 3Bl FG.
Bd. 4 S. 709; Recht 1906 S. 621; OLG. Celle in
Rſpr. d. OLG. Bd. 12 S. 325; Dernburg Bd. IV
879 Nr. 4 u. a.).!) (Beſchl. vom 5. Nov. 1907;
BeſchwReg. Nr. 640/07 IV). N.
1101 l
Oberlandesgericht Bamberg.
Sicherung des Verkehrs über eine öffentliche Treppe.
fliht der bayerifchen Gemeinden zur Beleuchtung der
rtsſtraßen. Beaufſichtigung öffentlicher Wege. Ran-
falzuſammenhang bei Unfällen (5 823 BGB.) In
einer kleinen Stadtgemeinde befindet ſich eine in deren
Eigentum ſtehende Treppe, die ſogenannte Mangſteige;
auf dieſer Treppe ſtrauchelte am 28. Februar 1905
abends 8 Uhr der Maler W. über ein kleines Steinchen,
glitt aus und beſchaͤdigte ſich am rechten Fuß. Er
verlangte von der Stadtgemeinde Schadenserſatz.
Die Klage und die Berufung des Klägers wurden zu—
rückgewieſen.
Aus den Gründen des Berufungsurteils.
Eine verletzende Handlung liegt nach der Behauptung
des Klägers in der Unterlaſſung der pflichtmäßigen
Fürſorge der Beklagten für den verkehrsſicheren
Zuſtand der Mangſteige, dieſe ſoll zur Zeit des Un⸗
falles weder entſprechend beleuchtet noch mit einem
genügenden Geländer verſehen geweſen ſein. Die
Mangſteige iſt allerdings ein öffentlicher, im Eigen—
tum der Gemeinde ſtehender Weg und letztere iſt
verpflichtet, ihn in gutem Zuſtand zu unterhalten und
Vorkehrungen zur Sicherung des Verkehrs zu treffen.
Die Anforderungen dürfen aber nicht ins Unbegrenzte
gehen: vielmehr muß auf die Art und den Umfang
des Verkehrs, auf die ſonſtigen örtlichen Verhältniſſe,
auf die Tunlichkeit und Wirkſamkeit von Sicherungs—
maßregeln Rückſicht genommen werden (Seuff A.
Bd. 58 Nr. 233). An der Treppe war ein Geländer
in der Höhe von 50 em angebracht. Es beſteht keine
Vorſchrift, daß jede Steige mit einem für erwachſene
Perſonen leicht erreichbaren Geländer zu verſehen
ſei, es kann das nur verlangt werden, wenn die
Verkehrsſicherheit des Einzelfalls es erforderlich macht.
Dies iſt der Fall z. B. zum Schutz gegen ſeitlichen
Abſturz, wenn die Steige auch ſeitwärts an einer
Vertiefung vorbeiführt, oder zum Schutze gegen das
Ausgleiten auf der Treppe ſelbſt, wenn dieſe ſehr
hoch oder ſehr ſteil iſt oder viele Stufen aufeinander
folgen, ſo daß bei den Paſſanten Schwindel eintreten
kann oder wenn die Stufen glatt ſind oder aus
ſonſtigen Urſachen der Verkehr darüber gefährlich iſt.
Solche Umſtände ſind hier aber nicht gegeben. (Wird
näher ausgeführt).
Wegen der Beleuchtung der Mangſteige iſt zu
bemerken, daß durch die bayer. GemO. den Gemeinden
eine geſetzliche Pflicht zur Beleuchtung der Ortsſtraßen
nicht auferlegt wurde; allein ſoweit die Wegſicherung
1) Das Ergebnis iſt zweifellos unbefriedigend, um ſo mehr,
als ein Verzicht auf das Nutzungsrecht zur Vermeidung der Gerichts-
foitenbartung unter das Aufechtungsgeſetz fallen könnte. Der Be—
ſchwerdefüdrer batte mit Recht darauf bingewieſen, daß er angeſichis
der Beweislaſtperteilung des § 836 BB. ohne Pflichtperletzung die
Feſtſtellungsklage fur das Kind gar nicht batte unterlaſſen durfen
und die Wobltat des Armentechte durch folde Rechteauslegung bina
fällig wird, Man wird nur durch einen dem 3 114 YBO. nt
ſprecbenden Zuſatz zu 9 92 GI, helfen können, da die Admini—
ſtrativvollſtreckung an ſich bloß nach Maßgabe der SS s11, 850 ff.
ZBI. beſchränkt iit (Art. © A. z. BPE.) D. Einſ.
36
eine Beleuchtung erforderlich macht, beruht die Ver⸗
pflichtung hierzu nach allgemein anerkannten Rechts⸗
grundſätzen auf der Eröffnung des Verkehrs und auf
der Pflicht der Gemeinden zur Unterhaltung des
Weges. Eine allgemeine Verbindlichkeit der Dorf-
und Kleinſtadtgemeinden zur Beleuchtung der Straßen,
insbeſondere der Fußwege, beſteht an ſich nicht; ſie iſt
nur gegeben, wenn die Verkehrsſicherheit es fordert.
(RG. 29. Sept. 1904, Puchelts Z. Bd. 35 S. 707). Hier
handelt es fiH nur um einen Fußweg einer Kleinſtadt⸗
gemeinde, welcher an ſich keiner Beleuchtung bedürfte.
Da aber der Verkehr wegen der Abſchüſſigkeit des Wegs
und den Abſtufungen der Treppe in der Dunkelheit ge⸗
5 iſt, ſo beſteht auch die Pflicht der Beklagten,
en Mangſteig während der verkehrsüblichen Zeit der
Nacht genügend zu beleuchten. Dieſe Pflicht hat aber
die Beklagte ausreichend erfüllt. Es iſt an dem frag⸗
lichen Wege oben und unten je eine Laterne ange
bracht; die obere iſt 20 m, die untere 40 m von der
Unfallſtelle entfernt. (Es wird ausgeführt, daß die
Beleuchtung genügte).
Es fehlt auch an dem erforderlichen Kauſalzuſammen⸗
hang. Der Kläger geſteht zu, daß er auf ein kleines
Steinchen trat, dadurch ausglitt und zu Boden ſtürzte.
Das hätte ihm auch bei hellem Tage zuſtoßen können
und auch beim Vorhandenſein eines höheren Ge-
länders. Ein Kauſalzuſammenhang zwiſchen dem Un⸗
fall und dem Fehlen des Geländers wäre erſt ge—
geben, wenn feſtſtände, daß der Kläger es beim Ab-
ſtieg wirklich benützt haben würde; das iſt nicht an⸗
zunehmen bei einem Mann, der die Stiege täglich
benützt und daher bei ſeiner Ortskenntnis keine Stütze
braucht. Die eigentliche Urſache des Unfalls iſt alſo
das kleine Steinchen, auf das der Kläger trat. Für
das Vorhandenſein dieſes Verkehrshinderniſſes iſt
aber die Gemeinde nicht verantwortlich. Es übers
ſchreitet die Grenze der gemeindlichen Fürſorgepflicht,
zu verlangen, daß ſie Sorge dafür trage, daß keine
Steinchen auf dem Wege liegen bleiben, über die je⸗
mand ſtraucheln könnte. Eine ſolche Beaufſichtigung
der Wege iſt nicht durchführbar. Es hieße das, etwas
1 verlangen. (Urt. des I. ZS. vom 26. Oktober
907).
1114 Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
Oberlandesgericht Nürnberg.
ĝu 88 29, 42, 45 des Gef. betr. die G. m. b. H. und
88 35, 162 BGB. Der Kläger ift Geſellſchafter der
Gewerkſchaft X., einer G. m. b. H. Die Geſellſchaft hatte
jeit Jahren mit erheblichen geſchäftlichen Schwierig—
keiten zu kämpfen und arbeitete mit Unterbilanz. Im
Jahre 1904 wurde die Herabſetzung des Stammkapitals
um 7 des urſprünglichen Betrages, im Jahre 1905
die Verwendung des ganzen Rohgewinnes zu rund
55 000 Mk. zu Abſchreibungen beſchloſſen. Gegen leg-
teren Beſchluß wendet ſich die Klage mit der Begrün—
dung, daß nach dem Geſellſchaftsvertrage zunächſt die
Abſchreibungen nach dem Vorſchlage des Aufſichtsrats
vorzunehmen, dann 4% des Nennbetrags der Stamm-
einlagen den Geſellſchaftern zu vergüten und hierauf
von dem verbleibenden Reſtbetrage 10 % dem Kläger
für ſeine Bemühungen um das ſeinerzeitige Zuſtande—
kommen des Unternehmens zu zahlen ſeien. Dieſer
Beſtimmung ſei durch die Feſtſetzung der ganz außer—
ordentlich hohen Abſchreibung von rund 55000 Mk.,
die unter Beobachtung der Anforderungen eines vor—
ſichtigen und vernünftigen Geſchäftsgebahrens mit
etwa der Hälfte zu bemeſſen geweſen wäre, mit Ver—
letzung des Erforderniſſes von Treu und Glauben zu—
widergehandelt worden, weshalb unter Bezugnahme
auf § 162 BGB. Klage auf Zahlung gegen die Geſell—
Schaft erhoben werde. Das LG. wies die Klage ab,
weil die Geltendmachung des Klaganſpruchs die An—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
l
fechtung des Geſellſchafterbeſchluſſes, die nicht ſtatt⸗
gefunden habe, zur Vorausſetzung habe. Das Ve-
rufungsgericht hielt die Klage aus ſachlichen Gründen
für ungerechtfertigt.
Aus den Gründen: Der Kläger macht nicht
ein bloßes Geſellſchafterrecht, ähnlich dem im § 29 des
Geſ. betr. die G. m. b. H. jedem Geſellſchafter einge⸗
räumten Rechte auf den Reingewinn, geltend. Er ſtützt
feinen Anſpruch vielmehr auf ein durch den Gefell-
ſchaftsvertrag feſtgeſetztes Sonderrecht im Sinne des
835 BGB. Unter Sonderrecht iſt ein geſellſchaftliches,
ein mit der Geſellſchaftereigenſchaft verbundenes Recht
zu verſtehen, das durch Beſchluß der Geſellſchafter
dem Berechtigten ohne feine Zuſtimmung nicht ent-
zogen werden kann (Staub, G.m. b. H. 1. Aufl. § 451).
Daraus ergibt ſich von ſelbſt die Folge, daß die Gel⸗
tendmachung eines ſolchen Rechtes die förmliche An⸗
fechtung eines Geſellſchafterbeſchluſſes nicht zur Bor:
ausſetzung haben kann. Dieſe Vorausſetzung beſteht
nicht einmal gegenüber der Verfolgung von gemöhn:
lichen Geſellſchafterrechten, keine rechtliche Beſtimmung
hindert den Geſellſchafter ſofort die Leiſtungsklage zu
ſtellen und ſie auf die Gründe, die für die Anfechtung
des Geſellſchafterbeſchluſſes beſtehen, zu ſtützen. Der
Unterſchied zwiſchen der Lage des gewöhnlichen und
des ſonderberechtigten Geſellſchafters beſteht nur darin,
daß erſterem die zeitlich unbeſchränkte Anfechtung eines
Beſchluſſes lediglich bei Verletzung geſetzlicher Vor—
ſchriften oder von Satzungsbeſtimmungen möglich iſt
(Staub a. a. O. § 29, 8 451), während der Sonder:
berechtigte auch durch einen dem Geſetze und den
Satzungen an ſich entſprechenden Beſchluß in ſeinen
Rechten nicht beeinträchtigt werden kann. Das Sonder⸗
recht des Klägers ift bedingt dadurch, daß nach Bor:
nahme von Abſchreibungen ein Reingewinn verbleibt:
hiervon ſtehen ihm 10% (zu. Wenn es nun auch
richtig ift, daß nach 8 162 BGB. die Bedingung als
eingetreten gilt, wenn deren Eintritt von der Gegen—
partei wider Treu und Glauben verhindert wird, ſo
kann doch nach Lage der Sache nicht angenommen
werden, daß die beklagte Geſellſchaft die Feſtſetzung
eines Reingewinns abſichtlich zum Nachteile des Klägers
unterlaſſen habe. (Wird näher ausgeführt). (Urt. v.
9. Novbr. 1907). D.
1115
Literatur.
Lucas, Dr. iur. Hermann, Wirkl. Geh. Oberjuſtizrat
und Miniſterialdirektor. Anleitung zur ſtraf⸗
rechtlichen Praxis. Ein Beitrag zur Aus⸗
bildung unſerer jungen Juriſten und ein Ratgeber
für Praktiker. 2. Teil. Das materielle Straf⸗
recht. 2. verbeſſerte und vermehrte Auflage.
Berlin 1907, Verlag v. Otto Liebmann. Geh. Mk. 8.—
gebd. Mk. 9.—
Im 1. Jahrgange dieſer Zeitſchrift (S. 374) wurde
der 1. Teil dieſes ausgezeichneten Lehrbuchs, das
formelle Strafrecht, beſprochen. Die Ausführungen
des früheren Berichterſtatters kann ich nur unter:
ſchreiben. Einen Hauptvorzug des Buches erblicke
ich darin, daß es den übertriebenen Angriffen auf das
geltende Recht in maßvoller Weiſe und mit überlegener
Ruhe entgegentritt. Gerade deshalb kann es dem
Studierenden nicht genug empfohlen werden. Es wird
ihm zeigen, daß die Probleme des Strafrechts nicht
gar ſo einfach ſind, wie ſich manche Kritiker einbilden,
und daß es mit dem Schimpfen über die „Rückſtändig—
keit“ des StGB. allein nicht getan ift. Es wäre recht
zu wünſchen, daß bei der Beſprechung ſtrafrechts—
politiſcher Fragen wieder ein etwas beſcheidenerer
Ton angeſchlagen würde. Uebrigens bietet das Buch
auch für den Praktiker mancherlei Anregung. Die Art,
wie die Löſungen praktiſcher Fälle entwickelt werden,
iſt geradezu unübertrefflich. ven der Pfordten.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Sammlung der Entſcheidungen des Bayeriſchen Gerichts.
hotes für Kompetenzkonflikte. Unter der Aufſicht
und Leitung des Staatsminiſteriums der Juſtiz her⸗
ausgegeben. 1. Band. Die Entſcheidungen aus den
Jahren 1880 bis 1906. Erlangen 1907, Verlag von
Palm & Enke (Carl Enke); Broch. Mk. 7.80.
Die Sammlung enthält 57 Entſcheidungen in
chronologiſcher Reihenfolge. Jeder Entſcheidung iſt
ein ſorgfältig ausgearbeiteter Leitſatz vorangeſtellt,
der ihren weſentlichen Inhalt genau wiedergibt. Ein
Geſetzesregiſter und ein alphabetiſches Sachregiſter ſind
beigegeben.
Notizen.
Die Vollzugsvorſchriften zum neuen Waſſergeſetz
vom 23. März 1907 find in Nr. 72 des GVBl. Jahr:
gang 1907 veröffentlicht worden; ſie zerfallen in eine
Allerh. BO. vom 1. Dezember 1907, in der die Zu⸗
ſtändigkeit geregelt wird, und in eine gemeinſame Be⸗
kanntmachung der beteiligten Miniſterien (des K. Hauſes
und des Aeußern, der Juſtiz, des Innern, der Finanzen
und für Verkehrs angelegenheiten) vom 3. Dezember 1907,
welche die Verfahrensvorſchriften enthält. Hinſichtlich
der Zuſtändigkeit iſt ausgeſprochen, daß, wo im Geſetze
der „Staatsregierung“ Befugniſſe vorbehalten ſind,
dieſe durch das Staatsminiſterium des Innern aus⸗
geübt werden, dem auch die Oberaufſicht über den
|
Vollzug des Geſetzes durch die Behörden der inneren
Verwaltung im Benehmen mit den übrigen Staats-
miniſterien nach Maßgabe ihres verordnungs mäßigen
Wirkungskreiſes zuſteht. ($ 2 Allerh. BO.) Die
im Geſetze den „Verwaltungsbehörden“ eingeräumten
Befugniſſe werden durch die Diſtriktsverwal⸗
tungs behörden, in München durch den Stadt:
magiſtrat, ausgeübt. Dieſen Behörden liegt, ſoweit
nicht das Geſetz oder die Verordnung Ausnahmen
machen, der Vollzug des Geſetzes in erſter Inſtanz ob
(F 5 a. a. O.). Das Geſetz ſelbſt macht Ausnahmen
a) hinſichtlich der gerichtlichen Zuſtändigkeit (Art. 166
des WG.); b) hinſichtlich der Kreisregierung, K. d. J.,
z. B. bei Genehmigung von Genoſſenſchaftsſatzungen
(Art. 118), bei Bildung von Zwangsgenoſſenſchaften
(Art. 135) und bei Einſprüchen und Widerſprüchen
gegen die Genoſſenſchaftsbildung und bei der Erlaubnis
zu Waſſerbenützungs- und Inſtandhaltungsanlagen,
die bei der Gründung von Genoſſenſchaften zu er⸗
teilen ift (Art. 189 des Geſ.); e) hinſichtlich der Staats-
regierung“ (Staatsminiſterium des Innern) vgl. Art. 1,
4, 11 Abſ. 1 und 3, 12 Abſ. 2, 20 Abſ. 4, 29 Abſ. 3,
31 Abſ. 2, 34, 97, 105 Abſ. 2, 106 des Geſetzes. Die
Verordnung ſchafft Ausnahmen von der Zuſtändigkeit
der Diſtriktsverwaltungsbehörden, indem fie den Kreis—
regierungen, K. d. J., überweiſt (8 3 Allerh. VO.):
die Erlaubnis zur Errichtung oder Abänderung von
Brücken, feſtſtehenden Stegen und Ueberfahrtsanſtalten
über öffentliche Gewäſſer und über Staatsprivatflüſſe,
er von Ueberführungen über und Unterführungen
durch öffentliche Gewäſſer ſowie die Bezeichnung der⸗
jenigen Privatflüſſe, bei denen die Errichtung oder
Abänderung von Brücken ꝛc. der Erlaubnis (der Diſtrikts⸗
verwaltungsbehörde) bedarf, endlich den Widerruf der
Erlaubnis zu Inſtandhaltungsarbeiten, wenn die
Erlaubnis von der Regierung erſtinſtanziell erteilt
worden ift. Als „Verwaltungsbehörde“ im Sinne
des Geſetzes gilt ferner das Straßen⸗ und Fluß⸗
bauamt hinſichtlich der Erlaubnis zur Materialien⸗
entnahme aus öffentlichen und Staatsprivatflüſſen,
das Forſtamt dagegen, wenn das betreffende Flußbett
zu dem der Staatsforſtverwaltung unterſtehenden
Staatsgut gehört (8 4 a. a. O.). Das Straßen- und
Flußbauamt ſoll weiter zuſtändig ſein für die Feſt⸗
fegung des Normalprofils und der Normallinien bei
27
Nr. 1.
öffentlichen Flüſſen ſowie bei Inſtandhaltung
von öffentlichen Flüſſen (Art. 95 des Gef.). Die
techniſche Beaufſichtigung der „Privatflüſſe mit er⸗
heblicher Hochwaſſergefahr“, die bekanntlich erſt durch
das Waſſergeſetz als neue Gattung von Privatflüſſen
ausgeſchieden worden ſind, wird zwiſchen Straßen⸗
und Flußbauämtern und Wildbachverbauungsſektionen
örtlich geteilt, worüber noch nähere Weiſungen ergehen
folen ($ 4 Allerh. VO.). Die Zuſtändigkeitsverord⸗
nung regelt ſodann noch im einzelnen, von wem die
Schiffahrts⸗, Floß⸗, Kanal⸗ und Triftordnungen ſowie
die polizeilichen Vorſchriften zur Verhütung der Be⸗
ſchädigung von Uferſchutz⸗, Regulierungs⸗ und Damm⸗
bauten, dann von Wildbachverbauungen ſowie zur
Regelung oder Beſchränkung des Gemeingebrauchs zu
erlaſſen find. (S8 7 und 8 a. a. O.). Ausdrücklich ift
auch vorgefehen, daß die Straßen⸗ und Flußbauämter,
die Wildbachverbauungsſektionen ſowie die „amtlichen
Kulturingenieure“ bei der Handhabung der den Diſtrikts⸗
verwaltungsbehörden übertragenen Aufſicht über die
Privatflüſſe mitzuwirken haben. „Der amtliche
Kulturingenieur“ wird ſonach in Zukunft ein wichtiges
beratendes Organ in Waſſerſachen ſein. Die Neuregelung
des kulturtechniſchen Dienſtes iſt bereits durch die Kgl.
VO. vom 15. Auguſt 1902, GVBl. S. 471 und die
Min Bek. vom 9. November 1902 (MA Bl. d. J. S. 563)
angebahnt. Nach dem Budget der XXIX. Fin.⸗Per.,
Etat Nr. 27 Ziff. VIII Kap. 1, B 8 1 Tit. 1 fol die
„Verſtaatlichung“ der Kulturtechniker ab 1909 durch⸗
geführt werden, damit die Schaffung von Kulturbezirken
in allen Kreiſen und die Beſetzung der Bezirke mit
geeigneten Kräften ermöglicht werde. (Näheres ſiehe
in der „Denkſchrift über die Perſonalvermehrung“ aus
Anlaß des Vollzuges des Waſſergeſetzes, Anlage E
zum Etat Nr. 27 (M. d. J.] für 1908/09).
Die Min Bek. über den Vollzug des Waſſergeſetzes
hat überhaupt dem Gutachterweſen eine beſondere Auf⸗
merkſamkeit geſchenkt. Für die verſchiedenen Fälle,
in denen eine amtliche Tätigkeit der Verwaltungs-
behörden einzutreten hat, iſt jeweils beſtimmt, welche
Behörden in techniſcher und geſundheitspolizeilicher
Hinſicht gutachtlich zu vernehmen ſind; dadurch wird
einer bei dem Vollzuge der Waſſergeſetze von 1852
vielfach beſtehenden Unſicherheit (vgl. z. B. Art. 21
des Uferſchutzgeſetzes) abgeholfen. Für die einzelnen
Fälle. in denen das Geſetz eine Erlaubnis oder Ge⸗
nehmigung der Verwaltungsbehörden feſtſetzt, iſt vor⸗
geſchrieben, welche Pläne und Beſchreibungen dem
Geſuche beizulegen ſind; wodurch ſowohl für die privaten
Intereſſen wie für die inſtruierenden Behörden eine
Vereinfachung in der Geſchäftsbehandlung eintreten
wird; in einfacher gelagerten Fällen ſind Erleichterungen
in der Vorlage der Belege zu gewähren. Die Vollzugs-
vorſchriften ſchließen ſich im übrigen in ihrem äußeren
Aufbau an die Syſtematik des Geſetzes an und geben
in 305 Paragraphen eingehende Verfahrensvorſchriften.
An die Beſtimmungen über das Verfahren bei Feſt—
ſetzung der Uferlinie (SS 2—12), bei Herſtellung oder
Verlegung des Leinpfades (85 13—14), der Beſeitigung
von Verlandungen (SS 15—19) und der Verteilung
von Verlandungen (S8 20—29) ſchließen fiH die Vor⸗
ſchriften über die Beſchränkung der Zutageförderung
oder Ableitung von Grund- und Quellwaſſer an
(SS 30—38). Hier wurde die Auslegung der geſetzlichen
Begriffe („vorübergehende Zwecke“, „Brunnen, „eigener
Haus: und Wirtſchaftsbedarf“ uſw), wie fie durch die
Kammerverhandlungen feſtgeſtellt iſt, zur Erläuterung
wiedergegeben und im einzelnen ausgeführt, welche
Geſichtspunkte bei derartigen Geſuchen zu beachten
und wie ſie zu würdigen und zu beurteilen ſind. —
Das Verfahren beim Vollzug der geſetzlichen Be—
ſtimmungen (Art. 20) über den Schutz der Heilquellen
(S§ 39—56) ift gleichfalls eingehend geregelt. Die
Bezeichnung der öffentlich benützten Heilquellen, ſowie
die Feſtſetzung ihres Bereichs erfolgt nach durchge—
führtem Inſtruktionsverfahren der Diſtriktsverwal⸗
tungsbehörde und der Kreisregierung, K. d. J., durch
das Miniſterium des Innern, das dieſe Heilquellen
öffentlich bekannt geben wird. Die Erlaubnis zu
Grab- und Bohrarbeiten innerhalb des feſtgeſetzten
Bereichs hat die Diſtriktsverwaltungs behörde zu erteilen.
— Die folgenden Paragraphen regeln das Verfahren
bei natürlicher Veränderung des Flußlaufes, bei Ge⸗
ſuchen um Entnahme von Materialen aus öffentlichen
und Staatsprivatflüſſen, bezüglich der Schiffahrt,
Floßfahrt und Trift. — „Die Vorſchriften über die
Reinhaltung der Gewäſſer (§§ 94 - 105), die mit Rück⸗
ſicht auf die in Betracht kommenden wichtigen geſund⸗
Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1.
heitlichen und wirtſchaftlichen Intereſſen gegenüber
den bisherigen geſetzlichen Beſtimmungen weſentlich
verſchärft wurden, fordern eine beſonders ſorgfältige
und verantwortungsvolle Tätigkeit der mit dem Voll⸗
zuge betrauten Diſtriktsverwaltungsbehörden ſowie der
amtlichen Sachverſtändigen“ ſagt § 94 der Vollzugs-
vorſchriften. Von beſonderer Wichtigkeit für die Beur⸗
teilung der Geſuche um Zuführung von Flüſſigkeiten
ſind Gutachten in hydrotechniſcher Beziehung und
chemiſch⸗biologiſcher Beziehung. Die erſtere Aufgabe
liegt dem Hydrotechniſchen Bureau und den Bauämtern
ob; in letzterer Beziehung hat die Biologiſche Verſuchs⸗
ſtation für Fiſcherei in München als ſachverſtändige
Behörde zu wirken. Für den weiteren Ausbau der
Verſuchsſtation als gutachtliches Organ in Abwäſſer⸗
fragen ſind Mittel vom Landtag gefordert (Budget
1908/09 Etat 27, Ziff. III Kap. 7 § 1). — Bei der
Waſſerbenützung mittels „beſonderer Nutzung“ — ſei
es ohne Stau- und Triebwerksanlagen (88 106—110)
geben die SS 163—165. — Das neue Waſſergeſetz be-
zweckt, wie die Begründung zum Regierungsentwurf
hervorhebt, u. a. auch die „Hebung der Privatfluß⸗
wirtſchaft“ durch die Reviſion der Vorſchriften über
die Inſtandhaltung der Gewäſſer; dieſer wichtige Ab⸗
ſchnitt des Geſetzes wird in den 88 175 — 233 der Vollzugs⸗
vorſchriften ausführlich behandelt. — Hieran ſchließen
ſich die Vorſchriften über das Verfahren bei Bil dung
von Genoſſenſchaften und über ihre Beaufſichtig ung.
Eine Muſterſatzung für Genoſſenſchaften iſt in der
Anlage enthalten. — Den Zwangsrechten, der Zu:
ſtändigkeit und den allgemeinen Verfahrens vorſchriften
find die SS 260—278 gewidmet. — Von befonderer
Bedeutung ſind die Vorſchriften über die Einrichtung
und Führung der Waſſerbücher (88 279—297), die
eine neue Einrichtung im bayer. Waſſerrecht bilden.
Die Waſſerbücher werden von den Diſtriktsverwaltungs⸗
behörden geführt; es ſind 4 Bücher: für Stauanlagen,
für Triebwerke mit geſpannter Waſſerkraft, für Be⸗
und Entwäſſerungsanlagen und für Zuführung von
Flüſſigkeiten. Die erſten drei Bücher beſtehen je aus
einem Buch für Eintragungen und aus einer Plan:
mappe als Beilage, das Buch für Zuführungen be:
ſteht nur aus dem Buch für Eintragungen. Ueber
Form und Inhalt der Eintragungen ſind Weiſungen
gegeben; von großem praktiſchen Werte werden die
Muſterbeiſpiele von Eintragungen fein, die eine An-
lage zu den Vollzugsvorſchriften bilden; Muſterpläne
für die Planmappe werden den in Betracht kommen—
den Behörden geſondert zugehen. — Die Vorſchriften
über die Art und Weiſe der Vornahme der regel:
fei es mit ſolchen (SS 113—155) — kommt die Unter⸗
ſcheidung des Geſetzes zwiſchen der waſſerpolizeilichen
Erlaubnis oder Genehmigung und der Möglichkeit
privatrechtlicher Verfügung über das Waſſer auch
mäßig wiederkehrenden Beſichtigung der Gewäſſer
(Waſſerſchau) ſind vorbehalten worden, wohl deshalb,
weil die Mittel für beſondere Sachverſtändige bei der
in den Vollzugs⸗Vorſchriften zum klaren Ausdruck.
Handelt es ſi
tum (öffentliche Gewäſſer und Staatsprivatflüſſe), ſo
müſſen Geſuche um Errichtung oder Aenderung von
Stau⸗ und Triebswerksanlagen allgemein, Geſuche
um wichtigere Anlagen (ohne Stauanlage) an öffent-
lichen Flüſſen, ſowie um Ausleitung aus Staats—
privatflüſſen zwecks Erholung der privatrechtlichen Er-
laubnis vor der Beſcheidserteilung dem Staatsmini—
ſterium des Innern vorgelegt werden. Hierdurch
wird auch ermöglicht, daß die Zentralſtelle von allen
derartigen Geſuchen Kenntnis erhält, die erforderlichen
Bedingungen feſtſetzen und die Ausführung nötigen-
falls von vornherein verhindern kann, wenn hier—
durch eine unwirtſchaftliche Ausnützung der Waſſer—
kräfte eines Fluſſes herbeigeführt würde oder wenn
die Waſſerkräfte, weil für den Staatsbedarf erforder—
lich, nicht abgegeben werden können. Der Ausbau
der vorhandenen Waſſerkräfte nach einheitlichen Ge—
ſichtspunkten wird hierdurch zweifelsohne gefördert.
(Eine Vorlage der Geſuche an das Miniſterium zwecks
Erteilung prinzipieller Weiſungen fand in eingeſchränk—
terem Maße ſchon bisher nach der aut. MinE. vom
30. Dezember 1890 ftat. — Im Ausgleichsverfahren
(SS 156—162) foll der bei der Benützung der Privat-
flüſſe oft vorkommenden Mißwirtſchaft, beſtehend in
nutzloſer Waſſerverſchwendung oder in einer willkür—
lich ungleichmäßigen Ausnützung des Waſſers ent—
gegengetreten und eine tunlichſte Ausgleichung der
gegenüberſtehenden Intereſſen (Landwirtſchaft, In—
duſtrie, Fiſcherei) herbeigeführt werden. Eingehende
Vollzugsvorſchriften waren hier um ſo mehr am
Platze, als hierbei (im Verwaltungsverfahren) in
Privatrechte eingegriffen werden kann. — Die Grund—
ſätze für die Erhebung der Gebühren für die Nutzungs—
gewährung und für die Zuführung von Flüſſigkeiten
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München. l
um die Benützung von StaatSeigen- |
Waſſerſchau erſt vom Landtag genehmigt werden
müſſen (vgl. Budget 1908/09, Etat 27, Ziff. III Kap. 6
§ 3). Hierdurch werden die Beſtimmungen über die
„Aufſicht über Privatflüſſe“ (SS 111—113) eine Gr-
gänzung erfahren. Die Schlußbeſtimmungen enthalten
zugleich auch Uebergangsvorſchriften, ſowie eine Auf⸗
zählung von Verordnungen und Bekanntmachungen,
die als aufgehoben zu gelten haben. Endlich werden
die Diſtriktsverwaltungsbehörden, Straßen- und Fluß⸗
bauämter, Wildbachverbauungsſektionen, amtlichen
Kulturingenieure ſowie die Kreisregierungen, K. d. J.,
beauftragt, die mit den Vollzugsvorſchriften gemachten
Erfahrungen zu ſammeln und ſchriftlich niederzulegen.
Die Kreisregierungen haben hierüber bis 1. Jan. 1911
zu berichten. — Neben den ſchon erwähnten Anlagen
liegen den Vollzugsvorſchriften ein „Verzeichnis der
öffentlichen Flüſſe in Bayern“ ſowie Pläne für das
neu eingeführte Höhenmaß bei Stau- und Triebwerks⸗
anlagen bei, das im Syſtem ſich zwar dem bisherigen
Eichpfahl anſchließt, deffen Herſtellung aber ſtatt in
Holz in Beton zu erfolgen hat und vorausſichtlich
bei gleicher Standhaftigkeit erheblich billiger in der
Ausführung ſein wird. — Die für die Auslegung des
Waſſergeſetzes und ſeinen Vollzug bedeutſame Mini⸗
ſterialbekanntmachung wendet fi in ihren Eingangs-
worten an die mit ihrer Anwendung befaßten Be
hörden mit dem Appell, an der Hand der Vollzugs⸗
vorſchriften dem Waſſergeſetz in Würdigung ſeiner
außerordentlich großen wirtſchaftlichen Bedeutung
mit der größten Sorgfalt, mit weitem Blick und mit
vollem Verſtändnis für die Wichtigkeit der Sache den
entſprechenden Vollzug zu ſichern.
1113
Eu
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K.Landgerichtsrat, verw. im Staats miniſterium d. Juſtiz.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
Münden, den 15. Jannar 1908. 1908.
Itilſhrift fi hrift für Rechtspflege
in Bayern
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer.
Staats minlſterlum der Juſtlz.
Die Zeitſchrift erf veint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Prels vlerteljäbrlich
Mk. . —. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und
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J. Jahrg.
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aa deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Die Vorabentſcheidung
über den Grund des Auſpruchs.
Von Reichsgerichtsrat Schneider in Leipzig.
Die jetzigen Rufe nach Abänderung der Geſetze
über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsſtreitig⸗
keiten find berechtigt, ſoweit fie auf Entlaſtung
der Obergerichte und einfachere Behandlung der
kleineren Sachen gehen. Im übrigen ſind ſie viel⸗
fach zu einſeitig. Unſere ZPO. iſt im ganzen ein
gutes Geſetz. Nicht ſelten werden jetzt Rechtsſtreitig⸗
keiten mit kleinen Beweiserhebungen trotz der zurzeit
leider unvermeidlichen Hinausſchiebung des reichs⸗
gerichtlichen Termins auf ungefähr ein halbes Jahr
von der Klageerhebung an bis zum reichsgericht⸗
lichen Urteil in 11/2 Jahren, manchmal in noch
kürzerer Zeit, gänzlich erledigt. Mehr kann auch
der Sieger kaum verlangen. Dem Unterliegenden
iſt meiſt jede Prozeßdauer zu kurz. Derartige,
ſeit den letzten Jahren bemerkliche Beſchleunigung
beweift die Güte der ZPO. im allgemeinen und
zugleich deren treffliche Handhabung durch ein⸗
mütiges Zuſammenwirken der Anwälte und Gerichte.
Nach richtiger Meinung kommt es namentlich bei
Prozeßgeſetzen mehr auf zweckmäßige Handhabung
als auf ihren mehr oder minder glücklichen Inhalt
an. Leider fehlt es an jener bisweilen, und —
auffallenderweiſe — beſonders häufig bei Be⸗
ſtimmungen, die zur Vereinfachung des Verfahrens
dienen ſollen. So wird die vom Geſetzgeber be⸗
abſichtigte, vielleicht allerdings nicht genügend ins
Werk geſetzte Wohltat zur Plage. Die SS 301
bis 304 ZPO. bringen hierfür betrübenden Beweis:
ſie ſollen vereinfachen, erleichtern, abkürzen, ſtatt
deſſen erſchweren, verwirren, verlängern ſie ſelbſt
bei richtigem Gebrauch vielfach das Verfahren.
Das Teilurteil nach 8 301 wird bei Rechtsmittel⸗
einlegung meiſt die Prozeßzeit verlängern, wenn
nicht verdoppeln. Dem Nutzen ſeiner vorläufigen
ſtellen.
Richter für ſein Endurteil die Hände, von dem
bedingten Zwiſchenurteil des § 461 Abſ. 2, einem
zum Glück totgeborenen Kinde, gar nicht zu reden.
Uebrigens könnten Zwiſchenurteile nach 88 303 und
304 oft durch Trennungsbeſchlüſſe nach $ 146,
vielleicht noch einfacher durch einen den Anwälten
bekannt gegebenen Bleiſtiftvermerk zu den Akten
erſpart werden. Ergibt ſich am Schluſſe der vor⸗
läufig beſchränkten Verhandlung und Beweis⸗
erhebung die Notwendigkeit des Eingehens noch
auf anderes, z. B. auf den leicht zu ermittelnden
Betrag, ſo kann dies einfach nachgeholt und mit
Endurteil die Sache abgetan werden.
Die Beſtimmungen in §8 301—304 geben
aber auch Anlaß zu Zweifeln und Verſtößen, die
zu Urteilsaufhebungen führen und ſo noch beſondere
Prozeßverzögerung verurſachen. Von den in JW.
1906 abgedruckten reichsgerichtlichen Zivilurteilen
(ungef. 660) beſchäftigen ſich 32, alſo 5 vom
Hundert, mit Streitfragen über die 88 301 — 304.
Die Erfahrungen in den Sitzungen einzelner Senate
werden kaum für eine niedrigere Verhältniszahl
ſprechen. Betrachtet man das ungeheure übrige
Rechtsgebiet, ſo muß man einen derartigen
Zeit: und Arbeitsaufwand auf ein paar neben:
ſächliche, eigentlich zur Vereinfachung beſtimmte
Geſetzesſtellen für meiſt unnötig veranlaßt und
nachteilig erklären.
Der Löwenanteil dieſes Zeit- und Arbeitsauf—
wandes trifft auf den § 304 in Verbindung mit
8 538 Ziff. 3, mit denen ſich nachſtehende Aug-
führungen beſonders beſchäftigen ſollen. Die Haupt:
ſchwierigkeiten bei dieſen Paragraphen ergeben ſich
daraus, daß 1. ihre Anwendungs⸗Vorausſetzungen
oft zweifelhaft ſind und daß 2. eine Trennung von
Grund und Betrag in vielen Fällen kaum möglich
iſt. (JW. 1903, 239). Der Verfaſſer verweiſt zu⸗
a auf unſere vortrefflichen Handbücher zur
SPO. und deren umfaſſende Angaben von Beleg—
Er will nicht vollſtändig alle Fragen be—
Vollſtreckbarkeit ſteht die Gefahr des $ 717 Abi. 2 handeln, ſondern nur an der Hand der neueren
ZPO. gegenüber. Für das Vorbehaltsurteil nach Rechtſprechung des RG. Winke über die aus
$ 302 gilt ähnliches. Das Zwiſchenurteil nach
53 304, 538 hervorgehenden wichtigſten Zweifels—
3303 vermehrt das Schreibwerk und bindet dem fragen geben und auf das Beſtreben hinwirken,
30
überall dort, wo nicht rechtlich einfache, dem Be-
trage nach aber umfangreiche Sachen vorliegen,
genaueſtens zu prüfen, ob die Trennung der Ent⸗
ſcheidungen zuläſſig iſt und ob ſie den Streitsteilen
und dem Gerichte irgendeinen Vorteil bringen kann.
Für die Geſetzgebung würde es ſich vielleicht
in Zukunft empfehlen, die Vorabentſcheidung nach
§ 304 nur auf übereinſtimmenden Antrag beider
Streitsteile zuzulaſſen; dieſe müſſen zunächſt am
beſten wiſſen, was ihnen frommt.
1. Allgemeine Vorausſetzungen der
Trennung der Entſcheidung.
Der Anſpruch muß nach Grund und Betrag
ſtreitig ſein. Dies iſt bei Klagen auf bloße Feſt⸗
ſtellung eines Rechtsverhältniſſes meiſt nicht der
Fall. Sollte ausnahmsweiſe die Feſtſtellungsklage,
obſchon fie einen Betrag nennt, zuläſſig fein, jo
gilt $ 304 auch für fie (JW. 1904, 119, 493;
1906, 67; R63. Bd. 8, 360). Es kommt vor,
daß vertragsmäßig, z. B. durch Satzungen einer
Verſicherungsgeſellſchaft, dem Gerichte nur die Ent⸗
ſcheidung über den Anſpruchsgrund überlaſſen iſt,
dann iſt das Urteil keine Vorabentſcheidung, ſondern
Endurteil. (JW. 1900, 523).
Bei Leiſtungsklagen fragt es ſich, ob die ge⸗
forderte Leiſtung einen „Betrag“ zum Gegenſtande
hat, was insbeſondere beim Verlangen einer Menge
von Geldſtücken oder vertretbaren Sachen der Fall
iſt, auch bei der Löſchungsklage in beſtimmter Höhe.
(RG3Z. Bd. 56, 119; Bd. 60, 366; IW. 1900, 470).
Keinesfalls kann die Klage auf Herausgabe
einer nicht vertretbaren Sache, oder mehrerer ver-
ſchiedener ſolcher Sachen, auf Auflaſſung beſtimmter
Grundſtücke als Betragsklage gelten, auch dann
nicht, wenn dabei beſtimmte Geldpreiſe im Streit
find. (RGZ. Bd. 60, 366). Die zweifelhafte, in
RGZ. Bd. 54, 341 nicht verneinte Frage, ob die
Vorausſetzungen des 8 304 gegeben find, wenn
auf Anerkennung der Aufhebung eines Kaufver⸗
trags und zugleich auf Entgegennahme der Rück⸗
auflaſſung, auf Schuldbefreiung und Kauſſchillings⸗
rückzahlung geklagt iſt, läßt ein neueres Urteil
desſelben Senats (V 63/07 vom 14. Dezember 1907)
offen. (Vgl. auch RGZ. Bd. 49, 38).
Der Betrag muß in der Klage zahlenmäßig
beſtimmt angegeben ſein. Es wird manchmal —
wohl der Koſten nach § 92 Abſ. 2 ZPO. wegen
— beliebt, im Klagantrag die Betragsfeſtſetzung,
ſei es ganz oder über eine gewiſſe Grenze hinaus,
vorzubehalten oder dem richterlichen Ermeſſen zu
überlaſſen. Dies genügt, namentlich, ſoweit gar
kein Betrag bezeichnet ift, nicht für § 304. (RG3.
Bd. 56, 120; JW. 1903, 313; 1904, 119, 493;
1905, 178, 201, 229, 399; 1906, 67, 469, 472).
Ein nicht angegebener Betrag kann nicht beſtritten
ſein. Ueber Grund und Betrag muß zugleich
Streit herſchen, iſt einer von ihnen zugeſtanden,
ſo fehlt es an einem Haupterfordernis für § 304.
(RG. Bd. 49, 38; JW. 1904, 415; 1905, 229).
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
Der Anſpruch muß mittelſt Klage oder Wider⸗
klage geltend gemacht ſein, über bloße Gegen⸗
forderungen gibt es keine Vorabentſcheidung nach
8 304, höchſtens Zwiſchenurteil nach 8 303. (RG3.
Bd. 49, 338; JW. 1904, 296 Nr. 22).
2. Vorverfahren für die
ſcheidung.
Dieſe braucht nicht von den Streitsteilen be⸗
antragt zu ſein. An ſolche Anträge iſt der hier⸗
bei nach freiem Ermeſſen handelnde Richter nicht
gebunden. Unnötig iſt es, daß das Gericht zuvor
getrennte Verhandlung nach $ 146 ZPO. ange:
ordnet hat. (RGZ. Bd. 10, 353; JW. 1898,
219; 1900, 439; R63. Bd. 8, 360).
3. Notwendiger Inhalt des Urteils über
den Grund des Anſpruchs.
Grundſatz iſt, daß die Sache durch die Vor⸗
abentſcheidung nach allen Seiten hinſichtlich aller
Klaggründe und Einwendungen ſo unterſucht und
feſtgeſtellt ſein muß, daß nur noch die Entſcheidung
über den Betrag übrig bleibt. (JW. 1901, 36;
1902, 421). Allein eine ſtrenge Durchführung
dieſes Grundſatzes iſt oft äußerſt ſchwierig, wenn
nicht unmöglich, wie oben ſchon erwähnt. (JW.
1900, 411; 1903, 239).
Kaum zweifelhaft iſt es, daß das Grundurteil
über jeden von mehreren Klaggründen (RG.
Bd. 45, 316) über ein behauptetes Geſamtſchuld⸗
verhältnis (Gruchot, Beitr. Bd. 47, 1167), die
Haftungsbeſchränkung des Beklagten auf eine be⸗
ſtimmte Sache (3. B. Schiff oder Ladung) oder
wegen feiner Erbeneigenſchaft (SS 716, 726 ff.
HGB.; § 780 ZPO.; RG. Bd. 61, 293) und
unbeſchadet etwa zuläſſigen Teilurteils über die
Frage, ob durch jede von mehreren Handlungen
ein Schade entſtanden iſt (Gruchot Bd. 37, 1243;
JW. 1895, 518), entſcheiden muß. Das Gleiche
wird für die behauptete Ausgleichung des Schadens
durch Nutzen, der Bereicherung durch Gegenbe⸗
reicherung anzunehmen ſein, denn nur ein etwa
verbleibender Ueberreſt iſt Schaden oder Bereicherung.
= im SächſArch. Bd. 12, 723; vgl. RG. Bd. 54,
137).
Vorabent⸗
Auch die Frage der Klagbefugnis und Beklagten⸗
rolle (Aktiv: und Paſſivlegitimation) gehört zum
Grund des Anſpruchs. (RG. Bd. 62, 337;
Bd. 64, 345. Abweichend IW. 1903 Beilage
S. 123 Nr. 272; 1906, 204 Nr. 24).
Noch ſchwieriger geſtaltet ſich die Sache in
folgenden Stücken. Eine Schadensurſache — und
um Schadenserſatzklagen handelt es ſich bei
8 304 am meiſten — aber auch ein Vertrag
können nach zahlreichen Einzelrichtungen hin wirken,
z. B. kann die unzuläſſige Zuführung nach 8 906
BGB. hunderte von einzelnen Sachen beſchädigen,
die Kreditbürgſchaft kann den Bürgen zur Zahlung
der verſchiedenſten Forderungen, die Nichtigkeit
eines Vertrags den Beſitzer zu vielerlei Rücker⸗
fea
——
ſtattungen verpflichten, die Erfüllung eines Auf: |
trags den Beauftragten zu allen möglichen Erſatz⸗
forderungen berechtigen. Streng genommen könnte
auch hier ein Grundurteil nur dann erlaſſen werden,
wenn die Berechtigung und Verpflichtung in bezug
auf alle Einzelheiten feſtgeſtellt wird. Anderſeits
betreffen aber dieſe Einzelfragen, wenn man den
eingeklagten Geldbetrag als Ganzes auffaßt,
dieſen Geſamt betrag, der fih je nach der
Entſcheidung über fie höher oder niedriger berechnet.
Hier iſt das Verfahren über Grund und Betrag
kaum trennbar und die Rechtſprechung hat ſich
überwiegend dahin entſchieden, daß in ſolchen
Fällen, insbeſondere bei Schadensanſprüchen, das
Grundurteil ohne Eingehen auf Einzelheiten nur
überhaupt feſtzuſtellen hat, daß irgendein Anſpruch,
ein Schaden entſtanden ift und trotz Gegen-
forderungen übrig bleibt. Die Unterſuchung über
die einzelnen Forderungsglieder (Faktoren) wird
dabei dem Betragsverfahren überlaſſen. Es genügt
wohl nicht, die bloße Möglichkeit eines Anſpruchs,
eines Schadens feſtzuſtellen, obſchon dies auch
ſchon ausgeſprochen wurde. (JW. 1903, 341;
RGZ. V 97/415 vom 14. November 1808
V 104/06 vom 10. November 1906;
1906, 26).
Auch die Entſcheidung über die Mitſchuld des
Klägers und das Bruchteilverhältnis der Mitſchuld
gehört ſtreng genommen in die Vorabentſcheidung.
($ 254 BGB.; RGZ. Bd. 53, 114; JW. 1904,
211, 448 Nr. 2). Anders in Ausnahmefällen,
wo z. B.
verfahren überlaſſen ſind, oder die Mitſchuldfrage
erſt nach Erlaſſung des Grundurteils auſtaucht
u. dgl. (JW. 1903, 291; U. RG. V 76/07
vom 30. Oktober 1907).
Der Streit, ob fortlaufende Jahresbeträge
(Renten) oder einmaliger Betrag (Kapital) zu
zahlen iſt, berührt zwar auch eng das Nachver—
fahren, ſoll aber im Verfahren über den Grund
des Anſpruchs entſchieden werden. (JW. 1906,
686 Nr. 7).
Auch alle Einreden, z. B. die der Wiederauf:
hebung des Vertrags, der Tilgung des Anſpruchs,
müſſen im Grundurteil erledigt werden. (Seuff.
Arch. Bd. 39 Nr. 254; Bd. 46 Nr. 227). Ein
jährlich wiederkehrender Fiſcherei⸗ oder Ernte:
Schaden kann zurzeit der Klageerhebung teilweiſe
verjährt ſein; die Vorabentſcheidung wird hier
nur den Erſatzanſpruch ſeit Ende der Verjährung
feſtſtellen dürfen. Wenn der Beklagte eine be—
rechtigte Zurückbehaltungseinrede z. B. gegen den
Auslagenerſatz fordernden Beauftragten erhebt,
kann und muß der Grund des Anſpruchs nur
mit entſprechender Einſchränkung feſtgeſtellt werden.
Zu den wichtigſten und häufigſten Einreden
gehört die Aufrechnung mit Gegenforderungen.
Man muß der Anſicht von Gaupp-Stein u. a.
beipflichten, daß die Geſetzgebung neben Vorab—
entſcheidung über die Klage zugleich Vorabent—
i
einzelne Forderungsglieder dem Nad:
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2. 31
ſcheidung über die Gegenforderungen hätte ge⸗
ſtatten ſollen. Denn ohne ſolche Befugnis muß
der Richter im Grundurteil doch weitlaͤufig dar-
legen, daß jedenfalls ein Ueberſchuß zugunſten des
Klägers verbleibt, alſo doch umfaſſende Beweis⸗
erhebungen und Berechnungen über den Betrag
vornehmen, die der § 304 eigentlich vermieden
wiſſen will. Aber nach dem beſtehenden Geſetz
ſind ſolche Weiterungen unvermeidlich. Es emp⸗
fiehlt ſich daher in derartigen Fällen beſonders
oft, von dem wenig nützenden § 304 überhaupt
keinen Gebrauch zu machen. Will man dies aber
doch, dann muß im Grundurteil die Aufrechnungs—
einrede gänzlich erledigt und ſeſtgeſtellt werden,
daß trotz ihres Vorbringens mit Gewißheit —
bei Schaden vielleicht nur mit hoher Wahrſchein⸗
lichkeit — für den Kläger ein Ueberſchuß ver-
bleibt. Dahin geht auch die faſt einmütige Recht⸗
ſprechung. (RGZ. Bd. 47, 416; JW. 1900, 439;
1901, 579, 616; 1903, 5; 1904, 364; 1905,
737; RG3Z. Bd. 52, 27).
Wenn einer an ſich ihrer Entſtehung und
Höhe nach vollkommen anerkannten Klageforderung
eine beſtrittene Gegenforderung in gleichem oder
höherem Betrag entgegengeſetzt wird, könnte man
überhaupt zweifeln, ob der Klageanſpruch nach
Grund und Betrag beſtritten ift, denn der Be-
klagte will nur mit Rückwirkung nach $ 389
BGB. den ganzen Klagegrund beſeitigen.
Solche Zweifel kommen auch in dem Rechtsfall
JW. 1904, 364 bei Zurückbleiben der Gegen:
forderung unter dem Klagebetrag zum Ausdruck.
Dann ſtünde die Anwendbarkeit des § 304 über⸗
haupt in Frage. Indeſſen muß man doch unter
„Beſtreiten“ ſowohl Klageverneinung als Einrede
verſtehen, ſich die Einrede der Aufrechnung in
zweiter Reihe auf Minderbeträge gerichtet denken
und in dieſem Sinne immer Grund und Betrag
als zugleich beſtritten erachten.
Daß eine trotz richterlichen Befragens zahlen:
mäßig nicht benannte Aufrechnungsforderung im
Grundurteil nicht berückſichtigt werden kann, ver—
ſteht ſich von ſelbſt. (RG. Bd. 52, 27).
Bisweilen wurde auch der Streit über die
Zeitdauer einer fortlaufenden Geldleiſtung, über
deren Beginn und Ende, als zum Grund des
Anſpruchs gehörig betrachtet. (RGZ. Bd. 64, 33).
Man ſcheint aber von dieſer Anſicht wenigſtens
in Einzelfällen zurückgekommen zu ſein. (JW. 1904,
575; 1905, 504; 1906, 710 Nr. 5; 1907, 366).
4. Aeußerliche Geſtaltung des Zwiſchen—
urteils nach § 304.
Es iſt nur ein Fall denkbar, daß dieſes
Zwiſchenurteil als Verſäumnisurteil ergeht. Dem
Beklagten gegenüber kann nämlich der Grund des
Anſpruchs dann durch Verſäumnisurteil für ge—
rechtfertigt erklärt werden, wenn zuvor das Ver—
fahren durch Beſchluß nach S 146 ZPO. getrennt
war. Dann kann gegen ihn Verſäumnisurteil
32
auf den Betrag noch nicht ergehen, weil er hierauf
nicht vorbereitet ſein konnte. Lag kein Trennungs⸗
beſchluß vor, ſo iſt das Verſäumnisurteil gegen
ihn nach Grund und Betrag zuläſſig, es iſt aber
dann kein Zwiſchenurteil; ebenſowenig liegt ein
ſolches vor, wenn der im Verfahren über den
Grund nicht erſcheinende Kläger mit der Klage
durch Verſäumnisurteil, wie notwendig, ganz ab-
gewieſen wird. (Vgl. RGZ. Bd. 10, 385).
Als Teilurteil kann die Vorabeniſcheidung er⸗
gehen, wenn ſie ſich auf eine ſelbſtändige, mit
andern Klagen nur äußerlich verbundene Klage
bezieht, vielleicht auch dann, wenn ſie einen von
mehreren Verpflichtungsgründen behandelt. (RGZ.
Bd. 51, 251; Bd. 58, 229; Gruchot Bd. 37, 1243;
JW. 1904, 415).
Auch wenn ſich Klage und Widerklage einfach
ohne gleichzeitige Aufrechnung von einer Seite
gegenüberſtehen, was ſelten vorkommen wird, oder
wenn die Klage oder die zugleich aufrechnende
Widerklage einen ſicheren Ueberſchuß ergibt, wird
Vorabentſcheidung durch Teilurteil nicht ausge-
ſchloſſen ſein. (JW. 1901, 616, 839). Im zu⸗
letzt angenommenen Falle iſt eigentlich das Er⸗
kenntnis, das den durch Aufrechnung gänzlich be-
ſeitigten einen Klaganſpruch ſofort abweiſt, das
Teilurteil. In anderen derartigen Fällen könnte
man freilich einwenden, daß Teilurteil gemäß
§ 301 nur bei Reife zur Endentſcheidung, was
das Grundurteil ja nicht iſt, zuzulaſſen ſei, und
überhaupt wird man bei derartiger Vermiſchung
von Urteilsarten beſonders vorſichtig zu prüfen
haben, ob ſie zuläſſig iſt, namentlich, ob nicht
doch ein innerer Zuſammenhang zwiſchen den ver⸗
ſchiedenen Anſprüchen beſteht, deren einen man
mittels Vorabentſcheidung erledigen will.
Einleuchtend und von Rechtslehre und Recht⸗
ſprechung anerkannt iſt es, daß die Vorabentſcheidung
auch durch Eidesleiſtung bedingt fein kann. (RG.
Bd. 42, 346. JW. 1901, 251). Vor Beginn
des Betragsverfahrens muß ſie aber rechtskräftig
und durch Eid oder Eidesverweigerung unbedingt
geworden ſein.
Die Vorabentſcheidung ſoll dieſes ihr Weſen
nicht dadurch verleugnen, daß ſie ſich wie ein
Endurteil ausdrückt, z. B. „verurteilt“, „Schadens—
erſatzpflicht feſtſtellt“, „den Vertrag für nichtig er—
klärt“, ſondern ſie bedient ſich am beſten der
Worte: „Der Anſpruch wird ſeinem Grunde nach
für gerechtfertigt erklärt“. (RGZ. Bd. 54, 341;
Bd. 56, 31 (35); Bd. 60, 313. JW. 1903, 387
Nr. 15).
Umgekehrt darf das Gericht, wenn es den
Klaganſpruch für unbegründet hält, nicht bloß
dieſe Unbegründetheit feſtſtellen, ſondern es muß
dann die Klage ſofort abweiſen. Dies iſt nicht
mehr Vorabentſcheidung ſondern reines Endurteil.
(JW. 1900, 249).
Daß das Grundurteil unter Umſtänden nach
Zeit und Art der Haftung eingeſchränkt werden
Zeitſchrift für 32 ZBenſchrift für Rechtöpflege in Bayern. 1908. Nr. 2. in Bayern. 1908. Nr. 2.
muß, iſt oben ſchon erwähnt, vielleicht empfiehlt
ih in dieſen Fällen mitunter Abweiſung des zu:
weit gehenden Verlangens durch Teilurteil. (RGZ.
Bd. 13, 401. JW. 1900, 828).
Keinesfalls darf das Grundurteil über die
Forderung des Klägers hinausgehen, es darf z. B.
bei abſichtlicher Klageinſchränkung die Schadens:
erſatzpflicht nicht weitergehend für gerechtfertigt
erklären, als fie geltend gemacht tft. (RG. Bd. 60,
313. JW. 1905, 284).
Eine Koſtenentſcheidung darf das nach § 304
erlaffene Zwiſchenurteil, da es kein wahres End:
urteil ift, nach $ 91 ZPO. nicht enthalten.
5. Das Nachverfahren über den Betrag.
Nach § 304 Abſ. 2 kann die Vorabentſchei⸗
dung mittels Rechtsmittels angefochten werden.
Geſchieht dies nicht, oder hat das Rechtsmittel
keinen Erfolg, ſo erlangt ſie Rechtskraft einſchließ⸗
lich ihrer etwaigen Fehler. Im Nachverfahren
kann nicht mehr an dem Grund des Anſpruchs,
ſoweit er rechtskräftig feſtſteht, gerüttelt werden.
Wohl aber kann ſich das Betragsverfahren mit
den ihm nach Obigem zuläſſiger⸗ oder doch rechts⸗
kräftigerweiſe freigelaſſenen Fragen (z. B. mit der
Schadenserſatzpflicht im einzelnen, mit der Dauer
der Zahlung ꝛc.) noch beſchäftigen.
In entſprechender Anwendung des § 767 ZPO.
müſſen aber im Nachverfahren jedenfalls auch die
Einwendungen (3. B. der inzwiſchen erfolgten Til⸗
gung, des Vergleichs, des Wegfalls der Erſatz⸗
oder Unterhaltspflicht) zugelaſſen werden, die erſt
nach Erlaß des Grundurteils entſtanden ſind.
(JW. 1903, 291 und die dort angezogenen Stellen).
Die Rechtſprechung läßt auch Klagerweiterung
im Nachverfahren zu, jedoch mit der ſelbſtver⸗
ſtändlichen Einſchränkung, daß das Grundurteil
noch nicht Rechtskraft für ſie geſchaffen hat, daß
alſo über ihren Grund im Nachverfahren neu ver⸗
handelt werden muß. (RG. Bd. 63, 195).
Auch im Verfahren über den Betrag ſind
Verſäumnisurteile möglich. Der nicht erſchienene
oder nicht verhandelnde Kläger wird mit der
ganzen Klage abgewieſen, der Beklagte bei Ver⸗
ſäumnis zum verlangten Betrag, ſoweit dies Ver⸗
langen ſchlüſſig, verurteilt. Bisherige Geſtänd⸗
niſſe, Beweiserhebungen und Zwiſchenurteile kom men
nicht in Betracht, die Vorabentſcheidung ſelbſt zu⸗
gunſten des Klägers nur, wenn er verhandelt,
nicht wenn er ausbleibt. ($$ 330—332 ZPO:;
RG. im Rhein Arch. Bd. 75 III 164 [172]).
Sehr zweifelhaft iſt es, ob trotz Grundurteils
und ohne neue zuläſſige Einwendungen im Be⸗
tragsverfahren die Klage gaͤnzlich abgewieſen
werden kann. Sicher iſt, daß ein derartiges Er—
gebnis höchſt unerfreulich ſein wird und daß ſich,
wie an einem neueren Beiſpiel dargelegt werden
könnte, ein Kläger, der im Grundverfahren rechts⸗
kräftig geſiegt hat, im Nachverfahren aber gänz⸗
lich unterliegt, fein Lebenlang über diefe Redt-
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
ſprechung kaum beruhigen wird. Dennoch wird
ein ſolches Ergebnis für möglich erachtet, wenig⸗
ſtens bei Schadenserſatzklagen. Der Richter ent⸗
ſcheidet im Grundurteil gemäß § 287 ZPO. nach
freiem Ermeſſen, ob ein Schaden entſtanden iſt,
er darf und muß dabei häufig die hohe Wahr⸗
ſcheinlichkeit, „den gewöhnlichen Lauf der Dinge“,
der Gewißheit gleichſetzen.
kann dieſe hohe Wahrſcheinlichkeit abgeſchwächt
ein Schaden (Beläftigung, Gefährdung u. dgl.),
aber kein Vermögensſchaden entſtanden iſt.
(Bol. RG. in BayziR. 1907, 496). Ueber:
haupt wird der $ 304 mitunter, wenn auch nicht
unbedenklich, dahin ausgelegt, daß er unter dem
Grund der Klage mehr nur die Schadenserſatz⸗
pflicht, als die Schadens entſtehung begreift.
(RG. Bd. 59, 427). In ſolchen Fällen wird
man das erwähnte bedauerliche Ergebnis kaum
vermeiden können, obſchon die Frage immerhin
ſehr zweifelhaft bleibt. (JW. 1898, 141; 1899, 35).
Dagegen wird man Gleiches für andere Fälle
z. B. Rechnungsſachen über langjährige Waren⸗
lieferungen oder Auslageforderungen eines Beauf—
tragten u. dgl. verneinen müſſen. Hier kann und
muß der Richter über den Grund des Anſpruchs
dahingehende Gewißheit haben, daß nach dem
bewieſenen Sachverhalt und trotz aller Gegenein⸗
wendungen ſicher ein Mindeſtbetrag für den Kläger
übrig bleibt. Unter dieſen Betrag kann das Be⸗
tragsurteil kaum herabgehen. In ſeiner Höhe iſt
dann das Grundurteil eigentlich ſchon Betrags⸗
Im Nachverfahren
33
die gegen das Betragsverfahren abermals eintreten
können.
6. Das Verfahren in den höheren
Rechtszügen.
Gelangt das Zwiſchenurteil an das obere Gericht,
fo muß dieſes zunächſt fein Weſen, ob es Teilurteil,
einfaches Zwiſchenurteil nach § 303 oder richtiges
Grundurteil nach 8 304 ift, prüfen. N Dieſe Unter⸗
werden, es kann ſich auch herausſtellen, daß zwar ſuchung iſt, wie Hunderte von Beiſpielen ergeben,
urteil ohne Verurteilung, es muß ſchon eine aͤhn⸗
liche Rechnung machen, wie das letztere, woraus
wieder zu entnehmen, wie unmöglich eine ſtrenge
Trennung und wie zweifelhaft das vermeintliche
Vereinfachungsmittel des § 304 ift. Es kann zu
doppelter Arbeit führen.
Der Abſatz 2 des § 304 geſtattet zwar, trotz
häufig notwendig und meiſt ſehr ſchwierig Die
Urteilsarten werden eben oft verwechſelt und ver⸗
miſcht und da das Zwiſchenurteil nach § 303 mit
Rechtsmitteln nicht angreifbar, das Teilurteil hin-
ſichtlich der Zurückverweiſungsfrage ꝛc. vom Grund⸗
urteil verſchieden iſt, muß jene Prüfung immer
eintreten. Nicht ohne Schwanken hat ſich die Recht⸗
ſprechung dafür entſchieden, daß das Weſen eines
Urteils nach ſeinem ſachlichen Inhalt, nicht nach
der Bezeichnung oder dem bloßen Willen des er-
laſſenden Richters beurteilt werden muß, wenn
auch die letzterwähnten beiden Umſtände bei der
Auslegung nicht ganz unberückſichtigt bleiben können.
(JW. 1900, 852; 1901, 839/14; 1906, 26; RGB.
Bd. 42, 349, 395; Bd. 54, 341; Bd. 58, 229).
Nimmt das Obergericht Grundurteil als ge⸗
geben an, ſo tritt es in deſſen ſachliche Prüfung
ein, findet es den Anſpruchsgrund nicht gerecht⸗
fertigt, ſo weiſt es die Klage durch Endurteil
ohne (zweckloſe) Zurückverweiſung nach $ 538 Ziff. 3
ab, erachtet es aber auch den Anſpruch für be⸗
gründet, ſo weiſt es das Rechtsmittel zurück unter
Zurückverweiſung der Sache wegen des noch nicht
an das Obergericht gelangten (devolvierten) Be⸗
tragsverfahrens an das Untergericht. Dies war
ſchon in $ 500 Ziff. 3 der urſprünglichen ZPO.
vorgeſchrieben. Die neue ZPO. 8 538 Ziff. 3 geht
noch nicht eingetretener Rechtskraft des Zwiſchen⸗
urteils das Betragsverfahren zu beginnen und es
ift wenigſtens denkbar, daß während des Schme:
bens des Grundurteils in den höheren Rechts—
zügen, etwa nach Anfertigung von Abſchriften der
wichtigeren Aktenbeſtandteile, über den Betrag
verhandelt und Beweis erhoben und dadurch —
günſtigenfalls — viel Zeit erſpart wird. Aber
dieſe Arbeit kann dann völlig nutzlos werden,
wenn das Grundurteil vom höheren Gericht auf—
gehoben, von ihm die Klage abgewieſen wird.
Angeſichts dieſer Gefahr wird kaum jemals ein
Untergericht ſich jener Arbeit vorzeitig unterziehen,
und ſo wird ſelbſt ein durchaus richtig durchge—
führtes Verfahren nach § 304 felten zur Ab—
kürzung, faſt immer zur Verlängerung des Rechts—
ſtreites führen. Zwar erfordert die Betragsver—
handlung bei Nichttrennung des Verfahrens un-
gefähr die gleiche Zeit wie bei Trennung, im letz⸗
teren Fall kommen aber die Rechtsmittelfriſten und
das Schweben vor den höheren Gerichten dazu,
aber weiter, fte verlangt ſolche Zurückverweiſung
auch dann, wenn der erſte Richter die nach Grund
und Betrag beſtrittene Klage ganz abgewieſen hat
und der zweite fie dem Grunde nach für geredjt:
fertigt hält. Es ift dies zwingende Vorſchriſt
und ſogar zweifelhaft, ob die im Urteilsſatze über⸗
ſehene Zurückverweiſung in den Entſcheidungs—
gründen oder durch Berichtigungsbeſchluß nach—
geholt werden kann. (JW. 1900, 659; 1902,
129, 93; RG. Bd. 47, 366; U. RG. V
500/02 vom 22. April 1903). Letzt bezeichnetes
Urteil hält Zurückverweiſung in den Gründen für
genügend. Für den Geſetzgeber konnte und kann
es ſehr fraglich fein, ob der Nutzen, daß für den Be-
trag immer zwei Rechtszüge gewahrt bleiben,
durch den Nachteil weiterer Streitverwicklung und
Streitverlängerung nicht ausgeglichen wird? In
einer ſchwierigen, durch Zwiſchenurteil und teilweiſen
Erfolg der Rechtsmittel noch verwickelter gewor—
denen Rechnungsſache über gegenſeitige Heraus—
zahlungen nach Wandelung eines Grundſtückskaufs
berechnete ſchließlich das Berufungsgericht nach
fünfjähriger Streitdauer in den Entſcheidungs—
34
gründen feines Grundurteils einen beſtimmten
Ueberſchuß für den einen Streitsteil. Das Qand-
gericht, an das die Sache wegen des Betrags
zurückging, konnte nichts beſſeres tun, als ſich jene
Gründe anzueignen und den in ihnen berechneten
Betrag zuzuerkennen. Waren dazu zwei Rechts—
züge nötig?
Vollkommen freie Hand, ſelbſt und vollſtändig
zu entſcheiden, hat das Berufungsgericht nur, wenn
ſchon der erſte Richter nach Grund und Betrag
entſchieden und einen beſtimmten Betrag zuerkannt
hat. In dieſem Falle darf es auch (leider?)
ſelbſtändig das Grund- und Betragsverfahren von
einander trennen, was zu tun der erſte Richter
vielleicht aus Zweckmäßigkeitsgründen unterlaſſen
hatte. Das Betragsverfahren hat dann das Be⸗
rufungsgericht ſelbſt durchzuführen.
Obwohl der § 538 Ziff. 3 ganz allgemein
bei Klagabweiſung des erſten Richters Zurück⸗
verweiſung an ihn beſtimmt, iſt ſolche doch in
Einzelfällen ausgeſchloſſen oder doch nicht notwendig.
Selbſtverſtändlich weiſt der Berufungsrichter
einfach die Berufung zurück, wenn er gleich dem
Vorderrichter den Klagegrund nicht für gerecht⸗
fertigt erachtet.
Wenn der Betrag im erſten Rechtzug nicht
beſtritten war, der erſte Richter die Klage abge:
wieſen hat und vor dem Berufungsgericht erſt auch
der Betrag beſtritten wird, findet keine Zurück⸗
verweiſung ſtatt. (RG. Bd. 56, 186; JW. 1900,
784). Wenn wirklich neue Anſprüche (nicht bloße
Klageerweiterungen) ohne gegneriſchen Widerſpruch
im zweiten Rechtszuge vorgebracht werden, darf der
Oberrichter auch über ihren Betrag erkennen.
(RG3Z. Bd. 49, 38). Hat der erſte Richter abge:
wieſen, weil zwar die Entſchädigungspflicht aber
kein Schaden beſtehe, dann hat er in gewiſſem Sinne
auch ſchon über den Betrag erkannt, und braucht
der Berufungsrichter nicht zurückzuverweiſen, wenn
er einen Schaden für entſtanden erachtet. (?) (RGZ.
Bd. 59, 427). Iſt vom erſten Richter die nach
Grund und Betrag beſtrittene Klage nur wegen
einer von mehreren Einwendungen z. B. wegen
Verjährung abgewieſen worden, ſo findet, wenn
der Oberrichter dieſe Einwendung für unbegründet
hält, keine Zurückberweiſung wegen des Grundes
des Anſpruchs ſtatt, obſchon der Wortlaut des
$ 538 Ziff. 3 für ſolche zu ſprechen ſcheint; viel
mehr muß das Berufungsgericht über den ganzen
Grund der Klage entſcheiden und darf dann erft,
wenn es ihn für gerechtfertigt erklärt, die Sache
wegen des Betrags zurückverweiſen. (RGZ. Bd. 47,
366). Steht der an ſich unbeſtrittenen Klage eine
nach Grund und Betrag beſtrittene Widerklage
mit Aufrechnung entgegen und das Untergericht
hat die Klage ganz zugeſprochen, die Widerklage
ganz abgewieſen, ſo darf das Berufungsgericht,
wenn es die Widerklage für dem Grunde nach
berechtigt erachtet, nicht das Betragsverfahren ihret—
wegen allein zurückverweiſen und die Klage für
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
ſich zurückbehalten, ſondern es muß entweder
Klage und Widerklage in den erſten Rechtszug
zurückverweiſen, oder, wenn es für die eine Klage
einen Ueberſchuß berechnen konnte, inſoweit unter
Abweiſung der anderen Klage das Betragsverfahren
zurückverweiſen. (RG. Bd. 47,416; JW. 1902, 217.
Vgl. auch Simonſon, Gloſſen, Gruchot Bd. 46, 99).
Wenn im Falle hilfsweiſe geſchehener (even:
tueller) Klageverbindung der erſte Richter à den
Hauptklagegrund bedingt für gerechtfertigt erklärt,
b den Hilfsgrund abgewieſen hat, und der Be:
rufungsrichter billigt zu a, mißbilligt zu b, ſo
muß er wegen des Betrags zurückverweiſen.
(JW. 1901, 573).
Hat das Vordergericht den Anſpruch bedingt
oder unbedingt für gerechtfertigt erklärt, ohne,
wie notwendig war, die Gegenforderung zu be
rückſichtigen, ſo kann dies das Berufungsgericht
nachholen und ſo entweder zur Zurückweiſung der
Berufung oder zur Abweiſung der Klage gelangen.
Es kann aber auch nach ſeinem Ermeſſen wegen
Verfahrensfehlers nach $ 539 BPO. die Sache
zurückverweiſen. (JW. 1905, 737).
Das Urteil, wodurch der Berufungsrichter im
Gegenſatz zum abweiſenden Vorderrichter den
Grund der Klage für gerechtfertigt erklärt, iſt bei
gegebenem Beſchwerdebetrag reviſibles Endurteil,
an das nach eingetretener Rechtskraft der erſte
Richter und im Falle neuer Berufung auch der
zweite gebunden iſt. Eine Koſtenentſcheidung kann
es gleichwohl, da das Unterliegen des Beklagten
noch nicht endgültig feſtſteht, nach $ 91 ZPO.
nicht enthalten. Anderſeits hat ein die Berufung
gegen ein Grundurteil zurückweiſendes, bei Wert
von über 2500 Mk. ebenfalls reviſibles, Urteil
dem unterlegenen Berufungskläger nach $ 97 ZPO.
die Koſten aufzulegen.
Zwviliſtiſch Bemerkungen zum bayerischen
Vaſſergeſetz von 1907.
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg.
(Fortſetzung.)
IV. Der Gemeingebrauch.)
Gemeingebrauch iſt die einer ungezählten, aber
nicht unbegrenzten Vielheit von Perſonen zuſtehende
rechtliche Möglichkeit öffentliche Sachen beſtim—
mungsgemäß zu benützen. Der Katalog der dem
Gemeingebrauch freigegebenen Benützungsarten iſt
in dem Waſſerrechte der einzelnen Staaten ſehr
verſchieden; für Bayern zählt Art. 26 Abſ. I WG.
den Gebrauch des Waſſers durch Schöpfen mit
Handgefäßen, zum Baden, Waſchen, Tränken.
Schwemmen ſowie zur Eisbahn auf, erweitert aber
anderſeits den Begriff, indem auch die Privat—
1) Vgl. zum folgenden insbeſondere Regelsberger
Pandekten § 113.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
flüſſe und Bäche dieſen Benützungsarten unter:
liegen. Bei letzteren handelt es ſich alſo um eine
geſetzliche Eigentumsbeſchränkung oder Legats⸗
ſervitut. Dazu fügen Art. 29 die Benützung der
öffentlichen Flüſſe und ſtaatlichen Kanäle zur
Schiff⸗ und Floßfahrt und unter gewiſſen Ein⸗
ſchraͤnkungen Art. 31 ff. die Benützung der Trift⸗
gewäller zur Trift. Auch in dieſen Fällen handelt
es ſich wiſſenſchaftlich um Gemeingebrauch, ob:
ſchon das Geſetz den Ausdruck hier nicht anwendet.
Kein Gemeingebrauch im eigentlichen Sinne ſind
dagegen die im Art. 26 Abſ. II geregelten Be⸗
nützungsarten: Entnahme von Eis uſw. aus öffent⸗
lichen Gewäſſern und Staatsprivatflüſſen und die
im Art. 36 ff. geregelte Zuführung von Flüſſig⸗
keiten, ſog. Immiſſion. Das Weſen des Gemein:
gebrauchs gehört zu den beſtrittenſten Fragen,
ein Durchgehen der Literatur ergibt eine förmliche
Muſterkarte verſchiedener Anſichten. Gierke a. a. O.
erachtet den Gemeingebrauch als ein rein öffent⸗
liches Recht. „Seinem Inhalte nach iſt es kein
dingliches Recht und überhaupt kein Vermögens⸗
recht, ſondern ein publiziſtiſches Perſönlichkeitsrecht,
das ſich dem Gemeinweſen gegenüber in einem
poſitiven Anſpruch auf Gewährung des Mitge⸗
brauchs der öffentlichen Sache, allen andern Per⸗
ſonen gegenüber in dem negativen Anſpruch auf
Unterlaſſung jeder dieſen Mitgebrauch ſtörenden
Handlung äußert.“ (Aehnlich auch RG3Z. VI
162). Andere, wie Dernburg, (Pandekten I
§ 72 Anm. 7), erklären den Gemeingebrauch
als einen Ausfluß der Perſönlichkeit oder der
allgemeinen Freiheit, rechnen ihn jedoch dem
Privatrecht zu. Im ſchroffen Gegenſatz hierzu
haben Belter ($ 78 Beil. I), Regelsberger (8 113)
und Ihering in ſeinen verſchiedenen Schriften die
Anſicht vertreten, es handle ſich um ein privat:
rechtliches Sachenrecht eigentümlicher Art; die
betreffenden Sachen ſeien durch den Gemein—
gebrauch als Quaſiſervitut belaſtet, obſchon dieſer
Belaſtung eine entſprechende dingliche Berechtigung
nicht gegenüberſtehe; der Gemeingebrauch an der
Sache ſei im ganzen nicht Inhalt eines ſub—
jektiven Rechts; ein ſolches entſtehe erſt bei Störung
des Gemeingebrauchs. Auch dieſe Schriftſteller
müſſen jedoch zugeben, daß das Recht des Ein:
zelnen weder ein Vermögendrecht, noch übertrag—
bar, noch verzichtbar iſt. Dagegen ſucht Otto
Mayer in ſeinem „Deutſchen Verwaltungsrecht“
(II S 35—41) und im Archiv für öffentliches
Recht (XVI 38 ff.) die früher ſchon von ihm für
17) Die von Seydel I. Aufl. V 415, II. Aufl. § 331
Note 39 vertretene Anſchauung, daß entſprechend dem
Begriff der öffentlichen Gewäſſer jede Benützungsart er—
laubt ſei, die nicht ausdrücklich durch das Geſetz oder
auf Grund des Geſetzes geboten iſt, halte ich für das
neue WG. infolge der Streichung der Worte des Art. 1
WBG. „bilden ein zur allgemeinen Benützung be—
ſtimmtes Staatsgut“ nicht mehr für richtig. Die Ver—
mutung ſpricht jetzt nicht mehr für, ſondern gegen den
Gemeingebrauch (Art. 2).
——ñ— n — —— — — —— —— ——— —— U—— — — —— — — — — — —yu— — —¼ — a
|
35
das franzöſiſche Recht aufgeſtellte Theorie, die
öffentlichen Sachen ſtünden gar nicht im Privat⸗
eigentum, ſondern im öffentlich-rechtlichen Eigen⸗
tum, der Gemeingebrauch gehöre daher gleichfalls
nur dem öffentlichen Rechte an, auch auf das
deutſche Recht auszudehnen. Wieder andere, ſo
beſonders Jellinek (Syſtem der ſubjektiven öffent⸗
lichen Rechte S. 70) bezeichnen die vermeintlichen
Rechte der Einzelnen auf Teilnahme am Gemein:
gebrauch als bloße Reflexwirkungen. Welche dieſer
Auffaſſungen für das gemeine deutſche Recht und
für das bayeriſche Recht, abgeſehen vom Waſſer⸗
recht, z. B. für das bayeriſche Wegerecht den Vor⸗
zug verdient, kann in dieſer nur dem Waſſerrecht
gewidmeten Abhandlung nicht erörtert werden.
Für das bayeriihe Waſſerrecht gilt aber meines
Erachtens folgendes. Das Verhältnis des einzelnen
Intereſſenten iſt ſtets ein doppeltes: einerſeits
ſteht er gegenüber dem Staat als Eigentümer
der öffentlichen Sachen — ausnahmsweiſe bei
Gemeingebrauch an Privatflüſſen den Eigentümern
dieſer — anderſeits den Mitintereſſenten. Das
Verhältnis zwiſchen den Intereſſenten und dem
Staate gehört dem öffentlichen, das Verhältnis
zwiſchen den Mitintereſſenten dem Privatrecht an.
In erſter Beziehung iſt jedoch zu bemerken, daß
das bayeriſche Recht den Intereſſenten keinen
Rechtsanſpruch auf das Fortbeſtehen der öffent⸗
lichen Sache überhaupt oder in ihrem bisherigen
Beſtand und demgemaͤß auch keinen Rechtsweg
eingeräumt hat. Der Intereſſent darf nur die
öffentliche Sache zum Gemeingebrauch benützen,
ſolange ſie als ſolche beſteht und wie ſie beſteht;
ſein ſogenanntes Recht iſt alſo nur Reflex der
öffentlich⸗rechtlichen Gebundenheit der Sache für
den betreffenden Zweck, daher kein ſubjektives
Recht im eigentlichen Sinne. Demgemäß er-
öffnet Art. 177 Ziff. a dem Einzelnen den Ver⸗
waltungsrechtsweg nicht zur Geltendmachung des
Gemeingebrauchs als ſolchen, ſondern nur zum
Streit darüber, ob ein Gewäſſer ein öffentliches
iſt, nicht etwa zur klageweiſen Geltendmachung
einzelner Arten des Gemeingebrauchs, z. B. des
Rechtes auf freie Schiffahrt. Dagegen beſteht ein
polizeirechtlicher Schutz des Gemeingebrauchs in—
ſofern, als nach Art. 26 Abſ. 1 des Gef. der
Gemeingebrauch im engeren Sinne durch polizei—
liche Vorſchrift, und nach Art. 29 Abſ. 1 und 2,
30 Abſ. 1 die Schiff- und Floßfahrt durch Schiff—
fahrts-, Floß⸗ und Kanalordnungen geregelt
werden kann. (Strafbeſtimmung in Art. 206).
Wird der Gemeingebrauch durch Handlungen
des Staates wirklich oder angeblich beeinträchtigt,
z. B. die Schiffahrt in einem öffentlichen Fluſſe
wegen Erbauung einer Brücke nach Meinung der
Intereſſenten übermäßig laug geſperrt oder durch
Strombauten eine angeblich der Schiffahrt nach—
teilige Aenderung des Flußlaufs veranlaßt, ſo
ſteht dem geſchädigten Intereſſenten eine Klage
gegen den Staat auf Unterlafjung oder Beſeitigung
36
der Störung nicht zu. Eine ſolche Klage dürfte
jedoch nicht als unbegründet — was ſie in Er⸗
manglung eines privaten Verbietungsrechtes frei⸗
lich auch iſt — ſondern wegen Unzuläſſigkeit des
Rechtswegs, weil gegen den Grundſatz der Ge⸗
waltenteilung verſtoßend, abzuweiſen jein!®). Eine
von der eben erörterten ſcharf zu ſcheidende,
nicht einfach gelagerte Frage iſt, ob und inwieweit
der Staat wegen Störung des Gemeingebrauchs
entſchädigungspflichtig iſt. Vorweg iſt dabei zu
bemerken, daß hier nur von ſchuldhafter Störung
in der Ausübung des Gemeingebrauchs durch
Handlungen oder Anlagen, nicht von ſeiner Auf⸗
hebung, z. B. durch Zuſchüttung eines Flußarms
die Rede iſt; die Aufhebung des Gemeinge⸗
brauchs erzeugt — f. oben IB. — kiinerlei
Erſatzanſpruch. Dagegen erwäge man folgendes,
dem Leben entnommene Beiſpiel: Vor etwa 15
Jahren baute der bayeriſche Staat in A. eine
Mainbrücke, deren Pfeiler zur Flußaxe nicht
parallel, ſondern im Winkel ſtanden; infolge
dieſer, wie ich wenigſtens hier annehmen will,
ſchuldhaft hergeſtellten Anlage ſcheiterten binnen
weniger Wochen ſechs Schiffe, von denen einige
ſogar durch den ſtaatlichen Lootſen begleitet waren.
Oertmann ($ 95 S. 410) bejaht die Erſatzpflicht
des Staates ohne nähere Begründung. Regels⸗
berger ($ 113 VII) erwähnt unſere Frage nicht
ausdrücklich, erklärt es aber für „einen Grundſatz
des heutigen Rechts, daß Schädigungen der Privat⸗
rechtsſphäre durch Maßregeln, die von den Be:
hörden im Intereſſe der Geſamtheit getroffen
wurden, von der Geſamtheit zu vergüten ſind“.
Letztere an Tit. 4 $ 8 der Verfaſſungsurkunde
erinnernde Bemerkung enthält wohl nicht ſo faſt
einen eigentlichen Rechtsſatz, als einen Rechtsge⸗
danken, der jedoch in der Rechtſprechung noch
keineswegs zu allgemeiner Anerkennung gelangt
iſt (ſ. auch Kober in Bl. f. RA. 61, 17). Für
einzelne Falle kann man nun die Frage dadurch
umgehen, daß man den Geſchädigten darauf ver—
weiſt, die nach Art. 60 AG. z. BGB. umge⸗
ſtaltete Syndikatsklage dem Staate gegenüber zu
erheben; in anderen Fällen aber wird, wenn
überhaupt die Verletzung einer Amtspflicht, fo doch
nicht das Beſtehen einer „einem Dritten gegen:
über“ obliegenden Amtspflicht nachzuweiſen, Art. 60
a. a. O. ſonach nicht anwendbar fein. Die römi⸗
ſchen Interdikte aber, geſetzt ſie ſeien überhaupt
noch anwendbar, worüber unten, können hier
nicht herangezogen werden, weil ſie ſich, zufolge
ihrer Entſtehung aus prätoriſchen Geboten und
18) Auch die von Meisner § 26 S. 186 vorge—
ſchlagene Beſchwerde an den Staatsrat iſt meines Er—
achtens wenigſtens für das neue Recht nicht zuläſſig,
da es an einer Rechtsverletzung mangelt. Für die von
Meisner weiter vorgeſchlagene Verfaſſungsbeſchwerde
an den Landtag gebricht es überdies an dem Vorhanden—
fein eines „konſtitutionellen Rechts“ (f. Seydel I. Aufl. IT
S. 276, II. Aufl. $ 114 Note 14 S. 500).
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Zettſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
Verboten, gegen den Staat ſelbſt nicht richten
können (a. M. Oertmann S. 409). Es fragt
fih daher, ob $ 823 BGB. in ſolchen Fällen
anwendbar iſt. Die Beantwortung dieſer Frage
fällt damit zuſammen, ob man die Handlung
des Staates, der bei Flußbauten und dergleichen
ja nicht etwa als privatrechtlicher Flußeigentümer,
ſondern in Ausübung der Staatshoheit handelt.
als eine „widerrechtliche“ anſieht. Dieſe Frage
möchte ich allerdings bejahen, da der Staat, in⸗
dem er den Gemeingebrauch, z. B. die Schiffahrt
im Geſetze ausdrücklich einräumt, damit auch die
Gewähr für Unterlaſſung einer unzuläſſigen Stö⸗
rung übernimmt, ſich daher auf die Ausübung
eines Hoheitsrechts zum Ausſchluß der Wider⸗
rechtlichkeit nicht berufen kann.
Was den Rechtsſchutz der Gemeingebrauchs⸗
intereſſenten unter ſich und zu dritten Privaten
anlangt, ſo enthielt das WBG. hierüber keine
ausdrücklichen Beſtimmungen und es herrſchte in
Theorie und Praxis Uebereinſtimmung dahin, daß
die Grundſätze der einzelnen bayeriſchen Terri⸗
torialrechte anwendbar ſeien. Abgeſehen von dem
preußiſchen Landrecht und dem franzöſiſchen Zivil⸗
recht kam faſt nur das gemeine Recht in Betracht,
an welches ſich das churbayeriſche Landrecht eng
anſchloß. An gemeinrechtlichen Inſtituten kamen
teils die in den Digeſtentiteln 43, 12—43, 14
aufgeſtellten ſogenannten Popular⸗Interdikte, teils
die actio injuriarum, in einzelnen Fällen auch
die operis novi nuntiatio, die cautio damni
infecti und das interdictum quod vi aut clam
in Betracht (j. die überſichtliche Zuſammenſtellung
bei Regelsberger § 114). Durch den Umſtand,
daß Art. 1 des AG. z. BGB. die vor 1818
entſtandenen Rechtsſätze des Waſſerrechts nicht aus⸗
drücklich vorbehielt, wurden dieſe formell beſeitigt,
was zu einer ziemlich verworrenen Rechtslage
führte. Die Anſchauung Meisners ($ 26 S. 189),
mit den Waſſergeſetzen ſeien die bisher zu ihrer
Ergänzung dienenden Rechtsquellen aufrecht er-
halten, wird von Oertmann ($ 95 S. 409) wohl
mit Recht abgelehnt. Man wird Oertmann bei-
pflichten müſſen, wenn man annimmt, daß die
Interdikte als ſolche weggefallen ſeien, daß
aber die Rechtsnatur des Gemeingebrauchs, be-
züglich deſſen Konſtruktion ich allerdings von
Oertmann abweiche, nicht geändert werden folte
und daß ſonach dem Geſchädigten Klagerechte
einzuräumen ſeien, welche nicht aus den Sätzen
des gemeinen Rechts, ſondern aus jenen des
Waſſerbenützungsgeſetzes abzuleiten ſeien. Mag
man fih aber zu dieſer Streitfrage des Ueber:
gangsrechtes ſtellen wie man will, jedenfalls ſind
nun die einſchlägigen römiſchen Inſtitute durch
Art. 211 WOA. beſeitigt; materiell find fie zum
Teil erſetzt durch die Beſtimmung des Art. 27,
wonach der Gemeingebrauch nur in der Weiſe
ausgeübt werden darf, „daß dadurch der Gemein—
gebrauch anderer oder die beſonderen Rechte Dritter
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
nicht gefaͤhrdet oder ausgeſchloſſen werden“, teils
durch die Beſtimmungen des BGB. über unerlaubte
Handlungen ($$ 823 ff.). Der Artikel 27 WG.
hätte freilich, da ſeine Grundſätze nicht nur für
den Gemeingebrauch nach Art. 26, ſondern auch
für jenen durch Schiffahrt, Floßfahrt und Trift
anwendbar find, eine andere Stellung im Geſetze,
am beſten als eigener Abſchnitt verdient. Einen
vollen Erſatz der römiſchen Normen geben in⸗
deſſen auch dieſe Beſtimmungen nicht: der Art. 27
grenzt nur den Rechtskreis der einzelnen Teil⸗
nehmer am Gemeingebrauch unter ſich ab und
ſchweigt über Störungen durch Nichtteilnehmer
und § 823 Abſ. 1 BGB.“) ift gegen den nicht
ſchuldigen Inhaber einer ſtörenden Anlage z. B.
eines zufällig geſtrandeten und Wrack gewordenen
Schiffes — Oertmann S. 409 — nicht anwend⸗
bar. In jenen Fallen, in welchen § 823 Abi. 1
und 2 nicht Platz greifen, dürfte jedoch gleich⸗
wohl nach dem allgemeinen Grundſatze, daß im
modernen Recht jeder geſetzlich anerkannte und
geſchützte Zuſtand auch einen gerichtlich verfolgten
Anſpruch gegen den Störer gewährt, eine lediglich
auf den den Gemeingebrauch beſtätigenden Be⸗
ſtimmungen unſeres Geſetzes aufgebaute Klage
einzuräumen ſein. Ihrem Weſen nach möchte
dieſe Klage nach der oben vertretenen Auffaſſung
vom Gemeingebrauch als einer bloßen Reflex⸗
wirkung, nicht als eine actio quasi negatoria
aufzufaſſen ſein, wie Bekker für das gemeine Recht
annimmt, ſondern als eine moderniſierte injuri—
arum actio generalis. Daß in manchen Fällen
eine Störung des Gemeingebrauchs, z. B. durch
Uebertretung einer Schiffahrtsordnung auch 8 823
zweiter Abſatz anwendbar ſein kann, wird keiner
näheren Ausführung bedürfen!“ .)
Neben den allgemeinen hier einſchlagenden
Beſtimmungen ſteht endlich als ein Inſtitut be—
ſonderer Art die Vorſchrift des Art. 59 AG. z.
BGB., (worüber zu vgl. Becher, Materialien
zu dem AG. z. BGB. I S. 399), und es be:
ſteht um fo mehr Anlaß auf dieſe Vorſchrift hinzu:
weiſen, als ihrer bei der Beratung des WG.
nur einmal gedacht wurde. Iſt eine Auflage
im Sinne des Art. 59 erfolgt, ſo ergeben ſich
für Verletzte Anſprüche, die zum Teil aus dem
Waſſergeſetze nicht zuſtünden. Unter jener Vor⸗
ausſetzung kann z. B., wie ſeinerzeit der Kgl.
Kommiſſär v. Jacubezky bei den Ausſchuß⸗
1% Die Klage aus § 823 kann übrigens nach Um-
ſtänden auch auf Unterlaſſung künftiger Störung und
wohl auch auf Beſeitigung einer beſtehenden Störung
oder Wiederherſtellung des früheren Zuſtandes gehen
(RG. 48, 118; 56, 286).
20) Vgl. über den Rechtsſchutz des Gemeingebrauchs
außer Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht S. 409 auch
desſelben Recht der Schuldverhältniſſe Note 3 h zu 8 823.
Dort wird mit Recht bemerkt, daß die Frage für die
verſchiedenen Bundesſtaaten — man denke an das von
dem bayeriſchen jo verſchiedene württembergiſche Waſſer⸗
recht — beſonders zu beantworten iſt.
37
verhandlungen ausführte, der einzelne Badende,
der ein öffentliches Freibad benützt, Schadenser⸗
ſatz verlangen, falls er durch den Betrieb einer
Fabrik körperlichen Schaden erleidet; man ſetze
z. B. den Fall, daß aus einer Sägemühle ſich
Baumſtämme losreißen oder daß aus einer Roß⸗
haarſpinnerei, was vorgekommen ſein ſoll, Milz⸗
brandbakterien in das Waſſer gelangen. Aus
Art. 37 Abſ. 5 WG. würde der Badende hier
keinen Anſpruch haben, weil er nicht „Berechtigter“
an dem Waſſer iſt (ſ. hierüber die Erklarung des
Miniſters v. Feilitzſch Anhang S. 181) und
eine unerlaubte Handlung im Sinne des BGB.
wird ſich in ſolchen Faͤllen oft nicht erweiſen
laſſen. Die oft praktiſche und ſeinerzeit im Aus⸗
ſchuß der K. d. A. erörterte Frage, ob eine
Gemeinde, wenn ein von ihr errichtetes öffent⸗
liches Bad durch Zuführung ſchaͤdlicher Stoffe
unhaltbar gemacht wird, aus Art. 59 ein Recht
auf Schadenserſatz ableiten kann, wurde durch v.
Jacubezky mit gewiß zutreffenden Gründen ver:
neint; auch Art. 37 Abſ. 5 WG. ſteht ihr nicht
zur Seite, da die Gemeinde, welche ein öffent⸗
liches Freibad ſchafft, damit nicht im Sinne des
Art. 37 V am Waſſer berechtigt wird. Anders
laͤge die Frage bei Privatbadeanſtalten.
Schluß folgt.)
Bemerkungen zu dem Entwurfe
einer Kirchengemeindeordnung für Bayern.
Von Dr. A. Durmaher, Regierungsakzeſſiſt in Speyer.
1. Weſen der Kirchengemeinde.
Der Entwurf einer Kirchengemeindeordnung
nennt die Kirchengemeinden „rechtsfähige organi⸗
ſierte Beitragsverbände“. Er führt damit in das
bayeriſche öffentliche Recht eine bisher noch nicht
zur Anwendung gebrachte Terminologie ein.
Der Name: „rechtsfähige organiſierte Beitrags⸗
verbände“ erweckt nun den Anſchein, als ob es
ſich materiell um Geſellſchaften mit bloß äußerer
formeller Rechtsfähigkeit handle (zu vgl. Meurer,
Die juriſtiſchen Perſonen nach deutſchem Reichsrechte
S. 72 ff.). Man vergleiche auch die Faſſung in
Abſ. II Art. 1 des Schulbedarfsgeſetzes, wo der
zuſammengeſetzte Schulſprengel, der Geſellſchafts—
charakter hat, als eine Vereinigung politiſcher Ge—
meinden zur Aufbringung des Bedarfs der öffent—
lichen Volksſchulen bezeichnet wird. Insbeſondere
aber im Hinblick darauf, daß auch die Geſamt—
kirchengemeinden in gleicher Weiſe wie die Einzel—
kirchengemeinden dem fraglichen Begriff unterge—
ordnet werden, dürfte eine ſchärfere Faſſung er:
wünſcht ſein. Denn bei den Geſamtkirchengemeinden
könnte de lege ferenda ſehr wohl eine Regelung
der Art in Frage kommen, daß dieſe Vereinigungen
38 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Nr. 2.
l
-OÈ o o
materiell als Geſellſchaften mit bloß formeller Rechts⸗
fähigkeit ausgeſtaltet würden. Bei dem vorliegen⸗
den Entwurfe aber kann, ſowohl was die Einzel⸗
kirchengemeinden als was die Geſamtkirchenge⸗
meinden anlangt, kein Zweifel beſtehen, daß es
ſich um juriſtiſche Perſonen, nicht um Geſellſchaften
handelt. Die Kirchengemeinden ſind nicht bloß
Vereinigungen mit ſelbſtändigen Rechten und
Pflichten nach außen; auch nach innen liegt
nicht Anteilsberechtigung der Gemeindemitglieder
an dem Gemeinſchaftsvermögen vor; die Gemeinde⸗
mitglieder haften für die Schulden der Vereinigung
nicht perſönlich; die Mitgliedſchaftsſchulden ſind
Schulden der Mitglieder an den Verband als ein
von ihnen verſchiedenes Rechtsſubjekt.
Was die Geſamtgemeinden anlangt, ſo wäre
es allerdings wünſchenswert, wenn in Art. 3 und
Art. 18 die Wendungen: „gemeinſames Ver⸗
mögen“, „gemeinſame Deckung von Kirchenbe⸗
dürfniſſen“, „allgemeine Umlagen gemeinſchaft“
nicht gebraucht würden. Denn die Gemeinſchaft
hat immer als der Gegenſatz der juriſtiſchen
Perſon gegolten. Der 1 aber faßt unter
dem Wort „gemeinſam“ zwei Dinge zuſammen,
die beide nichts mit der Geſellſchaft zu tun haben.
Wenn er von „gemeinſam zu deckenden Kirchen⸗
bedürfniſſen“ ſpricht, ſo meint er nicht Geſellſchafts⸗
vermögen und Geſellſchaftsſchulden, uicht anteils⸗
mäßiges Vermögen der Glieder der Geſamt⸗
gemeinde, ſondern die Schaffung eines Sonder-
vermögens und die Deckung von Sonder—
ſchulden der Geſamtgemeinde als eines ſelbſtändigen
Rechtsſubjekts. „Gemeinſames Vermögen“ will
zum Teil dasſelbe ausdrücken, zum Teil aber
iſt hierunter fremdes Vermögen zu verſtehen,
das weder Eigentum der Geſamtgemeinde noch
Eigentum ihrer Mitglieder iſt, ſondern als Ver⸗
mögen einer ſelbſtandigen Stiftung lediglich der
Verwaltung der Geſamtgemeinde überwieſen iſt,
oder Vermögen, das als Vermögen der Einzel-
gemeinden, ohne einer Vergeſellſchaftung unterworfen
zu werden, ebenfalls nur der Verwaltung der
Geſamtgemeinde unterſtellt wird. Wenn in dieſen
letzteren Fällen eine allgemeine Umlagengemein⸗
ſchaft nach Art. 18 Abſ. II nicht hinzutritt, ſo iſt
Lebenszweck der Geſamtgemeinde lediglich die Ver⸗
waltung fremden Vermögens (Entwurf
Art. 18 Motive S. 76 ff.). Hier iſt noch
darauf hinzuweiſen, das Art. 18 Abſ. J Ziff. 1,
wenn er die Laſten des „gemeinſamen“ Vermögens
der Geſamtgemeinde überweiſt, nur die Laſten
ihres Sonder vermögens, nicht aber die Laſten
des ihrer Verwaltung anvertrauten fremden
Vermögens im Auge haben kann.
Wäre übrigens die Geſamtgemeinde nach dem
Entwurfe als Geſellſchaft mit formeller Rechts—
fähigkeit gedacht, ſo wäre es doppelt mißlich, ſie
mit den juriſtiſchen Perſonen der Einzelgemeinden
unter die gemeinſame Definition des Art. 1 Abſ.!
zu bringen.
Die Faſſung des Entwurfs, Art. 1, iſt De⸗
finition eines Begriffes, hier des Korpo⸗
rationsbegriffes, die grundſätzlich vermieden zu
werden pflegt, wie die Motive S. 62 unten ſelbſt
ſagen; mit wie gutem Recht, zeigt ſich auch hier.
Denn abgeſehen von dem eben Geſagten iſt auch
der Name „Beitrags verband“ nicht ein⸗
wandfrei. Einmal: Jeder Verband iſt Beitrags⸗
verband; denn in jedem rechtsfähigen Verband
haften die Mitglieder dem Verbande für ſeine
Schulden, fie find alfo, zum mindeſten ſubſidiär,
beitragspflichtig. Dazu kommt noch weiter, daß
das Wort Beitragsverband hier eine Tautologie
verſchuldet: Das gleiche iſt ſchon durch den Paſſus
„Verband zur Befriedigung der örtlichen
Kirchenbedürfniſſe“ zum Ausdruck gebracht. Be⸗
friedigung von Bedürfniſſen heißt: Hingabe von
Geld zur Deckung der Bedürfniſſe, aber ebenjo:
ſehr die Herbeiſchaffung der Geldmittel. Das
letztere vollzieht ſich in einem Verband durch
Beitragserhebung. Fern er: Die Kirchengemeinden
ſind nicht bloß Beitragsverbände, ſondern auch
Genußverbände, wie jeder rechtsfähige Verband;
es gibt keine Verbandsmitgliedſchaft, die lediglich
aus Pflichten beſteht. Die Kirchengemeindemit⸗
glieder haben ein Recht gegen die Kirchenge⸗
meinde auf Anerkennung ihrer Mitgliedſchaft
und Anſpruch auf Befriedigung ihrer Intereſſen
in der Zugehörigkeit zur Gemeinde, beſtehend in
dem Recht auf Beobachtung der geſetzlichen Vor⸗
ſchriſten durch die Organe der Gemeinde, auf
ordnungsgemäße Beſchlußfaſſung in der Kirchen⸗
gemeindeverfammlung, Wahl: und Stimmrechte,
das Recht auf Erfüllung der Aufgaben der Ge-
meinde durch dieſe (Entw. Art. 81, Art. 96,
Motive zu Art. 81, Art. 74 arg. aus Abſ. IV:
„nur“). Hier überall ſind ſubjektive Rechte der
Gemeindemitglieder gegeben. Ja der Entwurf
ſieht ſogar Fälle vor, in welchen die Beitrags⸗
pflicht gänzlich in den Hintergrund gerückt iſt:
bei den Geſamtgemeinden ohne allgemeine Um—
lagengemeinſchaft dann nämlich, wenn die Ge:
ſamtgemeinde lediglich die Aufgabe hat, fremdes
Vermögen zu verwalten (Art. 18 Abſ. I Ziff. 1)
und lediglich der Verwaltungsaufwand aufzu⸗
zubringen iſt; hier überwiegen die übrigen
Mitgliedſchaftspflichten (z. B. die Verwaltungs:
pflichten) und die Mitgliedſchafts rechte voll
Ron (Motive zu Art. 3 und zu Art. 18
Abſ.
Der Grund für die beſondere Terminologie
des Entwurfs war wohl der, ſchon in dem Be
griffe der Kirchengemeinde feſtzuſtellen, daß die
inneren Kirchenangelegenheiten nicht zu ihrem
Bereiche gehören, „daß die Kirchengemeinden im
Sinne des Geſetzes es ausſchließlich mit ſolchen
Angelegenheiten zu tun haben, die auf dem Ge—
biete der Befriedigung der Ortskirchenbedürfniſſe
und der Verwaltung des Ortskirchenvermögens
liegen“ (Motive S. 58). Aber die Begrenzung
Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Rr. 2... Ə für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
des Wirkungskreiſes der Kirchengemeinde
ſchon zur Genüge in dem Zuſatz: „mit der Auf
gabe der Befriedigung örtlicher Kirchenbedürf⸗
niſſe“ zum Ausdruck gebracht uud durch Abſ. III
bzw. IV noch weiter unbezweifelt gemacht.
Wenn nun in dieſer Richtung die Faſſung des
Art. 1 zu weit ausholt, ſo iſt es um ſo weniger
veranlaßt, daß die zweite Hälfte des Begriffes der
Kirchengemeinde vollſtändig unterdrückt wird. Die
Kirchengemeinde iſt in Bayern nicht bloß Korpo⸗
ration, ſondern Korporation des öffentlichen
Rechts. Iſt dies abſichtlich nicht zum Ausdruck
gebracht? aus politiſchen oder juriſtiſchen Gründen?
Ich vermöchte keine ſolchen zu ſehen. Aus dem
Inhalt des Entwurfs erſchließt ſich mit hin⸗
reichender Deutlichkeit, daß der Entwurf die
Trennung von Staat und Kirche nicht einführen
will. Schon bisher beſtand, ſoweit überhaupt
die Exiſtenz einer Kirchengemeinde nach bayer.
Recht zugegeben wurde, kein Zweifel an ihrem
öffentlichrechtlihen Charakter. Die ME. v. 14.
Januar 1877 (Bl. f. adm. Pr. Bd. 28 S. 218)
nennt ſie öffentliche Verwaltungskörper und Rechts⸗
ſubjekte (ogl. ME. v. 29. Dezember 1839, Döllinger
XI S. 1314). Die Kirchengemeinden hatten
Umlagenrecht (vgl. Landtagsabſchied v. 1892)
und das Recht, Naturaldienſte anzuordnen (Meurer,
Kirchenvermögensrecht I S. 70 ff., Motive zum
Entwurf S. 68, 96). Ebenſo die Geſetzesvor⸗
lage. Auch nach ihr iſt die Kirchengemeinde
Herrſchaftsrechtsſubjekt mit korporativer Organi⸗
ſation, Selbſtverwaltungskörper. Das ergibt ſich
allerdings nicht aus den auf S. 59 Ziff. IV der
Motive zitierten Artikeln des Entwurfs. Denn
nicht auf Staatsaufſicht und Verwaltungsrechts⸗
weg kommt es an; dieſe können ſich auch gegen⸗
über Privatrechtsſubjekten und Privatrechten finden,
ſondern auf die Uebertragung ſtaatlicher Herr⸗
ſchaft zu eigenem Recht an die Korporation.
Selbſtverwaltungskörper und Korporation des
öffentlichen Rechts ſind identiſch. Nun ſteht
zwar den Kirchengemeinden keine Gerichts bar⸗
keit zu, und ob das Recht, Ortskirchenſatzungen
zu erlaſſen (Art. 14 Abſ. III x., Art. 54,
Motive S. 196) wirklich und in allen Fällen
Selbſtgeſetzgebu ngsrecht — Autonomie — ift,
kann im Rahmen dieſer Erörterung nicht geprüft
werden; aber es ſteht feſt, daß die Kirchenge⸗
meinden Verwaltungsbefehlsgewalt haben.
Sie haben auf dem Gebiete der köͤrperſchaftlichen
N das Recht, ihren Mitgliedern
Leiſtungen aufzuerlegen und zwangsweiſe von
ihnen beizutreiben: ſie erheben Umlagen (Art. 13
Abſ. II, Art. 20 ff.), erklären im Säumnisfalle
das Ausſtandsverzeichnis für vollſtreckbar und
vollziehen die Beitreibung (Art. 24); ſie ordnen
Naturaldienfte an (Art. 26) und treiben die für
anderweitige Leiſtung rückſtändiger Dienſte er⸗
wachſenen Koſten in gleicher Weiſe bei (Art. 106
Abi. VD. Ebenſo find die Gebühren für die
39
Benützung von Kirchengemeindeeigentum öffentlich⸗
rechtliche Leiſtungen, die nach Art. 24 beigetrieben
werden. Auch die Disziplinarbefugniſſe der Kirchen⸗
verwaltung und der Kirchengemeindebevollmächtigten
(Art. 82, Verhängung von Ordnungsſtrafen bei
Verſäumnis von Sitzungen) ſind Herrſchaftsrechte:
auf die Ordnungsſtrafen finden die Vorſchriften
über die Umlagen Anwendung (Art. 106 Abſ. VI).
All dies gilt nicht bloß für die Einzelkirchenge⸗
meinden, ſondern ebenſoſehr für die Geſamtkirchen⸗
gemeinde; Umlagen kommen bei letzterer nicht nur
in Frage, ſoweit eine allgemeine Umlagengemein⸗
ſchaft beſteht, ſondern auch dann, wenn die Ge⸗
ſamtgemeinde fih lediglich mit Vermögensver⸗
waltung befaßt. (Art. 18, Motive S. 127).
Sonach dürfte es ſich wohl empfehlen, ohne
Not von der bisher üblichen Terminologie nicht
abzugehen und Art. 1 Abſ. 1 ee zu
faſſen: „Die Kirchengemeinden n d
Körperſchaften des öffentlichen Rechts
mit der Aufgabe der Befriedigung der
örtlichen Kirchenbedürfniſſe“; oder
„welche den Zweck haben, für die Befriedigung der
örtlichen Kirchenbedürfniſſe Sorge zu tragen.“
2. Sonderrechte der Kirchengemeinden.
Die Beſtimmung in Art. 1 Abſ. II des
Entwurfs: „Die Kirchengemeinden genießen die
Vorrechte der öffentlichen Stiftungen“ könnte wohl
ohne Schaden in dieſer Form beſeitigt werden,
da ſie überwiegend nur zu Recht Beſtehendes
wiederholt und inſoferne ohne Bedeutung iſt.
Was Entſtehung der Kirchengemeinde, Ver⸗
waltung ihres Vermögens, Behandlung des Ver⸗
mögens nach Untergang der Gemeinde ꝛc. an⸗
langt, ſo trifft die Kirchengemeindeordnung ſelbſt
ausführliche Anordnungen, ſo daß inſoweit die
Anwendung des Rechtes der öffentlichen Stiftungen
nicht möglich iſt. Das gleiche gilt für Art. 8
Ziff. 35 des Geſ. über die Errichtung eines Ver⸗
waltungsgerichtshofes. Es bleibt alſo nur die
Frage der Veränderung des Stiftungszweckes
(Motive S. 71). Nach Verflurk. Tit. IV 8 10
darf das Vermögen der öffentlichen Stiftungen
ohne Zuſtimmung der Beteiligten nicht für andere
als ihre beſonderen Zwecke verwendet werden.
Die Anordnung des Kirchengemeindeentwurfs,
daß dieſe Verfaſſungsbeſtimmung analog anzu⸗
wenden ſei, iſt nicht nötig. Denn die Verfaſſungs⸗
beſtimmung findet nicht bloß analog, ſondern un⸗
mittelbar Anwendung. Wenn die VerfUrk. von
Stiftungs vermögen ſpricht, jo meint fie damit
nicht bloß das Vermögen der Stiftungen im
heutigen Rechtsſinne, im Gegenſatz zu dem der
Körperſchaften, ſondern auch das Vermögen der
letzteren, ſoweit es den drei genannten Zwecken qe-
widmet ift. Man vgl. $ 47 der II. VerfBeil.,
der nur eine Wiederholung von Tit. IV § 10
iſt und ganz allgemein das Kirchenvermögen nennt.
Es muß eben berückſichtigt werden, daß die Unter⸗
40
ſcheidung der Stiftungen als bejonderer von den
Korporationen geſchiedener Rechtsgebilde erſt dem
Anfange des verfloſſenen Jahrhunderts entſtammt
(ſ. Meurer, Juriſtiſche Perſonen S. 5 ff., Gierke
Deutſches Privatrecht S. 636 ff.). Da es be⸗
kannt iſt, wie wenig prägnant im allgemeinen
die VerfUrk. fih ausdrückt, wäre es in dem
gegenwartigen Falle um ſo weniger am Platz, eine
engherzige Auslegung Platz greifen zu laſſen.
Anderſeits aber iſt es heute gar nicht mehr
tunlich, das Vermögen der Kirchengemeinden a us⸗
drücklich als Stiftungsvermögen zu behandeln,
da nun einmal heute die Scheidung zwiſchen
Korporation und Stiftung beſteht. Der Kreis
der „Beteiligten“ z. B., der ſeine Zuſtimmung
zu anderweitiger Verwendung des Vermögens zu
geben hat (VerflUrk. Tit. IV 8 10) ift bei der
Kirchengemeinde eben ein anderer als bei einer
„Stiftung“.
Weiter führen die Motive als derzeitige Vor⸗
rechte der öffentlichen Stiftungen ihre Steuer⸗
freiheiten an. Aber auch in dieſer Richtung
wäre die Beſtimmung des Art. 1 Abſ. II des
Entwurfs nicht veranlaßt. Die Befreiung von
der Einkommenſteuer ergibt ſich für die
Kirchengemeinde ſchon aus ihrer Eigenſchaft als
Gemeinde (Einkommenſteuer. Art. 13, Bol:
zugsbekanntmachung $ 8). Auch aus der An:
führung der „Anſtalten für Kultus“ in Art. 13
ebenda wäre die Befreiung herzuleiten: Das
Wort „Anſtalt“ iſt hier offenbar nur im wirt⸗
ſchaftlichen Sinne gebraucht als die dauernde Ver⸗
bindung von Menſchen und Eigentum zu einem
beſtimmten Zweck (Stengel, Wörterbuch des
deutſchen Verwaltungsrechtes 1 S. 693). Die
Befreiung von der Erbſchaftsſteuer, ſoweit
überhaupt bayeriſches Recht noch zur Geltung
kommt, folgt aus Art. 3 Abſ. I Ziff. 4 des
bayer. Erbſchaftsſteuergeſetzes. Die Befreiung von
Kapitalrentenſteuer, die vorläufig noch nicht
feſtgelegt iſt, dürfte aber nicht in die Kirchenge⸗
meindeordnung, ſondern in das Kapitalrenten⸗
ſteuergeſetz aufzunehmen ſein, ebenſo wie die übrigen
ſteuerrechtlichen Beſtimmungen ihren Platz in den
betreffenden Steuergeſetzen gefunden haben.
(Fortſetzung folgt.)
Mitteilungen aus der Praxis.
Werden in Zukunft die Prozeſſe billiger? Die in
der Nummer vom 1. Dezember 1907 in dieſer Zeit⸗
ſchrift auf vorſtehende Frage gegebene Antwort kann
nicht unwiderſprochen bleiben.
gerichtlichen Prozeſſe werden nach den Beſtimmungen
des Entwurfs teurer ſein, ſondern auch die amts—
gerichtlichen Sachen.
zwanges bei Streitwerten von 300 Mk. bis 800 Mk.
läßt ſich überhaupt nicht als ein Grund der Ver—
billigung anführen, weil die Partei, welche die An⸗
Nicht nur die land⸗
Der Wegfall des Anwalts⸗
|
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
waltskoſten ſpart, eben auch die Gegenleiſtung dafür
nicht erhält. Die neuen Vorſchriften über die Gerichts⸗
koſten würden aber in kleinen wie in größeren Sachen
eine erhebliche Mehrbelaſtung des Publikums zur
Folge haben. In die 10% Gebührenzuſchlag, welche
künftig „für die von den Parteien nicht zu erſetzenden
baren Auslagen“ zur Erhebung gelangen ſollen, hat
nämlich der Geſetzgeber auch die bisher auf Antrag
erteilten, mit 10 Pfg. pro Seite bezahlten Schrift⸗
ſtücke hineingerechnet und will ſie ſich trotz des neuen
Pauſchſatzes nochmals — aber mit 20 Pfg. pro Seite
— bezahlen laſſen. Gerade die beſtellten Aktenſtücke
ſind aber die ausgiebigen; ſie umfaſſen die Beweis⸗
beſchlüſſe, Beweiserhebungsprotokolle und die Urteile.
Aus dieſen Ausfertigungen fließt ſchon heute in Prozeß⸗
ſachen der größere Teil aller eingehenden Schreib⸗
gebühren, der mit zwei Dritteln der Geſamteinnahme
wohl kaum zu hoch geſchätzt iſt. Darnach berechnet
ſich aus der dem Entwurfe der Novelle beigegebenen
Anlage I für Preußen eine jährliche Mehreinnahme
von etwa 3 Millionen gegenüber dem bisherigen Ein⸗
gang an Prozeßſchreibgebühren. Für Bayern ergibt
ſich nach den Zahlen des letzten Budgets (Gebühren
in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten und Konkurſen
2700000 Mk., Schreibgebühren 322 000 Mk.) eine
Erhöhung um cirka 300000 Mk. Eine ſolche Mehrung
der Koſten im allgemeinen muß ſich durchgehends
bemerkbar machen und zur Folge haben, daß in
Zukunft die Erſparnis gegenüber den heutigen Aus⸗
gaben eine Ausnahme, der Ausgleich oder gar die
Erhöhung dagegen die Regel bildet. Dieſes Reſultat
gilt bereits bei Sachen bis zu 300 Mk. Streitwert,
bei welchen der Wegfall des Anwaltszwanges gar
nicht in Frage kommt, noch mehr aber bei Streit⸗
werten von 300 Mk. bis 800 Mk., welche wohl durch⸗
wegs eine Mehrung der Gerichtsſpeſen erfahren.
Es ſei an ein den durchſchnittlichen Fällen der
Praxis angepaßtes Beiſpiel, an einen Prozeß aus
den Kleinſten der Kleinen angeknüpft. Ein Mann,
der in Rechtswiſſenſchaft und Schreibkunſt nicht
ſonderlich bewandert iſt, verlangt mit zwei je zwei
Seiten umfaſſenden Protokollarklagen je 20 Mk.,
erwirkt in dem einen Falle Verſäumnisurteil und
gewinnt in dem anderen nach Vernehmung von zwei
Zeugen den Prozeß. Da ergibt ſich an Gerichts⸗
gebühren und Auslagen für Schreibarbeit nebſt
Zuſtellungskoſten:
I. Im Falle des Verſäumnisurteils.
heute
für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten — 40 Mk.
für Zuſtellung der Klage —.50 „
für Schreibkoſten des Urteils mit Koſten⸗
feſtſetzung (2 Seiten) 3 í
Entſcheidungsgebühr
Gebühr für fof. Koſtenfeſtſetzung 1.— »
Summa 2.10 Mk.
nach dem Entwurfe
für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten . —.80 Mk.
für Zuſtellung der Klage (Pauſchale) —.50 „
Tenor mit Koſtenfeſtſetzungsbeſchluß
(2 Seiten) e re e
Entiheidungsgebühr . . . . 1.— „
Gebühr für fof. Noftenfeftfeßing . —.20 „
Summa 2.90 Mk.
J
7. AP m
7
* . gv A
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
II. Im Falle des kontradiktoriſchen
Prozeſſes.
heute
für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten —.40 Mt
für Zuſtellung der Klage —.50 „
für 2 Zeugenladungen zu 2 Seiten — 40 „
Schreibkoſten des Urteils mit Koſtenſeſt⸗
ſetzung, 6 Seiten angenommen —.60 „
Gebühren für Verhandlung, Beweis⸗
beſchluß und Entſcheidung .. 3.— „
Gebühr für fof. Koſtenfeſtſetzung — „
Summa 4.90 Pèt.
nach dem Entwurfe
für 2 Klagsabſchriften zu 2 Seiten. —.80 Mk.
für 2 Zeugenladungen zu 2 Seiten)
für Zuſtellung der Klage ſPauſchale —.50 „
Tenor mit Koſtenfeſtſetzungsbeſchluß,
2 Seiten ... —.40 „
Gebühren für Verhandlung, Beweis⸗
beſchluß und Entſcheidung , 3.— „
Gebühr fiir fof. Koſtenfeſtſetzung . — 20 „
Summa 4.90 Mk.
Wird das ganze Urteil benötigt, was zur Ent⸗
ſchließung über das Einlegen eines Rechtsmittels ing-
beſondere bei Sachen über 50 Mk. notwendig ſein
wird, ſo erhöhen ſich künftig im zweiten Falle die
Koſten um 80 Pfg. Die Idee des Beiſpiels durch⸗
geführt würde ſich ergeben, daß bei dem Streitwerte
der Gebührenklaſſen 2 bis 7 eine Zeugenzahl von
3, 9, 14, 20, 30 und 36 hätte vernommen werden
müſſen, um das neue 10 Yoige Pauſchale zu rechtfertigen.
Solche Mengen von Zeugen bilden ſchon Raritäten
und auch andere Schreibkoſten und Auslagen, welche
nach dem GKG. erſtattungsfähig find, fallen nur
höchſt ſelten in der pauſchalierten Höhe an. Der
Einzelfall beſtätigt ſomit die für die Allgemeinheit
geltende Regel, daß der Prozeß in Zukunft auch bei
kleinen Sachen nicht billiger wird. Läßt aber wirklich
einmal die Pauſchalierung eine Koſtenminderung er:
ſtehen, ſo gehen die geſparten Pfennige faſt regel—
mäßig wieder im höheren Schreibgebührenſatz für die
beſonders zu zahlenden Schriftſtücke verloren.
Rechtsanwalt Dr. a ung II in München.
Zu § 428 StPO. Kein Rechtsgebilde ift in der
Strafprozeßordnung fo ſtiefmütterlich behandelt worden
wie die Widerklage im Privatklageverfahren. Hier
bewegt ſich faſt jeder Schritt, den die Praxis machen
muß, auf beſtrittenem Gebiete. Grundlegende Ent—
ſcheidungen der oberen Gerichte ſind ſo ſpärlich wie
ſonſt nirgends, weil der § 380 StPO. die Verletzung
der Vorſchriften über das Widerklageverfahren der
Prüfung der Reviſionsinſtanz grundſätzlich entzieht.
Eine andere geſetzliche Regelung iſt dringendes Be—
dürfnis. Von den grundlegenden Fragen, dem Ver—
hältniſſe des § 428 zu den Vorſchriften des materiellen
Strafrechts u. a., ſoll hier ganz abgeſehen werden.
Ich möchte auch nicht verſuchen, das Dunkel zu er—
leuchten, das über der prozeſſualen Behandlung der
Widerklage von der Form ihrer Erhebung bis zu ihrer
Erledigung liegt. Die Praxis geht hier vielfach ver—
ſchiedene Wege, je nach dem Gerichtsgebrauch und der
Anſicht des vorherrſchenden Kommentars. Die folgen—
Nr. 2. 41
den Ausführungen ſind nur der formellen Behand⸗
lung der erſt in der Hauptverhandlung erhobenen
Widerklage gewidmet, über die beſondere Unklarheit
herrſcht.
Man kann drei Hauptmeinungen auseinander⸗
halten. Nach der erſten muß dem Urteile in jedem
Falle ein Beſchluß des Gerichts vorausgehen, der über
die Zuläſſigkeit der Widerklage befindet. Wird ſie
ſür zuläſſig erklärt, ſo erfolgt die weitere (materielle)
Erledigung in dem über die Privatklage und Wider-
klage gleichzeitig ergehenden Urteile; wird ſie für
unzuläſſig erachtet, ſo nimmt das weitere Verfahren
auf ſie keine Rückſicht mehr (vgl. Löwe N. 6 zu
§ 428). Die in der Literatur überwiegende zweite
Anſicht behält auch die Entſcheidung über die Zuläſſig⸗
keit der Widerklage dem Urteile vor und betrachtet
die Vorentſcheidung mehr oder minder entſchieden
als unzuläſſig (3. B. Kommentar von Stenglein N. 6
a. a. O., Birkmeyer, Deutſches Strafprozeßrecht
S. 790, Kronecker in Goltd Arch. 33. Bd. S. 23).
Nach der dritten vermittelnden Meinung ift das Ge-
richt befugt (nicht verpflichtet), die Widerklage durch
Beſchluß zurückzuweiſen, wenn es fie für unzu—
läſſig hält (3. B. Lindemann in Goltd Arch. 51. Bd.
S. 266). Daneben laufen verſchiedene Variationen
einher.
Die erſte Meinung beherrſcht, ſoweit ich ſeit
Jahren beobachten konnte, unter dem Einfluſſe des
Kommentars von Löwe noch jetzt vielfach die bayeriſche
Praxis. Dagegen ſprechen aber ſchwerwiegende Be—
denken. Zunächſt der Wortlaut des 8 428 Abſ. 2:
„Ueber Klage und Widerklage iſt gleichzeitig zu er—
kennen.“ Eine geſonderte, in der Hauptverhandlung
ergehende beſchlußmäßige Entſcheidung über die for—
melle Seite der Widerklage iſt dem Geſetze fremd.
Auch in anderen Arten des Verfahrens gibt es ähn—
liches nicht. Dem Beſchluſſe, daß die Widerklage
„für zuläſſig“ erklärt wird, ſcheint mir überhaupt
eine rechtliche Bedeutung abzugehen. Auf die prozeß—
rechtliche Stellung der Parteien hat er keinen Einfluß.
Dem Widerbeklagten ſteht ein Recht der Beſchwerde
gegen den Beſchluß nicht zu (arg. § 347), er ift aber
nicht gehindert, auch nach deſſen Verkündung ſeine
Auffaſſung von der Unzuläſſigkeit der Widerklage
geltend zu machen. Anderſeits muß der Widerkläger
damit rechnen, daß das Gericht ſeine Meinung über
die Zuläſſigkeit der Widerklage, eventuell noch im
Urteil, ändert. Dazu iſt das Gericht jederzeit befugt.
Am wenigſten leuchtet die Notwendigkeit und Zweck—
mäßigkeit, ſich auf einen ſolchen Beſchluß feſtzulegen,
dann ein, wenn die Parteien über die formelle Zu—
läſſigkeit der Widerklage einig find. Zur Klärung
der Sachlage genügt es, daß der Vorſitzende in Aus—
übung des Fragerechts die Beteiligten veranlaßt, ſich
über deren Zuläſſigkeit zu äußern, und dann in ges
eigneten Fällen feſtſtellt, daß gegen die Zuläſſigkeit
Bedenken nicht beſtehen.
Noch bedenklicher ſcheint mir der Beſchluß zu
ſein, durch den die Widerklage für unzuläſſig erklärt
wird. Damit ſcheidet ſie aus dem Prozeſſe aus. Der
Beſchluß kommt demnach in ſeiner Wirkung einem
Einſtellungsbeſchluſſe nach $ 202 gleich, der ſich auf
den Mangel formeller Vorausſetzungen gründet. Dem
Widerkläger kann die ſofortige Beſchwerde dagegen
nicht verſagt werden (arg. 88 209 Abſ. 2, 430). Legt
er ſie ein und hat er Erfolg, ſo krankt das weitere
Verfahren an Schwierigkeiten, die geradezu unlösbar
42 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
werden, wenn zur ſelben Zeit gegen das im Privat-
klageverfahren ergehende Urteil Berufung eingelegt
wird. Denn da das Beſchwerdegericht nur über die
Zuläſſigkeit der Widerklage entſcheiden kann, hängt
dann das Widerklageverfahren noch in der erſten In-
ſtanz, das Hauptverfahren dagegen in der zweiten Jn-
ſtanz. Dieſe Zerreißung des Verfahrens widerſpricht
zweifellos dem Geſetze. Beſondere Schwierigkeit macht
die Entſcheidung im Koſtenpunkte. Der Beſchluß.
durch den die Widerklage für unzuläſſig erklärt wird,
muß nach 8 496 Abſ. 1 auch über die Koſten der
Widerklage befinden. Die Entſcheidung kann dem
Urteile, das nur auf die Privatklage ergeht, nicht vor-
behalten werden. Nach der Rechtſprechung des ObLO.
iſt es aber unzuläſſig, die Koſten der Klage und der
Widerklage auszuſcheiden. Die Koſten ſind in eine
Geſamtmaſſe zu vereinigen; die Verpflichtung zur
Koſtentragung ift je nach dem Unterliegen und Ob:
ſiegen der Parteien auszuſprechen, ohne Rückſicht
darauf, ob dies hinſichtlich der Klage oder der Wider-
klage der Fall iſt (Bd. 1 S. 96, Bd. 3 S. 17, 82,
Bd. 6 S. 257). Der Gerichtshof ſtützt ſeine Anſicht
auf den Wortlaut des Geſetzes: „Der Geſetzgeber be—
trachtet das Verfahren bezüglich der Klage und
der Widerklage als einheitlich und untrennbar.“ Dar⸗
aus muß gefolgert werden, daß das oberſte Gericht
auch mit der Zerreißung des Verfahrens in die Würdi⸗
gung der Widerklage nach der formellen und der
materiellen Seite nicht einverſtanden iſt. M. E.
ſprechen überwiegende Gründe dafür, daß ſich die
Untergerichte dieſer Auffaſſung anſchließen. Wird die
Frage der Zuläſſigkeit der Widerklage der abſchließen⸗
den Würdigung des Urteils vorbehalten, ſo geht man
den Schwierigkeiten aus dem Wege. Der Richter
wird ſich für ſeine Perſon freilich ſchon vorher eine
Meinung darüber zu bilden haben. Er kann ihr bei
der Beſtimmung des Umfangs der Beweisaufnahme
deutlichen Ausdruck verleihen und dadurch der Be—
laſtung der Prozeßführung durch unzuläſſige Wider—
klagen entgegenwirken.
II. Staatsanwalt Bleyer in München.
Koſtenpflicht bei Uebergang einer zivilſtrafgericht⸗
lichen Unterfuchung in die militäriſche Gerichtsbarkeit.
Gegen A. iſt Vorunterſuchung eröffnet. Durch Ver—
nehmung von Zeugen, Sachverſtändigen uſw. ſind er—
hebliche Soften erwachſen. A. rückt noch, bevor ein
Urteil gegen ihn ergangen iſt, zum Militär ein.
Gemäß 8 6 Mil StG O. find die Militärperſonen,
ſofern nicht wieder Entlaſſung erfolgt, auch wegen der
vor dem Dienſteintritt begangenen ſtrafbaren Hand»
lungen der Millitärſtrafgerichtsbarkeit unterſtellt.
Die weitere Behandlung der Sache geht daher
ohne Einſtellungsbeſchluß der Zivilgerichte auf das
Militärgericht über.
Wie ſteht es nun mit den vorher durch die zivil—
ſtrafgerichtliche Vorunterſuchung erwachſenen Koſten?
Für das militäriſche Strafverfahren gilt der
Grundſatz der Koſtenfreiheit ($ 469 Mil StG O.). Das
militärgerichtliche Urteil enthält daher überhaupt
keinen Ausſpruch über die Koſtenpflicht. Auch über
die in dem zivilſtrafgerichtlichen Vorverfahren erwach—
jenen Koſten darf in dem militärgerichtlichen Urteil
nicht entſchieden werden.
get — — — a
—
(Vgl. X. Prüfungsergebnis
des RMilGer. Ziff. 28: Weigel, Zuſtändigkeitsgreuzen
S. 110 Anm. 12; S. 295).
Der Grundſatz der Koſtenfreiheit gilt aber nur
für das militärgerichtliche Verfahren; für die Erſtattung
der vorher erwachſenen Koſten hat auch der militär⸗
gerichtlich Verurteilte nach den Grundſätzen der StPO.
(S 497 ff.) aufzukommen. Nach Weigel a. a. O. follen
deshalb die Akten zur Herbeiführung einer Entſchei⸗
dung an das früher mit der Sache befaßte bürgerliche
Gericht abgegeben werden.
Allein wie ſoll das bürgerliche Gericht über die
Koſten entſcheiden? Eine Entſcheidung kann nur durch
Beſchluß oder Urteil erfolgen.
Eine beſondere die Unterſuchung einſtellende Ent⸗
ſcheidung, die gemäß § 496 StPO. über die Koſten zu
beſtimmen hätte, ift nicht angängig (vgl. 88 202, 259,
502 StPO.). Ein Urteil oder ein Beſchluß lediglich
über die Koſtenpflicht ift der StPO. fremd.
Es bleibt daher, da die Staatskaſſe von dem Be⸗
ſchuldigten die Zahlung der Koſten nur dann bean-
ſpruchen kann, wenn ſie ihm ausdrücklich auferlegt
find (vgl. Loewe, 11. Aufl. 8 496 Anm. 5), nur der Weg
einer zivilgerichtlichen Klageſtellung durch den Fiskus.
Militärgerichtspraktikant Dr. M. Angerer in Nürnberg.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Umfang des Rechts zur 921.92 80 385 nn
ſchaftlichen Grenzmaner (58 921 Die
Parteien find Eigentümer zweier ae e
Villengrundſtücke. Die Grundſtücke werden auf einer
Strecke durch eine gemeinſchaftliche Grenzmauer von
einander abgeſchloſſen. Ende 1902 errichtete der Be⸗
klagte auf ſeinem Grundſtück, unmittelbar an das des
Klägers angrenzend, ein Nebengebäude, dergeſtalt, daß
die Brandmauer dieſes Gebäudes auf der Grenzmauer
bis zur Hälfte ihrer Stärke ſteht. Der Kläger be⸗
hauptet, der Bau verſtoße gegen die § 921, 922 des
BGB. Die Grenzmauer ſei nicht genügend tief und
ſicher gegründet, um als Stütze einer Gebäudebrand—
mauer zu dienen, zumal ſie von Ratten und Mäuſen
unterwühlt ſei. Durch das Aufſetzen der Brandmauer
auf die Grenzmauer werde deren Haltbarkeit und da—
durch deren Mitbenutzung beeinträchtigt. Die Be⸗
nutzung der Grenzmauer als Teil der Brandmauer
könne an ſich ſchon als Aenderung aufgefaßt werden
und müſſe es, ſobald infolge der unzuläſſigen Be-
laſtung durch die Brandmauer die vorauszuſehende
Beeinträchtigung ihres inneren Gefüges eintrete. Die
Vorinſtanzen haben die Klage abgewieſen. Die Re—
viſion blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Jede Partei kann nach
§ 922 Satz 1 die Grenzmauer inſoweit zu dem Zwecke
benutzen, der ſich aus ihrer Beſchaffenheit ergibt, als
nicht das Mitbenutzungsrecht der andern Partei beein—
trächtigt wird. Nun ift im Satz 3 vorgeſchrieben,
daß die Grenzmauer ohne Zuſtimmung des Nachbarn,
der an ihrem Fortbeſtande ein Intereſſe hat, nicht be-
ſeitigt oder abgeändert werden darf. Mit der Aende—
rung kann nicht jede beliebige, ſondern nur eine ſolche
Aenderung gemeint ſein, durch welche die Mitbenutzung
des Nachbarn beeinträchtigt wird, der an dem ort-
beſtande der Mauer ein Intereſſe hat. Es fragt ſich
alſo, ob durch das Auſſetzen der Brandmauer auf die
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern.
Grenzmauer deren Mitbenutzung durch den Kläger
beeinträchtigt wird. Er behauptet es. Die Grenz-
mauer ſei von Ratten und Mäuſen unterwühlt und
nicht ſicher und tief genug, um als Stütze für die
Brandmauer zu dienen. Durch das Aufſetzen der
Brandmauer ſei ihre Haltbarkeit beeinträchtigt. Der
Berufungsrichter hat aber feſtgeſtellt, daß die Mauer
nicht von Ratten und Mäuſen unterwühlt ſei und ſich
in normaler Beſchaffenheit befinde, um als Fundament
eines Gebäudes dienen zu können, ſo daß durchaus nicht
die Gefahr eines Einſturzes der Mauer beſtehe. Wird
aber die Haltbarkeit der Grenzmauer durch den Auf—
bau der Brandmauer nicht beeinträchtigt, ſo wird auch
der Kläger in ſeinem Recht, die Mauer mitzubenützen,
nicht geſtört. Auch nach dem Aufſetzen der Brand:
mauer dient ihm die Grenzmauer als Scheidewand
zwiſchen ſeinem und des Beklagten Grundſtück. Der
Kläger braucht allerdings eine Beſchränkung ſeines
Eigentums nur inſoweit zu dulden, als es im § 922
des BGB. vorgeſchrieben iſt. Er braucht alſo eine
Einwirkung des Beklagten auf den Teil der Grenz—
mauer, der auf ſeinem Grund und Boden und damit
in ſeinem Eigentum ſteht, nicht weiter zu dulden, als
der Beklagte die Grenzmauer zu dem Zwecke benutzen
darf, der ſich aus ihrer Beſchaffenheit ergibt. Der
Zweck der Grenzmauer iſt, die beiden Grundſtücke
der Parteien von einander abzuſchließen. Nur zu
dieſem Zweck darf der Beklagte den auf des Klägers
Grundſtück und damit in deſſen Eigentum ſtehen—
den Teil der Grenzmauer benutzen. Er darf alſo
nicht auf dieſen Teil der Grenzmauer eine Brand:
mauer aufſetzen. Anderſeits iſt der Kläger an der
Mitbenutzung der Grenzmauer nicht gehindert, wenn
der Beklagte auf den auf ſeinem, des Beklagten,
Grundſtück ſtehenden Teil der Mauer eine Brandmauer
aufſetzt. Der Beklagte darf alſo auf den in ſeinem
Eigentum ſtehenden Teil der Mauer als Eigentümer
dieſes Teils ſeines Grundſtücks eine Brandmauer auf—
ſetzen (Wolff im Recht 1900 S. 476, Meisner, Nad-
barrecht S. 36). (Urt. des V. 35. vom 9. November
1907, V 98,07). — — ˖ an.
1126
II.
Begriff der groben Mißhandlung im Sinne des
4 1568 Satz 2 HGB. Objektiver oder ſubjektiver Mak:
ſtab. So eines Mitverſchuldens des mißhandelten
Ehegatten. Aus den Gründen: Der Begriff der
groben Mißhandlung ſchließt nicht nur die Fälle der
lebens⸗ oder geſundheitsgefährlichen Mißhandlung in
ſich, ſondern er iſt ein weiterer und umfaßt auch ſolche
vorſätzliche Körper verletzungen, die, ohne das Leben
und die Geſundheit des verletzten Ehegatten in Ge—
fahr zu bringen, unter Umſtänden oder in einer Art
begangen werden, die ſie als eine beſonders rohe, das
allgemeine Rechtsempfinden ſchwer verletzende Aus—
ſchreitung erſcheinen laffen. Es ift insbeſondere in
der Rechtſprechung des Reichsgerichts bereits wieder—
holt hervorgehoben worden, daß unter den Begriff
auch ſolche Mißhandlungen fallen, die mit einer ehren—
rührigen Herabwürdigung des mißhandelten Ehe—
gatten verbunden ſind. Um einen ſolchen Fall han—
delt es ſich hier. Der Kläger hat nicht nur durch die
Züchtigung an fid. ſondern namentlich auch durch die
Art ihrer Ausführung ſeiner Frau eine Schmach an—
getan, die jedem Sittlichkeits- und Rechtsempfinden
ſchlechthin widerſpricht. Es kann darüber hinweg—
gegangen werden, daß der Berufungsrichter dies in
Zweifel zieht, da er es doch ſelbſt wenigſtens als
möglich unterſtellt, daß objektiv betrachtet die Züch—
tigung für die Beklagte erniedrigend geweſen ſein
könnte. Dieſer objektive Maßſtab iſt aber für die
Frage, ob die Beklagte in grober Weiſe mißhandelt
worden iſt, wenn nicht allein entſcheidend ſo doch von
der allerweſentlichſten Bedeutung.
1908. Nr. 2. 43
handlung bleibt eine ſolche, gleichviel, wodurch ſie
veranlaßt und ob ſie insbeſondere durch eine von dem
Verletzten verſchuldete Erregung des Mißhandelnden
hervorgerufen wurde. Ihr Vorhandenſein iſt auch
unabhängig von ihrer Wirkung auf das ſubjektive
innere Empfinden des Verletzten. Das angenommene
Mitverſchulden der Beklagten und ihre vermeintliche
nur geringe Empfindlichkeit werden daher vom Be-
rufungsrichter in einem rechtlich falſchen Zuſammen—
hange gewürdigt. Beides kann bei der Entſcheidung
darüber, ob die Tatbeſtandsvorausſetzungen des 8 1568
gegeben ſind, unter Umſtänden an anderer Stelle
von Erheblichkeit fein. Hat die Beklagte die Züch—
tigung nicht beſonders ſchwer empfunden, ſo kann es
ſich fragen, ob dies die Annahme ausſchließt, daß ihre
eheliche Geſinnung gänzlich zerſtört, in ihrer Perſon
alſo die ſubjektive Folge der Ehezerrüttung ents
ſtanden iſt. Hat ſie anderſeits den Mann durch ihr
Verhalten zum Zorn gereizt, ſo entſteht die Frage,
ob bei objektiver Würdigung des Falles die Ehe—
zerrüttung ſo beſchaffen iſt, daß es dem Weſen der
Ehe nicht mehr entſpricht, ihr die Fortſetzung dieſer
Ehe zuzumuten. (Urt. des IV. ZS. vom 14. Oktober
1907, IV 98/07). See,
1108
III.
Wird während der Anhängigleit eines Rechtsſtreits
in der Neviſionsinſtanz zunächſt von einer Partei die
Zurücknahme der Klage und ſpäter von der anderen die
Zurücknahme der Revifion erklärt, fo kann die letztere
ein Urteil über den Koſtenpunkt vom Neviſionsgerichte
nicht mehr verlangen. Der Beklagte (Reviſionskläger)
hat gegen ein oberlandesgerichtliches Urteil form—
richtig Reviſion eingelegt. Mit Schriftſatz vom 2. Mai
1907, zugeſtellt am 4. Mai 1907, hat der Prozeßbevoll⸗
mächtigte des Klägers (Reviſionsbeklagten) die Zurück—
nahme der Klage erklärt. Darauf hat der Reviſions⸗
kläger mit Schriftſaß vom 13. Mai „gemäß dem unter
den Parteien abgeſchloſſenen Vergleich“ die Revi—
ſion zurückgenommen. Nachdem in dem Verhand—
lungstermin vom 13. Juni 1907 von den Parteien
niemand erſchienen war, hat mit Schriftſatz vom
18. Juli 1907 der Reviſionskläger den Kläger zur
mündlichen Verhandlung über den Koſtenpunkt ge—
laden. Er macht geltend, daß der Kläger, der auf
Grund des unter den Parteien geſchloſſenen Ber-
gleiches die Klage zurückgenommen habe, gemäß § 271
ZPO. die Koſten des Rechtsſtreites zu tragen habe.
Da von dem Beklagten gemäß der Entſcheidung des
Oberlandesgerichts die Gerichtskoſten gefordert, ſeien,
habe dieſer ein Intereſſe daran, daß jene Folge durch
Urteil ausgeſprochen werde. Die in dem Schriftſatze
vom 13. Mai 1907 erklärte Zurücknahme der Reviſion
ſei, meint der Reviſionskläger, bedeutungslos, weil
zur Zeit der Zuſtellung dieſes Schriftſatzes der Rechts—
ſtreit durch die Zurücknahme der Klage bereits beſei—
tigt geweſen ſei. Sein Antrag auf Verurteilung des
Klägers zu den Koſten wurde abgewieſen.
Gründe: Auch wenn davon auszugehen iſt, daß
die Zurücknahme der Klage mit Einwilligung des Be—
klagten noch in den höheren Inſtanzen rechtsgültiger—
weiſe erfolgen kann, und wenn ferner angenommen
wird, daß im vorliegenden Falle der Beklagte ſeine
Einwilligung in die Klagezurücknahme durch ſeine
prozeſſualen Erklärungen und Anträge in genügender
Weiſe bekundet hat, ſo iſt gleichwohl bei der hier be—
ſtehenden Sachlage dem Reviſionskläger die Berech—
tigung zu einem Antrage nach § 271 Abſ. 3 Satz 2
RPO. abzuſprechen. Ob nicht dieſem Antrage ſchon
die von dem Reviſionskläger ſelbſt vorgebrachte Tat—
ſache, daß die Klagezurücknahme zufolge und in Er—
füllung eines zwiſchen den Parteien abgeſchloſſenen
Vergleiches erfolgt iſt und darnach die Vorſchrift
des $ 98 ZPO. im Wege ſtünde, kann dahingeſtellt
Eine grobe Miß⸗ | bleiben, nur mag bemerkt werden, daß der vom Revi-
44
fionsfläger behauptete Inhalt dieſes 1
bezüglich der Koſten im Hinblick auf § 335 Abſ. 1
Nr. 3 ZPO. nicht berückſichtigt werden könnte.
Jedenfalls iſt zufolge der von dem Reviſionskläger
erklärten Zurücknahme der Re viſion ein
Antrag oder ein Urteil im Koſtenpunkte nach § 271
Abi. 3 ZPO. ausgeſchloſſen. Die Zurücknahme der
Reviſion ift gemäß § 566 in Verbindung mit § 515
ZPO. rechtswirkſam erfolgt und ſie iſt nicht, wie der
Reviſionskläger glaubt, wegen der vorangegangenen
Zurücknahme der Klage gegenſtandslos. Zwar hat nach
5 Abſ. 3 ZPO. die Zurücknahme der Klage zur
olge, daß der Rechtsſtreit als nicht anhängig ge⸗
worden anzuſehen iſt. Allein wenn damit die Rechts⸗
hängigkeit zur Hauptſache beſeitigt iſt, ſo hätte doch
für die Entſcheidung im Koſtenpunkte gemäß jener
Geſetzesvorſchrift ein Verfahren anhängig ſein können.
Auf eine ſolche Entſcheidung jedoch hat der Beklagte
durch die Zurücknahme der Reviſion dem Gegner wie
dem Gericht gegenüber Verzicht geleiſtet. Sie kann
unter den obwaltenden Umſtänden nichts anderes be⸗
deuten, als die unbedingte und bindende Erklärung
des Reviſionsklägers, auf jede Entſcheidung des Re⸗
viſionsgerichts, alſo auch eine ſolche über die Koſten,
zu verzichten. Damit iſt die Sache für die gegen⸗
wärtige Inſtanz endgültig erledigt. Es hätte nur
allenfalls noch ein Antrag des Reviſions beklagten
nach § 566 in Verbindung mit 8 515 Abſ. 3 ZPO.
und ein dementſprechendes Urteil in Frage kommen
können. Aber dieſer Fall liegt hier nicht vor und
für irgend eine anderweite Entſcheidung des Reviſions⸗
gerichts iſt jetzt kein Raum mehr. (Urt. des VI. 38.
vom 24. Oktober 1907, VI 111/07).
1116
— — 2 · n.
IV.
Der Veräußerer eines Grundſtückes ift nicht unbe-
dingt verpflichtet, die Schätzung der Mieterträgniſſe
5 Angaben über ihre Grundlagen zu erläutern.
. nicht unter allen Umſtänden argliſtig, wenn
orkommniſſe verſchweigt, aus denen hervorgeht,
daß anf den in der Schätzung angeſetzten Ertrag mit
Sicherheit nicht zu rechnen ift. Durch notariellen Ber-
trag vom 21. November 1903 vertauſchte der Beklagte
ein Grundſtück zu B. gegen ein dem Kläger gehöriges
Grundſtück in Z. Die Auflaſſungen ſind erfolgt. In der
Klage iſt Schadenserſatz gefordert, weil der Beklagte
den Mietertrag eines Ladens fälſchlich und argliſtig
mit 4500 Mk. (ſtatt höchſtens 3700 Mk.) zugeſichert
habe. Das OLG. hat den Schadenserſatzanſpruch für
gerechtfertigt erklärt. Das Urteil wurde vom mewa:
gericht aufgehoben.
Gründe: In einwandfreier Weiſe erklärt das
OLG. die Klage inſoweit für unbegründet, als ſie ſich
auf SS 459, 515 BGB. ſtützt. Indem es fie aus—
ſchließlich nach SS 823 Abſ. 2, 826 beurteilt, ſtellt es
zunächſt feſt, daß der Kläger vor und bei Kaufsab—
ſchluß gewußt hat, daß der Laden (den L. vom 1. Jan.
1902 bis 1. April 1903 für jährlich 4000 Mk., von
da ab für jährlich 4500 Mk. gemietet, den er aber ohne
Eintritt in den höheren Mietpreis mit des Beklagten
Einwilligung wieder verlaſſen hatte), leer ſtand und
keine 4500 Mk. jährlich brachte. Es iſt ferner feſt—
geſtellt, daß in der Mietsertrags-Aufſtellung, die der
Beklagte dem Kläger aushändigte, der Laden mit
4500 Mk. Mietsertrag jedoch ohne Beifügung des
Namens eines Mieters eingeſetzt geweſen iſt. Auf
Grund dieſes Tatbeſtandes nimmt der Berufungs—
richter aus folgenden Erwägungen argliſtiges Handeln
des Beklagten an. Das Haus fei bewußt als Dict-
haus veräußert und erworben worden Nur bei neuen
Häuſern, nicht aber bei älteren, wie das in Rede
ſtehende eines iſt, könne es ſich um nur ſchätzungs—
weiſe Mietertragsangaben handeln. Die ſchriftliche
einmalige Vereinbarung von 4500 Mk. Jahreszins
f
Zeitſchrift für itſchrift für Rechtspflege in Be in Bayern. 1908. Nr. 2.
mit L. könne den Beklagten nicht decken. Es ſei zu
deſſen Zahlung gar nicht gekommen, da L. ihn nicht
habe aufbringen können, er ſei nur auf dem Papier
geſtanden, ebenſowenig ſeien die ſpäteren ergebnislos
gebliebenen Verhandlungen des Beklagten mit einem
Kafetier über 4500 Mk. Mietzins für dieſen Laden er⸗
heblich. In Wahrheit habe nach der Beweisaufnahme
der Laden niemals einen Mietspreis von 4500 Mk.
wirklich erbracht, ſondern im höchſten Falle einen
ſolchen von 4000 Mk., er fei auch während der Betz:
zeit des Beklagten manchmal, einmal ſogar jahrelang,
leer geſtanden. Bei dieſer Sachlage habe der Be:
klagte in die Mietaufſtellung einen Mietsertrag von
4500 Mk. nicht einſetzen dürfen, ohne den Kläger über
die wahren Mietsverhältniſſe aufzuklären. Daß er
dies getan habe, ſei weder behauptet, noch erwieſen.
Die Unterlaſſung der Aufklärung ſei argliſtig geweſen.
Der Beklagte ſei auf die Täuſchung des Käufers in
der Richtung ausgegangen, daß der Laden durch⸗
ſchnittlich oder regelmäßig 4500 Mk. Miete er⸗
bracht habe.
Der Reviſionsbegründung iſt darin beizutreten,
daß in dieſen Ausführungen eine Ueberſpannung der
dem Verkäufer obliegenden Offenbarungspflicht ent⸗
halten iſt. Es kann weder eine Verletzung eines
Schutzgeſetzes, ein ſtrafrechtlicher Betrug nach § 823
Abſ. 2, noch eine wider die guten Sitten verftoßende
vorſätzliche Schadenszufügung nach 8 826 BGB. noch
ein argliſtiges Verſchweigen im Sinne des § 463 da-
ſelbſt angenommen werden. Allerdings iſt der Ver⸗
käufer verpflichtet, vor dem Kaufsabſchluß dem Käufer
alle die Kaufsſache betreffenden erheblichen Umſtände
mitzuteilen, von denen er annehmen muß, daß ſie nach
allgemeiner Erfahrung den Kauf- und Preisfeſtſetzungs⸗
Willen des Käufers zu beeinfluſſen geeignet und dem
Käufer unbekannt ſind, aber ein Verſtoß gegen dieſe
Pflicht kann im Verſchweigen der Vorgeſchichte der
Vermietung des Ladens hier nicht gefunden werden.
Der Laden ſtand zur Zeit der Kaufsverhandlungen,
wie dem Käufer wohl bekannt war, leer, welcher Um⸗
ſtand für ſich allein dem Käufer bewies, daß er ſicher
auf dieſen oder jenen Mietertrag jener Räume zurzeit
und für die nächſte Zukunft nicht rechnen könne, daß
alſo die Angabe von 4500 Mk. Jahresertrag in der
Mietaufſtellung nur eine Schätzung ſein könne.
Wären in jene auch nur 4000 Mk. oder 3700 Mk.
eingeſetzt geweſen, welchen wahren Mietwert der Kläger
zuerſt behauptet hat, ſo lehrte doch das augenblick—
liche Leerſtehen des Ladens den Käufer zur Genüge,
daß auch die Erlangung eines ſolchen niedrigeren
Mietpreiſes augenblicklich ungewiß ſei. Die Einſetzung
von 4500 Mk. Jahresertrag bildete alſo keine Täu⸗
ſchung, noch weniger kann zugegeben werden, daß der
Beklagte ſich dabei einer Täuſchungshandlung bewußt
ſein mußte, oder nur konnte. Er konnte nicht wiſſen,
daß der Kläger die 4500 Mk. für etwas anderes als
eine bloße Schätzung halte und dem Kläger lag es ob,
den Verkäufer darüber zu befragen, auf welchen
Grundlagen denn der Anſatz von 4500 Mk. für den
Laden beruhe, von dem er laut der ausdrücklichen
Feſtſtellung des Berufungsrichters wußte, daß er tat-
ſächlich zurzeit keine 4500 Mk. einbringe. Irrtümlich
nimmt das OLG. an, daß der Beklagte auch unge:
fragt die ganze Vorgeſchichte jener Laden vermietung
offenzulegen hatte. (Urt. des V. ZS. vom 2. November
1907, V 108/07).
1127
— - n.
B. Strafſachen.
I.
Idealkonkurrenz zwiſchen § 187 und $ 185 StG.
Ideale Konkurrenz zwiſchen $ 187 und § 185 StGB.
konnte nur inſoweit angenommen werden, als ein in
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
ſich abgeſchloſſener Teil des Gedankeninhalts der ein⸗
heitlichen Kundgebung den Tatbeſtand des § 187, ein
anderer den des $ 185 verwirklichte. Dies hat der
Erſtrichter nicht beachtet, indem er auch die ohne er⸗
kennbaren Rechtsirrtum für den Tatbeſtand des § 187
StGB. verwendeten Ausdrücke: „Spigbuberei” und
„Betrügerei” zugleich als Beleidigungen nach $ 185
StGB. in Betracht zog. Dieſer Irrtum hat aber
offenſichtlich auf die Strafzumeſſung einen Einfluß nicht
geübt und gefährdet den Beſtand des Urteils nicht,
da der Tatbeſtand des 8 185 jedenfalls durch die
weiter gebrauchten, für den Tatbeſtand des § 187
nicht in Betracht kommenden Schimpfworte gegeben
iſt (Urt. d. V. StS. v. 20. Sept. 1907, 5 D 467/07.)
1086
— — — e —
II.
e ſchriftlichen Strafautrags ($ 156 Abſ. 2
Stgo.). it Unrecht zieht die Reviſion die Rechts⸗
wirkſamkeit des vorliegenden Strafantrags in Zweifel.
Die ihn enthaltende, bei der Staatsanwaltſchaft ein⸗
gegangene Eingabe trägt die Unterſchrift: Frau St....
Allerdings iſt ſie von der Antragsberechtigten, der
Mutter der Kath. St. weder verfaßt noch unterſchrieben.
Dieſer Umſtand iſt aber bedeutungslos. Denn Frau
St. hatte den Prozeßagenten E. beauftragt, für ſie
den Strafantrag zu ſtellen und mit ihrem Namen zu
unterzeichnen, und der letztere hatte in Erledigung des
Auftrags einen ſeiner Angeſtellten veranlaßt, den vor⸗
liegenden Antrag abzufaſſen und mit Frau St.
zu unterſchreiben. Was unter dem Begriff der Schrift⸗
lichkeit im Sinne des § 156 Abſ. 2 StPO. zu verſtehen iſt,
könnte lediglich der StPO. und den fie etwa inſoweit
ergänzenden Strafgeſetzen entnommen werden. Die nur
den rechtsgeſchäftlichen Verkehr auf dem Gebiet des
bürgerlichen Rechts regelnde Vorſchrift des 8 126 BGB.
muß deshalb dabei außer Betracht bleiben. Da aber
die erwähnten Geſetze eine Erläuterung nicht enthalten,
fo hat der gewöhnliche Sprachgebrauch und die Zweck—
beſtimmung jener Vorſchrift zu entſcheiden. Danach
gehört zu einer ſchriftlichen Erklärung allerdings auch
eine Unterſchrift, aber nur in dem Sinne, daß dadurch
über die Perſon, von der die Willenserklärung ausgeht
und über deren Vollſtändigkeit kein Zweiſel obwalten
darf (RGE. Bd. 3 S. 442). Deshalb iſt ein Straf⸗
antrag auch dann als ſchriftlich geſtellt anzuſehen,
wenn er im Auftrage des Berechtigten von einem
Dritten verfaßt und mit jenes Namen unterſchrieben
worden ift (RGE. Bd. 6 S. 69). Die Vollmacht kann
mündlich erteilt fein (RGE. Bd. 19 S. 7) und erforder:
lichenfalls auch noch nach Ablauf der Antragsfriſt
nachgewieſen werden (RGE. Bd. 12 S 337). Aus dem
Zuſammenhang dieſer Rechtsgrundſätze folgt mit Not⸗
wendigkeit, daß der Vorſchrift des 8 156 StPO. ent-
ſprochen iſt, wenn eine dem Auftrag des Berechtigten
entſprechende, deſſen Unterſchrift enthaltende ſchriftliche
Erklärung der zu ihrer Empfangnahme berufenen
Behörde vorgelegt wird, ohne Rückſicht darauf, von
wem ſie, insbeſondere auch hinſichtlich der Unter⸗
ſchrift, gefertigt iſt. Deshalb braucht der mit der
Anfertigung und Vollziehung
vom Antragsberechtigten Beauftragte ihn nicht ſelbſt
zu ſchreiben und zu unterſchreiben, ſondern er darf
ſich dazu einer Mittelsperſon als ſeines Werkzeugs
bedienen. (Urt. d. V. StS. vom 24. September 1907,
5 D 379.07). u
1085
III.
Beiſeiteſchaffung von Vermögensbeſtandteilen (5 288
StB.) Darin, daß der Angeklagte mit feiner Ber-
käuferin einen Schein vertrag über den Verkauf
ſeines Geſchäftes abſchloß und dieſen dem pfändenden
Gerichtsvollzieher mit der Erklärung vorzeigte, die
Sachen, die der Gerichtsvollzieher pfänden wollte,
eines Strafantrags,
Nr. 2. 45
ſeien Eigentum der Verkäuferin, ſo daß der Gerichts⸗
vollzieher zunächſt von der Pfändung Abſtand nahm,
konnte ein Beiſeiteſchaffen im Sinne des $ 288 StGB.
erblickt werden.“) (Urt. d. V. StS. v. 18. Sept. 1907,
5 D 256/07).
1099
— — — e —
IV.
Eigentliche und vermeintliche Notwehr (8$ 53, 59
St.); in der Sachlage begründete Notwendigkeit,
fi) über z 53 Abſ. 3 StGB. anszuſprechen. Der
Reviſion konnte der Erfolg nicht verſagt werden.
Der Erſtrichter hält die Begriffe der Notwehr (8 53
StGB.) und der Putativnotwehr ($ 59 StS) nicht
ſcharf auseinander und hat ſich nicht klar gemacht,
welche Folgen die Annahme des einen oder anderen
Einwandes hat und unter welchen Vorausſetzungen
der Angeklagte trotzdem der vorſätzlichen Körperver⸗
letzung ſchuldig geſprochen werden konnte. Die Aus⸗
führungen, daß der Angeklagte „in Notwehr gehandelt“
hat und daß er über das Maß der Verteidigung,
„welche geboten war“ weit hinausgegangen iſt, „da
er zu einer ſehr gefährlichen Waffe — einem Meſſer —
gegriffen und ſie in ruckſichtsloſer Weiſe benutzt hat,“
würdigen das Handeln des Angeklagten aus dem Ge⸗
ſichtspunkte des § 53 Abſ. 2 SIEB. Schon dabei er-
regt es Bedenken, daß der Erſtrichter die nach der
Sachlage gebotene Angabe unterläßt, in welch anderer
Weiſe der Angeklagte dem Angriffe hätte begegnen
können und ſollen. Denn nach dem Urteil iſt er „ein
nervenkranker Menſch' und war zunächſt von dem
einen Bruder beſchimpft, von dem andern — der zu⸗
vor auf eine andere Perſon eingeſchlagen hatte —
durch einen Schlag unter das Auge verletzt worden.
Dazu kommt, daß das Gericht anſcheinend den § 53
Abſ. 3 StGB. außer Prüfung gelaſſen hat (vgl. Entſch.
d. RG. Bd. 16 S. 71). Wenn es auch nicht prozeſſual
zu einem Ausſpruche genötigt war, ob der Angeklagte
nicht in Beſtürzung, Furcht oder Schrecken über die
Grenzen der Verteidigung hinausgegangen iſt, da der
Verteidiger nach dem Protokoll nur ein Handeln im
Exzeſſe der Notwehr, nicht aber die Strafloſigkeit dieſes
Exzeſſes geltend gemacht hatte, ſo gebot doch die Sach⸗
lage und insbeſondere der vom Erſtrichter hervor⸗
gehobene Umſtand, daß der Angeklagte ein nerven⸗
kranker Menſch iſt, der ſich — nach dem Protokoll —
zu ſeiner Verteidigung auf nervöſes Herzklopfen be—
rufen hatte, zu der Frage ausdrücklich Stellung zu
nehmen, ob die Vorausſetzung des § 53 Abſ. 3
StGB. gegeben fei oder nicht. Dem Geſichtspunkte
der Putativnotwehr trägt ſodann der Erſtrichter zwar
durch die in Verquickung mit der Frage der eigent—
lichen Notwehr gegebenen Ausführungen Rechnung,
daß der Angeklagte „in dem an ſich ziemlich unge—
fährlichen Verhalten des Angreifers eine größere Ge—
fahr erblicken mochte, als ſolche „begründet war“ und
daß er über das Maß ſeiner Verteidigung, „welche
ihm geboten erſcheinen mochte“, weit hinausgegangen
ſei. Dieſes Hinausgehen konnte jedoch den Ange—
klagten nur dann wegen vorſätzlicher Körper⸗
verletzung ſtrafbar machen, wenn er es nicht aus einem
tatſächlichen Irrtum für erforderlich hielt und ihm
demgemäß das Bewußtſein der Rechtswidrigkeit bei—
wohnte; lag ſeinem Handeln ein ſolcher Irrtum
zugrunde, fo konnte eine fahrläſſige Körper-
verletzung in Frage kommen, falls der Irrtum durch
Fahrläſſigkeit verurſacht war (vgl. Entſch. d. RG. Bd. 21
S. 189). Dieſe Frage hat der Erſtrichter nicht geprüft.
(Urt. d. V. StS. v. 8. Oktober 1907, 5 D 428 07).
1082
— — — e —
) (Vgl. Entſch. d. RS, Bd. 27 S. 213).
46
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Wr. 2.
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Können einem Grundftäde, das im Grnudbuhe mit
mehreren anderen auf demſelben Blatte eingetragen iſt,
auf dem gleichen Blatte andere Grundſtücke als Be:
ftandteile zugeſchrieben werden? (BGB. § 890, GVO.
§ 4, VayHypG. § 120).!) Die Kaufmannseheleute
D. in R. ſind Eigentümer des Grundſtückes Pl.⸗Nr. 491 a b
Wohnhaus mit Nebengebäuden in S., das mit 11 anderen
Grundſtücken im Grundbuche des Amtsgerichts W. für
S. Bd. Blatt 35 eingetragen ift und mehrerer weiterer
dort auf Blatt 95b und auf Blatt 123 eingetragener
Grundſtücke. Die auf Blatt 35 eingetragenen Grund—
ſtücke waren zur Zeit der Anlegung des Grundbuchs
mit einer Sicherheitshypothek von 5000 Mk. belaſtet.
Zu Urkunde des Notars D. vom 27. September 1907
haben die Eheleute D. für ein durch 5 % ige Annuitäten
zu verzinſendes und zu tilgendes Darlehen der H.
und W.⸗Bank in M. im Betrage von 12 000 Mk. Hy⸗
pothe? ohne Brief an ihren ſämtlichen Grundſtücken
beſtellt, ſich verpflichtet jede vorgehende oder gleich⸗
ſtehende Hypothek zur Löſchung zu bringen, die auf
Blatt 95b und Blatt 123 eingetragenen Grundſtücke
dem Grundſtücke Plan Nr. 491 ab als Beſtandteile auf
Blatt 35 zuzuſchreiben beantragt und den Notar er-
mächtigt, die erforderlichen Anträge für ſie zu ſtellen.
Auf Vorlegung der Urkunde hat das Grundbuchamt
am 2. Oktober die Hypothek auf Blatt 35, 95b und
123 eingetragen. Am 9. Oktober iſt dann die Sicher-
heitshypothek gelöſcht worden. Am 14. Oktober be⸗
antragte der Notar unter abermaliger Vorlegung der
Urkunde, auch die Zuſchreibung der mit dem Grund—
ſtücke Pl.⸗Nr. 491 a b als Beſtandteile zu verbindenden
Grundſtücke zu bewirken. Für den Fall der Ablehnung
des Antrags legte er die Beſchwerde ein. Das Grund—
buchamt hat den Antrag zurückgewieſen, weil die auf
Blatt 35 eingetragenen Grundſtücke zu einem ein:
heitlichen Grundſtücke verbunden ſeien, und nur dieſer
Grundſtückseinheit, nicht einem einzelnen der ver-
bundenen Grundſtücke weitere Grundſtücke als Beſtand—
teile zugeſchrieben werden könnten. Die Beſchwerde
wurde zurückgewieſen. Die Eheleute D. legten weitere
Beſchwerde ein mit dem Erfolge, daß das Oberſte
Landesgericht die Entſcheidungen der Vorinſtanzen
aufhob und das Grundbuchamt anwies anderweit zu
verfügen.
Gründe: Unter der Herrſchaft des früheren
Rechtes fand die Eintragung mehrerer Grundſtücke
auf demſelben Blatte des Hypothekenbuchs nicht nur
nach § 120 HG. dann ftatt, wenn die Grundſtücke zum
Zwecke einheitlicher Belaſtung zu einer Grundſtücks—
einheit, einem „Gutskomplexe“ verbunden werden
ſollten, ſondern ſie wurde auch häufig von Amts wegen
als eine der Vereinfachung der Buchführung dienende
Maßregel angeordnet und ließ in dieſem Falle die
Selbſtändigkeit der einzelnen Grundſtücke ebenſo un—
berührt, wie es bei der Führung eines gemeinſchaft—
lichen Grundbuchblatts nach 8 4 GBO. der Fall ift.
In der Eintragung wurde meiſtens nicht erſichtlich
gemacht, ob die Eintragung auf demſelben Blatte in
dem einen oder in dem anderen Sinne erſolgt war,
das Beſtehen eines gemeinſchaftlichen Blattes läßt
deshalb nicht ohne weiteres entnehmen, daß die Grund—
ſtücke zu einer Grundſtückseinheit verbunden worden
ſind, zur Beantwortung der Frage, ob dies geſchehen
iſt, muß vielmehr häufig auf den Eintragungsantrag
zurückgegriffen werden. Hier geben die Feſtſtellungen
1) Val. auch S 84 HG. in der Faſſung der Novelle vom 20. Des
zember 1903 Art. II Nr. 3 mit den Motiven hierzu in den Verh. ed.
K d. Aba 1902/0! Beil Bd. 13 S. 319 ff. DA. f. d. GrBae. S 219
Abſ. 2 mit Muſter bierzu S. 365, Henle, Anlegung des Grundbuchs. 7 j ee
i i übergehen jollte, einzeln aufgeführt, der Verkäufer be-
2. Aufl. S. 42.
des Beſchwerdegerichts keinen ſicheren Auſſchluß dar—
über, welche Bedeutung der Eintragung des Grund-
ſtücks Pl.⸗Nr. 491a b mit 11 anderen Grundſtücken
auf Blatt 35 zukommt. Es kommt aber hierauf eben⸗
ſowenig an, wie es notwendig iſt, auf die Frage ein:
zugehen, ob die unter der Herrſchaft des früheren
Rechtes erfolgte Verbindung mehrerer Grundſtücke
zu einer Grundſtückseinheit von der Zeit an, zu der
das Grundbuch als angelegt anzuſehen iſt, als Ver⸗
einigung der Grundſtücke im Sinne des § 890 Abſ. 1
BOB. anzuſehen ift. Denn der Beſchwerde muß darin
zugeſtimmt werden, daß die Eheleute D. in der Ur⸗
kunde des Notars den Willen kundgegeben haben,
daß das Grundſtück Pl.⸗Nr. 491 ab ein ſelbſtändiges
Grundſtück ſein ſoll. Nach dem Antrage ſollen die
auf Blatt 95b und Blatt 123 eingetragenen Grund—
ſtücke nicht mit den zwölf auf Blatt 35 eingetragenen
Grundſtücken in der einen oder der anderen nach
§ 890 BGB. zuläſſigen Weiſe vereinigt fondern fic
ſollen mit dem Grundſtücke Pl.⸗Nr. 491a b allein
verbunden, nur dieſem als Beſtandteile zugeſchrieben
werden. Darin unterſcheidet ſich der vorliegende Fall
von dem Falle, der den Gegenſtand des Beſchluſſes
des Kammergerichts vom 4. März 1901 gebildet hat
(Rſpr. d. OLG. Bd. 2 S. 407). Dort ſollte ein Grund⸗
ſtück einem aus dem Hauptgut und vier Vorwerken
beſtehenden Rittergut „und zwar dem Vorwerke C'
als Beſtandteil zugeſchrieben, es ſollte alſo die Ber:
einigung des Vorwerkes C mit dem Hauptgut und
den anderen Vorwerken aufrecht erhalten und inner—
halb dieſer Einheit dem einen Beſtandteil ein neuer
Beſtandteil angefügt werden, der damit auch Beſtand—
teil der Einheit, des Rittergutes, werden folte. Da:
durch, daß die zuzuſchreibenden Grundſtücke eine Er—
weiterung des Grundſtücks Pl.-Nr. 491 a b bilden
ſollen, ohne zu den übrigen auf Blatt 35 eingetragenen
Grundſtücken in ein Verhältnis der Zuſammengehörig—
keit zu treten, wird das Grundſtück Pl.-Nr. 491 ab
von den übrigen Grundſtücken abgeſondert und ihnen
gegenübergeſtellt, es wird ihm dieſen gegenüber eine
ſelbſtändige Stellung zugewieſen, mit der das Fort—
beſtehen der etwa aus früherer Zeit ſtammenden Ver—
einigung mit ihnen nicht vereinbar ift. Dieſe Ber-
einigung muß daher, falls ſie beſteht, gelöſt werden,
und dies kann geſchehen, ohne daß dem mutmaß—
lichen Willen der Hypothekenbank, die ſämtlichen
für ihr Darlehen haftenden Grundſtücke auf dem—
ſelben Blatte eingetragen zu ſehen, entgegengetreten
werden muß; nach $ 4 GBO. beſteht kein rechtliches
Hindernis, das Grundſtück Pl.-Nr. 491 ab, wenn es
von der bisherigen Grundſtückseinheit abgeſchrieben
wird, auf Blatt 35 zu belaſſen und ihm die Grund:
ſtücke, die ihm als Beſtandteile angefügt werden ſollen,
auf dieſem Blatte zuzuſchreiben. (Beſchl. des I 38.
vom 22. November 1907, III 8107). W.
1122
II.
Ein radiziertes Gewerberecht kann uur mit diſtrikts⸗
polizeilicher Genehmigung anf ein anderes Anweſen über:
tragen werden. Umfang des öffentlichen Glaubens des
Grundbuchs (BGB. SS 892, 893). In V. beſtanden
zwei Tafernwirtſchaftsgerechtſamen, von denen die eine
auf dem Anweſen Haus Nr. 6 radiziert und die andere
mit der A.⸗Viſchen Brauerei verbunden war. Haus
Nr. 6 ging durch Kauf vom 11. März 1863 auf den
Bauer S. von U. über, der auch das Haus Nr. 135 in
U. beſaß. Auf deſſen Antrag erteilte das Bezirksamt
im Februar 1867 die gewerbepolizeiliche Genehmigung
zu der Uebertragung der Tafernwirtſchaftsgerechtſame
von dem Hauſe Nr. 6 in V. auf das Haus Nr. 135 in
U. Am 11. September 1875 verkaufte S. das Haus
Nr. 135 in U. an den Wirt Br. von O. In der no⸗
tariellen Urkunde iſt das Zubehör, das auf den Käufer
hielt fi ein einzelnes Grundſtück und einige Ein⸗
richtungsgegenſtände ausdrücklich vor, die Tafern⸗
wirtſchaftsgerechtſame iſt aber nicht erwähnt. Der
Käufer Br. erhielt durch Beſchluß des Bezirksamts vom
15. Februar 1876 die Bewilligung, die Tafernwirt⸗
ſchaftsgerechtſame zu U. durch einen Stellvertreter
auszuüben. Mit derſelben Begründung wurde auch
feinen Beſitznachfolgern die Erlaubnis zum Betriebe
der Tafernwirtſchaft erteilt; im Jahre 1879 iſt der
Wirtſchaftsbetrieb von dem damaligen Beſitzer des
An weſens eingeſtellt worden. Am 22. Dezember 1875
erklärte S. vor dem Bürgermeiſter der Gemeinde V.:
„Er habe ſein Wirtsanweſen in U. verkauft und ſei
in ſeine ſchon früher innegehabte Wirtſchaft nach V.
gezogen; er ſtelle deshalb an das Bezirksamt die Bitte,
ihm eine Tafernwirtſchaftskonzeſſion nach V. zu erteilen
oder feine ſchon früher in V. beſtandene reale Tafern—
wirtſchaftsgerechtſame, welche nach U. transferiert
worden ſei, wieder nach V. zu transferieren.“ Infolge
eines Mißverſtändniſſes nahm das Bezirksamt an, das
von S. im Jahre 1863 erworbene Anweſen ſei das
Anweſen, in dem bisher die A.ſche Tafernwirtſchafts—
gerechtſame ausgeübt worden war. Demgemäß erteilte
es am 26. Februar 1876 dem S. in V. die diſtrikts—
polizeiliche Erlaubnis zur Ausübung des Gaſtwirt—
ſchaftsgewerbes in den Wirtslokalitäten zu V. Im
Gewerbeſteuerkataſter wurde an Stelle des A. als Ins
haber der Gerechtſame in V. der Wirt S. und als
Nachfolger des S. in die Gerechtſame in U. der Wirt
Br. eingetragen. In der Folge wurde das Haus Nr. 6
in V. ſtets „mit der auf dem Anweſen ruhenden
Tafernwirtſchaftsgerechtſame“ veräußert; die Wirts⸗
eheleute M. erklärten in notarieller Urkunde vom
4 September 1889 die Gerechtſame für Zubehör des
Anweſens und ließen fie als foldes in das Hypotheken—
buch eintragen. Durch Tauſchvertrag vom 27. Oktober
1906 erwarb der Sägewerksbeſitzer B. in U. das An-
weſen Haus Nr. 6 in V. Am nämlichen Tage richtete
er an das Bezirksamt das Geſuch, ihm die Ausübung
des Wirtſchaftsgewerbes auf ſeinem Hauſe Nr. 126 in
U. zu geſtatten, auf das er die mit dem Anweſen
Haus Nr. 6 in V. erworbene Gerechtſame zu über—
tragen beabſichtige. Das Bezirksamt eröffnete ihm,
die von ihm für das Anweſen Haus Nr. 6 in V. in
Anſpruch genommene Tafernwirtſchaſtsgerechtſame
könne nicht anerkannt werden, da die Gerechtſame, die
früher auf dem Anweſen ruhte, mit gewerbepolizei—
licher Genehmigung vom 6. Februar 1867 auf das
Anweſen Haus Nr. 135 in N. übertragen und von dort
nicht zurückübertragen worden ſei und der Beſchluß
vom 26. Februar 1876, durch den dem S. gleichwohl
die Erlaubnis zur Ausübung des Wirtsgewerbes in V.
erteilt worden fei, auf der irrigen Annahme beruhe,
S. habe die A. ſchen Wirtſchaftslokalitäten erworben.
B. beantragte nun bei dem Amtsgerichte M. Feſtſtellung
der auf dem Anweſen Haus Nr. 6 in V. ruhenden
Taſernwirtſchaftsgerechtſame. Das Amtsgericht wies
den Antrag ab, indem es feſtſtellte, daß auf dem Hauſe
Nr. 6 in V. eine Tafernwirtſchaftsgerechtſame nicht
ruhe. Die Beſchwerde des B. wurde zurückgewieſen.
Das Obe. hat auch die weitere Beſchwerde des B.
zurückgewieſen.
Aus den Gründen: Die Tafernwirtſchafts⸗
gerechtſame, die bis in das Jahr 1867 auf dem An—
weſen Haus Nr. 6 in V. ruhte, ift durch die am 6. Fe-
bruar 1867 gewerbepolizeilich genehmigte Uebertragung
auf das Anweſen Haus Nr. 135 in U. mit dieſem An⸗
weſen geradeſo verbunden worden, wie ſie bis dahin
mit dem Anweſen Haus Nr. 6 in V. verbunden war,
fie war von da an im Sinne des Art. 4 Ziff. 5 des
Gew. vom 11. September 1825 auf dem Anweſen
Haus Nr. 135 in U. radiziert. Infolgedeſſen konnte
ſie von dem Eigentümer des Anweſens nicht nach
ſeinem Belieben auf ein anderes Anweſen in derſelben
Gemeinde übertragen werden, ſondern die Uebertragung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
47
war nur mit Bewilligung der Diſtriktsverwaltungs⸗
behörde möglich. Solange die Bewilligung nicht er⸗
teilt war, blieb die Gerechtſame auf dem Anweſen
Haus Nr. 135 in U. ruhen, auch wenn der bisherige
Eigentümer S. bei dem Verkaufe des Anweſens mit
dem Erwerber vereinbart haben ſollte, daß ſie nicht
auf dieſen übergehen fole (Aeltere Samml. von Entſch.
d. OLG. Bd. 13 S. 435, Neue Samml. Bd. 1 S. 595).
Die Bewilligung zu der Rückübertragung der Gerecht⸗
fame auf das Anweſen Haus Nr. 6 in Vi ift aber nicht
erfolgt, insbeſondere nicht durch den Beſchluß vom
26. Februar 1876 erteilt worden. Es iſt deshalb be⸗
langlos, in welchem Sinne die Vereinbarungen des
Kaufvertrags vom 11. September 1875 aufzufaſſen
ſind. Die bei dem Anweſen Haus Nr. 6 in V. in
Wirklichkeit nicht vorhandene Gerechtſame konnte auch
nicht im Wege der Erſitzung erworben werden (Neue
Samml. Bd. 7 S. 262), und ebenſo war die Eintragung
der vermeintlichen Gerechtſame als Zubehör des Mn-
weſens im Hypothekenbuch ohne rechtliche Bedeutung
(Neue Samml. Bd. 7 S. 261). Dem Beſchwerdeführer,
der das Anweſen Haus Nr. 135 in U. unter der Herr⸗
ſchaft des Grundbuchrechts erworben hat, kommt in
Anſehung der vermeintlichen Gerechtſame auch nicht
der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu ſtatten.
Das Grundbuch gibt nach Maßgabe der SS 892, 893
BGB. mit öffentlichem Glauben Aufſchluß über den
Rechtszuſtand, der in Anſehung des in dem Titel des
Blattes bezeichneten Grundſtücks beſteht; der öffent⸗
liche Glaube erſtreckt ſich aber nicht auf das Vor-
handenſein des Grundſtücks und ebenſowenig auf das
Vorhandenſein eines Rechtes, das im Titel als Be—
ſtandteil des Grundſtücks im Sinne des § 96 BGB.
bezeichnet iſt. (Beſchl. des I. ZS. vom 22. November
1907, III 80.07). W.
1125
III.
Vorausetzungen für die Eintragung einer Sider:
heits⸗(Kautions⸗Hypsthek (H ypG. 88 11, 19). Der Bureau⸗
diener Kilian S. in G. und ſeine Ehefrau Katharina
haben durch Ehevertrag vom 27. September 1907 Güter⸗
trennung vereinbart. Mit notarieller Urkunde vom näms
lichen Tage erklärte Kilian S., ſeine Frau habe ein
Barvermögen von 3800 Mk. in die Ehe gebracht, da—
von ſei ein Teil zur Anſchaffung beweglicher Sachen,
ein anderer Teil zum Ankaufe eines von ihm erwor—
benen Anweſens verwendet worden; ſeine Frau ver—
lange „auf Grund geſetzlichen Rechtes von ihm die
Sicherſtellung ihres eingebrachten Gutes, ſoweit es
für beſagte Zwecke aufgebraucht wurde bzw. für einen
Teilbetrag von 3300 Mk.“, zu dieſem Zwecke beſtelle
er feiner Ehefrau „eine Kautionshypothek von 3300 Mk.“
an dem gekauften Anweſen. Katharina S. erklärte,
ſie nehme die beſtellte teilweiſe Sicherung an, behalte
ſich aber weitere Anſprüche bevor. Das Hypotheken—
amt lehnte die Eintragung der Hypothek ab, weil für
eine ſchon beſtehende Forderung eine Kautionshypothek
nicht beſtellt werden könne. Das LG. hat die Be—
ſchwerde des Kilian S. zurückgewieſen. Es erachtet
die Eintragung der Kautionshypothek für unzuläſſig,
weil es ſich nach dem Inhalte der Urkunde nicht um
einen Anſpruch auf Sickerſtellung des eingebrachten
Gutes oder um die Sicherſtellung eines Anſpruchs
aus deſſen Verwaltung handle, ſondern für eine nach
Grund und Betrag feſtſtehende und nicht bedingte For—
derung Hypothek beſtellt werde. Kilian S. legte
weitere Beſchwerde ein. Das ObLO. hat die Ent-
ſcheidungen der Vorinſtanzen aufgehoben und das
Hypothekenamt angewieſen, anderweit zu verfügen.
Aus den Gründen: Nach den 88 11, 19
HypG. kann eine Hypothek auch für eine Forderung
beſtellt werden, deren Betrag noch nicht genau be—
ſtimmt ift; dem Erforderniſſe der Beſtimmtheit wird
dadurch genügt, daß in der Eintragung die Geldſumme
angegeben wird, bis zu welcher das Grundſtück für
48 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
—
die Forderung haften ſoll (Regelsberger, Bayer. HypR.
§ 28 II S. 128, 129, § 43 S. 188 ff.). Ein Antrag,
eine ſolche Sicherheits⸗(Kautions)⸗ Hypothek für eine
Forderung einzutragen, deren Betrag in der Eintragung
als feſtſtehend bezeichnet werden ſoll, würde allerdings
einen inneren Widerſpruch enthalten. Aber die Vor⸗
inſtanzen haben mit Unrecht angenommen, daß eine
ſolche Eintragung beantragt ſei. Kilian S. hat nur
erklärt, daß ſeine Frau von ihm Sicherſtellung eines
Teilbetrages von 3300 Mk. der aus ihrem Vermögen
zur Anſchaffung beweglicher Sachen und zum Ankaufe
des Anweſens verwendeten Summe verlange und daß
er ihr zu dieſem Zwecke eine Kautionshypothek von
3300 Mk. beſtelle. Ein Anerkenntnis der Höhe des
von der Frau beanſpruchten Erſatzes hat er nicht er⸗
klärt, in dieſer * er ſich ebenſowenig ge⸗
bunden wie die Frau, die ſich ausdrücklich ihre weiteren
Anſprüche vorbehalten hat. Die Summe von 3300 Mk.
bezeichnet daher nur den Höchſtbetrag, bis zu dem
das Grundſtück für die Forderung der Frau haften
ſoll, und dies iſt in der Urkunde dadurch zum Aus⸗
drucke gebracht, daß die einzutragende Hypothek als
Kautionshypothek bezeichnet wird. (Beſchl. des I. 8S.
W.
vom 8. November 1907, III 79/07).
1117
B. Strafſachen.
Notwehr gegen den Angriff eines Tieres. (5 53
St B.). Putativnotwehr. (5 228 B.). Irrtümlicher
Glanbe hinſichtlich einer drohenden Gefahr und deren
Abwendung im Sinne des § 228 BGB. Der Auge-
klagte hatte von der Haustüre aus auf einen Hund,
der ſchon öfter im Hofraume war und von dem für
die Schweine beſtimmten Futter fraß, in dem Augen⸗
blicke geſchoſſen, als der Hund am Hoftore ſcharrte,
um hinausgelaſſen zu werden.
Tier von hinten, es wurde getötet.
Aus den Gründen: 1. Aus der Feſtſtellung
oer Strafkammer ergibt ſich, daß die Strafkammer
auch annahm, daß der Angeklagte im Augenblicke der
Abfeuerung des Schuſſes weder von dem Hunde an⸗
gegriffen war, noch daß ihm ein Angriff des Hundes
drohte und ferner, daß der Angeklagte damals auch
nicht des irrtümlichen Glaubens war, es drohe ihm
ein Angriff des Hundes und er müſſe ſich zur Ab⸗
wendung des Angriffs einer Schußwaffe bedienen .
Bei dieſer Schlußfolgerung ging die Strafkammer von
der Rechtsauffaſſung aus, daß von einer Notwehr im
Sinne des § 53 StGB. auch in dem Falle zu ſprechen
ſei, daß es ſich um die Abwendung des Angriffs eines
Der erkennende Senat ſchließt ſich
Tieres handle.
der gegenteiligen Rechtsanſchauung an, die vom RG.
in den Urteilen vom 17. Juni 1901 und 30. April
1903 (Entſch. Bd. 34 S. 295, Bd. 36 S. 230) und von
ihm in der Entſcheidung vom 18. Juni 1904 (Slg.
Bd. IV S. 383) ausgeſprochen worden iſt.
2. Hiernach iſt für die Frage, ob die Tötung des
Hundes eine rechtswidrige Sachbeſchädigung war,
die Norm des § 228 BGB. maßgebend, die Tötung
alſo nur dann nicht rechtswidrig, wenn ſie unter den
Vorausſetzungen des § 228 begangen wurde, d. h.
wenn die Tötung zur Abwendung der vom Hunde
drohenden Gefahr erforderlich war und der Schaden,
der dem Eigentümer des Hundes zugefügt wurde, nicht
Der Schuß traf das
— — — — —ñä — : —
außer Verhältnis zu der Gefahr ſtand (RG. Bd. 34
S. 296). Nach dem, was vom Berufungsgerichte feſt—
geſtellt iſt, war der Angeklagte im Augenblicke der
Abgabe des Schuſſes vom Hund überhaupt nicht be—
droht und dieſer wollte den Hof verlaſſen. Bei dieſer
Sachlage entfällt die Erörterung der Frage, ob in dem
Falle, daß der Angeklagte das für ſeine Schweine
beſtimmte Futter gegen die „Angriffe“ des Hundes zu
ſichern veranlaßt geweſen wäre, die Tötung des Hundes
nicht außer Verhältnis zur Gefahr geſtanden wäre . ..
3. Das Berufungsgericht war der Anſchauung,
daß auch „von einer Putativnotwehr im Sinne des § 53”
9 3 StGB. nicht die Rede fein könne. Die Bezug-
nahme auf den Abf. 3 des § 53 ift — ganz abgeſehen
von der Frage der Anwendbarkeit des § 53 bei der
Abwehr der von Tieren drohenden Angriffe — recht⸗
lich bedenklich. Der Abſ. 3 des § 53 handelt von der
ſog. Ueberſchreitung der Notwehr; er ſetzt alſo eine
gerechtfertigte Notwehr voraus. Begrifflich verſchieden
von der Ueberſchreitung der Notwehr iſt die ſog.
Putativnotwehr, d. h. die irrtümliche Annahme des
Vorhandenſeins eines „Notwehrzuſtandes“. Liegt ein
ſolcher Irrtum vor, ſo ſehlt es an dem rechtswidrigen
Vorſatz und ſteht — unter Umſtänden — nur ein fahr⸗
läſſiges Handeln in Frage. — Entſch. d. RG. Bd. 21
S. 189; Slg. v. Entſch. des Oberſt. LG. Bd. II S. 323,
Bd. IV S. 346. — Hier ſcheidet die Anwendbarkeit des
8 53 StGB. überhaupt aus. Freilich kann auch bei
der Anwendung des § 228 BGB. im Hinblick auf
§ 59 StGB. unter Umſtänden die Frage von Be-
deutung werden, ob ein Beſchuldigter irrtümlich des
Glaubens war, daß ihm eine Gefahr drohe und daß
es ſich um deren Abwendung handle oder ob er aus
Irrtum über die Tragweite feiner Befugniſſe nach
8 228 BGB. handelte. — Vgl. Entſch. d. RG. Bd. 16
S. 150, Bd. 25 S. 150, Bd. 19 S. 209. — Die Er⸗
örterung dieſer Frage kann unterbleiben, weil die
Strafkammer davon ausging, der Angeklagte ſei im
Augenblicke des Schuſſes nicht des irrtümlichen Glaubens
geweſen, es drohe ihm ein Angriff des Hundes und
er müſſe ſich zur Abwehr der Gefahr einer Schuß⸗
waffe bedienen. (Urt. vom 31. Oktober 1907; Rev. R.
Nr. 420/1907).
1094 H.
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Klage auf „Abnahme“ einer an den Käufer ab-
gelieferten, von dieſem zur ben kadar geſtellten und
dei einem Spediteur hinterlegten Ware. Der Käufer
hat die mit Faktura vom 5. Dezember 1906 an ihn
abgeſendeten und am 13. Dezember 1906 mit der Bahn
bei ihm in K. eingetroffenen Waren (Chevreaux und
Chevreauxſtücke) mit Brief vom 14. Dezember 1906
zur Verfügung geſtellt; er rügte an den Chevreaux⸗
ſtücken den Mangel der bedungenen Größe und verz
weigerte im Hinblick auf die Vereinbarung eines Durch⸗
ſchnittspreiſes die Abnahme der ganzen Lederſendung.
Die beanſtandete Ware wurde vom Käufer feiner
Drohung entſprechend einem Spediteur in K. zur Ber:
wahrung gegeben und der Verkäufer hiervon mit der
Bemerkung benachrichtigt, daß die Lagerſpeſen vom
20. Dezember an lauſen. Der Antrag der „wegen
Annahme von Waren“ erhobenen und urſprünglich
auch die Zahlung des Kaufpreiſes nach Verfall for:
dernden Klage geht, nachdem dieſer letztere Paſſus
geſtrichen, noch auf Verurteilung des Beklagten dazu,
die Ware beim Spediteur abzunehmen. Das L.
verurteilte nach dieſem Antrage, da es auf Grund einer
Beweisaufnahme die Vertragsmäßigkeit der Ware an-
nahm; das OLG. wies die Klage ab.
Aus den Gründen: Nach dem Vorbringen
der Parteien (Kaufleute) unterliegt es keinem Zweifel,
daß die mit der Bahn zur Ablieferung gelangte Ware
vom Beklagten in feinen Beſitz und in feine Ber-
fügungsgewalt genommen wurde. Damit iſt aber die
Abnahme, d. h. der mit der Ablieferung korreſpon⸗
dierende Akt, wodurch der Käufer die faktiſche Inne⸗
habung, die Verfügung über den Kaufgegenſtand er—
langt, vollzogen und vollendet. Da der Verkäufer
von dem ihm anheimgeſtellten Verfügungsrechte zu—
nächſt keinen Gebrauch machte, verfuhr der Käufer
ſeiner Androhung gemäß folgerichtig und der gejeg-
—— um on ——
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
lichen Anleitung von § 379 HGB. entſprechend durch
Abgabe der Ware an den Spediteur zur einſtweiligen
Aufbewahrung. Auch durch dieſen Akt hat er, ebenſo
wie durch die Beſichtigung, Prüfung, e
ſtellung, ſeine Verfügungsgewalt über
lieferung in ſeinen Beſitz gelangte Ware dokumentiert;
ie durch Ab⸗
49
Kaufsabſchluß ohne Garantie behaupten; er, M., habe
aber nur einen Vertrag mit Garantie abſchließen
wollen; R. müſſe ſeine Erklärung, die Garantie nicht
ernſtlich gewollt zu haben, gegen ſich gelten laſſen.
Es liege alſo nur äußerlich und ſcheinbar eine Willens⸗
übereinſtimmung vor, in Wirklichkeit ſei aber innerlich
der äußeren Innehabung, die vom 13. bis zum 20. Jas
nuar bei ihm vorhanden war, iſt er erſt durch die
Verwahrung beim Spediteur ledig geworden. Das
geltende Recht gibt dem Verkäufer die Klage auf Ab⸗
nahme, auf Vornahme der zur Abnahme erforderlichen
Handlungen (Mitwirkung des Käufers zum Vollzug
der Tradition), unter Umſtänden auch eine Klage auf
Feſtſtellung, daß ein Lieferungs verhältnis und eine
Pflicht des Käufers zur künftigen Abnahme beſteht.
Aber die Ausübung und Geltendmachung dieſer Rechte
und Anſprüche ſetzt in allen Fällen voraus, daß es
zur Ablieferung und zur Abnahme noch nicht gekommen
iſt. Hier, wo die Ablieferung geſchehen, die Abnahme
erfolgt iſt, iſt kein Raum mehr für eine Klage auf
Abnahme. Allerdings gilt im Geſchäftsleben die „Ab⸗
nahme“ vielfach als ein Sammelname für alles, was
der Käufer in bezug auf die Beſitzveränderung und
Uebereignung der Ware gegenüber dem Verkäufer zu
tun hat. Der Kläger mag auch von der Vorſtellung
geleitet geweſen fein, daß feine als Klage auf „An:
nahme“ bezeichnete Klage Erfolg habe, wenn er nur
die Vertragsmäßigkeit der Ware beweiſe, und mag
wohl weiterhin, aber gleichfalls unzutreffenderweiſe
angenommen haben, daß die Sache geradeſo liege,
als wenn die Sendung unmittelbar vom Frachtführer
in die Verwahrung des Spediteurs verbracht worden
wäre. Dem (maßgebenden) Klagantrage zufolge be—
zweckt der Kläger bei näherer Betrachtung nur die
Verurteilung des Beklagten dazu, „der einſtweiligen
Aufbewahrung der Ware beim Spediteur ein Ende
zu machen und die Felle wieder in ſeinen eigenen
Gewahrſam zu nehmen“. Ein ſolches Klagerecht hat
der Verkäufer nicht. Der Käufer, der die ab-
genommene Ware zur Verfügung ſtellt und deren
Aufbewahrung anordnet, verweigert nicht die „Ab—
nahme“, ſondern die, Annahme als Vertragserfüllung“,
befindet fih alfo im Annahme-, d. i. Gläubigerverzug.
Die Rechtsbehelfe, die dem Verkäufer in dieſem Falle
zuſtehen, find in §$ 373, 374 HGB. aufgeführt. Auf
dem Umwege einer auf Abnahme gerichteten Klage
kann weder das Ende der Aufbewahrung noch die
Erfüllungsannahme herbeigeführt werden. Die Klage
auf Zahlung des bei Klagerhebung längſt fälligen
Kaufpreiſes, die anderweitige (billigere oder ſichere)
Hinterlegung, der Selbſthilfe verkauf, endlich unter Um—
ſtänden, die hier nicht vorliegen, auch eine Klage auf
Feſtſtellung der Vertragsmäßigkeit der Ware, waren
die zu Gebote ſtehenden Behelfe. (Urt. des II. 38.
vom 4. Dezember 1907, L 197/07).
1120 Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Lunglmanr in Zwelbrücken.
Oberlandesgericht Bamberg.
Verſteckter Diſſens. Scherz. (BGB. SS 116, 118,
154, 155). Der Bauer R. verkaufte an den Vieh—
händler M. vier Stiere um 1000 Mk. und garantierte
dem Käufer, daß er beim Verkauf an jedem Stücke
10 Mk. profitieren werde. R. klagte auf Vertrags—
erfüllung. M. machte geltend, es liege ein verſteckter
Diſſens und deshalb kein gültiger Vertrag vor. Das
OLG. erklärte diefe Einwendung für unbegründet.
Aus den Gründen: M. bringt vor, R. habe
beim Kaufsabſchluſſe erklärt, er garantiere ihm, daß
er 10 Mk. für das Stück profitiere; er, M., habe das
angenommen; R. wolle aber nun dieſes Garantie—
verſprechen als nicht ernſtlich gemeint hinſtellen und
eine Nichtübereinſtimmung, ein latenter Diſſens nach
8 118 BGB. vorhanden geweſen, ſohin gemäß §§ 154,
155 kein Vertrag zuſtande gekommen. Dieſes Bor-
bringen iſt nicht ſtichhaltig. Ein verſteckter Diſſens
liegt u. a. vor, wenn die Vertragserklärungen beider
Teile zwar übereinſtimmen, aber in Betreff eines
Punktes die Willenserklärung einer Partei nichtig iſt.
(Planck 3. Aufl. $ 155 Anm.). Es iſt dann zwar
aͤußerlich, aber nicht innerlich Willenseinigung vor⸗
handen. Nach der Behauptung des M. fol ein ſolcher
Fall hier gegeben ſein. Es iſt unſtrittig und auch er⸗
wieſen, daß R. das Garantieverſprechen wirklich ab⸗
gegeben und M. es angenommen hat; die äußerliche
Willensübereinſtimmung beſtand demnach. Die Er-
klärung des R. ſoll aber nicht ernſtlich gemeint ge⸗
weſen, ſondern nur zum Schein, aus Scherz erfolgt,
daher nach $ 118 BGB. nichtig fein. Die Vorſchrift
des § 118 hat zur Vorausſetzung, daß die Willens⸗
erklärung in der Erwartung abgegeben wird, der
Mangel der Ernſtlichkeit werde vom Gegner nicht ver—
kannt werden, alſo ohne Täuſchungsabſicht. Hat der
Erklärende als möglich vorausgeſehen, daß ſeine Er⸗
wartung nicht zutreffen wird, oder gewußt, daß der
Vertragsgegner den Scherz nicht als ſolchen erkennen
kann, ſo liegt ein geheimer Vorbehalt nach 8 116
Satz 1 BGB. vor und die Willenserklärung iſt gültig.
Denn dann hat der Erklärende mit Täuſchungsabſicht
gehandelt und jene Erwartung unmöglich hegen können.
Dem Erklärenden liegt regelmäßig der Beweis ob,
daß er die Erwartung gehegt habe; macht aber der
Gegner die Nichtigkeit der Willenserklärung geltend,
ſo trifft ihn die Beweislaſt (Planck 8 118 Anm.; Stau⸗
dinger 2. Aufl. § 118 Ziff. 1, 2). Hier behauptet R.
gar nicht, die fragliche Erwartung gehegt zu haben,
ſondern beſtreitet es; M. aber hat keinen Beweis ver⸗
ſucht. Wenn übrigens R. nur einen Scherz hätte
machen wollen, konnte man durchaus nicht erwarten,
daß M. ſeine Erklärung als ſolchen erkennen werde.
Wenn auch vom Geſetze objektive Erkennbarkeit des
Scheincharakters der Erklärung nicht verlangt wird,
ſondern rein innerliche Erwartung genügt, worüber
jedoch Streit beſteht (Staudinger und Planck a. a. O.),
fo muß doch ſubjektiv für den Erklärenden nach den
Umſtänden des Falles irgend eine Wahrſcheinlichkeit
beſtehen, die Erwartung werde ſich erfüllen. Dies war
in dem in RGE. Bd. 8 S. 249 ff. erwähnten, vom Be⸗
klagten angeführten Falle gegeben: wenn ein Kauf-
mann einem Klempnermeiſter eine Million Pfund
Bleirohre zu liefern ſich erbot, konnte letzterer bei der
ungeheueren Menge des Angebotenen den Scherz wohl
leicht erkennen und erſterer durfte das erwarten. Anz
ders liegt aber der Fall, wenn ein Bauer einem Vieh—
händler beim Verkauf von vier Stieren einen Gewinn
von 40 Mk. garantiert. Hier findet ſich nichts, was
vernünftigerweiſe bei dem Erklärenden jene Erwartung
hervorrufen und begründen konnte. Aus dem Ver—
halten des M. mußte R. ſofort erkennen, daß er die
Erklärung ernſt nahm, weil er ſein Notizbuch heraus—
zog und den Vertragsabſchluß einſchrieb. Wenn R.
trotzdem den M. nicht ſogleich über die Scheinnatur
ſeines Garantieverſprechens aufklärte, ſo handelte er
mindeſtens von dieſem Augenblicke an argliſtig und
in Täuſchungsabſicht, da er die fragliche Erwartung
nicht mehr hegen konnte. Endlich kann auch aus der
Behauptung des R. im Prozeſſe, er habe das Ver—
ſprechen nicht ernſtlich gemeint, der Diſſens nicht ge—
folgert werden; denn maßgebend für die Gültigkeit
einer Willenserklärung iſt der Zeitpunkt ihrer Abgabe;
eine nachträgliche Willensänderung iſt wirkungslos.
— I at Sn —-—.— —
Da aber feſtgeſtellt iſt, daß das Verſprechen des K.
bei ſeiner Abgabe ernſt gemeint war, hat deſſen gegen⸗
teilige Erklärung im Rechtsſtreit keine Bedeutung.
(Urt. des I. ZS. vom 22. Juni 1907).
1112 Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
— —
Landgericht München J.
Bertretungsbeſugnis der Ehefran im Erwerbs⸗
gelhäft des Ehemanns. Auslegung des $ 344 0OY.
tillſchweigende Erbſchaftsannahme ( 1959 BGB.).
Nach dem im Dezember 1904 erfolgten Tode der Bäcker⸗
meiſtersfrau D. wurde gegen den Witwer auf Grund
eines im Jahre 1903 von der Ehefrau unterzeichneten
Schuldſcheins ein Anſpruch auf Rückzahlung eines
Darlehens von 1000 Mk. erhoben, weil ſie das Geld
mit Vorwiſſen oder nachträglicher Zuſtimmung des
Ehemanns entlehnt, jedenfalls aber in deſſen Sal
verwendet habe; überdies ſei der Witwer dadurch
Erbe geworden, daß er ohne Rückſicht auf die Miterben
(Eltern) über Kleidung und Wäſche der Verlebten zu
ſeinen Nutzen verfügt habe. Der Beklagte verweigerte
die Zahlung, weil das Bäckerei- und Melbereigeſchäft
auf ſeinen Namen allein geführt und von ihm niemals
ein derartiges Darlehen gebilligt oder benötigt worden
ſei, da er der im Laden tätigen Ehefrau die nötigen
Mittel für die fälligen Zahlungen jeweils aus den
zureichenden Geſchäftserträgniſſen gewährt habe. Erſt
nach ihrem Tode habe ſich herausgeſtellt, daß ſie Un⸗
ordnung in ihrer Buch⸗ und Kaſſeführung gehabt,
Darlehen hinter dem Rücken ihres Ehemanns auf⸗
genommen und das Geld für unaufgeklärte Zwecke
verwendet oder beiſeite geſchafft habe. Deshalb habe
der Beklagte die Erbſchaft rechtzeitig ausgeſchlagen
und nur einige wertloſe abgetragene Kleider den
Dienſtboten geſchenkt, welche die Krankenpflege be-
ſorgten, weil die vermögensloſen Miterben ſich um
nichts gekümmert hätten. Ein Nachlaß oder eine Er-
rungenſchaft ſei nicht vorhanden, da die Verlebte in
die 1895 geſchloſſene vertragloſe Ehe nur einige auf
Abzahlung gekaufte Möbel eingebracht habe. Das
LG. legte dem Beklagten den Eid über die behauptete
Zuſtimmung auf. (Urt. vom 31. Oktober 1906).
Aus den Gründen: Das Geſchäft iſt auf den
Namen des Beklagten allein geführt worden und auf
ihn allein lautete die öffentliche Ladenaufſchrift (8 15 a
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
Gew.). Mag nun auch vor 1900 ein Sitz zu offenem
Kram und Laden und deshalb eine ſamtverbindliche
Haftung beider Gatten für Darlehensaufnahmen der
Frau zu angeblichen Geſchäftszwecken beſtanden haben
(BayLs R. Teil I Kap. VI § 32), fo liegt die Sache feit
1. Januar 1900 anders. Nach Art. 83 ff. UeG. ift die
Errungenſchaft bei Lebzeiten der Gatten vorbehaltlich
des Ausgleichungsanſpruchs dem Manne allein zu—
gefallen. Nach Sy 1356, 1367, 1399 BGB. kann feit-
dem die Tätigkeit der Ehefrau im Geſchäft des Ehe—
manns nur als die einer Gehilfin angeſehen werden,
zur Aufnahme eines ſo beträchtlichen Darlehens namens
des Geſchäftsherrn iſt aber eine Gehilfin nicht ermäch—
tigt (vgl. § 54 HGB.). Selbſt bei Unterſtellung eines
Geſellſchaftsverhältniſſes auch für die Zeit ſeit 1900
lag mangels einer gemeinſamen Firma nach außen
und mangels eines Regiſtereintrags ſowie angeſichts
des Umfangs und der Art des Geſchäftsbetriebs nur
eine Geſellſchaft des BGB., nicht eine offene Handels-
geſellſchaft vor (vgl. § 4 HGB.), und es wäre im Gegen—
fag zu $ 126 HGB. die Zuſtimmung ſämtlicher Geſell—
ſchafter zu einer ſolchen Darlehensaufnahme nötig
(ss 709, 714 BGB.). Das gleiche gilt hinſichtlich der
Vermutung des § 344 HGB. bezüglich des Schuld—
ſcheins; denn wenn eine Verpflichtung des anderen
Geſellſchafters nur mit deſſen Zuſtimmung möglich iſt,
jo kann auch die Vermutung des Y 344 gegen letzteren
nur bei ſolchen Schuldſcheinen Platz greifen, bei denen
dieſe Zuſtimmung und Mitunterſchrift feſtſteht. Daß
die Klagepartei urſprünglich die Beibringung der Mit⸗
unterſchrift des Ehemanns verlangte, darauf aber zu⸗
folge der Vorſpiegelungen der Ehefrau nicht weiter
beſtanden hat, ſpricht hier geradezu gegen die Klage⸗
partei. — Die Bereicherungsklage des BGB. hat engere
Grenzen als die altrechtliche Verſionsklage. Es genügt
nicht, daß ein Darlehen einem Dritten „zugute ge:
kommen iſt“, um deſſen ſamtverbindliche Haftung neben
dem Darlehensnehmer zu begründen; die Vermögens⸗
verſchiebung muß vielmehr unmittelbar zwiſchen den
Streitsteilen ohne Zutun eines ſelbſtändigen Vertrags⸗
gegners ſich vollzogen haben (JW. 1905,80; Gruchots
Beitr. 50, 226).!) Uebrigens iſt eine tatſächliche Be:
reicherung nach dem Beweisergebnis nicht mehr nach⸗
weisbar, ſelbſt wenn die Ehefrau den entlehnten Be:
trag zu Geſchäftszwecken wirklich verwendet hätte. Es
ſteht nämlich feſt, daß ſie große Beträge hinter dem
Rücken des Ehemanns aus deſſen Geſchäftsanteilen er
hoben und beiſeite geſchafft und daß ſie bei Darlehens⸗
entnahmen geradezu ſchwindel hafte Vorſpiegelungen
gemacht hat. Anſcheinend hat ſie einen Teil dieſer
Beträge zur Zahlung von Krankheits- und Leiden
koſten ihrer Mutter verwendet; der Beklagte hat auch
Anhaltspunkte dafür vorgebracht, daß die Ehefrau ihm
ſogar die Erſparniſſe von mehreren tauſend Mark ver⸗
räumt und hierbei einen Diebſtahl fingiert hat. Hier⸗
nach war die Ehefrau auf beträchtliche Beträge Erfah:
ſchuldnerin des Ehemanns geworden und wenn ſie dieſen
Erſatz ohne Wiſſen des letzteren mit fremdem entlehn:
ten Gelde vornahm, fo ift damit allein der Geſchäfts—
inhaber noch nicht grundlos bereichert, weil er nur das
ihm Gebührende erhalten hat. — 8 1959 BGB. zeigt,
daß nicht jede Verfügung über Erbſchaftsſachen ſtill—
ſchweigende Erbſchaftsannahme iſt. Deren Bedeutung
iſt überhaupt gegenüber dem älteren Rechte beträcht⸗
lich geſunken, weil mit dem Nachweis einer ſolchen
Annahme weder das Inventarrecht noch die Haftungs⸗
beſchränkung beſeitigt ift, während allerdings die pro
herede gestio des Bay“ R. ſtets einem unbedingten Erb-
ſchaftsantritt gleichſtand, ſohin die perſönliche Schulden⸗
haftung des Erben herbeiführte. Hier iſt nun lediglich
das Wegſchenken einiger gebrauchter Kleider an das
Dienſtmädchen erwieſen; dieſes hat davon nur einen
Bluſeneinſatz im Werte von ein igen Mark behalten
das übrige aber wegen der Krankheit der Ehefrau T.
(Schwindſucht) weggeworfen. Eine derartige Schen—
kung iſt nicht ſtillſchweigende Erbſchaftsannahme, denn
die gleiche Verfügung auf Beſeitigung müßte ſchließlich
jeder Gaſthofbeſitzer oder Wohnungsinhaber mangels
Eingreifens der Erben auch vornehmen. Geſchah dieſe
Schenkung aber erſt nach der Erbſchaftsausſchlagung,
ſo iſt ſie ſchon deshalb keine Annahme mehr, weil in
dieſem Zeitpunkt der Anfall bereits als nicht erfolgt
galt ($ 1953 BGB.). — Ob der Beklagte nicht etwa
zufolge Aneignung der Errungenſchaft (des Geſchaͤfts)
auch für deren Schulden (nach altrechtlichen Normen)
aus Art. 81 MeH. oder aus nützlicher Geſchäftsführung
haftet, iſt hier nicht zu erörtern, weil eine folde Haj:
tung nur von den Erben oder von deren Gläubigern,
letzterenfalls aber erft nach Wegpfändung des Erich
anſpruchs, geltend gemacht werden könnte (Bay gf.
1906 S. 299).2) Hiernach kommt es bei der Sad
entſcheidung lediglich auf die behauptete Zuſtimmung
des Beklagten an.
Die Berufung wurde unter Billigung der obigen
Ausführungen zurückgewieſen. (Urt. vom 29. April
1907, L 896/06). N.
934
1) Vgl. hlerzu die auf S. 349 ff. in Nr. 17 des 3. Jabrgangs
abgedruckte Entſcbeidung des Reichsgerichts vom 6. Mai 1907, in!
beſondere den letzten Abſatz.
) Eine dem § 419 BiB. entſprechende Vorſchrift findet ſich im
Ue., insbeſondere im Art. 98 nicht; deſſen Abſ. 1 beziebt ſich nur
auf die vor 1. Januar 1900 entſtandenen Schulden Art. 84 ſpricht
nur von Rechten des Ueberlebenden, nicht von der Schuldenbaftung.
Der Einſ.
=- -m JITEN OA —
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Literatur.
Wolf, Dr. L., Gerichtsaſſeſſor. Das Bürgerliche
f Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
1
|
Geſetzbuch unter Berückſichtigung der gefamten
Rechtſprechung der oberen Gerichte des Deutſchen
Reichs. Handkommentar. In Verbindung mit Rechts⸗
anwalt Dr. C. Neukirch, Rechtsanwalt br. A. Rojen-
meyer, Dr. J. Telgmann in Frankfurt a. M. Halle
a. S. 1908, Verlag der Buchhandlung des Waiſen⸗
hauſes. Gebd. Mk. 14.—.
Die Ausgabe unterſcheidet ſich von ähnlichen
Werken, z. B. von den Warneyerſchen Ausgaben, da—
durch, daß fie außer den Mitteilungen aus der Redt-
ſprechung noch weitere Anmerkungen bringt, u. a.
Berweiſungen auf andere Reichsgeſetze und auf Landes-
geſetze. Aeußerlich fällt die Teilung der Seiten in
zwei Druckſpalten auf. Wenn auch nicht zu verkennen
iſt, daß die Ausgabe mit großer Genauigkeit und Ueber—
ſichtlichkeit bearbeitet iſt, ſo kann man doch Zweifel
darüber hegen, ob ein Bedürfnis für ein Werk diefer
Art vorlag. Die Ausgaben von Fiſcher-Henle und von
Achilles⸗Greiff ſind m. E. vorzuziehen, weil ſie einer⸗
ſeits bei der Auswahl der Mitteilungen aus der Recht—
ſprechung ſtrenger geſichtet haben, anderſeits eine weit
größere Fülle von Verweiſungen und Erläuterungen
bieten. Ich habe das Gefühl, daß die Ueberfüllung
des Büchermarktes mit Ausgaben, die das Haupt—
gewicht auf die Zuſammenſtellung der Rechtſprechung
legen, eine große Gefahr für den Juriſtenſtand bedeutet.
von der Pfordten.
Pfaff, Hermann von, und Reifenegger, Anton von. Das
bayeriſche Geſetz über das Gebühren⸗
weſen. Auf Grund der Faſſung vom 28. April 1907
in 6. Auflage bearbeitet und mit den Vollzugsſchriften
herausgegeben von Hermann Schmidt, Oberregie⸗
rungsrat im Finanzminiſterium. München
1907,
C. H. Beck'ſche Verlagsbuchhandlung, (Oskar Beck.)
Gebd. Mk. 7.—
Ein großer, wiſſenſchaftlich angelegter Kommentar
zum Gebührengeſetz iſt immer noch nicht erſchienen,
obwohl die bayeriſche Praxis eines zuverläſſigen Hilfs—
mittels dringend bedarf. Freilich iſt die Schaffung
eines ſolchen Werkes eine heikle Aufgabe: Der Ver—
faſſer muß das bürgerliche Recht, das Prozeßrecht, die
freiwillige Gerichtsbarkeit, das Verwaltungsrecht und
das Finanzweſen beherrſchen. Solange ein Kommentar
nicht vorliegt, muß ſich die Praxis mit den erläuterten
Textausgaben behelfen und die Bearbeitung von
Hermann Schmidt ift immerhin eingehend und
ausführlich genug, um die Lücke ſoweit auszufüllen,
als es eben möglich iſt. Der Fortſchritt gegenüber
den früheren Auflagen iſt unverkennbar.
von der Pfordten.
Krädmann, Dr. Paul, Profeſſor an der Univerſität
Münſter. Unmöglichkeit und Unmöglich⸗
keitsprozeß. Zugleich eine Kritik der Entwürfe
Rußlands, Ungarns und der Schweiz. Tübingen 1907,
Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
Dieſe intereſſante ziviliſtiſche Monographie be—
kämpft vor allem die übermäßige Ausdehnung der
Begriffe „Unmöglichkeit“ und „Unvermögen“ in der
Rechtſprechung und Literatur und deckt im weiteren
Verlaufe die Mängel der geſetzgeberiſchen Regelung
im BGB. auf. Man kann natürlich über die einzelnen
Ausführungen zweierlei Meinungen haben. Aber die
Arbeit trägt doch zur Klärung der Anſchauungen bei,
zumal ihr — wie allen Schriften des Verfaſſers —
eine gejunde Auffaſſung der Bedürfniſſe des prak—
tiſchen Lebens zugrunde liegt.
— — Q} — —
Grundlagen
bewährten Kenner begrüßen.
51
Schindler, Arthur, Rechtsanwalt in Berlin. Geſamt⸗
regiſter zur deutſchen Juriſtenzeitung,
1—10. Jahrgang, 1896 - 1905. Berlin 1907, Ber-
lag von Otto Liebmann. Broch. Mk. 4.80, gebd.
Mk. 5.80.
Wegen des hohen Anſehens, das ſich die deutſche
Juriſtenzeitung durch die Reichhaltigkeit ihres Inhalts
errungen hat, wird die Juriſtenwelt des Inlands und
des Auslands der Ueberſicht über die zehn erſten
Jahrgänge viel Intereſſe entgegenbringen. Sie zeigt
deutlich, welchen hohen Aufſchwung die Rechtswiſſen⸗
ſchaft in Deutſchland in den letzten Jahrzehnten ge—
nommen, wie ſehr insbeſondere die ſchriftſtelleriſche
Tätigkeit der Praktiker ſich geſteigert hat. In dem
16 Seiten umfaſſenden Verzeichniſſe der Mitarbeiter
finden wir Juriſten aus allen Rangklaſſen und aus
den verſchiedenartigſten Berufszweigen.
von der Pfordten.
Hellmann, Dr. ee o. ö. Profeſſor der Rechte in
München. Lehrbuch des deutſchen Konkurs
rechts. Berlin 1907, Verlag von O. Häring.
Broſch. Mk. 15.—.
Syſtematiſche Darſtellungen des Konkursrechts
ſind nicht gerade häufig. Um ſo freudiger wird man
die Bearbeitung des ſchwierigen Stoffes durch einen
Der Verfaſſer hat es
verſtanden, ſowohl dem Studierenden als dem Prat-
tiker gerecht zu werden. Gerade der Praxis möchten
wir das Buch empfehlen. Denn das fyjtematifche
Durcharbeiten des Konkursrechts Haben fid in früheren
Jahrzehnten nur wenige Studierende angelegen ſein
laſſen und mancher Juriſt wird dieſen Mangel der
Vorbildung ſchon unangenehm empfunden haben.
von der Pfordten.
Lobe, Dr. Adolf, Oberlandesgerichtsrat. Die Be-
kämpfung des unlauteren Wettbewerbs.
Leipzig 1907, Dieterichſche Verlagsbuchhandlung
(Theodor Weicher). Bd. I. III, IV. Geſamtpreis
broch. Mk. 26.—.
Die ſehr dankenswerte Darſtellung bietet nicht
nur, wie man auf Grund des Titels annehmen könnte,
eine Erläuterung des Geſetzes vom 27. Mai 1896
ſondern einen erſchöpfenden Ueberblick über den ge—
werblichen Rechtsſchutz überhaupt. Nur der 3. Band
ift den Materialien des Unl WG. ausſchließlich gewidmet.
Dagegen enthält der 4. Band alle Geſetze, Verordnungen
und Verträge des Deutſchen Reichs und der Bundes—
ſtaaten, die ſich auf den Schutz gewerblicher Tätigkeit
beziehen. Der 1. Band gibt die wiſſenſchaftlichen
in ſyſtematiſcher Darſtellung, wobei
hiſtoriſche und rechts vergleichende Ausblicke nicht fehlen.
Der noch zu erwartende 2. Band wird ſich mit dem
Detail der Geſetzesanwendung befaſſen.
0 — —
Numpf, Dr. M., Gerichtsaſſeſſor. Geſetz und Richter.
Verſuch einer Methodik der Rechtsanwendung.
Berlin 1907, Verlag von Otto Liebmann. Geh.
Mk 4.—.
Der Verfaſſer iſt ein philoſophiſch gebildeter Kopf
und ſeine Ausführungen gehen in die Tiefe. Er behan—
delt die grundlegenden Probleme der Rechtsanwendung,
vor allem die bedeutungsvolle Frage, inwieweit der
Richter ſich über den Wortlaut des Geſetzes hinweg—
ſetzen und geſetzliche Vorſchriften „umbiegen“ darf.
In ſehr verſtändiger Weiſe wird dargelegt, wie ſich
der Richter bei dem Konflikte zwiſchen den Forde—
rungen der Rechtsſicherheit und dem Intereſſe an ver—
nünftiger, befriedigender Entſcheidung des Einzelfalls
zu verhalten hat. Ferner werden die herkömmlichen
Auslegungsregeln auf ihre Richtigkeit geprüft, ſo z. B.
das Operieren mit dem „Willen des Geſetzgebers“,
die Einſchränkung von Ausnahmevorſchriften uſw.
Der Gefahr, in allzu abſtrakte Darſtellung zu ver—
5
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 2.
— .. — — —— — — . —¾—ͤ . — 53 ————
fallen, iſt der Verfaſſer glücklich aus dem Wege ge⸗
gangen: er belegt ſeine Ausführungen immer mit
Beiſpielen aus der Rechtſprechung der neueren Zeit
und verleiht ihnen dadurch Friſche und Anſchaulich⸗
keit. Das Buch iſt ein Beweis dafür, wie energiſch
ſich die deutſche Rechtswiſſenſchaft von der Begriffs⸗
jurisprudenz loszuringen ſucht. von der Pfordten.
Jaeger, Dr. Eruſt, Profeſſor der Rechte zu Leipzig,
Kommentar zur Konkursordnung und den
Einführungsgeſetzen mit einem Anhang, ent⸗
haltend das Anfechtungsgeſetz, Auszüge aus den
Koſtengeſetzen, Ausführungsgeſetze und Geſchäfts⸗
ordnungen. Dritte und vierte neubearbeitete Auf⸗
lage. Lieferung 1 (88 1—15). Berlin 1907, J.
Guttentag, Verlagsbuchhandlung G. m. b. H.
184 S. Preis Mk. 4.50.
Stärker vielleicht noch als je auf ihrem Gebiete
Gaupp⸗Stein, Staub, Hellwig⸗Löwe und Olshauſen
beherrſcht, ſo oft es ſich um Fragen aus dem Konkurs⸗
recht handelt, Jaegers Kommentar die Praxis. Mit
Recht. Kaum daß die letzte Lieferung der erſten Auf⸗
lage erſchienen war, machte ſich eine zweite Auflage
nötig. Und ſchon wieder müſſen, trotzdem der Preis
(22 Mark) doch wohl jeden die Frage der Notwendig⸗
keit der Anſchaffung ernſtlich prüfen läßt, Verfaſſer
und Verleger eine neue und gleich eine Doppelauflage
veranſtalten. Auf die neue Bearbeitung wird mich
die weitere Lieferung noch zurückkommen laſſen.
Rechtsanwalt Dr. Böckel, Jena.
Merzbacher, S., Juſtizrat und Rechtsanwalt in Nürn⸗
berg. Geſetz, betr. die Geſellſchaften m. b. H.
3. neubearbeitete Auflage. München 1907, C. H.
Beckſche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck). Gebd.
Mk. 2.50
Die bekannte Ausgabe bietet weit mehr, als man
für gewöhnlich in erläuterten Textausgaben findet.
Sie iſt ein kleiner Kommentar, der einen gedrängten
aber klaren Ueberblick über den Stand der Auslegung
des Geſetzes gibt.
— — 0 — —
Archiv für Arbeiterverſicherung. Herausgegeben von
A. Wengler, Oberregierungrat in Leipzig. Verlag
von Fiſcher & Kürſten in Leipzig.
Dieſe Zeitſchrift beabfichtigt, die neueren Geſetze
und Verordnungen und die wichtigeren Entſcheidungen
auf dem Gebiete der Arbeiterverſicherung zu ſammeln.
Auch landesrechtliche Vorſchriften ſollen berückſichtigt
werden.
Notizen.
die Mitteilungen des bayeriſchen Nichtervereins.
Mit dem Beginne des neuen Jahres iſt der bayeriſche
Richterverein mit der erſten Nummer ſeiner von Ober⸗
amtsrichter Riß in München geleiteten Zeitſchrift vor
In einem ſchwungvollen
— —— o ts en KKK ç0ßçÄ.ͤͤ⁊ĩ˙˖‚X‚Äſj̃ ⁊̃ĩèͤ——.,ñů̃˙ III ŘŘŮĖŮ——
— — —— tͤf 1 en ͤĩ—v—ꝛꝛ— — .] a
— —— — — —
Ueberſichten die Beförderungsverhältniſſe bei der Juſtiz
und bei der Verkehrs verwaltung.
Die Zeitſchrift wird wegen ihrer ebenſo ent
chiedenen als maßvollen und ſachlichen Haltung ſicher
ie Aufmerkſamkeit weiterer Kreiſe auf die für das
Wohl des geſamten Staatsweſens ſo wichtige Frage
lenken, wie unfer Richterſtand in freie und geficherte
Verhältniſſe emporgehoben werden kann.
Der Austauſch von Perſenenſtandsurkunden mit
der Schweiz. Bekanntmachnug vom 2. Oktober 1907.
(IMBI. 1907 S. 418). Nach einer Vereinbarung vom
7. Dezember 1874 erfolgte zwiſchen Bayern und der
Schweiz der Austauſch von Geburts- und Sterbe⸗
urkunden, die ſich auf Angehörige des anderen Landes
bezogen, im unmittelbaren Verkehr der Diſtrikts⸗
verwaltungsbehörden (rechts des Rheins) und der
Staatsanwälte (Pfalz) mit den ſchweizeriſchen Amts⸗
ſtellen. Auf Grund des Haager Abkommens vom
12. Juni 1902 (RGBl. 1904 S. 221) hat jetzt auch ein
Austauſch von Heiratsurkunden ſtattzufinden. Da die
Schweiz nicht bereit war, den unmittelbaren Verkehr
der Behörden hierauf auszudehnen, wurden zunächſt
die Heiratsurkunden auf dem diplomatiſchen Wege,
die Geburts- und Sterbeurkunden nach wie vor un—
mittelbar von Behörde zu Behörde überſendet. Die
neue Uebereinkunft führt für die Ueberſendung „ge:
hörig beglaubigter Urkunden über die Geburts- und
Todesfälle, die Ehen und Legitimationen, welche An:
gehörige des anderen Landes betreffen“, allgemein
die diplomatiſche Vermittelung ein. Die Juſtizbehörden
ſind an dem Vollzuge der Uebereinkunft nur in der
Pfalz beteiligt. Neu iſt, daß die Standesurkunden zu
ſammeln und durch den Oberſtaatsanwalt viertel⸗
jährlich dem Juſtizminiſterium vorzulegen ſind. Be⸗
glaubigt werden die Urkunden nach wie vor von dem
Landgerichtspräſidenten. Wegen der Beglaubigung
der von den Standesbeamten rechts des Rheins aus⸗
geſtellten Urkunden ſiehe dieſe Zeitſchrift 1907 S. 356.
Es bedarf wohl keiner ausführlichen Erörterung, daß
die Uebereinkunft nur den regelmäßigen Austauſch
der Standesurkunden betrifft, die dazu beſtimmt ſind,
in die Standesregiſter des Heimatlandes aufgenommen
zu werden. Wird in anderen Fällen (z. B. bei der
Nachlaßbehandlung) die Beſchaffung von Standes:
urkunden des anderen Landes erforderlich, ſo können
die bayeriſchen Behörden mit den ſchweizeriſchen Amts⸗
ſtellen hierwegen nach wie vor in unmittelbaren Ver⸗
kehr treten.
1124
Vorſchriften über die Unterbrechung der Verjährung
der Strafverfolgung und der Strafvollſtreckung hat
am 15. November 1907 auch das Württembergiſche
Juſtizminiſterium erlaſſen. (ABl. des Württ. Juſtiz⸗
miniſteriums Nr. 17 vom 11. Dezember 1907 S. 169,
170). Sie beruhen im weſentlichen auf den nämlichen
Grundlagen wie die Entſchließung des bayeriſchen
Juſtizminiſteriums vom 5. November 1907, über die
wir auf S. 500 des 3. Jahrganges berichtet haben.
Auch ſie vermeiden es, dem Ermeſſen der Vollzugs—
behörden Schranken zu ziehen und begnügen ſich da—
mit, einige Anhaltspunkte für die Prüfung der Be—
deutung und der Beſchaffenheit des einzelnen Falles
zu geben. Hervorzuheben iſt, daß für die Regel eine
ſtrengere Behandlung der in das Ausland entwichenen
Perſonen, insbeſondere auch der flüchtigen Wehr—
pflichtigen, angeraten wird.
1121
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K.Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
Ur. 3.
Zeitſchrift für
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Mk. 8.ä—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a).
Z . EEE GEEEEEEEEzSEREmeng P 2 N
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 5
München, den 1. Februar 1908.
4. Jahrg.
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echtapflege
Verlag von
in München, Lenbachplatz 1.
nm sea
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzelle
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
) Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1.
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
2 „ —
Nachdruck verboten.
„Einwilligung“, „Jenehmigung“ und
„Zuſtinmung“ im Bürgerlichen Geſetzbnche und
im Handelsgeſetzbuche.
Von Profeſſor Dr. Wehl in Kiel.
Unter den vielen authentiſchen Begriffsbeſtim⸗
mungen, welche das BGB. enthält”), und von
denen, wie ich ſchon bei anderer Gelegenheit?) er⸗
örtert habe, nicht wenige recht bedenklich find,
dürften die eigentümlichſte Rolle diejenigen ſpielen,
welche in SI 183 f. begegnen. Hier legt befannt:
lich das Geſetz die Begriffe „Einwilligung“,
„Genehmigung“ und „Zuſtimmung“) dahin feft,
daß die „Einwilligung“ mit der „vorherigen“,
die „Genehmigung“ mit der „nachträglichen Zu⸗
ſtimmung“ als identiſch betrachtet werden ſollen.
Damit hat aber der 911 9 75 — offenbar.
ohne ſich deſſen völlig bewußt geworden zu ſein
— zu einer Anzahl von Zweifeln Anlaß ge⸗
geben, die hier beleuchtet werden ſollen.
Zunächſt muß bemerkt werden, daß die
deiden Gleichungen:
e = „vorherige Zuſtimmung“
un
„Genehmigung“ = „nachträgliche Zuftimmung “
ſehr anfechtbar find.) Zwar nicht fo an=
fechtbar wie z. B. die Gleichungen:
„unverzüglich“ = „ohne ſchuldhaftes Zögern“
(BGB. 8 121 Abi. 1)
) Bgl. dazu meine Vorträge über das BGB. für
Praktiker Bd. I (Münden 1898) S. 92 ff., Planck,
Komm. Bd. I (3. Aufl., Berlin 1903) S. 25 ff.
) Bgl. mein Syſtem der Verſchuldensbegriffe
ER 1905) S. 624 f. und die dort angegebenen
Stellen.
) Bzw. „einwilligen“, „Einwilligender“, „Eins
willigungserklärung“, „genehmigen“, „zuſtimmen“ und
„Zuſtimmungserklärung“; vgl. Graden witz, Wort⸗
Verzeichnis (Berlin 1902) S. 49 f, 76 und 182.
) Gegen die dritte Gleichung (Zuftimmung = Eins
willigung + Genehmigung) iſt höchſtens inſofern et⸗
was einzuwenden, als hier (vgl. unten) das gleich⸗
zeitige Einverſtändnis unberückſichtigt ebiieben iſt.
— WE
und
„nicht in gutem Glauben“ = „wenn ihm
bekannt oder infolge grober Fahrläffigkeit
unbekannt it” (BGB. 8 932 Abi. 2).
Denn dieſe zuletzt genannten Gleichungen
enthalten?) pofitive Fehler, direkte Verſtöße gegen
den Sprachgebrauch, der beim Begriff „unver⸗
züglich“ von Beziehungen zu einem ſubjektiven
Verſchuldensmomente gar nichts weiß und beim
„böſen Glauben“ entweder auf die Fahrläſſigkeit
überhaupt nicht oder, wenn er es tut, auf alle
ihre Arten abzielt. Aber daß die „Einwilligung“
gleichbedeutend fei mit der vorherigen Zu:
ſtimmung, die Genehmigung mit der nach⸗
träglichen Zuſtimmung, iſt inſoſern fehlerhaft,
als uns der Sprachgebrauch) keineswegs zwingt,
dieſe enge Auffaſſung zu teilen. Es iſt ebenſogut
eine nachträgliche Einwilligung und eine vorherige
Genehmigung denkbar — und ferner“) fowohl eine
gleichzeitige Einwilligung wie eine gleichzeitige
Genehmigung — und zwiſchen den drei Synonyma
Einwilligung, Genehmigung und Zuſtimmung
beſteht') überhaupt kein Unterſchied. Gerade das
BGB. ſelber läßt fih zum Beweiſe dafür heran:
ziehen; denn einmal könnten die drei Worte in
den einſchlägigen Geſetzesſtellen getroſt miteinander
vertauſcht werden, ohne daß ſich (wenn wir eben
von der Anweiſung in 88 183 f. abſehen) der
Sinn der Vorſchriften irgendwie ändern würde;
zweitens hätte es, wenn die Ausdrücke wirklich
auch im Sprachbewußtſein ſelber eine techniſche
5) Vgl. dazu Näheres in meinem Syſtem
S. 190, 209.
) Vgl. wegen eines Erkenntniſſes des Reids-
gerichts unten S. 60.
7) Vgl. unten S. 58.
s) Das hatte ſchon gegenüber dem I. Entwurf
Ludw. Gold ſchmidt, Kritiſche Erörterungen (Leipzig
1889) S. 71 f betont. Weitere Bemerkungen zum Ent-
wurf bei Zitelmann, die Rechtsgeſchäfte im Entwurf,
in Bekker und Fiſchers Beiträgen Heft 9/10 Teil 2
(Berlin 1890) S. 118 f. und bei Gierke, Der Entwurf
(Leipzig 1889) S. 171 Anm. 3. Gegenüber dem Sprach-
1 des Geſetzes ſelber mit Deutlichkeit nur R.
Leonhard, Der allg. Teil des BGB. (Berlin 1900)
S. 334f.
54 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
Einzelfunktion beſäßen, nicht der Pleonasmen
„Einwilligung im voraus erteilen“ in 8 744
Abſ. 2°) und „nachträgliche Genehmigung“ “)
in § 1829 Abſ. 1 Satz 1 und in $ 1830 be:
durft. Und ebenſo kann es doch wohl als Be⸗
weis !!) gelten, daß das Handelsgeſetzbuch von
1897 mehrfach (88 58, 116 Abſ. 3, 393 Abſ. 1
bzw. SS 782 [unten Anm. 10], 813 Abſ. 2 Satz 2,
814 Abſ. 1, 816 Satz 2) für die im Allgemeinen
Handelsgeſetzbuche (Art. 53, 104 Abſ. 1, 369 Abſ. 1,
786 Abſ. 2 und 3, 817 Abſ. 2 Satz 2, 818
Abſ. 1, 820 Satz 2) zu findenden Ausdrücke
„Einwilligung“ und „Genehmigung“ den Ausdruck
„Zuſtimmung“ und einmal (§ 112 Abſ. 1 und 2)
für den Ausdruck „Genehmigung“ (Ag GB. Art. 96
Abſ. 1 und 2) den Ausdruck „Einwilligung“ fub-
ſtituiert hat“), ohne daß fih die Denkſchrift zum
HGB. oder die Literatur dahin äußert, daß
hierin eine Aenderung des Handelsrechts !“) zu
finden ſei. Ferner iſt es beachtenswert, daß das
AGB. zum gleichen Tatbeſtande — Ausſchluß
der ſog. Konkurrenzgeſchäfte — wegen des Hand⸗
lungsgehilfen in Art. 59 Abſ. 1 von der „Ein⸗
willigung“ des Prinzipals, wegen des offenen
Handelsgeſellſchafters in Art. 96 Abſ. 1 und 2
von der „Genehmigung“ der andern Geſellſchafter
redete; ſodann, daß die Novelle zu HGB. § 553
vom 2. Juni 1902 in Abſ. 4 Satz 1 und 2 die
Ausdrücke „Einwilligung“ und „Zuſtimmung“
ganz promiscue gebraucht; und endlich, daß ſowohl
das AH GB. wie das gegenwärtige HGB. in einer
und derſelben Norm (Art. 470 Abſ. 1 und Abſ. 2
Satz 2 bzw. § 503 Abſ. 1 und Abſ. 2) einmal
der „Einwilligung“, das andere Mal der „Zuftim-
mung“ der übrigen Mitrheder zur Veräußerung
einer Schiffspart gedenkt“), wobei noch hinzu⸗
) Mot. II S. 878 und Prot. II S. 747 f. recht⸗
fertigen dieſen Pleonasmus nicht weiter.
10 Der innere Zuſammenhang der Stellen machte
es hier zwar erforderlich, das Nachfolgen des Einver—
ſtändniſſes zu betonen; um jo bedenklicher iſt es aber,
daß hier und auch in den auf ein vorheriges Ein—
verſtändnis hinweiſenden Eingangsworten der ſonſt
techn iſch (vgl. aber eben das unten S. 55 f. zu Bemerkende)
gebrauchte Ausdruck angewendet worden iſt. — Von
„nachträglicher Genehmigung“ ſprach
Art. 786 (Abſ. 2 und 3), während das jetzige HGB.
(S 782) von „nachträglicher Zuſtimmung“ redet.
11) Einige weitere Beweiſe vgl. unten S. 56 Anm 28,
S. 58 f. Charakteriſtiſch iſt es namentlich, daß die Mot.
ſe lber u.a. folgende Wendungen aufweiſen: „vorherige
Genehmigung“ in Bd. IV S. 1153 sub 1, „nachträg⸗
liche Genehmigung“ ebenda IV S. 1153 am Rand.
S. 1154 sub 3, 1155 sub 6. Vgl. auch E. I § 1681.
Vgl. auch Prot. IV S. 798, V S. 338.
12) Vgl. auch HGB. § 326 Abſ. 1 mit Art. 196 a
Nr. I (Art. 232) der Aktiennovelle vom 18. Juli 1884.
18) Vgl. unten S. 59.
14) Die Protokolle zum AHG B. (vgl. unten
S. 59 Anm. 70) ſowie die Kommentare zum AHGB.
(3. B. Gareis-Fuchsberger, Berlin 1891, und
Staub in den älteren Auflagen) zerbrechen ſich erklär—
licherweiſe über unſere Ausdrücke den Kopf nirgends;
val als Material höchſtens Prot. a. a. O. IV S. 1542,
VIII S. 3720 (zum jetzigen § 466).
auch AGB.“
kommt, daß der zweite Fall (Abſ. 2) ganz be⸗
ſonders dazu angetan wäre, hier das Boran:
gehen“) des Einverſtändniſſes zu betonen.
Ein anderer Vorwurf, der dem Geſetz gemacht
werden muß, iſt der, daß es in der techniſchen
Anwendung der drei Begriffe nicht konſequent
geblieben iſt. Zwar für ſehr viele Geſetzes⸗
ſtellen läßt ſich zugeben, daß wegen des ganzen
ſonſtigen Zuſammenhanges der Normen in der
Tat, wo von „Einwilligung“ die Rede iſt, nur
an vorangehendes und wo von „Genehmigung“
die Rede iſt, nur an nachträgliches Einverſtändnis
gedacht werden kann,“) und daß, wo der Zu:
ſtimmung“ Erwähnung geſchieht, beide Möglich⸗
keiten Platz greifen. Ebenſo iſt feſtzuſtellen, daß
gerade da, wo mehrere unſerer Ausdrücke in der⸗
jelben Norm und!) in demſelben Zuſammenhange
aufeinander ſtoßen, der Geſetzgeber den einmal
von ihm feſtgelegten Sprachgebrauch zumeiſt kon⸗
ſequent durchgeführt hat; vgl. wegen „Zuſtimmung“
und „Genehmigung“ § 458 Abſ. 1 Satz 1 und 2.
wegen „Zuſtimmung“ und „Einwilligung“ 88 744
Abſ. 2, 1307 Satz 1 und 2, 1405 Abſ. 1 Satz 1.
1444, 1446 Abſ. 1 Satz 1 (vgl. auch $ 1495
Nr. 1 mit § 1444 1446), 1748 Abſ. 1 und 2
Satz 2, wegen „Einwilligung“ und „Genehmigung“
§8 108 Abi. 1, 1396 Abſ. 1, 1397 Abſ. 1 Satz 1
und Abſ. 2, 1448 Abſ. 1 und 2, 1847 Abſ. 1 Satz 2.
Nur zu folgenden, die „Genehmigung“ des Vor⸗
mundſchaftsgerichts und zugleich eine anderweitige
„Einwilligung“ oder „Zuſtimmung“ erwähnenden
Normen wird man Bedenken hegen (vgl. jedoch
unten S. 55 f.): 88 1728 Abſ. 2, 1729 Abſ. 1.
1751 Abſ. 1, 2275 Abſ. 2 Satz 2. — Und
ebenſo wird man zu einer ziemlich großen Zahl
derjenigen Geſetzesbeſtimmungen, welche nur mit
einem unſerer Worte operieren, Bedenken hegen,
ob der Geſetzgeber hier ſeine Terminologie auch
wirklich eingehalten hat. So wird die „Einwilli⸗
gung“ auch als eine nachträgliche gedacht werden
können in BGB. § 267 Abſ. 1 Satz 2 und $ 2206
Abſ. 2, die „Genehmigung“ nur bzw. auch als
eine vorangehende in BGB. § 795 ſowie in EG.
Art. 34 Nr. IV, Art. 36 Nr. V, Art. 37 Abſ. 1
und 2 und wohl auch in Art. 88 einerſeits und
in BGB. § 841 (vielleicht auch in 88 80 ff.) anderer⸗
ſeits; vor allem aber auch hier in einer Reihe
1) Auch Wagner, Handbuch des Seerechts
(Leipzig 1884) S. 216 a. E. ſcheint anzunehmen, daß
die Erteilung der Zuſtimmung vorangegangen
ſein muß; die Kommentare (Boyens, Leipzig 1897,
S. 284, Makower-Löwe, 12. Aufl, Berlin 1900,
S. 24, Schaps, Berlin 1906, S. 127) äußern ſich nicht.
16) Dies nehme ich gegen die Entſcheidung des
Reichsgerichts vom 3. Mai 1905, Bd. 60 Nr. 100
S. 415 f, zu 8415 BGB. an.
17) Dieſes ift nicht der Fall in 8 1595 Abſ. 1
Satz 2 und Abi. 2 Satz 1, § 2290 Abſ. 2 Satz 2 und
Abſ. 3 Satz 1. § 2347 Abſ. 1 und Abi. 2 Satz 1 und 2.
18) Bei Endemann (unten S. 55 Anm. 22) S. 414
Anm. 7 paßt die Erwähnung dieſer Norm nicht ganz
in den Rahmen der anderen Fälle.
von Stellen, die ſich auf die Genehmigung des
Vormundſchaftsgerichtes beziehen; !“) und endlich
erſcheint mir die Doppeldeutigkeit des Ausdruckes
„Zuſtimmung“ ausgeſchloſſen oder mindeſtens ſehr
zweifelhaft: zugunſten eines vorherigen Einver⸗
ſtandniſſes etwa in BGB. 88 927 Abſ. 1 Satz 3,
975 Satz 3, 1100 Satz 1, 1119 Abſ. 1 und 2,
1695 Abſ. 2 Satz 1, 1778 Abſ. 1, 1783, 2229
Abſ. 1. 2275 Abſ. 2 Satz 2, EG. Art. 50, Art. 97
Abſ. 2 Satz 2 und 3; zugunſten eines nad:
träglichen Einverſtändniſſes etwa in BGB. 88 32
Abſ. 2, 33 Abſ. 1 Satz 2 a. E., 2291 Abſ. 1
Satz 2 und Abſ. 2.
Noch viel ſchlimmer aber iſt der Vorwurf,
daß der Geſetzgeber garnicht konſequent
ſein wollte. Denn die Motive I S. 247
erklären ausdrücklich:
„An der Scheidung zwiſchen vorheriger Ein:
willigung und Genehmigung iſt übrigens nicht
feſtgehalten in Anſehung der Zuſtimmung, welche
das Vormundſchaftsgericht, der Gegenvormund
oder der Beiſtand der mit der elterlichen Gewalt
bekleideten Mutter zu gewiſſen Rechtsgeſchäften zu
erteilen hat; inſoweit wird aus beſonderen Gründen
ſchlechthin von Genehmigung geſprochen (88 1541,
1542, 1681, 1682).“
Dieſer Motivierung iſt ein Mehrfaches ent⸗
gegenzuhalten: Erſtens bezieht ſie ſich nur auf
die Inkonſequenz des Geſetzgebers bezüglich des
Terminus „Genehmigung“, nicht auch auf die
bezüglich der „Einwilligung“ und der „Zus
ſtimmung“; zweitens auch betreffs der „Genehmi—
gung“ lediglich auf die Fälle der vormundſchaft—
lichen und der dem Gegenvormunde oder dem Pei-
ſtande zuſtehenden; und drittens läßt ſie ſelbſt
hier uns völlig im Unklaren?! darüber, welches denn
die „beſonderen“ — doch als innere zu denkenden
— „Gründe“ geweſen ſeien, die den Geſetzgeber
zu der Inkonſequenz veranlaßt haben. Um ſo
lockender iſt es, dieſen Gründen nachzuſpüren —
und damit zugleich eine auffallende Lücke in der
bisherigen Literatur auszufüllen, die ſich, ſoweit
fie unſere Frage?) überhaupt ſtreift, mehr?) oder
19) Vgl. z. B. 88 112 Abi. 1 Satz 1. ferner Einzel
vorſchriften in folgenden dem Buch IV angehörigen
Paragraphen: 1484, 1491 f., 1653, 1600, 1809 f., 1814 ff.,
1519—1824, 1826 ff. (vgl. auch den Kommentar von
v Blume S. 73 Anm. 2), 1902, die zum Teil
(SS 1690, 1809 f., 1824 f.; vgl. ferner §§ 1813, 1832
jowie auch Ech. Art. 41; zu § 1690 vgl. auch v. Blume
a. a. O. S. 597 Anm. 5) auch die „Genehmigung“ des
Gegenvormundes oder des Beiſtandes der Mutter vgl.
unten S. 56) betreffen.
2) Dieſen Stellen des I. Entwurfs entſprechen jetzt
BGB. 85 1690, 1828f.
2) Ebenſowenig beſagen Mot. IV S. 800 f,
1153 ff (zu obigen Geſetzesſtellen) oder etwa Mot. IV
S. 1008 ff. („Allgemeine Begründung“).
33) Vielfach äußert jih die Literatur nur bzw. zu—
gleich über die hier nicht zu unterſuchende Frage nach
der Tragweite der materiellen Rechtsſätze aus SS 182
bis 185; vgl. insbeſondere die Kommentare von Planck
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
55
weniger?“) auf eine Wiederholung der Andeutungen
der Motive:“) beſchränkt — und auch wegen der
anderen oben erwähnten Fragen einen Rechtferti⸗
gungsverſuch zu unternehmen.
Weshalb mag alſo zunächſt das BGB., wenn
es ſich um das Einverſtändnis des Vormund⸗—
ſchaftsgerichtes, des Gegenvormundes oder des Bei⸗
ſtandes handelt, ſtets von „Genehmigung“ und
nirgends — in der Tat iſt das BGB. hier folge⸗
richtig verfahren — von „Einwilligung“ oder
von „Zuſtimmung“ reden?
Fehlgehend wäre es zunächſt, ſich auf den
Öffentlichrechtlichen Charakter des Vormundſchaſts⸗
weſens — wie die Protokolle IV S. 799 ſich
ausdrücken, auf die „obrigkeitliche“ Natur der
vormundſchaftsgerichtlichen „Handlungen“ — und
etwa darauf zu berufen, daß für die konſentierende
Tätigkeit einer Behörde der entſchieden geſpreiztere,
ſozuſagen auf Stelzen gehende Ausdruck „Ge—
nehmigung“ angebrachter geweſen ſei; denn dieſe
an ſich problematiſche Argumentation würde zur
Erklärung des gleichen Ausdruckes auch betreffs
des Gegenvormundes und des Beiſtandes ver—
ſagen. Ebenſowenig wird man ſich — hierbei
auch wegen des Gegenvormundes — mit den
Protokollen a. a. O. auf die Verkehrsſp rache und
darauf berufen dürfen, daß das ältere Vormund⸗
S. 284 Note 1, S. 287 sub e; v. Staudinger I
(Riezler), 3. und 4. Aufl. (München 1907) S. 563
Note 2; ferner die Lehrbücher von Endemann 1
(9. Aufl., Berlin 1903) S. 413 Anm. 1; Müller⸗
Meikel 1 (2. Aufl., München 1904) S. 183; Zitel⸗
mann, Das Recht des BGB. (Leipzig 1900) S. 140
sub 3; Lutz in den Blättern für Rechtsanwendung
66 (1901) S. 117 ff. (ogl. auch Neumann, Jahrbuch
des deutſchen Rechtes I, Berlin 1904, S. 119).
33) Der Mitwirkung des Vormundſchaftsge⸗
richtes, des Gegenvormundes und des Bei:
ſtandes gedenken nur Enneccerus-Lehmann I
(2. Aufl., Marburg 1901) S. 280 Anm. 2; Matthias I
(3. Aufl, Berlin 1900) S. 252; Zitelmann a. a. O.
S. 139 III 3b; Hölder, Kommentar (München 1900)
S 385 Note 1, ferner Liebe, Bürgerl. Recht I (Leipzig
1904) S. 161 Anm. 8 (zugleich — im Text — der „Ber
hörden“ überhaupt gedenkend); Leonhard a. a. O.
(der auch hervorhebt, daß man bisher für die Mit:
wirkung von Vormund und Gegen vormund diez
ſelben Ausdrücke zu gebrauchen pflegte); über Plothke
vgl. unten S. 57 Anm. 39.
*) Des Beiſtan de s gedenken nicht die Rommen-
tare von Planck a. a. O. S. 317 Note 1; Rehbein
a. a. O. S. 284 Note 2a; v. Staudinger a. a. O.
S. 563 Note 2; ferner die Handausgabe von Achilles
(4. Aufl, Berlin 1903) S. 79 (vgl. auch die Beiſpiele
bei Fiſcher-Henle, 7. Aufl. München 1906, S. 105).
Nur des Vormundſchaftsgerichtes gedenken
Protokolle IV S. 799 (vgl. unten ſowie Derne
burg, Bürgerl. Recht I (Halle 1902) S. 346 Anm: 3
und Endemann a. a. O. S. 413 Anm. 1; vgl. auch
Biermann, Bürgerl. Recht I (Berlin 1908) S. 164
Anm. 12; Hoffmann. Die Genehmigung im BGB.,
Greifswalder Diſſertation (Stettin 1903) S. 6 Anm. 25.
25) Aber durchweg, abgeſehen von Leonhard
a. a. O. S. 335 (der aber Mot. I S. 246 zu Unrecht
auch wegen der Stiftung heranzieht), ohne ausdrück⸗
liche Berufung auf ſie, geſchweige denn unter Nachprüfung
a. a. O. S. 317 Note 2; Rehbein I (Berlin 1899) ihres Gedankenganges.
56 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
ſchaftsrecht, namentlich auch die Preußiſche Vor⸗
mundſchaftsordnung?') vom 5. Juli 1875, an die
fih?) das BGB. beſonders eng angelehnt hat,
von der „Genehmigung“ Sprechen”); denn auch
dieſes wäre keine genügende Rechtfertigung für
die durch die Inkonſequenz des jetzigen Sprach⸗
gebrauchs eingetretene Verwirrung. Desgleichen
wird man bemüht ſein müſſen, durch andere Er⸗
klärungsverſuche den Geſetzgeber gegen folgenden
Grund in Schutz zu nehmen, der allerdings,
wenn er offen eingeſtanden worden wäre,?) zu-
gleich als der allernatürlichſte und entſchuldbarſte
erſcheinen würde: nämlich, daß bei der Aufteilung
der geſetzgeberiſchen Vorarbeiten unter verſchiedene
Redaktoren keine Bürgſchaft für Einheitlichkeit der
Diktion übernommen werden konnte und der
Geſetzgeber nicht ſicher war, ob die Bemühung,
eine ſolche Einheitlichkeit nachträglich in die ein⸗
zelnen Geſetzesteile hineinzubringen, mit völliger
Exaktheit durchführbar ſein würde. Abwegig
wäre es auch — wie gegenüber einer diesbezüg⸗
lichen Andeutung in den Protokollen a. a. O.
betont werden muß —, dem Geſetzgeber mit
einer Bezugnahme auf die Stellung der 88 183 f.
im Geſetzbuche zu Hilfe zu kommen: dieſe be⸗
fänden ſich im ſechſten Titel des dritten, von
den „Rechtsgeſchäften“ handelnden Abſchnittes
des erſten Buches und die geſetzliche Anweiſung
bezüglich der Terminologie“) bezöge fidh all nur
auf die Fälle, in denen ( 182 Abſ. 1): „die
Wirkſamkeit eines Vertrags oder eines ein-
ſeitigen Rechtsgeſchäfts, das einem
Anderen gegenüber”) vorzunehmen ift,
von der Zuſtimmung eines Dritten abhängt”,
alſo nur auf die Fälle einer rechtsgeſchäftlichen
Mitwirkung dieſes Dritten; denn auch die Mit⸗
wirkung des Vormundſchaftsgerichtes, des Gegen⸗
vormundes und des Beiſtandes richten fih oft“)
gerade auf ſolche Punkte, und vor allem wäre
es ſchon darum unzuläſſig, aus der Stellung der
26) Vgl. daf. SS 41 ff., 45 ff.; daf. § 48 übrigens
„Einwilligung des Vormundes, des ene
gerichts und des Familienrats“.
27) Mot. IV S. 1008.
28) Vgl. ferner Sächſ. BGB. SS 1913 ff., 1931 ff.,
1942 ff., das zwiſchen „Einwilligung“ des Vormundes
und „Genehmigung“ des Vormundſchaftsgerichts unter⸗
ſcheidet: ſehr bunt der Sprachgebrauch des Oeſterr. BGB.
SS 231 ff. („ Genehmigung“, „Genehmhaltung“, „Bes
willigung“, „Einwilligung “).
20) Vielleicht ſoll dies mit den recht rätſelhaften
Schlußworten der Protokolle a. a. O. angedeutet
werden; vgl. aber unten Anm. 31.
0) Wegen der ganz anderen, hier nicht zu erörternden,
aber jedenfalls (mit der herrſchenden Anſicht) zu ver—
neinenden Frage, ob der ſonſtige — materielle — In—
halt der 88 182—185 (z. B. die rückwirkende Kraft
der Genehmigung, § 184 Abi. 1) über die oben anz
gedeuteten Fälle hinausgeht, vgl. bereits oben S. 55
Anm. 22.
31) Es ſcheint, daß Prot. a. a. O. (oben Anm. 29)
bei Erwähnung der einſeitigen Rechtsgeſchäfte an die
nicht ee denken.
*) Vgl. z. B. 88 1812 ff.
89 183 f. im Geſetze etwas gegen die — prinzipiell
als allgemein zu denkende“) — Bedeutung
unſerer Begriffsbeſtimmungen folgern zu wollen,
weil weitaus die meiſten vom Geſetz gegebenen
Begriffsbeſtimmungen und namentlich auch die
gleich der „Einwilligung“ und „Genehmi igung“
durch Anwendung des Klammerzeichens“) an⸗
gedeuteten ſich immer nur ganz gelegentlich im
Geſetze eingeſtellt finden (tadelnswerter Weiſe
übrigens“) oft, und jo auch hier,“) nicht einmal
wenigſtens gerade bei der erſten ſich dazu bieten⸗
den Gelegenheit); hätte alſo der Geſetzgeber von
dieſer Methode eine Abweichung beliebt, hätte er
es andeuten müſſen, und der Mangel einer ſolchen
Andeutung erſcheint um ſo beweiſender für die
prinzipielle und generelle Funktion unſerer Defi⸗
nitionen, als der Geſetzgeber ja, wie wir bereits (S. 55)
ſahen, in anderer Richtung eine ausdrückliche Er⸗
klärung über eine gewiſſe Abweichung gegeben hat.
Die richtige Erklärung, weshalb die Motive
die Fälle, in denen es ſich um Mitwirkung des
Vormundſchaftsgerichtes, des Gegenvormundes und
des Beiſtandes handelt, beſonders hervorheben,
ſcheint mir gewonnen zu werden, wenn man
näher auf das Weſen dieſer Mitwirkung eingeht.
Dieſe Mitwirkung ſteht nämlich!) in einem ges
wiſſen Gegenſatze zu der in 88 182—185 er⸗
wähnten und zu allen Einzelfällen, in denen über⸗
haupt von privatgeſchäftlichen „
anderer Faktoren — es ſind dies der gejesliche
Vertreter ($S 108 f., 1337, 1341, 1847 [ Abſ. 1
Satz 2], EG. Art. 37 Abſ. 1), der Vertretene
($$ 177 ff.), der Ehegatte (SS 1396 f., 1448,
EG. Art. 37 Abſ. 2), der Eigentümer (ŞS 1001 ff.),
der Gläubiger (§§ 415 f.), der Teſtator (SS 2242 f.),
die bei einer Verſteigerung Beteiligten (8 458),
der Geſchäftsherr ($ 684) und der volljährig Ge-
) Unſern drei Worten vindizieren allgemeine
Bedeutung ausdrücklich Enneccerus⸗Lehmann
a. a. O. S. 25, Crome, Syſtem des deutſchen Bürger⸗
lichen Rechts 1 (Tübingen und Leipzig 1900) S. 98
Anm. 6, Hachenburg, Vorträge (2. Aufl. Mannheim
1900) S. 448; vgl. auch Landsberg, Recht des BGB. I
(Berlin 1904) S. 157, Endemann a. a. O. S. 52
Anm. 8, Leonhard a. a. O. S. 67, Kuhlenbeck in der
IW. 25 (1896) S. 729. Wegen des Reichsgerichts vgl.
außer den oben S. 54 Anm 16 und unten S. 60 (mehr⸗
fach) Anm. erwähnten Entſcheidungen 1 as die vom
15. Februar 1902, Bd. 50 Nr. 45 S. 212 ff. — Vgl.
übrigens wohl auch Prot. I S. 178.
) Zu dieſer e vgl.
Vorträge a. a. O. S. 9
0) Vgl. hierzu Veiſpiele in meinem Syſtem der
Verſchuldensbegriffe S. 17 Anm. 4. 190.
0) Unſere drei Ausdrücke begegnen ſchon vorher
in §§ 4, 32 f., 35, 80—83, 107-113, 131, 177—179.
57) Hier berühren It: die Ausführungen mit
denen v. Blumes in IheringsJ. 48 (1905)
S. 417 ff. insbeſondere S. 425 ff. über „Zuſtimmung
kraft Rechtsbeteiligung und Zuſtimmung kraft Aufſichts—
recht“ (vgl. auch v. Blume, Kommentar S. 72 Note 1);
vgl. auch die Bemerkungen von Sohm, Gegenſtand
(Leipzig 1905) S. 51 über Hilfsverfügungsgeſchäfte und
von Riezler in v. Staudingers Kommentar I
S. 563 Note 1 über Hilfsrechtsgeſchäfte.
meine
- un — — —
— — ‚+— ia»ũů3ꝛö˙˙⁊˙nͤͤͤ——ͤͤ—ͤͤĩi..1ün11!⸗ẽbꝗ˖ — —.0 — ——
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
wordene ($ 1829) — die Rede ift. Denn während
es fih hier zumeiſt ) in der Tat um Vorgänge
handelt, die in den Rahmen der in 88 182 — 185
(oben S. 56) gedachten Rechtsakte paſſen, iſt
der Charakter, welchen die Mitwirkung des Vor⸗
mundſchaftsgerichtes, des Gegenvormundes und des
Beiſtandes hat, ein weſentlich anderer; wohl am
einfachſten und zugleich ſchärfſten“) läßt ſich dieſer
Unterſchied durch Einſtellung von Fremdworten
ausprägen, indem man zu den mit 88 182 ff.
harmonierenden Fällen von einem Konſenſe
redet, in den von den Motiven gemeinten Fällen
dagegen von einer Konfirmation, und indem
man jene Fälle als ſolche bezeichnet, bei welchen
die Rechtsbeſtändigkeit, das Zuſtandekommen des
Rechtsaktes vom ſupplierenden Mitwirkung
des Dritten abhängt, während hier entweder eine
Obrigkeit (nämlich das Vormundſchaftsgericht) oder
dohein Organ mit quaſi⸗obrigkeitlichen Funktionen“)
(der Gegenvormund oder der Beiſtand) die Aufgabe
einer rechtspolizeilichen Gutheißung ausübt.
Damit iſt aber zugleich auch der Schlüſſel für
einen großen Teil der anderen oben (S. 54f.) er⸗
wähnten Fälle gefunden, in denen das Geſetz bei
ſtrikter Anwendung der Begriffsbeſtim mungen aus
SS 183 f. entweder prägnanter von „Einwilligung“
oder allgemeiner von „Zuſtimmung“ hätte ſprechen
müſſen. Denn auch hier iſt die Sachlage eine
abweichende: es handelt fih — die „genehmigenden“
Faktoren find vor allem der Staat (SS 33,
80-84“), 763, 795, 2043, EG. Art. 34 Nr. IV,
86—88), mehrfach auch der Bundesrat (88 33,
80—84) und vereinzelt die Gemeindebehörde
(EG. Art. 36 Nr. V Satz 3) oder ein Beamter
(BGB. $ 841) — nicht um rechtsgeſchäftliche
Konſenſe, ſondern um rechts polizeiliche
Funktionen“), für welche, abgeſehen etwa von EG.
Art. 36, entweder (8 841) wiederum das Fremd-
wort Konfirmation oder aber (in allen anderen
Normen) das Fremdwort Konzeſſion“) die
zutreffendſte Deckung bieten würde.
6) Aus dem Rahmen fallen von ic Geſetzes⸗
ſtellen nur 88 2242 f. und etwa EG. Art.
%) Nichts Rechtes wird gewonnen, 1 Plothke
in Hold heims Monatſchrift für Handelsrecht und
Bankweſen 10 (Berlin 1901) S. 250 (vgl. auch Neumann
a. a. O. S. 118) von den „für das betreffende Rechts—
geſchäft ſelbſt wirkſamen Organen” ſpricht, und ſehr be-
denklich iſt ſein Vergleich zwiſchen unſern Fällen und
dem des HGB. § 305 Abſ. 2 (unten S. 59).
4) Vgl. dazu Mot. IV S. 798, 800 f., 1032 f.,
1117 ff., v. Blume, Kommentar S. 79 Note 1 (zu 8 1832),
S. 597 Note 5 (zu § 1690).
) Auf dieje Vorſchriften berufen ſich, m. E. in
wenig zutreffender Parallele, betreffs des Sprachgebrauches
wegen der vormundſchafts gerichtlichen Mit⸗
wirkung Prot. a. a. O. (IV S. 799).
„) Es liegen „öffentlichrechtliche Verwaltungsakte“
vor; Oertmann, Komm. (2. Aufl., Berlin 1906) S. 890
Note 2, 19 ad S. 894 Note 3 (zu § 795).
1 S l. auch Prot. I S. 589; daf. über den
Ausdruck 3 0 dens. in E. 18 701
(BGB. § 795); vgl. auch z. B. zu §8 80 ff. Hölder
|
67
Die vorſtehenden Beobachtungen find nun zwar
geeignet, die in den Motiven angedeuteten den
Ausdruck „Genehmigung“ betreffenden Ab⸗
weichungen“) zu erklären, fie find aber nicht zu⸗
gleich geeignet, dieſe Abweichungen und ferner die
Bedenken wegen des Gebrauches der Worte“)
„Einwilligung“ und „Zuſtimmung“ zu
rechtfertigen. Wenn der Geſetzgeber ſich klar war,
daß er die von ihm angegebene Terminologie nicht
würde einhalten wollen oder können, ſo hätte er
eben, um Verwirrungen zu vermeiden, eine ſolche
authentiſche Feſtlegung gänzlich unterlaſſen“)
müſſen. Er hätte dann ein zutreffenderes Reſultat
erreicht: er hätte, wo es ihm unerheblich erſchien,
ob der Konſens vorher oder nachher einträte, jeden
der drei Ausdrücke — und auch noch andere
Synonyma, wie“) „Beſtätigung““) „Bewilli⸗
gung“), „Billigung“ ), „Einverſtändnis“ 53),
„Erlaubnis“ ), „Ermächtigung“ ), „Seftattung“°°)
a. a. O. S. 188 f. (385 Note 1), une I ©. 147,
Zitelmann a. a. O. S. 139 III 3
4t) Eine bewußte Abweichung a auch — zu
8$ 1643, 1831 — das KG. in der Entſch. vom 30. Sept.
1901, Entſch G. II (1901) S. 216 an.
5 Hier ift noch zu bemerken, daß von einer „Ein⸗
willigung“ von Behörden u. dgl. nirgends die Rede
iſt und daß ſich der Ausdruck „Zuſtimmung des Bundes—
rats“ im B B. 8 482 und im EG. Art. 31 zur Genüge
aus der üblichen (ſtaatsrechtlichen) Ausdrucksweiſe erklärt.
Als einwilligende bzw. zuſtimmende Faktoren erſcheinen
hauptſächlich der geſetzliche Vertreter, die Eltern, der
Ehegatte, vereinzelt aber noch die allerverſchiedenſten
anderen rein zivilrechtlichen Perſonen.
% Das wäre beſſer geweſen, als der laut Prot.
a. a. O. vergeblich angeregte Vorſchlag, die geſetzliche
Terminologie auch auf die Mitwirkungen des Vormund—
ſchaftsgerichtes zu erſtrecken.
7) Nachſtehend nenne ich nur Worte, die ſich im
BGB. ſelber finden; vgl. auch über „Willen“ (mit dem
Willen; ohne, gegen, wider den Willen) in meinem
Syſtem S. 414 f. und zu den dort genannten Stellen
auch noch BGB. 58 (Matthiaß a. a. O. S. 252,
Zitelmann S. 139 III 3a). — Abgeſehen vom Wort
„Erlaubnis“ findet ſich zu den andern Worten ſtets auch
(im folgenden mitberückſichtigt) das betreffende Verbum.
48) Die „Beſtätigung“ ift keineswegs nur (vgl.
Riezler bei v. Staudinger I S. 563 Note 2)
eine ſolche zu eigenen Angelegenheiten, ſondern be—
gegnet auch als gerichtliche Beſtätigung von Partei-
angelegenheiten in § 1741 (den Zitelmann S. 139
III 3c beſſer nicht mit 88 141, 144 hätte zuſammen⸗
ſtellen ſollen), 88 1748, 1753 f., 1756. Vgl. auch
Crome a. a. O. S. 360 Anm. 13.
% Auch „Bewilligung“ (nebſt „Eintragungs-“ und
„Löſchungsbewilligung“) findet fih ſeitens einer Privat-
perſon in SS 873 f., 885, 1115, 1260, ſeitens einer Be»
hörde in 88 132, 176, 1303, 1312 f., 1316, 1322, 1328,
1694, 1745, 1836. In 81328 (Abſ. 2) und ebenſo in
HGB. 8 86 Abi. 1 wird ausdrücklich der Möglichkeit
„nachträglicher Bewilligung“ gedacht, was mit der tech-
niſchen Bedeutung der „Einwilligung“ als eines voran:
gehenden Aktes ſprachlich disharmoniert. — Vgl. ferner
HGB. $ 55 Abſ. 2.
5% Nur ſeitens einer Privatperſon (und wohl nur,
vgl. Hölder S. 385 Note 1) als nachträglicher Akt:
85 495 f., 665, 692. — Vgl. auch HGB. 8 499 Satz 2.
o Nur ſeitens einer Privatperſon: 88 117, 180,
465, 639.
1 Seitens einer Privatperſon in 88 549, 583, 603,
58
— ad libitum verwenden können, und nur da, wo er
lediglich einen der beiden Fälle ins Auge faſſen wollte,
durch Hinzufügung des Beiwortes „vorherig“ oder
„nachträglich“ oder durch ähnliche Zuſätze — wie
er fie ja auch in 88 744 und 1829 f. (oben S. 54)
gebraucht hat — unzweideutig zu erkennen geben
müſſen, ſofern nicht manchmal der ganze Tat-
beſtand Zweifel ausgeſchloſſen hätte.“) Dieſe Me⸗
thode würde zugleich den Vorzug gehabt haben,
daß die zuſatzloſe Wahl eines der Synonyma””)
auch einen dritten Fall gedeckt hätte, den die
Motive zwar andeuten, aber allzuſchnell erledigen,
indem fie a. a. O. (Bd. 1 S. 247) jagen: „Ueber:
gangen ift die gleichzeitige Einwilligung.“) d. h.
der Fall, in welchem der zur Einwilligung Bered-
tigte bei der Vornahme des Rechtsgeſchäftes zugegen
iſt und die Einwilligung erteilt. Vielfach wird
in einem ſolchen Falle der Einwilligende der eigent⸗
liche rechtsgeſchäftlich handelnde Teil ſein. Soweit
dies nicht zutrifft, ſtellt die Zuſtimmung zeitlich
betrachtet ſich vorwiegend, wenn nicht immer, ent⸗
weder als vorherige Einwilligung oder als nach⸗
folgende Genehmigung dar.“
Da wir aber einmal mit einem fertigen Ge⸗
ſetze zu rechnen haben, ſo laſſen ſich deſſen In⸗
konſequenzen nicht leugnen. Aber einerſeits iſt
ihre Anerkennung ſtrikt auf die Fälle einzuſchränken,
wo der Inhalt und Zuſammenhang einer Einzel⸗
ſtelle es mit Sicherheit erkennen läßt, daß die
„Genehmigung“ nicht als eine nachträgliche, die
„Einwilligung“ nicht als eine vorangehende ver-
ſeitens einer Behörde in 88 1315, 1784, 1888; wohl
ſtets als vorangehend zu denken; vgl. im übrigen Be-
merkungen bei v. Staudinger a. a. O., Matthiaß
a. a. O., Endemann I S. 413 Anm. 1. Oertmann
a. a. O. S. 496/497, Fiſcher⸗Henle S. 304 Note 1,
Eltzbacher, Das rechtswirkſame Verhalten (Berlin 1903)
S. 170. — Vgl. auch aus anderen Geſetzen Seemanns⸗
a 34, 87, 96 (Nr. 3 und 4), Bin nenſchiff⸗
. etz 8 23, HGB. SS 565 Abſ. 1 Satz 1, 750
Nr.1.— Prot II S. 183 f. gebrauchen „Erlaubnis“ und
„Einwilligung“ identiſch.
) Seitens einer Privatperſon z. B. in 88 112 f.,
370, 714 f., 2199, 2209, ſeitens einer Behörde z B. in
88 37, 385, 1221, 1321, 1358, 1825, EG. Art. 40 88 8
und 8a; ſeitens des Geſetzes in 8 457. — Vgl. auch
Hölder S. 383 Anm. 1. Biermann a. a. O. S. 164
sub a und Entſch. des Reichsgerichts vom 14. Januar
1903 Bd. 53 S. 275. — Vgl. auch HGB. § 55 Abi. 2,
56, 86 Abſ. 1. 642 Abſ. 4.
53) Vgl. die Angaben in meinem Syſtem S. 611 f.,
insbeſ. S. 611 Anm. 6; auch Zitelmann S. 139
III 3 a; vgl. ferner z. B. HGB. § 371 Abſ. 4
4) Derartige Fälle vgl. oben S. 54f.
55) Der Geſetzgeber hätte am beiten getan, das
Wort „Zujtimmung” häufiger (und insbeſondere für die
in den Mot. a. a. O erwähnten Fälle) zu gebrauchen
(val. auch die Bemerkung bei Wohlwill, die Ge-
nehmigung nach BGB., Roſtocker Diff. 1902, S. 11).
Dann wäre es die einzige, ihr auch jetzt nicht erſparte
Aufgabe für die Theorie geblieben, die oben S. 55
Anm. 22 und S. 56 Anm. 30 angedeutete Begrenzung
der Anwendbarkeit des ganzen 6. Titels ee eee
56 Vgl. zu dieſem Punkte auch Junker, Die Gez
nehmigung im BGB., Erlanger Diſſ., Olpe 1899, S. 8
und (nicht ganz genau) Hachen burg a. a. O.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. N
. «ͤ ˙ä—v— e . ], , .. Le
Nr. 3.
ſtanden werden kann; in ſolchen Fällen iſt der
Ausdruck eben in einem den SS 183 f.
entgegengeſetzten Sinne und ſo zu leſen, als ob
der Geſetzgeber von „Zuſtimmung“ ſpräche. Und
andererſeits muß die Erklärung der Motive,
da wir ſie ja doch nicht beiſeite ſchieben können,
auch als völlig bindend“) betrachtet werden,
d. h. nicht bloß, wie es in der Literatur“?) mehr-
fach geſchieht, nur auf die Genehmigung des Vo r=
mundſchaftsgerichtes, ſondern auch auf die
des Gegenvormundes und ebenſo auf die des
Beiſtandes, alſo auch auf BGB. §§ 1690, 1809 f.,
1813, 1824—1826 und 1832 erſtreckt werden.“)
Der gleiche Sprachgebrauch wie im BGB.
findet fih auch“) in dem zweitgrößten Reichszivil⸗
geſetze, dem Handelsgeſetzbuche, und offenbar
hat, wie die oben S. 54 gegebene Zuſammen⸗
ſtellung lehrt, das Beſtreben, beide Geſetze mit⸗
einander in Einklang zu bringen, auch in dieſem
Punkte mehrfach eine Abänderung des im All⸗
gemeinen Handelsgeſetzbuche enthaltenen Textes
und eine Anpaſſung des jetzigen Handelsgeſetz⸗
buches (1897) an das BGB. veranlaßt.
Von „Einwilligung“ — bzw. „willigen“ —
ift die Rede in HGB. ŞE 22 Abſ. 1 Satz 1.
24 Abſ. 2, 25 Abſ. 1 Satz 2, 60 Abſ. 1 und 2, 112
Abſ. L und 2, 122 Abſ. 2, 236 Abſ. 1 Satz 1 und 2,
326 Abſ. 1 Satz 1 und 2, 503 Abſ. 1, 544 und
553 Abſ. 4 Satz 1 (oben S. 54). Alle diefe Stellen —
größtenteils beziehen ſie ſich auf Fortführung der
Firma oder auf Konkurrenzgeſchäfte — laffen er:
kennen, daß ein vorangehender Konſens gemeint
ift, und jo verweiſt denn auch die Literatur’)
hier vielfach ausdrücklich auf BGB. § 183).
57) Daß der Geſetzgeber dieſe in den Mot. aus⸗
geſprochene Abſicht durchgeführt hat, beweiſt wegen des
Vormundſchaftsgerichts aufs deutlichſte die oben S. 54
(Anm. 10) hervorgehobene, in dieſem Sinne alſo nur
anſcheinende Tautologie in 88 1829 f.
8) Vgl oben S. 55 Anm. 24.
) Die praktiſche Bedeutung der obigen
Fragen erhellt ſchon aus der in dieſem Aufſatze heran:
gezogenen Judikatur; vgl. ferner die von Sachſe und
Breit in der DIZ. VIII (1903) S. 25 und 174 beſprochene
Entſcheidung des Kammergerichts v. 30 Dez. 1901
(Jahr b. der Entſch. Bd. 23 A 240, Rſpr. d. OL G.
Bd. 4 S. 193), jowie Entſch. des bayer. Ob L G. vom
23. Okt. 1902 (Bd. 3, 1903 S. 880 ff.).
oa) Wegen der Synonyma. vgl. die Anmerkungen
S. 57f. und namentlich auch miteinander HGB. SS 565 und
566. — Ferner z. B. „Zulaſſung“ in § 201 Abſ. 5 Satz 1.
c Im BGB. findet fih „willigen“ überhaupt nicht.
) Vgl. Staub, Kommentar (8. Aufl., Berlin
1906) I S. 291 Anm. 9, 799 Anm. 6, 1084 Anm. 6
ſowie Lehmann-Ring, Kommentar (Berlin 1902)
I S. 157 Nr. 2, 473 Nr 5, 648 Nr. 2 (beide zu HGB.
SS 60, 236, 326); ferner zu 8553 Pappenheim, Handb. d.
Seerechts (Leipzig 1906) S. 535. Irrig dagegen (wegen
EG. z. HGB. Art. 2, unten S. 59) m. E. im Sinne auch
nachträglicher Zuſtimmung zu HGB. S 22 ſowohl Staub I
S. 139 Anm. 7 wie Lehmaun-Ring S. 85 Nr. 7
(unter Berufung auf ältere Judikatur, die ja aber noch
nicht an die Terminologie des BHB. gebunden mar).
en, Nicht § 182, wie ein Druckfehler bei Lehmann⸗
Ring 1 S. 157 Nr. 2 angibt.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
Von „Genehmigung“ iſt die Rede in
HGV. $ 85, 180 Abſ. 2 Satz 2 und Abſ. 4
(ogl. dazu auch 8 284 Abi. 2 Nr. 4 a. E.),
195 Abſ. 2 Nr. s, 201 Abſ. 5 Satz 1, 260
Abi. 1, 264 Abi. 1, 284 Abſ. 2 Nr. 4, 305
Abſ. 25, 377 Abſ. 2 und 3, 378, 386 Abſ. 1, 499
Satz 2, 641 Nr. 3. Hier handelt es ſich in 88 85. 260,
264, 305, 377 f., 386, 499 und 641 offenbar —
dem Sprachgebrauche des BGB. § 184 konform“
— um nachträglichen Konſens, in 88 180, 195,
201 und 284 dagegen um eine nur als voran⸗
gehend denkbare bundesratliche bzw. ſtaatliche ser)
Konzeſſion.
„Zuſtimmung“ endlich findet ſich in
HGB. außer in den ſchon oben S. 54 erwähnten
88 58, 116, 393, 508, 553, 782, 813 f., 816
noch in 88 119 Abſ. 1. 180 Abſ. 3, 212 Abſ. 1
Satz 1 und Abſ. 3, 238 Satz 1, 270, 276, 304
Abſ. 2, 323 Abſ. 3 Satz 2,327 Abſ. 2, Abſ. 3 und
Abſ. 4 Satz 1 und 2, 501 Abſ. 1, 506 Abſ. 2 Satz 4,
566 Abſ. 1, 886 Abſ. 2. Von dieſen Stellen dürften
aber 88 323 und 503 (vgl. zu ihm oben S. 54)
jo gelegen fein, daß nur an ein vorheriges, $ 501
ſo, daß nur an ein gleichzeitiges Einverſtändnis
gedacht werden kann; im übrigen wird ſich““) die
Zuſtimmung ſowohl als „Einwilligung“ wie als
„Genehmigung“ auffaſſen laſſen.
Es iſt aber nicht bloß zu konſtatieren, daß die
Ausdrucksweiſe des HGB. — abgeſehen von 88 180
(Abſ. 2 und 4), 201 und 284 oder, richtiger geſagt,
gerade auch hier, indem bei de Geſetze betreffs der
Konzeſſionen von der Terminologie des BGB.
S$ 183 f. abweichen — mit der des BGB.
harmoniert, ſondern es iſt auch darauf hinzuweiſen,
daß wegen der im EG. zum HGB. Art. 2
Abſ. 1 gegebenen Anweiſung auch innerhalb des
HGB. überall da, wo die Spezialausdrücke „Ein⸗
willigung“ und „Genehmigung“ begegnen, dieſe
Normen nicht anders als im engen Sinne der 88 183f.
BGB., dagegen überall da, wo von „Zuſtimmung“
geſprochen wird, im weiteren Sinne ſowohl des vor—
angehenden wie des nachfolgenden Einverſtändniſſes
aufgefaßt werden dürfen. Während aber betreffs
einiger anderer Definitionen des BGB., welche in die
große Kategorie der Verſchuldensbegriffe gehören,
durch diefe Vorſchrift des Einführungsgeſetzes eine
nicht zu unterſchätzende Veränderung“) des matez
es Wegen Plothke vgl. oben S. 57 Anm. 39.
) Die Kommentare von Staub und Lehmann
Ring ſchweigen hier zu unſerer Frage gänzlich.
*) Einwilligung“ und „Juſtimmung“ einer Bes
hörde finden ſich nur in der Novelle zu § 553
65) So auch zu §§ 116. 327 und 393 Lehmann⸗
Ring I S. 245 Nr. 3, 649 Nr. 2, II S. 237 Nr. 4
(vgl. auch I S. 432 Nr. 5 zu 8 212“; zu § 393 auch
Düringer⸗ Hachenburg III (München 1905) S. 398
Note 2. Dagegen ift zu SS 116 und 180 die Ausdrucks—
weiſe („Einwilligung“) von Staub I ©. 416 Anm 6
und S. 629 Anm. 10 bedenklich — Mak ower⸗Loe we
ſpricht S. 67 Note 1a, 213 Note 2, 235 Note 1 b zu
SS 566, 782, 814 von, „Genehmigung“.
66 Ein anderer Fall, in welchem dieſe Norm eine
ſolche latente Veränderung gegenüber dem Allgem. HGB.
59
riellen Inhaltes des HGB. im Vergleich zum
AGB.“) herbeigeführt worden iſt“ ), ift diefe Folge
— auch wo man“) den oben (S. 54) feſtgeſtellten
Wechſel in der Diktion der beiden Handelsgeſetz⸗
bücher für angezeigt gehalten hatte — im Handels⸗
recht nicht eingetreten, weil man hier bei der
Subſtitution anderer Ausdrücke korrekter verfahren
iſt als hinſichtlich jener Verſchuldensfälle: denn
zumeiſt iſt ja (vgl. oben S. 54) der generelle
Begriff („Zuſtimmung“) für den ſpezielleren („Ein⸗
willigung“)“) und im Falle des § 112 ift der
ſinngemäßere Begriff („Einwilligung“) für den
nach der jetzigen Terminologie nicht mehr zu:
treffenden Begriff („Genehmigung“) eingeſtellt
worden; trotz der gegenwärtigen Spezialiſierung
der Terminologie hat alſo eine Aenderung der
geſetzlichen Tatbeſtände nicht ſtattgefunden.
Und während jene materielle Abweichung zwiſchen
älterem und neuerem Recht, die hinſichtlich der
Verſchuldensbegriffe erfolgt iſt, zugleich einen
latenten Unterſchied zwiſchen dem jetzigen deutſchen
Handelsrecht und dem öſterreichiſchen Handels⸗
recht“) einſchließt, das ja noch immer auf dem
Allgemeinen Handelsgeſetzbuche (Buch I—IV)
baſiert, ſo iſt dieſer Unterſchied für die hier
zur Erörterung ſtehenden Fälle nicht vorhanden,
da ja das Oeſterreichiſche Bürgerliche Geſetz⸗
buch eine derartige geſetzliche Feſtlegung der Ter-
minologie, wie in 8$ 183 f. des deutſchen BGB.,
und eine derartige offizielle Verbindung mit dem
Handelsgeſetzbuche, wie in Art. 2 des Einführungs-
geſetzes zu letzterem, nicht aufweiſt.
Genau ſo aber, wie die öſterreichiſche Jurispru⸗
denz daher in der Interpretation unſerer drei Aus⸗
drücke vollkommen frei daſteht, genau ebenſo un:
abhängig iſt natürlich auch die deutſche Theorie
und Praxis geblieben, wo unſere Ausdrücke ſich
er durfen hat, iſt der der „öffentlichen Verſteigerung“
vgl. HB. § 373 Abſ. 2 S Satz 1, Abſ. 4. Abſ. 5 Satz 1.
§ 376 Abſ. 3 Satz 2 mit AHB. Art. 343 Abf. 2 Satz 2
und Art. 357 Abſ. 1 Satz 2 (und dazu Art. 354, 343)
ſowie — dem öſterreichiſchen Recht, ſ. unten gegenüber
außer Betracht bleibend — HGB. 8 220 Abſ. 3 ver:
glichen mit Art. 219 Abſ. 2, 184 b Abſ. 4 der Novelle
vom 18. Juli 1884, wogegen § 290 Abi. 3 Satz 1 oma
neu ift. Vgl. auch z. B zu § 373 Staub a. a. O. S. 1474
Anm. 33. Von . Verkauf“ ſpricht HGB.
ss 506 Mbi. 2 Satz 1, 873 Abſ. 1.
7) Nicht in Betracht kommen für das im Text Ge-
ſagte natürlich als (gänzlich oder doch in dem fraglichen
Paſſus) neu z. B. HGB. ŞS 25, 85, 119, 236, 260, 264,
305, 326, 378. Umgekehrt hat AGB. Art. 98 Abſ. 1
(„Einwilligung“) keinen Nachfolger im HGB.
os, Vgl. mein Syſtem S. 625 f.
60 Wo kein Wechſel des Ausdrucks eingetreten
ift (8$ 22. 24, 60, 122, 377, 386, 499, 503, 506, 544, 641),
iit er (vgl. oben S. 54) auch ſchon im Allg. HGB. im
Spezialſinne der S8 183 f. des BGB gebraucht geweſen,
jo daß auch hier keine materielle Aenderung vorliegt.
70) So ſprechen zu Art. 369 (jetzt $ 393) auch bereits
die Prot. zum AGB., herausg. v. Lutz, Teil III
(Würzburg 1858) S. 1203 von „Zuſtimmung“.
„ Vgl. dazu einen demnächſt in der Allgemeinen
öſterreichiſchen Gerichtszeitung von mir er—
ſcheinenden Auſſatz.
60
außerhalb) des Bürgerlichen Geſetzbuches nebft
ſeinem Einführungsgeſetze und außerhalb des
Handelsgeſetzbuches ) finden.“) Und dabei ift es
gleichgültig, ob die betreffende Rechtsnorm dem
Reichsrecht ) oder dem Landesrecht ), dem öffent-
lichen oder dem Privatrecht, dem Recht vor oder
nach“) dem 1. Januar 1900 angehört.
Als gänzlich verfehlt endlich muß es erſcheinen,“)
wenn das Reichsgericht in einer Entſcheidung
vom 14. Juli 1902 Bd. 52 Nr. 43 S. 163
dem in einer Parteierklärung angewen⸗
deten Ausdrucke „Genehmigung“ den — wie wir
ſahen, unwahren — Spezialſinn des $ 184 BGB.
oktroyiert, und es macht in dieſer Hinſicht ſelbſt
der vom Reichsgericht hervorgehobene Umſtand
nichts aus, daß die Urkunde von einem Rechts⸗
kundigen abgefaßt worden war.
Ziviliſtiſche Bemerkungen zum bayeriſchen
Vaſſergeſetz von 1907.
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg.
(Fortſetzung ſtatt Schluß.)
V. Das Redt der Immiſſion.
a) Der Rechtszuſtand vor Inkraft⸗
treten des BGB. Unter Immiſſion im waſſer⸗
rechtlichen Sinne iſt zu verſtehen die Verun⸗
reinigung der Gewäſſer durch Zuführung ſchäd⸗
licher Stoffe; als ſolche kommen in erſter Linie
Flüſſigkeiten, insbeſondere Fabrikabwäſſer, ge:
11) Und ohne eine zwingende innere Bezugnahme
auf die einſchlägigen Normen des BGB. oder des
HGB. Als Beiſpiele vgl. GBO. 8 8 Abſ. 1 Satz 2
und 8 21.
72) Selbſt für das mit dem HGB. fo nahe verwandte
Binnenſchiffahrtsgeſetz und für die Seemannsordnung
(vgl. deren 88 83 Abſ. 1 und 2, 113 Nr. 4) find BGB.
88 183 f. irrelevant.
7) Richtig Entſch. d. RG. vom 3. Okt. 1906 Bd. 64
Nr. 36 S. 149 ff. zu 8 17 Abſ. 1 des Gef., betr. die Gefell-
ſchaften mit beſchränkter 9 bedenklich die Entich.
vom 29. Dez. 1906 Bd. 65 Nr. 13 S. 44 zu § 28 Abi. 1
des Geſ. über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901.
) Sogar für die durch Art. 1 des EG. z. BGB.
inaugurierten Geſetze oder Novellen wird dies behauptet
werden müſſen; vgl. z. B. 3wVG. 88 43 Abi. 2, 59
Abi. 1 und 3, 60, 71 Abi. 2, 84 Abſ. 1 und 2, 105
Abi. 4, 181 Abſ. 2. — Zu GewO. § 89 b ungenau
Schönfeld in der DIR. XI (1906) S. 698.
74, Auch für die partikularen Ausführungsnormen
zum BGB. und zum HGB. iſt (vorbehaltlich der in
Anm. 71 gegebenen Klauſel) dies anzunehmen; vgl. z. B.
Preuß AG. z. BGB. Art. 6, 7, 16 Nr. 1, 18 8 4.
ir) Dieſer Zeit gehört ja die oben S. 54 erwähnte
Novelle zu HGB. § 553 an.
7°, Vgl. dazu mein Syſtem S. 207.
20) Auffallenderweiſe beruft ſich das Erkenntnis
nicht auf diefe Norm, ſondern auf § 108, 117;
übrigens kann man der Argumentation des Reichs⸗
gerichts noch entgegenhalten, daß ja (vgl. oben S. 54ff.)
gerade wegen der „Genehmigung“ das BGB. am
wenigſten konſequent geweſen ijt und zu ſein gewillt war.
Richtiger neueſtens Entſch. d. RG. v. 12. Okt. 1907
Bd. 66 Nr. 89 S. 373.
|
Zeitſchrift für ________Beltiehrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3. in Bayern. 1908. Nr. 3.
legentlich auch feſte, im Waſſer ſuspendierte Stoffe,
wie Celluloſefaſern in Betracht. Welchen Umfang
diefe Verunreinigung der Gewaͤſſer durch die Ent-
wicklung der Induſtrie allmählich angenommen
hat, iſt ſehr anſchaulich geſchildert in dem Be⸗
richte des Abgeordneten Frh. v. Malſen (S. 21 ff.).
Gegenüber dieſen Zuführungen gewährt das bis⸗
herige Recht, wie es durch die Rechtſprechung
insbeſondere des RG. entwickelt war, einen durch⸗
aus genügenden Schutz — vgl. insbesondere die
grundlegende Entſch. d. RG. XVI S. 144 u. 178;
ferner die Entſch. XXI 298, 302; XXXVIII, 268,
IW. 1894 S. 29 Nr. 88; 1904 S. 370 (Preuß.
Landrecht); Entſch. 53 S. 43 (Rhein. franz. Recht).
Aus den in dieſen Entſcheidungen entwickelten
Rechtsſätzen ſind hervorzuheben:
1. Aus Entſch. 16, 144: „Aus dem Weſen
des Rechtes des Gemeingebrauchs als dem
gleichen Rechte aller, welche ſich in der
Lage befinden, von dem Objekte des Rechts
Gebrauch zu machen, muß man die Folgerung
ziehen, daß das Recht eines jeden einzelnen
ſeine Grenze findet in dem gleichen Rechte aller
übrigen. Deshalb darf der einzelne Mit:
berechtigte die Benützung der Sache nicht in
ſolcher Weiſe für ſeine Zwecke ausbeuten, daß er
dadurch den übrigen die Mitausübung ihres
Gemeingebrauchs unmöglich macht. Soweit aber
eine Teilung des Gebrauchs möglich iſt, hat, falls
die Zwecke der mehreren Gebrauchsberechtigten
nicht nebeneinander vollſtändig erfüllt werden
können, eine verhältnismäßige Teilung unter ihnen
ſtattzufinden. Der Beſitzer einer an einem öffent⸗
lichen Fluſſe gelegenen gewerblichen Anlage iſt,
ſoweit nicht landesgeſetzliche oder polizeiliche Vor⸗
ſchriften entgegenſtehen, kraft ſeines Rechtes des
Gemeingebrauchs an ſich befugt, den Fluß zur
Wegſchaffung der Abfallwaͤſſer ſeines Betriebs zu
benützen. Die bloße Tatſache irgendeiner
hierdurch anderen Gebrauchsberechtigten hinſichtlich
ihrer anderweiten Benutzung des Fluſſes zuge:
fügten Benachteiligung kann nicht ausreichen um
die letzteren ohne weiteres zu dem Verlangen der
Einſtellung der ſie benachteiligenden Immiſſionen
zu berechtigen, dieſe müſſen ſich vielmehr, um eine
Benutzung des Fluſſes für die beiderſeitigen
Zwecke nebeneinander zu ermöglichen, ein gewiſſes
nach freiem richterlichen Ermeſſen unter Erwägung
aller Umſtände zu beſtimmendes Maß von Be—
läſtigungen und Beſchränkungen gefallen laſſen.“
Aehnliche Grundſätze, wie hier für die öffentlichen
Gewäſſer, ſind in Entſch. 21, 298; 21, 302; 38,
266 für Privatflüſſe entwickelt.
2. Entſch. 16, 178 und Entſch. 21, 302 und
ſpäter öfters wird als Maß der von den anderen
Intereſſenten zu duldenden Verunreinigung der ge:
meinübliche Gebrauch aufgeſtellt, und dieſer JW.
1904 S. 370 wie folgt, begrenzt: „Ob eine be—
ſtimmte Art der Zuleitung nach Stoff und Um—
fang das Maß des Gemeinüblichen überſchreitet,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
kann immer nur nach den Umſtänden des Einzel:
falls beurteilt werden. Bei der Prüfung dieſer
Frage im Einzelfalle wird häufig der Begriff des
Nichtgemeinüblichen und der bes Schädlichen einer
Abwaſſerzuleitung zuſammenfallen. Eine Zu⸗
führung ſolcher Abwäſſer, die nach ihrer chemiſchen
Beſchaffenheit unbedingt und ſchon für ſich allein
oder auch vereinigt mit anderen, ihren Stoffen
nach aber unſchädlichen Schmutzwäſſern für Menſchen
oder Tiere geſundheitsſchädlich wirken müſſen, kann
1 keinem Falle als gemeinüblich und zuläſſig
gelten.
3. Entſch. 21, 300, womit zu vergleichen
JW. S. 1904, 370 wird der ſeitens der Fabriken
ſo beliebte Einwand für unberechtigt erklärt, daß
ihre Waſſerzuführung nicht für ſich allein, ſon⸗
dern nur etwa in Verbindung mit gleichartigen
Zuführungen Dritter nachteilig wirke und daß
nur alle zuſammen oder nur derjenige Immittent
belangt werden könne, in deſſen Verfahren die
weſentliche Urſache der Uebelſtände zu finden ſei.
4. Entſch. 21, 303 wird ausgeführt, daß der
Kläger zur Begründung der Klage nicht darzutun
braucht, daß die an ſich das Maß des gewöhnlichen
und gemeinüblichen Gebrauchs der Privatflüſſe über⸗
ſchreitende Benutzung zugleich ſchaͤdlich wirke, daß
aber der Beklagte den Anſpruch einredeweiſe durch
den Nachweis beſeitigen könne, daß die Klage nur
aus Schikane erhoben fei, indem der Kläger durch
das, worüber er fih beſchwere. in keiner Weile
beeinträchtigt werde. Umgekehrt könne der Kläger
dieſem Einwande dadurch begegnen, daß er ſelbſt
den Beweis ſeiner Schädigung erbringe. Wir
ſehen alſo, daß das RG. hier keineswegs die Klage
etwa von dem Nachweiſe eines Verſchuldens des
Beklagten, ja nicht einmal von dem Nachweiſe
eines Schadens abhängig macht, ſondern ſie lediglich
aus dem Weſen des Gemeingebrauchs ſelbſt ableitet.
Daß dabei eine Analogie mit den Grundſätzen
des Sachenrechts, insbeſondere des Nachbarrechts
ſtattfindet, wird auch derjenige nicht beſtreiten
konnen, der mit mir in dem Gemeingebrauch kein
ſachenrechtliches Verhältnis erblickt. Allerdings
handelt es fih bei den erwähnten Entſcheidungen
nur um negatoriſche Anſprüche, nicht um Klagen
auf Schadenserſatz; wegen der letzteren vgl.
Entſch. 6, 147 (gemeines Recht), 38, 269; JW. 1893
S. 569, 1905 S. 503, wo für die Schadens⸗
erſatzllage der Nachweis eines Verſchuldens des
Beklagten erfordert wird, es ſei denn, daß ſie
lediglich gemäß $ 26 GewO. an Stelle der dort
derſagten Klage auf Beſeitigung der faden-
bringenden Einrichtungen tritt, ſ. übrigens auch
Bl. f. RA. Erg.⸗Bd. 12, 142 (Preuß. R.).
b) Die Stellung des BGB. zu den
Immiſſionen. Der 8 903 BGB. befaßt ſich
nicht mit der Immiſſion im Sinne des Waſſer⸗
kechts, fondem nur mit der Zuführung unwäg⸗
barer Stoffe — Imponderabilien. Jene überläßt
er, übereinſtimmend mit Art. 65 EG. der landes⸗
—— 3.8 U—— e . ———2ů—ßv—ĩ3³v .d ——s8ßö8383ʒ;· .-... 2ꝗ62᷑ͤ᷑ꝛ³AM⸗.ò-.ůͤů —ä ä5‚Ä3oaa xx
61
geſetzlichen Regelung. § 903 kann daher in bezug
auf die waſſerrechtliche Immiſſion nur dann zur
Anwendung kommen, wenn etwa die betreffende
Frage landesgeſetzlich nicht geregelt und ſonach $ 903
im Wege der Analogie heranzuziehen ift.?')
c) Das bayeriſche Recht. Das bayeriſche
WG. regelt die Immiſſionen in Art. 37—41 in
einer von dem bisherigen Rechte abweichenden
Weiſe. Es knüpft die Zuleitung „von Flüſſigkeiten
oder anderen nicht feſten Stoffen, die eine ſchäd⸗
liche Veränderung der Eigenſchaften des Waſſers
zur Folge haben“, an die in widerruflicherweiſe
zu erteilende Erlaubnis der Verwaltungsbehörde,
räumt dieſer Behörde ausgedehnte Befugniſſe gegen
den Unternehmer zur Vermeidung ſchädlicher Ein:
wirkungen der Zuführung ein, entzieht aber im
Falle der Erlaubniserteilung den „am Waſſer
Berechtigten“ die negatoriſche Klage, alſo den An⸗
ſpruch auf Verbietung der behördlich erlaubten
Zuführung und beläßt ihnen nur den Anſpruch
auf Schadenserſatz, verwandelt alfo den negatoriſchen
Anſpruch in einen bloß reftitutorifchen.”) Das
Fundament der Klage iſt in ſolchem Falle die
Tatſache der einerſeits konzeſſions mäßigen, anderſeits
ſchädlichen Zuführung, alſo nicht etwa ein Ver⸗
ſchulden des beklagten Unternehmers; ein ſolches
wird ja durch die Erteilung der behördlichen Er⸗
laubnis ausgeſchloſſen. Aber ein Drittes muß
noch hinzukommen: die Zuführung muß eine ſolche
ſein, daß den am Waſſer Berechtigten ein An⸗
ſpruch auf Unterlaſſung der Zuleitung zuſtünde,
falls keine waſſerpolizeiliche Genehmigung erteilt
worden wäre. Mit andern Worten: der durch
Art. 37 Abſ. 5 eingeräumte Anſpruch auf Schadlos⸗
haltung hat, von der Konzeſſionsfrage abgeſehen,
keine anderen Vorausſetzungen als der durch ihn
erſetzte negatoriſche Anſpruch; jene Vorausſetzungen
bemeſſen fih nach den Rechtsſätzen des Zivilrechts.““)
Aber welche Rechtsſätze ſind das? Gelten hier noch
die Partikularrechte, wie fie vor dem 1.1.1900 be⸗
ſtanden haben? Wir ſehen, es kehrt hier die
gleiche Kontroverſe wieder, mit welcher wir uns
zufolge der verhängnisvollen Faſſung des Art. 1
AG. z. BGB. oben beim Gemeingebrauch zu be⸗
faſſen hatten. Wer Meiſners Meinung teilt, mit
den Waſſergeſetzen ſeien die bisher zu ihrer Er⸗
gänzung dienenden Rechtsquellen aufrecht erhalten,
wird die Anſicht vertreten müſſen, daß die be⸗
treffenden Rechtsſätze der Territorialrechte auch
künftig für die Frage Maß zu geben haben, ob
eine Zuführung, abgeſehen von der waſſerpolizei⸗
lichen Genehmigung, erlaubt wäre; wer mit mir
die Anſicht vertritt, die einſchlägigen Sätze der
Territorialrechte ſeien durch Art. 1 a. a. O. auf⸗
21) Maenner, Sachenrecht 2. Aufl. S 22 N. 27.
22) Die Faſſung des Art. 37 ift etwas undeutlich,
vgl. aber die Erklärung des Juſtizminiſters im Aus—
ſchuſſe der Reichsratskammer, Anhang S. 181, 182.
2) Vgl. die guten Bemerkungen Meiſners S. 273
über den ähnlichen § 26 GewO.
62
gehoben, wird zur Heranziehung eines ſolchen
juriſtiſchen Vakuums einerſeits den Art. 27 WG.,
anderſeits den 8 906 BGB. heranziehen. Da
aber dieſe beiden prinzipiellen Beſtimmungen mit
den Grundſätzen des früheren insbeſondere des
gemeinen Zivilrechtes ſo ziemlich übereinſtimmen,
ſo behalten die oben angeführten von der reichs⸗
gerichtlichen Rechtſprechung entwickelten Satze auch
für das neue Recht ihre Bedeutung.
Werden ſchädliche Flüſſigkeiten ohne Erlaubnis
der Verwaltungsbehörde dem Waſſer zugeführt,
ſo iſt Art. 37 Abſ. 5 WG. ſelbſtverſtändlich nicht
anwendbar, es bewendet daher bei der negatoriſchen
Klage, mag man dieſe nun auf das bisherige
Recht oder auf Art. 27 WG., § 906, 1004 BGB.
ſtützen. Selbſtverſtändlich können in einem ſolchen
Falle auch die Beſtimmungen des BGB. über
unerlaubte Handlungen, beſonders $ 823, in Frage
kommen.“) Weiter bewendet es bei den allge-
meinen zivilrechtlichen Beſtimmungen, wenn An⸗
lieger, die nicht „am Waſſer berechtigt“ ſind,
oder die Eigentümer von Grundſtücken, die nicht
unmittelbar an einem Fluſſe liegen, eine ſchäd⸗
liche Einwirkung geltend machen, die durch die
Einleitung von Flüſſigkeiten oder feſten Stoffen
in das Waſſer herbeigeführt worden ſei; man
ſetze den Fall, daß ſolche Stoffe durch das Grund⸗
1
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
Betracht, deſſen Anwendung bei Erteilung der
behördlichen Erlaubnis, Flüſſigkeiten in öffentliche
Gewäſſer einzuleiten, zu einer erweiterten Haftung
des Unternehmers führt.
Endlich ſei darauf hingewieſen, daß die
Fiſchereiberechtigten nicht unter die „anderen am
Waſſer Berechtigten“ im Sinne des Art. 37
Abſ. 5 fallen, weil ihre Anſprüche in Art. 109
Abſ. 2 geregelt ſind und daß, wie RR. v. Thele⸗
mann (Anh. S. 186) feſtſtellte, unter den im
Schlußſatz des Art. 40 Abſ. 2 genannten Schadens⸗
erſatzanſprüchen Dritter nur zivilrechtliche Anſprüche
Dritter aus beſonderen Rechtstiteln, nicht waſſer⸗
rechtliche Anſprüche, wie in Art. 37 Abſ. 5, zu
verſtehen ſind.
Wir ſehen, daß das bayer. WG. auf dem
Gebiete der Immiſſion Aenderungen des Rechts⸗
ſtandes getroffen hat, die im Intereſſe der auf⸗
blühenden Induſtrie notwendig ſein mögen, aber
doch im Hinblick auf den verminderten Rechts⸗
ſchutz der anderen am Waſſer Berechtigten keines⸗
wegs ohne Bedenken ſind. Intereſſante Beiſpiele
in dieſer Richtung hat RR. Fürſt zu Löwenſtein⸗
Wertheim⸗Freudenberg (Anh. S. 179) angegeben
und man kann nur wünſchen, daß die Verwal⸗
tungsbehörden von den ihr gleichſam auf Koſten
des Zivilrechts neu eingeräumten Befugniſſen zur
waſſer oder durch Ueberſchwemmung in Gärten Reinhaltung der Gewäſſer kräftig Gebrauch machen,
gelangen und den Pflanzenwuchs ſchädigen??). An die Rechtſprechung aber gegenüber Rückſichtsloſig⸗
der Grenze des Waſſerrechts und des Nachbar- keiten der Induſtrie die Wege wandeln möge,
rechts liegen die Fälle, in welchen genehmigte
Zuführungen durch Erregung widrigen Geruches
die Anlieger ſchädigen, z. B., wie vorgekommen,
das Mehl in einer am Waſſer gelegenen Mühle
durch Mitteilung eines Geruches minderwertig
machen. Auch dieſe Fälle dürften indeſſen aus
dem Anwendungsgebiete des Art. 37 Abſ. 5 WG.
ausſcheiden: in dem angeführten Beiſpiele wird
der Mühlbeſitzer nur als Anlieger, nicht als
„am Waſſer Berechtigter“ geſchädigt, ihm bleibt
daher die negatoriſche Klage. Abgeſehen von dem
Argument aus der Faſſung des Art. 37 Abſ. 5
ift auch daran zu erinnern, daß Art. 65 EG.
der Landesgeſetzgebung nur in Fragen des Wafler-
rechts Spielraum gelaſſen hat und daß unſer
Fall dem Nachbarrechte angehören dürfte, alſo
der landesrechtlichen Regelung nicht unterſteht.
Neben den Beſtimmungen des WG. über
Reinhaltung der Gewäſſer kommt natürlich der
ſchon oben angeführte Art. 59 AG. z. BGB. in
4) Ein Schutzgeſetz im Sinne des § 823 Abſ. 2
dürfte Art. 126 Abſ. 1 Ziff. 3 PStGB. fein, f. Bl. f. RA.
Bd. 11, 385, vor allem aber Art. 37 WG.
„einbringen“ in Art. 37 abſichtlich gewählt, „damit auch
die Fälle getroffen werden, wo die ſeſten Stoffe, deren
Vermiſchung mit dem Waſſer verboten iſt, in ſolcher
Nähe am Fluß gelagert werden, daß ſie durch jedes ein—
tretende Hochwaſſer von ſelbſt mit dem Waſſer in Ver—
bindung kommen“.
2°) Siehe Maenner a. a. O. und die angeführte
Erklärung des Juſtizminiſters.
Wie der
Abgeordnete v. Malſen feſtſtellte, wurde der Ausdruck
|
welche ihr das Reichsgericht in den oben zitierten
Erkenntniſſen gewieſen hat. (Schluß folgt.)
Vemerkungen zu dem Entwurfe
einer Kirchengemeindeorduung für Bayern.
Von Dr. A. Durmaher, Regierungsakzeſſiſt in Speyer.
(Fortſetzung.)
3. Wirkungskreis der Kirchengemeinde.
Art. 1 beſtimmt Weſen und Zweck der Kirchen—
gemeinde. Beſtimmung iſt Begrenzung. Alſo:
„Die KG. iſt Verband zur Befriedigung der ört—
lichen Kirchenbedürfniſſe“ heißt: ſie iſt nur das
und nichts außerhalb dieſes Gegenſtandes Gelegenes.
Oertliches Kirchenbedürfnis iſt: Alles, was zur
gemeinſchaftlichen materiellen Betätigung religiöſer
Intereſſen örtlicher Natur erforderlich iſt. Freilich,
was religiöſes Intereſſe iſt, darüber urteilt nicht
jede Zeit und nicht jeder Machthaber gleich.
Bd.] S. 251, 283, II S. 1 ff.).
Wenn urſprünglich das Kirchengut im Eigentum
der Biſchofskirche ſtand und der freien Verfügung
des Biſchofs überlaſſen war, ſo wurde doch ſchon
ſehr bald durch ſeine Feſtlegung auf die vier
Zwecke: für den Biſchof, für den Klerus, für die
Fabrik, für die Armen, eine enge Beſtimmung
gegeben. (Meurer, Bayer. Kirchenvermögensrecht,
Das alſo war
— — . G!—— ee o
— — ů— —— — =Ü·—tb2 y —ʃ..᷑ ᷑ ̃ —iñé kö!—EUe x — ͤͤꝗàꝓũdataĩ ᷑ DAe2 ʒZ——ͤ—:——
das religiöfe Intereſſe; denn man kann wohl
ſagen, daß das im Eigentum der Kirche befind⸗
liche Vermögen in der Regel auch religiöſen
Zwecken dient. Demnach war Schul⸗ und Armen⸗
zweck von jeher Kirchenzweck. Und auch heute
noch ſteht die Kirche auf dieſem Standpunkt.
Wie ſtellt ſich der Staat hierzu, der alle ver⸗
mögensrechtlichen Fragen der Kirche als weltliche
Angelegenheiten öffentlichen Intereſſes betrachtet?
(II. Verf Beil. $ 64). Was religiöſes Intereſſe
iſt, muß zunächſt aus der Verfaſſungsurkunde er⸗
ſchloſſen werden. VerflUrk. Tit. IV $9, 10, II. Beil.
§ 46 ſprechen von einem für Wohltätigkeit und
Unterricht beſtimmten Vermögen der einzelnen
Religionsteile. Im übrigen erkennt die Ver⸗
faſſungsurkunde als religiöſes Intereſſe lediglich
die „geiſtlichen“ Angelegenheiten an (Tit. IV 89,
II. Beil. bef. § 38). Daraus ergibt fih, daß
zum mindeſten Gegenſtände, die auch außerhalb
des Wohltätigkeits⸗ und Schulzwecks liegen, nicht
als religiöſe Intereſſen gelten. Was aber das
für Unterricht und Wohltätigkeit beſtimmte Kirchen⸗
vermögen anlangt, ſo ſoll dies durch die Ber:
faſſungsurkunde keineswegs als Vermögen für die
Befriedigung religiöſer Bedürfniſſe erklärt werden;
es wird vielmehr der Wohltätigkeits- und Schul:
zweck dem Kultuszweck gerade gegenübergeſtellt
und lediglich die Einheit des Eigentums-
trägers hervorgehoben. Es handelt fih dem:
nach hier um Vermögen, das für Wohltätigkeit
und Unterricht beſonders aus geſchieden ift
(f. auch Meurer a. a. O. I S. 4, 17, 283). Daß
nur der unmittelbare geiſtliche Zweck als Kirchen:
bedürfnis anerkannt wird, zeigt $ 49 der II.
Verf Beil. mit 85 47, 48: „Wenn nach Deckung
des Kirchenbedürfniſſes fih Ueberſchüſſe am Ber-
mögen ergeben, ſo können dieſe unter beſonderen
Verhältniſſen für Schul: und Armen-Anftalten
Verwendung finden.“ Auch die ME. v. 15. September
1836 (Weber III. S. 70) jagt: „Alles Kirchen:
vermögen ift entweder zum Unterhalt der Geiſt—
lichen beſtimmt oder den unmittelbaren Be—
dürfniſſen der Kirche gewidmet.“ Darnach kann
kein Zweifel beſtehen, daß Schul- und Armen—
zweck als außerkirchliche Intereſſen gelten. Hieran
ändert auch nichts die Tatſache, daß das Ver—
mögen der Bruderſchaften häufig in dem Ver—
mögen einer Kirchenſtiftung eingeſchloſſen iſt (Mot.
S. 81); denn die Bruderſchaften ſind auch dann,
wenn fie einen mildtätigen Zweck verfolgen (coetus
qui caritatis officia exercenda se congregavit,
— ſ. Krick, Verwaltung des kath. Pfarramts
II. Aufl. S. 531) doch Vereinigungen mit geiſt—
lichem Charakter und die charitative Betätigung
iſt nur der beſondere Ausdruck religiöſen Lebens.
So war denn auch bisher die Erhebung von
Umlagen innerhalb der Kirchengemeinden,
die gerade die Aufgabe haben, das Ortskirchen—
bedürfnis zu befriedigen, zu andern als Kultus—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
i
63
—
und damit auch der Wirkungskreis der
Kirchengemeinde auf die Sorge für das Kultus⸗
bedürfnis überhaupt beſchränkt; denn die Um:
lagenerhebung iſt immer das Mittel, mit dem
in letzter Linie allein die Durchführung eines
beſtimmten Zweckes geſichert wird. Nur unter
beſonderen Umſtänden kann die Verwendung von
Ueberſchüſſen zu Schul⸗ und Armenzwecken beſonders
angeordnet werden (II. VerfBeil. § 49); hiermit
iſt nicht der Kirchengemeinde das Recht zuge⸗
ſprochen, ſich mit derlei Aufgaben gegebenenfalls zu
beſchäftigen, ſondern lediglich dem Staat die Be⸗
fugnis zuerteilt, ihr Vermögen zu ſolchen Zwecken
heranzuziehen (Seydel Bd. IV S. 189 Anm. 2);
eine unmittelbare Anordnung über den Wirkungs⸗
kreis der Kirchengemeinden kann § 49 auch
ſchon deshalb nicht enthalten, weil Kirchenge⸗
meinden als Rechtsſubjektive im Jahre 1817 noch
nicht exiſtierten.
Das Ergebnis der Feſtlegung und der Be⸗
ſchränkung der Kirchengemeinde auf die Sorge
für das Kultusbedürfnis iſt, wie eben und ſchon
eingangs angedeutet, die Unzuläfſigkeit der Pe-
ſchäftigung mit andern Aufgaben und der Ver—
wendung ihres Vermögens zu andern Zwecken.
Das folgt aus der Erklärung des Kultuszweckes
zu einem Gegenſtande des öffentlichen Intereſſes
und dem Charakter der Kirchengemeinde als
einer öffentlichen Korporation. Nur der Staat
hat Herrſchaftsrecht, nur er alſo kann ein
Intereſſe zum öffentlichen erklären, alſo ſeine
Durchſetzung auf das Verhältnis der Ueber- und
Unterordnung, d. h. auf Zwang gründen. Ueber⸗
läßt er die Durchführung ſolcher Intereſſen einer
Korporation zur Selbſtverwaltung, macht er ſie
alſo dadurch zur öffentlichen Korporation,
jo hat die Korporation darin ihren Lebenszweck.
Alles, was außerhalb dieſer ihrer Aufgabe liegt,
iſt ihr verboten; denn iſt es öffentlicher Natur,
ſo fehlt es an der Uebertragung an ſie; iſt es
privatrechtlichen Charakters, ſo hindert es die
Körperſchaft an der rechten Erfüllung ihrer Lebeng:
aufgabe, ſei es, weil ihre Leiſtungsfähigkeit
Handlung,
|
|
|
hierdurch beeinträchtigt wird, jet es, weil ſie von
ihrer Aufgabe abgelenkt wird. Die Wirkung
der Einſchränkung der öffentlichen Korporation
auf beſtimmte Lebenszwecke iſt aber die, daß jede
welche unter Ueberſchreitung des
Wirkungskreiſes geſchieht, rechtlich unwirkſam
iſt (zu vgl. mein „Recht der öffentlichen Vieh—
und Pferdeverſicherungsvereine Bayerns“ S. 129 ff.
und die dort zit. Literatur).
Die Motive zur Kirchengemeindeordnung ſagen
nun S. 52, 106, der Standpunkt des Entwurfs
ſei im allgemeinen ein konſervativer und das
verfaſſungsmäßig feſtgelegte Verhältnis zwiſchen
Staat und Kirche ſolle nicht berührt werden.
Prüfen wir nach dieſer Richtung den Entwurf,
ſo iſt, wie geſagt, in Art. 1 der Wirkungskreis
zwecken unzuläſſig (Meurer 1 S. 113 Anm. 4) der Kirchengemeinde auf die Sorge für das
64 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
„Ortskirchenbedürfnis“ beſchränkt. Was wir oben
als Definition des Ortskirchenbedürfniſſes nach
bayer. Recht feſtgeſtellt haben, erfährt für den
Entwurf eine Einſchränkung inſofern, als der
Entwurf nur das Ortskirchenbedürfnis im engeren
Sinn im Gegenſatz zu dem Bedürfnis für den
Unterhalt der Seelſorgsgeiſtlichen verſtanden wiſſen
will, allerdings nicht unter ſcharfer Trennung
der beiden Zwecke, da dieſe Trennung in der
Rechtsentwicklung überhaupt noch nicht mit voller
Beſtimmtheit vollzogen iſt (Art. 12 Abſ. IV;
Mot. S. 106; zu vgl. die Ausdrucksweiſe der
VerflUrk. II. Beil. § 47, 48, 88; Meurer I S. 256).
Im übrigen wird unſere Definition durch Art. 12
Abſ. I des Entwurfs beſtätigt; er jagt: „Orts⸗
kirchenbedürfnis ſind die notwendigen Erforder⸗
niſſe für die würdige Feier des öffentlichen Gottes⸗
dienſtes, die Seelſorge und die Vermögensver⸗
waltung“. Nun folgt aber in Abſ. II die An⸗
ordnung: „Ferner gehören zu den Ortskirchenbe⸗
dürfniſſen die Erforderniſſe für die Verbindlich⸗
keiten des ortskirchlichen Stiftungsvermögens und
der Kirchengemeinde auf Grund beſonderer
Rechtsverhältniſſe und geſetzmäßiger
Beſchlüſſe, und Art. 75 Ziff. 5 ſpricht von
freiwilligen Leiſtungen aus Mitteln der Kirchen⸗
gemeinde außerhalb des Kreiſes der Orts—
kirchenbedürfniſſe. Mit dieſen Beſtimmungen iſt
nicht bloß der in der Entwicklung des bayer.
Rechts entſtandene Begriff der Ortskirchenbedürf⸗
niſſe, wie er auch noch in Abſ. I niedergelegt iſt,
verworfen, ſondern es iſt auch jede Begrenzung
der Lebensaufgabe der Kirchengemeinde be=
ſeitigt, ſoweit nicht andere geſetzliche Vorſchriften
eine ſolche enthalten, und Art. 1 Abſ. I iſt in
ſeiner Wirkung aufgehoben.
Die Faſſung von Abſ. II Art. 12 erinnert an
die gleiche in Art. Z der Gemeindeordnungen.
Die Motive S. 105 laſſen erſehen, daß dieſe
Beſtimmungen wirklich als Vorbild gedient haben.
Wenn man nun erwägt, daß die politiſchen Ge:
meinden einen umfaſſenden Wirkungskreis haben,
während der Kirchengemeinde nach der ganzen
Rechtsentwicklung ein eng begrenzter Geſchäftskreis
zukommen ſoll, ſo müßte die gewählte Faſſung
v. Art. 12, II allein ſchon zu Auslegungsſchwierig—
keiten und Mißverſtändniſſen führen.
Nun wird mir entgegengehalten werden, Art.
12, II wolle keineswegs der Kirchengemeinde das
Recht zu beliebigen Betätigungen erteilen; gerade
weil Art. 75 Ziff. 5 von freiwilligen Leiſtungen
außerhalb des Ortskirchenbedürfniſſes ſpreche,
während Art. 12, II Gegenſtände innerhalb
des Ortskirchenbedürfniſſes betreffe, fei deutlich
erſichtlich, daß Art. 12, IL nicht die Zulaſſung
freiwilliger mit dem „Ortskirchenbedürfnis“ in
keinem Zuſammenhang ſtehender Nebenbetäti—
gungen enthalte (Mot. S. 261 Abſ. IV). Dann
aber muß ich fragen:
Welche Bedeutung kann unter dieſen Um⸗
ſtänden Art. 12, II haben? Die Motive laſſen
S. 100 ff., 251, 261 erkennen, daß Art. 12
Abſ. II den Gegenſatz zu Abſ. I bilden fok,
wenn letzterer von „notwendigen“ Erforderniſſen
für die Ausübung des Kultus ſpricht; Abſ. II ſoll
alfo die luxuriöſen Aufwendungen für die
gleichen Bedürfniſſe treffen. Dann heißt:
„geſetzmäßige Beſchlüſſe“ lediglich: Beſchlüſſe
in geſetzmäßiger Form. Will dies aber geſagt
ſein, ſo wäre es wünſchenswert, dies expressis
verbis zu ſagen. Denn der Gegenſatz von „not⸗
wendig“ braucht nicht „luxuriös“ zu ſein, und der
Begriff des „Notwendigen“ wird auch erſt aus
ſeinem Gegenſatze völlig beſtimmt. Der Gegenſatz
des Zivilrechts „necessarium — utile“ braucht
ſich nicht zu decken mit dem Gegenſatze: „not⸗
wendig — luxuriös“.
Aber diefe Deutung wird überhaupt ſofort
wieder zerſtört, wenn die Motive S. 105 als
Beiſpiel einer Verbindlichkeit auf Grund „be⸗
ſonderer Rechtsverhältniſſe“, welche in Abſ. II,
Art. 12 in gleicher Reihe neben den „geſetz⸗
mäßigen Beſchlüſſen“ genannt ſind, die Zuſchüſſe,
die auf Grund älterer Normen für Wolksſchulen
zu leiſten find, nennen, und wenn S. 101 ge
ſagt iſt, das Verzeichnis der in Abſ. I aufge⸗
zählten Laſten fei erſchöpfend, dort nicht auf-
gezählte Bedürfniſſe ſeien nach Abſ. II zu be⸗
handeln. Ajo meint Abſ. II doch auch noch
andere Gegenſtände als die in Abſ. Jerwähnten.
„Geſetzliche Beſchlüſſe“ heißt alſo: Beſchlüſſe auf
Grund geſetzlicher Zulaſſung, d. h. Beſchlüſſe in
Gegenſtänden, deren Betrieb durch die Rechts⸗
ordnung der Kirchengemeinde geſtattet worden iſt.
Wenn eine ſolche Geſtattung aber nicht ſtattge⸗
funden hat? Dann iſt Art. 12, II inſoweit gegen⸗
ſtandslos? |
Daß die Vorſchriften in Art. 12, II und 75
Ziff. 5 wirklich dazu führen, der Kirchengemeinde
Zwecke zuzuerkennen, die mit der Rechtsentwick⸗
lung des Begriffs der Ortskirchenbedürfniſſe und
der bisherigen Rechtsentwicklung überhaupt nicht
übereinſtimmen, ergibt ſich aus folgendem:
Wenn man auch abſieht von der Aufſtellung
der Motive S. 57 unten, „Art. 1 kennzeichne
den Hauptzweck der Kirchengemeinden, ihre
primäre und vornehmſte Aufgabe“, da die Motive
gegenüber dem klaren Wortlaut des Art. ! nicht
maßgebend ſein könnten, ſo folgt die Abſicht doch
zunächſt aus Art. 75 Ziff. 5, der von frei:
willigen Leiſtungen aus Mitteln der Kirchenge⸗
meinde außerhalb des Kreiſes der Ortskirchen—
bedürfniſſe, wenn ſie überhaupt mit der Aufgabe
der Kirchengemeinde vereinbar ſind, ſpricht.
Zunächſt: Freiwillige Leiſtungen außerhalb des
Kreiſes der Ortskirchenbedürfniſſe ſind mit den
Aufgaben der Kirchengemeinde an ſich über:
haupt nicht vereinbar; denn, wie oben aus:
geführt, wenn die Kirchengemeinde die Beſorgung
des Ortskirchenbedürfniſſes zum Zweck hat, jo
iſt alles, was außerhalb dieſes Zweckes liegt, mit
ihm unvereinbar, denn alles dies hindert ſie an
der Erfüllung ihrer Aufgabe, ſei es durch Ab⸗
lenkung, ſei es durch Beeinträchtigung ihrer
Leiſtungsfähigkeit. Vereinbar mit der Lebens⸗
aufgabe einer öffentlichen Korporation iſt nur das,
was ihr ausdrücklich übertragen oder ausdrücklich
geſtattet ift. Wenn alfo freiwillige Leiſtungen der
Kirchengemeinde in Frage kommen folen, fo
müßte die Erlaubnis hierzu ausdrücklich und zwar
unter namentlicher Aufzählung der Gegenſtände
erteilt werden. Die namentliche Aufführung freier
Nebenbetätigungen iſt ſchon zur Vermeidung der
Rechtsunſicherheit erforderlich, da eine unter Ueber⸗
ſchreitung des geſetzlich zuläſſigen Wirkungskreiſes
geſchehene Handlung rechtsunwirkſam iſt. Oder
ſoll eben Art. 75 Ziff. 5 dieſe Zulaſſung ander⸗
weitiger Betätigungen enthalten? Das ſcheint die
Abficht zu fein. Siehe d. Mot. S. 258 zu Ziff. 5
Abſ. II: „Es können nach Maßgabe dieſer
Vorſchrift Ausgaben für verſchiedene Zwecke ge⸗
macht werden.“ Auf alle Fälle wird dieſe Ab⸗
ſicht in das Geſetz hineingeleſen werden und folge⸗
richtig auch die Abſicht, daß für ſolche Zwecke
Umlagenrecht gewährt werde; denn es laſſen ſich
Intereſſen nur dann bis zum letzten Ende ver—
wirklichen, wenn auch die nötigen Mittel beſchafft
werden können. Aber eine Lebens frage ſolcher
Art, — es handelt ſich um Weſen und Zweck
der Kirchengemeinde — hätte ihre Erledigung im
1. oder im Anfange des 2. Abſchnitts des Geſetzes
zu finden. Und im übrigen fehlte es immer
noch an der namentlichen Aufzählung der zuge—
laſſenen Betätigungen. Es genügt nicht, die
Löſung dieſer Frage im einzelnen Fall dem
richterlichen Ermeſſen anheimzuſtellen. Es ſei
nur auch auf die merkwürdige Erſcheinung auf-
merkſam gemacht, daß der Entwurf Art. 1, I, III,
IV die Befugniſſe der Kirchengemeinde der
Kirche gegenüber ſo ſorgfältig abgrenzt, um Ueber—
griffe unmöglich zu machen, während er ſich über
den Umfang der Befugniſſe im Verhältnis zu
dem Staat ſelbſt ausſchweigt. Auch die Vor:
ſchriſt des Art. 14, III, die bei der Frage der
Gebührenerhebung im Gegenſatz zu den Gemeinde—
ordnungen die „Unternehmungen“ der Kirchen—
gemeinde abſichtlich nicht erwähnt (Mot. S. 114),
iſt kein Erſatz für das Fehlende.
Dazu kommt noch ein weiteres. § 47 der
II. VerfBeil. verbietet die Verwendung der
Subſtanz des Kirchenvermögens zu einem
andern als dem Stiftungszweck ohne Zuſtimmung
der Beteiligten. Daß dieſe Beſtimmung auch für
die Kirchengemeinde bzw. das Kirchengemeinde—
vermögen Anwendung zu finden hat, kann keinem
Zweifel unterliegen. Denn § 47 ſpricht ganz
allgemein von Kirchenvermögen. Es iſt hier zu—
nächſt der Begriff des Stammvermögens feſtzu—
ſtellen im Gegenſatz zu den „Erträgniſſen“, die
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
65
in 88 48, 49 der II. Verf Beil. in Frage ſtehen.
Da ergibt ſich nun, daß die durch Umlagen
jeweils gewonnenen Mittel jedenfalls nicht als
Ueberſchüſſe im Sinne der SF 48, 49 angeſprochen
werden können; denn ſolange überhaupt Umlagen
erhoben werden, auch wenn dies zu außerkirch⸗
lichen Zwecken geſchieht, beſteht zum mindeſten keine
nachhaltige Sicherung für die Zukunft (ME.
v. 24. April 1857 § 1, Weber Bd. V S. 47 ff.);
denn es muß gewärtigt werden, daß in Zukunft
gerade auch durch die Nebenunternehmungen weitere
Verbindlichkeiten erwachſen können. Die Um⸗
lagenbeträge können ſohin nur als Stammver⸗
mögen in Betracht kommen. Erklärt man nun
alles, was außerhalb des oben im Einklang mit
der Verfaſſungsurkunde feſtgeſtellten und in Ueber⸗
einſtimmung mit Art. 75 Ziff. 5 des Entwurfs
ſtehenden Begriffes des Ortskirchenbedürfniſſes
liegt, als einen Zweck, der jenſeits der Beſtimmung
des Kirchengemeindevermögens ift, fo hat die Zu:
laſſung ſolcher Unternehmungen in Art. 75 Ziff. 5
für alle Fälle, in denen eine Kirchengemeinde
Umlagen erheben muß, nur geringe praktiſche
Bedeutung. Denn zu den „Beteiligten“, die nach
8 47 II. Verf Beil. ihre Zuſtimmung zu ſolcher
Verwendung des Vermögens zu geben haben, ge-
hören nicht nur die Verwaltungsberechtigten,
ſondern auch Deſtinatäre und Gläubiger, über:
haupt alle, die Rechte am Gemeindevermögen
haben (Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht S. 115,
Seydel I. Aufl. Bd. IV S. 628), und die Zu:
ſtimmung aller dieſer wird in der Praxis nicht
beizubringen ſein. (Schluß folgt.)
Mitteilungen aus der Praxis.
Die Poſtportsfreiheit und die Portsablöſung in Bayern.“)
I
Durch das Geſetz vom 22. Dezember 1907 und
die Verordnung vom gleichen Tage ift das Poſtporto—
weſen der Behörden auf eine völlig neue Grundlage
geſtellt und erheblich vereinfacht worden. Für die
Poſtportofreiheit in Amtsſachen gibt es von nun an
nicht mehr zweierlei verſchiedene Grundſätze; ſie
bemißt ſich jetzt ausſchließlich nach den Beſtimmungen
des Bundesgeſetzes vom 5. Juni 1869 und des dazu
erlaſſenen Regulativs. Portofrei ſind danach auch
in Bayern künftig nicht mehr alle Staats dienſt—
angelegenheiten, ſondern nur mehr die reinen Reichs-
dienſtangelegenheiten, wenn die Sendungen von einer
Reichsbehörde abgeſchickt oder an eine ſolche gerichtet
ſind. Portofrei ſind, wie bisher, die Sendungen in
Militärſachen, ſoweit fie von Reichsbehörden, uns
mittelbaren oder mittelbaren Staatsbehörden aus—
) Die folgenden Ausführungen ſollen nur einen
kurzen Umriß der hauptſächlichſten Ergebniſſe der
Neuregelung bringen. Wegen der Einzelheiten muß
auf die neuen Vorſchriften ſelbſt verwieſen werden.
f hier darzuſtellen, würde nur verwirren ſtatt zu
lären.
66 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
gehen oder an ſie gerichtet ſind. Portofrei ſind
endlich die Sendungen in Poft- und Telegraphendienſt⸗
angelegenheiten, die von bayeriſchen Poſt⸗ oder Tele-
graphenbehörden ausgehen oder an ſie gerichtet ſind.
Für alle dieſe Sendungen macht es keinen Unterſchied,
ob ſie im innerbayeriſchen Poſtverkehr befördert werden
oder im Wechſelverkehr in das Reichspoſtgebiet oder
württembergiſche Poſtgebiet übergehen.“)
Hierdurch iſt die Poſtportofreiheit weſentlich ein⸗
geſchränkt.
Alle mittelbaren und unmittelbaren Staatsbehörden
würden hiernach in den außerordentlich zahlreichen
Fällen (mindeſtens 30 Millionen Sendungen jährlich),
in denen ſie bisher die Poſtportofreiheit in Staats⸗
dienſtangelegenheiten genoſſen haben, das Poſtporto
bar zu zahlen haben. Für den Staat würde das
inſoferne. keine Belaſtung bedeuten, als das, was
aus der Staatskaſſe für Porto aufgewendet wird, in
die Kaſſe der Poſtverwaltung, mithin ebenfalls wieder
in die Staatskaſſe fallen würde. Dagegen würde die
geſchäftliche Belaſtung der Behörden ſehr erheblich
ſein, weil die bar gezahlten Beträge in vielen Millionen
von Einzelfällen verrechnet und die Rechnungen mit
Belegen verſehen und geprüft werden müßten. Für
die mittelbaren Behörden aber, alſo insbeſondere für
die Gemeinden und Stiftungen, würde der Zwang
zur Barzahlung der Porti, die bisher wegen der
Poſtportofreiheit nicht zu entrichten waren, eine ſehr
empfindliche finanzielle Belaſtung bringen. Die Be⸗
laſtung auf den Schultern der mittelbaren Stellen
ruhen zu laſſen, wäre ungerecht, weil es in vielen,
wenn nicht in den meiſten Fällen, gerade Staatsdienſt⸗
geſchäfte ſind, die zu den Sendungen Anlaß geben.
In allen dieſen Fällen aber etwa den Grundſatz ein-
zuführen, daß den mittelbaren Stellen das in Staats-
dienſtangelegenheiten aufgewendete Poſtporto im ein-
zelnen zurückzuvergüten fei, würde zu einem Ber-
rechnungsweſen von ſolchem Umfange führen, daß
die Staatsbehörden und die mittelbaren Behörden
ganz außerordentlich beläſtigt würden. Die Staats-
regierung hat ſich deshalb — abgeſehen von der
Staatseiſenbahnverwaltung, die aus beſonderen Grün⸗
den einen anderen Weg geht — entſchloſſen, das
Portozahlungsweſen bei den unmittelbaren und mittels
baren Staatsbehörden auf der Grundlage der Porto—
ablöſung zu regeln. Dieſe ermöglicht eine weitgehende
Vereinfachung.
Nach dem für die Portoablöſung aufgeſtellten
Grundſatze find mit geringen Ausnahmen alle unmittel-
baren Staatsbehörden berechtigt, alle Poſtſendungen,
die von ihnen ausgehen, mit dem Vermerke „frei
durch Ablöſung“ abzuſenden, ohne für irgendeine
dieſer Sendungen eine einzelne Poſtgebühr zahlen zu
müſſen. Die Ablöſung erſtreckt ſich auf Poſtſendungen
jeder Art, alſo auf Briefe, Poſtkarten, Druckſachen,
Poſtanweiſungen, Poſtpakete. Durch die im vorigen
Jahre veranstaltete Zählung) ift ermittelt worden,
welchen Geſamtbetrag an Poſtgebühren die Behörden
jedes einzelnen Dienſtzweiges im Falle der Barzahlung
jährlich an die Poſt zu entrichten haben. Dieſen
Betrag erhält die Poſt durch das Staatsbudget zu
Laſten der übrigen Reſſorts in einer Summe als
Einnahme zugewieſen. Die einzelnen Behörden aber
1) Porto pflichtig find natürlich, wie bisher,
die ins Ausland gehenden Sendungen.
) S. Jahrgang 1907 dieſer Zeitſchrift S. 116.
haben bei der Abſendung von Briefen und ſonſtigen
Poſtſtücken nach Orten innerhalb des Deutſchen Reichs
keine Einzelzahlung mehr zu leiſten.“)) Bei der Hand-
habung dieſes Grundſatzes iſt kein Unterſchied zu
machen, ob die Sendung in einer Angelegenheit
ergeht, die „reine Staatsdienſtangelegenheit“ iſt, oder
ob ſie in einer Privatangelegenheit, z. B. einem Zivil⸗
rechtsſtreit, ergeht. Es iſt ferner gleichgültig, ob die
Sendung an einen Privaten oder an eine unmittelbare
Staatsbehörde oder an eine mittelbare Behörde geht.
Geht ſie von einer unmittelbaren bayeriſchen Staats⸗
behörde aus und iſt ſie an einen Ort innerhalb des
Deutſchen Reichs gerichtet, ſo kann ſie als „frei durch
Ablöſung“ befördert werden.
Was die Sendungen der mittelbaren Stellen
anlangt, ſo konnte nicht in der gleichen Weiſe ver⸗
fahren werden. Würde man auch den mittelbaren
Stellen für ihren geſamten Poſtverſand das Recht
gewährt haben, „frei durch Ablöſung“ zu ſenden, ſo
würde das, da es zehntauſende von mittelbaren Stellen
gibt, nicht nur eine ganz ungeheure Belaſtung der
Staatskaſſe bedeutet haben — denn die Ablöſungs⸗
ſummen werden ja aus Staats mitteln an die Poſt
gezahlt — ſondern es würde auch eine ungerechte
Begünſtigung der Gemeinden und Stiftungen uſw.
geweſen ſein. Denn es iſt ohne weiteres einleuchtend.
daß ein erheblicher Teil der Sendungen dieſer mittel⸗
baren Stellen Dinge betrifft, die mit den Staatsdienſt⸗
angelegenheiten gar nichts zu tun haben. Das Recht,
„frei durch Ablöſung“ zu verſenden, konnte aber für
die mittelbaren Stellen auch nicht auf die Fälle be⸗
ſchränkt werden, in denen die mittelbaren Stellen
Sendungen in Staatsdienſtangelegenheiten abgehen
laffen. Denn ob eine Sendung in einer Staatsdienſt⸗
angelegenheit ergangen iſt oder nicht, läßt ſich nur
aus ihrem Inhalte, nicht aus ihrem Aeußeren erkennen.
Eine Zählung mit Eingehen auf den Inhalt der
Sendung aber würde allzugroßen Schwierigkeiten
begegnet ſein. Um dieſe Schwierigkeiten zu vermeiden,
und doch einen einigermaßen gerechten Ausgleich der
Intereſſen zu treffen, wurde beſtimmt, daß alle
Sendungen, welche die mittelbaren Stellen an un⸗
mittelbare Staatsbehörden abgehen laſſen, als „frei
durch Ablöſung“ verſendet werden dürfen, gleichviel
ob ſie Staatsdienſtangelegenheiten, Angelegenheiten
der Gemeinden und Stiftungen ſelbſt oder Privat-
angelegenheiten betreffen, daß dagegen alle Sendungen
der mittelbaren Stellen an andere mittelbare Stellen
oder an Private bar frankiert werden müſſen. Ob
eine Sendung „frei durch Ablöſung“ oder frankiert
abzulaſſen ift, ergibt ſich ſonach auch für die Sen-
dungen der mittelbaren Stellen ausſchließlich aus
der Aufſchrift der Sendung, nämlich aus den in die
Aufſchrift aufzunehmenden Namen des Abſenders und
des Adreſſaten, iſt alſo leicht und ſicher zu kontrollieren.
Hierbei ſind die mittelbaren Stellen in doppelter
Weiſe begünſtigt. Es wird ihnen durch die Ablöſung
vom Staate die Laſt abgenommen, wie bisher die—
jenigen Sendungen zu frankieren, die ſie nicht in
Staatsdienſtangelegenheiten, ſondern in ihren eigenen
Sachen an Staatsbehörden ſchicken, und es wird
ihnen weiterhin die Ermächtigung gegeben, für die—
1) Für die ins Ausland gehenden Sendungen
ſind, wie bisher, die Poſtgebühren bar zu zahlen.
9) Die Ablöſung erſtreckt fih auch auf Sendungen
im Ortsverkehr.
—— — — — — — —
-—
Zeitſchrift für Rechtspflege
jenigen Sendungen, die Angelegenheiten Privater
betreffen, das Porto, das in der Ablöſung für ſie
ſchon vom Staate entrichtet worden ift, von den Pri-
vaten erſetzt zu verlangen und für ſich zu be⸗
halten. Dieſe doppelte Begünſtigung wird die
mittelbaren Stellen für die Mehrbelaſtung entſchädigen,
die ſie etwa in anderen Angelegenheiten durch den
Verluſt der Poſtportofreiheit erlitten haben.
Die Portoablöſung ift Portozahlung in Pauſch
und Bogen. Werden alfo Sendungen in Angelegen⸗
heiten gemacht, in denen Private zur Erſtattung der
erwachſenen Barauslagen verpflichtet ſind, ſo haben
die Privaten dem Staate die Beträge zu erſetzen,
die auf die Sendung hätten aufgewendet werden
müſſen, wenn ſie bar frankiert worden wäre. Es
ſind jedoch mehrere Ausnahmen von dieſem Satze
geſchaffen.
1. In den Fällen, in denen die Sendungen von
einer nicht unmittelbaren Stelle ausgegangen ſind,
hat die Portorückerſtattung, wie ſchon erwähnt, nicht
an den Staat, ſondern an die mittelbare Stelle zu
erfolgen, obwohl die Pauſchſumme zur Ablöſung vom
Staate gezahlt iſt.
2. Wenn die Rückerhebung des Portos von der
erſatzpflichtigen Partei mit unverhältnismäßigen Weis
terungen verknüpft wäre, ſo ſoll von der Einhebung
abgeſehen werden. Das wird insbeſondere dann der
Fall ſein, wenn nur die Einhebung dieſer Poſtgebühr,
nicht gleichzeitig auch die Einhebung anderer Gebühren
in derſelben Angelegenheit zu erfolgen hat. Soweit
einzelne Poſtſendungen unmittelbar an die erſatz—
pflichtige Partei gerichtet werden, ſollen ſie jedoch
wie bisher als „portopflichtige Dienſtſache“ abgelaſſen
werden.
Auch abgeſehen von dieſen Ausnahmen der Borto-
erſtattungspflicht ſind die neuen Vorſchriften den
Privaten weſentlich günſtiger als die bisherigen Be-
ſtimmungen. Während nämlich nach den bisherigen
Vorſchriften die Sendungen nur in reinen Staatsdienſt—
angelegenheiten frei zu behandeln waren, den Privaten
alſo die Portolaſt auch dann auferlegt wurde, wenn
ein gemiſchtes, im Staatsintereſſe und gleichzeitig im
Privatintereſſe gelegenes Verhältnis vorlag, ſoll die
Erſtattungspflicht jetzt nur eintreten, wenn eine reine
Privatangelegenheit vorliegt. Beſtellte z. B. vor dem
1. Januar 1908 ein Amtsgericht brieflich ein Buch
von einem Buchhändler, ſo konnte der Beſtellbrief
nicht als Regierungsſache portofrei befördert werden,
weil die Beſtellung auch im Intereſſe des Buchhändlers
lag: geſchah es, wie nicht ſelten, doch, fo hatte der
Buchhändler für die Sendung das Porto und das
Strafporto zu zahlen. Seit dem 1. Januar 1908
läuft jeder ſolche Brief „frei durch Ablöſung“. Von
einer Rückerſtattung des Portos an den Staat aber
iſt keine Rede, weil die Beſtellung nicht nur im
in Bayern. 1908. Nr. 3.
Intereſſe des Buchhändlers, ſondern auch im Staats-
intereſſe erfolgt. ii
Die bisherigen Vergünstigungen der Behörden im
Telegramm: und Telephonverkehr find in noch höherem
Maße eingeſchränkt als die Portofreiheiten. Für den
Telegrammverkehr gelten nun ausſchließlich die Vor—
ſchriften der kaiſerlichen Verordnung vom 2. Juni 1877,
nach denen nur Telegramme, die in reinen Reichs-
dienſtangelegenheiten von Reichsbehörden abgeſendet
67
oder an ſolche gerichtet ſind, und Telegramme, welche
in reinen Militär- und Marinedienſtangelegenheiten
von Militär: und Marinebehörden abgeſendet oder
an ſolche gerichtet ſind, Gebührenfreiheit genießen.
Daneben genießen Gebührenfreiheit nur die Dienſt⸗
telegramme der Poft- und Telegraphenverwaltung
und die Bahndienfttelegramme, wenn die Babn-
telegraphenleitung geſtört iſt. Alle übrigen Telegramme
der öffentlichen Stellen, Behörden und Organe ſind
gebührenpflichtig. Eine Ablöſung hat nicht ſtatt⸗
gefunden, die Gebühren ſind deshalb bei der Aufgabe
bar zu zahlen. Den mittelbaren Stellen werden die
Auslagen, die ihnen durch Abſendung von Tele-
grammen in reinen Staatsdienſtangelegenheiten und
in Polizeiſachen erwachſen, aus der Staatskaſſe erſetzt;
ſie haben mithin keine Verſchlechterung ihrer Lage
erfahren, ſondern eine Verbeſſerung inſoferne, als
die Polizeiſachen gleich den reinen Staatsdienſtange⸗
legenheiten behandelt werden. Im Telephonverkehr
find alle bisherigen Vergünſtigungen der Staats-
behörden und der mittelbaren Behörden aufgehoben.
Für alle ihre Telephongeſpräche, auch für die der
Militärbehörden, werden die tarifmäßigen Gebühren
erhoben. Das bezieht ſich nicht nur auf die einzelnen
Geſprächsgebühren, ſondern auch auf die Pauſch—
gebühren und Telephonanſchlußgebühren. Die Ver:
günſtigung, daß Staatsbehörden ſtatt der Telephon-
pauſchgebühr von 80, 100, 120, oder 150 M nur
eine ſolche von 75 M zu zahlen haben, findet künftig
nicht mehr ſtatt. Den mittelbaren Stellen werden
die einzelnen Geſprächsgebühren bei Geſprächen in
reinen Staatsdienſtangelegenheiten und Polizeiſachen
aus der Staatskaſſe erſetzt. Die Beſtimmungen über
die Gebührenerſatzpflicht von Privaten bleiben un—
berührt. iy
Eine Ausnahmeſtellung nehmen bei der Neuz
regelung die Notariate ein. Sie find nach ihrer der-
maligen Organiſation unmittelbare Staatsbehörden,
ſie würden alſo an ſich in die Portoablöſung ein—
zubeziehen geweſen ſein. Da jedoch die Notariate
ihrer hauptſächlichen Geſchäftsaufgabe nach den Privat:
intereſſen zu dienen haben, und ihre Sendungen in
der überwältigenden Zahl der Fälle Privatangelegen—
heiten betreffen, und da das Verrechnungsweſen, wenn
man die von den Parteien im Falle der Ablöſung zu
erſetzenden einzelnen Porti durch die Notare einheben
und an die Staatskaſſe abliefern ließe, allzugroße
Umſtändlichkeiten mit ſich bringen und insbeſondere
eine eigene Aktenführung bei den Notariaten notwendig
machen würde, erſchien es einfacher und zweckmäßiger,
die Notariate von der Ablöſung ganz auszunehmen.
Die Notariate haben alſo, ſoweit es ihnen nicht mög—
lich iſt, Sendungen als portopflichtige Dienſtſachen
abgehen zu laſſen, und ſoweit nicht die gerade bei
ihnen ganz ſeltenen Fälle der Reichspoſtportofreiheit
in Frage kommen, alle ihre Sendungen bei der Auf—
gabe bar zu frankieren vorbehaltlich des Rückgriffs
an die Partei, der ihnen wie bisher zuſteht. Dadurch
werden ſie gegenüber dem bisherigen Zuſtand inſoferne
nicht unerheblich belaſtet, als ſie in vielen Fällen,
wie bei der Einhebung und Ablieferung der Staats—
gebühren, in Juſtizverwaltungsangelegenheiten, in
Grundbuchanlegungsſachen Sendungen aufzugeben
haben, die rein im Staatsdienſtintereſſe gelegen ſind.
Die Härte wird jedoch teils durch die Geſtattung der
Umleitung der Sendungen über die Gerichtsſchreiberei
68 3 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
des Amtsgerichts des Notariatsſitzes, teils durch die
Zulaſſung der Verſendung als „portopflichtige Dienſt⸗
ſache“ und durch die Zulaſſung des Abzuges der Ge⸗
bühren an den zu verſendenden Summen, teils durch
bare Rückvergütung gemildert.
Nehmen ſo die Notariate unter den Staatsbehörden
eine ausnahmsweiſe ungünſtige Stellung ein, ſo iſt
anderſeits den Magiſtraten der kreisunmittelbaren
Städte (mit Rückſicht auf ihre Stellung als Diſtrikts⸗
polizeibehörden) eine beſonders günſtige Stellung
unter den mittelbaren Behörden eingeräumt. Sie
ſind nämlich, anders wie die Landgemeinden und die
Magiſtrate der mittelbaren Städte, in der Lage, nicht
nur mit unmittelbaren Staatsbehörden, ſondern auch
gegenſeitig „frei durch Ablöſung“ zu verkehren.
V.
Die neuen Beſtimmungen über die äußere Form
der Sendungen bringen keine Erſchwerung. Für die
Fälle der Portofreiheit bleibt es bei den bisherigen
Vorſchriften für die als Reichsdienſtſachen oder Militär⸗
ſachen auf Grund des Reichsgeſetzes begünſtigten Sen⸗
dungen. Die unter die Ablöſung fallenden Sendungen
aber haben, wie bisber, in der Aufſchrift den Namen
der abſendenden Behörde und an der Stelle, wo
bisher der Vermerk „Regierungsſache“ zu ſtehen hatte,
den Vermerk „frei durch Ablöſung“, endlich das Siegel
der abſendenden Behörde zu tragen. Auch dieſes
Siegel kann an der bisher üblichen Stelle angebracht
werden. Die Bezeichnung der abſendenden Stelle
und der Vermerk „frei durch Ablöſung“ ſollen in
Druckſchrift angebracht ſein, damit ſie leicht leſerlich
ſind. Weitere Erforderniſſe beſtehen ſeitens der
Poſt nicht. Es wird insbeſondere von der Poſt
nicht mehr verlangt, daß dem Ablöſungsvermerk ein
„Betreff“ oder eine „Expeditionsnummer“ beigeſetzt
wird. Iſt es bei den Behörden aus innerdienſtlichen
Gründen (wegen Führung eines Boten- und Poft-
aufgabebuchs) nötig oder erwünſcht, einen ſolchen
Zuſatz zu machen, ſo iſt es von der Poſt nicht ver⸗
wehrt, ihn anzubringen.
Oberregierungsrat Schmitt in München.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. In een
68 Art. 17 und 29 = z. BGB., 36 1567, 1568
* Welches Recht iſt für die Beurteilung
einer Eheſcheidungsklage maßgebend, wenn
der klagende Ehemann keinem Staat an-
gehört?
2. Die bösliche Verlaſſung kann nicht
nur unter den in S 1567 BGB. aufgeſtellten
Vorausſetzungen einen Eheſcheidungs⸗
grund abgeben, ſondern auch unter 81568
BG B. fallen.
Aus den Gründen: 1. Der Kläger gehört, wie
das OLG. in Uebereinſtimmung mit dem LG. feſtgeſtellt
hat, keinem Staat an, hat auch früher keinem Staate
angehört. Er hat in England die Ehe geſchloſſen,
einige Zeit in der Schweiz gewohnt und ſich am
18. März 1905 in M. (Deutſchland) zum Aufenthalt
angemeldet.
i
— — — —— IL nn nn U nn an K — en mn — nn — —
Dort hat er im November 1905 die
e 5 nachdem ſeine Frau am
4. März 1905 von der Schweiz aus nach England
abgereiſt war. Das LG. und das OLG. haben ange⸗
nommen, nach Art. 17 Abſ. 1 in Verbindung mit
Art. 29 EG. z BGB. fei die Scheidungsklage nach
dem Recht bes BGB. zu beurteilen. Das OLG. hat
noch beigefügt, die Abweiſung der Klage, die nach
§ 1568 BGB. nicht begründet ſei, ſei gemäß Art. 17
Abſ. 4 EG. ſelbſt dann gerechtfertigt, wenn der Kläger
nicht „ſtaatsangehörigkeitslos“ wäre und irgend welches
ausländiſche Geſetz ſeine ehelichen Verhältniſſe regelte.
Es ift nicht anzunehmen, daß der Berufungsrichter
mit dieſer Erwägung die Feſtſtellung befeitigen wollte,
der Kläger gehöre keinem Staate an. Gehörten
die Parteien einem ausländiſchen Staate an, ſo hätte
die Scheidungsklage im Inlande nur unter der in
8 606 Abſ. 4 ZPO. bezeichneten Vorausſetzung erhoben
werden können. Nicht zutreffend iſt es ferner, wenn
das LG. und das OLG. davon ausgegangen find, es
komme nur das Recht des BGB. zur Anwendung, weil
der Kläger keinem Staate angehöre und angehört habe,
zur Zeit der Klageerhebung aber im Inlande ſeinen
Wohnſitz oder Aufenthalt gehabt habe. Allerdings
iſt, wenn nach deutſchem Recht kein Scheidungsgrund
beſteht, die Abweiſung der Klage ſchon nach Art. 17
Abſ. 4 EG. geboten. Wäre jedoch in den von dem
Kläger behaupteten Vorgängen, die in England und
in der Schweiz ſich ereigneten, nach deutſchem Recht
ein Scheidungsgrund zu finden geweſen, ſo hätte —
wie ſich aus Art. 17 Abſ. 2 in Verbindung mit Art. 29
EG. ergibt — die Prüfung nicht unterlaſſen werden
dürfen, ob die — nach deutſchem Recht die Scheidung
begründenden — Tatſachen auch nach den Geſetzen
des Staates die Scheidung begründeten, in welchem
der Ehemann zu der Zeit, als die Tatſachen ſich er⸗
eigneten, ſeinen Wohnſitz oder in Ermangelung eines
Wohnſitzes ſeinen Aufenthalt hatte.
2. Auch zur Frage der Anwendung des § 1568
BGB. find die Erwägungen des OLG. nicht bedenkenfrei.
Die Reviſion macht geltend, der Berufungsrichter habe
den $ 1568 verletzt, indem er den Umſtand, daß die
Beklagte den Kläger am 4. März 1905 verlaſſen habe
und ſich gegen ſeinen Willen in England aufhalte,
grundſätzlich bei der Betrachtung, ob die Vorausſetzungen
des 8 1568 gegeben feien, ausgeſchieden habe; daraus,
daß die bösliche Verlaſſung nur unter den in § 1567
aufgeſtellten Vorausſetzungen einen Scheidungsgrund
bilde, folge nicht, daß nicht die Tatſache der Trennung
der Frau von dem Mann mit anderen Tatſachen zu-
fammen den Tatbeſtand des 8 1568 erfüllen könne.
Die Rüge iſt zutreffend. Der Berufungsrichter hat
ausgeführt, die willkürlich ſeitens der Beklagten voll»
zogene Trennung von dem Kläger falle ihrer Natur
nach gar nicht unter § 1568, mangels der Vorausſetzungen
des § 1567 Nr. 2 fei ihr die Bedeutung eines ehe⸗
ſcheidenden Faktors überhaupt abzuſprechen. Mit dieſen
Erwägungen hat er die Beſtimmungen des § 1568
verletzt. Unter den Vorausſetzungen, die § 1567 be-
ſtimmt, bildet die „bösliche Verlaſſung“ einen abſoluten
Scheidungsgrund. Liegen die Vorausſetzungen des
§ 1567 nicht vor, fo kann wegen böslicher Verlaſſung
die Scheidung nicht verlangt werden; immerhin liegt
in dem Verhalten eines Ehegatten, der ſich in böslicher
Abſicht von der häuslichen Gemeinſchaft fernhält, eine
Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten,
die wie jede andere Eheverfehlung bei der Prüfung,
ob der Tatbeſtand des § 1568 gegeben ift, Verwendung
finden kann. (Urt. IV. 38S. vom 17. Oktober 1907,
IV 1906,07). — — En.
1109
II.
Automobilunfall. Welcher Grad von Vorſicht kaun
von dem die Fahrſtraße überſchreitenden Suhgänger
verlangt werden? Aus den Gründen: Der Kläger
iſt von dem Kraftwagen des Beklagten überfahren
und verletzt worden. Seinen Schadenserſatzanſpruch
haben die Vorinſtanzen dem Grunde nach für gerecht⸗
fertigt erklärt. Das OLG. nimmt für erwieſen an,
daß der Beklagte in der verkehrsreichen Straße ſehr
ſchnell gefahren iſt und unterlaſſen hat, den Kläger,
deſſen Abſicht, den Fahrdamm zu überſchreiten, er er⸗
kannte, durch ein deutlich hörbares Signal rechtzeitig
auf das Nahen des Kraftwagens aufmerkſam zu machen.
Es führt aus: Der Beklagte habe, als er bemerkte,
daß der Kläger den Fahrdamm zu überſchreiten be⸗
gann, die Geſchwindigkeit des Kraftwagens verringern
müſſen; es ſei dies um ſo mehr geboten geweſen, als
aus der entgegengeſetzten Richtung ein Straßenbahn⸗
wagen gekommen ſei, der Beklagte ſich daher habe
ſagen müſſen, daß der Kläger möglicherweiſe aus
Rückſicht auf dieſen auf der Straße ſtehen bleiben oder
zurückgehen werde oder daß er durch die Annäherung
zweier Kraftwagen aus entgegengeſetzter Richtung ver⸗
wirrt werden und kopflos handeln würde. Es ver⸗
neint aber auch, daß ein Verſchulden des Klägers bei
der Entſtehung des Schadens mitgewirkt hat. Es ſei
nicht erwieſen, daß der Kläger den Kraftwagen ſchon
aus größerer Entfernung hätte erblicken müſſen. Aber
auch abgeſehen hiervon dürfe ein Fußgänger darauf
rechnen, von einem Kraftwagen beim Ueberſchreiten
der Straße gewarnt zu werden, brauche alſo nicht
ängſtlich weithin über die Straße nach rechts und
links zu ſehen. Der anſcheinend falſche Entſchluß des
Klägers, den er gefaßt habe, als er zurückgegangen
und dabei an den Kraftwagen geraten ſei, ſei auf den
Schrecken über den in nächſter Nähe ohne Abgabe
eines Warnungsſignals heranjagenden Kraftwagen,
alſo auf eine Handlung des Beklagten zurückzuführen.
Die Reviſion wendet ſich gegen die Ausführungen, mit
denen ein mitwirkendes Verſchulden des Klägers ver-
neint wird. Wer den Straßendamm überſchreite, müſſe
ſich umſehen, um Gefahren auszuweichen, beſonders
dann, wenn er 1 ſei. Sei der Kläger, wie
der Beklagte behauptet habe, ſo ſchwerhörig, daß er
Signale nicht habe hören können, fo fei die Nicht⸗
abgabe oder die ungenügende Abgabe von Signalen
überhaupt nicht kauſal für den Unfall geweſen. Dieſer
Angriff ift unbegründet. Das OLG. hat keineswegs
ausgeſprochen, daß, wer den Fahrdamm einer vers
kehrsreichen Straße überſchreite, ſich nach etwa heran—
kommenden Fahrzeugen nicht umzuſehen brauche. Der
Unfall hat ſich nicht unmittelbar ereignet, nachdem
der Kläger den Fahrdamm betreten hat, ſondern erſt,
nachdem er einige Schritte auf dieſem gegangen war,
und die Ausführung des Berufungsgerichts geht da—
hin, daß der den Fahrdamm überſchreitende Fußgänger
nicht weithin über die Straße nach rechts und links
zu ſehen braucht, ob ein Kraftwagen herankommt,
daß er vielmehr davon ausgehen darf, der Lenker des
Kraftwagens werde auf ihn Rückſicht nehmen. Das
ift durchaus zutreffend. Wer den Fahrdamm über-
ſchreitet, darf erwarten, daß ein nicht an Schienen ge-
bundenes Fahrzeug, das ſich von ihm noch in ſolcher
Entfernung befindet, das es ihm ausweichen kann,
dies auch tut, wenn nötig, unter Verringerung ſeiner
Geſchwindigkeit; bei der großen Geſchwindigkeit, die
insbeſondere Kraftwagen einzuſchlagen pflegen, würde
ſonſt eine überaus ſtarke Hemmung des Fußgänger—
verkehrs eintreten. (Urt. des VI. 85. vom 17. Oktober
1907, VI 533/06). — -n.
1135
III.
Formerforderniſſe des 8 2239 BG. Gegenwart
der Teſtamentszengen während der ganzen Verhandlung.
Gründe: Das OLG. ſtellt als den Hergang bei der Er-
richtung des Teſtaments feft, daß die beiden Teſtaments—
zeugen erſt eingetroffen ſeien, nachdem der Notar mit
der Erblaſſerin verhandelt und ſie ihm ihren letzten
Willen mündlich erklärt hatte, daß die mündliche Er⸗
klärung des letzten Willens in Gegenwart der Zeugen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
69
nicht wiederholt, daß in deren Gegenwart nur die in
ihrem Beiſein geſchriebene Urkunde verleſen worden
ſei, und die Erblaſſerin nur die Frage des Notars
nach der Uebereinſtimmung der Urkunde mit ihrem
Willen bejaht habe. Hierauf habe die Erblaſſerin die
Urkunde in Gegenwart der Zeugen und des Notars
unterzeichnet. Das OLG. hält hiernach die für das
mündlich erklärte Teſtament gebotene Form nicht für
erfüllt. Bedeutungslos ſei, daß nach der Ausſage des
Notars auf Grund des verleſenen Protokolls zwiſchen
dem Zeugen D. und dem Notar eine Auseinander⸗
ſetzung bezüglich der Vermächtnisanordnungen des
Teſtaments ſtattgefunden habe. An dieſer Unterhaltung
habe ſich die Erblaſſerin nicht beteiligt.
Mit Recht hat das OLG. angenommen, daß das
Teſtament nicht dem Erforderniſſe des 8 2239 BGB.
entſpricht, wonach die Teſtamentszeugen während der
ganzen Verhandlung zugegen ſein müſſen. Hierfür
genügt es nicht, wie in dem durch § 174 FGG. ge-
regelten Falle, daß die Zeugen bei der nach § 2242
BGB. erforderlichen Vorleſung, Genehmigung und
Unterzeichnung des Protokolls gegenwärtig ſind; ſie
müſſen vielmehr auch bei der in Gemäßheit des § 2238
erfolgenden Erklärung des letzten Willens zugegen
ſein. Dieſe iſt in Gegenwart der Zeugen nicht ge—
ſchehen. Das Teſtament iſt daher nichtig. (Urt. des IV.
35. vom 24. Oktober 1907).
1144
IV.
Eine Klage auf Herausgabe eines Kindes (8 1632
BEL.) kaun nicht gegen denjenigen erhoben werden,
der das Kind auf Grund einer nach % 627 ZPO. im
Eheprozeſſe erlaſſenen einſtweiligen Verfügung bei fih
behält. Aus der Ehe der Parteien ift eine minder⸗
jährige Tochter hervorgegangen, die fidh bei der Bes
klagten befindet. Zwiſchen den Parteien ſchwebt ein
die Scheidung und Anfechtung der Ehe betreffender
Rechtsſtreit. Auf den Antrag der Beklagten erließ
das OLG. in der Eheſache auf Grund des 8 627 ZPO.
eine einſtweilige Verfügung, durch welche für die
Dauer des Eheſtreits der Beklagten die Sorge für die
Perſon der Tochter der Parteien übertragen wurde.
Auf den Widerſpruch des Ehemanns erhielt es die
einſtweilige Verfügung aufrecht, die Reviſion des
Ehemanns wurde vom Reichsgericht zurückgewieſen.
Die ſchon früher von dem Kläger gegen die Beklagte
erhobene Klage auf Herausgabe der Tochter wurde
durch Urteil abgewieſen. Die Berufung wurde zurück⸗
gewieſen. Die Reviſion blieb ohne Erfolg.
Gründe: Das OLG. hat dem auf § 1632 BGB.
geſtützten Anſpruche des Klägers auf Herausgabe des
Kindes den Erfolg verſagt. Es hat unter Hinweis
auf die in der Eheſache der Parteien ergangene einſt—
weilige Verfügung ausgeführt, es fehle der Klage an
dem Erfordernis einer widerrechtlichen Vorenthaltung
des Kindes durch die Beklagte, es ſei auch einflußlos,
daß die Beklagte die einſtweilige Verfügung in der
Eheſache erſt nach Erhebung der Klage auf Herausgabe
des Kindes beantragt und erwirkt habe; entſcheidend
ſei, daß zur Zeit des Erlaſſes des Berufungsurteils
die Verfügung noch wirkſam geweſen ſei. Die Reviſion
rügt Verletzung der 8Y 627, 927, 936 BPO. und des
8 1632 BGB. Sie meint, das Weſen einer einſtweiligen
Verfügung und das Verhältnis einer ſolchen zum
Hauptanſpruche ſei verkannt worden. Der Angriff
geht fehl. Selbſtverſtändlich würde eine andere Beurs
teilung geboten ſein, wenn es ſich um eine in dem
Verfahren auf Herausgabe des Kindes erlaſſene einſt—
weilige Verfügung gehandelt hätte, durch die der Be—
klagten auf Grund des § 940 ZPO. zur Regelung eines
einſtweiligen Zuſtandes bis zum Erlaß des Urteils
über den Herausgabeanſpruch geſtattet worden wäre,
das Kind bei ſich zu haben. Der Fall liegt aber hier
nicht vor. Der Beklagten iſt vielmehr in einem anderen
den Eheſtreit der Parteien betreffenden Verfahren auf
— — — .
70
m ——
"u Zeitſchrift für Rechtspflege
in Bayern. 1908. Nr. 3.
Grund der dem Gericht durch § 627 ZPO. geſetzlich
gewährten Befugnis durch rechtskräftige Entſcheidung
für die Dauer des zur Zeit des Erlaſſes des Berufungs⸗
urteils noch nicht beendigten Eheſtreits der Parteien
die Sorge für die Perſon des minderjährigen Kindes
der Parteien übertragen worden. Solange dieſe Ver⸗
fügung der Beklagten als noch fortwirkend zur Seite
ſteht, fällt der Beklagten eine widerrechtliche Vorent⸗
haltung des Kindes im Sinne des 8 1632 BGB. nicht
zur Laft. (Urt. des IV. 8S. vom 21. Oktober 1907).
1146 — — == n.
B. Strafſachen.
I.
Zum Begriff der Beihättsmäpigleit. (88 3, 6 des
Geſetzes vom . Juli 1905, betr. die ketten bei öffentlich
veranſtalteten Pferderennen). Im Ergebniſſe zutreffend
iſt auch die weitere Annahme, daß der Angeklagte, der
während eines erheblichen Zeitraums tagtäglich von den
verſchiedenſten Perſonen, auch wenn ſie ihm unbekannt
waren, Wettaufträge entgegengenommen hat, geſchäfts⸗
mäßig handelte. Allerdings ſcheint das Gericht darauf
Wert gelegt zu haben, daß der Angeklagte aus ſeiner
Vermittlung eine laufende Einnahme gehabt hat.
Darauf kommt es aber nicht an. Denn zur Erfüllung
des Begriffs der Geſchäftsmäßigkeit ift ein Handeln
gegen Entgelt nicht erforderlich. Geſchäftsmäßig handelt
vielmehr ſchon derjenige, welcher auf eine gewiſſe An⸗
gelegenheit Zeit und Mühe dauernd oder wiederholt
aufwendet, ohne daß dadurch ſeine Tätigkeit ganz in
Anſpruch genommen zu werden braucht. Den Gegenſatz
dazu bildet das private, nur gelegentliche Vermitteln
von Wetten. Auch in der Begründung zum Geſetz—
entwurf (Druckſ. d. RT. 1903 04 Nr. 365 S. 5) wird
beſonders betont, es ſollte nicht nur das gewerbsmäßige,
ſondern jedes Vermitteln von Wetten, das geſchäfts⸗
mäßig erfolgt, verboten fein. Nur bei der Gemwerbs-
mäßigkeit aber iſt der Täter von der Abſicht des Er⸗
werbes geleitet (vgl. auch Goltd Arch. Bd. 53 S. 446).
(Urt. d. V. StS. vom 4. Oktober 1907, 5 D 478507).
1140 — — — e —
II.
Mitwirkung eines nach $ 22 Nr. 4 StPO. aus:
gelalofenen Rihters bei dem Beſchluß über die Er:
ffuung des Hauptverfahrens.!) Bei einem Beſchluß
auf Eröffnung des Hauptverfahrens hatte verſehent⸗
lich ein in der Sache früher als Staatsanwalt tätig
geweſener Richter mitgewirkt. Das Reichsgericht hob
auf Reviſion das Urteil auf und ſtellte das Straf-
verfahren als unzuläſſig ein.
Aus den Gründen: Der Verſtoß führt zwar
nicht notwendig zur Aufhebung des Urteils, weil der
ausgeſchloſſene Richter nicht bei dieſem ſelbſt mitgewirkt
hat ($ 377 Nr. 2 StPO.), wohl aber dann, wenn das
Urteil auf der Geſetzesverletzung beruht (8 376 StPO.).
Das iſt der Fall, denn der Eröffnungsbeſchluß bildete
die Grundlage der gegen den Angeklagten durch—
geführten Verhandlung, in der das Urteil erging und
das erkennende Gericht war mit der Aburteilung des
Angeklagten nur befaßt, weil unter Mitwirkung des
ausgeſchloſſenen Richters vorher entſchieden war, daß
nach den Ergebniſſen des Verfahrens begründeter
Verdacht gegen den Angeklagten vorliege. (Entſch.
Bd. 10 S. 56, Bd. 32 S. 79). Der Erfolg des Rechts-
mittels kann auch nicht dadurch in Frage geſtellt
werden, daß der gerügte Mangel nicht in der Haupt—
verhandlung geltend gemacht wurde. Sofern ein Ver—
zicht des Angeklagten auf Geltendmachung den Ver—
ſtoß überhaupt beheben kann, ſo könnte doch ein ſol—
cher Verzicht nur angenommen werden, wenn der An—
geklagte wußte, daß der betreffende Richter in der
1) Anm. des Herausgebers. Die Entſcheidung löſt eine
nicht ganz einfache Rechtsfrage in neuer Weile und mit praktiſcbem
Verſtändniſſe. Sie verdient daher die beſondere Beachtung der vejer.
Sache als Staatsanwalt tätig war. Das iſt nicht
feſtgeſtellt, auch nicht daraus herzuleiten, daß der Ver⸗
teidiger vor der Verhandlung die Akten eingeſehen
hat. In § 393 StPO. ift nur die Aufhebung des
Urteils angeordnet, wenn dieſes auf einer Geſetzes⸗
verletzung beruht, nicht aber die Aufhebung der von
prozeſſualen Verſtößen betroffenen Teile des Verfahrens,
wie fie in § 564 Abſ. II ZPO. vorgefehen ift. Die
StPO. kennt keine ſolche Art der Aufhebung von
Prozeßabſchnitten, die der Hauptverhandlung und dem
Urteil vorausgehen, und von Entſcheidungen, auf
denen die einzelnen Teile des Verfahrens beruhen;
insbeſondere iſt als Folge von Verſtößen, die vor der
Hauptverhandlung liegen, nicht eine Vernichtung aller
Prozeßhandlungen bis zu dem Verſtoß und die Er⸗
haltung der ihm vorausgehenden Prozeßhand lungen
vorgeſchrieben. Deshalb iſt nur die Aufhebung des
Urteils, nicht auch die des ſehlerhaften Eröffnungs⸗
beſchluſſes zuläſſig und die Zurückverweiſung an das
Landgericht zu dem Zwecke, um wiederholt auf die
Anklageſchrift zurückzugehen und gemäß S9 199 ff. StPO.
zu verfahren, iſt nicht angängig. Anderſeits kann
der fehlerhafte Beſchluß auch nach Aufhebung des an⸗
gefochtenen Urteils nicht die Grundlage für eine er⸗
neute Hauptverhandlung bilden. Daher verbietet fich
die Zurückverweiſung der Sache zur anderweiten Ver⸗
handlung und Entſcheidung an das erkennende Gericht.
Nach der prozeſſualen Lage, in der ſich die Sache be⸗
findet, iſt vielmehr die Fortführung des Verfahrens
unzuläſſig und unmöglich. Im Gegenſatz zu den in
Entſch. Bd. 1 S. 66 und Bd. 32 S. 79 erörterten Fällen
iſt das Gericht nicht in der Lage, die dem Eröffnungs⸗
beſchluß anhaftenden Mängel vor der erneuten Haupt:
verhandlung zu beſeitigen. Die Unzuläſſigkeit der
Fortſetzung des Verfahrens auf Grund des einmal
vorhandenen Eröffnungsbeſchluſſes macht vielmehr den
formalen Abſchluß des Verfahrens durch eine Ent⸗
ſcheidung notwendig, die als Einſtellung des Wer-
fahrens bezeichnet, nur die Fortſetzung des auf dem
Eröffnungsbeſchluß beruhenden Strafverfahrens un—
möglich macht, ſachlich aber der wiederholten Er⸗
öffnung des Hauptverfahrens und der weiteren Ber:
folgung des Angeklagten im ordnungsgemäßen Ber:
fahren nicht entgegenſteht. (Urt. des 1. StS. vom
5. Dezbr. 1907, 1 D 871/07). —ch.
1133
Oberſtes Landesgericht.
Zivilſachen.
I.
Berechnung der RNeviſiensſumme, wenn der Beklagte
zur Nechunngsſtellung über die Führung der Geſchäfte
einer mehreren gemeinſchaftlich gehörigen Ziegelei ver:
urteilt worden ift und Neviſion eingelegt hat. (3 PO.
§ 546 Abſ. 1). In dem Rechtsſtreite des Johann M.
in J. gegen den Ziegeleibeſitzer Georg M. in S. handelte
es ſich um den Anſpruch des Klägers gegen den Be
klagten auf Rechnungsſtellung über die Führung der
Geſchäfte einer Ziegelei in G., die den Streitsteilen
und den Eheleuten W. gemeinſchaftlich gehörte. Das
Oberlandesgericht hat den Beklagten verurteilt,
dem Kläger eingehende Rechnung über die Geſchäfte
zu ſtellen, die er vom 1. Januar 1896 bis zum 21. März
1906 für die gemeinſchaftliche Ziegelei in G. geführt
hat, und die erforderlichen Belege beizufügen. Der
Beklagte legte Reviſion ein. Bei der auf die Frage
der Zuläſſigkeit des Rechtsmittels beſchränkten münd⸗
lichen Verhandlung machte ſein Anwalt vor dem
Reviſionsgerichte geltend, der Kläger verfolge mit dem
Verlangen der Rechnungſtellung den Zweck, den Be
klagten zur Erſtattung von 13 000 M, die er bei einem
Kreditverein erhoben habe, an die Geſellſchaft anzu⸗
halten und die Grundlage für einen Anſpruch gegen
den Beklagten und die Eheleute W. auf Befreiung ſeines
ZBeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
Anweſens von der Kaufpreishppothek zu 10 000 M
zu gewinnen. Schon hieraus ergebe ſich, daß das
Intereſſe des Beklagten an der Wiederherſtellung des
landgerichtlichen Urteils den Betrag von 2500 M
weit überſteige. Dazu komme, daß es dem Beklagten
nicht möglich ſei, die Rechnung zu ſtellen, und daß er
daher Vollſtreckungsmaßregeln, insbeſondere Geld⸗
ſtrafen, zu gewärtigen habe. Das Oberſte Landesgericht
hat die Reviſion als unzuläſſig verworfen.
Aus den Gründen: Nach 3546 Abſ. 1 ZPO.
i. d. F. des Geſ. vom 5. Juni 1905 iſt die Zuläſſigkeit
der Reviſion durch einen den Betrag von 2500 M übers
ſteigenden Wert des Beſchwerdegegenſtandes bedingt.
Den Beſchwerdegegenſtand bildet hier das Intereſſe,
das der Beklagte daran hat, nicht zu der Rechnungs⸗
ſtellung angehalten zu werden, zu der das Berufungs⸗
gericht ihn verurteilt hat, der Unterſchied in ſeiner
Vermögenslage, der ſich daraus ergibt, ob er zu der
Rechnungſtellung verpflichtet iſt oder nicht. Für die
Schätzung dieſes Intereſſes iſt nicht die Höhe der zu
verrechnenden Beträge von ausſchlaggebender Bes
deutung, ſondern die Verſchlechterung der Vermögens⸗
lage des Beklagten, deren Abwendung die Reviſion
bezweckt, beſteht in dem Aufwand an Zeit und Koſten,
den ihm die Herſtellung der Rechnung und die allen⸗
falls noch erforderliche Beſchaffung von Belegen vers
urſacht. Die Behauptung des Beklagten, er fei außer—
ſtande die Rechnung zu ſtellen, ſteht im Widerſpruche
mit der in der Berufungsinſtanz abgegebenen Er—
klärung, er ſei jederzeit zur Mitwirkung bei einer ge⸗
meinſamen Abrechnung der Teilhaber bereit. Wenn
er bei einer gemeinſamen Abrechnung ſeine Einnahmen,
Ausgaben und Ablieferungen angeben kann, ſo kann
er auch Rechnung darüber ſtellen. Die Rechnungs⸗
ſtellung mag bei der Beſchaffenheit der für die Ziegelei
geführten Bücher mühevoll und zeitraubend ſein und
der Beklagte mag ſich genötigt ſehen, ſich der Hilfe
einer der Buchführung kundigen Perſon zu bedienen,
der Senat glaubt aber, den erforderlichen Aufwand
nicht höher als auf 1000 M veranſchlagen zu können.
Ein den Betrag von 2500 M überſteigender Wert des
Beſchwerdegegenſtandes iſt alſo nicht glaubhaft gemacht.
(Urt. des I. ZS. vom 8. November 1907, I 13807).
1118 W.
II.
Sind die 88 26, 27 des Fideikemmißedikts durch
8 883 BGB. oder andere Borfchriften des neuen Nechtes
erſetzt oder ſind ſie noch in Geltung? (AG. z. BGB.
Art. 135). Freiherr von S.⸗F. in M. iſt derzeitiger Be⸗
ſitzer des Familienfideikommiſſes A. und N. F. Am
17. Oktober 1906 zeigte er dem Fideikommißgericht an,
daß er die zum Anweſen Hs.-Nr. 14 in N. F. noch
gehörenden Grundſtücke mit einem Flächeninhalt von
16,854 ha um 47500 Mk. erworben habe, um fie im
Intereſſe der Arrondierung und einer beſſeren Ren—
tabilität der Fideikommißgüter dem Fideikommißver⸗
mögen einzuverleiben. Behufs Zahlung des Rauf-
ſchillings und der Koſten beabſichtige er, eine Fidei-
kommißſchuld I. Klaſſe für ein von einer Bank zu
gewährendes Darlehen von 50 000 Mk. zu begründen.
Er bat, den Ankauf der Grundſtücke und die Aufnahme
einer Fideikommißſchuld I. Klaſſe im 2. Range zugunſten
der Bank zu genehmigen. Das Fideikommißgericht
erließ einen Beſchluß. durch den — „vorbehaltlich des
Ergebniſſes des einzuleitenden Ediktalverfahrens“ —
die Einverleibung des Anweſens Hs-Nr. 14 in N. F.
in das Familienfideikommiß der Freiherren von S.⸗F.
genehmigt und die Genehmigung zur Aufnahme einer
Fideikommißſchuld I. Klaſſe von 50 000 Mk. für die
B. H.⸗ und W.⸗Bank unter den vereinbarten Bedingungen
für den Fall in Ausſicht geſtellt wurde, daß die Ein⸗
verleibung des erworbenen Anweſens in den Fidei—
kommißverband tatſächlich erfolgen werde. Gleichzeitig
verfügte und erließ es die im § 26 des Edikts vor-
geſchriebene Ediktalladung. Der Antrag des Fidei—
|
t
|
|
|
71
kommißbeſitzers, die Aufnahme des Fideikommißkapitals
ſofort nach Anordnung der Ausſchreibung in den öffent⸗
lichen Blättern behufs Deckung des Kaufſchillings zu
genehmigen, wurde abgelehnt. Das Oberſte Landes⸗
gericht hat die Beſchwerde des Fideikommißbeſitzers
aus folgenden Gründen zurückgewieſen. Das Fidei⸗
kommißgericht hat die Zurückweiſung des Antrags des
Beſchwerdeführers darauf gegründet, daß der Zugang
der gekauften Grundſtücke zum Fideikommiß das
Aequivalent für die Belaſtung des Fideikommiſſes mit
der aufzunehmenden Fideikommißſchuld ſei und daß
nach den §§ 26, 27 des FidE. und dem 8 14 Ziff. 3 der
Vollzugsinſiruktion die einzuverleibenden Grundſtücke
erſt nach Durchführung des vorgeſchriebenen Ediktal⸗
verfahrens mit der Eintragung in die Fideikommiß⸗
matrikel Beſtandteile des Fideikommiſſes werden, vorher
nur eine gewiſſe Wahrſcheinlichkeit für die ſeinerzeitige
Einverleibung beſtehe, in dieſer aber ein hinreichendes
Aequivalent für die beantragte Belaſtung des Fidei⸗
kommiſſes nicht gefunden werden könne. Dieſen Aus⸗
führungen iſt beizutreten. Der Beſchwerdeführer macht
u. a. geltend, daß der 8 883 BGB. in Verbindung mit
den SS 873, 892 die im § 26 des Edikts vorgeſehene
Ediktalladung erſetzen könne, da das Fideikommiß⸗
gericht durch die Anordnung einer Vormerkung im
Grundbuch bewirken könne, daß dus zur Einverleibung
in das Fideikommiß beſtimmte Grundſtück dem Zugriff
Dritter, deren Rechte im Grundbuch nicht eingetragen
ſind, entzogen wird, und daß die Vorſchrift der Ediktal⸗
ladung, ſelbſt wenn ſie formell noch zu Recht beſtehen
ſollte, jedenfalls ihre ſachliche Bedeutung verloren
habe. Dieſer Ausführung kann nicht beigepflichtet
werden. Gemäß Art. 59 EG. z. BGB. blieben die
landesgeſetzlichen Vorſchriften über Jamilienfidei⸗
kommiſſe unberührt. In dem von der Beil. VII zur
Vu. handelnden Art. 135 AG. z. BGB. findet fi
nicht die Vorſchrift, daß die 8$ 26, 27 dort aufgehoben
werden. Dieſer Umſtand ſpricht dafür, daß der Ges
ſetzgeber ſie als fortbeſtehend anſah. Die erwähnten
Vorſchriften des Edikts beſtehen alſo jedenfalls formell
noch zu Recht. Sie ſind aber auch tatſächlich nicht
außer Wirkſamkeit geſetzt — weder durch die ſachen⸗
rechtlichen Vorſchriften des BGB., noch durch die GBO.
Es läßt ſich nicht behaupten, daß ſie durch dieſe Normen
gegenſtandslos geworden, erloſchen und erſetzt ſind.
Anzuerkennen iſt, daß durch Einführung des definitiven
Grundſteuerkataſters, des Hyp®., des Not., des BGB.
und der GBO. die erwähnten Vorſchriften an ihrer
praktiſchen Bedeutung weſentliche Einbuße erlitten
haben. Aber auch hier muß der Grundſatz gelten
Cessante ratione legis non cessat lex ipsa. Der 8 883
BGB. bietet keineswegs einen Erſatz für die 88 26, 27 des
Edikts, da er nur zur Sicherung obligatoriſcher Anſprüche
beſtimmter (nicht unbekannter) Perſonen auf Eins
räumung (oder Aufhebung) des Rechtes an einem Grund—
ſtücke dient. Es handelt ſich auch nicht um Zurüd:
weiſung eines Antrags, zugunſten des Fideikommiß⸗
beſitzers zur Sicherung ſeines Anſpruchs gegen die
Verkäufer eine Vormerkung im Grundbuch (und in
der Matrikel) einzutragen. Die Eintragung eines
Widerſpruchs, die etwa noch in Frage kommen könnte
(BGB. 8 894), wäre erft möglich, wenn die dem Fidei-
kommiß einzuverleibenden Grundſtücke ſchon im Grund-
buch als Beſtandteile des Fideikommiſſes eingeſchrieben
wären, da der Widerſpruch eines Berechtigten ſich nur
gegen den Inhalt des Grundbuchs richten kann. Die
vom Beſchwerdeführer geltend gemachten Geſichtspunkte
können um ſo weniger Berückſichtigung finden, als „per—
ſönliche Forderungen hinſichtlich des zum Fideikommiß
beſtimmten Vermögens“ im Sinne des & 26 des Edikts,
ſoweit unbekannte Berechtigte in Frage kommen, auch
unter der Herrſchaft des geltenden bürgerlichen Rechtes
nicht undenkbar find (BGB. § 313). (Beſchluß des
II. ZS. vom 21. Oktober 1907, Reg. III Nr. 44 al
1089
72
Oberlandesgericht München.
Eutſchädigung der ärztlichen Sachverſtändigen für
Aktenſtudinm. Die Zuläſſigkeit einer ſolchen Ent⸗
ſchädigung wurde mit folgender Begründung verneint.
Das Aktenſtudium zur Vorbereitung des Gutachtens
iſt in der Gebührenordnung zur VO. vom 17. No⸗
vember 1902 nicht vorgeſehen und eine Ausdehnung
ber dort erwähnten „Unterſuchungen und Beobach⸗
tungen“ auf Aktenſtudium entſpricht nicht mehr einer
finngemäßen Auslegung. Die im Abſ. 2 des 8 1 der
BO. vom 17. Oktober 1901 angefügte allgemeine Er:
mächtigung kann auch im Zuſammenhalte mit der im
3 der VO. vom 17. November 1902 enthaltenen
erweiſung nicht die Folge haben, daß auch die Ge⸗
bührenordnung für amtsärztliche Dienſtleiſtungen auf
darin nicht genannte „ähnliche Fälle“ Anwendung
finden dürfte. Die Zuhilfenahme der GO. f. Z. u. S.
iſt wegen der für die Aerzte beſtehenden nach § 13
BSGO. ausſchließlich geltenden beſonderen Gebühren⸗
vorſchriften ausgeſchloſſen.) (Beſchl. vom 19. Dezbr.
1907; Beſchw. Reg. Nr. 722/07). N.
1131
Landgericht München I.
5 des Widerſpruchs im Offenbarungseids⸗
verfahren. (88 900, 901 3 0.). Im Termin zur Leiſtung
des Eides fand ſich der Gläubiger perſönlich, für den
Schuldner aber ein Anwalt ein, der die Eidespflicht
beſtritt, weil der Vollſtreckungstitel nur ein Arreſt⸗
befehl war. Darauf wurde entſprechend dem beider⸗
ſeitigen Antrag der Termin auf einen ſpäteren Tag
verlegt und dies verkündet. Im neuen Termin blieb
der Gläubiger aus; der Anwalt des Schuldners er⸗
klärte, daß er keinen Antrag ſtellen wolle. Am Tage
nach dem Termin beantragte der Gläubiger ſchriftlich
die Erlaſſung eines Haftbefehls, „da im Termin kein
Antrag geſtellt wurde“. Das Amtsgericht erließ den
Haftbefehl unter Bezugnahme auf Gaupp⸗Stein, Komm.
3. O. Anm. I Ziff. 1 zu § 901, weil der Schuldner
nicht verhandelt habe (vgl. Recht 1901 S. 413). Auf
Beſchwerde hob das Landgericht den Beſchluß auf und
wies den Haftbefehlsantrag zurück.
Aus den Gründen: Ueber den im erſten
Termin erhobenen Widerſpruch hat das Vollſtreckungs⸗
gericht entgegen der Vorſchrift in § 900 Abſ. 3 ZPO.
nicht durch Beſchluß entſchieden. Die Notwendigkeit
dieſer Entſcheidung iſt nicht dadurch weggefallen, daß
der Schuldner in dem weiteren Termin keinen Antrag
geſtellt hat; denn durch dieſe Erklärung iſt der im
erſten Termin erhobene, zur Prüfung des Gerichts
geſtellte Widerfpruch nicht beſeitigt worden. Die Haft⸗
anordnung iſt daher verfrüht; ſie hätte erſt getroffen
werden können, wenn das Gericht über den Wider—
ſpruch des Schuldners zugunſten des Gläubigers ent⸗
ſchieden und der Gläubiger nach Rechtskraft des Be-
ſchluſſes neu geladen hätte.!) (Beſchluß vom 23.
November 1907; Beſchw. Reg. Nr. 557,07). x
1111 i
1) Val. auch Jabra. 1907 S. 153 u. 342 ff.
1) tt anderen Worten: Die Vertagung konnte nach Erhebung
des Widerſpruchs überbaupt nicht mebr zur Eidesleiſtung, ſondern
nur noch zur (fakultativen) Verbandlung über den Widerſpruch ers
folgen. Das Unterlaſſen des Antrags konnte nur dahin gedeutet
werden, daß der Schuldner auf Beſchlußfaſſung über den Widerſpruch
bis auf neuen Gläubigerantrag nicht beſtehe. Der Einſ.
—
—— . U nn
— aa aaacasa ea caaaeaee țy
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 3.
Literatur.
1. Guyer, Dr. iur., Gruft, Rechtsanwalt in Zurich.
Ein Schweizeriſches Bundesgeſetz über die
Haftung der Automobilhalter. Zürich 1906,
Verlag von Schultheß & Co. Geh. Mk. 2.40.
Guyer, Dr. iur, Gruft, Rechtsanwalt in Zürich.
Das künftige ſchweizeriſche Patentrecht.
ah Berlag von Schultheß & Co. Seh.
2
. Weil, Dr. iur., Paul. Begriff und Bedeutung
der Nebenſachen und Zutaten im bürger⸗
lichen Recht. München 1907, J. Schweitzer Berl ag
(Arthur Sellier). Geh. Mk. 1.60.
Homberger, Dr. Ludwig. Das Recht der ernt-
ſtehenden Aktiengeſellſchaft. München 1906.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Geh. Mk. 1.50.
. Bobert, Dr. G., Landgerichtsdirektor. Beiſpie le
zum Zwangs verſteigerungs⸗ und Zwang s⸗
verwaltungs verfahren. 2. unveränderte Auf⸗
lage. Stuttgart 1906, J. B. Metzler ſche Buchhan d⸗
lung. Geh. Mk. 1.—.
. Gnttmaun, Max, Rechtsanwalt und Notar in Wies-
baden. Unmittelbarkeit und freie Beweis⸗
würdigung und die Zukunft unſerer Gerichts⸗
verfaſſung. Mannheim 1907, Verlag von J. Bens⸗
heimer. Geh. Mk. 3.50.
. Maas, Dr. iur., Georg, Bibliothekar im Reihs-
militärgericht. Jurisprudentia Germaniae
1906. Bibliographie der Deutſchen Geſetzgebung
und Rechtswiſſenſchaft. Berlin 1907, W. Moefer,
Buchhandlung. Broch. Mk. 7.50.
Notizen.
Die Anwendung der Zengniszwangshaft. Auch die
bayeriſche Juſtizverwaltung hat jetzt entſprechend der
Anregung des Reichskanzlers eine Bekanntmachung
erlaſſen, die einer zu ſtrengen Anwendung der Vor⸗
ſchriften über die Zeugniszwangshaft vorbeugen ſoll
(MBek. vom 8. Januar 1908, IM Bl. S. 1). Da die
Entſcheidung über die Anordnung und über die Dauer
der Haft dem Gerichte zuſteht, richtet fih die Bekannt-
machung nur an die Staatsanwälte und an die Amts⸗
anwälte. Sie ſollen bei der Stellung der Anträge
auf Anordnung der Haft beſondere Vorſicht beobachten
und etwaige Bedenken gegen die „us und Auf:
rechterhaltung der Haft dem Gerichte gegenüber geltend
machen, auch durch Einlegung der Beſchwerde auf die
Aufhebung der Haft hinwirken, ſoweit es erforderlich
iſt. Haftanträge außerhalb der Hauptverhandlung
ſollen nur mit Genehmigung des erſten Beamten der
Staatsanwaltſchaft, in zweifelhaften Fällen nur auf
die Weiſung des Oberſtaatsanwalts hin geſtellt werden.
Die neuen Vorſchriften beziehen ſich nur auf die
Erzwingung des Zeugniſſes im Strafverfahren. Es
muß aber wohl kaum hervorgehoben werden, daß auch
in Dis ziplinarſachen von der Möglichkeit, ein
Zeugnis durch Haftanordnung zu erzwingen, nur dann
Gebrauch gemacht werden ſoll, wenn ein anderer Weg
zur Erforſchung des Sachverhalts nicht gangbar iſt
und das öffentliche Intereſſe ein ſchärferes Vorgehen
unvermeidlich macht.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. O., Freifing.
Ur. 4. München, den 15. Februar 1903. 1908. 4, 4. Jahrg.
Zeitschrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
en gendes. ill Bühkrn ge.
in München. in München, Lenbachplatz 1.
Die Zeitſchtift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a).
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1.
Inſertionegebübr 30 Pig. für die balbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
zur Lehre von der „Ausführung“ ſtraf⸗ 9 75 mittelbarer Täterſchaft in dem Sinne, daß
zufolge getroffener Abrede jemand, bei dem der
barer Handlungen. Tätervorſatz und der geſamte innere Tatbeſtand
gegeben ſind, ſämtliche aͤußeren Tatbeſtandsmerkmale
durch einen vollſtändig eingeweihten, aber nicht
Die nachſtehenden Erörterungen knüpfen an an mit Tätervorſatz handelnden Gehilfen als ſein
das Urteil des Reichsgerichts vom 11. Juni 1906, Werkzeug verwirklichen läßt“.
veröffentlicht in den Entſcheidungen in Strafſachen Dieſe Theſe iſt unmittelbar aus der ſubjektiven
Bd. 39 S. 37 ff. Der hier abgeurteilte nach Teilnahmetheorie des Reichsgerichts erwachſen.
der tatſächlichen Seite hin ſehr einfache Fall war Nach dieſer wird bekanntlich der Tätervorſatz deſſen,
der: Die Angeklagten W. und Pf. haben in der nur im fremden Intereſſe gehandelt hat, in
einem mit Lattenzäunen umſchloſſenen Garten auf | Abrede geitellt, ſodaß bei einem Zuſammenwirken
dem Boden einen roten Gegenſtand liegen ſehen, mehrerer Perſonen, gleichviel wie beſchaffen die
den fie für einen Gummiball hielten, der aber äußere Tätigkeit der einzelnen war, der eigentliche
|
Bon Profeſſor Dr. Eruſt Beling in Tübingen.
in Wirklichkeit eine — in fremdem Eigentum und Intereſſent zu ſuchen iſt, und dieſer dann als
Gewahrſam befindliche — Holzkugel war. Der der Täter erſcheint.
Angeklagte Pf. hat, weil er den vermeintlichen Aber die Konſtruktion einer mittelbaren Täter⸗
Gummiball für ſich haben und dann feinen Ge- ſchaft durch doloſes Werkzeug hat auch bei An:
ſchwiſtern ſchenken wollte, den Angeklagten W. hängern der objektiven Teilnahmetheorie mit einer
durch die Aufforderung, „den Ball zu holen“, gewiſſen Umformung Beifall gefunden. Sie
zur Wegnahme und Ausfolge des vermeintlichen wird hier auf die fog. „Abſichtsdelikte“ beſchränkt,
Balles vorjäglid) beſtimmen wollen und ihn in d. h. diejenigen Delikte, zu deren Begriff nach
der Tat zu dem Entſchluſſe beſtimmt, den „Ball“ dem Geſetz eine beſtimmt geartete Abſicht gehört,
für Pf. wegzunehmen und unter bleibender Berz und lautet dann dahin, daß, wenn der den Tat:
legung des fremden Gewahrſams in den Beſitz beſtand unmittelbar Verwirklichende zwar vorſätzlich,
und die ausſchließliche Verfügungsgewalt Pf. zu aber ohne jene „Abſicht“ gehandelt habe, er nur
bringen. Während Pf. ruhig ſtehen blieb, hat Werkzeug in der Hand deſſen ſei, der ihn mit
W. zu dem erwähnten Zweck mit Gewalt zwei jener Abſicht zu der Tatbeſtandsverwirklichung
Latten weggeriſſen, ift durch die jo entitandene vermocht habe.) Man gelangt zu ihr offenbar
Lücke ohne erhebliches Hindernis in den Garten durch einen Schluß von der geſicherten Grundlage
eingetreten, hat den vermeintlichen Ball vom Boden aus, daß wenn der Vorſatz (3. B. wegen Irrtums)
aufgehoben, aber ihn nach der Entdeckung, daß auf ſeiten des Handelnden fehlt, der andere, der
es entgegen feiner und Pf. s Vermutung kein ihn zu der Tatbegehung gebraucht, der Täter iſt.
Ball war, wieder auf den Boden gelegt und den Von da aus ſcheint der Schluß geboten, daß das
Garten durch die Zaunlücke wieder verlaſſen. Fehlen der etwa vom Geſetz erforderten Abſicht,
Von den mancherlei Problemen, die aus —
dieſem Sachverhalt herausſpringen, ſollen hier
zwei herausgegriffen werden, denen eine grund—
ſätzlichere Bedeutung zukommt.
1) Ebenſo ihon E. 1, 148; 3. 99: 24, 87; 28, 110;
31, 82; R. 6, 418. Zuſtimmend Ols hauſen, Komm.
7. Aufl. Anm 17 zu § 47, Oppenhoff-Delius,
Komm. 14 Aufl. Anm. 4 zu 8 47. Vgl. dagegen Birt-
3 ; | meyer L. v. d. Teilnahme 121, 256; W. Mitter-
J. Ausführung einer ſtrafbaren Hand: maier 3StW. 21, 235, insbeſ. 248 ff.
lung durch „doloſes Werkzeug“? ) So v. Liszt, Lehrb., 15. Aufl. 221. Ziff. 4: Menyer
Allfeld, Lehrb. 6. Aufl. 153 Anm. 9. Vgl. übrigens
In dem an die Spitze geſtellten Falle geht i 11 an 9 }
|
auch R. 6, 416. Dagegen: Wachenfeld in v. Holtzen⸗
das Reichsgericht aus von der „rechtlichen Mög- dorff-⸗Kohlers Enzyklopädie 2, 272.
74 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908 in Bayern. 1908.
die ja nichts anderes als eine Verſtärkung der
Vorſätzlichkeit des Handelns iſt, ebenfalls den
Handelnden zum „Werkzeug“ macht, als habe er
nicht den „vollen Vorſa atz“ gehabt.
Beide Auffafſungen ſind namentlich für den
Diebſtahl in dem Sinne nutzbar gemacht worden,
daß, wenn Secundus eine fremde bewegliche Sache
einem anderen in der Abſicht wegnehme, ihre
Zueignung durch Primus zu ermöglichen, und
Primus ihn in der Abſicht, ſich die Sache zuzu⸗
eignen, hierzu beſtimmt habe, Primus der Dieb,
Secundus nur ſein Werkzeug und Gehilfe ſei.
Von anderer Seite wird freilich die Meinung
vertreten, daß das Problem der mittelbaren Täter⸗
ſchaft in dieſem, dem Diebſtahls-Falle, gar
nicht auftrete; denn hier habe Secundus die Ab-
ſicht, ſich die Sache dadurch zuzueignen, daß er ſie
nach erfolgter Wegnahme an Primus weitergebe,
das Weitergeben fei eben „Zueignung“.?) Vom
Standpunkte dieſer Meinung aus iſt dann natür⸗
lich Secundus der Dieb und Primus wegen An—
ſtiftung ſtrafbar. Demgegenüber wird aber zu er⸗
wägen ſein, daß der Diebſtahl ſeinen gehäſſigen
Charakter augenſcheinlich dem Umſtande verdankt,
daß der Dieb als Egoiſt erſcheint. Wenn das
Reichsſtrafgeſetzbuch auch das Erfordernis eines
animus lucri faciendi hat fallen laſſen, ſo hat es
doch immerhin die „Abſicht, ſich die Sache zuzu⸗
eignen“, feſtgehalten und damit den Diebſtahl als
eigenſüchtiges Delikt gekennzeichnet. Die Frage, ob
unter Zueignung die wirtſchaftliche Ausbeutung
der Sache oder aber die Herſtellung eigentums—
gleicher Herrſchaft über ſie zu verſtehen iſt, ſpielt
hier keine Rolle; denn jedenfalls muß zwiſchen
dem, der ſich die Sache zueignen will, und dem,
der es ſei Eigenausbeutung oder Eigenherrſchaft
nicht anſtrebt, unterſchieden werden. Gewiß eignet
ſich derjenige eine Sache zu, der über ſie durch
Verſchenken verfügen will; aber wenn Secundus
nur anſtrebt, die Sache nach erfolgter Wegnahme
dem Primus zu geben, ſo iſt das noch lange
kein „Verſchenken“ oder „Verfügen“; ein bloßes
Uebergeben braucht nicht Ausfluß von Eigenherr:
ſchaft oder Eigenausbeutung zu ſein.
Aber wie dem auch ſei, — ſelbſt wenn unſer
Problem bei Diebſtahl nicht auftauchen ſollte,
ſo wäre es immer noch für die große Zahl der
ſonſtigen Abſichtsdelikte aufzuwerfen. Wie ſteht
es z. B. um die Strafbarkeit des Primus, der in
gewinnſüchtiger Abſicht den Secundus, der ohne
gewinnſüchtige Abſicht handelt, dazu beſtimmt hat,
ſich von einem Minderjährigen ein Zahlungs:
verſprechen erteilen zu laſſen, und um die Strafbarkeit
eben dieſes Secundus ($ 301)? Oder um die
Strafbarkeit des Primus, der in der Abſicht, unter
Begünſtigung der Brandſtiftung einen Mord zu
begehen, den Secundus zu der Brandſtiftung ver:
Nr. 4. A
mocht hat, und um die Strafbarkeit des ohne jene
Abſicht handelnden Secundus ($ 307 2)?
Nach der Theorie von der mittelbaren Täter⸗
ſchaft durch vorſätzlich handelndes Werkzeug wäre
hier natürlich Primus der Täter, Secundus als
Gehilfe ſtrafbar.
Aber gerade der letzterwähnte Fall wirft dieſe
Lehre ohne weiteres über den Haufen, wenigſtens
in ihrer ſpeziellen Ausprägung für die „Abſichts⸗
delikte“. Denn es iſt ſicher, daß der vorſätzliche
Brandſtifter im Sinne des $ 306 unbedingt Brand-
ſtiftungshaupttäter iſt und nicht dadurch in die
Kategorie der Gehilfen herabſinken kann, daß der
Anſtifter die in $ 307 2 als Qualifikationsmoment
verwendete Abſicht hat! Unmöglich wäre es natür⸗
lich auch, ſein Handeln zugleich als Haupttäter⸗
ſchaft hinſichtlich einer einfachen Brandſtiftung
und als Beihilfe zu einer qualifizierten Brand⸗
ſtif ftung zu werten; denn eine und dieſelbe Tat
kann in der Summe ihrer konkreten Merkmale
nicht zugleich der Täterſchaft und der Beihilfe
unterſtellt werden, ſodaß ſie reſtlos Täterſchaft
und ebenſo reſtlos bloße Beihilfe zu derſelben
Tat wäre. So wenig aber das Fehlen einer im
Geſetz als Qualifikationsmoment verwerteten Ab⸗
ſicht die ſonſt gegebene Annahme von Haupttäter⸗
ſchaft beſeitigen kann, ſo wenig kann das Fehlen
einer über Strafbarkeit oder Strafloſigkeit ent:
ſcheidenden (alſo im engeren Sinne „konſtitutiven“)
Abſicht dieſe Wirkung haben. Dies deshalb, weil
gerade die verſchiedenartige Verwendung des Ab:
ſichtsmoments im Geſetz erweiſt, daß nicht die
Feſtſtellung der Haupttätereigenſchaft von dem Vor⸗
handenſein der Abſicht abhängig ſein kann, ſondern
gerade umgekehrt zuerſt die Haupttätereigenſchaft
feſtzuſtellen iſt, und dann erſt zu fragen iſt, ob der
Täter die „Abſicht“ gehabt habe, um daran die
Konſequenzen (Strafbarkeit oder Strafloſigkeit,
höhere oder geringere Strafdrohung) anzuknüpfen.
Nach den bisherigen Darlegungen führt alſo
die Lehre von der mittelbaren Täterſchaft durch
doloſes Werkzeug jedenfalls in ihrer für die Ab:
ſichtsdelikte aufgeſtellten Geſtalt zu unmöglichen
Folgerungen. Aber worin liegt ihr Fehler?
Eine unmittelbar gefühlsmäßige Kritik wird
ſich ſchon gegen die uns zugemutete Vorſtellung
eines bewußt und ſelbſtändig handelnden „Werk⸗
zeugs“ ſträuben; ſie wird nicht gelten laſſen können,
daß man um deswillen zum bloßen Werkzeug
eines anderen werde, weil man mit feinem Han:
deln beſtimmten Plänen dieſes anderen förderlich
wird. Denn die Charakteriſierung eines Menſchen
als „Werkzeug“ bedeutet eine Negation der ſelb—
ſtändigen Entſchließung, ſie betrachtet ihn mit
feinen Kräften als beherrſcht von einem Draht:
zieher, und davon läßt ſich ſchlechterdings nicht
reden, wo Secundus in voller Kenntnis der Sad-
lage tätig wird. Aeußerſtenfalls könnte eingeräumt
ee e ee e Tran; Komm, werden, daß Secundus dann als bloßes Werkzeug
7. Aufl. 82 (IV zu Abſchn. 3).
in der Hand des Primus erſchiene,
wenn dieſer
— —— — .
Alitchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Rr. — 75 für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
eine von ihm gehegte Abſicht (3. B. die gewinn⸗
ſüchtige Abſicht im Falle des § 301) dem Secun⸗
dus vorenthielte, ſodaß dieſer inſoweit ahnungs⸗
los handelte. Allein auch in dieſem Falle ließe
ſich augenſcheinlich eine Werkzeugeigenſchaft des
Secundus nur im Punkte der Abſichtsver⸗
wirklichung behaupten, nicht im Punkte der
Tatausführung ſelber: Wer auf Anſtiften des
Mordabſicht hegenden Primus vorſätzlich einen Brand
legt, iſt Werkzeug für die Mordtat des Primus,
aber nimmermehr Werkzeug für eine Brand—
ſtiftung; wer auf Anſtiften des Zueignungsabſicht
hegenden Primus eine fremde bewegliche Sache
wegnimmt, iſt Werkzeug für die Zueignung,
nicht Werkzeug im Punkte der Wegnahme. Aus
dem Worte „Werkzeug“ läßt ſich endlich auch her⸗
leiten, daß es ein Unding iſt, jemanden zugleich
als Werkzeug und als Gehilfen anzuſehen, denn
mit der Gehilfſchaft verbindet ſich die Vorſtellung
des Einſtehenmüſſens für das „Helfen“, mit dem
Werkzeug die umgekehrte Vorſtellung einer ſozu—
ſagen ſeelenloſen Betätigung.
Indeſſen ſollen dieſe Gedankengänge, die bei
dem „Werkzeug“ -Begriff einſetzen, hier nicht weiter
verfolgt werden. Iſt doch dieſer Begriff und der
für ihn eingeſetzte ſprachliche Ausdruck dem Geſetz
fremd und nur zu Veranſchaulichungszwecken von
der Wiſſenſchaft geſchaffen, ſo daß im Grunde das
Schlüſſeziehen aus dieſem Begriff ein Stück Be:
griffsjurisprudenz im Iheringſchen Sinne bedeutet.
Es muß eingeräumt werden, daß die bisher gegen
die Theorie von der mittelbaren Täterſchaft durch
vorſätzlich handelndes Werkzeug vorgebrachten Ein—
wendungen nur beweiſen können, daß die Aus—
drucksform („Werkzeug“) unglücklich gewählt, nicht
daß die Theorie falſch iſt.
Und doch hat das natürliche Gefühl nicht ge—
Täterſchaft durch doloſes Werkzeug mit Mißtrauen
entgegentrat.
Bekanntlich ruht die Anſtiftungslehre des
Reichsſtrafgeſetzbuchs auf dem Dogma von der
Unterbrechung des Kauſalzuſammenhangs durch
das freie Handeln des Angeſtifteten. Derjenige,
in deſſen Seele von anderer Seite her ein Funken
geworfen iſt, hat es in der Hand, ob er dieſen
Funken zur Flamme werden laffen oder unſchäd—
lich verglimmen laſſen will. Er ſteht nicht im
Bann der Anſtiftung, ſondern er entſcheidet
in voller Unabhängigkeit, und darum iſt die An—
ſtiftungshandlung nur Vorſchlag, nicht Urſachſetzung
für den Erfolg. So unrichtig nun auch dieſe Vor—
ſtellung iſt — denn die kauſale Mitwirkung der
Motive wird heute auch im indeterminiſtiſchen Lager
nicht mehr geleugnet —, und ſo leicht auch die
Sonderfigur der Anſtiftung gegenüber der Täter—
ſchaft ohne Zuhilfenahme jenes Dogmas feſtgehalten
werden kann,“) jo durchdringt doch dieſes Dogma
t) Darüber j. unten.
75
die heutige Anſtiftungslehre derart, daß man es nicht
preisgeben kann, ohne Verwirrung in das geltende
Recht hineinzutragen.
Hält man es aber feſt, ſo muß man not⸗
wendig die Möglichkeit mittelbarer Täterſchaft
durch vorſätzlich handelndes Werkzeug leugnen.
Denn gerade die vorſätzliche Herbeiführung eines
Erfolges auf Veranlaſſung eines anderen iſt der
typiſche Fall einer Unterbrechung des Kauſal⸗
zuſammenhangs: Gerade hier iſt ja eben die
eigene Entſcheidung des Handelnden vorhanden,
ob er den Erfolg kauſieren wolle; und wer nichts
anderes getan hat, als daß er dem Secundus
ſolches Handeln unter den Fuß gegeben hat, hat
eben den Erfolg nicht verurſacht, kann alſo nie⸗
mals Täter ſein, ſondern, wenn überhaupt, nur
in der Form der 1 qua Anſtifter ſtraf⸗
bar fein. Für täterſchaftliches Handeln des Pri-
mus, der lediglich den Secundus zu der Tat ver:
anlaßt hat, bleibt überall da Raum, wo Secundus
nicht kauſalitätunterbrechend dazwiſchen getreten
itt. alſo wo er ſich infolge Irrtums gar nicht für
Herbeiführung des Erfolges „entſchieden“ hat (Vor⸗
ſatzmangel), oder wo er kraft bindenden Befehls
handeln mußte und deshalb keine ſelbſtändige
Entſcheidung vorlag, oder wo ſeine Entſcheidung
ſtändlich.
— — — — — ————— — 3 GnQ ů(ů—— — —— ͥͤ ſ—
trogen, wenn es der Lehre von der mittelbaren werden.
wegen Mangels der Zurechnungsfähigkeit keine
verantwortliche war uſw. Darüber hinaus aber
nicht. Hier wird denn nun auch der zur Veranſchau—
lichung gewählte Begriff des „Werkzeugs“ ver—
„Werkzeug“ iſt jemand inſoweit, als
er nicht als „Kauſalitätsunterbrecher“ erſcheint;
und darum iſt es in der Tat nicht ein bloßes
Vergreifen im Ausdruck, ſondern ein ſachlicher
Widerſpruch, wenn man von „doloſem Werkzeug“
ſpricht.
Damit köunte für das geltende Recht geſchloſſen
Indeſſen hat die moderne Kritik das
Dogma von der Unterbrechung des Kauſal—
zuſammenhanges dermaßen unterhöhlt, daß es ge-
boten erſcheint, Umſchau darnach zu halten, ob
bei Zuſammenbruch dieſer Stütze das Ergebnis
ein anderes werden würde.
In der Tat ſcheint es ſo. Denn räumt
man ein. daß auch der, der einen anderen zu der
Tat beſtimmt, eine Urſache ſetzt als „intellektueller
Urheber“, ſo ſcheint damit ohne weiteres das Er—
gebnis gewonnen zu ſein, daß bei Zuſammen—
wirken eines Primus als des Veranlaſſers und
eines Secundus als des phyſiſchen Urhebers die
Rollenverteilung ſo ſtattzufinden hat, daß jeden—
falls einer von ihnen als „Täter“ ſtrafbar iſt.
Iſt es möglich, den Secundus als Haupttäter zu
faſſen, ſo genügt für den Primus die Haftbar—
machung als „Anſtifter“; verſagt dieſe Möglich—
keit, ſo wälzt ſich anſcheinend die volle Verant—
wortung qua Haupttäter auf den intellektuellen
Urheber über; einer von beiden muß für das
Tatganze direkt haften, der andere tritt ihm als
Teilnehmer an die Seite. Welcher von beiden
76
— —
als der Haupttäter erſcheint, hängt dann lediglich
von der Teilnahmetheorie ab, der der Beurteiler
huldigt; vom Standpunkte der ſubjektiven Theorie
aus iſt nur zu fragen, wer von ihnen der Tat⸗
intereſſent war (animus auctoris — animus socii);
wer Täter und Teilnehmer nach objektiven Merk⸗
malen ſcheidet, wird zwar zunächſt darnach ſuchen,
ob Secundus hiernach als Haupttäter erſcheint,
aber im Verneinungsfalle mit der Folgerung
parat ſein, daß dann eben Primus notwendig der
Haupttäter ſein müſſe.
Und doch leiden dieſe Gedankengänge an einem
geheimen Fehler. Er beſteht darin, daß der im
Geſetz ſcharf ausgeprägte Gegenſatz zwiſchen eigener
Tatausführung (vgl. § 47) und Beſtimmung eines
anderen zur Tatausführung ($ 48) verwiſcht wird.
Dies gilt vor allem gegenüber der ſubjektiven
Teilnahmetheorie. Es mag hier ganz auf ſich
beruhen bleiben, ob man mittels ihrer zwiſchen
Täter und Gehilfen ſcheiden kann. Jedenfalls iſt
ſie direkt falſch, wenn ſie auf das Zuſammen—
wirken von intellektuellem und phyſiſchem Urheber
angewendet wird. Denn gerade der intellektuelle
Urheber iſt regelmäßig der Tatintereſſent, die
Seele des Unternehmens derart, daß, wer mit der
ſubjektiven Theorie Ernſt macht, ſtets den An⸗
ſtifter als den Haupttäter, den Angeſtifteten ſtets
nur als Sozius anſehen kann, m. a. W. den
§ 48 vollſtändig aus den Angeln hebt. Selbſt
da, wo auch der Angeſtiftete gleichzeitig im eigenen
Intereſſe handelt, muß die ſubjektive Theorie zur
Verleugnung des § 48 gelangen, denn dann ſind
nach ihr zwei mit animus auctoris Handelnde
vorhanden, die dann als Mittäter nach $ 47 zu
behandeln wären.
Dieſen Fehler vermeidet nun allerdings die
objektive Theorie. Diejenigen aber, die von deren
Standpunkt aus eine mittelbare Täterſchaft durch
einen vorſätzlich handelnden Mittelsmann für mög⸗
lich erklären, geben damit im Grunde ihren ob-
jektiviſtiſchen Ausgangspunkt auf und geraten in
einen wunderlichen Zirkel hinein. Denn un
zweifelhaft ift „Ausführender“, wer vorſätzlich,
wäre es auch ohne die überdies vom Geſetz er⸗
forderte Abſicht, den Tatbeſtand verwirklicht. Wie
will man es rechtfertigen, daß um der Strafloſigkeit
dieſes Ausführenden willen nun plötzlich der Ver:
anlaſſer zum „Ausführenden“ erklärt wird (denn
nur der „Ausführende“ kann ja — arg. 8 47 —
als Täter geſtraft werden)? Man kann hier auch
nicht helfen mit der Figur der „Ausführung durch
einen anderen“. Denn ſo ſehr es ſolche gibt,
ſo ſehr auch bei ihr „eigene Ausführung“, alſo
Täterſchaft vorliegt (man denke an den Fall der
Benützung eines im Irrtum Befindlichen), ſo
bedarf doch dieſe „Ausführung per alium“ der
ſcharfen Gegenüberſtellung mit der Anſtiftung, und
gewiß iſt mit der Unmöglichkeit, den Secundus
(wegen Fehlens der geſetzlich erforderten Abſicht)
als Haupttäter zu ſtrafen, noch lange nicht be:
—— 9 ——ß — —ʒ —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
wieſen, daß Primus, der den Secundus zu der
Ausführung beſtimmt hat, „durch dieſen aus⸗
geführt“ habe. Statt mit der Wendung „Aus⸗
führung per alium“ zu ſpielen, gilt es innere
Kriterien aufzuzeigen, durch die ſich die eigene
Ausführung per alium von der Anſtiftung abhebt.
Sind doch diefe Begriffe ſcharf gegenſaͤtzlich gegen-
einander. Ein per alium Handelnder kann An⸗
ſtifter, kann auch Selbſtausführender ſein; niemals
aber iſt die Entſcheidung, ob er dieſes oder jenes
ſei, davon abhängig zu machen, ob den alius
Haupttäter⸗Strafe trifft oder nicht. Erſt die
Feſtſtellung, ob die begrifflichen Vorausſetzungen
für Annahme von Täterſchaft vorliegen, dann
Ziehung der Konſequenzen für Strafbarkeit oder
Strafloſigkeit!
Zu voller Klarheit gelangt man nur, wenn
man das Weſen der Verantwortlichkeit als Haupttäter
und das Weſen der Verantwortlichkeit als An⸗
ſtifter ſcharf erfaßt, m. a. W. wenn man von der
Wortdeutung aufſteigt zu einer rationellen Gegen⸗
überſtellung der Begriffe. Haben der intellektuelle
und der phyſiſche Urheber Urſachen zum Erfolge
geſetzt und werden ſie dennoch nicht beide ſchlecht⸗
weg als „Täter“ geſtraft, ſo iſt zu fragen, wes⸗
halb das nicht geſchieht.ô)
Nun iſt ſicher, daß Haftung als Haupttäter
unmittelbare Verantwortlichkeit, Haftung als An⸗
ſtifter zwar ſelbſtverſtaͤndlich auch Haftung für
eigenes, nicht für fremdes Verſchulden, doch aber
lediglich mittelbare, bedingte Verantwortlichkeit iſt.
Der Grundgedanke des Geſetzes iſt der, daß der
den Secundus nur motivierende Primus prinzipiell
nicht die Laſt der direkten Verantwortung trägt,
die Hauptverantwortung vielmehr nur auf Secundus
laſtet. Der Gedanke, daß umgekehrt Primus als
der eigentliche „Ur“ heber, der alles Weitere her-
aufbeſchworen hat, die Hauptverantwortung trage,
wird alſo in deutlich erkennbarer Weiſe perhorreſziert.
Um ihm die Hauptverantwortung aufzuerlegen,
genügt alſo keineswegs der Nachweis, daß Secundus
als Haupttäter nicht ſtrafbar ſei, ſondern nur
der Nachweis, daß Secundus überhaupt nicht der
richtige Hauptverantwortliche ſei. Iſt
Secundus überhaupt nicht legitimiert, als der
Hauptverantwortliche zu gelten, dann allerdings
wälzt ſich die Hauptverantwortlichkeit auf Primus.
Iſt aber Secundus der richtige Hauptverantwort⸗
liche, fo kann der Umſtand, daß er aus irgend:
welchen Gründen ſtraflos bleibt, nicht plötzlich den
Primus zum Täter machen, vielmehr bleibt für
Primus dann einzig die Frage die, ob auf ihn
die Strafbarkeit als Anſtifter Anwendung findet,
eine Frage, die natürlich zu verneinen iſt, wo
nicht die Gründe der Strafloſigkeit des Haupt:
täters rein perſönlicher Natur ſind.
) Vgl. zum Folgenden W. Mittermaier, Z StW. 21,
235 ff, deſſen Ausführungen fih mit dem Nachſtehenden
mehrfach berühren.
Es iſt nämlich bisher, ſoviel ich ſehe, nirgends
betont worden, daß es ſehr wohl möglich iſt, daß
jemand der richtige Hauptverantwortliche und
dennoch im Reſultat nicht verantwortlich — nicht
ſtrafbar iſt. Dieſe Erſcheinung mutet wie ein
Widerſpruch in ſich an, iſt es aber nicht.
ſowie im Prozeß der Beklagte ſehr wohl der richtige
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
Denn
Beklagte, ad causam legitimiert ſein kann, ohne
daß er doch ſchon darum verurteilt werden müßte,
ſo geht auch im Strafrecht der Frage, ob jemand
als Haupttäter ſtrafbar ſei, die andere Frage voran,
ob er denn überhaupt legitimiert iſt, der primären
Verantwortlichkeit unterſtellt zu werden, und des⸗
halb bedeutet Bejahung der Vorfrage, daß er die
richtige Perſon ſei, noch keineswegs virtuelle, viel⸗
mehr nur potenzielle Haupttätereigenſchaft.
Im Verhältnis zwiſchen dem Primus, der
den Secundus zur phyſiſchen Begehung der Tat
vermocht hat, und dieſem Secundus iſt nun die
Legitimationsfrage, wie ſchon oben angedeutet, ſo
gelagert, daß grundſätzlich nur Secundus der
„richtige“ Hauptverantwortliche ift, weil regel-
mäßig er es ift, der der Tat den Stempel feiner |
entſchieden, daß hier unter gar keinen Umſtänden
Perſönlichkeit aufgedrückt hat.?) Nur da verhält
es ſich anders, wo eben nicht ſeine Perſönlichkeit
die für die Tat maßgebende geweſen iſt, er viel⸗
mehr völlig im Banne des Primus tätig wurde,
aljo da, wo labgeſehen von dem Falle, daß er
nicht einmal „gehandelt“ hat — vis absoluta) er
ſchuldlos oder gebunden oder in (vorſatzausſchließender)
Unkenntnis über das, was er anrichtete, war.
In dieſen Fällen kann ſich die primäre Verant—
wortlichkeit (abgeſehen davon, daß in bem legt-
genannten Falle primäre Verantwortlichkeit quoad
6) Hierin liegt der richtige Kern des Dogmas von
der Unterbrechung des Kauſalzuſammenhangs. Man
fühlte inſtinktiv, daß die zwiſchen der Anſtiftungshand—
lung und dem Erfolge ſtehende Entſcheidung des
Angeſtifteten für die Würdigung der Anſtiftungshand—
lung weſentlich fei, überſah aber die innerhalb der Ber:
antwortlichkeit von ſelbſt gegebene Abſtufung und glaubte
mit Bejahung der Kauſalität auch die Verantwort-
lichkeit als Täter bejahen zu müſſen; ſo geriet man auf
den Abweg, daß man die Kauſalität verneinen zu müſſen
glaubte.
Mit der im Text vorgetragenen Auffaſſung deckt
ſich ſachlich die Theorie Franks (Komm. 7. Aufl. III,
2a zu § 1. II zu Abſchn. 3) von der „piychiich ver-
mittelten Kauſalität“. Gegen ſie iſt jedoch geltend zu
machen, daß die Bezeichnung „pſychiſch vermittelte Kau—
ſalität“ zu weit ift; denn pſychiſch vermittelt ift auch
die Tatbegehung durch einen in vorſatzausſchließendem
Irrtum oder in Geiſteskrankheit uſw.
während doch Frank ſelbſt dieſe Fälle nicht hierher
rechnet; ſtatt „pſychiſcher“ Vermittlung ſchlechthin wäre
korrekt etwa von „Vermittlung durch einen Ent—
ſcheidungsakt“ zu ſprechen. Sodann weicht Frank von
dem Texte darin ab, daß er den „Urijah“ charakter der
anſtoßgebenden Handlung leugnet und dieſe nur als
einfache „Bedingung“ des Erfolges bezeichnet. Dieſer
differenzierenden Terminologie bedarf es aber nicht,
wenn man ſich nur deſſen bewußt iſt, daß man auch
bei voller Anerkennung der Urſachqualität der anſtoß—
Handelnden,
77
culpam — Fahrläſſigkeit — in Betracht kommen
kann) überhaupt nicht an ſeine Adreſſe richten;
hier, wo die Handlung gar nicht ſeine ſelbſtändige
Perſönlichkeitsleiſtung iſt, er ſich gar nicht für
die Erfolgsherbeiführung „eingeſetzt“ hat, iſt er
gar nicht derjenige, der primär für das Ge-
ſchehene einzuſtehen hat; hier kann er folglich qua
Perſönlichkeit hinweggedacht und ſein Tun
veranſchaulichungsweiſe mit dem Funktionieren
eines „Werkzeugs“ in der Hand des Primus ver:
glichen werden, ſein Handeln verſchmilzt ohne
weiteres mit dem Handeln des Primus, ſo daß
es hier möglich iſt, nunmehr von Primus zu
ſagen, daß er den Tatbeſtand verwirklicht, alſo
die Tat als (mittelbarer) Täter durch den Se⸗
cundus „ausgeführt“ habe.“) „Mittelbare“ Täter:
ſchaft iſt eben direkte, nicht bloß mittelbare
„Verantwortlichkeit“, denn in dem Handeln
des Primus liegt hier eben der Schwerpunkt des
Vorgangs.
Wo dagegen die Tat des Secundus voller
Ausfluß ſeiner Perſönlichkeit iſt, da ſteht eben er
allein für ſie als Haupttäter ein, und damit iſt
Primus als Hauptverantwortlicher in Betracht
kommen kann oder man von ihm ſagen könnte,
er habe die Tat „durch Secundus ausgeführt“.
Es wäre ein handgreiflicher Fehler, wollte man
lagen: „Secundus ift niht ſtrafbar, alfo ift er
nicht der richtige Adreſſat für die Haftung
als Hauptverantwortungsträger“. Nicht Primus,
Sondern Secundus hat hier primär für die Erfolgs:
herbeiführung einzuſtehen. Fehlt es alſo hier dem
Secundus an irgendwelchen Strafbarkeitsrequiſiten,
ſo ergibt ſich daraus auch die Strafloſigkeit des
Primus (mit Ausnahme der Fälle, wo die Straf:
loſigkeit des Secundus nur eine perſönliche iſt und
ſomit die Beſtrafung des Primus in der Form
der Anſtiftung erfolgen kann).
Daß man ſich in der Verantwortlichkeitsfrage
durch eine etwaige Strafloſigkeit des Secundus
nicht beirren laſſen darf, tritt zur Evidenz in den
Fällen hervor, wo das Verhalten des Secundus
überhaupt nicht die Verwirklichung eines ſtraf—
rechtlichen Tatbeſtands durch ihn ausmacht. Hat
z. B. Primus den Secundus dazu vermocht, eine
eigene Sache zu beſchädigen, ſo kann die direkte
Verantwortlichkeit für den Erfolg unter keinen
Umſtänden von Secundus ab- und auf Primus
übergewälzt werden, wofern nur bei Secundus eine
gebenden Handlung nicht genötigt iſt, dieſe letztere als
täterſchaftliche Handlung aufzufaſſen.
Entſcheidung für die Herbeiführung des Er—
folges vorlag. Hier bedeutet die Feſtſtellung, daß
Secundus ſtrafrechtlich nicht verantwortlich iſt, gewiß
nur, daß er ſich ſelbſt verantwortlich iſt, aber
7) Vorbehaltlich der höchſtperſönlichen Tatbeſtands—
merkmale, die notwendig bei dem Täter ſelbſt vorliegen
müſſen, ſo daß eine Uebertragung von dem Secundus
auf den Primus nicht möglich iſt. Vgl. meine Lehre
vom Verbrechen 234, 408, 416. 421, ſowie Binding.
GerSaal 71, 5 ff.
78
mitnichten, daß Primus der eigentliche Verant⸗
wortungsträger wäre.
Erſt recht erweiſt es ſich als unmöglich, den⸗
jenigen „Täter“ zu nennen, der die vorſätzliche
Tatbeſtandsverwirklichung eines anderen
durch Motivation hervorgerufen hat. Wenn über⸗
haupt, ſo kann er nur als „Anſtifter“ ſtrafbar
ſein. Er iſt nur legitimiert zu bedingter, nicht
zu primärer Verantwortlichkeit.
In ſpezieller Anwendung auf die Abſichtsdelikte
ift darnach der Schluß unvermeidlich, daß, wenn
der den Tatbeſtand eines ſolchen Delikts vorſätzlich
verwirklichende Secundus der geſetzlich erforderten
„Abſicht“ ermangelte, darum keineswegs der mit
ſolcher Abſicht gehandelt habende Primus zum
Haupttäter wird. Denn Secundus iſt ausſchließlich
derjenige, der, als Perſönlichkeit handelnd, für die
Tat primär einſteht und zwar ohne Unterſchied,
ob er die „Abſichten“ des Primus kannte oder
nicht; daß er wegen Fehlens der „Abſicht“ nicht
geſtraft werden kann, entzieht ihm nicht die Legiti⸗
mation dazu, als der „richtige“ Hauptverantwort⸗
liche angeſehen zu werden. Für den Primus er⸗
gibt ſich dann die Strafloſigkeit von ſelbſt daraus,
daß es bei dem Secundus an ſtrafbarer Haupttat
mangelt (da ja das Fehlen der „Abſicht“ kein bloß
individueller „Strafausſchließungsgrund“ iſt).“) 9)
Wie wenig man die an einen Secundus ge—
gerichtete Aufforderung zu doloſem Handeln den
Sätzen über mittelbare Täterſchaft unterſtellen kann,
erhellt namentlich in dem Falle, daß die Auf⸗
forderung erfolglos war. Sicher bedeutet in den
Fällen der echten mittelbaren Täterſchaft ſolch
erfolgloſe Aufforderung ſchon einen Tatverſuch!“
nicht anders wie etwa die Abſendung einer Hüllen-
maſchine einen Tötungsverſuch bedeutet. Das ift
aber augenſcheinlich ganz anders, wo erſt Secundus
ſeine Entſcheidung treffen muß. Werden diejenigen,
die die von Secundus ohne Zueignungsabſicht auf
Veranlaſſung des zueignungsſüchtigen Primus aus—
geführte vorſätzliche Wegnahme einer Sache als
einen Diebſtahl des Primus konſtruieren, geneigt
ſein, die Handlungsweiſe des letzteren als Dieb—
ſtahlsverſuch aufzufaſſen, wo es zur Wegnahme
überhaupt nicht gekommen iſt?
Nunmehr tritt auch der methodiſche Fehler,
der der Lehre von der mittelbaren Täterſchaft
durch doloſes Werkzeug anhaftet, deutlich hervor.
Ihre Frageſtellung iſt von vornherein falſch; ſie
e) Anders Finger, Lehrb. 348 e, der den
Primus als Anſtifter ſtrafen will, aber dabei dem Um-
ſtande nicht gerecht wird, daß auf ſeiten des Secundus
überhaupt keine strafbare Handlung“ vorliegt.
) Für die Fälle, wo die „Abſicht“ nur qualifi—
zierende Bedeutung hat, modifiziert ſich das Geſagte
dahin, daß zwar Strafbarkeit beider beſteht, aber das
Qualifikationsmoment für den Secundus außer Betracht
bleibt, für den Primus dagegen inſoweit Berückſichtigung
heiſcht, als man den § 50 StGB. für anwendbar erachtet.
1) Vgl. v. Liszt, Lehrb. 15. Aufl., 222; Anm. 8
Ziff. 7.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
fragt: Wenn Primus als Veranlaſſer, Secundus
als Ausführender gewirkt haben, welcher von
beiden iſt dann als Haupttäter ſtraf⸗
bar? Und ſie antwortet — folgerichtig, aber eben
nur in der falſchen Grundauffuſſung befangen —:
Wenn Secundus es nicht ift, Jo muß es Primus
ſein! Daß aber einer von beiden als Haupt⸗
täter ſtrafbar fein müſſe, it eine offenſichtliche
petitio principii. Es wird dabei die innere
Bedeutung der nur bedingten Verantwortlichkeit
völlig ignoriert, und die Beſtrafung des Primus
als Haupttäters im Grunde nur negativ, nämlich
damit motiviert, daß der andere nicht als
Haupttäter zu faſſen ſei.
Derſelbe methodiſche Fehler zeigt fih um:
gekehrt auch, wenn man!!) auf Primus abſtellt
und den Satz formuliert: ſoweit er nicht als An:
ſtifter zu faſſen ſei, müſſe er eben Täter ſein.
Wie kann man das behaupten? damit, daß!) im
heutigen Recht das „Erfordernis der Eigenhändig—
keit“ für die Täterſchaft nicht gilt — was natürlich
zutrifft — iſt doch die Theſe nicht bewieſen, denn
bis zu einem gewiſſen Grade gilt dies Erfordernis
eben doch, wie $ 48 zeigt, und die Frage ift eben die,
worin ſich die Begriffe ſcheiden. Wer die Verneinung
der Möglichkeit einer Beſtrafung des Primus ſofort
dahin umdeutet, daß er dann als Täter zu ſtrafen
ſei, verſchiebt das Weſen der Anſtiftungslehre:
als ob eigentlich begrifflich im Sinne des StGB.
alle Veranlaſſer Täter ſeien, und nur aus ihrem
Kreiſe eine gewiſſe Gruppe durch § 48 heraus:
gehoben ſei; als ob der Anſtiftungsparagraph
eine lex specialis wäre, bei deren Fehlen alle
Anſtifter als Täter zu ſtrafen wären. Die Sache
iſt aber doch gerade umgekehrt: Der Anſtiftungs—
paragraph ermöglicht erſt die Beſtrafung von Per—
ſonen, die ohne ihn ſtraflos ſein würden, weil auf
ihnen die Laſt der direkten Verantwortung, wie
ſie das Weſen der Täterſchaft ausmacht, nicht
laſtet; er ermöglicht ſie, indem er neben der direkten
auch eine mittelbare Verantwortlichkeit anerkennt.
Der Täterbegriff iſt dem Anſtifterbegriff gegenüber
nicht der generelle, ſondern der Anſtifterbegriff iſt
ein novum gegenüber jenem.
Offenbar iſt es aber gerade die Strafloſigkeit
beider Beteiligten, die frappiert und die die künſt⸗
lichen Verſuche, den Primus als Haupttäter, den
Secundus als Werkzeug -Gehilfen zu faſſen, in:
ſtinktmäßig hervorgerufen hat. Und doch hat bei
näherem Zuſehen dieſe Strafloſigkeit gar nichts
Verwunderliches. Indem das Geſetz bei den Ab—
ſichtsdelikten neben der vorſätzlichen Tatbeſtands⸗
verwirklichung kumulativ die „Abſicht“ erfordert.
lehnt es eben die Strafbarkeit der ohne dieſe Ab—
ſicht erfolgten Ausführung ebenſoſehr ab, wie die
Strafbarkeit deſſen, der mit ſolcher Abſicht nicht
mehr tut, als daß er einen anderen zu der vor—
11) Wie neuerdings Bin ding im GerSaal 71, 9.
12) Dies Bindings Argument.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
ſätzlichen Ausführung beſtimmt. Und das mit
gutem Grunde: denn dieſer wie jener ſetzen im
Grunde nur Vorbereitungshandlungen für die
ſpätere Abſichtsverwirklichung; und bei dieſer
liegt der Schwerpunkt. Iſt dieſe nicht ſelbſt zum
Tatbeſtand eines Delikts gemacht, wie z. B. das
Gewinnziehen im Falle des § 301, ſo iſt es ſelbſt⸗
verſtändlich, daß erſt recht nicht die Vorbereitungs⸗
handlungen ſtrafbar ſein können. Iſt aber die
Ausführung des Beabſichtigten, wie z. B. im Falle
des $ 242 das Zueignen der Sache nach $ 246,
im Falle des § 307 2 das Morden nach § 211
zum eigenen Delikt vertatbeſtandlicht, ſo iſt nun⸗
mehr für die Beſtrafung des dieſe Abſicht reali⸗
ſierenden Primus die Bahn frei geworden, und
Secundus figuriert, ſoweit er die Abſicht des
Primus bei der Wegnahme der Sache bzw. der
Brandſtiftung kannte, als Gehilfe zur Unter⸗
ſchlagung bzw. zum Morde.
Und damit ift endlich die Vernünftigkeit dieſer
Regelung auch de lege ferenda erwieſen. Es iſt
ja doch nicht die Aufgabe eines Strafgeſetzbuchs,
möglichſt viele Schuldige zur Strecke zu bringen.
Immer werden zahlreiche Handlungen, mögen ſie
auch unzuläſſig ſein, frei von Strafbarkeit bleiben
müſſen, weil fie für ſich allein noch nicht den
Schwerpunkt des unzuläſſigen Verhaltens aus:
machen.
ziehung dadurch, daß es beſtimmte Tatbeſtände
formuliert, ſo, daß die bloße Vorbereitung ihrer
Verwirklichung als ſolche ignoriert wird, d. h. daß
denjenigen, der ſeiner Vorbereitung die Ausführung
folgen läßt, Verantwortung nur sub titulo der
Ausführung, denjenigen aber, der für einen
anderen vorbereitet, alſo die Entſcheidung
Formal erreicht das Geſetz dieſe Grenz: |
79
es das, wie bei den reinen Abſichtsdelikten,) nur
in der Weiſe tut, daß die Realiſation dieſes er⸗
gänzenden Tatbeſtandes y bloß bei Hinzutritt einer
beſtimmten Abſicht für ſtrafwürdig erachtet wird,
ſo liegt darin der deutlichſte Ausdruck dafür, daß
die Tatbeſtandsverwirklichung für fih allein (3. B.
die Wegnahme per se) ebenſoſehr dem Kreiſe der
nicht als ſtrafwürdig empfundenen Vorbereitungs⸗
handlungen für Tatbeſtand X zugewieſen wird,
wie die mit der „Abſicht“ vorgenommenen Vor⸗
bereitungshandlungen für Tatbeſtand X, die nicht
in Erfüllung dieſes ergänzenden Tatbeſtandes y
beſtehen, wie alſo z. B. die Anſtiftung des Se⸗
cundus zur Wegnahme. Sollten ſich hierbei bei
dieſem oder jenem Abſichtsdelikt Unzuträglichkeiten
herausſtellen, ſo würde damit nur bewieſen ſein,
daß die Formulierung des betr. Abſichtsdelikts,
vielleicht eben gerade die Ausgeſtaltung zu einem
ſolchen fehlerhaft war.“) (Schluß folgt.)
Ziviliſtiſche Bemerkungen zum baheriſchen
Vaſſergeſetz von 1907.
Von Landgerichtsrat Dittmann in Nürnberg.
Schluß.)
VI. Eutſchädigungsauſprüche ans Flußkorrektienen.
Unter der Herrſchaft des WGB. beſtand
Streit, inwieweit die Korrektion öffentlicher Flüſſe
über die Tatbeſtandsverwirklichung in die Hände
dieſes anderen gegeben hat, nur die oben erörterte
„bedingte“ Verantwortlichkeit qua Teilnehmer trifft.
Wollte man den „intellektuellen Urheber“
ſchlechthin dem phyſiſchen gleichſtellen, alfo als
Täter ſtrafen, jo verſchöbe man den Verantwort⸗
lichkeitsſchwerpunkt, ignorierte auch die Tatſache,
daß die wahre Täterſchaft ein Ereignis von größerer
Intenſität iſt als die Anſtiftung, die eben bloß
ein Hindrängen auf die Entſcheidung über Erfolgs⸗
herbeiführung, nicht ſelber ſolche Entſcheidung iſt.“)
Gewiß kann nun das Geſetz gewiſſe der Ber:
wirklichung eines Tatbeſtandes x voranlaufende
Tätigkeiten ebenfalls vertatbeſtandlichen, indem es
einen ergänzenden Tatbeſtand y aufſtellt eine der
Zueignung voranlaufende „Wegnahme“ „eine dem
Morde voranlaufende „Brandſtiftung“), aber wenn
1) Die von Binding, GerSaal 71, 1 ff. poſtu⸗
lierte neue Form der Verantwortlichkeit „als Urheber“
wäre m. E. keine glückliche; denn fie verſchleiert gerade
die Weſensverſchiedenheit der Fälle der primären und
der nur bedingten Verantwortlichkeit. Letztere findet in
der Form der „Anſtiftung“, die durchaus nicht, wie
Binding meint, ein „fatales Zwitterweſen“ iſt, ihren
exakten Ausdruck.
|
fehlte.
als
eine Pflicht des Staates oder der ſonſtigen Unter⸗
nehmer erzeugt, die am Waſſer Berechtigten für
die Verluſte zu entſchädigen, die ihnen durch die
Korrektion zugehen. Von den verſchiedenen hier
denkbaren Fällen führte hauptſächlich die Be⸗
ſchädigung von Fiſchwäſſern zu Rechtsſtreitigkeiten.
Das Erkenntnis des Oberappellationsgerichts vom
15. Februar 1866 (Bl. f. RA. 31, 122) hatte
die Anſicht vertreten, daß der Geſetzgeber in den
ö 14) Gemeint find diejenigen, bei denen der Abſicht
nicht bloß qualifizierende Bedeutung zukommt.
15) Bei den obigen Erörterungen iſt „Akzeſſorietät“
der Teilnahme in dem Sinne verſtanden, wie ſie das
geltende Recht ausgeprägt hat = Verantwortlichkeit des
Teilnehmers dadurch bedingt, _ daß die Haupttat vollen
Verbrechenscharakter trägt. Sie bildet den Ausdruck
der Auffaſſung, daß Vorbereitung der Tat eines anderen
dann nicht ſtrafwürdig jei, wenn die Tat des Haupt—
täters ſelber irgendwelcher Strafbarkeitsmerkmale er—
mangle. In dieſer Hinſicht iſt nun freilich eine Reform
möglich und wünſchens wert. (Val. meine Lehre vom
Verbrechen S. 453 ff.). Wird die Bedingung, von der die
Verantwortlichkeit des Teilnehmers abhängig iſt, dahin
umgeſtellt, daß auf ſeiten des Haupttäters nicht mehr
bloße „Tatbeſtandsverwirklichung“ vorzuliegen
braucht, ſo wird für den Primus bei den Abſichts—
delikten die Beſtrafung als Anſtifter da ermöglicht, wo
er die betreffende Abſicht hatte, die dem Haupttäter
(Val. meine Lehre vom Verbrechen S. 460).
80 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
Waſſergeſetzen, die in einer Reihe von Fällen
Entſchädigungsanſprüche erwaͤhnen, die Ent⸗
ſchädigungspflicht vollſtändig geregelt habe und
daß nach ſeiner Abſicht in allen übrigen Fällen
ein Entſchädigungsanſpruch ausgeſchloſſen ſein
ſolle. Das ObLG. brach in der Entſcheidung
vom 11. Juni 1898 (Bd. XVII, 139) mit dieſer
Auffaſſung und erkannte im allgemeinen als
leitenden Grundſatz an, daß der Staat, wenn er
aus Gründen des öffentlichen Wohls in Privat⸗
rechte eingreift, Erſatz zu leiſten verpflichtet ſei.
Dagegen leugnete es, daß die Fiſchereiberechtigten
aus einer Flußkorrektion Entſchädigungsanſprüche
ableiten könnten, weil nur das Waſſer, nicht das
Flußbett Gegenſtand des Fiſchereirechts ſei. Das
Urteil des Ob“ G. vom 6. November 1905
(Sammlung VI 629) räumte dagegen in einem
gegen mehrere Gemeinden, nicht gegen den Staat
gerichteten Rechtsſtreite ein, daß das Fiſchereirecht
auch das Flußbett zum Gegenſtand habe
und erklärte die beklagten Gemeinden für er⸗
ſatzpflichtig, ließ aber wiederum die Frage offen,
ob auch der Staat im gleichen Falle entſchädigungs⸗
pflichtig ſei. Der Entwurf des WG. enthielt
einen Art. 81, wonach abgeſehen von den Fällen
der jetzigen Art. 81 und 82 und abgeſehen von
beſonderen Rechtstiteln eine Entſchädigung für
nachteilige Einwirkungen auf Ufergrundſtücke in-
folge von Flußregulierungen nicht verlangt werden
konnte. Bei der Beratung des Geſetzes im Land⸗
tag (ſ. Ausſchußberatung der Kammer der Ab—
geordneten Beil. Bd. III S. 179, 183, Anh.
S. 28, 32, 98, 96, 217, 218) wurde jener
Art. 81 des Entwurfs geſtrichen und der nun⸗
mehrige Art. 109 eingeſchoben. Durch dieſen iſt
jene Streitfrage wegen des Fiſchereirechts im
Prinzip erledigt und der von dem verewigten
Senatspräſidenten v. Staudinger in Schriften
und Abhandlungen (ſ. beſonders Bl. f. RA. Er⸗
ganz.⸗Bd. 11, 385; 12, 129) für die Jnter-
eſſen der Fiſcherei geführte Kampf ſiegreich be⸗
endet. Im einzelnen kann ſich höchſtens Streit
ergeben, welchen Inhalt ein durch Privileg er-
teiltes Fiſchereirecht hat (RGZ3Z. 54, 260),
ferner welche Bauten unter den Begriff der Re-
gulierungsbauten fallen. RR. v. Lindenfels bemerkte
in ſeinem Referat (Anh. S. 32), daß bloße
Uferſchutz und Dammbauten keine Regulierungs⸗
bauten ſeien. Dem dürfte beizutreten ſein, wenn
auch die Grenzen zwiſchen dieſen Begriffen
fließende ſind.
Dagegen konnten ſich Regierung und Landtag
nicht darüber einigen, unter welchen Voraus—
ſetzungen durch Korrektionen geſchädigte Ufer—
eigentümer Schadensſatz verlangen dürfen (vgl.
die Erklärung des Miniſters des Innern einer—
ſeits, des Kammerausſchuſſes anderſeits Beil.
Bd. III 179, 184 und Sten. Berichte V 730).
Man beſchloß ſchließlich die Austragung der Frage
der Rechtſprechung zu überlaſſen, welche nach
|
|
|
allgemeinen Normen zu entſcheiden hätte. Die
Schädigungen, welche Ufereigentümer durch Fluh:
regulierung erleiden, beſtehen zumeiſt in der
Aenderung des Grundwaſſerſpiegels, wodurch weit⸗
hin Ländereien, die bisher hinreichende Waſſer⸗
verſorgung hatten, trocken gelegt werden; mit⸗
unter wird auch den Mühlen das Mahlwaſſer
entzogen (über deffen Rechtsnatur RGZ. 15,
182). Was nun die hier in Frage kommenden
allgemeinen Rechtsgrundſätze anlangt, ſo iſt eine
auch nur einigermaßen erſchöpfende Behandlung
der vielbeſtrittenen Frage, ob ein Anſpruch auf
Erſatz des durch rechtmäßige Ausübung der Staats⸗
gewalt verurſachten Vermögensſchadens anzuer⸗
kennen fei, an dieſer Stelle ſelbſtverſtändlich nicht
möglich. Es ſcheint mir aber kaum zweifelhaft,
welche Wege die bayeriſche Praxis in dieſem
Punkte betreten wird, ſie ſind vorgezeichnet
durch die RGE. vom 1. Februar 1898 (RG3.
41, 142) und durch die oben zitierten Ent⸗
ſcheidungen des Oberſten Landesgerichts. Dazu
kommt, daß jetzt nicht mehr das Schuldprinzip,
ſondern das Veranlaſſungsprinzip die Geſetzgebung
beherrſcht. Während der Staat unter, der Herr-
ſchaft des gemeinen Rechts dem Kläger entgegen⸗
halten mochte, die regelmäßige Ausübung der
Staatsgewalt ſei niemals ſchuldhaft und begründe
daher keinen Entſchädigungsanſpruch, kann unter
der Herrſchaft des BGB. der auf das Veran⸗
laſſungsprinzip geſtützten Klage mit! jenem Ein⸗
wande nicht mehr entgegengetreten werden. Gerade
die trefflichen Ausführungen, welche die ange—
führte Entſch. des ObLG. in Bd. VI 629 ff.,
(beſonders S. 637) bietet, ſind auf das Beſte
geeignet, auch auf den Staat und nicht bloß wie
in dem dort entſchiedenen Falle auf Bauten öffent⸗
licher Körperſchaften angewendet zu werden.
Uebrigens iſt dieſe Frage keine bloß waſſerrecht⸗
liche inſofern, als gerade die Senkung des Grund:
waſſerſpiegels nicht die bloß am Ufer gelegenen
Grundſtücke ergreift, ſondern auf weite Strecken
landeinwärts wirkt. Bei der geplanten Elektri⸗
ſierung der Staatsbahnen und der hierdurch be-
dingten Regulierung zahlreicher Flußläufe hat
unfere Frage ein recht aktuelles Intereſſe. Viel⸗
leicht wäre es daher angeſichts der Stellung des
Landtags wie der Rechtſprechung das Beſte,
wenn der Geſetzgeber ſich entſchlöſſe, die Sache
entweder in einem Nachtrage zum Waſſergeſetze
oder in dem geplanten Enteignungsgeſetze zu regeln.
Selbſtverſtändlich müßte dann das gerade für
unſeren Fall ſo zweckmäßige Entſchädigungsver⸗
18 des Art. 195 WG. auf dieſen erſtreckt
werden.
=r 2 — — nn
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
Bemerkungen zu dem Entwurfe
einer Kirchengemeindeordnung für Bayern.
Von Dr. A. Durmayer, Regierungsatzeffift in Speyer.
(Schluß.)
Mit alldem iſt aber Art. 12 II des Ent⸗
wurfs noch nicht aufgeklärt.
Wenn in den Motiven S. 261 als ein
außerhalb des Ortskirchenbedürfniſſes gelegener,
aber zuläſſiger Zweck z. B. die charitative
Arbeit angeführt wird, ſo ſtellen ſich die Motive
jedenfalls auf den hier vertretenen Standpunkt,
daß nach bayeriſchem Recht auch künftig wie bisher
Unterricht und Wohltätigkeit nicht zum „Orts⸗
kirchenbedürfnis“ gehören. Hält man dies feſt, ſo
wird der Sinn des Art. 12 II durchaus mißver⸗
ſtändlich. Die freiwilligen Leiſtungen des Art. 75
Ziff. 5 werden dort ausdrücklich als nicht zum
Ortskirchenbedürfnis gehörig bezeichnet, während
ſpricht. Es wird nun in der Folge geſagt werden,
Art. 75 Ziff. 5 meine eben das Ortskirchen—
8
keineswegs Pflichttitel für die Aufbringung des
Bedarfs ſchaffen, ſondern nur auf vorhandene
verweiſen wollen (Meurer 1 S. 180 ff. und
Motive S. 97 ff.). Ich brauche dann nur noch
auf das aufmerkſam zu machen, was Meurer I
S. 282 § 83 jagt: Die „Kirchenverwaltungen
ſind nicht ſelten geneigt, das Kirchenvermögen
teilweiſe für außerkirchliche Zwecke zu verwenden.“
Auch in der Pfalz werden ſchon gegenwärtig
zahlreiche Verſuche gemacht, charitative und andere
Unternehmungen der Kirchengemeinde anzugliedern,
durch Schuldaufnahme und Erhebung von
Zwangsumlagen, und das trotz des beſtimmten
Wortlauts des Fabrikdekrets vom 30. Dezember
1809 Art. 37, 92, 99, und des Geſ. betr. das
Umlageweſen im Rheinkreiſe vom 17. November
1837 Art. 5.
Danach würde ſich dann als Reſultat er⸗
geben, daß auch in der Auslegung des Art. 75
Ziff. 5, der jetzt in den Motiven noch ziemlich
Art. 12 Abſ. II von einem „Ortskirchenbedürfnis“
bedürfnis des Art. 12 Abſ. II und in Art.
12 Abſ. II ſei die ausdrückliche Zulaſſung der
freiwilligen Leiſtungen des Art. 75 Ziff. 5 ge-
geben. Und gewiß, betrachtet man Art. 12 Abſ. II
im Zufammenhang mit Abſ. I und im Vergleich
zu Art. 3 der Gemeindeordnungen, aber ohne
Art. 75 Ziff. 5, ſo muß man die Faſſung:
beſondere Rechtsverhaͤltniſſe und geſetzmäßige Be⸗
ſchlüſſe dahin auslegen, daß hier freiwillige
Leiſtungen, z. B. charitative Leiſtungen, gemeint
ſeien, und ſo zum Ortskirchenbedürfnis
erklärt werden.
Die Faſſung: „Geſetzmäßige Beſchlüſſe“
ſcheint ſich zwar ganz mit unſerer Auffaſſung zu
decken, daß der Kirchengemeinde nur das erlaubt
ift, was ihr ausdrücklich zugeſtanden ift. „Geſetz—
maͤßig“ iſt eben ein Beſchluß nur dann, wenn er
fih auf geſetzliche Erlaubnis ſtützen kann. Eine
ſolche Erlaubnis außerhalb des Rahmens von
Art. 12 Abſ. I findet fih aber für die Kirchen—
gemeinde nirgends. Die Aufzählung von Art. 12 I
wird ausdrücklich als erſchöpfend bezeichnet.
Danach wäre Art. 12 Abſ. II inſoweit über⸗
haupt gegenſtandslos. Die Folge wird aber,
wie eben ſchon angedeutet, trotz Art. 75 Ziff. 5
und trotz Il. Verf Beil. § 47 die fein, daß man
in den Worten: „beſondere Rechtsverhältniſſe und
geſetzmäßige Beſchlüſſe“ ſelbſt die Zulaſſung
zu jeglichem ſieht, wie man auch Art. 35
der GemO. — dieſe aber mit Recht im Zu—
ſammenhang mit Art. 1 GemO. — auslegt.
Auf dieſem Wege wird für die Kirchengemeinde
ein umfaſſender Wirkungskreis geſchaffen. Ich
verweiſe in dieſer Richtung auf das Umlagengeſetz
von 1819, bei dem eine analoge Auslegung
Platz gegriffen hat: Das Geſetz von 1819 hat
einſchränkend gedeutet wird, eine vollſtändige Ufer⸗
loſigkeit Platz greifen würde. Denn wenn Art. 12 II
zum Ortskirchenbedürfnis jede Verbindlichkeit auf
Grund geſetzmäßigen Beſchluſſes ſtempelt, d. h.
alles, was nicht mit andern Geſetzen in Wider⸗
ſpruch ſteht, als zuläſſig erklärt, ſo könnte Art. 75
ſelbſtverſtändlich nicht enger ausgelegt werden. Es
bliebe dann lediglich die ſekundäre und als aus—
ſchließliches Verwaltungsermeſſen (Gegen:
ſatz oben: richterliches Ermeſſen) zu betrachtende
Frage, ob im einzelnen Fall ein ſolcher Aus—
gabenbeſchluß der Kirchenverwaltung die Ge—
nehmigung der Kuratelbehörde finden würde Art. 75
Art. 23).
Eine ſolche Auslegung von Art. 75 Ziff. 5
mit Art. 12 II müßte ich gerade von meinem
Standpunkt aus als durchaus berechtigt erachten;
denn wenn ich einerſeits ſage, mit den Aufgaben
der Kirchengemeinde iſt an ſich nichts vereinbar,
was nicht in ihren engbegrenzten Lebenszweck
einſchlägt, ſo muß ich anderſeits ſagen: Es
kann alles mit ihrer Aufgabe vereinbar ge—
macht werden, wenn es ihr übertragen oder ge—
ſtattet wird. Und das letztere wäre eben durch
Art. 12 11 geſchehen.
Unklar iſt endlich noch die Stellung des
Art. 9 Abſ. VI zu Art. 12 II und Art. 75
Ziff. 5. Gerade die Uebernahme einer Haftung
kann das Mittel ſein, etwas zum Ortskirchenbe—
dürfnis zu erklären oder eine freiwillige Leiſtung
außerhalb des Kreiſes der Ortskirchenbedürfniſſe
zu machen. Die Abſicht iſt wohl die, daß ſolche
Haftungsübernahmen zuläſſig ſeien. Uebrigens,
was meint Art. 9 IV, wenn er von einer der
Kirchengemeinde „ſremden“ Verbindlichkeit ſpricht?
zweckfremde? alſo derart, wie ſie die gegenwärtige
Abhandlung beſpricht? oder fremde im Gegenſatz
zu eigenen, alſo die Verbindlichkeiten dritter Rechts—
ſubjekte? Es iſt wohl das letztere gedacht. Dann
aber iſt das Beiſpiel der Motive S. 90 ganz unglück—
lich gewählt: „Die Kirchengemeinde darf nicht Mit⸗
glied einer Genoſſenſchaft werden“. Darin beſteht
ja gerade das Weſen der Genoſſenſchaft im Gegenſatz
zu dem der juriſtiſchen Perſon, daß ihre Mitglieder
für eigene Schulden haften; die Genoſſenſchafts⸗
ſchulden ſind eben Schulden der Mitglieder. Viel⸗
mehr ergibt ſich das Verbot, einer Genoſſenſchaft
beizutreten, aus der Zweckbeſchränkung der
Kirchengemeinde.
Ich reſumiere: Soll — vorhehaltlich der
88 47 ff. der. II. Verf Beil. — der Kirchengemeinde
das Recht zugeſtanden werden, Aufgaben zu über⸗
nehmen und Leiſtungen über das Ortskirchenbe—
dürfnis, ſo wie wir ſeinen Begriff feſtgeſtellt haben,
hinaus zu machen — und hierher gehören nach
Staatsrecht auch die charitativen — ſo hat
dies ausdrücklich unter namentlicher Aufzählung
der Zwecke zu geſchehen. Gleichzeitig ift Vorſorge
zu treffen, daß nicht etwa über dieſen Rahmen
hinaus die Kirchengemeinde für Verbindlichkeiten
der Kirchenſtiftung haftet.
Sft es nun angezeigt, der Kirchenge—
meinde eine ſolche Ausdehnung ihrer Lebensauf—
gabe zuzugeſtehen? Wenn wir wiederum ausgehen
von der Aufſtellung der Motive, daß der Entwurf
auf einem konſervativen Standpunkt ſtehe, ſo
lautet die Antwort: Nein. Keiner einzigen öffent:
lichen Korporation mit Ausnahme der Gemeinden
wird ein umfaſſender Wirkungskreis vom Staate
zugeſtanden. Erweiterungen der Lebensaufgabe
finden ſich zwar (3. B. Verſicherungsanſtalten,
Innungen), aber nur im allerengſten Zu—
ſammenhang mit dem Hauptzwecke der Korporation.
Auch hier muß wieder darauf hingewieſen werden,
daß ebenſo eng, wie die Befugniſſe der Kirchen—
gemeinde gegenüber der Kirche beſchränkt ſind,
ſie auch dem Staat gegenüber in ihren naturge—
mäßen Grenzen gehalten werden müſſen. Es iſt
wohl auch nicht überflüſſig. darauf aufmerkſam
zu machen, daß, wenn der Kirchengemeinde ein ſo
umfaſſender Wirkungskreis zugewieſen werden ſoll,
dann ebenſo wie bei den politiſchen Gemeinden
als Vorausſetzung für die Zugehörigkeit zum
Kirchengemeindeverband die Staatsangehörig—
keit verlangt werden müßte. Das will aber
weder der Entwurf (Art. 4), noch war es bisher
rechtens (Meurer 1 S. 32, 84).
Aber auch politiſch iſt die Erweiterung des
kirchengemeindlichen Wirkungskreiſes nicht unbe—
denklich. Die Motive S. 246 ſagen ſelbſt: „Die
Kirche hat ebenſo wie der Staat an der mög—
lichſten Erhaltung und Verwendung des orts—
kirchlichen Stiftungsvermögens und an der tun—
lichſten Vermeidung oder Beſchränkung der
Zwangsumlagen für kirchliche Zwecke auf das
82 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
wirklich notwendige Maß das größte Inter— |
eſſe. Jede Ueberſchreitung dieſes Maßes birgt
die Gefahr in ſich, daß ſich mit Oppoſition,
Widerwillen und tatſächlicher
[j
1
|
— —
ergeben können.“ Wenn Kleinkinderſchulen, Näh⸗
ſchulen, Junggeſellenheime, Arbeiterinnen:, Greiſen⸗
Heime, Geſellenhäuſer, Krankenhäuſer auf dem
Grunde chriſtlicher Charitas erſtehen ſollen, ſo
mögen fie dies als ſelbſtändige Rechtsſub⸗
jekte privatrechtlichen Charakters, als ſelbſt⸗
ſtändige Stiftungen. Und Förderung der Dent-
malspflege und chriſtlicher Kunſt ſind gewiß ſehr
löbliche Zwecke, aber mit der Kultusausübung
haben ſie nichts zu tun. Es iſt etwas anderes,
ob ſolche Unternehmungen von privatrechtlichen
Vereinen und Stiftungen auf Grundlage der
Freiwilligkeit durchgeführt werden oder ob Zwangs⸗
mitgliedſchaft und Zwangsumlagenrecht, alſo
überhaupt ſtaatlicher Zwang zu ihrer Verwirk⸗
lichung herangezogen wird. Was im erſten Fall
allgemeine Zuſtimmung findet, begegnet im leg-
teren ernſtlichem Widerſpruch. Daß alle dieſe
Dinge eine erhebliche Belaſtung der Kirchenge—
meinde mit ſich bringen können, iſt niemandem
zweifelhaft. Auch bringen derartige Unter—
nehmungen Immobilien- und Geldgeſchäfte mit
ſich, zu deren Abwicklung es den Mitgliedern der
Kirchenverwaltungen an Geſchäftskenntnis durd-
ſchnittlich fehlt; und wenn wirklich das eine oder
andere Mitglied hierin erfahren iſt, ſo werden
ſich die übrigen nur allzu leicht einem gefährlichen
Vertrauen hingeben und ſich in die bedenklichſten
Aktionen einlaſſen. Dieſe Gefahren können auch
nicht mit dem Worte: „Staatsaufſicht“ gebannt
werden. Die beſte Staatsaufſicht nützt nichts,
wenn das, was beaufſichtigt werden foll, ſchwan—
kend iſt. Hier muß der Hebel angeſetzt werden.
Es müſſen die Gefahren von vornherein
unmöglich gemacht werden. Das iſt ja der
wichtigſte Gedanke der Selbſtverwaltungsorgani—
ſation, daß der Staat diejenigen Organismen.
die er mit der Durchführung ſeiner Intereſſen
betraut, auch für ihre Aufgaben möglichſt
leiſtungsfähig geſtaltet. Es genügt, wenn ich zur
Illuſtration die pfälziſchen Diſtriktsſparkaſſen
nenne, deren einzelne in der jüngſten Zeit un—
liebſame Störungen zu verzeichnen hatten. Auch
da die Verkoppelung zweier Dinge, die nichts
miteinander zu tun haben: ein Bankinſtitut mit
Einlagen bis zu ſieben Millionen auf der einen
und ein Stück allgemeiner öffentlicher Verwaltung,
teils unmittelbare Staats-, teils Selbſtverwaltung
auf der andern Seite. Auch hier Aufſicht, nicht
bloß Staatsaufſicht über einen Selbſtverwaltungs—
körper, ſondern unmittelbare Leitung durch den
Bezirksamtsvorſtand; und der Erfolg? der, der
naturgemäß ſich ergeben wird, wenn einer Ver—
waltung etwas zugemutet wird, was ſie mit
beſtem Willen nicht überſchauen kann. — Der
Staat, nicht bloß die Kirche, hat ein dringendes
Intereſſe daran, ſolche Organiſationsfehler bei
den Kirchengemeinden zu vermeiden, damit nicht
Ueberbürdung | durch ſie die Gefahr, zur Umlagenerhebung zwecks
lähmende Einwirkungen auf das kirchliche Leben Deckung eines entſtandenen Schadens greifen zu
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
müſſen, hervorgerufen werde, wie ſie in dem Falle
jener pfälziſchen Sparkaſſen wirklich ſehr nahe ge⸗
rückt war.
Dazu kommt noch die Erwägung, daß der
Staat es bisher immer vermieden hat, ein und
dasſelbe öffentliche Intereſſe mehreren öffentlichen
Korporationen als Aufgabe zuzuweiſen. So ſind
hinſichtlich der Armenfürſorge z. B. die Aufgaben
der politiſchen Gemeinden, der Diſtrikts⸗ und Kreis⸗
gemeinden ſorgfältig ausgeſchieden; in der Kirchen⸗
gemeinde aber fol ein öffentlichrechtlicher Verband
ohne ausgeſchiedenes Arbeitsgebiet geſchaffen werden;
eine derartige Verzettelung der Kräfte und gegen⸗
ſeitige Konkurrenzierung ift mit privatrecht⸗
licher Freiheit wohl vereinbar, dort ſogar förder—
lich, verträgt ſich aber nicht mit Zwangsumlagen
des öffentlichen Rechts. Die ſtaatliche Herrſchaft
darf, eben wegen des hierbei zur Anwendung ge—
brachten Zwanges, nur einheitlich und ſyſtematiſch
geübt werden.
Nicht ſelten werden auch mit charitativen
Unternehmungen der Glaubensgeſellſchaften andere
verbun den, wie der Betrieb von Wirtſchaften und
von Theatern, der Verlag von Zeitungen und
Zeitſchriften 2c.; auch wenn ſolche Dinge auf
Grund des Art. 75 Ziff. 5 als unvereinbar mit
der Aufgabe der Kirchengemeinde erklärt werden:
was ift überhaupt caritas und was nicht? Wie
fol fich die praktiſche Durchführung geſtalten, wenn
einer Kirchengemeinde ein Vermächtnis zugewendet
wird mit Auflagen teils charitativer, teils ſolcher
Art? wie, wenn charitative und andere Unter—
nehmungen unter einem Dache untergebracht ſind?
wie, wenn die Kirchengemeinde eine zum Teil
zweifellos charitative Unternehmung ſubventioniert,
dieſe letztere aber ſich auch mit entgegengeſetzten,
z. B. politiſchen Geſchäften befaßt? wann gehört
ein Theaterunternehmen zu den charitativen, wann
zu andern Unternehmungen? Und ſelbſt wenn im
einzelnen Fall die Genehmigung nach Art. 75
Ziff. 5 verſagt wird, ſo bleibt noch die Gefahr
der Haftung der Kirchenverwaltungsmitglieder für
die ohne Befugnis eingegangenen Verpflichtungen.
Im Zuſammenhang damit droht die Not:
wendigkeit, disziplinär gegen die Kirchenverwal—
tungsmitglieder vorgehen zu müſſen, alles Dinge,
die im Intereſſe der Wahrung der öffentlichen
Autorität hintangehalten werden ſollen. Nicht
ſelten auch wird die Scheidung zwiſchen erlaubten
und unerlaubten Nebenbetätigungen dazu führen,
daß zur Maskierung von Geſchäften, die die
Kirchengemeinde zu betreiben wünſcht, aber vor-
ausſichtlich nicht genehmigt erhielte, Rechtsge—
ſchäfte vorgenommen werden, die in ihrer ganzen
Anlage wegen der abſichtlichen Undurchſichtigkeit
ihres Inhalts den Keim zu Unzuträglichkeiten in
ſich tragen. Auch ſolche Rechtsgeſchäfte werden in
Frage kommen, die zunächſt und anſcheinend der
Kirchengemeinde überhaupt keine Verpflichtungen
auferlegen.
83
Um ſo weniger aber könnte die fragliche Rechts⸗
geſtaltung gerade heute gutgeheißen werden, wo
die geſchichtlich gewordene Stellung des Staates
zu den Kirchen von vielen Seiten Angriffe erfährt
und die gänzliche Beſeitigung des öffentlichrecht⸗
lichen Charakters der Verſorgung der Kultusbe⸗
dürfniſſe angeſtrebt wird. Es müßte den Kirchen⸗
geſellſchaften, ſoweit ſie die öffentlichrechtliche
Stellung der religiöſen Intereſſen im Staate auf⸗
recht zu erhalten wünſchen, ſelbſt angenehm ſein,
wenn eine Rechtsentwicklung vermieden würde, die
die Trennung der „Ehe“ von Staat und Kirche
nur beſchleunigen könnte. Die Kirchengeſellſchaften
müſſen ſich gegenwärtig halten, daß die Heraus-
hebung der religiöſen Zwecke zu Gegenſtänden des
öffentlichen Intereſſes, die mit ſtaatlicher Zwangs⸗
gewalt zur Verwirklichung gebracht werden, eine
Einſchränkung der Bewegungsfreiheit derjenigen
Körperſchaften mit ſich bringt, die ſich eben die
Befriedigung des Kultusbedürfniſſes zur Aufgabe
gemacht haben. Das kann um ſo weniger irgend
welchen Widerſpruch erfahren, als die Glaubens-
geſellſchaften als ſolche, wie erwähnt, keines⸗
wegs gehindert ſind, noch andere Intereſſen zu
verfolgen; und die charitative Betätigung im
ſpeziellen genießt im Staatsrecht ſogar noch be—
fondere Begünſtigungen — VerflUrk. Tit. IV 88 9,
10, II. Beil. 8 46, zu vgl. ferner die Steuergeſetze,
Art. 5 Abſ. IV des Entwurfs des KGO.; der
öfters erhobene Einwand, daß auf dem Privat—
rechtswege die dauernde Sicherung des urſprüng—
lichen Zweckes ſolcher Unternehmungen nicht ge—
nügend erzielt werden könne, iſt nicht ſtichhaltig
(vgl. die eben zit. Vorſchriften).
Mitteilungen aus der Praxis.
Zu Art. 105 des Polizeiſtrafgeſetzbuches. Auf
Seite 15 des laufenden Jahrgangs dieſer Zeitſchrift
wird zu beweiſen verſucht, daß nach Art. 105 des
PStG. der Erlaß eines Strafbefehls zuläſſig fei,
wenn von der Baupolizeibehörde auf die Beſeitigungs—
befugnis verzichtet wird. Dieſes Verfahren wäre in
manchen Fällen zwar ſehr wünſchenswert, weil es zur
Geſchäftsvereinfachung beitragen würde, iſt aber ge—
ſetzlich nicht zuläſſig. Der Art. 105 a. a. O. hat den
Charakter einer Nebenſtrafe und eines Ergänzungs—
geſetzes zu den § 367 Ziff. 13—15 und § 368 Ziff. 3
und 4 des StGB.; fein Inhalt ift ein Gebot und
lautet: „— hat der Richter im Strafurteil auszu—
ſprechen, daß“. Dieſe Ausdrucksweiſe iſt keine will—
kürliche, ſondern eine zielbewußte. Das Polizeiſtraf—
geſetzbuch unterſcheidet nämlich bei ſeinen Normen
über Nebenſtrafen ſehr genau und folgerichtig, ob die
Zuerkennung einer Nebenſtrafe Sache der richterlichen
Pflicht oder des richterlichen Ermeſſens iſt.
Im erſteren Falle bedient ſich das Geſetz des Aus—
drucks „hat zu erkennen“ wie in Art. 73 Abſ. 3,
130 Abſ. 4 oder der Worte „iſt auszuſprechen“, wie
in Art. 75 Abſ. 3, 130 Abſ. 3, während im anderen
84 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
Fall die Ausdrucksweiſe „kann“ lautet z. B. in den
Art. 18, 39, 54 Abi. 2, 61 Abſ. 3, 70 Abſ. 3 und 81
Abſ. 2. Daraus ergibt fih, daß in Art. 105 a. a. O.
die Nebenſtrafe weder vom Belieben des Richters,
noch von einem Antrag des Amtsanwalts abhängt.
Der Richter muß darauf erkennen, mag die Bau⸗
polizeibehörde daran ein Intereſſe haben oder nicht.
Dann aber iſt und bleibt der Weg des Strafbefehls
nach § 447 StPO. für den Richter ungangbar. Da-
mit ſtimmt überein die Entſcheidung des Oberlandes-
gerichts München vom 25. Januar 1884 (Bd. III
S. 15 und MAPI. 1884 S. 250). Das Urteil des⸗
ſelben Gerichtshofs vom 22. Auguſt 1884 (Bd. III
S. 199) kann nicht als Beleg für die gegenteilige
Anſchauung dienen, weil es ſich dort nur darum
handelte, ob auf die Befugnis des Art. 105 nach⸗
träglich durch Urteil erkannt werden kann, die
Frage aber, ob in vorliegenden Fällen auch durch
Strafbefehl vorgegangen werden kann, vom Reviſions⸗
gericht einer Prüfung gar nicht unterzogen wurde
und zwar wohl deswegen, weil das vorausgegangene
Verfahren bereits rechtskräftig erledigt war.
Es ſpricht alſo weder der Wortlaut des Art. 105,
noch die Praxis für die Anſchauung des Herrn Ber-
faſſers des eingangs erwähnten Artikels. (Vgl. auch
Schmitt, Polizeiſtrafgeſetzbuch, 4. Aufl. S. 85). Eine
Reviſion lediglich des Art. 105 dürfte aber noch nicht
die gewünſchte Abhilfe bringen, weil immerhin noch
8 447 StPO. im Wege ſtünde und alſo zunächſt, oder
wenigſtens gleichzeitig, deſſen Erweiterung auf alle
Nebenſtrafen polizeilicher Art zu geſchehen hätte.
Amtsrichter Pramberger in Eichſtätt.
Unfall beim Holzſchneiden mit einer Kreisſäge;
Haftung des Sägewerkbeſitzers nach § 823 Abſ. 1 und 2,
5 662 BGB. Die unter dieſem Titel in Nr. 15:16
des 3. Jahrgangs dieſer Zeitſchrift S. 333 mitgeteilte
Entſcheidung des OLG. Zweibrücken geht meines
Erachtens bei Anwendung der bezeichneten Geſetzes—
beſtimmungen durchweg fehl.
Der Kläger, ein Holzhändler und Wirt, der ſchon
wiederholt im Dampfſägewerk des Beklagten Holz
ſchneiden ließ und ihm hierbei durch Hinreichen des
Holzes behilflich war, übernahm bei einer momentanen
Verhinderung des Beklagten und auf deſſen aus—
drücklichen Wunſch vorübergehend ſelbſt die Bedienung
der Kreisſäge und erlitt hierbei einen Unfall. Die auf
Verletzung des § 823 Abſ. 1 und 2 BGB. geſtützte
Klage und die Berufung wurden zurückgewieſen, da
nach der Anſchauung des Gerichts dem Beklagten ein
Verſchulden nicht zur Laſt fiel, und ſomit weder die
Vorausſetzungen des § 823 J. e., noch auch bei An—
nahme eines Auftrags gemäß § 662 J. c. hiernach die
Vorausſetzungen einer Haftpflicht gegeben waren.
Dieſe Entſcheidung iſt in dem Endergebnis der
Klagsabweiſung wohl richtig, beruht aber auf un—
richtigen Erwägungen. Der Kläger, der den Be—
klagten mit Wiſſen und Willen beim Sägebetrieb
durch Hinreichen von Holz bediente und auf beſon—
deres Erſuchen vorübergehend das Holzabſchneiden
ſelbſt übernahm, ift vorübergehend als Ar
beiter im Betriebe des Beklagten zu be—
trachten. War der Kläger auch nicht als Arbeiter
angeſtellt, ſo war doch tatſächlich ſeine Tätigkeit
im Betriebe des Beklagten (Hinreichen von Holz
und aushilfsweiſe Vertretung beim Holzſchneiden)
nur diejenige eines Arbeiters, und erſetzte die
Arbeitsleiſtung eines ſolchen. Dieſe Tatſache allein
genügt zur Annahme eines verſicherungspflichtigen
Arbeitsverhältniſſes, denn ein förmliches Dienſtver⸗
hältnis oder eine beſtimmte Lohnzuſage iſt nach den
die Unfallverſicherungsgeſetze beherrſchenden Grund-
ſätzen nicht erforderlich. Der Kläger war übrigens auch
nicht ohne Veranlaſſung und unberufen in dem Be⸗
triebe des Beklagten tätig, ſondern mit deſſen Wiſſen
und Willen, teilweiſe fogar auf beſonderes Erſuchen.
Die Entſchädigung des Klägers für ſeine Arbeit kam
ohne Zweifel im Preis für das Holzſägen zum Aus:
druck, der ſich höher berechnen müßte, wenn der Kläger
hierbei nicht behilflich wäre. In derartigen Fällen hat
das Landesverſicherungsamt ſtets ein Arbeits ver-
hältnis im fremden Betriebe angenommen, wenn dies
nur immer, — was hier beim Berufe des Klägers
als Holzhändler und Wirt wohl außer Zweifel ſteht
— mit den geſamten wirtſchaftlichen Verhältniſſen
und der ſozialen Stellung des Beſchäftigten ver⸗
einbar iſt.
So hat eine Entſcheidung des Landesverſicherungs⸗
amtes — Mitteilungen Jahrg. 18 Nr. 1071 S. 85 —
bei einem ſonſt ſelbſtändigen Gütler, der bei der Aug:
hebung von Wurzelſtöcken verunglückte, die er im
Staatswald zur Selbſtgewinnung gekauft hatte, die
betreffende Ausführungsbehörde für die Staatsforſt⸗
betriebe für entſchädigungspflichtig erklärt, da dieſer
Gütler, wenn auch nicht als Arbeiter eingeſtellt, doch
tatſächlich im Staatsforſtbetrieb die Tätigkeit eines
Arbeiters entfaltet habe, deſſen Entlohnung im Preiſe
des Stockholzes zum Ausdruck kam.
Der gegenwärtige Fall iſt ähnlich gelagert. Daß
für die Arbeit kein beſonderer Lohn bezahlt wurde,
und daß die Grundlage der Arbeitsleiſtung hier wie
dort nicht ein Arbeitsvertrag, ſondern ein mitkon—
kurrierendes eigenes Intereſſe iſt, ändert nach der
erwähnten Rechtſprechung an der Sache nichts. In
beiden Fällen mag der Verletzte zwar vorwiegend
ſein eigenes Intereſſe verfolgt haben, das Intereſſe
an feiner Tätigkeit war aber immerhin ein beider:
ſeitiges, und es bewirkten ſeine Leiſtungen gleichzeitig
die „Förderung der Intereſſen des Betriebsinhabers“,
was das Reichsverſicherungsamt als Begriffsmerkmal
für die Vorausſetzung eines Anſpruchs auf Grund
der Uufallverſicherungsgeſetze erklärte.
In Fällen obiger Art ift alfo ein verſicherungs—
pflichtiges Arbeitsverhältnis im fremdem Betriebe an=
zunehmen, und die Berufsgenoſſenſchaft ift ent-
ſchädigungspflichtig, welcher der Betrieb angehört,
in dem der Unfall erfolgte. In Verfolgung dieſes
Grundſatzes wurde auch in einer weiteren Entſcheidung
des LVA. vom 14. Dezember 1905 (Mitteilungen
Jahrg. 18 Nr. 1074) die bayeriſche Holzinduſtrie⸗
Berufsgenoſſenſchaft für einen Unfall als entſchädi—
gungspflichtig erachtet, den ein Landwirt beim Auf—
laden eines Stammes für eine Sägewerksfirma
erlitten hatte.
Liegt ſonach hier ein Betriebsunfall im Sinne des
Gewerbeunfallverſicherungsgeſetzes vor, dann iſt der
erhobene Anſpruch nach 8 135 GewuVG. gegen
den Beklagten als Betriebsunter nehmer
ausgeſchloſſen, und zwar ſelbſt dann, wenn der
Verletzte einen Anſpruch auf Rente nicht hat. § 135
Gewll VO. bezweckt gerade, alle Streitigkeiten zwiſchen
Arbeitgebern und Arbeitern über Entſchädigungs.
anſprüche aus Veranlaſſung eines Unfalls aufzuheben.
— —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
Es ift alfo — abgeſeben von dem hier nicht ges
gebenen Falle der Vorſätzlichkeit — nicht einmal
bei einem Verſchulden des Betriebsunter—
nehmers eine Haftung begründet. Da hier ein ge—
werblicher Unfall in Frage ſteht, iſt ſogar, abweichend
85
Rechts erwirbt. Es kann hiernach keinem Zweifel
unterliegen, daß die Dividenden und Gewinnanteile,
welche auf die zum Nachlaß gehörigen Aktien und
vom Landwu VG. § 146, auch jeder Anſpruch für
die erſten 13 Wochen, für welche eine Unfallrente
überhaupt nicht gewährt wird, ausgeſchloſſen, denn
das Gewu VG. kennt eine dem § 146° J. c. entſprechende
Beſtimmung nicht. Einer Klage gegen den Betriebs:
unternehmer fehlt daher von vornherein jeglicher
Boden. Ein Anſpruch gegen den Betriebsunternehmer
könnte bei gewerblichen Betriebsunfällen lediglich nach
8 12 Gew G., aber auch nur auf die in § 121 J. e.
und in 858 6, 7 KrVerſG. beſtimmten Leiſtungen in
Frage kommen, dieſe Anſprüche wären aber nicht im
ordentlichen Rechtswege bei den Zivilgerichten, ſondern
gemäß § 14 GewU VG. und § 58 KrVerſG. bei der Muf-
ſichtsbehörde zu verfolgen.
Dr. Michel, rechtsk. Bürgermeiſter in Landsberg a. L.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
rewe der Rechte des Vererben gegenüber den
Rechten des Nacherben in Auſehnnug der Nutzungen
Genußſcheine auf die Zeit bis zum Todestage des
Erblaſſers entfallen, als zu dieſer Erbſchaft gehörig
anzuſehen ſind. Auch wenn man der Reviſion darin
folgen will, daß der Erblaſſer zur Zeit ſeines Todes
den Anſpruch auf Auszahlung dieſer Dividenden und
Gewinnanteile noch nicht erworben hatte, weil der zu
verteilende Reingewinn noch nicht durch General:
verſammlungsbeſchluß feſtgeſtellt war, daß ihm damals
vielmehr nur der Anſpruch auf Feſtſetzung zugeſtanden
habe, ſo beſaß er doch das Recht als Mitglied der
Aktiengeſellſchaft und auf Grund dieſes Rechts ſind
die Dividenden und Gewinnanteile gewährt worden.
[Dividenden und Gewinnanteile). (55 2111, 101 BGB.).
Der Vater des Klägers hat in ſeinem Teſtamente
ſeine Ehefrau und ſeine Söhne als Erben eingeſetzt
und als Teſtamentsvollſtrecker die Beklagten ernannt,
welchen er die Verwaltung ſeines geſamten Nachlaſſes
und die Verfügung hierüber unter Ausſchluß der Erben
übertragen hat. Er hat beſtimmt, daß die Söhne das
durch den Tod des Erblaſſers ihnen zufallende Ver—
mögen dem Stamme nach ihren ehelichen Abkömm—
lingen zu hinterlaſſen haben. Ferner iſt verordnet,
daß die Teſtamentsvollſtrecker die nach ihrem Ermeſſen
verfügbaren Erträgniſſe des Nachlaß vermögens viertel-
jährlich an den gewöhnlichen Quartalsterminen unter
die Erben nach Verhältnis deren Erbteils und An—
ſpruchs an den Erträgniſſen zu verteilen haben. Zu
dem Nachlaß gehören u. a. 1513 Aktien der E. Werke
über je 1000 M und 3445 Genußſcheine dieſer Gefell-
ſchaft. Für das mit dem bürgerlichen Jahre überein—
ſtimmende Geſchäftsjahr 1904 ift in der Generalver—
ſammlung dieſer Aktiengeſellſchaft vom 27. April 1905
eine Dividende von 11% für die Aktien und von je
30 M für die Genußſcheine feſtgeſetzt.
ſchäftsjahr 1905 find durch Generalverſammlungs—
beſchluß im Jahre 1906 auf die Aktien je 120 M
Dividende, auf die Genußſcheine je 35 M verteilt. Der
Der auf Grund eines zur Erbſchaft gehörenden Rechts
gemachte Erwerb braucht aber gemäß § 2111 BGB.
nicht an den Nacherben herausgegeben zu werden,
wenn der Erwerb dem Vorerben als Nutzung gebührt.
Es kommt deshalb für die Frage, ob der Kläger die
Verteilung des auf die Dividenden und Genußſcheine bis
zum Todestage des Erblaſſers entfallenen Betrages ver-
langen kann, darauf an, ob es fi um eine dem Bor-
erben gebührende Nutzung handelt. Dem Vorerben
gebühren aber ähnlich wie dem Nießbraucher die
Nutzungen (Früchte und Gebrauchsvorteile) nur für
eine beſtimmte Zeit, für die Zeit vom Erbfall bis zur
Beendigung des Vorerbenrechts. Es gewinnen des—
halb die Grundſätze über die Verteilung der Früchte
zwiſchen dem Eigentümer und dem Nießbraucher oder
zwiſchen mehreren zeitlich aufeinander folgenden
Nutzungsberechtigten, wie fie in $ 101 BGB. gegeben
ſind, auch hier Anwendung zur Begrenzung des Rechts
des Vorerben gegenüber dem Nacherben. Wenn auch
die Früchte, die der Vorerbe von der Zeit des Erb—
falls an bezieht, und die in die frühere Zeit fallenden
Früchte gleichmäßig dem Vorerben zufallen, ſo gehören
Für das Ge⸗
t
Kläger verlangt von dieſen Erträgniſſen, ſoweit fie
auf die Zeit bis zum Tode des Erblaſſers entfallen,
den ſeinem Erbteil entſprechenden Teil. Die Beklagten
B Abweiſung der Klage unter der Ausführung
eantragt, daß die aus der Zeit vor dem Tode des
Erblaſſers herrührenden Erträge nicht verteilungs—
fähig ſeien. Die Vorinſtanzen haben die Klage ab—
gewieſen. Die Reviſion blieb ohne Erfolg.
Gründe: In dem Teſtamente iſt der Kläger da-
durch beſchränkt, daß ſeine ehelichen Abkömmlinge als
Nacherben eingeſetzt ſind. Die dem Kläger zugefallene
Erbſchaft iſt nach ſeinem Tode an die Nacherben her—
auszugeben. Zu der Erbſchaft gehört nach der Be-
ſtimmung des § 2111 BGB. auch dasjenige, was der
Borerbe auf Grund eines zur Erbſchaft gehörenden
1145
doch letztere zu der an den Nacherben herauszugebenden
Erbſchaft, während erſtere Früchte dem Vorerben ver—
bleiben. Die Scheidung zwiſchen dieſen verſchiedenen
Rechtskreiſen angehörenden Früchten ift nur durd-
zuführen auf Grund des in § 101 BGB. ausgeſprochenen
allgemeinen Grundſatzes. Nach § 101 Nr. 2 gebührt
aber dem Nutzungsberechtigten, wenn die Früchte in
Zinſen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig
wiederkehrenden Erträgen beſtehen, ein der Dauer
ſeiner Berechtigung entſprechender Teil. Zu den
Gewinnanteilen ſind insbeſondere auch die Dividenden
zu rechnen, die auf Aktien zur Verteilung kommen.
Es macht hierbei keinen Unterſchied, wann die Fejt-
ſetzung der Dividende durch Generalverſammlungs—
beſchluß ſtattgefunden hat. Die Verteilung hat viel—
mehr bei regelmäßig wiederkehrenden Erträgen nach
der Beſtimmung des $ 101 lediglich nach Verhältnis
der Zeit zu erfolgen. (Es wird dann ausgeführt, daß
dem Teſtament eine gegenteilige Willensmeinung des
Erblaſſers nicht zu entnehmen fet). (Urt. des IV. 38S.
vom 17. Oktober 1907).
— — .
II.
Zum Begriffe des Betriebsunfalls im Sinne des
Haftpfl. (Ein Betriebsunfall liegt nicht vor,
wenn ſich ein Fahrgaſt aus Gründen, die in
ſeiner Perſon liegen, auf dem Bahnſteig
eilig bewegt und dabei zu Fall kommt).
Aus den Gründen: Das OLG. hat folgendes
feſtgeſtellt. Der Kläger hatte ſich von der Stadt O.
her nach Löſung des Fahrſcheins über den die Bahn—
ſteige I und II verbindenden Bohlenübergang hinweg
auf den Bahnſteig II zu dem nach S. fahrenden Zug
begeben, um mit ihm abzufahren. Dort wandelte ihn
ein Bedürfnis an. Auf Befragen erfuhr er, daß noch
Zeit zu deſſen Befriedigung vorhanden ſei. Da der
Abort ſich auf dem Bahnſteig I befand, mußte er den
86
Bohlenübergang überſchreiten.
anderer Zug eingelaufen, deffen Lokomotive losge⸗
kuppelt den Uebergang paſſierte. Der Kläger mußte
ihr Vorbeifahren abwarten. Dadurch verkürzte ſich
die ihm zu Gebote ſtehende Zeit; er eilte fiH, hinüber⸗
zukommen und kam dabei in der Nähe der Bordſteine
des Bahnſteigs I zu Fall, wobei er ſich verletzte.
Dieſen Sachverhalt beurteilt das OLG. dahin: Der
Sturz des Klägers ſtehe in ſolchem Zuſammenhange
mit dem Vorbeifahren der den Kläger hindernden
Maſchine und mit der nur durch den unfreiwilligen
Aufenthalt notwendig gewordenen oder mit Recht für
notwendig gehaltenen Eile des Klägers, daß man
ſeine Verletzung als bei dem Betrieb der Eiſenbahn
erfolgt anſehen müſſe; ſie ſei mittelbar auf die dem
Eiſenbahnbetrieb eigentümliche Gefährlichkeit zurück-
zuführen. Dieſe Anſchauung iſt irrig. Die Eile, die
geboten war oder doch vom Kläger für nötig gehalten
wurde, hatte ihre Veranlaſſung nicht in irgend welchen
Betriebseinrichtungen, ſondern nur in den perſönlichen
Verhältniſſen des Klägers ſelbſt. Es war der freie
Entſchluß des Klägers, nach dem Abort zu gehen;
das Verlangen, ein ihn anwandelndes Bedürfnis zu
befriedigen, hat die Eile hervorgerufen und der Fall
liegt nicht anders, als wenn jemand auf dem Bahn⸗
ſteig hinfällt, der, zu Hauſe oder auf der Straße durch
irgend einen Umſtand aufgehalten, ſich beeilen muß,
um den Zug nicht zu verſäumen. An dieſer Beur—
teilung wird auch dadurch nichts geändert, daß der
Kläger das Vorüberfahren der Lokomotive hat ab—
warten müſſen und daß dadurch die ihm für den Gang
zum Abort und wieder zurück zum Zug zu Gebote
ſtehende Zeit in dem Maße verkürzt worden ſein ſollte,
daß er Eile für geboten erachten mußte. Denn die
Lokomotive kommt hier nur als ein räumliches Qin-
dernis in Betracht, das mit den durch den Betrieb
hervorgerufenen Gefahren nichts zu tun hat; jedes
andere Hindernis hätte dieſelbe Wirkung gehabt. Mus-
ſchlaggebend für den Fall iſt, daß der vom Kläger
beabſichtigte Gang nach dem Abort, auf den die in—
folge Vorbeifahrens der Lokomotive für notwendig
gehaltene Eile eingewirkt hat, durch den Eiſenbahn—
betrieb nicht veranlaßt war, mit ihm in keiner Ber-
bindung ſtand. Nur ſolche Fälle, in denen ein ur—
ſächlicher Zuſammenhang zwiſchen dem Eiſenbahn—
betrieb und der Handlung des Verletzten vorlag, bei
der er Eile entwickelt hatte, ſind in der Rechtſprechung
des Reichsgerichts dem 81 HaftpflG. unterſtellt worden.
(Urt. des VI. ZS. vom 7. November 1907, VI 48/07).
—— n.
1136
III.
Wer einer von ihrem Manne getrennt lebenden
ran Unterhalt gewährt, kann nicht ohne weiteres vom
anne Erſatz nach den Vorſchriften über die Geſchäfts⸗
führung ohne Auftrag verlangen. Aus den Grün⸗
den: Das OLG. hält den vom Beklagten erhobenen Auf—
rechnungseinwand zum Teil für begründet. Es nimmt
an, der Beklagte habe gegen den Kläger einen An—
ſpruch auf Erſtattung inſoweit erworben, als er die
Bedürfniſſe der Ehefrau des Klägers an Nahrung,
Kleidung, Unterhaltung, Vergnügen u. a. aus ſeinen
Mitteln beſtritten habe. Der Beklagte dürfe für die
Vergangenheit mit einer jährlichen Gegenforderung
von 3000 M aufrechnen. Die von der Reviſion hier—
gegen gerichteten Angriffe ſind berechtigt. Allerdings
hat der Mann nach § 1360 Abſ. 1 des BGB. der Frau
nach Maßgabe ſeiner Lebensſtellung, ſeines Vermögens
Es war gerade ein der Eheleute ihren Unterhalt empfangen kann.
und ſeiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren,
allein nach 8 1360 Abſ. 3 Satz 1 ift der Unterhalt
in der durch die eheliche Lebensgemeinſchaft ge—
botenen Weiſe zu gewähren. Daraus ergibt ſich
als Regel, daß der Mann ſeiner geſetzlichen Unter—
haltspflicht gegenüber ſeiner Ehefrau genügt, wenn
er dafür ſorgt, daß ſie in dem gemeinſamen Haushalte
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
Regel⸗
mäßig beſteht alſo für den Mann keine Verpflichtung,
der Frau den Unterhalt durch Entrichtung einer Geld-
rente zu gewähren und ſie auf dieſe Weiſe in den
Stand zu ſetzen, außerhalb der Ehewohnung zu leben.
Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten im 81612
Aof. 1 Satz 1 vorgeſchriebene Art der Unterhalts⸗
gewährung durch Entrichtung einer Geldrente iſt für
das Verhältnis von Eheleuten grundſätzlich ausge-
ſchloſſen. Demzufolge kann eine Frau, die ſich der
ehelichen Lebensgemeinſchaft gegen den Willen des
Mannes ohne Grund entzieht, von ihrem zur Erfüllung
ſeiner Unterhaltspflicht bereiten und vermögenden
Manne nicht verlangen, daß er ihr den Unterhalt
durch Entrichtung einer Geldrente gewähre. Daß etwa
der Ausnahmefall des § 1361 Abſ. 1 vorliege, hat
das OLG. nicht feſtgeſtellt. Nach dieſer Vorſchrift iſt
der Unterhalt, ſolange die Ehegatten getrennt leben
und einer von ihnen die Herſtellung des ehelichen
Lebens verweigern darf und verweigert, durch Ent⸗
richtung einer Geldrente zu gewähren. Hinſichtlich
der Ehefrau ift fogar durch rechtskräftige Urteile feft-
geſtellt, daß ſie nicht berechtigt war, die Herſtellung
des ehelichen Lebens zu verweigern. Wenn das OLG.
trotzdem davon ausgeht, der Kläger habe als Ehemann
für den Unterhalt ſeiner von ihm getrennt lebenden
Ehefrau ſorgen müſſen, fo beruht dieſer Ausgangspunkt
auf Rechtsirrtum. Demzufolge ſind auch die weiteren
Schlußfolgerungen des OLG. unhaltbar, der Beklagte
habe, indem er für den Unterhalt ſeiner Tochter ſorgte,
dem Kläger Ausgaben erſpart, die ihm, dem Kläger,
obgelegen hätten. Der Beklagte hat vielmehr einen
Erſtattungsanſpruch gegen den Kläger, wenn nur die
vom Berufungsrichter feſtgeſtellten Tatſachen vorliegen,
nicht erworben und die Beſtimmungen über die Ge⸗
ſchäftsführung ohne Auftrag, insbeſondere die SS 679
und 683 BGB. find vom OLG. auf einen unzureichenden
Tatbeſtand angewendet. (Urteil des IV. 3S. vom
14. November 1907, IV 182/07).
1143
— — — n.
B. Strafſachen.
I
Drohung im Sinne des 8 114 StB. Unter
Drohung im Sinne des $ 114 StGB. ift zwar die Mn-
kündigung eines jeden Uebels zu verſtehen. Es muß
aber ein wirkliches Uebel in Ausſicht geſtellt werden,
durch deſſen Androhung der Bedrohte in eine ſeine
Willensfreiheit beſchränkende Beſorgnis, das Uebel
erdulden zu müſſen, verſetzt werden ſoll. Dabei muß
ein Uebel im Rechtsſinne, eine Einbuße an Rechts
gütern oder eine ſonſtige Beeinträchtigung von recht—
lichen Intereſſen in Frage ſtehen (RGE. Bd. 39 S. 269).
Ein wirkliches Uebel in dieſem Sinne, insbeſondere
eine Verletzung des Rechtsguts der Ehre ſtellt die Be:
ſprechung eines Vorgangs in der Preſſe aber keines-
wegs auch nur regelmäßig dar. Es muß vielmehr
der Beamte oder die Behörde die Beſprechung zu
fürchten Grund haben, was insbeſondere dann zu—
treffen wird, wenn die Vorgänge entſtellt mit ab—
fälliger Beurteilung und unter perſönlichen Angriffen
vorgetragen werden ſollen, wenn es ſich alſo z. B.
darum handelt, den Angegriffenen verächtlich zu machen.
Ob ein Uebel im gedachten Sinne angedroht ſein
ſollte, iſt nicht zu erſehen. Allerdings bleibt zu be—
achten, daß durch 8 114 StGB. das Unternehmen
der Nötigung unter Strafe geſtellt iſt, alſo jede Hand—
lung, durch die die Abſicht an den Tag gelegt wird,
einen Erfolg der im § 114 bezeichneten Art herbei—
zuführen. Ob dieſer eintritt, iſt gleichgültig. Infolge—
deſſen kommt es nach der Rechtſprechung des Reichs—
gerichts über den Verſuch mit untauglichen Mitteln
nur darauf an, daß die in Ausſicht geſtellte Maßregel
nach der Vorſtellung des Drohenden geeignet iſt, be⸗
ſtimmend auf die Willensentſchließung des Bedrohten
einzuwirken (vgl. RGE. Bd. 25 S. 254). Es genügt
deshalb die Feſtſtellung, daß der Angeklagte der, wenn
auch irrigen Meinung war, die in Ausſicht geſtellte
Beſprechung der Angelegenheit in der Preſſe enthalte
für die Behörde ein Uebel in obigem Sinne und
werde von ihr als ſolches aufgefaßt. Es fehlt aber
auch eine derartige Feſtſtellung. (Urt. des V. StS.
vom. 8, Okt. 1907, 5 D 483/07). —— —e—
113
II.
Innere Borgänge als Umſtände des 8 193 StGB.?
Der Erſtrichter nimmt ohne erſichtlichen Rechtsirrtum
an, daß der Angeklagte die Aeußerungen zur Wahr—
nehmung berechtigter Intereſſen gemacht hat, folgert
aber die Abſicht zu beleidigen aus dem „begleitenden
Umſtande, daß der Angeklagte die Aeußerungen ohne
den Glauben an die Begründetheit der Vorwürfe in
einer leichtſinnigen, zum mindeſten grob fahrläſſigen,
frivolen Weiſe gemacht hat“, und verurteilt ihn deshalb
aus $ 186 StGB. zu Strafe. Zwar hat der Erſtrichter
bei der Prüfung der Frage, was unter den Umſtänden
im Sinne des $ 193 StGB. zu verſtehen iſt, die dieſen
Begriff klarlegende Entſch. d. RG. Bd. 34 S. 80 vers
wertet, bei der Anwendung des Geſetzes aber geirrt. Wie
die Form der Aeußerung etwas rein Aeußerliches iſt,
ſo können auch die Umſtände, unter denen die
Aeußerung geſchah, nur ſolche fein, die die Kund-
gebung in ihrer äußeren Erſcheinung umgeben, alſo
äußere Verhältniſſe. Innere Vorgänge, der Mangel
des Glaubens an die Begründetheit der Vorwürfe, die
Unterlaſſung der Prüfung ihrer Wahrheit und die
dadurch bekundete höhere oder geringere Fahrläſſigkeit
und Frivolität können je nach der Sachlage die Wahr:
nehmung berechtigter Intereſſen ausgeſchloſſen erſcheinen
lajen (vgl. Entſch. d. RG. Bd. 1 S. 80), nicht aber
als ſolche äußere Umſtände in Betracht kommen
(vgl. Entſch. d. RG. Bd. 16 S. 139, Ripr. d. RG.
Bd. 9 S. 147). (Urt. d. V. StS. vom 18. Oktober 1907,
5 D 543,07). — — — e —
1138
III.
Beweislast des Angeklagten im Strafprezeß? 8 186
StB. Der Erſtrichter nimmt auch inſofern einen
rechtsirrigen Standpunkt ein, als er von dem An—
geklagten den Beweis der Wahrheit der von ihm
behaupteten Tatſache verlangt. Im Rahmen des Straf—
prozeſſes trifft den Angeklagten eine Beweislaſteregel—
mäßig nicht. Vielmehr hat das Gericht auch dann,
wenn es ſich, wie hier, um die Feſtſtellung einer Negative
handelt, von Amts wegen, ohne an das Verteidigungs—
vorbringen des Angeklagten gebunden zu ſein, den
Sachverhalt zu erforſchen. Die Erweislichkeit der Tat—
ſachen im Sinne des $ 186 StGB. ſtellt einen Straf-
ausſchließungsgrund dar, deſſen Fehlen ſiets von Amts
wegen und ſogar ſelbſt dann feſtgeſtellt werden muß,
wenn der Angeklagte in dieſer Richtung überhaupt
keine Erklärung abgegeben hat (Ripr. d. RG. Bd. 6
S. 788). (Urt. d. V. Sts. vom 8. November 1907,
5 D 636,07). — — — e —
1138
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Gebühr für eine außerhalb Bayerns beurkundete
Zeſſien einer in einem bayeriſchen Grundbuch einge⸗
tragenen Hypsthek. (Geb. in d. F. von 1899 Art. 119,
155; NotGebO. Art. 24). Nach einer „U. 12. Mai 1906“
datierten Privaturkunde haben die Eheleute Jakob
und Henriette W. in U. (Heſſen) an ihren Sohn Dr.
W. in Z. eine Forderung von 8500 Mk., wofür eine
Sicherungshypothek auf ein in der Gemeinde E. liegen-
Sec fue Rechtöpfiege in Bayern. 1908.
87
Nr. 4.
des Grundſtück bei dem Grundbuchamte K. (Bayern)
in das Grundbuch eingetragen iſt, um 8000 Mk. ab⸗
getreten. Sie haben die Eintragung dieſer Rechts⸗
änderung in das Grundbuch bewilligt und beantragt.
Die Urkunde iſt von den Eheleuten W. unterſchrieben
und der Ortsgerichtsvorſteher von U. hat unter den
Unterſchriften die Beſtätigung beigefügt, daß dieſe
vor ihm vollzogen wurden. Die Rechtsänderung
wurde auf Antrag des Dr. W. vom Grundbuchamte K.
eingetragen. Gegen den Gebührenanſatz hat Dr. W.
Erinnerung erhoben, auf welche das Amtsgericht K.
entſchied, daß für die Eintragung gemäß Art. 119 und
155 Geb. ſowie Art. 12 und 24 NotGebO. unter Zur
grundelegung eines Gegenſtandswertes von 8500 Mk.
eine Gebühr von 25.50 Mk. und weiter von 15 Mk.,
zuſammen 40.50 Mk. geſchuldet werde. Die Be⸗
ſchwerde wurde zurückgewieſen. Dr. W. legte weitere
Beſchwerde ein und begründete ſie damit, daß die
Vorſchrift von Art. 119 Geb. nicht auf folde Cin-
tragungen in das Grundbuch anwendbar ſei, die auf
Erklärungen außerhalb Bayerns wohnender Perſonen
hin erfolgen, daß ferner, wenn dieſe Vorſchrift hier
für anwendbar erachtet werden ſollte, nicht der Betrag
der abgetretenen Hypothekforderung, ſondern der be—
dungene Abtretungspreis der Gebührenberechnung
zugrunde zu legen ſei, und daß endlich als der an
Stelle der Notariatsgebühr anzuſetzende Gebührenbe—
trag nur die Gebühr in Betracht kommen könne, die
dem bayeriſchen Notar für die Unterſchriftsbeglau—
bigung nach Art. 45 NotGebO. geſchuldet wäre. Das
Oberſte Landesgericht hat das Rechtsmittel zurück—
gewieſen.
Gründe: In dem Entwurf eines Geſetzes „Ab—
änderungen des Geſezes über das Gebührenweſen
betr.“, das dem Geb. i. d. F. v. 11. Nov. 1899 zu⸗
grunde liegt, lautete der dem Art. 119 dieſes Geſetzes
entſprechende Art. 91 a urſprünglich: „Bei der Ein-
tragung von a) Hypotheken, Grundſchulden oder Renten—
ſchulden, b) der Uebertragung oder Belaſtung einer
Hypothek, Grundſchuld oder Rentenſchuld, e) der Be—
ſtellung von Dienſtbarkeiten, Vorkaufsrechten und
Reallaſten wird, wenn ſich der Antrag auf Eintragung
nicht auf eine von einem bayeriſchen Notar errichtete
oder beglaubigte Urtunde ftügt, neben der Gebühr
des Art. 88 in den Fällen unter a die Gebühr des
Art. 122, in den Fällen unter b die Gebühr des Art,
122 a und in den Fällen unter e jene des Art. 122 e
außerdem in allen Fällen die Gebühr erhoben, welche
für die Aufnahme der Urkunde durch einen bayeriſchen
Notar an dieſen zu entrichten wäre“. Von den ange—
führten Artikeln des Entwurfs entſpricht der Art. 88
dem Art. 116 des Gef. i. d. F. vom 11. November 1899,
der Art. 122 dem Art. 154 dieſes Gef., der Art. 122 a
dem Art. 155 des Gef. und der Art. 122 e dem Art.
159 des Geſetzes. Die urſprüngliche Faſſung des Art.
91a wurde im Ausſchuſſe der Kammer der Reichsräte
in diejenige Faſſung umgeändert, welche zum Geſetze
wurde und in welcher der Art. 119 des am 11. November
1899 bekannt gemachten Geb. unter entſprechender
Aenderung der Numerierung der im Artikel ange—
führten weiteren Geſetzesartikel in dieſes Geſetz auf—
genommen wurde. Bei dieſer Aenderung der Faſſung
von Art. Yla des Entwurfs wurde im Ausſchuſſe der
Kammer der Reichsräte ausdrücklich bemerkt, daß ſie
nur von redaktioneller Bedeutung ſei. Der Art. 119
Geb. macht nun ebenſowenig, als dies nach der
urſprünglichen Faſſung des Art. 91a des Entwurfs
der Fall war, einen Unterſchied hinſichtlich der Per—
ſonen, auf deren rechtsgeſchäftliche Erklärungen hin
die Eintragung in das Grundbuch erfolgt. Auch aus
den bei der Geſetzesberatung gepflogenen Verhand—
lungen läßt ſich nicht entnehmen, daß in dieſer Hin—
ſicht eine Unterſcheidung gemacht werden ſollte. Viel—
mehr kommt es nach dem klaren Wortlaute des Ge—
ſetzes für die Frage, ob für eine Eintragung in das
88
Grundbuch der in Art. 119 des Geb&. erwähnten
Art eine Gebühr nach Art. 154, 155 oder 159 zu
erheben iſt, nur darauf an, ob hierbei nicht eine nach
dieſen Artikeln bereits bewertete Urkunde vorliegt.
Dies iſt aber nur dann der Fall, wenn die Urkunde
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
|
trug nach Abzug der Schulden 105070 M. Durch
einen als „Erbteilsübertragung“ bezeichneten no:
tariellen Vertrag vom 2. März 1905 übertrugen die
Kinder „ihre Erbteile an dem ungeteilten mütterlichen
Nachlaſſe mit ſofortiger dinglicher Wirkung auf ihren
über das unter einen der angeführten Artikel fallende ! Vater“, fo daß dieſer „an ihrer Stelle Erbe und nun-
Rechtsgeſchäft von einem bayeriſchen Notar errichtet
oder beglaubigt worden iſt. Daß die Urkunde, auf
die ſich der Antrag auf Eintragung in das Grundbuch
ſtützt, von einem bayeriſchen Notar errichtet oder
beglaubigt ſein muß, damit nicht neben der Gebühr
des Art. 116 des Geb. noch die in Art. 119 be-
ſtimmte weitere Gebühr geſchuldet wird, iſt denn auch
im urſprünglichen Entwurfe direkt ausgeſprochen und
überdies in der Begründung des Entwurfs ausdrücklich
wiederholt. Hiernach tritt die in Art. 119 feſtgeſetzte
Gebührenpflicht für eine Eintragung des im Artikel
bezeichneten Inhalts in das Grundbuch ein, wenn
dem Antrag auf Eintragung nicht eine von einem
bayeriſchen Notar errichtete oder beglaubigte Urkunde
zugrunde liegt, und iſt es hierbei ganz gleichgültig,
ob die beurkundete rechtsgeſchäftliche Erklärung von
einer in Bayern oder außerhalb Bayerns wohnenden
Perſon herrührt. Den Gegenſtand der Eintragung
in das Grundbuch bildet die abgetretene Sicherungs⸗
hypothek. Der Betrag der durch ſie geſicherten For⸗
derung bildet daher die für den Gebührenanſatz in
Betracht kommende Gegenſtandsſumme, wie das Land⸗
gericht mit Recht angenommen hat, und nicht der Be⸗
trag des Abtretungspreiſes (vgl. Art. 184 des Geſ.).
Die hiernach gemäß dem Art. 119 zu entrichtende
Gebühr beſteht nicht bloß in dem Betrage der durch
die Art. 154, 155 oder 159 beſtimmten Staatsgebühr,
ſondern auch im Betrage der Gebühr, die für die Auf⸗
nahme der der Eintragung in das Grundbuch zu—
grunde liegenden Urkunde durch einen bayerifchen
Notar an diefen zu entrichten wäre. Unter der „Auf⸗
nahme der Urkunde“, wofür nach Art. 119 der Betrag
der Notariatsgebühr zur Erhebung gelangt, iſt nach
der Wortbedeutung des Ausdrucks und dem Zuſam⸗
menhange, in dem er gebraucht iſt, die Errichtung der
Urkunde über die rechtsgeſchäftliche Erklärung, auf
Grund deren die Eintragung in das Grundbuch erfolgt,
durch den Notar zu verſtehen und nicht die durch ihn
erfolgende Beglaubigung der Unterſchriften auf der
die rechtsgeſchäftliche Erklärung enthaltenden Urkunde.
Daß der Artikel in dieſem Sinne zu verſtehen iſt,
geht überdies aus der Begründung des Entwurfs
hervor, woſelbſt ausdrücklich geſagt iſt, daß in den
Fällen, in denen eine Gebühr nach Art. 122, 122 a
und 122 e des Entwurfs — Art. 154, 155, 159 des
Geſetzes — zur Erhebung gelangt, auch noch die Ge-
bühr in Anſatz zu kommen hat, welche für die Beur-
kundung der Eintragungsbewilligung oder der Abtre—
tungserklärung oder eines Anerkenntniſſes durch einen
bayeriſchen Notar an dieſen zu entrichten wäre. Das
Grundbuchamt und das Landgericht haben daher mit
Recht der Bemeſſung der Notariatsgebühr den Art. 24
NotGebO. zugrunde gelegt. (Beſchluß des II. 38.
vom 21. Oktober 1907; Reg. V 22/1907).
1098
II.
Zuſtändigkeit für einen Streit über Beſitzverände⸗
rungsgebühren, die nicht auf einer notariellen Urkunde,
ſondern unmittelbar auf dem Geſetze beruhen. (Geb.
Art. 247, 248, 47). Auf Grund eines am 22. März
1882 geſchloſſenen Ehe- und Erbvertrags lebten der
Bauer Balthaſar H. und ſeine Frau in allgemeiner
Gütergemeinſchaft. Die Frau ſtarb am 30. Mai 1904.
Nach den Beſtimmungen des Erbvertrags wurde ſie
zu /s von ihrem Manne, zu ¼ von ihren 7 Kindern
beerbt. Den Nachlaß bildete die Hälfte des Geſamt—
guts. Dieſes beſtand aus Grundſtücken (97820 M)
und beweglichen Sachen (24210 M); fein Wert be-
|
mehr alleiniger Erbe feiner Gattin“ wurde. Er ver-
pflichtete ſich dafür, jedem Kinde 5010 M zu zahlen
und beſtellte zur Sicherung dieſer Anſprüche eine
Hypothek an den Grundſtücken. Der Notar ſetzte auf
Grund des Art. 154 des Geb. eine Gebühr von
175 M (5% aus 7 5010 M = 35070 M) an.
Die Regierungsfinanzkammer forderte auf Grund der
Art. 249, 250 GebG. eine Beſitzveränderungsgebühr
von 978 M. Hiergegen erhob Balthaſar H. Beſchwerde.
die als unzuläſſig zurückgewieſen wurde. Das Obe.
hat die weitere Beſchwerde zurückgewieſen.
Gründe: Das LG. hat folgendes angenommen:
Da der Uebergang des Eigentums an den zum Nach⸗
laſſe der Frau gehörenden Grundſtücken auf den Mann
vor dem Inkrafttreten des Grundbuchrechts erfolgte,
jei das Geb. i. d. 7 vom 11. November 1899 und,
ſoweit es ſich um die Beſtimmung der Gebühr für
eine notarielle Urkunde handelt, nach Art. 311 dieſes
Geſetzes das Geb. i. d. F. von 1892 maßgebend. Nach
Art. 47 der neuen und Art. 153 der älteren Faſſung
ſtehe dem Zahlungspflichtigen die Beſchwerde an das
LG. nur zu gegen den Anſatz oder die Nachforderung
von Gebühren, die bei einem Notariat anfallen, wäh⸗
rend nach den Art. 247, 249 neuer Faſſung Streit:
fragen über die Pflicht zur Entrichtung der Gebühr
für den Erwerb des Eigentums an einem Grundjtüde,
der auf anderem als rechtsgeſchäftlichem Wege und
außerhalb einer Notariatsurkunde ſtattfindet, in 1. In⸗
ſtanz von den Regierungsfinanzkammern, in 2. vom
Verwaltungsgerichtshof entſchieden werden. Gefordert
ſei nicht eine Gebühr für den vom Notar beurkundeten
Vertrag, ſondern die Gebühr für den Uebergang des
Eigentums an Grundſtücken, der auf anderem als
rechtsgeſchäftlichem Wege ſtattfand. Der Vertrag babe
nicht die Uebertragung des Eigentums an Anteilen
der Kinder an den Grundſtücken betroffen; nach § 2033
Abſ. 2 BGB. habe er die Uebertragung von Eigen⸗
tum gar nicht betreffen können. Wäre dies der Fall,
ſo hätte ja auch die Gebühr nach Art. 113 Ziff. 1 der
älteren Faſſung oder Art. 146 Abſ. 1 Ziff. 1 der neuen
Faſſung angeſetzt werden müſſen. Sein Gegenſtand
ſei die Uebertragung der Erbteile im ganzen; der
Uebergang des Eigentums an den Grundſtücken fei
nur die Wirkung der Uebertragung der Erbteile. Der
Beſchwerdeführer mache zwar geltend, daß für den
Uebergang des Eigentums an Grundſtücken auf Grund
der und nach dem Grundbuchrechte nicht die im
Art. 249 beſtimmte Beſitzveränderungsgebühr erhoben
werde, obgleich auch in dieſem Falle der Eigentums:
übergang nur als Folge der rechtsgeſchäftlichen Ver⸗
fügung kraft des Geſetzes eintritt. Er überſehe aber,
daß in einem ſolchem Falle ſtets ſchon entweder die
Gebühr nach Art. 146 oder die nach Art. 118 erhoben
worden und daher nach der Vorſchrift im Art. 249
Abſ. 1 die im Art. 250 beſtimmte Beſitzveränderungs⸗
gebühr nicht anzuſetzen iſt. Hiernach ſeien für die
Entſcheidung des Streites die Gerichte nicht zuſtändig.
Dieſe Begründung enthält keine Verletzung des Ge—
ſetzes. Die Gebühr, deren Zahlung die Staatskaſſe
beanſprucht hat, iſt nicht für eine Notariatsurkunde
gefordert; der Anſpruch ift nicht eine „Nachforderung“?
im Sinne des Art. 47 Abſ. 1 des Geb. Eine Beſitz⸗
veränderungsgebühr nach Art. 249 hat der Notar nicht
angeſetzt; er konnte ſie gar nicht anſetzen. Richtig iſt
nur das, daß der Vorgang der Beurkundung eines
Rechtsgeſchäfts den äußeren Anlaß dazu gab, daß auch
die Gebühr fällig wurde, die für den, wenn auch in⸗
folge des beurkundeten Rechtsgeſchäfts, doch unmittel⸗
bar kraft des Geſetzes eintretenden Uebergang des
Eigentums an Grundſtücken auf den Beſchwerdeführer
beſtimmt iſt. Nach Art. 247 Abſ. 1 konnte der Zahlungs⸗
pflichtige die Entſcheidung des Gerichts nicht anrufen.
Auch von Verletzung des Art. 248 kann nicht die Rede
ſein, da deſſen Vorſchrift Notariatsurkunden voraus⸗
ſetzt, auf die die Vorſchriften des 3. Abſchnitts der
4. Abteilung des Geſetzes über die Erhebung von Ge⸗
bühren für „Verhandlungen der Notare“ Anwendung
finden. (Beſchl. des II. 35. vom 25. Juni 1907, Reg. V
W.
Nr. 10,1907).
1002
B. Strafſachen.
Herſtellung von Backwaren mit Margarine und
Palmin ftatt Butter. Oertliche Uebung. Kenntnis des
Publikums hiervon. Feſtſtellung dieſer Kenntnis. L. S.
und B. betreiben das Bäckergewerbe und ſtellen auch
ſog. „mürbes Gebäck“ her, das ſie ohne Angabe der
dazu verwendeten Stoffe in ihren Läden verkaufen.
Bei einer Viſitation wurde feſtgeſtellt, daß ſie bei An⸗
fertigung des „mürben Teiges“ teils ausſchließlich,
teils neben Naturbutter Margarine und Palmin ver:
wenden. Schöffengericht und LG. erkannten auf Frei⸗
ſprechung. Letzteres führte aus, die Waren ſeien von
der Kundſchaft nie beanſtandet worden; es ſei nur
gute Margarine verwendet worden; letztere begegne
jetzt nicht mehr dem allgemeinen Mißtrauen, wie bei
der Erlaſſung des Geſetzes vom 15. Juni 1897; die
Margarinefabrikation habe ſich in den letzten zehn
Jahren ſo entwickelt, daß die beſten Marken weder
in Aroma und Geſchmack, noch im Nährwert und Ver⸗
daulichkeit guter Butter nachſtunden. Maßgebend fei
auch der Wille des Publikums; dieſes begegne auf
Schritt und Tritt, insbeſondere in der Preſſe und in
den Läden den Anpreiſungen der Margarine; die
Preiſe für Butter feien auf 1.40 M geſtiegen,
während die Bäcker im weſentlichen ihre Preiſe beis
behalten hätten. Das Publikum müſſe infolgedeſſen
damit rechnen, daß die Bäcker Margarine verbacken;
es frage auch gar nicht, ob mit Naturbutter oder
Margarine gebacken werde; es frage nur nach Preis
und Güte. Das gleiche gelte vom Palmin. Auf die
ſtaatsanwaltſchaftliche Reviſion wurde das Berufungs-
urteil aufgehoben und die Sache zurückverwieſen.
Aus den Gründen: Wenn es ſich, wie hier,
darum handelt, ob ein aus verſchiedenen Stoffen zu-
ſammengeſetztes Nahrungs- oder Genußmittel durch
eine der darin enthaltenen Zutaten verfälſcht ift, fo
muß vor allem die normale Zuſammenſetzung des Er-
zeugniſſes ermittelt werden. Das LG. hat nun nicht
ausdrucklich feſtgeſtellt, daß zu „mürbem Gebäck“, wie
es die Angeklagten zum Verkehr bringen, normaler—
weiſe Butter oder Butterſchmalz verwendet wird.
Daß dies aber nach der Annahme der Strafkammer
der Fall iſt, geht daraus hervor, daß ſie ausführt,
die von den Angeklagten verbackene Margarine ſtehe
guter Butter nicht nach. Sie betrachtet alfo Mar-
garine als Erſatzmittel, als einen an ſich dem, mürben
Gebäcke“ fremden Stoff, und wenn man berückſichtigt,
daß der Begriff „mürbes Gebäck“ in F. jedenfalls
ſchon vor Alters her feſtſteht, und daß Margarine
und Palmin erſt Produkte der letzten Jahrzehnte ſind,
ſo hat jene Annahme wohl auch die Erfahrung für ſich.
Wird einer der begriffsmäßigen Beſtandteile eines
Nahrungs- und Genußgmittels bei der Herſtellung durch
einen anderen erſetzt, ſo bedeutet das nur dann eine
Verfälſchung, wenn der neue Zuſatz minderwertig iſt,
ſo daß das Ganze dadurch eine Verſchlechterung erleidet.
Das Berufungsgericht kommt zu dem Schluſſe, daß
Margarine guter Butter nicht nachſtehe, nicht minder—
wertig ſei. Dieſer Auffaſſung, die ſich nicht auf rein
tatſächlichem Gebiete bewegt, kann nicht beigepflichtet
werden. Nicht etwa um deswillen, weil Mar-
garine billiger zu beſchaffen ift, als Butter und Butter-
ſchmalz; darauf allein könnte es nicht ankommen.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4. 89
Der Margarine iſt aber in Deutſchland durch das
Geſetz vom 15. Juni 1897, den Verkehr mit Butter,
Käſe, Schmalz und deren Erſatzmittel betr., von Rechts
wegen die Eigenſchaft eines im Verhältniſſe zur Butter
und zum Butterſchmalze minderwertigen Produktes zu-
gewieſen worden, deſſen Vermiſchung mit Butter und
Butterſchmalz zum Zwecke des Handels verboten iſt,
deſſen Herſtellung polizeilicher Kontrolle unterſteht.
Der Geſetzgeber war dabei nicht nur von der Abſicht
geleitet, die einheimiſche Butterproduktion zu ſchützen,
er ging vielmehr auch von der Erwägung aus, daß
Margarine um ein Geringes im Nährwert und in der
Verdaulichkeit hinter der Butter zurückbleibe und daß
die Verwendung aus dem Auslande bezogener Fett—
ſtoffe zur Herſtellung von Margarine die Gefahr einer
Geſundheitsſchädigung durch dieſes Produkt in ſich
berge. Die geſetzlich feſtgelegte Eigenſchaft der Mar-
garine kann der Strafrichter nicht unbeachtet laſſen.
Er darf ſich auch nicht darauf berufen, daß das Geſetz
Bäckern, Speiſewirten ꝛc., die in ihren Betrieben Mar⸗
garine verwenden, nicht vorſchreibe, dies dem Publi⸗
kum durch Anſchlag in den Verkaufsräumen oder durch
Vermerke auf den Speiſekarten bekannt zu geben. Eine
derartige Vorſchrift fei nicht nur wegen der Schwierig-
keit des Vollzugs unzweckmäßig, ſondern auch vom
Standpunkte des Geſetzgebers aus nicht unbedingt
geboten.
Die nicht deklarierte Verwendung von Margarine
zu Bäckereien und N iſt keineswegs ſchlechthin
eine Verfälſchung von Nahrungs- oder Genußmitteln
und noch weniger ſtets auf Täuſchung im Handel und
Verkehr berechnet. Die Verwendung eines minder⸗
wertigen Stoffes an Stelle eines mehrwertigen, zu den
normalen Zutaten eines Erzeugniſſes gehörigen, fällt
nicht mehr unter den Begriff der Verfälſchung, wenn
ſie durch örtliche Uebung auch bei reellen Unternehmern
zum Geſchäftsgebrauch geworden iſt und wenn das
Publikum trotz Kenntnis von der Beimiſchung des
fremden Stoffes den Geſchäftsgebrauch duldet. Dabei
wird insbeſondere von Bedeutung fein, ob das Publi-
kum bei dem Einkaufe der mit minderwertigen Erfaß-
mitteln hergeſtellten Erzeugniſſe irgendwelche Vorteile
in bezug auf Preis oder Gewicht der Ware erzielt,
die bei den aus mehrwertigen Stoffen hergeſtellten
Produkten nicht geboten werden. Die Feſtſtellungen
des angefochtenen Urteils ſind in dieſer Hinſicht teils
unvollſtändig, teils bedenklich. Es iſt nicht geſagt, ob
in F. allgemein oder auch nur vorwiegend in den
Bäckereien der Brauch herrſcht, daß zu mürbem Ge—
bäcke Palmin und Margarine teils ausſchließlich teils
neben Butter verwendet wird, und ob das Publikum
zu der Zeit, als die Angeklagten jene Fettſtoffe dem
Teige beimifchten, davon Kenntnis haben mußte.
Wenn die Entſcheidungsgründe ferner den Satz auf—
ſtellen, das Publikum müſſe damit rechnen, und rechne
auch damit, daß die Bäcker Margarine und Palmin
verbacken, es frage nicht darnach, ob mit Naturbutter
oder mit Margarine gebacken werde, ſondern nur nach
Preis und Güte der Ware, ſo iſt der Satz in dieſer
Allgemeinheit nicht richtig und es wäre verfehlt, wenn
die Strafkammer daraus ohne weiteres auf die An-
ſchauung des Publikums in F., auf das es hier allein
ankommt, geſchloſſen hätte. Es iſt notoriſch, daß das
Publikum an verſchiedenen Orten Deutſchlands bei
beſſeren Backwaren die Verwendung von Butter oder
Butterſchmalz erwartet und die Tatſache, daß ver⸗
ſchiedentlich die Ortspolizeibehörden den Bäckern, die
Margarine und andere Erſatzmittel für Butter ver—
wenden, die Bekanntmachung dieſes Verfahrens durch
Anſchlag in den Geſchäftsräumen zur Auflage machten,
läßt erſehen, wie wenig die Käufer im allgemeinen mit
derartigen Geſchäftsgebräuchen vertraut ſind. (Urt.
vom 14. Dezember 1907; RevReg. Nr. u.
1142
90 Zeitſchrift für Rechtspflege in n Bayern. 1908. Nr. 4.
— — — oo a en
Oberlandesgericht Bamberg.
3 eg an e PR
ſchillinge. (Art. BGB., Art. 14 N
v. 1861, § 154 ben) der Güterhändler I. 1
dem Güterhändler R. am 12. März 1905 formlos eine
Anzahl hypothekariſch geſicherter Strichſchillinge mit
der Vereinbarung, daß die Uebertragung am 17. März
1905 beim Notariat Sch. verlautbart werden ſollte.
R. ſchrieb an dieſes Notariat am 14. März 1905, daß
er die Valuta nur zahlen werde, wenn die Strich⸗
ſchillinge erſtklaſſig ſeien. Da A. die mit einer Vor⸗
ypothef von 4000 M belaſteten Grundſtücke nicht
ypothekenfrei machen konnte, unterblieb die Verlaut—
barung und A. verwertete die Strichſchillinge ander:
weitig. R. machte deshalb Schadenserſatz wegen Ridt-
erfüllung geltend. Dieſer Anſpruch wurde für berechtigt
erachtet.
Ausden Gründendes Berufungsurteils:
R. behauptet, der Abtretungsvertrag vom 12. März 1905
ſei nur mündlich geſchloſſen, alſo gemäß Art. 14
Not G. von 1861 ungültig. Dieſes Vorbringen ift un⸗
zutreffend. Es iſt zu unterſcheiden zwiſchen dem obli—
gatoriſchen und dem dinglichen Vertrag. Erſterer gibt
den Rechtsgrund für den dinglichen Vertrag, der die
Uebertragung der Forderung ſamt Hypothek bezweckt.
Die Form für beide Verträge iſt verſchieden. Art. 14
NotG. von 1861 gilt feit dem Inkrafttreten des BGB. nach
Art. 189 Abſ. 1 EG. z. BGB., ſolange das Grundbuch
nicht als angelegt anzuſehen iſt, nur noch für die
unmittelbare Verfügung über ein Grundſtück oder
ein Recht an einem Grundſtück, den dinglichen
Vertrag, und iſt daher im Art. 132 NotG. von 1899
nur in dieſem Umfange aufrecht erhalten. Für die
Eingehung der Verpflichtung, eine Rechts⸗
änderung dieſer Art zu bewirken, ſind die landes⸗
geſetzlichen Vorſchriften nicht vorbehalten. Nach dem
BGB. aber find Verträge, durch die man ſich ver-
pflichtet, über eine Hypothek zu verfügen, formfrei.
Demnach war der Vertrag vom 12. März 1905 gültig.
Unrichtig ift die Auffaſſung des R., es fei zu unter:
ſcheiden, ob die Abtretung der Strichſchillinge mit
oder ohne Hypothek Gegenſtand des Vertrages geweſen
ſei. Im erſteren Falle ſei der Vertrag ohne notarielle
Beurkundung nichtig und dies treffe bezüglich des
Vertrages vom 12. März 1905 zu. Dieſer Anſicht
liegt offenbar das alte vor dem Inkrafttreten des
BGB. in Geltung geweſene bayeriſche Hypothekenrecht
zugrunde. Nach dieſem konnte zwar eine Forderung
ohne die dazu gehörige Hypothek formlos übertragen
werden, jedoch mit der Folge, daß dann die Hypothek
unterging. Die Uebertragung der Forderung mit der
Hypothek mußte dagegen als dinglicher Vertrag notariell
verlautbart werden. (Regelsberger, Bayer. HypR.
3. Aufl. S. 417). An Stelle dieſes Rechtszuſtandes
iſt ſeit dem 1. Januar 1900 der oben dargelegte ge—
treten, wonach die formloſe Abtretung der hypothekariſch
geſicherten Forderung die Verpflichtung des Abtretenden
zur nachträglichen notariellen Verbriefung des ding—
lichen Vertrags zur Folge hat. Unzutreffend iſt auch
die Bezugnahme des R. auf 8 1153 Abſ. 2 BGB.
Dieſe Geſetzesſtelle findet hier keine Anwendung, weil
das Grundbuch im fraglichen Bezirk noch nicht an—
gelegt iſt und gemäß Art. 189 Abſ. 1 a. a. O. für
die Begründung, Uebertragung und Aufhebung ding—
licher Rechte an Grundſtücken (Hypotheken) das bis—
herige Recht maßgebend iſt. Wäre ſie aber doch an—
wendbar, ſo könnte ſie den Einwand des Klägers
nicht ſtützen. Die Vorſchrift, daß die Forderung nicht
ohne die Hypothek und die Hypothek nicht ohne die
Forderung übertragen werden könne, bezieht ſich zwar
auf den 3 und dinglichen Vertrag. (Planck
a. a. O. § 1153, 3). Hier wollten aber die Parteien
auch nicht 15 Forderung ohne die Hypothek über:
tragen, ſondern es wurde die Uebereinkunft nur in
zwei Abſchnitte zerlegt, indem zunächſt am 12. März
der obligatoriſche Vertrag geſchloſſen wurde, welchem
der dingliche am 17. März in der vorgeſchriebenen
Form nachfolgen ſollte. Es ſchließt ſomit die Vor⸗
ſchrift des § 1153 Abſ. 2 BGB. die Gültigkeit des
formloſen obligatoriſchen Vertrags nicht aus. (Urteil
des I. ZS. vom 16. November 1907, Verf. 107/07).
1129 Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
Oberlandesgericht Augsburg.
1. Paſſivlegitimation des Teſtamentsvollſtreckers in
Mietftreitigteiten. 2. Audlegung von Mietverträgen.
3. Ansübung des Sündigungbrechte nach 8 569 BGB.
durch den Teſtamentsvoll trecker. Der Augenarzt Dr.
H. in A. hatte am 30. April 1887 von der Privatiere
N. in A. eine Wohnung gegen halbjährige Kündigung
gemietet. In dem 8 15 des Mietvertrags vom 23.
April 1887 war beſtimmt, daß der Tod der Vermieterin
oder des Mieters die Auflöſung des Mietvertrages nicht
herbeiführe, daß vielmehr die gegenſeitigen Rechte
und Pflichten auf die Erben übergehen. Dem ge—
druckten Formular war handſchriftlich folgende Be—
ſtimmung beigefügt: „Der Mietvertrag wird ohne Zu—
laſſung einer Kündigung auf 3 Jahre abgeſchloſſen,
ſo daß erſt von Georgi 1890 an eine Kündigung zu—
läſſig wird. Ausgenommen iſt der Fall einer Domizils—
änderung des Mieters). Der Mietvertrag wurde
wiederholt jeweils um 3 Jahre verlängert, zum
letztenmale am 1. April 1905. Während die früheren
Verlängerungen nur durch den auf die Vertragsurkunde
geſetzten, von beiden Beteiligten unterſchriebenen Vers
merk beurkundet wurden: „Dieſer Kontrakt wird auf
weitere drei Jahre in allen Punkten aufrecht erhalten“,
kam am 1. April 1905 folgender Nachtrag zuſtande: „Der
vorſtehende Mietvertrag wird hiermit auf weitere 3Jahre
d. i. bis 1. April 1908 verlängert, fo daß Kündigung erft am
1. April 1908 erfolgen kann“. Am 25. Oktober 1906
verſtarb Dr. H. In feinem Teſtamente iſt eine erſt
zu genehmigende Stiftung als Erbin eingeſetzt, ſeine
Frau auf den Pflichtteil beſchränkt und ein Notar in A.
zum Teſtamentsvollſtrecker ernannt. Dieſer kündigte
namens der Erben am 15. November 1906 der Klägerin
den Mietvertrag für 1. April 1907 unter Berufung
auf 8 569 BGB. Die Vermieterin erklärte, daß fie
die Kündigung nicht annehme. Sie ſtellte gegen den
Notar Klage mit dem Antrage, fejtzuitellen, daß der
Tod des Dr. H. den Teſtamentsvollſtrecker nicht be—
rechtige, das Mietverhältnis früher als auf den
1. Oktober 1908 zu kündigen. Das Landgericht ers
kannte nach dem Klageantrag. Die Berufung des
Teſtamentsvollſtreckers wurde zurückgewieſen.
Aus den Gründen. 1. Die Paſſivlegitimation
des Beklagten ergibt ſich daraus, daß er als Teſtaments⸗
vollſtrecker das Recht der Kündigung gemäß § 569
BGB. beanſpruchte und ausübte, ſowie aus 8 2213
BGB. Die Klägerin hat, wenn die Kündigung des
Beklagten nicht wirkſam wurde, einen Anſpruch gegen
den Nachlaß auf Fortentrichtung des Mietzinſes auch
über den 1. April 1907 hinaus. Dieſer Anſpruch wurde
durch die Kündigung des Teſtamentevolfreckers be⸗
ſtritten und kann ſomit nach 8 2213 BGB. ſowohl
gegen die Erben als gegen den Teſtamentsvollſtrecker
geltend gemacht werden.
2. Der Beklagte ſtützt das Kündigungsrecht auf
§ 569 BGB., die Klägerin beſtreitet es, weil das in
§ 569 des BGB. vorgeſehene Recht der Erben durch die
Verträge vom 23. April 1887 und 1. April 1905 aus⸗
geſchloſſen ſei. Dieſe Behauptung iſt zutreffend. Das
Kündigungsrecht des § 569 BGB. ift nicht zwingender
Natur, es kann durch Vertrag ausgeſchloſſen werden.
Es iſt auch dargetan, daß es durch die Verträge vom
23. April 1887 und 1. April 1905 beſeitigt wurde.
Die Ausſchließung muß nicht wörtlich erfolgen, es
genügt, daß der Wille der Parteien klar und beſtimmt
zum Ausdruck kommt. In dem Mietvertrage vom
23. April 1887 (8 15) ift beſtimmt, daß der Todesfall
des Vermieters oder des Mieters die Auflöſung des
Mietvertrages nicht bewirken ſolle, daß vielmehr die
gegenſeitigen Rechte und Pflichten auf die Erben über⸗
gehen ſollen. Hierzu gehört unzweifelhaft auch das
Recht und die Pflicht zu kündigen und die Einhaltung
der Beſtimmung, daß die Mietzeit auf drei Jahre
ohne Zulaſſung einer Kündigung feſtgeſetzt wurde.
Dieſe Vertragsbeſtimmungen wurden niemals auf—
gehoben, ſondern nach den Verlängerungserklärungen
jeweils ausdrücklich beſtätigt, in ihnen iſt jedesmal
gejagt, daß der Vertrag für weitere 3 Jahre in allen
Punkten aufrechterhalten werde. Der Einwand des
Beklagten, daß ein Teil der vorgedruckten Beſtimmungen,
insbeſondere der § 15, unbeachtet geblieben feien, ver⸗
an den Unterſuchungsrichter ſtellt, nicht etwas über—
dient keine Beachtung, weil von den 31 Paragraphen
des vorgedruckten Formulars 17 durch die Klägerin
ſelbſt abgeändert und ergänzt wurden. Die Ausführung
des Beklagten, daß Dr. H. kein Intereſſe daran hatte,
die Unkündbarkeit des Mietverhältniſſes für den Fall
ſeines Todes feſtzulegen, kann angeſichts des klaren
Wortlautes des Vertrages und deswegen nicht be—
rückſichtigt werden, weil auch das Intereſſe der Ver—
mieterin in Betracht kam und Dr. H. mit Rückſicht auf
die Beſtimmung der Wohnung als Augenklinik dieſes
Intereſſe zu berückſichtigen gezwungen war. Auch die
Schlußfolgerung des Beklagten, daß die Einräumung
des vorzeitigen Kündigungsrechtes bei einer Ver—
änderung des Wohnſitzes des Mieters die Annahme
rechtfertige, daß nach dem Willen der Beteiligten auch
im Falle des Todes des Mieters der Mietvertrag in
gleicher Weiſe gelöſt werden ſollte, ſcheitert an der
Erwägung, daß Ausnahmen nicht ausdehnend aus—
gelegt werden dürfen, daß die Ausnahme nur für
die erſte Betriebszeit der Augenklinik Bedeutung haben
konnte und daß der Tod des Mieters mit einer Ver—
änderung des Wohnſitzes nicht auf gleiche Stufe geſtellt
werden kann.
3. Wenn übrigens das in Y 569 BGB. vorgeſehene
Kündigungsrecht nicht ausgeſchloſſen wäre, ſo wäre doch
der Teſtamentsvollſtrecker nicht befugt, es auszuüben.
Das in § 569 BGB. vorgeſehene Recht ift nur dem
Vermieter und den Erben des Mieters eingeräumt
und zwar mit Rückſicht auf das in der Miete enthaltene
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4.
perſönliche Element, welches fordert, daß eine ſo weſent⸗
liche Veränderung wie der Tod des Mieters nicht ohne
Einfluß bleibe. Das Kündigungsrecht der Erben aus
§ 569 BGB. ift daher ein ihnen perſönlich gegebenes
Recht, deſſen Geltendmachung nur ihnen, nicht aber
dem Teſtamentsvollſtrecker zuſteht. Dieſer iſt nicht der
geſetzliche Vertreter der Erben, er hat nur in Aus—
übung ſeines Amtes den Nachlaß zu verwalten und,
ſoferne nicht vom Erblaſſer etwas anderes beſtimmt
ift, dem Erben zur freien Verfügung zu überweiſen.
(Vgl. SS 2215—2218 BGB., RG 3. 56, 330 u. 18, 271).
Der Teſtamentsvollſtrecker iſt ſohin nicht befugt, ein
Recht geltend zu machen, das ſich im Nachlaſſe nicht
vorfindet, ſondern erſt in der Perſon des Erben ent—
ſteht und dieſem allein erwächſt.
vom 17. Oktober 1907).
1128 Diltget. v. Oberlandesgerichtsrat Schwarz in Augsburg.
Literatur.
Grek, Dr. Haus, o. 5. Profeſſor des Strafrechts an
der Karl⸗Franzens-Univerſität Graz. Handbuch
(Urt. des II. 8S.
91
Oeffentlichkeit übergeben wurde, bemerkte der Verfaſſer
in der Einleitung: „Dies Buch hat Einer geſchrieben,
der in einer langen Reihe von Jahren, in denen er
mit Leib und Seele Unterſuchungsrichter war, zur
Erkenntnis gekommen iſt, daß der Unterſuchungsrichter
in ſeinem Amt mehr braucht, als ihm ſeine Geſetz⸗
bücher, Kommentare und wiſſenſchaftlichen Bearbei—
tungen zu ſagen vermögen.“ Seitdem ſind 15 Jahre
verfloſſen und aus dem beſcheidenen Handbuch iſt ein
zweibändiges Syſtem der Kriminaliſtik geworden, das
in faſt alle Kulturſprachen überſetzt wurde und jetzt
in fünfter Auflage erſcheint.
Dieſer ungewöhnliche Erfolg ift wohl die zuver⸗
läſſigſte Kritik, da darin die allgemeine Wertſchätzung,
welcher ſich das Werk erfreut, zum unverfälſchten
Ausdruck kommt. Es braucht nicht unterſucht zu
werden, ob der Verfaſſer die Anforderungen, die er
ſpannt hat, da man ihm jedenfalls darin beiſtimmen
muß, daß juriſtiſche Kenntniſſe und das bei jedem Ge⸗
bildeten vorauszuſetzende allgemeine Wiſſen nicht aus⸗
reichen, dem Unterſuchungsrichter die Löſung ſeiner
ſchwierigen Aufgabe zu ermöglichen. Der Verfaſſer
hat es daher verſucht, aus ſeiner reichen praktiſchen
Erfahrung heraus und auf Grund eingehender Fach—
ſtudien in ſeinem Handbuche in lichter und überſicht—
licher Darſtellung alles das zuſammen zu faſſen, was
dem Unterſuchungsrichter nach ſeiner Anſicht zu wiſſen
notwendig ift. Es ift eine außerordentliche Fülle von
Belehrung und von praktiſchen Fingerzeigen, welche
hier geboten wird, und es ſind dabei auch Materien
behandelt, deren Kenntnis dem Unterſuchungsrichter,
wenn nicht regelmäßig, ſo doch in nicht ſeltenen Fällen
außerordentlich wertvoll ſein wird. Ich verweiſe in
dieſer Beziehung auf die Abſchnitte VII bis XI, ſowie
auf den Abſchnitt XV, welche behandeln „Gauner—
praktiken“, „die Gaunerſprache“, „Zigeuner; ihr Weſen,
ihre Eigenſchaften“, „Aberglauben“, „die Waffen, ihre
Kenntnis und Verwertung“, „die Dechiffrierkunde“.
Zu einem eingehenden Studium möchte ich den Unter—
ſuchungsrichtern den zweiten Abſchnitt über „die Ber-
nehmung“ ganz beſonders empfehlen; denn der Wert
der Zeugenausſagen wird nur zu häufig überſchätzt.
Wenn der Zeuge auch die Wahrheit ſagen will, ſo
bleiben doch vielfach ſeine Bekundungen nur Schlüſſe
aus unvollkommenen ſinnlichen Wahrnehmungen.
Unter Berückſichtigung der ſehr umfangreichen Litera—
tur hat Groß dieſen Gegenſtand ſehr eingehend be-
handelt. Kein Menſch wird darum in das andere
Extrem verfallen und alle Zeugenausſagen für wert—
los erklären wollen; aber ein Richter, der ſein Urteil
auf Zeugenausſagen ſtützt, muß ſich ſtets bewußt
bleiben, daß die Angaben der Zeugen nur dann Wert
haben, wenn ſie ſich nicht im Widerſpruch mit anderen
unverrückbaren Tatſachen befinden.
Nicht minder wichtig iſt der XIII. Abſchnitt über
„Fußſpuren und andere Spuren“, da die Fußſpuren oft
eine große Rolle in einer Unterſuchung ſpielen. Die Vor—
übungen, die Groß dem Unterſuchungsrichter empfiehlt,
wären ja gewiß ſehr zweckdienlich, ich glaube aber kaum,
daß die Ratſchläge befolgt werden, da der Unterſuchungs—
richter, während er im Amte iſt, nicht die nötige Muße
‚it.
für Unterſuchungsrichter, als Syſtem der
Kriminaliſtik. Fünfte umgearbeitete Auflage; mit
138 Abbildungen im Text. 2 Teile München 1908,
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Gebd. 20 Mk.
Als das Großſche Handbuch zum erſten Male der
dazu findet, die übrigen Juriſten aber bei der Un—
gewißheit, ob ſie jemals Unterſuchungsrichter werden,
wenig Luſt dazu haben werden; dagegen muß der
Unterſuchungsrichter wiſſen, was hier über das Leſen
aus den Fußſpuren, ihr Meſſen und Abformen geſagt
Nicht genug kann mit Groß davor gewarnt
werden, bei Vergleichung der Stiefel des Verdächtigten
mit den Spuren, jene in dieſe hineinzuprobieren. Daß
die Fußſpuren dadurch wertlos werden, wäre nicht
einmal das größte Uebel; ſehr leicht könnten durch
derartige Manipulationen aber Unſchuldige ſchwere
Nachteile erleiden. Ich möchte in dieſer Beziehung
nur auf einen Fall verweiſen, der mir felbſt als Unter—
92 Zeitſchrift für Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 4 in Bayern. 1908.
ſuchungsrichter vorgekommen iſt. In einem allein⸗
ſtehenden Hauſe wurde, während die Bewohner auf
dem Handel längere Zeit abweſend waren, ein Ein⸗
bruchdiebſtahl verübt. Die vox populi bezeichnete einen
anderen Händler als den vermutlichen Einbrecher und
die Gendarmerie hatte nichts eiligeres zu tun, als ſich
ein paar Stiefel des Verdächtigen zu verſchaffen und
dieſe mit den Fußſpuren zu vergleichen. Nach der
Anzeige, welche bei der Staatsanwaltſchaft einlief,
ergab die Vergleichung, daß die Fußſpuren von
dieſen Stiefeln herrühren müßten. Bei der Orts⸗
beſichtigung fanden ſich auch alle charakteriſtiſchen
Merkmale der Stiefel in den Jußſpuren wieder,
und dem Staatsanwalt, der der Ortsbeſichtigung ans
wohnte, ſchien jeder Zweifel an der Täterſchaft des
Verdächtigen ausgeſchloſſen. Ich konnte mich aller—
dings dieſer Auffaſſung nicht ſo ganz anſchließen,
weil ich den Verdacht nicht abweiſen konnte, daß die
Gendarmerie nachgeholfen habe, da doch zwiſchen dem
Einbruchdiebſtahl und der Auffindung der Fußſpuren
einige Zeit inmitte lag und die Fußſpuren nach dieſer
Zeit kaum die beſonderen Merkmale in ſo auffallender
Klarheit hätten wiedergeben können. Die Gendarmerie
gab zwar zu, daß ſie die Stiefel in die Fußſpuren
hinein probierte, beſtritt aber, daß irgendwelcher Druck
ausgeübt worden ſei. Schon am Tage nach der Orts-
beſichtigung wurde der Verdächtige, gegen den Haft—
befehl erlaſſen war, vorgeführt. Er leugnete. AMn-
geſichts der Fußſpuren und beim Widerſpruch des
Staatsanwals blieb der Haftbefehl aufrecht erhalten.
Der „Zufall“, der ja vielfach in Unterſuchungen eine
wichtige Rolle ſpielt, kam dem Verdächtigen zu Hilfe,
indem ſchon am nächſten Tage ein herumziehender
Handwerksburſche wegen einer anderen Tat in der
Gegend aufgegriffen wurde und einen großen Teil
der geſtohlenen Gegenſtände an ſeinem Körper trug.
Der Handwerksburſche gab auch den Einbruch unum—
wunden zu und der mit Unrecht Verdächtigte wurde
ſofort in Freiheit geſetzt. Wenn der unſchuldig Ver—
dächtigte unter dieſen Umſtänden auch nicht ganz 24
Stunden in Unterſuchungshaft war, ſo war es doch
gerade genug für ihn. Was aber geſchehen wäre,
wenn der wirkliche Täter nicht aufgegriffen worden
wäre, läßt ſich ſchwer ſagen. Alſo bei der Vergleichung
der Fußſpuren große Vorſicht!
Das Großſche Handbuch iſt für jeden Unter—
ſuchungsrichter m. E. unentbehrlich. Es wird aber
auch allen anderen, welche an der Erforſchung von
Kriminalfällen zu arbeiten haben, insbeſondere den
Staatsanwälten, den erkennenden Richtern und den
Polizeiorganen gute Dienſte tun. Es kann daher
allen empfohlen werden.
Oberſtantsanwalt von Zoeller in München.
Dr. A. Groſch, Erſter Staatsanwalt. Strafgeſetzbuch
für das Deutſche Reich. Erläutert zum Ge—
brauche für Polizei-, Sicherheits- und Kriminal-
beamte. München 1907, J. Schweitzer Verlag (Arthur
Sellier). 219 S. Preis gebd. Mk. 2.50.
Eine brauchbare Bearbeitung des Strafgeſetzbuchs,
die ſich dem Verſtändnis und den Zwecken des Voll⸗
zugsbeamten anpaßt, gab es bisher nicht. Das Werk
von Groſch ſoll die Lücke ausfüllen. Der Verfaſſer
will „in knapper, aber bis zum vollen Verſtändnis
durchgeführter Form“ alles bringen, was dieſe
Beamten brauchen. Die Erläuterungen ſollen auch
dem Unterricht in den Gendarmerieſchulen zugrunde
gelegt werden. Der Verſuch ift wohlgelungen. Die
durchaus eigenartigen Anmerkungen ſind ſtets klar
und prägnant gehalten. Bei der Beſtimmung ihres
Umfangs und der Wahl der zahlreichen Beiſpiele
war r der Zweck des Buches maßgebend. Auf die
Nr. 44.
ge — — nn
Nachweiſung der ſorgfältig verarbeiteten Rechtſpre⸗
chung wurde mit Recht verzichtet. In jeder Zeile tritt
uns der erfahrene Praktiker entgegen. Ich glaube,
daß das Buch als erſte Einführung in die Praxis des
täglichen Lebens auch manchem jungen Rechtsbefliſſenen
von Nutzen wäre. Staatsanwalt Bleuer
Friedländer, Dr. Adolf, Landgerichtsrat in Limburg a. L.
und Friedländer, Dr. Max, Rechtsanwalt in München.
Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878. München 1908. J. Schweitzer
Verlag (Arthur Sellier). Gebd. M 9.60.
Die Vorſchriften der Rechtsanwaltsordnung ſind
keineswegs ſo einfach und leicht verſtändlich, wie
man gemeinhin anzunehmen pflegt. Gleichwohl iſt
die Rechtsanwaltsordnung in der Literatur bisher
ſtiefmütterlich behandelt worden. Der Praxis ſtanden
außer einigen kleinen Textausgaben nur veraltete und
dem Inhalte nach unzulängliche Kommentare zur Ber-
fügung. Dieſe Lücke füllt der neue Kommentar in
trefflicher Weiſe aus. Er begnügt ſich nicht mit einer
Erläuterung der Vorſchriften des Geſetzes ſondern be—
ſchäftigt ſich auch — und zwar beſonders eingehend —
mit den ſchwierigſten zivilrechtlichen Fragen, ſo z. B.
in einem 31 Seiten umfaſſenden „Exkurs“ vor S 30
RAO. mit dem Vertragsverhältnis zwiſchen dem
Anwalt und dem Klienten. Sehr zu rühmen iſt, daß
die Verfaſſer ſich überall die volle wiſſenſchaftliche
Selbſtändigkeit bewahrt haben und ſtets die eigene
Meinung mit eigenen Gründen vertreten. Von einem
Kult der Entſcheidungen, zu dem z. B. die Erläute—
rungen zu § 28 RAO. Anlaß hätten geben können,
iſt nirgends etwas zu ſpüren.
Vielfach mußten die Verfaſſer auch zu allgemeinen
Standesfragen Stellung nehmen. Sie zeigen dabei
eine hohe Auffaſſung des Anwaltsberufes und ver-
treten zuweilen eine ſtrengere Auffaſſung als der
Ehrengerichtshof. von der Pfordten.
Notizen.
Pſychiatriſche Ausbildung der Juriften. Der Auf⸗
ſatz des Herrn Landgerichtsrats Dr. Bittinger in
Nr. 23 des 3. Jahrgangs dieſer Zeitſchrift ſchließt
nach einem Hinweiſe auf den im heurigen Frühjahre
in Gießen abgehaltenen Kurs der gerichtlichen Pſycho—
logie und Pſychiatrie mit dem Wunſche, daß durch
ähnliche Veranſtaltungen den bayeriſchen Praktikern
die Erlangung der nötigſten Kenntniſſe auf den ge—
nannten Gebieten erleichtert werden möchte. Dieſer
Wunſch wird ſicherlich in den weiteſten Kreiſen der
bayeriſchen Praktiker geteilt; er kann auch an
anderen Orten als in den Univerſitäts⸗Städten erfüllt
werden. Als Beweis hierfür iſt vielleicht die Mit⸗
teilung von allgemeinem Intereſſe, daß im Jahre
1907 in der Zeit von Neujahr bis Oſtern auf An—
regung eines Mitgliedes des Richter-Kollegiums des
LG. Deggendorf der Herr Direktor der Heil- und
Pflege-Anſtalt zu Deggendorf die Güte hatte, einen
Zyklus von Vorträgen über forenſiſche Pſychiatrie
zu halten. Die Vorträge — wöchentlich etwa 2 Stunden
— waren mit Vorſtellung typiſcher Krankheitsbilder
verbunden und führten in überaus klarer und inſtruk—
tiver Weiſe in alle für den praktiſchen Juriſten
wichtigen Gebiete der Pſychiatrie ein. Faft ſämtliche
Beamte der Gerichte (Richter, Staatsanwälte und
e Sekretäre) beteiligten ſich an den Vorträgen.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H., Freifing.
Ur. 5. 5.
= Sünden, den 1. März 1908. 1908.
4. Jahrg.
Zeitfhrift für Rechtspflege
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Dle Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
Im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich
„ 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a).
in Bayern
Verlag von
3. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1.
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Ein Verſagen der Kechtſprechung oder eine Lücke
des Geſetzes auf dem Gebiete des Arbeiterſchutzes?
Von Rudolf Troeltſch, II. Staatsanwalt in Augsburg.
Die nachfolgende Abhandlung hat den Zweck
auf eine im gewerblichen Leben häufig vorkommende
Umgehung wichtiger Beſtimmungen des jog. Arbeiter:
ſchutzgeſetzes vom 1. Juni 1891 hinzuweiſen und die
Frage zu erörtern, ob die bisherigen Beſtimmungen
der GewO. ausreichen, dieſe Umgehung des Ge-
ſetzes wirkſam zu bekämpfen, oder ob hierzu eine
Aenderung oder Ergänzung der Geſetzgebung ge-
boten iſt. i
8 105b Abſ. I der GewO. beſtimmt, daß
im Betriebe von Bergwerken zc. ꝛc. Fabriken, Wert-
ſtätten und der übrigen fog. produzierenden Gewerbe
Arbeiter an Sonn- und Feiertagen nicht beſchäftigt
werden dürfen und ſetzt für die den Arbeitern zu
gewährende Sonn- und Feiertagsruhe eine Mindeſt⸗
dauer feft. $ 135 Abſ. II und III und S 136
beſtimmen für die Beſchäftigung jugendlicher
Arbeiter in Fabriken eine Maximaldauer, regeln
die ihnen zu gewährenden Ruhepauſen und ver—
bieten jede Nachtarbeit und jede Beſchäftigung
jugendlicher Arbeiter an Sonn- und Feiertagen.
X 137 beſchränkt die Arbeitsdauer der weiblichen
Arbeiter an den Vorabenden der Sonn- und Feier:
tage und während der Nachtzeit, ſetzt für ihre
Beſchäftigung eine Maximaldauer von 11 Stunden
und eine Mittagspauſe feſt und ſieht weitere Ein—
ſchränkungen der Arbeitszeit für Arbeiterinnen mit
Haushaltspflichten und bei Wöchnerinnen vor.
Die Anwendung der für jugendliche und weib—
liche Fabrikarbeiter aufgeſtellten Vorſchriften iſt
durch $ 154 Abſ. II und III GewO. auf die
den Fabriken gleichgeſtellten Anlagen, durch 8 154 a
GewO. auf Bergwerke und Salinen und auf
Grund des 8 154 Ab}. IV GewO. durch kaiſer—
liche Verordnungen auch auf die Werkſtätten mit
Motorenbetrieb und auf die Werkſtätten der Kleider—
und Wäſchekonfektion ausgedehnt. Endlich iſt auf
Grund des § 120 e Abſ. III GewO. durch ver:
ſchiedene Bundesratsbekanntmachungen in Gewerben,
in denen durch übermäßige Dauer der täglichen
Arbeitszeit die Geſundheit der Arbeiter gefährdet
wird, ſo insbeſondere für die Bäckereien und Kon—
ditoreien und für das Gaſt- und Schankwirtsſchafts⸗
gewerbe eine Maximaldauer der Arbeitszeit er⸗
wachſener und jugendlicher Arbeiter eingeführt.
Dieſe Beſtimmungen ſtellen den wichtigſten Teil
der Vorſchriften zum Schutze der Arbeiter in
Induſtrie und Handwerk dar. Sie ſollen, wie den
Motiven zu den einſchlägigen Entwürfen zu ent—
nehmen iſt, den Arbeitern die Möglichkeit geben,
die Sonn- und Feiertage der nötigen Ruhe nach
der Wochenarbeit, der innern Sammlung, der
Stärkung und Erfriſchung zu neuer Arbeit und
der Pflege des Familienlebens zu widmen; ſie
ſollen der geſundheitsſchädlichen Ausbeutung der
Arbeitskraft vorbeugen, eine Schonung der jugend—
lichen Arbeiter ſichern und der Jugend Zeit zu
weiterer Ausbildung neben der Berufsarbeit ver—
ſchaffen; ſie ſollen ferner insbeſondere der Geſund—
haltung des weiblichen Arbeiterſtandes und der
Förderung der Arbeiterhaushalte dienen. (Land—
mann, Kommentar zur GewO. 4. Aufl. II. Bd.
S. 21, 333, 343).
„Der Geſetzgeber ift bei diefen Maßnahmen von
der Anſchauung ausgegangen, daß die beſonderen
Verhältniſſe, in denen ſich die Arbeit in Induſtrie
und Handwerk vollzieht (hohe körperliche An:
ſtrengung, ſchlechte Luft und ungeſunde Tempera—
turen in den Betriebsſtätten u. a.), an die Geſund—
heit und die körperlichen Kräfte höhere Anſprüche
ſtellen, als dies in anderen Gewerben der Fall iſt;
und er ſieht in der von ihm zugelaſſenen täglichen
oder wöchentlichen Arbeitsdauer — von beſonderen
Ausnahmefällen abgeſehen — das höchſte zuläſſige
Maß an Arbeitsleiſtung, welches dem Arbeitnehmer
überhaupt und dem jugendlichen und weiblichen Ar—
beiter insbeſondere ohne Schädigung der körperlichen
und pſychiſchen Geſundheit zugemutet werden kann.
Daß gerade dieſe Erwägung es iſt, welche zu
den erwähnten Beſchränkungen der Arbeitszeit der
induſtriellen Arbeiter geführt hat, ergibt ſich daraus,
daß im Handelsgewerbe, in welchem der Arbeit—
94 Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
nehmer einer Erſchöpfung feiner körperlichen Kräfte geſetzte Umgehung der geſetzlichen Beſtimmungen
nicht in ſolchem Maße ausgeſetzt iſt, Beſchränkungen derartige Mißſtände herausgebildet, daß es an der
der Arbeitszeit — von den Beſtimmungen in Zeit iſt, ernſtlich zu prüfen, ob die beſtehenden Ge⸗
§ 105 b Abſ. II GewO. abgeſehen — im ſetzesvorſchriften zu ihrer Bekämpfung ausreichen
allgemeinen 85 0 0 m und 0 der oder ob eine Aenderung der Geſetzgebung geboten iſt.
Vorſchrift in § 139 c GewO. erft da einſetzen, l ;
no., iin ben, oenen Beute, ADA |, nahen dan ber Bea en
Umſtände (ſchlechte Luft, mangelnde Sitzgelegenheit, Wera te mil den ie enen Berka fs
ungeeignete Temperaturen) auf die Kräfte und die 1 y 8
i ; 1% m; geſchäfts vereinigt iſt. Eine ſolche Vereinigung
Geſundheit der Arbeitnehmer nachteilig einwirken findet ſich vor allem bei zahlreichen Unterneh⸗
un C mungen der Kleider- und Wäſchekonſektion, des
ö | II. Putzmacher⸗, Kürſchner⸗ und Schuhmachergewerbes,
Selbſtverſtändlich können dieſe Arbeiterſchutz⸗ der Konditoreien, Bäckereien und Fleiſchereien.
: ; ferner auch häufig in den Betrieben der Buch⸗
. . binder, Goldſchmiede, Blumenbinder, Uhrmacher,
unbedingte Durchführung der vorge- Poſamentiere, Friſeure, Mechaniker, der Kellereien
1 Ru ER: ert und ne und anderer mehr. In dieſen Betrieben pflegen,
beſondere verhindert, daß die Arbeiter ſoweit nicht von der nach $S 41 a und 105 b
während dieſer Ruhezeiten zu ander— Abſ. II GewO. zuläſſigen Einſchränkung durch
weitigen gewerblichen Arbeiten heran: Ortsſtatut Gebrauch gemacht ift, an den Bor-
gezogen werden. mittagen der Sonn⸗ und Feiertage die offenen
Solches kann in mehrfacher Weiſe geſchehen, Verkaufsſtellen dem Verkehre offen zu ſtehen,
indem die Arbeiter während in den Werkſtätten wegen der den Arbeitern
1. ſich während der Ruhezeiten zu Hauſe gewerb⸗ zu gewährenden Sonntagsruhe die Arbeit ruht,
licher Arbeiten auf eigene Rechnung widmen, und au den Werktagabenden, iunsbeſondere auch an
2. fi während der Ruhezeiten andern Arbeit- Vorabenden vor Sonn- und Feiertagen erſtreckt
gebern in deren Betrieben verpflichten, ſich die Offenhaltung der Verkaufaſtelle nach Orts⸗
3. ſich in den Fällen, in welchen der gebrauch und auf Grund der Beſtimmungen über
eigene Arbeitgeber in feiner Hand einen den 9 Uhr ⸗Ladenſchluß in der Regel noch einige
induſtriellen oder einen Werkſtätten⸗ | Stunden über den Schluß der Arbeit in der
betrieb miteinem andern, insbeſondere Werkſtätte.
|
einem handelsgewerblichen Betrieb ver⸗ Erfahrungsgemäß iſt aber in Städten mit
einigt, nach Eintritt der für den erſteren induſtrieller Bevölkerung und, ſoweit die Bor-
Betrieb vorgeſchriebenen Ruhezeiten in mittage der Sonn⸗ und Feiertage in Frage kommen,
dem andern Betriebe, für welchen ſolche in Städten mit dicht bewohnter bäuerlicher Um⸗
Ruhezeiten nicht oder nur in geringerem gebung der Verkehr in den offenen Verkaufsſtellen
Maße vorgeſchrieben ſind zu weiteren gerade in den vorerwähnten Stunden beſonders
Arbeiten verwenden laſſen, ſowie in⸗ lebhaft und die zu bewältigende Arbeit beſonders
dem ſie l 3 groß, dies macht das Bedürfnis nach einer vor⸗
4. von ihrem Arbeitgeber nach Eintritt der übergehenden Vermehrung der zur Bedienung der
vorgeſchriebenen Ruhezeiten zwar von der Betrieb- Käufer verfügbaren Arbeitskräfte rege und dieſem
ſtätte entlaſſen, jedoch noch mit weiteren zu Hauſe Bedürfnis wird dann vielfach in der Weiſe ent⸗
zu erledigenden Arbeiten verſehen werden. ſprochen. daß die in der Werkſtätte freigewordenen
Die ‚unter 1. und 2. erwähnten Fälle werden Arbeitskräfte zur Bedienung der Kunden im Laden.
verhältnismäßig ſelten ſein und haben bisher, wenn zur Vornahme der kleineren Abänderungsarbeiten
ſie auch eine Vereitelung der geſetzgeberiſchen Abſicht an den verkauften Waren oder zum Austragen
in der oben erwähnten Richtung in ſich ſchließen, der Waren herangezogen werden. Dies geſchieht
zu erheblichen Klagen nicht geführt. Die gegen⸗ auf Koſten der den Werkſtättenarbeitern zu ge—
wärtigen Beſtimmungen der GewO. bieten auch währenden geſetzlichen Ruhezeiten und führt zu
keine Handhabe, dieſen Fällen entgegenzutreten; einer Ausbeutung und Ueberanſtrengung der gewerb—
eine Schaffung von Beſtimmungen, die dies ermög⸗ lichen Arbeiter, welche bei der zunehmenden Zahl
lichen, iſt wegen der Seltenheit der Fälle kaum dieſer Fälle ſehr bedenklich iſt.
veranlaßt und würde auch an ſich Bedenken unter—
liegen, da ſie in die individuelle Freiheit der Arbeit— III
nehmer im erſten Falle zu weitgehend eingreifen f
und hinſichtlich der Durchführung und Kontrolle Kann nun einer ſolchen Umgehung des Ge:
in beiden Fällen Schwierigkeiten bieten würden. ſetzes, einer ſolchen Vereitelung der geſetzgeberiſchen
Dagegen find ſehr häufig die unter Ziff. 3 | Ablichten auf Grund der beſtehenden geſetzlichen
erwähnten Fälle. Hier haben ſich durch fort: | Beſtimmungen, insbeſondere der Straſvorſchriften
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 95
— M — . ſä—ͤ —ͤ -! — nn nn nn U ar
in §8 146 Ziff. 2, 146 a und 147 Ziff. 4 GewO.
mit Erfolg entgegengetreten werden?
In den Motiven zu den Novellen zur Reichs⸗
gewerbeordnung, in den Kommiſſionsberichten und
in den Verhandlungen des Reichstags iſt eine Ant⸗
wort auf dieſe Frage nicht zu finden; auch der
ſonſt ſo erſchöpfende Kommentar von Landmann
ſchweigt hierüber. Während nun die gegenwärtige
Abhandlung aus den ſpäter zu erörternden Gründen
dieſe Frage bejahen möchte, hat die Rechtſprechung
der oberſten Gerichte ſie ſchon wiederholt ver⸗
neint. Es find dies die Entſcheidungen des Ober:
landesgerichts Töln vom 4. Mai 1903, aus:
zugsweiſe mitgeteilt in Goltd Arch. Bd. 51 S. 378,
die Entſcheidung des bayeriſchen Oberſten Landes-
gerichts vom 22. Januar 1901 (Reger Bd. 22
S. 181) und eine ſolche desſelben Gerichts vom
12. Juli 1907.
Die beiden erſten Entſcheidungen betreffen je
den Fall, daß in einem mit einer Putzmacherei
verbundenen offenen Verkaufsgeſchäft der Mode-
konfektion die für gewöhnlich in der Putzſtube ver:
wendeten Arbeiterinnen an den Vormittagen der
Sonn- und Feſttage im Ladengeſchäft teils
mit der Bedienung der Kunden, teils mit anderen
Arbeiten beſchäftigt wurden, welche — wie die
Zurichtung und Abänderung verkaufter Hüte —
nach der einwandfreien Auffaſſung der preußiſchen
Miniſterialanweiſung vom 11. März 1895 A II
und der bayeriſchen Miniſterialentſchließung vom
14. März 1895 (MABl. S. 107) als Beſchäf⸗
tigung im Handelsgewerbe zu erachten ſind. Die
dritte Entſcheidung erſtreckt ſich außerdem auf die
Frage, ob die Putzarbeiterinnen in ſolchen Ge—
ſchäften an den Werktagabenden, insbeſondere
an den Vorabenden vor Sonn- und Feſttagen in
der Zeit, in welcher fie nach $ 137 GewO. in der
Werkſtätte nicht mehr beſchäftigt werden dürfen,
zu einer Tatigkeit in dem Verkaufsgeſchäfte heran:
gezogen werden können.
Die Entſcheidungen haben, wie erwähnt, dieſe
Fragen ſämtliche bejaht; doch haben ſie — die
erſte ausdrücklich, die letzte durch Billigung der
Ausführungen der erſten Inſtanz hierüber
— hierbei anerkannt, daß in dieſen Fällen eine
nach dem gegenwärtigen Standpunkt der Geſetz—
gebung leider nicht zu verhindernde Vereitelung
des geſetzgeberiſchen Zwecks der 88 105 b
und 137 GewO. vorliege. Die Entſcheidungs—
gründe ſind von Intereſſe.
Das Oberlandesgericht Cöln führt aus:
„Iſt in einem Betriebe die Sonntagsarbeit
während einer beſtimmten Zeit geſtattet, ſo kann
der Unternehmer während dieſer Zeit Arbeiter in
dem Betrieb beſchäftigen. In der Auswahl der
Arbeiter iſt er geſetzlich nicht beſchränkt. Es iſt
daher nicht verboten, zu dieſer Arbeit ſolche Ar:
beiter heranzuziehen, die an einem Wochentage in
einem Werkſtattbetriebe, für welchen die Sonn:
tagsarbeit vollſtändig ausgeſchloſſen iſt, beſchäftigt
— A.]HtQ.. «7VC2..ů—ů—3Sꝗ—- . —88—8—8—8—8—8—8——
werden. Daß dadurch der geſetzgeberiſche Zweck,
dieſen Arbeitern volle Sonntagsruhe zu gewähren,
vereitelt wird, iſt richtig. Dieſer Zweck könnte in
vollem Umfang nur durch das Verbot erreicht
werden, dieſe Arbeiter an Sonntagen überhaupt
nicht zu beſchäftigen. Ein Verbot dieſes Inhalts
beſteht nicht.“
Die Entſcheidung des bayeriſchen Oberſten
Landesgerichts vom 22. Januar 1901 ſtellt für den
damals zur Entſcheidung geſtandenen Fall zunächſt
feſt, daß die in der Werkſtätte beſchäftigten Putz⸗
arbeiterinnen durch Arbeitsvertrag verpflichtet waren,
im Bedarfsfall und insbeſondere an Sonn- und
Feiertagen auch als Verkäuferinnen im Ladengeſchäft
tätig zu ſein und knüpft hieran die rechtliche
Folgerung:
„Inſoweit die Putzarbeiterinnen im Laden:
geſchäft, alſo im Handelsgewerbe tätig waren, fällt
ihre Beſchäftigung unter Abſatz II des § 105 b
GewO., während ihre gewerbliche Beſchäftigung in der
a unter Abſatz I desjelben Paragraphen
allt.“
Die Entſcheidung des Oberſten Landesgerichts
vom 12. Juli 1907 nimmt lediglich auf die erft-
inſtanziellen Entſcheidungsgründe bezug, welche ſich
ihrerſeits ohne weitere Begründung auf die Ent:
ſcheidung des Oberlandesgerichts Cöln vom 4. Mai
1903 ftüßen.
IV.
Dieſen Entſcheidungen liegt der Gedanke zu⸗
grunde, daß der Geſetzgeber durch die Vorſchriften
des § 105 b Abſ. I GewO. beſtimmten Gewerbe⸗
gruppen (Bergwerken, Fabriken, Werkſtätten uff.)
während der von ihm feſtgeſetzten Zeiten ein
Ruhen des Betriebes zur Auflage macht
und daß er, ohne eine anderweitige Beſchäftigung
der Arbeiter während dieſer Betriebsruhe direkt zu
verbieten, darauf rechnet, daß in der Praxis dieſe
Einſchränkung der Betriebszeit von ſelbſt auch zu der
von ihm angeſtrebten Beſchränkung der Arbeitszeiten
der in dieſen Gewerben beſchäftigten Arbeiter führt.
Dieſer Geſichtspunkt der Vorſchrift einer bloßen Be:
triebsruhe — oder wie im Reichstag (Sten B. 1890/91
S. 1473) gejagt wurde, einer objektiven Arbeits:
ruhe im Betrieb im Gegenſatz zu der ſubjektiven
Arbeitsruhe der Arbeiter — wird dann ohne
weiteres auch auf die Beurteilung der Beſtim—
mungen der §§ 136, 137 und 120 e GewO.
übertragen. Aus dieſer Auffaſſung entwickelt ſich
folgerichtig die in den genannten Entſcheidungen
vertretene Anſchauung, daß die Gewerbeordnung
in ihren Strafbeſtimmungen zu den §§ 105 b,
135—137, 120 e zwar die Handhabe zur Erzwin—
gung dieſer Betriebsruhe, nicht aber auch die
Handhabe zur Verhinderung einer anderweitigen
Beſchäftigung der Arbeiter während dieſer
Betriebsruhe biete. Dieſe ganze Anſchauung muß
als irrig bezeichnet werden aus folgenden Erwä—
gungen:
96
Es iſt nicht einzuſehen, aus welchen Gründen
die Gewerbeordnung dazu kommen ſollte, in § 105 b
das Schwergewicht auf die Schaffung einer Be⸗
triebsruhe zu legen. Die Gewerbeordnung
kennt allerdings den Begriff der geſetzlichen Be⸗
triebsruhe für beſtimmte Gewerbegruppen. Die
Vorſchriften hierüber finden ſich aber nicht in Titel
VII, ſondern in Titel II und III der Gewerbe⸗
ordnung und zwar in § 41 a für offene Verkaufs⸗
ſtellen, in $ 41 b für gewiſſe Bedürfnisgewerbe und
in § 55 a für das im Umherziehen betriebene Gewerbe.
Hier hat der Begriff auch eine entſprechende For⸗
mulierung gefunden. Die Einführung dieſes Be⸗
griffes hat dort den Zweck, die Sonn: und Feier⸗
tagsruhe vor Störungen zu ſichern und die Ge-
werbetreibenden vor gegenſeitiger Konkurrenz zu
ſchützen (Landmann a. a. O. S. 22). Dieſe Zwecke
find aber dem Titel VII und damit dem § 105 b
GewO., welcher ſich nur mit dem Arbeiterſchutz
befaßt, begrifflich fremd. (Bericht der Reichstags⸗
kommiſſion S. 1431). Bei $ 105 b GewO. handelt
es ſich nur darum, den gewerblichen Arbeitern
eine gewiſſe Ruhezeit zu ſichern. Der durch die
Novelle vom 1. Juni 1901 eingefügte Paragraph
ift eben nur eine Meiterentwidlung des § 105 a,
durch welchen bereits die GewO. der Jahre 1869
und 1878 die Sicherung der Sonntagsruhe der
Arbeiter und zwar ausſchließlich im Intereſſe des
Arbeiters ſelbſt anſtrebte. So wenig der
letztere Paragraph die Tendenz und die Wirkung
beſitzt, das Ruhen der Betriebe an Sonn- und
Feiertagen einzuführen, ebenſo wenig iſt dies bei
5 105 b GewO. der Fall.
Der Gedanke, daß $ 105b GewO. in erſter
Linie die Ruhe im Betriebe zu ſichern beſtimmt
ſei, läßt ſich weiter aus dem Grunde nicht halten,
weil dieſer Paragraph ſeinem Wortlaute nach
ſolches von vornherein in allen jenen Betrieben nicht
durchzuſetzen vermöchte, in denen die Fortführung
des Betriebs durch den Arbeitgeber allein mög—
lich iſt.
Auch aus der Faſſung „Im Betriebe von
Bergwerken ꝛc. dürfen Arbeiter nicht beſchäftigt
werden“ kann nicht, wie es ſchon geſchehen iſt, auf
einen ſolchen Sinn der Vorſchrift gefolgert werden;
die Wahl dieſes Ausdrucks hat, wie Landmann
a. a. O. S. 24 darlegt, andere hier nicht zu
erörternde Gründe.
Daß § 105b GewO. nicht die Regelung der
Betriebsruhe, ſondern nur jene der Ruhezeiten
der Arbeiter im Auge hat, ergibt fih zur Ge-
wißheit endlich auch aus der Faſſung des zweiten
und der folgenden Sätze dieſes Paragraphen. Es
wird hier nicht von der Dauer der im Betriebe
einzuhaltenden Sonntagsruhe, ſondern von der
Mindeſtdauer „der den Arbeitern zu gewäh—
renden” Ruhezeit geſprochen; es wird nicht Schluß
und Wiederbeginn der Betriebszeit, ſondern Anfang
eigen für Bectöpfege in Bayern. 1908. Mr. 5
beſchäftigten Arbeiter beſtimmt. Hierbei wird aller:
dings der Anfang der Ruhezeiten geſetzlich auf
einen Zeitpunkt — 12 Uhr Mitternacht — teft-
gelegt und hierdurch im Effekt eine allgemeine Be⸗
triebsruhe bewirkt; dies iſt aber, wie ſich aus dem
Bericht der Reichstagskommiſſion 1890/91 (II. An:
lageband S. 1427 ff.) ergibt, nur eine formale
Konzeſſion an jene Parteien, welche aus religiöſen
Gründen auf ein Zuſammenfallen der Ruhezeiten
mit dem chriſtlichen Kalenderſonntag Gewicht ge:
legt haben.
Der Umſtand, daß der letzte Satz des Abi. 1
bei Betrieben mit regelmäßiger Tag⸗ und Nacht⸗
ſchicht ausdrücklich ein 24 ſtündiges Ruhen des
Betriebs verlangt, ändert an obigen Ausfüh⸗
rungen nichts; es iſt vielmehr bezeichnend, daß
gelegentlich der Beratung über dieſen Satz im
Reichstag der Abgeordnete Holtzmann ſich aus⸗
drücklich dagegen verwahrt hat, daß hier „gewiſſer⸗
maßen durch die Hintertüre ein ganz neues Prinzip,
nämlich daß der Betrieb 24 Stunden ruhen
muß, an Stelle des Prinzipes, daß den Arbeitern
24 Stunden Ruhe geſichert ſein ſollen, in das
Geſetz hereinkomme“, und er warnt vor den weiter⸗
gehenden wirtſchaftlichen Folgen dieſes Prinzips.
(Reichstag 1890/91 Sten B. Bd. III 1464).
Man kann das Ergebnis der bisherigen Unter⸗
ſuchung dahin zuſammenfaſſen, daß es den Begriff
einer objektiven Betriebsruhe nach 3 105 b im
Prinzipe nicht gibt und daß, wo eine ſolche in
Erſcheinung tritt, ſie nur eine mittelbare Folge
der in § 105 b eingeführten Arbeiterruhe ift, ſowie
daß hiernach die Auffaſſung, welche die Beſchäftigung
der Arbeiter an Sonn- und Feiertagen nur ſoweit
als verboten anſieht, als ihr die in dem einzelnen
Gewerbebetrieb eingeführte Betriebsruhe entgegen
ſteht, von Vorausſetzungen ausgeht, die im Geſetze
ſelbſt keine Grundlage haben. Schluß folgt.)
Zur Reform des Privatklageverfahrens.
Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof.
Der Kommiſſion für die Reform des Straf—
prozeſſes waren hinſichtlich des Privatklageverfahrens
vom Reichsjuſtizamt lediglich folgende Fragen zur
Beratung und Beſchlußfaſſung unterbreitet: Soll
für den Fall, daß im allgemeinen an dem Legalitäts⸗
prinzip feſtgehalten wird, die prinzipale Privat:
klage auf einzelne Straftaten, welche für die öffent-
liche Ordnung von geringer Bedeutung ſind —
unter entſprechender Einſchränkung des Legalitäts—
prinzips — ausgedehnt, oder fol die ſubſidiäre
Privatklage für ſolche Fälle zugelaſſen werden?
Die Reformkommiſſion hat mit gutem Grunde
die Einführung der ſubſidiären Privatklage ab-
und Endtermin der Ruhezeiten der im Betriebe gelehnt und an der prinzipalen Privatklage feſt—
gehalten; fie will letztere auf eine Reihe weiterer
Straftaten ausgedehnt wiſſen. (Prot. der Reform:
kommiſſion Bd. S. 285—294, Bd. 115.37 — 49;
Beſchl. Nr. 243).
Mit der Löſung der erwähnten, vom Reichs—
juſtizamt geſtellten Fragen hat fih die Reform-
kommiſſion nicht begnügt; ſie war auch beſtrebt,
durch entſprechende Vorſchläge den in der Praxis
hinſichtlich des Privatklageverfahrens hervorge—
tretenen Reformbedürfniſſen gerecht zu werden.
Soweit diefe Vorſchläge das überaus wichtige Be:
klageſachen betreffen, ſollen ſie auf ihre Zweck⸗
mäßigkeit näher geprüft werden und zwar unter
Berückſichtigung jener Erfahrungen, die in dieſer
Beziehung zu ſammeln, das ſeit einer Reihe von
Jahren beim Amtsgerichte Nürnberg geübte be:
ſondere Verfahren Gelegenheit bot.
Dieſes Verfahren unterſcheidet ſich von dem
ſonſt allgemein üblichen in folgenden Punkten:
A. Der Eröffnungsbeſchluß enthält
regelmäßig:
1. die Anordnung, daß die Parteien in der
Hauptverhandlung perſönlich zu erſcheinen haben;
2. den Hinweis, daß zur Hauptverhandlung
Zeugen und Sachverſtändige nicht geladen werden.
B. Im Hauptverhandlungster min regt
der Vorſitzende vor Eintritt in die Haupt:
verhandlung einen Vergleich an; kommt
ein ſolcher zuſtande, ſo wird er ins Sitzungs—
protokoll aufgenommen und den Parteien zur Ge—
nehmigung vorgeleſen; im Protokoll wird ver—
merkt, daß die Genehmigung erfolgt ſei; kommt
ein Vergleich nicht zuſtande, ſo wird:
1. wenn die Vergleichsverhandlung erkennen
läßt, daß ohne Vernehmung von Zeugen und
Sachverſtändigen eine urteilsmäßige Erledigung
nicht möglich iſt, ohne Eintritt in die Haupt—
neuen Termin die Ladung der nach dem Vor—
bringen der Parteien nötig erſcheinenden Zeugen
und Sachverſtändigen angeordnet.
nungen erfolgen durch Gerichtsbeſchluß.
2. wenn der Inhalt der Vergleichsverhand—
lungen die Ausſicht eröffnet, ohne Zeugen und
Sachverſtändige zu einem Urteil kommen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
97
der Parteien nicht abgegeben und ſolche Geſtänd⸗
niſſe nicht abgelegt, ſo wird die Hauptverhand⸗
lung ausgeſetzt, neuer Termin beſtimmt und hierzu
die Ladung der nötig erſcheinenden Zeugen und
biet der vergleichsweiſen Erledigung der Privat⸗ der Koſten auf den Kläger eingeſtellt.
Sachverſtändigen angeordnet; auch dieſe Anord⸗
nungen erfolgen durch ſofort verkündeten Gerichts⸗
beſchluß.
Erſcheint der Privatkläger in der (erſten) Haupt⸗
verhandlung nicht, Jo wird gemäß § 431 II, 259,
503 II StPO. das Verfahren unter Ueberbürdung
Erſcheint
der Beklagte nicht, ſo wird die Hauptverhandlung
ausgeſetzt, neuer Termin beſtimmt, hierzu die Ladung
der nötig erſcheinenden Zeugen und Sachverſtändigen
und, wenn nötig, die Vorführung des Angeklagten
angeordnet. ($ 427 III StPO.).
C. Im neuen Hauptverhandlungs⸗
termine, der ſtattfindet, weil im erſten Termin
ein Vergleich nicht zuſtande kam und auch ein Urteil
ohne Vernehmung von Zeugen und Sachverſtändigen
nach Lage der Sache nicht möglich war, regt der
Vorſitzende vor Aufruf der geladenen Zeugen und
Sachverſtändigen ($ 242 StPO.) wiederum einen
Vergleich an; kommt ein ſolcher zuſtande, ſo wird
verfahren, wie wenn er ſchon im erſten Termine
gelungen wäre; andernfalls wird in die Haupt⸗
verhandlung und Beweisaufnahme eingetreten.
Hat die Beweisaufnahme ein hinreichend klares
Bild geſchaffen und iſt bei dieſer Sachlage eine
vergleichsweiſe Erledigung im Intereſſe der Par:
teien gelegen, ſo regt der Vorſitzende auch in
Dieſe Anord: '
au
können, in die Hauptverhandlung eingetreten; die
Geſtändniſſe des Beklagten und Widerbeklagten
werden zu Protokoll genommen; ſind dieſe Ge—
ſtändniſſe glaubhaft und geeignet, im Zuſammen—
halte mit den ſonſt übereinſtimmend vorgebrachten
Tatſachen die Grundlage zu einem Urteil abzu-
geben, fo wird gemäß $ 244 II StPO beſchloſſen,
daß eine weitere Beweisaufnahme nicht ſtattzu—
finden habe und dann wie im Offizialſtrafprozeſſe
weiter verfahren und das Urteil gefällt; werden
wider Erwarten ſolche übereinſtimmende Erklärungen
dieſem Prozeßabſchnitte eine gütliche Einigung
der Parteien an; gelingt ſie, ſo wird verfahren,
wie wenn ſie bereits im erſten Termin erfolgt
wäre; andernfalls endigt die Verhandlung mit
dem Urteile.
D. Der Vergleich beendigt das Ver—
fahren; es wird, gleichgültig, ob der Ver—
verhandlung der Termin verlegt und zu dem gleich vor Eintritt in die Hauptverhandlung oder
erſt ſpäter zuſtande kam, kein Einſtellungs—
Beſchluß oder Urteil erlaſſen.
E. Der Vergleich bildet einen Voll⸗
ſtreckungstitel im Sinne der Zivilprozeß-Ord—
nung ($ 104; 794).
F. Auf Grund des Vergleiches werden
die Koſten feſtgeſetzt; und zwar auch dann,
wenn über deren Höhe und Notwendigkeit kein
Streit beſteht.
G. Auf die Vollſtreckung des Ber-
gleiches und das Koſtenfeſtſetzungsver—
fahren werden die Vorſchriften der
3PO. entſprechend angewendet.
Die Zuläſſigkeit der Anordnung des perſönlichen
Erſcheinens der Parteien (ſ. oben A Ziff. 1) kann
im Hinblick auf die 88 427 IIL; 431 II und III
98
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
- — — — — — .. x.. —
StPO. nicht bezweifelt werden.) Der Hinweis,
daß Zeugen und Sachverſtändige zur Hauptverhand⸗
lung nicht geladen werden (ſ. oben A Ziff. 2) ſtützt
fih auf 8 426 J StPO.; er läßt das Recht der
Parteien auf unmittelbare Ladung (§ 426 11 StPO.)
unberührt und greift auch der Verfügung des
erkennenden Gerichtes über die Beweisaufnahme
nicht vor. (Vgl. 88 243, 244 StPO.).
Der im Urteil des Landgerichtes Würzburg
vom 7. Mai 1906 (mitgeteilt in dieſer Zeitſchrift
Jahrgang 1907 Nr. 1 S. 26) ausgeſprochenen
Anſicht, der auf 8 426 I StPO. geſtützte Hin-
weis (f. oben A Ziff. 2) widerſpreche den Grund:
ſätzen der StPO., kann demnach nicht beigepflichtet
werden. Der Hinweis widerſpricht auch nicht,
wie dieſes Urteil meint, dem Zwecke der Haupt⸗
verhandlung, eine Entſcheidung herbeizuführen.
Die Fälle, in welchen ohne Vernehmung von Zeugen
und Sachverſtändigen lediglich auf Grund glaub:
würdiger und erſchöpfender Geſtändniſſe das Urteil
gefällt werden kann, find nicht felten ;?) abgejehen
hiervon zielt in Privatklageſachen die Hauptver⸗
handlung vorzugsweiſe nicht auf eine urteilsmäßige,
ſondern auf eine vergleichsweiſe Erledigung ab; da:
mit kommen wir zur Beſprechung der Frage, ob die
Vornahme eines . vor dem erkennenden
Gerichte (f. oben B und O) zuläſſig iſt.
Das erwähnte Würzburger Erkenntnis ſpricht
ſich für die Unzuläſſigkeit aus und begründet
ſeine Anſchauung damit, daß die Abhaltung eines
Sühnetermins vor dem erkennenden Gerichte in
der Strafprozeßordnung nicht erwähnt fei, daß
vielmehr das Geſetz einen Sühneverſuch nur für
die Zeit vor der Erhebung der Klage und nur
für den Fall, daß beide Parteien in demſelben
Gemeindebezirke wohnen, in $ 420 StPO. vor:
ſehe. Das Urteil des Oberlandesgerichts Naum⸗
burg (ſ. DIZ. Jahrg. X S. 415) ſteht im weſent⸗
lichen auf dem gleichen Standpunkte. Das Amts-
gericht Nürnberg nimmt hinſichtlich der Zuläſſigkeit
des jog. gerichtlichen d. h. des von dem erkennen—
den Gerichte und unter deſſen Mitwirkung ab—
geſchloſſenen Vergleiches folgenden Rechtsſtand⸗
punkt ein:
Die Gründe, aus denen man bei den bis—
herigen Privatklageſachen ($ 414 StPO.; § 12
) Dieſe Anordnung, mit der allerdings die Be-
fugnis des Klägers wegfällt, ſich im Termine durch einen
Rechtsanwalt vertreten zu laſſen, nicht aber ſein Recht,
im Beiſtand eines Anwalts zu erſcheinen (S 427
StPO.) erfolgt in allen den Fällen, in welchen die
Parteien am Gerichtsſitze oder unweit von ihm wohnen;
ausnahmsweiſe auch in anderen Fällen, ſoferne die
Sachlage ſie als im Intereſſe der Parteien gelegen er—
ſcheinen läßt; auf begründeten Antrag des von der
Anordnung Betroffenen, ſei ſie im Regel- oder Aus—
nahmefall erfolgt, wird ſie zurückgenommen.
) Nach dem Grundſatze der freien Beweiswürdigung
(S 260 StPO.) ift es zuläſſig, eine Verurteilung des
Angeklagten ausſchließlich auf deſſen Geſtändnis zu
gründen. (Vgl. Löwe StPO. Anm. 2 zu § 243 StPO.).
— — ——— . ur mE jai. a — ſ—
1
des Geſ. v. 27. Mai 1896 zur Bekämpfung des
unlautern Wettbewerbes) das Erfordernis des
Strafantrags als einer Prozeßvorausſetzung (jo:
wohl für die öffentliche als auch für die Privat⸗
klage) aufſtellte und die Zurücknahme des Straf⸗
antrags geſtattete — Gründe, die auch dafür
maßgebend waren, die Privatklageſachen dem or⸗
dentlichen (Offizial⸗) Strafverfahren zu entziehen
und einem beſonderen, dem Einfluſſe der Par⸗
teien zugängigen Verfahren (dem Privatklagever⸗
fahren) zu unterſtellen —, laſſen die Abſicht des
Geſetzgebers, die vergleichsweiſe Erledigung der
Privatklageſachen zu begünſtigen, klar erkennen.
Daß er ſie wollte, ergibt ſich aus den Mo⸗
tiven zur StPO. (vgl. Hahns Mat. S. 277) und
daraus, daß er, wenn auch nur in der ſachlichen
Beſchränkung auf Beleidigungen?) und der ört-
lichen Beſchränkung auf die im gleichen Gemeinde⸗
bezirke wohnenden Parteien, das Erfordernis des
Sühneverſuchs aufſtellte. Daraus, daß er den
erzwingbaren Sühneverſuch nur in der Be:
ſchränkung des § 420 StPO. anordnete, folgt
keineswegs die Unzuläſſigkeit eines Sühneverſuchs
vor anderen als den auf Grund des $ 420 StPO.
vorgeſehenen Behörden. Das bayer. Oberfte
Landesgericht hat in einem Urteile vom
8. November 1900 (abgedruckt in den BİRA.
Bd. 66 S. 428) ausgeſprochen: „das Erfor⸗
dernis des Sühneverſuchs bei Beleidigungen be:
ruht auf dem öffentlichen Intereſſe, leichtfertiger
und übereilter Erhebung von Klagen vorzubeugen;
hieraus und aus der Beſtimmung des § 420
StPO., wonach das Erfordernis des Sühnever:
ſuchs dann, wenn die Parteien nicht in demſelben
Gemeindebezirke wohnen, überhaupt s beſteht.
folgt mit Notwendigkeit, daß der Ge—
ſetzgeber die Wirkſamkeit von Ber:
gleichen über das Privatklagerecht nicht
von dem Abſchluſſe vor einer Vergleichs⸗
behörde abhängig machen wollte.“
Kommt hiernach dem ohne Mitwirken einer
Behörde zuſtande gekommenen Vergleiche Rechts⸗
wirkſamkeit zu, ſo iſt nicht einzuſehen, warum der
Geſetzgeber den unter Mitwirkung des (zur Ab⸗
urteilung zuſtändigen) Gerichtes geſchloſſenen Ver⸗
gleich nicht habe zulaſſen wollen.“) Durch die
Zulaſſung der Zurücknahme des Strafantrags und
der Privatklage hat das Geſetz den Parteien die
Mittel in die Hand gegeben, auch nach Einleitung
des Strafverfahrens von der Strafverfolgung ab—
zuſehen und damit, weil erfahrungs⸗ und natur:
gemäß hiervon nur bei entſprechender Gegenleiſtung
Gebrauch gemacht wird, die Gelegenheit zur ver:
) die mit Recht als ein Mißgriff bezeichnet wird
(vgl. Löwe StPO. Anm. 2 zu 8 420).
) Vgl. hierher auch das Urteil des bayer. Obs.
Samml. I Bd. 4 S. 163 und den Beſchl. des OLG.
Jena v. 11. Juli 1904, abgedr. in der DIL. Jahrg. X
S. 512.
gleichsweiſen Erledigung des bereits gerichtlich an⸗
hängigen Straffalles gegeben.“)
Der Hinweis darauf, daß die Strafprozeßord⸗
nung den gerichtlichen Vergleich nicht erwähnt,
kann hiernach einen ſtichhaltigen Grund dafür,
daß der Vorſitzende die Mitwirkung zum Ver⸗
gleichsabſchluſſe und die Aufnahme des Vergleichs
ins Sitzungsprotokoll verweigert, nicht bilden; es
dürfte eine ſolche Weigerung auch tatſächlich nur
ganz ſelten vorgekommen ſein. Freilich darf der
gerichtliche Sühneverſuch nicht erzwungen werden
(ſo darf z. B. nicht ausſchließlich zum Zwecke des
Sühneverſuchs das perſönliche Erſcheinen der Par:
teien angeordnet werden), denn darin iſt den
Würzburger und Naumburger Erkenntniſſen beizu⸗
pflichten, daß die Strafprozeßordnung den er: |
zwingbaren Sühneverſuch in § 420 StPO.
erſchöpfend regeln wollte.
Die oben unter A Nr. 1 erwähnte Anordnung
des perſönlichen Erſcheinens der Parteien dient
aber, wie das unter B geſchilderte weitere Ver⸗
fahren ergibt, nicht ausſchließlich oder nur haupt:
ſächlich, ſondern nur nebenbei der Vornahme des
richterlichen Sühneverſuchs; der Termin, zu dem
das perſönliche Erſcheinen der Parteien angeordnet
iſt, iſt in erſter Linie ein Hauptverhandlungs—
termin; die erwähnte Anordnung ermöglicht es
dem Gerichte, aus dem Parteivorbringen einen
hinreichenden Anhaltspunkt dafür zu gewinnen,
welche Zeugen- und Sachverſtändigenvernehmungen
notwendig ſind; ſie ermöglicht nicht ſelten ein
Urteil ohne ſolche Vernehmungen.
Die unter B erwähnte Verlegung oder Aus—
ſetzung des erſten Termines beſchwert die Parteien
nicht, wenn man bedenkt, daß ſie wegen der in
A Ziff. 2 erwähnten Anordnung (abgejehen von
dem ſeltenen Fall, daß die Parteien unmittelbar
Zeugen oder Sachverſtändige geladen haben ſoll—
ten) Koſten nicht verurſacht, daß die Verlegung
und Ausſetzung des erſten Termines ſich verhältnis—
mäßig ſelten ergibt und daß ſie auch im Rahmen
des gewöhnlichen Verfahrens ſich dann nicht ver—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
Zur
99
Lehre von der „Ausführung“ ſtraf⸗
barer Handlungen.
Von Profeſſor Dr. Eruſt Beling in Tübingen.
(Schluß.)
II. Bedingte Tatbegehung.
Der im Eingange dieſer Abhandlung (S. 73)
vorgetragene konkrete Fall hat dem Reichsgericht
zur Prüfung der weiteren Frage Anlaß gegeben,
welche Bedeutung für die beiden Beteiligten der
Umſtand hatte, daß W. ſtatt die Wegnahmehand—
lung zu Ende zu führen, die ergriffene Holzkugel
wieder hinlegte, nachdem er erkannt, daß der er-
griffene Gegenſtand kein Ball ſei. Die bisher vom
Reichsgericht vertretene Auslegung des § 461
StGB. ging dahin, daß nur der „Täter“ im
engeren Sinne Rücktrittsſubjekt nach § 461 fein
könne.!) Da nun im vorliegenden Falle Pf.,
modifiziert jetzt in
|
partem,
meiden läßt, wenn das vorhandene Beweismaterial
nicht zureicht, wenn wichtige Zeugen nicht geladen
ſind, weil der Inhalt der Privatklage und der
übrigens ſelten eingehenden Gegenerklärungen die
Sache nicht von vorneherein überblicken ließ; muß
in dieſen Fällen die Hauptverhandlung ausgeſetzt
werden, ſo ſind die auf die Vernehmung der ge⸗
ladenen Zeugen erwachſenen Koſten umſonſt auf—
gewendet; und gerade das wird durch das Nürn—
berger Verfahren vermieden. (Fortiegung folgt).
5) Vgl. die Abhandl. von W. Friedländer in Dr.
Aſchrotts Ref. des Strafprozeſſes S. 580 a. E.
den das Reichsgericht als Täter anſieht, keine
Rücktrittshandlungen vorgenommen hat, ſo würde
ſich hiernach wegen Unbeachtlichkeit des Gehilfen—
rücktritts Strafbarkeit beider, des Pf. wegen
Diebſtahlsverſuchs, des W. wegen Beihilfe zum
Diebſtahlsverſuch ergeben. Allein das Reichsgericht
E. 39 S. 38 ſeine Auffaſſung
dahin:
1. Wo der Gehilfe allein den ganzen äußeren
Tatbeſtand verwirkliche, alſo „doloſes Werkzeug“
ſei, da müſſe er auch wie ein „Täter“ behandelt
werden; auf einen ſolchen Gehilſen finde daher
5 46 1 Anwendung;
2. Breche in einem ſolchen Falle der Gehilfe
die als Beihilfe zu wertende Ausführungshandlung
ab, ſo befreie er auch den mittelbaren Täter, der
ſich ſeiner als Werkzeug bediene, von Strafbarkeit,
ſoweit er dabei in ſeinem Sinne gehandelt habe;
denn dem mittelbaren Täter dürfe die Tätigkeit
des Werkzeugs auf Grund des beſtehenden Stell—
vertretungsverhältniſſes nicht bloß in malam
müſſe ihm vielmehr auch in bonam
partem zugerechnet werden.
Nun ſoll hier nicht unterſucht werden, ob die
differenzierende Behandlung der gewöhnlichen und
der „Werkzeuggehilfen“ im Punkte des Rücktritts
vom Verſuch gerechtfertigt wäre, wenn anders es über—
haupt mittelbare Täterſchaft durch doloſes Werkzeug
gäbe ;'?) denn ſolche gibt es eben nach den Aus:
führungen unter I nicht; letztere Ausführungen
ergeben zugleich, daß W. und Pf. einfach deshalb
ſtraflos ſind, weil bei keinem ein „Diebſtahl“
(Täterſchaft) vorliegt.
Aber das Problem zu 2 tritt in gleicher Weiſe
da auf, wo Secundus echtes Werkzeug, alſo nicht
in dolo war. Wenn man z. B. unterſtellt, daß
160) Die Richtigkeit dieſer Auffaſſung ift nicht zuzu—
geben, mag hier aber auf ſich beruhen.
2) 16 hierzu Galli GerSaal 70, 293, Marck
daſ. 71, 316.
100 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bo in Bayern. 1908. Nr. 5.
W. geiſteskrank geweſen je, — ift dann der In derartigen Fällen kann man füglich die
Umſtand, daß er inſtruktionsgemäß die Holzkugel | Handlung nur als eine bedingte Setzung der
wieder hinlegte, für Pf. als den mittelbaren Täter Urſache für den Erfolg auffaſſen, d. b. fe kommt
von ſtrafbefreiender Wirkung? Offenbar würde als „Urſachſetzung für den Erfolg“ überhaupt
das Reichsgericht die Frage bejahen, denn das zu nicht in Betracht, wenn jene äußeren Umſtände
2 angeführte Moment der Stellvertretung trifft eintreten, die den Erfolg vereiteln. Auf das Straf—
auch hier voll zu. Hier aber zeigt ſich auf der recht angewandt: Wer ſeine Handlung ſo einrichtet,
Stelle, daß $ 46 1 StGB. völlig verſagt. Konnte daß der ſtrafrechtlich relevante Erfolg bei Ge:
bei Annahme von „werkzeugſchaftlicher Beihilfe“ gebenſein gewiſſer äußerer Umſtände ausbleiben
damit operiert werden, daß der Gehilfe die muß, kann, im Falle dieſe vorhanden ſind,
Handlung abbreche und dieſer Gehilfenrücktritt nicht eines „Anfangs der Ausführung“ der Herbei⸗
dem Haupttäter zugute komme, ſo iſt das nicht führung dieſes Erfolges geziehen werden, die Hand—
möglich, wo Secundus nur reines Werkzeug iſt; lung iſt wegen des ihr mit auf den Weg gegebenen
denn Primus hat ſeine Handlung voll ausgeführt erfolghindernden Sicherungsapparats ſtrafrechtlich
und die Abbrechung der werkzeugſchaftli àti 19) Von einer derartigen Bedeutung
keit kann nur im Wege einer Fiktion als 15 der Sicherungsvorrichtungen kann man ſich in
Rücktrittshandlung des Täters angeſehen werden. dem Falle deutlich überzeugen, wo die mit ihnen
So ſehr es auch bei mittelbarer Täterſchaft einen ausgeſtattete Handlung notwendig auf jene
Rücktritt gibt, fo kann er doch notwendig nur in äußeren Umſtände ſtoßen mußte, die den Er:
einem eigenen nachfolgenden Handeln eben des folg hinderten; wer z. B. in der Richtung gegen
mittelbaren Täters beſtehen (ſei es einem direkten, ein Objekt einen Bumerang ſchleudert, der not—
ſei es in einem ein Werkzeug dirigierenden Handeln). wendig vor Erreichen des Objekts in die rückläufige
Und dennoch iſt dem reichsgerichtlichen Satze, Bewegung geraten muß, von dem kann man
daß die geſamte Tätigkeit des ſog. „Werkzeugs“, gewiß nicht ſagen, daß er das Objekt zu verletzen
ſoweit ſie im Sinne des mittelbaren Täters lag, verſucht habe. Nicht anders kann es da ſein, wo
bei Beantwortung der Frage, ob dieſer ſtrafbar jene äußeren Umſtände nur möglich ſind, alſo
iſt, in die Rechnung einzuſtellen iſt, vollſtändig eben der Fall der bedingten Tatbegehung vorliegt;
beizupflichten. Nur iſt hier das Rücktrittsproblem auch hier liegt eine verſuchte Tatbegehung nicht
in keiner Weiſe einzumengen. Es handelt ſich vor, ſofern die kraft der Sicherheitsvorrichtung
vielmehr um die eigenartige, bisher wohl noch nicht erfolgvereitelnden aͤußeren Umſtände eintreten.
recht erkannte Erſcheinung einer bedingten Tat- Ein Täter will z. B. ein Gebäude in Brand
begehung. ) ſetzen, ſo jedoch, daß der Brand nicht ausbrechen
Wer nämlich handelt, kann nice fein | kann, wenn etwa zuvor ein Menſch ahnungslos
Handeln in der Weiſe „bedingt“ einrichten, daß er das Gebäude betreten ſollte; er will eben jedenfalls
von vornherein für den Fall einer beitimmten | Wtenjchenleben nicht in Gefahr bringen. Er ſtellt
Eventualität den Erfolg vereitelt, indem er Vor- nun eine Kerze in dem z. Z. menſchenleeren Hauſe
richtungen ſogleich mit erzeugt, die für beſtimmte auf einer brennbaren Unterlage derart auf, daß
Eventualitäten den Erfolg hintertreiben. Sowie die Kerze in etwa 1 Stunde heruntergebrannt ſein
es möglich ift, ſozuſagen eine Gegenkauſalität gegen und die Unterlage ergreifen muß, verbindet aber
einen Erfolg X in dem Sinne ſogleich unbedingt die Klinke der Haustür durch eine Schnur in
mitzuſetzen, die den Erfolg überhaupt nicht der Weile mit dem Brandherde, daß bei Auf:
entſtehen läßt, ſo kann der Handelnde auch ſein klinken der Haustür ein Topf mit Waſſer, der
Handeln ſo einrichten, daß es zwar auf den Er- an dem anderen Ende der Schnur feſtgebunden
folg x losſteuert, dieſer aber doch bei Vorhandenſein | ift, umkippen und das Waſſer die Flamme der
beſtimmter äußerer Umſtände ausbleiben muß, Kerze löſchen muß. Tritt hier der letztere Fall ein,
indem bei deren Eintritt die Gegenkauſalität von | fo ift ein Brandſtiftungsverſuch nicht vorhanden;
ſelbſt wirkſam wird durch nunmehriges Eichaus: | für die Brandſtiftung war nur bedingt eine Ur:
löſen von Sicherungsvorrichtungen. Man denke ſache geſetzt, fie ift deficiente condicione oder
etwa an die Herſtellung eines Dampfkeſſels, der | existente condicione contraria nicht, auch nicht
bei einer gewiſſen Höhe des Waſſerſtandes auto: als angefangen, in die Wirklichkeit eingetreten:
matiſchen Verſchluß herbeiführt. nihil actum est.“)
i Binding? „bedingtes Verbrechen“ — GerSaal +9) Selbſtverſtändlich ſcheiden hier die Fälle ganz
1 ff. — hat einen anderen Sinn; Binding begreift aus, in denen der Sicherungsapparat nicht objektiv in
1 die Fälle, in denen das "Ge ſetz ſelber einen die Handlung hineingelegt wurde, ſondern ſich der Täter
Umſtand als für den Verbrechenscharakter in abstracto | nur innerlich vornahm, in den Kauſalverlauf eventuell
bedingend aufſtellt. Hier dagegen handelt es ſich um erfolgvereitelnd einzugreifen. Hier liegt die Tatbegehung
rein tatſächlich in concreto das Eintreten oder Ausbleiben [unbedingt vor, und nur die ſpätere Verwirklichung der
des tatbeſtandsmäßigen Erfolges bedingende Umſtände. | Erſolgsvereitelungsabſicht (Rücktritt) kann Strafloſigkeit
Dieſe Erſcheinung wird von ö Es a. O. 17 herbeiführen.
(B, Abſatz 2) geſtreift, jedoch — vgl. a. a. O. 18 Wa. E. 0 Es mag hier bemerkt ſein, daß in dieſen Fällen
— abſichtlich nicht ex professo behandelt. die Schwierigkeit nicht etwa innerhalb des dolus-
Strafloſigkeit — dadurch zu gewinnen, daß man
einen „antezipierten Rücktritt vom Verſuch“ kon⸗
ſtruierte. In der Tat ſpringt die notwendige
Gleichbedeutung der täteriſchen Erfolgvereitelung
nach der Tatbegehung und der mit dieſer zu:
gleich erfolgenden Erfolgvereitelung in die Augen
und es kann eine aus § 462 StGB. abgeleitete
Analogie nur willkommen ſein. Indeſſen dürfte
theoretiſch die Begründung der Strafloſigkeit auf
S 462 StGB. allein unzulänglich fein. Das
zeigt ſich, wenn man unterſtellt, daß ein Straf—
recht dem nachträglich den Erfolg hintertreiben-
den Täter keine Strafloſigkeit zuſichert, alſo
wenn man fih $ 462 StGB. hinwegdenkt. Dann
muß notwendig der gewöhnliche Täter wegen Ver:
ſuchs geſtraft werden.“) Dagegen würde in dem
hier in Rede ſtehenden Falle der von vornherein be-
dingten Tatbegehung auch bei Wegfall des Ana—
logieſchluſſes aus § 46 Strafloſigkeit eintreten
müſſen, weil eben hier in Wahrheit nihil actum
est, wenn die erfolgvereitelnde Bedingung ſich
verwirklicht.
Die Figur der „bedingten Tatbegehung“ kann
nun ganz beſonders für die Fälle der mittelbaren
Täterſchaft nutzbar gemacht werden. Sie wird
hier in der Weiſe realiſiert, daß der Täter ſein
„Werkzeug“ von vornherein bedingt inſtruiert,
es ſozuſagen doppelt einſtellt, ſo, daß es im Falle
der Eventualität x den Erfolg herbeiführt, im
Falle der Eventualität y ihn nicht herbeiführt.
Beiſpiel: A. gibt einem zehnjährigen Kinde ein
Giftpulver und ſagt ihm: „Wenn dich dein Vater
ſchlägt, ſo wirf ihm unbemerkt dies Pulver in das
Eſſen“; oder der Unteroffizier C. befiehlt dem Ge⸗
meinen X., auf den Ziviliſten Y. zu ſchießen, ſo—
fern nicht der Hauptmann herzukomme. !“) Schlägt
Problems liegt. Ein relevanter „Irrtum“ iſt nicht ge—
geben, der Täter weiß genau, daß existente condicione
der Erfolg in Frage ſieht, deticiente condicione dagegen
nicht. Anders nur, wenn die Sicherungsvorrichtung
nicht funktioniert: alsdann liegt objektiv eben An-
fang der Ausführung oder je nach Lage des Falles
ſogar Vollausführung der Herbeiführung des ſtrafrecht—
lich relevanten Erfolges vor, und es kommt dann in
Frage, ob ſich der Täter die Möglichkeit des Nicht—
funktionierens vorgeſtellt und den Erfolg auch ſo ge—
billigt hatte (dolus eventualis) oder ob er inſoweit in
culpa war, oder endlich ob er inſomeit ganz ohne dolus
und eulpa war.
2) Denn die von manchen Autoren aufgeſtellte
Behauptung, daß die nach der Tat erfolgende Erfolg—
vereitelung das Geſchehene annulliere, iſt eine bloße
Fiktion.
22) Es wird hier vorausgeſetzt, daß der Gemeine
nicht aus der hinzugefügten Bedingung erkennt, daß es
ſich um ein „Verbrechen oder Vergehen“ handelt, indem
er z. B. die Bedingung dahin auffaßt (und auffaſſen ſoll),
daß bei Herzukommen des Hauptmanns erſt deſſen Be—
fehl abgewartet werden ſoll. Dieſe Vorausſetzung muß
hier gemacht werden, weil ſonſt der Befehl nicht bindend,
der Gemeine nicht Werkzeug, ſondern Täter wäre, alſo
der hier in Rede ſtehende Fall der mittelbaren Täter—
ſchaft nicht vorläge.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
101
Man hat ſchon verſucht, dieſes Ergebnis — dann der Vater das Kind nicht, bzw. kommt der
Hauptmann herzu, ſo liegt auf ſeiten des mittel⸗
baren Täters ein Tötungsverſuch nicht vor.
Es kann übrigens ſein, daß der Eintritt des
tatbeſtandsmäßigen Erfolges nicht vom Eintritt
eines künftigen ungewiſſen Ereigniſſes ab:
hängig gemacht wird, ſondern von einem ſchon
zur Zeit des Handelns gegebenen Ereignis, hin⸗
ſichtlich deſſen der Täter in Unkenntnis iſt, ob es
vorliegt oder nicht. Auch hier iſt denkbar, daß
der Täter ſein Handeln ſo einrichtet, daß der Er⸗
folg nur bei der einen Eventualität eintreten kann;
z. B. der Täter will, daß ein beleidigender Brief
nur dann zur Kenntnis des Beleidigten kommt,
wenn dieſer nicht etwa ſchon von ſeinem bisherigen
Aufenthaltsorte verzogen iſt, und verſieht den
Umſchlag mit dem Vermerk: „Falls Adreſſat ver-
zogen, nicht nachſenden“. ““)
Oder jemand hetzt einen Jagdhund, der auf
jagdbares Federwild dreſſiert iſt, zahmes Federvieh
dagegen nicht anrührt, auf einen Vogel, von dem
er — etwa wegen Kurſichtigkeit — nicht zu er⸗
kennen vermag, ob es ſich um einen Vogel dieſer
oder jener Kategorie handelt.
Dieſe Fälle werden den Fällen der eigentlichen
bedingten Tatbegehung gleichzuſtellen ſein.
Bei alledem iſt aber zu betonen, daß, wie
gezeigt, die „bedingte Tatbegehung“ durchaus nicht
etwas der mittelbaren Täterſchaft Eigentüm⸗
liches iſt. Deshalb muß natürlich auch an „be—
dingte Anſtiftung“ gedacht werden. Und in
der Tat erweiſt ſich ſolche als möglich, denn auch
der Angeſtiftete kann in dem Sinne bedingt in—
ſtruiert werden, daß er nur bei Eintritt beſtimmter
Tatſachen handeln ſolle, widrigenfalls der An—
ſtifter nichts mit der Erfolgsherbeiführung zu tun
haben wolle. Hier iſt indeſſen das ganze Problem
ohne Bedeutung; denn hält ſich der Angeſtiftete
nicht an die Inſtruktion und handelt auch con—
dicione deficiente, fo liegt ein „excessus mandati‘
vor und dafür haftet der Anſtifter nicht; hält er
ſich an die Inſtruktion und unterläßt deficiente
condicione zu handeln, ſo fehlt es an der Haupttat;
Anſtiftungsverſuch aber gibt es nicht. Auch für
die Fälle der zum delictum sui generis erhobenen
„Aufforderung“ kommen die bisherigen Krörte-
rungen über die im eigentlichen Sinne „bedingte“
Tatbegehung nicht in Frage. Man darf nicht
jagen, ein Verſuch eines ſolchen Aufforderungsdelikts
liege nicht vor, wenn die Aufforderung nur bedingt
war, und der Aufgeforderte aufforderungsgemäß
wegen Eintritts der Bedingung die Aus—
führung unterließ — denn bei den Aufforderungs—
delikten kommt es ja auf den Erfolg der Auf—
25) Das Beiſpiel ift allerdings für das poſitive
Recht ohne Intereſſe, weil es einen ſtrafbaren Ver—
ſuch der Beleidigung nicht gibt. Es iſt jedoch zur
Veranſchaulichung geeignet, braucht man doch nur zu
unterſtellen, daß es fid um ein ausländiſches Recht
handelt, das auch den Beleidigungsverſuch ſtraft.
102
forderung überhaupt nicht an, fie find ja mit
der Aufforderung, genauer mit ihrer Kenntnis:
nahme, ſchon vollendet.
Wohl aber geben dieſe Delikte Anlaß, neben
der durch eine eigentliche „Bedingung' vinkulierten
Tatbegehung noch der in anderer Weiſe „be⸗
ſchränkten“ Tatbegehung zu gedenken. Es kann
nämlich fein, daß es ſich nicht um Bedingt:
heit eines tatbeſtandsmäßigen Erfolges handelt,
ſondern um Bedingtheit des Weſens der tat⸗
beſtandlichen Handlung ſelber. Es gibt zahl⸗
reiche Delikte, namentlich Wortdelikte, die tatbe⸗
ſtandlich eine Wertung erheiſchen, ſo daß die
Handlung nur dann tatbeſtandsmäßig iſt, wenn
ſie einen beſtimmten Sinn hat (Wertungsdelikte).
So muß bei den Aufforderungsdelikten, bei der
Beleidigung, bei der Bedrohung, bei den Be⸗
ſchimpfungsdelikten feſtgeſtellt werden, ob die Worte
des Täters überhaupt eine „Aufforderung“, eine
Und hier
„Beleidigung“ uſw. in ſich ſchloſſen.
iſt nun möglich, daß der Täter ſeine Worte
konditionell faßt. In derartigen Fällen wird
es Sache der Einzelauslegung ſein, zu ermitteln,
ob der Ausfall der Bedingung das tatbeſtandliche
Weſen der Tathandlung vernichtet oder ob nicht.
Erſteres dürfte bei den Aufforderungsdelikten der
Fall ſein: eine Aufforderung iſt inſoweit keine
wirkliche Aufforderung, als ſie nicht realiſiert ſein
will. Sagt alſo A. zu B.: Wenn dich X. miß⸗
handelt, ſo zünde ihm ſein Haus an — ſo iſt,
ſolange nicht der Mißhandlungsfall eintritt, auch
nicht einmal ein Aufforderungsverſuch gegeben.
Anders wird es bei der Bedrohung ſtehen; ſie
wird durch Kondizionaliſierung jedenfalls nicht
immer vernichtet.
Eine eingehendere Verfolgung dieſer Gedanken—
gänge liegt indeſſen außerhalb des Rahmens der
vorliegenden Abhandlung.
Mitteilungen aus der Praxis.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
|
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und mit 800 M Darlehenshypothek der fünf S.ſchen
Kinder. Auf dem Wirtſchaftsanweſen des B. iſt eine
Hypothek für ein Annuitätendarlehen einer Bank in
M. zu 9000 M eingetragen. Das Wirtſchaftsanweſen
des C. ift belaſtet mit 30 000 M Darlehenshypothek
des U. und 11000 M Kaufſchillingsreſthypothek des X.
Auf dem Wirtſchaftsanweſen des D. ruhen Hypotheken
für 20000 M Darlehen eines Biſchöfl. Seminars
und für einen Uebergabspreisreſt des K. zu 20000 M-
Auf Antrag des Miteigentümers A. wurde vom
Amtsgerichte R. die Zwangsverſteigerung des oben
beſchriebenen Bräuhauſes zum Zwecke der Aufhebung
der Gemeinſchaft angeordnet, die Verſteigerung dem
Notariate R. übertragen und der Zwangsverſteigerungs⸗
vermerk auf jedem der für die Wirtſchaftsanwe ſen
beſtehenden Grundbuchblätter bezüglich des / Anteils
an dem weißen Bräuhauſe eingetragen.
Dieſe Sachlage bietet einige Schwierigkeiten bei
der Feſtſtellung des geringſten Gebots. Nach Abſ. 1
des 8 182 ZwVG. find die den Anteil des Antrag-
ſtellers belaſtenden oder mitbelaſtenden Rechte an dem
Grundſtücke, ſowie alle Rechte zu berückſichtigen, die
einem dieſer Rechte vorgehen oder gleichſtehen. Der
Anteil des Antragſtellers A. iſt belaſtet mit den oben
erwähnten Hypotheken zu 4000 M und 800 M. Dieſe
Hypotheken ſind in Anſehung des ½ Anteils des
Antragſtellers Geſamthypotheken, welchen Geſamt—
hypotheken der / Anteil und die übrigen bei dem
Wirtſchaftsanweſen des A. vorgetragenen Plan—
nummern als gemeinſames Pfand unterſtellt ſind.
Eine Verteilung dieſer Geſamthypotheken von Amts
wegen nach dem Verhältnis des Wertes des "4 Anteils
des Antragſtellers zu dem Werte der ſämtlichen für
die Geſamthypotheken haftenden Grundſtücke wäre
unzuläſſig (vgl. Entſcheidung der Ferien-Zivil⸗Kammer
des Landgerichts Straubing vom 10. Auguſt 1906.
Beſchwgt. 661906 mitgeteilt in der Zeitſchrift für
das Notariat und für die freiwillige Rechtspflege in
Bayern 7. Jahrg. 1906 S. 183 ff.). Allein auch eine
Verteilung der Geſamthypotheken nach § 64 ZwVG.
wäre in dieſem Falle, ſelbſt wenn ein dementſprechender
Antrag geſtellt würde, unzuläſſig. Der $ 64 bezieht
ſich nur auf den Fall, daß mehrere Grundſtücke, die
mit einer dem Anſpruche des Gläubigers vorgehenden
Geſamthypothek belaſtet find, in demſelben Verfahren
verſteigert werden.
In unſerem Falle aber werden
nicht mehrere Grundſtücke verſteigert.
Geringſtes Gebot bei Zwangsverſteigerungen behnfs
Aufhebung einer Gemeinſchaft. A., B., C. und D. find
Miteigentümer zu je / Anteil des fog. weißen Bräu⸗
hauſes HS.⸗Nr. 179 in R. Dieſes Anweſen, welches
laut Sachregiſter des Grundbuchamts R. für die
Steuergemeinde R. beſchrieben ift als:
„Pl.⸗Nr. 251 Gebäude, Brauhaus, Malz- und
Hofraum zu 0,051 ha“ ift nicht auf einem beſonderen |
Grundbuchblatte vorgetragen. Vielmehr ift der "is
Anteil der einzelnen Miteigentümer mit einer Anzahl
anderer Plannummern bei dem Gaſtwirtsanweſen
eines jeden von ihnen auf dem hierfür beſtehenden
Grundbuchblatte vorgetragen, ohne daß er jedoch mit
dieſen Plannummern als ein Grundſtück gemäß § 890
BGB. im Grundbuche eingetragen wäre. Die auf
den einzelnen Wirtſchaftsanweſen laſtenden Hypotheken
erſtrecken ſich nun auch auf den / Anteil am weißen
Sollte man jedoch die Anſicht vertreten können,
daß eine Verſteigerung mehrerer Grundſtücke inſoferne
vorliege, als mehrere Anteile an einem Grundſtücke
in demſelben Verfahren verſteigert werden, welcher
Anſicht ich mich jedoch nicht anſchließen möchte, ſo
würde 8 64 gleichwohl nicht zutreffen, da nicht die
mehreren Grundſtücksanteile zuſammen mit einer
Geſamthypothek belaſtet ſind, ſondern jeder Anteil
geſondert, wenn auch im Verhältnis zu den übrigen
zu den einzelnen Wirtſchaftsanweſen gehörigen Plan—
nummern, mit einer Geſamthypothek belaſtet ift.
Das geringſte Gebot würde ſich demnach ent—
ſprechend dem Abſ. 1 des S 182 ZwVGG. berechnen
wie folgt: Koſten und Anſprüche nach § 10 Ziff. 3
BWV. und 4000 M und 800 M.
Zu dem nach Abſ. 1 des $ 182 ZwVG. ermittelten
geringſten Gebote iſt nun der nach Abſ. 2 dieſes
Bräuhauſe. Das Wirtſchaftsanweſen des A. iſt belaſtet
mit 4000 M Darlehenshypothek der Sparkaſſe R. in unſerem Falle eine Geſamtbelaſtung der einzelnen
Paragraphen zur Ausgleichung unter den Miteigen—
tümern erforderliche Betrag hinzuzuzählen. Fehlt wie
Anteile untereinander, fo wird bei der Berechnung
des geringſten Gebots gemäß Abſ. 1 des 8 182 ZwVG.
die Belaſtung der Anteile der Nichtantragſteller über—
haupt nicht berückſichtigt (vgl. Steiner zu § 182).
Es wäre alſo ſo anzuſehen, als ob die Anteile der
übrigen Miteigentümer überhaupt nicht belaſtet wären.
So würde die Ausgleichungsſumme bei jedem
der übrigen Anteile 4800 M betragen und fidh das
geringſte Gebot dementſprechend alſo darſtellen:
Koſten und Anſprüche nach § 10 Ziff. 3 ZwVG.
und 3 mal 4800 M als bar zu bezahlender Teil des
geringſten Gebots (Bargebot) und die Hypotheken des
Antragſtellers zu 4000 M und 800 M als beftehen=
bleibende Rechte.
Es hätte alfo der Erſteher mit einer Mindeſt⸗
ſteigerungsſumme von 19200 M und mit den Koſten
und Anſprüchen nach 8 10 Ziff. 3 Zw G. zu rechnen.
Laut einer vom Verſteigerungbeamten erholten
Schätzung der verpflichteten Schätzleute hat jedoch
das Verſteigerungsobjekt nur einen Wert von 6000 M.
Einen Ausweg, um dieſes eigentümliche Ergebnis zu
vermeiden, würde noch 8 59 Zw VG. bieten. Allein
auch dieſes Hilfsmittel kann unter Umſtänden verſagen.
Die beſte Löſung für den Antragſteller wäre es
ja, wenn auf ſeinen Antrag die auf ſeinem Anteil
ruhenden Hypotheken nach dem Vorbilde des 8 64
Zw. verteilt und auch die Barzahlung des hierbei
ſich ergebenden Betrages als Verſteigerungsbedingung
feſtgeſetzt würde.
Allein nach Anſicht der meiſten Kommentatoren
des Zw. liegt eine Beeinträchtigung des Hypothek—
gläubigers vor, wenn ein an ſich beſtehend bleibendes
Recht durch Barzahlung befriedigt werden ſoll. Es
wäre alſo deſſen Zuſtimmung erforderlich, welche bei
den S.ſchen Kindern, da ſie auswärts ihren Wohn—
ſitz haben und im Verſteigerungstermin kaum erſcheinen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
Zn Te
mn ie u nen ae —ꝝ
werden, in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen
hätte.
Allein, auch wenn man von der Barzahlung ab—
ſehen würde, dürfte feſtſtehen, daß bei einer Verteilung
der Geſamthypotheken die Geſamthypothekgläubiger
beeinträchtigt würden, da ihnen die Geſamthypothek
einen beſſeren Erfolg der Befriedigung bietet als die
Verteilung ihrer Hypothek. Sollte man jedoch dieſer
Anſicht nicht beipflichten, ſo wäre ein Doppelausgebot
nicht zu umgehen, da die Nichtbeeinträchtigung der
Geſamthypothekgläubiger keinesfalls feſtſteht, ſondern
mindeſtens fraglich iſt.
Die Schwierigkeiten würden allerdings dann ver- |
ſchwinden, wenn der Hypothekgläubiger der Wirtſchafts—
anweſen den “ Anteil am Bräuhauſe aus dem Pfand—
verbande entlaſſen und dadurch die Möglichkeit bieten
würden, das Verſteigerungsobjekt hypothekfrei auf
einem beſonderen Grundbuchblatte vorzutragen.
Ein noch eigentümlicheres Reſultat würde ſich
ergeben, wenn man die Anſicht von Steiner, daß die
Belaſtungen der Anteile der Nichtantragſteller über—
haupt nicht zu berückſichtigen ſind, nur auf den Abſ. 1
des § 182 Zw VG. beziehen würde und die Berück—
ſichtigung dieſer Belaſtungen bei der Feſtſtellung der
Ausgleichungsſumme nach Abſ. 2 des § 182 Zw G.
für notwendig erklären würde. Nach der Denkſchrift
S. 69 wären nämlich dem nach Abſ. 1 des 8 182
Zw Gl ermittelten geringſten Gebot diejenigen Beträge
hinzuzurechnen, um welche die Belaſtungen des am
ſtärkſten belaſteten Anteils die Belaſtungen eines
jeden der Anteile verhältnismäßig überſteigen.
Am meiſten belaſtet wäre der Anteil des C. mit
41000 M, der nächſthoch belaſtete Anteil wäre der
des D. mit 40000 M, ſodann käme der Anteil des
B. mit 9000 M und zuletzt der Anteil des A. mit
4800 M.
Die eben angeführten Hypotheken belaſten natürlich
nicht den / Anteil des C., D. und B. allein, ſondern
ruhen als Geſamthypotheken auf dieſem ½ Anteil
und den übrigen zu den Wirtſchaftsanweſen des C.
D. und B. gehörigen Grundſtücken.
Sie müßten aber aus denſelben Gründen, welche
oben bei den Hypothekverhältniſſen des U. angeführt
wurden, mit der ganzen Summe angeſetzt werden.
Danach wäre als Ausgleichung für A. 41000 M
weniger 4800 M = 36 200 M, als Ausgleichung für B.
41000 M weniger 9000 M = 32000 M und als Aus⸗
gleichungsſumme für D. 41000 M weniger 40000 M
= 1000 M in Anſatz zu bringen.
Das geringſte Gebot würde bei dieſer Anſchauung
ſich berechnen auf 36200 und 32000 und 1000 und
Koſten und Anſprüche nach § 10 Ziff. 3 ZwVG. als
bar zu bezahlender Teil des geringſten Gebots und
4800 M als beſtehendbleibende Rechte, fo daß hier
der Anſteigerer mit einer Steigerungsſumme von über
74000 M zu rechnen hätte.
Bei der letzteren Anſchauung würde die An—
wendung des $ 59 ZwVG. im oben angegebenen
Sinne dann weiter noch abhängig ſein von der Zu—
ſtimmung der auch auf dem Anteil der Nichtantrag—
ſteller, eingetragenen Geſamthypothekgläubiger.
Die letztere Art der Berechnung des geringſten
Gebots dürfte jedoch dem Wortlaute und Sinne des
Geſetzes nicht entſprechen. Der Abſ. 2 des 8 182
Zw. beginnt mit den Worten: Iſt „hiernach“ bei
einem Anteile 2c. Aus dem Worte „hiernach“ ergibt
ſich, daß nur jene Beträge bei der Feſtſtellung der
Ausgleichung zu berückſichtigen ſind, welche bereits
bei der Feſtſtellung des geringſten Gebots nach Abſ. 1
des 8 182 ZwWWG. in Betracht kommen, nicht alfo die
Belaſtung der übrigen Anteile überhaupt. Mangels
einer Geſamtbelaſtung, die ſowohl den Anteil des
Antragſtellers als auch die Anteile der übrigen Mit—
eigentümer beſchwert, iſt bei der Feſtſtellung des
geringsten Gebots nach Abſ. 1 des 8 182 ZwWG. die
Belaſtung der Anteile der Nichtantragſteller über—
haupt nicht zu berückſichtigen.
Es iſt hiernach nicht bei einem Anteile ein größerer
Betrag zu berückſichtigen als bei einem anderen An—
teile, es iſt überhaupt nur die Belaſtung eines An—
teils, nämlich des Anteils des Antragſtellers in Betracht
zu ziehen.
Da die Anteile der Miteigentümer gleich ſind,
iſt demnach bei jedem Anteil der Nichtantragſteller
die Belaſtung des Anteils des Antragſtellers als Aus—
gleichung anzuſetzen (vgl. auch von der Pfordten
Erläuterung zu Abſ. 2 des $ 182 Zw VG. und das erſte
Beiſpiel hierzu).
Notar Goetzelmann in Roding.
Nachſchrift des Herausgebers. Die Be—
rechnung des geringſten Gebots wird in der von dem
Herrn Verfaſſer vorgeſchlagenen Weiſe zu erfolgen
haben. Man wird ſich hiernach damit abfinden müſſen,
daß die Verſteigerung ergebnislos verläuft. Ein Ausweg
wäre höchſtens in der Weiſe zu finden, daß die übrigen
Miteigentümer dem Verfahren beitreten. Dann müßte
zu der überaus ſchwierigen, nahezu unlösbaren Frage
Stellung genommen werden, wie ſich das geringite
Gebot in dieſem Falle geſtaltet. Ich habe mich früher
der zuerſt von Fiſcher⸗Schäfer vertretenen Ans
ſchauung angeſchloſſen, daß keine Einzelbelaſtung in
das geringſte Gebot komme, wenn Geſamtbelaſtungen
nicht vorhanden ſind und alle Miteigentümer dem
Verfahren beitreten (f. meinen Kommentar zum ZwVG.
Bem. 3 zu § 182). Es iſt mir aber doch zweifelhaft
geworden, ob diefe Anſchauung richtig ift, deren An-
wendung in dem hier geſchilderten Fall zwar allen
Schwierigkeiten ein Ende machen würde, die aber auf
die Intereſſen der Gläubiger gar zu wenig Rückſicht
nimmt. Die Vorſchriften des ZwVG. über die
Teilungsverſteigerung find eben mißglückt und une
zulänglich.
Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Bei dem Xn-
tereſſe, das in Bayern dem Schützenweſen von der
Regierung und der Bevölkerung ſeit Alters zugewendet
wird, mag ein kurzer Ueberblick über das zurzeit
geltende Recht der Schützengeſellſchaften nicht uner⸗
wünſcht ſein. Wir müſſen zunächſt unterſcheiden
zwiſchen ſolchen, die vor dem 1. Januar 1900 gegründet
wurden, und ſolchen, die ſpäter entſtanden. Die
erſteren gelten, ſoweit ſie nach dem Vereinsgeſetz vom
29. April 1869 „anerkannt“ waren, ſeit dem 1. Januar
1900 als eingetragene Vereine nach BGB. 88 21, 55 ff.;
(vgl. UeG. Art. 1). Sie müſſen ins Vereinsregiſter
eingetragen werden. Auf die nicht rechtsfähigen
Schützenvereine finden jetzt, gleichgültig, ob ſie vor
oder nach dem 1. Januar 1900 entſtanden ſind (UeG.
Art. 2, BGB. § 54), die Vorſchriften der SS 705 ff.
BGB., des § 735 ZPO., § 213 KO. Anwendung. —
Neben den genannten beſtehen aber noch andere
Schützengeſellſchaften, deren Verhältniſſe ſich nach der
Kgl. Verordnung vom 25. Auguſt 1868, die allgemeine
Schützenordnung für das Königreich Bayern betr.,
bemeſſen. Dieſe räumt den Schützengeſellſchaften, die
ſie als Statut anerkennen, „kraft dieſer Anerkennung“
die Rechte einer Korporation, d. h. Privatrechtsfähigkeit
ein. Es ijt demnach fo anzuſehen, als ob die Staats:
gewalt jedem Schützenvereine, der die Verordnung als
Statut anerkennt, ausdrücklich die Rechtsperſönlichkeit
verliehen hätte, weshalb dieſe Vereine ſich auch als
„Kgl. privilegierte Schützengeſellſchaften“ bezeichnen.
Die öffentlich-rechtliche Befugnis, Perſonenver—
einigungen Rechtsfähigkeit zu verleihen, entſpringt der
landesherrlichen Privilegienhoheit, und ſteht der Krone
auch heute noch zu (vgl. VU. Tit. 2 $ 1), da nirgends
ein Verzicht darauf ausgeſprochen iſt (vgl. Roth, bayr.
Zivilrecht I S. 292 Anm. 8). Darum können auf
Grund der VO. von 1868, deren auffallender Weiſe
weder Seydel, noch Staudinger, Roth, Becher, Oert—
mann Erwähnung tun, auch nach dem Inkrafttreten
des BGB., das das öffentliche Recht hier nicht be-
rührt, rechtsfähige Schützengeſellſchaften entſtehen.
Es fragt fidh nun, ob jene priv. Geſellſchaften
juriſtiſche Perſonen des Privatrechts oder des öffent—
lichen Rechts ſind. Dernburg zählt zu den letzteren
u. a. die Korporationen, die zwar eigene Zwecke ver—
folgen, aber gleichwohl für den Staat ein beſonderes
Intereſſe haben und beſondere ſtaatliche Fürſorge ge—
nießen. Dieſe Kriterien treffen bei den priv. Schützen—
geſellſchaften zu: fie follen „durch foxtgeſetzte Hand-
habung der Feuerwaffe (der in $ 53 der VO. näher
bezeichneten Gewehre) und durch Förderung des
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
— — ä ä —ę—
Nr. 5.
Schützenweſens im allgemeinen die Wehrkraft des
Volkes erhöhen.“ Deshalb unterſtehen ſie auch ganz
beſonderer ſtaatlicher Aufſicht, wie es bei einem Privat⸗
verein nicht der Fall iſt. Bei einer jeden muß ein
Kommiſſariat beſtehen, das von der Diſtriktspolizei⸗
behörde — bei der Hauptſchützengeſellſchaft München
ſogar vom König bzw. vom Stadtmagiſtrat — ernannt
wird, und das in beſtimmten Fällen das öffentliche
Intereſſe und das ſtaatliche Aufſichtsrecht handhabt.
Gegen Verfügungen des Schützenkommiſſariats ftebt
der Geſellſchaft binnen einer unerſtrecklichen Friſt von
14 Tagen das Recht der Beſchwerde zu, die in 1. In⸗
ſtanz von der Diſtriktspolizeibehörde, in 2. von
der Kreisregierung, bei der Hauptſchützengeſellſchaft
München von der Kreisregierung bzw. dem Staats⸗
miniſterium des Innern zu verbeſcheiden iſt. Eine
Statutenänderung, die im Widerſpruche mit der VO.
von 1868 ſteht, hat ipso iure den Verluſt der Rechts
fähigkeit der Geſellſchaft zur Folge. Aus alledem
dürfte mit Recht gefolgert werden, daß dieſe priv.
Schützengeſellſchaften juriſtiſche Perſonen des öffent
lichen Rechts!) bilden, vergleichbar etwa den
Innungen der GewO. Auf fie finden darum vom
BGB. nur die Vorſchriften des $ 89 Anwendung!:
falls ſie nicht hypothekariſche Darlehen von einer
Hypothekenbank aufnehmen, ift S 41 HypBankG. ein-
ſchlägig für die auf Grund der Darlehen ausgegebenen
Schuldverſchreibungen und jene Darlehens forderungen.
Als Organe ſind vorgeſehen: Das Schützenmeiſter⸗
amt, dem die Leitung der inneren Angelegenbeiten,
Handhabung der Disziplin und Vertretung nach außen
obliegt; der Geſellſchaftsausſchuß, an deſſen Beirat
und Zuſtimmung das Schützenmeiſteramt in gewiſſen
Fällen gebunden ift: und endlich die Generalverſamm⸗
lung. Die Verwaltung des Geſellſchaftsvermögens
ſteht einem der Schützenmeiſter oder einem beſonderen
Kaſſier zu. Das Kommiſſariat iſt befugt, gewiſſe
Beſchlüſſe der Generalverſammlung, z. B. über Ver⸗
äußerung oder Verpfändung des Geſellſchaftsver⸗
mögens, außer Kraft zu ſetzen. Hiergegen kann die
Geſellſchaft die Entſcheidung der vorgeſetzten Diſtrikts⸗
polizeibehörde, die Hauptſchützengeſellſchaft München
die der Regierung anrufen.
Im Falle der Auflöſung der Geſellſchaft hat die
Generalverſammlung über die Behandlung des Ver-
mögens zu beſchließen. In Ermangelung dieſes Be⸗
ſchluſſes iſt das Aktivvermögen nach Erfüllung der
darauf laſtenden privatrechtlichen Verbindlichkeiten
der Gemeindebehörde zu übergeben, die es bis zur
Gründung einer neuen Schützengeſellſchaft in der Ge-
meinde zu verwalten und zu admaſſieren hat. Wäh—
rend dieſer Zeit Stellt jenes Vermögen alfo gewiſſer⸗
maßen eine örtliche Stiftung dar (GemO. Art. 65).
Als Grund der Auflöſung nennt die VO. das Sinken
der Mitgliederzahl unter 5, bzw. bei der Hauptſchützen⸗
geſellſchaft München unter 13 oder qualifizierten Mehr⸗
heitsbeſchluß der Generalverſammlung. Doch wird
t Hierfür ſpricht auch ihre Rechtsgeſchichte. Schon
im 13. Jahrhundert entſtanden Schützenbruderſchaften
in den Städten; ihre Satzungen waren verſchieden, doch
ſtimmten ſie darin überein, daß ſie für würdige Be⸗
ſtattung verſtorbener Mitglieder ſowie für Witwen und
Waiſen weitgehende Sorge trugen vgl. Deutſche Schützen
chronik, München 1906 v. Poths-Wegner und Seydiir..
Kreittmayr, LR. V. 30. 2 rechnet die Schützengeſell⸗
ſchaften gleich den Handwerkszünften zu den „niederen
Kommunitäten“.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5. 105
mangels entgegengeſetzter Beſtimmung auch der Ron- in der Reviſionsinſtanz den Vertrag dahin auszulegen,
kurs der Geſellſchaft zuläſſig ſein, da ſie keine unter daß die Eltern dann jedenfalls von der Verſicherung aus⸗
„Leitung“ des Staats oder einer Gemeinde ſtehende geſchloſſen feien, wenn fie aus Gefälligkeit im Betriebe des
K I U ) 9 Verſicherungsnehmers tätig ſeien. Aber es fehlt für
Korperſchaft bildet al. AG. z. BPO Art. 10,9 Abſ. II, eine ſolche Auslegung an jedem Anhalt. II. Die
ND. § 213). Daß fie durch die Staatsgewalt auf- weitere Rüge der Reviſion, der Berufungsrichter habe
gelöſt werden kann, wenn ihr Verhalten es erfordert, zu Unrecht eine Verwirkung des Verſicherungsanſpruchs
folgt aus ihrer Eigenſchaft als öffentliche Korporation. verneint, wo doch nach § 20 Allg VerſBed. alle nicht
Wie ſie als folde ihr rechtliches Daſein der Staats- innerhalb zweier Jahre feit dem Unfalle von der
gewalt verdankt, ſo kann dieſe ihr die Korporations- Geſellſchaft anerkannten oder klagweiſe geltend⸗
rechte auch wieder entziehen. 1 la 1 unbegründet, 8 in
; ; einer Weiſe erkennbar iſt, daß nur ein vertrags—
Rechtspraktikant Die mayr in München. mäßiges Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB. die
Verwirkung ausſchließen ſoll. Gegen die Auslegung
des Berufungsrichters, daß es zur Ausſchließung der
Verwirkung genügen ſoll, wenn die Geſellſchaft dem
Verſicherten gegenüber in irgendeiner Weiſe zu er—
kennen gibt, daß ſie den Anſpruch als zu Recht be—
ſtehend anerkennt, ſind alſo rechtliche Bedenken nicht
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht. zu erheben. Dasſelbe gilt von der auf tatſächlichem
A. Zivilſachen. Gebiete liegenden Feſtſtellung, daß in dem Schreiben
der Beklagten vom 14. April 1903 der Wille der Be⸗
I klagten zum Ausdrucke gekommen fei, dem Kläger gegen=
Auslegung von Haſtpflicht⸗Verſicherungs⸗Bedin⸗ über anzuerkennen, daß ein Verſicherungsfall gegeben
gungen. Die einen eigenen Haushalt führen: fei. Einer Verwirkung ift damit der Boden entzogen.
den, aus Gefälligkeit in der Wirtſchaft des Die Wirkſamkeit dieſer Anerkennung kann auch weder
Sohnes mitarbeitenden Eltern gehören durch eine Anfechtung der Anerkennungserklärung
nicht zu der (von der Verſicherung ausge⸗ wegen Irrtums noch durch ihre Kondizierung beſeitigt
ſchloſſenen) Familie des Verſicherten. An- werden. Eine Anfechtung wäre wirkungslos, weil ein
erkennung des Verſicherungsfalles durch unter 8 119 BGB. fallender Irrtum nicht behauptet
die Geſellſchaft; Anfechtung und Kondi- iſt. Die Beklagte wollte die fragliche Anerkennung
zierung der Anerkennung. Der Vater des bei tatſächlich abgeben, ſie hat auch nicht über deren In—
der Beklagten gegen Haftpflicht verſicherten Klägers halt geirrt, ſondern fie will fih nur über den Inhalt
ijt im Dezember 1902, während er feinem Sohne ars des Verſicherungs vertrages in einem Irrtum befunden
beiten half, von einem dieſem gehörigen Pferde totz haben; es läge diesfalls alfo nur ein — nicht unter
getreten worden. Die Witwe des Verunglückten ver- § 119 Abſ. 2 BGB. fallender — Irrtum im Motiv
langte von dem Sohne als Halter des Pferdes Schadens- vor. Die Kondizierung der Anerkennung ſcheitert
erſatz. Die Verſicherungsgeſellſchaft verſah in einem daran, daß die Beklagte den Nachweis nicht erbringen
Briefe vom 14. April 1903 den Verſicherten mit Ver- kann, daß das anerkannte Rechtsverhältnis nicht be-
haltungsmaßregeln für den Rechtsſtreit, teilte ihm aber ſtehe. (Urt. d. VII. 335. vom 6. Dezember 1907;
im Juni 1903 mit, ſie habe verſehentlich nicht beachtet, Nr. 175/07).
daß die Verſicherung nicht auch Unfälle von Familien- 1162 Mitg von Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
mitgliedern umfaſſe. Der Verſicherte verkündete der
Geſellſchaft den Streit, der mit der Mutter geführte II
Rechtsſtreit endete zu ſeinen Ungunſten. — Nunmehr '
erhob der Verſicherte Klage gegen die Geſellſchaft auf Zu 8 530 BGB. Unter welchen Voraus⸗
Erſatz der Beträge, zu deren Zahlung an ſeine Mutter ſetzungen kann eine Schenkung wegen Un⸗
er ſelbſt verurteilt war. Die Beklagte wendete ein, danks widerrufen werden? Muß eine Be⸗
daß nach der Police von der Verſicherung nur die [ziehung zwiſchen der Verfehlung des Be⸗
„Dritten fremden Perſonen gegenüber“ beſtehende Haft⸗ ſchenkten und der Wohltat des Schenkers
pflicht umfaßt fei und daß nach den allgemeinen Ver- beſtehen?
ſicherungsbedingungen nur Erſatz derjenigen Anſprüche Aus den Gründen: Die Reviſion bekämpft
gefordert werden könne, die „von Dritten, nicht zur die Auffaſſung des Berufungsgerichts, daß zwiſchen
Familie oder zum Hausſtand des Verſicherungsnehmers demkundgegebenen groben Undank und dem Schenkungs—
gehörigen, auch nicht zu demſelben in irgendeinem akte ſowie deſſen Wohltat eine beſondere Beziehung
Arbeits-, Lohn- oder Gehaltsverhältniſſe ſtehenden beſtehen müſſe, als verfehlt. Dieſer Angriff ift be-
Perſonen“ erhoben wurden, daß die Eltern aber zu rechtigt. Nach dem 1. Entwurf des BGB. (§ 449)
den von der Verſicherung ausgeſchloſſenen Perſonen ſollte in Anlehnung an das gemeine Recht (e. 10
gehörten. Das Landgericht verurteilte die Beklagte, Cod. 8. 56) und das Preußiſche Allgemeine Landrecht
indem es den Verſicherungsvertrag dahin auslegte, (I. 11 §§ 1151 ff.) nur wegen einzelner beſtimmt bez
daß von der Verſicherung ausgenommen ſeien nur die zeichneter Fälle des Undanks ein Widerruf von
Mitglieder der engeren, aus der Frau und den Schenkungen ſtattfinden. In der 2. Kommiſſion wurde
Kindern des Verſicherten beſtehenden Familie, nicht ein zur Annahme gelangter, genau dem jetzigen Abſatz 1
aber die einen getrennten Haushalt führenden Eltern. des § 530 des BGB. entſprechender Abänderungsvor—
Berufung und Reviſion wurden zurückgewieſen. ſchlag gemacht. Zur Begründung wurde angeführt:
Aus den Gründen des Reviſionsurteils: „Der Entwurf gehe, indem er z. B. in jeder körper—
I. Die Auslegung, daß Eltern mit ſelbſtändigem Haus- lichen Mißhandlung des Schenkers einen groben Un-
halt nicht zu der Familie des Verſicherungsnehmers dank erblicke, unter Umſtänden zu weit: auf der
im Sinne des Verſicherungsvertrages gehören, iſt aus anderen Seite liege es nahe, auch in anderen vom
rechtlichen Gründen nicht zu beanſtanden; fie iſt vom Entwurfe nicht erwähnten Fällen ... den Widerruf
Berufungsrichter in tatſächlicher Hinſicht eingehend zuzulaſſen. Aus dieſen Gründen erſcheine es ...
und ausreichend begründet, ſie iſt nach dem Wortlaute richtiger, wegen jeder ſchweren Verfehlung gegen den
der einſchlägigen Beſtimmungen ſehr wohl möglich Schenker ein Widerrufsrecht zu geben, wenn und ſo—
und läßt die Verletzung von Auslegungsvorſchriften nach weit in ihr nach den Umſtänden des Falles ein grober
keiner Richtung erkennen. Die Reviſionsklägerin verſucht Undank zu erblicken fei“. Hiernach gewähren weder
106 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
die Entſtehungsgeſchichte noch auch der Wortlaut und
Zweck der Vorſchrift des § 530 Abſ. 1 einen Anhalt
für das vom Berufungsgericht in Anlehnung an eine
Bemerkung Staudingers Bd. II zu § 530 BGB. auf-
geſtellte Erfordernis, es müſſe eine Beziehung zwiſchen
der von grobem Undank zeugenden Handlungsweiſe
des Beſchenkten einerſeits und dem Schenkungsakte
ſowie deſſen Wohltat andererſeits beſtehen. Erforder⸗
lich ift, daß die ſchwere Verfehlung einen groben Un⸗
dank des Beſchenkten in ſich ſchließt. Für den Begriff
des groben Undanks kommt es objektiv darauf an,
ob die ſchwere Verfehlung ein gewiſſes Maß erreicht
hat. Daneben kommt in ſubjektiver Hinſicht auch die
Geſinnung in Betracht, von der ſich der Beſchenkte bei
der die Verfehlung enthaltenden Tat leiten ließ. Es
kann daher e wohl von Bedeutung fein, ob der
Beſchenkte ſich ohne Veranlaſſung lieblos gezeigt hat,
oder ob er unter dem Eindruck einer ſchweren Reizung
ſeitens des Schenkers ſtand. Darüber, ob im Einzelfall
die Handlungsweiſe des Beſchenkten ſich als grober
Undank darſtellt, hat der Richter unter Berückſichtigung
aller erheblichen Umſtände nach freiem Ermeſſen zu
entſcheiden. (Urt. des IV. ZS. vom 30. Oktober 1907,
IV 90/07). — n.
1160
III.
Die Klage, durch die ein e
angefochten wird, ift auch dann gegen den Autkragſteller
u richten, wenn dieſer nach der Erlaſſung des Beſchluſſes
ein Antragsrecht verloren hat. Der Kläger wurde
auf Antrag feiner Ehefrau am 31. März 1905 wegen
Verſchwendung und Trunkſucht entmündigt. Der Be-
ſchluß wurde ihm am 1. April 1905 zugeſtellt. Die
Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 13. Februar
1905 geſchieden; dieſes Urteil wurde am 14. April 1905
rechtskräftig. Der Kläger focht den Entmündigungs-
beſchluß an. Das LG. wies die Klage ab. Gegen dieſes
Urteil legte der Kläger Berufung ein. Die Frage,
ob die Anfechtungsklage auch noch nach rechtskräftiger
Scheidung der Ehe der Parteien gegen die Beklagte
zu verfolgen iſt, bejahte das Berufungsgericht. Das
RG. billigte diefe Anſchauung.
Gründe: Die Paſſivlegitimation der Beklagten
für den Anfechtungsprozeß iſt vom OLG. mit Recht
angenommen. Allerdings darf gemäß § 680 ZPO.
der wegen Verſchwendung oder Trunkſucht vom Amts—
gericht ergehende Entmündigungsbeſchluß nur auf
Antrag erlaſſen werden. Demgemäß mag das Ver⸗
fahren vom Amtsgerichte einzuſtellen ſein, wenn in
dem vor ihm ſchwebenden Verfahren der Antragſteller
ſtirbt oder diejenige Eigenſchaft verliert, die ihn zum
Antrage befähigt, ſo insbeſondere wenn die Ehe ge—
ſchieden wird, nachdem die Ehefrau den Antrag geſtellt
hat (§§ 680 Abſ. 3, 646 Abſ. 1 3PO.). Anders ver:
hält es ſich aber, wenn einmal der Entmündigungs—
beſchluß vom Amtsgericht erlaſſen iſt. Die hiergegen
erhobene Anfechtungsklage hat die Bekämpfung der
Rechtmäßigkeit des Entmündigungsbeſchluſſes zur
Zeit ſeiner Erlaſſung zum Ziele. Schon nach
dieſem allgemeinen Grundſatze haben im Anfechtungs-
verfahren Tatſachen unberückſichtigt zu bleiben, die
auf das urſprünglich begründete Anfechtungsrecht nach—
träglich abändernd eingewirkt haben, ſofern ſich nicht
im Einzelfalle aus dem Geſetze ein anderes ergibt.
Des beſonderen beſtätigt aber auch der Inhalt des
§ 684 Abſ. 3 ZPO., daß ein nach dem Erlaß des
Entmündigungsbeſchluſſes eingetretener Wegfall der
Legitimation des Antragsberechtigten unbeachtet zu
bleiben hat. Denn hier iſt formal durchgreifend be—
ſtimmt, daß die Klage gegen denjenigen zu richten iſt,
welcher die Entmündigung beantragt hatte. Danach
bleibt die Paſſivlegitimation der Beklagten gegeben,
wenn ſie nur für das Vorverfahren legitimiert war.
Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß die einmal
auf Grund rechtmäßigen Antrags im amtsgerichtlichen
|
— Tr nn —
Verfahren ausgeſprochene Entmündigung nicht hinter⸗
her nur deshalb in Frage geſtellt werden darf, weil
ſich ſpäter die Antragsberechtigung geändert hat. Daß
dies die grundſätzliche Auffaſſung des Geſetzes iſt, ergibt
der weitere Inhalt eben dieſer Geſetzesvorſchrift.
Hiernach iſt, falls der Antragſteller verſtorben, oder
ſein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande iſt, die
Anfechtungsklage gegen den Staatsanwalt zu richten.
In dieſem Falle iſt die Antragberechtigung durch den
Wegfall oder die Behinderung ihres Subjekts aufge—
hoben oder ihre Ausübung erſchwert. Dennoch wird
das Verfahren nicht hinfällig, ſondern fortgeleitet
und zur praktiſchen Durchführung an Stelle des weg—
gefallenen oder behinderten Subjekts ausnahmsweiſe
der Staatsanwaltſchaft die Parteirolle zugemeſſen.
Die Paſſivlegitimation der Beklagten iſt nach alledem
gegeben. (Zuſtimmend Gaupp-Stein, ZPO. 8. 9. Aufl.
Bem. II zu § 684). (Urt. des IV. 3S. v. 30. Oktober
1907/IV 303 07). — — n.
1158
IV.
Zum Begriffe des land- oder forſtwirtſchaftlichen
Nebeubetriebs. Der Beklagte kaufte von dem Bäcker G.
in Tr. ein Schwein. Er beauftragte den Ackerer St.
in Tr., ihm das Tier nach C. zu bringen. Zur Aus:
führung des Transportes verbrachte St. mit Hilfe
ſeines Sohnes und ſeiner Tochter das Schwein aus
dem Stalle des G. auf ſeinen Wagen. Das Schwein
ſprang von dem Wagen herab und entlief; als St.
es einfangen wollte, biß es ihn in die linke Hand.
Infolge Eintritts einer Blutvergiftung mußte dem
Verletzten der linke Unterarm abgenommen werden.
Die Berufsgenoſſenſchaft erkannte an, daß der Unfall
in dem landwirtſchaftlichen Betriebe des St. ſich
ereignet habe. Von dem Beklagten verlangt ſie die
Vergütung ihrer Aufwendungen. Das Landgericht
wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte
keinen Erfolg. Das RG. äußerte ſich zu der Frage,
ob der Unfall im landwirtſchaftlichen Betriebe des St.
erfolgt ſei, in folgender Weiſe.
Entſcheidungs gründe: Auf Irrtum beruht
die Annahme des OLG., der Unfall habe ſich nicht
bei dem landwirtſchaftlichen Betriebe des Verletzten
ereignet. Nach § 1 Abſ. 2 des Gef. vom 5. Mai 1886
erſtreckte ſich die Verſicherung auf die land- und forſt⸗
wirtſchaftlichen Nebenbetriebe, ſoweit ſie nicht unter
§ 1 des UVG. vom 6. Juli 1884 fielen. Der ge-
werbsmäßige Fuhrwerksbetrieb fiel nicht unter § 1
des Geſ. vom 6. Juli 1884. Auf den gewerbsmäßigen
Fuhrwerksbetrieb fand das Geſetz vom 6. Juli 1884
erſt auf Grund des Gef. vom 28. Mai 1885 (§ 1 Nr. 3)
Anwendung. Schon vor dem Geſetze vom 5. Mai 1886
iſt kein gewerbsmäßiger Fuhrwerksbetrieb darin ge—
funden worden, wenn ein Landwirt ſeine der Land—
wirtſchaft dienenden Geſpanne gelegentlich an ver—
einzelten Tagen Lohnfuhren verrichten ließ. Nach dem
Inkrafttreten des UVG. für Land- und Forſtwirtſchaft
vom 5. Mai 1886 ſind auch gewerbsmäßige Fuhr—
werksbetriebe, die nach dem Geſeze vom 28. Mai 1885
verſicherungspflichtig waren, als zu den landmirt-
ſchaftlichen Berufsgenoſſenſchaften gehörig erachtet
worden. Wie das Reichsverſicherungsamt in einem
Beſcheide vom 6. Juli 1888 (Amtl. Nachr. 1888
S. 293) kundgab, ſollten gewerbsmäßige Fuhrmerfs-
betriebe, falls fie tatſächlich wegen ihres Zuſammen—
hanges mit landwirtſchaftlichen Betrieben und ihrer
Abhängigkeit von dieſen als Nebenbetriebe landwirt—
ſchaftlicher Betriebe zu betrachten ſeien, zugleich mit
den Hauptbetrieben der landwirtſchaftlichen Berufs—
genoſſenſchaft angehören. Das Gew VG. vom 30. Juni
1900, das nach § 1 Abſ. 1 Nr. 4 auf den gewerbs—
mäßigen Fuhrwerksbetrieb ſich erſtreckt, findet gemäß
§ 1 Abſ. 2 auf Perſonen in land- und forſtwirtſchaft⸗
lichen Nebenbetrieben keine Anwendung. Als land—
und forſtwirtſchaftliche Nebenbetriebe bezeichnet § 1
— . — . ꝗ—U¹—mU6ꝓjñſ 8 —
— er — pe — ul
Zeitſchrift für Rechtspflege
in Bayern.
Abſ. 2 des UVG. für Land⸗ und Forſtwirtſchaft vom
30. Juni 1900 ſolche Unternehmungen, welche der
Unternehmer eines land- und forſtwirtſchaftlichen Be-
triebs neben feiner Land- und Forſtwirtſchaft, aber
in wirtſchaftlicher Abhängigkeit von ihr betreibt. Mit
der Aenderung der bisherigen Geſetzesbeſtimmungen
wurde bezweckt, land wirtſchaftliche Haupt- und Neben⸗
betriebe tunlichſt einheitlich bei den landwirtſchaftlichen
Berufsgenoſſenſchaften zu verſichern. Der Berufungs-
richter hat den Sinn des 8 1 Abſ. 2 des NVG. für
Land- und Forſtwirtſchaft verkannt, wenn er einen
Nebenbetrieb bloß bei einer ſehr engen wirtſchaft⸗
lichen Abhängigkeit der Unternehmung von dem Haupts
betrieb annehmen will. Der Hinweis auf § 1 Abſ. 2
Satz 2 geht fehl; denn dort ſind nur einige Betriebe
angeführt, die „insbeſondere“ zu den land- und forſt⸗
wirtſchaftlichen Nebenbetrieben zu rechnen ſind. Wenn,
wie die Klägerin in der Berufungsinſtanz geltend ge—
macht hat, St. etwa 4 ha Land beſitzt, 1 Pferd, 2 Stück
Rindvieh und 2 Schweine hält, aus dem landwirt—
|
ſchaftlichen Betrieb etwa 950 Mk. jährliches Ein⸗
kommen bezieht, daneben Lohnfuhren ausführt, zu
denen aber nur dieſelben Arbeitskräfte und Gerät-
ſchaften verwendet werden, die in dem landwirtſchaft—
lichen Betriebe Verwendung finden, und aus den Lohn—
fuhren ein jährliches Einkommen von etwa 200 Mk.
erzielt wird, ſo iſt die Annahme der Klägerin, daß
der Fuhrwerksbetrieb ein landwirtſchaftlicher Neben—
betrieb ſei, völlig gerechtfertigt. Der Schwerpunkt
des Geſamtunternehmens liegt darnach in der Land—
wirtſchaft; die Lohnfuhren werden nebenher unter—
nommen, ſie ermöglichen die volle Ausnützung der
land wirtſchaftlichen Arbeitskräfte. Daraus, daß
St. nicht nur für ſich, ſondern für fremde Perſonen
gegen Entgelt Vieh, Frucht, Heu, Stroh und Holz
beförderte, läßt ſich nicht, wie das Berufungsgericht
anführt, entnehmen, daß er das Fuhrgewerbe ganz
unabhängig von der Landwirtſchaft betrieb. Hätte
der Verletzte nicht gegen Entgelt für fremde Perſonen
Fuhren ausgeführt, fo könnte von einem Gewer be—
betrieb überhaupt keine Rede ſein. Die Frage, ob die
Unternehmung ein landwirtſchaftlicher Nebenbetrieb
iſt, wird durch die Annahme, es liege ein Gewerbe—
betrieb vor, nicht erledigt (vgl. § 1 Abſ. 2 Gew VG).
(Urt. des IV. 35. v. 30. Oktober 1907, IV 111/07).
1157 — .
B. Strafſachen.
I.
Unter welchen Vorausſetzungen find phstographiſche
Darſtellungen nackter 1 Körper unzüchtige
Abbildungen? Auf den 4 Photographien, die den
Gegenſtand des Verfahrens bilden, ſind nackte weib—
liche Perſonen abgebildet. Die Strafkammer ver—
neint ihre Unzüchtigkeit. Sie meint: „es laſſe zwar
keines der Bilder ein höheres künſtleriſches Intereſſe
erkennen, ebenſowenig aber enthielten ſie, ſei es durch
die Darſtellung der Körper ſelbſt oder die Darſtellung
einer Handlung, irgendein Merkmal, welches das
normale Scham- und Sittlichkeitsgefühl irgendwie
verletzen könnte; der nackte menſchliche Körper als
ſolcher, der hier dargeſtellt ſei, könne nicht als ob—
jektiv unzüchtig erachtet werden“. Die Strafkammer
hat den Begriff der unzüchtigen Abbildung verkannt
und insbeſondere das Merkmal des „Geſchlechtlichen“,
das ſie auch im Urteil nicht ausdrücklich hervorhebt,
nicht richtig gewürdigt. Vor allem hat ſie überſehen,
daß der „nackte menſchliche Körper als folcher” etwas
anderes iſt als die Abbildung eines Körpers. Soll
eine Abbildung darauf geprüft werden, ob ſie un—
züchtig im Sinne des § 184 StGB. ift, fo darf nicht
der bildlich dargeſtellte Gegenſtand „als ſolcher“ für
Eee ee ee Te GE hen Dr ner v...... Von:
— ts een En D E — — — —
1908. Nr. 5.
ſich allein betrachtet werden, vielmehr iſt die bild⸗
liche Darſtellung zu würdigen, wie fie fih in der Mb-
bildung zeigt. Der Inhalt einer Abbildung iſt nicht
nur körperlicher ſondern auch geiſtiger Natur. Es
ſind daher auch Sinn und Zweck der Abbildung von
Bedeutung und es iſt alles zu berückſichtigen, was
hierfür aus der bildlichen Darſtellung und den mit
ihr verknüpften äußeren Umſtänden zu entnehmen iſt
(Entſch. Bd. 24 S. 365).
Der nackte menſchliche Körper als ſolcher kann
allerdings niemals als unzüchtig bezeichnet werden,
denn ſeine Erſcheinung an ſich kann nicht gegen Scham
und Sitte verſtoßen. Scham und Sitte verlangen
aber, daß der nackte menſchliche Körper im allge⸗
meinen Verkehr nur mit einer den jeweiligen An-
forderungen entſprechenden Bekleidung ſich zeige.
Wird der an ſich nicht ſchamverletzende und nicht
unzüchtige nackte Körper der Allgemeinheit zur Schau
geſtellt, ſo verſtößt das jedenfalls dann gegen die
allgemein anerkannten Geſetze von Scham und Sitte,
wenn es ſich um Perſonen von vorgeſchrittener ge—
ſchlechtlicher Entwicklung handelt; die Erſcheinung in
der Oeffentlichkeit iſt geeignet, das allgemeine Scham—
und Sittlichkeitsgefühl in geſchlechtlicher Beziehung
zu verletzen, und verlangt daher die Eigenſchaft des
Unzüchtigen. Wenn auch in einem ſolchen Falle die
geſchlechtliche Beziehung nicht durch beſondere ſinn—
fällige Vorkehrungen hergeſtellt iſt, ſo ergibt ſie ſich
doch ohne weiteres daraus, daß beim öffentlichen
Zurſchauſtellen des unverhüllten menſchlichen Körpers
durch die damit verbundene Enthüllung der ge—
ſchlechtlichen Teile und Körperformen der Eindruck
erweckt wird, daß gerade ſie, die als geſchlechtliche
Unterſcheidungsmerkmale am nackten Körper ohnehin
beſonders auffallen müſſen, in erſter Linie den Blicken
beliebiger Beſchauer, namentlich auch ſolcher des anderen
Geſchlechts, preisgegeben werden ſollen.
Die Photographie bildet das Mittel, die Er-
ſcheinung des unverhüllten menſchlichen Körpers
in möglichſt wahrheitsgetreuer Wiedergabe im Bilde
feſtzuhalten. Das Darbieten des unverhüllten Körpers
zur photographiſchen Aufnahme wird meiſtens einer
Preisgabe zur Beſichtigung durch beliebige Beſchauer
gleichkommen. Die Erſcheinung des in der Oeffent—
lichkeit ſich zeigenden natürlichen Körpers einer ge—
ſchlechtlich entwickelten Perſon wird in der Regel un-
züchtig ſein; das Gleiche muß auch für eine photo—
graphiſche Abbildung gelten, durch welche die Preis-
gabe zur allgemeinen Beſichtigung verkörpert wird.
Eine Ausnahme iſt nur dann anzuerkennen, wenn
die Abbildung nach den aus ihr erkennbaren und mit
ihr gegenſtändlich verknüpften äußeren Umſtänden
eine ausſchließliche Zweckbeſtimmung erkennen läßt,
durch deren Vorhandenſein die ſinnliche Empfindung
beim Anblick des geſchlechtlich Nackten zurückge—
drängt wird (Entſch. Bd. 24 S. 365). Ob und unter
welchen Vorausſetzungen hiernach etwa bei ſogen.
„Aktphotographien“ die Eigenſchaft des Un—
züchtigen verneint werden könnte, darf hier un—
erörtert bleiben, da nach den Feſtſtellungen der Straf—
kammer keines der Bilder ein höheres künſtleriſches
Intereſſe erkennen läßt, alſo offenbar von Aktphoto—
graphien hier nicht geſprochen werden kann. (Urt.
des I. Sts. vom 4. Januar 1908; 1 D 906,07).
1179 ——— n.
Nachſchrift des Herausgebers. Das Ur⸗
teil verdient Beachtung. Es gibt den Gerichten die
Möglichkeit, der Verbreitung von Abbildungen ent—
gegenzutreten, die nicht unmittelbar Vorgänge aus
dem Geſchlechtsleben darſtellen oder auf ſolche hin—
deuten, gleichwohl aber unter Spekulation auf die ge—
ſchlechtliche Lüſternheit verbreitet werden und irgend—
einen künſtleriſchen Wert nicht haben.
108 oo. Beitichrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
II.
Verurteilung nach 8 95 StGB. ohne Ermittelung
des Wortlauts oder Inhalts der gebrauchten als „grobe
Schimpfworte“ gekennzeichneten Ausdrücke. Der Erſt⸗
richter nimmt nicht als erwieſen an, daß der Angeklagte
die vor den Zeugen G. und S. teils ihrem Wortlaute
teils ihrem Inhalte nach bekundeten Aeußerungen über
den Deutſchen Kaiſer gebraucht hat, er findet vielmehr
den Tatbeſtand des § 95 StGB. in den Aeußerungen
verwirklicht, die der Zeuge L. vom Angeklagten gehört
hat. Daß dieſe mit den von den anderen Zeugen be—
kundeten identiſch ſind, geht aus dem Urteile nicht
hervor. Der Zeuge L. hat die vom Angeklagten ge—
brauchten Ausdrücke nicht mehr wiedergeben, ſondern
nur erklären können, der Angeklagte habe ſich in
groben Schimpfworten gegen den Deutſchen Kaiſer er—
gangen, die Ausdrücke hätten derartige Beſchimpfungen
enthalten, daß er ſelbſt ſich ſchwer beleidigt gefühlt
haben würde, wenn ſie gegen ihn gebraucht worden
wären. In den Strafzumeſſungsgründen hebt der
Erſtrichter hervor, daß die erwieſene Beleidigung in
dem Gebrauche grober Schimpfworte beſtanden habe.
Der auf die Verletzung des materiellen Rechtes geſtützten
Reviſion konnte der Erfolg nicht verſagt werden;
die Ausführungen des Erſtrichters legen den Verdacht
nahe, daß er den Tatbeſtand des angewendeten Straf—
geſetzes verkannt hat. Allerdings iſt die Frage, ob in
einer Aeußerung eine Beleidigung liegt, im weſent—
lichen tatſächlicher Natur und der Nachprüfung des
Reviſionsrichters nur inſoweit unterworfen, als ſie von
Rechtsirrtum beeinflußt iſt. Um aber beurteilen zu
können, ob eine Beleidigung vorliegt, muß der Tat—
richter in erſter Linie Inhalt und Tragweite der Kund—
gebung ermitteln. Daß der Erſtrichter ſich deſſen be—
wußt war, läßt das Urteil nicht erſehen und ift ins-
beſondere auch nicht daraus zu entnehmen, daß er dem
Angeklagten den Gebrauch grober Schimpfworte zur
Laſt legt. Ob ſolche vorlagen und in der Tat eine
Beleidigung im Sinne des § 95 StGB. darſtellten,
konnte der Erſtrichter nur dann beurteilen, wenn ihm
wenigſtens der Inhalt der gebrauchten Worte zur
Kenntnis gebracht worden war. (Urt. des V. StS. v.
25. Okt. 1907; 5 D 769/07).
1141
— — — e —
III.
Aufhebung des Urteils nuter Aufrechthaltung der
Feſtſtellungen (88 393, 394 StPO... Wenn bei der
Aufhebung der angefochtenen Entſcheidung im Revi—
ſionsurteile die auf die rechtliche Beurteilung bezüg—
lichen Feſtſtellungen aufrechterhalten werden und die
lung nicht mehr in Frage geſtellt werden.
rechtliche Beurteilung der für erwieſen erachteten Tat⸗
ſachen gebilligt wird, ſo ſind damit die geſamten Feſt—
ſtellungen zur Schuldfrage aufrechterhalten. Das be—
deutet nicht nur, daß für das weitere Verfahren die
Verneinung der Schuldfrage ausgeſchloſſen iſt und
daß es genügt, wenn überhaupt eine Verurteilung
ergeht, die ſich hinſichtlich der ihren Gegenſtand bilden—
den Tat deren geſetzlicher Benennung nach mit
der zuerſt angefochtenen Entſcheidung, insbeſondere
mit dem Inhalte der Urteilsformel deckt. Vielmehr
iſt damit ausgeſprochen, daß es bei der geſamten in
der urſprünglichen Entſcheidung enthaltenen Tat—
beſtandsfeſtſtellung ſein Bewenden behält, daß es alſo
nicht bloß bei der ſeitens der Strafkammer dem Sach—
verhalte zuteil gewordenen rechtlichen Beurteilung,
ſondern auch bei deren tatſächlicher Grundlage zu ver-
bleiben hat. Aufrechterhalten iſt hiernach insbeſondere
das ganze Beweisergebnis der früheren Hauptverhand—
lung, ſoweit es nach dem Inhalte der aufgehobenen
Entſcheidung als Grundlage der Tatbeſtandsfeſt—
ſtellung in Betracht kommt. Der Beurteilung der
Strafkammer unterſteht hiernach zwar die Beurteilung
der Straffrage. Dagegen iſt es ihr grundſätzlich ver—
wehrt, erneut in eine Prüfung und Erörterung der
Frage einzutreten, ob ſich der Angeklagte der in ihrem
Urteile nachgewieſenen ſtrafbaren Handlungen unter
den dort feſtgeſtellten Umſtänden ſchuldig gemacht hat.
Demgegenüber iſt auch auf ſeiten des Angeklagten
jeder Angriff gegen die Beweisgrundlagen der über
die Schuldfrage getroffenen Entſcheidung unſtatthaft
(vgl. E. 7 S. 176, 9 S. 98, 21 S. 288, Rſpr. Bd. 3
S. 561). Ein ſolcher Angriff iſt auch nicht unter dem
Geſichtspunkte zuläſſig, daß der Strafkammer die Straf—
zumeſſung freigegeben ſei und Beweiserörterungen
der vom Angeklagten vorliegenden Falles gekenn—
zeichneten Art für jede Strafzumeſſung von Erheb—
lichkeit ſein müßten. Allerdings wären derartige Be—
weiserörterungen ſtatthaft, wenn die Strafkammer in
der Beurteilung der Straffrage völlig frei wäre. Das
iſt aber nicht der Fall; vielmehr wirkt auch inſoweit
die teilweiſe Rechtskraft des Urteils mitbeſtimmend ein.
Die der Tatbeſtandsfeſtſtellung zugrunde gelegten Tat—
ſachen werden zumeiſt auch die hauptſächlichſte Grund—
lage für die Bemeſſung der Strafe bilden. Denn ſie
beſtimmen erſt den jeweilig in Betracht kommenden
Gegenſtand der Tat, den Umfang des verbrecheriſchen
Tuns und deſſen rechts verletzende Wirkung nach Art
und Maß, wie ſich in ihnen auch die Stärke des ver-
brecheriſchen Willens ausprägen kann, alles Umſtände,
die für die Strafbemeſſung ausſchlaggebend ſein können.
Soweit ſolchen Tatſachen im Einzelfall Einfluß auf
die Strafbeſtimmung beizumeſſen iſt, dürfen ſie von
der Strafkammer auch in der anderweiten Verhand—
Denn ſie
ſtehen als ſolche rechtskräftig feſt, müſſen daher, wenn
ihnen für die Strafzumeſſung Bedeutung beigelegt
wird, jo wie in dem urſprünglichen Urteile für nad):
gewieſen erachtet, dem Strafmaße zugrunde gelegt
werden und ſind inſoweit jedem Angriffe, namentlich
durch Antritt von Gegenbeweiſen, entzogen. (Urt d.
V. StS. vom 13. Dezember 1907; 5 D 848/07).
1155
— — — e —
— 4 dꝛÄY—
Oberſtes Landesgericht.
Zivilſachen.
1
Erforderniſſe der Eintragung des Enteiguungsbe:
rechtigten als Eigentümers und der Löſchung der Ver⸗
fügungsbeſchränkung des Abtretungs pflichtigen im
Grundbuch. (Zwangsabtretungsgeſ. v. 1837 Art. XII
und XVI mit AG. z. BGB. Art. 139, II und Art. 174;
GBO. SS 22, 30). Im Januar 1907 wurde der
Aktiengeſellſchaft der P.-Bahnen das Recht zur Ent-
eignung beſtimmter Grundſtücke erteilt. Sie bean—
ſpruchte mehrere in der Steuergemeinde O. liegende
Grundſtücke und es wurde in das Grundbuch der Ver—
merk eingetragen, daß die Eigentümer infolge der
Einleitung des Enteignungs verfahrens in der Ber-
fügung über dieſe beſchränkt ſind. In dem vom Be—
zirksamte zur Verhandlung über die Enteignung ab—
gehaltenen Termine vom 5. März 1907 erklärten die
Eigentümer, daß ſie die Verpflichtung zur Abtretung
der Grundſtücke anerkennen und der Aktiengeſellſchaft
geſtatten, fid) ſofort in deren Beſitz zu ſetzen; der
Vertreter der Aktiengeſellſchaft nahm dieſe Erklärung
an; im Termin vom 20. April 1907 einigten ſie ſich
mit dem Vertreter der Aktiengeſellſchaft über den Be—
trag der Entſchädigungen. Die Direktion der P.
Bahnen ſtellte an das Bezirksamt R. den Antrag,
das Grundbuchamt um die Berichtigung des Grund—
buchs und die Löſchung der Verfügungsbeſchränkungen
zu erſuchen. Das Bezirksamt überſendete den Antrag
nebſt den Verhandlungsprotokollen dem Grundbuch—
amt, mit dem Erſuchen, die Umſchreibung und die
Löſchung vorzunehmen. Das Grundbuchamt machte
die Berichtigung des Grundbuchs u. a. davon abhängig,
daß in der durch 8 29 GBO. beſtimmten Form die Zu⸗
ſtimmung der Aktiengeſellſchaft zu der Eintragung
als Eigentümerin und der Antrag auf Löſchung der
Verfügungsbeſchränkungen erklärt werde. Die Be—
ſchwerde der Direktion wies das Landgericht zurück.
Auf die weitere Beſchwerde hat das ObLO. die Ent-
ſcheidungen der Vorinſtanzen aufgehoben.
Gründe: Der Vertreter der Aktiengeſellſchaft
hat durch feine Mitwirkung zu den in den bezirksamt⸗
lichen Protokollen beurkundeten Einigungen den Willen
der Aktiengeſellſchaft kundgegeben, im Wege der
Enteignung das Eigentum zu erwerben. Dieſe
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
öffentlich beurkundete Erklärung enthält die im 8 22
Abſ. 2 GBO. vorgeſchriebene Zuſtimmung zu der
Eintragung der Aktiengeſellſchaft als Eigentümerin.
Die Vorſchrift des S 22 Abſ. 2 GBO. fol verhüten,
daß im Wege der Berichtigung des Grundbuchs je—
mand als Eigentümer eingetragen wird, der nicht
anerkennt, Eigentümer zu ſein. Es iſt nicht erforder—
lich, daß der Einzutragende ausdrücklich darein willigt,
als Eigentümer eingetragen zu werden, ſondern es
genügt eine Willenskundgebung, die das Einver—
ſtändnis mit der Eintragung unzweifelhaft entnehmen
läßt, und dies trifft bei dem Enteignungsberechtigten
zu, der durch Geltendmachung des Enteignungsrechts
bewirkt, daß er Eigentümer des Grundſtücks wird.
Einer weiteren rechtsgeſchäftlichen Erklärung der
Aktiengeſellſchaft bedarf es daher nicht.
Die nach Art. XVI des Geſ. vom 17. November
1837 bewirkte Eintragung der im Art. XII beſtimmten
Verfügungsbeſchränkung ſoll die Durchführung der
Enteignung gegenüber dem öffentlichen Glauben des
Grundbuchs ſchützen. Sie wird mit der Vollziehung
der Enteignung gegenſtandslos und verliert mit der
Eintragung des Enteignungsberechtigten als neuen
Eigentümmers jede Bedeutung Die Löſchung der
Eintragung enthält keine Rechtsänderung ſondern
macht nur die Folge erſichtlich, die fih aus der Eins
tragung des Enteignungsberechtigten als neuen Eigen—
tümers ohne weiteres ergibt, und fordert deshalb
nicht eine rechtsgeſchäftliche Erklärung des Enteignungs—
berechtigten. (Beſchluß des I. BS. vom 6. Dezember
1907, III 85/1907). W.
1149 1
Umfang der Rechtskraft. Faſſung des Eides über
eine Genehmigung. (3PO. SS 322, 345, 445). Joſef
H. erhielt im Jahre 1879 von Margarete B. ein mit
5” verzinsliches, nach Kündigung rückzahlbares Dar:
lehen von 3000 M. Dieſe erhob im Dezember 1902
Klage gegen ihn auf Rückzahlung. Er machte geltend,
die Summe ſchon 1880 nach Kündigung gezahlt zu
haben. Danach erging am 27. Mai 1903 ein be—
dingtes Endurteil, wonach die Klägerin zu ſchwören
hatte, daß der Beklagte das Darlehen Ende 1880 nicht
zurückgezahlt hat. Im Termine vom 16. Dezember
1903 beantragte der Vertreter des Beklagten, den Eid
dahin zu ändern, daß der Beklagte das Darlehen
weder an die Klägerin ſelbſt, noch mit ihrem Wiſſen
und Willen an ihren Schwager Peter H. zurückgezahlt
habe. Das Gericht wies den von der Klägerin be—
kämpften Antrag nach § 469 JPO. ab. Die Klägerin
leiſtete den Eid, worauf der Beklagte verurteilt wurde.
Das Urteil iſt rechtskräftig. Am 23. Juni 1904 er:
hob Joſeph H. Klage gegen Margarete B. auf
Zahlung von 3000 M nebit 4% Zinſen. Er machte
geltend, Margarete B. habe das ihm im Jahre 1879
IJ 7 —˖—ß———'0“ ᷑ —;̃̃7—²«r² = ĩ - — . ́d—̃ DFÄ— — — k̃ͤ—ñ —ñ —
gewährte Darlehen ſchon nach wenigen Monaten ge-
kündigt und dabei dem Joſeph H. mitgeteilt, ſie
brauche das Geld, um Wechſelverbindlichkeiten ſeines
Bruders Peter zu begleichen, er ſolle für ſie in An—
rechnung auf ſeine Darlehensſchuld die Wechſelſchuld
des Peter H. berichtigen. Der Kläger habe hiernach
die Wechſelſchulden feines Bruders zu 3000 M auf
Rechnung der Beklagten bezahlt. Die Beklagte gab
109
nur zu, das Darlehen gekündigt zu haben, und wider⸗
ſprach im übrigen. Nachdem Margarete B. im
November 1904 geſtorben war, nahm ihre Erbin
Katharina H. den Rechtsſtreit auf. Das LG. verurteilte
dieſe am 29. November 1905, dem Kläger 3000 M
mit 4% Zinſen ſeit dem 23. Juni 1904 zu zahlen.
Es nahm an, daß ein Beweis für eine Auftrags-
erteilung oder Genehmigung durch Margarete B.
nicht vorliege, daß die Klage aber nach den Rechts-
ſätzen des gemeinen Rechts über die Geſchäftsführung
ohne Auftrag begründet ſei. Die Beklagte legte
Berufung ein. Das OLG. hob das Urteil des LG.
auf und legte dem Kläger den Eid darüber auf, daß
er im Auftrage der Margarete B. gehandelt oder
dieſe die Abrechnung mit Peter H. genehmigt habe.
Als Folge der Leiſtung eines dieſer Eide wurde feſt—
geſetzt, daß Katharina H. dem Klageantrag entſprechend
verurteilt werde. Als Folge der Nichtleiſtung der
beiden Eide wurde die Abweiſung der Klage feſtge—
ſetzt. In den Gründen iſt bemerkt: Unbegründet ſei
der in der Berufungsinſtanz vorgebrachte Einwand,
daß dem Klageanſpruch das rechtskräftige Urteil des
LG. B. vom 16. Dezember 1903 entgegenſtehe. Nur
die Erfüllung des Darlehensanſpruchs der Margarete
B. durch Zahlung an dieſe ſelbſt ſei im Vorprozeſſe
behauptet und durch Eid verneint worden. Die Ans
ſicht des LG., daß hier eine den Geſchäftsherrn vers
pflichtende Geſchäftsführung ohne Auftrag vorliege,
ſei irrig, weil die von Joſef H. gemachte Aufwendung
nicht im Intereſſe der Margarete B. gelegen ſei.
Der Kläger habe daher zu beweiſen, daß er aus Auf—
trag der Margarete B. gehandelt oder dieſe ſeine
Rechtshandlung genehmigt habe. Die Beklagte legte
Reviſion ein, rügte Verletzung der Vorſchriften über
die Einrede der Rechtskraft und beanſtandete die
Form der Auferlegung des Eides. Das Ob“ G. hat
das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwieſen.
Ausden Gründen: 1. Unbegründet iſt die Rüge,
daß die Rechtskraft eines zwiſchen dem Kläger und
der Rechtsvorgängerin der Beklagten früher ergangenen
Urteils dem Anſpruche des Klägers entgegenſtehe.
Den Ausführungen des OLG. iſt jedoch nicht unbe—
dingt beizupflichten. Es legt das Gewicht darauf,
daß im früheren Rechtsſtreite vor Erlaſſung des be—
dingten Endurteils dem Anſpruche der Margarete B.
gegenüber nur die Tilgung durch die Zahlung an
diefe ſelbſt geltend gemacht und nur über diefe Tat-
ſache der Eid auferlegt worden ſei, nicht über die
jetzt behauptete Art der Tilgung der Darlehens—
forderung der B. Nur die beſchworene Tatſache gelte
als wahr und die Wirkung der Rechtskraft der Ent—
ſcheidung über den Klageanſpruch erſtrecke ſich ab—
geſehen von einer hier nicht vorliegenden Ausnahme
überhaupt nicht auf Einreden. Allein die Rechtskraft
des Urteils, durch das ein Anſpruch anerkannt wird,
hat die Wirkung, daß der Anſpruch als aus den zu
deſſen Begründung geltend gemachten Tatſachen recht—
lich entſtanden und als noch zu Recht beſtehend gilt,
ſo daß deſſen Rechtsbeſtand nicht mehr mit Erfolg
beſtritten, die im Urteile ausgeſprochene Rechtsfolge
in einem neuen Rechtsſtreite nicht mehr verneint
werden kann und alle Einwendungen gegen die Rechts—
gültigkeit des Anſpruchs ausgeſchloſſen find, mögen
ſie im früheren Rechtsſtreite geltend gemacht worden
fein oder nicht (vgl. § 322 ZPO... Die Bedeutung
der nach einem bedingten Endurteile zu beſchwörenden
Tatſachen beruht darauf, daß die Entſcheidung des
Rechtsſtreits nach Maßgabe des dermaligen Prozeß—
ſtandes allein noch von der Feſtſtellung dieſer Tat—
ſache abhängt, und daß nach der Rechtskraft des
bedingten Endurteils weitere Tatſachen zur Begrün—
dung oder Beſtreitung des erhobenen Klageanſpruchs
nicht mehr geltend gemacht werden können. Die
Wirkung der Rechtskraft des Urteils, das auf Grund
des durch Eid bedingten Endurteils und der Leiſtung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
des auferlegten Eides ergeht, bemißt ſich nur nach ſtimmungen eingeſchränkt worden iſt, durch letztern,
dem Inhalte des anerkannten Klageanſpruchs, und
der Inhalt der Eidesnorm kommt hierbei nicht weiter
in Betracht. Weil aber die Wirkung der Rechtskraft
nur für die Entſcheidung über den Klageanſpruch be-
ſteht, fo trifft fie Einwendungen und Einreden gegen
den Anſpruch — abgeſehen von der Einrede der Muf-
rechnung — nur inſoweit, als dieſe ſich gegen den
Beſtand des Klageanſpruchs richten; ſie ſind aber für
die rechtserzeugenden Wirkungen des Tatbeſtandes
dieſer Einwendungen und Einreden nicht von ſelbſt⸗
ſtändiger Bedeutung. Es können daher die zur Be—
gründung einer Einrede geeigneten Tatſachen in einem
anderen Rechtsſtreite noch inſoweit geltend gemacht
werden, als ſie zur Begründung eines ſelbſtändigen
Rechtsanſpruchs dienen. Dies iſt hier der Fall, da
der Anſpruch des Klägers ſich auf die Tatſache
gründet, daß er im Auftrage oder doch mit Genehmi—
gung der Rechtsvorgängerin der Beklagten für ſie
einen Vermögensaufband gemacht habe. Dieſem
Anſpruche ſteht die Einrede der Rechtskraft des früheren
Urteils nicht entgegen.
2. Die Eidesauflage iſt inſofern mit Grund von
der Reviſion beanſtandet worden, als die „Genehmi⸗
gung“ der zwiſchen dem Kläger und ſeinem Bruder
gepflogenen Abrechnung zum Gegenſtand des Eides
gemacht wurde, ohne nähere Angaben darüber, in
welcher Weiſe ſie erfolgt ſein ſoll. Die Genehmigung
kann durch Worte oder ſchlüſſige Handlungen erfolgt
ſein und es iſt Sache des Klägers darzulegen, wem
gegenüber die Genehmigungserklärung abgegeben
wurde oder durch welche Handlungen ſie erfolgt ſein
ſoll, damit das Gericht ermeſſen kann, ob eine rechts⸗
gültige Genehmigung vorliegt, und damit es in der
Lage iſt, die Tatſachen, welche die Genehmigung
bilden, zum Gegenſtand des Eides zu machen. Die
Genehmigung ohne ſolche nähere Bezeichnung der
Art und Weiſe bildet einen Rechtsbegriff und ein
Eid hierüber hätte ein Urteil über die rechtliche Be⸗
deutung von nicht näher angegebenen Tatſachen, nicht
aber die Tatſachen ſelbſt zum Gegenſtand, weshalb
ein ſolcher Eid N § 445 und 8 475 ZPO. unzu⸗
läſſig ift. (Urt. des II. ZS. vom 28. Oktober 1907,
I 152/07). W.
1119
B. Strafſachen.
Die in § 139 c GewO. vorgeſehene Mittags pau ſe
von mindeſtens 1% Stunden muß auch an Sonntagen
trotz der verkürzten Arbeitszeit gewährt werden. Für
die Stadtgemeinde F. ſind die Stunden, während der
an Sonn- und Feſttagen im Handelsgewerbe eine Be-
ſchäftigung von Gehilfen und Lehrlingen ſtattfinden
darf, auf vormittags 8 bis 9 Uhr und 11 bis 2½
Uhr feſtgeſetzt worden. Der Angeklagte hat an einer
Reihe von Sonntagen einer Verkäuferin und drei Lehr—
mädchen, die ihre Hauptmahlzeit außerhalb des die
Verkaufsſtelle enthaltenden Gebäudes einnehmen, nur
Mittagspauſen von je einer Stunde gewährt. Er
machte geltend, neben den zu § 105b GewO. für die
Beſchäftigung des Geſchäftsperſonals an Sonn- und
Feſttagen erlaſſenen ſtatutariſchen Beſtimmungen könne
die Vorſchrift des § 139 e GewO. keine Anwendung
finden. Er hatte damit keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Der durch die Novelle
vom 1. Juni 1891 geſchaffene 8 105 b GewO. beſtimmt
im Abſ. 2: „Im Handelsgewerbe dürfen Gehilfen,
Lehrlinge und Arbeiter an Sonn- und Feſt⸗
tagen nicht länger als fünf Stunden beſchäftigt werden.
n Die Stunden, während welcher die Beſchäfti—
gung ſtattfinden darf, werden, unter Berückſichtigung
der für den öffentlichen Gottesdienſt beſtimmten Zeit,
ſoferne die Beſchäftigungszeit durch ſtatutariſche Be—
im übrigen von der Polizeibehörde feſtgeſtellt. Die
Feſtſtellung kann für verſchiedene Zweige des Handels⸗
gewerbes verſchieden erfolgen“. Der durch die Novelle
vom 30. Juni 1900 eingeführte § 139 e der GewO.
ſchreibt in Abſ. 3 vor: „Innerhalb der Arbeitszeit
muß den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern eine
angemeſſene Mittagspauſe gewährt werden. Für Ge⸗
hilfen, Lehrlinge und Arbeiter, die ihre Hauptmahlzeit
außerhalb des die Verkaufsſtelle enthaltenden Gebäudes
einnehmen, muß dieſe Pauſe mindeſtens ein und eine
halbe Stunde betragen“. Die Entſcheidung über die
Reviſion des Angeklagten hängt nur davon ab, in
welchem Verhältniſſe die §§ 105 b und 139 c ſtehen.
Es iſt nicht zu verkennen, daß ſich für die Arbeitgeber
ein bedeutender Verluſt an Arbeitszeit ergibt, wenn
ſie an den Tagen, für die, wie in F., die Arbeitszeit
ſtatutariſch ohnehin auf 4½ Stunden beſchränkt ift,
innerhalb dieſer Zeit ihrem Perſonale noch eine Mittags-
pauſe von 1½ Stunden gewähren müſſen; es iſt aber
ebenſo ſelbſtverſtändlich, daß die hygieniſchen Rück⸗
ſichten, aus denen den Arbeitgebern die Verpflichtung
auferlegt iſt, ihrem Perſonal eine Mittagspauſe von
1½ Stunden zu gewähren, in gleicher Weiſe an den
Feſt⸗ und Sonntagen wie an den Werktagen zutreffen.
In den Fällen, in denen die Beſchäftigungszeit beiſpiels⸗
halber auf die Stunden von 10 Uhr vormittags bis
3 Uhr nachmittags feſtgeſetzt worden iſt, ließe ſich
kein vernünftiger Grund denken, weshalb das Geſchäfts⸗
perſonal nicht ebenfalls um die Mittagszeit eine
Mittagspauſe in der für große Städte nicht verkürz⸗
baren Dauer von 1½ Stunden erhalten fol; ohne
eine ſolche Pauſe würde das Perſonal nicht in der
Lage ſein, die Hauptmahlzeit in einer den Abſichten
des Geſetzgebers entſprechenden Weiſe einzunehmen.
Daher erklärt es ſich wohl, daß bei den Vorarbeiten
zu der Novelle vom 30. Juni 1900 der Frage nicht
gedacht worden iſt, ob die neu zu ſchaffende Mittags⸗
pauſe auch an Sonn- und Feſttagen gewährt werden
müſſe. Man ſcheint das für fo ſelbſtverſtändlich ge:
halten zu haben, daß es nicht als notwendig erachtet
wurde, es ausdrücklich hervorzuheben, und daß man
die Intereſſen der Arbeitgeber für genügend dadurch
gewahrt hielt, daß ihnen die nähere Beſtimmung über
die Legung der Mittagspauſe zuſteht. Da die Anord—
nung der Mittagspauſe ſpäter als die Ordnung der
Sonntagsruhe erfolgt iſt, hätte ſich der Geſetzgeber
ausdrücklich äußern müſſen, wenn er die Abſicht gehabt
hätte, die Mittagspauſe nicht auch für die Tage vor⸗
zuſchreiben, für die bereits feit neun Jahren eine Be-
ſchränkung der Arbeitszeit beſtanden hat. Den be—
rechtigten Intereſſen der Arbeitgeber kann dadurch
Rechnung getragen werden, daß die Beſchäftigungszeit
an Sonn- und Feſttagen durch ſtatutariſche Beſtim—
mung oder durch die Polizeibehörde in der Weiſe feſt⸗
geſtellt wird, daß die ortsübliche Mittagseſſenszeit
ganz oder wenigſtens zum größten Teile nicht in die
zugelaſſene Beſchäftigungszeit fällt. Es iſt darum
Sache der Arbeitgeber ſelbſt, auf eine entſprechende
Feſtſtellung der Arbeitszeit, die ohnehin für verſchiedene
Zweige des Handelsgewerbes verſchieden erfolgen
kann, nötigenfalls durch Beſchreitung des Beſchwerde—
weges hinzuwirken. Sie können ſich aus dieſem Grund
auch nicht beſchwert fühlen, wenn, ohne daß ſie irgend
welche Schritte dagegen unternommen haben, die
Mittagspauſe in die feſtgeſtellte Beſchäftigungszeit fällt,
und wenn im Falle einer Verkürzung der geſetzlich
beſtimmten 1½ ſtündigen Dauer der Mittagspauſe die
Strafbeſtimmung des § 146 Nr. 2 GewO. für anwend⸗
bar erachtet wird. (Urt. vom 4. Januar 1908; Rev.
Reg. Nr. 577/07). H.
1156
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
Oberlandesgericht München.
Neuer VBermögenderwerb. (8 903 3p PO.). Gegen⸗
über dem Einwand des Schuldners aus $ 903 Abſ. 1
BPO. berief iH der Gläubiger auf den Inhalt feines
Vollſtreckungstitels, wonach der Schuldner von ihm
nach der früheren Eidesleiſtung Hypotheken im Nenn⸗
werte zu 3000 M abgetreten erhalten habe; für den
ausgeklagten Zeſſionspreis in gleicher Höhe erfolge
die Vollſtreckung. Das Amtsgericht gab dem Wider⸗
ſpruch Statt, weil der Schuldner bei dem Hypothek⸗
erwerb mit dem gleich hohen Kaufpreis belaſtet
worden ſei, ſohin neues Vermögen tatſächlich nicht
erworben habe. Auf Beſchwerde verwarf das Land—
gericht den Widerſpruch, weil der Begriff des Bers
mögens im 8 903 kein anderer fein könne als im
8 807; letztere Beſtimmung aber umfaſſe zweifellos
alle Aktiva ohne Rückſicht auf etwaige dafür aus⸗
ſtehende Gegenleiſtungen. Die weitere Beſchwerde
blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen: Der vom Amtsgericht
angeführte Beſchluß des OLG. Dresden (Rſpr. d.
OLG. 13, 227) bezieht ſich auf Tatbeſtände beſonderer
Art und duldet keine Verallgemeinerung. Hier iſt
der Schuldner allerdings mit 3000 M Gegenleiſtung
für die erworbenen Hypotheken belaſtet, aber ſchon
ſeine Zuſicherung der Zahlung dieſes Preiſes nach
halbjähriger Kündigung macht neuen Vermögens—
erwerb glaubhaft. Die Stellung eines Solidarbürgen
beweiſt nichts dagegen, da fie nicht auf Vermögens
loſigkeit beruhen muß, ſondern ihren Grund auch in
beſonderer Vorſicht des Gläubigers haben kann. Der
vorgeworfene ißbrauch prozeſſualer Befugniſſe,
weil der Gläubiger die von ihm zedierten Forderungen
ohnehin genau kenne, liegt nicht vor. Allerdings
darf er ihm bekannte Forderungen des Schuldners
nicht ſchlechthin ignorieren (Gaupp-Stein, ZPO. § 807
Anm. II 2). Allein das Erfordernis der Glaubhaft—
machung ihrer Uneinbringlichkeit darf nicht über-
ſpannt werden. Gegebenſalls ift für 3148 M erfolge
los Mobiliarpfändung verſucht worden; volle Be—
friedigung aus den abgetretenen Hypotheken iſt nicht
ſicher, weil ſie nicht erſten Rang beſitzen; im
Gegenteil iſt wahrſcheinlicher, daß der Gläubiger
zwecks voller Befriedigung noch den Zugriff auf
anderweitige Vermögensſtücke nehmen muß. Der
bei Gaupp⸗Stein zitierten Entſch. des OLG. Celle
(Rſpr. d. OLG. 3, 333) lag ein weſentlich anders
gearteter Fall zugrunde, weil dort die bekannten
Forderungen den vollſtreckbaren Anſpruch bedeutend
überſtiegen und nach den Umſtänden alsbaldige volle
Befriedigung des Gläubigers erwarten ließen. (Beſchl.
vom 13. Dezember 1907; BeſchwR. 704/07 II).
1125 N.
Landgericht München J.
Begriſf der ſeſtzuſetzenden Koſten (88 104, 788 3p O.).
Durch amtsgerichtlichen Vergleich verpflichtete ſich der
Kläger an den Beklagten 24 M Mietzins zu zahlen,
wogegen der Beklagte die Herausgabepflicht hinſicht—
lich eines Waſchkeſſels Zug um Zug mit der Zahlung
anerkannte; die Koſten übernahm der Kläger. Bei
der Koſtenfeſtſetzung verlangte der Beklagte auch den
Erſatz von 3.80 M für die bei ihm eingeforderten und frei—
willig bezahlten Gerichtsvollzieherkoſten erſetzt, die für
die Einleitung der Wegnahmevollſtreckung bezüglich des
Waſchkeſſels erwachſen waren. Das Amtsgericht ſtrich
den Betrag ab, weil diefe Koſten durch das eigene
Verhalten des Beklagten (Herausgabeverzögerung) ver-
urſacht worden ſeien; ſeine ſofortige Beſchwerde blieb
erfolglos.
Aus den Gründen: Der Beſchwerdeführer iſt
durch die angefochtene Entſcheidung nicht benachteiligt.
Die ſtreitigen Gerichtsvollziehergebühren hat er näm—
111
lich nicht etwa als die Vollſtreckung betreibender
Gläubiger ausgelegt, ſondern als Schuldner gemäß
§ 788 ZPO. zu zahlen gehabt. Nur im erſteren Falle
aber wäre eine Feſtſetzung möglich und zwar nicht
auf Grund der vergleichsweiſen Prozeßkoſtenübernahme
durch den Kläger als ſolcher, ſondern auf Grund der
Wegnahmeverpflichtung ſelbſt. Letztere iſt aber nicht
für den jetzigen Antragſteller, ſondern gegen ihn ein⸗
gegangen worden; der Beklagte hat alſo inſoweit gar
keinen Vollſtreckungstitel als Feſtſeungsgrundlage. Will
er die Beitreibung oder Einhebung ſolcher nach § 788
Abſ. 1 ZPO. bei ihm als Vollſtreckungsſchuldner an=
geforderter Koſten bemängeln, fo kann dies nicht im
Wege der Feſtſetzung, ſondern nur durch Einwendungen
nach 8 766 Abſ. 2 ZPO. oder § 22 GVGebO. mit
è 4 GRY. geſchehen. Der Antrag auf Feſtſetzung
ätte daher vom Erſtrichter als unzuläſſig, nicht als
unbegründet abgewieſen werden ſollen. (Beſchl. vo
7 Mai 1907; BeſchwR. Nr. 274/07). N.
181
Anus der Praxis des bayer. Verwaltungs⸗
gerichtshofs.
1
Haftung des Staates für Banbeamte. Die Ent⸗
ſcheidung vom 30. Oktober 1907 (Sammlg. Bd. 28
S. 190) ſpricht aus, daß die Staatsbaubeamten bei
Leitung und Ausführung von Staatsbauarbeiten nicht
in Ausübung einer ihnen anvertrauten öffentlichen
Gewalt, ſondern als beamtete techniſche Berater des
Staates in wirtſchaftlichen Angelegenheiten handeln,
daß ſonach eine Vorentſcheidung im Sinne des Art.7
Abſ. 2 des VGH. nicht ſtattfindet, wenn behauptet
wird, daß ein Staatsbaubeamter bei einer ſolchen
Tätigkeit ſeine Amtspflicht verletzt habe. Billigt man
diefe Anſchauung, gegen die Bedenken wohl nicht be:
ſtehen, ſo ergibt ſich als Folge, daß der Staat nicht
auf Grund der Vorſchrift im Art. 60 Abſ. 1 Satz 1
AG. z. BGB. haftet, ſondern nach Maßgabe der Bor;
chriften in den SS 31, 89, 823 ff. BGB., wenn einem
mit ſelbſtändiger dienſtlicher Verantwortung ausge—
ſtatteten Beamten ein Verſchulden zur Laſt fällt und
nach Maßgabe des S 831 BGB., wenn ein unter-
geordneter nur mit einzelnen Verrichtungen betrauter
Beamter in Ausführung einer Verrichtung einem
Dritten Schaden zufügt.
1182
II.
Ausübung der Jagd auf ausnärkiſchen Jagd:
bezirken. Die Entſcheidung vom 11. Oktober 1907
(Sammlg. Bd. 28 S. 200) befaßt ſich mit einem Falle,
in dem ſich eine Lücke in den Vorſchriften des Jagd—
geſetzes vom 30. März 1850 ergeben hat. Eine dem
Staate gehörende ausmärkiſche Waldfläche war voll—
ſtändig von fremdem Grundbeſitz umſchloſſen, der zwar
zu einer Gemeindemarkung gehörte, aber im Eigen—
tume verſchiedener Privatperſonen ſtand. Die Vor—
ausſetzungen für die Jagdausübung durch den Grund—
eigentümer der Waldfläche nach Art. 2 des Jagd—
geſetzes lagen nicht vor. Auch Art. 3 konnte nicht
angewendet werden, weil der die Fläche umklammernde
Grundbeſitz nicht einen „zuſammenhängenden Grund—
befig* im Sinne des Art. 2 Nr. 3 bildete; Art. 4
traf nicht zu, weil die Waldfläche keinem Gemeinde—
bezirke zugeteilt war. Der VGH. entſchied nun, daß
in einem ſolchen Falle nicht etwa das Recht zur Aus—
übung der Jagd ruhe, ſondern daß auf die Vorſchrift
im Art. 1 Abſ. 1 des Jagdgeſetzes zurückgegriffen und
dem Grundeigentümer die Befugnis zur Jagd—
ausübung zugeſprochen werden müſſe.
1183
— — — n.
Literatur.
Webers Juriſten⸗ Kalender für 1908 als Abreißkalender
eingerichtet. Bearbeitet von Rechtsanwalt Dr.
Arthur Kallmann. Mit Abbildungen. Berlin
1908. Verlag von Erich Weber. Preis Mk. 2.50.
Die Texte beſtehen zumeiſt aus Bemerkungen
über das geltende Reichsrecht und aus Mitteilungen
über die Rechtſprechung des Reichsgerichts. Biogra—
phiſche Skizzen, Rechtsſprichwörter und Ausſprüche
über Recht und Juriſten ſind eingeflochten.
Notizen.
Die Answeiſung beſtrafter Perſonen. (Bek. des
Staatsminiſteriums des Innern vom 27. Januar 1908,
MAB. S. 75). Die neue Hausordnung für die
bayeriſchen Strafanftalten vom 20. Septbr. 1907 über-
läßt es im allgemeinen der freien Beſtimmung des
Gefangenen, wie und wo er nach der Entlaſſung ſein
weiteres Fortkommen ſuchen will. Er kann an ſeinen
letzten Wohnort zurückkehren, aber auch einen andern
Aufenthalt wählen. Die Entlaſſung nach dem Heimat—
ort erfolgt nur in Ausnahmefällen ($ 103 f). Auf der
anderen Seite haben die Polizeibehörden nach dem
Heimatgeſetz ein weitgehendes Recht, nach ihrem Er-
meſſen beſtraften Perſonen in jeder anderen Gemeinde
als der Heimat den Aufenthalt zu verſagen. Von
dieſer Befugnis wurde bisher vielfach ein unangemeſſener
Gebrauch gemacht. Das an ſich berechtigte Beſtreben
namentlich der größeren Städte, zweifelhafte Elemente
ſoviel als möglich ſernzuhalten, führte nicht ſelten
auch zur Ausweiſung von Perſonen, die eine Gefahr
für die Gemeinde nicht oder nicht mehr gebildet hätten.
Schon manche vorläufige Entlaſſung aus der Straf—
haft iſt an dieſer mechaniſchen Ausübung des Aus—
weiſungsrechtes geſcheitert, die auf das perſönliche
Wohl und Wehe der Betroffenen und ihrer Familie
wenig Rückſicht nahm. Was war die Folge? Die
erhöhte Gefahr des Rückfalls. Man erinnere ſich nur
der traurigen Geſtalt des „Hauptmanns von Köpenik“,
deſſen Verteidigung in dieſer Hinſicht zu einer auf—
ſehenerregenden Anklage gegen polizeiliche Kurzſichtig—
keit wurde. Dieſem zu weitgehenden Gebrauche der
Ausweiſung aus ſicherheitspolizeilichen Gründen tritt
die neue Bekanntmachung mit ſehr verſtändigen Gründen
entgegen. Als das oberſte Ziel bezeichnet ſie die Sorge,
daß der Entlaſſene in ein geordnetes Arbeitsverhält—
nis gebracht wird. Hat er ſich ein ſolches außerhalb
der Heimat begründet, fo foll ihn die Polizei unbe—
helligt laſſen. Muß die Erlaſſung des Ausweiſungs—
beſchluſſes gleichwohl aus beſonderen Gründen erfol-
gen, ſo iſt wenigſtens von dem Vollzug abzuſehen,
d. h. dem Betroffenen der Aufenthalt zu geſtatten,
ſolange er arbeitet und ſich wohl verhält. Mit ent—
ſchiedenen Worten wendet ſich das Miniſterium gegen
die ſehr beliebte formularmäßige Behandlung der
Auslieferungsfälle, bei der ohne weitere Begründung
behauptet wird, daß die öffentliche Sicherheit oder
Sittlichkeit durch die Anweſenheit des Betreffenden in
der Gemeinde gefährdet werde. Künftig müſſen bei
Vermeidung der Aufhebung des Beſchluſſes in jedem
einzelnen Falle die beſonderen Beziehungen des Be—
ſtraften zur Gemeinde dargetan werden, die ſeine An—
weſenheit gerade in dieſer Gemeinde als gefährlich
erſcheinen laſſen. Schließlich gibt die Bekanntmachung
Weiſungen über formelle Behandlung von Geſuchen, in
denen um Aufhebung einer Ausweiſung gebeten wird.
Iſt die Ausweiſung ſchon rechtskräftig erkannt, ſo iſt
das Geſuch als Antrag auf Umgangnahme von dem
Vollzuge der Ausweiſung inſtanziell zu würdigen.
Die Beteiligten ſind im Falle der Abweiſung über den
geſetzlichen Inſtanzenzug zu belehren.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 5.
Befürwortet
die Verwaltung einer Strafanſtalt oder eines Arbeits-
hauſes die Umgangnahme von der Ausweiſung, ſo
hat die Polizeibehörde der Fürſprache „tunlichſt wohl:
wollendes Gehör“ zu ſchenken.
Die Aufbringung der Mittel für die Unterſtätzung
der Notariatsgehilfen. (Geſetz vom 28. Januar 1908,
GVBl. S. 49). In dem bayeriſchen Budget waren
für die letzten Jahre für Unterſtützungen an Notariats⸗
gehilfen und ihre Hinterbliebenen je 35 000 M angeſetzt.
Der Betrag hat ſich als viel zu niedrig erwieſen. In
dem Budget für 1908 und 1909 ift daher eine Er⸗
höhung des Poſtens um 15000 Mvorgeſchlagen. Weitere
Mittel werden durch die Heranziehung der Notare be—
ſchafft. Die Notare ſind jetzt verpflichtet, für jeden
ſtändigen Gehilfen, den ſie beſchäftigen, monatliche
Unterſtützungsabgaben an die Staatskaſſe zu entrichten.
Die Abgabe beträgt für die Jahre 1908 und 1909
drei Mark monatlich. Für die ſpäteren Finanzperioden
wird ihre Höhe nach Maßgabe des Bedürfniſſes durch
das Finanzgeſetz beſtimmt werden. Streitigkeiten über
die Abgabenpflicht entſcheiden die zuſtändigen Mini—
ſterien. Eine Bekanntmachung von 31. Januar d. Js.
BMBI. S. 23) regelt den Vollzug des Geſetzes.
Die Verwertung eingezogenen Weines. (Bek. vom
18. Januar 1908, IM Bl. S. 25). Bei den großen
pfälziſchen Weinprozeſſen, die in den letzten Jahren
die öffentliche Aufmerkſamkeit erregt haben, fielen auch
die oft ſehr bedeutenden Mengen „Wein“ auf, deren
Einziehung gerichtlich verfügt wurde. Man fragte
wohl mitunter, was mit dieſem ‚Rebenſafte“ geſchehe.
Bis jetzt hat man die Fäſſer einfach auslaufen laſſen.
Da man gegen den Verkauf des Weines rechtliche und
wirtſchaftliche Bedenken hegte. Dieſes radikale Ber-
fahren hatte den Nachteil, daß es in allen Fällen, in
denen eine Verfälſchung mit einem geſundheitsſchäd—
lichen Stoffe nicht vorlag, wirtſchaftliche Werte —
allerdings manchmal zweifelhaften Charakters — ohne
Zwang vernichtete und zugleich der Staatskaſſe erheb—
liche Einnahmen entzog. Auch im Landtage wurde
darauf aufmerkſam gemacht. Die Bekanntmachung
ordnet im Anſchluß an das Verfahren in anderen
Bundesſtaaten an, daß in der Regel nur Wein, der
mit einem geſundheitsſchädlichen Stoffe verfälſcht ift,
vernichtet werden ſoll. Sonſtiger eingezogener Wein
ſoll zugunſten der Staatskaſſe für gewerbliche Zwecke
durch freihändigen Verkauf, in zweiter Linie durch
öffentliche Verſteigerung veräußert werden. Eine An—
rechnung des Erlöſes auf die often des Strafver—
fahrens findet nicht ſtatt. Dies iſt nicht ausdrücklich
beſtimmt, verſteht ſich aber von ſelbſt. Die Verar—
beitung des Weines kann in der Eſſig- und Brannt—
weinfabrikation erfolgen. Der mißbräuchlichen Ver—
wendung durch den Erwerber ſoll die der Uebergabe
vorhergehende, im einzelnen genau geregelte „Dena—
turierung“ vorbeugen. Die Veräußerung und die
Denaturierung erfolgt durch die Finanzbehörde auf
Grund der Mitteilung des Staatsanwalts über die
Verwertbarkeit. Bei der Uebernahme des Weines
durch die Finanzbehörde hat in geeigneten Fällen ein
Hilfsbeamter der Staatsanwaltſchaft (Weinkontrolleur
2c.) zu prüfen, ob der amtliche Verſchluß unverſehrt
iſt. Es iſt wieder nicht ausdrücklich geſagt, aber ſelbſt—
verſtändlich, daß die Vernichtung des Weines ohne
Rückſicht auf ſeine ſtoffliche Beſchaffenheit erfolgen
muß, wenn das Gericht fie anordnet (§ 18 des Wein.
vom 24. Mai 1907). N
1184
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigenrum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
Ur. 6.
Itilſhrift für Rechtspflege
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Boſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a).
Grunddienſtbarkeiten und forſtpolizeiliche
Strafvorſchriften.
Von Oberlandesgerichtsrat Bernhard Pfiſter,
Amtsgerichtsvorſtand in Paſſau.
Nach Art. 92 Ziff. 1 in Verbindung mit
Art. 49 Abſ. 1 des bayeriſchen Forſtgeſetzes vom
28. März 1852 in der Faſſung der Bekannt⸗
machung vom 4. Juli 1896 (übereinſtimmend mit
Art. 30 Ziff. 1 des revidierten Forſtſtrafgeſetzes
für die Pfalz) iſt als Forſtfrevel zu beſtrafen das
unbefugte Betreten der Forſtpflanzungen unter
ſechs Jahren und beſonders ihr Betreten mit Vieh.
Die bayeriſchen Obergerichte haben bis in die jüngſte |
Zeit daran feitgehalten, daß das Betreten der
Schonungen mit Vieh unter allen Umſtänden ſtraf—
bar und die Strafvorſchrift auch gegenüber einem
dinglich Berechtigten (Forſtberechtigten, Grund—
dienſtbarkeitsberechtigten) zur Anwendung zu
bringen fei. (Entſch. d. OLG. München in StS.
Bd. I S. 259, Bd. III S. 492, Bd. IV S. 89,
Bd. VI S. 1; Entſch. d. ObLG. Bd. IV S. 122
und 389).
In dieſen Erkenntniſſen iſt auch ausgeſprochen,
daß die Anlegung einer Forſtpflanzung auf einem
mit einer Grunddienſtbarkeit belaſteten Grundſtücke
bewirke, daß die nur unter Uebertretung des Ver—
botes mögliche Ausübung der Grunddienſtbarkeit
ſechs Jahre lang ruhe.
Auf den erſten Blick iſt zu erkennen, daß dieſe
Rechtſprechung in die Rechte und in die wirtſchaft—
lichen Intereſſen der Dienſtbarkeitsberechtigten
außerordentlich eingreift, ſo daß, da die Gerichte
nicht felten mit der Anwendung der Vorſchrift ſich
zu beſchäftigen haben, es ſich wohl verlohnt, die
erwähnte Spruchpraxis auf ihre Richtigkeit zu
prüfen. i
Ihrer rechtlichen Natur nach ift die bezeichnete
mit Strafe bedrohte Handlung, wie in der Entſch.
d. ObL G. vom 15. Februar 1906 (Bd. VI S. 332)
zutreffend dargelegt ift, kein Rechtsverletzungs⸗-,
ſondern ein Rechtsgefährdungsdelikt, d. h. es genügt
— — — — — ...... ͤ M O — —
München, den 15. März 1908.
4. Jahrg.
NAT
Nachdruck verboten.
Verlag von
2. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier)
in München, Lenbachplatz 1.
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zur Vollendung des Tatbeſtands die Gefährdung
der Rechte Dritter, die Entſtehung eines Schadens
iſt nicht erforderlich. Es iſt nun aber zu unter⸗
ſuchen, weſſen Rechte verletzt werden oder ge⸗
fährdet ſind.
Zunächſt die Rechte des Beſitzers des die Forſt⸗
pflanzung tragenden Grundſtücks, kurz geſagt des
Waldbeſitzers. Dieſe Rechte des Waldbeſitzers
ſind ausſchließlic privatrechtlicher Art, ſie ſind
weiterhin rein vermögensrechtlich und fallen unge⸗
fähr mit dem Inhalte des Eigentums zuſammen.
Daraus ergibt ſich, daß dieſe Rechte und Intereſſen
mit Einwilligung des Waldbeſitzers verletzt werden
dürfen, geradeſo wie der Eigentümer über ſein
Eigentum verfügen und ſeine Sache verletzen kann.
($ 903 BGB.). Der Einwilligung des Wald:
beſitzers ſteht nun aber gleich das Beſtehen eines
dinglichen Rechtes auf Benützung des Waldgrund⸗
ſtücks in einzelnen Beziehungen zum Vorteile eines
anderen Grundſtücks; denn darin liegt das Weſen
einer Grunddienſtbarkeit, daß ſie dem Berechtigten
eine von der Willkür des Eigentümers des be—
laſteten Grundſtücks unabhängige Befugnis und
deren rechtlichen Schutz gewährt. Folglich ſtehen
die Rechte des Waldbeſitzers der Ausübung einer
FahrtberechtigQung auf der Anpflanzung nicht
entgegen.
Sodann ſind gefährdet die Rechte der Allge—
meinheit, mit anderen Worten die ſtaatlichen und
insbeſondere die forſtpolizeilichen Intereſſen. Der
bayeriſche Staat begünſtigt in Geſetzgebung und
Verwaltung mit Recht auf alle Weiſe die Muf-
forſtung geeigneter Grundſtücke und die Hege und
Pflege der Waldungen. Aber wer möchte von
vorneherein für möglich halten, daß zur Erreichung
dieſes Zieles auch geſetzgeberiſche Maßregeln helfen
ſollen, die wohlbegründete Privatrechte nicht bloß
beeinträchtigen, ſondern deren Ausübung ohne
Gegenleiſtung jahrelang unmöglich machen? Handelt
es ſich bei Grunddienſtbarkeiten nicht auch um wirt—
ſchaftliche Intereſſen der einzelnen Berechtigten und
der Allgemeinheit?
Sehen wir genauer zu. Hätte das Verbot den
in den obergerichtlichen Erkenntniſſen behaupteten
114
Umfang, fo ergäbe fih daraus folgendes.
Schonung wäre rechtlich ſechs Jahre lang dem
Verkehre mit beſpannten Fuhrwerken völlig ent⸗
zogen. Die Vornahme der Pflanzung hätte Weihe⸗
charakter, das Grundſtück wäre ſozuſagen res sacra.
Der Eigentümer ſelbſt wäre rechtlich gehindert, mit
Vieh fein Grundſtück zu betreten, und bei Bu:
widerhandlung ſtrafbar; denn er würde die Rechte
der Allgemeinheit ebenſo gefährden, wie ein Dritter,
auch iſt ſeine Befugnis, ſein Grundſtück beliebig
und mit Vieh zu betreten, nicht anderer Art und
nicht ſtärker als das Recht des Dienſtbarkeits⸗
berechtigten, das einen Ausbruch aus dem Eigen⸗
tum darſtellt. Ein zivilrechtlicher Notſtand —
vgl. $ 904 BGB. — würde von dem Verbot
nicht befreien, ein Urteil, durch das ein Notweg
gewährt iſt, wäre, wenn der Notweg durch eine
nach Erlaſſung des Urteils angelegte Schonung
führt, nicht mehr zu vollſtrecken; denn auch Not⸗
ſtand und Notweg geben dem, der ſich darauf
beruft, kein wirkſameres Recht als der Dienſtbarkeits⸗
berechtigte hat.
Aber auch die wirtſchaftlichen Intereſſen des
berechtigten Grundſtücks, wenn noch ſo bedeutend,
müßten zurückſtehen, ſelbſt bei unerheblichem Um⸗
fange der Schonung und ſogar dann, wenn die
geordnete Bewirtſchaftung des berechtigten Grund:
ſtücks dadurch unmöglich würde. Dem Eigentümer
des belaſteten Grundſtücks wäre die Möglichkeit
gegeben, die Grunddienſtbarkeit lahm zu legen,
indem er auf der Fahrt oder Trift eine Schonung
anlegt. Abhilfe hiergegen böte nur der koſtſpielige
Weg des Zivilprozeſſes oder die Erwirkung einer
einſtweiligen Verfügung zum Zwecke der Ver—
hinderung der Anpflanzung. Iſt einmal die
Schonung angelegt, ſo würden auch dieſe Mittel
verſagen, ſelbſt wenn die Schonung zur Schikane
angelegt worden wäre. Die Schikane würde nur
dann dem, der die Schonung mit Vieh betritt,
zu ſtatten kommen, wenn die Schikane als ſolche
aus der Art und dem Umfange der Schonung
erſichtlich iſt, alſo der Begriff der „Forſtpflanzung“
auf die Vorkehrungen des Beſitzers des belaſteten
Grundſtücks von vorneherein nicht angewendet
werden kann. Ein Dienſtbarkeitsberechtigter würde
infolge der Anpflanzung ein Forſtberechtigter; da
Fahrt und Triebrechte ſechs Jahre lang ruhen
ſollen, könnte er während dieſes Zeitraumes in
Anſehung ſolcher Rechte nicht einmal durch An—
rufung der Forſtpolizeibehörde Hilfe erlangen.
(Vgl. Art. 23 des Forſtgeſetzes).
Ein ſolches Ergebnis iſt unannehmbar, da es
dem Sinne und dem Zwecke des Geſetzes nicht
entſprechen kann. Das Verbot hat einen geringeren
Umfang und es bleibt nichts übrig, als der Vor—
ſchrift die Auslegung zu geben, daß nur das
unbefugte Betreten mit Vieh verboten iſt.
Dieſe Auslegung iſt mit dem Wortlaute wohl
vereinbar; das Wort „unbefugt“ findet ſich vor—
her im Zuſammenhang mit „Betreten“ und iſt
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
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Ä
Die nicht wiederholt, weil es ſelbſtverſtändlich ſchien,
daß der beſonders hervorgehobene Tatbeſtand des
Betretens mit Vieh unbefugtes Betreten vorausſetzt;
die allgemeine Vorausſetzung des „unbefugten“
Tuns bleibt auch für den Einzelfall beſtehen.
Die wirtſchaftlichen Intereſſen des Waldbeſitzers
leiden bei dieſer Auslegung nicht, die forſtpolizei⸗
lichen Intereſſen ſind nicht fühlbar beeinträchtigt.
$$ 1020 und 1023 BGB. geben dem Eigen:
tümer der Schonung die Handhabe, ſeine Inter⸗
eſſen zu wahren. Er kann beiſpielsweiſe die Um⸗
wandlung einer unbeſtimmten Fahrt in eine
beſtimmte verlangen und alsdann durch Freilaſſung
einer wegbreiten unbepflanzten Fläche ſich gegen
Schaden ſchützen. Auch kann er begehren, daß
dem Vieh Maulkörbe angelegt werden. Zu
gleichem Vorgehen können die Forſtpolizeibehörden
durch die Landesgeſetzgebung ermächtigt werden.
II.
Wollte man einräumen, daß die angegebenen
obergerichtlichen Entſcheidungen die richtige Aus⸗
legung des Forſtgeſetzes enthalten, ſo iſt zu be⸗
rückſichtigen, daß in Anſehung der Grunddienſt⸗
barkeiten der Rechtszuſtand ſeit der Geltung des
neuen bürgerlichen Rechts eine Aenderung erfahren
hat. Seitdem genießt jede Grunddienſtbarkeit
nach Maßgabe des Inhalts, den ſie im Augen⸗
blicke des Eintrittes der Geltung des neuen Rechtes
hatte, alſo in dem Umfange der bis dahin dem
berechtigten Grundſtücke zuſtehenden Befugniſſe
und der von dem belaſteten Grundſtücke zu dulden⸗
den Beſchränkungen, reichs rechtliche Aner⸗
kennung; ihre rechtliche Geſtaltung wurzelt nun⸗
mehr im Reichsrecht. (SS 1027, 1018 BGB.,
Art. 184 EG. z. BGB.). Im Reichsrechte findet
ſich aber keine Vorſchrift, aus der geſchloſſen
werden könnte, daß eine Grunddienſtbarkeit in-
folge der Anlegung einer Forſtpflanzung jahre⸗
lang ruht.
Landesrechtliche Vorſchriften ſind nur inſoweit
anwendbar, als ein reichsrechtlicher Vorbehalt be—
ſteht, da die Reichsgeſetzgebung das bürgerliche
Recht zu regeln unternommen hat. (Art. 3, 55
EG. z. BGB.). Bezüglich des partikulären Forſt—
rechts iſt ein allgemeiner Geltungsvorbehalt nicht
aufgenommen, wenn auch die Grundlagen des
bayeriſchen Forſtrechts, wie ſich aus einzelnen
Artikeln des Einführungsgeſetzes ergibt, zum weit⸗
aus größten Teile in Geltung geblieben ſind.
Für unſere Unterſuchung iſt nur von Bedeutung
Art. 113 EG. z. BGB., der die Aufrechthaltung
der landesgeſetzlichen Vorſchriften über Ablöfung,
Umwandlung oder Einſchränkung von Dienſt—
barkeiten vorſieht. Vorweg muß zugegeben
werden, daß darunter nicht nur diejenigen Vor⸗
ſchriften fallen, die die Ablöſung, Umwandlung
oder Einſchränkung von Dienſtbarkeiten zu regeln
bezwecken, ſondern auch alle Vorſchriften, die eine
ſolche Einwirkung mittelbar zum Inhalte haben,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6. 115
Tr nm
alfo auch forſtpolizeiliche Vorſchriften. Die Auf: | ift, ob die Grunddienſtbarkeit im Grundbuche
hebung von Dienſtbarkeiten iſt nur im Wege der eingetragen iſt und wann die Pflanzung angelegt
Ablöſung oder Umwandlung zuläſſig; jede andere wurde, ob vor oder nach dem 1. Januar 1900,
Form der Aufhebung, auch der längeren zeitlichen vor oder nach dem Zeitpunkte, in dem das Grund⸗
Aufhebung, iſt ausgeſchloſſen. Geſtattet iſt der buch als angelegt anzuſehen iſt. Dieſer letztere
Landesgeſetzgebung, die einzelne Dienſtbarkeit ein- Zeitpunkt ift nur für die Vorausſetzungen und
zuſchränken, d. i. den Inhalt oder Umfang zu das Maß des Schutzes im Beſitze der Grund:
vermindern und enger zu begrenzen. Demgemäß dienſtbarkeiten von Bedeutung. (Art. 191 EG.).
it auch eine zeitliche Hemmung von erträglicher | Der Schuß kann insbeſondere dann erforderlich
Dauer zuläſſig. Unter den Begriff der Ein⸗ werden, wenn die Pflanzung in den erſten ſechs
ſchränkung fällt aber nicht mehr eine Einwirkung Jahren ſo heranwächſt, daß ſchon ihr Beſtehen
von der Stärke, daß eine Grunddienſtbarkeit ſechs als eine Beeinträchtigung der Grunddienſtbarkeit
Jahre lang ruhen muß; denn es wird dadurch, anzuſehen iſt. (Vgl. $ 1027 BGB.).
wenn auch in zeitlicher Beſchränkung ſo doch
übermäßig lange der ganze Rechtsinhalt aufge⸗
hoben und dem Berechtigten werden alle Bejug:
niſſe entzogen. Man könnte zwar entgegnen, dem
Fahrtberechtigten ſei nicht verboten, über die
Schonung zu gehen und auf dieſe Weiſe die
Laſten zu befördern, deren Zu- oder Abfuhr durch
die Grunddienſtbarkeit ermöglicht oder erleichtert
werden ſoll. Allein den Inhalt eines Fahrtrechts
macht gerade das Fahren aus. Dem Triebweg⸗
berechtigten würde es nicht nützen, wenn zwar er
ſelbſt über die Schonung gehen, nicht aber das
Vieh ſie betreten dürfte.
In Art. 115 EG. iſt in gleicher Weiſe der
Landesgeſetzgebung nur überlaſſen, den Inhalt
und das Maß von Grunddienſtbarkeiten näher
Ein Verſagen der Lechtſprechung oder eine Lücke
des Geſetzes auf dem Gebiete des Arbeiterſchutzes?
Von Nudolf Troeltſch, II. Staatsanwalt in Augsburg.
(Schluß)
V
Die Sonn: und Feiertagsruhe der Arbeiter
im Sinne der Gewerbeordnung iſt alſo von der
Betriebsruhe begrifflich unabhängig, fie
muß ſomit vom Arbeitgeber auch außer:
halb des betreffenden gewerblichen Be⸗
triebes reſpektiert werden und ſchließt
die Beſchäftigung des Arbeiters in einem
zu beſtimmen. Die Befugnis, diefe Rechte auf: | andern Betriebszweig während der Ruhe-
zuheben oder jahrelang ruhen zu laſſen, iſt ihr zeit aus. Zu dieſem Begriff der abſoluten, un⸗
nicht eingeräumt. antaſtbaren und ununterbrochenen Ruhe gelangt
Die im Urteile des Oberſten Landesgerichts man — wie bisher gezeigt — ſowohl auf Grund
vom 2. Juli 1904 (Bd. IV S. 389) aus: des Wortlauts des 8 105 b GewO. als auch
geſprochene Rechtsanſicht, „daß mit dem Augen⸗ auf Grund der Stellung dieſes Paragraphen
blicke der Beläung und Bepflanzung das Fahrt: | im Syſtem dec Reichsgewerbeordnung. Dieſer
recht ſechs Jahre lang ruhe“, iſt daher unhaltbar. Begriff deckt ſich aber auch genau mit der Forderung,
Sie widerſpricht dem Reichsrechte und wird nicht welche ſich aus der ganzen Zweckbeſtimmung
durch einen Vorbehalt getragen. des Arbeiterſchutzgeſetzes ergibt und zu welcher man
Durch Art. 55 EG. ſind zwar nur die gelangt, wenn man mit Landmann a. a. O. S. 22
privatrechtlichen Vorſchriften der Landes- der Anwendung und Auslegung des $ 105b diefe
geſetze aufgehoben. Allein darüber hinaus reicht Zweckbeſtimmung zugrunde legt.
die Beſtimmung in Art. 2 der Reichsverfaſſung, |
daß die Reichsgeſetze den Landesgeſetzen allgemein VI. l
vorgehen. Es iſt daher gleichgültig, ob die Vor: Dieſe Auslegung der Beſtimmung des $ 105 b
2 ͤ —,ͥrðrs ff. ⅛ĩ⅛—ciß?ẽwmü . (— — —¶T— — (— ——-—-— —
—
ſchrift des Art. 92 des ForſtG. als eine rein liegt auch zweifellos einer Vorſchrift des Bundes-
ſtrafrechtliche oder als eine zugleich dem bürger- rats zugrunde, die ſich unter Ziff. 6 der Bekannt⸗
lichen Rechte angehörige erachtet wird. Legt man machung vom 3. April 1901 betr. Ausnahmen
die Vorſchrift im Sinne der Entſcheidungen der von den Beſtimmungen über die Sonntagsruhe
bayeriſchen Gerichtshöfe aus, fo beſteht der Wider- gemäß $ 105 e Abſ. I GewO. (RGBl. S. 117)
ſpruch auf jeden Fall. Denn die nach Reichs- findet und welche jagt:
recht ſtatthafte Ausübung einer Grunddienſtbarkeit | „Arbeiter, welche in einem Betriebe der in
kann nicht nach Landesrecht verboten oder ftraf: | 105 b Abſ. I GewO. bezeichneten Art auf Grund
bar ſein. der gemäß § 105 e Abſ. I a. a. O. zugelaſſenen
Die reichsrechtlichen Vorſchriften über das Ausnahmen mit Sonntagsarbeiten beſchäftigt
Recht der Grunddienſtbarkeiten ſind am 1. Januar | werden, dürfen ... während der ihnen ausbe—
1900 in Kraft getreten (Art. 184 EG.). Von dungenen Ruhezeiten weder zu Arbeiten, die in
dieſem Zeitpunkte an kann die hier bekämpfte dem betreffenden Betrieb auf Grund des § 105c
Auslegung nicht mehr im Rechte begründet ſein, Abſ. J a. a. O. zuläſſig find, noch zu Arbeiten
ſelbſt wenn fie vorher begründet war. Unerheblich in dem etwa mit dem Betriebe verz
116
bundenen Handelsgewerbe herangezogen
werden.“
VII.
Was bisher hinſichtlich der Unantaſtbarkeit der
Sonn: und Feiertagsruhe nach $ 105 b Abi. I
GewO. ausgeführt ift, trifft in gleicher Weile
auf die in 88 105 b Abſ. II, 135 und 137 an⸗
geordneten und auf die gemäß § 120 e GewO.
eingeführten Ruhezeiten zu. Soweit hier die Be⸗
ſchäftigung jugendlicher und weiblicher Arbeiter in
Betracht kommt, ſcheidet der Gedanke an die Ein-
führung einer bloßen Betriebsruhe von vorn:
herein aus, da — wenigſtens in der Regel — die
jugendlichen und weiblichen Arbeiter nur einen
Bruchteil der Arbeiterſchaft eines Betriebes aus-
machen und ihr Ausſcheiden aus dem Betrieb nicht
notwendigerweiſe zur Ruhe des Betriebes über⸗
haupt führt.
VIII.
Für die hier vertretene Auffaſſung ſpricht auch
die Tatſache, daß ein Faktor der Geſetzgebung
ſelbſt, der Bundesrat, in verſchiedenen Ausführungs⸗
verordnungen den Begriff der den Arbeitern zu
gewährenden Ruhe in dem erwähnten ſtrengen
Sinne auffaßt und ausdrücklich verlangt, daß die
Ruhe eine ununterbrochene ſei. Es iſt dies
der Fall in den Bundesratsbekanntmachungen vom
5. Februar 1895 betr. die Ausnahmen von dem
Verbote der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe
(RGBl. S. 12 und 448), vom 4. März 1896
betr. den Betrieb der Bäckereien und Konditoreien
(RGBl. S. 55), vom 26. April 1899 betr. den
Betrieb der Getreidemühlen (RGBl. S. 273) und
vom 23. Januar 1902 betr. die Beſchäftigung in
Gaſt⸗ und Schankwirtſchaften (RGBl. S. 33 und
40). Und es darf hier auch darauf hingewieſen
werden, daß die Reichsgewerbeordnung ſelbſt, als
fte im Jahre 1900 in § 139 c die täglichen Ruhe-
zeiten der Arbeiter und Gehilfen in offenen Ver⸗
kaufsſtellen regelte, ſich der Formel „ununterbrochene
Ruhezeit“ bedient. Landmann a. a. O. S. 388
bemerkt hierzu, daß eine Unterbrechung der Ruhe⸗
zeiten auch nur durch Heranziehung zu Arbeiten
außerhalb der Verkaufsſtelle unſtatthaft ſei. Es
iſt nicht anzunehmen, daß die Gewerbeordnung
in den $S 105 b, 135—137 und 120 e einen
minder ſtrengen Begriff von Ruhezeit aufſtellen
wollte, als ſie es hier getan hat.
IX.
Es ſteht ſomit feſt, daß der gewerbliche Arbeiter
einen geſetzlichen Anſpruch auf die vorbehaltloſe,
uneingeſchränkte Gewährung der für ſeine Betriebs—
ſtätte vorgeſchriebenen Ruhezeiten hat; dieſem An:
ſpruch ſteht die entſprechende geſetzliche Verpflichtung
des Arbeitgebers gegenüber, dieſe Ruhezeit von
ſeiner Seite aus in keiner Weiſe zu beeinträchtigen,
insbeſondere auch nicht dadurch, daß er die Arbeiter
während dieſer Ruhezeit zu Arbeiten an andern
—— . 9—ß—ß+ð—fꝗ—w— . 7—.— hrô—: ͤ—ͤ—Ü—U— tʃi⸗Fjñjꝛ—3Kĩ1.ůůůͤĩ3—ßX8vlK ̃ :—— —ꝛͤ ͤ¶—Q¶‚ääwkk'̃)ͥ—· ¼— nn,
Zettſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
Betriebsſtätten heranzieht. Auf dieſen Anſpruch
kann der gewerbliche Arbeiter rechtswirkſam nicht
verzichten, ſo wenig wie dies nach Landmann
a. a. O. S. 388 der Angeſtellte im offenen Ver⸗
kaufsgewerbe hinſichtlich der Ruhezeiten des § 139 c
vermag. Denn die Ruhezeiten der 88 105 b,
135—137 und 120 e GewO. find ebenſo wie
jene des § 139 c nicht im Intereſſe der einzelnen
Arbeitnehmer allein, ſondern vor allem auch im
Intereſſe der Allgemeinheit zur Erhaltung der
Volksgeſundheit und Volkskraft eingeführt.
In dieſem Sinne hat ſich auch Graf von
Poſadowsky⸗Wehner bei der Beratung des Kinder⸗
ſchutzgeſetzes vom 30. März 1903 ausgeſprochen,
indem er ſagte:
„Der Reichstag hat in allen feinen Arbeiter:
ſchutzbeſtimmungen der Gewerbeordnung, deren
Faſſung lautet „es muß gewährt werden“ oder
„es iſt zu gewähren“ eine durch Privatabkommen
nicht zu ändernde, allgemeine öffentlich⸗ rechtliche
Vorſchrift erblickt .. .., durch die Schutzzbeſtim⸗
mungen ſoll nicht der einzelne geſchützt.
ſondern folen allgemein hygieniſche und die guten
Sitten ſchützende Vorſchriften erlaſſen werden,
welche ohne jedes Zutun der Parteien unter allen
Umſtänden beobachtet werden müſſen
(Reichstag 1900/03 Bd. IX S. 7616).
Es gibt alſo auch keinen Verzicht des Arbeiters
auf die ihm zukommenden Ruhezeiten durch
Arbeitsvertrag, wie er der obenerwähnten
Entſcheidung vom 22. Januar 1901 vorſchwebt.
X.
Es iſt nun noch eine Frage zu erörtern.
Welche Beſchäftigung iſt hinſichtlich der Art
und Dauer der zu gewährenden Ruhezeiten maß⸗
gebend, wenn ein Arbeitgeber in ſeiner Hand ver⸗
ſchiedenartige Betriebe vereinigt und den ein:
zelnen Arbeiter abwechſelnd in dieſem
und in jenem Betriebe beihäftigt? Soll
letzterer als Fabrikbarbeiter, als Werfitättenarbeiter
oder ſoll er als Angeſtellter des Handelsgewerbes
oder des ſonſtigen Gewerbes behandelt werden,
in welchem feine weitere Beſchäftigung ſtattfindet?
Es iſt klar, daß für die Frage der dem Arbeiter
zu gewährenden Ruhezeit, da dieſe für die ein⸗
zelnen Arbeitergruppen verſchieden geregelt ift,
nur die eine oder die andere Eigenſchaft ent:
ſcheidend ſein kann.
Die Frage iſt dahin zu beantworten, daß bie:
jenige Arbeitsſtellung entſcheidet, welcher die Tätig⸗
keit des Arbeiters der Hauptſache nach angehört.
Ueberwiegt die gewerbliche Tatigkeit in Fabrik
oder Handwerk, ſo iſt er als induſtrieller Arbeiter
nach Maßgabe der §§ 105 b Abſ. I, 135, 136,
137, 120 e GewO. zu behandeln; ift er vorzugs⸗
weiſe für den Handelsbetrieb oder ein ſonſtiges
Gewerbe tätig, ſo beſtimmt ſich ſeine Ruhezeit nach
9 105 b Abſ. II. $ 139 c oder den ſonſt geltenden
Vorſchriften.
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Eh —
23
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
Dieſes Kriterium des Ueberwiegens der einen
oder andern Beſchaͤftigung kommt in der Gewerbe:
ordnung auch ſonſt zur Anwendung, ſo bei der Aus⸗
ſcheidung der Betriebe in Fabrik, Handwerk und
Handelsgewerbe (Landmann a. a. O. S. 38) und
bei der Unterordnung der Arbeitnehmer unter Ge⸗
finde- oder Gewerbeordnung (ebendafelbit S. 7); auch
in der Bundesratsbekanntmachung vom 23. Januar
1902 findet ſich zur Unterſcheidung des Kellner⸗
und des kaufmänniſchen Perſonals dieſes Merkmal
der überwiegenden Beſchäftigung.
XI.
Durch die vorſtehenden Ausführungen dürfte
nachgewieſen ſein, daß ſich der in den oben⸗
erwähnten drei Entſcheidungen vertretene Stand⸗
punkt nicht aufrecht erhalten läßt, ſondern daß
ſowohl nach dem Zwecke des Geſetzes als auch
nach ſeinem Sinn und Wortlaut es als verboten
gelten muß, in gemiſchten Betrieben die Arbeiter
während der für die eine Betriebsart vorge⸗
ſchriebenen Ruhezeiten in dem andern Betrieb zu
beſchäftigen. Ein ſolches Verbot iſt alſo heute
ſchon dem Geiſt und Wortlaut des Geſetzes zu
entnehmen, und die Strafbeſtimmungen der ss 146
Ziff. 2, 146a und 147 Ziff. 4 reichen aus, dieſes
Verbot in der Praxis durchzuſetzen.
Eine obergerichtliche Entſcheidung hat ſich auch
— wenn auch nur nebenbei und ohne nähere Be—
gründung — auf den hier verfochtenen Standpunkt
geſtellt; es iſt das Urteil des Kammergerichts vom
20. April 1905 (D33. 1905 S. 749, Reger
Bd. 26 S. 219). Dort iſt ausgeführt, daß ein
Zuſchneider, welcher Sonntags im Ladengeſchäft
ſeines Arbeitgebers mit dem Verkauf fertiger Waren
beſchäftigt wird, durch die Zuweiſung dieſer kauf⸗
männiſchen Tätigkeit ſeine Eigenſchaft als Gehilfe
im Schneidergewerbe nicht verliert, daher ſeinen
Anſpruch auf Gewährung der in § 105 b Abſ. I
vorgeſchriebenen Sonntagsruhe beibehält und in
dieſem — nicht verzichtbaren — Anſpruch vom
Arbeitgeber nicht dadurch verkürzt werden darf,
daß dieſer ihn Sonntags mit Arbeiten beſchäftigt,
welche zu beſtimmten Stunden anderweit vorge:
nommen werden dürfen.
Auch eine Entſcheidung des bayer. ObLO. vom
16. Marz 1904 (Reger Bd. 25 S. 32) läßt ſich
in gewiſſem Sinne hier anführen, indem ſie auf
Grund des § 120 e und der Bundesratsbekannt—
machung vom 20. März 1902 betr. die Stein:
brüche und Steinhauereien ausſpricht, daß Arbeiter
in dieſen Betrieben, wenn ſie auch nur teilweiſe
mit der geſundheitsſchädlicheren Tätigkeit der V e-
arbeitung der Steine befaßt werden, nicht
über die hierfür zugelaſſene Maximalarbeitszeit von
neun Stunden beſchäftigt werden dürfen, obwohl
für den andern Teil ihrer Tätigkeit, die Gewin—
nung der Steine, eine zehn ſtündige Arbeitszeit
zugelaſſen iſt.
|
117
XII.
Es iſt zu hoffen, daß aus den hier darge⸗
legten Erwägungen es gelingen wird, die Recht⸗
ſprechung ſchon auf dem Boden der gegenwärtigen
Geſetzgebung allmählich allgemein für dieſe ſtrengere
Auffaſſung des Schutzes der gewerblichen Ruhe⸗
zeiten zu gewinnen; es wird dann die Frage, ob
zur Erreichung dieſes Zieles eine Aenderung der
Geſetzgebung geboten iſt, gegenſtandslos. Sollte
jedoch dieſe Hoffnung nicht als berechtigt anerkannt
werden, dann müßte angeſichts der Wichtigkeit der
zu ſchützenden Intereſſen und der Häufigkeit der
Fälle, in denen das Geſetz in der bezeichneten
Weiſe täglich umgangen wird, unbedingt an eine
Aenderung der Geſetzgebung gedacht werden; hierzu
wäre jetzt, wo im Reichstag die Vorlage einer
Novelle zum Arbeiterſchutzgeſetze erwartet wird,
geeignete Gelegenheit gegeben.
Tatſächlich iſt nach Zeitungsberichten eine ſolche
Ergänzung auch ſchon angeregt worden; ſie betrifft
allerdings nur den oben Ziff. II 4 erwähnten
Fall und verlangt ein ausdrückliches Verbot da⸗
gegen, daß den Arbeitern nach Arbeitsſchluß noch
Arbeiten mit nach Hauſe gegeben werden. Inſo⸗
weit dieſes Verbot ſich auf die bereits beſtehenden
geſetzlichen Ruhezeiten nach 88 105 b, 135— 137
und 120 e GewO. beſchränkt, ift es, wenn die Redt-
ſprechung der vorhin geäußerten Erwartung ent⸗
ſpricht, wohl entbehrlich, da die oben geltend ge:
machten Geſichtspunkte auch eine derartige Beſchäf⸗
tigung ſchon nach den beſtehenden Geſetzen als ver⸗
boten erſcheinen laſſen; inſoweit ein ſolches Verbot
aber allgemein, für jeden Tag und für jeden Arbeiter,
gedacht iſt, fällt es mit der Frage der Schaffung
eines allgemeinen Maximalarbeitstags zuſammen
und würde eine hier nicht weiter zu erörternde
grundlegende Aenderung der Geſetzgebung in ſich
ſchließen.
Zur Reform des Privatklageverfahrens.
Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof.
(Fortſetzung.)
Die Anerkennung des gerichtlichen Vergleiches
und das Schweigen der StPO. über ihn zwingen
dazu, die Vorſchriften der ZPO. über den Vergleich
analog auf den gerichtlichen Vergleich in ‘Privat:
klageſachen anzuwenden und dieſem die dem Ver—
gleiche im Zivilprozeß nach der ZPO. beigelegten
oder in ſeinem Weſen begründeten Wirkungen zu—
zuerkennen. Aus dem Weſen des gerichtlichen Ver—
gleiches folgt in allen Fällen, in welchen den am
Verfahren Beteiligten materielle und prozeſſuale
Dispoſitionsbefugniſſe zuſtehen, die unmittelbare
Beendigung des Prozeſſes durch den Vergleich.
Der Zivilprozeß, dem ſich das Privatklageverfahren
erheblich nähert, ſchreibt die prozeßbeendende
118
Wirkung des Vergleiches nicht vor, ſondern ſetzt
fie voraus. Dasſelbe hat bei der Weſensgleichheit
des gerichtlichen Vergleichs in Privatklageſachen
zu gelten.“)
Es iſt daher nur folgerichtig, wenn beim Zu⸗
ſtandekommen eines gerichtlichen Vergleiches weder
ein Einſtellungsbeſchluß noch ein Einſtellungsurteil
erlaſſen wird.
Wenn hiergegen eingewendet wird, die StPO.
kenne eine Erledigung des Verfahrens nur in der
Form des Urteils oder Einſtellungsbeſchluſſes
(gemäß SS 259, 424; 431, 433), nicht aber in
der Form des Vergleiches, ſo wird hierauf er⸗
widert, daß dieſe Beſtimmungen auf den Vergleich
Anwendung deshalb nicht finden können, weil
ſie eben eine andere als die vergleichsweiſe Er⸗
ledigung vorausſetzen, die zu regeln der Geſetzgeber
unterlaſſen hat.
Wer auf dem Standpunkte ſteht, daß der
gerichtliche Vergleich unzuläſſig iſt, weil ihn die
StPO. nicht ausdrücklich erwähnt hat, der muß folge:
richtig die Mitwirkung bei einem ſolchen und ſeine
Protokollierung als unzuläſſig verweigern, die
Parteien auf den außergerichtlichen Vergleich ver⸗
weiſen, ſich lediglich zur Entgegennahme der ein⸗
fachen Zurücknahme der Klage und Widerklage
bereit finden laſſen und auf Grund der Zurücknahme
das Verfahren durch Beſchluß oder (nach Eintritt
in die Hauptverhandlung) durch Urteil einſtellen.“)
So wird aber — von verſchwindenden Mug-
nahmen abgeſehen — nicht verfahren; vielmehr
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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
behaltlich der hinſichtlich der Koſten zwiſchen den
Parteien im heutigen Vergleiche getroffenen Ab⸗
machungen.“
Dieſer Satz ruft in den Fällen, in welchen
der Beklagte im Vergleiche die Koſten ganz oder
teilweiſe übernommen hat, alſo faſt regelmäßig,
einen Proteſt des Privatklägers hervor. Das iſt
nur zu erklärlich; der Privatkläger begreift ange⸗
ſichts der einfachen Koſtenregelung im Vergleiche
den Koſtenausſpruch der Einſtellungsentſcheidung
nicht und das iſt um ſo weniger verwunderlich, als
ſich diejenigen, die dieſen Koſtenausſpruch erlaſſen,
über ſeine Wirkung ſelbſt nicht recht klar ſind.
Auf den Proteſt des Privatklägers, „daß ja der
Beklagte die Koſten übernommen habe und daß
andernfalls ein Vergleich nicht zuſtande gekommen
wäre“, pflegt eine kurze Aufklärung dahin zu er:
folgen, „das ſei lediglich eine Formalität, Geltung
habe, was in dem Vergleiche über die Koſtentragung
vereinbart ſei“. Iſt dieſe Aufklärung richtig?
Was tut der Richter, wenn der Beklagte auf Grund
des Einſtellungsbeſchluſſes, der Privatkläger auf
Grund des Vergleiches die Koſtenfeſtſetzung bean⸗
tragen? Darf er dem Begehren des Beklagten ent⸗
ſprechen und ihm einen Vollſtreckungstitel (Koſten⸗
feſtſetzungsbeſchluß) gegen den Kläger gewähren,
obwohl der Beklagte nach dem Vergleiche die Koſten
zu tragen und dem Kläger zu erſtatten hat? Darf
er das tun unter Außerachtlaſſung des in die Ein⸗
ſtellungsentſcheidung aufgenommenen Vorbehalts?
Darf er trotz dieſes Vorbehaltes das Begehren
des Privatklägers mit der Begründung zurück—
wirken auch die Verfechter der Unzuläſſigkeit des weiſen, daß der Vergleich nach Anſchauung des
gerichtlichen Vergleiches beim Abſchluſſe eines ſolchen [Gerichtes einen Vollſtreckungstitel nicht bilde?
mit, ſie nehmen ihn zu Protokoll, laſſen ihn
verleſen und genehmigen und verkünden dann auf
Grund der in den Vergleich aufgenommenen Zurück⸗—
nahme der Klage Einſtellungsbeſchluß oder Urteil,
je nachdem der Vergleich vor oder nach Eintritt in
die Hauptverhandlung zuſtande kam; hinſichtlich
des Koſtenpunktes enthält die Einſtellungsent⸗
ſcheidung den Satz: „Die Koſten des Verfahrens,
einſchließlich der dem Beklagten erwachſenen Aus:
lagen hat der Privatkläger zu tragen, jedoch vor⸗
e) Vgl. den Beſchluß des OLG. Jena (Strafſenat)
a 11. Juli 1904, abgedruckt in der DIZ. Jahrg. X
512.
7) Ein ſolches Verfahren entſpräche zwar dem Wort-
laute der StPO. aber keineswegs dem Willen des Geſetz—
gebers und den Intereſſen der Parteien und der Rechts—
pflege; es muß als eine der vornehmſten Pflichten des
Richters bezeichnet werden, durch Aufklärung und Be—
lehrung zur Erreichung einer möglichſt gerechten und
dauernden Ausſöhnung der Parteien beizutragen (vgl.
auch r. Rumpf, „Das Privatklageverfahren und ſeine
notwendige Umgeſtaltung“ in den BİRA. Bd. 64
S. 123); verweiſt er ſie auf den außergerichtlichen Ver—
gleich, ſo müſſen ſie in den meiſten Fällen die Bewirkung
der darin vom Gegner übernommenen Verpflichtungen
im Wege eines neuen (nämlich eines Zivil-) Prozeſſes
erzwingen — ein ſehr unbefriedigendes Ergebnis, das
die vergleichsweiſe Erledigung meiſt hindert.
Er muß das Begehren des Beklagten zurüd:
weiſen, weil es den Abmachungen im Vergleiche
zuwiderläuft und weil die Erwirkung eines dieſen
Vereinbarungen nicht entſprechenden Vollſtreckungs⸗
titels gegen Treu und Glauben verſtoßen würde,
wozu der Richter ſeine Mitwirkung verſagen muß;
er muß auch das Begehren des Klägers zurück—
weiſen, weil der Vergleich nach Anſchauung des
Gerichtes nur den kauſalen Vertrag bildet, auf
Grund deſſen die abſtrakte Erklärung der Zurück⸗
nahme der Klage abgegeben wird, und prozeſſuale Be-
deutung nicht hat; er muß den Kläger hinſichtlich
des Koſtenerſatzes auf den Zivilrechtsweg verweiſen
und das alles, trotzdem der Einſtellungsbeſchluß
oder das Einſtellungsurteil nach § 496 II StPO.
die Grundlage zu einem Koſtenfeſtſetzungsbeſchluß
abgeben ſoll, wenn Streit über die Höhe und
Notwendigkeit der Auslagen befteht?) — ein Er-
gebnis, das der Geſetzgeber nicht gewollt haben
kann und nicht gewollt hat, das aber folgerichtig
bei dem geſchilderten Verfahren eintreten muß.
s) Die Entſch. des bayer. ObLG. in StS. n. F.
Bd. III S. 388 f. erklärt die Koſtenfeſtſetzung nur dann
für zuläſſig, wenn Streit über die Höhe und Notwendig—
keit der Koſten und Auslagen beſteht.
Da dieſes Ergebnis nicht befriedigt, ſo ſetzt man
aus praktiſchen Erwägungen trotz der Einſtellungs⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
119
des Nürnberger Verfahrens und die Grundlagen,
auf denen es ſich aufbaut, geſchildert worden ſind,
entſcheidung im Koſtenpunkte die Koſten entſprechend ſollen hier kurz die Gründe geſtreift werden, die
dem Vergleiche feſt; logiſch kann dieſe Art des
Verfahrens nicht genannt werden.“)
Anders, wenn der gerichtliche Vergleich das
Verfahren beendigt und einen zur Zwangsvoll⸗
ſtreckung und damit zur Koſtenfeſtſetzung geeig⸗
neten Titel bildet; hier werden alle die erwähnten Un⸗
ſtimmigkeiten und Schwierigkeiten vermieden; auch
ſind die Parteien nicht gezwungen, erſt im Wege
eines neuen Prozeſſes die Verwirklichung der vom
Gegner im Vergleiche eingegangenen Verpflichtungen
zu ſuchen. )
Das bayer. Oberſte Landesgericht
hat in ſeinem Beſchluſſe vom 17. September 1901
(i. neue Sammlung der Entſcheidungen in Straf:
ſachen Bd. II S. 36 ff.) ausgeſprochen, daß
weder die StPO. noch die Geb. für Redt-
+
i
anwälte eine Vorſchrift darüber enthalten, in welcher
Weiſe der Erſatz der Prozeßkoſten durch einen in
einer Privatklageſache rechtskräftig verurteilten
Gegner zu erwirken ſei, daß ſohin nur erübrige,
die hinſichtlich der Koſtenfeſtſetzung im Strafver⸗
fahren beftehende Lücke der Geſetzgebung auszu⸗
füllen und zwar durch entſprechende Anwendung
des $ 104 II ZPO., da das Privatklageverfahren,
wenn es auch in der Hauptſache unter den Regeln
des Strafprozeſſes ſtehe, doch feiner äußeren Form
nach dem Zivilprozeßverfahren fih nähert.“)
Dieſe Entſcheidung bot
Nürnberg die Handhabe zur Ausfüllung der hin⸗
fichtlich des gerichtlichen Vergleichs und der Koſten⸗
ſeſtſezung vorhandenen Lücken der StPO. und
zwar durch entſprechende Anwendung der ein⸗
\hlägigen Beſtimmungen der ZPO.
Da 8 496 JI StPO. eine gerichtliche Ent:
ſcheidung über den Koſtenpunkt vorausſetzt ($ 496 I
StPO.), eine ſolche aber im Falle des Vergleichs
nicht erfolgt, jo kann die Beſchränkung des § 496 II
SPD. auf die Koſtenfeſtſetzung, die auf
Grund Vergleiches erfolgen ſoll, keine Anwendung
finden; es erübrigt nichts anderes als auf dieſe
fälle die Vorſchriften der ZPO. über das Koſten⸗
feſtſetzungsverfahren und feine Vorausſetzungen all⸗
gemein entſprechend anzuwenden. und daraus ergibt
ſich die Zuläſſigkeit der Koſtenfeſtſetzung auch in
den Fällen, in welchen ein Streit über die Höhe gelangen.
und Notwendigkeit der Auslagen nicht beſteht.
Nachdem im Vorſtehenden die Beſonderheiten
) Vgl. die Abhandlung von Riß betr. „Die Koſten
im eee in den BRA. Jahrg. 72
S. 698.
1) Vgl. RGE. in 38S. Bd. 42 S. 60 ff.
11) Die Aufſtellung in der Abhandlung von Riß
d. Anm. 9): „es fei völlig falſch, den Vergleich das Verz
fahren beendigen zu laſſen; eine ſolche Uebung beruhe
dem Amtsgericht
zur Ausbildung dieſes Verfahrens geführt haben.
Die vergleichsweiſe Erledigung der Privatklage⸗
ſachen iſt, von verſchwindenden Ausnahmen ab⸗
geſehen, der urteilsmäßigen vorzuziehen. Das
ergibt ſich aus der beſonderen Natur der Privat⸗
klageſachen und lehrt die Erfahrung des täglichen
Lebens.“) Die Mehrzahl der Privatklageſachen
hat ihren Anlaß in dem durch die ſozialen Ver⸗
hältniſſe gebotenen Zuſammenleben einer größeren
Anzahl von Menſchen auf engem Raume; man
denke nur an die Streitigkeiten zwiſchen den In⸗
wohnern eines Miethauſes, deren Angehörigen,
Kindern, Dienſtboten, an die Streitigkeiten zwi⸗
ſchen Nachbarn, zwiſchen den Angehörigen ſozialer,
beruflicher, geſchäftlicher und geſelliger Verbände.
So geringfügig nun meiſt die ſich hieraus ent⸗
wickelnden Differenzen an ſich ſind, ſo hochgradig
pflegt die Erregung zu ſein, in die ſich die Par⸗
teien in ſolchen Dingen erfahrungsgemäß hinein⸗
leben; eine Erregung, die nicht auf die Parteien
ſelbſt beſchränkt bleibt, ſondern regelmäßig zur
Familien-, Berufs: od. Vereinsangelegenheit ſich
auswächſt. Bei dieſer Sachlage und dem Um:
ſtande, daß nur die den Gegenſtand der Privat⸗
und Widerklage bildende Streitigkeit der Parteien,
nicht aber zugleich die damit oft aufs engſte zu⸗
ſammenhängenden und durch ſie mitveranlaßten
Streitigkeiten der Angehörigen der Parteien oder
der ihnen ſonſt naheſtehenden Perſonen durch das
Urteil mit erledigt werden können, iſt es nicht zu
—
verwundern, daß auch ein vollkommen gerechtes Ur⸗
teil in den ſeltenſten Fällen eine wahre Erledigung
d. h. Beendigung des Streites bringt, ſondern
regelmäßig dem Unterlegenen und ſeinem Anhange
Anlaß gibt, den Kampf um ſo erbitterter und
ausgedehnter fortzuſetzen. Daraus ergeben ſich
neue Streitigkeiten, neue Prozeſſe, die von der
Gegenſeite nicht unerwidert bleiben. Die Er⸗
bitterung wächſt mit der Ausdehnung des Kampf⸗
feldes; ſie richtet ſich ſchließlich nicht nur mehr
gegen die andere Partei und deren Anhang, ſon⸗
dern auch gegen die Zeugen — eine Meineids:
anzeige jagt die andere — und ſchreckt auch nicht
davor zurück, in ſtrafbarer Weiſe auf die Zeugen
einzuwirken, um zu einem günſtigen Urteile zu
Strafverfahren wegen Meineidsver⸗
leitung, Meineids, Anſtiftung hierzu, falſcher An⸗
auf einer Verwechslung des Privatklageverſahrens mit
dem Zivilprozeß“, kann demnach als richtig nicht aner-
lannt werden.
ſchuldigung, Urkundenfälſchung u. a. bilden dann
die Fortſetzung der meiſt ſo harmloſen Anfänge.
Der finanzielle Ruin, der Zuſammenbruch ganzer
Familien, der Ausbruch des ſo gefährlichen Queru—
lantenwahns bilden dann den Abſchluß.
Man glaube nicht, daß in dieſer Beziehung
zu ſchwarz geſehen, zu ſehr verallgemeinert wurde.
12) Vgl. die Abhandlung von Dr. Rumpf in den
BURN. Bd. 64 S. 123. l
120 Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 6.
Die Ermittelungsakten der Staatsanwaltſchaften,
die Gerichtsakten und Verhandlungen ſprechen
eine zu beredte Sprache hinſichtlich dieſer ſo un⸗
erwünſchten Wirkungen von Urteilen in Privat⸗
klageſachen; faſt regelmäßig wird der Inſtanzenzug
erſchöpft und dann, ſei es im Wege des Wieder⸗
aufnahmeverfahrens oder neuer Klagen, von vorne
angefangen.
Da entſpricht es doch wohl dem Intereſſe der
Parteien und dem der Rechtspflege, wenn Urteile
in Privatklageſachen nach Möglichkeit vermieden
werden; das einzige Mittel hierzu bildet die ver⸗
gleichsweiſe Erledigung. Die ebenfalls daraufhin
zielende Abſicht des Geſetzgebers wird durch das
in $ 420 StPO. aufgeſtellte Erfordernis des
Sühneverſuchs — ganz abgeſehen von der un⸗
begründeten Beſchränkung auf Beleidigungsſachen —
verhältnismäßig ſelten erreicht. Ein erhebliches
Hindernis bildet der Umſtand, daß die gemäß
§ 420 StPO. eingeführten Sühneämter “) kein
Mittel haben, das perſönliche Erſcheinen des Be⸗
klagten zu erzwingen.) Dann iſt es eine auf:
fallende Tatſache, daß in vielen Fällen, in denen
ein Vergleich vor der Sühnebehörde von den Par⸗
teien abgelehnt wurde, der gerichtliche Vergleich
vor Eintritt in die Hauptverhandlung ohne
Schwierigkeit gelingt. Es wäre irrig, anzunehmen,
daß hieran eine ſachwidrige oder läſſige Behand⸗
lung der Sühneſachen durch die Sühnebehörden
die Schuld trage. Die Gründe für die auffällige
Erſcheinung liegen auf anderen Gebieten. Die
Verhandlungen vor dem Sühneamt ſind nicht
öffentlich und genügen daher denjenigen Parteien
nicht, die ihre ſchmutzige Wäſche in der breiteſten
Oeffentlichkeit gewaſchen ſehen möchten. Dazu
bietet ihnen die öffentliche Verhandlung vor dem
Schöffengerichte die Gelegenheit; dann genießt die⸗
jenige Behörde, die berufen iſt, beim Mißlingen
der Vergleichsverhandlungen, Recht zu ſprechen,
bei den Parteien ein höheres Anſehen und einen
größeren Einfluß“) als das Sühneamt; endlich
bietet der gerichtliche Vergleich den Vorteil, daß
die Parteien die Leiſtung der übernommenen Ver⸗
pflichtungen nicht erft im Wege eines neuen (Zivil)
Prozeſſes vom Gegner erzwingen müſſen.“) Die
Einführung des gerichtlichen Vergleiches
erwies ſich hiernach als ein dringendes
Bedürfnis.)
Dieſem ſuchen manche ſüddeutſche Gerichte da-
durch gerecht zu werden, daß ſie nach Eröffnung
des Hauptverfahrens, aber vor dem Hauptverhand⸗
lungstermin einen Sühnetermin ohne Zuziehung
18) an u vgl. die Bek. vom 5. Auguſt 1879,
JM Bl.
14) z 115 Prot. der Ref Komm. Bd. II S. 59.
5) RGE. in 3S. Bd. 42 S. 60 ff.
16) Vgl. die Abhandlung von Ur. Rumpf in BI.
Bd. 64 S. 119.
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der Schöffen anberaumen und hierzu das perjönliche
Erſcheinen der Parteien anordnen.
In der Reformkommiſſion wurde ein
die Zuläſſigkeit dieſes Verfahrens ausſprechender
Zuſatz zu § 423 StPO. beantragt und zu-
gunſten dieſes Antrages geltend gemacht:
„Durch ihn ſolle für die erwähnte praktiſch be⸗
währte Uebung mancher ſüddeutſcher Gerichte die
wohl fehlende geſetzliche Grundlage geſchaffen
werden; der Richter vermöge die Sachlage beſſer
zu überſehen als der Schiedsmann; er habe ein
höheres Anſehen und einen größeren Einfluß auf
die Parteien; dieſe ſeien, wenn die erſte Erregung
nachgelaſſen habe, eher vergleichsbereit; Schwierig⸗
keiten ergaben ſich für die Parteien nicht, wenn
die Vertretung!) durch Rechtsanwälte zugelaſſen
werde; für den Fall des Ausbleibens des Klägers
im Termine ſoll unter entſprechender Anwendung
des 8 431 II StPO. die Klage als zurück⸗
genommen gelten.“
Gegen den Antrag wurde ausgeführt:
„Man dürfe dem Verletzten das Privatklagerecht
nicht allzuſehr erſchweren; es hieße dem Kläger
zuviel zumuten, wenn man ihn nach erfolgtem
Sühneverſuch vor dem Schiedsmann ſogleich zur
Wiederholung des Verſuchs vor den Amtsrichter
lade; keinesfalls dürfe der Amtsrichter Parteien,
die nicht im Gerichtsbezirke wohnen, zum Sühne⸗
verſuch vorladen. Die Vertretung durch Rechts⸗
anwälte werde den Abſchluß von Vergleichen nicht
gerade erleichtern. Anderſeits hätten die Rechts⸗
anwälte Grund zur Beſchwerde, wenn ſie, obwohl
als Prozeßvertreter zu den Akten legitimiert, zu
einem derartigen Termine nicht zugezogen würden;
vor der mündlichen Verhandlung ſei der Richter
regelmäßig nicht in der Lage, die tatſächlichen Vor⸗
gänge zu überſehen; ein vor der Hauptverhandlung
abgeſchloſſener Vergleich gewähre auch dem Kläger
nicht die Genugtuung, wie ſie eine in der öffentlichen
Gerichtsſitzung abgegebene Erklärung ihm zu ver:
ſchaffen vermöge. Es genüge vollkommen,
daß der Richter gemäß § 427 III St PO.
die Befugnis habe, während des Ver—
fahrens das perſönliche Erſcheinen der
Parteien anzuordnen und einen Ver⸗
gleich vor zuſchlagen.
Der Antrag wurde hierauf zurückgezogen, wohl
hauptſächlich mit Rückſicht auf den zuletzt er⸗
wähnten und ſtichhaltigſten Einwand, der zugleich
eine Rechtfertigung des Nürnberger Verfahrens ent⸗
hält; letzteres teilt mit dem beantragten amts—
richterlichen Sühneverſuch alle Vorzüge, aber keinen
ſeiner Nachteile. [Fortſetzung folgt.)
11) d. h. Verbeiſtandung.
2 er 2 — —— — ——— ——— — — SIT
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
Mitteilungen ans der Praxis.
Baheriſche Schützengeſellſchaften. Diemayr be:
zeichnet es auf S. 104 dieſer Zeitſchrift als auffallend,
daß ich und die anderen von ihm aufgeführten Autoren
die „öffentlichrechtliche Befugnis“ der bayeriſchen
Krone, Perſonenvereinigungen Rechtsfähigkeit zu ver⸗
leihen, nicht mehr erwähnen. Mit weit mehr Recht
aber muß die Bemerkung des Verfaſſers als auf⸗
fallend bezeichnet, ja ſie muß als verfehlt und im
Intereſſe der mühſam erworbenen Rechtseinheit ver:
hängnisvoll aufs allerſchärfſte zurückgewieſen werden.
Es befremdet zunächſt, wie Diemayr ſich für dieſe
Frage noch auf Roth⸗Becher (2. Aufl. Bd. I S. 292
Anm. 8) berufen kann. Denn wenn, was hier dahin:
geſtellt bleiben mag, das Bayeriſche Vereinsgeſetz vom
29. April 1869 die Zuläſſigkeit eine Verleihung der
Vereinsrechte durch ſpezielle Verleihung nicht aus⸗
geſchloſſen hat, ſo liegt die Frage doch jetzt, gegenüber
dem BGB., völlig anders.
1. Dieſes ſchließt bekanntlich im EG. die privat:
rechtlichen Vorſchriften der Landesgeſetze
nicht nur für die Zukunft aus, ſondern beſeitigt auch die
beſtehenden, ſoweit nicht einer der ſpeziellen oder
generellen Vorbehalte reicht. Daß zu dieſen das
Vereinsrecht nicht gehört, iſt bekannt; wie wenig
man für dieſes dem Landesrecht Spielraum laſſen
wollte, ergibt ſich z. B. aus § 22, wo die Möglichkeit,
einem Wirtſchaftsvereine auch ohne Verleihung Rechts—
fähigkeit zu verſchaffen, ausdrücklich nur einem Reichs-
geſetz zugeſprochen wird. Es folgt auch aus der zur
Genüge bekannten Entſtehungsgeſchichte, die zu einer
Ausmerzung der für die Einzelſtaaten in Ausſicht
genommenen Fähigkeit führte, den Idealvereinen neben
der Eintragung die juriſtiſche Perſönlichkeit auf dem
Wege der Verleihung zuzuweiſen.
Landesgeſetz aber iſt ſelbſtverſtändlich auch
das landes herrliche Privileg. Es unterſcheidet
ſich vom gewöhnlichen Geſetz nur durch ſein Zuſtande—
kommen keine Mitwirkung der ſonſtigen verfaſſungs—
mäßigen Faktoren) und durch den Umfang ſeiner
Wirkung (fBeſchränkung auf einen Sonderfall), aber
nicht durch ſeinen Inhalt. Deſſen Bedeutung
— ob privat: oder öffentlichrechtlich — ift genau nach
denſelben Geſichtspunkten zu beſtimmen, wie bei
ſonſtigen Rechtsſätzen.
mayrs, die ſpezielle Konzeſſionierung privatrechtlicher
Korporationen, zu denen die Schützengeſellſchaften
ſelbſtverſtändlich gehören, dem öffentlichen Rechte
zuzurechnen. Gewiß, wenn der Landesherr einen
ſolchen Verleihungsakt annimmt, ſo tut er das als
vornehmſtes Staatsorgan, kraft öffentlichrechtlicher
Befugniſſe. Aber dieſe publiziſtiſche Natur teilt der
Privilegierungsakt mit jedem anderen Geſetz—
gebungsakt. Im Sinne Diemayrs müßte alſo
Bayern noch Geſetze jeden Inhalts erlaſſen können,
da der Geſetzgebungsakt als ſolcher ſtets öffentlich
rechtlich, alſo durch Art. 55 nicht betroffen iſt.
In Wahrheit aber kommt es natürlich für dieſe
Frage nur auf den Inhalt des geſetzgebenden Aktes
an; ſoweit dieſer, wie in unſerer Frage, privatrechtlich
iſt, kann und darf der Einzelſtaat von ſeiner geſetz—
gebenden Gewalt dem Reiche gegenüber eben keinen
Gebrauch mehr machen. Die Form der landesrecht—
lichen Rechtsbildung — Geſetz oder Privileg — iſt
dabei nicht entſcheidend.
121
2. Aber auch wenn das nicht richtig wäre, bliebe
die Poſition meines Gegners unhaltbar. Denn es
iſt allgemein anerkannt und unbeſtreitbar, daß das
Landesrecht gegenüber einem im BGB. fpeziell
geregelten Punkte ſelbſt dann keine abweichenden
Vorſchriften treffen oder beibehalten kann, wenn dieſer
Punkt nach allgemeiner Auffaſſung oder doch nach
Anſicht des betreffenden Einzelſtaates dem öffentlichen
Recht angehört. Das Gegenteil würde dem Landes⸗
recht bequemſte Gelegenheit bieten, auf einem Umwege
die Rechtseinheit wieder zu durchlöchern — eine uns
annehmbare Eventualität! Daß aber BGB. 58 21—22
die Entſtehung rechtsfähiger Vereine exkluſiv regeln
wollten, bedarf keines weiteren Beweiſes.
Prof. Dr. P. Oertmann in Erlangen.
Zwei Bemerkungen zum ehrengerichtlichen Ber-
fahren gegen Nechtsanwälte. 1. Nach § 73 der RAO.
kann in der ehrengerichtlichen Vorunterſuchung gegen
einen Rechtsanwalt die Beeidigung von Zeugen und
Sachverſtändigen auch dann erfolgen, wenn die Vor—
ausſetzungen des $ 65 Abſ. 2 und des 8 222 der
StPO. nicht vorliegen. Der neu erſchienene Fried-
länderſche Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung will
dieſe Ausnahme von den Beſtimmungen der Straf—
prozeßordnung auf die Vorunterſuchung beſchränkt
wiſſen; für das vorbereitende Verfahren ſoll dagegen
§ 65 Abſ. 3 und 4 StPO. unbeſchränkt gelten (Anm. 3
und 7 zu § 73). Eine Begründung ift dieſer Anſicht
nicht beigefügt: anſcheinend ſtützt ſie ſich ausſchließ—
lich auf den Wortlaut der angeführten Beſtimmung.
Die bayeriſche Praxis verfuhr bisher anders
und zwar auf Grund einer oberſtrichterlichen Ent—
ſcheidung, die ſchon wenige Monate nach dem In—
krafttreten der Rechtsanwaltsordnung erging. Mit
Beſchluß vom 18. Mai 1880 erklärte nämlich das
Oberlandesgericht München die eidliche Vernehmung
von Zeugen auch im vorbereitenden ehrengerichtlichen
Es ift ein Grundfehler Die
l
Die
Verfahren ohne Rückſicht auf die Schranken des § 65
StVO. für zuläſſig. Der Beſchluß — abgedruckt in
der Sammlung der Entſcheidungen in Strafſachen
Bd. I S. 127 — erachtet den $ 65 StPO. im ehren-
gerichtlichen Verfahren ſchlechthin nicht für anwend—
bar; er begründet dies mit der ganzen Geſtaltung
des Verfahrens, in welchem der Grundſatz der Münd—
lichkeit nicht in dem Umfange durchgeführt ſei wie in
dem Verfahren nach der Strafprozeßordnung und
welches insbeſondere die Verleſung von Zeugen—
ausſagen in viel weitergehendem Maße zulaſſe.
Es beſteht wohl um ſo weniger Anlaß von der
bisherigen Praxis abzugehen, als die Beeidigung der
Zeugen und Sachverſtändigen im ehrengerichtlichen
Vorverfahren auch einem tatſächlichen Bedürfnis ent—
ſpricht. In der ehrengerichtlichen Hauptverhandlung
bildet die Verleſung der Zeugen: und Sachverſtändigen—
ausſagen die Regel; die perſönliche Vernehmung findet
meiſt nur dann ſtatt, wenn ſie aus ſachlichen Gründen,
insbeſondere zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit ge—
boten iſt. Die Verleſung der Ausſage ſetzt voraus,
daß die Vernehmung — ſoweit zuläſſig — eidlich
erfolgte (Friedländer Anm. 5 zu § 88 R AO.). Hat
Beeidigung im Vorverfahren nicht ſtattge—
funden, fo muß fie nach der Eröffnung des Haupt—
verfahrens nachgeholt werden. Wollte man an den
Schranken des § 65 Abſ. 3 St O. feſthalten, ſo
würde daher in der Regel die zweimalige Verneh—
122 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
— ——— — ͤ ¹œqVãWũt ä a e e a e e
mung der gleichen Perſon durch den nämlichen er⸗
ſuchten Richter erforderlich, das erſtemal vor der Er⸗
öffnung des Hauptverfahrens zum Zwecke der Auf⸗
klärung, das zweitemal nach der Eröffnung zum
Zwecke der Beeidigung. Dies wäre nicht nur eine
Belaſtung des Richters, ſondern auch eine ganz nutz⸗
loſe Beläſtigung des Zeugen oder Sachverſtändigen.
2. Wegen der Handlungen, welche ein Rechtsanwalt
vor ſeiner Zulaſſung begangen hat, iſt nach 8 64
NAD. ein ehrengerichtliches Verfahren nur dann
zuläſſig, wenn jene Handlungen die Ausſchließung
von der Rechtsanwaltſchaft begründen. In der Anm. 6
dem Mangel eines zuſtändigen Gerichts ($ 68 RA O.)
mit der Verfolgung zunächſt innegehalten werden;
wird aber durch erneute Eintragung wieder eine Zu⸗
ſtändigkeit begründet, ſo ſteht der weiteren Verfolgung
kein Hindernis entgegen. $ 64 RAO. kommt bier
überhaupt nicht in Betracht. Damit verliert auch die
von Friedländer aufgeworfene Frage, ob der $ 64 nur
die letzte oder auch eine frühere Zulaſſung im Auge
habe, ihre praktiſche Bedeutung. § 64 verfolgt das
Ziel, einen Rechtsanwalt, der zu einer Zeit, da er
noch nicht Rechtsanwalt war, ſich eines Verhaltens
ſchuldig gemacht hat, welches die Ausſchließung aus
zu $ 64 wirft Friedländer die Frage auf, ob hier unter der Rechtsanwaltſchaft bedingen würde und der daber
Zulaſſung nur die letzte oder auch jede frühere ver- nach 8 5 Nr. 5 RAO. überhaupt nicht hätte zugelaſſen
ſtanden fei. Er entſcheidet ſich für die erſte Alter- werden follen, wieder aus der Rechtsanwaltſchaft zu
native und zieht daraus den Schluß, daß ein Rechts⸗ entfernen. Das erkennende Gericht hat daher hier
anwalt, der eine ehrengerichtlich ſtrafbare, jedoch nicht nur die Wahl zwiſchen Freiſprechung oder Aus⸗
zur Ausſchließung führende Handlung begangen und ſchließung von der Rechtsanwaltſchaft (Friedländer
vor Einleitung eines ehrengerichtlichen Strafverfahrens Anm. 8—10 zu § 64). Rückwirkende Kraft ift der
die Zulaſſung aufgegeben hat, nach erneuter Zulaſſung Ausſchließung nirgends beigelegt; fie tritt erft mit
wegen jener Handlung nicht beſtraft werden könne. der Rechtskraft des Urteils in Wirkſamkeit (§ 96
Ich halte dies nicht für richtig. RAO .). Inſoferne ift es zweifellos richtig, daß fie
Auf Handlungen während der Zugehörigkeit zur eine frühere, inzwiſchen wieder aufgegebene Zulaſſung
Rechtsanwaltſchaft bezieht fih der S 64 RAO. über- nicht beſeitigen kann; fie hebt ja auch die Wirkungen
haupt nicht. Daß Pflichtverletzungen, die im Rechts⸗ der letzten Zulaſſung erſt mit der Rechtskraft des
anwaltsſtande begangen find, die ehrengerichtliche Be- Urteils auf. Dagegen ift es völlig gleichgültig, ob
ſtrafung begründen, ift in S 62 RAO. ausnahmslos aus⸗ das unwürdige Verhalten ſchon in die Zeit vor einer
geſprochen. $ 64 bringt keine Einſchränkung des $ 62 früheren Zulaſſung oder erft in die Zeit zwiſchen der
in dem Sinne, daß die nach 8 62 eingetretene „Ver: Aufgabe dieſer und dem Eintritt der neuen Zulaſſung
wirkung der Beſtrafung“ durch rechtzeitige Aenderung fällt; hier wie dort kann es zum Gegenſtande des
der Zulaſſung wieder beſeitigt werden könne, ſondern Verfahrens gemacht werden.
eine Erweiterung, indem er eine Verfolgung auch Burkhardt, Staatsanwalt am OLG. München.
wegen ſolcher Handlungen eintreten läßt, die auber-
halb des Rechtsanwaltsſtandes begangen ſind und
daher von 8 62 nicht erfaßt werden.
Einen wertvollen Fingerzeig in dieſer Richtung
gibt § 68 RAO., der für die örtliche Zuſtändigkeit
des Ehrengerichts die Kammerzugehörigkeit des An-
geſchuldigten zur Zeit der Erhebung der Klage ent-
ſcheidend ſein läßt. Daß das Kammermitglied der
ehrengerichtlichen Strafgewalt des Vorſtands ſeiner
Kammer unterſteht, folgt ſchon aus § 49 Nr. 1 RAO.
Die Regelung des 8 68 wäre daher überflüſſig, wenn
es ſich nur um die Verfolgung von Pflichtverletzungen
aus der Zeit ſeit der letzten Zulaſſung oder um Be— 1. Außerhalb der gebahnten Wege und Straßen
ſeitigung eines bei dieſer Zulaſſung begangenen mit Wagen aller Art, mit Karren, Kinderwagen,
Fehlers handeln könnte. Ein Zweifel an der Zur Fahrrädern und Motorfahrzeugen zu fahren, zu reiten,
|
|
Mangel eines ſtrafrechtlichen Schutzes der Ab-
ſperrung von Waldungen. Das Bezirksamt München
hat auf Grund des Art. 3 Abſ. 2 der Gem O., des
8 366 Nr. 10 StGB., des Art. 2 Ziff. 6 und des
Art. 95 PStGBB. für den ausmärkiſchen Bezirk
Perlach⸗ Grünwalder Park eine ortspolizeiliche Vor-
ſchrift erlaſſen, wonach vorbehaltlich beſonderer Er⸗
laubniserteilung an die Käufer und Empfänger von
Forſtprodukten in dem Parke verboten iſt:
ſtändigkeit wäre hier unmöglich, da überhaupt nur zu gehen, Fahrräder zu ſchieben, Zugtiere zu führen
ein Gericht in Betracht kommen würde. Die Not: oder Vieh zu treiben,
wendigkeit, zwiſchen verſchiedenen Gerichten zu wählen, 2. Hunde freilaufen zu laſſen,
kann ſich nur ergeben, wenn eine Aenderung der Zu— 3. Beeren, Schwämme, Leſeholz und andere Wald—
laſſung eingetreten ift; nur dann ift eine Kolliſion erzeugniſſe zu ſammeln,
zwiſchen den Strafgewalten der Vorſtände verſchiedener 4. mit Piſtolen, Revolvern und anderem Schieß—
Kammern denkbar. Da nun das Geſetz eine beſondere werkzeuge zu ſchießen,
Regelung der örtlichen Zuſtändigkeit für notwendig 5. Zäune zu überſteigen und die eingezäunten
erachtet hat, muß es doch wohl von der Möglichkeit Kulturorte zu betreten.
einer ſolchen Kolliſion ausgegangen ſein. Der Strafſenat des bayeriſchen Oberſten Landes-
Pflichtverletzungen während der Zugehörigkeit | gerichts hatte am 28. Dezember 1907 Gelegenheit,
zum Anwaltsſtande können daher auch nach der Auf- Wdie geſetzliche Gültigkeit der ortspolizeilichen Vorſchrift
gabe der Zulaſſung verfolgt werden. Dies gilt zu prüfen. Gegen mehrere Perſonen war Anklage
ſchlechthin, wenn die Aufgabe erſt nach der Erhebung erhoben worden, weil ſie im Perlach-Grünwalder
der öffentlichen Klage erfolgt. Hier ift nach der feft- Park Zäune überſtiegen hatten. In den Vorinſtanzen
ſtehenden Praxis des Ehrengerichtshofes (Friedländer war Freiſprechung erfolgt, weil für das Verbot in
Anm. 11 zu § 68 RAO.) das Verfahren ohne Rück- Ziff. 5 der ortspolizeilichen Vorſchrift die erforderliche
ſicht auf die Aufgabe fortzuſetzen. Scheidet dagegen geſetzliche Ermächtigung fehle. Das Oberſte Landes-
der Schuldige noch vor der Erhebung der Klage aus gericht erklärte die Reviſion des Staatsanwaltes, die
der Rechtsanwaltſchaft aus, jo muß allerdings bei | Verlegung des Art. 95 PStGB. durch Verkennung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
des Begriffs „öffentliche Anlagen und Spaziergänge“
rügte, für nicht begründet.
Aus den Gründen des Urteils: Auf 8 366
Nr. 10 StGB. kann das Verbot. Zäune zu überſteigen,
nicht geſtützt werden, da das Ueberſteigen der Zäune
die Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs auf
den in dem Parke befindlichen, entſernt vom Zaune
gelegenen Straßen nicht gefährdet. Aber auch Art. 95
P StGB. bildet keine Unterlage für das Verbot. Nach
den tatſächlichen Feſtſtellungen ift der Perlach⸗-Grün⸗
walder Park ein 2800 ha großer, in Geräumte geteilter,
der Hauptſache nach aus Fichten- und Föhrenbeſtänden
beſtehender Staatsforſt, der rings von einem 2— 2,30 m
hohen Zaune umgeben und von drei oder vier öffent-
lichen Straßen durchzogen wird; der Park wird aus-
ſchließlich nach forſtwirtſchaftlichen Grundſätzen ver-
maltet; Rückſichten auf das den Park aufſuchende Publikum
werden nicht geübt; ſo wird insbeſondere bei dem
Abtriebe von Waldparzellen nicht darauf geachtet,
daß einzelne durch landſchaftliche Schönheit aus—
gezeichnete Partien erhalten bleiben; ebenſowenig
werden bei Nachpflanzungen Forderungen der Aeſthetik
beachtet; die Kulturen werden vielmehr ausſchließlich
nach forſttechniſchen Grundſätzen angelegt; das im
Parke gehegte Wild wird lediglich zur Jagd gehalten.
Hiernach ift der Perlach- Grünwalder Park ein um-
zäunter Wald. Für ſeine Eigenſchaft als Wald
ſpricht auch ſeine Bezeichnung als ausmärkiſcher Bezirk,
da nach Art. 3 Abſ. 1 der GemO. nur größere
Waldungen, Freigebirge und Seen von der Zus
gehörigkeit zu einem Gemeindebezirk ausgenommen
ſind. Als „Waldung“ unterliegt der Park nur den
im Forſtgeſetze (vgl. Art. 92) aufgeſtellten forſt⸗
polizeilichen Strafbeſtimmungen. Mit der Feſtſtellung,
daß der Park ausſchließlich eine Waldung iſt, läßt ſich
die Annahme, daß ihm die Eigenſchaft einer Anlage
zukomme, nicht vereinbaren. Die von der Vorinſtanz
gegebene Beſtimmung des Begriffs „Anlage“ im Sinne
des Art. 95 PStGB. als „einer der Benutzung durch
das Publikum, ſeiner Erholung und ſeinem Vergnügen
gewidmeten, durch Menſchenhand geſchaffenen oder
jenen Zwecken angepaßten Pflanzung, die durch Anlage
gut gepflegter Straßen und Fußwege und durch Auf—
ſtellen von Ruhebänken dem Publikum den Aufenthalt
möglichſt angenehm machen folt — läßt einen Rechts⸗
irrtum nicht erſehen (vgl. Sammi. von Entſch. des
Obè G. Bd. 4 S. 99). Da hiernach das Verbot des
Ueberſteigens der Zäune nicht eine Anlage im Sinne
des Art. 95 PStGB. betrifft, konnte es auf Grund
dieſer Geſetzesbeſtimmung nicht erlaſſen werden. Das
Verbot findet auch in einer anderen Geſetzesbeſtimmung
keine rechtliche Grundlage, entbehrt daher der geſetz—
lichen Gültigkeit. Dieſe war nach Art. 15 PStGB.
vom Richter in Erwägung zu ziehen.
Das oberſtrichterliche Erkenntnis verdient all
gemeines Intereſſe. Es beſchäftigt ſich zwar aus—
drücklich nur mit einem nebenſächlichen Punkte der
ortspolizeilichen Vorſchrift des Bezirksamtes München
für den Perlach⸗- Grünwalder Park, mit dem Verbote,
Zäune zu überſteigen. Allein feine Erwägungen müſſen
dazu führen, auch dem wichtigſten Punkte der Vor—
ſchrift, dem Verbote jeglichen Verkehrs außerhalb der
gebahnten Wege und Straßen (Ziff. 1) geſetzliche
Gültigkeit abzuſprechen. Denn auf eine andere geſetz—
liche Beſtimmung als die des Art. 95 PStGGBB. kann
auch dieſe Vorſchrift nicht geſtützt werden. Die Be—
ſtimmung des § 366 Nr. 10 StGB. bildet felbit:
verſtändlich für ſie ebenfalls keine Grundlage. Dieſes
Ergebnis iſt inſofern beachtenswert, als es den
namentlich in der Umgebung von Großſtädten bei
Staats- wie bei Gemeinde-, Stiftungs-, Körperſchafts—
und Privatwaldungen auftretenden Beftrebungen
begegnet, im Intereſſe der Forſtwirtſchaft und Jagd
das Durchſtreifen der Waldungen durch das Publikum
zu verhindern. Es beſchränkt dieſe Beſtrebungen auf
die Zuhilfenahme der zivilrechtlichen Schutzmittel.
Auf ſtrafrechtlichen Schutz müſſen ſie verzichten. Wenn
die Erlaſſung von ober-, diſtrikts⸗ oder ortspolizeilichen
Vorſchriften ähnlichen Inhalts wie die hier beſprochene
Vorſchrift des Bezirksamtes München unzuläſſig iſt,
ſo begründet das Betreten von Wäldern außerhalb
der öffentlichen Wege keine Strafbarkeit, ſofern nicht
die beſonderen Tatbeſtände eines Forſtfrevels (Art. 88 ff.
des Forſt G.) oder einer Uebertretung nach $ 368 Nr. 9
StGB. gegeben find, oder die Handlung aus einem
anderen rechtlichen Geſichtspunkte, wie aus dem Geſichts—
punkte der 88 123, 303 StGB., ſtrafbar ift. Dieſe
Rechtslage kann zu einem eigenartigen Ergebniſſe
führen. Falls nämlich das Betreten von Waldflächen
und etwaiger den Wald durchziehender Privatwege
unter Anbringung von Warnungszeichen verboten ift,
unterliegt die Benützung der Privatwege nach $ 368
Nr. 9 StGB. ſtrafrechtlicher Ahndung, während das
e der Waldflächen nicht beſtraft werden
ann.
III. Staatsanwalt Dr. Dürr in München.
Ans der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
1. Gine e Einwirkung auf ein Grundſtück
. S. des 7 Abſ. 1 BGY. kann in der Beſchattung
des Grund ido und in ber Verhinderung des Luft:
e a. gefunden werden.
Nach gemeinem Rechte beſteht bei der Vornahme
von S en an einer öffentlichen Straße eder
gänzlicher Aufhebung der Straße kein Schadenserſatz⸗
anne der Anlieger.
1. Das OLG. chalt den Anſpruch auf Schadens-
erſatz wegen Entziehung von Licht und Luft, die vor—
übergehend durch Aufſtellen der Bauplanke und
dauernd durch Herſtellung der Straßen-Ueberbrückung
vor dem klägeriſchen Hauſe erfolgt ſei, inſoweit für
unbegründet, als der Anſpruch fih auf 8 907 BGB.
ſtüßt. Dies ift zutreffend. Eine unzuläſſige Ein-
wirkung im Sinne dieſer Vorſchrift iſt durch die Eiſen—
bahnanlage in dieſer Hinſicht nicht erfolgt. Unter
Einwirkung iſt ein Eindringen zu ver⸗
ſtehen, durch das greifbare oder ſinnlich
wahrnehmbare Stoffe hinübergeführt
werden, die alſo poſitive Eingriffe in das Nachbar—
grundſtück enthalten. Anlagen, die das Nachbar—
grundſtück zwar beeinträchtigen, aber in anderer Weiſe
als durch ſtoffliches Hinüberwirken, alſo wie hier
durch Werfen von Schatten und Behinderung des
N fallen nicht unter § 907 BGB.
Das OLG. verneint aber auch, daß den Klägern
1 als Straßenanliegern ein beſonderes Recht auf
Nichtbehinderung des Zutrittes von Licht und Luft
durch Anlagen auf dem Terrain auf Grund des Um—
ſtandes zuſtehe, daß der vor ihrem Hauſe befind—
liche Grund und Boden, auf dem die Bauplanke er—
richtet und über den die Eiſenbahnbrücke hinweggeführt
worden iſt, ein öffentlicher Grund ſei. Da es ſich
dabei nur um nachbarrechtliche Beſchränkungen des
Eigentums an dem Terrain zugunſten der Straßen—
anlieger handeln kann, prüft er dieſe Frage gemäß
Art. 124 EG. z. BGB. mit Recht nach dem in H. als
122
mung der gleichen Perſon durch den nämlichen er⸗
ſuchten Richter erforderlich, das erſtemal vor der Er⸗
öffnung des Hauptverfahrens zum Zwecke der Auf⸗
klärung, das zweitemal nach der Eröffnung zum
Zwecke der Beeidigung. Dies wäre nicht nur eine
Belaſtung des Richters, ſondern auch eine ganz nutz⸗
loſe Beläſtigung des Zeugen oder Sachverſtändigen.
2. Wegen der Handlungen, welche ein Rechtsanwalt
vor feiner Zulaſſung begangen hat, ift nach § 64
RAO. ein ehrengerichtliches Verfahren nur dann
zuläſſig, wenn jene Handlungen die Ausſchließung
von der Rechtsanwaltſchaft begründen. In der Anm. 6
zu 8 64 wirft Friedländer die Frage auf, ob hier unter
Zulaſſung nur die letzte oder auch jede frühere ver⸗
ſtanden fei. Er entſcheidet fih für die erſte Alter-
native und zieht daraus den Schluß, daß ein Rechts⸗
anwalt, der eine ehrengerichtlich ſtrafbare, jedoch nicht
zur Ausſchließung führende Handlung begangen und
vor Einleitung eines ehrengerichtlichen Strafverfahrens
die Zulaſſung aufgegeben hat, nach erneuter Zulaſſung
wegen jener Handlung nicht beſtraft werden könne.
Ich halte dies nicht für richtig.
Auf Handlungen während der Zugehörigkeit zur
Rechtsanwaltſchaft bezieht ſich der S 64 RAD. iiber-
haupt nicht. Daß Pflichtverletzungen, die im Rechts⸗
anwaltsſtande begangen ſind, die ehrengerichtliche Be⸗
ſtrafung begründen, ift in § 62 RAO. ausnahmslos aus:
geſprochen. § 64 bringt keine Einſchränkung des 8 62
in dem Sinne, daß die nach § 62 eingetretene „Ver⸗
wirkung der Beſtrafung“ durch rechtzeitige Aenderung
der Zulaſſung wieder beſeitigt werden könne, ſondern
eine Erweiterung, indem er eine Verfolgung auch
wegen ſolcher Handlungen eintreten läßt, die außer⸗
halb des Rechtsanwaltsſtandes begangen ſind und
daher von 8 62 nicht erfaßt werden.
Einen wertvollen Fingerzeig in dieſer Richtung
gibt 8 68 RAO., der für die örtliche Zuſtändigkeit
des Ehrengerichts die Kammerzugehörigkeit des An⸗
geſchuldigten zur Zeit der Erhebung der Klage ent⸗
ſcheidend ſein läßt. Daß das Kammermitglied der
ehrengerichtlichen Strafgewalt des Vorſtands ſeiner
Kammer unterſteht, folgt ſchon aus § 49 Nr. 1 RAO.
Die Regelung des 8 68 wäre daher überflüſſig, wenn
es ſich nur um die Verfolgung von Pflichtverletzungen
aus der Zeit feit der letzten Zulaſſung oder um Pe-
ſeitigung eines bei dieſer Zulaſſung begangenen
Fehlers handeln könnte. Ein Zweifel an der Zu⸗
ſtändigkeit wäre hier unmöglich, da überhaupt nur
ein Gericht in Betracht kommen würde. Die Not-
wendigkeit, zwiſchen verſchiedenen Gerichten zu wählen,
kann ſich nur ergeben, wenn eine Aenderung der Zu—
laſſung eingetreten iſt; nur dann iſt eine Kolliſion
zwiſchen den Strafgewalten der Vorſtände verſchiedener
Kammern denkbar. Da nun das Geſetz eine beſondere
Regelung der örtlichen Zuſtändigkeit für notwendig
erachtet hat, muß es doch wohl von der Möglichkeit
einer ſolchen Kolliſion ausgegangen ſein.
Pflichtverletzungen während der Zugehörigkeit
zum Anwaltsſtande können daher auch nach der Auf-
gabe der Zulaſſung verfolgt werden. Dies gilt
ſchlechthin, wenn die Aufgabe erſt nach der Erhebung
der öffentlichen Klage erfolgt. Hier iſt nach der feſt—
ſtehenden Praxis des Ehrengerichtshofes (Friedländer
Anm. 11 zu 8 68 RAO.) das Verfahren ohne Rück⸗
ſicht auf die Aufgabe fortzuſetzen. Scheidet dagegen
der Schuldige noch vor der Erhebung der Klage aus
der Rechtsanwaltſchaft aus, ſo muß allerdings bei
i
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
dem Mangel eines zuſtändigen Gerichts (§ 68 RAT)
mit der Verfolgung zunächſt innegebalten werden:
wird aber durch erneute Eintragung wieder eine Zu⸗
ſtändigkeit begründet, ſo ſteht der weiteren Verfolgung
fein Hindernis entgegen. 8 64 RALO. kommt bier
überhaupt nicht in Betracht. Damit verliert auch die
von Friedländer aufgeworfene Frage, ob der $ 64 nur
die letzte oder auch eine frühere Zulaſſung im Auge
habe, ihre praktiſche Bedeutung. § 64 verfolgt das
= am — — — — I
Ziel, einen Rechtsanwalt, der zu einer Zeit, da er
noch nicht Rechtsanwalt war, ſich eines Verhaltens
ſchuldig gemacht hat, welches die Ausſchließung aus
der Rechtsanwaltſchaft bedingen würde und der daber
nach 8 5 Nr. 5 RAO. überhaupt nicht hätte zugelaſſen
werden ſollen, wieder aus der Rechtsanwaltſchaft zu
entfernen. Das erkennende Gericht hat daher bier
nur die Wahl zwiſchen Freiſprechung oder Aus⸗
ſchließung von der Rechtsanwaltſchaft (Friedländer
Anm. 8—10 zu 8 64). Rückwirkende Kraft iſt der
Ausſchließung nirgends beigelegt; ſie tritt erſt mit
der Rechtskraft des Urteils in Wirkſamkeit (8 %
RAD) Inſoferne iſt es zweifellos richtig, daß fe
eine frühere, inzwiſchen wieder aufgegebene Zulaſſung
-æ —
nicht beſeitigen kann; ſie hebt ja auch die Wirkungen
der letzten Zulaſſung erſt mit der Rechtskraft des
Urteils auf. Dagegen iſt es völlig gleichgültig, ob
das unwürdige Verhalten ſchon in die Zeit vor einer
früheren Zulaſſung oder erſt in die Zeit zwiſchen der
Aufgabe dieſer und dem Eintritt der neuen Zulaſſung
fällt; hier wie dort kann es zum Gegenſtande des
Verfahrens gemacht werden.
Burkhardt, Staatsanwalt am OLG. München.
Mangel eines ſtrafrechtlichen Schutzes der Si:
ſperrung von Waldungen. Das Bezirksamt München
hat auf Grund des Art. 3 Abſ. 2 der GemO, des
§ 366 Nr. 10 StGB., des Art. 2 Ziff. 6 und des
Art. 95 PStGBB. für den ausmärkiſchen Bezirk
Perlach⸗Grünwalder Park eine ortspolizeiliche Vor⸗
ſchrift erlaſſen, wonach vorbehaltlich beſonderer Er⸗
laubniserteilung an die Käufer und Empfänger von
Forſtprodukten in dem Parke verboten iſt:
1. Außerhalb der gebahnten Wege und Straßen
mit Wagen aller Art, mit Karren, Kinderwagen,
Fahrrädern und Motorfahrzeugen zu fahren, zu reiten,
zu gehen, Fahrräder zu ſchieben, Zugtiere zu führen
oder Vieh zu treiben,
2. Hunde freilaufen zu laffen,
3. Beeren, Schwämme, Leſeholz und andere Wald⸗
erzeugniſſe zu ſammeln,
4. mit Piſtolen, Revolvern und anderem Schieß⸗
werkzeuge zu ſchießen,
5. Zäune zu überſteigen und die eingezäunten
Kulturorte zu betreten.
Der Strafſenat des bayeriſchen Oberſten Landes
gerichts hatte am 28. Dezember 1907 Gelegenbeit,
die geſetzliche Gültigkeit der ortspolizeilichen Vorſchrift
zu prüfen. Gegen mehrere Perſonen war Anllage
erhoben worden, weil fie im Perlach-Grünwalder
Park Zäune überſtiegen hatten. In den Vorinſtanzen
war Freiſprechung erfolgt, weil für das Verbot in
Ziff. 5 der ortspolizeilichen Vorſchrift die erforderliche
geſetzliche Ermächtigung fehle. Das Oberſte Landes
gericht erklärte die Reviſion des Staatsanwaltes, die
Verletzung des Art. 95 PStGB. durch Verkennung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
des Begriffs „öffentliche Anlagen und Spaziergänge“
rügte, für nicht begründet.
Aus den Gründen des Urteils: Auf § 366
Nr. 10 StGB. kann das Verbot. Zäune zu überſteigen,
nicht geſtützt werden, da das Ueberſteigen der Zäune
die Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs auf
den in dem Parke befindlichen, entfernt vom Zaune
gelegenen Straßen nicht gefährdet. Aber auch Art. 95
StB. bildet keine Unterlage für das Verbot. Nach
den tatſächlichen Feſtſtellungen ift der Perlach⸗Grün⸗
walder Park ein 2800 ha großer, in Geräumte geteilter,
der Hauptſache nach aus Fichten⸗ und Föhrenbeſtänden
beſtehender Staatsforſt, der rings von einem 2—2,30 m
hohen Zaune umgeben und von drei oder vier öffent⸗
lichen Straßen durchzogen wird; der Park wird aus⸗
ſchließlich nach forſtwirtſchaftlichen Grundſätzen ver⸗
waltet, Rückſichten auf das den Park aufſuchende Publikum
werden nicht geübt; ſo wird insbeſondere bei dem
Abtriebe von Waldparzellen nicht darauf geachtet,
daß einzelne durch landſchaftliche Schönheit aus⸗
gezeichnete Partien erhalten bleiben; ebenſowenig
werden bei Nachpflanzungen Forderungen der Aeſthetik
beachtet; die Kulturen werden vielmehr ausſchließlich
nach forſttechniſchen Grundſätzen angelegt; das im
Parke gehegte Wild wird lediglich zur Jagd gehalten.
diernach iſt der Perlach⸗ Grünwalder Park ein um⸗
zäunter Wald. Für ſeine Eigenſchaft als Wald
ſpricht auch ſeine Bezeichnung als ausmärkiſcher Bezirk,
da nach Art. 3 Abſ. 1 der GemO. nur größere
Waldungen, Freigebirge und Seen von der Zus
gehörigkeit zu einem Gemeindebezirk ausgenommen
nnd. Als „Waldung“ unterliegt der Park nur den
im Forſtgeſetze (vgl. Art. 92) aufgeſtellten forſt⸗
volizeilichen Strafbeſtimmungen. Mit der Feſtſtellung,
daß der Park ausſchließlich eine Waldung iſt, läßt ſich
die Annahme, daß ihm die Eigenſchaft einer Anlage
zukomme, nicht vereinbaren. Die von der Vorinſtanz
gegebene Beſtimmung des Begriffs „Anlage“ im Sinne
des Art. 95 PStGB. als „einer der Benutzung durch
das Publikum, ſeiner Erholung und ſeinem Vergnügen
gewidmeten, durch Menſchenhand geſchaffenen oder
jenen Zwecken angepaßten Pflanzung, die durch Anlage
gut gepflegter Straßen und Fußwege und durch Auf⸗
ſtellen von Ruhebänken dem Publikum den Aufenthalt
möglichſt angenehm machen foll* — läßt einen Rechts⸗
irrtum nicht erſehen (vgl. Samml. von Entſch. des
Obs. Bd. 4 S. 99). Da hiernach das Verbot des
leberſteigens der Zäune nicht eine Anlage im Sinne
des Art. 95 PStGB. betrifft, konnte es auf Grund
dieſer Geſetzesbeſtimmung nicht erlaſſen werden. Das
Berbot findet auch in einer anderen Geſetzesbeſtimmung
keine rechtliche Grundlage, entbehrt daher der geſetz—
lichen Gültigkeit. Dieſe war nach Art. 15 PStGB.
vom Richter in Erwägung zu ziehen.
Das oberſtrichterliche Erkenntnis verdient all:
gemeines Intereſſe. Es beſchäftigt fih zwar aus-
drücklich nur mit einem nebenſächlichen Punkte der
ortspolizeilichen Vorſchrift des Bezirksamtes München
für den Perlach⸗ Grünwalder Park, mit dem Verbote,
Zäune zu überſteigen. Allein ſeine Erwägungen müſſen
dazu führen, auch dem wichtigſten Punkte der Vor⸗
ſchrift, dem Verbote jeglichen Verkehrs außerhalb der
gebahnten Wege und Straßen (Ziff. 1) geſetzliche
Gültigkeit abzuſprechen. Denn auf eine andere geſetz⸗
liche Beſtimmung als die des Art. 95 PStGB. kann
auch diefe Vorſchrift nicht geſtützt werden. Die Be:
ſtimmung des 8 366 Nr. 10 StGB. bildet ſelbſt—
—— ——————————————— ¶ —ä4ůj.ͤ uru— — — 0 ᷣ jꝰn = = rn sr
verſtändlich für fie ebenfalls keine Grundlage. Tiefe
Ergebnis iſt inſofern beachtenswert, als es den
namentlich in der Umgebung von Großſtädten bei
Staats⸗ wie bei Gemeinde-, Stiftungs-, Körperſchafts⸗
und Privatwaldungen auftretenden Beſtrebungen
123
begegnet, im Intereſſe der Forſtwirtſchaft und Jagd
das Durchſtreifen der Waldungen durch das Publikum
zu verhindern. Es beſchränkt dieſe Beſtrebungen auf
die Zuhilfenahme der zivilrechtlichen Schutzmittel.
Auf ſtrafrechtlichen Schutz müſſen ſie verzichten. Wenn
die Erlaſſung von ober-, diſtrikts⸗ oder ortspolizeilichen
Vorſchriften ähnlichen Inhalts wie die hier beſprochene
Vorſchrift des Bezirksamtes München unzuläſſig iſt,
ſo begründet das Betreten von Wäldern außerhalb
der öffentlichen Wege keine Strafbarkeit, ſofern nicht
die beſonderen Tatbeſtände eines Forſtfrevels (Art. 88 ff.
des Forft G.) oder einer Uebertretung nach $ 368 Nr. 9
StGB. gegeben find, oder die Handlung aus einem
anderen rechtlichen Geſichtspunkte, wie aus dem Geſichts⸗
punkte der 88 123, 303 StGB., ſtrafbar ift. Dieſe
Rechtslage kann zu einem eigenartigen Ergebniſſe
führen. Falls nämlich das Betreten von Waldflächen
und etwaiger den Wald durchziehender Privatwege
unter Anbringung von Warnungszeichen verboten ift,
unterliegt die Benützung der Privatwege nach § 368
Nr. 9 StGB. ſtrafrechtlicher Ahndung, während das
. der Waldflächen nicht beſtraft werden
ann.
III. Staatsanwalt Dr. Dürr in München.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I
1. Eine unzuläſſige Einwirkung anf ein Grundſtück
i. S. des 5 907 Abſ. 1 B. kann in der Beſchattung
des Grundſtücks und in der Verhinderung des Luft:
zutritts wicht gefunden werden. i
2. Nach gemeinem Rechte beſteht bei der Bornahme
von Veränderungen an einer öffentlichen Straße oder
gänzlicher Aufhebung der Straße kein Schadenserſatz⸗
auſpruch der Anlieger.
1. Das OLG. hält den Anſpruch auf Schadens⸗
erſatz wegen Entziehung von Licht und Luft, die vor⸗
übergehend durch Aufſtellen der Bauplanke und
dauernd durch Herſtellung der Straßen-Ueberbrückung
vor dem klägeriſchen Hauſe erfolgt ſei, inſoweit für
unbegründet, als der Anſpruch fih auf S 907 BGB.
ſtützt. Dies ift zutreffend. Eine unzuläſſige Ein-
wirkung im Sinne dieſer Vorſchrift iſt durch die Eiſen⸗
bahnanlage in dieſer Hinſicht nicht erfolgt. Unter
Ein wirkung ift ein Ein dringen zu ver-s:
ſtehen, durch das greifbare oder ſinnlich
wahrnehmbare Stoffe hinübergeführt
werden, die alſo poſitive Eingriffe in das Nachbar-
grundſtück enthalten. Anlagen, die das Nachbar-
grundſtück zwar beeinträchtigen, aber in anderer Weiſe
als durch ſtoffliches Hinüberwirken, alſo wie hier
durch Werfen von Schatten und Behinderung des
Luftzutrittes, fallen nicht unter § 907 BGB.
2. Das OL G. verneint aber auch, daß den Klägern
etwa als Straßenanliegern ein beſonderes Recht auf
Nichtbehinderung des Zutrittes von Licht und Luft
durch Anlagen auf dem Terrain auf Grund des Um—
ſtandes zuſtehe, daß der vor ihrem Hauſe befind—
liche Grund und Boden, auf dem die Bauplanke er—
richtet und über den die Eiſenbahnbrücke hinweggeführt
worden iſt, ein öffentlicher Grund ſei. Da es ſich
dabei nur um nachbarrechtliche Beſchränkungen des
Eigentums an dem Terrain zugunſten der Straßen—
anlieger handeln kann, prüft er dieſe Frage gemäß
Art. 124 EG. z. BGB. mit Recht nach dem in H. als
124
Landesrecht geltenden gemeinen Rechte.
dann des näheren aus, daß nach gemeinem Rechte
die Anlieger einer öffentlichen Straße kein Privatrecht
auf Fortbeſtand der Straße überhaupt oder in unver-
ändertem Zuſtande hätten und daher die Kläger auch
aus dieſem Geſichtspunkte wegen Veränderung der
fraglichen Straße einen Schadenserſatzanſpruch nicht
geltend machen könnten. Die Reviſion ſucht hiergegen
unter Bezugnahme auf die einen preußiſch- rechtlichen
Fall betreffende Entſcheidung des Reichsgerichts (Bd.7
S. 216) darzulegen, daß den Straßenanliegern ein
durch ſtillſchweigenden Vertrag begründetes ſervitu⸗
tariſches Recht an der öffentlichen Straße dahin zu-
ſtehe, daß ihnen der für die Befriedigung ihres Licht—
bedürfniſſes erforderliche Luftraum über der Straße
frei bleibe. Nach der ſtändigen Rechtſprechung des
Reichsgerichts aber, von der abzugehen kein Anlaß
vorliegt, ſteht nach gemeinem Rechte im Gegenſatz
zum preußiſchen Rechte den Straßenanliegern weder
auf Grund eines ſtillſchweigenden Vertrages noch zu-
folge nachbarrechtlicher Grundſätze noch nach öffent-
lich⸗ rechtlichen Beſtimmungen des römiſchen Rechtes
ein Schadenserſatzanſpruch wegen Veränderung oder
gänzlicher Aufhebung der Straße zu. (Urt. des V. 35.
vom 28. Dezember 1907, V 167,07).
1195
— — n.
II.
1. Letztwillige Verfügungen eines Gatten bei Be⸗
ſtehen der allgemeinen Gntergemeinſchaft.
2. Veräußerung eines Grundſtücks durch den über:
lebenden Ehegatten bei fortgeſetzter Gütergemeinſchaft.
Die Beklagte iſt von ihrem verſtorbenen Ehemanne,
mit dem ſie in allgemeiner Gütergemeinſchaft lebte,
durch Gemeindeteſtament, wie folgt, bedacht worden:
„Ich ſetze meine Ehefrau Auguſte M., geborene H.
als alleinige Erbin meines ganzen Nachlaſſes
ein. Bei Verteilung meines Nachlaſſes an meine
Kinder kann dieſelbe eigenmächtig darüber verfügen.
Weiter habe ich nichts zu verordnen“. Der Ehemann
ſtarb bald darauf und durch notariellen Vertrag hat
Er führt
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
BGB. die Zuſtimmung der beiden Brüder not-
wendig war.
2. Zu Unrecht bekämpft die Reviſionsklägerin
auch die tatſächliche Feſtſtellung des Vorderrichters,
daß keinesfalls der Sohn E. erweislich bisher ſeine Zu⸗
ſtimmung zum Vertrag erteilt habe. Wenn er auch,
nicht widerſprechend, der notariellen Beurkundung
ohne Aufführung in der Urkunde und ohne Beifügung
ſeiner Unterſchrift beigewohnt hat, ſo brauchte das Be⸗
rufungsgericht darin um ſo weniger eine Zuſtimmung
zum Vertrage zu finden, als er damals vielleicht gar
nicht gewußt hat, daß er widerſprechen konnte. Sache
der Klägerin war es und iſt es noch, fih gemäß SS 1448,
1369 Abſ. 1, 3 BGB. Gewißheit über die Genehmigung
oder Nichtgenehmigung des Vertrags durch die übrigen
Beteiligten zu verſchaffen. Solange deren Genehmigung
nicht erwieſen ift, gilt der Vertrag nach SS 1448,
1398 als unwirkſam und dieſe Unwirkſamkeit kann
auch von der Beklagten ſelbſt geltend gemacht werden.
Mit Unrecht ſtützt ſich die Reviſion auf vermeintliche
beſondere obligatoriſche Verpflichtungen der Beklagten
und auf die hier überhaupt nicht zur Anwendung
kommenden Beſtimmungen über ſubjektive Unmöglich—
keit der Vertragserfüllung (SS 323—325 BGB., vgl.
RG. 54, 44). (Urt. des V. 3S. vom 14. Dezember
1907, V 155,07). — — — n.
1194
III.
Sann die Genehmigung einer Schuldübernahme nach
§ 416 BGB. erfolgen, ohne l eine ſchriftliche Mit:
teilung an den Gläubiger vorhergegangen ift? Der
Beklagte hat im Jahre 1899 zur Sicherung des ein⸗
gebrachten Vermögens ſeiner Ehefrau in Höhe von
10000 M eine Hypothek auf feinen Grundſtücken ein⸗
tragen laſſen. Am 23. März 1900 verkaufte er die
Grundſtücke an J. Dieſer übernahm die eingetragenen
Hypotheken als Selbſtſchuldner. In dem Kaufakt
wurde zwiſchen dem Beklagten und J. vereinbart, daß
die Beklagte ihre und ihres Ehemanns Grundſtücke
an die Klägerin, ihre Tochter, verkauft, obſchon ſie
noch zwei volljährige Söhne hatte. Vom Kauſpreiſe
hat die Klägerin 2000 M anbezahlt, wogegen ihr das
hier allein in Frage kommende Grundſtück Nr. 6 über-
geben wurde. Auf die ihr verweigerte Auflaſſung
dieſes Grundſtücks klagt ſie nun. Die Beklagte hat
Abweiſung der Klage beantragt, weil ſie bei Abſchluß
des Vertrags ſich im Irrtum über ihre — in Wirt-
lichkeit nicht beſtehende — Verfügungsmacht befunden
und deswegen auch den Vertrag rechtzeitig angefochten
habe. Der erſte Richter hat der Klage ſtattgegeben.
Auf Berufung der Beklagten hat das OLG. die Klage
abgewieſen. Die Reviſion hatte keinen Erfolg.
i Aus den Gründen: 1. Durch ſein einſeitiges
Teſtament hat der verſtorbene Ehemann der Beklagten
weder von einem Rechte der Pflichtteilsentziehung
nach § 1509 BGB. Gebrauch gemacht, noch einzelne
Abkömmlinge im Sinne des § 1511 daſelbſt von der
Fortſetzung der Gütergemeinſchaft ausgeſchloſſen, noch
überhaupt eine mit den §§ 1438—1518 BGB. im
Einklang ſtehende Anordnung getroffen. Er hat viel-
mehr durch Vereinigung des Geſamtvermögens in
der Hand der Beklagten zu deren Gunſten die Güter-
gemeinſchaft nach ſeinem Tode überhaupt beſeitigen
wollen und hierzu war er nach § 1517 daſelbſt nicht
befugt. Ohne daß es daher noch auf die vom OLG.
vorſorglich erörterte Frage der formgerechten Zu—
ſtimmung der Beklagten zu jener Anordnung (§ 1516
BGB.) ankommt, ift dem Berufungsurteile darin bei:
zutreten, daß zwiſchen der Beklagten und ihren
3 Kindern fortgeſetzte Gütergemeinſchaft eintrat und
weiter galt und daß daher zur Uleberlaſſung des
von den eingetragenen 10000 M ein Teilbetrag von
3000 M am 1. Januar 1901, der Reſt nach viertel-
jähriger Kündigung zahlbar ſein ſollte. Die Ehefrau
des Beklagten erklärte ſich in einer Urkunde vom
3. April 1900 mit der veränderten Zahlungsbedingung
und mit der Kündigungsbeſchränkung einverſtanden;
ſie bewilligte und beantragte die Eintragung dieſer
Beſtimmungen in das Grundbuch. In derſelben Ur—
kunde beantragte der Beklagte als eingetragener Eigen—
tümer der Grundſtücke ebenfalls die Eintragung. Am
2. Mai 1900 wurde J. als Eigentümer eingetragen.
Die Teilhypothek von 3000 M wurde von der Ehe-
frau des Beklagten am 2. Juli 1900 an v. A. und von
dieſem an Sch. übertragen. Bei der im Jahre 1904
erfolgten Zwangsverſteigerung der belaſteten Grund—
ſtücke fiel die Forderung von 3000 M aus. Sch. trat
ſeine Forderung an den Kläger ab. Dieſer erhob gegen
den Beklagten als perſönlichen Schuldner Klage auf
Zahlung von 3276.91 M nebſt Zinſen. Das LG. wies
die Klage ab. Das OLG. wies die Berufung zurück.
Die Reviſion war erfolglos.
Gründe: Das OLG. hat angenommen, die Ehe—
frau des Beklagten habe als Gläubigerin durch ihre
Erklärung vom 3. April 1900 die zwiſchen dem Pe-
klagten und dem Grundſtückserwerber J. vereinbarte
Schuldübernahme genehmigt, die Genehmigung ſei
wirkſam, obgleich keine ſchriftliche, den Erforderniſſen
des § 416 BGB. genügende Mitteilung vorhergegangen
ſei. Die Reviſion rügt, das Berufungsgericht habe
hierdurch die Beſtimmungen der SS 414 bis 416 vers
letzt und die Rechtsgrundſätze verkannt, die in dem
Urteile des erkennenden Senats vom 4. Juli 1904
(JW. S. 550 Nr. 6) niedergelegt feien. Dem Angriff
iſt kein Erfolg zu gewähren, da die in dem ange—
führten Urteile vertretene Anſicht nicht aufrecht erhalten
wird. Die Beſtimmungen des y 416 find hervorge—
Grundſtückes an die Klägerin gemäß SS 1487, 1445 gangen aus Beſchlüſſen der Kommiſſion für die zweite
— —
Leſung (vgl. Komm.⸗Prot. 1 S. 413 ff.). Man beabſich⸗
tigte, dem Veräußerer eines Grundſtücks die Befreiung
von der perſönlichen Haftung für die das Grundſtück
belaſtenden Hypothekſchulden zu erleichtern. Zu
dieſem Zwecke ſollte nach 8 315 Entw. I eine Bor-
ſchrift eingefegt werden, die nach dem Vorſchlage der
Redaktions⸗Kommiſſion lautete:
„Hat im Falle der Veräußerung eines Grund—
ſtücks der Erwerber mit dem Veräußerer die Weber:
nahme einer Schuld desſelben vereinbart, für welche
eine Hypothek an dem Grundſtücke beſteht, ſo gilt
die Genehmigung des Gläubigers als erteilt,
wenn der Gläubiger nach Empfang der ihm von
dem Veräußerer gemachten Mitteilung nicht binnen
ſechs Monaten die Genehmigung verweigert; die Vor⸗
ſchrift des § 315 Abſ. 2 Satz 2 findet keine Anwen⸗
dung. Die Verweigerung der Genehmigung kann,
auch wenn die Mitteilung von dem Erwerber gemacht
iſt, nur dem Veräußerer gegenüber erklärt werden.
Die Mitteilung des Veräußerers kann wirkſam erſt
erfolgen, wenn der Erwerber als Eigentümer in das
Grund buch eingetragen ift. Sie muß ſchriftlich gemacht
werden und den Hinweis enthalten, daß, wenn die
Verweigerung nicht innerhalb der Friſt erklärt werde,
der Uebernehmer an die Stelle des bisherigen
Schuldners trete“.
Bei dieſer Faſſung konnte kein Zweifel beſtehen,
daß die Sondervorſchrift — von Satz 2 abgeſehen —
nur darüber Beſtimmungen geben ſollte, unter welchen
Vorausſetzungen das Stillſchweigen des Gläubigers
als Genehmigung zu gelten habe. Die von der
Redaktions⸗Kommiſſion beſchloſſene FJaſſung des
S 315 a wurde beanſtandet. Es wurde das Bedenken
geäußert, der Erwerber könne nach 8 315 Entw. I
dem Gläubiger die Mitteilung von der Schuldüber—
nahme machen und eine Friſt ſetzen, mit deren Ablauf
die Genehmigung gemäß § 315 als verweigert
gelte. Um dem vorzubeugen, wurde beſchloſſen,
nur den Veräußerer für berechtigt zu er⸗
klären, die Schuldübernahme nach Maßgabe des
§ 315 Abſ. 1 dem Gläubiger zur Genehmigung mit-
zuteilen (Komm.⸗Prot. 2 S. 472). Als § 359 Entw. II
erhielt die Vorſchrift alsdann die Faſſung:
„Hat der Erwerber eines Grundſtücks mit dem
Veräußerer die Uebernahme einer Schuld desſelben
vereinbart, für die eine Hypothek an dem Grundſtücke
beſteht, fo kann der Gläubiger die Schuld:
übernahme wirkſam nur genehmigen, wenn
ſie ihm von dem Veräußerer mitgeteilt iſt.
Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn der Gläubiger
nicht binnen ſechs Monaten nach dem Empfange der
Mitteilung die Genehmigung dem Veräußerer gegen—
über verweigert; die Vorſchrift des 8 358 Abſ. 2 Sag 2
findet keine Anwendung. Die Mitteilung des Ver—
äußerers kann wirkſam erſt erfolgen, nachdem der
Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch ein—
getragen iſt. Sie muß ſchriftlich gemacht werden und
den Hinweis enthalten, daß, wenn die Verweigerung
nicht innerhalb der ſechs Monate erklärt wird, der
Uebernehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners
tritt“.
Dem Wortlaute nach enthält dieſe Vorſchrift, die
mit unweſentlichen Aenderungen in § 416 Geſetz ge-
worden iſt, in Satz 1 eine Beſchränkung des Rechtes
des Gläubigers, durch ſeine Genehmigung die Schuld—
übernahme zu ſeinen Gunſten wirkſam zu machen.
Gewollt war jedoch eine Beſtimmung dieſes Inhaltes
nicht; man hatte bloß beſtimmen wollen, die Mit—
teilung, auf die hin der Gläubiger bei Vermeidung
des Eintritts der geſetzlichen Fiktion ſich zu erklären
habe, dürfe nur von dem Veräußerer ausgehen. Wird
Satz 1 des 8 416 in dieſem Sinne ausgelegt, fo bietet,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
wie in der Entſcheidung des Reichsgerichts, 5. Zivil⸗
ſenats, vom 10. März 1906 (Band 63 S. 49) ſchon
dargelegt iſt, die Auslegung der übrigen Sätze des
125
Paragraphen keine Schwierigkeiten. Der Paragraph
enthält alsdann in Abſ. 1 und 2 nur Beſtimmungen
darüber, unter welchen Vorausſetzungen die Fiktion
der Genehmigung eintrete. Im übrigen findet $ 415
auch auf die Uebernahme von Hypothekenſchulden Ans
wendung, wie denn im $ 416 Abſ. 1 Satz 2 einzig
und allein die Vorſchrift in Satz 2 Abſ. 2 des § 415
— Fiktion der Verweigerung der Genehmigung —
als nicht anwendbar bezeichnet iſt. Daraus ergibt
fih, daß der Berufungsrichter, der feſtgeſtellt hat, die
Gläubigerin habe die Schuldübernahme genehmigt,
mit Recht feine Entſcheidung auf $ 415 geſtützt hat.
(Urt. des IV. 85. vom 24. Oktober 1907, IV 529/07).
1161
— — — n
B. Strafſachen.
I.
Antrag anf Vernehmung eines Mitangeſchuldigten
als Zenge, gegen den nach § 203 StPO. wegen Ab-
weſenheit das Verfahren vorläufig eingeſtellt ift. (§ 243
StPO.). Der Erſtrichter hat den Antrag des Ange—
klagten, den Z., gegen den das Verfahren wegen Ab—
weſenheit vorläufig eingeſtellt war (§ 203 StPO.),
abgelehnt „weil das Verfahren gegen dieſen wegen
Abweſenheit vorläufig eingeſtellt iſt, ohne daß es von
der vorliegenden Sache förmlich getrennt iſt, ſo daß
Z. bei ſeinem Erſcheinen ſofort in dieſer Sache An—
geklagter ſein würde und daher als Zeuge in der—
ſelben Sache vorläufig nicht vernommen werden kann“.
Der Grund kann nicht gebilligt werden. Denn gegen
Z. war nur Anklage erhoben, das Hauptverfahren
aber nicht eröffnet. Bei dieſer Sachlage war ſeine
Vernehmung als Zeuge nach den Vorſchriften der
StPO. grundſätzlich zuläſſig. Jede Perſon kann als
Zeuge vernommen werden, ſolange ſie nicht in dem—
ſelben Verfahren die Stellung des Angeklagten ein—
nimmt (Entſch. d. RG. Bd. 6 S. 279). Angeklagter
wird jemand aber erſt, wenn das Hauptverfahren
gegen ihn eröffnet ift (§ 155 StPO.). Dieſe prozeß—
rechtliche Stellung wird ſodann durch die Rechtskraft
des darauf ergehenden Urteils wieder beſeitigt. Außer—
halb dieſes Zeitraums ſteht ſeiner Vernehmung als
Zeuge nichts entgegen (Rechtſpr. Bd. 5 S. 528, Entſch.
d. RG. Bd. 31 S. 139). Der Hinweis des Erſtrichters,
Z. würde nach ſeinem Erſcheinen ſofort die Stellung
eines Angeklagten einnehmen, iſt nicht zutreffend.
Denn mochte der Erſtrichter ihn auch als der Teil—
nahme verdächtig anſehen, ſo hatte doch über die Er—
öffnung des Hauptverfahrens ein anders beſetztes
Gericht zu befinden, deſſen Entſcheidung noch aus—
ſtand. Vor dieſem Zeitpunkt ſchloß nach § 56 Nr. 3
StPO. jener Umſtand nur die Beeidigung, nicht aber
die Vernehmung ſelbſt aus. (Urt. d. V. StS. vom
1. November 1907, 5 D 587/07). — —— e —
1151
II.
Beſchränkung der Revifion auf die Ueberweiſung
an die Landes polizeibehörde. (§ 392 StPO.). Die Res
viſion iſt vom Angeklagten nur wegen der Ueber—
weiſung an die Landespolizeibehörde eingelegt. Die
nur teilweiſe Anfechtung des Urteils iſt zuläſſig,
weil die Frage, ob die Ueberweiſung nach § 181 a
Abſ. 3 StGB. ohne Rechtsirrtum ausgeſprochen ift,
eine in ſich ſelbſtändige, von der in dem angefochtenen
Urteile enthaltenen Beurteilung der Schuld und Straf-
frage trennbare Prüfung und Entſcheidung geſtattet.
Der Grundſatz, daß eine die Anwendung des Straf⸗
geſetzes betreffende beſchränkte Anfechtung auch eine
beſchränkte Wirkung ausübt, wenn der angegriffene
Urteilsteil rechtlich losgelöſt werden kann und unab—
hängig von dem nicht angegriffenen Entſcheidungsteil
126
— —— —
eine ſelbſtändige Prüfung geſtattet, iſt auch ſchon
früher vom Reichsgericht anerkannt worden (vgl.
Goltd Arch. Bd. 51 S. 179, Entſch. d. RG. Bd. 33
S. 17, Bd. 37 S. 284).
daher auf die erhobene Rüge zu beſchränken!“). (Urt.
d. V. StS. vom 22. November 1907, 5 D 842/07).
1152
— — — e —
III.
Altes und neues Weingesetz. Die Höhe der Ber:
fanföpreife rechtfertigt den Schluß auf Waſſerzuſätze.
Fortgeſetztes e bei Verfehlungen gegen das alte
und neue Weingeſetz. Welches Geſetz gibt Maß für die
anzuwendenden Straſbeſtimmungen ? it der Zuger:
zuſatz (unter der Herrſchaft des alten Weingeſetzes), der
nur zur Bermehrung nicht zur nung erfolgt,
Berfälfhung im Siune des NMG., auch wenn die Grenz:
zahlen eingehalten ſind? Nach der Schlußfeſtſtellung
des angefochtenen Urteils hat der Angeklagte: 1. vom
Jahre 1898 bis 1. Oktober 1901 Wein durch Zuſatz
von Zuckerwaſſer derart geſtreckt, daß die Miſchung
an Extraktſtoffen und Mineralbeſtandteilen den geſetz—
lichen Mindeſtgehalt nicht aufwies (SI 3 Nr. 4, 11 b
des Geſetzes vom 20. April 1892, Bek. vom 29. April
1892) und weiter 2. vom 1. Oktober 1901 bis zum
Jahre 1902 unter Uebertretung der 88 2 Nr. 4, 20 b
des Geſetzes vom 24. Mai 1901 (Bek. vom 2. Juli
1901) Wein durch Zuſatz von Zuckerwaſſer verfälſcht.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
1. Die Höhe der Verkaufspreiſe rechtfertigt erfahrungs⸗
gemäß und nach den Grundſätzen der Wirtſchaftslehre
den Schluß auf die Koſten der Herſtellung einer Ware
und damit auf deren Eigenſchaften. Daher konnte aus
den Preiſen, zu denen der Angeklagte verkaufte, fos
wohl allgemein auf die Beſchaffenheit feiner Weine,
wie namentlich darauf geſchloſſen werden, daß dieſe
in ihrer Menge in der Zeit zwiſchen Einkauf und
Verkauf von ihm koſtenlos durch Waſſerzuſätze ver-
mehrt fein müſſen
2. Die Vorausſetzungen für die Annahme eines
einheitlichen fortgeſetzten Vergehens ſind nach den
Urteilsgründen gegeben: Einheit des Vorſatzes des
Angeklagten, Gleichartigkeit der einzelnen Ausführungs-
handlungen und Einheit des verletzten Rechtsgutes,
nämlich der geſetzlich geſchützten wirtſchaftlichen In-
tereſſen. Die zahlreichen, auf Jahre verteilten Hand-
lungen des Angeklagten, von denen jede den vollen
Tatbeſtand einer ſtrafbaren Verfälſchung von Wein
in gleicher oder ähnlicher Begehungsform erfüllte,
waren nach Auffaſſung des Urteils nur Ausfluß und
Betätigung eines einheitlichen Vorſatzes (Entſch. Bd. 24
S. 165) in dem Sinn, daß der Wille des Angeklagten
von vornherein darauf gerichtet war, zum Zwecke der
Täuſchung im Handel und Verkehr Wein durch be—
ſtimmte Zuſätze zu verfälſchen und die verfälſchten
Weine als Wein zu verkaufen, ſo wie er es innerhalb
ſeines Gewerbebetriebes jeweils für nutzbringend und
angebracht halten würde. Die Entſcheidung liegt
weſentlich auf tatſächlichem Gebiet und es ift ein nach
§ 376 StPO. unzuläſſiger Angriff, wenn die Reviſion
ausführt, daß der Angeklagte nur mehrere Vergehen
von vorneherein in Ausſicht genommen oder ſich
nur unbeſtimmt und ganz allgemein zur Vornahme
ſtrafbarer e entſchloſſen haben könne.
Wenn nach dem 1. Oktober 1901 ſtrafbare Streckungen
5 1 Zuckerzuſätze unterblieben ſein ſollten, ſo wäre
adur
auch nach jenem Zeitpunkte nicht ausgeſchloſſen; denn
einmal ſind die nach wie vor ſtrafbaren Zuſätze von
Glycerin fortgeſetzt worden und außerdem fällt der
Verkauf der früher geſtreckten Weine in dieſe ſpä—
tere Zeit; gerade hinſichtlich des Verkaufs iſt aber an—
1) Anders die Praxis des Bayer. Oberſten Landesgerichts, vgl.
Samml. v. Entſch. Bd. 3 S. 208.
Die Nachprüfung hatte ſich
die Annahme eines fortgeſetzten Vergehens
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
*
genommen, daß er Ausfluß des von vorneherein be⸗
ſtehenden einheitlichen, auf Herſtellung und Verkauf
gerichteten Vorſatzes des Angeklagten war.
3. Es iſt feſtgeſtellt, daß der Angeklagte noch nach
dem 1. Oktober 1901 Weine verkaufte, die vor Inkraft⸗
treten des neuen Geſetzes ſo hergeſtellt waren, daß
ihre Menge durch Waſſerzuſätze von 50 100% erheb⸗
lich vermehrt war. Dieſer Verkauf ift nach § 2 Nr. 4,
8 3 Abſ. 2, 8 13 Abſ. 1 Nr. 1 WG. ſtrafbar, ſelbſt
wenn die Herſtellung dieſer Weine nach den dafür
maßgebenden Beſtimmungen des früheren WG. (8 3
Nr. 4 des Geſetzes vom 20. April 1892 mit 8 10 Nr. 1
des NM.) nicht ſtrafbar geweſen fein folte. Daß der
Verkauf nicht nach § 22 Abſ. 2 des neuen WG. zu-
läſſig war, iſt aus den Urteilsgründen zu entnehmen.
4. Nach dem Urteile iſt anzunehmen, daß für die
Strafe der 8 13 des neuen WG. zugrunde gelegt
worden iſt. Die Strafbeſtimmungen dieſes Geſetzes,
nicht die des früheren WG. ſind in der Tat auf das
geſamte fortgeſetzte Vergehen anwendbar, das als
einheitliche Tat dem Geſetz unterſteht, das zur Zeit
der Beendigung der Tat in Geltung iſt, auch wenn
die Strafbarkeit eines Teils der Einzelhandlungen
ſich nach einem früheren milderen Strafgeſetz bemißt.
Verletzt die einheitliche Tat mehrere Strafgeſetze —
wie hier das NMG. und daneben ſolche Strafbejtim:
mungen des WG., denen, wie den 88 3, 7, 8 ver:
bunden mit § 13 die Bedeutung von ſelbſtändigen
Sondergeſetzen gegenüber 8 10 NMG. zukommt —, fo
kommen nach § 73 StGB. die ſtrengeren Strafbeſtim⸗
mungen, ſonach die des WG. ausſchließlich zur An:
wendung.
5. Nicht beizupflichten iſt der Anſicht, daß auch
unter der Herrſchaft des WG. von 1892 Zuckerwaſſer⸗
zuſätze, die nicht zum Zwecke der Verbeſſerung, fon-
dern ausſchließlich zu dem der Vermehrung erfolg—
ten, ſtets als Verfälſchung im Sinne des NMG. zu
gelten haben, auch wenn die Grenzzahlen eingehalten
ſind. Die entgegengeſetzte Anſicht iſt weder mit dem
Wortlaute der Beſtimmung in 8 3 Nr. 4 des WG.
von 1892 vereinbar, noch wird ſie der Auffaſſung des
Geſetzgebers von der Bedeutung der feſtgeſetzten Greng-
zahlen gerecht. Durch die angeführte Beſtimmung
ſollte die Verzuckerung des Weines auch mittels wäſ—
ſeriger Zuckerlöſung ermöglicht werden, deren Zu—
läſſigkeit bis dahin gegenüber den Beſtimmungen des
NM. zweifelhaft war. Der Zweck der geſetzlichen
Anordnung war allerdings nur der, eine Verbeſ⸗
ſerung geringer und beſonders ſäurehaltiger und
deshalb vielfach unverwertbarer Weine nicht weiter
zu hindern. Daß dabei Mißbräuche möglich waren,
daß die Verbeſſerung insbeſondere den Vorwand für
eine erhebliche Vermehrung der Menge abgeben konnte,
wurde nicht verkannt. Auch ſollte ſolchen Mißbräuchen
vorgebeugt werden, die Verbeſſerungsbedürftigkeit des
Weines ſollte den Maßſtab für den Umfang der
Zuckerwaſſerzuſätze bilden. Das Geſetz ſelbſt wollte
nach dieſem Maßſtab die Menge des Zuſatzes ein—
ſchränken und feſtlegen. Dazu bot nach der Meinung
des Geſetzgebers die chemiſche Zuſammenſetzung des
Weines und die innerhalb dieſer durch die Waſſerzu—
ſätze notwendig eintretende Verſchiebung ein ſicheres
Mittel. Die Verminderung des Gehaltes an Extrakt—
ſtoffen und Mineralbeſtandteilen bilden ein Anzeichen
dafür, ob die Mengevermehrung ſich in der Grenze
der Verbeſſerungsbedürftigkeit hielt, die je nach der
Verſchiedenheit des Alkoholgehaltes und der Süße des
Weines und ſeiner abzuſtumpfenden Säure verſchieden
war. Deshalb ſetzte das Geſetz die Grenzzahlen feft,
aber nicht als ein einzelnes Anzeichen tatſächlicher Art
für die Erlaubtheit der Mengenvermehrung, ſondern
als einzige und ausſchließliche Beſchränkung der
Zuckerwaſſerzuſätze. Die Einhaltung dieſer Zahlen
gab nach der Auffaſſung des Geſetzgebers ganz allge—
mein die ſichere Gewähr, daß der Zweck der Zuckerung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
im Einzelfall nicht in unerlaubter Mengevermehrung,
ſondern in zweckmäßiger Verbeſſerung beſtanden habe.
Waren die Grenzzahlen eingehalten, jo hatte nach
dem Geſetze der Wein als nicht verfälſcht zu
gelten, nicht aber ſollte dem Richter die Befugnis ein⸗
geräumt werden, nach anderen Anzeichen zu entſchei⸗
den, ob nicht trotz der Einhaltung der Grenzzahlen
nach der Abſicht des Täters oder ſonſtigen Umſtänden
eine unter dem Vorwande der Zuckerung erfolgte Bers
fälſchung des Weines durch Waſſer vorliege. Dieſe
Bedeutung als geſetzliches Merkmal der Unver⸗
fälſchtheit hat die Einhaltung der Grenzzahlen erſt im
neuen WG. eingebüßt, indem der Waſſerzuſatz, auch
wenn eine Ueberſchreitung der Grenzzahlen nicht ſtatt⸗
gehabt hat, trotzdem als Verfälſchung gekennzeichnet
iſt, wenn der Täter erweislich nicht die Verbeſſerung
des Weines bezweckt oder deſſen Menge erheblich ver—
mehrt. Hiernach iſt es — obwohl der gegenteiligen
Meinung in den geſetzgeberiſchen Verhandlungen zum
neuen WG. Ausdruck verliehen wurde — nicht rid-
tig, daß das Geſetz von 1901 nur den geſetzgeberiſchen
Gedanken des Geſetzes von 1892 klargeſtellt habe, ohne
ſelbſt neues zu ſchaffen. In den Entſcheidungen Bd. 36
S. 122 und 31 S. 185 iſt eine gegenteilige Meinung
uicht ausgeſprochen. (Urteil vom 7. November 1907,
1D 545,07). Hy
1104 ;
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Die Auflaſſung kann in Bayern außer vor dem
Grund buchamte uur vor einem bayeriſchen Notar, nicht
aber vor dem Prozeßgericht oder einem beauftragten
Kichter rechtswirkſam erklärt werden. (BGB. S 925,
ES. z. BGB. Art. 143, AG. z. BGB. Art. 81). In
dem bei dem Landgerichte F. anhängig geweſenen
Rechtsſtreite der Witwe Katharina S. in W. und Gen.
gegen die Gemeinde W. ſchloſſen die Parteien vor
einem beauftragten Richter einen Vergleich, in dem
vereinbart iſt, daß die Gemeinde von den Klägern
die Grundſtücke Pl.⸗Nr. 1682, 1683, 1693 der Steuer-
gemeinde W. um 9000 M kaufe. Das Protokoll ent-
hält die weitere Beurkundung: „Die Parteien ſind
darüber einig, daß das Eigentum auf die Gemeinde
W. übergeht, und beantragen, daß ſie als Eigen—
tümerin im Grundbuch eingetragen wird?. Der
namens der Gemeinde geſtellte Antrag auf Eintragung
des Eigentumsüberganges wurde vom Grundbuchamt
wegen Mangels einer gültigen Auflaſſung zurück—
gewieſen.
ſchwerde wurde der Erfolg verſagt. Auch die weitere
Beſchwerde iſt zurückgewieſen worden.
Gründe: Das Beſchwerdegericht hat ſich der von
dem jetzt entſcheidenden Senat in dem Beſchluſſe vom
27. März 1903 (Neue Sammlg. Bd. 4 S. 235) darge—
legten Auffaſſung angeſchloſſen, daß ein vor dem
Prozeßrichter oder dem beauftragten Richter ge—
ſchloſſener Vergleich nicht nur die im § 925 BGB.
für die Auflaſſung vorgeſchriebene Erklärung vor
dem Grundbuchamte ſondern auch die im Art. 81 AG.
z. BGB. für die in Bayern liegenden Grundſtücke
zugelaſſene Erklärung vor einem bayeriſchen Notare
An dieſer Auffaſſung, der in-
nicht erſetzen könne.
zwiſchen Seuffert (Romm. z. ZPO. 9. Aufl. Bd. 2
Note 2e zum 8 794 S. 431)
(Liegenſchaftsrecht, 3. Aufl. Bd. 1 S. 442) beigetreten
find, hält der Senat feſt.
laſſung vor dem Grundbuchamt iſt im $ 925 BGB.
im Intereſſe der größtmöglichen Sicherheit des Grund—
ſtücksverkehrs vorgeſchrieben. Die Mitwirkung des
Grundbuchamts ſoll die Gewähr bieten, daß der Ver—
tragswille der Beteiligten mit dem Inhalte des
und Turnau-Förſter
4
Der für die Gemeinde eingelegten Bes
Die Erklärung der Auf-
!
127
Grundbuchs im Einklang ſteht und kann deshalb
nicht wie die gerichtliche oder notarielle Beurkundung
eines Rechtsgeſchäfts durch einen vor dem Prozeß⸗
gericht oder dem beauftragten Richter geſchloſſenen
Vergleich erſetzt werden. Beſtimmt die Landesgeſetz⸗
gebung nach Art. 143 EG. z. BGB. zur Entgegen⸗
nahme der Auflaſſung neben dem Grundbuchamt eine
andere Behörde, einen Notar oder einen anderen Pe-
amten, ſo ſetzt ſie nicht, wie Planck (Komm. z. EG.
3. Aufl. S. 271 Anm. 3) annimmt, neben die im $ 925
vorgeſchriebene Form der Auflaſſung eine davon
weſentlich verſchiedene Form, die nur in einer be-
ſonderen Art der Beurkundung beſteht, ſondern ſie
ſtellt dem Grundbuchamt eine andere Behörde oder
einen Beamten an die Seite, deren Mitwirkung bei
der Auflaſſung ſie im weſentlichen der des Grund—
buchamts gleichwertig erachtet. Um die Mitwirkung
eines bayeriſchen Notars dazu geeignet zu machen,
hat das NotG. von 1899 im Art. 30 den Notaren
Amtspflichten auferlegt, die Gewähr dafür bieten, daß
die Beteiligten bei der Erklärung der Auflaſſung vor
dem Notar im allgemeinen dieſelbe Rechtsſicherheit
genießen wie bei der Erklärung vor dem Grundbuch—
amte. Die Mitwirkung des Notars kann deshalb
ebenſowenig wie die des Grundbuchamts durch einen
vor dem Prozeßgericht oder dem beauftragten Richter
geſchloſſenen Vergleich erſetzt werden. (Beſchluß des
I. ZS. vom 24. Januar 1908. Reg. III 8/1908).
1193 W
II.
Der Bater (Vormund) bedarf zur Berpfändung
einer Hypothek des unter ſeiner Gewalt ſtehenden
Kindes (Mündels) für eine fremde Verbindlichkeit der
Genehmigung des Vormundſchaftszerichts. (BGB.
§ 1613, § 1822 Nr. 10). Für die Söhne des
Privatiers Paulus M. in N., den volljährigen Wolfgang
M. und den minderjährigen Friedrich M., ſind im
Hypothekenbuche zu gleichen Anteilen zwei Hypotheken
eingetragen. Zur Sicherſtellung der Anſprüche, die
der Aktiengeſellſchaft B. Bank für H. und J. in M.
aus einem dem Kaufmann Friedrich P. in N. in
laufender Rechnung bis zum Betrage von 29000 M
eröffneten Kredit entſtanden ſind und noch entſtehen
werden, verpfändete Paulus M. mit notarieller Ur-
kunde als Bevollmächtigter ſeines volljährigen und
geſetzlicher Vertreter ſeines minderjährigen Sohnes
der Aktiengeſellſchaft die beiden Hypothekenforderungen.
Zugleich beantragte er die Eintragung der Ver—
pfändung. Das Hypothekenamt bewirkte die bean—
tragte Eintragung in Anſehung der Anteile des
Wolfgang M.; in Anſehung der Anteile des Friedrich
M. wurde nur eine Vormerkung eingetragen, weil
die zur Wirkſamkeit der Verpfändung erforderliche
Genehmigung des Vormundſchaftsgerichts nicht erteilt
ſei. Die Beſchwerde wurde als unbegründet zurück—
gewieſen. Das Beſchwerdegericht ſchloß ſich der vom
Reichsgerichte in dem Urteile vom 17. März 1906
(Entſch. Bd. 63 S. 76) vertretenen Auslegung des
S 1822 Nr. 10 BGB. an. Auch die weitere Pe-
ſchwerde iſt vom ObLO. zurückgewieſen worden.
Gründe: Die Uebernahme einer fremden Ver—
bindlichkeit iſt ein Rechtsgeſchäft, das außerhalb des
Bereiches der gewöhnlichen Vermögensverwaltung
liegt und nur unter beſonderen Umſtänden dem
Intereſſe eines unter elterlicher Gewalt ſtehenden
Kindes oder eines Mündels entſprechen kann. Das
BGB. macht deshalb durch die Vorſchriften des
§ 1643 Abſ. 1 und des § 1822 Nr. 10 die Befugnis
des Vaters und des Vormundes zur Vornahme eines
ſolchen Rechtsgeſchäfts für das Kind oder den Mündel
von der Genehmigung des Vormundſchaftsgerichts
abhängig. Der Wortlaut des $ 1822 Nr. 10 um-
faßt jedes Rechtsgeſchäft, das darauf gerichtet iſt, das
Ver mögen des Kindes oder Mündels für die fremde
Verbindlichkeit haftbar zu machen, gleichviel, ob die
fremde Schuld ſelbſt auf das Kind oder den Mündel
übergehen oder nur die Haftung für deren Erfüllung
— z. B. durch Eingehung einer Bürgſchaft — be⸗
gründet werden und ob das Kind oder der Mündel
unbeſchränkt, mit dem ganzen Vermögen, oder nur
mit beſtimmten Vermögensbeſtandteilen haften ſoll.
Auch die Begründung der Haftung einer einzelnen
Sache durch Verpfändung iſt Uebernahme der fremden
Verbindlichkeit, die Sache wird für die Beſtimmung,
der Erfüllung der fremden Schuld zu dienen, rechtlich
gebunden, die von dem fremden Schuldner geſchuldete
Leiſtung bildet inſoweit, als ſie aus der Sache zu
bewirken iſt, eine Laſt, mit der das Vermögen des
Kindes oder Mündels belegt, die auf ſein Vermögen
übernommen wird. Die Vorſchrift mußte, um ihren
Zweck zu erfüllen, eine Faſſung erhalten, die alle
Fälle trifft, in denen das Kind oder der Mündel für
eine Leiſtung aufkommen ſoll, deren rechtlicher Grund
in der Beziehung des Gläubigers zu einem anderen
liegt, ſie muß deshalb in dem weiten Sinne ver⸗
ſtanden werden, den der Wortlaut umfaßt. Der
Einwand der Beſchwerdeſchrift, bei folgerichtiger
Durchführung dieſer Anſicht müſſe man in der Ver⸗
pfändung für fremde Schuld eine Bürgſchaft oder
eine ihr gleichſtehende Schuldübernahme finden, iſt
verkehrt; die Verpfändung hat mit der Bürgſchaft
und der Schuldübernahme nur das gemein, daß ſie
mit dieſen Rechtsgeſchäften unter denſelben höheren
Begriff der Uebernahme einer fremden Verbindlich⸗
keit fällt. (Beſchluß des I. ZS. vom 24. Januar 1908,
III 7/08). W.
1192
B. Strafſachen.
1
Kann der Eigentümer eines Kraftwagens für die
von dem Chauffeur begangenen Uebertretungen ſtraßen⸗
polizeilicher Vorſchriſten ſtrafrechtlich verantwortlich
gemacht werden? Das Oberſte Landesgericht hat
ausgeſprochen, daß dieſe Frage zu verneinen iſt, ſofern
nicht beſondere Umſtände vorliegen.
Aus den Gründen: Die ſachliche Prüfung des
Urteils iſt nach den auf Grund des § 366 Nr. 10
StGB. erlaſſenen oberpolizeilichen Vorſchriften über
den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vorzunehmen. Dieſe
zerfallen in 9 Abſchnitte. Der Abſchnitt C handelt
von dem „Führer des Kraftfahrzeugs“. Er enthält
2 Unterabſchnitte, nämlich a) „Eigenſchaften des
Führers“ und b) „Beſondere Pflichten des Führers“.
Einen Teil des Abſchnittes C bildet der § 17, der
Vorſchriften über die Fahrgeſchwindigkeit trifft. Aus
der Ueberſchrift des Abſchnittes C und namentlich
des Unterabſchnitts b) erhellt, daß dieſe Vorſchriften
zunächſt nur für den Führer des Kraftfahrzeugs auf—
geſtellt ſind. Die anderen Inſaſſen des Fahrzeugs
und darunter auch der Eigentümer können deshalb
für die Beobachtung der fraglichen Vorſchriften nur
verantwortlich ſein, wenn die allgemeinen Grundſätze
des Strafrechtes und der Strafgeſetze dies mit ſich
bringen oder eine ausdrückliche beſondere Beſtimmung
es vorſchreibt. Eine ſolche beſondere Beſtimmung,
die den Eigentümer des Kraftfahrzeugs neben deſſen
Führer als für die Beobachtung der ſtraßenpolizeilichen
Vorſchriften ſtrafrechtlich haftbar erklärt, beſteht zur-
zeit nicht. Daß der Angeklagte ſeinen Chauffeur
zur Ueberſchreitung der zuläſſigen Geſchwindigkeit ver—
anlaßt, ihn alſo angeſtiftet hat, iſt nicht einmal be—
hauptet; im Gegenteil nimmt das Landgericht ſelbſt
an, daß er ihn vor dem Erreichen der Ortſchaft F.
aufgefordert hat, die Geſchwindigkeit zu ermäßigen.
Durch dieſe Feſtſtellung und die weitere Annahme
der Strafkammer, daß der Angeklagte des Fahrens
unkundig ſei, ift logiſcherweiſe ausgeſchloſſen, daß er
durch eigene Tätigkeit bei der Ueberſchreitung
Grenze der Geſchwindigkeit ſelbſt mitgewirkt oder ſeinem
Chauffeur dabei durch Rat oder Tat wiſſentlich Hilfe
geleiſtet hat — ganz abgeſehen davon, daß na
StGB. die Beihilfe zu einer Uebertretung überhaupt
nicht ſtrafbar iſt.
bei ſeiner feſtgeſtellten Unkenntnis der Führung eines
Kraftfahrzeugs — ſelbſt wenn er die Ueberſchreitung
der zuläſſigen Geſchwindigkeit wirklich erkannt oder
nur infolge Mangels der erforderlichen Aufmerkſamkeit
verkannt haben ſollte — innerhalb der kurzen Spanne
Zeit, die zum Durchfahren der Ortſchaft 7 notwendig
war, gegenüber dem Ungehorſam ſeines Chauffeurs
die Beobachtung der ſtraßenpolizeilichen Vorſchriften
überhaupt hätte erzwingen können, darüber enthalten
die Entſcheidungsgründe des Urteils keine Andeutung.
Demzufolge fehlt es allerdings an dem Nachweis eines
Kauſalzuſammenhangs zwiſchen dem Verhalten des
Angeklagten und der Verletzung der Vorſchriften des
8 17 der oberpolizeilichen Vorſchriften durch den
ſetzung
antwortlichkeit gegeben wäre,
und am 5. November 1907 (das „Recht“
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
der
ch § 49
In welcher Weiſe der Angeklagte
Chauffeur, deshalb aber auch an der erſten Voraus⸗
für ſeine ſtrafrechtliche Verantwortlichkeit.
Eine beſondere Geſtaltung der Umſtände könnte es
allerdings mit ſich bringen, daß eine ſolche Ver⸗
wie denn auch das
Reichsgericht in 2 Fällen fahrläffiger Körperverletzung
am 22. Februar 1906 (Goltd Arch. Bd. 53 5
AR
S. 1478 Nr. 3732) mit Rückſicht auf die befondere
Sachlage die ſtrafrechtliche Inanſpruchnahme des
Eigentümers des Kraftfahrzeugs für zuläſſig erklärt
hat. (Urt. vom 1. Februar 1908, Rev.⸗Reg. 15/08).
1187 — — · n.
II
Zu $ 328 StGB. Begriff der wiſſentlichen
Verletzung einer Abſperrungs⸗ oder Auf-
ſichtsmaßregel. Iſt die Wiſſentlichkeit der
Tat ausgeſchloſſen, wenn der Täter in⸗
folge eines Rechtsirrtums annahm, es liege
die Uebertretung eines Verbotes nicht vor!
Der Angeklagte trieb von M. eine Kuh nach F., brachte
ſie dort zum Gütler K. und bot ſie ihm zum Kauf an.
Er hatte mit K. ſchon vorher darüber geſprochen, daß
er ihm eine Kuh bringen und zur Probe in den Stall
ſtellen werde; K. hatte erwidert, daß „er es ihm nicht
ſchaffe und die Kuh nur nehme, wenn fie ihm gefalle“.
Da K. die Kuh nicht kaufte, brachte ſie der Angeklagte
zu dem Gütler Sch. in F. Dieſer hatte einige Tage
vorher an den Angeklagten eine Kuh verkauft, eine
zweite ihm zum Kauf angeboten. Der Angeklagte
hatte die zweite Kuh nicht gekauft, aber davon ge⸗
ſprochen, daß er ſie gegen eine andere eintauſchen
wolle. Sch. hatte geäußert, „daß er tauſchen wolle,
aber nicht gern“. Für den Regierungsbezirk, in dem
M. und F. liegen, beſtand das Verbot des Hauſierens
mit Wiederkäuern. Das LG. verurteilte den An⸗
geklagten auf Grund des § 328 Abſ. 1 StGB. Das
Oberſte Landesgericht hob das Urteil auf.
Aus den Gründen: [Es wird zunächſt aus⸗
geführt, richtig ſei die Annahme des LG., in den
Aeußerungen des K. und des Sch. könne die Be-
ſtellung einer Kuh nicht gefunden werden; dann
fährt das Urteil fort:] Hat der Angeklagte mit einem
Wiederkäuer hauſiert, ſo iſt er nach § 328 Abſ. 1
StGB. ſtrafbar, wenn er die Abſperrungsmaßregel
wiſſentlich verletzt hat. Wiſſentlich iſt eine Ver⸗
letzung, wenn der Angeklagte in Kenntnis von dem
Beſtehen, dem Inhalt und Zweck der Maßregel als
einer von der zuſtändigen Behörde angeordneten
handelte, und bei ſeinem Handeln ſich bewußt war,
daß er gerade das tue, was die Behörde verboten
hat. Dieſes Bewußtſein könnte nicht angenommen
werden, wenn der Angeklagte des Glaubens war,
daß eine Beſtellung der Kuh vorliege, daß er durch
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern.
ſein Tun die Merkmale des Hauſierens nicht erfülle,
ſei es, daß er den Inhalt der Erklärungen des K.
und des Sch. mißverſtand, fei es, daß er die Trag-
weite der Erklärungen rechtsirrtümlich beurteilt hat.
Hiernach umfaßt der rechtswidrige Vorſatz oder die
Wiſſentlichkeit, die der 8 328 StGB. im Auge hat,
zwei Gruppen von Tatſachen, nämlich Tatſachen, die
fich beziehen auf die Kenntnis des Beſtehens, des Jn-
halts und Zwecks einer Anordnung i. S. des 8 328
StB. und Tatſachen, die fih beziehen auf das
Wiſſen des Täters, daß er das tue, was durch die
ihm bekannte Anordnung der Behörde verboten iſt.
Das LG. hielt für erwieſen, daß dem Angeklagten
das Verbot und ſein Zweck bekannt war, es hat aber
eine Feſtſtellung darüber unterlaſſen, ob er mit dem
Wiſſen der Verbotswidrigkeit ſeines Tuns handelte.
Wußte der Angeklagte, daß er von K. und Sch. nicht
aufgefordert ſei, eine Kuh zu bringen und hat er
trotzdem eine Kuh nach F. getrieben, um ſie dort
irgendwem zum Kauf anzubieten und irgendwie in
den Verkehr zu bringen, ſo hat er wiſſentlich mit
einem Wiederkäuer hauſiert. Hielt er ſich aber für
aufgefordert, die Kuh zu bringen oder meinte er aus
rechtsirrtümlicher Beurteilung der Sachlage, daß er
nicht hauſiere und gegen das Hauſierverbot nicht ver—
ſtoße, ſo fehlte in dieſem Punkte der rechtswidrige
Vorſutz. (Urt. vom 21. Januar 1908).
1189 — — n.
Oberlandesgericht München.
1
Wohnungsrecht als Leibgedinge; Tragweite des
Art. 27 AG. 3. G80. u.. In einem notariellen
Uebergabsvertrage vom 6. September 1904 beſtellte
G. H. als Uebernehmer der Anweſen Hs.⸗Nr. 18 und 19
in K feiner Mutter M. H. als Uebergeberin für den
Reſt des Uebernahmeſchillings Hypothek auf beiden
Anweſen und räumte ihr zugleich auf einem von
ihnen in 2 näher bezeichneten wohn- und heizbar zu
unterhaltenden Zimmern auf Lebensdauer das im
Hypothekenbuche als „perſönliche Dienſtbarkeit“ ein—
zutragende Wohnungsrecht ein, im Jahreswerte von
120 M, zahlbar für den Fall der Aufgabe oder
Kündigung durch die Berechtigten. Am 5. Oktober
1904 wurde unter Bezugnahme auf den Vertrag in
Abt. II des Hypothekenbuchs eingeſchrieben: „Freies
Wohnungsrecht der M. H. für deren Lebensdauer in
dem Hauſe ..... G. H. verkaufte beide Anweſen an
G., welche das Wohnungsrecht übernahm; am
1. Mai 1906 erwarben die Eheleute K. die Anweſen
im Wege der Zwangsverſteigerung. Bei der Feſt—
ſtellung des geringſten Gebots wurde das Wohnungs—
recht nicht berückſichtigt; es wurde auch nicht bar ge—
deckt, die Eintragung blieb beſtehen. Die Eheleute
K. verlangten von M. H. Anerkennung des Nicht—
beſtehens des Wohnungsrechts und Löſchung der Ein—
tragung. Die Klage wurde abgewieſen, die Berufung
blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Das Wohnungsrecht der
M. H. iſt als perſönliche Dienſtbarkeit beſtellt und
eingetragen. Eine perſönliche Dienſtbarkeit kann
ebenſo wie eine Reallaſt den Inhalt eines Leib—
gedinges bilden, wenn ſie ſich als ein bei der Ueber—
laſſung eines Grundſtücks vereinbarter Vorbehalt von
Leiſtungen zum Zwecke des Unterhalts des Ueber—
laſſenden darſtellt. Dieſe Vorausſetzung trifft für das
Wohnungsrecht der Beklagten zu. Der Zweck der
Beſtellung, einen Beitrag zum Unterhalte der Ueber—
geberin zu leiſten, geht unverkennbar aus den Ver—
tragsbeſtimmungen hervor; übrigens zählt die nach
Art. 96 EG. z. BGB. vorbehaltene Landesgeſetzgebung
!
|
— ŘÍM M aaa aeaaaee
129
1908. Nr. 6.
(Art. 32—48 AG. z. BGB.) ausdrücklich das Woh-
nungsrecht unter den Arten des Leibgedinges auf,
und zwar für ſich ſelbſtändig ohne Zuſammenhang
mit Verpflegung u. dgl. Zweifellos kommt daher
dem Wohnungsrechte der Beklagten die rechtliche
Natur eines Leibgedinges zu; ob die Beteiligten bei
der Beſtellung des Wohnungsrechtes gerade daran
dachten, iſt gleichgültig, wenn ſie nur die Wirkungen
des Rechtsgeſchäfts beabſichtigten, die ein Leibgedinge
verkörpern. Die Eintragung im Hppothekenbuche
(jetzt Grundbuch) entſpricht auch dem Art. 27 AG. z.
3B. Der aus § I EG. z. ZVG. übernommene
Satz: „Iſt eine Dienſtbarkeit ... als Leibgedinge .
eingetragen“ bedeutet offenſichtlich fo viel als: „Wenn
eine Dienſtbarkeit eingetragen ift, welche ein Leib⸗
gedinge ift . ... Iſt in der Eintragung die Dienſt—
barkeit ſo bezeichnet, daß ihre rechtliche Natur als
Leibgedinge klar erkennbar iſt, ſo iſt ſie als Leib—
geding eingetragen. Nach $ 874 BGB. kann bei der
Eintragung eines Rechtes, mit dem ein Grundſtück
belaſtet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts
des Rechtes auf die Eintragungsbewilligung Bezug
genommen werden; nach § 50 GBO. bedarf es, wenn
Dienſtbarkeiten als Leibgedinge eingetragen werden,
der Bezeichnung des einzelnen Rechtes überhaupt
nicht, wenn auf die Eintragungsbewilligung Bezug
genommen wird. Hiernach genügt beiſpielsweiſe die
Eintragung: „Leibgedinge nach Maßgabe des Ueber—
gabsvertrages vom 6. September 1904“ und es be-
darf des Beiſaßes „Wohnungsrecht“ u. dgl. nicht.
Um ſo mehr wird dieſen Vorſchriften die Eintragung
„Wohnungsrecht nach Maßgabe ...“ entſprechen, da
durch dieſe Art der Eintragung der geſetzliche Name
der Dienſtbarkeit und das Recht ſelbſt bezeichnet und
zugleich das Recht als „Leibgeding“ gekennzeichnet ift.
Die Vorſchriften des 8 874 BGB. und des § 50 GBO.
ſtehen mit Art. 27 AG. z. ZVG. im Zuſammenhang;
ſie ergänzen ſich: Art. 27 ſetzt eine den erſteren Vor—
ſchriften entſprechende Eintragung voraus. Ihre Aus—
legung iſt deshalb von Bedeutung für die Auslegung
des Art. 27 AG. z. 388. Sie hat zweifellos dahin
zu gehen: „Die als Leibgedinge beſtellten Dienſtbar—
keiten (d. i. Dienſtbarkeiten, welche den Inhalt eines
Leibgedinges bilden) bleiben von der Zwangs—
verſteigerung unberührt, ſoferne ſie eingetragen ſind“.
(Urteil vom 11. Februar 1908, BerReg. 865/07 III).
1190
— el — — = oo.
II.
Mäklerlohn für Vermittelung des Verkaufes einer
Buchhypothek (88 652, 878, 1154 Abſ. 3 BGB.). Der
Beklagte beauftragte den Kläger mit dem Verkaufe
einer ihm zuſtehenden Buchhypothek und verſprach
ihm ſchriftlich „bei Verkauf der Hypothek“ den Be⸗
trag von 500 M ſofort nach Verbriefung zu zahlen.
Der Beklagte hat ſich mit dem vom Kläger ermittelten
Käufer endgültig geeinigt, dieſem die Hypothek abzu—
treten, hat ſie dann aber nicht an Letzteren, ſondern
einem Dritten abgetreten. Das LG. hat die auf
Zahlung des Mäklerlohnes gerichtete Klage abge—
wieſen, weil der Kläger zwar den obligatoriſchen
Vertrag, nicht aber den dinglichen Vertrag der Hypo—
thekübertragung vermittelt habe. Die Berufung des
Beklagten wurde zurückgewieſen.
Aus den Gründen: Der für die Vermittelung
des Verkaufs einer Buchshypothekforderung ver—
ſprochene Mäklerlohn iſt nur dann verdient, wenn
der Kaufvertrag durch die Vermittelung des Mäklers
zuſtande gekommen ift. Dies ift nicht ſchon dann der
Fall, wenn der obligatoriſche Vertrag auf Ueber—
tragung der Hypothek durch die Mälklertätigkeit ge-
ſchloſſen worden iſt, ſondern erſt, wenn auch das
dingliche Rechtsgeſchäft der Abtretung der Hypothek
in der geſetzlichen Form durch die Vermittelung des
130
Mäklers zuſtande gekommen iſt. Jedenfalls hatte
der Kläger nach dem ſchriftlichen Lohnverſprechen erſt
nach der notariellen Beurkundung des Abtretungs⸗
vertrages Anſpruch auf den Mäklerlohn. (Urt. vom
14. Dezember 1907, Ber. Reg. 380/07 L). 2 AA
1166
Oberlandesgericht Nürnberg.
Nicht rechtsfähige Vereine nach Art. 2 ue. Ans-
Ihlichung von Mitgliedern. Der Kläger war Mitglied
der Geſellſchaft X., eines geſelligen Vereins, der vor dem
Inkrafttreten des BGB. gegründet wurde, unter der
Herrſchaft des bayer. Geſ. vom 29. April 1869, die privat⸗
rechtliche Stellung von Vereinen betr., die Eigenſchaft
eines anerkannten Vereins nicht erwarb und nach dem
Inkrafttreten des BGB. in das Vereinsregiſter nicht ein⸗
getragen wurde. Nach der Satzung liegt die Leitung des
Vereins einer aus 10 Mitgliedern, darunter einem Vor⸗
ſtande, beſtehenden Geſamtverwaltung ob, die im Falle
von Streitigkeiten und ſonſtigen Anſtänden auch das
„Schiedsgericht“ mit der Ermächtigung bildet, „nach
Umſtänden“ Mitglieder aus dem Vereine auszuſchließen.
Der Ausſchluß eines Mitgliedes kann nach der Satzung
erfolgen, wenn es mit Mitgliederbeiträgen längere
Zeit trotz ſchriftlicher Mahnung im Rückſtande bleibt
und wenn es „unehrenhafte Sachen, unanftändiges
Benehmen oder ſonſt gröbere Vergehen“ dem Vereine
gegenüber begeht. Mit dem Ausſchluſſe erliſcht jedes
Anrecht an das Vereinsvermögen; in allen Fällen
entſcheidet „bei etwa vorkommenden Stimmengleich⸗
heiten“ der Vorſtand. Bei einer Mitgliederverſamm⸗
lung kam es zwiſchen dem Kläger und einem Mitgliede
der Geſamtverwaltung zu Streitigkeiten, die zu einer
Privatklage des erſteren gegen das betreffende Ver—
waltungsmitglied wegen Beleidigung führten. In der
Hauptverhandlung wurde die Sache durch Vergleich
erledigt. Bald darauf wurde der Kläger durch einen
Beſchluß der Geſamtverwaltung aus der Geſellſchaft
ausgeſchloſſen und ihm dies ohne Angabe von Gründen
mitgeteilt. Gegen dieſe Ausſchließung wendet ſich der
Kläger mit dem Antrage auf Feſtſtellung, daß er noch
Mitglied des Vereines ſei. Er bezeichnet den Beſchluß
als ſachlich ungerechtfertigt, weil keiner der in den
Satzungen vorgeſehenen Ausſchließungsgründe vor—
gelegen habe, er führt weiter aus, daß der Beſchluß
in einer dem Geſetze und der Satzung widerſprechenden
Weiſe zuſtande gekommen ſei, indem nur 6 Mitglieder
der Geſamtverwaltung bei der Beſchlußfaſſung mitge—
wirkt hätten, der Ausſchluß nicht als Gegenſtand der
Tagesordnung bekannt gegeben, der Kläger nicht ge—
hört und ein Grund der Ausſchließung nicht feft-
geſtellt und dem Kläger nicht mitgeteilt worden ſei.
Das Landgericht gab der Klage ſtatt, weil es dem
Beſchluſſe an dem Erforderniſſe der Einſtimmigkeit
nach 8 709 Abſ. 1 BGB. fehle, das OLG. hob das
Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage ab.
Aus den Gründen: Der Kläger will die Un-
wirkſamkeit der Ausſchließung und damit die Tatſache
feſtgeſtellt haben, daß das zwiſchen ihm und dem Ver—
eine beſtandene Geſellſchafterverhältnis noch fortdauere.
Die Klage iſt jedoch nicht gerechtfertigt. Auf den be—
klagten Verein finden ſeit dem Inkrafttreten des BGB.
gemäß Art. 2 UeG. die Vorſchriften des BGB. über
die Geſellſchaft nach SS 705 ff. Anwendung. Nach 8 50
BPO. kann der Verein trotz des Mangels der Rechts—
fähigkeit verklagt werden. Wenn auch der Verein
keine Geſellſchaft iſt und ſich von ihr hauptſächlich
durch ſein körperſchaftliches Weſen und durch ſeinen
vom Wechſel der Mitglieder unabhängigen Beſtand
unterſcheidet, ſo iſt doch das für die Geſellſchaft geltende
Recht auf die nicht rechtsfähigen Vereine für anwend—
bar erklärt, indem es der dem Geſellſchaftsvertrage
des 3 705 BGB. entſprechenden Vereinsſatzung vor—
— . — — —— Tſ:——— — — — — — —— — — — — . — —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
behalten iſt, die Verhältniſſe des Vereins nach ſeinen
beſonderen Zwecken zu regeln. Die Vorſchriften des
BGB. über die Geſellſchaft ſind zum großen Teile
nicht zwingender Natur und es beſteht in weitem
Umfange die Möglichkeit zu Abänderungen. Was die
Ausſchließung von Geſellſchaftern anlangt, ſo ſah der
Entwurf I des BGB. von einer Beſtimmung Hier-
über ab. Hierdurch ſollte aber, wie die Motive Bd. II
S. 617 ſagen, die Zuläſſigkeit der Verabredung über
die Ausſchließung eines Geſellſchafters aus beſtimmten
Gründen im Geſellſchaftsvertrage nicht verneint werden.
Später wurde das Bedürfnis empfunden, über die
Ausſchließung der Geſellſchafter eine Beſtimmung zu
treffen und es wurde in der II. Leſung der jetzige
8 737 BGB. vorgeſehen (Prot. Bd. II S. 443 der
Ausgabe von Achilles u. Gen.). Hiernach kann, wenn
für den Fall der Kündigung eines Geſellſchafters das
Fortbeſtehen der Geſellſchaft unter den übrigen Geſell⸗
ſchaftern vereinbart iſt, die Ausſchließung eines Geſell⸗
ſchafters erfolgen, wenn ein wichtiger, nach § 723
BGB. auch zur Kündigung berechtigender Grund vor⸗
liegt. Ueber die Rechtmäßigkeit der Ausſchließung iſt
gegebenenfalls gerichtliche Entſcheidung anzurufen.
Dieſes richterliche Prüfungsrecht iſt aber nur für den
Fall anerkannt, daß der Geſellſchaftsvertrag oder die
Vereinsſatzung über die Ausſchließung von Mitgliedern
keine Beſtimmung trifft, und die Bezugnahme auf
8 737 BGB. ift unbehelflich, wenn die Ausſchließung
durch Vertrag oder Satzung geregelt iſt. Für eine
ſolche Regelung beſtehen keine Schranken. Der Gefell-
ſchaftsvertrag kann beſtimmen, daß das Ausſcheiden
eines Geſellſchafters ihm gegen ſeinen Willen durch
Ausſchließungserklärung der übrigen Geſellſchafter auf-
gezwungen werde, daß dieſe Erklärung begründet ſein
müſſe oder willkürlich erfolgen könne, daß ſie jedem
einzelnen der übrigen Geſellſchafter oder nur ihrer
Mehrheit oder bloß allen zuſammen zuſtehe. Durch
die ſatzungsgemäß geſchehene Aufnahme wird der Auf⸗
genommene Mitglied des Vereins, dadurch jedoch auch
vermöge ſeiner freien Willensentſchließung deſſen
Satzungen unterworfen. Wenn in den Vereinsſatzungen
die Ausſchließbarkeit eines Mitglieds unter beſtimmten
Vorausſetzungen durch die dazu berufenen Vereins-
organe vorgeſehen iſt, ſo iſt davon auszugehen,
daß die daraufhin erfolgte Ausſchließung als eine
Verwaltungstätigkeit des zuſtändigen Vereinsorgans
gekennzeichnet und daß der ſo zum Ausdrucke gebrachte
Vereinswille endgültig maßgebend ſein ſolle. Die
Zulaſſung der richterlichen Nachprüfung ſolcher ſatzungs⸗
gemäß gefaßter Ausſchließungsbeſchlüſſe würde einen
Eingriff in die von den Mitgliedern ſelbſt gewollte
autonome Selbſtändigkeit des Vereins bedeuten. Nach
ſtändiger Rechtſprechung (JW. 1902 S. 427, Beil. 6
S. 227; 1905 S. 315; 1906 S. 416; RG. Bd. 51 S. 66)
iſt denn auch, ſoweit es ſich um die Anwendung des
Gemeinen Rechts oder des Rechts des BGB. handelt,
dieſe richterliche Nachprüfung als unzuläſſig erklärt.
Von der Geſamtverwaltung des beklagten Vereins
wurde in dem oben berührten Verhältniſſe des Klägers
zu einem Verwaltungsmitgliede ein nach der Satzung
die Ausſchließung des Klägers rechtfertigender Um—
ſtand gefunden, ob mit Recht oder mit Unrecht, ent⸗
zieht fich der Nachprüfung, die Anfechtung des Mus-
ſchließungsbeſchluſſes aus ſachlichen Gründen iſt un⸗
zuläſſig. Dem Gerichte ſteht allerdings die Prüfung
der Beobachtung des Geſetzes und der Vereinsſatzung
bei Entſtehung des Ausſchließungsbeſchluſſes zu und
es iſt allerdings richtig, daß der Ausſchluß des Klägers
nicht als Gegenſtand der Tagesordnung bekannt ge—
gegeben, daß der Kläger nicht gehört und daß ihm
der Grund der Ausſchließung nicht mitgeteilt wurde.
Darin liegt aber kein Verſtoß gegen das Geſetz oder
die Vereinsſatzung, weil die Einhaltung dieſer Förm—
lichkeiten nicht vorgeſchrieben iſt und insbeſondere die
für rechtsfähige Vereine geltende Beſtimmung des 8 32
— — — —
STT ;%«*-2⁷² r T——
— — e p a aM
BGB. hier nicht Platz greift. Nach der Satzung kann
die Geſamtverwaltung im Falle von Streitigkeiten
und ſonſtigen Anſtänden als „Schiedsgericht“ tätig
al d. h. fie kann einen gütlichen Ausgleich unter
en Beteiligten verſuchen, ſie kann aber „nach Um⸗
ſtänden“, ohne daß fie in ihrer Entſchließung beſchränkt
ijt, ſicherlich alfo dann, wenn eine gütliche Beilegung
ihr ausſichtslos ſcheint, ſofort den Ausſchluß eines
oder des anderen der Beteiligten beſchließen, ohne ihn
vorher zu hören. Ungerechtfertigt iſt die Beanſtandung,
daß von der Geſamtverwaltung des Vereins ein Grund
der Ausſchließung nicht feſtgeſtellt worden ſei und daß
nur 6 Verwaltungsmitglieder bei der Beſchlußfaſſung
mitgewirkt hätten. Nach dem als richtig anerkannten
Protokolle über die Sitzung der Geſamtverwaltung
war der Grund der Ausſchließung des Klägers deſſen
durch den Vergleich vor dem Schöffengerichte nur
vorübergehend gebeſſertes Verhältnis zu einem Ver—
waltungsmitgliede, der Ausſchließungsbeſchluß aber
wurde von 8 anweſenden Verwaltungsmitgliedern ein—
ſtimmig gefaßt. Die Zuſtimmung ſämtlicher Mitglieder
der Verwaltung war nicht erforderlich, da nach der
Satzung in allen Fällen der Mehrheit der Stimmen
die Entſcheidung eingeräumt und die in § 709 Abſ. 2
BGB. berührte Regelung des Stimmenverhältniſſes
vorgeſehen iſt. Ein gegen die Satzung entſtandenes
Herkommen für das Erfordernis der Einſtimmigkeit,
das nach Gierke a. a. O. S. 14 allerdings möglich
wäre, iſt nicht behauptet. (Urt. vom 7. Dezember 1907).
1147 D.
Landgericht München I.
I.
e kein Kalendertag ($ 284
Abi. 2 BGB.). Der stud. arch. P. belegte im Sommer
1906 zu ſeiner Vorbereitung auf das im November
1906 ſtattfindende Architektenexamen einen Privatunter—
richtskurs des Dr. E. über Mathematik. An dem
Honorar blieb P. einen Reſt von 30 M ſchuldig, bis
ihn erſtmals am 22. Febr. 1907 Dr E. anwaltſchaftlich
mahnen ließ. Darauf entrichtete P. den Hauptſachereſt
nicht aber die Mahnungskoſten, weil das Honorar
übungsgemäß zwar mit Semeſterſchluß fällig, ihm
jedoch bis „nach dem Examen“ geſtundet, die Fällig—
keit ſohin nicht nach einem Kalendertag beſtimmt ge—
weſen ſei. Die Klage wurde abgewieſen und die Be—
rufung blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Daß der Beklagte angeb⸗
lich ſchon bei Kursbeginn deshalb wiſſen mußte, daß
das Honorar die Woche vor Semeſterſchluß zahlbar
fei, weil beſtimmungsgemäß die letzte Kursſtunde vier
Wochen vor Semeſterſchluß ſtattfinde und dieſer Schluß
ſchon bei Kursbeginn bekannt geweſen, iſt nicht ſchlüſſig.
Solche Unterrichtskurſe ſind Privatſache und an den
Beginn oder Schluß eines Semeſters nicht gebunden;
der Kläger konnte auch den angeblich von vornherein
feſtgeſetzten Tag des Beginns und Endes des Semeſters
nicht angeben; ob ein ſolcher überhaupt beſtimmt war,
iſt angeſichts der Tatſache zweifelhaft, daß die Dauer
der einzelnen Vorleſungen je nach Lehraufgabe und
Hörerzahl verſchieden zu ſein pflegt. Auch hinſichtlich
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
des Examens hat der Kläger ſelbſt den angeblich von
vornherein feſtgeſetzten Tag und die Zeit der Bekannt—
machung nicht anzugeben vermocht. Gewöhnlich dauern
ſolche Prüfungen übrigens mehrere Tage und es kann
ſchon deshalb von einer Zeitbeſtimmung „nach dem
Kalender“ keine Rede ſein. (Urt. vom 10. Dez. Lo
F 427/07).
1168 II.
Bergleichsgebühr ($ 21 GG.).
arauf an, inwieweit die
wollten,
Es kommt nicht
Parteien ſich vergleichen
ſondern inwieweit der gewollte Vergleich
Nr. 6. 131
gerichtlich aufgenommen wurde. Im gegebenen Falle
erſtreckt ſich der gerichtliche Vergleich nur auf 1512 M,
während die bereits bezahlte Summe von 1500 M
vom Vergleich ausdrücklich ausgenommen iſt. Da
früher über die ganze Summe von 3012 M bereits
widerſprechend verhandelt war, ift aus 1500 M eine
volle Verhandlungsgebühr, die Vergleichsgebühr aber
nur aus 1512 M angufeßen. (Beſchl. vom 30. .
1907: ; Deihmäteg. 646,07). N.
III.
Ganggebühr (8 91 ZPO.). Der Beklagte kann
für den Gang zu Gericht behufs Erwirkung des Rechts⸗
kraftszeugniſſes keine Vergütung fordern, weil nach
8 91 Abſ. 1 Satz 2 ZPO. ein Anſpruch nur für Beit-
verſäumnis bei Wahrnehmung von Terminen beſteht.
(Beſchl. vom 3. Januar 1908; BeſchwReg. N
1170
Literatur.
Warneyer, Dr. Otto. Amtsrichter in Leipzig. Das
BGB. für das Deutſche Reich nebit dem EG.
erläutert durch die Rechtſprechung. 2. Auflage.
Leipzig 1907, Roßbergſche Verlagsbuchhandlung
(Arthur Roßberg). Gebd. Mk. 7.—.
Das Buch iſt allgemein bekannt und bedarf daher
wohl keiner weiteren Empfehlung. — d —
Notizen.
Die neuen Borſchriften über die Polizeiſtunde.
Im Alter von 45 Jahren ſcheidet die ANH. VO.
vom 18. Juni 1862, die Polizeiſtunde betr., am
1. April 1908 aus der Welt, um einer neuen, zeit-
gemäßen Verordnung — Allh. VO. vom 5. Februar
1908, betr. die Polizeiſtunde, GVBl. S. 55, — Platz
zu machen. Ungeändert bringt die neue Verordnung
die Beſtimmungen ihrer Vorgängerin über die ge—
ſelligen Vereine und geſchloſſenen Geſellſchaften, dann
die Beſtimmung, daß die Polzeiſtunde für die Städte
auf 12 Uhr Mitternacht, für die übrigen Gemeinden
auf 11 Uhr abends feſtgeſetzt iſt, endlich die Be—
ſtimmung wieder, daß am Faſtnachtsdienstage eine
Hinausſchiebung der Polizeiſtunde über Mitternacht
ausgeſchloſſen iſt. Im übrigen enthält ſie vollſtändig
neue und, was auch hier wieder dankbarſt anzuerkennen
iſt, klare und damit den Vollzug und die Strafrechts—
pflege weſentlich erleichternde Beſtimmungen. Sie
laſſen ſowohl eine Verſchärfung wie eine Abſchwächung
der allgemein feſtgeſetzten Polizeiſtunde allgemein,
wie für den einzelnen Fall zu. Doch iſt hiermit, wie
in der beigegebenen Vollzugsbekanntmachung vom
6. Februar 1908 (GBl. S. 57) ausdrücklich bemerkt
iſt, keineswegs beabſichtigt, einen ausgedehnteren Be—
trieb der Wirtſchaften im ganzen Lande herbei-
zuführen. Vielmehr ſoll nur da, wo ſich infolge der
örtlichen Entwicklung der Verkehrsverhältniſſe die bis—
herige Regelung als unzutreffend erwieſen hat, eine
entſprechende Berückſichtigung dieſer Verhältniſſe er—
möglicht werden, und es ſoll insbeſondere da, wo eine
ſolche Berückſichtigung bisher nur mittelſt einer von
den Poligeibehörden geübten ſtillſchweigenden Duldung
fortgeſetzter Geſetzesübertretungen ſtattgefunden hat,
dieſer geſetzwidrige Zuſtand beſeitigt werden. Den
Zweifeln, wie lange die Wirtſchaften geſchloſſen ſein
müſſen und von welcher Stunde an wieder Gäſte auf-
genommen werden dürfen, iſt nunmehr durch die aus—
drückliche Beſtimmung vorgebeugt, daß Gäſte in
Schankſtuben und öffentlichen Vergnügungsorten — ab—
geſehen von den beſonderen Genehmigungen — bis
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr.
6.
6 Uhr morgens nicht verweilen dürfen. Unter die
Schankſtuben fallen, nebenbei bemerkt, auch die ſog.
Kaffeegeſchäfte. Um aber den verſchiedenartigſten
Wünſchen und Verkehrsverhältniſſen entgegen-
zukommen, kann durch ortspolizeiliche Vorſchrift die
Polizeiſtunde allgemein oder für beſtimmte Wirt⸗
ſchaftsgattungen, für den ganzen Gemeindebezirk oder
einen Teil, für das ganze Jahr oder für beſtimmte
Monate, Wochen oder Tage anderweitig geregelt werden.
Dieſe Regelung kann für vorübergehende Zwecke er⸗
folgen oder fortdauernde Geltung haben. Erfolgt
dieſe Regelung dahin, daß eine ſpätere Stunde als
wie die allgemein geltende feſtgeſetzt wird, oder daß
das Verweilen von Gäſten vor 6 Uhr morgens ge⸗
ſtattet wird, ſo kann ſie nur durch eine ortspolizeiliche
Vorſchrift, die fortdauernde Geltung hat, bewirkt
werden, die dann gemäß Art. 6 PStGB. der Kreis⸗
regierung vorzulegen und im übrigen nach dieſer Be⸗
ſtimmung zu behandeln iſt. Dieſe Regelung kann
jedoch nur erfolgen, wenn es die örtlichen Verhältniſſe
unbedingt erfordern, und wenn ſie erfolgt, ſo darf die
Verlängerung der Polizeiſtunde nicht über 2 Uhr
nachts ausgedehnt und das Verweilen von Gäſten
vor 4 Uhr morgens nicht geſtattet werden. Abgeſehen
von dieſer ſchon eine weitgehende Berückſichtigung der
örtlichen Bedürfniſſe ermöglichenden Befugnis können
die Polizeibehörden noch bei beſonderen Anläſſen
durch ſchriftliche Verfügung Abweichungen von der
Polizeiſtunde, d. i. ſowohl von der durch die Ber-
ordnung feſtgeſetzten allgemeinen, wie von der durch
ortspolizeiliche Vorſchriſt an deren Stelle geſetzten,
bewilligen und zwar ſteht dieſes Recht den Orts—
polizeibehörden für eine einzelne Wirtſchaft und für
einen beſtimmten einzelnen Tag, den Diſtriktspolizei⸗
behörden auch für ſämtliche Wirtſchaften einer Ge⸗
meinde, ſowie für mehrere Tage zu; in gleichem Um⸗
fange kann die Diſtriktspolizeibehörde auch die Polizei⸗
ſtunde ganz aufheben. Endlich können in Städten
mit mehr als 20000 Einwohnern die Ortspolizei⸗
behörden einzelnen Wirtſchaften für das ganze Jahr
oder für beſtimmte Monate in ſtets widerruflicher
Weiſe eine ſpätere Polizeiſtunde bewilligen oder die
Polizeiſtunde ganz aufheben; von dieſer Ermächtigung
iſt jedoch nur ein ſtreng bemeſſener, auf die Fälle
eines wirklichen Bedürfniſſes beſchränkter Gebrauch
zu machen und durch die Genehmigungsbedingungen
Mißbräuchen und Ausſchreitungen von vorneherein
entgegenzutreten. Dem durch dieſe Vorſchriften den
Wirten und dem Publikum bewieſenen Entgegen—
kommen ſteht aber als notwendiges Gegengewicht die
Beſtimmung gegenüber, daß unter beſtimmten Voraus—
ſetzungen durch behördliche Verſügung, ſowohl für
einzelne Wirtſchaften als auch bei dringenden außer—
ordentlichen Veranlaſſungen für alle Wirtſchaften
eines beſtimmten Gebietes eine frühere Polizeiſtunde
als wie die allgemein feſtgeſetzte beſtimmt werden
kann. —t—
1188
Die Straſmitteilnngen an die öffentlichen Unter-
ſuchungdanſtalten für Nahrungs⸗ und Genußmittel.
Durch eine Bekanntmachung vom 10. Februar d. 8.
(JM Bl. S. 58) werden die bisherigen Vorſchriften
erſetzt. Eine grundſätzliche Aenderung iſt nicht ein⸗
getreten. Die Mitteilung erfolgt wie bisher in An-
ſehung der in dem abgelaufenen Vierteljahr erz
ledigten Strafverfahren ohne Unterſchied ihres Ergeb—
niſſes. Die Abgabe der Sache an den Amtsanwalt
oder die Ueberweiſung an das Schöffengericht iſt nicht
mehr mitzuteilen. Bei der Mitteilung iſt eine Tabelle
auszufüllen. Gegebenenfalls iſt Fehlanzeige zu er⸗
|
ſtatten. Der Schlußabſatz wendet ſich an die Gerichte.
Eigentum von J. Schweißer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Sie haben den öffentlichen Unterſuchungsanſtalten auf
deren Antrag, der einer Begründung nicht bedarf,
koſtenlos Abſchriften der Entſcheidungen zu erteilen.
Zu dem Antrage dürften alle in Nr. 1 der Bekannt⸗
machung genannten Anſtalten berechtigt ſein, nicht nur
die Anſtalt, die in der Strafſache ein Gutachten
erſtattet hat.
1198
Die Beſtrafung roher und unſittlicher Handlungen.
Man ſtreitet bekanntlich darüber, ob die Kriminalitat
in Deutſchland ſteigt oder ſinkt. Aus den ſtatiſtiſchen
Zahlen läßt ſich — zunächſt für Bayern — jedenfalls
zweierlei mit Sicherheit entnehmen: eine abſolute und
relative Zunahme der Verbrechen und Vergehen wider
die Sittlichkeit und eine abſolute und relative Abnahme
der Vermögensdelikte. Beſonders die Verurteilungen
wegen Unzucht mit Kindern und Notzucht zeigen ein
bedauerliches Anſchwellen. 1895 erfolgten hierwegen in
Bayern 762 Verurteilungen, 1905 dagegen 1131. Auch
die Verurteilungen wegen Körperverletzung nehmen im
allgemeinen abſolut zu. Ihre prozentuale Beteiligung
an der Geſamtzahl der ſtrafbaren Handlungen zeigt aber
nur geringe Schwankungen (Näheres auf S. XXIX f.,
80 f. der bayr. Juſtizſtatiſtik für das Jahr 1906).
Nach der Bekanntmachung vom 19. Februar d. Js.
(JM Bl. S. 57) entſprechen die vielfach milden Strafen
wegen Verübung roher und unſittlicher Handlungen
namentlich dann nicht dem öffentlichen Rechtsbewußt—
ſein, wenn die Handlungen ſich gegen Frauen oder
Kinder und noch dazu unter Mißbrauch eines Abhängig:
keitsverhältniſſes gerichtet haben. Die Bevölkerung
weiſt auf das Mißverhältnis dieſer Strafen zu der
Höhe der Strafen hin, die wegen oft geringfügiger
Vermögensdelikte verhängt wurden. Die Staats⸗
anwälte werden deshalb angehalten, in jedem Stadium
des Verfahrens auf die Ermittelung der Tatſachen hin⸗
zuwirken, die für die Beſtimmung der Strafe von Be⸗
deutung find. Sie follen fih nicht auf den Schuld—
beweis beſchränken, ſondern ihre Ermittelungen auf
die perſönlichen und Familienverhältniſſe des Täters.
unter Umſtänden auch auf ſeine körperliche und geiſtige
Verfaſſung, dann auf die Verhältniſſe des Verletzten
und die Frage des Schadenserſatzes erſtrecken. Das
Gericht ſoll in der Lage ſein, auch die Wirkung der
Strafe auf den Verurteilten zu ermeſſen, d. h. zu
individualiſieren. Kommt der Staatsanwalt dann zu
dem Ergebniſſe, daß eine ſtrenge Beſtrafung des
Schuldigen am Platze iſt, ſo hat er ſeinen Standpunkt
namentlich bei rohen und unſittlichen Angriffen auf
Frauen und Kinder mit Nachdruck geltend zu machen
und entſprechend empfindliche Strafen zu beantragen.
Zu der Klage, daß die Strafen wegen der Eingriffe
in fremdes Vermögen und wegen roher oder unſittlicher
Handlungen häufig nicht im richtigen Verhältniſſe ftin-
den, mag noch bemerkt werden, daß hierfür nicht in letzter
Linie die dem Empfinden der Gegenwart nicht immer
entſprechende geſetzliche Feſtlegung des Strafrahmens
verantwortlich iſt. Man iſt darüber einig, daß die
Reform des Strafrechtes hier Abhilfe ſchaffen muß.
1206
Berichtigung.
Zu der Mitteilung auf S. 104 in Nr. 5 oben ſei
noch nachgetragen, daß auf die vor dem 1. Januar 19%
gegründeten priv. Schützengeſellſchaften die Vorſchrift
des EG. z. BGB. Art. 163 mit BGB. 8 89 An:
wendung findet. D.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
Ur. 7. 7
ril tiriti für Kedhtspflege
Herausgegeben von
Ch. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlerteljäbrlich
Ak. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Beitanftalt (Beitzettungstiite für Bayern Nr. 9742).
in Bayern
Verlag von
2. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzelle
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten
din Entwurf eines Geſetzes betr. Aenderungen
des Serichtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeß⸗
nung, des Gerichtskoſtengeſetzes und der
Gebührenordnung für Lechtsanwälte.
Bon Dr. Friedrich Hellmann, e ee
in München.
Die Beilage 2 zu Nr. 55 des Reichsanzeigers
dom 4. März 1908 brachte den Text des ge⸗
nannten Entwurfs, wie er auf Grund der Be:
tatungen des Bundesrats dem Reichstage am
28. Februar 1908 zugegangen iſt. Gleichzeitig
iſt der Entwurf mit Begründung in Carl Hey⸗
manns Verlag erſchienen.
Obwohl dieſe Zeitſchrift in Nr. 21 und 22
des Jahrgangs 1907 dem an den Bundesrat
gelangten Entwurf eine eingehende Beſprechung
gewidmet hat und gerade weil dies geſchah, läßt
ſich eine Erörterung des jetzt vorliegenden Ent⸗
wurfs nicht umgehen. Denn die in der Be:
ſprechung jenes erſten Entwurfs ausgedrückte Er⸗
wartung, er werde ohne weſentliche Aende⸗
tungen vom Bundesrate angenommen werden,
hat ſich nicht verwirklicht. Die vom Bundesrate
vorgenommenen Aenderungen find vielmehr zahl-
teich und teilweiſe von einſchneidender Bedeutung.
I. Gerichtsverfaſſungsgeſetz.
Das, worauf es den verbündeten Regierungen
dor allem anzukommen ſchien — die Erweiterung
der amtsgerichtlichen Zuſtändigkeit auf einen Wert
für manche Gegenden des Reiches durch Ver—
größerung der Landgerichtsbezirke der Bevölkerung
die Aufſuchung des land gerichtlichen Rechtsweges
erſchwert werden kann. Dem ſteht aber in zahl⸗
loſen Fällen als Aequivalent die Erleichterung des
amtsgerichtlichen Rechtsweges gegenüber.
Die
Gefahr einer Verringerung der Zahl der Land—
don 800 M — ift allerdings unverändert geblieben. geſe un l
Geſetz wird, fo modifiziert er eben $ 8 Abi. 1;
auch wäre das fo geichaffene „Richteramphibium“
Die gegen dieſe Zuſtändigkeitserweiterung er⸗
bobenen Bedenken find eingehend ſoeben wieder
don Schrutka von Rechtenſtamm in Grünhuts3.
für das Privat⸗ und öffentliche Recht Bd. 53
8. 227— 233 gewürdigt worden. Dem ift kaum
etwas hinzuzufügen.
Freilich läßt ſich nicht leugnen, daß die Ent⸗
loung der Landgerichte, welche fih im Gefolge
der erweiterten Zuſtändigkeit der Amtsgerichte ein⸗
tellen wird, möglicherweiſe die Aufhebung einer
Anzahl von en mit ſich bringt und ſo
gerichte wird übrigens durch die ſchrankenloſe Zu⸗
laſſung der Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile
im Gegenſatze zu dem im erſten Entwurf auf⸗
geſtellten Erfordernis der summa appellabilis
von 50 M erheblich vermindert. Darin liegt
die weſentlichſte Verbeſſerung des zweiten
Entwurfs, die um ſo mehr zu begrüßen iſt, als
dadurch die Verſtärkung der ohnehin bedauerlichen
Inkonſequenz unſerer Reviſionsſumme vermieden
wird. Die Rückſicht auf das Fortkommen der
jungen Juriſten dürfte aber kaum verletzt ſein,
da die erhöhte Geſchäftslaſt der Amtsgerichte eine
entſprechende Vermehrung der Amtrsrichterſtellen
notwendig machen wird. Offen bleibt allerdings
die Frage, ob wegen der Streitſachen im Werte
zwiſchen 300 und 800 M die Entlaſtung der
Oberlandesgerichte ſo bedeutſam werden kann,
daß die Zahl der Richter an den Oberlandes—
gerichten eine Verringerung erfahren muß.
Die auch im zweiten Entwurf vorgeſehene
Zuläſſigkeit ($ 58 Abſ. 2) der Beſtimmung von
Landgerichtsmitgliedern zum gleichzeitigen Dienſt
am Amtsgerichte des Landgerichtsſitzes iſt zwar
nicht, wie in dieſer Zeitſchrift (a. a. O. S. 422
bemerkt wurde, durch 88 Abi. 1 GVG. aus—
geſchloſſen; denn wenn § 58 Abſ. 2 des Entwurfes
(dieſe Zeitſchrift a. a. O.) keineswegs eine „ganz
neue Erfindung“ (in Oeſterreich beſteht eine ſolche
Einrichtung, val. Schrutka a. a. O. S. 230);
aber auf alle Fälle wäre eine ſolche Einrichtung
vom Geſichtspunkte der richterlichen Unabhängig—
keit höchſt beklagenswert, wie Schrutka (a. a. O.)
zutreffend ausführt.
Für den standard der Rechtsanwälte werden
die Schäden der Neuerung vorausſichtlich aus—
132 Zeiiſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 6.
2 ge — — PE A
nn TZ = — —————
6 Uhr morgens nicht verweilen dürfen. Unter die | Sie haben den öffentlichen Unterſuchungsanſtalten auf
Schankſtuben fallen, nebenbei bemerkt, auch die ſog. deren Antrag, der einer Begründung nicht bedarf.
Kaffeegeſchäfte. Um aber den verſchiedenartigſten koſtenlos Abſchriften der Entſcheidungen zu erteilen -
Wünſchen und Verkehrsverhältniſſen entgegen⸗ Zu dem Antrage dürften alle in Nr. 1 der Bekannt
zukommen, kann durch ortspolizeiliche Vorſchrift die | madung genannten Anftalten berechtigt fein, nicht nur
Polizeiſtunde allgemein oder für beſtimmte Wirt⸗ die Anſtalt, die in der Strafſache ein Gutachterr
ſchaftsgattungen, für den ganzen Gemeindebezirk oder erſtattet hat.
einen Teil, für das ganze Jahr oder für beſtimmte 1198
Monate, Wochen oder Tage anderweitig geregelt werden. ,
Dieſe Regelung kann für vorübergehende Zwecke er⸗ Die Beſtraſung roher und unfittlicher andlungen
folgen oder fortdauernde Geltung haben. Erfolgt Man ſtreitet bekanntlich darüber, ob die Kriminalität
dieſe Regelung dahin, daß eine ſpätere Stunde als in Deutſchland ſteigt oder ſinkt. Aus den ſtatiſtiſcherr
wie die allgemein geltende feſtgefetzt wird, oder daß Zahlen läßt ſich — zunächſt für Bayern — jedenfalls
das Verweilen von Gäſten vor 6 Uhr morgens ge⸗ zweierlei mit Sicherheit entnehmen: eine abſolute und
ſtattet wird, ſo kann ſie nur durch eine ortspolizeiliche relative Zunahme der Verbrechen und Vergehen wider
Vorſchrift, die fortdauernde Geltung hat, bewirkt die Sittlichkeit und eine abſolute und relative Abnahme
werden, die dann gemäß Art. 6 PStGB. der Kreis⸗ der Vermöͤgensdelikte. Beſonders die Verurteilungen
regierung vorzulegen und im übrigen nach dieſer Be⸗ wegen Unzucht mit Kindern und Notzucht zeigen ein
timmung zu behandeln iſt. Dieſe Regelung kann bedauerliches Anſchwellen. 1895 erfolgten hierwegen in
jedoch nur erfolgen, wenn es die örtlichen Verhältniſſe Bayern 762 Verurteilungen, 1905 dagegen 1131. Auch
unbedingt erfordern, und wenn ſie erfolgt, ſo darf die die Verurteilungen wegen Körperverletzung nehmen im
Verlängerung der olizeiſtunde nicht über 2 Uhr allgemeinen abſolut zu. Ihre prozentuale Beteiligung
nachts ausgedehnt und das Verweilen von Gäſten an der Geſamtzahl der ſtrafbaren Handlungen zeigt aber
vor 4 Uhr morgens nicht geſtattet werden. Abgeſehen nur geringe Schwankungen (Näheres auf S. XXIX f.,
von dieſer ſchon eine weitgehende Berückſichtigung der 80 f. der bayr. Juſtizſtatiſtik „ Jahr 1906).
durch ſchriftliche Verfügung Abweichungen von der wegen Verübung roher und unſittlicher Handlungen
Polizeiſtunde, d. i. ſowohl von der durch die Ver⸗ namentlich dann nicht dem öffentlichen Rechtsbewußt⸗
ordnung feſtgeſetzten allgemeinen, wie von der durch ſein, wenn die Handlungen ſich gegen Frauen oder
orts polizeiliche Vorſchrift an deren Stelle geſetzten, Kinder und noch dazu unter Mißbrauch eines Abhängig⸗
bewilligen und zwar ſteht dieſes Recht den Orts⸗ teitsverhältniſſes gerichtet haben. Die Bevölkerung
polizeibehörden für eine einzelne Wirtſchaft und für weiſt auf das Mißverhältnis dieſer Strafen zu der
einen beſtimmten einzelnen Tag, den Diſtriktspolizei⸗ Höhe der Strafen hin, die wegen oft geringfügiger
behörden auch für ſämtliche Wirtſchaften einer Ge- Verumögensdelikte verhängt wurden. Die Staats⸗
meinde, ſowie für mehrere Tage zu: in gleichem Um⸗ anwälte werden deshalb angehalten, in jedem Stadium
fange kann die Diſtriktspolizeibehörde auch die Polizei⸗ | des Verfahrens auf die Ermittelung der Tatſachen hin⸗
ſtunde ganz aufheben. Endlich können in Städten zuwirken, die für die Beſtimmung der Strafe von Be⸗
mit mehr als 20000 Einwohnern die Ortspolizei⸗ deutung ſind. Sie ſollen ſich nicht auf den Schuld⸗
behörden einzelnen Wirtſchaften für das ganze Jahr beweis beſchränken, ſondern ihre Ermittelungen auf
oder für beſtimmte Monate in ſtets widerruflicher die perſönlichen und Familienverhältniſſe des Täters,
Weiſe eine ſpätere Polizeiſtunde bewilligen oder die unter Umſtänden auch auf ſeine körperliche und geiſtige
Polizeiſtunde ganz aufheben; von dieſer Ermächtigung Verfaſſung, dann auf die Verhältniſſe des Verletzten
iſt jedoch nur ein ſtreng bemeſſener, auf die Fälle und die Frage des Schadenserſatzes erſtrecken. Das
eines wirklichen Bedürfniſſes beſchränkter Gebrauch Gericht ſoll in der Lage ſein, auch die Wirkung der
zu machen und durch die Genehmigungsbedingungen Strafe auf den Verurteilten zu ermeſſen, d. h. zu
Mißbräuchen und Ausſchreitungen von vorneherein individualiſieren. Kommt der Staatsanwalt dann zu
entgegenzutreten. Dem durch dieſe Vorſchriften den | dem Ergebniſſe, daß eine ſtrenge Beſtrafung des
Wirten und dem Publikum bewieſenen Entgegen⸗ Schuldigen am Platze iſt, ſo hat er ſeinen Standpunkt
kommen ſteht aber als notwendiges Gegengewicht die namentlich bei rohen und unſittlichen Angriffen auf
Beſtimmung gegenüber, daß unter beſtimmten Voraus⸗ Frauen und Kinder mit Nachdruck geltend zu machen
ſetzungen durch behördliche Verſügung⸗ ſowohl für und entſprechend empfindliche Strafen zu beantragen.
einzelne Wirtſchaften als auch bei dringenden außer⸗ Zu der Klage, daß die Strafen wegen der Eingriffe
ordentlichen Veranlaſſungen für alle Wirtſchaften in fremdes Vermögen und wegen roher oder unſittlicher
eines beſtimmten Gebietes eine frühere Polizeiſtunde Handlungen häufig nicht im richtigen Verhältniſſe ſtün⸗
als wie die allgemein feſtgeſetzte beſtimmt werden den, mag noch bemerkt werden, daß hierfür nicht in letzter
kann. — t — Linie die dem Empfinden der Gegenwart nicht immer
1188 entſprechende geſetzliche Feſtlegung des Strafrahmens
3 verantwortlich ift. Man it darüber einig, daß die
Die Straſmitteilungen an die öffentlichen Unter- Reform des Strafrechtes hier Abhilfe ſchaffen muß.
ſuchungsanſtalten für Nahrungs⸗ und Genußmittel. 1205
Durch eine Bekanntmachung vom 10. Februar d. Js.
Er —
———
(JMBl. S. 58) werden die bisherigen Vorſchriften BR
erſetzt. Eine grundſätzliche Aenderung iſt nicht ein⸗ Mi 5 in Nr. 5 oben sei
getreten. Die Mitteilung erfolgt wie bisher in An⸗ Zu der äitteilung auf S. 104 m r. 5 oben Iet
ehung der in dem abgelaufenen Vierteljahr er⸗ noch nachgetragen, daß auf die vor dem 1. Januar 1900
ledigten Strafverfahren ohne Unterſchied ihres Ergeb- gegründeten priv. Schützengeſellſchaften die Vorſchrift
niſſes. Die Abgabe der Sache an den Amtsanwalt des EG. z. BGB. Art. 163 mit BGB. 8 89 An⸗
oder die Ueberweiſung an das Schöffengericht Mi nicht wendung findet. D.
mehr mitzuteilen. Bei der Mitteilung iſt eine Tabelle wendung er Pfordten,
auszufüllen. Gegebenenfalls iſt Fehlanzeige zu ek; Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
ſtatten. Der Schlußabſatz wendet ſich an die Gerichte. K. Landgerichtsrat in München.
— CEigentum von J. Schweißer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck vou Dr. Franz Paul Patterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
— —
Nr. 7.
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljäbrlich
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9742).
München, den 1. April 1908.
T A .
4. Jahrg.
Ititſchrift für Rechtspflege
in Bayern
.
4
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats 0
Verlag von
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ZA: Inſertionsgebübr 30 Pig. für die balbgeſpaltene Petitzeille
5% oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten
Zum Entwurf eines Geſetzes betr. Aenderungen für manche Gegenden des Reiches durch Der:
des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeß⸗
ordnung, des Cerichtsloſtengeſetzes und der
loſen Fällen als Aequivalent die Erleichterung des
Gebührenordnung für Lechtsanwälte.
Bon Dr. Friedrich Hellmann, Univerſitätsprofeſſor
in München.
Die Beilage 2 zu Nr. 55 des Reichsanzeigers
vom 4. März 1908 brachte den Text des ge—
nannten Entwurfs, wie er auf Grund der Be—
ratungen des Bundesrats dem Reichstage am
28. Februar 1908 zugegangen iſt. Gleichzeitig
ift der Entwurf mit Begründung in Carl Hey:
manns Verlag erſchienen.
Obwohl dieſe Zeitſchrift in Nr. 21 und 22
des Jahrgangs 1907 dem an den Bundesrat
gelangten Entwurf eine eingehende Beſprechung
gewidmet hat und gerade weil dies geſchah, läßt
ſich eine Erörterung des jetzt vorliegenden Ent—
wurfs nicht umgehen. Denn die in der Be:
ſprechung jenes erſten Entwurfs ausgedrückte Er:
wartung, er werde ohne weſentliche Aende:
rungen vom Bundesrate angenommen werden,
hat ſich nicht verwirklicht. Die vom Bundesrate
vorgenommenen Aenderungen ſind vielmehr zahl—
reich und teilweiſe von einſchneidender Bedeutung.
I. Gerichtsverfaſſungsgeſetz.
Das, worauf es den verbündeten Regierungen
amtsgerichtlichen
größerung der Landgerichtsbezirke der Bevölkerung
die Aufſuchung des land gerichtlichen Rechtsweges
erſchwert werden kann. Dem ſteht aber in zahl:
Rechtsweges gegenüber. Die
Gefahr einer Verringerung der Zahl der Land—
gerichte wird übrigens durch die ſchrankenloſe Zu:
laſſung der Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile
im Gegenſatze zu dem im erſten Entwurf auf—
geſtellten Erfordernis der summa appellabilis
von 50 M erheblich vermindert. Darin liegt
die weſentlichſte Verbeſſerung des zweiten
Entwurfs, die um ſo mehr zu begrüßen iſt, als
dadurch die Verſtärkung der ohnehin bedauerlichen
Inkonſequenz unſerer Reviſionsſumme vermieden
wird. Die Rückſicht auf das Fortkommen der
jungen Juriſten dürfte aber kaum verletzt ſein,
da die erhöhte Geſchäftslaſt der Amtsgerichte eine
entſprechende Vermehrung der Amtsrichterſtellen
notwendig machen wird. Offen bleibt allerdings
die Frage, ob wegen der Streitſachen im Werte
zwiſchen 300 und 800 M die Entlaſtung der
Oberlandesgerichte ſo bedeutſam werden kann,
daß die Zahl der Richter an den Oberlandes—
gerichten eine Verringerung erfahren muß.
Die auch im zweiten Entwurf vorgeſehene
Zuläſſigkeit ($ 58 Abſ. 2) der Beſtimmung von
Landgerichtsmitgliedern zum gleichzeitigen Dienſt
vor allem anzukommen ſchien — die Erweiterung
der amtsgerichtlichen Zuſtändigkeit auf einen Wert
von 800 M — ift allerdings unverändert geblieben.
Die gegen dieſe Zuſtändigkeitserweiterung er—
hobenen Bedenken find eingehend ſoeben wieder
von Schrutka von Rechtenſtamm in Grünhutsz.
am Amtsgerichte des Landgerichtsſitzes iſt zwar
nicht, wie in dieſer Zeitſchrift (a. a. O. S. 422
bemerkt wurde, durch 8 8 Abſ. 1 GWG. aus:
geſchloſſen; denn wenn § 58 Abſ. 2 des Entwurfes
Geſetz wird, fo modifiziert er eben § 8 Abt. 1;
auch wäre das ſo geſchaffene „Richteramphibium“
[dieſe Zeitſchrift a. a. O.) keineswegs eine „ganz
für das Privat⸗ und öffentliche Recht Bd. 53
S. 227— 233 gewürdigt worden. Dem iſt kaum
etwas hinzuzufügen.
Freilich läßt ſich nicht leugnen, daß die Ent:
laſtung der Landgerichte, welche ſich im Gefolge
der erweiterten Zuſtändigkeit der Amtsgerichte ein—
ſtellen wird, möglicherweiſe die Aufhebung einer
Anzahl von Landgerichten mit ſich bringt und ſo
neue Erfindung“ (in Oeſterreich beſteht eine ſolche
Einrichtung, vgl. Schrutka a. a. O. S. 230);
aber auf alle Fälle wäre eine ſolche Einrichtung
vom Geſichtspunkte der richterlichen Unabhängig—
keit höchſt beklagenswert, wie Schrutka (a. a. O.)
zutreffend ausführt.
Für den standard der Rechtsanwälte werden
die Schäden der Neuerung vorausſichtlich aus—
13 e für Rechtspflege in Bayern. 1908. Wr 7.
— — — —
geglichen durch die wichtige neue Vorſchrift des
zweiten Entwurfs Art. IV Nr. 2, wonach § 52
der RAGO. folgende Faſſung erhält:
„In der Berufungsinſtanz und in der
Reviſionsinſtanz erhöhen ſich die Gebührenſätze
um drei Zehnteile“.
Wenn alſo der verwerfliche Satz über die Ver⸗
wendbarkeit von Landgerichtsmitgliedern zu Amts⸗
richtern fallen gelaſſen würde, ſo könnte man mit
der Zuſtändigkeitserweiterung auf 800 M um fo
mehr einverſtanden ſein, als die Erfahrungen in
Oeſterreich, wo die Einzelgerichte bis zu 1000
Kronen zuſtändig find, Mißſtände nicht zu ver:
zeichnen ſcheinen.
Eine bemerkenswerte Aenderung — vielleicht
eine Verbeſſerung — des erſten Entwurfs enthält
Art. I Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 5a und
Nr. 6 des zweiten Entwurfs. Während nach
jenem die amtsgerichtlichen Handelsſachen in der
Berufungsinſtanz vor den Zivilkammern der Land—
gerichte zu verhandeln geweſen wären, ſollen ſie
nach dem letzteren an die Kammern für Handels-
ſachen gelangen in entſprechender Anwendung der
Regeln, welche für die Geſchäftsverteilung zwiſchen
Zivilkammern und Kammern für Handelsſachen
in erſter Inſtanz gelten.
Zu dieſem Zweck fol u. a. $ 71 GWG. fo
gefaßt werden:
„Die Zivilkammern einſchließlich der Kammern |
für Handelsſachen ſind die Berufungs- und Be⸗
ſchwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten
verhandelten bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten“.
An dieſer Faſſung hätte ich auszuſetzen, daß
ſie den Eindruck erwecken müßte, als gebe es bei
den Landgerichten zwei Arten von „Zivilkammern“,
von denen die eine „Zivilkammer“ ſchlechthin, die
andere „Kammer für Handelsſachen“ heiße (vv.:
„einſchließlich der K. f. H.“). Das würde
nicht ſtimmen zu dem ſonſtigen Sprachgebrauch
des Geſetzes, der „Zivilkammer“ ſtets im Gegen:
ſatz zu „Kammer für Handelsſachen“ verwendet.
Man vergleiche zunächſt den neu eingeſtellten
§ 100 a des vorliegenden Entwurfs:
„Iſt bei einem Landgerichte eine Kammer für
Handelsſachen gebildet, ſo tritt für Handels⸗
ſachen diefe Kammer an die Stelle der Zivil:
kammer.
Tritt die Kammer für Handelsſachen an die
Stelle der Zivilkammer, jo kann man nicht jagen,
daß ſie in der Zivilkammer eingeſchloſſen ſei.
Man vergleiche ferner GVG. SS 103—105,
107, wo der Gegenſatz durch die Regeln über
die Verweiſung von einer Kammer an die andere
hervortritt.
Es wäre daher in 71 GWG. wohl ſchöner
zu ſagen: „Die Zivilkammern und die Kammern
für Handelsſachen find...
Bei dieſer Gelegenheit mag gleich ein weiterer
+
Schönheitsfehler des zweiten Entwurfes gerügt werden,
der in Art. II Nr. 13 dem $ 508 anhaftet. $ 508
ſoll nämlich lauten:
„Der Gerichtsſchreiber hat die Zuſtellung
des Verſäumnisurteils zu vermitteln, ſofern
nicht die Partei, welche das Urteil erwirkt hat,
erklärt hat, ſelbſt einen Gerichtsvollzieher mit
der Zuſtellung beauftragen zu wollen“.
Man könnte das dritte „hat“ wohl ohne
Beeinträchtigung des Sinnes weglaſſen.
Völlig neu ſind in dem zweiten Entwurfe die
in Art. I Nr. 3—9 enthaltenen Vorſchlaͤge, Nr. 3
und 4 betreffen die ſchon erwähnte Aenderung
des § 71 GWG. und die Einſchaltung des an:
geführten $ 100 a hinter $ 100 GVG.
Nr. 5 will den Kreis der Handelsſachen anders
als bisher $ 101 umſchreiben. Ausgeſchaltet ſollen
werden die in GVG. $ 101 Nr. 3e angeführten
Anſprüche aus dem Rechtsverhältniſſe zwiſchen dem
Prinzipal und feinem kaufmänniſchen Perſonal.
nachdem für Klagen wegen ſolcher Anſprüche jetzt
die Kaufmannsgerichte ausſchließliche ſachliche Zur
ſtändigkeit erlangt haben und es für bedenklich
erachtet wurde, ſie in der Berufungsinſtanz einem
Gerichte zuzuweiſen, in dem Prinzipale die Mehr⸗
heit bilden. Eingeſchaltet ſollen werden als Nr. 4
bis 6 des $ 101 die Anſprüche aus dem Wett⸗
bewerbs⸗, Börſen- und Reichsſtempelgeſetze.
Da nach dem erwähnten Prinzip, daß die
Kammer für Handelsſachen in Handelsſachen an
die Stelle der Zivilkammer treten ſoll, die
Kammer für Handelsſachen auch für das Rechts⸗
mittel der Beſchwerde anzugehen iſt, ſo hat der
neue Entwurf folgerichtig Verweiſungsregeln in
8 108 a GGG. aufgeſtellt für die Fälle, wo die
Beſchwerde an die unrichtige Kammer gelangt iſt.
Die Faſſung des $ 109 Abſ. 3 GVWG., wo-
nach in Prozeſſen zwiſchen Reeder oder Schiffer
und Schiffsmannſchaft aus dem zwiſchen ihnen
beſtehenden Rechtsverhältniſſe der Vorfitzende allein
entſcheiden kann, paßt nur für das Verfahren
erſter Inſtanz. Das verſtand ſich bisher von
ſelbſt, weil die Kammern für Handelsſachen nur
in erſter Inſtanz entſcheiden konnten. Nun ſollen
ſie, wie geſagt, auch Berufungsgerichte ſein. Des⸗
halb ſoll $ 109 Abſ. 3 ſo gefaßt werden:
„In Streitigkeiten, welche ſich auf das Rechts⸗
verhältnis zwiſchen Reeder oder Schiffer und
Schiffsmannſchaft beziehen, kann die Ent:
ſcheidung in erſter Inſtanz durch den Vor⸗
ſitzenden allein erfolgen“.
Die Neufaſſung des § 202 Abi. 3 GVG.
hat im zweiten Entwurfe inſofern eine Aenderung
erfahren, als im Verfahren vor den Landgerichten
und in den höheren Inſtanzen das Gericht ſolche
Sachen, die nicht unter Abſ. 1 des $ 202 fallen,
auf Antrag als Ferienſachen nicht bloß erklären
kann, ſondern ſoll.
— — ee ——ͤ— so e ee, — ñä——k4w . ——— — — — — — — ͤ U2— ‘Mool o’
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern.
II. Zivilprozeßordnung. |
Die geplanten Aenderungen der ZPO. be:
treffen ſchon im erſten Entwurfe zunächſt das
Koſtenfeſtſetzungsverfahren und übertragen die
Koſtenfeſtſetzung dem Gerichtsſchreiber ſtatt des
Gerichtes. Trotzdem hatte der erſte Entwurf den
5 91 ZPO. unverändert gelaſſen, wo es heißt,
die Koſten ſeien zu erſtatten, ſoweit ſie nach
freiem Ermeſſen des Gerichtes notwendig
waren (Abſ. 1), und die Reiſekoſten eines aus⸗
wärtigen Rechtsanwalts nur inſoweit, als die Zu⸗
ziehung nach dem Ermeſſen des Gerichts
notwendig war. Die geſperrt gedruckten Worte
find im zweiten Entwurfe folgerichtig geſtrichen
worden.
Die Faſſung des neuen § 104 erhielt jetzt in
Abſ. 1 den Zuſatz, daß die Entſcheidung des
Gerichtsſchreibers aber den Koſtenfeſtſetzungsantrag
den Parteien von Amts wegen zuzuſtellen ſei und
in Abſ. 3 die Ergänzung, daß die Entſcheidung
ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen
und daß das Gericht vor der Entſcheidung über
die Erinnerungen gegen den Feſſtſetzungsbeſchluß
durch einen der ſofortigen Beſchwerde zugänglichen
Beſchluß die Ausſetzung des Vollzuges der Koſten⸗
feſtſetzung anordnen könne.
Durch die letztere Beſtimmung iſt einem
Monitum Seufferts (in dieſer Zeitſchrift a. a. O.
S. 422) in gewiſſem Maße Rechnung getragen
worden. Die übrigen erwähnten Ergänzungen
des erſten Entwurfs ſetzen verſtändigerweiſe außer
Zweifel, was ſonſt erſt durch Auslegung und
Analogie hätte erſchloſſen werden müſſen.
Das Verfahren bei der Zeugenvernehmung
ließ der erſte Entwurf unberührt. Der zweite
Entwurf will unter II. Nr. 8ff. in Uebereinſtim⸗
mung mit den Beſchlüſſen der Kommiſſion für
die Reform des Strafprozeſſes und mit den ſeit
dem Jahre 1895 geſchehenen mehrfachen parla⸗
mentariſchen Anregungen den obligatoriſchen
Nacheid für Zeugen vernehmungen einführen
und bei einer Mehrheit von Zeugen zur Ver⸗
meidung einer Beeinträchtigung der Feierlichkeit
des Aktes infolge der gehäuften Beeidigung, ſowie
zur Vermeidung einer Verzögerung des Verfahrens
durch die mehrfache Beeidigung die gleichzeitige |
Beeidigung der mehreren Zeugen geſtatten. Dem:
gemäß find jetzt entſprechende Aenderungen der
88 391 Abſ. 1, 392, 393 Abſ. 2, 482 vorgeſehen.
Die Beeidigung von „Sachverſtändigen“
ſoll durch Vor⸗ oder durch 1 geſchehen
können, aber überhaupt nur notwendig ſein, wenn
fe von einem Gerichtsmitgliede für notwendig er:
achtet, oder von einer Partei rechtzeitig verlangt
wird. Demgemäß iſt die Aenderung des § 410
Ab. 1 ZPO. empfohlen worden.
Gegen dieſe Vorſchläge dürfte nichts Ernſtliches
einzuwenden ſein. |
werden darf.
verwieſen werden könnte.
1908. Nr. 7.
135
Den Schwerpunkt der Vorſchläge über Aende⸗
rung der ZPO. bilden jene über die Umgeſtaltung
des amtsgerichtlichen Verfahrens. Wenn man von
der unbejchränkten Zulaſſung der Berufung gegen
amtsgerichtliche Urteile abſieht, ſo weicht hier der
zweite Entwurf von dem erſten am wenigſten ab, ſo
daß im allgemeinen auf die Bemerkungen Seufferts
(in dieſer Zeitſchr. a. a. O.) Bezug genommen
Immerhin ſind einige bedeutſame
Aenderungen zu verzeichnen:
§ 496 Abſ. 3 des erſten Entwurfs macht die
Wahrung einer Friſt und die Unterbrechung einer
Verjährung mittels Einreichung der Klage
oder eines Antrags oder einer Erklärung bzw.
mittels Anbringung dieſer Akte zu Protokoll
des Gerichtsſchreibers abhängig davon, daß die
nachträgliche Zuſtellung dieſer Akte binnen einer
zweiwöchigen, und wo die Zuſtellung mittels
Erſuchens einer Behörde oder eines Beamten oder
durch öffentliche Bekanntmachung erforderlich iſt,
binnen einer ſechsmonatigen Friſt geſchieht.
Die Friſtſetzung wurde von Seuffert (in dieſer
Zeitſchr. a. a. O. S. 423) mit Recht beanſtandet.
Der neue Entwurf hat davon abgeſehen und nur
verlangt, daß die Zuſtellung „demnächſt“, d. h.
| überhaupt einmal ſtattfindet.“)
$ 510 Nr. 4 iſt jetzt deutlicher dahin gefaßt
worden, daß das Amtsgericht ſchon vor der münd⸗
lichen Verhandlung Zeugen, auf welche eine
Partei ſich bezogen hat, vorladen kann,
nicht wie es urſprünglich hieß, Zeugen ſchlechthin.
$ 504 Abſ. 1 ift zweckmäßig dahin ergänzt
worden, daß auch die prozeßhindernde Ein⸗
rede des Schiedsvertrages vor der Verhandlung
zur Hauptſache und gleichzeitig mit der Unzu⸗
ſtändigkeitseinrede vorzubringen iſt.
§ 505 Abſ. 1 erhielt einen Zuſatz, der den
Fall vorſieht, daß nicht nur ein, ſondern mehrere
andere Gerichte zuſtändig ſind, an die der Prozeß
von dem angegangenen unzuſtändigen Amtsgericht
Nach der bisherigen
Faſſung würde das verweiſende Gericht die Wahl
unter den mehreren zuſtändigen Gerichten gehabt
haben. Nunmehr ſoll die Wahl dem Kläger zu⸗
ſtehen, eine Beſtimmung, die dem Prinzip des
8 35 BPO. gemäß ift.
In 8 508 wurde der letzte Abſatz des erſten
Entwurfs:
„In der Formel des Verſäumnisurteils iſt
der Partei zu eröffnen, in welcher Form und
Friſt ihr der Einſpruch zuſteht“
geſtrichen, mit Grund! Seuffert lin dieſer Zeitſchr.
a. a. O. S. 425) hatte auf die Bedenken gegen
dieſen Satz bereits hingewieſen.
Statt des geſtrichenen Abſatzes wurde ein neuer
1) Die entſprechende Aenderung wurde auch für die
Zuſtellung des Zahlungsbefehls in § 693 vorgenommen.
134
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
geglichen durch die wichtige neue Vorſchrift des Schönheitsfehler des zweiten Entwurfes gerügtwerden,
zweiten Entwurfs Art. IV Nr. 2, wonach § 52 der in Art. II Nr. 13 dem § 508 anhaftet. § 508
der RAGO. folgende Faſſung erhält:
„In der Berufungsinſtanz und in der
Reviſionsinſtanz erhöhen ſich die Gebührenſätze
um drei Zehnteile“.
Wenn alſo der verwerfliche Satz über die Ver⸗
wendbarkeit von Landgerichtsmitgliedern zu Amts⸗
richtern fallen gelaſſen würde, ſo könnte man mit |
der Zuſtändigkeitserweiterung auf 800 M um fo
mehr einverftanden fein, als die Erfahrungen in
Oeſterreich, wo die Einzelgerichte bis zu 1000
Kronen zuſtändig find, Mißſtände nicht zu ver-
zeichnen ſcheinen.
Eine bemerkenswerte Aenderung — vielleicht
eine Verbeſſerung — des erſten Entwurfs enthält
Art. I Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 5a und
Nr. 6 des zweiten Entwurfs. Während nach
jenem die amtsgerichtlichen Handelsſachen in der
Berufungsinſtanz vor den Zivilkammern der Land—
gerichte zu verhandeln geweſen wären, ſollen ſie
nach dem letzteren an die Kammern für Handels:
ſachen gelangen in entſprechender Anwendung der
Regeln, welche für die Geſchäftsverteilung zwiſchen
Zivilkammern und Kammern für Handelsſachen
in erſter Inſtanz gelten.
Zu dieſem Zweck ſoll u. a. § 71 GVG. fo
gefaßt werden:
„Die Zivilkammern einſchließlich der Kammern
für Handelsſachen ſind die Berufungs- und Be⸗
ſchwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten
verhandelten bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten“.
An dieſer Faſſung hätte ich auszuſetzen, daß
ſie den Eindruck erwecken müßte, als gebe es bei
den Landgerichten zwei Arten von „Zivilkammern“,
von denen die eine „Zivilkammer“ ſchlechthin, die
andere „Kammer für Handelsſachen“ heiße (vv.:
„einſchließlich der K. f. H.“). Das würde
nicht ſtimmen zu dem ſonſtigen Sprachgebrauch
des Geſetzes, der „Zivilkammer“ ſtets im Gegen⸗
ſatz zu „Kammer für Handelsſachen“ verwendet.
Man vergleiche zunächſt den neu eingeſtellten
8 100 a des vorliegenden Entwurfs:
„Iſt bei einem Landgerichte eine Kammer für
Handelsſachen gebildet, ſo tritt für Handels⸗
ſachen dieſe Kammer an die Stelle der Zivil⸗
kammer“
Tritt die Kammer für Handelsſachen an die
Stelle der Zivilkammer, fo kann man nicht fagen,
daß ſie in der Zivilkammer eingeſchloſſen ſei.
Man vergleiche ferner GBG. SS 103 — 105,
107, wo der Gegenſatz durch die Regeln über
die Verweiſung von einer Kammer an die andere
hervortritt.
Es wäre daher in 71 GWG. wohl ſchöner
zu ſagen: „Die Zivilkammern und die Kammern
für Handelsſachen find...”
Bei dieſer Gelegenheit mag gleich ein weiterer
ſoll nämlich lauten:
„Der Gerichtsſchreiber hat die Zuſtellung
des Verſäumnisurteils zu vermitteln, ſofern
nicht die Partei, welche das Urteil erwirkt hat,
erklärt hat, ſelbſt einen Gerichtsvollzieher mit
der Zuſtellung beauftragen zu wollen“.
Man könnte das dritte „hat“ wohl ohne
Beeinträchtigung des Sinnes weglaſſen.
Völlig neu ſind in dem zweiten Entwurfe die
in Art. I Nr. 3—9 enthaltenen Vorſchläge, Nr. 3
und 4 betreffen die ſchon erwähnte Aenderung
des $ 71 GWG. und die Einſchaltung des an-
geführten § 100 a hinter $ 100 GVG.
Nr. 5 will den Kreis der Handelsſachen anders
als bisher $ 101 umſchreiben. Ausgeſchaltet follen
werden die in GVG. $ 101 Nr. 3e angeführten
| Anſprüche aus dem Rechtsverhältniſſe zwiſchen dem
| Prinzipal und ſeinem kaufmänniſchen Perſonal,
nachdem für Klagen wegen ſolcher Anſprüche jetzt
die Kaufmannsgerichte ausſchließliche ſachliche Zu⸗
| ſtändigkeit erlangt haben und es für bedenklich
erachtet wurde, ſie in der Berufungsinſtanz einem
Gerichte zuzuweiſen, in dem Prinzipale die Mehr⸗
heit bilden. Eingeſchaltet ſollen werden als Nr. 4
bis 6 des $ 101 die Anſprüche aus dem Wett⸗
bewerbs⸗, Börſen⸗ und Reichsſtempelgeſetze.
Da nach dem erwähnten Prinzip, daß die
Kammer für Handelsſachen in Handelsſachen an
die Stelle der Zivilkammer treten ſoll, die
Kammer für Handelsſachen auch für das Rechts⸗
| mittel der Beſchwerde anzugehen ift, ſo hat der
neue Entwurf folgerichtig Verweiſungsregeln in
S 108 a GWG. aufgeſtellt für die Fälle, wo die
| Beſchwerde an die unrichtige Kammer gelangt iſt.
Die Faſſung des 8 109 Abſ. 3 GVG., wo-
nach in Prozeſſen zwiſchen Reeder oder Schiffer
und Schiffsmannſchaft aus dem zwiſchen ihnen
beſtehenden Rechtsverhältniſſe der Vorſitzende allein
entſcheiden kann, paßt nur für das Verfahren
— ee...
— nn
erſter Inſtanz. Das verſtand ſich bisher von
ſelbſt, weil die Kammern für Handelsſachen nur
in erſter Inſtanz entſcheiden konnten. Nun ſollen
| ſie, wie geſagt, auch Berufungsgerichte ſein. Des⸗
halb fof § 109 Abſ. 3 jo gefaßt werden:
„In Streitigkeiten, welche ſich auf das Rechts⸗
verhältnis zwiſchen Reeder oder Schiffer und
Schiffsmannſchaft beziehen, kann die Ent⸗
ſcheidung in erſter Inſtanz durch den Bor-
ſitzenden allein erfolgen“.
Die Neufaſſung des § 202 Abſ. 3 GVG.
hat im zweiten Entwurfe inſofern eine Aenderung
erfahren, als im Verfahren vor den Landgerichten
und in den höheren Inſtanzen das Gericht ſolche
Sachen, die nicht unter Abſ. 1 des § 202 fallen,
auf Antrag als Ferienſachen nicht bloß erklären
kann, ſondern ſoll.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
II. Zivilprozeßordnung.
Die geplanten Aenderungen der ZPO. De-
|
rung der BPO. bilden jene über die Umgeſtaltung
|
treffen ſchon im erſten Entwurfe zunächſt das
Koſtenfeſtſetzungsverfahren und übertragen die
Koſtenfeſtſetzung dem Gerichtsſchreiber ſtatt des
Gerichtes. Trotzdem hatte der erſte Entwurf den
$ 91 3 O. unverändert gelaſſen, wo es heißt,
die Koſten ſeien zu erſtatten, ſoweit ſie nach
freiem Ermeſſen des Gerichtes notwendig
waren (Abſ. 1), und die Reiſekoſten eines aus⸗
wärtigen Rechtsanwalts nur inſoweit, als die Zu⸗
ziehung nach dem Ermeſſen des Gerichts
notwendig war. Die geſperrt gedruckten Worte
ſind im zweiten Entwurfe folgerichtig geſtrichen
worden.
Die Faſſung des neuen § 104 erhielt jetzt in
Abſ. 1 den Zuſatz, daß die Entſcheidung des
Gerichtsſchreibers über den Koſtenfeſtſetzungsantrag
den Parteien von Amts wegen zuzuſtellen ſei und
in Abſ. 3 die Ergänzung, daß die Entſcheidung
ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen
— Tr
Den Schwerpunkt der Vorſchläge über Aende⸗
des amtsgerichtlichen Verfahrens. Wenn man von
der unbeſchränkten Zulaſſung der Berufung gegen
amtsgerichtliche Urteile abſieht, ſo weicht hier der
zweite Entwurf von dem erſten am wenigſten ab, ſo
daß im allgemeinen auf die Bemerkungen Seufferts
(in dieſer Zeitſchr. a. a. O.) Bezug genommen
werden darf. Immerhin ſind einige bedeutſame
Aenderungen zu verzeichnen:
$ 496 Abſ. 3 des erſten Entwurfs macht die
Wahrung einer Friſt und die Unterbrechung einer
Verjährung mittels Einreichung der Klage
oder eines Antrags oder einer Erklärung bzw.
mittels Anbringung dieſer Akte zu Protokoll
des Gerichtsſchreibers abhängig davon, daß die
| nachträgliche Zuſtellung dieſer Akte binnen einer
zweiwöchigen, und wo die Zuſtellung mittels
Erſuchens einer Behörde oder eines Beamten oder
durch öffentliche Bekanntmachung erforderlich iſt,
und daß das Gericht vor der Entſcheidung über
die Erinnerungen gegen den Feſtſetzungsbeſchluß
durch einen der ſofortigen Beſchwerde zugänglichen
Beſchluß die Ausſetzung des Vollzuges der Koſten⸗
feſtſetzung anordnen könne.
Durch die letztere Beſtimmung iſt einem
Monitum Seufferts (in dieſer Zeitſchrift a. a. O.
S. 422) in gewiſſem Maße Rechnung getragen
worden. Die übrigen erwähnten Ergänzungen
des erſten Entwurfs ſetzen verſtändigerweiſe außer
Zweifel, was ſonſt erſt durch Auslegung und
Analogie hätte erſchloſſen werden müſſen.
Das Verfahren bei der Zeugenvernehmung
ließ der erſte Entwurf unberührt. Der zweite
Entwurf will unter II. Nr. 8ff. in Uebereinſtim⸗
mung mit den Beſchlüſſen der Kommiſſion für Fall vorſieht, daß nicht nur ein, ſondern mehrere
die Reform des Strafprozeſſes und mit den ſeit
dem Jahre 1895 geſchehenen mehrfachen parla-
mentariſchen Anregungen den obligatoriſchen
Nacheid für Zeug en vernehmungen einführen
und bei einer Mehrheit von Zeugen zur Ber-
meidung einer Beeinträchtigung der Feierlichkeit
des Aktes infolge der gehäuften Beeidigung, ſowie
zur Vermeidung einer Verzögerung des Verfahrens
durch die mehrfache Beeidigung die gleichzeitige
Beeidigung der mehreren Zeugen geſtatten. Dem—
gemäß find jetzt entſprechende Aenderungen der
88 391 Abſ. 1, 392, 393 Abſ. 2, 482 vorgeſehen.
binnen einer ſechs monatigen Friſt geſchieht.
Die Friſtſetzung wurde von Seuffert (in dieſer
Zeitſchr. a. a. O. S. 423) mit Recht beanſtandet.
Der neue Entwurf hat davon abgeſehen und nur
verlangt, daß die Zuſtellung „demnächſt“, d. h.
überhaupt einmal ſtattfindet.“)
8 510 Nr. 4 ift jetzt deutlicher dahin gefaßt
worden, daß das Amtsgericht ſchon vor der münd—
lichen Verhandlung Zeugen, auf welche eine
Partei ſich bezogen hat, vorladen kann,
nicht wie es urſprünglich hieß. Zeugen ſchlechthin.
8 504 Abſ. 1 ift zweckmäßig dahin ergänzt
worden, daß auch die prozeßhindernde Ein:
rede des Schiedsvertrages vor der Verhandlung
zur Hauptſache und gleichzeitig mit der Unzu⸗
ſtändigkeitseinrede vorzubringen iſt.
8 505 Abſ. 1 erhielt einen Zuſatz, der den
andere Gerichte zuſtändig ſind, an die der Prozeß
von dem angegangenen unzuſtändigen Amtsgericht
verwieſen werden könnte. Nach der bisherigen
Faſſung würde das verweiſende Gericht die Wahl
unter den mehreren zuſtändigen Gerichten gehabt
haben. Nunmehr ſoll die Wahl dem Kläger zu—
ſtehen, eine Beſtimmung, die dem Prinzip des
Die Beeidigung von „Sachverſtändigen“
ſoll durch Vor⸗ oder durch Nacheid geſchehen
können, aber überhaupt nur notwendig ſein, wenn
fie von einem Gerichtsmitgliede für notwendig er⸗
achtet, oder von einer Partei rechtzeitig verlangt
wird. Demgemäß iſt die Aenderung des $ 410
Abſ. 1 BPO. empfohlen worden.
Gegen dieſe Vorſchläge dürfte nichts Ernſtliches
einzuwenden ſein.
8 35 ZPO. gemäß ift.
In 8 508 wurde der letzte Abſatz des erſten
Entwurfs:
„In der Formel des Verſäumnisurteils iſt
der Partei zu eröffnen, in welcher Form und
Friſt ihr der Einſpruch zuſteht“
geſtrichen, mit Grund! Seuffert lin dieſer Zeitſchr.
a. a. O. S. 425) hatte auf die Bedenken gegen
dieſen Satz bereits hingewieſen.
Statt des geſtrichenen Abſatzes wurde ein neuer
1) Die entſprechende Aenderung wurde auch für die
Zuſtellung des Zahlungsbefehls in 8 693 vorgenommen.
136 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
Abſatz dem § 508 hinzugefügt, der zweckmaͤßig
die Rechtslage klar ſtellt für den Fall, daß nach
Erhebung des Einſpruchs eine Verweiſung an das
zuſtändige Gericht gemäß 88 505, 506 erfolgen
jol. Die Verweiſung ift durch die Zuläſſigkeit
des Einſpruchs bedingt; die Entſcheidung des
Amtsgerichts, daß der Einſpruch zuläſſig feit, ift
für das zuſtändige Gericht bindend.
Die Uebertragung des § 51 Abſ. 1 des Ge-
werbegerichtsgeſetzes auf das amtsgerichtliche Urteil
war im $ 510 b des erſten Entwurfes ohne Ein:
ſchränkung geſchehen. Der zweite Entwurf ſtellt
es ins Ermeſſen des Gerichts, ob es der Berur-
teilung zu einem facere auf Antrag des Klägers
eine eventuelle Verurteilung zur Entſchädigung
beifügen will.
Die dieſer Aenderung gegebene Begründung
iſt freilich nicht zwingend; denn wenn es dort
heißt, daß u. a. das Gericht für ſein Ermeſſen
lih Grundlagen durch umfangreiche Beweiser⸗
hebungen ſchaffen müſſe, ſo kann das ja auch im
Gewerbegerichtsverfahren zutreffen, für das man
trotzdem die eventuelle Verurteilung obligatoriſch
gemacht hat, obgleich auch da der Zweck einer
Beſchleunigung des Verfahrens leitender Geſichts⸗
punkt war.
Folgerichtig hat der zweite Entwurf die Vorſchriſt
des erſten, daß vor den Amtsgerichten die Zeugen⸗
beeidigung nur ſtattfinde, wenn ſie das Gericht
für erforderlich hält oder wenn ſie eine Partei
rechtzeitig verlangt, auf die Berufungsinſtanz in
$ 533 à ausgedehnt mit der Modifikation, daß
hier das Verlangen eines Gerichtsmitgliedes maß—
gebend ſein ſoll.
Die in dieſer Zeitſchrift (a. a. O. S. 425)
gegen die Beſchränkung der Zeugenbeeidigung vor—
gebrachten Bedenken bleiben jedoch beſtehen.
Eine ſehr bemerkenswerte Abweichung zeigt
der vorliegende Entwurf im Mahnverfahren gegen—
über dem erſten Entwurf.
Während nämlich der erſte Entwurf es bei
der verſchiedenen Behandlung des Widerſpruchs
gegen den Zahlungsbefehl belaſſen hat, je nachdem
der Anſpruch zur Zuſtändigkeit der Amtsgerichte
oder zu jener der Landgerichte gehört, hat der
zweite Entwurf auch im letzteren Falle den Fort-
betrieb des Verfahrens an das Amtsgericht ge—
bunden und nur das Recht der beiden Parteien
vorbehalten, die Verweiſung an das Landgericht
zu verlangen. Prüfung des Amtsgerichts ex
officio ſoll auch hinſichtlich des Gerichtsſtandes
nicht ſtattfinden. Verhandlungstermin behufs
Fortbetriebs des Verfahrens darf erſt auf Partei—
antrag feſtgeſetzt werden.
Der Antrag auf Verweiſung an das zuſtändige
Landgericht kann mit dem Antrag auf Zahlungs—
befehl oder mit dem Widerſpruche verbunden werden.
Diesfalls erfordert die Verweiſung keine vorgängige
mündliche Verhandlung und der Prozeß gilt mit
der Beſch lu ßzuſtellung als beim Landgerichte
anhängig geworden; vgl. den Entwurf unter II
Nr. 21 8s 696, 697.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß durch
dieſe Geſtaltung des Widerſpruchsverfahrens eine
promptere Erledigung des Prozeſſes gefördert wird
und zudem dem Gläubiger, der es von vornherein
mit dem Mahnverfahren nur in der Erwartung
verſucht hat, daß Widerſpruch unterbleiben werde,
die Koſten der Fortſetzung des Prozeſſes bei Er⸗
hebung des Widerſpruchs erſpart bleiben können.
Dankenswert ift die Aenderung des § 797
Abſ. 1, der nun lauten ſoll:
„Die vollſtreckbare Ausfertigung gerichtlicher
Urkunden wird von dem Gerichtsſchreiber des
u" erteilt, welches die Urkunde verwahrt!)
at“.
Dadurch werden die über die Zuſtändigkeit des
Gerichtsſchreibers entſtandenen Kontroverſen im
Falle der Beurkundung des exekutoriſchen Titels
durch mehrere Gerichte (Seuffert, ZPO. $ 717
Nr. 2) abgeſchnitten.
III. Gerichtskoſtengeſetz.
Zu $ 48 Abſ. 1 iſt der verſtändige Zuſatz
hervorzuheben, daß das Gericht zur Vermeidung
der beſonderen Terminsgebühr, die vom fünften
Termin an zu erheben wäre, einen Termin von der
Berechnung ausnehmen kann, wenn offenkundig iſt
oder rechtzeitig glaubhaft gemacht wird, daß die
Anberaumung des Termins nicht durch Verſchulden
einer Partei veranlaßt worden iſt.
Ebenſo begrüßenswert ift der Zuſatz zu $ 48
Abſ. 2, daß das Verfahren über die Hauptſache
nach dem Zwiſchenurteil über eine prozeßhindernde
Einrede oder das Verfahren über den Betrag des
Anſpruchs nach dem Zwiſchenurteil über den Grund
nicht als Fortſetzung der Inſtanz gilt, wenn der
Prozeß infolge Berufung gegen das Urteil der
erſten Inſtanz über die Einrede oder über den
Grund an die erſte Inſtanz zurückverwieſen wurde.
Die Zählung der gebührenfreien Verhandlungs—
termine beginnt hier alſo nach der Zurückverweiſung
von neuem.
IV. Gebührenordnung für Rechtsanwälte.“
Die Intereſſen der Rechtsanwälte ſind im
vorliegenden Entwurfe in höherem Maße berück—
ſichtigt, als es im erſten Entwurfe der Fall war.
Denn es ſollen ſich die Gebührenſätze nun auch
in der Berufungsinſtanz, mithin auch für Sachen
im Werte bis zu 800 M, wenn ſie durch Be—
rufung an das Landgericht gelangen, um 0 er:
höhen, wie bereits oben hervorgehoben wurde.
) Anſtatt „aufgenommen“.
— —— —ä—4ä4—ä—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
An dem Pauſchgebührprinzip des erſten Ent:
wurfs zur Entlohnung für Schreibwerk und zum
Erſatze der Poſtgebühren wurde nichts geändert.
Bezüglich der Poſtgebühren ergibt ſich dies
daraus, daß die Aenderung des 8 79 Nr. 2 des
GWG. geblieben ift, welche die Poſtgebühren aus
dem bisherigen 8 79 Nr. 2 GWG. geſtrichen hat,
und aus der Verweiſung auf $ 79 Nr. 2 in
S 76 Abſ. 7 RAGO.
Darin liegt eine Unbilligkeit, die m. E. nicht
zu rechtfertigen iſt und zugleich eine Inkonſequenz.
Die Telegrammgebühr, die der Rechtsanwalt nach
wie vor anſetzen darf, wird häufig nicht mehr be⸗
tragen als die Gebühr für eine Paketſendung;
daß ſie nur ausnahmsweiſe entſteht, wäre aber
wohl eher ein Grund gegen als für ihre Erſatz⸗
fähigkeit.
Ob die Anwälte bei dem Pauſchſyſtem auf ihre
Koſten kommen werden, wird vielfach bezweifelt.
Vorausberechnungen find hier mißlich.
Wenn nicht außerordentlich umfangreiche Schrift⸗
ſätze oder Urteilsabſchriften nötig werden, ſo mögen
die Pauſchſätze für den prozeßbevollmächtigten An⸗
walt immerhin auskömmlich ſein.
Denn man muß erwägen, daß dieſer als Pauſch⸗ |
jag mindeſtens 3 M und höchſtens 50 M, falls er
aber auch eine Beweis- oder eine Vergleichsgebühr
erhält, mindeſtens 4 M und höchſtens 60 M be:
rechnen darf, zwiſchen dieſen Grenzen aber von
jeder ihm zuſtehenden Gebühr 20% als Pauſchale
anſetzen kann. Wird alſo eine Beweiserhebung
nötig und kommt es zum Urteil in der Inſtanz,
jo beträgt das Pauſchale 60% der einfachen Ge-
bühr, d. i. bei einem Streitwerte von 200 — 300 M
z. B. 6 M, von 300—450 M: 8,40 M, von
400—650 M: 11,40 M, von 650 - 900 M:
14,40 M, von 900—1200 M: 16,80 M, von
1200—1600 M: 19,20 M, von 1600—2100 M:
21,60 M, von 2100 — 2700: 24 M.
Dazu kommt, daß in amtsgerichtlichen Sachen
vorbereitende Schriftſätze nicht nötig ſind und
Urteilsausfertigungen mit Weglaſſung des Tat⸗
beſtandes und der Entſcheidungsgründe erteilt
werden, fo daß die Zuſtellung eine nur gering:
tügige Schreibarbeit verurſacht. Verſäumnisurteile
ſind überdies im Parteiprozeß durch Vermittlung
des Gerichtsſchreibers zuzuſtellen. ($ 508
3PO. nach dem Entwurfe). Sollte bei alledem
das Pauſchale für die Anwälte nicht auskömmlich
ſein, ſo werden ſie ſich dadurch ſichern können,
daß ſie ſich von ihrem Auftraggeber den Erſatz
ihrer Auslagen zuſichern laſſen.
137
Zur Reform des Privatklageverfahrens.
Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof.
(Fortſetzung.)
Ein Punkt, der in der Reformkommiſſion nicht
berührt wurde, aber einer Beſprechung wert iſt,
betrifft die Frage, ob das amtsrichterliche Sühne⸗
verfahren dem in der Hauptverhandlung betätig⸗
ten Sühneverſuch nicht deshalb vorzuziehen ſei,
weil durch ihn in den Fällen, in welchen der
Sühneverſuch gelingt, der für die Schöffen mit
dem Sitzungsdienſte verbundene Zeitaufwand er⸗
ſpart wird.
Dieſe Frage iſt zu verneinen; zunächſt ſei, um
Wiederholungen zu vermeiden, auf die ſchon er⸗
örterten Gründe verwieſen, warum der Sühnever⸗
fuh in der Hauptverhandlung dem amtsrichter—
lichen vorzuziehen iſt, und hier nur noch bemerkt, daß
die Oeffentlichkeit des Sühneverſuchs vor dem
Schöffengerichte und die Anweſenheit der Schöffen
in der Meinung der Parteien eine größere Gewähr
für eine ſachliche Leitung der Vergleichsverhand⸗
lungen bietet als der amtsrichterliche und daß der
Sitzungsdienſt von den Schöffen ſelbſt dann nie
als Zeitverſchwendung erachtet wurde, wenn fie
während der ganzen Sitzung zu einer Mitwirkung
bei der Urteilsfällung deswegen nicht kamen, weil
ſämtliche Falle durch Vergleich erledigt wurden, —
in Nürnberg ein nicht ſeltenes Vorkommnis —;
im Gegenteil, darauf hin anſpielende Fragen des
Vorſitzenden wurden von den Schöffen ſtets dahin
beantwortet, daß ſie den Verhandlungen mit dem
größten Intereſſe gefolgt ſeien, (das zeigte ſich auch
an ihrer lebhaften und erſprießlichen Mitwirkung
bei den Vergleichsvorſchlägen), daß ſie den Saal
mit der größten Befriedigung über die gelungene
Einigung der Parteien verließen und nicht ver⸗
fehlen würden, ihre in dieſer Sitzung geſammelten
Erfahrungen in ihren Kreiſen zu verbreiten.
Mit Recht hat demnach die Reformkommiſſion
die Einführung des amtsrichterlichen Sühnever⸗
ſuchs — neben dem nach!“) § 420 StPO. bereits
beſtehenden — abgelehnt,“) noch viel weniger könnte
dem radikalen Vorſchlage Dr. Rumpfs beigeſtimmt
werden (BRA. Bd. 64 S. 129), die bisherigen
Sühneämter durch den amtsrichterlichen Sühne⸗
verſuch zu erſetzen; das hieße die Tätigkeit dieſer
Behörden gewaltig unterſchätzen; ihre Aufhebung
würde eine ſehr erhebliche Mehrung der Geſchäfts—
laſt der Amtsgerichte mit ſich bringen und dieſe
mit den zahlreichen Fällen befaſſen, die bisher
von den Sühneämtern verglichen wurden.
Daß das Nürnberger Verfahren den in der
Praxis hervorgetretenen Bedürfniſſen am beſten
gerecht zu werden vermag, beweiſen die damit bis—
her erzielten Erfolge. Sieht man die Geſchäfts—
ausweiſe der Amtsgerichte des Königreiches Bayern
18) Vgl. Hahns Mat. z. StPO. S. 277 u. 1097.
19) ſ. Prot. der Ref komm. Bd. II S. 60 fi.
138
auf die Art der Erledigung der Privatklageſachen
hin durch, ſo wird man finden, daß beim Amts⸗
gerichte Nürnberg ſeit einer ſtattlichen Reihe von
Jahren von den auf andere Weiſe als durch ein⸗
fache Klagszurücknahme erledigten Privatklageſachen
durchſchnittlich 90% durch Vergleich und nur
10 % durch Urteil ihre Erledigung fanden — ein
Ergebnis, das von keinem anderen größeren Amts⸗
gerichte auch nur entfernt erreicht wurde. Unter
dieſen 90% ſtecken mindeſtens 70% von Ber:
gleichen, die im erſten Termine vor Eintritt in
die Hauptverhandlung, und mindeſtens 80 , die
ohne Vernehmung von Zeugen und Sachverſtändigen
zuſtande kamen.?)
Man vergegenwärtige ſich die enorme Erſparnis
an Koſten und Auslagen, an Zeugen: und Sad:
verſtändigenvernehmungen, an Beeidigungen, an
Zeit und nicht zuletzt an Schreibwerk; und er⸗
innere ſich an das, was oben über die uner⸗
wünſchten Folgen ſo mancher Urteile in Privat⸗
klageſachen ausgeführt wurde.?)
Man glaube nicht, daß etwa beſondere lokale
Verhältniſſe dieſe Erfolge begünſtigen. Das Privat⸗
klagereferat umfaßt in Nürnberg ſämtliche Privat:
klageſachen der Stadt Nürnberg und des Bezirkes
Nürnberg⸗Land, alle Geſellſchaftsſchichten der Groß⸗
ſtadt und der ländlichen Bevölkerung der nächſten
Umgebung l(durchſchnittlich 1000 Privatklagen im
Jahr); die Vergleichserfolge ſind, wie die Erfahrung
lehrt, auf keine beſtimmte Geſellſchaftsklaſſe be-
ſchränkt. Der Umſtand, daß ſeit Jahren die
Bearbeitung ſämtlicher Privatklageſachen ſich in der
Hand eines einzigen Referenten befindet, iſt der
einheitlichen Geſtaltung des Nürnberger Verfahrens
ſehr zuſtatten gekommen, ein weſentlicher Einfluß
auf das Vergleichsergebnis iſt ihm aber nicht bei⸗
zumeſſen; auch auf eine beſondere Geſchäfts⸗
gewandtheit des Referenten ſind die Erfolge nicht
zurückzuführen — der Referentenwechſel hatte
keinerlei Einfluß auf ſie. Es iſt deshalb gerecht⸗
fertigt, die Vergleichserfolge ausſchließlich dem in
Nürnberg geübten Vergleichsverfahren zuzuſchreiben;
ſeine Schilderung wäre unvollſtändig, wollten wir
die Art, wie in Nürnberg die Vergleichsunter⸗
handlungen geführt werden, unerwähnt laſſen.
Zunächſt geſtattet der Vorſitzende den Parteien,
ihr Herz auszuſchütten, ſich ihren Groll von der
Leber zu reden; er kommt dieſem ihrem Erleichte:
rungsbedürfnis entgegen und greift erſt dann ein,
ao Dabei find noch nicht einmal die Fälle berid-
ſichtigt, in welchen die Klage nach dem erſten Termine,
in dem eine Einigung der Streitsteile nicht zuſtande
kam, zurückgezogen wurde, weil ſich die Parteien auf
Grund der im erſten Termine gepflogenen Vergleichs—
unterhandlungen außergerichtlich einigten.
) Soweit ſich aus der geringen Zahl der zwiſchen
den gleichen Parteien und ihrem Anhange nach dem
Vergleichsabſchluſſe anhängig gewordenen neuen Klagen
ein Schluß ziehen läßt auf die dauernde Wirkung des
Vergleichs, läßt ſich ſagen, daß von verſchwindenden
Ausnahmen abgeſehen durch den Vergleich ſtets eine
dauernde Ausſöhnung der Parteien erzielt wurde.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
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wenn ihnen allzugroße Abſchweifungen oder unzu⸗
läſſige Entgleiſungen unterlaufen; ſo gewinnt er
aus eigener Anſchauung ein Bild von dem
Temperament, dem Bildungsgrade und der Aus⸗
drucksweiſe der Parteien; ihre Vorträge verſchaffen
ihm die Grundlage für den Vergleichsvorſchlag;
ſchildern die Parteien den Vorfall übereinſtimmend,
ſo klärt er ſie darüber auf, was ſie ſeiner Auf⸗
faſſung und Erfahrung nach bei der geſchilderten
Sachlage von einem Urteile (insbeſondere auch im
Koſtenpunkte) zu erwarten haben und ſchlägt einen
dieſem etwa entſprechenden Vergleich vor; ergibt
der Parteivortrag Widerſprüche in der Darſtellung
des Vorfalles, ſo belehrt er die Parteien darüber,
welche Ausſichten ein Urteil eröffnet für den Fall,
daß die Darſtellung des Klägers und für den
Fall, daß die Darſtellung des Beklagten erwieſen
würde; er wirkt alſo lediglich aufklärend und gibt
den Parteien anheim, ſelbſt zu entſcheiden, ob es
nach dieſen Aufklärungen nicht ratſam ſei, ſich
gütlich zu einigen; erſcheinen ihm die von einer
Seite vorgeſchlagenen Vergleichsbedingungen als
der Sachlage nicht entſprechend, ſo läßt er auch
hierüber die Parteien nicht im unklaren; er wirkt
auch hier durch Belehrung zur Erzielung eines
möglichſt gerechten Ausgleiches mit.“) Dazu gehört
vor allem eine Lebenserfahrung, die allein ein
Eingehen auf die konkreten Verhältniſſe und ein
Verſtändnis für ſie ermöglicht und viel, recht viel
Geduld, die ſich in einer ſteten, je nach dem Einzel⸗
falle entweder heiteren oder ernſten Ruhe doku⸗
mentiert. Dieſe Eigenſchaften muß der Richter
und insbeſondere der Privatklagerichter haben, ſoll
er ſich zu dieſem hohen Amte eignen; verfährt er
nach dieſen hier kurz ſkizzierten Grundſätzen, ſo iſt
er auch über den Verdacht erhaben, daß er, um
das Ausarbeiten von Urteilen zu erſparen, ſich
um das Zuſtandekommen eines Vergleiches bemühe;
er erblickt ſeine volle Befriedigung in dem Bewußt⸗
ſein, nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen bemüht
geweſen zu ſein, einen Vergleich zu erzielen, der
den Parteien annähernd das gewährt oder auf⸗
erlegt, was ihnen ein ſonſt zu fällendes Urteil
bieten würde; und das zu erreichen iſt, von ver⸗
ſchwindend geringen Fällen abgeſehen, faſt immer
möglich.
Den Parteien kommt es nicht auf eine kriminelle
Beſtrafung des Gegners, ſondern auf eine mög:
lichſt raſche, billige, umfaſſende und dauernde
Wiederherſtellung des geſtörten Rechtsfriedens an;
wo ſie eine Beſtrafung des Gegners für wünſchens⸗
wert erachten, genügt ihnen ſolche in der Form
der Auflage einer dem Betrage der ſonſt etwa zu
erwartenden Geldſtrafe gleichkommenden Buße, zu
deren Zahlung an den Kläger oder eine Wohl⸗
tätigkeitsanſtalt ſich der Beklagte im Vergleiche
verpflichtet; bietet die Perſönlichkeit des Gegners
=) Siehe auch 5 ee von Dr. Rumpf in
BINN. Bd. 64 S.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
keine Gewähr für die Erfüllung der übernommenen eines auf Strafe lautenden Urteils zuläliig. Der
Verbindlichkeiten, ſo wird die Form des bedingten Strafantrag kann bei den bisherigen Privatklage⸗
Vergleiches gewählt.
Eine glatte Ehrenerklärung, ein vorbehaltsloſer
Widerruf ſtellt die gekränkte Ehre meiſt wirkſamer
wieder her als ein Urteil, das lediglich ausſpricht,
der ehrenkränkende Vorwurf ſei nicht erweislich
wahr. Köͤrperverletzungen können freilich nicht mehr
zurückgenommen werden; allein die öffentlich er⸗
klärte Bitte an den Verletzten, er möge die in der
Erregung zugefügte Mißhandlung verzeihen und
die Zuwendung eines entſprechenden Geldbetrages
an ihn oder die Armenkaſſe ꝛc. ꝛc. als Sühne
annehmen, verfehlt erfahrungsgemäß ſelten ihre
Wirkung; dem Veröffentlichungsbedürfnis genügt
jaft immer die im Vergleiche dem Beteiligten ein-
geräumte Befugnis, eine Ausfertigung des Ver⸗
gleiches den Zeugen des Vorfalles vorzeigen zu
dürfen. Der Vergleich bietet die Möglichkeit auch
die mit dem konkreten Vorfall zuſammenhängenden
weiteren Streitigkeiten der Parteien oder Streitig:
keiten der den Parteien naheſtehenden Perſonen, welch
letztere bei der urteilsmäßigen Erledigung der einen
Sache Klageſtellung des Verurteilten oder eines
ſeiner Angehörigen und Beſtrafung zu erwarten
haben, mit auszugleichen, indem man diefe Ber:
ſonen dem Vergleichsabſchluſſe beitreten läßt; auch
zwilrechtliche Differenzen der Parteien, die oft die
Veranlaſſung zu Beleidigungen geben, laſſen ſich,
ſelbſt wenn ſie bereits Gegenſtand eines anhängigen
Zivilprozeſſes find, mit in den Vergleich ein-
beziehen.“) Ueber alle diefe Verhältniſſe, die dem
Zwecke dieſer Abhandlung entſprechend nur bei:
ſpielsweiſe berührt werden wollten, klärt der Vor⸗
ſitzende die Parteien auf. Man ſieht, dieſe Art
der Vergleichstaͤtigkeit ift keine Eigentümlichkeit
des Nürnberger Verfahrens, ſondern eine An-
wendung von Erfahrungsgrundſätzen, die allge⸗
meine Geltung haben.
Die endgültige Erledigung der
Privatklageſachen durch Vergleich
ſetzt voraus, daß dieſer die Er:
hebung der öffentlichen Klage (S 416
StPO.) ausſchließt.
Dies iſt aber nach geltendem Rechte vor
Stellung des Strafantrages nur möglich durch
Verzicht auf ihn; nach Stellung des Strafantrages
nur durch feine Zurücknahme. Ob ein ſolcher Ver:
zicht zuläſſig ift, ift beftritten.”*)
Die Zurücknahme des Strafantrages iſt gemäß
964 StGB. nur in den geſetzlich beſonders vor:
geſehenen Fällen und nur bis zur Verkündung
23, Wird der Gebührenanſpruch des Staates durch
Zuleitung der Akten an den rechnungsführenden Sekretär
zwecks Bewertung gewahrt, ſo dürften Bedenken hiergegen
nicht obwalten.
) Vgl. die Entſch. d. RG. in St S. E. Bd. 3 S. 221;
Bd. 14 S. 204, Rſpr. III 181. Für die Zuläſſigkeit in
Privatklageſachen ſprechen ſich aus die Entſcheidungen
des bayer. ObL G. Samml. I Bd. IV S. 163 u. BERA.
Bd. 66 S. 428.
ſachen in allen Fällen mit Ausnahme der nicht
gegen einen Angehörigen verübten Körperver⸗
letzungen zurückgezogen werden ($$ 194, 232 II
StGB., $ 12 II des UWGeſ. vom 27. Mai 1896).
Dieſe heutzutage nicht mehr gerechtfertigte Ein⸗
ſchränkung??) der Zurücknehmbarkeit des Straf:
antrages erſchwert den Abſchluß von Vergleichen;
ſie und die Unſtimmigkeit, daß die Zurücknehm⸗
barkeit des Strafantrags nicht wenigſtens im
gleichen Umfange, wie die Zurücknehmbarkeit der
Privatklage (8 64 mit 8 431 StPO.) zugelaſſen
iſt, beruhen auf theoretiſchen Erwägungen, die
hinter die praktiſchen Bedürfniſſe der Rechtspflege
zurücktreten müſſen.“) (Schluß folgt.)
Die Verpfändung von Forderungen.
Von Landrichter du Chesne in Leipzig.
Ein Pfandrecht an einer Forderung — ein
dingliches Recht an einem obligatoriſchen Rechte!
Wohl jedem iſt ſchon einmal die Frage gekommen,
ob denn ein ſolches Rechtsverhältnis überhaupt
möglich iſt. Es ſoll deshalb im folgenden die
rechtliche Natur des Pfandrechts an einer Forderung
in kurzem unterſucht werden. Hierzu diene fol-
gendes Schema: Ä
Dem A. fteht eine Geldforderung an den B.
zu, dem B. eine ſolche an C. Zur Sicherung
der Geldforderung A. — B. verpfändet B. dem A.
feine Forderung B. -C. Beide Forderungen
ſind gleich hoch.
Die beiden obligatoriſchen Forderungen A. B.
und B. C. bieten nichts beſonderes; das Problem
liegt in der Art der Verknüpfung beider. Dieſe
geſchieht zur Sicherung der Forderung A. B.;
damit hebt ſich die Verpfändung von der Abtre⸗
tung der Forderung B. C. zur Befriedigung
der Forderung A. — B. ab. Die Rechtslage iſt
auch dann noch eine verſchiedene, wenn die
Forderung A. —B. fällig ift. Denn alsdann
wird zwar B. aus dem Forderungsverhältniſſe
B. C. inſoweit ausgeſchaltet, als er nicht mehr
fordern kann (S 1282 Abſ. 1 Satz 2 BGB.).
Aber er bleibt doch Gläubiger und muß auf Ver—
langen des A. ſeine Forderung erſt noch an dieſen
abtreten, ehe er ſeine Gläubigereigenſchaſt verliert
($ 1282 Abſ. 1 Satz 3 BGB.); auch ift A. auf
Grund der Verpfändung nicht zu andern Ver—
fügungen über die Forderung B. C., als zu
ihrer Einziehung berechtigt ($ 1282 Abſ. 2 BGB.).
25) Vgl. die beachtenswerten Ausführungen von
Coermann in dieſer Zeitſchrift Jahrg. 1906 S. 244 und
von Profeſſor Dr. Hedemann in der DIZ. Jahrg. XII
(1907) S. 219 a. E.
140
Dies Verhältnis des A. und B. zur Forderung
B. C. hat eine unverkennbare Aehnlichkeit mit
einem aktiven Geſamtſchuldverhältniſſe. Aber es
ift kein ſolches. Weder nach Fälligkeit der For-
derung A. B., noch vor ihr. Unmittelbar neben-
einander liegen die Fälle des § 1281 BGB.
(Nichtfälligkeit der Forderung A. B.) und des
§ 432 BGB. (Mehrheit von Gläubigern, die
nicht Geſamtgläubiger find, bei unteilbaren Lei:
ſtungen). Aber auch ſie unterſcheiden ſich deut⸗
lich dadurch, daß § 432 von unteilbaren Leiſtungen
handelt, während das Pfandrecht an einer Geld-
forderung gerade eine teilbare Leiſtung betrifft.
Und dieſer Unterfchied ift deshalb beſonders weſent⸗
lich, weil die Vorſchrift des § 432 gerade in der
Unteilbarkeit der Leiſtung ihren geſetzgeberiſchen
Grund hat, jo daß aus ihr die des $ 1281 ſelbſt
dann nicht erklärt werden kann, wenn die ver⸗
pfändete Forderung auf eine unteilbare Leiſtung
geht. Die im letztgedachten Falle vorliegende
Gleichheit der Rechtslage iſt demnach nur eine
äußerliche und zufällige; es iſt innerlich und
weſentlich nicht dasſelbe, wenn zwei, die eine Sache
je zur Hälfte gekauft haben, deren Aushändigung
vom Verkäufer fordern ($ 432), und wenn der
Pfandgläubiger an einem Kaufsanſpruche und der
Käufer vor Fälligkeit des geſicherten Geldanſpruchs
dasſelbe tun. Das zeigt ſich auch alsbald an
den Folgen: Die Käufer werden Miteigentümer,
der Pfandgläubiger erwirbt nur ein Pfandrecht
an der Sache ($ 1287 Satz 1 BGB.).
Hieraus ergibt ſich, daß das Pfandrecht an
einer Forderung, insbeſondere einer Geldforderung
nicht nur die Schaffung einer Mehrheit von
Gläubigern für die verpfändete Forderung (A.
+B. C.) fein kann, da alsdann die Rechte des
A. und des B. an der Forderung B. -C. gleich⸗
artig ſein müßten, was ſie doch gerade nicht ſind
(§ 1287 BGB.). Die mit der Verpfändung
der Forderung unleugbar eintretende Aenderung
im Punkte der Legitimation zur Geltendmachung
der Forderung iſt daher offenbar nicht der einzige
und primäre Erfolg der Verpfändung, ſondern
ſekundärer Natur. Die Eigenart der Aenderung
im Legitimationspunkt beim Forderungspfande
muß aus der Eigenart des ihr zugrunde liegenden
Rechtsverhältniſſes folgen und aus ihr erklärbar
ſein. Worin beſteht alſo dies fogenannte Pfand—
recht an der Forderung?
Hier ſetzt nun der Zweifel ein, den ich an die
Spitze dieſer Ausführungen geſtellt habe: Gibt
es wirklich dingliche Rechte an Forderungen?
Rein von der Grundlage des geltenden Rechtes
aus muß dieſe Frage unbedenklich bejaht werden.
Denn das Pfandrecht, auch das an Forderungen,
wird vom BGB. im Sachenrechte behandelt und
als foldes auch konſtruiert. Aber damit ift die
Frage noch nicht erledigt. Sonſt könnte ſich
niemals die andere Frage erheben, ob das Miet—
recht auch wirklich obligatoriſcher und nicht viel—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
mehr dinglicher, ob die Reallaſt wirklich dinglicher
und nicht vielmehr obligatoriſcher Natur ſei.
Alle dieſe Fragen ſind eben nicht wörtlich zu ver⸗
ſtehen. Sie ſollten eigentlich lauten: Sind alle
dieſe Rechte abſoluter oder relativer Natur? Weil
aber der Schutz der abſoluten Rechte bis auf
geringfügige Zweifelsfalle ein dinglicher, der der
relativen Rechte ein obligatoriſcher iſt und ver⸗
nünftigerweiſe ſein muß, deshalb ſtellt man die
Frage ſo, wie ſie oben geſtellt iſt. In dem hier
entwickelten Sinne kann man die dinglichen Rechte
beſtimmen als die abſoluten Rechte, ſoweit ſie ſich
auf Sachen beziehen. Sie zerfallen, wie ich bereits
an anderer Stelle!) dargelegt habe, in ſolche, die
ſich auf Ziehung des Gebrauchswerts und ſolche,
die ſich auf Ziehung des Tauſchwerts der Sache
beziehen; beides trifft zuſammen im Eigentum.
Das Pfandrecht hat nun ſicherlich nicht die Ziehung
des Gebrauchswerts zum Gegenſtande; bleibt alſo
nur die des Tauſchwerts. Man kann das Sach⸗
pfandrecht wohl unbedenklich beſtimmen als das
auf Ziehung des Tauſchwerts der Sache zur Be⸗
ſriedigung wegen einer Forderung gerichtete Recht,
wobei außer Betracht bleiben kann, daß dies Recht
bis zur Befriedigung die Forderung ſichert. Wie
aber fügt ſich das Forderungspfand in dieſen
Rahmen? Zwar iſt es ebenfalls zur Befriedigung
— und bis dahin Sicherung — einer obligatoriſchen
Forderung beſtimmt. Aber das Ziel: Ziehung
des Tauſchwerts einer Sache, fehlt; das Befrie⸗
digungsrecht ergreift nur eine Forderung. Und
an einer ſolchen kann, wenn der oben aufgeſtellte
Begriff des abſolut⸗dinglichen Rechts richtig ift,
kein ſolches Recht beſtehen.
Hierbei iſt aber doch noch zweierlei zu er⸗
wägen. Eine Forderung mag nämlich von einem
dinglichen Rechte gänzlich verſchiedenen Weſens ſein;
einen Tauſchwert aber kann auch ſie haben. Sie
iſt nicht nur Band zwiſchen zwei Perſonen (obligatio),
vielmehr ift fie dank des ihr gewährten Rechts⸗
ſchutzes und der ſteigenden Rechtsſicherheit ein ver-
mögenswerter Gegenſtand geworden, den man auch
verkaufen kann. Mindeſtens gilt dies von den unten
näher zu behandelnden Forderungsarten. Ver—
kaufen heißt aber gerade den Vermögenswert, den
Tauſchwert ziehen durch Eintauſchen gegen bares
Geld. Damit rücken wir dem Sachpfande wieder⸗
um ein Stück näher; wir haben das Pfandrecht
an der Forderung erkannt als das auf Ziehung
des Tauſchwerts einer Forderung zur Befriedigung
wegen einer Forderung gerichtete Recht.
Endlich aber: Sehen wir uns doch einmal
die zu verwertende Forderung an. B. hat mit
einem Gärtner abgeſchloſſen, daß dieſer ihm feinen
Garten in Ordnung bringen ſoll, hat ihn auch
bereits entlohnt. A. hat eine Forderung an B.
und verlangt ihretwegen Sicherheit. Zu dieſem
1) SächſArch. 15, 157.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
Zwecke verpfändet B. dem A. ſeinen Anſpruch
an den Gärtner. Es liegt auf der Hand, daß
hieraus kein Forderungspfand entſtehen kann.
Zwar ſpricht das Geſetz ohne Einſchränkung von
Pfandrechten an Forderungen ($ 1279 BGB.)
und an Rechten, kraft deren eine Leiſtung ge⸗
fordert werden kann (§ 1275 BGB.). Aber die
Forderung muß eine ſolche fein, daß der Gläubiger
aus ihr Befriedigung wegen ſeiner Forderung er⸗
langen kann (88 1273 Ab}. 2, 1204 Abf. 1 BGB.).
Es muß daher der Leiſtungsgegenſtand der gleiche,
nämlich Geld, ſein oder wenigſtens werden können.
Deshalb erwähnt auch das BGB. als Leiſtungs—
gegenſtände der verpfändeten Forderung nur Sachen
oder Geld (§8 1281, 1282, 1287, 1288, 1289
1291, 1292 ff. BGB.); deshalb muß auch ander⸗
ſeits die geſicherte Forderung, obwohl ſie zunächſt
keine Geldforderung zu fein braucht ($ 1204 BGB.),
in eine Geldforderung übergehen, ehe für ſie die
Befriedigung aus der verpfändeten Forderung
geſucht werden kann. So könnte B., der ſich
von dem beſtellten Gärtner zur Sicherung ſeines
Anſpruchs auf Leiſtung feiner Arbeit ein Pfand-
recht an einer Geldforderung hatte beſtellen laſſen,
aus dieſer Geldforderung nicht eher Befriedigung
ſuchen, als bis er ſelbſt, etwa infolge Nichterfüllung
des Vertrags, von dem Gärtner Geld zu fordern
hätte. Nun gehören die erwähnten Leiſtungs—
gegenſtände, Sachen und Geld, zu der Kategorie
der Sachen. Die Leiſtungsverpflichtungen auf ſie
entnehmen auch ihren oben nachgewieſenen Tauſch⸗
wert lediglich dem Umſtande, daß ſie auf dieſe
Sachen gehen; als bloße rechtliche Bindungen
bzw. Bindungen anderen Inhalts hätten ſie keinen
Tauſchwert. Endlich entſtehen, wenn die geſchul⸗
deten Sachen — um zunächſt nur von dieſen zu
reden — geleiſtet werden, Pfandrechte an Sachen
($ 1287 BGB.). Aus alledem geht hervor, daß
Endzweck des Forderungspfandrechts doch nur
Erlangung des Tauſchwerts der geſchuldeten Sache,
und wenn die geſchuldete Sache ſelbſt Geld —
alfo die reinſte mögliche Darſtellung des Tauſch⸗
werts der verpfändeten Forderung — ift, Erlan:
gung dieſes Geldbetrags fein kann. Das For-
derungspfandrecht trifft demnach die Forderung
nur als Mittel zum Zweck und bezieht ſich in
Wirklichkeit auf die Sache oder das Geld, das den
Leiſtungsgegenſtand bildet. Iſt dieſer eine Sache,
ſo entſteht mit der Leiſtung ein Pfandrecht nur
darum, weil nun erſt noch der Tauſchwert der
Sache in Geld hergeſtellt werden muß; iſt er
Geld, ſo kann er als möglichſt reiner Tauſchwert
ſogleich angeeignet und zur Befriedigung wegen
der geſicherten Forderung verwandt werden. Es
erweiſt ſich alſo das Pfandrecht an einer Forderung
mit dem Leiſtungsgegenſtande: Sache als ein durch
die Leiſtung der Sache bedingtes Pfandrecht an
dieſer, das an einer Forderung mit dem Leiſtungs—
gegenſtande: Geld als ein bedingtes Recht auf
Aneignung des Geldwertes; beide Rechte ſind
141
Wertbezugsrechte, deren dingliche Natur ich an
anderer Stelle‘) darzutun verſucht habe. Die
Bedingung liegt dabei nicht im Wertbezugsrechte
— dies iſt entweder oder iſt nicht, iſt aber nie
bedingt — ſondern in der Verknüpfung zwiſchen
der geficherten Forderung und dem Wertbezugs⸗
rechte, in der Art des Erwerbs des Wertbezugs⸗
rechts für die geſicherte Forderung. Es verhält
ſich in dieſer Beziehung geradeſo, wie bei der
bedingten Hypothek, worüber ich auf DNot V. 05,
397 ff. verweiſen kann.
Nach alledem läßt ſich das Pfandrecht an einer
Forderung beſtimmen als das Recht, das zum
Zwecke der Befriedigung wegen einer
Forderung gerichtet iſt auf Ziehung
des Tauſchwerts einer Sache oder auf
Aneignung eines Geldbetrags, die den
Gegenſtand einer Forderung bilden. Iſt
dem aber jo, fo braucht man an der abſolut ding:
lichen Natur auch des Forderungspfandrechts nicht
mehr zu zweifeln.
Ich habe oben die bedingte Hypothek zum
Vergleiche herangezogen. Dieſer Vergleich iſt
jedoch cum grano salis zu verſtehen. Es iſt
keine bedingte Hypothek im engeren Sinne, wenn
ein Anſpruch auf Uebertragung des Eigentums
an einer unbeweglichen Sache verpfändet iſt.
Freilich erwirbt der Pfandgläubiger, wenn die
unbewegliche Sache geleiſtet wird, eine Sicherungs⸗
hypothek an ihr ($ 1287 Satz 2 BGB.) und man
kann daher die Leiſtung der unbeweglichen Sache
auch hier als eine Bedingung der Hypothek an⸗
ſprechen. Aber in anderem Sinne, als bei der
bedingten Hypothek. Der Unterſchied liegt in der
Art des Wertbezugsrechtes. Bei der Forderungs⸗
verpfändung beſteht das Wertbezugsrecht nur für
die geſicherte Forderung und mit ihr; es kann eine
von der Forderung getrennte Exiſtenz nicht führen,
iſt lediglich akzeſſoriſch. Dies gilt auch für den
Fall des $ 1287 Satz 2. Die in ihm verliehene
bedingte Sicherungshypothek — bedingt durch die
Leiſtung des Drittſchuldners — ift an die ge:
ſicherte Forderung nur in akzeſſoriſcher Weile an=
gegliedert; überdies liegt die Bedingung bei dieſer
Hypothek nicht im Gefüge der Hypothek, jon-
dern außerhalb, ſo daß, bevor ſie eintritt, über—
haupt keine Hypothek, mit ihrem Eintritt aber
ſogleich eine unbedingte Hypothek vorhanden iſt.
Anders bei der eigentlichen bedingten Hypothek.
Bei ihr iſt das Wertbezugsrecht, die dingliche
Seite der Hypothek, kein bloßes Akzeſſorium, das
ohne die Forderung nicht beſtehen könnte; viel⸗
mehr kann es in beſtimmten vom Geſetze feſtge—
legten Fällen von der Forderung gelöſt werden
und ſeine eigenen Wege gehen. Zu dieſem Zwecke
bedarf es einer ſolideren rechtlichen Struktur, als ſie
das von der Forderung gänzlich abhängige Mobi—
1) Poſ Schr. 07, 61 ff., DNotV. 07, 526 ff.
142
liarpfand aufweist; es muß mehr als Sache fon:
ſtruiert werden“), wobei fih die Einrichtung des
Grundbuchs als feſte Grundlage bietet. Dieſe allein
läßt es auch unbedenklich erſcheinen, das Gefüge
der Hypothek, die Verknüpfung zwiſchen Forderung
und ſelbſtändigem Wertbezugsrechte. durch Ein⸗
fügung einer oder mehrerer Bedingungen ſo er⸗
heblich zu lockern, wie wir es bei der bedingten
Hypothek ſehen (DNB. a. a. O.).
Mitteilungen aus der Praxis.
Die Datierung der Einträge im Grundbuch. Welches
Datum dem Eintragungsvermerk im Grundbuch bei⸗
zuſetzen iſt, war ſchon nach der preußiſchen Grund⸗
buchordnung, dem Muſter der Reichsgrundbuchordnung,
ſtreitig. Die Frage iſt auch nach dieſer ſtreitig ge⸗
blieben; doch hat ſich für ſie eine herrſchende Meinung
gebildet. Die Materialien zur Reichsgrundbuchordnung
und faſt alle Schriftſteller ſprechen ſich dafür aus,
daß nicht der Tag der Prüfung und Unterzeichnung
des Eintragungsvermerkes durch den Grundbuch⸗
beamten, ſondern der Tag der Einſchreibung des Ver⸗
merkes zu wählen iſt. Kommiſſionsbericht über den Ent⸗
wurf der GBO. 8 43 (bei Hahn⸗Mugdan, Materialien
zu den Reichsjuſtizgeſetzen Bd. 5 S. 222); Planck,
BGB., 3. Aufl. 8 879 Anm. 2; Staudinger, BGB.
3. Aufl. $ 879 Anm. 2a; Turnau⸗Förſter, Liegen⸗
ſchaftsrecht, 3. Aufl. Bd. 2 8 45 Anm. A u. 1e; Fuchs⸗
Arnheim, Grundbuchrecht Bd. 2 8 45 Anm. 5; Achilles⸗
Strecker, GBO. 8 45 Anm. 2b; Maenner, Sachenrecht,
2. Aufl. S. 111. Dieſe Meinung wird damit begründet:
Die Datierung iſt ebenſo wie die Unterſchrift für die
Wirkſamkeit des Eintragungsvermerks ohne Bedeutung,
dieſer iſt auch ohne Datum und Unterſchrift gültig und
deshalb ſchon mit der Einſchreibung fertig; Datierung
und Unterſchrift haben nur die Bedeutung einer
Kontrolle des auch ohne ſie ſchon vollendeten Eintrags.
8 244 der Dienſtanweiſung für die bayeriſchen
Grundbuchämter beſtimmt, daß die Prüfung, Unter⸗
zeichnung und Abſchließung der von dem Bedienſteten
der Gerichtsſchreiberei vorgenommenen Einſchreibung
ſoweit möglich an dem Tag vorgenommen werden
ſoll, an dem die Einſchreibung erfolgt. Iſt dies aber
nicht möglich, dann fol nach § 242 der Dienſtanweiſung
der Grundbuchbeamte als Datum der Eintragung das
Datum des Tages einſetzen, an dem er nach der
ns der Einſchreibung dieſer feine Unterſchrift
beiſetzt.
Mit der angeſührten herrſchenden Meinung ſteht
dieſe Vorſchrift des 8 242 der Dienſtanweiſung im
Widerſpruch. Nach der herrſchenden Meinung iſt aber
auch weiter die Vorſchrift des § 45 der GBO. über
die Datierung der Einträge nicht eine Vorſchrift über
deren äußere Form, ſondern materiellen Inhalts,
deshalb ausſchließlich nach Reichsrecht zu beſtimmen,
und darf durch die Landesgeſetzgebung nicht ergänzt
werden, während dies bei der Vorſchrift des § 45
über die Unterſchrift zugelaſſen ift. Turnau⸗Förſter
a. a. O. Anm. B a. Anf.; Fuchs⸗Arnheim a. a. O.
S. 472. Der herrſchenden Meinung nach ſteht alſo
1) S. auch PoſMSchr. a. a. O.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Re 17. in Bayern. 1908. Nr. 7.
die Vorſchrift der Dienſtanweiſung 8 242 letzter Satz
mit dem Reichsrecht in Widerſpruch und iſt ungültig.
Auch der Grundbuchrichter hat das Recht der Prüfung
der Gültigkeit einer Rechtsvorſchrift und braucht ſie
nicht anzuwenden, wenn er ſie für ungültig hält.
Schließt er ſich in der hier beſprochenen Frage der
herrſchenden Meinung an, dann darf er die Vorſchrift
der Dienſtanweiſung außer Betracht laſſen und kann
zu deren Einhaltung von Dienſtaufſichts wegen nicht
angehalten werden.
Amtsrichter Dr. Kübel in Landau a. J.
Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des Ge⸗
| werbeunfaliverfiherungsgefches. Im Heft 4 ©. 84
dieſes Jahrgangs der Zeitſchrift befaßt ſich Dr. Michel
mit der Kritik eines Urteils des Oberlandesgerichtes
3 (abgedruckt in dieſer Zeitſchrift Jahrg. 1907
S. 333), dem folgender Tatbeſtand zugrunde lag:
Der Kläger, ein Holzhändler und Wirt, der ſchon
wiederholt im Dampfſägewerke des Beklagten Holz
ſchneiden ließ und ihm hierbei durch Hinreichen des
Holzes behilflich war, übernahm bei einer augen
blicklichen Verhinderung des Beklagten und auf
deſſen ausdrücklichen Wunſch vorübergehend
ſelbſt die Bedienung der Kreisſäge und erlitt hierbei
einen Unfall.
Landgericht und Oberlandesgericht wieſen den
Kläger ab, da eine Haftung des Beklagten weder auf
§ 823 noch auf $ 662 BGB. geſtützt werden könnte.
Dr. Michel nimmt an, daß dieſe Entſcheidung
zwar in dem Endergebnis der Klageabweiſung richtig
ſei, aber auf unrichtigen Erwägungen beruhe, weil der
Kläger „vorübergehend als Arbeiter im Be⸗
triebe des Beklagten zu betrachten ſei“,
weshalb die betreffende Berufsgenoſſenſchaft aufzu⸗
kommen habe.
Meines Erachtens geht dieſe Anſicht fehl. Zunächſt
bedarf die Aufſtellung Dr. Michels, daß die Ent⸗
ſchädigung des Klägers für ſeine Arbeit ohne Zweifel
im Preiſe für das Holzſägen zum Ausdruck gekommen
ſei, der ſich höher bemeſſen müßte, wenn der Kläger
hierbei nicht behilflich wäre, inſoweit der Berichtigung,
als der Tatbeſtand des betreffenden Urteils für dieſe
Annahme nicht die geringſte Handhabe bietet. Es
war dies aber auch offenſichtlich tatſächlich nicht der
Fall, ſondern es handelte ſich um eine Erſcheinung,
der wir tagtäglich im praktiſchen Leben begegnen.
Bei einer Unzahl von Arbeitsleiſtungen finden wir,
daß der Beſteller bei der Ausführung der Arbeit
ſelbſt mit Hand anlegt; ich erinnere nur an das Be⸗
ſchlagen der Pferde, wobei der Fuhrherr oder Fuhr⸗
knecht faſt ſtets mithilft, oder der Auftraggeber hält
einem Tapezierer die Leiter, oder der Hausherr leuchtet
dem Inſtallateur, der im Keller die Waſſerleitung
repariert u. dal. In allen dieſen Fällen wird nie
davon die Rede ſein, daß wegen dieſer Beihilfe der
Preis der Arbeit entſprechend herabgeſetzt wird.
Im übrigen beruht die Anſicht Dr. Michels meines
Erachtens auf einer Verkennung des Begriffes „Ar⸗
beiter“ im Sinne des GewulVG. Allerdings iſt in
der Rechtſprechung und Literatur zum GewU VG.
angenommen worden, daß auch eine nur vorübergehende
Beſchäftigung in einem Betriebe, eine entgeltlich oder
unter Umſtänden ſelbſt eine unentgeltlich geleiſtete
Hilfstätigkeit, auf Grund eines formalen Arbeits-
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 143
vertrages oder auch ohne einen ſolchen, das Arbeits⸗
verhältnis begründen kann. (Vgl. RGE. in Bl. f.
RA. Bd. 73 S. 139 und die Zitate daſelbſt). Allein
wie hier und in anderen Entſcheidungen aus⸗
geführt iſt, kommt es in erſter Linie auf das per⸗
ſönliche Abhängigkeits verhältnis zu dem
Betriebsunternehmer an und für diefes iſt es nicht
nur erheblich, ob die Hilfsperſon in der einzelnen
Arbeit von Anweiſungen des letzteren abhängig iſt,
ſondern vornehmlich, ob fie nach ihrer ſonſtigen ſozialen
Stellung ſich einem Arbeitsherrn hat unterordnen,
ihre Selbſtändigkeit hat aufgeben, ihre Arbeitskraft
dieſem zur Verwertung in ſeinem Gewerbebetriebe
hat zur Verfügung ſtellen wollen. (Vgl. die zit. RGE.).
Betrachtet man den Fall des Oberlandesgerichtes
Zweibrücken von dieſen Geſichtspunkten aus, ſo
trifft auch nicht ein einziger zu. Daß Kläger ſich
nicht in ein perſönliches Abhängigkeitsverhältnis zum
Beklagten begeben wollte, daß er ſich in ſeiner ſozialen
Stellung dem Beklagten nicht unterordnen wollte,
daß er ſeine Selbſtändigkeit nicht aufgeben wollte,
liegt ohne weiteres auf der Hand. Selbſt wenn man
behaupten wollte, daß er vorübergehend ſeine Arbeits⸗
kraft dem Beklagten zur Verfügung geſtellt hätte
zwecks ihrer Verwertung in dem Gewerbebetriebe des
Beklagten, ſo iſt doch ſicher, daß er in keinerlei Ab⸗
hängigkeits⸗ oder Unterordnungsverhältnis zu dem
Beklagten treten wollte. Der Kläger hat ſich durchaus
nicht dem Beklagten zu irgendwelcher Arbeit ver:
pflichten wollen oder verpflichtet, ſondern
war ihm lediglich in ſeinem Intereſſe behilflich bei
der Arbeit, ſolange es ihm gefiel. Damit ent⸗
fällt aber das weſentlichſte Merkmal für die Begründung
eines Arbeitsverhältniſſes des Klägers zu dem Be:
klagten; der Kläger wollte dann nur nach ſeinem
Willen handeln, nicht dem Beklagten in irgendeiner
Weiſe ſich unterwerfen. (Vgl. die zit. RGE. S. 140).
Die Bemängelungen Dr. Michels erſcheinen mir
deshalb in keiner Weiſe zutreffend.
Landgerichtsrat Hagen in Frankenthal.
Aus der Praxis der Gerichte.
s Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Der Umſtand, daß in der Beruſungsſchrift das an-
efochtene Urteil nicht genügend bezeichnet ift, ift un:
chädlich, wenn nach den Umſtänden des Falles ein
eifel darüber nicht möglich iſt, auf welches Urteil
ch die Berufung bezieht. Das Urteil des LG. iſt
150 18. April 1907 zugeſtellt worden. Zur Einlegung
der Berufung hat der dem Kläger für die Berufungs—
inſtanz beigeordnete Anwalt Dr. Fr. gedruckte For-
mulare verwendet. Dieſe find auf der Urſchrift und
der dem OLG. übergebenen Abſchrift ordnungsmäßig
ausgefüllt geweſen, dagegen ift dies bei der dem An-
walt des Beklagten am 18. Mai 1907 zum Zwecke
der Zuſtellung übergebenen, vom Rechtsanwalt Dr.
Fr. beglaubigten Abſchrift der Berufungsſchrift nicht
der Fall geweſen; es waren in dem Formular die
Lücken nicht ausgefüllt, die zur Einrückung des Tages
der Verkündung und der Zuſtellung des durch die
Berufung angefochtenen Urteils und zur Bezeichnung
des Gerichts beſtimmt waren, von dem es erlaſſen
war. Die Urſchrift der Berufungsſchrift und die für
den Anwalt des Beklagten beſtimmte Abſchrift ſind
am 13. Mai 1907 bei der Gerichtsſchreiberei des OLG.
eingegangen. Der Anwalt des Klägers hat nach⸗
träglich am 3. Juni 1907 dem Anwalt des Beklagten
eine ordnungsmäßig ausgefüllte Abſchrift der Be⸗
rufungsfriſt zugeſtellt und Wiedereinſetzung des
Klägers in den vorigen Stand gegen die Verſäumung
der Notfriſt beantragt. Das OLG. hat die Berufung
des Klägers für unzuläſſig angeſehen, weil in der
dem Anwalt des Beklagten zum Zwecke der Zuſtellung
übergebenen Abſchrift der Berufungsſchrift das Urteil,
gegen das ſich die Berufung richtete, nicht bezeichnet
ſei. Die Reviſion hatte Erfolg.
Gründe: Allerdings müßte, obwohl die Urſchrift
und die dem OLG. überreichte Abſchrift der Berufungs⸗
ſchrift den geſetzlichen Formvorſchriften unzweifelhaft
entſprachen, das Rechtsmittel als unzuläſſig verworfen
werden, wenn die dem Anwalt des Beklagten zum
Zwecke der Zuſtellung übergebene Abſchrift infolge
der mangelhaften Ausfüllung des Formulars unge-
nügend wäre. Das iſt indes nicht anzunehmen. Sie
enthielt die in 8 518 Abſ. 2 Nr. 2 und 3 ZPO. ge⸗
forderte Erklärung und Ladung, in Frage kommt
alſo nur, ob durch die in der Abſchrift enthaltenen
Angaben trotz der Lücken, die ſie aufwies, das Urteil aus⸗
reichend bezeichnet war, gegen das die Berufung ge—
richtet wurde. Inſoweit iſt entſcheidend, ob nach
dem, was die Abſchrift enthielt, für den Berufungs—
beklagten ein begründeter Zweifel darüber beſtehen
konnte oder nicht, welches Urteil angefochten werden
ſollte, und es war dies nach den Umſtänden des
Falles zu beurteilen. Die Abſchrift enthielt nun auf
der erſten Seite zunächſt folgende Angaben: Berufungs—
ſchrift in Sachen des Kellners Fr. F. in C., Klägers
und Berufungsklägers (Prozeßbevollmächtigter Rechts-
anwalt Dr. Fr. in D.) wider den Wirt J. L. in Schl.,
Beklagten und Berufungsbeklagten (Vertreter I. Jn-
ſtanz Rechtsanwalt Dr. P.) wegen Schadenserſatz.
Hierdurch war der Prozeß, in dem Berufung einge—
legt wurde, in einer jeden Zweifel ausſchließenden
Weiſe gekennzeichnet, wenn zwiſchen den Parteien
kein weiterer Prozeß wegen Schadenserſatz anhängig
war, in dem der Beklagte in erſter Inſtanz durch
den Rechtsanwalt Dr. P. vertreten war. Daß zwiſchen
den Parteien ein weiterer Prozeß überhaupt geführt
worden ſei, iſt nicht feſtgeſtellt und nicht behauptet,
es darf deshalb davon ausgegangen werden, daß es
nicht der Fall geweſen ſei. Dann konnte für den
Anwalt des Beklagten auch kein Zweifel darüber be—
ſtehen, daß die in dem Texte der Berufungsſchrift
enthaltene Erklärung des Klägers, er lege gegen das
Urteil des Kgl. LG. Berufung ein, ſich auf ein Urteil
des LG. zu D. beziehe, weil eben durch die Bezeich—
nung der Parteien und ihrer Parteirolle der Prozeß,
um den es ſich handelte, klargeſtellt und dieſer Prozeß
bei dem LG. D. anhängig war. Nun ift aller-
dings in dieſem Prozeſſe nicht bloß ein Urteil erſter
Inſtanz ergangen, es waren vielmehr dem Endurteil
vom 22. März 1907 ein Teilurteil vom 30. März 1904
und ein Zwiſchenurteil vom 26. Oktober 1906 vorher-
gegangen. Das erſtere war aber nicht bloß dem
Kläger durchaus günſtig, ſondern es war auch längſt
rechtskräftig geworden, das letztere Urteil aber war
ein Zwiſchenurteil im Sinne von § 303 ZPO., gegen
das, wie dem Anwalt des Beklagten nicht zweifelhaft
ſein konnte, eine ſelbſtändige Berufung nicht möglich
war. Deshalb ſteht nach allem, was bisher vorliegt,
feſt, daß der Anwalt des Beklagten keinen Zweifel
darüber gehabt hat, daß das Urteil des LG. D., gegen
das ſich die Berufung des Klägers richtete, das Urteil
vom 22. März 1907 ſei. Danach iſt es nicht gerechtfertigt,
144
daß die Vorinſtanz die Berufung wegen der Mängel
der dem Prozeßbevollmächtigten des Berufungsbeklagten
übergebenen Abſchrift der Berufungsſchrift als unzu⸗
läſſig verworfen hat. (Urt. des VI. 8S. vom 30. Januar
1908, VI 540/07). np
1211
II.
Zu 8 280 ZVO. Kann während eines
Rechtsſtreits über eine Erbſchaft durch Er⸗
weiterung des Klageantrages die Feſt⸗
ſtellung begehrt werden, daß die Ehe des
Erblaſſers nichtig gewefen ſei?
Aus den Gründen: Die Reviſion hat Be-
denken erhoben, ob der Antrag, der auf Feſtſtellung
der Nichtigkeit der Ehe gerichtet war, gemäß 8 280
ZPO. geſtellt werden konnte. Die Bedenken find. un-
begründet. Mit dem in der Klageſchrift enthaltenen
Antrage hatte der Kläger die Rechte eines geſetzlichen
Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB.) geltend ge-
macht. Die Beklagte hatte darauf Abweiſung der
Klage begehrt, weil ſie durch Teſtament als Univerſal⸗
erbin eingeſetzt ſei und weil ſie, wenn das Teſtament
nichtig wäre, als überlebender Ehegatte ebenfalls zur
Erbfolge berufen wäre (8 1931 BGB.). Hierauf hat
in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 1905
der Kläger — ohne daß die Beklagte eine Einwendung
erhoben hätte — den Klageantrag erweitert, indem er
auch die Feſtſtellung verlangte, daß die zwiſchen dem
Erblaſſer und der Beklagten geſchloſſene Ehe nichtig
geweſen ſei. Die Reviſion meint, es handle ſich bei
der Klageerweiterung nicht um ein Rechtsverhältnis
und auch nicht um ein Rechtsverhältnis, das im Laufe
des Prozeſſes ſtreitig geworden ſei. Der Einwand
geht fehl. Daß eine gültige Eheſchließung rechtliche
Beziehungen begründet, bedarf keiner Darlegung.
Indem der Kläger Feſtſtellung begehrte, daß das
rechtliche Verhältnis, wie es durch eine Eheſchließung
begründet werde, zwiſchen der Beklagten und dem
Erblaſſer nie entſtanden ſei, begehrte er die Feſtſtellung
des Nichtbeſtehens eines Rechtsverhältniſſes. Das
Rechtsverhältnis war ferner im Laufe des Prozeſſes
ſtreitig geworden; denn die Beklagte hatte ſich dem
Klageantrag gegenüber auf ihre Eigenſchaft als Ehe-
gattin des Erblaſſers geſtützt. Darauf, daß ſchon vor
Einleitung des Rechtsſtreites bekannt war, die Be—
klagte behaupte, Teſtamentserbin und Ehegattin des
Erblaſſers zu ſein, und daß dies in der Klageſchrift
ſelbſt erwähnt war, kommt es nicht an. — Unzutreffend
iſt ferner, wenn die Reviſion geltend macht, der
Berufungsrichter habe dem Umſtand nicht Rechnung
getragen, daß es ſich um ein der Vergangenheit
angehörendes Rechtsverhältnis handle. Der Berufungs—
richter hat ausgeführt, daß die Auflöſung der Ehe
dem Feſtſtellungsantrag nicht entgegenſtehe, weil die
Rechtsfolgen der Eheſchließung noch fortwirken würden.
Die Erwägung des Berufungsrichters iſt zu billigen.
Es iſt auch nicht richtig, daß das auf die Feſtſtellung
der Nichtigkeit der Ehe gerichtete Klagebegehren bereits
in dem erſten Klageantrag völlig erſchöpft wäre.
Der Berufungsrichter hat darauf hingewieſen, daß der
Beklagte an der rechtskräftigen Feſtſtellung der Nichtig—
keit der Eheſchließung auch ein Intereſſe habe, falls
er der Beklagten die Führung des Namens ſeiner
Familie unterſagen wolle. Dieſe Erwägung iſt nicht
zu eee e näher noch lag der Hinweis auf § 1932
oder auf S 1590 BGB. (Urt. des IV. 3c. vom
30. Januar 1908, IV 235/07). — —— n
1220
III.
Zu 8 138 BGB. Ift ein Vertrag zwiſchen
geſchiedenen Gatten unſittlich, wenn er
neben der Regelung der Unterhaltspflicht
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
des ſchuldigen Gatten die Zuſicherung des
anderen Gatten enthält, daß Strafantrag
nicht geſtellt werde?
Aus den Gründen: Die Parteien waren früher
verheiratet, ihrer Ehe entſtammt eine Tochter. Die
Ehe iſt 1898 wegen Ehebruchs des Beklagten geſchieden
worden, die Tochter wird von der Klägerin erzogen.
Durch Vertrag vom 18. November 1898 hat ſich der
Beklagte verpflichtet, der Klägerin zu ihrem und ihrer
Tochter Unterhalt alljährlich eine beſtimmte Summe
zu gewähren. Auf Grund des Vertrags ift der Be-
klagte verurteilt worden, der Klägerin einen gewiſſen
Betrag zu zahlen. Die Berufung wurde zurückgewieſen.
Zur Begründung der Reviſion iſt er auf den Einwand
zurückgekommen, daß das Abkommen vom 18. November
1898 gegen die guten Sitten verſtoßen habe und des-
halb nichtig ſei. In dieſem Vertrage hatte nämlich
die Klägerin darauf verzichtet, wegen der Tatſachen,
auf Grund deren die Eheſcheidung erfolgt ift, Straf-
antrag wider den Beklagten zu ſtellen und es war
dieſem für den Fall, daß gleichwohl Strafantrag ge⸗
ſtellt werde, der Rücktritt von dem Vertrage vor⸗
behalten worden. Der Beklagte will angenommen
wiſſen, daß danach die von ihm gegenüber der
Klägerin übernommenen Verpflichtungen einerſeits
und der Strafantragsverzicht anderſeits im Verhältnis
von Leiſtungen und Gegenleiſtungen ftänden, die vom
Beklagten verſprochenen Leiſtungen daher die Natur
eines Schweigegeldes hätten, durch das ſich die
Klägerin ihr Recht, Strafantrag wegen des Ehebruchs
zu ſtellen, habe abkaufen laffen. Das fei unſittlich, und
deshalb fei der ganze Vertrag nach 8 138 BGB. nichtig.
Der Angriff ift unbegründet. Von einem Schweige⸗
geld kann nicht die Rede ſein; das rechtswidrige
und ſtrafbare Verhalten des Beklagten war in dem
Eheſcheidungsprozeſſe ſchon feſtgeſtellt, in Frage kam
nur, ob die Klägerin den Antrag auf Beſtrafung des
Beklagten ſtellen werde. Wenn ſie nun in dem Ver⸗
trage, in dem die Höhe des vom Beklagten für ſie
und ihre Tochter zu gewährenden Unterhalts beſtimmt
wurde, die Zuſage gab, daß ſie von dem Rechte, die
Beſtrafung des Beklagten zu verlangen, keinen Ge—
brauch machen werde, ſo kann hierin ein wider die
guten Sitten verſtoßendes Verhalten um ſo weniger
erblickt werden, da, wie das Berufungsgericht auf
Grund tatſächlicher Würdigungen unangreifbar feſt—
geſtellt hat, die vom Beklagten zugeſagten Leiſtungen
über dasjenige nicht hinausgingen, was er auch kraft Ge—
ſetzes zu gewähren verpflichtet war. (Urt. des VI. 3S.
vom 5. Dezember 1907, VI 147/07). — —— n
1212
IV.
Zu Art. 1 des Haager Abkommens zur ege Ana
der Vormundſchaft über Minderjährige vom 12. Juni 1902.
(Vormundſchaftsrecht in den Niederlanden). Durch das
Berufungsurteil iſt der Beklagte verurteilt worden,
die Fortführung der minderjährigen Geſchwiſter M.
und E. R. zu ihrem Vormund, dem Kläger, zu dulden.
Die Reviſion des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Gründe: Die Entſcheidung des Berufungsgerichts
gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Sie iſt
gerechtfertigt durch die Feſtſtellungen, wonach die
beiden Minderjährigen die niederländiſche Staats—
angehörigkeit beſitzen, der Kläger durch das nach
niederländiſchem Recht zuſtändige Gericht zum Vor—
mund beſtellt worden iſt, nach niederländiſchem Rechte
ferner der Vormund die Herausgabe des Mündels von
jedem Dritten verlangen kann, der ihm den Mündel
vorenthält, und der verklagte Dritte dem Vormund
gegenüber nicht einwenden kann, daß das Verlangen
nach Herausgabe den Intereſſen des Mündels zuwider—
laufe. Die Reviſion macht geltend, die Frage, ob der
Beklagte verpflichtet fei, die Minderjährigen heraus»
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7. 145
zugeben oder ihre Fortführung zu dulden, müſſe nach
deutſchem Rechte beurteilt werden. Dem Angriff iſt
kein Erfolg zu gewähren. Nach Art. 1 des Ab⸗
kommens zur Regelung der Vormundſchaft über
Minderjährige vom 12. Juni 1902 (RGB. 1904
S. 240) beſtimmt ſich die Vormundſchaft über einen
Minderjährigen — welcher Angehöriger eines der
Vertragsſtaaten ift und feinen gewöhnlichen Aufent-
halt im Gebiet eines dieſer Staaten hat (Art. 9) —
nach dem Geſetze des Staates, dem er angehört.
Das Geſetz des Heimatſtaates iſt insbeſondere maß⸗
gebend für die Führung der Vormundſchaft, für die
Rechte und Pflichten des Vormunds hinſichtlich der
Perſon und des Vermögens des Mündels (vgl. Art. 6
des Abkommens und die Denkſchrift, Reichstagsdruck⸗
ſachen 1904 Nr. 347 S. 45). Wenn, wie das Be⸗
rufungsgericht feſtgeſtellt hat, nach niederländiſchem
Recht der Vormund berechtigt iſt, die Herausgabe des
Mündels zu verlangen, ohne daß ihm eingewendet
werden darf, das Intereſſe des Mündels werde durch
die Anordnung des Vormunds geſchädigt, ſo hat der
Berufungsrichter die Einwendungen des Beklagten mit
Recht als unſtatthaft zurückgewieſen. Die Feſtſtellungen
aber, die der Berufungsrichter über die Beſtimmungen
des ausländiſchen Rechts getroffen hat, laſſen ſich in
der Reviſionsinſtanz nicht nachprüfen. Die Reviſion
meint, nach deutſchem Recht ſtehe den Angehörigen
des Mündels die Befugnis zu, Einwendungen gegen
die Art und Weiſe zu erheben, wie der Vormund den
Mündel erziehe, ſolche Einwendungen könne der Be—
klagte bei keiner niederländiſchen Behörde anbringen,
deshalb müſſe zuläſſig ſein, ſie vor dem Prozeßgericht
in Deutſchland geltend zu machen. Dem iſt jedoch
nicht beizutreten. Die Vorſchriften des deutſchen Vor-
mundſchaftsrechts haben außer Betracht zu bleiben,
da das Geſetz des Heimatſtaates maßgebend iſt. Nach
dem Geſetze des Heimatſtaates können Einwendungen,
wie ſie der Beklagte erhoben hat, dem Vormund
gegenüber nicht vorgebracht werden. Ob ſie nach
deutſchem Recht dem Herausgabeanſpruch des Vor—
munds entgegengeſetzt werden dürften, kann dahin—
geſtellt bleiben. (Urt. des IV. 35. vom 12. Dezember
1907, IV 179/07). — — — n.
1219
B. Strafſachen.
I.
Veräußerung
ie Zwangsvollſtreckung —
(8 288 StGB.). ... Daß zu der Zeit, als der An-
geklagte die Hypotheken zum Scheine abtrat, die
Zwangsvollſtreckung ſchon begonnen hatte, iſt richtig,
hindert aber nicht, daß ſie eine drohende blieb, wenn
nur die Fortſetzung des Vollſtreckungs verfahrens bez
voritand (RGE. Bd. 35 S. 62). Daß dies hier der
Fall war, ergibt ſich aus der Feſtſtellung, daß die
nach § 830 ZPO. zur wirkſamen Pfändung der
Hypotheken, (für welche Hypothekenbriefe beſtanden),
erforderliche Uebergabe dieſer Briefe noch zu erwirken
und der Angeklagte zu dieſem Zwecke zur Ableiſtung
des Offenbarungseides vorgeladen worden war. Es
kann alſo keine Rede davon ſein, daß die Zwangs—
vollſtreckung ſchon beendet war, als die Schein—
abtretungen erfolgten. Dieſe ſind allerdings nicht
eine Veräußerung, deren Begriff eine wirkliche
Uebertragung von Vermögensrechten erfordert (RGE.
Bd. 32 S. 20, Bd. 6 S. 103), wohl aber — in
Verbindung mit ihrer Geltendmachung im
Termine zur Ableiſtung des Offenbarungseides —
eine Beiſeiteſchaffung (vgl. RGE. Bd. 35 S. 62, Bd. 27
S. 213). . . . (Urt. des V. StS. vom 3. Dezember 1907,
5 D 801/07).
1154
— — — e —
II
Protokollrüge. ... Auch die übrigen Prozeß⸗
beſchwerden gehen fehl; ſie ſind bloße Protokollrügen.
Das Weſen dieſer beſteht darin, daß der Sache nach
nur die Nichtbeobachtung einer für die Abfaſſung des
Sitzungsprotokolls gegebenen Vorſchrift, insbeſondere
die Unvollſtändigkeit des Protokolls, gerügt iſt. Soweit
das Protokoll als unvollſtändig bemängelt wird, ergibt
fih zwar aus SS 273, 274 StPO. — von dem hier
nicht in Frage kommenden beſonderen Falle des $ 274
Satz 2 abgeſehen — mit rechtlicher Notwendigkeit die
Folge, daß anzunehmen iſt, die Vorgänge, die nach
den beſtehenden Vorſchriften zu protokollieren geweſen
wären, deren Beurkundung aber unterblieben iſt, haben
nicht ſtattgefunden. Dies genügt indes allein noch
nicht, einer erhobenen Beſchwerde die Eigenſchaft einer
bloßen Protokollrüge zu nehmen und ihr die einer
Prozeßbeſchwerde im Sinne des 8 384 Abſ. 2 StPO.
zu verleihen. Dazu iſt vielmehr erforderlich, daß der
Beſchwerdeführer die Behauptung aufſtellt, die zum
Gegenſtande der Anfechtung gemachte, den Beſtand
der Entſcheidung berührende Verletzung einer Rechts-
norm über das Verfahren ſei in der Tat vorgefallen.
Es bleibt ihm auch unbenommen, dieſe Tatſache unter
Hinweis auf den Inhalt des Protokolls und auf die
ss 273, 274 StPO. zu beweiſen. Allein immer muß
erhellen, daß die die Verletzung des Verfahrens in
ſich ſchließenden Tatſachen der Wirklichkeit entſprechen,
d. h. die Verletzung in der Hauptverhandlung wirklich
ſtattgefunden hat. Die Bezugnahme darf m. a. W.
nicht ein bloßer Hinweis auf die aus 8$ 273, 274
StPO. — rein abſtrakt — zu ziehenden rechtlichen
Folgen fein. (Urt. des V. StS. vom 8. November
1907, 5 D 733/07).
1153
— — —e —
III.
Wiederholte Vornahme einer Prozeßhandlung.
. . . Es ift allerdings richtig, daß die Geſchworenen
aus dem Beratungszimmer, wohin ſie ſich nach einem
ordnungsmäßigen, dem § 257 StPO. entſprechenden
Schluſſe der Verhandlung zurückgezogen hatten, vom
Vorſitzenden in den Sitzungsſaal zurückgerufen worden
ſind, daß dann in Gegenwart aller Perſonen, deren
Anweſenheit das Geſetz für erforderlich erklärt, die
Angeklagte nach $ 257 Abſ. 3 StPO. neuerdings be-
fragt worden iſt und der Vorſitzende nochmals eine
Belehrung im Sinne des § 300 StPO. gegeben hat.
geſprochen hat, grundſätzlich nichts
In dem geſchilderten Verfahren kann aber ein die
Aufhebung des darauf gefällten Urteils begründender
Prozeßverſtoß nicht gefunden werden. Die Wieder-
holung irgendeiner weſentlichen Prozeßhandlung in
derſelben Hauptverhandlung iſt inſoweit unbedenklich,
als nicht angenommen werden muß, daß das Urteil
auf ihr möglicherweiſe beruht, d. h. daß es, wenn
jene Wiederholung nicht erfolgt wäre, einen anderen
Inhalt gehabt hätte. Iſt ein die Nichtigkeit des Ver—
fahrens nach ſich ziehender Prozeßverſtoß vorgefallen,
ſo ſteht, wie das Reichsgericht ſchon mehrmals aus—
entgegen, ihn
dadurch unſchädlich zu machen, daß der in Betracht
kommende Teil der Verhandlung wiederholt wird
(vgl. Entſch. Bd. 32 S. 378, Bd. 33 S. 75). Hier
war nun allerdings kein die Nichtigkeit begründender
Verſtoß vorgefallen. Allein es muß nach der Lage
der Sache als ausgeſchloſſen bezeichnet werden, daß
die vom Vorſitzenden hervorgerufene an ſich unnötige
Unterbrechung der Beratung der Geſchworenen auf
deren Ergebnis von Einfluß geweſen ſein kann. Denn
als ſolches Ergebnis kommt nur der Spruch der Ge—
ſchworenen in Betracht und ein ſolcher iſt, ſolange
mit deffen Kundgebung nach § 308 StPO. nicht be-
gonnen worden iſt, noch nicht vorhanden. Kein Ge—
ſchworener iſt während der Beratung an die von ihm
erklärte Anſicht gebunden. Daraus folgt, daß, ſollte
146 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
ſelbſt infolge der erneuten Verhandlung ein Geſchworener
ſeine urſprünglich ausgeſprochene Meinung über eine
Frage geändert haben, darin nichts Unzuläſſiges liegt.
Es mag dabei darauf hingewieſen werden, daß das
Geſetz für gewiſſe Fälle ſelbſt (vgl. §§ 306, 311 StPO.)
eine durch die Verhandlung unterbrochene Beratung
der Geſchworenen vorſieht. (Urt. des V. StrS. vom
10. Januar 1908, 5 D 956/07).
1201
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Die Auseinanderſetzung des Nachlaſſes darf nicht
dadurch gehindert werden, daß möglicherweiſe unermittelte
Abkömmlinge von erbberechtigten, für tot erklärten Ber-
ſchollenen vorhanden find. (Nachlaßgeſetz Art. 3, JGG.
§ 86). Am 29. März 1903 ift Nikolaus F. in M. ledig
geſtorben, ohne eine Verfügung von Todes wegen ge—
troffen zu haben. Das Nachlaßgericht traf Maßnahmen
zur Sicherung des Nachlaſſes und ermittelte als Erben
die Abkömmlinge der Eltern des Erblaſſers, nämlich
ſeine Geſchwiſter Georg F. und Margarete F., beide
vor langer Zeit aus der Heimat B. nach Amerika
ausgewandert und unbekannten Aufenthalts, dann die
Tochter Babette W. und drei Enkel — Babette S., Georg
Michael und Friedrich F. — eines verſtorbenen Bruders
des Erblaſſers namens Johann Balthaſar F., und die
zwei unehelichen Söhne feiner gleichfalls vor ihm ver-
ſtorbenen Schweſter Anna, Zacharias und Johann
Nikolaus F., von denen Johann Nikolaus als Werf-
meiſter in N. lebt, während der Aufenthalt des am
11. April 1856 geborenen Zacharias F. ſeit dem
Jahre 1881 unbekannt iſt. Für die abweſenden Be—
teiligten Georg Michael, Margarete und Zacharias F.
wurden Pfleger beſtellt. Auf Antrag des Johann
Nikolaus F. vermittelte das Nachlaßgericht die Aus⸗
einanderſetzung. Nach dem Auseinanderſetzungsplane
fielen auf jeden der vier Erbſtämme 1570 M. Die
Pfleger für Georg und für Margarete F. erhielten je
1507 M, der Pfleger für Zacharias F. 753 M. Durch die
Ausſchlußurteile vom 7. März und vom 28. Juni 1906
wurden die drei Pflegebefohlenen und die am 25.
September 1840 geborene uneheliche Tochter der Mar-
garete F., namens Anna F. für tot erklärt. Als Reit-
punkt des Todes wurde bei Georg Michael und Dlar-
garete F. der 31. Dezember 1860, bei Anna F. der
31. Dezember 1871 und bei Zacharias F. der 1.
Januar 1892 feſtgeſtellt. Das Nachlaßgericht nahm
auf Antrag des Johann Nikolaus F. das Auseinander—
ſetzungsverfahren wieder auf, veranlaßte die Abliefe—
rung der den Verſchollenen zugewieſenen Erbteile als
Beſtandteile des Nikolaus F.ſchen Nachlaſſes an die
Filialbank M. und ſetzte die von den Vormundſchafts⸗
gerichten unternommenen Nachforſchungen über den
Verbleib der Verſchollenen und ihrer etwaigen Nach—
kommenſchaft durch Veranſtaltung weiterer Ermitt—
lungen darüber fort, ob Georg und Margarete F.
Abkömmlinge hinterlaſſen haben. Die Bemühungen
blieben erfolglos. Auf Veranlaſſung des Nachlaß—
gerichts wurden den unbekannten Abkömmlingen
des Georg, der Margarete und des Zacharias F.
wegen ihrer Beteiligung bei der Nachlaßſache vom
Vormundſchaftsgericht nach § 1913 BGB. Pfleger be-
ſtellt. Dieſe erklärten bei dem Nachlaßgerichte, daß ſie die
nach dem Auseinanderſetzungsplane vom 9. Juni 1904
den Verſchollenen zugewieſenen Erbteile für die Pflege-
befohlenen beanſpruchen, und beantragten, die übrigen
Beteiligten zu hören und im Falle der Zuſtimmung
die Erbteile der Pflegebefohlenen ohne weiteres Ver—
fahren an das Vormundſchaftsgericht abzuliefern.
Johann Nikolaus F. beantragte zur Vermittlung der
Auseinanderſetzung in Anſehung der Erbteile der Ver⸗
ſchollenen einen Verhandlungstermin zu beſtimmen
und die bekannten Erben zu laden. Für den Fall der
Ablehnung legte er Beſchwerde gegen die Beſtellung
von Pflegern für die unbekannten Abkömmlinge der
Verſchollenen ein. Das Nachlaßgericht lehnte den
Antrag des Johann Nikolaus F. ab, und die Be-
ſchwerde gegen die Beſtellung der Pfleger wurde als
unzuläſſig verworfen. Die gegen die Verfügung des
Nachlaßgerichts eingelegte Beſchwerde wurde als unbe⸗
gründet zurückgewieſen. Johann Nikolaus F. legte
weitere Beſchwerde mit dem Erfolg ein, daß das
Obs G. die Entſcheidungen der Vorinſtanzen aufhob
und das Nachlaßgericht anwies anderweit zu ent⸗
ſcheiden.
Gründe: Das Nachlaßgericht hat mit Recht das
Auseinanderſetzungs verfahren wieder aufgenommen, als
ſich herausgeſtellt hatte, daß drei von den als ermittelt
angeſehenen Erben den Erbfall nicht erlebt haben, die
ihnen zugewieſenen Erbteile alſo in Wirklichkeit noch
unverteiltes Nachlaßvermögen waren und der Kreis
der bei der Auseinanderſetzung Beteiligten ein anderer
war, als bei der auf Grund des früheren Auseinander⸗
ſetzungsplanes vollzogenen Verteilung des Nachlaſſes
angenommen worden war. Seine nächſte Aufgabe
war die Ermittelung der Beteiligten, die ihm auch ab-
geſehen von der im Art. 3 des Geſetzes vom 9. Auguſt
1902, das Nachlaßweſen betreffend, beſtimmten Ver⸗
pflichtung, den Erben von Amts wegen zu ermitteln,
ſchon vermöge der ihm im § 86 JGG. zugewieſenen
Verrichtung oblag, die Auseinanderſetzung zwiſchen
den Beteiligten zu vermitteln. Als Beteiligte durfte
es nur diejenigen zulaſſen, von denen es für feft-
geſtellt erachtete, daß ſie zu den Beteiligten gehören;
den Beteiligten darf nicht zugemutet werden, ſich in
ein zweckloſes Verfahren mit Unbeteiligten einzulaſſen.
Bei der Feſtſtellung des Kreiſes der Beteiligten nimmt
das Nachlaßgericht dieſelbe Stellung ein wie bei der
Erteilung des Erbſcheins; durch einen nach ſeiner Ueber⸗
zeugung unbegründeten Widerſpruch wird feine Ent-
ſcheidung über die Beteiligung ebenſowenig gehindert
wie die Erteilung des Erbſcheins. Mit Unrecht hat
deshalb das Beſchwerdegericht angenommen, die Ver⸗
mittelung des Nachlaßgerichts könne erſt eintreten,
wenn der Streit über das Erbrecht der unbekannten
Abkömmlinge der für tot erklärten Verſchollenen im
Rechtsweg entſchieden iſt, und ſich deshalb gehindert
eglaubt hat, ſelbſt zu entſcheiden, ob die unbekannten
Abkömmlinge des Georg, der Margarete und des
Zacharias F. zu den bei der Auseinanderſetzung Be-
teiligten gehören. Dieſe Frage muß verneint werden.
Die Ermittelungen haben keinerlei Anhalt dafür ers
geben, daß ſolche Abkömmlinge vorhanden ſind oder
jemals vorhanden waren. Die bloße Möglichkeit, daß
Abkömmlinge der für tot erklärten Verſchollenen vor⸗
handen ſind, reicht nicht hin, ſie als möglicherweiſe
Beteiligte zu berückſichtigen, ſie kann nicht hindern,
daß ebenſo, wie in ſolchem Falle den bekannt ge—
wordenen Erben ein Erbſchein zu erteilen iſt, der ſie
als die alleinigen Erben bezeichnet, die Auseinander—
ſetzung zwiſchen ihnen als den alleinigen Erben ver-
mittelt wird. Sind unbekannte Erben vorhanden, ſo
bleibt ihnen die Geltendmachung ihrer Anſprüche gegen
die ermittelten Erben vorbehalten. Die gegenteilige
Anſicht würde den Zweck der Todeserklärung geradezu
vereiteln. Die Todeserklärung ſoll die Dauer der Un—
gewißheit über Leben oder Tod eines Verſchollenen
abkürzen, dem Schwebezuſtand, in dem H feine Ber-
mögens- und Familienbeziehungen befinden, ein Ende
machen und die Beerbung ermöglichen. Mit dieſem
Zwecke iſt es unvereinbar, den Schwebezuſtand, dem
die Todeserklärung ein Ende machen ſoll, dadurch
fortzuerhalten, daß das Vermögen des für tot Er-
klärten und eine Erbſchaft, zu der er berufen
geweſen ſein würde, wenn er zur Zeit des Erbfalls
„TTT „ „
gelebt hätte,
und nicht zu ermittelnden Abkömmlingen angefallen
behandelt und, um ſie ihnen zu erhalten, den bekannten
Beteiligten vorenthalten werden. (Beſchl. d. I. 38.
vom 14. Januar 1908, III 3/08). W.
1191
II
Wie weit geht die Zuſtändigkeit des Hypotheken
amts (Grundbuch⸗Aulegungs⸗Beamten) zur Beurkundung
von Erklärungen ic. ıc., die durch die Anlegung des
Grundbuchs veranlaßt werden? (Art. 10 des Geſetzes
über die Anlegung des Grundbuchs). Im Kataſter
der StG. S. find nicht nur die Orts» und Gemeinde-
wege, ſondern auch die Feld- und Holzwege und
mehrere Fußwege als „unſteuerbare Gegenſtände“
der „StG. S. Beſitznummer /“ zugeſchrieben. Die
Liquidationsprotokolle geben über die Eigentums»
verhältniſſe keinen Aufſchluß. In dem Verfahren zur
Anlegung des Grundbuchs beantragte der Gemeinde⸗
ausſchuß, die politiſche Gemeinde S. als Eigentümerin
aller Wegflächen einzutragen. Der Anlegungsbeamte
ſtellte auf Grund des Ergebniſſes eines Augenſcheins
die Eigenſchaft eines großen Teiles der Wegflächen
als ſelbſtändiger Wege feft und erachtete das Eigen-
tum der Gemeinde an dieſen Grundſtücken für glaub-
haft gemacht, bei 26 Wegflächen kam er aber zu der
Ueberzeugung, daß fie Beſtandteile der Grundſtücke
ſeien, über die ſie hinführen oder zwiſchen denen ſie
hindurchführen. Der Gemeindeausſchuß hielt den
Anſpruch der Gemeinde auf dieſe Wegflächen aufrecht,
weil fie ſchon länger als 30 Jahre im Beſitze der
Gemeinde ſeien und von ihr durch Frohndienſte
unterhalten würden, und benannte als Auskunfts-
perſon den Obmann der Feldgeſchworenen. Dieſer be—
kundete, daß „bei einer großen Anzahl dieſer Wege“
die Gemeinde die verloren gegangenen oder beſchädigten
Grenzſteine auf ihre Koſten erſetzen laſſe. Andere
Beſitzhandlungen der Gemeinde ſeien ihm nicht bekannt.
Der Anlegungsbeamte fand das Eigentum der Gemeinde
hierdurch nicht glaubhaft gemacht und ordnete Ein—
tragung des Inhalts an, daß das Eigentum an den
Wegflächen den Eigentümern der angrenzenden
Grundſtücke zuſtehe. Auf Antrag des Gemeinde—
ausſchuſſes wurde zur Wahrung der Eigentums—
anſprüche der Gemeinde eine Proteſtation eingetragen.
Der Gemeindeausſchuß ließ nun die beteiligten Grund—
beſitzer unter Androhung der Klageſtellung zur Ab—
gabe der ſchriftlichen Erklärung auffordern, daß ſie
das Eigentum der Gemeinde an den Wegflächen, bei
denen ſie als Angrenzer in Betracht kommen, anerkennen
und die Umſchreibung auf die Gemeinde beantragen.
Die meiſten Beteiligten haben die verlangte Erklärung
durch Unterzeichnung des ihnen mitgeteilten gedruckten
Formulars abgegeben. Um der Gemeinde die hohen
Koſten notarieller Beurkundung der Anerkennungs—
erklärung zu erſparen, beantragte der Gemeindeaus—
ſchuß, die Vernehmung der Angrenzer durch den An—
legungsbeamten und verband damit den wiederholten
Antrag, die Gemeinde S. als Eigentümerin der Weg—
flächen einzutragen. Der Anlegungsbeamte hat dieſe
Anträge zurückgewieſen. Die Beſchwerde des Gemeinde—
ausſchuſſes wurde verworfen. Auf die weitere Be—
ſchwerde des Gemeindeausſchuſſes hat das Obs.
die Entſcheidung des LGG. A. aufgehoben und die
Sache zur anderweitigen Entſcheidung zurückver—
wieſen.
Gründe: Da es nicht nur öffentliche, im Eigen-
tum der Gemeinde, des Diſtrikts oder des Staates
ſtehende Wege, ſondern auch Privatwege gibt, die den
beteiligten Grundſtückseigentümern gehören, mußte
der Anlegungsbeamte bei den einzelnen im Grund—
ſteuerkataſter verzeichneten Wegen zu ermitteln fuchen,
zu welcher der beiden Arten ſie gehören. Dabei hat
er als das unterſcheidende Merkmal mit Recht nicht
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
als möglicherweiſe ſeinen unbekannten
mm — — — Tʃ—v4ꝗęm ſ —2 —V. —
147
die Größe, ſondern die Zweckbeſtimmung der Wege
angeſehen, indem er davon ausging, daß die dem
allgemeinen Verkehre dienenden Wege öffentliche Wege
ſeien, bei den nur den Zwecken einzelner Grundſtücks⸗
eigentümer, insbeſondere der Bewirtſchaftung der
angrenzenden Grundſtücke dienenden Wegen aber die
Vermutung dafür ſpreche, daß ſie zu den Privatwegen
gehören. Er hat nicht verkannt, daß auch ſolche
Wege der Gemeinde gehören können, aber in dem
Ergebniſſe ſeiner Ermittlungen, insbeſondere in den
Angaben der vernommenen Auskunftsperſon, keinen
Anhalt dafür gefunden, daß dies bei dem einen oder
dem anderen der ihrer Zweckbeſtimmung nach als Private
wege erſcheinenden Wege zutreffe. Beſtand hiernach
für ihn kein Zweifel, daß die Wege in der Tat
Privatwege ſeien, ſo hatte er keinen Anlaß, die An⸗
grenzer zu hören, es ſtand nichts im Wege, ſofort die
Eintragung der Angrenzer als Eigentümer der Weg—
flächen anzuordnen. Wollten die Gemeinde und die
Angrenzer bei Gelegenheit des Anlegungsverfahrens
eine Aenderung der Beſitz⸗ und Eigentumsverhältniſſe
herbeiführen, fo war es nach Art. 10 des Gef. vom
18. Juni 1898, die Vorbereitung der Anlegung des
Grundbuchs i. d Landest. r. d. Rh. betr., nicht ſeine
Aufgabe, ihre Einigung zu beurkunden, weil die zu
ſchließenden Eigentumsübertragungsverträge, die einen
neuen Beſitz⸗ und Rechtszuſtand ſchaffen ſollten, nicht
in innerem Zuſammenhange mit dem Anlegungs⸗
verfahren ſtanden. Einſeitige Anerkennungserklärungen
der Angrenzer würden nach Art. 14 des Not. von
1861 unwirkſam ſein.
Das LG. iſt in Anſehung der Wegflächen, die
für die weitere Beſchwerde in Betracht kommen, zu
demſelben Ergebniſſe gelangt wie der Anlegungs⸗
beamte und hat ihm insbeſondere in der Beurteilung der
von der Auskunftsperſon bekundeten Tatſachen zus
geſtimmt. Die Beſchwerdeführerin glaubt, die Ab-
markung zugunſten ihres Anſpruchs verwerten zu
können. In dieſer Beziehung geben die Ausführungen
des BG. zu einem rechtlichen Bedenken Anlaß. Die
Sorge der Gemeinde für die Inſtandhaltung der Ab-
markung einzelner Wege kann, vorausgeſetzt, daß die
Gemeinde nicht, wie es an manchen Orten üblich iſt,
die erforderlichen Grenzſteine für alle Grundſtücke der
Gemeindeflur, ſondern nur für die ihr gehörenden
Grundſtücke beſchafft, unter Umſtänden für die Ent⸗
ſcheidung von weſentlicher Bedeutung ſein. Hat die
Gemeinde in ſolcher Weiſe bei einzelnen nicht dem
allgemeinen Verkehre dienenden Wegen für die Er-
ſetzung verloren gegangener oder beſchädigter Greng-
ſteine geſorgt, ſo hat ſie damit zu erkennen gegeben,
daß ſie die Wegflächen zu dem gemeindlichen Grund—
beſitze rechne, und wenn die Angrenzer ſie darin ge—
währen ließen, weil ſie glaubten, daß die Wegflächen
ihr gehörten, fo kann dies die Annahme eines Beſitz⸗
verhältniſſes rechtfertigen, das die Beteiligten trotz
des Fehlens einer nachweisbaren Erwerbstatſache als
den zu Recht beſtehenden Zuſtand angeſehen haben
und das infolgedeſſen im Wege der außerordentlichen
Erſitzung zum Erwerbe des Eigentums führen konnte.
Es kommt aber nicht ſchlechthin darauf an, daß das
Beſitzverhältnis während des zur außerordentlichen
Erſitzung erforderlichen Zeitraums beſtanden hat.
Fehlt zum Eigentumserwerbe nichts als der Ablauf
der Erſitzungszeit, ſo kann dem Beſitzſtande, den die
Beteiligten bisher als den zu Recht beſtehenden Zu—
ſtand angeſehen haben, nach Art. 10 des Geſ. vom
18. Juni 1898 im Anlegungsverfahren durch Beur—
kundung der erforderlichen Eigentumsübertragungs—
verträge die rechtliche Grundlage gegeben werden; es
handelt ſich dann nicht um eine willkürliche Aenderung
der Beſitz- und Eigentumsverhältniſſe, ſondern um die
nachträgliche Ausſtattung des beſtehenden und von
den Beteiligten als maßgebend angeſehenen Zuſtandes
mit rechtlicher Wirkſamkeit. Nach der Angabe der
148
vom Anlegungsbeamten vernommenen Auskunfts⸗
perſon hat die Gemeinde für die Inſtandhaltung der
Abmarkung „bei einer großen Anzahl“ der in Be⸗
tracht kommenden Wege geſorgt. Bei welchen einzelnen
Wegen dies der Fall iſt, iſt nicht ermittelt. Hiernach
muß die Sache zurückverwieſen werden. (Beſchluß des
I. ZS. vom 30. Dezember 1907, Reg. III 89/1907).
1163 W.
B. Strafſachen.
Ausſchank des „eigenen Erzengniſſes“ durch fog.
Kommunbraner.
I. 1. Nach Art. 8 Abſ. 1 Ziff. 4 des bayer. Geſetzes
vom 30. Januar 1868, das Gewerbsweſen betr., dürfen
nur auf Grund einer Konzeſſion betrieben werden „die
Gaſt⸗ und Schankwirtſchaft, dann der Kleinhandel mi
geiſtigen Getränken in den Landesteilen r. d. Rh.“
Art. 9 lit. b Ziff. 1 beſtimmt als Ausnahme von der
Regel des Art. 8 in bezug auf das Wirtſchaftsgewerbe:
„Der Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes bleibt den
Brauern in einem hierfür bezeichneten Lokale und auf
ihren Lagerkellern, desgleichen nach Maßgabe des ört⸗
lichen Herkommens und der ortspolizeilichen Vor⸗
ſchriften den ſchenkberechtigten Kommunbrauern und
Weinbauern geſtattet. Sämtliche genannte Gewerbe⸗
treibende unterliegen hierbei den durch Geſetze und
Verordnungen feſtgeſtellten Verpflichtungen der Inhaber
von Wirtſchaftsgewerben“. $ 1 Abſ. 2 des RG. vom
12. Juni 1872, betr. die Einführung der GewO. in
Bayern 2c. verfügt: „Inſoweit bisher in Bayern...
der Ausſchank der eigenen Erzeugniſſe an Getränken
ohne polizeiliche Erlaubnis ſtatthaft war, bedarf es
einer ſolchen auch in der Folge nicht“.
2. In der Stadt N. beſteht ein Kommunbrauhaus,
das der „brauberechtigten Bürgerſchaft“, d. i. der
Geſamtheit von 85 Hausbeſitzern gehört, mit deren
Anweſen Braurechte als radizierte Gewerbrechte ver-
bunden find. Wer ein ‚Braurecht“ oder einen „Brau⸗—
anteil“ hat, darf, wenn ihn das Los trifft, einen Tag
lang das Brauhaus benützen. In den zwanziger
Jahren des vor. Jahrh. fol den „‚Braugenoſſen“ von
der Kreisregierung eine ſchriftliche Konzeſſion aus-
geſtellt worden ſein. Eine ſchriftliche Brauordnung
und orts polizeiliche Vorſchriften für die Kommunbrauer
beſtehen nicht. Zurzeit üben nur 14 Brauberechtigte
die Brauerei im Kommunbrauhauſe noch aus. Unter
ihnen befinden ſich die Angeklagten und zwar H. als
Eigentümer von Hs.⸗Nr. 131, und S. als Beſitzer des
früher mit dem Hauſe Nr. 116 verbundenen und bei
Teilung dieſes Anweſens in die Häuſer Nr. 116 a und
116 b bei dem größeren Grundſtücke Hs.⸗Nr. 116 b ver-
bliebenen Braurechts.
3. Den Angeklagten liegt zur Laſt, daß ſie Bier
ausgeſchänkt haben, das nicht „eigenes Erzeugnis“ im
Sinne des Art. 9 lit. b Ziff. 1 des bayer. Gewerbes
geſetzes geweſen ſei, weil die Angeklagten es zwar im
Kommunbrauhaus, aber nicht jeder für ſich allein
ſondern gemeinſchaftlich hergeſtellt haben. Das Schöffen—
gericht hat die Angeklagten von der ihnen nach den
ss 33, 147 Ziff. 1 der GewO. zur Laſt gelegten ſtraf—
baren Handlung freigeſprochen. Die Strafkammer hat
die Berufung des Amtsanwalts verworfen.
4. Es iſt folgender Sachverhalt feſtgeſtellt: S. und
H. arbeiten ſeit ungefähr drei Jahren beim Brauen
zuſammen. Sie kaufen auf gemeinſchaftliche Rechnung
den Jahresbedarf an Gerſte, laſſen diefe im Kommun—
mälzhauſe mälzen und bis zum Gebrauche lagern.
Sie beſorgen das Brauen zwölfmal im Jahre gemein—
ſchaftlich, indem ſie dem Braumeiſter ſelbſt zur Hand
gehen. Der eine von beiden tritt abwechslungsweiſe
nur inſoferne hervor, als er dem Braumeiſter gegen—
über als Auftraggeber auftritt und demzufolge von
ihm als der „heute Brauende“ in das Aufſchreibbuch
eingetragen wird und als er die Malzpolette auf ſeinen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
Namen ausſtellen läßt und die Geſchäfte bei der Auf⸗
ſchlageinnehmerei beſorgt. Das Malz wird dem gemein⸗
amen Vorrat entnommen. Den Hopfen liefert Der-
jenige, auf deſſen Namen gerade gebraut wird. Dieſer
trägt auch die jeweiligen Koſten des Brauens. Miß⸗
glückt ein Sud, ſo tragen beide gemeinſchaftlich den
Schaden. Die Trebern werden jedesmal noch im Brau⸗
hauſe geteilt. Von dieſem weg kommt das Bier in
den von den Angeklagten gepachteten Lagerkeller und
hier wird es in 4 gleichgroße Lagerfäſſer abgefüllt.
Jedem von den Angeklagten gehört der Inhalt zweier
Lagerfäſſer und jeder verfügt von da an unabhängig
vom andern über ſein Bier. Die Strafkammer nimmt
an, daß die Angeklagten eigenes Erzeugnis an Bier
ausgeſchänkt haben. Das jeweils von beiden Her-
geſtellte Bier ſei wirtſchaftliches Erzeugnis des einen
wie des andern. Der Sud als Ganzes ſtehe im Mit⸗
eigentume beider, werde er geteilt, ſo erhalte jeder
den Teil, der der von ihm gelieferten Menge an Roh⸗
ſtoffen entſpreche. Der Teil bleibe eigenes Erzeugnis,
auch wenn er nicht allein ſondern mit der andern
Hälfte des Sudes zugleich hergeſtellt ſei. Daß ein eigenes
Erzeugnis nur dann vorliege, wenn das Bier aus-
ſchließlich auf den Namen, die Rechnung und Gefahr
eines Kommunbrauers hergeſtellt worden ſei, ent⸗
ſpreche nicht dem Wortlaut und Sinne des Geſetzes.
Wenn jeweils nur einer der Angeklagten den Hopfen
liefere, ſo ſei das belanglos, weil jeder den Hopfen
zum Verbrauche für den gemeinſamen Sud erwerbe
und in dem Bewußtſein verwende, daß das nächſte⸗
mal der andere die Hopfenlieferung beſorge. Das
Bier werde eben auf Rechnung und Gefahr beider
Angeklagten hergeſtellt. Daß das gemeinſchaftliche
rauen mehrerer Berechtigter ſchon vor dem Jahre
1868 Brauch geweſen ſei, und daß ſich die Ange—
klagten in gutem Glauben befunden hätten, könne
fie nicht entlaſten, wenn es ſich bei ihrem Bier-
ausſchanke nicht um eigenes Erzeugnis handeln würde.
Das Braurecht des S. ſei mit dem Hauſe Nr. 116 b
von jeher verbunden geweſen, da dieſes den Haupt-
beſtandteil des ehemaligen Anweſens Hs.-Nr. 116 darz
ſtelle, eine Uebertragung des Realrechts, die diſtrikts⸗
polizeiliche Genehmigung erfordert haben würde, liege
nicht vor.
II. Die Reviſion des Staatsanwalts iſt nicht
begründet.
1. Die Vorinſtanzen haben nicht ausdrücklich her-
vorgehoben, daß die Kömmunbrauer in N. zum Aus-
ſchank ihres eigenen Erzeugniſſes befugt ſind. Es geht
dies aber aus den ſonſtigen Feſtſtellungen hervor. Die
Annahme der Strafkammer, daß das ſeinerzeit mit
dem Haufe Nr. 116 verbundene Brau- und Schank⸗
recht bei der Teilung des Anweſens bei dem Hauſe
Nr. 116 b verblieben und mit dieſem auf den Ange-
klagten S. übergegangen iſt, ohne daß es einer Trans»
ferierung der Gerechtſame und einer Genehmigung
dieſes Aktes durch die Gewerbepolizeibehörde bedurft
hätte, braucht nicht geprüft zu werden, da der gute
Glaube des Angeklagten an ſeine Befugniſſe von keiner
Seite bezweifelt worden ift. (S 59 Abf. 1 des StGB.).
2. Die Frage, ob die Angeklagten als Kommun—
brauer „eigenes Erzeugnis“ ausgeſchänkt haben, iſt
vom Berufungsgericht zutreffend bejaht worden. Die
Angeklagten haben aus den von ihnen ſelbſt beſchafften
Rohſtoffen auf eigene Rechnung und Gefahr im
Kommunbrauhauſe Bier herſtellen laſſen. Daß ſie ſich
zum Zwecke gemeinſamen Brauens zu einer Geſellſchaft
verbunden haben, und daß abwechſelnd einer von ihnen
als geſchäftsführender Geſellſchafter für die Geſellſchaft
die Polette beſorgt, die Braukoſten bezahlt und den
Hopfen geliefert hat, ändert an der Eigenſchaft des
Erzeugniſſes nichts. Das Bier iſt dadurch für den
einzelnen kein fremdes geworden. Er hat es nicht,
wie in dem Falle, der dem Urteile des Senats vom
19. Juni 1906 (Slg. Bd. 7 S. 35) zugrunde liegt,
durch Nechtogeſchüft mit dem Brauer, ſondern durch
Teilung des gemeinſchaftlichen Vermögens zu Eigen-
tum erworben. Das örtliche Herkommen iſt für die
Frage belanglos, wie die Kommunbrauer im Kommun⸗
brauhaus ihr Bier erzeugen, es entſcheidet nur darüber,
in welcher Weiſe dieſe Bräuer eigenes Erzeugnis ohne
Konzeſſion ausſchänken dürfen. Der Entwurf zu Art. 9
des Geſetzes über das Gewerbsweſen (Verh. der K. d.
Abg. 1866/69, Beil. Bd. I S. 63) erwähnte das ört⸗
liche Herkommen im Zuſammenhange mit den kon—
zeſſionsfreien Schankwirtſchaften überhaupt nicht. Der
Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes ſollte nur nach
Maßgabe der oberpolizeilichen Schankordnungen jenen
„Weinbauern und ſchankberechtigten Kommunalbrauern
geſtattet ſein, deren Perſönlichkeit und Verhalten
genügende Bürgſchaft eines ordnungsmäßigen Ge—
werbebetriebes“ gewähre. Der Berichterſtatter betonte,
daß der Ausſchank der Weinbauern und Kommun—
brauer beſondere Mißſtände nicht im Gefolge habe,
daß eine polizeiliche Regelung des Schankbetriebs
immerhin zuzulaſſen fei, daß diefe aber nicht zu einer
Beſchränkung oder Aufhebung herkömmlicher Befug—
niſſe führen dürfe. Sein Antrag ging dahin, Ziff. 1
des Art. 9 (ietzt lit. b) zu ändern wie folgt: „Der
Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes bleibt nach Maß—
gabe der jeden Orts hergebrachten Befugniſſe den
Weinbauern und den ſchankberechtigten Kommun—
brauern geſtattet. Der Ausſchankbetrieb der erſteren
kann durch oberpolizeiliche, der der letzteren durch orts—
polizeiliche Schankordnungen geregelt, aber nicht weiter
beſchränkt werden, als herkömmlich iſt und geſetzliche
Beſtimmungen geſtatten. — Eine zeitweiſe oder gänz—
liche Betriebsunterſagung kann nur aus ſolchen Gründen
erfolgen, welche die Einſtellung des Betriebs kon—
zeſſionierter Wirtſchaften rechtfertigen“.
Der Ausſchuß hat offenbar in dieſem Sinne für
Art. 9 lit. b Ziff. 1 die Faſſung beſchloſſen: „Wein—
bauern und ſchankberechtigten Kommunbrauern bleibt
der Ausſchank des eigenen Erzeugniſſes nach Maßgabe
des örtlichen Herkommens und der ortspolizeilichen
Vorſchriften geſtattet. Sie unterliegen hierbei den durch
Geſetze und Verordnungen feſtgeſtellten Verpflichtungen
der Inhaber von Wirtſchaftsgewerben“. Der Aus—
ſchußbeſchluß wurde mit dem Zuſatze, der durch die
Zulaſſung des Ausſchanks eigenen Erzeugniſſes ſeitens
der Brauer bedingt war, und redaktionellen Aende—
rungen zum Geſetze erhoben. Das örtliche Herkommen
wurde alſo nur zum Schutze der Gerechtſame der Wein—
bauern und Kommunbrauer in das Geſetz einbezogen,
nicht aber zu dem Zwecke, ihre Bewegungsfreiheit
innerhalb des Betriebs in bezug auf den An- und
Ausbau des Weines und die Herſtellung des Bieres zu |
beſchränken. Die Brauordnung im Kommunbrauhauſe
braucht ſich deshalb nicht an das „örtliche Herkommen“
zu binden,
Brauberechtigten und kann im Laufe der Zeiten gez
ändert werden, was notwendig ift, ſchon um den Fort—
ſchritten der Technik und den veränderten Verhält—
niſſen innerhalb der Braugenoſſenſchaften Rechnung
zu tragen. Ob es den Angeklagten durch ihr Ver—
jahren gelingt, einen raſcheren Abſatz ihres Erzeugniſſes
oder eine größere Menge von Bier zu erzeugen, iſt
gleichgültig. Die Schankſtätten wurden jedenfalls nicht
vermehrt, ortspolizeiliche Vorſchriften für die Kommun-
brauer beſtehen in N. nicht und es fehlt jeder Anhalts—
punkt dafür, daß die Angeklagten gegen das örtliche
ann in bezug auf den Ausjchanfbetrieb ver—
10. 19 . (Urteil vom 11. Februar 1908, Rev. Reg.
— — n.
1210
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
|
dem Vorkommnis erhalten habe.
ſie richtet ſich nach der Vereinbarung der
bracht werden darf;
149
Oberlandesgericht München.
Rechtsnatur der unentgeltlichen Behandlung in
einer ſtaatlichen Klinik; Berückſichtigung der Berjährung
beim Armenrecht. Die Damenſchneiderin Thereſe
wurde 1887 in der Univerſitäts-Frauenklinik zu M. an
einer Eierſtocksgeſchwulſt unentgeltlich operiert; hierbei
entſtand ein Scheideneinriß, weil der zur Erleichterung
der Operation eingeführte Kolpeurynter (waſſerge⸗
füllte Gummiblaſe) etwas zu groß war. Mit der
Behauptung, dieſer Riß ſei bis jetzt nicht völlig vers
heilt und durch die damit verbundenen Schmerzen
ihre Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt, beanſpruchte
Th. K. im Jahre 1907 von dem Klinikvorſtande und
damaligen Operateur v. W. eine jährliche Rente von
720 M, weil der Schaden durch Verſchulden des gez
nannten Arztes herbeigeführt worden ſei. Letzterer
beſtritt das Vorliegen eines Vertragsverhältniſſes
ſowie jedes Verſchulden mit dem Beifügen, die Ein⸗
führung des Kolpeurynters ſei zunächſt Sache des
inzwiſchen verſtorbenen Aſſiſtenzarztes J. geweſen;
die Klägerin ſei auch nicht wegen den Folgen des
Riſſes, ſondern wegen ihrer urſprünglichen Erkrankung,
die nicht ganz behoben werden konnte, erwerbsunfähig;
außerdem ſei der Anſpruch längſt verjährt, da die
Klägerin ſchon bei ihrer Entlaſſung Mitteilung von
Das Armenrechts⸗
geſuch der Klägerin wurde daraufhin wegen Ausſichts⸗
loſigkeit abgewieſen, weil zufolge § 823 Abſ. 1, 852
Abſ. 1 BGB. mit Art. 169 CG. der allein in Betracht
kommende Anſpruch aus der behaupteten fahrläſſigen
Körperverletzung längſt verjährt fei. Beſchwerde
wurde nicht erhoben, wohl aber nunmehr das Armen—
recht zu einer Schadenserſatzklage gegen den Fiskus
erbeten; dieſer habe für Verſehen der Klinikbeamten
aufzukommen, dieſe Haftung jedoch im Verfahren nach
Art. 2 AG. z. ZPO. abgelehnt, weil weder SS 31, 89
BGB., noch Art. 60 AG. z. BGB. zutreffe. Das
Landgericht wies auch dieſes Geſuch zurück, weil ab⸗
geſehen von der Frage der Staatshaftung für Beamte
nach dem früheren Recht (Bayer. LR.) Verjährung
vorliege, die vom Fiskus auch zweifellos eingewendet
werden würde. In der Beſchwerde wurde geltend ge—
macht, man ftüge den Anſpruch nicht auf Delikt,
ſondern Vertrag (Auftrag); ſolche Anfprüde verjährten
erſt in 30 Jahren; außerdem ſei die Verjährung
nicht von Amts wegen zu berückſichtigen, zumal deren
Vorſchutzung überall als anſtandswidrig gelte, ſohin
auch beim Fiskus keineswegs zu vermuten ſei. Die
Beſchwerde wurde zurückgewieſen.
Aus den Gründen: Die Vornahme einer
Operation in einer ſtaatlichen Klinik ohne Entgelt
beruht ebenſowenig auf Vertrag, wie die ſonſtige
Inanſpruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Dienſt—
leiſtungen unter den Geſichtspunkt des Auftrags ges
es kann daher neben dem Ge—
ſichtspunkte der fahrläſſigen Körperverletzung nur
noch etwa jener der Amtspflichtverletzung in Betracht
kommen. Hiernach trifft die Annahme der dreijährigen
Verjährung nach Y 852 BGB. zu; die dort erwähnte
Kenntnis braucht ſich auf den Umfang des Schadens
nicht zu erſtrecken (Henle-Fiſcher Anm. 3 a. a. O.).
Gegebenenfalls muß die Verjährung ſchon deshalb
von Amts wegen berückſichtigt werden, weil angeſichts
ihrer Vorſchützung durch den früher belangten Klinik—
vorſtand die Geltendmachung auch ſeitens des Fiskus
mit Sicherheit zu gewärtigen iſt; anſtandswidrig iſt
dies nach Lage der Sache nicht. (Beſchl. vom 27.
Dezember 1907; Beſchw. Reg. Nr. 736,07 J. .
1165 N.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 7.
— — — —— ——— ͤ wtê . — — HV — — — ͤ-.:.— Dœ— —— — — —— —2ů ñ ʒ;ͤaůĩb —
Oberlandesgericht Bamberg.
Auslegung des 8 29 ZPO. Die Beklagte übernahm
die künſtliche Austrocknung einer Villa der Klägerin.
Nachdem das Austrocknungsverfahren durchgeführt und
das Werk bezahlt war, ſtellte ſich wieder Feuchtigkeit
ein. Deshalb erhob die Beſtellerin Klage auf Erſatz
des Schadens bei dem Gericht ihres Wohnſitzes als
dem Gerichtsſtand des Erfüllungsorts. Die Beklagte
beſtritt die Zuſtändigkeit. Das LG. und das OLG.
wieſen die Einrede zurück.
Ausden Gründendes Berufungsurteils:
Die Beklagte begründet ihren Einwand in [earnan
Weiſe: Der Gerichtsſtand des 8 29 ZPO. beſtimme ſich
nach dem Erfüllungsort der ſtreitigen Verpflichtung;
dieſe ſei aber nicht die urſprüngliche Vertragspflicht,
ſondern die Schadenserſatzpflicht und für dieſe ſei
mangels einer beſonderen Vorſchrift Erfüllungsort der
Ort des Wohnſitzes oder der gewerblichen Nieder⸗
laſſung des Schadenserſatzpflichtigen (8 269 BGB.).
Jedenfalls beſtehe der Gerichtsſtand des 8 29 BPO.
nicht für die Feſtſtellungsklage wegen des künftigen
Schadens. Dieſes Vorbringen iſt ungerechtfertigt. Nach
dem Klagantrag liegt eine Entſchädigungsklage wegen
nicht gehöriger Erfüllung vor. Es handelt ſich nicht,
wie in den von der Beklagten angeführten Entſchei⸗
dungen des RG. in Bd. 27 S. 397 und Bd. 31 S. 383
um eine Wandelungsklage, bei der nur die noch zu
erfüllende Verpflichtung zur Rückerſtattung des Kauf⸗
preiſes den Streitgegenſtand bildete. Vielmehr liegt
eine reine Entſchädigungsklage vor. Die beklagte Firma
wird wegen der ihr obliegenden Vertragserfüllung in
Anſpruch genommen, nämlich wegen nachläſſiger Aus⸗
führung des übernommenen Werkes, welches nach der
Behauptung der Klage zwar äußerlich vertragsgemäß
ausgeführt wurde, deſſen innere Mangelhaftigkeit infolge
ſchlechter Arbeit ſich aber nach einigen Monaten heraus⸗
geſtellt habe. Daß hier die Vertragserfüllungspflicht
der Beklagten die den Erfüllungsort beſtimmende
ſtreitige Verpflichtung ſei, iſt nicht deshalb zu ver⸗
neinen, weil der Werkverdingungsvertrag äußerlich
bereits erfüllt war. Denn die Klägerin begründet ihren
Entſchädigungsanſpruch gerade damit, daß dies nur
ſcheinbar der Aue eweſen fei, die Beklagte aber durch
mangelhafte Ausführung der Arbeit ihre Verpflichtung
aus dem Vertrage verletzt habe. Die Entſchädigung
iſt das Surrogat für die richtige Erfüllung und deshalb
iſt auch bei der Entſchädigungsklage wegen nicht ge⸗
höriger Erfüllung die Vertragserfüllungs⸗
pflicht des auf Entſchädigung in Anſpruch genom⸗
menen Kontrahenten die ſtreitige Verpflichtung
im Sinne des $ 29 ZPO. Auch durch das Heran⸗
ziehen der reichsgerichtlichen Entſcheidung im JW. 1899
S. 255 kann die Berufungsführerin ihre Anſicht,
„ſtreitige Verpflichtung“ ſei hier nicht mehr die urſprüng⸗
liche Vertragspflicht, ſondern die Schadenserſatzpflicht
des Beklagten als ſolche, nicht ſtützen. Auch dieſe
Entſcheidung bezieht fih nicht auf den Fall der Ent-
ſchädigungsforderung wegen nicht gehöriger Erfüllung,
ſondern auf den Fall der Unmöglichkeit der Leiſtung.
Nach 8 29 ZPO. ift für Klagen auf Erfüllung eines
Vertrags, ſowie auf Entſchädigung wegen Nichterfüllung
oder nicht gehöriger Erfüllung das Gericht des Ortes
zuſtändig, wo die ſtreitige Verpflichtung zu erfüllen
ift. Es ſoll alfo an dem Ort, an welchem eine Ber-
pflichtung zu erfüllen ift, der Gerichtsſtand für An-
ſprüche, ſei es auf die Erfüllung ſei es auf Ent⸗
ſchädigung wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger
Erfüllung begründet ſein. Das Geſetz ſtellt ſonach
|
|
in Anſehung des Gerichtsſtands den Anſpruch auf |
Erfüllung einer Verpflichtung und den Anſpruch auf
Entſchädigung wegen Nichterfüllung dieſer, der ſtrei—
tigen Verpflichtung, gleich. Die Beklagte behauptet
weiter, 8 29 3PO. komme nur für die Leiſtungs—
klage nicht aber für die damit verbundene Feſtſtel—
lungsklage auf Erſatz des noch entſtehenden
Schadens in Betracht. Die Beklagte ſtützt ſich dabei
auf den Wortlaut der fraglichen Geſetzesſtelle, in der
ausdrücklich den Klagen auf Feſtſtellung des Beſtehens
oder Nichtbeſtehens eines Vertrages die Klagen auf
Entſchädigung gegenübergeſtellt ſeien. Dieſe Anſicht
ift nicht richtig. § 29 ZPO. beſtimmt die Zuſtändig⸗
keit für klagsweiſe Geltendmachung von drei Arten
von Anſprüchen, von denen jede wieder in zwei Unter⸗
arten zerfällt: 1. Feſtſtellung des Beſtehens oder Nicht⸗
beſtehens eines Vertrags. 2. eine oder Auf⸗
hebung eines Vertrags. 3. Entſchädigung wegen Nicht⸗
erfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung. Bezüglich
des Beſtehens oder Nichtbeſtehens eines Vertrags kann
der Natur des Anſpruches entſprechend nur eine Feſt⸗
ſtellungsklage, nicht aber eine Leiſtungsklage in Be⸗
tracht kommen. Bei den beiden andern Arten ſind
ſowohl Leiſtungs⸗ wie Feſtſtellungsklagen denkbar.
Wenn das Geſetz alſo beim erſten Anſpruch die Feſt⸗
ſtellung beſonders hervorhebt, ſo hat es damit keinen
Gegenſatz zu den beiden andern Arten konſtruieren
wollen, vielmehr hat es bei den beiden andern Arten
eine genauere Fixierung der Art der Klage — ob
Feſtſtellungs⸗ oder Leiſtungsklage — unterlaſſen, weil
eben in dieſen Fällen beide Klagsformen vorkommen
können und beide unter den $ 29 BPO. fallen folen.
Weder die Rechtslehre noch die Rechtſprechung noch
die Motive des Geſetzes bieten einen Anhaltspunkt für
die gegenteilige Auslegung. Es iſt auch nicht einzu⸗
ſehen, wie der Umſtand, daß der Kläger die Höhe des
Schadens nicht angeben kann und deshalb bei Vor⸗
handenſein der Vorausſetzungen des 8 256 ZPO. für
den noch nicht entſtandenen Schaden Feſtſtellung der
Schadenserſatzpflicht verlangt, einen Einfluß auf die
örtliche Zuſtändigkeit haben ſoll. Es handelt ſich beim
Antrag auf Verurteilung zum Erſatz des noch ent⸗
ſtehenden Schadens allerdings nicht um eine Klage auf
künftige Leiſtung, ſondern nur um die Klage auf Feſt⸗
ſtellung eines Anſpruchs ſekundärer Art, der ſich ſeiner
Entſtehung und ſeinem Zwecke nach an die jedenfalls
der örtlichen Zuſtändigkeit des 8 29 ZPO. unterliegende
Leiſtungsklage anlehnt, für deſſen Zuſtändigkeit im
Zweifel der Erfüllungsort der Hauptverpflichtung maß⸗
gebend iſt.
Richtig iſt, daß bei Klagen auf Rückgewähr einer
Leiſtung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Geg⸗
ners, namentlich alſo bei Wandelungsklagen, die im
Streit befangene Rückerſtattungspflicht den Erfüllungs⸗
ort und damit den Gerichtsſtand begründet; denn es
handelt ſich in einem 126 8 Falle um eine ſelbſt⸗
ſtändige Verpflichtung des Beklagten, nicht um die
Aufhebung einer Verpflichtung des Klägers. Hier iſt
aber eine Wandelungsklage gar nicht gegeben. Die
Wandelung ſetzt eine die Wandelungsabſicht bekundende
Erklärung des die Wandelung fordernden Teiles voraus.
In der Klage iſt aber von einem Wandelungsanſpruch
nicht die Rede. Die Klägerin will nicht den Wert-
vertrag rückgängig machen, vielmehr verlangt ſie aus
dem noch zu Recht beſtehenden Vertrag Schadenserſatz
wegen nicht gehöriger Erfüllung. Als einen Teil
dieſes Schadens verlangt ſie die Rückzahlung des für
die ſchlechte Arbeit der Beklagten geleiſteten Betrages.
Wandelung und Schadenserſatz nebeneinander kann
der Beſteller eines Werkes allerdings nicht geltend
machen. Doch kann der Schadenserſatzanſpruch auch
die Rückgewähr der für das mangelhafte Werk ges
leiſteten Verguͤtung enthalten. Von einer Wandelung
im techniſchen Sinne kann daher in einem ſolchen
Falle nicht die Rede ſein. (Oertmann, Recht der Schuld⸗
verhältniſſe, 2. Aufl. § 463, 5b. Staudinger, BGB., 2.
Aufl. §§ 463, 8c). (Urteil des I. ZS. vom 30. Nov.
1907, BerReg. 184/07).
1130 Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
nn München J.
Wer erteilt in Bayern die Bollſtreckungsklanſel
2 den Ansſtandsverzeichniſſen der Berufsgenoſſen⸗
chaften? Die Bayeriſche Baugewerks⸗Berufsgenoſſen⸗
ſchaft beantragte unter Vorlegung von Heberollen⸗
auszügen, die vom Genoſſenſchaftsvorſtand für ne
ſtreckbar erklärt waren, Anberaumung eines Offe
barungseidstermins. Das Amtsgericht lehnte den
trag ab, weil nach § 103 Gew G. Veitragsrückſtände
in derſelben Weiſe wie Gemeindeabgaben beigetrieben
werden, ſohin nach Art. 48 GemO. und Art. 6 AG.
z. ZPO. die Vollſtreckungsklauſel von der Gemeinde⸗
verwaltung, hier dem Stadtmagiſtrat M., zu erteilen,
die vom Genoſſenſchaftsvorſtand ſelbſt beigefügte
Klauſel aber nichtig fei. In der Beſchwerde wurde
geltend gemacht, das bayeriſche Landesverſicherungs⸗
amt habe mit Entſchließung vom 20. Januar 1906,
Nr. 10591 1, die Anſicht ausgeſprochen, daß der Ge-
noſſenſchaftsvorſtand zur Vollſtreckbarerklärung be⸗
fugt ſei, weil er allein die Vorausſetzungen für die
Zuläſſigkeit der Vollſtreckung prüfen könne, wie ihm
auch die Verbeſcheidung der Einwendungen gegen
die Vollſtreckung zuſtehe (8 102 Gewu G.). Die
Beſchwerde blieb erfolglos.
Der Anſicht des Erſt⸗
Aus den Gründen:
richters ſind nicht nur alle Kommentare zum
Kr., Uni BG. und Inv.; mit ihr deckt ih auch
die früher faſt zwanzigjährige Praxis und insbeſondere
die Entſchließung des Staatsmin. des Innern vom
5. Februar 1886 (Inn MBl. S. 34). Der innere Grund
für die Nichtzuweiſung des Vollſtreckungsrechts an
den Genoſſenſchaftsvorſtand iſt übrigens einleuchtend;
es müßte zu ſehr großen Verwirrungen führen, wenn
etwa eine Genoſſenſchaft mit dem Sitze in Nord-
deutſchland einen Vollſtreckungstitel herſtellen würde,
der für Bayern unmittelbare Wirkung im landes-
rechtlichen Adminiſtrativbeitreibungsverfahren äußern
ſollte. Bekanntlich unterſcheidet ſich gerade das bayer.
Verwaltungszwangsverfahren vom preußiſchen und
den ihm nachgebildeten Zwangsverfahren dadurch,
daß erſteres einen formellen Vollſtreckungstitel mit
Klauſel im Sinne der ZPO. fordert, letzteres aber
nicht. Eben deshalb iſt die geſetzlich vorgeſchriebene
Rechtshilfe der Berufsgenoſſenſchaft nicht unmittelbar
vom Gericht zu leiſten, ſondern von der Gemeinde⸗
behörde, welche damit die formelle Vollſtreckung über⸗
nimmt (vgl. Neumiller, ZPO., Schlußbemerkung zu
8 801). Die gleiche Streitfrage ift bei der Gerichts-
koſtenbeitreibung wiederholt zu ungunſten des
preußiſchen Fiskus entſchieden worden,
Kaſſarendanten unter Umgehung des bayeriſchen Aus⸗
ſtandsverzeichniſſes direkte Vollſtreckungsanträge an
die Bayeriſchen Amtsgerichte geſtellt haben. Für
dieſe Seite der Streitfrage kann auch nicht durch den
Vorſtand der Berufsgenoſſenſchaft die Verantwortung
an Stelle der Vollſtreckungsbehörde übernommen werden,
insbeſondere nicht gegenüber den Vollſtreckungs⸗
gerichten; dies würde eine Beeinträchtigung ihrer
verfaſſungsmäßigen Freiheit fein (GVG. § 1;
bayer. Verfürk. Tit. VIII $ 3). Auch die Ueber-
bürdung der Auslagen für das Abweiſungsverfahren
auf die Genoſſenſchaft entſpricht durchaus dem Geſetz,
da die Gebührenfreiheit nicht einmal für den baye-
riſchen Staat ſelbſt die Befreiung von Auslagen mit
ſich führt. (S. v. E. Bd. 15 S. 163). (Beſchl. vom
15. November 1907; BeſchwReg. Nr. 546/07). N.
1132
II.
Fallen Schauſteller unter 8 811 Nr. 5 390.2
Entbehrlichkeit von Erſatzſtücken. Die Frage wird in
Uebereinſtimmung mit dem Erſtrichter bejaht; aus den
Gründen:
Beitſchrift für eitſchrift für Rechtapflege in Bay in Bayern. 1908.
— ͤ—HR— —
— — m ¼ —
wenn die
Der Phonograph und eine Elektriſier⸗
. oft ſchwer
Nr. 7. 151
maſchine ſind als unentbehrlich und unpfändbar im
Sinne des § 811 Nr. 5 ZPO. zu erachten, dagegen nicht
die zweite Elektriſtermaſchine. Die Möglichkeit, daß eine
der beiden Maſchinen einmal in der at defekt
werden könnte, begründet noch keine Unentbehrlichkeii
der 5 Maſchine ſchon für die Gegenwart.
(Beſchl. v. 27. Dez. 1907; Beſchw. Reg. Nr. N:
1175 N.
Literatur.
Staub, Hermann, Kommentar zum Handels⸗
geſetzbuch. 8. Auflage, unter Benutzung des hand⸗
ſchriftlichen Nachlaſſes Bearbeitet von Sy Könige,
Reichsgerichtsrat in Leipzig, Dr. Jun Stranz,
Juſtizrat in Berlin, Albert Pinner, Juſtizrat in
Berlin. Berlin 1906/07, 3 Guttentag, Verlagsbuch⸗
und, G. m. b. H. I. Band 2. Hälfte. (SS 373
is 473)
Wir verweiſen auf die Beſprechung der früheren
Lieferungen auf S. 199 des 3. Jahrgangs.
Müller, Dr. Eruſt, Mitglied des Reichstags und der
bayer. Abg.⸗Kammer. Das deutſche Urheber-
und Verlags recht. Zweiter Band. Erſter Teil:
Das Reichsgeſetz betr. das Urheberrecht an Werken
der bildenden Künſte und der Photographie. Zweiter
Teil: Die internationalen Urheberrechtsbeziehungen
des deutſchen Reichs betr. den Schutz der Werke
der bildenden Künſte und der Photographie. J.
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). München 07.
Preis broſch. 5.50 Mk., gebd. 6.50 Mk.
Die Kommentierungsweiſe Müllers iſt durch ſeine
früher erſchienenen weit verbreiteten Kommentare
ſchon ſo bekannt geworden, daß ſich über das vor—
liegende von dem vielbeſchäftigten Verfaſſer ſtellen⸗
weiſe wohl etwas raſch gearbeitete Buch kaum etwas
neues ſagen läßt. In dem reichen Materiale, das
der Verfaſſer zur Erläuterung des Geſetzes geſammelt
hat, ift insbeſondere die ziemlich umfangreiche Lite-
ratur berückſichtigt, die über die Aenderung unſeres
Urheberrechts erſchienen iſt. Einen ſehr breiten Raum
nehmen die Mitteilungen aus den amtlichen Mate⸗
rialien über die Entſtehungsgeſchichte des Geſetzes ein,
an der der Verfaſſer als Berichterſtatter der Reichs⸗
tagskommiſſion ſelbſt Anteil gehabt hat. Bei der
zweiten Leſung des Kunſtſchutzgeſetzes im Reichstage
ſprach ein Abgeordneter einem anderen die Fähigkeit
ab, den Sinn eines Paragraphen zu verſtehen, weil
er nicht der Kommiſſion angehört habe. Wäre dieſer
Vorwurf begründet, ſo wäre das in der Tat ein
trauriges Zeichen für unſere heutige Geſetzgebungs—
technik. Allein, wenn er auch ſicher über das Ziel
hinausſchoß, fo läßt fidh doch nicht leugnen, daß ge⸗
rade auf dem Gebiete des Urheberrechts mit ſeinen
in Worte zu faſſenden Begriffen es
wünſchenswert iſt, wenn man ſich bei der Anwendung
des Geſetzes in zweifelhaften Fällen ohne zeitraubendes
Nachſchlagen über die Entſtehungsgeſchichte einer Be-
ſtimmung informieren kann. Dieſem Bedürfniſſe
trägt der Müllerſche Kommentar gewiß genügend
Rechnung. Die Erläuterungen des deutſchen Rechtes
und unſerer internationalen Rechtsbeziehungen finden
eine erwünſchte Ergänzung in wiederholten Gin-
weiſungen auf die. Geſetzgebung des Auslandes.
Sehr dankenswert iſt, daß der Herr Verfaſſer dem
Leſer auch eine Reihe von Kenntniſſen auf dem für
urheberrechtliche Fragen ſo wichtigen Gebiete der
Vervielfältigungstechnik zu vermitteln ſucht.
Amtsrichter Eckert.
152 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1
Notizen.
Die neue Verordnung über die Handelskammern
und Handelsgremien, welche an Stelle der Verordnung Vertreter,
Be Oktober 1889 tritt, ift im GVBl. 1908 Nr. 11
S. 69 veröffentlicht. Eine weſentliche Neuerung gegen—
über den früheren Beſtimmungen iſt die Abſchaffung
der Gewerhekammern, deren hauptſächlichſte Funktionen
gegenwärtig ja bereits von den Handwerkskammern
ausgeübt werden. Den nunmehrigen Handelskammern
und Handelsgremien liegt die Förderung und Ver—
tretung der Intereſſen des Handels und Gewerbes,
der Induſtrie und des Bergbaues ob. Vorerſt beſteht
noch für jeden Regierungsbezirk eine Handelskammer,
während Handelsgremien je nach Bedürfnis für be—
ſtimmte Orte oder Bezirke vom Miniſterium des
Aeußern gebildet werden. Beide Körperſchaften haben
u. a. den Behörden als begutachtende Organe in
Fragen der angegebenen Gewerbszweige zu dienen
und ſind befugt, zur Förderung von Handel geeignete
Einrichtungen bei den zuſtändigen Behörden anzu—
regen. Den Handelskammern kann die Ber-
waltung oder die Aufſicht über die Verwaltung folder .
Einrichtungen und Anſtalten übertragen werden; ſie
können ſolche begründen, unterhalten und unterſtützen;
weiter find fie befugt, Gewerbetreibende der in 8 36
der GewO. bezeichneten Art, deren Tätigkeit in das
Gebiet des Handels und der Induſtrie fällt (Auktiona—
toren ausgenommen), öffentlich anzuſtellen und zu
beeidigen, dann Urſprungszeugniſſe und andere dem
Handelsverkehr dienende Beſcheinigungen auszuſtellen,
ſoweit hiermit nicht andere Behörden ausſchließend
betraut ſind. Die Handelsgremien haben ins—
beſondere bei der Ernennung der Handelsrichter mit—
zuwirken; fie können in Angelegenheiten von vor—
wiegend örtlichem Intereſſe mit den zuſtändigen Be—
hörden unmittelbar verkehren. Handelskammern wie
Handelsgremien haben die Rechte juriſtiſcher Perſonen:
ſie können unter ihrem Namen Rechte erwerben und
Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und
verklagt werden. Für ihre Verbindlichkeiten haftet
nur ihr Vermögen. Ihr Vorſitzender oder deffen Stell:
vertreter hat ſie gerichtlich und außergerichtlich zu ver—
treten und insbeſondere die Urkunden, welche fie ver—
mögensrechtlich verpflichten ſollen, zu unterzeichnen.
In beiden Körperſchaften werden die Beſchlüſſe durch
Stimmenmehrheit der ſtimmberechtigten Teilnehmer
an den Sitzungen gefaßt; bei Stimmengleichheit ent-
ſcheidet die Stimme des Vorſitzenden. Zur gültigen
Beſchlußfaſſung gehört, daß alle Mitglieder unter
Mitteilung der Beratungsgegenſtände rechtzeitig ge—
laden werden. Bei den Handelskammern kann durch
die Geſchäftsordnung beſtimmt werden, daß die Be—
ſchlußfähigkeit durch die Anweſenheit einer gewiſſen
Anzahl der nicht am Kammerſitz wohnhaften Mitglieder
bedingt iſt. Die Handelskammern können zur Vor—
bereitung ihrer Beſchlußfaſſung Arbeitsausſchüſſe bilden
und zu ihren Sitzungen Sachverſtändige mit beratender
Stimme beiziehen. Als beſondere Einrichtung beſteht
bei ihnen ein Ausſchuß der im Handelsregiſter nicht
eingetragenen und dem Handwerk nicht angehörigen
Kleingewerbetreibenden im Sinne des $ 4 HGB. und
ein Ausſchuß der Handlungsgehilfen und techniſchen
Angeſtellten, jeder zur Mitberatung bei den Angelegen—
heiten dieſer Berufsgruppen in den Handelskammer—
ſitzungen. Die Handelskammern führen wie die Staats—
behörden ein Siegel mit dem bayeriſchen Rauten—
wappen. Die Handelskammern beſtehen aus unmittel—
bar gewählten Mitgliedern und Abgeordneten (Vor—
ſitzenden) der Handelsgremien, letztere ſelbſt aus den
im Gremialbezirk unmittelbar gewählten Mitgliedern.
Ueber die Wahlen trifft die Verordnung eingehende
Beſtimmungen. Ueber die Wahlrechtsausübung ſind
!!!!!! a Eh en a oe — p — — ſ—
1908. P 7.
nähere Vorſchriften erlaſſen, u. a. daß für geſchäfts⸗
unfähige, in der Geſchäftsfähigkeit beſchränkte oder
unter Pflegſchaft ſtehende Perſonen die geſetzlichen
für Geſellſchaften und Genoſſenſchaften
die perſönlich haftenden Geſellſchafter, die Vor⸗
ſtandsmitglieder, Geſchäftsführer ꝛc. das Wahlrecht
auszuüben haben und daß dieſes im allgemeinen
durch einen im Handelsregiſter eingetragenen Pro-
kuriſten ausgeübt werden kann. Bei der Auf⸗
ſtellung der Wahlliſten, welche durch die Diſtrikts⸗
verwaltungsbehörden auf Grund der Einträge im
Handels- und Genoſſenſchaftsregiſter geſchieht, werden
insbeſondere die Regiſtergerichte mitzuwirken haben.
Zu den Handelskammern wird in eigens gebildeten
Wahlkreiſen gewählt, in den Gremialbezirken finden
nur Wahlen zu den Handelsgremien ſtatt. Die Aus⸗
ſchüſſe der Kleingewerbetreibenden wie der Handlungs—
gehilfen und techniſchen Angeſtellten werden nur an
den Kammerſitzen von den dort Wahlberechtigten,
jedoch aus wählbaren Vertretern des ganzen Kammer—
bezirkes gewählt. Von den übrigen Beſtimmungen
der Verordnung mag hier vielleicht noch erwähnt ſein,
daß die Koſten der Handelskammern und Handels—
gremien von den Wahlberechtigten zu tragen und
Streitigkeiten über die Beitragspflicht von den
Verwaltungsbehörden zu entſcheiden ſind. Bis zur
vollſtändigen Durchführung der am 1. März ds. Js.
in Kraft getretenen Verordnung haben die derzeit be—
ſtehenden Handels- und Gewerbekammern ihre Tätig—
keit fortzuſetzen; den Zeitpunkt ihrer Auflöſung be—
ſtimmt das Miniſterium des Aeußern. Dr. Sch.
Die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidignngen. Das
Reichsgeſetz vom 17. Februar 1908, über deſſen Ent⸗
wurf wir in Nr. 10 des 3. Jahrgangs auf S. 20
berichtet haben, iſt in Nr. 7 des RGB auf S.
veröffentlicht. Das Geſetz iſt nicht in die 086
reihe des StGB. eingefügt, ſondern bildet ein Sonder:
geſetz. Weſentliche Unterſchiede gegenüber dem Ent⸗
wurfe beſtehen in zwei Punkten. Nach dem Entwurfe
ſollte die Strafverfolgung nur mit der Genehmigung
der Landesjuſtizverwaltung eintreten. Dieſe Vorſchrift
iſt nicht aufgenommen worden. Nach dem Entwurfe
ſollte die Majeſtätsbeleidigung nur ſtrafbar ſein,
wenn „böswillig“ und „mit Vorbedacht“ begangen.
Das Geſetz hat nur den Ausdruck „böswillig“ bei:
behalten, aber als weitere Vorausſetzung der Straf⸗
barkeit beſtimmt, daß die Beleidigung „in der Abſicht
der Ehrverletzung“ und „mit Ueberlegung⸗ begangen
werden muß. Das Geſetz wird vorausſichtlich in einer der
nächſten Nummern dieſer Zeitſchrift eingehender er—
läutert werden.
Die Einberufung von Hilfsreferenten in das Kaiſer⸗
liche Statiſtiſche Amt. Den geprüften Rechtspraktikanten,
die auf ihre Anſtellung längere Zeit warten müſſen,
bietet ſich eine neue Gelegenheit zu belehrender Be—
ſchäftigung. Das Reichsamt des Innern beabſichtigt.
vorübergehend — in der Regel auf die Dauer eines
Jahres — jüngere Juriſten als Hilfsreferenten im
Kaiſerlichen Statiſtiſchen Amte zu verwenden. Die
Tätigkeit ſoll entlohnt werden, außerdem werden die
Koſten der Reiſe zum Dienſtantritte vergütet. Die
Verwendung im Statiſtiſchen Amte wird als „Fort-
ſetzung der Praxis“ im Sinne des § 2 der BO. vom
4. Januar 1902, die Praris der Bewerber um An⸗
ſtellung im höheren Juſtizſtaatsdienſte betr., angeſehen
werden. Geſuche um Einberufung ſind auf dem Dienſt⸗
wege dem Juſtizminiſterium vorzulegen. (Bek. vom
20. Februar 1908, IM Bl. S. 68).
1216
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat i in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H., Freifing.
Ar. 8.
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlerteljäbrlich
3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats | 7
Boſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a).
München, den 15. April 1908.
4. Jahrg.
— — — ͥ ̃ —
Zkikſchrift für Rechtspflege
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Nachdruck verboten.
Die Verufsvormundſchaft.
Von Oberlandesgerichtsrat von Oelhaſen, Amtsgerichts⸗
Vorſtand in Weißenburg i / B.
1
Durch das jüngſt zuſtande gekommene Geſetz
betr. die Berufsvormundſchaft iſt einem Bedürfniſſe
Rechnung getragen, das um ſo offener zutage
trat, je mehr die Gemeinden zur Fürſorge für
die hilfs⸗ und ſchutzbedürftigen Minderjährigen
herangezogen werden, ſei es durch Gewährung
der erforderlichen Geldmittel, ſei es durch die
Pflicht der Gemeindebehörden, Minderjährige
entſprechend unterzubringen und ſie in Aufſicht
zu nehmen. Zu dieſen Verpflichtungen der Ge-
meinden auf Grund des Armengeſetzes von 1869 |
ift feit dem Jahre 1900 hinzugetreten die Tätig: |
keit des Gemeindewaiſenrates, die Beteiligung der
Gemeinden an der Zwangserziehung und die Auf:
ficht der Gemeindebehörden über die Koſtkinder.
Der Berufsvormund iſt, allgemein geſprochen,
der von der Gemeinde aufgeſtellte Beamte zur
berufsmäßigen Führung des Amtes eines Vor—
mundes.
Nach den Erfahrungen in anderen Bundes—
ftaaten läßt ſich erwarten, daß durch den Berufs—
vormund die vormundſchaftliche Tätigkeit ſich im
allgemeinen fruchtbarer und erfolgreicher geſtalte.
wie bisher.“)
Der von der Gemeinde aufgeſtellte Vormund
wird z. B. im ganzen die Beitreibung der
Unterhaltsbeiträge von dem außerehelichen Vater |
ſich mehr angelegen ſein laſſen und weniger
nachgiebig ſein als der beſtellte.
Der Beruſsvormund wird fih mit mehr Hin-
gabe ſeinen Pflegbefohlenen widmen, als der Bor: |
mund, für welchen Zeitaufwand für den Mündel
|
I
Verluſt in feiner Erwerbstätigkeit bedeutet. Jeden-
falls wird die Aufſicht des Vormundſchaftsrichters
erheblich erleichtert, wenn er anſtatt mit vielen
die in Frage
1) Worte des Ref. in der Sitzung der K. der Reichs—
räte vom 18. Januar.
Vormündern, die gerade für
kommenden Mündel oft von ſehr zweifelhafter
Güte ſind, mit wenigeren und einſichtsvollen, ge-
ſchulten Vormündern zu arbeiten hat.
II.
Die Einführung der Berufsvormundſchaft iſt
ermöglicht durch den Vorbehalt des Art. 136
des EG. z. BGB.: „Unberührt bleiben die landes⸗
geſetzlichen Vorſchriften, nach welchen
1. der Vorſtand einer unter ſtaatlicher Ver⸗
waltung oder Aufſicht ſtehenden Erziehungs: oder
Verpflegungsanſtalt oder ein Beamter alle oder
einzelne Rechte und Pflichten eines Vormundes
für diejenigen Minderjährigen hat, welche in der
Anſtalt oder unter der Aufſicht des Vormundes
oder des Beamten in einer von ihm ausgewählten
Familie oder Anſtalt erzogen oder verpflegt
werden, und der Vorſtand der Anſtalt oder der
Beamte auch nach der Beendigung der Erziehung
oder der Verpflegung bis zur Volljährigkeit des
Miündels diefe Rechte und Pflichten behält, un-
beſchadet der Befugnis des Vormundſchaftsgerichtes,
einen anderen Vormund zu beſtellen;
2. die Vorſchriften der Nr. 1 bei unehelichen
Minderjährigen auch dann gelten, wenn diefe
unter der Aufſicht des Vormunds oder des Be—
amten in der mütterlichen Familie erzogen oder
verpflegt werden;
3. der Vorſtand einer unter ſtaatlicher Ber-
waltung oder Aufſicht ſtehenden Erziehungs- oder
Verpflegungsanſtalt oder ein von ihm bezeichneter
Angeſtellter der Anſtalt oder ein Beamter vor den
nach S 1776 BGB. als Vormünder berufenen
Perſonen zum Vormunde der in Nr. 1, 2 be:
zeichneten Mündel beſtellt werden kann.“
Von dieſem Vorbehalte iſt nun in vollem
Umfange Gebrauch gemacht. Der Anſtaltsvormund
ſcheidet hier aus, er iſt bereits durch Art. 100
des AG. zum BGB. und JIMBek. vom 16. Februar
1900 in Bayern eingeführt.
Unter Gemeindebeamten im Sinne des neuen
Geſetzes ſind in erſter Linie Beamte der politiſchen
Gemeinde zu verſtehen. Beamte der Kreis—
gemeinde kommen nicht wohl in Betracht, weil
Kreisanſtalten für Erziehung und Verpflegung
jugendlicher Perſonen nicht beſtehen und jedenfalls
unter ſtaatlicher Verwaltung oder Aufſicht ſtehen
würden, wohl aber Beamte der Diſtriktsgemeinde
mit Rückſicht auf Diſtriktsanſtalten zur Erziehung
armer Kinder; Vorausſetzung wäre, daß Diſtrikts⸗
gemeindebeamte zur Verfügung ſtehen. )
Nach Art. 1 und 2 des Geſetzes kommen als
Berufsvormund nur diejenigen Beamten in Frage,
welche die Aufſicht über die betreffenden Minder⸗
jährigen haben und welche die Familie oder die
Anſtalt ausgewählt haben, in welcher der Minder⸗
jährige erzogen oder verpflegt wird.
Dieſe Auswahl muß indes nicht unmittelbar
von dem betreffenden Gemeindebeamten getroffen
worden fein, unter Umſtänden, z. B. bei Koſt⸗
kindern, für welche die Mutter eine geeignete
Familie ausgewählt hat, nicht einmal von der
Gemeindebehörde; es genügt, wenn die von einer
anderen Seite getroffene Auswahl die ausdrückliche
oder ſtillſchweigende Billigung der Gemeinde⸗
behörde und des ihr unterſtellten Beamten findet.“)
Als Berufsvormünder können auch Frauen
aufgeſtellt werden.“
8 1779 BGB., wonach bei der Auswahl des
Vormundes auf das religiöje Bekenntnis des
Mündels Rückſicht zu nehmen iſt, kommt für den
Berufsvormund nicht zur Anwendung; doch kann
in dem Gemeindeſtatut, durch welches die geſetz⸗
liche Vormundſchaft eingeführt wird, eine ent⸗
ſprechende Beſtimmung aufgenommen werden.“)
III.
Der Art. 136 des EG. zum BGB. läßt in
zweifacher Richtung ein Abweichen von den Grund—
ſätzen des BGB. zu, nämlich
1. von dem Grundſatze des § 1776, wonach
beſtimmte Perſonen unter Ausſchluß anderer der
Reihe nach zur Führung der Vormundſchaft be— |
rufen find, und
2. von dem in $ 1774 ausgeſprochenen fog.
Beſtellungsprinzip: kein Vormund, der nicht vom
Vormundſchaftsgerichte beſtellt iſt.
Demzufolge beſtimmt das Geſetz in Art. 1:
„Das Vormundſchaftsgericht kann vor den nach
8 1776 des BGB. als Vormünder berufenen
Perſonen die oben erwähnten Beamten für den
dort bezeichneten Kreis von Minderjährigen zu
154 Zeitſchrift für Rechtäpflege in Bayern. 1: in Bayern. 1908.
3 8.
obrigkeitlich beſtellten Beruſsvormundſchaften —
mehr für kleinere Gemeinden geeignet — und die
ſogenannten geſetzlichen (Generalvormundſchaft),
mehr dem Bedürfniſſe größerer Gemeinweſen ent⸗
ſprechend.“
Die obrigkeitlich beſtellten Vormünder ſind
ſolche Beamte, welche ſtändig aber immer von
Fall zu Fall zur Uebernahme der Vormundſchaft
angeboten werden; — dieſen gegenüber bleibt
alſo das Beſtellungsprinzip gewahrt. Die ge⸗
ſetzlichen ſind diejenigen, welche durch Gemeinde⸗
ſtatut zu Vormündern beſtimmt werden, alſo nicht
der vormundſchaftsgerichtlichen Beſtellung unter⸗
liegen, ſie ſind Vormünder kraft Geſetzes.
IV.
Volljährige, die unter Vormundſchaft ftehen,
können überhaupt nicht dem Berufsvormund unter⸗
ſtellt werden.
Der Kreis der Minderjährigen, der unter
das Geſetz fällt, iſt in Art. 1 und 2 feſtgelegt
und beſchränkt.
Die ausſchließlich in Frage kommenden Minder⸗
jährigen find:
1. diejenigen armen Kinder, welchen die er⸗
forderliche Erziehung und Ausbildung von der
Armenpflege verſchafft wird; Art. 10 Ziff. 4 des
Geſetzes, die öffentliche Armenpflege betr., vom
29. April 1869.
2. diejenigen Minderjährigen, die unter
Zwangserziehung ſtehen; Art. 5 des Zwangs⸗
erziehungsgeſetzes und $ 21 der Ausführungs⸗
beſtimmungen.
3. Koſtkinder, d. h. Kinder unter 8 Jahren,
die gegen Bezahlung in Pflege oder Erziehung
genommen werden; Art. 41 PStGB. und Bek.
des Min. d. J. vom 6. Februar 1906, die Be⸗
aufſichtigung der Koſtkinder betr.
4. uneheliche Kinder, die auf Koſten oder
mit Unterſtützung der Armenpflege in der mütter⸗
lichen Familie erzogen oder verpflegt werden.
V.
| Wie das Geſetz die Gemeinden nicht zwingt,
Berufsvormünder der einen oder anderen Art ein:
zuführen, ſo iſt auch das Vormundſchaftsgericht
nicht gezwungen, ſich dieſer Vormünder zu be—
dienen. Es iſt aber ſelbſtverſtändlich, daß das
Vormündern beſtellen“, und in Art. 2: „durch Ge- Vormundſchaftsgericht in allen Fällen, in welchen
meindeſtatut kann beſtimmt werden, daß Gemeinde—
beamte alle oder einzelne Rechte und Pflichten
eines Vormundes über die betreffenden Minder—
jährigen erhalten ſollen“.
Dadurch iſt die Möglichkeit geſchaffen, zweierlei
nicht triftige Gründe dagegen ſprechen, ſtets von
der Einrichtung der Berufsvormundſchaft Gebrauch
e wird.
Nach Art. 1 kann das Vormundſchaftsgericht
die obrigkeitlich beſtellten Vormünder vor den nach
Arten der Berufsvormundſchaften mit der gleichen
Wirkung einzuführen, nämlich die ſogenannten
S 1776 BGB. Berufenen beſtellen; nach Art. 2
bleibt die Befugnis des Vormundſchaftsgerichtes
unberührt, einen anderen Vormund zu beſtellen
oder, ſoferne nach dem Statute dem Gemeinde:
) Bericht des Ref. an den vereinigten 1. und. 3.
Ausſchuß der K. d. R.
3, Verh. der K. d R. vom 18. Januar.
) u. ) Verh der K. d. Abg. vom. 6. Februar.
) Begründung des Entwurfs.
beamten nur beſtimmte Rechte und Pflichten eines
Vormundes zukommen, dieſe dem Vormunde zu
übertragen.
Gebunden iſt das Vormundſchaftsgericht nur
in dem einen Punkte, daß es nach Art. 7 auf
Antrag der Gemeinde den Gemeindebeamten als
Vormund zu entlaſſen oder ihn ſeiner einzelnen
Rechte und Pflichten zu entbinden hat. Hierbei
ſind insbeſondere die Fälle ins Auge gefaßt, daß
der Mündel ſeinen Aufenthalt in größere Ent⸗
fernung vom Wohnorte des Berufsvormundes ver⸗
legt oder aus ſonſtigen Gründen der Mündel
dem Berufsvormunde entfremdet wird.“)
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
neben der Anordnung der Zwangserziehung aus:
Tritt der Berufsvormund in ſeine Rechte, |
ſo muß der bisherige Vormund weichen; jeine
Rechte und Pflichten endigen (Art. 5). Daher
iſt auch nach Art. 2 dem Vormundſchaftsgerichte
unverzüglich mitzuteilen, wenn hinſichtlich eines
|
Minderjährigen die Vorausſetzungen der Berufs:
vormundſchaft eintreten.
VI.
Dem Berufsvormund, ſowohl dem obrigkeitlich
beſtellten, als auch dem geſetzlichen kommen alle
Rechte eines Vormundes über mündelmaͤßige
Minderjährige im Sinne des $ 1773 BGB. zu.
Es können ihm aber auch nur beſtimmte einzelne
Rechte und entſprechende Pflichten übertragen
werden, z. B. nur die Fürſorge für die Perſon,
nicht aber auch die Vermögensverwaltung. Dieſe
Beſchränkung kann ausgehen von der Gemeinde,
ebenſo aber auch von dem Vormundſchaftsgerichte;
der Berufsvormund hat alsdann nur die Stellung
eines Pflegers.“)
Hierher gehören alle Fälle, in welchen nach
$ 1909 BGB. dem Minderjährigen ein Pfleger zu
beſtellen iſt. Durch die Berufsvormundſchaft kann
aber nicht die elterliche Gewalt eingeſchränkt werden.
Wenn dem Gewalthaber nur die Fürſorge für
die Perſon des Kindes entzogen iſt, kann ſich die
Tätigkeit des Berufsvormundes auch nur auf dieſen
Teil der elterlichen Gewalt erſtrecken, ſelbſt wenn ihm
das Statut die Rechte eines Vormundes in vollem
Umfange einräumt. Nach Art. 4 des Geſetzes
behält der Gemeindebeamte die Rechte und Pflichten
eines Vormundes auch nach der Beendigung der
Erziehung oder Verpflegung bis zur Volljährigkeit
des Minderjährigen. Durch die Anordnung der
Zwangserziehung wird kraft Geſetzes die elterliche
Gewalt nur hinſichtlich der Fürſorge für die
Perſon des Minderjährigen während der Dauer
der Zwangserziehung aufgehoben. Nach der Be:
endigung der Zwangserziehung tritt der Gewalt—
haber wieder in ſeine vollen Rechte; es muß daher
der Berufsvormund zurücktreten, auch vor erreichter
Volljährigkeit des betreffenden Minderjährigen.
daher, ſoferne die Vorausſetzungen gegeben ſind,
1) Begründung des Entwurfes.
) Planck, Komm zum EG. z. BGB. Art. 136 Note le.
geſchloſſen.
BGB. über ihn verhängen kann.
vorbehalten.
drücklich noch die Entziehung der Fürſorge für
die Perſon des Minderjährigen ausſprechen.
Da der Berufsvormund alle Rechte und
Pflichten des Vormundes hat, iſt ihm gegenüber
auch die Tätigkeit des Gemeindewaiſenrates nicht
aufgehoben; bezüglich des obrigkeitlich beſtellten
Berufsvormundes gilt dies unbeſchränkt; hinſichtlich
der geſetzlichen iſt das Verhältnis zu ihm durch
das Statut zu regeln.“)
Der Berufsvormund unterliegt vollſtändig der
Aufſicht des Vormundſchaftsgericht wie der beſtellte.
Er hat nur nach Art. 6 das eine Vorrecht,
daß ihm die nach 8 1852 Abſ. 2 des BGB.
zuläſſigen Befreiungen zuſtehen und daß ihm kein
Gegenvormund zu beſtellen iſt.“)
Aus ſeiner Stellung zum Vormundſchafts⸗
gerichte ergibt ſich, daß z. B. das Vormund⸗
ſchaftsgericht Ordnungsſtrafen gemäß 8 1837
Selbſt die
Entlaſſung jedes Berufsvormundes auf Grund
des $ 1886 von Fall zu Fall ift nicht aus⸗
Liegen Umſtände vor, welche die Ent⸗
ſetzung des Berufsvormundes von ſeinem Amte über⸗
haupt gebieten, ſo wird das Vormundſchaftsgericht
die Gemeinde, allenfalls deren vorgeſetzte Ver⸗
waltungsbehörde darum anzugehen haben.
VII.
Lediglich eine Zuſtändigkeitsfrage wird ſchließ⸗
lich in Art. 18 geregelt. In München iſt nun
aus Zweckmäßigkeitsgründen der Vollzug der
Zwangserziehung nicht mehr, wie bisher, der
Kgl. Polizeidirektion, ſondern dem Stadtmagiſtrat
übertragen. Es empfiehlt ſich, daß in unmittelbaren
Städten der Vollzug der Zwangserziehung und
der Berufsvormundſchaft bei einer Behörde ver—
einigt ſind.“)
VIII.
Die Einzelheiten in der Ausgeſtaltung der
Berufsvormundſchaft ſind dem Gemeindeſtatut
Die beſte Gewähr dafür, daß einer:
ſeits bei der Durchführung der Berufsvormundſchaft
den Bedürfniſſen und Verhältniſſen der einzelnen
Gemeinden Rechnung getragen wird und daß
anderſeits fih dieſe Neueinrichtung lebenskräftig
und fruchtbar entfalten kann, iſt dadurch geſchaffen,
daß das Statut jeder Gemeinde der Genehmigung
der Staatsminiſterien der Juſtiz und des Innern
unterliegt.
Mögen die Hoffnungen, die an das Geſetz
geknüpft werden, in Erfüllung gehen, möge die
Berufsvormundſchaft dazu beitragen, daß keines
unſerer wirtſchaftlich oder ſittlich armen Kinder
verloren gehe, auf daß ſie alle brauchbare Glieder
t
we en. der Geſellſchaft werden.
Der vorſichtige Vormundſchaftsrichter wird ——
0) Verh. der K. der R. vom 18. Januar 1908.
10) Begründung des Entwurfes.
11) Begründung des Entwurfes.
156 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
ö tipita li Wahl rv Rechte) durch
ds Gefet bete. Die Betrafung der Rajeftäts | Lite asg ee ge
beleidigung vom 17. Februar 1908. hielt der Entwurf nachſtehenden, durch die Reichs⸗
l a tagskommiſſion geſtrichenen Abſ. 3:
VV Die Verfolgung tritt, ſofern die Beleidigung nicht
I. Die Beſtimmungen des Reichsſtrafgeſetzbuchs öffentlich begangen iſt, nur mit Genehmigung der
über die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung waren W it ist fin 5 5
bekanntlich ſeit langem Gegenſtand lebhafter An⸗ die Gen hen ng erforderlich, und feht Degen Er⸗
ſechtung. Nicht nur, daß der Sonderſchutz dieſer teilung der Vilitärjultigvermaltung zu.
Beſtimmungen von mancher Seite grundſätzlich | Da die Einführung einer derartigen Geneh—
verworfen wurde, nahmen weite Kreiſe der nicht: migungsvorſchrift bei den Verbeſſerungsvorſchlägen
juriſtiſchen, wie auch der juriſtiſchen Welt daran zu den Majeſtätsbeleidigungsparagraphen eine große
Anftoß, daß dieſe Beſtimmungen vielfach zu Rolle geſpielt hat, dürfte auf die Gründe, aus
empfindlichen Strafen für Aeußerungen führten, denen ſchließlich doch von einer ſolchen Vorſchrift
die ohne beleidigende Abſicht, ja ſelbſt aus redlich⸗ | abgefehen wurde, hier in Kürze einzugehen fein,
fter Ueberzeugung, gemacht oder doch nur einer un- | während die übrigen Abänderungen des Entwurfs
|
bedachten Augenblicksſtimmung entſprungen waren, f 195 achtun jetzt geltenden
und daß anderſeits diefe Beſtimmungen häufig von 3 s „5 est g
Denunzianten zur Befriedigung niedriger Rachsucht In der Begründung des Entwurfs iſt für
mißbraucht wurden. Dieſen Mißſtänden will das das darin vorgeſehene Genehmigungserfordernis
neue Geſetz vom 17. Februar 1908) begegnen, bei nicht öffentlich begangenen Beleidigungen
indem es beſtimmt: angeführt, daß hier die Notwendigkeit der Ver⸗
„Für die Verfolgung und Beſtrafung der in den folgung von Amts wegen gerade dazu führe, dieſe
S8 95, 97, 9, 101 des ich B bezeichneten Vergehen Beleidigungen an die Oeffentlichkeit zu bringen,
gelten nachſtehende Vorſchriften: d bei Einfi des G anis
Die Beleidigung ift nur dann auf Grund der während bei Einführung des Genehmigungsprinzip
89 95, 97, 99, 101 ſtrafbar, wenn fie in der Abſicht die beſonderen Umſtände jedes Falles berückſichtigt
der Ehrverletzung, böswillig und mit Ueberlegung und auch an fidh ſtrafbare Beleidigungen, nament⸗
begangen wird. Sind in den Fällen der 8s 95, 97, f; 8 - $
99 mildernde Umſtände vorhanden, fo kann die Ges lih, wenn beren Kenntnis im engeren Kreiſe ge⸗
fängnisſtrafe oder die Feſtungshaft bis auf eine Woche | blieben ſei, von der Verfolgung ausgeſchloſſen
ermäßigt werden. derden könnten, wodurch auch böswilligen Denun-
Im Falle des 8 95 kann neben der Gefängnis- | ziationen wirkſam begegnet werden könne. Da-
e der bekleideten öffentlichen Aemter gegen ſpreche bei öffentlich begangenen Beleidi⸗
Die Verfolgung verjährt in 6 Monaten. gungen regelmäßig das Staatsintereſſe jo ſehr
Iſt die Strafbarkeit nach Abſ. 2 ausgeſchloſſen, für die Verfolgung, daß eine Verſagung der Ge-
ſo finden die Vorſchriften des 14. Abſchnitts des StGB. nehmigung zur Strafverfolgung nicht in Frage
Anwendung. _ j kommen könne. In der Reichstagskommiſſion
II. Der Entwurf zu dieſem Geſetze nebſt Bes wurde dagegen zunächſt die Ausdehnung des Ge-
gründung wurde am 25. April 1907 dem Reichs- nehmigungserforderniſſes auf alle, alſo auch die öffent-
tage vorgelegt. Er wurde vom Reichstage einer lichen Majeſtätsbeleidigungen beantragt. Hierfür
Kommiſſion überwieſen und erhielt in dieſer nad) | wurde geltend gemacht, daß nicht nur die Schei⸗
eingehender Beratung und zahlreichen Abänderungs= dung der Fälle öffentlicher und nichtöffentlicher
anträgen die Jaljung, welche dann auch zum Ge: Begehung in der Praxis Schwierigkeiten machen
ſetze geworden ift.) Von dem Geſetze unterſchied werde, ſondern daß auch bei öffentlich begangenen
fih dieſer Entwurf inſofern, als in Abſ. 2 ftatt | Majeſtätsbeleidigungen das Staatsintereſſe keines⸗
der Begehung mit Ueberlegung Begehung mit wegs immer eine Verfolgung verlange. Beſonders
Vorbedacht gefordert, dagegen das weitere Er⸗ aber wurde die allgemeine Einführung des Ge⸗
fordernis der Abſicht der Ehrverletzung nicht vor: | nehmigungsprinzips als eines Dammes gegen
geſehen war. Ebenſo wurde der jetzige Satz 2 leichtfertige Erhebung von Beleidigungsklagen und
des Abſ. 2 (mildernde Umſtände) und der jetzige | wegen der Möglichkeit parlamentariſcher Kontrolle
Abſ. 3 (Wegfall der Aberkennung der aus öffent: des Verhaltens der Juſtizverwaltung bei der Er-
VVV teilung der Genehmigung gefordert. Seitens des
1908 und daher in Kraft 1 1915 111 dem 11. März 1908. Staatsſekretärs des Reichsjuſtizamts wurden dem⸗
3) Entwurf nebſt Begründung Bd. 4 der Drud: gegenüber die Bedenken gegen das Genehmigungs⸗
ſachen des Deutſchen Reichstags für die I. Seſſion 1907 prinzip überhaupt dargelegt”): dieſes ſtehe eigent⸗
115 17 e 0 5 an a. lich mit dem das deutſche Recht beherrſchenden
li : V 907 564. 5 o e 43 . : ; :
die 1. Beratung im Reichstag vom 23. N e 1907. Legalitätsprinzip z Widerſpruch und liege nicht
Sten Ber. für die I. Seſſion 1907/1908 S. 1729 bis im Intereſſe der Rechtspflege, die hierdurch ſehr
1750, über die 2. Beratung vom 21. Januar 1908 leicht „einen adminiſtrativen Charakter mit parla-
ebenda S. 2594—2608, über die 3. Beratung von ————
23. Januar 1908 ebenda S. 2668—2670. | ) S. 12 ff., 19 des Komm%er.
—— be — — Ben
—
mentariſcher Direktive“ erhalte. Dieſe Bedenken
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
verſtärkten ſich noch bei den öffentlich begangenen
Beleidigungen, weil hier bei den hereinſpielenden
wirtſchaftlichen und politiſchen Streitfragen das
unbefangene Urteil über die Angemeſſenheit der
Verfolgung erſchwert ſei, während die bei den
nicht öffentlichen Beleidigungen für die Geneh⸗
migung ſprechenden Gründe hier nicht zuträfen.
Es wurde daher für die verbündeten Regierungen
nur der Standpunkt des Entwurfs oder der gaͤnz⸗
liche Wegfall der Genehmigung als annehmbar
erklärt. Dieſer Widerſtand der Regierungen in
Verbindung mit den im Reichstage ſelbſt laut ge⸗
wordenen Bedenken wegen Gefährdung der Un:
abhängigkeit der Rechtspflege und die Schwierig⸗
keiten der formellen Regelung der Genehmigung,
die in der Kommiſſion zutage traten, führten
denn dazu, daß der Abſ. 3 des Entwurfs in der
Kommiſſion geſtrichen und bei der Reichstagsbe⸗
ratung nicht wieder aufgegriffen wurde.
Von den zahlreichen ſonſtigen nicht zum Siege
gelangten Abänderungsvorſchlägen in der Reichs⸗
tagskommiſſion mögen ihres allgemeinen Intereſſes
wegen nachfolgende erwähnt ſein:
1. Der auch bei der Reichstagsberatung
wieder aufgenommene und abgelehnte Antrag auf
völlige Aufhebung der 88 95, 97, 99, 101 StGB.
Gegen dieſen Antrag wurde geltend gemacht!),
daß die Majeſtätsbeleidigung fih nicht gegen die
Perſon des betr. Monarchen, ſondern gegen ihn
als Staatsoberhaupt richte und daß man ihn als
ſolches nicht in die Kreiſe der gewöhnlichen Staats⸗
bürger herunterdrücken dürfe, daß auch die Auf⸗
hebung der 88 95, 97, 99, 101 konſequenterweiſe die
Aufhebung des § 103 (Schutz ausländiſcher
Fürſten) bedinge, dann aber die deutſchen Fürſten
im Auslande einen Schutz genießen würden, den
das Deutſche Reich den ausländiſchen Fürſten verſage.
2. Der Antrag die beſondere Strafbarkeit der
Majeſtätsbeleidigung nur eintreten zu laſſen, wenn
dieſe durch beſchimpfende Aeußerungen geſchehe
oder ſich als Verleumdung darſtelle.
3. Der Antrag dieſe beſondere Strafbarkeit
an die Vorausſetzung zu knüpfen, daß die Pe-
leidigung öffentlich oder in Anweſenheit des Be:
leidigten erfolge.
Dieſen letzteren Verſuchen, den objektiven
Tatbeſtand der Majeſtätsbeleidigung einzuſchränken,
wurde jedoch entgegengehalten), daß das, was
dem Privatmann gegenüber ſich als eine Be—
leidigung darſtelle, dies doch auch dem Fürſten
gegenüber ſein müſſe und daß insbeſondere die
Heranziehung des § 166 StGB. (Gottesläſterung)
um deswillen verfehlt fei, weil bei dieſer die Ber-
leumdung und üble Nachrede nicht in Betracht
komme. Die Strafloſigkeit nicht öffentlicher Be—
leidigungen würde auch dem Umſtand nicht ge—
) Sten Ber. der 2. Beratung im Reichstag S. 2599.
) KomnBer. S. 8, S. 6.
157
gerecht, daß gerade die häßlichſten Beleidigungen,
die den Tatbeſtand der üblen Nachrede und der
Verleumdung erfüllten, regelmäßig nicht öffentlich
begangen würden.
III. Die Betrachtung des jetzt geltenden Geſetzes
zeigt zunächſt, daß nunmehr das Vergehen der
Majeſtätsbeleidigung in 2 Gruppen zerfällt, die
eigentliche Majeſtätsbeleidigung — bei Vorliegen
der beſonderen Vorausſetzungen des Abſatzes 2
Satz 1 — und die Beleidigung des gemeinen
Rechts — ſofern die Strafbarkeit nach Abſ. 2
ausgeſchloſſen iſt.
a) Die eigentliche Majeſtätsbeleidigung.
Das Geſetz vom 17. Februar 1908 hat den
objektiven und ſubjektiven Tatbeſtand der 88 95,
97, 99, 101 StGB. an ſich unberührt gelaſſen,
es hat ihm lediglich die weiteren ſubjektiven Tat⸗
beſtandsmomente der Abſicht der Ehrverletzung,
der Böswilligkeit und der Ueberlegung beigefügt.
Als Beleidigung im Sinne dieſer Paragraphen
iſt daher auch weiterhin jede rechtswidrige ehren⸗
kränkende Kundgebung anzuſehen. Daß die Rechts⸗
widrigkeit einer ſolchen Kundgebung nicht durch
den Beweis der Wahrheit der behaupteten Tat⸗
ſachen oder dadurch ausgeſchloſſen wird, daß die
Kundgebung zur Wahrnehmung berechtigter In⸗
tereſſen im Sinne des § 193 StGB. erfolgte,
gilt daher nach wie vor.“) Ebenſo gilt aber
weiter, daß die allgemeinen Grundſätze über den
Ausſchluß der Rechtswidrigkeit auch auf die
Majeſtätsbeleidigung Anwendung finden, und daß
daher Kundgebungen, die ausſchließlich der Wahrung
eines Rechtes dienen ſollen, ſchon deshalb nicht
ſtrafbar find.) Daß als Ehrenkränkungen auch
bei der Majeſtätsbeleidigung bloße Ehrfurchts⸗
verletzungen nicht gelten können und daß ins⸗
beſondere die Unterlaſſung üblicher oder an fich
gebotener poſitiver Ehrenbezeigungen ohne eine
|
beſondere Recht s pflicht hierzu nicht als Ehren-
kränkung durch Unterlaſſung geſtraft werden kann,
war ſchon vor dem Geſetze vom 17. Februar
1908 anerkannt.) Während dagegen nach
dem bisherigen Rechte zum ſubjektiven Tat⸗
beſtande der Majeſtätsbeleidigung nur erfor⸗
derlich war, daß die Kundgebung in Beziehung
auf den Beleidigten bewußtermaßen und im Be:
wußtſein ihres ehrenkränkenden Charakters erfolgte,
ohne daß es einer darüber hinausgehenden Ab—
ſicht bedurfte”), hat das Geſetz vom 17. Februar
1908 neben dieſen auch weiterhin erforderlichen
ne Vorſatz die Erforderniſſe der Ueber-
90 ROSE. Bd. 2 S. 213, Bd. 5 S. 46. Vgl.
auch S. 1730, 1734 der Sten Ber. über die 1. Beratung
im Reichstage. S. 10 des Kommiſſionsberichtes.
1) RG St. Bd. 8 S. 338 (Geltendmachung zivil-
rechtlicher Anſprüche), Ripr. d. RY. Bd. 10 S. 724.
6) Entſch. d. RG. Goldt Arch. Bd. 46 S. 3.35. Entſch.
i. StS. Bd. 40 S. 416 (Sitzenbleiben beim Kaiſerhoch).
) S. Entſch. d. RG. Goldt Arch. Bd. 45 S. 423.
158
legung, der Böswilligkeit und der Abſicht der
Ehrverletzung geſetzt.
1. Die Ueberlegung. Der Entwurf hatte
ſtatt der Ausführung mit Ueberlegung Ausführung
mit Vorbedacht erfordert. Bei den Verhand⸗
lungen wurde alsbald die Erſetzung des neuen
Begriffes Vorbedacht durch den bereits in der
ſtrafrechtlichen Praxis eingeführten Begriff der
Ueberlegung beantragt, welch letzterer auch dem
Umſtand Rechnung trage, daß die Beleidigung
nicht nur vorher bedacht, ſondern auch im
Augenblicke der Ausführung mit ruhigem Blute
überdacht fein müſſe.““) Da anderſeits hervor:
gehoben wurde, daß durch das Wort Ueberlegung,
wie durch das Wort Vorbedacht, gefordert werde,
daß der Täter die Aeußerung vorher bedacht
habe!!), fo kann als Ergebnis der Abänderung
feſtgeſtellt werden, daß zur Majeſtätsbeleidigung
nunmehr Ueberlegung im Sinne des $ 211 StGB.
notwendig iſt, daß dieſe aber weſentlich in dem
Bedenken der Tat vor und bei der Aus⸗
führung beſtehen muß, während bei dem § 211
StGB. noch mancherlei Meinungsverſchiedenheiten
darüber beſtehen, ob die Ueberlegung bei der Aus⸗
führung der Tat oder bei der Faſſung des Ent⸗
ſchluſſes oder bei beiden vorhanden ſein muß und
ob die Ueberlegung ſelbſt in der planmäßigen
Ausgeſtaltung der Tat oder in der Erwägung
der für und gegen ſie ſprechenden Motive zu
ſuchen ift."?)
2. Die Böswilligkeit. Zu dieſem Be⸗
griffsmerkmal führt die Begründung des Ent-
wurfes aus, daß es in den 88 103 a, 134, 135
StGB. bereits verwendet ſei; die Auslegung, die
es in der Rechtsanwendung gefunden habe, führe
dahin, daß als ſtrafbare Majeſtätsbeleidigungen
künftig nur ſolche Aeußerungen angeſehen werden
könnten, bei denen die Abſicht des Täters gerade
auf Herabſetzung der Ehre der beleidigten fürſtlichen
Perſon gerichtet geweſen fei. Bei der Kommiſſions⸗
beratung wurde der Begriff von einem Regierungs—
vertreter dahin näher erläutert, daß der Täter
bezwecken müſſe, gerade die Ehre der fürſtlichen
Perfon zu verletzen, dagegen handle er nicht büs-
willig, wenn er andere Zwecke verfolge und die
Ehrverletzung des Fürſten nur als Folge ſeiner
Handlungsweiſe mit in den Kauf nehme, z. B.
wenn jemand bezwecke, wenn auch auf Koſten der
Ehre des Fürſten, durch ein bon mot, einen Witz,
eine Karikatur Beifall zu finden, wenn er einen
anderen ärgern oder etwa ſich ein Unterkommen
im Gefängnis verſchaffen wolle.) Insbeſondere
aber führte der Staatsſekretär des Reichsjuſtiz⸗
amts in der zweiten Beratung im Reichstage
10) Siehe S. 4, 5 des KomnBer.
1) Siehe S. 9 des KommBer., Sten Ber. z. 1. Ber.
i. R.⸗T. S. 1735.
12) Siehe hierüber des Näheren Olshauſen Note 5—6
zu § 211 StGB.
1) KommBer. S. 8.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
| gegenüber den mehrfach laut gewordenen Befürch⸗
tungen, die Böswilligkeit könne ohne weiteres aus
| der politiſchen Geſinnung des Täters entnommen
werden, aus: „das Wort böswillig ſei ſo ge⸗
meint, daß damit nur der beſondere energiſche
Wille bezeichnet werden ſolle, den Herrſcher direkt
ohne andere Abſichten und Motive in ſeiner per⸗
ſönlichen Ehre zu treffen und die dabei voraus⸗
geſetzte Böswilligkeit müſſe liegen in der Tat
ſelbſt, in der unmittelbaren, ausſchließlichen Ver⸗
bindung der einzelnen Handlung, die zur Verfolgung
ſtehe, mit dem Willen des Täters; ſeine allge⸗
meinen politiſchen Anſchauungen, ſeine politiſchen
Beſtrebungen im übrigen kämen für die Beur⸗
teilung der Tat nicht in Betracht.“) Dagegen
wurde in der Kommiſſion von einem anderen
Regierungsvertreter die Anſicht ausgeſprochen, der
Begriff der Böswilligkeit umfaſſe nach der in
Theorie und Praxis als herrſchend zu bezeichnen⸗
den Anſchauung neben der Abſicht noch das
weitere Moment, daß der Täter ſich der Rechts⸗
widrigkeit ſeiner Handlung freue, an der Rechts⸗
widrigkeit der Tat feine Befriedigung finde.“)
Und auch ſonſt wurde in den Verhandlungen
mehrfach die Freude am Böſen, die boshafte Freude
an der Handlung. die böſe, ſchlechte oder feindſelige
Geſinnung des Täters, der animus hostilis als
ein Merkmal der Böswilligkeit bezeichnet.) Die
gleiche Verſchiedenheit der Anſchauungen kehrt in
der Literatur zu den 88 103 a, 134, 135 StGB.
wieder. Während einerſeits das Weſen der Bös⸗
willigkeit in dem Zwecke der Mißachtung des
geſchützten Rechtsguts gefunden wird (Binding,
Lehrb. Bd. 2 S. 740, Liszt, Lehrb. S. 570)
und Liszt demnach die Böswilligkeit als „die auf
Herbeiführung des verbotenen Erfolges gerichtete
Abſicht als Beweggrund der Handlung“ beſtimmt,
wird anderſeits die Notwendigkeit der Freude am
Böſen betont (Binding, Lehrb. Bd. 2 S. 504).
| Olshauſen fordert noch weiter ein aus einer böſen oder
ſchlechten Geſinnung hervorgehendes Handeln,
wobei der Täter der Rechtswidrigkeit der Hand⸗
lung und ihrer verderblichen Wirkung ſich freue
(Note 3 Abſ. 2 zu § 134). Er ſtellt hier bös⸗
willig direkt gleich mit boshaft in 8 360 Ziff. 13
StGB. und beſtimmt letzteres wieder als ein
Handeln, das nicht zu einem vernünftigen Zwecke,
ſondern lediglich um des rechtswidrigen Erfolges
ſelbſt willen geſchehe (Note e zu § 360 Ziff. 13
StGB.).
Geht man von dem Wortſinne des Ausdruckes
aus, jo muß Böswilligfeit wohl als der be:
wußt auf das Böſe, d. h. den bezielten rechts⸗
widrigen Erfolg gerichtete Wille erklärt werden!“);
1% Sten Ber. S. 2599.
18) KommBer. S. 9.
16) KommBBer. S. 4, 5, 19. StenBer. über die
1. Ber. i. R.⸗T. S. 1735, über die zweite Beratung
S. 2603.
1) Vgl. bösgläubig, anderſeits gutwillig, gut—
gläubig.
|
|
|
fie würde fih inſoweit mit dem allgemeinen Be:
griffe des Vorſatzes als des bewußten Wollens der
Rechtswidrigkeit eigentlich decken. Doch verbindet
ſchon der Sprachgebrauch mit dem Worte bös⸗
willig die Vorſtellung einer entſchiedeneren Richtung
des Willens auf den rechtswidrigen Erfolg als
ſolchen, ſo daß dieſer als der eigentliche Be⸗
ſtimmungsgrund und direkte Zweck des Handelns
erſcheint. Mit diefer Auffaſſung ſtimmt aber
durchaus die von Liszt und beſonders dem Staats⸗
ſekretär des Reichsjuſtizamts in der 2. Beratung
gegebene Begriffsbeſtimmung überein und es kann
als die übereinſtimmende Anſicht der geſetzgebenden
Faktoren angeſehen werden, daß der Begriff büs:
willig in dem Geſetze vom 17. Februar 1908
jedenfalls in dieſem über den Vorſatz hinaus⸗
reichenden Sinne verſtanden werden ſoll. Selbſt⸗
verſtändlich wird dieſe ausgeſprochene Abſicht der
Ehrenkränkung regelmäßig einer böſen, feindſeligen
Geſinnung entſpringen und mit ihr vielfach die
boshafte Freude an der Kränkung der fremden
Ehre verbunden ſein. Keineswegs wird dies aber
immer der Fall ſein und es ſcheint daher nicht
angängig, der Hervorhebung dieſer Momente bei
den Geſetzgebungsverhandlungen eine weitergehende
Bedeutung beizulegen, als daß darin für die Bös—
willigkeit beſonders charakteriſtiſche und zur Klar-
ſtellung des Willens des Geſetzgebers dienliche
Momente zu erblicken ſind. Insbeſondere muß
angeſichts der Erklärung des Staatsſekretärs bei
der 2. Beratung die Geſinnung des Täters im
allgemeinen für den Begriff der Böswilligkeit
völlig ausſcheiden; nur das Verhältnis zwiſchen
ſeinem Willen und dem rechtswidrigen Erfolg im
Einzelfall iſt zu berückſichtigen, wobei freilich
unter Umſtänden für die Klarſtellung dieſes Ber-
hältniſſes die ſonſtigen Geſinnungen und Be:
ſtrebungen des Täters als Beweistatſachen nicht
ſchlechtweg von der Hand zu weiſen ſein werden.
Wollte man ferner die Freude an der Tat zum
notwendigen Begriffsmerkmal machen oder gar
erfordern, daß die Ehrenkränkung reiner Selbſt⸗
zweck, wie bei der boshaften Handlungsweiſe, fein
müſſe, ſo würde man zu Folgerungen kommen,
die dem Willen des Geſetzgebers zweifellos nicht
entſprechen. Man denke an den Pamphletiſten,
der lediglich des Geldes wegen auf Beſtellung
arbeitet. So darf wohl geſagt werden, daß eine
Majeſtätsbeleidigung böswillig begangen iſt, wenn
die Ehrenkränkung der unmittelbare, eigent:
liche Zweck der Kundgebung iſt, ohne daß dieſe
Kränkung aber Selbſtzweck zu fein braucht.
Demnach würden die oben angeführten Zwecke
des Witzes, der Abſicht einen anderen zu ärgern,
noch mehr aber der Zweck der Wahrnehmung be—
rechtigter Intereſſen im Sinne des § 193 StGB.
die Böswilligkeit ausſchließen, dies ſelbſt dann,
wenn ſich in dieſe Zwecke nebenbei die Abſicht
der Ehrenkränkung — nicht nur das Bewußtſein
einer ſolchen — miſchen ſollte. Wohl aber könnte
auch bei Gelegenheit der Wahrnehmung ſolcher
anderer Zwecke eine böswillige Majeſtätsbeleidigung
begangen werden, wenn mit der dem anderen
Zwecke dienenden Kundgebung Aeußerungen ver⸗
bunden werden, die dieſem anderen Zwecke gar
nicht dienen ſollen, ſondern lediglich der Abſicht
der Ehrenkränkung entſpringen oder wenn die
Kundgebung in eine Form gekleidet wird, die als
ihren eigentlichen Zweck die Ehrenkränkung
und nicht den vorgeſchobenen anderen Zweck er⸗
kennen läßt. Ebenſo kann die Böswilligkeit
nicht dadurch entfallen, daß die unmittelbar be⸗
zweckte Ehrenkränkung als Mittel zur Erreichung
weiterer Zwecke dienen ſoll (Cohn des Pamphletiſten).
Hierher gehört auch trotz der gegenteiligen Aeußerung
in der Reichstagskommiſſion der Zweck eines Unter⸗
kommens im Gefängnis, nur wird hier häufig
das Moment der Ueberlegung fehlen.“)
(Schluß folgt.)
— —
== — ä ̈ — k ..—m— — — — —
Zur Reform des Privatklageverfahreus.
Von Dr. Erlacher, Landgerichtsrat in Hof.
(Schluß.)
Hinſichtlich der vergleichsweiſen Er—
ledigung der Privatklageſachen und des
damit zuſammenhängenden Koſtenfeſtſetzungsver⸗
fahrenshat die Reformkommiſſion weitere
Aenderungen oder Zujäße zur StPO.
als die in den Beſchlüſſen Nr. 243, 248,
252 und 287 enthaltenen nicht für er:
forderlich erachtet.
1
Der zu § 414 StPO. gefaßte Beſchluß
Nr. 243 lautet:
Die Verfolgung im Wege der Privatklage,
ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der
Staatsanwaltſchaft bedarf (d. h. die jog. prinzipale
Privatklage) ſoll nicht, wie nach beſtehendem Rechte
nur in den Fällen der auf Antrag zu verfolgenden
Beleidigungen und Körperverletzungen (§S 414 I
StPO.) und den in den §8 4, 7, 9, 10 des Ge-
ſetzes vom 27. Mai 1896 vorgeſehenen Fällen des
unlauteren Wettbewerbes, ſondern außerdem zu—
läſſig ſein:
a) bei leichten vorſätzlichen und bei fahrläſſigen
Körperverletzungen auch inſoweit, als die Ver—
folgung durch einen Strafantrag nicht bedingt iſt;
18) Der Täter will hier gerade eine Ehrenkränkung
begehen, um hierwegen beſtraft zu werden, die Ehren—
kränkung iſt der eigentliche Zweck ſeiner Kundgebung
(ganz anders als bei dem Witze). Im Reichstage wurde
der hier fragliche Fall ſogar als Beiſpiel der Böswillig—
keit angeführt. (Sten Ber. S. 1733).
—— — ꝛ̃ ñʒ—ͤ— —— ͤ r.. — a e e e
160 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
—
erhebliche Ausdehnung erfahren ſoll, bezweckt die
Begünſtigung der vergleichsweiſen Erledigung der
c) 155 „ in den Fällen des dort bezeichneten Sachen. Der Beſchluß Nr. 249
8 123 S vereitelt aber geradezu die Erreichung dieſer löb⸗
d) bei Bedrohung ; im Falle des § 241 StGB. lichen Abſicht. Wie ſollen ſich die Parteien zu
5 bei Sachbeſchädigung im Falle des § 303 einem — ſtets mit Opfern verbundenen — Vergleiche
t6 verſtehen, wenn trotz des Vergleichs die Gefahr
f) he den Uebertretungen des $ 370 Nr. 5 und 6 der Strafverfolgung im Wege der öffentlichen
StGB. (Prot. IS. 288—294; II S. 43—49). Klage beſtehen bleibt?
1I Der Beſchluß Nr. 249 bedeutet gegen:
l über dem bisherigen Rechte inſoferne eine erhe b:
Die zu 5 420 StPO. gefaßten Beſchlüſſe 1 liche Verſchlechterung, als er feinem Wort-
a) Beſchluß Nr. 248: hinſichtlich deren bei den bisherigen Privatklage⸗
b) bei gefährlichen Körperverletzungen in den
Fällen des $ 223 a StGB.
SER TREE,
lauten laute nach auch diejenigen Fälle treffen würde,
Der Sühneverſuch fol unter den in § 420 ſachen die Zurücknahme des Strafantrags zuläſſig
StPO. bezeichneten Vorausſetzungen nicht nur bei war und, im Vergleiche erklaͤrt, Die Erhebung der
Beleidigungen, ſondern auch bei Körperverletzungen, öffentlichen Klage ausſchloß.
Hausfriedensbruch und Bedrohung erforderlich ſein. Der Beſchluß Nr. 249 iſt überflüſſig
(Prot. I S. 301; II 59). hinſichtlich derjenigen Reate, auf welche der Be⸗
b) Der Beſchluß Nr. 249: ſchluß Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs
„Durch das Gelingen des Sühneverſuchs (Ver: ausdehnte. Bei den darunter fallenden Körper:
gleichsabſchluß) ſoll die Erhebung der öffentlichen verletzungen iſt — abgeſehen von den bisher dem
Klage nicht ausgeſchloſſen fein. (Prot. I S. 301 f.; Privatklageverfahren gemäß § 414 StPO. ſchon
II 59). unterſtellt geweſenen — ein Strafantrag zur Ver⸗
folgung nicht notwendig; das gleiche gilt von der
Bedrohung und dem fog. ſchweren Hausfriedens⸗
bruch gemäß $ 123 III StGB:; beim fog. leichten
Hausfriedensbruch kann der Strafantrag nicht
zurückgenommen werden; das gleiche gilt von den
in 8414 StPO. bezeichneten Körperverletzungen,
ſoferne ſie nicht gegen einen Angehörigen verübt
find ($ 232 II StGB.). In dieſen Fällen könnte
alſo ein Vergleich auch ohne den Beſchluß Nr. 249
| nicht die öffentliche Klage ausſchließen.
IV. | Der Beſchluß Nr. 249 erſcheint dem:
Der zu 9 496 StPO. gefaßte Beſchluß nach unannehmbar.
Nr. 287 lautet: In dem Verfahren auf erhobene Die Ausdehnung des Erforderniſſes d es
Privatklage folen die dem Gegner zu erſtattenden Sühneverſuchs nach 8 420 StPO. auf ſolche
notwendigen Auslagen (8 503) durch gerichtliche | Reate, deren Verfolgung durch einen Strafantrag
Entſcheidung auch dann feſtgeſetzt werden können, nicht bedingt ift oder bei denen der Strafantrag
wenn über die Höhe oder Notwendigkeit kein Streit nicht zurückgenommen werden kann, hat nur
beſteht; auf das Verfahren finden die Vorſchriften dann einen Zweck, wenn beſtimmt wird,
der 88 103 — 106 ZPO. entſprechende Anwendung. daß durch das Gelingen des Sühnever—
(Prot. II S. 64 ff.). ſuchs oder den Abſchluß des gerichtlichen
Sind dieſe Vorſchläge geeignet, den Vergleiches die Erhebung der öffent—
in der Praxis hervorgetretenen Reform- lichen Klage ausgeſchloſſen fein ſoll;
bedürfniſſen gerecht zu werden? Ob ſich eine ſolche Beſtimmung iſt aber aus denſelben
der Beſchluß Nr. 249 auch auf den im Beſchluſſe Gründen, die in der Reformkommiſſion und
Nr. 252 vorgeſehenen gerichtlichen Vergleich er- anderwärts gegen die Ausdehnung der prinzipalen
ſtrecken ſoll, darüber enthalten weder die Pro- Privatklage auf dieſe Delikte geltend gemacht
tokolle noch die Beſchlüſſe der Reformkommiſſion wurden, unannehmbar für die im Beſchluſſe
etwas; nach dem Zwecke, dem der Beſchluß Nr. 243 unter a und b aufgeführten Körperver:
Nr. 249 dienen ſoll, muß er auch den gerichtlichen letzungen und nicht empfehlenswert für die Fälle
Vergleich umfaſſen.?“) des fog. erſchwerten Hausfriedensbruchs gemäß
Das Erfordernis des Sühneverſuchs gemäß 8 123 III StGB., dagegen bedenkenfrei hinſicht⸗
8 420 StPO, das nach Beſchluß Nr. 248 eine lich der bisherigen Privatklageſachen, in denen der
Strafantrag nicht zurückgenommen werden kann
24) Vgl. die Abhandlung Dr. Friedländers in Dr. 8 232 StGB.), des Hausfriedensbruchs im Falle
Aſchrotts Reform des Strafprozeſſes S. 585. des 5 123 I StGB., der Bedrohung und der
III.
Der zu § 424 StPO. gefaßte Beſchluß
Nr. 252 lautet: Ein im Privatklageverfahren
zu Protokoll des Gerichtes abgeſchloſſener Vergleich
ſoll einen Vollſtreckungstitel im Sinne der ZPO.
(88 104, 794) gewähren; auch die Vollſtreckung
ſelbſt ſoll nach den Borfchiften der ZPO. erfolgen.
(Prot. 1 S. 313; II S. 63 ff.).
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8. 161
Sachbeſchädigung nach $ 241 und 303 StGB.; Sühneverſuch fol unter den in $ 420 StPO.
hinfichtlich der übrigen bisherigen Privatklageſachen bezeichneten Vorausſetzungen bei allen Privatklage⸗
und der Uebertretungen nach 8 370 Nr. 5 und 6 ſachen erforderlich fein.
StGB. wäre die gedachte Beſtimmung deshalb C.
nicht erforderlich, weil hier der Strafantrag zurück: den Beſchluß Nr. 249 zu ſtreichen.
nehmbar ift, aber wünſchonswert in den Fällen,
in welchen die urſprüngliche Zurücknehmbarkeit des DPD. nn
Strafantrags durch ein auf Strafe lautendes dem 8 416 StPO. als Abſatz II beizufügen:
Urteil ausgeſchloſſen worden ift. (Vgl. 8 64 StGB.). Durch den vor dem Sühneamt oder dem Gerichte
Gegen die Beſeitigung der öffent- abgeſchloſſenen Vergleich ($ 420 und 8 424
lichen Klage im Wege des Vergleichs StPO.) (in der von uns vorgeſchlagenen Faſſung)
dürfte bei der vorgeſchlagenen Be- wird die Erhebung der öffentlichen Klage aus⸗
ſchränkung ein begründetes Bedenken geſchloſſen.“)
nicht beſtehen. Die Grenzen zwiſchen tätlicher Der Beſchluß Nr. 252 ſchafft die bisher
Beleidigung und leichter Körperverletzung, zwiſchen von manchen beſtrittene geſetzliche Grundlage für
wörtlicher Beleidigung und Bedrohung find den gerichtlichen Vergleich und deffen Vollſtreck⸗
flüſſig;“) die Faſſung des Strafgeſetzbuches hat barkeit; er geht dabei den vom Amtsgerichte Nürn-
zur Folge, daß die Merkmale des Hausfriedens⸗ berg bisher ſchon betretenen Weg. Daß die Reform-
bruchs und der Sachbeſchädigung auch in den kommiſſion es unterlaſſen hat, den Begriff „Ver⸗
Fällen gegeben find, welche fo leicht liegen, daß gleich“ näher zu beſtimmen (die Wendung im
die Rechtsordnung als ſolche kaum davon berührt Beſchluſſe Nr. 249 „Gelingen des Sühneverſuchs
wird; der Hausfriedensbruch trifft oft mit Be⸗ | [Bergleih]” kann als eine ſolche Begriffsbeſtimmung
leidigungen zuſammen, wenn infolge einer Streitig⸗ | wohl nicht angeſehen werden), iſt zu begrüßen;
keit die eine Partei die andere aus der Wohnung es würde auch ſchwer fallen, eine nicht zu enge
mweift.” ) Begriffsbeſtimmung zu finden; eine zu enge
Die Fälle der in $ 414 StPO. erwähnten Faſſung würde dem wünſchenswerten Beſtreben
Körperverletzungen, des Hausfriedensbruchs nach hinderlich ſein, eine möglichſt vollſtändige Aus⸗
$ 123 J, der Bedrohung und der Sachbeſchädigung ſöhnung der Parteien herbeizuführen; aus dem
nach 8 303 StGB. haben für das öffentliche gleichen Grunde empfiehlt es fih auch nicht den
Wohl eine ebenſo geringe Bedeutung als die Be- Vergleich zu beſchränken auf die Parteien und
leidigungen; weshalb ſollte bei ihnen die öffent: deren gerade zum Gegenſtande der Privatklage
liche Klage nicht durch den Vergleich ausgeſchloſſen oder Widerklage gemachte Streitigkeit. Eine ſolche
werden, obwohl ein ſolcher Ausſchluß bei den das Einſchränkung würde den in $ 414 II StPO. Pe-
öffentliche Wohl viel mehr berührenden Fällen des zeichneten, den Ehegatten oder fonſtigen Angehörigen
unlautern Wettbewerbes (durch Zurücknahme des der Parteien, die an dem Vorfall ſtrafrechtlich,
Strafantrags) ſchon bisher möglich war? Die ſei es als Täter oder Verletzte, beteiligt waren,
Unterſtellung der Uebertretungen des $ 370 Nr. 5 ohne daß die Vorausſetzungen des § 415 I StPO.
und Nr. 6 StGB. unter die prinzipale Privat: vorlägen, die Möglichkeit des Beitritts zum Ber:
klage erfolgte in der Ref Komm. debattelos und gleichsabſchluſſe benehmen; ein folder Beitritt
kann nur gebilligt werden. ſchafft aber in vielen Fällen erſt die Möglichkeit
Dagegen iſt ein Grund, warum der Beſchluß einer gütlichen Einigung der Parteien ſelbſt und
Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs auf hilft die aus dem ſelbſtändigen Strafantragsrechte
dieſe zwei Uebertretungen, auf die Sachbeſchädigung Dritter (3. B. des Ehemannes) hervorgehenden
nach $ 303 StGB. und die Fälle des unlauteren Mißſtände wenigſtens im Wege des Vergleiches zu
Wettbewerbes nicht ausgedehnt wiſſen will, nicht | befeitigen. (Vgl. d. Prot. d. Ref Komm. Bd. I
erſichtlich. S. 308; II S. 55).
Aus vorſtehenden Ausführungen er: Auch eine Beſchränkung des Vergleiches dahin,
gibt ſich unſere Stellungnahme zu den daß nur der unbedingte Vergleich zugelaſſen würde,
Beſchlüſſen Nr. 243, 248 und 249 da- wäre verfehlt. Der bedingte Vergleich hat dann
hin, daß vorgeſchlagen wird: ſeine Berechtigung, wenn die Perſon deſſen, der
— 54 PER er
im Beſchluſſe Nr. 243 zu ſtreichen: die unter der prinzipalen Privatklage auf die im Beſchluſſe
a und b aufgeführten Reate und unter e dem Nr. 243 a und b aufgeführten Reate abgelehnt werden,
Zitat „§ 123 StGB.“ beizufügen: Abſatz I. jo ermöglicht der unter D zu § 416 StPO. vorgeſchlagene
Zuſatz ohne Aenderung des dem materiellen Rechte an—
B. gehörigen Strafantragsrechtes die Beſeitigung des
8 Widerſpruchs, daß zwar die Klage zurückgezogen werden
den Beſchluß Nr. 248 zu faſſen wie folgt: Der kann, nicht aber oder nicht mehr der Strafantrag, und
- a ermöglicht vor allem die Schaffung klarer Verhältniſſe
auf dem Gebiete der vergleichsweiſen endgültigen Er—
A 28) Wird, wie wohl zu erwarten ift, die Ausdehnung
ledigung der Privatklageſachen.
27) Bgl. Prot. d. RefKomm. Bd. I S. 288, 289,
292, 294.
160 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
b) bei gefährlichen Körperverletzungen in den |
Fällen des $ 223 a StGB.
c) bei . in den Fällen des
8 123 St
d) bei 8 im Falle des 8 241 StGB.
r a bei Sachbeſchädigung im Falle des § 303 |
tG
f) 15 den Uebertretungen des § 370 Nr. 5 und 6 |
StGB. (Prot. I S. 288 — 294; II S. 43—49). |
|
II.
Die zu § 420 StPO. gefaßten Beſchlüſſe |
lauten:
a) Beſchluß Nr. 248:
Der Sühneverſuch ſoll unter den in § 420
StPO. bezeichneten Vorausſetzungen nicht nur bei
Beleidigungen, ſondern auch bei Körperverletzungen,
Hausfriedensbruch und Bedrohung erforderlich ſein.
(Prot. I S. 301; 11 59).
b) Der Beſchluß Nr. 249:
Durch das Gelingen des Sühneverſuchs (Ver⸗
gleichsabſchluß) ſoll die Erhebung der öffentlichen
Aane a ausgeſchloſſen fein. (Prot. I S. 301 f.;
59).
III.
Der zu § 424 StPO. gefaßte Beſchluß
Nr. 252 lautet: Ein im Privatklageverfahren
zu Protokoll des Gerichtes abgeſchloſſener Vergleich
ſoll einen Vollſtreckungstitel im Sinne der ZPO.
(SS 104, 794) gewähren; auch die Vollſtreckung
ſelbſt jot nach den Borfchiften der ZPO. 1 |
(Prot. 1 S. 313; II S. 63 ff.).
IV.
Der zu $ 496 StPO. gefaßte Beſchluß
Nr. 287 lautet: In dem Verfahren auf erhobene
Privatklage ſollen die dem Gegner zu erſtattenden |
notwendigen Auslagen ($ 503) durch gerichtliche
Entſcheidung auch dann feſtgeſetzt werden können,
wenn über die Höhe oder Notwendigkeit kein Streit
beſteht; auf das Verfahren finden die Vorſchriften
der 88 103 - 106 ZPO. entſprechende Anwendung.
(Prot. II S. 64 ff.).
Sind dieſe Vorſchläge geeignet, den
in der Praxis hervorgetretenen Reform—
bedürfniſſen gerecht zu werden? Ob fid
der Beſchluß Nr. 249 auch auf den im Beſchluſſe
Nr. 252 vorgeſehenen gerichtlichen Vergleich er— |
ftreden fo, darüber enthalten weder die Pro:
tofolle noch die Beſchlüſſe der Reformkommiſſion
etwas; nach dem Zwecke, dem der Beſchluß
Nr. 249 dienen ſoll, muß er auch den gerichtlichen
Vergleich umfafjen.”®)
Das Erfordernis des Sühneverſuchs gemäß
8 420 StPO, das nach Beſchluß Nr. 248 eine
24) Vgl. die Abhandlung Dr. Friedländers in Dr.
Aſchrotts Reform des Strafprozeſſes S. 585. |
erhebliche Ausdehnung erfahren ſoll, bezweckt die
Begünſtigung der vergleichsweiſen Erledigung der
dort bezeichneten Sachen. Der Beſchluß Nr. 249
vereitelt aber geradezu die Erreichung dieſer löb⸗
lichen Abſicht. Wie ſollen ſich die Parteien zu
einem — ſtets mit Opfern verbundenen — Vergleiche
verſtehen, wenn trotz des Vergleichs die Gefahr
der Strafverfolgung im Wege der öffentlichen
Klage beſtehen bleibt?
Der Beſchluß Nr. 249 bedeutet gegen⸗
über dem bisherigen Rechte inſoferne eine erhe b⸗
liche Verſchlechterung, als er ſeinem Wort⸗
laute nach auch diejenigen Fälle treffen würde,
hinſichtlich deren bei den bisherigen Privatklage⸗
ſachen die Zurücknahme des Strafantrags zuläſſig
war und, im Vergleiche erklärt, die Erhebung der
öffentlichen Klage ausſchloß.
Der Beſchluß Nr. 249 ift überflüſſig
hinſichtlich derjenigen Reate, auf welche der Be⸗
ſchluß Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs
ausdehnte. Bei den darunter fallenden Körper⸗
verletzungen iſt — abgeſehen von den bisher dem
Privatklageverfahren gemäß 8 414 StPO. ſchon
unterſtellt geweſenen — ein Strafantrag zur Ver⸗
folgung nicht notwendig; das gleiche gilt von der
Bedrohung und dem ſog. ſchweren Hausfriedens⸗
bruch gemäß § 123 III StGB.; beim fog. leichten
Hausfriedensbruch kann der Strafantrag nicht
zurückgenommen werden; das gleiche gilt von den
in 8 414 StPO. bezeichneten Körperverletzungen,
ſoferne ſie nicht gegen einen Angehörigen verübt
ſind (§S 232 II StGB.). In dieſen Fällen könnte
alſo ein Vergleich auch ohne den Beſchluß Nr. 249
nicht die öffentliche Klage ausſchließen.
Der Beſchluß Nr. 249 erſcheint dem⸗
nach unannehmbar.
Die Ausdehnung des Erforderniſſes des
Sühneverſuchs nach $ 420 StPO. auf ſolche
Reate, deren Verfolgung durch einen Strafantrag
nicht bedingt iſt oder bei denen der Strafantrag
nicht zurückgenommen werden kann, hat nur
dann einen Zweck, wenn beſtimmt wird,
daß durch das Gelingen des Sühnever—
ſuchs oder den Abſchluß des gerichtlichen
Vergleiches die Erhebung der öffent—
lichen Klage ausgeſchloſſen ſein ſoll;
eine ſolche Beſtimmung iſt aber aus denſelben
Gründen, die in der Reformkommiſſion und
anderwärts gegen die Ausdehnung der prinzipalen
Privatklage auf dieſe Delikte geltend gemacht
wurden, unannehmbar für die im Beſchluſſe
Nr. 243 unter a und b aufgeführten Körperver:
letzungen und nicht empfehlenswert für die Fälle
des fog. erſchwerten Hausfriedensbruchs gemäß
§ 123 III StGB., dagegen bedenkenfrei hinſicht—
lich der bisherigen Privatklageſachen, in denen der
Strafantrag nicht zurückgenommen werden kann
(5 232 StGB.), des Hausfriedensbruchs im Falle
des 3 123 I StGB., der Bedrohung und der
—
ef fur Negtapfege in Bayern. 1908. Wr. 8
Sachbeſchädigung nach $ 241 und 303 StGB.; Sühneverſuch ſoll unter den in 8 420 StPO.
hinſichtlich der übrigen bisherigen Privatklageſachen
und der Uebertretungen nach $ 370 Nr. 5 und 6
StGB. waͤre die gedachte Beſtimmung deshalb
nicht erforderlich, weil hier der Strafantrag zurück⸗
nehmbar ift, aber wünſchenswert in den Fällen,
in welchen die urſprüngliche Zurücknehmbarkeit des
Strafantrags durch ein auf Strafe lautendes
Urteil ausgeſchloſſen worden ift. (Vgl. 8 64 StGB.).
Gegen die Beſeitigung der öffent⸗
lichen Klage im Wege des Vergleichs
dürfte bei der vorgeſchlagenen Be—
ſchränkung ein begründetes Bedenken
nicht beſtehen. Die Grenzen zwiſchen tätlicher
Beleidigung und leichter Körperverletzung, zwiſchen
wörtlicher Beleidigung und Bedrohung ſind
flüſſig;“) die Faſſung des Strafgeſetzbuches hat
zur Folge, daß die Merkmale des Hausfriedens⸗
bruchs und der Sachbeſchädigung auch in den
Fällen gegeben ſind, welche ſo leicht liegen, daß
die Rechtsordnung als ſolche kaum davon berührt
wird; der Hausfriedensbruch trifft oft mit Be:
leidigungen zuſammen, wenn infolge einer Streitig—
keit die eine Partei die andere aus der Wohnung
weiſt.“)
Die Fälle der in 8 414 StPO. erwähnten
Körperverletzungen, des Hausfriedensbruchs nach
5 123 I, der Bedrohung und der Sachbeſchaͤdigung
nach $ 303 StGB. haben für das öffentliche
Wohl eine ebenſo geringe Bedeutung als die Be—
leidigungen;
liche Klage nicht durch den Vergleich ausgeſchloſſen
werden, obwohl ein ſolcher Ausſchluß bei den das
öffentliche Wohl viel mehr berührenden Fällen des
unlautern Wettbewerbes (durch Zurücknahme des
Strafantrags) ſchon bisher möglich war? Die
Unterſtellung der Uebertretungen des $ 370 Nr. 5
und Nr. 6 StGB. unter die prinzipale Privat:
klage erfolgte in der Ref Komm. debattelos und
kann nur gebilligt werden.
Dagegen iſt ein Grund, warum der Beſchluß
Nr. 248 das Erfordernis des Sühneverſuchs auf
diefe zwei Uebertretungen, auf die Sachbeſchaͤdigung
nach § 303 StGB. und die Fälle des unlauteren
Wettbewerbes nicht ausgedehnt wiſſen will, nicht
erſichtlich.
Aus vorſtehenden Ausführungen er:
gibt ſich unſere Stellungnahme zu den
Beſchlüſſen Nr. 243, 248 und 249 da:
hin, daß vorgeſchlagen wird:
A.
im Beſchluſſe Nr. 243 zu ſtreichen: die unter
a und b aufgeführten Reate und unter e dem
Zitat „§ 123 StGB.“ beizufügen: Abſatz J.
B.
248 zu faſſen wie folgt: Der
. 288, 289,
den Beſchluß Nr.
) Bgl. Prot. d.
292, 294.
RefKomm. Bd. I S
weshalb ſollte bei ihnen die öffent⸗
bezeichneten Vorausſetzungen bei allen Privatklage⸗
ſachen erforderlich ſein.
C.
den Beſchluß Nr. 249 zu ſtreichen.
D.
dem $ 416 StPO. als Abſatz II beizufügen:
Durch den vor dem Sühneamt oder dem Gerichte
abgeſchloſſenen Vergleich (5 420 und $ 424
StPO.) (in der von uns vorgeſchlagenen Faſſung)
| wird die Erhebung der öffentlichen Klage aus-
geſchloſſen.““)
Der Beſchluß Nr. 252 ſchafft die bisher
von manchen beſtrittene geſetzliche Grundlage für
den gerichtlichen Vergleich und deſſen Vollſtreck⸗
barkeit; er geht dabei den vom Amtsgerichte Nürn⸗
berg bisher ſchon betretenen Weg. Daß die Reform⸗
kommiſſion es unterlaſſen hat, den Begriff „Ber:
gleich“ näher zu beſtimmen (die Wendung im
Beſchluſſe Nr. 249 „Gelingen des Sühneverſuchs
[Vergleich]“ kann als eine ſolche Begriffsbeſtimmung
wohl nicht angeſehen werden), iſt zu begrüßen;
es würde auch ſchwer fallen, eine nicht zu enge
Begriffsbeſtimmung zu finden; eine zu enge
Faſſung würde dem wünſchenswerten Beſtreben
hinderlich ſein, eine möglichſt vollſtändige Aus⸗
ſöhnung der Parteien herbeizuführen; aus dem
gleichen Grunde empfiehlt es ſich auch nicht den
Vergleich zu beſchraͤnken auf die Parteien und
deren gerade zum Gegenſtande der Privatklage
oder Widerklage gemachte Streitigkeit. Eine ſolche
Einſchränkung würde den in $ 414 II StPO. Be:
zeichneten, den Ehegatten oder ſonſtigen Angehörigen
der Parteien, die an dem Vorfall ſtrafrechtlich,
ſei es als Täter oder Verletzte, beteiligt waren,
ohne daß die Vorausſetzungen des $ 415 I StPO.
vorlägen, die Möglichkeit des Beitritts zum Ver—
gleichsabſchluſſe benehmen; ein ſolcher Beitritt
ſchafft aber in vielen Fällen erſt die Möglichkeit
einer gütlichen Einigung der Parteien ſelbſt und
hilft die aus dem ſelbſtändigen Strafantragsrechte
Dritter (3. B. des Ehemannes) hervorgehenden
Mißſtände wenigſtens im Wege des Vergleiches zu
beſeitigen. (Vgl. d. Prot. d. Ref Komm. Bd. I
S. 308; II S. 55).
Auch eine Beſchränkung des Vergleiches dahin,
daß nur der unbedingte Vergleich zugelaſſen würde,
wäre verfehlt. Der bedingte Vergleich hat dann
ſeine Berechtigung, wenn die Perſon deſſen, der
28, Wird, wie wohl zu erwarten ift, die Ausdehnung
der panpan Privatklage auf die im Beſchluſſe
Nr. 243 a und b aufgeführten Reate abgelehnt werden,
jo ermöglicht der unter D zu § 416 StPO. vorgeſchlagene
Zuſatz ohne Aenderung des dem materiellen Rechte an—
gehörigen Strafantragsrechtes die Beſeitigung des
Widerſpruchs, daß zwar die Klage zurückgezogen werden
kann, nicht aber oder nicht mehr der Straſantrag, und
ermöglicht vor allem die Schaffung klarer Verhältniſſe
auf dem Gebiete der vergleichsweiſen endgültigen Er—
ledigung der Privatklageſachen.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
im Vergleiche Verpflichtungen übernahm, keine
Gewähr für die Erfüllung dieſer Verbindlichkeiten
bietet.“) Schwierigkeiten dürfte die Zulaſſung des
bedingten Vergleiches, fei er unter einer auf: .
ſchiebenden oder einer auflöſenden Bedingung ge⸗
ſchloſſen, nicht mit ſich bringen. Der Schwierigkeit,
die man etwa für den unter einer auflöſenden Be⸗
dingung geſchloſſenen Vergleich aus der Beſtimmung
des § 432 StPO. ableiten wollte, köunte durch
eine entſprechende Aenderung des § 432 leicht
begegnet werden.
Um Zweifel auszuſchließen, würde es ſich
empfehlen, dem Beſchluſſe Nr. 252 den Satz
voranzuſtellen: „Der im Privatklagever⸗
fahren zu Protokoll des Gerichtes ab—
geſchloſſene Vergleich beendigt, wenn
unbedingtabgeſchloſſen, das Verfahren,
ohne daß es einer Zurücknahme der Klage und
Widerklage bedarf“ und dann fortzufahren: „Der
Vergleich bildet einen Vollſtreckungstitel ꝛc. ꝛc.,“
ferner in Satz 1 des $ 259 StPO. einzuſchieben
„falls ſie nicht durch Vergleich endigt“, und dem
Abſ. II des $ 259 StPO. anzufügen „es fei
denn, daß ein Vergleich zu Protokoll des Gerichtes
abgeſchloſſen wurde“. Hierdurch ſoll klargeſtellt
werden, daß im Falle des Vergleiches für einen
Einſtellungsbeſchluß oder ein Einſtellungsurteil
kein Raum mehr iſt.
bisher in Nürnberg, München und anderwärts
bereits geübten Verfahren und gibt ihm die von
der Rechtſprechung bisher verneinte geſetzliche
Grundlage;”) er bietet keinen Anlaß zu einer
weiteren Beſprechung.
Vom Standpunkte dieſer Abhandlung märe
es endlich wünſchenswert, daß der § 426 StPO.
den Zuſatz erhielte: Der Vorſitzende kann an:
ordnen, daß in der Hauptverhandlung
eine Beweisaufnahme nicht ſtattfindet.
Dieſe Anordnung fand ſich früher an Stelle
des beim Nürnberger Verfahren unter A Ziff. 2
erwähnten Hinweiſes; ſie wurde ſpäter durch dieſen
Hinweis erſetzt, weil ſie gegen das Recht der
unmittelbaren Ladung G 426 II EBD.) verſtieß;
für die Zukunft wäre ſie vorzuziehen, um zu ver—
hüten, daß Zeugen und Sachverſtändige unmittel:
bar geladen werden, wodurch namhafte Koſten ent—
ſtehen, die der vergleichsweiſen Erledigung der
Sache Schwierigkeiten bereiten.
— 5
9) Vgl. hierher den Auſſatz von Rechtsanwalt
Godron in dieſer Zeitſchrift Jahrg. 1907 S. 191, 192.
% Vgl. Entſch. d. bayr. ObLG. in StS. n. F. Bd. III
S. 388.
Nr. 8.
Mitteilungen aus der Praxis.
Zum ehrengerichtlichen Berſahren gegen Nechts⸗
anwälte. In Nr. 6 dieſes Jahrgangs erörtert Herr
Staatsanwalt Burkhardt zwei das ehrengerichtliche
Verfahren gegen Rechtsanwälte betreffende Fragen.
Da er bei beiden den Standpunkt bekämpft, den ich
im Kommentar zur RAO. eingenommen habe, fei mir
eine kurze Entgegnung geſtattet.
|
|
1. Es ift nicht richtig, daß der Friedländerſche
Kommentar die Geltung des § 73 auf die Vorunter⸗
ſuchung beſchränkt wiſſen will. Anm. 7 zu 8 73 ſchließt
lediglich die Anwendung des gedachten Paragraphen
im vorbereitenden Verfahren aus. Dagegen muß
ſelbſtverſtändlich, was in der Vorunterſuchung ſtatt⸗
haft iſt, um ſo mehr im Hauptverfahren zuläſſig ſein.
Daß auch ich dieſe Anſicht vertrete, geht mit Sicher⸗
heit aus Anm. 14 zu § 93 hervor.
Wenn die bayeriſche Praxis den § 73 RAO. auch
auf das vorbereitende Verfahren anwendet, ſo verſagt
als Stütze die angezogene Entſcheidung des OLG.
München, die mir, wie Anm. 14 zu 8 93 zeigt, wohl
bekannt war. Es handelte ſich damals um einen im
ehrengerichtlichen Zulaſſungs verfahren vor Ans
beraumung des Hauptverhandlungstermins vom Ehren⸗
gericht erlaſſenen Beſchluß auf eidliche Vernehmung
von Zeugen durch einen erſuchten Richter. Das
OLG. ſpricht nun mit keinem Wort davon, daß 8 73
auch im vorbereitenden Verfahren Geltung habe, es
hatte auch gar keinen Anlaß, ſich über dieſe Frage
zu verbreiten, denn das ehrengerichtliche Zulaſſungs⸗
Der Beſchluß Nr. 287 entſpricht dem
verfahren kennt kein vorbereitendes Verfahren (vgl.
Anm. 12 zu $ 93). Das OLG. ſagt lediglich (am
Schluß feiner Entſcheidung, indem es hier das Er⸗
gebnis ſeiner vorangezogenen Ausführungen zieht),
daß „in § 73 der RAO. nicht eine nur für die Bor-
unterſuchung getroffene ſinguläre Beſtimmung ent—
halten, ſondern ein Grundſatz ausgeſprochen iſt, welcher,
als mit Notwendigkeit aus 8 86 Abſ. 1 und 88 der
RAD. ſich ergebend, mangels einer entgegenſtehenden
Vorſchrift im ehrengerichtlichen Verfahren überhaupt
Geltung hat, mag dieſes durch die Erhebung öffent—
licher Klage, oder durch einen auf Grund des 8 16
Abſ. 2 der RNO. geſtellten Antrag veranlaßt worden
ſein, und mag der Hauptverhandlung eine Vorunter—
ſuchung vorausgehen oder nicht“. Das OLG. verlangt
alſo gerade, daß die Klageerhebung bereits erfolgt
ift, es erklärt den $ 73 außer in der Vorunterſuchung
auch im Hauptverfahren und bei direkter Klageerhebung
im Stadium zwiſchen Anbringung der Klage und Er—
öffnung des Hauptverfahrens für anwendbar. Ueber
erſteres ſ. oben, letztere Ausdehnung iſt zu billigen,
da auch hier das arg. a minore durchſchlägt.
All das aber ergibt keinerlei Anhalt für eine
Erſtreckung des § 73 auf das vorbereitende Verfahren.
Auch mit den SS 86, 88 Ru O. iſt nicht zu operieren.
Wenn anſcheinend die bayeriſche Praxis im ehren
gerichtlichen Verfahren gegen Rechtsanwälte die direkte
Anklageerhebung als regelmäßige Klageform wählt,
ſo iſt das bedauerlich. Man nimmt damit dem An—
geſchuldigten das Recht auf perſönliche Vernehmung
und das Recht aus § 75 RAO. und zwar ohne jeden
Erſatz: die Rechte aus 8 199 StPO. hat der Uns
geſchuldigte ohnehin nicht (f. Anm. 7 zu S 76). Iſt
auch die Vorunterſuchung nach der RAO. nicht mehr
notwendig, wie ſie es nach dem Entwurfe war, ſo
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
ſollte doch mit Rückſicht auf die eben hervorgehobenen
Folgen nur bei ganz einfachen und ganz klaren Ver⸗
fehlungen von einer Vorunterſuchung abgeſehen werden.
Damit erledigen ſich auch die geltend gemachten prak⸗
tiſchen Bedenken.
2. Auch in der den $ 64 betreffenden Frage halte
ich meinen Standpunkt nicht für widerlegt. 8 68
NAD. ergibt meines Erachtens nichts für die hier
in Betracht kommende Streitfrage. Dieſe Geſetzes⸗
beſtimmung erſcheint auch von meinem Standpunkte
aus neben $ 49 Ziff. 1 durchaus nicht überflüſſig.
Denn ſie hat nicht nur die — auch von Burkhardt
erwähnte — negative Bedeutung, daß ein Gerichts⸗
ſtand überhaupt nicht exiſtiert, wenn der Betreffende
3. Z. der Anklageerhebung keiner Kammer angehört;
der 8 68 betrifft vielmehr auch nach meiner Anſicht
den wichtigen Fall des Zulaſſungswechſels
(Anm. 10 zu § 68), für welchen eben die Beſtimmung
des § 49 Ziff. 1 nicht ausreicht. Der Fall des Bu-
laſſungswechſels iſt nach der Syſtematik des Geſetzes
ſcharf zu unterſcheiden von dem Fall, in welchem ein
RA. aus dem Anwaltsſtande ausſcheidet und dann
von neuem die Zulaſſung erwirkt. Dieſe neuerliche
Zulaſſung wird vom Geſetze durchaus als erſte Zu:
laſſung bebandelt (Vorbemerkung zum erſten Abſchnitt
Anm. 4 und 5). Sie bedingt ja auch wiederum die
Beeidigung nach § 17 RAO. (vgl. Anm. 2 daſelbſt).
Ich verweiſe ferner auf die Beſtimmung des 8 6
Ziff. 3 RAD. welcher unbeſtrittenermaßen nur für
die Fälle der „erſten Zulaſſung“ gilt und doch die
Möglichkeit erwähnt, daß der Antragſteller „früher
Rechtsanwalt geweſen ift”. Jene von Burkhardt vor-
ausgeſetzte Kontinuität zwiſchen Kammerzugehörigkeit
auf Grund erſter Zulaſſung und Kammerzugehörigkeit
auf Grund erneuter „erſter Zulaſſung“ exiſtiert eben
de lege lata nicht.
Die ſtreitige Frage läßt ſich alfo nur aus § 64
ſelbſt beantworten. Nun ergeben die Motive 79 mit
Sicherheit, daß § 64 ($ 59 des Entwurfes) lediglich
dem Zwecke dienen ſoll, Tatſachen, die zur Verſagung
der Zulaſſung geführt hätten, wenn ſie bekannt ge—
weſen wären, nachträglich in der Form des ehren-
gerichtlichen Strafverfahrens Geltung zu verſchaffen
gl. hierzu Anm. 2 und 3 zu $ 64). Das zwingt
meines Erachtens mit Notwendigkeit zu der in Anm. 6
zu § 64 gegebenen Auslegung.
Auch aus anderen Beſtimmungen der RAO. er-
gibt ſich, daß ganz verſchiedene praktiſche Reſultate
erzielt werden können, je nachdem ein bloßer Zu—
laſſungswechſel oder ein Ausſcheiden aus dem Anwalts—
ſtan de mit darauf folgender neuer Zulaſſung in Frage
ſteht. Ich verweiſe auf die Beſtimmung des § 15
Ziff. 2 RAO. Danach kann die Zulaſſung eines RA.
bei einem anderen Gerichte — alſo die weitere Zus
laſſung — verſagt werden, wenn gegen den Antrag—
ſteller die Klage im ehrengerichtlichen Verfahren er—
hoben iſt. Nehmen wir nun an, die Klage ſei erhoben,
der RA. ſcheidet aber nach dieſem Zeitpunkte aus dem
Anwaltsſtande aus. Das ehrengerichtliche Verfahren
nimmt nach 8 68 RAO. feinen Fortgang. Nun be—
antragt der Ausgeſchiedene von neuem feine Zulaſſung.
Sie kann ihm wegen der Tatſache allein, daß die An—
klage erhoben iſt, zweifellos nicht verſagt werden.
86 enthält für den Fall der erſten Zulaſſung keine
dem 8 15 Ziff. 2 entſprechende Beſtimmung, obwohl
doch der Geſetzgeber, wie die Vorgeſchichte des $ 6
Ziff. 3 ergibt, ſehr wohl an den Fall gedacht hat,
163
daß ein RA. aus dem Anwaltsſtande ausſcheidet und
dann neuerdings die Zulaſſung beantragt (vgl. Anm. 11
zu 8 6).
Daß das Ergebnis kein erfreuliches iſt, habe ich
in Anm. 7 zu 8 68 bereits hervorgehoben. Das recht⸗
fertigt aber nicht, den Boden des Geſetzes zu ver⸗
laſſen.“)
Uebrigens ſcheint mir die Befürchtung, daß An⸗
wälte zur Umgehung des ehrengerichtlichen Verfahrens
aus dem Stand ausſcheiden könnten, um alsbald neue
Zulaſſung zu beantragen, kaum gerechtfertigt. Iſt
ſich der Anwalt nur geringfügiger Verfehlungen be⸗
wußt, ſo wird er es wahrlich nicht riskieren, ſich durch
diefe unſchöne Manipulation der allgemeinen Miß—
achtung auszuſetzen und mit Rückſicht auf den zeit-
weiſen Verluſt der Anwaltsqualität auch wirtſchaftlich
zu ſchädigen.
Handelt es ſich aber um ſchwerere Verfehlungen,
ſo könnte er ſich leicht bei ſeinem Plane verrechnen.
Das Ausſcheiden aus dem Stande kann, wenn es
in der oben erwähnten Abſicht geſchiebt, in Verbindung
mit jenen ſchweren Verfehlungen, deren ſich der An⸗
walt bewußt ift, febr wohl als ein Verhalten anz
geſehen werden, welches nach § 5 Ziff. 5 RAO. zur
Verſagung der Zulaſſung führt.
Landgerichtsrat Dr. Friedländer in Limburg a..
Gegenſeitiges Verhältnis der Tatbeſtände des Art. 56
Abi. 2 BStGB. Art. 56 Abi. 2 PStGB. bedroht
mit Haft bis zu ſechs Tagen Sonntagsſchulpflichtige,
welche öffentlichen Tanzunterhaltungen anwohnen oder
ohne Erlaubnis der Eltern, Pflegeeltern, Vormünder,
Dienſt⸗ oder Lehrherren Wirtshäuſer beſuchen.
Oeffentliche Tanzunterhaltungen finden regelmäßig
in Wirtſchaften ſtatt, heute wie jhon bei Erlaſſung
der Polizeiſtrafgeſetzbücher von 1861 und 1871; während
der Tanzunterhaltungen werden an die Beſucher Speiſen
und Getränke zum Genuſſe auf der Stelle verabreicht,
es wird alſo im Tanzraume, mag dies das regelmäßige
Wirtſchaftslokal oder ein eigener Tanzſaal ſein, eine
öffentliche Wirtſchaft betrieben, da der Zutritt nicht
beſchränkt iſt. Von dieſer eingebürgerten Auffaſſung
der „öffentlichen Tanzunterhaltung“ iſt offenbar auch
der Geſetzgeber ausgegangen. Mit dem Verbote der
Teilnahme an einer öffentlichen Tanzunterhaltung hat
er den Sonntagsſchulpflichtigen zugleich den Beſuch
der hierbei ſtattfindenden Wirtſchaftsführung unterſagt
dergeſtalt, daß dieſer auch durch die Erlaubnis der
Eltern uſw. nicht ſtraflos wird.
Sonach ſtehen die beiden Strafbeſtimmungen des
Art. 56 Abſ. 2 PIOB. zu einander im Verhältniſſe
der Geſetzeskoukurrenz: der einer öffentlichen Tanz-
unterhaltung anwohnende Sonntagsſchulpflichtige kann
lediglich hierwegen, nicht noch überdies wegen einer
ideal konkurrierenden Uebertretung des verbotenen
Wirtshausbeſuchs beſtraft werden.
Indes kann die in der Anklage als Tanzmuſik—
beſuch charakteriſierte Handlung vom erkennenden Ge—
1) In der Ueberſicht über die Jahresberichte der
Vorſtände der Anwaltskammern Beilage zu JW.
1908 S. 10) wird eine Entſcheidung des CS».
erwähnt, welche den Burkhardtſchen Standpunkt teilt.
Leider find dort noch keine Grunde angegeben. Un-
ſere Anſicht wird vertreten von Berolzheimer in IW.
1903 S. 232.
richt, wenn es eine öffentliche Tanzunterhaltung nicht
für gegeben erachtet, immerhin noch unter dem Ge⸗
ſichtspunkte des unerlaubten Wirtshausbeſuchs geahndet
werden. Nicht zwar dann, wenn die Oeffentlichkeit
aus dem Grunde verneint wird, weil die Tanzunter⸗
haltung von einer geſchloſſenen Geſellſchaft veranſtaltet
ſei; denn hier liegt auch kein öffentlicher Wirtſchafts⸗
betrieb, alſo nicht der Beſuch eines „Wirtshauſes“ vor.
Wohl aber in dem Falle, daß der Begriff einer „Tanz
unterhaltung“ nicht erfüllt iſt; z. B. wenn im all⸗
gemein zugänglichen Wirtſchaftsraume zu den Weiſen
einer Ziehharmonika einige Paare wenige Touren
tanzen. Hier kann der mittanzende Sonntagsſchul⸗
pflichtige, der wegen Tanzmuſikbeſuchs angeklagt iſt,
wegen unbefugten Wirtsbhausbeſuchs — den Mangel
der Erlaubnis der Eltern uſw. hierzu vorausgeſetzt
— verurteilt werden. Es ſteht die nämliche Handlung
in Frage, da er durch das Tanzen zugleich unbefugt
das Wirtshaus beſucht hat; ſie wird nur unter einem
anderen rechtlichen Geſichtspunkte betrachtet. Ins⸗
beſondere kann der Einwand der Verjährung diesfalls
nicht darauf geſtützt werden, daß die Anklage nicht
wegen Wirtshaus⸗, ſondern wegen Tanzmuſikbeſuchs
erhoben ſei.
Anders, wenn der Sonntagsſchulpflichtige unbefugt
die öffentliche Wirtſchaft beſucht und nachdem er einige
Zeit dort verweilt hat, eine öffentliche Tanzunterhaltung
beginnt, an der er ſich beteiligt. Hier iſt er ſowohl
wegen Wirtshausbeſuchs als wegen des Anwohnens
bei der öffentlichen Tanzunterhaltung zu beſtrafen;
beide Uebertretungen ſtehen im Verhältnis der Real-
konkurrenz, da beide Handlungen je durch einen ſelb—
ſtändigen Entſchluß hervorgerufen ſind.
II. Staatsanwalt Hümmer in Weiden.
Bayeriſche Schützengeſellſchaften. Zu den Ausfüh⸗
rungen von Herrn Prof. Dr. Oertmann auf Seite 121
oben fet folgendes zu bemerken geſtattet. Nur neben-
bei habe ich auf Seite 104 auf die Tatſache hinge⸗
wieſen, daß die dort genannten Schriftſteller der VO.
vom 25. Auguſt 1868 (RBI. 729) nicht Erwähnung
tun. Mit keiner Silbe aber ſprach ich davon, daß
jene Autoren die öffentlich-rechtliche Befugnis der
Krone, Perſonenvereinigungen Rechtsfähigkeit zu ver-
leihen, nicht mehr erwähnen. Dieſe Befugnis ſteht
m. E. auch jetzt noch der Krone zu, ſelbſtverſtändlich
aber nur inſoweit, als nicht das Reichsrecht Schranken
ſetzt. Auch in meinem Sinne kann Bayern nicht mehr
„Geſetze jeden Inhalts erlaſſen“; dem ſteht ſchon
Art. 2 RV. entgegen. —
Im Hinblick auf Art. 163 EG. z. BGB. iſt es
unbeſtreitbar, daß die auf Grund der VO. von 1868
und der früheren Schützenordnungen vor dem 1. Jaz
nuar 1900 entſtandenen Schützengeſellſchaften als ju—
riſtiſche Perſonen noch heute fortbeſtehen. Es kann
ſich nur noch darum handeln, ob ſie Vereinigungen
des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts bilden,
und ob heutzutage noch eine Neugründung möglich iſt.
Wenn Prof. Dr. Oertmann — entgegen der von
mir auf S. 104 verſuchten Löſung der Frage — ohne
nähere Unterſcheidung und Begründung behauptet,
die Schützengeſellſchaften gehören „ſelbſtverſtändlich“
zu den privatrechtlichen Korporationen, ſo dürfte dieſe
Anſicht bezüglich der Kgl. privilegierten nicht allge—
mein geteilt werden. So ſchreibt z. B. Henle, die
Anlegung des Grundbuchs in den Landesteilen r. d. Rh.,
euer a ⁵⅛—V-!!x ð ⸗— — —ñxĩ;é? —— rm — ——b —— —
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2. Aufl. S. 288: „Diele haben die Nechtsfähigkeit
mit dem Inkrafttreten des BGB. nicht verloren, auch
wenn ſie als Vereinigungen des Privatrechts anzu⸗
ſehen wären.“ Dieſer Autor neigt demnach der An⸗
ſchauung zu, daß ſie Körperſchaften des öffentlichen
Rechts ſind; mindeſtens läßt er die Frage unent⸗
ſchieden. Rechnet man die priv. Schützengeſellſchaften
zu den Vereinen des BGB., dann können neue nach
der VO. von 1868 nicht mehr entſtehen; hierin pflichte
ich meinem geehrten Herrn Gegner mit Rückſicht auf
die Erflufivität der 88 21, 22 BGB. bei. Sind fie
dagegen mit Rückſicht auf ihre Geſchichte — ihr Ent⸗
ſtehen fällt in eine Zeit, da man die allgemeine Wehr⸗
pflicht noch nicht kannte —, im Hinblick auf ihren
Zweck — Erhöhung der Wehrkraft des Volkes —,
ſowie auf Grund der außerordentlichen ſtaatlichen
Aufſicht und Fürſorge, die ihnen zuteil wird, den
öffentlich-rechtlichen Korporationen beizuzäblen,
dann können auch heute noch priv. Schützengeſell⸗
ſchaften nach der VO. von 1868 gegründet werden.
Denn das BGB. hat die Entſtehung von Körper⸗
ſchaften des öffentlichen Rechts und die Voraus—
ſetzungen ihrer Privatrechtsfähigkeit nicht berührt;
hier herrſcht eben keine Rechtseinheit.“)
Gepr. Rechtspr. Diemayr in München.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Schickſal einer zur Sicherung des Anſpruchs anf
Auflaſſung eingetragenen Vormerkung in der Zwangs⸗
verſteigerung. Aus den Gründen: Die für die
Kläger eingetragene Vormerkung zur Sicherung des
Anſpruchs auf Auflaſſung hatte nach § 883 Abſ. 2
BGB. die Wirkung, daß eine Verfügung, die nach der
Eintragung der Vormerkung über das Grundſtück ge—
troffen wurde, inſoweit unwirkſam war, als ſie den
Anſpruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Wenn
alſo der vorgemerkte Anſpruch auf Uebertragung des
Eigentums an dem Grundſtücke wirklich beſtand und
gegenüber dem Beklagten N. als Grundftüdseigen-
tümer durchgeführt wurde, waren die erſt nach der
Eintragung der Vormerkung auf Grund der Bewilli—
gung des Beklagten N. eingetragenen Hypotheken der
Beklagten O. und P. den Klägern gegenüber un—
wirkſam. Zur Zeit der Einleitung des Zwangsver—
ſteigerungsverfahrens und auch zur Zeit des Ver—
teilungstermins war der Anſpruch noch nicht durd-
geführt. Zwar hatten die Kläger gegen den Beklagten
N. bereits in zwei Inſtanzen ein ſiegreiches Urteil
wegen der Uebertragung des Eigentums an dem
Grundſtücke erſtritten; jedoch war damals das Urteil
der zweiten Inſtanz noch nicht rechtskräftig. Der
vorgemerkte Anſpruch war daher wie ein eingetragenes
bedingtes Recht auf Eigentumseintragung (§48 Zw.)
im Zwangsverſteigerungsverfahren zu behandeln. Da
die Vormerkung dem betreibenden Gläubiger im Range
1) Anm. des Herausgebers. Wie uns mit-
geteilt wird, beſtehen in Bayern zurzeit 325 Schützen—
geſellſchaften, die faſt alle „Kgl. privilegierte“ ſind;
der hier behandelten Frage fehlt daher nicht die prak—
tiſche Bedeutung.
.—.
nachſtand, war fie nicht in das geringſte Gebot aufzu⸗
nehmen und erloſch gemäß § 91 ZwVG. mit dem Zu⸗
ſchlage. Wenn aber das Recht auf Eigentumsüber—
tragung wirklich beſtand, ſo trat an die Stelle des
Rechtes gemäß § 92 Zw VG. der Anſpruch auf Erſatz
des Wertes aus dem Verſteigerungserlöſe.
folgt, daß der Beklagte N., der auf Grund des Tauſch⸗
vertrages vom 22. Februar 1904, wie nunmehr rechts⸗
kräftig durch die Urteile im Vorprozeſſe feſtgeſtellt iſt,
zur Uebertragung des Eigentums an dem verſteigerten
Grundſtücke auf die Kläger verpflichtet war, bewilligen
muß, daß der an die Stelle des Eigentums getretene
Verſteigerungserlös, ſoweit er nicht zur Befriedigung
der vorgehenden Berechtigten zu verwenden iſt, an die
Kläger ausbezahlt wird, und daß die Beklagten O.
und P. ſich gefallen laſſen müſſen, daß ihre der Vor⸗
merkung nachſtehenden Hypotheken bei der Verteilung
des Erlöſes als rechtlich nicht beſtehend angeſehen
werden, und ſie demzufolge ebenfalls in die Auszahlung
des Erlöſes, ohne Abzug der auf ihre Hypotheken
entfallenen Beträge, an die Kläger willigen müſſen.
(Urt. des V. 35. vom 8. Februar 1908, V 226/07).
1229
—— — n.
II.
Darlehenshingabe wischen Dentſchen am Orte einer
ausländischen Spielbank zum Zwecke des Spielens bei
dieſer verſtößt ohne beſondere Umſtände nicht gegen
3 138 HGY. Der Beklagte erhielt in Montecarlo
vom Kläger in kurzen Zwiſchenräumen 6000 und
5000 Frs. geliehen, erſteren Betrag im Spielgebäude
ſelbſt. Der Kläger forderte Rückzahlung dieſer Be-
träge. Der Beklagte beantragte Abweiſung der Klage
wegen Nichtigkeit der Darlehensverträge nach § 138
BGB. und behauptete, der Kläger habe ihm erklärt,
er brauche das Geld nur im Falle des Gewinnes
zurückzubezahlen, er habe es aber im Spiele verloren.
Das Landgericht hat die Entſcheidung von einem Eide
des Beklagten abhängig gemacht, durch den er die
Richtigkeit dieſer Angaben beſchwören ſoll. Es hat
im weſentlichen ausgeführt: Es iſt das BGB. anzu⸗
wenden auf Grund des Art. 30 EG. z. BGB. und
deshalb, weil die Streitsteile als Deutſche nur vor=
übergehend in Montecarlo weilend ihre Rechtsgeſchäfte
dem deutſchen Rechte unterwerfen wollten. Die Dar⸗
lehensverträge fallen nicht unter § 138 BGB., weil
im einzelnen Falle zu prüfen iſt, ob die Handlung in
dem ſozialen Kreiſe, innerhalb deſſen ſie vorgenommen
wird, einen Verſtoß gegen die guten Sitten bildet.
Die vorliegenden Darlehensverträge verſtoßen nach
Inhalt, Motiv und Zweck nicht gegen die guten Sitten.
Die Darlehensverträge widerſprechen inhaltlich nicht
der guten Sitte, das Motiv hierzu auf Seite des
Klägers war durchaus nicht verwerflich, es entſprang
nicht der Gewinnſucht, ſondern nur der Gutmütigkeit
des Klägers, der Zweck der Darlehen war zwar der
der Spielförderung des Beklagten, jedoch zur Ermög—
lichung ſeiner Erholung von den vorausgegangenen
Spielverluſten. Leute vom Stande der Streitsteile
— Rechtsanwalt und Offizier — erblicken, insbeſon⸗
dere wenn ſie als Landsleute am fremden Spielplatze
ſich treffen, darin keinen Verſtoß gegen die guten
Daraus
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
165
betr. das Verbot der öffentlichen Spielbanken; Hier-
nach iſt auch das bankmäßige Spielen des Inländers
im Auslande und damit auch das Hilfsgeſchäft eine
nach deutſcher Rechtsanſchauung verpönte Handlung.
Die Darlehen ſind deshalb gegen die guten Sitten
verſtoßende Rechtsgeſchäfte (S 138 BGB.). Hieran
ändert auch der Umſtand nichts, daß der Kläger ge-
glaubt haben mag, der Beklagte verfüge noch über
Mittel in der Heimat, weil erſterer erkannt haben
mußte, daß ſich Beklagter gerade in großer Geldver—
legenheit befunden hat und daß der Verluſt des ge—
liehenen Geldes für ihn ſchwerwiegend geweſen ſei. Auf
Reviſion des Klaͤgers hat das Reichsgericht das Ur⸗
teil des OLG. aufgehoben und die Sache zurückverwieſen.
Aus den Gründen: Da das Geſetz die bloße
Beteiligung auch am reinen Glückſpiele nicht verbietet,
eine ſolche auch nach den allgemein herrſchenden An-
ſchauungen nicht ſchon an ſich gegen die guten Sitten
verſtößt, ſo muß die Frage, ob die Gewährung eines
Darlehens zum Glückſpiel grundſätzlich unſittlich ſei,
verneint werden. Es kommt darauf an, ob die be⸗
ſonderen Umſtände des Falles eine andere Beurteilung
rechtfertigen. Dem Geſetz vom 1. Juli 1868 hat das
OLG. eine Bedeutung beigemeſſen, die ihm nicht zu-
kommt. Aus ihm erhellt, daß der Geſetzgeber öffent⸗
liche Spielbanken als dem Gemeinwohl ſchädlich und
ihren Betrieb als ſittlich verwerflich angeſehen hat.
Dies beruht aber im weſentlichen auf Erwägungen,
die keineswegs bloß auf ſolche Banken zutreffen, fon-
dern allgemeiner Natur find. Es ift keine Strafe an=-
gedroht für denjenigen, welcher an einem Glücksſpiele
teilnimmt, das nach 8 285 StGB. unter Strafe ge-
ſtellt iſt, es iſt auch nicht verboten, daß ſich jemand
in ein Glücksſpiel mit einer Perſon einläßt, von der
er weiß, daß ſie aus dem Spiele ein Gewerbe macht;
der Geſetzgeber hat auch davon abgeſehen, Angehörigen
des Deutſchen Reiches die Beteiligung am Spiel bei
ausländiſchen Spielbanken zu unterſagen. Auch aus
dem Umſtande, daß die Spielbank in Montecarlo ein
ſchädliches Unternehmen iſt, iſt nicht, wie das Be⸗
rufungsgericht annimmt, zu folgern, daß die Gewäh—
rung eines Darlehens zum Spiele dort ſchlechthin
gegen die guten Sitten verſtoßen müſſe. Es kann
deshalb nicht zugegeben werden, daß die Gewährung
eines auch größeren Darlehens ſchon deshalb eine
gegen die guten Sitten verſtoßende Handlung ſei, weil
ſie dem Darlehensnehmer die Möglichkeit verſchaffen
ſollte, an einer öffentlichen Spielbank weiter zu fpie-
Sitten, wenn einer dem andern bei zeitlicher Mittel-
loſigkeit mit Darlehen aushilft, auch wenn dieſe zum
Weiterſpielen beſtimmt ſein ſollen. Die Darlehen
find deshalb nach 8 607 ff. BGB. klagbar. Das OLG.
hat die Berufung des Klägers zwar zurückgewieſen,
die Darlehensverträge aber nach 8 138 BGB. als
nichtig erklärt mit folgenden Erwägungen: Die An—
wendung des deutſchen Rechts iſt zu billigen. Der
Zweck der Hingabe des Geldes iſt nicht zu billigen,
auch wenn der Kläger aus Gutmütigkeit gehandelt
hat. Das zum Spiel bei einer Spielbank gegebene
Darlehen iſt ein vom Geſetze verpöntes Geſchäft. Hier—
für ſpricht ſchon das Reichsgeſetz vom „ nt DN
13. Mai 1871
len, um vorher dort erlittene Verluſte wieder einzu-
bringen. Es würde mit den allgemeinen Anſchauungen
von Recht und Billigkeit nicht zu vereinigen ſein,
wenn man, auch ohne den Hinzutritt beſonderer er—
ſchwerender Umſtände, ſagen wollte, der Darlehens—
geber habe ſich dadurch gegenüber dem Darlehens—
empfänger einer gegen die guten Sitten verſtoßenden
Handlungsweiſe ſchuldig gemacht. Solche Umſtände
ſind aber bisher nicht in zureichender Weiſe feſtgeſtellt.
Dem Kläger hat bei ſeinem Tun jede eigennützige
Abſicht gefehlt, der Beklagte war nicht ein unerfah—
rener Menſch, ſondern ſchon öfters in Montecarlo ge—
weſen und konnte die Gefahren der Fortſetzung des
Spieles im vollen Umfange beurteilen. In Frage
kommt daher nur noch, ob der Kläger mit Rückſicht
auf das, was ihm über die Vermögenslage des Be—
klagten bekannt war, davon hätte Abſtand nehmen
müſſen, dem Beklagten die Darlehen zum Weiter—
ſpielen zu geben und ob von dieſem Geſichtspunkte
aus die Handlungsweiſe des Klägers als gegen die
guten Sitten verſtoßend zu erachten iſt. Die vom
OLG. feſtgeſtellten Umſtände reichen nicht aus, den
Vorwurf zu rechtfertigen, daß der Kläger durch die
Gewährung der Darlehen gegen die guten Sitten
verſtoßen habe. (Urt. des III. 35. vom 30. Januar
1908, VI 154/1907).
1209
166
III.
Unter welchen Vorausſetzungen kann bei einem Eiſen⸗
der Keiser anf Grund des „ Erſatz
der Neiſeksſten und Schadenserſatz für Beſchädigung von
Sachen verlangt werden? Verjährung ſolcher Anſpräche.
Beweislaſt. Aus den Gründen: 1. Der Anſpruch
des Klägers auf Erſatz der Reiſekoſten und des Sach⸗
ſchadens (Beſchädigung von Kleidern) ſtützt ſich auf
den Beförderungsvertrag. Die Annahme des Be-
rufungsgerichts, daß der erſt ein Jahr nach dem Un⸗
fall durch Klage geltend gemachte Anſpruch gemäß
8 638 BGB. verjährt fei, trifft nur für die Reife-
koſten zu. Der Kläger verlangt, weil ihn der Be⸗
klagte nicht an das Reiſeziel befördert habe, Rück⸗
erſtattung des Preiſes der Rückfahrkarte ſowie Erſatz
der Zehrungskoſten am Tage des Unfalls und am
folgenden Tage. Die Rückforderung des Fahrgeldes
ſteht der Wandelung gleich, und auch der Anſpruch
auf Erſatz für den Aufwand infolge des durch die
Zugsentgleiſung erzwungenen Reiſeaufenthalts ſteht
im unmittelbaren Zuſammenhang mit der Nicht-
erfüllung des Beförderungsvertrags. Für ſolche
Schäden bleibt es bei der kurzen Verjährung des
8 638 Abſ. 1, und mit Recht ift die Klage zu dieſem
Punkte abgewieſen worden. ,
2. Die ſechsmonatige Verjährung greift jedoch
nicht Platz bei dem Sachſchaden, wie ihn der Kläger
dargelegt hat. Hier gründet ſich der Schadenserſatz
nicht auf den Mangel des gelieferten Werks, ſondern
auf eine Vertragsverletzung, die durch poſitives Zu-
widerhandeln gegen die pflichtmäßige Sorgfalt bei
der Ausführung des noch nicht vollendeten Werks
begangen worden iſt. Der erkennende Senat hat in
dieſer Beziehung ſeine frühere Anſicht (JW. 1905,
484) aufgegeben und ſich der des VII. Senats an⸗
geſchloſſen, daß die Anſprüche aus Beſchädigungen
der Perſon oder der Sachen des Fahrgaſtes, die
ſolchen Vertragsverletzungen entſpringen, der dreißig—
jährigen Verjährung unterliegen (RG. 62, 119; 66, 16).
Schadenserſatzpflichtig iſt der Beklagte, wenn ſeine
Vertragsverletzung auf Verſchulden, Vorſatz oder Fahr—
läſſigkeit beruht. Vorſatz ſcheidet hier aus. Das Land—
gericht hat den Anſpruch, falls die Verjährung nicht
durchgreife, als ſachlich unbegründet erachtet, weil die
Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für eine eigene
Fahrläſſigkeit des Beklagten oder für eine von ihm
zu vertretende geliefert habe. Das Berufungsgericht
iſt dem beigetreten. Die Vorinſtanzen haben die
Frage nicht erörtert, wem hierfür die Beweislaſt
zufalle. Sie ſind offenbar davon ausgegangen, daß
der Kläger das Verſchulden des Beklagten zu be—
weiſen habe. Das iſt jedoch irrig. Mit dem Be—
förderungsvertrag hat der Unternehmer die Sorg—
faltspflicht übernommen, den Reiſenden und die
Sachen, die er bei ſich trägt, unbeſchädigt an das
Reiſeziel zu bringen. Er hat alſo, wenn er dieſe
Vertragsleiſtung nicht bewirkt, zu beweiſen, daß ihn
kein Verſchulden treffe, weil er die erforderliche Sorg—
falt bei Vorbereitung und Ausführung der Beförde—
rung beobachtet habe. (Urt. des VI. ZS. vom
13. Januar 1908, VI 189/07). —— — n.
1218
IV.
Das Recht des Unternehmers eines Bauwerks auf
Einräumung einer Sicherungshypothek erſtreckt ſich nicht
nur auf Forderungen aus Arbeiten, die unmittelbar
die Herſtellung des Bauwerks zum Gegenſtande haben.
Aus den Gründen: Der Berufungsrichter verneint
bezüglich zweier Poſten: 1. 701 M für Heranſchaffen
des geſamten zum Bau erforderlichen Mauerſandes
aus einer ca. 80 m entfernten Sandgrube ſowie für
Abheben und Beſeitigen des dortigen Mutterbodens
und Ausſchachten: 2. 100 M für das nachträgliche
Einputzen von 67 Stück Fenſtern, das Vorliegen des
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
in § 648 BGB. vorgeſehenen geſetzlichen Titels zur
Hypothek. Er nimmt an, daß dieſer nur für die Ver⸗
tragsforderungen des Unternehmers eines Bauwerks
oder eines einzelnen Teiles eines ſolchen, nicht aber
ſchlechthin für alle Arbeitsverträge gewährt werde,
die in bezug auf einen Bau geſchloſſen werden. Mit
Recht rügt die Reviſion, daß hierin eine zu enge Auf⸗
faſſung des Begriffs des Bau⸗Werkvertrages liegt.
Der Berufungsrichter ſcheint unterſcheiden zu wollen
zwiſchen Arbeitsleiſtungen, die unmittelbar die
Herſtellung des Bauwerks zum Gegenſtande haben,
und derjenigen Tätigkeit des Unternehmers, die nur
mittelbar zu dem herzuſtellenden Bauwerk in Be⸗
ziehung ſteht, inſofern ſie die eigentliche Aufführung
des Baues vorbereitet. Eine ſolche Unterſcheidung
iſt aber nicht haltbar. Denn danach würde z. B.
die Ausſchachtung des Baugrundes, die zweifellos zur
Bautätigkeit gehört, nur den Charakter einer Vor⸗
bereitungshandlung haben. (Urt. des V. 35. vom
22. Februar 1908, V 543/07).
1231
— — — n.
V
Die Anfechtung wegen Betrugs ſchließt die An⸗
ſechtung wegen Irrtums in fig Aus den Gründen:
Der Reviſionsangriff, der ſich gegen die Verwerfung
der Anfechtung des Vertrages aus dem Grunde des
Irrtums richtet, iſt begründet. Der Berufungsrichter
geht bei Verwerfung dieſes Rechtsbehelfs davon aus,
daß die Anfechtung erft in der Berufung sinſtanz dieſes
Prozeſſes, alfo nicht unverzüglich (8 121 BGB.) erklärt
worden ſei. Demgegenüber weiſt die Reviſion darauf
hin, daß der Beklagte ſchon in 1. Inſtanz den Vertrag
wegen Betrugs angefochten habe, und meint, daß die
Anfechtung wegen Betrugs die Anfechtung wegen
Irrtums in ſich ſchließe. Es muß der Reviſion auch
darin beigetreten werden, daß die Behauptung, es ſei
jemand zur Abgabe einer Willenserklärung durch arg—
liſtige Täuſch ung beſtimmt worden (8 123 BGB.),
die Behauptung eines für die Willenserklärung kauſalen
Irrtums (5 119 a. a. O.) in fi ſchließt, fo daß das
Vorhandenſein einer Anfechtung wegen Irrtums nicht
ſchon dann verneint werden kann, wenn bei Anfechtung
eines Vertrages wegen Betruges nicht ausdrücklich
auch der Irrtum als Anfechtungsgrund angegeben
oder der § 119 a. a. O. in Bezug genommen iſt. Aus
dieſem Geſichtspunkte wird alſo der Berufungsrichter
die Frage, ob eine unverzügliche Anfechtung des
Vertrages aus dem Grunde des Irrtums vorliegt,
wenn es auf ſie ankommt, anderweit zu prüfen und
zu entſcheiden haben. (Urt. des V. 35. vom 19. Fe-
bruar 1908, V 360/07).
1228
— — gn.
B. Strafſachen.
1
Telephoniſch aufgegebenes Telegramm als beweis⸗
erhebliche Urkunde (§ 267 StGB.). . . . Mit Recht hat
der Erſtrichter in dem vom Angeklagten aufgegebenen
Telegramm eine Privaturkunde erblickt und dabei dem
Umſtande keine ausſchlaggebende Bedeutung zuge—
meſſen, daß der Angeklagte die Originaldepeſche nicht
niederſchrieb und dem Aufgabebeamten übergab,
dieſer vielmehr auf mündliches Erſuchen des Ange—
klagten das Telegramm der Ankunftsſtation tele-
phoniſch übermittelt hat und es erft vom Poſtbeamten
dortſelbſt ſchriftlich niedergelegt worden ift (vgl. Entſch.
d. RG. Bd. 8 S. 99/101). Daß dieſe Privaturkunde
zum Beweiſe von Rechten von Erheblichkeit war, er—
achtet der Erſtrichter „mit Rückſicht auf ihren Inhalt“
für „zweifellos“. Wenn er diefe Annahme auch nicht
näher begründet, ſo ſchließt doch ſeine Bezugnahme
auf den dahier wiedergegebenen Inhalt: „Frau H.,
Köln... Willy tot. Sofort kommen. Frau D.“ den Ber-
—— e — nn tree ER
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
dacht aus, daß er etwa von der rechtsirrigen An-
ſchauung ausgegangen iſt, das Telegramm als ſolches
ſei ſchon durch die bloße Tatſache ſeines Daſeins zum
Beweiſe von Rechten oder Rechtsverhältniſſen erheblich
(ugl. Entſch. d. RG. Bd. 37 S. 5, Bd. 31 S. 42). Da
nun dieſer Inhalt für die Entſtehung des Anſpruchs
der Empfängerin an die angebliche Abſenderin auf
Erſatz etwaiger Auslagen und ſonſtiger Schäden bes
weiserheblich ift, falls die erſtere infolge des Teles
gramms die Reiſe von C. nach P. antrat oder im
Hinblick auf das angebliche Ableben ihres Kindes Auf:
wendungen machte, unterliegt die Annahme des Erſt⸗
richters keinem Bedenken. (Urt. des V. StS. vom
7. Januar 1908, 5 D 940/07).
1200
— — — e —
II
Anzeigepflicht der nach 8 257 oder 3 346 StGB.
ſtrafbaren Perſon ? (5 264 StBO.). F. hatte ſich einer
Uebertretung des Wildſchongeſetzes ſchuldig gemacht.
Der Angeklagte, Gemeindeförſter E., hat in dem Beit-
punkt, in dem er davon Kenntnis erhielt, nach den
Feſtſtellungen des Urteils durch darin näher bezeich⸗
mete Handlungen, die auf eine Vereitelung des Straf—
anſpruchs abzielten, den Tatbeſtand zu verdunkeln ges
ſucht, während es ſeine Amtspflicht geweſen wäre,
die Uebertretung des F. anzuzeigen. Der Angeklagte
iſt wegen Unterlaſſung der Verfolgung einer ſtraf—
baren Handlung nach § 346 StGB. — erſte Alter⸗
native — zu Strafe verurteilt. Auf ſeine Reviſion
wurde das Urteil aufgehoben und in den Gründen
u. a. ausgeführt: Der Angeklagte hätte der ihm an
ſich obliegenden Verpflichtung zur Verfolgung der
ſtrafbaren Handlung nicht nachkommen können, ohne
zugleich auch ſich ſelbſt die Verfolgung wegen ſeiner
auf die Vereitelung der Beſtrafung des F. gerichteten
poſitiven Tätigkeit zuzuziehen. Damit entfiel für ihn
die Verpflichtung zur amtlichen Tätigkeit in ſeiner
Eigenſchaft als eines vermöge ſeines Amtes zur Mit⸗
wirkung bei Ausübung der Strafgewalt berufenen
Beamten. Nach dem der Vorſchrift des § 54 StPO.
zugrunde liegenden, in Entſch. d. RG. Bd. 3 S. 1,
Bd. 31 S. 196 anerkannten Grundſatze, daß eine Rechts⸗
pflicht zur Anzeige oder ſonſtigen Verfolgung der
eigenen ſtrafbaren Handlung nicht beſteht, erliſcht die
Pflicht zur Verfolgung des fremden Täters nicht nur
für denjenigen Beamten, welcher Teilnehmer der
Haupttat im engern Sinne, alſo Anſtifter oder Ge—
hilfe iſt, ſondern auch für denjenigen, der nach voll—
endeter Tat in einer nach SS 257 oder 346 StGB.
ſtrafbaren Weiſe zugunſten des Täters poſitiv wirk—
fam geworden ift. Die Beſtrafung des Angeklagten
konnte alſo auf Grund der erſten Alternative des
8 346 StGB. nicht erfolgen. Sie kann auch nicht mit
der Erwägung aufrecht erhalten werden, daß nach
den Feſtſtellungen des angefochtenen Urteils jedenfalls
die zweite Alternative gegeben iſt. Denn der Tat—
beſtand dieſer zweiten Alternative iſt weſentlich anders
und ihre Subſtituierung könnte nicht erfolgen, ohne
daß der Angeklagte auf die Veränderung des recht—
lichen Geſichtspunktes aufmerkſam gemacht iſt (8 264
StPO.). Das Urteil war daher aufzuheben. (Urt. des
V. St S. vom 3. Januar 1908, 5 D 879/07).
1202
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
‚ Muveräußerliche Nutzungsrechte an Familiengütern,
die fi anf Beſtimmungen nach § 104 der VII. Verf.⸗
Beil. gründen, fallen nicht unter § 1010 BB. und
deshalb auch nicht unter 8 71 der VO. vom 23. Juli
1898 über die Anlegung des Grundbuchs. Den beiden
Zweiglinien der Freiherrn von T., L.ſcher Linie R.⸗T.
|
167
und W.-3., Steht an Grundbeſitzungen im Bezirke des
Amtsgerichts B. das Miteigentum zu je einem Hälfte⸗
anteile zu. Dieſes Rechtsverhältnis ift im Hypotheken⸗
buch eingetragen. Nach den Familienverträgen ſind
die Beſitzungen in dem Sinne unveräußerlich, daß
die Veräußerung an die Zuſtimmung aller Anwärter
gebunden iſt. Durch Familienvertrag vom 19. November
1818 vereinbarten die damaligen Inhaber des Kon—
dominats Freiherr Karl von R.⸗T. und die Freiherrn
Karl und Philipp von W.⸗Z. „zur Vermeidung der
aus dem ungeteilten Beſitz hervorgehenden Beſchwer⸗
lichkeiten“ unter ausdrücklicher Aufrechthaltung des
Kondominiums und der Unveräußerlichkeit feiner Be-
ſtandteile eine „Brivatabteilung des Beſitzes und Ge-
nuſſes der bisher im Geſamtbeſitze geweſenen Familien-
fideikommiß⸗ und Lehengüter“. Nach der Allodifikation
der Lehengüter wurde dieſe „Güterteilung“ in einem
Familienvertrage vom 22. April 1850 beſtätigt und
ſodann in das Familienſtatut vom Jahre 1862 über⸗
nommen, in dem unter Bezugnahme auf $ 104 der
VII. Beil. z. Vu. die maßgebenden „Familienbeſtim-
mungen“ zuſammengefaßt wurden. Aus Anlaß der
Anlegung des Grundbuchs ſtellte der Frhr. von
T. ſche Rentamtmann im Auftrage der Freiherrn von
T. aus den Linien T.⸗R. und W.⸗Z. im Anmeldungs⸗
verfahren den Antrag, das „Nutznießungsrecht“ der
Zweiglinien an den im gemeinſchaftlichen Eigentum
der Freiherrn von T., L.ſcher Linie, ſtehenden Grund-
ſtücken einzutragen. Das Hypothekenamt lehnte die
Eintragung ab, weil bei der Unveräußerlichkeit der
Familiengüter Sondernachfolger im Sinne des 8 1010
BGB. nicht in Frage kämen. Die Beſchwerde wurde
zurückgewieſen. Auch die auf die Verletzung der Art. 184
und 189 Abſ. 1 EG. z. BGB. geſtützte weitere Beſchwerde
der Freiherrn von T. iſt zurückgewieſen worden.
Gründe: Das LG. hat nicht verkannt, daß die
in dem Familienſtatute zuſammengefaßten Beſtim—
mungen der Familienverträge, auf denen die Nutzungs-
rechte der Zweiglinien der freiherrlichen Familie be—
ruhen, nach dem Art. 58 Abſ. 2 EG. z. BGB. — vor⸗
behaltlich der Beſtimmung des Art. 61 EGG. — von
dem Inkrafttreten des BGB. unberührt geblieben ſind.
Es hat ſeiner Entſcheidung die Beſtimmungen des
Familienſtatuts zugrunde gelegt und aus ihnen ohne
Rechtsirrtum entnommen, daß die Nutzungsrechte der
Zweiglinien nicht Nießbrauchsrechte des gemeinen
Rechtes, ſondern Beſtandteile der beſtehenden Ordnung
der Familienverhältniſſe im Sinne des 8 104 der VII.
Beil. z. BU. find. Mit einem Nießbrauch als Recht
an fremder Sache hätten die zum gemeinſchaftlichen
Vermögen gehörenden Grundſtücke für jede Zweiglinie
belaſtet werden können (Windſcheid-Kipp, Pandg.
9. Aufl. Bd. 1 8 200 Note 4, $ 205 zu den Noten 7, 8),
ſo daß das Nutzungsrecht zum Teil auf Miteigentum,
zum Teil auf Nießbrauch beruhen würde. Nach dem
Familienſtatut übt aber jede Zweiglinie in Anſehung
der ihr zugewieſenen Grundſtücke das gemeinſchaftliche
Eigentum unter den im Familienſtatute beſtimmten
Beſchränkungen ungeteilt aus, die gemeinſchaftlichen
Grundſtücke ſind nicht mit Rechten belaſtet, die dem
Eigentum ſelbſtändig gegenüberſtehen, ſondern „zum
Zwecke der höheren Kultur und vorteilhafteren Be—
nützung der Güter“ den Miteigentümern als Teilhabern
des gemeinſchaftlichen Vermögens zum Beſitz und
Genuß überwieſen. Die Nutzungsrechte ſind deshalb
nicht in der Weiſe wie der Nießbrauch des gemeinen
Rechtes veräußerlich, ſondern ebenſo wie das Miteigen—
tum ſelbſt unveräußerlich. Angeſichts der Unveräußer—
lichkeit fallen die Beſtimmungen der Familienverträge
über die Nutzungsrechte auch nicht unter die Vorſchrift
des $ 1010 BGB. Demzufolge findet die Vorſchrift
des 8 21 der VO. vom 23. Juli 1898, die Anl. d.
Grundb. betr., auf die Nutzungsrechte keine Anwendung
und es kommt der öffentliche Glaube des Grundbuchs
für ſie als Ausflüſſe der durch die Familienverträge
168
geordneten Familien- und Güterverhältniſſe nur injo-
weit in Betracht, als die Unveräußerlichkeit des ge⸗
meinſchaftlichen Grundbeſitzes zum Sause gegen ihn
der Eintragung bedarf. (Beſchl. d. I. ZS. vom 24.
W.
Januar 1908; III a
1214
Geiſteskrankheit der Eltern rechtfertigt die Anord-
nung der Zwangserziehung der Kinder nicht, kaun aber
die Vormundſchaft veranlaſſen, von dem Rechte Gebrauch
zu machen, den Aufenthalt a Mündels zu beftimmen.
(omong eracgung Art. 1, BGB. §8 1631, 1800,
1837). Die Bauerseheleute Johann und Margarete F.
in G. leiden an chroniſcher Verrücktheit; ſie fürchten
insbeſondere, daß ihre Kinder verfolgt und ihnen ent⸗
zogen werden, und haben ſie aus dieſem Grunde ſeit
dem Jahre 1903 vom Schulbeſuche ferngehalten. Für
die beiden noch minderjährigen Kinder, die ſich bei
den Eltern befinden, iſt ein W. in G. Vormund.
Wegen der ſtändigen Schulverſäumniſſe der F. Kinder
hat das Bezirksamt bei dem Vormundſchaftsgerichte
die Zwangserziehung beantragt. Das Vormundſchafts⸗
gericht hat den Antrag abgelehnt, weil die jetzt der
Schule entwachſenen Kinder trotz der Schulverſäum—
niſſe gut leſen und ſchreiben könnten und ihr ſitt⸗
liches Verhalten zu keiner Klage Anlaß gebe. Die
Beſchwerde des Bezirksamts, das in der Unterlaſſung
des Schulbeſuchs eine erhebliche Beeinträchtigung des
geiſtigen Wohles der Kinder fand und deren ſittliche
Verwahrloſung befürchtete, wurde als unbegründet
zurückgewieſen. Das Bezirksamt legte weitere Pe-
ſchwerde ein, die es unter Vorlegung eines amtsärzt⸗
lichen Gutachtens damit begründete, daß die Gefahr
der Uebertragung der Geiſteskrankheit der Eltern auf
die Kinder beſtehe. Das Obe G. hat das Rechtsmittel
zurückgewieſen.
Gründe: Das Gutachten kann nicht berückſichtigt
werden, weil die weitere Beſchwerde nach § 27 JGG.
nicht auf neue Tatſachen und Beweiſe, ſondern nur
darauf geſtützt werden kann, daß die angefochtene
Entſcheidung auf Verletzung eines Geſetzes im Sinne
des § 550 ZPO. beruhe. Das über die weitere Be:
ſchwerde entſcheidende Gericht hat nur die Rechtsfrage
zu prüfen und dabei die vom Beſchwerdegericht ohne
ſolche Verletzung des Geſetzes feſtgeſtellten Tatſachen
zugrunde zu legen. Eine Verletzung des Geſetzes iſt
nicht zu finden, insbeſondere ſteht körperliche Ver—
wahrloſung der beiden Minderjährigen im Sinne des
Art. 1 Abſ. 1 Ziff. 1 des Gef. vom 10. Mai 1902 nicht
in Frage. Die Minderjährigen ſollen nicht zu dem
Zwecke anderwärts untergebracht werden, um ſie vor
den das körperliche Wohl ſchädigenden Wirkungen
eines Mangels an dem für die Bedürfniſſe des Körpers
Notwendigen zu bewahren, ſondern es ſoll die Gefahr
abgewendet werden, die ihrer geiſtigen Geſundheit
durch den Verkehr mit den geiſteskranken Eltern droht.
Das LG. hat die Möglichkeit einer Uebertragung der
Verrücktheit auf ſie keineswegs verkannt, darin aber
keinen Grund zur Anordnung der Zwangserziehung
gefunden. Dieſe Auffaſſung entſpricht dem Sinne des
Geſetzes. Es handelt ſich nicht darum, den Minder⸗
jährigen durch eine der für die Zwangserziehung vor—
geſehenen Maßregeln eine gedeihliche Erziehung zu
verſchaffen, ſondern um Vorkehrungen, die geeignet
ſind, eine ſchädliche Beeinfluſſung des Geiſteszuſtandes
der Minderjährigen durch die geiſteskranken Eltern zu
verhüten. Solche Vorkehrungen zu treffen, iſt zunächſt
Sache des Vormundes, dem nach § 1793 BGB. die
Jeitſchrift für Rechtspflege i in n Bayern. 1908.
Sorge für die Perſon des Mündels obliegt und der
nach den 88 1631, 1800 auch das Recht hat, den
Aufenthalt des Mündels zu beſtimmen. Dabei hat
das Vormundſchaftsgericht ihn nach § 1837 zu beauf-
ſichtigen und es wird ihm gegebenenfalls Anleitung
erteilen. (Beſchluß des I. ZS. vom 14. Januar 1908,
a u 4/08). W.
|
na F
III.
Kichtpunkte für die Feſtſetzung der dem 8490
pfleger zu gewährenden Vergütung (BGB.
1836, 1915). Nach dem Tode des Kaufmanns 12 L.
deſſen Erben nur teilweiſe bekannt waren, beſtellte das
Amtsgericht den Rechtsanwalt B. in M. zum Nachlaß⸗
pfleger. Nach Ermittelung der Erben erſtattete der Nach-
laßpfleger einen Schlußbericht, in dem er Rechnung legte
und 1500 M beanſpruchte, ohne über den Umfang der
Geſchäfte nähere Angaben zu machen. Das Nachlaß⸗
gericht hob die Nachlaßpflegſchaft auf und bewilligte
dem Nachlaßpfleger in Anbetracht des Beſtandes des
Nachlaſſes, der geleiſteten Arbeit und der mit ſeinem
Amte verbundenen Haftung 1500 M Feinſchließlich
aller Schreibauslagen“. Ein Erbe legte Beſchwerde
mit dem Antrag ein, die Vergütung herabzuſetzen.
Das LG. änderte, ohne den Nachlaßpfleger zu hören
und ohne das Nachlaßgericht zur Angabe der etwa
aus den Nachlaßakten nicht erſichtlichen Umſtände zu
veranlaſſen, die für die Beſtimmung der Höhe der
Vergütung maßgebend waren, die Verfügung des
Nachlaßgerichts dahin, daß die Vergütung des Nach⸗
laßpflegers — mit Ausſchluß des Erſatzes der Muf-
wendungen — auf 500 M feſtgeſetzt wurde. Dieſe
Entſcheidung begründete es damit, daß bei der Feſt⸗
ſetzung der Vergütung die Auslagen außer Betracht
zu laſſen ſeien, daß es ſich einerſeits um ein beträcht⸗
liches Nachlaß vermögen und um eine erhebliche Arbeits-
leiſtung handle, anderſeits die Aufgabe des Pflegers
verhältnismäßig einfach geweſen ſei, insbeſondere
ſchwierige Rechtsfragen nicht zu behandeln geweſen
feien, und der Beſchwerdeführer dem Pfleger „aus-
giebigſte Beihilfe“ geleiſtet habe. Rechtsanwalt B.
hat weitere Beſchwerde eingelegt. Das Obs. hat
ihr ſtattgegeben, die Entſcheidung inſoweit, als die
Bewilligung einer den Betrag von 500 M über-
ſteigenden Vergütung abgelehnt iſt, aufgehoben und
die Sache zur anderweitigen Entſcheidung zurück⸗
verwieſen.
Aus den Gründen: Bei der Feſtſetzung der
Vergütung hat das Beſchwerdegericht mit Recht et⸗
waige Auslagen außer Betracht gelaſſen und anheim—
gegeben, ſie geſondert geltend zu machen. Hiergegen
hat auch der Beſchwerdeführer nichts erinnert. Nach
den Vorſchriften der SS 1960, 1915, 1836 BGB. ſteht
es, wenn beſondere Gründe für die Bewilligung einer
Vergütung für die Tätigkeit des Nachlaßpflegers vor⸗
liegen, im Ermeſſen des Nachlaßgerichts, ob und in
welcher Höhe eine Vergütung bewilligt werden ſoll.
Dabei hat das Nachlaßgericht einerſeits den Beſtand
des Nachlaßvermögens, anderſeits den Umfang und
die Bedeutung der Geſchäfte der Pflegſchaft in Betracht
zu ziehen. Die Feſtſetzung der Vergütung ſetzt Kenntnis
der ganzen Tätigkeit des Pflegers voraus, für die die
Vergütung gewährt werden ſoll. Soweit dieſe Kenntnis
nicht ſchon aus den Akten gewonnen werden kann, iſt
es zunächſt Sache des Pflegers, die Umſtände darzu⸗
legen, die nach feiner Anſicht die gewünſchte Ber-
gütung rechtfertigen. Nach der Vorſchrift des Abſ. 2
des § 1836 ſoll deshalb vor der Bewilligung der
Vergütung der Pfleger gehört werden, damit er ſein
Intereſſe wahrnehmen kann. Hier hat der Beſchwerde⸗
führer es nicht für erforderlich erachtet, dem Nachlaß—
gerichte gegenüber den Umfang ſeiner Tätigkeit näher
darzulegen, daraus folgt aber nicht, daß er nicht in
der Lage war, Umſtände anzuführen, die neben dem,
was aus den Nachlaßakten zu entnehmen war, Bes
achtung verdienten. Dem Beſchwerdegerichte mochte
ohne weiteres klar ſein, daß die vom Nachlaßgerichte
bewilligte Vergütung zu hoch war; aber eine ver—
läſſige Grundlage für die Entſcheidung darüber, wie
weit es in der Herabſetzung zu gehen hatte, lag ihm
in dem Inhalte der Nachlaßakten allein nicht vor.
Aus dieſen waren nur die Ergebniſſe der Tätigkeit
des Pflegers zu erſehen, daraus konnte der mutmaß⸗
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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
Kihe Aufwand des Pflegers an Zeit und Mühe ent-
nommen werden, es blieb aber die Möglichkeit, daß
eine viel umfangreichere Tätigkeit erforderlich geweſen
iſt. Da der Pfleger ſich hierüber noch nicht geäußert
Hatte, erforderte es der Zweck des $ 1836 Abſ. 2, wenn
Das Beſchwerdegericht nach dem Inhalte der Nachlaß⸗
akten die vom Pfleger und vom Nachlaßgerichte feſt⸗
geſetzte Bergütung auf wenig mehr als ½ herabſetzen
zu ſollen glaubte, ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung
ſeines Anſatzes zu geben. Durch das Ermeſſen des
Beſchwerdegerichts, das nach dem § 1836 Abſ. 1 für
die Beſtimmung der Höhe der Vergütung maßgebend
war, konnte die unzulängliche Kenntnis des Umfanges
der Tätigkeit des Pflegers nicht erſetzt werden, an die
Beſtimmung der Höhe der Vergütung konnte erſt
herangetreten werden, wenn die zu vergütende Tätig⸗
keit bekannt war. Die Geſchäfte, die der Beſchwerde⸗
führer im Auftrag eines Teiles der bekannten Erben
vorgenommen hat, gehören nicht zu den Geſchäften
der Pflegſchaft und kommen hier nicht in Betracht.
Da die Möglichkeit beſteht, daß die Erläuterungen,
die der Beſchwerdeführer etwa gibt, und gegebenen—
falls die Einſicht der Handakten eine höhere als die
vom Beſchwerdegerichte feſtgeſetzte Vergütung redt-
fertigen, muß die angefochtene Entſcheidung, ſoweit
fie die Bewilligung einer den Betrag von 500 M
überſteigenden Vergütung abgelehnt hat, aufgehoben
und die Sache an das Beſchwerdegericht zurückver—
wieſen werden. (Beſchl. des I. ZS. vom 7. Februar
1908, Reg. III 11/08). W.
1222
B. Strafſachen.
In dem eig, ele des Hanſes beim Umzuge einer
Perſon kann eine Beleidigung liegen. Als der Privat-
kläger aus feiner 50 Meter von dem Haufe des Ans
geklagten gelegenen Wohnung auszog, hißte der mit
ihm ſchon längere Zeit verfeindete Angeklagte auf
ſeinem Hauſe eine Fahne. Die Nachbarn gewannen
den Eindruck, daß das Aufziehen der Fahne dem Um—
zuge des Privatklägers und damit dieſem ſelbſt gelte.
Der Angeklagte wurde in allen Inſtanzen verurteilt.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
Das Reviſionsgericht billigt in erſter Linie die Auf—
ſtellung der Strafkammer, daß die Perſon, gegen
welche ſich eine Kundgebung richtet, nicht mit Namen
bezeichnet zu werden braucht, daß vielmehr jede nur
erkennbare Beziehung auf eine beſtimmte Perſon ge—
nügt. Sodann führt es weiter aus: Eine Beleidigung
im Sinne des 8 185 StGB. ift jede gegen die Ehre
einer beſtimmten Perſon gerichtete, vorſätzliche und
rechtswidrige Kundgebung. Sie kann auch in einer
an ſich nicht ehrverletzenden Aeußerung oder Hand—
lung gefunden werden, wenn ſie in der Abſicht, die
Verhöhnung, Verachtung oder Geringſchätzung eines
anderen zu erkennen zu geben, in einer Weiſe oder
unter Verhältniſſen erfolgte, daß ihm jener Zweck
ihrer Vornahme verſtändlich wurde. Dieſe Voraus—
ſetzungen treffen hier zu. Das Aushängen der Fahne
wurde von den wahrnehmenden mit der Feindſchaft
zwiſchen den Parteien vertrauten Perſonen als eine
gegen den Privatkläger gerichtete Kundgebung auf—
gefaßt. Da das Beflaggen eines Hauſes in der Regel
den Zweck hat, die Freude über ein glückliches Er—
eignis oder ein Feſt zum Ausdruck zu bringen, ſo
enthält es an ſich keine ehrverletzende Kundgebung.
Hier haben aber die Untergerichte feſtgeſtellt, daß der
Angeklagte mit dem Aufziehen der Fahne nur den
Zweck verfolgte, den Privatkläger öffentlich zu ver—
höhnen und ihn der allgemeinen Mißachtung aus—
zuſetzen und darin konnte die Strafkammer ohne Ver—
kennung des Rechtsbegriffes der Beleidigung ein Ver—
gehen nach 8 185 StGB. erblicken, da die Kundgebung
ſich nicht bloß gegen die Perſon des Privatklägers
richtete, ſondern nach der Abſicht des Angeklagten
gegen deſſen Ehre gerichtet ſein ſollte. (Urt. vom
9. Januar 1908, Rev. Reg. 602/07). H.
1204
Oberlandesgericht München.
u 8 826 BGB. Der Beklagte erhielt im Laufe
von Verhandlungen über den Ankauf einer für ihn
beſonders herzuſtellenden Zimmereinrichtung vom
Kläger verſchiedene Photographien der hierzu ge-
hörigen Möbelſtücke nach den hierzu von letzterem
gefertigten Entwürfen ausgehändigt, um ſie ſeiner
Braut vorzeigen zu können. Der Beklagte hat dieſe
Photographien kurze Zeit einem anderen Möbel-
verfertiger überlaſſen und dann von dieſem eine nach
dieſen Photographien hergeſtellte Zimmereinrichtung
gekauft. Der Preis für letztere betrug einige Hundert
Mark weniger als der vom Kläger geforderte Kauf—
preis. Der Kläger verlangte vom Beklagten Bezahlung
von 400 M. Das LG. hat der Klage ſtattgegeben auf
Grund der Vorſchriften über ungerechtfertigte Be—
reicherung (SS 812, 818 BGB.), hat aber den § 826
BGB. für nicht anwendbar erachtet, weil eine Schadens-
zufügung nicht erwieſen ſei. Das OLG. führte dagegen
folgendes aus: Wenn auch der Beklagte die Photo—
graphien nicht mit der Abſicht ſich aushändigen hat
laſſen, um ſich anderweitig die Möbel billiger als
beim Kläger zu verſchaffen, ſo widerſpricht doch ſein
nachträgliches Verhalten dem Anſtandsgefühle. Da
der Kläger die nach feinen eigenen Entwürfen her:
geſtellten Photographien dem Beklagten zu dem be—
ſtimmten Zwecke der Vorzeigung bei deſſen Braut
überlaſſen hat, ſo konnte er auch erwarten, daß der
Beklagte die Photographien zu keinem anderen Zwecke
benützt. Die Mitteilung der Photographien an den
Konkurrenten des Klägers zum Zwecke der Benützung
verſtieß gegen die guten Sitten, um ſo mehr, als da—
durch gerade der Mangel des geſetzlichen Schutzes vom
Beklagten ausgenützt wurde und die Handlungsweiſe
des letzteren deſſen eigenen Vorteil unter mißbräuch—
licher Ausnützung des Vertrauens des Klägers be—
zweckte. Die Schadenszufügung liegt allerdings nicht
in dem Entgange des Gewinnes, weil der Beklagte
bei ihm die Möbel nicht zu kaufen verpflichtet war,
ſondern in der durch den Beklagten herbeigeführten
geſchäftlichen Ausbeutung des Entwurfes des Klägers
durch deſſen Konkurrenten, welche die eigene Benützung
der fraglichen Entwürfe dem Kläger entwertete. Ohne
die gegen die guten Sitten verſtoßende Handlungsweiſe
des Beklagten wäre dieſer Schaden des Klägers nicht
eingetreten, ſie war ſohin die mittelbare Urſache des
letzteren. Der Vorſatz der Schädigung liegt in dem
Bewußtſein des Beklagten von dem möglichen ſchäd—
lichen Erfolge ſeines Handelns. (Urt. vom 7. Januar
1908, Rev. Reg. Nr. 324/07 IV). V. —.
1167
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Die Vereinbarung eines Ortes als Erfüllungsort
für beide Teile bei einem Raufvertrage erſtreckt fih nicht
auf den Wandel ungsanſpruch und die aus ihm fliehen:
den Leiſtungsanſprüche. Der geſetliche Erfüllungsort hier:
für ift der Ort, wo der Kaufgegenſtand zurückzugeben ift.
Der zu A. wohnende Kläger hatte vom Beklagten
einen Trockenbagger gekauft; als Erfüllungsort für
beide Teile war der Wohnſitz des Beklagten, B., ver—
einbart. A. erhob Mängelrüge und verlangte unter
Friſtſetzung die Lieferung eines anderen Baggers, was
verweigert wurde. Nunmehr begehrte der Kläger die
Wandelung und erhob zu dem für A. örtlich zuftäns
digen LG. F. Klage mit dem Antrage, die Wandelung
als begründet zu erklären und den Beklagten zu ver-
urteilen, daß er in ſie willige und an den Kläger gegen
Herausgabe des Baggers, der ſich zu dem im Vertrage
vorausgeſetzten Gebrauche in der — zum Bezirke des
LG. F. gehörigen — Gemarkung O. befinde, die bare
Anzahlung ſowie einen durch Wechſel bezahlten Be⸗
trag und ein laufendes Akzept zurückgebe, auch eine
Entſchädigung für verurſachten Schaden entrichte. Die
vom Beklagten vorgeſchützte Einrede der Unzuſtändig⸗
keit des Gerichts wurde vom LG. und vom OLG.
verworfen.
Aus den Gründen des Berufungsurteils:
Die Zuſtändigkeit des LG. F. iſt gegeben, wenn es ſich
um eine der in § 29 ZPO. bezeichneten Klagen hans
delt und wenn F. das Gericht des Ortes iſt, wo die
ſtreitige Verpflichtung zu erfüllen iſt. Beide Voraus⸗
ſetzungen ſind gegeben. I. Begehrt iſt Einwilligung
in die Wandelung, Rückgabe des Geleiſteten und Er⸗
ſatz des durch mangelhafte Leiſtung zugefügten Scha⸗
dens. Es liegt ein ſeinem Rechtsgrund und ſeiner
Natur nach einheitlicher Anſpruch auf Vertragsauf⸗
hebung vor, der darauf beruht, daß nicht vertrags⸗
mäßig geliefert ſei. Der Schadenserſatzanſpruch iſt
nicht in einer ſelbſtändigen und eine eigene Zuſtändig⸗
keit begründenden, auf beſonderes Verſchulden ge⸗
ſtützten Klage erhoben. II. Die ſtreitige Verpflichtung
iſt im Bezirke des LG. F. zu erfüllen. 1) Mit der
Vereinbarung von B. als Erfüllungsort für beide
Teile iſt für die Frage, ob in B. auch die ſtreitige
Verpflichtung i. S. von § 29 ZPO. zu erfüllen fei, noch
nichts geſagt. Denn ſtreitige Verpflichtung iſt nicht
die vertragsmäßige Leiſtungspflicht des Verkäufers,
ſondern, wie nun fajt allgemein anerkannt ift, die
Verpflichtung, über die nach dem Klagantrag
zu entſcheiden iſt, alſo bei einer Klage auf Ver⸗
urteilung ſtets die Verpflichtung des Beklagten, hier
die zur Einwilligung in die Wandelung und zur Rück⸗
gabe des Empfangenen. Dieſe Verpflichtung ift nicht
etwa an die Stelle der Kaufgeld verpflichtung getreten,
ſondern durch die Entwicklung des Vertragsverhält—
niſſes entſtanden (vgl. Hellwig Lehrb. II S. 253 f.).
Die Vereinbarung von B. als Erfüllungsort 9271
ſich alſo nicht auf die ſtreitige Verpflichtung. Auch
wenn man davon ausgeht, daß ſich der Verkäufer
tunlichſt einen ausſchließlichen Gerichtsſtand in B.
ſchaffen wollte, daß der Wortlaut der Vereinbarung
keine Begrenzung enthält, insbeſondere nicht die auf
Lieferung und Zahlung wie in RGB. Bd. 57, 12, und
daß auch zwiſchen direkten und indirekten Vertrags-
wirkungen nicht ausdrücklich unterſchieden wurde, ſo
ergibt die Erforſchung des wirklichen Willens der
Parteien doch eine Begrenzung und Unterſcheidung:
nur für die Erfüllung des Vertrags ſollte B. für beide
Teile der vereinbarte Ort ſein, nicht etwa auch für
Leiſtungen, die infolge einer nach Erfüllung des Ver—
trages geltend gemachten Nichtigkeit oder Anfechtbar—
keit gefordert werden konnten. Nur für die Erfüllung
der Vertragspflichten iſt ein beſtimmter Ort verein—
bart worden, nicht ein Gerichtsſtand für alle
zwiſchen den Parteien aus dem Vertrage
entſtehenden Streitigkeiten. (Aehnlich OLG.
Marienwerder Recht 1906 S. 50 Nr. 27). 2) Für die
hiernach ſich ergebende Frage, wo die ſtreitige Ver—
pflichtung mangels einer Vereinbarung nach geſetz—
licher Beſtimmung zu erfüllen iſt, entſcheidet wieder
der als Hauptanſpruch geltend gemachte Anſpruch, daß
die Wandelung als begründet erklärt und das Ge—
leiſtete zurückgewährt werde. Dieſe beiden Anſprüche
find eine Einheit (f. JW. 1904 S. 552, Recht 1906
S. 623, Bay 3ZfR. 1905 S. 443); fie beſtehen neben-
einander, es geht nicht etwa der Anſpruch, die Be—
rechtigung der Wandelung feſtzuſtellen, in der gleich—
zeitig erhobenen Leiſtungsklage unter. Erfüllungsort
wäre alfo an fih der Ort der Handelsniederlaſſung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
L
1
des Beklagten, d. i. B., wo die Einwilligung in die
Wandelung zu erklären und der Kaufpreis zurückzu⸗
zahlen iſt. Es iſt aber auch der Kläger verbunden,
den vertragsgemäß in O., Bezirks F., befindlichen
Bagger zurückzugeben und der Beklagte kann die Zah⸗
lung bis zur Rückgabe verweigern. Von den drei
hiernach für die Zuſtändigkeit in Frage kommenden
Orten (Niederlaſſung des Käufers, Niederlaſſung des
Verkäufers, Ort wo ſich der Kaufgegenſtand vertrags⸗
gemäß befindet) hat das RG. als Erfüllungsort den
letztgenannten Ort bezeichnet, wo die Kaufſache zurück⸗
zugeben iſt. Die von den Gegnern der reichsgericht⸗
lichen Auffaſſung (Hellwig a. a. O. II S. 254, 250,
Seuffert ZPO. zu § 29 Ziff. 4—6, Werner Recht 1902
S. 338) geltend gemachten Gründe können für den
vorliegenden Fall, wo der Kläger Zug um Zug leiſten
und geleiſtet wiſſen will, ein Abgehen von der reichs⸗
gerichtlichen Rechtſprechung nicht rechtfertigen. Die
Ausübung des beiden Teilen offenſtehenden Rechts
der Erfüllung Zug um Zug erfordert einen einzigen
Erfüllungsort. Nach der für die Zuſtändigkeit maß⸗
gebenden Behauptung der Klage hat der Beklagte die
Wandelung verſchuldet; dem hierauf gegründeten An⸗
ſpruche des Klägers gegenüber kann der Beklagte nur
die Rückgewähr des Baggers verlangen, nicht aber,
daß der Kläger noch Aufwendungen mache, um ihm
den Bagger in B. anzubieten. (Urt. v. 26. November
1907, L. 120/07).
1234 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
Landgericht München I.
I.
Wirkung der Konkursanfechtung auf den formellen
Beſtand einer Pfändung. Auf Betreiben des Konkurs⸗
verwalters wurde die am 15. Februar 1905 (drei Tage
vor Konkurseröffnung) gegen den Gemeinſchuldner W.
betätigte Mobiliarpfändung als den Konkursgläubigern
gegenüber nach § 30 KO. unwirkſam aufgehoben. Im
Juli 1905 (nach Rechtskraft dieſes Urteils) wurde der
Konkurs durch Zwangsvergleich erledigt und die Maſſe,
darunter die Pfandobjekte, wurde dem Gemeinſchuldner
überwieſen. Im November 1907 ließ der Gläubiger
durch den Gerichtsvollzieher den Fortbeſtand der
Pfändung nachprüfen und ſoweit erforderlich, die
Pfandzeichen erneuern. Hiergegen erhob der Schuldner
unter Berufung auf die rechtskräftige „Aufhebung“
der Pfändung Einwendungen, fie wurden jedoch zurück⸗
Erfolg. und die ſofortige Beſchwerde blieb ohne
rfolg.
Aus den Gründen: Durch das Urteil iſt die
Pfändung nur den Konkursgläubigern gegenüber für
unwirkſam erklärt; dieſe Unwirkſamkeit kann weder
vom Gemeinſchuldner noch von einem Dritten geltend
gemacht werden (Jaeger, KO. 2. Aufl. Anm. 22 zu
829 KO.; Wilmowski 6. Aufl. Anm. 12 hierzu und
Kleinfeller 4. Aufl. Anm. 17 bei Nr. 7). In der
Richtung gegen den Gemeinſchuldner blieb daher die
Pfändung trotz des Urteils wirkſam und deshalb war
die Amtshandlung des Gerichtsvollziehers zuläſſig.
Allerdings iſt möglich, daß auch der Gläubiger die
Zwangsvergleichsquote angenommen hat, womit er
befriedigt und fein Pfandrecht erloſchen wäre (Klein-
feller $ 193 KO. Anm. 8; Seuff A. Bd. 50 Nr. 299).
Zur Prüfung dieſes Punkts ift jedoch das Voll—
ſtreckungsgericht und folgeweiſe das Beſchwerdegericht
nicht zuſtändig, weil es ſich um einen Einwand nach
§ 767 RPO. handelt, der nur mittels Klage verfolgt
werden könnte. (Beſchl. vom 14. Dezember 1907;
Beſchw.⸗Reg. Nr. 591/07). N.
1173
II
Abänderung des 8 10 Zw. durch Vereinbarung.
Sämtliche Beteiligte vereinbarten in einer Zwangs⸗
verwaltungsſache, daß die nach Berückſichtigung des
§ 155 Abſ. 1 Zw. verbleibenden Ueberſchüſſe zunächſt
zur Begleichung der rückſtändigen und laufenden
öffentlichen Laſten verwendet und die Reſtbeträge un⸗
geſchmälert an die die Verwaltung betreibende Bank
a conto der rückſtändigen und laufenden Zinſen, Bers
zugszinſen, Koſten, Speſen und Proviſionen aus ihrem
erſtſtelligen Hypothekkapital abgeführt werden ſollten.
Die nachfolgenden Hypothekgläubiger verzichteten aus-
drücklich auf Zahlung ihrer laufenden Hypothekzinſen
aus der Maſſe Das Amtsgericht verweigerte den Boll-
zug, weil die Heranziehung anderer Forderungen als
der laufenden wiederkehrenden Leiſtungen und nach
deren Deckung des Kapitals des Beſchlagnahmegläu⸗
bigers nach § 155 Abſ. 2 3wVG. außer dem Rahmen
des Verfahrens liege. Der Beſchwerde der Gläu—
bigerin wurde ſtattgegeben.
Aus den Gründen: Für die formelle Beurs
teilung der Beſchwerde ſind die Vorſchriften der ZPO.
maßgebend, da ſie ſich nicht gegen eine Entſcheidung
über den Zuſchlag richtet (Jaeckel, Zw. 2. Aufl.
Vorbem. VII vor $ 95 S. 355). Sachlich kommt die
Frage der Zuläſſigkeit einer abweichenden Verein—
barung hier deshalb nicht in Betracht, weil die zu
bevorzugenden Anſprüche, wenigſtens ſoweit es ſich
um Rückſtände handelt, in die fünfte Klaſſe des § 10
Zw VG. gehören; denn in dieſer Klaſſe find die Anſprüche
des Gläubigers in Haupt- und Nebenſache ſowie die
entſtandenen Koſten zu befriedigen. Ob der Anſpruch
auf Leiſtung rückſtändiger Zinſen geht, iſt hierbei be—
langlos. (Wolff, Zw. Anm. 11 zu § 10 und Anm. b
Abi. 3 zu § 155; Jaeckel, ZVG. Anm. 8 und 11 zu 8 10
und Anm. b Abi. 3 zu § 155). Daß aber die Be-
teiligten eine Abweichung von der Rangordnung des
$ 10 Zw. vereinbaren können, ſteht außer Zweifel.
(Beſchl. vom 23. Dezember 1907; Beſchw.-Reg.
Nr. 631/07). N.
1174
Literatur.
Literatur zu dem neuen bayeriſchen Waſſergeſetze.
1. Harſter, Dr. Theodor, Bezirksamtsaſſeſſor in Rel
heim und Caſſimir, Dr. Joſeph. Direktionsaſſeſſor
im Staatsminiſterium für Verkehrsangelegenheiten.
Kommentar zum Bayeriſchen Waſſer—
geſetze vom 23. März 1907, der VO. vom 1. De⸗
zember 1907 und der Bek. vom 3. Dezember 1907.
München 1908, J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
Lieferung 1 bis 3, geh. insgeſamt Mk. 6.60.
2. Eymann, Otto, Regierungsaſſeſſor in München. Das
Waſſergeſetz für das Königreich Bayern
vom 23. März 1907. Ansbach 1908, Verlag von
C. Brügel und Sohn. Bd. J. Gebd. Mk. 5.50.
3. Brenner, Guſtav, Miniſterialrat im Staatsminiſterium
des Innern. Das Waſſergeſeß für das König—
reich Bayern vom 23. März 1907. Handausgabe
mit Einleitung und Erläuterungen ſowie mit einem
Anhang und einem Sachregiſter. München 1908,
C. H. Beck'ſche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck).
Gebd. Mk. 6.50.
Das bayeriſche Waſſergeſetz hat für die Juriſten
und für die Verwaltungsbeamten neue, ſchwierige
Probleme gebracht. Wer etwa die Meinung gehegt
haben ſollte, mit der Erlaſſung des Geſetzes würde
Klarheit über die zivilrechtlichen Grundlagen des
Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 8.
Weſentliches beitragen.
im Sommer vorigen Jahres erſchien.
Waſſerrechts geſchaffen werden, wird ſchon bei einem
flüchtigen Blick in die neuen literariſchen Hilfsmittel
bitter enttäuſcht fein: die Streitfragen find eher zahl-
171
reicher als geringer geworden. Eben darum iſt aber
auch die wiſſenſchaftliche Behandlung des Geſetzes eine
dankbare Aufgabe.
Unter den drei Bearbeitungen ſteht der große
Kommentar von Dr. Harſter und Dr. Caſſimir
weitaus an erſter Stelle. Wenn man, wie der Heraus⸗
geber einer juriſtiſchen Zeitſchrift, nahezu täglich ſo⸗
genannte „Kommentare“ in die Hand bekommt, die
nichts ſind als mehr oder minder geſchickt ausgeführte
Scheren⸗ und Klebarbeiten, atmet man förmlich auf,
wenn man einmal eine wirklich wiſſenſchaftliche, ſelb—
ſtändige Arbeit beſprechen darf, in der ein denkender
und mit kritiſchem Geiſte ausgeſtatteter Verfaſſer
eigene Wege geht. Dr. Harſter, der nicht der Lehre
von den alleinſeligmachenden Motiven und Bericht⸗
erſtatter⸗Aeußerungen anhängt, hat ein ſolches Werk
geliefert. Er durchforſcht mit einer ſtaunenswerten
Gründlichkeit jede einzelne Frage und hat es gleich—
wohl verſtanden, die Fülle des Stoffes in eine klare
und überſichtliche Form zu bringen. Einen weiteren
Vorzug hat der Kommentar durch die Mitarbeit eines
Technikers erhalten, der unter Verwendung zahlreicher
Abbildungen in leicht verſtändlichen Auseinander-
ſetzungen dem Laien die Kenntnis der wichtigſten tech—
niſchen Vorgänge vermittelt. Ich verweiſe beſonders
auf die eingehenden Ausführungen über die techniſchen
und wirtſchaftlichen Grundlagen der Waſſerkraftaus—
nützung in den Vorbemerkungen zum Abſchnitt IV.
(Lieferung 3 S. 250 ff.).
Die Ausgaben von Eymann und Brenner
greifen zwar nicht ſo tief wie der Kommentar von
Harſter⸗Caſſimir; immerhin find auch fie beachtens—
werte Leiſtungen, die ihrem Zwecke, als Hilfsmittel
für den Handgebrauch zu dienen, durchweg gerecht
werden, und zur Aufhellung des ſchwierigen Gebietes
von der Pfordten.
Guttentag'ſche Sammlung deutſcher Reichsgeſetze.
In dieſer Sammlung find folgende neue Texts
ausgaben erſchienen:
Sydow, N., Unterſtaatsſekretär. Deutſches
Gerichtskoſtengeſetz nebſt den Gebühren⸗
ordnungen für Gerichtsvollzieher und für
Zeugen und Sachverſtändige Fortgeführt von
L. Buſch, Reichsgerichtsrat. 8. vermehrte Auflage.
Berlin 1907. Gebd. Mk. 2.—
. Romen, Dr. iur. A., Wirkl. Geh. Kriegsrat. Geſetz
über die Verſorgung der Perſonen der
Unterklaſſen des Reichsheeres, der
Kaiſerlichen Marine und der Kaiſer⸗
lichen Schutztruppen vom 31. Mai 1906.
Nebſt dem Militärhinterbliebenengeſetz
vom 17. Mai 1907. II. Teil der Militärpenſions⸗
geſetze. Berlin 1908. Gebd. Mk. 3.50
Notiz. Die C. H. Beck'ſche Verlagsbuchhandlung
hat einen Nachtrag zu der Ausgabe des Nachlaß—
geſetzes von Staatsanwalt Haberſtumpf und Amts—
richter Barthelmeß herausgegeben, deren 2. Auflage
Er enthält
außer den durch die Novelle vom 20. Auguſt 1906
erfolgten Abänderungen des Gebührengeſetzes auch die
Bek. vom 19. Auguſt 1906 über den Vollzug des
Reichserbſchaftsſteuergeſetzes und Mitteilungen über
zahlreiche nachträglich ergangene Entſcheidungen und
Abhandlungen. Der Nachtrag iſt ſo eingerichtet, daß
er leicht am Schluſſe der Ausgabe eingehängt werden
kann. (Preis 20 Pfg.).
Predari, C., Reichsgerichtsrat in Leipzig. Die Grun d—
buchordnung vom 24. März 1897. Berlin 1907,
Carl Heymanns Verlag. 850 Seiten. Preis 17 Mk.,
gebunden 20 Mk.
Das vorliegende Werk iſt ein Teil des in Carl
172
Heymanns Verlag erſcheinenden bekannten großen
Kommentars zum BGB. und ſeinen Nebengeſetzen,
bildet aber für ſich ein vollkommen abgeſchloſſenes
Ganzes. Es enthält in erſter Linie in der Form
eines groß angelegten Kommentares eine Erläuterung
der Beſtimmungen der GBO. und gibt daneben eine
faſt 150 Seiten lange ſyſtematiſche Darſtellung des
materiellen Liegenſchaftsrechtes, ſoweit es zum Ver⸗
ſtändniſſe der GBO. notwendig ift. Der Kommentar
ſowohl wie dieſe ſyſtematiſche Darſtellung zeigen eine
von wiſſenſchaftlichem Geiſte getragene, tief eindringende
Behandlung des an ſchwierigen Fragen gewiß nicht
armen Rechtsgebietes. Bei der klaren Darſtellungs⸗
weiſe, durch die ſich das Buch auszeichnet, und ſeiner
reichen Kaſuiſtik habe ich keinen Zweifel, daß es ſich
auch bei den Praktikern neben den anderen Dar-
ſtellungen des neuen Liegenſchaftsrechtes ſeinen wohl
verdienten Platz erringen wird. Zwar berückſichtigt
es von den der Ausgeſtaltung der Grundbuchordnung
dienenden dienſtrechtlichen Vorſchriften nur die preu⸗
ßiſchen und iſt ſomit vorzugsweiſe zum Gebrauch in
Preußen beſtimmt. Aber auch demjenigen, der die
preußiſchen Ausführungsvorſchriften nicht anzuwenden
hat, macht ihre Berückſichtigung in dem Buche die
Darſtellung immerhin anſchaulicher; ſie ſollte darum
nicht hindern, daß das an Vorzügen reiche Werk, das
in der Hauptſache ja doch Reichsrecht ee auch
außerhalb Preußens weite Verbreitung findet
Amtsrichter Eckert.
Fromm, Dr. Leo, Das Zubehör bei der Zwangs⸗
verſteigerung. gr. 8". VIII, 96 S. München,
J Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Mk. 2.80.
Die Behandlung des Zubehörs in der Zwangs—
verſteigerung war in den letzten Jahren der Gegenſtand
der eingehendſten Erörterungen. Auch unſere Zeitſchrift
hat ſich an der Erörterung der zahlreichen, praktiſch
ſehr wichtigen Streitfragen lebhaft beteiligt. Der
Gedanke, einmal den geſamten Stoff zuſammenzufaſſen,
war ſehr glücklich. Das Büchlein von Dr. Fromm
kann der l nur empfohlen werden.
von der Pfordten.
Notizen.
55 zwiſchen Deutſchland und Italien,
betreffend den Schub an Werken der Literatur und
Kunſt und am Photsgraphien, vom 9. Dezember 1907.
(RGBl. 1908 S. 80). Nach Art. 15 der fog. Berner
Uebereinkunft vom 9. September 1886 können die
Regierungen der Verbandsländer Sonderabkommen
treffen, die den Urhebern weitergehende Rechte ein—
räumen. Die bisher beſtehende deutſch-italieniſche
Uebereinkunft vom 20. Juni 1884 ſtammt aus der
Zeit vor der Berner Uebereinkunft und ift durch diefe
vielfach überholt. Die neue Uebereinkunft ſoll klar
ſtellen, welche beſonderen Vorſchriften neben der Berner
Uebereinkunft zu Recht beſtehen. Der Art. 1 hebt die
Uebereinkunft von 1884 auf. Die weiteren Artikel
ſchließen ſich im allgemeinen inhaltlich und wörtlich
der deutſch-franzöſiſchen Vereinbarung vom 8. April
1907 an, die in dieſer Zeitſchrift ſchon beſprochen
wurde (Jahrg. 1907 S. 356). Neu ſind die Vorſchriften
im Art. 3 Abſ. 2 S. 2 und im Art. 4. Der Art. 3
Abſ. 2 S.
ren, die ihre Arbeit bis zum Inkrafttreten der neuen
Uebereinkunft noch nicht vollendet hatten.
ohne weiteres verſtändliche Art. 4 beruht nach der
dem Reichstage zugegangenen Denkſchrift (Druckſache
Nr. 556 der 12. Legislaturperiode, J. Seſſion 1907
2 ſoll die Intereſſen der Ueberſetzer wah-
ASeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
—— — —U— — 4 wu¹ — — ͤ—— —————— wůmæÄ 4 nn ——
Nr. 8.
darauf, daß nach der italieniſchen Geſetzgebung die
öffentliche Aufführung eines geſchützten Bühnenwerkes
oder Werkes der Tonkunſt durch die Ortsbehörde von
Amts wegen verboten wird, wenn nicht die Ein⸗
willigung des Berechtigten zu der Aufführung bei⸗
gebracht iſt. Der Art. 4 ermöglicht es den deutſchen
Beteiligten, ſich dieſen beſonderen Schutz zu ſichern,
erklärt aber ausdrücklich, daß die Unterlaſſung der
dort bezeichneten Erklärung die den Urhebern ſonſt
gewährleifteten Rechte nicht beeinträchtigt.
Die Uebereinkunft ift am 26. März d. Js. in Kraft
getreten.
1237
Die Errichtung der Dorfteſtamente. Bei der Gr-
richtung von Teſtamenten vor dem Gemeindevorſteher
(8 2249 BGB.) kamen in den erſten Jahren nach dem
Inkrafttreten des BGB. ſehr häufig Formfehler vor,
welche die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügungen
zur Folge hatten oder doch Rechtsſtreitigkeiten über
ihre Gültigkeit hervorriefen. Die meiſten Fehler wurden
beim Abſchluſſe des Protokolls gemacht, zuweilen wurde
auch die im § 2249 Abſ. 2 Satz 1 BGB. vorgeſchrie⸗
bene Feſtſtellung der Beſorgnis eines vorzeitigen Todes
des Erblaſſers vergeſſen. Die Miniſterien der Juſtiz
und des Innern haben nun durch die Bekanntmachung
vom 7. März 1908 (JM Bl. S. 74) ein Formular ver-
öffentlicht, deſſen Anwendung den Bürgermeiſtern
empfohlen wird. Der Vordruck enthält alle formellen
Vermerke. Das Formular kann ſowohl dann ge⸗
braucht werden, wenn der Erblaſſer noch imſtande iſt
zu unterzeichnen, als auch dann, wenn er nicht mehr
ſchreiben kann. Hoffentlich unterlaſſen es die Bürger⸗
meiſter nicht, jeweils den unzutreffenden Vermerk aus⸗
zuſtreichen; eine Fußnote im Formulare macht ſie
hierauf in nicht mißzuverſtehender Weiſe aufmerkſam,
aber nach den bisherigen Erfahrungen ift einiges Mik-
trauen nicht ungerechtfertigt.
Die Faſſung des Formulars: „Er erklärte ſodann,
daß er nicht imſtande ift, das Protokoll zu unterſchreiben“,
weicht von der im $ 2242 Abſ. 2 BGB. vorgeſchrie⸗
benen Faſſung ab; nach dieſer Vorſchrift ſoll die Er⸗
klärung des Erblaſſers dahin lauten, „daß er nicht
ſchreiben könne“. Der abweichende Ausdruck ift viel-
leicht deswegen gewählt worden, weil die Faſſung
des Geſetzes bei dem Bürgermeiſter das Mißverſtänd—
nis hervorrufen könnte, als beziehe ſich die Vorſchrift
im § 2242 Abſ. 2 BGB. nur auf den Erblaſſer, der
des Schreibens unkundig iſt, nicht auch auf den Erb—
laſſer, den ſeine Schwäche am Unterzeichnen hindert.
Im 8 10 Abſ. 3 Satz 2 der Anweiſung vom
19. Dezember 1900 wird dem Bürgermeiſter empfohlen,
den des Schreibens unkundigen Erblaſſer zu veran-
laſſen, daß er ſtatt der Unterſchrift ſein Handzeichen,
z. B. drei Kreuzchen, anbringt. Das neue Formular
enthält einen dieſer Vorſchrift entſprechenden Vordruck.
Es wäre vielleicht zu erwägen, ob nicht das vom Ge—
ſetze nicht geforderte Handzeichen ganz wegzulaſſen wäre.
Gründe dafür find ſchon in den BlAdmpPr. Jahrgang
1904 S. 269 dargelegt. Es wäre noch beizufügen, daß
der ſchwerkranke Erblaſſer, der mit zitternder Hand
Striche von der Dicke eines Balkens übereinander
malt, häufig das Protokoll verklext und beſudelt. Auch
wird ein ungewandter Bürgermeiſter unter Umſtänden
in Verlegenheit geraten, wenn ſich zeigt, daß der Erb—
Der nicht;
Eigentum von J. Schweiger Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
laſſer nicht einmal mehr die Kräfte hat, um feine
„drei Kreuze“ anzubringen: denn der Laie iſt geneigt,
dem Handzeichen größere Bedeutung beizumeſſen, als
der im 8 2242 Abſ. 2 BGB. geforderten Erklärung.
1238
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
G. m. b. H., Freifing.
Ar. 9.
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
ME 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung u
Boftanftalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748).
München, den 1. Mai 1908.
4. Jahrg.
kitſchrift für Rechtapflege
in Bayern
B
Verlag von
2. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Die Uuterhaltungspflicht des § 1021 BOB.
Von Ebnarb Clarus, Senatspräſident in Augsburg.
Gehört zur Ausübung einer Grunddienſtbarkeit
eine Anlage auf dem belaſteten Grundſtücke, fo
muß dieſe von dem Berechtigten unterhalten werden.
Wird die Anlage gemeinſam von dem Berechtigten
und von dem Eigentümer des dienenden Grund:
ſtücks benützt, ſo hat jeder von beiden die Anlage
ſoweit zu unterhalten, als ſein Intereſſe es er⸗ |
fordert (Kober bei Staudinger Pem. 1 b zu
$ 1021 BGB., 3/4. Aufl.). Die Ziehung der |
Grenzen zwiſchen den beibderjeitigen Intereſſen
bereitet in der Praxis nicht ſelten erhebliche
Schwierigkeiten und kann Anlaß zu Rechtsſtreitig⸗
keiten geben.
Dieſe wenig befriedigende Rechtslage ſucht.
$ 1021 BGB. dadurch zu vermeiden, daß den
Beteiligten anheim gegeben wird, durch Verein-
barung die Unterhaltungspflicht in anderer Weiſe
zu regeln. Es kann beſtimmt werden, daß der
Eigentümer des belaſteten Grundſtücks ausſchließlich
die Unterhaltungspflicht übernimmt. Umgekehrt
kann aber auch die ganze Laſt der Unterhaltung,
— auch inſoweit die Benützung durch den Eigen—
tümer des belaſteten Grundſtücks ſie erfordert —
dem Berechtigten überbürdet werden. Liegt die
Unterhaltungspflicht dem Eigentümer des belaſteten
Grundſtücks ob, ſo macht die Eintragung im |
Grundbuche keine Schwierigkeiten. Die Verein⸗
barung wird regelmäßig gleichzeitig mit Beſtellung
der Grunddienſtbarkeit getroffen werden und als⸗
dann in die Eintragungsbewilligung mitauf—
genommen werden können. Fraglos wird durch
Verweiſung auf die Eintragungsbewilligung, die
zu den Grundbuchbeilagen genommen wird, die
dingliche Sicherung auch hinſichtlich der abweichenden
Regelung der Unterhaltungspflicht erreicht. Der |
Rang, der den Anſprüchen aus der Unterhaltungs:
pflicht zukommt, beſtimmt fid nach den Vorſchriften
des 8 879 BGB. |
I.
Anders verhält es ſich im entgegengeſetzten
Fall, welcher ausſchließlich den Gegenſtand der
nachfolgenden Erörterungen bilden ſoll, wenn der
Berechtigte die Anlage, obgleich der Eigentümer
des belaſteten Grundſtücks ſie mitbenutzt, aus⸗
ſchließlich zu unterhalten hat.
Sehr beſtritten iſt die Frage, wie es mit der
Eintragung im Grundbuche zu halten iſt. Turnau⸗
Förſter, Liegenſchaftsrecht Bem. 2 zu 81021 BGB.,
Planck Pem. 2 zu § 1021, Biermann Pem. 1 b
zu $ 1021, Güthe, GBO. Bd. II ©. 1379
Bem. 2, Oberneck, Reichsgrundbuchrecht 8 90
S. 547 ſprechen ſich dafür aus, daß die Ver⸗
pflichtung auf dem Blatte des herrſchenden Grund-
ſtücks eingetragen werden muß.
Planck ſetzt bei, daß den gutgläubigen Er⸗
werber des herrſchenden Grundſtücks die Unter⸗
haltungspflicht nur dann treffe, wenn dieſe durch
Eintragung auf dem Blatte des herrſchenden Grund—
ſtücks geſichert ſei.
Die entgegengeſetzte Anſicht wird namentlich
von Kober (Staudinger, Komm. Bem. 2 b zu
8 1021 BGB.), Fuchs, Sachenrecht Bem. 3 zu
8 1021, Kretzſchmar, Recht 1902 S. 574 und
Einführung in das Grundbuchrecht Bd. II S. 278 ff.,
im weſentlichen auch von Maenner, Sachenrecht
8 39 Anm. 11, vertreten.
Entſcheidendes Gewicht wird darauf zu legen
ſein, daß die Regelung der Unterhaltungspflicht
gemäß 8 1021 BGB. auch in dem Falle, wenn
der Berechtigte die ausſchließliche Unterhaltung:
pflicht übernimmt, durchaus nicht zu einer ſelbſt—
ſtändigen Belaſtung des herrſchenden Grundſtücks
führt, ſondern nichts weiter darſtellt, als eine
Nebenabrede zu der Grunddienſtbarkeit. Sie ſteht
und fällt mit dieſer (RGE. vom 1. Februar 1905
Bd. 60 der Entſch. S. 87; Beſchl. des BayObLG.
Samml. in Bd. 4 n. F. S. 313). Damit, daß
nach § 1021 Abſ. 2 a. a. O. auf die Unter⸗
haltungspflicht die Vorſchriften über die Reallaſten
anzuwenden ſind, iſt die Unterhaltungspflicht nicht
zu einer ſelbſtändigen Reallaſt erklärt.
Daran wird feſtzuhalten ſein, daß zu den
eintragungsfähigen Rechten im Sinne des § 873
BGB. nur ſelbſtändige Rechte, nicht aber neben:
ſächliche Verpflichtungen dinglicher Art gehören,
124 (kßðRö ZB3eitchrift für Rechtspflege in für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
die nur den Beſtandteil einer Grunddienſtbarkeit
bilden, mit welcher das herrſchende Grundſtück
nicht belaſtet iſt.
In der Tat wird nicht abzuſehen ſein, warum
die Nebenabrede über die Unterhaltungspflicht
anders geſtellt ſein ſoll, wie die übrigen Beſtim⸗
mungen über Inhalt und Ausübung der Grund⸗
dienſtbarkeit. Genügt es zur dinglichen Wirk⸗
ſamkeit bei dieſen, wenn ſie in die Eintragungs⸗
bewilligung aufgenommen werden, und auf diefe
in der Eintragung auf dem Blatte des dienenden
Grundſtücks verwieſen wird, ſo muß es auch bei
der Regelung der Unterhaltungspflicht genügen,
gleichviel, ob ſie vom Eigentümer des dienenden
Grundſtücks oder vom Eigentümer des ger genden
Grundſtücks übernommen wird.
Der Berechtigte, welcher das herrſchende Grunde
ſtück ſpaͤter erwirbt, muß die Grunddienſtbarkeit
mit dem Inhalte und den Einſchraͤnkungen über⸗
nehmen, welche ſie den getroffenen Vereinbarungen
zufolge erhalten hat. Darüber hat die Ein⸗
tragung auf dem Blatte des dienenden u
ſtücks Aufſchluß zu geben (f. ZBIFG. Bd. III
S. 133). Dort hat der Dritte nachzuſehen, wenn
er ſich über die Grunddienſtbarkeit und deren In⸗
halt unterrichten will.
Ein wenig befriedigendes Ergebnis iſt es
ſicherlich, wenn man mit Planck dem Berechtigten
das Recht zuſprechen wollte, mit Rückſicht auf
ſeinen lediglich auf das Blatt des herrſchenden
Grundſtücks ſich gründenden guten Glauben zwar
die Grunddienſtbarkeit auszuüben, die mit der
Grunddienſtbarkeit verbundene Pflicht, die Anlage
zu unterhalten, aber abzuſchütteln, obgleich die
Einſchränkung der Dienſtbarkeit hinſichtlich der
Unterhaltungspflicht auf dem Blatte des dienenden
Grundſtücks ausdrücklich vermerkt iſt. Damit iſt
die dingliche Wirkſamkeit gegenüber dem Ver⸗
pflichteten und deſſen Rechtsnachfolgern gefichert.
Zu unlöslichen Widerſprüchen würde es führen,
wenn der Berechtigte nicht auch gebunden wäre.
Die Bedenken, welche der ſelbſtändigen Ein—
tragung der Unterhaltungspflicht als Belaſtung
des herrſchenden Grundſtücks entgegenstehen, hat
Turnau-Förſter nicht verkannt, und deshalb ſich
dafür entſchieden, daß die Uebernahme der Unter:
haltungspflicht als Beiſatz des Vermerkes über die
Grunddienſtbarkeit auf dem Blatte des herrſchen-
den Grundſtücks — in Preußen demnach im Be—
ſtandsverzeichniſſe, in Bayern im Titel — einge—
tragen werde, um die dingliche Sicherung zu er—
reichen. Dieſer Ausweg iſt indeſſen nicht gang—
bar. Nicht das Beſtandsverzeichnis, beziehungs—
weiſe nicht der Titel, ſondern die zweite Abteilung
iſt dazu beſtimmt, die auf dem Grundſtücke laſten—
den dinglichen Rechte zu verzeichnen.
Insbeſondere wird aber darauf zu verweiſen
fein, daß nach 88 GBO. die dem jeweiligen
Eigentümer eines Grundſtücks zuſtehenden Rechte,
|
|
— — — — — rn - — —
zu welchen die Grunddienſtbarkeiten zählen — ab⸗
geſehen von dem Falle des 8 876 BGB., der hier
unerörtert bleiben kann — nur in dem Falle auf
dem Blatte des herrſchenden Grundſtücks einge⸗
tragen werden können, wenn der Eigentümer des
herrſchenden Grundſtücks die Eintragung beantragt.
Beantragt er die Eintragung nicht, ſo fehlt der
Vermerk über die Grunddienſtbarkeit im Beſtands⸗
verzeichniſſe bzw. im Titel. Mangels eines Ver⸗
merks kann aber dieſem auch nichts beigefügt
werden. Die von Turnau⸗Förſter vertretene An⸗
ſicht führt daher zu dem ſicher nicht annehmbaren
Ergebniſfe, daß es vom Belieben des Eigentümers
des herrſchenden Grundſtücks abhängen würde, ob
die Uebernahme der Unterhaltungspflicht gegenüber
gutgläubigen Dritten dingliche Wirkſamkeit erhält
oder nicht.
Maenner a. a. O. läßt die Eintragung auf dem
Blatte des herrſchenden Grundſtücks dann zu, wenn
eine ſelbſtaͤndige Reallaſt zugunſten des dienenden
Grundſtücks begründet wird. An ſich iſt es wohl
denkbar, daß vollſtändig unabhängig von einer
Grunddienſtbarkeit eine Reallaſt des Inhalts ver⸗
einbart wird, daß die wiederkehrende Leiſtung des
8 1105 BGB. in der Unterhaltung einer Anlage
auf einem fremden Grundſtücke beſteht.
Nicht zu überſehen ift jedoch, daß § 1021
Abſ. 2 a. a. O. vorausſetzt, daß die Unterhaltungs⸗
pflicht nicht ſelbſtändig geſtellt iſt, ſondern als
Beſtandteil mit einer Grunddienſtbarkeit verbunden
wird. Nur unter dieſer Vorausſetzung werden in
Art. 116 EG. z. BGB. die vorbehaltenen landes⸗
geſetzlichen Vorſchriften des Art. 115 über die
Reallaſten ausgeſchloſſen. Die nach Maenner ſelbſt⸗
ſtändig begründete Reallaſt unterliegt den landes⸗
geſetzlichen Vorſchriften. (Vgl. über dieſe die Zu⸗
ſammenſtellung bei Oberneck, Reichsgrundbuchrecht
Bd. J S. 606 ff.).
Landesgeſetzlich iſt daher faſt überall die Er⸗
richtung einer ſelbſtändigen Reallaſt des hier frag⸗
lichen Inhalts unſtatthaft. (Beſchl. des Kammerger.
vom D Mai 1903, A d. OLG. Bd. 8
S. 125
II.
Kretzſchmar (Einführung in F Grundbuch—
recht, Bd. II S. 281) zieht aus dem Umſtande,
daß die den Eigentümer des herrſchenden Grund—
ſtücks treffende Unterhaltungspflicht nicht als Be:
laſtung auf dem Blatte des herrſchenden Grund—
ſtücks einzutragen iſt, die Schlußfolgerung, daß
der Eigentümer des dienenden Grundſtücks wegen
eines Anſpruchs aus der Verpflichtung die Zwangs—
vollſtreckung in das herrſchende Grundſtück nur als
perſönlicher Gläubiger des Eigentümers betreiben
könne.
Dieſer Anſicht wird nicht beigepflichtet werden
können. Die Berufung auf das frühere Recht iſt
keinesfalls von Belang, und kann nicht darüber
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9. 175
hinwegführen, daß nach geſetzlicher Vorſchrift (H 1021 dienſtbarkeit aufgibt. Auch wenn daher wegen
a. a. O. Abſ. 2) die Vorſchriften des BGB. über rückſtändiger Leiſtungen aus dem Unterhaltungs⸗
die Reallaſten entſprechende Anwendung finden. anſpruche die dingliche Haftung des herrſchenden
Mag fein, daß $ 1105 BGB. bei der analogen | Grundſtücks im Wege der Zwangsverſteigerung
Anwendung ausſcheidet. Analog anzuwenden ſind
aber zweifellos $ 1107 und 1108 und damit |
die für die Zinſen einer Hypothekforderung gelten: |
den Vorſchriften des BGB.
Nun beſtimmt zwar 8 1115 a. a. O., daß die
dingliche Haſtung für rechtsgeſchäftliche Zinſen nur
dann begründet iſt, wenn der Zinsſatz eingetragen
iſt. Auf Reallaſten — wie die Unterhaltungs⸗
pflicht — mit unregelmäßig wiederkehrenden, der
Höhe nach im voraus nicht feſtzulegenden Leiſtungen
kann indeſſen dieſe Vorſchrift nicht angewendet
werden, da der jährliche Satz nicht beſtimmt
werden kann.
Daß bei Reallaſten, auch wenn aus dem eben
angegebenen Grund die Höhe der jährlichen
Leiſtungen im Grundbuche nicht eingetragen werden
kann, die dingliche Haftung für die einzelnen
wiederkehrenden Leiſtungen nicht ausgeſchloſſen ift,
dürfte mit Sicherheit aus 8 1108 BGB. zu
ſchließen ſein, woſelbſt beſtimmt wird, daß der
Eigentümer für die während der Dauer ſeines
Eigentums fällig werdenden Leiſtungen auch per—
ſönlich haſtet.
Ueber das Rangverhältnis zwiſchen den im
Grundbuche eingetragenen Rechten zu den nicht
eingetragenen enthält das BGB. abgeſehen
von der Ueberbau⸗ und der Notwegrente keine
Vorſchriften. Kober (Anm. 6 zu $ 879 bei
Staudinger, Kommentar) läßt die Zeit der Ent—
ſtehung über den Rang der nicht eingetragenen
Rechte unter ſich entſcheiden, ſtellt aber die nicht
eingetragenen Rechte im Range den eingetragenen
nach. Oberneck Bd. I S. 277 und ebenſo auch
Planck Pem. 6 zu $ 879 und Fuchs Bem. 7 a
zu 8 879 ſchreiben der Zeit der Entſtehung maß—
gebende Bedeutung zu ſowohl im Verhältniſſe
geltend gemacht wird, kann keinesfalls $ 44 des
BBO. auf den Unterhaltungsanſpruch angewendet
werden. Der Unterhaltungsanſpruch bleibt in
ſeinem Beſtande von der Zwangsvollſtreckung un⸗
berührt.
Es ergibt ſich dies als notwendige Folge
daraus, daß das Hauptrecht, aus welchem die
Anſprüche des Eigentümers des belaſteten Grund—
ſtücks auf Leiſtungen zur Unterhaltung der Anlage
entſpringen, in der nicht auf dem herrſchenden,
ſondern auf dem dienenden Grundftüde laſtenden
Grunddienſtbarkeit zu erblicken iſt. Daß dieſe
nicht durch die Zwangsverſteigerung untergeht,
ſondern in der Geſtaltung, welche ihr die Be:
teiligten gegeben haben, auf den Erwerber des
herrſchenden Grundſtücks unverändert übergeht,
wird ſich nicht beſtreiten laſſen.
Nicht anders verhält es ſich aber auch mit
den rückſtändigen Leiſtungen, ſelbſt wenn ſie die
Unterlage des Schuldtitels bilden, welcher zur
Zwangsverſteigerung geführt hat. Die Pflicht der
Unterhaltung bringt es mit ſich, daß die Anlage
fortwährend im gebrauchsfähigen Zuſtande gehalten
werden muß. Die Pflicht zur Ausbeſſerung dauert
daher fort, bis ſie erfüllt iſt, der Erwerber des
herrſchenden Grundſtücks kann ſich demnach der mit
der erworbenen Grunddienſtbarkeit verbundenen
Pflicht, die Anlage wieder herzuſtellen, nicht um
deswillen entſchlagen, weil fte ſchon bei Erwerbung
der Grunddienſtbarkeit ſich in ſchadhaftem Zuſtande
befunden hat, die Ausbeſſerung eine ſchon früher
fällige Leiſtung bildet (Kober a. a. O. Bem. 2a
zu $ 1021 und Bem. 3a zu $ 1020 BGB.).
Die Folge iſt, daß die Koſten, welche die Wieder:
herſtellung der Anlage verurſacht, vom Erwerber
des herrſchenden Grundſtücks getragen werden
müſſen, wenn ſie nicht durch das Meiſtgebot
unter fih als auch im Verhältniſſe zu den ein:
getragenen Rechten. Jeder Steigerer muß daher nicht nur den
Weder der eine noch der andere dieſer Grund- Unterhaltungsanſpruch und die aus dieſem künftig
ſätze wird für die Beſtimmung des Ranges des hervorgehenden Leiſtungen, ſondern auch die rück—
Unterhaltungsanſpruchs angewendet werden können. ſtändigen Leiſtungen in Anſchlag bringen. Je nach
Bei Entſcheidung der Frage, welcher Rang dem Unter— | dem Wertanſchlage wird das Meiſtgebot entſprechend
haltungsanſpruche gegenüber anderen eingetragenen niedriger geſtellt werden.
oder nicht eingetragenen Rechten zukommt, wird Angeſichts dieſer Rechtslage wird dem Unter—
gedeckt worden ſind.
davon auszugehen ſein, daß es ſich nicht um eine
ſelbſtändige Belaſtung, ſondern um einen Beſtand⸗
teil einer Grunddienſtbarkeit handelt, die zugunſten
des herrſchenden Grundſtücks errichtet iſt. Die
Unterhaltungspflicht bleibt ſolange beſtehen, als
haltungsanſpruch einſchließlich der rückſtändigen
Leiſtungen der Vorrang vor ſämtlichen eingetragenen
und nicht eingetragenen dinglichen Rechten ein—
geräumt werden müſſen. Eine Ausnahme bilden
nur die Ueberbaurente und die Notwegrente gemäß
die Grunddienſtbarkeit beſteht. Sie erliſcht erſt, § 914 Abſ. 1 und § 917 Abſ. 2 BGB.
wenn dieſe aufgehoben wird. |
Der Verpflichtete kann ſich ohne Zuſtimmung
der Gegenpartei einſeitig dem Unterhaltungs-
anſpruche nur dadurch entziehen, daß er die Grund⸗
176
Das Geſetz betr. die Beitrafung der Najeſtäts⸗
beleidigung vom 17. Februar 19038.
i
Von Landgerichtsrat Lieberich in München.
(Schluß.)
3. Die Abſicht der Ehrverletzung. Da
in der Ehrverletzung das Weſen der Beleidigung
beſteht, iſt die Abſicht der Ehrverletzung identiſch
mit der Abſicht der Beleidigung. Daß dieſe Ab—
ſicht aber in dem Begriffe der Böswilligkeit ſchon
eingeſchloſſen iſt, ergibt ſich aus dem oben Geſagten
und dies wurde auch in der Reichstagskommiſſion
ſchließlich anerkannt. Es wurde jedoch an dem
Tatbeſtandsmerkmal der ehrverletzenden Abſicht
deshalb feſtgehalten, um die bloße Ehrfurchts⸗
oder Achtungsverletzung aus dem Begriffe der
Majeſtätsbeleidigung auszuſcheiden. “') Abgeſehen
davon, daß dieſer Zuſatz aber lediglich den fub-
jektiven Tatbeſtand betrifft, ift hierdurch eine Cin-
ſchränkung des Beleidigungsbegriffs gar nicht
herbeigeführt worden, da, wie oben erwähnt,
bloße Ehrfurchts- oder Achtungsverletzungen
ſchon nach dem bisherigen Rechte nicht als Maje⸗
ſtäts beleidigungen anerkannt wurden. Das neue
l
|
|
|
|
ſubjektive Moment der Abſicht der Ehrverletzung
ift aber ſchon in dem Merkmal der Böswilligkeit
enthalten. Immerhin mag die Hinzufügung des
Momentes der ehrverletzenden Abſicht in Ber:
bindung mit dem ausgeſprochenen Zwecke dieſes
Zuſatzes als Sicherung gegen eine etwaige künftige
Ausdehnung des Beleidigungsbegriffs dienlich fein.
Neben diefen Einſchränkungen des ſubjektiven
Tatbeſtands der Majeſtätsbeleidigung hat das Ge—
ſetz vom 17. Februar 1908 durch Zulaſſung
mildernder Umſtände in den Fällen der ŞŞ 95,
97 und 99 und Herabſetzung der Mindeſtſtrafe |
auf eine Woche bei deren Vorliegen (ſtatt bisher
zwei bzw. ein Monat) und durch Aufhebung der |
bisher nach § 95 Abſ. 2 beſtandenen Befugnis
des Gerichts, auf Verluſt der aus öffentlichen |
Wahlen hervorgegangenen Rechte zu erkennen, auch
die Beſtrafung der eigentlichen Majeſtätsbeleidigung
erheblich gemildert. Die in der Kommiſſion ges ı
ſtellten Anträge, bis auf die geſetzliche Mindeſt—
ſtrafe für Vergehen herabzugehen und auch die
Befugnis zur Aberkennung öffentlicher Aemter ge—
mäß § 95 Abſ. 2 aufzuheben, wurden jedoch ab—
gelehnt. Seitens des Staatsſekretärs des Reichs—
juſtizamts war entſchiedene Verwahrung dagegen
eingelegt worden, daß formell die Möglichkeit
ſtatuiert werde, wegen einer böswilligen Schmähung
des Staatsoberhauptes auf die geringſte bei Ver—
gehen überhaupt zuläſſige Strafe zu erkennen, und
betont worden, daß ein Beamter, der die Majeſtät
ſeines Landesherrn in ſchwerſter Art beleidigt habe,
19) KommBer. ©. 4, 8, 21. StenBer. zur 2. Be»
ratung im Reichstag S. 2603.
doch nicht verlangen könne, gegen die Entziehung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
— — — M
ſeiner u fein de durch ſtrafgerichtliches Urteil ge⸗
ſichert zu ſein.
Die Verſolgung der eigentlichen Majeſtäts⸗
beleidigung hat nach Wegfall der Genehmigungs:
vorſchriften, wie bisher, ohne weiteres von Amts
wegen ſtattzufinden; doch iſt das Ermächtigungs⸗
erfordernis in den Fällen der 88 99 und 101
unberührt geblieben.
Die Verjährung der eigentlichen Majeſtäts⸗
beleidigung tritt nunmehr nach Abſ. 4 des Ge⸗
ſetzes in 6 Monaten, ſtatt wie bisher regelmäßig
in 5 Jahren, ein. Dieſe kurze, bisher nur für
Preßvergehen geltende Verjährung ſoll nach der
Begründung des Entwurfs weſentlich die Auf:
greifung vor langer Zeit begangener Majeſtäts⸗
beleidigungen durch böswillige Denunziation ver⸗
hindern und eine gleichheitliche Verjährung der
durch die Preſſe und der anderweitig begangenen
Majeſtätsbeleidigungen begründen.
b) Die Beleidigung nach gemeinem Recht.
Die durch Abſ. 5 des Geſetzes vom 17. Februar
1908 ausgeſprochene Anwendbarkeit der Vorſchriften
des 14. Abſchnitts des StGB., d. h. der für die
gewöhnliche Beleidigung geltenden Vorſchriften, auf
die Majeſtätsbeleidigung, falls die Strafbarkeit
nach Abſ. 2 ausgeſchloſſen ſein ſollte, begegnete
in der Reichstagskommiſſion und bei den Ber:
handlungen im Reichstag ſelbſt lebhaften Bedenken.
Man hielt dieſe Vorſchrift für unverträglich mit
der Stellung der beleidigten fürſtlichen Perſonen,
da bei Anwendbarkeit der gewöhnlichen Beleidigungs—
vorſchriften auch für die Majeſtätsbeleidigung ſämt—
liche materiellrechtlichen und prozeſſualen Grund—
ſätze der Privatbeleidigung (Wahrheitsbeweis, Straf:
antrag uſw.) gelten müßten.“) Der Staatsſekretär
des Reichsjuſtizamts erklärte jedoch, daß die ver:
bündeten Regierungen die Beſorgnis, daß dieſe
Regelung mit der Würde der fürſtlichen Perſonen
nicht vereinbar ſei, nicht teilten, um ſo mehr, als
ſchon nach dem bisherigen Recht der beſondere
Schutz der Maojeſtätsbeleidigungsparagraphen im
weſentlichen nur innerhalb der Landesgrenzen be—
ſtanden habe, bei Beleidigungen außerhalb dieſer
Grenzen aber ſchon bisher Abſchnitt 14 des StGB.
anwendbar geweſen ſei. Keinesfalls dürfe den
fürſtlichen Perſonen gegen die Verbreitung ehren—
rühriger Behauptungen, wenn dieſe nur nicht bös—
willig und mit Vorbedacht erfolgt ſei, der jedem
Privatmann zuſtehende Rechtsſchutzverſagt werden.“!)
Gemäß Abſ. 5 des Geſetzes finden nunmehr
die Vorſchriften des 14. Abſchnittes Anwendung,
20) Siehe des Näheren KommBer. S. 14 — 15, 19—20,
22; die Verhandlungen der Kommiſſion ergeben auch,
daß der Abſ. 3 des Geſetzes den bisherigen — formell
nicht aufgehobenen — § 95 Abi. 2 SiGB. erſetzen fol.
21) KommBBer. S. 4. Sten Ber. der 1. Beratung im
Reichstag S. 1730, 1734, 1736, 1746.
21) Komm Ber. S. 6. StenBer. der 1. Beratung
im Reichstag S. 1744.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
wenn die Strafbarkeit nach Abſ. 2 ausgeſchloſſen
iſt. d. h. die dort aufgeſtellten Erforderniſſe der
Abſicht der Ehrverletzung, der Böswilligkeit und
der Ueberlegung nicht gegeben find. Die Straf: |
barkeit nach Abſchnitt 14 tritt alſo nur ein, wenn
die Strafbarkeit nach Abſ. 2 entfällt, ſie 5
aber nicht etwa auch in den Fällen des Abſ. 2
neben der Strafbarkeit nach 88 95, 97, 99,
101 StGB. Dieſes ſchon aus dem Wortlaut
des Geſetzes abzuleitende Ergebnis deckt ſich auch
mit der bisher für das Verhältnis der Majeſtäts⸗
auch zu § 186, 187 StGB. vertretenen Anſicht,
daß nämlich der Tatbeſtand der Majeſtätsbeleidi⸗
gung den der 88 185—187 StGB. ausſchließe
und rechtliches Zuſammentreffen zwiſchen den
$S 95, 97, 99, 101 und den 88 185—187 StGB.
nicht angenommen werden könne.?) Die Vergehen
des Abſ. 2 und des Abſ. 5 ſtehen daher völlig
ſelbſtändig und ſich gegenſeitig ausſchließend neben⸗
einander.
Sind nun gemäß Abſ. 5 die Vorſchriften des
14. Abſchnittes des StGB. anwendbar, fo müſſen
im Einklang mit der widerſpruchslos bei den Ver⸗
handlungen zutage getretenen Auffaſſung auch
ſämtliche materiellrechtlichen und prozeſſualen Vor⸗
ſchriften für die Privatbeleidigung Anwendung
finden. Insbeſondere iſt in dieſen Fällen der
Wahrheitsbeweis und die Berufung auf 8 193
StGB. wie bei der Privatbeleidigung zulaͤſſig,
die Strafverfolgung ift durch form- und friſtgerecht
zu ſtellenden Strafantrag bedingt, die Straffrei⸗
erklärung nach 8 199 StGB. ift zuläſſig?“), und
die ſtrafprozeſſualen Vorſchriften über die
Privatklage und Widerklage finden Anwendung,
letztere Vorſchriften jedoch nur inſoweit, als
nicht beſondere Vorſchriften der Hausver⸗
faſſungen oder der Landesgeſetze abweichende
Beſtimmungen enthalten ($ 5 EG. z. GBG.,
54 EG. 3- StPO.). “) Da jedoch ſelbſtver⸗
9 Siebe Olshauſen Note 8 b zu § 95 StGB.
Olshauſen ſelbſt hält allerdings Idealkonkurrenz zwiſchen
$ 95 und 88 186, 187 für möglich.
24) Die dem Kaiſer. den Bundesfürſten und den
Regenten nach ſtaatsrechtlichen Grundſitzen zukommende
Unverantwortlichkeit bildet nur einen perſönlichen Straf:
ausſchließungsgrund, der die Straffreierklärung nicht
ausſchließt, f. Olshauſen Note 19 b zu § 3 StGB.,
Note 3 zu 8 199 a. E., bayr. ObL G. Bd. 2 S. 317.
In den Fällen der 88 95, 97, 99, 191 ift Rompen-
ſation grundſätzlich ausgeſchloſſen (f. Olshauſen Note 7
zu 89%. Kronecker im Ger. Saal Bd. 41 S. 202). Auch
für die Fälle des Abſ. 5 des Geſ. v. 17. Februar 1908
bleiben Zweifel, ob man der Unverantwortlichkeit der
Souveräne nicht die gleiche Tragweite, wie der der Ab—
geordneten nach $ 11 StGB. beimeſſen und demgemäß
eine Aufrechnung ihnen gegenüber ſchlechtweg für un—
zuläſſig a muß (f. Olshauſen Note 5 zu §11 StG.
RG St. Bd. 4 S. 14.).
*) Für Bayern j. Verf. Tit. IIS 1 Abſ. 2, Titel X
des Kgl. Familienſtatuts v. 5. Auguſt 1819, ferner
Löwe Note 2 zu 8 4 EG. z. StPO., Note 3 zu 8 5
EG. z. GVG
|
177
ſtändlich auch im Falle des Abſ. 5 die Verfolgung
von Amts wegen ſtattfinden wird und in dieſem
Falle eine Widerklage überhaupt unzuläſſig iſt“),
ſo haben die letzterwähnten prozeſſualen Folge⸗
rungen kaum eine praktiſche Bedeutung.
Nach Abſ. 4 des Geſetzes verjähren Majeſtäts⸗
beleidigungen in 6 Monaten. Dieſe Vorſchrift
iſt jedoch ſchon ihrer Stellung im Geſetze
nach auf die Fälle des Abſ. 5 nicht anwendbar.
Auf dieſe Fälle trifft auch mit Rückſicht auf das
ie í hier durchweg beſtehende Antragserfordernis der
beleidigung zu $ 185 StGB. und überwiegend
Hauptgrund der Vorſchrift des Abſ. 4, Denunzia⸗
tionen entgegegenzutreten, nicht zu. Es bleibt
ſonach, ſoweit nicht Preßvergehen in Frage ſtehen,
für die Fälle des Abſ. 5 bei der gewöhnlichen
5 jährigen Verjährung. Dagegen dürfte die in
der 1. Beratung im Reichstage geäußerte An⸗
ſicht nicht zu billigen ſein, daß, auch wenn die
Verjährungsfriſt von ſechs Monaten für die büs-
willig und mit Vorbedacht ausgeführten Vergehen
abgelaufen iſt, hinterher noch auf Grund des Abi. 5
ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. 2)
Denn, wie oben ausgeführt, bilden die Fälle des
Abſ. 2 durchaus ſelbſtändige Tatbeſtände, die nur
nach Abſ. 2 verfolgt werden können und daher
mit Eintritt der Verjährung des Abſ. 4 der Ver⸗
folgung überhaupt entzogen find.
c) Verhältnis des neuen zu dem bis—
herigen Recht.
Das Geſetz vom 17. Februar 1908 um:
faßt alle von den bisherigen §$ 95, 97, 99,
101 StGB. betroffenen Fälle, beſchränkt ſich
aber auch auf dieſe Fälle.“) Hierbei wird, um
die Anwendbarkeit der 88 95, 97, 99, 101 zu er⸗
halten, das Vorliegen weiterer, bisher nicht not⸗
wendiger Tatbeſtandsmerkmale gefordert und auch
bei Vorliegen dieſer Merkmale die Strafandrohung
gemildert und die Verjährung verkürzt. Bezüg⸗
lich der übrigen, nur mehr den allgemeinen Be⸗
leidigungsvorſchriften unterſtellten Fälle aber wird,
abgeſehen von der jetzt vielfach zuläſſigen Führung
des Wahrheitsbeweiſes und der Berufung auf 88 193
und 199 StGB., allgemein das Antragserfordernis
eingeführt, ferner werden die bisherigen Mindeſt⸗
ſtrafen durch die niedrigeren Mindeſtſtrafen der
53 185—187 StGB. erſetzt; das neue Recht ift
daher zweifellos in allen Fällen das dem Täter
günjtigere,?°) fo daß nach $ 2 Abſ. 2 StGB. auch
2 Löwe Note 9 15 8 428 StPO.
26) Sten Ber. S. 1
17) Das in der 1. F geltend gez
machte Bedenken, ob die unter Abſ. 5 fallenden Reate
aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts
wegen $ 2 Abſ. 1 StGB. überhaupt auf Grund des
Abſ. 5 des Geſ. vom 17. Februar 1908 abgeurteilt
werden könnten (Sten Ber. S. 1737), ift daher zweifel-
los nicht begründet.
*) Ueber die maßgebenden Grundſätze f. des näheren
Olshauſen Note 17—24 zu § 2 StGB., insbeſondere
178
die vor feinem Inkrafttreten begangenen Maje⸗
ſtätsbeleidigungen ausnahmslos nach dem neuen
Rechte zu beurteilen ſein werden. Insbeſondere
kommen auch bei den unter dem früheren
Rechte begangenen Majeſtätsbeleidigungen das
Antragserfordernis und die kurze Verjährung
des neuen Rechts zur Anwendung, dagegen iſt auch
bezüglich der vor dem neuen Rechte liegenden Fälle
Runter den Vorausſetzungen des § 200 StGB. auf
die nunmehr neben der milderen Hauptſtrafe zu⸗
läſſige Publikationsbefugnis zu erkennen.
IV. Als Ergebnis des neuen Majeſtäts⸗
beleidigungsrechtes darf man nach den vorſtehenden
Betrachtungen wohl erwarten, daß nunmehr weſent⸗
lich nur noch wohlberechnete Herabwürdigungen
der Majeſtät, bewußt gegen die Stellung des Staats⸗
oberhauptes als ſolches gerichtete Angriffe”) die
verſchärfte, aber keineswegs mehr unverhältnismäßige
Strafe der eigentlichen Majeſtätsbeleidigung finden
werden, daß die Anwendung des Abſ. 5 fih praktiſch
auf Fälle ehrenrühriger Nachreden ſchwerwiegender
Art beſchränken, und daß dem Mißbrauch des
Geſetzes zu niedrigen Denunziationen eine wirkſame
Schranke geſetzt ſein wird — ein Ergebnis, das
bei unbefangener Würdigung der Bedürfniſſe der
Staatsordnung und der Gebote der Billigkeit durch⸗
aus wird begrüßt werden können.
Mitteilungen ans der Praxis.
Zuziehung von Anwälten zu den durch die Min Bek.
vom 11. Juli 1900 angeordneten Beſprechunngen. In
82 Abſ. VI der Bekanntmachung des Kal. bayer.
Staatsminiſteriums der Juſtiz vom 11. Juli 1900
(JM Bl. S. 999) ift angeordnet, daß die Gerichts—
vorſtände behufs gleichmäßiger Behandlung gleich—
artiger Dienſtgeſchäfte, deren Beſorgung in verſchie—
denen Händen liegt, gemeinſame Beſprechungen unter
den Beteiligten zu veranſtalten haben. Dieſe Bes
ſprechungen ſind namentlich bei größeren Gerichten
ſehr wünſchenswert und ſie führen nicht bloß zu der
notwendigen Gleichmäßigkeit in der formellen Ge—
ſchäftsbehandlung, ſondern find auch geeignet, in
gleich gelagerten Fällen auf eine gleichmäßige ſach—
bezüglich der Belangloſigkeit der Nebenſtrafen (8 200
StGB.) bei der Vergleichung des alten und des neuen
Rechts.
2) Da als ſolche beſonders Kundgebungen in der
Preſſe in Betracht kommen, ſei darauf hingewieſen, daß
im Falle des 820 Abſ. 2 Pre. zwar vorſätzliches
Handeln des Redakteurs vermutet wird (ſ. Stenglein,
Strafrechtl. Nebengeſetze zu § 20 PreßG. S. 621 Abi. 2);
dieſe Vermutung umfaßt jedoch nicht ohne weiteres die
Momente der ehrverletenden Abſicht, der Böswilligkeit
und der Ueberlegung, ſoweit dieſe nicht bei Unterſtellung
einer vorſätzlichen Kundgebung aus dieſer ent—
nommen werden müſſen (vgl. RGSt. Bd. 26 S. 18,
Bd. 39 S. 87, S. 313.)
Zeitſchrift für Rechtspflege
— m mm —ꝑU.·ĩ Uĩͤ QQEmdienᷣ a e e kl j: kü! 1„%kk⸗ͤ⸗ö“ kr ͤ— — — — — — — — — —
in Bayern. 1908. Nr. 9.
liche Behandlung binzuwirken, ohne daß hierdurch der
richterlichen Ueberzeugung irgendwie ein Zwang am
getan wird. Es ſiegen eben einfach die beſſeren
Gründe! Der durchaus richtige Gedanke, der in dieſer
Anordnung der Juſtizverwaltung liegt, dürfte viel⸗
leicht noch einer weiteren praktiſchen Ausgeſtaltung
fähig ſein. Das Beſtreben, durch die angeordneten
Beſprechungen eine gleichmäßige Behandlung gleich
gelagerter Sachen herbeizuführen, wäre vielleicht noch
erfolgreicher, wenn hierzu in geeigneten Fällen Ver⸗
treter der am Gerichte zugelaſſenen Rechtsanwälte
eingeladen würden. Es würde das namentlich auch
zur Verminderung der Arbeit der Richter dadurch
führen können, daß gewiſſe Anträge nicht mehr ge⸗
ſtellt würden. Ich verweiſe z. B. auf die von einzelnen
Anwälten immer wieder geſtellten Anträge auf An⸗
ordnung der Sicherheitshinausgabe trotz vorliegenden
Einverſtändniſſes des Gegners (vgl. Hinterleg O. 8s 27,
49; ſ. dieſe Zeitſchrift Jahrg. 1 S. 14). Ferner
auf die immer wiederkehrenden, gleichzeitig mit
den einſchlägigen Klagen an das „Prozeßgericht'
geſtellten Anträge auf Einſtellung der Zwangsvoll⸗
ſtreckung und Aufhebung der bereits angeordneten
Vollſtreckungsmaßregeln nach SS 769 I, 771 III, 805 IV
ZPO. Obwohl die angegangenen Gerichte noch nicht
Prozeßgerichte ſind, ſondern das erſt mit Zuſtellung
der Klage werden, helfen ſie doch in der Regel dieſen
Anträgen ab, um ſachliche Schädigungen der Parteien
zu vermeiden. Die Abhilfe erfolgt auf Grund der
RGE. Bd. X S. 315, XXXIII S. 391 in der Regel
dadurch, daß der Vollzug der getroffenen einſt⸗
weiligen Anordnung von dem Nachweiſe der er:
folgten Zuſtellung der bei dem Gerichte zur Termins⸗
beſtimmung eingereichten Klage abhängig gemacht
wird. Nur vereinzelt geht die Praxis noch einen
Schritt weiter und erläßt die einſtweilige Anordnung
befriſtet in der Weiſe, daß ſie von ſelbſt außer Kraft
tritt, wenn nicht bis zu dem in der Anordnung be⸗
ſtimmten Zeitpunkte dem Vollſtreckungsorgan die Zu⸗
ſtellung der betreffenden Klage nachgewieſen wird. Nur
auf letzterem Wege wird aber das, was erreicht werden
ſoll, nämlich die Hintanhaltung einer unter Umſtänden
erheblichen Vermögensſchädigung für beide Parteien,
auch wirklich mit Sicherheit und in meines Erachtens
prozeſſual ebenfalls zuläſſiger Weiſe erreicht. Durch
Zuſtellung der Klage iſt dafür geſorgt, daß die Sache
ihren Fortgang nehmen muß und der Gegner event.
die Aufhebung der einſtweiligen Anordnung erwirken
kann. Macht man den Vollzug der Anordnung von dem
Nachweis der Klagszuſtellung abhängig, ſo kann leicht
die Vollſtreckung ihren Fortgang nehmen, weil der
Nachweis der Klagszuſtellung nicht mehr rechtzeitig
erbracht werden kann. Am ſicherſten und zweck⸗
mäßigſten wird alſo, wenn an einem Gerichte in
dieſer Beziehung keine einheitliche Praxis herrſcht,
zunächſt das Vollſtreckungsgericht angegangen.
Eine einheitliche Gerichtspraxis und einheitliches
Vorgehen der Anwälte in dieſen und ähnlichen Fällen
könnte aber dadurch erzielt werden, daß zu den ans
geordneten Beſprechungen der Gerichtsmitglieder in
geeigneten Fällen auch Anwälte beigezogen würden.
Im Benehmen mit den Vorſtänden der Anwalts—
kammern ließe ſich eine derartige Einrichtung zweiſellos
ſo ausgeſtalten, daß ſie eine wirkſame Förderung der
Rechtspflege bedeuten würde. Dadurch, daß die Ge—
richtsvorſtände zu Berichten über die gemachten Er—
fahrungen angewieſen würden, wäre die Juſtizver⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
waltung in der Lage, die geſammelten Erfahrungen
den einzelnen Gerichten wieder zukommen zu laſſen
und weitere Richtungslinien für die praktiſche Aus⸗
geſtaltung der Einrichtung zu geben.
Landgerichtsrat Vogl in Nürnberg.
Zu 3 57 Z3w BG. und 8 565 BGY. In 8 57
Zw. ilt beſtimmt, daß die Vorſchriften der 88 571,
572, des § 573 Satz 1 und der Ss 574, 575 BGB.
entſprechende Anwendung finden, wenn das Grund-
ſtück einem Mieter oder Pächter überlaſſen iſt. Der
Erſteher iſt jedoch berechtigt, das Miet⸗ oder Pacht⸗
verhältnis unter Einhaltung der geſetzlichen Friſt zu
kündigen. Die Kündigung iſt ausgeſchloſſen, wenn ſie
nicht für den erſten Termin erfolgt, für den ſie zu⸗
läſſig iſt. Hierzu iſt bei Arnold „Die Wohnungs⸗
miete nach dem BGB.“ S. 118 Anm. 3 folgendes
Beiſpiel angeführt: „Die Zwangsverſteigerung findet
am 1. Mai 1900 ſtatt. Der Erſteher kann, wenn der
Mietzins nach einem längeren Zeitabſchnitt als nach
Monaten bemeſſen iſt, vom 2. bis 4. Juli — 1. Juli
iſt Sonntag — für den 30. September 1900 kündigen.
Iſt der Mietzins nach Monaten oder kürzeren Zeit:
abſchnitten bemeſſen, fo tritt die kürzere Kündigungs-
friſt des § 565 ein. Xft ausnahmsweiſe die Kündi⸗
gungsfriſt trotz vierteljährlicher Zahlung vertragsmäßig
kürzer als die geſetzliche, ſo kann der Erſteher auch
die kürzere vertragsmäßige Friſt benützen, um die
Miete zu löſen.
dem vertragsmäßigen Kündigungsrecht auf ihn über⸗
gegangen.“ Danach könnte alſo in dem angeführten
Beiſpiel, wenn der Mietzins nach Monaten bemeſſen
aber vierteljährliche nur am 1. jeden Kalenderviertel⸗
jahres zuläſſige Kündigung vereinbart iſt lein Fall,
welcher ſehr häufig vorkommt), der Erſteher bis
15. Mai für den 31. Mai kündigen.“) Dies iſt jedoch
nicht richtig. Der Erſteher kann auch hier nur vom
2. bis 4. Juli auf den 30. September kündigen. Es
ergibt fih das aus Abſ. 4 des § 565 BGB., welcher
beſtimmt: Die Vorſchriften des Abi. 1 Satz 1, Mbi. 2
gelten auch für die Fälle, in denen das Mietverhältnis
unter Einhaltung der geſetzlichen Friſt vorzeitig ge—
kündigt werden kann. Abſ. 1 Satz 1 des 8 565 lautet
aber: Bei Grundſtücken iſt die Kündigung nur für
den Schluß eines Kalendervierteljahres zuläſſig; ſie
bat ſpäteſtens am dritten Werktage des Vierteljahres
zu erfolgen. In den weiteren Sätzen des 8 565
finden ſich ſodann die Vorſchriften über die kürzeren
Kündigungsfriſten, wenn der Mietzins nach Monaten
oder Wochen bemeſſen ift. Abſ. 2 enthält die Kündi⸗
gungsfriſt bei beweglichen Sachen. Abſ. 3 beſtimmt
die Kündigungsfriſt für Grundſtücke und bewegliche
Sachen, wenn der Mietzins nach Tagen bemeſſen iſt.
Daraus, daß in Abi. 4 für die Fälle der vorzeitigen
Kündigung unter Einhaltung der geſetzlichen Friſt
nur die Vorſchriften des Abſ. 1 Satz 1 und des Abſ. 2
angeführt ſind, muß gefolgert werden, daß hier unter
geſetzlicher Friſt bei Grundſtücken nur die in Abſ. 1
Satz 1 enthaltene vierteljährige, bei beweglichen Sachen
) Anmerkung des Einſenders: Tatſächlich
wird dieſe Meinung auch jetzt noch vielfach unter Be—
rufung auf das angeführte Beiſpiel bei Arnold ver—
treten, was den Anlaß zu dieſer Mitteilung gab.
!
Denn der Mietvertrag ift auch mit `
|
|
|
als ſeinen Namen als Verkäufer herzugeben und die
|
mit verſchiedenen Begründungen.
179
nur die in Abſ. 2 enthaltene dreitägige Friſt ver⸗
ſtanden werden kann. Sollten für die vorzeitige Kündi⸗
gung allgemein die geſetzlichen Friſten des § 565
gelten, ſo wäre der Abſ. 4 überhaupt überflüſſig ge⸗
weſen, oder es hätten doch wenigſtens alle in den
Abſ. 1 mit 3 enthaltenen Vorſchriften für anwendbar
erklärt werden müſſen. Der Geſetzgeber iſt zweifellos
von der Vorausſetzung ausgegangen, daß für eine
vorzeitige Kündigung nur dann ein Bedürfnis und
berechtigtes Intereſſe beſteht, wenn es ſich um längere
Kündigungsfriſten handelt. Wie ſich aus den Motiven
Bd. II S. 411 ergibt, enthalten die kürzeren Friſten
des 8565 nur Ausnahmen von der allgemeinen viertel⸗
jährigen Kündigungsfriſt, welche als für Grundſtücke
entſprechend angeſehen werde. Dieſe Ausnahmen auch
für die Fälle der vorzeitigen Kündigung gelten zu
laſſen, beſtand kein Anlaß. Demnach kann bei vor⸗
zeitiger Kündigung unter Einhaltung der geſetzlichen
Friſt bei Grundſtücken nur für den Schluß eines
Kalendervierteljahres gekündigt werden und muß die
Kündigung ſpäteſtens am dritten Werktag des Viertel⸗
jahres erfolgen. Daraus ergibt ſich, daß eine vor⸗
zeitige Kündigung überhaupt nur ſtattfinden kann,
| wenn es ſich um Verhältniſſe handelt, bei welchen die
|
ordentliche Kündigung mindeſtens ein Vierteljahr be⸗
trägt und in letzterem Fall nur am 1. des Kalender⸗
vierteljahres zuläſſig ift. Im übrigen kann das Mietver⸗
hältnis, auch wenn vorzeitige Kündigung zuläſſig wäre,
nur innerhalb der ordentlichen vertragsmäßigen oder,
wenn ſolche nicht vorhanden ſind, geſetzlichen Friſten
gekündigt werden. Bei der in $ 57 Zw GG. vorge⸗
ſehenen Kündigung handelt es ſich aber um eine unter
Abi. 4 des § 565 BOB. fallende vorzeitige Kündigung
(vgl. Staudingers Kommentar zum BGB. 2. Aufl.
Anm. IV g zu 8 565).
Amtsrichter Kraus in München.
Güterzertrümmerung. Ein gewerbsmäßiger Güter:
händler hatte ſich gegenüber einem ländlichen Guts⸗
beſitzer erboten, deſſen Anweſen zu zertrümmern,
wenn er ihm 12% des Verkaufspreiſes der Parzellen
grundſtücke als „Honorar“ überlaſſe und bei der
notariellen Verbriefung als Verkäufer figuriere. Der
Vertrag kam in dieſer Weiſe zuſtande und das Anwefen
wurde durch die Tätigkeit des Güterhändlers grund—
ſtücksweiſe veräußert, wobei der Gutsbeſitzer bei der
notariellen Beurkundung nichts weiter zu tun hatte,
Kaufpreiſe unter Abzug der 12% „Honorar“ auf den
Güterhändler zu übertragen. Eine Anzeige nach
Art. 19 des Gef. betr. die Fortſetzung der Grund—
entlaſtung vom 2. Februar 1898 (GVBl. S. 19)
wurde nicht erſtattet. Das Rentamt, welches von dem
Vorgang erfuhr, erließ gegen den Güterhändler einen
Strafbeſcheid und hielt deſſen Anzeigepflicht deswegen
für gegeben, weil der Güterhändler bei dieſem An—
weſensverkauf als ſtiller Teilhaber beteiligt
geweſen ſei. Da der Güterhändler die Ablöſungs—
pflicht beſtritt, wurde das Verwaltungsrechtsverfahren
im Sinne des Art. 19 Abſ. 1 des gen. Geſetzes ein—
geleitet, und es erkannten ſowohl das Bezirksamt in 1.,
als der Verwaltungsgerichtshof in 2. Inſtanz im
Sinne des rentamtlichen Strafbeſcheides, beide jedoch
Das Bezirksamt
180
hielt die Ablöſungspflicht deswegen für gegeben, weil
der Güterhändler „in Vollmacht“ des Gutsbeſitzers
zertrümmert habe, während der Verwaltungsgerichts⸗
hof dieſe Anſchauung verwarf und ſich dahin aus⸗
ſprach, daß der Güterhändler als ſtiller Teilhaber,
nicht im Sinne des § 335 des HGB., ſondern (nach
der Entſch. des VGH. in Bd. 24 S. 197) im Sinne
einer verſteckten Beteiligung an einer Güterzer—
trümmerung im eigenen Intereſſe zu betrachten ſei.
Welche der beiden Begründungen die richtige iſt,
ift eine Frage der Auslegung des Art. 19 1. c. Dieſe
darf aber nicht, wie der Verwaltungsgerichtshof für
den Begriff „Vollmacht“ in ſeiner Entſcheidung vom
13. Oktober 1902 (Samml. Bd. 24 S. 195) annimmt,
von zivilrechtlichen Grundſätzen ausgehen. Denn das
Geſetz vom 2. Februar 1898 iſt kein Zivilgeſetz, ſondern
ein nationalökonomiſches und finanzielles Geſetz,
diktiert von dem Beſtreben, die Ablöſung der Boden-
zinſe zu beſchleunigen, und die Güterzertrümmerungen
zu beſeitigen, oder doch auf einen möglichſt geringen
Umfang einzuſchränken. Es muß alſo das Geſetz nach
tatſächlichen Geſichtspunkten ausgelegt werden. Dem-
gemäß wird angenommen werden dürfen, daß der
Güterhändler ſchon dann „in Vollmacht“ zertrümmert,
wenn er mit Einwilligung des Gutsbeſitzers deſſen
Gutskomplex parzellenweiſe für ihn veräußert, in der
Abſicht, das Anweſen zu zertrümmern, und aus dieſem
Geſchäft einen Gewinn zu ziehen. Es ginge zu weit,
wollte man mit der vorgenannten verwaltungsrecht—
lichen Entſcheidung in Bd. 24 S. 195 annehmen, daß
die Tätigkeit des Güterhändlers erft dann rechtswirk—
ſam werde, wenn er auf Grund förmlicher Vollmacht
vor dem Notariat für den Gutsbeſitzer handelnd
auftritt. Denn dann würde der Zweck des Geſetzes,
dem Erwerber eines Parzellengrundſtücks den la ften-
freien Uebergang des Grundſtücks zu verſchaffen,
verloren gehen. (Vgl. Entſch. des Ob“ G. in StS.
Bd. 5 S. 245 n. F.). In dieſem Augenblicke muß
vielmehr der Bodenzins ſchon abgelöſt ſein;
dies ſetzt aber voraus, daß der Güterhändler die An—
zeige an das Rentamt ſchon erſtattet hat, ehe er über:
haupt mit dem Zertrümmerungsgeſchäft begonnen
hat. Anderſeits aber könnte der geſchäftsgewandte
Güterhändler die Ablöſungspflicht einfach dadurch
hinfällig machen, daß er im Augenblick der notariellen
Beurkundung des Zertrümmerungsgeſchäfts den Guts—
beſitzer als Verkäufer handeln läßt, obwohl er das
ganze Zertrümmerungsgeſchäft — Aufſuchen und
Einigung der Kaufsliebhaber mit dem Gutsbeſitzer —
allein beſorgte, und den Gewinn in die Taſche geſteckt
hat. Das wäre die Folge einer zu formellen Aus—
legung des Art. 19 l. c. Zu einem befriedigenden
Ergebnis wird man vielmehr nur dann kommen, wenn
man mit dem RG. (f. Urt. d. 1. StS. vom 6. November
1902 in den BIN. Bd. 68 S. 265) annimmt, daß für
den Begriff „Güterhandel“ die tatſächliche Natur und
der Zweck der Tätiakeit entſcheidend ſind, und daß es
gleichgültig iſt, in welche Form ſich dieſe kleidet.
Zivilrechtliche Formvorſchriften über die Eigentums—
übertragung von Grundſtücken haben demnach in den
Hintergrund zu treten. Mag alſo der Güterhändler
ſein Geſchäft eine Kommiſſion, einen Mäklervertrag,
einen Dienſtvertrag oder wie nur immer nennen,
darauf kommt es ebenſowenig an, wie darauf, ob er
den Gewinn aus ſeiner Tätigkeit in einer feſten Summe
oder in Prozenten vom Kaufpreis bezieht, denn in
— — ——— XkXkUÿ ¶ D e E päßäxßkͤꝛʃ¶—xꝛĩ·ĩ; ⅛»˙§mõik4œ. e ́F— — 2 —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
beiden Arten von Entlohnung würde es ſich um nichts
anders als um Unternehmergewinn handeln.
Der Abſicht des Geſetzgebers dürfte es ſohin am
meiſten entſprechen, wenn bei der Auslegung des
Art. 19 von den oben dargelegten Geſichtspunkten aus⸗
gegangen wird, und es würde der Zwieſpalt ver⸗
mieden, der in der Anwendung dieſes Geſetzes bei
Gerichten und Verwaltungsbehörden bisher zutage
getreten iſt.
Amtsrichter Pramberger in Eichſtätt.
Zu $ 181 BGY. Der Fabrikant S. P. verkaufte
und übergab ſeine Bronzewarenfabrik einer zwei Tage
vorher gegründeten Geſellſchaft mit beſchränkter Haf—
tung, zu deren fünf Geſellſchaftern er ſelbſt zählte und
als deren erſter und bis dahin einziger Geſchäfts—
führer er in das Handelsregiſter eingetragen war.
Die Geſellſchaft war bei der Abſchließung des Ber-
trages durch den Geſellſchafter M. S. vertreten, dem
S. P. als ihr Geſchäftsführer unmittelbar vorher
hierzu Spezialvollmacht erteilt hatte. Der Kaufpreis
wurde teils durch Verrechnung, teils dadurch be⸗
richtigt, daß die Geſellſchaft eine auf dem veräußerten
Anweſen laſtende Hypothekſchuld des S. P. als per⸗
ſönliche Schuldnerin übernahm. Das Hypothekenamt
N. lehnte die auf Grund dieſes Vertrages beantragte
Beſitztitelberichtigung mit der Begründung ab, daß
der Vertrag gegen § 181 BGB. verſtoße. Darauf
legte das Notariat die Urkunde wiederholt zum Voll—
zuge vor und fügte diesmal den Geſellſchaftsvertrag
bei. Nach deffen § 3 ift der Gegenſtand des Unter-
nehmens der Betrieb einer Bronzewarenfabrik, ins-
beſondere der Erwerb und die Weiterführung des
bisher von S. P. betriebenen Bronzefabrikgeſchäftes:
die Geſellſchaft iſt auch berechtigt, andere ähnliche
Unternehmungen zu erwerben uſw. In $ 9 ijt u. a.
beſtimmt: „Die Geſellſchaft kann einen oder mehrere
Geſchäftsführer haben. . . . Als erſter Geſchäftsführer
wird Herr S. P. aufgeſtellt.“ Das Notariat erklärte,
das Verbot des Vertragsſchluſſes mit ſich ſelber gelte
nur, ſoweit dem Vertreter nichts anderes geſtattet ſei;
in der Verpflichtung des Geſchäftsführers den Ge—
ſellſchaftszweck zu verwirklichen, liege für S. P. die
Erlaubnis zu dieſem Zwecke mit ſich ſelbſt zu kontra—
bieren. Das Hypothekenamt beharrte jedoch auf
ſeinem abweiſenden Beſchluß. In der Tat dürfte
die Ablehnung der Beſitztitelberichtigung aus folgenden
Gründen gerechtfertigt ſein.
Nach § 181 BGB. kann allerdings einem Ver-
treter das Selbſtkontrahieren ausdrücklich oder ſtill—
ſchweigend geſtattet werden. Immerhin müſſen aber,
wenn eine ſtillſchweigende Erlaubnis angenommen
werden ſoll, die Tatſachen ſo liegen, daß ſie keine an—
dere Deutung zulaſſen als die Erlaubnis des Vertrags-
ſchluſſes mit ſich ſelber. Aus der Aufſtellung des
S. P. als Geſchäftsführer kann ein ſolcher Schluß
für den fraglichen Kaufvertrag nicht mit Sicherbeit
gezogen werden. Es ſteht trotz der Beſtimmung in
§ 3 des Geſellſchaftsvertrages nicht ohne weiteres feit,
daß die Geſellſchafter bei der Beſtellung des S. P.
zum Geſchäftsführer ihn auf dieſe Weiſe in die Lage
verſetzen wollten, namens der Geſellſchaft den Kauf—
preis für ſein eigenes Anweſen zu beſtimmen und die
Berichtigung des Kaufpreiſes ſo zu regeln, daß die
ll ͤ— —uͥ—HPg ———
Geſellſchaft ſeine eigene Schuld zur perſönlichen
Haftung übernahm. Es iſt ebenſogut möglich, daß
man die Abſchließung des Kaufvertrages anderen erſt
noch zu beſtellenden Geſchäftsführern vorbehalten
wollte; ſeit der Errichtung der Geſellſchaft waren
ja, als der Kaufvertrag abgeſchloſſen wurde, erſt zwei
Tage vergangen. Man mag die Möglichkeit zugeben,
daß S. P. das Recht haben ſollte, den Vertrag mit
ſich ſelber abzuſchließen; einen Beweis aber für dieſe
Annahme konnte das Hypothekenamt den ihm vor=
gelegten Urkunden nicht entnehmen. Dazu kommt,
daß S. P. ſich offenbar ſelbſt nicht für befugt er-
achtet hat, mit ſich zu kontrahieren, ſonſt würde er
ſchwerlich den Geſellſchafter M. S. zur Vertretung
der Geſellſchaft bei dem Kaufvertrage bevollmächtigt
und ſo den Anſchein eines Vertragsſchluſſes mit ſich
ſelber zu vermeiden geſucht haben.
Vermieden iſt indeſſen durch die Zuziehung des
M. S. nur der Anſchein eines Verſtoßes gegen $ 181,
nicht die Tatſache, daß dieſe Beſtimmung verletzt iſt.
Zwar dem bloßen Wortlaute nach liegt eine Ber-
letzung nicht vor. S. P. hat nicht als Vertreter im
Namen des Vertretenen mit ſich im eigenen Namen
oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeſchäft
vorgenommen und ebenſowenig läßt ſich das von
M. S. behaupten. Die Befugnis des S. P., als Ge-
ſchäftsfübrer einen Dritten zur Vertretung der Geſell—
ſchaft bei irgend einem Rechtsgeſchäfte zu beſtellen,
iſt nicht zu beſtreiten. Es ſteht auch wohl außer
Zweifel, daß in einem ſolchen Falle der Dritte nicht
der Vertreter des Geſchäftsführers, ſondern der Ge⸗
ſellſchaft iſt. Der Fall liegt ähnlich, wie wenn ein
Bevollmächtigter von dem ihm eingeräumten Rechte
der Ernennung eines Unterbevollmächtigten Gebrauch
macht und dann im eigenen Namen mit dem als
Vertreter des urſprünglichen Vollmachtgebers hans
delnden Unterbevollmächtigten einen Vertrag abſchließt.
Die Meinungen, ob ein ſolches Verfahren gegen
$ 181 verſtößt, find geteilt (vgl. einerſeits Planck
Note 1 Abſ. 5 zu 8 181, anderſeits Staudinger-Riezler
Note 9 zu § 181). In der Tat dürfte ein folder
Verſtoß vorliegen und zwar nicht nur deshalb, weil, wie
Riezler anführt, ein ſolches Verfahren gegen den Zweck
des § 181 verſtößt — das allein dürfte wohl nicht ge-
nügen — ſondern auch aus folgendem Grunde. Ein
Vertreter kann immer nur diejenigen Befugniſſe auf
einen anderen übertragen, die er ſelber hat, das will
nicht nur ſagen, daß ein Vertreter, der ſelbſt nicht
von den Beſchränkungen des 8 181 befreit ift, keinen
Untervertreter beſtellen kann, der für ſeine Perſon
von dieſer Beſchräukung frei wäre, ſondern das bez
rechtigt auch zu einer weiteren Schlußfolgerung, die,
angewendet auf unſeren Fall, lautet: hat S. P. als Ver-
treter der Geſellſchaft das Anweſen nicht von ſich ſelber
für die Geſellſchaft kaufen dürfen, dann kann auch
M. S. von ihm nicht die Befugnis ableiten, das An—
weſen von ihm für die Geſellſchaft zu erwerben. Für
ein Rechtsgeſchäft, das S. P. namens der Geſellſchaft
vorzunehmen rechtlich verhindert iſt, kann er ihr auch
keinen Vertreter beſtellen, mag auch das Rechts—
hindernis nur in ſeiner Perſon, nicht auch in der des
neubeſtellten Vertreters gegeben ſein.
Zur Behebung des dem Vertrag anhaftenden
Mangels wurde folgender Weg eingeſchlagen. Das
Notariat heftete dem Kaufvertrag nachſtehende Er—
klärung bei: „Herrn S. P. in N. wird hiermit die
Hege fiir wegeepſege in Bayern. 1908. Rr. 9
|
jea Baur
4
181
Ermächtigung erteilt, für die Geſellſchaft das ihm ge-
hörige Anweſen Hs.⸗Nr. ... zu den in der Urkunde
des Kgl. Notariats N. vom GR.⸗Nr. .. nieder:
gelegten Bedingungen zu erwerben. Es wird weiter⸗
hin der Erwerb des vorgenannten Anweſens laut der
vorerwähnten Urkunde für die Geſellſchaft ausdrücklich
genehmigt.“ Dieſe Erklärung trug fünf Unterſchriften,
die der Notar als echt beglaubigt hatte mit der amt⸗
lichen Feſtſtellung, daß die Unterzeichner, unter denen
ſich auch S. P. und M. S. befanden, die Geſellſchaſter
der fraglichen Geſellſchaft ſeien. Durfte das Hypo⸗
thekenamt nun den Beſitztitel berichtigen?
Die Frage iſt wohl zu bejahen. Einer neueren
Entſcheidung des Reichsgerichts folgend (RG. V
6. November 1907, mitgeteilt im Recht 1908 2. Spruch⸗
beilage zu Nr. 1) braucht man im Gegenſatze zu der
früher vom Reichsgerichte vertretenen Anſicht (RG.
35. 51, 426) den gegen 8 181 verſtoßenden Vertrag
wohl nicht als nichtig zu erachten, ſondern darf an⸗
nehmen, daß er durch die nachträgliche Genehmigung
desjenigen, der bei dem Vertrage nicht nach Vorſchrift
des Geſetzes vertreten geweſen iſt, rechtsbeſtändig
werden kann.
Dieſe Genehmigungserklärung bedarf nach 8 182
Abſ. 2 BGB. nicht der für das Rechtsgeſchäft, den
Kaufvertrag, in Art. 14 Not G. von 1861 vorgeſchriebenen
notariellen Form; denn die Vorſchrift des 8 182
Abſ. 2 gehört nicht dem Liegenſchaftsrecht an und
gilt darum trotz Art. 189 EG. z. BGB. auch im Ge⸗
biete des alten Liegenſchaftsrechtes.
Eine andere Frage aber iſt es, ob der Verſtoß
gegen $ 181 durch eine Genehmigungserklärung der
Geſellſchafter, wie fie im vorliegenden Falle beige:
bracht worden iſt, geheilt werden kann. Der Kommen⸗
tar von Staub-Hachenburg zum Gef. über die GmbH.
(Anm. 14 zu 8 36) verlangt für einen ſolchen Fall die
Genehmigung durch einen ordnungsgemäß beſtellten
Geſchäftsführer; „ein Beſchluß der Geſellſchafter ge—
nügt hierzu nicht, da dieſe zu ſolchen Rechtsakten, Be⸗
ſtellung von Rechten, nicht befugt ſind.“ Allein, wenn
auch die Geſellſchafter nicht berechtigt find, die Gefell:
ſchaft Dritten gegenüber zu vertreten, ſo können ſie
ſich doch mittelbar an der Geſchäftsführung beteiligen.
Sie können Handlungen ihrer Geſchäftsführer dieſen
gegenüber genehmigen ; ſie können ihre Geſchäftsführer
auch von den Beſchränkungen des § 181 entbinden.
Im vorliegenden Fall enthält der erſte Satz der dem
Kaufvertrage beigehefteten Erklärung der Geſell—
ſchafter für den Geſchäſtsführer S. P. die Erlaubnis,
dieſen Vertrag mit ſich ſelbſt abzuſchließen. Durch
diefe Befreiung von der Beſchränkung des 8 181 ift
S. P. in die Lage verſetzt worden, den bereits ab—
geſchloſſenen, aber noch nicht rechtsbeſtändigen Ber-
trag namens der Geſellſchaft zu genehmigen, und dieſe
Genehmigung wird man ohne weiteres in dem zweiten
Satze der zuletzt erwähnten Erklärung erblicken können,
die mit den anderen Geſellſchaftern auch S. P., der
Verkäufer des Anweſens und Geſchäftsführer der
Käuferin, unterzeichnet hat. Der Beſitztitelberichtigung
ſtand ſomit, nachdem diefe Erklärung beigebracht war
kein Hindernis mehr entgegen.
Amtsrichter Eckert in Nürnberg.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
cheidung wegen
3. Oktober 1899 ver
1905 leben ſie getrennt, im
ur Scheidungsklage.
ch ſeit zwei Jahren
nungen wären er⸗
begehrte Klage⸗
terkannte auf Scheidung ge⸗
es die Berufung der Be⸗
m RG. aufgehoben.
G. nimmt einen
Voransſetzung der S
Die Parteien ſi
Februar 1906 ſchrit
Er behauptete, ſeine
dem Trunke ergeben;
folglos geblieben.
t der Mann z
BGB. Das OLG. wi
den: Das OL
den Jahren 1903
ben geweſen ſei auch für dieſes von
twortlich zu ma
der Verantwortlichkeit
Sachverſtändigen ein,
en die Beklagte wegen
Gutachten ab⸗
gegeben haben.
daß die Beklagte
Kranken häufig
Zurechnungsfä
lt der Berufungsri
Straftaten, Ende
wo die Trunkſucht
gebildet geweſen
und zwar in im
Beklagte habe aber
Anfangsſtadium der
die man von jedem
de geweſen wäre,
verlangen müſſe,
wie ſie denn na
Einhalt zu tun,
ihrer Behandlun
Trunke ergebe
klagten findet |
nicht mehr dem
ſchulden der Be⸗
richter nur darin, daß
omit der Berufungs
nten im Anfangs-
gegengetreten ift,
ſtadiums von i d und ohne daß eine
wird, ob ein ſolches Ver⸗
letzten ſechs Monaten
vor der am 10. lgten Trennung
inen Grundſatz
Beziehung, was
Es iſt insbeſond
wenn der Ehegatte in den
in übermäßiges Trinken
cht werden kann.
Bei der erneuten
r auch zu prüfen
Monaten für ſe
ittlich verantwortlich gema
1 Berufungsrichter.
d der Berufungsrichte
Dies verkennt de
Entſcheidung wir
haben, ob nicht
geheilt iſt, für d
Ehe ausſchließen
niſſes anzunehmen
IV. 35. vom 19.
ne die Fortſetzung der
ehelichen Verhält⸗
Bedeutung gewinnt.
907, IV 171/07).
ie Frage, ob ei
II.
Verhältnis mehrerer letztwilliger Verfügt des
Erblaſſers. Auslegungsfragen. Die am 26. Au gur
1903 verſtorbene Franziska D. hat ein am 26. MG r3
1902 vor einem Notar errichtetes Teſtament hinter“
laſſen, worin ſie verfügt hat: „Es ſeien aus ihre m
Nachlaß 1000 M für Meſſeleſen zu verwenden, 5000 NI
ſolle ihre Nichte Franziska H. als Prälegat bekommen.
ihr Ehemann ſolle von dem Reſte die Hälfte erhalten.
ebenfo wie die Hälfte der Hauseinrichtung, währe d
die andere Hälfte des Mobiliarnachlaſſes die genannte
Franziska H. als Vermächtnis erhalten und in die
andere Hälfte des Kapitalvermögens ihre drei e-
ſchwiſter Joſeph H., Joſephine N. und Marie St. fi
händiges Teſtament errichtet, worin ſie über eine ihr
an ihren Schwager Franz St. zuſtehende Darlehens-
forderung zu 17000 M in der Weiſe verfügte, daB
davon Marie St. 10 000 M, die drei minderjährigen
Kinder ihres Bruders Joſeph H. je 2000 M und ihre
Schweſter Joſephine N. 1 M erhalten ſollten. De r
Witwer hat Klage auf Anerkennung der Ungültigkeit
der letztwilligen Verfügung vom 1. April 1901 gegen
die darin Bedachten erhoben; das LG. wies die Klage
Verfügungen nicht vorhanden. Das OLG. führte da=
gegen aus: „Die letztwillige Verfügung vom 26. März
1902 ſei klar und unzweideutig; es gehe daher nicht
an, die nur für Zweifelsfälle gegebenen Auslegungs⸗
regeln anzuwenden und unter Zuhilfenahme ſchrift⸗
Teſtaments umzugeſtalten. Nach dem Wortlaute
des notariellen Teſtaments könne kein Zweifel daran
beſtehen, daß die Erblaſſerin in dieſem über ihren
geſamten Nachlaß verfügte; ſie ſpreche von =:
Nachlaß oder Nachlaßvermögen ohne Einſchränkung.
Es ſei gleichgültig, ob die Erblaſſerin des Widerſpruchs
mit dem früheren Teſtament ſich bewußt geweſen ſei,
und ob ſie letzteres trotz der Faſſung des ſpäteren
Wollte ſie es aufrecht erhalten, fo mußte fie es an,
geſichts der zwingenden Vorſchriften in den SS 2231
und 2258 BGB. in einer geſetzlich einwandfreien Weiſe
zum Ausdruck bringen und gegebenen Falles ihr ſpä⸗
teres Teſtament ſo faſſen, daß das frühere daneben
beſtehen konnte. Dabei wäre es ihre Pflicht ge⸗
weſen, ſich über die rechtlichen Folgen gegenüber ihrem
früheren Teſtament und über die geſetzlichen Be⸗
dingungen, unter denen die fortdauernde Rechtswirk⸗
ſamkeit des letzteren geſichert werden konnte, zu er⸗
kundigen, bevor ſie das ſpätere Teſtament errichtete.
Hat ſie dies unterlaſſen, und kam infolgedeſſen ihr
letzter Wille nicht in wirkſamer Weiſe zum Ausdruck,
ſo kann hierfür auch der nur für rechtsgültige letzt⸗
willige Verfügungen gewährleiſtete geſetzliche Schutz
nicht beanſprucht werden.“ Auf die Reviſion der Be
klagten hat das Reichsgericht das Urteil aufgehoben
und die Sache zurückverwieſen.
Gründe: Die Ausführungen des OLG. ſind zu
beanſtanden, inſofern es ſeine Entſcheidung auf den
Wortlaut der notariellen Urkunde vom 26. März 1902
geſtützt und es für gleichgültig erklärt hat, ob die
Erblaſſerin ihre Verfügung vom 1. April 1901 habe
aufrecht erhalten wollen. Hat es nämlich die Erb⸗
laſſerin am 26. März 1902 bei der im Teſtament
vom 1. April 1901 über ihre Darlehensforderung von
17 000 M getroffenen Verfügung belaſſen wollen, ſo
hat ſie unter dem „dann noch vorhandenen Nachlaß⸗
vermögen“ ihren Nachlaß nach Ausſcheidung der
17 000 M Ausſtand bei Franz St., 1000 M Meſſe⸗
ſtiftung und 5000 M Prälegat für Franziska H. ver⸗
ſtanden. Sollte der Kläger nur von dieſem Nachlaß⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
vermögen die Hälfte erhalten, ſo läßt ſich dieſem
Willen der Erblaſſerin nicht deswegen die Anerkennung
verſagen, weil er nicht in „einwandfreier“ Weiſe er-
klaͤrt und es Pflicht der Erblaſſerin geweſen fei, ſich
zuverläſſig zu erkundigen. Die Verfügung über den
Ausſtand zu 17000 M in dem Teſtament vom 1. April
1901 iſt rechtsgültig getroffen. Das Teſtament vom
26. März 1902 aber ſteht mit der früheren Verfügung
nur dann in Widerſpruch, wenn die Verfügung vom
26. März 1902 ſich auch auf jene Forderung erſtreckt
haben ſollte. Ob dies der wirkliche Wille der Erb—
laſſerin war, iſt zu ermitteln, ohne daß an dem buch⸗
ſtäblichen Sinne der von der Erblaſſerin in dem Teſta—
ment vom 26. März 1902 gebrauchten Ausdrücke zu
haften ift (§ 133 BGB.). Zur Erforſchung des wahren
Sinnes der von der Erblaſſerin gebrauchten Ausdrücke
dürfen, was vom Berufungsrichter verkannt wurde,
auch außerhalb des Teſtaments liegende Umſtände be-
rückſichtigt werden. (Urt. vom 3. Februar 1908).
1226 — —cht— —
III.
Auf Grund der Vorſchrift im § 826 BGB. kann
die Unterlaſſung eines Bordellbetriebs in Nachbar⸗
a beauſprucht werden. Aus den Gründen:
Das OLG. verkennt keineswegs, daß das unzüchtige
Treiben in den Häuſern des Beklagten Kr. nicht die
äußeren Grenzen von deſſen Eigentum überſchreitet
und das Eigentum des Klägers an ſeinen Häuſern
nur inſofern beeinflußt, als es deren Mietertrag und
damit deren Wert herabdrückt, daß es deshalb keine
„reale“ Einwirkung im Sinne der SS 903, 906 BGB.
auf das Grundſtück des Klägers enthält, und daß der
Anſpruch des letzteren auf Unterlaſſung nicht in ſeinem
Eigentum und im 5 1004 eine Stütze findet. Das
OLG. gründet ſeine Entſcheidung vielmehr ebenſo,
wie das LG., auf den $ 826 BGB. Daß das Dulden
eines bordellartigen Betriebes zumal zwecks Erzielung
höherer Mieterträge, die hierin liegende Förderung
der Unzucht aus Eigennutz, gegen die guten Sitten
verſtößt, wird auch von der Reviſion nicht in Zweifel
gezogen. Iſt hierdurch aber, wie das OLG. feſtge⸗
ſtellt hat, der Mietertrag der Häuſer des Klägers ge—
drückt und der Kläger ſo geſchädigt, und iſt der Be—
klagte Kr., wie im angefochtenen Urteil weiter feſt—
geſtellt iſt, ſich dieſes Erfolges ſeines Verhaltens be—
wußt geweſen, ſo iſt auch der Schluß gerechtfertigt,
daß der Beklagte in einer gegen die guten Sitten
verſtoßenden Weiſe dem Kläger vorſätzlich Schaden zu—
gefügt hat. Und dies begründet nicht nur einen Anſpruch
auf Erſatz des dem Kläger durch ſolches Verhalten
ſchon entſtandenen Schadens, ſondern, da die Fort—
ſetzung des Verhaltens und ſomit eine weitere Schädi—
gung des Klägers in der Zukunft zu beſorgen iſt,
auch den Anſpruch auf Unterlaſſung. Dieſer Anſpruch
wird dadurch, daß die Polizei nicht im öffentlichen
Intereſſe gegen das Treiben in den Häuſern des Be-
klagten einſchreitet, nicht berührt. Ebenſowenig wird
der urſächliche Zuſammenhang zwiſchen dieſem Treiben
und dem Mietertrag aus den Häuſern des Klägers
dadurch beſeitigt, daß in der Fl. gaſſe außer in den
drei Häuſern des Beklagten Kr. noch in zwei weiteren
en re N ee Wenn a: u EEE Eh —— an al ———— —
Häuſern Gewerbsunzucht betrieben wird. (Urt. des
V. 35. vom 29. Februar 1908, V 390/07).
1230 -— —ı
IV.
Autemsbilunfall. Bedentung der über den Verkehr
mit Kraftfahrzengen erlaſſenen Polizeiverordnungen.
Bedentung der Eigenſchaften und Kenntniſſe des Kraft⸗
vagenführers bei der Anwendung des § 831 BGB.
Der Kläger fuhr mit einem Freunde vom Felde zurück
und leitete zu ſeinem Vergnügen deſſen mit zwei
Pferden beſpannten Pflugkarren. In der Stadt L.
holte ſie das von dem Führer A. gelenkte Automobil
flächlich und unvollſtändig ſein.
183
— a a
des Beklagten B. ein. Infolge des Huppenzeichens
wurde das Sattelpferd unruhig. Der Kläger ſprang
von ſeinem Sitz und wurde, als er an den Kopf des
Pferdes eilen wollte, von dem vorüberfahrenden
Automobil erfaßt, zu Boden geſchleudert und am linken
Bein erheblich verletzt. Er forderte in bezifferten
Beträgen von dem Beklagten und dem Führer A.
Erſatz der Heilungskoſten, des immateriellen Schadens
und feines Erwerbsverluſtes. Das LG. hat die beiden
Beklagten zur Zahlung der bis Juli 1905 entſtandenen
Heilungskoſten verurteilt und im übrigen den Klage—
anſpruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Das OLG. hat die Berufung zurückgewieſen. Die
Reviſion des Führers A. wurde, weil ſie nicht be⸗
gründet wurde, verworfen, die Reviſion des Beklagten
B. wurde zurückgewieſen.
Aus den Gründen: Das OLG. führt aus:
Der Führer habe durch Uebertretung von 88 6, 7, 8
der oberpolizeilichen Vorſchrift vom 17. Mai 1902
betr. den Verkehr mit Motorfahrzeugen den Unfall
verurſacht; er ſei mit einer ſehr bedeutenden die er-
laubte von 12 km in der Stunde weit überſchreitenden
Geſchwindigkeit gefahren, er habe zu ſpät und nicht
deutlich hörbare Signale gegeben und obwohl das
Sattelpferd an dem voran fahrenden Pflugkarren
unruhig geworden ſei, die Fahrgeſchwindigkeit weder
rechtzeitig noch ausreichend verlangſamt. Der Beklagte
hafte für den durch A. dem Kläger zugefügten Schaden
gemäß § 831 BGB., weil nicht erwieſen fei, daß er
bei der Auswahl des A. die erforderliche Sorgfalt
beobachtet habe. A. habe zwar die körperlichen, tech—
niſchen und ſittlichen Eigenſchaften für einen Kraft—
wagenführer, nicht aber die Kenntnis von den ein—
ſchlägigen Polizeivorſchriften beſeſſen, die in den an
M., den Wohnort ſeines Herrn angrenzenden oder ihm
benachbarten Staaten, namentlich in Bayern beſtanden.
Deshalb habe ſich A. nicht zum Führer geeignet und
der Beklagte hätte ihn als ſolchen nicht beſtellen
dürfen. Der Beklagte habe ſich aber, als er ihn zum
Führer habe ausbilden laſſen, gar nicht darum ge—
kümmert, ob er mit den Polizeivorſchriften vertraut
fei. Die Anſchauung des OLG. ift frei von Rechts-
irrtum. Die Polizeiverordnungen über den Verkehr
mit Kraftfahrzeugen ſchreiben im einzelnen vor, wie
der Führer eines Kraftwagens ſich auf der öffentlichen
Straße, namentlich beim Zuſammentreffen mit Menſchen,
Tieren und Fahrzeugen zu verhalten hat. Der Führer,
der ſie übertritt, hat Schadenserſatzanſprüche, Beſtrafung,
unter Umſtänden den Verluſt ſeiner Stellung oder über—
haupt ſeines Fortkommens als Führer zu gewärtigen.
Die Polizeiverordnungen find daher ebenſowohl be—
ſtimmt, wie geeignet, wenn fie auch vielſach ohne
Wirkung bleiben, den Führern einzuprägen, in welcher
Weiſe ſie zum Schutze von Leben und Eigentum der
auf der Straße ſich bewegenden Menſchen die Lenkung
ihres Fahrzeuges einzurichten haben, ihre Neigung,
die Geſchwindigkeit und die Gewalt des Fahrzeugs
ohne Rückſicht auf den übrigen Menſchenverkehr ſpielen
zu laſſen, zu zügeln und ſo die Gefahren der Kraft—
fahrzeuge für dieſen Verkehr einigermaßen zu verhüten
oder zu vermindern. Von einem Führer, der für ſeinen
Beruf im Einzelfall tauglich ſein ſoll, muß daher die
Kenntnis der Vorſchriften gefordert werden, die in
den Ländern gelten, durch die er fährt. Nach der
Feſtſtellung des Berufungsgerichts hat der Beklagte
rege Familien- und Geſchäftsbeziehungen mit der nahen
bayeriſchen Stadt F. unterhalten. Sein Führer mußte
daher ganz beſonders in den bayeriſchen Vorſchriften
bewandert ſein; deſſen Kenntniſſe durften nicht, wie
feſtgeſtellt, mangelhaft, die Unterweiſung nicht ober—
Die Reviſion meint,
der Unfall ſei durch übermäßig raſches Fahren des A.
entſtanden und den Beklagten B. könne ein Vorwurf
wegen der Anſtellung des A. nicht treffen, weil der
Beklagte es für ſelbſtverſtändlich habe halten dürfen,
184 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
—
— — — — —
—— ——ü—ä—ö́ͤ— ͤ — — — —
daß der im übrigen tüchtige Führer auch die Bes | — nach 8 7 Wein. ſtrafloſer — Verſuch der Ber⸗
ſtimmungen über die erlaubte Geſchwindigkeit kenne, fälſchung des künftig entſtehenden und zur Schaum
die ja jedermann bekannt ſeien, der ſich nur für das weinfabrikation beſtimmten Weines oder au
Automobilfahren intereſſiere. Die Rüge iſt unbegründet. künftigen Schaumweines als weinhaltigen Getränkes
Für die Anwendung des 8 831 BOB. ift es ohne gefunden werden, wobei dahingeſtellt bleiben kann,
Belang, ob die Schadenszufügung durch den zu einer ob dieſer Verſuch bereits ein vollendetes Vergehen
Verrichtung beſtellten gerade infolge des Mangels ver⸗ gegen das NMG. in ſich ſchließt. Allein zu einer
urſacht wurde, der ihn als zu der übertragenen Ver⸗ ſolchen Ausſcheidung von Tatbeſtandsmerkmal ern nur
richtung ungeeignet erſcheinen läßt. Es genügt, daß aus dem Grunde, weil ihre Vorausſetzungen im M us-
der Beitellte objektiv dazu ungeeignet war. Nach der land eingetreten find, beſteht — und zwar gleichviel.
Feſtſtellung des Berufungsgerichts hat übrigens A. ob das vollendete Vergehen nach ausländiſchem Rechte
nicht bloß durch zu raſches Fahren, ſondern haupt⸗ ſtrafbar iſt oder nicht — kein Anlaß. Die ſtrafbare
ſächlich dadurch den Unfall herbeigeführt, daß er die Handlung hat vielmehr als ganz im Inland be-
i gangen zu gelten, wenn die eigentliche verbrecheriſche
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I
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| Tätigkeit des Handelnden im Inland verübt iſt, ihre
olt und wenn er merkt, daß ein Tier wegen des Wirkungen aber erſt im Ausland ſo hervorgetreten
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Kraftwagens unruhig wird, nicht beachtet hat. Der ſind, wie ſie das inländiſche Recht als ſtrafbegrün dend
Beklagte konnte dem A. die nötige Kenntnis von den und ſtrafrechtswidrig bezeichnet. ($ 3 des StGB.,
Polizeiverordnungen um ſo weniger zutrauen, als er
ſelbſt bei demſelben Lehrer Fahrunterricht genoſſen,
aber dieſe Kenntnis, die für ihn ebenſo wichtig war,
gleichfalls nicht übermittelt erhalten hat. (Urt. des
VI. 85. vom 6. Februar 1908, Nr. a
1208
ausgeſchloſſen, daß der im Ausland fertiggeſtellte
Rohwein ſowohl wie der daraus bereitete Schaum⸗
wein nur für den ausländiſchen Handelsverke x be-
ſtimmt waren, denn die Strafbeſtimmungen ſo wohl
des NMO. wie des Wein®. beziehen ſich allgemein auch
| auf die für das Ausland beſtimmten Erzeugniſſe.
| (Entſch. Bd. 35 S. 169 [175 0.
|
|
|
B. Straffaden.
2. Ob Glyzerin in der Darſtellung, in der es im
Einzelfall zur Verwendung gelangt, noch als ſolches
zu gelten hat, iſt eine weſentlich tatſächliche Frage.
Da der Zuſatz von Glyzerin zu Wein nach $ 7 des
Geſetzes unbedingt und allgemein verboten iſt, kommt
es darauf, daß der Angeklagte den an ſich nicht zu
der Auskunftsverweigerung des nge: beanſtandenden Zweck verfolgte, den Moſt ſtumm zu
klagten Schlüſſe zu ziehen? Verfahren machen, ebenſowenig an, wie darauf, ob im gegebenen
bei dem Zuſatze won Schwefelſäure nach | Falle der Zuſatz den Wein geſundheitsſchädlich machte,
*
ollendung des Ver
zeigt. Iſt der Zweck des verbotenen Zu⸗
ſatzes gleichgültig? Iſt es zu aich aus
92 Ziff. 1 Wein G. Beurteilung der Tat, wenn | oder ihm den Schein einer beſſeren Beſchaffenheit verlieh.
jemand einem Kunden ein Mittel für Wein⸗ 3. Die Feſtſtellung, daß die von dem Angeklagten
behandlung verabfolgt, das verboten iſt, zur Heilung kranker Weine abgegebene Löſung eine
der Abnehmer aber ſich im guten Glauben ſolche von natron sulfurosum in Waſſer geweſen ſei,
befindet. Begriff der Gewerbsmäßigkeit. beruht zwar nicht allein auf einem Schluß aus der
1. Die Tätigkeit, durch die das Vergehen gegen 87 Taſtſache, daß der Angeklagte ſich weigerte, über die
verbunden mit § 13 Nr. 1 Wein. verübt wird, beſteht Zuſammenſetzung der Löſung Angaben zu machen;
darin, daß verbotene Stoffe entweder nach der Her⸗ ſoweit aber die Weigerung des Angeklagten zu
ſtellung des Weines, eines weinhaltigen oder wein⸗Schlußfolgerungen benutzt iſt, kann dies prozeſſual
ähnlichen Getränkes, oder auch ſchon vorher „bei nicht beanſtandet werden. (8 260 StPO.).
der Herſtellung“ dieſen Getränken zugeſetzt werden. 4. Die Verwendung von ſchwefliger Säure iſt in
Iſt das letztere geſchehen, alſo bei der Weinbereitung, der Kellerbehandlung ſtets üblich geweſen, namentlich
ſei es zur Zeit der Gewinnung des Moftes, ſei es auch bei der Behandlung ſtichiger und brauner Weine.
während der Behandlung, die den Grundſtoffen und | In 82 Nr. 1 Wein geſchieht denn auch der ſchwefligen
Halbfabrikaten vor oder während der Gärung Säure beſondere Erwähnung. Wegen ihrer anti⸗
zuteil wird, ſo iſt die Straftat erſt vollendet, wenn ſeptiſchen und entfärbenden Eigenſchaften ift ihre An⸗
Wein gewonnen oder ein weinhaltiges oder wein⸗ wendung im wirtſchaftlichen Intereſſe der Erzeuger
ähnliches Erzeugnis bereitet iſt; bei der Weinbereitung von Wein zugelaſſen, im geſundheitlichen Intereſſe
wird die Vollendung regelmäßig mit dem Zeitpunkte der Verbraucher die Einſchränkung getroffen, daß ſie
eintreten, in dem der mit verbotenem Zuſatz verſehene nur in geringer Menge in den Wein gelangen darf.
Moſt die erſte Gärung überſtanden hat. Dieſe Voll⸗ Ueber die Art der Zuführung der ſchwefligen Säure
endung des Vergehens gegen 87 Wein®. hat ſich hier zum Wein enthält das Geſetz keine Beſtimmungen.
im Auslande vollzogen; in England iſt die künſtlich Deshalb würde wohl nichts im Wege ſtehen, wenn
zurückgehaltene Gärung des Moſtes eingetreten, die dieſe durch ein neues Verfahren ermöglicht würde;
Herſtellung von ſtillem Wein und deſſen Verwendung die Anwendung des hergebrachten Verfahrens, wobei
zur Schaumweinfabrikation erfolgt. Deshalb bleibt Schwefel in den Fäſſern abgebrannt und der Wein
aber doch das vollendete Vergehen als ein ſolches in die eingebrannten, mit Dämpfen ſchwefliger Säure
gegen das inländiſche Strafgeſetz beſtehen und der | erfüllten Fäſſer eingegoſſen wird, iſt nach 8 Nr. 1
Angeklagte iſt nach dieſem verantwortlich, weil Wein. nicht Bedingung der Zuläſſigkeit der uführung
die eigentliche ſtrafbare Handlung im Inland von ſchwefliger Säure. Wohl aber iſt Vorausſetzung
verübt iſt. für die Zulaſſung auch jedes neuen Verfahrens, daß
Wenn die von dem Angeklagten im Inland entz nur geringe Mengen ſchwefliger Säure, und aus⸗
faltete Tätigkeit — der Zuſatz von Glyzerin zu fil⸗ ſchließlich ſolche, nicht auch verbotene Stoffe in den
triertem Moſt oder zur Traubenmaiſche, der durch Wein gelangen. Der Zuſatz von ſolchen Stoffen zu
gutgläubige Dritte ausgeführt wurde — für ſich Wein wird nicht nur um deswillen zuläſſig. weil
allein betrachtet und wenn von den im Ausland ein- durch ſie und in Verbindung mit ihnen ſchweflige
getretenen weiteren Vorausſetzungen der Strafbarkeit Säure dem Wein zugeführt werden kann. Solche
abgeſehen würde, ſo könnte darin allerdings nur ein Stoffe hat aber der Angeklagte dem Weine zugeſetzt.
Seine Verteidigung, daß er die ſchweflige Säure
allein und nach vorgängiger Abtrennung des Natron
verwendet habe, iſt als widerlegt bezeichnet; ein ſolches
Verfahren, die ſchweflige Säure aus der Verbindung
des Natrons frei zu machen und allein dem Weine
zuzuführen, hat der Angeklagte nicht gekannt und
nicht angewendet. Unter dieſen Umſtänden iſt der
Zuſatz von natron sulfurosum unzuläſſig, weil nur
die ſchweflige Säure, nicht aber auch natron sul-
furosum in der Kellerbehandlung üblich und anerkannt
iſt. Gehört Natron weiter zu den Stoffen, die den
Extraktgehalt des Weines erhöhen, fo iſt der Zuſatz dieſes
Fremdſtoffes auch nach 8 3 Nr. 6 Wein. ſtrafbar.
Nach dem Vorbehalte dieſer Geſetzesſtelle wäre er nur
dann ſtraflos, wenn eben Natron als Mittel zur Be⸗
handlung von Weinen anerkannt und üblich wäre.
Dem Hinweis des Beſchwerdeführers auf abweichende
Beſtimmungen ausländiſcher Geſetze und auf die an-
gebliche Uebung im Auslande kommt für die An⸗
wendung des Wein. ebenſowenig Bedeutung zu, wie
umgekehrt dem Umſtand, daß in den Materialien zum
WeinG. ausländiſche Beſtimmungen bekannt gegeben
ſind, in denen die Zuläſſigkeit der Verwendung der ſchwef⸗
ligen Säure davon abhängig gemacht iſt, daß ſie aus
dem Verbrennen arſenfreien Schwefels herſtammt.
(Druckſache 303 der II. Seſſion des Reichstages 1900/01
unter b, 4).
5. Die Zeugen M. H. und K. haben im Vertrauen
auf die Angabe des Angeklagten und in Unkenntnis
der Zuſammenſetzung der ihnen verkauften Löſung
dieſe bei der Behandlung von Weinen benutzt, die
für den Verkauf beſtimmt waren. Nach den Urteils⸗
feſtſtellungen war es dem Angeklagten bekannt, daß
keiner der Genannten wußte, in und mit der empfohlenen
und gelieferten Löſung würden extrakterhöhende und
deshalb verbotene Stoffe dem Weine zugeführt. Die
Tätigkeit dieſer Perſonen war ſonach keine ſtrafbare
Handlung ($ 59 StGB.), und kann daher als ſolche
weder auf ſtrafbare Anſtiftung des Angeklagten zurück⸗
geführt werden, noch als vun dieſem in der Form
ſtrafrechtlicher Beihilfe unterſtützt gelten. Der ſtraf⸗
rechtswidrige Erfolg der Herſtellung von Verkaufs⸗
wein unter Verwendung extrakterhöhender Stoffe iſt
vielmehr als Straftat ausſchließlich in dem vorfäß-
lichen Handeln des Angeklagten begründet, der in der
Löſung den gutgläubigen Empfängern das Mittel zur
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
eine ſtändige Erwerbsquelle zu ſchaffen.
werden ſollte. Das genügt, um ihn für die ge-
werbsmäßige“ Herſtellung des verbotswidrig be⸗
reiteten Weines verantwortlich zu machen und es
kommt nicht darauf an, ob der Angeklagte auch aus
dem Verkauf der Löſung ſelbſt ein Gewerbe machte,
ob er beabſichtigte, aus der Wiederholung der Ber-
wendung dieſer Löſung durch gutgläubige Dritte ſich
Der Schutz
des Verkehrs iſt der Zweck der Strafbeſtimmung des
§3 Wein. Deshalb ift der Zuſatz der dort beſtimmten
Stoffe zum Wein nur dann unterſagt, wenn dieſer
zur rechtsgeſchäftlichen Verwertung im Verkehr, nicht
dann, wenn er für den Hausbedarf beſtimmt iſt.
verbotswidrigen Herſtellung lieferte und ſie durch An⸗
weiſung und Belehrung zu deffen Anwendung vor—
ſäͤtzlich beſtimmte. Seine Tätigkeit war eine Urſache
des erwähnten Erfolges und zwar die einzige, die in
dem ſchuldhaften Willen einer ſtrafrechtlich verantwort—
lichen Perſon begründet und deren Wirkſamkeit für
den Erfolg durch die bewußte Tätigkeit einer anderen
Perſon nicht unterbrochen iſt Daß der verbotene Er⸗
folg — denn gegen dieſen, nicht gegen die Herſtellungs—
tätigkeit als ſolche richtet ſich die Strafbeſtimmung —
ſo wie geſchehen, eintreten werde, hat der Angeklagte
erkannt und für den Fall gewollt, daß die Empfänger
die von ihm bezogene Löſung ſeiner Anweiſung ent—
ſprechend anwenden würden.
6. Der Angeklagte iſt daher als Täter für die
vorſätzliche Herbeiführung dieſes Erfolges verantwort—
lich, mag immerhin ſein eigentliches Intereſſe an der
Tat ſich in der e Abgabe des Mittels erſchöpft
haben. (Entſch. Bd. 18 S. 419/423). Die Annahme
ſeiner Täterſchaft könnte nur dann zweifelhaft ſein,
wenn in dem Tatbeſtand des ihm zur Laſt fallenden
Vergehens rein perſönliche Verhältniſſe des Täters
vorausgeſetzt und dieſe in der Perſon des Angeklagten
nicht gegeben wären. Das trifft jedoch für die Be-
ſtimmung der §§ 3, 13 Nr. 1 Wein. nicht zu. Der
Angeklagte hat gewußt, daß der Wein, dem die Löſung
zugeſetzt wurde, zur gewinnbringenden Verwertung im
Gewerbebetriebe der Eigentümer beſtimmt war und
gerade durch die gelieferte Löſung verwertbar gemacht
Indem das Geſetz von „gewerbsmäßiger“ Herſtellung
ſpricht, bezeichnet es ſonach den Herſtellungszweck, die
Eigenſchaft des Weines als für den Verkauf oder die
Verwendung im Gewerbebetrieb beſtimmt, nicht aber
iſt dabei, wie ſonſt regelmäßig, eine rein perſönliche
Eigenſchaft, ein beſtimmtes Verhalten des Täters ins
Auge gefaßt, das ſich durch deſſen Abſicht auf dauernde
Gewinnerzielung kennzeichnet. (Entſch. Bd. 36 S. 427,
Bd. 38 S. 359/362 und Entſch. d. erkennenden Senats
1 955/07 gegen Straßburger vom 21. Dezember 1907).
(Urt. des I. StS. vom 4. Januar 1908, 1 D N
1178 i
II.
Tod des Nebenklägers in der Reviſionsinſtanz.
(§ 442 StPO.). !) Da der Nebenkläger . .. geſtorben
ift, nach 8 442 StPO. die Anſchlußerklärung durch
den Tod des Nebenklägers die Wirkung verliert und
durch die Wirkungsloſigkeit der Anſchlußerklärung das
von dem Nebenkläger allein eingelegte Rechtsmittel
ohne weiteres hinfällig wird, ift die Reviſion .. . als
erledigt anzuſehen. (Beſchluß des V. StS. vom 11. Fe⸗
bruar 1908, 5 D 718/07).
1241
— — — e —.
III.
Hinweiſung auf die Veränderung des rechtlichen
Geſichtspunktes. (§ 264 StPO.) Die beiden Ange-
klagten ſind der gemeinſchaftlichen Unterſchlagung
— 88 246, 47 StGB. — beſchuldigt geweſen; unter
Verneinung der Gemeinſchaftlichkeit wurde der An-
geklagte H. wegen Unterſchlagung, der Angeklagte S.
wegen Teilnahme durch Hilfeleiſtung dazu (88 246, 49
StGB.) verurteilt, nachdem der letztere darauf hin-
gewieſen worden war, daß „feine Tat auch ... als
Teilnahme an einer Unterſchlagung angeſehen werden
könne“. Der auf § 264 StPO. geſtützten Reviſion des
Angeklagten S. konnte der Erfolg nicht verſagt werden.
Eine Veränderung des rechtlichen Geſichtspunktes hat
inſoferne ſtattgefunden, als er nicht auf Grund des
$ 47, ſondern auf Grund des § 49 StGB. beſtraft
wurde. Der erfolgte Hinweis war keineswegs geeignet,
ihm mit voller Deutlichkeit klar zu machen, daß ihm
von den drei im III. Abſchnitte des I. Teiles des Straf-
geſetzbuchs behandelten Arten der Teilnahme gerade
Beihilfe ($ 49) zur Laft gelegt werden könne. Da es
nicht ausgeſchloſſen iſt, daß der Angeklagte gerade
infolge der Mehrdeutigkeit der ihn nicht vor Ueber—
raſchungen ſchützenden Hinweiſung es unterlaſſen hat,
die ihm in Anſehung des 8 49 StGB. zur Seite
ſtehenden Rechtsbehelfe vorzubringen, kann nicht ver—
neint werden, daß das Urteil auf der gerügten Ver—
letzung beruht. (Urt. des V. StS. vom 7. Januar
1908, 5 D 996/07).
1240
— — —e—
1) Anm. des Herausgebers. Der Beſchluß verdient trotz
ſeiner Kürze beſondere Beachtung, weil er einen unſeres Wiſſens in
der Rechtſprechung noch nicht entſchiedenen Fall behandelt.
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Liegt ein kh Mehrere gemeinſchaftliches Recht im
Sinne von 3 48 GVO., 741 BGB. vor, wenn „ie
ein lebens längliches nuentgeltliches Wohnungsrecht“
für zwei Perſonen an denfelben Wohnräumen beſtellt
wird? (BGB. SS 1093, 1090). In einem notariellen
Kaufvertrage, durch den die Wirtseheleute Jakob und
Katharina R. in M. ihr Anweſen an den Ackerer
Friedrich B. und deſſen Frau verkauften, beſtellten
die Käufer den Eheleuten R. „je ein lebenslängliches
unentgeltliches Wohnungsrecht an dem vorderen
Zimmer“. Zugleich bewilligten und beantragten ſie
„die Eintragung dieſes Rechts im Grundbuche mit
gleichem Range für beide Rechte“. Das Grundbuch—
amt ging von der Anſicht aus, daß es ſich um ein
den beiden Berechtigten gemeinſchaftlich zuſtehendes
Recht zur ungeteilten Benutzung des Raumes handle,
das Recht ſelbſt daher geteilt ſein müſſe, beſtimmte
deshalb eine Friſt zur Angabe der Anteile der Bez
rechtigten in Bruchteilen oder des für die Gemein—
ſchaft maßgebenden Rechtsverhältniſſes und lehnte,
als die Angabe nicht erfolgte, die Eintragung der
Wohnungsrechte ab. Die Beſchwerde der Käufer wurde
zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht entnahm daraus,
daß die Verkäufer an dem ihnen überlaſſenen Raume
gemeinſchaftlich berechtigt ſein ſollen, die Beſtellung
eines einheitlichen Wohnungsrechts für beide, das
ihnen nur gemeinſchaftlich zuſtehen könne. Neben dem
für einen Berechtigten beſtellten Wohnungsrecht an
einem Zimmer könne nicht „das nämliche Wohnungs—
recht“ für einen anderen Berechtigten beſtellt werden.
Es beſtehe daher eine Gemeinſchaft nach Bruchteilen,
nach $ 48 GBO. müßten deshalb in der Eintragung
die Anteile der Berechtigten in Bruchteilen angegeben
werden. Auf weitere Beſchwerde wurden die Ent—
ſcheidungen aufgehoben und das Grundbuchamt ange—
wieſen anderweit zu verfügen.
Gründe. Die Annahme der Vorinſtanzen, daß
den Eheleuten R. ein einheitliches Wohnungrecht be—
ſtellt ſei, weil dieſelben Räume nicht Gegenſtand
zweier nebeneinander beſtehender Wohnungsrechte
fein könnten, geht fehl. Das im 8 1093 BGB. als
beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit zugelaſſene Recht,
einen Teil eines Gebäudes unter Ausſchluß des Eigen-
tümers als Wohnung zu benützen, kann begrifflich
nur einen Träger haben. Für den Inhalt des Rechtes
iſt die Verknüpfung mit der Perſon des Berechtigten,
auf deſſen Lebensdauer das Recht beſchränkt iſt,
weſentlich, und das Recht iſt ſeinem Weſen nach un—
teilbar, der Benutzung des Gebäudeteils, die dem Be—
rechtigten zuſteht, können dem Maße nach Schranken
geſetzt ſein, aber das Recht kann immer nur im
ganzen ausgeübt werden. Die Beſchränkung des Be—
nutzungsrechts kann insbeſondere darin beſtehen, daß
an demſelben Gebäudeteile einem anderen ein gleich—
artiges Recht zuſteht, der Berechtigte ſich alſo die
Mitbenutzung durch einen andern Berechtigten ge—
fallen laſſen muß. Die Begründung eines Wohnungs—
rechts mit einem ſo beſchränkten Inhalt iſt ebenſo
möglich, wie nach dem § 1090 BGB. ein Wohnungs-
recht begründet werden kann, das zur Benutzung
eines Gebäudes oder eines Gebäudeteils ohne Aus—
ſchluß des Eigentümers berechtigt. Daraus, daß die
nebeneinander beſtehenden Rechte denſelben Gegen—
ſtand haben, ergibt ſich eine gemeinſchaftliche Be—
nutzung der ihnen unterworfenen Räume, aber eine
Rechtsgemeinſchaft im Sinne des 8741 BGB. beſteht
nicht, jeder der Berechtigten hat nicht einen Bruchteils—
anteil an einem gemeinſchaftlichen Rechte, ſondern
ein ſelbſtändiges Recht. In der Urkunde iſt daher
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
mit Recht der Ausdruck gewählt, daß den beiden Ver⸗
käufern „je ein Wohnungsrecht“ eingeräumt wird.
(Beſchluß des I. 35. vom 16. März 1908, Reg. III
27/1908). W.
1246
IL
Auslegung von Urkunden zum Zwecke der Beſtim⸗
mung der Staatsgebühren. Berudfihtigung von Um-
ſtänden, die nicht aus der Urkunde . (Geb.
Art. 48, BGB. § 133). Nach einer notariellen Urkunde
vom 23. Auguſt 1905 verkaufte der Gutsbeſitzer Z.
in N. an den Bauunternehmer A. in N. einen Bau⸗
platz. Nach Nr. IX der Urkunde verpflichtete ſich der
Verkäufer für ſich und ſeine Rechtsnachfolger, bis zum
1. Januar 1908 auf Verlangen des Käufers weitere
Bauplätze einzeln oder im ganzen um 3.13 M für den
Quadratfuß an ihn zu verkaufen. Unter Nr. X er⸗
klärten die Beteiligten, daß ſie auf die Eintragung
„der unter Nr. IX vereinbarten Bedingungen“ in das
Hypothekenbuch verzichten. Die Urkunde hat die Ueber⸗
ſchrift „Kaufvertrag und Verpflichtung zur Eigentums—
übertragung“. Am 29. Auguft 1905 errichtete das
Notariat einen „Nachtrag“, laut deſſen Z. und A. er⸗
klärten, daß „die in der Urkunde vom 23. Auguſt 1905
von dem Verkäufer eingegangene Verpflichtung zur
Eigentumsübertragung Bedingung des Hauptvertrags
und nicht ein ſelbſtändiges, von dem Kaufvertrag uns
abhängiges Rechtsgeſchäft ſei und daß der Kauf nur
unter der Bedingung und Vorausſetzung geſchloſſen
wurde, daß der Verkäufer die erwähnte Verpflichtung
übernehme; anderenfalls hätte der Käufer ſich zum Kaufe
nicht entſchloſſen“. Der Notar ſetzte deshalb nur für den
Verkauf des Bauplatzes eine Gebühr an. Die Regierung
ordnete jedoch die Nachforderung von 186.30 M für
die in Nr. IX der Urkunde vom 23. Auguft 1905 ent-
haltene Vereinbarung an. Auf Beſchwerde der Ehe—
gatten Z. entſchied das LG. N., daß die Nachforderung
nicht gerechtfertigt ſei. Es bemerkte u. a.: Die Urkunde
vom 23. Auguſt laſſe weder einen ſicheren Schluß
darauf zu, daß die in Nr. IX enthaltene Vereinbarung
nach dem Willen der Vertragſchließenden nur eine
Nebenbeſtimmung des Hauptvertrags bildet, noch
darauf, daß dies nicht der Fall iſt. Die Urkunde vom
29. Auguſt aber gebe weſentliche Anhaltspunkte für
die Annahme an die Hand, daß das erſte der Fall
ſei. Daß dem ſo ſei, gehe übrigens auch aus der Ur—
kunde vom 23. Auguſt und anderen Umſtänden hervor.
Nach dem Willen der Beteiligten liege alfo ein wirt—
ſchaftliches Geſchäft vor, deſſen Beſtimmungen als ein
einheitliches Ganzes aufzufaſſen ſeien. Die Eingehung
der Verpflichtung zur künftigen Uebertragung des
Eigentums bilde demnach nur eine Nebenbeſtimmung
des Kaufvertrags. Für die Einheit des Vertrags—
gegenſtandes ſpreche auch die Anordnung des Inhalts
der Urkunde. Das Oberſte Landesgericht hat die
weitere Beſchwerde der Regierungsfinanzkammer
zurückgewieſen.
Gründe: Das LG. hat durch Auslegung der
Urkunde vom 23. Auguſt 1905 feſtgeſtellt, daß die bei
dem Verkauf eines Bauplatzes erfolgte Eingehung der
Verbindlichkeit des Verkäufers, an ihn innerhalb einer
beſtimmten Friſt auf ſein Verlangen noch andere
Grundſtücke zu verkaufen, nicht ein ſelbſtändiges, von
dem Kaufvertrag unabhängiges Rechtsgeſchäft, ſondern
eine Nebenbeſtimmung oder „Bedingung“ dieſes Vers
trags im Sinne des Art. 183 Abſ. 2 Geb. bilden
ſoll. Allerdings hat das LG. ſeiner Auslegung des
Inhalts der Urkunde vom 23. Auguſt 1905 nicht bloß
deren Inhalt, ſondern auch andere Umſtände, ins—
beſondere die Erklärung zugrunde gelegt, die in der
wenige Tage ſpäter errichteten Urkunde enthalten iſt.
Nach den im Abſchn. III der 4. Abt. des Geb.
(Art. 144 bis 192) enthaltenen Vorſchriften iſt die
Gebühr für eine Notariatsurkunde nach ihrem Inhalt
oder ihrem Gegenſtande zu beſtimmen, für ihre Feſt—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
ſetzung iſt alſo nur der Inhalt der Urkunde, der darin
beurkundete Wille der Beteiligten, maßgebend; Um⸗
ſtände, die nicht aus der Urkunde hervorgehen, ſind
deshalb in der Regel dabei nicht zu beachten. Daraus
folgt aber nicht, daß ſolche Umſtände bei der Aus-
legung der Urkunde auch dann außer Betracht zu
bleiben haben, wenn ihr Inhalt unklar oder mehr⸗
deutig ift. Nach § 133 BGB. ift bei der Auslegung
einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu er:
forſchen und nicht am buchſtäblichen Sinne des Aus⸗
druds zu haften. Das Geb. enthält keine Vorſchrift,
durch die dieſe Willenserforſchung ausgeſchloſſen wäre.
Der Grundſatz, daß für die Beſtimmung der Gebühr
die in der Urkunde enthaltene Willenserklärung maß—
gebend iſt, bringt es allerdings mit ſich, daß Umſtände,
die nicht aus der Urkunde hervorgehen, für die Aus⸗
legung nur inſoweit in Betracht kommen können,
als der durch die Auslegung ermittelte wirkliche Wille
in der beurkundeten Erklärung einen erkennbaren
Ausdruck gefunden hat. Dafür, daß bei der Auslegung
von Urkunden zum Zwecke der Beſtimmung der Gebühr
auch Umſtände berückſichtigt werden können, die nicht
aus der Urkunde hervorgehen, ſpricht geradezu die
auch für Beſchwerden gegen den Anſatz oder die Nach⸗
forderung von Gebühren für Notariatsurkunden geltende
Vorſchrift des Art. 48 GebG., daß die Beſchwerde auf
neue Tatſachen und Beweiſe geſtützt werden kann.
Die Vorſchrift hätte kaum einen Zweck, wenn bei der
für die Beſtimmung der Gebühr für eine Notariats⸗
urkunde erforderlichen Auslegung der Urkunde nur
deren Inhalt und nicht, wenigſtens hilfsweiſe, auch
andere Umſtände berückſichtigt werden dürften. Solche
andere Umſtände ſind auch die in einer anderen Ur⸗
kunde enthaltenen Erklärungen der Beteiligten, die
einen Schluß darauf zulaſſen, was die Beteiligten bei
der Errichtung der Urkunde wirklich erklären wollten,
für die die den Gegenſtand des Streites bildende Gebühr
angeſetzt iſt oder nachgefordert wird.
II. 35. vom 21. Dezember 1907, V 23/07).
1164 W.
III.
Kaum eine offene Handelsgeſellſchaft durch Mehr:
heitsdeſchluß der Geſellſchafter aufgelöſt werden? (GB.
5 119, 109). In A. hat fich 1896 eine aus 12 Teil-
habern beſtehende „Brauerei-Vereinigung“ gebildet,
die am 13. Juli 1903 unter der Firma Brauerei-
Bereinigung K. & Cie., A. bei N.“ als offene Handels-
geſellſchaft mit dem Sitze in A. in das Handelsregiſter
eingetragen wurde.
trag iſt nicht errichtet worden; die Anmeldung zum
Handelsregiſter enthält die Beſtimmung, daß die Ge-
ſellſchafter K., Ha. und Hb. und zwar jeder allein zur
Vertretung der Geſellſchaft ermächtigt ſeien. Die
laufenden Geſchäfte wurden in „Ausſchußſitzungen“
erledigt, über wichtigere Angelegenheiten wurde in
Verſammlungen der Geſellſchafter beſchloſſen.
den Ausſchußſitzungen und in den Verſammlungen
gefaßten Beſchlüſſe wurden in einem Protokollbuche
verzeichnet. Da die Verhältniſſe der Geſellſchaft ſich
ungünſtig geſtalteten, wurde auf den 30. September
1907 eine Verſammlung der Geſellſchafter berufen, um
über die Auflöſung der Geſellſchaft und die Wahl von
Liquidatoren zu beſchließen. Ueber die Verhandlung
wurde ein notarielles Protokoll aufgenommen.
den 12 Geſellſchaftern waren 10 erſchienen, Ha. und
ein zweiter fehlten. Die Auflöſung wurde mit allen
10 Stimmen beſchloſſen. Hierauf entfernte ſich einer
der Geſellſchafter, die übrigen wählten mit 7 gegen
2 Stimmen, darunter die des Geſellſchafters Hb., K.,
Ha. und Hb. zu Liquidatoren. Nachdem ſich noch zwei
Geſellſchafter entfernt hatten, wurde mit allen 7
Stimmen beſchloſſen, daß je zwei Liquidatoren in Ge—
meinſchaft die zur Liquidation gehörenden Handlungen
ſollen vornehmen können. Mit notariell beglaubigten
(Beſchluß des
Ein ſchriftlicher Geſellſchaftsver⸗
Die in
Geſellſchaftsvertrages nach 8
Von
187
Nr. 9.
Erklärungen meldeten die ſämtlichen Geſellſchafter die
Auflöſung der Geſellſchaft, die Beſtellung der Geſell⸗
ſchafter K., Ha. und Hb. zu Liquidatoren und die Be⸗
ſtimmung, daß je zwei Liquidatoren in Gemeinſchaft
zur Vornahme der Liquidations handlungen berechtigt
ſein ſollen, zur Eintragung in das Handelsregiſter an.
Mit der Anmeldung wurde das Protokoll über die
Verſammlung vom 30. September vorgelegt. Da das
Regiſtergericht Bedenken gegen die De der
Beſchlüſſe vom 30. September 1907 hegte, weil
ſie nicht von den ſämtlichen Geſellſchaftern einſtimmig
gefaßt worden ſind, berief ſich Rechtsanwalt Dr. C.
in N. als von den Liquidatoren K. und Hb. bevoll⸗
mächtigter Vertreter der Geſellſchaft unter Vorlegung
des Protokollbuchs darauf, daß ſeit dem 4. Januar 1897
alle Beſchlüſſe von der Mehrheit der erſchienenen Ge-
ſellſchafter gefaßt worden es In dieſer Uebung
ſei eine gewohnheitsrechtliche Beſtimmung zu finden,
die durch die von den ſämtlichen Geſellſchaftern be—
tätigte Anmeldung beſtätigt werde. Das Regiſter⸗
gericht lehnte die beantragte Eintragung ab, weil es
an der mangels einer anderweitigen Beſtimmung des
119 HGB. notwendigen
Zuſtimmung aller Geſellſchafter fehle. Aus dem
Protokollbuche ergebe ſich zwar, daß die meiſten Be-
ſchlüſſe von der Mehrheit der erſchienenen Geſellſchafter
gefaßt worden find, es fänden fih aber auch Mus-
nahmen. Das Protokoll über die Ausſchußſitzung vom
5. Dezember 1905 enthalte u. a. den Beſchluß der zwei
anweſenden Geſellſchafter, wegen einer größeren Liefe-
rung von Gerſte und Malz „die Zuſtimmung ſämt⸗
licher Teilhaber laut Zirkularunterſchrift“ zu erholen.
Ueber die Auflöſung der Geſellſchaft und die damit
zuſammenhängenden Maßregeln könnte jedenfalls nicht
durch Mehrheitsbeſchlüſſe, ſondern nur durch Zuſtim—
mung aller Geſellſchafter entſchieden werden. Rechts⸗
anwalt Dr. C. legte namens der Geſellſchaft Pe-
ſchwerde ein und brachte noch Erklärungen des zweiten
in der Verſammlung vom 30. September 1907 nicht
erſchienenen Geſellſchafters, daß er mit der Auflöſung
der Geſellſchaft einverſtanden ſei, und des Ha., Hb.
und eines der Geſellſchafter, die die Verſammlung
nach der Wahl der Liquidatoren verlaſſen haben, des
Inhalts bei, daß ſie mit der Wahl der Liquidatoren
und der Beſtimmung über ihr gemeinſchaftliches
Handeln einverſtanden ſeien. Die Beſchwerde wurde
zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht ſchloß ſich den
Ausführungen des Regiſtergerichts an und fügte bei,
über die Auflöſung der Geſellſchaft und den Eintritt
der Liquidation beſtehe nunmehr allerdings Ein—
ſtimmigkeit, die Eintragung in das Handelsregiſter ſei
aber nicht tunlich, weil die Erklärung des Geſell—
ſchafters Ha. wohl dahin zu verſtehen ſei, daß er der
Auflöſung nur unter dem Vorbehalte zuſtimme, daß
die Liquidation nach Maßgabe der gefaßten Beſchlüſſe
ſtattfinde. Für dieſe Beſchlüſſe fehle die Zuſtimmung
von zwei Geſellſchaftern, ſie ſeien deshab unwirkſam.
Auf weitere Beſchwerde der Geſellſchaft wurde die
Entſcheidung des Beſchwerdegerichts aufgehoben und
die Sache zurückverwieſen.
Gründe: Da der das Rechtsverhältnis der Ge⸗
ſellſchafter untereinander nach 8 109 HGB. beſtimmende
Geſellſchaftsvertrag einer beſonderen Form nicht be—
darf, konnte die Beſtimmung, daß abweichend von dem
§ 119 HGB. für die von den Geſellſchaftern zu faſſenden
Beſchlüſſe eine beſtimmte Mehrheit genüge, auch durch
ſtillſchweigendes Einverſtändnis der Geſellſchafter ge—
troffen werden, und ein ſolches Einverſtändnis läßt
ſich aus einer ſtändigen, von allen Geſellſchaftern als
ſelbſtverſtändlich angeſehenen Uebung entnehmen. Bei
der ziemlich großen Zahl der Geſellſchafter, von denen
einer auswärts wohnte, war es von vornherein uns
tunlich, zu allen Beſchlüſſen, bei denen die ſämtlichen
Geſellſchafter zur Mitwirkung berufen waren, die
Zuſtimmung aller zu fordern, und es iſt denn
auch, wie die Vorinſtanzen feſtgeſtellt haben, die
Entſcheidung durch Mehrheitsbeſchlüſſe Uebung ge⸗
weſen. Der in der Ausſchußſitzung vom 5. Dezember
1905 gefaßte Beſchluß bildet inſofern keine Ausnahme,
als ſtatt der Berufung einer außerordentlichen Ver⸗
ſammlung der Geſellſchafter, in der ein Mehrheits⸗
beſchluß hätte gefaßt werden können, die Erholung
der ſchriftlichen Zuſtimmung der Geſellſchafter ange-
ordnet wurde. Für dieſe Art der Beſchlußfaſſung iſt
auch bei den rechtsfähigen Vereinen, in deren Mit⸗
gliederverſammlungen nach 8 32 Abſ. 1 BGB. die
Mehrheit der erſchienenen Mitglieder entſcheidet, nach
dem Abſ. 2 des § 32 Einſtimmigkeit erforderlich. Aus
den Protokollen vom 2. Oktober 1905 und vom
3. Auguſt 1906 ergibt ſich allerdings, daß zur Be⸗
ſchlußfaſſung über beſonders wichtige Angelegenheiten
die Anweſenheit von fünf Geſellſchaftern nicht für ge⸗
nügend erachtet wurde, aber dadurch iſt keineswegs
ausgeſchloſſen, daß die Entſcheidung in der gehörig
berufenen Verſammlung
Zieitſcrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
—
der Kapellmeiſter Th. als „da capo⸗Nummer“ ein der
Polizeidirektion zur Einſicht nicht vorgelegtes, daher
nicht genehmigtes Lied mit dem Titel „Uneigennützig“
und die Schauſpielerin St. das verbotene Lied „Die
Geſchichte von meinem Himmelbett“ als „Dreingabe“
vor. Damals war H. abweſend; die geſamte Leitung
des Theaters lag in den Händen des G., der das
Programm für die Abendvorſtellung genehmigte und
ihr anwohnte. Die beiden nicht „zenſurierten“ Lieder
wurden ohne Genehmigung und ohne Wiſſen und
Wollen der Unternehmer vorgetragen. Das Schöffen⸗
gericht ſprach H. und G. von einer Zuwiderhandlung
gegen § 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. frei, weil kein
Verſchulden vorliege. Auf die vom Amtsanwalt
wegen e Dun des G. eingelegte Berufung
hob das LG. das ſchöffengerichtliche Urteil, ſoweit es
den G. betrifft, auf und verurteilte ihn wegen eines
Vergehens gegen die GewO. Das Berufungsgericht
durch einen Beſchluß ge⸗
troffen werden konnnte, auf den ſich ſieben Stimmen,
die Mehrheit der Stimmen der ſämtlichen Gefell-
ſchafter, vereinigten. Gerade dieſe Löſung der Frage
lag beſonders nahe, und von dieſer Auffaſſung ſcheint
man in der Verſammlung vom 30. September 1907
ausgegangen zu ſein, in der die zwei letzten Beſchlüſſe
mit ſieben Stimmen gefaßt wurden, ohne daß bei der
Wahl der Liquidatoren, bei der zwei mitwirkende
Geſellſchafter überſtimmt wurden, ein Widerſpruch
gegen die Gültigkeit laut wurde. In dem Zuſammen⸗
wirken aller Geſellſchafter zu der Anmeldung der von
der Mehrheit beſchloſſenen Aenderungen kann gleich⸗
falls die Betätigung der Ueberzeugung von der Wirk⸗
ſamkeit der mit ſieben Stimmen gefaßten Beſchlüſſe
gefunden werden, die nicht zuſtimmenden Geſellſchafter
können mit Recht angenommen haben, zu der Mit⸗
wirkung bei der Anmeldung verpflichtet zu ſein.
Wenn das Beſchwerdegericht annahm, daß die Geſell⸗
ſchafter mit Ausnahme des Ha. der Auflöſung der
Geſellſchaft ohne Rückſicht darauf zugeſtimmt haben,
in welcher Weiſe die Liquidation ſtattfinden ſoll, aber
Bedenken trug, die Erklärung des Ha. in demſelben
Sinne zu verſtehen, ſo ſtand nichts im Wege, den
Zweifel durch Befragen des Ha. zu beheben. (Beſchl.
des I. ZS. vom 7. Februar 1908, Reg. III 13/1908).
1244 W.
B. Strafſachen.
1
Geſchichtliche Entwickelung und rechtliche Grund⸗
lagen der Theaterzeuſur in Bayern. Welche Strafvor⸗
ſchrift ift bei Zuwiderhaudlungen gegen Stonzeifions:
bedingungen anzuwenden? Die Theaterdirektoren H.
und G. erhielten von der Polizeidirektion M. nach
§ 32 Gewdo. die Erlaubnis zum Betriebe eines
Schauſpielunternehmens und nach § 33a GewO. die
Genehmigung zum gewerbsmäßigen Betriebe des
Schauſpiels,
ſtellungen und muſikaliſcher und deklamatoriſcher
Vorträge. Auf Grund des Art. 32 PStGB. wurde
ihnen im Intereſſe der Sicherheit, öffentlichen Ordnung
der Veranſtaltung theatraliſcher Bors
nahm an, daß G. bei dem ſelbſtändigen Betrieb eines
ſtehenden Gewerbes, zu deſſen Beginn eine polizeiliche
Genehmigung erforderlich iſt, von der in der Ge⸗
nehmigung feſtgeſetzten Bedingung abgewichen ſei,
und erachtete den Tatbeſtand eines Vergehens nach
§ 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. für gegeben. Die Reviſion
des G. wurde auf die Rüge der Verletzung der 88 32,
32a, 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. geſtützt. Sie hatte Erfolg.
Aus den Gründen: 1. Art. 63 des P StGB.
vom 10. November 1861 bedrohte in Abſ. 1 Ziff. 1
mit Strafe, „wer ohne polizeiliche Erlaubnis öffent⸗
liche Luſtbarkeiten, wie theatraliſche Auf-
führungen uſw. veranſtaltet“, und enthielt in
Ziff. 3 eine Strafdrohung gegen den, der die bei Er⸗
teilung der Erlaubnis zu ſolchen Unternehmungen
von der Ortspolizeibehörde ihm auferlegten Be-
dingungen verletzt. Darüber, welchen Inhalt die Be⸗
dingungen haben können, gibt das Geſetz keinen aus⸗
drücklichen Aufſchluß. Durch den Umſtand aber, daß
der Art. 63 in das 2. Hauptſtück „Uebertretungen in
bezug auf öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit“
eingeſtellt wurde, a der Geſetzgeber das Gebiet be⸗
grenzt, auf dem ſich die Bedingungen zu bewegen haben,
ſie müſſen mit der Aufrechthaltung der öffentlichen
En Ordnung und Sicherheit im Zuſammenhange
ſtehen.
Art. 16 des bayer. Geſ. vom 30. Januar 1868,
das Gewerbsweſen betr., beſtimmt im Abſ. 1: „Die
Beſtimmungen des PSIEB. über Schau- und Vor-
ſtellungen erleiden keine Abänderung“; es iſt damit
Art. 63 PStGB. aufrecht erhalten worden. Auf
Grund des Art. 16 Abſ. 1 des GewG. vom 30. Januar
1868 und des Art. 63 des PStGB. wurde die BO.
erlaſſen.
polizeiliche
und Sittlichkeit die Bedingung auferlegt, daß der
Text jedes zur öffentlichen Aufführung beſtimmten
Stückes, Gedichtes oder Liedes mindeſtens acht Tage
vor der Aufführung der Polizeidirektion vorzulegen
iſt; ferner wurde ihnen die Auflage gemacht, „nicht
zugelaſſene Improviſationen der Darſteller durch
ausdrückliche Anweiſung zu verhindern“; für Er—
füllung dieſer Verpflichtung wurde die perſönliche
Verantwortlichkeit der Unternehmer beſtimmt. Am
1. März 1907 verbot die Polizeidirektion den Vor—
trag des Liedes „Die Geſchichte von meinem Himmel—
bett“. In der Vorſtellung vom 12. April 1907, deren
Programm nur genehmigte Stücke enthielt, trugen
vom 3. Juli 1868, die Schau- und Vorſtellungen betr.
83 Abſ. 2 der VO. beſtimmte: „Unter:
nehmer von öffentlichen theatraliſchen Vorſtellungen
uſw. bedürfen einer Erlaubnis der einſchlägigen Kreis⸗
regierung“.
2. An Stelle des Art. 63 des PStcB. vom
10. November 1861 trat Art. 32 des PSIGB. vom
26. Dezember 1871, der in Ziff. 1 und 4 den mit
Strafe bedroht, „der ohne die nach VO. erforderliche
Erlaubnis öffentliche Luſtbarkeiten, wie
theatraliſche Aufführungen ufw., veranftaltet
(Ziff. 1) und den, der die bei der Erteilung der Erlaub⸗
nis zu ſolchen Unternehmungen von der Polizeibe⸗
hörde ihm auferlegten Bedingungen verletzt (Ziff. 3).
Art. 32 ift in das 2. Hauptſtück des PStGB. „Ueber:
tretungen in bezug auf öffentliche Ruhe, Ordnung
und Sicherheit“ eingeſtellt.
3. Sowohl auf Grund des Art. 63 Ziff. 3 PStGB.
von 1861 als auch auf Grund des Art. 32 Ziff. 3
des PStchB. von 1871 konnten bei der Erteilung
der Erlaubnis zu den in Art. 63 Ziff. 1 und 32 Ziff. 1
aufgeführten Unternehmungen Bedingungen geſetzt
werden, die mit dem Zwecke der geſetzlichen Vor⸗
ſchriften im Zuſammenhang ſtanden und die Art und
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
Weiſe des Betriebes betrafen. Hiernach aber war es
zuläſſig, daß die Polizeibehörde bei der Erteilung
der Genehmigung von theatraliſchen Aufführungen
die Bedingung ſetzte, daß nur ſolche Stücke zum
Vortrage gelangen dürfen, die zuvor der Polizeibe⸗
189
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hörde vorgelegt und nicht beanſtandet worden find.
4. Es iſt weiter zu prüfen, ob der auf Grund
des Art. 32 PStGB. geltende Rechtszuſtand infolge
der Einführung der GewO. eine Aenderung erfahren
hat. Durch das RG. vom 12. Juni 1872 wurde die
GewO. in Bayern eingeführt. Nach dem von der
bayer. Regierung vorgeſchlagenen Geſetzentwurf über
die Einführung der GewO. in Bayern ſollte dem
8 32 Abſ. 1 GewO. folgende Faſſung gegeben werden:
„Schauſpielunternehmer bedürfen zum Betrieb ihres
Gewerbes der Erlaubnis, welche nach Maßgabe der
von der Landesregierung zu erlaſſenden Verordnungen
verſagt und zurückgenommen werden kann.“ Der
Vorſchlag fand keine Zuſtimmung; es trat für Bayern
der unveränderte 8 32 Abſ. 1 GewO. in Geltung, der
lautet: „Schaufpielunternehmer bedürfen zum Betriebe
ihres Gewerbes der Erlaubnis. Dieſelbe iſt ihnen
zu erteilen, wenn nicht Tatſachen vorliegen, welche
die Unzuverläſſigkeit des Nachſuchenden in Beziehung
auf den beabſichtigten Gewerbebetrieb dartun.“
5. Durch das RG. vom 15. Juli 1880 erhielt
§ 32 Abſatz 1 GewO. folgende Faſſung: „Schauſpiel⸗
unternehmer bedürfen zum Betriebe ihres Gewerbes
der Erlaubnis. Dieſelbe iſt zu verſagen, wenn die
Behörde auf Grund von Tatſachen die Ueberzeugung
gewinnt, daß der Nachſuchende die zu dem beabſichtigten
Gewerbebetrieb erforderliche Zuverläſſigkeit ...
nicht beſitzt.“ Maßgebend für die Aenderung des
Abſ. 1 war die Erwägung, daß, wenn auch auf dem
Wege der zuläſſigen Schaffung partikularrechtlicher
Beſtimmungen über die Ausübung des Theater—
gewerbes den infolge der Verbreitung der Tingel—
tangels und cafés chantants hervorgetretenen Miß—
ſtänden abgeholfen werden könne, es doch angezeigt
ſei, der Behörde die Möglichkeit zu gewähren, ſchon
im Zeitpunkte der Einholung der Bewilligung an die
0 des Nachſuchenden ſtrenge Anforderungen zu
tellen.
6. Durch
§ 32 die jetzt geltende Faſſung: „Schauſpielunter—
nehmer bedürfen zum Betrieb ihres Gewerbes der
Erlaubnis Die Erlaubnis iſt zu ver—
ſagen, wenn der Nachſuchende den Beſitz der zu
dem Unternehmen nötigen Mittel nicht nachzuweiſen
vermag, oder wenn die Behörde auf Grund von
Tatſachen die Ueberzeugung gewinnt, daß derſelbe
die zu dem beabſichtigten Gewerbebetrieb erforderliche
Zuverläſſigkeit . .. nicht beſitzt.“
7. Der Entwurf eines Gef. betr. Abänderung der
GewO. vom 28. April 1882 beſtimmte in Art. 3 unter I:
Hinter 8 33 der GewO. wird eingeſchaltet: 8 33 a:
Abſ. 1: „Wer gewerbsmäßig Muſikaufführungen,
Schauſtellungen, theatraliſche Vorſtellungen oder
ſonſtige Luſtbarkeiten, bei denen ein höheres Intereſſe
der Kunſt oder Wiſſenſchaft nicht obwaltet, in ſeinen
Wirtſchafts⸗ oder ſonſtigen Räumen öffentlich veran—
ſtalten oder zu deren Veranſtaltung feine Räume be-
nützen laſſen will, bedarf zum Betriebe dieſes Gewerbes
der Erlaubnis ohne Rückſicht auf die etwa
bereits erwirkte Erlaubnis zum Betriebe
des Gewerbes als Schauſpielunternehmer.“
Abſ. 2: „Die Erlaubnis iſt zu verſagen:
1. wenn gegen den Nachſuchenden Tatſachen vor—
liegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß
die beabſichtigten Veranſtaltungen den Geſetzen
oder guten Sitten zuwiderlaufen werden;
. wenn das zum Betriebe des Gewerbes bez
ſtimmte Lokal wegen ſeiner Beſchaffenheit oder
Lage den polizeilichen Anforderungen nicht
genügt;
das RG. vom 6. Auguſt 1896 erhielt
3. wenn der den Verhältniſſen des Gemeinde⸗
bezirkes entſprechenden Anzahl von Perſonen
die Erlaubnis bereits erteilt iſt.“
Abſ. 3. „Die Erlaubnis kann auf Zeit er-
teilt und durch beſtimmt zu be⸗
zeichnende Forderungen eingeſchränkt
werden.“
Die Reichstagskommiſſion beſchloß, den § 33a Abſ. 1
des Entwurfs mit dem Abmaße anzunehmen, daß
an Stelle des Satzes: „bei denen ein höheres Intereſſe
der Kunſt oder Wiſſenſchaft nicht obwaltet“, zu ſetzen
ſei, „ohne daß ein höheres Intereſſe der Kunſt oder
Wiſſenſchaft dabei obwaltet“, und den Abſ. 2 mit der
Abänderung, daß an Stelle des Satzes „die Erlaub—
nis iſt zu verſagen“ der Satz zu treten habe: „die
Erlaubnis iſt nur dann zu verſagen“. Abſ. 3 des
Entwurfs: „Die Erlaubnis kann auf Zeit erteilt und
durch beſtimmt zu bezeichnende Bedingungen einge—
ſchränkt werden“, wurde von der Kommiſſion geſtrichen.
Bei den Beratungen der Kommiſſion wurde gegen die
Beſtimmung in Abſ. 3 geltend gemacht, fie öffne po-
litiſchen Maßregelungen Tür und Tor und überliefere
die Lokalinhaber faſt wehrlos den Uebergriffen der
unteren Inſtanzen, es ſei kein Anlaß vorhanden, hier
andere Grundſätze eintreten zu laffen, als in 8 33
GewO., welcher Beſchränkungen der Erlaubnis nicht
zulaſſe. Im Plenum des Reichstags wurde § 33a,
wie er von der Kommiſſion beſchloſſen wurde, mit
dem Abmaß angenommen, daß im Abſ. 1 an Stelle
der Worte: „Muſikaufführungen oder theatra-
liſche Darſtellungen“ geſetzt wurde: „Singſpiele, Ge-
ſangs⸗ und deklamatoriſche Vorträge, Schauſtellungen
von Perſonen oder theatraliſche Vorſtellungen“ und
daß als Abſatz 3 aufgenommen wurde: „Aus den
unter Ziff. 1 angeführten Gründen kann die Erlaub—
nis zurückgenommen und Perſonen, welche vor dem
Inkrafttreten dieſes Geſetzes den Gewerbebetrieb be—
gonnen haben, derſelbe unterſagt werden.“ Mit
dieſem Inhalte wurde § 33a Geſetz und ift jekt
geltendes Recht.
8. Bei Prüfung der Frage, ob die GewO. die
Feſtſetzung von Bedingungen bei der Erteilung der
Genehmigung für zuläſſig erklärt habe, die für die
Zulaſſung zum Betriebe beſtimmter Gewerbe erforder—
lich iſt, iſt zunächſt zu erwägen, daß fie in $ 147
Abſ. 1 Ziff. 1 das Abweichen von den in der Ge—
nehmigung feſtgeſetzten Bedingungen unter Strafe
ſtellt. Hieraus erhellt, daß ſie der Feſtſetzung von
Bedingungen bei der Erteilung der Genehmigung
nicht ablehnend gegenüberſteht, ſolche vielmehr vor—
ſieht. Anderſeits aber wäre es verfehlt, aus dem
Inhalte des 8 147 Abſ. 1 Ziff. 1 den Schluß zu
ziehen, daß die GewO. die Feſtſetzung von Bedingungen
bei der Erteilung von Genehmigungen ſchlechthin
zulaſſen und dieſes Gebiet ausſchließlich regeln
wollte. Eine ſolche Schlußfolgerung iſt ſchon deshalb
abzuweiſen, weil aus der GewO. ſelbſt hervorgeht,
daß es Bedingungen gibt, die bei der Erteilung der
Genehmigung keinesfalls auferlegt werden dürfen,
z. B. Reſolutivbedingungen (8 40 Gewdo.). Die
Prüfung kann ſich hier auf die Beantwortung der
Frage beſchränken, ob die GewO. bei der Erteilung
der Genehmigung eines Unternehmens wie des von
dem Angeklagten betriebenen die Feſtſetzung von Be—
dingungen hinſichtlich der Art und Weiſe der Aus—
übung für zuläſſig erklären oder ob ſie die Ent—
ſcheidung der Frage der Zuläſſigkeit ſolcher Be—
dingungen dem Landesrechte vorbehalten wiſſen
wollte. Weder aus dem Inhalte noch aus der Ent—
ſtehungsgeſchichte der 88 32, 33a GewO. find An-
haltspunkte für die Beantwortung zu entnehmen. Es
wird unter dieſen Umſtänden ausſchlaggebend die
grundſätzliche Stellung fein müſſen, die die GewO.
zur Frage der Erlaſſung von Vorſchriften einnimmt,
die auf allgemein polizeilichen Erwägungen beruhen,
1%
und die Art und Weiſe der Ausübung eines Gewerbes
betreffen. Der Geſetzgeber hat ſich auf den Stand—
punkt geſtellt, daß die Regelung des bezeichneten Ge-
bietes beſonderen Geſetzen — Reichs- oder Landes⸗
geſetzen — zu überlaſſen fei (88 1, 144 der Gew.).
Grundſätzlich iſt es nicht von Bedeutung, ob die aus
allgemein polizeilichen Erwägungen erlaſſenen Be—
ſtimmungen über die Art der Ausübung eines Ge—
werbes in allgemeinen Vorſchriften (Geſetzen, Ber-
ordnungen) enthalten ſind, oder ob ſie auf Grund
einer geſetzmäßig erteilten Ermächtigung für den ein-
zelnen Gewerbebetrieb in der Form der Feſtſetzung
von Bedingungen bei Erteilung der Genehmigung
des Betriebes erlaſſen werden. Es wird daher anzu—
nehmen ſein, daß die GewO. in Anſehung der Zu—
läſſigkeit der Auflage von Bedingungen bei der
Erteilung der Genehmigung eines
einzelnen dem
Konzeſſionszwang unterworfenen Gewerbebetriebs den
gleichen Standpunkt einnehmen wollte, wie gegenüber
der Erlaſſung allgemeiner Vorſchriften und daß dems
gemäß die Regelung der Frage der Zuläſſigkeit von
Bedingungen beim Mangel beſonderer reichsgeſetzlicher
Vorſchriften dem Landesrechte vorbehalten blieb.
Rechtszuſtand aufrecht geblieben, wie er im Beit-
punkte der Einführung der GewO. in Bayern be-
ſtand und es ſind die Bedingungen zuläſſig, die von
der Polizeidirektion dem Angeklagten auferlegt wurden.
10. Irrtümlich iſt die Annahme der Vorinſtanz,
daß die auf die getroffenen Feſtſtellungen anzuwendende
Strafbeſtimmung der $ 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO.
ſei, der das Abweichen von den bei der Genehmigung
feſtgeſetzten Bedingungen bedroht. Da, wie dargelegt,
die GewO. der landesrechtlichen Regelung die Frage
vorbehalten hat, ob bei der Erteilung der Genehmi—
gung die Feſtſetzung von Bedingungen zuläſſig ſein
ſoll, die die Art der Ausübung dieſer Betriebe be—
treffen, ſo können unter den Bedingungen, deren Ver⸗
letzung § 147 Abſ. 1 Ziff. 1 GewO. unter Strafe
ſtellt, nicht ſolche verſtanden werden, die, als die Art
und Weiſe der Gewerbeausübung betreffend, in An-
ſehung ihrer Zuläſſigkeit der GewO. nicht unterliegen;
es muß vielmehr angenommen werden, daß die
GewO. der Landesgeſetzgebung auch die Schaffung
von Strafvorſchriften überließ, die die Erfüllung der
landesrechtlich für zuläſſig erklärten Bedingungen
über die Art der Gewerbeausübung ſichern ſollen.
Als Vorſchrift des Landesſtrafrechts kommt Art. 32
Abſ. 1 Ziff. 3 PStGB. in Betracht, nach dem beſtraft
wird, wer die bei Erteilung der Erlaubnis zu den
in Ziff. 1 und 2 aufgeführten Unternehmungen von
der Polizeibehörde ihm auferlegten Bedingungen ver—
letzt. Es hätte daher die Strafkammer zu würdigen
gehabt, ob dieſe landesrechtliche Strafvorſchrift an—
wendbar fei. (Urt. vom 14. Dezember 1907, RevReg.
511/07). — — — n.
1215
II.
Eigentum an dem Gas, das noch im Leitungsrohr
fteht, aber bereits die Gasuhr paſſiert hat. Miteigen⸗
tum. Sachbeſchädigung an dieſem Gas durch Einpumpen
von Luft. Berechtigung zum Strafantrag. Der Ange⸗
klagte und der Zeuge Z. hatten in einem Anweſen
mietweife je eine Werkſtätte inne, die aneinander-
ſtießen. Zum Geſchäftsbetriebe bedienten ſie ſich je
eines Gasmotors; für beide Arbeitsräume beſtand
eine gemeinſame Gaszuleitung, die bis zu der die
Werkſtätten trennenden Zwiſchenmauer führte und
vor der zunächſt das von Z. und dann das vom An-
geflagten benötigte Gas abgezweigt und durch be—
ſondere Seitenſtränge in die beiden Werkſtätten ein—
geleitet wurde. In einer Entfernung von etwa 25
Metern vor dem Punkte, an dem von der gemein—
ſamen Leitung zunächſt die Zuleitung in die Arbeits—
räume des Z. abzweigt, ift eine Gasuhr (Gasuhr des
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
Angeklagten, Hauptuhr) angebracht; in der Werkſtätte
des Z. befindet ſich eine weitere Gasuhr (Gasuhr des
Z., Nebenuhr). Angeklagter hat durch Einpumpen von
Luft das hinter der Hauptuhr befindliche Gas unbraud:
bar 1 Er wurde wegen Sachbeſchädigung ver:
urteilt.
Aus den Gründen des Reviſionsur⸗
teils: Es kann nicht die Rede davon ſein, daß Gas
des ſtädtiſchen Gaswerkes von dem Angeklagten be-
ſchädigt worden wäre. Denn ſobald das Gas in dem
Zuleitungsrohr die Gasuhr des Angeklagten durch—
laufen hat, iſt es von der Gasanſtalt auf Grund des
Gaslieferungsvertrages kaufsweiſe unter Stundung
des Kaufpreiſes bis zur nächſten Kontrolle der Gas-
uhr an den Konſumenten zu Eigentum übergeben
worden. Die Verrechnung kann nach Lage der Sache
nur in der Weiſe erfolgen, daß Z. die durch ſeine
Nebenuhr gelaufene Gasmenge, Angeklagter das durch
die Hauptuhr eingetretene Gas unter Abzug des Ber-
brauches des Z. bezahlt. Solange Z. allein Gas
aus der gemeinſamen Leitung verbraucht, iſt er allein
Eigentümer des durch die Hauptuhr eingeſtrömten
|
| Gafes, da er es allein bezahlt.
Hiernach iſt der oben unter 3 ſeſtgeſtellte
Wenn Z. und der
Angeklagte gleichzeitig Gas aus der gemeinſamen
Leitung verbrauchen, ſteht das Gas, das die Haupt:
uhr paſſiert hat, im Miteigentum beider und ihre
Anteile an dem gemeinſchaftlichen Gegenſtande be⸗
meſſen ſich nach der Menge des von dem Einzelnen
verbrauchten Gaſes. Der Angeklagte hat durch das
Einblaſen von Luft das Gas auch tatſächlich be⸗
ſchädigt. Beſchädigung im Sinne des 8 303
StGB. ift jede Einwirkung, durch welche die Sub-
ſtanz der Sache verändert, ihre Unverſehrtheit aufges
hoben wird, ſobald hierdurch die Brauchbarkeit der
Sache für ihre beſondere Zweckbeſtimmung gemindert
oder ſonſt das Intereſſe des Eigentümers an ihrer
Unverſehrtheit beeinträchtigt wird. Daß Gas eine
körperliche Sache iſt, iſt unbeſtritten. Das Gas iſt
von dem Angeklagten beſchädigt worden, gleichviel
ob er die Luft ſtark oder ſchwach eingeblaſen hat.
Im letzteren Falle hat das Gas feine chemiſche Zu-
ſammenſetzung zum Nachteile feiner Brauchbarkeit ge-
ändert. Aber auch dann, wenn bei ſtarkem Gin-
blafen von Luft Luftſäulen zwiſchen die Gasſäule
ſich einſchieben, die im Leitungsrohr ſteht oder ſich
bewegt, iſt der für den Gebrauchszweck unerläßliche
körperliche Zuſammenhang des Gaſes durch Luft in
einer Weiſe zerriſſen, die eine nachteilige Aenderung
der Beſchaffenheit des Gaſes bedeutet. Die ſchädi—
gende Handlung des Angeklagten hat, wenn zur Zeit
der Tat nur Z. Gas verbrauchte, nach dem oben Ge-
ſagten ausſchließlich deſſen Eigentum, wenn aber der
Angeklagte und Z. gleichzeitig Gas verwendeten, das
im Miteigentum beider ſtehende Gas, in jedem Falle
alfo eine fremde Sache im Sinne des $ 303 StGB.
betroffen. Wer eine fremde Sache auch nur zeitweiſe
unbrauchbar machen will, will fie beſchadigen. (Urt.
vom 22. Februar 1908, Rev. Reg. 35/08).
1235
Oberlandesgericht München.
Zur Anwendung der 8E 12 Abſ. 2, 13 Abſ. 3
Gg; Begriff der weiteren Beſchwerde im Falle des
§ 571 Halbſatz 1 350. In einem Prozeſſe auf
Duldung der Zwangsvollſtreckung (8 739 ZPO.) er-
klärte der Beklagte, daß er zwar die Zuſtändigkeit des
Landgerichts beſtreite, weil der Wert des eingebrachten
Guts gleich Null ſei, jedoch unbeſchadet der Koſtenpflicht
des Klageteils den Anſpruch anerkenne. Das Gericht
legte dieſe Erklärung dahin aus, daß der Beklagte die
Zuſtändigkeit nur zur Abwendung der Koſtenauflage
bemängle, erließ in der Hauptſache Anerkenntnisurteil
und überbürdete dem Beklagten auch die Koſten, weil
— 2
der Streitwert der Duldung gleich dem Forderungs⸗
betrag (2300 M) ſelbſt ſei. Die Beſchwerde des Be⸗
klagten gegen die Streitwertsfeſtſetzung blieb ohne
Erfolg. Bei der Koſtenfeſtſetzung billigte das Gericht
zunächſt die vollen Anwaltsgebühren für die Verhand⸗
lung in der irrigen Annahme zu, letztere ſei auf den
vollen Streitwert kontradiktoriſch geweſen. Auf Be⸗
ſchwerde des Beklagten ſetzte das Gericht die Verhand⸗
lungsgebühr auf ic herab. Dagegen beſchwerte ſich
nunmehr der Kläger, weil jedenfalls hinſichtlich der
Koſten (200 — 300 M) kontradiktoriſch verhandelt worden
fei, ihm ſohin neben °/ıo nichtkontradiktoriſcher Gebühr
Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
aus der Hauptſache weitere 7 M als volle Verhand⸗
lungsgebühr im Koſtenpunkt zuſtänden. Die Beſchwerde
wurde als zuläſſig erachtet, weil ſie ſich nicht als
weitere Beſchwerde darſtelle, ſachlich ſei ſie aber unbe⸗
gründet, weil in einem ſolchen Falle in entſprechender
Anwendung des 8 12 GKG. nur die höhere nicht⸗
kontradiktoriſche Gebühr verlangt werden könne.
(Beſchl. vom 5. März 1908; Beſchw. Reg. 14208).
1223 l N.
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Fall der Gültigkeit der in das Beſtätigungsſchreiben
das man als „konſtitutives Beſtätigungsſchreiben“ be-
zeichnen mag, iſt verfaßt und behändigt worden, da⸗
mit der Käufer wiſſe, wie die Klägerin den mündli
geſchloſſenen Vertrag auffaſſe und damit er prüfe, o
ſeine Auffaſſung mit der der Klägerin übereinſtimme.
Der Beklagte hat dieſe Abſicht auch nicht verkannt, iſt
vielmehr auf ſie eingegangen: er hat ſich mit einer
anſcheinend nicht nur flüchtigen Durchſicht der Urkunde
befaßt und durch den von der Klägerin noch gemachten
Zuſatz: „gute Qualität“ eine Erweiterung oder doch
genauere Präziſierung der von der Klägerin zu über⸗
nehmenden Pflichten erzielt. Die Urkunde hatte nicht
die Bedeutung eines bloßen Beweismittels, der Be⸗
klagte hat ja, als ihm das Schreiben eingehändigt
war, noch einmal den Verſuch gemacht, die Klägerin
zur Uebernahme der bereits abgelehnten Haftung für
die Bindeeigenſchaft des Strohs zu bewegen, und ſich
dann erſt mit dem Beiſatze: „gute Qualität“ begnügt.
Bei ſolcher Sachlage durfte die Klägerin nach den im
Handelsverkehr unter Kaufleuten maßgebenden Ges
wohnheiten erwarten, daß der Beklagte, falls er mit
wuigensmmenen Vereinbarung eines Erfüllungsertes,
wenn der unter Stanflenten zunächſt mündlich geſchloſſene
Vertrag dieſen Punkt nicht erwähnt. Einwendung, man
habe die jene Klanſel enthaltenden allgemeinen Ber:
tragsbedingungen nicht geleſen. Der Fouragehändler
E. in N. än Heſſen) kaufte am 16. Januar 1907 von
der Firma J. M. in F. eine beſtimmte Menge Roggen⸗
ſtroh, gute Qualität, Flegeldruſch, zu beſtimmtem
Preiſe für 100 Kilo „Frachtparität ab F., lieferbar in
den Monaten Januar und Februar 1907 nach Wahl
der Verkäuferin in Ladungen von ca. 100 Ztr., zahl⸗
bar netto Raffa nach Empfang jeder Sendung“. Ueber
das Geſchäft wurde von der Verkäuferin eine Urkunde
in zwei gleichlautenden Exemplaren errichtet, von
denen eines dem Käufer ſofort behändigt wurde. Die
Urkunde iſt in Briefform, von F. den 16. Januar 1907
datiert, an die Adreſſe des Käufers gerichtet und von
der Verkäuferin unterzeichnet; ſie beginnt: „Hiermit
verkaufe ich Ihnen unter nachſtehenden Bedingungen“,
enthält die oben angegebenen beſonderen Geſchäfts—
bedingungen und im Anſchluſſe hieran eine Reihe all-
gemeiner — gedruckter — Geſchäftsklauſeln, deren
eine als Erfüllungsort für alle Teile F. vorſieht. Der
von der Verkäuferin zum LG. F. erhobenen Kaufpreis—
klage wurde vom Beklagten die Einrede der örtlichen
Unzuſtändigkeit entgegengeſetzt. Der Einrede wurde
vom LG. ftattgegeben, das OLG. hat fie verworfen.
Gründe: Die Zuſtändigkeit des LG. F. ift ge-
geben; F. iſt als Erfüllungsort auch für den Be—
klagten vereinbart. Beim Kaufsabſchluſſe handelte es
fd) um einen unter Anweſenden zunächſt mündlich
geſchloſſenen, an ſich formfreien Vertrag. Die Parteien
hatten aber, wie durch Zeugenbeweis feſtſteht, ein
großes Intereſſe daran, ſowohl die Rechtsverbindlich—
keit als den näheren Inhalt des Vertrages auf ſchrift—
lichem Wege außer Zweifel geſtellt zu ſehen; dieſes
Intereſſe ergibt ſich namentlich daraus, daß die Ver—
tragsteile in Anſehung der Frage, ob und welche
Haftung die Verkäuferin für eine beſtimmte Cualität
zu übernehmen habe, längere Zeit uneins waren und
das Geſchaft fih beinahe zerſchlagen hätte. Die Klä—
gerin ging ſofort, als man über die Grundzüge im,
reinen war, daran, den Vertrag ſchriftlich abzufaſſen
und dem Beklagten ein Vertragsexemplar zu über-
reichen; daraus erhellt ihre Abſicht, den geſamten
Vertragsinhalt in der Weiſe endgültig feſtzuſtellen,
daß ausſchließlich der Inhalt dieſes Schriftſtücks für
den Umfang der beiderſeitigen Rechte und Pflichten
aus dem Vertrage maßgebend ſein ſolle. Das Schreiben,
dem Inhalte des Schreibens nicht einverſtanden war,
ihr dies alsbald mitteilen werde. Beſtand hiernach
eine Pflicht des Beklagten, im Falle des mangelnden
Einverſtändniſſes zu reden, ſo muß dem Umſtande,
daß der Beklagte, ein gewandter Zwiſchenhändler, die
ergänzte Urkunde entgegengenommen und ohne Ein⸗
wendung zu ſich geſteckt hat, die Bedeutung des Ein⸗
verſtändniſſes mit dem übrigen Inhalte der Urkunde
beigelegt, das Stillſchweigen des Beklagten als Unter⸗
werfung unter die in der Urkunde enthaltenen Be:
dingungen ausgelegt werden (RG. II, 24. März 1903,
26. April 1904, E. 54 S. 180; 58 S. 69). Daß der
Beklagie keines der beiden Exemplare unterzeichnet
55 iſt bedeutungslos; beſtünde ſelbſt eine geſetzliche
orſchrift oder ein Handelsgebrauch, ſo müßte doch
ein ſtillſchweigendes Einverſtändnis mit dem übrigen
Inhalte der Urkunde angenommen werden, da in
einem Punkte Widerſpruch erhoben wurde, in allen
anderen nicht (RG. II 10. Jan. 1895, E. 59 S. 350).
Und zwar bedeutet das Stillſchweigen des Beklagten
die Zuſtimmung zum geſamten Urkundeninhalte, alſo
auch zu den mündlich nicht beredeten Geſchäftsbedin⸗
gungen. Im Handelsverkehre werden und zwar auch
oder gerade da, wo die Prinzipale ſelbſt einander
perſönlich gegenüber treten, mündlich nur die mid-
tigſten Punkte genau und im einzelnen beſprochen
(Ware, Preis, Quantität, Qualität u. dgl.); im übrigen
erfolgt der Abſchluß ſehr häufig nach Maßgabe allge—
meiner Vertragsbedingungen, wie ſich ſolche faſt alle
größeren Firmen zurecht gemacht haben. Der Beklagte
war ſich vollkommen darüber klar, daß derjenige Teil
der Urkunde, der ſich an die mündlich beredeten be—
ſonderen Kaufsbedingungen anſchließt, die allgemeinen
Lieferungsbedingungen enthalte und daß dieſe auch
für dieſes Geſchäft gelten ſollten. Gegenteiliges be—
hauptet er ſelbſt nicht, er ſagt nur, daß er dieſen
zweiten Teil nicht geleſen habe, weil er ſich nicht da—
für intereſſiert habe. Mit dieſer Einwendung kann
er nicht gehört werden; er hatte den geſamten Inhalt
der ihm zur Prüfung vorgelegten Urkunde zu be—
achten und die Nichtbeachtung gereicht ihm zum Nach—
teil (OLG. Dresden 14. Februar 1906, SächſArch. I
S. 275). Beſondere Umſtände, vermöge deren der
Beklagte ohne Gefahr der Annahme des Einverſtänd—
niſſes einer Kenntnisnahme und alsbaldigen Bean—
ſtandung des geſamten Urkundeninhalts überhoben
geweſen wäre, liegen nicht vor. Die allgemeinen
Vertragsbedingungen der Klägerin, darunter die Klauſel
über den Erfüllungsort, erſcheinen nicht als Rand—
notiz oder an einer anderen ungeeigneten oder leicht
überſehbaren Stelle; ihr Druck iſt zwar kleiner, aber
immerhin gut lesbar und in die Augen fallend. Bei
der Erfüllungsorts-Klauſel handelt es ſich auch nicht
um etwas, was mit dem mündlich Verhandelten in
192
Widerſpruch ſtand und ee als Vertragswidrig⸗
keit anzuſehen war (hierüber war eben nichts ver⸗
handelt) oder um eine ganz ungewöhnliche Bedingung,
die den Käufer zu überraſchen geeignet war, in An⸗
ſehung deren es dann allerdings einer Ankündigung
oder Erläuterung beim mündlichen Geſchäftsabſchluſſe
bedurft hätte. Auch wenn es dem Beklagten am
inneren Willen gefehlt haben ſollte, einen anderen als
den geſetzlichen Erfüllungsort feſtzuſetzen, wäre er ge⸗
bunden, weil jene Annahme des Schriftſtücks nach
den Umſtänden nur als Erklärung des Einverſtänd⸗
niſſes gedeutet werden kann und weil ſich der maß⸗
ebende Inhalt eines Vertrages nicht nach dem
nneren Willen des einen Kontrahenten, ſondern nach
den gegenſeitigen Erklärungen der beiden Kontrahenten
beſtimmt (RG. VI, 1. Juli 1901, BadRpr. S. 301).
Beſtätigungsſchreiben ſind geeignet, einen Vermerk über
den Erfüllungsort zu enthalten; im Unterſchiede von
den (RG. Bd. 59 S. 350) hierzu an und für ſich nicht
geeigneten Fakturen. Für ſie trifft auch die hinſicht⸗
lich der Kommiſſionskopien der Reiſenden beſtehende
ratio legis nicht zu: dieſe dürfen nur das mündlich ver⸗
handelte enthalten und brauchen nichts anderes zu ent⸗
halten, weil ihnen ſtets das Beſtätigungsſchreiben erſt
nachfolgt (RG 58 S. 70). Die Berufung des Erſtrichters
auf Düringer⸗Hachenburg II S. 390 f. iſt verfehlt: es
handelt ſich nicht um einen einſeitigen Vermerk des
Verkäufers, der einem bis in alle Einzelheiten durch⸗
geſprochenen und feſtgelegten Vertrage nachfolgte,
ebenſowenig wie um einen bloßen Beſtellzettel; von
dem unter den Parteien geſchloſſenen Vertrage ſtand
nicht von Anfang an feſt, daß die durch die mündliche
Beredung nicht getroffenen Punkte nur durch die eins
ſchlägigen dispoſitiven Vorſchriften des Geſetzes be⸗
ſtimmt werden ſollten. (Urt. vom 21. Januar 1908,
G 264/07).
1227EMitg. von Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
Landgericht München I.
e der Todeserklärung. Die am 12. April
1892 in A. (Oberpfalz) verſtorbene Privatiere Frans
ziska S. hatte als Erben eingeſetzt „die beiden Kinder
meines Bruders Johann B., der als Soldat nach
Griechenland gegangen und dort geſtorben iſt“. Nach
Durchführung der Verlaſſenſchaftsverhandlungen wurde
der Erbteil dieſer Kinder hinterlegt und eine cura
hereditatis jacentis eingeleitet, 1898 jedoch in eine
Abweſenheitspflegſchaft umgewandelt, da nicht unbe—
kannte Erben in Frage ſtünden, ſondern nur der Auf—
enthalt der Erben unbekannt ſei. Im Dezember 1905
wurde durch weitere Erbintereſſenten beim LG. M.
die Todeserklärung der erwähnten beiden Kinder be—
antragt, der Antrag jedoch abgewieſen. Auch die
Beſchwerde blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Wenn auch der letzte
Wohnſitz des Johann B. und damit ſeiner beiden
Kinder im Ausland gelegen war, ſo iſt doch das
weitere Erfordernis des Beſitzes der bayeriſchen Staats—
angehörigkeit ſchon beim Vater der für tot zu Er—
klärenden zweifelhaft. Es mangeln Anhaltspunkte,
daß Johann B. bald nach der Eheſchließung geſtorben
iſt; das Vorhandenſein zweier Ehekinder ſpricht mehr
für eine längere Ehedauer. Der ſchwierigen Löſung
der tatſächlichen Frage, ob Johann B. vor ſeinem
Tode (und damit auch ſeine beiden Kinder) das
bayeriſche Indigenat bereits aufgegeben oder verloren
hatte, bedarf es jedoch nicht; denn es fehlt auch der
Nachweis, daß die für tot zu erklärenden beiden
Kinder überhaupt einmal wirklich gelebt haben und
daß hierüber Gewißheit beſteht. Die umfaſſenden
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 9.
Erhebungen haben ein poſitives Ergebnis nicht gehabt
und die Tatſache der Erbeinſetzung allein kann deren
Vorhandenſein ebenſowenig erweiſen, als die aufge⸗
tauchte Vermutung, daß die Erblaſſerin brieflich von
dem Daſein dieſer Kinder benachrichtigt wurde. Es
könnte auch die Bezeichnung der für tot zu Erklärenden
nicht einwandfrei erfolgen, weil ja möglicherweise
5 B. noch mehr als zwei Ehekinder erzeugt
at, alſo aus dem Ausſchlußurteil nicht einmal die
Identität der für tot Erklärten ſicher entnommen
werden könnte.!) (Beſchl. v. 28. Dez. 1907; Beſchw. Reg.
536/06). N.
1169
Aus der Praxis des bayer. Berwaltungs:
gerichtshofs.
Die Bertretung dex Nechtsanwälte durch Rechts
praktikanten im Berwaltungsrechtsverfahren. Eine für
die bayeriſchen Rechtsanwälte wichtige Entſcheidung hat
der VGH. am 13. Dezember 1907 erlaſſen (Sammlung,
Jahrgang 1908 Nr. 1 S. 32 ff.). Sie ſpricht — leider
mit etwas unklarer Begründung — zunächſt den Satz
aus, daß der § 25 Abſ. 3 Satz 2 der RAD. auf die
Vertretung eines Rechtsanwalts vor den bayeriſchen
verwaltungsrechtlichen Inſtanzen keine Anwendung
findet, vielmehr hierfür nur landesrechtliche Por:
ſchriften maßgebend find. Es wird ſodann ausgeführt.
daß ein Rechtspraktikant, der den Vorbereitungsdienſt
bei den Gerichten und bei den Verwaltungsbehörden
abgeleiſtet hat und bei einem Rechtsanwalt in Praxis
ſteht, dieſen auch im Verfahren vor dem BGH. ver-
treten kann. Weiter wird dargelegt, daß der Rechts⸗
anwalt, der ſich bei einer Verhandlung durch einen
Rechtspraktikanten vertreten läßt, gleichwohl Ente
ſchädigung nach Maßgabe der VO. vom 26. März
1902, die Gebühren der Rechtsanwälte in den An-
gelegenheiten der Verwaltung und der Verwaltungs-
rechtspflege betr., beanſpruchen kann. Dieſer Satz
wird in längeren einwandfreien Ausführungen aus
der Geſchichte der VO. vom 26. März 1902 und den
Motiven gefolgert.
1253
— — — D.
Literatur.
Borcherdt H., Landrichter a. D. Das Erbrecht und
die Nachlaß behandlung nach den vom 1. Ja-
nuar 1900 an geltenden Reichs- und Landesgeſetzen
mit beſonderer Berückſichtigung des Geltungsge—
bietes des Allgem. Landrechts. 2. umgearbeitete und
vermehrte Auflage. 1. Bd. Breslau 1907, J. U.
Kern's Verlag (Max Müller). Geh. Mk. 8.—.
An Darſtellungen des Erbrechts iſt gerade kein
Mangel. Die vorliegende hält ſich zwar einigermaßen
an der Oberfläche und ſteht inſofern hinter anderen,
3. B. hinter dem einzigartigen Werke von Strohal,
zurück. Anderſeits iſt ſie wegen des mäßigen Umfangs
und wegen der ſachgemäßen Verarbeitung der Neben—
geſetze und der Berückſichtigung des Uebergangsrechtes
wie auch des internationalen Erbrechts als Lehrbuch
recht brauchbar. von der Pfordten.
) In folden Fällen bleibt praktiſch nur der Ausweg, im Wege
des Erbſchbeinverfahrens die Frage der Erbenexiſtenz zum Austrag
zu bringen. Selbſt die Todes erklärung führt nicht fider zum Ziel,
weil eingewendet werden könnte, die für tot Erklärten hätten mög-
licherweiſe ibrerſeits wiederum erbberechtigte Nachkommen binter—
laſſen. Solche ganz abſtrakte Möglichkeiten find aber ohne triftigen
tatſächlichen Anbalt rechtlich nicht zu beachten, wenn nicht eine förm⸗
liche Verewigung der Pflegſchaft eintreten foll. Der Einſ.
| Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
— —— — — —— ͤ•fã— —⅛
Ur. 10.
Münden, den 15. Mai 1908.
4. Jahrg.
Jeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jährli
k. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung
Boftanftalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748).
in Bayern
8
Verlag von
2. Schweitzer Verlag
(Arthur Seller)
in Münden, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Snfertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzeile
„oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen
y.: 2 Pfa. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Zur Auslegung der SS 2065 II, 2094 VOY.
Von Profeſſor Dr. J. Binder in Erlangen.
Der im Jahre 1907 verſtorbene A. W. hinter⸗
ließ ein Teſtament, in dem er ſeine beiden Brüder
B. W. und C. W. zu Erben einſetzte und dem
erſteren ſeine eheliche Deszendenz ſubſtituierte,
während er bezüglich des letzteren anordnete:
„Sollte mein Bruder C. W. bei meinem Ab⸗
leben nicht mehr am Leben ſein, ſo ſollen an
ſeine Stelle ſeine von ihm beſtimmten Rechts⸗
nachfolger treten.“
Da bei dem Tode des A. W. C. W. bereits
mit Hinterlaſſung eines von ihm zum Erben
ernannten Sohnes D. W. verſtorben war, bean⸗
tragte deſſen Pfleger für D. W. einen Erbſchein,
der ihm jedoch vom Nachlaßgericht entſprechend
dem Antrag des B. W. verweigert wurde, da
die Subſtitution der von C. W. „beſtimmten
Rechtsnachfolger“ gegen § 2065 II BGB. ver:
ſtoße. Ich wurde daraufhin um Abgabe eines
Gutachtens darüber gebeten, ob dies richtig ſei,
a) wenn A. W. bei der Errichtung ſeines
Teſtaments das Teſtament feines Bruders ge:
kannt habe;
b) wenn er es nicht gekannt habe; und ferner
ob, wenn $ 2065 II anwendbar ſei, Anwachſung
eintrete oder nicht. |
Bei der großen Tragweite der in Betracht
kommenden Fragen und der im Vergleich mit
dem früheren Recht gänzlich veränderten Situation
glaube ich meine Aeußerung auszugsweiſe ver:
öffentlichen zu ſollen.
§ 2065 II ift auf den vorliegenden Fall nicht
anwendbar.
Für die Frage der Anwendbarkeit des §S 2065 JI
auf unſeren Fall kommt zunächſt ſehr erheblich
der Umſtand in Betracht, daß ſeine Anwendung
durch den Wortlaut des Geſetzes nicht unmittel—
bar und zwingend gefordert wird. Das wäre
der Fall, wenn A. W. verordnet hätte: „Ich
ſetze zu meinem Erben ein, wen mein Bruder C.
dazu beſtimmen wird“, oder „ich überlaſſe die
|
|
|
Beſtimmung meines Erben meinem Bruder C.
W.“ Das iſt keineswegs geſchehen. Deshalb
handelt es ſich für uns um eine Frage der Ge⸗
ſetzesinterpretation, und dieſe hat in erſter Linie
von der ratio legis auszugehen.
Bei der Aufnahme dieſer Vorſchrift in das
BGB., die im weſentlichen ſchon im gemeinen
Recht galt und dort auf das Prinzip: „Certum
esse debet consilium testatoris“ zurückgeführt zu
werden pflegte — vgl. Windſcheid, Pand. III 8 547
Nr. 1 — kam nicht ſowohl ein logiſcher als
vielmehr ein ethiſcher Geſichtspunkt in Betracht:
Der Erblaſſer ſollte ſich ſelbſt wegen der außer⸗
ordentlichen Tragweite dieſes Rechtsgeſchäfts dar⸗
über klar werden, wen er zum Erben ernennen
wollte und deshalb ſollte ihm die Möglichkeit
verſagt ſein, die Ernennung eines Erben einem
anderen zu überlaſſen oder zu übertragen.
Dieſer Geſichtspunkt kommt freilich in den
Geſetzesmaterialien — vgl. Motive zu E. 1
SS 1765, 1770, V S. 30, 34 f. — nicht fonder:
lich klar zum Ausdruck und vor allem treffen
ſie, wenn ſie mit der Vorſtellung von der Unzu⸗
läſſigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung
letztwilliger Verfügungen operieren, das Weſen
der Sache durchaus nicht ganz; aber immer läßt
ſich als der Grundgedanke, das Leitmotiv des
Geſetzgebers die Idee feſtſtellen, daß eine legt:
willige Verfügung ein fertiges und in ſich abge:
ſchloſſenes Rechtsgeſchäft ſein muß, das ſeine aus⸗
ſchließliche Grundlage in dem ſouveränen Willen
des Teſtators haben muß, wie dies ſchon Gaius
in J. 32 D. de hered. inst. 28, 5 erklärt: „Illa
institutio „quos Titius voluerit“ ideo vitiosa
est quod alieno arbitrio permissa est: nam
PE E E E E
satis constanter veteres decreverunt testa-
mentorum iura ipsa per se firma esse oportere,
non ex alieno arbitrio pendere.“ Das Tefta:
ment foll aber ein Willensakt des Teſtators fein,
während die Uebertragung der Teſtamentserrich—
tung oder auch nur der Beſtimmung der Erben
an einen anderen das Gegenteil davon ſein würde.
An dieſen Geſichtspunkten, die der Kommif-
ſion für die Schaffung des erſten Entwurfs vor—
194 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. . Nr. 10.
den ſogenannten unechten Poteſtativbedingungen,
rektur vorgenommen, wie ſich aus den Protokollen bei denen eine Zuwendung an die Herbeiführung
V S. 15 ff., 23 ff., 29 ff. ergibt. Daher dürfen eines beſtimmten Erfolges geknüpft ift, die ohne
wir das Geſagte auch als die für das BGB. | die Mitwirkung eines Dritten nicht möglich ift.
maßgebende ratio betrachten, die die Tragweite | Die grundjägliche Zuläſſigkeit folder Verfügungen,
des § 2065 II näher zu beſtimmen geeignet iſt. die in gewiſſem Maße von dem Willen eines
Denn mit dieſer Vorſchrift ift natürlich feines» | Dritten abhängen, folgt aus $ 2076 BGB., vgl.
wegs geſagt, daß die Perſon des Erben im Tefta: Dernburg, Lehrbuch I S. 509 ff.
mente nach jeder Richtung hin objektiv beſtimmt Eine ſolche Situation, die der Erblaſſer zur
ſein muß. Vielmehr ſind vor allem bedingte Grundlage ſeiner Verfügung macht, für die er
Erbeinſetzungen durchaus zuläſſig und zwar nicht nur alſo, indem er ſich ihren Eintritt als möglich
|
ſchwebten, hat die zweite Kommiſſion keine Kor⸗
in der Weiſe, daß von dem Eintritt der Bedingung ab⸗ vorſtellt, vorſorgen will, kann auch ohne Zweifel
hängig gemacht iſt, ob eine beſtimmte Perſon dadurch geſchaffen werden, daß ein Dritter über
Erbe wird, ſondern auch in der Weiſe, daß davon ſeinen eigenen Nachlaß in beſtimmter Weiſe
abhängt, wer Erbe wird; die entgegengeſetzte Vor⸗ verfügt. |
ſchrift des römischen Rechts, die der nn Ich kann z. B. meine Nichte zur Erbin ein-
einer incerta persona die Wirkſamkeit verſagte ſetzen, unter der Bedingung, daß ein anderer
— vgl. Windſcheid III § 547 Anm. 2, Dern:
burg, Pand. III § 76 — hat bei uns keine Geltung
erlangt und iſt auch in das BGB. nicht auf⸗
genommen worden.
Der Eintritt einer ſolchen Bedingung nun
wird regelmäßig von der Willkür des Erblaſſers
unabhängig und in dieſem Sinne ein zufälliges
Ereignis ſein; die dadurch geſchaffene Ungewißheit
der Erben ſteht der Gültigkeit der Erbeinſetzung als Erbe eingeſetzt wird.
nicht im Wege; vielmehr ſind die letztwilligen A. weiß z. B., daß ſein Bruder X. ein ſehr
Verfügungen gerade das Hauptanwendungsgebiet verſchuldetes Rittergut hat, das ohne ausreichendes
für die Bedingungen genannten Nebenbeſtimmungen, Kapital nicht wirtſchaftsfähig iſt und das er ſeiner
denn ſie ſollen dem Erblaſſer die Möglichkeit ver⸗
K rt a Tochter Y. zuzuwenden beabſichtigt. Für dieſen
ſchaffen, für die durch den Eintritt eines als Fall verordnet er: Ich fege meine Nichte Y. zur
möglich vorgeſtellten zukünftigen Ereigniſſes ent⸗
ſtehende Situation Vorſorge zu treffen. Vgl. Erbin ein unter der Bedingung, daß mein Bruder
n X. ſie zu ſeiner Erbin ernennt; dagegen meinen
Deruburg. Pand. 1 5 105 BiH. 4, auch Lehrb. Neffen 3., falls dieſer der Erbe des X. werden
des bürgerlichen Rechts 1 S. 503. ſollte. Weshalb diefe Verfügung gegen § 2065 II
Die Zufügung einer ſolchen Beſtimmung macht BGB. verſtoßen ſollte, ift nicht recht einzusehen.
uber die letztwillige Verfügung und beſonders die Deshalb dürfen wir behaupten, daß eine Erb⸗
Erbeinſetzung nicht zu einem unfertigen und un⸗ einſetzung, die an die Bedingung geknüpft iſt, daß
vollſtändigen Rechtsgeſchäft, wie es bei der Ueber ein Dritter über F555
a ey des Erben an einen ſtimmter Meile verfügt, nicht gegen § 2065 II
ritten der Fall ift. . * verſtößt. Damit verfügt er ja nicht über den Nach⸗
Oder em nn 1 ein 1 laß des erſteren.
Ereignis zu beſeitigende Unbeſtimmtheit der Perſon Hieraus ergibt ſich die Antwort auf unſere
des 5 ſteht der nn ber a... Frage ohne weiteres. Es kann dabei unerörtert
eine 11 . deu ee 1 15 bleiben, welches Motiv den Erblaſſer in unſerem
eine Unfertigkeit uni nvollſtändigkeit des Teſta- Falle veranlaßt hat, in der angegebenen Weiſe zu
mentes aufzufaſſen iſt. l teſtieren. Selbſt wenn er den Inhalt des Tefta-
„Dies muß ſelbſt dann gelten, wenn das Er- mentes feines Bruders C. W. nicht gekannt hätte,
eignis, das den Schwebezuſtand beendet, nicht ein ließe ſich annehmen, daß er von der — durch den In—
von jedem menſchlichen Willen unabhängiges Natur- halt der beiden Teſtamente ja vollauf beftätigten —
ereignis iſt. Vorausſetzung ausgegangen wäre, daß ſtark ent:
In der Tat iſt es ſehr wohl denkbar, daß wickelter Familienſinn den Bruder veranlaſſen würde,
der Erblaſſer ein ſehr berechtigtes Intereſſe daran | ſein Vermögen in der Familie zu erhalten und daß
hat, in einer Weiſe über feinen Nachlaß zu ver- . ſelbſt als kinderloſes Mitglied dieſer Familie
fügen, daß die Perſon des Erben zwar nicht durch 1 ein eigenes Vermögen am beiten dazugzeben würde.
einen Dritten ausſchließlich beſtimmt aber doch Dann aber kann man nicht ſagen, daß der Teſtator
durch ihn mitbeſtimmt wird und in ſolchen die Beſtimmung ſeiner Erben einem anderen über—
Fällen iſt keine Rede davon, daß die Verfügung laſſen habe, daß ſein Teſtament unvollſtändig oder
unwirkſam wäre, wie z. B. anerkanntermaßen bei | unfertig ſei, wie dies § 2065 II vorcusſetzt.
Onkel ſie letztwillig nicht bedenkt.
So zweifellos gültig dieſe Erbeinſetzung ſein
würde, obwohl es ſchließlich von dem Willen des
letztgenannten Onkels abhängt, ob meine Ber:
fügung wirkſam ſein wird oder nicht, ſo wenig
kann die Gültigkeit der Erbeinſetzung unter der
entſprechenden poſitiven Bedingung zweifelhaft
ſein, daß nämlich der Erbe von einem Dritten
f
— — en
— — — S So
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10
Noch einfacher liegt die Sache dann, wenn be⸗
wieſen werden kann, daß A. W. das Teſtament
ſeines Bruders bei der Errichtung ſeines eigenen
Teſtamentes gekannt hat. Dann handelt es ſich
nicht ſowohl um die Auslegung des Geſetzes, die
ich in Vorſtehendem erledigt zu haben glaube,
ſondern um die Auslegung eines Rechtsgeſchäftes,
nämlich des oben zitierten Satzes aus dem Teſta⸗
ment des A. W., und es kann kaum zweifelhaft
ſein, daß dann die Worte „ſeine von ihm be⸗
ſtimmten Rechtsnachfolger“ als eine umſchreibende
Bezeichnung der Erben aufzufaſſen ſind, deren Er⸗
nennung vom Willen des C. W. unabhängig und
unbedingt und die darum nicht zu beanſtanden iſt,
weil nirgends geſagt iſt, daß die Erben im Teſta⸗
ment mit Namen zu bezeichnen find. Dann muß
alfo 8 2065 II erft recht unanwendbar ſein.“)
II.
Würde jedoch, was ich, wie geſagt, durchaus ver⸗
neine, das vorliegende Teſtament gegen $ 2065 II
verſtoßen, ſo würde doch m. E. dies nur die Un⸗
wirkſamkeit der Einſetzung der von C. W. „be⸗
ſtimmten Rechtsnachfolger“ zur Folge haben; denn
nach dem auch im BGB. gerade für letztwillige
Verfügungen anerkannten Satze, daß im Zweifel
„utile per inutile non vitiatur“ (§ 2085) hat
die Unwirkſamkeit einer von mehreren in demſelben
Teſtament enthaltenen letztwilligen Verfügungen
die Unwirkſamkeit der übrigen nur dann zur Folge,
wenn anzunehmen iſt, daß der Erblaſſer dieſe ohne
jene nicht getroffen haben würde.
III.
Würde das Teſtament des A. W., entſprechend
dem unter II Geſagten, teilweiſe unwirkſam ſein,
ſo würde der Teil der Erbſchaft, der bei Wirk⸗
ſamkeit des ganzen Teſtaments dem C. W. und
den von dieſem beſtimmten Rechtsnachſolgern zu:
fallen würde, nicht etwa dem B. W. anwachſen,
ſondern es müßte die Inteſtaterbfolge eintreten
und zwar mit Ausſchluß des B. W. und ſeiner
Deszendenz.
Dies ergibt fih aus BGB. § 2094. Denn nach
dem BGB. erfolgt, richtiger Anſicht entſprechend,
— abweichend nur Dernburg, Lehrbuch V § 50
Ziff. II, wogegen Planck V S. 386 Bem. 1 zu
§ 2094 — die Anwachſung nicht wie im gemeinen
Recht mit Rechtsnotwendigkeit, ſondern nur nach
dem vermutlichen Willen des Erblaſſers und nur
dann, wenn mehrere Erben in der Weiſe einge⸗
ſetzt ſind, daß ſie die geſetzliche Erbfolge aus—
ſchließen. Ob dies der Fall iſt, iſt, wie Planck V
Bem. 2a zu § 2094 mit Recht bemerkt, eine Aus:
legungsfrage. Aber es handelt ſich dabei nicht
) Vgl. hierher auch die Diſſertation von Krug,
Die Zuläſſigkeit der reinen Willensbedingung (Mar—
|
allein um Auslegung des Teſtaments, wie Planck
zu glauben ſcheint, ſondern vor allem um Auslegung
des Geſetzes, und leider fehlt es in der erbrechtlichen
Literatur durchaus an eingehenden Erörterungen
darüber, unter welchen Vorausſetzungen man ſagen
kann, daß die geſetzliche Erbfolge „ausgeſchlofſen“
iſt. Im allgemeinen wird gelehrt, daß dies dann
der Fall iſt, wenn der Erblaſſer über ſeinen
ganzen Nachlaß verfügt hat, ſo daß neben den
Teſtamentserben Inteſtaterben nicht in Betracht
kommen können. Vgl. dazu Strohal, Erbrecht J
S. 133 lit. b Abſ. II, Dernburg, Erbrecht S. 148 ff.,
Planck V Pem. 2a zu § 2094, Staudinger V
Bern. 4 zu $ 2094, Paul Meyer, Erbrecht S. 236.
Man ſtellt ſich dabei vor, daß der Teſtator ſeinen
Nachlaß unter Uebergehung ſeiner Inteſtaterben
unter Dritten aufgeteilt hat, und denkt gar nicht
an die Frage, wie es ſich verhält, wenn dieſe
Teſtamentserben zugleich ſeine Inteſtaterben ſind.
Näheres über unſere Frage iſt deshalb nicht zu
finden, weil es ſich dabei um die Durchführung
eines Prinzips handelt, das dem gemeinen Rechte
fremd war, ſo daß die Auslegung hier völlig neue
Wege gehen muß. Denn in dem gemeinen Rechte
beruht die Anwachſung auf dem Prinzip der Un—
teilbarkeit der Berufung — nemo pro parte
testatus, pro parte intestatus decedere potest
— weshalb neben Teſtamentserben niemals In—
teſtaterben berufen fein können, jo daß immer An-
wachſung eintreten muß, wenn von mehreren
heredes instituti einer nicht Erbe wird, dagegen
im BGB., wo dieſes Prinzip der Unteil⸗
barkeit der Berufung nicht gilt, iſt es möglich,
daß neben Teſtamentserben auch Inteſtaterben
berufen ſind, und daher auch der Fall denkbar,
daß beim Wegfall eines Teſtamentserben nicht
Anwachſung an die anderen Teſtamentserben er:
folgt, ſondern der frei gewordene Teil an einen
Inteſtaterben fällt. Unter dieſen Umſtänden kann
die Anwachſung nur dann mit Sicherheit als dem
Willen des Erblaſſers entſprechend angenommen
werden, wenn der Erblaſſer andere Perſonen als
ſeine Inſtetaterben berufen hat. Inſofern iſt alſo
der § 2094 einſchränkend zu interpretieren. Würde
freilich mit der Antwort der herrſchenden Lehre
unſere Frage erſchöpft ſein, ſo müßte auch in
unſerem Falle notwendig Anwachſung eintreten.
Denn der Erblaſſer hat über ſeinen ganzen Nachlaß
verfügt und damit „die geſetzliche Erbfolge aus—
geſchloſſen“.
Aber einerſeits iſt aus den ſoeben erörterten
Gründen das letztere gar nicht richtig und ander—
ſeits iſt dieſes Ergebnis noch aus einem anderen
Grunde abzulehnen. Man kann nämlich in unſerem
Falle nicht behaupten, daß ein Erbe im Sinne
des § 2094 „weggefallen“ iſt.
Allerdings nehmen Dernburg, Erbrecht S. 149
Ziff. V und Paul Meyer, Erbrecht S. 338 vor
Nr. 9 an, daß auch die Nichtigkeit der die Erben
burg 1904) und Koch in dieſer Zeitſchrift Bd. J. S. 104. berufenden Verfügung einen „Wegfall“ im Sinne
196
des § 2094 begründet, vgl. aber dagegen Planck V
S. 386 Pem. b und Staudinger V S. 558
Bem. 3.
Ich bin der Ueberzeugung, daß es unmöglich
iſt, in unſerem Falle von dem Wegfall eines
Erben zu ſprechen. Denn dies ſetzt zwar im Sinne
des BGB. nicht voraus, daß der Weggefallene
wirklich berufen war, wohl aber, daß ein Tatbe⸗
ſtand vorlag, der ſeine Berufung zur Erbſchaft
begründet haben würde, wenn nicht in der Perſon
des Erben ein Hinderungsgrund eingetreten wäre,
wie z. B. vorzeitiger Tod oder Erbverzicht, ſofern
der „Wegfall“ vor dem Erbfall erfolgt, oder,
wenn der Erbfall bereits eingetreten war, daß
er zur Erbſchaft berufen war, daß aber wegen
eines in ſeiner Perſon liegenden Grundes dieſe
Berufung wieder hinfällig wird. Dahin gehört
die Ausſchlagung der Erbſchaft und die Entziehung
wegen Erbunwürdigkeit und infolge einer Anfech⸗
tung der Berufung. (Die Frage der bedingten
Erbeinſetzung kann hier unerörtert bleiben, vgl.
dazu Dernburg S. 149 Bem. V). Liegt dagegen
eine nichtige letztwillige Verfügung vor, ſo kann
von dem „Wegfall“ des „eingeſetzten“ Erben keine
Rede ſein, die Sache liegt geradeſo wie bei der
Erhöhung des geſetzlichen Erbteils nach 8 1933,
wenn Perſonen in Frage kommen, die mit dem
Erblaſſer in Wahrheit nicht verwandt oder ver⸗
heiratet waren, ſelbſt wenn ſie nach dem Erb—
fall es praetendiert haben.
Verſtößt alſo das Teſtament zum Teil gegen
§ 2065 II, fo kann von einem Wegfall eines
Miterben keine Rede ſein und keine Anwachſung
eintreten. Vielmehr hat dann der Erblaſſer nur
über einen Teil ſeines Nachlaſſes, nämlich die
Hälfte, wirkſam verfügt und damit, daß er
ſeinem Bruder B. die eine Hälfte ſeines Nach⸗
laſſes zugewendet hat, unzweideutig ausgeſprochen,
daß er nicht mehr als eine Hälfte erhalten ſolle,
während die andere Hälfte der Familie ſeines
Bruders C. zufallen fole. Würde allerdings A. W.
in ſeinem Teſtament Dritte, nicht verwandte Per-
ſonen bedacht und ſeinen Verwandten nichts zu—
gewendet haben, ſo ließe ſich der Standpunkt
vertreten. daß trotz der Nichtigkeit eines Teils
der Verfügung Akkreszenz eintreten muß, weil
dann behauptet werden kann, daß der Teſtator
feine Verwandten überhaupt ausgeſchloſſen wiſſen
wollte. Doch dies trifft auf unſeren Fall nicht
zu. Dadurch, daß A. W. den Bruder C. und
deſſen Angehörige neben ſeinem anderen Bruder
B. W. berufen hat, hat er allerdings bewirkt,
daß die geſetzliche Erbfolge zunächſt nicht eintritt,
ſofern nämlich beide Teile der Verfügung wirk—
ſam ſind — aber es läßt ſich damit nicht be—
gründen, daß für den Fall der Unwirkſamkeit
eines Teils der Verfügung doch die geſetzliche
Erbfolge ausgeſchloſſen ſein ſollte, wie dies nach
der im BGB. der Anwachſung zugrunde liegenden
Idee erforderlich iſt.
S3ieitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Es wird alſo infolge des Grundſatzes der Teil⸗
barkeit der Berufung in bezug auf die unwirkſam
hinterlaſſene Hälfte des Nachlaſſes Inteſtaterbfolge
eintreten müſſen und zwar, der Abſicht des Teſtators
entſprechend, unter Ausſchluß feines Bruders B.
Zur Unterſtützung dieſer Anſicht kann auf
51948 BGB. verwieſen werden, der erſehen läßt,
daß ein Erbe dadurch, daß er ex testamento
berufen wird, allerdings, ſolange dieſe Berufung
wirkt, verhindert iſt, die Erbſchaft ab intestato
zu erwerben, daß er aber, wenn nur ein Tat⸗
beſtand vorliegt, der beim Nichtvorhandenſein einer
letztwilligen Verfügung feine Berufung ab intestato
begründen würde, nur die Erbſchaft auf Grund der
teſtamentariſchen Berufung auszuſchlagen braucht,
um die geſetzliche Berufung in Kraft treten zu
laſſen. Vgl. Binder, Die rechtliche Stellung des
Erben I S. 64, 129. Eine Vorſchrift, die in
gleicher Weiſe bei einer Mehrheit von Erben wie
beim Alleinerben gilt, wenn dies auch nirgends
ausdrücklich geſagt iſt. Freilich im gemeinen Recht
lag dies inſofern anders, als, wenn der fragliche
Erbe neben anderen ex testamento berufen war,
alſo z. B. der Vater ſeine drei Söhne durch
Teſtament zu Erben eingeſetzt hatte, infolge des
Grundſatzes der Unteilbarkeit der Berufung der
erſtere, wenn er die Teſtamentserbſchaft ausſchlug,.
nicht mehr ab intestato antreten konnte, ſo daß
im römiſchen Recht allerdings der genannte Satz
des § 1948, der der 1. 17 D. 29, 2 entnommen
iſt, nur auf den Alleinerben Anwendung finden
konnte. Aber für das BGB. iſt dies eben infolge
der Anerkennung der Teilbarkeit der Berufung nicht
mehr zutreffend; hier muß der Satz des $ 1948
auch bei einer Mehrheit von Erben gelten nach
dem Grundſatze: „Lege non distinguente nec
nostrum est distinguere.“ Schlägt alſo einer
von mehreren Teſtamentserben, der ab intestato
berufen ſein würde, wenn er nicht ex testamento
berufen wäre, die Erbſchaft als Teſtamentserbe
aus, ſo wächſt ſie niemals den anderen Teſtaments—
erben an, ſondern ſie wird dem Ausſchlagenden
nochmals als Inteſtaterben deferiert und, wenn er
nochmals ausſchlägt, folgerecht auch den nach ihm
berufenen Inteſtaterben. Die Anwachſung iſt mit⸗
hin im BGB. im Vergleich mit dem gemeinen
Recht noch weit mehr beſchränkt, als die herrſchende
Lehre annimmt.
Dasſelbe muß nun bei Nichtigkeit der Erb:
einſetzung gelten, ſofern nicht die Inteſtaterben in
omnem eventum, d. h. auch für den Fall der
Nichtigkeit einer Erbeinſetzung ausgeſchloſſen ſind,
was dann nicht der Fall ſein kann, wenn dieſe
Inteſtaterben gerade die Teſtamentserben ſind.
— c
Der Veſchluß über die Haftentſchädigung bei
real konkurrierenden Straftaten.
Von Landrichter Kranſe in Altenburg.
In dieſen Zeilen ſoll die Beantwortung der
folgenden, ſchon in der Ueberſchrift angedeuteten
Frage verſucht werden:
Hat das Gericht einen Beſchluß über Haft⸗
entſchädigung nach § 4 des Geſetzes vom 14. Juli
1904 zu faſſen, wenn eine Perſon wegen mehrerer
real konkurrierender Straftaten in Unterſuchungs⸗
haft genommen und nur wegen einer dieſer
Taten freigeſprochen wird, und darf dieſer Be⸗
ſchluß den Anſpruch auf Entſchädigung bejahen?
Dieſe Frage iſt ſchon mehrfach erörtert worden.
Burlage in ſeinem Kommentar bejaht ſie, Haber⸗
ſtumpf in Bayzif. 1905, 71 und 1906, 27 will
ſie verneinen. Auch bei wiederholter Nachprüfung
muß ich bei der von mir S. 166 meiner „Haft⸗
entſchädigung“ niedergelegten Meinung verharren,
daß beide Fragen aus folgenden Erwägungen zu
bejahen find.
Das Geſetz beabſichtigt, freigeſprochenen oder
außer Verfolgung geſetzten Unſchuldigen für die
von ihnen erlittene Unterſuchungshaft Schadlos⸗
haltung zu gewähren. Hat darnach ein Angeklagter
wegen der zur Aburteilung ſtehenden Tat Unter⸗
ſuchungshaft erlitten und iſt er dann freigeſprochen
worden, ſo iſt nach § 1 des Geſetzes die Frage,
ob überhaupt ein Entſchädigungsbeſchluß zu er:
gehen hat, zu bejahen und es bleibt nur noch zu
erörtern, wie ſein materieller Inhalt lauten muß,
d. h. alſo, ob er den Entſchädigungsanſpruch ver⸗
neinen oder bejahen ſoll (vgl. S. 165—168 meiner
Haftentſchädigung).
Und ein Freiſpruch liegt zweifellos vor, wenn
bei Realkonkurrenz der Angeklagte auch nur wegen
einer der real konkurrierenden Taten freigeſprochen
wird. Der Angeklagte wird eben der einen ihm
zur Laſt gelegten Tat nicht ſchuldig erklärt. Seine
Stellung kann dadurch nicht ſchlechter werden,
daß das rein prozeſſuale Moment der Verbindung
mit einer anderen gegen ihn gerichteten Strafſache
hinzukommt; feine Tat wird dadurch keine andere,
ſein Entſchädigungsanſpruch dadurch nicht berührt.
Auch der Umſtand, daß der Haftbefehl wegen
mehrerer real konkurrierender Taten erlaſſen
worden iſt, vermag hieran nichts zu ändern. Denn
dieje Häufung ift gleichfalls eine reine Zufalls-
ſache. Dies ergibt ſich ſchon daraus, daß z. B.
im Falle des $ 125 StPO. der Amtsrichter ein-
mal in die Lage kommen kann, gegen einen zu
Verhaſtenden einen einzigen Haftbefehl zu erlaſſen
wegen zweier Straftaten, die dann von zwei ver:
ſchiedenen Gerichten abgeurteilt werden.
Hieraus folgt, daß in jedem Falle, in dem
Freiſprechung wegen einer Tat erfolgt, derent-
halben die Unterſuchungshaft verhängt war, ein
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
197
Entſchädigungsbeſchluß zu faſſen iſt, ganz gleich⸗
gültig, ob die Tat für ſich oder real konkurrierend
mit einer andern mit dieſer zuſammen dem Richter
unterbreitet ward, gleichgültig auch, ob wegen
beider Straftaten durch zwei getrennte Haftbefehle
oder durch einen gemeinſamen Haftbefehl die Unter⸗
ſuchungshaft verhängt oder ob die eine Straftat
überhaupt nicht im Haftbefehl erwähnt iſt.
Haberſtumpf verneint ganz ohne Rückſicht auf
den Inhalt des zu faſſenden Beſchluſſes ſchon die
Verpflichtung des Gerichts, überhaupt einen Ent⸗
ſchädigungsbeſchluß zu faſſen, indem er $ 1 des
Geſetzes dahin auslegt, daß nur eine vollſtändige
Freiſprechung von allen durch ein Verfahren um⸗
faßten Handlungen Freiſprechung im Sinne des
Geſetzes fei (vgl. Bay ZfR. 1. 72 Ziff. 2 a. E.), in
analoger Anwendung der in der Entſcheidung des
Reichsgerichts vom 21. Januar 1881 (RGSt. 3,
264) ausgeſprochenen Anſchauungen. Dieſe Ent⸗
ſcheidung läßt ſich aber nur für die Beantwortung
der Frage verwerten, was unter dem Verfahren
zu verſtehen iſt, worin gemäß $ 60 StGB. eine
Unterſuchungshaft angerechnet werden darf; ſie
kann aber unmöglich für die Auslegung des Be⸗
griffs „Verfahren“ in einem 23 Jahre ſpäter er⸗
laſſenen Geſetze angezogen werden. Das Geſetz
ſelbſt bietet für dieſe Auslegung keinen Anhalt.
Für den Begriff der Freiſprechung im Geſetze vom
14. Juli 1904 wird jedenfalls nicht ein Mehr zu
Ungunſten des Angeklagten verlangt, als was die
Strafprozeßordnung unter Freiſprechung verſtanden
willen will. Zu welchen Ergebniſſen die Haber-
ſtumpf'ſche Anſicht führt, daß „nur eine vollſtän⸗
dige Freiſprechung von allen durch ein Verfahren
umfaßten Handlungen einen Anſpruch auf Ent:
ſchädigung begründe“, und daß „ein Beſchluß über
die Frage der Entſchädigung erſt erfolgen kann,
wenn das ganze Verfahren ſpruchreif iſt“, mag
das weiter unten folgende Beiſpiel zeigen.
Jedenfalls wird die von mir oben vertretene
Anſicht auch durch die Kommiſſionsberatungen
zum Geſetze vom 14. Juli 1904 geſtützt. Bei
dieſen Beratungen wurde nämlich die Frage auf:
geworfen, wie es in dem Falle zu halten ſei, daß
ſich das Strafverfahren auf mehrere ſtrafbare
Handlungen desſelben Beſchuldigten bezogen habe,
| von denen nur eine zu der Unterſuchungshaft Ber-
anlaſſung gegeben, hinſichtlich dieſer einen Hand—
lung aber mit Freiſprechung, hinſichtlich der übrigen
mit Verurteilung geendet habe. Nach den Kom—
miſſionsprotokollen wurde dieſe Frage von einem
Regierungsvertreter ohne Widerſpruch dahin be—
antwortet: „Soweit nur ein ſtrafprozeſſualer
Zuſammenhang beſtehe, müſſe die Frage
der Entſchädigung hinſichtlich jeder
ſelbſtändigen ſtrafbaren Tat eine be—
ſondere Beantwortung finden. In dem
bezeichneten Falle dürfe alſo ein Entſchädigungs—
anſpruch beſtehen“ (vgl. hierzu KommBer. vom
| 26. April 1904 S. 2060).
198
Nachdem damit die Frage, ob in unſerem |
Falle überhaupt die Vorausſetzungen zur Erlaſſung
eines Beſchluſſes gegeben ſind, bejaht und damit |
ausgeſprochen iſt, daß jedenfalls ein Beſchluß über |
die Entſchädigungspflicht des Staates vom Gericht
gefaßt werden muß, komme ich zur Beantwortung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
der zweiten Frage, ob dieſer Beſchluß bejahend |
lauten darf oder ob er lediglich mit Rückſicht auf
die teilweiſe Verurteilung des Angeklagten ver⸗
neint werden muß. M. E. hat die teilweiſe Ver⸗
urteilung ganz aus dem Spiele zu bleiben. Der
Anſpruch des Verhafteten iſt zu bejahen, wenn
nachgewieſene Unſchuld oder Wegfall des begrün⸗
deten Verdachts Gründe der Freiſprechung geweſen
find und keiner der in § 2 aufgeführten Anſpruchs⸗
ausſchließungsgründe ein Hindernis bildet. Nun
rechtfertigt die teilweiſe Verurteilung nicht die An⸗
wendbarkeit von § 2 Abſ. 2, da dieſer die Tat,
wegen deren Freiſprechung erfolgt iſt, im Auge
hat; die des Abſ. 3 nicht, da dieſer zwar Ber-
urteilungen wegen anderer Taten berückſichtigt
wiſſen will, aber nur ſolche, die vor der Ver⸗
haftung erfolgt find; § 2 Abſ. 1 aber trifft den
Grund der Verhängung der Unterſuchungshaft;
dieſer kann aber nicht in einer nach der Ver⸗
hängung erfolgenden Verurteilung gefunden werden.
Das Gericht, welches den Entſchädigungs—
anſpruch nur wegen der gleichzeitigen Verurteilung
einer anderen Tat verſagt, tut dies m. E. deshalb,
weil es die ihm überhaupt nicht geſtattete Beant⸗
auf Entſchädigung (nicht ein ſolcher auf bejahen⸗
den Entſchädigungsbeſchluß, wie Haberſtumpf meint)
begründet, wenn auch wegen der andern im Haft⸗
befehle bezeichneten Tat ein die Erſatzpflicht be⸗
jahender Entſchädigungsbeſchluß erlaſſen iſt. Und
daraus ergibt ſich, daß, während einerſeits der
Staat aus dem Erlaſſe des bejahenden Beſchlufſes
in unſerem Falle keinen Schaden erleidet, ſein
völliges Unterbleiben oder der Erlaß eines ver⸗
neinenden Beſchluſſes um deswillen, weil der Ver⸗
haftete im gleichen Verfahren wegen einer real
konkurrierenden Tat verurteilt wird, möglicherweiſe
eine Benachteiligung des Verhafteten in ſich ſchließt.
Nimmt man z. B. an, dem Verhafteten werden
zwei real konkurrierende Diebſtähle zur Laſt ge⸗
legt, wegen deren ein Haftbefehl erlaſſen iſt. Die
Hauptverhandlung endet mit Freiſprechung wegen
nachgewieſener Unſchuld hinſichtlich des einen, mit
Verurteilung wegen des andern Diebſtahls. Auf
Reviſion des Angeklagten hebt das Reichsgericht
das Urteil, ſoweit es auf Verurteilung ging, wegen
ungerechtfertigter Ablehnung von Beweisanträgen
des Angeklagten auf und verweiſt die Sache zur
anderweiten Verhandlung und Entſcheidung an
ein demſelben Bundesſtaate angehöriges benach⸗
bartes Gericht gleicher Ordnung, welches bei ander⸗
weiter Verhandlung und Entſcheidung wegen er⸗
wieſener Unſchuld auch hinſichtlich der zweiten Tat
freiſpricht.
Wir würden alſo die von Haberſtumpf verlangte
wortung der Frage unternimmt, ob ein Schaden vollſtändige Freiſprechung des Angeklagten von allen
durch die Unterſuchungshaft entſtanden iſt. Es
verſagt — vielleicht unbewußt — den Anſpruch
aus dem Gedanken, daß der Verhaftete doch keinen
Schadenserſatz erhält, weil er wegen einer anderen
Straftat die Unterſuchungshaft zu Recht erlitten,
alſo tatſächlich einen Schaden nicht gehabt habe.
Dieſe Frage hat aber nicht der Strafrichter zu
entſcheiden; ihre Beantwortung erfolgt auf dem in
56 Abſ. 2 u. 3 des Geſetzes vorgeſchriebenen Wege.
Ein im Geſetz nicht begründeter Schaden für die
Staatskaſſe kann durch den Erlaß des Entſchädigungs—
beſchluſſes und die darin erfolgende Bejahung des
Erſatzanſpruchs des Angeklagten nicht entſtehen. Denn
der Verhaftete muß den Eintritt eines Vermögens—
ſchadens als Folge der Vollſtreckung der wegen dieſer
Tat verhängten Unterſuchungshaft nachweiſen. Der
Staat wird ſich, wenn wegen beider im Haftbefehl er—
waͤhnten Straftaten auf Unterſuchungshaft erkannt
iſt, durch den Hinweis darauf von der Zahlungs—
pflicht befreien können, daß der Verhaftete gleich—
zeitig auch wegen einer anderen Tat berechtigter—
maßen in Unterſuchungshaft gehalten wurde; er
wird alſo dartun müſſen, daß ohne Rückſicht auf
jene Tat, wegen deren Freiſpruch erfolgte, gegen
den Angeklagten gleichfalls Unterſuchungshaft voll—
ſtreckt wurde, ein Schaden ihm daher durch jene
nicht erwachſen ift.) Erft dann ift ein Anſpruch
1) Auf dieſem Wege wird auch die Verſagung der
— — — ———— ölṼFU— — — — — m — —
|
durch ein Verfahren umfaßten Handlungen haben.
Welches Gericht ſoll aber nun den nach Haber⸗
ſtumpf jetzt erſt zuläſſigen Entſchädigungsbeſchluß
faſſen? Das erſte kann es nicht tun, da es wegen
des zweiten Falles nicht freigeſprochen hat; das
zweite nicht, da es wiederum hinſichtlich der
erſten Tat nicht erkannt hat, beide alſo auch
nicht in der Lage ſind, zu prüfen, ob hinſichtlich
der andern Tat das Verfahren die Unſchuld des
Verhafteten ergeben oder dargetan hat, daß gegen
ihn ein begründeter Verdacht nicht vorliegt, auch
die Nachprüfung der nach § 2 Abſ. 2 des Geſetzes
zu berückſichtigenden, den Anſpruch ausſchließenden
Momente bezüglich der andern Tat nicht vornehmen
können. Es bleibt alfo nur übrig, daß jedes Ge-
richt wegen der von ihm ausgeſprochenen Fret:
ſprechung Beſchluß faßt. Denn der Angeklagte
Falle, daß im Verfahren wegen real konkurrierender Hand—
lungen Freiſprechung wegen des einen Delikts, wegen
deſſen allein die Unterſuchungs haft verhängt iſt, erfolgt,
dagegen Verurteilung wegen der andern real konkur—
rierenden Straftat unter (gemäß RG St. 3, 264 erfolgen:
der) Anrechnung der wegen der erſten Straftat erlittenen
Unterſuchungshaft ausgeſprochen iſt. Durch die Unter—
ſuchungshaft iſt dem Verhafteten ein Schaden nicht ent—
tanden, die Unterſuchungshaft wird durch die rechts⸗
kräftige Anrechnung zugunſten des Angeklagten als
Teil der wegen der andern Tat ausgeſprochenen Strafe
betrachtet, der Angeklagte hat, da er dieſen Teil zu Recht
Entſchädigung ausgeſprochen werden müſſen in dem verbüßt hat, keinen Schaden erlitten.
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kann doch in unſerem Falle, in dem er bezüglich
beider Taten, die ihm der Eröffnungsbeſchluß zur
Laft legte, wegen nachgewieſener Unſchuld frei-
geſprochen worden iſt, nicht darunter leiden, daß
das erſte Gericht einen Fehler begangen hat. Und
doch hätte auch nach Haberſtumpfs Anſicht, wäre
der Freiſpruch auf Grund einer Verhandlung
erfolgt, das erkennende Gericht einen Entſchä⸗
digungsbeſchluß erlaffen müſſen.
Der Einwand, daß das erſte Gericht den Be⸗
ſchluß erſt zu faſſen braucht, wenn es von dem
Urteil des zweiten erkennenden Gerichts weiß, wäre
nicht zu beachten. Denn damit wird doch eben zu⸗
gegeben, daß es hinſichtlich des Teils der Anklage,
von dem es freigeſprochen hat, einen Entſchädigungs⸗
beſchluß zu faſſen hatte. Und hatte es dieſe Ver⸗
pflichtung, jo mußte es nach § 4 Abſ. 1 des Ge-
ſetzes ordnungsmäßig gleichzeitig mit ſeinem
freiſprechenden Urteile durch beſonderen Beſchluß
Beſtimmung treffen.
Die Frage, ob und wann der Beſchluß zu⸗
geſtellt wird, berührt die Verpflichtung des Ge⸗
richts zur Faſſung des Beſchluſſes nicht. Die
letztere iſt nicht identiſch mit der ſchriftlichen
Fixierung und erſt recht nicht mit dem Erlaſſen,
d. h. der Bekanntgabe (Zuſtellung) an den Ver⸗
hafteten (vgl. hierzu S. 94 und 97 meiner „Haft⸗
entſchädigung“ und RGZ. 55, 400). Denn natur:
gemäß muß das Faſſen des Beſchluſſes der ſchrift⸗
lichen Abfaſſung und dieſe wieder der Zuſtellung
vorausgehen. Iſt ein Urteil teilweiſe rechtskräftig
geworden, fo hat die Zuſtellung des Entſchädigungs—
beſchluſſes, ſoweit der rechtskräftig gewordene Teil
des Urteils die Faſſung eines Beſchluſſes erforderte,
ohne Rückſicht auf den übrigen Teil des Urteils
nach Rechtskraft jenes Teils gemäß $ 4 Abſ. 3
des Geſetzes zu erfolgen. Dem entſprechend wird
es ſich empfehlen, wenn bei Aburteilung mehrerer
real konkurrierender Straftaten hinſichtlich mehrerer
Freiſprechung, dagegen hinſichtlich anderer wieder
Verurteilung erfolgt, für jede einzelne Straftat
den gefaßten Beſchluß geſondert ſchriftlich zu fixieren
(muß doch naturgemäß auch bezüglich verſchiedener
Mitangeklagter ſtets ein beſonderer Beſchluß für
jeden einzelnen Mitangeklagten ergehen), denn es
ſteht ja nicht felt, ob das Urteil hinſichtlich ſämt⸗
licher Freiſprechungen in Rechtskraft übergehen,
ſonach ein Kollektivbeſchluß für alle Freiſprechungen
bei nur teilweiſer Rechtskraft des Urteils nicht
zugeſtellt werden könnte und eine zuläſſige nach—
trägliche Trennung des gefaßten und fixierten,
aber noch nicht erlaſſenen Beſchluſſes, doch ſchließ—
lich auf dasſelbe hinausläuft. Höchſtens könnte,
falls der gefaßte Entſchädigungsbeſchluß nicht ſofort
niedergeſchrieben und unterſchrieben wird, dies über:
haupt bis zu dem Zeitpunkte, wo ſich herausſtellt,
daß und welche Freiſprechungen in Rechtskraft er—
wachſen ſind, aufgeſchoben und dann hinſichtlich
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
der rechtskräftigen Freiſprechungen ein zuzuſtellen⸗
der Kollektivbeſchluß, hinſichtlich der nicht rechts- oder bei Einführung einer Doppelwährung oder
kräftigen ein nicht zuzuſtellender Beſchluß ſchrift⸗
lich niedergelegt werden. Die Möglichkeit hierzu
beſteht, da das Wort „ſobald“ in § 4 Abſ. 3
des Geſetzes nur inſtruktionell iſt, wenn ſchon nach
dem Zwecke des Geſetzes baldigſte Zuſtellung zu
fordern iſt. Aber auch bei dieſer nicht zu emp⸗
fehlenden nachträglichen Fixierung muß immer
noch damit gerechnet werden, daß nach Einlegung
eines Rechtsmittels gegen einen Teil des freiſprechen⸗
den Urteils der den rechtskräftig gewordenen Teil
des freiſprechenden Urteils betreffende Entſchädigungs⸗
beſchluß zugeſtellt wird und der andere nicht zu⸗
geſtellte Teil doch noch getrennt zuzuſtellen iſt,
weil das Rechtsmittel vom Staatsanwalt vor der
Verhandlung in der Rechtsmittelinſtanz zurück⸗
genommen wird.
Die nachträgliche Eintragung der
Goldklauſel.
Von Wilhelm Maher, Amtsrichter in München.
Zu bereits eingetragenen Hypotheken wird oft
erſt nachträglich die Eintragung der Goldklauſel,
d. i. der Beſtimmung bewilligt, daß die auf die
eingetragene Hypothekforderung zu leiſtenden
Zahlungen „in Gold“ oder „in Reichsgoldmünzen“
zu machen ſind.
Die Häufigkeit dieſer Anträge auch noch nach
dem 1. Oktober 1907 erklart ſich daraus, daß die
Goldklauſel ihre praktiſche Bedeutung durch die Außer⸗
kursſetzung der Taler durchaus nicht verloren hat.
Auch fur die Dauer des durch die Außerkursſetzung
geſchaffenen Rechtszuſtandes iſt ihre Bedeutung
nur eingeengt, aber nicht aufgehoben. Sie erſchöpft
ſich derzeit allerdings darin, daß bei einer Schuld
ein Betrag von 10 M oder von 20 M nicht in
Silbermünzen, ſondern nur in Goldmünzen, und
bei einer durch 10 M nicht ohne Reſt teilbaren
Schuld nur der Reſt von 9 M mit Silbermünzen
gezahlt werden darf. Dieſe Bedeutung, die im
einzelnen, für ſich allein betrachteten Fall ja nur von
geringer Erheblichkeit iſt, kann ſich ſehr empfindlich
fühlbar machen, wenn ſolche Fälle bei demſelben
Schuldner ſich häufen, z. B. bei Inhaberhypotheken
mit Goldklauſel, wenn die Zinsſcheine der aus-
gegebenen Schuldverſchreibungen auf 10 M und
mehr bis zu 20 M einſchließlich lauten. Der
Schuldner iſt hier verpflichtet, bei der Zahlung
dieſer meiſt ungemein vielen kleinen Beträge an
die verſchiedenen Inhaber der Zinsſcheine jedesmal
Goldmünzen zu verwenden. Eine außerordentlich
einſchneidende Bedeutung würde die Goldklauſel
ferner erlangen im Fall der Einführung einer
Silberwährung, wenn dieſe, wie aus wirtſchaftlichen
und münztechniſchen Gründen unvermeidlich, auch
Goldmünzen als geſetzliche Zahlungsmittel zuließe,
200
bei Erweiterung der Zulaſſung von Silbermünzen
der beſtehenden Währung, wofür in den geſetz⸗
gebenden Körperſchaften bereits wieder eine Be⸗
wegung durch Befürwortung der Wiederinkurs⸗
ſetzung der Taler im Gang iſt mit Rückſicht auf
die auch in Deutſchland insbeſondere durch Diskont⸗
erhöhung bemerklich gewordene und kriſendrohende
Goldknappheit, oder endlich bei Ausgabe von
Papiergeld mit geſetzlichem Zwangskurs. In allen
dieſen Fällen könnte der Schuldner nicht mit den
ihm ſonſt als geſetzliche Zahlungsmittel zu Gebote
ſtehenden Silbermünzen oder Geldzetteln, ſondern
nur in den jeweiligen Goldmünzen Zahlung leiſten.
Für dieſe Fälle insbeſondere wollen ſich wohl die
Hypothekenbanken ſichern, die vielfach wieder An⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
riellrechtlich die Zuſtimmung, und folgeweiſe nach
als geſetzlicher Zahlungsmittel bei Beibehaltung formellem Grundbuchrecht die Eintragungsbewil⸗
träge auf Eintragung der Goldklauſel ſtellen.
Nur muß dabei der Sinn der ins Grundbuch
einzutragenden Goldklauſel ſein, daß die jeweiligen
Goldmünzen zu ihrem jeweiligen geſetzlichen Geld⸗
wert berechnet werden und nicht etwa die neuen
Goldmünzen in ſolcher Anzahl zu leiſten ſein
ſollen, daß ihr Geſamtgehalt an feinem Gold den
Geſamtfeingehalt derjenigen Anzahl der früheren
Goldmünzen erreicht, die notwendig wäre, wenn
der Schuldbetrag in den früheren Goldmünzen
gezahlt würde. Waͤre das letztere gemeint, ſo
würde ſich der im Grundbuch angegebene Geld⸗
betrag, wenn die neuen Goldmünzen weniger Fein⸗
gehalt hätten als die alten, erhöhen um den Be⸗
trag ſo vieler neuer Goldmünzen, als notwendig
wären, um mit ihrem Geſamtfeingehalt den Unter⸗
ſchied zwiſchen dem Feingehalt der zur Deckung
des Geldbetrags der Schuld erforderlichen neuen
ligung (GBO. § 19) der inzwiſchen weiter einge-
tragenen dinglich Berechtigten erforderlich, wenn
ſie auch dieſen gegenüber wirkſam ſein ſoll?
I. Vorausſetzung für den Wert dieſer Unter:
ſuchung iſt, daß die Goldklauſel für dieſe Zwiſchen⸗
berechtigten überhaupt von praktiſcher Bedeutung
werden kann; anderenfalls bräuchte nach ihrer Zu⸗
ſtimmung auch nach der hier unter II vertretenen
Anſchauung nicht gefragt zu werden. Die praktiſche
Bedeutung beſteht darin, daß der Gläubiger der Hypo⸗
thekforderung, zu welcher die Goldklauſel erſt nachträg⸗
lich eingetragen werden ſoll, ſich bei einer von ihm in
das Grundſtück betriebenen Zwangsvollſtreckung ge:
fallen laſſen muß, von einem ſeiner Hypothek nach⸗
ſtehenden (oder gleichſtehenden) dinglich Berechtigten,
dem gegenüber die Goldklauſel nicht wirkſam iſt,
durch Zahlung der Hypothekforderung (ſamt Zinſen
und Koſten, BGB. § 1118) unter Außeracht⸗
laſſung der Goldklauſel befriedigt zu werden (BGB.
$ 1150, 268 Abſ. 1). — Praktiſche Bedeutung
hat die Goldklauſel für die Zwiſchenberechtigten
auch noch in einem anderen Fall, in welchem aber
die Bedeutung weder durch ihre Zuſtimmung her⸗
beigeführt, noch durch das Verſagen ihrer Zu⸗
ſtimmung verhütet werden kann. Ein Anweſen,
auf welchem naͤmlich eine Hypothek mit der nach⸗
träglichen Goldklauſel eingetragen ift, kann unter
Umſtänden, wenn die Hypothek nach den Ver⸗
ſteigerungsbedingungen (ZwVG. 88 52 Abſ. 1; 44,
Goldmünzen und dem Feingehalt der zu ſeiner
Deckung erforderlich geweſenen alten Goldmünzen
zu begleichen. Dieſer Unterſchied wäre verſchieden
je nach dem Kurswert des Goldes. Der im Grund-
buch angegebene Geldbetrag waͤre alſo nicht der
wirklich zu zahlende, dieſer aber, im voraus nicht
beſtimmbar und von wechſelnder Höhe, wäre im
Grundbuch nicht angegeben. Die Goldklauſel in
dieſem Sinne würde alſo dem in § 1115 Abſ. 1
BGB. aufgeſtellten Erfordernis der Angabe des
Geldbetrags widerſprechen, und darum nicht ein-
tragungsfähig ſein.
Die Eintragung der Goldklauſel im erſteren
49 Abſ. 1; 59 Abſ. 1) liegen bleiben ſoll, wegen
dieſer erſchwerenden Zahlungsart weniger leicht
einen Erſteher finden, ſo daß der nach der Hypothek,
aber vor der Goldklauſel eingetragene Berechtigte
ſelbſt das Anweſen erſtehen muß. Erſteht er es,
ſo wirkt ihm gegenüber die Goldklauſel, weil er
Eigentümer des Anweſens iſt und dieſem gegen⸗
über begriffsmäßig alle Belaſtungen des An⸗
weſens und zwar mit dem derzeitigen Inhalt ohne
Rückſicht auf die Zeit der Eintragung dieſes In⸗
Sinne iſt an ſich nach der herrſchenden Meinung
zuläſſig. Denn ſie bedeutet eine Zahlungs—
beſtimmung, nämlich über die Art und Weiſe der
Zahlung, welche den Beſtimmungen über Ort und
Zeit der Zahlung, deren Eintragungsfähigkeit
§ 1119 Abſ. 2 BGB. geradezu vorausſetzt, an
die Seite zu ſtellen iſt. Da ſie, wie dieſe, zur
Bezeichnung der Forderung dient, kann ſie auch
durch bloße Bezugnahme auf die Eintragungs—
bewilligung eingetragen werden. §S 28 GBO.
halts wirken. Daß ſie ihm als Hypothekgläubiger
gegenüber etwa mangels ſeiner Zuſtimmung zu
ihrer nachträglichen Eintragung nicht gelten würde,
iſt inſoweit gleichgültig, als er ihr als Eigentümer
gegenüberſteht.
II. Eine unmittelbar auf den Fall der nach⸗
träglichen Eintragung der Goldklauſel anwendbare
Vorſchrift hat das Geſetz nicht getroffen, insbe⸗
fondere auch nicht in § 876 BGB., wie Planck,
Komm. z. BGB. $ 877 Bem. 2 Abſ. 2, anzu-
ſteht nicht im Wege, da ſie die Angabe der ein-
zutragenden Summe in Reichswährung nicht hindert.
Iſt nun zur nachträglichen Eintragung mate—
|
nehmen ſcheint. Denn $ 876 bezieht ſich nur
auf die Belaſtung von Rechten an einem Grund—
ſtück, nicht auf die Belaſtung eines Grundſtücks
ſelbſt, — woher die Ausdrucksweiſe „mit dem
Recht eines Dritten“ ſich erklärt (vgl. auch BGB.
§ 880 Abſ. 3: „Das . .. Recht mit dem Recht
eines Dritten belaſtet“) — und nur auf die Auf—
hebung ſolcher Belaſtungen. Ebenſowenig kann
S 877 BGB. herangezogen werden, den Ende:
mann, Lehrb. d. bürgerl. R. Bd. II 8 117, bei und
in Note 19 anführt. Nach dieſem Paragraph iſt zur
Aenderung des Inhalts eines Rechts die Einigung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
i
zwiſchen dem Eigentümer und dem Inhaber des
Rechts erforderlich, deſſen Inhalt geändert werden
ſoll. Eine Zuziehung der Zwiſchenberechtigten ift
durch dieſen Paragraph allein nicht geboten, da
$ 873 BGB., auf welchen verwieſen ift, nur
von dem, der fein Recht überträgt oder aus feinem
Recht das zu beſtellende neue Recht abzweigt, und
von dem Erwerber des Rechts ſpricht und nicht
l
die entſprechende Anwendung des § 873,
welche eine Heranziehung aller „Beteiligten“ zur
Einigung geſtatten würde, ſondern deſſen direkte
Anwendung vorſchreibt.
Doch laßt fih der das Geſetz beherrſchende,
auch dieſen Fall umfaſſende Grundgedanke aus
einer Reihe einzelner Vorſchriften ermitteln. In
den SS 1116 Abſ. 2 S. 2, 3 und Abſ. 3, 1119
Abſ. 2, 1180, 1186, 1198, 1203 ift die Zuſtim⸗
mung der inzwiſchen eingetragenen an dem Grund:
ſtück Berechtigten teils bei Aufführung der für
dieſe Inhaltsänderungen notwendigen Partei⸗
erklärungen nicht gefordert, teils ausdrücklich für
entbehrlich erklärt, und zwar zu ſolchen Aende⸗
rungen des Inhalts der Hypothek (Grundſchuld,
Rentenſchuld), welche nicht in einer ſummen⸗
mäßigen Erweiterung der Belaſtung beſtehen, alſo
mit der hier zu unterſuchenden Inhaltsänderung
aufs engſte verwandt ſind. Der Geſetzgeber hat
alſo eine ausdrückliche, die Notwendigkeit der Zu⸗
ſtimmung der Zwiſchenberechtigten ablehnende Be⸗
ſtimmung für notwendig gehalten. Daraus folgt,
daß er ohne eine ſolche Vorſchrift ihre Zuſtimmung
für erforderlich hielte.
Dieſe Erwägung bleibt auch beſtehen, wenn
man den Zweck des $ 1119 Abſ. 2 lediglich in
der Abſchneidung von Zweifeln ſehen würde, die
alſo der Geſetzgeber nicht teilt. Denn da für die
übrigen oben angeführten Stellen die Kommiſſions⸗
protokolle zum BGB. dieſen Zweck nicht geltend
machen, ſo bleiben jedenfalls diefe verwertbar für
die vorige Schlußfolgerung. Der Grund aber,
weshalb das Geſetz die Zuſtimmung der Zwiſchen—
berechtigten zur Inhaltsänderung grundſätzlich für
geboten hält, kann, entſprechend dem Weſen der
dinglichen Belaſtung nur der ſein, daß der an
einem Grundſtück Berechtigte nicht gezwungen
werden kann, eine ſpätere Erſchwerung des In⸗
halts der vorgehenden oder gleichſtehenden ding—
lichen Belaſtungen hinzunehmen. Von dieſem
—
201
Zuſtimmung dann von felbft in ſich, und dieſe,
als die praktiſch bedeutſame Folge, iſt vom Geſetz
ausgeſprochen. Darum läßt ſich der Anwendung
des obigen Grundſatzes auf die Aenderung der
Zahlungsart nicht entgegenhalten, wie Zahlungs⸗
zeit und Zahlungsort in § 1119 Abſ. 2 nur er-
wähnt ſeien, um Zweifel abzuſchneiden, ſo ſei die
Zahlungsart deshalb überhaupt nicht erwähnt, weil
bei ihr das Geſetz Zweifel an der Entbehrlichkeit
der Zuſtimmung überhaupt für ganz ausgeſchloſſen
gehalten habe. Warum die Gleichgültigkeit der
Aenderung der Zahlungsart, z. B., von der Gold⸗
klauſel abgeſehen, der ſpätere Ausſchluß der ur⸗
ſprünglich zugelaſſenen Zahlung mit Pfandbriefen,
unzweifelhafter ſein ſoll als die Gleichgültigkeit
der Aenderung des Zahlungsorts, wäre unerfind⸗
lich, vielmehr gerade das Gegenteil begreiflich.
Eine Schlußfolgerung aus den angeführten
Geſetzesbeſtimmungen nach der entgegengeſetzten
Richtung, als wenn dieſe Beſtimmungen nur Einzel:
anwendungen des aus ihnen abzuleitenden Grund—
ſatzes ſeien, die Zuſtimmung der Zwiſchenberechtigten
ſei zu bloßen Inhaltsänderungen eines Rechts über⸗
haupt entbehrlich, wäre mit der Faſſung des $ 1119
Abſ. 1 unvereinbar. Denn wäre dies der leitende
Gedanke des Geſetzes, ſo dürſte der Abſ. 1 des
$ 1119 nicht fo lauten, wie er tatſächlich lautet.
Er hatte dann nicht zu beſtimmen, wann die Zu-
ſtimmung entbehrlich iſt, ſondern, als Ausnahme
vom Grundſatz der Entbehrlichkeit, umgekehrt,
wann die Zuſtimmung erforderlich ift, alfo un:
gefähr: „Die Hypothek kann nur mit Zuſtimmung
der im Rang gleich- oder nachſtehenden Berechtigten
dahin erweitert werden, daß das Grundſtück zu
— —— — U——.—. — — — — . EURER,
Standpunkt aus betrachtet wird auch der dem
Abſ. 2 des § 1119 zugeſchriebene Zweck erſt richtig
verſtanden: Der unmittelbare Zweck der Vorſchrift
iſt die Abſchneidung von Zweifeln nicht über die
Entbehrlichkeit der Zuſtimmung, ſondern darüber,
ob Zahlungszeit und Zahlungsort eine erfahrungs—
gemäß im Rechtsverkehr in Betracht kommende
Erſchwerung der Belaſtung bedeuten. Die Ver:
neinung der Frage ſchließt die Entbehrlichkeit der,
mehr als fünf vom Hundert hafte“. Der Unter⸗
ſchied der erſchwerenden Aenderung der Zahlungs:
art gegenüber der Zinsfußerhöhung, daß ſie nicht,
wie dieſe, eine ſummenmäßig darſtellbare Er—
weiterung der Belaſtung bedeutet, iſt hier ohne
Belang für die aus der Faſſung des Abſ. 1 des
§ 1119 gezogenen Folgerung, da das Geſetz diefe
Zinsfußerhöhung nicht als Begründung einer neuen,
ſelbſtändigen Belaſtung, ſondern als bloße Inhalts⸗
änderung des Rechts behandelt, wie der Wortlaut
des Abſ. 1: „Die Hypothek“, alſo die urſprüng⸗
liche, ſchon beſtehende Hypothek, wird „erweitert“,
und die Zuſammenſtellung mit der Aenderung von
Zahlungszeit und Zahlungsort in einem und dem:
ſelben Paragraphen unter Gleichſtellung durch
„gleichfalls“ beweiſt.
Eine grundſätzliche Entbehrlichkeit der Zu—
ſtimmung würde auch in Widerſpruch ſtehen mit
dem Weſen der dinglichen Belaſtung. Danach
hat der dinglich Berechtigte eine durch den Inhalt
ſeines Rechts begrenzte Rechtsmacht unmittelbar
über das Grundſtück, welche nur durch die zur
Zeit der Begründung dieſes Rechts bereits be—
ſtehenden dinglichen Rechte und durch dieſe Rechte
nur mit ihrem zu dieſer Zeit beftehenden Inhalt
beſchränkt, durch ſpätere Handlungen des Eigen—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Nr. 10.
— —— — ——ä ' . — —ä—— — ä — — — .ꝶ—ñœ .(—ẽ— u—ę —c . . . —M—'b. —ö ——— — — nn
tümers oder eines anderen dinglich Berechtigten
aber nicht mehr geſchmälert werden kann.
Dasſelbe Ergebnis liefern endlich auch die Mo⸗
tive zum BGB. (vgl. Bd. III S. 776 g. E.,
S. 778 f., 796). Auch ſie ſetzen durchweg den
obigen Grundſatz voraus. Daß die Protokolle
über die Kommiſſionsberatung nur einzelne Ab⸗
änderungen aufweiſen, läßt auf die Anerkennung
des Grundſatzes der Motive ſchließen. Hätte man
dieſen dich Auf nicht angenommen, ſo hätte die
ausdrückliche Aufſtellung des entgegengeſetzten Grund:
ſatzes wenigſtens in den Kommiſſionsprotokollen,
wenn auch nicht im Geſetz, zum Ausdruck kommen
müſſen. (Fortſetzung folgt.)
Mitteilungen aus der Praxis.
Die Protokolle des Vormundſchaſtsgerichts über
die Anerkennung der Vaterſchaft durch den unehelichen
Vater und die Verträge über die Zahlung des Unter⸗
halts. Zu welch unangenehmen und vom Geſetzgeber
offenbar nicht gewollten Folgen die Beurkundung der
Verhandlungen mit dem Erzeuger eines unehelichen
Kindes führen kann, ſoll an zwei praktiſchen, wohl
ziemlich häufig vorkommenden Fällen gezeigt werden.
Die Beurkundung der vom unehelichen Vater gegen—
über dem Kind übernommenen Verpflichtungen vor
dem Vormundſchaftsgericht iſt wohl hauptſächlich zu
dem Zwecke eingeführt worden, um eine Reihe un:
nötiger Prozeſſe abzuſchneiden — ein geſetzlicher
Zwang für den unehelichen Vater, vor dem Vormund—
ſchaftsgericht zu erſcheinen, beſteht ja überhaupt
nicht. Das in der Praxis gewöhnliche Verfahren iſt
nun, daß Kindsmutter, Vormund und Kindsvater
vor das Vormundſchaftsgericht geladen werden, die
erſteren ihre Anſprüche geltend machen und letzterer,
um einen Rechtsſtreit zu vermeiden, in ſehr vielen
Fällen das gewünſchte Anerkenntnis abgibt und ſich
zu den verlangten Leiſtungen verpflichtet. Für den
Kindsvater tritt hiermit bezüglich der Aner
kennung der Vaterſchaft die Folge des 8 1718
BGB. in Kraft, wonach er die exceptio plurium
nicht mehr geltend machen kann. Augeſichts der bez
kannten Entſcheidung des RG. vom 30. Juni 1904,
IV 514/08 (DIZ. 1904 S. 866, IW. 1904 S. 489
Nr. 15, ebenſo Diſpeker, BERA. 1904 S. 160 ff.)
kann dieſe Erklärung in der Mehrzahl der Fälle
nicht mehr angefochten werden. Stellt ſich ſpäter
heraus, daß tatſächlich noch weitere Männer inner—
halb der Empfängniszeit der Mutter beigewohnt
haben, ſo bleibt es trotz der materiellen Unwahrheit
des Vaterſchaftsbekenntniſſes bei der Anerkennung.
Der uneheliche Vater befindet ſich dadurch, daß er
freiwillig die Vaterſchaft anerkannt hat, in einer
ſchlechteren Rechtslage, als wenn er die Vaterſchaft
beſtritten hätte und im Prozeß zur Anerkennung ver—
urteilt worden wäre. Denn im letzteren Falle könnte
er, falls ſpäter die mehreren Zuhälter ihre Angaben
beſchwören würden, die Wiederaufnahme des Ver—
fahrens und damit die Aufhebung des Urteils durch—
ſetzen — eine materielle Ungerechtigkeit, die natürlich
oft ſehr ſchmerzlich empfunden wird und dem Laien
ganz unbegreiflich iſt.
Umgekehrt kann aber auch die Rechtslage, des
Kindes durch die Protokollierung verſchlechtert werden,
gegenüber derjenigen, die eingetreten wäre, wenn der
uneheliche Vater im Prozeß zur Zahlung des Unter⸗
halts verurteilt worden wäre. Liegt der Fall ſo, daß
aus irgendeinem Grunde eine Erhöhung des Unter⸗
halts verlangt wird, ſo iſt es fraglich, ob eine ſolche
im Prozeß durchgeſetzt werden kann. Liegt ein Urteil
vor, fo ift es zweifellos, daß gemäß 8 323 ZPO. die
Erhöhung des Unterhalts verlangt werden kann. Im
Falle der Protokollierung jedoch findet — wenigſtens
hat das Amtsgericht München I in einem mir vor:
liegenden Falle ſo geurteilt — dieſe Beſtimmung keine
Anwendung, weil es ſich hier um einen Fall der ver⸗
trag3= oder vergleichsmäßigen Feſtſetzung des Unter-
halts handelt. (Staudinger⸗Engelmann, Kommentar zum
BGB. § 1610 Anm. 8). Das Amtsgericht hat daher
die Klage auf Erhöhung des Unterhalts abgewieſen.
In dieſem Falle wäre alſo die Rechtslage des Kindes
günſtiger geweſen, wenn die Verurteilung des Vaters
herbeigeführt worden wäre.
Aus dieſen beiden aus der Praxis genommenen
Fällen mag erſehen werden, daß bei der Beurkundung
der Verhandlungen mit dem unehelichen Vater dieſer
ſowohl als der Vormund und der Vormundſchafts⸗
richter Vorſicht üben müſſen.
Der Vater ſoll das Vaterſchaftsbekenntnis nur
dann abgeben, wenn er auch nicht den geringſten
Zweifel daran hat, daß er allein innerhalb der Emp⸗
fängniszeit der Mutter beigewohnt hat — ſonſt tut
er beſſer daran, ſich verurteilen zu laſſen. Der Vor⸗
mundſchaftsrichter ſollte anderſeits bei jedem Ueber⸗
einkommen über den Unterhalt ausdrücklich den Vor⸗
behalt etwaiger ſpäterer Erhöhung der vereinbarten
Summe in das Protokoll aufnehmen.
Gegen die Folgerungen, die aus der Beurkundung
der Vaterſchafts-Anerkennung und der Verträge über
den Unterhalt gezogen werden, läßt ſich juriſtiſch nichts
einwenden. Aber man wird doch behaupten müſſen,
daß die angegebenen Rechtsfolgen praktiſch unzweck—
mäßig ſind und dem Laien für immer unverſtändlich
bleiben werden; insbeſondere dürfte eine Aenderung
der vom Reichsgericht in dem oben erwähnten Urteil
ausgeſprochenen Anſchauung erwünſcht, jedoch nicht
ſo bald zu hoffen ſein, da gerade ſolche Fälle wohl
nur ſelten bis in die III. Inſtanz gelangen.
Rechtsanwalt Dr. Steinharter in München.
Zum Begriffe des „Arbeiters“ im Sinne des
GewWUBG. Die unter dieſem Titel im Heft 7 S. 143
dieſer Zeitſchrift enthaltenen Ausführungen von Land⸗
gerichtsrat Hagen, welche meine Abhandlung in Nr. 4
S. 84 angreifen, bedürfen als unzutreffend der
Widerlegung.
Was zunächſt die Frage der Entlohnung des
Klägers für ſeine vorübergehende Beſchäftigung im
fremden Betriebe anlangt, ſo können die einſchlägigen
Ausführungen Hagens füglich als belanglos ohne
weiteres übergangen werden. Mag man auch — was
wohl allgemein nicht der Fall — die Annahme teilen,
daß die Entlohnung nicht im Preiſe für das Holz⸗
fügen zum Ausdruck komme, daß fih alfo der Arbeits:
— —ñꝛ —
lohn für das Holzſägen, wie in anderen „tagtäglich
im praktiſchen Leben“ vorkommenden Fällen, nicht
ſteigern würde, wenn der Auftraggeber gegen die
beſtehende Uebung bei der Arbeit nicht mithelfen
wollte, ſo iſt die Entſcheidung dieſer Frage hier doch
vollſtändig gegenſtandslos, da ja nach den Unfall⸗
verſicherungsgeſetzen die Lohnzahlung bekanntlich keine
Bedingung der Verſicherung iſt.
Es iſt daher lediglich noch notwendig, die weiteren
Ausführungen Hagens über den Begriff des „Ar⸗
beiters“ im Sinne des Gew VG. hier zu erörtern.
Als Begriffsmerkmal wird ein „perſönliches Ab⸗
hängigkeitsverhältnis zu dem Betriebsunternehmer“
poſtuliert, und für dieſes als „erheblich“ bezeichnet,
ob die Hilfsperſon von den Anweiſungen des
letzteren abhängig iſt, und ob ſie ſich einem
Arbeitsherrn hat unterordnen und ihre Selb-
ſtändigkeit hat aufgeben wollen. Eine der-
artige enge Begriffsentwicklung findet aber weder
im Geſetz noch der Rechtſprechung des Reichs⸗ oder
Landesverſicherungsamtes irgend welche Unterlage.
Wenn ein Bauersſohn im Wirtshaus einen mit⸗
anweſenden Gaſt (Fabrikkutſcher) erſucht, er möge ihm
bei Bereitſtellung feines landwirtſchaftlichen Fuhrwerks
behilflich ſein, ſo will ſich dieſer Gaſt dem Jungen ſicher⸗
lich nicht unterordnen und ihm gegenüber feine Selb-
ſtändigkeit aufgeben, wenn er bei Anſpannung und Be⸗
reitſtellung des Fuhrwerks Hilfe leiſtet. Die Hilfsperſon
wird in dieſem Falle auch nicht von den Anweiſungen des
Bauersſohns abhängig ſein, ſondern vielleicht dem an
Lebenserfahrungen zurückſtehenden Jungen ſelbſt ent⸗
ſprechende Anweiſungen geben. Gleichwohl hat das
Landesverſicherungsamt dem in einem ſolchen Falle
verunglückten Wirtshausgaſte eine Rente auf Koſten
der betr. land- und forſtwirtſchaftl. Berufsgenoſſen—
ſchaft zuerkannt, da er vorübergehend als Arbeiter
im landw. Betriebe der Eltern des Jungen erkannt
wurde (Mitteilungen XIX Nr. 1107). Auch in der
bereits in meiner obigen Abhandlung angeführten
Entſcheidung des LVA. vom 14. Dezember 1905 (Mit⸗
teilungen XVIII Nr. 1074) wurde ein Landwirt vor:
übergehend als Arbeiter eines Sägewerksbeſitzers
betrachtet, als er auf Erſuchen eines Knechtes beim
Aufladen eines Stammes behilflich war. Auch dieſer
Landwirt wird bei ſeinem Gefälligkeitsdienſt nicht im
Sinne Hagens ſeine Selbſtändigkeit haben aufgeben
und ſich dieſem Knechte unterordnen wollen. Für
den gewerblichen Arbeiter gelten aber keine andern
Begriffsmerkmale als für den landw. Arbeiter; ent—
ſcheidend iſt vielmehr, wie ebenfalls früher ausgeführt,
ob die Leiſtungen gleichzeitig „die Förderung der
Intereſſen des Betriebsinhabers“ bewirken. Dies
war aber bei dem der Beſprechung zugrunde liegenden
Verhältniſſe, wo der Kläger noch dazu auf Er—
ſuchen des Beklagten in ſeinem Betriebe tätig wurde,
und daſelbſt einen Arbeiter erſetzte, ohne Zweifel
der Fall.
Die Ausführungen Hagens gehen daher fehl und
ſind nicht geeignet, den von mir zu der beſprochenen
e eingenommenen Standpunkt zu wider—
egen.
Rechtsk. Bürgermeiſter Dr. Michel in Landsberg a. L.
_Beitigrift für Nedtapllege
n Bayern. 1908.
i
Nr. 10.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Begriff der Aufnahme zur Beherbergung (5 701
VGV.) Aus den Gründen: Der Berufungsrichter
ſtellt folgendes feſt: Der Reiſende D. hatte bei ſeiner
Geſchaftsreiſe nach R. im Februar 1904 nicht von
Anfang an die Abſicht dort zu übernachten; er ließ
ſeine drei Koffer in das Hotel des Beklagten ſchaffen,
weil er bei dem Beſuche der Kunden ſeiner Warenmuſter
bedurfte; und zwar hatte er bei ſeiner Ankunft auf
dem Bahnhofe dem dort anweſenden Hoteldiener des
Beklagten unter Uebergabe ſeiner Handtaſche und eines
Gepäckſcheines nur geſagt, dieſer möge die auf den
Gepäckſchein zu erholenden drei Koffer und die Hand⸗
taſche mit ins Hotel nehmen; um 3 Uhr nachmittags,
als D. ein Notizbuch aus ſeiner Handtaſche entnahm,
antwortete er auf die Frage des Oberkellners, ob er
ein Zimmer nehme, „jedenfalls, ich ſage es ihnen
nachher noch beſtimmt“; er verließ ſchließlich das
Hotel, ohne zu übernachten oder ſonſt von einem
Zimmer Gebrauch gemacht zu haben. Aus dieſen Tat⸗
ſachen ift allerdings eine Aufnahme des D. zur Be-
herbergung nicht zu entnehmen. Nach den Umſtänden
nämlich kam eine Beherbergung des D. nur in der
Form in Frage, daß ihm ein Zimmer eingeräumt
wurde. Wollte D. dies nicht, ſo wollte er das Hotel
des Beklagten nur als Wirtshaus benutzen. Vor dem
zwiſchen 3 / und 5 ¼ Uhr ausgeführten, um 5½ Uhr
entdeckten Diebſtahl der Handtaſche, nämlich eben um
3 ¼ Uhr, fragte der Oberkellner den D. denn auch
gerade, ob er ein Zimmer nehme. Dieſer aber ant⸗
wortete „jedenfalls, ich ſage es ihnen nachher noch
beſtimmt“. Damit hat D. eine Erklärung darüber,
ob er beherbergt ſein wolle, ausdrücklich auf ſpäter
verſchoben und nur als wahrſcheinlich bezeichnet, daß
er Herberge verlangen werde. Bis auf weiteres war
alſo Herberge noch nicht gefordert und noch nicht ge⸗
währt. Ob, in welchen Fällen und wann eine nur all⸗
gemeine, auf ein beſtimmtes Zimmer, auf eine beſtimmte
Art des Heims noch nicht konzentrierte Vereinbarung
der Beherbergung ſchon eine Aufnahme im Sinne des
§ 701 des BGB. iſt, bedarf keiner Erörterung. Denn
ſogar eine ſolche allgemeine beiderſeitige und
beiderſeits kundgegebene Beherbergungsabſicht fehlt
hier. Beide Teile hatten vielmehr eine Beherbergungs—
abſicht ausdrücklich noch nicht; ſie war auch nicht etwa
von ſeiten des D. unter einer Bedingung erklärt.
Denn eine Erklärung, möglicher oder auch wahrſchein—
licher Weiſe Herberge nehmen und dies ſpäter mit-
teilen zu wollen, lehnt jede Entſchließung, auch unter
einer Bedingung, für jetzt gerade ab. D. war dann
auch zur Zeit des Diebſtahls kein zur Beherbergung
aufgenommener Gaſt, ſeine Gepäckſtücke waren zu dieſer
Zeit nicht zum Zwecke der Beherbergung eingebracht.
Mit Recht hat alſo der Berufungsrichter eine Haftung
des Beklagten aus 8 701 des BGB. verneint. (Urt.
des III. 85. vom 3. März 1908). H.
1264 1
Mündliche Nebenabrede zu einem notariellen Ber:
trag. Nichterhebung beantragter Beweiſe. Aus den
Gründen: Die Kläger hatten die Nichtigkeit des Kauf—
vertrages daraus abgeleitet, ihr Anweſen ſei verkauft
worden gegen einen Kaufpreis von 36000 M und 20 5%
Gewinnbeteiligung im Falle der Weiterveräußerung
durch den Beklagten; der letztere Beſtandteil des Ver—
trags ſei nicht notariell beurkundet und darnach der
ganze Veräußerungsvertrag nichtig (8 313 Satz 1,
ss 125, 139 BGB.). — Der Beklagte machte geltend,
der Wille der Parteien ſei auf Abſchluß zweier Ver—
204
träge gegangen — eines Kaufvertrags mit dem in
die notarielle Urkunde aufgenommenen Kaufpreiſe von
36 000 M — und eines „Gewinnbeteiligungsvertrages“,
d. h. eines Geſellſchaftsvertrages; letzterer Vertrag
habe der notariellen Form nicht bedurft. — Das
OLG. gelangt zu dem Ergebniſſe, die Parteien hätten
nur einen einzigen Vertrag, den Kaufvertrag, verein-
bart, die Gewinnbeteiligung von 20% fei ein Teil
der Gegenleiſtung des Käufers geweſen. Dieſem auch
bei Errichtung der notariellen Urkunde noch fort-
dauernden Willen der Parteien entſpreche der Inhalt
der Urkunde nicht, inſoweit fie die vereinbarte Gewinn-
beteiligung nicht enthalte. Es ſei ausgeſchloſſen, daß
die Kläger ihr 1 ohne die Zuſage der Geminn-
beteiligung verkauft hätten. Hieraus folge die Nichtig⸗
keit des Vertrags. — Die Urteilsgründe führen weiter
aus: „Der Erſtrichter unterlaſſe die Urſachen feſtzu⸗
ſtellen, die zu der unvollſtändigen Beurkundung des
Vertragswillens geführt haben. Mit gutem Grunde,
weil es nicht darauf anzukommen habe.“ Die Reviſion
meint, das OLG. hätte die Gründe feſtſtellen müſſen,
aus denen der Kaufvertrag unrichtig oder unvoll—
ſtändig beurkundet worden ſei; nur dann könne man
prüfen, ob kein Rechtsirrtum vorliege. Sei eine münd—
liche Abrede von beiden Parteien bewußt nicht in die
Urkunde aufgenommen worden, ſo ſei ſie überhaupt oder
doch als Teil des Kaufvertrags fallen gelaſſen. Der
Angriff iſt nicht begründet.
Die in der Rechtſprechung aller Zivilſenate des
Reichsgerichts gebilligte Vermutung der Vollſtändigkeit
der über ein Rechtsgeſchäft errichteten Urkunde gegen:
über mündlichen Vereinbarungen vor und bei Errich—
tung der Urkunde iſt, wenn die Errichtung der Urkunde
nicht als Wiederholung des Vertrags in urkundlicher
Form vereinbart war, nur eine tatſächliche Vermutung;
ſie iſt daher entkräftet durch die Feſtellung, daß au
zur Zeit der Errichtung der Urkunde die Parteien die
Fortgeltung der mündlich vereinbarten und in die
Urkunde nicht aufgenommenen Abrede noch wollten.
Eine ſolche Feſtſtellung wird in der Regel allerdings
auch in der Weiſe erfolgen können, daß beſondere
Gründe nachgewieſen werden, wegen deren die münd—
liche Abrede nicht in die Urkunde aufgenommen worden
iſt. — Die letztere Erfahrungstatſache rechtfertigt indes
nicht den allgemeinen Satz, daß nur durch den Nach—
weis ſolcher beſonderen Gründe die Vermutung der
Vollſtändigkeit der Urkunde entkräftet werden könne.
Jenem allgemeinen Satze kann auch nicht mit der
Begründung Eingang verſchafft werden, ob kein
Rechtsirrtum vorliege, könne nur nachgeprüft werden,
wenn in die Feſtſtellung ſolcher Umſtände einge—
treten worden ſei. — Hier hatte der Beklagte in
der Berufungsinſtanz nicht mehr beſtritten, daß die
Parteien auch zur Zeit der Errichtung der Urkunde
das Fortbeſtehen der Abrede über die Gewinnbeteili—
gung gewollt haben. Dieſe Feſtſtellung reicht zu, um
die aus der Nichtaufnahme in die Urkunde herge—
leitete Vermutung zu entkräften, die mündliche Ab—
rede der Gewinnbeteiligung ſei fallen gelaſſen. Bei
ſolcher Sachlage konnte das OLG. ohne rechtlichen
Verſtoß ausführen, es bedürfe keiner Feſtſtellung der
Gründe, aus denen die Urkunde unvollſtändig war.
Der erörterte Angriff der Reviſion iſt auch dahin
zu verſtehen, die Urkunde über den Kaufvertrag be—
gründe die Vermutung der Vollſtändigkeit in bezug
auf den Kaufvertrag und damit im Streite darüber,
ob eine Abrede Beſtandteil des Kaufvertrags oder
Gegenſtand eines ſelbſtändigen Vertrags ſei, eine
durch den Nachweis beſonderer Umſtände zu beſeitigende
Vermutung dafür, daß die Abrede der Gewinnbeteili—
gung nicht Beſtandteil des Kaufvertrags, ſondern
Gegenſtand eines ſelbſtändigen „Gewinnbeteiligungs—
vertrags“ ſei. Aber auch ſo aufgefaßt zerſchellt der
Angriff an den einwandfreien Ausführungen des
OL G., daß nach dem Willen der Parteien jene Abrede
Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. N
.
r. 10.
der Gewinnbeteiligung Beſtandteil des Kaufvertrags
war, womit der gekünſtelte Verſuch eines ſogenannten
Gewinnbeteiligungsvertrags beſeitigt iſt, für den der
Grundſtücksverkauf nur das Motiv geweſen fein fon-
Die Reviſion hat die letzteren Ausführungen noch mit
prozeſſualen Angriffen bekämpft. Letztere richten fich
zum Teil gegen die der Nachprüfung des Reviſio rnis-
gerichts entzogene Tatſachen⸗ und Beweiswürdigung
und find ſchon deshalb nicht zu beachten. Soweit fe
aber das Nichterheben erbotener Beweiſe rügen.
können ſie keinen Erfolg haben, weil das OLG. jene
Beweiserbieten mit der prozeſſual einwandfreien Aur S=
führung beſeitigt hat, ſelbſt wenn die angerufen en
Zeugen das beſtätigen würden, wofür ſie angerufen
find, könnte dadurch die aus dem vorliegenden Tat-
ſachen⸗ und Beweismaterial bereits gewonnene liber=
zeugung nicht erſchüttert werden. (Urt. des II. 3 S.
v. 4. Febr. 1908). H.
1263
III.
1. Erforderniſſe einer die Fung te bindende se
Entſcheidung i. S. des 8 135 Gewus6.
2. Unfall eines Proviſions⸗Neiſenden, der vorüber ⸗
gehend im Fabrikbetriebe tätig wird. Der Kläger hatte
das Einſpännerfuhrwerk, mit dem der Beklagte kurz
vorher zur Beſichtigung von Formſand eine Ausfahrt
gemacht hatte, von dieſem übergeben erhalten, um es
von dem außerhalb der Stadt G. liegenden Fabrik-
hofe nach dem Stalle in der Stadt zurückzufahren.
Auf dem Wege dorthin erlitt der Kläger dadurch einen
Unfall, daß das Pferd durchging und er aus dem
umfallenden Wagen geſchleudert wurde. Der Kläger
war damals ſeit mehreren Jahren bei der Firma Kl.,
deren Mitinhaber der Beklagte ift, als Proviſions—
reiſender in Stellung. Auf ſeinen geſchäftlichen Reiſen
hat er wiederholt das der Firma gehörige Einſpänner—
fuhrwerk benutzt. Von der Berufsgenoſſenſchaft wurde
auf Anfrage der Firma durch Schreiben erwidert, daß
die Tätigkeit eines Geſchäftsreiſenden im Umherziehen
der Unfallverſicherung nicht unterliege und deshalb
für den Unfall eine Entſchädigung nicht gewährt
werden könne. Der Kläger hat jetzt den Beklagten
auf Erſatz des Schadens in Anſpruch genommen. Das
OLG. erkannte auf Abweiſung der Klage. Die Re⸗
viſion blieb erfolglos.
Gründe: 1. Nach 8 135 Gewu G. können die
nach Maßgabe dieſes Geſetzes verſicherten Perſonen,
auch wenn ſie einen Anſpruch auf Rente nicht haben
einen Anſpruch auf Erſatz des infolge eines Unfalls
erlittenen Schadens gegen den Betriebsunternehmer
nur geltend machen, wenn durch ſtrafgerichtliches
Urteil feſtgeſtellt worden iſt, daß er den Unfall vor—
ſätzlich herbeigeführt hat. Auf Grund dieſer Vor—
ſchrift gelangt das OLG. zur Abweiſung der Klage,
weil der vom Kläger erlittene Unfall als ein Be—
triebsunfall anzuſehen ſei, gegen den der Kläger nach
Maßgabe des Gew. verſichert geweſen fei. Das
OLG. erachtet ſich an der Entſcheidung hierüber durch
die Schlußbeſtimmung des S 135 nicht e wo⸗
nach für das erkennende Gericht die Entſcheidung
bindend ift, welche in dem durch das Gew. ge-
ordneten Verfahren über das Vorliegen eines den
Entſchädigungsanſpruch aus der Unfallverſicherung
begründenden Unfalls ergeht. Nach der Ausführung des
OLG. iſt eine ſolche Entſcheidung in dem Schreiben
der Berufsgenoſſenſchaft nicht getroffen, weil nach
ihm das in dem Gew. geordnete Verfahren nicht
einmal eingeleitet ſei. Darin, daß das Schreiben
nicht als ein Beſcheid im Sinne des Gew VG. an-
zuſehen iſt, kann dem Vorderrichter nur beigetreten
werden. Es genügt nicht den für einen ablehnenden
Beſcheid in den SS 73 und 76 Gew. aufgeſtellten
Erforderniſſen. Nach § 73 ift der angemeldete Ent:
ſchädigungsanſpruch, wenn die Berufsgenoſſenſchaft
—
der Anſicht ift, daß ein enman aana ee Uns
fall nicht vorliegt, durch ſchriftlichen, mit Gründen
zu verſehenden Beſcheid abzulehnen. In 8 76 Abſ. 4
iſt verordnet, daß der Beſcheid die Bezeichnung des
für die Berufung zuſtändigen Schiedsgerichts ſowie
die Belehrung über die einzuhaltende Friſt enthalten
muß. Weiter iſt in § 70 beſtimmt, daß, wenn die
Bewilligung einer Entſchädigung abgelehnt werden
ſoll, dieſe Abſicht vor Erlaß des Beſcheides dem Ver⸗
letzten zur Aeußerung binnen zwei Wochen mitzuteilen
iſt. Eine ſolche Aeußerung ſcheint im vorliegenden
Falle nicht erfolgt zu ſein. Jedenfalls fehlt es an
den Erforderniſſen der 88 73 und 76. Der Entſchädi⸗
gungsanſpruch iſt von dem Entſchädigungsberechtigten
überhaupt nicht angemeldet, vielmehr hat die Berufs⸗
genoſſenſchaft nur auf Anfrage der Firma Kl. über
ihren Standpunkt in dieſer Angelegenheit fih ausge-
laſſen. Es fehlt auch an der durch die Vorſchrift des
§ 76 angeordneten Belehrung über die Friſt und an der
Bezeichnung des Berufungsgerichts. Eine für die ordent⸗
lichen Gerichte maßgebende Entſcheidung der Berufs—
genoſſenſchaft iſt hiernach nicht ergangen.
2. Die Reviſion rügt, daß zu Unrecht der Unfall des
Klägers als in den Fabrikbetrieb des Beklagten
fallend und demgemäß der Unfallverſicherung unter—
liegend angeſehen ſei. Kläger ſei, als er auf Geheiß
des Beklagten Pferd und Wagen aus der Fabrik in
den Stall gebracht habe, nicht als Arbeiter im Sinne
des Gew VA., ſondern als kaufmänniſcher Angeſtellter
tätig geweſen, wie er auch ſonſt in ſeiner Eigenſchaft
als kaufmänniſcher Angeſtellter mit dem auf Geſchäfts—
reiſen von ihm benutzten Pferde zu tun gehabt habe.
Dem entgegen wird von dem OLG. ausgeführt, daß
das Pferd zum Betriebe der Fabrik benutzt worden
ſei, und zwar unmittelbar vor dem Unfall dadurch,
daß der Beklagte mit dem Werkmeiſter zur ſtädtiſchen
Kiesgrube behufs Beſichtigung des Formſandes ge—
jahren ſei. Der mit dem Zurückbringen des Fuhr—
werks nach dem Stalle beauftragte Kläger habe ſomit
eine dem verſicherten Fabrikbetriebe förderliche Tätig—
keit als Arbeiter dieſes Betriebes geleiſtet, wozu auch
eine nur vorübergehende und nur aus Gefälligkeit
übernommene Tätigkeit genüge. Dieſe Ausführungen
ſind nicht zu beanſtanden. Ein Unfall muß, um als
Betriebsunfall zu erſcheinen, mit dem Betriebe in einem
gewiſſen Zuſammenhange ſtehen, der jedoch nur ein
mittelbarer zu ſein braucht. Betriebsunfall kann ein
Unfall ſein, der bei der Vorbereitung, der Durch—
führung oder dem Abſchluſſe des Betriebes eintritt.
An dieſer Auffaſſung hat auch das RWA. ſtändig feſt⸗
gehalten. Es iſt insbeſondere bereits entſchieden, daß
der Unfall, den ein Monteur auf dem Rückwege von
einer auswärtigen Montageſtelle erleidet, als Be—
triebsunfall aufzufaſſen iſt, da der Monteur, wenn er
ſich auf die Montageſtelle und von dort zurückbegibt,
einem dienſtlichen Auftrage folgt (amtl. Nachr. des
RVA. für 1892 Nr. 1150). Ebenſo ift von dem RWA.
ausgeſprochen, daß ein jeder Gang, den ein Arbeiter
im Intereſſe des Betriebs im Auftrage ſeines Arbeit—
gebers unternimmt, ein dienſtlicher iſt (a. a. O. 1888
Nr. 566). Ferner entſpricht es der ſtändigen Recht—
ſprechung des RVA., daß der Arbeiter, der auch nur
eine vorübergehende, unentgeltliche Dienſtleiſtung im
Betriebe eines Andern mit deſſen ausgeſprochenem
oder mutmaßlichem Willen ausführt, als in dieſem
A filr Reitspflege in
Betriebe beſchäftigt und als Arbeiter dieſes Betriebes
verſichert gilt. Von derſelben Grundanſchauung aus
muß, wenn der Unternehmer mehrere Betriebe hat,
der ſonſt regelmäßig in einem beſtimmten Betriebe
beſchäftigte Arbeiter (Betriebsbeamte) für vorüber—
gehende Dienſtleiſtungen in dem anderen Betriebe als
in letzterem verſichert angeſehen werden. Es gilt dies
wenigſtens dann, wenn der in dem nichtverſicherungs—
pflichtigen Betriebe angeſtellte Arbeiter (Betriebs—
beamter) in dem verſicherungspflichtigen Betriebe
|
205
Bayern. 1908. Nr. 10.
Dienſte leiſtet. Hier meint nun zwar der Kläger,
| daß er den Unfall in dem nichtverficherten kauf⸗
männiſchen Betriebe als Proviſionsreiſender erlitten
habe, weil er das betreffende Einſpännerfuhrwerk
| wiederholt zu den von ihm als Proviſionsreiſender
zu machenden Geſchäftsreiſen benutzt habe. Allein
| mit dieſen Geſchäftsreiſen hatte das Zurückbringen
des Pferdes von der Fabrik nach dem Stalle nichts
| zu tun. Nach der Feſtſtellung des Berufungsgerichts
diente das Pferd dem Betriebe der Fabrik und
hatte der Beklagte vor dem Unfall im Intereſſe der
Fabrik eine Ausfahrt mit dem Fuhrwerk gemacht,
um den in der ſtädtiſchen Kiesgrube befindlichen Form:
ſand zu beſichtigen, der zu Fabrikzwecken gebraucht
wird. Den Abſchluß dieſer Ausfahrt bildete das
Zurückbringen des Pferdes. Mit Recht hat hiernach
das OLG. das Vorliegen eines entſchädigungspflichtigen
Betriebsunfalls und damit die Anwendbarkeit des 8 135
Gewll VG. angenommen, fo daß jeder Anſpruch des
Klägers gegen den Beklagten ausgeſchloſſen iſt. (Urt.
des IV. 35. vom 9. Januar 1908, IV 249,07).
1233
— — — l.
IV.
Zweifel über die Perſen des Wechſelſchuldners,
wenn der Ehemann der Proknuriſt feiner Ehefrau ift
und mit ſeinem Namen gezeichnet hat, den auch ſeine
Fast als Firme führt. 0 ränfte Wirkung der Rechts⸗
rafit in ſubjektiver Beziehung. Die Klägerin ift Jn-
haberin eines vom 25. Januar 1906 datierten, am
25. April 1906 fällig geweſenen Wechſels über 3180.75 M,
den ſie auf „Herrn Adolf M.“ gezogen und den der
beklagte Ehemann mit „Adolf M.“ akzeptiert hat.
Mit dem Wechſel ſollten Steinlieferungen der Klägerin
zu einem Neubau bezahlt werden. Unter der Firma
„Adolf M.“ wurde eine Kunſtſchloſſerei betrieben;
Inhaberin des Geſchäftes war die beklagte Ehefrau,
der Ehemann Adolf M. war Prokuriſt. Der Wechſel
wurde mangels Zahlung proteſtiert. In einem Vor—
prozeß hatte die Klägerin die Wechſelſumme nebſt
Unkoſten und Zinſen gegen Adolf M. eingeklagt und
ein rechtskräftig gewordenes Urteil erwirkt, wodurch
der Ehemann M. verurteilt wurde. Nachdem ein
Pfändungsverſuch ohne Ergebnis geblieben war, erhob
ſie Klage auf Verurteilung der Ehefrau zur Zahlung,
des Ehemanns zur Duldung der Vollſtreckung in das
Vermögen ſeiner Frau. Die Beklagten wandten ein,
Wechſelſchuldner ſei der Mann, auch müſſe die jetzt
gegen ihn gerichtete Klage an der Rechtskraft der
Vorentſcheidung ſcheitern. Landgericht und Oberlandes—
gericht verurteilten. Das Reichsgericht hob auf.
Aus den Gründen: 1. Der Einwand der rechts-
kräftig entſchiedenen Sache iſt mit Recht vom OLG.
verworfen worden. Die Reviſion meint, der jetzt erhobene
Anſpruch, die Zwangsvollſtreckung in das Vermögen
der Frau zu dulden, ſtehe in Widerſpruch mit der im
Vorprozeß erlaſſenen Verurteilung zur Zahlung. Nun
iſt es an ſich nichts auffälliges, wenn ein Ehemann
zu beidem verurteilt wird. Haften die Eheleute als
Geſamtſchuldner, ſo iſt gegen ſolche Verurteilung nichts
zu erinnern. Die Beſonderheit des Falles beſteht
nur darin, daß von einer Geſamthaftung hier nicht
die Rede iſt. Schuldner des Wechſels vom 25. Januar
1906 kann nur entweder der Ehemann M. oder die
Ehefrau ſein. Inſofern iſt ein Widerſpruch zwiſchen
den Urteilen des Vorprozeſſes und des gegenwärtigen
Verfahrens nicht zu leugnen. Er iſt aber eine not—
wendige Folge der Einrichtung, daß der rechtskräftigen
Entſcheidung auch in fubjeftiver Beziehung nur eine
beſchränkte Wirkung zukommt. Die rechtskräftige Ver—
urteilung des A. ſchließt es nicht aus, daß in einem
ſpäteren Prozeß gegen B. feſtgeſtellt wird, nicht A.
ſondern B. ſei der Verpflichtete. Daher kann die Ehe—
frau M. gegen ihre Inanſpruchnahme keinen Einwand
206
daraus herleiten, daß im Vorprozeß ihr Mann zur
Zahlung verurteilt wurde. Auch der Ehemann M.
als Duldungsbeklagter kann ſein Beſtreiten der
Zahlungspflicht der Frau nicht mit dem Inhalt des
früheren Urteils begründen, denn er hat, ſoweit es
ſich um jene Pflicht handelt, keine andern Einwen⸗
dungen, als ſie der Frau W Hier muß die
Frage der Zahlungspflicht beiden Ehegatten gegen⸗
über ohne Rückſicht auf den Vorprozeß geprüft werden.
Die weitere Frage, ob der Mann die Vollſtreckung in
das Frauenvermögen zu dulden hat, hängt nur davon
ab, ob ein ſolcher Anſpruch durch die Normen des
maßgebenden Güterrechts, z. B. 8 1411 BGB., gerecht⸗
fertigt wird. Da dies außer Streit iſt, ſtehen der
Klage gegen den Ehemann M. Bedenken ſelbſtändiger
Art nicht entgegen.
2. Die Zweifel über die en des Wechſelver⸗
pflichteten ſind dadurch veranlaßt, daß, als der Wechſel
ausgeſtellt wurde, die Ehefrau M. Inhaberin der
Firma war. Durch die Faſſung der Adreſſe und des
Akzepts werden ſie nicht gehoben. Es iſt durchaus
üblich, bei Traſſierung auf eine Firma, auch wenn eine
Frau die Inhaberin ift, den Vordruck „Herr“ ſtehen
zu laſſen, und der Prokuriſt Adolf M. war rechtlich
imſtande, durch bloße Zeichnung der Firma „Adolf M.“
die e zu verpflichten. (Entſch. in ZS.
50 S. 51). Das OLG. hat die Ehefrau M. für die
Wechſel verpflichtete erachtet. Es ift der Anſicht, bei
einer Wechſelziehung K im Zweifel anzunehmen, daß
von mehreren zur Führung eines Namens berechtigten
Perſonen diejenige gemeint ſei, die den Namen als
kaufmänniſchen, als Firma führe. Sehau ſei es Sache
der Beklagten geweſen, ſchlüſſige Behauptungen für
das Gegenteil aufzuſtellen, was nicht geſchehen ſei.
Der Reviſionsangriff, der ſich gegen den Ausgangs-
punkt dieſer Darlegung wendet, iſt begründet. In
keiner Weiſe ift erſichtlich, warum in der hier frag-
lichen Beziehung eher auf den Träger des kaufmän⸗
niſchen Namens als auf den des bürgerlichen geſchloſſen
werden folte. Der Satz des OLG. läßt ſich weder
als Rechtsvermutung noch als Erfahrungsregel aner-
kennen. Vielmehr muß daran eg gonen werden,
daß die Klägerin, die die Ehefrau M. aus dem von
dem Mann erteilten Akzept in Anſpruch nimmt, nach⸗
weiſen muß, daß letzterer bei der Akzeptierung im
Namen der Frau gehandelt hat. Dies um ſo mehr,
als die Ordnungsvorſchrift des 8 51 HGB. verletzt
ſein würde, und als die Klägerin ſelber ausweislich
des Vorprozeſſes urſprünglich den Mann für den
Wechſelverpflichteten hielt.
3. Für eine endgültige Entſcheidung reichen die
Feſtſtellungen des OLG. nicht aus. Vor allem wird
es nötig ſein, die Parteibehauptungen darüber zu
berückſichtigen, wer den Kaufpreis für die gelieferten
Steine ſchuldet. Denn dieſer Kaufpreis ſollte mit dem
Wechſel bezahlt werden, und ſolange die Klägerin
nicht das Gegenteil dartut, darf davon ausgegangen
werden, daß der Traſſat mit dem Preisſchuldner
identiſch ſein ſollte. Eine akzeſſoriſche Haftbarmachung
der Frau durch den Mann für deſſen Schuld darf in
Ermangelung einer dahin zielenden Behauptung der
Klägerin nicht, wie das OLG. es getan hat, unter—
ſtellt werden. Nun hatte die Klägerin geltend gemacht,
die Verhandlungen über Lieferung der Steine ſeien
im Kontor der Firma Adolf M. gepflogen, der beklagte
Ehemann Habe fih dabei der Mitwirkung des Perſonals
der Firma bedient und zu ſeinen Schreiben an die
Klägerin Briefbogen verwendet, die mit dem Firmen—
aufdruck verſehen waren. Dies würde dafür ſprechen,
daß mit dem Geſchäftsinhaber kontrahiert werden
ſollte. Ein weiteres Anzeichen hierfür würde es ſein,
wenn, worüber gleichfalls nichts feſtſteht, der Neubau
für Geſchäftszwecke beſtimmt geweſen iſt.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
Würde die vom 11. Februar 1908, 5 D 32/08).
Abſicht auf ein Kontrahieren mit dem Inhaber des,
Geſchäfts gegangen ſein, ſo wäre es auch M. a den
wenn die Klägerin irrig den Ehemann M. für den
ee gehalten hätte (vgl. IW. 1908 S. 29 Nr. 3).
Auf der andern Seite haben die Beklagten unter
Zeugenbenennung behauptet, vor Abſchluß des Kauf⸗
vertrags habe der Ehemann M. dem Bevollmächtigten
der Klägerin, N., mitgeteilt, er habe fein Geſchäft,
weil er Unglück gehabt, im Jahre 1903 auf ſeine Frau
umſchreiben laſſen, jetzt habe er ſich aber wieder
heraufgearbeitet und führe den Neubau auf eigne
Rechnung auf. Die letzteren Worte würden bedeuten,
daß der Ehemann die Steine im eigenen Namen kaufen
wollte. Schwieg N. hierauf, ſo ſtimmte er zu, und
die Klägerin würde durch die Zuſtimmung ihres
Bevollmächtigten gebunden fein (8 164 BGB.). Nach
dieſen Geſichtspunkten bedarf die Sache noch der
weiteren Aufklärung. (Urt. des I. 8S. vom 26. Feb-
ruar 1908, I 247/07). p
1255 :
B. Strafſachen.
I
Urkundenfälſchung. (88 267, 268 Nr. 1 StGB.).
Der Angeklagte war zur Geſchäftsführung berechtigter
Teilhaber einer offenen Handelsgeſellſchaft. Auf Grund
der von ihm geführten Lohnliſten ſind im Bureau
der Geſellſchaft vom Buchhalter die Lohntüten, (d. h.
Hüllen, die verſchloſſen und mit dem Namen des
Arbeiters und der Summe des einliegenden Betrags
verſehen wurden), unter Verantwortung des Buch⸗
halters für die Richtigkeit des Inhalts der Tüten her⸗
geſtellt und dem Angeklagten zur Aushändigung an
die Arbeiter übergeben worden. Der Erſtrichter findet
nun darin ein Verbrechen der Urkundenfälſchung nach
88 267, 268 Nr. 1 StGB., daß der Angeklagte 4 forde
Tüten neu und zwar je mit einem geringern Betrage,
als auf der urſprünglichen Tüte vermerkt war, aus⸗
fertigte und den Arbeitern behändigte, die den urſprüng⸗
lichen Tüten entnommenen Mehrbeträge aber ſich zu⸗
eignete. Da die Tüten im Zuſammenhange mit anderen
Umſtänden dafür Beweis liefern konnten, welche
Forderung dem Arbeiter auf Grund der Lohnliſten
gegen die Geſellſchaft zuſtand, iſt ihre Beurteilung als
beweiserhebliche Urkunden nicht zu beanſtanden. Da⸗
gegen ſcheint der Erſtrichter nicht beachtet zu haben,
daß der Begriff der Urkundenfälſchung ein unbe—
rechtigtes Handeln fordert. „Das Bureau der
Geſellſchaft“, deren Angeſtellte, handelten bei der Aus⸗
ſtellung der Lohntüten nur als ein Werkzeug der
offenen Handelsgeſellſchaft; zur Führung der Geſchäfte
war der Angeklagte berechtigt. Demgemäß ſtand ihm
auch, ſolange ein Widerſpruch des andern, gleichfalls
geſchäftsführenden Geſellſchafters nicht vorlag, und
beim Mangel einer anderweiten von der Geſellſchaft
getroffenen Beſtimmung ($ 115 HGB.) — für die aus
dem Urteile nichts zu entnehmen iſt — die Berechtigung
zu, die von einem Angeſtellten der Geſellſchaft Her:
geſtellten Lohntüten, ſo lange ſie in ſeiner, durch kein
Recht eines Dritten beſchränkten Verfügungsgewalt
waren, zu ändern oder durch andere zu erſetzen. Die
neuen Lohntüten waren in dieſem Falle ebenſo dem
er fie allein maßgebenden Willen des Ausſtellers —
er offenen Handelsgeſellſchaft — entfloſſen und ebenſo
echt wie die urſprünglich ausgeſtellten. Dadurch, daß
die darauf vermerkten Lohnbeträge nicht mit den Ein—
trägen in den Lohnliſten übereinſtimmten, wurden ſie
zu ſchriftlichen Lügen, nicht aber zu unechten Urkunden
(vgl. Rſpr. d. RG. Bd. 8 S. 504, 470; Entſch. d.
RG. Bd. 30 S. 43, Bd. 37 S. 83, Bd. 40 S. 253).
Das Urteil war daher aufzuheben. (Urt. d. V. StS.
— — —e —
1242
II
Unzuläffige Ablehnung von Beweisanträgen ($ 243
EIBLD.). Nach dem Protokolle hat der Verteidiger des
Angeklagten Verlegung und Vernehmung von Zeugen
darüber beantragt, daß der Angeklagte ſinnlos be⸗
trunken war. Der Antrag wurde abgelehnt, „da die
Zeugen höchſtens bekunden können, daß ihnen der An⸗
geklagte ſinnlos betrunken erſchienen iſt, was zur
Sache unerheblich, da der Angeklagte ſeiner eigenen
Ausſage gemäß nicht finnlos betrunken war“. Der
Erſtrichter ſcheint zwar nicht zu verkennen, daß
die Frage, ob jemand ſinnlos betrunken war, Gegen⸗
ſtand des Zeugenbeweiſes fein kann (vgl. Rechtſpr. d.
RG. Bd. 7 S. 296, Entſch. d. RG. Bd. 37 S. 371), er
hat auch den Antrag des Verteidigers nicht deshalb
abgelehnt, weil er im Widerſpruche mit dem Vor⸗
bringen des Angeklagten ſtand (was unzuläſſig ge⸗
weſen wäre — Entſch. d. RG. Bd. 17 S. 315 —), er glaubte
vielmehr den Beweis nicht erheben zu müſſen, weil
die Bejahung jener Frage durch die Zeugen, die nur
deren ſubjektive Auffaſſung darſtellen würde, im Wider⸗
ſpruche mit den eigenen Angaben des Angeklagten
ſtünde. Dieſe Begründung läuft darauf hinaus, daß
der Erſtrichter den angebotenen Beweis deshalb für
tatſächlich unerheblich hält, weil er das Gegenteil der
unter Beweis geſtellten Tatſache ſchon für dargetan er⸗
achtet. Daß ein Beweisantrag aus dieſem Grunde
nicht abgelehnt werden darf, hat das RG. ſchon wieder⸗
holt ausgeſprochen .. Dabei kommt dem Umſtande,
daß die Zeugen ſelbſtverſtändlich nur ihrer ſubjektiven
Auffaſſung über den Zuſtand Ausdruck verleihen
können, in dem fih der Anklagte nach ihren Wahr-
nehmungen befunden hat, d. h. angeben können, wie
ihnen der Angeklagte erſchienen iſt, nicht die ihm an⸗
ſcheinend vom Erſtrichter beigemeſſene Bedeutung zu,
da dieſer Umſtand bei der Beurteilung wenigſtens
aller derjenigen Zeugenausſagen in Betracht zu ziehen
ift, die zugleich die aus den wahrgenommenen Tats
ſachen gezogenen Schlüſſe enthalten. Das Urteil war
daher aufzuheben. (Urt. d. V. StS. vom 3. Dezember
1907, 5 D 818/07).
1199
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Vorausſetzungen für die Eintragung eines Wider-
1 gegen eine Hypothek auf Antrag eines Gläubigers
des Eigentümers, der die Pfändung der angeblichen
Eigentümerhypsthek und des Auſpruchs auf Berichtigung
des Grundbuchs ſowie die Ueberweiſung der gepfändeten
Ansprüche zur Einziehung erwirkt hat (BGB. 88 894,
899; ZPO. § 836). Die Aktiengeſellſchaft G. hat auf
Grund eines vorläufig vollſtreckbaren Urteils für eine
Forderung zu 6000 M gegen den Anweſensbeſitzer H.
die Pfändung der „Eigentümerhypothek bzw. Eigen—
tümergrundſchuld, welche für H. aus einer auf feinem
Anweſen für U. eingetragenen Kautions- bzw. Höchſt⸗
betragshypothek infolge Nichtentſtehens der Forderung
oder infolge Nichterſchöpfung dieſer Kautions- bzw.
Höchſtbetragshypothek bereits entſtanden iſt oder künftig
entſtehen wird“, und des Anſpruchs des Schuldners
gegen U. auf Berichtigung des Grundbuchs erwirkt.
Die gepfändeten Anſprüche wurden der Gläubigerin
zur Einziehung überwieſen. Auf Grund des Pfändungs—
beſchluſſes ließ die Aktiengeſellſchaft bei dem Grund—
buchamte den Antrag ſtellen, zur Sicherung ihrer An-
ſprüche „einen Widerſpruch“ einzutragen. Das Grund—
buchamt lehnte die Eintragung ab, weil ein Wider—
ſpruch gegen das Hypothekenrecht des U. nur mit deſſen
Zuſtimmung oder auf Grund einer gegen ihn erlaſſenen
einſtweiligen Verfügung eingetragen werden könne.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
Die Beſchwerde wurde durch bie ft Zur Begründung
wurde ausgeführt: „Durch die Pfändung und Ueber⸗
weiſung des Berichtigungsanſpruchs erhalte der Gläu⸗
biger die Möglichkeit, zugunſten des Schuldners die
Eintragung eines Widerſpruchs gegen die Richtigkeit
des Grundbuchs zu erwirken, und der Pfändungs⸗
beſchluß erſetze die ſonſt erforderliche einſtweilige Ver⸗
fügung, die nur Glaubhaftmachung des Anſpruchs des
Gläubigers erfordere, während die Pfändung auf
Grund eines für den Anſpruch erlangten vollſtreckbaren
Titels erfolge. Aber ſoweit die Eigentümerhypothek
erſt künftig entſtehen ſoll, ſei die vorſorgliche Ein⸗
tragung eines Widerſpruchs zur Sicherung des Pfand⸗
rechts ebenſo unſtatthaft wie die Eintragung der Pfändung
ſelbſt, und ſoweit eine Eigentümerhypothek etwa ſchon
beſtehen ſollte, fehle es an dem Nachweiſe, daß und
in welcher Höhe ſie entſtanden und deshalb das Grund⸗
buch unrichtig iſt“. Auch die weitere Beſchwerde der
Aktiengeſellſchaft wurde zurückgewieſen.
Gründe: Es kann dahin geſtellt bleiben, ob die
Pfändung des im § 894 BGB. beſtimmten Anſpruchs
auf Zuſtimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs
eingetragen werden kann: Denn jedenfalls kann nur
die Eintragung der Pfändung eines beſtehenden An⸗
ſpruchs in Frage kommen, die Pfändung eines noch
völlig ungewiſſen Anſpruchs, der künftig einmal ent⸗
ſtehen ſoll, eignet ſich ebenſowenig zur Eintragung
wie die Pfändung einer künftigen Eigentümerhypothek.
Für die Eintragung der Pfändung des Anſpruchs als
eines beſtehenden mag es, wie das OLG. Dresden in
ſeinen Beſchlüſſen vom 8. Jauuar 1901 (Rechtſpr. d.
OLG. Bd. 2 S. 152) und vom 14. Dezember 1904
(ZBIFG. 5 S. 624) angenommen hat, genügen, daß
der Anſpruch durch die Eintragung eines Widerſpruchs
gegen den zu berichtigenden Inhalt des Grundbuchs
bekundet wird. Die Beſchwerdeführerin iſt beſtrebt,
dieſes Erfordernis zu beſchaffen, und ſcheint die Ein⸗
tragung eines Vermerkes im Sinne zu haben, der
zugleich erſichtlich macht, daß der Widerſpruch für ſie
als vermöge der Pfändung und Ueberweiſung des
Anſpruchs Berechtigte eingetragen ſei. Aber der Pfän⸗
dungs⸗ und Ueberweiſungsbeſchluß, den fie im Wege
der Zwangsvollſtreckung gegen ihren Schuldner erwirkt
hat, genügt nicht zur Eintragung eines Widerſpruchs
gegen das eingetragene Recht des Drittſchuldners U.
Die Ueberweiſung erſetzt nach 8 836 ZPO. die förm⸗
lichen Erklärungen des Schuldners, von welchen nach
den Vorſchriften des bürgerlichen Rechtes die Be⸗
rechtigung zur Einziehung der Forderung abhängt,
ſie ermächtigt den Gläubiger zur Geltendmachung des
überwieſenen Anſpruchs, aber fie gibt ihm kein weiters
gehendes Recht gegen den Drittſchuldner, der Gläubiger
kann den Anſpruch gegen den Drittſchuldner nur in der-
ſelben Weiſe geltend machen, wie ſein Schuldner ihn geltend
zu machen haben würde. Wie der Schuldner nach
8 899 BGB. die Eintragung des Widerſpruchs in Er-
mangelung der Zuſtimmung des Eingetragenen nur auf
Grund einer einſtweiligen Verfügung erwirken könnte,
hängt auch die Eintragung des Widerſpruchs für den
Gläubiger von dieſer Vorausſeßung ab. Der Dritt-
ſchuldner wird vor der Pfändung und Ueberweiſung
nicht gehört, der Beſchluß läßt die Frage, ob der ge—
pfändete und überwieſene Anſpruch wirklich beſteht,
vollſtändig offen, es iſt daher nicht verſtändlich, wie
der gegen den Schuldner H. erwirkte Beſchluß die
gegen den Drittſchuldner U. zu erwirkende einſtweilige
Verfügung ſoll erſetzen können. Das Landgericht ver—
wechſelt den Anſpruch des Schuldners H., zu deſſen
Sicherung durch einſtweilige Verfügung glaubhaft zu
machen iſt, daß das eingetragene Recht dem Dritt—
ſchuldner U. in Wirklichkeit nicht zuſteht, mit dem
durch Urteil feſtgeſtellten Anſpruche der Beſchwerde—
führerin gegen H. auf Zahlung von 6000 M. (Beſchluß
des I. ZS. vom 6. März 1908, Reg. III. 21/190
8).
1243 W.
208
11.
Kein Anſpruch auf eine vom Eigentümer vorbehaltene
Nangſtelle für eine Vollſtreckungshyysthek. Unſtatthaftig⸗
feit der 428 und 1 des Rechtes anf
1 altene 887980 88 8660 0, Nov. z. SubhO.
Art. 4 1, ZPO Auf Antrag des
er 8. Ei 523 * am 30. November
1907 im Wege der Zwangsvollſtreckung aus einer voll⸗
ſtreckbaren Notariatsurkunde auf dem Blatte für ein
Grundſtück der Baumeiſterseheleute B. in W. für die
Forderung des L. zu 8000 M eine Hypothek vorgemerkt.
Der una Due gehen drei Hypotheken von
16 000 M, 8000 M und 360 M vor. Außerdem war
am 29. ER re 1907 eine vorbehaltene Hypothek
„für 74000 M Kreditkaution oder ein beliebig verzins⸗
liches Kapital nebſt 7400 M Nebenkaution“ vorgemerkt
worden, der die Gläubiger der 1. und 2. Hypothek den
Vorrang eingeräumt haben. Am 12. Dezember 1907
beantragte L., ſeine Vollſtreckungshypothek in die vor⸗
behaltene Rangſtelle einzuſtellen. Das Hypothekenamt
hat den Antrag abgelehnt. Die Beſchwerde, zu deren
Begründung auf die in dem ale des Notariats⸗
disziplinarhofs vom 7. Januar 1902 (Neue Samml. v.
Entſch. d. OLG. Bd. 2 S. 1076) enthaltene Bemerkung
Bezug genommen wurde, „wie der Schuldner auf den
Rangvorbehalt verzichten könne, könne er auch das
Eindringen von Zwangshypotheken oder von Hypo⸗
theken nach 8 12 Hyp®. in die vorbehaltene Stelle
nicht hindern“, wurde zurückgewieſen. Auch die weitere
Beſchwerde des L. iſt zurückgewieſen worden.
Gründe: Der Rangvorbehalt, den der Eigen⸗
tümer nach $ 150 Hyp®. mit einem Hypothekengläu⸗
biger vereinbart hat, iſt nicht eine Beſchränkung der
Hypothek dieſes Gläubigers gegenüber allen ſpäter
entſtehenden Hypotheken, ſoweit fie den in dem Bor-
behalte beſtimmten Betrag nicht überſteigen, ſondern
eine Beſchränkung des Rechtes des Gläubigers, der
den Vorbehalt bewilligt hat, zugunſten des Eigen-
tümers, eine Minderung der Beſchränkung des Eigen-
tums, die ſich aus dem Rechte des Gläubigers ohne
den Vorbehalt ergeben würde. Der Rangvorbehalt
kommt deshalb nicht ohne weiteres einer nach deſſen
Eintragung entſtandenen Hypothek zu ſtatten, ſondern
es bedarf dazu der Einräumung des Ranges durch
den Eigentümer. Dies iſt auch in dem Beſchluſſe des
Notariatsdisziplinarhofs vom 7. Januar 1902 aner-
kannt. Sollte die oben angeführte Bemerkung, auf
der übrigens die damalige Entſcheidung nicht beruht,
den Sinn haben, daß für die Vollſtreckungshypothek
und die auf einem geſetzlichen Hypothekentitel beruhen—
den Hypotheken eine Ausnahme zu machen ſei, ſo
könnte der jetzt entſcheidende Senat ſie nicht für richtig
erachten. Art. 40 des Geſ. vom 29. Mai 1886 gibt
ebenſo wie § 866 RPO. dem Gläubiger, der die Zwangs—
vollſtreckung in das unbewegliche Vermögen des Schuld—
ners betreibt, nur das Recht auf Erlangung einer
Hypothek, die nach den allgemeinen Grundſätzen des
Liegenſchaftsrechts den Rechten, mit denen das Grund—
ſtück ſchon belaſtet iſt, im Range nachſteht. Eine Vor—
ſchrift, die mit dem vollſtreckbaren Schuldtitel oder
mit dem geſetzlichen Hypothekentitel die Ermächtigung
des Gläubigers verknüpft, das Recht des Eigentümers
zur Einräumung des vorbehaltenen Ranges für ſich
auszuüben, iſt der ZPO. und dem HypG. fremd. Nach
den Vorſchriften der BPO. müßte der Gläubiger, um
das Recht des Eigentümers im Wege der Zwangsvoll—
ſtreckung für ſich ausüben zu können, erſt die Pfändung
des Rechtes und die Ueberweiſung zur Geltendmachung
erwirken — vorausgeſetzt, daß das Recht überhaupt
Gegenſtand der Zwangsvollſtreckung ſein kann. Eine
Pfändung und Ueberweiſung iſt hier nicht erfolgt, es
kommt deshalb nicht auf die Frage ihrer Statthaftig—
keit an, die übrigens für den Rangvorbehalt des
Bayeriſchen Hypothekenrechts ebenſo verneint wird,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Nr. 10.
wie es für den Rangvorbehalt nach 8 881 BGB. faſt
allgemein geſchieht 180 des I. ZS. vom a ar
nuar 1908; IIL, 10/1908)
1213
III.
Borausſetzungen für die Eintragung der Pfändung
einer Nie ypsthek in das Grundbuch (S 40 GO.
Im Grundbuche des Amtsgerichts M. iſt auf dem
Blatte für das Anweſen Nr. 38 an der S.⸗ſtraße der
Thereſe R. für eine Darlehensforderung des Heinrich
S. zu 3000 M eine Sicherungshypothek .
Joſeph K. hat mit der Behauptung, daß Thereſe R
ihm aus einem Darlehen 3000 M ulde und daß von
dem Darlehen des Heinrich S. 1700 M zurückgezahlt
ſeien, eine einſtweilige Verfügung erwirkt, durch die
der Thereſe R. verboten wird, über die von ihr er⸗
worbene Eigentümerhypothek zu 1700 M zum Nachteile
der Forderung des Joſeph K. zu verfügen, und die
Eintragung des Verbots in das Grundbuch angeordnet
wird. Das Grundbuchamt lehnte die von Joſeph K.
beantragte Eintragung wegen des Mangels des für die
Berichtigung des Grundbuchs erforderlichen Nach⸗
weiſes ab. Die Beſchwerde des Joſeph K. wurde
zurückgewieſen. Das Ob. hat auch die weitere Be-
ſchwerde des K. zurückgewieſen.
Gründe: Nach der herrſchenden Auslegung des
§ 40 Abſ. 1 GBO. genügt es zur Eintragung von
Verfügungen des im Grundbuch eingetragenen Eigen—
tümers des belaſteten Grundſtücks über die Hypothek
nicht, daß die Hypothek von vorneherein beſtimmt iſt
Eigentümerhypothek zu werden, der Eigentümer alſo
gewiſſermaßen als der künftige Berechtigte eingetragen
iſt, ſondern er muß der gegenwärtige Berechtigte ſein,
und dies muß nach § 29 GBO. dem Grundbuchamte
durch öffentliche oder öffentlich- beglaubigte Urkunden
nachgewieſen werden. Daran hält auch die Recht⸗
ſprechung des Kammergerichts feſt, ſie erleichtert die
Eintragung auf Grund einer Verfügung des Eigen—
tümers, der ſein Recht in der vorgeſchriebenen Weiſe
— insbeſondere durch ſogenannte löſchungsfähige
Quittung des Gläubigers — nachweiſt, nur dadurch.
daß ſie davon abſieht, vorerſt die Eintragung des
Eigentümers als des nunmehrigen Berechtigten zu
verlangen. Es kann dahingeſtellt bleiben, wie dieſe
Frage zu entſcheiden iſt; denn da kein der Vorſchrift
des § 29 GBO. entſprechender Nachweis dafür vor:
liegt, daß die Sicherungshypothek des S. zum Betrage
von 1700 M auf Thereſe R. übergegangen ift, ift die
vom Beſchwerdeführer beantragte Eintragung auch
nach der Rechtsanſicht des Kammergerichts unſtatthaft.
(Beſchl. des I. 35. vom 20. März 1908, Reg. III,
29/1908). W.
1256 |
IV.
Krankenverpflegungsrechte Tonnen in Bayern als
Neallaſt uur beſtellt werden, wenn fie zu einer Leibrente
oder einem 5 0 gehören (AG. z. BGB. Art. 85,
BGB. § 1105, EG. z. BGB. Art. 115). Durch notariellen
Uebergabsvertrag überließ die Bauerswitwe Barbara
H. ihr Anweſen ihrem Sohne Franz H. gegen ein
Abſtandsgeld und ein Leibgeding, das in einem
Wohnungsrechte, vollſtändiger Verpflegung einſchließ—
lich des Bedarfes in Krankheitsfällen uſw. beſteht. Die
Leibgedingsreichniſſe wurden zum Gegenſtand einer
Reallaſt gemacht, mit der das Anweſen belaſtet wurde.
Der Uebernehmer verpflichtete ſich, ſeinen volljährigen
Geſchwiſtern Julie und Johann H. je 2500 M als
Muttergut zu zahlen und beſtellte für dieſe Forde—
rungen Hypothek, räumte ihnen für die Dauer ihres
ledigen beſitzloſen Standes die Benutzung beſtimmter
Gelaſſe des Hauſes als Wohnungsrecht ein und über—
nahm die Verpflichtung, jedem von ihnen in Er—
krankungsfällen unentgeltlich Krankenkoſt, ärztliche
Behandlung und Heilmittel „auf je vierzehn Tage
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
jährlich“ zu beſchaffen, mit der Beſtimmung, daß fie
eine Reallaſt an dem Hausgrundſtücke Plan⸗Nr. 625
der Steuergemeinde O. bilden fole. Das Grundbuch⸗
amt lehnte die Eintragung der Krankenverpflegungs—
rechte der Geſchwiſter H. als Reallaſten ab, weil dieſe
Leiſtungen, da ſie nicht zu einem Leibgedinge gehörten,
nicht Gegenſtand einer Reallaſt ſein könnten. Die
von Franz H. eingelegte Beſchwerde wurde zurüd-
gewieſen. Auch die weitere Beſchwerde des Franz H.
iſt verworfen worden. Das Leibgeding, das in der
Regel bei der Ueberlaſſung von Grundſtücken aus⸗
bedungen wird, beſteht in Leiſtungen, die dem Bered-
tigten den Unterhalt beſchaffen ſollen. Es iſt in der Haupt⸗
ſache eine Leibrente; die für die gewöhnlichen, ſich ſtets
erneuernden Bedürfniſſe des Berechtigten beſtimmten
Leiſtungen ſind in beſtimmten Zeitabſchnitten wieder⸗
kehrend zu entrichten, üblicher Weiſe kommen andere
Leiſtungen hinzu, die für außerordentliche Bedürfniſſe
beſtimmt ſind und demgemäß nur im Bedarfsfalle
verlangt werden können. Wiederkehrende Leiſtungen
jeder Art können nach dem § 1105 BGB. Gegenſtand
einer Reallaſt ſein und der Art. 41 AG. z. BGB. gibt
dem Leibgedingsberechtigten die Befugnis, ſoweit ihm
wiederkehrende Leiſtungen zu entrichten ſind, die nicht
den Inhalt einer beſchränkten perſönlichen Dienft-
barkeit bilden können, die Beſtellung einer ents
ſprechenden Reallaſt zu verlangen. Durch Art. 85 iſt
hieran nichts geändert, er läßt als Reallaſt ohne Be⸗
ſchränkung das Recht auf Leiſtungen zu, die zu einer
Leibrente, insbeſondere zu einem Leibgedinge gehören,
ſchließt daher bei dem Leibgedinge die Leiſtungen
nicht aus, die, weil ſie nicht regelmäßig wiederkehren,
für ſich allein nicht Gegenſtand einer Leibrente im
Sinne des § 759 BGB. fein können. Das Grund-
buchamt hat deshalb mit Recht auch die nach dem
Vertrage vom 16. Januar 1908 der Witwe H. zu ge-
währende Krankenpflege als Reallaſt eingetragen. Den
Geſchwiſtern Julie und Johann H. aber ift ein Leib-
geding nicht zu entrichten. Die ihnen beſtellten
Wohnungsrechte und das Recht, in Krankheitsfällen
auf kurze Dauer Verpflegung zu verlangen, ſind zwar
für Bedürfniſſe beſtimmt, deren Deckung zu ihrem
Unterhalte gehört, aber weder das Wohnungsrecht
noch das Recht auf Krankenpflegung iſt für ſich allein
oder in Verbindung mit dem anderen Rechte ein Leib-
geding, die Geſchwiſter beziehen nicht eine Leibrente,
ſondern müſſen ſich ihren Unterhalt in der Hauptſache
anderweit beſchaffen. Vereinzelte wiederkehrende
Leiſtungen von der Art des Rechtes auf Krankenver—
pflegung können nach dem die Belaſtung eines Grund—
ſtücks mit Reallaſten in Gemäßheit des Art. 115 EG.
z. BGB. beſchränkenden Art. 85 nicht Gegenſtand einer
Reallaſt ſein. Für ſolche Rechte iſt im allgemeinen
ein Bedürfnis dinglicher Sicherung nicht anzuerkennen.
Wollen die Beteiligten im einzelnen Falle von ding—
licher Sicherung nicht abſehen, ſo bietet ſich ihnen die
Beſtellung einer Höchſtbetragshypothek für den An—
ſpruch auf Schadenserſatz wegen Nichterfüllung als
Auskunftsmittel. (Beſchl. des J. ZS. vom 16. März
1908, Reg. III 26/1908). W.
1260
B. Strafſachen.
Zur Auslegung des Art. 58 PSOV. Mehrere
Knaben haben während ihrer allgemeinen Sonntags—
ſchulpflicht den vorgeſchriebenen Beſuch des öffentlichen
Religionsunterrichtes am 26. Mai 1907 verſäumt und
ſind hierwegen von der Ortsſchulbehörde vor weiteren
Verſäumniſſen in der vorgeſchriebenen Form verwarnt
worden. Im Juli 1907 haben ſie ſich der nämlichen
Verſäumnis ſchuldig gemacht und ſind deshalb auf
Anzeige der Schulbehörde unter Anklage geſtellt worden.
— — ß ͤ LU ̃ʒ—— . ũẽ A—— —ü— 1 ö ..ĩ;]ĩ7—P2ẽ᷑ t ͤ——Ü—— . q“ſlĩĩ —k———vrvK———— —̃ —
Das freiſprechende Urteil des Berufungsgerichts wurde
auf Reviſion aufgehoben.
Aus den Gründen. .. Die Strafkammer legt
den Art. 58 Abſ. 2 dahin aus, daß der Strafrichter
nachzuprüfen habe, ob die Verſäumnis, die zu einer
Beſtrafung oder Verwarnung durch die Schulbehörde
führte, als ſchuldhaft anzuſehen ſei. Sie nimmt an,
daß die Angeklagten freizuſprechen waren, weil die
Würdigung ergeben habe, daß die Verſäumnis vom
26. Mai 1907 nicht ſchuldhaft war. Hierin liegt ein
Rechtsirrtum. Zwar iſt es richtig, daß die voraus⸗
gegangene disziplinäre Beſtrafung oder Verwarnung
der Sonntagsſchulpflichtigen keine prozeſſuale
Vorausſetzung für die Anwendbarkeit des Art. 58
Abſ. 2 bildet, ſondern ein Tatbeſtandsmerkmal
dieſes Strafgeſetzes. Dieſes Merkmal liegt aber ſchon
dann vor, wenn für den Strafrichter die Tatſache feſt⸗
ſteht, daß von der Schulbehörde in dem dafür vor⸗
geſchriebenen Verfahren eine Beſtrafung oder Ber-
warnung wegen einer Schulverſäumnis, die die Schul⸗
behörde als ſchuldhaft anſah, der Einleitung des
Strafverfahrens vorausging. Ob die Schulbehörde
eine ſchuldhafte Verfäumnis mit Recht annahm oder
nicht, hat der Strafrichter nicht nachzuprüfen; denn
die beiden Verfahren, das Disziplinarverfahren vor
der Schulbehörde und das Strafverfahren vor dem
Gerichte, ſind voneinander unabhängig; ſie ſtehen
ſelbſtändig nebeneinander, eine Anrufung der Gerichte
gegen eine im Disziplinarverfahren von der Schul-
ehörde getroffene Entſcheidung iſt nicht zugelaſſen;
ein Zuſammenhang zwiſchen beiden beſteht nur in-
ſoferne, als das Strafverfahren nach Art. 58 PStGB.
erſt eingeleitet werden darf, wenn das Disziplinar-
verfahren vor der Schulbehörde durchgeführt iſt. (Urteil
vom 28. Januar 1908, Rev.⸗Reg. Nr. 620/07).
11222 3 23 3
Oberlandesgericht Bamberg.
VBerſchleierung des Vermögens ſtandes einer Hypo⸗
thekenbank durch Nichtangabe ab ee Gg En
Nuten in zn und Geſchäftsbericht. (88 3
40, 261, 271 HGB., SS 24, 27, 28, 42 695 Bone)
In einem Rechtsſtreite gegen eine Hypothekenbank
(Aktiengeſellſchaft) verlangten mehrere Aktionäre die
Aufhebung der Beſchlüſſe einer „
Es war u. a. ſtreitig, ob es zuläſſig ſei, die a
geſchriebenen Hypothekenzinſen aus der Bilanz und
dem Geſchäftsbericht wegzulaſſen. Das Urteil des
Berufungsgerichts führt hierüber folgendes aus. Für
Form und Inhalt des kaufmänniſchen Rechnungs—
abſchluſſes, welchen der Vorſtand und Aufſichtsrat
einer Hypothekenbank auf Aktien in Geſtalt der Bilanz.
einer Gewinn- und Verluſtrechnung und eines Geſchäfts—
berichts alljährlich der Generalverſammlung vorzu⸗
legen haben, find die Vorſchriften in den 88 38, 39,
40, 260 und 261 HGB. ſowie die SS 24, 27, 28, 42 des
HypBankch. maßgebend. Dieſe Vorſchriften enthalten
durchwegs zwingendes Recht und find im öffent-
lichen Intereſſe zum Schutze aller erlaſſen, die mit
einer ſolchen Bank in Verbindung ſtehen oder zu treten
beabſichtigen. Es folgt dies ſchon aus 8 265 HGB.,
wonach die Bilanz ſowie die Gewinn- und Verluſt—
rechnung unverzüglich nach Genehmigung der General—
verſammlung durch den Vorſtand in den Geſellſchafts—
blättern, ſohin öffentlich, bekannt zu machen und die
Bekanntmachung ſowie der Geſchäftsbericht nebſt den
Bemerkungen des Aufſichtsrates zum Handelsregiſter
einzureichen find, aber auch aus den in 8 23 Hyp Bank.
vorgeſchriebenen periodiſchen Veröffentlichungen des
Hypothekenpfandbriefumlaufs und des Geſamtbetrages
der in das Hypothekenregiſter eingetragenen Hypotheken.
Insbeſondere enthalten die 85 24, 27 ff., 42 HypBBankG.
eine Reihe von verwaltungsrechtlichen Zwangsvor—
210
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
ſchriften, die bei Aufſtellung der Jahresbilanz unter
keinen Umſtänden außer acht gelaſſen werden dürfen
und deren Nichtbeachtung auch nicht nachträglich durch
einen genehmigenden Mehrheitsbeſchluß der General-
verſammlung geheilt werden kann. Denn dieſe Vor⸗
ſchriften ſind zugleich ein Mittel zur Handhabung der
geſetzlich ſtatuierten Staatsaufſicht über die Hypo⸗
thekenbanken. Der Zweck dieſer Vorſchriften, die auf
größere Detaillierung und damit auf größere Durch⸗
ſichtigkeit der Bilanzen und der Gewinn- und Verluſt⸗
konti abzielen, beſteht darin, die Solidität der
Bilanzierung zu erhöhen, den Einblick in die Liquidität
der Inſtitute zu erleichtern und namentlich die Art
der Deckung der Pfandbriefe erſichtlich zu machen.
Hiernach iſt aber die Anſchauung der Beklagten un⸗
richtig, es fei das HypBankG. nicht auch im Intereſſe
der Aktionäre gegeben und letztere könnten, da für ſie nur
die Vorſchriften des HGB. maßgebend ſeien, aus
dieſem Geſetze kein Rügerecht für ſich ableiten. Irrig
iſt auch, daß die Vertreter der Beklagten meinen, daß
weder die Zinsabſchreibungen noch das Unkoſtenkonto
den Aktionären ziffermäßig und im einzelnen nach⸗
zuweiſen ſeien, weil es nur auf die Endziffern der
Konti und die Uebereinſtimmung des Endergebniſſes
der Bilanz mit der wirklichen Vermögenslage der
Aktiengeſellſchaft ankomme. Die Folgen dieſer An⸗
ſchauung der Beklagten wären geeignet, die oben dar⸗
gelegte Abſicht des Geſetzgebers zu vereiteln. Ein
Abgehen von den geſetzlichen Vorſchriften kann daher
nnter keiner Bedingung geſtattet ſein. In 8524 HypBankG.
ſind nun in 8 Ziffern die Poſten aufgezählt, welche
die Jahresbilanz einer Hypothekenbank getrennt zu
enthalten hat und darunter iſt bei Ziff. 2 auch der
Geſamtbetrag der rückſtändigen Hypothekenzinſen an⸗
geführt. In § 28 Ziff. 5 ift weiter u. a. vorgeſchrieben,
daß in dem Geſchäftsbericht oder in der Bilanz auch
die Jahre, aus welchen die Rückſtände auf die von
den Hypothekenſchuldnern zu entrichtenden Zinſen
herrühren, ſowie der Geſamtbetrag der Rückſtände
eines jeden Jahres erſichtlich zu machen ſind. Hier
tun der abgeſchriebenen Zinſen zu 105 324 Mk. weder
der Geſchäftsbericht noch die Bilanz, die Gewinn⸗ und
Verluſtrechnung Erwähnung. Das war ein Verſtoß
gegen 269 Abſ. 2 HGB. und gegen $ 24 Ziff. 2,
§ 28 Ziff. 5 Hyp Bank. Die Beklagten behaupten,
es ſei dies deshalb nicht geſchehen, weil nach der
Meinung der Bankleitung die abgeſchriebenen Zinſen
geſetzlich nicht zu den rückſtändigen gehören. Dieſe
Anſicht iſt nicht richtig. Unter rückſtändigen Zinſen
find im Sinne des HypBankG. wie nach allgemeinen
Rechtsbegriffen ſolche zu verſtehen, die fällig, aber
nicht eingegangen ſind, und ſie verlieren, wenn ſie als
uneinbringliche oder zweifelhafte Forderungen gemäß
§ 40 Abſ. 3 HGB. abgeſchrieben werden, dieſen
Charakter nicht. Es muß aber die Abſchreibung ſelbſt
in der Bilanz und, ſoweit die Vorſchrift in 8 28 Ziff. 5
HypBankG. in Betracht kommt, entweder in dieſer
oder in dem Geſchäftsbericht in die Erſcheinung treten.
Dieſen Beſtimmungen kommt eine hervorragende Be—
deutung zu. Die Höhe der rückſtändigen, alſo auch der
darin begriffenen, abgeſchriebenen Hypothekenzinſen
iſt für jeden, der die Bilanz einer Hypothekenbank
ſamt Gewinn- und Verluſtrechnung und Geſchäftsbericht
zu leſen verſteht, ein untauglicher Wertmeſſer für die Güte
des Hypothekenmaterials der Bank und der Geſchäfts—
1 bei der Beleihung. Die Aufgabe der Bilanz
beſteht aber in einer wahrheitsgemäßen Daritellung
des Vermögensſtandes. Es muß daher den Aktionären
insbeſondere ermöglicht werden zu prüfen, ob die Ab—
ſchreibungen eine willkürliche, ihre Rechte am Rein—
gewinn der Geſellſchaft beeinträchtigende, oder eine
durch die Geſchäftslage gebotene Maßregel ſind.
Werden ſolche Vorgänge entgegen den geſetzlichen Vor—
ſchriften in den SS 260 HGB., 24 u. 28 Hyp Banks.
gar nicht erwähnt, dann liegt eine
irreführende
Bilanzierung vor; denn die Nichterwähnung bewirkt
die Annahme, daß kein beſonderer Grund zu ein⸗
gehender Prüfung vorliege, und das iſt geeignet, den
wahren Stand der Vermögens⸗ und Geſchäftslage der
f zu verwiſchen. (Urt. v. 16. November
1251 ' Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
Landgericht München J.
Aerztliche Sachverſtändigengebühren. a) In einer
Entmündigungsſache zog das Amtsgericht den Land⸗
gerichtsarzt als Sachverſtändigen zu und wies ihm
für das ſchriftliche Gutachten und die Terminwahr⸗
nehmung die Mindeſtgebühren als ſofort zahlbar an,
weil der Sachverſtändige nicht als Landgerichtsarzt,
ſondern als pfychiatriſcher Spezialiſt zugezogen worden
ſei. Auf Beſchwerde der Staatskaſſe wurde die Feſt⸗
ſetzung dahin geändert, daß die Auszahlung erſt nach
Erlegung durch den (vermögensloſen) Zahlungs⸗
pflichtigen ſtattfinde.
Aus den Gründen: Die Beſchwerde iſt ſtatt⸗
haft, freilich nicht gegen die Ablehnung der angeregten
Offizialberichtigung von Amts wegen (vgl. Bl. f.
Finanzw. Bd. 12 S. 161), ſondern nur gegen die
urſprüngliche Feſtſetzung; ſie iſt auch ſachlich begründet.
Unbeſtritten kämen Tagegelder und Reiſekoſten nach
82 VO. vom 17. November 1902 hier nicht in Betracht,
weil die Amtsgeſchäfte ſämtlich am Amtsſitze betätigt
wurden. Eine Unterſcheidung dahin aber, aus welchem
Anlaß der Amtsarzt als Sachverſtändiger zugezogen
wurde, iſt der BO. fremd; fie geht offenbar davon
aus, daß die Zuziehung eines Amtsarztes ſtets als im
e mit ſeinem Amt angeſehen werden
1 „ um die früheren mißlichen Unterſcheidungen in
ieſem Punkt abzuſchneiden. So hat das ObèLG. im
Beſchluß vom 22. Oktober 1903 (N. S. in StS. Bd. 4
S. 85; IMBl. 1903 S. 455) einem Bezirksarzt nur
Tagegelder und Reiſeauslagen ſogar in dem Fall zu⸗
geſprochen, wo er als Sachverſtändiger vor das Land⸗
gericht und zwar direkt durch den Angeklagten, noch
dazu aus Anlaß einer Behandlung in ſeiner Privat⸗
praxis, geladen war. Dieſer Fall liegt dem jetzigen
weſentlich gleich. Auch hier iſt der Amtsarzt nicht vor
dasjenige Gericht geladen worden, bei dem er zunächſt
aufgeſtellt ift (VO. vom 3. September 1879, GVBl.
S. 1081); dies iſt aber gleichgültig, weil die Begut⸗
achtung an und für ſich gerade in den ſpeziellen
Geſchäftskreis (Pſychiatrie) fällt, wofür der Sachver⸗
ſtändige dem Landgericht als Amtsarzt beigegeben iſt.
Die Anweiſung hätte alſo nur für den Fall der Er⸗
legung durch den Zahlungspflichtigen lauten ſollen;
die Durchführung des Rückerſatzes iſt Sache der
Adminiſtrativbehörde. — (Beſchl. vom 12. Dezember
1907; Beſchw. Reg. 609/07). N.
b) Eine Gebühr für die perſönliche Unterſuchung
der zu Entmündigenden und eine Gebühr für das
Aktenſtudium können nicht nebeneinander verlangt
werden. Beide Dienſtleiſtungen find einzelne Unter⸗
ſuchungsakte und bilden zuſammen mit allen übrigen
Unterſuchungshandlungen die Unterſuchung des Falls
im Sinne der Nr. 7 der Gebührenordnung vom 17.
November 1902. Es kann unmöglich in der Abſicht
des Geſetzes gelegen ſein, für jede einzelne Unter⸗
ſuchungshandlung die Unterſuchungsgebühr zuzulaſſen;
eine gegenteilige Auffaſſung müßte zu wirtſchaftlich
unannehmbaren Folgen führen.!) — (Beſchl. vom 29.
November 1907; Beſchw. Reg. Nr. 542/07).
1172
1) Die bisberige Praris nabm insbeſondere bei wiederbolten
Beſuchen den gegenteiligen Standpunkt ein, wie ja auch die Ent⸗
fernungsgebübren für jeden Beſuch geſondert berechnet werden: nur
für das Aktenſtudium wurde ſchon bisher mangels jeden anderen
Anbalts ledlalich eine einzige einbeitliche Gebühr zugebilligt, auch
wenn es mehrere Tage in Anſpruch genommen hatte. Der Einſ.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
Landgericht Bamberg.
Zuſtändigkeit für die Beſchwerde gegen Verweige⸗
rung der Rechtshilfe nach $ 172 Inv 88. Der Bors
figende des Schiedsgerichts für Arbeiterverſicherung in
Oberfranken hatte in einer Berufungsſache gegen einen
die Bewilligung einer Invalidenrente ablehnenden Be⸗
ſcheid der oberfränkiſchen Verſicherungsanſtalt ein Amts⸗
gericht gemäß § 172 Inv VG. um eidliche Vernehmung |
von Zeugen erſucht. Der Amtsrichter hatte unter An⸗
führung von — allerdings nicht zutreffenden — Rechts⸗
gründen das Erſuchen abgelehnt. Der Schiedsgerichts⸗
vorſitzende erhob Beſchwerde zum Landgericht mit der
Eventualbitte, die Beſchwerde dem Oberlandesgerichte
Bamberg vorzulegen, falls ſich das Landgericht für
unzuſtändig erklären ſollte. Das Landgericht hat ſich
für unzuſtändig erklärt.
Aus den Gründen: 5 172 Inv BG. beſtimmt
allerdings die Verpflichtung der öffentlichen Behörden,
wozu zweifellos auch die Gerichte gehören (vgl. Reger,
Entſch. Bd. 9 S. 400), den im Vollzuge des Inv G.
an ſie ergehenden Erſuchen des Reichsverſicherungs⸗
amtes, der Landesverſicherungsämter, der Schieds⸗
gerichte, der Organe der Verſicherungsanſtalten und
anderer öffentlicher Behörden zu entſprechen. Nach
$ 17 Abſ. 3 der Kaif. VO. vom 22. November 1900
betr. das Verfahren vor den Schiedsgerichten für
Arbeiterverſicherung hat auch der Schiedsgerichts
vorſitzende das Recht der Beweiserhebung und damit
die Befugnis, die Rechtshilfe der öffentlichen Behörden
in Anſpruch zu nehmen, auch ſchon vor Anberaumung
des Verhandlungstermines. Aber weder das Inv VG.
noch eine ſonſtige hierzu erlaſſene Vorſchrift trifft Be⸗
ſtimmung darüber, wie der Weigerung eines nach $ 172
InvVG. um Rechtshilfe erſuchten Amtsgerichtes abzu⸗
helfen ſei, wer über die Rechtmäßigkeit der Weige—
rung zu entſcheiden habe. Der vielfach in Literatur
und Praxis vertretenen Auffaſſung, daß Abhilfe gegen
die Verweigerung der Rechtshilfe durch Anrufung der
Dienſtaufſichtsbehörde zu ſuchen fei (vgl. Böhm, Beit-
ſchrift für intern. Privat⸗ und Strafrecht, Bd. VII
S. 270 und die dort angezogene Literatur, Rechtſpr.
der OLG. Bd. XIII S. 2), kann das Gericht wenigſtens
für den Fall, daß es fih um Verweigerung der Rechts⸗
hilfe durch einen erſuchten Richter handelt, nicht bei—
treten. Der Richter, der eine ihm angeſonnene Hand—
lung aus Rechtsgründen ablehnt, kann durch dienſt—
aufſichtliche Weiſung nicht verpflichtet werden, die
Handlung vorzunehmen, die nach ſeiner Ueberzeugung
geſetzwidrig iſt. Eine ſolche Dienſtaufſichtsverfügung
wäre ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit, dem
er ſich mit Recht widerſetzen könnte. Abhilfe kann nur
im Inſtanzenzuge durch das vorgeſetzte Gericht getroffen
werden. Die Frage, ob im Widerſpruche mit der Recht⸗
ſprechung des Reichsgerichtes und (teilweiſe) der Ober—
landesgerichte (vgl. Rechtſprechung des RG. in StS.
Bd. IX S. 418, Entſch. d. RG. in StS. Bd. XIX
S. 442, Bd. XX S. 103; Böhm, Zeitſchr. für intern.
Privat⸗ und Strafrecht Bd. VII S. 268; Rechtſpr. d.
OLG. Bd. VIII S. 181 lit. i, Bd. XIII S. 2; JW. 1896
S. 145 Ziff. 1) im Anſchluß an Böhm-Delius, Hand-
buch des Rechtshilfeverfahrens, 3. Aufl. S. 72, 73,
und Bay 3fR. 1907 S. 143 ff. und analog der Entſch.
d. RG. in 3S. Bd. 33 S. 423 die Vorſchriften des
GVG. (8 157 ff.) entſprechend anzuwenden feien, kann
hier unerörtert bleiben, da im Falle ihrer Anwend—
barkeit nach $ 160 jedenfalls nicht das Landgericht, ſon—
dern das Oberlandesgericht zuſtändig wäre. Aus
dem gleichen Grunde iſt die Prüfung der etwaigen An—
wendbarkeit des Art. 77 der bayer. AG. zum GVG. über-
flüſſig. Die e des Landgerichtes könnte
nur in Frage kommen auf Grund des § 38 des Geſetzes
vom 21. Juni 1869, die Gewährung der Rechtshilfe
betr. Nach SS 1 und 20 dieſes Geſetzes aber haben
ſich die Gerichte des Bundesgebietes gegenſeitig nur
Rechtshilfe zu leiſten in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten
und in Strafſachen. Keines von beiden ſteht hier in
Frage. Die Verſicherungsanſtalten als Träger der
| Verſicherung find Anſtalten des öffentlichen Rechtes;
die vor den Schiedsgerichten zu verfolgenden Anſprüche
| gegen die Verſicherungsanſtalten auf Gewährung von
Invalidenrente find rein öffentlich-rechtlicher Natur,
keine bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten (vgl. auch Recht⸗
ſprechung der OLG. Bd. XIII S. 2); das Rechtshilfe⸗
geſetz vom 21. Juni 1869 findet daher auf die von den
Gerichten n% 8 172 Inv VG. zu leiſtende Rechtshilfe
keine Anwendung. Ergibt ſich bei Verneinung der
Zuſtändigkeit auch des Oberlandesgerichtes, worüber
dieſes allein zu befinden hat, auch das unbefriedigende
Ergebnis, daß es gegenüber der Weigerung des nach
$ 172 Inv VG. um Rechtshilfe erſuchten Amtsgerichtes
eine Abhilfe weder in einem Inſtanzenzuge noch im
Wege der Dienſtaufſicht gibt, ſo iſt es jedenfalls nicht
Aufgabe der Gerichte, die Lücke der Geſetze im Wege
einer gewaltſamen analogen Anwendung auf den vor—
liegenden Fall nicht zutreffender geſetzlicher Beſtim⸗
mungen auszufüllen und den Geſetzgeber zu verbeſſern.
(Beſchl. vom 17. Februar 1908, Nr. 14/08).
1224
Literatur.
Allfeld, Dr. Philipp, o. Profeſſor der Rechte in Er-
langen. Kommentar zu dem Geſetze be⸗
treffend das Urheberrecht an Werken der
bildenden Künſte und der Photographie
vom 9. Januar 1907. Nebſt einem Anhang, ent⸗
haltend die Verträge des deutſchen Reiches mit aus⸗
ländiſchen Staaten zum Schutze des Urheberrechtes
mit Erläuterungen, ſowie Vollzugsbeſtimmungen.
ee E C. H. Beckſche Verlagsbuchhandlung,
Geb. 6 ;
Unter denen, die die früher erſchienenen urheber—
rechtlichen Kommentare Allfelds kennen, wird es
niemand geben, der das Erſcheinen des vorliegenden
Buches nicht mit lebhafter Freude begrüßt hätte.
Allfeld befolgt darin in der Hauptſache die in den
anderen Kommentaren beobachtete Methode und zwar
mit ſo gutem Erfolge, daß das Buch den Ruf Allfelds
als einer der erſten Autoritäten auf dem Gebiete des
Urheberrechtes aufs neue beſtätigen wird. Bei aller
wünſchenswerten Berückſichtigung deſſen, was von
anderer Seite auf demſelben Gebiete geleiſtet worden
iſt, gibt der Verfaſſer doch eine vollkommen ſelbſtändige
Darſtellung des ſchwierigen Rechtsſtoffes, die ebenſowohl
der Praxis als der Wiſſenſchaft die beſten Dienſte
leiſten wird. Allfeld verſchmäht es, in ſeinen Dar—
legungen nach der Art anderer mit Kenntniſſen auf
dem Gebiete der Kunſt- und Kunſtgeſchichte zu prunken,
aber man gewinnt trotzdem die Ueberzeugung, daß
es ihm keineswegs an dem Maße von Verſtändnis in
künſtleriſchen Dingen gebricht, ohne das ein Geſetz
über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künſten
nicht verſtanden und noch weniger anderen verſtändlich
gemacht werden kann. Der reiche Stoff iſt überſichtlich
geordnet; eine Tabelle erleichtert es dem Leſer ſich
in den internationalen Beziehungen des deutſchen
Reiches auf dem Gebiete des Urheberrechtes zurecht
zu finden. Die Gedanken ſind klar auseinander ent—
wickelt; die Sprache iſt trotz aller in dem Buche
niedergelegten Gelehrſamkeit nichts weniger als
ſchwulſtig oder ſchwerfällig, ſondern außerordentlich
einfach und anſprechend. Kurz, die ganze Darſtellungs—
weiſe entſpricht ſo vollkommen dem Zwecke des Buches,
daß es in ſeiner Art ſelbſt ein Kunſtwerk genannt zu
werden verdient. E -t.
212
Dyroff, Dr. Unten, o. Profeſſor an der Univerſität
München. A. Negers Hand ausgabe des bayer.
VBerwaltungsgerichtsgeſetzes. Nebſt Voll-
zugsvorſchriften und ſonſtigen einſchlägigen Be⸗
ſtimmungen. 4. vermehrte Auflage. Ansbach 1908,
Verlag von C. Brügel & Sohn. Gebd. Mk. 7.50.
Das Geſetz vom 8. Auguſt 1878 verdient die
Beachtung der Juſtizbeamten, weil ſich bei dem Voll⸗
zuge der Vorſchriften über die Vorentſcheidung des
BGH. (Art. 7) eine Reihe ſchwieriger Streitfragen
ergeben hat, die auch für den Prozeßrichter Bedeutung
gewinnen können. Die Ausgabe von Dyroff zeichnet
ſich durch große Ausführlichkeit aus; ſie enthält
eigentlich eine kleine Ueberſicht über das ganze
bayeriſche Verwaltungsrecht, weil dje umfaſſenden
Zuſtändigkeits⸗Vorſchriften in den Art. 8, 10 und 11
ein Eingehen auf zahlreiche andere Geſetze notwendig
machten. von der Pfordten.
Literatur zum Scheckgeſetz.
1. Merzbacher, Sigmund, Juſtizrat und Rechtsanwalt
in Nürnberg. Scheckgeſetz vom 11 März 1908.
Textausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und
Sachregiſter. München 1908, C. H. Beck'ſche Ver⸗
lagsbuchhandlung (Oskar Beck). Gebd. Mk. 1.20.
2. Apt, Dr. Max, Profeſſor, Syndikus der Korporation
der Kaufmannſchaft in Berlin. Scheckgeſetz vom
11. März 1908. Textausgabe mit Einleitung, An⸗
merkungen und Sachregiſter. 2. unveränderter Ab-
druck. Berlin 1908, J. Guttentag, Verlagsbuch⸗
handlung. Gebd. Mk. 1.50.
Zwei hübſche Ausgaben aus der „roten“ Samm⸗
lung und der „grünen“ Sammlung deutſcher Reichs⸗
geſetze, die bis zum Erſcheinen größerer Komentare
die genauere Kenntnis des wichtigen Geſetzes weiteren
Kreiſen vermitteln folen. Beide find ſehr ſauber aus-
gearbeitet und entſprechen allen Anforderungen, die
man an die erſte Erläuterung eines Geſetzes ſtellen
kann, das ſich erſt einleben muß. von der Pfordten.
Oetker, Friedrich. Das Verfahren vor den
Schwur⸗ und Schöffengerichten. Des Hand⸗
buches des Strafprozeſſes von Julius Glaſer 3. Band.
(Binding: Handbuch der deutſchen Rechtswiſſenſchaft
IX, 4, III). Leipzig 1907, Verlag von Duncker &
Humblot. Preis 16 Mk.
Wozu die Fortführung eines Handbuches des
Strafprozeßrechtes ſo kurze Zeit vor der bevorſtehenden
Reform? Sollte ihr erheblich mehr als nur rechts—
geſchichtlicher Wert zukommen? Nun, einſtweilen hat
es nicht den Anſchein, als ob die Lebenstage unſeres
gegenwärtigen Strafprozeßrechtes wirklich ſchon gezählt
ſeien, und dann: das Werk behandelt gerade dasjenige
Gebiet des Strafprozeßrechtes, auf dem uns die Reform
nach verſchiedenen Erklärungen von maßgebender Stelle
vorausſichtlich leider die wenigſten Aenderungen bringen
wird. Wie dem vorliegenden Werke ſomit noch ge—
nügend Gelegenheit gegeben iſt der Rechtspflege zu
dienen, ſo iſt auch ſein Inhalt dazu angetan dieſe
Aufgabe zu erfüllen. Der Verfaſſer bemerkt im Vor—
wort, daß die Praxis für den Ausbau des ſchwur—
gerichtlichen Prozeſſes weit mehr geleiſtet habe als
die Doktrin; je tiefer er in den Stoff hineingedrungen
ſei, deſto mehr habe er erkannt, wie weit die Straf—
prozeßdoktrin noch hinter der Schweſterwiſſenſchaft
des Zivilprozeſſes zurückſtehe. Es war deshalb ſein
Bemühen, die „klaffende Lücke zwiſchen der älteren
Schwurgerichtsdogmatik, ſoweit ſie noch jetzt Bedeutung
hat, und den Darſtellungen des Reichsſchwurgerichts—
prozeſſes zu überbrücken und fo die Fäden mit der
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 10.
Vergangenheit zum Nutzen der Gegenwart wieder zu
knüpfen“. Hierbei berückſichtigt der Verfaſſer abgeſehen
von Verweiſungen auf das öſterreichiſche Recht nebenher
in Kürze das engliſche und franzöſiſche Recht, ſowie
die früheren deutſchen Partikularrechte, die für uns
nicht nur als die Wurzeln des geltenden Rechtes,
ſondern auch als Vergleichsmaterial gegenüber den
vielerlei Reformvorſchlägen für das zukünftige Recht
von Intereſſe ſind. Aber ſo wenig das Buch dadurch
zu einem Werke der Rechtsvergleichung geworden ift,
ebenſowenig gehört es trotz ſeiner Berückſichtigung der
Reformbeſtrebungen zu der großen Maſſe der Schriften,
die unſer Recht de lege ferenda behandeln wollen.
Wir haben vielmehr eine gründlich durchdachte dog⸗
matiſche Darſtellung unſeres geltenden Rechtes vor
uns, innerhalb deren Reformvorſchläge aus älterer
und neuerer Zeit in der Hauptſache „nur inſofern be⸗
rührt werden, als die dogmatiſche Darſtellung die
reformbedürftigen Punkte unmittelbar ergab”. Dadurch
wird die Bedeutung des Werkes für die Reform unſeres
geltenden Rechtes nicht gemindert. Mit Recht ſagt
Oetker: „Die Rechtspolitik bedarf dringend der gründ⸗
lichſten dogmatiſchen Vorarbeit“. Freilich gilt das
nur von einer Rechtsdogmatik, die ſich nicht erſchöpft
in abſtrakten juriſtiſchen Konſtruktionen, ſondern mit
der Sorgfalt Oetkers, ſich nicht beſchränkend auf die
in den Präjudizienſammlungen mitgeteilten Fälle aus
der Praxis, den praktiſchen Ergebniſſen nachgeht, zu
denen die Anwendung der im Geſetz erkannten Rechts⸗
ſätze führen muß. Dank dieſem Vorzuge wird Oetkers
großangelegtes Werk nicht nur ein wertvolles Hilfs⸗
mittel bei der Anwendung des geltenden Rechtes ſein,
ſondern wie der Wiſſenſchaft ſo auch, dem Willen des
Verfaſſers entſprechend, der Reform des deutſchen Straf⸗
prozeßrechtes die beſten Dienſte leiſten.
Amtsrichter Eckert.
Arnold, Dr. A., Rechtsanwalt in Nürnberg. Die
Aufſchlußpflicht von Vorſtand und Auf⸗
ſichts rat gegenüber der Generalverſammlung nach
deutſchem Aktienrecht. gr. 8. 80 S. München 08.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Mk. 2.40.
Notizen.
Die e Prüfungen der Nechtskandidaten in
Preußen ſind durch eine allgemeine Verfügung vom
30. März 1908 (Preuß. IM Bl. 1908 S. 186 ff.) um-
geſtaltet worden. Die wichtigſte Neuerung beſteht in
der Einführung von Klauſurarbeiten. An zwei auf:
einanderfolgenden Wochentagen ſollen den Kandidaten
drei Aufgaben vorgelegt werden; eine Aufgabe iſt dem
bürgerlichen Rechte, eine dem Strafrechte, die dritte
einem der anderen Gebiete zu entnehmen, die den
Gegenſtand der Prüfung bilden, alſo dem öffentlichen
Rechte oder den ſog. Staatswiſſenſchaften. Als Hilfs—
mittel werden, wie in Bayern, nur Geſetzestexte zu—
gelaſſen, die den Kandidaten zur Verfügung geſtellt
werden. Die preußiſchen Prüfungs-Vorſchriften ſtimmen
jetzt — abgeſehen von der Frage des Zwiſchenexamens
— in allen weſentlichen Punkten mit den bayeriſchen
Vorſchriften überein. Es beſteht nur noch ein bedeuts
ſamer Unterſchied: beibehalten ift die fog. rechtswiſſen⸗
ſchaftliche Arbeit; ihr Thema wird vom Vorſitzenden
der Prufungskommiſſion erteilt; fie muß binnen einer
Friſt von ſechs Wochen abgeliefert werden.
1
266
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
——— —
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
München. den 1. Juni 1908.
4. J. Jahrg.
Ikilſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monate
tm Umfange en mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Mt. 8.— ellungen übernimmt jede Buchbandlung und
Poſtanſtalt (Boſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a).
in Bayern
Verlag von
J. Schweitzer Verlag
(Arthur Zeller)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
de ebübr 30 Pfg. für dle halbgeſpaltene Petitzelle
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Die bayeriſche Forſtgeſetz⸗Novelle vom
26. Februar 1908.
Von Dr. Nitzmann, II. Staatsanwalt in Ansbach.
Die Novelle dient der Erhaltung der Privat⸗
waldungen und hat beſonders die Sicherung
der Wiederaufforſtung im Auge.
In letzterer Hinſicht waren bie Behörden
bisher nur auf Art. 42 ForſtG. angewieſen.
Nach dieſem Art. des ForſtG. find — abgeſehen
von erlaubter Rodung, Art. 34 Yorft®.
kulturfähige Waldblößen aufzuforſten und es muß,
wo nach erfolgtem Holzſchlage die natürliche
Wiederbeſtockung unvollſtändig bleibt, nachgeholfen
werden. Zur Ausführung dieſer Kulturen iſt von
der Forſtpolizeibehörde eine angemeſſene Friſt zu
beſtimmen, nach deren fruchtloſem Ablaufe das
Amtsgericht neben der verwirkten Strafe zu ver⸗
ordnen hat, daß die Ausführung der Kulturen
auf Koſten des Säumigen durch das Forſtamt
bewirkt werde. Zuwiderhandlungen gegen den Auf:
an ſtellt der Art. 77 ForſtGG. unter
Strafe.
Die Vorſchriften des Art. 42 und 77 ForſtG.
haben ſich in der Praxis, insbeſondere dem
Güterhandel gegenüber, als unzureichend erwieſen
und ſie vermochten nicht, die Wiederaufforſtung
in wünſchenswertem Maße zu ſichern.
Die Novelle will deshalb ſowohl eine wirk—
iame Handhabe zum Vollzug des Art 42 ForſtG.
als auch neue Beſtimmungen zur Sicherung der
Wiederaufforſtung ſchaffen. Dieſen Zweck ſucht der
Geſetzgeber zu erreichen
a) durch Sonderbeſtimmungen in bezug auf
den Güterhandel,
grundſtücks
Handlungen mit einem Walde, die von beſtimmten,
im nachfolgenden Abſatze näher zu behandelnden
Perſonen beabſichtigt werden, das Erfordernis der
forſtpolizeilichen Genehmigung auf, welch'
letztere bisher nur für Schutzwaldungen vorge⸗
ſchrieben war. Die vorgängige forſtpolizeiliche Ge⸗
nehmigung iſt erforderlich, wenn ein Wald, gleich⸗
viel, wie groß er iſt, ganz oder teilweiſe abge⸗
holzt oder wenn eine der Abholzung in der
Wirkung gleichkommende Lichthauung vorgenommen
werden ſoll. Eine ſolche Lichthauung liegt nach
Ziff. II, 3 der MBek. vom 4. April 1908, betr.
den Vollzug des Geſ. vom 26. Februar 1908
(GVBl. S. 256), dann vor, wenn der Hauptbe⸗
ſtand ganz oder in einem Maße beſeitigt wird,
daß die zurückbleibende Beſtockung für eine natür⸗
liche Wiederverjüngung des Waldes nicht mehr
ausreicht, dieſe vielmehr auf künſtlichem Wege
bewirkt werden muß.
Anlangend den Kreis der Perſonen, die
der forſtpolizeilichen Genehmigung be:
dürfen, fo legen die neuen Art. 42 b und c ForſtG.
nicht allen Privatwaldbeſitzern die Verpflichtung
der Genehmigungserholung auf, ſondern nur den .
gewerbsmäßigen Güterhändlern und
beſtimmten zu dieſen in gewiſſe Rechts-
beziehungen getretenen Perſonen. Die
Pflicht zur Erholung der forſtpolizeilichen Genehmi—
gung ift zeitlich unbeſchränkt. Die Genehmigung
iſt erforderlich:
a) wenn der Güterhändler ein Waldgrund⸗
ſtück oder lediglich den Holzbeſtand eines Wald⸗
in eigenem Namen erworben hat
‚ und die Abholzung oder Lichthauung ſelbſt vor:
b) durch Schaffung einer beſonderen zivilrecht⸗ |
lichen Haftung für die Koſten der Wiederauf—
forſtung.
A. Die Sonderbeſtimmungen gegen den
Güterhandel.
1. Die Novelle ſtellt in 8 1 durch die neuen
Art. 42 b und e für die Vornahme gewiſſer
zunehmen beabſichtigt,
b) wenn der Güterhändler ein Waldgrund—
ſtück oder lediglich den Holzbeſtand eines ſolchen
in eigenem Namen gekauft, eine Weiterveräuße—
rung des Waldgrundſtücks oder des Holzbeſtandes
an einen anderen vorgenommen hat und dieſer
andere die Abholzung oder Lichthauung vorzu—
nehmen beabſichtigt,
c) wenn der Güterhändler als Vertreter —
geſetzlicher oder vertragsmäßiger — eines anderen
214 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
ein Waldgrundſtück oder lediglich den Holzbeſtand Genehmigungsverfahren trifft die Bekanntmachung
eines ſolchen erworben hat und der andere die vom 4. April 1908 die näheren Beſtimmungen.
Abholzung oder Lichthauung vorzunehmen beab⸗ 2. Die Novelle hat verſchiedene Maßnahmen
ſichtigt, getroffen, durch die hintangehalten werden fol,
d) wenn der Güterhändler als Vertreter — daß eine Abholzung ſeitens der zur Genehmigungs⸗
erholung Verpflichteten ohne die erforderliche Ge⸗
nehmigung oder unter Nichtbeachtung der auf⸗
erlegten Bedingungen erfolgt, nämlich:
geſetzlicher oder vertragsmäßiger — eines anderen
ein Waldgrundſtück oder lediglich den Holzbeſtand
eines ſolchen an einen Dritten verkauft hat und
dieſer Dritte die Abholzung oder Lichthauung a) § 2 der Novelle droht mit feiner Bujak:
vorzunehmen beabſichtigt. 1 zu Art. 75 ae > eg
Keine Genehmigung ift erforderlich, wenn trafe des genannten Artikels dem an. der ohne die
der Güterhändler bloß als Vermittler, nicht nach dem Art. 42 b und erforderliche Genehmi⸗
als Bevollmächtigter aufgetreten iſt, oder, wenn gung mit der Abholzung oder einer der Abholzung
h A in der Wirkung gleichkommenden Lichthauung
der Güterhändler den Wald für einen anderen beginnt oder bei der Abholzung oder Lichthauung
den auferlegten Bedingungen zuwiderhandelt.
b) § 5 der Novelle verfügt mit der Zuſatz⸗
beſtimmung zu Art. 78 ForſtG., daß in den
Fällen einer nach Art. 42 b oder 42 c unerlaubten
Abholzung oder ihr in der Wirkung gleichkommenden
Lichthauung von der Forſtpolizeibehörde das weitere
verbotwidrige Verſahren ſofort eingeſtellt und für
| au a oder 5 des Waldes
| auf Koſten des Beteiligten Fürſorge getroffen
nn o u r p er nach der | werden kann. Dadurch wird die Forſtpolizei⸗
A er de 3 G elegge Haft er gleiche ſei . i- behörde in die Lage geſetzt, eine ohne die erforder:
= es Grundentlaſtungsgeſetzes vom 2. Feb- liche Genehmigung oder ohne Einhaltung der bei
als deſſen Vertreter erworben hat und dieſer
andere den Wald oder den Holzbeſtand an einen
Dritten veräußert und der Dritte nun abholzt
oder lichthaut. Für dieſe Faͤlle hat die unter
B erörterte Vorſchrift der Novelle Bedeutung.
Was den Begriff des gewerbsmäßigen Güter⸗
händlers betrifft, hinſichtlich deſſen das Geſetz eine
ausdrückliche Beſtimmung nicht enthält, ſo weiſt
Ziff. I. 3 der bereits angezogenen MBek. vom
ruar 1898, GVBl. S. 19, und daß die zu Art. 19 der Genehmigung auferlegten Bedingungen er:
a. a. O. ergangene Rechtſprechung zur Begriffs⸗ folgende Ab ä
; š gende Abholzung oder Lichthauung ſchon dann
beſtimmung herangezogen werden könne. zu verhindern, wenn mit der Abholzung oder
Was die Genehmigung ſelbſt betrifft, ſo Lichthauung erſt begonnen iſt.
hat nach dem neuen Art. 42 b die Forſtpolizei⸗ c) § 1 der Novelle legt dem Güterhändler
behörde diefe von der Erfüllung der zur Siche⸗ durch den neuen Art. 42a und c die Verpflichtung
rung der Wiederaufforſtung erforderlichen Be: auf, der Diſtriktsverwaltungsbehörde binnen acht
dingungen abhängig zu machen, insbeſondere Tagen Anzeige zu erſtatten, wenn er im eigenen
das Maß der zuläffigen Lichthauungen zu bes | Namen oder als Vertreter eines anderen ein
ſtimmen und für die Koſten der Wiederaufforftung | Waldgrundſtück oder den Holzbeſtand eines ſolchen
Sicherheitsleiſtung zu verlangen. Sie darf jedoch erworben oder veräußert hat. Für die Anzeige⸗
die Genehmigung nicht verſagen, wenn die Wieder⸗ pflicht iſt es gleichgültig, zu welchem Zwecke das
aufforſtung hinreichend geſichert iſt. Bei Jung⸗ Grundſtück verwendet werden ſoll. Zuwiderhand⸗
holzbeſtänden des Hochwaldbetriebes iſt die Ge⸗ lungen gegen dieſe Anzeigepflicht ſtellt 8 3 der
nehmigung in der Regel zu verſagen, wenn nicht Novelle durch den neuen Art. 76 a Yorlt®. unter
mindeſtens 75 Prozent der Stämme auf Bruſt⸗ Strafe.
höhe eine Stärke von 12 em beſitzen. Beſtände Durch die Anzeige des Güterhändlers ſoll die
mit Hopfenſtangen fallen hierunter nicht (ſiehe Forſtbehörde in den Stand geſetzt werden, darüber
Vhdl. d. Kammer d. Abg. 1907 Bd. II S. 138). zu wachen, daß keine Abholzung des Waldes ohne
Für die Sicherheit gelten die Vorſchriften der die vorgeſchriebene Genehmigung ſtattfindet.
$S 232 — 240 BGB. Die geleiſtete Sicherheit ift Eine Pflicht zur Anzeigeerftattung war dem
zurückzugeben, wenn die Wiederaufforſtung hin⸗ Güterhändler ſchon durch die auf Grund der 88 35,
reichend geſichert ift. Die Forſtpolizei hat ji | 38 GewO. erlaſſene MBek. vom 3. Oktober 1899,
vor der Erteilung oder Verſagung der Genehmi- (GVBl. S. 844) auferlegt worden, welche für das
gung mit dem Forſtamte zu benehmen. rechtsrheiniſche Bayern durch MBek. vom 4. April
Ueber die Anbringung des Genehmigungs- 1908, (GVBl. ©. 255), ausdrücklich außer Kraft
geſuches, den Schutz der benachbarten Waldgrund: geſetzt worden ift, für die Pfalz jedoch noch weiter
ſtücke, die Behandlung des Genehmigungsgeſuches, beſteht. Im Intereſſe der Vollſtändigkeit des
insbeſondere auch wenn ein Antrag auf Rodungs-⸗ Forſtgeſetzes hat man die Vorſchrift über die
erlaubnis mit ihm verbunden ift, die Genehmigungs- Anzeigepflicht in das Forſtgeſetz übernommen.
bedingungen, die Sicherheitsleiſtung und deren Die MBek. vom 1. Januar 1894 (GVBl.
Rückgabe, die Anfechtung der Beſcheide in dem S. 12), wonach die Güterhändler ein Geſchäfts⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
215
buch zu führen und jedes Güterzertrümmerungs⸗
geſchäft der Diſtriktspolizeibehörde anzuzeigen
haben, wird durch die Novelle nicht berührt.
Durch die MBek. vom 4. April 1908, (GVBl.
S. 255), iſt angeordnet, daß die Güterhändler
alle in den Art 42a und 42 ForſtG. bezeich⸗
neten Geſchäftsabſchlüſſe und den Tag der erfolgten
Anzeige über diefe Verträge an die Diſtrikts⸗
verwaltungsbehörde in das vorerwähnte Geſchäfts⸗
buch einzutragen haben.
B. Die beſondere zivilrechtliche Haftung
für die Koſten der Wiederaufforſtung
einer abgeholzten Waldfläche.
Art. 42 ForſtG. verpflichtet den Waldbeſitzer
zur Aufforſtung der Waldblößen. Im Art. 42
Abſ. 2 iſt jedoch die zwangsweiſe Erfüllung dieſer
Verpflichtung nur für zuläſſig erklärt, wenn dem
Waldbefitzer zur Ausführung der Aufforſtung von
der Forſtpolizeibehörde eine Friſt beſtimmt und der
Waldbeſitzer wegen des fruchtloſen Ablaufs der Friſt
beſtraft worden iſt. Nach der Auslegung, die der
Art. 77 ForſtG. gefunden hat, kann der Wald—
beſitzer nicht geſtraft werden, wenn er vor dem
Ablaufe der Friſt den Wald veräußert hat
(zu vgl. Entſch. d. ObGerH. in StS. Bd. VII,
427 und des ObLO. Bd. IV, 213). Dieſe Ver:
äußerung, insbeſondere an leiſtungsunfähige Per—
ſonen, vor der Friſtbeſtimmung oder vor dem
Ablaufe der Friſt bot bisher ein bequemes Mittel,
um ſich der Pflicht der Wiederaufforſtung zu ent—
ziehen. Des weitern trifft die Novelle, inſoweit
ſie die Genehmigung vorſchreibt, nicht alle Fälle,
in denen Güterhändler tätig werden. Solche Fälle
ſind bereits oben unter A 1 angedeutet.
Um nun der Umgehung des Art. 42 Forte.
nach Möglichkeit einen Riegel vorzuſchieben und
auch die zuletzt erwähnten Fälle möglichſt zu
treffen, ordnet § 4 der Novelle durch die Zu:
ſatzbeſtimmung zu Art. 77 ForſtG. nicht allein
für den Güterhandel, ſondern allgemein an,
daß derjenige, welcher eine ganze oder teil:
weiſe Abholzung oder eine der Abholzung in der
Wirkung gleichkommende Lichthauung vornimmt,
jo daß eine nach Art. 42 ForſtG. aufzuforſtende
Waldblöße entſteht — auch wenn er nicht Eigen—
tümer des Waldgrundſtücks iſt, ſondern nur das
Holz auf dem Stamme gekauft hat — ſowie
derjenige, welcher eine nach Art. 42 ForſtG.
aufzuforſtende Waldblöße erwirbt — gleichviel,
wie lange die Waldblöße ſchon beſteht — dem
Staate für die Koſten der vom Forſtamte vorge—
nommenen Aufforſtung 1 auch dann
haftet, wenn nach Art. 77 Abſ. 1 ForſtG. eine
Beſraſung nicht eintreten kann. Die Geltend—
machung dieſes zivilrechtlichen Anſpruchs erfolgt
vor den Zivilgerichten durch die Regierungsfinanz—
kammern. Derjenige, welcher den Wald abgeholzt
hat und derjenige, welcher die aufzuforſtende
— es — —
Waldblöße erworben hat, haften nach §S 421 BGB.
als Geſamtſchuldner. Die Verjährung des zivil-
rechtlichen Anſpruchs des Staates beträgt 5 Jahre
und zwar von der Entſtehung der Waldblöße
an für den, der die Abholzung oder Lichthauung
vorgenommen hat, und dem Erwerbe an für den,
der die aufzuforſtende Waldblöße erworben hat.
Zum Schluſſe fei noch, was das Geltungs⸗
gebiet der Novelle betrifft, erwähnt, daß ſie ſich
ebenſo wie das ForſtG. auf die Landesteile rechts
des Rheins beſchränkt. Die Rechtsverhältniſſe der
Pfalz werden durch ſie nicht berührt.
Die Aufnahme von Fypothekdarlehen als
Erſatz für Vodenzinsablöſungsſummen.
Von Friedrich Bonſchab, Bankdirektor in München.
Nach Art. 22 des Geſetzes die Fortſetzung der
Grundentlaſtung betr. vom 2. Februar 1898 im
Zuſammenhalt mit Art. 173 AG. z. BGB. iſt
ein Bodenzinspflichtiger, der ſeine Schuldigkeit
ablöſt, innerhalb dreier Monate nach der Ablöſung
oder bei der Beſtellung einer Hypothek nach der
Ablöſung befugt, auf den bodenzinspflichtigen Grund—
ſtücken im Range vor den zur Zeit der Ablöſung
eingetragenen Hypotheken für ein Kapital bis zu
dem Betrage der Ablöſungsſumme eine Hypothek
zu beſtellen. Dieſe Geſetzesbeſtimmung iſt der
Erwägung entſprungen, daß die Ablöſungskapitalien,
welche die Abgabepflicht repräſentieren, als Sur—
rogat der letzteren bis zur Bezahlung auf den
belaſteten Grundſtücken haften und daher den
Hypothekkapitalien ohnehin im Range vorgehen;
hiernach beſtehe kein rechtliches Bedenken, dem Ab⸗
löſenden für Schuldaufnahmen die Beſtellung von
Hypotheken mit dem Range vor den bereits ein—
getragenen Hypotheken zuzugeſtehen, zumal in die
Rechte der Hypothekgläubiger nicht eingegriffen
wird, wenn an Stelle eines Bodenzinskapitals ein
gleich großes Darlehenskapital tritt. Maßgebend
war die weitere Erwägung, daß auf dieſe Weiſe
von dem Pflichtigen in vielen Fällen — bei den
Ablöſungsbodenzinſen ſchon jetzt und im Verlaufe
der Jahre mit fortſchreitender Amortiſation auch
bei den Staatskaſſabodenzinſen — eine Minderung
der Jahresleiſtungen, wenn auch mit Verlängerung
der Tilgungsperiode, erreicht werden kann.
Art. 22 Abſ. 1 hatte in der urſprünglichen
Faſſung als Satz 2 noch die Vorſchrift, daß die
jährliche Zinſenleiſtung den Betrag der ſeitherigen
Jahresſchuldigkeit nicht überſteigen dürfe; hierzu
war in den Geſetzesmotiven ausdrücklich bestimmt,
daß zu den Zinſen des aufzunehmenden Kapitals
die etwa übernommenen Tilgungsraten nicht hin—
zuzurechnen ſind, da durch die letzteren das Kapital
216
fortlaufend vermindert und in gleichem Maße auch
die Lage der Hypothekgläubiger fortſchreitend eine
günſtigere wird. Der Sutz 2 iſt durch Art. 173
AG. z. BGB. als mit § 1119 BGB. im Wider:
9 ſtehend aufgehoben worden.
Nun kommen in letzter Zeit nicht gar ſelten
Fälle vor, in welchen ein Pflichtiger ſeinen Boden⸗
zins ablöſt und ein Darlehen aufnimmt, welches
nicht in Annuitäten oder jährlich beſtimmten feſten
Rückzahlungsraten tilgbar, ſondern als feſt ver⸗
zinsliches mit lediglich halb- oder ganzjähriger beider:
ſeitiger Kündigungsberechtigung ſtipuliert wird.
Die Aufnahme eines ſolchen Darlehens muß aber
als im höchſten Grade zweckwidrig bezeichnet werden.
Ganz augenfällig iſt dies hinſichtlich der Ablöſungs⸗
kaſſabodenzinſe, bei denen die zwangsweiſe Tilgung
ſchon durch das Geſetz vom 28. April 1872 ein⸗
geführt iſt, es trifft aber nach dem heutigen Stande
der Sache ebenſo auf die Bodenzinſe zur Staats⸗
kaſſa zu; bezüglich der erſteren wird der End⸗
termin des Jahres 1942 mit ziemlicher Sicherheit
eingehalten werden können und der Endtermin
für letztere mit dem Jahre 1957 ſteht ebenfalls
in ziemlich ſicherer Ausſicht.“)
Dem gegenüber bedeutet aber die Hypothek⸗
beſtellung für ein feſt verzinsliches und nicht in
beſtimmten Teilbeträgen alljährlich rückzahlbares
Darlehen eine ganz eminente dauernde Ver⸗
ſchlechterung der Rechtslage der bisher erſtſtelligen
und aller folgenden Hypothekgläubiger und es
ergibt ſich hieraus im beſonderen für Hypotheken⸗
banken, Stiftungen, Gemeinden und ähnliche Geld—
geber die Frage, ob ſie nicht zur Kündigung ihres
Kapitals berechtigt und verpflichtet ſind.
Richtig iſt ja, daß ſchon bisher die Boden⸗
zinſe den Hypotheken vorgingen, allein in dem
Eintrag der Bodenzinſe in erſter Abteilung des
Grundbuchs oder in ihrem Beſtehen als Reallaſt,
ſoweit ihre Eintragung nach § 22 Ziff. 5 des
bayer. HypG. nicht erforderlich war und iſt, be⸗
ſteht doch ein gewaltiger Unterſchied gegenüber
dem Beſtehen einer alle anderen Hypotheken
mit geſetzlicher Macht verdrängenden und ihnen
vorgehenden Hypothek in 3. Abteilung; und dieſer
Unterſchied macht ſich eben dann bemerkbar, wenn
die Sache zum Klappen kommt, d. h. wenn das
Zeitſchrift für 15 SOSeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908 in Bayern. 1908. Nr. 11.
Anweſen zwangsweiſe verſteigert wird. Betreibt
der bisher 1. Hypothekgläubiger — Bank, Stif⸗
tung oder Gemeinde — das Verfahren, ſo kommt
das Bodenzinsablöſungsdarlehen in das Mindeſt—
gebot und es erhöht ſich ein Gebot um dieſe zur
Uebernahme zu beſtimmende Summe; betreibt
aber der Ablöſungskapital-Gläubiger das Ver—
fahren, ſo beſteht das Mindeſtgebot lediglich aus
den Koſten und privilegierten Forderungen; die
Bank iſt daher genötigt, ihrem Guthaben noch
1) Die Abhandlung it vor den gegenwärtigen
Verhandlungen des Bodenzins-Ausſchuſſes geſchrieben.
den ganzen Betrag des Ablöſungskapitals hinzu⸗
zurechnen, um ihre Forderung gegen einen dritten
Anſteigerer zur Deckung zu bringen und hieran
wird in der Praxis ſich jeder Steigerungsluſtige
ſtoßen; die Bodenzinſe übernimmt jeder als ge⸗
wiſſermaßen ſelbſtverſtändlich; einer beſonderen —
manchmal nicht unbedeutenden — Hypothek wird er
ſehr ſkeptiſch gegenüberſtehen, zumal dann, wenn
der Gläubiger auf der Fälligkeit und Rückzahlung
des Kapitals beſteht; denn um dieſen Betrag braucht
er eben mehr Bargeld. Und wenn auch nicht ſo
febr für den bis zur Ablöſungsdarlehens-Aufnahme
erſten Hypothekar, ſo birgt doch dieſes Sach⸗ und
Rechtsverhältnis für die folgenden Hypothekare um
ſo mehr die Gefahr des Ausfalls, der gegenüber es
ein ſchlechter Troſt iſt etwa zu ſagen, der be⸗
treffende Gläubiger ſoll eben ſelbſt als Anſteigerer
auftreten.
Iſt daher dieſe Rechtslage für die Gläubiger
keineswegs ermutigend, auch wenn das Bodenzins⸗
ablöſungsdarlehen als Annuität- oder in beſtimmten
Friſten rückzahlbares Darlehen beſtellt iſt, ſo ſtellt
ſie direkt einen Verſtoß gegen jedes Gebot der
Billigkeit dar, wenn der Schuldner eine Hypothek
beſtellt, für welche eine jährliche Rückzahlungszeit
vertraglich nicht vereinbart wird.
Denn in dieſem letzteren Fall kann es vorkommen,
daß die Bodenzinſe ſchon erloſchen ſind, während das
ſeinerzeit aufgenommene Kapital immer noch als
erſte Hypothek auf dem Anweſen ruht. Es wäre
daher als im Intereſſe des Schuldners wie im
wohlbegründeten Intereſſe der zur Zeit der Beſtellung
eines Bodenzins⸗Ablöſungskapitals eingetragenen
Gläubiger liegend zu fordern, daß bei einer künftigen
Novelle zum Grundentlaſtungsgeſetz Art. 22 dahin
abgeändert wird, daß für das aufzunehmende
Kapital Abtragung in Annuitäten oder in Friſten
in beſtimmtem Mindeſtbetrage feſtgeſetzt wird und
daß dieſe Feſtſetzung rückwirkende Kraft erhält.
Die nachträgliche Eintragung der
Goldklauſel.
Von Wilhelm Mayer, Amtsrichter in München.
(Fortſetzung.)
III. In welcher Weiſe gelangt nun die Wirk⸗
ſamkeit der nachträglichen Eintragung der Gold—
klauſel gegenüber den inzwiſchen eingetragenen
Berechtigten grundbuchmäßig zum Ausdruck?
Hierfür beſtehen an ſich zwei Möglichkeiten: ent⸗
weder ſchon durch die Eintragung überhaupt oder
durch die Eintragung im Vorrang vor den
Zwiſchenberechtigten.
1. Gegenüber der Entſcheidung im letzteren
Sinne erhebt ſich der eifel ob die Goldklauſel
überhaupt einen Rang im techniſchen Sinne, unter:
ſchieden von der räumlichen und zeitlichen Reihen⸗
folge, haben kann. Klar ift, daß ihr die Ein:
tragung an einer beſtimmten Stelle des Grund—
buchblatts allein noch keinen Rang gibt, ſo wenig,
als etwa Eintragungen im Titel, die Eintragung
des Eigentümers, einer Veräußerungsbeſchränkung,
einer Löſchung, einer Abtretung, eines Widerſpruchs,
des Höchſtbetrags nach § 882 BGB. u. dgl. einen
„Rang“ haben. Alle derartigen Eintragungen
ſtehen wohl in einem mitunter recht bedeutſamen
(BGB. §$ 892, 893) zeitlichen, und buchmäßig
geſprochen raumlichen Verhältnis, aber in keinem
Rangverhältnis.
Rechte haben einen Rang nur mit Beziehung
auf ein anderes Recht. „Ein Recht an einem
Gegenftand hat Rang vor oder gleichen Rang
mit einem anderen“ bedeutet: Wenn bei der
Zwangsvollſtreckung in einen Gegenſtand der
durch ſie erzielte Geldbetrag nicht ausreicht zur
Befriedigung aller Rechte an dem Gegenſtand,
ſo iſt der vorhandene Geldbetrag zur Befriedigung
des vorgehenden Rechts ausſchließlich, bei Gleidh-
rang zur Befriedigung der gleichſtehenden Rechte
verhältnismäßig zu verwenden, das nachſtehende
Recht ift von der Befriedigung inſoweit aus-
geſchloſſen, als der Geldbetrag durch die vorgehenden
Rechte in Anſpruch genommen wird. Nur in
dieſen Fällen kommt dem Rang praktiſcher Wert
zu, nur mit Rückſicht auf fie iſt das Inſtitut des
Ranges in die Geſetzgebungen aufgenommen.
Nun iſt der Erlös bei der Zwangsverſteigerung,
welcher bar zu berichtigen ift (Zw G. § 49 Abſ. 1,
3 50), und find die Geldnutzungen bei der Zwangs—
verwaltung — von der rein zufälligen und praf:
tiſch kaum vorkommenden Abrede einer Zahlung
von Miet⸗ und Pachtzinſen in Gold abgeſehen —
in denjenigen Zahlungsmitteln zu zahlen, in
welchen nach dem jeweiligen Stand der Geſetz⸗
gebung über das Geldweſen der Schuldner Zahlung
zu leiſten hat, derzeit alſo in beſchränktem Maße
unter Zulaſſung auch von Silber-, Nickel- und
Kupfermünzen (MünzG. vom 9. Juli 1873,
Art. 3 mit RG. vom 1. Juni 1900 Art. II
Abſ. 1, MünzG. Art. 9 Abſ. 1, Art. 15 Ziff. 1
mit RG. vom 6. Januar 1876 und Bek. des
Bundesrats vom 27. Juni 1907). Dieſes Recht
des Erſtehers, den Verſteigerungserlös, und der
Mieter oder Pächter, die Miet- oder Pachtzinſe
in den geſetzlichen Zahlungsmitteln zu zahlen,
wird durch die Goldklauſel nicht berührt, weil das,
worauf fie ihre Zahlung leiſten, nicht die Hypothek⸗
forderung, ſondern die Forderung auf den Ver-
ſteigerungserlös und auf die Miet- oder Pacht—
zinſe ift. Ein Rangverhältnis kann ſonach nur
zwiſchen Rechten an einem Gegenſtand beſtehen,
welche entweder ihrem begrifflichen Inhalt nach oder
kraft poſitiver Geſetzesvorſchrift (3wVG. § 92) eine
Beteiligung an dem in dengeſetzlichen Zahlungsmitteln
dargeſtellten Geldergebnis der Zwangsvollſtreckung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
2 —— — ——7— — 1e — — . ————— er — m
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217
geſtatten. Nun ift aber die Zahlungsart kein Recht
an einem Grundſtück und kein Recht an einem Recht:
ſie läßt ſich unter keine der im Geſetz anerkannten
Belaſtungsformen unterbringen, weder unter die
ausdrücklich benannten des 4.— 9. Abſchnitts des
Sachenrechts, noch unter eine der im Geſetz ledig⸗
lich ihrem Inhalt nach umſchriebenen, zum Teil
erſt von Rechtslehre und Rechtſprechung als Be⸗
laſtungs⸗ oder ähnliche Rechtsform konſtruierten
Rechte (Belaftung nach $ 1010 Abſ. 1, 2044
Abi. 1 BGB., UeG. Art. 42; dann Rang:
rücktritt und Rangvorbehalt z. B. nach Planck,
Komm. z. BGB. $ 880 Pem. II 1, 8 881
Pem. II 2a Abſ. 2, Vormerkung, vgl. Planck,
ebenda $ 883 Bem. 2, insbeſ. vorletzter Ab}. a. E.,
Eintragung gemäß $ 1010 Abſ. 2 nach Planck
a. a. O. $ 1010 Bem. 4 Abſ. 4). Die durch
die Goldkauſel bedungene Zahlungsart geſtattet
ferner auch keine Beteiligung an dem Geldergebnis
der Zwangsvollſtreckung. Die abweichend von der
geſetzlichen Zahlungsart beſtimmte Zahlungsweiſe
kann ſich mit ihrem beſonderen Inhalt nicht an
dem Geldergebnis der Zwangsvollſtreckung be—
teiligen, weil beide inkommenſurabel ſind. Die
Zahlungsweiſe iſt lediglich eine Eigenſchaft der
Forderung, wie etwa ihre Unübertragbarkeit. Ein
Rang kommt ihr nach der bisherigen Erörterung
nicht zu, ſondern ſie gilt vom Zeitpunkt ihrer
Eintragung an gegenüber allen, auch den vorher
eingetragenen Rechten, wie etwa die Abtretung,
oder die Eintragung des Eigentümers.
Daraus ergibt ſich: die nachträgliche Ein⸗
tragung der Goldklauſel iſt gegenüber allen Zwiſchen⸗
berechtigten wirkſam mit der bloßen Eintragung
ohne Angabe eines Rangverhältniſſes. Die weitere
Folge iſt, daß die Eintragung überhaupt erſt
erfolgen darf, wenn die Zuſtimmung der Zwiſchen—
berechtigten vorliegt, die nach dem unter II Ge—
ſagten notwendig iſt.
2. Die Rangunfähigkeit der Zahlungsart kann
nicht als unbezweifelt gelten. Z. B. Planck,
Komm. z. BGB. § 1119 Pem. 1, $ 877 Pem. 2
Abſ. 2, Endemann, Lehrb. des bürgerl. Rechts
Bd. II § 117, 4b ſcheinen ſchlechthin jeder
Aenderung des Inhalts eines Rechts an einem
Grundſtück einen Rang zuzuerkennen. Ebenſo
ſetzt z. B. eine Entſcheidung des Kammergerichts
in Ripr. d. OLG. Bd. 9 S. 313 die Möglich:
keit voraus, daß die Aenderung von Rückzahlungs—
beſtimmungen einer Hypothek. in welcher eine
Erweiterung des Inhalts des Hypothekrechts liege,
einen anderen Rang erhalten könne, als die
Hypothek ſelbſt hat.
Von dieſem Standpunkt aus erlangt die Gold—
klauſel Wirkſamkeit gegenüber den eingetragenen
Zwiſchenberechtigten, auch wenn ſie, wie noch er—
forderlich und hier vorausgeſetzt wird, der Ein—
tragung zugeſtimmt haben, nicht ſchon durch die
Eintragung überhaupt, ſondern erſt durch die Ein—
218
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
tragung im Vorrang vor den Zwiſchenberechtigten.
Der Vorrang iſt genügend zum Ausdruck gebracht
durch den Vermerk, daß die Goldklauſel Rang
habe in der Ziffer, unter welcher die Hypothek⸗
forderung ſelbſt eingetragen iſt. Denn damit iſt
ihr nicht bloß der gleiche Rang, ſondern der
nämliche Rang zugeſprochen wie der Hypothek⸗
forderung ſelbſt, die den nachgekommenen Zwiſchen⸗
berechtigten vorgeht. Im Fall der Eintragung in
Gleichrang entſteht die Frage, ob eine ſolche
Eintragung von ſelbſt den Vorrang vor den dieſer
Hypothekforderung nachſtehenden Zwiſchenberech⸗
tigten in ſich ſchließt.
Daß der Satz, der Gleichrang mit einem Recht
bedeute von ſelbſt den Vorrang vor den dieſem
Recht nachſtehenden Berechtigten, nicht allgemein
gelten kann, ergibt BGB. § 880 Abi. 5. Es
fragt ſich alfo, ob $ 880 Abſ. 5 auch für die
im Gleichrang mit der Hppothekforderung nad:
träglich eingetragene Aenderung des Inhalts der
Forderung gilt, und wenn nicht, ob dieſe Be⸗
ſtimmung dann etwa entſprechend darauf anzu⸗
wenden iſt.
Unmittelbar ift die Beſtimmung nicht an:
wendbar. Sie betrifft die Aenderung des Ranges
von mehreren Rechten an einem Grundftüd, wie
der auf den Anfang des $ 879 zurückverweiſende
Anfang der unmittelbar anſchließenden Vorſchrift
des $ 880 beweiſt. Die Zahlungsart ift aber kein
weiteres Recht an dem Grundſtück, das neben
der in der Zahlungsart abgeänderten Hypothek⸗
forderung beſteht, ſondern nur eine Aenderung des
Inhalts dieſer Hypothekforderung, eine Aenderung
in objektiver Beziehung, wie die Abtretung eine
Aenderung in ſubjektiver Beziehung iſt; ſie iſt kein
Moment außer oder neben der Hypothekforderung,
ſondern an ihr. Daß die Goldklauſel eine Ver—
ſchärfung der urſprünglichen Belaſtung in ſich
ſchließt, macht ſie nicht zu einem weiteren Recht
an dem Grundſtück, ſo wenig als etwa die Ab—
änderung der Zahlungszeit durch Feſtſetzung kürzerer
Kündigungsfriſten oder Ausſchließung früher zu-
geſtandener Kündigung. § 880 handelt ferner
von der nachträglichen Aenderung des Rang-
verhältniſſes. Nachträglich geändert werden kann
aber nur ein vorher bereits beſtandenes Rang:
verhältnis, auch beſteht nach § 879 ein Rang-
verhältnis überhaupt nur zwiſchen bereits ein—
getragenen Rechten. Die Goldklauſel, deren Vor—
rang vor den Zwiſchenberechtigten einzutragen
wäre, wird aber erſt eingetragen, ſie ſteht vor
der Eintragung des Vorrangs überhaupt noch in
keinem Rangverhältnis, weil ſie erſt gleichzeitig
mit dieſem Vorrang eingetragen wird. Eine
weitere Verſchiedenheit liegt darin, daß die Be—
ſtimmung von der Relativität der Rangänderung,
wie ihre Aufnahme in den § 880 zeigt, für die
auf Vertrag zwiſchen dem vortretenden und zurück—
tretenden Berechtigten beruhende Rangänderung
gilt, während hier ein Vertrag unmöglich iſt, weil
der Vortretende und Zurücktretende dieſelbe Perjon,
der Gläubiger der in ihrem Inhalt abzuändernden
Forderung, ift. Planck, Komm. z. BGB. $ 880
Bem. II 3a Abſ. 2, hält dieſe Verſchiedenheit für
einſchneidend genug, um in ſolchem Fall den $ 880
auszuſchließen.
Dagegen wird die entſprechende Anwendung
des $ 880 kaum abzuweiſen fein. Denn der
Grundgedanke iſt in beiden Fällen derſelbe: Wird
das regelmäßige nach § 879 Abſ. 1 eintretende
Rangverhältnis von Rechtsverhältniſſen, die eine
Belaſtung enthalten, und zwiſchen welchen andere
Rechte ſtehen, durch Rechtsgeſchaͤft geändert, fo
werden davon die Zwiſchenberechtigten nicht berührt.
„Fehlt die Zuſtimmung der Zwiſchenberechtigten,
ſo kann die Goldklauſel zwar eingetragen werden
und ſogar im Gleichrang mit der Hypothekforderung,
aber nicht im Vorrang vor den Zwiſchenberechtigten.
Von dem Nachrang gegenüber dieſen braucht in der
Eintragung nichts erwähnt zu werden, er iſt durch
die Stelle im Grundbuch räumlich nach den Zwiſchen⸗
berechtigten ohne weiteres ausgedrückt (BGB. § 879
S. 1), gegenüber Belaſtungen in der II. Abteilung
durch ein früheres Zeitdatum der Eintragung
($ 879 S. 2), nur bei gleichem Zeitdatum müßte
der Nachrang gegenüber den letzteren beſonders
eingetragen werden. ($ 979 Abſ. 1 a. E., Ab}. 3,
GBO. § 46 Abſ. 2).
Würde die Goldklauſel trotz des Mangels der
Zuſtimmung der Zwiſchenberechtigten im Vorrang
vor dieſen, oder, ſofern man ihr die Rangfaͤhig⸗
keit abſpricht, überhaupt eingetragen, ſo würden
die Zwiſchenberechtigten ſie trotz der Eintragung
ſolange nicht gegen ſich gelten laſſen müſſen, als
die Hypothekforderung, zu welcher die Goldklauſel
eingetragen wurde, demjenigen zuſteht, der Hypothek⸗
gläubiger zur Zeit der Eintragung war. BGB.
§ 892 kommt dieſem Gläubiger nicht zu ſtatten,
weil gerade der richtige Inhalt des Grundbuchs
gegen ihn ſpricht, in dem bereits zur Zeit der Ein-
tragung der Goldklauſel die Zwiſchenberechtigten
ſtanden. Auch die Vermutung des § 891 Abſ. 1.
die an ſich hier Platz greift, iſt jederzeit leicht
widerlegbar durch die Grundbuchanlagen. Das
Grundbuch ift inſofern unrichtig, die Zwiſchen⸗
berechtigten können die Eintragung eines Wider:
ſpruchs erwirken. (BGB. § 899). Wird dagegen
die Hypothek abgetreten, ſo wirkt nunmehr die
Goldklauſel für den gutgläubigen Erwerber auch
gegenüber den Zwiſchenberechtigten. ($ 892).
(Fortſetzung folgt.)
Beitſchrif für — in 5 in Bayern. yern. 1908. N Nr. 11.
Mitteilungen aus der Praxis.
8 64 der Nechtsanwaltserduung. In den Nummern
6 und 8 dieſes Jahrgangs iſt erörtert, welche Trag⸗
weite die Beſtimmung des $ 64 habe. Die von Staats⸗
anwalt Burkhardt vertretene Auffaſſung, daß 8 64
ſich nicht auf Handlungen beziehe. die ein Rechts⸗
anwalt begeht, während er bei einem Gerichte zu⸗
gelaſſen iſt, ſteht im Einklang mit der Rechtſprechung
des Ehrengerichtshofes. Die Frage läßt ſich nicht ſo
ſtellen, ob unter Zulaſſung im Sinne des § 64 nur
die letzte oder auch jede frühere zu verſtehen ſei, viel⸗
mehr iſt zu unterſcheiden zwiſchen den Handlungen,
welche ein Rechtsanwalt vor ſeiner Zulaſſung, und
den Handlungen, welche er während feiner Buz
laſſung begeht.
Der Ehrengerichtshof hat in einem Urteile vom
24. Januar 1906 (Nr. 38/05) ausgeführt: „Die Ver⸗
teidigung des Angeſchuldigten, daß nach $ 64 RAD.
ein ehrengerichtliches Verfahren wegen der in die
H.⸗Zeit fallenden Verfehlungen nicht zuläſſig ſei, weil
diefe Handlungen vor feiner jetzigen Zulaſſung be-
gangen ſind und die Ausſchließung von der Redt-
anwaltſchaft nicht begründen, iſt in der angefochtenen
Entſcheidung mit Recht zurückgewieſen. Mag die
Wortfaſſung des 8 64 nicht beſonders glücklich ſein,
ſo ſpricht ſie doch nicht gegen die vom Ehrengerichte
vertretene Auffaſſung. Die Zulaſſung iſt derjenige
Akt, durch welchen ein zum Richteramte Fähiger Rechts—
anwalt wird ($ 1 RAD.) wenn auch der Beginn der
Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltſchaft noch
weitere Vorausſetzungen hat (§ 20 Abſ. 3). Der Aus:
druck des § 64 „ein Rechtsanwalt vor feiner Zulaſſung“
kann danach jedenfalls fo veritanden werden, daß er
lediglich einen jetzigen Rechtsanwalt zu der Zeit, als
er nicht Rechtsanwalt war, im Auge hat. Daß dies
allein der wahre Sinn der Vorſchrift iſt, ergibt ſowohl
ihr Zweck wie ihre Entſtehung, die beide von dem
erſten Richter zutreffend gewürdigt find. 8 64 bezieht
ſich alſo auf einen Fall der hier vorliegenden Art
überhaupt nicht; denn der Angeſchuldigte hat die Hand—
lungen, für die er verantwortlich gemacht wird, be-
gangen, während er Rechtsanwalt war. Daß er nach
ihrer Begehung eine Zeit lang (28. November 1901
bis 17. Mai 1904) nicht Rechtsanwalt geweſen iſt,
und daß ſie ſomit vor ſeiner jetzigen Zulaſſung be⸗
gangen ſind, iſt unerheblich. Für dieſen Fall hat das
Geſetz eine Ausnahme von der Regel des § 62 RAO.
nicht gemacht und es konnte ſie vernünftigerweiſe nicht
machen, wenn es nicht zu unannehmbaren Folgen ge—
langen wollte . ..“
In einem anderen Falle waren der ehrengericht—
lichen Beurteilung Handlungen unterzogen worden,
die der Angeklagte nach Aufgabe der erſten Zulaſſung
und vor der zweiten Zulaſſung begangen hatte, die
aber die Ausſchließung nicht begründen konnten. Das
Ehrengericht hatte auf Verweis und Geldſtrafe erkannt.
Der Ehrengerichtshof beanſtandete in ſeinem Urteile
vom 19. Januar 1907 (Nr. 32/06), daß das Ehren—
gericht die Beſtimmung des 8 64 nicht beachtet habe.
Sodann heißt es: „Zu jener Zeit war der Angeklagte
nicht Rechtsanwalt.
Zulaſſung aufgegeben und iſt erſt Ende April 1901
zur Rechtsanwaltſchaft wieder zugelaſſen worden. Da
es ſich nicht um die Ausſchließung handelt, konnte das
Er hatte im Auguſt 1898 die
219
— n. ̃ — ̃ —.— (—'— — —
Verhalten des Angeklagten aus der Zeit von Auguſt 1898
bis Ende April 1901 der ehrengerichtlichen Beurteilung
nicht unterzogen werden.“
Reichsgerichtsrat Maenner in Leipzig.
Ein Vorſchlag zur Aufhebung des 5 75 des Ge-
richtsverfaſſungsgeſetzes. Man betont häufig, daß in
der Strafrechtspflege die möglichſt ſchnelle Erledigung
der Strafſachen zweckmäßig ſei. Der ſtrafbaren
Handlung müſſe alsbald die Strafe folgen. Erſt da⸗
durch könne die Strafe die rechte Wirkung ausüben.
Auch um ein möglichſt richtiges Bild der ſtrafbaren
Handlung zu gewinnen, ſei eine raſche Behandlung
der Sache notwendig. Je größer der Zeitraum
zwiſchen der Begehung der Tat und ihrer Aburteilung
fei, um fo mehr beſtehe die Gefahr, daß den Haupt⸗
beteiligten, insbeſondere den Zeugen, der Vorfall aus
dem Gedächtnis entſchwinde. Auf Grund dieſer Er⸗
wägungen hat man ſchon wiederholt Vorſchläge ge-
macht, wie die Behandlung der Strafſachen beſchleunigt
werden könne. Ich möchte darauf hinweiſen, daß
vornehmlich bei den überwieſenen Schöffengerichts—
ſachen eine raſchere Erledigung ſehr wohl möglich ſei.
Der raſchen Erledigung dieler Sachen ſteht § 75 GVG.
entgegen. Nach dieſer Geſetzesbeſtimmung kann eine
Reihe von Vergehen durch die Strafkammern an die
Schöffengerichte unter beſtimmten Vorausſetzungen
verwieſen werden. Man ſtelle ſich einmal vor, wel-
chen Weg eine überwieſene Sache zu durchlaufen hat.
Zunächſt wird die Anzeige bei dem Amtsanwalt ein-
gereicht. Das geſchieht wenigſtens in allen denjenigen
Gebietsteilen, wo es ſelbſtändig funktionierende Amts—
anwälte gibt, ſo in einigen Teilen Preußens, in der
Rheinpfalz und Rheinheſſen. Der Amtsanwalt be—
arbeitet die Anzeige, pflegt die noch etwa notwendigen
Ermittelungen und legt ſie dann dem Staatsanwalt
vor, vielfach zugleich mit einem Entwurf der Anklage—
ſchrift. Der Staatsanwalt prüft die Akten und leitet
ſie der Strafkammer zu, mit dem Antrag, die Sache
dem Schöffengericht zu überweiſen. Der Vorſitzeude
der Strafkammer beſtimmt zunächſt einen Referenten
für die Sache. Falls die geſetzlichen Vorausſetzungen
zutreffen, beſchließt dann die Strafkammer die Ver:
weiſung. Nur ſelten ordnet die Strafkammer neue Er—
hebungen an. Die Akten gehen nunmehr wieder an den
Staatsanwalt zurück, der ſie dem Amtsanwalt wieder
zuleitet. Der Amtsanwalt trägt die Sache unter
einer neuen Ziffer in ſeinem Anzeigeverzeichnis ein
und legt ſie alsdann dem Amtsrichter zur Termins—
beſtimmung vor. Man bedenke, welche Zeit darüber
hingeht, bis die Sache an den aburteilenden Richter
gelangt. Den günſtigſten Fall angenommen, daß von
allen beteiligten Beamten prompt gearbeitet wird,
vergehen von der Vorlegung der Anzeige an den Staats—
anwalt bis zur Vorlegung an den Amtsrichter zehn bis
vierzehn Tage. Häufig aber verſtreichen mehrere
Wochen. Man darf als ſicher annehmen, daß ſowohl
der Staatsanwalt als auch der Strafkammerreferent
die Schöffengerichtsſachen nicht ganz mit dem Intereſſe
behandelt wie die zur ausſchließlichen Zuſtändigkeit
der Strafkammer gehörigen Sachen. Der Straf—
kammerreferent wartet in der Regel, bis er mehrere
Schöffengerichtsſachen zuſammen hat, um dann darüber
Vortrag zu halten. Hat er dringende Strafkammer—
ſachen zu bearbeiten, läßt er die Schöffengerichtsſachen
unter Umſtänden eine Zeit lang unerledigt liegen.
Die Frage ergibt ſich: Iſt im Intereſſe der Sache
eine Prüfung und Verbeſcheidung durch die obere
Inſtanz geboten?
Nach 8 75 GVG. kann die Strafkammer eine
Reihe von Vergehen an die Schöffengerichte verweiſen,
wenn nach den Umſtänden des Falles anzunehmen iſt,
daß wegen des Vergehens auf keine andere und höhere
Strafe als auf eine Gefängnisſtrafe von höchſtens
ſechs Monaten oder eine Geldſtrafe von höchſtens
1500 M allein oder neben Haft oder in Verbindung
mit einander oder in Verbindung mit Einziehung und
auf keine höhere Buße als 1500 M zu erkennen fein
wird. Die Ueberweiſung ift alfo an das mehr äußer⸗
liche Moment der Strafhöhe geknüpft. Die Straf:
kammer ſoll nicht etwa verweiſen, wenn der Fall be-
ſonders glatt liegt, der Beweis der Schuld keine
Schwierigkeiten bietet, ſondern, wenn eine beſtimmte
Strafhöhe vorausſichtlich nicht überſchritten wird. Die
Strafkammern neigen zur Verweiſung ſchon aus dem
Grunde, um ſich zu entlaſten. Das die Sachbehand⸗
lung verzögernde Ueberweiſungsverfahren könnte da—
durch wegfallen, daß die Zuſtändigkeit der Schöffen⸗
gerichte erweitert und der Kreis der überwieſenen
Sachen ihnen von vornherein ganz oder teilweiſe zu—
gewieſen würde. Man darf wohl davon ausgehen,
daß, wie die Schöffengerichte im ſtande find, über die
überwieſenen Sachen zu urteilen, die Schöffengerichts—
vorſitzenden die Fähigkeit beſitzen, darüber zu ent-
ſcheiden, ob überhaupt das Verfahren eröffnet werden
fol. Die Schöffengerichte ſind ja an die dem Ueber-
weiſungsbeſchluß zugrunde liegende rechtliche Be—
urteilung des Tatbeſtandes nicht gebunden, wie ſie
auch die Strafgrenze von ſechs Monaten überſchreiten
können. Durch die Novelle zum Gerichtsverfaſſungs—
geſetz vom 5. Juni 1905 wurde ſowohl die primäre
Zuſtändigkeit der Schöffengerichte als auch die Ueber—
weiſungsbefugnis der Strafkammern erweitert. Man
könnte ruhig weitergehen und die Ueberweiſung ganz
aufheben. Den erheblichſten Prozentſatz der über—
wieſenen Sachen bilden die Vergehen der qualifi—
zierten Körperverletzung. Nun ſind für die einfachen
und fahrläſſigen Körperverletzungen nach der Novelle
die Schöffengerichte zuſtändig, nicht aber für die
qualifizierten. Der Begriff der qualifizierten Körper—
verletzung, unter den in der Praxis hauptſächlich die
mittels eines gefährlichen Werkzeugs ſowie die gemein—
ſchaftlich verübte Körperverletzung fällt, iſt nicht derart
ſchwer feſtzuſtellen, daß zuerſt eine höhere Inſtanz
darüber befinden müßte. Auch die rechtliche Wür—
digung der häufig überwieſenen Vergehen des Wider—
ſtandes gegen die Staatsgewalt, der Beleidigung
und der Sittlichkeitsvergehen bietet keine beſonderen
Schwierigkeiten. Im Intereſſe der Beſchleunigung
des Verfahrens, der Selbſtändigkeit der einzelnen Ge—
richte und der Entlaſtung der Strafkammern erſcheint
deshalb die Aufhebung der Ueberweiſung und die be—
ſtimmte Umgrenzung der ſchöffengerichtlichen Zu—
ſtändigkeit geboten. Freilich ſetzte eine ſolche Aende—
rung voraus, daß das Inſtitut der Amtsanwälte für
das ganze deutſche Bundesgebiet einheitlich geregelt
würde. Bekanntlich ſind in den einzelnen Bundes—
ſtaaten die Verhältniſſe der Amtsanwälte durchaus
verſchieden. In Bayern r. d. Rh. z. B. ift der Neben-
beamte des Bezirksamts, in verſchiedenen Teilen
Preußens der Bürgermeiſter oder ein ſonſtiger Be—
amter der Polizeiverwaltung zugleich Amtsanwalt.
Zeitſchrift für Rechtspflege in n Bayern. 1908. Nr. 11.
Für jedes einzelne Amtsgericht oder nach Lage der
Geſchäfte für mehrere Amtsgerichte wäre ein Amts-
anwalt zu beſtellen, der nach ſeiner Vorbildung (Be⸗
fähigung zum Richteramt, ausreichende Praxis bei
einem Staats- oder Amtsanwalt) imſtande wäre, auch
kompliziertere Anzeigen zu würdigen und Anklage zu
erheben. Bei entſprechender Vorbereitung der Anklage
wären die Amtsrichter ſicherlich auch nach der erwei⸗
terten Zuſtändigkeit der Schöffengerichte in der Lage,
über die Eröffnung des Hauptverfahrens einen zu:
treffenden Beſchluß zu faſſen.
Amtsrichter Doſenheimer in Ludwigshafen a. Rh.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Haltung einer bayeriſchen Stadtgemeinde, welche
die Benützung eines gefährlichen Steges nicht verhindert
und auch den Zuſtand des Steges nicht verbeſſert. Wit:
verſchul den des Verletzten. Der Weinhändler K., der
ſich auf einer Geſchäftsreiſe in dem Städtchen TS. be:
fand, verirrte ſich am 4. November 1904 abends gegen
9 Uhr, als er zum Bahnhof gehen wollte; er wurde
von einem ihm Begegnenden in die Sch.'gaſſe gewieſen,
von wo aus er über einen Steg unmittelbar an den
Bahnhof kommen konnte. Dieſer Weiſung folgte K.,
er ſtürzte jedoch von dem über den Kr. bach führenden
Steg und verletzte ſich. Er beanſpruchte von der Stadt—
gemeinde W. Schadenserſatz. Das OLG. hat den Klags⸗
anſpruch zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt. Die Reviſionen beider Parteien blieben erfolglos.
Gründe: Der Steg über den Kr. bach bildet die
Verbindung der Sch.'ſtraße mit einer öffentlichen AMn-
lage, von der aus man weiterhin zu der M.'ſtraße
und anderen Straßen gelangt; die Sch.'ſtraße war
ſohin eine öffentliche Ortsſtraße. Der Steg — das
Stück eines Staketenzauns — beftand aus zwei Zaun—
riegeln mit rautenförmig darüber genagelten runden
Staketen, über die ein 37 em breites, von den beiden
Ufern 27—30 em abſtehendes Brett gelegt war. Auch
die Staketen reichten nicht bis an die Ufer, ſo daß ſich
auf beiden Seiten des Baches zwiſchen den Riegeln
offene Stellen befanden. Das Zaunſtück war von Un—
befugten von der Abſchließung der erwähnten öffent—
lichen Anlage abgeriſſen und über den Bach gelegt
worden. Nach der Feſtſtellung des OLG. hatte die
Beklagte bis zum Frühjahr 1904 das Zaunſtück einige—
male entfernen und an ſeine Stelle verbringen laſſen,
auch die Schutzmannſchaft angewieſen, die Benützung
des mangelhaften und für einen ſicheren Uebergang
ungeeigneten Steges zu verhindern; vom Frühjahr
1904 an aber hatte ſie jede weitere Bekämpfung des
ordnungswidrigen Zuſtandes — die ſo, wie geſchehen,
unzulänglich und ohne Erfolg geweſen ſei — unter—
laſſen, jo daß das Zaunſtück ſelbſt nach dem fraglichen
Unfall über dem Bach liegen blieb. Das OLG. hat
die Haftung der Beklagten für den Unfall bejaht, weil
das paſſive Verhalten der Beklagten, die aus der Hart—
näckigkeit des Publikums erſehen habe, daß ein Ver—
kehr über den Kr. bach von der Sch.'ſtraße aus einem
allgemeinen Bedürfnis entſpreche, eine ſtillſchweigende
Duldung der Benützung des ſicherheitsgefährlichen
Steges ſei, und weil ſie dadurch fahrläſſigerweiſe ihre
Pflicht, einen gefahrloſen Verkehr innerhalb der Stadt
zu ſchaffen, verletzt habe. Die Reviſion macht geltend,
daß der Steg kein öffentlicher Weg geweſen, daß er
gegen den Willen der Beklagten angebracht worden
und geblieben, daß auch nicht einmal feſtgeſtellt ſei, ob
der Bach im Eigentum der Beklagten ſtehe; es könne
deshalb auch die Beklagte nicht dafür in Anſpruch ge⸗
nommen werden, daß bei Benützung des Steges ein
Schaden entſtanden ſei. Dieſem Angriff kann jedoch
nicht ſtattgegeben werden.
Aus den magiſtratiſchen Akten ergibt ſich, daß auf
mehrere Eingaben von Einwohnern um Errichtung
eines Stegs über den Kr.'bach zur Verbindung der
Sch.'ſtraße mit der M.'ſtraße zwar der Magiſtrat bis
Ende 1902 ſich ablehnend verhalten hat, daß aber das
Kollegium der Gemeindebevollmächtigten am 1. Mai
1903 ſich einſtimmig dem Antrag auf Errichtung eines
Stegs angeſchloſſen und am 29. November 1904 eben-
falls einſtimmig den erwähnten Antrag gutgeheißen
und die ungeſäumte Errichtung eines Stegs verlangt
hat. Weitere Schritte ſind unterblieben, weil man in
dem Prozeß freie Hand behalten wollte. Hieraus iſt
zu folgern, daß der Beklagten, die nach der Sachlage
Eigentümerin der beiden Bachufer war, die Verfügung
über den Bach und ſeine Ufer an der fraglichen Stelle
zuſtand (Art. 39 des bayer. Waſſer. vom 28. Mai 1852).
Wenn nun auch der Uebergang kein öffentlicher Weg
war, und wenn er auch nicht dadurch, daß die Beklagte
feit Frühjahr 1904 feine Benützung geduldet hat, ſtill⸗
ſchweigend dem gemeinen Gebrauch gewidmet und zum
öffentlichen Weg geworden iſt (Kahr, GemO. S. 344),
wenn alſo die Erſatzpflicht der Beklagten ſich nicht
darauf gründet, daß ſie die gebotene Sorge für die
Sicherung eines öffentlichen Weges verſäumt hat, ſo
liegen die Verhältniſſe hier doch ſo eigenartig, daß
der Auffaſſung des OLG. nicht entgegenzutreten iſt,
die Beklagte habe durch ihr Verhalten die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt vernachläſſigt und dadurch den
Unfall herbeigeführt. Der Uebergang ſchuf eine Ver—
bindung von der Sch.'ſtraße zur M.'ſtraße; er diente
einem allſeitig anerkannten Verkehrsbedürfnis und
wurde fortgeſetzt benützt; feit dem Frühjahr 1904 ließ
die Beklagte die Benützung des Uebergangs ungeſtört
zu, ſo daß, wie das Beiſpiel des Klägers und der
Perſon, die ihn auf den Steg gewieſen hat, zeigt, der
Anſchein im Publikum erweckt wurde, als ſei nunmehr
der Uebergang ein geſtatteter öffentlicher Weg. Die
Beklagte war aber nach der Feſtſtellung des OLG.
nicht im Zweifel, daß insbeſondere Ortsunkundige den
Steg, wenn ſie dahin gewieſen wurden, betreten und
verunglücken konnten. Daher durfte die Beklagte nicht
untätig bleiben, wenn ſie ihrer Pflicht nachkommen
wollte, den Verkehr innerhalb der Stadt vor Gefähr—
dung zu ſchützen. Sie mußte entweder einen verkehrs—
ſicheren Steg über den Bach führen oder den gefähr—
lichen Uebergang auf dem lückenhaften Zaunſtück ab—
ſtellen. Sie hat aber weder das eine, noch das andere
getan, ſondern ſich bis zum Frühjahr 1904 mit den
vom OLG. als unzulänglich bezeichneten Maßnahmen
begnügt und ſpäter ſogar den Verkehr trotz der offen—
ſichtlich drohenden Gefahren freigegeben. Dagegen iſt
der Uebergang, über den die Beklagte die Verfügungs—
macht hatte, weder durch einen Beſchluß der Gemeinde—
verwaltung für unſtatthaft erklärt, noch, wie dies bei
der Sperre von Wegen zu geſchehen pflegt, durch eine
ortspolizeiliche Vorſchrift unter Strafandrohung ver—
boten worden. Das OLG. hat angenommen, daß ſchon
ein ſolches Verbot nach Beſeitigung des Stegs aus—
reichend geweſen ſein würde, um jeden Verſuch, den
Steg wieder herzuſtellen, für die Folgezeit hintanzu—
halten. Es kommt daher auf die weitere von der Re—
viſion als überſpannt gerügte Anforderung des OLG.
nicht an, die Beklagte hätte den Staketenzaun durch
einen eiſernen oder einen Drahtzaun erſetzen ſollen.
Der Anſchauung des OL G., daß die eigene Un-
vorſichtigkeit des Klägers den Unfall mitverurſacht
habe, ſtehen Bedenken nicht entgegen. Das OLG. hat
ausgeführt, daß der in W. fremde Kläger als reiſe—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
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221
gewandter Kaufmann in der unbeleuchteten Sch. ftraße
hätte merken müſſen, daß er ſich auf keinem normalen
zum Bahnhof führenden Weg befinde. Statt umzu⸗
kehren und beleuchtete Straßen aufzuſuchen, habe er
auf den Rat eines Unbekannten den dunkeln Weg
fortgeſetzt und den Steg betreten, der, wie er bei dem
erſten Schritt erkennen mußte, ohne Geländer war.
Er hätte ein Streichholz anzünden und vorſichtig taſtend
den Steg überſchreiten, oder, wenn er ohne Zündholz
war, ihn nicht begehen ſollen. Die Beurteilung des
OLG. beruht ſohin weſentlich auf der Würdigung
perſönlicher und örtlicher, alſo tatſächlicher Verhält⸗
niſſe. Ohne Rechtsirrtum hat das OLG. darin eine
Fahrläſſigkeit des Klägers erblickt, daß er ſich in einer
fremden Stadt bei finſterer Nacht an abgelegenem Ort
auf einen Steg wagte, deſſen Beſchaffenheit ihm un⸗
bekannt war und von ihm nicht unterſucht wurde.
Auch die Verteilung des Schadens unter die Parteien
iſt nicht zu beanſtanden. Wenn dem Kläger, der eilig
zur Bahn wollte, kein grobes Verſchulden zur Laſt
fällt, ſo iſt das der Beklagten auch kein beſonders
ſchweres. (Urt. vom 30. März 1908). 5
1272 — — cht — —
II.
„ Schnelldruckpreſſe kein Gebäudeteil. Begriff des „Gin:
fügens“. Bedeutung der Berkehrsauſfaſſung. Antriebs vor⸗
richtung als Zubehör der Maſchine. Die Klage geht
auf Grund des im Maſchinenkaufvertrage vom 5. Ok-
tober 1904 enthaltenen Eigentumsvorbehalts auf Aner—
kennung des Eigentums an der Alluſtrationsſchnell—
preſſe „Exzellent“ mit Einrichtungen, Zubehör und
Ausſtattung, ſowie auf deren Herausgabe. Das LG.
hat die beklagte Konkursmaſſe, welche die Preſſe als
Gebäudebeſtandteil in Anſpruch nimmt, zur Heraus—
gabe verurteilt. Dieſe Entſcheidung wurde unter Auf—
hebung des die Klage abweiſenden oberlandesgericht—
lichen Urteils vom Reichsgerichte gebilligt.
Aus den Gründen: Wie der erſte Richter
zutreffend ausgeführt hat, wie ſich aus dem Wortlaut
des § 93 BGB. ergibt und wie das Reichsgericht ſchon
wiederholt ausgeſprochen hat, kann weſentlicher Be—
ſtandteil nur das ſein, was Beſtandteil überhaupt,
d. i. unſelbſtändiges Stück des Geſamtkörpers, mit dieſem
im wahren (mechaniſchen), nicht bloß im übertragenen
Sinne verbunden ift. (RGR. 63 S. 171). Dieſe Bor:
ausſetzung trifft hier nicht zu. Nach den durch die
Beweisaufnahme der Berufungsinſtanz nicht geänderten
Feſtſtellungen des landgerichtlichen Urteils ſteht die
ſtreitige Maſchine auf dem aus Zement hergeſtellten
Boden des Maſchinenſaales, iſt mit dieſem Boden nicht
verbunden, hat vielmehr behufs Erzielung der nötigen
Standhaftigkeit ein ungefähr 100 Ztr. ſchweres Funda—
ment, das ein Stück der Maſchine ſelbſt bildet. Die
Maſchine wird elektriſch betrieben. Die oberhalb der
Maſchine befindliche Uebertragungswelle, welche durch
Träger feſtgehalten wird, die durch die Decke des
Maſchinenſaales hindurchgehen, empfängt ihre Kraft
von dem Motor und überträgt ſie mit dem aufgelegten
Transmiſſionsriemen auf die Empfängerwelle der
Maſchine und auf dieſe ſelbſt. Die Schnellpreſſe iſt
hiernach in das Gebäude nur einfach hineingeſtellt,
mit ihm nicht körperlich und mechaniſch verbunden,
alſo kein Beſtandteil des Gebäudes im gewöhnlichen
Sinne des Wortes. Die notwendige Verbindung mit
dem Ganzen kann auch nicht darin gefunden werden,
daß die Maſchine zufolge ihres ſehr großen Eigen—
gewichts ſehr feſt auf dem Boden aufruht und nur mit
großer Kraftanwendung weiterbewegt oder wegge—
nommen werden kann; dadurch wird ſie nicht zu einem
Stück des Gebäudekörpers ſelbſt. Auch der loſe be—
wegliche und leicht abwerfbare mittelbare Zuſammen—
hang, in dem die Preſſe mit dem Gebäude durch Ver—
mittelung des Transmiſſionsriemens ſteht, kann ſie
nicht zum Gebäudebeſtandteil machen. Denn erſtlich
222
Zeitſchrift für Rechtspflege i in n Bayern. 1908. Nr. 11.
hat dieſen Zweck der nur zur Inbetriebſetzung der
Preſſe dienende Transmiſſionsriemen nicht und ſodann
ſtellt er eine Verbindung von nennenswerter Feſtigkeit
überhaupt nicht her, da eine ſolche das Merkmal der
Ruhe erfordert. Iſt aber, wie gezeigt, die Schnellpreſſe
nicht Gebäudes oder gar Grundſtücksteil im gewöhn⸗
lichen Sinne des Wortes, ſo kann ſie auch nicht weſent⸗
licher Beſtandteil i. S. der §§ 93, 94 BGB. geworden
fein. Es kann daher unerörtert bleiben, ob im Be-
rufungsurteile die übrigen Merkmale dieſer Geſetzes⸗
ſtellen, nämlich die Weſensänderung des Druckerei
gebäudes bei Wegnahme der Maſchine (8 93) und die
Einfügung der letzteren zur Herſtellung jenes Gebäudes
(S 94) richtig feſtgeſtellt find. Es mag zugegeben
werden, daß man unter „Einfügen“ ein Anpaſſen an
und in die Fugen, an die Bauart, die Gliederung des
Gebäudes verſtehen und wo dieſe gegeben iſt und noch
beſonderes Eigenſchwergewicht des eingefügten Gegen—
ſtandes hinzukommt, unter Umſtänden die Erforder—
niſſe des § 94 a. a. O. als vorhanden annehmen kann,
wie dies vom erkennenden Senat für den Dachſtuhl
eines Neubaues ausgeſprochen worden ift. (RGB. 62
S. 248). Auch kann im Einzelfalle, wie der Senat
in feinem Urteile vom 12. November 1907 (V 53/07)
anerkannt hat, bei ſolchen Fragen die Auffaſſung des
Verkehrs eine erhebliche Rolle ſpielen, aber auch bei
ſolchen Erwägungen kann hier der Preſſe die Eigen—
ſchaft eines weſentlichen Beſtandteils des Gebäudes
und Grundſtückes nicht zugeſprochen werden; eine be-
N Anpaſſung der Maſchine an die Fugen, an
ie Gliederung des Gebäudes lag nicht vor und die
allgemeine Verkehrsauffaſſung ſpricht im Zweifel eher
gegen die Beſtandteilseigenſchaft der Maſchinen als
für ſie. Beſonders verhält es ſich hier noch mit der
zur Schnellpreſſe gehörigen, Antriebs vorrichtung',
die allerdings mit der Hauswand verſchraubt iſt.
Aber dieſe Vorrichtung iſt offenbar mit der Preſſe
ſelbſt nicht feſt verbunden, wenn auch zu ihr gehörig.
Als weſentlicher Beſtandteil des Gebäudes kann ſie
an gelten, muß vielmehr als Zubehör der
Schnellpreſſe dieſer folgen. (Urt. des V. 8s. 448/07 vom
4. April 1908).
1267
III.
Bedeutung des e bei Zuſtellungen
von Amts wegen. Si 12 Abi. 1 der ZBO.). Welche Folgen
1 das Fehlen des Vermerks, welche Folgen eine uurichtige
ngabe des Datums der Zuſtellung? ? Die Ehe der Parteien
iſt vom LG. am 12. Februar 1907 geſchieden worden.
Der für den ſchuldigen Teil erklärte Beklagte
legte Berufung ein und beantragte, da nach Ausweis
der bei den Gerichtsakten befindlichen Zuſtellungsur—
kunde das landgerichtliche Urteil ſeinem Prozeßbevoll—
mächtigten am 25. Februar 1907 von Amts wegen,
die Berufungsſchrift dagegen ohne Vermittelung des
Gerichtsſchreibers erſt am 26. März 1907 zugeſtellt
worden war, ihn gegen den Ablauf der Berufungsfriſt
in den vorigen Stand wieder einzuſetzen. Das OLG.
hat die Wiedereinſetzung abgelehnt und die Berufung
als unzuläſſig verworfen. Die Reviſion blieb erfolglos.
Gründe: 1. In der Berufungsinſtanz behauptete
der Beklagte, der Poſtbote habe, als er das landge—
richtliche Urteil feinem Prozeß bevollmächtigten Rechts—
anwalt G. zuſtellte, aus Verſehen unterlaſſen,
auf den Briefumſchlag den durch 8212 Abſ. 1 ZPO
vorgeſchriebenen Vermerk zu ſetzen, daß die Zuſtellung
am 25. Februar 1907 geſchehen fei. Sein Prozeß⸗
bevollmächtigter 2. Inſtanz habe auf telephoniſche An—
frage bei Rechtsanwalt G. die Mitteilung erhalten,
daß die Zuſtellung am 27. Februar erfolgt ſei.
jene Behauptung richtig geweſen, hätte alſo der Poſt—
bote den Zuſtellungsvermerk auf dem Briefumſchlage
unterlaſſen, ſo würde dies die „„ der
Zuſtellung nicht beeinflußt haben. Der Vermerk iſt
nur dazu beſtimmt, die für die Zuſtellung auf Partei—
Wäre
ſtandteil des Zuſtellungsverfahrens.
|
|
|
|
betrieb durch 8 190 Abſ. 2 ZPO. vorgeſchriebene be⸗
glaubigte Abſchrift der Zuſtellungsurkunde zu erſetzen.
In der Rechtſprechung des Reichsgerichts ſteht aber
feft, daß, wenn der Zuſtellungsbeamte es verſäumt
hat, dieſe Abſchrift herzuſtellen, oder wenn die herge⸗
ſtellte Abſchrift einen Mangel aufweiſt, die Rechts⸗
wirkſamkeit des Zuſtellungsaktes dadurch nicht gefährdet
wird. Der Berufungsrichter iſt im Gegenſatze hierzu
davon ausgegangen, daß wenn der Vermerk auf dem
Briefumſchlage wirklich gefehlt habe, die Zuſtellung
ungültig ſei. Das iſt unrichtig. Auszugehen war
vielmehr davon, daß die Zuſtellung am 25. Februar
1907 wirkſam geſchehen iſt, weil die bei den Gerichts⸗
akten befindliche, allen geſetzlichen Anforderungen ent:
ſprechende Zuſtellungsurkunde ſolches ergab. Dann
aber war die Berufung verſpätet und das Wieder-
einſetzungsgeſuch aus den in dem Berufungsurteile
weiterhin dargelegten Gründen hinfällig. Das Fehlen
des Vermerks hinderte nämlich den für die 2. Inſtanz
vom Beklagten beſtellten Prozeß bevollmächtigten nicht,
anſtelle einer unzuverläſſigen telephoniſchen Anfrage
die Gerichtsakten einzuſehen und dadurch die gehörige
Zuſtellung ſowie den Zuſtellungstag feſtzuſtellen. Er
war aber auch in der Lage, der Friſtverſäumnis vor⸗
zubeugen, wenn er die durch nichts gerechtfertigte
Maßnahme unterließ, ſich ſelbſt den Betrieb der Zu—
ſtellung vorzubehalten (S 168 ZPO.). Zur Rechtferti—
gung dieſes die Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleinlegung
geradezu gefährdenden Schrittes hat der Beklagte gar
nichts vorzubringen vermocht. Wäre er unterblieben,
jo würde der Beklagte, wie ſich aus dem Eingangs-
vermerk des OLG. auf die Berufungsſchrift (23. Fe⸗
bruar 1907) ergibt, die Rechtsmittelfriſt ohne Zweifel
eingehalten haben (S 166 Abſ. 1, 168, 196, 207 Abſ. 2
ZPO.). Jedenfalls ift es nicht zu beanſtanden, wenn
bei dieſer Sachlage der Berufungsrichter die Voraus—
ſetzungen für eine Wiedereinſetzung in den vorigen
Stand nach § 233 Abſ. 1 ZPO. nicht für erfüllt an-
geſehen hat.
2. Nun tritt aber der Beklagte in der Reviſions⸗
inſtanz mit der neuen Behauptung hervor, der Zu—
ſtellungsvermerk habe auf dem Briefumſchlage nicht
gefehlt, ſondern der zuſtellende Poſtbote habe auf dem
Umſchlage vermerkt, daß die Zuſtellung am 27. F e-
bruar 1907 ſtattgefunden habe. Die Reviſion ſtellt
ſich ohne weiteres auf den Standpunkt, daß dieſes und
nicht das durch die Zuſtellungsurkunde ausgewieſene
Datum das richtige und daß die Berufung daher
rechtzeitig eingelegt ſei. Mit dieſer Behauptung kann
jedoch der Beklagte in der Reviſionsinſtanz nicht mehr
Gehör finden. Es wäre etwas anderes, wenn der
Zuſtellungsvermerk auf dem Briefumſchlage ein weſent⸗
liches Erfordernis für das Zuſtandekommen einer
rechtswirkſamen Zuſtellung bildete. Denn in ſolchem
Falle würde die Verpflichtung des Berufungsrichters,
von Amts wegen die gehörige Einhaltung oder die
Nichteinhaltung der Formalien des Rechtsmittels feſt—
zuſtellen (8 535 ZPO.), ſoweit gehen, daß er in dieſer
Beziehung ſeine Entſcheidung nicht nach der Zuſtellungs—
urkunde allein zu treffen hätte, fondern ſich auch den
Briefumſchlag mit dem Zuſtellungsvermerke vorlegen
laffen müßte. Wie aber bereits bemerkt wurde, bildet
weder die Ausſtellung des Vermerkes überhaupt noch
auch ſeine richtige Ausſtellung einen weſentlichen Be—
Der Berufungs-
richter hatte daher angeſichts der in den Gerichtsakten
befindlichen, allen Geſetzeserforderniſſen entſprechenden
Zuſtellungsurkunde ſowie mit Rückſicht darauf, daß
deren Richtigkeit von keiner Seite in Zweifel gezogen
wurde, keine Veranlaſſung, ſeine Unterſuchung auf
die gehörige Einhaltung der Vorſchrift des § 212
Abſ. 1 auszudehnen. Der Vorwurf einer Geſetzesver—
letzung trifft ihn daher nicht (8 549 Abſ. 1) und es
liegt insbeſondere kein Fall des § 551 Nr. 2 b, e vor,
in welchem das jetzige tatſächliche Vorbringen des
Zeitſchrift für itſchrift für Rechtspflege in Bayern. 19 in Bayern. 1908. Nr. 11.
Beklagten gemäß 8 561 ZPO. ausnahmsweiſe noch
in der Reviſionsinſtanz Beachtung finden könnte. Das
würde ſelbſt dann gelten, wenn die Zuſtellung wirk-
lich erſt am 27. Februar 1907 ſtattgefunden hätte. (Urt.
des IV. 35. vom 9. März 1908, IV 582/07).
1269
— — = n.
B. en
Strafzumeſſung unter keene Feſtſtellung von
Tatſachen in Schwurgerichtsſachen. Angeblicher Wider⸗
ſyruch mit dem Spruche der Geſchworenen. Die allein
erhobene Rüge, das Strafmaß ſei zum Nachteil der
Angeklagten in unzuläſſiger Weiſe beeinflußt worden,
iſt nicht begründet. Da die Geſchworenen die aus
§ 271 StGB. geſtellte Hauptfrage verneint und nur
die Hilfsfrage auf fahrläſſige Tötung bejaht hatten,
durfte das Gericht allerdings nicht ſtrafſchärfend etwa
die Erwägung Platz greifen laſſen, daß die Ange—
klagte den Tod ihres Kindes vorſätzlich herbeigeführt
habe. Dies iſt aber auch nicht geſchehen. Vielmehr
wurde ſtrafſchärfend nur berückſichtigt, daß die Ange—
klagte brutal zu Werke gegangen ſei; dieſe Brutalität
wurde darin gefunden, daß ſie ihr Kind ausſetzte
und ihm dabei noch Verletzungen durch Fußtritte
beibrachte. Danach hat ſich das Gericht nicht mit
dem Spruche der Geſchworenen in Widerſpruch ge—
ſetzt. Denn mag die Angeklagte auch bei der vom
Gericht bezeichneten Handlungsweiſe vorſätzlich ge—
handelt haben, ſo iſt doch mit keinem Worte auch
nur angedeutet, daß das Gericht eine vorſätzliche
Herbeiführung des Todes angenommen hat. Zur
ſelbſtändigen Feſtſtellung jener Tatſachen war aber das
Gericht berechtigt. Die Geſchworenen haben nur dar—
über zu befinden, ob das unter Anklage geſtellte Tun
erwieſen, unter den im Strafgeſetz bezeichneten Tat—
beſtand zu ſtellen und dem Angeklagten ſtrafrechtlich
zuzurechnen iſt, während der Gerichtshof die verwirkte
Strafe nach den Umſtänden des Einzelfalles feſt—
zuſetzen hat. Soweit dafür das Ergebnis der Ver—
handlung zu würdigen ift, hat er die Würdigung
ſelbſtändig vorzunehmen und muß die in Betracht
kommenden Tatſachen ſelbſtändig feſtſtellen. (RGE.
Bd. 12 S. 150, Bd. 36 S. 18). Da die 1 auch
innerhalb des im $ 222 StB. gegebenen Rahmens
liegt, war die Verwerfung der Reviſion geboten.
(Urt. d. V. StS. v. 31. März 1908, 5 D 163/08).
1275
— — — e —
II.
Nach welchem Geſetz iſt die Strafe bei einem unter
mildernden Umſtänden verübten Verbrechen nach 85 177,
43, 176 Nr. 3, 3 73 StB. zu bemeſſen? Der Ange⸗
klagte iſt durch den Spruch der Geſchworenen der ver—
ſuchten Notzucht und des vollendeten Verbrechens nach
§ 176 Nr. 3 StGB. in einheitlichem Zuſammentreffen
unter Bewilligung mildernder Umſtände für ſchuldig
befunden worden. Die Strafe ift aus § 176 Nr. 3
StGB. verhängt worden. Dadurch ift 8 73 StGB.
verletzt. Denn für die Frage, welches Gefeg die ſchwerſte
Strafe androht, entſcheidet die Strafandrohung i in thesi.
Dabei kommt zwar in Betracht, ob das eine oder
andere der in einheitlicher Handlung verübten Delikte
im Stadium des Verſuchs geblieben ift.!) Auch die
für den Fall der Bewilligung mildernder Umſtände
angedrohte Strafe iſt in Betracht zu ziehen, jedoch
ohne Rückſicht darauf, ob die mildernden Umſtände
tatſächlich bewilligt find oder nicht. In erſter
Linie entſcheidet bei der Gleichheit der Strafart
das Höchſtmaß der angedrohten ordentlichen
Strafe; nur wenn bei beiden Delikten die höchſte zu—
1) Vgl. diefe Ztſchr. Bd. 11 S. 318 Nr. U.
223
läſſige ordentliche Strafe gleich bemeſſen iſt, kommt
das angedrohte Strafminimum und hierbei gegebe—
nen Falles auch die für den Fall der Bewilligung
mildernder Umſtände angedrohte niedrigſte Strafe
in Betracht (RGRſpr. Bd. 10 S. 159, RG. Bd. 30
S. 284). Darnach mußte hier die Strafe aus
§§ 177, 44 StGB. verhängt werden, da bei verſuchter
Notzucht das Höchſtmaß der ordentlichen Strafe 14
Jahre 11 Monate, bei dem vollendeten Verbrechen
nach $ 176 Nr. 3 StGB. dagegen nur 10 Jahre Zucht⸗
haus beträgt. (Folgt die Ausführung, warum der Ange⸗
klagte im vorliegenden Falle durch den Verſtoß nicht
beſchwert iſt). Auch dadurch, daß in dem Tenor des
Urteils die Verurteilung des Angeklagten „wegen
Sittlichkeitsverbrechens, begangen in einheitlicher Hand⸗
lung mit Notzuchtsverſuch“ ausgeſprochen iſt, anſtatt,
wie es hätte geſchehen ſollen, wegen verſuchter Not⸗
zucht, begangen in einheitlicher Handlung mit einem
Verbrechen wider die Sittlichkeit nach 8 176 Nr. 3
StGB., ift der Angeklagte in keiner Weiſe benach⸗
teiligt. (Urt. d. V. StS. v. 24. März 1908, 5 D
190/08). 3
1276
III.
8 385 Abſ. 1 StPO. Da der Angeklagte nach den
Ermittelungen am 16. Dezember 1907 in der R. ſtraße 73
zu E. ein Geſchäftslokal nicht hatte, entſpricht die Zus
ſtellung des Urteils, die dort zu Handen ſeines übrigens
auch nicht als Gewerbsgehilfen bezeichneten Sohnes
erfolgt ift, den nach 8 37 StPO. anzuwendenden Bor-
ſchriften der ZPO. — 8 180 Abſ. 2, 8 183 Abſ. 1 —
nicht und hat ſohin die Friſt des § 385 Abſ. 1 StPO.
nicht in den Lauf geſetzt. (Beſchluß des V. StS. vom
6. März 1908, 519/08). — —— e —
1278
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Hängt die Fälligkeit eines Hypsthekkapitals 8 5
ab, daß der Schuldner die Zinſen nicht rechtzeitig zahl
ſo darf die Vollſtreckungsklauſel zu dem Hypotheken
briefe nicht deshalb verweigert werden, weil der Verzug
nicht nachgewieſen iſt. Laut der Urkunde des Notars
N. in N. (Pfalz) vom 29. Januar 1876 ſchuldeten der
Winzer Nikolaus K. und ſeine Frau als Geſamt—
ſchuldner dem Lehrer B. aus einem Darlehen 1300 M.
Dieſer Betrag war mit 6% zu verzinſen und ein
Vierteljahr nach der Kündigung zurückzuzahlen. Die
Zinſen waren jährlich am 11. November zu entrichten;
wenn fie nach dem Eintritte der Fälligkeit nicht ge-
zahlt würden, ſollten auch die rückſtändigen Zinſen
mit 6% verzinſt werden und das Kapital fällig ſein.
Zur Sicherung der Zahlung des Kapitals, der Zinſen
und der Koſten verpfändeten die Schuldner mehrere
Grundſtücke. Der Notar erteilte dem Gläubiger eine
vollſtreckbare Ausfertigung der Urkunde. Die Hypothek
wurde in die Regiſter des Hypothekenamts einge—
ſchrieben. Nach dem Tode des Gläubigers wurde die
Forderung mit allen Rechten auf die Tochter Suſanne
H. übertragen. Bei der Anlegung des Grundbuchs
wurden Nikolaus K. und ſeine acht Kinder, die mit
ihm die Erben ſeiner Frau geworden waren, als Mit⸗
eigentümer der zur Sicherung jener Darlehensforderung
verpfändeten Grundſtücke und die der Suſanne H. zu—
ſtehende Sicherungshypothek eingetragen. Die an—
geführten Urkunden des Notars N. werden jetzt von
dem Notariate II in N. (Pfalz) verwahrt. An dieſes
ſtellte Suſanne H. den Antrag, ihr die Vollſtreckungs—
klauſel zu der Ausfertigung der Urkunde vom 29. Jaz
nuar 1876 für das Kapital und für die auf 5% er—
mäßigten Zinſen daraus ſeit dem 1. Januar 1903
224
gegen Nikolaus K. und die übrigen Erben feiner Frau
zu erteilen, weil die Schuldner ſeit jenem Tage Zinſen
nicht mehr gezahlt hätten. Das Notariat lehnte den
Antrag ab, weil weder ein Nachweis des Verzugs
hinſichtlich der Zahlung der Zinſen in der im 8 726
ZPO. vorgeſchriebenen Form erbracht, noch die Unter-
brechung oder Hemmung der Verjährung bewieſen ſei.
Auf den von Suſanne H. an das Landgericht geſtellten
Antrag, die Entſcheidung des Notariats aufzuheben,
wies das Landgericht das Notariat an, die Boll-
ſtreckungsklauſel „für die Zinſen“ zu erteilen; im
übrigen wies es, weil „der Eintritt der Bedingung
d. i. des Verzugs der Zinszahlung“ nicht bewieſen fei,
die „Beſchwerde“ zurück, und unter Anwendung des
8 92 BPO. legte es die Koſten „den Parteien“ je zur
Hälfte auf. Gegen dieſe Entſcheidung legte die Witwe
H. „weitere“ Beſchwerde ein mit dem Erfolg, daß das
Oberſte Landesgericht die Entſcheidung des Landgerichts,
ſoweit ſie der Suſanne H. Koſten auferlegte, aufhob
und im übrigen dahin änderte, daß das Notariat II
in N. der Suſanne H. die Vollſtreckungsklauſel auch
für die Hauptforderung von 1300 M zu erteilen hat.
Gründe: Nach Art. 45 des NotG. vom 9. Juni
1899 ſind nicht bloß für die Vollſtreckbarkeit der no⸗
tariellen Urkunden, ſondern auch für die Erteilung
voll ſtreckbarer Ausfertigungen folder Urkunden die
Beſtimmungen der ZPO. maßgebend. Dieſe Vorſchrift
gilt jetzt auch für die Notariatsurkunden, die unter
der Herrſchaft des Geſ. über die Organiſation des
Notariats vom 25. ventöüse XI von einem pfälziſchen
Notar aufgenommen wurden. Auf Grund der Voll—
ſtreckungsklauſel, die dem urſprünglichen Gläubiger
im Jahre 1876 zu der Ausfertigung der Urkunde vom
29. Januar 1876 in der den damaligen Vorſchriften
entſprechenden Form erteilt wurde, kann daher die
Rechtsnachfolgerin jenes Gläubigers zur Zwangs—
vollſtreckung gegen den Schuldner Nikolaus K. und
die übrigen Rechtsnachfolger ſeiner verſtorbenen Frau
nicht ſchreiten. Sie mußte deshalb bei dem Notariate,
das die Urkunde verwahrt, beantragen, daß zu der in
ihrem Beſitze befindlichen Ausfertigung der Urkunde
die Vollſtreckungsklauſel ihr als Rechtsnachfolgerin
des urſprünglichen Gläubigers gegen die jetzigen
Schuldner erteilt werde. Nach § 797 Abſ. 2 ZPO.
konnte das Notariat dem Antrag entſprechen, wenn
die geſetzlichen Erforderniſſe erfüllt waren. Nach 8 795
ZPO. finden die Beſtimmungen der 88 724 bis 793,
alſo auch die Vorſchriften des § 726 Abſ. 1 und des
8 727, auf die Zwangsvollſtreckung aus notariellen
Urkunden entſprechende Anwendung. Nach 8 726 Abſ. 1
darf eine vollſtreckbare Ausfertigung, alſo auch die
Vollſtreckungsklauſel zu einer ſchon erteilten Aus-
fertigung, nur erteilt werden, wenn durch öffentliche
oder öffentlich beglaubigte Urkunden die Tatſache be—
wieſen iſt, von deren durch den Gläubiger zu be—
weiſendem Eintritte nach dem Inhalte der Urkunde
die Vollſtreckung abhängt. Nach dem Inhalte der
Urkunde vom 29. Januar 1876 konnte der Gläubiger
die Zurückerſtattung des Darlehens ein Vierteljahr
nach der Kündigung oder ohne weiteres in dem Falle
fordern, daß die Schuldner die Zinſen nach dem Ein—
tritte der Fälligkeit nicht zahlten. Die Gläubigerin
gibt zu, die Forderung nicht gekündigt zu haben; ſie
begründet ihren Antrag mit der Behauptung, daß die
Schuldner ſchon ſeit mehreren Jahren die Zinſen nicht
gezahlt haben. Das Landgericht ging davon aus, daß
die Gläubigerin dieſe Tatſache durch eine öffentliche
oder öffentlich beglaubigte Urkunde beweiſen müſſe.
Es nahm dabei auf die Entſcheidung des Kammer—
gerichts vom 11. Januar 1906 Bezug, in der in Ueber—
einſtimmung mit mehreren Schriftſtellern die Anſicht
vertreten wird, daß in einem ſolchen Falle der Gläu—
biger das Ausbleiben der Zinszahlung beweiſen müſſe.
Das Beſchwerdegericht kann ſich dieſer Anſicht nicht an—
ſchließen. Nach ihr würde in den meiſten Fällen der Gläu—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
—— .Uuͤ— — —
biger auf die Erhebung der Klage gegen den Schuldner
angewieſen ſein, der vielleicht gar nicht beſtreitet, die
Zinſen nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt zu haben; denn
er könnte den Beweis kaum jemals führen, wenn ſich der
Schuldner nicht dazu herbeiläßt, in einer öffentlichen
oder öffentlich beglaubigten Urkunde zu erklären, daß
er die Zinſen nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt hat.
Die Anſicht beruht auf unrichtiger Auslegung des
§ 726 Abſ. 1 ZPO. Dieſe Vorſchrift enthält nicht eine
Anordnung, die von den allgemeinen Grundſätzen über
die Beweislaſt abweicht. Sie beſtimmt nicht, daß die
Beweislaſt ſtets den Gläubiger trifft, ſondern legt
ihm dieſe nur für den Fall auf, daß ſie ihm nach den
allgemeinen Rechtsgrundſätzen obliegt. Nach dieſen
iſt alſo zu beurteilen, ob der Gläubiger den Eintritt
der Tatſache zu beweiſen hat, von dem nach dem In⸗
halte der Urkunde die Vollſtreckung abhängt. Nach
dem im Art. 1315 des code civil, der zur Zeit der
Errichtung der Urkunde vom 29. Januar 1876 in der
Pfalz galt, ausgeſprochenen, übrigens allen bürger—
lichen Rechten im weſentlichen gemeinſamen Grund—
ſatze hat derjenige, welcher einen Anſpruch erhebt,
die ihn begründenden Tatſachen zu beweiſen. Der
Gläubiger, der die Erfüllung einer bedingten oder
betagten Verbindlichkeit fordert, hat alſo in der Regel
den Eintritt der Bedingung oder des Zeitpunktes zu
beweiſen. Hängt aber die Entſtehung des Anſpruchs
oder die Fälligkeit der Leiſtung davon ab, daß der
Schuldner eine Verbindlichkeit nicht erfüllt, bei einem
Darlehen insbeſondere das Recht des Gläubigers, die
Zurückerſtattung zu fordern, von der Tatſache, daß
der Schuldner die Zinſen nicht pünktlich zahlt, ſo hat
nicht der Gläubiger die Unterlaſſung der Zahlung,
ſondern der Schuldner die Zahlung zu beweiſen
(Seuffert, ZPO. 9. Aufl. Nr. 1 c zu § 726). Denn
der Sinn des Vertrags iſt im Zweifel nicht der, daß
die Zurückerſtattung des Darlehens ſo lang geſtundet
iſt, bis der Schuldner hinſichtlich der Zinſen in Ver—
zug kommt, ſondern der, daß der Schuldner die Geltend—
machung des Anſpruchs auf Zurückerſtattung durch
pünktliche Zahlung der Zinſen bis zum folgenden
Zinszahlungstage abwenden kann. Darnach kann der
Gläubiger in einem ſolchen Fall unter Vorlegung der
ſonſtigen nach S 726 Abſ. 1 erforderlichen Belege ohne
weiteres die Vollſtreckungsklauſel für das Kapital ver-
langen; dem Schuldner bleibt überlaſſen, die auf die
Behauptung rechtzeitiger Zahlung der Zinſen gegrün—
dete Einwendung nach 8 797 Abſ. 3 ZPO. geltend zu
machen. Daß die etwaige Verjährung des Anſpruchs
nicht von Amts wegen zu berückſichtigen iſt, hat das
Landgericht mit Recht angenommen. (Beſchluß des
II. 35. vom 3. Februar 1908, Reg. VI 2/1908).
1274 W.
II.
Beſchwerderecht des wegen Geiſtesſchwäche Gnt-
mündigten a) in feinen perſönlichen Verhältniſſen, b) in
feinen Vermögensaugelegen heiten (S 114 BGB.; SS 59,
63 766.) Der wegen Geiſtesſchwäche entmündigte
Andreas J. in B., der dort ein kleines Anweſen be-
ſitzt, hat ſchon in den Jahren 1903 und 1905 bei
dem Vormundſchaftsgericht ohne Erfolg den Antrag
geſtellt, ſeinen Vormund Heinrich B. zu entlaſſen und
den Antrag am 11. Dezember 1907 erneuert, „weil
der Vormund ihm feindlich geſinnt ſei und von der
Landwirtſchaft nichts verſtehe“. Das Vormundſchafts—
gericht eröffnete ihm, daß „nach den Erhebungen
keine Veranlaſſung zu einem Wechſel in der Perſon
des Vormundes beſtehe“. Andreas J. legte Beſchwerde
ein und begründete ſie damit, der Vormund ſei nicht
auf ſein Intereſſe bedacht, er ſei gegen ihn von jeher
gehäſſig geſinnt und kümmere ſich gar nicht um ihn.
Das LG. B. hat die Beſchwerde als unbegründet zu—
rückgewieſen. Auf die weitere zum Protokolle des
Gerichtsſchreibers des LG. eingelegte und durch eigen—
händiges Schreiben noch näher begründete Beſchwerde
des Andreas J. hat das Oberſte Landesgericht das
Rechtsmittel, ſoweit es ſich auf die die Perſon des
Beſchwerdeführers betreffenden Angelegenheiten be—
zieht, zurückgewieſen und ausgeſprochen, das es im
übrigen nicht berückſichtigt werden kann.
Aus den Gründen: Der infolge der Ent-
mündigung wegen Geiſtesſchwäche nach § 114 BGB.
in der Geſchäftsfähigkeit beſchränkte Beſchwerdeführer
kann nach den SS 59, 63 FGG. das Beſchwerderecht
in den feine Perſon d. h feine perſönlichen Verhält-
niſſe im Gegenſatz zu den nur die Vermögensver—
waltung betreffenden Angelegenheiten ſelbſtändig aus—
üben, dagegen iſt er dazu in den nur die Vermögensver—
waltung betreffenden Angelegenheiten nicht befähigt.
Eine von ihm in einer ſolchen Angelegenheit einge—
legte Beſchwerde iſt wegen Mangels der erforder—
lichen Geſchäftsfähigkeit wirkungslos, ſie muß unbe—
rückſichtigt bleiben. Soll das dem Entmündigten zu—
ſtehende Beſchwerderecht ausgeübt werden, ſo iſt,
wenn es ſich um eine Angelegenheit handelt, in der
er nicht durch den Vormund vertreten werden kann,
die Beſtellung eines Pflegers erforderlich. Soweit
der Beſchwerdeführer mit dem Antrag auf Entlaſſung
des Vormundes Abhilfe dagegen ſucht, daß durch
pflichtwidriges Verhalten des Vormundes fein Unter—
halt beeinträchtigt werde, iſt er befugt, das Be—
ſchwerderecht ſelbſtändig auszuüben. Die weitere
Beſchwerde iſt ſtatthaft und, ſoweit ſie durch Er—
klärung zum Protokolle des Gerichtſchreibers einge—
legt iſt, formgerecht eingelegt. Dagegen muß das
nachträglich eingereichte Schriftſtück nach § 29 Abſ. 1
FGG. unbeachtet bleiben. Die weitere Beſchwerde
kann nach $ 27 FGG. nur darauf geſtützt werden,
daß die angefochtene Entſcheidung auf einer Ver—
letzung des Geſetzes im Sinne des 8 550 BPO. be-
ruhe. Das über die weitere Beſchwerde entſcheidende
Gericht hat nur die Rechtsfrage zu prüfen und dabei
die vom LG. ohne Verletzung des Geſetzes feſtgeſtellten
Tatſachen ſeiner Entſcheidung zugrunde legen. Hier
hat das LG. in einwandfreier Weiſe feſtgeſtellt, daß
eine Gehäſſigkeit des Vormundes gegen den Beſchwerde—
führer nicht beſteht, und daß das Verhalten des
Vormundes nur in Maßregeln der pflichtmäßigen
Sorge für Erhaltung des Mündelvermögens bejtanden
hat. Durch dieſe Feſtſtellung iſt die Ablehnung der
Entlaſſung des Vormundes, ſoweit es ſich um eine
die Perſon des Beſchwerdeführers betreffende Ange—
legenheit handelt, gerechtfertigt, die weitere Beſchwerde
muß deshalb inſoweit als unbegründet zurückgewieſen
werden. Soweit der Beſchwerdeführer mit dem Antrag
auf Beſtellung eines andern Vormundes ſich der
Sorge für ſein Vermögen annehmen will, indem er
eine ſeinen Abſichten mehr entſprechende Vermögeis—
verwaltung herbeizuführen ſtrebt, fehlt ihm die Fähig—
keit zu ſelbſtändiger Ausübung des Beſchwerderechts.
(Beſchluß des I. 35. vom 20. Februar 1908, Reg. III
Nr. 15/1908). W.
1248
111.
Tragweite des Z 68 ZPO. Erfüllt die Feſtſtellung
des Notars in einem Teſtamente, der Erblaſſer habe
erklärt, daß das Schreiben ihn ſehr anſtrenge, die Vor⸗
ausſetzungen des 8 2242 Abi. 2 BGB.? Haftung des
Staates für den durch einen Notar verurſachten Schaden.
(Art. 126 Not. von 1899; 8 839 Abi. 1 BGB.).
Der Notar B. beurkundete am 27. April 1902 den
letzten Willen des Bauersſohnes Philipp B., der in
dem Teſtamente ſeinen Bruder Lorenz und deſſen Ehe—
frau Marie B. als Erben und deren Kinder als Nach—
erben einſetzte, feinen Bruder Alois aber nicht be-
dachte. Am Schluſſe der Urkunde iſt feſtgeſtellt, daß
der Notar das Protokoll „dem Teſtator in Gegenwart
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
— . —ͤ ́önũ—— — — MMM —— — ö — — —
———5ͤ A2— . ͤ 3˙22ꝓö — —
der beiden — — Zeugen perſönlich vorgeleſen und,
Philipp B., welchen das Schreiben ſehr anſtrengt,
|
225
zur Beſtätigung und nach Inhaltsgenehmigung fein
Handzeichen am Schluſſe beigeſetzt hat“, während die
Zeugen und der Notar unterſchrieben haben. Philipp
B. iſt am 29. April 1902 geſtorben. Den Hauptbeftand-
teil des Nachlaſſes bildete die Elterngutsforderung
des Erblaſſers zu 4000 fl., für die das Anweſen des
Alois B. mit Hypothek belaſtet war. Bei der Eröff—
nung des Teſtaments durch den Notar beanſtandete
Alois B. zunächſt die letztwillige Verfügung, weil er
zu Unrecht übergangen worden ſei, nachdem er aber
vom Notar darüber belehrt worden war, daß ihm
ein Noterbrecht nicht zuſtehe, erkannte er das Teſtament
unter Vorbehalt ſeiner Anſprüche wegen Verpflegung
des Erblaſſers „nach Form und Inhalt“ als zu Recht
beſtehend an. Später erklärte Alois B. vor dem
Nachlaßgerichte, daß er ſeine Anerkennungserklärung
anfechte, weil Lorenz und Marie B. ihm bei den Ver—
handlungen über die Anerkennung verſprochen hätten,
an der Elterngutsforderung des Erblaſſers 2000 M
löſchen zu laſſen, das Verſprechen aber nicht erfüllt,
„ihn ſomit getäuſcht hätten und er nur infolge dieſes
Irrtums zur Anerkennung des Teſtaments veranlaßt
worden“ ſei, und daß er vorſorglich auch das Teſta—
ment jelbit anfechte (22). Er glaubte die Wirkſam—
keit des Teſtaments deswegen beſtreiten zu können,
weil Philipp B. zur Zeit der Teſtamentserrichtung
nicht mehr fähig geweſen ſei, ſelbſtändig Beſtimmung
über ſeinen Nachlaß zu treffen und hatte bereits den
Juſtizrat H. in P. angegangen, Klage gegen Lorenz
und Marie B. zu erheben. Juſtizrat H. fand in dem
Mangel der Feſtſtellung einer Erklärung des Erb—
laers, daß er nicht ſchreiben könne, einen Verſtoß
gegen die Formvorſchrift des 8 2242 Abſ. 2 BGB.
und ſtützte die Klage, mit der er Herausgabe der
Hälfte des Nachlaſſes an Alois B. verlangte, darauf,
daß das Teſtament aus dieſem Grunde nichtig ſei.
Die Beklagten verkündeten dem Fiskus den Streit,
der Fiskus trat ihnen als Nebenintervenient bei und
wollte durch Zeugen nachweiſen, daß Lorenz und
Alois B. ſich bei Gelegenheit der Teſtamentseröffnung
dahin geeinigt haben, daß der Inhalt des Teſtaments
für ſie als vertragliche Vereinbarung gelten ſolle, die
Beklagten beſtritten aber das Zuſtandekommen einer
ſolchen Vereinbarung. Das Oberlandesgericht hat
mit einem rechtskräftig gewordenen Urteile der Klage
ſtattgegeben und ausgeführt, daß die Feſtſtellung,
den Erblaſſer ſtrenge das Schreiben ſehr an, die Feſt—
ſtellung der Erklärung des Erblaſſers, nicht ſchreiben
zu können, nicht erſetze und deshalb das Teſtament
wegen Formmangels nichtig fei, daß die von Alois B.
bei der Teſtamentseröffnung abgegebene Erklärung
ſich auf dieſen Formmangel nicht bezogen habe und
die Berufung des Fiskus auf den angeblichen Ver—
gleich gegenüber dem Widerſpruche der Beklagten
nicht ſtatthaft ſei. Lorenz B. verlangte nun vom
Fiskus Erſatz des ihm und ſeiner Frau aus der
fehlerhaften Beurkundung des Teſtaments entſtan—
denen Schadens und erhob, nachdem ſein Anſpruch
abgewieſen worden war, Klage, weil Notar B. bei
der Errichtung des Teſtaments des Philipp B. die
ihm obliegende Amtspflicht fahrläſſig verletzt und
dadurch die Nichtigkeit des Teſtaments herbeigeführt
habe. Der Beklagte beſtritt, daß das Teſtament
fehlerhaft errichtet ſei, und machte geltend, die Aus—
legung des § 2242 Abſ. 2 BGB. fei zur Zeit der
Teſtamentserrichtung ſo beſtritten und zweifelhaft ge—
weſen, daß dem Notar keine Fahrläſſigkeit vorgeworfen
werden könne. Außerdem berief er ſich darauf, daß
Lorenz und Alois B. ſich am 20. Mai 1902 dahin
verglichen hätten, daß Lorenz B. gegen Erlaß eines
Teilbetrags von 2000 M an der Elterngutsforderung
des Erblaſſers den ganzen Nachlaß erhalten ſolle.
Lorenz und Marie B. hätten in dem früheren Prozeſſe
die Geltendmachung dieſer Einwendung durch ihren
Widerſpruch verhindert, Lorenz B. müſſe ſich deshalb
226
gefallen ſie ihm entgegengeſetzt werde.
Das Landgericht erklärte den Anſpruch des Klägers
Es erwog: Die
getroffene Entſcheidung,
Formfehlers nichtig ſei,
ſei für den neuen Prozeß bindend. Ueber die Bedeu⸗
2242 2 BGB. h allerdings
Meinungsverſchiedenheit beſtanden, im Gegenſatze zu
der von den Schriftſtellern
Meinung
lung des
ſchreiben könne.
des § 2242 Abſ.
deſſen Handzeichen erſetzt werden könne, und den Ge⸗
Handzeichens damit begründet, daß den
ſehr anſtrenge. Notar B.
nicht die für die Führung ſeines Amtes er⸗
Rechtes angeeignet.
falls er geſchloſſen
Beteiligten im Mai
bekannt geweſenen Formfehler des Teſta⸗
könne nur den
1902 nicht
ments in
halten habe.
in der mündlichen Verhandlung vor dem
Berufungsgerichte Beweis dafür anbieten,
B. bei der Teſtamentseröffnung Bedenken gegen die
Gültigkeit des Teſtaments geäußert und ſich erſt auf
Notars zur Anerkennung
herbeigelaſſen habe, nachdem Lorenz und Marie B
ſich verpflichtet hatten, an der Elterngutsforderung
des Erblaſſers Betrag von 2000 M zugleich für
„des Erblaſſers nachzulaſſen. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewieſen.
Verneinung der Gültigkeit des Teſta⸗
Mangel der
Erklärung des Erblaſſers, nicht ſchreiben zu können,
zahlreichen anderen Fällen ſeine
für Teſtamente geltenden
Tatſache zugrunde gelegt hätten und bei Kenntnis
der Nichtigkeit des
erkennung verhandelt, ſondern ſofort
ſetzung auf ]
haben würden.
bezeichnete die 88
BB. und den Art. 126
verletzt. In der mündlichen Verhandlung beantragte
der Anwalt des Reviſionsklägers
Urteile der Vorinſtanzen und
Klage, bezeichnete die Auslegung des 8 2242 Abſ. 2
BGB. und die Annahme einer Fahrläſſigkeit des
Notars ſeitens der Vorinſtanzen als irrig
geltend, daß das Berufungsgericht dem Vergleiche,
deſſen Zuſtandekommen der Fiskus habe beweiſen
wollen, mit Unrecht die Wirkſamkeit abgeſprochen
habe. Der Anwalt des Reviſionsbeklagten bekämpfte
dieſe Ausführungen, berief ſich insbeſondere auf 8 68
ZPO. und beantragte Zurückweiſung der Reviſion.
|
|
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
—— . ͤ T. ))) v
—ññññ —
Dieſem Antrage hat das Oberſte Landesgericht ent⸗
1. Nach § 68 ZPO. wird der Neben⸗
intervenient im Verhältniſſe zu der Hauptpartei, der
der Behauptung nicht gehört,
er dem Richter vorgelegen
ſei. Der Nebeninter⸗
venient muß, weil er den Rechtsſtreit in Gemeinſchaft
ſeine Angriffs-
oder Verteidigungsmittel hat geltend machen können,
die Beurteilung gelten laſſen, die die gemeinſchaft⸗
lichen Behelfe in der Entſcheidung des Rechtsſtreits
gefunden haben. Verhältnis zur Haupt⸗
partei iſt a. nur, Gaupp⸗Stein (Komm. . BPE.
8. Aufl. die
der Rechtskraft im Sinne des 8 322 BPO.
fähige Entſcheidung über den durch Klage oder Wider⸗
( Anſpruch maßgebend, ſondern es
gelten auch die Entſcheidungen der einzelnen Tat⸗ und
Richter getroffen hat, als richtig,
daß er über die ein⸗
zelnen Beſtandteile des Prozeßſtoffs richtig entſchieden
hat. Hiernach ſteht feft, daß das Teſtament des
Philipp nichtig iſt und daß
die von Mai 1902 vor dem Notar
für ſich allein der
Geltendmachung des geſetzlichen Erbrechts des Alois
Dagegen iſt die Berufung des
die behauptete Vereinbarung, nach der
Teſtaments gegen den
Verpflegungsanſpruch
Alois B. die
zugleich als Abfindung für ſeinen
dienenden Erlaß eines Betrags von 2000 M an feiner
Hypothekſchuld erklärt hat, durch die Vorſchrift des $ 68
ZPO. nicht ausgeſchloſſen, weil Lorenz und Marie B.
in dem früheren Rechtsſtreite den Rebenintervenienten
durch das Leugnen einer ſolchen Vereinbarung an der
Geltendmachung der Einwendung gehindert haben.
Das OLG. hat
Erfolg verſagt.
1902 von dem
nis, ſie gingen übereinſtimmend von der Anſicht aus,
daß das Teſtament in formeller Beziehung keiner
Beanſtandung ausgeſetzt ſei. i
mit Recht gefolgert, daß ſie nicht daran gedacht haben,
für den Fall, daß das Teſtament nichtig und die ge-
ſetzliche Erbfolge eingetreten ſein
des Erbteils des Alois B. auf
zu vereinbaren.
2. Für den aus der Nichtigkeit des Teſtaments
entſtandenen Schaden haftet der Staat nur, wenn dem
ſchuldhafte Verletzung ſeiner Amtspflicht
Von einem Verſchulden des Notars
nicht die Rede ſein, wenn
Feſtſtellung der Anforderung des Geſetzes genügt, in
In der
werden.
das Schreiben ihn ſehr anſtrenge, iſt etwas anderes
als die im $
daß er nicht ſchreiben könne.
das Schreiben beträchtliche Anſtrengung erfordere,
läßt zwar den Wunſch erkennen,
wenn es nicht notwendig iſt, ſtellt
zu ſchreiben nicht ohne weiteres in Abrede,
vielmehr den Willen an, das Schreiben mindeſtens
wenn es für notwendig erachtet wird.
wenn er dazu veran⸗
neberlegung gefunden
ch ſei, das Protokoll
zu unterſchreiben, aber nach dem allein in Betracht
ob ö
gangen worden. Infolgedeſſen fehlt
eine der Vorſchrift des g 2242 Abſ. 2 entſprechende
i: u e — ~
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
227
— . — . .. . . — — —— —— —— — —— —̃) — n . — — —
Feſtſtellung und dieſer Mangel hat die Nichtigkeit
zur Folge.
3. Die der geſetzlichen Vorſchrift nicht entſprechende
Feſtſtellung läßt ſich nicht anders als mit Unachtſam⸗
keit oder Unkenntnis erklären. Das OLG. iſt auf
Grund der Wahrnehmungen, die nach dem Rücktritte
des Notars vom Amte über ſeine Tätigkeit bei der
Aufnahme von Teſtamenten gemacht worden ſind, zu
der Ueberzeugung gekommen, daß Unkenntnis der ge⸗
jeglichen Vorſchrift die Urſache ift. Die von der Re-
viſion verſuchte Beanſtandung dieſer Feſtſtellung,
die die Stichhaltigkeit des angegebenen Grundes bez-
ſtreitet, iſt nach § 549 BPO. nicht zu beachten. Darin,
daß der Notar im dritten Jahre nach dem Inkraft⸗
treten des BGB. die Vorſchrift des $ 2242 Abſ. 2,
die zu den für feine Amtsführung wichtigſten Be-
ſtimmungen gehört, noch nicht gekannt hat, hat das
OLG. mit Recht eine fahrläſſige Verletzung der Amts⸗
pflicht gefunden. Die verletzte Amtspflicht lag dem
Notar im Sinne des 8 839 Abſ. 1 BGB. nicht nur
gegenüber dem Erblaſſer ob, deſſen letztwillige Ver⸗
fügung er beurkundete, ſondern auch gegenüber den=
jenigen, die der Erblaſſer in dem Teſtamente mit
Zuwendungen bedachte. (RGE. Bd. 58 S. 296). Die
nach Art. 126 Abſ. 1 des Not. von 1899 an die
Stelle der Haftung des Notars tretende Haftung des
Staates iſt daher für den dem Kläger und ſeiner
Frau entſtandenen Schaden begründet. (Urteil des
1. 35. vom 10. Januar 1908, 1 190 07). W.
1186
B. Strafſachen.
Seſchichtliche Entwickelung des Lotterie⸗Strafrechts.
Begriff der „in Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie“.
Das Bankgeſchäft M. hat in M. (Oberbayern) eine
Niederlaſſung, der der Angeklagte vorſteht. Mit ſeinem
Wiſſen und Willen wurden in den Geſchäftsräumen
dieſer Niederlaſſung Loſe der durch Entſchließung
der unterſränkiſchen Kreisregierung vom 12. Februar
1906 für den Regierungsbezirk Unterfranken und
Aſchaffenburg genehmigten Lotterie eines Vereines zu
W. feilgehalten und verkauft. Der Angeklagte wurde
auf Grund des Art. 57a des PStGB. angeklagt, aber
freigeſprochen; die Reviſion wurde verworfen.
Aus den Gründen: Den Gegenſtand der
Strafdrohung des Art. 57 a des PStG. bildet „das
Verkaufen von Loſen oder das Sammeln von Teil—
nehmern für eine in Bayern nicht zugelaſſene Lotterie
oder Ausſpielung“. Die Untergerichte haben verneint,
daß die Lotterie, die von der Regierung von Unter—
franken nur für ihren Bezirk und nur unter der Be—
ſchränkung der Bewilligung des Abſatzes auf ihren
Bezirk genehmigt ift, trotzdem in M. im Sinne der
Vorſchrift des Art. 57 a eine „in Bayern nicht zuge—
laſſene Lotterie“ iſt. Der Reviſion iſt zuzugeben, daß
nach dem bloßen Wortlaut des Art. 57a unter der
darin bezeichneten „in Bayern nicht zugelaſſenen
Lotterie“ jede Lotterie ohne Rückſicht auf den Ort
ihrer Veranſtaltung und daher ſelbſt eine innerhalb
Bayerns ohne die erforderliche Genehmigung veran—
ſtaltete Lotterie verſtanden werden kann. Der Sinn
des Art. 57a ergibt ſich jedoch zuverläſſig nur aus
ſeiner Entſtehungsgeſchichte und ſeiner Stellung hinter
und nach dem Art. 57, der das Spielen in „einer in
Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie“ mit Strafe be—
droht. Es iſt nicht anzunehmen, daß der Geſetzgeber
mit ähnlichen Worten in den beiden aufeinanderfol—
genden Artikeln einen verſchiedenen Sinn verbunden
hat. Muß angenommen werden, daß der Art. 57
nur das Spielen in einer auswärtigen Lotterie
mit Strafe bedroht, ſo liegt die Annahme nahe, daß
Art. 57 a auch nur „auswärtige,“ „außerbayeriſche“
in Bayern nicht zugelaſſene Lotterien im Auge hat.
Nun bedroht das StGB. in § 286 zwar die ohne
obrigkeitliche Erlaubnis erfolgende öffentliche Ber-
anſtaltung von Lotterien und von Ausſpielungen mit
Strafe, aber die Teilnehmer am Spiele ſind in dem
StGB. nirgends mit Strafe bedroht. Es wird hieraus
zu ſchließen fein, daß der deutſche Geſetzgeber beab—
ſichtigt, in den §8§ 284—286, 360 Nr. 14 StGB. nicht
nur das Glücksſpiel, ſondern die Materie des Spielens
überhaupt ſtrafrechtlich N zu regeln und
damit, ſoweit er die Teilnehmer am Spiele und daher
auch das Spielen in einer Lotterie nicht mit Strafe
bedrohte, eine ſolche Handlung ſtillſchweigend für
ſtraflos erklärte. In dem Urteile des Reichsgerichtes
vom 3. Mai 1888 (E. 18, 8) wird eine Ausnahme
von dem Grundſatze, daß durch das StGB. die Materie
des Glücksſpiels im weiteren Sinne geregelt ſei, nur
bezüglich der landesgeſetzlichen Verbote des Spielens
in auswärtigen Lotterien gemacht. Mit dem $ 286
StGB. ſtimmt der § 268 des preuß. StGB. überein.
Dieſer iſt aus der preuß. VO. vom 5. Juli 1847 ent⸗
nommen und bedroht nur die ohne obrigkeitliche Er⸗
laubnis unternommene Veranſtaltung einer öffentlichen
Lotterie mit Strafe; die Strafdrohung gilt nur der
Veranſtaltung einer öffentlichen Lotterie im Inlande,
d. h. in Preußen. Nur dieſer Teil des Inhaltes der
preuß. BO. ift in den § 268 des preuß. StGB. über-
gegangen und von da in den § 286 des StGB. Da-
gegen ift der weitere Inhalt der BO., der das Spielen
in auswärtigen in Preußen nicht zugelaſſenen Lot-
terien und das Kollektieren für ſie betrifft, in das
preußiſche StGB. und in das deutſche StGB. nicht
übergegangen. Demgemäß iſt in den Motiven zum
8 281 des Entwurfes des StGB. für den norddeutſchen
Bund — d. i. im jetzigen $ 286 StGB. — ausdrück⸗
lich erklärt: „Die Vorſchriften über das Spielen in
ausländiſchen Lotterien und das Kollektieren für die—
ſelben wird durch $ 281 nicht berührt.“ Mit dem in
den Motiven gebrauchten Ausdruck „ausländiſche
Lotterien“ dürften, weil es ſich hierbei um die aus
der preuß. VO. übernommenen Materie handelte,
ſowohl im Sinne dieſes Partikulargeſetzes als auch
mit Rückſicht darauf, daß im Lotterieweſen eine Ge-
meinſchaft der einzelnen Bundesſtaaten nicht herbei—
geführt, der Begriff des Bundesſtaates nicht geändert
war, nicht etwa die außerhalb des norddeutſchen
Bundes veranſtalteten, ſondern nur die außerhalb
eines Bundesſtaates veranſtalteten Lotterien gemeint
ſein. Die Rechtſprechung iſt auf Grund der Motive
zu der Anſchauung gekommen, daß der Tatbeſtand des
Spielens in auswärtigen Lotterien von der Regelung
im StGB. ausgenommen, nicht zum Gegenſtande
reichsgeſetzlicher Regelung gemacht, vielmehr nach
wie vor der Partikulargeſetzgebung überlaſſen iſt.
Daraus ergibt fih, daß ein bayeriſches landes-
rechtliches Strafgeſetz, das das Spielen in einer in
Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie mit Strafe bedroht,
nur bezüglich einer „auswärtigen“ d. h. „außer—
bayeriſchen“ Lotterie zuläſſig, dagegen bezüglich des
Spielens in einer Lotterie unzuläſſig wäre, die in
Bayern ohne die erforderliche obrigkeitliche Erlaubnis
veranſtaltet wird, oder bezüglich deren die Veran—
ſtaltung nur für einen Teil Bayerns bewilligt worden
iſt. Dieſer Folgerung kann man um ſo weniger ent—
gegentreten, als die Geſchichte der bayer. Vorſchriften
zeigt, daß ſowohl in dem Art. 57 als in dem Art. 57a
unter einer „in Bayern nicht zugelaſſenen Lotterie“
nur eine auswärtige, d. h. außerbayeriſche Lotterie
zu verſtehen ift. Der Entw. des bayer. P StGB.
von 1855 enthält die dem jetzigen Art. 57, 57a ent-
ſprechenden Vorſchriften als Art. 213, 214, 215. In
der Begründung iſt unter dem Hinweiſe auf die preuß.
VO. vom 5. Juli 1847 bemerkt, daß die Art. 213—215
gegen eine beſondere Art von Glücksſpielen, nämlich
die öffentlichen Lotterien, Glücksbuden und Aus—
ſpielungen gerichtet feien. Der Entwurf des PStGB.
228 Zeitſchrift
für Rechtspflege
von 1861 enthält die entſprechenden Vorſchriften in
den Art. 111—113. Mit Rückſicht auf die Beſtim⸗
mung, die im Art. 338 des damals gleichzeitig vor—
elegten Entwurfes eines StGB. für Bayern ent-
halten war und ſich gegen unerlaubtes Eröffnen eines
Haſardſpieles, gegen Mitſpieler und die bei einem
ſolchen Unternehmen irgendwie Hilfe oder Dienſte
Leiſtenden richtete, erhielten Art. 111— 113 die Faſſung
der Art 101— 103 des nachmaligen Geſetzes vom
10. November 1861, das im Art. 101 Ziff. 1: das
Unternehmen einer öffentlichen Lotterie ohne polizei—
liche Bewilligung, im Art. 101 Ziff. 3: das Verkaufen
von Loſen oder Sammeln von Teilnehmern für
nicht erlaubte Lotterien, im Art. 102: das Spielen
in einer ausländiſchen, in Bayern nicht zugelaſſenen
Lotterie, im Art. 103: das Ankündigen unerlaubter
Lotterien, das Ausbieten von Loſen oder Promeſſen
hierzu auf Prämien- oder ausländiſchen Lotterie-
Anlehen und Einladungen zur nel an ſolchen
Unternehmungen mit Strafe bedroht.
In das PStSB. von 1871 ift von den Beſtimmungen
der Art. 101—103 des älteren Geſetzes nur die des
Art. 102 und zwar mit Auslaſſung des Wortes „aus—
ländiſch“ als Art. 57—58 des Entwurfes übergegangen.
Die Weglaſſung der Strafvorſchriften der Art. 101— 103
wurde damit begründet, das man die hierin ent-
haltenen Verbote als durch die SS 286, 47—49 des
StGB. gedeckt, daher im Hinblick auf § 2 des EG. zum
BGB die Weglaſſung für geboten hielt. Weshalb
im Art. 58 des Entwurfes das Wort „ausländiſch“
weggelaſſen wurde, iſt nirgends dargelegt; es findet
ſich nirgends eine Andeutung, daß damit eine ſachliche
Aenderung der Vorſchrift beabſichtigt war.
Da die Rechtſprechung die der Polizeigeſetzgebung
von 1871 zugrunde gelegene Auffaſſung von der Er—
ſetzung des Art. 101 Ziff. 3 und des Art. 103 PStGB.
durch die Beſtimmungen des StGB. nicht teilte, legte
die Regierung im Jahre 1880 den Entwurf zur nad-
maligen Novelle zum PStGB. vom 28. Februar 1880
vor, wodurch der jetzige Art. 57a des P StGB. eine
geſchaltet wurde. Die Begründung verwies auf die
Lücke der Geſetzgebung, wonach das Publikum fort—
geſetzt durch Agenten und durch Veröffentlichungen in
bayeriſchen Zeitungsblättern zur Uebertretung des
Verbotes des Spielens in auswärtigen, in Bayern
nicht zugelaſſenen Lotterien ungeſtraft angereizt und
eingeladen wird. Nach dem Vorſchlag des Regierungs-
entwurfes iſt in dem durch das Geſetz vom 28. Februar
1880 in das PStGB. eingeſtellten Art. 57a nach
Vorausſetzung der neuen Strafdrohung unter Ziff. 1
der Inhalt der Ziff. 3 des Art. 101 des PStGB. von
1861 in der Faſſung: „Wer für eine in Bayern nicht
zugelaſſene Lotterie oder Ausſpielung Lofe verkauft
oder Teilnehmer ſammelt“, unter Ziff. 2 der Eingang
des Art. 103 Abſ. 1 des PStGB. von 1861 in der
Faſſung aufgenommen worden: „Wer eine in Bayern
nicht zugelaſſene Lotterie oder Ausſpielung öffentlich
ankündigt, Loſe oder Promeſſen hierzu oder Promeſſen
auf Prämien eines in- oder ausländiſchen Lotterie—
anlehens ausbietet oder zur Teilnahme an einem
ſolchen Unternehmen einladet.“ Eine Vergleichung
der neuen mit der älteren Faſſung zeigt, daß an die
Stelle der nicht erlaubten oder unerlaubten Lotterie
oder Ausſpielung des Art. 101 Ziff. 3 und des Art. 103
die „in Bayern nicht zugelaſſene Lotterie“ geſetzt, die
Unerlaubtheit der Lotterie oder Ausſpielung nur mit
„in Bayern nicht zugelaſſen“ bezeichnet und das Wort
„ausländiſch“ weggelaſſen und fo nunmehr in beiden
die Lotterie behandelnden Artikeln des PStGB. nur
noch von einer „in Bayern nicht zugelaſſenen“ Lotterie
die Rede iſt. Die Begründung des Geſetzentwurfes
von 1880 läßt nun darüber keinen Zweifel, daß damit
nicht dem Vertrieb der Loſe inländiſcher, ohne die in
Bayern erforderliche obrigkeitliche Erlaubnis veran—
ſtalteter, ſondern nur dem Vertriebe ausländiſcher, d. h.
— — — — —— ͤ ͤ ͤã—— — — — —e— ä ä — ſD—— — a,
l}
in Bayern. 1908. Nr. 11.
außerbayeriſcher Lotterien entgegengewirkt werden
ſollte. Die Verhandlungen der K. d. Abg. laſſen er:
kennen, daß faſt alle Redner, die ſich über den Ent⸗
wurf äußerten, nur außerbayeriſche Lotterien unter
den in Bayern nicht zugelaſſenen Lotterien verſtanden.
Wie die Weglaſſung des Wortes „ausländiſch“
bei der Uebernahme des Inhaltes des Art. 102 des
P StGB. von 1861 als Art. 57 in das PStG B. von
1871, ſo kann auch die Uebertragung des Inhaltes
der Vorſchriften des Art. 101 Ziff. 3 und des Art. 103
des PStGB. von 1861 als Art. 57a in das neue
P StGB. unter Erſetzung des Wortes „unerlaubte“
oder „nicht erlaubte” Lotterie durch „in Bayern nicht
zugelaſſene“ Lotterie ſchlechthin nicht anders verſtanden
werden, als daß dort wie hier die Vorſchrift nur für
ausländiſche d. h. nichtbayeriſche Lotterien gegeben
werden ſollte, und daß die ausdrückliche Beifügung
des Wortes „nicht bayeriſch“, „ausländiſch“ oder „aus:
wärtig“ neben den Worten „in Bayern nicht zugelaſſen“
für überflüſſig gehalten wurde. Das findet ſeine
ganz natürliche Erklärung darin, daß das PSGB.
von 1861 ſich der Bezeichnung „zugelaſſen in Bayern“
nur in bezug auf die nicht bayeriſchen Lotterien be⸗
dient, dagegen in bezug auf Lotterie-Veranſtaltungen
des Inlands von deren polizeilicher Bewilligung ſpricht
und diefe Ausdrucksweiſe in der Folge durchgängig
beibehalten wurde. Es ergibt ſich das auch aus den
BO. vom 24. Januar 1862 und vom 10. Juli 1867,
die Bewilligung zur Veranſtaltung der öffentlichen
Lotterien und Ausſpielungen und zur Aufſtellung von
Glücksbuden an öffentlichen Orten betr., die von der
„Bewilligung“ zu öffentlichen Lotterien oder Aus-
ſpielungen handelnd in bezug auf Lotterien, Mus-
ſpielungen und Lotterie-Anlehen des Auslands von
deren Zulaſſung ſprachen. Noch deutlicher iſt das
aus dem Regiſter des Amtsblattes des Miniſteriums
des Kgl. Hauſes und des Aeußern und des Innern
erſichtlich, das unter dem Stichworte „Lotterie bewilligt“
die Genehmigung inländiſcher Lotterien, hingegen
unter dem Stichworte „Lotterie in Bayern zugelaſſen“
die außerbayeriſchen Lotterien vorträgt, deren Zulaſſung
zum Abſatze ihrer Loſe in Bayern bedingt oder un⸗
bedingt genehmigt wurde. (Urteil vom 7. März 1908,
RevReg. 41/08).
1252
—— [˖n.
Oberlandesgericht Bamberg.
eee des Inhabers einer Aus:
kunftei nach 8 383 Ziff. 5 und § 384 Ziff. 3 350.
Die Klägerin hatte von der Auskunftei Sch. in M.
über die Kreditwürdigkeit des Müllers X. Auskunft
erholt und im Vertrauen hierauf ihm Waren kreditiert.
Die Auskunft war unrichtig; X. geriet in Konkurs
und die Klägerin erlitt einen Schaden, deſſen Erſatz
fie vom Beklagten verlangt, weil die unrichtige Aus-
kunft durch die wiſſentlich falſche Mitteilung des
Beklagten an die Auskunftei verurſacht worden ſei.
Ueber dieſe Behauptung wurde in II. Inſtanz der Leiter
der Auskunftei S. als Zeuge benannt. S. verweigerte
das Zeugnis. Das Berufungsgericht erklärte die
Weigerung für berechtigt und das Reichsgericht be—
ſtätigte dieſe Entſcheidung.
Aus den Gründen des Urteils des Ober⸗
landesgerichts: Nach 8 383 Ziff. 5 ZPO. find
zur Verweigerung des Zeugniſſes Perſonen berechtigt,
welchen kraft ihres Gewerbes Tatſachen anvertraut
ſind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur geboten
ift, in betreff der Tatſachen, auf welche fi die Berz
pflichtung zur Verſchwiegenheit bezieht. Welche Tat—
ſachen nach ihrer Natur geheim zu halten ſind, hat
das Gericht nach freiem Ermeſſen mit Rückſicht auf
die Verkehrsſitte und die berechtigten Erwartungen
der Auskunftgebenden zu entſcheiden. Solche Tatſachen
Zeitſchrift fü für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
229
ſind die den Auskunftſtellen gemachten Mitteilungen.
Die Auskunfteien haben ſich im Laufe der Zeit zu nahezu
unentbehrlichen Hilfsmitteln des kaufmänniſchen Kredit⸗
verkehrs herausgebildet. Ihre einzige Grundlage und
unentbehrliche Daſeinsbedingung find die von zahl:
reichen Gewährsmännern gegebenen Mitteilungen, die
ihrer Natur nach ſtreng vertraulich ſind. Alle dieſe
Gewährsmänner geben ihre Mitteilungen in der ent-
weder ausdrücklich oder ſtillſchweigend erklärten Er-
wartung, daß die Auskunftei bei der Verwertung ihrer
Angaben die Herkunft verſchweige. Es beſteht deshalb
nicht nur eine bloße Gepflogenheit der Auskunfteien,
ihre Gewährsmänner geheim zu halten, ſondern eine
durch die Verhältniſſe der Auskunftſtellen gebotene
Rechtspflicht zur Geheimhaltung der Namen ihrer
Mittelsperſonen, ſowie aller anderen Umſtände, durch
deren Bekanntgabe mittelbar die Berfon eines Gewährs—
mannes feſtgeſtellt werden kann. Die gleiche Schweige—
pflicht betrifft die Auskunfteien bezüglich aller jener
Tatſachen, durch deren Feſtſtellung die Autorſchaft
einer beſtimmten Perſon zu einer beſtimmten Auskunft
durch Schlußfolgerung nachgewieſen werden könnte.
Nach $ 384 Ziff. 3 kann das Zeugnis verweigert werden
über Fragen, welche der Zeuge nicht würde beant—
worten können, ohne ein Gewerbegeheimnis zu offen—
baren. Strittig iſt die Auslegung des Wortes „Ge—
werbegeheimnis“. Während die eine Anſicht
darunter nur das gewerbliche Fabrikationsgeheimnis
verſtehen will, ſind nach der andern Meinung durch
$ 384 Ziff. 3 auch andere geſchäftliche Geheimniſſe
der Gewerbetreibenden geſchützt.!) Letztere Auffaſſung
iſt die richtige; ſie entſpricht ſowohl der allgemein
gehaltenen Faſſung des Geſetzes wie den Bedürfniſſen
des Rechtsverkehrs. Für Auskunfteien insbeſondere
find die Quellen ihrer Auskünfte ein den Betrieb ihres
Gewerbes bedingendes Geheimnis, alſo ein Gewerbe—
geheimnis. Denn dem Gewerbe der Auskunfteien würde
vollſtändig der Boden entzogen werden, wenn die Ge—
währsmänner nicht mehr darauf rechnen könnten, daß
die Verſchwiegenheit bewahrt werde. Es iſt demnach
der Inhaber einer Auskunftei ſowohl nach § 383 Ziff. 5
als nach § 384 Ziff. 3 zur Verweigerung des Zeug—
niſſes berechtigt. (Zwiſchenurteil vom 18. an 1908,
beſtätigt durch Beſchluß des VI. ZS. d. RG. vom
19. März 1908).
1250
Oberlandesgericht Nürnberg.
Bertragsſtrafe. Verſtoß gegen die guten Sitten
(5 138 BGB.). Die minderjährige Beklagte ſchloß
am 7. Mai 1900 unter Zuſtimmung ihres Vaters
ſchriftlich einen Dienſtvertrag mit einem Wäſcherei—
beſitzer, um das Bügeln zu lernen. Die Lehrzeit
war auf 3 Monate feſtgeſetzt. Lehrgeld hatte die Be—
klagte nicht zu zahlen, fie hatte während der Lehrzeit
keinen Anſpruch auf Lohn. Die Beklagte verpflichtete
ſich nach der Lehrzeit in dem Geſchäfte des Klägers
weiter zu arbeiten und vor Ablauf zweier Jahre nicht
auszutreten. Für den Fall ihres aus irgendwelchen
Gründen erfolgenden Austritts war die Beklagte bei
Vermeidung einer Vertragsſtrafe von 500 M ver-
pflichtet, während eines Zeitraumes von 5 Jahren,
vom Tage des Austritts an, auf einen Umkreis von
50 km vom jeweiligen Geſchäftsſitze des Klägers nicht
in ein gleiches Geſchäft einzutreten oder ein ſolches
auf eigene Rechnung zu gründen und zu betreiben,
auch nicht als Büglerin oder Wäſcherin in irgend⸗
') Das Reichsgericht bemerkt hierzu: „Es iſt richtig, daß
durch dieſe Vorſchrift als „Gewerbegeheimnis“ nicht nur die ſog.
Produktionsgeheimniſſe, ſondern auch andere geſchäftliche Gebeimniſſe
der Gewerbetreibenden geſchützt find (gl. die Entſcheidungen des
Ri. Bd 54 Nr. 84 S. 323 ff., auch Bd. 53 Nr. 12 S. 42, Gaupp⸗
Stein zu § WI Nr. 3 S. 876).
Mitget. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
„ j —— —̃ a — —̃—ͤ a, — —
einer Art gegen Entgelt tätig zu ſein. Die Beklagte
blieb nach der Lehrzeit als Arbeiterin im Geſchäfte
des Klägers. Nach Kündigung trat ſie am 8. September
1904 aus. Sie blieb dann faſt 1 Jahre bei ihren
Eltern und trat im Juni 1906 in Stellung in einem
Konkurrenzgeſchäfte am Orte der Niederlaſſung des
Klägers. Die Klage auf Zahlung der Vertragsſtrafe
wurde abgewieſen, die Berufung verworfen.
Aus den Gründen: Der Dienſtvertrag ver-
ſtößt hinſichtlich des Wettbewerbsverbotes gegen die
guten Sitten und iſt deshalb nichtig. Maßgebend
ſind, da die GewO. das Wettbewerbsverbot für ge—
werbliche Arbeiter nicht beſonders regelt, die allge—
meinen Vorſchriften des BGB., ſowie deffen Bor:
ſchriften über den Dienſtvertrag und die Vertrags—
ſtrafe. Was insbeſondere den Begriff des Verſtoßes
gegen die guten Sitten nach § 138 BGB. betrifft,
können unbedenklich die Vorſchriften des § 74 HGB.
und SS 133 ff. GewO. zur Feſtſtellung des allgemeinen
ſittlichen Empfindens der beteiligten Verkehrskreiſe
herangezogen werden, weil eben diefe Sondervor—
ſchriften eines nahe verwandten Rechtsgebiets den
Ausdruck deſſen enthalten, was auf dem Gebiete des
Konkurrenzverbotes und der Vertragsſtrafe dem
jetzigen Billigkeitsgefühl entſpricht. Gegenüber dem
gewerblichen Arbeiter, der nicht unter den ausdrück—
lichen Schutzbeſtimmungen der SE 133 ff. GewO. ſteht,
hat ein Wettbewerbs-Verbot nur dann Anſpruch auf
richterlichen Schutz, wenn ein erhebliches Intereſſe
des Arbeitgebers vorliegt und anderſeits die Bindung
des Arbeiters nicht die Grenzen der Billigkeit, nach
Ort, Zeit und Gegenſtand des Verbots überſchreitet.
Gegenüber dem einfachen Arbeiter wird jede Bindung
der Erwerbstätigkeit ſchweren Bedenken unterliegen,
es erheben ſich Stimmen, welche für dieſen Kreis ge—
werblicher Bedienſteter überhaupt das Wettbewerbs—
Verbot als unſittlich bezeichnen. Sicher aber muß
einem Vertrage, wenn er die in 8 74 HGB. und Ss 133f.
Gew. gezogenen Billigkeitsgrenzen überſchreitet, der
gerichtliche Schutz verſagt werden. Dieſe Vorſchriften
erklären die von einem minderjährigen Handlungs:
gehilfen oder höheren Gewerbebedienſteten verein—
barten Wettbewerbs-Verbote für nichtig. Folgerichtig
muß dieſe Schutzvorſchrift auch dem einfachen Arbeiter
zugute kommen, da die Abſicht des Geſetzes dahin
geht, dem jugendlichen unerfahrenen Arbeitnehmer
Schutz zu gewähren gegen die Folgen leichtſinniger
Verpflichtung (Landmann, GewO. 5. Aufl. Bd. II S. 18).
Hier liegt alſo der erſte Nichtigkeitsgrund vor. Der Um—
ſtand, daß der geſetzliche Vertreter der minderjährigen
Beklagten den Vertrag mitunterzeichnet hat, beſeitigt
dieſen Verſtoß nicht, auch nicht die ſtillſchweigende Werz
längerung des Vertrags durch die ſpäter großjährig ge—
wordene Beklagte; eine ausdrückliche ſpätere Beſtätigung
(S 141 BGB.) ift nicht behauptet. Das Wettbewerbs-Ver-
bot umfaßt den Zeitraum von 5 Jahren, geht alſo weit
über die Sperrfriſt hinaus, die 874 HGB. gegenüber dem
Handlungsgehilfen geſtattet. Dieſe Beſtimmung be—
ſchränkte die Beklagte ohne genügendes Intereſſe des
Arbeitgebers in unzuläſſiger Weiſe. Der Beklagten,
die für den Beruf als Büglerin und Wäſcherin aus—
gebildet iſt, kann nicht zugemutet werden, ſich einem
anderen Berufe zuzu wenden oder ein halbes Jahr—
zehnt auf den Gebrauch ihrer Kenntniſſe und Fähig—
keiten zu verzichten. Ein weiterer Verſtoß gegen die
guten Sitten liegt in der Sperre einer Zone von
50 km vom jeweiligen Betriebsſitz des Klägers im
Zuſammenhalte mit der Beſchränkung der Beſchäftigung
der Beklagten, der innerhalb dieſer Zone nicht nur
die Errichtung eines Konkurrenzgeſchaftes oder der
Eintritt in ein ſolches, ſondern ſogar das Waſchen
und Bügeln gegen Entgelt überhaupt verboten iſt.
Die Anregung des Klägers vom richterlichen Er—
mäßigungsrechte Gebrauch zu machen, wenn etwa ein—
zelne Vertragsbeſtimmungen zu hart feien, kann keine
230
Berückſichtigung finden. Nach Lage des Falls könnte
nur die Prüfung veranlaßt ſein, ob nicht etwa der
Eintritt in ein Konkurrenzgeſchäft am Betriebsſitze
des Klägers innerhalb 2 Jahren nach dem Austritte
aus dem Geſchäfte des Letzteren die Beklagte ftraf-
fällig gemacht habe, weil vielleicht innerhalb dieſer
Grenzen der Kläger ein ſchutzwürdiges Intereſſe habe
und eine zu große Härte gegen die Beklagte nicht
gegeben fei. Damit würde aber die in § 74 HGB.
und 88 133 f. GewO. dem Richter ausdrücklich gegebene
Befugnis, die zu harten Beſchränkungen zu mildern
und das Verbot auf angemeſſene Grenzen zurückzu—
ühren, auf 8 138 BGB. angewendet werden, der uns
fitliche Geſchäfte überhaupt mit Nichtigkeit bedroht.
Das iſt ausgeſchloſſen und ſomit die Klage ſchlechthin
unbegründet. (Urteil vom 2. April 1908).
1208 D.
Landgericht München I.
Beſtimmtheit der Bezeichnung der Forderung bei
Sicherungshypstheken; Umfang der Vorlagepflicht für
Abſchriften. Die Terrain⸗A G. B. beſtellt auf eine An⸗
zahl unabgeteilter Bauplätze zugunſten der Stadt-
gemeinde M. Sicherungshypotheken, für den Erſatz
künftig entſtehender Straßenpflaſterungskoſten, ſo ins⸗
beſondere auf dem Eckbauplatz an der D.- und V.⸗Straße
in Höhe von 2575 M und 1988 M. Gleichzeitig teilte
die Hypothekengläubigerin die frühere einheitliche Be—
laſtung des nunmehr parzellierten Komplexes in der
Weiſe ab, daß jeder Bauplatz nur mit einem Teil-
betrag von zwei der urſprünglichen vier Hypotheken
belaſtet blieb. Zwei dieſer urſprünglichen Hypotheken
waren bereits bei Anlegung des Grundbuchs ein—
getragen geweſen; hinſichtlich dieſer befand ſich bisher
weder eine Urſchrift noch eine Abſchrift der Hypothef-
beſtellung und Eintragungsbewilligung beim Grund—
buchamt. In der Hypothekteilungserklärung war auf
dieſe älteren Notariatsurkunden in keiner Weiſe Bezug
genommen, ſondern nur auf deren Eintragungen im nun—
mehrigen Grundbuch ſelbſt. Das Grundbuchamt ver—
weigerte den Vollzug, weil nicht erſichtlich ſei, ob bei
dem Eckplatz die Doppelbelaſtung ſich auf die Pflaſte—
rungskoſten verſchiedener Straßen und gegebenenfalls
welcher beziehe; ferner, weil die zur Bezugnahme in
der Eintragungsbewilligung erforderliche beglaubigte
Abſchrift der älteren Hyvpothekbeſtellungsurkunden
nicht vorgelegt ſei. In der Beſchwerde wurde geltend
gemacht, eine Ausſcheidung der Pflaſterungskoſten nach
Straßen ſei entbehrlich, weil es ſich um Sicherungs—
hypotheken handle, alſo der Gläubiger zum Beweis
der Forderung ſich ohnehin nicht auf den Grundbuch—
eintrag berufen könne; die Vorlegung beglaubigter
Abſchriften der älteren Hypothekurkunden ſei geſetzlich
nicht vorgeſehen, weil die Beſtellung noch mit dem
bayeriſchen Hypothekengeſetz erfolgt ſei. Der Beſchwerde
wurde ſtattgegeben.
Aus den Gründen: Die Beſchwerdebegründung
überſieht, daß $ 1184 Abſ. 1 BGB. die Angabe der
Forderung, für welche Sicherſtellung bezweckt wird,
nicht entbehrlich macht (Oberneck § 151 Nr. 3); nur
braucht die Forderung dem Grundbuchamt nicht urkund—
lich nachgewieſen zu werden, auch iſt die Angabe des
Schuldgrunds nicht erforderlich. Es handelt ſich alſo
ausſchließlich darum, ob die Angabe der Forderungen
genügt. Nun wäre freilich die vom Grundbuchamt
vermißte Straßenbezeichnung Thon deshalb angezeigt
geweſen, weil die Pflaſterungskoſten ſofort nach Arbeits-
angriff zahlbar ſein ſollen. Es iſt auch allgemein die
Zweckmäßigkeit einer möglichſt genauen Forderungs—
bezeichnung anerkannt, um dem Gläubiger den ſpätern
Nachweis des Beſtands und der Identität der Forde—
rung tunlichſt zu erleichtern (vgl. Hinsichtlich der
Pflichten des Notars SS 552 Abſ. 1 und 2, 553 GBDA.).
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
„ — — : Tee T —— ̃ — —
Nr. 11.
Immerhin läßt ſich aber nicht geradezu behaupten, daß
die gewählte Forderungsbezeichnung ohne genauere
Angabe der in Betracht kommenden Straßen, auf
denen die Koſten erwachſen können, nicht dem Mindeſt⸗
maß des geſetzlichen Erforderniſſes genügt, zumal für
die beiden gleichartigen Forderungen ſtets der nämliche
Gläubiger in Betracht kommt. Die vom Grundbuch⸗
amt verlangte Ergänzung der Urkunde wird ſich ſohin
mangels ausreichender geſetzlicher Handhabe nicht er⸗
zwingen laſſen. Hinſichtlich der Abſchriften läßt die
Beſchwerde außer acht, daß die Hypotheken früheren
Rechts durch Art. 192 EG. z. BGB. in ſolche neuen
Rechts übergeleitet find, bei letzteren aber der Grund-
buchrichter zu beſtimmen hat, was unmittelbar in den
Vermerk ſelbſt aufzunehmen und was mittelbar durch
Bezugnahme einzutragen ift (8 256 GBDA.). Aller:
dings wird er dabei hier zu prüfen haben, ob bei
Einhaltung der §§ 307 ff. GBꝰDA. eine ſolche Bezug-
nahme überhaupt noch in Betracht kommt und ob der
Gewinn an Kürze nicht durch die Einbuße an Ueber⸗
ſichtlichkeit und Verſtändlichkeit überwogen wird, zumal
es ſich hier um Teilung früherer größerer Kapitalien
und um Aenderungen in den Pfandobjekten handelt.
Jedenfalls kann der Grundbuchrichter aber von dieſer
Befugnis nur beim Vorliegen der im § 255 Nr. 1 und 2
G BDA. normierten weſentlichen Vorausſetzungen Ge—
brauch machen; zur Erfüllung dieſer Vorausſetzungen
ift jedoch der Antragſteller über die im 8 9 GB.
(vgl. $s 525, 568 GB DDA.) ſtatuierte Pflicht hinaus
weder durch Geſetz noch ſonſtige Vorſchrift verbunden.
Uebrigens leiden die fraglichen beiden älteren Hypo—
thekeneinträge auch inſofern an einem weſentlichen
Mangel, als hinſichtlich außergewöhnlicher Verein⸗
barungen über Kündbarkeit und Fälligkeit auf die Ein:
tragungsbewilligung Bezug genommen iſt, ohne daß
letztere beim Grundbuchamt in Urſchrift oder Abſchrift
verwahrt wäre. Dieſe allerdings früher vielfach übliche
Sachbehandlung war fehlerhaft. Bei der hiernach
alsbald zu veranlaſſenden Behebung dieſes von der
Partei nicht verſchuldeten Mangels, kommen bei An-
wendung des Art. II Nr. 4 der HypG Nov. vom
30. Dezember 1903 ohnehin die Abſchrift oder die
älteren Urkunden zu den Grundbuchanlagen und wird
das beanſtandete Vollzughindernis ohne weiteres gegen—
ſtandslos. (Beſchluß vom 19. Dezember 1907; Beſchw.⸗
Reg. Nr. 617/07). N.
1177
Aus der Praxis des bayer. Berwaltungs:
gerichtshofs.
Keine Verpflichtung zur Entrichtung der Befitz⸗
veränderungsgebühr bei Auflöſung einer ang Bater und
Sohn beſtehenden offenen Handelsgeſellſchaft durch den
Tod des Vaters und Uebergang des Geſellſchaſtsvermögens
auf den überlebenden Geſellſchafter (Art. 213, 214 Geb.
i. d. F. vom 6. Juli 1892, Art. 252 und 253 d. F. von
28. April 1907). Die aus Vater und Sohn beſtehende
offene Handelsgeſellſchaft J. S. W. in M. war Eigen—
tümerin eines Grundſtücks ſeit dem Jahre 1899. Im
Jahre 1901 wurde fie durch den Tod des Vaters auf-
gelöſt. Der Sohn hat den Vater ausſchließlich beerbt.
Das Grundſtück wurde auf ihn als Alleineigentümer
im Grundbuch umgeſchrieben. Das Rentamt forderte
von ihm die Beſitzveränderungsgebühr. Auf Beſchwerde
hat die Regierung, K. d. F., ausgeſprochen, daß der
überlebende Gejellichafter für den Uebergang des
Eigentums an dem Anweſen von der offenen Handels—
geſellſchaft auf ihn ſelbſt die Beſitzveränderungsgebühr
zu zahlen hat. Auf Beſchwerde hat der VGH. aus-
geſprochen, daß der Beſchwerdeführer die Beſitzver—
änderungsgebühr nicht zu entrichten hat.
Aus den Gründen: Unter „Befigveränderung”
verſteht der für die Frage der Gebührenpflicht hier
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11.
231
maßgebende Art. 213 Geb. i. d. F. vom 6. Juli 1892
nur Veränderungen im Eigentumsbeſitze oder Quaſi⸗
beſitze, und es iſt nach dem einſchlägigen Zivilrechte
zu entſcheiden, ob und wann ein ſolcher Eigentums⸗
beſitz und eine Veränderung in ihm gegeben iſt. Da
die Tatſachen, aus welchen hier die Gebührenpflicht
hergeleitet werden ſoll, nach dem 1. Januar 1900 ein⸗
getreten ſind, haben die Vorſchriften des BGB. und
des neuen HGB. Maß zu geben. Nach dem bis
1. Januar 1900 geltenden Rechte mußte die offene
Handelsgeſellſchaft jedenfalls in ihren Beziehungen zu
Dritten als ein von den Perſonen der Geſellſchafter
verſchiedenes ſelbſtändiges Rechtsſubjekt ans
geſehen werden, auch für das Gebührengeſetz als ſolches
gelten. Der BGH. ſchließt ſich der in Rechtslehre und
Rechtſprechung herrſchenden Auffaſſung an, daß nach
den Grundſätzen des BGB. und HGB. die offene
Handelsgeſellſchaft weder eine juriſtiſche Perſon, noch
ein ſonſtwie von den Perſonen der Geſellſchafter
verſchiedenes und unabhängiges „ſelbſtändiges Rechts⸗
ſubjekt“ mit eigenem Vermögen iſt, daß vielmehr die
Geſellſchafter am Geſellſchaftsvermögen zur geſamten
Hand berechtigt find. Die Frage, ob für das Geb.
eine von dem Grundſatze der geſamten Hand abweichende
Konſtruktion des Vermögens der offenen Handelsgeſell⸗
ſchaften zugrunde gelegt werden könne, muß für die
allein hier in Betracht kommende Beſitzveränderungs⸗
gebühr nach Art. 213 Geb. von 1892 (jetzt Art. 252)
verneint werden. Das Vermögen der offenen Handels»
geſellſchaft J. S. W. und damit das Anweſen gehörte
daher nicht dieſer Geſellſchaft als einer ſelbſtändigen
Rechtsperſönlichkeit, ſondern war während des We-
ſtandes der Geſellſchaft gemeinſchaftliches Vermögen
der Geſellſchafter zur geſamten Hand. Die Geſellſchafter
in ihrer Geſamtheit ſind die Träger und Subjekte der
Rechte, welche die Geſellſchaft unter ihrer Firma ers
worben hat. Die oberſten Gerichtshöfe und mit ihnen der
BSH. ſtimmen darin überein, daß ſchon zur Zeit des
Beſtandes der Gemeinſchaft den an ihr Mitberechtigten
hältnis feines Anteils am Geſellſchaftsvermögen
berechtigt war, dann iſt eine Beſitzveränderung an
dem ſchon bisher dem Beſchwerdeführer zuſtehenden
Anteil an dem Anweſen nicht gegeben; dagegen iſt
eine ſolche gegeben für den vom Vater ererbten
Anteil. Für dieſe Beſitzveränderung aber iſt der
Beſchwerdeführer als Erbe ſeines Vaters von der
Gebühr frei (Art. 214 Abſ. 3 mit Art. 214 Abſ. 1 lit. a,
jetzt Art. 253). (Beſchluß vom 2. März 1908).
1270 Mitg. v. Rechtsanwalt Juſtizrat Dr. Blättner in München.
Aus der Praxis des Reichsmilitärgerichts.
0 ann der Fahnenflucht. (S 76 RM StGB.
mit 8 67 Abſ. 2 RStGB. und Art. II S 3 des RGef.
vom 11. Februar 1888 betr. Aenderung der Wehr⸗
pflicht). Die Verjährung beginnt mit dem 1. April,
nicht dem 31. März desjenigen Kalenderjahres, in dem
der Wehrpflichtige das 39. Lebensjahr vollendet. Aus
den Gründen: Für die militäriſchen Delikte gelten
bezüglich der Verjährung der Strafverfolgung nach
Maßgabe des 82 RM StGB. im allgemeinen die Bor-
unmittelbare Anteile auch an den einzelnen Gemein⸗
ſchaftsſachen dem Rechte nach zuſtehen, und daß fie
nur in der Verfügung über dieſe ihnen als Geſell⸗
ſchaftern gehörigen Sachen beſchränkt find. Unent-
ſchieden läßt der VGH. die Frage, ob diefe unmittel-
bare Anteilsberechtigung der einzelnen Geſellſchafter
im Sinne der neueſten Rechtſprechung des Reichsgerichts
(Bd. 65 S. 227 ff.) Ausfluß einer vollen und nur in
der Verfügungsmacht beſchränkten dinglichen Berech—
tigung jedes Geſellſchafters auf das Ganze des Geſell—
ſchaftsvermögens ift, und ob bei Wegfall des einen
von zwei Teilhabern nur eine Anwachſung in dem
Sinne ſtattfindet, daß es ſich um eine Hinzuerwerbung
der Mitberechtigung des ausgeſchiedenen Geſellſchafters,
ſondern nur um Wegfall dieſer beſchränkenden Wit-
berechtigung unter Zerſtörung des Geſamthandver—
bandes handle, oder ob mit dem bayer. Oberſten Landes:
gerichte eine Mitberechtigung nach Quoten anzunehmen
iſt. Denn in dem einen wie in dem anderen Falle muß
die Verpflichtung des Beſchwerdeführers zur Entrichtung
einer Beſitzberänderungsgebühr verneint werden. Nach
der Auffaſſung des Reichsgerichts war der Beſchwerde—
führer ſchon bei Beſtehen der offenen Handelsgeſell—
ſchaft auf das ganze Anweſen unmittelbar dinglich
berechtigt und nur durch die Mitberechtigung ſeines
Vaters im Eigentum beſchränkt. Nach dem Wegfall
dieſer Mitberechtigung hat demnach der Beſchwerde—
führer das Eigentum an dem Anweſen nicht neu er—
worben. Nur dem neuen Eigentumsbeſitzer eines Grund—
ſtückes ift aber die Entrichtung der Beſitzveränderungs—
gebühr nach Art. 213 (jetzt Art. 252) Geb. auferlegt.
Wird aber mit dem bayer. Oberſten Landesgerichte
angenommen, daß der Beſchwerdeführer auf Grund
feines Anteilsrechtes an dem Geſellſchaftsvermögen
und dem Anweſen während des Beſtandes der Geſell—
ſchaft an dem Anweſen dinglich nur nach Ver-
pflichtung
ſchriften des 8 67 NStEB. Nach § 76 RMStGB.
beginnt die Verjährung der Strafverfolgung wegen
Fahnenflucht mit dem Tage, an welchem der Fahnen—
flüchtige, wenn er die Handlung nicht begangen hätte,
feine geſetzliche oder von ihm übernommene Ber-
pflichtung zum Dienſte erfüllt haben würde. Dieſe
Beſtimmung kann grammatikaliſch allerdings ebenſo
wohl dahin aufgefaßt werden, daß die Verjährungs⸗
frift mit dem Tage enden fol, an welchem die geſetz⸗
liche Dienſtpflicht erfüllt wird, als auch dahin, daß
dies der Fall iſt an dem Tage, an welchem die Dienſt⸗
pflicht erfüllt iſt. Aus der Entſtehungsgeſchichte dieſer
Vorſchrift läßt ſich keine ſichere Grundlage für die
Entſcheidung entnehmen. . .. Bemerkenswert iſt jedoch
die Ausführung des Berichterſtatters Dr. Lamey über
die Kommiſſionsberatungen, daß die Kommiſſion beſtrebt
geweſen ſei, bei aller Rückſicht auf das militäriſche
Intereſſe ſich auch den Beſtimmungen des bürgerlichen
StGB. fo ſehr wie möglich zu nähern, und daß fie das
einzige Vergehen, das in der Vorlage noch als un—
verjährbar vorkomme — die Fahnenflucht — gleidh-
falls den allgemeinen Regeln unterwerfen zu müſſen
glaubte, indem fie den Anfangstermin für fie in
einem Paragraphen beſtimmte. Daher ift der § 76
RM StGB. in feinem Verhältniſſe zu 8 67 Abſ. 4
R StGB. zu prüfen, welcher beſtimmt, daß die Ber-
jährung mit dem Tage beginnt, an welchem die
Handlung begangen iſt. Die Fahnenflucht iſt Dauer—
delikt. Dieſe Delikte werden nach der allgemeinen
Lehre ſo lange begangen, bis die Verwirklichung des
geſetzlichen Tatbeſtands aufhört. Dieſer Zuſtand tritt
bei der Fahnenflucht an ſich erſt ein, wenn der
Fahnenflüchtige zur Pflicht zurückkehrt oder verhaftet
ift. 8 76 RMStGB. rückt den Abſchluß der Tat-
begehung auf den Ablauf der geſetzlichen Dienſtver—
in der Landwehr 2. Aufgebots zurück.
Demnach iſt es ſo anzuſehen, als ob der Täter
darüber hinaus eine geſetzliche Verpflichtung zum
Dienſte überhaupt nicht mehr habe, während ſie tat—
ſächlich noch fortdauert, da die Abweſenheit des
Fahnenflüchtigen in die Dienſtzeit nicht eingerechnet
wird. Im Grunde zieht alſo § 76 mit der Feſt—
legung des Anfangstermins der Verjährung nur der
Strafverfolgung wegen Fahnenflucht eine
Grenze; das in 8 67 Abſ. 4 R StGB. ausgeſprochene
Prinzip, daß die Verjährung erſt beginnen könne,
wenn die Straftat begangen iſt, wird hierdurch in
keiner Weiſe geändert. Hieraus ergibt fih, daß die
Fahnenflucht nach der Fiktion des Geſetzes abge—
ſchloſſen und damit begangen iſt in dem Augenblick,
da die Dienſtpflicht in der Landwehr 2. Aufgebots
m ä —ũ—ä— — — nn
ihr Ende erreicht hätte. Die Worte des § 76 „mit
dem Tage ꝛc.“ können demzufolge nur dahin ausgelegt
werden, daß damit der Tag gemeint iſt, der dem Ab⸗
ſchluſſe der Dienſtpflicht unmittelbar folgt. Das iſt
aber der 1. April des Kalenderjahres, in welchem
der Angeklagte das 39. Lebensjahr erreicht hatte.
(Im gleichen Sinne auch wiederholte Erkenntniſſe des
preußiſchen Generalauditoriats, zuletzt am 22. Februar
1899 und Entſch. des AMGer. II vom 4. Januar 1905
(ungedruckt).) (Urteil vom 22. April 1908).
1271
Literatur.
Frank, Dr. Reinhard, Profeſſor der Rechte in Tübingen.
Das Strafgeſetzbuch für das Deutſche Reich
nebſt dem Sinfübrungägefede. 5. bis 7. neubearbeitete
Auflage. Tübingen „Verlag von J. C. B. Mohr
(Paul Siebeck). Geh. Mk. 10.—. Gebd. Mk. 12.—.
Eine gründliche Erläuterung des StGB. in einem
nicht einmal unhandlichen Bande zu ſchaffen, konnte
nur einem Schriftſteller gelingen, der den Stoff völlig
beherrſcht und es verſteht, aus der verwirrenden Menge
der Einzelheiten die leitenden Gedanken herauszuſchälen.
Der Frankſche Kommentar hat ſich binnen kurzer Zeit
eine führende Stellung verſchafft und man kann be⸗
obachten, daß ihn die jüngeren Juriſten vor allen an⸗
deren Werken bevorzugen. Dieſer Erfolg iſt wohl⸗
verdient. von der Pfordten.
Schneider, Heinrich von, Präſident des OLG. Nürn⸗
erg. Geſetz über die Angelegenheiten der
e Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898.
extausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und
Sachregiſter. 3. Auflage, bearb. unter Mitwirkung
von Dr. Jalsb Keßler, II. Staatsanwalt in Würz⸗
burg. München 1908, C. H. Beck'ſche Verlagsbuch⸗
handlung (Oskar Beck). Gebd. Mk. 2.80.
Die Schneiderſche Ausgabe, die in der bayeriſchen
Praxis ſehr viel benützt wird, hat ſich zu einem ſtatt⸗
lichen Bändchen ausgewachſen. Die neueren Ent⸗
ſcheidungen, insbeſondere die Erkenntniſſe des Oberſten
Landesgerichts find forgfältig nachgetragen.
von der Pfordten.
Notizen.
Berordunng über Apsthekerkammern. Die durch
§§ 36—40 der Apothekenordnung vom 27. Januar 1842
(Reg Bl. S. 257) geſchaffenen Apothekergremien find nun⸗
mehr durch die VO. vom 26. April 1908 (GVBl. S. 267)
aufgehoben und durch Apothekerkammern erſetzt. Letztere
beſtehen „als Standes vertretung der Apotheker“ am
Regierungsſitz für jeden Regierungsbezirk und find
Körperſchaften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis
zur Siegelführung. Sie ſetzen ſich aus gewählten Ver⸗
tretern der Apothekeneigentümer und der übrigen appro⸗
bierten (auch Militär⸗) Apotheker zuſammen; die Mit-
gliederzahl iſt für die 1. Wahlperiode (Mai 1908 bis
Oktober 1911) durch die Min Bek. vom 27. April 1908
(GVBl. S. 272) beſtimmt. Die Wahl erfolgt durch Stimm⸗
zettel, welche von den Wahlberechtigten eigenhändig
unterſchrieben fein müſſen; gewählt ſind diejenigen, welche
die meiſten Stimmen erhalten haben. Aufgabe der
Apothekerkammern iſt die Förderung des Apotheken⸗
Beitichrift für Rechtsoflege in Bayern. 1908.
Nr. 11.
æ- —
können bei dieſen geeignetenfalls Anträge ſtellen.
Jede Apothekerkammer wählt alle 3 Jahre einen Vor⸗
ſtand (aus 3 Mitgliedern) und alljährlich einen Aus⸗
ſchuß (aus 5 Mitgliedern, für Abgabe von Gutachten
bei Approbationszurücknahmen) 5 einen Abgeord⸗
neten zum Obermedizinalausſchuß. Der Vorſtand ver⸗
tritt die Apothekerkammer gerichtlich und außergericht⸗
lich. Die Beſchlüſſe des Vorſtandes wie der Kammer,
deren Verhältniſſe des näheren durch Satzungen zu
regeln ſind, werden mit abſoluter Stimmenmehrheit
der Erſchienenen — bei Stimmengleichheit durch Stich⸗
entſcheid des Vorſitzenden — gefaßt; ein Vorſtands⸗
beſchluß ift auch gültig, wenn er auf Grund ſchrift⸗
licher Zuſtimmung gefaßt iſt. Dr. Sch.
1281
Geſchäſtsſtatiſtit der Gewerbe: und Kaufmanns
gerichte für 1907. (Amtsblatt der Kgl. Staatsminiſterien
es Kgl. Hauſes und des Aeußern und des Innern Nr. 9
vom 7. Mai 1908). ) Der Geſchäftsanfall bei den 52
Gewerbegerichten iſt gegenüber dem Vorjahre geſunken
(6534 Rechtsſtreitigkeiten gegenüber 7381), bei den
24 Kaufmann ge richken hat er ſich gegenüber dem Jahre
1906 nicht geändert (1261 Rechtsſtreitigkeiten); 3 Ge⸗
werbegerichte (Alſenborn, Erfenbach und Burgfarrn⸗
bach) ſowie 1 Kaufmannsgericht (Schwabach) traten
überhaupt nicht in Tätigkeit. Weniger als 10 Rechts⸗
ſtreitigkeiten hatten zu erledigen 9 Gewerbegerichte
und 11 Kaufmannsgerichte. Bei den Gewerbegerichten
wieſen die meiſten Klagen einen Streitwert bis zu 20 M
einſchließlich auf (3421 = 52,3%); bei den Kaufmanns
gerichten hatten die meiſten Sachen einen Streitwert
von mehr als 100 M bis zu 300 M (424 = 33,7 %).
Bis zur Verkündigung eines kontradiktoriſchen End⸗
urteils dauerten
a erg gri g? i
f 28 ao 25 225 =
Rechtsſtreitigkeiten | 32 885 85 88 — 82
E — m ya ‚a — — O 60 22
bei den Gewerbe⸗ | | i |
gerichten 396 | 333 194 76 | 8
|
bei den Kaufmanns⸗ | |
gerihten . . . 81 58 26 13
| i
Es wurden erledigt:
nn ET 2 2 52 2 82 2
SSS S SEE 28 Ze
Rechtsſtreitigkeiten F Eros 888 SSE 28
28 28 ** 82 =
| Š 7E art
bei den Gewerbe⸗ = |
gerichten ; vn 70 38 — 559 10071664
bei den Kaufmanns⸗ | | |
gerichten 611 — 2 95 85 255 166
i i |
Klagen der Arbeitgeber und der Kaufleute waren
wie bisher ſelten; ſie machten bei den Gewerbegerichten
8,6 %, bei den Kaufmannsgerichten 9,6% aller Rechts⸗
ſtreitigkeiten aus. Prozeſſe zwiſchen Arbeitern des⸗
ſelben Arbeitgebers kamen nur 26 vor.
1) zur der Vorjabre f. diefe Zeltſchrift Bd. II S. 328,
Bd. III S. 244.
) Bel den Gewerbegerichten nicht ausgeſchieden.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
— —— —
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freifing.
ur. 12.
2. Münden, den den 15. Juni 1908.
4. 4. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von
Ch. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
ME. 3. Beſtellungen übernimmt jede A panptung und
Bohankaft (-Boſtzettungsliſte für Bayern Nr. 9742).
in Bayern
Verlag von
2. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktton und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
i ebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene e
vs“ deren Raum. Bei gen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Die Vörſengeſetznovelle vom 3. Mai 1908.
Von Juſtizrat Dr. Julius Kahn in München,
Nechtsanwalt und Syndikus der Handels- und Gewerbe—
kammer für Oberbayern.
Wohl wenige Geſetze werden ſich ſchon ſo bald
nach ihrem Inkrafttreten als reviſionsbedürftig er⸗
wieſen und doch zur Durchführung der Reviſion
jo lange Zeit benötigt haben, wie das Börſen⸗
geſetz vom 22. Juni 1896. Geboren aus der Er⸗
kenntnis, daß eine Reihe ſchwerer Mißſtände an
den deutſchen Börſen ein geſetzgeberiſches Eingreifen
zu deren Abſtellung dringend erheiſcht, hat es das
Kind mit dem Bade ausgeſchüttet und neben einer
Reihe außerordentlich zweckmäßiger, großenteils
die Erhaltung beſtehender Einrichtungen ſanktio⸗
nierender Beſtimmungen auf dem Gebiete des
Börſenterminhandels ſchwere Fehlgriffe begangen
und damit wirtſchaftliche Mißſtände der ſchlimmſten
Art gezeitigt. Alle dieſe Dinge ſind zu bekannt,
als daß an dieſer Stelle näher hierauf eingegangen
werden müßte.
Noch ehe eine Reviſion des Geſetzes aus wirt⸗
ſchaftspolitiſchen Erwägungen eingeleitet wurde, hat
es bereits anläßlich des Inkrafttretens des neuen
HGB. nicht unerhebliche Abaͤnderungen erfahren.
So wurden durch Art. 14 EG. z. HGB. die mit
dem neuen HGB. vom 10. Mai 1897 ſowie mit
dem BGB. nicht im Einklang ſtehenden SS 33,
34, 45, 58, 63 und 69 geändert, (den $ 62 in
dieſe Aenderung miteinzubeziehen wurde überſehen),
und die 88 70—74, welche vom Kommiſſions—
geſchäft handelten, aufgehoben. Dieſe Aenderungen,
waren durch die juriſtiſche Technik geboten. Die
Bank: und Börſenkreiſe verlangten aber die Ab-
änderung der Beſtimmungen über den Börjen-
terminhandel (§§ 68—69 des Geſetzes), welche
durch die Schaffung des Terminregiſters und die
Ermöglichung des Regiſtereinwandes zerſtörend auf
Treu und Glauben eingewirkt, und anſtatt das
ſpekulierende Publikum zurückzuhalten, es nur an
die ausländiſchen Börſen getrieben hatten. Dieſen
durch die ſchlimmen Folgen des Geſetzes gezeitigten
Wünſchen konnte ſich denn auch der Geſetzgeber
nicht entziehen, und am 19. Februar 1904 wurde
dem Reichstag der Entwurf eines Geſetzes, betreffend
die Aenderungen des die Vorſchriften über den
Börſenterminhandel enthaltenden Abſchnittes IV
des Börſengeſetzes, vorgelegt; ungeachtet einer ein⸗
gehenden Kommiſſionsberatung gelangte indeſſen
der Entwurf wegen Schluſſes der Seſſion nicht
mehr an das Plenum. Die Regierung unierbreitete
daher dem Reichstag unterm 28. November 1906
einen neuen Entwurf, welcher wortgetreu den Pe-
ſchlüſſen der Reichstagskommiſſion der vorigen
Seſſion entſprach; die Auflöſung des Reichstags
hinderte die parlamentariſche Erledigung auch dieſer
Vorlage. Ein neuer Entwurf wurde dem Reichs⸗
tag am 22. November 1907 vorgelegt. Er iſt
nach wechſelvollen Schickſalen in der Kommiſſion,
die ihn in zahlreichen Punkten geändert hat, zum
Geſetze geworden. Das Geſetz trägt das Datum
vom 8. Mai 1908 und iſt im Reichsgeſetzblatt
Nr. 24, ausgegeben am 18. Mai ds. Js., ver-
öffentlicht; es tritt ſohin gemäß Artikel 2 der
Reichsverfaſſung am 1. Juni ds. Js. in Kraft.
Schon die Ueberſchrift des Geſetzes iſt bemerkens⸗
wert. Hatten die beiden früheren Entwürfe ledig⸗
lich die Aenderung des IV. Abſchnittes des Börſen⸗
geſetzes (des Kapitels über den Börſenterminhandel)
zum Gegenſtand, ſo lautet das neue Geſetz vom
8. Mai 1908: Geſetz, betreffend Aenderung des
Börſengeſetzes. Die Novelle beſchränkt ſich in
der Tat nicht bloß auf die Aenderungen und Er—
gänzungen der Beſtimmungen über den Börſen—
terminhandel, ſie vereinfacht auch einzelne Beſtim—
mungen über die Zulaſſung von Wertpapieren zum
Börſenhandel, insbeſondere über die Zulaſſung von
Reichs- und Staatsanleihen, von Schuldverſchrei—
bungen, deren Verzinſung und Rückzahlung vom
Reich oder einem Bundesſtaat gewährleiſtet iſt,
und von Schuldverſchreibungen einer kommunalen
Körperſchaft, der Kreditanſtalt einer ſolchen Körper—
ſchaft, einer kommunal-ſtändiſchen Kreditanſtalt oder
einer unter ſtaatlicher Aufſicht ſtehenden Pfand—
briefanſtalt. Immerhin bilden aber den Schwer—
punkt der Novelle die Vorſchriften über den Börſen—
terminhandel, die unter Aufhebung der Vorſchriften
234
des IV. Abſchnittes des Börſengeſetzes vom 22. Juni
1896 eine grundlegende Aenderung des bisherigen
Rechts mit ſich bringen. Ihrer Betrachtung ſeien
die folgenden Zeilen gewidmet.
Das alte Geſetz hatte an die Spitze der Vor⸗
ſchriften über den Börſenterminhandel eine Legal⸗
Definition dieſes Begriffes geſtellt, indem es aus⸗
prach:
„Als Börſentermingeſchäft in Waren oder Wert-
papieren gelten Kauf- oder ſonſtige Anſchaffungs⸗
geſchäfte auf eine beſtimmte Lieferungszeit oder
mit einer feſt beſtimmten Lieferungsfriſt, wenn ſie
nach Geſchäftsbedingungen geſchloſſen werden, die
von dem Börſenvorſtande für den Terminhandel
feſtgeſetzt ſind, und wenn für die an der betreffenden
Börſe geſchloſſenen Geſchäfte ſolcher Art eine amt⸗
liche Feſtſtellung von Terminpreiſen erfolgt.“
Eine ſolche Definition fehlt im neuen Geſetz.
Die Motive verwerfen ausdrücklich dieſe Begriffs⸗
beſtimmung. Sie bemerken, daß ein Börſentermin⸗
handel weder Geſchäftsbedingungen benötige, die
von dem Börſenvorſtande für den Terminhandel
feſtgeſetzt find, noch die amtliche Feſtſtellung von
Terminpreiſen; ja es „ſcheine“ nicht einmal unbe⸗
dingt erforderlich zu ſein, daß die Geſchäfte auf
eine feſt beſtimmte Lieferungszeit oder mit einer
feſt beſtimmten Lieferungsfriſt abgeſchloſſen werden.
Deshalb könnten die früheren Begriffsbeſtimmungen
in die neue Faſſung des Geſetzes nicht wieder auf⸗
genommen werden; aber auch einer neuen Begriffs⸗
beſtimmung ſtünden kaum überwindliche Schwierig⸗
keiten entgegen; die Gerichte hätten es bisher
vermocht, auch ohne geſetzliche Begriffsbeſtimmung
das Weſen des Börſentermingeſchäftes zutreffend
zu erfaſſen, und ſo habe denn der Entwurf nach
dem Vorgang der öſterreichiſchen Geſetzgebung von
einer geſetzlichen Begriffsbeſtimmung des Börſen—
termingeſchäftes gänzlich abgeſehen.
Wir halten dieſes Fehlen einer Begriffs—
beſtimmung des Börſentermingeſchäftes für einen
ſchweren Fehler des Geſetzgebers.) Da mit
dem Abſchluß von Börſentermingeſchäften be—
ſtimmte Wirkungen nicht bloß zivilrechtlicher,
ſondern — was ganz beſonders ins Gewicht
fällt — auch ſtrafrechtlicher Art verknüpft ſind,
ſo hätte ſich der Geſetzgeber der Verpflichtung
nicht entziehen dürfen, in klarer und präziſer Weiſe
die Vorausſetzungen dieſer zivil- und ſtrafrechtlichen
Folgen feſtzuſetzen; und wenn er zugibt, daß die
Gerichte das Weſen des Börſentermingeſchäftes zu—
treffend erfaßt haben, dann hätte er ſich nicht der Auf: |
gabe entſchlagen dürfen, ebenfalls eine Definition
dieſes Geſchäftes zu verſuchen und deſſen geſetzliche
Merkmale aufzuſtellen. Gerade durch das Fehlen
einer Begriffsbeſtimmung wird einer erhöhten Un—
— — —
|
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
ſicherheit und einem Schwanken der Rechtſprechung
Tür und Tor geöffnet. Auch die Gerichte werden
nicht umhin können, zu prüfen, ob ein Geſchäft be⸗
ſtimmte Merkmale trägt, die es als Börſentermin⸗
geſchäft qualifizieren. Das periculum der „definitio
in jure civili“ iſt aber viel größer, wenn dieſe
Definition anſtatt generell durch den Geſetzgeber
im einzelnen Fall durch den Richter erfolgt.
Ueber die Zulaſſung von Waren oder Wert⸗
papieren zum Börſenterminhandel hatten nach
$ 49 des Geſetzes vom 22. Juni 1896 die
Börſenorgane nach näherer Beſtimmung der
Börſenordnung zu entſcheiden. Nun wird zur
Entſcheidung über die Zulaſſung zum Börſen⸗
terminhandel ausdrücklich der Börſenvorſtand für
befugt erklärt (§ 48 des neuen Geſetzes). Anderen
Organen kann die Börſenordnung dieſe Ent⸗
ſcheidung nicht übertragen. Die Zulaſſung von
Wertpapieren zum Börſenterminhandel war
im alten Geſetz davon abhängig gemacht, daß das
Kapital der betreffenden Erwerbsgeſellſchaft 20
Millionen Mark betrug; der Zulaſſungsantrag
konnte ſich auf einen Teil dieſes Betrages be⸗
ſchraͤnken. Das ift im neuen a geändert. Es
geſtattet die Zulaſſung zum Börſenterminhandel
nur dann, wenn die Geſamtſumme der Stücke,
in denen der Börſenterminhandel ſtatt⸗
finden ſoll, ſich nach ihrem Nennwert mindeſtens
auf 20 Millionen Mark beläuft. Das bisherige
Recht hatte den Börſenterminhandel in Anteilen
von Bergwerks- und Fabrikunternehmungen unter:
ſagt. Dieſes Verbot ſchwächt das neue Geſetz
inſoferne ab, als es (in § 61) Börſentermin⸗
geſchäfte in Anteilen von Bergwerks⸗ und Fabrik⸗
unternehmungen mit Genehmigung des
Bundesrates zuläßt, während ſie außerdem
allerdings verboten ſind. Unter Berückſichtigung
dieſer Einſchränkung aber können nunmehr Wert:
papiere jeder Art zum Börſenterminhandel zugelaſſen
werden. Iſt nun hierdurch eine Erweiterung des
Kreiſes der börſenterminhandelfähigen Effekten ge⸗
ſchaffen, ſo trifft das Geſetz doch nach anderer
Richtung hin wieder die dem bisherigen Rechte un⸗
bekannte Beſchränkung, daß Anteile einer inlän:
diſchen Erwerbsgeſellſchaft — gleichgültig ob es
fich um Bergwerks- und Fabrikunternehmungen oder
Transport-, Bankanſtalten ꝛc. handelt — nur mit
Zuſtimmung der Geſellſchaft zum Börjentermin:
handel zugelaſſen werden dürfen, wie ſie denn auch
auf deren Verlangen binnen Jahresfriſt, nachdem
dieſes Verlangen vorgebracht wurde, vom Termin:
handel wieder auszuſchließen ſind. Welches Geſell⸗
ſchaftsorgan die Zuſtimmung zu erteilen hat, be—
ſtimmt der Geſetzgeber nicht. Zuſtändig hierfür
erſcheint der Vorſtand gemäß $ 231 HGB.
Was den Börſenterminhandel in Waren be—
) Im gleichen Sinne ſpricht fih Laband im Bant- trifft, fo hat ſchon das alte Geſetz den Börjen-
archiv VII S. 88 und Düringer ebendaſ. S. 113,
ferner Heinemann in Holdheims Monatsſchrift XVII
S. 36 ff. aus, A. A. Bernſtein in Goldſchmitts
Zeitſchr. XLII S. 149.
|
|
terminhandel in Getreide und Mühlfabrikaten ver-
boten (S 50 Ab}. 3). Durch Beſchluß des Bundes:
rats wurde laut Bekanntmachung des Reichskanzlers
—
i Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
235
vom 20. April 1899 auch der Terminhandel in ſcheidet zwiſchen verbotenen und nicht verbotenen
Kammzug unterſagt. Das neue Recht verbietet gleich:
falls den Terminhandel in Getreide und Erzeug⸗
niſſen der Getreidemüllerei. Der Ausdruck „Getreide⸗
müllerei“ gibt den Willen des Geſetzgebers präziſer
wieder, als das alte Geſetz, indem z. B. die Er⸗
zeugniſſe von Oelmühlen nicht dem Terminhandels⸗
verbot unterliegen ſollen. Das unter der Herrſchaft
des früheren Rechts erlaſſene bundesrätliche Verbot
des Terminhandels in Kammzug behält ſeine Gel⸗
tung fort. Der Börſenterminhandel in den vor⸗
ſtehend nicht genannten Waren unterliegt keinem
geſetzlichen Verbote.
Wie ſchon nach bisherigem Rechte kann der
Bundesrat auch fernerhin Börſentermingeſchäfte
in beſtimmten Waren und Wertpapieren verbieten
oder die Zuläſſigkeit von Bedingungen abhängig
machen.
Die einſchneidendſten Aenderungen hat die No-
velle an denjenigen Beſtimmungen vorgenommen,
welche die Fähigkeit zum Abſchluß von Börſen⸗
termingeſchäften betreffen. Schon das bisherige Recht
hatte zwiſchen verbotenen und nicht verbotenen
Börſentermingeſchäften unterſchieden. Verbotene
Börſentermingeſchäfte — d. h. ſolche, welche durch
Geſetz oder Anordnung des Bundesrats verboten
waren (S 50 des alten Geſetzes) — waren von
Anfang an nichtig. In dieſem Sinne hat ſich
auch das Reichsgericht — u. E. in durchaus zu:
treffender Weiſe — wiederholt, beiſpielsweiſe in
der Entſcheidung Band 47 S. 110, ausgeſprochen,
und es iſt auffallend, daß die Motive zur Novelle
(S. 22 des Entwurfs) die Berechtigung dieſes
Standpunktes Bedenken unterziehen. Das auf
Grund derartiger nichtiger Geſchäfte Geleiſtete
konnte zurückgefordert werden. § 66 Abſ. IV des
alten Geſetzes fand hierauf keine Anwendung
(RG. 55 S. 183 ff.). Anders mit den nicht ver⸗
botenen Börſentermingeſchäften; ihre Rechtswirk—
ſamkeit hing — abgeſehen von den Ausnahmen
des § 68 — davon ab, daß beide Parteien zur
Zeit des Geſchäftsabſchluſſes in ein Börſenregiſter
eingetragen waren (§ 66 Abſ. 1 des alten Geſetzes).
War dieſe Vorausſetzung nicht gegeben, ſo war
das Geſchäft unwirkſam; die Unwirkſamkeit er—
ſtreckte ſich auch auf die geleiſtete Sicherheit —
die zurückgefordert werden konnte — und die ab—
gegebenen Schuldanerkenntniſſe. Auch die Er—
teilung und Uebernahme von Aufträgen, ſowie
eine Vereinigung zum Abſchluß von Börfentermin:
geihäften waren unwirkſam, wenn nicht beide
Parteien bei Erteilung und Uebernahme des Auf—
trags oder bei Eingehung der Vereinigung ins
Börſenregiſter eingetragen waren. Jedoch konnte
das bei oder nach völliger Abwickelung
des Geſchäftes zu ſeiner Erfüllung Geleiſtete nicht
zurückgefordert werden ($ 66 Abſ. 2 und 4 des
alten Geſetzes).
Auch die Novelle vom 8. Mai 1908 unter:
Börſentermingeſchäften. Sie hat aber das Börſen⸗
regiſter beſeitigt und kann daher die Rechtswirk⸗
ſamkeit der nicht verbotenen Börfentermingeſchäfte
nicht mehr von der Eintragung der Vertragsteile
in dieſes Regiſter abhängig machen, ſtellt vielmehr
gewiſſe perſönliche Eigenſchaften als Vorausſetzung
der Börſentermingeſchäftsfähigkeit auf. Konnte
nach dem ſrüheren Rechte jedermann in das
Börſenregiſter ſich eintragen laſſen, ſoweit nicht
ſeine Handlungsfähigkeit beſchränkt war, und ſomit
die Fähigkeit zum Abſchluß von Börſentermin⸗
geſchäften erwerben, jo iſt nunmehr der Kreis
der börſentermingeſchäftsfähigen Per:
ſonen eingeſchränkt. Denn diejenigen Per⸗
ſonen, welche die vom Geſetz verlangten Eigen⸗
ſchaften nicht beſitzen, können ſie auch nicht durch
einen freiwilligen Rechtsakt erwerben. Nach dem
neuen Rechte ($ 51 der Novelle) iſt das Geſchäft
verbindlich, wenn auf beiden Seiten als Vertrag:
ſchließende Kaufleute, die in das Handelsregiſter
eingetragen ſind, oder deren Eintragung nach
S 36 HGB. nicht erforderlich ift, oder endlich
eingetragene Genoſſenſchaften beteiligt ſind. Per⸗
ſonen, deren Gewerbebetrieb über den Umfang des
Kleingewerbes nicht hinausgeht, gehören, auch wenn
ſie in das Handelsregiſter eingetragen ſind, nicht
zu den Kaufleuten im Sinne dieſer Vorſchrift.
Den vorbezeichneten Kaufleuten ſtehen gleich:
1. Perſonen, die zur Zeit des Geſchäftsabſchluſſes
oder früher berufsmäßig Börſentermingeſchaͤfte
oder Bankiergeſchäfte betrieben haben oder zum
Beſuch einer den Handel mit Waren der bei
dem Geſchäft in Frage kommenden Art oder
einer dem Handel mit Wertpapieren dienenden
Börſe mit der Befugnis zur Teilnahme am
Börſenhandel dauernd zugelaſſen waren;
2. Perſonen, die im Inlande zur Zeit des Ge—
ſchäftsabſchluſſes weder einen Wohnſitz noch eine
gewerbliche Niederlaſſung haben.
Wenn die angegebenen Vorausſetzungen auf
Seite eines der Vertragſchließenden fehlen, iſt das
Geſchäft rechtsunwirkſam. Die Rechtsunwirkſamkeit
iſt aber keine vollſtändige, ſie iſt vielmehr nach
folgenden Richtungen eingeſchränkt:
1. Zunächſt ift die Beſtellung einer Sicher-
heit für das an und für fih unwirkſame Börſen⸗
termingeſchäft unter gewiſſen Vorausſetzungen rechts—
wirkſam. Das frühere Recht hatte die Sicherheits—
beſtellung, ſoweit das Hauptgeſchäft mangels Ein—
tragung der Vertragsteile im Börſenregiſter un—
wirkſam war, für unwirkſam erklärt ($ 66 Abſ. 3),
und infolgedeſſen konnte die beſtellte Sicherheit
zurückgefordert werden. Die Novelle erkennt die
Beſtellung einer Sicherheit für rechtswirkſam unter
folgenden Vorausſetzungen an:
a) wenn es ſich um ein Börſentermingeſchäft
236
in Wertpapieren handelt — alſo nicht bei
Börſentermingeſchäften in Waren,
b) wenn derjenige, dem die Sicherheit beſtellt
wurde, ein Kaufmann oder eine eingetragene Ge:
noſſenſchaft iſt,
c) wenn die Sicherheitsleiſtung in Geld oder
Wertpapieren beſteht, die einen Kurswert haben,
d) wenn der Beſteller dem andern Teile ſchrift⸗
lich und ausdrücklich erklärt hat, daß die Sicher—
heit zur Deckung von Verluſten aus Börſentermin—
geſchäften dienen ſoll.
Die ſchriftliche Erklärung ſelbſt iſt aber wiederum
nur dann gültig, wenn fie lediglich die vor:
ſtehend erwähnte Erklärung enthält (andere Zuſätze
machen ſie unwirkſam) und in dem Falle, daß die
Sicherheit in Wertpapieren beſteht, letztere nach
Gattung und Zahl angibt.
Woferne nicht dieſe ſämtlichen Vorausſetzungen
erfüllt ſind, iſt die beſtellte Sicherheit unwirkſam.
Unwirkſam iſt alſo beiſpielsweiſe eine durch Hypo⸗
thekbeſtellung oder Bürgſchaft gewährte Sicherheit,
des weitern ein mündliches Sicherheitsverſprechen,
ebenſo ein ſchriftliches Verſprechen, welches nicht
den oben angegebenen Inhalt oder außerdem noch
weitere Zuſätze enthält. Dem aus den Kreiſen
des Handels nachdrücklich vertretenen Wunſche, das
Schuldanerkenntnis aus einem Börſentermingeſchäft
für wirkſam zu erklären, hat der Geſetzgeber nicht
entſprochen. Iſt die Sicherheit in rechtswirkſamer
Weiſe beſtellt, ſo kann der andere Teil aus ihr
Befriedigung ſuchen; über den Betrag der Sicher—
heit hinaus aber kann er von deren Beſteller aus
dem Geſchäfte nichts fordern. Dagegen iſt für
ihn ſelbſt das Geſchäft feinem vollem Um:
fange nach verbindlich. Er müßte alſo, wenn
die Spekulation zu ſeinen Ungunſten abſchließt, ſeiner
Leiſtungsverpflichtung voll und ganz nachkommen.
2. Außerordentlich wichtig iſt die Beſtimmung
des § 53, wonach das auf Grund des Geſchäftes
Geleiſtete nicht deshalb zurückgefordert werden kann,
weil nach Maßgabe des Börſengeſetzes für den
Leiſtenden eine Verpflichtung nicht beſtanden hat
(ſelbſtverſtändlich iſt Rückforderung aus anderen
Gründen, z. B. wegen Zwangs, Irrtums, Be—
trugs ꝛc. zuläſſig). Damit iſt den gröbſten Ver—
letzungen des kaufmänniſchen Anſtandes, der Rück—
forderung des bereits auf Grund des Geſchäftes
Bezahlten, und auch den im Hinblick auf § 66
Abſ. 4 des alten Geſetzes entſtandenen zahlloſen
Streitigkeiten darüber, ob eine beſtimmte Leiſtung
bei oder nach völliger Abwickelung des
Geſchäftes erfolgt iſt, der Boden entzogen.
3. Die Unwirkſamkeit des Börſenterminge—
ſchäftes hindert zufolge $ 54 nicht, daß die daraus
reſultierende Forderung zur Aufrechnung gegen die
Forderung aus einem rechtswirkſamen Börſentermin—
geſchäfte verwendet wird. (Gegen andere Forde—
rungen können die aus einem rechtsunwirkſamen
Zeitſchrift ft für Rechtspflege ii in Bayern. 1908.
Nr. 12.
Börſentermingeſchäfte entſtandenen Forderungen
nicht aufgerechnet werden). Durch den § 54 toll
verhütet werden, daß derjenige, welcher aus einem
rechtswirkſamen Börſentermingeſchäfte etwas zu
fordern hat, während er aus einem rechtsunwirk⸗
ſamen etwas ſchuldig geworden iſt, einfach das
Geld aus dem rechtswirkſamen Geſchäfte einſtreicht,
von feiner Verbindlichkeit aus dem rechtsunwirk—
ſamen Geſchäfte aber ſich losſchraubt.
4. Endlich gilt gemäß $ 55 der Novelle ein
nicht verbotenes Börſentermingeſchäft von Anfang
an als verbindlich, und zwar für beide Teile, wenn
der eine Teil bei oder nach dem Eintritt der
Fälligkeit ſich dem andern Teil gegenüber mit
der Bewirkung der vereinbarten Leiſtung etnver:
ſtanden erklärt und der andere Teil dieſe Leiſtung
an ihn bewirkt hat. Hat z. B. der eine Teil die
den Gegenſtand des Geſchäftes bildende Ware mit
Zuſtimmung des anderen Teils an dieſen geliefert
(welchenfalls ihm gemäß § 53 ein Rückforderungs—
recht nicht mehr zuſteht), ſo muß der andere Teil
auch den hierfür geſchuldeten Preis bezahlen.
Gegen Anſprüche aus Börſentermingeſchäften
kann von demjenigen, für welchen das Geſchäft nach
Maßgabe des Börſengeſetzes verbindlich iſt, der
Spiel- und Differenzeinwand der SS 762 und
764 BGB. nicht erhoben werden ($ 56 der Vo:
velle). Die Rechtswirkſamkeit einer Vereinbarung.
durch die der eine Teil zum Zwecke der Er—
füllung einer Schuld aus einem nicht verbotenen
Börſentermingeſchäft dem anderen Teil gegenüber
eine Verbindlichkeit eingeht, alſo insbeſondere
eines Schuldbekenntniſſes, ebenſo die Rechtswirk—
ſamkeit der Erteilung und Uebernahme von Auf—
trägen, ſowie der Vereinigung zum Zwecke des
Abſchluſſes von nicht verbotenen Börjentermin:
geſchäften hängt von den gleichen Vorausſetzungen
ab, wie die Rechtswirkſamkeit des Abſchluſſes 5
Börſentermingeſchäften überhaupt (vgl. die SS
und 58 der Novelle). Keinen Unterſchied a
begründet es, ob das Geſchäft im Inland oder
Ausland geſchloſſen wurde oder zu erfüllen ift (§ 69).
Der Vollſtändigkeit halber ſei erwähnt, daß auch
die SS 6 und 28 des Geſetzes, in welchen auf die
bisherigen Vorſchriften über den Börjentermin:
handel Bezug genommen iſt, eine entſprechende
Aenderung erfahren mußten.
Soweit die nicht verbotenen Börſentermin—
geſchäfte. Bei verbotenen Börſentermingeſchäften
(ſ. oben S. 235) äußert ſich die Nichtigkeit des
Geſchäftes in umfaſſenderer Weiſe. Zunächſt er—
ſtreckt ſich die Unwirkſamkeit dieſer Geſchäfte auch
auf die Beſtellung einer Sicherheit; letztere kann
daher, auch wenn ſie in Geld oder Wertpapieren
beſteht, zurückgefordert werden. Dagegen kann auch
bei dieſen Geſchäften, ſoweit nicht ein Börjen-
termingeihäft in Getreide und Erzeug:
niſſen der Getreidemüllerei in Frage
ſteht, im Gegenſatz zu dem bisherigen Börjen:
— — —
rechte das auf Grund des Geſchäftes Geleiſtete
nicht deshalb zurückgefordert werden, weil das |
Geſchäft nach den Beſtimmungen des Börſengeſetzes
unwirkſam iſt. Bei einem Börſentermingeſchäfte
in Getreide oder Erzeugniſſen der Getreidemüllerei
kann das Gezahlte innerhalb zweier Jahre ſeit
Bewirkung der Leiſtung zurückgefordert werden.
Das Rückforderungsrecht erliſcht nach dieſer Zeit,
wenn nicht etwa der Rückforderungsberechtigte vor |
dem Ablauf der Friſt dem andern Teil erklärt |
hat, daß er die Herausgabe verlangt ($ 64 Abſ. 2). |
Den gleichen Vorſchriften wie ein verbotenes Diſfe.
termingeſchäft unterliegt auch das reine Dif
renzgeſchäft in Getreide und Erzeugniſſen 5
Getreidemüllerei, ſelbſt wenn es nicht in den
Formen des verbotenen Börſentermingeſchäftes ab-
geſchloſſen wird (§ 66 BG.). Die Anwendung
der SS 762, 764 BGB. auf derartige Geſchäfte
wird vom Geſetze ausdrücklich ausgeſchloſſen. Ob
derartige reine Differenzgeſchäfte in der Praxis
überhaupt oder in nennenswertem Umfange vor:
kommen, darf füglich bezweifelt werden.
Endlich trifft das Geſetz im Intereſſe des
legitimen Zeitgeſchäſtes die Beſtimmung, daß der
Kauf und die ſonſtige Anſchaffung von Getreide
und Erzeugniſſen der Getreidemüllerei dann nicht
als ein verbotenes Börſentermingeſchäft zu gelten
haben, wenn der Abſchluß nach Geſchäftsbedingungen
erfolgt, die der Bundesrat genehmigt hat, und
als Vertragſchließende nur beteiligt ſind:
1. Erzeuger oder Verarbeiter von Waren der—
ſelben Art, wie die, welche den Gegenſtand
des Geſchäftes bilden, oder
2. ſolche Kaufleute oder eingetragene Genoſſen—
ſchaften, zu deren Geſchäftsbetrieb der Ankauf,
der Verkauf oder die Beleihung von Getreide
oder Erzeugniſſen der Getreidemüllerei gehört.
In den Geſchäftsbedingungen muß, wie dies
ſchon heute der ſogenannte Berliner Schlußſchein
vorſieht,
1. dem ſäumigen Vertragsteile eine angemeſſene
Nachfriſt gewährt,
2. die Lieferbarkeit
geſprochen und
3. innerhalb beſtimmter Grenzen Oualitäts—
differenzen unter Berückſichtigung eines Mindeſt—
werts zugelaſſen werden ($ 65).
Vereinbarungen zum Zwecke der Erfüllung
einer Schuld aus einem verbotenen Börſentermin—
geſchäfte oder einem reinen Differenzgeſchaft in
Getreide oder Erzeugniſſen der Getreidemüllerei
($ 66), desgleichen Schuldanerkenntniſſe bezüglich
ſolcher Geſchäfte ſind nichtig. Ebenſo nichtig ſind
die Erteilung und Uebernahme von Aufträgen,
ſowie die Vereinigung zum Zwecke des Abſchluſſes
von verbotenen Börſentermingeſchäften und reinen
Differenzgeſchäſten in Getreide und Erzeugniſſen der
Getreidemüllerei. (58 67 und 68). |
durch Sachverſtändige aus:
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
237
Um dem Verbote des Abſchluſſes von Börſen⸗
termingeſchäften in Getreide oder Erzeugniſſen der
Getreidemüllerei größeren Nachdruck zu verleihen,
belegt das Geſetz denjenigen, welcher ein ſolches
Börſentermingeſchäft abſchließt, mit einer Ord⸗
nungsſtrafe bis zu 10 000 M. Für die Ver:
handlung und Feſtſetzung von Ordnungsſtrafen
werden durch die Landesregierungen bei den Börſen,
welche dem Handel mit Getreide oder Erzeugniſſen
der Getreidemüllerei dienen, beſondere Kommiſſionen
gebildet. Ein eigener Abſchnitt IV a, umfaſſend
die 88 69—74 l, regelt dieſes Ordnungsſtraf⸗
verfahren. Der gewerbsmäßige Abſchluß von ver⸗
botenen Börſentermingeſchäften in Getreide und
Erzeugniſſen der Getreidemüllerei wird in 77 a
und, wenn der Abſchluß derartiger Geſchäfte
in gewinnſüchtiger Abſicht zur Beeinfluſſung der
Preiſe von Getreide und Erzeugniſſen der Ge:
treidemüllerei erfolgte, in § 77 b mit Gefängnis
und Geldſtrafe bis zu 10 000 M beſtraft.
Der Novelle iſt, ſoweit es ſich um deren Be⸗
ſtimmungen über den Ausſchluß des Rückforde⸗
rungsrechts, die Zuläſſigkeit der Aufrechnung, die
Wirkung einer Sicherheitsleiſtung und die Folgen
der Bewirkung der vereinbarten Leiſtung handelt,
rückwirkende Kraft beigelegt (Art. V Abſ. 1 der
Novelle); wenn jedoch ein Anſpruch aus einem
vor dem Inkrafttreten der Novelle abgeſchloſſenen
Geſchäft zur Zeit des Inkrafttretens bereits rechts⸗
anhängig iſt, ſo bleibt für ihn das bisherige Recht
maßgebend. (Art. V Abſ. 2 der Novelle).
Zu begrüßen iſt es auch, daß in Art. VI der
Novelle dem Reichskanzler die Ermächtigung ein⸗
geräumt iſt, den Text des Börſengeſetzes, wie er
ſich unter Berückſichtigung der inzwiſchen ein—
getretenen Aenderungen der Geſetzgebung ergibt,
unter fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen
und Abſchnitte durch das Reichsgeſetzblatt bekannt
zu machen, was hoffentlich recht bald geſchehen wird.
Und nun muß es ſich zeigen, ob das unter
ſo ſchweren Kämpfen und nach ſo harter Arbeit
geſchaffene Geſetz vom 8. Mai 1908 auch ſeinen
Zweck erfüllt und die Erwartungen, die an ſeinen
Erlaß geknüpft ſind, nicht täuſcht. Nichts wäre
unangebrachter, als heute ſchon über die voraus:
ſichtlichen Wirkungen des Geſetzes in Vermutungen
ſich zu ergehen. Jedenfalls aber darf man der
Genugtuung darüber Ausdruck verleihen, daß
wenigſtens ein Teil der Feſſeln, die das frühere
Geſetz dem legitimen Börſengeſchäft auferlegt
hat, beſeitigt und den gröbſten Verſtößen gegen
die geſchäftliche Moral, die unter dem alten
Geſetz möglich waren, ein wirkſamer Riegel vor—
geſchoben iſt.
238
Virkungen einheitlicher Verbrechen im traf-
recht und Etrafprozeß.)
Von Dr. Friedrich Doerr, Amtsrichter und Privatdozent
in München.
Dauerverbrechen, fortgeſetztes, zuſammengeſetztes
und Kollektivdelikt find einheitliche Verbrechen, die
trotz Mehrheit von Einzeltätigkeiten ihre Einheit
bewahren und im materiellen Strafrecht wie im
Prozeß insbeſondere für die Rechtsanwendung be⸗
deutſame Wirkungen äußern, deren Begründung
nur in jener Einheit zu fuchen iſt.
In materiellrechtlicher Beziehung folgt
aus der Verbrechenseinheit zunächſt die einheit-
liche Strafe. Mildernde Umſtände können
nicht bei einem Teil der Einzelakte einheitlichen
Verbrechens bejaht und teils verneint werden.
Für die Frage, ob mildernde Umſtände bezüglich
einer und derſelben Straftat anzunehmen ſind,
ift nur die Möglichkeit einheitlicher Löſung vor:
handen.
Sft ein Teil eines Einheitsdelikts unter ſchuld—
oder ſtrafausſchließenden Umſtänden verübt, ſo
bleibt er bei der Beſtrafung außer Betracht. Daß
deswegen nicht die ganze Tat gemäß 88 51 ff.,
11 f., 193 StGB. ſtraflos fei, ift ſelbſtverſtändlich.
Jedes Delikt iſt im Rechtsſinn überall da
begangen, wo das äußere (unmittelbare oder
mittelbare) ſtrafrechtlich relevante Handeln ſtatt—
fand, das mehraktige Delikt alſo überall, wo die
das Einheitsverbrechen bildenden Einzelakte vor—
genommen oder ausgeführt wurden, das Unter—
laſſungsverbrechen, wo die gebotenen Einzelhand—
lungen geſchehen mußten.
Die Frage nach dem Begehungsort der
Teilnahme handlungen am Einheitsver—
brechen beeinfluſſen in der Hauptſache zwei ver-
ſchiedene Meinungen:
Iſt man der Anſicht, daß Mittäter, Anſtifter
oder Gehilfe nur an dem Ort ihrer perſönlichen
Tätigkeit die Handlung begehen, ſo iſt hierfür
der Begehungsort anderweitiger Mittäterſchaft
oder der der Haupttat gleichgültig, und bei mehr—
aktiger Teilnahme kommen die Begehungsorte der
einzelnen Teilnahmehandlungen in Frage.
Nimmt man aber an, daß der Mittäter, da
er die Verantwortlichkeit für das geſamte Tun
aller Mittäter trage, an jedem Ort der Tätigkeit
ſämtlicher Mittäter handle und daß die Teilnahme
(Anſtiftung, Beihilfe) ſowohl am Ort der An—
ſtiftungs- oder Beihilfetätigkeit als vermöge ihrer
akzeſſoriſchen Natur am Orte der Haupttat be—
gangen werde, dann iſt für den Mittäter bei dem
mehraktigen Einheitsverbrechen jeder Ort einer
jeden Einzelhandlung eines Mittäters und für
S. 1
ä Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
1) Vgl. Doerr, Das fortgeſetzte Delikt, Stuttg. 1908,
83 ff.
den Teilnehmer ſowohl jeder Ort ſeiner perſön⸗
lichen Tätigkeit wie jeder Ort, an dem die Einzel⸗
akte der Haupttat ſich abgeſpielt haben, Be⸗
gehungsort.
Der Begehungsort gilt gleichmäßig für das
materielle wie für das Prozeßrecht und iſt be:
ſonders wichtig für die örtliche Zuſtändigkeit
der Gerichte (StPO. § 7) und das inter:
nationale Recht (StGB. 85 Z ff.).
Der Gerichtsſtand für das ganze Verbrechen
iſt hiernach bei jedem ſachlich zuſtändigen Gericht
begründet, in deſſen Bezirk, wenn auch nur ein
Akt, ein Teil des Verbrechens begangen iſt.
Wenn die Einzelakte teils im Ausland, teils
im Inland begangen, dort aber ſtraflos ſind,
fallen die im Auslande begangenen Handlungen
— abgeſehen von den Fällen des § 4 Abſ. 2
Z. 1, 2 StGB., § 12 Dynamit. und ähnlichen
Ausnahmen — für die Beurteilung weg. Im
übrigen kann der inländiſche Richter — und zwar
gegen einen Deutſchen ſtets — das ganze Ver—
brechen mit den im Ausland begangenen Akten
zur Aburteilung bringen.
Für die Zeit der Begangenſchaft
müſſen die gleichen Grundſätze maßgebend ſein,
wie für den Ort der Begehung. Das Einheits⸗
verbrechen iſt danach in jedem Zeitpunkt begangen,
wo eine (nicht bloß die letzte) der Ausführungs⸗
handlungen ſtattfand.
Hieraus ſowie aus der Natur des Einheits—
delikts, die nur eine Strafe und die Anwendung
eines Geſetzes, nicht zwecks Straffeſtſetzung die
Zerlegung des Delikts in ſeine Beſtandteile und
deren Beſtrafung nach verſchiedenen Geſetzen zu—
läßt, darf aber nicht ohne weiteres gefolgert
werden, daß bei einem Wechſel der Ge—
ſetze das Verbrechen in ſeiner Geſamtheit ſtets
dem mildeſten Geſetze zu unterwerfen fei, unter
deſſen Herrſchaft eine der dem Delikt entſprechen⸗
den Tätigkeiten fiel. Dies folgt weder aus § 2
Abſ. 2 StGB. (der nur darauf zu beziehen ift, daß
nach Begehung der Handlung und vor der Ab—
urteilung das Geſetz geändert wird, nicht auf den Fall,
daß während der Tätigkeit das Geſetz wechſelt),
noch aus allgemeinen ſtrafrechtl. Grundſätzen. Wir
müſſen vielmehr mangels anderweitiger geſetzlicher
Regelung unterſcheiden:
1. Wenn das neuere Geſetz während eines ein—
heitlichen Handelns eine bisher ſtrafloſe Hand—
lung mit Strafe bedroht, ſo bleiben die vor dem
Geſetzeswechſel begangenen Teilakte außer Anſatz
und beginnt die ſtrafbare Handlung erſt mit dem
Inkrafttreten des neuen Geſetzes.
Ebenſo wäre zu entſcheiden, wenn der Täter
die ſtrafbare Handlung teils vor, teils nach dem
vollendeten 12. Lebensjahr begangen.
2. Wenn umgekehrt das neue Geſetz die Strafe
für ein bislang ſtrafbedrohtes Delikt aufhebt, fo
können nunmehr die früher begangenen Teilhand⸗
lungen ebenſowenig beſtraft werden, wie eine
einzelne vorher ſtrafbedrohte Handlung aus früherer
Zeit nach Aufhebung der Strafdrohung noch
den Gegenſtand einer Beſtrafung bildet.
3. Bedroht das neue Geſetz eine früher ſchwerer
geahndete Handlung mit leichterer Strafe, ſo iſt
das neuere, mildere Geſetz, welches das frühere
für zu ſchwer hält und daher außer Kraft ſetzt,
anzuwenden.
4. Setzt aber das neue Geſetz auf eine zuvor
leichter ſtrafbare Handlung eine ſchwerere Strafe,
ſo beſteht keine Veranlaſſung (auch nicht auf Grund
des § 2 Abſ. 2), ein außer Kraft getretenes Geſetz bloß
deshalb, weil es milder iſt, anzuwenden, ſondern
es hat nur das neue Geſetz, unter deſſen Herr⸗
ſchaft das einheitliche Verbrechen ja auch noch be⸗
gangen iſt, in Anwendung zu kommen. Im übrigen
kann der Wechſel der Strafdrohungen beim fon-
kreten Strafausmaß gebührende Würdigung finden.
Fällt ein Teil des Einheitsdelikts in die Zeit
vor, ein anderer nach Vollendung des 18.
Lebensjahres des Täters und wird hinſichtlich der
erſteren Zeit beim Täter die zur Erkenntnis der
Strafbarkeit erforderliche Einſicht angenommen,
to it $ 57 StGB. nicht zu berückſichtigen, ſon⸗
dern auf die volle Strafe zu erkennen, wobei das
Alter in der Feſtſetzung der Strafe in concreto
berückſichtigt werden mag. Fehlte aber in Ans
ſehung der vor vollendetem 18. Lebensjahr be:
gangenen Akte die Strafbarkeitseinſicht, ſo bleiben
ſie (wie unter Ziff. 1) außer Betracht.
Der Verbrechens-Einheit entſprechend kann
die Verjährung der Strafverfolgung auch nur
einheitlich ſein: Nicht die mehreren unſelbſtändigen
Teile eines Verbrechens verjähren einzeln und
ſelbſtändig, ſondern das einheitliche Delikt kann
nur als Ganzes, nicht ſtückweiſe, verjähren.
Die Verjährungsfriſt beginnt bei allen Ber-
brechen nicht mit dem Anfang einer Tätigkeit,
alſo mit dem erſten Akt, ſondern erſt „mit“ dem
in die Friſt einzurechnenden Tage ihres Ab—
ſchluſſes, der Vollendung des zeitlich letzten Akts,
mit dem das Verbrechen ſelbſt noch „begangen“
wird, ſo daß es erſt mit deſſen Beendigung voll—
ſtändig „begangen ift” (StGB. § 67 Abſ. 4).
Beim fortgeſetzten Unterlaſſungsdelikt beginnt
die Verjährung wie beim Dauerdelikt durch Unter—
laſſung, ſobald die Verpflichtung, zu handeln,
aufhört.
Beſondere Beſtimmungen hinſichtlich der Ver—
jährung enthält außer $ 17 WStempG. vom
10. Juni 1869 und $ 121 SeemO. vom 2. Juni
1902 das Urheberrechts. vom 19. Juni 1901:
Nach 8 50 beginnt die Verjährungsfriſt bei
Nachdruck mit dem Tage, an welchem die Ver—
breitung zuerſt ſtattgefunden, bei widerrecht-⸗
licher Verbreitung, Aufführung, widerrechtlichem
Vortrag nach $ 51 mit dem Tage, an dem die
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
239
widerrechtliche Handlung zuletzt ſtattgefunden hat.
Im erſteren Falle kommt es alſo für den Be⸗
ginn der Verjährung auf ſpätere, wenn auch in
einheitlichem Tun begangene Handlungen nicht an,
im letzteren iſt die Annahme einheitlicher Hand⸗
lung fur die Frage der Verjährung überflüſſig.
In ähnlicher Weiſe wird die Verjährung im RG.
| vom 9. Januar 1907, betr. das Urheberrecht an
Werken der bildenden Künſte und der Photo-
graphie, geregelt: Die Verjährung wegen Ver⸗
vielfältigung beginnt mit dem Tage, an wel⸗
chem dieſe vollendet iſt, wegen der zwecks Ver⸗
breitung bewirkten Vervielfaͤltigung erft mit dem
Tag, an welchem eine Verbreitung ſtattgefunden
($ 47 Abſ. 2), wegen Verbreitung oder Bor:
führung mit dem Tag, an welchem die wider⸗
rechtliche Handlung zuletzt ſtattgefunden hat, ($ 48
Nof. 2) und wegen Unterlaſſung der Quellenan⸗
gabe mit dem Tage der erſten Verbreitung (§ 49).
Die Verjährung der Strafverfolgung wegen
des ganzen Einheitsverbrechens wird gemäß 8 68
StGB. durch eine auch nur auf eine Teilhandlung
oder ein hiermit begrifflich zuſammenhängendes
Delikt ſich beziehende richterliche Handlung unter⸗
brochen.
Wie die Verjährungsfriſt kann die Antrags⸗
friſt bei einheitlichen Verbrechen nur eine ein-
heitliche ſein.
Die Antragsfriſt beginnt nach 8 61 StGB.
mit dem Tage, ſeit welchem der Antragsberechtigte
von der Handlung — beim mehraktigen Ver—
brechen alſo von der Geſamtheit der Einzelhand—
lungen, insbeſondere von dem noch einen Teil des
Verbrechens bildenden letzten Akte — und von
der Perſon des Täters Kenutnis gehabt hat, ohne
Rückſicht darauf, ob er von früheren Einzelakten
auch ſchon früher Kenntnis erlangt hatte.
Wenn ein einzelner Akt eines einheitlichen Ver⸗
brechens zugleich Beſtandteil der Ausführung eines
andern Delikts iſt, z. B. ein Akt fortgeſetzter oder
gewerbsmäßiger Unzucht, zugleich das Delikt der
Blutſchande oder ein ſolches nach $ 176 Ziff. 3
enthält, ſteht die ganze Unzucht mit dem Delikt
des § 173 bzw. 176° in Idealkonkurrenz:
Idealkonkurrenz mit einem Teile eines Verbrechens
iſt Idealkonkurrenz mit dem ganzen Verbrechen.
Wenn ein weiterer Akt des fortgeſetzten oder
Kollektiv-Verbrechens, der fortgeſetzten oder gewerb3-
mäßigen Unzucht, ein drittes Delikt darſtellt, z. B.
groben Unfug, Ehebruch oder Beleidigung, ſtehen
dieſe Delikte ſämtlich untereinander in Ideal—
konkurrenz — einerlei, ob das fortgeſetzte oder
Kollektiv-Verbrechen, mit deſſen Einzelakten ver—
ſchiedene andere Delikte konkurrieren, das ſchwerſte
iſt oder nicht.
| Die im geltenden Strafrecht anerkannte akzeſ—
ſoriſche Natur der Teilnahme macht ſich beim
einheitlichen Verbrechen beſonders geltend, indem
die Grundſätze über deſſen einheitliche Behandlung
240
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
trotz Mehrheit von Tätigkeiten ſowohl für die Be⸗
urteilung des Verhältniſſes zwiſchen dem Täter
eines Einheitsdelikts und den Teilnehmern als für
diejenige mehrerer Teilnahmehandlungen unter⸗
einander in Anwendung kommen.
Zufolge der akzeſſoriſchen Natur der Teilnahme
richtet ſich die Qualifikation der Tat des Teil⸗
nehmers nach der Qualifikation der Haupttat und
bilden beiſpielsweiſe ſukzeſſive Beihilfeleiſtungen zu
einer Mehrheit von Fortſetzungsakten nur ein ein⸗
heitliches Reat.
Daß Teilnahme an einem Einzelakt, dem Teile
eines Ganzen, ſtets Teilnahme an dem einheit⸗
lichen, nicht zerreißbaren Verbrechen ift, folgt un:
mittelbar aus der Natur der Verbrechenseinheit.
Dadurch werden aber die Grundſätze über die
Behandlung des Exzeſſes des Haupttäters nicht
berührt und bei vernünftiger Strafanwendung im
konkreten Fall beſondere Härten für den Teilnehmer
kaum fühlbar. Denn dieſer muß nach SS 48
Abſ. 2, 49 StGB. „wiſſentlich“ gehandelt und
alle weſentlichen, die Strafbarkeit bzw. erhöhte
Strafbarkeit begründenden Tatumſtände gekannt
haben, ſonſt find fie ihm nach § 59 StGB. nicht
zuzurechnen.
Wenn auch die Mittäterſchaft — ſtrenge
genommen — keine Form der Teilnahme, der
(unſelbſtändigen) Beteiligung an fremdem Tun,
iſt, ſo ſind hier doch keine anderen Geſichtspunkte
maßgebend wie für Anſtiftung und Beihilfe. Wenn
mehrere ein einheitliches Verbrechen gemeinſchaft⸗
lich ausführen, ſei es, daß ſie bei allen oder einigen
Einzelakten zuſammen mitwirken oder daß der
eine oder andere von ihnen nur bei einem Akte
mitwirkt oder daß fie die Ausführung der ein—
zelnen Akte anderswie unter ſich verteilen, ſo iſt
gemäß § 47 StGB. jeder Täter der ganzen ftraf:
baren Handlung, deren Zerlegung in ihre unſelb—
ſtändigen Teile auch hier nicht ſtatthaft iſt.
Die Verfolgungsverjährung beginnt hingegen
für jeden einzelnen Mittäter je mit deſſen letztem
Tätigkeitsakt, nicht etwa für ſämtliche Mittäter
mit dem Abſchluß der Tätigkeit des zuletzt Han-
delnden.
Dieſelben Grundſätze gelten für die B eg iün-
ſtigung, nicht dagegen für die Sachhehlerei. $ 257
StGB. erfordert zur Begünſtigung Beiſtandleiſtung
nach Begehung (nicht etwa Vollendung im Gegen—
ſatz zum Verſuch) eines Verbrechens oder Ver—
gehens; Beiſtandleiſtung während der Ausführung
eines Delikts zwiſchen deſſen einzelnen Akten ge—
nügt hierzu nicht, ſondern erweiſt ſich als Bei—
hilfe, es ſei denn, daß man zum Tatbeſtand des
§ 257 Beiſtandleiſtung nach mindeſtens teilweiſer
Begehung des Delikts, ſobald der ſtaatliche Straf—
anſpruch entſtanden iſt, für ausreichend erachten will.
Bei der Sach hehlerei hingegen tritt der
Hehler nur zu der vorher mittels ſtrafbarer Hand—
Nr. 12.
lung erlangten Sache, nicht zur ſtraſbaren Hand-
lung des Haupttäters oder zu dieſem ſelbſt in
Beziehung. Demgemäß iſt auch die Begehung
der Hehlerei noch vor Abſchluß eines fortgeſetzten
Diebſtahls betreffs einzelner der geſtohlenen Sachen
für den Tatbeſtand des 8 259 StGB. ohne
Belang.
Iſt wegen eines einheitlichen Verbrechens durch
rechtskräftiges Urteil eines inländiſchen Gerichts
Verurteilung oder Freiſprechung erfolgt, ſo ſind
damit deſſen ſämtliche Einzelakte, mögen ſie im
Urteil berückſichtigt ſein oder nicht, gleichviel aus
welchen (rechtlichen oder tatſächlichen) Gründen ſie
nicht berückſichtigt ſind, erledigt und können ſelbſt
unter anderem rechtlichen Geſichtspunkt, wit anderer
juriſtiſcher Qualifikation, auch wenn ſie auf die
Strafzumeſſung von Einfluß ſein würden, nicht
wiederholt gegen dieſelbe Perſon zum Gegenſtand
einer neuen Strafverfolgung gemacht werden. Die
Strafklage wegen des ganzen Einheitsdelikts iſt
durch die Aburteilung verbraucht, die die Tat als
Ganzes, als unteilbare Geſamtheit in allen ihren
rechtlichen und tatſächlichen Erſcheinungsformen
umfaßt.
In gleicher Weiſe liegt res iudicata für
das ganze Verbrechen und demgemäß auch für
alle ſeine Akte vor, wenn eine einzige oder mehrere
der Einzelhandlungen, obwohl ſie unſelbſtändige
Teile eines Verbrechens bilden, je als ſelbſtändiges
Verbrechen rechtskräftig abgeurteilt ſind, ſo daß
eine nachträgliche Beſtrafung weiterer Teilhand—
lungen (als ſelbſtändiger, mit den abgeurteilten
realkonkurrierender Handlungen trotz ihrer Un:
ſelbſtändigkeit) nicht ſtatthaft iſt. Auch hier be⸗
ſteht Identität der Tat, da die im früheren Urteil
nicht berückſichtigten und die abgeurteilten Einzel-
handlungen Teile desſelben Ganzen ſind und mit
der Aburteilung eines Teils wegen der Ver—
brechenseinheit auch über das unteilbare Ganze
entſchieden iſt wie umgekehrt.
Der ſpätere Richter iſt berechtigt und ver⸗
pflichtet, eine abgeurteilte und die von ihm abzu⸗
urteilende Tat daraufhin zu vergleichen, ob nicht
die letztere ein Teil der erſteren oder beide Teile
eines größeren Ganzen ſeien, und er gerät nicht
in Widerſpruch mit dem rechtskräftigen Urteil des
früheren Richters, wenn er ihm zur Aburteilung
vorliegende neue Einzelfälle als der Selbſtändigkeit
entbehrende und daher nicht ſelbſtändig zu ahndende
Fortſetzungshandlungen einer abgeurteilten Tat
betrachtet und feſtſtellt, daß die abgeurteilte und die
neuerdings unter Anklage geſtellte Tat dieſelbe ſei.
„
Maßgebend iſt nicht, ob der frühere Richter,
wenn ihm die neue Tat bekannt geweſen wäre,
über ſie mit entſchieden hätte, ſondern ob er
die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, auf
ſie ſeine Entſcheidung auszudehnen; hierüber hat
der Richter der neuen Tat zu entſcheiden.
* .
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
241
Der in die Worte ne bis in idem gekleidete, Tat gerichtete, die mehreren Fälle als Deliktseinheit
für alle Arten ſtrafbarer Handlungen gleichmäßig
geltende Rechtsgrundſatz, deſſen Anwendung zur
Einſtellung des Verfahrens oder zu dem Ausſpruch
führt, daß die Strafverfolgung unzuläſſig ſei,
iſt nicht bloß prozeſſualer (wie der Einwand der
Rechtshängigkeit), ſondern zugleich materiellrecht⸗
licher Natur.
weiteren Strafverfolgung die Strafloſigkeit der
Tat in größerem oder geringerem Umfang begründet
indem er durch Ausſchluß einer
zuſammenfaſſende Hilfsfrage zu ſtellen.
Der Begriff der Deliktseinheit iſt ein recht⸗
licher. Deſſen unrichtige Anwendung oder die
Nichtanwendung auf die urteilsmäßig feſtgeſtellten
Tatſachen kann daher ebenſowohl durch Reviſion
angefochten werden, wie dies bezüglich der An-
wendung des § 74 StGB. der Fall ift. Hier wie
dort handelt es ſich um die Verletzung einer ma⸗
|
und dem Täter ein materielles Schutzrecht verleiht.
In prozeſſualer Beziehung entſpricht dem
einheitlichen Verbrechen nur die einheitliche
Entſcheidung. Unzuläſſig und unwirkſam iſt
daher Einſtellung, Ablehnung der Eröffnung des
Hauptverfahrens, Außerverfolgungſetzung oder Frei⸗
ſprechung wegen eines Teils eines einheitlichen
Verbrechens. Verfehlt wäre es, ſolche Verbrechens⸗
teile zum Gegenſtand beſonderen Verfahrens und
beſonderer Entſcheidung zu machen. Ein Verſtoß
gegen dieſen Grundſatz würde das erkennende
Gericht in der Hauptverhandlung nicht hindern,
gleichwohl das ganze Einheitsdelikt, wie es ſich
nach dem Ergebnis derſelben und der Beweis—
aufnahme darſtellt, ſamt allen von der Delikts⸗
einheit umfaßten Einzelhandlungen zum Gegen—
ſtand der Urteilsfindung zu machen,
ſie außerhalb der im Eröffnungsbeſchluß örtlich
und zeitlich umgrenzten Tat liegen. Hierauf be-
ruht die oben erwähnte Wirkung und der Um—
fang der Rechtskraft des Urteils. Davon, daß es
fidh um „eine andere Tat“ i. S. § 265 StPO.
handle, kann bei Deliktseinheit nicht die Rede ſein.
Dieſer Grundſatz gilt nicht nur für den in
erſter Inſtanz erkennenden Richter, ſondern auch
für das Gericht II. Inſtanz, ſoweit es nova be⸗
rückſichtigen darf und ſeine Nachprüfung nicht
auf revisio in iure beſchränkt iſt.
Im Schwurgerichtsverfahren iſt nach
§ 292 Abſ. 3 StPO. für jede — ſelbſtändige — ſtraf⸗
bare Handlung eine beſondere Frage zu ſtellen.
Geht der Eröffnungsbeſchluß auf ein mehraktiges
Einheitsverbrechen, ſo genügt die Stellung einer
Frage, da keiner der Akte eine ſelbſtändige ſtraf—
bare Handlung iſt und die Stellung beſonderer
Fragen erheiſcht.
Nimmt der Eröffnungsbeſchluß ſelbſtändige
ſtrafbare Handlungen in Realkonkurrenz an und
gibt das Ergebnis der Hauptverhandlung Anlaß
zur Annahme einheitlichen Verbrechens oder um—
gekehrt, jo ift unter Beachtung des S 264 StPO.,
jei es von Amts wegen oder auf Antrag ($ 296
StPO.) des Staatsanwalts oder des Verteidigers,
nach 8 294 Abſ. 1 im Anſchluß an die mehreren,
der Zahl der ſachlich zuſammentreffenden Ver—
brechen entſprechenden und die einzelnen Fälle
auch wenn
teriellen Rechtsnorm.
Der wegen einheitlichen Verbrechens zu Strafe
Verurteilte hat nach § 497 I StPO. die ſämt⸗
lichen Koſten des Verfahrens zu tragen,
auch wenn das Delikt nicht in dem von der An⸗
klage angenommenen vollen Umfang, ſondern nur
|
i
mE a m ̃ ̃ x lin fe ne
ſelbſtändig behandelnden Hauptfragen (88 292, 293)
eine auf die vom Eröffnungsbeſchluß Nad |
Beurteilung der dem Angeklagten zur Laft gelegten |
ein kleiner Reſt, z. B. ſtatt eines fortgeſetzten oder
Kollektivverbrechens bloß ein Einzeldelikt als feft-
geſtellt dem Urteil zugrunde gelegt ift. Denn 8498
Abſ. 1 StPO. trifft nur die Fälle realer Kon:
kurrenz. Daß hierdurch Undilligkeiten entſtehen
können, iſt nicht zu beſtreiten.
Nur wenn ſtatt Verbrechenseinheit Real:
konkurrenz mehrerer Delikte angenommen und der
Angeklagte nur in Anſehung eines Teils verur:
teilt, im übrigen freigeſprochen wird, iſt er von
der Tragung der durch die Verhandlung der
Fälle der Freiſprechung entſtandenen beſonderen
Koſten nach 8 498 I StPO. zu entbinden, und
find diefe Koſten vorbehaltlich der 88 499 I, 5011
StPO. der Staatskaſſe (im Falle des § 506
StPO. der Reichskaſſe) aufzuerlegen.
Nach 8 498 Abſ. 2 StPO. haften Mitangeklagte,
welche in bezug auf dieſelbe einheitliche Tat zu
Strafe verurteilt ſind, für die Auslagen als Ge—
ſamtſchuldner, ohne Rückſicht darauf, ob ihre Be—
teiligung von gleichem oder verſchiedenem Umfang
iſt, ein Mittäter z. B. ſich nur an einem Teil der
Einzelhandlungen, aus denen die einheitliche Tat
beſtand, beteiligt hat. $ 498 Abſ. 1 StPO. fett
mehrere ſelbſtändige, realkonkurrierende Handlungen
voraus und trifft deshalb hier nicht zu.
Die gleichen Grundſätze ſind auf die gegen
mehrere an einem Einheitsdelikt Beteiligte er—
kannte Buße anzuwenden. Hierfür haften die
zu ihr Verurteilten als Geſamtſchuldner. Auf
ſie wird daher durch Zuſprechen einer einzigen
Geldſumme erkannt. Dies trifft aber nur zu,
wenn ſie alle als Beteiligte an der nämlichen
einheitlichen Straftat erſcheinen. Bei einer Mehr—
heit ſelbſtändiger Handlungen iſt die Zuerkennung
einer Geſamtbuße unter Solidarhaft der ver⸗
ſchiedenen Täter ausgeſchloſſen.
die nachträgliche Eintragung der
Goldklauſel.
Von Wilhelm Mager, Amtsrichter in München.
(Fortſetzung.)
IV. Eine beſondere Betrachtung erfordert der
Zeitſchrift für Rechtspflege in in t Bayern. 1908. Nr. 12.
Fall, daß in einer unter der Herrſchaft des früheren
Hypothekenrechts vollzogenen Hypothekeintragung
die Goldklauſel nicht hervorgehoben, dagegen in
der Hypothekbeſtellungsurkunde bedungen iſt.
A. Welchen Dritten gegenüber iſt eine ſolche
Goldklauſel wirkſam?
a) Iſt auf die Urkunde nicht verwieſen, ſo iſt
die Goldklauſel ſchlechterdings nicht eingetragen.
Sie iſt gegenüber den gutgläubigen, nach der
Hypothek eingetragenen Berechtigten unwirkſam.
Nach altem Hypothekenrecht hat ſie den § 25 d.
bayer. HypG.), nach neuem die §$ 873, 1115
Abi. 1, 892 Abſ. 1 des BGB. gegen ſich.
) Eine e Beſchränkung des öffentlichen Glaubens des
Hypothekenbuchs auf den Forderungsbetrag, den Zins—
fuß und die Bezeichnung des Gläubigers, weil 8 22
des HypG. nur dieje Punkte der Hypothekforderung
aufführe, die bei Vermeidung der Folgen der SS 25, 26
ins Hypothekenbuch eingetragen werden müſſen, wäre
eine einjeitige Auslegung des 8 22, die jhon durch das
Hypothekengeſetz ſelbſt widerlegt wird durch die beiſpiels⸗
weiſe Anführung der Einreden gegen die Richtigkeit der
Forderung als Gegenſtand des öffentlichen Glaubens
in 8 26 und durch die Zulaſſung der in § 22 eben⸗
falls nicht berückſichtigten Rangoffenhaltung in 8 150,
die auch nur durch Eintragung ins Buch Dritten
gegenüber wirkt (Gönner, Komm. z. HypG. 88 59—61
Bem. IV, 7, b mit 8). Man kann unter den Einreden
egen die Richtigkeit der Forderung nicht etwa nur
Eineden gegen das Beſteben der Forderung verſtehen,
um ſie dann als „Veränderungen“ an dem „Betrag
der Forderung“ unter § 22 Ziff. 6 in dem Sinn unter-
zubringen,
er rt Te ̃˙ sn! —.! —. — — ̃ . I GT —p—̃ ee
daß der Forderungsbetrag bei dem Vor-
handenſein ſolcher Einreden ganz oder teilweiſe nicht
beſtehe. Denn dieſe Auffaſſung, die auf die rechts—
aufhebenden Einreden noch paſſen könnte, erweiſt ſich
ſofort als unhaltbar gegenüber den entſtehungshindernden
Einreden, weil dieſe zu keiner Veränderung der Forde— |
rung, ganz oder teilweife, führen, ſondern überhaupt
keine Forderung von Anfang an entſtehen laſſen. Die
entſtehungshindernden Einreden aber richten ſich gegen
die Richtigkeit der Forderung nicht weniger als die
rechtsaufhebenden. Außerdem würde dieſe Auslegung
den Sinn des Geſetzgebers nicht treſſen: Gönner führt
im Komm. 3. HypG. Bd. I S. 398 zu
falls von den Einreden gegen die Richtigkeit der For—
derung ſpricht, als Beiſpiele ſolcher Einreden nicht nur
rechtsverneinende, ſondern auch bloß e
Einreden, wie das S, C. Mac. und Vell., ja jogar Eins
reden an, mittels deren Gegenrechte geltend gemacht
werden, wie die „Verletzung“ (laesio enormis) und Ge-
währſchaftsleiſtung bei Käufen. Auf S. 400, wo er,
bei der Erläuterung desſelben Paragraphen, von dem
Dritten ſpricht, dem gegenüber regelmäßig der Schuldner
keine Einrede gebrauchen könne, die nicht durch das
Hypothekenbuch kund gemacht wäre, nimmt er keines
ſeiner kurz vorher aufgeführten Beiſpiele aus. Daß
Gönner ſelbſt dem § 22 Ziff. 6 keine fo ſtrengen
Grenzen zog, ſo ſehr er ſich auch manchmal auf deſſen
Knappheit beruft, beweiſt auch die Erſtreckung des
§ 46, der eben-
öffentlichen Glaubens auf die Richtigkeit des Rechts-
b) Iſt in der Eintragung auf die Urkunde
verwieſen, ſo iſt
1. jedenfalls gegenüber den ſeit dem Inkraft⸗
treten des nenen Liegenſchaftsrechts eingetragenen
Berechtigten die Goldklauſel wirkſam. Denn von
da an verwandelt ſich dasjenige Pfandrecht, welches
zu dieſer Zeit an einem Grundftüd beſteht, in eine
neurechtliche Buchhypothek (EG. z. BGB. Art. 192),
genauer: Die Umwandlung vollzieht ſich an der
Hypothek für diejenige Forderung, für welche ſie
beſteht, für welche fie aljo eingetragen ift. (HypG.
89 II, 20). Eingetragen iſt ſie nicht notwendig
für die in der Eintragung bezeichnete Forderung,
z. B. bei falſcher Bezeichnung in der Eintragung,
ſondern, vom Forderungsbetrag, Zinsfuß und der
Perſon des Gläubigers abgeſehen (HypGG. § 22
Ziff. 8), für diejenige Forderung und für die
Forderung in derjenigen Beſchaffenheit, wie ſie
nach dem Rechtstitel zur Erwerbung der Hypothek,
alſo in der Hypothekbeſtellungsurkunde, beſchrieben
ift. (HypG. 8 9). War für die Forderung nach
dieſer Urkunde die Goldklauſel bedungen, ſo ent⸗
ſtand die Hypothek für eine ſo ausgeſtattete For⸗
derung, auch wenn die Klauſel nicht eingetragen
wurde. Ob der öffentliche Glaube des Hypotheken⸗
buchs ſich auf eine ſolche bloß in Bezug genommene
Goldklauſel erſtreckte, kann hier noch außer Be-
tracht bleiben, wo es ſich um die ſeit dem
Geltungsbeginn des neuen Liegenſchaftsrechts ein-
getragenen Berechtigten handelt. Denn da die
altrechtliche Hypothek ſich in eine Hypothek mit
dem Inhalt nach BGB. verwandelte (EG. z. BGB.
Art. 192), ſo iſt auch der Inhalt der in dem
1 Hypothekeintrag in Bezug genom—
menen Hppothekbeſtellungsurkunde, foweit er die
Forderung näher bezeichnet (BGB. § 1115), nun-
mehr Gegenſtand der Eintragung geworden und
unter die hypothekrechtliche Gewähr geſtellt. Dieſe
Hypothek unterſteht vom Beginn der Geltung des
neuen Liegenſchaftsrechts an dem öffentlichen Glauben
des Grundbuchs (BGB. $ 891 Abſ. 1), der fih
von dieſem Zeitpunkt ab auch auf die durch die
Goldklauſel gegebene nähere Bezeichnung der For—
derung hinſichtlich der Hypothek erſtreckt (BGB.
§ 1138). Die Goldklauſel ift ſomit wirkſam
gegenüber allen Berechtigten, die von da ab ein—
getragen ſind. Nicht aber wirkt der öffentliche
Glaube gegenüber Berechtigten, welche bereits vor
der Geltung des neuen Liegenſchaftsrechts ihre
Rechtsſtellung erworben haben; denn das wäre
eine Rückwirkung auch des öffentlichen Glaubens
des neuen Rechts.
titels En a. O. zu § 25 Bd. IS. 277) und auf die
Beſchränkung des Gläubigers in der Verfügung über
die Forderung, die er a. a. O. neben der Perſon des
Gläubigers erwähnt, im Gegenſatz alſo zu $ 22 Ziff. 6,
wo nur die Perſon des Gläubigers angegeben iſt. In
Verfügungsbeſchränkungen ſieht das Geſetz nicht etwa
eine Aenderung an der Perſon des Berechtigten, wie
die Vergleichung der Ziff. 5 und Ziff. 6 des § 22 beweiſt.
Die hier zugrunde gelegte Gleichſtellung der
Eintragungsbewilligung des $ 1115 des BGB.
mit der alten Hypothekbeſtellungsurkunde recht⸗
fertigt ſich aus der Vergleichung des Inhalts und
der Bedeutung beider Urkunden. Denn die letztere
enthielt wohl ausnahmslos die Eintragungsbe—
willigung oder, wenn dies je einmal nicht der Fall
geweſen fein ſollte, mußte die die Eintragungs—
bewilligung enthaltende Urkunde ihrerſeits auf die
Hypothekbeſtellungsurkunde verweiſen, die dadurch
auch Inhalt der Eintragungsbewilligung wurde.
Ohne die Verweiſung hätte die Eintragung
mangels genügender Individualiſierung der Hypo-
thek, welche eingetragen werden ſollte (H ypG. § 145),
nicht vollzogen werden können. Die in den alten
Hypothekeinträgen angeführte Beſtellungsurkunde
entſpricht ſomit der vom neuen Recht für die Ver—
weiſung geforderten Eintragungsbewilligung.
2. Sofern es ſich um die vor dem Beginn
der Geltung des neuen Liegenſchaftsrechts nach
der Hypothek eingetragenen Berechtigten handelt,
erſtreckt ſich der öffentliche Glaube des neuen Rechts
hinſichtlich der Hypothek auf die zum Inhalt der
geſicherten Forderung gehörende Goldklauſel nicht.
Denn ſoweit der öffentliche Glaube des Grund:
buchs nach neuem Recht auf das Beſtehen der
Hypothek von Einfluß iſt, ſowohl in dem Sinn,
ob fie überhaupt beſteht, als auch, für welche For:
derung und für welche Beſchaffenheit der Forderung,
trifft Art. 192 des EG. z. BGB. nicht zu, da
dieſer das Beſtehen der Hypothek und die ge:
rade durch dieſe Punkte mitbeſtimmte Individua—
lität des Entſtehungsgrundes der Hypothek nach
altem Recht vorausſetzt. Zum Inhalt der
Hypothek aber gehört der öffentliche Glaube des
Grundbuchs nicht, und die Beſtimmungen über
den öffentlichen Glauben überhaupt haben keine
rückwirkende Kraft. (EG. z. BGB. Art. 184).
Nach dem alten Hypothekengeſetz erſetzt die
Verweiſung auf die Beſtellungsurkunde die Ein—
tragung überhaupt nicht. § 21 des HypG. fordert
vielmehr „die förmliche Eintragung“, welche hier
nicht, wie in $ 98 Ziff. 2, 109 den Sinn „end—
gültige“ Eintragung hat, die mit dem einleitenden
Wort „aber“ in § 109 den vorläufigen Ein-
ſchreibungen des § 108 gegenübergeſtellt iſt. § 98
Ziff. 1 fordert vollſtändige Aufnahme der zur
Eintragung angemeldeten Dinge ins Hypotheken—
buch. In zahlreichen anderen Stellen kennt das
HypG. nur die „Eintragung“ ins Hypothekenbuch
(vgl. z. B. 88 22, 23, 27 a. E., 28), insbeſondere
auch im $ 124, wo bei der Vorſchrift einer zwar
vollſtändigen, aber kurzen und bündigen Abfaſſung
der Einträge der Geſetzgeber gewiß Veranlaſſung
zur Zulaſſung der Verweiſung auf die Beſtellungs⸗
urkunde genommen hätte, wenn ſie in ſeinem Sinn
gelegen geweſen wäre. Wo das alte HypG. eine
Verweiſung geſtattet, ſagt es dies ausdrücklich: im
3130 Ziff. 4, 174, dem ſich dann noch Art. 44
UebG. und AnlegungsG. vom 18. Juni 1899
243
— — let el a e En m nn —
— ——
Art. 3, VO. vom 23. Juli 1898 8 30, JMBek.
vom 11. Juli 1901 § 43 Abſ. 2 Ziff. 1 anreihten.
| Erſt durch die Novelle vom 20. Dezember 1903
| Art. I Ziff. 13 ift auch bei der Hypothekeiutragung
eine Verweiſung zugelaſſen. Iſt die Urſchrift oder
eine beglaubigte Abſchrift der Eintragungsbe—
willigung beim Hypothekenamt aufbewahrt, ſo er—
ſetzt die Verweiſung die ausdrückliche Eintragung,
und zwar auch dann, wenn die Aufbewahrung der
die Verweiſung enthaltenden Eintragung erft nad:
folgt. Der Wortlaut des angeführten Art. I
Ziff. 13 läßt dies zu, weil er nicht ſagt: „wenn
gleichzeitig . . .“. Die durch Bezugnahme ein-
getragene Goldklauſel wirkt dann auch gegenüber
den nachher und noch unter dem alten Hypotheken⸗
recht eingetragenen Berechtigten (HypG. § 25 Abſ. 2),
und dies ſelbſt dann, wenn die Aufbewahrung der
Eintragungsbewilligung erſt nach der Eintragung
dieſer Berechtigten erfolgt. Der Wortlaut des
Art. II Ziff. 4 „angefochten werden“ könnte
nur ſcheinbar dagegen angerufen werden, während
der aus der Geſetzesbeſtimmung ſelbſt, nicht bloß
aus den Motiven (vgl. Vhdlg. d. K. d. Abg.
1903/04 Beil. Bd. XIII S. 326), hervortretende
Zweck der Vorſchrift gebieteriſch dafür ſpricht.
Das Geſetz ſagt nicht: „Die Rechtswirkſamkeit
kann nicht mehr . .. angefochten werden“, aljo
für die Folgezeit, ſondern ſchlechthin: „kann nicht
angefochten werden“, d. h. die Eintragung unter:
liegt überhaupt keiner Anfechtung mehr wegen einer
bloßen Verweiſung. In pofitive Faſſung gebracht
gibt die Beſtimmung dieſen Sinn noch deutlicher:
Alle Eintragungen, auch aus der Zeit vor der
Novelle, mit lediglich auf die Eintragungs—
bewilligung — wegen gewiſſer Punkte — ver—
weiſendem Inhalt gelten nunmehr als von An—
fang an rechtswirkſam in gleichem Maß, als wenn
der in Bezug genommene Inhalt ſeinerzeit aus—
drücklich eingetragen worden wäre. Nur ſo wird
man der rückwirkenden Kraft gerecht, die das Ge—
ſetz der Zuläſſigkeit der Verweiſung beilegt, nur
ſo kann der Zweck des Geſetzes, die Rechtswirkſam—
| keit der alten Verweiſungen enthaltenden Einträge
zu retten, voll erreicht werden. Damit iſt ein
einfacher Weg gewieſen, auf dem den noch vor
| der Novelle durch bloße Bezugnahme eingetragenen
Goldklauſeln ihre in der Praxis irrtümlich vielfach
vorausgeſetzte Rechtswirkſamkeit geſetzlich geſichert
l
werden fann.
Dieſer Weg iſt jetzt freilich nur noch gangbar
in den Gebieten, in welchen das neue Liegenſchafts—
recht noch nicht gilt. Wo dieſes bereits in Kraft
getreten iſt, kann die Beſtimmung des Art. II
Ziff. 4 der Novelle nicht mehr dazu benützt
werden, um einfach durch Einreichung der Ein—
tragungsbewilligung beim Grundbuchamt zur Auf:
bewahrung den alten, eine Verweiſung enthaltenden
Hypothekeinträgen rückwirkende Kraft für die Ver—
weiſung zu geben. Denn mit dem neuen Liegen—
ſchaftsrecht iſt die Hypothekengeſetznovelle außer
244
Kraft getreten (RV. Art. 2) — natürlich nicht
rückwirkend, ſondern für die Folgezeit —, der
Vorbehalt des Art. 189 Abſ. 1 des EG. z. BGB.,
der mit Art. 218 desſelben Geſetzes die Grund⸗
lage für die Novelle bot, iſt damit erledigt.
(Schluß folgt.)
Mitteilungen aus der Praxis.
Ablehnung eines Geſchworenen während der Haupt⸗
verhandlung. In einer ſchwurgerichtlichen Verhand⸗
lung gab ein Geſchworener in der Hauptverhandlung
während der Beweisaufnahme eine Erklärung ab, die
den Staatsanwalt zur Antragſtellung auf Ablehnung
des Geſchworenen veranlaßte und die ſich als Bitte
des Geſchworenen um Enthebung von der Dienſtleiſtung
wegen Beſorgnis der Befangenheit darſtellte. Das
Gericht wies die Anträge zurück. Hierzu dürfte fol-
gendes auszuführen ſein.
Die Ausſchließung und Ablehnung der Gerichts⸗
perſonen im allgemeinen iſt geordnet im Bd.! Abſchn. 3
StPO. (S8 22—32). Für die Geſchworenen find Sonder-
vorſchriften gegeben in den 88 279—285 a. a. O. § 279
lautet: „Vor der Ausloſung ſind, außer den zu
dem Geſchworenenamte Unfähigen, ſolche Geſchworene
auszuſcheiden, welche von der Ausübung des Amtes
in der zu verhandelnden Sache kraft Geſetzes ausge—
ſchloſſen ſind. Die erſchienenen Geſchworenen ſind zur
Anzeige etwaiger Ausſchließungsgründe aufzufordern.“
Die §§ 280 ff. behandeln die Ablehnung und die
Art ihrer Ausübung. Von Bedeutung iſt hier nur
die Vorſchrift, daß die Erklärung, ob Ablehnung er—
folgt oder nicht, nicht mehr zurückgenommen werden
kann, ſobald ein fernerer Name gezogen oder die ge—
ſamte Ziehung für beendet erklärt iſt.
Soweit die Ausſchließungs- oder Ablehnungs—
gründe bei Bildung der Geſchworenenbank bekannt
ſind, iſt die Ausſcheidung des Geſchworenen geſichert.
Wie verhält es ſich aber, wenn die Ausſchließungs⸗
gründe oder die Beſorgnis der ene erſt in
der Hauptverhandlung zutage treten?
Durch die 8$ 279—285 StPO. ift hierfür eine
Beſtimmung nicht getroffen. Es fragt ſich deshalb,
wieweit die Beſtimmungen des 3. Abſchnittes des
J. Bandes Anwendung finden können. Der 3. Abſchnitt
handelt in den 88 22—30 nur von den Richtern. Nach
§ 31 haben die Beſtimmungen entſprechende Anwen—
dung auf Schöffen und Gerichtsſchreiber zu finden,
während der § 32 kurz ſagt: die Beſtimmungen des
§ 22 finden auf Geſchworene Anwendung. § 22 zählt
die Gründe auf, aus welchen der Richter kraft Geſetzes
ausgeſchloſſen iſt. Aus der Gegenüberſtellung von
Schöffen einerſeits und Geſchworenen anderſeits muß
gefolgert werden, daß das Geſetz auf die Geſchworenen
nur den 8 22 a. a. O. angewendet, dagegen die folgenden
Geſetzesbeſtimmungen ausgeſchloſſen wiſſen will. Die
Konſequenz iſt auch durch StPO. 8 377 in Ziff. 2
und 3 gezogen. Auch das Reichsgericht vertritt den
Standpunkt (RG. Bd. 18 S. 238).
Weder der $ 25 noch der 830 St; O. können alfo
auf Geſchworene Anwendung finden. War das Recht
des Staatsanwaltes auf Ablehnung des Geſchworenen
auf Grund des § 25 StPO., weil nach Verleſung des
;
_Bettichrift für _Seitidrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12. in i Bayern. 1908. Nr. 12.
Eröffnungsbeſchluſſes geltend gemacht, auch bei An⸗
wendbarkeit der Geſetzesſtelle auf die Geſchworenen
verwirkt, RGE. Bd. 8 S. 356, ſo war die Bitte des
Geſchworenen abzuweiſen, weil $ 30 nicht Anwendung
finden kann.
Der § 30 lautet: Das für die Erledigung eines
Ablehnungsgeſuches zuſtändige Gericht hat auch dann
zu entſcheiden, wenn ein ſolches Geſuch nicht angebracht
iſt, ein Richter aber von einem Verhältniſſe Anzeige
macht, welches ſeine Ablehnung rechtfertigen könnte,
oder wenn aus anderer Veranlaſſung Zweifel darüber
entſtehen, ob ein Richter kraft Geſetzes ausgeſchloſſen iſt.
Aus dem Wortlaute und Sinne der genannten
Geſetzesſtelle geht hervor, daß ihre Anwendung im
Gegenſatze zu § 25 zeitlich nicht beſchränkt iſt.
Der Ausſchluß des $ 30 für die Geſchworenen
dürfte eine Lücke bilden. Sowohl Ausſchließungs⸗
gründe, wie die Beſorgnis der Befangenheit können
bei dem Geſchworenen ebenſogut wie beim Berufs⸗
richter erſt im Laufe der Verhandlung zutage treten.
Liegt ein Ausſchließungsgrund vor, ſo begründet
ſeine Nichtbeachtung die Reviſion nach 8 377 Ziff. 2
StPO. Gleichwohl fehlt es an einer Geſetzesſtelle,
die die Durchführung eines anfechtbaren Verfahrens
verhindert.
Wie ſich aus 8 377 Ziff. 3 StPO. ergibt, bildet
die Beſorgnis der Befangenheit hinſichtlich eines Ge⸗
ſchworenen keinen Reviſionsgrund. Aber immerhin
ſtellt das Geſetz an den „befangenen“ Geſchworenen
eine Aufgabe, die es dem Richter und Schöffen nicht
zumutet. An Bedeutung gewinnt der § 30 St O.
insbeſondere dadurch, daß hierdurch die Möglichkeit
gegeben iſt, die Beſorgnis der Befangenheit des Richters
oder Schöffen in jeder Lage des Verfahrens auch auf
das Vorbringen des Staatsanwaltes oder Angeklagten
zu prüfen, da eben der Richter, wenn ihm das Vor-
bringen begründet erſcheint, Veranlaſſung nehmen wird,
die Entſcheidung des Gerichts anzurufen, wenn er
hierzu auch nicht verpflichtet iſt.
n Stummer in München.
Aufrechnung mit einer Wechſelgeld forderung. Herr
Landrichter Dr. Eisner beſpricht in der Deutſchen
Juriſtenzeitung vom 1. April 1908 folgenden Rechts—
fall. Kläger läßt durch feine 6 jährige Tochter den
Beklagten erſuchen, ihm für eine Doppelkrone Klein-
geld einzuwechſeln. Der Beklagte nimmt die Krone
in Empfang, händigt aber dem Kinde nur 17.50 M
mit dem Bedeuten aus, daß Kläger ihm noch 2.50 M
für Waren ſchulde. Das Gericht verurteilt hierauf
den Beklagten zur Zahlung dieſer 2.50 M, obwohl
Kläger das Beſtehen der Gegenforderung an ſich
nicht beſtreitet und ſtützt ſeine Entſcheidung auf
zwei Gründe:
1. Der Anſpruch des Klägers ſtelle ſich als ein
Anſpruch aus einer unerlaubten Handlung des Be—
klagten (Unterſchlagung) dar; die Aufrechnung ſci
deshalb nach S 393 BGB. unzuläſſig.
2. Faſſe man das Geldwechſeln als Tauſchgeſchäft
auf, ſo hätte die Verpflichtung des Beklagten darin
beitanden, dem Kläger das Eigentum an Scheide:
münzen im Werte von 20 M zu verſchaffen, was er
nur in Höhe von 17.50 M getan habe. In Höhe
von 2.50 M wolle er dem Anſpruch des Klägers auf
Verſchaffung des Eigentums an Einzelgeldſtücken im
Werte von 2.50 M eine Geldforderung zur Muf-
rechnung entgegenſetzen, was der § 387 BGB. nicht
geſtatte.
Ich halte mit Herrn Landrichter Dr. Eisner die
richterliche Entſcheidung für zutreffend, kann aber
ihrer Begründung nicht ohne weiteres beipflichten.
1. Eine vorſätzlich begangene unerlaubte Handlung
kann nicht ohne weiteres angenommen werden; ſie
wird regelmäßig nicht vorliegen. Man denke nur
daran, daß Beklagter den Entſchluß, 2.50 M in Ab⸗
zug zu bringen, erſt nachträglich beim Aufzählen der
Scheidemünzen faßt, nachdem er die Krone bona fide
bereits eingeſtrichen und damit z. B. eine ihm von
dritter Seite in demſelben Augenblicke gerade vorge—
legte quittierte Rechnung bezahlt hat.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
2. Auch wenn man das Geldwechſeln ſchlechthin
als Tauſchgeſchäft anſieht, kann Kläger im vorliegen—
den Falle nur Zahlung von 2.50 M begehren, ebenſo
wie Beklagter 2.50 M an Kaufgeld zu fordern hat.
Der Anſpruch des Klägers richtet ſich nicht auf
individuell beſtimmte Geldſtücke. An dem Erfordernis
der Gleichartigkeit beider Forderungen fehlt es alſo
meiner Anſicht nach nicht.
3. Der Ausſchluß der Aufrechnung beruht aber
in einem derartigen Falle, wie er hier zur Erörterung
ſteht, auf der Partei vereinbarung, insbeſondere
auf Willensinterpretation. Gibt der eine Teil ein
Goldſtück nur zum Zwecke des Umwechſelns
hin, ſo bekundet er damit deutlich genug ſeinen
Willen, daß er die Tilgung einer etwa beſtehenden
Gegenforderung ablehne, der andere Teil erklärt hier—
mit ſein Einverſtändnis, indem er die Umwechſelung
übernimmt und verzichtet dadurch vertragsgemäß
auf Aufrechnung genau wie derjenige Schuldner, der
trotz beſtehender Gegenforderung ſofortige Barzahlung
verſpricht. (Vgl. ROG., IW. 1905 S. 346).
Juſtizrat Bendix in Breslau.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Der Formvorſchrift des 8 569 Abſ. 2 der ZPL.
iſt nicht genügt, wenn der Beſchwerdeführer zwar die
Beſchwerde zu Protokoll des Gerichts ſchreibers des CLO.
erklärt, zur 2egrändung aber auf ein Schriftſtück ver⸗
weiſt, das er ſelbſt verfaßt hat. Gründe: Die das
Armenrecht betreffende, gegen die Entſcheidung eines
OLG. gerichtete Beſchwerde war nach dem 8 569
Abſ. 2 ZPO. entweder durch Erklärung zu Protokoll
des Gerichtsſchreibers des OLG. oder durch Einreichung
einer zum Protokolle des Gerichtsſchreibers eines Amts—
gerichts erklärten oder von einem Rechtsanwalt unter—
zeichneten Beſchwerdeſchrift einzulegen. Durch dieſes
Formerfordernis ſoll erreicht werden, daß das Reichs—
gericht auch in den dem Anwaltszwange nicht unter—
liegenden Angelegenheiten nicht mit weitläufigen,
unklar und verworren abgefaßten Beſchwerden befaßt
wird, und ihm entſpricht die vorliegende Beſchwerde
nicht. Zu Protokoll des Gerichtsſchreibers des OLG.
hat der Kläger zwar erklärt, daß er gegen den ſein
Armenrechtsgeſuch ablehnenden Beſchluß Beſchwerde
erhebe. Zur Begründung aber hat er dann nur auf
die Ausführungen Bezug genommen, die in dem augen—
ſcheinlich von ihm ſelbſt verfaßten Armenrechtsgeſuche
des 8 574 ZPO. als unzuläſſig zu verwerfen.
245
enthalten find. Iſt nun auch zuzugeben, daß die Be-
ſchwerde einer Begründung nicht bedarf, ſo iſt ander—
ſeits klar, daß der Kläger ſeine Beſchwerde hat mit
Gründen verſehen wollen und daß die Ausführungen
ſeines Armenrechtsgeſuchs zu einem Beſtandteile ſeiner
Beſchwerde gemacht worden ſind. Jenes Former—
fordernis aber erſtreckt ſich auf alle Teile der Be-
ſchwerde und, wie ſich aus dem angegebenen Zweck
ergibt, namentlich auch auf die der Beſchwerde
beigegebene Begründung. Die nicht in der geſetzlichen
Form eingelegte Beſchwerde war nach dem 1. Sa
em
ſtand der Umſtand nicht entgegen, daß das nach dem
2. Abſ. dieſes Paragraphen zur Prüfung und Gnt-
ſcheidung über die Zuläſſigkeit berufene Oberlandes—
gericht die Beſchwerde für zuläſſig erachtet hat. (Beſchl.
des V. RS. vom 22. April 1908, V B 71,08).
1291
— — —ı
II.
Die Löſchung einer im Handelsregiſter eingetragenen
Firma kann im Wege der einſtweiligen Verfügung nicht
angeordnet werden, weil die Löſchung einer Firma end⸗
ültig wirkt und mit der Natur der einſtweiligen Ver⸗
ügung nur vorlänſig wirkſame Anordnungen verein:
bar find. Auch bei der Erlaſſung einer eiuſtweiligen
Verfügung darf über den Antrag nicht hinausgegangen
werden. Aus den Gründen: Den Beklagten iſt
durch das angefochtene Urteil die Verpflichtung auf—
erlegt worden, die Eintragung der Firma A. Sch.
beim Firmenregiſter des Amtsgerichts löſchen zu
laffen. Beantragt war ein ſolcher Ausſpruch vom
Antragſteller nicht. Sein Antrag war vielmehr nur
dahin gegangen, dem Sch. aufzugeben, jedes Kon—
kurrenzunternehmen und alle auf die Gründung eines
ſolchen gerichteten vorbereitenden Maßnahmen, ſowie
jede Führung und Zeichnung der Firma zu unter—
laſſen und ſich auch jedes Antrags auf Eintragung
der Firma in ein deutſches Handelsregiſter zu ent—
halten. Das vom Berufungsgericht ausgeſprochene
Gebot, die Eintragung der Firma beim Firmenregiſter
löſchen zu laſſen, geht ſomit über dasjenige hinaus,
was der Antragſteller zum Schutz ſeiner Rechte tat—
ſächlich als einſtweilige Maßregel für notwendig er—
achtet und beantragt hatte, und kann auch nicht damit
gerechtfertigt werden, daß nach § 938 Abſ. 1 BPO. das
Gericht nach freiem Ermeſſen beſtimmt, welche Anord—
nungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich ſind.
Denn die Vorſchrift des 8 308 ZPO. gilt auch für
einſtweilige Verfügungen, und der Antragſteller hatte
nur darum nachgeſucht, daß feinem Gegner die Füh—
rung jener Firma und die Gründung eines Kon—
kurrenzunternehmens unter derſelben Firma verboten
werde; den Zweck, die im Regiſter noch eingetragen
gebliebene Firma löſchen zu laſſen, hatte der Antrag
überhaupt nicht verfolgt. Dem hierauf ſich beziehen—
den Ausſpruch ſtand aber auch der Rechtsſatz entgegen,
daß die Anordnungen, welche im Wege der einſt—
weiligen Verfügung getroffen werden, die Grenzen
nicht überſchreiten dürfen, welche ſich aus der Natur
der einſtweiligen Verfügung als einer vorläufigen
Maßregel ergeben. Eine ſolche Maßregel iſt die
Löſchung einer Firma nicht; denn ſie wirkt endgültig,
weil die im Regiſter gelöſchte Firma ohne neuen
Rechtsgrund nicht wieder eingetragen werden kann.
Durch die Anordnung des OL G., daß die im Firmen—
regiſter noch eingetragene Firma zu löſchen ſei, iſt
demnach der Reviſionskläger beſchwert. (Urt. des
I. ZS. vom 25. April 1908, I 185 07). — — en.
1295
III.
Begriff der Verzeihung i. S. des E 1570 BGB.
Unterſchied von einer nur „moraliſchen“ Verzeihung.
Die Reviſion wendet ſich dagegen, daß der Berufungs—
richter in der Aeußerung der Klägerin, die ſie nach
246
Entdeckung des Ehebruchs zum Beklagten getan haben
ſoll, keine Verzeihung i. S. des Geſetzes erblickt. Die
Aeußerung ſoll gelautet haben: „Ich habe es Dir ver—
geben; ſieh nur zu, daß nichts herauskommt; aber ich
will nicht verſprechen, daß ich es meinen Eltern nicht
erzähle“. Allein die Reviſion irrt, wenn ſie mit dem
Gebrauche des Wortes „Verzeihen“ oder „Vergeben“
unter allen Umſtänden den Tatbeſtand des $ 1570
als gegeben bezeichnet. Wenn auch die Verzeihung
nicht eigentlich Rechtsgeſchäft und die Kundgebung der
Verzeihung nicht eigentlich Willenserklärung iſt, ſo
gilt doch auch hier die Vorſchrift des § 133 BGB.,
wonach der Richter den wahren Sinn der Erklärung
zu erforſchen und dabei an der buchſtäblichen Bedeu—
tung des Ausdrucks nicht zu haften hat. Dieſe Prü—
fung hat der Berufungsrichter vorgenommen. Er
kommt zu dem Ergebnis, die Klägerin habe damit
nicht ſagen wollen, ſie ſehe die Ehe trotz des Ehe—
bruchs nicht als zerrüttet an und halte ein weiteres
Zuſammenleben mit dem Beklagten für möglich, ſie
habe ihm vielmehr, wie er ſich ausdrückt, nur eine
„moraliſche“ Verzeihung gewährt. Er vermißt mit-
hin auf ſeiten der Klägerin gerade diejenige Sinnes—
richtung und diejenige Erklärung, welche für den Be—
griff der Verzeihung weſentlich iſt. Es iſt durchaus
denkbar, daß fih der gekränkte Ehegatte durch Chriften-
pflicht und Sittengeſetz für gebunden erachtet, Gefühle
des Gafes und der Rache zu unterdrücken, aber den-
noch ablehnt, das Opfer ferneren ehelichen Zuſammen—
lebens mit dem ſchuldigen Teile zu bringen. Von
einem geheimen und deshalb nicht zu beachtenden
Vorbehalt kann dabei umſoweniger die Rede ſein, als
nach den tatſächlichen Feſtſtellungen die wahre Mtei-
nung der Klägerin auch dem Beklagten erkennbar ge—
weſen iſt. Wenn der Berufungsrichter dieſe Annahme
auch durch das ſpätere Verhalten der Parteien be—
ſtätigt findet, fo bewegt er ſich damit nur im Rah-
men der Beweiswürdigung. (Urt. des IV. ZS. vom
10. Februar 1908, IV 306/07).
1294
— — — —n.
IV.
Unterſchied zwiſchen „Voransvermächtnis“ nnd „Tei-
lungsanordnung“. Aus den Gründen: Jn der legt-
willigen Beſtimmung, auf Grund deren der Kläger die
Auflaſſung der Grundſtücke zu beſtimmten “reifen
fordert, erblickt das OLG. nicht ein Vorausvermächtnis
im Sinne des S 2150 BGB., ſondern eine unter § 2048
fallende für die Auseinanderſetzung der Erben unter—
einander maßgebende Teilungsanordnung. Zu dieſer
Auffaſſung gelangt es auf Grund der Auslegung des
Teſtaments, die dahin geht, zufolge Anordnung des
Erblaſſers habe der klagende Miterbe nicht etwa die
aus dem Nachlaſſe auszuſcheidenden Grundſtücke vor—
weg erhalten ſollen, vielmehr ſeien ihm die Grund—
ſtücke im Wege einer beſonderen Anordnung mit der
Beſtimmung zugewieſen worden, daß er ſich den vom
Erblaſſer feitgejegten Wert (Preis) auf feinen Erbteil
anzurechnen habe. Die Ausführungen des OLG. laſſen
einen Nechtsirrtum nicht erkennen. Das BGB. bietet
dem Erblaſſer im weſentlichen zwei verſchiedene Wege,
durch eine letztwillige Verfügung mit obligatoriſcher
Wirtung beſtimmte Nachlaßſtücke einem von mehreren
Miterben zuzuweiſen, das Vorausvermächtnis ($ 2150)
und die Teilungsanordnung. Im erſten Falle erhält
der Miterbe die zugewendeten Nachlaßſtücke außer
ſeinem Erbteile, im zweiten Falle muß er ſie ſich auf
ſeinen Erbteil anrechnen laſſen. Was der Erblaſſer
im Einzelfalle gewollt hat, iſt Auslegungsfrage. Das
OLG. hat aus dem gefamten Inhalt des Teſtaments,
insbeſondere aus der Anordnung, daß der Kläger die
Grundſtücke zu den vom Erblaſſer beſtimmten Preiſen
übernehmen ſolle, in dem vorliegenden Falle ent—
nommen, daß nach dem Willen des Erblaſſers eine
Anrechnung, und zwar in Höhe der von ihm an—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
—
gegebenen Wertbeträge, auf den Erbteil des Klägers
erfolgen folle, ähnlich dem im § 2049 BGB. für Land-
güter beſonders geregelten Falle einer ZeilungSan-
ordnung. Die ausreichend begründete Auslegung iſt
nicht irrig. Es iſt unerheblich, wenn die Reviſion
darauf . daß der vom Erblaſſer beſtimmte
Uebernahmepreis erheblich unter dem wirklichen Wert
der Grundſtücke zurückbleibe und daß mit Rückſicht
hierauf ein vom BGB. nicht geregeltes Vorausver⸗
mächtnis in einem weiteren Sinne vorliege. Allerdings
kann eine Teilungsanordnung, die einem Miterben
beſtimmte Nachlaßſtücke zu niedrig bemeſſenen Ueber:
nahmepreiſen zuweiſt, zugleich eine Bevorzugung eines
Miterben den anderen Miterben gegenüber enthalten
und einen ähnlichen wirtſchaftlichen Erfolg haben,
als wenn dem Miterben ein Vorausvermächtnis in
Höhe der Preisdifferenz hinterlaſſen wäre. Dieſer
wirtſchaftliche Erfolg iſt aber für die Beſtimmung
des rechtlichen Charakters einer Anordnung des Erb-
laſſers nicht entſcheidend. Bereits in den Motiven zu
dem mit dem erſten Satze des 8 2048 BGB. faſt genau
übereinſtimmenden § 2152 des erſten Entwurfs wurde
hervorgehoben, daß in einer an ſich nicht in den Be—
reich der Vermächtniſſe fallenden Teilungsanordnung
ein Vermächtnis enthalten ſein könne, daß es jedoch
ratſam ſei, die Zuläſſigkeit einer Anordnung dieſer
Art beſonders auszuſprechen. (Urteil des IV. ZS. vom
27. Februar 1908, IV 537/07).
1293
— — — n.
V
. Die Borſchriſt im 8 1004 Abſ. 2 BGB. bezieht ſich
nicht nur auf eine privat⸗rechtliche ſondern auch anf
eine öffentlich⸗ rechtliche Duldungspflicht. Aus den
Gründen: Die Beklagten verteidigen ſich gegenüber
der Eigentumsſtörungsklage mit der Behauptung, ein
rechtswidriger Eingriff in das Eigentum des Klägers
liege deshalb nicht vor, weil ſie zur Vornahme der
Störungshandlung — Ableitung der Hausabwäſſer
in den Bahngraben — nach der dem Bahngraben
landespolizeilich gegebenen Beſtimmung befugt ſeien.
Dieſen Einwand muß ſich der Kläger gefallen laſſen,
der die Klage nur auf fein Eigentum an dem Bahn-
graben ſtützt. Denn nach § 1004 Abſ. 2 BGB. darf
der Eigentumer von demjenigen, der ihn in ſeinem
Rechte ſtört, die Beſeitigung der Beeinträchtigung dann
nicht verlangen, wenn er zu deren Duldung ver—
pflichtet iſt. Die Vorſchrift hat allerdings anſcheinend
in erſter Linie den Fall im Auge, daß der Geltend—
machung des Eigentums auf Grund eines entgegen—
ſtehenden dinglichen oder perſönlichen Privat rechts
widerſprochen wird. Nach ihrer allgemeinen Faſſung
iſt ſie indeſſen unbedenklich auch auf die Fälle zu be—
ziehen, in denen der Grund für die Eigentums—
einſchränkung nicht in privaten Rechtsbeziehungen
liegt, ſondern in landespolizeilichen oder obrigkeit—
lichen ſonſtigen Anordnungen, die aus Rückſichten des
Gemeinwohls oder öffentlichen Intereſſes getroffen
worden ſind. (Urt. des V. ZS. vom 11. April 1908,
V 460/07). —— en.
1292
VI.
Geſellſchaftsverträge find in erhöhtem Maße von
Grundſatze von Treu und Glauben beherrſcht. Pflichten
des geſchäftsführenden Geſellſchafters. Analogie der für
den Kommiſſionär geltenden Vorſchriſten. In dem 1902
zwiſchen den Streitsteilen geſchloſſenen Geſellſchafts—
vertrage heißt es: „A kauft 30 Aktien (einer beſtimmten
Fabrik) zum Kurſe von 100 % lieferbar Ende Mai a. c.“
Beide Geſellſchafter A und B ſollten verpflichtet ſein,
zu gleichen Teilen die zum Erwerb der Aktien erforder—
liche Summe einzuſchießen; doch ſollte der Kläger B
dem Beklagten A den auf dieſen fallenden Betrag vor:
ſtrecken. Das iſt geſchehen. Gewinn und Verluſt
ſollten zu gleichen Teilen geteilt werden. Vor dem
9
Vertragsabſchluſſe hatte der Beklagte dem Kläger
erklärt, er habe Gelegenheit, 30 Stück Aktien der
Fabrik, die damals einen Kurswert von 135% hatten,
zum Kurſe von 100 zu kaufen; in Wahrheit aber hatte
er zu dieſer Zeit bereits 30 Stück der fraglichen Aktien
infolge ſeiner perſönlichen Beziehungen zum Kurſe von
75 % gekauft. Der Streit der Parteien betrifft nur
die Frage, ob der Beklagte verpflichtet war, die Aktien
zum Selbſtkoſtenpreiſe in die Geſellſchaft einzulegen
und dem Kläger den auf deſſen Anteil fallenden Be—
trag der Differenz von 3750 M zwiſchen Einlegekurs
von 100 % und Erwerbspreis von 75% nebſt 5%
Zinſen von dieſer Differenz zu zahlen. Das LG. hat
die Frage bejaht; das RG. hat dieſen Standpunkt
gebilligt und die Berufung des Beklagten gegen das
landgerichtliche Urteil unter Aufhebung des Berufungs—
urteils zurückgewieſen.
Aus den Gründen: Das OLG. führt aus,
die Grundlage des Geſellſchaftsvertrags ſei der Erwerb
der Aktien nicht zum beſtmöglichen Erwerbspreiſe,
ſondern zum feſten Kurſe von 100% geweſen; die
Geſellſchaft oder der andere Geſellſchafter hätten keinen
Anſpruch auf Erwerb der Aktien zu dem Angebote
von 75% gehabt, das dem Beklagten nur auf Grund
beſonderer verwandtſchaftlicher Verhältniſſe gemacht
und von ihm vor Bildung der Geſellſchaft ſchon aus—
genützt worden ſei. Der Beklagte ſei auch nicht ge—
halten geweſen, dem Kläger, der nach Mitteilung der
beſonderen Verhältniſſe und nach eigener Prüfung
zur Bildung der Geſellſchaft auf der Grundlage von
100 % u bereit war, den ſchon zu 75% erfolgten Kauf
mitzuteilen. Dieſe Ausführungen ſind zu beanſtanden:
Das OLG. wendet den Grundſatz, daß Geſellſchafts—
verträge von Treu und Glauben beherrſcht ſein müſſen,
zu Unrecht nicht an und irrt in der rechtlichen Be—
urteilung des Sachverhältniſſes unter Verletzung der
SS 157, 242, 713, 666, 667 BB. Grundſätzlich müſſen
die Geſellſchaftsverträge, die auf beſonderem Wer-
trauen zu beruhen pflegen, in erhöhtem Maße von
den Grundſätzen von Treu und Glauben beherrſcht
ſein. Unter den Geſellſchaftern muß in Geſellſchafts—
angelegenheiten Offenheit und Ehrlichkeit die Richt—
ſchnur bilden. Bei einem Geſellſchafts verhältnis, das
auf der Grundlage gleichen Gewinnes und Verluſtes
beruht, verbietet es die Vertragstreue, daß ein Ge—
ſellſchafter unter Verheimlichung vor dem anderen
ih einen beſonderen Vorteil, einen „Schnitt“ ver-
ſchafft. Gegen dieſen Grundſatz hat der Beklagte vers
ſtoßen, als er dem Kläger die falſche Tatſache vor—
ſpiegelte, er habe Gelegenheit zu 100 % zu kaufen
und ihm verſchwieg, daß er ſchon zu 75% gekauft
habe. Mit Rückſicht auf dieſe Erklärung und den
Wortlaut der Urkunde „kauft“ ging der Sinn des Ver—
trages offenbar dahin, daß der Beklagte für Rechnung
der Geſellſchaft zu 100% kaufen ſollte. Mithin be—
ſtimmte ſich der Pflichtenkreis des Beklagten als Be—
auftragten nach 88 713, 666, 667 BGB. Für Pe-
meſſung der Anforderungen, welche an die Vertrags⸗
treue des Beauftragten zu ſtellen ſind, bilden die für
den Kommiſſionär geltenden Vorſchriften der SS 384,
387, 400, 401 HGB. auch in den Fällen ähnlicher Art,
in denen ſie nicht unmittelbar Anwendung finden,
einen naheliegenden geſetzlichen Maßſtab. Hieraus
ergibt ſich, daß der Beklagte die Aktien nicht zu höherem
Preiſe berechnen durfte, als er dafür zu zahlen hatte.
Natürlich konnte es dem Kläger gleichgültig ſein, ob
und wo der Beklagte die Aktien kaufte oder ob er ſie
bereits gekauft hatte. Woran er aber ein erhebliches
Intereſſe hatte, das war, daß der Beklagte ihm dafür
nicht einen höheren als den Selbſtkoſtenpreis be-
rechnete. Wenn im Geſellſchafts vertrage als Kaufpreis
100 % angegeben iſt, fo hatte dies offenbar ſeinen Grund
Saut daß der Kläger im Vertrauen auf die Richtig—
keit der Angabe des Beklagten von der ſicheren An—
nahme ausging, dem Beklagten werde es nicht möglich
Zeitſchrift für t für Rechtspflege in Bayern. 1908.
et — 3.83
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—— —̃ñ ͤ—— ————— —— H— — ——— —
Nr. 12. 247
fein, die Aktien, die einen regulären Kurs zu 135%
hatten, zu einem noch niedrigeren Kurſe als 100 %
zu erwerben. Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts
würde er auf einen Geſellſchaftsvertrag auf der Grundlage
von 100 % ſich ſchwerlich eingelaſſen haben. Jedoch
kommt es hierauf nicht an. Ausſchlaggebend iſt, daß
der Beklagte unter Verheimlichung des wahren Sach—
verhalts und unter Verletzung von Treu und Glauben
fich vertragswidrig auf Koſten der Geſellſchaft und des
Klägers einen beſonderen Vorteil verſchafft hat. (Urt.
des II. 35. Nr. 608/07 vom 3. April 1908).
1282 | EEE r.
B. Straffaden.
I:
Die unzuläſſige Berlefung eines Protokolls in der
Hauptverhandlung vor dem Schwurgerichte kann dadurch
unſchädlich gemacht werden. daß der Borfikende die
Geſchworenen auweiſt, das Protokoll nicht zu beachten.
In der Hauptverhandlung wurde das Protokoll über
die Vernehmung eines verſtorbenen Zeugen verleſen.
Nach der Verleſung bemerkte man, daß die Unterſchrift
des Richters fehlte. Der Vorſitzende belehrte die Gez
ſchworenen darüber, daß das Protokoll ein unzuläſ—
ſiges Beweismittel ſei, die Verleſung als nicht ge—
ſchehen zu betrachten und das Protokoll bei Schöpfung
des Wahrſpruchs außer acht zu laffen fei. Das Reichs-
gericht billigte dieſes Verfahren.“)
Aus den Gründen: Der Verteidiger irrt, ſo—
weit er die Angemeſſenheit und Statthaftigkeit der
zur Heilung des Verſtoßes vorgenommenen Maßregeln
beſtreitet. Es liefe dem Geſetze zuwider, wenn wegen einer
Ordnungswidrigkeit die Hauptverhandlung abgebrochen
und vor einer neu zu beſetzenden Richter- oder Ge—
ſchworenenbank vorgenommen würde. Grundſätzliche
Unheilbarkeit eines Prozeßverſtoßes bei der Beweis—
aufnahme anzunehmen, iſt weder durch den Begriff
noch durch die geſetzlichen Vorſchriften geboten. Da
nach Aufdeckung eines die Reviſion begründenden
Verſtoßes das Fortfahren in der Hauptverhandlung
ohne ſeine Beſeitigung als widerſinnig oder verſchlep—
pend mit den Anforderungen geordneter Rechtspflege
ſchlechthin unvereinbar wäre, muß eine Berichtigung
oder Ausſchaltung des Verſtoßes in der Hauptver—
handlung ſelbſt erlaubt ſein. Nicht einzuſehen iſt,
weshalb die Geſchworenen der Belehrung durch den
Vorſitzenden unzugänglich geweſen ſein ſollten. Will
zufolge neuer Aufklärung ein vernünftiger Menſch
ernſtlich bei Beurteilung der Beweisergebniſſe einzelne
Erkenntnisquellen dem Kreiſe ſeiner Erwägungen und
Schlußfolgerungen fernhalten, ſo kann er das ſelbſt
dann durchführen, wenn er urſprünglich jenen Er—
kenntnisquellen Gewicht beigelegt hatte. (Urteil des
I. Strafſenats vom 2. April 1908, 1 D 140/08).
1287
— —— [ n
II.
Zweck der Strafe iſt nicht nur die Sühne fondern
auch die Abſchreckung. Dieſer Zweck darf bei der Straf⸗
zumeflung berückſichtigt werden. Das Urteil enthält den
Satz: „Es erſchien daher angezeigt, durch eine aus—
giebige Gefängnisſtrafe zu bewirken, daß einem
ſolchen Treiben Einhalt getan wird, damit die Eltern
ihre Kinder wenigſtens ohne Sorgen in die öffentlichen
Bäder ſchicken können“. Selbſt wenn dieſer Satz dahin
auszulegen wäre, daß das Gericht nicht die Gemein—
gefährlichkeit des Täters in Betracht gezogen, ſondern
die Abſchreckung anderer von der Begehung gleicher
Straftaten bezweckt hat, ſo hätte der Richter dadurch
ſeine Befugnis nicht überſchritten, die Strafe nach
freiem Ermeſſen zu beſtimmen. Kein Rechtsſatz beſteht,
1) Das im 2. Jabrgang dieſer Zeitſchrift auf S. 63, 64 ver-
öffentlichte Urteil des Reichsgerichts vom 23. November 1905 enthält
eine Bemerkung, die ein ſolches Verfahren empfiehlt.
248
daß beim Ausmaße der Strafe nur die Sühne des
Verbrechens die Richtſchnur bilden darf und daß nicht
auch ein Umſtand berückſichtigt wird, der zwar in
keiner unmittelbaren Beziehung zur Tat und zum
Täter ſteht, wohl aber, ohne mit dem inneren Weſen
der Strafe unvereinbar zu ſein, ſich als ihre not⸗
wendige gegen außen wirkſame Folge darſtellt. Wer
ſich des Bruchs der Rechtsordnung ſchuldig macht,
kann ſich nicht beſchweren, wenn ihm gegenüber bei
Wiederherſtellung der von ihm mißachteten Rechts⸗
ordnung durch Ausſpruch einer Strafe auch das all:
gemeine Intereſſe der Zurückdrängung und Verhinde—
rung des Verbrechens zur Geltung kommt. (Urt. des
I. StS. vom 23. März 1908, 1 D 84/08).
1288 — — —- - n.
III.
Veränderung des Inhalts einer Urkunde als Be⸗
ſchädigung; ſpätere Wiederherſtellung des urfprünglichen
Inhalts (§ 274 Nr. 1, § 267 StGB.). Der Angeklagte
vermittelte zwiſchen S. und B. die Feſtſetzung eines
von S. an B. zu zahlenden Betrags. Er ſetzte eine
Quittung über 60 M auf, ließ fie von S. unterſchreiben
und legte fie dem B. vor, der ihm hierauf 60 M behufs
Zahlung an S. behändigte. Bevor der Angeklagte
ſich zu S. zurückbegab, um ihm das Geld der Abrede
gemäß auszuhändigen, änderte er in der Quittung
die Zahl 60 in 35 ab, legte ſie aber dem S. nicht vor,
ſondern ſchüchterte ihn derart ein, daß er ſich mit
35 M begnügte, ohne weiter nach der von ihm auf
60 M ausgejtellten Quittung zu fragen. Der Angeklagte
behielt 25 M für ſich, ſtellte die Zahl 60 in der Quittung
wieder her und zeigte ſie dann dem B. zum Nachweiſe
der Zahlung. In dieſem Sachverhalt iſt der Tat—
beſtand des § 274 Nr. 1 StGB. nicht enthalten. Denn
mochte auch in der zweimaligen Veränderung des Jn-
halts der Urkunde deren Beſchädigung im Sinne des
§ 274 Nr. 1 enthalten ſein, ſo iſt deſſen Anwendung
ausgeſchloſſen, weil die Abſicht des Angeklagten nicht
dahin ging, die Urkunde als Beweismittel zu beſeitigen.
Nur unter dieſer Vorausſetzung liegt der Tatbeſtand
des 8 274 Nr. 1 StGB. vor. Richtete fih dagegen
die Beſchädigung gegen den Inhalt der Urkunde und
verlieh ihr die Bedeutung eines Beweismittels für
Tatſachen, für die ſie vorher nicht beſtimmt war,
handelte es ſich alſo um die Schaffung eines falſchen
Beweismittels, ſo geht die Beſchädigung der Urkunde
in deren Verfälſchung über und § 267 StGB. ift als
das ſpeziellere Geſetz allein anwendbar (Entſch. d. RG.
Bd. 3 S. 370). Auch von einer vollendeten Urkunden—
fälſchung kann keine Rede ſein. Als der Angeklagte
die Quittung das erſtemal dem B. vorlegte, war die
Verfälſchung noch nicht erfolgt, beim zweitenmale aber
die inzwiſchen vorgenommene Verfälſchung wieder be—
ſeitigt. Allerdings kann eine verfälſchte Urkunde weiter
verfälſcht werden. Allein zum Weſen der Urkunden—
fälſchung gehört die Herſtellung eines falſchen Beweis—
mittels. Es ſoll dadurch der Anſchein erweckt werden,
als wenn der Ausſteller die in der Urkunde verkörperte
Erklärung abgegeben habe. Handelt es ſich aber unter
Beſeitigung einer vorgenommenen Verfälſchung um
die Wiederherſtellung des urſprünglichen Inhalts der
verfälſchten Urkunde, ſo iſt nichts weiter bewirkt worden,
als daß die Urkunde jetzt wiederum diejenige Erklärung
beweiſt, zu deren Beweis ſie urſprünglich beſtimmt
war. (Es wird dann weiter ausgeführt, aus welchen
Gründen nach der Sachlage nicht anzunehmen iſt, daß
eine ſtrafbare verſuchte Urkundenfälſchung gegeben iſt).
(Urt. d. V. Strafſ. vom 11. Februar 1908, 50 987/07).
1239
— — — e —
IV.
Mit Gewalt vorgenommene unjüchtige Handlungen
(S 176 Nr. 1 StGB.). . . . Das fejte Faſſen um den
Leib und das Feſtfaſſen eines der Beine der N. zwiſchen
die Kniee des Angeklagten könnten an ſich allerdings
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
Anwendung von Gewalt gegen die Perſon der N.
darſtellen. Allein es reicht zur Erfüllung des Tat⸗
beſtandes aus § 176 Nr. 1 StGB. nicht aus, daß die
angewendete Gewalt in irgendeinem Zuſammenhange
mit der Vornahme der unzüchtigen Handlung ſteht.
Erforderlich iſt vielmehr, daß ſie das Mittel zu deren
Vornahme bildet, und daß dies im Willen und in der
Vorſtellung des Täters liegt. Der Wille des Täters
muß bei der Anwendung der Gewalt dahin gehen,
durch dieſe den Willen der Frauensperſon zu brechen
und fein Ziel, die Vornahme der unzüchtigen Hand:
lung auf dieſem Wege, d. h. dadurch zu erreichen, daß
der entgegenſtehende Wille der Frauensperſon gemalt:
ſam überwunden wird. Die unzüchtige Handlung muß
ſich daher auch im Augenblick ihrer Vornahme als
die Folge des ſolchergeſtalt tatſächlich überwundenen
Willens der Frauensperſon darſtellen und der Täter
muß ſich deſſen bei der Vornahme bewußt ſein. Es
bleibt, an ſich betrachtet, ſtets denkbar, daß eine der un⸗
züchtigen Handlung vorausgehende Gewaltanwendung
in der Vorausſetzung erfolgte, die Frauensperſon werde
der unzüchtigen Handlung ſelbſt keinen ernſtlichen
Widerſtand entgegenſetzen, es werde m. a. W. dazu
der Anwendung von Gewalt nicht bedürfen, daß alſo
die angewendete Gewalt nicht dem Zwecke der Ueber:
windung oder Ausſchließung ernſtlichen Widerſtandes
diente, vielmehr mit dem Willen geſchah, die Frauens⸗
perſon zur Duldung der unzüchtigen Handlung nur
geneigter zu machen. Dies kann ſehr wohl auch dann
noch vorliegen, wenn der Täter bei der unzüchtigen
Handlung ſelbſt nicht annahm, daß die Frauensperſon
mit ihr — poſitiv — einverſtanden fei. Ob ein ſolches
Verhältnis obwaltet, iſt nur Tatfrage und der Nach⸗
prüfung des Reviſionsgerichts entzogen . .. (Urt. des
V. StS. vom 28. Februar 1908, 5 D 8,08).
1277
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
i |
Grenzen der Zuſtändigkeit des Prozeßgerichts und
des Vormundſchaftsgerichts zur Entſcheidung über den
von den Eltern dem Kinde zu gewährenden Unterhalt
nach § 1612 Abi. 2 BGB. Vorausſetzung des Be
ſchwerderechts nach 8 20 FGG. Johann R., der erz
werbsunfähig iſt, hat 1906 bei dem Landgerichte M.
gegen ſeine Mutter Joſepha S. Klage auf Unterhalt
erhoben. Sein Antrag, ſeine Mutter zur Entrichtung
von 30 M monatlich zu verurteilen, wurde zurück⸗
gewieſen. Während der Rechtsſtreit in der Berufungs-
inſtanz anhängig war, ließ Johann R. bei dem Bor:
mundſchaftsgericht den Antrag ſtellen, die von ſeiner
Mutter getroffene Beſtimmung, daß er den Unterhalt
durch Aufnahme in ihre Wohnung und Gewährung
der Verpflegung in Natur erhalten ſolle, dahin zu
ändern, daß ſie ihm den Unterhalt in einer Geldrente
zu gewähren habe. Das Vormundſchaftsgericht hat
dem Antrage ſtattgegeben. Auf die Beſchwerde der
Joſepha S. beſchloß das Landgericht die Entſchei—
dung auszuſetzen, bis in dem Rechtsſtreit über die
Berufung des Johann R. entſchieden ſei, weil es nicht
angehe, in die Zuſtändigkeit des Prozeßgerichts ein—
zugreifen. Gegen dieſe Entſcheidung hat Johann R.
weitere Beſchwerde mit dem Antrag eingelegt, das
Beſchwerdegericht anzuweiſen, die Beſchwerde der Jo—
ſepha S. ſachlich zu verbeſcheiden. Das Oberſte
Landesgericht hat das Rechtsmittel als unzuläſſig
zu rückgewieſen.
Gründe: Die weitere Beſchwerde iſt unzuläſſig,
weil dem Beſchwerdeführer das Beſchwerderecht nicht
zuſteht. Nach § 1612 Abſ. 2 BGB. ift für die Art,
in der von Eltern einem unverheirateten Kinde der
.—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
249
Unterhalt gewährt werden ſoll, zunächſt die Beſtim⸗
mung der Eltern maßgebend. Aus beſonderen Gründen
kann das Vormundſchaftsgericht auf Antrag des Kindes
die Beſtimmung ändern. Durch eine ſolche Beſtim—
mung erhält die Unterhaltspflicht den Inhalt, daß ſie
in der vom Vormundſchaftsgerichte beſtimmten Art zu
erfüllen ift, die Beſtimmung des Vormundſchafts—
gerichts ift daher, wenn es zu einem Rechtsſtreit
kommt, für das Prozeßgericht bindend. Einer Men-
derung durch das Vormundſchaftsgericht bedarf es
dann nicht, wenn die von den Eltern getroffene Be⸗
ſtimmung unausführbar iſt, das Feſthalten an ihr ſich
alfo als Verweigerung der Unterhaltsleiſtung dar-
ſtellt. Ob dies der Fall iſt, hat im Rechtsſtreite das
Prozeßgericht zu entſcheiden. Durch die Anhängigkeit
eines Rechtsſtreits wird aber die Beſtimmung des
Vormundſchaftsgerichts nicht ausgeſchloſſen. Macht
das Vormundſchaftsgericht von feiner Befugnis Ge-
brauch, ſo ändert ſich gegebenenfalls der Inhalt des
im Rechtsſtreit erhobenen Anſpruchs und die Aende—
rung iſt, wenn ſie rechtzeitig geltend gemacht wird,
vom Prozeßgericht zu berückſichtigen. Die Beſtimmung
des Vormundſchaftsgerichts wird nach § 16 Abſ. 1
FGG. mit der Bekanntmachung an die Beteiligten
wirkſam. Sie kann mit der einfachen Beſchwerde an—
gefochten werden, die Beſchwerde hat aber nach § 24
FGG. nicht aufſchiebende Wirkung. Hier hat daher
die Unterhaltspflicht der Joſepha S. jedenfalls ſeit
dem 11. Oktober 1907 den Inhalt, daß der Unterhalt
durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren iſt,
und dabei bleibt es, bis die Verfügung des Vormund—
ſchaftsgerichts vom Beſchwerdegericht aufgehoben wird.
Dadurch, daß das Beſchwerdegericht die ſachliche Ver—
beſcheidung der Beſchwerde der Joſepha S. ausgeſetzt,
es alſo einſtweilen bei der Verfugung des Vormund—
ſchaftsgerichts belaſſen hat, iſt der Beſchwerdeführer
nicht in ſeinem Rechte beeinträchtigt, infolgedeſſen
ſteht nach 8 20 FGG. die Beſchwerde ihm nicht zu.
(Beſchluß des I. ZS. vom 30. März 1908, Rep. III.
31/1908).
1261 W.
II.
Auf die in Art. 84 UeG. vorgeſehene Ausſchlagung
der im BGB. beſtimmten Erbfolge finden die SS 1942
bis 1957 BGB. Anwendung. Der Metzger Georg K.
in M. hat mit ſeiner am 4. November 1905 verſtor—
benen Ehefrau, mit der er ſich 1880 verheiratet hat,
in der Errungenſchaftsgemeinſchaft des bayer. LI.,
feit dem 1. Januar 1900 nach Art. 83 UeG. in dem
Güterſtande der Verwaltung und Nutznießung gelebt.
Geſetzliche Erben waren neben ihm die gemeinſchaft—
lichen Kinder. Zwiſchen dem Witwer und den voll—
jährigen Kindern fand am 21. November 1905 vor
dem Nachlaßgericht eine Verhandlung ſtatt, in der der
Witwer, nachdem er auf die ihm nach dem UeG. zuſtehen—
den Rechte aufmerkſam gemacht worden war, in Ueber—
einſtimmung mit den volljährigen Kindern erklärte,
daß von amtlicher Vermittelung der Auseinander—
ſetzung abgeſehen werden ſolle. Am 17. Dezember
1907 gab Georg K. dem Nachlaßgerichte gegenüber
in öffentlich beglaubigter Form die Erklärung ab,
daß er die im BGB. beſtimmte Erbfolge ausſchlage
und den ihm nach LR. T.I K. VI § 37 Nr. 5 gez
bührenden Ehegewinn verlange. Der Erklarung war
eine Begründung beigefügt, in der unter Bezugnahme
auf den Beſchluß des ObèG. vom 4. Januar 1905
(Neue Sammi. Bd. 6 S. I ff.) ausgeführt wird, die
im Art. 84 Abſ. 1 Uec. dem überlebenden Ehegatten
vorbehaltene Ausſchlagung der Erbfolge nach dem
BGB. habe nicht die Bedeutung der Ausſchlagung der
Erbſchaft und fet deshalb nicht an die im § 1944
BiB. beſtimmte Friſt gebunden, der überlebende Ehe-
gatte habe erſt Anlaß, von dem ihm nach dem Art. 84
Abſ. 1 zuſtehenden Rechte Gebrauch zu machen, wenn
die Miterben Ausgleichung des Ehegewinns verlangen,
wozu ihnen eine Friſt von einem Jahre offen ſtehe,
| und könne deshalb nicht mit dem Ablaufe der kurzen
Friſt des § 1944 dieſes Recht verlieren. Das Nachlaß⸗
gericht eröffnete dem Witwer, daß ſeiner Erklärung
rechtliche Wirkſamkeit nicht zukomme, weil er die Erb⸗
ſchaft angenommen habe und die Ausſchlagungsfriſt
abgelaufen ſei. Die Beſchwerde des Witwers wurde
zurückgewieſen. Auch die weitere Beſchwerde des
Witwers K. iſt zurückgewieſen worden.
Gründe: Das UeG. geht von dem Grundſatz
aus, jeden dem überlebenden Ehegatten nachteiligen
Eingriff in die erbrechtlichen Wirkungen des bisherigen
Güterſtandes zu vermeiden, und läßt deshalb dem
überlebenden Ehegatten, ſofern nicht das bisherige
Recht unter allen Umſtänden zu einem für ihn
günſtigeren Ergebniſſe führt, die Wahl zwiſchen den
ſich aus den bisherigen Vorſchriften ergebenden und
den ihm nach dem BGB. zuſtehenden Rechten.
Im einzelnen ſind die Vorſchriften ſo geſtaltet, daß
zunächſt das unter gewöhnlichen Umſtänden für den
überlebenden Ehegatten günſtigere Recht zur An—
wendung kommt und ihm freiſteht, durch Ablehnung
der ihm hiernach zuſtehenden Rechte den Eintritt der
ſich aus dem anderen Rechte ergebenden Wirkungen
herbeizuführen. Durch die für die ablehnende Erklärung
maßgebenden Vorſchriften iſt Vorſorge getroffen, „daß
die Frage, ob ſich das Erbrecht nach dem neuen oder nach
dem alten Rechte beſtimmt, ſpäteſtens mit dem Ablaufe
der reichsgeſetzlichen Ausſchlagungsfriſt entſchieden
wird“. Demgemäß iſt, ſoweit zunächſt die erbrechtlichen
Wirkungen des bisherigen Güterſtandes eintreten, das
Rechtsverhältnis in den Vorſchriften des Art. 78 Abſ. 2,
des Art. 79 Abſ. 2, des Art. 80 Abſ. 2, 5, des Art. 82,
des Art. 84 Abſ. 2, des Art. 86 Abſ. 2, des Art. 88
Abſ. 1, des Art. 89 Abſ. 1 und des Art. 92 jo geord—
net, daß das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ſich
nach den Vorſchriften des BGB. beſtimmt, wenn er
auf die ſich aus dem Güterſtand ergebenden Rechte ver—
zichtet, und daß auf den Verzicht die für die Aus-
ſchlagung der Erbſchaft geltenden Vorſchriften des
BGB. entſprechende Anwendung finden. Beſtand zur
Zeit des Inkrafttretens des BGB. die Errungenſchafts—
gemeinſchaft des bayer. LR., ſo tritt bei dem Tode des
einen Ehegatten ohne weiteres die Erbfolge nach dem
BGB. ein, der überlebende Ehegatte wird Erbe nach
Maßgabe des S 1931 und erhält gegebenfalls den im
8 1932 beſtimmten Voraus, auf den die für Vermächt—
niſſe geltenden Vorſchriften Anwendung finden. Nach
dem Art. 84 Abſ. 1 des UeG. ſtehen ihm aber die in
den bisherigen Vorſchriften beſtimmten Rechte zu, wenn
er die im BGB. beſtimmte Erbfolge ausſchlägt. Für die
Ausſchlagung der Erbſchaft ſind die Vorſchriften der
83 1942 bis 1957 BGB. maßgebend, ſie ift insbeſondere
nach dem 8 1943 nicht mehr möglich, wenn der Erbe die
Erbſchaft angenommen hat oder wenn die im 8 1944
für die Ausſchlagung vorgeſchriebene Friſt verſtrichen
iſt; auf die Ausſchlagung des Voraus findet der 8 2180
Anwendung. Eine andere Ausſchlagung gibt es nicht.
Der Art. 84 Abſ. 1 hat eine Beſtimmung, wie fie
in den oben angeführten Artikeln für den Verzicht
auf die ſich aus dem Güterſtand ergebenden Rechte
getroffen iſt, deswegen nicht aufgenommen, weil es
ſich nicht um eine landesrechtliche, ſondern um die im
BGB. beſtimmte Ausſchlagung handelt. Mit dieſer
Auffaſſung, die von der Anſicht abweicht, die der
II. 35. in dem Beſchluſſe vom 4. Januar 1905 auge
geſprochen hat, ohne ſie näher zu begründen, ſtimmen
auch Henle und Schneider (Note 2 zum Art. 84 Ued.)
und Haberſtumpf-Barthelmeß (Geſetz betr. das Nach—
laßweſen S. 182) überein. Die Bek. vom 20. März
1903, das Nachlaßweſen betr., enthält in 8 43 Abſ. 4
die Beſtimmung, daß die Ermittelung des Erben, wenn
der hinterlaſſene Ehegatte als Erbe in Betracht kommt,
ſo zeitig vor dem Ablaufe der Ausſchlagungsfriſt
250
(8 1944 BGB.) in Angriff genommen werden ſoll, daß
der Ehegatte das ihm nach dem Güterrechte etwa zu-
ſtehende und mit dem Ablaufe der Ausſchlagungsfriſt
verloren gehende Wahlrecht ausüben kann, ohne an—
zudeuten, daß die Ausſchlagung nach dem Art. 84
Abſ. 1 nicht an die Ausſchlagungsfriſt gebunden ſei.
Der Beſchwerdeführer konnte hiernach durch die am
17. Dezember 1907 dem Nachlaßgerichte gegenüber ab⸗
gegebene Erklärung die 1 Erbfolge in den
Nachlaß ſeiner Ehefrau nicht mehr ausſchlagen, weil
die für die Ausſchlagung ann Friſt längſt
verſtrichen war. (Beſchluß des I. ZS. vom 20. Februar
1908, Reg. III 12/1908). W.
1247
B. Strafſachen.
Die nach dem WIG. ſtrafbare Anbringung von
Druckvermerken und Etiketten auf Waren⸗Umhüllungen
ift nicht ein Preßvergehen i. S. des $ 6 EG. z. GBG.
und des Art. 35 AG. z. GBG. Aus den Gründen:
Obwohl die Etikette und der Aufbewahrungsvermerk
Erzeugniſſe der Buchdruckerpreſſe und darum Druck—
ſchriften i. S. der §§ 2, 6 des Pre ®. find, bilden
die Taten der Angeſchuldigten doch keine durch die
Preſſe begangenen ſtrafbaren Handlungen i. S. des
& 6 EG. z. GVG. und keine mittels eines Preßerzeug—
niſſes verübten Vergehen i. S. des Art. 35 AG. z. GG.,
ſo daß nicht das Schwurgericht zuſtändig iſt. Die
Preßdelikte ſind durch Verbreitung von Druck—
ſchriften bewirkte öffentliche Gedankenäußerungen.
Die ſtrafbare Tätigkeit liegt bei ihnen in der Ber-
breitung von Preßerzeugniſſen, durch deren Inhalt
der Tatbeſtand einer ſtrafbaren Handlung begangen
wird, da überhaupt die Druckſchriften erſt durch ihre
Verbreitung in Erſcheinung treten. In jedem Falle,
in dem es ſich um die Verbreitung von Druckſchriften
ſtrafbaren Inhalts handelt, iſt aber zu prüfen, ob
durch diefe Verbreitung auch der Tatbeſtand der ton-
kreten Rechtsverletzung, die in dem Inhalte der Drud-
ſchrift enthalten ſein ſoll, nach ſeinen ſonſtigen Be—
griffsmerkmalen vollendet wird.
Nun liegt hier der nach 8 15 WIE. ſtrafbare
Tatbeſtand darin, daß Waren und deren Verpackung
und Umhüllung unberechtigterweiſe mit einer Aus—
ſtattung verſehen worden ſind, die innerhalb beteiligter
Verkehrskreiſe als Kennzeichen gleichartiger Ware eines
Anderen gilt. Dieſe Straftat war vollendet, ſobald
die Ware mit der Aufmachung verſehen, die Eti—
kette und der Aufbewahrungsvermerk angebracht
waren, ſohin vor der Verbreitung der auf den Waren
angebrachten Druckſchriften. Die ſpätere Verbreitung
war nicht mehr eine ſelbſtändige Handlung ſondern
eine von Anſang an ins Auge gefaßte Folgetätigkeit.
Sie kann an der für die primäre ſtrafbare Tätigkeit
begründeten Zuſtändigkeit nichts mehr ändern.
Es kann dahingeſtellt bleiben, ob überhaupt für
Druckſachen der in § 6 Abſ. 2 des PreßG. bezeich—
neten Arten — zu denen auch die Etiketten gehören —
die Sondervorſchrift des 8 6 EG. z. GVG. gilt. Die
Reichstagsverhandlungen, die Vorſchriften der SS 21,
22 PreßG. und die Verhandlungen bei der 3. Leſung
der fog. großen Juſtizgeſetze legen die Annahme nahe,
daß die Privilegierung der Preßdelikte nur im Intereſſe
der Freiheit der Gedankenäußerung, mithin vornehm⸗
lich für ſolche Druckſchriften beabſichtigt war, die eine
Darlegung von Gedanken über das öffentliche Leben,
die Politik, die Religion oder die Wiſſenſchaft in Wort
oder Bild enthalten. Dieſe Geſichtspunkte treffen hier
nicht zu. (Beſchluß vom 7. April 1908, Nr. 220,08).
1285 — — — — N.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
|
|
|
2
|
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Der Generalagent kann Generalbevollmächtigter der
von ihm vertretenen Geſellſchaft und nach 8 173 388.
zur Entgegennahme von Inſtellungen beinat fein. Durch
amtsgerichllichen Beſchluß wurde auf Betreiben des
Beklagten als Gläubigers der Eheleute H. eine
dieſen Schuldnern gegen die GL’? Verſicherungsgeſell⸗
ſchaft zuſtehende Forderung nach 8 829 BPO. ge-
pfändet. Der Beſchluß wurde vom Beklagten nicht
an die Drittſchuldnerin ſelbſt, die in M. ihren Sitz
hat, ſondern an deren Generalagenten für die Pfalz
in Fr. zugeſtellt; die Zuſtellung lautet: „An die GL!’
Verſicherungsgeſellſchaft, Direktion in Fr. und zwar
„dem Vorſteher der in der Adreſſe bezeichneten
Firma, Herrn B.“ Um die Wirkſamkeit dieſer Zu⸗
ſtellung dreht ſich der Streit. Das OLG. hat den
Generalagenten als Generalbevollmächtigten und als
zur wirkſamen Entgegennahme der Zuſtellung be-
fugt erachtet.
Aus den Gründen: Die Pfändung beſteht
nur zu Recht, wenn die Zuſtellung des Pfändungs⸗
beſchluſſes an den Generalagenten ebenſo gültig iſt
wie die Zuſtellung an die Drittſchuldnerin ſelbſt.
Die Zuſtellung erfolgt wirkſam an den General bevoll⸗
mächtigten (8 173 3PO.). Ob eine Generalvollmacht
vorliegt, beſtimmt fih nach $ 164 BGB.: Der Um:
fang der Vertretungsmacht richtet ſich nach dem durch
Auslegung zu ermittelnden Inhalt der Vollmacht.
Zum Begriff der Generalvollmacht gehört nicht, daß
die Vollmacht ſchlechthin alle Vermögensangelegen—
heiten des Vollmachtgebers umfaßt; es genügt, wenn
ſich die Vollmacht auf einen beſtimmten, durch objek⸗
tive Merkmale begrenzten größeren Teil von er:
mögensangelegenheiten bezieht, fobald fie nur er-
mächtigt, innerhalb dieſes Kreiſes den Vollmacht—
geber bei allen Angelegenheiten zu 1 (S.
RG. VI, 30. Oktober 1907 im „Recht“ Nr. 3679). Ein
ſolcher größerer und abgegrenzter Kreis von Ver—
mögensangelegenheiten lag hier vor. Der Generals
agent war ermächtigt, „die Geſellſchaft in allen Fällen,
wo ſie als Klägerin, Beklagte u. dgl. eine Vertretung
vor den Gerichten des Generalagenturenbezirks be—
darf, in allen Inſtanzen zu vertreten, namentlich Ur⸗
kunden anzuerkennen, Vergleiche zu ſchließen, alle
gerichtlichen Handlungen vorzunehmen“. Hiernach muß
der Generalagent in feinem Bezirk als General bevol-
mächtigter der Geſellſchaft jedenfalls inſoweit gelten,
als deren Angelegenheiten das Gebiet des Zivil—
prozeſſes berühren. Ein Pfändungsbeſchluß kann ihm
alſo mit gleicher Wirkung zugeſtellt werden wie der
Geſellſchaft ſelbſt. Die Entgegennahme ſolcher Zu—
ſtellungen muß in der Vollmachtsurkunde nicht aus—
drücklich aufgeführt werden. (Urt. vom 14. April
1908, Nr. 26/08).
1281 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
Oberlandes gericht Augsburg.
Abtretung einer durch eine Hypothek geſicherten
Wechſel forderung nach Zahlung der Wechſelſumme. Ber:
hältnis der abgetretenen Forderung zu der zivilrechtlichen
Regreßforderung des Erwerbers. Wirkung der teilweiſen
Befriedigung der Regreßforderung durch einen Zwaugs⸗
vergleich. Die Brauerseheleute Franz und Walburga
D. in A.!) ſtanden mit der Bankfirma Kr. in Geſchäfts—
verbindung, ſie hatten auf ihrem Anweſen der Firma
zur Sicherung der Forderungen aus der Geſchäfts⸗
verbindung eine Kreditkaution zu 10000 M mit einer
Nebenkantion zu 1000 M bejtellt und wurden ihr auch
a 1) Der t ğal fpielt in einem Bezirke, der nicht unter Grundbuch⸗
recht ſteb
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
5500 M ſchuldig. Ueber diefe Summe wurden zwei
Wechſel über 1500 M und 4000 M ausgeſtellt. Der
1. Wechſel war von Joſeph R. auf Franz D. gezogen,
von dieſem akzeptiert und zahlbar an die Order der
Firma Kr., der 2. Wechſel war von Johann R., einem
Bruder des Joſeph R., auf Franz D. traſſiert, von dieſem
akzeptiert, zahlbar an die Order des Joſef R. und von
dieſem an die Order der Firma Kr. giriert. Ueber
das Vermögen des Franz D. wurde am 15. Januar 1906
das Konkursverfahren eröffnet. Joſeph R. meldete die
Beträge von 4000 M und 1500 M als Forderungen
aus einer für das Guthaben der Firma Kr. über⸗
nommenen Bürgſchaft für den Fall an, daß er für
dieſes Guthaben in Anſpruch genommen werden ſollte.
Die angemeldeten Forderungen wurden im Konkurſe
anerkannt. Am 28. März 1906 kam ein Zwangs⸗
vergleich auf 18% zuſtande. Am 6. April 1906 erklärte
Kr. zu notarieller Urkunde, daß das Guthaben der
Firma an Wechſelforderungen, Zinſen uſw. zu 5643 M
von Joſeph R. bezahlt worden ſei und daß deshalb
dem Joſeph R. die Forderung der Firma Kr. an die
Eheleute D. zu 5643 M mit der Kautionshypothek zu
10000 M ſamt Nebenkaution abgetreten werde. Der
Vollzug der Urkunde fand am 9. April 1906 ſtatt.
Joſeph R. erhob Klage gegen die Eheleute D. auf Be—
friedigung feiner Forderung zu 5643 M nebft 4% Zinſen
hieraus feit 3. April 1906 aus der Kaution zu 10 000 M.
Später wurde der Klageanſpruch um 990 M ermäßigt,
weil der Kläger feine Regreßforderung zum Konkurſe
D. angemeldet und aus dem Zwangsvergleiche 18%
von 5500 M zugeſagt erhalten habe.
beantragten Abweiſung der Klage, weil die Wechſel—
rechte der Firma Kr. infolge der Befriedigung
durch den Kläger erloſchen ſeien und deshalb am
6. April 1906 nicht mehr hätten übertragen werden
können. Mit der Forderung des Wechſelgläubigers
fei auch die Sicherheitshypothek untergegangen. Der
Kläger habe im Konkurſe des Franz D. ſeine Forderung
angemeldet, ſie aber nicht als Ausfallsforderung be—
zeichnet und damit und durch die Annahme der 18 /oigen
Zwangsvergleichsquote auf abgeſonderte Befriedigung
verzichtet. Das Landgericht wies die Klage ab. Der
Kläger legte Berufung ein.
Zinſen uſw. fallen und ermäßigte deshalb die Forderung
auf 4510 M nebſt 4% Zinſen daraus feit 6. April 1906.
Das OLG. gab der Klage in dieſem Umfange ſtatt.
Gründe: Mit der Entſtehung der Forderung
zu 5500 M wurde die eingetragene Kaution kraft Ge-
ſetzes in eine Hypothek verwandelt. Der Firma Kr.
ſtand daher zu Anfang 1906 gegen die Eheleute D.
eine Hypothekforderung zu 5500 M und außerdem eine
Wechſelforderung in gleicher Höhe gegen Franz D. zu.
Die Hypothekforderung der Firma Kr., die ſich am
Konkursverfahren mit dieſer Forderung nicht beteiligte,
wurde durch den Zwangsvergleich nicht berührt. (SS 47,
64, 193 KO.).
Konkursverfahrens und des Zwangsvergleiches ihre
gegen die Eheleute D. erworbene Hypothekforderung
auf einen anderen übertragen. Durch die Abtretungs—
urkunde vom 6. April 1906 wurde die der Firma Kr.
zuſtehende Forderung mit der Kautionshypothek an
Joſeph R. abgetreten. Selbſtverſtändlich konnte die Ab—
tretung Wirkung nur haben, wenn der Firma Kr. im
Augenblicke der Abtretung noch eine Hypothekforderung
gegen die Eheleute D. zuſtand. Das OLG. nimmt an,
daß die Forderungen der Firma Kr. im Zeitpunkte
der Abtretung nicht erloſchen waren und daß die von
Joſeph R. in der Zeit vom 1. Februar 1906 bis zum
6. April 1906 der Firma Kr. gewährten Deckungen und
Zahlungen ihren Beſtand nicht änderten.
Für die Wirkung der Zahlung ſind der Wille der
Parteien und ihre Vereinbarung maßgebend. Zahlt
der Traſſant oder Indoſſant eines Wechſels dem Wechſel—
inhaber und liefert der Wechſelinhaber den Wechſel
oh ne Vorbehalt an ihn aus, ſo erliſcht das Forderungs—
Die Beklagten
Die Firma Kr. konnte deshalb trotz des
— — Ü— ——— — —
251
recht des Wechſelinhabers, während jenes des Traſſanten
oder Indoſſanten wieder auflebt. Anders geſtaltet ſich
die Sache, wenn die Hingabe des Geldes entweder
nur zur Sicherung des Wechſelinhabers erfolgt oder
wenn zwiſchen den Parteien vereinbart iſt, daß die
Zahlung nur gegen Abtretung der dem Wechſel inhaber
zuſtehenden Rechte zu erfolgen habe. In dieſem Falle
wird nach dem Willen der Parteien das Forderungs⸗
recht des Wechſelinhabers durch die Hingabe des Geldes
nicht aufgehoben und der Wechſelinhaber iſt deshalb
in der Lage, auch noch nach Empfangnahme des ganzen
Forderungsbetrages ſeine Anſprüche dem Zahlenden
abzutreten. (Vgl. JW. 1904 S. 75 Nr. 49, Staub WO.
Art. 82 Anm. 59). Hier ift auf Grund der Beweis-
aufnahme anzunehmen, daß Joſeph R. anfänglich nur
zur Sicherheitsleiſtung herangezogen werden ſollte,
daß aber ſpäterhin eine Einigung dahin zuſtande kam,
daß der Kläger das Guthaben der Firma Kr. zu be—
zahlen und daß dagegen letztere nach Deckung ihrer
Geſamtforderung dem Jofeph R. alle ihre Rechte gegen
die Eheleute D. abzutreten habe. Die Sachlage war
hiernach ſo, wie wenn der Inhaber einer Hypothek—
forderung gegen Bezahlung der Valuta ſeine Rechte
an einen beliebigen Dritten abtritt, ſo daß durch die
Hypothekabtretung die der Firma Kr. gegen die Be—
klagten zugeſtandene Hypothekforderung wirkſam auf
den Kläger übertragen wurde.
Die Beklagten behaupten nun, daß die Vereinbarung
zwiſchen der Firma Kr. und dem Joſeph R. über die
Abtretung der Hypothek nach der Deckung des Schuld—
betrages der notariellen Verlautbarung bedurft hätte.
Das ift unzutreffend. Art. 14 des NotG. von 1861
kann hier nicht in Betracht kommen, weil er ſeit dem
Inkrafttreten des BGB. nur noch für den dinglichen
Vertrag gilt, während für den obligatoriſchen Vertrag
das BGB. maßgebend iſt.
Unbegründet iſt der Einwand der Beklagten, daß
der Kläger feine Forderung nicht als Ausfallsforde—
rung angemeldet habe und daß die Regreßforderung
Er ließ den Anſpruch auf
| ſollte.
|
des Klägers durch die Auszahlung und Annahme
der Zwangsvergleichsquote getilgt und Franz D. da—
mit auch von ſeiner Wechſelverbindlichkeit befreit
worden fei. Jofeph R. hat zum Konkurſe nur den
Regreßanſpruch angemeldet, der ihm zuſtehen würde,
falls er zur Einlöſung der Wechſel gezwungen werden
Dieſer bedingte Anſpruch iſt mit der Wechſel—
und Hypothekforderung der Firma Kr. nicht identiſch
und konnte ſchon deshalb nicht als Ausfallsforderung
geltend gemacht werden, weil die Abtretung der Hypo—
thek erft nach der Beendigung des Konkursverfahrens
erfolgte. Die bedingte Regreßforderung des Jofeph
R. und die Forderungen der Firma Kr. beſtanden ſelb—
ſtändig nebeneinander, jene richtete ſich nur gegen Franz
D. und ſtüßte ſich auf die Unterzeichnung der Wechſel,
ſowie auf das ihnen zugrunde liegende Auftragsverhält—
nis, diefe richtete fid gegen Franz D. und feine Frau und
fand ihre Begründung in der Kautionsbeſtellung, der
Darlehenshingabe durch die Firma und der Wechſel—
urkunde. Die Anerkennung und Befriedigung der Re—
greßforderung konnte alſo den Fortbeſtand der Wechſel—
und Hypothekforderung der Firma Kr. nicht in Frage
ſtellen. Außerdem hat Joſeph R. die Vergleichsquote
zu 990 M nur unter Vorbehalt ſeiner Rechte gegen
die Eheleute D. aus der damals bereits abgetretenen
Kautionshypothek in Empfang genommen. Allerdings
iſt Franz D. nur einmal zur Zahlung verpflichtet und
braucht den Betrag von 5500 M nicht einmal an Jofeph R.
und das anderemal an die Firma Kr. oder deren
Zeſſionar zu leiſten. Abgeſehen von der durch den
Zwangsvergleich nicht berührten Haftung der Ehefrau
D. hat Franz D. durch die Berichtigung der Vergleichs—
quote noch nicht ſeine ganze Schuld, ſondern nur
ſo viel bezahlt, daß er der Verpflichtung aus dem
Zwangsvergleich genügte und ſich damit die Mög—
lichkeit verſchaffte, einer weiteren Geltendmachung der
252 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 12.
— ͥ ͥͤ — — 22. ̃ ⁰—— U — — k U k!— TTT. —T—-t ˙r T—— ̃ 7 — t... — ——dgJ—̃: ... ] D.. ʃèyf—— — — —-— — — —ͤ—ͤ—
— G——-—. . — em —
Regreßforderung des R. entgegen zu treten. F. D. iſt
durch den Zwangsvergleich von ſeiner Hypothekſchuld
gegenüber der Firma Kr. nicht befreit worden, denn
der Zwangsvergleich konnte ſich auf dieſe Schuld nicht
erſtrecken, die Ehefrau D. kann ſich auf den Zwangs⸗
vergleich überhaupt nicht berufen, weil die Rechte der
Gläubiger gegen Mitſchuldner durch einen Zwangs-
vergleich nicht berührt werden (8 193 KO.). Demzufolge
könnte gegen den Kläger als Zeſſionar ein Einwand
nur erhoben werden, wenn er trotz der Zahlung der
990 M Vergleichsquote noch einmal die ganze Schuld—
ſumme fordern würde. (Urt. vom 5. Be 9 0
1273 chw
Literatur.
Bierhaus, Dr. F., Oberlandesgerichtspräſident und Land-
richter Gg. Müller, Sammlung kleinerer
privatrechtlicher Reichsgeſetze. Text⸗Ausg.
m. Anm. u. Sachreg. 2. Aufl. (XXXIV, 1018 S.)
Berlin 1908, J. Guttentag. Geb. Mk. 6.50.
Eine ſehr reichhaltige Sammlung, die den Text
von 60 Geſetzen ganz oder auszugsweiſe mit An—
merkungen wiedergibt. Die Geſetze, deren Text nicht
aufgenommen iſt, ſind in der Zeitfolge mit aufge—
zählt; es iſt bei ihnen jeweils auf die Novellen, den
Geltungsbereich und dgl. verwieſen und angegeben,
welche Vorſchriften privatrechtliche Bedeutung haben.
Auch zahlreiche Verordnungen, Bekanntmachungen und
Staatsverträge ſind angeführt. Die Sammlung wird
insbeſondere als praktiſches und billiges Hilfsmittel
bei der zweiten Prüfung gute Dienſte leiſten.
von der Pfordten.
Neumann, Dr. Hugo, Juſtizrat. Rechtsanwalt am
Kammergericht und Notar. Die Rechtſprechung
des Reichsgerichts in Zivilſachen. Ge⸗
ſammelt, bearbeitet und herausgegeben in Ver—
bindung mit F. Friedrichs, Gerichtsaſſeſſor in Berlin,
Dr. C. Heinrici, Amtsrichter in Oranienburg, und
Dr. Th. Olshanſen, Gerichtsaſſeſſor, Hilfsarbeiter im
Reichs⸗Juſtizamt. I. Bürgerliches Geſetzbuch. Erſte
und zweite Lieferung. Berlin 1908, Verlag von
Franz Vahlen.
Die Mitteilungen von Entſcheidungen haben heute
einen beinahe beängſtigenden Umfang angenommen.
An ſich kein Fehler; bleibt doch das Studium der
Rechtsanwendung das wertvollſte Mittel für die
juriſtiſche Fortbildung. Nur ſollten die anderen Ge—
richte eine Entſcheidung nicht, weil ſie gedruckt vor—
liegt, kritiklos übernehmen. Gegenüber der weit—
gehenden Zerſplitterung will nun Hugo Neumann, der
treffliche Organiſator, im Bunde mit andern die ge-
ſamte zivilrechtliche Rechtſprechung nur des Reichs—
gerichts, aus der offiziellen Sammlung wie auch aus der
„Juriſtiſchen Wochenſchrift“ und vielen anderen Zeit—
ſchriften, zuſammenſtellen. Zunächſt ſind der Recht—
ſprechung zum BGB. zwei Bände von zuſammen etwa
130—150 Druckbogen, die noch im Jahre 1908 voll:
ſtändig vorliegen follen, zum Subſkriptionspreis von
28 Pfennig für den Bogen, zugedacht. Die Ausdehnung
der Sammlung auf das HGB. oder ſonſtige Nebengeſetze
iſt in Ausſicht genommen. Die vorliegenden Liefe—
rungen laſſen bereits ein Urteil über die Anlage des
Werkes und über den Wert zu. Die Entſcheidungen
ſind nach dem Syſtem des BGB. geordnet. Die
wichtigſten und grundlegenden Entſcheidungen ſind in
vollem Umfange wiedergegeben. Das übrige Material
iſt in ausführlich und ſorgfältig gearbeiteten Aus—
zügen, die den Tatbeſtand hinreichend erkennen laſſen,
in Form von Anmerkungen behandelt. In der Leber:
ſchrift zu den einzelnen Paragraphen ſind in Stich⸗
worten die Fragen angegeben, die in der abgedruckten
Entſcheidung behandelt werden. Den Entſcheidungen
wird ein kurzer Tatbeſtand, größtenteils den Ent⸗
ſcheidungsgründen entnommen, in Antiquaſchrift voran
geſchickt. Das ermöglicht häufig eine erhebliche, die
Zuverläſſigkeit der Wiedergabe im übrigen aber nicht
beeinträchtigende Kürzung der Entſcheidungen, ohne
der Verſtändlichkeit Abbruch zu tun. Lieferung 1 und 2
bieten auf 160 großen Seiten im Text die Redt-
ſprechung zu den § 1, 6, 10, 12, 18, 31, 38, 54, 60, 89,
(S. 44--69), 93, 94, 95, 97, 98, 116—118, 119,
(S. 106—126), 121, 123 (S. 130— 146), 125, 126 und
127; dazu treten in den Anmerkungen die Ent:
ſcheidungen zu den 88 7, 21 ff., 26, 28, 34, 35, 90,
96, 104, 107 ff., 111, 113, 114, 122 und 124. Das Wert
behauptet danach ſelbſtändig ſeinen Platz neben den
größten Kommentaren. Rechtsanwalt Dr. Böckel in Jena.
Warneher's Jahrbuch der Eutſcheidungen. Leipzig, Roß⸗
berg'ſche Verlagsbuchhandlung, Arthur Roßberg.
In dieſer verdienſtvollen Sammlung find neu
erſchienen:
1. Zivil⸗, Handels⸗ und Prozeßrecht. 6. Jahr⸗
gang, enthaltend die Literatur und Rechtſprechung
des Jahres 1907. Unter Mitwirkung von Amts⸗
gerichtsrat Meves in Magdeburg und e
Dr. Gutmann in Dresden. Geb. Mk. 9.—
2. Strafrecht und Strafprozeß. 2. 8
enthaltend die Literatur und Rechtſprechung des
Jahres 1907. Bearbeitet von n Rofen:
müller in Schandau. Geb. Mk. 6
3. Arbeiterverſicherungsrecht. 1. Sabegenn; ent⸗
haltend die Literatur und Rechtſprechung des Jahres
1907. Bearbeitet von e Dr. N.
Dannenberg in Leipzig. Geb. Mk. 4.—.
Die Art der Anordnung des Stoffes in der War⸗
neyer'ſchen Sammlung iſt bekannt. Sie bedarf wohl
keiner weiteren Empfehlung.
Strauß, Dr. E., Rechtsanwalt in Augsburg. Das
Fundrecht des bürgerlichen Geſetzbuchs.
(8. VI und 72 S.). München 1908, J. Schweitzer
Verlag (Arthur Sellier). Mk. 2.—
Notizen.
Die Auslieferung an Ungarn. Die Entſcheidung
über die von ungariſchen Behörden geſtellten Aus⸗
lieferungsanträge war bisher im allgemeinen den
Diſtriktspolizeibehörden überlaſſen. Die zunehmenden
Schwierigkeiten im Verkehr mit Ungarn haben jetzt
dazu geführt, daß dieſe Entſcheidung dem Staats—
miniſterium des K. Hauſes und des Äußern vorbehalten
wurde. Die vorläufige Feſtnahme flüchtiger Verbrecher
kann auf den Antrag der ungariſchen Behörden nach
wie vor von den Diſtriktspolizeibehörden verfügt
werden. An der Stellung der Staatsanwaltſchaft im
Auslieferungsverfahren (Bek. vom 16. Juli 1890,
IM Bl. S. 205) ift nichts 5 worden. (Bek.
vom 6. März 1908, IM Bl. S. 95).
1298
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pford ten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H., Freiſing.
-= — — cM
Ur. 13. München, den 1. Juli 1908. 4. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtapflege
Herausgegeben von + Verlag von
Th. von der Pfordten IN Bay kr 2. Pen *
ur er
s: an in München, Lenbachplatz 1.
Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im mine! 1 5 mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
—. ſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
e e für Bayern Nr. 9748).
Redaktion und Expedition: nn Lenbachplatz 1.
e e 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Petit —
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Kabalt. E Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uedereinkunft.
Nachdruck verboten.
die Zulaſſung der Abiturienten eines Real- jang nachzuweiſen, der der Reife für die oberfte
Klaſſe eines Realgymnaſiums entſpricht. Die
gymnaſiums oder einer Deerrealſchult zur Teilnahme am Kurs iſt auch den humaniſtiſchen
jnriſtiſchen Laufbahn. — Die Bedeutung der 3 empfohlen, die in der Abgangsprüfung
i zmi ; für die alten Sprachen keine günſtige Note erzielt
Ausbildung im 3 = > die Gegen haben. Hiervon wird gleichfalls Gebrauch gemacht.
wart. — Geſetz und Ned pflege. Fe den er dr a in dieſen
SR urſen gemacht wurden, ſtehen in der Vertraut⸗
Bon Profeſſor Rezelsberger in Göttingen. heit mit dem Lateiniſchen die Realabiturienten
L im Durchſchnitt hinter dem Durchſchnitt der
Im bapyeriſchen Landtag ift die Frage erörtert humaniſtiſchen Teilnehmer kaum zurück.
worden, ob den Abſolventen eines Realgymnaſiums Die Immatrikulation der Realabiturienten in
oder einer oo. kurz 1 0 1 1 der Juriſtenfakultät hat an den preußiſchen Uni⸗
abiturienten, die Berechtigung zum Studium der verfitäten im Sommerſemeſter 1902 begonnen.
Rechtswiſſenſchaft und der Zutritt zur juriſtiſchen Die Erfahrung iſt demnach noch etwas jung für
Laufbahn gewährt werden ſoll, wie dies in mehreren „ auf den Einfluß, den die Neuerung
deutſchen Staaten, vorab in Preußen geſchehen iſt. al Re Zuſammenſetzung bei den Studierenden
Die Frage wird vorausſichtlich ſobald nicht von der Rechtswiſſenſchaft äußert. Auch ſtehen mir
der Tagesordnung verſchwinden. Unter dieſen ziffermäßige Angaben nur von der hieſigen Uni⸗
Umſtänden it wohl nicht unerwünſcht, Näheres verſität zu Gebot. Indes werden bie Ergebniſſe
über die Einrichtung in Preußen zu hören und an den andern preußiſchen Univerſitäten im Ver⸗
über die Erfahrung, die man damit gemacht hat. hältnis nicht viel abweichen. Deshalb haben die
J ee e e ee ak folgenden Mitteilungen immerhin einigen Wert.
erwähnen. An dem Erfordernis der Ausbildung Es wurden in der hieſigen Juriſtenfakultät
der jungen Juriſten im römiſchen Recht ift neu eingeſchrieben im
ſtreng feſtgehalten. In der erſten nach Abſchluß V „darunt. m
wort: : ait, W. (inter) Semeſter 1902/3, „ 167, „ ie
des Univerſitätsſtudiums abzulegenden juriſtiſchen S Semeſter 1903 215. „ 10
Staatsprüfung muß jeder Prüfling eine Stelle W. „ 1903/4 „ : 7
aus dem corpus juris civilis interpretieren. Trog: | S. „ 1904 „ „ 250, „ „ 24
dem wird von den Realabiturienten für die Jmma: | W. 1904/5 . i 150. i + 12
trikulation in der juriſtiſchen Fakultät ein Nachweis, S. 1905 „ „ 244, 28
5 l nn W. 1905/6 „ „ 191, „ „ 20
über genügende Kenntnis der lateiniſchen und S'“ „ 1906 „ „ 241, „ 32
der griechiſchen Sprache nicht gefordert. Um aber W. 1906/7 or dr «9
i iſſenſchaft, die nur | S. 1907 e 5 32
den Studierenden der Rechtswiſſenſchaft, die nur SE: ee u:
mit dem Reifezeugnis eines Realgymnaſiums oder
einer Oberrealſchule verſehen ſind, die Vervoll⸗ Unter den eingeſchriebenen Realabiturienten
ſtändigung ihrer ſprachlichen Ausbildung zu er- überwiegen die Abſolventen eines Realgymnaſiums.
leichtern, wird an jeder preußiſchen Univerfität in | Wie aus der Zuſammenſtellung erſichtlich, ift feit
jedem Semeſter ein Kurſus zur ſprachlichen Ein- mehreren Semeſtern das Verhältnis zwiſchen der
führung in die Quellen des römiſchen Rechts (mit humaniſtiſchen und der realiſtiſchen Gruppe der
ſchriftlichen Arbeiten) gehalten. Abiturienten einer | Immatrikulierten ziemlich gleich geblieben. Von
Oberrealſchule haben für die Aufnahme in den den ehemaligen Realabiturienten haben ſich der
Kurs die Kenntnis des Lateiniſchen in dem Um- juriſtiſchen Staatsprüfung zurzeit noch jo wenige
=
unterzogen, daß von einer allgemeinen Erfahrung
nicht geſprochen werden kann.
Mein Urteil in der Frage geht nach wie vor
dahin: Die Vorbildung in einem humaniſtiſchen
Gymnaſium verdient für den künftigen Juriſten
den Vorzug, ſie wird auch für abſehbare Zeit die
Regel bleiben. Aber den Realabiturienten das
Tor zur juriſtiſchen Laufbahn zu verſchließen,
dafür liegt kein ausreichender Grund vor. Ja
es ware eine Härte, denn wie die Erfahrung
lehrt, pflegen Befähigung und Neigung zu einem
beſtimmten Beruf bei den jungen Leuten erſt in
einer Zeit hervorzutreten, wo ſie am Abſchluß
ihrer allgemeinen Vorbildung ſtehen.
tüchtige geiſtige Gymnaſtik bildet immer die
Hauptſache, ſie kann aber da und dort gewonnen
werden.
Andererſeits darf man ſich von dem Eintritt
ehemaliger Realabiturienten in den Juriſtenſtand
nicht goldene Aepfel für die Rechtspflege ver⸗
ſprechen, als ob ſie eine beſondere Eignung für
Z3eitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
II.
In der eingangs erwähnten parlamentariſchen
Verhandlung haben mehrere Redner den Antrag
auf Zulafſung der Realabiturienten zur juriſtiſchen
Laufbahn mit der Behauptung zu ſtützen geſucht,
|
|
Eine
l
|
die Auffaſſung der praktiſchen Lebensverhältniſſe
mitbrächten. Es wird den realiſtiſch vorgebildeten
Juriſten ergehen wie ihren humaniſtiſchen Kollegen,
daß die auf der Mittelſchule geſammelten poſitiven
Kenntniſſe verfliegen, wenn ſie jahrelang nicht
in den Beſchäftigungskreis gezogen worden ſind.
Läge der Wert des Gymnaſialunterrichts im
Griechiſchen und in der Mathematik nur darin,
daß der Schüler zeitlebens den Sophokles oder
den Plutarch in der Urſprache leſen kann, daß er
nie die Fähigkeit verliert, quadratiſche Gleichungen
aufzulöſen oder einen Beweis für den ppytha—
goreiſchen Lehrſatz wiederzugeben, ſo wäre die auf
dieſen Unterricht verwendete Zeit bei der Mehr—
zahl der Schüler verloren. So wird auch der
Realabiturient von ſeinen mathematiſchen und
naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſen nur wenig in
die Zeit retten, wo er in einem Patent- oder
Verſicherungsprozeß als Richter oder Anwalt
mitzuwirken hat. Man liebt es freilich, die
Juriſten der Weltentfremdung zu zeihen, ſie als
Wolkenwandler hinzuſtellen, deren Blick über die
Geſetzesparagraphen nicht hinausreicht; man fordert
für ſie eine andere Vorbildung. Ich frage: worin?
oder richtiger: worin nicht?
mit dem ganzen großen ſozialen Leben zu tun.
Wer kann überall zu Hauſe ſein? Angeſichts der
Weite der Aufgabe und in Erwägung der Grenze
menſchlichen Wiſſens überhaupt kann ſich die
heutige Rechtſprechung, inſonderheit die Recht—
ſprechung unſres Reichsgerichts wohl ſehen laſſen.
Uebrigens wenn die Juriſten bisher ſo ſehr der
Fähigkeit entraten haben, ſich in den mannig—
fachen, oft recht verſchlungenen Wegen des Ver—
kehrs zurechtzufinden: wie kommt es, daß an die
Spitze von Banken
Unternehmungen vielfach Juriſten geſtellt werden?
und großen induſtriellen
daß das Studium des römiſchen Rechts in der
Gegenwart für die juriſtiſche Ausbildung an Be⸗
deutung weſentlich verloren habe. Dieſe Behauptung
deckt ſich mit einem weit verbreiteten, ſelbſt in die
juriſtiſchen Kreiſe reichenden Urteil. Und dieſes
Urteil ruht auf einem ſo naheliegenden Schluß,
daß man ſich wundern müßte, wenn es nicht ent⸗
ſtanden wäre. Bis zum 1. Januar 1900 — ſo
ſagt man — hatte das römiſche Recht in einem
Teil von Deutſchland die Geltung eines Geſetzes;
dieſer Eigenſchaft iſt es durch die Einführung des
bürgerlichen Geſetzbuchs für das Deutſche Reich ent⸗
kleidet worden. Alſo!
Wäre das Urteil nur unrichtig, ſo könnte man
es wie manchen andern Irrtum ſeinem Schickſal
überlaſſen, im Vertrauen, daß die beſſere Einſicht
früher oder ſpäter durchbrechen wird. Aber das
Urteil iſt auch gefährlich, denn wenn es ſich weiter
einbürgert, würde es zu einer Verkümmerung, wo
nicht zur Ausſchaltung des Unterrichts im römiſchen
Recht vom Rechtsunterricht in Deutſchland führen.
Darin läge eine Schädigung des Juriſtenſtands
und damit der Rechtspflege. Es ſteht daher ein
allgemeines Intereſſe in Frage. Wer in der Er⸗
haltung eines tüchtigen Juriſtenſtands eine natio-
nale Aufgabe erblickt, darf ſich die Mühe nicht
erſparen, jener Anſchaunng tiefer nachzugehen; alles
|
Der Juriſt hat es
Wer hat die Deutſche Bank auf die gegenwärtige
Höhe gehoben? ein Gerichtsaſſeſſor.
Oberflächliche hat etwas Beſtechendes.
Vor allem iſt eine Wahrnehmung geeignet, an
der Richtigkeit des erwähnten Urteils Zweifel zu
erwecken. Im Königreich Preußen vor 1866 hatte
das römiſche Recht über ein halbes Jahrhundert
nur in einem ſehr kleinen Gebiet Geſetzesgeltung;
gleichwohl nahm während dieſer Zeit die Ein:
führung in das römiſche Recht im amtlich ge:
regelten Rechtsunterricht einen breiten Raum ein.
Ebenſo
hat Oeſterreich an der Unterweiſung im
römiſchen Recht bis auf dem heutigen Tag feft-
gehalten, trotzdem daß dort dieſes Recht ſeit dem
Anfang des vorigen Jahrhunderts aus der unmittel:
baren Anwendung verdrängt ift. Die gleiche Er:
ſcheinung weiſen andere Kodifikationsländer auf, wie
Frankreich und Italien.
Dies geſchieht nicht zur bloßen Dekoration,
auch nicht der alten Ueberlieferung zuliebe, ſondern
in der Ueberzeugung, daß eine Vertrautheit mit
dem römiſchen Recht auch dem — es ſei das Wort
geſtattet — Kodifikationsjuriſten not tut. Und
dieſe Ueberzeugung wird bei uns von einer an—
geſehenen Zahl von Juriſten geteilt, von Theoretikern
und von Praktikern.
Viele werden fragen, worin der Wert beſteht,
den das Studium des römiſchen Rechts unab—
hängig von ſeiner poſitiven Geltung hat. Hierauf
iſt Schon öfter die Antwort gegeben worden, mit
beredteren Worten als ſie mir zu Gebote ſtehen.
Aber dieſe Ausführungen haben, wie mir ſcheint,
gerade auf die Kreiſe nicht den erwünſchten Ein⸗
druck gemacht, für die ſie berechnet waren. Der
Grund liegt vielleicht darin, daß ſie zu allgemein
gehalten waren, daß fie ſozuſagen der demon-
stratio ad hominem entbehrten. Es ſei mir der
Verſuch geſtattet, den Zweck auf dem angedeuteten
Weg zu erſtreben.
Für die Beibehaltung des Unterrichts im
römiſchen Recht wird allgemein folgendes hervor:
gehoben. Unſer heutiges, hauptſächlich im bürger⸗
lichen Geſetzbuch niedergelegtes Privatrecht hat zum
nicht geringen Teil feine Wurzel im römiſchen
Recht; viele Rechtsſätze, ja ganze Rechtsinſtitute
ſind dem römiſchen Recht entnommen. Ein tieferes
Verſtändnis des geltenden Rechts iſt durch die
Kenntnis ſeiner geſchichtlichen Grundlage bedingt.
Darum hat für den deutſchen Juriſten das römiſche
Recht eine höhere Bedeutung als das Recht eines
andern fremden Volkes, und ſteht hierin mit dem
älteren deutſchen Recht auf einer Linie.
Das iſt gewiß richtig, aber es iſt damit die
Bedeutung des römiſchen Rechts für uns nicht
erſchöpft. Ja noch größeres Gewicht hat ſeine
Eigenſchaft als juriſtiſches Erziehungsmittel. Zum
Nachweis deſſen muß ich etwas weiter ausholen.
Ueber die Schwierigkeit der Aufgabe, die von der
Rechtsanwendung zu löſen iſt, herrſchen in nicht⸗
juriſtiſchen Kreiſen vielfach irrige Vorſtellungen;
man glaubt, wenn erſt der tatſächliche Vorgang,
ſei es mit oder ohne Beweisführung, feſtſteht, ſo
bedürfe es nur noch, den entſprechenden Paragraphen
im Geſetzbuch etwa mit Hilfe eines guten Regiſters
aufzuſuchen, und das Urteil ſei fertig. Der Juriſt
weiß, daß die zur gerichtlichen Austragung ge—
langenden Fälle nur felten jo einfach liegen. Um
feſtzuſtellen, ob überhaupt ein gerichtlich verfolgbarer
Anſpruch vorliegt, und wenn ja, ob Kauf- oder
Werkvertrag, ob Bürgſchaft oder kumulative
Schuldübernahme, ob Schenkung oder Zweckgabe,
ob Auflage oder Bedingung uſw., bedarf es oft
der ſorgfältigen Zergliederung des konkreten Tat—
beſtands in feine Elemente, einer juriſtiſchen
Wägung jedes Elements für ſich und in ſeinem
Zuſammenhang mit den andern, einer Ermittlung
der beherrſchenden Norm für das durch Auflöſung
und Vereinigung gewonnene Ergebnis, kurz es
bedarf einer juriſtiſchen Diagnoſe. Die Diagnoſe
iſt eine Kunſt. Sie wird wenigſtens vom Durch—
ſchnittsmenſchen nur durch eine gründliche Schulung
erworben. Hierin gibt es aber keine beſſeren Lehr—
meiſter als die alten römiſchen Juriſten. Ein
Beiſpiel mag dies veranſchaulichen.
Nach römiſchem wie nach heutigem Recht
erwirbt an einer herrenloſen beweglichen Sache
das Eigentum, wer ſie für ſich in Beſitz nimmt.
Das BGB. fordert noch ein weiteres, wovon hier
abgeſehen werden ſoll. Es liegt nun folgender
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13. 255
Fall vor. Jemand hat eine Vorrichtung zum
Fangen von Raubzeug aufgeſtellt. In ſeiner
Abweſenheit fängt ſich ein ſeltener wilder Vogel,
ein Seeadler. Ein Arbeiter, der dies beobachtet,
tritt hinzu und bemächtigt ſich des Tieres. Beide,
der Fallenſteller und der Arbeiter nehmen das
Eigentum am Vogel in Anſpruch, der Fallen⸗
ſteller mit der Behauptung, daß er in dem Augen:
blick Beſitz und Eigentum erworben habe, wo der
Vogel in die Falle geraten war; damit habe der
Vogel aufgehört, herrenlos zu fein. Die Ent:
ſcheidung ſpitzt ſich ſonach auf die Frage zu: Hat
der Fallenſteller durch den Vorgang den Beſitz
am Vogel erworben? Und da der Beſitz einer
Sache durch die Erlangung der tatſächlichen Gewalt
über die Sache erworben wird (BGB. 8 854),
jo läßt ſich die Frage fo fallen: Hat der Fallen-
ſteller die tatſächliche Gewalt über den Vogel
dadurch erlangt, daß dieſer fih in der Falle fing?
Ein gleicher Fall beſchäftigte den römiſchen Juriſten
Proculus, und es iſt hierüber von ihm folgende
Erörterung überliefert (L. 55 Dig. A. R. D. 41,1):
Vor allem iſt darauf zu ſehen, wo die Falle auf—
geſtellt war, ob auf einem öffentlichen oder auf
einem Privatgrundſtück; wenn auf einem Privat:
grundſtück, ob auf einem dem Fallenſteller gehörigen
oder auf einem fremden; wenn auf einem fremden,
ob mit oder ohne Erlaubnis des Eigentümers;
ferner kommt es darauf an, ob das Tier durch
die Falle ſo feſtgehalten war, daß es ſich durch
eigene Kraft nicht los machen konnte.
So lenkt der Juriſt die Aufmerkſamkeit auf
alle erheblichen Seiten des Falls und zeigt den
Weg, auf dem zu einer gründlichen Entſcheidung
zu gelangen iſt. Durch die Einführung in die
Muſterleiſtungen juriſtiſcher Technik wird das Auge
für das rechtlich Weſentliche in den bunten Er—
ſcheinungen des Lebens geſchärft und eine Befähigung
erworben, deren Verwertung vom Wechſel des
poſitiven Rechts unabhängig iſt. Wird, wie es
in den ſeminariſtiſchen Uebungen zu geſchehen
pflegt, der Studierende veranlaßt, den vom
römiſchen Juriſten behandelten Fall nach dem
heutigen Recht zu beurteilen, jo gewinnt fein Ber-
ſtändnis des geltenden Rechts eine Förderung,
wie das Eindringen in den Geiſt der Mutter—
ſprache durch das Ueberſetzen aus einer fremden
Sprache.
III.
Noch ein anderes können wir von den römiſchen
Juriſten lernen.
Seit das bürgerliche Geſetzbuch für das Deutſche
Reich in Kraft getreten iſt, wird heftiger als je
über das Verhältnis der Rechtſprechung zum Geſetz
geſtritten. Es fehlt nicht an ſolchen, die, einem
Zug der Zeit nach ſtärkerer Geltendmachung der
Individualität folgend, für den zur Rechtsanwendung
Berufenen die Freiheit in Anſpruch nehmen, einer
Geſetzesvorſchrift die Folge zu verſagen, welche nach
feinem Befinden die durch das Weſen des Lebeng-
verhältniſſes gebotene Regelung verletzt, und an
deren Stelle den Fall nach einer Norm zu ent⸗
ſcheiden, die er der Abwägung der Intereſſen ent⸗
nimmt. Im Gegenſatz hierzu lehnen andere jedes
Hinausgehen der Geſetzesanwendung über den
Umfang ab, in dem nachweisbar der Geſetzesinhalt
dem Geſetzgeber vorgeſchwebt hat; jede Weiter:
führung ſoll der Geſetzgebung vorbehalten ſein.
Wie ſtellten ſich die römiſchen Juriſten zu
der Frage? Dem beſtimmten Geſetzesgebot beugten
ſie ſich, auch wenn es ihrem Rechtsempfinden nicht
entſprach: perquam durum, sed ita lex scripta.
Andererſeits gingen ſie den Grundgedanken der
Geſetzesnormen nach und entwickelten aus den
treibenden Ideen einen Reichtum an Rechtsſtoff,
ſo daß für das Privatrecht jahrhundertelang der
Geſetzgebung wenig zu tun blieb. Was haben
ſie aus der Lex Aquilia, dem Senatusconsultum
Macedonianum, Velleianum und andern Geſetzen
geſchaffen?
Sollte es nicht Recht und Pflicht der heutigen
Jurisprudenz ſein, das Geſetzesrecht ihrer Zeit in
ähnlich freier Weiſe auszubauen, den Faden der
Geſetzesnormen nach vertiefter Einſicht den Be—
dürfniſſen des Lebens entſprechend weiter zu
ſpinnen und ſo das Recht zeitgemäß zu erhalten?
Man ſagt, die heutige Jurisprudenz habe nicht
die Machtſtellung der römiſchen. Da liegt doch
wohl eine Verwechſlung zugrunde zwiſchen der
römiſchen Prätur und der römiſchen Juris—
prudenz; dieſe hatte keine andern Machtmittel
als die heutige: die Wiſſenſchaft und die praktiſche
Rechtshandhabung. Glaubt aber jemand über den
Gegenſatz von Altertum und Neuzeit nicht hin—
wegkommen zu können, ſo wende er ſeinen Blick
auf unſre Nachbarn jenſeits der Vogeſen. Was
hat dem code civil die Beliebtheit im franzöſiſchen
Volk gewonnen und ſeit mehr als einem Jahr—
hundert erhalten? Nicht die innere Vollkommen⸗
heit des Geſetzbuchs, ſondern die Aus- und Fort⸗
bildung ſeines Inhalts durch die franzöſiſche
Jurisprudenz.
| Das Beiſpiel Frankreichs ift für uns lehr—
reich. Es zeigt, daß eine freiere Bewegung der
Jurisprudenz für die Kodifikation nicht nur nicht
gefährlich iſt, ſondern erhaltend wirkt. Das Ge—
ſetzbuch iſt auf Dauer berechnet, aber das Leben
ſchreitet fort und unſere Einſicht in ſeine Bedürf—
niſſe wächſt. Bald da bald dort zeigt ſich über
kurz oder lang das Geſetzesrecht als unzureichend
oder unangemeſſen; ſeine Anpaſſung an die ver—
änderten Verhältniſſe wird dringendes Bedürfnis.
Da kann nun freilich die Geſetzgebung ſelbſt Ab—
hilfe ſchaffen, und ihr Eingreifen iſt nie ganz zu
entbehren. Aber in der fragmentariſchen Geſetz—
gebung liegt eine Gefahr für die Einheit des
Rechts, der Gelegenheitsgeſetzgeber hat nicht immer
eine geſchickte Hand, er ſtößt zuweilen in das
wohldurchdachte Syſtem des Geſetzbuchs Löcher,
— aaa
— — u nn
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
die vermieden werden konnten. Weit leichter und
ſchonender greift in die Fortbewegung des Rechts
die Jurisprudenz ein. In der praktiſchen An⸗
wendung und in der wiſſenſchaftlichen Bearbeitung
des Geſetzesrechts tritt entgegen, daß und wie weit
nachzuhelfen iſt. Da der Juriſt nicht mit dem
großen Meſſer des Geſetzgebers arbeitet, ſo iſt er
angewieſen, ſeine Neuerung möglichſt an das be⸗
ſtehende Recht anzuknüpfen, mehr eine Entwicklung
zu ſchaffen als einen Bruch. Gewiß kommen auch
hier Mißgriffe vor, aber ihre Beſeitigung vollzieht
ſich raſcher und leichter, als wo die Geſetzgebungs⸗
maſchine in Bewegung geſetzt werden muß; kein
Richter iſt äußerlich an die Anſichten ſeiner Vor⸗
gaͤnger gebunden.
In Deutſchland iſt man noch vielfach geneigt,
in der Beteiligung der Jurisprudenz an der
Rechtserzeugung eine unzuläſſige Grenzüberſchreitung
zu erblicken. Man erwäge aber, daß es auch in
der geiſtigen Welt keine ſchroffen Gebietsgrenzen
gibt, überall beſtehen Uebergänge. So gibt es
auch für die Rechtsſchaffung ein Gebiet, wo
Jurisprudenz und Geſetzgebung arbeiten, ſich in
wünſchenswerter Weiſe ergänzen. Und immerhin
iſt das Gebiet der rechtſchöpferiſchen Tätigkeit für
die Jurisprudenz enger abgeſteckt als für die Ge⸗
ſetzgebung, wie ſchon die römiſchen Juriſten er⸗
kannt haben.
Man wird mir die Frage entgegenhalten, wo
die Grenze liegt zwiſchen der gebotenen Unter⸗
werfung der Jurisprudenz unter das geſetzte Recht
und ihrem rechtſchöpferiſchen Walten. Eine all⸗
gemeine befriedigende Formel dafür aufzuſtellen,
iſt ſchwer, wo nicht unmöglich: quod magis in-
tellectu percipi quam elocutione exprimi
potest, jagt Julianus (L. 12 $2 Dig. rat. rem.
46,8) von einer ähnlichen Aufgabe. Es wirkt
vielleicht nützlicher, wenn ich meinen Standpunkt
an Beiſpielen deutlicher zu machen verſuche. Der
Kürze wegen nenne ich die geſetzlichen Erſcheinungen
der erſten Gruppe ſtarre Geſetzesnormen, die Er⸗
ſcheinungen der zweiten ausbaufähige; ich lege
auf die Wahl der Ausdrücke kein Gewicht. Und
dann bringe ich nur Beiſpiele, Erſchöpfendes wird
nicht angeſtrebt.
A. Starre Geſetzesnormen.
1. Nach BGB. $ 253 kann wegen eines
Schadens, der nicht Vermögensſchaden iſt, Ent⸗
ſchädigung in Geld nur in den durch das Geſetz
beſtimmten Fällen gefordert werden. Ich halte
dieſe Vorſchrift für einen 5 Mißgriff;
ſie iſt ein Erzeugnis der Angſt vor den Auswüchſen
richterlicher Bewegungsfreiheit, ein Hemmſchuh für
die Wirkſamkeit von Verträgen, die auf eine in
Geld nicht anſchlagbare Leiſtung gerichtet ſind,
wie für den Schutz der Perſönlichkeitsrechte. Trotz⸗
dem bin ich der Anſicht, daß ſich der Richter
über dieſe Schranke nicht hinwegſetzen darf.
2. Ob in den Zahlbeſtimmungen des BGB.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
immer das Richtige getroffen iſt, läßt ſich be⸗
B. das in $ 246
feſtgelegte Zinsmaß bei dem derzeitigen Geldſtand
als mißlich. Aber dem Richter ſteht nicht zu,
ſtalt in das praktiſche Recht ein und ringen ſich
zweifeln. So erweiſt ſich z.
daran zu rütteln.
3. Es iſt mehrfach aus ſittlichen Erwägungen die
Klagbarkeit eines Anſpruchs ausgeſchloſſen (Ehe⸗
maklerlohn $ 656, Spiel, Wette, Differenzgeſchäft
SS 762—764, Ehelichungsverſprechen $ 1297). Wie
man auch über die innere Rechtfertigung dieſer
Vorſchriften denken mag, die Rechtsanwendung iſt
durch ſie gebunden.
4. Nach $ 9 der Konkursordnung ſteht die
Entſchließung über die Annahme oder Ausſchlagung
einer Erbſchaft oder eines Vermächtniſſes, die dem
Gemeinſchuldner vor der Konkurseröffnung an:
gefallen find, dem Gemeinſchuldner zu und nur ihm;
er kann alſo durch Ablehnung ſeinen Gläubigern
Befriedigungsmittel entziehen. Man hat behauptet,
diefe Regelung verſtoße fo ſtark gegen die ver:
nünftige Erwägung, daß der Richter ihr die An-
wendung verſagen dürfe. Die Vorausſetzung iſt
keineswegs zweifellos; gewichtige Stimmen lauten
entgegengeſetzt (Jaeger, Komm. KO. § 9 Anm. 5
und Angeführte). Aber wenn ſich dies auch anders
verhielte, ſo wäre der daraus gezogene Schluß
verfehlt; hier gilt: ita lex scripta.
B. Ausbaufähige Geſetzesnormen.
1. Im Kommiſſionsverhaltnis geht nach den
allgemeinen Regeln über Beſitz⸗ und Eigentums:
erwerb das Eigentum an der vom Kommilfionär
angeſchafften Sache zunächſt auf den Kommiſſionär
über. Das hat für den Kommittenten die Gefahr,
daß die für ſeine Rechnung erworbene Sache von
den Gläubigern des Kommiſſionärs als Befrie—
digungsmittel in Anſpruch genommen wird. Um
dem offenbar mißlichen Ergebnis zu entgehen, hat
man einen unmittelbaren Eigentumserwerb des
Kommittenten angenommen, was die einen durch
Unterſtellung von Willensrichtungen beim Ver—
äußerer, beim Kommiſſionär oder beim Kommitten—
ten rechtfertigen, die in Wirklichkeit faſt nie vor⸗
handen ſind, während die andern darin eine durch
Zweckmäßigkeit und Billigkeit gebotene Ausnahme
erblicken. Ich habe ſchon vor einigen Jahren auf
eine befriedigendere Löſung hingewieſen (Iherings
Jahrb. Bd. 44 S. 419 ff.), auf die analoge
Anwendung vom Handelsgeſetzbuch 8 392 Abſ. 2.
Vgl. als Vorgänger Strohal in den Verhand—
lungen des XXII. Deutſchen Juriſtentages Bd. 4
S. 203. Ich führte aus: Was als Undbilligkeit
empfunden wird, iſt doch nur, daß die Gläubiger
des Kommiſſionärs aus dem vermittelnden Erwerb
ihres Schuldners Gewinn ziehen. Dieſen Zuwachs
verſagt ihnen das Geſetz a. a. O., ſo lange der
Erwerb aus dem Ausführungsgeſchäft in einer
Forderung auf die Lieferung der Ware beſteht.
Warum ſollte dies anders ſein, wenn die Ware
dem Kommiſſionär in Erfüllung der Forderung
257
übergeben iſt? Man wendet ein, der $ 392 Abſ. 2
ſei vom Geſetzgeber als Ausnahmevorſchrift gedacht
worden. Das beſtreite ich nicht. Allein alle
Rechtsgedanken treten zunächſt in beſchränkter Ge⸗
erft im Lauf der Zeit vermöge des in ihnen ent-
haltenen Triebs nach Entfaltung zu allgemeinerer
Geltung durch. Aber ſagt man, einer ſolchen
Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen, iſt nicht
Amts der Rechtspflege, denn die Ausnahmsrechts⸗
ſätze entziehen ſich der analogen Verwertung.
Dieſe Regel, auf beiläufige Aeußerungen römiſcher
Juriſten aufgebaut (Paulus und Julianus in L. 14,
15 D. le legib. 1,3), enthält Wahres und Falſches.
An der Vorſchrift des BGB. § 2265 ſcheitert jede
Erſtreckung der gemeinſchaftlichen Teſtamente auf
Eltern und Kinder oder auf Geſchwiſter. Aber
viele Rechtsſätze, die zunächſt für einen beſchränkten
Tatbeſtand geſchaffen ſind, enthalten den Keim eines
allgemeinen Rechtsgedankens. Dieſe Eigenſchaft
eines Rechtsſatzes zu erkennen und den Grund—
gedanken nach dem Bedürfnis des Lebens zu ent—
wickeln, iſt — ſo äußerte ich mich an einem andern
Ort!) — die ſchöne, freilich nicht unſchwierige Auf:
gabe der Jurisprudenz, der Theorie und Praxis.
Mit der Entfaltung handelt ſie nicht gegen das
Geſetz ſondern im Dienſte des Geſetzes; ſie erhält
das poſitive Recht mit den Forderungen des fort—
ſchreitenden Lebens im Einklang und verhütet die
Durchbrechung der ruhigen Entwicklung durch das
plumpe Eingreifen der Geſetzgebung.
2. In einer leſenswerten Schrift hat Graden—
witz“) ausgeführt, daß das vom BGB. 8 119
anerkannte Recht zur Anfechtung von Willens—
erklärungen wegen Irrtums nicht ſelten vom
Irrenden geltend gemacht wird, nicht weil er ſich
durch das irrtümlich Erklärte bedrückt fühlt, ſondern
weil er vom Geſchäft überhaupt loskommen will,
das ſich für ihn, ſei es nach beſſerer Erkenntnis
oder infolge veränderter Verhältniſſe, auch mit dem
von ihm gewollten Inhalt als unvorteilhaft heraus—
ſtellt: Der Weizen iſt vielleicht in der Zwiſchen—
zeit ſo ſtark im Preiſe gefallen, daß er auch mit
den gewollten 21 zu teuer bezahlt wird, nicht bloß
mit den irrtümlich geſchriebenen 29. Das An—
fechtungsrecht wegen Irrtums wird mißbraucht zu
einem Reurecht. Ein unbefangenes Rechtsempfinden
fordert, daß der Irrende durch die Anfechtung nicht
beſſer geſtellt werde als er ohne den Irrtum ſtehen
würde. Er muß ſich alſo gefallen laſſen, daß er
bei dem von ihm gewollten Inhalt der Willens—
erklärung auf Antrag ſeines Gegners, des Er—
klärungsempfängers, feſtgehalten wird. Dies iſt
im BGB. nicht ausgeſprochen und wird darum
von Planck Komm. $ 119 Erl. 1a E. und
Kipp⸗Windſcheid, 9. Aufl. § 77 Ula E.
| abgelehnt. In der Tat iſt die Rechtfertigung aus
1) Münch. Kr. VI Schr. Bd. 47 Heft 4 S. 291.
) Anfechtung und Reurecht beim Irrtum 1902.
258
dem BGB. ſchwer nachzuweiſen; von der geiſt⸗
vollen Art, wie Graden witz dieſe Aufgabe zu
löſen ſucht, werden ſich manche mehr angezogen
als überzeugt fühlen. Die römiſchen Juriſten
würden die Weigerung des Irrenden, ſich bei
ſeinem wirklichen Willen behaften zu laſſen, mit
einer exceptio doli oder mit einem non audietur, .
non est ferendus zurückgewiefen haben.“) Die
heutige Jurisprudenz ſollte darin nachfolgen.
3. Nach der herrſchenden Auffaſſung beruht
die Vollmachtgebung auf einer Willenserklärung
und wirkt kraft der vom poſitiven Recht an⸗
erkannten Privatwillensbetätigung. Als Willens⸗
erklärung unterliegt ſie aber nach der Regel den
Folgen eines Willensmangels, inſonderheit der
Anfechtung. Hierin liegt eine nicht geringe Ge⸗
fahr für die Sicherheit des Verkehrs: auf Grund
der äußerlich tadelfreien Vollmachtserteilung können
hunderte von Geſchäften geſchloſſen ſein, die ſämt⸗
lich zuſammenbrechen, wenn es dem A
gelingt, die Vollmachtserteilung mit Erfolg an:
zufechten. Man hat auf verſchiedene Weile dar-
zutun geſucht, daß die Vollmachtserteilung nicht
oder nicht in dem gewöhnlichen Umfang der Um⸗
ſtoßung wegen eines Willensmangels ausgeſetzt
ſei; auf die neueſte Behandlung der Frage durch
Roſenberg (Stellvertretung im Prozeß S. 106ff.)
kann ich nur hinweiſen. Am radikalſten verfährt
Wellſpacher (Das Vertrauen auf äußere Tat⸗
beſtände im bürg. Recht S. 83 ff.); er beſtreitet,
daß in der Ausſtellung einer Vollmachtsurkunde
eine Willenserklärung enthalten ſei, und gründet
die Haftung des Machtgebers aus dem in ſeinem
Namen errichteten Vertrag auf den Schutz, den
das Vertrauen auf das Daſein des dem Ver—
tragsgegner des Vertreters kundgegebenen Ver—
tretungsverhältniſſes genießt; mit der Ausſchaltung
des Willens aus dem Tatbeſtand iſt dem Angriff
wegen eines Willensmangels der Boden entzogen.
Ich habe in der Frage eine Mittelſtellung ein⸗
genommen mit folgender Ausführung:“) Die
Vollmachterteilung ſchafft, genauer zugeſehen, einen
zweifachen juriſtiſchen Tatbeſtand, einmal eine
Willenserklärung, dann aber auch den äußern
Schein, daß die Vollmacht erteilt ſei. Wird
daher dem Dritten, der mit dem Vertreter in
Hinblick auf die Vollmacht in Verkehr getreten
iſt, durch Anfechtung die Berufung auf das Daſein
der Vollmacht entwunden, ſo ſteht ihm noch ſein
Vertrauen auf den äußern Schein des Daſeins
ſchützend zur Seite. Freilich deckt dieſer Schein
nur einen ſolchen Dritten, der dadurch zum
Glauben an die Wirklichkeit beſtimmt wurde;
aber mehr fordert auch das Intereſſe der Ver⸗
kehrsſicherheit nicht. Man wird einwenden, daß
der Vertrauensſchutz in dieſer Anwendung im
BGB. nicht anerkannt fei. Ausdrücklich gewiß
3) Vgl. eine ähnliche Entſcheidung in L. 3 § 2, L. 4
mandati 17,
$) Münch. KrVIcSchr. Bd. 47 Heft 4 S. 290.
Zeitſchrift für SZieitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. in Bayern. 1908. Nr. 1: 13.
nicht. Aber erwägen wir. Dem Vertrauen des
Dritten iſt der Schutz vom BGB. in folgenden
Richtungen zugeſichert: gegen das Erlöſchen der
Vollmacht durch Endigung des Grundverhältniſſes
($ 169) oder durch Widerruf, hier wenn die Bol-
machterteilung entweder dem Dritten beſonders
kundgegeben oder öffentlich bekannt gemacht wurde,
und zwar auf ſo lange, als die Vollmacht nicht
in derſelben Weiſe widerrufen iſt, in der die Er⸗
teilung kundgegeben wurde (§$ 170, 171), gegen
die Entkräftung der Vollmacht, worüber der Ver⸗
treter an den Vertreter eine Urkunde ausgehändigt
hatte, wenn dieſe Urkunde vom Vertreter dem
Dritten bei Abgabe der. Vertretererflärung vor:
gelegt wurde ($ 172). Dieſen Vorſchriften liegt
der allgemeine Gedanke zugrunde: im Bereich der
Vollmacht ſoll das Vertrauen in das Daſein der
Vertretungsmacht geſchützt ſein, wenn die dafür
ſprechende äußere Erſcheinung unter Mitwirkung
des Vertretenen entſtanden iſt. Allerdings be⸗
ziehen ſich die geſetzlichen Anwendungsfälle ſämtlich
auf das Vertrauen in die Fortdauer einer
Vollmacht. Aber warum ſollte das Vertrauen
in ihre Entſtehung den 1 weniger ver⸗
dienen? Im Ergebnis find einverſtanden Dern:
burg, Allgemeine Lehren 8 163 V, Kipp⸗
Windſcheid 9. Aufl. I S. 364; RGE. Bd. 56
Nr. 16 S. 69. Eine treffliche Begründung findet
ſich für eine ähnliche Erſchließung eines allgemeinen
Grundſatzes aus einzelnen Geſetzesbeſtimmungen im
Erkenntnis des Reichsgerichts vom 2. (27.2) Februar
1889 (RGE. Bd. 24 Nr. 10 S. 49 ff.).
4. Iſt jemand zu einer Handlung verurteilt,
die ausſchließlich von ihm, nicht durch einen
Dritten vorgenommen werden kann, ſo iſt zur
Vollſtreckung vom Gericht auf Antrag zu erkennen,
daß der Schuldner zur Vornahme der Handlung
durch Geldſtrafe oder durch Haft anzuhalten ſei
(BPO. $ 888). Nach 8 888 foll aber der Beuge⸗
zwang wegfallen bei der Verurteilung zur Ein⸗
gehung einer Ehe, zur Herſtellung des ehelichen
Lebens oder zur Leiſtung von Dienſten aus einem
Dienſtvertrag.
So das Geſetz. Nun gibt es aber nicht wenige
andere unter den allgemeinen Tatbeſtand des § 888
Nof. 1 fallende Urteile, wo fih der Beugezwang
ebenſo als eine unangemeſſene Maßregel erweiſt
und wo, wenn eine Vermögensverletzung vorliegt,
die Verurteilung des widerſpenſtigen Schuldners
zum Schadenserſatz die Intereſſen beider Beteiligten
weit beffer wahrt: es ift ein Schriftſteller aus
einem Verlagsvertrag zur Verfaſſung eines wiſſen⸗
ſchaftlichen oder künſtleriſchen Werks verurteilt
(Kohler, ArchgivPrax. Bd. 80 S. 248), oder es
weigert ſich jemand, ein beſtelltes Darlehen von
hohem Betrag anzunehmen, für das er vielleicht
wegen veränderter Umſtände keine Verwendung
hat (hierüber meine Ausführung in IheringsJ.
Bd. 52 S. 420 ff.). Ich glaube, ein Richter, der
Gleiches gleich beurteilt, handelt nur nach einer
höheren Rechtsnorm und überſchreitet nicht die
ihm gezogenen Grenzen.
5. Einen ähnlichen Fall der Geſetzesenge er:
örtert Tuhr (IheringsJ. Bd. 46 S. 54 ff.), er
empfiehlt gleichfalls die freiere Behandlung. Ich
muß mich damit beſcheiden, auf die überzeugende
Ausführung zu verweiſen.
6. Für mehrere an die Beobachtung einer Form
gebundene Verträge iſt im BGB. ausgeſprochen,
daß der Mangel der Form durch die Erfüllung
des Vertrags geheilt werden kann (§ 313 Ber-
äußerung eines Grundſtücks, 8 518 Schenkungs⸗
verſprechen, $ 766 Bürgſchaftserklärung). Darf
hieraus die heilende Kraft der freiwilligen Er⸗
füllung als eine Regel unſeres Privatrechts ge:
folgert werden, die auf ähnlich gelagerte Fälle
Anwendung findet (auf die Fälle der 88 311, 761.
2317)? Düringer-Hachenburg (Das Handels—
geſetzbuch von 1897 Bd. 2 S. 17 ff.) bejahen es,
und an den im Eigentum des Staates oder
Dritter ſtehenden pPrivatflüſſen.
Von Juſtizrat Dr. M. Obermeyer, Rechtsanwalt in München.
Bei den gewöhnlichen Privatflüſſen, die nach
Art. 21 WG. Beſtandteil der Grundftüde find,
zwiſchen denen ſie hindurchfließen, iſt das Waſſer⸗
benützungsrecht dieſer Ufereigentümer zweifellos ein
Ausfluß des Eigentums; eine Eintragung ſolcher
Adjazentengewäſſer im Grundbuch kann nicht in
Frage kommen und ebenſowenig die Eintragung
der den Adjazenten zuſtehenden aus deren Eigen:
tum an den Ufergrundſtücken entſpringenden Waſſer⸗
benützungsrechte; anderſeits iſt zweifellos, daß ver⸗
tragsmäßige Beſchränkungen der Waſſerbenützungs⸗
rechte der Ufereigentümer zugunſten anderer Per:
gewiß mit Recht. Dagegen glauben andere Planck fonen Dienſtbarkeiten find und daher der Ein:
Komm. Erl. 4, Staudinger, Komm. $ 125
Anm. II 2) über den Mangel an Vorſchriften im
BGB. nicht hinwegkommen zu können.
Ich ſchließe die Reihe der Beiſpiele, die ſich
leicht vermehren ließe, mit einer „kühnen ort:
entwicklung des geſchriebenen Rechts“ (jo Hagens
in der LZ. I S. 241) durch unſer Reichsgericht.
7. In der Erklaͤrung des Beitritts zu einer
Aktiengeſellſchaft, zu einer Geſellſchaft mit be-
ſchränkter Haftung, zu einer Genoſſenſchaft liegt
eine Willenserklärung. Finden darauf die Regeln
des BGB. Anwendung, wonach Willenserklärungen
mangels der Ernſtlichkeit nichtig, wegen Irrtums
und Betrugs anfechtbar ſind? Eine Ausnahme
iſt in den Geſetzen nicht ausgeſprochen. Gleichwohl
verneint die Frage das Reichsgericht in gleich—
förmiger Rechtſprechung') im Anſchluß an die
Praxis des Reichsoberhandelsgerichts. Ein ge:
nauer Kenner der in unſerm höchſten Gerichtshof
herrſchenden Anſchauungen meint, es ſei keine
Ausſicht vorhanden, daß der Standpunkt in der
Spruchpraxis des Reichsgerichts verlaſſen werde
(Bol ze in L3. I S. I ff.).“) Beiſtimmend Dern-
burg, Allg. Lehren § 83 Nr. 13; Staub, Komm.
z. HGB. $ 189 Anm. 24 (25). Die Gründe
ſind dem Weſen und dem Zweck der Zeichnungs—
erklärungen entnommen, wie der Erwägung, daß die
Zuläſſigkeit der Umſtoßung wegen der genannten
Mängel dieſe Kreditvereinigungen an der Wurzel
ſchädigen würde. Sollten dieſe Gründe nicht genügen?
Es iſt dies nicht der einzige Fall, wo das Reichs—
gericht immerhin in maßvoller Weiſe eine freiere Stelle
gegenüber dem Geſetzesrecht eingenommen hat. Das
erweckt die beſten Hoffnungen für die Zukunft.
) Der Abweichung in RG. Bd. 36 Nr. 26 S. 105
iſt das Plenarurteil in RG. Bd. 57 Nr. 67 S. 294 ent⸗
gegengetreten.
) Vgl. die in dieſer Nr. auf S. 269 unter II ab-
gedruckte Entſcheidung des Reichsgerichts.
—— —ͤ — 3.43 ꝗ—üU—— —
SEAE E T1 —-ʃ ——ꝛ ——,.—r.7rC—rĩ᷑ĩ(—ñ—ñññññññññññ ̃ ͤ— — ę('?—̃ — — ͤ — pe Aa
tragung bedürfen, ſoweit fie ſeit der Anlegung
des Grundbuchs neu geſchaffen wurden oder ſo—
bald hinſichtlich der zur Zeit der Grundbuch—
anlegung ſchon beſtandenen Beſchränkungen die
Eintragung nach Art. 10 des Geſetzes betreffend
Uebergangsvorſchriften zum BGB. erforderlich
ſein wird.
Eine Frage, die hinſichtlich der Adjazenten⸗
flüſſe, ſoweit ich ſehe, bisher nicht aufgeworſen
wurde, ift die, ob die Zwangsrechte der Art. 157 ff.
WG. der Eintragung im Grundbuche bedürfen.
Es iſt zweifellos, daß ſie dieſer Eintragung
nicht bedürfen als Vorausſetzung ihrer Entſtehung,
weil die Entſtehung auf einem öffentlich- rechtlichen
Vorgang beruht. Wohl aber wird man die Ein—
tragungsbedürftigkeit bejahen müſſen zur Erhaltung
der Wirkſamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben
des Grundbuches.
Auch werden auf die durch ſolche Zwangs—
rechte verſchafften Rechte die Beſtimmungen des
Zwangsverſteigerungsgeſetzes, insbeſondere § 52,
Anwendung finden; eine Ausnahmebeſtimmung,
ähnlich der in 88 912, 917 BGB. mit $ 52 Ab}. 2
Zw. normierten beſteht eben nicht.
Wenn danach die privatrechtliche Beurteilung
von Waſſerbenützungsrechten an gewöhnlichen Privat:
flüſſen keine erheblichen Schwierigkeiten bietet, ſo
ſind dieſe um ſo mehr vorhanden hinſichtlich der
Waſſerbenützungsrechte an öffentlichen Flüſſen und
an ſolchen Privatflüſſen, die im Eigentum des
Staates oder dritter Perſonen ſtehen.
Der Kommentar von Harſter-Caſſimir zum
Waſſergeſetz nimmt Seite 286 auf Art. 65 EG.
z. BGB. Bezug. Demgegenüber darf von vorn—
herein bemerkt werden, daß die Landesgeſetzgebung
von der ihr durch dieſe Beſtimmung eingeräumten
Befugnis, die rechtliche Natur ſolcher Waſſer—
benützungsrechte zu beſtimmen, keinen Gebrauch
gemacht hat, entgegen beiſpielsweiſe dem württ.
260 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
Waſſergeſetz, das in feinem Art. 1 Abſ. 3 im
Verfolg ſeiner Vorſchrift, wonach alle ftändig
fließenden Gewäſſer öffentliche Gewäſſer find, auch
die Rechte Einzelner an dieſen Gewäſſern, mochten
ſie auf dem öffentlichen oder auf dem Privatrecht
beruhen, in dem öffentlichen Recht angehörige
Nutzungsrechte umgewandelt hat, deren Ausübung
lediglich den Vorſchriften des Waſſergeſetzes unterſteht.
Eymann (Kommentar z. WG.) Bem. zu Abt. II,
II3 und Anm. 1b zu Art. 42 S. 424 will zwar
auch für das Bayer. Waſſerrecht die Waſſer⸗
benützungsrechte als öffentlich⸗ rechtliche konſtruieren;
allein man wird ſeiner Konſtruktion nicht folgen
können, die darauf beruht, daß die Waſſer⸗
a a an ſich nichts anderes ſei, als die
Anerkennung der natürlichen Handlungsfreiheit
deſſen, dem die Erlaubnis erteilt worden iſt.
Bei der Beratung des Waſſergeſetzes hat der
Korreferent der Kammer der Reichsräte im Aus⸗
ſchuß angefragt, welche rechtliche Natur die Kon⸗
zeſſionserteilung nach dem Entwurfe haben ſolle.
Der Kgl. Staatsminiſter der Juſtiz hat darauf
erwidert, daß die Konzeſſion ein öffentlich⸗recht⸗
licher Akt ſei und daß kein Zweifel beſtehen könne,
daß in den Fällen, in denen eine bloße Er⸗
laubnis (WG. Art. 37, 42, 43, 46) erteilt werde,
ein Privatrecht nicht konſtituiert werde, während
es natürlich anders ſei, wenn bei der Errichtung
einer großen Anlage zwiſchen Staat und Unter⸗
nehmer ein Vertrag geſchloſſen werde; letzteren⸗
falles könne es ſich möglicherweiſe um Einräumung
eines Privatrechts handeln (vgl. Protokolle des
Reichsratsausſchuſſes S. 197).
Oertmann, Bayer. Landesprivatrecht S. 408
hält das Waſſerbenützungsrecht für ein Privatrecht
und ſagt, man könne dabei an ein Recht an fremder
Sache (Servitut) denken, näher liege aber wohl die
Annahme eines den Gewerbeprivilegien ähnlichen
abſoluten Rechtes, wofür er auch auf Pözl S. 103
und Rehm, Natur der Gewerbekonzeſſion S. 34
Bezug nimmt.
Nach Gemeinem Recht wurden Müllergerechtig⸗
keiten als privatrechtliche Sonderrechte betrachtet.
(Vgl. DIZ. 1899 S. 220). Gleiches ift der
Fall nach dem preuß. Rechte, vgl. Dernburg, Das
Sachenrecht des Deutſchen Reiches und Preußens,
2. Aufl. 1901 S. 400.
Dittmann, ziviliſtiſche Bemerkungen zum Bayer.
Waſſergeſetz in der BayZfR. 1908 S. 6, bezeichnet
alle Befugniſſe, welche Dritten an öffentlichen Ge-
wäfſern zuſtehen, als Rechte an fremder Sache,
die je nach ihrer Beſchaffenheit Servituten im
römiſchen Sinne, Grunddienſtbarkeiten oder per—
ſönliche Dienſtbarkeiten ſein könnten, während in
anderen Fällen die Analogie des Erbbaurechtes
heranzuziehen ſei.
Brenner, Komm. z. WG. zu Art. 43 Note 18
S. 151 bezeichnet die auf Grund unwiderruflicher
Erlaubnis eingeräumte Nutzung, z. B. das an
Private verliehene Recht zur Anlage von Mühlen
an öffentlichen Flüſſen, als Privatrecht, als ding⸗
liches Recht auf Benützung der aus dem öffent⸗
lichen Fluß der Mühle zugehenden Waſſerkraft.
Harſter⸗Caſſimir (Komm. z. WG., namentlich
S. 272 und 286) polemiſieren zunächft mit Recht
gegen die oben angeführte vom Kgl. Staatsminiſter
der Juſtiz bei Beratung des Geſetzes geäußerte
Anſchauung, wonach es einen Unterſchied machen
könnte, ob der Abſchluß eines geſonderten Ver⸗
trages der Erlaubniserteilung vorhergegangen ſei
oder nicht; im übrigen erklären ſie die Waſſer⸗
benützungsrechte als Privatrechte und finden in der
Erlaubniserteilung gleichzeitig einen Akt der Staats⸗
hoheit und Polizeigewalt und einen privatrecht⸗
lichen Akt, durch welchen der Staat als Eigen⸗
tümer Nutzungsrechte einräumt, für welche er ſich
auch Gebühren nach Umſtänden entrichten läßt
(Art. 73).
Harſter⸗Caſſimir ſind jedoch der Anſchauung,
daß es nicht nötig ſei, behufs Unterſuchung der
Natur dieſes Privatrechts die in ihm enthaltenen
Befugniſſe in ein Schema des BGB. z. B. in
88 1018, 1030, 1059, 1090, 1092 einzupreſſen,
weil angeblich das BGB. die freieſte Geſtaltung
dinglicher Rechte zulaſſe, und ſind ferner der
Meinung, daß mit Rückſicht auf die Beſonderheit
ihres Entſtehungsgrunds dieſe Rechte zu ihrer Wirk⸗
ſamkeit auch nicht der Eintragung in das Grund⸗
buch bedürfen. Die Anſchauung, daß das BGB.
die freieſte Geſtaltung dinglicher Rechte zulaſſe, iſt
irrig; es iſt in Theorie und Praxis einhellig
anerkannt, daß der Kreis der dinglichen Rechte
des BGB. geſchloſſen und einer Ausdehnung
unfähig iſt.
Das Oberſte Landesgericht hat bereits in zwei
älteren Entſcheidungen, abgedruckt in Samml. Bd. 12
S. 96 und Samml. NF. Bd. 8 S. 132 die
unter der Herrſchaft des früheren Rechts ent⸗
ſtandenen Waſſerbenützungsrechte als Dienſtbarkeiten
bezeichnet. Dieſer Anſchauung hat es neuerdings
gehuldigt in einem Beſchluß vom 28. April l. J.
III Nr. 38, 1908.
Folgerichtig muß Gleiches gelten für die unter
der Herrſchaft des neuen Waſſerrechts entſtandenen
Benützungsrechte an öffentlichen, ſtaatsärarialiſchen
und im Eigentum Dritter ſtehenden Flüſſen (Art. L,
23, 24 WG.). Abgeſehen von Waſſerbenützungs⸗
rechten an den im Eigentum Dritter ſtehenden
Privatflüſſen (Art. 24 WG.), bei welchen die vor⸗
herige vertragsmäßige Einräumung eines dinglichen
Nutzungsrechtes durch einen den Vorſchriften des
BGB. entſprechenden Vertrag regelmäßig Voraus:
ſetzung der waſſerpolizeilichen Konzeſſionserteilung
ſein wird, falls nicht der Eigentümer ſelbſt die
Konzeſſion anſtrebt, würde zwar auch vom Stand—
punkte dieſer oberſtrichterlichen Auffaſſung aus die
Entſtehung der Waſſerbenützungsrechte an öffent⸗
lichen und ſtaatsärarialiſchen Flüſſen von der Ein⸗
mo — — — rl
E i mm ale — —— . — — —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
tragung im Grundbuche nicht abhängen, weil ſie
auf Konzeſſionserteilung durch den Staat beruht,
alſo auf einem öffentlichrechtlichen Akte.
Das wird auch dann gelten, wenn der Kon⸗
zeſſionserteilung ein Vertrag zwiſchen dem Unter⸗
nehmer und dem Staate vorausgegangen iſt, welcher
Vertrag, ſoweit er ſchon vor der Konzeſſions⸗
erteilung Rechte und Pflichten begründen ſoll,
oder ſoweit ſein Inhalt nicht vollſtändig in den
Konzeſſiousbeſcheid aufgenommen wird, notarieller
Beurkundung bedarf, um dingliche Rechtswirkung
herbeizuführen.
Die Eintragung der Waſſerbenützungsrechte
im Grundbuche wird aber gleichwohl, wenn ihre
oberſtrichterliche Beurteilung als Rechte an fremder
Sache herrſchend bleibt, erforderlich ſein, wenn der
Berechtigte ſich gegen die Rechtsfolgen der Oeffent⸗
lichkeit des Grundbuches ſchützen und wenn er die
Rechtsfolgen des § 52 und anderer Beſtimmungen
des Zwangsverſteigerungsgeſetzes abwenden will.
Das gewinnt praktiſch beſondere Bedeutung,
ſoweit es ſich um Privatflüſſe handelt, die im
Eigentum Dritter nach Art. 24 WG. ſtehen, wenn
die Verwaltungsbehörde, weil der Eigentümer ihr
gegenüber ſein Einverſtändnis mit der Waſſer⸗
benützung ſeitens eines anderen erklärt hatte,
den vorherigen Abſchluß eines privatrechtlichen
Vertrages auf Beſtellung der Dienſtbarkeit mit
ihrer Eintragung im Grundbuche nicht als Voraus—
ſetzung der Konzeſſionserteilung verlangt hatte;
würde dann der Eigentümer des Privatfluſſes
dieſen an eine andere Perſon veräußern oder einer
anderen Perſon Rechte an ihm einräumen, die
mit dem Waſſerbenützungsrechte unvereinbar ſind,
ſo hätte der Erwerber der Erlaubnis zur Waſſer—
benützung zweifellos das Nachſehen und es würde
ihm nichts helfen, wenn er fih auf die waſſer—
polizeiliche Konzeſſion und auf die vor ihrer Er—
teilung ſeitens des Eigentümers des Privatfluſſes
gegenüber der Berwaltungsbehörde abgegebene Ein-
verſtändniserklärung berufen würde.
Aber auch bei den im Eigentum des Staates
ſtehenden Flüſſen kommen die Rechtsfolgen der
Oeffentlichkeit des Grundbuches in Betracht; auch
hier kann es eintreten, daß trotz Erteilung der
Erlaubnis ſeitens der Waſſerpolizeibehörde, ja ſelbſt
trotz Abſchluſſes eines der waſſerpolizeilichen Er—
laubnis vorausgegangenen privatrechtlichen Der:
trages, das Waſſerbenützungsrecht verloren geht,
wenn es nicht durch Eintragung im Grundbuch
gegen die Rechtsfolgen der Oeffentlichkeit geſchützt
iſt. Bei zahlreichen bayeriſchen Waſſerläufen iſt
die rechtliche Natur zweifelhaft.
Wahrend der Staat das Eigentum an manchen
Waſſerläufen, die bisher als Privatflüſſe galten,
für ſich beanſpruchen will, kommt es auch um:
gekehrt vor, wie beiſpielsweiſe an der Alz, daß
Gemeinden oder die Adjazenten das Eigentum von
Waſſerläufen beanſpruchen, die bisher der Staat
261
als ſein Eigentum betrachtete, und die auch im
Grundbuch auf ihn eingetragen ſind.
Man ſetze nun den Fall, daß der Staat einem
Unternehmer ſowohl die zivilrechtliche Nutzungs⸗
befugnis, als die waſſerpolizeiliche Genehmigung
erteilt habe, die Eintragung des dadurch ver:
ſchafften Waſſernutzungsrechts im Grundbuche aber
unterblieben wäre, und nachher, etwa nach Aus⸗
führung des konzeſſionierten Unternehmens, einer
Gemeinde oder einem Privaten es gelänge auf
dem Rechtswege den Nachweis zu führen, daß in
Wirklichkeit, ſei es auch nur ein kleiner Teil des
von dem Unternehmen betroffenen Waſſerlaufs,
nicht dem Staate, ſondern ihr, bzw. ihm, zu
Eigentum gehöre, und daß zufolge eines rechts—
kräftigen Urteils auch die Berichtigung des Grund—
buches erfolgt; das Waſſerbenützungsrecht wird
diesfalls gegenüber dieſem wirklichen Eigentümer
nur dann Wirkſamkeit haben, wenn es im Grund—
buch eingetragen wurde, da es nur dann durch
die Vorſchrift des § 892 BGB. geſchützt ift.
Ein weiterer Fall, an den zu denken iſt, iſt
die Möglichkeit der Veräußerung eines ſtaats⸗
ärarialiſchen Fluſſes oder eines Teiles ſeitens des
Staates an einen Privaten; in ſolchem Fall würde
das Waſſerbenützungsrecht gegenüber dem Er:
werber keine Wirkſamkeit haben, er müßte denn
von ihm bei Erwerb Kenntnis gehabt haben.
Bisher pflegten Waſſerbenützungsrechte an
öffentlichen und ſtaatsärarialiſchen Flüſſen nicht ein=
getragen zu werden. Die vorſtehenden Zeilen
werden es als rätlich erſcheinen laſſen, neue,
d. h. im Oberlandesgerichtsbezirke München ab
1. Mai 1905 entſtandene Waſſerbenützungsrechte
zum Eintrag im Grundbuch zu bringen, wozu
regelmäßig im Hinblick auf § 29 GBO. eine
Eintragungsbewilligung ſeitens der fiskaliſchen Be—
hörde erforderlich iſt, die der notariellen Beur—
kundung nicht bedarf (Meikel, Grundbuchordnung,
S. 225 zu § 29 Ziff. 6 c p).
Was die Waſſerbenützungsrechte anlangt, die
bereits zu der Zeit beſtanden, zu welcher das
Grundbuch angelegt wurde (alſo für den Ober—
landesgerichtsbezirk München 1. Mai 1905), fo
bedürfen fie zur Erhaltung der Wirkſamkeit gegen:
über dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs
nach Art. 10 des Gef. betr. Uebergangsvorſchriften
im Zuſammenhalt mit Art. 187 des EG. z. BGB.
der Eintragung erſt dann, wenn die daſelbſt vor—
behaltene durch Kgl. Verordnung zu beſtimmende Friſt
eröffnet iſt, und auch dann nicht, wenn mit ihnen
das Halten einer dauernden Anlage verbunden iſt,
ſo lange die Anlage beſteht.
262 BR Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
Die nachträgliche Eintragung der
Goldklauſel.
Von Wilhelm Mayer, Amtsrichter in München.
(Schluß.)
B. Eine andere Frage iſt, wann aus einer
alten Hypothekeintragung eine Verweiſung auf
die Beſtellungsurkunde herausgefunden werden
kann. Das iſt lediglich eine Auslegungsfrage.
Die früher übliche Formel „lt. Urk. . .“ reicht
dafür nicht aus, da die Erwähnung der Urkunde
ſchon zu dem Zweck zu geſchehen hatte, um der
Vorſchrift des HypG. 8 145 Ziff. 2 alter Faſſung
zu genügen. Für die Eintragungen aus der Zeit
nach der Novelle iſt die Auslegung der Wendung
„lt. Urk. . .“ an fi) als Verweiſung auf die Ur-
kunde gleichfalls noch unſicher, da auch unter ihrer
Herrſchaft die Anführung der Urkunde noch ge—
boten war (VollzInſtr. vom 1. Juni 1822 8 28
Ziff. 2). Doch gewinnt diefe Auslegung an
Sicherheit dann, wenn das weitere Erfordernis
für die Erſetzung der ausdrücklichen Eintragung
durch die Verweiſung, die Aufbewahrung der an⸗
geführten Urkunde beim Hypothekenamt, erfüllt iſt.
Denn die im Hypothefenbuch ſtehende Angabe des
Orts, wo beim Hypothekenamt die in der Ein:
tragung bezeichnete Urkunde zu finden fei, wäre
zwecklos, wenn ihr nicht der Sinn beigelegt wird,
an dem angegebenen Ort könne man ſich über
den Inhalt der Urkunde im einzelnen unterrichten,
und in etwas anderem beſteht auch der Sinn der
Verweiſung nicht. Sie wäre um ſo zweckloſer,
als das alte Hypothekenrecht eine dem § 9 der
GBO ., $$ 524, 525 der DA. f. d. GBAe. r. d. Rh.
vom 27. Februar 1905 entſprechende Vorſchrift
nicht kannte und die Aufbewahrung der Ein—
tragungsbewilligung eben nur für den Fall der
Verweiſung vorſah.
Soweit bei dieſer Auslegungsfrage die Abſicht
des Hypothekenbeamten, die Urkunde in Bezug zu
nehmen, in Betracht kommt, und eine ſolche aus
den geſamten Umſtänden, insbeſondere nach dem
damaligen Stand der Geſetze und Vollzugsvor—
ſchriften, nicht erkennbar iſt, fehlt es dann eben
an einer Verweiſung. Sie darf nicht etwa mit
Rückſicht auf Art. 192 des EG. z. BGB. nach⸗
träglich unterlegt werden, weil der alte Wortlaut
der Eintragung die Annahme einer ſolchen Ab—
ſicht geſtatten würde, wenn er einer jetzigen Ein:
tragung gegeben würde. Das Fehlen der Ab—
ſicht, Bezug zu nehmen, beruht auf den Beſtim—
mungen über die formelle Grundbuchführung.
Auf ſie bezieht ſich deshalb die rückwirkende Kraft
des materiellrechtlichen Art. 192 nicht, und die
GBO. hat, außer dem hier nicht einſchlägigen
8 87, keine Vorſchriften mit rückwirkender Kraft.
Kann aber die Auslegung eine Verweiſung
auf die Urkunde in dem altrechtlichen Eintrag
finden, ſo ſchadet es wegen EG. Art. 192 ihrer
Bedeutung als Erſatz der ausdrücklichen Ein⸗
tragung nicht, wenn die Urſchrift oder eine be⸗
glaubigte Abſchrift beim Grundbuchamt fehlt.
Denn dieſe Bedeutung iſt eine materiellrechtliche
(BGB. § 1115), die Vorſchrift des 89 GBO.
lediglich eine Ordnungsvorſchrift der formellen
Grundbuchführung. Zweckmäßig ift es aber, menu
in dieſem Fall der Hypothekgläubiger nachträglich
noch eine beglaubigte Abſchrift der Urkunde dem
Grundbuchamt übergibt.
Für eine neurechtliche Eintragung wäre die
Auslegung der Formel „lt. Urt...” als Ber-
weiſung anzunehmen. Denn nach den neuen
Vorſchriften über die Grundbuchführung (DA. f.
d. GBAe. r. d. Rh. vom 27. Februar 1905
$ 252 Abſ. 2) iſt die Anführung der Urkunde,
auf Grund deren die Eintragung erfolgt, nicht
mehr, wie früher, erforderlich, und darum darf
in der Anführung die Abſicht des Grundbuch—
beamten gefunden werden, mehr als eine über:
flüſſige Benennung der Urkunde zu geben, alſo
eine die Eintragung ſachlich vervollſtändigende
Bemerkung, eine Verweiſung auf die Urkunde.
C. Enthält die Eintragung eine Verweiſung,
und ift ihr zufolge die Goldklauſel bereits ein:
getragen, ſo entſteht für den Grundbuchbeamten
die Frage, ob er einem Antrag auf Eintragung
einer neuerlichen, aber zu derſelben Hypothek
vereinbarten Goldklauſel ſtattgeben ſoll. Für die
Ablehnung kann man zweierlei geltend machen:
die Vermeidung einer Ueberfüllung des Grund—
buchs mit überflüſſigen Eintragungen und die
Unzuläſſigkeit einer Doppelbelaſtung.
1. Eine Doppelbelaſtung in dem Sinn, daß
der Wert der nämlichen Belaſtung zweimal aus
dem Grundſtück verlangt werden könnte, liegt
darin nicht, weil es eine mehrfache identiſche Be:
laſtung mit ſolcher Wirkung nicht gibt, und ſie
liegt in einer mehrfachen Eintragung der Gold—
klauſel um ſo weniger, als nach den Ausführungen
oben unter III 1 die Zahlung von Goldſtücken
aus dem Grundſtück im Zwangsvollſtreckungsweg
nicht verlangt werden kann. Auch wo alſo nach
der Zahl der Eintragungen eine mehrfache Be:
laſtung des nämlichen Inhalts auf einem Grund—
ſtücksblatt ſtehen würde, würde ſie nicht eine
Minderung des Werts des Grundſtücks um den
mehrfachen Betrag oder Wert der Belaſtungen
bedeuten, weil nach den Geſetzen der allgemeinen
und juriſtiſchen Logik eine Leiſtung, wenn fie
einmal bewirkt iſt, nicht nochmals verlangt werden
kann, ſondern immer nur um den einfachen Be—
trag oder Wert. Die mehrfache Belaſtung würde
alſo keine materiellrechtliche und keine wirtſchaft—
liche Wirkung äußern, ſondern höchſtens eine for—
melle Bedeutung haben können, nämlich die der
Ueberfüllung des Grundbuchs.
Einen Verſtoß gegen das materielle Recht
würde die mehrfache Eintragung der Goldklauſel
2 — — , — —— — —
— — ——
_ Beitichrift für Rechtspflege für Rechtspflege in m Bayern. 1908. Nr. 199. 1908. Nr. 13. 263
ausnehmenden Zuſatz erfordern, alſo die Ein⸗
tragung nur umſtändlicher machen. Wiederholte
Eintragungen ſind darum der Praxis auch nicht
fremd; die Praxis des früheren Hypothekenrechts
kannte fie z. B. bei Rangeinräumungsverzichten
hinſichtlich derselben aktiv und paſſiv beteiligten
Hypotheken, die Uebergangszeit bei den Vor⸗
merkungen nach $ 1179 BGB. hinſichtlich der⸗
ſelben aktiv und paſſiv beteiligten Hypotheken,
hinſichtlich deren bereits ein Rangeinraͤumungs⸗
verzicht eingetragen war (UeG. Art. 59), die
neurechtliche Praxis z. B. bei Vormerkungen nach
8 1179, die ſchlechthin zugunſten desſelben
Gläubigers (regelmäßig einer Bank) bei jedes⸗
maliger Eintragung einer Hypothek für dieſe ein⸗
getragen werden.
D. Zur nachträglichen Eintragung einer neuer:
lich vereinbarten Goldklauſel iſt die Zuſtimmung
derjenigen Zwiſchenberechtigten erforderlich, denen
gegenüber die in der Hypothekeintragung nur in
Bezug genommene, aber in der Beſtellungsurkunde
oder Eintragungsbewilligung bedungene Goldklauſel
nicht enthalten, auch wenn man in ihr eine rang⸗ |
fähige Belaſtungserſchwerung, in dieſem Sinn eine
weitere Belaſtung erblicken will. Denn nur für |
Hypotheken (und Grund: und Rentenſchulden) enthält
das BGB. in $ 1132 Abſ. 1 eine Beſtimmung,
welche den Schluß zulaͤßt, daß das Geſetz eine
mehrfache Eintragung der nämlichen Belaſtung
auf demſelben Grundſtück ausſchließt, während
anderſeits gerade diefe Vorſchrift die Zuläffigfeit
einer mehrfachen Belaſtung desſelben Inhalts —
auf mehreren Grundſtücken, möglicherweile aber
auf demſelben Blatt — zu erkennen gibt. Das
Bedenken der Doppelbelaſtung fällt alſo zuſammen
mit dem anderen, der Ueberfüllung des Grundbuchs.
2. Eine Ueberfüllung kann nur durch über⸗
flüſſige Eintragungen verurſacht werden. Daß
aber eine wiederholte Eintragung unter allen Um:
ſtänden überflüſſig ſei, der Berechtigte an ihr nie
ein rechtliches Intereſſe haben könne, läßt ſich nicht
ſchlankweg behaupten. Sein Intereſſe kann z. B.
dadurch begründet ſein, daß gerade für die einzelne
Beſtimmung, welche die Goldklauſel betrifft, die
erforderliche Einigung (BGB. $ 873 Abſ. 1), unwirkſam ift.
etwa wegen Beſchränkung der Geſchäftsfähigkeit Ob die Zuſtimmung auch derjenigen Zwiſchen⸗
des die Eintragung bewilligenden Eigentümers, berechtigten notwendig ift, denen gegenüber bereits
fehlt, und nach der beſonderen Parteiabſicht die alte Goldklauſel wirkſam iſt, hängt davon ab,
(BGB. 8 154 „im Zweifel“) der Vertrag für ob ihnen gegenüber die Eintragung der neuen
den übrigen Teil der Abmachungen, der allein Goldklauſel eine Erſchwerung der Belaſtung be:
nachträgliche Genehmigung fand, gleichwohl ge- deutet. it die alte Goldklauſel auch materiell
ſchloſſen fein ſoll, oder die Goldklauſel der An- gültig, ſo bedeutet ſie keine ſolche Erſchwerung,
fechtung wegen Irrtums, Täuſchung, Drohung, wie die Ausführung oben unter C. 1. ergibt.
unrichtiger Uebermittelung der Erklärung unter- Iſt ſie aber materiell ungültig (vgl. oben C. 2.),
liegt. Die nicht vereinbarte oder erfolgreich an⸗ ſo bedeutet ſie in der Tat eine Erſchwerung der
gefochtene Goldklauſel ift dann nichtig (BGB. Belaſtung. Denn die alte, materiell ungültige
ss 142, 119, 120, 123). Nicht bloß der Eigen- Klauſel ift auch für die Zwiſchenberechtigten un⸗
tümer, der die Erklärung abgegeben, ſondern auch gültig, gegenüber denen ihre Eintragung formell
jeder ſpätere Eigentümer und jeder nachſtehende wirkſam ift. Der öffentliche Glaube ſchützt den
Berechtigte kann fih trotz der Eintragung ins Gläubiger der Hypothek mit der alten Goldklauſel
Grundbuch auf den Mangel berufen, da der gegenüber den ſpäter Eingetragenen nicht, weil
öffentliche Glaube des Grundbuchs wohl zugunſten der Buchinhalt, der zugunſten ſeines Rechtserwerbs
desjenigen wirkt, der ein Recht an dem Grund- als richtig gilt, die erſt ſpäter eingetragenen Rechte
ſtück durch Rechtsgeſchäft erwirbt, oder an den nicht umfaſſen, alſo auch eine durch die damals
nach dem Grundbuch Berechtigten leiſtet (BGB. erſt einzutragende Goldklauſel eingeſchränkte Rechts⸗
§§ 892, 893), aber nicht zu ſeinem Nachteil. ſtellung dieſer Berechtigten nicht ausweiſen konnte.
Der Hypothekgläubiger kann alſo ein Intereſſe Gegen dieſe Berechtigten kann der öffentliche
an einer neuen, den Mangel vermeidenden Ver- Glaube auch nicht wirken. §8 891 BGB. be-
einbarung und ihrer Eintragung haben. Ob der gründet nur eine Vermutung, die widerlegt werden
Grundbuchbeamte wegen ſolcher Möglichkeiten eine | kann, keine Fiktion wie $ 892. Iſt die Anfech⸗
wiederholte Eintragung vornehmen will, ſteht in tung der materiellen Gültigkeit der Klauſel von
ſeinem pflichtgemäßen Ermeſſen. So dringend Erfolg, ſo iſt eine gegenüber den ſpäter ein—
ihm die äußerſte Strenge bei der Beurteilung getragenen Berechtigten wirkſame Klauſel nicht
ſolcher Fälle zu empfehlen iſt, jo unangebracht | mehr vorhanden, die Eintragung einer neuerlichen
wäre ſie bei der wiederholten Eintragung der Klauſel bedeutet alſo für ſie eine Erſchwerung der
Goldklauſel, wenn fie durch eine wegen ſonſtiger [Belaſtung. Daß fie von dieſer Bedeutung mög—
Bezeichnung der Forderung ohnehin angewendeten licherweiſe gar keine Ahnung haben, weil ſie von
Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung er- einer Anfechtbarkeit der alten nichts wiſſen, hebt
folgt. Eine Ueberfüllung des Grundbuchs tritt | diefe Bedeutung nicht auf. Nur wenn die neuer-
hier nicht ein. Die ſtrenge Verwerfung einer lich beantragte Eintragung die ſeinerzeit verein⸗
wiederholten Eintragung würde hier einen aus— barte, nicht eine neuerlich vereinbarte Goldklauſel
drücklichen, die Goldklauſel von der Verweiſung | zum Gegenſtand hat, fallen dieſe Gründe weg, iſt
264 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
alſo eine Erſchwerung der Belaſtung nicht vor⸗
handen. Da nun der Grundbuchbeamte regel:
mäßig nicht wiſſen kann, ob die alte eingetragene
Goldklauſel auch materiell gültig iſt, ſo wird er
die Zuſtimmung auch derjenigen ſpäter Einge⸗
tragenen verlangen, denen gegenüber die alte Ein⸗
tragung formell wirkſam iſt. Dem kann der die
neue Eintragung bewilligende Eigentümer nur da⸗
durch entgehen, daß er gleichzeitig mit der Aus⸗
bedingung einer neuen Goldklauſel und unter der
Bedingung der Eintragung der neuen Klauſel die
alte aufhebt. Denn durch die Aufhebungserklärung
erkennt der Eigentümer die Gültigkeit der alten
Klauſel an (BB. 8 108 Abſ. 3, 88 114, 144),
die ja ſonſt einer Aufhebung nicht bedürfte, es
ſteht alſo feſt, daß die neue Klauſel nicht an
Stelle einer früheren ungültigen tritt. Eine An⸗
erkennung der alten Klauſel ohne ihre gleichzeitige
Aufhebung würde zwar auch feſtſtellen, daß eine
Erſchwerung der Belaſtung durch die neue Klauſel
nicht eintritt, jedoch den Grundbuchbeamten zur
Ablehnung der in dieſem Fall überflüſſigen Ein⸗
tragung der neuen Klauſel veranlaſſen. Zur Auf⸗
hebung der alten Klauſel iſt die Bewilligung auch
des Gläubigers erforderlich. Die Eintragung er:
fordert keine Löſchung (BGB. $ 877, der den
$ 875 nicht aufführt), ſondern kann zufammen
mit der Eintragung der neuen Klauſel durch
bloße Bezugnahme auf die neue Eintragungs⸗
bewilligung erfolgen.
Mit der nachträglichen Eintragung der Gold—
klauſel wird oft auch die Eintragung von 5%
Verzugszinſen für Rückſtände an Annuitäten oder
an Nebenleiſtungen beantragt, die in den öffent⸗
lich bekannt gemachten Satzungen einer Kredit:
anſtalt bedungen find. Soweit die Annuitäten
Kapitaltilgungsbeträge enthalten, fallen die Ber-
zugszinſen daraus unter § 1119 Abſ. 1, im
übrigen aber tft für die Eintragung ſolcher Ber-
zugszinſen die Zuſtimmung der gleich- und nach—
ſtehenden Berechtigten erforderlich, ohne die Zu—
ſtimmung könnten ſie nur im Rang nach den
bisher eingetragenen Berechtigten eingetragen werden.
Mitteilungen aus der Praxis.
Zur Auslegung des § 115 StpO. Die im 8 115
StPO. vorgeſchriebene richterliche Anhörung eines
Verhafteten über den Gegenſtand der Beſchuldigung
iſt mit ſeiner Vernehmung im Sinne des 8 136
StPO. dem Inhalte nach im weſentlichen gleich—
bedeutend; das Wort „gehört“ ſtatt „vernommen“
wurde bei den Geſetzgebungsverhandlungen nur des—
wegen gewählt, weil mehr Gewicht auf die alsbaldige
als auf die erſchöpfende Vernehmung gelegt werden
ſollte. Immerhin handelt es ſich aber bei dieſer
Anhörung um eine Vernehmung des Verhafteten zur
Sache mit dem Zwecke, ihm die Gelegenheit zur Be—
ſeitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe,
zur Geltendmachung der zu ſeinen Gunſten ſprechen⸗
den Tatſachen und damit zur Herbeiführung der als⸗
baldigen Aufhebung des Haftbefehles wegen Unzu⸗
länglichkeit des Verdachtes einer ſtrafbaren Handlung
zu geben. Daraus ergibt ſich ohne weiteres, daß die ſe
Anhörung nicht bloß die Erfüllung einer Förmlichkeit
ſondern eine im Intereſſe des Verhafteten vorge⸗
ſchriebene Vernehmung zur Sache bilden ſoll, die ſo
eingehend zu geſtalten iſt, als es nach dem Stande
des Verfahrens möglich iſt, und daß ſie nur inſoferne
eine vorläufige Vernehmung über den Gegenſtand der
Beſchuldigung darſtellt, als ſie infolge der Einlieferung
des Verhafteten in das Gefängnis auf einen früheren
als den nach dem Stande des Verfahrens zweck⸗
mäßigen Zeitpunkt verlegt werden muß und als ihr
nach Lage der Sache noch eine erſchöpfende Ver⸗
nehmung im Sinne des $ 136 StPO. im Laufe des
Verfahrens zu folgen hat. Dieſer Zuſammenhang des
8 115 loc. cit. mit der letzteren Geſetzesſtelle weiſt
darauf hin, daß mit der Vorſchrift in $ 115 StPO.
eine ausſchließlich für das Vorverfahren — Ermitt⸗
lungsverfahren und Vorunterſuchung — geltende An⸗
ordnung getroffen werden wollte. Daß dieſe Vor⸗
ſchrift nicht für alle Fälle der Einlieferung eines
Verhafteten in das Gefängnis gilt, iſt in Literatur
und Praxis inſoweit anerkannt, als kein Zweifel
darüber beſteht, daß eine richterliche Anhörung des
Verhafteten nach ſeiner Einlieferung in das Gefängnis
nicht geboten iſt, wenn die Verhaftung im Vorver⸗
fahren im unmittelbaren Anſchluſſe an feine verant-
wortliche Vernehmung oder in einer Hauptverhandlung,
in welcher er anweſend war, oder nach der Erlaſſung
des Urteils angeordnet und vollzogen wurde. In den
übrigen im Laufe eines Strafverfahrens möglichen
Fällen ſcheint die überwiegende Mehrheit der Theo⸗
retiker und Praktiker die Befolgung der Vorſchrift
des § 115 StPO. für geboten zu halten. Soweit
ſie dieſe Auffaſſung damit begründen wollen, daß der
Wortlaut dieſer Vorſchrift keine Beſchränkung auf
beſtimmte Anwendungsfälle enthält und daß ſie daher
wahllos auf alle Fälle der Einlieferung eines Ver:
hafteten in ein Gefängnis anzuwenden ſei, werden ſie
durch die Tatſache widerlegt, daß die eben erwähnten
Ausnahmefälle allgemein anerkannt ſind. Abgeſehen
davon iſt auch nicht erſichtlich, warum die Beſtimmung
in § 115 StPO. nur nach ihrem Wortlaute und
nicht nach ihrem Sinne und Zwecke auszulegen ſein
fol. Der neunte Abſchnitt der Reichsſtrafprozeß⸗
ordnung regelt die Unterſuchungshaft im allgemeinen,
enthält aber dabei einzelne Beſtimmungen, welche
offenſichtlich nur die vorläufige Feſtnahme und die
Verhaftung im Vorverfahren betreffen; es beſteht
daher begründeter Anlaß bei der Auslegung der ein-
zelnen Vorſchriften dieſes Abſchnittes zu prüfen, ob
ſie für alle Fälle oder nur für beſtimmte Fälle oder
nur für einzelne Prozeßabſchnitte erlaſſen wurden.
Außer dem Wortlaute und dem inneren Zuſammen⸗
hange mit den übrigen Geſetzesſtellen darf bei der
Auslegung einer einzelnen Beſtimmung eines Geſetzes
deren Zweck nicht unbeachtet bleiben, und zwar ing-
beſondere dann nicht, wenn dieſe Beſtimmung die
Vornahme einer Prozeßhandlung betrifft. Die Unter:
ſtellung, daß in der Reichsſtrafprozeßordnung eine
richterliche Handlung vorgeſchrieben werden ſollte,
die unter allen Umſtänden zwecklos iſt, widerſpricht
ſo ſehr dem Geiſte des Geſetzes und der Bedeutung,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
die ſonſt den richterlichen Handlungen beigelegt wird,
daß unbedenklich das Gegenteil dieſer Unterſtellung
als richtig angenommen werden kann.
Die Durchführung dieſes Gedankens bei der Aus⸗
legung der Vorſchrift des 8 115 StPO. führt zu
der Aufſtellung, daß fih diefe Vorſchrift nur auf die
Fälle bezieht, in welchen ein Verhafteter im Laufe
des Vorverfahrens in das Gefängnis eingeliefert wird.
Die Zweckbeſtimmung des $ 115 loc. cit. trifft
nämlich in den Fällen nicht mehr zu, in welchen die
Verhaftung wegen der Tat erfolgt, wegen deren gegen
den Verhafteten das Hauptverfahren ſchon eröffnet iſt.
Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens iſt das
Vorverfahren abgeſchloſſen. Die Erhebungen, die in
der Zwiſchenzeit noch ſtattfinden können, haben nicht
mehr den Zweck, eine Nachprüfung der Schuld des
Angeklagten vor der Hauptverhandlung zu ermöglichen,
ſie dienen nur mehr der ſachgemäßen Durchführung
der Hauptverhandlung ſelbſt. Für die Entſcheidung
über Einwendungen des Angeklagten gegen die Schuld—
frage ift im Rahmen des Strafprozeſſes vor der
Hauptverhandlung kein Raum mehr.
Wurde der Verhaftete ſchon im Vorverfahren
gemäß § 136 loc. cit. verantwortlich vernommen oder
wurde ihm gemäß 8 199 ibid. die Gelegenheit zur
Geltendmachung ſeiner Einwendungen gegen die
öffentliche Klage gegeben, ſo wird ſeine erneute An—
hörung über den Gegenſtand der Anklage in der
Regel nur zu einer Wiedererhebung desjenigen führen,
was er ſchon angegeben hat und was bei der Ent-
ſcheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens
vom Gerichte ohnehin ſchon gewürdigt worden iſt.
Wurde der Verhaftete im Vorverfahren nicht
richterlich vernommen oder ſonſt erſchöpfend zur Sache
gehört, ſo beſteht allerdings die Möglichkeit, daß er
neue und für die Entſcheidung über die Schuldfrage er—
bebliche Behauptungen vorbringt; allein den Erfolg
einer Aufhebung des Verfahrens kann er damit nicht
erreichen; ſeine Angaben können nur dazu führen,
daß die erforderlichen Beweismittel zur Hauptver-
handlung herbeigeſchafft werden. Eine Nachprüfung
der Beweiswürdigung, die dem Eröffnungsbeſchluſſe
zugrunde liegt, iſt dem Gerichte, welches den Er—
öffnungsbeſchluß erlaſſen hat, vor der Hauptver-
handlung nicht eingeräumt. Der Beſchluß, durch
welchen das Hauptverfahren eröffnet worden iſt, kann
vom Angeklagten auch nicht mit der Beſchwerde an—
gefochten werden; es iſt alſo eine Nachprüfung der
Erheblichkeit der vorliegenden Verdachtsgründe auch
durch ein Gericht höherer Ordnung ausgeſchloſſen.
Der verhaftete Angeklagte kann mit Erfolg zur
Sache ſelbſt nur Angaben machen, welche die Herbei—
ſchaffung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung
bezwecken; derartige Anträge hat er gemäß 8 218
StPO. an den Vorſitzenden des Gerichtes zu ſtellen;
einer Anhörung des Angeklagten über den Gegen—
ſtand der Anklage durch einen Richter bedarf es
hierzu nicht.
Der verhaftete Angeklagte kann ferner mit Erfolg
Angaben machen, welche die Aufhebung des Haft—
befehles bezwecken; als ſolche kommen aber nur die
Beſtreitung der Identität mit der im Haftbeſehle
bezeichneten Perſon und die Beſtreitung der Tat—
ſachen in Betracht, welche zur Annahme des Flucht-
verdachtes oder der Kolluſionsgefahr geführt haben.
Dieſe Angaben bilden den Inhalt einer Bef dwe rd
gegen den Haftbefehl. Eine richterliche Vernehmung
265
des Angeklagten zur Sache ift auch hierzu nicht ver-
anlaßt. Die Beſtreitung der Täterſchaft aus Gründen,
die mit der Beweiswürdigung zuſammenhängen,
könnte vom Gerichte aus den oben angegebenen
Gründen nicht berückſichtigt werden. Die Unanfecht⸗
barkeit der Beweiswürdigung, auf welcher der Er-
öffnungsbeſchluß beruht, ſchließt ihre Anfechtbarkeit
bei der Entſcheidung über die Haftfrage aus.
Noch klarer tritt die Zweckloſigkeit einer Anhörung
des Angeklagten im Sinne des 8 115 StPO. in den
Fällen hervor, in welchen die Verhaftung nicht wegen
Flucht⸗ oder Kolluſionsverdachtes, ſondern wegen
unentſchuldigten Fernbleibens von der Hauptver—
handlung erfolgt iſt.
Die in den SS 229 und 230 StPO. vorge-
ſehenen Maßregeln gegen den Angeklagten haben aus—
ſchließlich den Zweck, die Durchführung der Haupt-
verhandlung zu ermöglichen; ſie ſind ohne Rückſicht
darauf zu erlaſſen, ob die Vorausſetzungen einer Ver—
haftung nach 88 112 und 113 loc. cit. vorliegen und
ob der Angeklagte vorausſichtlich verurteilt werden
wird oder nicht. Welcher Zweck in ſolchen Fällen
durch das Gebot einer alsbaldigen Anhörung des An—
geklagten über den Gegenſtand der Anklage erreicht
werden ſoll, iſt unerfindlich. Die Angaben, die der
Angeklagte bei ſeiner Vernehmung mit Erfolg vor—
bringen könnte, würden ſich nur auf das Vorbringen
von Entſchuldigungsgründen für ſein Fernbleiben von
der Hauptverhandlung und allenfalls noch auf die
Beſtreitung ſeiner Identität mit der im Haftbefehle
bezeichneten Perſon oder auf die Herbeiſchaffung von
Beweismitteln zur Hauptverhandlung beziehen können.
Dazu bedarf es aber einer richterlichen Vernehmung
zur Sache nicht.
Dieſe Geſichtspunkte waren es hauptſächlich, die
das Kgl. Oberlandesgericht München im Falle einer
Verhaftung auf Grund des § 229 StPO. zu der
Entſcheidung führten, daß auf ſolche Fälle die Vor—
ſchrift in 8S 115 StPO. keine Anwendung zu finden
habe. Beſchl. vom 17. April 1880, BlfRA.,
Bd. 46 S. 85. — Dieſe oberſtrichterliche Enſcheidung
iſt allerdings in den Kommentaren zur StPO. mit
Stillſchweigen übergangen worden und ſcheint auch in
der Rechtsanwendung in Vergeſſenheit geraten zu
ſein; allein mit Unrecht; der ſie leitende Gedanke iſt
vielmehr ſo ſelbſtverſtändlich, daß man ſich wundern
muß, daß er bisher noch nicht allgemeine Anerkennung
gefunden und in feiner logiſchen Weiterentwicklung
zur Einſchränkung des Anwendungsgebietes des 8 115
St BO. auf das Vorverfahren geführt hat.
Rechte des Angeklagten werden nach Abſchluß
des Vorverfahrens durch die Unterlaſſung ſeiner richter—
lichen Anhörung über den Gegenſtand der Anklage
nicht beeinträchtigt. Der Haftbefehl iſt ihm bei der
Verhaftung, ſpäteſtens aber am Tage nach ſeiner Ein—
lieferung in das Gefängnis nach Vorſchrift des 8 35
StPO. bekaunt zu geben, wobei er über das ihm
zuſtehende Beſchwerderecht zu belehren iſt. Dieſe
Tätigkeit liegt dem Gerichtsſchreiber ob, der dabei auch
etwaige Anträge und Beſchwerden des Angeklagten
zu Protokoll zu nehmen hat. Daß dem Angeklagten
neben den in 8114 StPO. vorgeſchriebenen Bekannt-
machungen innerhalb der gleichen Friſt auch noch eine
Gelegenheit zu einer zweckloſen Verantwortung über
den Gegenſtand der Anklage aufgedrängt werde, iſt
durch nichts veranlaßt. Der Angeklagte weiß aus
dem Inhalte der Anklageſchrift und des Eröffnungs-
266
beſchluſſes, wegen welcher Straftaten er ſich in der
Hauptverhandlung zu verantworten hat; hat er vor
der Hauptverhandlung noch den Wunſch, von einem
Richter zur Sache vernommen zu werden, ſo ſteht es
ihm frei, ein Verhör zu erbitten; die Anordnung der
erbetenen Vernehmung ſteht dem Gerichte zu — in
Strafkammerſachen nicht gemäß 8 124 StPO. dem
Vorſitzenden —; die Vernehmung ſelbſt wird ſo ſach⸗
dienlicher und würdiger durchgeführt werden können,
als wenn der Richter an die Friſtbeſtimmung in
8 115 StPO. gebunden und dadurch unter Umſtänden
zu einer Uebereilung in der Vorbereitung des Ver⸗
höres gezwungen iſt.
Landgerichtsrat Schmid in München.
Noch einmal der „Arbeiter“ im Sinne des Ge⸗
werbennfallverſicherungsgeſetzes. Die Bemängelungen
meiner Ausführungen in Heft 7 S. 142 dieſer Zeit⸗
ſchrift durch Dr. Michel (Heft 10 S. 202) haben mich
leider nicht bekehrt, zwingen mich vielmehr, noch ein—
mal das Wort zu ergreifen.
Zur Frage der Entlohnung meint Dr. Michel,
meine einſchlägigen Ausführungen könnten füglich als
belanglos übergangen werden, da ja nach den Unfall-
verſicherungsgeſetzen die Lohnzahlung bekanntlich keine
Bedingung der Verſicherung iſt. Im letzteren Punkte
ſtimme ich, wie ja auch aus meinem vorigen Aufſatze
erſichtlich iſt, mit Dr. Michel vollſtändig überein, nicht
aber im erſten, denn hierbei überſieht Dr. Michel, daß
nicht ich, ſondern er ſelbſt in dem Aufſatze S. 84 die
Frage der Entlohnung hereingezogen und für den vor-
liegenden Fall bejaht hat, denn er ſchreibt dortſelbſt wort-
wörtlich: „Die Entſchädigung des Klägers für ſeine Ar—
beit kam ohne Zweifel im Preis für das Holzſägen zum
Ausdruck, der ſich höher berechnen müßte, wenn der
Kläger hierbei nicht behilflich wäre“. Er hat alſo für den
Fall des Oberlandesgerichtes Zweibrücken die Be-
hauptung aufgeſtellt, daß der Kläger für ſeine Arbeit
eine Entlohnung erhalten habe, was ich dann, weil
nicht richtig, widerlegen mußte, denn die Frage der
Entlohnung iſt gerade für den gegenwärtigen Fall
von großer Wichtigkeit. Zwar iſt ja die Entlohnung
keine abſolute Bedingung für die Begründung eines
Arbeitsverhältniſſes, aber andererſeits liegt ein Arbeits—
verhältnis faſt ſtets vor, wenn tatſächlich eine Entloh—
nung ſtattfindet. Es handelt ſich gegenwärtig auch nicht
um eine allgemeine Definition des „Arbeiters“
im Sinne des Gew G., ſondern darum, ob in dem
konkreten Falle des Oberlandesgerichtes Zweibrücken
der Kläger als ſolcher „Arbeiter“ zu erachten iſt oder
nicht. Würde man annehmen, wie Dr. Michel in
ſeiner Abhandlung ausdrücklich feſtſtellte, daß eine
Entlohnung des Klägers tatſächlich erfolgt ſei, ſo
wären die ſonſtigen beiderſeitigen Ausführungen völlig
überflüſſig, denn zweifellos hätte er ſich durch die
Entlohnung in ein perſönliches Abhängigkeitsverhältnis
zum Beklagten begeben derart, daß er als deſſen Ar—
beiter gelten mußte.
Hat nun aber eine Entlohnung nicht ſtattgefunden,
ſo folgt allerdings daraus nicht ohne weiteres, daß
ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden wäre.
Ich habe nun auf Seite 142 im Anſchluß an eine
ziemlich neue Entſcheidung des Reichsgerichtes (vgl.
Bl. f. RA. Bd. 73 S. 138) gegenüber der Anſchauung
Dr. Michels geltend gemacht, es komme für die Be—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
gründung eines Arbeitsverhältniſſes in erſter Linie
auf das perſönliche Abhängigkeitsver⸗
hältnis zu dem Betriebsunternehmer an und für
dieſes ſei es nicht nur erheblich, ob die Hilfsperſon
in der einzelnen Arbeit von Anweiſungen des letzteren
abhängig ſei, ſondern vornehmlich ob ſie nach ihrer
ſozialen Stellung ſich einem Arbeitsherrn hat unter:
ordnen, ihre Selbſtändigkeit hat aufgeben, ihre Arbeits⸗
kraft dieſem zur Verwertung in ſeinem Gewerbebetriebe
hat zur Verfügung ſtellen wollen.
Hierzu meint Dr. Michel, eine derartige enge Be⸗
griffsentwicklung finde weder im Geſetze, noch in der
Rechtſprechung des Reichs- oder Landesverſicherungs⸗
amtes irgend welche Unterlage.
Es hat nun in erſter Linie das Reichsverſicherungs⸗
amt wiederholt ausgeſprochen, daß für den Begriff
des „Arbeiters“ ſtets ein perſönliches Abhängigkeits⸗
verhältnis vorhanden ſein muß. So hat es insbeſondere
ausgeführt (vgl. Amtl. Nachr. d. Reichsverſichungs⸗
amtes 1897 S. 262 Nr. 1577): „Man mag den Be⸗
griff des Arbeiters auch noch ſo weit faſſen, ſo iſt doch
zu feiner Erfüllung ein gewiſſes perſönliches Ab-
hängigkeitsverhältnis zwiſchen dem Arbeit⸗
nehmer und dem Arbeitgeber bezw. dem Betriebs⸗
unternehmer ein regelmäßiges Erfordernis. Daß die
Tätigkeit beſtimmter Perſonen den Intereſſen eines
Betriebes mehr oder weniger entfernt dient, genügt
nicht allein und ohne weiteres, um dieſe Perſonen als
in dem Betriebe beſchäftigte Perſonen anzuerkennen“.
Dann: „Wie das Reichsverſicherungsamt in ſeiner
Rechtſprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht hat,
genügt (für die Annahme eines Dienſtverhältniſſes)
ſchon die Beſchäftigung eines Arbeiters für die Zwecke
des Betriebes in einem gewiſſen den Begriff des
Arbeiters kennzeichnenden perſönlichen
Abhängigkeitsverhältnis zum Betriebsunter⸗
nehmer, geht auch zur Genüge her⸗
vor, daß die „Kugelſucher“ in einem derartigen Maße
perſönlich abhängig von der Verwaltung Sind,
daß ihre Eigenſchaft als Arbeiter der Verwaltung
nicht zweifelhaft ſein kann.“ (Amtl. Nachr. d. Reichs⸗
verſicherungsamtes 1897 S. 346 Nr. 1622). Bei einem
Kellner iſt ausgeführt: „Er hat den Anweiſungen
ſeines jeweiligen Arbeitgebers zu folgen und tritt
dadurch zu dieſem in ein perſönliches Abhängig:
keitsverhältnis“ (Amtl. Nachr. 1903 S. 360
Nr. 1034) und bei einem Korbmacher, der zugleich
Lohndiener war, iſt bemerkt: „Während er als Lohn—
diener ein felbſtändiger Unternehmer iſt, wobei er
ſeine Arbeitskraft dem Publikum im allgemeinen,
ohne zu dem einzelnen Auftraggeber
in ein perſönliches Abhängigkeitsver⸗
hältnis zutreten, zur Verfügung ſtellt“(ibidem);
endlich: „in dieſer Zeit .. . . hat ein Verhältnis per⸗
ſönlicher Abhängigkeit zwiſchen W. einerſeits
und . . . andererſeits nicht beſtanden und es kann
daher dem Stadtmagiſtrat in P. nur beigetreten
werden, daß W.. ſelbſtändiger Unternehmer ge—
weſen iſt“. (Amtl. Nachr. 1903 S. 361 Nr. 1035).
Steht nun auf Grund übereinſtimmender Recht—
ſprechung des Reichsgerichtes und des Reichsverſiche⸗
rungsamtes feſt, daß zur Erfüllung des Begriffes
„Arbeiter“ ein gewiſſes perſönliches Abhängig:
keitsverhältnis zwiſchen dem Arbeitnehmer und
Arbeitgeber beſtehen muß, fo ergibt ſich aus dem Be
griffe „perſönliches Abhängigkeitsverhältnis“ doch
von ſelbſt, daß die Hilfsperſon von den Anweiſungen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
267
des Arbeitgebers abhängig ſein muß, daß ſie ſich einem
Arbeitsherrn unterordnen will und auch ihre Selbſt⸗
ſtändigkeit aufgeben will (alles ſelbſtverſtändlich nur
auf die Dauer des Arbeitsoerhältniſſes), denn worin
ſollte denn ſonſt das perſönliche Abhängig⸗
keits verhältnis beſtehen? Es muß doch in
irgend einer Form in die äußere Erſcheinung
treten. Der von Dr. Michel angeführte Fall des Land⸗
mannes, der einem Knechte beim Aufladen des Baumes
behilflich war, beweiſt meiner Anſicht nach durchaus nicht
das Gegenteil. Denn es iſt doch nicht ausgeſchloſſen,
daß ſich der Landwirt bei der ja überaus gefährlichen
Arbeit (lauf die Dauer des übernommenen
Helfens) unter Aufgabe feiner Selbſtändigkeit auf
dieſe Dauer dem Knechte unterordnen und insbeſondere
von den Anweiſungen des Knechtes (der als Stell:
vertreter ſeines Dienſtherrn handelte) auf die Dauer
der Aushilfe abhängig ſein wollte. Wollte er dies
nicht, ſo hatte unter Umſtänden ſeine Aushilfe über⸗
haupt keinen Wert. Das Gleiche muß gelten von
dem anderen Beiſpiele des Fabrikkutſchers. Auch hier
iſt nicht ausgeſchloſſen, daß er ſich den Anordnungen
des Bauernſohnes unterordnen wollte — es wäre ja
denkbar geweſen, daß eine ganz ſpezielle Anordnung
notwendig geweſen wäre — und für die Dauer der
Aushilfe auf ſeine Selbſtändigkeit verzichten wollte.
Selbſt wenn er an Erfahrung dem Bauernſohne über—
legen geweſen wäre, ſo ändert dies an der Sache nichts,
denn es konnten allerlei Anweiſungen anderer Art
notwendig ſein, z. B. das Fuhrwerk konnte einen
kleinen Defekt haben, ein Pferd konnte biſſig oder ein
Schläger ſein uſw. Jedenfalls iſt die Möglichkeit nicht
ausgeſchloſſen, daß auch das Landesverſicherungsamt
diefe Begriffsmerkmale, wie fie das Reichsgericht vers
langt hat, für gegeben erachtet hat, zumal ja die
Tätigkeit der beiden Hilfsperſonen einzig und allein
im Intereſſe des anderen Teiles erfolgte.
Es wird ja ſtets quaestio facti fein, ob dieje Begriffs-
merkmale gegeben ſind oder nicht. Wollte man aber
ſelbſt ſich auf den Standpunkt ſtellen, daß das
Landesverſicherungsamt all dieſe Momente für nicht
gegeben erachtet hätte, dann würde es ſich zweifellos
mit der Rechtſprechung des Reichsverſicherungsamtes
und Reichsgerichtes im Widerſpruch befinden. Denn
worin ſonſt in den beiden Beiſpielen das per ſön⸗
liche Abhängigkeitsverhältnis gefunden werden
ſollte, das, wie erwähnt, nach der Rechtſprechung
auch des Reichsverſicherungsamtes erforderlich iſt,
it nicht erſichtlich. Daß im Falle des Oberlandes—
gerichtes Zweibrücken der Kläger in keinerlei perſön—
liches Abhängigkeitsverhältnis zum Beklagten treten
wollte und getreten iſt, habe ich auf Seite 143 aus⸗
geführt und möchte nur noch anfügen, daß der Kläger
dieſe Arbeiten einzig und allein in feinem Intereſſe
leiſtete, da er bei der raſcheren Erledigung des Sägens
früher wieder nach Hauſe fahren konnte. (Vgl. auch
noch das Beiſpiel der obenzitierten Entſcheidung d. RG.).
Landgerichtsrat Hagen in Frankenthal.
Kann 8 113 StGB. mit 8 210 StGB. rechtlich
konkurrieren? Ein Gerichtsvollzieher wurde von dem
Schuldner während der Pfändung in ein Zimmer ein—
geſperrt. Vor der Türe ſchrie der Schuldner, daß er
den Gerichtsvollzieher nicht eher herauslaſſe, bis dieſer
von der Pfändung abſtehe. Der Staatsanwalt erhob
Anklage wegen eines Vergehens der Freiheitsberaubung,
8239 StGB., rechtlich zuſammentreffend mit einem
Vergehen des Widerſtands gegen die Staatsgewalt,
8 113 StGB. a. a. O., und mit einem Vergehen des
Nötigungsverſuchs nach 88 240 und 43 a. a. O. Die
rechtliche Qualifikation iſt nicht einwandfrei. Behufs
richtiger Subſumierung des Tatbeſtandes unter die
einſchlägigen Geſetzesſtellen muß feſtgeſtellt werden:
das Verhältnis von § 113 zu 8 114, das von 8 114
zu § 240 und endlich das von § 113 zu § 240 a. a. O.
Das Reichsgericht hat ſich mit dieſer Frage befaßt und
ausgeſprochen, daß 8 240 durch 5 114 und letzterer
beim Vollſtreckungsbeamten während der Vollſtreckung
durch 8 113 und ſomit 8 240 auch durch $ 113 aus-
geſchloſſen ſei. (RGE. Bd. 31 S. 3 und die dort
angeführten Entſcheidungen). Ein rechtliches Bu-
ſammentreffen von § 113 mit 8 240 StGB. gibt es
nicht. Dagegen kann in dem Einſperren eine Gewalt
im Sinne des $ 113 StGB. gefunden werden
(RGE. Bd. 31 S. 405). Die Tat des Angeklagten
bildet deshalb ein Vergehen der Freiheitsberaubung,
rechtlich zuſammentreffend mit einem Vergehen des
Widerſtandes gegen die Staatsgewalt (83 239, 113
und 73 StGB.).
Landgerichtsrat Stummer in München.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Wirkung des Zuſchlags in Anſehung der Beſtand⸗
teile und des Zubehörs. Feſtſetzung eines Wegnahme⸗
rechts im Beſchluſſe über den Zuſchlag. ae dees des
Beſchluſſes. Berückſichtigung der Vorgänge des Ber:
ſteigerungstermins bei der Auslegung. Rechtliche Natur
des Zuſchlags.!) Eine Rechtsvorgängerin der Klägerin
hat für die Ziegelei der Frau D. eine Lokomobile mit
Zubehörſtücken mietweiſe, unter Vorbehalt ihres Eigen-
tumsrechts, geliefert. Die Ziegelei kam im April 1905
zur Zwangsverſteigerung. Die Klägerin beantragte
auf Grund des Eigentumsvorbehalts, die Lokomobile
mit Zubehör von der Verſteigerung auszuſchließen,
und erwirkte einen dahingehenden Beſchluß; demgemäß
wurde im Verſteigerungstermin zu den Verſteigerungs—
bedingungen der Beſchluß des Vollſtreckungsgerichts
verkündet, daß dieſe Gegenſtände von der Verſteigerung
ausgeſchloſſen würden. Der Bäcker H. erhielt den
Zuſchlag; der Zuſchlagsbeſchluß vom 12. Juli 1905
enthält u. a. den Vordruck, daß dies auf Grund der
Ergebniſſe des Verſteigerungstermins unter den ſon⸗
ſtigen geſetzlichen Verſteigerungsbedingungen geſchehe;
von der Lokomobile wird darin nichts erwähnt. H.
konnte nicht zahlen und im September 1905 wurde
gegen ihn wiederum die Zwangsverſteigerung einge—
leitet (SS 132, 133 Zw G.). In der Bekanntmachung
des Verſteigerungstermins und ebenſo in der nach
einſtweiliger Einſtellung des Verfahrens erlaſſenen
neuen Terminsbeſtimmung findet ſich bemerkt, daß
von dem Zubehör u. a. die Lokomobile nicht mitver-
ſteigert werde. In dem Protokoll über den Ber
ſteigerungstermin vom 1. Februar 1906 heißt es: Nach
Bekanntmachung der das Grundſtück betreffenden Nach—
1) Anm. des Herausgebers. Wir machen die Notare und
die Vollſtreckungsrichter auf dieſe ſehr wichtige Entſcheidung ganz
beſonders aufmerkſam.
268
— —
weiſungen werde weiter bekannt gemacht ꝛc., und ferner
bei den Verſteigerungsbedingungen: Die Verſteige—
rungsbedingungen ſeien die geſetzlichen. In dieſem
Verfahren war der Beklagte Meiſtbietender und erhielt
den Zuſchlag; der Zuſchlagsbeſchluß vom 1. Februar
1906 enthält wieder die gleichen Vordrucke wie der
vom 12. Juli 1905, ohne die Lokomobile zu erwähnen.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur
Herausgabe der Lokomobile nebſt Zubehör oder zur
Zahlung von 8000 M zu verurteilen. In der Berufungs-
inſtanz hat ſie in erſter Linie den Antrag geſtellt, den
Beklagten zur Herausgabe der ſtreitigen Gegenſtände an
einen gerichtlich zu beſtellenden Sequeſter als Vertreter
der Intereſſenten zu verurteilen. Die Klage wird
darauf geſtützt, daß die Maſchine von der Verſteigerung,
auch von der zweiten Verſteigerung, durch ausdrückliche
Erklärung des Vollſtreckungsrichters ohne Widerſpruch
ausgenommen worden und darum nicht Eigentum des
Beklagten durch Zuſchlag geworden ſei, wie er auch
ſelbſt brieflich anerkannt habe. Die Klägerin hält
daher den Beklagten zur Herausgabe oder, wenn die
Maſchine weſentlicher Beſtandteil des Grundſtücks ge-
worden ſein ſollte, zur Duldung ihrer Wegnahme
gemäß § 951 Abſ. 2 BGB. für verpflichtet, ſchlimmſten⸗
falls zur Herausgabe der ungerechtfertigten Bereiche—
rung um den Wert (8000 M) der ohne Gegenwert
erlangten Maſchine (8 951 Abſ. 1 BGB.). In erſter
Inſtanz wurde die Klage abgewieſen, in der Berufungs—
inſtanz dagegen unter Zurückweiſung der Beklagte
verurteilt, zu geſtatten, daß ein vom Amtsgericht zu
beſtellender Verwahrer die Lokomobile nebſt Zubehör
für die Klägerin, den Bäcker H. und die in der zweiten
Zwangsverſteigerung unbefriedigt gebliebenen Hypo—
thekengläubiger wegnehme. Im übrigen iſt die Klage
abgewieſen worden. Die Reviſion des Beklagten hatte
Erfolg.
Gründe: 1. Darin iſt dem OLG. beizutreten,
daß die Klägerin ſich auf ein ſelbſtändiges Recht zur
Wegnahme der Lokomobile auf Grund des § 951
Abſ. 2 BGB. nicht ſtützen kann, wenn die Maſchine
durch Zuſchlag in der Zwangsverſteigerung freies
Eigentum des Beklagten geworden ſein ſollte, weil es
dadurch untergegangen ſein würde. Bei gleicher
Vorausſetzung läßt ſich auch kein Bereicherungsanſpruch
gegen den Beklagten aus 8 951 Abſ. 1 BGB. bez
gründen, weil der Beklagte dann die Bereicherung
nicht durch die Verbindung der Maſchine mit dem
Grundſtück, ſondern durch den Zuſchlag, alfo nicht
ohne rechtlichen Grund, erhalten hätte. Die Ent—
ſcheidung hängt ſomit zunächſt davon ab, ob das
Eigentum an der Lokomobile durch den Zuſchlag be⸗
dingungslos oder ob es, wie der Berufungsrichter
angenommen hat, belaſtet mit der Verpflichtung zur
Duldung ihrer Wegnahme auf den Beklagten über—
gegangen iſt. Während der Vollſtreckungsrichter die
Lokomobile als Zubehör des Ziegeleigrundſtücks an—
geſehen hatte, nehmen beide Vorderrichter an, daß ſie
durch die Art und den Zweck ihrer Verbindung mit
dem Grundſtück rechtlich zu einem weſentlichen Beſtand—
teil geworden ſei. Dieſe Auffaſſung iſt richtig; übrigens
kommt es darauf nicht weſentlich an, da nach SS 55
Abſ. 2 und 90 Abſ. 2 ZwVG. auch das Zubehör von
der Verſteigerung und dem Zuſchlage des Grundſtücks
ergriffen wird.
2. a) Das OLG. erkennt an, daß dem Beklagten
die Lokomobile mit dem Grundſtück zugeſchlagen worden
und er demnach, da der Zuſchlagsbeſchluß die Rechts—
kraft beſchritten hat, deren Eigentümer geworden iſt.
Hiergegen laſſen ſich auch keine Bedenken erheben.
Allein nun ſtellt es weiter feſt, daß der Vollſtreckungs—
richter im Verſteigerungstermin bekannt gegeben habe,
die Maſchine ſolle nicht mitverſteigert werden, daß
dies auch die Beteiligten, darunter der Beklagte, ge—
hört hätten, die demnach ihre Gebote nach ſolchem
Ausgebote hätten einrichten müſſen, und daß der Richter
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. ;
Rr. 13.
dann den Zuſchlag in dem Sinne erteilt habe, daß
die Maſchine nicht mit zugeſchlagen ſein ſollte. Er
erwägt dann: Wenn auch die Annahme des Richters,
daß die Maſchine überhaupt nicht mit ausgeboten
worden ſei, auf einem Irrtum beruht habe, ſo ſei doch
aus dieſen Vorgängen ſein Wille deutlich zu erkennen,
daß der Erſteher die Maſchine nicht behalten ſolle.
ſondern fie — nicht gerade zugunſten der Klägerin,
aber doch zugunſten aller daran beteiligten Perſonen
— wieder wegnehmen laffen müſſe. Freilich habe die
Gültigkeit einer ſolchen Verſteigerungsmaßnahme zur
weiteren Vorausſetzung, daß ſie in dem Zuſchlags⸗
beſchluſſe zum Ausdruck gekommen ſei, dies ſei aber
auch geſchehen. Der Zuſchlagsbeſchluß ſelbſt, der das
zugeſchlagene Grundſtück nicht weiter als unter Bezug—
nahme auf das Grundbuch bezeichne, laſſe allerdings
Zweifeln Raum darüber, was vom Richter unter dem
zugeſchlagenen Grundſtück verſtanden worden ſei, der
Beſchluß bedürfe alſo nach dieſer Richtung der Aus⸗
legung, aber dafür ſtänden alle Erkenntnisquellen zu
Gebot, auch die Verſteigerungsverhandlungen, und
dieſe ſchlöſſen jeden Zweifel daran aus, daß dem Er—
ſteher die Verpflichtung zur Duldung der Wegnahme
auferlegt worden ſei und daß auch der Beklagte ſelbſt
den Zuſchlag nur in dieſem Sinn verſtanden habe. —
Dies zur Geltung zu bringen, hält das OLG. auch
die Klägerin für berechtigt, weil die Maßnahme auch
in ihrem Intereſſe getroffen ſei; daher verurteilt es
den Beklagten die Wegnahme der Maſchine nebſt
Zubehör durch einen gerichtlich zu ernennenden Ver—
wahrer zugunſten der Klägerin, des früheren Eigen-
tümers H. und der in der letzten Zwangsverſteigerung
unbefriedigt gebliebenen Hypothekengläubiger zu dulden.
b) Nun mag zuzugeben ſein, daß im Verſteigerungs⸗
verfahren von allen Beteiligten angenommen worden
iſt, die Lokomobile werde nicht mitverſteigert, und
daß der Beklagte einen unbeabſichtigten Vorteil er—
langt, wenn er die Lokomobile behält, die er nicht
mitbezahlt hat. Der hieraus erklärliche Verſuch des
OL G., dieſes unerwünſchte Ergebnis zu verhindern,
iſt jedoch nicht rechtlich ausführbar. Es kann dahin—
geſtellt bleiben, ob nicht ſchon der Umſtand entgegen:
ſteht, daß das Grundſtück bereits in der erſten Zwangs⸗
verſteigerung einen neuen Eigentümer erhalten hatte,
und nicht feſtgeſtellt worden iſt, welchen Einfluß dies
auf die Rechtsverhältniſſe an der Maſchine gehabt
hat. Anderſeits kann der Einwurf der Reviſion nicht
für begründet erachtet werden, daß ein Zuſchlag mit
der vom OLG. angenommenen Auflage unvereinbar
ſei mit der jetzigen Natur des Zuſchlags als einer
ſtaatlichen Verleihung des Eigentums; denn wenn
der Zuſchlag mit der in Frage ſtehenden Auflage er—
teilt worden wäre, dann ſtände dieſe jedenfalls rechts-
kräftig feft, da gegen den Zuſchlagsbeſchluß keine Be-
ſchwerde eingelegt worden iſt. Aber ſcheitern muß
die Entſcheidung des Berufungsgerichts an der aus—
drücklichen Vorſchrift in § 82 ZwVG., die vom Voll-
ſtreckungsrichter nicht beobachtet worden iſt: daß in
dem Zuſchlagsbeſchluß u. a. das Grundſtück und die
Verſteigerungsbedingungen bezeichnet werden müſſen.
c) Der Zuſchlagsbeſchluß vom 1. Februar 1906
lautet dahin, daß dem Beklagten das Grundſtück B.
Bl. 55 auf Grund der Ergebniſſe des Ver⸗
ſteigerungstermins zugeſchlagen werde 1. um
den Betrag von 65010 M, 2. unter Fortdauer der
bei Feſtſtellung des geringſten Gebots berückſichtigten
Rechte, ſowie 3. unter den ſonſtigen geſetz⸗
lichen Verſteigerungs bedingungen. Die
hier geſperrten Worte ſind in der UÜrſchrift des auf
einem Formular angefertigten Zuſchlagsbeſchluſſes
vorgedruckt; unter 3. find die noch ferner vorgedruckten
Worte „jedoch mit folgenden Aenderungen dieſer Be—
dingungen“ ausgeſtrichen. Wenn nun auch davon
ausgegangen wird, daß dem Reviſionsrichter hinſicht—
lich der Auslegung eines Zuſchlagsbeſchluſſes nich:
S een en.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bay in Bayern. 1908. Nr. 13.
269
die gleiche freie Nachprüfung zuſteht, wie bei gericht⸗
lichen Erkenntniſſen in ſtreitigen Rechtsſachen, ſo kann
es doch ſchon zweifelhaft ſein, ob das OLG. bei ſeinen
Ausführungen noch auf dem Gebiet der Auslegung
geblieben iſt, oder nicht vielmehr zu einer unzuläſſigen
Ergänzung des vermeintlich lückenhaften Zuſchlags—
beſchluſſes aus den vorangegangenen Verhandlungen
übergegangen iſt. Aber auch wenn die Ausführungen
des OLG. noch als Auslegung aufgefaßt werden, ſind
ſie als ſolche unzuläſſig, weil ſie gegen den klaren
Inhalt des Zuſchlagsbeſchluſſes verſtoßen und oben⸗
drein dem Verſteigerungsrichter eine Abſicht unter⸗
legen, die mit der ausdrücklichen Vorſchrift in 8 82
Zw. in Widerſpruch ſtehen würde. Davon, daß
die Lokomobile nicht mit zugeſchlagen oder nur mit
der Auflage einer Duldung ihrer ſpäteren Wegnahme
zugeſchlagen ſein ſolle, enthält der Zuſchlagsbeſchluß
erſichtlich gar nichts. Das Grundſtück ift vielmehr
nur unter den geſetzlichen Verſteigerungsbedingungen
zugeſchlagen und dieſe umfaſſen den Zuſchlag der
Lokomobile mit, ſei es als Beſtandteil, ſei es als Zu⸗
behör des Grundſtücks. Der im Vordruck des For⸗
mulars vorgeſehene Hinweis auf abweichende Be—
dingungen iſt ſogar ausgeſtrichen. Und ſollte etwa
nach Anſicht des Berufungsgerichts in den gleichfalls
vorgedruckten Worten des Formulars, daß der Zu:
ſchlag erfolge auf Grund der Ergebniſſe des Ver—
ſteigerungstermins, eine Verweiſung auf den im Ber-
ſteigerungstermin erklärten Ausſchluß der Lokomobile
gefunden werden können — während dieſe Worte nichts
weiter enthalten als einen Hinweis auf das Ver⸗
ſteigerungsergebnis — ſo müßte eine ſolche Möglich—
keit jedenfalls an der Erwägung ſcheitern, daß dann
bei allen nach dieſem Formular erteilten Zuſchlags⸗
beſchlüſſen ein Zurückgehen auf die Verhandlungen im
Verſteigerungstermin zugelaſſen werden müßte, womit
dem Zuſchlagsbeſchluß ſelbſt fo gut wie jede Bedeu⸗
tung genommen wäre. Nun iſt aber die Vorſchrift
des § 82, daß der Zuſchlagsbeſchluß die Verſteigerungs⸗
bedingungen angeben muß, eine notwendige Folge
der Bedeutung des Zuſchlages nach Heus
tig em Recht als einer ſtaatlichen Verleihung
des Eigentums, die für ſich allein maßgebend iſt
für den Umfang und für die ſämtlichen Beziehungen
dieſer Verleihung. Aus dem Zuſchlagsbeſchluß ſelbſt
müſſen darum für alle Beteiligten auch die Be—
dingungen erkennbar ſein, unter denen die Eigentums—
verleihung erfolgt. Wäre es zuläſſig, etwaige an—
gebliche Lücken des Beſchluſſes durch ein Zurückgehen
auf vorangegangene Verhandlungen zu ergänzen oder
im Wege der Auslegung auszufüllen, ſo wäre völlig
ins ungewiſſe geſtellt, ob überhaupt und in welchem
Umfange durch den Zuſchlag Eigentum begründet
worden ſei. Gleichzeitig würden diejenigen Ver—
ſteigerungsintereſſenten, die im Vertrauen auf den
Inhalt des Zuſchlagsbeſchluſſes deſſen rechtzeitige An—
fechtung unterlaſſen haben, in unzuläſſiger Weiſe in
ihren Rechten verkürzt, falls hinterher dem Beſchluß
ein ihnen nachteiliger Inhalt untergelegt werden
dürfte. (Urt. des V. 85. vom 9. Mai 1908, V 488 07).
1311
——— n.
II.
Auch eine nur „proviforifhe” und „formelle“ Zeich⸗
nung von Aktien bindet den Zeichnenden gegenüber der
Aktiengeſellſchaft. Aus den Gründen: Der Beklagte
behauptet, daß er die Aktien nur „proviſoriſch und
formell“ gezeichnet habe, um das Zuſtandekommen der
Emiſſion ohne Vermittelung eines Bankhauſes zuſtande
zu bringen und zwar auf Erſuchen des Auſſichtsrats,
ohne aber deshalb Eigentümer der Aktien werden zu
wollen. Allein die Zeichnung von Aktien iſt nicht nur
eine der Geſellſchaft gegenüber verpflichtende Erklärung.
Sie iſt ein rechtspolizeilicher Akt, welcher auch der
Regiſterbehörde und dem Verkehr, dem Publikum gegen-
über abgegeben wird und bedingungslos nach Maß⸗
gabe des Inhalts des Zeichnungsſcheines verpflichtet.
Beſchränkungen, Vorbehalte, private Abmachungen
zwiſchen dem Zeichner und den Organen der Gefell-
ſchaft find der letzteren gegenüber nichtig. Eine An-
fechtung wegen Willensmangel iſt ausgeſchloſſen. Dieſe
Grundſätze gelten für Kapitalerhöhungen ebenſo wie
für die Gründung der Aktiengeſellſchaft. Sie gelten in
gleicher Weiſe für das hier anzuwendende ältere Recht
wie für das neue Handelsgeſetzbuch. Hieraus ergibt
ſich, daß der Einwand des Beklagten, er habe nur
„proviſoriſch“, nur „formell“ gezeichnet, ganz unſtich⸗
haltig iſt. Es iſt unerheblich, welche privaten Ab⸗
machungen der Beklagte über die Bedeutung ſeiner
Zeichnung mit den Auſſichtsratsmitgliedern getroffen
hat. Hieraus mögen ihm unter Umſtänden Anſprüche
gegen dieſe erwachſen. Seine Zahlungspflicht gegen⸗
über der Geſellſchaft kann er deswegen nicht ablehnen.
(Urteil des I. 8S. vom 8. April 1908, I 82/07).
1302 5 ei
III.
Ablehnung eines Sachverſtändigen wegen früherer
Aenßerungen über die Anſprüche einer Bartel und den mut⸗
maßlichen Ausgang des Rechtsſtreits. Das Ablehnungs⸗
geſuch der Beſchwerdeführer iſt durch Beſchluß mit
Recht zurückgewieſen worden. Allerdings hat der Sach⸗
verſtändige als früherer Landrat des Kreiſes F. einige
Zeit vor Erhebung der Klage in einem Schreiben an
das Generalkommando das Geſuch der Kläger um
Entſchädigung wegen Verſandung ihrer Felder befür—
wortet und dabei auf Grund der von ihm vorgenom—
menen Beſichtigung der geſchädigten Aecker auch die
Anſicht geäußert, die Uebungen der Truppen auf dem
benachbarten Exerzierplatze ſeien ſchuld an der Ver⸗
neu Auch ſoll er nach der weiteren Behauptung
er Beſchwerdeführer den Klägern gegenüber erklärt
haben, ihre Anſprüche ſeien gerechtfertigt, ſie müßten
den Prozeß gewinnen. Ob letzteres auf Wahrheit be—
ruht, kann dahingeſtellt bleiben. Jedenfalls ſind beide
Tatſachen nicht geeignet, die Beſorgnis zu rechtfertigen,
daß der Sachverſtändige über die Fragen, die Gegen—
ſtand des Beweisbeſchluſſes ſind, ſein Gutachten par—
teiiſch zum Nachteil des Beklagten erſtatten werde.
Der Sachverſtändige ſoll nicht etwa auf Grund ſeiner
eigenen Wahrnehmungen ſich über Umfang und Ur⸗
ſache der Verſandung gutachtlich äußern. Vielmehr
ſoll er darüber vernommen werden, ob er nach dem
Ergebniſſe der Beweisaufnahme imſtande iſt, den
allein durch die militäriſchen Uebungen auf dem frag—
lichen Exerzierplatze den Klägern entſtandenen Schaden
in Geld zu ſchätzen. Er ſoll alſo ſein Gutachten auf
ganz anderer Grundlage abgeben als zu der Zeit, in
der er ſich ſchriftlich und angeblich auch mündlich zu—
gunſten der Schadenserſatzanſprüche der Kläger äußerte.
Ferner kommt in Betracht, daß der Sachverſtändige
in keinerlei perſönlichen Beziehungen zu den Klägern
ſteht, und daß er jene den Klägern günſtigen Aeuße—
rungen nicht in privatem Intereſſe, ſondern zufolge
ſeiner damaligen Amtsſtellung getan hat. Darnach
liegt kein genügender Grund zu der mißtrauenden
Annahme vor, daß der Sachverſtändige jetzt auf Grund
der neuen ihm vom Gerichte geſetzten Grundlagen das
von ihm erforderte Gutachten nicht unparteiiſch und
nicht nach beſtem Wiſſen erſtatten werde. (Urteil des
V. 3S. vom 22. April 1908, V B 72/08).
1297
— —— n
IV.
Unfall durch Nichtverwahrung einer Grube. Der
Kläger ging abends auf dem Weg von A. nach E.
bei völliger Dunkelheit einen Fußpfad, der neben dem
1.60 m breiten Fahrweg im Walde der Beklagten lief.
Er ſtürzte über den Rand einer als Lehmgrube be—
zeichneten Aushöhlung, wobei er ſich an Kopf und
270
Schulter verletzte. Er fordert von den Beklagten
Schadenserſatz. Das OLG. hat ihn abgewieſen. Seine
Reviſion wurde verworfen.
Aus den Gründen: Die Grube, in die der
Kläger gefallen iſt, war keine im Betriebe befindliche
Gräberei, ſondern eine Aushöhlung des vom Fahr⸗
weg ſanft anſteigenden Waldgeländes, die dadurch
entſtanden iſt, daß vor längerer Zeit einige Fuhren
Lehm oder Erde dort entnommen wurden und die
ausgeſchürfte Stelle einfach in dem ſo geſchaffenen Zu⸗
ſtande blieb. Die Abgrabung begann am Fahrweg,
legte einen Abhang bis zu einer Höhe von 2 m bloß
und bildete einen etwa 20 Schritte tiefen, am Weg —
der Sehne — 30 Schritte langen Bogen. Der Rand
der Grube hob und ſenkte ſich mit dem Anſteigen und
Fallen des Geländes. An der Unfallſtelle fiel er fent-
recht zur Grube in einer Höhe von 1.60 bis 1.70 m ab.
Fußpfade liefen im Wald längs des Fahrwegs u. vom
Fahrweg aus in den Wald hinein. Die Grube, die ſich
von der Ebene des Fahrwegs aus nur wenig vertiefte,
bot von dieſem aus keine Gefahr. Das OLG. meint,
daß ſie überhaupt keine Sicherung erfordere u. deshalb
die Beklagten außer Verſchulden ſeien. Bei Tage ſei
die Grube auch für außerhalb des Fahrwegs durch
den Wald gehende oder die Fußpfade benützende Per-
ſonen 1 geweſen, da jeder Wanderer ſie an
der plötzlich abſchneidenden Linie des Waldbodens uſw.
erkennen konnte. Es handle ſich hier um keinen Ort,
an dem nachts Menſchen zu verkehren pflegten, wes⸗
halb § 36712 StGB. nicht anwendbar fei. Die Be-
klagten hätten nicht damit rechnen können, daß un⸗
vorſichtige Menſchen auch bei Nacht die Fußpfade ſtatt
des Fahrweges benützten.
Ob das OLG. mit Recht den § 367 12 StGB. aus-
geſchloſſen hat, weil an der Waldſtelle nachts keine
Menſchen verkehrten, kann dahin geſtellt bleiben. Denn
wenn auch die Beklagten wider das Schußgeſetz ver-
ſtoßen hätten, ſo würden ſie nur im Falle eines ſchuld—
haften Verſtoßes haften. Die Frage, ob die im Ber-
kehr gebotene Sorgfalt erfordert, in Wäldern, im
Gebirge, in Gewäſſern, Abhänge, Gruben, Oeffnungen
zu verwahren, weil dort Menſchen verkehren und Ge-
fahr aus der unterlaſſenen Verwahrung für ſie ent—
ſtehen kann, läßt ſich nicht im allgemeinen gültiger
Weiſe beantworten. Es kommt auf die Umſtände des
Falles an, auf Art, Zeit und Umfang des Verkehrs,
auf die Zweckbeſtimmung der Oertlichkeit, wo der Ver—
kehr ſtattfindet, auf die Möglichkeit oder Tunlichkeit
einer Verwahrung, auf die Verkehrsauffaſſung der
eingeſeſſenen Bevölkerung oder der jene Orte be—
ſuchenden Perſonenkreiſe u. f. f., afo auf Verhältniſſe,
deren Beurteilung zur Aufgabe des Tatſachenrichters
gehört. Die Anſchauung des OL G., daß hier den
Beklagten kein fahrläſſiges Verhalten zur Laſt falle,
läßt keinen Rechtsirrtum erſehen. Es beſteht um ſo
weniger Anlaß ihr entgegenzutreten, als die Beklagten
keinen Verkehr in ihrem Wald eröffnet, ſondern nur
aus Entgegenkommen geduldet haben, daß er von dem
Publikum begangen u. Fußpfade darin getreten wurden,
daher davon ausgehen mochten, daß die Wanderer
den Wald mit ſeinen Unebenheiten, Mulden, Steil—
hängen und ſonſtigen Gefahren nehmen würden, wie
er fid) bot. (Urt. des VI. 35. vom 27. Februar 1908).
1265 H.
V.
Begriff der perſönlichen Eigenſchaften eines Ehe⸗
gatten i. S. von $ 1333 BGB. Bedeutung von Krant-
heiten bei der Feſtſtellnng dieſes Begriffes. Aus den
Gründen: Das Ueberſtehen einer Krankheit iſt etwas
Vorübergehendes und kann den Begriff einer bleiben—
den Eigenſchaft einer Perſon nicht erfüllen. Ebenſo—
wenig iſt eine vorübergehende Geiſtes- oder Gemüts—
ſtörung oder eine bloße Anlage zur Geiſteskrankheit
eine Eigenſchaft im Sinne des § 1333. Auch eine
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
bloße geiſtige Minderwertigkeit kann regelmäßig zur
Anfechtung der Ehe wegen Irrtums nicht genügen.
Allein hier handelt es ſich um mehr. Bei der Be⸗
klagten war zur Zeit der Eheſchließung eine dauernde
Störung auf intellektuellem Gebiete vorhanden, welche
dadurch eine beſondere Bedeutung gewonnen hatte,
daß eine ſchwere Erkrankung an chorea (Veitstanz)
hinzugekommen war. In Verbindung mit dieſer Er⸗
krankung bedeutete die geiſtige Schwäche mehr als
eine bloße Minderwertigkeit. Daß die Beklagte eine
gewiſſe geiſtige Schwäche hatte, hat der Kläger, der
nur ſehr kurze Zeit verlobt war, bald nach Eingehung
der Ehe erkennen müſſen. Was er aber nicht ſogleich
erkennen konnte und nach der Feſtſtellung des Berufungs⸗
gerichts erſt im Februar 1904 erfahren hat, war der
beſondere Umſtand, daß die Beklagte längere Zeit an
chorea erkrankt geweſen war, was in Verbindung mit
dem Grundleiden eine beſondere und erheblich ſchwerere
Krankheitsform geſchaffen hatte. Mit Recht nimmt
das Berufungsgericht auf Grund der Gutachten an,
daß das Beſtehen eines derartigen Leidens einen Mann
bei verſtändiger Würdigung des Weſens der Ehe ſehr
wohl von Eingehung der Ehe abhalten konnte. Es
kommt hierfür in Betracht, daß eine Wiederkehr der
Choreakrankheit und ein ſchädlicher Einfluß dieſes
Krankheitszuſtandes auf die Nachkommenſchaft der
Mutter. zu beſorgen ift. Die objektive Erheblichkeit
des Irrtums kann hiernach nicht zweifelhaft ſein.
(Urt. des IV. 35. vom 13. Februar 1908, IV 307/07).
1290
— — — — .
VI.
Ferm der Abtretung von Briefgrundſchulden bei
teilweiſe unentgeltlicher, teilweiſe entgeltlicher Ber-
äußerung. Die Kläger klagen als Erben der Sophie
Kr. zwei zu deren Nachlaß gehörende Grundſchulden
von je 3000 M gegen den Beklagten als eingetragenen
Eigentümer ein. Der Beklagte hat geltend gemacht,
die Grundſchulden ſeien durch Zuwendung ſeitens der
Erblaſſerin auf ihn übergegangen. Letztere habe im
Jahre 1904 ihm die beiden „Hypothekenſcheine“ (es
handelt fih um Hypotheken des früheren M.fchen Rechts)
übergeben und dabei erklärt, er fole ſelbſt die Hypo:
thekenſcheine in Verwahrung nehmen; er ſolle ſie be⸗
halten als Dank für die treue Erfüllung ſeiner Kindes⸗
pflichten und weil er auf ihre (der Erblaſſerin) Ver⸗
anlaffung 3000 M an feinen Bruder ausgezahlt habe.
Das OLG. hat nach dem Klageantrage erkannt. Die
Reviſion hatte Erfolg.
Gründe: 1. Der Berufungsrichter faßt die Er⸗
klärung der Erblaſſerin Kr., aus der der Beklagte den
Erwerb der Grundſchulden herleitet, als Schenkung
durch Abtretung der Grundſchulden auf und verneint
die Wirkſamkeit der Erklärung, weil die in § 1154
Abſ. 1 (8 1192 Abſ. 1) BGB. für die Uebertragung
von Briefgrundſchulden erforderte Schriftform nicht
beobachtet fei, die Erklärung auch als Schenkungs—
verſprechen (ſchenkweiſe Verpflichtung zur Uebertragung
der beiden Grundſchulden) wegen Mangels der gericht⸗
lichen oder notariellen Form (§ 518 BGB.), keinen
rechtlichen Beſtand haben könne. Dieſe Ausführungen
ſind zutreffend, ſoweit die beiden Grundſchulden dem
Beklagten von der Witwe Kr. nicht zur Deckung der
angeblich ſeinem Bruder gezahlten 3000 M zugewendet
ſind. Unrichtig iſt inſoweit die Meinung der Reviſion,
die formloſe Abtretungserklärung als ſolche habe für
das Verhältnis der Kontrahenten untereinander den
Uebergang der abgetretenen Grundſchuld auf den Er—
werber zur Folge und der Beobachtung der in $ 1154
Abſ. 1 BGB. beſtimmten Abtretungsform bedürfe es
nur, um die Wirkſamkeit der Abtretung Dritten gegen—
über zu ſichern. Vielmehr hat die Formvorſchrift des
§ 1154 für Briefhypotheken (Grundſchulden) dieſelbe
Bedeutung, wie das Erfordernis der Umſchreibung der
Hypothek im Grundbuch gemäß §8 1154 Abſ. 3, 873
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
Abſ. 1 BGB. für Buchhypotheken (Grundſchulden); ohne
ihre Beobachtung kann alſo die Abtretungserklärung
nur die Wirkung eines pactum de cedendo äußern.
Letzteres iſt aber nur als entgeltlicher Vertrag form⸗
frei. Hat es den Charakter einer Schenkung, ſo iſt es
ebenfalls unwirkſam, wenn die Beobachtung der Form
des § 518 BGB. unterblieben ift. Darnach erledigt
ſich auch der weitere Verſuch der Reviſion, die Wirk⸗
ſamkeit der Erklärung trotz ihrer Formloſigkeit daraus
herzuleiten, daß ſie als perſönlicher, nur die Gläubigerin
und ihre Erben bindender Verzicht auf Geltendmachung
der Rechte aus der Grundſchuld aufgefaßt werden könne.
Auch ein ſolcher Verzicht würde wegen des ihm an=
haftenden Schenkungscharakters von dem Formzwange
des 8 518 BGB. nicht befreit fein.
2. Anders liegt die Sache bei dem Teile der an=
geblichen Erklärung der Witwe Kr., nach dem ſie dem
Beklagten die Grundſchulden auch deshalb hat zu—
wenden wollen, weil er auf ihre Veranlaſſung an feinen
Bruder 3000 M ausgezahlt habe. Dieſe Aeußerung
kann nur dahin verſtanden werden, daß die Witwe Kr.
inſoweit dem Beklagten nichts hat ſchenken wollen,
ihre Abſicht vielmehr dahin gegangen iſt, ihn für eine
Leiſtung ſchadlos zu halten, die er auf ihre Anweiſung
an einen Dritten bewirkt hat. Hat die Erklärung
dieſen Sinn gehabt und wird feſtgeſtellt, daß tatſächlich
der Anweiſung der Witwe Kr. gemäß 3000 M von
dem Beklagten an ſeinen Bruder gezahlt worden ſind,
ſo iſt damit der entgeltliche Charakter der Zuwendung
in Höhe von 3000 M dargetan. Es würde demzufolge
aus der fraglichen Erklärung ſich für die Witwe Kr.
und jetzt für die Kläger als deren Erben die Verpflich—
tung ergeben, behufs Herbeiführung des Ueberganges
der Grundſchulden in der angegebenen Höhe auf den
Beklagten die noch fehlende Vollzugsſorm nachzuholen
d. h. die Abtretungserklärung ſchriftlich zu wiederholen.
Keinesfalls könnten aber die Kläger in Höhe von
3000 M Zahlung der Grundſchulden durch den Be—
klagten verlangen und ſich letzterem gegenüber auf
den Mangel der Vollzugsform für die von ihrer
Erblaſſerin erklärte und ihnen gegenüber wirkſame
Abtretung berufen.
3. Nur dann würde der Rechtsbehelf verſagen,
wenn angenommen werden müßte, daß ein Fall des
S 139 BGB. vorliegt, d. h. daß vermöge der beab—
ſichtigten Einheitlichkeit der ganzen Zuwendung die
Witwe Kr. die letztere überhaupt nicht gemacht haben
würde, wenn ſie von deren teilweiſer, durch den
Schenkungscharakter hervorgerufenen Nichtigkeit Kennt—
nis gehabt hätte. Bleibt dagegen § 139 BGB. außer
Anwendung, ſo wäre noch zu prüfen, in welchem
Anteilsverhältnis die beiden Grundſchulden von zu—
jammen 6000 M von dem Beklagten wegen der ihm
aus ihnen in Höhe von 3000 M zu gewährenden
Deckung in Anſpruch genommen werden dürfen. (Urteil
des V. 35. vom 22. April 1908, V 513,07).
1296
— — — .
B. Strafſachen.
1
Verhältnis des Süßſtoffgeſetzes zum Vereins zollgeſetz
und ins beſondere des § 9 des erſten Geſeizes zum § 155
B36. im Falle des § 2 lit. b). Der Staatsanwalt
hat das Urteil nur inſoweit angefochten, als auf Ein—
ziehung des Saccharins und nicht auf Werterſatz er—
kannt iſt. Dieſe Beſchränkung der Anfechtung iſt zu—
läſſig und zu beachten. Die allgemeinen Ausführungen
des Erſtrichters über das Verhältnis des Süßſtoff—
geſetzes zum Vereinszollgeſetz entſprechen der RGE.
Bd. 38 S. 186. Unzutreffend ift dagegen die daraus
gezogene Folgerung, daß nur dann Beſtrafung aus
§ 7 Abſ. 1 des Süßſtoff. in Frage komme, und daß
) Vgl. dieje Zeitſchrift, Jahrgang 1905 S. 170, 852, 451.
§ 9 Abſ. 1 1. c. als ſpäter erlaſſenes Sondergeſetz ans
zuwenden und § 155 VZG. ausgeſchloſſen fei. Nach
der RGE. Bd. 38 S. 394 ſind im Falle vollendeter
Kontrebande nach § 2 lit. b des Süßſtoff G. neben deffen
in § 7 Abſ. 1 gegebenen Strafvorſchriften auch alle
Strafvorſchriften des VZG. anzuwenden, ſoweit fie
nicht, wie die über die Geldbuße des 8 134 VZG. oder
die ihre Schärfung betreffende Beſtimmung des § 144
nur hilfsweiſe Geltung beanſpruchen. Zu Vorſchriften
der letztern Art gehören die über Konfiskation und
Werterſatz im Sinne des $ 154 VZO. nicht. Die Kon-
fiskation ift vielmehr nach § 134 J. c. die Haupt⸗
ſtrafe, die jedenfalls verwirkt iſt. Die Vorſchrift über
fie erfährt im § 155 1. e. eine Ergänzung und Er-
weiterung dahin, daß, ſofern die Konfiskation nicht
vollzogen werden kann, auf Erlegung des Wertes
der an ſich von der Konfiskation betroffenen Gegen—
ſtände erkannt werden muß. Dieſer Fall liegt hier
vor, da das Saccharin verkauft und verbraucht worden
ift (RGE. Bd. 30 S. 413). Für Verhängung der im
8 9 des SüßſtoffG. als bloßer Nebenſtrafe vorgeſehenen
Einziehung bleibt daher kein Raum. Es hätte des—
halb auf Werterſatz erkannt werden follen. Da die
tatſächlichen Grundlagen für dieſen geſetzlich not—
wendigen Ausſpruch vorliegen, konnte er in der Re—
viſionsinſtanz erfolgen. (Urteil des V. Sts. vom
28. April 1908, 5 D 211.08).
1303
— — — e —
II.
Schwerſte Strafe im Sinne des § 73 StGB. Rechts⸗
irrig ift die Bemeſſung der Strafe aus 8 10 RM.
ſtatt aus § 14 des Geſetzes vom 15. Juni 1897 betr.
den Verkehr mit Butter uſw., da letztere Vorſchrift
im Sinne des § 73 StGB. die ſchwerere Strafe an—
droht. Denn bei gleichen Hauptſtrafen ift im Falle
des 8 14 des letztern Geſetzes die Veröffentlichung
notwendig (8 20 daſelbſt), im Falle der 8 10 NM.
aber nur zuläſſig (8 16 daſelbſt). Der Irrtum be-
ſchwert aber den Angeklagten nicht. (Urteil des V. StS.
vom 5. Mai 1908, 5 D 275,08).
1301
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
5265 BGB. ift auf ein unter der Herrſchaft des
früheren Rechtes entſtandenes Schuldverhältnis nicht an:
wendbar (EG. z. BGB. Art. 170). Wirkung des 5 94
HypG. i. d. F. v. 1903. In dem Hypothekenbuche find
verſchiedene Grundſtücke der Familie von E. einge—
tragen. Als Beſitzer ſind die Brüder Julius, Otto
und Alexander von E. auf Grund Erbſchaftszeugniſſes
vom 29. Juli 1882 eingetragen. Der Grundbeſitz wurde
am 2. Februar 1890 mit einer Hypothek für ein An—
nuitätendarlehen einer Bank zu 61500 M belaſtet. Ein
Teil von urſprünglich 10000 M, der am 1. Dezember
1907 auf 8750 M 15 Pf gemindert war, ging am
13. Januar 1908 durch Abtretung auf die Ehefrau des
Miteigentümers Julius von E., Marie von E., über
und wurde auf ſie umgeſchrieben. Marie von E. er—
warb auch eine auf anderem Grundbeſitze der Frei—
herren von E. ruhende Hypothekenforderung zu 8434/7
74 Pf und erwirkte für die beiden Forderungen die
Beſchlagnahme der belaſteten Grundſtücke zum Zwecke
der Zwangsverſteigerung. Am 2. März 1908 ließ der
Miteigentümer Alexander von E. zur Deckung der An—
ſprüche der Beſchlagnahmegläubigerin 18000 M er
legen und auf Grund des Ş 268 BGB. die Um-
ſchreibung der Hypotheken auf ihn beantragen. Die
Umſchreibung wurde in Anſehung der Hypotheken—
272
forderung im Betrage von 8750 M 15 Pf „infolge
Ablöſung im Zwangsvollſtreckungsverfahren auf Grund
des S 268 BGB.“ am 6. März 1908 vollzogen. Am
19. März 1908 wurde die Beſchlagnahme aufgehoben.
Auf Antrag des Julius von E. wurde am 11. März
1908 eine Proteſtation gegen die Umſchreibung der
Hypothekenforderung eingetragen, weil Alexander von
E., der weder Drittbeſitzer noch Hypothekengläubiger
fei, durch die Befriedigung der Gläubigerin die Hypo-
thekenforderung nicht habe erwerben können. Alexander
von E. hat die auf ihn umgeſchriebene Hypotheken-
forderung an die Gutsbeſitzerswitwe Katharina K. ab—
getreten. Die Abtretung wurde am 13. März 1908
vorgemerkt. Gegen die vorgemerkte Abtretung wurde
auf Antrag der Marie von E., für die zwei im Range
nachſtehende Hypotheken an dem Anteile ihres Mannes
an dem Grundbeſitz eingetragen find, am 18. März 1908
eine Proteſtation desſelben Inhalts wie die vom
11. März eingetragen. Marie von E. ließ hierauf die
Löſchung der Umſchreibung auf Alexander von E. be—
antragen, weil die Hypothek durch die Zahlung er—
loſchen, die Umſchreibung daher unzuläſſig geweſen
ſei. Das Hypothekenamt lehnte die Löſchung ab und
die Beſchwerde der Freifrau von E. wurde zurückge—
wieſen. Das LG. ſchloß ſich der Anſicht des Hypo-
thekenamtes an, daß die umgeſchriebene Hypotheken—
forderung nach § 268 Abſ. 3 BGB. durch Befriedigung
der Gläubigerin auf Alexander von E. übergegangen
ſei. Die weitere Beſchwerde wurde zurückgewieſen.
Gründe: Es iſt zuzugeben, daß die Umſchreibung
unter Verletzung geſetzlicher Vorſchriften erfolgt iſt.
Nach der Eintragung vom 2. Februar 1890 ſcheint das
Annuitätendarlehen von den drei Miteigentümern auf—
genommen worden zu ſein, die der Bank die Hypothek
beſtellt haben, jedenfalls iſt aus den Akten nicht zu
entnehmen, daß Alexander von E. für das Darlehen
nicht perſönlich haftete, er hat dies ſelbſt nicht be—
hauptet. Soweit er Schuldner der auf Freifrau von
E. übertragenen Forderung war, konnte die Vorſchrift
des § 268 Abſ. 3 BGB., die die Befriedigung des Gläu—
bigers durch einen „Dritten“ vorausſetzt, auf ihn von
vorneherein nicht Anwendung finden. Die Frage, in
welcher Eigenſchaft er die Zahlung geleiſtet hat, iſt
aber gar nicht erwogen worden. Der Senat iſt übri—
gens der Anſicht, daß die Vorſchriften des § 268 auf
die unter der Herrſchaft des früheren Rechtes ent—
ſtandenen Schuldverhältniſſe nicht anwendbar find.
§ 268 ſteht in dem Abſchnitte von dem Inhalte der
Schuldverhältniſſe und die Abſ. 1, 2, die fih mit der
Frage befaſſen, inwieweit der Gläubiger ſich die Be—
friedigung durch einen „Dritten“ gefallen laſſen muß,
gehören ebenſo zu den Vorſchriften, die den Inhalt
des Schuldverhältniſſes beſtimmen, wie § 1150, der
entſcheidet, inwieweit ein anderer als der Eigentümer
des belaſteten Grundſtücks berechtigt iſt, den Hypo—
thekengläubiger zu befriedigen, zu den Vorſchriften über
den Inhalt der Hypothek gehört. Für den Inhalt
eines unter der Herrſchaft des früheren Rechtes ent—
ſtandenen Schuldverhältniſſes ſind nach Art. 170 EG.
3. BGB. deſſen Vorſchriften maßgebend. Der Abſ. 3 des
§ 268 gilt nur für den Dritten, der nach den Abſ. 1, 2
zur Befriedigung des Gläubigers berechtigt iſt, der
Zatbeitand, an den der Uebergang der Forderung
geknüpft ift, fegt daher eine Forderung voraus, deren
Inhalt ſich nach den Vorſchriften des BGB. beſtimmt.
Gleichwohl kann die weitere Beſchwerde keinen
Erfolg haben. Nach § 91 Hyp®. i. d. F. des Gef. vom
20. Dezember 1903 kann die Beſchwerde gegen eine
unter Verletzung geſetzlicher Vorſchriften vorgenom-
mene Eintragung nur dann auf Löſchung gerichtet
werden, wenn die Eintragung ihrem Inhalte nach un—
zuläſſig iſt. Es genügt nicht, daß die Eintragung
wegen des Fehlens einer geſetzlichen Vorausſetzung
nicht erfolgen durfte und daß ſie mit der wirklichen
Rechtslage im Widerſpruche ſteht, ſondern eine Ein—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
tragung dieſes Inhalts muß überhaupt unzuläſſig ſein,
ſie muß unter keinen Umſtänden rechtliche Wirkung
haben können. Dies trifft bei der Umſchreibung vom
6. März 1908 nicht zu. Ein Uebergang der Hypotheken-
forderung durch Ablöſung findet auch nach den SS 58,
63 HypG. ſtatt, die Eintragung eines ſolchen Ueber-
ganges iſt daher bei einer unter der Herrſchaft des
früheren Rechtes entſtandenen Hypothekenforderung
nicht rechtlich unmöglich. Sollte Alexander von E.
die Gläubigerin als Dritter im Sinne des $ 268 Abi. 3
BGB. befriedigt haben, fo würde eine Ablöſung nach
dem § 58 möglich geweſen ſein. Die Anführung der
Vorſchrift, auf der der Uebergang beruht, iſt zur Wirk⸗
ſamkeit der Eintragung nicht erforderlich, ein Irrtum
in der Bezeichnung der maßgebenden Vorſchrift macht
den Inhalt der Eintragung nicht unzuläſſig. Gegen-
über einer nicht ihrem Inhalte nach unzuläſſigen Ein⸗
tragung, die unter Verletzung geſetzlicher Vorſchriften
erfolgt ift, kann im Wege der Beſchwerde nur die Čin-
tragung einer Proteſtation beantragt werden. Eine
ſolche Anordnung kommt hier nicht in Frage, weil
für die Beſchwerdeführerin ſchon eine Proteſtation ein⸗
getragen ift. (Beſchluß des I. 85. vom 1. Mai 1908,
Rep. III, 39/1908). W.
1289
II.
Hat während eines inländiſchen Konkursverfahrens,
das durch Zwangsvergleich beendet wurde, für die zum
Konkurs angemeldete Forderung des Gläubigers anch
eine Zwangsvollſtreckung im Auslande ſtattgefunden und
iſt hierdurch ein Teil der Forderung beigetrieben worden,
jo braucht fih der Gläubiger den Teil nicht auf die ihm
durch den Zwangs vergleich zukommende Dividende an-
rechnen zu laffen. Territerialität des Konkurſes (K O.
8 193, § 237 Abſ. 1, 8 50). Der Wirt L. trat am
12. Oktober 1899 in Z. (Schweiz) eine ihm gegen den
Baumeiſter W. zuſtehende Forderung von 30000 Fr.
nebſt Zinſen zu 3¾ % den Kaufleuten A. R. in Z.
und Jakob G. in B. (Schweiz) ab und verpflichtete
ſich, „als Bürge und Selbſtzahler für den Betrag von
25000 Fr. nebſt Zinſen zu haften“). Da W. nicht
zahlte, erhoben die neuen Gläubiger im Oktober 1901
gegen L., der damals in A. (Bayern) wohnte, Klage
zum LG. A. Durch das rechtskräftig gewordene Ber-
ſäumnisurteil dieſes Gerichts vom 5. November 1901
wurde er verurteilt, den Klägern 25 000 Fr. mit Zinſen
zu 3% %% feit dem 1. April 1899 zu zahlen. Im Jahre
1901 ließen R. und G. auf Grund eines in der Schweiz
erwirkten Vollſtreckungstitels durch das Betreibungs-
amt Z. die Vollſtreckung in das in der Schweiz er-
mittelte Vermögen des L. betreiben. In dieſem Ber:
fahren, das am 25. Juni 1904 beendigt war, erhielten
fie 4476,62 M. Am 15. März 1902 hatte das Amts-
gericht St. (Elſaß) das Konkursverfahren über das
Vermögen des L. eröffnet. R. und G. meldeten
22 834,29 M an, nämlich 20 250 M Hauptſache, 2246,48 M
Zinſen vom 1. April 1899 bis zum 15. März 1902 und
337,81 M Soften; im Prüfungstermine beftritt der
Gemeinſchuldner den Betrag der Forderung. Das
Konkursverfahren wurde durch einen am 19. Januar
1903 beſtätigten Zwangsvergleich beendigt. Nach dieſem
ſollten die nicht bevorrechtigten Gläubiger 20% ihrer
Forderungen in 10 gleichen Jahresbeträgen erhalten,
deren erſter am 31. Dezember 1903 fällig wurde.
R. und G. hatten dem Zwangsvergleiche nicht zu—
geſtimmt. Am 10. Dezember 1906 ließen ſie auf Grund
des Verſäumnisurteils vom 5. November 1901 wegen
der auf 1202,16 M berechneten fälligen Jahresbeträge
gegen L. in St. die Pfändung vornehmen; es wurden
bewegliche Sachen im Schätzungswerte von 1220 M
gepfändet. Auf Grund des § 767 ZPO. erhob L. im
Januar 1907 Klage gegen R. und G. mit dem An⸗
trage, die Pfändung für unzuläſſig zu erklären und
feſtzuſtellen, daß ſeine Schuld nicht mehr beſtehe oder
— = ve F o —ʒ
„ RE ae re
— — —— ———ů— —2—
höchſtens noch 90,24 M betrage, da ſich die Forderung
der Beklagten durch den Zwangsvergleich auf /, alfo
auf 4566,86 M gemindert habe; im Jahre 1904 hätten
fie 4476,62 M erhalten, ihre Forderung habe alſo
zur Zeit der Pfändung nur noch 90,24 M betragen
und dieſer Reſt ſei durch Zahlungen des W. getilgt.
Die Beklagten gaben zu, daß W. nach der Erlaſſung
des Verſämnisurteils ihnen 4587,67 M gezahlt habe,
machten aber geltend, die Zahlungen von 4476,62 M
und 4587,67 M ſeien nicht auf den durch den Zwangs⸗
vergleich ihnen gewährten, ſondern auf den übrigen
Zeil der Forderung anzurechnen. Sie erhoben Wider-
klage und beantragten, feſtzuſtellen, daß die durch den
Zwangsvergleich auf 4566,86 M feſtgeſetzte Forderung
in dieſem Betrage noch beſteht. Das LG. erklärte
am 15. Juni 1907 die Pfändung, ſoweit ſie für mehr
als 826,20 M erfolgt war, für unzuläſſig und ſtellte
jeft, daß die Forderung der Beklagten noch zum Be-
trage von 2754 M beſteht. Das OLG. wies die
Berufung des Klägers zurück und änderte auf die Mn-
ſchließung der Beklagten das Urteil des LG. Es wies
die Klage ab und ſtellte feſt, daß die Forderung der
Beklagten noch zu 3671,53 M beſteht; im übrigen wies
es die Anſchlußberufung zurück und die Widerklage
ab. Die vom Kläger eingelegte, mit Verletzung des
§ 49 Abſ. 1 Nr. 2 und des § 193 KO. begründete
Reviſion iſt mit nachſtehender Begründung zurück⸗
gewieſen worden.
Ob 8 49 Abſ. 1 Nr. 2 KO. verletzt ift, kann dahin-
geſtellt bleiben, weil die Entſcheidung aus einem
anderen Grunde richtig iſt. Das Konkursverfahren
umfaßt nach § 1 KO. allerdings das geſamte Ber-
mögen des Gemeinſchuldners; daß darunter auch das
im Auslande befindliche zu verſtehen iſt, geht aus dem
§ 238 Abſ. 1 hervor, der beſtimmt, daß nur in dem
dort bezeichneten Falle das Konkursverfahren das im
Auslande befindliche Vermögen nicht umfaßt. In der
Regel gehört hiernach auch das im Auslande befind-
liche Bermögen des Gemeinſchuldners zur Konkurs—
maſſe; ob es wirklich dazu gezogen werden kann, iſt
freilich eine andere Frage. Das Ausland wird, wenn
nicht Staatsverträge beſtehen, dieſe Vorſchrift des
Deutſchen Rechtes nicht anerkennen und das in ſeinem
Gebiete befindliche Vermögen nicht ausliefern. Aus
dem gleichen Grunde ift die Vorſchrift des § 14, daß
während der Dauer des Konkursverfahrens Zwangs—
vollſtreckungen in das Vermögen des Gemeinſchuldners
nicht ſtattfinden, nur auf inländiſche Zwangsvoll—
ſtreckungen anwendbar. Die Geſetzgebung eines Staates
kann nicht beſtimmen, daß auch im Auslande Zwangs—
vollſtreckungen nicht ſtattfinden dürfen. Die Beklagten
waren demnach nicht gehindert in der Schweiz die
Zwangsvollſtreckung zu betreiben, und nicht verpflichtet
das dort Beigetriebene zur Konkursmaſſe abzuliefern.
Daraus, daß der Gläubiger das im Auslande Bei—
getriebene nicht zur Konkursmaſſe abzuliefern hat, folgt,
daß er dazu auch dann nicht verpflichtet iſt, wenn er
durch dieſe Zwangsvollſtreckung volle Befriedigung er—
langt hat; im Falle der Schließung eines Zwangs—
vergleichs muß er alſo auch nicht den Betrag heraus—
geben, um den das durch die Zwangsvollſtreckung
Beigetriebene den durch den Zwangsvergleich ihm ge—
währten Teil ſeiner Forderung überſteigt. Er braucht
demnach auf dieſen auch ſich nicht anrechnen zu laſſen,
was er durch die im Auslande bewirkte Zwangsvoll—
ſtreckung erlangt hat, ſoweit dieſes nicht etwa den Teil
der urſprünglichen Schuld überſteigt, der nach Abzug
des durch den Zwangsvergleich gewährten Teiles der
Forderung ungetilgt bleibt. Nach 8 237 Abſ. 1 KO.
iſt, wenn ein Schuldner, über deſſen Vermögen im
Ausland ein Konkursverfahren eröffnet worden iſt,
Bermögensgegenſtände im Inlande beſitzt, die Zwangs—
vollſtreckung in das inländiſche Vermögen zuläſſig.
Dieſe Vorſchrift iſt eine Folgerung aus dem Grund—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
t
273
Gebiet des Staates beſchränkt, dem das Konkursgericht
angehört (Territorialität des Konkurſes). Der § 237
Ab. 1 entſpricht im weſentlichen dem $ 293 der preuß.
KO. vom 8. Mai 1855. In einem Falle, auf den diefe
Vorſchrift anzuwenden war, ſprach das ROHOG. am
13. Juni 1871 aus, daß die territorialen Geſetze, die
zu einem Vergleiche zwingen, „eminent ſingulärer
Natur“ ſind, daß ſie zwar auch dem ausländiſchen
Gläubiger die weitere Rechtsverfolgung innerhalb des
Gebiets ihrer Geltung verſagen, aber außerhalb dieſes
Gebiets, namentlich gegen die Befriedigung aus Ver—
mögensſtücken, die ſie nicht beherrſchen, ſich machtlos
erweiſen (Entſch. d. ROHG. Bd. 3 S. 64). Auf dem
gleichen Standpunkte ſtehen die Entſch. des RG. vom
20. März 1888, 18. Mai 1889 und 11. Juli 1902 (Entſch.
in 3S. Bd. 21 S. 7, Bd. 24 S. 383, Bd. 52 S. 155).
Dieſen Entſcheidungen lagen zwar Fälle zugrunde,
in denen das Konkursverfahren im Ausland eröffnet
war und die weitere Rechtsverfolgung im Inlande
ſtattfand, aber die Grundſätze, auf denen ſie beruhen,
ſind auch auf den umgekehrten Fall anzuwenden. Dies
ergibt ſich auch aus dem § 50 (früher § 42) KO., der
deshalb notwendig war, weil „die Ausſchließung
anderer als der in der Konkursordnung anerkannten
Abſonderungsanſprüche über das Gebiet der KO. nicht
mit Sicherheit hinausreicht“ und daher nicht verhindert
werden kann, daß ein von der KO. nicht anerkanntes
Abſonderungsrecht im Auslande tatſächlich ausgeübt
wird. Das OLG. hat feſtgeſtellt, daß die Zwangs—
vollſtreckung in der Schweiz für die ganze Forderung
der Beklagten eingeleitet wurde und daß der auf die
Beklagten treffende Teil des Erlöſes von dem Be—
treibungsamte 3. unter Nichtbeachtung des Zwangs—
vergleichs zur Tilgung eines Teiles der ganzen For—
derung der Beklagten dieſen ausgezahlt wurde. Die
in der Schweiz bewirkte Zwangsvollſtreckung war ein
ſelbſtändiges Verfahren, von dem Konkursverfahren
wurde es in keiner Weiſe berührt. Wenn auch nach
der KO. den Beklagten ein Abſonderungsrecht nicht
zuſtand, waren ſie doch in der Lage, es bezüglich der
in der Schweiz befindlichen Vermögensgegenſtände des
Gemeinſchuldners geltend zu machen. Der Kläger kann
hiernach nicht verlangen, daß der Betrag von 4476,62 M
auf den durch den Zwangsvergleich den Beklagten ge-
währten Teil ihrer Forderung angerechnet wird. In
dem Kommentare von Jaeger iſt ſogar die Anſicht ver—
treten, daß in einem ſolchen Falle die durch den
Zwangsvergleich beſtimmte Dividende bis zur vollen
Befriedigung des Gläubigers für den zur Zeit der
Konkurseröffnung beſtehenden Betrag der Schuld, nicht
nur für den nach Abzug der teilweiſen Befriedigung
bleibenden Reſt ausgezahlt werden müſſe (Jaeger, KO.
2. Aufl. Anm. 35 zu § 14). Der Gläubiger wäre alfo
in günſtigerer Lage, als wenn ihm ein Abſonderungs—
recht nach Maßgabe der KO. zuſtünde (E 64 KO.). Ob
dieſe Anſicht richtig iſt, muß hier nicht unterſucht
werden, weil ſich die Beklagten bei der Entſcheidung
des OLG. beruhigt haben, daß ſie den Betrag von
4476,62 M ſich auf die Forderung von 22 834,29 M
anrechnen laffen müſſen. Die Annahme des CLO.,
daß der den Beklagten durch den Zwangsvergleich
gewährte Teil ihrer Forderung 3671,53 M beträgt
und daß die Forderung zu dieſem Betrage noch be—
ſteht, beruht alſo nicht auf unrichtiger Anwendung
des Geſetzes. Zur Zeit der Erlaſſung des Urteils des
OLG. waren vier Jahresbeträge von zuſammen
1468,60 M fällig, das Berufungsgericht hat deshalb
die am 10. Dezember 1906 für eine Forderung von
1202,16 M vollzogene Pfändung im ganzen Umfange
für zuläſſig erachtet. Zur Zeit der Pfändung waren
allerdings nur drei Jahresbeträge von zuſammen
1101,45 M fällig, aber ſchon am 31. Dezember 1906,
alſo ſchon vor der Erhebung der Klage, war der
367,15 M betragende vierte Teilbetrag fällig geworden,
ſatze, daß ſich die Wirkung des Konkurſes auf das eine Zuvielforderung der Beklagten beſtand alſo nicht
274
mehr. In diefer Beziehung iſt das Urteil übrigens
auch nicht angefochten. (Urt. des II. ZS. vom 17. Februar
1908, Rep. I 213/07). W.
1249
B. Strafſachen.
„ Baheriſches Fed ie Politiſcher Verein. Oeffent⸗
liche Angelegenheiten i. S. des Vereinsrechtes. Der Zweck
eines Vereins iſt nicht allein nach dem Inhalt der Sta⸗
tuten, fondern anh nach der Abſicht zu beurteilen, die
die VBereinsangehörigen erreichen wollen. Der minder-
jährige Angeklagte war Mitglied und Vorſtand der
Ortsgruppe F. des Verbandes junger Arbeiter und
Arbeiterinnen Deutſchlands mit dem Sitze in M. Das
urſprüngliche Statut des Verbandes ſagte in $ 2: Der
Zweck des Verbandes iſt: „Die heranwachſende Jugend
zu tüchtigen Mitgliedern für den Befreiungskampf der
Arbeiterklaſſe zu erziehen“, und in § 3: „Zum Beitritt
berechtigt iſt jeder der Schule entwachſene junge Mann“.
Da nach S 2 der Verband, dem auch Minderjährige
beitreten konnten, ein politiſcher war, nach dem Baye—
riſchen Vereinsgeſetz aber Minderjährige nicht Mit—
glieder politiſcher Vereine fein dürfen, wurden § 2 und
a geändert. Erſterer lautet nun: „Die Vereinigung
at den Zweck, die geiſtigen und materiellen Intereſſen
der Mitglieder zu wahren und zu fördern“, während
in § 3 beſtimmt iſt: „Ueber die Aufnahme entſcheidet
der Hauptvorſtand“. Der Angeklagte wurde in allen
Inſtanzen verurteilt.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
Es ſteht außer Zweifel, daß die Ortsgruppe F. des
Verbandes junger Arbeiter und Arbeiterinnen Deutſch—
lands ein Verein, d. i. eine Vereinigung von Perſonen
iſt, die unter Leitung eines Vorſitzenden gemeinſchaft—
liche Zwecke verfolgen. Die Strafkammer hat ange—
nommen, daß dieſer Verein ein politiſcher iſt. In
öffentlich⸗rechtlicher Hinſicht ift für das Vereinsrecht
in Bayern bis zur Regelung durch Reichsrecht die
Landesgeſetzgebung maßgebend. Der Art. 14 des bayer.
Vereinsgeſetzes bezeichnet als politiſche Vereine ſolche
Vereine, deren Zweck ſich auf die öffentlichen Ange—
legenheiten bezieht. Unter öffentlichen Angelegenheiten
ſind die Angelegenheiten des Staates und ſeiner or—
ganiſchen Beſtandteile ſowie die Angelegenheiten zu
verſtehen, die er in den Bereich ſtaatlicher Regelung
oder Fürſorge gezogen hat und die deshalb nicht nur
das Privatintereſſe einzelner Rechtsſubjekte, ſondern
das Intereſſe der Allgemeinheit berühren. Oeffentliche
Angelegenheiten i. S. des Vereinsrechtes ſind politiſche
und ſozialpolitiſche Angelegenheiten. Für die Frage,
ob und unter welchen Vorausſetzungen ſich der Zweck
des Vereins auf die öffentlichen Angelegenheiten be—
zieht, gibt Art. 13 des VerG. einen wichtigen Mus-
legungsbehelf. Hiernach unterliegt ein nicht politiſcher
Verein allen Anordnungen und Strafbeſtimmungen
über politiſche Vereine, ſobald er zugleich politiſche
Zwecke zu verfolgen oder in den Bereich ſeiner
Verhandlungen zu ziehen beginnt. Dieſe Vor⸗
ſchrift, ſo wie ſie jetzt vorliegt, unterſcheidet ſich weſent—
lich von dem Vorſchlage des Geſetzentwurfs, Art. 22:
„Gegen nicht politiſche Vereine, welche zugleich poli—
tiſche Zwecke verfolgen, treten die Beſtimmungen der
Art. 18 und 21 in Anwendung’, indem ſie einerſeits
die ſämtlichen für ausgeſprochen politiſche Vereine
geltenden Vorſchriften auf die Vereine angewendet
wiſſen will, die erſt zu politiſchen werden, anderſeits
die politiſche Betätigung des Vereins für gegeben er—
achtet, nicht nur, wenn er politiſche Zwecke verfolgt,
„Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
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|
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a TE . —86r—k — EEE
|
bringt, um dadurch mittelbar politiſchen Zwecken zu
dienen. Hiernach läßt das angefochtene Urteil keinen
Rechtsirrtum erkennen. Es hat angenommen, daß der
Zweck eines Vereins nicht nach dem Inhalte der ge⸗
druckten oder geſchriebenen Statuten, ſondern nach der
Abſicht zu beurteilen iſt, welche die Vereinsangehörigen
in Wirklichkeit durch ihren Zuſammenſchluß erreichen
wollen. Die Strafkammer hat gefunden, daß die Orts:
gruppe F. nicht bloß, wie der § 2 der neuen Statuten
ſagt, die geiſtigen und materiellen Intereſſen der Mit⸗
glieder zu wahren ſucht, ſondern daß ſie ihre Mit⸗
glieder durch Wort und Schrift zum Kampfe gegen
die ſtaatliche und wirtſchaftliche Ordnung heranzubil—
den bezweckt. Dieſe Feſtſtellung läßt den Verein als
politiſchen Verein erſcheinen. Es iſt damit entſchieden,
daß, wenn fih auch die minderjährigen Vereinsmit—
glieder noch nicht aktiv an dem Kampfe gegen die
ſtaatliche und wirtſchaftliche Ordnung beteiligen, fie
doch dieſen Kampf, der ſich auf politiſchem und ſozial⸗
politiſchem Gebiete bewegt, alſo politiſche Zwecke in
den Bereich der Vereinsverhandlungen ziehen. Dieſe
Feſtſtellung ift tatſächlicher Natur und daher der Nad-
prüfung des Reviſionsgerichtes entrückt. Die Rüge,
daß die Strafkammer irrtümlich dem F.ſchen Orts⸗
verein politiſchen Charakter ſchon um deswillen bei—
gelegt habe, weil die politiſche Zeitſchrift „Die junge
Garde“, das Organ des Verbandes junger Arbeiter
im allgemeinen und des Ortsvereins im beſonderen
ſei, iſt nicht zutreffend. Wenn ein Verein Zeitſchriften
mit politifcher Tendenz hält und feine Mitglieder he
leſen, ſo wird der Verein dadurch allerdings nicht ohne
weiteres zu einem politiſchen. Das Berufungsgericht
hat das aber nicht behauptet, vielmehr nur im Rahmen
der freien Beweiswürdigung angenommen, daß die
Ortsgruppe F., die die Zeitſchrift „Die junge Garde“
an ihre Mitglieder verteilt, in ihrem Vereinszweck
einig geht mit den Zielen, die die Zeitſchrift verfolgt
und daß zu der ſchriftlichen Werbung des Verbands—
organs für den „proletariſchen Emanzipationskampf!
und den „Antimilitarismus“ als Vereinstätigkeit die
mündliche Erörterung der gleichen politiſchen Zwecke
hinzutritt. (Urt. v. 14. März 1908, Rev Reg. 85 / 08). H.
1259
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Nechtliche Natur der Tätigkeit des den Bauplan
fertigenden und den Bau leitenden Architekten. yallıg
keit feiner Anſprüche. Zur Anwendung des § 321 868.
Der Kläger hat für den Beklagten zu einem bis zum
Rohbau gediehenen Neubau um ein Honorar von 4%
der auf 22 000 M veranſchlagten Bauſumme die Lieſe—
rung von Skizze, Entwurf, Detailzeichnungen und
Koſtenvoranſchlag ſowie die Bauleitung übernommen;
er hat letztere bis zur Verſteigerungs-Beſchlagnahme
geführt, bis wohin etwa 14000 M verbaut waren.
Er verlangt 723 M, nämlich 583 M (= 2,65% von
22 000 M), für die erſtgenannten Arbeiten und 140 M
(= 1% von 14000 M) für die Bauleitung. Der Be:
klagte bezeichnet die Tätigkeit des Klägers als noch
nicht beendigt, die Forderung alſo als noch nicht fällig.
Das LG. hat die Klage abgewieſen, da die vereinbarten
Dienſte, nach deren Leiſtung erſt die Vergütung ge-
fordert werden könne, vor der Vollendung des Baus
nicht als geleiſtet angeſehen werden könnten, § 321 BGB.
aber nur für die Zukunft (Einſtellung der Arbeit bis
zur Sicherheitsleiſtung) Schutz gewähre. Das OLG.
erklärte dagegen den Klageanſpruch, ſoweit er die Ber-
ſondern auch, wenn er fie in den Bereich feiner Ver- | gütung für Herſtellung der Skizze, des Planentwurfs,
handlungen zieht. Nach Art. 13 Ver. ift alfo davon
auszugehen, daß ein Verein i. S. des VerG. ein poli-
tiſcher Verein iſt, wenn er politiſche Zwecke verfolgt,
d. h. ſie unmittelbar zu erreichen ſucht, aber auch ſchon
|
|
der Detailzeichnungen und des Koſtenvoranſchlags um:
faßt, dem Grunde nach für gerechtfertigt und wies die
Klage nur im übrigen ab.
Aus den Gründen: Die vom Kläger über⸗
dann, wenn er ſie von Vereins wegen zur Erörterung nommenen Tätigkeiten ſtehen, gleichviel ob man das
Verhältnis der Streitsteile als Dienftvertrag oder als
Werkvertrag auffaßt, unter ſich nicht in einem ſo engen
Zuſammenhange, daß nicht gewiſſe Abſchnitte unter-
ſchieden, und trotz der Vereinbarung eines Geſamt—
honorars und auch ohne den Abſchluß der geſamten
Tätigkeit für gewiſſe Abſchnitte eine verhältnismäßige
Bergütung gefordert werden könnte. Ohne Schwierig—
keit laſſen ſich hier zwei Gruppen unterſcheiden: einmal
die Anfertigung von Skizze, Plan, Detailzeichnungen
und Koſtenvoranſchlag als die den Bau vorbereitenden
Dienſtleiſtungen und dann die Bauleitung als Ueber⸗
wachung der Handwerker, mit denen der Beklagte als
Einzelunternehmer abgeſchloſſen hat. Die vom LG.
angeführten Entſcheidungen des VII. reichsger. Senats
vom 18. Oktober 1904 und 18. Mai 1906 (JW. 1905
S. 20 is und 1906 S. 459) geben zwar die Auffaſſung
der ſtreitigen Tätigkeit als Dienſte im Sinne von
§ 611 BGB. und zwar als fortlaufende Dienſte an
die Hand, können aber, weil ſie ganz andere Fragen
entſcheiden, nicht ohne weiteres und nicht in allen
Einzelheiten hier angewendet werden. Dagegen iſt
die Klage abzuweiſen, inſoweit der Kläger für die bis
jetzt geführte Bauleitung einen Teilbetrag fordert.
Die Leitung des Baus iſt eine in ſich zuſammenhängende
Tätigkeit, mag man in ihr fortlaufende Dienſte oder
einen Werkvertrag erblicken. Die Vergütung iſt daher,
wenn nicht Vorſchuß⸗ oder Abſchlagszahlungen vers
einbart ſind, erſt nach der Vollendung des ganzen
Baus zu leiſten, da die Klage nicht als Kündigung i. S.
des 8 626 BGB. gemeint war. Die nach dem Abſchluß
des Vertrages in den Vermögensverhältniſſen des Be—
klagten eingetretene Verſchlechterung gibt dem Kläger
die Befugnis, die Fortſetzung der Bauaufſicht zu ver—
weigern, bis der Beklagte Sicherheit leiſtet, und gibt
ihm auch das Recht, einer Klage des Bauherrn auf
Fortſetzung der Dienſte mit einer Einrede zu begegnen:
der Kläger gewinnt aber nicht das Recht, für den ge—
leiſteten Teil der Dienſte eine entſprechende Bezahlung
ſchon jetzt zu fordern. Der ſich hieraus ergebende,
dem Kläger ungünſtige Schwebezuſtand läßt ſich nicht
vermeiden, wenn ſich der Dienſtverpflichtete nicht Ab—
ſchlags zahlungen oder Vorſchußleiſtungen ausbedingt,
die nach Zeitabſchnitten oder ſonſtwie bemeſſen ſein
mögen. (Urteil vom 10. März 1908, Nr. 16/08).
183 Mitget. v. Oberlandesgerichtsrat TLunglmayr in Zweibrücken.
Aus der Praxis des bayer. Verwaltungs
gerichtshofs.
Gehört die Beſitzveränderungsgebühr für ein im
Wege der Boa erworbenes Grundſtück zu den Nach⸗
laßverbindlichkeiten? Beſchränkt ſich die Haftung des
Erben für fie anf den Nachlaß, wenn die Nachlaßver⸗
waltung angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet iſt?
(SS 1967, 1975 BGB.). Der BGH. hat diefe beiden
Fragen in der Entſcheidung vom 10. Februar 1908
verneint (Sammlung 1908 S. 55). Der Tod des Erb—
laſſers war vor dem 1. Mai 1905 eingetreten, alſo
vor dem Inkrafttreten des Grundbuchrechts im Be—
zirke des OLG. München, in dem die Grundſtücke lagen.
Der Entſcheidung wurden deshalb die Art. 213 und
214 Geb. i. d. F. vom 6. Juli 1892 zugrunde gelegt.
Sie beruht auf der Annahme, daß die Beſitzverände—
rungsgebühr als „Verkehrsſteuer auf das Grundver—
mögen“ von dem Erwerber des Grundſtücks in ſeiner
Eigenſchaft „als neuer Beſitzer“, nicht in feiner
Eigenſchaft als Erbe geſchuldet werde: Der rechtliche
Vorgang, auf Grund deſſen die Beſitzveränderung ſtatt—
findet, habe nach dem Willen des Geſetzes „keine be—
ſondere Bedeutung für die Verpflichtung des neuen
Beſitzers“. Die Verſchuldung des Nachlaſſes könne nicht
in Betracht gezogen werden, weil die Abgabe aus dem
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 13.
|
|
— nn
275
Bruttowerte des Grundſtücks zu entrichten fei.
Der BGH. zieht hieraus die Folgerung, daß ſich der
Erbe von der Verpflichtung zur Zahlung der Beſitz—
veränderungsgebühr nur befreien kann, wenn er die
Erbſchaft ausſchlägt.
1309
— — n.
Literatur.
Peiſer, Heinrich, Landgerichtsrat in Danzig. Hand⸗
buch des Teſtamentsrechts mit zahlreichen
Beiſpielen und Formularen, unter eingehender Be—
rückſichtigung der Rechtſprechung und Literatur.
2. vermehrte und verbeſſerte Auflage. Berlin 1907,
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung.
Die Gleichgültigkeit der deutſchen Bevölkerung
gegenüber dem geltenden Rechte zeitigt bei der Er—
richtung letztwilliger Verfügungen die ſchlimmſten
Folgen. Leute, die von den Grundbegriffen des Erb—
rechts nicht einmal eine annähernd richtige Vorſtel—
lung haben — in erſter Reihe begüterte alte Jung—
fern — treffen mit Vorliebe recht verwickelte Anord—
nungen und führen dadurch langwierige Rechtsſtreitig—
keiten herbei, bei denen zwar die juriſtiſchen Zeitſchriften
nicht aber die Erben auf ihre Rechnung kommen. Der
Laie, der ein eigenhändiges Teſtament errichten will,
kommt nicht auf den naheliegenden Gedanken, im
BGB. nachzuleſen, welche Formerforderniſſe er ein—
halten ſoll. Er ſudelt auf ein möglichſt kleines Stück
Papier unverſtändliche Sätze und macht zum mindeſten
bei der Ortsangabe oder bei der Zeitangabe einen
Fehler. Wir haben vortreffliche Bücher, in denen fiH
der Rechtsunkundige Rat erholen kann — wenn ſie
nur häufiger benützt würden! Ich ſehe einen beſon—
deren Vorzug des Buches von Peiſer darin, daß es
auch dem gebildeten Laien dienen kann. Es geht
zwar den Rechtsfragen nicht aus dem Wege, aber es
ift doch — ähnlich wie Sauers „Zeitamente und
Erbverträge in Bayern“ — ſo gehalten, daß es jeder—
mann verſtehen kann, der die Mühe einigen Nach—
denkens nicht ſcheut. Daß die Notare und die Nachlaß—
richter ihm viele Belehrung entnehmen können, iſt
ſelbſtverſtändlich. Auch notarielle Teſtamente laſſen
häufig die erforderliche Beſtimmtheit vermiſſen. Bei
Beachtung der von Weiler gegebenen Beiſpiele (38
Formulare) wird manche Unklarheit vermieden werden.
von der Pfordten.
Hümmer, J., II. Staatsanwalt in Weiden. Das Forſt⸗
rügeverfahren im rechtsrheiniſchen
Bayern. Syſtematiſch dargeſtellt. München 1908,
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Geh. Mk. 2.80.
Das Forſtſtrafverfahren ift in der Literatur bisher
ſehr ſtiefmütterlich behandelt worden. Der Verfaſſer
hat ſich der undankbaren Aufgabe unterzogen, die
ziemlich verwickelten und keineswegs immer klaren
Vorſchriften zu verarbeiten und zu allen zweifel haften
Fragen Stellung zu nehmen. Er beherrſcht den ſpröden
Stoff vollſtändig und hat ihn in überſichtlicher Weiſe
gegliedert. Das Juſtizminiſterium hat die praktiſche
Brauchbarkeit der Arbeit dadurch anerkannt, daß es
das Buch für die Juſtizbehörden angeſchafft hat.
von der Pfordten.
Küttner, Geh. Juſtizrat, Rat am K. Sächſ. Oberlandes—
gerichte. Leitfaden für die Unterweiſung
der Refendare im Abfaſſen von Urteilen
in Zivilſachen. 3. vermehrte Auflage. Mit An—
hang: Urteilsbeiſpiele zu Klagen aus Forderungs—
rechten. Leipzig 1908, Dieterichſche Verlagsbuch—
handlung (Theodor Weicher). Gebod. Mk. 1.60, mit
Anhang Mk. 3.80.
Wir haben dieſe vortreffliche Anleitung ſchon im
276
Jahrgange 1907 empfohlen (S. 179). Wir raten vor
allem den Leitern amtlicher und privater Kurſe ſie
anzuſchaffen. Denn der Rechtspraktikant ſoll nicht nur
in der Beurteilung verzwickter Rechtsfragen geübt
werden, ſondern auch in der richtigen Darſtellung ſeiner
Gedanken. Er zeigt in der Regel eine geradezu er—
ſtaunliche Unbeholfenheit, wenn er „geſtalten“ ſoll.
In den Kurſen gibt man ſich nicht genug Mühe, um
dieſem Mangel abzuhelfen: man unterſchätzt die Be⸗
deutung der Form. Der Leitfaden hat durch die Mit-
gabe der Urteilsbeiſpiele an Brauchbarkeit gewonnen.
Die Beiſpiele find mit zahlreichen Anmerkungen ver-
ſehen. von der Pfordten.
Kohler, Dr. Joſeph, Prof. an der Univerſität Berlin.
Grundriß des Zivilprozeſſes mit Einſchluß
des Konkursrechts. Stuttgart 1907, Verlag
von Ferdinand Enke. Geh. Mk. 4.—.
Ein kurzgefaßter Ueberblick über Geſchichte und
Dogmatik des Zivilprozeß- und Konkursrechts. Auch
das ZwVG. iſt berückſichtigt. Das Buch wird mit
Erfolg neben dem Vorleſungshefte zur erſtmaligen
Einführung und zur Repetition benützt werden können.
von der Pfordten.
1. Kuttner, Dr. Georg, Gerichtsaſſeſſor in Bonn. Die
privatrechtlichen Nebenwirkungen der
Zivilurteile. (München 1908, C. H. Beckſche
Verlagsbuchhandlung [Oskar Beck). Geh. Mk. 10.—.
2. Nußbaum, Dr. Arthur, Rechtsanwalt in Berlin.
Die Prozeß handlungen, ihre Voraus⸗
ſetzungen und Erforderniſſe. (München
1908, C. H. Beckſche Verlagsbuchhandlung [Oskar
Beck]). Geh. Mk. 6.50.
Die beiden Monographien find in der von Pro—
feſſor Dr. Fiſcher in Breslau herausgegebenen Samm—
lung von Abhandlungen zum Privatrecht und Zivil—
prozeß des Deutſchen Reiches erſchienen. Zwei Prak—
tiker haben ſich hier mit Grundproblemen des Zivil—
prozeßrechts beſchäftigt, an deren Bewältigung ſich
vor etwa 15 oder 20 Jahren ſicher nur Univerſitäts—
lehrer herangewagt hätten. Ein erfreuliches Zeichen
dafür, daß die Praktiker nicht mehr die „Routine“ als
das einzige oder doch als das wichtigſte Erfordernis
ihres Berufes betrachten. Beide Verfaſſer haben ihre
Aufgabe in muſtergültiger Weiſe gelöſt.
von der Pfordten.
Notizen.
Die Haftung für Tierſchaden. Der von Juriſten
und Laien heiß umſtrittene 8 833 BGB. hat durch die
Novelle vom 30. Mai d. Js. (RGBl. S. 313) eine Mendes
rung erfahren, die den Wünſchen der gewerbsmäßigen
Tierhalter, insbeſondere der landwirtſchaftlichen Be—
völkerung, entſpricht und in zweiter Linie auch für
die Haftpflichtverſicherungsgeſellſchaften von Bedeutung
iſt. Die Novelle gewährt bekanntlich dem Halter des den
Schaden verurſachenden Haustiers, das ſeinem Berufe,
ſeiner Erwerbstätigkeit oder ſeinem Unterhalte (nicht
ſeinem Vergnügen oder ſeiner Sportstätigkeit) zu
dienen beſtimmt iſt, einen Entlaſtungsbeweis, wie
er im 8 831 dem Geſchäftsherrn zugeſtanden ift.
Da die Novelle einen anderen Anfangstermin nicht
enthält, trat ſie nach Art. 2 der Reichsverfaſſung mit
dem 20. Juni d. Js. in Kraft.
1316
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
|
Eigentum von J. S ch w eitzer Ver lag (Artyur Sellier) in München.
— — —
Nr. 13.
Vogelſchutzgeſez. Das Reichsgeſetz vom 22. März
1888, betr. den Schutz von Vögeln, hat durch das
Geſetz vom 30. Mai 1908 (RG Bl. S. 314) ziemlich weit⸗
gehende Aenderungen erfahren, die am 1. September
d. Is. in Kraft treten. Die Aenderungen waren mit
Rückſicht auf die internationale Uebereinkunft zum
Schutze der für die Landwirtſchaft nützlichen Vögel
vom 19. März 1902 (RGBl. 1906, S. 89) erforderlich (f.
dort Art. 10). Sie wollen ferner dem vielfach unreellen
Handel mit einheimiſchen Singvögeln entgegentreten.
An neuen Vorſchriften iſt folgendes hervorzuheben:
In Zukunft iſt nicht nur das Zerſtören und Ausheben
der Vogelneſter uſw. ſondern auch der Ankauf. der
Verkauf, die An- und Verkaufsvermittelung, das Feil⸗
bieten, die Ein⸗, Aus⸗ und Durchfuhr und der Trans⸗
port der Neſter, Eier und Brut aller in Europa ein-
heimiſchen Vogelarten verboten, ſoweit ihnen nicht
ausdrücklich der geſetzliche Schutz verſagt iſt. Geſchützte
Vögel dürfen auch zur Tageszeit mittels Leimes oder
Schlingen nicht gefangen werden. Auch mit an ſich
zuläſſigen Mitteln darf das Fangen und Erlegen von
Vögeln nicht erfolgen in der Zeit vom 1. März bis
zum 1. Oktober (bisher dauerte die Schonzeit bis zum
15. September). In der gleichen Zeit iſt unterſagt
der An- und Verkauf (mit Einſchluß der Vermittelungs⸗
tätigkeit), die Ein-, Aus⸗ und Durchfuhr von lebenden
und toten Vögeln der in Europa einheimiſchen Arten
(dazu gehören z. B. nicht die Kanarienvögel). Gewiſſe
Vogelarten find das ganze Jahr geſchützt (S3 Abſ. 2).
Der Kreis der nicht geſchützten Vögel (Ş 8) hat ſich
verengert. Einen gewiſſen Schutz genießen auch ſie
durch das Verbot des Fangens mittels Schlingen.
Der Kampf um den Krammetsvogel, der damit endigte,
daß die deren Fang (das Fangen „im Dohnenſtieg“)
geſtattenden Abſ. 2 und 3 des 8 8 des alten Geſetzes
geſtrichen wurden, hat für Bayern wenig Bedeutung:
der Krammetsvogel ift hier jagdbar ($ 1 B Ziff. 13
der Kgl. VO. vom 11. Juli 1900); auf die nach Maßgabe
der Landgeſetze jagdbaren Vögel iſt das Vogelſchutz—
geſetz nicht anwendbar (§ 8b).
In Bayern iſt auf Grund des Art. 125 Abſ. 4
StGB. der Vogelſchutz über die Vorſchriften des
Reichsgeſetzes von 1888 hinaus durch die Kgl. VO. vom
15. November 1889 (GVBl. S. 573) erheblich erweitert
worden. Die landesrechtlichen Beſtimmungen, die zum
Schutze der Vögel weitergehende Verbote enthalten,
bleiben auch künftig unberührt. Das Verhältnis des
neuen Geſetzes zur Verordnung iſt, wenn dieſe nicht
geändert wird, folgendes: Vom 1. März bis 1. Oktober
unterliegt der Vogelfang, Vogelhandel und Transport
dem reichsgeſetzlichen Verbot im § 3 Abſ. 1; die im
8 3 Abſ. 2 bezeichneten Arten genießen das ganze Jahr
reichsgeſetzlichen Schutz. Für die Zeit vom 1. Oktober
bis 1. März iſt außerdem landesrechtlich das Fangen
und die Erlegung der in der Anlage zur Verordnung
beſonders bezeichneten Vögel ſowie das Feilhalten
und deren Verkauf in totem Zuſtande, nicht aber
z. B. der Ankauf und Verkauf der lebenden Vögel,
unterſagt. Soweit das reichsgeſetzliche Verbot über—
treten wurde, muß die Strafe bemeſſen werden nach
§ 6 des Vogelſchußgeſetzes, ſoweit nur die landes-
rechtliche Anordnung verletzt wurde, gibt den Straf-
rahmen Art. 125 Abſ. 4 PStGB.
Es iſt zu begrüßen, daß der Novelle eine Bekannt—
machung angefügt wurde, die unter der eingebürgerten
Ueberſchrift „Vogelſchutzgeſeßz“ den vom 1. September
an gelienden Text des ganzen Geſetzes wiedergibt.
1317
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
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Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing.
Mr. 14. Münden, den 15. Juli 1908. 4. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
n du 1
in Münden. en, Lenbachplatz 1.
at Pon 0 fc fl oni m NT:
r g. für die halbgeſpaltene Petitzelle
/ ober deren Raum. Bei Wieberholungen R a Stellenanzeigen
d pf. Beilagen nach Uebere
Die int 1. und 15. jeden Monat
a eeh Pie
n mmt
Woftanftalt (Poftgeitungslifte für Bayern Nr. 97
Nachdruck verboten.
Veſtechung von Poſtbedienſteten. fi gleichwohl ſo handeln und hierfür Geſchenke
oder andere Vorteile annehmen, ein Verbrechen
Von Landgerichtsrat Zeiler in Kempten. der Beſtechung nach § 332 StGB. vorliegt und
Strafverfahren gegen Poſtbedienſtete, die der ob der andere Teil nach § 333 StGB, ſtrafbar
Beſtechung angeſchuldigt ſind, weil ſie entgegen iſt, iſt zweifelhaft im Hinblick auf die reichs⸗
ihrer Inſtruktion poſtamtlich nicht behandelte gerichtliche Rechtſprechung und die zumeiſt zu⸗
Sendungen beſtellten, ſind nicht ſelten. Die ſtimmenden Aeußerungen in der Literatur, wonach
hieſige Strafkammer hat in ſolchen Fällen mehr: Handlungen, die eine Verletzung der Amtspflicht
mals die Eröffnung des Hauptverfahrens abge⸗ enthalten, nur Amtshandlungen ſein können.
lehnt; in einem Falle iſt Beſchwerde eingelegt, Das Reichsgericht hat (E. 16, 42) eine ſolche
vom ObLG. aber zurückgewieſen worden. Da, bloße Privathandlung angenommen in dem Falle
wie ich inzwiſchen erfahren habe, andere Straf- eines Kriminalkommiſſars, dem durch feine Inſtruk⸗
kammern vielfach zur Verurteilung gekommen tion unterſagt war, aus eigener Initiative zur
find, der erwähnte Beſchluß des ObLG. aber Feſſttſtellung von ſtrafbaren Handlungen Ermitt⸗
nicht veröffentlicht worden iſt, ſo dürfte ſich eine lungen anzuſtellen, gleichwohl aber einen ſolchen
Beſprechung der Frage rechtfertigen. Auftrag gegen Entgelt angenommen und ausge—
führt hat. Die Entſcheidung hat, ſoweit ich ſehe,
in der Literatur allſeits Zuſtimmung gefunden
(f. insbeſ. Olshauſen 8332 Anm. 1; Oppen:
hoff $ 332 Anm. 2; Binding Lehrbuch, bei.
Teil II, II S. 718, 719).
|
Einen andern Fall der inſtruktionswidrigen
Uebernahme von Privatgeſchäften erwähnt Ols⸗
hauſen $ 332 Anm. 1: Die durch 8 12 RBG.
verbotene Abgabe eines Gutachtens ohne Geneh⸗
migung der vorgeſetzten Behörde. Olshauſen
bemerkt hierbei jedoch, daß der Begriff der
Privattätigkeit nicht ausdehnend verſtanden
werden dürfe: jeder Mißbrauch der amtlichen
Stellung erſcheine als pflichtwidrige Amtshandlung,
die auch in der privaten Mitteilung einer amt⸗
lich geheim zu haltenden Angelegenheit gefunden
werden könne; auch der Gefangenaufſeher, der
eine von einem Strafgefangenen aufgetragene Beltel:
lung entgegen der ihm bekannten Vorſchrift unter
Verletzung dieſer Vorſchrift ausrichte, begehe eine
unter § 332 fallende Amts handlung. Unter
einer in das Amt einſchlagenden ($ 331 StGB.)
Handlung verſteht ferner Frank $ 331 Anm. 1
außer den „Amtshandlungen“ auch ſolche Hand—
lungen, die von Amts wegen vorgenommen werden
könnten, im einzelnen Falle aber den Charakter
von Privathandlungen haben.
J.
Nach 8 3 der „Dienſtanweiſung jür Bedienſtet:
im Orts⸗ und Landpoſtdienſt“ von 1906 iſt den
Bedienſteten ausdrücklich unterſagt die Beſorgung
von Briefen und Druckſachen auf eigene oder
fremde Rechnung oder unentgeltlich, ſofern diefe
Sendungen ihnen nicht auf dem vorgeſchriebenen
Wege als Poſtſendungen übergeben werden.
Nach § 33 der bayer. Poft- und Telegraphen:
dienſtanweiſung (Abſchn. VII Abſ. 1) darf ferner
der Poſtillion außer ſeinem Mundbedarf für die
Fahrt keinerlei Gegenſtände weder für ſich ſelbſt
noch für ſeinen Dienſtherrn befördern. Ferner
iſt ihm unterſagt, Perſonen ohne Fahrſchein (mit
Ausnahme der bei einer beſonders beſtimmten
Halteſtelle zugegangenen Reiſenden) in den Poſt⸗
wagen aufzunehmen oder Briefe, Paketpoſtſtücke
und Zeitungen anzunehmen in der Abſicht, ſie
ohne Vermittlung der Poſtanſtalten unterwegs
oder am Endpunkte der Fahrt an den Empfänger
oder zur weiteren Beſorgung abzugeben. Kürzer
gefaßt enthält die gleiche Beſtimmung der $ 15
des Poſtillionsdienſtbuchs.
Zweifellos liegt, wenn die bezeichneten Poſt⸗
bedienſteten dieſen Anweiſungen zuwiderhandeln,
eine disziplinäre Verfehlung vor. Ob aber, wenn
278
Was insbeſondere die Beſtellung von poſtamt⸗
lich nicht behandelten Sendungen durch Poſt⸗
bedienſtete anlangt, ſo hatte das Reichsgericht
einen ſolchen Fall zu behandeln in der E. 10, 45:
Hier hatte ein Landbriefträger gegen eine beſtimmte
Vergütung die Mitnahme und Zuſtellung von
Zeitungen übernommen und ausgeführt. Der
Briefträger und ſein Auftraggeber waren von der
Anſchuldigung der Beſtechung nach 88 332 und
333 StGB. freigeſprochen worden; doch hob das
RG. das Urteil auf, weil noch zu prüfen ſei, ob
dem Briefträger nicht durch beſtehende Inſtruktionen
die Beſorgung der Beſtellung von Zeitungen ver⸗
boten ſei. Die Frage, ob eine Verurteilung
wegen Beſtechung nicht etwa aus dem Geſichts⸗
punkte ausgeſchloſſen ſei, daß das Mitnehmen
und Beſtellen der Zeitungen auf dem Beſtellgang
als eine lediglich inſtruktionswidrige
Pri vathandlung erſcheine, ift in dem reichs⸗
gerichtlichen Urteile nicht berührt.
Von Intereſſe iſt ferner eine Entſcheidung
des Reichsgerichts in E. 10, 325. Hier hatte
der Angeklagte einem Eiſenbahnſchaffner, als er
ohne gültige Fahrkarte im Zuge betroffen worden
war, ein Geldgeſchenk angeboten dafür, daß er
ihn gleichwohl weiter fahren laſſe. Die Reviſion
gegen das den Angeklagten wegen Beſtechung
verurteilende Strafkammerurteil wurde verworfen.
Das RG. führte aus, Sache des Eiſenbahnſchaffners
ſei es, zur Sicherung des Verkehrs und zur Auf—
rechthaltung der Ordnung beim Transport dafür
Sorge zu tragen, daß zur Beförderung unberech⸗
tigte oder ungeeignete Perſonen vom Transporte
ausgeſchloſſen würden. Sobald nun die Befugnis
des Schaffners in Frage gekommen ſei, den unbe⸗
fugterweiſe im Eiſenbahnwagen weilenden Ange:
klagten daraus zu entfernen, feit der bahnpolizei-
liche Charakter des Schaffners aktuell geworden,
und wenn daher der Angeklagte ihn durch An:
bieten eines Geldgeſchenks habe beſtimmen wollen,
das gebotene bahnpolizeiliche Einſchreiten zu unter⸗
laſſen, ſo habe ſeine Handlung die geſetzlichen
Merkmale der im § 333 StGB. vorgeſehenen
Amtsbeſtechung erfüllt. Dieſes Urteil iſt zweifel⸗
los richtig, wie auch der Schaffner, wäre er
auf das an ihn geſtellte Anſinnen eingegangen,
wegen paſſiver Beſtechung ſtrafbar geweſen wäre.
II.
Prüft man die beſprochenen Dienſtwidrigkeiten
der Poſtbedienſteten unter Berückſichtigung der
vorſtehend niedergelegten Anſchauung von Recht:
ſprechung und Literatur, ſo ergibt ſich folgendes:
1. Außerhalb ſeines Dienſtes iſt es weder
einem Poſtbeamten noch einem Poſtillion unter—
ſagt, beiſpielsweiſe auf einem Spaziergange auf
ein Nachbardorf, einen Brief oder ein Paket aus
Gefälligkeit zur Beſorgung mitzunehmen und ſich
ſelbſt für dieſe Beſorgung bezahlen zu laſſen,
Bergern für Meitspfege in Bayern. 1908. Sr. 14.
ſoweit letzteres ihm wie irgend einem anderen nach
den allgemeinen Beſtimmungen des Poſtgeſetzes
geſtattet iſt. Hier liegt zweifellos eine reine
Privathandlung vor, nicht anders, als wenn der
Beſorgende ein Privatmann wäre.
Es kann ſich alſo nur fragen, ob eine Amts⸗
handlung des Poſtbedienſteten dann vorliegt, wenn
er auf ſeinem Dienſtgang oder der Dienſt⸗
fahrt eine privatim übergebene poſtamtlich nicht
behandelte Sendung beſorgt. Dafür, daß auch
in dieſem Fall ein bloßes Privatgeſchäft vorliegt,
ſpricht nun der Umſtand, daß ſich der Uebergeber
des Briefes zweifellos darüber klar iſt, daß im
Fall einer Unterſchlagung oder abſichtlichen Ver⸗
nichtung des Briefes von einem Anſpruch gegen
den Poſtfiskus nicht die Rede ſein kann, daß es
ſich vielmehr um eine reine Privatangelegenheit
handelt, die mit der poſtamtlichen Beförderung
einer Sendung nichts zu tun hat.
Nun könnte ſich fragen, ob ſich nicht — ab⸗
geſehen davon, wie ſich die Beteiligten die
Sache denken — objektiv die Beſorgung der
poſtamtlich nicht behandelten Sendung doch als
eine Amts handlung des Bedienſteten darſtellt,
weil er die Sendung auf ſeinem Beſtellgang mit⸗
nimmt, alfo bei der Ausübung feines Dienſtes,
ſo daß alſo die Beſorgung der Beſtellung geradezu
durch jenen Dienſtgang geſchieht.
Aehnlich wäre der Fall, daß ein ſtädtiſcher
Schutzmann es durch Vereinbarung mit einem
Privatmann gegen Entgelt übernommen hätte,
bei Gelegenheit ſeines nächtlichen Dienſtganges
immer die Kontrollhandlungen vorzunehmen, die
die Wach⸗ und Schließgeſellſchaften beſorgen. Auch
hier iſt klar, daß für eine hierbei begangene
Vertragswidrigkeit des Schutzmanns nicht die
Stadtgemeinde aufzukommen hat, und daß es ſich
um eine reine Privatangelegenheit zwiſchen dem
Auftraggeber und dem 5 handelt, mag
dieſem auch die Uebernahme ſolcher Privatgeſchäfte
und gar deren Ausführung auf ſeinen dienſtlichen
Gängen nach der Inſtruktion verboten ſein. So
wurde die Handlung jenes Kriminalkommiſſars
auch nicht dadurch zu einer amtlichen, daß der
Mann vielleicht amtliche Ermittlungsgänge mit
Ermittlungsgängen, die mit dem übernommenen
Privatauftrag zuſammenhingen, gelegentlich ver⸗
bunden hat.
Läßt ſich ein Landpoſtbote einen poſtamtlich
nicht behandelten Brief zur Beſorgung mitgeben,
ſo iſt dies allerdings „eine Handlung, die von
Amts wegen vorgenommen werden könnte“
(Frank a. a. O.), eine Handlung, die der Poſt⸗
bote ebenſo ausführt wie die Beſtellung eines
ihm amtlich zugegangenen Briefes. Durch die
Beſtimmungen über die Beſtechung aber ſoll „der
Käuflichkeit einer amtlichen Tätigkeit entgegen:
getreten werden“ (Ols hauſen $ 331 Anm. 9 a).
Hier aber liegt nichts weiter vor als „eine bloße
Privatgefälligkeit, die der Beamte, aller:
Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
279
übernimmt, nicht minder, wenn er gegen ein
dings in Veranlaſſung ſeines Amtes, außer und Trinkgeld einen Fahrgaſt ohne Entrichtung des
neben dieſem Amte erweiſt“ (Olshauſen ebenda).
Tätig wird hier nicht der Poſtbote als ſolcher.
Daß er den Brief zur Beſorgung mitnimmt, hat
mit ſeiner amtlichen Stellung nichts zu tun, nur
daß eben ein rein tatſächlicher, äußerer Zuſammen⸗
hang inſofern beſteht, als die Ausführung des
Beſtellganges dem Poſtboten die Gelegenheit gibt,
den übernommenen Privatauftrag auszuführen,
und dem Auftraggeber den Anlaß, mit dem An⸗
finnen an den Poſtboten heranzutreten.
Hiernach fällt die Uebergabe und Uebernahme
eines poſtamtlich nicht behandelten Briefes nicht
unter die Strafbeſtimmungen der §8 331 bis
333 StGB. Zu bemerken iſt noch die Beſtim⸗
mung, die die Dienſtanweiſung für die Poſtboten
von 1903 in 84 Abſ. 1 hatte: „Daß den Poſt⸗
boten die Uebernahme und Beſorgung von
Privatgeſchäften und Privataufträgen
während der Ausübung ihres Dienſtes verboten
ſei“, insbeſondere die Beſtellung poſtamtlich nicht
behandelter Briefe.
Befördert der Landpoſtbote ein poſtamtlich
nicht behandeltes Paket, ſo wird wohl auch
dieſe Handlung ihm verboten ſein, obwohl (im
Gegenſatz zu den für die Poſtillione geltenden
Beſtimmungen) in $ 3 der Dienſtanweiſung für
die Bedienſteten von 1906 (wie auch in $ 4 der
Dienſtanweiſung für Poſtboten von 1903) die
Beſorgung von Paketen nicht erwähnt iſt. Mag
dem übrigens ſein wie ihm wolle, jedenfalls liegt
auch hier die wenn auch verbotene Uebernahme
eines Privatgeſchäfts vor. Um einen ſolchen
Fall hat es fih in der dem ObLG. vorgelegenen
Sache gehandelt. Hier hatten zwei Poſtboten
mehrmals von der Frau des Poſtagenten einen
Ruckſack mit Wäſche auf ihren Beſtellgang für
den Sohn des Poſtagenten mitbekommen und
hierfür Geldgeſchenke von 10 bis 20 Pfg. ange⸗
nommen. Der Beſchluß des ObLG. (vom 3. Mai
1907 in der Strafſache gegen L. und Gen. wegen
Unterſchlagung u. a.) gibt zu der Frage keine
nähere Begründung, ſondern bemerkt nur, daß
die tatſächlichen Gründe und die rechtlichen Er—
wägungen gebilligt würden, auf denen der die
Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnende Straf—
kammerbeſchluß beruhe.
2. Was nun die Beſtellung von poſtamtlich
nicht behandelten Sendungen durch Poſtillione
anlangt, ſo könnte die Richtigkeit der vorſtehenden
Anſchauung um deswillen bezweifelt werden, weil
es ſich hier, bei der Beförderung von Sachen im
Omnibus, um die Benützung einer poſtaliſchen
Einrichtung zur Beförderung handelt. Dieſer
Zweifel erhebt ſich namentlich dann, wenn es ſich
um Sendungen von größerem Gewichte handelt,
wenn z. B. der Poſtillion einen Sack Kartoffeln
zur Abgabe bei einem Käufer in der Stadt
Fahrgeldes in den Wagen aufnimmt.
Die letztere Handlung iſt ſicherlich als eine
Amtshandlung anzuſehen, nicht minder wie in
dem vom RG. behandelten Falle des Eiſenbahn⸗
ſchaffners. Eine Pri va thandlung dahin, daß
der Poſtillion einen Reiſenden unentgeltlich in
dem Omnibus mitfahren läßt, iſt nicht denkbar,
da es ſich um die Beförderung durch das ſtaat⸗
liche Beförderungsmittel handelt und die Amts⸗
pflicht des Poſtillions iſt, dieſes Beförderungs⸗
mittel niemand ohne Entgelt zur Verfügung zu
ſtellen. Wie der Poſtillion pflichtmäßig einen
blinden Fahrgaſt, den er im Poſtwagen antrifft,
daraus wegzuweiſen hat und ſich der Beſtechung
ſchuldig macht, wenn er ihn gegen ein Trinkgeld
gleichwohl mitfahren läßt, ſo gilt das gleiche auch
dann, wenn er von vorneherein den Mann gegen
ein Trinkgeld in den Poſtwagen aufnimmt.
Nicht anders aber ſteht es um die Beförderung
von Paketen und ſonſtigen Sendungen von
größerem Gewicht. Auch hier handelt es ſich
nicht mehr um eine perſönliche Dienft-
leiſtung des Poſtillions, ſondern um eine Be⸗
förderung durch das ſtaatliche Beförde⸗
rungsmittel. Hier bildet die Uebernahme
zur Beförderung eine Amtshandlung des Poſtil⸗
lions, inſofern er eben das, was er hier ausführt,
die Beförderung des Pakets, nicht als Privat⸗
perſon tun kann, ſondern nur in ſeiner amtlichen
Eigenſchaft.
Wie aber bei leichten, kleinen Sachen? Eine
Beförderung liegt ja hier auch vor, wenn ſie
von einem Ort zum andern überbracht werden.
Aber hier wird man viel eher geneigt ſein, den
Geſichtspunkt der perſönlichen Dienſtleiſtung in
den Vordergrund treten zu laſſen gegenüber dem
Geſichtspunkt der ſachlichen Leiſtung einer Waren⸗
beförderung. Die Grenze, wo erſteres überwiegt
oder letzteres, wird oft nicht leicht zu ziehen ſein.
Aber irgendwo muß dieſe Grenze gezogen werden,
und damit die Grenze zwiſchen den Fällen, wo
— zunächſt objektiv betrachtet — eine Strafbar⸗
keit wegen Beſtechung in Frage kommt und wo
nicht.
Mag man bei der Beurteilung der Sache
einen noch ſo ſtrengen Standpunkt einnehmen, ſo
wird doch niemand einen Poſtillion wegen Be⸗
ſtechung ſtrafen, wenn er den Auftrag eines Einöd-
bauern ausführt, der ihm beim Vorbeifahren ſeine
leere Schnupftabaksdoſe mit der Bitte übergibt,
ſie ihm beim Krämer im Städtchen füllen zu
laſſen und beifügt: „kriegſt dann auch eine Priſe“.
Man wird allgemein ſagen können, daß bei
kleinen, leichten Gegenſtänden, die der Poſtil—
lion zu ſich ſteckt, der Geſichtspunkt einer
Beförderung der Sache von Ort zu Ort hinter
den der perſönlichen Dienſtleiſtung des Poſtillions
fo ſtark zurücktritt, daß man vernünftigerweiſe,
unter Berückſichtigung der Auffaſſung des Ver⸗
kehrs, nicht mehr davon ſprechen kann, daß die
Sache „mit dem Omnibus befördert“ werde.
Handelt es ſich freilich um Gegenſtände auch
leichterer Art und kleineren Umfangs, die in dem
Gepäckraum des Poſtwagens oder ſonſtwo hier
untergebracht werden, ſo iſt objektiv immer
eine Beförderung unter Benützung der ſtaatlichen
Verkehrseinrichtung anzunehmen, daher, ſoweit
der Poſtillion dieſe Benützung dem andern zur
Verfügung ſtellt, eine amtliche Handlung des
Poſtillions. Dabei iſt jedoch zu beachten, daß
in ſolchen Fällen die aktive oder die paſſive Be⸗
ſtechung nicht felten noch aus ſubjektiven
Gründen ausgeſchloſſen ſein wird. Denn in der
Regel handelt es ſich bei ſolchen Poſtgeſällshinter⸗
ziehungen um recht geringfügige Sachen, meiſt
auch von ſehr unbedeutendem Wert, die der
Abſender, wenn ſich nicht die bequeme Gelegenheit
der Beförderung durch den Poſtillion böte, ſicher
nicht mit der Poſt befördern, ſondern durch eine
ſonſt ſich bietende Fahrgelegenheit beſorgen ließe.
Schließt dies auch die Annahme einer Poſtgefälls—
hinterziehung nicht aus!), ſo muß doch bei
Beurteilung der Frage berückſichtigt werden, ob
der Poſtillion oder der andere ſich bei ihrer
Handlungsweiſe bewußt waren, daß der Poſtillion
in amtlicher Eigenſchaft handle, wenn er den
leeren Kartoffelſack zur Ueberbringung an den
Vetter auf dem Lande mit hinaus nimmt und
ihn auf der Fahrt als Unterlage auf ſeinem
Kutſcherbocke benützt.
3. Einſchlägig iſt hier auch eine andere Be—
ſtimmung für die Poſtboten. Nach § 26 Ziff. 4
PoſtO. für das Königreich Bayern vom 27. März
1900 (GVBl. 1900 S. 227 ff.) können den
Poſtboten auf ihren Landzuſtellgängen zur Ein—
lieferung bei der Poſtanſtalt ihres Dienſtortes
Briefe, Pakete und ſonſtige Sendungen übergeben
werden. Hierfür hat der Poſtbote für den Poſt⸗
fiskus eine Einlieferung von teils 10 Pig. teils
5 Pfg. zu erheben. Eine ſolche Einlieferungs—
gebühr wird dagegen nicht erhoben, wenn die
Sendung vom Abſender bei einer Poſthilfſtelle
aufgegeben oder niedergelegt wird.
In dem dem Ob“. vorgelegenen Falle waren
die Poſtboten auf Anzeige der Oberpoſtdirektion
auch des Betrugs angeklagt, weil ſie vielfach (für
gelegentliche Trinkgelder) ſolche Poſtſendungen
angenommen, aber nicht auf die Poſtanſtalt ihres
Dienſtortes gebracht, ſondern auf der näher ge—
legenen Poſthilfsſtelle W. aufgeliefert hatten, gerade
wie wenn die Abſender die Sendungen ſelbſt un—
mittelbar auf der Poſthilfsſtelle aufgegeben hätten.
1) Stenglein, ſtrafrechtl. Nebengeſetze; Poſtgeſetz
S 27 Anm. 13; Dambach, Poſtgeſetz 8 27 Nr. 4
Anm. 5, 6.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
In dieſen Fällen iſt zweifellos der Poſtfiskus
dadurch geſchädigt worden, daß er die Einlieferungs⸗
gebühren nicht erhielt, die er erhalten hätte, wenn
die Poſtboten die Sendungen mit nach Hauſe zur
Poſtanſtalt ihres Dienſtortes genommen hätten.
Die Poſtboten wußten auch, daß ſie durch ihre
Handlungsweiſe den Abſendern eine Ausgabe er—
ſparten. Ein Betrug könnte aber nur dann an⸗
genommen werden, wenn der Poſtbote den Brief
gleich in ſeiner amtlichen Eigenſchaft angenommen
hätte, jo daß alfo damit ſchon der Beförderungs⸗
vertrag zwiſchen dem Abſender und dem Poſt⸗
fiskus geſchloſſen worden wäre, während ein Be⸗
trug nicht angenommen werden kann, wenn der
Poſtbote (entgegen freilich dem in § 3 der Dienſt⸗
anweiſung für die Bedienſteten von 1906 ent⸗
haltenen Verbote) die Sendung aus Gefälligkeit
bis zur Poſthilfsſtelle mitgenommen, damit alſo
eine reine Privattätigkeit entfaltet hätte; denn in
dieſem letzteren Falle wäre die Auflieferung der
Sendung eben nicht durch die Uebergabe an den
Poſtboten geſchehen, ſondern erſt durch die (vom
Poſtboten im Auftrage des Abſenders betätigte)
Aufgabe in W. Die Strafkammer kam auch in
dieſem Falle zur Nichteröffnung des Hauptver—
fahrens, weil es als ſehr zweifelhaft erachtet
wurde, ob ſich die Beieiligten, insbeſondere die
Poſtboten, über die einſchlägigen Rechtsverhältniſſe
im klaren, insbeſondere alles deſſen ſich bewußt
waren, was vorliegen mußte, wenn ihnen ein
Vergehen des Betrugs zur Laſt gelegt werden
ſollte. Auch dies ift vom Ob“. gebilligt
worden.
III.
Des Zuſammenhangs wegen mag ſchließlich
noch eine andere Frage kurz erwähnt werden, die
nicht felten die Strafgerichte beſchaftigt, und in
einer andern Strafſache auch die hieſige Straf:
kammer beſchäftigt hat.
Mehrere Perſonen hatten in verſchiedenen
Fällen einen Poſtillion beſtimmt, im Städtchen
Waren (leih, Brot u. a.) in Geſchäften mit-
zunehmen und ihnen — poſtamtlich nicht be-
handelt — heimzubringen. Auf Anzeige der Ober:
poſt direktion wurde Anklage erhoben nach § 27 Nr. 4
RG. über das Poſtweſen. Dieſe Beſtimmung
bedroht mit Strafe denjenigen, „der Sachen zur
Umgehung der Portogefälle einem Poſtillion zur
Mitnahme übergibt“.
Zweifellos trifft dieſe Beſtimmung nach ihrem
Wortlaute auf den fraglichen Fall nicht zu,
da die Angeſchuldigten dem Poſtillion die poft-
dienſtlich nicht behandelten Sendungen nicht mit-
gegeben, ſondern ihn zum Mitbringen
veranlaßt haben.
Es könnte ſich fragen, ob nicht die Handlungs—
weiſe der Angeklagten durch ausdehnende Aus—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
legung unter die genannte Geſetzesſtelle hätte
gebracht werden können. Dies iſt aber zu ver⸗
neinen, da offenbar die Strafbeſtimmung von der
Tatſache ausgeht, daß der Vertrag mit dem Poſt⸗
fiskus auf Beförderung von Poſtſendungen nicht
vom Adreſſaten ſondern vom Abſender geſchloſſen
wird, ſo daß alſo zunächſt nur dieſer wegen Porto⸗
hinterziehung verantworlich iſt.
Dagegen kann der Adreſſat ſtrafbar fein,
ſofern er nach allgemeinen ſtrafrechtlichen Grund⸗
ſätzen Teilnehmer (Anſtifter, Gehilfe) an der
Straftat des Abſenders ift). Anſtiftung liegt
zweifellos vor, wenn jemand beim Kaufmann
brieflich oder mündlich Ware beſtellt und dabei
den Kaufmann beauftragt, die Sendung dem
Poſtillion zur Beſorgung mitzugeben. Der
Poſtillion, der die Sachen zur Beförderung
annimmt, iſt nicht der Beihilfe ſchuldig, ſondern,
(da es ſich hier nicht um poſtzwangpflichtige
Sendungen handelt), nur disziplinär ftrafbar?).
Es beſtehen aber jedenfalls keine rechtlichen Be⸗
denken, Strafbarkeit des Poſtillions wegen An-
ſtiftung zu den ſtrafbaren Handlungen aus
§ 27 Nr. 4 PoſtG. anzunehmen, wenn die vom
Abſender an ihn erfolgte Uebergabe zur uner⸗
laubten Beförderung von dem Poſtillion im Sinne
des § 48 StGB. veranlaßt worden ift. Iſt aber
der Poſtillion ſeinerſeits wieder im Sinne des
$ 48 StGB. vom Adreſſaten der Sendung be:
einflußt worden, den Abſender zu beſtimmen, daß
er ihm die Sendung zur unerlaubten Beförderung
mitgebe, dann iſt auch der Adreſſat wegen der
mittelbaren Anſtiftung des Abſenders neben dieſem
(und neben dem Poſtillion) nach $ 27 Nr. 4
PoſtG. ſtrafbar“).
Beauftragt alſo jemand einen Poſtillion, für
ihn im Städtchen in einem Geſchäft etwas zu
kaufen und ihm die Ware heimzubringen, ſo iſt
er nach 8 27 Nr. 4 PoſtG. nur ſtrafbar, wenn
nach den allgemeinen ſtrafrechtlichen Beitimmungen |
eine zweifache Anſtiftung vorliegt, ſo daß alſo
Verfehlungen dreier Perſonen nach § 27 Nr. 4
Poſt G. zuſammentreffen. Unter welchen Voraus-
ſetzungen — bei einer Entlohnung des Poſtillions
— in ſolchen Fällen Beſtechung anzunehmen
iſt, iſt unter II, 2 ausgeführt worden.
N Stenglein, ſtrafrechtl. Nebengeſetze; Poftaeieb
8 27 Anm. 13; Dambach, Poſtgeſetz § 27 Nr
Anm. 9.
) Stenglein, ebenda Anm. 14; Dambach
ebenda 8 27 Nr. 4 Anm. 8. ö
) Rifat, Lehrbuch des Strafrechts, § 51, V, 1.
— — nn — — — ......
— —–—:ñ c m —
281
Schenkung aus dem Geſamtgut?
(Zu 8 1446 BGB.).
Von Amtsrichter Eduard Eckert in Nürnberg.
Der letzte (achte) Band der Sammlung von Ent⸗
ſcheidungen des bayriſchen Oberſten Landesgerichtes
in Zivilſachen enthält (S. 474) eine Entſcheidung,
der folgender Sachverhalt zugrunde liegt.
Der Kaufmann Georg St. erhielt von einer
Bank die Gewährung eines Kredites gegen Pe-
ſtellung einer Sicherheit zugeſagt. Die in fort⸗
geſetzter Gütergemeinſchaft lebende Witwe R. leiſtete
dieſe Sicherheit durch Verpfändung einer zu dem
Geſamtgute gehörigen Hypothek. Den Antrag auf
Eintragung der Hypothekverpfändung in das Hypo⸗
thekenbuch lehnte das Hypothekenamt mit der Be⸗
gründung ab, daß der Verpfändung möglicher:
weiſe eine Schenkung zugrunde liege und deshalb
entweder die Zuſtimmung der Abkömmlinge oder
der Nachweis beigebracht werden müſſe, daß keine
Schenkung vorliege.
Während das Landgericht als Beſchwerdegericht
dieje Entſcheidung billigte, gab das Oberſte Landes-
gericht der weiteren Beſchwerde ſtatt und erklärte
die Anwendung der § 1446, 1487 BGB. auf
die Verpfändung der Hypothek für ausgeſchloſſen.
Die Verpfändung ſei keine unentgeltliche Zu—
wendung an die Bank, ſondern habe ihren Rechts⸗
grund in der Vereinbarung, daß ſie zur Beſchaffung
der nach dem Kreditvertrage von St. zu ſtellenden
Sicherheit diene. Sollte zwiſchen der Witwe R.
und dem Kaufmanne St. eine Vereinbarung ge—
troffen worden ſein, vermöge deren der Vorteil,
den St. durch die Verpfändung erlangt habe, als
Schenkung anzuſehen wäre, jo wäre diefe Ver:
einbarung nach den angeführten Vorſchriften
nichtig; St. würde den ihm zugewendeten Vorteil
ohne rechtlichen Grund erlangt haben und deshalb
| nach $ 812 BGB. zur Herausgabe verpflichtet
ſein. Die Nichtigkeit der zwiſchen der Witwe R.
und Georg St. vereinbarten Schenkung würde
aber nicht auch die zwiſchen der Witwe R. und
der Bank vereinbarte entgeltliche Pfandbeſtellung
ergreifen.
Iſt dieſe Entſcheidung richtig, dann kann dem
Geſetzgeber der Vorwurf wohl nicht erſpart werden,
daß er die Intereſſen der Ehefrau bei allgemeiner
und der Abkömmlinge bei fortgeſetzter Gütergemein—
ſchaft nur mangelhaft geſchützt hat. Der zur Ber-
fügung über das Geſamtgut berechtigte Ehegatte
kann danach zwar Gegenſtände des Geſamtgutes
nicht unmittelbar ſchenkungsweiſe auf denjenigen
übertragen, den er bereichern möchte; die Ueber—
tragung bedarf zu ihrer Wirkſamkeit der Ein—
willigung des anderen Gatten oder der Abkömm—
linge. Aber ohne dieſe Einwilligung ſoll ſie rechts—
wirkſam ſein, wenn der Mann oder der überlebende
Ehegatte geſetzeskundig genug iſt, bei ſeinen Zu—
wendungen einen anderen Weg einzuſchlagen, wenn
282
er, Statt feinem Freunde das Geld zur Befriedigung
ſeiner Gläubiger zu ſchenken, ſelbſt die Schulden
bezahlt und ſeinen Freund ſo von ſeinen Verbind—
lichkeiten befreit, oder wenn er einem kredit⸗
bedürſtigen Bekannten nicht ſelbſt die nötigen Bar⸗
mittel gewährt, ſondern durch eine Verpfändung
von Gegenſtänden des Geſamtgutes bei einem
Dritten einen Kredit für ihn flüſſig macht — mag
hierbei auch jedes Entgelt für das Geſamtgut
ausgeſchloſſen ſein, Ehefrau oder Abkömmlinge
haben nichts dreinzureden; denn die dem Dritten
gewährte Bezahlung oder Sicherſtellung ſeiner
Forderungen enthält für ihn als Gläubiger keine
unentgeltliche Zuwendung und iſt darum auch ohne
die von 88 1446, 1487 geforderte Einwilligung
rechtswirkſam; dem Geſamtgute bleibt der Be-
reicherungsanſpruch gegen den befreiten Schuldner
oder den Kreditnehmer.
Iſt das wirklich Rechtens? Kein Zweifel, daß
es für den Zweck, dem der $ 1446 dienen ſoll,
weit weniger auf die Unentgeltlichkeit der Zu:
wendung ankommt, die der Dritte erhält, als
darauf, daß auf der Seite des Geſamtgutes eine
unentgeltliche Aufwendung vorliegt; wenn die
Motive (4, 356) bemerken, daß Schenkungen regel:
mäßig außerhalb des Kreiſes einer ordnungs⸗
mäßigen Vermögensverwaltung lägen und deshalb
die Befugnis, einſeitig Schenkungen aus dem Ge—
ſamtgute zu machen, dem Ehemanne grundſätzlich
entzogen ſein müſſe, ſo iſt der Gedanke eben der,
daß der Mann das Geſamtgut nicht durch Leiſtungen
ohne Gegenleiſtung ſchmälern können ſoll. Ob
die Leiſtung aus dem Geſamtgute für den unmittel—
baren Empfänger eine unentgeltliche Zuwendung
bedeutet und ihn bereichert oder ob ein Dritter
infolge der Leiſtung als unentgeltlich bereichert
erſcheint, iſt für die Intereſſen des Geſamtgutes
belanglos. Eine andere Frage freilich iſt es, ob
dieſer Gedanke im Geſetze ſolchen Ausdruck ge—
funden hat, daß man die Anwendung, die dem
§ 1446 in dem Beſchluſſe des Oberſten Landes-
gerichtes widerfahren iſt, als unrichtig bezeichnen
kann. In dieſer Hinſicht dürfte folgendes zu
beachten ſein.“)
8 1446 fordert die Einwilligung der Ehefrau
nicht nur zu einer Schenkung aus dem Geſamt—
gute, ſondern auch zu „einer Verfügung über
Geſamtgut, durch welche das ohne Zuſtimmung
der Frau erteilte Verſprechen einer ſolchen Schen—
kung erfüllt werden ſoll“. Statt von dem „Ver—
ſprechen einer Schenkung“ würde das Geſetz rich—
tiger wohl von dem ſchenkungsweiſe erteilten Ver—
ſprechen einer Leiſtung reden (vgl. Planck, BGB.
N Bei den nachſtehenden Ausführungen wird von
der Annahme ausgegangen, daß der Hypotheken- oder
Grundbuchbeamte, wenn der konkrete Sachverhalt die
Annahme einer Schenkung nahe legt, auch bei Rechts—
geſchäften, zu denen an ſich die Zuſtimmung der Frau nicht
erforderlich iſt, den Nachweis verlangen kann, daß keine
Schenkung vorliegt. RIA. 2, 248, BayObLG. 5, 522.
E3ettſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
Note 2 drittletzter Abſatz zu $ 516). Jedenfalls
beſteht darüber kein Zweifel, daß der $ 1446 in
dieſem Sinne zu verſtehen ift und die ſchenkungs⸗
weiſe verſprochene Leiſtung treffen will. Beſieht
man ſich nun den eingangs mitgeteilten Zat:
beſtand und fragt man ſich, wie die Witwe R.
dazu gekommen ift, bei dem Notare die Verpfän:
dung ihrer Hypothek zu erklären, ſo wird man
es als das Wahrſcheinlichſte anſehen dürfen, daß
ſie dies nicht ohne Vorwiſſen des St. getan,
ſondern ihm vorher verſprochen hat, die Hypothek
zu verpfänden und ſo den Bankkredit für ihn
flüſſig zu machen. Hat ſie dieſes Verſprechen
unentgeltlich erteilt, fo liegt in ſolcher ohne Gegen:
leiſtung erfolgter Einräumung des Anſpruches auf
Verpfändung zweifellos eine Bereicherung des St.
aus dem Geſamtgut, eine Schenkung. Die Ver:
pfändung ſelbſt kommt dann nicht als Schenkung
in Betracht, wohl aber iſt ſie eine Verfügung,
durch die ein ſchenkungsweiſe erteiltes Verſprechen
erfüllt werden ſoll. Daß die Verpfändung in
einem Vertrag erfolgt, der nicht mit dem Be:
ſchenkten abgeſchloſſen wird, ſondern mit einem
Dritten, der für ſich keine unentgeltliche Zuwen⸗
dung erhält, kann an der Tatſache nichts ändern,
daß ſie zur Erfüllung des Schenkungsverſprechens
vorgenommen iſt. Es iſt falſch, wenn in dem
von dem Oberſten Landesgericht entſchiedenen Falle
der Beſchwerdeführer zur Begründung ſeiner wei—
teren Beſchwerde behauptet hat, das Rechtsver—
hältnis zwiſchen St. und der Witwe R. bilde nur
den rechtlich belangloſen Beweggrund der Ber:
pfändung. Hat die Witwe R. dem Kaufmann
St. die Verpfändung der Hypothek verſprochen
gehabt, dann bildet die Erfüllung dieſes Verſprechens
den Zweck der Verpfändung (causa solvendi),
dann iſt es auch nicht zutreffend, wenn es in dem
oberſtrichterlichen Beſchluß heißt: „Die Leiſtung,
die der Bank mit der Pfandbeſtellung gemacht
worden iſt, hat ihren Rechtsgrund in der Ver—
einbarung, daß ſie zur Beſchaffung der nach dem
Kreditvertrage von Georg St. zu ſtellenden Sicherheit
diene.“ Die Verpfändung iſt die von der Witwe
R. dem Kaufmann St. verſprochene Leiſtung an
einen Dritten, die ſich „im Rechtsſinn als Leiſtung
an den Verſprechensempfänger“ erweiſt; „eine
beſondere Kauſalbeziehung zwiſchen dem Ver—
ſprechenden und dem Dritten beſteht nicht“ (vgl.
Oertmann, Recht der Schuldverhältniſſe, Note 2 be
vor § 328 ff.). Der Rechtsgrund für die Leiſtung
an die Bank iſt alſo der Vertrag zwiſchen der
Witwe R. und Georg St.; hat in dieſem Vertrage
die Witwe R. die Verpfändung der zu dem
Geſamtgute gehörigen Hypothek ohne Einwilligung
der Abkömmlinge unentgeltlich verſprochen, dann
bedarf die Verpfändung als die zur Erfüllung des
Schenkungsverſprechens vorgenommene Verfügung
über Geſamtgut der Einwilligung der Abkömmlinge.
Bei der bisherigen Beweisführung iſt voraus:
geſetzt, daß die Verpfändung nicht ohne Vorwiſſen
des St. erfolgt iſt, ſondern zur Erfüllung eines
ihm vorher gegebenen Verſprechens. Die Bered-
tigung des Hypotheken⸗ oder Grundbuchamtes in
einem ſolchen Falle den Nachweis dafür zu fordern,
daß die durch den Sachverhalt nahe gelegte An⸗
nahme der Erfüllung eines Schenkungsverſprechens
nicht zutreffe oder daß die Einwilligung der Ab-
kömmlinge erteilt ſei, wird ſich nach dem Geſagten
mit Rückſicht auf den zweiten Fall des § 1446
wohl nicht beſtreiten laſſen. Das Oberſte Landes⸗
gericht freilich hat offenbar nicht dieſen weitaus
wahrſcheinlicheren Fall im Auge gehabt, bei dem
die Schenkung in Geſtalt des Verſprechens der
Verpfändung dieſer vorangeht, ſondern nur den
bei einem Sachverhalt, wie er hier in Frage ſteht,
gewiß ſelten vorkommenden erſten Fall des § 1446
berückſichtigt, den Fall, daß in der Verpfändung
ſelber ſich eine Schenkung aus dem Geſamtgute
vollzieht; denn es ſpricht nur von der Möglichkeit
einer Vereinbarung, „vermöge deren der Vorteil,
den St. durch die Verpfändung, erlangt,
als Schenkung anzuſehen ſein würde“. Aber
ſollte für dieſen Fall etwas anderes gelten und
hier die Meinung des Oberſten Landesgerichtes
zutreffen?
„Zum richtigen Verſtändnis des Schenkungs—
inſtituts ift die Scharfe Sonderung der Zuwendung
und des Schenkungsaktes an erſter Stelle wichtig,
nur indem man ſie leugnete, kam man zur Leug⸗
nung des Vertragscharakters der Schenkung. Aus
der Unterſcheidung ergibt ſich auch, daß beide von
verſchiedenen Gültigkeitsbedingungen abhängig ſind
— wieweit die Zuwendung als ſolche gültig iſt,
beſtimmt ſich im Prinzip nur nach den über den
fraglichen Rechtsakt ſonſt geltenden Beſtimmungen,
nicht nach den Schenkungsregeln; bezahlt 3. B.
jemand die Schuld eines Dritten, ſo bedarf das
dem Gläubiger gegenüber weder der etwaigen
Schenkungsform, noch iſt der Akt etwa aus § 528
dem Rückforderungsrecht unterworfen, auch nicht
der Anfechtung wegen Verletzung der Gläubiger ..
Der gegenteiligen Anſicht bei Planck zu $ 516
Nr. 5 Abſ. 3 fehlt jede Begründung. Iſt die
Zuwendung gültig, die Schenkung (causa dona-
tionis) aber nicht zuſtande gekommen, ſo iſt jene
sine causa bei dem Begünſtigten. Daher kann
der Zuwender ſie oder ihren Betrag nach den
Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (S8 812ff.)
vom Begünſtigten zurückfordern.“ Nach dieſen
Ausführungen Oertmanns (a. a. O. Note 2 vor
$ 516 ff.) müſſen wir in unſerem Fall ebenſo
wie nach der vom Oberſten Landesgerichte ver—
tretenen Anſchauung den Verpfändungsvertrag
zwiſchen der Witwe R. und der Bank unterſcheiden
von der im Augenblick der Verpfändung vielleicht
noch gar nicht zuſtande gekommenen (§ 516 Abſ. 2)
Einigung der Witwe und des St. über die Un—
entgeltlichkeit der Zuwendung; nur für diefe Eini-
gung ſoll die Zuſtimmung der Abkömmlinge er:
forderlich ſein und ihr Mangel die Gültigkeit der | geſchäftes verfügt wird“.
Zeitſchrift für rift für Rechtspflege in Bayer in Bayern. 1908. Nr. 14.
283
Verpfändung nicht berühren. Es iſt zuzugeben,
daß die Stelle in den Protokollen zweiter Leſung,
die Planck für ſeine Meinung anführt, die Anſicht
Oertmanns kaum zu widerlegen geeignet ift. Wenn
es dort (2, 7) heißt, ein Zweifel darüber, daß
die Beſtimmungen des Schenkungsrechtes, ins⸗
beſondere die Schenkungsverbote der 88 1353,
1661 (= BGB. 88 1446, 1641) auch auf die
Schenkungsofferte Anwendung finden müßten, laſſe
ſich nicht erwarten, jedenfalls ſei ihre Anwend⸗
barkeit beabſichtigt, ſo läßt ſich dagegen vom
Standpunkt Oertmanns aus wohl einwenden,
daß die Verbote eben nur die Offerte zu dem
Schenkungsvertrage berühren, nicht aber den hier⸗
von zu trennenden rechtlich ſelbſtändig zu beur⸗
teilenden Vertrag der Witwe mit der Bank.
Aber iſt eine ſolche Trennung wirklich gerecht⸗
fertigt? iſt ſie es insbeſondere gegenüber dem
$ 1446 BGB.? Sie ift zweifellos notwendig, um
das Rechtsgeſchäft nach allen Seiten erſchöpfend zu
würdigen. Eine andere Frage aber iſt es, ob
man aus ihr dieſelben Folgerungen, wie Oertmann
und das Oberſte Landesgericht ziehen darf. Die
an und für ſich berechtigte Unterſcheidung, die uns
in der Sicherheitsbeſtellung durch die Witwe R.
ein Rechtsgeſchäft erkennen läßt, das Rechts⸗
wirkungen gegenüber zwei verſchiedenen Perſonen
äußert und für den einen eine entgeltliche, für den
anderen eine unentgeltliche Zuwendung enthält,
berechtigt nicht dazu, aus dieſem einen Rechts⸗
geſchäfte zwei zu machen und das eine für ſich
beſtehen zu laſſen, auch wenn das andere rechts⸗
unwirkſam iſt. Die Unterſcheidung darf nicht
dahin führen, daß man den Beſtimmungen über
Schenkung nur die Einigung der Witwe R. und
des Georg St. über die Unentgeltlichkeit der Zu⸗
wendung unterſtellt und die Gültigkeit der Zu⸗
wendung ſelbſt von dieſen Beſtimmungen unab-
hängig macht. § 516 BGB. bezeichnet als
Schenkung nicht etwa die Einigung darüber, daß
eine Zuwendung, durch die jemand aus ſeinem
Vermögen einen anderen bereichert, unentgeltlich
erfolgen ſoll, ſondern die Zuwendung, bei der dieſe
Vorausſetzungen vorliegen. Dementſprechend haben
wir auch in § 1446 unter einer Schenkung aus
dem Geſamtgute, nicht jene Einigung, das obli—
gatoriſche Rechtsverhältnis zwiſchen dem Schenker
und dem Beſchenkten zu verſtehen, ſondern die Bu-
wendung ſelber, das Leiſtungsgeſchäft, in dem ſich
die Schenkung auf Koſten des Gejamtgutes vol-
zieht. Unterſtützt wird dieſe Anſicht durch den
Vorgänger des S 1446 im Entwurf erſter Leſung,
den § 1353 Abſ. 2. Er fordert die Einwilligung
der Ehefrau zu einem Rechtsgeſchäft des Ehe—
mannes, das „ein Schenkungsverſprechen enthält
oder durch welches ein zum Geſamtgute gehörender
Gegenſtand verſchenkt oder über einen ſolchen Gegen⸗
ſtand zum Zwecke der Erfüllung eines nach den
Vorſchriften dieſes Paragraphen unwirkſamen Rechts⸗
Dieſe Beſtimmung will,
284
wie aus dem Wortlaut und überdies aus den
Motiven (4,357) erſichtlich iſt, in erſter Linie
„den dinglichen Vertrag, durch welchen ein zum
Geſamigute gehörender Gegenſtand verſchenkt wird,
an die Einwilligung der Ehefrau .... binden“,
und es bedarf wohl keiner weiteren Ausführung
darüber, daß ſie nicht nur für Rechtsgeſchäfte gelten
ſollte, durch die das Eigentum an einer zum
Geſamtgute gehörigen Sache aufgegeben wird,
ſondern für jeden dinglichen Vertrag, in dem ſich
eine Schenkung auf Koſten des Geſamtgutes voll⸗
ziehen kann. Auch der § 1446 BGB., der die
Beſtimmung des Entwurfes zwar nicht in dem
gleichen Wortlaut, aber dem Sinne nach wieder⸗
gibt, hat darum auf den dinglichen Vertrag An⸗
wendung zu finden, durch den ſchenkungsweiſe über
einen zu dem Geſamtgute gehörigen Gegenſtand
verfügt wird.
Ein ſolcher Vertrag iſt möglicherweiſe die
Hypothekverpfändung der Witwe R. Enthält ſie
auch der Bank gegenüber keine unentgeltliche Zu⸗
wendung, ſo kann ſie eine ſolche doch gegenüber
dem Kaufmann St. enthalten; ſie kann ihm gegen⸗
über Schenkung ſein und unterliegt dann den
Schenkungsregeln. Wenn das Oberſte Landesgericht
bemerkt, das Rechtsgeſchäft der Pfand beſtellung fei
von der Wirkſamkeit des zwiſchen der Witwe R.
und St. möglicherweiſe geſchloſſenen Vertrages
unabhängig, ſo iſt hier verkannt, daß es ſich nicht
um zwei verſchiedene ſelbſtaͤndige Rechtsgeſchäfte
handelt, ſondern nur um das eine Rechtsgeſchäft
der Pfandbeſtellung, das, wenn ſich in ihm eine
Schenkung an St. vollziehen ſoll, ohne die Ein⸗
willigung der Abkömmlinge nicht wirkſam iſt und
der Einwilligung nicht deshalb entraten kann, weil
es gleichzeitig eine entgeltliche Verfügung gegenüber
der Bank enthält; denn es iſt wohl nicht richtig, daß
die der Bank mit der Pfandbeſtellung gemachte Zu⸗
wendung ihren Rechtsgrund, wie es in dem oberſt—
richterlichen Beſchluß heißt, nur in der Verein⸗
barung hat, daß ſie zur Beſchaffung der nach dem
Kreditvertrage von St. zu ſtellenden Sicherheit
diene. Es mag dahingeſtellt bleiben, ob man
hierin überhaupt einen Rechtsgrund für die Pfand—
beſtellung erblicken kann, ob nicht vielmehr die
Bezeichnung der durch das Pfand zu ſichernden
Forderung ebenſo zum notwendigen Inhalte jedes
Pfandvertrages gehört wie zur Beſtellung einer
Grunddienſtbarkeit die Benennung des herrſchenden
Grundſtückes, für deſſen Benützung die Dienſt—
barkeit Vorteil bieten ſoll. Während Jacubezky
in ſeinen Bemerkungen zu dem Entwurf eines
bürgerlichen Geſetzbuches (S. 15) als Rechts⸗
grund „auch die Befriedigung ($ 227) oder
Sicherſtellung (S$ 439, 680 . . .) eines fremden
Gläubigers“ gelten läßt, bezeichnet Oertmann
(a. a. O. Note 3 zu 8 267 BGB. = 8 227
Entw. I), als causa den Schenkungsvertrag, wenn
jemand in Schenkungsabſicht eine fremde Schuld
bezahlt. Wie dem auch ſei, mag die Sicherſtellung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
oder Befriedigung eines fremden Gläubigers als
Rechtsgrund für eine Zahlung oder Pfandbeſtellung
gelten können oder nicht, jedenfalls liegt zum min⸗
deſten neben dieſem Rechtsgrund auch die causa
donationis jenen Rechtsgeſchäſten zugrunde, wenn
der Schuldner vereinbarungsgemäß unentgeltlich
bereichert wird, und dieſe causa macht die Rechts⸗
geſchäfte zu Schenkungen. Darum: liegt im Ver⸗
hältniſſe der Witwe R. zu St. eine unentgeltliche
Zuwendung vor, fo ift die Einwilligung der Ab:
kömmlinge erforderlich, nicht etwa nur zur Gültig⸗
keit der Vereinbarung, vermöge deren der Vorteil,
den St. durch die Verpfändung erlangt, als
Schenkung anzuſehen iſt, ſondern auch zur Ver⸗
pfändung ſelber. Fehlt die von 88 1446, 1487
geforderte Einwilligung, dann iſt nicht etwa nur
die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zu⸗
wendung rechtsunwirkſam, ſondern auch die Zu⸗
wendung ſelber, der dingliche Vertrag, in dem
ſich die Schenkung vollzieht; auch die Bank hat
dann infolge der Unwirkſamkeit dieſes Vertrages
kein Pfandrecht erworben, das in das Hypotheken⸗
buch eingetragen werden könnte.
Man wird alſo die Einwilligung der Abkömm⸗
linge gleichmäßig als notwendig erachten müſſen,
mag Witwe R. vor der Verpfändung dieſe
ſchenkungsweiſe verſprochen gehabt haben oder
mag ſich erſt in der Verpfändung eine Schenkung
gegenüber St. vollziehen — im erſteren Falle,
weil hier die Verpfändung eine Verfügung über
Geſamtgut iſt, durch die ein ſchenkungsweiſe ge⸗
gebenes Verſprechen erfüllt werden ſoll, im anderen
Falle, weil der 8 1446 nicht nur für die per:
ſönlichen Rechtsbeziehungen zwiſchen dem Schenker
und dem Beſchenkten Geltung hat, ſondern für
die „Schenkung“ d. i. nach der Legaldefinition
des § 516 die unentgeltliche bereichernde Zuwen⸗
dung, hier die Verpfändung.
Mitteilungen aus der Praxis.
Zufalls⸗ oder Geſchicklichkeitsſpiel ? Die Frage, ob
die ſog. Geldſpielautomaten Geſchicklichkeits⸗
oder Zufallsſpiele, alſo Glücksſpiele ſeien, beſchäftigt
gegenwärtig ſehr viel die deutſchen Gerichts- und
Polizeibehörden. Die Geldſpielautomaten ſind eine
Erwerbsquelle der Neuzeit, ſei es ſeitens der
Fabrikanten, ſei es ſeitens der Automatenbeſitzer,
unter denen in erſter Reihe die Gaſtwirte zu nennen
find. Eine energiſche Stellungnahme der Polizei-
behörden wurde aber eigentlich erſt durch das Ueber⸗
handnehmen ſolcher Gewinnſpiele herausgefordert.
So waren z. B. in Berlin in ganz kurzer Zeit etwa
60 „Automatenvariétés“ zu zählen, die fih mit ihrem
nur aus ſolchen Gewinnſpielen beſtehenden Inventar
in leerſtehenden, z. T. proviſoriſch gemieteten Kauf⸗
läden etablierten. Das Einſchreiten der Polizeibehörde
war um fo unnachlichtlicher, als ſich ein direkt ſchäd⸗
licher Einfluß dieſer Gewinnſpiele auf die Jugend
fühlbar machte, die ſich vielfach die Geldmittel hierfür
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
285
durch Diebſtahl verſchaffte. Ihr Bemühen entſprach Automatenbeſitzer die geſamten Einſätze der übrigen
aber zunächſt keineswegs dem erhofften Erfolge, denn
die Gerichte teilten grundſätzlich nicht die Anſicht der
Polizei, daß es ſich hier um verbotene Glücksſpiele
handle. Die Frage iſt zurzeit um ſo weniger gelöſt,
als ſich Widerſprüche in den Erkenntniſſen der Gerichte
verſchiedener Städte herausſtellten und die oberit:
richterliche Entſcheidung noch abzuwarten iſt.
Ehe ich auf die juriſtiſche Seite dieſer Frage ein⸗
gehe, muß ich zum beſſeren Verſtändnis der Sachlage
erſt die techniſche Seite berühren. Die Vorläufer
der heute ſo zahlreich öffentlich aufgeſtellten Geld—
ſpielautomaten ſind die Ring-, Platten⸗ und Tonnen⸗
ſvielautomaten, wie fte heute noch auf manchen Jahr-
märkten anzutreffen ſind. Man hat ſie ebenſowenig
wie die verſchiedenartigen Kegelſpiele als Glücksſpiele
angeſehen. Die hier ausſchlaggebenden Beziehungen
von Urſache und Wirkung der freien
berechneten Körperbewegung ſind nun bei
den modernen Geldſpielautomaten auf ein Minimum
reduziert, nämlich auf die ungleich ſchwerer ab:
z uſchätzen de Kraft eines automatiſch
wirkenden Fingerdruckes oder Finger⸗
ſchlages. Dieſes Prinzip liegt den am meiſten ver:
tretenen fog. „Hebelautomaten“ (auch „Knips⸗
automaten“ genannt) zugrunde, bei denen eine Kugel
oder Geldſtücke durch einen federnden Hebel in Gewinn⸗
oder Verluſtſpalten loder-Schächte) geſchleudert werden.
Ein zweites Syſtem ſtellen die ſog. „Fingerſchlag—
automaten“ dar, bei denen ein Ring oder ein
Geldſtück zum Teil aus einem Schlitz des Automaten
hervorſteht, um durch einen Fingerſchlag in gleicher
Weiſe in den Apparat geſchleudert zu werden.
Schließlich find noch die fog. „Schieß automaten“
zu erwähnen, bei denen die Schleuderkraft der
geſpannten Feder einer (beweglich angebrachten) Piſtole
oder eines Gewehres zur Beförderung des Geld—
ſtückes dient.
Das Prinzip des Hebelautomaten ermöglicht nicht
nur verſchiedene einzelne Abarten, ſondern auch eine als
„Geſellſchaftsſpiel“ konſtruierte Kombination von zehn
ſolchen Automaten, die im Dezember vorigen Jahres
in Berlin der Gegenſtand einer gerichtlichen Ver—
handlung war, die mit Freiſprechung der wegen Ver—
anſtaltung einer öffentlichen Lotterieausſpielung (§ 286
Abſ. 2 StGB.) angeklagten Automatenfabrikanten
endete. Zur näheren Erklärung des Syſtems der
Hebelautomaten im allgemeinen und des eigenartigen
„Geſellſchaftsſpiels“ im beſonderen, fei hier die Spiel-
art dieſes unter dem Namen „Union“ patentierten
(übrigens auch prämiierten) Spielautomaten beſchrieben.
Auf den Ruf des Spielleiters, der ſich in einem
von zehn Hebelautomaten gebildeten Kreis befindet,
wirft jeder der Mitſpielenden ein Zehnpfennigſtück in
eine Einwurfsöffnung. Hierauf wird eine bisher feſt—
gehaltene Elfenbeinkugel frei und fällt auf eine
Schleudervorrichtung, die wiederum von einem aus
dem Apparat herausragenden Hebel in Tätigkeit geſetzt
werden kann. Auf ein erneutes Zeichen des Spiel—
leiters wird dieſe Schleudervorrichtung nach unten
gedrückt und ſchnell losgelaſſen, ſo daß jede Kugel in
die Höhe fliegt und in ein hinter der Glasſcheibe an—
gebrachtes Fach fällt. Dieſe Fächer ſind mit Nummern
verſehen Derjenige Spieler, dem es gelingt, die
Kugel ſeines Apparates in ein Fach mit einer mög—
lichſt hohen Rummer zu ſchleudern, hat gewonnen und
erhält nach einem Abzuge von 20 Prozent für den
Mitſpieler.
Aus den Entſcheidungsgründen des freiſprechen⸗
den Urteils ſei folgende Stelle hervorgehoben:
„. . . Nach gutachtlicher Aeußerung der Sad-
verſtändigen hat es der Spieler in der Hand, durch
Abmeſſung des Druckes auf den Hebel die beſtimmten
phyſikaliſchen Geſetzen unterworfene Flugbahn der
Kugel zu beſtimmen und dadurch zu bewirken, daß die
abgeſchoſſene Kugel in ein Fach mit den höheren
Nummern fällt, wozu keine außerordentliche Geſchick—
lichkeit, ſondern nur einige Beobachtung und Uebung
gehört; dazu wird den Spielern aber Gelegenheit
gegeben durch die ſog. Freiſchüſſe. Es ſei mit dem
Billard- und Kegelſpiel zu vergleichen, bei dem auch
Aufmerkſamkeit und eine gewiſſe Veranlagung des
Spielers vorausgeſetzt fei. .. Das Gericht hat dem-
gemäß angenommen, daß Gewinn und Verluſt bei
den mit Hilfe dieſes Apparates veranſtalteten Spielen
nicht weſentlich durch Zufall bedingt ſind, ſondern in
der Hauptſache von der Geſchicklichkeit des Spielers
abhängen ...“
Die Polizei iſt aber nach wie vor der Anſicht,
daß dieſes Geſellſchaftsſpiel mehr ein Zufallsſpiel ſei,
da es beim gleichzeitigen Losſchnellen der zehn Kugeln
unmöglich ſei, die Flugbahn einer einzelnen Kugel zu
berechnen. Es wurden daher in Berlin vor kurzem
eine große Anzahl ſolcher Automaten beſchlagnahmt,
bei denen von einer Berechnung der Flugbahn nicht
die Rede ſein kann.
Das Reichsgericht, das ſich neuerdings wieder
mit der ſtrittigen Frage wird zu beſchäftigen haben,
ſcheint nicht auf dem Standpunkt des oben erwähnten
Strafkammerurteils zu ſtehen; denn in ſeinem Urteil
vom 19. März 1894 (RG St. 25, 192 ff.) hat es
entſchieden, daß ein Spiel, welches in abstracto
ſich als ein Geſchicklichkeitsſpiel darſtellt, in concreto
als ein Zufallsſpiel in Betracht gezogen werden kann.
In den Entſcheidungsgründen dieſes Urteils, dem ein
„Ringwurfſpiel“ als Gegenſtand der Verhandlung
zugrunde lag, iſt ausgeführt, daß im weſentlichen hier
der Zufall über Gewinn und Verluſt entſcheide.
Anderſeits habe zu einem erfolgreichen Ringwurf eine
ſo außergewöhnliche Geſchicklichkeit gehört, wie es bei
dem ſpielenden Publikum regelmäßig nicht vorhanden
ſei. Unter dieſen Umſtänden komme es lediglich auf
den allgemeinen Charakter des Spieles an, den es
unter den gegebenen Verhältniſſen beſitze, unter welchen
es geſpielt werde. Es könne deshalb das Spiel für
das Publikum, welchem es eröffnet worden iſt, ein
Zufallsſpiel ſein, wenn es auch für ausſchließlich
Sachkundige dieſen Charakter nicht an ſich trage.
Schließlich ſei noch auf eine Enſcheidung des
Reichsgerichts aus der letzten Zeit hingewieſen
(Urteil vom 7. Dezember 1906, RGSt. 40, 21 ff.),
in der die begrifflichen Merkmale des Geſchicklichkeits—
und Glücksſpieles klargelegt werden; hier wird auch
betont, daß ſelbſt die reinen Geſchicklichkeitsſpiele, wie
Kegeln, Billard und Schach als „Spiele“ unter die
Beſtimmung des 8 762 BGB. fallen, wonach die
Klagbarkeit auch ſolcher Spiele nach geltendem Recht
ausgeſchloſſen ſei.
In dem Reichsgerichtsurteil vom 30. Oktober 1905
(RGE. 38, 205) ift ein weiterer Geldſpielapparat
(Drehrad) beſchrieben, der auch als Glücksſpiel be—
trachtet wurde.
286 | Zeitſchrift
Sollten aber ſchließlich für die Freigabe der
modernen Geldſpielautomaten ähnliche Erwägungen
ins Gewicht fallen, wie für die im $ 22 des Urheber:
rechtsgeſetzes vom 19. Juni 1901 ſtatuierte Ausnahme⸗
ſtellung der Muſikautomaten, die mit Rückſicht auf
die deutſche Induſtrie, welche die Freigabe der Ueber⸗
tragung von Tonwerken auf mechaniſche Muſik⸗
inſtrumente dringend erfordere, wenn ſie nicht im
Kampfe mit der ausländiſchen Konkurrenz unterliegen
foll, ſeinerzeit in den Kommiſſions⸗ und Reichstags,
beratungen allgemein gebilligt und gefordert wurde?
Dr. jur. Schneickert,
Kriminalkommiſſar in Berlin.
Das Eigentum an öffentlichen Gewäſſern. In Nr. 1 ff.
des Jahrg. 1908 dieſer Zeitſchrift findet ſich eine
Abhandlung über die privatrechtlichen Grundlagen
des bayeriſchen Waſſerrechtes von Landgerichtsrat
Dittmann. Darin wird auch zu der Frage nach der
rechtlichen Natur des Eigentums an öffentlichen
Flüſſen Stellung genommen und zwar gelangt der
Verfaſſer zu dem Ergebniſſe, daß dieſes Eigentum ein
von dem privatrechtlichen Eigentum verſchiedenes ſei,
indem es ſich nicht auf die einzelne Waſſerwelle,
ſondern nur auf den Waſſerlauf als Ganzes erſtrecke.
Begründet iſt dieſe Meinung damit, daß bei anderer
Konſtruktion ein Diebſtahl an dem Waſſer der öffent-
lichen Flüſſe möglich ſei. Auch der neue Kommentar
zum bayer. Waſſergeſetze von Harſter⸗Caſſimir ſtellt
ſich auf den Standpunkt dieſes Artikels, ohne jedoch
die Begründung anzunehmen. Er hält den Grund,
daß die Auffaſſung des Eigentums am Waſſer als
gewöhnliches Eigentum zu einer Beſtrafung der
rechtswidrigen Aneignung des Waſſers als Diebſtahl
führen müſſe, für nicht ſtichhaltig, ſtützt ſich vielmehr
darauf, daß gerade das Gemeingebrauchsrecht am
Waſſer dafür ſpreche, daß das Recht des Gewäſſer—
eigentümers kein Eigentumsrecht an der einzelnen
Waſſerwelle in ſich ſchließe.
Ich halte die viel erörterte Frage noch nicht für
geklärt und es iſt wohl nicht überflüſſig, ſie noch
näher zu unterſuchen.
Die Schwierigkeiten liegen darin, daß das Waſſer
eine Sache ganz beſonderer Art ift. Man hat be-
hauptet, wegen der Natur des Waſſers als flüchtiger
Erſcheinung, die niemals am gleichen Orte bleibe,
ſei ein Eigentum an der einzelnen Welle, d. h. an
dem einzelnen Waſſerteilchen nicht möglich. Daraufhin
führt man die Behandlung des Waſſers als res
omnium communis im römiſchen Rechte zurück.
Vollſtändig zutreffend macht Harſter-Caſſimir S. 16
darauf aufmerkſam, daß auch bei Tier und Pflanze
alle im Stoffwechſelkreislaufe begriffenen Beſtandteile
des Organismus vom Eigentum erfaßt werden und
man kann hinzufügen, daß überhaupt die Bewegung
einer Sache, fei fie eine natürliche oder durch menſch—
liche Kraft, das Eigentum an der Sache nicht aus—
ſchließt; auch wenn die Beweglichkeit der Sache eine
ſolche iſt, daß in jedem Augenblicke die tatſächliche
Herrſchaft des derzeitigen Eigentümers verloren
gehen kann, iſt dennoch die Möglichkeit eines Eigen⸗
tums nicht zu leugnen. Denn das Eigentum iſt ein
von der Rechtsordnung dem einzelnen Rechtsſubjekte
verliehenes Recht an der Sache und es iſt nicht eine
zuſehen, warum die Rechtsordnung nicht auch ein
Eigentum an einer derarligen Sache ſollte geben
f
|
|
Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 114. in Bayern. 1908. Nr. 14.
können. Freilich wird ſie Konzeſſionen an die prak⸗
tiſchen Verhältniſſe machen müſſen und ſo iſt es die
unausbleibliche Folge, daß ſie das Eigentum nicht
mehr anerkennt, ſobald die tatſächliche Herrſchaft end-
gültig verloren gegangen iſt.
So würde z. B. wohl niemand die Macht des
Geſetzgebers beſtreiten, heute das Jagdrecht aufzu⸗
heben und dem Eigentümer eines Grundſtücks auch
das Eigentum an dem darauf befindlichen Wilde zu⸗
zuerkennen. Iſt es ja ähnlich mit zahmen Tieren,
die ebenfalls beweglich ſind und trotzdem im Eigen⸗
tume ſtehen; bei ihnen geht das Eigentum verloren,
wenn fie die consuetudo revertendi ablegen. Hier
liegt eben ein geſetzlicher Eigentumsverluſt vor. Auch
der Umſtand, daß die einzelnen Waſſerteilchen nicht
faßbar ſind, macht ein Eigentumsrecht an ihnen nicht
unmöglich. Denn mit der Mehrbeit iſt eben auch
das einzelne Atom beherrſchbar. Gerade ſo iſt es
ja auch mit den übrigen Körpern. Selbſt die
atmoſphäriſche Luft entzieht ſich nicht der Herrſchaft
der Menſchen. Dennoch bilden Waſſer, Luft und
Erde inſoferne eigentümliche Sachen, als ſie wohl in
ihren Teilen, niemals aber in ihrer Geſamtheit
beherrſcht werden können. Deshalb bilden auch
nur ihre Teile jeweils das konkrete Herrſchaftsobjekt.
Wenn aber ſo die Möglichkeit tatſächlicher Be⸗
herrſchung beſchränkt iſt, ſo iſt dennoch ein Recht
der Beherrſchung wiederum nicht unmöglich und ſei
es auch nur ein nudum ius. Denn die Rechtsordnung
beherrſcht alle Dinge; die tatſächliche Herrſchaft der
Menſchen findet aber ihre Grenzen in der Natur.
Wenn nun die Geſetzgebung moderner Staaten
ein Eigentumsrecht an Gewäſſern geſchaffen hat, ſo
beſteht dieſes Eigentum ohne Rückſicht auf die
tatſächliche Beherrſchbarkeit des Ge—
wäſſers oder des Waſſers.
Aber — auch das Waſſer iſt ja, wenigſtens in
beſchränktem Maße, beherrſchbar, und zwar ſind es
gerade kleine Teile des Gewäſſers, die ſich am leich⸗
teſten beherrſchen laſſen. Es iſt aber offenbar ein
ganz anderer Geſichtspunkt, welcher zu der eigen=
artigen Behandlung des Waſſers geführt hat, welcher
auch ſchon bei den Römern, wenn auch vielleicht un-
bewußt, maßgebend geweſen ſein muß: Das iſt die
über die Intereſſen des Einzelnen hinausgehende Be⸗
deutung des Waſſers. Dieſe führt notwendig zu einer
kommuniſtiſchen Auffaſſung des Rechtes am Waſſer;
die Anerkennung eines ausſchließlichen Privateigentums
an den großen Waſſerläufen würde zu einem ganz
unmöglichen Zuſtande führen, der das Wirtſchafts—
leben, überhaupt das ganze Leben der Nation auf das
allerſchwerſte treffen müßte. Daher inſtinktiv die Be⸗
handlung des Waſſers im römiſchen Rechte als res
omnium communis, als Gemeingut.
Und wenn moderne Staaten dieſen Standpunkt
verlaſſen zu haben ſcheinen, indem ſie ein Staats⸗
eigentum an Gewäſſern anerkannt haben, ſo hat auch
dies nur den Sinn, daß ſie das Waſſer im Intereſſe
der Geſamtheit unter ihren beſonderen Schutz ſtellen.
Das ſtaatliche Eigentum am Waſſer beſteht nicht im
fiskaliſchen Intereſſe der juriſtiſchen Perſönlichkeit,
genannt Staat, ſondern im Intereſſe des Staates
als der Geſamtheit aller. Hier zeigt ſich die
moderne Auffaſſung vom Staate. Die öffentlichen
Gewäſſer find nicht Finanzvermögen des Staates,
beſtimmt, eine Rente abzuwerfen, ſondern ein im
Intereſſe der Geſamtheit von dem Staate verwaltetes
Gut. Dies iſt der wahre Grund der eigenartigen
Geſtaltung des Eigentums an den Gewäſſern. Denn,
wenn die Gewäſſer für die Geſamtheit nutzbar ge—
macht werden ſollen, ſo müſſen ſie dem Einzelnen in
einem gewiſſen Grade zugänglich ſein. Dies führt
zur Anerkennung des Gemeingebrauchsrechtes an den
Gewäſſern.
Dieſes Gemeingebrauchsrecht — es äußert ſich in
verſchiedener Weiſe — iſt eine Beſchränkung des Staats—
eigentums, eine öffentlich-rechtliche Dienſtbarkeit. Was
unter dieſes Gemeingebrauchsrecht fällt, beſtimmt der
Geſetzgeber nach den konkreten Bedürfniſſen. Der
Staat hat ſonach dieſes Eigentum, das er für ſich in
Anſpruch genommen hat, im Intereſſe der Geſamt—
heit, die er zu ſchützen und zu vertreten hat, beſchränkt.
Das Eigentum des Staates iſt aber ein volles,
wie jedes privatrechtliche Eigentum, und empfängt
ſeine beſondere Natur nur durch ſeine beſondere Be—
deutung: es iſt ſowohl privatrechtliches als öffentlich—
rechtliches, auch völkerrechtliches Eigentum. Die
Satzung aber, die dieſes Eigentum für den Staat in
Anſpruch nimmt, iſt öffentliches Verwaltungsrecht.
Als volles Eigentum erſtreckt ſich das Staats—
eigentum am Waſſer ſowohl über den Waſſerlauf als
Ganzes als über die einzelnen Teile. Ein Eigentum
über das Ganze, das ſich nicht auf die Teile erſtreckt,
ijt logiſch unmöglich. In der Logik findet ſelbſt
die Allgewalt des Staates ihre Grenzen.
Harſter-Caſſimir bemerkt, daß ein Diebſtahl am
Waſſer durch die Gemeingebrauchsrechte ausgeſchloſſen
wird. Aber auch, wo das Gemeingebrauchsrecht über—
ſchritten wird, dürfte wegen der allgemeinen Widmung
des Waſſers an die Geſamtheit nicht Diebſtahl, ſondern
nur eine Ueberſchreitung des Gemeingebrauchsrechtes
oder eine Anmaßung eines Gebrauchsrechtes vorliegen.
Denn das Eigentum des Staates an den einzelnen
Teilen des Gewäſſers iſt nicht als Beſtandteil des
Staatsvermögens im finanziellen Sinne geſchützt,
ſondern wegen des Intereſſes der Geſamtheit an dem
Gewäſſer. So fehlt es bei dem gedachten Tatbeſtande
an dem Weſen des Diebſtahlsdeliktes als Eingriff in
das Vermögen, wenn auch rein äußerlich die Tat—
beſtandsmerkmale des Diebſtahls gegeben ſind.
Freilich iſt die Form dieſes Staatseigentums
keine andere als die des Eigentums am Finanz—
vermögen. So ſagt Harſter-Caſſimir: Das geltende
Waſſerrecht ſteht auf dem Boden des Waſſerregals
oder des fiskaliſchen Eigentums am Waſſer. Dies
kann jedoch m. E. nur ſo aufgefaßt werden, daß der
Form nach das Staatseigentum am Waſſer ebenſo
volles Eigentum iſt wie das Eigentum des Staates
an ſeinem Finanzvermögen. Ein „hiſtoriſch gewordener
Anſpruch der Volksgenoſſen auf die Waſſerbenützung“
beſteht nicht, ebenſowenig wie Grundrechte des Menſchen
als ſubjektive Rechte beſtehen: einen Anſpruch auf die
Waſſerbenützung gibt es nur, ſoweit das Recht ihn
anerkennt.
Wenn der Staat als Eigentümer die finanzielle
Nutzbarmachung der Waſſerläufe zunächſt ſich ſelbſt
vorbehält, d. h. anderen nur unter der Bedingung
geſtattet, daß er es genehmigt, ſo iſt das mit der
Natur ſeines Eigentums als Verwaltungseigentum
wohl vereinbar. Denn der Staat als Rechtsſubjekt
ſteht als ſolches den übrigen Rechtsſubjekten voll—
ſtändig gleich, und da er doch Eigentümer iſt, ſo iſt
es natürlich, daß er zunächſt auch den finanziellen
Nutzen der Sache ziehen kann. Aber einſeitige fis—
287
kaliſche Ausnutzung der Gewäſſer verbietet ſich durch
die Natur des Verwaltungseigentums, wenn auch der
Staat rechtlich nicht beſchränkt iſt. Dieſer Auffaſſung
des Staatseigentums an den Gewäſſern iſt auch die
Faſſung des Art. 2 des neuen Waſſergeſetzes gegen—
über Art. 1 des WBG. von 1852 nicht entgegen.
Art. 1 WBG. beſtimmte nämlich: „Die öffent-
lichen Gewäſſer bilden ein zur allgemeinen Benützung
beſtimmtes Staatsgut“. — Damit war die beſondere
Natur des ſtaatlichen Eigentums anerkannt.
Jetzt beſtimmt Art. 2 WG.: Die öffentlichen Ge—
wäſſer ſtehen im Eigentume des Staates.
Die Bedeutung dieſer Aenderung liegt nun
darin, daß, da dieſes Eigentum nur den durch das
Waſſergeſetz feſtgeſetzten Beſchränkungen unterliegt,
ein unbeſtimmtes Recht zur allgemeinen Benützung
der Gewäſſer nicht mehr beſteht, ſondern daß die
Rechte der Allgemeinbeit gegenüber dem Staats—
eigentum genau abgegrenzt ſind.
Und der Zweck dieſer Geſetzesänderung? Ge—
wiſſen Folgerungen, welche dem ſtaatlichen Eigentum
unbequeme Schranken auferlegten, die Grundlage zu
entziehen und dadurch der Staatsregierung in der
möglichſt rationellen Ausnutzung der ſtaatlichen
Waſſerkräfte im allgemeinen Intereſſe einen
größeren Spielraum zu laſſen. (Begr. S. 547, J).
Etwas anderes folgt aber noch aus dem Dar—
gelegten: Das Waſſerrecht iſt ſeinem Inhalte nach
ein Teil des Sachenrechtes: es handelt von Eigen—
tum und Eigentumsbeſchränkungen, die ihrer Natur
nach nichts anderes ſind als das Eigentum und die
Eigentumsbeſchränkungen des bürgerlichen Rechtes.
Es iſt aber auch Beſtandteil des öffentlichen Ver—
waltungsrechtes: denn die Statuierung des Staats—
eigentums beruht auf Grundſätzen der Verwaltung,
desgleichen die Beſchränkungen dieſes Eigentums.
Rechtspraktikant Tuma in Paſſau.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Zum Begriffe der „Abnahme“ beim Werkvertrage.
Abnahme von Teilen des Werks. (S 641 BGB.). Der
eingeflagte Wechſel iſt der Klägerin gegeben worden
zur Deckung für ihre Forderung gegen die Beklagten
aus einem auf die Herſtellung eines Saalanbaues an
deren Gaſthof gerichteten Vertrage. Die Klägerin hat
die übernommenen Arbeiten größtenteils ausgeführt.
Bevor aber alle Arbeiten vollendet und eine ausdrück—
liche Abnahme erfolgt war, brannte der Gaſthof mit
dem Saalanbau gänzlich nieder. Ein vertretbares
Verſchulden iſt auf keiner Seite feſtgeſtellt. Die Be—
klagten ſind der Anſicht, daß nach Maßgabe des Ver—
trages ein Werkvertrag gegeben ſei, wodurch die
Klägerin die Herſtellung des Saalanbaues als ein—
heitliches Ganzes übernommen habe. Sie behaupten
daher unter Berufung auf $ 644 Abſ. 1 BGB. von
der Verpflichtung zur Leiſtung der Vergütung frei ge—
worden zu ſein und deshalb auch, da ſie unter dieſen
Umſtänden die zur Deckung gegebenen Wechſel zurück—
zuverlangen befugt ſeien, die Haftung aus dem Klage—
wechſel ablehnen zu können. In 1. und 2. Inſtanz
288
ift die Klage abgewieſen worden. Die Reviſion hatte
Erfolg.
f Aus den Gründen: Irrtümlich ſind, wie der
Reviſion zugegeben werden muß, die Ausführungen
des Berufungsgerichts darüber, daß keine Teilabnahme
ſtattgefunden habe. Die Reviſion macht geltend, es
ſei eine ſtillſchweigende Abnahme der einzelnen Teil—
arbeiten dadurch erfolgt, daß die Beſteller daran die
von den anderen Unternehmern zu beſorgenden Arbeiten
hätten vornehmen laſſen, namentlich durch Ausfüllung
mit dem Mauerwerk und durch Anſtrich der von der
Klägerin hergeſtellten Holzkonſtruktion. Das OLG.
hat dieſe Auffaſſung mit der Begründung abgelehnt,
daß in dem Verhalten der Beklagten nur ihre ver—
tragsmäßige Mitwirkung zur Vollendung des Baues
liege. Nun mag man zugeben, daß die nicht von der
Klägerin übernommenen, ſondern an andere Unter—
nehmer vergebenen Arbeiten unter dem Geſichtspunkte
des § 642 BGB. als Handlungen des Beſtellers be-
trachtet werden können, welche bei der Herſtellung des
der Klägerin obliegenden Werkes erforderlich waren.
Dadurch aber, daß der Beſteller ſolche Handlungen auf
Grund des Vertrages, oder wenigſtens im Zuſammen—
hange mit dieſem, vornimmt, wird nicht ausgeſchloſſen,
daß ſie, ſofern ſie ihrem Inhalte nach dazu geeignet
ſind, auch für die Frage nach der Abnahme des Werkes
Bedeutung haben können. Inhaltlich aber muß in
der Benutzung der von der Klägerin hergeſtellten und
in den Bau eingefügten Konſtruktionsteile zur An—
bringung der weiteren für den Ausbau erforderlichen
Arbeiten anderer Unternehmer eine Verfügung über
das bisher Geleiſtete erblickt werden, die nach Treu
und Glauben nicht anders als eine auf dieſen Teil des
Werkes gerichtete Abnahmeerklärung ausgelegt werden
kann. Wenn die Beſteller es angeordnet haben, daß
der von der Klägerin ausgeführte Fachwerkbau mit
Mauerwerk ausgefüllt und die Holzfonjtruftion mit
Anſtrich verſehen werde, ſo haben ſie dadurch genehmigt,
daß dieſe Leiſtungen der Klägerin zu den Zwecken
des Geſamtbaues verwendet würden und damit würde es
in Widerſpruch ſtehen, wenn ſie trotzdem deren Ab—
nahme verweigern wollten. Daß fie damit auch ſchon
auf die Geltendmachung der Mängel dieſer Leiſtungen
verzichtet hätten, darf freilich ohne weiteres nicht an—
genommen werden. Aber der Verzicht auf die Mängel—
rüge gehört überhaupt nicht zum Begriffe der Abnahme.
Nach der feſtſtehenden Rechtſprechung des Reichsgerichts,
die auch in der Literatur überwiegende Zuſtimmung
gefunden hat, iſt die Abnahme nicht Billigung des
Werkes, ſondern nur deſſen Annahme als Erfüllung,
nämlich die zur Hinnahme des Werks hinzutretende
Erklärung, daß man das Werk als der Hauptſache
nach dem Vertrag entſprechend annehme. Nicht er—
klärbar wäre das Verhalteu der beklagten Beſteller,
wenn ſie die Leiſtungen der Klägerin nicht wenigſtens
in dieſem Sinne annehmen wollten. Die Abnahme—
erklärung kann aber nicht nur ausdrücklich abgegeben
werden, ſondern kann auch aus dem Inhalte der Hand-
lung zu entnehmen ſein. Daß weiter die Abnahme
nicht auf das vollendete Werk beſchränkt iſt, vielmehr
auch mit Bezug auf Teile des Werkes geſchehen kann,
zeigt § 641 Abſ. 1 Satz 2 des BGB. und es unterliegt
keinem Bedenken, daß dieſe Teilabnahme, ſelbſt wenn
ſie im Vertrage nicht ausbedungen iſt, freiwillig er—
folgen kann. Geht man daher von dem unterſtellten
Verhalten der Beklagten aus, ſo liegt eine ſtill—
ſchweigende erklärte Abnahme derjenigen Leiſtungen
der Klägerin vor, welche durch die angeordnete Arbeit
der anderen Unternehmer für das Ganze des Saal—
anbaues benutzt und verwendet worden ſind. In wie
weit eine ſolche Abnahme beſtimmter Teile ſich dann
auch auf andere damit in natürlichem Zuſammenhange
ſtehende Werkteile erſtreckt, iſt im weſentlichen Tat—
frage. (Urt. des J. 35. vom 15. April 1908, I 305/07).
1301 — — = n.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
II.
Zur Geltendmachung der Rehte des Wechſelinhabers
iſt auch derjenige befugt, deffen — undurchſtrichenes —
Blankoindoſſament dem feine Legitimation begründen:
den Indoſſamente nachfolgt. Der Kläger klagt im
Wechſelprozeſſe aus einem an eigene Ordre von A
auf B gezogenen, von B akzeptierten und nachein⸗
ander in blanco von A, C, dem Beklagten, dem
Kläger, ferner von D und wiederum vom Kläger
girierten Wechſel. Im Auftrage des Klägers wurde
am Verfalltage mangels Zahlung Proteſt erhoben.
Der Kläger begehrte Verurteilung des Beklagten als
Indoſſanten zur Zahlung der Wechſelſumme ſamt
Zinſen, der Koſten und einer Proviſion nebſt 6 %
Prozeßzinſen aus dieſen Beträgen. Der Beklagte wurde
vom Landgerichte unter Vorbehalt der Ausführung
ſeiner Rechte koſtenpflichtig nach der Klagbitte ver—
urteilt. Berufung und Reviſion wurden zurückgewieſen.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
Es kommt darauf an, ob die Legitimation des Klägers
zur Proteſterhebung nicht um deswillen zu verneinen
iſt, weil damals (wie noch jetzt) an letzter Stelle ſein
Blankoindoſſament auf dem Wechſel ſtand. Allerdings
ift vom Reichsgerichte (vgl. RGZ. 1 S. 34 Note 1) im
Anſchluſſe an die Rechtſprechung des ROH. wieder:
holt ausgeſprochen worden, daß ein Indoſſatar, wenn:
gleich Beſitzer des Wechſels, dann nicht zur Proteſt—
erhebung legitimiert ſei, wenn ſich aus der Wechſel—
urkunde zur Zeit des Proteſtes ergibt, daß durch ſein
weiteres Indoſſament nach ihm ein Dritter Eigen—
tümer des Wechſels geworden war, und dieſe Legi—
timation des Dritten nach der Urkunde auf Grund
des undurchſtrichenen Indoſſamentes noch beſteht. Der
Beſitzer kann dann ſeine eigene Legitimation aus der
Urkunde nur dadurch herſtellen, daß er vor der Proteſt—
erhebung fein Indoſſament durchſtreicht (RG. 1 S. 32;
27 S. 41; 32 S. 77). In allen dieſen Fällen wurde
aber durch das Indoſſament des Beſitzers ein be—
ſtimmter Dritter als Eigentümer des Wechſels legi—
timiert. Anders liegt die Sache hier, wo nur ein
Blankoindoſſament des Klägers auf das ſeine Legi—
timation begründende Indoſſament folgt. Durch ein
Blankoindoſſament wird jeder beliebige Beſitzer des
Wechſels legitimiert. Es liegt kein rechtlicher Grund
vor, denjenigen, von dem das Blankoindoſſament
ausgeht, von dieſer Legitimation auszuſchließen. So
iſt dieſe Frage bereits wiederholt vom Senate ent—
ſchieden worden. (Bolze Bd. 3 Nr. 542, Urteile vom
11. Januar 1904 und 14. September 1906. Vgl. Reh⸗
bein Art. 9 Note 6; Staub-Stranz Art. 13 Anm. 2,
Art. 36 Anm. 13 Abſ. 2; Bernſtein Art. 12 § 3 S. 95).
(Urteil des I. ZS. Nr. 71/08 vom 2. Mai 1908).
1308 . r.
III.
Wie ift der Urteilsſatz im Falle des 3 906 BGB.
zu faſſen? Die Beklagte unterhält auf ihrem Grundz
ſtücke eine Dampfkeſſel- und Feuerungsanlage. Die
Kläger ſind Eigentümer von benachbarten Grundſtücken
und ſie behaupten, durch den Betrieb der Beklagten
in übermäßiger Weiſe durch Ruß, Kohlenſtaub und
Holzreſte beläſtigt zu werden. Mit der Klage war
beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Vorkehrungen
zu treffen, die den Auswurf jener Stoffe aus dem
Schornſteine verhindern. Das LG. gab dieſem An-
trage inſoweit ſtatt, als die Zuführungen das orts—
übliche Maß überſteigen. Das OLG. erkannte ab-
ändernd dahin, daß die Beklagte bei Vermeidung
richterlicher Strafe die Zuführung von Ruß u. dgl.
aus dem Fabrikſchornſteine zu unterlaſſen habe, ſoweit
nicht der § 906 BGB. ſolche Zuführung geſtatte. Die
Reviſion der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Das OLG. hat die Bes
klagte verurteilt, die ſchädlichen Zuführungen zu unter—
laſſen, „ſoweit nicht der § 906 BGB. ſolche geſtatte“.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
Sachgemäßer wäre es geweſen, den Umfang des Unter⸗
ſagungsrechts im Anſchluß an den Wortlaut der
geſetzlichen Vorſchrift in der Urteilsformel ſelbſt zu
beſtimmen; der Mangel iſt indeſſen ohne ſachliche Be⸗
deutung, und es genügt, auf ihn zu weiſen; Unklar⸗
heit über den Inhalt des Urteilsausſpruchs beſteht
nicht. Das Urteil entbehrt auch ſonſt nicht der er-
forderlichen Beſtimmtheit. Die zukünftigen Einwir⸗
kungen laſſen ſich nach Art und Umfang nicht im vor:
aus überſehen und es muß deshalb der Beurteilung
in der Zwangsvollſtreckung vorbehalten bleiben, ob
die Einwirkungen das nach $ 906 BGB. zuläſſige Maß
überſchreiten und deshalb nicht geduldet zu werden
brauchen. Die Reviſion hebt auch ſelbſt zutreffend her⸗
vor, daß für die Fälle der SS 906 und 1004 BGB.
die Rechtſprechung beſtimmte „konkrete“ Anträge nicht
erfordert. Hieran iſt feſtzuhalten. (Urt. d. V. 38.
v. 9. Mai 1908, V 377/07).
1319
— — —ı.
IV
Gigentumsübergang beim Verſendungskanf. Zurück ⸗
behaltungsrecht an der vom Käufer zurückgewieſenen
Ware. Bedeutung des Frachtbriefduplikats. Erwerbung
eines Pfandrechts an verſendeter Ware. Am 21. Februar
1901 ſchloß die Klägerin mit Franz B. zu M. einen
Kaufvertrag über Lieferung von Leinmehl. Die Zahlung
hatte durch Akzept einer Einmonatstratte gegen Dupli—
katfrachtbrief zu erfolgen. Auf Grund dieſes Vertrages
ſandte die Klägerin am 15. Mai 1901 im Auftrage von
B. 20000 kg Leinmehl ab und bezeichnete auftrags—
gemäß im Frachtbrief als Abſender „Franz B.“ und
als Empfänger „Max J., Fr.⸗Oſtbahnhof.“ Rechnung
über 2660 M nebſt Duplikatfrachtbrief und Tratte
zum Akzept ſchickte die Klägerin an B. Am 18. Mai
1901 kam die Ware in Fr. an. Am gleichen Tage
erſuchte der von dem Adreſſaten J. zum Empfang er—
mächtigte Spediteur P. zu Fr. die Güterabfertigung
daſelbſt, die 2 Waggons Leinmehl an feine Halle ftellen
und ihm Avis zukommen zu laſſen, indem er bemerkte,
er werde den Duplikatfrachtbrief vorlegen. Am 20. Mai
1901 wurde dann die Ware an P. gegen Einlöſung
des Frachtbriefes ausgehändigt, ohne daß P. den
Duplikatfrachtbrief beibrachte und ohne daß J. eine
Weiſung erteilt hatte, die Auslieferung an P. vorzu—
nehmen. Nach erfolgter Auslieferung traf noch am
20. Mai 1901 bei der Güterabfertigungsſtelle eine
Depeſche des B. ein, die lautete: „Die 2 Wagen Lein—
mehl unter keinen Umſtänden an J. abliefern. B.“ Hier—
von erhielt P. ſofort Kenntnis und fragte infolgedeſſen
gleichfalls noch am 20. Mai bei B. an, wie er ſich ver—
halten ſolle. Dabei überſandte er an B. den einge—
löſten Frachtbrief und verlangte von B. die Erſtattung
der ausgelegten Fracht. In einem Briefe an die
Klägerin vom 24. Mai 1901 verweigerte B. die Empfang»
nahme der Tratte unter Hinweis auf ſeine bevorſtehende
Zahlungseinſtellung ſowie unter Rückſendung der Rech—
nung, des Duplikatfrachtbriefs und der nicht akzeptierten
Tratte. Am 25. Mai 1901 wurde der Konkurs über
das Vermögen des B. eröffnet. Die Klägerin, die mit
Brief an B. vom 30. Mai 1901 den Kaufvertrag für
aufgehoben erklärte und Schadenserſatz beanſpruchte,
nahm P. gegenüber das Eigentum an der Ware für
ſich in Anſpruch. Sie wurde jedoch von dieſem, der
ſich nur nach den Intentionen ſeines Auftraggebers
richtete, auf den Weg der Klage verwieſen. Die Kon—
kursmaſſe ſowohl als auch der Beklagte J. haben die
beiden Waggons Leinmehl für ſich beanſprucht und
der Klägerin, die das Eigentum daran für ſich in An—
ſpruch nahm, die Herausgabe verweigert.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
1. Der Reviſionskläger (d. i. der Beklagte J.) rügt,
zu Unrecht verneine das OL G., daß B. das Eigentum
an den ihm von der Klägerin verkauften und über—
ſandten Waren erworben habe, obwohl es davon aus—
8
gehe, daß P. die Waren am 20. Mai 1901 für B. als
Abſender in deſſen Vertretung in Empfang genommen
und daher deren Beſitz erworben habe. Dieſer Angriff
ift nicht gerechtfertigt. Durch die Annahme des von dem
Verkäufer einſeitig ausgeſchiedenen dem Käufer in Er⸗
füllung eines Kaufvertrages überſandten Kaufgegen—
ſtandes allein wird der Uebergang des Eigentums
auf den Käufer nicht bewirkt; vielmehr muß der Wille
des Käufers, das Eigentum an der ihm überſandten
Ware erwerben zu wollen, ausdrücklich oder durch
ſchlüſſige Handlungen erklärt werden. Denn zur Ueber-
tragung des Eigentums an einer beweglichen Sache
ift nach 8 929 BGB. erforderlich, daß der Eigen⸗
tümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide
Teile darüber einig ſind, daß das Eigentum übergehen
ſoll. Bei einem Gattungskaufe wird nun aus der
Ueberſendung der Ware regelmäßig und abgeſehen
von beſonderen Umſtänden auf den Willen des Ver⸗
käufers, das Eigentum an der überſandten Ware auf
den Käufer zu übertragen, geſchloſſen werden müſſen;
allein es kann in der bloßen Annahme der überſandten
Ware durch den Käufer noch nicht der Ausdruck des
Willens, das Eigentum an der Ware zu erwerben,
gefunden werden. Es entſpricht vielmehr der Ber-
kehrsſitte, daß der Käufer eine vom Verkäufer einſeitig
ausgeſchiedene und ihm überſandte Gattungsſache nicht
unbeſehen erwerben will, ſondern nur unter Vorbehalt
näherer Prüfung annimmt und von dem Ausfalle der
Prüfung ſeine Entſchließung abhängig macht, ob er
das Eigentum daran erwerben will. Hiernach iſt die
bloße Annahme der Ware durch den Spediteur P.
für den Eigentumserwerb an der Ware nicht von
entſcheidender Bedeutung. B. ſelbſt aber hat den
Eigentumserwerb, wie das OLG. mit Recht angenommen
hat, in dem Schreiben an die Klägerin vom 24. Mai 1901
beſtimmt abgelehnt. Daher iſt die Klägerin Eigentümerin
der Ware geblieben und es bleibt kein Raum für ſolche
Rechte des Reviſionsklägers, welche das Eigentum
des B. an der Ware zur Vorausſetzung haben, wie
das Zurückbehaltungsrecht aus S 369 BGB., da dieſes
nur an beweglichen Sachen und Wertpapieren des
Schuldners, alſo nur an dieſem gehörigen Sachen
und Wertpapieren ſtattfindet.
2. Dagegen gibt das Berufungsurteil zu rechtlichen
Bedenken Anlaß, inſoweit auch ein Pfandrecht des
Beklagten an der Ware verneint iſt. In dieſer Be—
ziehung hat der Beklagte in der Berufungsinſtanz
geltend gemacht, B. habe ihm laut ſchriftlicher und
mündlicher Vereinbarung als Sicherheit für ſeine
Forderungen gegen Wechſelunterlagen vom 6. und
10. Mai 1901 in Höhe von 2000 M und 1400 M das
Leinmehl verpfändet. Die Feſtſtellung, daß Beklagter
nicht den Beſitz der Ware erlangt habe, beruht auf
unzureichender Würdigung des Prozeßſtoffes. Bedenken—
frei hat das OLG. feſtgeſtellt, P. habe die Ware vor
Eintreffen der Depeſche des B. ausgeliefert erhalten.
Dagegen iſt bei der Feſtſtellung, daß P. die Ware
nicht als Vertreter des Empfängers J., ſondern als
Vertreter des Abſenders B. in Verwahrung genommen
habe, zunächſt der erhebliche Umſtand nicht berückſichtigt,
daß in dem Tatbeſtande des landgerichtlichen Urteils
als unſtreitige Tatſache angeführt iſt, die Ware ſei
von der Bahn an den von dem Adreſſaten J. zum
Empfang ermächtigten Spediteur P. ausgeliefert
worden. Indem das OLG. ferner dem Schreiben des P.
an B. vom 20. Mai 1901 Bedeutung dafür beimißt,
daß P. als Vertreter des B. gehandelt habe, läßt es den
Umſtand unberückſichtigt, daß P. in demſelben Schreiben
ausdrücklich erklärt hat: „Die 2 Waggon Leinmehl
würden laut Ordre des Herrn Max J. dorten auf
mein Lager genommen.“ In dem Berufungsurteil iſt
einesteils die Vorlegung des Frachtbriefduplikats als
weſentliches Erfordernis zur Legitimation des P. und
andernteils die Unterlaſſung dieſer Vorlegung ſeitens
des B. als Nichterfüllung einer Formalität aufge—
faßt worden. Dieſe Erwägungen ſcheinen von einer
irrigen Auffaſſung über die rechtliche Bedeutung eines
Frachtbriefduplikates beeinflußt zu fein. Nach S 455
Abſ. 2 des HGB. ſteht im Falle der Ausſtellung eines
Frachtbriefduplikates dem Abſender das im § 433 be-
zeichnete Verfügungsrecht nur zu, wenn er das Du—
plikat vorlegt. Nach § 64 EVerkO. vom 26. Cf-
tober 1899 erliſcht das Verfügungsrecht des Ab:
ſenders, auch wenn er das Frachtbriefduplikat beſitzt.
ſobald nach Ankunft des Gutes am Beſtimmungsorte
der Frachtbrief dem Empfänger übergeben worden iſt.
Hiernach hat das Frachtbriefduplikat Bedeutung nur
für das Verfügungsrecht des Abſenders und verliert
alle Bedeutung mit der Ausantwortung des Fracht—
briefes und des Gutes an den Empfänger oder deſſen
Vertreter. Dem Spediteur P. mochte nun die Vor—
legung des Frachtbriefduplikats als ein einfaches Mittel
zu ſeiner Legitimation zweckdienlich erſchienen ſein;
notwendig war ſie für die Ausantwortung des Gutes
an den Empfänger oder deſſen Vertreter nicht; viel—
mehr genügte hierzu im letzteren Falle ein der Eiſen—
bahn hinlänglich und glaubwürdig erſcheinender Nach—
weis der Vertretungsmacht des im Frachtbriefe be—
zeichneten Empfängers. Der Umſtand, daß J. nicht
in Fr. ſeinen Wohnſitz hatte, konnte dieſen Nachweis
tatſächlich je nach den Umſtänden etwas erſchweren.
Bedeutung hatte dies aber nur für die Entſchließung
der Eiſenbahnverwaltung, auf welche Beweismittel
hin ſie in die Ausantwortung des Frachtbriefes und
der Ware an den Vertreter des Adreſſaten willigen
wollte. Das Rechtsverhältnis des Abſenders zur
Eiſenbahnverwaltung und zum Empfänger wurde
hierdurch nicht ohne weiteres berührt. P. hatte nun
aber Frachtbrief und Ware bereits ausgehändigt er—
halten, bevor der Widerſpruch des B. bei der Bahn—
verwaltung in Fr. eintraf. Daraus ergibt ſich, daß
die Feſtſtellung, P. habe die Ware als Vertreter des
B. in Beſitz genommen, auf unzureichender Würdigung
des Prozeßſtoffes beruht.
3. Unterſtellt man die Richtigkeit der Behaup—
tungen des Beklagten, ſo iſt die Möglichkeit einer
Entſtehung des Pfandrechts an der Ware nach Maß—
gabe der SS 1207 BGB. und 366 HGB. nicht ausge-
ſchloſſen. Die Sache könnte nämlich dann rechtlich ſo
aufgefaßt werden, daß B. zur Ausführung der verein—
barten Verpfändung die Ware an den Beklagten ſenden
ließ in der Abſicht, ihm den Beſitz der Ware zu ver—
ſchaffen. Durch Ausſtellung des Frachtbriefes auf
ſeinen Namen, jedenfalls aber mit Empfang des
Frachtbriefduplikats wurde B. im Verhältniſſe zur
Eiſenbahn als Frachtführerin und unmittelbarer Be:
ſitzerin mittelbarer Beſitzer. Wenn nun P. die Ware
als Vertreter des Beklagten in Beſitz nahm, ſo erwarb
dieſer damit den Beſitz und zwar mit Willen des B.,
der dieſen ſeinen Willen durch die Abſendung der
Ware an den Beklagten zum Ausdrucke gebracht und
vor der Auslieferung der Ware an P. nicht wider—
rufen hatte. In dem unterſtellten Falle wurde P.
unmittelbarer Beſitzer, Beklagter mittelbarer Beſitzer
und B. als Verpfänder weiterer mittelbarer Beſitzer.
Mit der Beſitzerlangung wäre dann, da für den guten
Glauben im Sinne des § 366 HGB. die Vermutung
ſpricht, das Pfandrecht des Beklagten entitanden, das
durch eine nachträgliche einſeitige Willenserklä—
rung des B. nicht rückgängig hätte gemacht werden
können. (Urt. des II. 35. vom 6. März 1908, II 482 07).
1251 K.
B. Strafſachen.
I.
Pflicht zur Aufſtellung einer Eröffnungsbilanz bei
der Eröffnung eines Vollkaufmanngeſchäfts trotz bis:
heriger Bilanzzichung in einem nicht buchführungs⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
|
— nern —
pflichtigen Betriebe (§ 240 Nr. 4 RO., §8 1, 2, 39 G.).
Der Angeklagte, ein Bauunternehmer, hat im Oktober
1905 einen Baumaterialienhandel im großen Umfange
und in einer Art neu begonnen, daß er zum Vollkauf—
mann im Sinne des § 39 HGB. und des § 240 KO.
geworden iſt. Nun meint die Reviſion, von der Pflicht
zur Ziehung einer Eröffnungsbilanz ſei er dadurch
befreit geweſen, daß er von 1901 ab ununterbrochen
Jahresbilanzen aufgeſtellt habe. Dem kann ſelbſt dann
nicht beigetreten werden, wenn auch der Angeklagte
bei Beginn feines Geſchäfts im Jahre 1901 eine Er⸗
öffnungsbilanz aufgeſtellt hat. Das Gegenteil folgt
nicht nur aus dem Wortlaute, ſondern auch aus dem
Zwecke und Sinne des Geſetzes. Der Angeklagte war
vor dem Oktober 1905 nicht Kaufmann; er betrieb
auch kein Handelsgewerbe im Sinne des 3 39 HGB.
Mag er auch ſchon vorher fein Geſchäft derart be-
trieben haben, daß es allen Anſprüchen genügte, welche
das Geſetz wegen der Bilanzziehung und Buchführung
an den Vollkaufmann ſtellt, ſo wurde dadurch die
Verpflichtung nicht berührt, bei der Eröffnung des
neuen Vollkaufmanngeſchäfts deſſen finanzielle Grund—
lagen durch eine Bilanz klarzulegen. Gerade in
dem Zeitpunkt, in dem ein ſolches kaufmänniſches Ge—
ſchäft eröffnet wird, ſoll der Kaufmann im eigenen
und im Intereſſe der Gläubiger ſich ſelbſt von ſeiner
Vermögenslage unterrichten und das kann er nur
durch eine neue Bilanzziehung in ſicherer Weiſe er—
reichen. Die Einſicht in die Bücher und frühern Bi—
lanzen gibt dieſe Sicherheit nicht, ſie leiſtet nicht dafür
Gewähr, daß derjenige, welcher ſich als Vollkaufmann
auftut, im Hinblick auf die ſich hieraus ergebende
größere wirtſchaftliche Verantwortung ſich von ſeiner
Vermögenslage Rechenſchaft gibt, um ſich in den
Grenzen feiner wirtſchaftlichen Kräfte halten zu
können. (Urteil des V. StS. vom 28. April 1908,
5 D 143/08). — — — e —
1306
II.
Urkunde — Ausſteller — Rechtswidrige Abſicht
($ 267 StG B.). Der Angeklagte Kaufmann Sch. in
C. hatte eine inhaltlich wahre, mit „Dr. A.“ unter:
zeichnete Anzeige an das Kriminalkommiſſariat ge—
langen laſſen. Das Landgericht verneinte das Zat-
beſtandsmerkmal der rechtswidrigen Abſicht und ſprach
frei. Das Urteil wurde aufgehoben.
Aus den Gründen: Der Begriff der rechts—
widrigen Abſicht nach 8 267 StGB. erfordert nicht
eine auf einen materiell rechtswidrigen Erfolg gerichtete
Abſicht, es genügt vielmehr, daß der Täter beabſichtigt,
durch den Gebrauch der gefälſchten Urkunde als eines
Beweismittels eine Einwirkung im Rechtsverkehr aus—
zuüben, eine Beeinfluſſung, Veränderung oder Ver—
ſchiebung von Rechten oder Rechtsverhältniſſen zu be—
wirken (RGE. 35, 117). Wenn daher der Angeklagte
durch die Unterzeichnung der Anzeige mit „Dr. A.“
beabſichtigte, ſeiner Anzeige mehr Nachdruck dadurch
zu verleihen, daß in dem Anzeigenden eine akademiſch
gebildete Perſon vermutet wuͤrde, und dadurch das
einzuleitende Strafverfahren zu beſchleunigen, ſo würde
damit die rechtswidrige Abſicht gegeben ſein, obwohl
die Anzeige auf Wahrheit beruhte und der Angeklagte
im öffentlichen Intereſſe handeln wollte. Bei der er—
neuten Verhandlung wird aber folgendes zu beachten
ſein. Wie der Begriff einer echten beweiserheblichen
Urkunde vorausſetzt, daß ſie regelmäßig aus ſich ſelbſt,
in beſonderen Fällen wenigſtens unter Mitwirkung
anderer Umſtände, eine individuell beſtimmte Perſon
(oder eine beſtimmte Perſonenmehrheit) als den Aus—
ſteller, zum mindeſten für die Nächſtbeteiligten, kennt—
lich macht, ſo ſetzt auch der Begriff einer fälſchlich
angefertigten Privaturkunde voraus, daß ſie den An—
ſchein erweckt, als ſei ſie von einer beſtimmten aus
der Urkunde ſelbſt oder doch aus den Begleitumſtanden
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
erkennbaren Perſon und zwar einer andern als der
des Täters ausgeſtellt. Es genügt nicht, daß ſie nur
darauf hinweiſt, daß der Ausſteller der Urkunde einer
beſtimmten Perſonenklaſſe, den Einwohnern einer be—
ſtimmten Ortſchaft uſw. angehört, während die Indi—
vidualität des Ausſtellers nicht bezeichnet wird. (So—
weit in Goltd Arch. 37, 190 anders entſchieden wurde,
erklärt ſich dies aus den beſondern Umſtänden des
Falles). Dementſprechend iſt für den innern Tatbeſtand
der Urkundenfälſchung zu erfordern, daß der Täter
mit dem Vorſatze handelte, die Urkunde als von einer
beſtimmten andern Perſon herrührend erſcheinen zu
lajien. Will er dieſen Anſchein nicht erwecken, fo fehlt
der Vorſatz der fälſchlichen Herſtellung einer Urkunde
und das Gebrauchmachen erfolgt ebenſo wie bei einer
anonymen Anzeige nicht zum Zwecke der Täuſchung
im Sinne des § 267 StGB. Es wird daher zu prüfen
ſein, ob die Anzeige nach der Art ihrer Unterzeichnung
und ihrer ganzen Beſchaffenheit geeignet war, den Ein—
druck zu erwecken, als ſei ſie von einer beſtimmten,
als exiſtierend hingeſtellten Perſon mit dem Willen
ausgeſtellt, ſich zu ihr zu bekennen, und ob der An—
geklagte dieſen Eindruck erwecken wollte. Daß die
Anzeige geeignet war, den Eindruck zu erwecken, ſie
rühre von irgendeiner akademiſch gebildeten Perſon
her, und daß der Angeklagte dieſen Eindruck erwecken
wollte, würde nicht genügen, die Anwendung des § 267
StGB. zu rechtfertigen. (Urteil des V. Sts. vom
31. März 1908, 5 D 150 08).
1807
— — — e —
III.
Urkundenfälſchung durch Durchſtreichung eines Kin:
trags in einem Kontobuch (§ 267 StGB.). In dem Ge-
ſchäftsbetrieb des Prinzipals des Angeklagten wurde
ein Kontobuch geführt, in das mit Datum und Betrag
der Rechnung die Kunden eingetragen wurden, die
ausnahmsweiſe die Waren nicht gleich beim Empfange
gezahlt hatten. Ging ſpäter der geſchuldete Betrag
ein, ſo wurde die in der letzten Spalte ſtehende, den
Rechnungsbetrag ergebende Zahl durchſtrichen; dadurch
wurde erkennbar gemacht, daß eine Forderung nicht
mehr beſtehe. Da der Angeklagte die unwahre An—
gabe machte, die Rechnungen über die beiden Beträge,
die er unterſchlagen hatte, ſeien nicht bezahlt worden,
jo wurden die beiden Kunden in das Kontobuch ein—
getragen. Der Angeklagte durchſtrich ſelbſt die beiden
Poſten, damit ſein Prinzipal glaube, ſie ſeien nach—
träglich gezahlt worden. Das Gericht findet darin den
Tatbeſtand des 8 267 StGB., indem es die Striche
für rechts- und beweiserhebliche Privaturkunden hält,
die der Angeklagte fälſchlich angefertigt habe. Die
tatſächlichen Feſtſtellungen find nicht geeignet, das
Urteil zu tragen. Hier iſt als Urkunde nur der Strich
anzuſehen, mit dem der Rechnungsbelag durchſtrichen
worden iſt. Daß dem Strich an ſich nicht angeſehen
werden kann, von wem er herrührt, würde nicht
hindern, in ihm eine rechts- und beweiserhebliche Ur—
kunde zu erblicken. Der Angeklagte wollte den An—
ſchein erwecken, er rühre vom Berechtigten her d. i.
dem, dem die Führung des Kontobuchs zuſtand. Das
würde genügt haben. Zum Begriffe der Urkunde ge—
hört es, daß ſie einen Gedanken in verſtändlicher Weiſe
zum Ausdrucke bringt. Auch einfache Zeichen können
eine Urkunde ſein, aber nur, wenn ſie durch Geſetz,
Herkommen oder Uebereinkunft infolge ihrer An—
bringung auf einem gewiſſen Gegenſtande den erforder—
lichen Gedankeninhalt erhalten, ſo daß ſie über die
Bedeutung des Merkzeichens hinausreichen. Die Ur—
kunde muß aber auch durch einen maßgebenden Willen
dazu beſtimmt ſein, zum Beweiſe von Rechten und
Rechtsverhältniſſen zu dienen (RGE. 34, 53; 36, 317).
In dieſer Hinſicht ſind die Ausführungen des Erſt—
buch vom Prinzipale zum Nachweiſe dafür beſtimmt
geweſen ſei, welche Forderungen ihm noch zuſtanden
und welche erloſchen waren. Ob dann nicht das Konto-
buch als Ganzes die der Eutſcheidung zugrunde zu legende
Urkunde geweſen wäre, kann dahingeſtellt bleiben.
Es wird nämlich im Anſchluſſe daran und zum Teil
im Widerſpruche damit betont, daß jede Eintragung
eine Urkunde bilde, die zunächſt die Entſtehung einer
Geſchäftsforderung und bei der die Durchſtreichung
deren Tilgung beweiſe. Abgeſehen davon, daß die
Eintragung ſelbſt nur mittelbar den Beweis für die
Entſtehung einer Geſchäftsforderung erbringen würde,
da in das Kontobuch diejenigen Kunden eingetragen
wurden, die ausnahmsweiſe die Waren bei der Ueber—
gabe nicht alsbald zahlten, iſt überſehen, daß ſolche
kaufmänniſche Handelsbücher nur dann die Eigenſchaft
von rechts- und beweiserheblichen Privaturkunden
haben, wenn der Kaufmann ſie zu dem Zwecke führt,
um ſich darauf gegebenenfalls Dritten z. B. ſeinen
Schuldnern oder Gläubigern gegenüber als auf Be—
glaubigungsmittel berufen zu können. Die Urkunden—
eigenſchaft fehlt ihnen aber, wenn ſie nur dazu be—
ſtimmt ſind, dem Kaufmann ſelbſt über den Stand
ſeines Geſchäfts eine Ueberſicht zu verſchaffen oder
wenn die Eintragungen in die Bücher nur Notizen
enthalten, deren der Kaufmann für den Betrieb ſeines
Handelsgewerbes ſelbſt bedarf (RGE. 4, 4; 34, 131).
So ſcheint nach dem Urteile die Sache hier zu liegen.
Die Feſtſtellungen müſſen dahin verſtanden werden,
daß der Prinzipal aus dem Inhalte des Kontobuchs
ſich allein darüber unterrichten wollte, von wem er
noch Geld zu erhalten und wen er erforderlichenſalls
zu mahnen hätte. Es mag dabei auch auf 8 43
Abſ. 3 HGB. hingewieſen werden. Ob demnach das
Kontobuch den an ein ordnungsgemäß geführtes
Handelsbuch zu ſtellenden Anforderungen entſprach,
iſt zweifelhaft. Jedenfalls wäre feſtzuſtellen geweſen,
daß einerſeits der Prinzipal beabſichtigt habe, ſich auch
feinen Kunden gegenüber auf das Kontobuch als Be-
weismittel für das Fortbeſtehen der Forderungen zu
berufen, andererſeits, daß es auch im Verkehre mit
den Kunden trotz der Vorſchrift des § 43 HGB. dem
Herkommen oder einer Uebereinkunft entſprach, wenn
die Bezahlung der Schuld durch Durchſtreichung im
Buche ausgedrückt wurde. Das Urteil war daher auf—
zuheben⸗ (Urteil des V. StS. vom 28. April 1908
5 D 250/08). — — — e —
1305
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Kann bei Einleitung der Zwangsenteignnng eines
Forſtrechts an einem dem Zwangsenteignungsberechtigten
gehörigen Walde die Eintragung einer Verfügungs-
beſchränkung auf dem Blatte für das Anweſen verlangt
werden, mit dem das Recht als Beſtandteil verbunden
iſt? (Art. XII u. XVI des ZwangsenteignungsG. von
1537). Mit dem Anweſen der Eheleute E. ift das
Recht auf den Bezug von Scheit- und Prügelholz
aus den Staatswaldungen des Forſtamts V. verbunden.
Das Forſtrecht iſt im Grundbuch auf dem Blatte für
das Anweſen nicht vermerkt. Die Waldungen ſollen
für einen Truppenübungsplatz verwendet werden und
es iſt deshalb das Enteignungsverfahren in Anſehung
der auf ihnen laſtenden Holzbezugsrechte eingeleitet
worden. Das Bezirksamt hat bei dem Grundbuchamt
„Sperrung“ des Grundbuchblatts für das Anweſen
richters irrig. Es wird zwar dargelegt, daß das Kontos beantragt. Das Grundbuchamt hat die Eintragung
292
einer Verfügungsbeſchränkung abgelehnt. Auf Be⸗
ſchwerde des Bezirksamts wies das Landgericht das
Grundbuchamt an, auf dem Blatte für das Anweſen
„Dispoſitionsbeſchränkung in Anſehung des auf dieſem
Anweſen ruhenden Forſtrechts nach Art. XII u. XVI
des ZwangsenteignungsG. einzutragen“. Auf Be-
ſchwerde des E. wurde vom Oberſten Landesgericht
die Entſcheidung des Landgerichts aufgehoben und die
Beſchwerde des Bezirksamts gegen die Verfügung des
Grundbuchamts zurückgewieſen.
Gründe: Die fortdauernde Geltung des Art. XII,
XVI des Geſetzes vom 17. November 1837 unterliegt
nach Art. 109 EG. z. BGB. und § 83 GBO. keinem
Bedenken, die angefochtene Entſcheidung beruht aber
auf Verletzung der Vorſchriften der Art. XII, XVI.
Das Geſetz vom 17. November 1837 läßt die Ent⸗
eignung der im Art. II bezeichneten Rechte nur zu,
wenn fie mit dem Eigentum an einem zu dem Unter-
nehmen zu verwendenden Grundſtücke verbunden find
oder ein ſolches Grundſtück mit ihnen belaſtet iſt.
Das auf die Enteignung des Grundſtücks gerichtete
Verfahren erſtreckt ſich auf die zu enteignenden Rechte;
iſt das Grundſtück mit einem ſolchen Rechte belaſtet,
ſo gehört der Berechtigte zu den nach Art. XV zu
dem Verfahren zu ladenden Beteiligten. Die nach
Art. XVI in das Grundbuch einzutragende Verfügungs—
beſchränkung wird auf dem Blatte für das zu ent-
eignende Grundſtück eingetragen. Steht das Recht
dem jeweiligen Eigentümer des Grundſtücks zu, ſo iſt
die Eintragung auf dieſem Blatte auch in Anſehung
des Rechtes wirkſam, ſoweit dieſes von Verfügungen
über das Grundſtück mitbetroffen wird; iſt das Recht
eine Belaſtung des zu enteignenden Grundſtücks, ſo
iſt — abgeſehen von dem Erbbaurecht und den ihm
gleichgeſtellten Rechten — das für das Grundſtück be—
ſtimmte Blatt dasjenige, dem auch in Anſehung des
Rechtes der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu—
kommt. Steht das Recht einer beſtimmten Perſon zu,
ſo wird es überhaupt nur auf dieſem Blatte einge—
tragen, ſteht es dem jeweiligen Eigentümer eines an—
deren Grundſtücks zu, ſo iſt der etwa nach § 8 Abſ. 1
GBO. auf dem Blatte dieſes Grundſtücks eingetragene
Vermerk nicht eine mit dem öffentlichen Glauben aus—
geſtattete Eintragung (Planck, Komm. z. BGB. 3. Aufl.
Bd. 3 Bem 2 Abſ. 3 zum § 892 S. 134). Gehört das
belastete Grundſtück ſchon dem Enteignungsberechtigten,
ſo findet eine ſelbſtändige Enteignung des Rechtes
ſtatt, in Anſehung des Blattes, auf dem die Ver—
fügungsbeſchränkung einzutragen iſt, ſofern ſie über—
haupt in Frage kommt, tritt aber ſelbſtverſtändlich
eine Aenderung nicht ein. Der angefochtene Beſchluß
erachtet die Eintragung auf dem Blatte des Grund—
ſtücks, deſſen jeweiligem Eigentümer das zu ent—
eignende Recht zuſteht, deswegen für geboten, weil
der Art. XII Verfügungen über das Grundſtück ver—
biete, deren Wirkung ſich auf das Recht erſtreckt. Dieſe
Tragweite kommt aber dem Art. XII nicht zu. In der
Verfügung über das Grundſtück, das nicht Gegenſtand
der Enteignung iſt, behält der Eigentümer freie Hand,
der Umſtand, daß die Veräußerung des Grundſtücks
vermöge der Verbindung, in der das Recht mit dem
Eigentum an dem Grundſtücke ſteht, ihre Wirkung
auf das Recht erſtreckt, hindert ihn nicht an der Ver—
äußerung des Grundſtücks. An dem Rechte ſelbſt tritt
eine Aenderung nicht ein, es ſteht ja nicht dem bis—
herigen Eigentümer für ſeine Perſon, ſondern dem je—
weiligen Eigentümer des Grundſtücks zu und hört
durch die Einleitung des Enteignungsverfahrens nicht
auf nach $ 96 BGB. als Beſtandteil des Grundſtücks
zu gelten. Inwiefern dadurch der mit der Vorſchrift
des Art. XII bezweckte Schutz des Intereſſes des Ent—
eignungsberechtigten beeinträchtigt werden ſoll, iſt
ſchwer zu verſtehen. (Beſchl. des I. 35. vom 15. Mai
1908, Reg. III 42/1908). W.
1320
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
II.
Vertretung mehrerer minderjähriger Kinder duré
e inen Pfleger bei dem Vertrage über Auseinanderſetzung
der beendeten allgemeinen Gütergemeinſchaft eder der
Erbengemeinſchaſt zwiſchen der Witwe und den Kindern
des Erblaſſers (8 181 BGB.). Der Bauer Matthias
M. ift von feiner zweiten Ehefrau Scholaſtika M., mit
der er in allgemeiner Gütergemeinſchaft gelebt hatte,
dem volljährigen erſtehelichen Sohne Jakob M. und
elf minderjährigen Kindern zweiter Ehe, für die
Stephan M. zum Pfleger beſtellt wurde, auf Grund
Ehe- und Erbvertrags zu je '/ıs beerbt worden. In
dem Vertrag iſt der Witwe das Recht eingeräumt,
das Anweſen und alle ſonſtigen Rücklaßbeſtandteile
gegen Herausgabe der Anteile der Kinder zu über—
nehmen. Zwiſchen der Witwe, dem erſtehelichen
Sohne und dem Pfleger der zweitehelichen Kinder
wurde vor dem Notariat A. ein Auseinanderſetzungs-
vertrag geſchloſſen. Die Auseinanderſetzung erfolgte fo,
daß die Witwe das geſamte Vermögen übernahm und
den minderjährigen Kindern „ein Vatergut von je
950 M“ auszeigte, während Jakob M. auf die Aus-
zeigung eines Vaterguts verzichtete. Für die Vater⸗
güter wurde Hypothek beſtellt. Der Vertrag wurde vom
Vormundſchaftsgericht genehmigt. Das Hypothekenamt
ordnete die Umſchreibung auf die Erbengemeinſchaft
an, lehnte aber die weiteren Eintragungen ab, weil
der Vertrag nicht nur zwiſchen der Witwe einerſeits
und den Kindern anderſeits, ſondern auch zwiſchen den
Kindern untereinander geſchloſſen worden fei und des⸗
halb jedes der minderjährigen Kinder durch einen
beſonderen Pfleger habe vertreten werden müſſen.
Die Beſchwerde der Witwe M. wurde auf Grund des
§ 181 BGB. zurückgewieſen. Auf ihre weitere Be-
ſchwer de hat das Ob G. die Entſcheidungen der Bor-
inſtanzen aufgehoben und das Hypothekenamt ange
wieſen, anderweit zu verfügen:
Gründe: Der Nachlaß beſteht in dem Anteile
des Erblaſſers an dem Geſamtgute der allgemeinen
Gütergemeinſchaft, durch den Auseinanderſetzungs—
vertrag ſoll das Geſamtgut in die Hand der Witwe
übergehen. Es kann dahingeſtellt bleiben, ob dieſer
Erfolg dadurch herbeigeführt werden ſoll, daß die
Kinder ihre Erbteile nach § 2033 Abſ. 1 BGB. auf
die Witwe übertragen, ſo daß ſich alle Anteile in ihrer
Hand vereinigen, oder ob die Witwe als Teilhaberin
des Geſamtguts und Miterbin des anderen Teilhabers
in Gemeinſchaft mit den Kindern als den anderen
Miterben die ſämtlichen zu dem Geſamtgute gehörenden
Gegenſtände auf ſich als Erwerberin überträgt, ſo daß
fie diefe Gegenſtände aus der nach § 1471 Abſ. 2
BGB. beſtehenden Gemeinſchaft zur geſamten Hand
erwirbt. Inwiefern in dem letzteren Falle die Witwe
nach 8 181 BGB. gehindert fein ſoll, den Vertrag mit
ſich ſelbſt zu ſchließen, iſt unverſtändlich; das Land—
gericht ſcheint überſehen zu haben, daß § 181 nur eine
den Umfang einer Vertretungsmacht beſchränkende
Vorſchrift enthält. Die Gegenleiſtung konnte auch in
dem letzteren Falle ſo beſtimmt werden, daß jedes
Kind eine beſondere Gegenleiſtung erhält, und dies
iſt geſchehen, die Witwe hat jedem der minderjährigen
Kinder den ſeinem Anteil an der Hälfte des Geſamt—
guts entſprechenden Betrag von 950 M zu zahlen, ſie
ſchuldet elf „Vatergüter“ gleichen Betrags. Als Ber-
tragſchließende ſtehen die Kinder nur ihr gegenüber,
bei der Vertragſchließung mit ihr konnte jedes der
Kinder durch den gemeinſchaftlichen Pfleger vertreten
werden. Der Pfleger iſt, indem er für jedes Kind das
gleiche Vatergut ausbedang, allerdings von der An—
ſicht ausgegangen, daß den einzelnen Kindern auch im
Verhältnis unter einander gleiche Beträge gebühren,
daß insbeſondere nicht ein Teil von ihnen den anderen
gegenüber zu einer Ausgleichung verpflichtet iſt, aber
ein Vertrag des Inhalts, daß keines der Kinder aus
der Erbengemeinſchaft von dem anderen etwas zu
— — — ͥ nn o
—
fordern hat, liegt nicht vor, die Kinder teilen nicht
eine gemeinſchaftliche Gegenleiſtung untereinander
ſondern jedes erhält von der Witwe ſein beſonderes
Vatergut. Es war Sache des Vormundſchaftsgerichts,
zu erwägen, ob etwa gegenſätzliche Intereſſen zwiſchen
den Kindern beſtehen, die die Beſtellung mehrerer
Pfleger erforderlich machen, da es hierzu keinen Anlaß
gefunden hat, beſteht für das Hypothekenamt kein
Grund, die Vertretung der ſämtlichen minderjährigen
Kinder durch den gemeinſchaftlichen Pfleger zu bez
anſtanden. (Beſchluß des I. 35. vom 6. März 1908;
Reg. III 20/1908). W.
1258
B. Strafſachen.
Unterſchlagung. Begriff der „fremden Sache“. Be:
wußtſein der Nechtswidrigkeit. In der Behanptung, „es
handle fih uur um zivilrechtliche Anſprüche“, liegt ein
Beſtreiten dieſes Bewußtſeins. Der Angeklagte war als
Vorarbeiter der Firma Sp. in M. auswärts beſchäf—
tigt und mit der Auszahlung des Lohnes an die Mr-
beiter betraut. Hierbei mußte er wiederholt von dem
Wirte D. Geld leihen, der ihm zuletzt 20 M gab. Als
einen Tag darauf der Ingenieur Sp. der Firma Sp.
an die Bauſtelle kam, teilte ihm der Angeklagte mit,
er habe bei Auszahlung der Löhne von D. 20 M ent-
liehen. Daraufhin gab ihm Sp. 20 M mit der Wei-
ſung, ſie ſofort an D. zu zahlen, da er nicht haben
wolle, daß bei fremden Leuten Geld für das Geſchäft
entliehen werde. Der Angeklagte behielt die 20 M
für ſich und wurde wegen Unterſchlagung verurteilt.
Das oberſte Landesgericht wies die Sache an die Straf—
kammer zurück.
Aus den Gründen: Die Würdigung der Frage,
ob für den Angeklagten der ihm von Sp. gegebene
Betrag eine „fremde Sache“ im Sinne des § 246 StGB.
war, hängt davon ab, welche Rechtslage dadurch ein—
getreten iſt, daß D. dem Angeklagten mit Rückſicht auf
fein Vorbringen 20 M gegeben hat. Je nach den tat-
ſächlichen Verhältniſſen wurde durch die Hingabe der
20 MH ein Rechtsverhältnis zwiſchen D. und der Firma
Sp. oder zwiſchen D. und dem Angeklagten begründet.
a) War die Firma Sp. Schuldnerin des D. ge—
worden und hat Sp. dem Angeklagten 20 M mit dem
Auftrage gegeben, das Geld dem D. zum Zwecke der
Tilgung der Schuld der Firma zu überbringen, ſo
wird man die 20 M für eine für den Angeklagten
„fremde Sache“ halten können, die ihm von deren
Eigentümer zu einem beſtimmten Zweck anvertraut war.
b) Wurde der Angeklagte der Schuldner des D.,
fo war er zur Zurückerſtattung des Darlehens ver-
pflichtet. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß Sp. nicht
die Firma, ſondern den Angeklagten für den Schuldner
des D. hielt und daß er 20 M dem Angeklagten gab,
damit dieſer ſeine Verbindlichkeit erfülle. Die Aeuße—
rung des Sp. läßt die Deutung zu, daß es ihm gegen
das Intereſſe der Firma zu ſein ſchien, wenn der An—
geklagte auf ſeinen Namen und auf ſeine Haftung zur
Deckung einer Schuld der Firma Geld von dritter
Seite lieh und daß ihm daran lag, dem Angeklagten
die Mittel zur Tilgung des Guthabens zu geben. Er—
hielt der Angeklagte zu dieſem Zwecke von Sp. 20 M,
ſo iſt er Eigentümer des Geldes geworden und es war
für ihn keine „fremde Sache“. Selbſtverſtändlich er—
litt das einmal begründete Eigentum des Angeklagten
eine rechtliche Veränderung auch nicht etwa in dem
Falle, daß er das Geld nicht zu dem Zwecke ver—
wendete, zu dem er es empfangen hat.
Das Urteil des LG. enthält keine Feſtſtellung über
die Vorfrage, ob die Firma oder der Angeklagte
Schuldner des D. geworden iſt. Allerdings findet ſich
die Aeußerung, daß die 20 M für den Angeklagten
eine „fremde Sache“ waren, aber dieſe Anſchauung
entbehrt der tatſächlichen Unterlage. Das LG. mußte
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
293
zu der Vorfrage ausdrücklich Stellung nehmen, es
konnte erſt nach Löſung dieſer Frage rechtliche Schluß—
folgerungen in der Richtung ziehen, ob ſich der An—
geklagte eine „fremde Sache“ zugeeignet habe. Es
beſteht ſohin die Vermutung, daß das Gericht das
geſetzliche Merkmal „fremde Sache“ verkannt hat.
Einer ausdrücklichen Feſtſtellung des Bewußtſeins
der Rechtswidrigkeit der Zueignung bedarf es nicht,
wenn eine Beſtreitung des Angeklagten nicht vorliegt.
Eine ſolche Beſtreitung liegt aber darin, daß der An—
geklagte behauptete „es handle ſich nur um zivilrecht—
liche Anſprüche“. Daher mußte die Strafkammer auch
darüber eine Feſtſtellung treffen, ob der Angeklagte
ſich der Eigenſchaft des von Sp. ihm gegebenen Geldes
als einer fremden Sache bewußt geweſen ſei. Eine
Prüfung dieſes Umſtandes war um ſo notwendiger,
wenn der Angeklagte der Meinung ſein konnte, er ſei
der Eigentümer der 20 M geworden, was angeſichts
ſeiner Verteidigung nicht ausgeſchloſſen iſt. Selbſt
wenn er irrigerweiſe dieſe Meinung gehabt hätte,
würde der zur Unterſchlagung erforderliche Vorſatz
ausgeſchloſſen ſein. (Urt. vom 14. April 1908, Rev.⸗
Reg. Nr. 161/08). H.
1256
Oberlandesgericht München.
Zur Auslegung der ŞS 13, 45 Nr. 5, 47 des Mann:
ſchafts⸗VerſorgG. v. 31. Mai 1906. Der Schuhmacher
Auguſt A. hatte von 1888 bis 1891 ſeiner Militär—
pflicht genügt und wurde am 6. November 1905 als zu—
folge Dienſtbeſchaͤdigung dauernd ganzinvalid, und dau—
ernd gänzlich erwerbs- und zivildienſtunfähig zur
Penſion II. Kl. eines Gemeinen mit monatlich 21 M
ab 1. Dezember 1905 für immer berechtigt anerkannt.
Nach Erlaß des Mannſchafts-VerſorgG. erhob A. Anz
ſpruch auf eine monatliche Penſion I. Kl. von 30 M
(SS 65, 66 B 2 MPG.) und eine Verſtümmelungszulage
von 27 M (S 13, 45 MG.), weil er ohne fremde Wart
und Pflege nicht beſtehen könne. Von den Militär—
behörden hinſichtlich der Penſionserhöhung abgewieſen,
weil ihm die neurechtliche Penſion im ganzen betrachtet
günſtiger ſei, hiernach aber neben der Verſtümmelungs—
zulage ſtets nur die Penſion II. Kl. zuſtehe, ſtellte er
gegen den Militärfiskus Klage auf Penſionserhöhung
und Verſtümmelungszulage, wurde aber damit eben—
falls abgewieſen.
Aus den Gründen des Berufungsurteils:
Die angeſtrebte Erhöhung der Penſion von dem Satze
der II. Klaſſe des MPG. vom 27. Juni 1871 (8 65)
auf den Satz der I. Klaſſe dortſelbſt nach Maßgabe
des 8 66 Lit. B ift unzuläſſig. Der Kläger behauptet
allerdings die fortdauernde Anwendbarkeit des RG.
von 1871 auf ſeinen Fall und läßt die Anderung durch
S 45 Nr. 5 des RG. vom 31. Mai 1906 deshalb nicht
gelten, weil die Ausnahme des 8 47 letztgenannten
Geſetzes vorliege, nämlich die Verſorgung des Klägers
nach den bisherigen Vorſchriften für ihn günſtiger ſei.
Letzteres folgert er daraus, daß das ältere Geſetz einen
flagbaren Penſionsanſpruch auf die Penſion I. Kl. ge-
währe, während die im Verj®. von 1906 eingeräumte
Verſtümmelungszulage zwar dreifach ſo hoch wie im
alten Geſetz normiert fei (nämlich 27 M Statt 9 M),
aber vom Ermeſſen der Militärbehörde abhänge, ſo—
hin (wie Kläger behauptet) von einem Gnadenakt oder
von Wohlgewoͤgenheit nach Art einer Almoſenertei—
lung. Dies iſt aber nicht richtig. Das alte Recht
legte dem Penſioniſten den Beweis ſeiner Pflegebedürf—
tigkeit auf; das neue Recht ſtatuiert die Feſtſtellung
des Grades der Erwerbsunfähigkeit durch die Militär—
behörde von Amts wegen und in erſter Linie auf Grund
der militärärztlichen Gutachten (vgl. Siber, Gef. v.
31. Mai 1906 S. 44 Note 1 zu § 28). Daneben ſtellt
es dem Penſioniſten frei, ſeinerſeits ſelbſt Beweis—
294
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Nr. 14.
mittel (ärztliche Zeugniſſe u. dgl.) beizubringen. Die
Elemente der Beweisführung ſind alſo im weſentlichen
dieſelben. Es trifft insbeſondere die im konkreten Falle
durch die beiderſeitigen Beweisangebote geſchaffene
Sachlage generell wohl auch ſonſt zu: nach altem
Recht führt der Patient ſeine Aerzte, Angehörigen,
Nachbarn zum Beweiſe der Pflegebedürftigkeit vor, der
Militärfiskus ſtellt dieſen ſeine Experten (zumeiſt Mili⸗
tärärzte) zum Gegenbeweis gegenüber, den das Gericht
nicht ablehnen kann. Nach neuem Recht treten letztere
an erſter Stelle in Funktion; es muß aber ſowohl
von ihnen als von der entſcheidenden Militärbehörde
das Beweismaterial des Penſioniſten ebenfalls ge—
prüft und gewürdigt werden. Soweit es ſich um die,
bezüglich der Frage der Pflegebedürftigkeit vor allem
in Betracht kommenden Sachverſtändigen handelt, iſt
das Gericht in deren Auswahl und dem Umfang der
Beweisaufnahme ebenſo frei wie die Militärbehörde
($ 404 ZPO); hinſichtlich der Zeugen kann ſich letz-
tere Behörde ſachlich genügend begründeten Anträgen
des Penſionserwerbers ſchwerlich entziehen, da bei ihr
nicht minder wie beim Gericht pflichtmäßige gewiſſen—
hafte Amtsführung vorausgeſetzt werden muß. In
der Beurteilung des Beweisergebniſſes entſcheidet eben—
falls nur Pflicht und Gewiſſen der jeweils berufenen
Behörde. Da hiernach die Beweischancen die gleichen
ſind, ſo gibt zugunſten des neuen, weſentlich von Amts
wegen durchzuführenden Beweisverfahrens der Koſten—
punkt den Ausſchlag: Die militäriſchen Beweiserhebungen
find koſtenlos, während für die gerichtlichen zunächſt
und bei ungünſtigem Erfolge auch endgültig der Beweis—
führer aufzukommen hat. Für die Höhe der Verſor—
gung ſollte nach dem Entwurf des 8 47 MBerjb.
(Reichstags-Vhldg. 1903,5 Anl. Bd. V S. 2606) ent-
ſcheidend ſein, ob die bisherigen Gebührniſſe höher
jeien. Schließt nun auch die jetzige Faſſung („günftiger“)
die Heranziehung weiterer Momente nicht aus, ſo ſteht
doch nach der Faſſung des Entwurfs, wie nach der
Natur der Sache die Höhe an erſter Stelle. Der
Berufungskläger irrt, wenn er behauptet, ein mäßiger
Betrag mit Klagerecht fei wertvoller als ein dreifach
höherer, vom Ermeſſen der Militärbehörde abhängiger
Anfprud). Nach der Faſſung der SS 13 Abſ. 1 und 45
Nr. 5 MVG. ſteht die uneigeniticie Verſtümmelungs—
zulage der eigentlichen virtuell gleich: ſie konnte nur
wegen des bei ihr nötigen Eingehens auf die patho—
logiſchen Beſonderheiten des Einzelfalles nicht all-
gemein eingeräumt und zum ee Anſpruch er-
hoben werden. Die im Abſ. 2 des § 13 aufgezählten
Gebrechen ſind offenkundig und für jeden Laien ſofort
feſtſtellbar; auch ſind ſie dem Grade nach unter allen
Umſtänden ſehr ſchwer. Die Geſundheitsſtörungen des
Abſ. 3 ſind dem Grade und der Einwirkung auf die
Erwerbsfähigkeit nach ſehr verſchieden; ſpeziell die
Pflegebedürftigkeit erheiſcht ein genaues Eingehen auf
die Natur des Leidens. Allein hier wie dort beſteht
ein „Anſpruch“ auf die Verſtümmelungszulage („it zu
gewähren“). Auch die Militärbehörde darf alſo, wenn
fie einmal eine unter § 13 Abſ. 3 fallende Geſund—
heitsſtörung feſtgeſtellt hat, die Bewilligung nicht von
ihrem freien Belieben, der perſönlichen Würdigkeit des
Geſuchſtellers, Empfehlungen oder dgl. abhängig machen.
Ihr Ermeſſen iſt nur inſoweit frei, als die Notwendig—
keit fremder Wart und Pflege ſtreitig iſt; in dieſer
Frage entſcheidet aber praktiſch das arbitrium boni viri
auf Grund von Sachverſtändigengutachten und dieſe
Entſcheidung würde jeweils nicht anders ausfallen,
wenn ſie einem Gerichte übertragen wäre. Die Rich—
tigkeit dieſer Auffaſſung ergibt ſich aus der weitläufi—
gen militäriſchen Dienſtanweiſung zur Beurteilung der
Militärdienſtfähigkeit (Nachtrag I Ziff. 39—49) und
der Reichstagsverhandlungen (Anl. Bd. VI S. 4353
Sp. 2). Hiernach iſt die dem Kläger nach dem Geſetz
von 1871 zuſtehende Verſorgung nicht „günſtiger“ als
die neurechtlichen Anſprüche. — Auch die Bemänge—
= ... — T—᷑F—U— — —— ——— — T— ——¾
lung des Berufungsklägers gegen den Erſtrichter iſt
hinfällig, daß letzterer mit Unrecht den § 66 Lit. B des
Geſetzes von 1871 als durch das Geſetz von 1906 auf—
gehoben erachtet habe. Dieſe Aufhebung iſt in der
Tat, wenn auch nicht ausdrücklich, ſo doch nach Weſen
und Zweck der Geſetzesreform anzunehmen. Es ergibt
ſich dies aus dem Wortlaut von Satz 2 des $ 45 Nr. 5
MVG. im Zuſammenhalt mit § 67 B2 MPG von 1871,
aus der Erläuterung Nr. 30 bei Siber zu $ 45 MBG.,
endlich aus dem im Komm.-Bericht zum damaligen
§ 46 des Entwurfs (Anl. Bd. VI 4414) angeführten
verbeſſerten Antrag, der neben der Verſtümmelungs—
zulage lediglich die Penſion II. Kl. nach dem Geſetz
von 1871 gewährt. Ein Fall, auf den in Anſehung
der im 8 45 MVG. bezeichneten Invaliden noch 5 66
Lit. B Ziff. 2 MPG. von 1871 anwendbar wäre, wäre
hernach nur denkbar, wenn man letzteres Geſetz gegen—
über dem neuen als günſtiger erachten könnte, was
nach den obigen Ausfuͤhrungen ausgeſchloſſen iſt. Dem—
nach iſt der Kläger mit ſeinem Anſpruch auf Penſions—
erhöhung (ſtatt Verſtümmelungszulage) abzuweiſen;
hinſichtlich des Anſpruchs auf Verſtümmelungszulage
wegen angeblicher Pflegebedürftigkeit hat er ſich nicht
nur vorläufig, ſondern endgültig und ausſchließlich an
die Militärbehörde zu wenden, die hierfür allein zu—
ſtändig ift. (Urteil vom 6. Mai 1908; L. 956/07 I).
1312 N.
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Beglaubigung der Abſchrift einer Klageſchrift,
welche die Terminsverfügung des Vorſfitzenden zwiſchen
Ueberſchrift und Sachvortrag eingerückt enthält. Die
dem Beklagten zugeſtellte Abſchrift der Klage bezeichnet
ſich als ſolche und enthält nach dem Rubrum die
Terminsbeſtimmung ſowie je am Schluſſe des Schrift—
ſatzes und der Beilagen den Vermerk: „Beglaubigt.
Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin RA. Dr. M.“
Der Beklagte rügt, daß in der zugeſtellten Abſchrift
der Klageſchrift ſowohl die Terminsverfügung des
Vorſitzenden als die Klageſchrift ſelbſt der Beglaubigung
durch den Gerichtsvollzieher, erſtere auch der Beglau—
bigung durch den Prozeßbevollmächtigten entbehrt
habe. Das Landgericht verwarf die Einrede, da die
Beglaubigung des Prozeßbevollmächtigten in genügen—
der Weiſe den ganzen Inhalt der Klage vom Rubrum
bis zum Ende umfaſſe, und verurteilte den Beklagten
im Wechſelprozeſſe nach dem Klageantrage unter Vor—
behalt der Ausführung ſeiner Rechte. Die Berufung
wurde zurückgewieſen.
Gründe: Die Terminsbeſtimmung iſt ſo in die
Klage aufgenommen, daß ſie durch die am Schluſſe
befindliche Beglaubigung gedeckt wird. Darüber iſt
kein Zweifel, daß die dem Beklagten zugeſtellte Mb-
ſchrift für ihn das entſcheidende Schriftſtück, das
Original ift (RG. 55 S. 308), aus dem es dem Pe-
klagten zu erſehen möglich ſein muß, ob ihm die von
einem Rechtsanwalt beglaubigte Abſchrift des zuzu—
ſtellenden Schriftſtücks oder der zuzuſtellenden Schrift—
ſtücke übergeben wurde. Wenn, wie hier, in den die
Ladung enthaltenden Klageſchriftſatz ſofort die Ter—
minsbeſtimmung des Vorſitzenden zwiſchen die an
ſchrift („Klageſchrift für . . . gegen . .. Streitwert.
und den Beginn des ſachlichen Vortrags eingerückt in,
ſo bildet, gerade für den empfangenden Beklagten,
die Klageſchrift mit Ladung und Terminsbeſtimmung
ein einheitliches Ganzes, das am Schluſſe der Klage
in völlig genügender Weiſe beglaubigt iſt. Daran
ändert der Umſtand nichts, daß der Termin durch den
Vorſitzenden zu beſtimmen war; denn nicht auf deſſen
Handlung kommt es an, ſondern auf die Tatſache,
daß die Ladung ſich auf den durch Einrückung der
Terminsbeſtimmung angegebenen Termin
(Urt. vom 31. Dezember 1907, M 257,07).
1315 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
bezieht.
— —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
OT N TH u — . j— — E
Landgericht München J.
Art. 2, 7 des intern. Scheidungsabkommens vom
12. Inni 1902. Die Ehe der in Lugano (Schweiz)
wohnenden Eheleute C. (Deutſche Reichsangehörige)
iſt durch rechtskräftiges Urteil des dortigen Bezirks⸗
gerichts vom 30. Juli 1907 geſchieden worden. Bei
der Vermögensteilung entſtanden Meinungsverſchieden⸗
heiten über die Wirkſamkeit des Schweizer Urteils
im Deutſchen Reich, ſo daß der nun in Deutſchland
wohnhafte frühere Ehemann gegen die nach Italien
gezogene geſchiedene Ehefrau Feſtſtellungsklage auf
den Nichtfortbeſtand der Ehe vor dem Gericht ſeines
deutſchen Wohnſitzes erhob. Die Klage wurde mangels
Beobachtung des Scheidungsabkommens (vgl. RGBl.
1905 S. 716) abgewieſen.
Aus den Gründen: Das Schweizer Gericht
hat folgende Schlußfeſtſtellungen getroffen: „Beide
Ehegatten verlangen die Scheidung, weshalb das
Gericht ſie ausſprechen ſoll, wenn aus dem Stand der
Dinge hervorgeht, daß ihr weiteres Zuſammenleben
mit dem Weſen der Ehe unverträglich iſt (Art. 45
Eidgenöſſ. Geſetz; Art. 76 Zivil B.). Aus der Ge-
ſamtheit der angeführten Tatſachen, aus den klaren
Erklärungen der Parteien und dem hieraus für den
erkennenden Richter ſich ergebenden Sachverhalt geht
hervor, daß die ehelichen Bande zwiſchen den Gatten
infolge einer Reihe von Umſtänden ſich anfangs lockerten,
nach und nach ſich aber in einer Weiſe auflöſten, daß
ſie jetzt für ſie eine unerträgliche Laft. find. Es wäre
nahezu unmoraliſch, zum Schein eine zerſtörte eheliche
Gemeinſchaft aufrechtzuhalten und das Zuſtandekommen
eines neuen ſozialen Zuſtands zu verhindern“. Hier⸗
nach hat das Schweizer Gericht die Ehe auf Grund
gegenſeitiger Einwilligung nach Art. 45 des Schweizer
Bundesgeſetzes vom 24. Dezember 1874 geſchieden und
damit die lex fori zur Anwendung gebracht. Allerdings
hat es in ſeinem Urteil beigefügt, daß es außer der
lex fori auch den 8 1568 BGB. in Betracht gezogen
habe („visto l'artic 15687). Allein die Vorausſetzungen
des deutſchen Rechts ſind nach den Urteilsfeſtſtellungen
nicht gegeben; denn dem deutſchen Recht iſt die
Scheidung auf Grund gegenſeitiger Uebereinſtimmung
fremd. Wenn nun auch das Schweizer Bundesgeſetz
(Art. 45) nicht ohne weiteres die Scheidung auf Grund
gegenſeitiger Einwilligung zuläßt, ſondern nur, wenn
das fernere Zuſammenleben mit dem Weſen der Ehe
unverträglich iſt, ſo iſt doch im feſtgeſtellten Sachverhalt
kein Scheidungsgrund nach BGB. zu erſehen. Es
mangelt die Feſtſtellung, daß die Ehezerrüttung auf
ſchwerer Ehepflichtverletzung beruht und von dem
anderen Gatten verſchuldet iſt, ſowie daß nach der
Individualität des Klägers ihm die Ehefortſetzung nicht
mehr zugemutet werden kann. Das tatſächliche Vor⸗
liegen ſolcher Gründe iſt wohl möglich; aber ihr Vor⸗
handenſein iſt in dem inländiſchen Urteil nicht mit ge⸗
nügender Beſtimmtheit zum Ausdruck gelangt und
dieſer Mangel kann weder durch die auf das Schweizer
Redt zugeſchnittene Sachdarſtellung des ausländiſchen
Urteils noch durch deſſen einfache Bezugnahme auf
9, 1568 BGB. erſetzt werden. (Urteil vom 17. Januar
1908; E 4347,07). N.
1318
Literatur.
Sartor, Eugen Freiherr von, Kgl. Landgerichtsdirektor
in München. Vereinsgeſeh f. d. Deutſche Reich
vom 19. April 1908. Textausg. m. Anm. u. e.
Anhang enth. d. Vorſchr. des BGB. über Vereine,
ferner d. Ausf.⸗Beſt. f. Preußen u. Bayern zum
RVO. u. ſonſtige einſchl. landesr. Vorſchr. ſowie e.
Sachreg. 8.0 (X, 3.50 S.). München 1908, C. H. Beckſche
Verlags buchhandlung (O. Beck). Gebd. Mk. 3.—.
Der Verfaſſer, der als Kommentator des baye⸗
—ꝛ—ñ— A—— aooo —
295
riſchen Vereinsgeſetzes bekannt iſt, hat eine handliche,
aber doch inhaltsreiche Ausgabe geſchaffen. Er hat
die bisherige Rechtſprechung gründlich verwertet und
den Zuſammenhang des Geſetzes mit den übrigen
Reichsgeſetzen und den Landesgeſetzen eingehend dar-
gelegt. Zweckmäßig war insbeſondere die Beigabe von
Vorſchriften aus dem BGB. mit Erläuterungen. Sie
macht die Ausgabe als Handexemplar für Vereins⸗
vorſtände, Kaſſierer, Schriftführer tauglich. Die landes-
rechtlichen Beſonderheiten ſind in den Erläuterungen
ſorgfältig berückſichtigt, ſo daß die Ausgabe für alle
größeren Bundesſtaaten gleichmäßig brauchbar iſt.
von der Pfordten.
Notizen.
Durch das Geſetz, betreffend die Erleichterung des
Wechſelproteſtes, vom 30. Mai 1908, das am 1. Oktober
1908 in Kraſt tritt, werden folgende Artikel der
Wechſelordnung geändert: 29, 39, 43, 44, 60, 62, 87,
88, 90, 91, 92 und 99; der Artikel 2 wird geſtrichen;
neu eingefügt werden die Artikel 88 a, 88 b, 89 a, 91a.
In der Hauptſache bewirken die neuen Beſtimmungen
eine Aenderung des beſtehenden Rechtszuſtandes nach
zwei Richtungen: die Vorſchriften über die Erhebung
des Wechſelproteſtes werden vereinfacht und es wird
die Zuläſſigkeit des Poſtproteſtes ausgeſprochen. In
erſter Beziehung iſt vor allem von Bedeutung, daß
der Proteſt mangels Zahlung auf den Wechſel
oder ein mit dem Wechſel zu verbindendes Blatt zu
ſetzen iſt und es infolgedeſſen nicht mehr erforderlich
ſein wird, in den Zahlungsproteſt eine Abſchrift des
Wechſels mit den darauf befindlichen Indoſſamenten
und ſonſtigen Vermerken aufzunehmen. (Art. 88, 88 a.
Die Artikel werden zitiert nach dem Texte der Wechſel⸗
ordnung in der vom 1. Oktober 1908 an geltenden
Faſſung. Bek. des Reichskanzlers vom 3. Juni d. Js.).
Der Wegfall der Wechſelabſchrift hat zur Folge, daß
der Zuſtand des Wechſels zur Zeit der Proteſterhebung,
insbeſondere die Legitimation des Proteſtanten zur
Proteſtierung, durch den Inhalt des Proteſtes nicht
mehr feſtgeſtellt wird. Dafür, daß nachträglich hinzu⸗
gefügte Indoſſamente als ſolche erſichtlich ſind, ſorgt
die Beſtimmung des Art. 88 a Abſ. 2 über die Art und
Weiſe, wie der Proteſt auf dem Wechſel zu vermerken
iſt. Die Antwort der Perſon, gegen die der Wechſel
proteſtiert wird, iſt in den Proteſt nicht mehr aufzu⸗
nehmen; es genügt die Angabe, daß die bezeichnete
Perſon ohne Erfolg zur Vornahme der wechſelrechtlichen
Leiſtungen aufgefordert worden oder nicht anzutreffen
geweſen iſt (Art. 88 Nr. 2). Zu den Zahlungs-
proteſten gehört nach Art. 69 Nr. 2 auch der Proteſt,
durch den feſtgeſtellt wird, daß auf das Duplikat
Zahlung nicht zu erlangen iſt. Auf Proteſte, die eine
andere Leiſtung als die Zahlung betreffen, bezieht ſich
Art. 88a nicht; alſo nicht auf den Annahmeproteſt,
nicht auf den Proteſt wegen nicht geleiſteter Sicherheit,
nicht auf die Proteſte nach Art. 69 Nr. 1, Art. 72
Satz 2. Für dieſe Proteſte iſt deshalb nach wie vor
eine Abſchrift des Wechſels oder der Wechſelkopie
nötig. Damit dieſe Proteſte in der äußeren Form
übereinſtimmen, trifft der Art. 88 b für ſie gemeinſame
Beſtimmungen.
Weitere Vereinfachungen des Proteſtverfahrens
ſind folgende: Die Wechſelzahlung kann an den
Proteſtbeamten erfolgen. (Ob der Proteſtbeamte
berechtigt und verpflichtet iſt, die Zahlung anzu⸗
nehmen, war bisher in der Wiſſenſchaft und in
der Rechtſprechung beſtritten). Die Befugnis des
Proteſtbeamten zur Annahme der Zahlung kann
nicht ausgeſchloſſen werden (Art. 89a). — Schreib-
fehler, Auslaſſungen und ſonſtige Mängel der Proteſt⸗
urkunde können bis zur Aushändigung der Urkunde
an die Perſon, für welche der Proteſt erhoben iſt, von
296
dem Proteſtbeamten berichtigt werden; die Berichtigung
iſt als ſolche unter Beifügung der Unterſchrift kenntlich
zu machen. (Nach geltendem Recht muß der Proteſt
innerhalb der Proteſtfriſt fertiggeſtellt ſein; einem
weſentlichen Mangel der Proteſturkunde kann durch
ſpätere Ergänzungen und Berichtigungen nicht mehr
abgeholfen werden). Die Vorſchrift des bisherigen
Art. 90 über die Eintragung der Proteſte in das Proteſt⸗
regiſter wird zur Vermeidung von Verzögerungen der
Aushändigung der Proteſte dahin geändert, daß eine
Abſchrift der Proteſte zurückzubehalten und daß die
Abſchriften geordnet aufzubewahren ſind (Art. 90). —
Der Proteſtbeamte iſt nach geltendem Recht vor der
Erhebung eines Windproteſtes unbedingt zu einer
perſönlichen Nachfrage bei der Polizeibehörde nach
dem Geſchäftslokal oder der Wohnung des Proteſtaten
verpflichtet; er braucht aber auch anderſeits weitere
Ermittelungen nicht anzuſtellen. An Stelle der An⸗
gabe, daß die Nachfrage bei der Polizeibehörde fruchtlos
war, tritt künftig der Vermerk, daß das Geſchäftslokal
oder die Wohnung ſich nicht hat ermitteln laſſen
(Art. 88 Nr. 2). Iſt dies konſtatiert, bleibt die Proteſt⸗
erhebung wirkſam, auch wenn dem Proteſtbeamten die
Ermittelung möglich war (Art. 91 Abſ. 2). Dadurch
wird aber die Verantwortlichkeit des Protefibeamten
nicht berührt, der es unterläßt, geeignete Ermitte⸗
lungen anzuſtellen; nur ſoll er nicht gerade, ſelbſt
wenn er z. B. weiß, daß der Geſuchte ſchon längſt
verzogen iſt, bei der Polizei nachfragen müſſen. Der
Proteſtbeamte ift zu weiteren Nachforſchungen nicht vers
pflichtet, wenn er bei der Polizeibehörde ohne Erfolg
angefragt hat; die Anfrage braucht nicht perſönlich
zu geſchehen (Art. 91). — Art. 91a beſtimmt (im An⸗
ſchluß an die Rechtſprechung des Reichsgerichts, Entſch.
Bd. 32 S. 110, Bd. 60 S. 430), daß eine in dem Geſchäfts⸗
lokal oder in der Wohnung eines Beteiligten vors
genommene Handlung auch dann gültig iſt, wenn an
Stelle des Ortes, in welchem das Geſchäftslokal oder
die Wohnung liegt, ein benachbarter Ort in dem
Wechſel angegeben iſt; es wird z. B. im Geſchäftslokal
eines Kaufmanns in Paſing proteſtiert, obwohl im
Wechſel als Wohnort München angegeben iſt; der
Kaufmann hat Geſchäft und Wohnung nur in Paſing.
Nach geltendem Recht wäre in dieſem Fall Wind⸗
proteſt in München aufzunehmen. Der Proteſtbeamte
hat jedoch bei Anfragen bei der Polizeibehörde ıf.
oben) ſich nur bei der Polizeibehörde des im Wechſel
angegebenen Ortes zu erkundigen. — Die Proteſte
ſollen (abgeſehen von einer ausdrücklichen Einwilligung
der Perſon, gegen die proteſtiert wird) nur in der
Zeit von 9 Uhr Vormittags bis 6 Uhr abends er⸗
folgen (Art. 92 Abſ. 2).
Die Zuläſſigkeit des Poſtproteſtes, die ſchon
dadurch nahegelegt wird, daß bereits jetzt die Poſt⸗
beamten (Poſtboten) einen großen Teil der Wechſel
zur Zahlung präſentieren und daß Reiſekoſten der
Proteſtbeamten an kleinere Orte erſpart werden, ſpricht
der Art. 87 aus. Da jedoch die Poſtverwaltungen
kaum in der Lage wären, ſich der Erhebung von
Proteſten ohne jede Einſchränkung zu unterziehen, ſo
beſtimmt 8 3 des Geſetzes, daß der Reichskanzler
unter Zuſtimmung des Bundesrats anordnen kann,
daß die Poſtverwaltung für beſtimmte Fälle, ins⸗
beſondere mit Rückſicht auf die Art des Proteſtes
oder die Höhe der Wechſelſumme, die Proteſterhebung
nicht übernimmt. Die näheren Beſtimmungen über
die Benützung der Poſtanſtalten zur Aufnahme von
Proteſten erläßt der Reichskanzler; für den inneren
Verkehr der Königreiche Bayern und Württemberg
werden ſie von den zuſtändigen Behörden dieſer
Staaten erlaſſen. Die Poſtverwaltung wird ihre
Tätigkeit vorausſichtlich auf die einfachen Proteſte
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 14.
mangels Sahlung beſchränken, die nach ſtatiſtiſchen
Erhebungen 99% aller Proteſte darſtellen; auch wird
ſie Wechſel, die eine gewiſſe Summe überſteigen, vor⸗
teilhaft ausſchließen. Die Haftung der Poſtverwaltung
regelt der § 4 des Geſetzes.
Weitere wichtige Neuerungen ſind folgende: Der
Art. 43 Satz 2 führt die Gleichſtellung der Domizil⸗
wechſel mit benanntem Domiziliaten und der Zahl⸗
ſtellenwechſel in bezug auf die Form der Proteſt⸗
erhebung herbei. Bei beiden iſt der Proteſt gegen
den — bei den Zahlſtellenwechſeln als Zahlſtelle ges
nannten — Dritten zu erheben, der nach Angabe des
Wechſels zahlen ſoll. (Bisher war bei Zahlſtellen⸗
wechſeln gegen den Bezogenen zu proteſtieren). Bei
Domizilwechſeln mit benanntem Domiziliaten (wie
bisher ſchon bei den Zahlſtellenwechſeln) iſt künftig
der Anſpruch gegen den Akzeptanten von der recht⸗
zeitigen Erhebung eines Proteſtes unabhängig (Art. 44).
Im Zuſammenhange hiermit ſtehen die Vorſchriften
des Art. 99 über den domizilierten eigenen Wechſel.
Durch 8 2 des Geſetzes wird der 821 des WStemp®.
geändert.
1323
In Nr. 33 des Reichsgeſetzblatts wird die Naß⸗
und Gewichtsordunng vom 30. Mai 1908 veröffentlicht.
Der Zeitpunkt, an dem das Geſetz in Kraft tritt, wird
durch Kaiſerliche Verordnung mit Zuſtimmung des
Bundesrats beſtimmt ($ 23); jedoch fol das Inkraft⸗
treten der Vorſchriften über die Organiſation der Eich⸗
behörden nicht vor dem 1. Januar 1912 erfolgen.
Mit dem Inkrafttreten des Geſetzes tritt die Maß⸗ und
Gewichtsordnung für den Norddeutſchen Bund vom
17. Auguft 1868 und das bayeriſche Geſetz vom
26. November 1871, betr. die Einführung der Maß⸗
und Gewichtsordnung 17 8 369 Abſ. 1 Nr. 2 und
Abſ. 2 des StGB. außer Geltung ($ 23). Für das
Reich hat die Kaiſerliche Normal⸗Eichungskommiſſion,
für Bayern die Kgl. bayeriſche Normal⸗Eichungs⸗
kommiſſion darüber zu wachen, daß das Eichweſen nach
; übereinftimmenden Regeln und dem Intereſſe des Ver⸗
kehrs gehandhabt wird (SS 19, 25). Nachſtehend eine
kurze Inhaltsangabe: Die §§ 1—5 bezeichnen die
Maß⸗ und Gewichtseinheiten — das Meter und das
Kilogramm — und ſtellen die Bezeichnungen der Viel⸗
fachen der Maßeinheiten feſt (Hundert Gramm heißen
nach Inkrafttreten des Geſetzes: Hektogramm). Zum
Meſſen und Wägen im öffentlichen Verkehre dürfen,
ſoferne dadurch der Umfang von Leiſtungen beſtimmt
werden ſoll, nur geeichte Maße, Gewichte und Wagen
angewendet und bereit gehalten werden; auch zur Er-
mittelung des Arbeitslohnes in fabrikmäßigen Be⸗
trieben dürfen nur geeichte Maße angewendet und
bereit gehalten werden. Soweit Förderwagen und
Fördergefäße im Bergmerfsbetrieb zur Ermittelung
des Arbeitslohnes dienen, bedürfen ſie der Neueichung
(SS 6, 7). Die Eichung beſteht in der vorſchrifts⸗
mäßigen Prüfung und Stempelung der Meßgeräte
durch die zuſtändige Behörde; fie ift entweder Neueichung
oder Nacheichung (§ 10). 8 11 beſtimmt die Friſten
der Eichung. Die 83 15 ff. behandeln die Organiſation
der Eichämter, die ſtaatliche Behörden find. Die Beibe-
haltung gemeindlicher Eichämter kann von den Landes⸗
regierungen in widerruflicher Weiſe den Gemeinden
geſtattet werden (§ 18 Abſ. 3).
1324
Der Deutſche Juriſtentag wird vom 9. bis 13. Sep⸗
tember d. J. in Karlsruhe tagen.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing.
Ur. 15 u. 16.
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
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in München.
Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im one ke mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jährlich
3.— ſtellungen übernimmt jede Buchhandlung
Boftanftalt a fte für Bayern Nr. 974a).
München, den 1 den 10. - Auguft 1908 1908.
A 20 Pfg. Beilagen nach Uebereintun
Beitfhrift für Rechtspflege
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Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
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oder deren Raum. Bei ebe Ra Stellenanzelgen
Nachdruck verboten.
die Feititellung der Einſicht im Sinne des
S 56 St. vor der Hauptverhandlung.
Von Dr. Emil Gütermann, II. Staatsanwalt in München.“)
I.
Zu den bei Reform von Strafrecht und Straf:
prozeß am lebhafteſten erörterten Fragen gehört
die Behandlung der Jugendlichen. Seit langer
Zeit hat fih die Meinung mehr und mehr Gel:
tung verſchafft, daß die, wenn auch vielleicht nicht
mehr zunehmende, aber jedenfalls jetzt ſchon ſehr
bedenkliche Kriminalität der heranwachſenden
Jugend ein beſonders wachſames Auge erfordere,
daß aber ihre Behandlung im geltenden Straf—
prozeß den jetzt faſt allgemein als zutreffend an-
erkannten Grundſätzen nicht mehr entſpreche.
Die Dringlichkeit der Forderung einer Um⸗
geſtaltung des ganzen ſich mit den Jugendlichen
beſchäftigenden Verfahrens hat denn auch bewirkt,
daß man im Verordnungswege der Geſetzgebung
vielfach vorangeeilt iſt. Nachdem die urſprünglich
in der Hauptſache für die Jugendlichen berechnete
bedingte ae weiter ausgeſtaltet worden
iſt, geht man jetzt daran, dem im zukünftigen
Geſetz kräftig betonten Grundſatz, daß die Jugend:
1) Anm. des Herausgebers. Nachdem dieje
Abhandlung der Redaktion zugegangen war, erſchien im
IM Bl. vom 25. Juli 1908 eine e des
Staatsminiſteriums der Juſtiz Nr. 28 406 vom 22. Juli
1908, das Strafverfahren gegen Jugendliche betr. In
Nr. III 5 dieſer Bekanntmachung heißt es:
„Die Anklageſchrift darf nicht eingereicht und
der Antrag auf Erlaſſung eines Strafbefehls darf nicht
geſtellt werden, bevor nicht ausreichende Erhebungen
darüber ſtattgefunden haben, ob der Beſchuldigte
die zur Erkenntnis der Strafbarkeit ſeiner Handlung
erforderliche Einſicht beſeſſen hat.
Prüfung dieſer Frage wird vielfach zur Verneinung
eines ſubjektiven Tatbeſtandmerkmals
und damit zur Einſtellung des Verfahrens führen.“
lichen nicht nur im Strafrecht, ſondern auch im
Strafprozeß geſondert behandelt und aus der
Maſſe der übrigen Kriminellen ausgeſchieden
werden müſſen, die Wege zu ebnen und ſog.
„Jugendgerichtshöfe“ zu ſchaffen.
Gegenüber allen dieſen erfreulichen Be⸗
ſtrebungen muß aber doch angeſichts der Tatſache,
daß die vollſtändige Durchführung des Straf:
prozeßreformwerkes vielleicht noch verhältnismäßig
lange Zeit in Anſpruch nehmen wird, das
Augenmerk auch ſtändig auf die Anwendung des
noch geltenden Rechts gerichtet und geprüft werden,
ob nicht im Rahmen des alten Geſetzes da und
dort bei der Auslegung für die Jugendlichen etwas
geſchehen kann.
Es ſoll daher in Kürze die Aufmerkſamkeit neuer⸗
dings auf die nicht unbeſtrittene und in der Praxis
verſchieden behandelte Frage gelenkt werden, ob
es unter allen Umſtänden erforderlich iſt, einen
Jugendlichen zur Hauptverhandlung zu bringen,
um die Entſcheidung im Sinne des $ 56 StGB.
treffen zu können.
II.
Die Motive geben einen ſicheren Anhalt für
die Willensrichtung des Geſetzes nicht. Sie führen
aus, daß man an Stelle des „Unterſcheidungs—
vermögens“ des bisherigen preußiſchen Rechts „die
zur Erkenntnis der Strafbarkeit der Handlung
erforderliche Einſicht“ geſetzt habe; dieſe Aenderung
habe aber nur eine klarere Bezeichnung des Ge-
wollten herbeiführen ſollen; man habe einen ſolchen
Grad der Verſtandesentwickelung im Auge gehabt,
welcher nötig ſei, um die Strafbarkeit der konkret
Die genaue |
Aus der angeführten Stelle ergibt ſich, daß auch |
das Miniſterium die Auffaſſung vertritt, daß der Staats-
anwalt bei Verneinung der Einſicht im Sinne des 8 56
des StGB. das Verfahren nicht ſelbſt einſtellen kann.
begangenen Straftat zu erkennen.
Sie fahren dann fort:
„Die Vorſchrift, daß der Richter ermächtigt
ſein ſolle, ſolche jugendliche Angeklagte, welche
freigeſprochen worden ſind, in eine Erziehungs—
oder Beſſerungsanſtalt unterzubringen, findet
in der jhon zu § 55 hervorgehobenen Erwä—
gung ihre Rechtfertigung, daß erfahrungsmäßig
derartige jugendliche Uebeltäter meiſtenteils
298 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
gerade in der eigenen Familie und in dem
ſchlechten Beiſpiele, welches ſie dort finden, zum
Verbrechen verleitet werden.“
Eine klare Auskunft geben ſonach die Motive
darüber nicht, ob man die Frage der Einſicht im
Sinne des $ 56 StGB. ausſchließlich durch den
erkennenden Richter in der Hauptverhandlung ent⸗
ſchieden ſehen wollte; die angeführte Stelle ſcheint
freilich darauf hinzudeuten, daß man die Prüfung
5 den Richter als ſelbſtverſtändlich erachtet
at.
III.
Die Rechtſprechung ſteht faſt durchweg auf dem
Standpunkte, daß Hauptverhandlung erforderlich
lei. Bereits der ObGH. für Bayern (Samml.
d. Entſch. in Gegenſt. d. StR. und StP. Bd. 2
S. 296) hatte entſchieden:
„Die Unterbringung eines Angeſchuldigten,
welcher im Alter zwiſchen 12 und 18 Jahren
ohne Beſitz der erforderlichen Einſicht eine ſtraf⸗
bare Handlung begangen hat, in einer Erzie⸗
hungs⸗ oder Beſſerungsanſtalt kann nicht in
einem Einſtellungsbeſchluſſe, ſondern nur in
einem freiſprechenden Urteile beſtimmt werden.“
Er hatte dabei beſonders darauf verwieſen,
daß nach dem Wortlaut des $ 56 StGB. der
fragliche Angeſchuldigte freizuſprechen und
die Beſtimmung nach $ 56 Abſ. 2 in dem Urteile
zu treffen ſei, und die Frage, ob der Ange⸗
ſchuldigte die Straftat überhaupt begangen
habe, nur in einem Erkenntnis auf Grund einer
Hauptverhandlung entſchieden werden könne.
Mit etwa der gleichen Begründung iſt dieſer
Auffaſſung das ObLG. München (Entſch. Bd. 2
S. 247, 2 S. 399, 4 S. 469) beigetreten.
Literatur, namentlich die Kommentare, haben
ſich im weſentlichen angeſchloſſen. Vgl. insbeſ.
Frank, StGB. § 56 Anm. I; Olshauſen, Komm.
8 56 Anm. 17.
IV.
Eine andere Auffaſſung iſt zwar keineswegs
von vornherein von der Hand zu weiſen, wäre
jedoch nicht zu billigen. Der vierte Abſchnitt des
erſten Teiles des StGB. behandelt die Gründe,
welche die Strafe ausſchließen oder mildern. Die
8$ 51—54 behandeln die Fälle, in welchen eine
ſtrafbare Handlung nicht vorhanden iſt (Un—
zurechnungsfähigkeit, Nötigungsſtand, Notwehr,
Notſtand).
Anders liegt es in den Fällen der 88 55—58
(Jugendliche, Taubſtumme). 8 55 ſagt:
Wer bei Begehung der Handlung das 12.
Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen der:
ſelben nicht ſtrafrecht lich verfolgt werden.
|
Dagegen § 56:
Ein Angeſchuldigter, welcher zu einer Zeit,
als er das 12., aber nicht das 18. Lebensjahr
vollendet hatte, eine ſtrafbare Handlung be⸗
gangen hat, iſt freizuſprechen, wenn ıc.
In dem Urteile iſt zu beſtimmen ꝛc.
Aus dem Wortlaute „begangen hat“ läßt ſich
nichts für die eine oder andere Anſicht folgern;
auch der 5 55 StGB. ſetzt voraus, daß eine
Straftat begangen wurde, und niemand wird
zweifeln, daß der Staatsanwalt hier das Verfahren
durch ſeinen Beſcheid zu beendigen oder, wenn
die Tatſache, daß das 12. Lebensjahr bei Be⸗
gehung noch nicht vollendet war, aus irgendwelchem
Grunde erſt ſpäter feſtgeſtellt iſt, das beſchließende
Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab⸗
zulehnen haben wird.
Nun ließe ſich aus den Worten des § 56
„Ein Angeſchuldigter“ folgern:
Nach § 155 StPO. ift im Sinne dieſes Ge-
ſetzes „Angeſchuldigter“ der Beſchuldigte, gegen
welchen die öffentliche Klage erhoben iſt; das
Verfahren nach $ 56 StGB. hat alfo nur dann
einzutreten, wenn öffentliche Klage erhoben iſt;
wie dagegen der Staatsanwalt ſein Ermittelungs⸗
verfahren abſchließen muß, wird durch den $ 56
StGB. nicht geregelt.
Hiergegen iſt aber zu berückſichtigen, daß dann
immer noch die Notwendigkeit einer Haupt⸗
verhandlung nach Erhebung der öffentlichen Klage
bliebe, weil eine Entſcheidung durch das beſchließende
Gericht nicht vorgeſehen iſt, und daß die Feſt⸗
ſetzung des Begriffes „Angeſchuldigter“ in obigem
Sinne erſt durch die StPO. längere Zeit nach
Schaffung des StGB. erfolgt iſt.
Zuſammenhang und Wortlaut des Geſetzes
weiſen offenbar darauf hin, daß eine Prüfung
durch den erkennenden Richter beabſichtigt war.
Dies geht mindeſtens aus dem Abſ. II des
8 56 deutlich hervor. Darüber, ob der An⸗
geſchuldigte ſeiner Familie zu überweiſen oder in
eine Erziehungs- oder Beſſerungsanſtalt zu bringen
iſt, muß eine Entſcheidung getroffen werden, wenn
die Einſicht nicht vorhanden war. Nun könnte der
Staatsanwalt durch Einſtellung des Verfahrens
mangels Vorliegens der Einſicht allerdings mittel-
bar bewirken, daß der Beſchuldigte ſeiner Familie
überwieſen wird; allein die Ueberweiſung in eine
Erziehungs- oder Beſſerungsanſtalt anzuordnen,
wäre er nicht befugt; dies hat das Geſetz aus⸗
drücklich dem Urteile vorbehalten. Es darf daher
durch Einſtellung des Verfahrens durch den
Staatsanwalt oder Nichteröffnung des Haupt⸗
verfahrens durch das beſchließende Gericht die
notwendige Entſcheidung über Unterbringung in
der . oder einer Anſtalt nicht umgangen
werden.
ar eis:
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
V.
Die Notwendigkeit der Löſung der Frage in
dieſem Sinne iſt um ſo mehr zu beklagen, als die
Zahl der Fälle überaus groß iſt, bei welchen
das Ermittelungsverfahren bereits deutlich ergibt,
daß der Beſchuldigte, namentlich wenn er das
12. Lebensjahr noch nicht erheblich überſchritten
hat, die Einſicht im Sinne des § 56 StGB.
nicht beſeſſen hat und daß auch eine Unter⸗
bringung in einer Anſtalt nicht geboten iſt.
Es darf daher gehofft werden, daß Fälle
dieſer Art bei der Reform des Strafprozeſſes
beſonders in das Auge gefaßt werden und neben
vollſtändiger Abſonderung des Verfahrens gegen
Jugendliche die Möglichkeit gegeben wird, bei
zweifelfreier Sachlage eine Erledigung des Straf-
verfahrens ohne jede Hauptverhandlung herbei⸗
zuführen.
VI.
Eine gewiſſe Beſchränkung der Zahl der
Hauptverhandlungen gegen Jugendliche läßt ſich
jedoch auch jetzt ſchon dadurch ermöglichen, daß
bei Anklageerhebung und Beſchlußfaſſung über Er—
öffnung des Hauptverfahrens die Tatbeſtandsmerk—
male der fraglichen ſtrafbaren Handlung gerade
mit Rückſicht auf die Eigenſchaft des Beſchuldigten
als eines Jugendlichen, alſo einer regelmäßig
körperlich und geiſtig noch unentwickelten Perſon,
beſonders ſorgſam geprüft werden.
So wird bei allen Delikten, welche die Rechts:
widrigkeit als Tatbeſtandsmerkmal aufweiſen (vgl.
z. B. §§ 123, 242, 246, 249, 263, 267, 268,
303, 304 StGB.), eine gründliche Prüfung in
vielen Fällen ſchon vor der Hauptverhandlung er—
geben, daß der Jugendliche geiſtig noch nicht
ſoweit entwickelt iſt, um bemeſſen zu können, was
gegen das Recht verſtößt, rechtswidrig iſt.
In den nicht ſeltenen Fällen einer Anklage
auf Grund des § 176 Ziff. 3 StGB. gegen einen
noch nicht 18 Jahre alten Burſchen hätte vielleicht
eine genaue Prüfung der Körperbeſchaffenheit und
der Geſchlechtsreife des Beſchuldigten durch den
ſachverſtändigen Arzt ergeben, daß von der vom
Geſetze geforderten wollüſtigen Abſicht, der Luſt der
Erregung oder Befriedigung des eigenen Geſchlechts—
triebs, noch keine Rede ſein konnte, daß vielmehr
der beanſtandeten Handlung lediglich Neugierde,
Nachahmungstrieb u. dgl. zugrunde lag.
Die Aufzählung ſolcher Fälle ließe ſich noch
außerordentlich vermehren.
Es genügt aber wohl das Geſagte als Beleg
dafür, daß es angezeigt iſt, auch auf dieſe Weiſe
alles zu tun, um vor Inkrafttreten der Reform-
geſetzgebung Jugendliche, ſoweit dies nur irgend
im Rahmen des geltenden Geſetzes zuläſſig iſt,
vor den ſchädlichen Wirkungen einer zweckloſen
Hauptverhandlung zu bewahren.
299
Die rechtliche Natur der Kgl. privilegierten
Echützengeſellſchaften.
Von Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vervier in Würzburg.
Ueber das innere Weſen und den rechtlichen
Charakter der * hat ſich neuer⸗
dings eine Streitfrage entſponnen, welche den
Anlaß zu den nachfolgenden Erörterungen gegeben
hat. Verſchiedenartige Auffaſſungen wurden in
den letzten Nummern der BayZfR. Nr. 5 S. 104;
Nr. 6 S. 121; Nr. 8 S. 164 über die vor⸗
würfige Frage laut, ohne daß eine Einigung der
Meinungen erzielt worden wäre. Und doch hat
dieſe Streitfrage ſchon zweimal auch den bayeriſchen
oberſten Gerichtshof beſchäftigt.
J.
Will man der Löſung des Problems näher
treten, ſo iſt es unerläßlich, das Weſen der
öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältniſſe und der dar—
aus entſpringenden publiziſtiſchen Individualrechte!),
über deren Natur ſich die Anſchauungen in der
Literatur noch nicht vollſtändig geklärt haben,
wenigſtens in den wichtigſten Grundzügen zu
erörtern. Fällt doch die konkrete Frage nach
der rechtlichen Natur der Schützengeſellſchaften
weſentlich zuſammen mit der abſtrakten Frage
nach der reinlichen Scheidung zwiſchen den Auf—
gaben und Rechtsverhältniſſen, welche zur Ent—
ſcheidung der Juſtizbehörden, und denjenigen,
ra zur Entſcheidung der Verwaltungsbehörden
tehen.
Die Geſamtheit rechtserheblicher Erſcheinungen
und Fragen, welche ſich um die Grenzgebiete der
Zuſtändigkeit der Zivilgerichte und der Verwaltungs—
behörden gruppieren, bildet den Inhalt des
materiellen Kompetenzproblems. Die wichtigſte
bei der Unterſuchung dieſes Stoffes auftauchende
Erſcheinung iſt gleichbedeutend mit der Beantwor—
tung der Frage, wann ein geltend gemachtes Rechts—
verhältnis dem Gebiete des öffentlichen Rechts und
wann es dem Bereiche des Privatrechts angehört.
Hierüber beſteht in weſentlichen Punkten Streit.
Ein Rechtsverhältnis gehört m. E. dann dem
öffentlichen Rechte an, wenn zwei Vorausſetzungen,
eine objektive und eine ſubjektive, in Wechſel—
wirkung treten. Einerſeits muß der Streitgegen—
ſtand dem Gebiete des öffentlichen Rechts ange—
hören, auderſeits iſt erforderlich, daß die Streits—
teile nach ihren perſönlichen Eigenſchaften in öffent—
lich-rechtlichen Beziehungen zum Streitgegenſtand
ſtehen. Nur in der Syntheſe dieſer beiden Koordi—
naten erſchöpft fih der Begriff des öffentlich-recht⸗
lichen Rechtsverhältniſſes und der daraus hervor:
1) Die neueſte Erſcheinung auf dieſem Gebiete ift
Gg. Jellinecks Werk: Syſtem der ſubjektiven öffentlichen
Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1905.
300
gehenden öffentlichen Individualrechte. Dieſe
bilden gewiſſermaßen den Querſchnitt des publi⸗
ziſtiſchen Rechtsverhältniſſes.
Das Weſen der öffentlich-rechtlichen Rechts⸗
verhältniſſe, deſſen Erörterung in den einfachſten
Grundzügen für das Verſtändnis der gegenwaͤrtigen
Streitfrage als deren Kernpunkt unerläßlich iſt,
ergibt ſich aus ihrer Entſtehung.
In einer geordneten Rechtsgemeinſchaft nimmt
der einzelne Menſch eine Doppelſtellung ein, welche
den Gegenſatz zwiſchen dem öffentlichen Recht und
dem Privatrecht ſcharf hervortreten läßt. Dieſer
Gegenſatz iſt auch unmittelbar in der menſchlichen
Natur begründet. Der einzelne iſt nicht nur ein
ſelbſtändiger, von den ihn umgebenden Individuen
unabhängiger Träger von Rechten und Pflichten,
nicht nur eine Einzelerſcheinung im Rechts- und Wirt⸗
ſchaftsleben, er ift zugleich auch ein toov rroAırıxov,
ein dienendes Glied im Organismus höherer
Verbände. Dieſe höheren Korporationen dienen
der Ausgleichung der beiden Antipoden: der freien,
durch keinen Zwang gehemmten wirtſchaftlichen
Kräfteentfaltung des Individuums einerſeits, der
Wahrung des Gleichgewichts und der Lebens⸗
intereſſen der Geſellſchaft gegen individuelle Ueber⸗
griffe anderſeits. Aus dieſer Scheidung entſtehen
für den einzelnen Rechte und Verbindlichkeiten,
welche aus dem unmittelbaren, rein privaten und
perſönlichen Rechts⸗ und Vermögenskreis des
Einzelnen hinaustreten und Intereſſen und Tätig-
keiten betreffen, zu deren Wahrnehmung das
Individuum für ſich normalerweiſe keine Ver⸗
pflichtung und keinen Anlaß hat. Dieſe derge⸗
ſtalt ausgeſchiedenen Tätigkeiten werden von ſtaat⸗
lich ins Leben gerufenen oder in ihrer Exiſtenz
anerkannten, ſtaatlich organiſierten und beaufſich⸗
tigten territorialen Zwangsverbänden und den
dieſen organiſch eingegliederten Zweckverbänden
ausgeübt, welch' letztere als niedrigere Stufe und
innerhalb der erſteren exiſtieren. Es wird dieſen
Zweckverbänden die Erfüllung beſtimmter Auf—
gaben zugeteilt, welche ſich aus der Natur und
dem Daſein der einzelnen höheren Korporationen
unmittelbar ergeben, und deren Vollzug zugunſten
der Geſamtheit anvertraut.
Aus dem Rechtsgrund der Zugehörigkeit zu dieſen
im öffentlichen Intereſſe beſtehenden oder ſtaatlich
ins Leben gerufenen und organiſierten Zweckver—
bänden entſtehen dann für den einzelnen Menſchen
Untertanenrechte und Untertanenpflichten, welche
unter dem Namen: „ſubjektiv⸗öffentliche Rechte“
zuſammengefaßt werden. Sie ſind losgelöſt von
der individuellen Willkür und Autonomie des
einzelnen, ſeine wirtſchaftlichen Angelegenheiten zu
regeln, losgelöſt von den aus dem Geſichtspunkt
des Geſellſchaftsintereſſes belangloſen Betätigungen
des Individuums, zugunſten der ſtärkeren Hervor—
hebung und Einwirkung des Staatsgedankens und
der ſtaatlichen Machtſphäre. Aus dieſer Entwickelung
—U— ——— ͤ&³jw
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
ergibt ſich das Weſen der öffentlichen Individual⸗
rechte. Es ſind mit ſtaatlichem Rechtsſchutz um⸗
gebene Zwangsverbands- und Zwecksverbandsrechte,
ein Ausfluß der mehr oder minder ſtark entwickelten
Zugehörigkeit des Einzelnen zu einer ſolchen dem
Staate organiſch eingegliederten Körperſchaft.
II.
Dieſe grundlegenden Ausführungen geben
die leitenden Geſichtspunkte für die Beurteilung
und Beantwortung der gegenwärtigen Streit⸗
frage an.
Aus der hiſtoriſchen Entwickelung der Schützen⸗
geſellſchaften bis auf unſere Zeit iſt deren recht⸗
liche Natur als öffentliche Körperſchaften, inſoweit
ſie ſich innerhalb der ihnen vom Staate im öffent⸗
lichen Intereſſe zugewieſenen Rechtsſphäre bewegen,
zweifelsfrei nachzuweiſen.
Die alten Schützengilden, wie ſie weit und
breit im alten Deutſchen Reich beſtanden und auch
im neuen Reiche unter dem Namen „Schützen⸗
geſellſchaften“ noch zahlreich vorhanden ſind, hatten
wenigſtens in früheren Zeiten nicht ausſchließlich
den Zweck, ihren Mitgliedern des Vergnügens
halber Gelegenheit zu Schießübungen zu geben,
ſondern waren vorzugsweiſe dazu beſtimmt, die
Untertanen zum Zwecke allenfallfiger Vaterlands⸗
verteidigung im Gebrauche der Feuerwaffe zu üben.
Dieſe Aufgabe der Schützengeſellſchaften war in
den damaligen Zeiten von größter Bedeutung.
Die Schützengilden waren vielfach die Repräſen⸗
tanten des Schutzes des Staatsgebietes ſowie der
inneren Ordnung und dienten der Wehrhaftmachung
des Volkes in Zeiten, in welchen man die afl-
gemeine Wehrpflicht noch nicht kannte. Nicht um⸗
ſonſt waren ſie daher von den deutſchen Kaiſern
mit Privilegien, insbeſondere mit der Verleihung
von Korporationsrechten ausgezeichnet worden.
Vorſtehendes geht aus der Einleitung der baye⸗
riſchen Schützenordnung vom 21. Juli 1796 (ent:
halten in Mayrs Gen.-Samml. Bd. V S. 864)
klar hervor. Der erwähnte Zweck der Schützen⸗
geſellſchaften leuchtet auch aus der Verordnung
vom 9. Juli 1809 hervor, welche jeden neu an=
gehenden Bürger verpflichtet, drei Jahre lang die
Schießſtätte zu beſuchen und fih dort im Scharf⸗
ſchießen zu üben. Eine derartige Anordnung kann
nur dadurch ihre Erklärung finden, daß ſolche
Schießübungen im Staatsintereſſe nicht nur für
wünſchenswert, ſondern für dringend geboten er:
achtet werden. Die Schützengeſellſchaften waren
ſonach zufolge ihres Zweckes nicht Privatvereine,
nicht Vergnügungsgeſellſchaften ohne höhere, im
öffentlichen Intereſſe zu verfolgende Zwecke, ſondern
vergleichbar den Zünften, öffentliche Korporationen,
welche unter der Aufſicht von Staatsbehörden und
Gemeindebehörden ſtanden, und für welche ſogar,
wie beſonders in Bayern am 21. Juli 1796, von
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15. u. 16.
301
— ä ę —— p ᷑ äE6ͤ—ͤ—. . — — . — — a aa
der Staatsregierung Schützenordnungen erlaſſen
wurden.
Die Schützengeſellſchaften waren ſonach ſtaat⸗
lich genehmigt, mit befonderen Schützenordnungen
verſehen, — meiſt erließen die unteren Verwaltungs⸗
behörden oder die Stadtverwaltungen ſelbſt dieſe
Statuten —, ſtanden unter der Kontrolle öffent⸗
licher Behörden, insbeſondere der Magiſtrate in
den Städten, welche ſogar über die finanzielle Ge⸗
bahrung der Schützengeſellſchaften in vielen Fällen
die Oberaufſicht und Kontrolle ausübten, auch die
Durchführung der genehmigten Satzungen nach den
Prinzipien der Schützenordnungen zu überwachen
hatten. Die Schützengeſellſchaften mußten normaler⸗
weiſe dem Magiſtrate innerhalb beſtimmter Friſt
Rechnung legen, hatten aber anderſeits auch An⸗
ſprüche auf herkömmliche Beihilfen und Zuſchüſſe
als Entſchädigung für ihre im Intereſſe des Ge⸗
Frage die Entſcheidung des Oberappellations⸗
gerichts München vom 27. Mai 1854 und des
Oberſten Landesgerichts München vom 23. Juni
1903, enthalten in der Samml. Bd. IV S. 486 ff.
n. F., in Sachen der Schützengeſellſchaft Winter⸗
hauſen gegen die Gemeinde Winterhauſen a. M.
Die juriſtiſche Literatur hat, ſoweit ſich dies über⸗
ſehen ließ, zu dieſer Frage in eingehender Weiſe
noch keine Stellung genommen.
III
Im Verlaufe der hiſtoriſchen Entwickelung,
insbeſondere in der Zeit der Einführung der all⸗
gemeinen Wehrpflicht mußten die öffentlich⸗ redt-
lichen Aufgaben der Schützengeſellſchaften allmählich
in den Hintergrund treten. Eine Reform dieſer
Einrichtung war unausbleiblich. Der Hauptzweck
der Schützengeſellſchaften, die Hebung im Gebrauch
meinweſens ſowie des Staates entwickelte öffentlich- der Feuerwaffe zu pflegen und zu fördern zum
rechtliche verdienſtvolle Tätigkeit. In manchen
Städten waren den organiſierten Mitgliedern der
Schützengeſellſchaften auch polizeiliche Aufgaben
überwieſen und wurde ihnen der allgemeine Bürger⸗
ſchutz und die Sicherheit für Gut und Leben an-
vertraut. Zu dieſem Zwecke waren die Angehörigen
der Schützengeſellſchaften militäriſch organiſiert und
bildeten in einigen Landesteilen ein Anhängſel der
alten Landwehr: Schützenkompagnien und Schützen⸗
bataillone. Ihre Tätigkeit war insbeſondere in
Kriegszeiten und den Revolutionsjahren, haupt⸗
ſächlich im Jahre 1848, von großer Bedeutung.
Es waren ſonach die Schützengeſellſchaften mit
dem Gemeinweſen und dem Staate geradezu ver⸗
wachſen geweſen.
Nach den obigen einleitenden Ausführungen
erfüllten ſomit damals die Schützengeſellſchaften
alle Vorausſetzungen, um als Inſtitute des öffent-
lichen Rechts zu gelten. Sie hatten die Eigen⸗
ſchaft öffentlich⸗rechtlicher Korporationen, indem fie
in den weitaus meiſten Fällen unter direkter Leitung
und Kontrolle der Gemeindebehörden ſtehende
ſtädtiſche Inſtitute und geradezu organiſch in die
politiſche Gemeinde eingegliedert waren. Letztere
Auffaſſung muß allſeitig anerkannt werden, wenn
man erwägt, daß jeder Bürger mit der Anſäſſig⸗
machung zwangsweiſe einer ſolchen Schützengilde
beitreten mußte. Dieſe Verpflichtung war ſomit
|
ohne weiteres an den Eintritt in den Kreis der
wirklichen Gemeindeglieder, der Gemeindebürger
verknüpft.
daß die Zugehörigkeit des einzelnen zur Schützen⸗
gilde lediglich in deſſen Beziehung zur politiſchen
Gemeinde, in deſſen Eigenſchaft als Gemeinde⸗
bürger, ſohin nicht in einem privatrechtlichen Ver—
hältniſſe ihren Grund hatte, daß ſie gewiſſermaßen
als eine mit dem Erwerb des Bürgerrechts ver—
Zwecke allenfallſiger Vaterlandsverteidigung, war
dadurch von ihnen abgenommen und an das
ſtehende Heer übertragen worden. Es war des⸗
halb begreiflich, daß die bayeriſche Regierung am
25. Auguft 1868 fih veranlaßt fab, „in der Er-
wägung, daß die allgemeine bahyeriſche Schützen⸗
ordnung vom 21. Juli 1796 der gegenwärtigen
Ausbildung des Schützenweſens nicht mehr ent⸗
ſpricht, wie es im Eingang jener Verordnung vom
25. Auguſt 1868 wörtlich heißt, unter letzterem
Datum eine „allgemeine Schützenordnung“ für
das Königreich Bayern zu erlaſſen, um Zweck und
Organiſation der Schützengeſellſchaften dem neu⸗
zeitlichen Charakter und der Veränderung der
politiſchen Verhältniſſe entſprechend anzupaſſen“.
Immerhin ift nach § dieſer Verordnung die
öffentlich-rechtliche Zweckbeſtimmung der Schützen⸗
geſellſchaften im weſentlichen in ihrer Grundlage
nicht verändert worden. Die Schützengeſellſchaften
haben danach den Zweck, ihre Mitglieder zu ge:
meinſchaftlichen Schießübungen zu vereinigen, um
durch fortgeſetzte Handhabung der Feuerwaffe
und durch Förderung des Schützenwefens im all:
gemeinen die Wehrkraft des Volkes zu er—
höhen. Hierdurch wurden ſonach ihre Aufgaben
lediglich im Sinne der neuzeitlichen Umgeſtaltung
geändert. Das für den jeweiligen Umfang des
Bereiches des öffentlichen Rechts maßgebende Ge—
ſetz der zunehmenden Staatstätigkeiten, der ſog.
Spezialiſierung des Individualismus bei aufſteigen—
Aus dieſer Tatſache erhellt zweifelsfrei, der Wirtſchafts- und Kulturentwickelung im all:
gemeinen, hat für die Entwickelung der gegen—
wärtigen Streitfrage ausnahmsweiſe eine rückläufige
Bewegung zu verzeichnen. Dieſe Tatſache findet
ihre Erklärung in einem politiſchen Moment. Es
iſt das Prinzip der zunehmenden Zentraliſierung
der politiſchen Machtbefugniſſe, welches eine Ber-
knüpfte gemeindebürgerliche Verpflichtung, ſomit ſchiebung der Machtverhältniſſe der niederen Terri-
als ein Ausfluß der Zugehörigkeit zu einem öffent⸗
lich⸗ rechtlichen Zwangsverband angeſehen wurde.
In dem gleichen Sinne äußert ſich über dieſe
torialverbände ſowie der Zweckverbände zugunſten
des höchſten politiſchen Verbandes im Gefolge hatte.
Aber trotz dieſer Entwickelung ſind die Schützen—
302 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16
geſellſchaften öffentliche Korporationen geblieben, Schützenkommiſſariat jederzeit die nötigen Auf⸗
woferne fie ſich nur den Beſtimmungen der gez ſchlüſſe verlangen kann: 88 27, 21/2, 24 Abi. 4.
nannten VO. unterwerfen, und zwar mit der Das für den öffentlich⸗ rechtlichen Charakter
Aufſtellung des Schützenkommiſſariats nach 8 4 einer Einrichtung weſentliche Merkmal der Abhängig⸗
Abſ. 2 VO. Hat eine Schützengeſellſchaft die keit vom Staate und der Unterordnung unter deffen
VO. zur Grundlage ihrer Satzungen gemacht, ſo Verwaltungsbehörden kommt dadurch klar zum
ift fie hiermit kraft der VO. eine öffentliche Kor- Ausdruck, daß den Schützengeſellſchaften gegen Ber-
poration, ſoferne ſie nicht nachzuweiſen vermag, fügungen des Staatskommiſſariates jederzeit binnen
daß fie fih infolge älterer Privilegien bereits im | 14 Tagen Beſchwerde zuſteht, welche (außer bei der
Beſitze korporativer Rechte befindet: § 2 VO. Hauptſchützengeſellſchaft München, deren Rechtsver⸗
Ihre Natur als öffentlich'rechtliches Inſtitut, hältniſſe vielfach abweichend geregelt find), von der
beſtehend in der Eingliederung in den Staats- Diſtriktspolizeibehörde in erſter und der vorgeſetzten
organismus, haben diefe Schützengeſellſchaften Kreisregierung in zweiter Inſtanz verbeſchieden wird:
nicht verloren. Sie ftehen bezüglich der Be: | SS 45, 46, 19, 21 BO. i
obachtung der gegenwärtigen Schüßenordnung | . Nach Zweck und Organiſation, mag dieſe auch
unter der Aufficht von Staatskommiſſären, in der nicht mehr fo ſtraff wie früher geregelt fein, find
Einrichtung des ſog. Schützenkommiſſariats, welches demnach die Kgl. privilegierten Schützengeſellſchaften
in den durch die Schützenordnung beſtimmten öffentlich ⸗rechtliche Zweckverbände und Korporationen
Fällen das öffentliche Intereſſe zu wahren und des öffentlichen Rechts geblieben. Eintritt, Aus⸗
das ſtaatliche Aufſichtsrecht zu handhaben hat: tritt und Ausſchluß von Mitgliedern, Verpflichtung
84 BO. 5 1 900 hot Ane i 1 5 * für
. ses wecke der Geſellſchaft, Anſprüche der letzteren an
. ie Sotite ober hr istas auf Berabrridung
ſchaften tief einſchneidende Vollmachten verliehen herkömmlicher jährlicher Beiträge gemäß 8 80 BO.
J ſind ſomit auch jetzt noch Gegenſtände, welche im
Die ganze innere Wirkſamkeit der Geſellſchaft i i A 3
ſteht unter ſeiner Kontrolle. Wenn auch die . nicht der Entſcheidung der Zivilgerichte
frühere intenſive Finanzkontrolle ſeitens der vor— , PEN
geſetzten ftaatlihen oder ſtädtiſchen Behörden weg⸗ C
En 1 0 Aenderung hervorgerufen. Nach der herrſchenden
3” an Lehre ſind die juriſtiſchen Perſonen des öffentlichen
der Etat mit den allenfallſigen Reviſionserinne⸗ Rechts, ſomit auch die Kgl. privilegierten Schützen⸗
rungen zur Kenntnisnahme übergeben werden muß geſellſ chaften bezüglich ihrer ſämtlichen Rechts⸗
zum Zwecke oberauffichtlicher Prüfung: 541 Ab}. 2 beziehungen, ſoweit fie nicht einen privatwirtſchaft⸗
VO. Eine im öffentlichen Intereſſe aufgeſtellte, .. ; ;
die wirtſchaftliche und finanzielle Bewegungsfrei⸗ die Eingelſaaten nich 1
heit der Schützengeſellſchaften hemmende Be— Schneider, AG :
5 | . zum BGB. Vorbem. Ziff. 1 zu
ſchränkung it auch in § 21 BO. niedergelegt. Art. 1/2 des bayer. UebG. z. BB. S. 382;
inſoferne hiernach das Schützenkommiſſariat be— f i
rechtigt ift, Beſchlüſſe der Generalverſammlung, Meikel, Die bayer. AG. Note zu Art. 1 des UebG.
welche die Veräußerung oder Verpfändung des
Geſellſchaftssermögens zum Gegenſtande haben,
ſofort mündlich in der Generalverſammlung oder
binnen 3 Tagen durch eine ſchriftliche Erklärung
an das Schützenmeiſteramt zu inhibieren.
Auch für die ſämtlichen übrigen Entſchließungen
der Geſellſchaft, d. h. für die in der Generalverſamm⸗ Die Pfändung von Hypothekforderungen unter:
lung gefaßten Beſchlüſſe, ift dem Schützenkommiſ⸗ liegt im allgemeinen den für die Pfändung von
ſariat eine entſprechende Machtbefugnis verliehen. Geldforderungen überhaupt erlaſſenen Normen und
vgl. 55 18 Ab}. 2, 19, 21/2, 27 BD. ſetzt daher wie dieſe die Erlaſſung und Zuſtellung
Bezüglich der Aufnahme und des Austrittes eines mit arrestatorium und inhibitorium ver-
von Mitgliedern hat ſich eine Wandelung nach | ſehenen gerichtlichen Pfändungsbeſchluſſes gemäß
der Richtung hin vollzogen, daß zwar ein Beitritts- $ 829 ZPO. voraus. Eine Beſonderheit beſteht
zwang, insbeſondere für Gemeindebürger ent- nur inſofern, als nach $ 830 ZPO. entſprechend
ſprechend der neuzeitlichen Entwickelung in Heer den Vorſchriften über die Abtretung einer durch
und Polizei nicht mehr beſteht, daß aber immer- Hypothek geſicherten Forderung ($ 1154 BGB.)
hin die Aufnahme und der Ausſchluß von Mit- bei Briefhypothekforderungen noch die Uebergabe
gliedern ſtaatlich überwacht und beaufſichtigt wird, | des Hypothekenbriefs an den Gläubiger und bei
indem bei Aufnahme in die Geſellſchaft, bei Buchhypothekforderungen noch die Eintragung der
Austritt und Ausſchluß von Mitgliedern das | Pfändung im Grundbuche gefordert wird.
Die Vorpfändung von Vuchhypothek⸗
forderungen.
Von Amtsrichter Dr. Schanz in München.
— — —— —— — —— ͤ—m uʒ ö — — —— — — —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
Der die Pfändung einer Geldforderung be⸗
treibende Gläubiger kann, um ſich gegen eine
etwaige Verzögerung der Pfändung zu ſchützen,
gemäß § 845 ZPO. ſchon vor der Pfändung auf
Grund ſeines Vollſtreckungstitels dem Dritt⸗
ſchuldner und dem Schuldner durch den Gerichts⸗
vollzieher einen Schriftſatz zuſtellen laſſen, in dem
unter der Aufforderung an den Drittſchuldner,
nicht an den Schuldner zu zahlen, und unter der
Aufforderung an den Schuldner, ſich jeder Ver⸗
fügung über die Forderung, insbeſondere der Ein⸗
ziehung, zu enthalten, die bevorſtehende Pfändung
angekündigt wird. Der Benachrichtigung an den
Drittſchuldner iſt die Wirkung eines Arreſtes
($ 930 ZPO.) beigelegt, ſoferne die Pfändung
innerhalb drei Wochen — gerechnet vom Tage
der Zuſtellung — bewirkt wird.
Die fog. Vorpfändung des 8 845 ZPO. findet
auch bei Hypothekforderungen Anwendung. Dies
kann wohl nicht bezweifelt werden, da der $ 845
ZPO. üh mangels jeder weiteren Unterſcheidung
oder Ausnahmefeſtſetzung auf alle in den voraus⸗
gehenden Paragraphen (§8 828 ff. ZPO.) geregelten
Pfändungen bezieht und daher, da auch nicht etwa
aus der Natur der Sache ein Ausſchluß hergeleitet
werden kann, die in 8830 ZPO. geregelte Pfändung
von Hypothekforderungen umfaßt.
Wohl aber beſtehen Meinungsverſchiedenheiten
darüber, ob und in welcher Weiſe die Vorpfändung
von Buchhypothekforderungen im Grundbuch ein⸗
getragen werden muß. Schon unter der Herrſchaft
des alten Hypothekenrechts war dieſe Frage be⸗
ſtritten. Regelsberger (Bayer. HypR. 2. Aufl. S. 435)
forderte die Einſchreibung der Pfändungsbenach⸗
richtigung; andere hingegen ließen nur die Ein⸗
tragung einer Proteſtation zu oder verneinten
überhaupt die Eintragungsfähigkeit (Merkel, BRA.
Erg Bd. XII S. 145). Für das neue Recht ver⸗
treten Seuffert (Komm. z. ZPO., 9. Aufl.,
Note 4* zu 8 845, Bd. II S. 517) und im Anſchluß
an dieſen Peterſen (Komm. z. ZPO., 5. Aufl.,
Note 6 zu § 845, Bd. II S. 528) die Anſchauung,
daß der Gläubiger auf Grund der Pfändungs⸗
benachrichtigung (arg. BGB. $ 883) eine Bor-
merkung in das Grundbuch eintragen laſſen könne,
während von Gaupp⸗Stein (Komm. z. ZPO.,
6./7. Aufl., Note III zu § 845, Bd. II S. 609
die Zuläſſigkeit einer Vormerkung mit der Be⸗
gründung, daß der Gläubiger einen Anſpruch auf
Einräumung eines Pfandrechts an der Hypothek
nicht habe, in Abrede geſtellt und die Eintragung
der Vorpfändung im Grundbuch überhaupt nicht
für erforderlich erklart wird.
Weder die Verneinung der Eintragungs⸗
bedürftigkeit noch die Verweiſung auf den Weg
der Vormerkung kann bei näherer Betrachtung
als zutreffend erachtet werden.
Die Benachrichtigung des Drittſchuldners von
der bevorſtehenden Pfändung hat gemäß § 845
Abſ. II ZPO. die Wirkung eines Arreſtes
303
($ 930), ſoferne die Pfändung der Forderung
innerhalb drei Wochen nach den Vorſchriften des
$ 829 3PO. bewirkt wird. Unter „Arreſt“ ift
hier nicht bloß der Arreſtbefehl, ſondern, wie
ſich unzweifelhaft aus der Anführung des § 930
ZPO. im Geſetzestext ergibt, die Arreſtvoll⸗
ziehung verſtanden (RG. Bd. 26 ©. 427).
Die Arreſtvollziehung aber begründet nach $ 930
BPO. ein Pfandrecht. Daraus folgt, daß auch
die Vorpfändung, wenn ſie im Falle rechtzeitiger
Herbeiführung der Pfändung die Wirkung einer
Arreſtvollziehung haben ſoll, dem Gläubiger ein
Pfandrecht verſchaffen muß. Das Pfandrecht
iſt jedoch ein bedingtes, weil ſeine Exiſtenz von
dem Umſtand abhängig iſt, daß die Pfändung
innerhalb drei Wochen bewirkt wird. Wird die
Bedingung erfüllt, die nach richtiger Anſchauung
eine aufſchiebende (vgl. auch Köhler, Die Bor:
pfändung nach $ 744 [alt] der RIPO., Erfurt 1897,
S. 33 ff.), nicht eine auflöſende iſt (Beſchl. d. KG.
vom 4. Nov. 1901, OLGRIpr. Bd. III S. 445), fo
wird das Pfändungspfandrecht auf den Zeitpunkt
der Vorpfändung zurückdatiert; es beſtimmt ſich
mithin der Rang des Pfandrechts nach dem Zeit⸗
punkte der Pfändungsbenachrichtigung (RG.
Bd. 43 S. 427).
Aus den aufgeſtellten Sätzen über die rechtliche
Natur der Vorpfändung ergibt ſich zunächſt
negativ, daß für die Eintragung einer
Vormerkung bei der Vorpfändung kein
Raum iſt. Ganz abgeſehen davon, daß die Ein⸗
tragung nach $ 885 BGB. nur auf Grund einſt⸗
weiliger Verfügung oder Eintragungsbewilligung
erfolgen könnte, muß die Vormerkung um des⸗
willen ausſcheiden, weil ſie nur bei gewiſſen,
in $ 883 BGB. näher bezeichneten obligato:
riſchen Privatrechtsanſprüchen zuläſſig
iſt, hier aber ein, wenn auch nur bedingtes,
dingliches Recht vorliegt. Selbſt wenn das
Vorhandenſein eines dinglichen Rechtes in Abrede
geſtellt würde, könnte höchſtens ein fog. publi⸗
ziſtiſcher Anſpruch in Frage kommen, der einer
Sicherung durch Vormerkung niemals fähig wäre
(RG3Z. Bd. 56 S. 9, insbeſ. S. 14 ff.).
In poſitiver Beziehung folgt aus dem
Charakter des bedingten Pfandrechts, daß die
Vorpfändung als ſolche im Grundbuch
eingetragen werden kann und einge⸗
tragen werden muß. Sie kann eingetragen
werden, weil mangels einer ausdrücklichen gegen⸗
teiligen Beſtimmung ($ 925 Abſ. II BGB.) be:
dingte Rechte, gleichgültig ob es ſich dabei um
aufſchiebende oder um auflöſende Bedingungen
handelt, ohne weiteres dann eintragbar ſind, wenn
ſie ohne die Bedingung eingeſchrieben werden
können, die Eintragungsfähigkeit des Pfändungs⸗
pfandrechts im Hinblick auf § 830 Abſ. I Satz 3
3PO. außer allem Zweifel ſteht und eine die
Einſchreibung des bedingten Rechtes unterſagende
Anordnung hier fehlt. Die Vorpfaͤndung muß
eingetragen werden, da anders der im Falle Ein:
tritts der Bedingung nach dem Zeitpunkte der
Pfändungsbenachrichtigung ſich beſtimmende Rang
des Pfändungspfandrechts gegenüber etwaigen, in
der Zeit zwiſchen Pfändungsbenachrichtigung und
Erlaß des Pfändungsbeſchluſſes zur Eintragung
gelangenden Rechten mit Rückſicht auf den öffent⸗
lichen Glauben des Grundbuchs nicht feſtgehalten
werden kann.
Die formelle Behandlung eines Antrags
auf Eintragung einer Vorpfändung kann nennens-
werte Schwierigkeiten nicht bieten. Der Grund—
buchrichter wird beſonders zu prüfen haben, ob
die Zuſtellung an den Drittſchuldner ordnungs—
gemäß bewirkt worden iſt. Die Einſchreibung
ſelbſt hat durch einen entſprechenden Vortrag in
der dritten Abteilung des Grundbuchblattes zu
erfolgen ($ 401 Abſ. I Nr. 7 Dienſtanw.). Die
Faſſung kann etwa lauten:
„Die Hypothekforderung Nr. 3 / II zu 1000 M
des A. ift gemäß $ 845 BPO. vorgepfändet zu⸗
gunſten des B. für eine Forderung von 1200 M
Hauptſache nebſt 4°/o Zinſen feit 1. Januar 1907.“
Mitteilungen aus der Praxis.
Der Bußeanſpruch der Ehefran im Strafprozeſſe.
Das geltende Recht enthält keine ausdrückliche Be⸗
ſtimmung, ob der Ehemann, der für die beleidigte
oder körperlich mißhandelte Ehefrau zweifellos als
Nebenkläger auftreten kann (SS 195, 232 MI StGB.,
SS 414 III, 435 StPO.), als Nebenkläger auch Buße
für fie verlangen darf. Das Geſetz hat nur die prozeß—
rechtliche Beſtimmung: wer kann als Nebenkläger auf—
treten? (SS 414, 443 StPO.), und in welcher Form
muß die Buße in einem auf erhobene öffentliche Klage
anhängigen Verfahren geltend gemacht werden? ($443 Il
StPO.), ferner regelt es eine materiell-rechtliche Frage:
wer ift Inhaber des Bußanſpruchs? (SS 231, 188
StGB). Aber es trifft keine prozeßrechtliche Be-
ſtimmung: wer kann die Buße im Strafprozeſſe geltend
machen? Man ift darüber einig, daß für den Minder-
jährigen es der geſetzliche Vertreter tun kann, aber
Streit beſteht darüber, ob es der Ehemann tun darf.
Welche Beſtimmung ſpricht für den geſetzlichen Ver—
treter? Mit Unrecht würde man dies aus § 414 II
StVO. folgern, denn dieſes Geſetz beſtimmt für den
Minderjährigen dasſelbe, wie 8 414 Abſ. H für den
Ehemann, dem Oppenhoff-Delius auf Grund einer
Entſcheidung des preußiſchen Obertribunals (Bd. 19
S. 108) das Recht grundſätzlich abſprechen will
(Note 4,5 zu 8 188 StB). Meines Erachtens ſtützt
dieſe Entſcheidung die Anſicht des Kommentators nicht.
Die Streitfrage kann nur entſchieden werden aus
dem rechtlichen Charakter der Buße, ob man nämlich
den Bußanſpruch als einen Anſpruch auf Privatſtrafe
oder als einen zivilrechtlichen Entſchädigungsanſpruch
0 (Ebenſo Stenglein im Gerichtsſaal Bd. 24
330).
Unſer geltendes Recht faßt aber den Bußanſpruch
als zivilrechtlichen Entſchädigungsanſpruch auf (vgl.
RG. in EStS. Bd. 15 S. 440, Mot. z. StPO. $ 367
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
dem geltenden $ 443, Birkmeyer, Strafprozeßrecht S. 120
Anm. 15, dagegen allerdings anſcheinend Mot. zum
bayeriſchen Geſetz, den Vollzug der Einführung des
Strafgeſetzbuches in Bayern betr. S. 73). Es herrſcht
alſo bei der Buße das privatrechtliche Moment vor.
Folglich wird man, wie oben erwähnt, auch den geſetz⸗
lichen Vertreter als zum Verlangen der Buße be—
rechtigt annehmen müſſen, inſoweit er den Verletzten
in ſeinen zivilrechtlichen Beziehungen zu vertreten be⸗
rufen ift, alfo den Vater, den Vormund ıc., endlich
den Ehemann, inſoferne er den Bußanſpruch der Ehe⸗
frau nach dem einſchlägigen Güterrecht gerichtlich in
eigenem Namen geltend machen darf. Beim geſetz⸗
lichen Güterſtand des Bürgerlichen Geſetzbuches zum
Beiſpiel gehört der Bußanſpruch zum eingebrachten
Gut. (BGB. § 1380; Meikel, BlfRA. Bd. 65 S.
155; Engelmann⸗Staudinger, Familienrecht 3/4. Aufl.
Bd. 5, S. 181; Gerichtsſaal Bd. 35 S. 324; Recht⸗
ſprechung des Obertribunals in StS. Bd. 19 S. 108).
II. Staatsanwalt Dr. Haberſtumpf in München.
Zum Begriff des „Arbeiters“ im Sinne des GewNBG.
Die Ausführungen des Herrn Landgerichtsrats Hagen
in Heft 13 S. 266 dieſer Zeitſchrift veranlaſſen mich
noch zu folgenden Berichtigungen:
Die Frage der Entlohnung wurde allerdings zu-
erſt von mir (Heft 4 S. 84), aber nur als unweſent⸗
lich geſtreift, und dabei ausdrücklich bemerkt, daß die
Tatſache der Arbeitsleiſtung unter den hier gegebenen
Umſtänden „allein genügt“ zur Annahme eines
verſicherungspflichtigen Arbeitsverhältniſſes. Da nun
Hagen die Entlohnung im vorliegenden Falle beſtritt,
konnte auf die weitere Behandlung dieſer Frage ſofort
verzichtet werden, da ja die Entlohnung nicht das
einzige und insbeſondere nicht ein weſentliches
Kriterium für den Arbeiterbegriff im Sinne der Un—
fallverſicherungsgeſetze iſt.
Im übrigen habe ich zur Sache noch folgendes
zu bemerken: Da es ſich im gegebenen Falle um einen
Unfall in der Holzinduſtrie handelt, wäre zur legt:
inſtanziellen Entſcheidung nicht das Reichs-, ſondern
das Landesverſicherungsamt berufen, weshalb von mir
vornehmlich die Rechtſprechung des Letzteren angezogen
wurde. Doch ändern auch die von Hagen zitierten
Entſcheidungen des Reichsverſicherungsamtes an der
Beurteilung der konkreten Sachlage nichts. Wenn ich
auch nicht mit Hagen die Rechtſprechung des RVA.
oder RG. ohne weiteres für das LVA. aus dem
Grunde für bindend erachten kann, weil letzteres ſich
ſonſt „zweifellos mit der Rechtſprechung des RBA.
und RG. im Widerſpruche befinden“ würde, ſo glaube
ich doch die Erörterung dieſer Frage hier ausſchalten
zu dürfen, da gerade im gegebenen Falle eine Ver—
ſchiedenheit der Grundſätze gar nicht zum Ausdruck
kommt, und der Kläger auch nach der zitierten
Rechtſprechung des RVA. vorübergehend als
Arbeiter im Betriebe des Beklagten aufzufaſſen iſt.
Die Annahme Hagens, es ſei auch bei dem in
meinem Beiſpiele erwähnten Fabrikkutſcher „nicht aus⸗
geſchloſſen“, daß er ſich dem verhältnismäßig uner—
fahrenen Bauernſohne untergeordnet und von ihm
entſprechende Anweiſungen erhalten habe, gehört ja
gewiß dem weiten Reiche der Möglichkeiten an, viel
wahrſcheinlicher aber iſt es, daß im vorliegenden
Falle der Kläger, der vorübergehend eine für ihn
ganz berufsfremde Tätigkeit übernahm, vom Be—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
klagten entſprechende Anweiſungen erhielt. Mag man
alfo mit Hagen ſolche Anweiſungen des Betriebs⸗
inhabers für den Begriff des Arbeiters fordern, oder
mag man ſie mit mir als unweſentlich bezeichnen, weil
ſchon die tatſächliche Beſchäftigung auf Erſuchen
und im Intereſſe des Betriebsinhabers genügt,
für den vorliegenden Fall — und es handelt ſich
ja nicht um eine abſtrakte Erörterung — iſt dies voll⸗
ſtändig gleichgültig, da ja auch die von Hagen ge:
forderten Begriffsmerkmale gegeben ſind. Jedenfalls
hat ſich der in meinem Beiſpiele S. 203 erwähnte
Landwirt, ſowie der mehrerwähnte Fabrikkutſcher zu
nicht mehr verpflichtet und verpflichten wollen, als dies
Hagen S. 143 im gegebenen Falle beim Kläger an⸗
nehmen will. Die Richtigkeit der Zitate Hagens wird
daher wohl anerkannt, doch treffen ſie die Sache nicht
und ſind nicht geeignet, meine kritiſchen Ausführungen in
Heft 4 S. 84 zu entkräften.
Der Annahme Hagens endlich, daß der Kläger
die Arbeiten „einzig und allein in ſeinem Intereſſe“
übernahm, wird nicht widerſprochen, aber ebenſo richtig
ift, daß feine Tätigkeit gleichzeitig und unmittel⸗
bar auch den Intereſſen des Betriebsin⸗
habers diente, und letzterer den Kläger, was
Hagen immer noch zu überſehen ſcheint, ausdrücklich
um ſeine Beihilfe erſuchte, „um keine Unterbrechung
des Sägebetriebes eintreten zu laſſen“. (3. Jahrg.
S. 333). Kann der Kläger bei raſcherer Erledigung
des Sägens, wie Hagen meint, „früher wieder nach
Hauſe fahren“, ſo kann der Beklagte in ſeinem Betriebe
früher wieder an die Erfüllung anderer Aufträge gehen,
ſo daß das beiderſeitige Intereſſe ganz offen⸗
kundig iſt.
Dr. Michel, rechtsk. Bürgermeiſter in Landsberg a. L.
Nachſchrift des Herausgebers. Die Streit—
frage dürfte nunmehr zur Genüge erörtert ſein. Wir
ſchließen ihre Beſprechung mit der Verweiſung auf
ein Urteil des Reichsgerichts (IV. 3 S., IV 409.07)
vom 26. März 1908. Ein Pächter hatte dem Knechte
eines Landwirts beim Ausſpannen der Pferde ge-
bolren, weil der Knecht damit allein nicht zurecht kam;
er brachte eines der Pferde in den Stall. Dabei
wurde er von dem Tiere geſchlagen und ſtarb. Das
OLG. hatte angenommen, daß der Unfall im land-
wirtſchaftlichen Betriebe des Tierhalters erfolgt ſei,
„in den der Verſtorbene als Arbeiter zur Hilfeleiſtung
vorübergehend eingeſprungen ſei“. Das Reichsgericht
hob das Urteil auf und führte u. a. folgendes aus:
Die Reviſion macht nicht ohne Grund geltend,
ein Abhängigkeits- und Arbeiterverhältnis laſſe ſich
nicht feſtſtellen angeſichts der Behauptung der Be—
klagten, der Verunglückte habe aus Gefälligkeit ein—
gegriffen. Die Annahme, daß der Verunglückte in den
ihm an ſich fremden Betriebskreis als unſelbſtändiger
Arbeiter getreten ſei und daß er ſich mit ſeinem Ein—
tritte dem fremden Betriebe unterordnen und in ein
perſönliches Abhängigkeitsverhältnis zu dem fremden
Unternehmer begeben wollte, ließe ſich nach Lage des
Falles nur auf beſondere Erwägungen (?) ſtützen. Der
Verunglückte war ſelbſtändiger Betriebsunternehmer
in nicht ganz kleinen Verhältniſſen; ſeine Hilfeleiſtung
erfolgte gelegentlich, ohne daß erſichtlich die Not es
gebot, aus freiem Antriebe und ohne Aufforderung
durch den Knecht der Beklagten. Nach der Regel des
Lebens iſt an und für ſich nicht anzunehmen, daß ſich
der Erblaſſer bei dieſer Geſtaltung der Lage unter die
Botmäßigkeit eines fremden Betriebs hat ſtellen wollen.
305
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Freiwillige Gerichtsbarkeit.
Der Mann, der ein Grundſtück für das Gefamtgut
der allgemeinen Gütergemeinſchaft oder der Sipan
ſchaftsgemeinſchaft erwirbt, kann es ohne die Zuſtim⸗
mung der Fran mit einer Hypothek für den Kaufpreis
belaſten. Sch. verkaufte ein Grundſtück an R., der mit
ſeiner Frau in Errungenſchaftsgemeinſchaft lebt. R.
beſtellte eine Sicherungshypothek für den Reſt des
Kaufſchillings. Das Grundbuchamt lehnte die Ein-
tragung der Hypothek ab, weil die Zuſtimmung der
Frau R. nicht beigebracht ſei. Die Beſchwerde hatte
keinen Erfolg. Das Oberſte Landesgericht hielt die
Zuſtimmung der Frau gleichfalls für notwendig. Es
legte aber die weitere Beſchwerde nach § 79 Abſ. 2
der GBO. dem Reichsgericht vor, weil das OLG.
Colmar anders enſchieden hatte (OL GRſpr. 15, 407).
Das Reichsgericht billigte die Anſchauung
des Oberſten Landesgerichts nicht; es hob die
Entſcheidungen der Vorinſtanzen auf.
Gründe: Seit der Einführung der neuen Geſetz—
gebung wird die Streitfrage viel erörtert, ob der Ehe—
mann, der in allgemeiner Gütergemeinſchaft oder in
Errungenſchaftsgemeinſchaft lebt und neue Grundſtücke
zum Geſamtgut nach SS 1438 Abſ. 1, 1519 Abſ. 1
BGB. erwirbt, ſie gleichzeitig ohne Zuſtimmung der
Frau mit einer Hypothek für den Kaufpreis oder deſſen
Reſt belaſten kann. § 1443 gibt ihm im allgemeinen
freies einſeitiges Verfügungsrecht über das Geſamtgut,
dieſes Recht iſt aber durch die Ausnahmen in den
SS 1444, 1445, 1446 eingeſchränkt. Insbeſondere bez
darf der Mann nach § 1445 der Einwilligung der
Frau zur Verfügung über ein zu dem Geſamtgute ge—
hörendes Grundſtück ſowie zur Eingehung der Ver—
pflichtung zu einer ſolchen Verfügung. Man mag zu—
geben, daß der Wortlaut des § 1445 an ſich die Ver⸗
fügung über erſt künftig aufzulaſſende Grundſtücke in
ſich begreift und daher für die Meinung der Vorder—
richter ſpricht. Allein im Wege der Auslegung gelangt
man dazu, daß das Geſetz den Fall nicht treffen wollte,
daß der Ehemann allein für den Erwerbspreis des
Grundſtückes oder deffen Reſt Hypothek beſtellt. $ 1443
ſtellt den Grundſatz auf, daß dem in Gütergemeinſchaft
lebenden Ehemanne im allgemeinen die freie Verwal-
tung des Geſamtgutes und die Verfügung darüber
zuſteht. Ein ſolcher Ehemann iſt auch zum Erwerb
beweglicher und unbeweglicher Sachen und zur Ein—
gehung von Verbindlichkeiten hierbei unzweifelhaft
befugt. Wenn die SS 1444—1446 Ausnahmen von
jenem Grundſatz feſtſetzen, ſo iſt ausdehnende Aus—
legung und Anwendung dieſer Ausnahmebeſtimmungen
ſchon nach allgemeinem Rechtsſatze, um ſo mehr aber
deshalb unzuläſſig, weil die den § 1445 begleitenden
SS 1444 und 1446 dem Ehemann nur beſonders ſchwer—
wiegende und eingreifende einſeitige Maßnahmen,
nämlich Verfuͤgungen über das Geſamtgut im ganzen,
Verpflichtungen dazu, Schenkungen, Schenkungsver—
ſprechen u.dgl. verbieten. Es muß hieraus gefolgert
werden, daß ſich auch der inmitte dieſer Vorſchriften
ſtehende § 1445 nur auf Geſchäfte erſtreckt, die eine
ähnliche verhängnisvolle Wirkung auf das Geſamtgut
möglicherweiſe üben können, und die daher im gewöhn—
lichen Geſchäftsverkehr auch nur felten vorkommen.
Zu ſolchen Geſchäften kann aber die von jeher und
alltäglich geübte Pfandbeſtellung für den Preis oder
den Reſt des Preiſes für die Erwerbung eines Grund—
ſtückes nicht gerechnet werden. Sie ändert nichts an
dem Weſen eines ſolchen Vertrages als eines Erwerbs—
geſchäftes und wird unter gewöhnlichen Umſtänden,
namentlich bei billigem oder doch preiswertem Erwerb
306
von Grundſtücken, der faſt immer zu vermuten ift, von
niemandem für gefährlich erachtet. Der in Güter—
gemeinſchaft oder Errungenſchaftsgemeinſchaft lebende
Ehemann iſt zum Erwerb von Grundſtücken für das
Geſamtgut nach § 1443 befugt, er muß ohne aus—
drückliches Verbot auch zur alleinigen Feſtſetzung der
notwendigen oder zweckmäßigen Vertragsbedingungen
als ermächtigt gelten, ſoweit ſie eine Schenkung nicht
enthalten. Wenn er dem Geſamtgute ein mit dem
Reſt des Erwerbspreiſes, oder auch mit dem ganzen
Erwerbspreis belaſtetes Grundſtück hinzufügt, ſo ver⸗
mehrt er jedenfalls das Grund vermögen und läßt
bei preiswertem Erwerb das Reinvermögen des Ge—
ſamtgutes ebenſo unverändert, wie wenn er, wie ihm
auch freiſtand, den Wert des erworbenen Grundſtückes
bar ausgezahlt haben würde. Mit den ſeltenen Mus-
nahmefällen, daß der Ehemann Grundſtücke zu über⸗
mäßigem Preis oder zwar preiswert aber im Ver⸗
hältnis zu den Kräften des Geſamtgutes in zu großer
Zahl erwirbt, kann hierbei nicht gerechnet werden.
Daß das Geſetz in § 1445 die einſeitige Hypothek⸗
beſtellung des Ehemannes für den Kaufpreis des Grund—
ſtückes nicht verbieten wollte, dafür ſpricht auch die
Geſchichte der Entſtehung des BGB. Die Begründung
zum 1. Entw. geht davon aus, daß das Geſamtgut der
unbeſchränkten Verwaltung des Ehemannes unter—
liegen ſoll und ſie will nicht, daß dieſer Grundſatz
durch die Ausnahmen wieder umgeſtoßen wird. Dar-
um gibt ſie dem Ehemann z. B. die Verfügung auch
über Hypotheken frei. Zu einer Umſtoßung des Grund—
ſatzes würde es aber nahezu führen, wenn dem Ehe—
mann eine der wichtigſten und alltäglichſten Ber-
fügungen beim Grundſtückserwerb verboten wäre, wie
es die Verpfändung des Kaufgegenſtandes für den
rückſtändig bleibenden Kaufpreis iſt. Dann wäre er
überhaupt an der Schließung von ſolchen Verträgen
ohne Zuſtimmung der Frau in ſehr vielen Fällen ge—
hindert, da bei Grundſtückserwerb die Vorausſetzung
des § 1447 Abſ. 1 BGB. wohl nur ſelten gegeben ſein
würde. Der weſentliche Inhalt der Begründung zum
jetzigen $ 1445 ($ 1353 des 1. Entw.) geht ferner da=
hin, daß der ſchon vorhandene Grundſtock des
unbeweglichen Geſamtgutes vom Ehemann ohne Zu—
ſtimmung der Frau nicht veräußert und belaſtet werden
ſoll, was auf den Neuerwerb von Grundſtücken unter
deren gleichzeitiger Verpfändung für den Kaufpreis
nicht zutrifft. (Mot. IV S. 351, 355).
Zwar kann zugegeben werden, daß an ſich die
Möglichkeit, eine Geſetzesvorſchrift zu umgehen, nicht
als beſonders zwingender Grund für die eine oder
andere Auslegung dieſer Vorſchrift gelten muß, und
die Motive führen u. a. aus, daß das Verbot einſeitiger
Velaſtung der unbeweglichen Beſtandteile des Geſamt—
gutes (auf dem Wege der 88 1459 BGB., 740, 866
BPO.) umgangen werden kann und daß es ſich gleich—
wohl empfiehlt. Wenn man aber erwägt, daß die
Belaſtung des neuzuerwerbenden Grundſtücks mit dem
geſchuldeten Kaufpreis beſonders leicht durch Unter—
werfung des kaufenden Ehemannes unter ſofortige
Zwangsvollſtreckung, ferner durch vorgängige Be—
ſtellung einer vom Erwerber zu übernehmenden Grund—
ſchuld, vielleicht auch durch Eintritt des Ehemannes
in die Kaufrechte eines Dritten erſetzt werden kann,
ſo muß man doch ein Verbot ſolcher Belaſtung des Kauf—
gegenſtandes als nahezu wirkungslos, möglicherweiſe
zur Verſchleierung des wahren Sachverhalts führend
und daher vom Geſetzgeber nicht gewollt erachten.
Wenn nach dem allen noch ein Zweifel über die
Auslegung des § 1445 beſtehen könnte, fo müßte dieſer
bei Berückſichtigung der älteren Hauptrechte ſchwinden.
Nach gemeinem Rechte hatte ſich trotz der wohl da—
——— ——— . —ß— +⏑üẼ— un ä äBöñœ — —— db - b—ẽöẽ̃ ä ñ—ẽ —— ——
gegen ſprechenden Quellenſtelle Dig. 27, 9 de rebus .
eorum 2c. 1.18 4, J. 2 feit Jahrhunderten die Rechts-
übung herausgebildet, daß das Pfandrecht für den
ö Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
privilegierten Pfandrecht vorgehe. Damit gelangte
die Anſchauung zur Geltung, daß das Pfandrecht für
den Kaufpreis, wenn es auch vom Erwerber erſt be—
ſtellt ſein möge, dennoch als ein ſolches gelten müſſe,
mit dem ſchon belaſtet die erworbene Sache in das
Vermögen des Erwerbers übergehe. (Vgl. RG. Bd. 3
S. 176, Dernburg, Band. Bd. I § 288 Anm. 13). Für
die deutſchrechtliche Gütergemeinſchaft beſtand wohl
vielleicht im allgemeinen die Vorſchrift, daß der Ehe⸗
mann das unbewegliche Gut nicht allein veräußern
und belaſten dürfe, aber damit war die vorwürfige
Streitfrage noch nicht entſchieden, ſodann beſtanden
in dieſen Richtungen ſo verſchiedene, bald den Mann
beſonders einſchränkende, bald ihn mit freieſtem Ver⸗
fügungsrechte ausſtattende örtliche Sonderrechte, daß
fih allgemeine ſichere Rechtsſätze des deutſchen Privat-
rechts über jene Streitfrage kaum gewinnen laſſen.
(Vgl. Roth, Deutſches Privatrecht II S. 83, 85). Preußen
hatte aber in § 378 I 1 feines Allgd R. angeordnet,
daß der in Gütergemeinſchaft lebende Ehemann Grund-
ſtücke und Gerechtigkeiten nicht ohne Einwilligung der
Frau verpfänden oder veräußern dürfe. Alsbald er⸗
hoben ſich über diefe Beſtimmung die nämlichen Zweifel,
wie fie jetzt gegen § 1445 BGB. angeregt wurden, fte
ſind jedoch faſt vollſtändig durch den preußiſchen Juſtiz⸗
miniſterialerlaß vom 23. März 1821 (v. Kamptz, Jahrb.
für Pr. Geſetzgebung Bd. 17 S. 19 u. 25) beſeitigt
worden. Dieſer Erlaß verneint mit dem OLG. für
Pommern die Frage, ob bei beſtehender Gütergemein⸗
ſchaft die Einwilligung der Ehefrau zur Verpfändung
von Grundſtücken auch alsdann erforderlich iſt, wenn
das vom Ehemann verpfändete Grundſtück mit den
Schulden, wofür es verpfändet wurde, erkauft oder
ſonſt erworben worden ift. Dieſe Entſcheidung bezog
ſich ſelbſtverſtändlich und laut ausdrücklicher Bemer⸗
kung in ihrer Begründung namentlich auch auf die
Verpfändung des erkauften Grundſtückes für den Kauf⸗
geldrückſtand. Seit dieſer beſonders gewichtigen Aus-
legung des 8 378 II 1 AllgedR. tauchte die Streit-
frage in der preußiſchen Rechtſprechung kaum jemals
wieder auf und ſoweit es doch geſchah, war dieſe
Rechtſprechung mit der Preußiſchen Rechtslehre darin
einig, daß dem Ehemann die Verpfändung des zu er-
werbenden Grundſtücks für den rückſtändigen Kaufpreis
geſtattet ſei. Die Begründung des jetzigen § 1445
BGB. bezieht fH ausdrücklich auf den § 378 II 1
AllgLdR. Es iſt faſt undenkbar, daß fie die frühere
Streitfrage hierzu und deren Löſung überſehen hat
oder gar, ohne dies auszuſprechen, fie wieder ein-
führen oder im entgegengeſetzten Sinne entſchieden
wiſſen wollte.
Ausdrücklich iſt hervorzuheben, daß hier darüber
nicht entſchieden wird, ob der in allgemeiner Güter⸗
gemeinſchaft oder Errungenſchaftsgemeinſchaft lebende
Ehemann das zu erwerbende Grundſtück auch für
andere Schulden, als den Erwerbspreis, z. B. auch
für ein zu deſſen Tilgung aufgenommenes Darlehen
belaſten kann. Doch ſei auf den leicht erkennbaren
Unterſchied zwiſchen Verfügungen hingewieſen, die
aufs engſte mit dem Erwerbsvertrage ſelbſt zu—
ſammenhängen und ſolchen Geſchäften, die gar nicht
oder nur loſe in Beziehung zu ihm ſtehen. (Beſchluß
des V. ZS. vom 8. Juli 1908, Reg. V B e
1358
B. Zivilſachen.
I.
Von welchen Grundſätzen ift bei der Bemeſſung
des Werts einer Grunddienſtbarkeit auszugehen, die
durch den Zuſchlag in der Zwangsverſteigerung erloſchen
rückſtändigen Kaufpreis auch dem fpäter entſtandenen iſt und für die Erſatz aus dem Verſteigerungserlöſe zu
gewähren ift. Auf einem Grundſtücke laſtete eine
zugunſten des Eigentümers des Nachbargrundſtücks
beſtellte Grunddienſtbarkeit. Sie enthielt das Recht
auf Benützung der Einfahrt zum Gehen und Fahren
ſowie als Hofraum, das Recht den Abtritt über den
Hofraum jenes Grundſtücks zu leeren, ein Recht auf
Licht und Luft für die Nordſeite, ein Trauf- und Lidt-
recht für die Wetterſeite und das Recht, einen Ablauf-
kanal durch die gedachte Einfahrt zu führen. Das
belaſtete Grundſtück kam zur Zwangsverſteigerung und
wurde dem H. zugeſchlagen. Nach Vereinbarung der
Beteiligten blieben die der Grunddienſtbarkeit voraus-
gehenden Hypotheken der betreibenden Gläubigerin,
ſowie die der Grunddienſtbarkeit im Range folgenden,
an 3., 4. und 5. Stelle eingetragenen Hypotheken und
von der an 6. Stelle eingetragenen Hypothek der Klägerin
ein Betrag von 5700 M stehen. Für die Grunddienſt—
barkeit wurde im Verteilungsverfahren — unter der An—
nahme, daß ſie erloſchen und an ihre Stelle der Anſpruch
auf Erſatz ihres Wertes aus dem Verſteigerungserlöſe
getreten ſei — der von der Beklagten als Eigentümerin
des herrſchenden Grundſtücks angemeldete Betrag von
5000 M eingeſtellt. Danach entfielen von dem bar zu
berichtigenden Teile des Meiſtgebots auf den bar zu
befriedigenden Teil der Hypothek der Klägerin nur
129.38 M, während 15 520.18 M ausfielen. Die Klägerin
widerſprach dem Anſatz von 5000 M, inſoweit er den
Betrag von 500 M überſtieg. Darauf wurden der
Beklagten 500 M unbedingt und 4500 M unter der
Bedingung zugewieſen, daß der Widerſpruch nicht für
begründet erklärt werde, und feſtgeſtellt, daß der
ſtreitige Betrag von 4500 M der Klägerin in der Höhe
zufalle, in der ihr Widerſpruch für begründet erklärt
werde. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihren
Widerſpruch. Das LG. hat ihn als teilweiſe be—
gründet erkannt, den Teilungsplan dahin berichtigt,
daß der Klägerin von den beſtrittenen 4500 M der
Betrag von 1313.80 M, der Beklagten außer den ihr
bereits unbedingt zugeteilten 500 M die Summe von
3186.20 M zugewieſen wird, und die Klägerin mit
ihrem weitergehenden Anſpruch abgewieſen. Die Be—
rufung der Klägerin wurde zurückgewieſen. Das OLG.
hat auf Grund des Gutachtens der Sachverſtändigen
den Wert der Grunddienſtbarkeit auf 3686.20 M ange-
nommen. Dieſer Betrag ſetzt ſich nach dem Gutachten
zuſammen aus den auf 1736.20 M berechneten Koſten
eines durch den Wegfall der Grunddienſtbarkeit not-
wendig gewordenen Umbaus des Hauſes auf dem
herrſchenden Grundſtücke, einem auf 150 M geſchätzten
ſich aus der Beläſtigung der Mieter während des
Umbaus ergebenden Mietzinsausfall, einem zu einem
Kapitalbetrage von 1600 M angenommenen dauernden
Minderwert der Wohnungen infolge Wegfalles des
Mitbenutzungsrechts des Hofes und Verkleinerung der
Wohnung im Erdgeſchoß und einem Betrage von
200 M für die ſich aus der Verlegung des Kanals
ergebenden Nachteile. Die Reviſion beanſtandet dieſe
Art der Wertermittelung. Sie hatte keinen Erfolg.
Gründe: Die Annahme der Vorinſtanzen, daß
an die Stelle der der Hypothek der Klägerin dem
Range nach vorgehenden, durch den Zuſchlag gemäß
den SS 52, 91 Zw. erloſchenen Grunddienſtbarkeit
der Beklagten ein Anſpruch auf Erſatz des Wertes
aus dem Verſteigerungserlöſe getreten iſt, entſpricht
dem § 92 Abſ. 1 ZwVG. Ohne Rechtsverletzung fonnte
das OLG. den Betrag dieſes Erſatzanſpruches auch in
dem von den Sachverſtändigen ermittelten Betrage
finden, und ohne Grund bezeichnet die Reviſion den
hierbei eingeſchlagenen Weg als verfehlt. Aus dem
§ 92 ergibt ſich nur, daß der Erſatz in Geſtalt eines
Kapitals, nicht — wie bei den in Abſ. 2 bezeichneten
Rechten — durch Zahlung einer Rente zu leiſten iſt,
ſowie daß der Betrag des Erſatzes durch den Wert
der Grunddienſtbarkeit beſtimmt wird. Daraus, daß
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr.
15 u. 16.
bindung mit dem Weſen der Grunddienſtbarkeit, wie
es in dem § 1019 BGB. zum Ausdruck kommt, läßt
ſich entnehmen, daß der Wert ins Auge zu faſſen iſt,
den die Grunddienſtbarkeit für das herrſchende Grund—
ſtück hat (vgl. §7 ZPO). Sonſt findet ſich in den
Geſetzen kein Anhalt für die Wertermittlung und eben⸗
ſowenig eine Beſtimmung des Begriffes „Wert“. In
den Mot. z. I. Entw. des BGB. (Bd. 3 auf S. 30
unter 3) iſt eine ſolche mit der Begründung abgelehnt:
„der Begriff des Wertes iſt an ſich als ein wirtſchaft⸗
licher Begriff für das Privatrecht gegeben und im
allgemeinen auch nicht zweifelhaft“. Der Wert eines
Gegenſtandes aber beſtimmt ſich wirtſchaftlich nicht
nur durch den Nutzen, den er ſeinem Beſitzer gewährt,
ſondern namentlich auch durch das Maß von Auf—
wendungen, das erforderlich iſt, um ſich den Gegen—
ſtand oder den Nutzen zu verſchaffen, den er bringt.
Der Nutzen, den eine Grunddienſtbarkeit gewährt, wird
durch den Beſitz des herrſchenden Grundſtücks vermittelt
und kann nur aus dem dienenden Grundſtück oder
einem Grundſtücke kommen, das zum herrſchenden in
einem entſprechenden räumlichen Verhältnis ſteht.
Von einem gemeinen Verkehrswerte kann bei einer
Grunddienſtbarkeit ihrer Natur wegen keine Rede ſein,
und ein objektiver Wert läßt ſich bei ihr nur ſo be—
ſtimmen, daß auf den Nutzen geſehen wird, den ſie
jedem Eigentümer des herrſchenden Grundſtücks ge—
währt. Dieſem Nutzen entſpricht die Entwertung, die
das herrſchende Grundſtück durch den Wegfall der
Grunddienſtbarkeit erleidet. Hiernach konnte das OLG.
die Wertberechnung der drei Sachverſtändigen ſehr
wohl ſeiner Enſcheidung zugrunde legen. Der Nutzen,
den das Grundſtück der Beklagten von der Grund—
dienſtbarkeit hatte, beſtand darin, daß ſie ihm den
fehlenden Hof erſetzte, daß ſie insbeſondere das Be—
ſtehen eines Hauseinganges von der Seite der Ein—
fahrt her und hiermit zugleich eine vorteilhaftere
Raumeinteilung im Hauſe ermöglichte. Der Wegfall
der Grunddienſtbarkeit macht nach der Feſtſtellung des
OLG. die Herſtellung eines anderen Hauseinganges,
eine Verlegung des Ablaufkanals und eine Aenderung
der Raumeinteilung im Hauſe nötig und läßt auch
dann noch eine Beeinträchtigung der Verwertbarkeit
des Grundſtücks übrig. Die durch den Umbau ent—
ſtehenden Koſten und Mietzinsausfälle und der Betrag,
der für die nach dem Umbau bleibende Beeinträchtigung
angeſetzt iſt, bezeichnen dann ebenſo das Maß der Ent—
wertung des Grundſtücks wie das Maß des mit der
Grunddienſtbarkeit verbundenen Nutzens, alſo deren
Wert, und zwar ohne Rückſicht auf die Perſon des
derzeitigen Grundſtückseigentümers. Der Gegenſatz,
den die Reviſion zwiſchen einer Schadens- und einer
Wertsermittelung machen will, iſt, wenigſtens für einen
Fall, wie er vorliegt, nicht anzuerkennen. Nicht be—
hauptet und nicht zu unterſtellen iſt, daß die Beklagte
die Möglichkeit hat oder gehabt hat, ihrem Grund—
ſtücke die Grunddienſtbarkeit durch Vereinbarung mit
dem Erſteher des dienenden Grundſtücks, und zwar
mit einem geringeren als dem von den Sachverſtändigen
herausgerechneten Aufwande, zu erhalten oder wieder
zu verſchaffen. Daß die Beklagte ſich einen ausreichenden
Erſatz für die Grunddienſtbarkeit billiger von einem
anderen ihrer Nachbaren zu verſchaffen imſtande iſt,
daß eine an einem anderen Nachbargrundſtücke be—
gründete Dienſtbarkeit die erloſchene überhaupt er—
ſetzen kann, iſt nach Lage der Sache ſogar ausgeſchloſſen.
Aus den von der Reviſion noch herangezogenen
ss 818, 849, 882 BGB. läßt fiH gegen die Richtigkeit
der Wertsermittelung nichts entnehmen. Wäre bei
der Belaſtung des verſteigerten Grundſtücks mit der
Grunddienſtbarkeit gemäß dem § 882 ein Höchſtbetrag
des im Falle des Erlöſchens durch den Zuſchlag an
ihre Stelle tretenden Werterſatzanſpruches zwiſchen den
Beteiligten vereinbart und eingetragen worden, ſo
es ih um den Erfah des Rechtes handelt, in Ver- hätte dieſer Werterſatzanſpruch allerdings den einge-
308
tragenen Höchſtbetrag nicht überſchreiten können. Ein
ſolcher Höchſtbetrag iſt aber nicht vereinbart. (Urt.
des V. 35. vom 3. Juni 1908, V 519/08). — — —n.
1338
II.
1. Wenn der Erbe den Vermächtnisuehmer vor an:
deren Nachlaßglänbigern befriedigt hat, fo haben diefe
keinen Herausgabe oder Bereicherungsanſpruch gegen
den Vermächtnisnehmer.
2. Dagegen kaun die Erfüllung des Vermächtnis⸗
auſpruchs unter Umſtänden nach 88 3a, 7 des Auf.
angefochten werden, auch wenn die Erfüllung uur in der
n einer Hypothek auf einem Nachlaßgrundſtücke
eſtand.
3. Aenderung des „rechtlichen Geſichtspunkts“ ohne
Aenderung der die Klage begründenden Tatſachen iſt
keine Aenderung der Klage.
Der verſtorbene Kaufmann J. hatte in ſeinem
Teſtamente ſeine zwei Söhne J. zu Erben eingeſetzt
und den Beklagten, ſeinen Töchtern, Vermächtniſſe als
Abfindungen ausgeſetzt, die auf einen Teil feiner Grund-
ſtücke eingetragen werden ſollten. Am 1. Juli 1905
ließen die Erben ſich als Eigentümer der Nachlaß—
grundſtücke und für die Beklagten auf die im Tefta-
mente bezeichneten Grundſtücke Hypotheken für die
Abfindungen eintragen. Der Kläger erwirkte am
16. Januar 1906 auf Grund eines Urteils vom 21. Sep⸗
tember 1905, das er gegen die Söhne J. aus einem
von ihnen am 9. März 1905 angenommenen Wechſel
erſtritten hatte, die Eintragung von drei Sicherungs-
hypotheken auf einen Teil der zuletzt genannten Nad-
laßgrundſtücke und am 22. Januar 1906 die Eintragung
von Vormerkungen zur Erhaltung des Rechtes auf
Eintragung des Vorranges der Sicherungshypotheken
vor den Hypotheken der Beklagten. Sodann erhob
er Klage mit dem Antrage, die Beklagten zu verur—
teilen, feine Befriedigung aus feinen Sicherungs-
hypotheken vor ihren Hypotheken zu dulden „und
in eine Vorrangseinräumung zu willigen“. Er be⸗
hauptete, die Forderung, für die die Sicherungs-
hypotheken eingetragen wurden, ſei eine Forderung
gegen den Nachlaß des verſtorbenen Vaters der Be—
klagten. Ihr gebühre daher der Vorrang vor den
Vermächtnishypotheken der Beklagten, da die Nachlaß—
ſchulden vor den Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen,
Pflichtteilen und Auflagen zu decken ſeien. Deshalb
ſeien die Beklagten zur Bewilligung des Vorranges
verpflichtet. Der erſte Richter erkannte auf Abweiſung
der Klage. In 2. Inſtanz machte der Kläger noch
geltend, fein Anſpruch fei gemäß 8 3a und § 7 AnfG.
begründet. Die Beklagten ſahen darin eine unzu—
läſſige Klageänderung und widerſprachen ihr. Das
OLG. wies die Berufung des Klägers zurück. Die
Reviſion hatte Erfolg.
Gründe: 1. Der Klageanſpruch war in der
1. Inſtanz nur darauf gegründet, daß der Kläger als
angeblicher Gläubiger des Nachlaſſes des J. sen. ohne
weiteres geſetzlich berechtigt fei, von den Beklagten
als Vermächtnisnehmern zu verlangen, daß ſie ſeine
Befriedigung aus dem Nachlaſſe vor ihren Hypotheken
duldeten, weil Nachlaßſchulden vor den Verbindlich—
keiten aus Vermächtniſſen befriedigt werden müßten.
Dieſen Klagegrund erklärt das OLG. für ungerecht—
fertigt, weil das Recht, vor den Vermächtnisnehmern
befriedigt zu werden, den Nachlaßgläubigern ohne
weiteres gemäß 8 226 Abſ. 1, 2 KO. nur dann gegeben
ſei, wenn ſie im Nachlaßkonkurſe mit noch nicht be—
friedigten Vermächtnisnehmern zuſammenträfen. Die
Reviſion macht geltend, aus § 1991 Abſ. 4 BGB. und
8 226 Abſ. 2 Nr. 5 KO. folge, daß Vermächtnisnehmer
das, was ſie aus dem Nachlaſſe vor den Gläubigern
des Erblaſſers erlangten, an dieſe herausgeben müßten,
Hensche für Meitäpflege in Bayern. 1008. Mr. 15 u. 16.
|
|
weil es ohne allen Rechtsgrund an fie gekommen ſei.
Das ift unzutreffend. Nach § 1967 BGB. haftet der
Erbe für die Nachlaßverbindlichkeiten und zu den Ieg-
teren gehören auch Verbindlichkeiten aus Vermächt⸗
niſſen. Iſt der Nachlaß überſchuldet, ſo kann der Erbe,
auch wenn er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbe⸗
ſchränkt haftet, gemäß 88 215, 216, 217 KO. Nachlaß⸗
konkurs beantragen. Ferner iſt er, wenn er nicht un⸗
beſchränkt haftet (§ 2013 BGB.), gemäß § 1981 BGB.
berechtigt, die Anordnung der Nachlaßverwaltung zu
beantragen, worauf der Nachlaßverwalter nach SS 1985,
1980 BGB. die Nachlaßverbindlichkeiten aus dem Nach⸗
laffe zu berichtigen oder, wenn der Nachlaß zur Be-
richtigung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht, feiner-
ſeits den Nachlaßkonkurs zu beantragen hat. In dem
Konkursverfahren ſind dann die Verbindlichkeiten aus
Vermächtniſſen, ſoweit ſie nicht etwa ſchon vorher von
dem Erben oder dem Nachlaßverwalter berichtigt
worden find, in der im § 226 Abſ. 2 Nr. 5 KO. vor⸗
geſehenen Rangordnung, insbeſondere auch in dem
Range nach den Forderungen der Nachlaßgläubiger,
zu berichtigen. Iſt die Eröffnung des Konkurſes oder
die Anordnung der Nachlaßverwaltung wegen Mangels
einer den Koſten entſprechenden Maſſe nicht tunlich
(8 107 KO., 8 1982 BGB.) oder beruht die Ueber-
ſchuldung des Nachlaſſes, wie hier vom Kläger be-
hauptet wird, auf Vermächtniſſen, ſo iſt der Erbe,
ausgenommen, wenn er unbeſchränkt haftet (§ 2013
BGB.), gemäß SS 1990, 1991, 1992 BGB. berechtigt,
die Befriedigung des andrängenden Nachlaßgläubigers
inſoweit zu verweigern, als der Nachlaß nicht aus⸗
reicht, in dieſem Falle jedoch verpflichtet, den Nachlaß
zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege
der Zwangsvollſtreckung herauszugeben. Sind mehrere
Nachlaßgläubiger vorhanden, ſo iſt der Erbe hinſicht⸗
lich der Herausgabe des Nachlaſſes, damit die Nad-
laßgläubiger fie als für Rechnung des Nachlaſſes er-
folgt gelten laffen müſſen (8 1979 BGB.), nicht zur
Einhaltung einer beſtimmten Reihenfolge der Gläu—
biger verpflichtet; jedoch ſind in dieſer Hinſicht aus⸗
genommen die Berechtigten aus Pflichtteilsrechten, Ver-
mächtniſſen und Auflagen, deren Anſprüche der Erbe
gemäß § 1991 Abſ. 4 BGB. nur ſo berichtigen darf.
wie fe im Falle des Konkurſes zur Berichtigung
kommen würden. Hat der Erbe trotz Ueberſchuldung
des Nachlaſſes infolge von Vermächtniſſen die Ver-
bindlichkeit aus einem Vermächtniſſe mit Mitteln des
Nachlaſſes erfüllt, ohne zuvor die vorgehenden Nad-
laßgläubiger aus dem Nachlaſſe zu decken, ſo mögen
dieſe Gläubiger berechtigt ſein, gegen den Erben ſo
vorzugehen, wie wenn er an den Vermächtnisnehmer
aus dem Nachlaſſe nichts geleiſtet hätte, auch mag
dem Erben, wenn er in Unkenntnis der Ueberſchuldung
des Nachlaſſes geleiſtet hätte, gegen den Vermächtnis—
nehmer ein Rückforderungsrecht gemäß § 813 BGB.
zuſtehen (Planck Anm. 1 f., 5 zu § 1991 BGB.). Aber
zwiſchen dem Vermächtnisnehmer und den
anderen Nachlaßgläubigern ſind dadurch, daß
der Erbe den erſteren vor den letzteren befriedigt hat,
keine rechtlichen Beziehungen begründet worden, die
den Vermächtnisnehmer verbinden würden, das Er-
haltene an die Nachlaßgläubiger herauszugeben. Dar:
aus folgt, daß der Kläger nur deswegen, weil die
feinen Sicherungshypotheken zugrunde liegende For-
derung angeblich ſchon gegen den Erblaſſer begründet
war, dagegen die Hypotheken der Beklagten zur Siche—
rung von Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen beſtellt
worden ſind, nicht verlangen kann, daß die Beklagten
ſeine Befriedigung aus den Sicherungshypotheken vor
ihren Hypotheken dulden und mit dieſen Hypotheken
den Sicherungshypotheken den Vorrang einräumen.
2. Dagegen greift die Reviſion die weitere An—
nahme des OLG. mit Recht an, daß auch inſoweit die
Klage unzuläſſig geändert worden ſei, als der Kläger
in 2. Inſtanz erklärt habe, fein Anſpruch auf Befrie—
Zeitſchrift für ir Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16. in Bayern. 1
digung aus den Vermächtnishypotheken der Beklagten
fei nach den Vorſchriften der SS 3a, 7 AnfG. begründet.
Der Kläger hat in 1. Inſtanz vorgetragen, er habe
wegen der Forderung gegen den Erblaſſer, zu deren
Sicherung die Hypotheken eingetragen worden ſeien,
einen vollſtreckbaren Titel gegen die Erben erlangt,
die Zwangsvollſtreckung gegen ſie ſei fruchtlos aus—
gefallen, die ſeinen Sicherungshypotheken vorgehenden
Hypotheken ſeien von den Erben zur Sicherung von
Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen auf Nachlaß—
grundſtücke am 1. Juli 1905 eingetragen worden. Da⸗
her müßten die Beklagten ſeine Befriedigung aus den
Nachlaßgrundſtücken vor ihren Hypotheken dulden.
Darnach ſind vom Kläger Tatſachen behauptet
worden, die zur Begründung des Anfechtungsanſpruches
nach §3a AnfG. ausreichen. Denn unterſtellt man die
Richtigkeit dieſer Behauptungen, fo haben „die Erben“
durch Eintragung der Hypotheken für die Beklagten
auf Nachlaßgrundſtücke „Vermächtniſſe aus dem Nach—
laſſe erfüllt“, da unter „Erfüllung“ in § 3a nach dem
Zwecke des Geſetzes auch Rechtsakte zur Sicherung
von Verbindlichkeiten aus Vermächtniſſen zu verſtehen
ſind, wodurch dem Nachlaſſe zum Nachteile der übrigen
Gläubiger Vermögen entzogen wird (Falkmann, AnfG.
S. 42, Jaeger Anm. 3 zu 8 3a Anfc .). Ferner iſt
dann der Kläger ein Nachlaßgläubiger, der im Kon-
kurſe über den Nachlaß den Beklagten als 5 Emp⸗
fängern der Hypotheken gemäß 8 226 Abſ. 2 Nr. 5
KO. im Range vorgehen würde; weiter wären auch
die im 8 2 des Gef. beſtimmten allgemeinen Voraus—
ſetzungen für die Anfechtung gegeben, indem der Kläger
für ſeine fällige Forderung einen vollſtreckbaren Titel
hätte und die Zwangsvollſtreckung gegen den Schuldner,
der im Sinne des § 3a des Gef. der Erbe ift (Jaeger
Anm. 11 zu S 3a AnfG.), zur Befriedigung des Klägers
nicht geführt hätte. Endlich wäre auch die im 8 3
Nr. 3 AnfG. beſtimmte beſondere Vorausſetzung für
die Anfechtung der Leiſtung der Erben als einer un—
entgeltlichen Verfügung vorhanden, daß nämlich die
Anfechtung innerhalb eines Jahres ſeit Vornahme der
unentgeltlichen Verfügung erfolgt. Denn die Hypo—
theken ſind am 1. Juli 1905 eingetragen worden und
die Klage iſt im Februar 1906 erhoben. Auch der
Klageantrag würde, ſoweit Duldung der Befriedigung
aus den Nachlaßgrundſtücken vor den Hypotheken der
Beklagten verlangt wird, dem § 7 AnG. entſprechen.
Waren aber die zur Begründung des Anfechtungs—
anſpruches genügenden Tatſachen bereits in 1. Inſtanz
behauptet, ſo liegt nicht deshalb eine Klageänderung
vor, weil der Kläger erft in 2. Inſtanz den recht-
lichen Standpunkt vertreten hat, daß fein An-
ſpruch nach dem AnfG. begründet fei. (Urt. des V. ZS.
vom 13. Juni 1908, V 471/08).
1341
—— n.
TII.
Zum Begriffe der Kündigung eines Darlehens. Iſt
die Benennung eines beſtimmten Zahlungstermins ein
weſentlicher Beſtandteil der Kündigung? Wirkt die
vorzeitig erhobene Klage als Kündigung? Aus den
Gründen: 1. Der Beklagte hat von der Klägerin ein
verzinsliches Darlehen entgegengenommen. Der Streit
der Parteien dreht ſich nur darum, ob die Klägerin
das Darlehen rechtzeitig gekündigt hat, und der An—
ſpruch daher ſchon fällig iſt. Es war vertragsmäßig
eine vierteljährige Kündigungsfriſt feſtgeſetzt und das
Berufungsgericht hat dieſe deswegen als eingehalten
angeſehen, weil der Rechtsanwalt S. am 20. September
1906 im Auftrag und im Namen der Klägerin brief—
lich vom Beklagten Zahlung der Darlehensſumme
und der rückſtändigen Zinſen bis zum 25. September
1906 verlangt hat und weil die Klage dann erſt am
19. Januar 1907 erhoben worden iſt. Der Beklagte
hat ſich demgegenüber auf die Definition der Kün-
309
1908. Nr. 15 u. 16.
digung berufen, die früher einmal auf dem Boden
des gemeinen Rechtes vom III. ZS. des RG. aufge-
ſtellt worden ift (Entſch. in ZS. Bd. 26 S. 191). Es
muß zugegeben werden, daß dieſe, ſo lange man ſich
an ihren Wortlaut hält, der Rechtsauffaſſung des
OLG. im Wege ſtehen würde. Dem Wortlaute nach
iſt dort nämlich die Bezeichnung des beſtimmten zeit⸗
lichen Endpunktes für einen weſentlichen Beſtandteil
der Kündigung erklärt; da nun aber hier als letzter
Zeitpunkt der verlangten Rückzahlung nur der 25. Sep⸗
tember 1906 genannt war, zu welchem eine am 20. Sep⸗
tember 1906 ausgeſprochene Kündigung noch nicht
wirken konnte, ſo würde eine anderweitige Kündigung
in dem fraglichen Schreiben nach jener Definition
nicht gefunden werden können. Es kann nun aber
die Definition des III. ZS. in dieſem Punkte nicht für
glücklich gefaßt erachtet werden; ſie wird deswegen auch
mißbilligt von Thiele, im ArchéivPrax. Bd. 89 S. 86,
womit der Sache nach auch übereinſtimmt Planck,
BGB. (Aufl. 3) Bem. 2 d zu $ 564 S. 489; vermut-
lich hat auch der III. 38. ſelbſt, bei deffen damaliger
Entſcheidung es auf dieſen Punkt gar nicht weiter an—
kam, ihm kein großes Gewicht beigelegt und daher
mehr zufällig eine Rechtsfolge der Willenserklärung
in die Angabe ihres Inhaltes mitaufgenommen. Wie
dem übrigens auch ſei: keinesfalls könnte anerkannt
werden, daß nach dem Rechte des BGB., das allein
hier maßgebend iſt, irgend ein Grund vorläge, die
Benennung eines beſtimmten Termins für einen weſent—
lichen Beſtandteil jeder Kündigung zu halten.
2. Damit iſt nun freilich noch nicht geſagt, daß
die Auffaſſung des Schreibens vom 20. September 1906
als einer Kündigung des Darlehens rechtlich durchaus
unbedenklich iſt. Der erkennende Senat läßt dieſe
Frage unentſchieden, weil das angefochtene Urteil doch
jedenfalls aus einem anderen Grunde gemäß § 563
NPO. aufrecht erhalten werden müßte. In der etwa
vorzeitig angeſtellten Klage würde nämlich zugleich
eine Kündigung liegen, und die vom 19. Januar 1907
ab zu berechnende Vierteljahrsfriſt würde an dem
Tage, an welchem das Berufungsurteil erging, am
5. Juli 1907, längſt abgelaufen geweſen ſein. Daß
eine verfrühte Klage bei kündbaren Rechtsverhältniſſen
zugleich als Kündigung wirke, iſt nach den früheren
Rechten vom Reichsgericht öfters ausgeſprochen worden
(vgl. Entſch. in 35. Bd. 17 S. 149 f.). Warum dies
nach dem Rechte des BGB. anders ſein ſollte, wäre
nicht einzuſehen; auch hat der V. 35. ſchon wieder—
holt die Anſicht zu erkennen gegeben, daß nach dieſem
Rechte das Gleiche gelte; vgl. Entſch. in ZS. Bd. 53
S. 213 und Seuff Arch. Bd. 59 Nr. 55. Auch ſonſt iſt
dieſe Meinung vorherrſchend; vgl. Planck a. a. O.
Bem. 2 b zu § 564 S. 488 f.; Dernburg, Bürgerl.
Recht Bd. 2 Abt. 1 (Aufl. 3) $ 55 II S. 129; Thiele
a. a. O. S. 145. Der erkennende Senat ſchließt ſich ihr
an. Anderſeits ſteht es in der Rechtſprechung feſt,
daß es für die Verurteilung zur Zahlung einer Schuld
genügt, wenn die letztere nur zur Zeit der Urteils-
fällung bereits fällig geworden war. (Urt. des VI. ZS.
vom 12. März 1908, VI 468/07).
1331
— -u.
IV.
Umfang der Pflicht zur Vorlegung von Urkunden
nach $ 810 BGB. Der Kläger war Vorſtand der nun—
mehr in Liquidation befindlichen beklagten Aktiengeſell—
ſchaft. Er wurde wegen Bilanzfälſchung entlaſſen.
Es wurden gegen ihn Schadenserfatzanſprüche von
den Aktionären der Beklagten geltend gemacht. Er
behauptet, daß ſeine Berufung auf die Handelsbücher
der Beklagten, aus denen er die Richtigkeit der von
ihm aufgeſtellten Bilanzen habe nachweiſen wollen,
keinen Erfolg gehabt habe, da er ohne Einſicht der
Handelsbücher genügend begründete Behauptungen
310
nicht habe aufſtellen können. Mit der Klage beantragt |
der Kläger die Beklagte zu verurteilen, ihm zu ge⸗
ſtatten, näher bezeichnete Handelsbücher der Beklagten
aus den Jahren 1897 — 1900 unter Zuziehung eines
gerichtlich beeidigten Bücherſachverſtändigen einzuſehen.
In der 1. und 2. Inſtanz wurde die Klage abgewieſen.
Die Reviſion hatte Erfolg.
Gründe: Die Reviſion rügt mit Recht, daß das
OLG. den § 810 BGB. zu enge auslegt. Der Kläger
iſt von der beklagten Aktiengeſellſchaft und von ihren
Aktionären wegen angeblicher Verletzung aktienrecht⸗
licher Pflichten in Anſpruch genommen. Das Rechtsver⸗
hältnis, in welches der Kläger in ſeiner Eigenſchaft als
Vorſtand zu der Aktiengeſellſchaft und zu den Aktionären
getreten iſt, war nicht bloß ſein Anſtellungsverhältnis,
ſondern es iſt das geſamte Pflichtverhältnis, welches
ſich aus der geſetzlichen Organiſation der Aktiengeſell⸗
ſchaft und den dem Vorſtand obliegenden geſetzlichen
Verbindlichkeiten für dieſen ergibt. Wenn der Kläger
zum Zwecke feiner Verteidigung ſich auf die Haupt-
bücher, die Warenverſandbücher, die Kaſſabücher, die
Memoriale und Journale der Aktiengeſellſchaft be-
ruft und deren Einſicht unter Zuziehung eines gericht—
lich ernannten Bücherſachverſtändigen begehrt, ſo läßt
ſich zunächſt ſein Intereſſe an der Einſicht nicht in
Zweifel ziehen. Es muß aber auch anerkannt werden,
daß in dieſen Büchern das zwiſchen ihm und der
Aktiengeſellſchaft beſtandene Rechtsverhältnis beur-
kundet iſt, inſofern ſie die urkundliche Unterlage für
die Darlegung der ganzen Geſchäftsführung des Vor⸗
ſtands, für die Erfüllung feiner aktienrechtlichen Ber-
pflichtungen und ſeine Verantwortung hierüber bilden.
Ueberdies behauptet der Kläger, daß nach ſeinem Aus⸗
ſcheiden falſche Bilanzen aufgeſtellt und fingierte Poſten
in die Bücher der Geſellſchaft eingetragen worden ſeien,
mit denen er belaſtet wurde; er glaubt dieſe Buchungen
durch die Beurkundungen in den oben erwähnten Ge—
ſchäftsbüchern widerlegen zu können. (Urteil des I. 3S.
vom 8. April 1908, I 599/07).
1300
— — n.
V.
1. Iſt der Mangel der Erlaubnis zum Betrieb einer
Gaſtwirtſchaft ein „Fehler“ des Grundſtücks im Sinne
des 5 459 Abſ. 1 BGB. oder eine „Eigenſchaft“ im
Sinne des 8 119 Abſ. 2 B88.
2. Stillſchweigende Vereinbarung einer Bedingung
beim Kauf eines Grundſtücks.
Die Beklagten haben, nachdem ihnen in der Zwangs—
verſteigerung ein Gaſtwirtſchaftsgrundſtück zugeſchlagen
worden war, ihre „Rechte aus dem Meiſtgebot“ an
den Kläger abgetreten und dieſem ſodann das Grund—
ſtück aufgelaſſen. Die Veräußerung erfolgte in der
Erwartung, daß, da auf dem Grundſtück feit unvor—
denklichen Zeiten die Gaſtwirtſchaft betrieben worden
iſt, auch dem Kläger die gewerbepolizeiliche Erlaubnis
hierzu erteilt werden würde. Durch rechtskräftige Ent—
ſcheidung iſt indeſſen die vom Kläger nachgeſuchte Er—
laubnis wegen mangelnden Bedürfniſſes verweigert
worden. Der Kläger hat darauf den „Kauf bzw. die
Abtretung der Rechte aus dem Meiſtgebot“ wegen
Irrtums angefochten und klagend beantragt, die Be—
klagten zu verurteilen, gegen Rückauflaſſung des
Grundſtücks an den Kläger 4984 M zu zahlen. Der
erſte Richter hat die Beklagten verurteilt. Auf die
Berufung der letzteren wurde die Klage abgewieſen.
Die Reviſion hatte Erfolg.
Aus den Gründen: 1. Mit Unrecht bekämpft
die Reviſion die Ausführungen, welche die Anwend—
barkeit der SS 459 Abſ. 1, 119 Abſ. 2 BGB. verneinen.
Allerdings kann auch die Nichterteilung der Erlaubnis
zum Gaſtwirtſchaftsbetriebe unter Umſtänden ein
Mangel des Grundſtücks ſein. Dies ſetzt aber voraus,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
daß die Verſagung der Erlaubnis ihren Grund in
Eigenſchaften des Grundſtücks hat, zufolge deren letz⸗
teres den polizeilichen Anforderungen (8 33 Abſ. 2
Ziff. 2 GewO.) nicht genügt. Ein folder Fall liegt
nicht vor, da die Erlaubnis zum Gaſtwirtſchaftsbetrieb
wegen des Fehlens eines Bedürfniſſes verſagt worden
iſt. Daraus ergibt ſich auch die Unanwendbarkeit des
8 119 Abſ. 2 BGB., inſofern darnach die Eigenſchaft
einer Sache hinſichtlich der Anfechtung einer Willens⸗
erklärung wegen Irrtums als zum Inhalt der Er⸗
klärung gehörig angeſehen wird. Außerdem iſt auch
der weitere Grund zutreffend, daß es ſich bei der An⸗
nahme des Klägers, er werde die bisher ſtets erteilte
Betriebserlaubnis für ſeine Perſon ebenfalls erhalten,
nicht um einen Irrtum über vergangene oder gegen⸗
wärtige Tatſachen, ſondern um unrichtige Beurteilung
zukünftiger Verhältniſſe handelt, ein Irrtum letzterer
Art aber nur den Beweggrund des Geſchäfts⸗
abſchluſſes betrifft und daher deſſen Gültigkeit nicht
beeinflußt.
2. Begründet war dagegen die weitere Rüge der
Reviſion, daß der Berufungsrichter den Behauptungen
über den Abſchluß eines bedingten Geſchäfts nicht
gerecht geworden ſei. Nach der Behauptung des
Klägers hat dieſer kurz vor dem Vertragsſchluß einem
der beiden Beklagten erklärt, er werde das Grundſtück
nur kaufen, wenn ihm die Konzeſſion erteilt würde,
und es iſt ihm darauf erwidert worden, es unterliege
keinem Zweifel, daß ihm die Konzeſſion erteilt werden
würde. Der Berufungsrichter hält dieſe Anführungen
für unerheblich, weil in der angeblichen Erwiderung
kein Einverſtändnis mit der vom Kläger geſtellten
Bedingung zu erblicken ſei, die Erklärung vielmehr
nur den Charakter einer Meinungsäußerung habe.
Selbſt wenn dies richtig iſt, würde dies dennoch dem
Zuſtandekommen eines bedingten Vertrages mit dem
vom Kläger behaupteten Inhalt nicht entgegen ſtehen,
weil anzunehmen iſt, daß der Kläger auch noch bei dem
Vertragſchluß an dieſer Bedingung feſthielt. Erkannten
die Beklagten dies und ſchloſſen ſie nichtsdeſtoweniger
den Vertrag ab, ohne den Kläger darauf aufmerkſam
zu machen, daß ſie der Bedingung nicht zuſtimmten,
während andererſeits der Kläger nach Lage der Um—
ſtände ſich für berechtigt halten durfte, ihr Schweigen
als Zuſtimmung zu deuten, fo können fie nicht hinter⸗
her geltend machen, es habe an dieſer Zuſtimmung
gefehlt; vielmehr müſſen ſie alsdann nach Treu und
Glauben den Vertrag als unter der Bedingung ge—
ſchloſſen gegen ſich gelten laſſen. Der Berufungsrichter
ſcheint nun freilich ſeine abweiſende Entſcheidung auch
noch darauf ſtützen zu wollen, daß kein Anhalt dafür
vorhanden ſei, daß noch zur Zeit der Auflaſſung
Willensübereinſtimmung zwiſchen den Parteien über
einen bedingten Vertragſchluß beſtanden habe. Dabei
ift jedoch überſehen, daß, wenn nicht Umſtände vor—
liegen, die gegen eine Fortdauer der früher erzielten
Willenseinigung bis zur Auflaſſung ſprechen, dieſe
Fortdauer anzunehmen iſt, eine beſondere Beweislaſt
alſo der ſich darauf berufenden Partei nicht obliegt.
(Urt. des V. 3S. vom 13. Mai 1908, V 337/07).
1318
— — n.
VI.
1. Wie iſt die Beweislaſt zu verteilen, wenn be:
hauptet wird, dahs der Käufer die „Verſchlechterung“
des Kaufgegenſtandes im Sinne der G 467, 351, 347
BGB. verſchuldet habe? f
2. Kann eine „Verſchlechterung“ des verkauften
Grundſtücks in dem Rüdgange eines anf ihm betriebenen
Gewerbes gefunden werden?
Aus den Gründen: 1. Nach den S8 467, 351
BGB. ſchließt eine vom Käufer verſchuldete weſent—
liche Verſchlechterung des empfangenen und gemäß dem
8 346 zurückzugewährenden Gegenſtandes die Wande-
lung aus, und nach den §§ 467, 347, 989 begründet
eine jede auch nicht weſentliche Verſchlechterung dieſes
Gegenſtandes einen Schadenserſatzanſpruch des Ver⸗
käufers, wenn ſie vom Käufer verſchuldet iſt. Das
Verſchulden des Käufers 90 aber regelmäßig nicht, wie
das OLG. angenommen hat, von demjenigen zu bes
weiſen, der aus der Verſchlechterung den Ausſchluß
der Wandelung oder den Schadenserſatzanſpruch Her-
leitet. Wenn die Verſchlechterung oder die weſent⸗
liche Verſchlechterung feſtſteht, ift es vielmehr regel-
mäßig Sache des Käufers, darzutun, daß ſie nicht von
ihm verſchuldet ift. Mit der Vollziehung der Wande-
lung erwächſt nach den Grundſätzen der SS 467, 346 bis
348, 350 bis 354 die Verpflichtung des Käufers und
des Verkäufers, den Zuſtand herzuſtellen, der beſtehen
würde, wenn der Kaufvertrag nicht geſchloſſen wäre,
demnach insbeſondere einander die empfangenen Lei—
ſtungen zurückzugewähren. Und zwar iſt das Verhältnis
ſo zu beurteilen, als wenn ſich die Parteien hierzu
ſchon durch den Kaufvertrag für den Fall der Wande⸗
lung verpflichtet hätten. Jedenfalls handelt es ſich
bei dieſer auf beiden Seiten beſtehenden Verpflichtung
zur Rückgewähr um ein Schuldverhältnis, für das die
Beweisregel des $ 282 BGB. gilt. Dieſe aber weiſt
dem zur Rückgewähr Verpflichteten nicht nur im Falle
des Unterganges oder der anderweitigen Unmöglich—
keit der Herausgabe des empfangenen Gegenſtandes,
ſondern auch im Falle ſeiner Verſchlechterung die Be—
weislaſt zu, da die Verſchlechterung die Unmöglichkeit
begründet, den Gegenſtand in dem vorher bezeichneten
Zuſtande zurückzugewähren. Dieſe Verteilung der Be—
weislaſt wird überdies allein dem praktiſchen Bedürfnis
gerecht; denn über den Grund der Verſchlechterung
wird regelmäßig nur der zur Rückgewähr Verpflichtete,
nicht aber der andere Teil unterrichtet fein. Ein Ber-
ſchulden des Beklagten an der Verſchlechterung wird
dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß ſie erſt eingetreten
iſt, nachdem er mit ſeinem Wandelungsverlangen her—
vorgetreten war, und daß dies Verlangen gerecht—
fertigt iſt. Die durch den Empfang des Gegenſtandes
mit bezug auf die Rückgewährpflicht begründete Ver⸗
antwortlichkeit dauert bei der Wandelung bis zu deren
Vollziehung gemäß dem § 465, und diefe Vollziehung
und nicht ſchon das einſeitige Verlangen der Wande—
lung tritt an die Stelle der Rücktrittserklärung des
Rücktrittsberechtigten insbeſondere auch als dasjenige
Ereignis, bis zu deſſen Eintritt ein Verſchulden der
im § 351 bezeichneten Art den Ausſchluß des Wande-
lungsrechts zur Folge hat.
2. Den Rückgang der auf dem Kaufgrundſtücke
betriebenen Fleiſcherei hat das OLG. deshalb als zur
Begründung des Ausſchluſſes der Wandelung oder
eines Schadenserſatzanſpruches ungeeignet bezeichnet,
weil die Fleiſcherei nicht Beſtandteil oder Eigenſchaft
des Kaufgrundſtücks und ihr Rückgang nicht eine Ver—
ſchlechterung des Kaufgegenſtandes fei. Die Angriffe
der Reviſion dagegen ſind nicht begründet. Unter dem
empfangenen Gegenſtande“ ift in den 88 347 und 351
der auf Grund des Vertrages empfangene Gegenſtand
verſtanden. Auf Grund des Kaufvertrages kann aber
der Beklagte nur etwas empfangen haben, was nach
dieſem Vertrage Kaufgegenſtand iſt. Nach dem klaren
Wortlaut des Vertrages ift das nur das Grundſtück
und das „vorhandene zum Betriebe der Fleiſcherei
gehörige Inventar“. Allerdings hat nicht nur die
Ehefrau des Klägers, ſondern auch der Polizeikanzliſt
K. bekundet, daß der Beklagte das Haus nicht als Miet-,
ſondern als Geſchäftshaus erworben habe, um die dort
ſeit 32 Jahren betriebene Fleiſcherei mit der alten
Kundſchaft weiter zu betreiben, daß er vierzehn Tage
vor der Uebernahme im Geſchäfte tätig geweſen ſei,
um die Kunden kennen zu lernen, und daß bei den
Kaufverhandlungen über das Geſchäft und die Kunden
geſprochen worden ſei. Allein daraus läßt ſich nicht
entnehmen, daß nicht nur das Grundſtück nebſt Fleiſcherei—
—— . nn ͤ&äꝓV—
—— .. 8—3—— — N—
311
inventar, ſondern auch das vom Kläger mit Erfolg
betriebene Fleiſchereigeſchäft mit Kundſchaft Kauf-
gegenſtand hat ſein ſollen, und zwar auch dann nicht,
wenn daraus zu ſchließen wäre, daß die Kundſchaft
auf die Bemeſſung des Preiſes von Einfluß geweſen
iſt. Das würde den bekundeten Tatſachen nur die
Eigenſchaft eines außerhalb des Vertrages liegenden
Beweggrundes verleihen; während die Annahme, das
Fleiſchereigeſchäft mit Kundſchaft ſei ebenfalls Kauf⸗
gegenſtand, die Feſtſtellung fordert, daß ſeine Ueber—
tragung mit Gegenſtand der Verpflichtung des Klägers
und daß der vereinbarte Preis zugleich ein Entgelt,
eine Gegenleiſtung für dieſe Leiſtung des Klägers hat
ſein ſollen, eine Feſtſtellung, der ſchon der Wortlaut
des Vertrages widerſpricht. Ebenſowenig begründen
jene Tatſachen die vom OLG. abgelehnte Auffaſſung
des Fleiſchereigeſchäfts oder der damit verbundenen
Kundſchaft als eines Beſtandteils oder einer Eigen—
ſchaft des Kaufgrundſtücks. Nach der bedenkenfreien
Feſtſtellung des OLG. enthält das Grundſtück keine
für den Fleiſchereibetrieb beſonders eingerichteten
Räumlichkeiten oder Anlagen. Es fehlt in dem Partei-
vorbringen ferner an jedem Anhalt dafür, das die
Lage des Grundſtücks es zu dieſem Gewerbebetriebe
beſonders geeignet machte. Jedenfalls wird der vom
Kläger behauptete Rückgang des Fleiſchereibetriebes
von ihm ſelbſt nicht auf eine Verſchlechterung der Lage,
Räumlichkeiten oder Anlagen des Grundſtücks zurück—
geführt. Im übrigen aber iſt die mit dem Fleiſcherei—
geſchäft verbundene Kundſchaft und der in ſeinem
Betriebe erzielte größere oder geringere Umſatz und
Gewinn ebenſo, wie die Tatſache dieſes Gewerbe—
betriebes ſelbſt, vom Grundſtücke und deſſen Beſitz
ganz unabhängig und nur auf die Perſon und die
perſönlichen und geſchäftlichen Eigenſchaften ſeines je—
weiligen Beſitzers zurückzuführen, was deshalb auch
keinen Einfluß auf die Bewertung des Hauſes üben
kann. (Urt. des V. ZS. vom 3. Juni 1908, V 597/07).
1339
— — — N.
VII.
Der Schadenserſatzanſpruch der Ehefrau nach § 844
BGB. iſt nicht deswegen ausgeſchloſſen, weil ſie zur
Zeit der Tötung des Mannes von ihm getrennt in ehe:
brecheriſchem Verkehre lebte. Aus den Gründen:
Das OLG. hat den Beweisantrag des Beklagten, die
Klägerin habe fünf Jahre von ihrem Manne ge—
trennt gelebt, ſei mit andern Mannsperſonen im Lande
herumgezogen und habe mit ihnen Ehebruch getrieben,
als unerheblich abgelehnt. Die Reviſion erblickt darin
eine Verletzung des § 844 BGB., der nicht Erſatz für
einen abſtrakten Schaden, ſondern nur für das ge—
währe, was dem Unterhaltsberechtigten durch die
Tötung tatſächlich entgehe. Habe Z. der Klägerin
ſeit Jahren keinen Unterhalt gereicht und wegen ihres
unſittlichen Lebenswandels, der ihn zur Scheidungs—
klage berechtigt hätte, keinen Unterhalt zu reichen
brauchen, ſo ſei der Klägerin durch ſeinen Tod auch
kein Schaden entſtanden. Der Angriff konnte keinen
Erfolg haben. Der Unterhaltsberechtigte hat nach
8 844 einen Anſpruch auf Schadenserſatz, wenn ihm
infolge der Tötung das Recht auf Unterhalt
entzogen wurde, inſoweit als der Getötete zur Ge—
währung des Unterhalts verpflichtet geweſen ſein
würde. Gemäß § 1360 Abſ. 1 BGB. hat der Mann
der Frau nach Maßgabe ſeiner Lebensſtellung, ſeines
Vermögens und ſeiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu
gewähren. Das OLG. nimmt an, daß der Getötete
ein geſunder, kräftiger Mann war, der im Tag 3—6 M
verdiente und recht wohl in der Lage war, ſeiner
Unterhaltspflicht zu genügen. Damit iſt feſtgeſtellt,
daß der Klägerin, wenn ſie ihr geſetzliches Recht auf
Unterhalt nicht verloren hat, durch den Tod ihres
Ehemannes ein Schaden entſtanden iſt. Dieſes Recht
erloſch aber weder deshalb, weil ſie von ihrem Ehe—
312
mann getrennt lebte, noch weil fie angeblich ein ehe-
brecheriſches Leben führte. Der letztere Umſtand hätte
die Klägerin nach 88 1611 Abſ. 2, 2335 BGB. nur auf
das Recht beſchränkt, den notdürftigen Unterhalt
zu verlangen. Die Erörterung, ob dieſe Vorausſetzung
für eine Kürzung des Schadenserſatzes zutrifft, durfte
das Berufungsgericht dem Verfahren über den Betrag
des Klageanſpruchs überlaſſen. Der Beklagte hat
darüber, welche Stellung der Getötete gegenüber dem
behaupteten Verhalten der Klägerin eingenommen hat,
keinen Beweis angetreten und abgeſehen von dem von
der Klägerin beſtrittenen, nicht mit Beweis vertretenen
Vorbringen, er habe ihr in der Zeit des Getrennt-
lebens keinen Unterhalt gereicht, nicht einmal irgend
welche Anführungen gemacht. Es braucht daher nicht
geprüft zu werden, ob und welchen Einfluß dieſe
Stellung des Ehemanns unter Umſtänden auf den
Schadenserſatzanſpruch der Klägerin gehabt haben
könnte. (Urt. des VI. 3S. vom 22. Juni 1908, VI
70 / 08). — — = n.
1332
VIII.
Umfang der Haftung des Hauseigentümers für Un:
fälle in einem Stallgebäude. Der Kläger iſt auf dem
Grundſtück des Beklagten beim Betreten des Stalles
in eine hinter der Stalltüre in den Boden eingelaſſene
Jauchentonne gefallen, deren loſer Deckel ſich ver—
ſchoben hatte und hat ſich verletzt. Er verlangt
Schadenserſatz. Das LG. hat den Klageanſpruch dem
Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das OLG. hat
die Klage abgewieſen. Die Reviſion blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Das OLG. hat die Klage
nur um deswillen abgewieſen, weil der Beklagte keinen
Verkehr in dem vermieteten Stall eröffnet habe. Es
iſt zuzugeben, daß dieſer Grund die Entſcheidung nicht
trägt. Denn die Haftpflicht des Eigentümers für einen
verkehrsgefährlichen Zuſtand in ſeinem Grundſtück be—
ſchränkt ſich nicht auf den Fall, daß er einen Verkehr
darin eröffnet hat. Sondern, ſoweit ſeine Macht über
die Räume reicht, hat er dafür Sorge zu tragen, daß
ſolche Zuſtände nicht geſchaffen werden, oder, wenn
er ſie bei dem Erwerb des Grundſtücks angetroffen
hat, nicht beſtehen bleiben, und zwar vermöge des
allgemeinen Grundſatzes, daß jeder für die Beſchä—
digung durch ſeine Sachen aufzukommen hat, inſoweit
er ſie bei billiger Rückſichtnahme auf die Intereſſen
anderer hätte verhüten müſſen. Aber dies trifft nur
zu, wenn der Eigentümer die Gefährlichkeit einer An—
lage in ſeinem Grundſtück erkannt hat oder bei Be—
obachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen
müſſen.
Fehl geht zunächſt der Angriff der Reviſion, daß
der Beklagte wider das Schutzgeſetz des §S 367 StGB.
verſtoßen habe. Denn der Stall, in den nur hie und
da der Fleiſchermeiſter oder einer ſeiner Bedienſteten
kam, um ein Schlachttier einzubringen und fortzu—
ſühren, das Tier zu warten und den Boden zu reinigen,
war kein Ort, wo Menſchen zu verkehren pflegten
(vgl. Olshauſen A. zu § 3671) d. h., den noch an:
dere Perſonen mit einer gewiſſen Häufigkeit beſuchten
als die wenigen, die berufsmäßig darin zu tun hatten.
Mag nun auch die Jauchentonne eine unzweckmäßige
und an ſich verkehrsgefährliche Einrichtung geweſen
ſein, ſo durfte doch der Beklagte, wenn ſie ihm be—
kannt war, angeſichts der Beſchaffenheit und ganz be—
ſchränkten Benutzbarkeit des Stalls ohne Verſchulden
damit rechnen, daß für ordnungsmäßige Bedeckung
der Tonne geſorgt werde, daß nur mit der Oertlich—
keit vertraute Perſonen den Stall betreten, die von
der Tonne wußten und mit geringer Vorſicht ſich vor
Schaden ſchützen konnten und daß äußerſtenfalls Orts—
unkundige ſich nur in Begleitung des Geſchäftsinhabers
oder eines ſeiner Leute in den fremden Stall begeben
und dabei auf die Tonne aufmerkſam gemacht würden.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
— — — — ———— — —̃ — — — . — —̃ ——ñ a — —
Wenn der Beklagte als Grundſtückseigentümer die
entfernte Möglichkeit nicht bedacht hat, daß irgend
jemand, wie der Kläger, ohne Anmeldung und Be—
gleitung in den Stall gehen und in die gerade un—
bedeckte Grube fallen könne, ſo kann ihm daraus nicht
der Vorwurf gemacht werden, daß er die im Verkehr
gebotene Ueberlegung und Achtſamkeit verſäumt habe.
(Urt. des VI. ZS. vom 15. Juni 1908, VI 500,07).
1329
— — — I.
C. Straffaden.
I
Zum Tatbeſtande des Mundraubs $ 370 Nr. 5
StGB.). Verletzung des 8 266 Abſ. 2 StPO. Aaj:
hebung des Urteils auch zugunſten der verurteilten
Oehler nach § 397 StPO. Der Verteidiger hat nach
dem Protokoll und dem Urteil „die Auffaſſung ver—
treten, daß Mundraub vorliege“. Der Erſtrichter hat
dieſen die Strafbarkeit verneinenden Umſtand (Entſch.
des RG. Bd. 5 S. 404) nur bezüglich der vollendeten
Reate, nicht aber in Anſehung des verſuchten Delikts
behandelt. Angeſichts des erhobenen Einwandes konnte
aber der Erſtrichter zu einer Verurteilung wegen ver—
ſuchten ſchweren Diebſtahls nur dann gelangen, wenn
er ausdrücklich feſtſtellte, daß der geltend gemachte
Umſtand nicht vorliege, d. h. daß den Angeklagten
nur eine den Vorausſetzungen des § 370 Nr. 5 StGB.
entſprechende Abſicht nicht beigewohnt habe, daß ſie
es alſo nicht auf die Entwendung von Nahrungs:
und Genußmitteln unbedeutenden Wertes oder geringer
Menge zum alsbaldigen Verbrauch abgeſehen hatten
(Rſpr. des RG. Bd. 3 S. 701). Der Erſtrichter ift
aber auch, ſoweit er den Einwand gewürdigt hat, von
einer rechtsirrigen Anſchauung ausgegangen. Bei der
Frage, ob eine Handlung den Tatbeſtand des Dieb—
ſtahls (88 242 ff. StGB.) oder des Mundraubs (8 370
Nr. 5 StGB.) verwirklicht, ift allerdings die Geſamt—
heit des Entwendeten inſofern in Betracht zu ziehen,
als bei der Entwendung durch mehrere Täter nicht
der auf den einzelnen fallende Teil ausſchlaggebend
(Entſch. des RG. Bd. 8 S. 406, Rſpr. des RG. Bd. 6
S. 422) und als bei dem fortgeſetzten Delikt
eine Zuſammenfaſſung des durch die einzelnen Aus—
führungsakte Entwendeten geboten ift (Ripr. des R.
Bd. 10 S. 333). Es ſind auch, wenn mehrere
ſelbſtändige Handlungen vorliegen, für die
Frage, ob die Entwendung zum alsbaldigen
Verbrauch erfolgte, nicht die einzelnen Fälle für
ſich, ſondern im Zuſammenhalte mit den andern gleich—
zeitigen und gleichartigen Handlungen zu betrachten
(Rſpr. des RG. Bd. 5 S. 545). Dagegen ift bei
mehreren ſelbſtändigen Handlungen für die
Frage, ob jeweils Nahrungs- oder Genußmittel von
un bedeutendem Werte oder in geringer
Menge entwendet worden ſind, der Wert oder die
Menge des in jedem einzelnen Falle Weggenommenen
maßgebend, dagegen „der geſamte Betrag der ent—
wendeten Sachen“ belanglos. Dieſen aber hat der
Erſtrichter als ausſchlaggebend für die Entſcheidung
jener Frage betrachtet. Unter dieſen Umſtänden mußte
das Urteil und zwar nach 8 397 StPO. auch in An:
ſehung der Hehler, auf die es ſich erſtreckt, aufgehoben
werden (Urt. des V. Sts. vom 26. Mai 1908. 5D
335/08).
1328
— — — e —
II.
Unter welchen Umſtänden ift das Stimmenverhältnis
nach Maßgabe des § 307 Abſ. 2 StPO. bei der Ber:
neinung der Frage anzugeben, ob mehrere Taten durch
eine fortgeſetzte Handlung begangen find? Die Reviſion
findet mit Recht einen Verſtoß gegen 8 307 StPO.
darin, daß die Geſchworenen die Frage 7 — ob die
— —
in den Fragen 1 und 5 bezeichneten Taten durch eine
fortgeſetzte Handlung begangen ſeien — nach Bejahung
jener beiden Fragen ohne Angabe eines Stimmenverhält—
niſſes verneint haben. Nach § 307 Abſ. 2 StPO. war
bei dieſer Verneinung die Angabe des Stimmenverhält-
niſſes erforderlich, wenn die Verneinung eine dem An⸗
geklagten nachteilige Entſcheidung darſtellte. Daß dies
unter den obwaltenden Umſtänden der Fall ift, unter-
liegt keinem Bedenken. Allerdings läßt ſich nicht all-
gemein die Frage beantworten, ob die Zuſammen—
ziehung mehrerer an ſich ſelbſtändiger, den vollen
Tatbeſtand einer ſtrafbaren Handlung enthaltenden
Tätigkeitsakte zu der juriſtiſchen Einheit eines fort—
geſetzten Delikts dem Angeklagten nachteilig oder günſtig
iſt; ihre Beantwortung hängt vielmehr von der be—
fonderen Geſtaltung des Falles ab. So kann, wenn
die Rechtzeitigkeit des Strafantrags oder die Ber-
jährung in Frage ſteht oder wenn zu prüfen iſt, ob
der Gegenſtand der Straftat, z. B. beim Diebſtahl, von
unbedeutendem Werte iſt, die Zuſammenfaſſung der
einzelnen Tätigkeitsakte zu einem fortgeſetzten Delikte
dem Angeklagten zum Nachteile gereichen. Regelmäßig
wird dies aber nicht der Fall ſein, vielmehr wird ſich
der Angeklagte meiſtens bei der Annahme eines fort—
geſetzten Delikts beſſer ſtehen. Denn dann wird er
eben nur wegen einer Straftat beſtraft und die Strafe
wird der Natur der Sache nach geringer ausfallen,
als wenn wegen mehrerer ſelbſtändiger Handlungen
nach Maßgabe des § 74 StGB. verfahren werden
müßte, ganz abgeſehen davon, daß bei einer Mehr—
heit von Straftaten im Sinne der Realkonkurrenz die
Strafgrenze nach oben bei allen Strafarten erheblich
erweitert iſt. Wie aus den Urteilsgründen erhellt,
kommen Ausnahmefälle, welche die Annahme eines
fortgeſetzten Delikts als dem Angeklagten nachteilig
erſcheinen ließen, nicht in Betracht. Das Stimmen—
verhältnis mußte deshalb bei der Verneinung der
Frage angegeben werden. Die Unterlaſſung führt zur
Aufhebung des Urteils (daß dieſes auf dem Prozeß—
verſtoße beruht, wird unter Hinweiſung auf SS 300 ff.
StPO., RGE. Bd. 21 S. 70, Bd. 23 S. 402 näher be-
gründet). (Urt. des V. StS. vom 12. Mai 1908, 5 D
284/08).
1327
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Nangänderung zwiſchen zwei Sicherungshypotheken
desſelben Gläubigers (BGB. SS 873, 877, 880). Die
Brauerei L. (Aktiengeſellſchaft) hat durch notariell be—
glaubigte Erklärung ihrer Vorſtandsmitglieder be-
ſtimmt, daß der Rang einer für ſie eingetragenen
Sicherungshypothek von 1000 M einer demnächſt für
le einzutragenden Sicherungshypothek von 2000 M
zukommen ſolle, mit der dasſelbe Grundſtück belaſtet
werden ſollte; ſie hat die Eintragung der Rangände—
rung beantragt. Die Eigentümer des Grundſtücks
ſtimmten durch notariell beglaubigte Erklärung zu.
Die Hypothek zu 2000 M wurde ſodann eingetragen.
Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung der Rang—
aͤnderung ab. Die Beſchwerde der Aktiengeſellſchaft
wurde zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht erachtete
die Verfügung des Grundbuchamts für gerechtfertigt,
weil § 880 BGB. zu der Rangänderung die Einigung
des zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten
erfordere und keine beſondere Vorſchrift für den Fall
getroffen ſei, daß die Rechte demſelben Berechtigten
zuſtehen. Auf weitere Beſchwerde wurden die Ent—
ſcheidungen der Vorinſtanzen aufgehoben und das
Grundbuchamt angewieſen, anderweit zu verfügen.
Gründe: Das Kammergericht hat allerdings in
Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
— —̃ — ——U—— . —— ——. 44 Z— mn =
—
feinen Beſchlüſſen vom 28. Jan. 1901 (RJ A. Bd. 2 S. 50)
und vom 9. März 1903 (OL GRſpr. Bd. 7 S. 10) als
ſelbſtverſtändlich angeſehen, daß bei einer Rangände—
rung zwiſchen Rechten, die demſelben Berechtigten zu-
ſtehen, an die Stelle der nach 8 880 Abſ. 2 BGB. ers
forderlichen Einigung des zurücktretenden und des
vortretenden Berechtigten die Beſtimmung des Be⸗
rechtigten tritt, und ein großer Teil der Schriftſteller
ift ihm darin gefolgt (3. B. Dernburg, Sachenrecht
8 217 I Abſ. 2; Staudinger-Kober, Komm. z. BGB.
Bd. 3 Anm. 2a zu $ 880; Predari, GBO. Anm. 7 a
zu § 46 GB.). Dabei beruft ſich Predari auf die
Vorſchrift des 8 1151 BGB. über die bei der Teilung
einer Hypothekenforderung ſtattfindende Aenderung
des Rangverhältniſſes der Teilhypotheken unter ein—
ander. Andere (insbeſondere Planck, Komm. z. BGB.
3. Aufl. Bd. 3 Bem. 3a zu 8880; Maenner, Sachen⸗
recht 2. Aufl. Anm. 19 zu § 9; Turnau -Jörſter,
Liegenſchaftsrecht Bd. 1 Anm. II 1 zu § 880 BGB.)
ſind dieſer Anſicht entgegengetreten und erachten in
ſolchem Falle eine Rangänderung nach dem $ 880
für ausgeſchloſſen, indem ſie an dem Erforderniſſe der
Einigung feſthalten, die nur unter verſchiedenen Per-
ſonen möglich iſt. Es iſt nicht erforderlich, auf die
Frage einzugehen, ob derjenige, dem die bei der Rang—
änderung beteiligten Rechte zuſtehen, durch feine ein-
ſeitige Beſtimmung und Eintragung in das Grund—
buch eine Aenderung herbeiführen kann, bei der es
ſich nicht um das Zurücktreten einer Hypothek, einer
Grundſchuld vder einer Rentenſchuld handelt und ob
im Falle des S 1151 BGB. das Beſtimmungsrecht des
Gläubigers nicht als Ausfluß ſeiner Teilungsbefugnis
anzuſehen iſt. Die von der Beſchwerdeführerin be—
zweckte Rangänderung zwiſchen ihren Sicherungs—
hypotheken iſt eine Aenderung des Inhalts der zurück—
tretenden Hypothek oder der beiden Hypotheken und
kann als ſolche nach den 88 873, 877 BGB. durch
Einigung des Eigentümers und des Gläubigers und
Eintragung in das Grundbuch bewirkt werden. Die
Beſchwerdeführerin braucht nicht die in der Hypothek
zu 1000 M enthaltene Zurückdrängungsmacht auf die
Hypothek zu 2000 M zu übertragen, ſondern es ge—
nügt, wenn nicht andere Rechte zwiſchen den beiden
Hypotheken ſtehen, die unmittelbar aufeinander folgen,
den Inhalt der Hypothek zu 1000 M dahin zu ändern,
daß ſie das Recht auf Befriedigung aus dem Grund—
ſtück nur unbeſchadet des in der Hypothek zu 2000 M
enthaltenen Befriedigungsrechts gewährt. Sollten
andere Rechte inmitte ſtehen, ſo könnte mit dieſer
Aenderung des Inhalts der Hypothek zu 1000 M die
Aenderung des Inhalts der Hypothek zu 2000 M da-
hin verbunden werden, daß ſie das Recht auf Be—
friedigung aus dem Grundſtück inſoweit gewährt, als
die Befriedigung unbeſchadet der Rechte der anderen
Beteiligten geſchehen kann. Eine ſolche Aenderung
des Inhalts der Hypotheken ift durch den 8 880 nicht
ausgeſchloſſen; der § 880 trifft Beſtimmung über die
unmittelbare Aenderung des Rangverhältniſſes, die
er als eine Angelegenheit der Inhaber der beteiligten
Rechte behandelt: die Aenderung des Inhalts der
Hypotheken durch Zuſammenwirken des Eigentümers
und des Gläubigers führt mittelbar zu dem nämlichen
Ergebniſſe. Die nach den SS 873, 877 erforderliche
Einigung kann unbedenklich in der Zuſtimmung der
Eigentümer des belaſteten Grundſtücks zu der von der
Gläubigerin getroffenen Beſtimmung gefunden werden.
(Beſchl. des I. 35. vom 19. Juni 1908, Reg. III 55/1908).
1344 W.
II.
Gegen den mit feiner Frau im Güterſtande des BGB.
lebenden Maun kann der Notar dem Hypothekgläubiger die
Vollſtreckungsklauſel auf Duldung der Zwangsvollſtreckung
in das Anweſen aus der vor Anlegung des Grundbuchs
aufgenommenen Hypothekurkunde nicht erteilen, wenn nicht
die Erklärung des Mannes vorliegt, daß er die Zwangs⸗
314
vollſtreckung bewillige (Not®. v. 1899 Art. 45; ZPO.
8 739, § 794 Abſ. 2; AG. z. BGB. Art. 166 Abſ. 2; AG.
3. ZPO. u. KO. Art. 128, 136; UeG. Art. 24). Laut no⸗
tarieller Urkunde vom 15. Juni 1900 erklärte Nikolaus
B. in P., daß er „gegenüber der H.- und W.⸗Bank in M.
Darlehensſchuldner von 11000 M geworden fei“. Er
verpflichtete ſich, das Darlehen mit 4% zu verzinſen
und das Kapital durch Leiſtung von Annuitäten zurück-
zuzahlen. Zur Sicherung der Darlehensforderung und
einer Nebenkaution beſtellte er eine Hypothek an ſeinem
Anweſen in P.; die Hypothek wurde am 16. Juni 1900
im Hypothekenbuche eingetragen. Am 20. Juni erteilte
der Notar der Gläubigerin eine Ausfertigung der Ur—
kunde „zum Zwecke der Zwangsvollſtreckung, und zwar
hinſichtlich der jeweils fälligen Zinſen und Annuitäten“.
Laut notarieller Urkunde vom 22. Januar 1907 ver⸗
kaufte Nikolaus B. das verpfändete Anweſen an Frau
Albertine M. Die Käuferin übernahm die Hypotheken—
ſchulden, insbeſondere auch die Schuld an die H.- und
W.⸗Bank und zwar dieſe „zur dinglichen und perſön—
lichen Haftung“. In der Urkunde iſt feſtgeſtellt, daß
-nach Angabe der Beteiligten die M.fchen Ehegatten
im geſetzlichen Güterſtande des BGB. leben“. Die
Beſtimmung in Nr. XI des Vertrags lautet: „Herr
Charles M. ſtimmt dem Vertragsſchluſſe ſeiner Frau
zu“. Im Dezember 1907 ſtellte die Gläubigerin an
das Notariat St. den Antrag, ihr zu der von ihm
aufgenommenen Urkunde vom 15. Juni 1900 die Voll-
ſtreckungsklauſel zu erteilen in der Richtung gegen
Albertine M. und deren Mann, und zwar gegen dieſen
auf Duldung der Zwangsvollſtreckung. Das Notariat
entſprach dem Antrage nur ſoweit, daß es die Aus—
fertigung der Urkunde der Gläubigerin erteilte „in
der Richtung gegen die im geſetzlichen Güterſtande der
Verwaltung und Nutznießung nach dem BGB. lebende
Albertine M. in M. als grundbuchmäßige Beſitznach—
folgerin des Nikolaus B. in P. zum Zwecke der Zwangs—
vollſtreckung“. Die Erteilung der Vollſtreckungsklauſel
in der Richtung gegen den Mann auf Duldung der
Zwangsvollſtreckung lehnte es ab wegen des Mangels
„des Nachweiſes, daß der Ehemann hinſichtlich der
Forderung der Bank die ſofortige Zwangsvollſtreckung
in das Frauengut bewilligt hat“. Der Antrag der
Gläubigerin an das LG., die Weigerung des Notars
für ungerechtfertigt zu erklären, wurde zurückgewieſen.
Die Beſchwerde wurde verworfen.
Gründe: Nach § 706 der ZPO. vom 30. Januar
1877 konnte die Landengeſetzgebung auf Grund anderer
als der in den SS 644, 702 bezeichneten Schuldtitel
die gerichtliche Swangsvorlftredtung zulaſſen und in—
ſoweit von den Beſtimmungen der BPO. abweichende
Vorſchriften treffen. Dieſe Beſtimmung ſollte auch auf
Hypothekenurkunden Anwendung finden. Auf Grund
dieſes Vorbehalts hat das AG. z. RPO. u. KO. vom
23. Februar 1879 in Art. 127 — 138 Vorſchriften über
die Vollſtreckbarkeit von Hypothekenurkunden getroffen.
Als Hypothekenurkunden, aus denen die Zwangsvoll—
ſtreckung ſtattfindet, gelten darnach, abgeſehen von den
in der Zeit vor dem 1. Juli 1862 errichteten Hypo⸗
thekenbriefen, nur ſolche Notariatsurkunden, in denen
die Hypothek vertragsmäßig für einen Anſpruch be⸗
ſtellt iſt, der die Zahlung einer beſtimmten Geldſumme
zum Gegenſtande hat und durch die Urkunde feſtgeſtellt
iſt, und die die Beſtätigung des Hypothekenamts über
die Eintragung der Hypothek enthalten. Dieſe Vor—
ſchriften bezweckten eine Erleichterung der Zwangs—
ung aus ſolchen Urkunden den Vorſchriften
der ZPO. gegenüber; fie bildeten eine Neuerung im
Verhältniſſe zu den bisherigen landesrechtlichen Vor—
ſchriften über die Zwangsvollſtreckung (ZPO. von 1877
SS 665, 666, 702 Nr. 5). Auf Grund des Vorbehalts
im Artikel VIII des EG. vom 17. Mai 1898 zu dem
Geſetze, betr. Aenderungen der ZPO., beſtimmt Art. 166
Abſ. 2 AG. z. BGB., daß die Art. 127 — 134, 136
AG. z. ZPO. u. KO. vom 23. Februar 1879 in An⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
ſehung der Hypotheken in Kraft bleiben, welche zu der
Zeit beſtehen, zu der das Grundbuch als angelegt an⸗
zuſehen iſt. Das Geſetz, betr. Aenderungen der ZPO.,
und das AG. z. BGB. traten gleichzeitig in Kraft.
Eine das Zwangsvollſtreckungsverfahren teilweiſe än-
dernde Vorſchrift enthält der § 739 der am 20. Mai
1898 bekannt gemachten Faſſung der ZPO.; darnach
iſt bei dem Güterſtande der Verwaltung und Nutz⸗
nießung die Zwangsvollſtreckung in das eingebrachte
Gut der Ehefrau nur zuläſſig, wenn die Ehefrau zur
Leiſtung und der Ehemann zur Duldung der Zwangs⸗
vollſtreckung in das eingebrachte Gut verurteilt iſt.
Ergänzt wird diefe Vorſchrift durch die des 8 794
Abſ. 2; ſoweit zur Zwangsvollſtreckung aus einer Ur:
kunde der im Abſ. 1 Nr. 5 bezeichneten Art nach § 739
die Verurteilung des Ehemanns zur Duldung der
Zwangsvollſtreckung erforderlich iſt, wird ſie dadurch
erſetzt, daß der Mann in einer nach Abſ. 1 Nr. 5 des
8 794 aufgenommenen Urkunde die ſofortige Zwangs⸗
vollſtreckung in die feinem Rechte unterworfenen Gegen-
ſtände bewilligt. Da an den Vorſchriften der Art. 127 ff.
AG. vom 23. Februar 1879, ſoweit ſie durch den
Art. 166 Abſ. 2 AG. z. BGB. aufrecht erhalten find,
nichts geändert wurde, find Zweifel darüber ent-
ſtanden, ob dem durch die Aenderungen der ZPO.
aufgeſtellten weiteren Erforderniſſe für die Zwangs-
vollſtreckung gegen eine Ehefrau, die in einem der im
S 739 bezeichneten Güterſtande lebt, ſofern die Hwangs-
vollſtreckung in das eingebrachte Gut erfolgen ſoll,
auch in den Fällen der Zwangsvollſtreckung aus den
„Hypothekenurkunden“ genügt ſein muß. Dieſe Zweifel
ſind im Hinblick auf den Zweck, den die Vorſchriften
der Art. 127 ff. AG. z. ZPO. u. KO. verfolgten, und
darauf nicht unbegründet, daß nach den landes—
rechtlichen Vorſchriften, die bis dahin galten, weder
eine prozeßgerichtliche Entſcheidung erforderlich war,
daß der Mann die Zwangsvollſtreckung in das ein:
gebrachte Gut der Frau zu dulden hat, noch feine aus-
drückliche Bewilligung der ſofortigen Zwangsvoll—
ſtreckung in die ſeinem Verwaltungs- und Nutznießungs⸗
recht unterworfenen Gegenſtände. Die Frage, ob in
einem ſolchen Falle der Betreibung der Zwangsvoll⸗
ſtreckung durch den Gläubiger der Frau jetzt der § 739
und der § 794 Abſ. 2 ZPO. formell hindernd im
Wege ſtehen, ſofern der Zugriff auf eingebrachtes Gut
der Frau erfolgt, ohne daß der ſogenannte Duldungs—
oder Bewilligungstitel vorliegt, hat verſchiedene Be—
antwortung erfahren (BayziR. Bd. 3 ©. 12, 90, 106).
Für die Bejahung ſpricht der Umſtand, daß nach der
ausdrücklichen Vorſchrift des Art. 136 AG. z. ZPO.
u. KO. „im übrigen“, d. h. ſoweit nicht in den vorher:
gehenden Artikeln beſondere Vorſchriften enthalten
find, auf die Zwangsvollſtreckung aus Hypotheken⸗
urkunden die Beſtimmungen der ZPO. entſprechende
Anwendung finden. Hinſichtlich des Güterſtandes der
Ehen, die am 1. Januar 1900 beſtanden, iſt im Art. 24
UeG. beſtimmt, daß, ſoweit nach dieſem Geſetze für den
Güterſtand die Vorſchriften des BGB. maßgebend ſind,
auch die für den Güterſtand geltenden Vorſchriften
der ZPO. Anwendung finden. In der Begründung
dieſer Vorſchrift (Beil. X zu den Verhandl. des Juſtiz⸗
geſetzgebungs-Ausſchuſſes der K. d. Abg. 1898/99, Beil.⸗
Bd. XX Abt. I S. 640) ſind als dabei in Betracht
kommende Vorſchriften der ZPO. ausdrücklich die Bor-
ſchriften über die Zwangsvollſtreckung erwähnt. In
dem vorliegenden Falle ſteht zwar nicht feſt, daß der
Güterſtand der Verwaltung und Nutznießung für die
Ehegatten M. erſt nach dem Inkrafttreten des BGB.
eingetreten iſt; dies iſt aber belanglos, weil die recht—
liche Grundlage für die Entſcheidung die gleiche iſt,
mag der geſetzliche Güterſtand des BGB. vom Beginne
der Ehe an beſtanden haben oder an die Stelle des
Güterſtandes des Bayès R. oder des gemeinen Dotal—
rechts getreten fein (Art. 83 Abſ. 1, Art. 90 Abſ. 1 UeG.).
Von dieſem Standpunkte war demnach die Weigerung
des Notars, eine vollſtreckbare Ausfertigung der Ur-
kunde vom 15. Juni 1900 in der Richtung gegen den
Mann der Schuldnerin zu erteilen oder die Boll:
ſtreckungsklauſel auf die Duldungspflicht des Mannes
auszudehnen, auch im Hinblick auf Art. 45 Not®. ge⸗
rechtfertigt. Gerade der $ 750 der ZPO. fegt voraus,
daß die Vollſtreckungsklauſel nach Maßgabe der ein⸗
ſchlägigen Vorſchriften der Urkunde beigefügt ift (ZPO.
Ss 794, 795). Nimmt man aber an, daß das Voll⸗
ſtreckungsgericht befugt ift, trotz der erwähnten Aen⸗
derungen der ZPO. bei Anträgen auf Zwangsvoll—
ſtreckung aus Hypothekenurkunden nach den Vorſchriften
zu verfahren, die bis dahin galten, alſo in den Fällen,
in denen es ſich wie hier um eine Schuld der Frau
handelt, zu deren Begründung der Mann ſeine Zu—
ſtimmung erteilt hat, die beantragte Vollſtreckungs—
mußregel, die Zwangsverſteigerung oder Zwangsver—
waltung, in Anſehung der mit der Hypothek belaſteten
Grundſtücke anzuordnen und es dem Manne zu über⸗
laſſen, gegen die Zwangsvollſtreckung Widerſpruch zu
erheben (8 771 ZPO.; 8690 ZPO. von 1877), fo ift
die Weigerung des Notars ebenfalls gerechtfertigt,
weil in dieſem Falle die Erteilung einer vollſtreckbaren
Ausfertigung der Urkunde in der Richtung gegen eine
andere Perſon als die Rechts- und Beſitznachfolgerin
des Hypothekenſchuldners nicht notwendig, ja über⸗
haupt nicht zuläſſig war. Geht man nämlich davon
aus, daß der § 794 Abſ. 2 ZPO. auf die Zwangs⸗
vollſtreckung aus Hypothekenurkunden nicht anzuwenden
iſt, ſo kann nur der Art. 128 AG. z. ZPO. u. KO. an⸗
gewendet werden. „Dritter Beſitzer der Sache“ im
Sinne dieſes Artikels konnte aber nur die Frau als
Käuferin der mit der Hypothek belaſteten Grundſtücke,
nicht deren Mann ſein. Zwar iſt der Mann berechtigt,
die zum eingebrachten Gute der Frau gehörenden
Sachen in Beſitz zu nehmen (BGB. § 1373); dieſer
Beſitz beruht aber nicht auf einem rechtsgeſchäftlichen
Erwerbe, wie im Art. 128 vorausgeſetzt iſt (ſ. auch
Art. 129 AG. z. ZPO. u. KO. und $ 53 HypG.). Bei
dieſer Sachlage braucht nicht erörtert zu werden, ob
wegen der Weigerung des Notariats die Beſchwerde—
führerin genötigt ſein würde, gegen den Mann ihrer
Hypothekenſchuldnerin Klage auf Duldung der Zwangs—
vollſtreckung zu erheben (Bayobe G3. Bd. 1 S. 477),
ferner ob es nicht zuläſſig geweſen wäre, daß der
Mann, der dem von feiner Frau geſchloſſenen Vertrage
vorbehaltslos zugeſtimmt hatte, die Bewilligung der
jofortigen Zwangsvollſtreckung in die verpfändeten
Grundſtücke auch in Anſehung der von der Frau über—
nommenen Hypothekenſchulden erklärte, oder ob ſich
ein Hypothekengläubiger für den Fall der Veräußerung
der mit der Hypothek belaſteten Sache an eine Ehe—
frau im voraus durch eine beſondere Vereinbarung
mit dem Schuldner gegen die möglichen Folgen des
Mangels des ſogenannten Duldungstitels ſchützen kann.
(Beſchluß des II. 35. vom 3. Februar 1908, Reg. VI,
4/1908). W.
1257
III.
Unter dem Eigentümer, deſſen Zuſtimmung nach
§ 22 Abſ. 2 GYO. zur Berichtigung des Grundbuchs
erforderlich iſt, iſt nicht der eingetragene Eigentümer
zu verſtehen, ſondern wer als Eigentümer eingetragen
werden ſoll. Notwendigkeit der Zuſtimmung des ein:
getragenen Eigentümers trotz § 22 Abſ. 1 GBO. Die
ckererseheleute Peter und Barbara L. haben am
17. Februar 1846 an den Bäcker Johann W. und feine
Frau Katharina einen Teil der Plan-Nr. 81 verkauft,
der in der Folge mit der Plan-Nr. 81 bezeichnet
wurde, und ihnen das Miteigentum an dem in ihrem
Hofe befindlichen Brunnen mit dem Rechte des Durch—
ganges zum Brunnen eingeräumt. Die Eheleute W.
vertauſchten am 20. November 1850 das erworbene
Anweſen an den Handelsmann Iſaak B. Iſaak B.
iit geſtorben und hat fünf Kinder hinterlaſſen. Auf
|
Grund Erbvertrags hatte auch feine Witwe einen Erb⸗
teil zu beanſpruchen. Sie hat ihren Erbteil auf die
Söhne Simon und Moriz B. übertragen; Moriz B.
hat dann das zum Nachlaſſe gehörende Anweſen durch
Vertrag mit den Geſchwiſtern erworben und es an
ſeinen Bruder Simon veräußert. Simon B. hat das
Anweſen am 16. Dezember 1902 an die Kaufmanns⸗
eheleute Karl und Roſa H. in N. verkauft. Der Kauf—
vertrag wurde durch einen Nachtrag vom 24. Oktober
1906 dahin berichtigt, daß „zu dem verkauften An⸗
weſen als Zubehör der Anteil an dem im Hofe des
Peter L. in N. befindlichen Brunnen ſamt dem Durch—
gangsrechte durch den Hof des Peter L. gehört“. In
der notariellen Urkunde über den Tauſchvertrag vom
20. November 1850 iſt der Anteil am Brunnen und
das Durchgangsrecht ausdrücklich erwähnt, die Ur⸗
kunden über die ſpäteren Verträge führen ſie bei der
Beſchreibung des Anweſens nicht an. Bei der An⸗
legung des Grundbuchs wurden Peter L. I als Eigen:
tümer des den Brunnen enthaltenden Anweſens
Plan⸗Nr. 81 und die Eheleute H. als Eigentümer des
Anweſens Plan-Nr. 81'/s eingetragen. Das Miteigen—
tum am Brunnen und das Durchgangsrecht wurden
nicht eingetragen. Auf Grund der Urkunde über die
die Kaufvertragsurkunde vom 16. Dezember 1902 be⸗
richtigende Vereinbarung vom 24. Oktober 1906 hat
die Meſſungsbehörde von Plan-Nr. 81 eine Fläche
von 3 qm weggemeſſen und als Plan-Nr. 81 / “ zu
0,0001 ha gemeinſchaftlicher Brunnen, Hälfteanteil an
der ganzen Fläche von 3 qu, einerſeits dem Peter L. I
und anderſeits den Eheleuten H. zugeſchrieben. Um
das Grundbuch zu berichtigen, haben die fünf Kinder
des Iſaak B. und die Eheleute H. in einer notariellen
Urkunde beantragt, die Teilung der Plan-Nr. 81 in
Plan-Nr. 81 und 81 einzutragen, ferner bei der
neuen Plan-Nr. 81 Peter L. als Eigentümer und die
Belaſtung mit der dem jeweiligen Eigentümer von
Plan⸗Nr. 81½ zuſtehenden Grunddienſtbarkeit des
Durchganges zum Brunnen und als Miteigentümer
von Plan-Nr. 81½ die fünf Kinder des Iſaak B. und
Peter L. J einzutragen. Zugleich erklärten ſie ſich da—
hin einig, daß das Miteigentum zur Hälfte an Plan—
Nr. 81¼ù von den B.'ſchen Kindern auf die Eheleute
H. je zur Hälfte übergehe und bewilligten und be—
antragten die Eintragung der Eigentumsänderung.
Das Grundbuchamt wies alle Anträge zurück. Auf
Beſchwerde der B.'ſchen Kinder und der Eheleute 9.
ordnete das Landgericht die Eintragung der Teilung
des Grundſtücks Plan-Nr. 81 in Plan-Nr. 81 und
Plan-⸗Nr. 81 ¼ und des an der neuen Plan-Nr. 81 dem
jeweiligen Eigentümer von Plan-Nr. 8118 zuſtehenden
Durchgangsrechts an, dagegen wies es die Beſchwerde
im übrigen zurück. Auf weitere Beſchwerde wurde der
abweiſende Teil der Entſcheidung des Landgerichts
aufgehoben und die Sache zurückverwieſen.
Gründe: Das LG. hat mit Unrecht die Zu—
ſtimmung des Peter L. J zu der Eintragung des Mit—
eigentumsverhältniſſes an dem Brunnengrundſtücke
Plan⸗Nr. 8115 auf Grund des § 22 Abſ. 2 GBO. für
erforderlich erachtet. Die Vorſchrift will mit Rückſicht
darauf, daß mit dem Eigentum an Grundſtücken
öffentlichrechtliche Verpflichtungen verſchiedener Art
verbunden ſind, verhüten, daß im Wege der Berich—
tigung des Grundbuchs nach dem Abſ. 1 des 5 22 jez
mand ohne ſeine Zuſtimmung als Eigentümer eines
Grundſtücks in das Grundbuch eingetragen wird, ſie
trifft aber nicht den Fall einer Berichtigung des In—
halts, daß dem als Alleineigentümer Eingetragenen
nur das Miteigentum zur Hälfte zuſteht. Die Be—
richtigung enthält nicht die vollſtändige Löſchung des
Rechtes des als Eigentümer eingetragenen und eine
neue Eintragung als Miteigentümer, ſondern die Be—
ſchränkung ſeines eingetragenen Rechtes auf einen An—
teil. Die Zuſtimmung des Peter L. 1 würde allerdings
nach $ 19 GBO. erforderlich fein, wenn deſſen Ein-
316
tragung als Alleineigentümer unter Verletzung geſetz⸗
licher Vorſchriften erfolgt, insbeſondere der Vertrag
vom 17. Februar 1846 dem Amtsgerichte bei der An⸗
legung des Grundbuchs bekannt geweſen ſein ſollte.
Das Grundbuchamt würde nach § 54 Abſ. 1 GBO.
auch bei dem Nachweiſe der Unrichtigkeit der Ein⸗
tragung nicht befugt ſein, ſie zu ändern, und eine
Beſchwerde gegen die Ablehnung der Aenderung würde
nach § 71 Abſ. 2 GBO. ebenſo unzuläſſig fein wie die
unmittelbare Anfechtung der unrichtigen Eintragung;
es könnte nur die Eintragung eines Widerſpruchs be-
antragt werden. War dagegen die Eintragung des
Peter L. J als Alleineigentümers nach den Umſtänden,
die dem Amtsgericht vorlagen, gerechtfertigt, ſo bedarf
es nach § 22 Abſ. 1 GBO. feiner Zuſtimmung nicht,
die Beibringung ſeiner Zuſtimmung kann jedoch ver⸗
langt werden, wenn Grund zu einem Bedenken beſteht,
ob die vehauptete wirkliche Rechtslage in völlig ver-
läſſiger Weiſe nachgewieſen, ob nicht etwa der durch
den Vertrag vom 17. Februar 1846 veräußerte Anteil
an dem Brunnengrundſtück in der Zwiſchenzeit zwiſchen
dem Vertrage vom 20. November 1850 und der An⸗
legung des Grundbuchs von dem Eigentümer des An-
weſens Plan⸗Nr. 81 zurückerworben worden ift. (Be⸗
ſchluß des I. ZS. vom 22. Mai 1908, Reg. III 47/1908).
1322 W.
IV.
Kann eine beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit mit
dem Inhalte beſtellt werden, daß der Eigentümer einer
Mühle, der das Waſſer eines im Eigentum eines Dritten
ſtehenden Privatflußes 1 darf, ſich einem anderen
gegenüber verpflichtet, die Wegleitung des größeren Teiles
des Waſſers zu dulden? (BGB. § 1090). Die C.⸗Geſell⸗
ſchaft m. b. H. in B. will behufs Anlage eines Kraft-
werkes das Waſſer der A. in einen Werkkanal ableiten,
ſo daß in der A. nur noch drei Sekunden-Kubikmeter
Waſſer verbleiben werden. Die Ausführung des Unter—
nehmens wird den Waſſerbezug der an einem Neben—
arme der A. liegenden Mühle Haus-Nr. 35 beein-
trächtigen. Der in der Steuergemeinde F. liegende
Teil der A. ift als Plan-Nr. 2046 im Grundbuche
des Amtsgerichts B. als ein dem Staate gehörender
Privatfluß eingetragen, der die Plan-Nr. 2013 führende
Nebenarm iſt nicht eingetragen. Ein mit der Mühle
verbundenes Waſſerbenutzungsrecht iſt nicht eingetragen.
Am 23. November 1907 hat C. für die Geſellſchaft mit
dem Müller B. F. in G., dem Eigentümer der Mühle
Haus-Nr. 35, vor dem Notariate einen Vertrag über
Beſtellung einer beſchränkten perſönlichen Dienſtbarkeit
Bein elle, der im weſentlichen folgende Beſtimmungen
enthält:
B. F. räumt als Eigentümer des Anweſens
Haus-Nr. 35 in G. und der damit verbundenen Rechte
auf Waſſerbezug aus der A. und Waſſerbenutzung der
Geſellſchaft eine beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit
dahin ein, daß er ſich verpflichtet, die beabſichtigte
Waſſerableitung und die damit eintretende Schmälerung
feiner Waſſerbezugs- und Waſſerbenutzungsrechte ſowie
ſonſtige Schädigungen zu dulden.
ſoll in Wirkſamkeit treten, wenn der Geſellſchaft die
verwaltungsrechtliche und miniſterielle Konzeſſion erteilt
wird, und ſolange in Kraft bleiben, als die Konzeſſion
dauert. Sobald die Geſellſchaft den Grund für ihre
Anlage erworben hat, wird F. auf Verlangen an
Stelle der perſönlichen Dienſtbarkeit eine Grund—
dienſtbarkeit gleichen Inhalts beſtellen. F. bewilligt
und beantragt die Eintragung einer Vormerkung zur
Sicherung des Anſpruchs der Geſellſchaft auf Ein—
räumung der beſchränkten perſönlichen Dienſtbarkeit.
Das Grundbuchamt hielt die Eintragung einer Vor—
merkung nur unter der Vorausſetzung für ſtatthaft,
daß das Waſſerbezugsrecht des F. auf deſſen Eigentum
an einem Teile des Waſſerlaufs beruhe, und beſtimmte
demgemäß dem Antragſteller eine Friſt zur Darlegung
Die Dienſtbarkeit
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
des Rechtsgrundes ſeines Waſſerbenutzungsrechts und
gegebenenfalls zur Bezeichnung der ihm zuſtehenden
Teile des Fluſſes und der Ufergrundſtücke. Gegenüber
einer von F. eingereichten Vorſtellung beharrte es bei
ſeiner früheren Entſcheidung. B. F. ließ Beſchwerde mit
dem Antrag einlegen, die Eintragung der Vormerkung
auf dem Grundbuchblatte für die Mühle anzuordnen.
Die Beſchwerde wurde zurückgewieſen. Die weitere
Beſchwerde 1 keinen Erfolg.
Gründe: Nach § 1090 Abf. 1 BGB. kann eine
beſchränkte perſönliche Dienſtbarkeit mit dem Inhalte
beſtellt werden, daß der Berechtigte das Grundſtück
in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder daß ihm
die Befugnis zuſteht, zu verlangen, daß die Ausübung
eines Rechtes unterbleibt, das ſich aus dem Eigentum
an dem belaſteten Grundſtück ergibt. Unter dem „Be:
nutzen“ verſteht die Vorſchrift das Genießen von Vor⸗
teilen, die nach S 100 BGB. Nutzungen bilden. Für die
in der erſten Beſchwerdeſchrift aufgeſtellte Behauptung,
die Beeinträchtigung des Waſſerzufluſſes ſei als Be⸗
nutzung der mit dem Mühlbetriebe wirtſchaftlich ver⸗
bundenen Grundſtücke anzuſehen, iſt eine Begründung
nicht verſucht worden. Der in dem Vertrage vom
23. November 1907 vereinbarten Duldungspflicht ent⸗
ſpricht das Recht der Geſellſchaft, zu verlangen, daß
die Ausübung des dem Duldungspflichtigen zuſtehenden
Verbietungsrechts unterbleibt. Den Inhalt einer Be⸗
laſtung der Grundſtücke kann eine Beſchränkung des
Verbietungsrechts nur inſoweit bilden, als es ſich um
das ſich aus dem Eigentum an den Grundſtücken er-
gebende Verbietungsrecht handelt. Eine Beſchränkung
dieſes Rechtes ſteht aber nicht in Frage. Der Figen-
tümer eines Grundſtücks, das an einem Privatfluſſe
liegt, der einem anderen gehört, kann, auch wenn ihm
ein Waſſerbezugsrecht nicht zuſteht, ein weſentliches
Intereſſe daran haben, daß die an ſeinem Grundſtücke
vorüberfließende Waſſermenge nicht gemindert wird,
aber das Eigentum an ſeinem Grundſtücke gibt ihm
nicht die Befugnis, eine ihm nachteilige Aenderung
des Waſſerzufluſſes zu verbieten. Dies gilt ſowohl
für die Vorteile, die die Lage am Fluſſe für die Aus-
übung des Gemeingebrauchs des Waſſers bietet, und
die Möglichkeit, mit der erforderlichen Erlaubnis oder
Genehmigung Anlagen zur Waſſerbenutzung zu errichten,
als für den Einfluß, den eine Ableitung aus dem
Fluſſe auf die Grundwaſſerverhältniſſe und die Be-
wäſſerung des Grundſtücks übt. Bei den im Eigen-
tum eines anderen als des Staates ſtehenden Privat⸗
flüſſen ift das Intereſſe der Anlieger durch die Bor-
Schriften des Art. 47 Abſ. 1 Ziff. 2, Abſ. 2 WG. geſchützt,
aber diefe Vorſchriften enthalten nicht eine Erweite—
rung des Eigentumsrechts an den Ufergrundſtücken,
ſondern eine dem öffentlichen Rechte angehörende Be—
ſchränkung des Eigentums an dem Privatfluſſe.
Die Beſchwerdeſchrift behauptet, die durch Erlaub—
nis des Eigentümers des Privatfluſſes erlangte Be:
fugnis zur Benutzung des Fluſſes ſei eine beſondere
Seite des Eigentums an dem Ufergrundſtücke, das ſich
grundſätzlich auch auf den im Eigentum eines anderen
ſtehenden Privatfluß erſtrecke. Dieſe Aufſtellung iſt
willkürlich und ſteht mit dem Begriffe des Eigentums
in unlösbarem Widerſpruche. Die Benützungsrechte,
die an einem in fremdem Eigentum ſtehenden Waſſer—
laufe durch Vertrag oder Verjährung erworben wurden,
ſind unter der Herrſchaft des früheren Rechtes von
der Rechtſprechung als Dienſtbarkeiten angeſehen worden.
Eine unter der Herrſchaft des früheren Rechtes ents
ſtandene Grunddienſtbarkeit dieſer Art iſt nach Art. 184
EG. z. BGB. bei dem Inkrafttreten des BGB. mit
ihrem bisherigen Inhalte beſtehen geblieben und be—
darf, ſolange mit ihr das Halten einer dauernden An-
lage verbunden ift, nach Art. 10 Abſ. 1 Satz 2 ue.
auch zur Erhaltung der Wirkſamkeit gegenüber dem
öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Ein:
tragung in das Grundbuch. Die Grunddienſtbarkeit gilt
nach 8 96 BGB. als Beſtandteil des Grundſtücks, deſſen
jeweiligem Eigentümer ſie zuſteht. Die Belaſtung des
Grundſtücks mit einem Nießbrauch oder einem be—
ſchränkten Benutzungsrechte, deſſen Inhalt die Mus-
übung der Grunddienſtbarkeit mitumfaßt, erſtreckt ſich
auch auf ſie, aber die Verpflichtung zur Duldung einer
Beeinträchtigung der Grunddienſtbarkeit kann nicht
den Gegenſtand einer perſönlichen Dienſtbarkeit an dem
Grundſtücke bilden, die in einer Beſchränkung des ſich
aus dem Eigentum ergebenden Verbietungsrechts be—
ſteht, weil das Recht zur Abwehr einer ſolchen Beein-
trächtigung ſich nicht aus dem Eigentum an dem Grund—
ſtücke, ſondern nach 8 1027 BGB. und des Art. 184
EG. aus der Grunddienſtbarkeit ſelbſt ergibt. Gegen—
ſtand ſelbſtändiger Belaſtung kann die Grunddienſt—
barkeit aber deswegen nicht ſein, weil ſie nicht zu den
Rechten gehört, für welche die ſich auf Grundſtücke
beziehenden Vorſchriften gelten. Das gleiche gilt von
einer ſtaatlichen Erlaubnis zum Waſſerbezug oder
einer anderen Waſſerbenutzung, gleichviel ob ſie un—
widerruflich oder widerruflich ift. (Beſchluß des I. ZS.
vom 28. April 1908, Reg. III. 38/1908). W.
1299
V.
Erwerbung von Ernndſtücken durch eine Geſellſchaft
in der gelſchatter und dez Wirkung des Beitritts
neuer Geſellſchafter und des Austritts eines Gefell-
ſchafters. e ee des Grundbuchs, wenn nicht
alle i eingetragen find (BGB. § 738; GBO.
§ 22 Abf. 2, SS 29, 40, 48). Im e ,
waren auf den Blättern für die Anweſen Hs.-Nr. 48,
50 an der I.ſtraße und Hs.-Nr. 20, 21 an der |
in M., die den Wirtseheleuten O. gehörten, u. a. Vor⸗
merkungen eingetragen für den Fuhrwerksbeſitzer Ant.
K., den Parkettenfabrikanten Adolf H., den Baumei—
ſter Georg G., den Dekorationsmaler Philipp A. und
den Kupferſchmied Andreas B. in M. Für eine For—
derung des Ziegeleibeſiters Jofeph Gr. war Hypothek
eingetragen. Als die Zwangsverſteigerung der An—
weſen bevorſtand, ſchloſſen die fünf zuerſt genannten
Gläubiger am 26. September 1901 einen notariellen
Geſellſchaftsvertrag, in dem ſie vereinbarten, die An—
weſen gemeinſchaftlich zu erwerben und weiterzuver—
äußern. Der Gewinn ſollte zunächſt zu verhältnis—
mäßiger Berichtigung der Forderungen der Geſell—
ſchafter, ſoweit ſie bei der Zwangsverſteigerung aus—
fielen, verwendet, der Ueberſchuß ſollte gleichheitlich
geteilt werden. Jeder Geſellſchafter hatte ſpäteſtens
am 30. September eine bare Einlage von 5000 M bei
dem Notare zu hinterlegen, Säumnis ſollte das Aus—
ſcheiden zur Folge haben. Philipp A. ſchied in dieſer
Weiſe aus, infolgedeſſen erhöhten die übrigen Geſell—
ſchafter ihre Einlagen auf je 6000 M. In dem Ber:
ſteigerungstermine erhielten H., B., K. u. G. auf das
gemeinſchaftliche Meiſtgebot den Zuſchlag. Eine An:
gabe über das zwiſchen ihnen beſtehende Rechtsver—
hältnis wurde nicht gemacht. Am 11. Januar 1902
wurden die vier Erſteher in das Hypothekenbuch als
Eigentümer der Anweſen eingetragen. Inzwiſchen
hatten ſie am 6. Dezember 1901 mit dem Ziegelei—
beſitzer Joſeph Gr. in O. einen notariellen Vertrag
geſchloſſen, in dem beſtimmt wurde, daß Joſeph Gr.
in die Geſellſchaft eintrete, als Einlage 6000 M leiſte
und bei der Verteilung des Gewinns mit feiner For-
derung, ſoweit ſie nicht aus dem Verſteigerungserlöſe
berichtigt werde, ebenſo zu berückſichtigen ſei wie die
übrigen Geſellſchafter. Am Schluſſe heißt es:
„Nachdem die vier bisherigen Geſellſchafter die
Anweſen bereits eingeſteigert haben, verzichtet Herr
Gr. ausdrücklich darauf, als Miteigentümer in den
öffentlichen Büchern eingetragen zu werden.
Nach dem Tode des Adolf H. wurden ſeine An—
teile am 18. September 1903 „auf Grund Erb:
vertrags“ auf ſeine Witwe Marie H. umgeſchrieben.
Zeitſchrift für Rechtspflege i in ı Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
Am 21. November 1907 hat Marie H. in einer öffent-
lich beglaubigten Urkunde die Bewilligung erklärt,
daß das Grundbuch dadurch berichtigt werde, daß die
ſie als Miteigentümerin bezeichnenden Eintragungen ge⸗
löſcht werden, weil ſie aus der Geſellſchaft mit G., K.,
B. und Gr. ausgeſchieden und daher ihr Anteil am
Geſchäftsvermögen auf die übrigen Geſellſchafter über-
gegangen ſei. Ein Vertreter der Geſellſchafter G., K.,
B. und Gr. hat die Urkunde dem Grundbuchamt mit
dem Antrage vorgelegt, die Berichtigung zu bewirken.
Der Antrag wurde zurückgewieſen und der Beſchwerde
wurde der Erſolg verſagt. Die weitere Beſchwerde
iſt zurückgewieſen worden.
Gründe: Es iſt zuzugeben, daß die Unterlaſſung
einer Angabe über das Gemeinſchaftsverhältnis, in
dem die Erſteher ſtanden, nicht hinderte, daß ſie durch
den Zuſchlag die Anweſen zum Geſellſchaftsvermögen
erwarben. Sie haben im Verſteigerungstermine nicht
kundgegeben, daß ſie die Anweſen zu Miteigentum
nach Stopfteilen erwerben wollten, ſondern über das
zwiſchen ihnen beſtehende Rechtsverhältnis geſchwiegen
und der verſteigernde Notar hat keine Erklärung dar—
über verlangt; für die Erteilung des Zuſchlags an
ſie war es gleichgültig, ob ſie Miteigentümer mit
Bruchteilsanteilen oder als Geſellſchafter Miteigen—
tümer zur geſamten Hand wurden. Die Beſtimmung
darüber, welche von beiden Geſtaltungen des Mit—
eigentums eintreten ſollte, ſtand bei ihnen: wenn ſie
bei der Erteilung des Zuſchlags darüber einig waren,
die Anweſen zum Geſellſchaftsvermögen zu erwerben,
ſo wurden die Anweſen Geſellſchaftsvermögen. Zu
den vier Geſellſchaftern, die die Anweſen durch den
Zuſchlag erworben haben, kam durch den Vertrag
vom 6. Dezember 1901 Gr. hinzu, er wurde Teilhaber
des Geſellſchaftz vermögens und der Anweſen. Zu der
Uebertragung des Eigentums an den Grundſtücken der
bisherigen Geſellſchaft würde nach dem damals gel—
tenden Art. 14 des Not. von 1861 die notarielle
Beurkundung des Vertrags in Verbindung mit der
Beſitzeinräumung genügt haben. Gehörten die An—
weſen zum Geſellſchaftsvermögen, fo konnte die das
Geſellſchaftspverhältnis und die Beteiligung des Gr.
nicht erſichtlich machende Eintragung in das Hypo—
thekenbuch daran nichts ändern. Sie ſetzte die Geſell—
ſchafter der Gefahr aus, die ſich aus dem öffentlichen
Glauben des Hypothekenbuchs ergab, die Geſellſchafter
waren aber nicht darüber hinaus an ſie gebunden.
Die Geſellſchaftsverträge enthalten keine ausdrück—
liche Beſtimmung darüber, daß die Geſellſchaft im
Falle des Todes eines Geſellſchafters mit dem Erben
fortgeſetzt werden und daß ſie im Falle der Kündi—
gung eines Geſellſchafters unter den übrigen Geſell—
ſchaftern fortbeſtehen folle. Aber es war wenigſtens
für einen beſtimmten Fall das Ausſcheiden eines Ge—
ſellſchafters vorgeſehen und der Zweck der Geſellſchaft
deutet darauf hin, daß dieſe Geſtaltung des Geſell—
ſchaftsverhältniſſes in Ausſicht genommen war. Die
Geſellſchaft war inſofern eine Liquidationsgeſellſchaft,
als es ſich darum handelte, den Verluſt der Aufwen—
dungen abzuwenden, die die Geſellſchafter durch ihre
Leiſtungen für die in den Anweſen errichteten Bauten
gemacht hatten, und die in die Bauten verwendeten
Mittel wieder flüſſig zu machen. An der Wieder—
erlangung der aufgewendeten Mittel hatte der Erbe
eines Geſellſchafters dasſelbe Intereſſe wie dieſer ſelbſt,
und wenn ein Geſellſchafter es aufgab, dieſen Zweck
weiter zu verfolgen, und deshalb das Geſellſchafts—
verhältnis kündigte, ſo beſtand für die übrigen Ge—
ſellſchafter das Bedürfnis fort, zur Erreichung des
gemeinſchaftlichen Zweckes zuſammenzuwirken. Nach
dem Tode des Adolf H. haben denn auch die übrigen
Geſellſchafter das Geſellſchaftsverhältnis mit der Witwe
und Erbin fortgeſetzt. Hiernach iſt auch gegen das
Ausſcheiden der Witwe H. mit der Wirkung, daß ge—
mäß § 738 BGB. ihr Anteil am Geſellſchaftsver—
318
mögen den übrigen Geſellſchaftern zuwächſt, kein Be⸗
denken zu erheben.
Aber wenn auch das Rechtsverhältnis ſo geſtaltet
ſein mag, wie die Beſchwerde behauptet, ſo wird da⸗
durch der geſtellte Antrag nicht gerechtfertigt. Die
Eintragungsbewilligung der Witwe H. und der An-
trag laſſen das Anteilsrecht des Geſellſchafters Gr.
außer Betracht, das die Beteiligten nicht nach Be⸗
lieben ausſchalten können. Ueberdies fehlt es an den
formellen Vorausſetzungen der Eintragung. Die Ein⸗
tragung im Hypothekenbuche bedurfte, auch abgeſehen
davon, daß die Beteiligung des Gr. nicht erwähnt iſt,
1 9 nach den früheren Vorſchriften der Ergänzung
urch Angabe des Gemeinſchaftsverhältniſſes, und das
Gleiche gilt für die Eintragung im Grundbuche nach
§ 48 GBO. Von der Eintragung des Zuwachſens des
Anteils der Witwe H. an die übrigen Geſellſchafter
werden die Anteile aller Geſellſchafter betroffen, der
der Witwe H. inſofern, als er als beſonderer Anteil
erliſcht, die der übrigen Geſellſchafter inſofern, als ſie
fih erweitern. Nach § 40 GBO. müſſen deshalb die
Anteilsrechte der Geſellſchafter im Grundbuch einge—
tragen ſein, wenn die durch das Ausſcheiden der
Witwe H. bewirkte Aenderung eingetragen werden
ſoll, und dazu gehört insbeſondere auch die Eintragung
des Anteilsrecht des Geſellſchafters Gr. Da die be—
ſtehende Eintragung nur entnehmen läßt, das die
eingetragenen Beteiligten in irgend welcher Weiſe
Miteigentümer ſind, über das Anteilsrecht jedes ein⸗
zelnen aber keinen Aufſchluß gibt, ſo iſt zur Berich—
tigung des Grundbuchs durch Eintragung der Anteils-
rechte nach § 22 Abſ. 2 GBO. die Zuſtimmung der
Geſellſchafter erforderlich, die nach $ 29 EBD. durch
öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nach—
gewieſen werden muß. Ebenſo bedarf es der Zuſtim—
mung zur Eintragung der ſich durch das Zuwachſen
des Anteils der Witwe H. ergebenden Erweiterung
der übrigen Anteile. (Beſchl. des I. ZS. vom 14. Fe⸗
bruar 1908; Reg. III, 14/08).
1225 W.
VI.
Kann der Erbſchaſtsvermächtnisnehmer im Ber-
fahren über den Nachlaß des Beſchwerten die auf An-
trag der Erben angeordnete ee, mit
Beſchwerde anfechten? (BGB. § 2062; JGG. 8 57 Abf. 1).
Die am 24. September 1881 verſtorbene Privatiers⸗
witwe Katharine K. hat in ihrem Teſtamente vom
21. Mai 1881, in dem ſie ihre drei Kinder Iſabella,
Georg und Chriſtian als Erben eingeſetzt hat, u. a.
beſtimmt, daß ihr Anweſen in R. den Kindern Iſabella
und Georg zu gleichen Anteilen gehören und der Sohn
Chriſtian nur eine Abfindung von 10000 Gulden er-
halten ſolle, und hinzugefügt: „Auch iſt es mein Wunſch,
daß das geſamte Anweſen ſeinerzeit auf alle meine
Enkel übergehen fol”. Der bei dem Anweſen befind—
liche Stadtgrabenteil gehörte nicht der Erblaſſerin
allein, ſondern ſtand in ihrem und der Kinder Iſabella
und Chriſtian Miteigentum zu gleichen Anteilen. Das
Nachlaßgericht erteilte am 30. September 1881 den
Geſchwiſtern Iſabella und Georg K. ein Erbſchafts—
zeugnis des Inhalts, daß der Nachlaß ihrer Mutter
auf ſie als die Erben übergegangen ſei. Iſabella und
Georg K. ſchloſſen am 20. Oktober 1881 einen notariell
beurkundeten Erbvertrag, durch den ſie vereinbarten,
daß nach dem Tode der Iſabella K. das geſamte An-
weſen mit Einſchluß des Anteils des Bruders Chriſtian
an dem Stadtgrabenteile, den ſie von ihm erwerben
wollten, auf Georg K., und falls er vor ſeiner Schweſter
ſterben ſollte, auf ſeine Erben übergehen ſolle. Am
3. November 1882 kam zwiſchen Chriſtian K. und ſeinen
Geſchwiſtern ein notariell beurkundeter Vertrag zu-
ſtande, in dem er ſich durch die Zahlung von 20000 M
„mit allen ſeinen Anſprüchen an den mütterlichen
Rücklaß und hinſichtlich feines Stadtgrabenanteils“
| ſchwerten.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
befriedigt erklärte und ſein Miteigentumsrecht ſeinen
Geſchwiſtern zu gleichen Anteilen abtrat. Im An-
ſchluſſe hieran übertrug Iſabella K. ihrem Bruder
Georg die Hälfte ihres Drittelsanteils, fo daß fie
nunmehr in Anſehung des gefamten Anweſens Mitr-
eigentümer zu Hälfteanteilen waren. Als ſolche wurden
ſie in das Hypothekenbuch, jetzt Grundbuch, für R.
eingetragen. Georg K. iſt am 26. Januar 1905 ohne
Hinterlaſſung von Abkömmlingen geſtorben und von
ſeiner Witwe Thereſe beerbt werden, Chriſtian K. iſt
am 27. November 1907 geſtorben und hat eine Tochter
Katharine H. hinterlaſſen. Iſabella K. hat am 16. März
1903 ein notarielles Teſtament errichtet, in dem ſie
als Erben ihres „Geſamtnachlaſſes' mit Ausnahme
des Anteils an dem Anweſen, über den ſie mit Rück⸗
ſicht auf den Erbvertrag vom 20. Oktober 1881 nicht
letztwillig verfügen könne, die Schreinergehilfens⸗
eheleute Georg und Marie Kü. in R. einſetzte. Im
September 1907 wurde ihr wegen Gebrechlichkeit und
Geiſtesſchwäche ein Pfleger beſtellt. Am 27. November
1907 iſt ſie geſtorben. Das Nachlaßgericht erteilte am
27. Dezember 1907 den Eheleuten Kü. einen Erbſchein
des en daß fie Erben der Iſabella K., hinſichtlich
ihres beweglichen Nachlaſſes“ geworden feien. Den
Anteil der Verſtorbenen an dem Anweſen beanſpruchen
Thereſe K. auf Grund des Erbvertrags vom 20. Of-
tober 1881 und Katharine H., ſoweit er aus dem
Nachlaß ihrer Großmutter herſtammt, auf Grund des
Teſtaments der Katharine K. vom 21. Mai 1881.
Katharine H. beſtreitet auch die Gültigkeit des Teſta⸗
ments der Iſabella K., weil die Erblaſſerin zur Zeit
der Errichtung des Teſtaments geſchäftsunfähig ge⸗
weſen ſei, und nimmt den Nachlaß als geſetzliche Erbin
in Anſpruch. Ueber die behauptete Geſchäftsunfähig⸗
keit der Erblaſſerin ſind Ermittelungen veranſtaltet
worden, die noch nicht abgeſchloſſen find. Die Efe-
leute Kü. und Thereſe K. beantragten die Anordnung
einer Nachlaßverwaltung, Katharine H. erklärte ſich
damit für das bewegliche Nachlaßvermögen einver:
ſtanden, widerſprach aber der Erſtreckung der Nadlak:
verwaltung auf den Grundbeſitz, in Anſehung deſſen,
ſoweit er aus dem Nachlaſſe der Katharine K. her⸗
ſtammt, Frau H. die „einzige Nacherbin“ ſei. Das
Nachlaßgericht ordnete die Nachlaßverwaltung für den
geſamten Nachlaß an. Frau H. beantragte Berichtigung
der Verfügung dahin, daß die Nachlaßverwaltung ſich
auf das bewegliche Nachlaßvermögen beſchränke, und
legte gegen die den Antrag zurückweiſende Verfügung
Beſchwerde ein. Das LG. hat die Beſchwerde ver—
worfen. Auch die weitere Beſchwerde der Frau Katha—
rina H. wurde zurückgewieſen.
Gründe: Die Beſchwerdeführerin ftüßt das be-
anſpruchte Recht, daß ohne ihre Zuſtimmung eine ſich
auf das unbewegliche Nachlaßvermögen erſtreckende
Nachlaßverwaltung nicht angeordnet werden dürfe,
nur auf die in dem Teſtament ihrer Großmutter zu—
gunſten der Enkel getroffene Beſtimmung. Auf Grund
dieſer Beſtimmung ſteht ſie aber auf keinen Fall zu
dem Nachlaſſe der Iſabella K. in einer ſolchen Be⸗
ziehung, daß nach 8 2062 BGB. zu der Anordnung
der Nachlaßverwaltung ihre Zuſtimmung erforderlich
iſt. Infolge der Beſtimmung der Großmutter mag der
Anteil der Iſabella K. an dem Anweſen, ſoweit er
zu dem Nachlaſſe der Katharine K. gehört hat, mit
dem Tode der Iſabella K. auf die Beſchwerdeführerin
übergegangen ſein, er würde dann aber, auch wenn
die Beſtimmung des Teſtaments vom 21. Mai 1881
als Anordnung eines Erbſchaftsvermächtniſſes ange-
ſehen werden könnte, nicht zum Nachlaſſe der Iſabella
K. gehören, ſondern die Beſchwerdeführerin würde ihn
aus dem Nachlaß ihrer Großmutter erlangt haben,
das Erbſchaftsvermächtnis begründet eine Nachfolge
in den Nachlaß des Erblaſſers, der es angeordnet hat,
es macht den Bedachten nicht zum Erben des Be—
Der Mitbeſitz der Iſabella K. iſt nach
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
— — —
S 857 BGB. auf die Erben übergegangen, die Be-
ſchwerdeführerin würde daher ihren Eigentumsanſpruch
auf Ueberlaſſung des Mitbeſitzes gegen die Erben
geltend machen müſſen und zur Erwirkung der Be—
richtigung des Grundbuchs könnte ſie von den Erben
nach § 894 BGB. die Zuſtimmung zu der Berichtigung
verlangen. Die Beſtellung eines Nachlaßverwalters
hat die Folge, daß nunmehr dieſer den auf die Erben
übergegangenen Mitbeſitz auszuüben hat, ihm würde
es obliegen, den Mitbeſitz der Beſchwerdeführerin ein—
zuräumen, er würde die Zuſtimmung zu der Berich—
tigung des Grundbuchs zu erteilen haben, gegen ihn
muß die Beſchwerdeführerin gegebenenfalls ihre Mn-
ſprüche auf Ueberlaſſung des Mitbeſitzes und Bu-
ſtimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs geltend
machen. Die Anordnung der Nachlaßverwaltung hat
für ſie nur die Bedeutung, daß ihr an Stelle der
Erben der Nachlaßverwalter gegenüberſteht, und dies
muß fie ſich nach S 76 Abſ. 1 FG. gefallen laffen.
(Beſchluß des I. ZS. vom 29. Mai 1908, Reg. III 1908).
1321 W.
B. Straffaden.
Wahrnehmung berechtigter Intereſſen für einen
Auftraggeber. Einfluß des Irrtums über die Beweg⸗
aründe des Auftraggebers. 1) Die unverehelichte L. von
Sch., die früher im Hauſe ihrer Verwandten, der
Wirtseheleute G. in L. weilte und dieſen im Geſchäfts—
betriebe geholfen hat, hat dort den Bauführer D.
kennen gelernt und trat gegen den Willen ihrer Ver—
wandten zu ihm in Beziehungen, die auf eine ſpätere
Heirat abzielten. Als die L. nach ihrem Heimatorte
zurückgekehrt war, erſchien dort J. B.; er warnte die
L. vor einer Heirat mit D. und machte ihr hierbei in
Gegenwart ihrer Eltern die Mitteilung, daß D. durch
den Verkehr mit Kellnerinnen ſich eine Geſchlechts—
krankheit zugezogen habe, daß er durch dieſe Krankheit
ruiniert fei und bei einer allenfallſigen Heirat auch
eine Frau ruinieren könne. Die Reiſe nach Sch. und
die Mitteilung an die L. hat B. nicht aus eigenem
Entſchluſſe, ſondern auf wiederholtes Bitten des Wirts
G. und nur im Rahmen des ihm von dieſem erteilten
Auftrags betätigt. Wegen der Aeußerung des B. hat
D. Privatklage erhoben. B. wurde vom Schöffengericht
und vom Landgericht freigeſprochen. Die Reviſion
hatte keinen Erfolg.
Gründe: Nach dem Vorbringen der Reviſions—
ſchrift hat das LG. durch die Annahme, es habe die
Hauptverhandlung Anhaltspunkte dafür ergeben, daß
der Wirt G. nicht aus lauteren Beweggründen han—
delte, ſondern ſelbſt zur L. in intime Beziehungen zu
treten verſuchte, ſelbſt feſtgeſtellt, daß berechtigte Inter—
eſſen tatſächlich durch den Auftraggeber des Angeklagten
nicht gewahrt wurden und gewahrt werden ſollten;
in dieſem Falle ſei es gleichgültig, ob der Angeklagte
das Vorhandenſein ſolcher Intereſſen angenommen
habe oder nicht, da das Strafgeſetz keine „Putativ-
wahrung“ berechtigter Intereſſen kenne. Allein das
LG. hat ausdrücklich feſtgeſtellt, daß der Angeklagte
von jenen anderen Beweggründen ſeines Auftrag—
gebers nichts wußte, vielmehr bei der Uebernahme
und Erledigung des Auftrags mit Rückſicht auf die
ihm bekannten verwandtſchaftlichen Beziehungen ſeines
Auftraggebers zur Familie L. und in der begründeten
Vermutung, daß beim Privatkläger auch in allerletzter
Zeit die Folgen der früheren Geſchlechtserkrankung
noch nicht völlig behoben ſeien, des guten Glaubens
war und ſein durfte, daß die Vorausſetzungen vor—
1 ſeien, unter denen das Recht des Privatklägers
1) Val. die Entſcheidung des Oberſten Landesgerichts im Jabr-
gang 1907 S. 498, die einen ähnlichen Fall behandelt und in der
Gewährung des Schutzes des 5 193 StGB. gleichfalls ziemlich
weit geht.
319
auf Schonung ſeiner Perſon hinter dem Rechte der
Familie L. auf Aufklärung zurücktreten müſſe, und
daß G. bei der Auftragerteilung von der Abſicht ge—
leitet ſei, die Intereſſen der Familie L. wahrzunehmen.
Wollte G. als Verwandter in der begründeten Ber-
mutung, daß bei dem Privatkläger die Folgen der
früheren geſchlechtlichen Erkrankung noch nicht völlig
gehoben ſeien, der L. zwecks Warnung vor der in der
Eingehung einer Ehe mit dem Privatkläger für fie
liegenden Gefahr Mitteilung machen laſſen — und
von dieſen Tatſachen ging der Angeklagte, wie feft-
geſtellt iſt, aus — ſo war, ſelbſt wenn man neben
dem (fremden) Intereſſe der L. und deren Familie
nicht ein Intereſſe der Familie G. und damit ein
eigenes des G. ſelbſt annehmen will, die Wahrneh⸗
mung jener fremden Intereſſen doch eine den G. als
Verwandten der L. ſelbſt nahe angehende Sache; es
waren daher die vorhin bezeichneten Vorausſetzungen
gegeben und es ſtand dem G. der Schutz des 8 193
StGB. zur Seite. Es ift nicht einzuſehen, warum G.
dieſe Wahrnehmung berechtigter Intereſſen nicht follte
einem anderen übertragen können, und warum der in
Ausführung und im Rahmen diefes Auftrags Qan-
delnde nicht des gleichen Schußes teilhaftig ſein ſoll,
gleichviel ob er den Auftrag gegen oder ohne Ent—
lohnung, berufsmäßig oder nicht berufsmäßig über—
nommen hat. Die Wahrnehmung berechtigter Intereſſen
darf auch durch einen Stellvertreter ausgeübt werden.
Dieſer begeht eine ſtrafbare Handlung nicht, wenn er
ſich ſtreng in dem Rahmen des zu wahrenden Inter—
eſſes hält. Dieſen Rahmen hat der Angeklagte ein—
gehalten; ohne Rechtsirrtum iſt auch im Hinblick auf
die Art des Vorbringens der Angeklagten gegenüber
der L. feitgeitellt, daß das Vorhandenſein einer Be-
leidigung weder aus der Form des Vorbringens
noch aus den Umſtänden hervorgeht, unter welchen
es geſchah. War der Angeklagte in einem Irrtum
über die Beweggründe und Abſicht ſeines Auftrag—
gebers, fo beruht dieſer Irrtum nicht etwa auf Uns
kenntnis oder irriger Auffaſſung des Strafgeſetzes und
hat der Angeklagte nicht etwa unter „berechtigten
Intereſſen“ etwas anderes verſtanden, als das Geſetz
unter dieſem Ausdrucke verſtanden wiſſen will, ſondern
er befand ſich in einem Irrtum über eine Tatſache,
der ihm den Schutz des § 193 StGB. nicht nimmt.
(Urt. vom 19. Mai 1908, Nevfleg. 218,08).
1310 Mitgeteilt von Rechtsanwalt G. Müller in Ludwigs bafen.
Landgericht München I.
Zur Auslegung des Reichsmilitärpenſions &. vom
27. Juni 1871; Verhältnis zum bayer. ri ae Re
vom 16. Mai 1868 und zum RG. vom 31. Mai 1901.
Mit Klage vom Dezember 1904 begehrte der Häusler
W. vom bayeriſchen Militärfiskus 2116 M unter der
Begründung, er habe als Gemeiner des 1. Bayr. Inf.
Reg. 1870 in der Schlacht bei Sedan durch einen
Streifſchuß einen Finger der linken Hand verloren
und ſei hierdurch dauernd felddienſtuntauglich (halb—
invalide) geworden, was bei der erſten Penſionsan—
meldung im Dezember 1870 durch die zuſtändige Stelle
auch anerkannt worden ſei. Gleichwohl habe man
ihm auf Grund unrichtiger militärärztlicher Berichte im
Jahre 1872 die ſeit 8. Januar 1871 nach dem bayer.
Beni. eingewieſene Penſion wieder entzogen. Erft
mit Verfügung des Generalkommandos III. Armee—
korps vom 3. Juli 1901 fei dem Kläger wiederum eine
monatliche Penſion von 6 M und ein monatlicher
Penſionszuſchuß von 10 M bewilligt worden; die Nad-
zahlung werde aber für die Zeit vom 1. Februar 1872 bis
Ende April 1901 verweigert und ſei die Beſchwerde
1905 durch das Kriegsminiſterium im September
1904 endgültig zurückgewieſen worden. Der Kläger
320
fordere hiernach bis April 1901 monatlich 6 M
Penſion und für April 1901 (auf Grund des RG.
vom 31. Mai 1901) 6 + 10 = 16 M. Der beklagte
Fiskus beantragte Klageabweiſung und führte aus,
die Entziehung der Penſion ſei deshalb durch Reſkript
des Kriegsminiſteriums vom 13. März 1872 erfolgt,
weil W. durch oberſtärztliches Gutachten als felddienit-
tauglich erklärt worden ſei, da ihm bloß die beiden
erſten Glieder des linken Kleinfingers fehlten und der
Stumpf gut verheilt ſei. Deshalb ſei W. auch wieder
in den Liſten als Reſerviſt in Zugang genommen
worden; gegen das die Penſion entziehende Miniſterial-
reffript habe W. niemals bisher den Rechtsweg be—
ſchritten. Erſt auf ein neuerliches Geſuch des Klägers
vom April 1901 fei der Kläger durch Anerkennungs-
verfügung des Generalkommandos vom 3. Juli 1901
wieder dauernd als Halbinvalide erklärt und ihm ab
1. Mai 1901 für immer die Invalidenpenſion 5. Klaſſe
nach dem RMilPG. mit 6 M monatlich eingewieſen
worden, weil er nach Maßgabe ſeiner Verletzung auf
Grund der (in der Zwiſchenzeit geänderten) Dienjt-
anweiſung zur Beurteilung der Militärdienſtfähigkeit
von 1894 (Beil. II Ziff. 23) jetzt nur mehr als garniſons⸗
dienſtfähig erſcheine. Mit Anerkennungsverfügung vom
26. Juli 1901 habe der Kläger außerdem auf Grund
der Penſionsnovelle vom 31. Mai 1901 die Kriegs-
zulage mit 10 M monatlich für Halbinvalide zuge—
wieſen erhalten und zwar laut Berichtigungsverfügung
vom 10. Auguſt 1901 erſt ab 1. Mai 1901 ſtatt, wie
urſprünglich irrtümlich, ab 1. April 1901. Gegen die
Bemeſſung dieſer Penſion nach dem RG. ſtatt nach
dem bayer. Benj®. habe er ſich zwar beſchwert, fei
aber mit Kriegs MEntſchl. vom 30. Juli 1901 legt-
inſtanziell abgewieſen worden; den Rechtsweg habe
er bisher nicht betreten. Erſt ſeit 1903 habe er die
Penſionsnachzahlung entſprechend der nunmehrigen
Klage betrieben, ſei aber auch damit letztinſtanziell
am 6. September 1904 abgewieſen worden. Hiernach
ſeien die Klageanſprüche ſämtlich unbegründet, denn W.
habe die Friſt zur Klage gegen die füheren Miniſterial—
beſcheide unbenützt verſtreichen laſſen und ſeinem jetzigen
Nachzahlungsverlangen ſtehe S115 RMil PG. entgegen,
wonach die Gerichte an die Entſcheidung der Militär-
behörden darüber gebunden ſeien, ob und in welchem
Grade Dienſtunfähigkeit eingetreten ſei; für die Zeit
vor 1901 ſei aber ein ſolcher Ausſpruch nicht erfolgt.
Uebrigens habe W. gelegentlich ſeiner Neuanmeldung
vom Jahre 1901 ausdrücklich erklärt, er verlange keine
Nachzahlung; dies ſtelle einen Verzicht dar und außer—
dem liege Verjährung vor. Da die Eingabe des
Klägers vom April 1901 als Neuanmeldung anzuſehen
ſei, beziehe Kläger mit Recht die Reichspenſion und
zwar nach § 99 RMilPG. ab 1. Mai 1901; ſelbſtver⸗
ſtändlich könne auch erſt von da ab die Kriegszulage
laufen. — Die Klage wurde aus folgenden Gründen
abgewieſen. Gemäß 8116 RMilPG. vom 27. Juni 1871
mit SS 97 ff. FormVO. vom Y. Dezember 1825 ſteht
die geſetzliche Vertretung des Fiskus hier dem Kriegs—
miniſterium zu und demgemäß iſt das Gericht nach
SS 18 3PO., 23, 70 GVG. ſachlich und örtlich zuſtändig.
Grundlage der Penſionierung iſt, da es ſich um einen
Teilnehmer des deutſch-franzöſiſchen Krieges von 1870
handelt, das RMilßG. vom 27. Juni 1871, zunächſt
ausdrücklich hinſichtlich der SS 58—112 (II. Teil),
folgerichtig und nach ſtändiger Praxis aber auch hin—
ſichtlich des III. Teils (88 113—117); nur darf nach
8 111 die reichsrechtliche Penſion nicht hinter dem
Betrag zurückbleiben, der dem Penſioniſten bei etwa—
iger Penſionierung vor Erlaſſung dieſes Geſetzes ſchon
zugeſtanden hätte. Das RMil PG. ift in Bayern als—
bald nach feiner Verkündung in Kraft getreten (7.21.
Juli 1871; RG Bl. S. 275). Das bayer. Geſetz vom
16. Mai 1868 enthält dem S 114, 115 entſprechende
Vorſchriften nicht. Nach den hiernach anzuwendenden
ss 113 ff. RMil G. findet der Rechtsweg hinſichtlich der
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Nr. 15 u. 16.
Penſion erſt ſtatt, wenn der Inſtanzenzug bei den
Militärverwaltungsbehörden erſchöpft iſt; die Klage
muß aber dann bei Verluſt des Klagerechts binnen 6
Monaten nach Bekanntmachung der endgültigen Ent-
ſcheidung der Militärverwaltungsbehörde nach § 267
ZPO. zugeſtellt fein. Der Sinn dieſer Vorſchrift ift
nach Wortlaut und Stellung im Geſetz klar; es ſollen
voreilige wie verſchleppte Klagen hintangehalten
werden; ein förmlicher adminiſtrativer Inſtanzenzug
ſollte dem Penſionserwerber damit nicht garantiert
werden. Das RMilPGG. beſtimmt daher auch nichts
über die zur Verbeſcheidung zuſtändige Verwaltungs⸗
behörde. Es iſt und war alfo insbeſondere der § 114
auch in denjenigen Bundesſtaaten vollziehbar, die die
Penſionsentſcheidung in erſter und zugleich letzter In⸗
ſtanz dem Kriegsminiſterium zuwieſen, wie dies in
Bayern der Fall war. Das iſt nunmehr ſeit der Ent⸗
ſcheidung des RG. Bd. 31 S. 126 ſtändige Rechtſpre⸗
chung (vgl. RG. im Recht 1907 S. 1338; ObLG. in
Bl. f. RA. Bd. 63 S. 151). Eine beſtimmte Form der
Bekanntmachung iſt nicht vorgeſehen, auch mündliche
Verſtändigung genügt (Bl. f. RA. Bd. 45 S. 501)
z. B. durch die Vermittlung des Bezirkskommandos.
Iſt die Friſt verſäumt, ſo iſt das Klagerecht erloſchen,
d. h. dem Penſionserwerber gegenüber der Verwal—
tungsausſpruch ebenſo unangreifbar, wie ein rechts—
kräftiges Urteil; wiederholte Geſuche ſetzen die Klage⸗
friſt, die eine Ausſchluß⸗, nicht „ 1
nicht neuerlich in Lauf (RG E. Bd. 31 S. 125
RA. EB. 14 S. 172). Dagegen ſteht den Militar⸗
behörden jederzeit das Recht zu, auf Grund ander—
weitigen Tatbeſtands (vgl. § 100 RMil PG.) die Ent-
ſcheidung zu ändern; ſoweit dies zu ungunſten des
Penſionswerbers geſchieht, iſt dagegen wieder der
Rechtsweg zuläſſig und läuft eine neue Klagefriſt.
Dies gilt insbeſondere für Penſionsentzug (RGE. 31,
125; 35, 97). Die Anwendung dieſer Sätze auf den
vorliegenden Tatbeſtand ergibt, daß die im Jahre
1872 erfolgte Einziehung der Penſion wegen Vernei—
nung der Dienſtunfähigkeit längſt unanfechtbar ge-
worden iſt. Daher iſt die Penſionsentziehung vom
13. März 1872 längſt gegen den Kläger gleich einem
abweiſenden Urteil rechtsbeſtändig und zwar hinſicht—
lich ihres ganzen Inhalts, nicht etwa bloß der im
§ 115 RMilpPG. aufgeführten Punkte. Für die Ver-
gargen et ift hierin durch die auf das Geſuch vom
April 1901 erfolgte Zubilligung nn Penſion ab
1. Mai 1901 nichts geändert werden. Der Rechtsweg
und das Klagerecht wurden dem W. damals nur in⸗
ſoferne wieder frei, als er entgegen der urſprüng—
lichen Anerkennung nur die Reichsmilitärpenſion, nicht
aber die Sätze des bayer. Geſetzes vom 16. Mai 1808
erhält (6 M ſtatt 11 M 14 Pf.), weil laut Kr.
vom 30. Juli 1901 ausgeſprochen wurde, es handle
ſich um einen Neuantrag unter der Herrſchaft des
RMilpG. Auch gegen dieſe letztinſtanzielle Entſchei⸗
dung hat W. trotz Eröffnung im Auguſt 1901 den
Klageweg nicht beſchritten. Es ſteht alſo weiter
bindend gegen ihn feft, daß er nach den Sätzen des
RMilPG. zu penſionieren war und daß fein Antrag
vom 3. April 1901 ein Neuantrag iſt. Als notwendige,
übrigens ohnehin nach dem Wortlaut klare Folge er⸗
gibt ſich ferner, daß die jetzige Penſionszubilligung
nicht eine rückwirkende Aufhebung der früheren Pen—
ſionsentziehung darſtellt, vielmehr die Dienſtunfähig—
keit nur ab Geſuchseinreichung feſtgeſtellt, ſohin feines:
wegs der Entziehung der Penſion für die frühere
Zeit damit präjudiziert ift. Seit wann die Dienſt—
unfähigkeit beſteht, wird von der Militärbehörde für
das Gericht bindend entſchieden; denn dieſe Frage
iſt nicht von derjenigen trennbar, ob für eine gegebene
Zeit Dienſtunfähigkeit vorliegt. Daraus ergibt ñd,
daß der Kläger für die im § 99 Abſ. 3 RMil pc.
nicht mitumfaßte Zeit weder nach bayeriſchen noch
nach Reichsnormen Penſion fordern kann und daß als
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die nach § 99 Abſ. 3 maßgebende Anmeldung diejenige
vom 3. April 1901 angeſehen werden muß, demnach
iſt aber die Penſionsanweiſung ab 1. Mai 1901 dem
Geſetz entſprechend und, wie bereits oben ausgeführt,
für die frühere Zeit die formelle Bindung durch den
Ausſpruch von 1872 unberührt. Daß das Nachzahlungs⸗
geſuch bei der Militärverwaltung inſtanziell behandelt
worden iſt, ändert dem Gericht gegenüber nichts
daran, daß durch ſolche erfolgloſe Geſuchswiederholung
einmal verlorene Klägerrechte nicht wieder aufleben
(RGE. 31, 125). Die Sache liegt hier weſentlich
anders, als wenn zunächſt lediglich für die Jukunft
eine Penſion bewilligt und dann für die Vergangen=
heit nachträglich ebenfalls um Nachzahlung erſucht
wird, ohne daß für letztere Zeit Ablauf der Ausſchluß⸗
friſt vorliegt. Die Situation iſt vielmehr ganz ähn⸗
lich, wie wenn im Fall des 8 323 ZPO. wegen ver:
änderter Umſtände eine Rente für die Zukunft zuge-
billigt wird; dadurch allein wird auch die Aberfen-
nung für die Vergangenheit nicht berührt. Es bedarf
daher eben wegen dieſer Fortdauer des Klagerechts-
verluſtes keiner Würdigung des ſonſtigen Vorbringens
in dieſem Punkte. Bemerkt mag lediglich werden,
daß die Normen für Feſtſtellung der Dienſtunfähigkeit
ſelbſtverſtändlich der Verwaltung überlaſſen ſind und
bleiben mußten, wie auch weder das RMilPG. noch
die ſonſtigen Militärgeſetze dieſe regeln, ſie vielmehr
als gegeben vorausſetzen. Die ganz allgemeinen Er—
örterungen des Klägers darüber, ob jetzt höhere oder
niedere Anforderungen an die Dienſttauglichkeit geſtellt
werden, find wertlos, ſolange er nicht eine der Norm
der jetzigen (d. h. ab 1894 bis 1905 in Kraft geweſenen
Nr. 23 der Dienſtanweiſung) gleiche ältere Beſtim—
mung beibringen kann, wonach ſchon 1872 Verluſt
zweier Glieder an einem Finger die Felddienſttaug—
lichkeit aufgehoben hat. Aber auch ſolchenfalls würde
das Gericht die Penſion nur zuerkennen können, wenn
der dem § 115 Nr. 1 MPO. entſprechende Admini—
ſtrativausſpruch vorläge und die Friſt nicht verſäumt
wäre. Mit Recht weiſt übrigens die beklagte Partei
darauf hin, daß ſtreng genommen, lediglich die Dienſt—
fähigkeitsnormen zur Zeit der Penſionierung oder der
endgültigen Penſionsentſcheidung maßgeben können
(vgl. RGE. 60, 215; 63, 289); denn man zieht einen
Ausgemuſterten auch nicht nachträglich wegen Er—
leichterung der Dienſtfähigkeitsnormen mehr ein und
man nimmt aus dieſem Grunde auch nicht nachträg—
lich eine bewilligte Penſion weg. Dies muß nach
Anſicht des Gerichts umſomehr gelten, wenn die
günſtigeren Normen erſt nach Ablauf der geſamten
Militärpflicht eingetreten ſind, wie hier. Daß eine
vor 1894 eingegangene Meldung nicht im Sinne des
§ 99 RMil PG. berückſichtigt werden könnte, ift dem
Gericht ohne weiteres klar; denn damals fehlte es ja
noch an der Grundlage der Penſionierung. — Ver—
zicht und Verjährung kämen an ſich auch gegenüber
den Militärpenſionen als zivilrechtliche Erlöſchungs—
gründe zur Anwendung (RGE. Bd. 31 S. 125). Bei
erſterem wäre gegenüber den Ausführungen des Klägers
insbeſondere auf $ 151 BGB. hinzuweiſen, wornach
eine ausdrückliche Erklärung der Annahme des Ver—
zichts nicht unter allen Umſtänden geboten geweſen
wäre. Hinſichtlich der altrechtlichen Verjährung wäre
nicht das Geſetz vom 26. März 1859, ſondern § 31
des FinG. vom 28. Dezember 1881 zugrunde zu legen,
(ſoweit nicht Art. 19 des RG. von 22. Mai 1893 ein⸗
greift). Es kommt aber nach obigem auf dieſe Punkte
nicht mehr an. Was endlich die für April 1901 ge—
forderten 16 M angeht, fo wird die darin enthaltene
Normalpenſion von 6 M durch die vorſtehenden Aus-
führungen unmittelbar mitbetroffen, denn inſoweit
handelt es ſich lediglich um Penſionsnachzahlung. Die
Kriegszulage von 10 M dagegen ift geſoͤndert einge—
wieſen und auch geſondert zu beurteilen. An ſich kann
kein Zweifel beſtehen, daß dieſe Zulage nicht früher
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
321
beginnen kann, als die Penſion ſelbſt; dies ergibt ſich
aus der Natur der Sache und dem Geſetz vom 31. Mai
1901 ſelbſt; denn deffen § 25 will nur Nachzahlungen
über 1. April 1901 zurück unter allen Umſtänden
verbieten, nicht aber den Beginn von da ab für alle
Fälle vorſchreiben. Nun will der Kläger daraus
Nutzen ziehen, daß die Anerkennung urſprünglich irr⸗
tümlich auf 1. April 1901 ausgeſtellt worden iſt und
beruft ſich hierwegen auf § 90 MilPG., wonach die
Penſion nur erliſcht, wenn das Gegenteil ihrer Vor⸗
ausſetzungen bewieſen iſt. Daraus folgert der Kläger,
daß einmal angewieſene Penſionen nicht mit Rück⸗
wirkung eingezogen werden können, mögen ſie auch
noch nicht ausbezahlt ſein. Es mag dahin geſtellt
fein, ob § 99 RMilpPG. wirklich den Militärfiskus in
ſolch abnormer Weiſe an der Korrektur eines offen-
baren Irrtums hindern könnte, zumal wenn für die
Anerkennung von Anfang an die geſetzliche Grundlage
mangelt (vgl. 88 812 ff. BGB.). Hier ſteht aber der
Klage des W. entgegen, daß er gegen die nachträg—
liche Abänderung der Anerkennungsverfügung des
Generalkommandos hinſichtlich des Beginns der Kriegs⸗
zulage überhaupt keine Beſchwerde zum Kriegsmini⸗
ſterium eingelegt hat, der Rechtsweg hinſichtlich dieſer
10 M alfo noch gar nicht eröffnet ift. Die Bekannt⸗
gabe der Aenderung an den Kläger iſt aktenmäßig
aber bereits im Auguſt 1901 erfolgt. Sollte es ſich
bei dieſer Aenderung aber um eine Verfügung des
Kriegsminiſteriums ſelbſt gehandelt haben, was aus
den Akten nicht klar hervorgeht, ſo wäre die Klage—
friſt bereits längſt verſtrichen. Einer ausdrücklichen
Belehrung über den Rechtsweg bedurfte es zum Frift-
beginn nicht. (Urteil vom 12. Februar 1908; A N
1314
Landgericht Memmingen.
Die Auslagen für ärztliche Gutachten zur Bor-
bereitung der Klage können zu den Prozeßkoſten gehören.
In einem Viehgewährſchaftsſtreit hat der Beklagte,
nachdem ihm der Mangel vom Käufer angeſagt worden
war, Tierärzte zu Rate gezogen. Er nahm auf Grund
ihrer Gutachten den Streit auf und ſiegte. Im Koſten—
feſtſetzungsverfahren ſtrich das Amtsgericht die vom
Beklagten beanſpruchten Koſten der Gutachten, weil
es annahm, daß fe nicht zu den Prozeßkoſten gehören.
Als dann die Koſten durch eine Klage eingefordert
wurden, wies das LG. den Anſpruch in der 2. In-
ſtanz mit folgender Begründung zurück: Koſten, die
im Laufe eines Rechtsſtreits dadurch erwachſen, daß
von einer Partei ein Gutachten zur Aufklärung des
Sachverhalts erholt wird, damit ſie ſich vergewiſſere,
ob es vorteilhaſt ſei, den Prozeß fortzuführen oder
wie ſie ihn zu betreiben habe, gehören zu den Prozeß—
koſten im Sinne der 8S 91 ff. ZPO. Denn zu dieſen
gehört jede Vermögensaufopferung zum Zweck der
Prozeßfuͤhrung (f. Planck, Lehrbuch des d. Zivilprozeß—
rechtes, Bd. IS 69, 2 S. 384). Demnach bildet die Ent-
ſcheidung über die Prozeßkoſten ein jeder Selbſtändigkeit
entbehrendes Anhängſel des Rechtsſtreits, ſo daß nur
der Richter über fie zu erkennen hat, der mit dem Rechts-
ſtreit befaßt war, in dem ſie entſtanden ſind. Ein vom
Rechtsſtreite losgelöſtes Verfahren über die Frage des
Erjaßes der Prozeßkoſten und ein ſelbſtändiger, im Wege
eines neuen Prozeſſes verfolgbarer Privatrechtsanſpruch
einer Partei gegen die andere auf Koſtenerſatz ſind
ausgeſchloſſen. Nur Anſprüche auf Koſtenerſtattung,
die ſich aus beſonderen Tatbeſtänden ergeben, z. B.
aus Verträgen, unerlaubten Handlungen u. dgl., können
in einem beſonderen Verfahren durchgeſetzt werden
(f. Seuffert I Abſ. 3 der Vorbem vor § 91 3P O.).
Deshalb ſchließt fih auch die Feſtſetzung der Koſten in
dem beſonderen Verfahren nach SS 103—106 3PO.
an den Rechtsſtreit als Fortſetzung an; die Feſtſetzung
kann nicht im Wege der Klage herbeigeführt werden.
Die Grundlage des hier geltend gemachten Anſpruchs
auf Erſatz von Koſten iſt nur deren Eigenſchaft als
Prozeßkoſten. Gerade der Umſtand, daß ſie auf—
gewendet wurden, weil P. ohne Grund das Pferd
beanſtandet und Klage erhoben hatte, läßt ſie als
Prozeßkoſten erſcheinen;: der vom Berufungsführer
angeführte § 488 BGB. ift nicht anwendbar. Daß
die Aufwendung der Koſten ſchuldhaft durch eine un-
erlaubte Handlung veranlaßt worden wäre, wird
nicht behauptet. Demnach fällt der Anſpruch unter
die Koſten, über deren Erſtattung vorbehaltlich der
Prüfung ihrer Notwendigkeit das Urteil in dem
früheren Rechtsſtreite entſchieden hat. Damit, daß
dieſe Koſten im Feſtſetzungsverfahren aus allerdings
nicht zutreffenden Gründen nicht zugebilligt wurden
und daß hiergegen Beſchwerde nicht eingelegt wurde,
hat die Frage der Erſatzpflicht ihre Erledigung ge—
funden. (Urteil vom 1. Juli 1908).
1347 Mitgeteilt v. Rechtsanwalt Goldbach in Memmingen.
Literatur.
Schneickert, Dr. jur. Hans, Kgl. Kriminalkommiſſar am
olizeipräſidium in Berlin. Signalementslehre
(Syſtem Alphonſe Bertillon). I. Das „geſprochene
Porträt“ (Portrait parle), von Prof. Dr. R. A. Reik,
Lauſanne. II. Identitätsfeſtſtellungen ohne Sig—
nalement, von Dr. H. Schneickert. Handbuch für
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeiſchulen.
Erweiterte deutſche Ausgabe. (IV, 164 Seiten, mit
ſieben Tafeln und 132 Illuſtrationen im Tert).
München 08, J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
Gebd. Mk. 4.50.
Der bekannte Profeſſor für Polizeiwiſſenſchaft an
der Univerſität Lauſanne Dr. R. A. Reiß, ein Schüler
Bertillons, hat es unternommen das „Portrait parle“
ſeines Lehrers in einem handlichen Werkchen in klarſter
und verſtändlicher Weiſe zu populariſieren, das heißt
in dieſem Falle dem Verſtändnis der Polizeiexekutiv—
beamten nahe zu bringen. Dr. Schneickert hat das
Werk überſetzt und für die deutſche Praxis aufs glück—
Zeitſchrift für Rechtspflege in 1 Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
lichite bearbeitet. In einem Anhang gibt er ergänzende
Bemerkungen zur Signalementslehre, über die Lehre
und Einführung des „Portrait parlé“ oder Gedächtnis—
bilder, ſowie über die andern Identifikationsmethoden
wie Anthropometrie oder Bertillonage und Daktylo-
ſkopie. Das Buch iſt mit erläuternden Zeichnungen
und ausgezeichneten Lichtbildern reich ausgeſtattet und
wird bald bei keiner Polizeibehörde und Schule für |
Exekutivbeamte mehr fehlen. Auch ſür die Staats-
anwaltſchaften und Gerichte iſt es insbeſondere durch
das dreiſprachige Wörterverzeichnis der Signalements⸗
lehre ein wertvolles Hilfsmittel zur Entzifferung und
zum Verſtändnis der bisweilen vorliegenden auslän—
diſchen Signalementskarten.
I. Staatsanwalt Groſch. Offenburg.
Kuoh, Dr. jur. et rer. pol. Sigmund, gepr. Rechts⸗
praktikant aus Schlierſe.. Die allgemeinen
Grundſätze des bayeriſchen Forſtſtraf⸗
rechts. Nürnberg 1908, U. E. Sebald, Kgl. bayer.
Hofbuchdruckerei.
Man befaßt ſich in der jüngſten Zeit wieder
eifriger als bisher mit der wiſſenſchaftlichen Erforſchung
des „Mikrokosmus“ des bayeriſchen Landesrechts. Das
vorliegende Buch zeigt, daß hier noch manche inter—
eſſante Frage der Löſung harrt. Der Praktiker macht
ſich in der Regel nur von Fall zu Fall mit den ihm
weniger geläufigen Materien vertraut und ſchöpft ſein
Wiſſen faſt nur aus den wenig zahlreichen oberſt—
richterlichen Entſcheidungen. Es kann ihm nichts
ſchaden, wenn er zuweilen eine ſyſtematiſche Unter-
weiſung zur Hand nimmt. Die mit großer Sorgfalt
und ſcharfem juriſtiſchem Urteil bearbeitete Darſtellung
von Dr. Knoch kann ihm nur empfohlen werden.
von der Pfordten.
Literatur zum Geſetz über den Verſicherungs vertrag.
1. Hagen, Dr. P. und Behrend, Dr. R., Regierungs:
räte im Kaiſerl. Aufſichtsamte für Privatverſiche⸗
rung. Reichsgeſetz über den Verſicherungs⸗
vertrag mit dem EG., mit Einleitung, ausführ-
lichen Erläuterungen und Sachregiſter Berlin 1908,
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd. Mk. 5.—.
2. Schneider, Konrad, Oberlandesgerichtsrat in Stettin.
Geſetz über den Verſicherungs vertrag.
Text⸗Ausg. m. Einleitung, Anmerkungen u. Sad-
regiſter. 8°. (VIII, 555 S.). München 1908, C. H.
Beck'ſche Verlagsbuchh. (O. Beck). Gebd. Mk. 5.—.
3. Beſt, Dr., Geheimrat in Darmſtadt, Geſetz über
den Verſicherungs vertrag vom 30. Mai 1908.
(263 S.). Stuttgart 1908, Deutſche Verlagsanſtalt.
Gebd. Mk. 5.—.
Das Geſetz tritt zwar erſt am 1. Januar 1910 in
Kraft; da es aber ſehr umfangreich und nicht leicht
zu verſtehen iſt, werden die Juriſten und die beteiligten
Kreiſe gut tun, ſich möglichſt bald mit ihm vertraut
zu machen. An Ausgaben fehlt es nicht, wie man
aus dieſer Anzeige ſehen kann. Die hier angeführten
Handkommentare ſind alle ſorgfältig bearbeitet und
können mit Erfolg zu einer kurzen Orientierung über
den weſentlichen Inhalt des Geſetzes verwendet werden.
von der Pfordten.
Griffel, Joh. Bapt., Pfarrer. Baufallſchätzung an
den kath. Pfründegebäuden in Altbayern
nach der miniſteriellen Bekanntmachung vom 1. Sep-
tember 1907. (40 S.). München 1908, J. J. Lentner-
fhe Buchhandlung (J. Stahl). Mk. —.60.
Die Abhandlung unterzieht die Min Bek. vom
1. September 1907 über Baufallſchätzungen einer näheren
Prüfung daraufhin, inwiefern ſie iu den Pfründe⸗
inhaber eine Erleichterung gebracht hat. Der Verfaſſer
verneint dieſe Frage zunächſt hinſichtlich des materiellen
Rechts der Unterhaltspflicht, bezüglich deren die MinBek.
auf eine Entſcheidung des VGH. verweiſt, wonach für
die altbayeriſchen Gebietsteile die Beſtimmungen des
BGB. über die Nutznießung in Anwendung kommen.
Er bedauert, daß durch die Einführung des BGB. die
Rechtsunſicherheit nicht beſeitigt worden iſt. An den
formellen Vorſchriften bemängelt er vor allem die
Einführung von Abnützungsquoten, welche in der
Praxis nur dahin führen werden, auch für gewöhn⸗
liche Abnützung in den Fällen, in welchen eine bau—
liche Wendung noch nicht notwendig iſt, eine Pauſch—
ſumme anzuſetzen. Endlich ſieht er in der gänz—
lichen Ausſchaltung des Pfründenachfolgers, der doch
ein Recht auf Uebergabe der Gebäude in gutem Zu—
ſtand hat, bei der Baufallſchätzung eine Schlechter—
ſtellung der abziehenden Pfründeinhaber. Dem Ver—
faſſer ift in allen Punkten beizupflichten und feine Ans
regungen werden bei der künftigen Geſtaltung der
Vorſchriften wohl Beachtung finden. Vor allem die
Geſtaltung des materiellen Rechts iſt nicht ganz ein—
wandfrei. Während die Entſcheidung des VGH. be-
tont, daß der Pfründeinhaber Veränderungen der
Sache nicht zu vertreten hat, die durch die ordnungs—
mäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt
werden, nimmt die MinBek. ihn für Erneuerung des
Anſtrichs von Türen und Fenſtern, die Ausbeſſerung
von Teilen der Zimmerböden oder Pflaſterungen uſw.
in Anſpruch, die ohne Beeinträchtigung der Benütz⸗
barkeit der Pfründegebäude unbedenklich auf einen
ſpäteren paſſenden Zeitpunkt zurückgeſtellt werden
können. Dadurch erleidet das beſtehende Recht eine
Aenderung. Der Pfründebeſitzer als Nutznießer hat
nur die kleinen Baufälle zu tragen. Die Anſätze für
geringfügige Baugebrechen, die mehr Schönheitsfehler
als Baufälle find, find keine Baufälle. Das Bau-
pflichtrecht mutet deren Wendung dem Pfründes
inhaber nicht zu und nach Nießbrauchsrecht haftet er
nicht, weil derartige Schönheitsfehler gewöhnliche Ab—
nützungen ſind, ſoweit es ſich nicht um eine das ge⸗
wöhnliche Maß überſchreitende, eine wirkliche Wen⸗
dung erheiſchende Abnützung handelt. Der Pfründe—
nachfolger hat eben nur ein Recht auf Uebergabe der
Wohnung in bewohnbarem Zuſtand, nicht auf Ein—
räumung einer neuhergerichteten Mietwohnung und
er kann die Wohnräume nach Belieben neu ausſtatten.
Wie der Nutznießer die Wohnung dem Eigentümer
zurückzuſtellen hat, ſo hat der Pfründeinhaber ſie dem
Nachfolger zu übergeben, alſo in dem bei normaler
Abnützung eingetretenen Zuſtand. Schönheitsfehler
hat er nicht zu beſeitigen. Das materielle Recht der
Min Bek. ſtellt alfo eine authentiſche Auslegung des
geltenden Rechts dar, die nur durch Geſetz herbei—
geführt werden kann, da der Kuratelbehörde wohl die
Staatsaufſicht zukommt nicht aber die Befugnis der
Rechtſetzung. Der Pfründegenuß ift ein Stiftungs-
genuß. Deſſen Regelung kann nur durch ein Geſetz
erfolgen, nicht durch Verwaltungsvorſchriften. Tr
Krückmaun, Dr. iur. Paul, Univerſitätsprofeſſor in
München. Spruchrecht. Ausgewählte höchſt—
richterliche Entſcheidungen in der Syſtematik des
BGB. zur Einführung in das Rechts- und Wirtſchafts⸗
leben. Cöln 1908, Verlag der Du Mont-Schau⸗
berg'ſchen Buchhandlung.
Das Spruchrecht iſt eine zweckmäßige und
notwendige Ergänzung der anderen juriſtiſch-pädagogi⸗
ſchen Werke von Krückmann. Es beſteht aus einer
Sammlung intereſſanter Zivilrechtsfälle, die nach
didaktiſchen Geſichtspunkten ausgewählt ſind, und ge—
währt durch unverkürzte Wiedergabe der Tatbeſtände
und Gründe dem Anfänger einen Einblick in die „Werk:
ſtätte“ des Praktikers. Freilich gibt es hier für den
Studierenden manche harte Nuß zu knacken: er wird
die einzelnen Entſcheidungen fünfmal und ſechsmal
leſen, Geſetz, Lehrbuch und Skriptum nebenher zur
Hand nehmen müſſen, um Verſtändnis für die ge—
heimnisvolle Welt zu gewinnen, die ſich ihm hier auf—
tut. Ich ſehe aber darin nicht einen Fehler, ſondern
einen Vorzug der Sammlung: ſie bietet dem Studieren—
den, der es mit der Wiſſenſchaft ernſt nimmt, eine An—
regung zu ſelbſtändiger Tätigkeit, wie ſie trockene Vor—
leſungen niemals geben können. Das „Spruchrecht“
wird dazu beitragen, die leider noch immer ziemlich
breite Kluft zwiſchen Univerſitätsbetrieb und juriſti—
ſcher Praxis zu verringern. von der Pfordten.
Hallbauer, M. G., Senatspräſident am Oberlandes-
gerichte Dresden. Das deutſche Hypotheken-
recht. Ein Leitfaden. 2. verbeſſerte und vermehrte
Auflage. Leipzig 1908, Roßberg'ſche Verlagsbuch—
handlung, Arthur Roßberg. Gebd. Mk. 4.—.
Eine gewiſſe Kenntnis des Hypothekenrechts,
wenigſtens der Grundzüge, ſollte heutzutage jedem
Gebildeten zu eigen ſein. Wäre nur das Hypotheken—
recht des BGB. ſo geartet, daß es wenigſtens der
Juriſt verſtehen und beherrſchen könnte, ohne ſich mit
der Ueberwältigung einer unüberſehbaren Anzahl von
Streitfragen abquälen zu müſſen! Der Verfaſſer hat,
da er nur einen Leitfaden liefern wollte, mit Recht
mehr auf die Unterdrückung als auf die Aufſpürung
von Zweifeln Bedacht genommen und ſo eine Ueber—
ſicht geſchaffen, die auch für den Anfänger und für den
Laien verſtändlich iſt. von der Pfordten.
Stölzle, Dr. iur. Hans, Rechtsanwalt in Kempten.
Güter⸗ und Erbrechts verhältniſſe im
Allgäu. Auf Grund der Beſtimmungen des bayer.
Uebergangsgeſetzes vom 9. Juni 1899 und des BGB.
Kempten und München 1907, Verlag der Jof. Köſel⸗
ſchen Buchhandlung. Gebd. Mk. 4 —, geh. Mk. 3.—.
Der Verfaſſer iſt meines Wiſſens der erſte, der
ſich an die eingehendere Bearbeitung von Vorſchriften
gewagt hat, bei deren bloßer Erwähnung ſich den
Juriſten — von einigen Auserwählten abgeſehen —
die Haare ſträuben. Ich glaube, daß es ihm gelungen
iſt, ſie ſoweit verſtändlich zu machen, als es eben
möglich war. Die ſchwäbiſchen Nachlaßrichter und
Notare werden es ihm zu danken wiſſen, daß er ſich
mutvoll einer ſo widerhaarigen Aufgabe unterzogen
hat. Sehr wertvoll für die Praxis iſt auch die im
IV. Buch beigegebene Zivilgeſetzſtatiſtik, die durch ſorg—
fältige Nachprüfung dem Stande der Gegenwart an—
gepaßt iſt. von der Pfordien.
Notizen.
Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Aenderungen
der Gemeindeordnungen und des Polizeiſtrafgeſetzbuchs
betr. (GVBl. 1908 S. 353) enthält einige ſehr be⸗
grüßenswerte Vorſchriften über den ſog.„Heimatſchutz“.
Sie entſprechen zum Teile den preußiſchen Vorſchriften,
über die wir in der Notiz auf S. 376 des 3. Jahrg.
berichtet haben. Nach Art. 1 find die Gemeinden fünf-
tig auch bei Veräußerung, Belaſtung, Reſtauration oder
Veränderung beweglicher Sachen von prähiſtoriſchem,
hiſtoriſchem oder kunſthiſtoriſchem Wert an die vor-
herige Genehmigung der vorgeſetzten Verwaltungs-
behörde gebunden (Art. 159 der rechtsrheiniſchen und
Art. 91 der pfälziſchen GemO.). Im Polizeiſtrafgeſetz—
buch wird ein neuer Art. 22 b eingeſtellt. Danach wird
an Geld bis zu 150 M oder mit Haft beſtraft, wer
den durch Verordnung oder oberpolizeiliche Vorſchriſten
erlaſſenen Beſtimmungen über Ausgrabungen und
Funde von prähiſtoriſchen oder hiſtoriſch merkwürdigen
Gegenſtänden zuwiderhandelt. Gleicher Strafe unters
liegt, wer den ober-, diſtrikts⸗ oder ortspolizeilichen
Vorſchriften zuwiderhandelt, die zum Schutze ein—
heimiſcher Tier- und Pflanzenarten gegen Ausrottung
oder zum Schutze von Orts- und Landſchaftsbildern
gegen verunſtaltende Reklame erlaſſen find. Der Straf-
richter hat der Polizeibehörde die Befugnis zur Be-
ſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes zuzuſprechen;
er kann das auch dann tun, wenn die Verfolgung
oder Verurteilung einer beſtimmten Perſon nicht aus—
führbar iſt. Der Art. 101 Abſ. 3 enthält eine neue
Faſſung, wonach im Intereſſe der Verſchönerung bau—
polizeiliche Vorſchriften durch Verordnung, diſtrikts—
oder ortspolizeiliche Vorſchriſten erlaſſen werden
können. Bisher konnten diſtrikts polizeiliche
Vorſchriften ſolche Anordnungen überhaupt nicht
treffen; durch Verordnung konnten ſie nur für
Städte mit mehr als 20000 Einwohnern getroffen
werden. Der Gleichgültigkeit der kleineren Gemeinden
gegenüber dem Intereſſe an der Erhaltung architek⸗
toniſcher Schönheiten und an der Vermeidung ſtil—
widriger, die Umgebung verunzierender Neubauten
kann jetzt wirkſamer entgegengearbeitet werden.
1352
Das Geſetz vom 16. Juni 1908, die Scheckproteſte
beir., beſtimmt in feinem Art. 1, daß die Gerichts—
vollzieher zuſtändig ſind, Scheckproteſte zu erheben
(S 16 Abſ. 1 Nr. 3 des ScheckG.). Die Zuſtändigkeit der
Notare zur Erhebung der Proteſte ergibt fidh aus 8 16
Abſ. 2 des ScheckG. und Art. 87 Satz 1 der WO. Der
Art. 2 beſtimmt, daß in dem Geſetz über das Ge—
bührenweſen in der Faſſung der Bekanntmachung
vom 28. April 1907 (GVBl. S. 395) nach dem Art. 282
324
unter der Ueberſchrift, VI. Titel: Proteſte“ der Art. 282a
(Wechſelproteſte und Scheckproteſte unterliegen einer
Gebühr zu eins vom Tauſend der Gegenſtandsſumme,
mindeſtens aber einer ſolchen von 1 M) und der
Art. 282 b (Beſtimmungen über die Zuftändigfeit und
das Verfahren bei Streitigkeiten über die Verpflichtung
zur Entrichtung der Gebühr des Art. 282 a) einge⸗
ſchoben werden. Die Art. 172 und 196 Abſ. 1 des
GebG. werden aufgehoben; der Eingang des Art. 250
geändert. Im Anſchluß hieran werden durch die
Allerh. VO. vom 26. Juni 1908, den Vollzug des Shed-
geſetzes betr. (GVBl. 1908 S. 345) die SS 11 und 21
der GVollzO. vom 16. Dezember 1899, die 88 8 und 9
der LandesGebO. für die Gerichtsvollzieher vom 16. Dez
zember 1899 und der Art. 42 der NotGebO. vom
28. Dezember 1899 in der Hauptſache dahin geändert,
daß die Vorſchriften auch für die Scheckproteſte gelten.
1350
Das Geſetz vom 6. nk 1908, den Vollzug des
Vereinsgeſetzes betr. (GVBl. 1908 S. 351) erklärt in
Art. 1 als Verwaltungsrechtsſachen alle beſtrittenen
Rechtsanſprüche und Verbindlichkeiten, welche die Auf—
löſung von Vereinen und Verſammlungen auf Grund
der §§ 2 und 15 des Ver. vom 19. April 1908 zum
Gegenſtande haben. In Art. 2 wird zur Entſcheidung
über die Auflöſung eines Vereins und über die AMn-
fechtung der Auflöſung einer Verſammlung die Diſtrikts—
verwaltungsbehörde, in München die Polizeidirektion
in erſter Inſtanz als zuſtändig erklärt. Nach Art. 3
find die auf Grund der SS 3, 5, 7, 12 und 14 des
Ver. ergehenden Amtshandlungen der Behörden ge—
bührenfrei.
1348
Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Abänderung
des Titels VII E 26 der Berfaffungsurkunde betr.
(GVBl. 1908 S. 352) gibt dem § 26 im Anſchluß
an den Art. 31 der Reichsverfaſſung eine neue präziſere
Faſſung. Während der Verſammlung des Landtags
in ordentlicher oder außerordentlicher Tagung kann
hiernach ohne Einwilligung der Kammer gegen ein
Mitglied des Landtags eine Strafverfolgung weder
eingeleitet noch fortgeſetzt und eine Haft nicht vollzogen
werden. Ausgenommen ſind die Fälle, daß das Mit—
glied bei Beginn der Tagung verhaftet war oder daß
es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächſten
Tages ergriffen wird. In dieſen Fällen iſt auf Ver—
langen der Kammer für die Dauer der Tagung die
Unterbrechung der Strafverfolgung und der Haft her—
beizuführen. Dieſe Vorſchriften finden auf die Mit—
glieder eines bei nicht verſammelten Landtag ein—
berufenen beſonderen Ausſchuſſes für die Dauer ſeiner
Tagung mit der Maßgabe entſprechende Anwendung,
daß die Einwilligung oder das Verlangen an Stelle
der Kammer dem Ausſchuſſe zuſteht.
1349
Die Bekanntgabe von Vorſtrafen der Angeklagten
und Zeugen in der Hauptverhandlung einzuſchränken
und dadurch Bloßſtellungen zu verhindern, iſt das
Ziel der im IM Bl. Nr. IX S. 131—133 veröffent:
lichten Bekanntmachung des Staatsminiſteriums der
Juſtiz vom 25. Juni 1908.
1. Sie legt den Vorſitzenden der Strafgerichte
nahe, in jedem Falle zu prüfen, ob es notwendig iſt,
daß die früheren Beſtrafungen des Angeklagten bei
ſeiner Vernehmung über die perſönlichen Verhältniſſe
bekannt gegeben werden oder ob nicht billige Rück—
ſichtnahme auf die Intereſſen des Angeklagten es er—
heiſcht, daß die Bekanntgabe von Vorſtrafen ganz oder
teilweiſe unterbleibt oder doch auf einen ſpäteren
Zeitpunkt der Hauptverhandlung verſchoben wird.
Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 15 u. 16.
Die Staats⸗ und Amtsanwälte werden folgerichtig
angewieſen, die Strafregiſterauszüge zunächſt nur zum
eigenen Gebrauch zu erholen, die Frage, ob deren
Einträge als Beweismittel zu bezeichnen ſind, ſtets
ſorgfältig zu prüfen und in der Hauptverhandlung
dafür einzutreten, daß die Bekanntgabe früherer Bes
ſtrafungen des Angeklagten unterbleibe, wenn und
ſoweit ſie zwecklos oder entbehrlich iſt, und keinesfalls
früher erfolge, als es notwendig iſt. Eine vorſichtige
Handhabung dieſer Grundſätze, die darauf Bedacht
nimmt, daß nicht dem erkennenden oder beſchließenden
Gerichte die richtige Würdigung der Eigenart des
Täters erſchwert wird, wird gute Folgen haben
können.
2. Fragen nach früheren Beſtrafungen des Zeugen
ſollen nach der Bekanntmachung nur dann geſtellt
werden, wenn eine zwingende Veranlaſſung dazu be⸗
ſteht, z. B. wenn angenommen werden muß, daß es
für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen
von Wichtigkeit wäre, wenn er die behauptete Ve-
ſtrafung erlitten hätte, oder wenn die Unterlaſſung
der Fragen allgemeine Intereſſen der Rechtspflege oder
vom Geſetze gewährleiſtete Rechte eines Prozeßbetei⸗
ligten beeinträchtigen würde. Die Bekanntmachung
befaßt fih insbeſondere mit der Frage nach einer et-
waigen Vorbeſtrafung des Zeugen wegen Meineids,
die nach dem Geſetze zur Feſtſtellung der Eidesfähig⸗
keit nicht umgangen werden kann. Soferne nicht
ſchon beim Aufruf der Zeugen dieſen gemeinſam aus—
einandergeſetzt wird, daß und aus welchem Grunde
dieſe Frage geſtellt werden muß, wird ſie häufig in
einer Form erfolgen können, welche die bereits vor—
läufig beſtehende gegenteilige Annahme des Richters
ausdrückt und dadurch der Frage die verletzende Wir⸗
kung nimmt.
Die Bekanntmachung behandelt aber nicht nur
die Stellung von Fragen nach etwaigen Beſtrafungen
des Zeugen, ſondern will ganz allgemein Vorkehrungen
zum Schutze der Zeugen gegen Bloßſtellungen treffen.
Sie behandelt insbeſondere in ausführlicher Weiſe
den Schutz des Zeugen gegenüber Fragen, die ſeine
Glaubwürdigkeit betreffen. Der Grundſatz, daß dem
Zeugen Fragen, die ſeine Glaubwürdigkeit betreffen,
nur im Falle wirklichen Bedürfniſſes und nur dann
vorzulegen ſind, wenn es ſich um Fragen über Um⸗
ſtände handelt, die gerade in der konkreten Sache für
ſeine Glaubwürdigkeit von Bedeutung ſind, wurde
namentlich in Privatklageſachen nicht immer mit der
nötigen Straffheit zur Durchführung gebracht. Der
Hinweis der Bekanntmachung, daß der Zeuge, ſoweit
es nur immer ohne Nachteil für eine zutreffende und
erſchöpfende Beurteilung der Sache geſchehen kann,
vor allen Fragen zu bewahren iſt, die dem erwähnten
Grundſatze zuwiderlaufen oder gar den Zweck ver—
folgen, den Zeugen oder eine ihm naheſtehende Perſon
bloßzuſtellen, iſt geeignet, dem Mißſtande abzuhelfen,
daß der Zeuge zum Ingquiſitionsobjekt gemacht, in
ſeinen Kredit- und Erwerbsverhältniſſen geſchädigt, ja
ſogar um feinen häuslichen Frieden gebracht wird,
und der Gefahr vorzubeugen, daß ſich Zeugen, die
weſentliches zur Klärung der Sache beitragen könnten,
der Zeugſchaft aus Furcht vor perſönlichen Angriffen
und Verunglimpfungen entziehen.
Die Allerh. VO. vom 18. Juli 1908, die Kaminkehrer
betr. (GBl. 1908 S. 363) hat den § 15 der VO.
vom 26. März 1903 geändert, der Beſtimmungen über
den Unterſtützungsverein für bayeriſche Kaminkehrer—
witwen enthält.
139%
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H., Freiſing.
Zeitſchrift für Rechtpflege
Herausgegeben von Verlag von
e dene. ill Buhr Saia
in München. in München, Lenbachplatz 1.
Ar. 17. München, den 1. September 1908. 1908. 4. Jahrg.
Die Zeitſchrift erſche int = 1. und 15. jeden Mon N
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vlertellahrlich ;
ME 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Sr orani unb
Bokanflalt (Boſtzettungeliſte für Bayern Nr. 974a).
on und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Jep, and. 20 80 Die: für die halbgeſpaltene sa Ile
si aum. Bel Wiederholungen Rabatt. Stelle gen
4 20 Mfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Nachdruck verboten.
Zur Einführung in das Keichsgeſetz hunderts, der ſich u. a. ſo auffällig in dem Aus⸗
8 wand 8 v 9. Juli 1897 b kl
über den Verſicherungsvertrag. F
i l ihm faſt gleichalterige Parallelgeſetz der Schweiz
Von Oberlandesgerichtsrat K. Schneider in Stettin. (vom April 1908), eine ganze Reihe ſogenannter
Das Reichsgeſetz betreffend den Verſicherungs⸗ zwingender Vorſchriften (Jus cogens“), die dem
vertrag vom 30. Mai 1908, ſpäteſtens am Belieben der Beteiligten oder richtiger dem Druck
1. Januar 1910 in Kraft tretend, darf als eine des jeweilig wirtſchaftlich Ueberlegenen von ihnen
ſehr bedeutſame Erſcheinung in der deutſchen nicht nachgeben. Ohne ſie bliebe in der Tat die
Rechtsentwicklung betrachtet werden, — ſeines ganze Regelung des privaten Verſicherungsrechts
juriſtiſchen Gehaltes, ſeiner kunſtgerechten Faſſung dem „Spiel der Kräfte“ überlaſſen und wäre
und feiner hervorragenden wirtſchaftlichen Be: mehr oder weniger 9 ſie wäre vielleicht ein
deutung wegen. Freilich ift auf dem Gebiete des juriſtiſch vollendetes geſetzgeberiſches Gebilde, aber
Verſicherungsweſens das ſogenannte Verſicherungs⸗ auch nur ſozuſagen ein Schaugericht, das niemanden
aufſichtsgeſetz vom 12. Mai 1901 ja rechtlich und ſättigt. Es bliebe alles wieder dem Wirken der
wirtſchaftlich bereits von großem Einfluſſe geweſen. Aufſicht, ſoweit diefe überhaupt reichen kann, und
Aber der Zwang des Verwaltungsrechts bietet dem allerdings nicht zu unterſchätzenden Einfluſſe
doch eben noch nicht die Bürgſchaft, daß in jedem des Wettbewerbes der Verſicherungsanſtalten unter⸗
einzelnen Streitfalle eine wirklich gerechte Aus- einander überlaſſen, wobei dieſer freilich durch
gleichung der gegenſeitigen Rechte und Pflichten deren bekannte Kartellierung ſtark an Bedeutung
bei dem betreffenden Verſicherungsverhältniſſe und Vorteil für die Verſicherungsſuchenden einbüßt,
eintritt; daß nicht, entgegen den genehmigten während ihm andererſeits wieder das Gegenüber⸗
„Allgemeinen Bedingungen“, irgend welche be- ſtehen der privaten und öffentlichrechtlichen Ber-
ſonderen ungünſtigen Bedingungen dem einzelnen ſicherungsanſtalten aufhilft. Wer bisher überhaupt
Verſicherungsnehmer aufgedrängt und zu ſeinem Verſicherung bekommen will, muß ſich notgedrungen
Nachteile ausgebeutet werden. Wer das eigen- immer den von dem betreffenden „Verbande“
artige Verhältnis derartiger öffentlichrechtlicher | oftroyierten, ihm vielleicht durchaus nicht genehmen
Geſetze zu privatrechtlichen Beſtimmungen zu Bedingungen fügen. Es iſt alſo von großer
würdigen weiß und in ihrer Vereinigung für Bedeutung, wenn demgegenüber dem Berjiche-
manches rechtliche Gebiet erft die Krönung des rungsſuchenden das Geſetz die wichtigſten Punkte
Rechtsſchutzes erblickt, wird über das Geſagte und feiner Rechtsſtellung durch zwingend durd-
die Wichtigkeit des jetzt erreichten Fortſchrittes greifende Beſtimmungen ſichert. Im übrigen iſt
nicht im Zweifel ſein. Erſt die jetzt erlaſſenen es anderſeits bekannt, wie ſehr, beſonders im
privatrechtlichen Vorſchriften werden zur unver- Kreiſe der Verſicherer, der Umfang und der Ein:
rückbaren Grundlage, zur Sicherheit dafür, daß fluß dieſer zwingenden Vorſchriften überſchätzt
das Recht des einzelnen Vertragsbeteiligten nach und ſie immer wieder als unwürdige und vor
billigem Maße gemeſſen und mittelſt der Gerichts- allem ſachwidrige Feſſel für die Betätigung der
gewalt unbedingt durchgeſetzt werden kann. Eben Verſicherungsunternehmungen angefeindet werden.
deshalb bedient fih auch das neue deutſche Gele | Und das, obwohl es fid) die Begründung des
in ſehr hervortretender Weiſe des hier beſonders deutſchen Geſetzes (S. 5), die „Botſchaft“ des
wirkenden Mittels des Privatrechts, der „zwingen- ſchweizeriſchen Bundesrats von 1904 zu dem
den“ Rechtsſätze, und folgt darin nur dem ſtetig w jetzigen Verſicherungsgeſetze (S. 22) und ebenſo
ſich verſtärkenden Zuge unſerer Geſetzgebung feit auch die Begründung zum II. öſterreichiſchen Ent:
Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahr- wurfe eines Verſicherungsvertragsgeſetzes von 1907
326
(S. 54) angelegen fein laſſen, dieſem Einwurfe bezeichnet und erſt nach ihrer Entſtehung dem
ö Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
entgegen zu treten. Wie Deutſchland und ebenſo Verſicherer einzeln aufgegeben werden“, z. B.
Oeſterreich ſeit 1880, hat auch die Schweiz ja
längſt, ſeit 1885, eine ſtaatliche, wenngleich vielleicht
gegenüber der deutſchen etwas beſchränktere Auf⸗
ſicht über den Betrieb des Verſicherungsweſens;
und doch erklärt jene „Botſchaft“ (S. 10): Der
Geſetzgeber iſt „berufen, die zwiſchen Verſicherer
und Verſichertem gegenwärtig gegebene Rechts⸗
lage in dem Sinne zu verrücken, daß er dem
Verſicherten zu denjenigen Rechten verhilft, welche
aus dem Weſen und der Zweckbeſtimmung der
Verſicherung reſultieren, und die der Berechtigte
unter der Herrſchaft einer ſchrankenloſen Vertrags⸗
freiheit heute vielfach unbeſehen preisgeben muß.
Im Verſicherungsverkehre iſt die Vertragsfreiheit
in Tat und Wahrheit „Freiheit“ nur für den
Verſicherer“.
Mit dem Erlaſſe des deutſchen Verſicherungs⸗
vertragsgeſetzes kann jedoch der Streit über die
Berechtigung der Zahl und des Umfanges der
|
aufzuſtellenden zwingenden Rechtsſätze füglich als
für uns vor der Hand erledigt angeſehen werden.
Es könnte ſich nur fragen, ob die künftige Ent⸗
wickelung unſeres Verſicherungsweſens demjenigen
recht gibt, der eine unnötige Feſſelung, insbeſondere
bei neu entſtehenden Verſicherungszweigen, durch
ſie befürchtete. Das wird ſich demnächſt aber
wohl kaum zeigen!
Außerdem iſt noch auf folgendes hinzuweiſen.
Wer den ziemlich müſſigen Verſuch machen will,
die Zahl der ſogenannten zwingenden Beſtim⸗
mungen, — wozu, wie man den Juriſten freilich
nicht zu ſagen braucht, diejenigen über Rechts⸗
beziehungen zu Dritten, z. B. Hypothekaren, trotz
ihrer ſelbſtverſtändlichen Unabänderlichkeit für die
Vertragſchließenden natürlich nicht gehören, —
ihre Zahl alfo mit der der Rechtsſätze (oder Para-
a
1
|
1
|
|
graphen) im neuen Geſetze überhaupt zu vergleichen, |
zöge einen ſchiefen Maßſtab zur Hilfe.
nicht mit dieſen Rechtsſätzen im Geſetze ſelbſt und
allein, ſondern mit den ungezählten, der privaten
Autonomie überlaſſenen Feſtſetzungen unbehin⸗
derten Inhalts dürfte doch nur jene Zahl
der zwingenden Rechtsſätze, die, beiläufig geſagt,
gerade im ſchweizeriſchen Geſetze noch größer iſt,
als im deutſchen, zuſammengehalten und ver:
glichen werden.
Ferner iſt wohl zu beachten, daß die nicht unter
das Geſetz fallende See- und die Rückverſicherung
($ 186) ſelbſtverſtändlich von allen „in dieſem Geſetze
vorgeſehenen Beſchränkungen der Vertragsfreiheit“
frei bleiben; und daß weiter die wichtigen Reihen
des $ 187 Abſ. 1 und 2: die Gütertransport—
verſicherung, die Kreditverſicherung, die Ver—
ſicherung gegen Kursverluſte und gegen Arbeits-
loſigkeit, ſowie jede Art „laufender“ Schadens:
verſicherung (nämlich „die in der Weiſe genommen
wird, daß die verſicherten Intereſſen bei der
Schließung des Vertrags nur der Gattung nach,
Verſicherung von Strohdiemen im landwirtſchaft⸗
lichen Betriebe, von Poſtſendungen unter Minder⸗
wertangabe) von den Beſchränkungen der Vertrags⸗
freiheit ausgenommen ſind. Desgleichen, und
zwar wenigſtens von einem Teile dieſer beſchränkenden
Vorſchriften, nach § 189 die Verſicherungen, „die
bei einem Vereine genommen werden, der als
kleinerer Verein im Sinne“ des Verſicherungs⸗
aufſichtsgeſetzes gilt, und die „Sterbegeldver⸗
ſicherung, die Volksverſicherung ſowie ſonſtige
Arten der Lebensverſicherung mit kleinen Beträgen“.
Endlich bei ſonſtigen, nämlich nicht unter die
Ausnahmevorſchrift des Abſ. 1 im § 192 fallenden
„Verſicherungen, die bei einer nach Landesrecht er⸗
richteten öffentlichen Anſtalt genommen werden“:
§ 192 Abſ. 2. Durch § 188 find auch noch
weitere Sicherheitsventile, wenn der Ausdruck er⸗
laubt iſt, geſchaffen. Denn „durch Kaiſerliche
Verordnung kann mit Zuſtimmung des Bundes⸗
rats beſtimmt werden, daß bei den im zweiten,
dritten und vierten Abſchnitte nicht beſonders
geregelten Verſicherungszweigen, auch
ſoweit ſie nicht unter den § 187 fallen, ſowie bei
der Verſicherung von Schiffen gegen die Gefahren
der Binnenſchiffahrt die in dieſem Geſetze
vorgeſehenen Beſchränkungen der Vertragsfreiheit
ganz oder zum Teil außer Anwendung
bleiben“. Hierbei iſt zu beachten, daß als ſolche,
beſonders geregelte Verſicherungszweige anzuſehen
find die Feuer-, Hagel⸗, Vieh⸗, Transport- und
Haftpflichtverſicherung, die Lebens- und die Unfall⸗
verſicherung, jo daß z. B. die Glas-, Sturmſchäden⸗,
Froſt⸗, Waſſerleitungs⸗, Schlachtvieh⸗, Streit:
verſicherung uſw. je nach Bedürfnis freigelaſſen
werden dürfen; und etwa neu entſtehende Ver⸗
ſicherungszweige wenigſtens dann dieſes Vorteils
teilhaftig werden können, wenn ſie ſich nach
Denn Ueberwindung des erſten Entwicklungsſtadiums
über ſich ſelbſt und ihre Vertrauenswürdigkeit
ohne die zwingenden Rechtsſätze des Geſetzes aus⸗
gewieſen haben. Daß hier zunächſt eine erſprieß⸗
liche Entwicklung volkswirtſchaftlich berechtigter
Neuſchöpfungen von Verſicherungsarten unter Um⸗
ſtänden durch die zwingenden Vorſchriften gehindert
werden könnte, wird ſich freilich nicht beſtreiten
laſſen. Immerhin iſt es nicht leicht, ſich einen
ſolchen Fall vorzuſtellen; und dann iſt ja auch
zu hoffen, daß mittelſt der Kaiſerlichen Verordnung
jedesmal noch rechtzeitig Abhilfe geſchaffen werden
kann. Bedenklicher iſt entſchieden der Einwand,
daß der deutſche Verſicherer, durch die zwingenden
Rechtsſätze unter gewiſſen Verhältniſſen zur
Leiſtung gezwungen, wo er ſich ſonſt davon durch
Vertragsbedingung frei machen könnte, das Gleich⸗
gewicht durch erhöhte Prämien aufrecht zu erhalten
beſtrebt ſein muß; dann aber im auslaͤndiſchen
Wettbewerbe hinter dem fremden Verſicherer, der
nicht unter dieſem Zwange abſchließt und deshalb
billiger verſichern kann, leicht zurückſtehen wird.
Aber die tatſächliche Mehrleiſtung unſerer heimiſchen
Verſicherung muß dabei doch ſchließlich auch mit
ins Gewicht fallen.
Hervorgehoben werden muß noch, daß die Liſte
der zwingenden Vorſchriften, die die erſte Kom-
miſſion des Reichstages zur Beratung des jetzigen
Geſetzes ihrem Berichte als Anlage beifügte, als
vollſtändig nicht angeſehen werden kann. In meinen
(bei Beck, München) erſchienenen Erläuterungen zum
Verſicherungsvertragsgeſetze (S. 79) habe ich ſchon
darauf hingewieſen, daß beiſpielsweiſe $ 51 Abſ. 1
in jener Aufzählung fehlt (Recht auf Herabſetzung
der Ueberverſicherung, bei dem doch unmöglich ein
Verzicht zuläſſig ſein kann, wie ihn denn auch der
erwähnte II. öſterreichiſche Geſetzentwurf § 43
Ab}. 1 in Verbindung mit $ 57 ausſchließt; anders
freilich wieder das ſchweizeriſche Geſetz Art. 51).
Ebenſo find die SI 30 und 67 auf dieſen Punkt
zu prüfen, obwohl ſie in jenem Verzeichniſſe fehlen.
Der Kommentar von Gerhard, Hagen u. a.
(Ernſt Siegfried Mittlers Verlag) ſpricht ſich hierzu
nur bei § 30 aus; verneint aber unter Berufung
auf Meinungsäußerungen in der zweiten Reichs—
tagskommiſſion die Unabänderlichkeit. Ich glaube
nicht, daß ſich das aufrecht erhalten läßt.
Die fog. nachgiebigen oder abänderlichen Rechts—
ſätze des neuen Geſetzes laſſen nicht nur an und für
ſich dem Belieben des Vertragſchließenden freie
Hand; ſondern ſie ſind auch keineswegs für alle
Verſicherungszweige oder ſonſt irgendwie erſchöpfend
aufgeſtellt. Letzteres gilt wohl am meiſten bei der
Hagel: und Viehverſicherung. Es handelt fid) bei
ihnen vielmehr nur um eine verhältnismäßig kärg⸗
liche Zahl von Rechtsregeln, die hier der Geſetz⸗
geber an die Hand gibt, falls die Beteiligten nicht
anders wollten oder zu wollen vergaßen. Eine
jür den Juriſten ſehr auffällige Erſcheinung, die
für ihn zugleich praktiſch nicht unwichtig iſt, trat
gerade wieder bei der Vorbereitung der lang—
wierigen Verhandlungen vor Feſtſtellung des Ver—
ſicherungsvertragsgeſetzes beſonders deutlich hervor,
nämlich die faſt völlige Verſtändnisloſigkeit nicht:
juriſtiſcher Kreiſe für die eigentliche Bedeutung
dieſer jog. abänderlichen Rechtsſätze. Sie wurden
und werden immer wieder als unabwendbare Ge:
ſetzesbefehle aufgefaßt und gefürchtet. Gefürchtet
übrigens auch deshalb, weil man, wohl nicht ganz
mit Unrecht, in ihnen das vom Geſetzgeber hin—
geſtellte Mittelmaß gegenſeitiger Rechte und
Pflichten der Vertragsbeteiligten erblickt, das nicht
ohne Gefahr vor der Konkurrenz und dem miß—
fälligen Urteile der Verſicherungsluſtigen beiſeite
geſetzt und unbeachtet gelaſſen werden dürfe. Auch
in den Verhandlungen der erſten Reichstags—
kommiſſion (S. 44) wurde es gegenüber einem
Vorſchlage, doch von der gewährten Vertragsfreiheit
Gebrauch zu machen, ausgeſprochen, „das Schwer—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
327
Jede Abweichung davon, die zum — wenn auch
nur ſcheinbaren — Nachteile der Verſicherungs⸗
nehmer gereiche, belaſte den Verſicherer mit dem
Verdachte der Illoyalität“. Es handelte ſich dabei
um die Beſchränkung der Vertretungsbefugniſſe der
Agenten nach § 47 des jetzigen Geſetzes. Aehnliche
Auffaſſungen ſind übrigens auch ſonſt ſchon zutage
getreten. So äußerte bei den Vernehmungen im
Reichsamte des Innern über das Buchhändler:
kartell Profeſſor Dr. Bücher: Das dispoſitive
Recht „will doch die Mittellinie finden zwiſchen
den beiderſeitigen Intereſſen, und ich meine, daß
ſich aus dieſer Stellung der dispoſitiven Normen
ergibt, daß fie, wenn nicht beſondere Gründe vor-
liegen, von dieſen Normen abzuweichen, maß—
gebend ſein ſollen“. Macht man nun aber ein⸗
mal, ohne Rückſicht auf ſolche allgemeine Er—
wägungen, eine praktiſche Probe, z. B. bei 8 82
des neuen Geſetzes, ſo ergibt ſich, daß jene Be⸗
ſorgnis doch zu weit geht. Denn wenn es hier
heißt: „Der Verſicherer haftet für den durch Brand,
Exploſion oder Blitzſchlag entſtehenden Schaden“,
ſo kann es doch unmöglich gegen ihn ausgebeutet
werden, wenn er ſein Verſicherungsgeſchäft auf
Brand- und Blitzſchlagsfälle beſchränkt, und wenn
er Exploſionen gewiſſer Gaſe davon ausſchließt. —
Konnte ich zu Anfang das Erſcheinen des
neuen Geſetzes über den Verſicherungsvertrag als
ein Ereignis in der deutſchen Rechtsgeſchichte be—
zeichnen, ſo darf auch ſein eingehendes Studium
ſchon jetzt empfohlen werden, obwohl ſein Inkraft—
treten vielleicht noch auf längere Zeit ausgeſetzt
iſt und möglicher, ja wahrſcheinlicher Weiſe erſt
auf den 1. Januar 1910 fällt. Dieſes Hinaus—
ſchieben eines fo lange ſehuſüchtig erwarteten und
gewicht der geſetzlichen Norm ſei zu groß, als daß
ein Verſicherer leichthin davon abweichen könnte. ſicherungsvertragsgeſetze (Feuermobiliar- und Hagel-
praktiſch unentbehrlichen Geſetzes war, beiläufig
bemerkt, unvermeidlich, da einmal auf Grund des
Geſetzes eine weſentliche Umarbeitung der ſog.
„Allgemeinen Bedingungen“ der privaten Ver—
ſicherungsanſtalten geboten erſcheint und vermutlich
eintritt, wie ſie ja inzwiſchen auch ſchon während
der langen und durch die Reichstagsauflöſung
Ende 1906 rein zufälligen Hinzögerung ſeines Er—
ſcheinens angebahnt iſt. Dieſe „Allgemeinen Be—
dingungen“, vielfach auf Verbandsbeſchlüſſen gleich:
artiger Verſicherungsunternehmungen beruhend,
gehen zum Teil von ſo ganz anderen Anſchauungen
und Geſichtspunkten aus, daß ihre Anpaſſung an
die neuen geſetzlichen Grundſätze nicht ohne einige
Schwierigkeit bewirkt werden kann. Ferner wurde
eine Zwiſchenzeit beſtimmt in Rückſicht auf die
Ueberleitung der Satzungen der öffentlichrechtlichen
Verſicherungsanſtalten, die ja in Preußen längſt
ins Auge gefaßt iſt und auch anderswo, — das
ergaben die Erklärungen der Bundesratsbevoll—
mächtigten bei den Verhandlungen der zweiten
Reichstagskommiſſion, — geplant wird; insbe—
ſondere vorausſichtlich auch in Bayern, wenn von
dem Reſervatrechte des Art. 2 im EG. zum Ver—
verſicherung) kein Gebrauch mehr gemacht werden
ſollte. Daß dann dieſes Reformwerk gleichzeitig
mit dem Inkraſttreten des Reichsgeſetzes ſelbſt ab⸗
geſchloſſen werden könnte, iſt allerdings ſehr
wünſchenswert.
Ein eingehenderes Sichbekanntmachen mit dem
neuen Verſicherungsgeſetze empfiehlt ſich aber be⸗
ſonders deshalb, weil in ihm doch vielfach nur die
Ergebniſſe der bisherigen Praxis und Wiſſenſchaft
zuſammenfaſſend und klärend Aufnahme gefunden
haben, ſo daß es alſo gewiſſermaßen jetzt ſchon eine
brauchbare Anleitung für die richterlichen Ent⸗
ſcheidungen bietet. Ferner, weil ſich ihm zum Teil
jetzt ſchon, wie oben bemerkt, die „Allgemeinen
Bedingungen“ der Verſicherungsanſtalten ange⸗
ſchloſſen oder doch angenähert haben, ſo daß mit
des Geſetzes Erläuterung auch dieſe ſelbſt eine
Erläuterung finden; endlich weil die Bewältigung
des Geſetzes keine kleine Aufgabe iſt, alſo ſchon
frühzeitig in Angriff genommen ſein will. Für
dieſe Schwierigkeit der Auslegung und Anwendung
iſt zum Teil die darin geregelte keineswegs ein⸗
fache wirtſchaftliche Grundlage die Veranlaſſung,
zumal ſie, trotz ſteigender Bedeutung für unſer
ganzes Kulturleben, doch in ihren Einzelheiten
und techniſchen Beſonderheiten dem Juriſten
regelmäßig und vielſach noch fern liegt. Es
würde ſonſt wohl nicht vorkommen, daß ein höheres
deutſches Gericht das vertragliche Verbot mehr—
facher Verſicherung desſelben Intereſſes bei mehreren
Verſicherern als einen Verſtoß gegen Treu und
Glauben bezeichnete, während z. B. die Begründung
des neuen Geſetzes ein ſolches als unter mancherlei
Umſtänden durchaus gerechtfertigt hinſtellt (vgl.
Arch BürgR. Bd. 25 S. 304). Oder wenn
das KG. (OL Gꝗſpr. Bd. 5 S. 34) in einem Be:
ſchluſſe vom 26. Mai 1902 ein Verſicherungs⸗
unternehmen im Sinne des Aufſichtsgeſetzes darin
erblickt, daß eine Genoſſenſchaft gegen eine von
ihren Mitgliedern zu zahlende Proviſion für die
Ausfälle der Hypotheken dieſer Genoſſen bei deren
Gläubigern einzutreten ſich verpflichtet. Sollen
hier die Gläubiger, die von einem „nachteiligen
künftigen Ereigniſſe“ betroffen werden könnten,
oder die die „Prämie“ zahlenden Genoſſen die Ver:
ſicherungsnehmer ſein?!
Und dieſe techniſchen Grundlagen des Verſiche—
rungsweſens und damit notwendig auch der Ver—
ſicherungsvertragsverhältniſſe ſpielen doch eben nicht
allein für den Geſetzgeber, wie u. a. in hervorragendem
Maße von der „Botſchaft“ des ſchweizeriſchen Ver⸗
ſicherungsgeſetzes betont iſt, — eine Probe davon
f. u., — eine große Rolle, ſondern auch bei der
Auslegung und Anwendung des Geſetzes. Freilich
gilt es umgekehrt ebenſoſehr, ſich hierbei nicht,
wie in den Jahren der früheſten Entwickelung des
Verſicherungsrechts, von derartiger Beurteilung bei
der Entſcheidung der Rechtsſtreitigkeiten völlig ins
Schlepptau nehmen zu laſſen. Hat man es ſeinerzeit
doch verſtanden, bei den Gerichten durchzuſetzen,
— b ::—ẽ— ——6.2——ͤ . '0' . og — n! ' —ä—Hbgw . —ö:
—— nn
daß der Verſicherungsvertrag zuungunſten des
Verſicherungsnehmers als „strictum jus“ be⸗
handelt würde, der dann aber doch die Beobachtung
einer „uberrima fides“ auf deſſen Seite (nicht
auf der des Verſicherers!) verlange; wie es denn
auch kürzlich noch das Handelsgericht in Marſeille
fertig gebracht hat, zu entſcheiden: „Die Ver⸗
ſicherungsverträge ſind ſtrengen Rechtes; die in
der Police getroffenen Vereinbarungen müſſen eng
ausgelegt werden“! Aber freilich ſelbſt das deutſche
Reichsgericht hat vor wenigen Jahren noch darauf
hinweiſen müſſen, daß das Verſicherungsrecht nicht
unter beſonderen Auslegungsregeln ſtehe.
Trotz dieſer durch die wirtſchaftliche Eigen⸗
art der Unterlagen der Verſicherungsverhältniſſe
bedingten Schwierigkeiten iſt es bei dem neuen
Verſicherungsgeſetze faſt noch mehr deſſen außer⸗
ordentlich knappe, ſcharf zugeſpitzte Faſſung, die,
durchaus dem BGB. ebenbürtig, dann aber doch
wiederum ſein Verſtändnis und ſeine demnächſtige
Handhabung nicht leicht macht. Und endlich
wirkt in gleicher Richtung die Aufſtellung einzelner
neuer juriſtiſcher Begriffe, wie der einer „Ob—
liegenheit“ im Sinne des § 6, ſowie im allgemeinen
die ganz eigenartige Durchbildung, die das Recht
der Schuldverhältniſſe beim Verſicherungsrechte
erfährt, — bezüglich der „Erfüllungshandlungen“,
der „Verwirkung“ im engeren und weiteren Sinne,
der Verantwortlichkeit für Stellvertreter des Ver⸗
ſicherungsnehmers beim Abſchluſſe (88 2, 19 und 79
des Geſetzes), ſowie überhaupt für andere neben dem
Verſicherungsnehmer ſtehende Perſonen (Familien⸗
angehörige, Geſinde uſw.), die Abſtufung der
Haftung des Verſicherungsnehmers im Gegenſatze
zu SS 276 und 254 des BGB., die Behandlung
der „Unmöglichkeit“ ($ 306 dort und $$ 2, 68 im
Verſicherungsvertragsgeſetze) um. Es it mit
anderen Worten die Selbſtändigkeit, die das Ver⸗
ſicherungsrecht für ſeine Rechtsſätze gegenüber den
Vorſchriften im Titel 1—6 des II. Buches im
BGB. beanſprucht und in Wahrheit auch ein:
nimmt; handelt es ſich dabei doch um die Ent⸗
ſtehung und Abwickelung eines der komplizierteſten
Schuldverhältniſſe. So kann es deshalb auch
nicht wunder nehmen, daß ſich hier ein Sonder:
gebiet juriſtiſcher Forſchung herausbildet, das ſich
literariſch und durch Pflege der Verſicherungs—
rechtswiſſenſchaft an den Univerſitäten und ſonſtigen
Hochſchulen neben die Bearbeitung der eigentlich
techniſchen, insbeſondere auch der mediziniſchen und
mathematiſchen Seiten des Verſicherungsweſens
ſtellt. Was die Verſicherung unſerem deutſchen
Volke geworden iſt, das zeigt der Rückblick auf
die Entwicklung der Zwangsverſicherungen feit
etwa einem Vierteljahrhundert und weiter ein
Blick auf die Rieſenſummen, die die freiwillige
Verſicherung an ſich zu ziehen verſtanden hat, um
ſie dann dem Verſicherungsnehmer und dadurch
zugleich dem Allgemeinwohle dienſtbar zu machen.
In der „Botſchaft“ zum ſchweizeriſchen Geſetze
(S. 19) findet ſich darüber die feine Bemerkung:
„Den Aſſoziationsgedanken teilt die Verſicherung
mit vielen anderen Gebilden des wirtſchaſtlichen
Lebens. Was die Verſicherung als eigenartige
Fürſorgeeinrichtung charakteriſiert und von
anderen ähnlichen Inſtituten ſcharf abgrenzt, iſt
ihre Technik, die Art und Weiſe, wie die Ver⸗
ſicherung ihr Verteilungsamt unter den
Gefahrgenoſſen ausübt, wie ſie Leiſtung und
Gegenleiſtung verteilt. Die Verſicherungstechnik
gipfelt in jener genialen Einrichtung, die mit
Hilfe der Statiſtik und der Wahrſcheinlichkeits⸗
rechnung eine ebenſo ſichere wie rationelle Schäden⸗
verteilung ermöglicht. Die techniſchen Grundlagen
ſind das Produkt wiſſenſchaftlicher Arbeiten, das
rechneriſche Reſultat ſtatiſtiſcher Maſſenbeob⸗
achtungen über die Häufigkeit und die Art und
Weile des Eintreffens beſtimmter Ereigniſſe.“
Einen vortrefflichen Mittelpunkt haben alle
dieſe verſicherungswiſſenſchaftlichen Beſtrebungen
jetzt in Deutſchland in dem deutſchen Verein
für Verſicherungswiſſenſchaft und ſeiner „Zeit⸗
ſchrift für die geſamte Verſicherungswiſſenſchaft“
(zurzeit Jahrgang VIII) gefunden. Die letztere
wird ſich auch für die Gerichtsbehörden mehr und
mehr als unentbehrlich erweiſen. Und was den
Erfolg der deutſchen Geſetzesarbeit anlangt, ſo iſt
es ſehr erfreulich zu ſehen und zugleich praktiſch
ſo wichtig wegen der zahlreichen internationalen
Beziehungen des Verſicherungsweſens, das ſeine
Fäden und Netze über die ganze Kulturwelt
ſpannt, daß ſich das ſchweizeriſche Geſetz, auf eine
ähnlich lange Vorbereitungszeit, wie das unſere,
zurückſehend, und der 1907 erſchienene II. öſter⸗
reichiſche Entwurf in wichtigen Punkten den
deutſchen Grundſätzen und Regeln genähert haben.
So bilden alle drei, — denn auch der öfter: |
reichiſche Entwurf wird ſicher über kurz oder lang
in ſeiner jetzt vorliegenden Faſſung zum Geſetze |
erhoben, — ein lehrreiches einheitliches Syſtem
dieſes wichtigen Rechtsſtoffes. (Fortſetzung folgt.) |
An Art. 18 des Geſetzes über die Fortſetzung |
der Grundentlaſtung vom 2. Februar 1898.
)
Bon Rentamtmann Pblagger in Eichſtätt. |
Nach Art. 18 des genannten Geſetzes find die
Rentämter verpflichtet, jedem Grundbeſitzer auf
Verlangen gebührenfrei ein Zeugnis über die Be—
laitungsverhältniffe auszuſtellen. Aus dieſem Zeug:
nijfe muß, ſoferne ein Beſitz mit Bodenzinſen belaſtet
it, die Jahresſchuldigkeit zur Staats- und Ab-
löſungskaſſe, das urſprüngliche Bodenzinskapital
und das zur Zeit der Ausſtellung des Zeugniſſes
beſtehende Reſtkapital zu erſehen ſein.
Das Formular hierzu, ſowie die weiteren An-
weiſungen über die Ausſtellung wurden in der
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
verlangen.
329
— 0.
Bekanntmachung des Staatsminiſteriums der Fi⸗
nangen vom 5. Februar 1898 Ziff. 14 (JM Bl.
S. 31 ff.) bekanntgegeben.
Nicht beſonders erwähnt ſind die Belaſtungen
mit Handlöhnen; es dürfte aber keinem Zweifel
unterliegen, daß auch dieſe Belaſtungen, wo ſie
überhaupt noch beſtehen, und zwar mit Fixum
und Aequivalent anzugeben ſind.
Ueber die bei Teilung eines komplexual belaſteten
Grundbeſitzes vor Ausſtellung des Zeugniſſes vor⸗
zunehmende Repartition der Bodenzinſe ergingen
verſchiedene Miniſterialentſchließungen, deren Haupt⸗
ergebnis dahin zuſammen zu faſſen iſt, daß das
Zeugnis ſtets in voller Uebereinſtimmung mit dem
Gefällskataſter ſtehen muß.
Ob bei Komplexualbelaſtung eine Repartition
vor ihrer Anerkennung und Umſchreibung im Ge:
fällskataſter vorhergehen ſoll, hängt nach einer
neuen Beſtimmung (FME. vom 6. September 1906
Nr. 12837) vom Antrage des Pflichtigen ab.
Während nämlich bisher im Hinblicke auf Ziff. 14
Ab). 2 der Bekanntmachung vom 5. Februar 1898
bei Teilung eines komplexual belaſteten Beſitzes
ſtets (auch ohne Antrag) die Repartition ſtatt—
gefunden hat und Belaſtungszeugniſſe nur auf
Grund anerkannter und umſchriebener Repartition
ausgeſtellt wurden, erklärt die Entſchließung vom
6. September auch bei Teilveräußerungen die Aus:
ſtellung von Komplerual belaſtungszeugniſſen
für zuläſſig, wenn ein Antrag der Partei nicht
geſtellt wurde.
Dieſer Antrag kann nur vom bisherigen Grund—
beſitzer oder deſſen Bevollmächtigten geſtellt werden.
Wird der Antrag von einem Notariat geſtellt, ſo
dürfte es mit Rückſicht auf die dienſtliche Stellung
des Notariats (Not G. Art. 6/ II) nicht notwendig
ſein, einen Nachweis für die Bevollmächtigung zu
In anderen Fällen jedoch ift er ſehr
angezeigt.
Das Haupterfordernis der Belaſtungszeugniſſe
iſt, wie bereits bemerkt, vollſtändige Uebereinſtim⸗
mung mit dem Gefällskataſter und rentamtlichen
Grundbuch. Hierſür haftet das Rentamt. In
Ziff. 14 Abſ. 7 der allgemeinen Bekanntmachung
iſt die Haftung des Rentamtmannes ausdrücklich
erwähnt. Die Fälle, daß unrichtige Belaſtungs—
zeugniſſe ausgeſtellt wurden, dürften gar nicht ſo
ſelten ſein und zwar aus folgenden Gründen.
1. Sind die Gefällskataſter der Rentämter
ſehr verſchiedenartig angelegt und vielfach recht
unüberſichtlich.
2. Iſt namentlich in neuerer Zeit das mit
dem Umſchreibweſen betraute Perſonal meiſt mangel—
haft ausgebildet und infolge häufigen Wechſels mit
den lokalen Verhältniſſen wenig vertraut.
3. Wird bei Ausſtellung des Belaſtungszeug—
niſſes meiſt übereilt gearbeitet, weil die
Parteien und das Notariat es in der letzten Mi—
nute beſtellen und meiſt zugleich darauf warten.
330
Da ſohin Haftungen ſehr leicht eintreten können,
möchte es nicht überflüſſig ſein, die Haftungsfrage
näher zu unterſuchen.
Die hierbei ſich ergebenden Fragen find fol:
gende:
1. Wer haftet?
2. Wem gegenüber beſteht die Haſtung?
3. Wann tritt die Haftung ein?
Die erſte Frage beantwortet die Bekanntmachung
vom 5. Februar 1898 Abſ. 7 dahin, daß der Rent⸗
amtmann haftbar ſei.
Dieſer Beſtimmung lag die nach der früheren
Organiſation beſtehende Anſicht der unbedingten
Haftung der Rentamtmänner für ihr Perſonal
zugrunde.
Abgeſehen davon, daß dieſe Anſicht niemals
einwandfrei gewefen, ift durch die neue Organi-
ſation eine grundſätzliche Aenderung eingetreten.
Die unbedingte Haftung des Rentamtmanns iſt
beſeitigt. Jeder haftet in erſter Linie für ſeine
Sparte. Der Rentamtmann haftet nur inſoweit,
als ihn wegen mangelnder Kontrolle ein Ber-
ſchulden trifft ($ 10 Allerh. VO. vom 10. Mai 1903,
FMBl. S. 211). Hierzu beſtimmt § 37 Abſ. 2
GA., daß dem Rentamtmann die ſorgfältige Ueber:
wachung des Kataſterumſchreibdienſtes obliegt. Daß
hierzu die Kontrolle der ausgeſtellten Belaftungs-
zeugniſſe gehört, dürfte nicht in Abrede zu ſtellen
ſein. Es fragt ſich nur, wie weit dieſe Kontrolle geht.
Die Kontrolle hat ſich auf den Vergleich mit
dem Gefällskataſter oder Grundbuch und auf die
Richtigkeit der Berechnung des urſprünglichen und
des Reſtkapitals zu beſchränken. Denn das Er—
fordernis der formellen Richtigkeit des Belaſtungs—
zeugniſſes iſt, wie bereits ausgeführt, deſſen genaue
Uebereinſtimmung mit dem Gefällskataſter (Ziff. 14
Abſ. 3 der Bek. vom 5. Februar 1898). Stimmt
die Belaſtung mit dem Gefällskataſter überein und
iſt hiernach das Kapital richtig berechnet, ſo iſt
formell das Zeugnis richtig. Die Frage nach der
Richtigkeit des Gefällskataſters und der hierdurch
bedingten materiellen Vollſtändigkeit und Richtig—
keit des Belaſtungszeugniſſes muß hier ausſcheiden.
Denn es iſt vollkommen klar, daß man die Prüfung
dieſer Vorfragen bei Ausſtellung der Be—
laſtungszeugniſſe ſchon mit Rückſicht auf die Kürze
der Zeit unmöglich verlangen kann. So viel
dürfte feſtſtehen, daß bei jenen Rentämtern, bei
welchem kein Rentamtsaſſeſſor aufgeſtellt oder ihm
die ſpezielle Ueberwachung des Umſchreibdienſtes
nicht übertragen iſt (FM Bl. 1903 ©. 332/7), der
Rentamtmann jedenfalls dann haftbar iſt, wenn er
keine Nachprüfung des Belaſtungszeugniſſes vor—
genommen hat. Iſt jedoch dem Rentamtsaſſeſſor
die ſpezielle Ueberwachung des Umſchreibdienſtes
übertragen (FM Bl. 1903 S. 327 ff.), fo gehen
die oben bezeichneten Aufgaben auf ihn über und
der Amtsvorſtand wird fih nur zu überzeugen
haben, daß der Rentamtsaſſeſſor durch Mitzeichnung
BZBeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
im allgemeinen darüber zu wachen haben,
daß ſeitens des Rentamtsaſſeſſors eine Prüfung
der Belaſtungszeugniſſe in obigem Sinne ſtatt⸗
findet. Hiernach entſcheidet ſich die Frage, welche
Perſonen haften, wie folgt:
In erſter Linie haftet jener Amtsgehilfe, der
die Belaſtungszeugniſſe ausgeſtellt hat. In zweiter
Linie haftet der Rentamtmann oder der Rent⸗
amtsaſſeſſor, inſoferne ihnen ein Verſchulden bei
der formellen Kontrolle nachgewieſen werden kann,
oder wenn ſie einem andern als dem durch die
Geſchäftsordnung hierzu berufenen Gehilfen dieſe
Arbeit übertragen und ſie hierbei ein Verſchulden
in der Auswahl trifft.
Die Antwort auf die zweite Frage lautet:
Die Haftung beſteht gegenüber dem durch die
unrichtige Ausſtellung mittelbar oder un:
mittelbar Geſchädigten. Wie kann durch
eine irrige Ausſtellung eines Belaſtungszeugniſſes
eine Schädigung eintreten?
Die möglichen Fälle ſind folgende:
1. Das Belaſtungszeugnis enthält einen im
Gefällskataſter oder Grundbuch ausgewieſenen
Bodenzins nicht.
2. Es weiſt einen geringeren Betrag als der
Gefällskataſter oder das Grundbuch aus.
3. Es enthält einen im Gefällskataſter oder
Grundbuch nicht nachgewieſenen Bodenzins.
4. Es weiſt einen höheren Bodenzins als der
Gefällskataſter oder das Grundbuch aus.
5. Es weiſt ein zu geringes Kapital aus.
6. Es weiſt ein zu großes Kapital aus.
Die materielle Richtigkeit des Gefälls⸗
kataſters und Grundbuchs vorausgeſetzt, erwächſt
in den Fällen 1, 2 und 5 dem Käufer und in
den Fällen 3, 4 und 6 dem Verkäufer ein Schaden,
wenn die Kauf- oder Verkaufsſumme mit Rück⸗
ſicht auf die durch das irrige Zeugnis nachgewieſene
Belaſtung zu hoch oder zu niedrig bemeſſen wurde.
Dem Fiskus kann aus der irrigen Ausſtellung
unmittelbar kein Schaden erwachſen, denn die Be:
laſtung wird durch die Ausſtellung des Zeugniſſes
in keiner Weiſe geändert, ſie bleibt rechtlich bis
zur wirklichen vollſtändigen Ablöfung beſtehen und
mit ihr die dingliche und perſönliche Haftung des
früheren Beſitzers, ſowie die dingliche Haftung
des neuen Beſitzers für die jährlichen Leiſtungen
und für das Ablöſungskapital (vgl. Stengel,
GrundentlG. § 16 S. 137/141, AG. z. BGB.
Art. 128).
Mittelbar allerdings kann ſich für den Staat
ein Schaden inſoferne ergeben, als der Beſchädigte
die Haftung des Staates für ein Verſchulden des
Amtsvorſtandes nach § 89 BGB. (vgl. den Aufſatz
in den Annalen des Deutſchen Reichs 1901
Nr. 7/8) in Anſpruch nimmt. Art. 60 des AG.
z. BGB. dürfte nicht einſchlagen, denn die dem
Rentamte übertragene Verwaltung der Grund—
des Zeugniſſes für deſſen Prüfung einſteht, und gefälle ift fider nicht eine Ausübung öffentlicher
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. 331
Gewalt. Es ergibt ſich übrigens in beiden Fällen
das gleiche Reſultat.
Selbſtverſtändlich haftet der Beamte dem Staate
gegenüber für den hierdurch entſtandenen Schaden.
Es können ſich hiernach nachſtehende Haftungen
ergeben:
1. Für das Verſchulden des Amtsvorſtandes
und des Aſſeſſors haftet der Staat (BGB. $ 89).
Eine Haftung des Staats für den Gehilfen be-
ſteht nicht.
2. Der Amtsvorſtand und der Aſſeſſor haften
hier wieder dem Staat aus der Verletzung ihrer
Amtspflicht (BGB. § 823, EG. Art. 78, BER.
T Kap. XXIV, 88/9; Geret, Rechg. Recht
54).
Die weitere Frage, wann die Erſatzpflicht ein⸗
tritt, iſt dahin zu beantworten, daß der Schaden
und damit die Erſatzpflicht gegeben iſt, wenn das
Grundſtück zu teuer gekauft oder zu billig verkauft
iſt. Der Käufer oder Verkäufer braucht ſich nicht
die Einrede gefallen zu laſſen, daß ihm gegen den
Verkäufer oder Käufer ein Minderungs- oder ein
Erſatzanſpruch nach $ 462 BGB. oder ein An:
fechtungsanſpruch nach § 123 BGB. zuſtehe. Prat-
tiſch wird die Haftungsfrage allerdings erſt dann,
wenn der Fiskus den 1 mit der
Bodenzins- oder Ablöſungspflicht in Anſpruch nimmt
oder nehmen muß, ohne daß der Verkäufer oder
der Käufer die Sache vorher durch Ablöſung oder
Entſchädigung ſeines Käufers oder Verkäufers ge—
regelt hat oder doch ſofort freiwillig zum Ausgleich
bringt.
Eine weitere Frage ift die, ob dem erſatz—
pflichtigen Fiskus oder Beamten ein Anſpruch auf
Uebertragung einer derartigen Forderung zuſteht.
Dieſe Frage iſt beſtritten.
„Planck“ bejaht ſie. „Staudinger“ verneint
fie; nach dem Wortlaute des Geſetzes ift ein Ueber:
tragungsanſpruch nicht ausgeſchloſſen. (Vgl. Stau:
dinger, BGB. II S. 61/2). Gegebenen Falles
kann auch ein Anſpruch wegen ungerechtfertigter
Bereicherung gegen die Käufer oder Verkäufer in
Frage kommen (BGB. $ 812).
Die erſte Vorausſetzung der Geltendmachung
einer Haftung iſt der Nachweis der unrichtigen
Ausſtellung eines Belaſtungszeugniſſes und die
Feſtſtellung der hierwegen haftenden Perſönlichkeit.
Mit Rückſicht hierauf intereſſiert uns ganz
beſonders die Frage, was denn mit dem Be—
laſtungszeugniſſe nach feiner Ausſtellung geichieht. |
Es wird teils den Parteien, teils dem Notariats—
erſtere Behandlung läßt ſich nichts einwenden. Die
letztere aber iſt bedenklich.
Es fragt ſich, was dann weiter mit dem
Zeugniſſe geſchieht.
Die Antwort hierauf lautet verſchieden. Einige
Notare bewahren die Zeugniſſe auf, einige geben
ſie den Parteien hinaus, hier gehen ſie meiſtens
verloren, und einige Notare vernichten ſie.
Insbeſondere die beiden letzteren Möglichkeiten
ſind ſehr bedenklich. Wenn eine Differenz zwiſchen
Urkunde und Gefällskataſter ſich ergibt, wie iſt
da ein einwandfreier Nachweis möglich, daß das
Zeugnis unrichtig war?
Noch viel weniger aber läßt ſich die Frage
beantworten, wer als Ausſteller, Mitzeichner und
Unterfertiger haftbar iſt.
Bezüglich der Uebereinſtimmung zwiſchen Zeugnis
und Urkunde begründet die notarielle Urkunde nach
$ 418 BPO. vollen Beweis, allerdings nur bis
zum Nachweiſe des Gegenteils, allein wie kann
dieſer Nachweis geführt werden und iſt wirklich
eine Irrung in der Urkunde gänzlich ausgeſchloſſen?
Für die Beantwortung der Frage aber, wer
als Ausſteller des Zeugniſſes, wer als Kontroll:
beamter haften ſoll, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Darum wäre es im Intereſſe der Rechtsſicher⸗
heit dringend zu wünſchen, daß die Beiheftung
der Zeugniſſe ausnahmslos angeordnet würde.
Will die Partei ein Exemplar für ſich, ſo kann
ſie ſich leicht eine Abſchrift verſchaffen.
Mitteilungen ans der Praxis.
Die Prüfungspflicht des Vormund ſchaftsgerichts bei
Genehmigung zweifelhafter Nechtsgeſchäfte und die Be:
ſchwerde vor der Pflegſchaftsanordunng. Dem Beſchluß
des Kammergerichts vom 14. Februar 1907 (RIA. 8,
170 = BBI. 8, 79 KGJ. 34, 11) liegt, ſoweit er hier
in Betracht kommt, folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach dem Tode des X. übernahm ſeine Witwe durch
notariellen Vertrag den Nachlaß von den Erben zu
Alleineigentum; von dieſen war einer minderjährig
und es war für ihn bei der notariellen Verhandlung
Y. als Vertreter aufgetreten, obwohl er als Pfleger
gar nicht beſtellt war. Der Notar ſtellte ſodann beim
Vormundſchaftsgericht den Antrag auf Genehmigung
der von Y. abgegebenen Erklärungen und das Vor—
mundſchaftsgericht lehnte die Genehmigung ab, weil
die notarielle Vertragsurkunde wegen eines Form—
fehlers nichtig ſei; die Beſchwerde war erfolglos.
Nunmehr legte der minderjährige Miterbe, der das
18. Lebensjahr vollendet hatte, weitere Beſchwerde ein,
perſonal zum Gebrauche bei der Beurkundung die das KG. für zuläſſig erachtete mit der Ausführung:
ausgehändigt.
Die weitere Behandlung iſt in Ziff. 2 Abſ. 2
der Bek. des Staatsmin. d. Juſtiz v. 23. Fe⸗
Justi 8 treten werden; er ſtehe als Pflegebefohlener alſo nach
bruar 1898 (JM Bl. S. 187) geregelt.
Hiernach haben die Notare das Belaſtungs—
zeugnis entweder der Urkunde beizuheften oder
deſſen Inhalt in der Urkunde zu vermerken. Gegen
der Beſchwerdeführer ſtehe unter der elterlichen Ge—
walt feiner Mutter, der Grundſtücksübernehmerin,
müſſe aber bei der Teilung durch einen Pfleger ver—
8 1915 BGB. einem Mündel gleich. Ein Mündel
habe aber nach 8 59 Abſ 1 Sau 2 FGG. ein felb-
ſtändiges Beſchwerderecht in allen Angelegenheiten,
in denen er vor einer Entſcheidung des Vormund—
332
ſchaftsgerichts gehört werden ſoll, was im vorliegenden
Fall nach § 1827 Abſ. 2 zutreffe. Der Umſtand, daß
bisher eine Pflegſchaft noch nicht angeordnet iſt, ſtehe
dem Beſchwerderecht des Minderjährigen nicht ent⸗
gegen. —
Dieſer Anſicht iſt nicht beizuſtimmen.
Den Antrag des Notars auf Genehmigung des
Vertrags mußte das Vormundſchaftsgericht ohne
weiteres zurückweiſen, da ja eine Pflegſchaft noch gar
nicht angeordnet war, die Genehmigung aber eine
Verwaltungshandlung innerhalb der beſtehenden
Pflegſchaft iſt. Wohl aber mußte das Gericht aus
dieſem Antrag des Notars Anlaß nehmen, eine Pfleg—
ſchaft nunmehr von Amts wegen anzuordnen und den
N., der bei der Erbteilung bereits als Vertreter des
Pfleglings aufgetreten war, zum Pfleger zu beſtellen,
wofern nicht beſondere Gründe dem entgegenſtanden.
Sodann mußte der beſtellte Pfleger entweder namens
des Pfleglings einen neuen Teilungsvertrag mit der
Witwe und den Miterben ſchließen oder die von ihm
unbefugt abgegebenen Erklärungen mindeſtens nach
8 185 Abſ. 2 BGB. genehmigen, was nach 8 182
Abf. 1 gleichfalls nur durch Erklärung gegenüber der
Witwe (Uebernehmerin) oder gegenüber den Erben
geſchehen konnte. Dieſe Zuſtimmung bedurfte einer
beſonderen Form zwar nicht, § 182 Abſ. 2; aber eine
Genehmigung des Vertrags durch das Vormund—
ſchaftsgericht konnte doch erſt dann in Frage kommen,
wenn der Vertrag an ſich (d. h. abgeſehen von der
erforderlichen Genehmigung des Vormundſchafts—
gerichts) rechtswirkſam geſchloſſen war. Das Gericht
mußte alfo etwa den öffentlich-urkundlichen Nachweis
verlangen, daß der beſtellte Pfleger nunmehr ſeine
früheren Erklärungen den Beteiligten nochmals ab⸗
gegeben habe; ſodann mußte das Gericht das unter
Pflegſchaft ſtehende Kind nach § 1827 über die Er-
teilung der Genehmigung hören und wenn das Ge—
richt dann die Erteilung der Genehmigung verweigerte,
ſo war das Kind zur Beſchwerde berechtigt. Dagegen
war für das Beſchwerderecht des Kindes kein Raum,
ſolange eine Pflegſchaft noch gar nicht beſtand, dem-
nach eine Angelegenheit, in der das Kind vor der
Entſcheidung gehört werden konnte, noch gar nicht
vorlag. Allerdings wird, worauf das KG. hinweiſt,
vom Geſetz auch eine der Bevormundung bedürftige
Perſon als „Mündel“ bezeichnet, fo in 88 1787, 1846
BGB., § 36 FGG.; allein dieſer Ausdrucksweiſe
bedienen ſich die Geſetze nur da, wo die Anord-
nung der Vormundſchaft oder die vor der Anord—
nung erforderlichen Maßregeln in Frage ſtehen. Das
Beſchwerderecht aus § 59 Abſ. 1 Satz 2 fegt aber
eine (erfolgte oder unterbliebene) Abhörung des
Mündels voraus und von dieſer kann nur nach er—
folgter Anordnung der Vormundſchaft die Rede ſein.
Vor erfolgter Auordnung iſt die Möglichkeit der Ab—
hörung nicht gegeben, alſo für eine Beſchwerde kein
Raum. — Für dieſe Anſicht ſpricht auch folgende
Erwägung: Auf Grund der Entſcheidung des KG.,
das die notarielle Urkunde als rechtsgültig erachtete,
mußte das Vormundſchaftsgericht, an das die Sache
zurückverwieſen wurde, nunmehr prüfen, ob der Ver-
trag jetzt vom Standpunkt des Auſfſichtsrechts als
im Intereſſe des Pfleglings liegend zu genehmigen
fei; es mußte doch aber behufs Vornahme dieſer
Prüfung zunächſt eine Pflegſchaft anordnen und den
Pfleger beſtellen. Geſetzt, daß dieſer nun aber (mochte
es der bisher aufgetretene Y). oder ein anderer ſein)
Komm. zum JOG.,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
eine Teilung der früher beſchloſſenen Art aus irgend⸗
welchen Gründen nicht für angemeſſen hielt, ſo war
die Möglichkeit vorhanden, daß das ganze Verfahren,
das zur Entſcheidung über die Beſchwerde Anlaß gab,
hinfällig und hiermit die Entſcheidung des Beſchwerde⸗
gerichts völlig überflüſſig wurde. Man kann aber
nicht annehmen, daß das Geſetz beabſichtige, Ent-
ſcheidungen der Beſchwerdegerichte erforderlich zu
machen, deren Wirkſamkeit erſt von ganz ungewiſſen
Ereigniſſen abhängig iſt.
Dieſe letztere Erwägung muß aber auch gelten
für die Frage, unter welchen Vorausſetzungen das
Vormundſchaftsgericht ſelbſt verpflichtet iſt, eine ſach⸗
liche Entſcheidung über die beantragte Genehmigung
zu erlaſſen. Es kann dieſe ſicher nicht deshalb ab⸗
lehnen, weil die Wirkſamkeit des vom Vormund be⸗
tätigten Rechtsgeſchäfts zweifelhaft iſt. Zeigt z. B.
der Käufer, der vom Vormund das Mündelgrundſtück
erworben hat, dem Gericht, noch bevor es ſich über
die Erteilung der vom Vormund nachgeſuchten Ge-
nehmigung ſchlüſſig gemacht hat, an, daß er den Ver⸗
trag nicht als wirkſam anerkenne oder ſich zum Rück⸗
tritt berechtigt erachte, und bleibt demgegenüber der
Vormund beim Antrag auf Genehmigung, ſo hat das
Vormundſchaftsgericht, wenn die völlige Nichtig⸗
keit des Vertrages und deren Unheilbarkeit Elar-
liegt, die Sachentſcheidung abzulehnen; denn dem Ge⸗
richt der freiwilligen Gerichtsbarkeit iſt nicht zuzu⸗
muten, zu Rechtsakten mitzuwirken, die von vornherein
gegenſtandslos ſind.) Dagegen darf das Vormund⸗
ſchaftsgericht wegen bloßer Zweifel über die
Gültigkeit des Vertrags die Sachentſcheidung über die
Genehmigung nicht ablehnen; es hat vielmehr auch
bei zweifelhafter Gültigkeit des Rechtsgeſchäfts ſich
darüber zu äußern, ob vom Standpunkt des Aufſichts⸗
rechts des Vormundſchaftsgerichts der Vertrag zu
genehmigen iſt und die Frage nach der materiellen
Wirkſamkeit des Vertrags bleibt dem Prozeßgericht
vorbehalten.) Denn die Tätigkeit des Vormundſchafts⸗
gerichts iſt dazu beſtimmt, dem Wohl des Mündels
zu dienen; dieſes erfordert aber, daß, bevor ein
zweifelhafter und koſtſpieliger Prozeß begonnen wird,
der Vormund darüber Gewißheit haben muß, daß der
Vertrag nicht nachträglich an der Verſagung der Ge-
nehmigung ſcheitere und der Prozeß nicht völlig
zwecklos geführt wird. Eine Ueberſpannung dieſes
richtigen Grundſatzes aber ift es, wenn in KOX. 32, 49
eine Sachentſcheidungspflicht des Vormundſchafts⸗
gerichts über die Genehmigung in folgendem Fall anz
genommen iſt: Eine Witwe hatte durch notariellen
Vertrag ein Grundſtück an ein minderjähriges Kind
ihres e verkauft; das Kind war hierbei durch
) Ueber eine andere Anwendung dieſes Rechts—
ſatzes fiche Joſef im ArchBürgR. 29, 74
2) Dem Vormundſchaftsgericht ſteht alfo nicht die
Entſcheidung über die Gültigkeit des Vertrags zu. Der
in der freiwilligen Gerichtsbarkeit ſonſt herrſchende
Grundſatz, daß das Gericht, wenn die Feſtſtellung des
ſtreitigen Rechts eine Vorausſetzung für die Erlaſſung
der Entſcheidung iſt, auch über das ſtreitige Recht zu
entſcheiden habe, findet hier keine Anwendung, da
nach der Abſicht des Geſetzes das Vormundſchafts—
gericht hier nur zu entſcheiden hat, ob vom Stand—
punkt ſeines Aufſichtsrechts die Rechtshandlung im
Intereſſe des Mündels zu genehmigen iſt. Joſef,
2. Aufl. 1906, Zuſ. IX zu 8 1 und
Buf. A zu 8 12.
den Vater vertreten und hatte Hypotheken in An⸗
rechnung auf den Kaufpreis übernommen, ſo daß
hiernach (8 1822 Ziff. 10 mit § 1613) die Genehmi⸗
gung des Vormundſchaftsgerichts erforderlich war.
Noch bevor dieſe erteilt wurde, erklärte die Ver⸗
käuferin gegenüber dem Vormundſchaftsgericht, daß
fie den Vertrag nicht mehr aufrecht halte. Die Xn-
ſtanzgerichte hatten darauf die Sachentſcheidung über
die Genehmigung abgelehnt, weil der Vater kraft
Geſetzes ($ 1795 Ziff. 1 mit § 1630) von der Berz
tretung ſeines Sohnes bei einem zwiſchen dieſem und
der Mutter des Vaters abgeſchloſſenen Vertrag aus⸗
geſchloſſen war. Das KG. erklärte aber das Vor⸗
mundſchaftsgericht für verpflichtet zur Sachentſcheidung,
alſo zu prüfen, ob der Vertrag vom Standpunkt der
Aufſicht zu genehmigen iſt. Dem iſt nicht beizutreten.
Nach der vom RG. ſtändig feſtgehaltenen Recht⸗
ſprechung (RG3Z. 56, 107; JW. 08, 5 Nr. 4 und 271
Nr. 5) bewirkt Mangel der Vertretungsmacht in den
Fällen der SS 181, 1795, 1630 allerdings keine Nichtig⸗
keit, ſondern nur eine Unwirkſamkeit, die durch nach⸗
trägliche Genehmigung geheilt werden kann; in unſerem
Fall würde der Kaufvertrag alſo rechtswirkſam ge⸗
ſchloſſen und vollgültig ſein, wenn inzwiſchen etwa
das Kind volljährig geworden und den Vertrag ge⸗
nehmigt hätte. Aber eine ſo erfolgte Genehmigung
kam in dem entſchiedenen Fall gar nicht in Frage;
vielmehr war die Rechtslage dieſelbe wie bei Abſchluß
des Vertrags, d. h. der Vertrag war unwirkſam ge⸗
ſchloſſen und unwirkſam geblieben. Es lag alſo ein
nil actum vor und der vom Vater geſchloſſene Ver⸗
trag war nicht anders zu beurteilen, als wenn irgend:
ein Unberufener für das Kind Erklärungen abgegeben
bätte. Die bloße Möglichkeit, daß ein vom Vormund⸗
ſchaftsgericht zu beſtellender Pfleger vielleicht den
unwirkſamen Vertrag genehmigt hätte, konnte das
Vormundſchaftsgericht nicht verpflichten, eine ſachliche
Entſcheidung über den Antrag auf Genehmigung des
juriſtiſch gar nicht vorhandenen Rechtsgeſchäfts ab-
zugeben. Vielmehr war der richtige Weg der, daß
das Vormundſchaftsgericht, da der Vater bei dem Ans
trag auf Genehmigung verblieb, zunächſt dem Kind
einen Pfleger beſtellte; dieſer mußte ſodann pflicht⸗
mäßig in Erwägung ziehen, ob er die vom Vater
unbefugt abgegebenen Erklärungen genehmigen ſolle
und wenn er dies getan, dann erſt hatte das Vor⸗
mundſchaftsgericht die Sachentſcheidung darüber ab-
zugeben, ob der Vertrag vom Standpunkt des Auf⸗
ſichtsrechts zu genehmigen ſei.
Anders, wenn der Vater nicht von der Vertretung
des Kindes ausgeſchloſſen geweſen wäre; dann hätte
ein rechtsgültiger Vertrag vorgelegen und die bloße
Tatſache, daß die Wirkſamkeit des Vertrages zweifel⸗
haft war, weil die Verkäuferin dem Vormundſchafts—
gericht erklärt hatte, ſie halte ſich an den Vertrag
nicht für gebunden, hätte hier das Vormundſchafts—
gericht nicht von der Verpflichtung befreit, über den
Antrag auf Genehmigung ſachlich zu entſcheiden.
Das Ergebnis dieſer Unterſuchung iſt hiernach:
1. Xit die Wirkſamkeit eines der vormundſchafts⸗
gerichtlichen Genehmigung bedürftigen Rechtsgeſchäfts
zweifelhaft, ſo darf das Vormundſchaftsgericht nicht
um deswillen eine Sachentſcheidung ablehnen; dagegen
iſt ſie abzulehnen, wenn das Rechtsgeſchäft nichtig
oder deshalb unwirkſam iſt, weil das Rechtsgeſchäft
gar nicht vom geſetzlichen Vertreter oder von dieſem in
einem Fall vorgenommen iſt, wo er geſetzlich von der
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
Vertretung ausgeſchloſſen war. Die bloße Möglich:
keit, daß der geſetzliche Vertreter oder ein zu be-
ſtellender Pfleger die unbefugt abgegebenen Erklärungen
genehmigen könnte, verpflichtet das Gericht nicht zur
Sachentſcheidung über die Genehmigung des zurzeit
völlig unwirkſamen Rechtsgeſchäfts.
2. Das Beſchwerderecht aus § 59 Abſ. 1 Satz 2
FGG. ſteht nicht bloß einem Mündel, ſondern auch
dem unter Pflegſchaft ſtehenden Kinde zu; da Vor⸗
ausſetzung der Beſchwerde aber eine Angelegenheit
iſt, in der das Kind vor der Entſcheidung gehört
werden foll, dies alfo eine bereits beſtehende Pfleg⸗
ſchaft vorausſetzt, ſo ſteht die Beſchwerde nur dem
bereits unter Pflegſchaft geſtellten, nicht dem erſt unter
Pflegſchaft zu ſtellenden Kind zu.
Rechtsanwalt Dr. Eugen Joſef in Freiburg i. Br.
Zur Frage der Zuſtändigkeit bei Anſprüchen eines
im Wiederanfnahmeverfahren Freigeſprochenen. Die
Eheleute H. wurden vom Schöffengerichte zu Geld⸗
ſtrafen von je 10 Mk. und zur Tragung der Koſten ver⸗
urteilt, ſpäter aber von demſelben Gerichte im Wieder⸗
aufnahmeverfahren unter Aufhebung des früheren Ur⸗
teils und Ueberbürdung der Koſten auf die Staatskaſſe
freigeſprochen. Zugleich mit dieſem zweiten Urteile
wurde durch Beſchluß nach § 4 des Geſetzes vom
20. Mai 1898, betreffend die Entſchädigung der im
Wiederaufnahmeverfahren freigeſprochenen Perſonen,
die Staatskaſſe für entſchädigungspflichtig erklärt. Sie
verlangten Rückerſtattung der auf Grund des erſten
Urteils gezahlten Koſten und Geldſtrafen.
Meinungsverſchiedenheiten, die ſich hierbei hin⸗
ſichtlich der Frage ergaben, ob die Eheleute H. ihre
Anſprüche mittels des Verfahrens nach 8 5 des be⸗
zeichneten Geſetzes, alſo durch Antragſtellung bei der
Staatsanwaltſchaft, verfolgen könnten oder gar müßten,
veranlaſſen mich zu folgenden Bemerkungen:
Daß der auf Rückerſtattung gezahlter Koſten
gerichtete Anſpruch in keinerlei Zuſammenhang mit
dem FreigeſprG. ſteht, ift ohne weiteres klar. Denn
nach deffen § 2 ift Gegenſtand des dem Verurteilten
zu leiſtenden Erſatzes nur der für ihn durch die S tra f-
vollſtreckung entſtandene Vermögensſchaden. Es
kann ſich deshalb auch der nach $ 4 ergebende Be⸗
ſchluß nur auf den durch die Strafvollſtreckung ent-
ſtandenen Vermögensſchaden beziehen. Da endlich das
im 8 5 geregelte Verfahren nur inſoweit Platz greift,
als „auf Grund des die Verpflichtung der Staatskaſſe
zur Entſchädigung ausſprechenden Beſchluſſes ein Ans
ſpruch geltend gemacht wird“ und die Beitreibung der
Koſten von dem Verurteilten keine Strafvollſtreckung
enthält, fo wenig wie die Verurteilung zu den Koſten
eine Nebenſtrafe bildet (vgl. Ullmann, Lehrbuch des
d. Strafprozeßrechts S. 649: „Die Verbindlichkeit zur
Tragung der Koſten iſt eine zivilrechtliche“) folgt von
ſelbſt, daß eine Rücker ſtattung gezahlter Koſten nicht
im Wege des 8 5 d. FreigeſprG. verlangt werden kann.
Die Erläuterungen zu dieſem Geſetze von E. Burlage
und von Löwe⸗Hollweg erachten dies offenbar für
ſelbſtverſtändlich, fo daß fie hierüber kein Wort ver-
lieren.
In Anſehung des Anſpruches auf Rückerſtattung
der Geldſtrafe ſcheint dagegen die Sache auf den
erſten Blick anders gelagert zu ſein. Die eben ge—
zogene Schlußfolgerung in Verbindung mit dem Um—
ſtande, daß die Beitreibung der Geldſtrafe, der die
—
334 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
freiwillige Zahlung gleichſteht, tatſächlich als Straf-
vollſtreckung aufzufaſſen iſt, ſcheint zu der Annahme
zu drängen, daß dieſer Anſpruch (auch) gemäß 8 5
d. FreigeſprG. geltend gemacht werden kann. Dieſen
Standpunkt vertritt in der Tat der Kommentar von
E. Burlage (vgl. S. 125 Note 10: „Auf die Be:
reicherungsklage zurückzugreifen, kann namentlich dann
für den Verurteilten von Intereſſe ſein, wenn der
Entſchädigungsanſpruch nach 8 5 erloſchen fein ſollte“).
Bei näherem Zuſehen ergeben ſich aber hiergegen
Bedenken.
Wie bezüglich gezahlter Koſten jo auch hinſichtlich
einer gezahlten Geldſtrafe hatte der im Wiederauf—
nahmeverfahren Freigeſprochene ſchon vor dem Geſetze
vom 20. Mai 1898 einen Rückzahlungsanſpruch gegen
die Staatskaſſe aus dem Geſichtspunkte der ungerecht—
fertigten Bereicherung unmittelbar auf Grund des im
Wiederaufnahmeverfahren ergangenen Ausſpruchs, daß
das frühere Urteil, zufolge deſſen die Zahlung erfolgte,
aufgehoben fei. Es war nicht Zweck des FreigeſprG.,
über bereits nach dem bisherigen Rechte beſtehende
Anſprüche unſchuldig Beſtrafter Beſtimmungen zu
treffen. Seine Aufgabe beſtand vielmehr darin, An-
ſprüche zu gewähren, die bisher nicht beſtanden, und
dabei erſchien es angezeigt, auch gleich den Weg ein:
heitlich zu regeln, auf dem dieſe Anſprüche zu verfolgen
feien. Es wird daher auch nicht ohne weiteres an-
zunehmen ſein, daß das FreigeſprG. für ſchon nach
dem früheren Rechte begründete Anſprüche neben dem
bisherigen Wege der Geltendmachung einen neuen
Weg eröffnen wollte. Hierzu kommt aber, daß eine
Reihe wichtiger Beſtimmungen, die das FreigeſprG.
über die von ihm gewährte „Entſchädigung“ unter⸗
ſchiedslos trifft, auf die gezahlte Geldſtrafe nicht an-
wendbar find. So Abſatz 2 des $ 3: „Bis zum Pez
trage der geleiſteten Entſchädigung tritt die Kaſſe in
die Rechte ein, welche dem Entſchädigten gegen Dritte
um deswillen zuſtehen, weil durch deren rechtswidrige
Handlungen ſeine Verurteilung herbeigeführt war.“
Zweifellos kann derjenige, der auf Grund einer
böswilligen Anzeige und Ausſage zu einer Geldſtrafe
verurteilt worden iſt und dieſe bezahlt hat, gemäß
§ 826 BGB. von dem böswilligen Anzeiger und Zeugen
Erſatz für die gezahlte Geldſtrafe verlangen. Trog-
dem kann keine Rede davon ſein, daß die Staatskaſſe,
von der die gezahlte Geldſtrafe dem im Wiederauf—
nahmeverfahren Freigeſprochenen zurückerſetzt worden
iſt, bis zum Betrage dieſes Rückerſatzes in das Recht
des Entſchädigten gegen den böswilligen Anzeiger und
Zeugen eintritt; denn es kann nicht im Sinne der an—
geführten Geſetzesbeſtimmung liegen, die Staatskaſſe
in einem ſolchen Falle beſſer zu ſtellen, als ſie ohne
die böswillige Anzeige und Ausſage geſtellt geweſen
wäre). So ferner Abſatz 4 des § 5: „Bis zur end-
gültigen Entſcheidung über den Antrag tft der An—
ſpruch (d. h. auf die Entſchädigung) weder übertragbar,
noch der Pfändung unterworfen.“ Es geht doch nicht
wohl an zu ſagen: „Der Anſpruch auf Rückerſtattung
einer gezahlten Geldſtrafe iſt wie jeder Anſpruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung übertragbar und pfänd—
bar, wenn er nicht auf dem Wege des 5 5 verfolgt
wird, andernfalls aber unübertragbar und unpfänd—
bar, bis über den Antrag im Verfahren nach 8 5
endgültig entſchieden iſt.“ Bei dieſer Unterſtellung wäre
der Gläubiger, der einen ſolchen Anſpruch pfänden
laſſen will, in einer üblen Lage. Sein Schuldner
hätte drei Monate Zeit zur Wahl, ob er den Anſpruch
im Wege des 85 verfolgen will; inſolange könnte er
alſo nicht pfänden laſſen; mittlerweile aber könnte der
Schuldner Rückerſatz der Geldſtrafe bei der Finanz-
behörde verlangen und bekommen und der Gläubiger
hätte das Nachſehen. Oder wollte man die Unpfänd⸗
barkeit und Unübertragbarkeit erſt mit der Stellung
des Antrages bei der Staatsanwaltſchaft beginnen
laſſen? Jedenfalls hat der Geſetzgeber einen ſo
eigentümlichen Rechtszuſtand nicht ſchaffen wollen.
„Durch die Beſtimmung in Abſ. 4 folte einem un:
würdigen Handel mit der Entſchädigungs forderung
vorgebeugt und verhindert werden, daß die dem Ver⸗
urteilten zugedachte Wohltat demſelben durch Dritte
verkümmert wird“ (Begr. z. FreigeſprG.). Eine Ab-
änderung des bisherigen Rechts in Anſehung der nach
ihm bereits begründeten Forderungsanſprüche lag dem⸗
nach ferne. So endlich Abſ. 1 Satz 1 des 8 5, wonach
der Anſpruch bei Vermeidung des Verluſtes binnen
drei Monaten zu verfolgen iſt, und Abſ. 3 Satz 2,
demzufolge für die Anſprüche auf Entſchädigung das
Landgericht ausſchließlich zuſtändig iſt.
Ferner iſt zu beachten, daß die Gründe, welche
im öffentlichen Intereſſe zur Einführung des Bor:
verfahrens nach § 5 bewogen haben, für den Anſpruch
auf Rückerſtattung einer Geldſtrafe nicht zutreffen.
Man ſieht ſchlechterdings nicht ein, warum die oberſte
Behörde der Landesjuſtizverwaltung mit der Ent:
ſcheidung über einen Anſpruch befaßt werden ſollte,
der dem Grunde und der Höhe nach durch das im
Wiederaufnahmeverfahren ergangene Urteil und die
aktenmäßige Tatſache der erfolgten Zahlung bereits
feſtſteht. Man kann auch nicht einwenden, daß dieſer
Behörde immer noch die Prüfung obläge, ob nicht
der nach 8 4 ergangene Beſchluß infolge Aufhebung
des freiſprechenden Urteiles außer Kraft getreten ſei.
Denn — und das iſt ein weiterer Geſichtspunkt gegen
die bekämpfte Anſchauung — der Anſpruch auf Rück⸗
zahlung der Geldſtrafe iſt von einem Beſchluſſe nach
§ 4 fo unabhängig, daß er auch beſteht, wenn der
Beſchluß beim Mangel der Vorausſetzungen des 81
Ab}. 1 Satz 2 oder beim Vorliegen der Voraus:
ſetzungen des §1 Abſ. 3 dahin lautet, daß die Staats⸗
kaſſe zur Entſchädigung nicht verpflichtet ſei. In dieſem
Falle aber wird niemand daran denken, daß der Weg
des § 5 gangbar ſein könnte.
Aus all dem dürfte zur Genüge erhellen, daß
das FreigeſprG. den Anſpruch auf Rückerſtattung einer
gezahlten Geldſtrafe nicht mit umfaſſen will und daß
dieſer deshalb auch nicht mittels des Verfahrens nach
85 verfolgt werden kann. Die Faſſung des 82 ſtebt
dem nicht im Wege; diefe Beſtimmung kann obne
Zwang dahin verſtanden werden: „Gegenſtand des zu
leiſtenden Erſatzes iſt der durch die Strafvollſtreckung
entſtandene, nicht {hon nach dem bisherigen
Rechte zu erſetzende Vermögensſchaden“.
Der gleichen Anſicht Scheint Löwe-Hollweg, Komm.
z. StPO. S. 1009 Note 2 zu fein: „In den nach
früherem Rechte begründeten Rechtszuſtand hat das
Geſetz nicht eingreifen wollen. Soweit es ſich aber
um weiteren, durch die Einziehung der Geldſtrafe ver—
urſachten Vermögensſchaden handelt, gelten die Grund—
ſätze des (Freigeſpr.) G. auch hier.“
Nach m. A. konnten alſo die Eheleute H. ihre
Anſprüche nur durch Angehung der Finanzbehörde
geltend machen. Hätten ſie einen durch die Einziehung
der Geldſtrafe ihnen entſtandenen beſonderen Ver—
mögensſchaden (Zinsverluſte, Pfändungskoſten x.) ers
— Ulm nn — — 00 nn
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
ſetzt verlangt, ſo hätten ſie inſoweit, aber auch nur |
inſoweit, Antrag bei der Staatsanwaltſchaft zu Stellen
gehabt.
Vielleicht hat eine „oberſte Behörde der Landes⸗
juſtizverwaltung“ zu der hier erörterten Frage bereits
Stellung genommen. Die Mitteilung eines ſolchen
Falles wäre ſehr erwünſcht.
II. Staatsanwalt Schülein in Bayreuth.
Soll der Staatsanwalt einen beſtimmten Straf:
antrag ſtellen? Das geltende Recht ſpricht ſich über
dieſen Punkt überhaupt nicht aus, es handelt in 8 257
StPO. nur davon, daß der Staatsanwalt nach
Schluß der Beweisaufnahme das Recht hat, das Wort
zu ſeinen Ausführungen und Anträgen zu ergreifen.
Es iſt deshalb auch, da nicht einzuſehen wäre, warum
dieſe Befugnis gerade Halt machen ſollte vor einem
Ausſpruch über Art und Höhe der Strafe, beim
Schweigen des Geſetzes ein gar nicht zu bezweifelndes,
vielmehr allgemein anerkanntes und ausgeübtes Recht
der Staatsanwaltſchaft, ſich auch über Strafart und
Strafhöhe auszuſprechen.
Eine andere Frage iſt die, ob dieſem Zuſtand auch
ein hinreichender Berechtigungsgrund zur Seite ſteht,
ob hier nicht vielmehr de lege ferenda eine Aenderung
anzuſtreben wäre in der Weiſe, daß der ſtaatsanwalt⸗
allgemeinen über Anwendung einer höheren oder
niederen Strafe ausſprechen könne, ſei weder nötig
noch ratſam. Wenn dem entgegengehalten wurde, das
Ziel der öffentlichen Klage und der Strafverfolgung
fei nicht die Schuldigerklärung, ſondern die Berur-
teilung zu einer beſtimmten Strafe, der Staat habe
darüber hinaus auch ein Intereſſe an der richtigen
Strafe, an der Strafbemeſſung, ſchon deshalb müſſe
ſchaftliche Antrag lediglich auf Verurteilung, Frei⸗
ſprechung oder Einſtellung zu lauten hätte, nicht aber
auch auf ein beſtimmtes Strafmaß. Mancherlei ſpricht
für eine Regelung in dieſem Sinne.
Schon bei Schaffung unſerer Strafprozeßordnung
wurde diefe Frage aufgeworfen und erörtert (ſ. Protokolle
der Reichstagskommiſſion S. 395 ff.).
dem Staatsanwalt das Recht verbleiben, in dieſer
Hinſicht beſtimmte Anträge zu ſtellen, ſo iſt dies
nicht ſtichhaltig. Gewiß iſt richtig, daß der Staats⸗
anwalt nicht nur die Anklage zu vertreten, ſondern
das Verfahren überhaupt zu betreiben hat, aber
das zweifellos vorhandene Intereſſe des Staates an
der Strafzumeſſung beſteht doch nicht im gleichen Sinn
und gleicher Stärke wie an der Strafverfolgung über⸗
haupt, wofür ja in erſter Linie der Staatsanwalt
berufen iſt, ſondern doch lediglich in dem Sinne und
Umfang, daß eben der Staat für die Strafrechtspflege
überhaupt zu ſorgen hat. Dieſer Pflicht aber wird
er gerecht durch Beſtellung eigener Organe, der Richter,
die ja übrigens auch die Strafzumeſſung zu begründen
haben, eine Sollvorſchrift, die nötigenfalls ohne weiteres
zur Mußvorſchrift erhoben werden könnte. „Daher
überlaſſe man die Sorge für Ausmeſſung der Strafen
und damit die Sorge für die Kontinuität der Recht⸗
ſprechung am beſten den unbeeinflußten Richtern, nicht
aber dem Staatsanwalt, der unter dem Drucke ſeiner
amtlichen Stellung ſteht, wenn er zu niedere Straf⸗
anträge ſtellt, da er dadurch Gefahr läuft, nicht als
energiſch genug zu gelten (ſ. Prot.). Es iſt nicht zu
leugnen, daß die Fragen der Strafbemeſſung ſich vom
ſtaatsanwaltſchaftlichen Standpunkt aus immer etwas
anders darſtellen als vom unabhängigen Richterſtand⸗
punkt aus.
Ueberblickt man die damals geltend gemachten
Gründe und Gegengründe, ſo wird man ſagen dürfen,
daß erſtere letztere überwogen und man hätte er⸗
warten dürfen, daß dem jetzigen § 257 ſchon damals
die zur Debatte ſtehende Beſtimmung: „Der Staats⸗
anwalt hat einen beſtimmten Antrag über
die Bemeſſung der Strafe innerhalb des
geſetzlichen Strafſatzes nicht zu ſtellen“
hinzugefügt würde.
beſcheidung dieſer Frage noch eine nahezu 30jährige
Nunmehr ſteht aber für Ver⸗
Praxis und Erfahrung zu Gebote, ſo daß heute manches,
was damals nur als Befürchtung hingeſtellt werden
konnte, jetzt als feſtbegründete Tatſache vertreten
werden, und anderſeits manches anſcheinend begrün⸗
dete Bedenken als haltlos oder wenigſtens über⸗
trieben bezeichnet werden kann. Man wird daher
in Zuſammenfaſſung und Ergänzung der in der Reichs⸗
tagskommiſſion hervorgehobenen Argumente aufs neue
und mit größerer Berechtigung dieſem Antrag das
Wort reden müſſen und zwar aus folgenden Er⸗
wägungen heraus:
1. Schon die Stellung des Staatsanwalts
jelbit erfordert eine ſolche Neform. Es muß
an der in der RTR. vertretenen Anſicht feſtgehalten
werden (ſ. Protokolle), daß die Aufgabe des Staats⸗
anwalts nur dahin gehe, dahin zu wirken, daß der
Schuldige nach dem Geſetz, das auf den betreffenden
Falls paſſe, beſtraft werde, fein Beruf fei nur, inner-
halb dieſes Rahmens die Anwendung des Straf⸗
geſetzes zu provozieren, nicht aber, dem Gericht inner⸗
halb des Strafmaßes eine beſtimmte Linie vorzu⸗
zeichnen; mehr als das, daß ſich der Staatsanwalt im
Wenn weiter entgegnet wurde, dieſe Anträge ſeien
eines der Mittel, zu bewirken, daß den Fragen der
Strafzumeſſung die gleiche Sorgfalt zugewendet würde
wie der Schuldfrage, da auch die Strafſchärfungs⸗ und
⸗milderungsgründe der Rede und Gegenrede unter-
worfen blieben, es ſei alſo, wie es Loewe in ſeinem
Kommentar zur StPO. (f. Anm. zu $ 257) ausdrückt,
eine Erörterung der Strafzumeſſungsgründe gerade
im Intereſſe des Angeklagten inſofern, als er dadurch
erfahren werde, welche Umſtände als Strafſchärfungs⸗
gründe gegen ihn geltend gemacht würden, und ſomit
Gelegenheit erhalte, auch in dieſer Beziehung zu wider⸗
ſprechen und Gegengründe zu bringen, ſo trifft dieſer
Einwand m. E. die Sache überhaupt nicht. Denn
es würde, wie ohne weiteres erſichtlich, durch die ange⸗
regte Aenderung des § 257 eine Erörterung der
Strafzumeſſungsgründe von Seite des Staatsanwalts
in keiner Weiſe ausgeſchloſſen, ſie bliebe nach wie
vor geſtattet, und nur von einem beſtimmten Straf—
antrag hätte der Staatsanwalt abzuſehen, in der
Weiſe, wie es beute ſchon bei den Plaidoyers vor den
Schwurgerichten geſchieht.
Ebenſowenig kann der weitere von einem Gegner
in der RTK. ausgeſprochene Einwand durchdringen,
das Anſehen des öffentlichen Anklägers werde durch
Entziehung dieſes Rechtes erheblich beeinträchtigt. Ein
anderes Kommiſſionsmitglied betonte demgegenüber,
die Stellung des Staatsanwalts werde dadurch nur
gewinnen, er werde dann viel leidenſchaftsloſer vor-
gehen. Mag letztere Erwartung nun zutreffen oder nicht,
mag man überhaupt mit oder ohne Berechtigung von
einer Leidenſchaftlichkeit ſprechen, jedenfalls würde ſich
nicht eine Minderung des Einfluſſes des Staats⸗
anwalts, ſondern eine Hebung ſeiner Stellung
daraus ergeben. Dieſe, die an ſich noch unter mancher⸗
lei rechtlichen Unklarheiten leidet, würde nur reiner
und geklärter werden. Er würde in vielen Fällen
frei werden von einem gewiſſen Odium, das dem
Staatsanwalt nun einmal von der Maſſe der Un⸗
gebildeten entgegengebracht wird, aus denen ſich ja
hauptſächlich die ſtraffälligen Perſonen rekrutieren,
und aus dem heraus, wie bekannt, ſchon mancher be⸗
ſonders bösartige oder leidenſchaftliche Angeklagte im
Merger über einen hohen Strafantrag und in Ber-
kennung der Verhältniſſe ſich zu Exzeſſen, ſogar tät⸗
licher Art, dem amtierenden Staatsanwalt gegenüber
hat hinreißen laſſen. Denn gewöhnlich iſt der Anlaß
zu ſolchen Exzeſſen nicht in der Wut über den Richter⸗
ſpruch, ſondern im Aerger über einen hohen Straf:
antrag zu ſuchen. Dieſe, die Stellung des Staats⸗
anwalts, den Gang der Verhandlung und die Würde
des Gerichts im allgemeinen gewöhnlich in gleicher
Weiſe beeinträchtigenden Vorkommniſſe würden in Zu⸗
kunft in den meiſten Fällen wegfallen.
Schließlich kann man auch nicht die Parallele mit
dem Verteidiger als dem Gegenſtück zum Staats-
anwalt ziehen. Denn abgeſehen davon, daß ſich infolge
weſentlicher Ungleichheiten in der Stellung überhaupt
nicht ſo ohne weiteres ein Vergleich ziehen läßt, fehlt
dem Verteidiger auch die Umkleidung mit ftaat=
licher Autorität mit all den bieraus ſich ergebenden
Folgen. Dieſer Einwand wurde ſchon damals zu-
treffend mit dem Hinweis entkräftet, daß vom Ber-
teidiger jeder wiſſe, er handle lediglich zugunſten des
Angeklagten, der Staatsanwalt dagegen handle im
Namen des Staates.
2. Das Hauptargument, das für eine Aenderung
des beſtehenden Zuſtandes ſpricht, ſcheint mir aber in
dem ſeinerzeit in der RT K. ausgedrückten Bedenken zu
liegen, daß es immer einen ſchlechten, peinlichen
Eindruck mache, wenn das Gericht anders erkenne
als der Staatsanwalt beantragt habe, nur ſelten aber
werde das Gericht mit den Anträgen übereinſtimmen,
es werde ſo etwas immer als eine kleine Niederlage
des Staates aufgefaßt, da man gewohnt ſei, den
Staatsanwalt mit der tatſächlichen Strafgewalt des
Staates zu identifizieren. Darauf wußte man weiter
nichts zu erwidern, als daß diefe Befürchtung jeden⸗
falls übertrieben ſei, außerdem mache es den gleichen
ſchlechten Eindruck, wenn der Staatsanwalt Frei—
ſprechung beantrage, das Gericht aber verurteile.
Letzteres iſt jedoch nicht richtig; denn ein ſolcher An—
trag vermeidet eben infolge ſeiner Allgemeinheit und
Unbeſtimmtheit all die gerügten Mißſtände, aber ſelbſt
wenn es richtig wäre, kommt dieſer Fall doch ſo ſelten
vor, daß er ſchon deshalb ohne Bedeutung wäre. Aber
es iſt auch, das kann man heute nach ca. 30 Jahren
füglich behaupten, jene Befürchtung nicht übertrieben.
Es muß tatſächlich den ungünſtigſten Eindruck machen,
wenn ſolche klaffende Gegenſätze zwiſchen Strafantrag
und ⸗ausſpruch entſtehen, zumal wenn wie meiſtens
die Erkenntniſſe hinter den Anträgen zurückbleiben.
Und es wirkt um ſo peinlicher, je größer und je
häufiger dieſe Unterſchiede auftreten. Die große
alle weiß diefe Vorkommniſſe nicht richtig zu
würdigen, fie weiß nicht, daß es Aufgabe des Staats-
anwalts iſt, gerade die Strenge des Geſetzes zu ver—
treten, ſie ſieht darin eine Art von Demütigung des
Staatsanwalts und ſo entſteht gar leicht das Zerrbild
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
des „böſen“ Staatsanwalts. Dieſe Vorkommniſſe laſſen
den Gedanken nicht aufkommen, daß ſie doch alle, Ge⸗
richt, Staatsanwalt und Rechtsanwalt zum Dienft der
Rechtspflege berufen ſind, ſondern beſtärken vielmehr
die Idee von der Gegenſätzlichkeit der Intereſſen
dieſer Organe. Dieſe ſich ſo unangenehm bemerkbar
machenden Tatſachen tragen gewiß nicht zur Hebung
des Anſehens der Juſtiz bei, und wenn ihre Be⸗
ſeitigung auch auf die Rechtspflege unmittelbar, auf
ihre Güte, ohne Einfluß bleiben würde, ſo iſt
ſie doch heutzutage, wo das Schlagwort von der
Hebung des Vertrauens des Volkes in die Rechts⸗
pflege eine ſo große Rolle ſpielt, von Wichtigkeit, als
eines der kleinen aber durchaus nicht unweſentlichen
Mittel, dieſes Vertrauen zu ſtärken, und die angeregte
Geſetzesänderung daher wohl wert.
3. Durch einen beſtimmten Strafantrag wird oft
eine unerwünſchte Beeinfluſſung der Richter, der Be⸗
rufsrichter weniger als der Laienrichter hervorgerufen.
Man wies ſchon in der RK. darauf hin, daß bei
ſchwachen Richtern der Staatsanwalt durch ſeinen
Antrag Einfluß auf die Strafabmeſſung gewinnen
werde, da ſolche es gerne vermeiden möchten, allzuſehr
zu differieren mit dieſen Anträgen, die Richter würden
bei Wegfall des beſtimmten Strafantrags mit mehr
Unbefangenheit zu Werke gehen. Dieſer Grund iſt
allerdings ziemlich hinfällig. Denn wenn auch der
von der Gegenſeite getane Ausſpruch, daß Richter,
welche ſich auf dieſe Weiſe beeinfluſſen ließen, den
Namen Richter überhaupt nicht verdienten, als gar
zu apodiktiſch zu weit geht, — muß man doch ſagen,
daß ſolche ſich bei einzelnen findende Schwächen
durchaus normale, in der menſchlichen Natur be-
gründete Eigenſchaften ſind, die übrigens auch regel⸗
mäßig paralyſiert werden durch die Mehrzahl der
Richter, denen nur ein Staatsanwalt gegenüberſteht —,
fo iſt doch richtig, daß, wenn eine Beeinfluſſung in
dieſem Punkt zu fürchten wäre, ſie auch in jeder andern
Hinſicht begründet wäre. Zurückzuweiſen iſt aller⸗
dings der Einwand, daß, wenn der Vorwurf der Be⸗
einfluſſung begründet wäre, ſie durchaus nicht durch
die angeregte Aenderung beſeitigt würde, da der
Staatsanwalt im allgemeinen erklären könne, daß er
die eine oder andere Strafe für angemeſſen halte.
Denn eine ſolche Handhabung würde dem klaren Ge⸗
ſetzeslaut, wie er nach der Aenderung lauten würde,
direkt widerſprechen, die Reviſionsinſtanzen würden
diefe Auslegungsfrage ſicherlich in dieſem Sinne ver:
beſcheiden. Der befürchtete und unerwünſchte Einfluß
tritt vielmehr vor allem den Schöffen gegenüber her⸗
vor. Auf ſie wirkt ein hoher Strafantrag weit mehr
und es gelingt oft nicht, wenn nicht beſondere Um⸗
ſtände vorliegen, die Schöffen demgegenüber auf ein
milderes Strafmaß herabzuſtimmen.
4. Schließlich verfängt den erwähnten Punkten
gegenüber auch nicht der Einwurf, daß der Staats⸗
anwalt ja das Recht der Berufung hat, wenn ihm
die Strafe zu nieder erſcheint. Denn abgeſehen davon,
daß die Berufung nur gegen Schöffengerichtsurteile
ſtattfindet, wo infolge der weit engeren Strafrahmen
und der Möglichkeit der Strafbefehle ſolche Gegen:
ſätze zwiſchen Strafantrag und ⸗ausſpruch nicht fo
groß ſein und daher auch nicht ſo unliebſam auffallen
können, vermeidet dieſer Weg der Berufung überhaupt
alle die Mißſtände, die durch die Reform getroffen
werden ſollen. Folgerichtig müßte allerdings die
Berufung des Staatsanwalts wegen der Straf:
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
böhe, eine unmittelbare Folge der Anerkennung des
ſtaatsanwaltſchaftlichen Einfluſſes auch auf die Straf⸗
bemeſſung, überhaupt wegfallen. Dies kann ohne
weiteres geſchehen, da ſie ebenſowenig nötig iſt als
die Antragsbefugnis ſelbſt.
Es genügt alſo nach dem Geſagten die heute bloß
in das Belieben des Staatsanwalts geſtellte Möglich⸗
keit, beſtimmte Strafanträge zu ſtellen oder zu unter⸗
laſſen, nicht, es iſt eine geſetzliche Regelung bei der
bevorſtehenden Reform der StPO. erforderlich.
Rechtspraktikant Karpf in Nürnberg.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Formvorſchrift des 8 313 BGY. Unrichtige Benr:
kundung des Kaufpreiſes. Unterſchied zwiſchen einer
Zuwendung, die den Berkäufer für die Unterhandlungen
günftig ſtimmen foll, und der Sorani lung eines Teiles
es Kaufpreiſes. Aus einem notariellen Kaufvertrage
wird auf Uebergabe und Auflaſſung geklagt. Die
Beklagte bezeichnet den Vertrag als nichtig, weil darin
eine unrichtige Summe als Kaufpreis beurkundet ſei,
nämlich 36 000 M, während ein Kaufpreis von 36600 M
vereinbart fei, wovon 600 M ſchon vor dem notari-
ellen Abſchluß bezahlt worden ſeien. Der Kläger gibt
zu, daß er vor der notariellen Beurkundung der Bes
klagten bar 525 M gegeben und noch 50 M an den
Vermittler zahlen zu wollen erklärt habe, behauptet
aber, dies ſei geſchehen, um die Beklagte zu einem
Abſchluß für 36000 M geneigt zu machen; er habe
dabei geſagt, dieſe Zahlung betrachte er nicht als
Kaufgeld, ſondern nur als Opfer für das Zuſtande—
kommen des Vertrags, als Kaufgeld ſolle nur die
Summe von 36 000 M gelten. Das OLG. hat die
Klage abgewieſen. Die Reviſion wurde verworfen.
Aus den Gründen: Das OLG. geht davon
aus, daß eine Leiſtung, die der Käufer neben dem
Kauſpreiſe mache, fo lange fie fih als Entgelt für die
Ueberlaſſung des Kaufgegenſtandes darſtelle, wirt—
ſchaftlich wie rechtlich als Teil des in Wirklichkeit
gewollten Kauſpreiſes behandelt werden müſſe, möchten
auch die Parteien ihr wörtlich eine andere Rechtsnatur
beigelegt haben. Für die Auslegung des Vertrages
ſei der rechtliche Begriff des Kaufpreiſes und die billige
Auslegung des eigentlichen Parteiwillens maßgebend
und dieſe ergäben, daß die Auffaſſung der Beklagten
die naturgemäße, die des Klägers dagegen eine ge—
zwungene ſei. Auch der Kläger habe nach Lage der
Sache die 600 M nur als einen Teil des eigentlichen
Kaufpreiſes anſehen können und offenbar auch in
Wirklichkeit als ſolchen betrachtet. Die Erklärung
vor dem Notar enthalte nicht die Vereinbarung, daß
die Summe von 36 000 M der richtige Kaufpreis fein,
ſondern nur daß ſie als Kaufpreis beurkundet werden
ſolle, und dadurch ſei die Beurkundung unrichtig ge—
worden. Daraus folge die Nichtigkeit des ganzen
Vertrages, denn bei der Höhe der Summe von 600 M
laſſe ſich nicht annehmen, daß etwa der Vertrag auch
ohne dieſe Preiserhöhung geſchloſſen worden ſein
würde (§ 139 BGB.). Der Begründung des Berufungs-
urteils war beizutreten. Es kann zugegeben werden,
daß eine Zuwendung, die gemacht wird, um den Emp—
fänger für erft bevorſtehende Kaufverhandlungen
geneigt zu ſtimmen, nicht ohne weiteres als Teil des
künftigen Kaufpreiſes angeſehen werden kann. So
liegt aber die Sache hier nicht. Der Kläger hatte ſich
337
überzeugen müſſen, daß das Grundſtück nicht unter
36 600 M zu haben war, und wenn er unter dieſen
Umſtänden die Beklagte vorher mit einer Barzahlung
von annähernd 600 M abfand, um dann mit ihr einen
notariellen Kaufvertrag zu dem darin angegebenen
Preiſe von 36 000 M zu ſchließen, fo kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß jene Barzahlung wirtſchaftlich
ein Entgelt, eine Gegenleiſtung für das verkaufte
Grundſtück war, das der Kläger anders nicht erhalten
konnte. Dann iſt ſie aber auch rechtlich als Kaufpreis
zu behandeln und die Beklagte in dieſer Beziehung
eines weiteren Beweiſes überhoben. Ob ſich über:
haupt Umſtände denken laffen, die eine andere recht-
liche Beurteilung rechtfertigen könnten, mag dahin-
geſtellt bleiben. Eine bloße Erklärung der Parteien,
daß eine derartige Leiſtung nicht als Kaufpreis ge—
rechnet werden ſolle, würde dafür noch nicht genügen
und es mag beiſpielshalber erwähnt werden, daß der
etwaige Zweck des Käufers, auf dieſe Weiſe an Stempel
und Koſten zu ſparen, nichts gegen die Kaufpreis—
eigenſchaft, wohl aber umgekehrt bewieſe, daß der
Kaufpreis nur verſchleiert werden ſollte. (Urt. des
V. 3S. vom 30. Mai 1908, V 463/07). — — —n.
1340
II.
Ein Bebeg gegen die guten Sitten liegt nicht vor,
wenn in einer Anzeige ein zwar ungünſtiger aber nicht
unrichtiger Vergleich zwiſchen der angepriefenen Ware
und der Ware eines Konkurrenten gezogen wird. Die
Beklagte vertreibt unter der Bean „W.“ Wein-
moſt“ einen naturreinen Traubenſaft. In einer Zeit—
ſchrift hat ſie dieſen Saft als beſonders geeignet zur
Traubenkur und Blutreinigung empfohlen und im
Anſchluß hieran über das von der Klägerin herge—
ſtellte Getränk (eine aus getrockneten Aepfeln her—
geſtellte Art von Apfelſaft) behauptet: „Vollwertiger,
edler Traubenſaft iſt kein alkoholfreies Erſatzgetränk,
wie z. B. billiges, aber gehaltarmes Backobſtwaſſer
(folgt die Bezeichnung des Getränks).“ Sie iſt vom
LG. verurteilt worden, die Wiederholung und Ver—
breitung derartiger Angaben zu unterlaſſen. Ihre
Berufung iſt zurückgewieſen worden. Das RG. wies
die Klage ab.
Aus den Gründen: Die Vorinſtanzen halten
den Klaganſpruch für begründet, weil in der von der
Klägerin beanſtandeten Anzeige ein Verſtoß gegen die
guten Sitten liege, durch den der Klägerin vorſätzlich
Schaden zugefügt werde, und fomit eine Zuwider—
handlung gegen § 826 BGB. vorliege. Das OLG.
führt aus: Die Bezeichnung des von der Klägerin
hergeſtellten Getränks als eines billigen, aber gehalts—
armen Backobſtwaſſers könne vom Zeitungsleſer beim
Fehlen einer Erläuterung nur dahin verſtanden werden,
daß es ſich um ein billiges und ſchlechtes Genußmittel
handle, durch deſſen Erwerb man ſich ſchädige, und
zweifellos habe dieſe Beurteilung den Abſatz des Ge—
tränks beeinträchtigt. Zweifellos habe die Beklagte
auch vorausgeſehen, daß ihre Anzeige jene Auslegung
finden und dieſen Erfolg für die Klägerin haben werde;
ſie habe dem Publikum ihr herabſetzendes Urteil ohne
jede Unterlage für eine ſelbſtändige Nachprüfung kund—
gegeben und hierzu ſich auch nach den vorgelegten
Gutachten nicht für befugt halten können. Nach dieſen
ſei das Getränk nicht als an ſich geringwertig zu be—
zeichnen, wie es die Anzeige der Beklagten tue. Dieſe
ſelbſt laſſe es als für Erfriſchungszwecke brauchbar
gelten; es ſei daher anzunehmen, daß ſie ſich allein
von der Abſicht habe leiten laſſen, das Erzeugnis der
Klägerin zu verunglimpfen.
Die Reviſion iſt begründet. Da das OLG. den
Inhalt der Anzeige und den Zweck, den die Beklagte
mit ihr verbunden hat, nur dieſer ſelbſt und der
Stellung der Parteien im geſchäftlichen [Leben zuein—
ander entnommen hat, ſo handelt es ſich inſoweit
338
nicht um eine konkrete tatfächliche Feſtſtellung, ſondern
um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung vom Re—
viſionsgericht nachzuprüfen iſt. Dieſe Nachprüfung
führt zu dem Ergebnis, daß nicht der geringſte Mn-
halt dafür gegeben iſt, daß die Beklagte ſich habe von
der Abſicht leiten laſſen, das Erzeugnis der Klägerin
zu verunglimpfen und als ein ſchlechtes Genußmittel
hinzuſtellen, durch deſſen Genuß man ſich (pekuniär)
ſchädige. Die Bezeichnung des Getränks als eines
billigen, aber gehaltsarmen Backobſtwaſſers enthält
nach dem Zuſammenhang mit dem übrigen Inhalt
der Anzeige nichts objektiv unrichtiges; denn nach der
von den Parteien im weſentlichen übereinſtimmend
angegebenen Herſtellungsweiſe iſt es ein Produkt, das
durch Auslaugen getrockneter Aepfel mit Waſſer ge—
wonnen wird. Es liegt auf der Hand, daß ein ſolches
Produkt jedenfalls im Vergleich zu dem in der
Anzeige erwähnten „vollwertigen edlen Traubenſaft“
als ein gehaltarmes bezeichnet werden darf und der
Ausdruck „Backobſtwaſſer“ ſagt weiter nichts, als
daß das Getränk durch Auslaugen getrockneter Aepfel
mit Waſſer hergeſtellt wird. Mag auch der Ausdruck
etwas draſtiſch ſein, ſo geht er doch nicht über das
im wirtſchaftlichen Kampfe erlaubte Maß hinaus,
keinesfalls kann in ſeinem Gebrauch ein Verſtoß wider
die guten Sitten gefunden werden. Vielmehr dient
das Verfahren der Beklagten einem erlaubten und
berechtigten Zweck, namentlich, wenn man berückſichtigt,
daß die Anzeige das Getränk nur zum Vergleiche
mit der von der Beklagten vertriebenen Ware er—
wähnt; insbeſondere ſagt ſie keineswegs, daß es ein
„ſchlechtes“ oder ein — wenn auch nur pekuniär —
„ſchädliches“ Genußmittel fei. (Urt. des VI. ZS. vom
11. Juni 1908, VI 295/07). — — gn.
1330
III.
1. Umfang der Haftung des Automobilbeſitzers für
den 1 75 eur. Die Haftung ift nach § 831 Abſ. 1
Satz 2 BOY. nnr dann auögeſchloſſen, wenn der Dienſt⸗
herr auch bei Prüfung der fittlichen und geiſtigen Eigen⸗
ſchaſten des Chauffeurs die erforderliche Sorgfalt be⸗
obachtet hat.
2. Muß über die Frage, ob gemäß § 843 Abſ. 3 BGB.
dem Verletzten eine Kapitalabfindung ftatt einer Rente
zu gewähren ift, ſtets im Zwiſchenurteil über den Grund
des Anſpruchs entfchieden werden?)
Aus den Gründen: 1. Eine Perſon, der die
ſelbſtändige Leitung eines zu ſchneller Fortbewegung
beſtimmten Gefährts an verkehrsreichen Orten über-
tragen werden ſoll, iſt hierzu nur dann geeignet, wenn
ſie neben den dazu nötigen techniſchen Fertigkeiten auch
die zur Bewältigung der durch einen ſtarken Verkehr
verurſachten Schwierigkeiten und zur Vermeidung der
dadurch entſtehenden Gefahren erforderlichen geiſtigen
und ſittlichen Eigenſchaften hat — Beſonnenheit,
Umſicht, Geiſtesgegenwart l. ein reges Pflicht-
und Verantwortlichkeitsgefühl. Dieſe Anforderungen
müſſen in verſtärktem Maße für die Führer von Auto—
mobilen geſtellt werden.
die Haftung für den durch das ſchuldhafte Verhalten
ihres Chauffeurs M. den Klägern verurſachten Schadens
nur dann ablehnen, wenn ſie dargetan hätte, daß ſie
bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorg—
falt davon habe überzeugt ſein dürfen, daß M. in
dieſem Sinne eine zur ſelbſtändigen Führung eines
Automobils geeignete Perſönlichkeit ſei. M. iſt zu—
nächſt einige Zeit als Schloſſer in dem Geſchäft der
Beklagten tätig geweſen, dann / Jahr lang als
Chauffeur ausgebildet worden und hat dann die durch
die Polizeiverordnung vom 15. April 1901 vorge—
ſchriebene Prüfung vor einem behördlich anerkannten
1) Yul. bier zu die Abbandlung von Reichsgerichtsrat Schneider
in Nr. 2 dieſes Jabrnangs.
Die Beklagte könnte daher
Sachverſtändigen beſtanden, worüber ihm ein Zeugnis
erteilt worden iſt. Zu der Zeit, als die Beklagte zur
nächſt den M. als ſelbſtändigen Führer von Automo⸗
bilen verwendete, lag ſonach ein poſitiver Anhalt wohl
über feine Kenntniſſe und Fertigkeiten bei der Be:
handlung und Leitung von Kraftfahrzeugen vor, nicht
aber darüber, ob er die ſonſtigen für einen Leiter von
ſolchen erforderlichen Eigenſchaften, insbeſondere das
nötige Maß von Pflicht- und Verantwortlichkeitsgefühl
habe. Ein begründetes Urteil hierüber haben die Be-
klagten aber auch in der Zeit zwiſchen dem Tage, von
dem ab M. als ſelbſtändiger Automobilführer über:
haupt erſt verwendet werden durfte, und dem Unfall
nicht erlangt und auch nicht erlangen können. Denn
ſie haben gar keine Maßnahmen ergriffen, die geeignet
geweſen wären, ihnen verläßliche Kenntnis davon zu
verſchaffen, wie fih M. in feinem Dienſte als Auto-
mobilfahrer verhalte. Sie haben nicht dafür geſorgt,
daß hierüber eine angemeſſene Zeit hindurch von dazu
geeigneten Perſonen Beobachtungen angeſtellt wurden,
ebenſowenig bei Perſonen, die von ihm geführte Wagen
benutzt hatten, Erkundigungen eingezogen und nicht
einmal Vorkehrungen dahin getroffen, daß ihnen
etwaige Strafen bekannt würden, die er ſich durch die
Art, wie er fuhr, zuziehe. Günſtige Urteile, die in ver⸗
einzelten Fällen von Perſonen ausgeſprochen worden
waren, die mit M. gefahren waren, konnten nicht aus-
reichen, die Ueberzeugung der Beklagten zu begründen,
daß M. zu der ihm übertragenen verantwortlichen
Tätigkeit geeignet ſei. Von der Reviſion iſt geltend
gemacht worden, eine ſolche Vorſicht bei der Auswahl
von Automobilführern, wie fie vom OLG. verlangt
werde, könne nicht als durch die im Verkehr erforder:
liche Sorgfalt geboten angeſehen werden, da ſie tat—
ſächlich nicht durchführbar ſei. Es ſei unmöglich, als
Führer von Kraftwagen immer nur Leute zu ver⸗
wenden, bei denen das Vorhandenſein der von dem
Berufungsgericht geforderten geiſtigen und moraliſchen
Eigenſchaften durch längere Beobachtung und Er—
probung bereits dargetan ſei, und es könne daher auch
nicht eine zum Schadenserſatze verpflichtende Verſchul—
dung des Automobilbeſiters ſchon darin gefunden
werden, daß er die Leitung ſeines Gefährts einem
Manne anvertraue, der dieſe Eigenſchaften praktiſch
zu bewähren noch keine Gelegenheit gehabt habe. Es
müſſe alſo, wenn nicht unmögliches verlangt werden
ſolle, genügen, wenn der Beſitzer eines Kraftwagens
deſſen Leitung einem Manne übertrage, der erwieſener—
maßen die dazu nötigen techniſchen Kenntniſſe und
Fertigkeiten im vollen Maße beſitze, unbeſcholten und
nüchtern ſei und nach ſeiner ganzen Perſönlichkeit als
ein ordentlicher und beſonnener Menſch erſcheine. Auch
dieſer Ausführung iſt nicht beizuſtimmen. Die Haftung
für den von M. verurſachten Schaden wird der Be—
klagten nicht angeſonnen, weil fie ſelbſt ein Verſchulden
treffe, und deshalb ihre Schadenserſatzpflicht aus § 823
BGB. begründet erſcheine, ſondern auf Grund der
Vorſchrift in 8831. Nach dieſer ift, wer einen andern
zu einer Verrichtung beſtellt, grundſätzlich zum Erſatze
des Schadens verpflichtet, den dieſer andere in Aus—
führung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich
zufügt, ohne Rückſicht darauf, ob den Geſchäftsherrn
ein Verſchulden trifft. Iſt dieſer im einzelnen Falle
infolge allgemeiner oder beſonderer Verhältniſſe nicht
in der Lage, ſeine Auswahl auf eine Perſon zu richten,
für welche die Annahme hinreichend gerechtfertigt iſt,
daß ſie die zu der betreffenden Verrichtung nötigen
Fähigkeiten und ſonſtigen Eigenſchaften habe, ſo wird
hierdurch das Maß der Anforderungen, welche bezüg—
lich der Auswahl zu ſtellen ſind, nicht beeinflußt, es
tritt vielmehr, wenn der Nachweis nicht erbracht
wird, daß dieſen Anforderungen genügt worden fei,
die im § 831 ſtatuierte Regel in Kraft, weil eben der
Ausnahmefall nicht vorliegt, für den ſie nach dem
Geſetz ausgeſchloſſen ſein ſoll.
2. Die Reviſion hat geltend gemacht, es hätte ſchon
in dem Zwiſchenurteil über den Grund des Klag—
anſpruchs die Frage entſchieden werden müſſen, ob
den Klägern die ihnen zugebilligte Entſchaͤdigung
durch eine Kapitalabfindung oder in der Form einer
Rente zu gewähren fei. In der Tat hat der er-
kennende Senat ſchon öfter ausgeſprochen, daß die
erwähnte Frage in den Bereich des Streits über den
Grund des Klaganſpruchs fällt. Es iſt auch hieran
grundſätzlich feſtzuhalten, jedenfalls in dem Sinne,
daß, wenn allein Kapitalabfindung gefordert iſt, der
Klaganſpruch für dem Grunde nach berechtigt nur er—
klärt werden darf, wenn ausnahmsweiſe das Verlangen
nach dieſer Art der Entſchädigung begründet erſcheint,
daß alſo in Fällen, wo eben nur dieſe eine Art der
Entſchädigung beantragt iſt, die Entſcheidung darüber,
ob ſie verlangt werden kann, nicht dem Verfahren
über den Betrag überwieſen werden kann. Aber auch
dann, wenn in erſter Linie Kapitalabfindung und nur
eventuell Gewährung einer Rente gefordert worden iſt,
wie es hier geſchehen iſt, muß jedenfalls die Frage
von vornherein geprüft werden, ob die zuerſt verlangte
Art der Entſchädigung berechtigt fei, und es ent-
ſpricht, wenn ſie zu verneinen iſt, allein der Natur
der Sache, daß dann die Klage, ſoweit fie auf Kapital-
abfindung gerichtet war, abgewieſen und nur der in
zweiter Reihe erhobene Anſpruch auf Zubilligung einer
Rente für dem Grunde nach berechtigt erklärt wird.
Mitunter kann indes die Feſtſtellung der Höhe des zu
leiſtenden Schadenerſatzes auch für die Frage von weſent—
licher Bedeutung fein, in welcher der beiden in § 843
des BGB. vorgeſehenen Formen er zu leiſten ſei.
Ferner wird nicht ſelten, wenn es einer Beweisauf—
nahme nicht bloß über die Höhe des Schadens, ſondern
auch über die Frage bedarf, ob Kapitalabfindung oder
Rente zuzuſprechen ſei, eine Verbindung beider Be—
weisaufnahmen im Intereſſe der Vereinfachung des
Prozeſſes und der Vermeidung von Koſten wünſchens—
wert und angemeſſen ſein. Es darf unbedenklich als
im Sinne des & 304 der ZPO. liegend angeſehen
werden, daß in ſolchen Fällen, obwohl die Frage noch
nicht ſpruchreif iſt, welche der Entſchädigungsarten zu
wählen ſei, gleichwohl ein Zwiſchenurteil über den
Grund des Anſpruchs erlaſſen werden dürfe in der
Weiſe, daß der erhobene Schadenserſatzanſpruch im all—
gemeinen für berechtigt erklärt wird und die Frage,
in welcher Weiſe der Erſatz zu leiſten ſei, ſpäterer
Entſcheidung vorbehalten bleibt, die mit derjenigen
über den Betrag verbunden wird. Hier hat die Wor-
inſtanz einen ſolchen Vorbehalt in den Entſcheidungs—
gründen ausdrücklich ausgeſprochen, es iſt alſo jedes
Mißverſtändnis darüber ausgeſchloſſen, daß durch die
im entſcheidenden Teile des Urteils gewählte Formel
noch nicht der Anſpruch auf Kapitalabfindung für be—
rechtigt erklärt iſt. (Urt. des VI. 35. vom 15. Juni
1908, VI 341/08). —— n.
1334
IV
Berteilung der Beweislaſt beim Schadeuser jak:
anſpruche wegen angeblich fahrläſſiger Verletzung eines
Nenſchen durch einen Schuß. (Verantwortlichkeit des
Schätzen für die Beſchaffenheit der Patrone.) Aus
den Gründen: Sicherlich trifft den Kläger, der auf
die Behauptung einer unerlaubten Handlung des Be—
klagten nach $ 823 Abſ. 1 BGB. einen Schadenserſatz—
anſpruch ſtützt, die Beweislaſt, daß der Beklagte vor—
ſätzlich oder fahrläſſig eines der in der bezeichneten
Geſetzesbeſtimmung aufgeführten Rechtsgüter des
Klägers widerrechtlich verletzt habe; ſein Beweis hat
ſich nicht nur auf den objektiven Tatbeſtand der
widerrechtlichen Handlung, ſondern auch auf den ſub—
jektiven Tatbeſtand, das Verſchulden des in Anſpruch
genommenen Beklagten, zu richten. Aber er genügt
dieſer Beweispflicht, wenn er einen Sachverhalt dartut,
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
2ĩꝛ T—U— T... —T. — ́—.fl! . —— T ..... TT.. ̃ ͤ—. — — ——
339
der an ſich betrachtet nach dem regelmäßigen Zu—
ſammenhang der Dinge zunächſt die Folgerung recht—
fertigt, daß der eingetretene Unfall vom Beklagten
verſchuldet ſei; Sache des Beklagten iſt es demgegen—
über alsdann, die etwaigen beſonderen Umſtände nach—
zuweiſen, aus denen ſeine Schuldloſigkeit ſich ergibt.
(Vgl. Oertmann, R. d. Schuldv. 2. Aufl. N. 9 Abſ. 1
zu § 823 BGB.; JW. 1905 S. 448 und S. 69623;
Entſch. in ZS. Bd. 65 S. 11). Hier hat das OLG. feft-
geſtellt, daß in der vom Beklagten verwendeten Patrone
25 bis 30 Schrotkörner durch ein Bindemittel, wie
etwa Wachs, zuſammengehalten waren, und daß eben
dadurch die Verletzung des Klägers ermöglicht und
herbeigeführt wurde. Es ſteht aber weiter feſt und
iſt durch den Beklagten ſelbſt vorgetragen worden,
daß er die von ihm bei der Jagd verwendeten Patronen
ſelbſt hergeſtellt hat; durch ihn ſelbſt, durch ſeine
eigene Handlung iſt mithin der gefährliche Klebſtoff
in die Patrone gelangt. Wenn er die ſo hergeſtellte
Patrone verwendet hat, ſo liegt darin zunächſt eine
ſchuldhafte Handlung, und er iſt verantwortlich für
den infolge dieſes Schuſſes entſtandenen Schaden, ſo—
lange er nicht ſeinerſeits den Nachweis führt, daß er bei
der Herſtellung ſeiner Patronen und bei der Auswahl
der für die Jagdverwendung am Unfallstage be—
ſtimmten Geſchoſſe die im Verkehr erforderliche Sorg—
falt beobachtet hat, daß ihn nach beiden Richtungen
kein Vorwurf ſchuldhaften Verhaltens treffen kann.
(Urt. des VI. 35. vom 15. Juni 1908, VI 337/07).
1333 —— n.
V
Eutſchädigungspflicht der Verſichernugsgeſellſchaft,
wenn der Tod des Verſicherten durch „Verhebung verur:
ſacht worden ift. — Beurteilung der Rechtzeitigkeit der an
die Verſicherungsgeſellſchaft zu erſtattenden Todesanzeige
nach den Grundſätzen über Treu und Glauben. Der
Reſtaurateur G. B. in B., der bei einer Lebens—
verſicherungsbank in N. gegen Unfall verſichert war,
erkrankte am 19. November 1904 und ſtarb am fol-
genden Tage 6 Uhr 15 Minuten vormittags. Noch
am gleichen Vormittag machte ſeine Witwe dem
Agenten der Bank durch einen Boten davon Mitteilung.
Der Agent entwarf am 21. November 1904 die formular—
mäßige Unfallanzeige, ließ ſie von der Witwe unter—
zeichnen und ſandte ſie am gleichen Tage an die
Lebensverſicherungsbank „N. (Bezirksverwaltung) in
N.“ ab. Am folgenden Tag vormittags 8 Uhr wurde
die Anzeige der Lebensverſicherungsbank „N. (Bezirks—
verwaltung) in N.“ zugeſtellt, ſie gelangte aber nach
der Behauptung der Bank erſt am Nachmittag an die
Unfallabteilung. Inzwiſchen hatte am 22. November
1904 die Beerdigung des G. B. ſtattgefunden; die von
der Lebensverſicherungsbank geforderte Sektion der
wieder ausgegrabenen Leiche erfolgte am 6. Dezember
1904. Die Witwe beanſpruchte die für den Todesfall
vereinbarte Entſchädigung, weil der Tod ihres Mannes
auf einen unter die Verſicherung fallenden Unfall
zurückzuführen ſei; er habe nämlich am Tage ſeiner
Erkrankung ein etwa 26 Liter haltendes Faß auf den
Zapfbock gehoben und ſich hierdurch eine Darmein—
klemmung zugezogen, die eine Bauchfellentzündung
und den Tod verurſacht habe. In dem Rechtsſtreit
hat die Bank beſtritten, daß ein entſchädigungspflich—
tiger Unfall den Tod verurſacht habe, jedenfalls ſei
ein etwaiger Entſchädigungsanſpruch nach den Ver—
ſicherungsbedingungen dadurch verwirkt, daß die
binnen 36 Stunden zu erſtattende telegraphiſche An—
zeige über das Ableben des Verſicherten überhaupt
nicht und der weiter vorgeſchriebene ſchriftliche Bericht
nicht innerhalb der vorgeſchriebenen drei Tage an
die Direktion erjtattet worden fei. Das LG. hat dem
Klaganſpruch ſtattgegeben, das OLG. hat die Berufung
der Lebensverſicherungsbank zurückgewieſen; beide
Inſtanzen nahmen an, es ſei erwieſen, daß das Heben
340
eines Faſſes die unmittelbare alleinige Urſache des
Todes des G. B. geweſen ſei, und es ſeien die Ver⸗
ſicherungsbedingungen dahin auszulegen, daß die
Verhebung unter den Verſicherungsvertrag falle; auch
ſei eine Verwirkung des Anſpruchs nicht gegeben.
Denn es ſei das Unterlaſſen der telegraphiſchen An⸗
zeige deshalb unſchädlich, weil der ausführliche Bericht
rechtzeitig in N. eingetroffen ſei, daß die Beklagte
noch rechtzeitig die allein in Betracht kommende Maß⸗
regel — Anordnung der Sektion — hätte treffen
können; dafür, daß der bei der Bezirksverwaltung
vormittags 8 Uhr eingegangene Bericht angeblich erſt
am Nachmittag an die zuſtändige Abteilung gelangt
ſei, ſei die Klägerin nicht verantwortlich. Die Reviſion
der Beklagten wurde zurückgewieſen.
Gründe: 1. Unbegründet iſt die Rüge der
Reviſion, daß das OLG. gegen den klaren Wortlaut
des § 3 der Verſicherungsbedingungen den Unfall als
entſchädigungspflichtig betrachte. Den Vorderrichtern
iſt darin beizutreten, daß der Wortlaut dieſer Bes
ſtimmung inſofern unklar ift, als im Eingang dieſes
Paragraphen ausdrücklich geſagt iſt: „Dagegen ſind in
die Verſicherung eingeſchloſſen alle .. .. Verhebungen
. . . ., dann aber fortgefahren wird „wenn fie nicht
etwa unter Mitwirkung einer eigenen ſubjektiven
Kraftäußerung, wie z. B. Heben .. .. entſtanden
nd.“ Zutreffend führen die Vorinſtanzen aus, daß
jedes Heben und Verheben — unter „Verheben“ iſt
ein Heben zu verſtehen, das eine körperliche Schädi-
gung zur Folge hat — ein freiwilliges Tun, eine
eigene ſubjektive Kraftäußerung vorausſetzt. Liegt
hiernach eine Beſtimmung vor, deren Sinn nicht klar
ift, fo war es Sache des OL G., fie auszulegen. Die
von ihm gefundene Auslegung, daß Fälle der vor—
liegenden Art in die Verſicherung eingeſchloſſen ſein
ſollen, läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die
Entſcheidung wird aber auch durch die Erwägung
getragen, daß jedenfalls der Verſicherte nach dem
Wortlaut des 83 davon ausgehen durſte, daß die
Beklagte in Fällen der vorliegenden Art die Ent-
fchädigungspflicht übernehmen wollte.
2. Auch der Verwerfung des Verwirkungseinwandes
iſt nicht entgegenzutreten. Das OLG. geht zutreffend
davon aus, daß die Vertragsbeſtimmungen nach Treu
und Glauben zu handhaben ſind und daß eine Ver⸗
ſicherungsgeſellſchaft ih der Entſchädigungspflicht nicht
dadurch entziehen kann, daß fie ſich auf die Nicht-
beobachtung einer Vorſchrift beruft, deren Innehaltung
im gegebenen Fall gänzlich bedeutungslos geweſen
ſein würde. Es iſt feſtgeſtellt, daß die Beklagte an
der allerdings unterlaſſenen telegraphiſchen Anzeige
ein berechtigtes Intereſſe nicht gehabt hat, daß die
Klägerin der Beklagten durch den am 21. November
abgeſendeten 1 Bericht mindeſtens in
gleicher Weiſe wie durch eine innerhalb 36 Stunden
nach dem Ableben des Verſicherten aufgegebene kurze
Depeſche die Möglichkeit gewährt hat, über die allein
in Frage kommende Sektion ſich noch ſo rechtzeitig
ſchlüſſig zu machen, daß ſie noch vor der Beerdigung
veranlaßt werden konnte. Dieſe Feſtſtellung beruht
auf tatſächlichen Erwägungen. Dem OLG. ift aber
darin beizutreten, daß die Beklagte ſich ſo behandeln
laſſen muß, als ſei die ſchriftliche Anzeige am Vor—
mittag des 22. November bei ihr eingegangen. Es
iſt Sache der Verſicherungsgeſellſchaft, Vorkehrung zu
treffen, daß eine Eingabe, die bei einer der mehreren
Abteilungen eingeht, die am Sitze der Direktion ein—
gerichtet ſind und die auf den erſten Blick die Eiligkeit
der Sache erkennen läßt, ſofort an die nach dem
innern Geſchäftsbetrieb zuſtändige Abteilung weiter—
gegeben wird. Die Beklagte kann ſich jedenfalls nicht
auf eine Verſpätung berufen, die durch unzweckmäßige
und deshalb nicht vorauszuſetzende Art des Geſchäfts—
betriebs herbeigeführt ift. Das OLG. hat auch feft-
geſtellt, daß die Sektion vom 6. Dezember 1904 noch
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
EN ee — — — . ̃ — — a
i
ein klares Bild gegeben hat, fo daß durch die Nicht⸗
abſendung der telegraphiſchen Anzeige der Beklagten
ein Nachteil nicht erwachſen ift. Auch mit Rückſicht
hierauf konnte das OLG. der Berufung auf die Ber-
wirkungsklauſel den Erfolg verſagen, weil ſie wider
Treu und Glauben verſtößt. (Urt. vom 24. are 1908).
1345 — — cht — —
B. Straffaden.
I
Strafzumeſſung nach § 398 Abf. 2 StPO. in An:
ſehung der Einzelſtrafen und der Geſamtſtrafe. Durch
das infolge der Reviſion des Angeklagten aufgehobene
Urteil war der Angeklagte wegen zweier Verbrechen
der Urkundenfälſchung nach 8 268 Nr. 2 StGB. unter
Annahme mildernder Umſtände zu einer Geſamt⸗
gefängnisſtrafe von acht Monaten verurteilt worden;
die Einzelſtrafen waren mit je fünf Monaten bemeſſen
worden. In dem nunmehr mit der Reviſion ange⸗
griffenen Urteile hat das Gericht, weil die Geſchworenen
die Fragen nach dem Vorhandenſein mildernder Um⸗
ſtände verneint haben, für jeden einzelnen Fall eine
Zuchthausſtrafe von einem Jahre feſtgeſetzt, beide Strafen
auf eine Geſamtzuchthausſtrafe von 1 Jahr 1 Monat
zurückgeführt und erklärt, es ſehe nur im Hinblick auf
§ 398 Abſ. 2 StPO. von der Verhängung dieſer Strafe
ab und ſpreche acht Monate Geſamtgefängnisſtraſe
aus. Dabei iſt aber überſehen, daß die nach 8 74
StGB. feſtzuſetzenden Einzelſtrafen nicht unfelbftändige
Faktoren für die Berechnung der Geſamtſtrafe bilden,
ſondern ihre Verhängung einen ſelbſtändigen richter
lichen Ausſpruch darſtellt, der der Rechtskraft fähig
iſt, während der Feſtſetzung der Geſamtſtrafe nur die
Bedeutung einer zweiten richterlichen Entſcheidung
über die Modalität der Vollſtreckung der Einzelſtrafen
zukommt. Daher enthält ſchon die höhere Feſtſetzung
der Einzelſtrafen unter Beibehaltung der früheren Ge⸗
ſamtſtrafe eine reformatio in pejus (RGE. Bd. 26 S. 167).
Nach dieſer Rechtsanſicht, an der das Reichsgericht ſeit
dem Plenarbeſchluſſe Bd. 25 S. 297 feſtgehalten hat,
hätten für jeden einzelnen Fall nicht mehr als fünf
Monate Gefängnis feſtgeſetzt werden dürfen und wäre
die Geſamtſtrafe nach freiem Ermeſſen mit der
Maßgabe zu finden geweſen, daß ſie 8 Monate Ge⸗
fängnis nicht überſtieg. Das Gericht hat aber dieſes
Ermeſſen nicht walten laſſen, ſondern acht Monate
ausgeſprochen, weil eine Zuchthausſtrafe von 1 Jahr
1 Monat die niedrigſte geſetzlich zuläſſige Straſe ſei.
Dies iſt rechtsirrig. (Urt. des V. StS. vom 12. Mai
1908, 5 D 284/68). — —e—
1326
II.
Vornahme unzüchtiger Na mit einer Ber ſon
unter 14 Jahren (8 176 Nr. 3 StGB.). Es ift tat-
ſächlich mehr nicht feſtgeſtellt, als daß der Angeklagte
aus Sinnenluſt ſeinen Geſchlechtsteil aus der Hoſe
herausgenommen und dann die fünfjährige 3. zu feiner
ſinnlichen Erregung daran herumgeſpielt hat. Da⸗
durch wird die Annahme, daß der Angeklagte mit
einer Perſon unter 14 Jahren unzüchtige Handlungen
vorgenommen hat, nicht genügend gerechtfertigt. Die
erſte Alternative des § 176 Nr. 3 StGB. erfordert,
daß der Körper der jugendlichen Perſon berührt oder
in Mitleidenſchaft gezogen wird. Die Handlung, die
der Angeklagte vorgenommen hat, die Herausnahme
des Geſchlechtsteils, war keine mit dem Kinde vor-
genommene Handlung. Daß dieſes dann an dem Ge:
ſchlechtsteile herumſpielte, war eine Handlung des
Kindes. Eine Verleitung des Kindes dazu ſeitens
des Angeklagten — zweite Alternative des § 176 Nr. 3
StGB. — ift bisher nicht feſtgeſtellt. Das Urteil
unterlag daher der Aufhebung. (Urt. des V. StS. vom
1. Mai 1908, 5 D 261/08).
1325
— — — e —
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Die Anordnung einer Abweſenheitspflegſchaft kann
vom Prozezgegner des Abweſenden nicht mit Beſchwerde
angefochten werden. (S 20 FG.). Der verſtorbene
Privatier Johann S. und deſſen verſtorbene Ehefrau
Elifabeth S. haben in einem gemeinſchaftlichen Teſta—
mente beſtimmt, daß der überlebende Teil auf Lebens—
zeit im Beſitz und Genuß des beiderſeitigen Vermögens
bleiben fole und als Erben ihres „ganzen Vermögens“
ihren Sohn Wilhelm eingeſetzt. Johann S. hat aber
in einem Teſtamente vom 4. Auguſt 1905, ohne das
gemeinſchaftliche Teſtament zu erwähnen, den Sohn
Wilhelm enterbt und den Landwirtsſohn Heinrich Sch.
und fünf andere Perſonen zu Erben ernannt. Wil-
helm S. hat ſich vor längerer Zeit nach Auſtralien
begeben. Auf Grund ſchriftlichen Auftrags des Wil-
helm S. hat der Kaufmann Max R. in M. in deſſen
Namen im März 1907 durch Rechtsanwalt H. in A.
bei dem Landgericht A. gegen die in dem Teſtamente
des Vaters S. vom 4. Auguft 1905 eingeſetzten Erben
Klage auf Herausgabe der Erbſchaft erheben laſſen.
Da in dem Rechtsſtreite die Vollmacht des Max R.
beſtritten und Beibringung einer öffentlich beglaubigten
Vollmacht angeordnet wurde, der Aufenthalt des Wils
helm S. aber nicht ermittelt werden konnte, ſo hat
auf Antrag des Rechtsanwalts H. das Vormundſchafts—
gericht eine Abweſenheitspflegſchaft für Wilhelm S.
angeordnet. Auf Antrag der eingeſetzten Erben hat
es aber, bevor ein Pfleger beſtellt wurde, die Anord-
nung wieder aufgehoben. Auf die Beſchwerde des
Rechtsanwalts H. hat das Landgericht das Vormund—
ſchaftsge richt zur Beſtellung eines Abweſenheitspflegers
angewieſen. Gegen dieſe Entſcheidung haben Heinrich
Sch. und ſeine Miterben weitere Beſchwerde mit dem
Antrag eingelegt, ſie aufzuheben und den Antrag auf
Beſtellung eines Abweſenheitspflegers zurückzuweiſen.
Das Rechtsmittel iſt als unzuläſſig verworfen worden.
Gründe: Den Beſchwerdeführern ſteht das Be—
ſchwerderecht nicht zu. Nach dem § 1911 BGB. iſt
ein Abweſenheitspfleger nur zu beſtellen, ſoweit Ver⸗
mögensangelegenheiten des Abweſenden der Fürſorge
bedürfen, für die Anordnung der Pflegſchaft iſt nur
das Schutzbedürfnis des Abweſenden, nicht das Jnter-
eſſe eines Dritten maßgebend. Wird die Anordnung
abgelehnt, fo ſteht nach 8 57 Abſ. 1 Nr. 3 FGG. die
Beſchwerde jedem zu, der ein rechtliches Intereſſe an
der Aenderung der Verfügung hat; für den Fall der
Anordnung der Pflegſchaft iſt eine entſprechende Vor⸗
ſchrift nicht gegeben, die Beſchwerde ſteht daher nach
§ 20 Abſ. 1 JOG. nur dem zu, defen Recht durch die
Verfügung beeinträchtigt iſt. Die Anordnung einer
Pflegſchaft, für die es an den geſetzlichen Voraus—
fegungen fehlt, kann das Recht des Pilegebefohlenen
beeinträchtigen, ſein Gegner im Rechtsſtreit iſt aber
nicht berufen, das Recht des Pflegebefohlenen im Wege
der Beſchwerde wahrzunehmen, und das eigene Recht
des Gegners wird durch die Beſtellung eines Pflegers,
auch wenn ſie nicht gerechtfertigt ift, nicht beeinträch⸗
tigt. So erwünſcht es für ihn ſein möchte, daß das
Recht des Abweſenden im Rechtsſtreite nicht durch
einen Vertreter wahrgenommen werde, ſo entgeht ihm
infolge der Beſtellung eines Pflegers doch nur ein
Vorteil, auf deſſen Erlangung er kein Recht hat. Die
Anordnung der Pflegſchaft iſt ein Vorgang, der ſich
innerhalb des Rechtskreiſes des Abweſenden vollzieht,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
341
wie [die Eröffnung des Konkurſes ſich innerhalb des
Rechtskreiſes des Gemeinſchuldners vollzieht, der
Gegner muß die eine Maßregel hinnehmen wie die
andere, weil ſie nicht in ſeinen Rechtskreis eingreift,
er hat nur ein Recht darauf, daß ihm als Vertreter
nur ein Inhaber wirklicher Vertretungsmacht gegen⸗
übertritt, und in dieſer Beziehung iſt er durch die
Vorſchrift des § 32 FGG. geſchützt, die auf die Prozeß⸗
atung entſprechende Anwendung findet. (Beſchluß
es I. 35. vom 12. Juni 1908, Reg. III 54/1908).
1335 W.
II.
Unter welcher Voransſetzung ift die jofortige wei:
tere Beſchwerde zuläſſig, wenn die Borinſtanzen die
Eintragung eines Vereins in das Vereinsregiſter zurück⸗
ewieſen haben? (BGB. 5 60 Abſ. 2; ZPO. 8 568
bf. 23. In A. beſteht unter dem Namen ‚Aus⸗
ſtattungsanſtalt A.“ eine gemeinnützige Einrichtung
mit dem Zwecke, durch Verloſung von Geldbeträgen
angehenden Eheleuten die häusliche Einrichtung zu
erleichtern. Die Mittel werden durch den Verkauf
der Loſe beſchafft. Die Geſchäfte werden von zwölf
„Adminiſtratoren“ geführt, bei dem Ausſcheiden eines
Adminiſtrators wählen die übrigen einen Nachfolger.
Die derzeitigen Adminiſtratoren haben eine Satzung
beſchloſſen, in der beſtimmt iſt, daß die jeweiligen
Adminiſtratoren einen Verein bilden und daß dieſer
in das Vereinsregiſter eingetragen werden ſoll. Das
Regiſtergericht hat die Anmeldung der „Ausſtattungs—
anſtalt A.“ zur Eintragung in das Vereinsregiſter
zurückgewieſen, weil die Ausſtattungsanſtalt nicht ein
Verein ſondern eine „wohltätige Lotterieanſtalt mit
ſtiftungsähnlichem Charakter“ und ihr Zweck auf einen
wirtſchaftlichen Geſchäftsbetrieb gerichtet ſei. Die
ſofortige Beſchwerde der Adminiſtratoren wurde als
unbegründet zurückgewieſen. Das Beſchwerdegericht
nahm an, daß die Ausſtattungsanſtalt kein Verein
ſei, weil eine Beſtimmung über den Erwerb der Mit⸗
gliedſchaft fehle und die Zahl der Mitglieder ſtets
gleich bleibe. Die Adminiſtratoren legten ſofortige
weitere Beſchwerde ein. Sie wurde als unzuläſſig
verworfen.
Gründe: Gegen einen Beſchluß, der die Anmel-
dung eines Vereins zur Eintragung in das Vereins—
regiſter zurückweiſt, findet nach der Vorſchrift des 3 60
Abſ. 2 BGB., die im § 1 FGG. vorbehalten ift, die
ſofortige Beſchwerde nach den Vorſchriften der ZPO.
ſtatt und demgemäß find auch für die weitere Be-
ſchwerde die prozeßrechtlichen Vorſchriften maßgebend.
Dies gilt, wie ſich aus dem Wortlaute „gegen einen“
(nicht „gegen den“) zurückweiſenden Beſchluß ergibt,
für jeden eine Anmeldung zurückweiſenden Beſchluß,
gleichviel aus welchem Grunde die Zurückweiſung
erfolgt. Nach 8568 Abſ. 2 ZPO. ift eine weitere
Beſchwerde nur inſoweit zuläſſig, als die Entſcheidung
des Beſchwerdegerichts einen neuen ſelbſtändigen Be-
ſchwerdegrund enthält. An dieſer Vorausſetzung fehlt
es hier. Das Beſchwerdegericht hat die Beſchwerde
als unbegründet zurückgewieſen, die beiden Vor—
inſtanzen haben der Ausſtattungsanſtalt die Fähigkeit
zur Eintragung in das Vereinsregiſter abgeſprochen,
weil fie nicht ein Verein fei, das Hindernis der Eins
tragung alſo in dem Weſen der Anſtalt gefunden.
Dieſer Grund war auch im Sinne des Amtsgerichts
zur Zurückweiſung genügend, ſo daß es auf die Rich—
tigkeit des zweiten Grundes, den das Beſchwerdegericht
nicht für zutreffend erachtete, nicht ankam. Wenn das
Landgericht neben der Veränderlichkeit des Mitglieder-
beſtandes auch eine Beſtimmung über den Erwerb
der Mitgliedſchaft vermißte, ſo hat es damit ſeiner
Entſcheidung nicht einen die Beſchwerdeführer noch
weiter beſchwerenden Inhalt gegeben, ſondern nur
einen weiteren Entſcheidungsgrund für die dem In—
halte nach mit der Verfügung des Amtsgerichts über—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17.
einſtimmende Entſcheidung beigefügt. Die Vorinſtanzen
haben eine beſtimmte Aeußerung über die rechtliche
Eigenſchaft der Ausſtattungsanſtalt vermieden, das
Amtsgericht iſt über die Frage mit der Redewendung
hinweggegangen, fie fei eine wohltätige Anſtalt mit
ſtiftungsähnlichem Charakter, das Landgericht hat ſich
mit der Andeutung begnügt, daß ſie eine Geſellſchaft oder
. eine Stiftung fein könne. Die Beſchwerdeſchrift glaubt
darin, daß dieſe nebenſächlichen Bemerkungen nicht
vollſtändig übereinſtimmen, einen neuen ſelbſtändigen
Beſchwerdegrund zu finden. Dieſe Anſicht beruht auf
einem Irrtum; die Beſchwerdeführer ſind nicht durch
die nebenſächliche Bemerkung des Landgerichts, ſon—
dern dadurch beſchwert, daß das Landgericht in Ueber-
einſtimmung mit dem Amtsgerichte die Anmeldung
zur Eintragung zurückgewieſen hat. (Beſchl. des I. ZS.
vom 19. Juni 1908, Reg. III 56/1908). W.
1336
B. Strafſachen.
1
Strafrechtliche Berantwortlichkeit des in feinem
Kraftfahrzenge fahrenden Eigentümers für ſtrafbare
Handlungen des Führers.) Der Fabrikant N. war durch
die Ortſchaft X. mit ſeinem Automobil übermäßig
ſchnell gefahren. Er wurde vom Schöffengericht wegen
einer Uebertretung nach 8 366 Nr. 10 StGB. und
S9 17, 28 der oberpol. Vorſchr. über den Verkehr mit
Kraftfahrzeugen vom 17. Sept. 1906 verurteilt. Das
LG. hob das Urteil auf, weil das Fahrzeug auf der
Fahrt durch X. nicht von dem Angeklagten, ſondern
von dem Chauffeur geführt wurde und nach SS 15—19
der oberpol. Vorſchriften nur der Führer des Fahr:
zeugs für die Einhaltung der Beſtimmungen über die
Fahrgeſchwindigkeit ſtrafrechtlich verantwortlich ſei. Als
ſolcher komme nur der damals führende Chauffeur in
Frage. Das Oberſte Landesgericht hob dieſes Urteil auf.
Aus den Gründen: Die Beſtimmungen der
89 17 und 18 der oberpol. Vorſchriften ſtehen aller:
dings in dem die Ueberſchrift „Beſondere Pflichten des
Führers“ führenden Unterabſchnitte b. des Abſchnittes
C dieſer Vorſchriften. Dieſer Umſtand bringt es aber
nicht notwendig mit ſich, daß nur der Führer des
Kraftfahrzeugs zur Beobachtung der Beſtimmungen
verpflichtet iſt. Vielmehr iſt die Möglichkeit gegeben,
daß auch die anderen Inſaſſen des Fahrzeugs, nament-
lich deſſen Eigentümer, nach jener Richtung verant—
wortlich ſind, wenn die allgemeinen Grundſätze des
Strafrechts es mit ſich bringen oder eine ausdrückliche
beſondere Beſtimmung es vorſchreibt. Eine ſolche Be—
ſtimmung fehlt zur Zeit. Dagegen kann aus den auch
für die Uebertretung geltenden Beſtimmungen der
SS 1-79 StGB. eine Haftung des in feinem Kraft-
fahrzeuge fahrenden Eigentümers für ſtrafbare Hand—
lungen des Führers begründet ſein. Allerdings kann
im gegebenen Falle Beihilfe nicht in Frage kommen,
weil nach § 49 StGB. die Beihilfe zu einer Ueber—
tretung überhaupt nicht ſtrafbar iſt. Wohl aber
wäre es denkbar, daß der im Innern des Kraft—
wagens ſitzende Eigentümer als Anſtifter im Sinne
des § 48 StGB. anzuſehen wäre, fei es dazu, daß der
Führer überhaupt über Gebühr ſchnell fuhr, fei es
dazu, daß der Führer fein verbotswidriges Verhalten
fortſetzte, nachdem der Eigentümer das Uebermaß der
Fahrgeſchwindigkeit erkannt hatte. Die Anſtiftung
müßte nicht gerade in einem ausdrücklichen Auftrage
oder Befehle zutage getreten ſein; ſie hätte auch als
Billigung des Vorgehens durch Gebärden, Zeichen oder
iy Anmerkung des Herausgebers. Das Urteil ſteht in
einem bemerkenswerten Gegenſatze zu dem Urteile desſelben Gerichts
vom 1. Februar d. Js. (f. dieſe Zeitſchr. S. 128) und ift von dem
gleichen Geiſte erfullt wie die auf S. 338 abgedruckte Entſcheidung
des Reichsgerichts Dringen dieſe Rechtsgrundſätze durch, ſo darf
man boiſen, daß die jetzt herrſchende Unſicherbeit des Straßenverkehrs
eine merkbare Eindämmung erfährt.
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ſonſt ſchlüſſige Handlungen, ja ſelbſt nur durch, beredtes“
Stillſchweigen zum Ausdruck gebracht werden können.
Möglich wäre auch, daß eine Mittäterſchaft im Sinne
des § 47 StGB., ein poſitives Zuſammenwirken des
Angeklagten mit dem Führer in Frage käme, und es
würde hierzu unter Umſtänden auch eine bloße Billi-
gung des Verfahrens des Führers durch den Ange:
klagten ausreichen können, ſofern ein bewußtes Zu—
ſammenwirken beider obgewaltet, namentlich der
Angeklagte die Tat als eigene, wenn auch in Gemein:
ſchaft mit dem Chauffeur auszuführende, gewollt und
nicht bloß eine Handlung des Chauffeurs unterſtützt
hätte. Eine Mitwirkung des Angeklagten neben dem
Chauffeur hätte ferner in der Art vor ſich gehen
können, daß ihm ein nur paſſives Verhalten, eine
Unterlaſſung, zur Laft fiele. Eine ſolche „Mehrtäter:
ſchaft“ oder „Nebentäterſchaft“ hat zur Vorausſetzung,
daß für den „Nebentäter“ eine Rechtspflicht zu einem
poſitiven Eingreifen beſtanden hat, und zwar entweder
auf Grund einer beſonderen Rechtsvorſchrift oder als
Folge eines, ſelbſt an und für ſich nicht rechtswidrigen,
vorangegangenen Tuns, das eine nachfolgende vor—
fäßliche oder fahrläſſige Untätigkeit pflichtwidrig er:
ſcheinen läßt, m. a. W. nach den allgemeinen Regeln
über die Begehung fog. Kommiſſivdelikte durch Unter:
laſſung. Namentlich konnte dadurch, daß der Ange—
klagte mit dem Chauffeur abwechſelte und ihm zeit—
weiſe die Führung des Kraftfahrzeuges übertrug, ein
Zuſtand geſchaffen werden, der bei Unachtſamkeit des
Chauffeurs eine Gefahr für andere herbeiführen konnte,
und konnte deshalb für den Angeklagten infolge ſeiner
autoritativen Stellung als Auftraggeber des Chauffeurs
die Verpflichtung begründet werden, alle gefahrdrohen—
den Handlungen des Chauffeurs zu verhindern, ſofern
er rechtzeitig davon Kenntnis erhalten hat oder wenig—
ſtens bei Anwendung der nötigen Sorgfalt hätte er—
halten können und er ferner die tatſächliche Möglich—
keit gehabt hat, hindernd einzugreifen. Wenn der
Angeklagte unter ſolchen Umſtänden es unterlaſſen
haben ſollte, dem Führer des Fahrzeugs die Ver⸗
langſamung der Fahrgeſchwindigkeit zu befehlen und
ſo das ihm zu Gebote ſtehende Mittel zur Vermei⸗
dung einer möglichen Gefahr, der gerade die Beſtim—
mung des § 17 der oberpol. Vorſchr. entgegenwirken
will, nicht ergriffen haben ſollte, ſo könnte er wegen
Außerachtlaſſung der pflichtmäßig ihm obliegenden Sorg—
falt ſtrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Eine ſolche Beurteilung der Sache entſpräche nicht nur
einer unausweichlich ſich aufdrängenden Anſchauung
des Lebens, ſondern überhaupt den modernen Rechts—
anſchauungen. Die Strafkammer hat bei Würdigung
des Sachverhalts alle dieſe Erwägungen unberüd:
ſichtigt gelaſſen. Das Urteil war infolge deſſen auf⸗
zuheben. (Urt. vom 27. Juni 1908, Rev Reg. 221/08).
1361 11 —ch.
Herſtellung von Backwaren mit Margarine und
Palmin. Kenntnis des Publikums. Subjektive Tat:
beſtandsmerkmale der SS 10, 11 RMG. und des § 367
Nr. 7 StGB. Auf S. 89 dieſes Jahrgangs ift ein Ur:
teil des ObèLG. vom 14. Dezember 1907 mitgeteilt.
Es hatte das Urteil der Strafkammer aufgehoben und
die Sache zurückverwieſen. Gegen das nunmehr auf
Verurteilung lautende Urteil der Strafkammer wurde
Reviſion eingelegt. (Wegen des Tatbeſtandes vgl.
das Urteil vom 14. Dezember 1907). Die Reviſion
wurde als unbegründet verworfen. Sie hatte gerügt:
Das ObvG. habe in den Gründen des Urteils vom
14. Dezember 1907 ausgeführt, es ſei feſtzuſtellen, ob
in F. allgemein oder auch nur vorwiegend in den
Bäckereien der Brauch herrſche, daß zu mürbem Gebäck
Palmin oder Margarine verwendet werde und ob das
Publikum zu der Zeit, als die Angeklagten ſolche Fett-
ſtoffe dem Teige beimiſchten, davon Kenntnis hatte
oder Kenntnis haben mußte. Die Strafkammer habe
Zeitſchrift für = Beiticheift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 1 in Bayern. 1908. Nr. 17.
nunmehr zwar angenommen, daß es in F. in den
Bäckereien Geſchäftsgebrauch war, zu mürbem Gebäck
auch Margarine oder Palmin zu verwenden, ſie habe
Bang aber nur feſtgeſtellt, daß der überwiegende Teil
des Publikums von dieſem Geſchäftsgebrauche keine
Kenntnis habe, während es doch nur auf die Geſamt⸗
heit des Publikums ankommen könnte und ſie habe
überhaupt nicht geprüft, ob das Publikum den Ge⸗
ſchäftsgebrauch nicht habe kennen müſſen, ob es ihn alſo
fahrläſſig nicht gekannt habe. Auch die ſubjektiven Tat⸗
beſtandsmerkmale ſeien nicht einwandfrei feſtgeſtellt.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
Der Senat hat in dem Urteile vom 14. Dezember 1907
ausgeführt, daß Margarine nach dem jetzigen Stande
der Geſetzgebung von Rechts wegen die Eigenſchaft
eines im Verhältniſſe zu Butter und Butterſchmalz
minderwertigen Erzeugniſſes hat. Die Strafkammer
war nach 8 398 Abſ. 1 StPO. an diefe Auffaſſung
gebunden, ſie hat überdies feſtgeſtellt, daß ſich die
Auffaſſung auch auf tatſächlichem Gebiete mit der An⸗
ſchauung des Sachverſtändigen deckt. Die Darlegung
des angefochtenen Urteils, daß die Verwendung von
Margarine und Palmin in den Fler Bäckereien zu der
im Eröffnungsbeſchluſſe bezeichneten Zeit Geſchäfts⸗
gebrauch geworden war, daß ſich aber der Uebergang
von der Verwendung von Naturbutter zur Verwen—
dung jener Erſatzmittel ohne Kenntnis des überwie⸗
genden Teiles des Publikums vollzogen hat, genügt
für die Annahme, daß in dem Verhalten der Ange⸗
klagten der objektive Tatbeſtand einer Verfälſchung
von Nahrungs» uud Genußmitteln gegeben ift. Es
war nicht notwendig und auch nicht möglich, feſtzu⸗
ſtellen, daß ſich das Publikum in F., d. i. die orts⸗
anweſende urteilsfähige Bevölkerung, in ſeiner Ge⸗
ſamtheit jenen Vorgängen gegenüber unwiſſend vers
hielt. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß gewiſſe Kreiſe der
Bevölkerung, die in den Bäckereien bedienſteten Leute,
die mit der Lieferung und Beiſchaffung der Fettſtoffe
befaßten Perſonen u. dgl. von der Verwendung von
Margarine und Palmin in den Bäckereien wiſſen
mußten. Das ſchließt nicht aus, daß der Geſchäfts⸗
gebrauch der Bäcker im allgemeinen unbekannt war,
und es liegt auch kein Widerſpruch darin, daß die
Strafkammer bald von dem „überwiegenden Teile“
des Publikums bald vom Publikum“ ſchlechthin in
dieſem Zuſammmenhange ſpricht. Hier wie dort iſt
die für die Beurteilung der öffentlichen Meinung aus-
ſchlaggebende Mehrheit des Publikums gemeint. In
dem Urteile vom 14. Dezember 1907 iſt davon die
Rede, es ſei feſtzuſtellen, ob das Publikum von dem
etwaigen Geſchäftsgebrauch der F.er Bäcker Kenntnis
hatte oder Kenntnis haben mußte. Damit iſt nicht
das Wiſſen dem fahrläſſigen Nichtwiſſen gleich⸗
geſtellt, ſondern „Kennenmüſſen“, wie die Worte
‚annehmen muß“ in § 259 StGB. — vgl. Entſch. d.
RG. Bd. 7 S. 85, 87 — in dem Sinne gebraucht, daß
die ausdrückliche Feſtſtellung, das Publikum habe den
Geſchäftsgebrauch gekannt, dadurch erſetzt werden kann,
daß Umſtände erwieſen werden, die jedem urteils—
fähigen Menſchen, der bei dem Angeklagten mürbes
Gebäck kaufte, die Wiſſenſchaft davon übermitteln
mußten, daß er mit Palmin oder Margarine zube—
reitete Ware erwirbt. Es war hierbei hauptſächlich an
Anſchläge in den Läden, öffentliche Bekanntmachungen,
beſondere Bezeichnung der Ware u. dgl. gedacht. Da
die Strafkammer ausdrücklich feſtgeſtellt hatte, daß
das Publikum in F. mit Einſchluß der Kontrollorgane
der Nahrungsmittelpolizei den Geſchäftsgebrauch der
dortigen Bäcker nicht gekannt hat und daß der Ueber—
gang von der Butterverwendung zu Erſatzmitteln
äußerlich nicht in die Erſchein ung getreten
iſt, konnte ſie es unterlaſſen, noch hervorzuheben, daß
das Publikum unter ſolchen Umſtänden von dem Ge—
ſchäftsgebrauche der Bäcker keine Kenntnis haben
mußte. Das Fehlen dieſer Feſtſtellung kann die richter—
343
liche Ueberzeugung, die ſich in bezug auf die ſubjektive
Seite der Tat gebildet hat, nicht nachteilig beeinflußt
haben. Nach der Annahme des angefochtenen Urteils
wußten die Beſchwerdeführer, daß das F.er Publikum
die Verwendung von Butter und Butterſchmalz bei
Herſtellung des mürben Gebäcks erwarte. Die in der
Reviſionsinſtanz aufgeworfene Frage, ob nicht der
Kundenkreis der Angeklagten eine andere Geſchmacks⸗
richtung gehabt habe, als die Mehrheit des Publikums,
wäre auch in der Berufungsinſtanz ſchon um des⸗
willen nicht zu erörtern geweſen, weil der Bäcker, der
verfälſchte Ware herſtellt und unter Verſchweigung
dieſes Umſtandes in ſeinem Laden feilhält, überhaupt
nicht für einen beſtimmten Kundenkreis, ſondern für
jeden tätig iſt, der ihm Gebäck abkaufen will und
kann. Die Strafkammer hat endlich nicht verkannt,
daß der Preisunterſchied zwiſchen Margarine oder
Palmin und Butter oder Butterſchmalz allein nicht
ausſchlaggebend für die Frage iſt, ob in Palmin und
Margarine minderwertige, eine Verſchlechterung des
Erzeugniſſes herbeiführende Erſatzſtoffe verwendet
wurden. Sie hat nur darauf, daß die Angeklagten
ſelbſt nicht angeben konnten, inwieferne Margarine
und Palmin trotz ihres geringen Preiſes der Butter
und dem Butterſchmalze gleichwertig ſein ſollten, ge⸗
folgert, daß ſie die Minderwertigkeit gekannt haben,
die in der Regel in niedrigen Marktpreiſen zum Aus⸗
druck kommt. Zudem iſt noch zutreffend darauf ver⸗
wieſen, daß die Beſchwerdeführer Margarine und Pal⸗
min nicht für gleichwertig mit Butter gehalten haben
können, da ſie ſonſt nicht noch zur Hälfte Butter als
Fettſtoff für den Teig des mürben Gebäcks verwendet
hätten. (Urteil vom 13. Juni 1908; RevR. Nr. =)
1348
ie Zweibrücken.
Keine Haftung für Verletzung eines Kindes durch
eine in der Scheuer ungeſichert ſtehende 1 hine,
u der fih die ſpielenden Kinder durch eigenmächtige
effnung des Schenertores Zugang verſchafft haben.
Die Kinder des Beklagten, eines Landwirts, 6 und
4 ½ Jahre alt, der Kläger (Taglöhnersſohn), 5 ½
Jahre alt und ein 7 Jahre altes Mädchen ſpielten
im Mai 1906 unbeaufſichtigt in dem nach der Dorf⸗
ſtraße zu offenen Hofraume des Beklagten. Die Kinder
amen dabei, nachdem eines mit einem Stock oder
Stein den Riegel des Türchens zurückgeſchlagen und
das Tor geöffnet hatte, in die Scheune, die in dem
hinteren an den Garten anſtoßenden Teile des Hof—
raumes liegt. In der Scheune verletzte ſich der Kläger
an der dort ohne Schutzvorrichtung frei daſtehenden,
von einem der Kinder mittels des leicht beweglichen
Schwungrades in Tätigkeit geſetzten Häckſelmaſchine,
deren Meſſer ihm die oberen Glieder von vier Fingern
der rechten Hand abſchnitten. Die Klage begehrt Er-
ſatz der Kurkoſten, Zahlung eines Schmerzensgeldes
und Feſtſtellung der Pflicht zum Erſatze des ſeinerzeit
in 50—60 „oiger Erwerbsbeſchränktheit zutage treten⸗
den Schadens, ſie iſt u. a. auf einen Verſtoß wider
die am 21. Januar 1906 in Kraft getretenen Unfalls
ni der forſt⸗ und landwirtſchaft⸗
lichen Berufsgenoſſenſchaft geſtützt, die nur den Ge—
brauch von Häckſelmaſchinen mit Verdeckung der Meſſer
zula ſſen und für die Zeit der Nichtbenutzung das ein
Umdrehen verhindernde Anhängen des Meſſerſchwung—
rades mittels Sperrkette vorſchreiben (8 823 Abſ. 1
BGB.), ſowie auf Fahrläſſigkeit nach 8 823 Abſ. 1
(mangelnde Sicherung und Verwahrung der Maſchine).
Klage und Berufung wurden zurückgewieſen.
Aus den Gründen des Berufungsurteils
1. Das Lwu VG. vom 30. Juni 1900 bezweckt nur
I
|
den Schutz der in dem Betriebe beſchäftigten Arbeiter
und nicht den der Allgemeinheit. Die nach § 120 des
Geſetzes erlaſſenen Unfallverhütungsvorſchriften ſind
344
beſtimmt, eine zu ſtarke Inanſpruchnahme der Berufs-
genoſſenſchaft hintanzuhalten, und dienen nur der
Sicherheit der verſicherten Arbeiter, nicht der ihrer
Angehörigen oder gar ihrer Nachbarn. Dritten gegen⸗
über ſind die Unfallverhütungsvorſchriften kein Schutz
geſetz im Sinne des § 823 Abſ. 2 BGB.
2. Dem Inhalte der Unfallverhütungsvorſchriften
iſt aber für die Beurteilung des Verhaltens des Be⸗
klagten auch inſofern keine Bedeutung beizumeſſen,
als ſie Winke für die Vermeidung von Verletzungen
enthalten. Denn der Beklagte behauptet unwiderlegt,
daß er dieſe Vorſchriften nicht gekannt habe; ſie waren
ja damals allerdings erſt ſeit einem Vierteljahre ein⸗
geführt, durch längere Uebung noch nicht bekannt und
es iſt zu glauben, daß die beteiligten Kreiſe von
dieſen Vorſchriften trotz 19 57 vorſchriftsmäßigen
Bekanntmachung — Ausſchreibung im Kreisamtsblatt,
Niederlegung eines Abdrucks auf der Bürgermeiſterei,
Anſchlag der ſehr umfangreichen Kundgebung an der
0 itterten Gemeindetafel — weder Kenntnis erlangt
Gebrauch gemacht haben. Würde der Beklagte
die Unfallverhütungsvorſchriften zur Zeit des Unfalls
gekannt und dazu gewußt haben, daß ſich auch in Ab⸗
weſenheit Erwachſener öfters Kinder in der Scheune
umhertrieben, fo trüge das Berufungsgericht kein
Bedenken, in der Außerachtlaſſung der gebotenen
Winke eine grobe Fahrläſſigkeit zu erblicken.
3. Es folgt aber ſchon aus der auch bei Nicht⸗
kenntnis der Unfallverhütungsvorſchriften beim Be⸗
klagten anzunehmenden allgemeinen Kenntnis von der
ſehr großen Gefährlichkeit einer Häckſelmaſchine ſeine
Verpflichtung zur Vorkehrung entſprechender Siche⸗
rungsmaßnahmen. An der Häckſelmaſchine ſelbſt war
keine zur Verhütung von Verletzungen durch unbe-
fugtes Inbetriebſetzen geeignete Vorkehrung getroffen;
es fragt fih alfo, ob der Beklagte die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, wenn
er ſich damit begnügte, die Maſchine in der durch das
Tor allein zugänglichen regelmäßig mittels Riegels
verſchloſſenen Scheuer zu verwahren. Dieſe Frage iſt
vom Erſtrichter in Anlehnung an RGE. VI, 1. No⸗
vember 1904, JW. 1905 S. 15/6 bejaht worden;
wichtig iſt insbeſondere die tatſächliche Feſtſtellung,
daß das Scheuertor zu der Zeit, wo in der Scheuer
nicht gearbeitet wurde, ſtets geſchloſſen war. Auch
das Berufungsgericht erachtet für feſtſtehend, daß der
Riegel des Türchens am Tore der im hinteren Teile
des (dort geſchloſſenen) Hofes liegenden Scheuer von
Erwachſenen und Kindern ſchwer vorzuſchieben und
nur mit Gewalt wegzuſchieben war, daß kurz vor dem
Unfalle der Riegel vorgeſchoben war, daß es zur Zeit
des Unfalls im Dorfe üblich war, Häckſelmaſchinen
ohne Schutzvorrichtungen in den nur von außen mit
einem Riegel zu verſchließenden Scheuern ſtehen zu
laſſen, und daß bis dahin im Dorfe niemals von
einer Verletzung von Kindern durch Häckſelmaſchinen
etwas bekannt geworden war. Ein anderer als der
Riegelverſchluß, insbeſondere ein ſolcher mittels
Schlüſſels iſt nach der Anſicht des Berufungsgerichts
auch in der Tat mit den Bedürfniſſen der Wirtſchafts⸗
führung auf dem Lande nicht vereinbar; der vom
Beklagten angewendete Riegelverſchluß muß als ge—
nügender Schutz gegen die Gefahren der ungeſicherten
Häckſelmaſchine erachtet werden. Etwas anderes wäre
es, wenn ſich die Kinder ſchon öfter durch Zurück—
klopfen des Riegels Zugang zum Innern der Scheuer
verſchafft hätten und dies dem Beklagten zur Kennt—
nis gekommen wäre. (Urt. vom 18. März 1908
Nr. 273/07).
1358 Mitg. v. Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 17. für Rechtspflege in Bayern. 1908. 1908.
Nr. 17.
Literatur.
Das Urkundweſen der dentſchen Staaten. Herausgegeben
vom Deut gaen Notarverein, e. B. zu Halle a. S.
Leipzig 190 7, C. E. M. Pfeffer.
Die Vorſchriften über öffentliche Beglaubigung
und Beurkundung ſind leider auch nach dem 1. Januar
1900 ebenſo buntſcheckig geblieben, wie zuvor. Wenn
man das vorliegende Buch durchblättert, könnte man
ſogar auf den Gedanken kommen, die Verwirrung ſei
größer denn je. Die Herausgeber haben ſich durch
die mit großem Fleiße gearbeiteten Ueberſichten den
Dank aller Juriſten verdient, die den Verſuch machen
wollen, ſich in dem Chaos zurechtzufinden. Auch der
öſterreichiſche Rechtszuſtand iſt dargeſtellt. Den bayeri⸗
ſchen Teil hat Herr Notar Dr. Denn ler bearbeitet.
von der Pfordten.
Niehl, Dr. jur. K., Rechtsanwalt in München. Die
Anweiſung. 8°. VIII, 64 S. München 08. J.
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). 2.—
Notizen.
Die dentſch⸗belgiſche Uebereinkunft über den Schutz
an Werken der Literatur und Kunſt und an Phots⸗
praphien vom 16. Oktober 1907 (RG Bl. 1908 S. 405),
n Kraft feit dem 13. Juli d. J8., ſchließt iH ihrem
weſentlichen Inhalt und Wortlaute nach der deutſch⸗
italieniſchen Uebereinkunft an, ſoweit nicht in der letz⸗
teren das italieniſche Landesrecht beſondere Vorſchriften
erforderlich machte. Auf die Beſprechung in dieſer
Zeitſchrift Jahrg. 1908 S. 172 wird deshalb Bezug
n Die deutſch⸗belgiſche Uebereinkunft vom
2. Dezember 1883 iſt aufgehoben.
1368
Die nenen Vorſchriften für die gerichtlichen Leichen:
uuterſuchungen (Bek. vom 7. Juli d. 38., JM Bl. S. 152)
betreffen wie die bisher geltende Inſtruktion von 1880
in erſter Linie das Verfahren der Aerzte, haben aber
auch für den Richter manches Intereſſe, obwohl er
bei den Sektionen, wie ſich dies von ſelbſt verſteht,
in der Regel eine paſſive Rolle ſpielt. Die Fortſchritte
der ärztlichen Wiſſenſchaft, die die neuen Vorſchriften
jedenfalls berückſichtigen, kann der Laie nicht näher
betrachten. Eine gute Empfehlung iſt das Beſtreben
ihres Verfaſſers, ſich ſtets klar und — deutſch aus⸗
zudrücken. Die für den Richter wichtigen Vorſchriften
über die Abfaſſung des Protokolls (88 25 f.) wurden
wenig geändert. Das vor der Beendigung der Vor⸗
unterſuchung beliebte „Schlußgutachten“ ift dem Namen
nach verſchwunden und durch das „begründete Gut⸗
achten“ (8 29) erſetzt. Bisher war es üblich, das
Schlußgutachten von einem Gerichtsarzt erſtatten zu
laſſen. Die neuen Vorſchriften ſcheinen dieſer Uebung
entgegentreten zu wollen. Nach § 29 Abſ. 5 muß
das begründete Gutachten von beiden Gerichtsärzten
unterſchrieben werden.
1369
Druckfehler⸗ Berichtigung.
In Nr. 15/16 Seite 301 rechte Spalte Zeile 12
von unten muß es ſelbſtverſtändlich heißen „Soziali⸗
ſierung“ des Individualismus.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H, Freiſing.
Ur. 18. 18. München, den 1: den 15. . September 1908. 19038. 4. JI. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
semean il Gaye e
in München. in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, e
Inſertionsgebühr 30 Wer für die halbgeſpaltene Peti
2. deren Raum. Bel Wiederholungen Rabati. € Stellenanze En
20 Pfg. Beilagen nach Uebere inkunft
Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange v 1 3 ns 2 Bogen. Preis vierteljährlich
8—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung
Foſtanſtalt (Boſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9748).
Nachdruck verboten.
„ | i ° P à ..
| f verhältniſſe dieſer Staatsdiener aber nur teilweiſe
da5 a bayerische Leamtenrecht | einheitlich geregelt worden. Die Ungleichheit der
Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg. . der nn brachte manche
Bayern hat das Verdienſt, mit feiner Haupt: Unzufriedenheit mit fih, da die Unterſcheidung
3 vom 1. — Ti zwiſchen pragmatiſchen und nichtpragmatiſchen Be-
brechendes Werk auf dem Gebiete des Staats⸗ amten vielfach eine zufällige und willkürliche war.
dienſtrechtes geſchaffen zu haben. Auf den Grunb: Die Einfügung großer neuer Beamtenkörper, be⸗
ſätzen dieſer Pragmatik ift das Staatsdieneredikt, 5 jener der Verkehrsverwaltung, in den
die IX. Beilage zur bayeriſchen Verfaſſungs⸗ ehördenorganismus ſchuf neue Verhältniſſe und
urkunde, aufgebaut; eine hohe Auffaſſung vom Bedürfniſſe, denen das unter einfacheren Verhält⸗
Stande der Staatsdiener ſpricht aus ſeinen Be⸗ niſſen entſtandene Beamtenrecht nicht mehr voll
ſtimmungen; ſelbſt jene, welche dem am 1. Januar gerecht zu werden vermochte. Dadurch war die
1909 in Kraft tretenden neuen Beamtengeſetze Entſtehung von Sondervorſchriften für die ein⸗
das uneingeſchränkte Lob eines modernen, von zelnen Verwaltungsgebiete begünſtigt und ſchließlich
freiheitlichen Ideen getragenen Geſetzes ſpenden, iſt auch das beſte Recht nach 100 jährigem Be⸗
werden der Dienſtespragmatik, die faſt ein Jahr⸗ ſtande reformbedürftig. Das Reich und Württem⸗
hundert lang die Verhältniſſe der pragmatiſchen berg haben ſich zu Aenderungen ihrer Beamten⸗
Staatsdiener beſtimmt hat, die Anerkennung nicht geſetze im verfloſſenen Jahre veranlaßt geſehen,
verjagen, daß fie ein ehrenvolles Begräbnis ver- obwohl ihre Beamtengeſetze erſt in den Siebziger
dient. Es war nicht im Geiſte der Dienſtes⸗ Jahren erlaſſen waren. In Bayern freilich wurde
pragmatik, daß der Kreis der Beamten, welche das Bedürfnis einer Neugeſtaltung weniger von
pragmatiſche Rechte genoſſen, verkleinert und da- den Beamten als von der Regierung empfunden;
neben ein Heer von Beamten 2. Klaſſe geſchaffen abgeſehen von den begreiflichen Beſtrebungen ein⸗
worden iſt. Das ungeahnte Anwachſen des Be⸗ zelner Klaſſen nichtpragmatiſcher Beamter nach
amtenkörpers drängte dazu, aus fiskaliſchen Erlangung pragmatiſcher Rechte, waren die bayer⸗
Gründen einen großen Teil des Perſonals nur iſchen Beamten, beſonders die pragmatiſchen, mit
auf Ruf und Widerruf aufzunehmen; man ſchied ihrem Beamtenrechte zufrieden; nur eine Auf:
die nichtpragmatiſchen Staatsdiener in nicht⸗ beſſerung ihrer unzulänglichen Gehalte tat ihnen
pragmatiſche Beamte und Bedienſtete; einzelne not. Die Regierung dagegen entbehrte einer ge⸗
Klaſſen der nichtpragmatiſchen Beamten errangen nügenden Handhabe zur Ausübung der Dienſt—
in ſpäterer Zeit nach einer beſtimmten Dienſtzeit
Penſionsrechte, andere nur gnadenweiſe Zuſicherung
von Ruhegehalten, während wieder andere Klaſſen
weder Anſprüche noch Anwartſchaft auf Ruhe-
gewalt gegenüber pflichtvergeſſenen Beamten, wo—
rauf ſpäter zurückzukommen ſein wird. Die in den
Jahren 1851, 1853 und 1879 gemachten Verſuche,
1 1 für . Beamte
ehalte hatten. Die ſonſtigen Rechtsbeziehungen der zu ſchaffen, waren mißlungen. Mit der unabweisbar
1 nn m ent⸗ notwendig gewordenen Neuregelung der Gehalts:
behrten überhaupt einer feſten Grundlage; erſt verhältniſſe war die günſtige Gelegenheit zur
durch die Kgl. Verordnung vom 26. Juni 1894, Unterbringung einer das geſamte Beamtenrecht
die Dienſtverhältniſſe der nichtpragmatiſchen Be- neuregelnden Vorlage gegeben. Die gleichzeitige
amten und Bediensteten betreffend, find die Ge: Neuregelung der Gehalte und der übrigen Ver—
8 hältniſſe der Beamten erſchien der Regierung auch
halts⸗ und Penſionsverhältniſſe die übrigen Rechts⸗ hesbaih geboten: weil man r Berhalime-eine
allzuſtarken Belaſtung des Staatshaushaltes den
Beamten neben höheren Gehalten die bisherigen
Abkürzungen: BG. = Beamtengeſetz.
RDG. = Richter⸗Disziplinargeſetz.
346
Penſionen nicht mehr gewähren zu können glaubte.
Der Vorlage des Entwurfes einer Gehaltsordnung,
die am 24. Februar 1908 dem Landtage zuge⸗
gangen war, folgte am 17. April 1908 die Vor⸗
lage des Entwurfes eines Beamtengeſetzes. Das
Nebeneinander der beiden wichtigen Vorlagen war
nicht zum Vorteil des Beamtengeſetzes; das
allgemeine Intereſſe wurde zu ſtark von letzterem
abgelenkt. Gegenüber der Hochflut der Kritiken
und Petitionen zur Gehaltsordnung verſchwanden
die wenigen an die Oeffentlichkeit gebrachten Be⸗
urteilungen des Entwurfs des Beamtengeſetzes.
Auch dem Landtage bereitete die Gehaltsordnung
mehr Schwierigkeiten als das Beamtengeſetz.
Das BG. ift unter Beobachtung der für Ver:
faſſungsänderungsgeſetze vorgeſchriebenen Formen
erlaſſen; es wird aber ſelbſt nicht Beſtandteil der
Verfaſſung, nicht Verfaſſungsgeſetz.
Das Geſetz iſt keine geniale Neuſchöpfung,
ſondern hauptſächlich eine kompilatoriſche Arbeit.
Nahezu ganze Abſchnitte und in anderen Teilen
viele Artikel ſind wörtlich oder mit geringen
Aenderungen aus anderen Geſetzen, hauptſächlich
der VO. vom 26. Juni 1894, dem Richter⸗
disziplinargeſetze, dem Reichsbeamtengeſetze, den
preußiſchen Beamtengeſetzen und dem Reichsunfall⸗
fürſorgegeſetz übernommen.
Wie ſchon der Entwurf, wird auch das Geſetz
verſchieden beurteilt werden. Es iſt nicht leicht,
im erſten Augenblicke dem Geſetze unter dem Ein⸗
drucke der Erregung gerecht zu werden, die ge⸗
täuſchte Erwartungen beſonders in den Kreiſen
der Richter hervorgerufen haben, welche durch die
Aufhebung ihrer Richterpenſionsrechte einen ſehr
empfindlichen Verluſt erleiden. Es war ein
ſchweres Stück Arbeit, ein brauchbares, einheitliches
Recht für einen Organismus zu ſchaffen, deffen
Elemente nicht nur nach geſellſchaftlicher Stellung,
Vorbildung und Arbeitsleiſtung weit verſchieden
ſind, ſondern auch zufolge der hiſtoriſchen Ent⸗
wickelung des bayeriſchen Beamtenrechts bisher
eine verſchiedene Rechtsſtellung eingenommen
haben. Der Beſitz eines einheitlichen Beamten⸗
rechts ift jedenfalls ein Gewinn; Verluſte Ein:
zelner ſind bei ſolchen Umwälzungen kaum ganz
vermeidlich; aber ich bezweifle doch, ob das
Geſetz in ſeiner jetzigen Geſtalt je Annahme ge—
funden hätte, wenn man nicht bei jeder Frage,
ob bisherige Rechte der Beamten geſchmälert
werden ſollen, die Erhöhung der Gehalte in die
Wagſchale geworfen hätte. Die Gehaltsaufbeſſerung
ſollte doch nur den Ausgleich für den geſunkenen
Geldwert bilden und durfte am allerwenigſten als
Schmerzensgeld angeſehen werden, wo es ſich um
andere als Vermögensrechte handelte. Die ver—
gleichende Darſtellung wird zeigen, daß auch
ernſte Verluſte auf anderem als vermögensrecht—
lichem Gebiete zu verzeichnen ſind. Freilich hat
das Geſetz auch große Vorzüge und es iſt an—
zuerkennen, daß es, wenn man von Einzelheiten
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
abſieht, einen Vergleich mit den Beamtengeſetzen
der anderen Bundesſtaaten und dem Reichs⸗
beamtengeſetze nicht zu ſcheuen hat. Das iſt freilich
noch kein beſonderes Lob, denn bisher war Bayern
hinſichtlich der Rechtsſtellung ſeiner pragmatiſchen
Beamten allen deutſchen Staaten voran; nur aus
dem Vergleich mit dem ſeitherigen bayeriſchen
Beamtenrecht läßt ſich beurteilen, ob das Geſetz
berechtigten Erwartungen gerecht wird. Als einer
ſeiner größten Vorzüge gegenüber dem derzeitigen
Recht wird ſein dem Richterdisziplinargeſetz nach⸗
gebildetes Dienititrafverfahren gerühmt. Man darf
aber nicht vergeſſen, daß einigen Vorzügen des
neuen Verfahrens eine Ausdehnung der Dienſtſtraf⸗
gewalt gegenüberſteht, wie ſie ohne genügende Ge⸗
währleiſtung gerechter, von augenblicklichen Ström-
ungen unbeeinflußter Handhabung einfach unan⸗
nehmbar geweſen wäre, und daß es überhaupt recht
fraglich iſt, ob die vom ſeitherigen Rechte für die
Sicherheit der Stellung des pragmatiſchen Beamten
dadurch gebotene Garantie, daß eine Amtsentſetzung
nur durch Urteil eines ausſchließlich aus Berufs⸗
richtern zuſammengeſetzten Disziplinargerichts er⸗
folgen konnte, nicht mehr wert war als die ſorg⸗
fältigſte Ausgeſtaltung des Verfahrens vor einem
gemiſchten Gerichte.
Mit der Einbuße an den ſeitherigen Penſions⸗
anſprüchen mag die Erhöhung der Witwen⸗ und
Waiſengelder einigermaßen verſöhnen; aber auch
hier wird man bei genauerer Vergleichung finden,
daß der Vorteil nicht ſo groß iſt als es auf den
erſten Blick ſcheint. Die vielgeprieſene Schaffung
eines einheitlichen Beamtenſtandes aber iſt zum
Teil auf Koſten der pragmatiſchen Beamten
erzielt, weil man die Einheit nicht bloß durch
Hebung der nichtpragmatiſchen Staatsdiener,
ſondern auch durch Abbröckelung an den prag⸗
matiſchen Rechten hergeſtellt hat.
So wird denn das Urteil über das Geſetz
ſtark davon beeinflußt ſein, ob der Beurteiler zu
den Gehobenen oder zu den Verkürzten gehört,
ferner davon, wie hoch vom Einzelnen der augen⸗
blickliche Vorteil eingeſchätzt wird, den die neue
Gehaltsordnung bringt. Die Gewinnung eines
objektiven Urteils habe ich durch Vergleichung
aller wichtigen Vorſchriften des Geſetzes mit dem
ſeitherigen Rechte zu erleichtern geſucht.
Nicht die dienſtrechtlichen Verhältniſſe aller
unmittelbaren Staatsbeamten werden durch das
Beamtengeſetz geregelt; der bereits eingebürgerte
Begriff „Staatsbeamter“ (§ 70 Abſ. III des
GG., Art. 26 des AG. z. BGB.) konnte daher
nicht na Ausgangspunkte der Beſtimmungen
über den
Machtbereich des Geſetzes
gemacht werden und es gab kaum einen beſſeren
Weg zur Beſtimmung des Kreiſes der Beamten,
auf welche das Geſetz Anwendung finden ſoll, als
den ſchon vom Reichsbeamtengeſetz und Württem⸗
bergiſchen Beamtengeſetz eingeſchlagenen Weg ber
Schaffung eines beſonderen Begriffes des „Be⸗
amten im Sinne des Beamtengeſetzes“. Der
Art. 1 beſtimmt dieſen Begriff in naher An⸗
lehnung an den $ 1 der Kgl. VO. vom 26. Juni
1894 „die Dienſtverhältniſſe der nichtpragmatiſchen
Staatsbeamten und Staatsbedienſteten betreffend“:
Beamte im Sinne des Beamtengeſetzes ſind
die Perſonen, welche ſich auf Grund einer
(mündlich oder ſchriftlich erklärten) Entſchließung
des Königs oder einer vom König ermächtigten
Behörde in einem (zu Gehorſam verpflichtenden)
Dienſtverhältniſſe zum Staate befinden und ent⸗
weder einer in der Gehaltsordnung aufgeführten
Beamtenklaſſe angehören oder durch Anordnung
der Staatsregierung (ſei es durch Geſetz, ſonſtige
allgemeine Anordnung oder durch Verfügung im
Einzelfalle) als Beamte im Sinne des Beamten⸗
geſetzes erklärt ſind.
Hiernach ſcheiden alle Perſonen aus, welche
auf Grund geſetzlicher Vorſchrift dem Staate
Dienſte zu leiſten verpflichtet ſind, ferner alle jene,
die durch Abſchluß rein privatrechtlicher Verträge
zu Dienſtleiſtungen für den Staat gewonnen
werden, dann jene, welche zwar in einem öffentlich:
rechtlichen Dienſtverhältniſſe zum Staate ſtehen,
aber weder einer in der Gehaltsordnung auf:
geführten Beamtenklaſſe angehören noch als
Beamte im Sinne des Beamtengeſetzes erklärt ſind.
Die Beamten im Sinne des BG. ſcheidet
das Geſetz in „etatsmäßige“ und „nichtetats⸗
mäßige“ Beamte. Nur der etatsmäßige Beamte
ſtellt den Vollbeamten, den Typ des Staats⸗
dieners im ſeitherigen Sinne dar, deſſen Dienſt⸗
verhältnis nicht bloß Pflichten auferlegt, ſondern
auch Rechte begründet. Auf den nichtetatsmäßigen
Beamten ſind faſt ausſchließlich die läſtigen Be⸗
ſtimmungen des Geſetzes, nämlich die Vorſchriften
über die Pflichten der Beamten (Abſchn. II),
über Dienſtaufſicht und Zwangsmittel (Art. 102
bis 104), ein Teil der dienſtſtrafrechtlichen Be⸗
ſtimmungen (nach Art. 164, 168 u. 169), die
Beſtimmungen der Art. 171—175 über vor⸗
läufige Dienſtenthebung und des X. Abſchn. über
das Verfahren bei Erſatzzuweiſungen anwendbar.
Der Kreis ihrer Rechte iſt ein ganz enger: ſoferne
ſie überhaupt beſoldet ſind, haben ſie Anſpruch
auf den bereits verdienten und im Falle der
nicht wegen Pflichtverletzung verfügten Entlaſſung
auf Fortbezahlung des Gehaltes für die Dauer
von 3 Monaten ſeit Mitteilung der Entlaſſung
(Art. 8 Abſ. 2), Anſpruch auf Umzugskoſten bei
unfreiwilliger unverſchuldeter Verſetzung (Art. 8
Abi. 1), Anſpruch auf Unfallfürſorge nach den
Beſtimmungen des VI. Abſchnittes, endlich das
Recht, ihre Entlaſſung aus dem Staatsdienſte
zu fordern (Art. 10). Zur Verfolgung ihrer ver—
mögensrechtlichen Anſprüche ſteht ihnen nach
Maßgabe der Beſtimmungen des IX. Abſchn. der
Rechtsweg offen.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
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347
Die wichtigen Abſchnitte III mit V über
Dienſteinkommen, Verſetzung in den Ruheſtand
und Hinterbliebenenfürſorge gelten nur für die
etatsmäßigen Beamten. Etatsmäßige Beamte
ſind jene einer in der Gehaltsordnung aufge⸗
führten Beamtenklaſſe angehörigen Beamten,
deren Ernennung zum etatsmäßigen Beamten
durch Aushändigung einer Anſtellungsurkunde
oder durch amtliche Ausſchreibung und durch den
Eintritt des in der Urkunde oder Ausſchreibung
beſtimmten Zeitpunktes wirkſam geworden iſt
(Art. 2, Art. 5 Abſ. 1 u. 3).
Der im Reiche und anderwärts gebräuchliche
Ausdruck „etatsmäßige Beamte“ beſagt nicht das,
was das bayeriſche Beamtengeſetz unter „etats⸗
mäßigen Beamten“ verſteht. Daß die verliehene
Stelle eine etatsmäßige iſt, iſt nur eine der
beiden Vorausſetzungen für den Erwerb der
Eigenſchaft als etatsmäßiger Beamter. Das unter⸗
ſcheidende Kennzeichen iſt ein rein formelles, das
nämliche, das bisher zum pragmatiſchen Beamten
ſtempelte: die Aushändigung einer Ernennungs⸗
urkunde oder die amtliche Ausſchreibung ihres
Inhalts.
Nicht allen etatsmäßigen Beamten wird
jedoch das volle Maß von Rechten zugemeſſen,
welche die Gegenleiſtung des Staates für die
Dienſtleiſtung bilden können; eine Reihe von
Rechten und Garantien wird nur dem „uns
widerruflichen“ Beamten zugeſtanden; nur mit
ihm beſchäftigt ſich eine große Anzahl von
Artikeln des Geſetzes. Darüber jpäter.
Da fih die Neuregelung der Gehaltsverhält⸗
niſſe durch die Gehaltsordnung nahezu auf alle
bisher pragmatiſchen Beamten und nichtpragmati⸗
ſchen Beamten und Bedienſteten erſtreckt, werden
faſt alle dieje Beamten unter die Begriffsbe⸗
ſtimmung des Art. 1 fallen. Dagegen bedurfte es
einer beſonderen Beſtimmung, welche von den bei
Inkrafttreten des Geſetzes bereits angeſtellten Be⸗
amten als etatsmäßige Beamte im Sinne des
BG. zu gelten haben. Der Art. 208 beſtimmt
nun, daß mit dem Zeitpunkte des Inkrafttretens
des Geſetzes alle im Dienſt befindlichen Beamten
und Bedienſteten, die vor dieſem Zeitpunkte in
pragmatiſcher oder in nichtpragmatiſcher ſtatus—
mäßiger Dienſteseigenſchaft angeſtellt waren und
in eine in der Gehaltsordnung aufgeführte Be⸗
amtenklaſſe übergeleitet werden, als etatsmäßige
Beamte im Sinne des BG. gelten. Nur dieſer
Ueberleitungsakt ſtempelt die am 1. Januar. 1909
bereits angeſtellten Beamten zu etatsmäßigen Be—
amten im Sinne des Art. 2; wer nicht über⸗
geleitet wird, hat dieſe Eigenſchaft nicht, auch
wenn er eine etatsmäßige Stelle bekleidet. Die
Ueberleitung wird auf Grund des Art. 211 BG.
durch Kgl. Verordnung geregelt. Die Ueberleitung
wird zweifellos für alle pragmatiſchen Beamten
erfolgen. Dagegen werden nicht ſämtliche nichtprag—
matiſche Beamte und Bedienſtete die Eigenſchaft
348
etatsmäßiger Beamter erhalten, da einige Klaſſen
in die neue Gehaltsordnung nicht Aufnahme ge⸗
funden haben.
Der XI. Abſchn. bringt beſondere Vorſchriften
für einzelne Klaſſen von Beamten. Sie gehören
inſofern hierher, als fie teils den Kreis der Pe-
amten erweitern, auf welche das Geſetz ganz oder
teilweiſe Anwendung finden fol, indem fie be-
ſtimmten Klaſſen angehörige Beamte, die nicht
unter Art. 1 oder doch nicht unter Art. 2 des
BG. fallen würden, als etatsmäßige Beamte oder
doch als Beamte im Sinne des BG. erklären
oder einzelne Partien des Geſetzes auf dieſe Be⸗
amtenklaſſen für anwendbar erklären, teils die
ipätere Erweiterung des unter das Geſetz fallenden
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
Ruhegehalt der Zivilſtaatsminiſter und die An⸗
ſprüche ihrer Hinterbliebenen bemeſſen fih dem nach
in Zukunft nach den Vorſchriften des BG. für
unwiderrufliche Beamte. Jedoch kann der König
dem von ihm aus eigenen Antrieb oder gemäß
Art. III des Miniſterverantwortlichkeitsgeſetzes
ſeiner Stelle enthobenen Staatsminiſter einen
höheren Ruhegehalt zumeifen, der aber 75 %
des penſionsfähigen Dienſteinkommens nicht über⸗
ſteigen darf. Auf den Kriegsminiſter findet das
BG. nicht Anwendung; jedoch erwirbt auch er
nach Art. I n. F. des Miniſterverantwortlichkeits⸗
geſetzes mit der Uebertragung des Miniſteriums
Anſpruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenen—
| verſorgung nach Inhalt der vorbezeichneten Vor:
Beamtenkreiſes ermöglichen, indem fie die Er: ſchriften des BG., ſoweit ihm und feinen Hinter-
mächtigung erteilen, beſtimmten Klaſſen angehörige
Beamte, die nicht Beamte im Sinne des BG.
ſind, als etatsmäßige Beamte zu erklären oder
doch die Vorſchriften des BG. auf dieſe Beamten
ganz oder teilweiſe für entſprechend anwendbar zu er⸗
klären (Uebergangsbeſtimmungen hierzu in Art. 208
Abſ. 2 u. 3). Im übrigen enthält dieſer XI. Abſchn.
Beſtimmungen, durch welche für beſtimmte Be⸗
amtenklaſſen die Anwendbarkeit einzelner Teile
des Geſetzes ausgeſchloſſen wird und die für nicht
anwendbar erklärten Vorſchriften teilweiſe durch
andere erſetzt werden. Die beſonderen Vorſchriften
für die Mitglieder der ordentlichen Gerichte und
die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes ſowie
für die den letzteren in bezug auf den Anſpruch
auf Gehalt und die Vorrückung im Gehalt, in
bezug auf Dienſtaufſicht und Dienſtſtrafverfahren,
die vorläufige Dienſtenthebung, die unfreiwillige
Verſetzung auf eine andere Stelle und in den
Ruheſtand nunmehr gleichgeſtellten Mitglieder des
Oberſten Rechnungshofes (Art. 184) werden jeweils
— — ——— R—wäutꝛ nn
bei Beſprechung der für die nicht richterlichen Be—
amten geltenden Vorſchriften vergleichend angereiht
werden. Ebenſo werden die beſonderen Vorſchriften
für weibliche Beamte an geeigneter Stelle ein—
gefügt werden. Von den übrigen beſonderen Vor—
ſchriften dieſes Abſchnittes dürften nur noch jene
für die Staatsminiſter
Intereſſe
beanſpruchen.
Für die Stellung der Staatsminiſter bleiben
die Geſetze vom 4. Juni 1848, die Verantwort⸗
lichkeit der Miniſter betr., und 30. März 1850,
den Staatsgerichtshof und das Verfahren bei
Anklagen gegen Miniſter betr., (mit Aenderung
durch Art. 72 AG. z. StPO.) in erfter Linie
maßgebend. Erſteres Geſetz erfährt jedoch durch
Art. 221 BG. einige durch die Aufhebung der
IX. Verf B. notwendig gewordene Aenderungen.
Im übrigen finden auf die Zivilſtaatsminiſter
die für unwiderrufliche Beamte geltenden Vor—
ſchriften der Abſchn. I mit VI und IX des BG.
allgemeines
Anwendung, ſoweit fid nicht aus dem Miniſter⸗
aus deſſen
Auch der
verantwortlichkeitsgeſetz, beſonders
Art. III und VII, ein anderes ergibt.
bliebenen nicht höhere Beträge nach den in erſter
Linie maßgebenden Vorſchriften des Offiziers⸗
penſionsgeſetzes und des Militärhinterbliebenen:
geſetzes zukommen (Art. 182, 221).
Das Geſetz hat mit ſeiner Begriffsbeſtimmung
des Beamten im Sinne des BG. und mit der
beſprochenen Ausdehnung ſeiner Anwendbarkeit
noch immer nicht alle Perſonen getroffen, in
deren Dienſtverhältniſſe es eingreifen will. Zwar
eröffnet ſchon Art. 1 die Möglichkeit, alle Per⸗
ſonen, die ſich in einem Dienſtverhältniſſe zum
Staate befinden oder in ein folches eintreten, dem
Geſetze dadurch zu unterſtellen, daß ſie als
Beamte im Sinne des BG. erklärt werden. Dies
kann jedoch aus verſchiedenen Gründen unangebracht
erſcheinen. Um nun auch gegen die in einem
Dienſtverhältniſſe zum Staate ſtehenden Perſonen,
welche nicht Beamte im Sinne des Geſetzes find,
die Handhabe zur Geltendmachung der Bientt:
gewalt, insbeſondere zum Anziehen der Schraube
des Dienſtſtrafrechts zu gewinnen, hat das Geſetz
(Art. 25, 181, 165) eine Reihe von Artikeln für
anwendbar erklärt auf
1. jene Staatsdienſtadſpiranten, die nicht als
Beamte im Sinne des Art. 1 erklärt find;
2. Perſonen, die, ohne als Beamte im Sinne
des Art. 1 erklärt zu ſein, mit den Ver⸗
richtungen ſolcher Beamten ſtändig oder
vorübergehend betraut ſind (Vorbild Art. 112
des AG. z. StPO.).
Ob jemand zu den in Ziff. 2 bezeichneten
Perſonen gehört, kann im Einzelfalle zweifelhaft
ſein. Aus dem Inhalte der für anwendbar er⸗
klärten Vorſchriften, insbeſondere jener über den
Dienſteid, ergibt ſich, was auch die Begründung
zu Art. 25 des Entwurfs hervorhebt, daß Per-
ſonen ausſcheiden, welche auf Grund rein privat:
rechtlichen Vertrags Beamtenverrichtungen für
den Staat übernehmen. Die Grenze zwiſchen rein
privatrechtlichem und nicht rein privatrechtlichem
Dienſtvertrag mag aber nicht immer leicht zu
finden ſein. Unzweifelhaft fallen unter die Be⸗
ſtimmung jene Beamtendienſte leiſtenden Perſonen
(z. B. Kanzliſten der Gerichte), die nur deshalb
a a dr
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 349
nicht zu Beamten ernannt werden, weil ſie noch
nicht volljährig find. Als weitere Beiſpiele werden des HG., ſoweit diefe Verhältniſſe im Geſetze
genannt die bei Staatsbetrieben mit wechſelnder geregelt ſind, nur noch nach dem BG. zu be⸗
Inanſpruchnahme durch nicht rein privatrechtlichen urteilen. Einige für dieje Beamten außer Wirt-
dienſtlichen Verhältniſſe der Beamten im Sinne
Dienſtvertrag nur für die Dauer des erhöhten ſamkeit tretende Vorſchriften find beſonders auf:
Betriebes eingeſtellten Hilfskräfte und folde nicht gezählt; die wichtigſten find die IX. Verf B. und
zu Beamten ernannte Perſonen, die zwar dauernd. die noch gültigen Teile der Hauptlandespragmatik
aber ohne Anwartſchaft auf Einrückung in eine vom 1. Januar 1905. Es iſt zu betonen:
etatsmäßige Stelle auf Kündigung in einem 1. daß dieſe Beſtimmungen nicht vollſtändig,
ſtaatlichen Betriebe angenommen werden. ſondern nur für die Beamten im Sinne des
Die Beſprechung der durch das BG. geregelten BG. aufgehoben werden, weil ſie zum Teil auch
dienſtrechtlichen Verhältniſſe dieſer unter Ziff. 1 für andere Beamte gelten und gültig bleiben
u. 2 genannten Perſonen ſoll der Ueberſichtlichkeit ſollen, aber auch für die Uebergangszeit zufolge
halber gleich hier eingeſchaltet werden: der im BG. gemachten Vorbehalte teilweiſe noch
Sie leiſten gleich den Beamten den Dienft: für die im übrigen dem BG. unterworfenen
eid (Art. 23) und ſind gleich dieſen verbunden: Beamten Bedeutung haben. Vollſtändig aufgehoben
zur gewiſſenhaften Erfüllung der Amtspflicht und werden jedoch die Art. 107, 113 Abſ. II, 115
zur Beobachtung eines würdigen Verhaltens in und 116 des AG. z. StPO., während die
und außer dem Amte (Art. 11), zum Gehorſam Art. 103 - 106, 108 - 111 und 114 dieſes Geſetzes
gegenüber dem Dienſtbefehle (Art. 12 Abſ. 1 u. 2), in Zukunft nur auf Beamte, deren Dienſtſtrafrecht
zur Beobachtung der Amtsverſchwiegenheit (Art. 14) durch das BG. geregelt ift, keine Anwendung
und zur Anzeige einer beabſichtigten Eheſchließung mehr finden (Art. 223);
oder Einholung der dienſtlichen Erlaubnis hierzu 2. daß auch für die Beamten im Sinne des
(Art. 17). Es gelten für fie ferner die Verbote BGG. nicht alle auf Staatsbeamte bezüglichen
der Teilnahme an einem Verein, deſſen Zwecke Vorſchriften aufgehoben werden, ſondern nur
den ſtaatlichen oder dienſtlichen Intereſſen zu⸗ jene, welche mit dem Geſetz in Widerſpruch ſtehen,
widerlaufen, (Art. 16) und der Annahme von Be: demnach z. B. nicht der Art. 12 des AG. z.
lohnungen, Geſchenken, Gehalten und Aus- | BGB. über die Aufrechnungsbefugnis des Staates
zeichnungen nach Maßgabe des Art. 20, ferner gegen die Gehalte und Penſionen der Beamten
die Beſchränkung in der Uebernahme von Neben: und über Unübertragbarkeit und Unpfändbarfeit
ämtern und Nebengeſchäften gemäß Art. 18 der Witwen: und Waiſenbezüge. Wichtig ift die
Abſ. 1 und in der Wahl des Wohnſitzes nach ausdrückliche Aufrechterhaltung (Art. 222 Abſ. 2)
Art. 21; ſie haften gleich Beamten für jeden dem | des AG. z. GVG., das nur an 2 Artikeln (durch
Staate durch Verletzung der Amtspflicht ent⸗ Art. 222 Abſ. 1 BG.) eine Aenderung erfährt;
ſtandenen Schaden (Art. 13) und können im in Geltung bleibt ferner das RDG., allerdings
Erſatzzuweiſungsverfahren (Art. 179, 180) zum mit wichtigen Aenderungen (Art. 221). Aende⸗
Schadenserſatz angehalten werden; ihre dienſtlichen rungen haben außerdem folgende Geſetze erlitten:
Verfehlungen können nach den Beſtimmungen das Geſetz vom 26. Oktober 1887, die Erläuterung
der Art. 105—107, 111—117 mit Ordnungs- und den Vollzug des Titels II § 18 der Verfll.
ſtrafen (Verweis oder Geldſtrafe bis zu 100 M) betreffend, das AG. z. BGB., das Fin G. vom
geahndet werden. Nach Auflöſung des Dienft: 30. Juni 1900, das Not G. und das Schulbedarf—⸗
verhältniſſes kann über dieſe Perſonen wegen geſetz (Art. 225—229).
einer während des Beſtehens oder nach Auflöſung Das BG. räumt mit manchen vom bisherigen
des Dienſtverhältniſſes begangenen Verletzung der Rechte den Beamten eingeräumten Anſprüchen auf
Amtsverſchwiegenheit, wenn nicht nach den Straf: oder beſchränkt ſie. Die uneingeſchränkte Anwendung
geſetzen Strafe verwirkt iſt, im Wege des für die des Geſetzes auf Beamte, für welche unter den
|
unwiderruflichen aktiven Beamten vorgeſehenen alten Normen ſolche Anſprüche bereits entſtanden
Disziplinarverfahrens Geldſtrafe bis zu 600 M | find oder doch Anwartſchaft darauf begründet
verhängt werden (Art. 168, 169). Die von der war, würde zu großen Härten führen. Dem beugt
Staatsregierung erlaſſenen und noch zu erlaſſenden das Geſetz durch verſchiedene Vorbehalte vor, durch
Vorſchriften über Sonntagsruhe und Urlaub welche es die erworbenen Rechte ſchützt, insbeſondere
finden auch auf dieje Perſonen Anwendung; ein Verluſte an Gehalten und Ruhegehalten hintanhält
Anſpruch auf Urlaub ſteht ihnen nicht zu. Auf: und Anwartſchaften wahrt. Es geht noch einen
fällig iſt, daß die Art. 104 und 105 auf dieſe Schritt weiter, indem es etliche günſtigere Be—
Perſonen nicht für anwendbar erklärt ſind. ſtimmungen des neuen Rechtes den ſchon früher
Mit dem Inkrafttreten des BG. treten alle dieſem in Ruheſtand verſetzten Beamten und deren Hinter—
entgegenſtehenden Vorſchriften für die Beamten bliebenen, für welche im übrigen die ſeitherigen
im Sinne des BG. außer Kraft, ſoweit nicht im Penſionsvorſchriften fortgelten, zugute kommen
Geſetze ſelbſt Vorbehalte gemacht ſind (Art. 220). läßt (Art. 211—217); auch Art. 209 und 210
Es ſind alſo, von Vorbehalten abgeſehen, die gehören in gewiſſem Sinne hierher.
350
Einige Schwierigkeit bereitet die Beſtimmung
der Grenze der Anwendung der alten und neuen
Vorſchriften über Dienſtſtrafrecht. Der mit. un:
wefentlichen Aenderungen aus dem Not®. (Art. 135)
übernommene Art. 219 BGG. entſcheidet die Frage
nur für die bei Inkrafttreten des Geſetzes bereits
anhängigen Dienſtſtrafſachen. Hiernach ſind dieſe
nach dem bisherigen Verfahren zu erledigen,
während hinſichtlich der auszuſprechenden Strafe
das mildere u zur Anwendung kommt und
weiter beſtimmt iſt, daß auf Haft oder Arreſt
nicht mehr erkannt werden kann. Ob das alte
oder neue Dienſtſtrafrecht auf eine Dienſtſtrafſache
Anwendung findet, welche erſt nach dem Inkraft⸗
treten des Geſetzes anhängig wird und eine vor
Inkrafttreten des Geſetzes begangene Verfehlung
betrifft, iſt nicht geſagt. Nach allgemeinen Grund⸗
ſätzen wird in einer ſolchen, natürlich nach den
neuen Vorſchriften über das Verfahren zu be⸗
handelnden Dienſtſtrafſache ſich Strafbarkeit und
Strafe nach dem milderen Geſetze bemeſſen.
(Fortſetzung folgt.)
Zur Einführung in das Reichsgeſetz
über den Verſicherungs vertrag.
Von Oberlandesgerichtsrat K. Schneider in Stettin.
(Fortſetzung.)
Ich will nunmehr verſuchen, einige der er—
heblichſten Grundzüge des deutſchen Geſetzes in
Kürze vorzuführen.
Hierzu gehören vor allem die Vorſchriften
über den urſprünglichen Gefahrenſtand. Das
ſind diejenigen Umſtände, aus deren Wirkend—
werden die Verpflichtung des Verſicherers über—
haupt (bei der Schadensverſicherung) oder doch
verfrüht (bei der Lebensverſicherung) erwachſen
kann, und die daher,
ſcheinlichkeit berechnet, für die Entſchließung des
Verſicherers, die betreffende Verſicherung zu über:
nehmen, maßgebend ſind. Sie bilden die wichtige
Grundlage für den Abſchluß des Vertrages, an
deren genauer Feſtſtellung und tullichſter
Feſthaltung für die Dauer des Vertrags—
verhältniſſes für den Verſicherer und mittelbar
deshalb auch für den Verſicherungsluſtigen und
a Verſicherungsnehmer das größte Intereſſe
eſte
Zu ihrer Feſtſtellung, ſoweit ſie dem
Verſicherer nicht allein möglich iſt, ſtellt das
Geſetz eine Aufklärungspflicht des Verſicherungs—
luſtigen zur Verfügung: „Der Verſicherungs—
nehmer hat bei der Schließung des Vertrags alle
ihm bekannten Umſtände, die für die Uebernahme
der Gefahr erheblich ſind, dem Verſicherer anzu—
zeigen“ ($ 16 Abſ. 1). Abgeſchwächt wird diefe
Verpflichtung jedoch dadurch, daß ſie nur bei
nach Statiſtik und Wahr:
Zeitſchrift für Rechtspflege in Baye in Bayern. 1908. Nr. 18.
Verſchulden als verletzt gilt ($ 16 Abſ. 3, 817
Abſ. 2); und durch die Berückſichtigung der Ver⸗
kehrsgepflogenheit, dem Verſicherungsluſtigen einen
Fragebogen vorzulegen, in dem der Verſicherer
alles das als Frage zuſammenzufaſſen pflegt, was
ihm zu willen wertvoll erſcheint. Zwar gelten
dieſe Fragen im Zweifel als erheblich; anderer⸗
ſeits kommt aber der Verſicherungsluſtige damit
aus, nur ſie zu beantworten, und haftet daher
im Falle der Verſchweigung von anderen, an
und für ſich nach 8 16 anzuzeigenden Umſtänden
nur bei Argliſt (8 18 Abſ. 1 und 2. Zum
Vorteile des Verſicherungsnehmers gilt dann aber
der eingegangene Verſicherungsvertrag wegen
etwaigen Irrtums über dieſe Grundlage des Ver⸗
trages, obwohl $ 119 BGB. hier ſehr wohl
anwendbar wäre, als unanfechtbar; wegen un:
verſchuldet verborgen gebliebener und dann nach⸗
träglich entdeckter Gefahrumſtände hat der Ver⸗
ſicherer nur das Recht auf eine dadurch etwa
bedingte höhere Prämie ($ 41).
Dieſe Aufklärungspflicht dauert bis zum Augen⸗
blicke des Vertragsabſchluſſes; auf dieſen, obwohl
er theoretiſch und praktiſch nicht ſo ganz einfach
zu finden iſt, kommt es alſo ganz beſonders an.
Sie hört aber auch dann nicht auf, ſondern
dauert, wenngleich nur als ähnliche Pflicht und
mit anderen Rechtsfolgen bei Verletzung, für die
ganze Abwickelung des Verſicherungsverhältniſſes
fort und tritt neben die Pflicht, den urſprünglichen
Gefahrenſtand tunlichſt feſtzuhalten. Der Ver⸗
ſicherungsnehmer fof ihn weder ſelbſt verſchärfen,
noch verſchärfen laſſen; iſt das doch geſchehen oder
ohne ſein Zutun geſchehen, ſo tritt noch jene An⸗
zeigepflicht in Wirkung. Was aber als eine ſolche
Verſchärfung anzuſehen ſei, iſt im allgemeinen
ſchwer zu fagen. § 29 beſchränkt ſich auf eine
verneinende Vorſchrift: „Eine unerhebliche Erhöhung
der Gefahr kommt nicht in Betracht. Eine Ge⸗
fahrerhöhung kommt auch dann nicht in Betracht,
wenn nach den Umſtänden als vereinbart anzuſehen
iſt, daß das Verſicherungsverhältnis durch die Ge⸗
fahrerhöhung nicht berührt werden ſoll.“ Nur
8 164 gibt für die Lebensverſicherung die beſondere
Vorſchrift: „Als Erhöhung der Gefahr gilt nur
eine ſolche Aenderung der Gefahrumſtände, welche
nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrer⸗
höhung angeſehen werden ſoll.“ Im 8 29 gerät
das Geſetz leider wieder in die gängige Redewendung
„als vereinbart“, obgleich es eben auf eine ſolche
Vereinbarung gar nicht ankommt, und eine ſolche
in Wahrheit fehlt. Alles kommt auf das unter
den betreffenden Umſtänden, z. B. in dem Ge-
werbebetriebe und nach den Lebensgewohnheiten
des Verſicherungsnehmers, übliche und deshalb,
mangels gegenteiliger Aeußerung, den Beteiligten
als maßgebend hingeſtellte an! Im übrigen könnte
man mit der Begründung des Geſetzes (S. 42)
ſagen, daß zur Gefahrerhöhung „begrifflich an ſich
jede tatſächliche Aenderung, welche die Möglichkeit
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18. 351
des Eintritts des Verficherungsfalles in irgend Aufſichtsbehörde da, wo ein Verſicherungsunter⸗
einer Richtung naͤher rückt“, genüge. Mit nehmer die Fälle des Außerverſicherungtretens
Recht wird a. a. O. aber weiter bemerkt, daß ſich unter gewiſſen Vorbedingungen zu weit ausdehnte —
der Verſicherer von vorneherein auf gewiſſe im alſo ſtatt bloße Obliegenheitsverletzungen mit Ent⸗
Laufe der Dinge vorkommende und nicht unge- ſchuldigungsbefugnis des Verſicherungsnehmers nach
wöhnliche Gefahrerhöhungen gefaßt machen und 8 6 zu ſchaffen — nach 87 Nr. 2 oder $ 64
dieſe auf ſich nehmen müßte. Das iſt eben das Abſ. 2 des le — wegen
bezeichnete Uebliche. Und weil ſich bei mancher Gefährdung der Intereſſen der Verſicherungs⸗
ſeiner tatſächlich die Gefahr erhöhenden Handlungen nehmer einzuſchreiten Anlaß nehmen könnte, ob-
ein Verſicherungsnehmer deffen kaum bewußt ift, gleich es, wie geſagt, grundſaͤtzlich nach § 29 des
fo fol ihm auch nur die verſchuldete Gefahr: Geſetzes dem Verſicherer freiſteht, zu beſtimmen,
erhöhung ernſtlich ſchaden, wenn ſie auch an und welche Gefahr und in welchem Umfange er ſie
für ſich dem Verſicherer das Recht der Löſung übernehmen will. Ich halte mich wenigſtens big-
des Vertrages, aber in milderer Form, beläßt: her überzeugt, daß hierin die richtige und ein⸗
§ 24 Abſ. 2 Satz 2. fache Löſung dieſer heiklen Frage gefunden iſt,
Beſondere Schwierigkeiten macht dabei dann vor die das neue Geſetz ſtellt, und habe den ent⸗
aber die Entſcheidung, wann aus bloßer Gefahr: ſprechenden Standpunkt daher in meinen oben:
erhöhung für die verſicherte Sache oder Perſon bezeichneten Erläuterungen zum Geſetze ausführ⸗
ein Außerverſicherungtreten derſelben wird, licher vertreten. Es iſt jedenfalls unerläßlich, ſich
da es zweifelloſes Recht des Verſicherers iſt, den über dieſen Punkt klar zu werden!
Umfang der Gefahr. die er übernehmen will, genau Dabei iſt ſchließlich nur noch auf den einen
zu beſtimmen. Im ſchweizeriſchen Geſetze (Art. 33) Punkt hinzuweiſen, daß unter dem belt des
hat dies noch beſonderen Ausdruck gefunden. 8 6 im deutſchen Geſetze — kein Verluſt des
Dieſelbe Grenzlinie iſt übrigens auch ſonſt zu Nach aus der Verſicherung bei Entſchuldigungs⸗
ziehen, nämlich bei Eintritt beſtimmter, dem Ver⸗ möglichkeit des Verſicherungsnehmers — nur die
ſicherer unliebſamer Ereigniſſe, die auf den Willen Ereigniſſe ſtehen, die auf eine entſchuldbare oder
des Verſicherungsnehmers zurückzuführen find, z. B. unentſchuldbare Handlung eben des Verſicherungs⸗
wenn ihm der Abſchluß einer Doppelverſicherung | nehmers zurückgeführt werden können. An | onſtige
verboten iſt. Es kann dies als Verletzung einer Ereigniſſe, alſo z. B. auch an den Abſchluß einer
Vertragspflicht, aber auch als Eintritt eines außer: Doppelverſicherung ohne Willen und Willen des
halb der übernommenen Gefahrenreihe (a 4 b) Verſicherungsnehmers, etwa durch einen Dritten
liegenden Gefahrenumſtandes (c) oder, allgemeiner | (Lagerhalter) in der Form einer Verſicherung für
geſagt, als ein Beendigungsgrund für die Ver- fremde Rechnung, kann unbekümmert um jenen
ſicherung durch den Verſicherungsvertrag bezeichnet § 6 der volle Verluſt des Rechtes aus der Ber-
ſein, wonach alſo letzterenfalls eine Verſicherung fiherung für den Verſicherungsnehmer geknüpft
nicht mehr beſtände. Dieſer Unterſchied iſt des- werden.
halb fo wichtig, weil § 6 des deutſchen Geſetzes Eine intereſſante Ausnahme von der Wirkung
einen Verluſt des Rechts aus der Verſicherung einer Gefahrerhöhung, für die der Verſicherungs—
(der alſo auch mit dem Aufhören der Verſiche- nehmer verantwortlich iſt, ſtellt, im Anſchluſſe an
rung gegeben wäre) nur bei verſchuldeter Ber: das HGB. $ 814, der § 26 im neuen deutſchen
letzung einer Vertragspflicht durch den Verſiche- Geſetze auf. Die betreffenden Vorſchriften über
rungsnehmer zulaſſen will. In jenem Falle der die willkürliche Gefahrerhöhung ſollen keine An—
Doppelverſicherung würde alſo, wenn dadurch eine wendung finden, „wenn der Verſicherungsnehmer
Vertragspflicht verletzt würde, die Sachlage nach zu der Erhöhung der Gefahr — durch ein
§ 6 zu prüfen fein; wenn ein Aufhören der Ver- Gebot der Menſchlichkeit veranlaßt wird”. Wenn
ſicherung dagegen abgemacht wäre, entfiele das. nun der Verſicherungsnehmer nicht nur dieſes tut,
Die Lölung dieſer Schwierigkeit wird vermehrt, ſondern unmittelbar durch grobfahrläſſiges oder
wenn beide Fälle im Vertrage nicht deutlich aus— 1 Aa Handeln den Eintritt des Verſicherungs—
einander gehalten find; fie wird aber, ſoweit ich falls herbeiführt und dadurch nach § 61 den Verluſt
nach ſorgfältiger Prüfung zu finden geglaubt habe, 1 5 Rechtes aus der Verſicherung erleidet, ſo
dadurch gelöſt, daß einmal gewiſſe Fälle von Ber- muß es auffallen, daß ihm nicht auch hierbei der
tragsverletzungen (3. B. die Nichtanzeige des Ber: in 8 26 ausgeſprochene Grundſatz zu Hilfe kommt.
ſicherungsfalles) ſich gar nicht zu einer Verſiche- Ich habe deshalb in meinen Erläuterungen zum
rungs beendigung statſache vereinbarungsweiſe Verſicherungsgeſetze (S. 46 Anm. 46) die Ber:
machen laſſen, alſo immer unter § 6 bleiben. mutung ausgeſprochen, der eigentliche Gedanke des
Sodann, daß das Geſetz andere beſtimmte Fälle Geſetzes ſei in § 26 zu finden und fet im übrigen
unabänderlich regelt, z. B. die Veräußerung der nur ſozuſagen in der Entwickelung ſtecken geblieben.
verficherten Sache (8 69), die aljo wiederum nicht Eine nähere Ausführung darüber in der „Oeſter—
zu einer glatten Verſicherungsbeendigungs- reichiſchen Revue“ 1907 hatte zu einer literariſchen
tatſache gemacht werden kann. Endlich, daß die Fehde mit dem bekannten Verſicherungsſchriftſteller
Dr. Georgii Cuna geführt, dem ich dann
wieder in der Nr. 18 und 19 obiger Zeitſchrift
aus 1908 entgegnete. Nachträglich habe ich für
meine Auffaſſung an dem ſchweizeriſchen Geſetze
einen trefflichen Bundesgenoſſen gefunden; denn
ſein Artikel 15 beſtimmt ausdrücklich, daß der
Verſicherer im vollen Umfange hafte, wenn der
Verſicherungsnehmer „gemäß einem Gebote der
Menſchlichkeit gehandelt und dadurch das be-
fürchtete Ereignis herbeigeführt“ habe, nämlich
den Verſicherungsfall. Dieſem Artikel 15 ent:
ſpricht der Artikel 32 Nr. 2 dort betreffend eine
Gefahrerhöͤhung. Da nun aber für das deutſche
Recht eine dem Artikel 15 gleichende Beſtimmung
fehlt, ſo iſt hierzu allerdings noch einiges Weitere
zu ſagen, das aber an dieſer Stelle allzu weit⸗
läufig würde. Nur das mag noch bemerkt ſein,
daß auch das Reichsgericht in einem Urteile vom
16. September 1906 betreffend einen ſelbſt her:
beigeführten Todesunfall eines Beamten der
Thyſſenſchen Werke in Weſtfalen in gewifſer Hin⸗
ſicht zu dieſer auch praktiſch nicht ganz unwichtigen
Frage Stellung genommen hat.
Wenn bisher von Pflichten und Vertrags⸗
verletzung die Rede war, ſo gebraucht das deutſche
Geſetz in ſeinem $ 6 (und mit ihm der öfter:
reichiſche Entwurf und das . Geſetz)
den Ausdruck „Obliegenheit“!); er wurde von mir
zum oben ſchon erwähnt. 8 6 lautet im
Abſ. 1: „Iſt in dem Vertrage beſtimmt, daß
bei Verletzung einer Obliegenheit, die
vor dem Eintritte des Verſicherungsfalles dem
Verſicherer gegenüber zu erfüllen ift, der Ber-
ſicherer zum Rücktritte berechtigt oder von der
Verpflichtung zur Leiſtung frei ſein ſoll,
ſo tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn
die Verletzung als eine unverſchuldete anzuſehen iſt.“
Zum einſtweiligen Ueberblicke füge ich hinzu:
die Verwirkung (Verluſt des Rechtes aus der
Verſicherung — keine Beſtimmung anderer Rechts⸗
nachteile wie Verfallen von Vertragsſtrafen) muß
im Vertrage ausgemacht ſein, die geſetzlichen
Verwirkungsfälle regelt das Geſetz ſelbſt, z. B.
in §S 61. Die Obliegenheit ſelbſt kann auf
Geſetz oder Vertrag beruhen. Ihre Verletzung
muß etwas ſein — wie ſich aus Wortlaut und
Zuſammenhang ergibt — wofür der Verſicherungs⸗
nehmer verantwortlich gemacht werden kann, alſo
nicht ein von ihm durchaus unabhängig ein:
tretendes Ereignis. Das wurde früher ſchon an-
gedeutet. So könnte vereinbart werden, daß jede
Entſchädigung bei Brandſtiftung durch die Dienſt—
boten desjenigen wegfällt, der gegen Feuer Ver—
ſicherung nahm, obgleich er geſetzlich für keinen
anderen (ohne eigenes Verſchulden — bei Beauf—
ſichtigung, Auswahl uſw.) haftet, und obgleich er
auch an den betreffenden Verſicherungsfall gänzlich
) Wegen der ſprachlichen Bedenken gegen! 3
Ausdruck j. dieſe Zeitſchrift Jahrgang 1907 S.
Zeitſchrift für Rechtspflege tr in Bayern. 1908. Nr. 18.
unſchuldig iſt. Eine „Obliegenheit“, die Dienſt⸗
boten von der Brandſtiftung fern zu halten, darf
in eine ſolche Vereinbarung eben nicht hinein⸗
gelegt werden. Obliegenheiten ſind alſo nur eigene
Handlungen oder Unterlaſſungen des Verſicherungs⸗
nehmers; hiernach ift die Tragweite des § 6 zu
bemeſſen.
Der Verſicherungsvertrag zeigt dann aber da⸗
durch noch eine, freilich auch ſonſt bei Vertrags⸗
verhältniſſen nicht unbekannte Eigentümlichkeit,
daß dieſe Obliegenheiten nicht zu der dem Ver⸗
ſicherungsnehmer zukommenden Erfüllung an den
Verſicherer gehören. Erfüllung iſt vielmehr die
Zahlung der Prämie an ihn; alle übrigen
„Pflichten“ des Verſicherungsnehmers ſind keine
ihm abverlangten Erfüllungshandlungen im Sinne
des 8 278 BGB., ſondern fie bedingen nur
das Recht des Verſicherungsnehmers auf die
Leiſtung des Verſicherers. Der Verſicherer ſelbſt
hat kein Recht auf deren Vornahme. Der Klar:
ſtellung dieſes beſonderen Verhältniſſes habe ich
ſeinerzeit die in „Iherings Jahrbüchern für Dog⸗
matik“ Bd. 53 S. 1 ff. erſchienene Abhandlung
gewidmet; im einzelnen muß und darf ich auf
meine dortigen Ausführungen verweiſen. Hier nur
kurz folgendes:
Die Nichterfüllung einer „Obliegenheit“ des
Verſicherungsnehmers kann, wie nach § 322
„aufſchiebend wirken. Nach $ 34 des
VerſG. kann der Verſicherer mit ſeiner Leiſtung
ſolange an ſich halten, als ihm nicht die nötigen
Belege für den Verſicherungsfall beigebracht ſind;
einen Anſpruch auf deren Beibringung oder ein
Recht auf Schadenserſatz hat er ſelbſtverſtändlich nicht.
Die Verletzung einer „Obliegenheit“ kann ferner
zum Schadenserſatzanſpruche des Verſicherers führen,
wenn z. B. der Verſicherungsnehmer gegen geſetz⸗
liches Verbot (bei Feuer- und Hagelverſicherung
83 93, 111) oder gegen eine beſondere vertraglich
übernommene Verpflichtung an dem Tatbeſtande,
wie ihn der Verſicherungsfall hinterließ. Aende-
rungen vornahm. Doch hat dieſer Schadens⸗
erſatzanſpruch die Eigentümlichkeit, daß er nie die
Entſchädigungsſumme überſteigen und darüber
hinaus gegen den Verſicherungsnehmer geltend
gemacht werden könnte. Denn ein Recht des
Verſicherers ſelbſt iſt nicht dadurch verletzt; nur
eine Vorausſetzung für das des Verſicherungs—
nehmers iſt mangelhaft beſchafft. Dieſer Grundſatz
iſt in den Artikeln 38 Abſ. 2 und 61 Abſ. 2 des
ſchweizeriſchen Geſetzes beſonders zum Ausdruck
gebracht.
Die Verletzung einer ſolchen „Obliegenheit“
kann endlich aber auch vertraglich zur Verwirkung
im engeren Sinne, zum Verluſte des ganzen Rechts
aus der Verſicherung für den Verſicherer führen;
oder zur Verwirkung im weiteren Sinne, d. h. zur
Verwirkung von anderweitigen Rechtsnachteilen,
Vertragsſtrafen, Strafzinſen, vorzeitiger Kündi—
gungsbefugnis des Verſicherers uſw. Das Wort
— m A
gebrauche in einem verſchiedenen Sinne gebraucht.
Bei „Obliegenheiten“, an deren Verletzung im
Vertrage ein ſolcher Vollverluſt geknüpft wurde,
tritt dann für den Verſicherungsnehmer der Schutz
des § 6 ein, d. h. er darf die Verletzung als
unverſchuldet nachweiſen und kann damit dem
Eintritte jener Rechtsverwirkung im engeren Sinne
vorbeugen. Das war ſchon geſagt; hinzugefügt
|
„Verwirkung“ wird hier nach dem deutſchen Sprach⸗
|
mag aber noch werden, daß auch bei Verwirkungs⸗
klauſeln in dem weiteren Sinne der Entſchuldigungs—
beweis, wenn er nicht, wie denkbar und zuläſſig
iſt, ausdrücklich im Vertrage ausgeſchloſſen wäre
(RG. Bd. 62 S. 191), geführt werden darf.
Und ferner, daß bei Vertragsſtrafen das richter—
liche Ermäßigungsrecht nach BGB. § 343 eintritt
(mit ſeiner Ausnahme nach dem HGB.). Zu
ſolchen „Vertragsſtrafen“ ſind auch, entgegen dem
Wortlaute des $ 339 BGB., diejenigen zu zählen,
die, ohne an eine mangelhafte Erfüllung der Ber-
bindlichkeit durch den Verſicherungsnehmer als
Schuldner geknüpft zu fein, doch den Zwecken des
Vertragsverhältniſſes dienen ſollen.
Damit hat dann alſo das Geſetz ſür alle unter
den § 6 fallenden Obliegenheitsverletzungen den
wichtigen und von der früheren, teilweiſe ſo ſtarren
Handhabung des Verſicherungsrechtes vorteilhaft ab:
ſtechenden Grundſatz aufgeſtellt, daß der Verſiche⸗
rungsnehmer feine Schuldloſigkeit an der ihm
ſonſt zur Laſt fallenden Verletzung nachweiſen dürfe.
Und zwar iſt dieſer Grundſatz der Abänderung
durch Vertragsbelieben entzogen. Dadurch wird
zweierlei gewonnen.
In den wichtigſten Fällen des ihm drohenden
Rechtsverluſtes ſoll der Verſicherungsnehmer die
Möglichkeit haben, darzulegen, daß ihn bei der
ihm ſcheinbar zur Laſt fallenden Verletzung kein
Verſchulden treffe, und daß deshalb die glatte Ver—
weigerung der Verſicherungsleiſtung an ihn ein
offenbares Unrecht wäre. Eine einfache Erledigung
der Sache, wie bei der ſchroffen Verweigerung der
Leiſtung des Verſicherers, wird dadurch freilich nicht
erreicht; wohl aber eine allerdings auf Gefahr des
Verſicherungsnehmers laufende Aufdeckung des
wahren Sachverhaltes im Intereſſe einer wirklich
gerechten Auseinanderſetzung zwiſchen den beiden
Vertragsbeteiligten herbeigeführt. Andererſeits
darf ſich der Verſicherer auf den äußeren, den
Verſicherungsnehmer verdächtigenden Sachverhalt
berufen und hat inſoweit glatte Sache; er darf
abwarten, daß der Verſicherungsnehmer dann ſo—
zuſagen ſeine Karten aufdeckt und dartut, daß ihn
in Wahrheit eine Verantwortung für den dem
Verſicherer ungünſtigen Sachverhalt nicht treffe. So
iſt eine derartig vertraglich vereinbarte Verwirkung
infolge der Beweislaſtverſchiebung eine feinerſonnene
Waffe in der Hand des Verſicherers, mit der er
in fih ungerechtfertigte Anſprüche des Verſicherungs—
nehmers auch dann abwehrt, wenn er ſeinerſeits
nicht in der Lage wäre, ihm eine Schuld nachzu⸗
Beitichrift f für ür Rechtspflege in Baye in Bayern. 1908. A
Nr. 18.
weiſen. Dieſe Regelung iſt aber im Grunde ſchon
altes Recht. Denn wenn 3. B. jemand ſich ver⸗
pflichtet hatte, bei 100 M Strafe vor dem Schieds⸗
richter zu erſcheinen und kam dann nicht wegen
Erkrankung, ſo wurde ihm nach römiſchen Rechte
trotz des entgegenſtehenden Wortlautes der vertrag⸗
lichen Abmachung der Nachweis mangelnden Ver⸗
ſchuldens geſtattet.
Das Geſetz verfährt nun bei den von ihm
ſelbſt geregelten derartigen Fällen, z. B. bei der
Verwirkung der Entſchädigung infolge willkürlicher
Gefahrerhöhung (8 25 Abſ. 2 Satz 1), ebenſo;
und ähnlich iſt es dann, wenn außerdem die
Beweislaſt wegen des urſächlichen
Zuſammenhanges verſchoben wird. So be⸗
ſtimmt 8 125: „Hat der Verſicherungsnehmer
vorſätzlich oder aus grober Fahrläſſigkeit das Tier
ſchwer mißhandelt oder ſchwer vernachläſſigt [Be⸗
weis des Verſicherers], fo ift der Verſicherer von
der Verpflichtung zur Leiſtung frei, es ſei denn
[Beweis des Verſicherungsnehmers], daß der
Schaden nicht durch die Mißhandlung oder die
Vernachläſſigung entſtanden iſt“, — z. B. bei
Tötung durch Blitzſchlag. Von einem Beweiſe der
Nichtverſchuldung kann hier nicht die Rede ſein;
es bleibt der Regel nach, wie bei § 61 (Herbei⸗
führung des Verſicherungsfalles), dem Verſicherer
überlaſſen, die Schuld dem Verſicherungsnehmer
nachzuweiſen. § 6 und die entſprechenden geſetz⸗
lichen Fälle bilden alſo eigentümliche Ausnahmen
kraft Anknüpfung der Verwirkung an gewiſſe
äußere Tatbeſtände, die eine Annahme der Ber:
letzung der Vertragspflichten durch den Verſiche⸗
rungsnehmer nahe legen. Ein allgemeiner, unbe⸗
dingter Grundſatz iſt alſo der ſog. Entſchuldigungs—
grundſatz des § 6 im deutſchen Verſicherungsgeſetze
nicht. Eine Verbindung des dem Verſicherungs—
nehmer geſtatteten Entſchuldigungsbeweiſes und des
Beweiſes eines Mangels an dem ſog. urſächlichen
Zuſammenhange tritt z. B. nach § 32 bei der
Verletzung von Obliegenheiten ein, die ihm „zum
Zwecke der Verminderung der Gefahr oder zum
Zwecke der Verhütung einer Gefahrerhöhung“ auf—
erlegt waren. Hier ſoll ſich der Verſicherungs—
nehmer nicht nur auf den Mangel eines Ver—
ſchuldens ſeinerſeits nach $ 6 berufen dürfen,
ſondern auch noch nach Satz 2 dieſes § 32 darauf,
daß „die Verletzung keinen Einfluß auf den Ein—
tritt des Verſicherungsfalles und auf den Umfang der
Leiſtung des Verſicherers gehabt“ habe, wenn näm—
lich ſonſt vertraglich Verwirkung daraufhin an-
gedroht war. Und wie bei dieſen vertraglich be-
ſtimmten Fällen wird es auch bei den im Geſetze
ſelbſt vorgeſehenen Verwirkungsfällen gehalten
(§ 25 Abſ. 3).
Ich möchte den Unterſchied zwiſchen der nach
äußerlichen Umſtänden beſtimmten Erledigung
einer Angelegenheit und derjenigen, bei der dem
Verſicherungsnehmer eine Darlegung geſtattet
wird, trotz entgegenſtehenden äußeren Anſcheins
354 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
unter Anklage ſtehenden Tat, den Abriß des Sach⸗
verhalts, ſeine rechtliche Würdigung und ſchließlich
einen mehr oder minder langen Tenor enthält. Schon
nach einigen Sekunden hat der Zuhörer den Faden
verloren: er ſieht keinen Ausweg mehr aus dem Wuſt
der ineinander geſchachtelten Nebenſätze und der über⸗
einander getürmten Partizipien. Sind gar mehrere
Angeklagte vorhanden, die ſich „teilweiſe allein, teil⸗
weiſe gemeinſchaftlich“ verfehlt haben und deren ein⸗
zelne ſtrafbare Handlungen „teilmeife rechtlich, teil-
weiſe ſachlich unter ſich zuſammentreffen“, ſo kann
man in den Mienen der Zuhörer und der Zeitungs⸗
Berichterſtatter deutlich die Verwunderung über die
Darſtellungskunſt der Juriſten leſen. Wie eine Ironie
wirkt es, wenn dann der Vorſitzende zur Anklagebank
gewendet ſpricht: „Sie haben gehört, was Ihnen zur
Laſt liegt! Haben Sie die Anklage verſtanden?“ Ein
wahres Glück iſt es, daß der Angeklagte in der Regel
ſchon im Ermittelungsverfahren oder in der Bor-
unterſuchung erfahren hat, um was es ſich handelt.
Die Schöffen, die Geſchworenen und die beiſitzenden
Richter der Strafkammern find nicht in dieſer glück⸗
lichen Lage; häufig genug können ſie erſt während des
Verhörs und der Beweisaufnahme ein Bild vom
Gegenſtande der Anklage gewinnen.
Mit Entſchuldigungen iſt man raſch bei der Hand.
Die Erwägungsform iſt angeblich deswegen unent⸗
behrlich, weil ſie es allein ermöglicht, daß mühelos
ganze Abſchnitte der Anklageſchrift in den Eröffnungs-
beſchluß herübergenommen oder, wie der Kunſtausdruck
lautet, „inſeriert“ werden. Der Einwand iſt nicht
recht verſtändlich; er iſt wohl nur dadurch zu erklären,
|
|
daß man noch nie verſucht hat, ob das ‚Inſerieren“
fih auf einen Mangel an Verſchulden zu berufen,
noch mit einem eigentümlichen Mechanismus bei
den Friſten des Verſicherungsgeſetzes vergleichen.
Vielfach wird nämlich zur Erfüllung der Anzeige⸗
pflicht dem Verſicherungsnehmer eine feſte Friſt
mit einer gewiſſen Anzahl von Tagen geſetzt,
innerhalb deren er alſo, ob ſäumig oder nicht,
ſeiner Pflicht jedenfalls genügt. Er ſoll ihr aber
auch dann noch genügen können, wenn er etwa
dieſe ſeſte Friſt überſchritte; dann aber nachwieſe,
daß er immer noch unverzüglich, d. h. ohne
ſchuldhaftes Zögern, der Anzeigepflicht ent⸗
ſprochen habe. Neben § 92 Abſ. 2: „Der Pflicht
zur Anzeige des Verſicherungsfalls wird genügt,
wenn die Anzeige binnen zwei Tagen nach dem
Eintritte des Verſicherungsfalls erfolgt“, ſteht
aljo noch 8 6 Abſ. 2, wonach im Falle einer
vertraglich an die Verabſäumung geknüpften Ver⸗
wirkung des Rechtes auf Entſchädigung dem Ver⸗
ſicherungsnehmer bei Verabſäumung jener feſten
Friſt der Entſchuldigungsbeweis offen bleibt, daß
er nicht grobfahrläſſig oder gar argliſtig die
Anzeige unterlaſſen habe. (Schluß folgt.)
Mitteilungen aus der Praxis.
Anuklageſchriſten und Eröffunngsbeſchlüſfe. Die
Juriſten beginnen allmählich einzuſehen, daß ſie ſich
mit ihrem Erwägungsſtile beim Publikum lächerlich
machen. Aber ganz können ſie ihn doch nicht miſſen:
er beſitzt noch eine Zwingburg, die es ihm geſtattet,
ſein verfehltes Daſein für ein Weilchen zu friſten —
die Anklageſchriften und die Eröffnungsbeſchlüſſe.
Wenn nun Sturm gelaufen wird wider dieſen Hort
und wenn verſucht wird, die Zweckwidrigkeit einer
Form nachzuweiſen, die durch einen „Brauch von
altersher“ geheiligt ift, fo wird manches Bureaufraten=
herz erbeben. Manchem wird es zumute ſein wie
dem Wodansprieſter, wenn der chriſtliche Sendbote
die Axt an die Göttereiche legte: er wird erwarten,
daß ein Blitz aus heiterem Himmel den Frevler zu
Boden ſchmettert.
Ich würde den Angriff auf die altehrwürdige
Einrichtung nicht verſuchen, wenn ich nicht überzeugt
wäre, daß fie unſere Strafrechtspflege ſchädigt.) Der
Eröffnungsbeſchluß fol die Grundlage der Haupt-
verhandlung bilden; man follte alſo erwarten, daß er
ſich durch beſondere Klarheit und Einfachheit der
Faſſung auszeichnet. Allein der Vorſitzende entfaltet
ein umfangreiches Aktenſtück und verlieſt einen einzigen
Satz, der in wirrer Unverſtändlichkeit zunächſt die
Beſetzung der Eröffnungskammer, Tag und Stunde
des Beſchluſſes, die perſönlichen Verhältniſſe des An-
geklagten, die einzelnen geſetzlichen Merkmale der
nicht auch auf andere Weiſe gelingt. Denn warum
folte eine ſchlechte Stiliſierung die Umformung er:
leichtern?
Ich will nur ganz kurz andeuten, in welcher
Weiſe Anklageſchrift und Eröffnungsbeſchluß in ein
vernünftiges Deutſch gebracht werden können, ohne
daß man die bequeme und lobenswerte Gewobnheit
des „Einſetzens“ aufgeben muß. Die Form, die ich
angeben will, ſoll keineswegs ein allgemein gültiges
Muſter fein; man wird andere und beſſere finden,
wenn man ſich nur einmal aus dem Banne der An—
ſchauung losgerungen hat, daß man ohne die alten
Formulare nicht auskommen könne.
Es wird in der Regel zweckmäßig ſein, mit dem
„Tenor“ der Anklage und des Eröffnungsbeſchluſſes
zu beginnen. Alſo:
„Ich erhebe die öffentliche Klage gegen N. N.
(perſönliche Verhältniſſe) wegen eines Verbrechens der
Urkundenfälſchung, das mit einem Vergehen des Be—
trugs rechtlich zuſammentrifft (58 .. .).“) Ich bean:
trage hierwegen?) das Hauptverfahren gegen N. N.
vor der J. Strafkammer des Landgerichts B. zu
eröffnen.“
Der Eröffnungsbeſchluß wird dann anheben:
„Es wird gegen N. N. (perſönliche Verhältniſſe)
das Hauptverfahren vor der I. Strafkammer des
) Die übliche Form: „wegen eines mit einem
Vergehen des Betrugs rechtlich zuſammentreffenden
Verbrechens der Urkundenfälſchung“ tut der deutſchen
Beſſerung bringen (vgl. 8 198 Abſ. 1 Satz 2; § 204 | Sprache Gewalt an, der ſolche zuſammengepreßte
des Entwurfs). Der Entwurf zeigt überhaupt das Wendungen nicht geläufig ſind.
lobenswerte Beſtreben, der Schreibſeligkeit Einhalt 2) Nicht „wegen der oben bezeichneten ſtrafbaren
zu tun. Handlungen“ oder „wegen der oben genannten Renate“.
1) Die Reform des Strafprozeſſes wird wohl eine
Landgerichts B. eröffnet wegen eines Verbrechens der aus dem Leſerkreiſe noch weitere Vorſchläge.
Urkundenfälſchung, das mit einem Vergehen des Be⸗
trugs rechtlich zuſammentrifft. (SS . . .)“
Nun folgt die Begründung: „N. N. iſt hinreichend
verdächtig „. Dieſer Teil, der im weſentlichen
in der bisher gebräuchlichen Weiſe abgefaßt werden
muß, wird aus der Anklageſchrift wörtlich in den
Eröffnungsbeſchluß herübergenommen werden können.
Soweit wäre alles gut. Wie ſoll aber die Dar⸗
ſtellung des Sachverhalts untergebracht werden? Zur⸗
zeit pflegt man ſie mit „indem“ an den geſetzlichen
Tatbeſtand anzuhängen, damit jedermann ſehe, der
Sachverhalt ſtehe noch unter der Herrſchaft des „hin⸗
reichend verdächtig“, werde alſo nur als beweisbar,
nicht etwa als bewieſen hingeſtellt. Gerade dadurch ent⸗
ſteht die Unverſtändlichkeit unſerer Anklageſchriften
und Eröffnungsbeſchlüſſe. Die Hauptſache kommt in
einen Nebenſatz, noch dazu in einen Nebenſatz, der in
einem Atem ohne Unterbrechung eine Geſchichte er—
zählt, aus der man zuweilen einen ganzen Kriminal-
roman machen könnte. Solange man fih nicht entz
ſchließt mit dieſer Gewohnheit zu brechen, iſt eine
Beſſerung nicht zu hoffen. Der Sachverhalt muß in
kurzen einfachen Sätzen der Zeitfolge nach erzählt
werden, ſo wie man eben eine Geſchichte hübſch und
ſauber erzählt. Allein ich höre ſchon die ängſtliche
Frage, ob die Aufhebung des Zuſammenhangs mit
dem „hinreichend verdächtig“ nicht dazu führen wird,
daß man die Anklage mit einem Urteile verwechſelt.
Es ſtünde ſchlimm um die Erfindungsgabe unſerer
Juriſten, wenn ſie dieſer Gefahr nicht begegnen könnten.
Durch eine kurze Ueberſchrift oder durch einen kleinen
einleitenden Satz kann man dem Leſer zu verſtehen
geben, daß der Staatsanwalt und die eröffnende
Kammer nur annehmen, der Sachverhalt werde ſich
in der Hauptverhandlung feſtſtellen laſſen. Man kann
ſchreiben „Beweisbarer Sachverhalt“ oder „Es wird
folgender Sachverhalt bewieſen werden“ oder „Die
bisherigen Ermittelungen haben folgendes ergeben“.
Die in ungezwungener Rede folgende Erzählung wird
aus der Anklageſchrift wörtlich in den Eröffnungs—
beſchluß eingeſetzt.
Daß die im Sachverhalte geſchilderten Handlungen
des Angeklagten den Tatbeſtand des Verbrechens oder
Vergehens erfüllen, wegen deſſen Anklage erhoben
und das Hauptverfahren eröffnet wird, iſt ſelbſtver—
ſtändlich und muß nicht nochmals hervorgehoben
werden. Aus den Eröffnungsbeſchlüſſen können auch
die langweiligen Eingänge verſchwinden, in denen um—
ſtändlich geſchildert wird, wie ſich die drei Richter
„vormittags 9½ Uhr“ zur „geheimen Beratung“ zu-
ſammenſetzen (ſ. hierüber die Fußnote auf S. 30
meiner Schrift „Der dienſtliche Verkehr und
die Amtsſprache“, 2. Aufl., München 1908).
Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die empfohlene Form
nicht immer verwendbar iſt. Wenn Eröffnung des
Hauptverfahrens, Nichteröffnung und Einſtellung des
Verfahrens nach § 208 Abſ. 1 der StPO. zuſammen—
treffen, kann die Geſtaltung des Eröffnungsbeſchluſſes
einige Schwierigkeiten machen. Bei einigem Nach—
denken wird man aber auch in ſolchen Fällen eine
überſichtliche Anordnung treffen können: das Mehr
an Arbeit, das dem Berichterſtatter zufällt, kommt
dem entſcheidenden Gerichte zugute.
Ich wäre erfreut, wenn meine Anregung auf einen
fruchtbaren Boden fiele. Vielleicht bringt eine Stimme
AZeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
Grundſatzes,
l
— — ee —ä —³0 ]
Es
wäre ſehr zu wünſchen, daß die Herren Amts⸗
vorſtände und geſchäftsleitenden Staatsanwälte ihre
Aufmerkſamkeit auf eine Angelegenheit lenken, die
nicht nur formelle Bedeutung hat.
Landgerichtsrat von der Pfordten in München.
Ein Ausnahmezuſtand bei der Entſcheidung ge-
werblicher Streitigkeiten. Die Durchbrechung des
daß jeder Rechtsſchutzbedürftige ſein
Recht vor dem ordentlichen Richter zu ſuchen habe, wie
es insbeſondere im Gewerbegerichts- und Kaufmanns⸗
gerichtsgeſetz an den Tag getreten iſt, läßt trotz der Be⸗
ſtimmungen der 88 1, 3, 55 GewGG. noch Ausnahmen
zu, die bei dem Standpunkte, den die Geſetzgebung
hinſichtlich der gewerblichen Arbeiter einnimmt, eigen⸗
tümlich anmuten.
Bekanntlich beſtimmt § 84 des GewGG., daß die
Zuſtändigkeit der Innungsſchiedsgerichte durch das
Gew. keine Einſchränkung erleide und daß durch die
Zuſtändigkeit eines Innungsſchiedsgerichtes die Zu⸗
ſtändigkeit eines für den Bezirk der Innung beſtehen⸗
den Gewerbegerichts ausgeſchloſſen werde.
Die durch die Gewerbeordnung zugelaſſenen
Innungsſchiedsgerichte find nun entſprechend den Ge-
werbegerichten zur Hälfte mit Innungsmitgliedern, zur
Hälfte mit den bei ihnen beſchäftigten Geſellen (Ge—
hilfen) und Arbeitern und einem Vorſitzenden beſetzt
(S 91 I, II Gew.). Sie find alfo Sondergerichte,
Standesgerichte im eigentlichen Sinne des Wortes,
da ſie außer dem Vorſitzenden, der der Innung nicht
anzugehören „braucht“ (5 91 III a. a. O.), aus lauter
Fachgenoſſen, Angehörigen desſelben Gewerbes, zu-
ſammengeſetzt ſind. Gleichwohl ſcheint man ihnen
nicht die Gewähr einer zuverläſſigen Rechtſprechung.
zuzutrauen, ſondern ſieht in ihnen nur eine Art
Sühnegericht, wenn auch die Entſcheidungen nach
§ 91 b GewO. in Rechtskraft übergehen, wenn nicht,
und das iſt das Widerſprechende der Geſetzgebung,
innerhalb eines Monats von einer Partei Klage beim
ordentlichen Gericht erhoben wird.
$ 91 der GewO. enthält außerdem in ne
6. Abſatz noch die bezeichnende Beſtimmung, daß, wenn
die achttägige Friſt zur Auberaumung des erſten Termins
nach Eingang der Klage nicht innegehalten wird, der
Kläger verlangen kann, daß ſtatt des Innungsſchieds⸗
gerichts das Gewerbegericht oder, wo ein ſolches nicht
beſteht, das ordentliche Gericht entſcheidet.
Hat aber das Innungsſchiedsgericht einmal in
einer Sache entſchieden, jo ift nicht, wie man an=
nehmen ſollte, das für den keiner Innung unter:
ſtehenden Arbeiter zuſtändige Gewerbegericht auch von
dem einer Innung unterſtehenden Arbeiter oder Ge—
hilfen anzugehen, ſondern das ordentliche Gericht,
alſo in der Regel das Amtsgericht.
In dieſem Falle greift natürlich dann nicht die
Beſchränkung des § 55 GewGdG. Platz, wonach Be:
rufung nur zuläſſig iſt, wenn der Wert des Streit—
gegenſtandes den Betrag von 100 M überjteigt, ſondern
die Berufung it uneingeſchränkt zuläflig; es ſteht auch
das Landgericht noch offen. Der Innungsarbeiter hat
aljo die Möglichkeit, fein Recht vor drei Inſtanzen, zu
ſuchen. Dieſes Recht iſt ihm nur dann unmöglich ge—
macht, wenn er, um ſchneller zu ſeinem Rechte zu
356 Zeitſchrift für Rechtspflege in
kommen, im Falle des § 91 VI GewO. an das Ge-
werbegericht geht.
Daß dieſer ſonderbare Zuſtand für die Beteiligten
der Innung von Nachteil iſt, wird nun wohl nicht
behauptet werden können, er bildet aber doch einen
Ausnahmezuſtand gegenüber den übrigen keiner Innung
zugehörenden und den Gewerbegerichten unterſtehenden
Arbeitgebern und Arbeitern. Dadurch iſt der Grund—
ſatz: „Gleiches Recht und gleiches Gericht für alle“
in erhöhtem Maße durchbrochen.
Rechtsanwalt Zahn in Straubing.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Welcher Beweis muß geführt werden, um die Ber:
mutungen Helene der Ehelichkeit eines Kindes zu ent⸗
kräften? Begründung einer Vaterſchaft durch künſtliche
Befruchtung? Die Ehefrau des Klägers hat ein Kind
geboren. Die Ehelichkeit hat der Kläger mit der Klage
angefochten, weil es nur in außerehelichem Geſchlechts—
verkehr erzeugt ſein könne. Abgeſehen von einigen
ergebnisloſen Verſuchen in der erſten Zeit der Ehe
ſei es niemals, insbeſondere nicht in der Empfängnis—
zeit zwiſchen ihm und ſeiner Ehefrau zu einer Bei—
wohnung oder auch nur zu einem Verſuche der Bei—
wohnung gekommen. Außerdem ſei der Kläger zeugungs—
unfähig. Die Beklagte beſtritt dieſe Anführungen und
behauptete, die Empfängnis könne auch dadurch her—
beigeführt ſein, daß die Ehefrau des Klägers aus dem
Bettuche im Bette des Klägers, das dieſer eben ver—
laſſen gehabt habe, den friſch ergojienen Samen auf—
geſammelt und in die Scheide eingeführt habe. Nach
Erſtattung eines Gutachtens über die Zeugungsfähig—
keit des Klägers wurde die Klage abgewieſen. In
2. Inſtanz wurde weiterer Beweis erhoben. Es wurde
insbeſondere über die Möglichkeit der künſtlichen Be—
ſruchtung ein Gutachten des Profeſſors F. erſtattet.
Die Berufung wurde ſodann zurückgewieſen. Die Revi—
ſion des Klägers hatte Erfolg.
Gründe: 1. Nach § 1591 BGB. ift ein nach Ein-
gehung der Ehe geborenes Kind ehelich, mag es die
Frau vor oder während der Ehe empfangen haben,
wenn der Mann innerhalb der Empfängniszeit der
Frau beigewohnt hat. Für dieſe Beiwohnung ſpricht
nach § 1591 Abſ. 2 die Vermutung, auch in dem Falle,
daß die Empfängniszeit in die Zeit vor der Ehe fällt,
wo allerdings die Vermutung nur in beſchränktem
Maße gilt. Die Vermutung hat, ſoweit die Empfäng—
nis in die Zeit der Ehe fällt, ihre Grundlage in der
durch die eheliche Gemeinſchaft begründeten Wahr—
ſcheinlichkeit des Geſchlechtsverkehrs. Die Führung des
Gegenbeweiſes, daß der Ehemann während der Emp—
fängniszeit der Frau nicht beigewohnt hat, iſt unbe—
ſchränkt zuläſſig. Wird die Vermutung durch Gegen—
beweis widerlegt, ſo fällt auch die Vermutung der
Ehelichkeit des Kindes fort. Wird die Vermutung
nicht widerlegt, ſo gilt das Kind als ehelich, es wird
in dieſem Falle vermutet, daß durch die Beiwohnung
des Ehemanns während der Empfängniszeit die Er—
zeugung des Kindes bewirkt iſt. Dieſe Vermutung
der Urſächlichkeit kann nicht ohne weiteres dadurch
beſeitigt werden, daß Umſtände nachgewieſen werden,
die es zweifelhaft erſcheinen laſſen, ob das Kind aus
der Beiwohnung des Ehemanns und der Mutter her—
rührt. Im Intereſſe der Ehelichkeit des Kindes iſt zur
Entkräftung der Vermutung nur der Beweis zuge—
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Bayern. 1908. Nr. 18.
laſſen, daß es den Umſtänden nach offenbar unmöglich
iſt, daß die Frau das Kind von dem Manne emp—
fangen hat (§ 1591 Abſ. 1 Satz 2). Verbleiben irgend
welche Zweifel, ſo iſt zugunſten der Ehelichkeit zu ent—
ſcheiden. Dieſe Beſchränkung des Gegenbeweiſes greift
aber nur Platz, wenn das Kind nach 8 1591 Abſ. 1
Satz 1 als eheliches anzuſehen iſt. In dem erſten
Entwurf (88 1468, 1469) war ohne Zulaſſung eines
Gegenbeweiſes die Fiktion aufgeſtellt, daß das von
der Ehefrau geborene Kind von dem Ehemann erzeugt
fei, wenn er innerhalb der in die Zeit der Ehe fallen-
den Empfängniszeit mit der Ehefrau den Beiſchlaf
vollzogen hatte. Erſt von der 2. Kommiſſion (Prot.
Bd. 4 S. 463) wurde dem Ehemann die Möglichkeit
des Gegenbeweiſes gewährt, daß es den Umſtänden
nach offenbar unmöglich ſei, daß die Ehefrau das Kind
von ihm empfangen habe. 8 1591 Abſ. 1 Satz 2 ſtellt
nicht unabhängig von der Beſtimmung des Abſ. 1
Satz 1 eine ſelbſtändige Rechtsregel des Inhalts auf,
daß ein jedes in der Ehe geborene Kind ehelich ſei,
ſofern nicht die offenbare Unmöglichkeit der Erzeugung
durch den Ehemann vorliege, ſondern gibt nur eine
Ausnahme von der in Satz 1 enthaltenen Beſtimmung.
Dieſer Zuſammenhang tritt auch ſprachlich darin her—
vor, daß, während Satz 1 von einem nach Eingehung
der Ehe geborenen Kinde ſpricht, Satz 2 mit den
Worten: „Das Kind iſt nicht ehelich“ auf dasjenige
Kind zurückverweiſt, von dem im Satz 1 die Rede war.
Die negative Faſſung in Satz 2 ift gegenüber der pofi-
tiven Faſſung in Satz 1 gewählt, um damit auszus
drücken, daß dem die Ehelichkeit Anfechtenden, der den
Tatbeſtand des Satz 2 behauptet, die Beweislaſt Hier-
für zufällt (vgl. z. B. die Ausdrucksweiſe in § 814,
2339 Satz 2). Das Verhältnis der beiden Sätze zu
einander iſt genau dasſelbe, als wenn der zweite Satz
mit den Worten „es ſei denn, daß“ an den erſten
Satz angeſchloſſen wäre.
Dieſe Rechtslage wird, wie die Reviſion mit Recht
rügt, von dem Berufungsrichter verkannt. Nach der
im Berufungsurteil getroffenen Feſtſtellung liegt der
Fall vor, daß der die Ehelichkeit anfechtende Kläger
ſeiner Ehefrau, von der das Kind geboren iſt, während
der Empfängniszeit nicht beigewohnt hat, auch keinerlei
Verſuche der Beiwohnung gemacht hat. Die Empfäng—
nis fol dadurch bewirkt fein, daß die Mutter des be-
klagten Kindes, nachdem der Kläger fein Bett ver-
laſſen hatte, den während der Nacht in das Bettuch
ergoſſenen Samen des Klägers mittels einer Kerze
aufgeſammelt und in die Scheide eingeführt hat. Daß
dies kein Fall der Beiwohnung im Sinne des 81591
iſt, bedarf keiner Ausführung. Mag es auch zuläſſig
ſein, den Begriff der Beiwohnung im Sinne dieſes
Geſetzes auf beiwohnungsähnliche Handlungen in wei—
teſtem Umfange auszudehnen, ſo kann doch der hier
vorliegende Tatbeſtand, daß die Ehefrau ohne mit—
wirkende Handlung und in Abweſenheit des Ehemanns
deſſen Samen zur Selbſtbefruchtung verwendet, keines—
falls der Vorſchrift des 8 1591 Abſ. 1 mit der Wirkung
unterſtellt werden, daß die hier aufgeſtellte, nur durch
den Gegenbeweis der offenbaren Unmöglichkeit der Er—
zeugung durch den Ehemann zu beſeitigende Ver—
mutung der Ehelichkeit des von der Ehefrau geborenen
Kindes zur Anwendung gebracht werden kann. Es
iſt durch nichts gerechtfertigt, den Kindern, die in
dieſer anomalen Weiſe durch künſtliche Befruchtung
empfangen ſein ſollen — ihre Möglichkeit voraus—
geſetzt — dieſelbe Vorzugsſtellung hinſichtlich des Be—
weiſes der Ehelichkeit einzuräumen, wie den durch Bei—
wohnung empfangenen Kindern. Rechtlich verfehlt iſt
es hiernach, wenn der Berufungsrichter den Stand—
punkt einnimmt, das beklagte Kind ſei nur dann als
ein uneheliches anzuſehen, wenn die Unmöglichkeit,
daß die Ehefrau des Klägers das Kind auf die von
ihr angegebene Weiſe empfangen habe, offen zutage
liege. Von dieſem das materielle Recht betreffenden
Rechtsirrtum wird die Beweiswürdigung des Vorder—
richters in jeder Hinſicht beherrſcht.
2. Die Aufhebung des Berufungsurteils ift des-
halb geboten. Der Berufungsrichter wird nunmehr
von der richtigen Rechtsgrundlage aus zu prüfen haben,
ob von der Beklagten der Beweis geführt iſt, daß die
Ehefrau des Klägers das Kind wirklich von ihrem
Ehemann empfangen hat. Es wird hierbei auch zu
prüfen ſein, ob es nach den Regeln der Wiſſenſchaft
überhaupt möglich iſt, daß auf dem von der Ehefrau
des Klägers geſchilderten Wege eine künſtliche Be—
fruchtung zuſtande kommt. Der Berufungsrichter hat
eine ſolche Möglichkeit angenommen und ſich dabei
auf verſchiedene Schriftſteller berufen. Es iſt aber
nicht anzuerkennen, daß die in Bezug genommenen
Stellen (die von der Möglichkeit der Empfängnis trotz
hochgradiger Verengung der vagina ſprechen) hierfür
etwas beweiſen. Irrig iſt die Meinung des Vorder—
richters, daß nach den Motiven zum 1. Entwurf Bd. 4
S. 656 die Ehelichkeit des Kindes im Falle der Im—
potenz des Mannes nicht habe ausgeſchloſſen und die
Beurteilung des äußerſt ſelten vorkommenden Falles
der künſtlichen Befruchtung der Rechtſprechung habe
überlaſſen werden follen. In den Motiven wird an
der angeführten Stelle bei Erörterung des § 1469 des
1. Entwurfs, welcher im Falle ehelicher Beiwohnung
den Gegenbeweis gegen die Vermutung der Ehelichkeit
ausſchließen wollte, die Frage beſprochen, ob trotz des
äußerlichen Aktes der Beiwohnung das Vorhandenſein
einer Beiwohnung im Sinne des Geſetzes wegen man—
gelnder Zeugungsfähigkeit des Mannes verneint werden
könne, und wird geſagt, daß die Beantwortung dieſer
Frage der Rechtswiſſenſchaft zu überlaſſen ſei. Mit
der künſtlichen Befruchtung hat dies nichts zu tun.
Bei der Frage, ob und unter welchen Vorausſetzungen
die künſtliche Befruchtung möglich iſt, handelt es ſich
um eine naturwiſſenſchaftliche Frage, die nicht ohne
genaue Prüfung des jetzigen Standes der phyſiologi—
ſchen Forſchungsergebniſſe unter Zuziehung von Sach—
verſtändigen entſchieden werden kann. Der Sachver—
ſtändige Profeſſor F. hat die Möglichkeit der künſtlichen
Befruchtung entſchieden verneint. Würde gleichwohl
der Berufungsrichter ſie bejahen wollen, ſo würde
weitere Beweiserhebung unter Vernehmung anderer
Sachverſtändiger unerläßlich ſein. Dadurch, daß er
das Gutachten für anfechtbar erklärt, iſt eine Beweis—
grundlage für die Annahme der Möglichkeit der künſt—
lichen Befruchtung nicht geſchaffen. Auch in dieſer
Hinſicht ſtellt ſich der Vorderrichter auf den rechtlich
unhaltbaren Standpunkt, daß es nicht darauf an—
komme, die Möglichkeit der Empfängnis auf dem von
der Beklagten behaupteten Wege, ſondern deren Un—
möglichkeit darzutun.
3. Es kann ſchließlich noch die Frage aufgeworfen
werden, ob es rechtlich möglich iſt, durch künſtliche
Befruchtung eine Vaterſchaft desjenigen zu begründen,
gegen oder ohne deſſen Willen der Samen zur Herbei—
führung der Empfängnis benutzt wird. Seitens der
Beklagten iſt in dieſer Beziehung der Sachverhalt ſo
dargeſtellt, daß der Kläger ſich ein Kind gewünſcht
habe und daß ſeine Ehefrau, um ihm dieſen Wunſch
zu erfüllen und zugleich ein beſſeres Verhältnis zu
ihrem Ehemann herzuſtellen, zu der künſtlichen Be—
fruchtung ſich entſchloſſen habe, womit der Kläger
ſehr einverſtanden geweſen wäre, wenn er nur die
Ueberzeugung gewinnen könnte, wirklich auf dieſem
Wege Vater geworden zu ſein. Auf eine Prüfung
dieſer Anführungen nach ihrer tatſächlichen Richtigkeit
und nach ihrer rechtlichen Bedeutung iſt der Berufungs—
richter bisher nicht eingegangen, was nötigenfalls noch
nachzuholen iſt. Das Reviſionsgericht ſieht ſich nicht
veranlaßt, zu der aufgeworfenen Rechtsfrage, deren
Bejahung allerdings wegen der ſich hieraus ergebenden
Folgen, zumal bei Mitberückſichtigung der außerehe—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
ß ĩ ͤÄ... — — — — ——— —— —
lichen Empfängnis, begründeten Bedenken unterliegt,
ſchon jetzt vor Aufklärung des in Betracht kommen—
den tatſächlichen Sachverhalts endgültig Stellung zu
nehmen. (Urt. des IV. 35. vom 4. Juni 1908, 1V
443/07). 3
1364
II.
Eine Forderung der Fran auf einen Geſchäſts⸗
gewinn iſt nicht Vorbehaltsgut im Sinne des § 1367
BGB., wenn fie vor der Eingehung der Ehe begründet
wurde, mag fie auch erft nach der Eingehung der Ehe
fällig werden. Der vom Berufungsgericht einge—
nommene Standpunkt in Anſehung des Geſchäfts—
gewinnes, der ſchon vor Eingehung der Ehe von der
Klägerin durch Begründung von Forderungen ver—
dient, aber zufolge der vereinbarten ratenweiſen Ab—
zahlungen erſt ſpäter fällig wurde, iſt rechtsirrig.
Vorbehaltsgut im Sinne des S 1367 BGB. ift nur
das, was eine Ehefrau während der Ehe durch ihre
Arbeit oder durch den ſelbſtändigen Betrieb eines Er-
werbsgeſchäfts erwirbt. Was dagegen eine Frau ſchon
vor Eingehung der Ehe erarbeitet hat, was ihr bereits
damals als Geſchäftsgewinn aus früheren Geſchäfts—
abſchlüſſen von Dritten geſchuldet wurde, gehört zu
ihrem eingebrachten Gut. Maßgebend iſt der Zeit—
punkt des Abſchluſſes eines gewinnbringenden Geſchäſts,
nicht der Tag des Eingangs des ſich als Gewinn
darſtellenden Geldbetrages. Das Berufungsgericht
hat gegenüber der Behauptung der Klägerin, alle
Geſchäfte, um deren Gewinn es ſich handle, ſeien vor
Eingehung der Ehe mit ihren Käufern geſchloſſen
worden, eine entgegenſtehende tatſächliche Feſtſtellung
nicht getroffen. Es konnte daher bei Anwendung des
§ 1361 Abſ. 2 BGB. der Klägerin nicht entgegen:
halten, daß ihr für die nächſten Jahre auf 5000 M
jährlich veranſchlagtes Einkommen aus den vor Ein—
gehung der Ehe geſchloſſenen Geſchäften Vorbehalts—
gut ſei, das ſie unter Wegfall jeglichen Unterhalts—
beitrags des Ehemannes gemäß 85 1367, 1371, 1427
Abſ. 2 BGB. zur Beſtreitung ihres Unterhalts zu
verwenden habe. (Urt. des IV. ZS. vom 15. Juni
1908, IV 604/07). — — n.
1365
III.
Orts⸗ und Zeitangabe beim eigenhändigen Teſtamente.
Wie find Orts: und Zeitangaben zu beurteilen, die fidh
auf einem „Umſchlage“ befinden? Bei der Errichtung
eines eigenhändigen Teſtamentes hat der Erblaſſer
zur Angabe des Ortes und Tages einen Vordruck in
der Weiſe benutzt, daß die Worte „W. a. d. Ruhr“
überhaupt nicht und in der Jahreszahl die Ziffer 1
ebenfalls nicht von ſeiner Hand herrühren. Das Teſta—
ment befand ſich jedoch in einem verſiegelten Umſchlage,
der die von dem Erblaſſer ſelbſt geſchriebene Aufſchrift
trägt:
„Teſtament von G. W.
W. am 14. 7. 1900.“
Beides, der Umſchlag und das in ihm enthaltene
Teſtament befanden ſich wiederum in einem zweiten,
gleichfalls verſiegelten Umſchlage und zwar zuſammen
mit einem an das Amtsgericht W. gerichteten Schreiben.
Das Reichsgericht äußerte ſich zu der Frage der Gültig—
keit des Teſtaments in folgender Weiſe:
Das OLG. geht davon aus, daß die in Ş 2231
Nr. 2 für das eigenhändige Teſtament vorgeſchriebene
handſchriftliche Beurkundung nicht allein die ſachliche
Erklärung des Erblaſſers, ſondern auch die Angabe
des Ortes und Tages der Errichtung zu umfaſſen
habe. Mit Unrecht wird die Richtigkeit dieſes Rechts—
ſatzes von der Reviſion in Zweifel gezogen. Muß die
Erklärung „unter Angabe des Ortes und Tages“
von dem Erblaſſer eigenhändig geſchrieben und unter—
ſchrieben werden, ſo bedeutet dies bei ungezwungener
Geſetzesauslegung nicht eine formfreie Datierung neben
einer gleichzeitigen Steigerung der an bie Erklärung
ſelbſt geſtellten Schriftlichkeitsanforderungen (vgl. § 126
Abſ. 1 BGB.), fo daß es nur auf einen zeitlichen und
höchſtens noch auf einen räumlichen Zuſammenhang
zwiſchen der Orts- und Tagesangabe und der Er—
klärung ankäme. Es iſt damit vielmehr die von dem
ae in eigner Perſon vorzunehmende handſchrift—
liche Beurkundung einheitlich für die ganze Ur-
kunde und ſo auch für das Datum als einen ihrer
weſentlichen Beſtandteile vorgeſchrieben. Nur das
Unterſchriftserfordernis des §S 2231 Nr. 2 BGB. ift
auf die ſachliche Erklärung des Erblaſſers beſchränkt,
ſo daß die Angabe des Ortes und Tages auch ununter—
ſchrieben der Erklärung räumlich nachfolgen darf
(RGE. Bd. 52 S. 277 ff.). Die Formanforderungen an
das Datum noch weiter herabzuſetzen, verbietet die
Rückſicht auf die Rechtsſicherheit. Denn entweder gilt
das Gebot der eigenhändigen Niederſchrift auch für die
Angabe des Ortes und Tages oder es gilt für ſie
nicht. Im letzteren Falle wären ungeſchriebene Da—
tierungen aller Art, alſo nicht nur ſolche, die unter
Benutzung eines Vordrucks hergeſtellt ſind, ſondern
auch Vermerke durch Stempelaufdruck oder in Maſchinen—
Schrift hinreichend und fogar bei handſchriftlichen Ver-
merken von fremder Hand käme es auf die Frage an,
ob der Erblaſſer ſie als Teil der Urkunde in dieſe
hineinnehmen wollte oder ob ſie ohne ſeinen Willen
mißbräuchlich hinzugeſetzt ſind. Es iſt ausgeſchloſſen,
daß es in der Abſicht der Geſetzgebung gelegen haben
könnte, die Entſcheidung über die Rechtsgültigkeit des
eigenhändigen Teſtaments von dem Ergebnis derartiger
Unterſuchungen abhängig zu machen. Zugegeben kann
dabei werden, daß die Ausdehnung des Gebots der
Eigenhändigkeit auf das Datum des Privatteſtaments
im art. 970 code eivil ſowie im Satze 970 des bad. LR.
einen beſtimmteren Ausdruck gefunden hat als im
& 2231 Nr. 2 BGB. Aus der Abweichung der Geſetzes—
faſſung läßt ſich aber nicht der Schluß ziehen, daß die
an das eigenhändige Teſtament zu ſtellenden Form—
anforderungen im Vergleiche zu denen des franzöſiſchen
Rechts herabgeſetzt werden ſollten. Ein derartiges
Beſtreben iſt bei der Entſtehung des BGB. niemals
hervorgetreten. Schon der J. Entw. hat das eigen—
händige Teſtament als außerordentliche Teſtaments—
form unter beſtimmten Vorausſetzungen zulaſſen wollen
(SS 1931, 1927 Abſ. 1 Nr. 2) und in erweitertem Maße,
nämlich für Verordnungen von beſtimmtem Inhalt
ſollte das eigenhändige Teſtament nach den Beſtim—
mungen des Entwurfs der 2. Leſung allgemein zuge—
laſſen werden (vgl. SS 2117 Abſ. 2, 2114 Abſ. 1 Nr. 2,
2119, 2120 II. Entwurf). Die Faſſung der Beſtim—
mungen war in beiden Entwürfen mit Bezug auf die
Formanforderungen im weſentlichen überall die gleiche
wie im § 2231 Nr. 2 BGB. Zum Muſter aber hat
nach den Bemerkungen der Motive Bd. 5 S. 288 ff.
unter anderem auch das preuß. Geſetz vom 3. April
1823 (Geſetzſammlung S. 40) gedient, deffen § 2 über
das Erfordernis der eigenhändigen Niederſchrift des
Datums gleichfalls keinen Zweifel läßt. Es kann
daher nur bei dem verbleiben, was bereits in dem
Urteile des Senats vom 7. April 1902 (RGE. Bd. 51
S. 169) ausgeführt worden ift, daß die Faſſung des
8 2231 Nr. 2 BGB. nicht darauf abzielt, an das eigen-
händige Teſtament geringere Formanforderungen zu
ſtellen, wie fie im art. 970 code civil geſtellt find,
ſondern darauf, in gewiſſer Beziehung die Formſicher—
heit fogar noch zu verſtärken.
Hieraus ergibt ſich für den vorliegenden Fall,
inſoweit als das Teſtament vom 14. Juli 1900 uns
mittelbar mit einem Datum verſehen iſt, daß zwar
die Angabe des Tages der Errichtung, wenn man die
von dem Erblaſſer geſchriebenen Worte und Ziffern
allein gelten läßt, für genügend angeſehen werden
könnte. Es fehlt dagegen an einer von der eigenen
Hand des Erblaſſers herrührenden ſchriftlichen Angabe
des Errichtungsortes, und da dieſer weſentliche Form⸗
beſtandteil durch die Verwendung eines Vordrucks
nicht erſetzbar ift, fo ift das Teſtament gemäß § 125
Satz 1 BGB. nichtig, es ſei denn, daß dieſer, der
Teſtamentsurkunde anhaftende Formmangel durch die
Datierung des inneren Umſchlages aufgewogen wird.
Der Berufungsrichter hält die Aufſchrift des inneren
Umſchlags, obwohl ſie vollſtändig von der Hand des
Erblaſſers herrührt, nicht für geeignet, die der Teſta⸗
mentsurkunde fehlende Ortsangabe zu erſetzen. Er
führt aus: der Umſchlag bilde keine Fortſetzung des
Teſtaments, ſeine Aufſchrift ſei nur eine Inhaltsangabe.
Die Annahme, daß der Erblaſſer vielleicht von Zweifeln
über die Ordnungsmäßigkeit der Datierung auf dem
Teſtamente erfüllt geweſen ſei und aus dieſem Grunde
die Hülle des Teſtaments nochmals mit einem eigen-
händig geſchriebenen Datum verſehen habe, ſei verfehlt.
Denn unter ſolcher Vorausſetzung würde der Erblaſſer,
wie anzunehmen ſei, das ganze Teſtament in eine
andere Form gebracht oder ſofort anders datiert,
außerdem aber auch nicht wie geſchehen den Monat
der Errichtung nur mit einer 7 bezeichnet haben.
Die Reviſion hält das für unrichtig. Sie verweiſt auf
das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 13. Of-
tober 1902 (RGE. Bd. 52 S. 277 ff.) und behauptet,
daß das Datum des Umſchlages fo, wie in dieſer Ent-
ſcheidung verlangt werde, zu dem Teſtamente in eine
räumliche Beziehung geſetzt ſei, vermöge deren ſich
ſeine Beſtimmung, den Ort und Tag der getroffenen
letztwilligen Verfügung zu kennzeichnen, hinreichend
erſehen laſſe. Stände die Richtigkeit dieſer Behauptung
tatſächlich feſt, ſo würde der Reviſion beigetreten und
das Berufungsurteil aufgehoben werden müſſen.
Allein der Berufungsrichter hat eine entgegengeſetzte
tatſächliche Feſtſtellung getroffen. Seiner Annahme
nach bildet der Umſchlag mit ſeiner Aufſchrift keinen
Teil des Teſtaments. Das Teſtament war, wenn⸗
gleich mit einem Formfehler behaftet, ſo doch äußerlich
fertig, als der Erblaſſer es mit einem doppelten Um—
ſchlage und den inneren Umſchlag mit einer Aufſchrifi
verſah, durch die er auf den Inhalt, nämlich auf das
abgeſchloſſene Teſtament hinwies. Der Berufungs—
richter verneint ausdrücklich, daß die Umſchlagsauf—
ſchrift eine Fortſetzung des Teſtaments bilde. Recht-
liche Verſtöße liegen ſeiner Annahme nicht zugrunde.
Insbeſondere ſteht der Inhalt der Teſtamentsurkunde
und der Umſchlagsaufſchrift nicht in einem unverein—
baren Widerſpruch zu der Annahme, daß beide Schrift-
ſtücke eine ſelbſtändige Bedeutung haben. Die nur
äußere Verbindung zwiſchen dem Teſtamente und dem
Umſchlage reicht ebenſowenig hin, wie wenn die Um—
hüllung des Teſtaments mit einem anderen Schrift—
ſtücke hergeſtellt wäre, das ſeinem Inhalte nach mit
dem Teſtamente überhaupt nichts zu tun hätte. Hat,
wie der Berufungsrichter annimmt, der Erblaſſer nicht
den Willen gehabt, mit der Teſtamentserrichtung fort:
zufahren, als er den Umſchlag mit der Aufſchrift
verſah, fo kann ſchon aus dieſem Grunde weder diefe
Aufſchrift noch auch das in ihr enthaltene Ortsdatum
als Beſtandteil des Teſtamentes gelten. (Urt. des
IV. 35. vom 2. April 1908, IV 118/07). — — gn.
1372
B. Strafſachen.
I.
Prüfung der Gültigkeit von Keichsgeſetzen durch
den Richter. Die Reviſion meint, der & 302 e StGB.
ſei ungültig, weil dieſes Geſetz zu einer Zeit publiziert
worden ſei, zu der derjenige Reichstag, von dem die
Vorlage genehmigt worden ſei, nicht mehr exiſtiert
habe, dagegen der Reichstag in der aus den Neu—
wahlen hervorgegangenen Zuſammenſetzung bereits
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
berufen geweſen ſei. Die Richtigkeit dieſer in der
Literatur vereinzelt vertretenen Anſicht muß hier
nicht unterſucht werden. Das Geſetz, betr. Ergänzung
der Beſtimmungen über den Wucher, wodurch 8 302 e
in das StGB. eingeſtellt wurde, ift „im Namen des
Reichs“ vom Kaiſer unter Gegenzeichnung des Reichs—
kanzlers am 19. Juni 1893 ausgefertigt und in Nr. 24
des RGBl. von 1893 verkündet worden (Art 17 RB.).
Hierdurch hat es gemäß Art. 2 RV. nach Ablauf der
dort vorgeſehenen Friſt verbindliche Kraft erlangt
und zwar unbedingt für jedermann im Gebiete ſeiner
Gültigkeit, alſo auch für die richterliche Anwendung.
Mit dem Rechte der Ausfertigung und Verkündung
der Reichsgeſetze, das nach Art. 17 RV. dem Kaiſer
zuſteht, iſt für ihn und an ſeiner Stelle für den
Reichskanzler notwendig auch das Recht und die
Pflicht verbunden, zu prüfen, ob die verfaſſungsmäßigen
Vorausſetzungen für jene Maßnahmen gegeben ſind.
Wird durch die Ausfertigung und Verkündung eines
Reichsgeſetzes das Vorhandenſein der Vorausſetzungen
bejaht, ſo muß gegenüber dieſem Ergebniſſe der ver—
faſſungsmäßig allein möglichen Prüfung jede Nach—
prüfung und insbeſondere auch eine ſolche durch den
Richter ausgeſchloſſen fein. (RGE. in 35.9 S. 235,6).
(Urt. des I. StS. vom 29. Juni 1908, I D 445/06.)
1359
— — — — .
II.
Zu 88 384, 392 StPO. — Beſchränkung der Revi:
fion auf einen Teil des Urteilsſpruches. Aus den
Gründen: Die Angeklagte iſt wegen eines Verbrechens
des Meineids aus SS 154, 153, 157 Nr. 1 StGB. ver-
urteilt worden und es ift dabei gegen fie gem. § 161
Abi. 1 StGB. auf dauernde Unfähigkeit erkannt worden,
als Zeugin oder Sachverſtändige eidlich vernommen zu
werden. Die zugunſten der Angeklagten eingelegte
Reviſion des Staatsanwaltes ift auf den gem. 8 161
erlaſſenen ebenerwähnten Ausſpruch beſchränkt und be—
antragt, inſoweit das Urteil aufzuheben und zu er—
kennen, daß die Nebenſtrafe wegzufallen habe. Da
die Anwendung der zwingenden Vorſchrift des § 161
Abſ. 1 StGB. nur von abſtrakten Vorausſetzungen ab-
hängt und ein Eingehen auf die Haltbarkeit oder Un—
haltbarkeit dieſer Vorauſetzungen nach Maßgabe des
einzelnen Falles nicht erfordert, iſt eine ſelbſtändige
rechtliche Prüfung der Anwendung dieſer Geſetzesſtelle
möglich und es iſt daher auch die Beſchränkung des
Rechtsmittels auf den angefochtenen Ausſpruch des
Urteils zuläſſig. Der fragliche Ausſpruch war daher,
da er geſetzlich nicht begründet iſt, in entſprechender
Anwendung des 8 394 StPO. zu beſeitigen.!) (Urteil
des I. Strafſenats vom 6. April 1908; 1 D 195/08).
1360 — — — ch.
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Haftung der Gründer einer Aktiengeſellſchaft für
Zulagen au die Aktiengeſellſchaft, die fie vor oder bei
der nn gegenüber den Mitgründern abgegeben
haben, die aber in das Statut nicht aufgenommen
wurden (HGB. SS 202 mit 186, Art. 2134 und 209 b
des Allg. Deutſchen HGB.). Unter der Firma Jm-
mobilien⸗Aktiengeſellſchaft N. mit dem Sitze in N.
wurde am 28. Juli 1898 eine Aktiengeſellſchaft errichtet.
Gegenſtand des Unternehmens waren der Kauf, die
.) Anm. des Einſenders. Eine Entſcheldung für ſolche
Fälle lag bisber nicht vor. Da die Reviſion Fehlerhaftigkeit der
Geſctzesanwendung rügte, war zu befürchten, daß moͤglicherweiſe eine
matetiellrechtliche Prüfung des geſamten Urteils vorgenommen werde.
Die Zuläſſigkeit der vorgenommenen Beſchränkung war zweifelbaft.
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359
Verwaltung und die Verwertung der im § 2 des Statuts
bezeichneten Grundſtücke mit dem Geſamtflächeninhalte
von 35,682 ha. Zu den Gründern der Geſellſchaft ge—
hörten u. a. die Witwe Luiſe O. und der Kaufmann
Otto O. Das Grundkapital der Geſellſchaft wurde
auf 4200000 M feſtgeſetzt und in 4200 auf den In-
haber lautende Aktien zum Nennwerte von je 1000 M
zerlegt. Von dem Grundkapital übernahmen durch
Zeichnung von Aktien Luiſe O. 375000 M, Otto O.
124 000 M. Die Einzahlung der von ihnen gezeichneten
Beträge leiſteten ſie dadurch, daß ſie Grundſtücke, die
ihnen allein oder gemeinſchaftlich mit anderen Gründern
gehörten, „in die neugegründete Geſellſchaft einlegten“;
der in dem Geſellſchaftsvertrage feſtgeſetzte Wert der
Grundſtücke wurde auf das von ihnen gezeichnete Aktien-
kapital angerechnet. Die Grundſtücke ſind im Statut
und im Geſellſchaftsvertrage durch Angabe ihrer Plan—
nummern genau bezeichnet. Das Eigentum an den
Grundſtücken Pl.-Nr. 222 ff. mit dem Geſamtflächen⸗
inhalte von 2,079 ha ſtand der Witwe Luiſe O. und
dem Kaufmann Otto O. zu je ¼, dem bei der Er—
richtung der Aktiengeſellſchaft ebenfalls als Gründer
beteiligten Kaufmann Hans K. in N. und ſeiner Frau
zu ¼ und den vier minderjährigen Kindern der Luiſe
O., die ebenfalls zu den Gründern gehörten, zu / zu.
Dieſe Grundſtücke finden ſich in der Aufzählung der
von den genannten Perſonen in die Geſellſchaft ein—
gelegten Grundſtücke nicht. Durch einen Vertrag vom
4. April 1899 wurden fie aber von den Miteigentümern
um 510000 M an die Aktiengeſellſchaft verkauft. Die
Aktiengeſellſchaft erhob gegen Luiſe O. und die Erben
des inzwiſchen geſtorbenen Otto O. Klage mit dem
Antrage, die Beklagten als Geſamtſchuldner zu ver—
urteilen, der Klägerin 322000 M zu zahlen. Zur Bes
gründung machte die Klägerin geltend: Die Beklagten
hätten vor und bei der Gründung der Geſellſchaft zu-
geſichert, auch das aus den Grundſtücken Pl.-Nr. 222 ff.
beſtehende ſog. Webergrundſtück um den von den ſämt—
lichen Gründern für die einzulegenden Grundſtücke
vereinbarten Einheitspreis von 0.80 M für den Quadrat-
fuß in die Geſellſchaft einzulegen. Bei Zugrundelegung
dieſes Preiſes wäre die Erwerbung der Klägerin nur
auf 195000 M zu ſtehen gekommen; dieſen Betrag
überſteige der Preis, um den die Geſellſchaft das
Grundſtück gekauft hat, um 314800 M, und zu dieſem
Mehraufwande ſei der Mehrbetrag an Gebühren uſw.
hinzuzurechnen. Für den durch die Nichterfüllung ihrer
Zuſage entſtandenen Schaden ſeien Luiſe und Otto O.
als Geſamtſchuldner haftbar. Ihre Haftung folge auch
aus den Vorſchriften des HGB. über die Verantwort—
lichkeit der Gründer und der Mitglieder des Aufſichts—
rats, zu denen auch Luiſe und Otto O. gehürten, weil
ihre Angaben hinſichtlich der Einlagen unrichtig und
unvollſtändig geweſen ſeien, und weil ſie die Pflicht,
den Hergang der Gründung zu prüfen, verſäumten
und die erforderliche Berichtigung der Eintragung der
Geſellſchaft im Handelsregiſter herbeizuführen unter—
ließen. Das Landgericht wies die Klage, ſoweit ſie
gegen die Erben des Otto O. gerichtet war, ab; der
Luiſe O. legte es einen Eid auf. Auf die Berufung
der Klägerin und die Anſchlußberufung der Beklagten
Luiſe O. wurde die Anſchlußberufung zurückgewieſen,
das Urteil des LG. aufgehoben, der Klaganſpruch als
dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt, die Entſchei—
dung über die Koſten dem Endurteile vorbehalten und
die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwieſen.
Gegen dieſes Urteil haben die Beklagten Reviſion ein-
gelegt. Das Oberſte Landesgericht hat das Urteil des
OLG. aufgehoben und die Klage abgewieſen.
Gründe: Das OLG. fah als bewieſen an, daß
Luiſe und Otto O. „vor und bei der Gründung der
Geſellſchaft teils ausdrücklich teils ſtillſchweigend ihren
Mitgründern gegenüber die Einlegung des ſog. Weber—
grundſtücks zugeſagt haben“. Es nahm an, beide hätten
dadurch, daß ſie dem Juſtizrate M. bei der Erteilung
360
der Anweiſung für die Vorbereitung des Geſellſchafts—
vertrags und der Anmeldung zum Handelsregiſter die
die Plannummern des Webergrundſtücks enthaltenden
Kataſterauszüge nicht mitteilten, bewirkt, daß ſowohl
im Geſellſchaftsvertrag als in der Anmeldung zum
Handelsregiſter unrichtige und unvollſtändige Angaben
in Anſehung der eingelegten Grundſtücke und des Be—
trags der dafür gewährten Aktien gemacht wurden.
Auf dieſen Tatbeſtand hat das OLG. die SS 186 und
202 HGB. angewendet. Allein es liegen die Voraus—
ſetzungen für die Anwendung der Vorſchriften des
Art. 213 a des Allg. Deutſchen HGB. — denn nach
dieſem, nicht nach § 202 HGB. wäre der Fall zu be-
urteilen — nicht vor. Nach Art. 213a ſind „der Geſell⸗
ſchaft die Gründer für die Richtigkeit und Vollſtändig—
keit der Angaben, welche ſie rückſichtlich der Zeichnung
und Einzahlung des Grundkapitals ſowie rückſichtlich
der im Art. 209 b vorgeſehenen Feſtſetzungen behufs
Eintragung des Geſellſchaftsvertrags in das Handels—
regiſter machen, ſolidariſch verhaftet“. Die unrich—
tigen oder unvollſtändigen Angaben müſſen gemacht
worden fein, um die Eintragung des Geſellſchaftsver—
trags d. h. der Geſellſchaft in das Handelsregiſter zu
erwirken. Es iſt aber nicht feſtgeſtellt, daß Luiſe und
Otto O., ſei es in dem die Anmeldung enthaltenden
Schriftſtück oder in einem der Anmeldung beigefügten
Schriftſtück, insbeſondere im ſogenannten Gründerbericht
(Art. 209g) oder in der über die Schließung des Gefell-
ſchaftsvertrags errichteten notariellen Urkunde, unrich—
tige oder unvollſtändige Angaben der im Art. 213a
bezeichneten Art gemacht haben oder daß der von den
Reviſoren erſtattete Bericht (Art. 209 h) Angaben ſolcher
Art enthielt, die auf Angaben der Luiſe und des
Otto O. zurückzuführen ſind. Der Inhalt aller An—
gaben und Erklärungen, die zum Zwecke der Ein—
tragung der Geſellſchaft in das Handelsregiſter er—
folgten, deckte ſich vollſtändig nicht nur mit dem Inhalte
des notariell beurkundeten Geſellſchaftsvertrags, in dem
die ſämtlichen in die Geſellſchaft einzulegenden Grund—
ſtücke angegeben und durch die Angabe ihrer Plan—
nummern bezeichnet ſind, ſondern auch mit dem In—
halte des Errichtungsvertrags, denn es iſt nicht feſt—
geſtellt, daß der Inhalt der von den ſämtlichen
Gründern bei der Errichtung der Geſellſchaft getroffe—
nen Vereinbarungen (Art. 209 e, 209 d) in Widerſpruch
mit dem Inhalte der über die Schließung des Gefell-
ſchaftsvertrags errichteten Urkunde ſteht. Der Beſtand
der Geſellſchaft, die Gültigkeit der Aktienzeichnung oder
der Einlageleiſtung, überhaupt die Wirkſamkeit des
Gründungsvorgangs iſt denn auch von keinem der
Gründer angefochten worden. Darnach muß ange—
nommen werden, daß die Angaben, die in jenen Er—
klärungen enthalten ſind, ſowohl in Anſehung der
Beſtimmung der Höhe des Grundkapitals als in An—
ſehung der Tatſache ſeiner Einzahlung, ferner in An—
ſehung der Einlagen und des Betrags der für die
eingelegten Grundſtücke gewährten Aktien (Art. 209 b
Abſ. 2) richtig und vollſtändig waren. Daß die Geſell—
ſchaft durch die Art der Einlagen oder die Feſtſetzung
ihres Wertes von Luiſe und Otto O. böslicherweiſe
geſchädigt wurde (Art. 213a Abſ. 1 Satz 2), kommt
nicht in Frage, und es iſt nicht feſtgeſtellt, daß zu
Laſten der Geſellſchaft erfolgte Feſtſetzungen im Sinne
des Art. 209 b Abſ. 1, 3 in der Urkunde über den
Geſellſchaftsvertrag nicht enthalten oder unrichtige
oder unvollſtändige Angaben darüber bei der An—
meldung der Geſellſchaft zur Eintragung in das Han—
delsregiſter gemacht worden feien. Jene „Zuſage“
der Luiſe und des Otto O. konnte demnach nicht als
Beſtandteil der Vereinbarung der Gründer, des Grün—
dungsbeſchluſſes, des Statuts und des beurkundeten
Geſellſchaftsvertrags gelten, ſie konnte deshalb auch
nicht Gegenſtand der Angaben ſein, die zum Zwecke
der Eintragung der Geſellſchaft in das Handelsregiſter
gemacht werden ſollten und gemacht wurden. Daß
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
G— .. ͤr. rx —7———83sßð—] . ...ͤĩrX˙˖jAꝗyxxx 1111111
Nr. 18.
die Annahme des OLG., Luiſe und Otto O. hätten
durch die Nichterfüllung der „Zuſage“, das Weber:
grundſtück einzulegen, unrichtige oder unvollſtändige
Angaben im Sinne des Art. 213 a gemacht, nicht zu⸗
treffend iſt, geht auch daraus hervor, daß bei dieſer
Annahme das Grundkapital der Geſellſchaft nicht auf
4200000 M hätte feſtgeſetzt werden und die Zahl der
zu zeichnenden Aktien nicht bloß 4200 hätte betragen
dürfen, ſondern das Grundkapital auf einen um
195000 M höheren Betrag hätte feſtgeſetzt und die
Zahl der Aktien um 195 hätte größer ſein müſſen.
Nach der Behauptung der Klägerin belief ſich der Wert
des Webergrundſtückes bei Zugrundelegung des Ein—
heitspreiſes von 0.80 M für den Quadratfuß auf
195000 M und dieſe Summe wäre auf den Nennwert
der 195 weiteren Aktien anzurechnen geweſen, die die
Eigentümer des Grundſtücks hätten übernehmen müſſen.
Daß eine Feſtſetzung ſolchen Inhalts bei der Errich—
tung der Geſellſchaft getroffen wurde, iſt nicht be—
hauptet, es würde nach dem Inhalte des Statuts und
des Geſellſchaftsvertrags auch als ausgeſchloſſen er-
achtet werden müſſen. Auch bei der fog. ſimultanen
und qualifizierten Gründung einer Aktiengeſellſchaft
von der Art der Immobilienaktiengeſellſchaft N. ſtehen
die Gründer weder einzeln noch in ihrer Geſamtheit
der Geſellſchaft, die ja erſt geſchaffen werden ſoll, als
Vertragſchließende gegenüber, alfo in einem Vertrags-
verhältniſſe zu dieſer. Die Gründer ſind grundſätzlich
nicht Vertreter ſondern Schöpfer der rechtlich erſt
künftig entſtehenden Aktiengeſellſchaft; aus der „Zu—
ſage“ eines Gründers, die nicht Inhalt des Statuts
geworden war, kann daher die Geſellſchaft Anſprüche
nicht erwerben. Wollte man auch annehmen, für den
Fall, daß die Gründer durch einen mit anderen Per-
ſonen geſchloſſenen Vertrag für die „zu errichtende
Geſellſchaft“ Vermögensſtücke übernehmen (Art. 209 b
Abſ. 2), fingiere das Geſetz gleichſam eine Vertretung
der rechtlich noch nicht beſtehenden Geſellſchaft durch
die Gründer, ſo trifft dies doch hier nicht zu, weil es
fih hier nicht um die Uebernahme von Vermögens-
ſtücken dritter, bei der Gründung nicht beteiligter Per—
ſonen ſondern nur um Einlagen durch Gründer handelt.
Allerdings waren Luiſe und Otto O. nicht nur
Mitgründer der Geſellſchaft, ſondern auch Mitglieder des
in der konſtituierenden Generalverſammlung gewählten
Aufſichtsrats. Da aber bei der Anmeldung des Gefen-
ſchaftsvertrags (der Geſellſchaft) zur Eintragung in
das Handelsregiſter unrichtige oder unvollſtändige An—
gaben hinſichtlich der Einlagen der Gründer und der
für dieſe gewährten Aktien nicht gemacht worden waren,
ſondern dieſe Angaben dem Inhalte des Statuts und
des Geſellſchaftsvertrags entſprachen, fehlte auch jeder
Grund für eine „Berichtigung“ der Angaben und des
Eintrags im Handelsregiſter. Davon, daß Luiſe und
Otto O. die Prüfungspflicht verletzt haben und des—
halb nach Art. 213c des Allg. D. HGB. haften, ferner
davon, daß der Geſellſchaft infolge der Verletzung der
Prüfungspflicht Schaden entſtanden iſt, kann alſo nicht
die Rede ſein.
Der Klaganſpruch konnte endlich mit Erfolg auch
nicht auf die Vorſchriften des allgemeinen bürgerlichen
Rechtes, insbeſondere nicht auf die Vorſchriften des
preuß. LR., gegründet werden. Darüber, ob, unter
welchen Vorausſetzungen und in welchem Umfange
auch außerhalb des Rahmens des Art. 213 a Schadens:
erſatzanſprüche gegen die Gründer geltend gemacht
werden können, beſteht Uebereinſtimmung nicht. Die
den Wortlaut, die Entſtehungsgeſchichte und den Zweck
des Geſetzes berückſichtigende Auslegung des Art. muß
aber dazu führen, daß ſein Inhalt ein Sonderrecht
für die Aktiengeſellſchaften bildet und daß die Sonder-
vorſchriften dazu beſtimmt find, die der Geſellſchaft
gegenüber beſtehende Haftung der Gründer und die
Anſprüche der Geſellſchaft, die aus den Umſtänden
des Gründungsvorgangs gegen die Gründer abgeleitet
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
werden, einheitlich und erſchöpfend zu regeln. Vom
Standpunkte des bürgerlichen Rechtes könnten für die
Beurteilung der rechtlichen Natur und der Wirkung
der „Zuſage“ der Luiſe und des Otto O. nur zwei
Auffaſſungen in Betracht kommen. Nach der einen
würde ſie als vertraglich bindende Abrede der Gründer
gelten. In dieſem Falle könnten nur die Mitgründer
Rechte aus der Vereinbarung ableiten, ſofern ſie über—
haupt wirkſam war; eine Geſellſchaft beſtand im Zeit—
punkte der Erteilung der Zuſage rechtlich noch nicht.
Nur eine beſtehende Geſellſchaft kann nach dem bürger—
lichen Rechte (durch Vertreter) handeln; Vertreter,
die die „Zufage* hätten annehmen können, waren
aber nicht vorhanden, die Geſellſchaft iſt der angeblichen
Vereinbarung auch nicht beigetreten. Die Meinung,
daß diefe Zuſage ein dictum et promissum fei, aus
dem auch die Geſellſchaft Anſprüche ableiten könne,
beruht auf mißverſtändlicher Auffaſſung der Bemerkung
von Staub a. a. O. 5. Aufl. 8 9 Ziff. 3 der Anm. zu
Art. 213 a S. 441; 8. Aufl. Anm 25 zu § 202 S. 696.
Nach der anderen Auffaſſung wäre die „Zuſage“
als die in der Abſicht, Mitgründer zu täuſchen, von
Luiſe und Otto O. abgegebene Erklärung eines Willens
anzuſehen, den ſie in Wirklichkeit nicht hatten. Auf
dieſe Auffaſſung deutet die Bezugnahme der Klägerin
auf die Vorſchriften in Tl. I Tit. 6 des Allg. preuß.
LR. hin. In dieſem Falle könnten aber nur die
einzelnen getäuſchten Mitgründer einen Anſpruch auf
Erſatz des durch die Argliſt ihnen etwa entſtandenen
Schadens geltend machen, nicht die Geſellſchaft, die
als ſolche nicht getäufcht werden konnte, weil eine
Vertretung nicht beſtand. (Urt. des II. ZS. vom
14. Januar 1908, Reg. I 103/1907). W.
1245
II.
Beſchwerderecht in Nachlaßſachen; Zuſtändigkeit des
Nachlaßgerichts, wenn der Tod des Erblaſſers oder die
ritten von Bermögensteilen zum Nachlaſſe be-
ritten ift (FGG. SS 80, 86; Nachlaßch. v. 1902
Art. 4, 5). Als Erben der am 23. Mai 1894 in K.
verſtorbenen Chriſtine K. ſind im Juni 1894 vom
Nachlaßgericht 16 Seitenverwandte der Erblaſſerin
ermittelt worden, darunter der Konditor Paul K. in
L., der Hafner Robert K. in W. und der am 24. Juli
1837 in U. geborene Händler Friedrich St. Dieſer
war 1878 nach Amerika ausgewandert und war z. Zt.
des Eintritts des Erbfalls verſchollen. Deshalb iſt
der Hafner Johann K. zum Abweſenheitspfleger für
ihn beſtellt worden. Der Pfleger hat den Erbteil des
Friedrich St. zu 2975 M 09 Pf. in Empfang genommen,
ſeitdem verwaltet und die Zinſen dem Kapital zuge—
ſchlagen. Friedrich St. iſt durch Ausſchlußurteil vom
12. April 1904 für tot erklärt worden (Zeitpunkt
des Todes 1. Januar 1890). Im Verlaufe der vom
Nachlaßgericht eröffneten Nachlaßverhandlungen ift
eine von Julie 3. in T. bei New-p)ork am 18. Auguſt
1904 vor dem Notare L. in Brooklyn auf Eid abge—
gebene Erklärung zu den Akten gelangt, daß ſie den
Friedrich St. zum letztenmale am 20. Dezember 1890
geſehen und ſeitdem nichts mehr von ihm gehört
habe. Anderes als das von dem Pfleger verwaltete
Vermögen des Friedrich St. iſt nicht vorhanden. Das
Nachlaßgericht hat das Verfahren eingeſtellt, weil
jeder Anhalt dafür fehle, daß Friedrich St. den Anfall
der Erbſchaft der Chriſtine K. erlebt hat, der ihm
zugewieſene Erbteil daher nicht als von ihm erworben
gelten könne, und den von den Kindern und Enkeln
der vorverſtorbenen Schweſter des Friedrich St. in U. ge-
ſtellten Antrag, die Verhandlungen wiederaufzunehmen,
zurückgewieſen. Auf die Beſchwerde hat das LG. die
Verfügung aufgehoben und das Nachlaßgericht ange—
wieſen, die Nachlaßverhandlungen wiederaufzunehmen.
Das Beſchwerdegericht erachtete die durch die Todes—
361
erklärung begründete Vermutung, daß Friedrich St.
am 1. Januar 1890 geſtorben fei, für widerlegt durch
den Nachweis, daß er am 20. Dezember 1890 noch
gelebt hat, und nahm an, daß bei der über die Zeit
ſeines Todes beſtehenden Ungewißheit ſich nicht die
Vermutung aufſtellen laffe, daß er den Tod der
Chriſtine K. nicht erlebt habe. Durch etwaige An—
ſprüche dritter Perſonen auf den Nachlaß würden die
dem Nachlaßgericht obliegenden Verrichtungen nicht
ausgeſchloſſen. Das Nachlaßgericht hat die Vernehmung
der Erben der Chriſtine K. über den Anſpruch der
St.ſchen Erben auf das aus dem Nachlaſſe der Chriſtine
K. ſtammende Vermögen für notwendig erachtet.
Mehrere von ihnen haben der Verteilung des Erb—
teils des Friedrich St. unter deſſen Erben wider—
ſprochen, einer hat den Widerſpruch damit begründet,
daß von einem Nachlaſſe des Friedrich St. nicht die
Rede ſein könne, wenn die durch die Todeserklärung
begründete Vermutung durch die eidliche Ausſage der
Julie Z. widerlegt ſei, es ſei dann zu vermuten, daß
Friedrich St. noch lebe. Die Miterben Paul K. in
L. und Robert K. in W. haben durch Erklärung zum
Protokolle des Amtsgerichts N. ſich ſeiner Erklärung
angeſchloſſen und gegen die Entſcheidung des LG.
Beſchwerde eingelegt. Vom Oberſten Landesgericht
iſt das Rechtsmittel als unzuläſſig verworfen worden.
Gründe: Die weitere Beſchwerde kann nach
§ 29 FGG. bei dem Gericht 1. Inſtanz eingelegt
werden, die Einlegung kann aber, falls nicht eine von
einem Rechtsanwalt unterzeichnete Beſchwerdeſchrift
eingereicht wird, nach $ 21 Abſ. 2 FGG. nur durch
Erklärung zum Protokolle des Gerichtsſchreibers
erfolgen, die Erklärung zum Protokolle des Gerichts
entſpricht der Formvorſchrift nicht (RJ A. Bd. 1 S. 41,
N. Samml. v. Entſch. d. Obs G. Bd. 5 S. 510). Weber:
dies ſteht den Beſchwerdeführern das Beſchwerderecht
nicht zu. Zu der Beſchwerde ift nach § 20 und § 29
Abſ. 4 FGG. nur derjenige berechtigt, deffen Recht
durch die Entſcheidung beeinträchtigt iſt; die in dem
landgerichtlichen Beſchluſſe getroffene Anordnung ent—
hält aber eine Beeinträchtigung des Rechtes der Be—
ſchwerdeführer nicht. Das Nachlaßgericht hat weder
nach den bis zum 1. Januar 1900 in Geltung ge—
weſenen Vorſchriften noch nach § 86 FIG. und den
Art. 4, 5 des Geſ. vom 9. Auguſt 1902, das Nachlaß—
weſen betr., darüber zu entſcheiden, ob die durch die
Todeserklärung begründete Vermutung, daß Friedrich
St. am 1. Januar 1900 geſtorben ſei, im Verhältniſſe
der als deſſen Erben auftretenden Verwandten zu den
Erben der Chriſtine K. durch die eidliche Erklärung
der Julie 3. widerlegt iſt. Ein Streit der Beteiligten
über die Wirkſamkeit des nach Art. 99 Abſ. 1 und
Art. 100 Abſ. 1 AG. z. ZPO. und KO. fuͤr Friedrich
St. erfolgten Erwerbes des Erbteils aus dem Nach—
laſſe der Chriſtine K. kann nur im Rechtswege aus—
getragen werden. Das Beſchwerdegericht hat in der
Annahme, daß in der Erklärung der Julie Z. eine
Nachricht vorhanden ſei, der zufolge Friedrich St. im
Jahre 1890 noch gelebt hat, und demgemäß nach § 19
BGB. ſein Fortleben bis zum Schluſſe des Jahres
1900 zu vermuten fei, das Nachlaßgericht angewieſen,
den Erbteil des Friedrich St. als zu deſſen Nachlaſſe
gehörend anzuſehen. Damit hat es nur über die dem
Nachlaßgerichte gegenüber den Erben des Friedrich
St. obliegende Amtspflicht entſchieden. Das Nachlaß—
gericht darf die ihm in Anſehung des Nachlaſſes des
Friedrich St. obliegenden Verrichtungen nicht des—
wegen ablehnen, weil ein Nachlaßvermögen nicht vor—
handen ſei, und muß insbeſondere den Beteiligten
ſeine Vermittelung zu der Auseinanderſetzung in An—
ſehung des Nachlaſſes gewähren. Sollte der Erbteil
in Wirklichkeit nicht zum Nachlaſſe gehören, ſo würde
dadurch, daß er bei der Auseinanderſetzung unter den
Erben geteilt wird, das Recht der K.ſchen Erben von
den St.ſchen Erben beeinträchtigt, das Nachlaßgericht
362
würde aber durch die Gewährung feiner Vermittelung
nicht in das Recht der K.ſchen Erben eingreifen. Sie
könnten nicht von dem Nachlaßgerichte die Einſtellung
ſeiner vermittelnden Tätigkeit verlangen, ſondern
müßten ihren Anſpruch gegen die tfen Erben
geltend machen. Wäre die Anordnung des Beſchwerde⸗
gerichts nicht gerechtfertigt, weil nicht feſtſteht, daß
der Erbfall eingetreten iſt, ſo würde die Stellung des
Nachlaßgerichts gegenüber den K.ſchen Erben die
gleiche ſein. Ihr Recht wird durch die Tätigkeit des
Nachlaßgerichts auch dann nicht beeinträchtigt, wenn
in Anſehung des Vermögens des Friedrich St. die
Vorausſetzungen für ſeine Tätigkeit nicht vorliegen.
(Beſchl. des I. 8S. vom 30. Juni 1908, Reg. III
61/1908). W.
1370
B. Strafſachen.
I.
Rann eine von einem uubekaunten Schüben ge:
ſchoſſene, vom Jagdpächter in Beſitz genommene Reh⸗
geiz, oder der von ihm durch Verkauf erzielte Erlös
gemäß Art. 125 Abſ. 3 PStGB. eingezogen werden?)
Können die den Einziehungsintereſſenten erwachſenen not:
wendigen Auslagen der Staatskaſſe überbürdet werden?
(88 449 Abſ. 2, 478 Abſ. 3 StPO.). Ein Jäger fand
bei einem Reviergang eine angeſchoͤſſene Rehgeiß, die
er abknicken mußte. Der Jagdherr, dem er ſie brachte,
verkaufte ſie. Ungefähr zur ſelben Zeit fand ein Jagd—
pächter in einem benachbarten Jagdgebiete eine ver—
endete Rehgeiß. In beiden Fällen beantragte der
Amtsanwalt gemäß Art. 125 Abſ. 3 des PStGB. beim
Amtsgerichte die Einziehung der Rehgeiß und des Er—
löſes. Das Gericht gab dem Antrage ſtatt; das Land—
gericht hob das Urteil auf und erklärte die Einziehung
für unzuläſſig. Das Oberſte Landesgericht beſtätigte
dieſes Urteil.
Aus den Gründen: 1. Unter der Herrſchaft
des alten PStGB. vom 10. November 1861 galt der
Grundſatz, daß die Einziehung nicht ſchlechthin, ſondern
nur dann zuläſſig iſt, wenn das Wild einem Dritten
gehört, der für die Uebertretung ſtrafrechtlich verant—
wortlich ift. An Stelle des Art. 229 des alten PStGB.
iſt im weſentlichen Art. 125 des neuen PStGB. ge-
treten, Art. 10 des alten Geſetzes iſt durch die Art. 17
und 18 des neuen erſetzt worden. Danach iſt die
Einziehung von Wild, das mit Uebertretung der Be—
ſtimmungen über die Hege oder Hegezeit erlegt wird,
nunmehr im objektiven Verfahren auch dann zuläſſig,
wenn der für die Uebertretung ſtrafrechtlich verant—
wortliche Täter aus ſachlichen oder rechtlichen Gründen
nicht verfolgt werden kann. Der Grundſatz des früheren
P StGB., daß die Einziehung nicht zur Verletzung
dritter, nicht ſchuldiger Perſonen führen darf, iſt durch
die Beſtimmung des Art. 18 Abſ. 1 des PStGB. nicht
aufgehoben worden. Erfolgt die Verurteilung einer
beſtimmten Perſon wegen Uebertretung der die Hege
oder Hegezeit betreffenden Beſtimmungen, ſo ergibt
ſich aus dem Charakter der Einziehung als einer
Nebenſtrafe, daß die Einziehung nur zum Nachteile
einer für die Uebertretung ſtrafrechtlich verantwort—
lichen Perſon verfügt werden darf. Wo das Geſetz
ausnahmsweiſe die Einziehung von Gegenſtänden „ohne
Unterſchied, ob ſie dem Verurteilten gehören oder nicht“
wegen vordringlichen, öffentlichen Intereſſes zuläßt,
hat es dies ausdrücklich hervorgehoben (vgl. Art. 39,
54 PStGB.). Aber auch im objektiven Verfahren ift
die Einziehung nur unter der Vorausſetzung zuläſſig,
daß das einzuziehende Wild einer Perſon gehört, die
wegen verbotener Erlegung des Wildes zu verfolgen
und zu verurteilen geweſen wäre.. Es ift kein Grund
einzuſehen, warum das objektive Verfahren Rechte
1) Val. hierzu dlefe Zeitſchrift Jabrgang 1905 S. 408.
__Beitiärift für Rednspflege in Bayern
mm m ee . 1
1908. Nr. 18.
Dritter weniger berückſichtigen ſolle, wie das ordent:
liche Verfahren. Art. 18 des PStSB. will nur die
Durchführung der Einziehung, nicht auch deren ſonſtige
Vorausſetzungen erleichtern. Dies ergibt ſich auch aus
einem Vergleich mit den einſchlägigen Vorſchriften:
s8 40, 42 des StGB., denen Art. 18 des PSGB. nad:
gebildet iſt. Es iſt daher daran feſtzuhalten, daß auf
Einziehung des unter Uebertretung der Beſtimmungen
über Hege und Hegezeit erlegten Wildes gem. Art. 125,
18 PStGB. nur dann erkannt werden darf, wenn die
Einziehung das Vermögen einer Perſon betrifft, die
ſich der Uebertretung der jagdpolizeilichen Vorſchriften
als Täter, Mittäter oder Anſtifter ſchuldig gemacht
hat. Auch 8 958 Abſ. 2 BGB. ſteht dieſer Mus-
legung nicht entgegen. Irrig ift insbeſondere die Auf—
faſſung, daß der Jagdberechtigte in Bayern an einer
von einem Dritten ohne fein Zutun erlegten Rehgeiß,
die er im Jagdbogen auffindet, nach § 958 Abſ. 2 BGB.
Eigentum nicht erwerben könne, weil Rehgeißen in
Bayern das ganze Jahr hindurch Schonzeit hätten
und deshalb ihre Aneignung geſetzlich verboten ſei.
Auch in Bayern iſt bei Rehgeißen nur die Aneignung
im gewöhnlichen Jagdbetriebe verboten; nicht aber die
Aneignung von Fallwild oder von Rehgeißen, bei
denen die Hege zwecklos wäre, weil ſie wegen ſchwerer
Verletzung zur Zucht ungeeignet ſind. Der Erlös,
den ein Jagdpächter aus dem Verkaufe gemacht hat,
kann überhaupt nie eingezogen werden, weil nach dem
P StGB. nur die Einziehung beſtimmter Sachen, nicht
auch die Einziehung des Wertes dieſer Sachen, wenn
dieſe bereits untergegangen ſind, geſtattet iſt. Dies
war bereits nach dem alten bayer. PStGB. fo und ift
auch vom Reichsſtrafrechte allgemein anerkannt. Wenn
der Geſetzgeber gewollt hätte, daß ſich die Einziehungs—
befugnis auch auf den Erlös erſtrecken ſolle, ſo hätte
er in das PStGB. von 1871 ſicher eine ſolche Be-
ſtimmung aufgenommen, wie es in § 335 des StGB.
und § 155 des Ver. geſchehen ift. Anders verhalt
es ſich dann, wenn die Sache von der Polizeibehörde
nach Art. 20 Abſ. 2 P St B. mit vorläufigem Beſchlage
belegt, in Verwahrung genommen und wegen drohen—
den Verderbs veräußert worden iſt; hier tritt ſelbſt⸗
verſtändlich der Erlös auch für die Einziehung an die
Stelle der Sache.
2. Die den Einziehungsintereſſenten erwachſenen
notwendigen Auslagen waren entgegen der Anſchau—
ung des Reichsgerichts (Bd. 22 S. 351) der Staats-
kaſſe zu überbürden. Es iſt richtig, daß § 499 der
StPO. nur von Uebernahme der Auslagen des freis
geſprochenen oder außer Verfolgung geſetzten Ange—
ſchuldigten auf die Staatskaſſe ſpricht. Allein die
Rechtſprechung hat dieſe Beſtimmung ſchon auf die
geſetzlichen Vertreter des Angeſchuldigten ausgedehnt,
die kraft eigenen Rechtes für den Angeſchuldigten der
Anklage entgegentreten. Daher iſt es billig, auch dem
Einziehungsintereſſenten, der den Einziehungsanſpruch
des Staates mit Erfolg bekämpft, in ſinngemäßer Jln-
wendung des § 499 Abſ. 2 der StPO. ebenſo einen
Erſatzanſpruch für die hierbei erwachſenen notwendigen
Auslagen zuzuerkennen, wie dem freigeſprochenen oder
außer Verfolgung geſetzten Angeklagten, da § 478 Abſ. 3
der StPO. dem Einziehungsintereſſenten alle Befug—
niſſe einräumt, die dem Angeklagten zuſtehen. (Urt.
vom 20. Juli 1908). Dr. L.
1355
II.
Zur Auslegung des § 79 StGB. und des § 492
StPO. A wurde rechtskräftig verurteilt: 1. am 9. März
1908 vom Schöffengerichte X zu einer Woche Ge—
fängnis; 2. am 20. Juni 1908 von der Strafkammer
X wegen verſchiedener, vor dem 9. März 1908 be-
gangener Straftaten zu einer Reihe von Einzelſtrafen
— Einſatzſtrafe 4 Monate — und an deren Stelle zu
einer Geſamtgefängnisſtrafe von einem Jahre; 3. am
2
„ * Y
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
1. Juli 1908 vom Schwurgericht Y wegen eines am
18. April 1908 verübten Verbrechens zu einer Gefängnis⸗
ftrafe von 5 Monaten und unter Einbeziehung der
Strafen unter Ziffer 2 zu einer neuen Geſamtſtrafe
von 1 Jahre und 3 Monaten. Als nach Eintritt der
Rechtskraft des ſchwurgerichtlichen Urteils dem Staats-
anwalt bekannt wurde, daß die Strafe unter Ziffer 1
noch nicht verbüßt war, ſtellte er an die Strafkammer
Antrag auf Vereinigung aller Straſen zu einer
Geſamtſtrafe. Die Strafkammer Y wies dieſen Antrag
ab, da eine Zuſammenfaſſung ſämtlicher Strafen nicht
möglich ſei, vielmehr unter Auflöſung der vom
Schwurgerichte ausgeſprochenen Geſamtſtrafe die
Strafen unter 1 und 2 zu einer Geſamtſtrafe zu ver⸗
einigen ſeien, hierfür aber die Strafkammer X zu⸗
ſtändig ſei. Nach dieſer Anſchauung wäre alſo die
vom Schwurgerichte erkannte fünfmonatige Gefängnis⸗
ſtrafe geſondert zum Vollzuge gekommen. Die Be⸗
ſchwerde des Staatsanwalts wurde abgewieſen und
ausgeſprochen:
„1. Es hat bei der vom Schwurgerichte ausgeſprochenen
Geſamtſtrafe fein Bewenden.
2. Die vom Schöffengerichte erkannte Strafe iſt ge⸗
ſondert zu vollziehen.
Gründe: An ſich wären die vom Schöffengerichte
X und von der Strafkammer X erkannten Einzel⸗
ſtrafen nach §§ 74 und 79 StGB. und $ 492 StPO.
auf eine Geſamtſtrafe zurückzuführen. Das gleiche
Berhältnis beſteht zwiſchen den von der Strafkammer X
ausgeſprochenen Strafen und der vom Schwurgerichte Y
verhängten Gefängnisſtrafe von 5 Monaten. Dagegen
kann die letzterwähnte Strafe nicht mit der vom
Schöffengerichte X am 9. März 1908 erkannten eins
wöchigen Gefängnisſtrafe zu einer Geſamtſtrafe ver⸗
einigt werden, weil die vom Schwurgerichte abgeurteilte
Straftat erſt nach dem 9. März 1908 verübt worden
iſt. Unter ſolchen Umſtänden bleibt nur die Möglich⸗
keit, entweder die vom Schöffengerichte und von der
Strafkammer erkannten Einzelſtrafen auf eine Geſamt⸗
ſtrafe zurückzuführen und die vom Schwurgerichte aus⸗
geſprochene 5 monatige Gefängnisſtrafe geſondert zu
vollziehen oder die von der Straflammer und dem
Schwurgerichte erkannten Einzelſtrafen, wie es das
Schwurgericht getan hat, auf eine Geſamtſtrafe zurück⸗
zuführen und die vom Schöffengerichte ausgeſprochene
einwöchige Gefängnisſtrafe geſondert zu vollziehen.
Das erſtere Verfahren wäre für den Angeklagten
ungünſtiger als das zweite, weil bei dem erſteren
neben einer Geſamtſtrafe von einem Jahre oder etwas
darüber noch eine fünfmonatige Gefängnisſtrafe zur
Vollſtreckung gelangen würde, während nach dem
zweiten neben einer Gefängnisſtrafe von einem Jahre
und 3 Monaten nur noch eine einwöchige Gefängnis⸗
ſtrafe zu vollziehen ift. Die Beſtimmungen der $$ 74
und 79 StGB. find nun aber zugunſten des Angeklagten
getroffen. Der in dem rechtskräftigen Urteile des
Schwurgerichts enthaltene Ausſpruch einer Geſamt⸗
ſtrafe kann deshalb nicht nachträglich in Anwendung
des § 492 StPO. geändert werden, weil das zu un⸗
gunſten des Angeklagten wirken würde und anderſeits
der Staatsanwalt nicht vor der Rechtskraft des ſchwur⸗
gerichtlichen Urteils deſſen Abänderung im Sinne des
oben zuerſt erwähnten Verfahrens mit der Reviſion
angeſtrebt hat. (Beſchluß des F StS. BeſchwReg. 562,08).
1362
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Zum Begriff des Tierhalters. Stillſchweigender
Anschluß der Tierhalterhaftung? Vorübergehend an:
gestellter Arbeiter in laudwirtſchaftlichem Betrieb? Der
Kläger, ein Kohlen- und Viktualienhändler, der die
zu ſeinem Gewerbe nötigen Transporte mit ſeinem
363
Pferdefuhrwerk beſorgt — er hat weder Grundbeſitz
noch ſonſtigen Viehſtand, treibt keine Landwirtſchaft,
auch kein landwirtſchaftliches Nebengewerbe und gehört
keiner Beruſsgenoſſenſchaft an — fuhr am 9. Juli
1906 auf das Aderfeld des Beklagten, um dort die
von dieſem gekauften Kartoffeln zu holen. Die vom
Beklagten eben ausgemachten Kartoffeln lagen zerſtreut
auf dem Felde umher, der Kläger las ſie in Körbe
zuſammen und lud ſie auf den Wagen. Da der Acker⸗
boden weich war und das Gelände gegen die Straße
hin anſteigt, konnte das Pferd des Klägers die Laſt
nicht vorwärts bringen. Ein gemeinſchaftlicher Ver⸗
ſuch, das jüngere kräftigere Pferd des Beklagten eins
zuſpannen, wurde wegen der Störrigkeit des Tieres
aufgegeben. Man nahm dann einige Körbe ab und
ließ den erleichterten Wagen, während der Beklagte
ſein eigenes Pferd oben an der Straße an einer
Telegraphenſtange feſtband, durch das Pferd des
Klägers auf den Weg hinaufziehen. Hierauf erſuchte
der Beklagte den Kläger, ihm zum Wiedereinſpannen
ſeines zu dem fruchtloſen Verſuch ausgeſpannten Pferdes
zu helfen und bemerkte „er könne jetzt auch mitheim⸗
fahren“. Der Kläger leiſtete die erbetene Hilfe, wurde
aber hierbei durch das ſteigende und ihn darnach
überrennende Pferd des Beklagten verletzt. Der Be⸗
klagte wurde vom Landgerichte durch Teilurteil zur
Zahlung von Schmerzensgeld ſowie von Heil⸗ und
Pflegekoſten verurteilt; feine Berufung wurde zurück-
gewieſen.
Aus den Gründen des Berufungs⸗
urteils: 1. Der Begriff des Tierhalters iſt vom
Erſtrichter nicht verkannt; für dieſen Begriff iſt die
Frage des Eigentums oder ähnlicher Rechts beziehungen
nicht ausſchlaggebend. Es kommt darauf an, wer
durch Gewährung von Obdach und Unterhalt die
Sorge für das Tier übernommen hat; wer es wartet,
pflegt und nutzt, iſt Tierhalter, mag er das Tier auch
nur auf Probe gekauft haben und den Zweck verfolgen,
die Gebrauchsfähigkeit und die Charaktereigenſchaften
des Tieres näher kennen zu lernen. (RGE. 62 S. 80;
52 S. 117).
2. Auch der zweite Angriff des Beklagten, es ſei
angeſichts einer vorliegenden Gefälligkeit nach Billig⸗
keitsgrundſätzen ein ſtillſchweigender Ausſchluß der
Tierhaltergefahr anzunehmen, verſagt. Es mag ſein,
daß der Kläger aus Erkenntlichkeit für ein voraus⸗
gegangenes Entgegenkommen dem Erſuchen des Bes
klagten, beim Wiedereinſpannen zu helfen, nachkam.
Es handelt ſich aber — was den ſchadenſtiftenden
Vorgang anlangt — nicht um eine vom Beklagten
dem Kläger, ſondern um eine von dieſem dem Bes
klagten geleiſtete Gefälligkeit. Alſo kann keine Rede
davon ſein, daß der Kläger, als er zugriff, um das
Pferd des Beklagten wieder einſpannen zu helfen, den
Beklagten von der Tierhaltergefahr habe entbinden
wollen. Es geht auch nicht an, die Vorgänge vom
Ausſpannen bis zum Wiedereinſpannen des Pferdes
des Beklagten einer einheitlichen Beurteilung zu unter-
ſtellen und zu ſagen, daß die mit dem Ausſpannen
begonnene Gefälligkeit des Beklagten ihr Ende erſt
mit dem Wiedereinſpannen erreicht habe. Mochte der
Kläger auch die verſuchte Einſtellung des jüngeren
Pferdes als eine Art landläufigen Entgegenkommens
empfinden, ſo erwuchs ihm doch hieraus keinerlei
Verbindlichkeit in der Richtung, daß er den beſagten
Verſuch durch eine Mitwirkung beim Wiedereinſpannen
auszugleichen gehabt hätte. Vielmehr behielt die
Handreichung des Klägers beim Wiedereinſpannen den
Charakter einer ſelbſtändigen dem Beklagten geleiſteten
Gefälligkeit.
3. Endlich geht auch der dritte, gegen die An—
wendung von § 151 Lw. gerichtete Angriff fehl,
mit dem geltend gemacht werden will, daß der Unfall
in dem verſicherungspflichtigen Betriebe vorgekommen,
364
der Kläger aber, der als vorübergehend angeftellter
Arbeiter dieſes Betriebes erſcheine, mangels ſtraf⸗
gerichtlicher Feſtſtellung vorſätzlicher Unfallſtiftung
einen Anſpruch nicht erheben könne. Der Unfall iſt
allerdings im landwirtſchaftlichen Betriebe des Be—
klagten paſſiert; der Kläger war aber kein in dieſen
Betrieb voruͤbergehend eingeſtellter Arbeiter. Der Kläger
griff nur aus Gefälligkeit, wenn auch auf Erſuchen ein;
er handelte bei feiner Hilfeleiſtung nach eigenem Gut-
dünken, konnte ſie unterlaſſen oder einſtellen nach Be⸗
lieben, er empfing vom Beklagten auch keine Anleitung
oder Anweiſung, ebenſowenig auch eine Entlohnung;
vielmehr befand er ſich außerhalb jeder Abhängigkeit
vom Beklagten. Wenn ſolchergeſtalt im Felde beſchäf⸗
tigte Perſonen einander mit einer kurzdauernden Hilfe-
leiſtung an die Hand gehen, um wie hier, für eine
gemeinſchaftliche Heimfahrt fertig zu werden, ſo tritt
nicht der eine in ein Arbeitsverhältnis zum andern.
(JW. 1908 S. 211, 351). (Urt. vom 7. Juli 1908
Nr. 146/08).
1857 Mltg. von Oberlandesgerlchtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
Notizen.
Warnung vor dem juriſtiſchen Studium. Die Klage
über die Ueberfüllung der gelehrten Berufe iſt all⸗
gemein. Auch die Schar der jungen Rechtsbefliſſenen
wächſt in beängſtigender Weiſe. Unter dem Einfluſſe
der ſchlechten Beförderungsverhältniſſe hatte ſich um
die Wende des Jahrhunderts die Zahl der Rechts—
praktikanten nicht unerheblich vermindert. Im Jahre
1903 wurde der Tiefſtand erreicht; es unterzogen ſich
181 Kandidaten dem fog. Staatskonkurs. Mit dieſer
Zahl kann der jährliche Bedarf reichlich gedeckt werden.
Die folgenden Jahre brachten aber in raſcher Steigerung
eine Verdoppelung. Heuer werden etwa 400 Prakti⸗
kanten geprüft werden. Der Höhepunkt iſt damit kaum
erreicht. Die ernſte Gefahr, daß ein juriſtiſch gebildetes
Proletariat heranwächſt, hat die 6 Zivilſtaatsminiſterien
veranlaßt, vor dem juriſtiſchen Brotſtudium eindringlich
zu warnen (IMBI. 1908 S. 173). Zugleich wird
bekannt gegeben, daß eine Verſchärfung der Brüfungs-
vorſchriften bevorſteht. Wir können uns der Warnung
nur anſchließen und halten es für die Pflicht eines
jeden, der mit den Verhältniſſen vertraut ift, un:
erfahrene junge Leute aufzuklären. Die Warnung
gilt vor allem dem, der Juriſt werden will, weil er
zu keinem Studium rechte Luſt und Befähigung hat.
Er würde bittere Erfahrungen machen. Die Zeit
fordert als Richter und Verwaltungsbeamte Männer,
die ſich ihrer ernſten Aufgabe mit Luſt und Liebe
unterziehen und dabei auch über eine angemeſſene
allgemeine Bildung verfügen. Hier hätte freilich ſchon
das Gymnaſium anders einzuſetzen als bisher.
1374
Die Stellung unter Bolizeiauffiht. Die neuen
Vorſchriften (GVBl. S. 561) ſtehen mit den Vor⸗
ſchriften über die Handhabung des Ausweiſungsrechtes
gegenüber beſtraften Perſonen (dieſe Zeitſchr. Jahrg.
1908 S. 112) in engem Zuſammenhange. Auch hier
gilt als oberſter Grundſatz: keine mechaniſche, formular:
mäßige Ausübung der polizeilichen Befugniſſe; Berück-
ſichtigung der Eigenart des einzelnen Falles! Vor—
läufig Entlaſſene und bedingt Begnadigte, gegen die
ein Widerruf nicht ergangen iſt, ſollen nicht unter
Polizeiaufſicht geſtellt werden. Auch die Verurteilten,
hinſichtlich deren die Beamtenkonferenz der Straf—
anſtalt oder der Vorſtand des Gerichtsgefängniſſes
fih gutachtlich gegen die Stellung unter Polizeiaufſicht
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 18.
nicht unterworfen werden. Die Ueberwachung des
unter Aufſicht Geſtellten liegt jetzt der Diſtrikts⸗
polizeibehörde des jeweiligen Aufenthaltsortes ob. Sie
hat in ſchonender Weiſe zu erfolgen. Der Verurteilte
11 dadurch in ſeinem Fortkommen nicht geſtört werden.
olizeiliche Erkundigungen bei Arbeitgebern uſw. find
möglichſt zu vermeiden. Bei der Ueberwachung kann
ſich die Polizeibehörde der Mitwirkung von Vertrauens⸗
perſonen (Mitglieder der Obſorgevereine für entlaſſene
Strafgefangene u. a., auch Verwandte des Verurteilten)
bedienen. Beſchränkungen, die nicht im Geſetze vor⸗
geſehen ſind, dürfen nicht auferlegt werden. Darf
darnach in Zukunft noch angeordnet werden, daß der
Beaufſichtigte jede, auch vorübergehende Entfernung
von ſeinem Wohnorte der Polizeibehörde zu melden
hat? Die Antwort ift nicht unzweifelhaft ($ 8 Abſ. 3
und 4) und für die Strafverfolgungsbehörden mit
e auf § 361 Nr. 1 StGB. von Intereſſe.
í
Das Wiſcheretseſet für das Königreich Bayern iſt
am 15. Auguft d. 8. ſanktioniert worden (GVBl.
S. 527). Das Geſetz bildet den Schlußſtein der neuen
bayeriſchen Waſſergeſetzgebung und iſt für den Zivil⸗
richter, den Strafrichter und den Verwaltungsbeamten
von gleich großer Bedeutung. Wir behalten uns vor,
in den nächſten Monaten auf das Geſetz zurückzukommen,
und machen hier nur darauf aufmerkſam, daß der
Artikel 14, der die grundbuchrechtliche Behandlung
des Fiſchereirechts betrifft, mit der Verkündung des
Geſetzes in Kraft getreten iſt. Im übrigen tritt das
Geſetz am 1. April 1909 in Kraft.
1376
Die Koſten der Rechtshilfe bei der Vernehmung
von Sachverſtändigen. Die gerichtlichen Gutachten von
Sachverſtändigen pflegen koſtſpielige Dinge zu ſein.
Finanzielle Erwägungen haben bekanntlich auch dazu
geführt, daß den Gerichten und Staatsanwälten emp:
fohlen wurde, ſich mit den in einem anderen Bundes-
ſtaate wohnenden Sachverſtändigen unmittelbar in
Verbindung zu ſetzen und das Gutachten ſich ſchriftlich
erſtatten zu laffen. In Zivilſachen hat aber der Sach—
verſtändige vor Erſtattung des Gutachtens regel-
mäßig einen Eid zu leiſten (8 410 ZPO.; f. § 15
GG.). In den bisherigen Vorſchriften war darauf
nicht Rückſicht genommen. Die Praxis hat ſich viel⸗
fach damit geholfen, daß in Zivilſachen und Ange⸗
legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ſchriftliche
Begutachtung angeordnet und das Amtsgericht des
Wohnortes des Sachverſtändigen nur um die vor—
herige Abnahme des Eides erſucht wurde. Der Zweck,
die Kaſſen der anderen Bundesſtaaten vor der Be-
laſtung mit den Koſten der Gutachten zu fügen,
wurde auch auf dieſem Wege erreicht. Die Bekannt⸗
machung vom 20. Juli ds. Js. (JM Bl. S. 174) billigt
dieſe Uebung und fordert die Gerichte auf, ſich der
Uebung allgemein anzuſchließen. In Strafſachen
iſt die Sachlage etwas anders. Die ſchriftliche Er—
ſtattung des Gutachtens iſt nur im Vorverfahren zu—
läſſig. Im Vorverfahren findet aber gewöhnlich keine
Beeidigung ſtatt. Die Bekanntmachung vom 21. Juli
1900 (MBI. S. 1067) gilt hier unverändert weiter.
1375
Beamtengeſetz. Die Nr. 59 des Geſetz⸗ und Ber:
ordnungsblattes enthält u. a. das Beamtengeſetz vom
16. Auguft d. Is. In der Inhaltsangabe der Nummer
iſt als Datum des Geſetzes unrichtig der 15. Auguſt
bezeichnet.
BASE
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H, Freiſing.
ur. 9. 19. QWi.nchen, den den 1. 1. Oktober 1908. 1908. | 4. J. Jahrg.
Zeitfhrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
Th. von der Pfordten in Bay ein 3. een ch zn
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Redaktion und Expebition: München, Lenbachplatz 1.
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Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange pon mindeſtens 2 Bogen. Preis e
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Boftanftalt (Moftgeltungslifte für Bayern Nr. 974a).
Nachdruck verboten.
Hafteutſchädigung bei Nealkonkurrenz. | aburteilbar.”?) Ebenſo kann die Aburteilung ein-
zelner real konkurrierender Straftaten vor ver⸗
Von Reichsgerichtsrat Burlage in Leipzig. ſchiedenen Gerichten gleicher Ordnung (vgl. auch
88 384, 394 Abi. 2 StPO.) ſowie vor der
Das Reichsgeſetz vom 14. Juli 1904 über die unteren und höheren Inſtanz erfolgen. Wäre
Entſchädigung der unſchuldig Verhafteten enthält nun — wie Ha berſtumpf will — die „reſtloſe“
keine beſonderen Vorſchriften über die Fälle der Freiſprechung Vorausſetzung für den Erlaß des
Realkonkurrenz. Unter den hierdurch veranlaßten Entſchädigungsbeſchluſſes, ſo könnte dieſer immer
Zweifeln tritt die praktiſch ſehr wichtige Streitfrage nur von dem zuletzt urteilenden Gericht erlaſſen
hervor, ob zugunſten des Verhafteten, welcher werden. Dieſes müßte dann auch darüber be—
mehrerer ſelbſtändiger Straftaten ($ 74 StGB.) finden, ob wegen der früher abgeurteilten Straf-
angeklagt (oder angeſchuldigt) iſt, ein Entſchädigungs⸗ taten „das Verfahren die Unſchuld ergeben oder
beſchluß nur in dem Falle und erſt dann erlaſſen dargetan hat, daß ein begründeter Verdacht 953
werden kann, wenn der Beſchuldigte „reſtlos“ d. h. vorliegt“ ($ 1) oder ob etwa eine der im $ 2
„von allen durch ein Verfahren umfaßten“ ſtraf⸗ aufgeführten negativen Bedingungen des Ent⸗
baren Handlungen freigeſprochen ift (Haber: ſchädigungsanſpruchs fehlt.“) Hierüber zu urteilen
ſtumpf in dieſer Zeitſchrift 1, 71 und 2, 27), iſt aber nicht das zuletzt ſprechende Gericht, ſondern
oder ob ein Beſchluß ſchon ergehen muß, wenn nur dasjenige Gericht befähigt, welches das vorher—
nur wegen einer der mehreren Straftaten Frei- gehende freiſprechende Urteil gefällt hat. Denn
ſprechung erfolgt (Trauſe in dieſer Zeitſchrift „der vom erkennenden Gerichte neben dem Urteile
4, 197, Burlage, Die Entſchädigung der un- | zu faſſende beſondere Beſchluß über die Voraus⸗
ſchuldig Verhafteten S. 45 ff., Krauſe in dem ſetzungen des Entſchädigungsanſpruchs ergeht auf
gleichen Kommentar S. 166). Nach meiner An- Grund der Beweisergebniſſe, die das ... Ber:
ſicht ift es nach wie vor als unzweifelhaft an- fahren im Rahmen der ihm geſtellten Aufgabe
zuſehen, daß die Frage!) in dem bezeichneten gleichzeitig für die Entſcheidung der Frage der
zweiten Sinne zu beantworten iſt. Unſchuld geliefert hat.“ Es ſollen die Ergebniſſe
Zu dieſer Antwort führen ſchon die beiden des ordentlichen Strafverfahrens verwertet werden,
Sätze, daß der Beſchluß über die Entſchädigung „um auch über die Frage der Unſchuld des Frei⸗
von dem über die Tat urteilenden Gerichte glei: geſprochenen eine Entſcheidung zu erzielen.“) Gleiches
zeitig mit feinem freiſprechenden Urteile zu erlaffen gilt ſelbſtverſtändlich für die Ausſchließungsgründe
ift (S 4 Abf. 1, 4 des Reichsgeſetzes), ſowie daß des 5 2. De lege ferenda wäre allenfalls der
der Strafprozeß im Falle der Realkonkurrenz teil- Ausweg denkbar, über die Entſchädigung auch
bar ift. „Jede der mehreren Straſſachen ift durch⸗ durch das zuerſt erkennende Gericht erft dann bes
aus ſelbſtändig und trennbar. Daher kann z. B. finden zu laſſen, nachdem alle Straftaten ab⸗
ſehr wohl Aburteilung der einen Tat unter gleich- geurteilt ſind. Vom ih iſt aber dieſer Ausweg
zeitiger Vertagung der Verhandlung bezüglich der — was auch ſchon Krauſe a. a. O. betont hat
anderen Straſſache erfolgen; und würde das Ge- — durch die ausdrückliche Vorſchrift des 8 4
richt aus Verſehen eine oder die andere der Abt: 1 verſchloſſen worden, nach der von dem
mehreren Strafſachen unabgeurteilt gelaſſen haben,
ſo wäre der Reſt natürlich noch unerledigt und YBennede- Beling, Lehrb. d. D. Reichsſtrafproz.
8 61 IV S. 209
3) Bal auch Krauſe in dieſer Zeitſchrift 4. 198.
) Davon ift die andere im Nachverfahren ($ 6 des t) Begründung des Reichsgeſetzes von 1904 S. 857;
Reichsgeſetzes) zu entſcheidende Frage ſcharf zu trennen, vgl. dazu Burlage, Kommentar Anm. 13 bei 8 4
ob Schadenserſatz zu gewähren iſt. S. 83 ff.
366 Beitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1: für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
Gerichte „gleichzeitig mit feinem den Verhafteten
freiſprechenden Urteile“ über die Entſchädigung Be⸗
ſtimmung zu treffen ift. Hätte der Geſetzgeber
dieſen Weg gehen wollen, ſo wären auch beſondere
Vorſchriften über das Zuſammenwirken der mehreren
erkennenden Gerichte miteinander und über das
Verhältnis der zu erlaſſenden Beſchlüſſe zueinander
erforderlich geweſen.“) Davon ift jedoch im Geſetze
überall keine Rede.
Es wird nicht verkannt, daß die erörterten
Fälle der Spaltung des Strafprozeſſes in der
Praxis außerhalb der allgemeinen Regel liegen
und daß für den Regelfall gleichzeitiger Aburteilung
der ſämtlichen in einem Verfahren vereinigten
Straftaten der Anwendung des von Haber⸗
ſtumpf verfochtenen Grundſatzes der „reſtloſen“
Freiſprechung praktiſche Schwierigkeiten nicht im
Wege ſtänden. Es fol daher die Unterſuchung
nicht umgangen werden, ob — was Haberſtumpf
behauptet — die vom Reichsgericht für die Aus⸗
legung des $ 60 StGB. anerkannten Grundjäße
auch für die Anwendung des Reichsgeſetzes von
1904 als maßgebend anzuſehen ſind. Nach der
Anſicht des Reichsgerichts“) kann in einem ſchon
zur Zeit der Verhängung der Unterſuchungshaft
mehrere ſelbſtändige Straftaten umfaſſenden Straf⸗
verfahren auch die Haft, welche der Angeklagte
wegen einer Straftat erlitten hat, für die Frei⸗
ſprechung erfolgt, auf die wegen einer anderen — dem
Haftbefehle nicht untergelegten Tat — erkannte
Strafe angerechnet werden. Zur Begründung ſeiner
Anſicht führt das Reichsgericht“) aus, es „könne
überhaupt nicht mit Grund behauptet werden, daß
die Unterſuchungshaft nur wegen eines dieſer
Delikte geſchwebt habe, da das Verfahren als ein
Ganzes anzuſehen ſei, in welchem ſich die Prozedur
nach dem für das ſchwerſte Vergehen vorgeſchriebenen
Verfahren richte.“ Haberſtumpf )) ſieht in
dieſer Rechtſprechung des Reichsgerichts „allgemeine
Grundſätze des Haftrechts überhaupt, die ſowohl
auf § 60 StGB. als auch auf das Geſetz vom
14. Juli 1904 zutreffen“, und folgert daraus,
daß die „reſtloſe“ Freiſprechung Vorausſetzung für
die Haftentſchädigung nach dem bezeichneten Reichs⸗
geſetze ſei.
Die gedachte Auslegung des $ 60 StGB.
dient dem berechtigten Schutze des Verhafteten.
Könnte der $ 60 nicht im weiteren Sinne vers
ſtanden werden, ſo würde für den Verhafteten,
der nur wegen der Straftat b, welche nicht die
Grundlage des Haftbefehls ($ 114 Abſ. 2 StPO.)
8) Es hätte etwa daran gedacht werden können, den
erſten Entſchädigungsbeſchluß unter dem Vorbehalte zu
erlaſſen, daß auch wegen der übrigen in Realkonkurrenz
ſtehenden Straftaten ein die Entſchädigungspflicht aus:
ſprechender Beſchluß ergehen würde.
6) Vgl. RG. 3, 264; 30, 185; 31, 244; RG. IV
vom 9 Juni 1903 im Arch. für Strafr. 50. 388 u. a.
1) RG. II vom 21. Januar 1881 Bd. 3, 265.
) S. dieſe Zeitſchrift 2, 27.
— —— • 0n—ͤͤ —Uö—ñ2 4 ——ä—
bildete, deren Verfolgung aber durch die wegen
der Tat a verhängte Unterſuchungshaft tatſächlich
geſichert wurde, zu Strafe verurteilt wäre, die
Anrechnung der Haft auf die erkannte Strafe aus⸗
geſchloſſen ſein, die doch im Falle der reſtloſen
Verurteilung auf die Geſamtſtrafe hätte angerechnet
werden können. Auf Grund jener Auslegung des
§ 60 konnte und kann der Angeklagte wenigſtens
in gewiſſen Fällen für erlittene, materiell ungerecht⸗
fertigte Unterſuchungshaft durch Aufrechnung von
Haft und Strafe, gleichſam von einer Forderung
des Freigeſprochenen an den Staat und einer
Schuld des zugleich Verurteilten bei dem Staate,
entſchädigt werden. Eine Entſchädigung, aber eine
allgemein durchgreifende, iſt ebenfalls der Zweck
des Reichsgeſetzes von 1904. Dieſem Geſetzeszwecke
würde es widerſtreiten, wenn die zur weiten Aus⸗
legung des § 60 dienenden Gründe zu einer Ein-
ſchränkung des neuen Entſchädigungsgeſetzes heran⸗
gezogen würden. Eine ſolche Verwertung dieſer
Gründe iſt mit nichten geboten. Mag immerhin
die wegen einer Straftat verhängte Unterſuchungshaft
in Beziehung zum ganzen, auch andere Straftaten
umfaſſenden Verfahren ſtehen und dadurch die
Anwendung des $ 60 in dem erörterten Falle
ermöglicht werden, ſo kann doch nicht nachgewieſen
werden, daß das Geſetz von 1904 die Ent:
ſchädigungspflicht von der Beurteilung der einzelnen
den Haftbefehl tragenden Straftat ($ 114 Abſ. 2
StPO.) losgelöſt und dafür den zufälligen Um-
ſtand der Vereinigung mehrerer Straftaten in
einem Verfahren zur Grundlage der Entſchadigungs⸗
pflicht gemacht hätte. Für dieſe Auffaſſung läßt
ſich der Wortlaut des Geſetzes, das offenbar nur
den Regelfall einer einzigen dem Angeklagten zur
Laſt gelegten Straftat ins Auge faßt, keineswegs
verwerten. Gegen dieſe Auffaſſung ſpricht die oft
angeführte Aeußerung des Regierungsvertreters in
der Reichstagskommiſſion.“) Dagegen ſpricht vor
allem aber der das ganze Geſetz durchziehende
Grundſatz der Billigkeit gegenüber dem Verhafteten.
Es wäre an ſich unbillig, dem Angeklagten, deſſen
Verhaftung ſich auf eine ihm als Unſchuldigem
zur Laſt gelegte Tat gründete, deswegen die Ent⸗
ſchädigung zu verſagen, weil er wegen einer anderen,
vielleicht ganz geringfügigen ſtrafbaren Handlung,
welche die Verhaftung nicht verurſacht und nicht
getragen hat, zufällig in demſelben Verfahren
verurteilt wird. Die auf jene Tat geſtützte Ver⸗
haftung zog den Schaden nach ſich; war ſie
materiell ungerechtfertigt, ſo iſt dieſer Schaden zu
erſetzen.!“) Von zwei das gleiche Ziel verfolgenden
Wohltaten ſoll nicht die erſte kleinere — die An⸗
rechnung der Unterſuchungshaft auf Grund einer
weiten Auslegung des $ 60 StGB. — dazu be
nutzt werden, die zweite große — die Entſchädigung
9) S. Kommiſſionsbericht S. 2060.
10) Darüber, wie ſich nach der hier vertretenen An⸗
ſicht die verſchiedenen Fälle geſtalten, f. Buria gea. a. O.
5 ff., 64.
—
S. 45
— — e —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
nach dem Geſetze von 1904 — zu beeinträchtigen.
Haberſtumpf beruft ſich auf den Satz, die
Unterſuchungshaft „ſei ein Uebel, das nicht in
der ſtrafbaren Handlung ſelbſt, ſondern in der
notwendigen Unterſuchung derſelben begründet
ſei“. Allein es iſt nicht gerechtfertigt, dieſem vom
Reichsgericht (Entſch. Bd. 3 S. 265) für die Aus⸗
legung des $ 60 StGB. verwerteten Gedanken
maßgebenden Einfluß auf die Auslegung des
Reichsgeſetzes von 1904 einzuräumen. Die erſte
und weſentliche Grundlage der Unterſuchungshaft
iſt der dringende Verdacht einer beſtimmten Tat
($ 112 StPO.). Die Verkehrung dieſes Verdachts
ins Gegenteil, nämlich die Feſtſtellung der „Un⸗
ſchuld“ in Betreff dieſer Tat, iſt von dem Ent⸗
ſchädigungsgeſetz ($ 1), das alle Verletzung pro⸗
zeſſualer Vorſchriften außer Acht läßt, zur Grund⸗
lage der Entſchädigung gemacht worden.
Das nene bayeriſche Beamtenrecht.
Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg.
(Fortſetzung.)
Begründung des Dienſtverhältuniſſes.
Das Dienſtverhältnis zum Staate wird be⸗
gründet durch Berufung zum Staatsdienſte mit
Entſchließung des Königs oder einer vom Könige
ermächtigten Behörde, alſo durch einſeitigen Re⸗
gierungsakt und zwar mit dem Zeitpunkte, den
die Entſchließung beſtimmt. Einer Annahme⸗
erklärung bedarf es nicht; das war auch nach
bisherigem Rechte der Fall (IX. Verf B. § 1).
Die alte Streitfrage, ob die Wirkſamkeit der Er⸗
nennung auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrage
beruht, entſcheidet das Geſetz nicht; ſicher iſt, daß
ſich aus den Beſtimmungen des BG. fo wenig
eine Pflicht zum Eintritt in den Staatsdienſt ab-
leiten läßt, als bisher eine ſolche beſtand; dann
kann aber auch die Berufung nie gegen den
Willen des Ernannten wirkſam werden. Das gibt
auch die Begründung zu Art. 5 des Entwurfes
zu; wenn fie aber dann doch die Zuläſſigkeit der
Ablehnung unbedingt aus dem Grunde verneint,
daß bei Unterſtellung eines Vertrages in der Er—
nennung die Annahme des Anerbietens des Be—
werbers liegt, geht ſie fehl. Denn ſie trifft nur
den Normalfall es kann aber vorkommen, daß -
eine Ernennung ohne Bewerbung erfolgt, wenn
z. B. eine beantragte Streichung aus der Liſte
der Staatsdienſtbewerber verſehentlich unterlaſſen
worden ift; folgt man der Seydelſchen Meinung,
daß dem Dienſtverhältniſſe ein öffentlich-rechtlicher
Vertrag zugrunde liegt, muß man in ſolchem
Falle die Ablehnung für zuläſſig anſehen.
Das Recht der Ernennung der Beamten ſteht
nach Tit. II § 1 der Verfll. dem Könige zu, der
das Recht, ſoweit nicht geſetzlich Ernennung durch
— — — — — . — —
„ —-—-tä —vñ,;n.... ——T—x . — ee
367
den König erfordert wird, auf Behörden über⸗
tragen kann.
Die pragmatiſchen Beamten wurden gemäß
$ 1 der IX. Verf B. ſtets vom Könige „angeſtellt“;
die „Aufnahme der nichtpragmatiſchen Beamten und
Bedienſteten war durch $ 2 Abſ. I der Kgl. VO.
vom 26. Juni 1894 den Staatsminiſterien oder
den von dieſen beſtimmten Stellen und Behörden
übertragen. Ueber die Berufung der nichtetats⸗
mäßigen Beamten enthält das BG. keine naͤheren
Beſtimmungen; ihre Berufung als „Anſtellung“
oder „Ernennung“ zu bezeichnen, würde dem
Sprachgebrauche widerſprechen (man wird z. B.
nicht zum Rechtspraktikanten „ernannt“); es wird
ſich die Beibehaltung des Ausdrucks: „Aufnahme“
empfehlen. Die Berufung der etatsmäßigen Be⸗
amten iſt im Geſetze als „Ernennung“ bezeichnet;
nach Art. 4 BG. erfolgt die Ernennung jener
etatsmäßigen Beamten, die eine höhere wiſſen⸗
ſchaftliche, techniſche oder künſtleriſche Berufs⸗
bildung nachzuweiſen haben, „in der Regel“ durch
den König; die Beſtimmung, welche Beamte
hierunter fallen, für welche weitere etatsmäßige
Beamte die Ernennung durch den König erfolgt
und wieweit zur Ernennung die Behörde zuſtändig
iſt, iſt Kgl. VO. vorbehalten. Vorſchlagsrechte
ſür die Ernennung einiger Landtagsbeamten ſind
in Art. 185 vorgeſehen. Ernennung durch den
König muß erfolgen, wo dies, wie für die Richter,
Oberſtaatsanwälte, Staatsanwälte und Gerichts⸗
ſchreiber (Art. 1, 52 u. 60 d. AG. 3. GV.), durch
Geſetz vorgeſchrieben iſt. Die Kgl. Anſtellungs⸗
entſchließungen bedürfen nach wie vor der Gegen⸗
zeichnung des zuſtändigen Miniſters.
Nur für die Ernennung der etatsmäßigen Be⸗
amten iſt eine beſondere Form vorgeſchrieben: die
Ausfertigung einer Ernennungsurkunde — hier
kehrt aljo das Anſtellungsreſkript des $ 1 der
IX. VerfB. wieder —, in welcher der Zeitpunkt,
von dem an die Ernennung wirkſam wird, zu
bezeichnen und anzugeben „iſt“, daß die Ernennung
in etatsmäßiger Eigenſchaft erfolgt (Art. 5 Abſ. 1),
und in welche der dem Ernannten zugewieſene Ge⸗
halt aufgenommen werden „ſoll“ (Art. 26 Ab}. ID;
durch die Aushändigung dieſer Urkunde oder die
amtliche Ausſchreibung ihres Inhalts wird die Er—
nennung mit dem in der Urkunde beſtimmten Zeit⸗
punkte wirkſam (Art. 5 Abſ. 2 und 3); die ver⸗
ſchiedene Faſſung der Vorſchriften über den Inhalt
der Urkunde iſt geeignet, Zweifel zu erwecken, ob
die wirkſam gewordene Ernennung zum Beamten
einer in der Gehaltsordnung aufgeführten Beamten⸗
klaſſe auch dann zum etatsmäßigen Beamten macht,
wenn in der Urkunde nicht angegeben iſt, daß die
Ernennung in etat3mäßiger Eigenſchaft erfolgt; die
Aeußerung der Begründung zu Art. 5, daß in der
Ernennungsurkunde „jedenfalls“ ausdrücklich zu be—
merken wäre, daß die Ernennung in nichtetats—
mäßiger Eigenſchaft erfolgt, hat zwar im Wortlaut
des Geſetzes keine Stütze, fußt aber auf der richtigen
368
Erwägung, daß die Ernennung auf eine etats—
mäßige Stelle in nichtetatsmäßiger Eigenſchaft als
ſeltene Ausnahme gedacht iſt; für durchſchlagend
halte ich die Zuſammenſtellung mit der Vorſchrift,
daß in der Urkunde auch der Zeitpunkt der Wirk⸗
ſamkeit der Ernennung anzugeben iſt. Denn darüber
kann kein Zweifel ſein, daß das Fehlen der An⸗
gabe eines Zeitpunktes der Wirkſamkeit der Er⸗
nennung nicht Abbruch tut; das Datum der Ur-
kunde ift dann der Zeitpunkt, mit dem die Er:
nennung durch Aushändigung der Urkunde wirkſam
geworden iſt. Das Ernennungsrecht iſt ein freies,
ſoweit es nicht durch Geſetze beſchränkt iſt, wie z. B.
durch die Beſtimmungen der Strafgeſetze über Un⸗
fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter als
Rechtsfolge einer Verurteilung oder des GVG. über
Fahigkeit zum Richteramte. Selbſtverſtändliche Vor⸗
ausſetzung der Ernennung iſt die Erfüllung der
durch die Prüfungs- und Anſtellungsvorſchriften
für die einzelnen Dienſtzweige vorgeſchriebenen Vor⸗
bedingungen; eine Zuſammenſtellung dieſer Vor:
ſchriften findet ſich in Weber's Geſ. u. VO.⸗Samml.,
Anhangband (1894) S. 348 ff.; die Rechtswirk⸗
ſamkeit der Ernennung iſt jedoch von der Er—
füllung dieſer Vorbedingungen ſo wenig abhängig,
wie von der Beachtung der Sollvorſchrift des Art. 3
BG., daß zum etatsmäßigen Beamten nur er⸗
nannt werden ſoll, wer
1. die deutſche Reichsangehörigkeit beſitzt oder mit
der Ernennung erwirbt (vgl. § 9 Abſ. 1 des
RG. vom 1. Juni 1870);
das 21. Lebensjahr vollendet hat;
der Militärpflicht und im Falle der Aushebung
der aktiven Dienſtpflicht genügt hat ($ 22, § 5
Ziff. 3a, SS 6, 7 und 8 Wehr.).
Die Vorſchrift unter Ziff. 2 iſt neu, jene unter
Ziff. 1 und 3 aus $ 2 der VO. vom 26. Juni
1894 übernommen.
Es ſteht auch im freien Ermeſſen des Er:
nennenden, ob ein Beamter in etatsmaͤßiger oder
nichtetatsmäßiger Eigenſchaft berufen werden ſoll;
dieſe uneingeſchränkte Befugnis der Beſetzung etats⸗
mäßiger Stellen mit nichtetatsmäßigen Beamten
iſt nicht unbedenklich; die Frage iſt im Ausſchuß
angeſchnitten, nach einigen, den Kern der Sache
nicht treffenden Erklärungen des Finanzminiſters
aber fallen gelaſſen worden.
Niemand hat ein Recht auf Anſtellung im
Staatsdienſt; die erfolgte Ernennung iſt aber
nicht mehr zurücknehmbar, ſobald die Ernennungs—
urkunde ausgehändigt oder die amtliche Ausſchrei—
bung erfolgt ift.
Die Berufung zum Staatsdienſt zielt zwar regel:
mäßig auf Begründung eines dauernden Dienſt—
verhältniſſes ab; trotzdem begründet die Ernennung
nur für einen kleinen Teil der Beamten die Garantie
für dauernden Beſtand des Dienſtverhältniſſes; es
iſt das eines der unvorteilhaften Erbſtücke aus dem
ſeitherigen bayeriſchen Beamtenrecht; nach § 2 der
IX. VerfB. ift das Dienſtverhältnis der nicht-
DD
Zeitſchrift für Rechtspflege in in Bayern. 1% 1908. Nr. 19.
richterlichen pragmatiſchen Beamten drei Jahre lang
5 proviſoriſch“; das Dienſtverhältnis der nichtprag⸗
matiſchen Beamten und Bedienſteten nach 88 VO.
vom 26. Juni 1894 dauernd widerruflich. Von
der Auffaſſung, daß jeder Beamte erſt eine Probe⸗
zeit durchmachen müſſe, hat man ſich nicht los⸗
reißen können; ein Fortſchritt iſt jedoch inſofern
zu verzeichnen, als nunmehr das Dienſtverhältnis
aller etatsmäßigen Beamten, alſo auch nahezu
ſämtlicher bisher nichtpragmatiſchen Staatsdiener
nach Ablauf einer beſtimmten, nach dem Maße
der Vorbildung abgeſtuften Probezeit, unwiderruf⸗
lich wird.
| Den Richtern hatte ſchon § 4 der IX. VerfB.
eine Ausnahmeſtellung durch ſofortige Gewährung
des Definitivums eingeräumt und ihre Ernennung
auf Lebenszeit iſt nunmehr auch reichsgeſetzlich
($ 6 GWG.) vorgeſchrieben; 8 2 des VGH. hat
die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes den
Richtern der ordentlichen Gerichte gleichgeſtellt.
Das BG. bringt in einer Anlage I unter A das
Verzeichnis der etatsmäßigen Beamten, die ſofort
mit ihrer Ernennung unwiderruflich ſind; es hat
den Richtern der ordentlichen Gerichte und den
Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshoſes die Mit⸗
glieder des Oberſten Rechnungshofes!) und die
ſtändigen Mitglieder des Landesverſicherungsamts
im Hauptamt angefügt. Unter B der Anlage I
ſind die Beamten anfgezählt, deren Dienſtverhältnis
nach einer etatsmäßigen Dienſtzeit von 3 Jahren
unwiderruflich wird; durch die Art. 186, 188 und
194 ſind Angehörige von Beamtenklaſſen, welche
nach Art. 2 nicht zu den etatsmäßigen Beamten
zählen würden, als etatsmäßige Beamte erklärt
worden; die Anlagen II mit IV zählen jene dieſen
Klaſſen angehörigen Beamten auf, deren Dienſt—
verhältnis nach 3 Jahren unwiderruflich wird.
Das Dienſtverhältnis aller übrigen etatsmäßigen
Beamten wird erſt nach einer etatsmäßigen Dienit:
zeit von 10 Jahren unwiderruflich.
Für etatsmäßige Beamte, die erſt ſpäter in
die Gehaltsordnung oder eine der beſonderen Ge⸗
haltsordnungen für den Bereich der Verſicherungs⸗
kammer und des Waſſerverſorgungsbureaus auf—
genommen werden, iſt die Beſtimmung der Dauer
der Widerruflichkeit Kgl. VO. vorbehalten (Art. 6
Abſ. 1—4). Das Dienſtverhältnis aller nicht:
e 6 Ai Beamten ift dauernd widerruflich
(Art. 6 Abſ. 5).
Das Dienſtverhältnis der weiblichen Beamten
wird, auch wenn es bereits unwiderruflich war,
mit ihrer Verehelichung dauernd widerruflich
(Art. 206 Abſ. 1 Ziff. 1).
Zur bequemeren Unterſcheidung hat das Geſetz
die Ausdrücke: „Widerrufliche Beamte“ und „un—
widerrufliche Beamte“ geprägt (Sprachſünde !).
1) Die Richter der ordentlichen Gerichte, die Mit—
glieder des Verwaltungs-Gerichtshoſes und des Oberſten
Rechnungshofes werden im folgenden unter der Be—
zeichnung: „Richterliche Beamte“ zuſammengefaßt.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
Für die Uebergangszeit ſind die Beſtimmungen des Widerrufs die Beamten, deren Ernennung der
des Art. 209 wichtig; hiernach wird den aktiven Reichsverweſer nicht mehr hätte widerrufen können,
Beamten und Bedienſteten, welche in eine in der
Gehaltsordnung aufgeführte Beamtenklaſſe über⸗
geleitet werden, für den Eintritt der Unwiderruflich⸗
keit als etatsmäßige Dienſtzeit die Zeit angerechnet,
welche ſie in pragmatiſcher oder in nichtprag⸗
matiſcher ſtatusmäßiger Dienſteseigenſchaft bereits
zurückgelegt haben; es ſollen ferner die vor Inkraft⸗
treten des Geſetzes angeſtellten pragmatiſchen, aber
noch nicht definitiv gewordenen Beamten auch
dann, ſpäteſtens mit Ablauf des nach den bis—
herigen Beſtimmungen berechneten Proviſoriums
unwiderruflich werden, wenn ſie nicht zu den in
Anlage I B oder in den Anlagen II und III
aufgeführten Beamten gehören und deshalb nach
den neuen Beſtimmungen erſt nach 10 jähriger
etatsmäßiger Dienſtzeit unwiderruflich würden;
ſind ihnen die neuen Beſtimmungen günſtiger,
kommen dieſe zur Anwendung; dieſe können des⸗
halb günſtiger ſein, weil der pragmatiſchen Dienſt⸗
zeit die in nicht pragmatiſcher ſtatusmäßiger
Dienſteseigenſchaſt verbrachte Dienſtzeit hinzuge⸗
rechnet wird.
Wie ſchon bisher ſind die Beſtimmungen über
die Dauer der Widerruflichkeit des Dienſtverhält⸗
niſſes nicht zwingender Natur; es kann „aus
beſonderen Gründen“ das Dienſtverhältnis ſofort
für unwiderruflich erklärt oder die Friſt der Wider⸗
ruflichkeit abgekürzt werden (Art. 7).
Nach Titel II § 18 der Verfü. können während
der Reichsverweſung alle erledigten Aemter mit
Ausnahme der Juſtizſtellen nur proviſoriſch beſetzt
werden; die den Beamten günſtige Auslegung,
welche dieje Verfaſſungsbeſtimmung durch das
Geſetz vom 26. Oktober 1887 erfahren hat, kommt
nun zufolge der durch Art. 225 BG. getroffenen
Abänderung des Abſ. 1 dieſes Geſetzes allen etats⸗
mäßigen Beamten zugute: dieſe Aenderung bringt
zugleich eine Auslegung des Begriffs „Juſtizſtelle“
im Sinne des Titel II § 18 der Verfll. Das
Ergebnis ift folgendes: Die während der Reichs—
verweſung erfolgten Ernennungen der Richter, der
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes und
Oberſten Rechnungshofes ſowie der ſtändigen Mit:
glieder des Landesverſicherungsamtes im Haupt—
amte (und der Notare, deren dienſtrechtliche Ver⸗
hältniſſe in dieſem Aufſatze außer Betracht ge:
laſſen werden, weil die Notare nicht Beamte im
Sinne des BG. ſind), können nach Beendigung
der Reichsverweſung nicht widerrufen werden; die
vom Reichsverweſer proviſoriſch ernannten etats—
mäßigen Beamten ſind während der Reichsver—
weſung ganz fo zu behandeln, wie wenn ihre Er:
nennung durch den König erfolgt wäre und er—
langen insbeſondere nach Ablauf der Probezeit
die Rechte der unwiderruflichen Beamten; nach
Beendigung der Reichsverweſung kann zwar der
König die vom Reichsverweſer ausgegangenen Er—
nennungen widerrufen, es behalten aber im Falle
j
die erworbenen Heimatsrechte und Rechte auf
Ruhegehalt und Hinterbliebenenverſorgung.
Die Erlangung der Unwiderruflichkeit iſt für
den Beamten von größter Wichtigkeit; erſt die
Unwiderruflichkeit ſchützt ihn gegen Entlaſſung aus
dem Staatsdienſte im Wege der Verwaltungs⸗
verfügung, gegen Verſetzung unter Einbuße an
Rang oder Gehalt und gegen Vorenthaltung von
Umzugskoſten im Verwaltungswege bei Verſetzung,
erſt die Unwiderruflichkeit gibt dem Beamten unter
beſtimmten Vorausſetzungen Anſpruch auf Ver⸗
ſetung in den Ruheſtand, ſowie Anſpruch auf
Ruhegehalt und ſchützt ihn im Ruheſtand gegen
den Entzug der Befugnis zur Weiterführung
ſeines Titels, erſt ſie vermittelt ſeinen Hinter⸗
bliebenen klagbaren Anſpruch auf Hinterbliebenen⸗
verſorgung, der den Hinterbliebenen der wider⸗
ruflichen Beamten erſt nach Anweiſung von
Witwen- und Waiſengeld durch die Verwaltungs⸗
behörde zuſteht.
Die Vorſchriften der Art. 4 Abſ. 1 und 2 BG.
über die Zuſtändigkeit zur Ernennung der etats⸗
mäßigen Beamten und des Art. 5 Abſ. 1 mit 3
über Form und Eintritt der Wirkſamkeit der Er⸗
aang gelten auch (Art. 4 Abſ. 3, Art. 5 Abſ. 4)
ür die Ä
Wiederanſtellung.
Die in Art. 64 BGG. vorgeſehene „Wieder⸗
berufung zur Dienſtleiſtung“ des zeitlich oder
dauernd in den Ruheſtand verſetzten, wieder dienſt⸗
fähig gewordenen Beamten iſt nichts anderes als
Wiederanſtellung; die nach Art. 42 verſügte Wieder⸗
berufung zur Dienſtleiſtung der auf Wartegeld ge-
ſetzten Beamten iſt ſtreng genommen keine Wieder⸗
anſtellung, da dieſe Beamte geblieben ſind, das
Geſetz bezeichnet ſie aber an anderer Stelle (Art. 29
Abſ. 1) als Wiederanſtellung; die beſagten Vor⸗
ſchriſten gelten daher auch für die Wiederberufung
zur Dienſtleiſtung der einſtweilen, zeitlich oder
dauernd in den Ruheſtand verſetzten Beamten.
Die Wiederanſtellung bietet keine Beſonder⸗
heiten; nur für die Bemeſſung des Gehaltes ſoll
den auf Wartegeld geſetzt geweſenen Beamten die
im einſtweiligen Ruheſtand verbrachte Zeit und
kann dem unverſchuldet entlaſſenen Beamten die
vor Löſung des Dienſtverhältniſſes in etatsmäßiger
Eigenſchaft zurückgelegte Dienſtzeit ganz oder teil⸗
weiſe angerechnet werden.
Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden
über Wiederanſtellung ſind für den Streitrichter
bindend (Art. 178 Ziff. 3).
Niemand wird allgemein zum Staatödienite
berufen, zum Beamten ernannt, ſondern jede Er:
nennung erfolgt unter Verleihung eines beſtimmten
Amtscharakters; man wird z. B. zum Amtsrichter,
zum Bezirksamtsaſſeſſor ernannt; in der Regel,
370
aber nicht notwendig verbindet ſich damit die Ueber⸗
tragung der Verſehung eines beſtimmten Amtes;
der Beamte hat keinen Anſpruch auf Uebertragung
eines ſolchen, der nichtrichterliche Beamte hat auch
kein Recht auf das ihm verliehene Amt, nicht ein⸗
mal einen Anſpruch auf Dienſtleiſtung überhaupt.
Daraus ergeben ſich als wichtige Folgen:
1. Die Entziehbarkeit der Befugnis zur Ausübung
des Amtes durch vorläufige Dienſtenthebung;
2. die Verſetzbarkeit.
Die vorläufige Dienſtenthebung
entzieht dem Beamten nur die Befugnis zur Mus-
übung ſeines Amtes, nicht aber das Amt ſelbſt;
ſie trägt niemals den Charakter einer Strafe.
Alle Pflichten des Beamten, mit Ausnahme ſelbſt—
verſtändlich der auf die Amtsausübung ſelbſt be-
züglichen beſtehen für den von der vorläufigen
Dienſtenthebung betroffenen Beamten fort; es ver⸗
bleiben ihm auch ſeine Rechte, unter beſtimmten
Vorausſetzungen hat jedoch die vorläufige Dienſt⸗
enthebung eine Beſchränkung des Anſpruchs auf
das Dienſteinkommen zur Folge. Es iſt zu unter⸗
ſcheiden
A. die vorläufige VI nach
Art. 170 BG
Dieſe hat keinen Einfluß auf die Vermögens⸗
rechte des Beamten; fie kann gegen den nicht:
richterlichen unwiderruflichen Beamten jederzeit ver⸗
fügt werden, an irgendwelche Vorausſetzungen iſt
ihre Verhängung nicht geknüpft. Einer Beſtimmung
im Geſetz, daß fie auch über den widerruflichen Pe-
amten verhängt werden kann, bedurfte es nicht, da
ſich die Zuläſſigkeit dieſer Maßnahme aus der
weitergehenden Befugnis zur Dienſtentlaſſung von
ſelbſt ergibt. Ein Beſchwerderecht ſteht dem Be—
amten gegen die Verfügung nicht zu; Vorſtellungen
an die der verfügenden Behörde vorgeſetzten Be:
hörden ſind ihm natürlich nicht verwehrt. Die
vorläufige Dienſtenthebung konnte ſchon bisher auf
Grund des $ 19 der IX. VerfB. jederzeit über
den pragmatiſchen Beamten verhängt werden. Die
Zuläſſigkeit ihrer Verhängung ergab fih gegenüber
den nichtpragmatiſchen Beamten und Bedienſteten
aus der Widerruflichkeit des Dienſtverhältniſſes.
Die Richter der ordentlichen Gerichte und die
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes konnten
ſchon bisher nicht aus adminiſtrativen Erwägungen
ihres Amtes enthoben werden; ſie haben ein Recht
auf das verliehene Amt (Art. 8 Abi. 1 GG.,
Art. 2 Abi. 1 VGHG., Art. 79 RDG.); der
Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 7 BG. ſtellt die Unanwend—
barkeit des Art. 170 noch ausdrücklich feſt und
Art. 184 BG. ſtellt die Mitglieder des Oberſten
Rechnungshofes auch in dieſer Beziehung den Mit—
gliedern des Verwaltungsgerichtshofes gleich.
Nur die Befugnis zur vorläufigen Dienſtent—
hebung nach Art. 170 gehört als Folge des Satzes,
daß der Beamte kein Recht auf die Dienſtleiſtung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
— — —
hat, hierher; es werden jedoch zweckmäßig die Vor⸗
ſchriften über
B. die vorläufige Dienſtenthebung nach
Art. 171—175 (Suspenſion)
gleich angereiht; ſie tritt in beſtimmten Fällen
kraft Geſetzes ein (Art. 171) und kann unter be⸗
ſtimmten Vorausſetzungen durch die vorgeſetzte
Dienſtbehörde verfügt werden; gegen die Ver⸗
fügung ſteht dem Beamten die Beſchwerde im
Inſtanzenzuge offen; der richterlichen Nachprüfung
. iſt die Entſcheidung entzogen (Art. 178
iff. 11).
Sowohl in den Fällen der kraft Geſetzes ein⸗
tretenden als der nach Art. 172 verfügten vor⸗
läufigen Dienſtenthebung wird den Beamten
während deren Dauer von Ablauf des Monats
an, in dem ſie eintritt, der dritte Teil des
Gehalts einbehalten (Ausſetzung der Einbehaltung
ſ. Art. 174 Abſ. 4); in Fällen der Not des
Beamten kann die Einbehaltung auf einen geringeren
Teil beſchränkt werden; der einbehaltene Teil wird
nachbezahlt, wenn das Verfahren nicht zum Verluſt
des Amtes geführt hat und ſoweit er nicht im Falle
der Verurteilung zur Deckung der dem Beamten
auferlegten Koſten des Disziplinarverfahrens. der
erkannten Gelditrafe und im Falle des Amts⸗
verluſtes oder der Strafverſetzung zur Deckung der
Stellvertretungskoſten aufgebraucht wird, andern⸗
falls wird der nichtverbrauchte Teil den Wohlfahrts⸗
einrichtungen für die Beamten zugewendet.
Die Vorſchriften der Art. 171— 175 gelten
für die widerruflichen und die unwiderruflichen
Beamten; ſie weichen vom bisherigen Rechte
(Art. 111 und 112 des AG. 3. StPO. und S 15
der VO. vom 26. Juni 1894, § 19 der IX. Verf B.),
wenigſtens in ihren praktiſchen Ergebniſſen nicht
ſehr erheblich ab.
Für die richterlichen Beamten gelten die durch
Art. 224 BG. erheblich geänderten Beſtimmungen
der Art. 59 mit 64 des RDG. Nur dieſe Aen⸗
derungen ſollen hier beſprochen werden; fie be-
treffen, von einer nicht erheblichen Aenderung des
Art. 59 abgeſehen, nur die Fälle der durch Be⸗
ſchluß der Disziplinarkammer oder des Disziplinar—
hofs verhängten vorläufigen Dienſtenthebung und
die vermögensrechtlichen Folgen dieſer Dienſt—
enthebung.
Die wichtigſte Aenderung iſt die Ausdehnung
der Befugnis der Disziplinargerichte zur Ber-
hängung der vorläufigen Dienſtenthebung auf die
Fälle, daß:
1. über das Vermögen des Richters das Konkurs⸗
verfahren eröffnet iſt;
2. gegen den Richter das Entmündigungsverfahren
eingeleitet oder der Richter bereits entmündigt iſt;
3. der Richter unter vorläufige Vormundſchaft
geſtellt iſt;
4. die Entſcheidung ergangen iſt, daß der Richter
Beitjchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
371
auf eine andere Stelle verſetzt werden kann
(Art. 6 Abſ. 2 Satz 2 und Art. 70 RDG.);
das die unfreiwillige Verſetzung des Richters
in den Ruheſtand bezweckende Verfahren nach
dienſtſtellung und verſchieden in ihren Wirkungen,
der VI. Abteilung des RDG. eingeleitet iſt;
der Zeitpunkt der Einleitung fällt wohl mit
der in Art. 72 und 75 vorgeſchriebenen Er⸗
öffnung an den Richter zuſammen.
Von den Beſtimmungen des Art. 61 über die
Dauer der vorläufigen Dienſtenthebung iſt hervor⸗
zuheben, daß die Enthebung, wenn auf Straf—
verſetzung erkannt, oder der Richter für verſetzbar
erklärt iſt, bis zum Vollzuge der Entſcheidung
währt, jedoch außer Wirkſamkeit tritt, wenn die
Verſetzung nicht binnen 6 Monaten von der
Rechtskraft der Entſcheidung an erfolgt iſt.
Die vermögensrechtlichen Wirkungen der vor-
läufigen Dienſtenthebung ſind in den Fällen der
kraft Geſetzes eintretenden Suspenſion (Art. 59)
und in jenen Fällen der von den Disziplinar—
gerichten verhängten Suspenſion, in welchen dieſe
ſchon bisher nach Art. 60 RDG. (nun Art. 60
Ziff. 1 und 2 n. F.) verfügt werden konnte, die
gleichen, wie bei der vorläufigen Dienſtenthebung
nichtrichterlicher Beamter; in den neu einge—
gliederten (dem Not®. Art. 92 Ziff. 5-7 ent:
nommenen) voraufgeführten Fällen der vorläufigen
Dienſtenthebung hat dieſe keinerlei Wirkungen
auf die Vermögensrechte des richterlichen Beamten.
Die Entſcheidungen über die vorläufige Ent—
hebung eines Beamten vom Dienſte und die Ent—
ſcheidungen über den Betrag, der einem vorläufig
vom Dienſt enthobenen Beamten für Stellver—
tretungskoſten an dem einbehaltenen Gehalt ab—
zuziehen iſt, ſind im Prozeſſe für den Streitrichter
bindend (Art. 178 Ziff. 11 und 12).
Die für Staatsanwälte und Amtsanwälte be-
ſtehenden Vorſchriften betr. die Mitteilungen an
die Finanzbehörden über ſtrafgerichtliche Unter—
ſuchungen gegen Beamte und öffentliche Diener
($ 84 der Vorſchr. über die Geſchäftsbehandlung
in Schöffenſachen, JMBN. 1879 Beil. S. 37,
Bek. vom 2. Dezember 1884, JM Bl. S. 209 ff.
und Bek. vom 18. Juli 1901, JM Bl. S. 551)
werden den neuen Beſtimmungen des BG. an—
zupaſſen ſein; vgl. auch über die Mitteilung von
Verhängung und Ende der Suspenſion eines
Richters § 6 Abſ. III d. Bek vom 24. Mai 1881,
JMBl. S. 283.
Die Beſtimmung des $ 19 der IX. VerfB.
ermöglichte nicht nur die vorläufige Dienſtent—
hebung in dem oben unter A erörterten Sinne,
ſondern auch die „Quieszierung“ (Zurverfügung—
ſtellung), d. h. Außerdienſtſtellung — zum Unter—
ſchied von der dauernden Quieszenz ohne Löſung
des Dienſtverhältniſſes — mit Anſpruch auf Rube-
gehalt und Ausſicht auf Wiederberufung zum Dienſt.
Das BG. kennt dieſe Quieszierung in doppelter
Geſtalt, verſchieden nach dem Grunde der Außer—
indem es anderen Beamtengeſetzen das Inſtitut
der einſtweiligen Verſetzung in den Ruheſtand mit
Wartegeld entlehnt und daneben die zeitliche Ver⸗
ſetzung in den Ruheſtand beibehalten hat; letztere
iſt als reſolutiv bedingte Entlaſſung bei Beſprechung
der Auflöſung des Dienſtverhältniſſes zu behandeln,
erſtere wäre im Anſchluß an die vorläufige Dienſt⸗
enthebung zu beſprechen, ſoll aber wegen der Be⸗
rührungspunkte, die ſie mit der echten Verſetzung
in den Ruheſtand hat, mit der ſie auch im Geſetz
in einen Abſchnitt zuſammengeworfen iſt, erſt mit
dieſer der Erörterung unterſtellt werden.
Die Verſetzung.
A. Der nichtrichterlichen Beamten.
Die Verſetzung kann vorkommen
1. als Verſetzung von Ort zu Ort ohne Aenderung
der dienſtlichen Stellung;
2. als Verſetzung auf ein anderes Amt innerhalb
des nämlichen Reſſorts;
3. als Verſetzung auf ein Amt eines anderen
Reſſorts.
Die Verſetzung kann vorkommen als freiwillige
Verſetzung (auf Anſuchen) oder als unfreiwillige
Verſetzung; letztere wiederum als Strafverjegung
oder als Verſetzung auf Grund Verfügung der
Staatsregierung im dienſtlichen Intereſſe. Die Ver⸗
ſetzung zur Strafe wird bei Darſtellung des Dienſt—
ſtrafrechtes beſprochen werden. Verſetzung auf An⸗
ſuchen kann natürlich von Ort zu Ort und von
Amt zu Amt beliebig verfügt werden; ein Anſpruch
auf Verſetzung ſteht dem Beamten niemals zu.
Die Vorſchriften der Art. 4 und 5 über die
Ernennung der etatsmäßigen Beamten (über Zu:
ſtändigkeit, Form und Wirkſamwerden der Er—
nennung) gelten auch für deren Verſetzung (Art. 4
Abſ. 3, Art. 5 Abſ. 4); es entſpricht dies der big-
herigen Auffaſſung, daß die Verſetzung in ihrer
Rechtswirkung eine Anſtellung ift (Seydel) II
S. 199).
Beſonderer Regelung bedurfte nur die unfrei—
willige Verſetzung.
Nach § 20 der IX. Verf. konnte bisher die
Verſetzung des pragmatiſchen Beamten aus admini—
ſtrativen Rückſichten oder infolge organiſcher Ein-
richtungen verfügt werden, wenn damit keine Zurück—
ſetzung in Beziehung auf die Dienſtesklaſſe (d. h.
den Rang) oder auf den ſtändigen Gehalt ver—
bunden war. Ob für die nicht rein örtliche Ver—
ſetzung als weitere Beſchraͤnkungen galten, daß Ver—
ſetzungen nur innerhalb des nämlichen Dienſtzweiges
erfolgen durften und die neue Amtsſtelle der Berufs—
bildung des Beamten entſprechen mußte, war be—
ſtritten (Seydel II S. 200); die Verſetzung der nicht:
pragmatiſchen Staatsdiener war unbeſchränktzuläſſig,
1) Seydel ift ſtets in II. Auflage zitiert.
jedoch wahrte $ 18 der VO. vom 26. Juni 1894
bei unverſchuldeter Verſetzung den Fortbezug des
ſeitherigen Gehalts ſamt Zulage und Vorrückungs—
ausſicht. .
Unter der Herrſchaft des BG. kann kein Be⸗
amter gegen feinen Willen auf eine Amtsſtelle ver:
ſetzt werden, die feiner Berufsbildung nicht entſpricht;
unter Berufsbildung verſteht das Geſetz nicht bloß
die allgemeine wiſſenſchaftliche Vorbildung, ſondern
auch die beſondere Fachausbildung. Daraus ergibt
ſich, daß zwar die Befugnis zur Verſetzung nicht
grundſätzlich auf den Dienſtzweig beſchränkt iſt, dem
der Beamte bisher angehörte, aber die neue Stelle
der allgemeinen Vorbildung und der Fachaus—
bildung des zu verſetzenden Beamten entſprechen
muß. Während nun die Verſetzbarkeit der wider⸗
ruflichen Beamten an weitere Vorausſetzungen nicht
geknüpft iſt, iſt die Verſetzbarkeit der unwiderruf⸗
lichen Beamten noch weiter davon abhängig, daß
die neue Amtsſtelle in etatsmäßiger Weiſe über⸗
tragen wird und damit weder eine Zurückſetzung
im Range noch eine Schmälerung des Gehalts
(d. h. des in der Gehaltsordnung ſür die betreffende
Amtsſtelle vorgeſehenen Gehalts ohne Berück⸗
ſichtigung etwa bisher bezogener Zulagen und Ver⸗
gütungen) verknüpft iſt; unter dem Range iſt
der mit dem Amte verknüpfte, nicht der per⸗
ſönliche Rang des Beamten gemeint; davon ſpäter.
Eine Schmälerung des Gehalts müſſen ſich unter
Umſtänden auch unwiderrufliche Beamte der Ver⸗
kehrsverwaltung bei Verlegung in eine andere Dienſt⸗
ſparte gefallen laffen (Art. 9 Satz 3, Art. 30 Ab}. 6).
Der ohne Anſuchen verſetzte unwiderrufliche
Beamte hat Anſpruch auf Gewährung von Um:
zugskoſten nach den darüber im Verordnungswege
erlaſſenen Vorſchriften (3. Zt. der VO. vom 20. No:
vember 1902 GVBl. S. 709, deren § 2 Z. 3 und
§ 5 geändert werden müſſen), der widerrufliche
Beamte nur im Falle unverſchuldeter Verſetzung.
Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden
über Verſetzung ſind für den Streitrichter bindend
(Art. 178 Ziff. 1).
B. Der richterlichen Beamten.
Nach § 8 Abſ. 3 des GVG. können unfrei-
willige Verſetzungen der Richter der ordentlichen
Gerichte auf eine andere Richterſtelle bei einer
Veränderung in der Organiſation der Gerichte
oder ihrer Bezirke unter Belaſfung des vollen
Gehalts durch die Landesjuſtizverwaltung verfügt
werden; die Beſtimmung findet auch Anwendung
(Art. 76 RDG.) auf die auf eine Stelle außer
dem Status berufenen Richter bei Einziehung der
Stelle; in anderen Fällen kann unfreiwillige Ver—
ſetzung nur auf Grund der Vorſchriften des RDG.
erfolgen ($ 8 Abſ. 1 GWG.; Art. 183 Abſ. 1,
Art. 184 BG.); unverſetzbar find hiernach der
Präſident und die Senatspräſidenten des Oberſten
Landesgerichts (Art. 65 Abſ. 2, Art. 66 RDG.),
die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes und
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
— — —u———ä— — U—UJ—eP. .8ůß3—3—3ßs—ßÆœl410äͤ⁊ ʃriJʃk'— a ⁊ñ— —L. .. ĩXö(⸗GVm ä a e ee m ae e a e e ·—[—[Q[k — — ———• tẽ—
die Mitglieder des Oberſten Rechnungshofs (Art. 79
Abſ. 2 RDG., Art. 184 BG.). Da die Vor:
ſchriften des RDG. über unfreiwillige Verſetzung
(Art. 65 — 70) eine Aenderung nicht erlitten haben,
kann von ihrer Wiedergabe abgeſehen werden.
(Fortſetzung folgt.)
Zur Einführung in das Reichsgeſetz
über den Verſicherungsvertrag.
Von Oberlandesgerichtsrat K. Schneider in Stettin.
(Schluß.)
Die eigentümliche Einwirkung der techniſchen
Anforderungen des Verſicherungsbetriebes tritt
beſonders bei der Anerkennung der ſog. Unteil⸗
barkeit der Prämien hervor, deren Not⸗
wendigkeit im ſchweizeriſchen Geſetze und ſeiner
„Botſchaft“ allerdings noch weit mehr betont wird,
als es im deutſchen Geſetze (Begründung S. 98,
129) und im öſterreichiſchen Entwurfe geſchieht.
die ſie grundfätzlich ablehnen, aber tatſächlich faſt
immer anerkennen. Nicht übel wird dieſe An⸗
forderung, die alſo trotz der inzwiſchen wegfallenden
Pflicht zur Verſicherungsleiſtung die Prämie doch
für eine beſtimmte Zeit ihrer Bemeſſung, die
„Verſicherungsperiode“ ($ 9 des deutſchen Geſetzes),
alſo regelmäßig für ein volles Jahr, weiter ver⸗
langt, auf S. 57 jener „Botſchaft“ gerechtfertigt.
Es heißt dort: „Die ſtatiſtiſchen Unterlagen der
Verſicherungstechnik ſind Maſſenbeobachtungen, die
man während beſtimmter Zeit gemacht hat.
Hierbei werden die Schwankungen, denen das
einzelne Riſiko während der Beobachtungsperiode
hinſichtlich ſeiner Gefährlichkeit naturgemäß unter⸗
worfen iſt, nicht beachtet. Unter der Voraus⸗
ſetzung, daß die Beobachtungszeit ausreichend
bemeſſen iſt, dürfen jene Schwankungen als aus⸗
geglichen gelten. Der Verſicherer muß daher den
Zeitabſchnitt, nach dem er die Prämieneinheit
berechnet, ſo bemeſſen, daß er auf Ausgleich der
Schwankungen rechnen darf. Da die techniſche
Wirkung des Riſiko auf die dargelegte Beob⸗
achtungsmethode zurückgreift, iſt es unmöglich,
korrekt feſtzuſtellen, welche Prämienquote dem
Verſicherer gebührt, wenn ſeine Haftung vor Ab:
lauf der Verſicherungsperiode wegfällt. Es wird
daher aſſekuranzrechtlich allgemein anerkannt, daß
die Prämie für die laufende Verſicherungsperiode
unteilbar iſt.“ Das geſchieht alſo, obwohl unſer
neuzeitliches Recht ganz beſonders darauf aus iſt,
Leiſtung und Gegenleiſtung in ein gewiſſes
Gleichgewicht zu ſetzen. Man vergleiche dazu
etwa § 323 Abſ. 1 und § 138 Abſ. 2 BGB.
und erinnere ſich daran, daß auch dann, wenn
das verſicherte Intereſſe am erſten Tage einer
Verſicherungsperiode wegfiele, doch nach § 68
Abſ. 2 des deutſchen Verſicherungsgeſetzes die ganze
Prämie dieſer Periode dem Verſicherer zugeſprochen
wird. Als Ipärliche Ausnahmen von diefem Grund:
ſatze der Unteilbarkeit habe ich im neuen Geſetze
nur die Vorſchriften feiner $ 96 Abſ. 3 Satz 2,
9 158 Abſ. 3 Satz 2 und $ 40 Abi. 3 zu ent:
decken vermocht. Nach § 41 Abſ. 1 Satz 1 und 2
ſoll der Grundſatz der Unteilbarkeit aber ſogar
rückwärts wirken. Ja, das deutſche Geſetz hält
ſo ſehr zugunſten des Verſicherers an der ein:
mal abgemachten Prämie feſt, daß in dem um⸗
gekehrten Falle von $ 41. wenn gefahrerhöhende
Umſtände wegfallen, dem Verſicherungsnehmer
kein Recht auf Herabſetzung der Prämie, wie
nach Art. 23 des ſchweizeriſchen Geſetzes und § 28
des öſterreichiſchen Entwurfes, gegeben ſein ſoll.
Er ſieht ſich dann alſo auf ſein etwaiges ver:
tragsmäßiges Kündigungsrecht angewieſen.
So unerbittlich alſo das deutſche Geſetz in
dieſem Geldpunkte iſt, ſo kommt es doch ander⸗
ſeits dem Verſicherungsnehmer auch bei der
Prämienzahlung ſehr entgegen. Die Prämie ſoll
nach § 36 Abſ. 1 zwar Bringſchuld ſein; doch
greift hier, in richtiger Erkenntnis ſtillſchweigender
Willenserklärungen, $ 37 durch die Beſtimmung
ein: „Iſt die Prämie regelmäßig bei dem Ver⸗
ſicherungsnehmer eingezogen worden, ſo iſt dieſer
zur Uebermittelung der Prämie erſt verpflichtet,
wenn ihm ſchriſtlich angezeigt wird, daß die
Uebermittelung verlangt werde“, — ein Widerruf
des bisher Befolgten, zu dem übrigens ein Ver⸗
ſicherungsagent nicht befugt iſt. Der Ver⸗
ſicherungsnehmer gerät dann erſt in Verzug; und
für feine tunliche Sicherung ſelbſt in ſolchem Falle
ſorgen dann noch in ausgiebiger Weiſe der $ 38 (betr.
die fog. erſte Prämie) und § 39 (betr. alle folgenden).
Eine der wichtigſten Neuerungen des deutſchen
Verſicherungsgeſetzes, bei der es übrigens von der
ſchweizeriſchen Regelung und den öſterreichiſchen
Vorſchlägen (Art. 34 dort, — $ 14 hier und
dazu Begründung dieſes II. Entwurfs, S. 72, 73)
erheblich abweicht, betrifft die Stellung der ſog.
Verſicherungsagenten; in den an dieſer
Stelle herrſchenden Wirrwarr der Anſchauungen
in Lehre und Rechtshandhabung hat der Geſetz⸗
geber jetzt mit feſter Hand und mit Geſchick ein⸗
gegriffen. Die Vorſchriften find in den $$ 43 —48
enthalten; daneben kommt noch $ 85 des HGB.
in Betracht, den ich jedoch übergehe. Zu jenen
Vorſchriften jedoch in Kürze ſolgendes.
Der Zweck des Geſetzes bei § 43 ift zu:
nächſt, den Vermittlungsagenten als bevoll—
mächtigten Vertreter für die rechtsgeſchäftlichen
Beziehungen zwiſchen Verſicherungsluſtigen oder
Verſicherungsnehmer und Verſicherer grund:
ſätzlich auszuſchalten; insbeſondere der Aus—
legung entgegenzutreten, die in der Beſtellung
eines ſolchen Vermittlers und in dem Zulaſſen
ſeines Tätigwerdens im Intereſſe des Verſicherers
eine ſtillſchweigend erteilte Vollmacht
erblicken möchte.
gewiſſe Vertretungsmacht in
Da dann aber andererſeits eine
rechtsgeſchäftlicher
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bauern. 1908. Nr. 19.
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373
Hinſicht, — alſo über die äußerliche, vermittelnde
Handreichung hinaus (Briefkaſten und Zahlbüchſe!)
— im dringenden Intereſſe der Verſichernden
liegt (Bgr. S. 57), die ja eben auch nach Abſicht
des Verſicherers mit dieſen Agenten in Verbindung
treten ſollen, ſo wird ihnen kraft Geſetzes und
unabhängig von dem Bevollmäͤchtigungswillen
des einzelnen Verſicherers und ſeinem Bevoll⸗
mächtigungswillen im einzelnen die Vertretungs⸗
macht bei einigen, eine Verallgemeinerung aus⸗
ſchließenden Rechtshandlungen erteilt, — alſo
z. B. zu der die Schuld tilgenden Annahme der
Prämienzahlung für den Verſicherer. Und das
alles noch vorbehaltlich der nach § 47 zuläſſigen
Ausſchließung dieſer Befugniſſe gegenüber dem
eine ſolche Ausſchließung Wiſſenden; und weiter
der Bindung des Verſicherungsnehmers an die
Schriftform für die Anzeigen und ſonſtigen
Mitteilungen. Eine wichtige Folge der Entkleidung
des Vermittelungsagenten von jeglicher Vollmacht
(BGB. $ 166 Abſ. 1) iftim $ 44 gezogen; feine
„Kenntnis“ rechtserheblicher Umſtände ſteht der des
Verſicherers ſelbſt nicht gleich.
Trotz dieſer vom Geſetze vorgenommenen Aus-
ſchaltung der Tätigkeit des Vermittelungsagenten
bei den rechtsgeſchäftlichen Beziehungen der Ber:
ſicherungsbeteiligten bleibt es, wie ſchon § 831
BGB. zeigt, unvermeidlich, daß feine Vermittelung
ſtörend in das Vertragsverhältnis eingreift. Denn
er vermag dabei den Verſicherungsluſtigen oder
Verſicherungsnehmer in Irrtümer über deſſen
Inhalt und Bedeutung zu bringen oder ihn gar
argliſtig in den Vertrag hineinzulocken (BGB.
$ 123). Dies muß dann wenigſtens mittelbar
für den Verſicherer von Bedeutung werden, ing-
beſondere in den zahlreichen Fällen, wo eine Ver:
tragspflichtverlegung vom Verſicherungsnehmer
entſchuldigt werden darf ($$ 6, 16 ff. uſw.).
Die Begründung des neuen Geſetzes S. 61 führt
dazu aus: „Ob ein Verſchulden vorliegt oder
nicht, hat der Richter auf Grund der jeweiligen
Sachlage feſtzuſtellen, und hierbei kann das von
dem Agenten gegenüber dem Verſicherungsnehmer
betätigte Verhalten von weſentlicher Bedeutung
ſein. So können die Umſtände des Falles es
rechtfertigen, den Verſicherungsnehmer in bezug
auf eine nicht ordnungsmäßig gemachte Anzeige
als entſchuldigt anzuſehen, wenn er den Frage—
bogen unter der Anleitung des Agenten ausfüllt
oder die Ausfüllung dieſem überläßt, oder wenn
der Agent eine an ihn von dem Verſicherungs⸗
nehmer erſtattete Anzeige ohne Widerſpruch ent-
gegennimmt, obwohl ihm die Befugnis zur Ent—
gegennahme von Anzeigen der betreffenden Art
entzogen iſt. Ebenſo wird der Verſicherungs—
nehmer ſich unter Umſtänden auf das Verhalten
des Agenten berufen können, wenn er den Ein—
tritt des Verſicherungsfalls anzuzeigen unter—
laſſen hat, weil er wußte, daß der Agent bei dem
betreffenden Ereigniſſe ſelbſt zur Stelle war, oder
374
wenn er bei den Maßregeln zur Abwendung oder
Minderung des Schadens einer Anordnung des
Agenten gefolgt ift, die fih dann als unzweck⸗
mäßig erwies. Auch ſonſt iſt es nicht aus⸗
geſchloſſen, daß Erklärungen, die der Agent dem
Verſicherungsnehmer gegenüber abgegeben hat, bei
der Entſcheidung der Frage in Betracht gezogen
werden, ob die Verletzung einer dem Verſicherungs⸗
nehmer obliegenden Pflicht entſchuldbar iſt. Nament⸗
lich wird dies inſoweit der Fall ſein, als der In⸗
halt der allgemeinen Bedingungen oder des bei
dem Abſchluſſe des Verſicherungsvertrags auszu⸗
füllenden Fragebogens zu Zweifeln Anlaß gibt.“
Als Grundlage der Schadensverſicherung dient
das „Intereſſe“. Als ſolches verſicherbar iſt
nach dem Vorbilde des 8 779 im HGB. jede
vermögensrechtlich wertvolle Beziehung zu einer
Sache, — heiße fie Eigentum, Pfandrecht uſw.,
oder beſtehe ſie nur in der Fürſorgepflicht für
eine Sache; weiter aber auch jeder ſonſtige Ver:
mögenswert, wie z. B. „künftiger Gewinn“.
Doch wird auch im erſteren Falle das Intereſſe
verſichert, nicht die Sache als ſolche; jenes bildet
dann den jog. Werſicherungswert, der für
Ueberverſicherung und ihre beſondere Form, die
Doppelverſicherung, für die Unterverſicherung, für
die Beſtimmung der Prämienhöhe, für die Be—
rechnung des Erſatzwertes uſw. eine erhebliche
Rolle ſpielt. Ohne ein ſolches Intereſſe in ſeiner
Hand verſichert der Verſicherungsnehmer in den
Wind, wie § 68 Abſ. 1 zeigt, mag auch der für
die Verſicherung ins Auge gefaßte Wert in einer
anderen Hand wirklich durch die betreffende
„Gefahr“ zerſtört oder beſchädigt ſein. Es bleibt
alfo grundſätzlich bei der ſcharfen Abgrenzung, die
noch kürzlich ein Urteil des Oberlandesgerichts in
Kaſſel (nach Mitteilung in der „LZ.“ 1908
S. 475) vorgenommen hat. Freilich fragt es ſich
wohl auch unter dem neuen Geſetze, ob in einem
derartigen Falle, wo ein Ehemann das Frauen:
gut ohne Bezeichnung desſelben verſichert hatte,
nicht mit einer Auslegung nach $ 157 des BGB.
dem Verſicherungsnehmer doch noch inſofern zu
Hilfe zu kommen wäre, als man ſagen könnte,
bei einer ſolch nahen Beziehung des Abſchließenden
zu dem verſicherten Gute und der hohen Wahr:
ſcheinlichkeit, daß die eventuelle Entſchädigung in
die richtige Hand fließen werde, ſei über dieſen
Fehler beim Abſchluſſe hinwegzuſehen. Im
übrigen iſt das Geſetz gegen die Verſicherung
fremden Intereſſes, wenn dies nur mit Angabe
der Sachlage geſchieht, keineswegs ſo ſtreng und
abweiſend, wie es die Begründung vermuten läßt;
eine ſolche Verſicherung iſt auch nicht etwa an die
Rechtsform der Verſicherung für fremde Rechnung
(S 74 ff.) gebunden.
Mit der Erörterung dieſer Punkte glaube ich
mich begnügen zu ſollen, ſo verlockend noch die
Beſprechung der intereſſanten geſetzlichen Regelungen
im § 5 über die Anerkennung des Verſicherungs—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
—— . • ;ñ A+a——z——̃ ᷓ ——Ü— 3 —A— 2—— —ä—— S
ſcheines, im $ 67 über das Rückgriffsrecht des
Verſicherers gegen den ſchadenſtiftenden Dritten,
in den 83 69 ff. über die Veräußerung einer
verſicherten Sache und deren Folgen uſw. auch
erſcheint. Aber damit würde ich ja zu tief in
Einzelheiten hineingeraten. Ich beſchränke mich
deshalb auf folgende Schlußbemerkung:
Von beſonderem Intereſſe für Bayern iſt
Art. 2 des EG. zum Verſicherungsvertragsgeſetze.
Er lautet: „Die Vorſchriften des Geſetzes über den
Verſicherungsvertrag und dieſes Geſetzes erlangen
im Königreiche Bayern für das Immobiliar—
verſicherungsweſen nur mit Zuſtimmung der
Kgl. bayer. Regierung Geltung. Die erfolgte
Zuſtimmung wird vom Reichskanzler im Reichs⸗
geſetzblatt bekannt gemacht“.
Es wiederholt ſich hier, wie zu § 125 Abſ. 4
des Verſicherungsaufſichtsgeſetzes, die Frage,
und fie ift tatſächlich ſchon von verſchiedener Seite
beſprochen, — was unter dem Worte „Immobiliar—
verſicherungsweſen“ zu verſtehen ſei. Die richtige
Auffaſſung ſcheint mir die zu ſein, daß die Ge⸗
bäudebrandverſicherung und die Hagelverſicherung
von Bodenerzeugniſſen unter dieſem Ausdrucke zu:
ſammengefaßt werden, — entſprechend dem in
Wahrheit hier und nur hier beſtehenden Wunſche
und Bedürfniſſe Bayerns, freie Hand zu behalten.
Dies wird von Profeſſor Dr. Julius Gierke in
einem wohlbegründeten Aufſatze in der „Zeitſchrift
für die geſamte Verſicherungswiſſenſchaft“ Bd. IV
S. 341 verteidigt. Er fügt S. 351 hinzu: „Unter
die Gebäudeverſicherung fallen auch die Verſiche⸗
rungen von Gebäudebeſtandteilen und Gebäude:
zubehörſtücken, inſofern ſie mit Gebäuden zu—
ſammen verſichert werden. Daher werden von
dem bayeriſchen Reſervatrecht nicht ergriffen Ber:
ſicherungen von Gebäuden gegen Waſſerleitungs—
ſchäden, Sturmſchäden, Hausſchwamm; ferner auch
nicht die Verſicherungen von Bodenerzeugniſſen
gegen Froſtgefahr, Mißwachs, Ueberſchwemmung“.
Ausführlich hat ſich auch Rehm in ſeinem be⸗
kannten Kommentare zum Verſicherungsaufſichts—
geſetze (II. Aufl.) S. 395 hierüber ausgeſprochen.
Er gelangt zu demſelben Ergebniſſe wie Gierke.
Anders dann wieder, und zwar im Anſchluſſe an
die auf alle Fälle ſehr vorſichtige Haltung des
Aufſichtsamts zu dieſer Frage, der Kommentar
zum Verſicherungsgeſetze von Gerhard und Ge—
noſſen S. 792. Nach ihm wären denn doch die
eben abgewieſenen Verſicherungsarten chinzugefügt
iſt noch die Maſchinenverſicherung) wenigſtens zum
Teil der Immobiliarverſicherung hinzuzuzählen.
Eine „Zuſtimmung“ iſt bisher (Mitte Juli)
im Reichsgeſetzblatte noch nicht bekannt gegeben.
Hervorgehoben werden muß aber noch, daß auch
dann die öffentlichrechtlichen Verſicherungs⸗
anſtalten Bayerns nach dem Verſicherungsvertrags—
geſetze S 192 Abſ. 1 oder jedenfalls Abſ. 2 ihre
Sonderſtellung behalten.
-n yW yi an
Mitteilungen aus der Praxis.
Darf der Staatsanwalt das Berfahren gegen den
ingendlichen Beſchuldigten wegen mangelnder Einſicht
in die Strafbarkeit der Tat einſtellen? In der Fuß⸗
note zu dem Aufſatze von Dr. Gütermann über Feſt⸗
ſtellung der Einſicht im Sinne des 8 56 StGB. vor
der Hauptverhandlung (Seite 297) iſt die Anſchauung
vertreten, das Juſtizminiſterium habe ſich in der Be—
kanntmachung vom 22. Juli 1908, das Strafverfahren
gegen Jugendliche betreffend, gleichfalls auf den Stand—
punkt geſtellt, daß der Staatsanwalt bei Verneinung
der Einſicht im Sinne des $ 56 StGB. nicht ein⸗
ſtellen dürfe; es iſt zuzugeben, daß der in dieſer
Fußnote zitierte Satz der IM Bek.: „die genaue Pri-
fung dieſer Frage wird vielfach zur Verneinung eines
ſubjektiven Tatbeſtandsmerkmals und da⸗
mit zur Einſtellung des Verfahrens führen“, die Auf—
faſſung nicht ausſchließt, es ſei nur an Fälle gedacht,
wie ſolche unter Ziff. VI des Aufſatzes von Dr. Güter:
mann konſtruiert ſind und es wolle nur geſagt werden,
daß der Staatsanwalt nach gründlichen Erhebungen
zwar nicht wegen mangelnder Einſicht, wohl aber zu—
folge Verneinung eines ſubjektiven Tatbeſtandsmerk—
mals, z. B. des Bewußtſeins der Rechtswidrigkeit der
Handlung, häufig zu einem Einſtellungsbeſchluſſe kom⸗
men könne; man kann ſich für dieſe Anſchauung viel—
leicht darauf berufen, daß die nach 8 56 StGB. zur
Strafbarkeit erforderliche Einſicht nicht ein ſubjektives
Tatbeſtandsmerkmal, vielmehr der Mangel dieſer Ein—
ſicht ein Strafausſchließungsgrund ſei.
Ueberwiegende Gründe ſcheinen mir aber für die
Anſicht zu ſprechen, daß das Miniſterium mit jenem
Satze ſich eher für, ſicher aber nicht gegen die Zu—
läſſigkeit der Einſtellung wegen mangelnder Einſicht
des Täters ausſprechen wollte. Dieſe Anſicht wird
wohl von allen Staatsanwälten geteilt, welche ent—
gegen der in der Literatur vorherrſchenden Meinung
die Einſtellung des Verfahrens gegen Jugendliche
wegen fehlender Einſicht für zuläſſig halten und
ſchon bisher den Mut hatten durch Hinwegſetzung
über theoretiſche Bedenken anderer in zahlreichen
Fällen jugendliche Sünder vor einer meiſt zweckloſen
Schleppung vor Gericht zu bewahren.
Zunächſt kann gar kein Zweifel darüber beſtehen,
daß die Vorſchrift in Nr. II 5 der Bek. nur die ſtaats⸗
anwaltſchaftliche Einſtellung im Auge haben kann;
denn das Gericht könnte nur die Eröffnung des
Hauptverfahrens ablehnen oder nach durchgeführter
Hauptverhandlung freiſprechen, nicht aber „einſtellen“.
Hätte aber das Miniſterium nur die Fälle im Auge,
in welchen eine ſolche Einſtellung mangels Nachweiſes
des Bewußtſeins der Rechtswidrigkeit oder eines ſonſti—
gen ſubjektiven Tatbeſtandsmerkmals erfolgen kann,
würde es kaum an das Gebot ausreichender Er-
hebungen über das Vorhandenſein der zur Strafbar—
keit erforderlichen Einſicht vor Einreichung der An—
klageſchrift oder Stellung des Antrages auf Erlaſſung
eines Strafbefehls unvermittelt den Hinweis geknüpft
haben, daß die genaue Prüfung „dieſer Frage“ viel-
fach zur Verneinung eines ſubjektiven Tatbeſtands—
merkmales und damit zur Einſtellung des Verfahrens
führen werde, ſondern würde zur Vermeidung von
Mißverſtändniſſen darauf aufmerkſam gemacht haben,
daß in manchen Fällen die Verneinung der Einſicht
in die Strafbarkeit auch zur Verneinung des rechts-
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
Nr. 19. 375
widrigen Vorſatzes führen könne. Ich gebe zu, daß
man in einer nicht geringen Anzahl von Fällen ſich
um die kritiſche Frage herumdrücken kann, indem man
3. B. ſagt: Der Beſchuldigte hat geſtohlen; es ſteht
feſt, daß ihm die zur Erkenntnis der Strafbarkeit
ſeiner Handlung erforderliche Einſicht gefehlt hat;
dieſe Tatſache begründet zwar die Einſtellung nicht;
aber der Mangel der Verſtandesreife des Beſchuldig⸗
ten beweiſt mir, daß er den Eingriff in fremdes
Eigentum nicht als einen Verſtoß gegen die Rechts-
ordnung erkannt hat; ich verneine daher die Abſicht
der rechtswidrigen Zueignung und ſtelle mit dieſer
Begründung ein. Steht man auf dem Standpunkte,
daß 8 56 StGB. ausſchließlich dem erkennenden
Richter die Prüfung der Einſicht im Sinne dieſer
Geſetzesſtelle zuweiſen will, würde man ſich in den
meiſten Fällen des Gefühls nicht erwehren können,
daß man bei ſolcher Begründung doch eigentlich nur
ein ſophiſtiſches Spiel mit juriſtiſchen Begriffen treibt
und damit das Geſetz umgeht; hat man aber wirklich
notwendig, mit gekünſtelten Konſtruktionen zu arbeiten,
um zu einem vernünftigen Reſultate zu kommen? Ich
glaube nicht.
Ich will gegen die Rechtſprechung, die auf Grund
des § 56 StGB. die Ablehnung der Eröffnung des
Hauptverfahrens für unzuläſſig erklärt, nicht anz
kämpfen, obwohl ich ſie für angreifbar halte; die
Frage verliert ihre Bedeutung, wenn der Staats⸗
anwalt Fälle, in welchen der Mangel der Einſicht
feſtſteht oder das Vorhandenſein der Einſicht nicht
beweisbar iſt, nicht mehr an das Gericht bringt.
Die Frage aber, in welchen Fällen dem Staats:
anwalt die Pflicht zur Anklageerhebung obliegt, kann
nicht aus § 56 StGB., ſondern nur aus 8 152 Abſ. 2
der StPO. gelöſt werden; ſoweit 8 56 StGB. eine
prozeſſuale Vorſchrift enthält, wendet ſich dieſe an
den Richter, nicht an den Staatsanwalt: letzterer
prüft nach der Prozeßordnung, ob er zur Erhebung
der Anklage verpflichtet iſt; verpflichtet hierzu iſt er
aber nur, wenn eine gerichtlich ſtrafbare und verfolg⸗
bare Handlung vorliegt; das iſt nicht der Fall, wenn
dem Beſchuldigten ein Schuldausſchließungsgrund zur
Seite ſteht; übrigens ſtellt ſich der Mangel der er—
forderlichen Einſicht nur zufolge der verunglückten
Faſſung des § 56 Abſ. 1 StGB. formell als Schuld⸗
ausſchließungsgrund dar; da ein Schuldausſpruch nur
zuläſſig ift, wenn das Vorhandenſein dieſer Erkennt-
nis poſitiv feſtgeſtellt iſt, iſt das Erfordernis in
Wahrheit nichts anderes als ein beſonderes, nur für
jugendliche Miſſetäter aufgeſtelltes ſubjektives Tat—
beſtandsmerkmal; Einſtellung hat daher auch ſchon
zu erfolgen, wenn ſich die Einſicht nicht beweiſen
läßt; die Anordnung nach § 56 Abſ. 2 StGB. ift
keine Strafe; die Rückſicht auf die Möglichkeit dieſer
Anordnung darf daher für ſich allein überhaupt nicht
zur Erhebung der öffentlichen Klage Anlaß geben;
ſelbſt wenn man dieſe Auffaſſung nicht billigt, recht—
fertigt ſich die Erhebung der öffentlichen Klage aber
doch ſicher nur dann, wenn der Staatsanwalt ein
praktiſches Bedürfnis für eine ſolche Anordnung für
gegeben hält; zweckloſe Anklagen ſoll er nicht nur
nicht erheben, ſondern darf er nicht erheben. Ein
Bedürfnis liegt aber in allen jenen Fällen nicht vor,
in denen von vorneherein klarliegt, daß auf Unter—
bringung in eine Erziehungs- oder Beſſerungsanſtalt
nicht erkannt werden wird, weil z. B. die Eltern es
an der Erziehung in nichts fehlen ließen und ein Rück⸗
fall des Beſchuldigten gar nicht zu befürchten iſt;
bloß zu dem Zweck aber ein gerichtliches Verfahren
einzuleiten, den völlig inhaltsloſen Ausſpruch herbei⸗
zuführen, daß der Jugendliche ſeiner Familie zu über⸗
weiſen ſei, mit anderen Worten, daß gar nichts zu ge⸗
ſchehen habe, wäre doch zu ſinnlos, als daß man dem
Geſetzgeber die Abſicht eines ſolchen Befehles zu⸗
trauen dürfte. Seit dem Beſtehen des Zwangs⸗
erziehungsgeſetzes iſt aber auch in den meiſten Fällen
ein Bedürfnis zur Herbeiführung eines Ausſpruchs
auf Ueberweiſung in eine Erziehungs- und Beſſerungs⸗
anſtalt nicht mehr gegeben, da die Durchführung der
Zwangserziehung von der Anordnung des Straf⸗
richters nicht mehr abhängig iſt und in Fällen, in
welchen Art. 1 Ziff. 1 und 3 des ZwErz G. nicht zu-
trifft, auch der Strafrichter regelmäßig nur auf Ueber⸗
weiſung an die Familie erkennen würde.
Die Auffaſſung, das Miniſterium habe in der
Bek. vom 25. Juli 1908 zu der Streitfrage im Sinne
der Unzuläſſigkeit der Einſtellung Stellung genom⸗
men, halte ich aber auch mit der ganzen Tendenz
der Bekanntmachung für unvereinbar; man will den
Jugendlichen das höchſte Maß von Schutz gewähren,
das auf Grund der beſtehenden ſtrafrechtlichen und
ſtrafprozeßrechtlichen Beſtimmungen gewährt werden
kann; es iſt nicht anzunehmen, daß eine ſtrittige
Frage ohne zwingenden Grund — denn vertretbar
dürfte die Anſchauung von der Zuläſſigkeit der Ein⸗
ſtellung doch jedenfalls ſein — im gleichen Atemzuge
zu ungunſten der Jugendlichen entſchieden werden
will, mit dem man ſonſt alles nur Mögliche zu ihren
Gunſten anordnet; die Verhütung unnötiger Prozeſſe
gegen Jugendliche iſt aber doch noch weit wichtiger
als Schutzmaßregeln im Prozeſſe; erklärt man die
Einſtellung für unzuläſſig, müßten bei jedem größeren
Gerichte jährlich hunderte von Fällen der bloßen Er:
füllung einer Formalität wegen vor Gericht gezogen
werden.
I. Staatsanwalt Freilinger in Regensburg.
Nachſchrift des Herausgebers. Wir
werden auf die hier erörterten Fragen vorausſichtlich
nochmals zurückkommen. Zunächſt ſei nur bemerkt,
daß u. E. der Gebrauch des Ausdrucks „ein ſubjektives
Tatbeſtandsmerkmal“ jeden Zweifel über die Abſichten
der Bek. vom 22. Juli 1908 ausſchließt. Die Ter⸗
minologie des Strafrechts geſtattet es nicht, die Ein⸗
ſicht des Jugendlichen in die Strafbarkeit der Hand—
lung unter den Begriff „ſubjektives Tatbeſtands—
merkmal“ zu bringen.
Zur Haftung der Poſtſekretäre bei Einſchreib⸗
ſendungen. Ein Beamter N., welcher Genoſſe einer Spar:
und Kreditbank in einer Nachbarſtadt Berlins war,
hatte durch Einſchreibbrief ſeinen Austritt zum Schluſſe
des Jahres aus der Genoſſenſchaft erklärt. Dieſen
Einſchreibbrief hatte er am 29. Dezember 1904 zur
Poſt gegeben. Der Brief war am Nachmittage des
nächſten Tages auf dem Poſtamt der Adreſſatin des
Briefes angelangt, und zwar noch vor der letzten
Briefbeſtellung an dieſem Tage, die um 7 Uhr 45
Minuten abends erfolgte. Die Beſtellung des Briefes
an dieſem Tage unterblieb jedoch ſeitens der Poſt,
weil die Adreſſatin des Briefes, die Spar- und Leib-
bank, mit dem Poſtamt ihres Sitzes die Vereinbarung
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
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getroffen hatte, daß Einſchreibbriefe und Wertſendungen
nur in der Zeit von 4—6 Uhr Nachmittags werk⸗
täglich beſtellt werden ſollten. Der dienſttuende Poſt⸗
ſekretär (Oberpoſtaſſiſtent), welcher den Brief bei
ſeiner Ankunft in Empfang genommen und für die
Beſtellung Sorge zu tragen hatte, legte den Brief
für den nächſten Tag zurück zwecks Beſtellung
durch diejenige Poſt, welche um 4 Uhr 15 Minuten
das Poſtamt verließ. Dieſer Tag war nun aber der
31. Dezember, an dem der Poſtbeamte derartig
dienſtlich überlaſtet war, daß er überſah, den von
ihm zurückgelegten Einſchreibbrief rechtzeitig zur Zeit
des Abganges der Nachmittagspoſt um 4 Uhr 15
Minuten dem Briefträger mitzugeben. Da der nächſte
Tag, der 1. Januar, ein Feiertag war, an dem die
mit der Adreſſatin vereinbarte Nachmittagsbeſtellung
wegfiel, ſo gelangte der Brief der Vereinbarung mit
der Adreſſatin entſprechend erſt am 2. Januar nach⸗
mittags in deren Hände.
Infolge der verſpäteten Beſtellung des Kündigungs⸗
ſchreibens konnte der Beamte N. nicht, wie beabſichtigt,
ſchon am 31. Dezember 1905, ſondern erſt ein Jahr
ſpäter aus der Spar- und Kreditbank ausſcheiden, da
nach der Satzungsbeſtimmung die Kündigung bis zum
Schluſſe des Jahres 1904 hätte erfolgen müſſen.
Beim Ausſcheiden am 31. Dezember 1905 wäre
dem Beamten N. ſein Geſchäftsguthaben ohne Abzug
ausgezahlt worden. Auf Grund eines Generalver:
ſammlungsbeſchluſſes vom 30. März 1906 iſt aber
dem Guthaben des Genoſſen Beamten N. nach dem
Stande vom 31. Dezember 1906 ein Betrag von
70% = 567 M abgeſchrieben, einbehalten und nicht
zurückgezahlt worden.
Der Beamte N. hat wegen dieſes Vermögens⸗
ſchadens gegen den dienſttuenden Poſtbeamten Klage
erhoben mit der Behauptung, daß der Beklagte, welcher
unſtreitig am 30. und 31. Dezember 1904 den Dienſt
bei dem Poſtamte verſehen hatte, die ihm obliegende
Amtspflicht verletzt und den oben bezifferten Schaden
zu erſetzen habe, da er (der Kläger) nicht auf andere
Weiſe Erſatz erlangen könne. Nach dem Reichsgeſetz
über das Poſtweſen hafte die Poft nur für den Berlu ft
rekommandierter (eingeſchriebener) Sendungen. Ein
Verſuch des Klägers, trotzdem von der zuſtändigen
Oberpoſtdirektion Schadenserſatz zu erlangen, ſei
fehlgeſchlagen.
Der Beklagte hat Abweiſung der Klage bean—
tragt. Er hat zwar nicht in Abrede ſtellen können,
daß er am 31. Dezember 1904 die Beförderung des
Einſchreibbriefes unterlaſſen habe, hat aber jede Nach:
läſſigkeit und Fahrläſſigkeit ſeinerſeits deshalb in
Abrede geſtellt, weil er als einziger Beamter
des betreffenden Poſtamts für Einſchreibbriefe und
Wertſendungen am letzten Tage des Jahres mit
Amtsgeſchäften derart überbürdet geweſen ſei, daß
ſelbſt bei größter Sorgfalt und Gewiſſenhaftigkeit ein
derartiges Verſehen leicht unterlaufen könne. Er hat
ferner im vorliegenden Falle auch deshalb jede Haftung
abgelehnt, weil die Poft mit der Adreſſatin der Ein-
ſchreibſendung ein Abkommen getroffen habe, nach
welchem die Beſtellung dieſer Art Sendungen nur
zu gewiſſen Zeiten erfolgen durfte. Wäre jenes Nb:
kommen nicht geweſen, ſo hätte die Sendung recht—
zeitig und ordnungsmäßig beſtellt werden können.
Der Beklagte wurde vom Landgericht III in
Berlin, welches, da es ſich um einen Schadengerfap:
* E ya *
— KNX. nn m eTetmoen
anſpruch aus pflichtwidriger Unterlaſſung einer dem
Beklagten als Reichsbeamten obliegenden Amtspflicht
handelte, gemäß § 70 Nr. 2 GVG. zuſtändig war,
nach dem Klageantrage verurteilt, und zwar aus
folgenden Gründen:
Hat ein Reichs⸗ oder Staatsbeamter durch ſeine
Amtshandlung das Recht eines anderen verletzt, ſo
iſt er ſchon nach den Grundſätzen über unerlaubte
Handlungen dem Dritten haftbar. Es genügen die
Vorſchriften des 8 823 Abſ. 1 und Abſ. 2 BGB., um
einen Erſatzanſpruch des geſchädigten Dritten gegen
den Beamten zu begründen (Vgl. P. Altmann, Ver⸗
faſſung und Verwaltung des Deutſchen Reichs. Bd. 1.
Berlin 1907, S. 34).
Der Beamte haftet ferner (auch der Reichsbeamte
gemäß § 13 des RBG.) nach 5 839 Abſ. 1 Satz 1 BGB.
dem Dritten für jedes Verſchulden bei Verletzung
feiner Amtspflicht. Jedoch ift diefe Haftung im An-
ſchluß an das preußiſche Recht inſofern gemildert
und eine ſubſidiäre, als der Beamte wegen fahr:
läſſiger Pflichtverletzung erſt dann in Anſpruch
genommen werden kann, wenn der Beſchädigte nicht
auf andere Weiſe Erſatz zu erlangen vermag (68 839
Abſ. 1 Satz 2 BGB. und P. Altmann, a. a. O. S. 35
und RGC. in Zivilſachen Bd. 51 S. 192).
Der Kläger hat in dem vorliegenden Falle den
Nachweis geführt, daß die Poſtverwaltung für den
hier eingeklagten Schaden nicht haltet und daß auch
eine Inanſpruchnahme der vorgeſetzten Dienſtbehörde,
der Kaiſerl. Ober⸗Poſtdirektion in Berlin, nach der un—
widerſprochenen Angabe des Klägers fehlgeſchlagen iſt.
Da tatſächlich hier der Fall fo liegt, daß die
rechtliche und tatſächliche Möglichkeit auf andere Weiſe
Erſatz zu verlangen nicht in Frage kommt, ſo kann
ein weiterer Nachweis von dem Kläger nach dieſer
Richtung hin nicht verlangt werden (RGE. in 38.
Bd. 51 S. 192).
Der Kläger behauptet eine Vermögensſchädigung
durch den Beklagten, weil dieſer als Beamter der
Reichspoſt ſchuldhafterweiſe durch nicht ordnungs—
mäßige Expedition eines Einſchreibbriefes die Nicht:
ankunft dieſes Briefes innerhalb einer ſtatutariſch
beſtimmten Friſt verſchuldet habe, wodurch dem Kläger
ein Vermögensſchaden erwachſen ſei.
Es iſt unſtreitig, daß der Kläger Genoſſe der
Spar- und Kreditbank, e. G. m. beſchr. H., war und
durch Einſchreibbrief vom 30. Dezember 1904 ſeinen
Austritt aus der Genoſſenſchaft zum 31. Dezember
1905 erklärt hat. Dieſer Brief iſt am 30. Dezember
1904 beim Poſtamt des Abſenders aufgegeben und
an demſelben Tag zur letzten Poſtbeſtellung, die um
7¼ Uhr abends begann, auf dem Poſtamt der
Adreſſatin eingegangen. Es mag zutreffend ſein, wie
der Beklagte behauptet, daß eine Beſtellung an dieſem
Abend deshalb ausgeſchloſſen war, weil die Adreſſatin
des Briefes, die Spar- und Kreditbank, der Poſt ihres
Wohnortes mitgeteilt hatte, daß Einſchreibbriefe und
Wertſendungen nur in der Zeit von 4—6 Uhr nach—
mittags bei ihr beſtellt werden ſollten. Es kann hier
dahingeſtellt bleiben, ob eine derartige Vereinbarung,
welche nur die Beziehungen der Poſt zu der Adreſſatin
regelt, für Dritte irgendwelche Bedeutung hat, da
hier noch der 31. Dezember in Frage kam, an dem
auch unter Berückſichtigung der zwiſchen der Poſt und
der Adreſſatin getroffenen Vereinbarung der Brief
ordnungsmäßig und rechtzeitig hätte beſtellt werden
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
können. Tatſächlich iſt das Kündigungsſchreiben des
Klägers erſt am 2. Januar 1905 nachmittags in die
Hände der Adreſſatin gelangt.
Der Beklagte hat ſelbſt zugegeben, daß die Be⸗
ſtellung in der zwiſchen der Poſt und der Adreſſatin
vereinbarten Zeit am 31. Dezember dadurch unmöglich
geworden ift, daß er im Drange der Geſchäfte ver-
geſſen habe, dieſen Brief dem Poſtbeamten, der um
4 Uhr 15 Minuten das Poſtamt verlaſſen habe, mit-
zugeben.
Es kann nicht zweifelhaft ſein, daß durch dies
Verhalten im Dienſte der Beklagte gegen ſeine
Amtspflicht verſtoßen hat, die ihm auch dem
Dritten gegenüber, alſo dem Kläger gegenüber, oblag,
wobei noch ferner feſtzuſtellen iſt, daß die Verletzung
der dem Beklagten dem Kläger als Dritten gegenüber
obliegenden Amtspflicht auf einem Verſchulden
beruhte, da die Fahrläſſigkeit ſich auf die Verletzung
der Amtspflicht bezog. (Vgl. P. Altmann a. a. O.
Bd. 1 S. 36 821). Auf den Grad der Fahrläſſigkeit kommt
es nicht an (Urteil des RG. v. 14. April 1902, E. in
Zivilſachen Bd. 41 S. 191). Wann Fahrläſſigkeit an=
zunehmen ift, beſtimmt jid nach 8 276 BGB. Maß⸗
gebend iſt daher die Sorgfalt eines pflichttreuen Durch—
ſchnittsbeamten (vgl. P. Altmann a. a. O. Bd. 1 S. 36
§ 21). Man wird im vorliegenden Falle nicht annebmen
können, daß der Beamte den vorſtehenden Anforde—
rungen genügt hat, denn wenn auch am 31. Dezember
jeden Jahres erfahrungsgemäß die Poſtbeamten
dienſtlich ſehr in Anſpruch genommen werden, und
dies auch an dem hier fraglichen 31. Dezember der
Fall geweſen iſt, ſo darf dies kein Grund ſein, in der
Erfüllung der Amtspflichten nicht ſorgfältig zu ver—
fahren. Der Beklagte hat daher für den dem Kläger
durch fein Verhalten als Beamter entſtandenen Ver-
mögensſchaden zu haften und ihn zu vertreten.
Wegen der Höhe ſeines Schadens hat der Kläger
das Schreiben der Spar- und Kreditbank vom 1. Auguſt
1907 überreicht, aus dem hervorgeht, daß infolge der
verſpäteten Beſtellung vom 30. Dezember 1904 der
Kläger nicht, wie beabſichtigt, am 31. Dezember 1905,
ſondern erſt am 31. Dezember 1906 aus der Genoſſen⸗
ſchaft ausſcheiden konnte, daß ferner beim Ausſcheiden
am 31. Dezember 1905 das Geſchäftsguthaben des
Klägers ohne jeden Abzug ausgezahlt worden wäre,
endlich daß nunmehr auf Grund des Beſchluſſes der
Generalverſammlung vom 30. März 1907 betreffend
die Abſchreibung von 70% ſämtlicher Guthaben nach
dem Stande vom 31. Dezember 1906 567 M des Gut-
habens des Klägers einbehalten und nicht zurückgezahlt
worden ſind.
Aus vorſtehender Auskunft ergibt ſich, daß dem
Kläger durch die erſt am 2. Januar 1905 erfolgte
Beſtellung ſeines Kündigungsſchreibens, welches erſt
2 Tage nach Ablauf der ſtatutariſch feſtgeſetzten Kiin-
digungsfriſt durch die Schuld des Beklagten an die
Adreſſatin des Briefes gelangt iſt, ein Vermögens—
ſchaden von 567 M erwachſen ift. Da in dieſer Höhe
ſein Guthaben gekürzt worden iſt, und er gleichzeitig
aus der Genoſſenſchaft ausgeſchieden iſt, ſo iſt der
Schaden auch ein definitiver, da etwaige Ueberſchüſſe
für die Genoſſen in den folgenden Geſchäftsjahren
für ihn nicht mehr in Betracht kommen.
Landgerichtsrat Dr. P. Altmann in Berlin.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
Zivilſachen.
1
Wen trifft die Beweislaſt, wenn gegenüber der
Klage auf den Kauſpreis behauptet wird, der Berkänfer
habe die Ware vertragswidrig einem Dritten übergeben?
Der Beklagte hat am 2. April 1906 bei einer von
dem Kläger abgehaltenen Auktion 26 Kiſten Kupfer
gekauft und dieſe gleich nach der Auktion an Franz P.
weiter verkauft. Am 5. April 1906 iſt die Ware von
dem Kläger auf Anweiſung des Beklagten an P. aus⸗
geliefert worden. Als der Kläger ſpäter von dem Be⸗
klagten Zahlung forderte, beſtritt dieſer ſeine Zahlungs⸗
pflicht unter der Behauptung, daß er den Kläger aus⸗
drücklich angewieſen gehabt habe, die Ware nur gegen
Kaſſazahlung auszuliefern. Der Kläger beſtritt die Er⸗
teilung dieſer Anweiſung. Franz P. iſt am 22. Auguſt
1906 in Konkurs geraten. Der Kläger hat nun mit
der Klage — unter Angebot der Rückübertragung der
ihm gegen P. abgetretenen Rechte — Zahlung des
Kaufpreiſes und vorſorglich die Feſtſtellung verlangt,
daß der Beklagte verpflichtet iſt, ihm die Differenz
zwiſchen 5466,44 M und der Dividende in jenem Kon⸗
kurſe zu erſtatten. Der Streit der Parteien betrifft
im weſentlichen die Frage, ob der Beklagte den Muf-
trag zur Auslieferung der Ware an P. ſchlechthin
oder nur mit der ausdrücklichen Beſchränkung erteilt
habe, die Ware nur gegen Kaſſazahlung auszuliefern.
Das LG. hat die Entſcheidung hierüber von einem
dem Beklagten auferlegten richterlichen Cide, das OLG.
hingegen von einem dem Kläger zugeſchobenen Eide
abhängig gemacht. Das OLG. hat ausgeführt, es ſei
unſtreitig, daß der Kläger das Kupfer an P. habe
ausliefern follen; es fei nicht zweifel haft, daß er auch
den Kaufpreis von P. habe einziehen ſollen und es
ſei unbeſtritten, daß er den Kaufpreis von P. damals
auch erhalten haben würde, wenn er die Auslieferung
des Kupfers von der Zahlung des Preiſes abhängig
gemacht hätte. Zugunſten des Beklagten nimmt es
an, daß der Kläger, im Falle er den Auftrag über⸗
nommen habe, die Ware nur gegen Kaſſazahlung aus⸗
zuliefern, ſich durch die Nichterfüllung der übernom—
menen Verpflichtung ſchadenserſatzpflichtig gemacht
habe und daß demnach, da der Wert des Kupfers dem
Kaufpreiſe entſprach, die Klage auf Zahlung des Preiſes
gegen den Beklagten unbegründet ſei. Andernfalls
hingegen ſei die an ſich unbeſtrittene Klageforderung
begründet. Beweispflichtig für das von ihm behauptete
Abkommen ſei der Beklagte. Der Beweis ſei aber
bisher nicht geführt. Deshalb komme es auf den von
dem Beklagten dem Kläger zugeſchobenen Eid an. Mit
Recht wird Verkennung der Beweislaſt gerügt. Das
OLG. überfieht, daß der Beklagte wegen der angeblichen
Nichterfüllung des Auftrages nicht einen Schadens-
erſatzanſpruch geltend macht, in welchem Falle
allerdings der Beklagte für die von ihm behauptete
Beſchränkung ſeines Auftrages beweispflichtig wäre,
ſondern daß er nur zur Verteidigung gegen die Kauf—
preisforderung fih auf die auftragswidrige Ausliefe—
rung der Ware berufen hat. Zur Begründung ſeiner
Kauſpreisforderung iſt aber der Kläger in vollem Um—
fange beweispflichtig. Er hat alſo zu beweiſen, daß
er ſeine Pflicht als Verkäuſer, die Ware zu übergeben
und das Eigentum zu verſchaffen, erfüllt habe oder
doch zu erfüllen imſtande und bereit ſei. Die von ihm
behauptete Vertragserfüllung ſetzt im gegebenen Falle
voraus, daß er die Ware der Anweiſung des Beklagten
gemäß an P. ausgeliefert hat. Ging nun dieſe An—
weiſung dahin, daß die Ware nur gegen Kaſſazahlung
ausgeliefert werden ſollte, fo hat der Kläger, der un-
ſtreitig ohne Kaſſazahlung ausgeliefert hat, feinen
Seicen für Recta ege in Bayern. 1908. N. 19.
Auftrag überſchritten. Die Ueberſchreitung des Auf⸗
trages iſt rechtlich ſo anzuſehen, als ob der Kläger
ohne Auftrag die Ware ausgeliefert hätte. Der Be⸗
klagte braucht die ſeinem Auftrage zuwiderlaufende
Auslieferung nicht gegen ſich gelten zu laſſen. Durch
die Auslieferung der Ware an P. hätte der Kläger
ſich die Vertragserfüllung an den Beklagten unmöglich
gemacht und damit ſeinen Anſpruch auf den Kaufpreis
verloren, § 325 BGB. Die Einwendung des Beklagten
iſt ſomit nicht eine ſelbſtändige Einrede, ſondern viel⸗
mehr ein motiviertes Leugnen der dem Kläger ob=
liegenden und von ihm zu beweiſenden Vertrags⸗
erfüllung. Der Beweis der letzteren kann aber nur
durch den Beweis geführt werden, daß dem Kläger
der Auftrag einfach ſo erteilt worden iſt, wie er es
behauptet. (Urt. des II. 35. vom 19. Juni 1908
II 67/08). K.
1380
II.
eſtſtellung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des
f 843 B68. Aus den Gründen: Das OLG.
tellt zwar in einwandfreier Weiſe feſt, daß die Er⸗
werbsfähigkeit des Klägers gegenwärtig und auch für
die Zukunft um 75% gemindert iſt. Seine Begrün⸗
dung erweckt aber den Anſchein, als ob er ſchon die
abſtrakte Erwerbsunfähigkeit für genügend erachte,
um daraufhin dem Kläger gemäß § 813 BGB. eine
Rente zuzubilligen. Damit wäre der enge Zuſammen⸗
hang des § 843 mit $ 842 verkannt und außer acht
gelaſſen, daß Schadenserſatz immer nur für wirklich
erlittene Nachteile zu gewähren ift. Dieſer Grundfag
behält auch dann volle Geltung, wenn es ſich um
Schadenserſatz für die Zukunft, alſo um den Ausgleich
zukünftig drohender Nachteile handelt. Wenn das
OLG. hierzu ausführt, daß der Kläger vorausſichtlich
anderswo eine Stellung als Kutſcher nicht mehr werde
finden können und als Handarbeiter oder in ähnlicher
Stellung Beſchäftigung werde ſuchen müſſen, ſo iſt
dabei die unſtreitige Tatſache außer Betracht geblieben,
daß der Kläger ſeit dem im Jahre 1902 erlittenen
Unfall bis zum Schluſſe der mündlichen Verhandlung
in der Berufungsinſtanz nach wie vor bei dem Be-
klagten als Kutſcher in Dienſten geblieben iſt und
wenigſtens in der Hauptſache die gleiche Dienſtver⸗
gütung gewährt erhalten hat. Solange dieſes Ver-
hältnis fortdauert, kommen augenſcheinlich Nachteile,
die der Verletzte in feinem Erwerb oder Fortkommen
erlitte, abgeſehen von gewiſſen geringfügigeren Ein⸗
bußen, nicht in Betracht. Unter dieſen Umſtänden
hätte das OLG. das jetzt noch zwiſchen den Parteien
beſtehende Verhältnis nach der tatſächlichen und recht⸗
lichen Seite genauer erörtern und, wenn es die
Schadenserſatzpflicht für die Zukunft regelt, fi auch
über die vorausſichtliche zukünftige Geſtaltung dieſes
Verhältniſſes ein Urteil bilden müſſen, das demnächſt
bei freier Würdigung der Umſtände der Bemeſſung
des Schadenserſatzes zugrunde zu legen wäre. Jeden-
falls hat es dieſer Würdigungspflicht nicht durch die
in anderem Zuſammenhange gemachte Bemerkung ge—
nügt, „es ſteht nicht feſt, ob der Beklagte und eventuell
in welcher Höhe er dem Kläger in Zukunft die bis-
herigen Bezüge auf die Rente gewähren werde“. (Urt.
des IV. 35. vom 21. Mai 1908, IV 509/07).
1373
III.
Schadenserſatz wegen zwangsweiſer Berieigerung
eines Grundſtücks trotz wörtlichen Angebots der Schuld⸗
fumme? Das Haus des Klägers ift von der Beklagten
wegen einer Hypothek von 100000 M zur Zwangs—
verſteigerung gebracht worden. Der Kläger behauptet,
hierdurch um 100 000 M geſchädigt zu fein, indem der
Verſteigerungserlös um dieſen Betrag hinter dem
wahren Werte des Grundſtücks zurückgeblieben ſei.
Die Beklagte ſei zum Erſatze des Schadens verpflichtet,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
weil ſie vor dem Verſteigerungstermin ſich ausdrück⸗
lich geweigert
angebotenen 100000 M anzunehmen und den Ver⸗
ſteigerungsantrag zurückzuziehen. Die Klage wurde
abgewieſen. Die Reviſion hatte keinen Erfolg.
abe, die ihr mit Zinſen und Koſten
Gründe: Vor dem Verſteigerungstermin hat der
Kläger zunächſt ſelbſt und dann durch feinen Be-
vollmächtigten J. mit dem Bevollmächtigten des Be⸗
klagten, Aſſeſſor K., verhandelt. In beiden Fällen
hat ein „tatſächliches“ Angebot der 100 000 M — 8 294
BGB. — nicht ſtattgefunden. Nun würde zwar auch
ein bloß „wörtliches“ Angebot, wenn es den Erfor⸗
derniſſen des §8 295 entſprochen hätte, hingereicht
haben, um die Beklagte als Gläubigerin in Annahme⸗
verzug zu verſetzen, allein nicht auch, um den Klage⸗
anſpruch auf Schadenerſatz zu begründen. Die Schaden-
erſatzpflicht iſt im BGB. — 8 286 — als Verzugs⸗
folge nur für den Fall eines dem Schuldner zur Laſt
fallenden Leiſtungsverzugs anerkannt worden; die
Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs ſind dagegen in
den 8S 300 ff. BGB. geregelt worden, und hier findet
NH eine dem 8 286 BGB. entſprechende Vorſchrift
nicht. Die Reviſion macht nun zwar geltend, daß die
Beklagte, indem ſie trotz angeblich gehörigen Angebots
der Leiſtung die Zwangsverſteigerung weiter betrieben,
ſich eines Verſtoßes mindeſtens gegen 8 823 BGB.
ſchuldig gemacht habe, und daß deshalb der Anſpruch
auf Schadenserſatz auch nach Maßgabe dieſer Vorſchriften
begründet ſei. Allein dem kann nicht beigepflichtet
werden. Daß dem Kläger nur gegen Abtretung der
Hypothek das Geld zur Verfügung geſtellt war, entzog
ſich der Kenntnis des K., und es war Sache des Klägers
oder feines Bevollmächtigten J., den K. darüber auf-
zuklären, daß das von ihm vorgeſchlagene Verfahren
unter den beſonderen Umſtänden des Falles nicht aus» 88
führbar fei, und daß es deshalb der Abtretung der
Hypothek bedürfe.
ſo konnte und durfte K., ohne die im Verkehr gebotene
Sorgfalt zu verletzen, davon ausgehen, daß der
Schuldner von der Beſtimmung des § 75 ZwVG., die
nach Beginn der Verſteigerung Zahlung an das Ge—
richt Gericht geſtattet, Gebrauch machen und dadurch
die Zwangsverſteigerung zur Einſtellung bringen werde,
ſofern die gemachten Angaben überhaupt der Wahr—
heit entſprechen. Der eingetretene Erfolg iſt hiernach
auf ein auch nur fahrläfliges Verhalten der Beklagten
Unterblieb ein Hinweis hierauf,
oder ihres Vertreters K. nicht zurückzuführen. (Urt.
des V. 35. vom 24. Juni 1908, V 452/07).
1382 — — — .
IV.
Beſteht eine Verpflichtung der Verſicherungsgeſell⸗
ſchaft, den Pfandgläubiger einer Police von der ]
zahlung der fälligen Prämie des Pfandſchuldners im
Kenntnis zu ſetzen? Der Generalagent der Beklagten
hatte im Juni 1902 vom Kläger ein Darlehen von
15 000 M erhalten. Zur Sicherung des Darlehens—
gebers hatte L. für 15000 M Lebensverſicherung bei
der Beklagten genommen und ſeine Rechte aus der
Police dem Kläger verpfändet. Unter der Police bes
findet ſich ein von der Beklagten unterzeichneter „Nach—
trag“ folgenden Wortlauts: „Hierdurch nehmen wir
genehmigend Vermerk, daß der Herr Verſicherte dieſe
Police an Herrn (den Kläger) verpfändet hat.“ L.
hatte die am 20. Juni 1903 fällig gewordene Halb—
jahrsprämie trog Mahnung nicht gezahlt. Die Ber:
ſicherung war deshalb von der Beklagten ohne Be—
nachrichtigung des Klägers für erloſchen erklärt worden.
Der Kläger hielt ſich für berechtigt von der Beklagten
Schadenserſatz zu fordern und klagte auf Zahlung
des von L. nicht bezahlten Reſtes der Darlehensſchuld.
Die Klage wurde abgewieſen. Die Reviſion blieb er—
folglos.
Gründe: Der Kläger gründet ſeinen Anſpruch
auf die Behauptung, daß die Beklagte ihm zum
icht
379
Schadenserſatze verpflichtet ſei, weil ſie es unterlaſſen
habe, ihn von dem Prämienrückſtande feines Pfand-
ſchuldners L. und von dem infolgedeſſen vertrags-
mäßig drohenden Erlöſchen des verpfändeten Ver⸗
ſicherungsanſpruchs zu benachrichtigen. Der Verſiche⸗
rungsvertrag enthält die ausdrückliche Beſtimmung,
daß die Geſellſchaft nicht verpflichtet iſt, an die Prämien⸗
zahlung zu erinnern oder die Prämie abholen zu laſſen.
Dieſe Beſtimmung muß der Kläger ſo gut gegen ſich
gelten laſſen, wie ſie gegen den Verſicherten ſelbſt galt.
Daran kann auch die an die Beklagte gerichtete Anzeige
von der Verpfändung und die durch die Beklagte er⸗
folgte Genehmigung der Verpfändung nichts ändern.
Die Anzeige war geſetzlich ($ 1280 BGB.) erforderlich,
um das Pfandrecht überhaupt zur Entſtehung zu
bringen, und die Genehmigung entſprach dem in den
Verſicherungsbedingungen gemachten Vorbehalte. Es
fehlt ſonach an jeglichem Anhalte für die Annahme,
daß die Beklagte durch den auf die Poliee geſetzten
Genehmigungsvermerk dem Kläger gegenüber irgend⸗
welche weitergehende Verpflichtungen übernommen
11 2 als ſie vertragsmäßig gegen den Verſicherten
atte. Auf der bloßen Grundlage des mit L. ge-
ſchloſſenen Verſicherungsvertrags in Verbindung mit
der Verpfändung iſt hiernach der Klageanſpruch ohne
Geſetzesverletzung verworfen worden. Die Reviſion
hat nun geltend gemacht, daß aus den Vorgängen,
die nach den Behauptungen des Klägers zu dem Dar—
lehens⸗ und Pfandvertrage zwiſchen ihm und L. ge—
führt haben, ein beſonderes Vertrags verhältnis zwiſchen
dem Kläger und der Beklagten zu entnehmen ſein
würde. Auf die Nichtberückſichtigung jener Behaup—
tungen glaubt deshalb die Reviſion die Rüge einer
Verletzung der §§ 286, 287, 551 Nr. 5 ZPO. und der
157, 162, 242, 815 BGB. gründen zu können.
Allein günſtigſtenfalls würden die behaupteten Tat⸗
ſachen nur ergeben, daß die Beklagte durch den von
ihren geſetzlichen Vertretern beauftragten Prokuriſten
und Betriebsdirektor R., in der Abſicht, die Verhält⸗
niſſe des verſchuldeten L. zu regeln und ſich ſo deſſen
wertvolle Dienſte zu erhalten, das Darlehen von dem
Kläger für L. unter Vorſchlag der erfolgten, der Siche—
rung des Klägers dienenden Abmachungen erwirkt
hat. Die Reviſion ſelbſt ſagt: Gegenſtand des bes
haupteten Auftrags der Beklagten an R. ſei „die Er⸗
haltung des .. . L. für die Beklagte in der Weiſe gez
weſen, daß der Kläger als Geldgeber und Geſchäfts⸗
teilnehmer gewonnen wurde und die Beklagte bei
gleichzeitiger teilweiſer Regulierung ihrer Anſprüche
es übernahm, dem Kläger durch die Police ..., No—
tierung der Verpfändung und Geſtattung der Abtretung
von Forderungen des L. Sicherung und Befriedigung
zu verſchaffen“. Wenn hieraus ein direktes Vertrags—
verhältnis zwiſchen der Beklagten und dem Kläger zu
entnehmen wäre, ſo könnte es nach Lage der Sache
nur den Inhalt haben, daß die Beklagte die Ge—
nehmigung der Verpfändung nicht verſagen durfte.
Dieſer Verpflichtung hat ſie genügt. Eine Verpflichtung
aber, dem Kläger von dem Prämienrückſtande Nach—
richt zu geben, würde jenes Bertragsverhältnis nirgends
ergeben.
Der Kläger kann ſich auch auf die Vorſchrift des
§ 823 BGB. mit Erfolg nicht berufen. Wäre es ferner
ſelbſt richtig, was der Kläger behauptet, daß bei den
Verſicherungsgeſellſchaften, und insbeſondere auch bei
der Beklagten ſelbſt, die Uebung beſteht, dem Pfand—
gläubiger von Prämienrückſtänden Kenntnis zu geben,
und könnte „in einer im Einzelfall erfolgten Abweichung
von dieſer tatſächlichen Uebung ein Verſtoß gegen die
guten Sitten im Sinne des 8 826 BGB. gefunden
werden, ſo ſetzt doch ein auf dieſe Geſetzesvorſchrift
gegründeter Erſatzanſpruch die vorſätzliche Schadens-
zufügung voraus. Daß dieſes Erfordernis erfüllt ſei,
hat das OLG. verneint. Eine Geſetzesverletzung ift
auch hierin nicht zu finden. Für die Beklagte beſtand,
380
ſoweit erſichtlich, kein Anlaß zu der Annahme, daß
der Kläger nicht ſelbſt feine Intereſſen als Pfand-
gläubiger wahrnehmen und auf rechtzeitige Entrichtung
der Verſicherungsprämien durch den Pfandſchuldner
achten, z. B. Vorlegung der Prämienquittungen von
ihm fordern würde. Insbeſondere nötigte auch die
Tatſache, daß L. auf einem laufenden Konto bei der
Beklagten ein Guthaben hatte, und daß ſie aus dieſem
Guthaben gerade in der hier in Betracht kommenden
Zeit noch erhebliche Zahlungen für Rechnung des L.
an den Kläger auf deſſen Darlehensforderung geleiſtet
hat, die Beklagte nicht zu der Annahme, Kläger werde
ſich darauf verlaſſen, daß das Guthaben auch zur
Deckung des Prämienrückſtandes noch ausreichen und
verwendet werden würde. Es fehlte ſomit an der
Grundlage, auf der das Berufungsgericht Hätte feft-
ſtellen können, daß die Benachrichtigung von der Be⸗
klagten auch nur in dem Bewußtſein unterlaſſen worden
fei, daß hierdurch die Schädigung des Klägers ein-
treten würde. (Urt. des VII. ZS. vom 23. Juni 1908,
VII 456/07). M.
1381
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I
Befugnis des N der elterlichen Gewalt zur
Löſchung einer ſeinem Kinde zuſtehenden Hypothek (BGB.
8 1795 Abſ. 1 Nr. 1 u. 2 mit SS 1630 u. 1686). Im
Grundbuche Z. für die StG. N. it auf dem Platte
für die Grundſtücke Pl.⸗Nr. 383,384 der Ackerers⸗
eheleute Jakob und Emma H. in N. eine Sicherungs⸗
hypothek von 1800 M für „Forderung für Erbver⸗
mögen“ des minderjährigen Auguſt N., eines unter
der elterlichen Gewalt ſeiner verwitweten Mutter
Eliſabeth N. ſtehenden vollbürtigen Bruders der
Emma H. eingetragen. In einem Schriftſtücke vom
6. Mai 1908 erklärte die Witwe Eliſabeth N., daß ſie
als geſetzliche Vertreterin ihres Sohnes die Löſchung
bewillige und beantrage, die Eheleute H. erklärten,
daß ſie der Löſchung zuſtimmen und ſie ebenfalls be⸗
antragen. Die Echtheit der Unterſchriften wurde von
dem Notariate beglaubigt und die Urkunde dem
Grundbuchamt vorgelegt. Das Grundbuchamt lehnte
die Löſchung ab, weil Eliſabeth N. bei der Bewilligung
und Beantragung der Löſchung als einem Rechts⸗
geſchäfte zwiſchen ihrem Sohne und ihrer Tochter den
Sohn nicht vertreten könne, wenn nicht feſtſteht, daß
die Löſchungsbewilligung ausſchließlich in der Er—
füllung einer Verbindlichkeit beſteht und ſich jedenfalls
auf die Bewilligung der Löſchung beſchränken müßte.
Die Beſchwerde der Eliſabeth N., die darauf geſtützt
wurde, daß die Forderung des Auguſt N. von den
Eheleuten H. an die Mutter des Gläubigers bezahlt
worden ſei, daß die belaſteten Grundſtücke zum Ge—
ſamtgute der Errungenſchaftsgemeinſchaft der Ehe—
leute H. gehören und daß die Vorſchrift des § 1795
Abſ. 1 Nr. 1 BGB. nur für annahmebedürftige Rechts-
geſchäfte und auf keinen Fall für ſolche Rechtsgeſchäfte
gelte, die dem Grundbuchamte gegenüber vorgenommen
werden, wurde vom LG. als unbegründet zurück—
gewieſen. Das LG. erachtet als feſtſtehend, daß der
geſchuldete Betrag an Eliſabeth N. als Vertreterin
ihres Sohnes gezahlt worden iſt und billigte die An—
wendung des § 1795 Abſ. 1 Nr. 1 BGB. auf die
Löſchungsbewilligung. Auf die weitere Beſchwerde
der Witwe N. iſt die Entſcheidung des LG. aufgehoben
worden.
Gründe: Die Anſicht der Beſchwerde, daß die
nach § 1630 Abſ. 2 Satz 1 und § 1686 BGB. auf
Vater und Mutter als Inhaber der elterlichen Ge—
walt entſprechend anwendbare Vorſchrift des 8 1795
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
Abſ. 1 Nr. 1 BGB. den Vater oder die Mutter von
der Vertretung des Kindes nur bei ſolchen Rechts⸗
geſchäſten zwiſchen ſeinem Ehegatten oder einem ſeiner
Verwandten in gerader Linie einerſeits und dem
Kinde anderſeits ausſchließe, bei denen die Erklärung
des einen Beteiligten der Annahme ſeitens des anderen
bedarf, geht allerdings fehl. Ein Rechtsgeſchäft
„zwiſchen“ zwei Perſonen ift jedes Rechtsgeſchäft,
das von der einen im Sinne des $ 181 BGB. „mit“
der anderen vorgenommen wird, bei dem dem einen
Beteiligten ein anderer gegenüberſteht, ſei es auch nur
als derjenige, dem die Erklärung zugehen muß. Das
Geſetz unterſcheidet nicht zwiſchen zweiſeitigen und
einſeitigen Rechtsgeſchäften, weil die Gefährdung der
Intereſſen des Kindes, der es vorbeugen will, auch
bei einſeitigen Rechtsgeſchäften eintreten kann (Planck,
Komm. z. BGB. Bd. IV Erl. 1a zu 8 1795 S. 671).
Dem LG. ift auch darin zuzuſtimmen, daß die Bor-
ſchrift des 8 1795 Abſ. 1 Nr. 1 auf ein Rechtsgeſchäft,
das für eine der dort bezeichneten Perſonen beſtimmt
iſt, auch dann Anwendung findet, wenn das Rechts⸗
geſchäft ſtatt durch Erklärung gegenüber der Perſon,
für die es beſtimmt iſt, durch Erklärung gegenüber
dem Grundbuchamt oder durch anderweitige Betätigung
des rechtsgeſchäftlichen Willens vorgenommen wird.
Das LG. hat ſich über die Behauptung der
Beſchwerdeführerin, daß die mit der Hypothek bes
laſteten Grundſtücke zum Geſamtgute der Errungen⸗
ſchaftsgemeinſchaft der Eheleute H. gehören, nicht
geäußert, es ſcheint ſie für belanglos zu erachten.
Dieſer Anſicht tritt die weitere Beſchwerde mit Recht
entgegen. Die Verwaltung des Geſamtguts ſteht
nach den 88 1443, 1519 BGB. dem Manne zu, er
handelt dabei kraft eigenen Rechtes, nicht in Anſehung
des Anteils der Frau als ihr Vertreter, eine das
Geſamtgut betreffende Erklärung iſt an ihn zu richten
und wird nicht deswegen, weil fie vermöge der Güter:
gemeinſchaft auch der Frau zuſtatten kommt, zu einer
auch für die Frau beſtimmten Erklärung. Hat die
Beſchwerdeführerin ihre Erklärung überflüſſiger Weiſe
auch der Frau H. gegenüber abgegeben, ſo wird da—
durch die Wirkſamkeit der dem Manne gegenüber ab—
gegebenen Erklärung nicht beeinträchtigt, weil nicht ans
genommen werden kann, daß die Erklärung nur dann
wirkſam ſein ſollte, wenn ihr auch inſoweit Wirkſam⸗
keit zukommt, als ſie der Frau gegenüber abgegeben
worden iſt. Die Vertretungsmacht des Vaters oder
der Mutter iſt nicht ausgeſchloſſen, wenn es ſich um
ein Rechtsgeſchäft handelt, das ausſchließlich in der
Erfüllung einer Verbindlichkeit beſteht. Unter dieſer
Vorausſetzung konnte auch Emma H. eine dem Auguſt
N. gegenüber wirkſame Zahlung an ihre Mutter
leiſten, und wenn Auguſt N. befriedigt wurde, ſo iſt
nach § 1163 Abſ. 1 Satz 2 und des § 1177 Abſ. 1
BGB. die Hypothek als Grundſchuld oder gegebenen
Falles nach § 1143 BGB. die Forderung mit der
Hypothek auf die Eheleute H. übergegangen. In
beiden Fällen ſind ſie nach dem 8 894 BGB. berech⸗
tigt, von dem Gläubiger die Zuſtimmung zu der Be-
richtigung des Grundbuchs zu verlangen. Die Ér-
klärung, daß das Recht des Gläubigers erloſchen ift,
und die Bewilligung der dieſer Rechtslage entſprechen⸗
den Eintragung in das Grundbuch, ſei es der Um—
ſchreibung der Hypothek auf die Eheleute H. oder der
von ihnen beantragten Löſchung, ift dann ein aus-
ſchließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit be⸗
ſtehendes Rechtsgeſchäft. Das LG. hat angenommen,
daß Auguſt N. durch Zahlung befriedigt iſt, und es
war bei der Prüfung der Vertretungsmacht der Mutter
nicht auf die im § 29 GBO. vorgeſchriebenen Nach-
meife beſchränkt (RGE. Bd. 65 S. 214, 223). Gleich⸗
wohl hat es der Erklärung der Beſchwerdeführerin
nicht die Bedeutung der Zuſtimmung zu der Berichti—
gung des Grundbuchs beigelegt ſondern es ſieht ſie
als Erklärung des Willens an, die noch dem Auguſt
—
N. zuſtehende Hypothek nach 88 875, 1183 BGB. auf-
zuheben. Die Faſſung der Erklärung, nach der die
Witwe N. die Löſchung nicht nur bewilligt, ſondern
auch beantragt, ſteht der Annahme nicht entgegen,
daß es ſich um Berichtigung des Grundbuchs handelt,
ſie enthält, wenn die Hypothek nicht mehr dem Auguſt
N. zuſtand, ebenſo wie die „Zuſtimmung“ der Eheleute
H. nur einen Fehlgriff im Ausdrucke. Die Entſchei⸗
dung des LG. muß deshalb aufgehoben werden. Die
Wirkſamkeit der Erklärung der Beſchwerdeführerin iſt
aber, wenn ihr die Vorſchrift des § 1795 Abſ. 1 Nr. 1
nicht entgegenſteht, mit Rückſicht auf die ebenfalls auf
Vater und Mutter entſprechend anwendbare Vorſchrift
der Nr. 2 des S 1795 Abſ. 1 gleichwohl zweifelhaft.
Die Bezeichnung der Forderung des Auguſt N. als
„Forderung für Erbvermögen“ legt die Vermutung
nahe, daß es ſich um ſeinen väterlichen Erbteil handelt,
und wenn dies der Fall iſt, ſpricht eine gewiſſe
Wahrſcheinlichkeit dafür, daß die Beſchwerdeführerin
ihrem Sohne den deſſen Erbvermögen bildenden Be—
trag ſchuldet. In dieſem Falle würde die Annahme
der Zahlung die Aufhebung der für die Forderung
des Auguft N. gegen feine Mutter beſtehenden Sicher-
heit, das Erlöſchen ſeines Rechtes in Anſehung der
Hypothek bewirken und würde deshalb die Mutter
nach § 1795 Abſ. 1 Nr. 2 dabei von der Vertretung
ihres Sohnes ausgeſchloſſen ſein (Planck, Komm. z.
BGB. Bd. IV Erl. 1 lit. b zu 8 1795 S. 672, RIJA.
Bd. 3 S. 50, 56), eine wirkſame Zahlung würde des-
halb nicht vorliegen. Ebenſowenig würde die Mutter
eine auf den Verzicht auf die Hypothek oder auf die
Aufhebung der Hypothek gerichtete Erklärung mit
Wirkſamkeit für den Sohn abgeben können. Da aus
den Akten nicht zu entnehmen iſt, wie es ſich mit der
Forderung des Auguſt N. verhält, muß die Sache zu
anderweitiger Entſcheidung zurückverwieſen werden.
(Beſchl. des I 35. vom 30. Juni 1908, Reg. III
60/1908). W.
1371
1.
Gebühr für die Eintragung von vier Geſamt⸗
rokuriſten einer Aktiengeſellſchaft in ſechs vom gleichen
egiſtergerichte für ebenſoviele Amtsgerichtsbezirke
geführte Handelsregiſter. Geb. (n. F. von 1906)
Art. 55, 56, 57. Bei der am 24. Oktober 1905 er⸗
folgten Eintragung der Aktiengeſellſchaft P. B. in L.
in das Handelsregiſter wurden die Namen der 5 Mit-
glieder des Vorſtandes und die Namen von 22 „Geſamt—
prokuriſten“ ferner die Beſtimmung des Geſellſchafts—
vertrags eingetragen, daß die Geſellſchaft vertreten
wird 1. durch zwei Vorſtandsmitglieder, 2. durch ein
Vorſtandsmitglied und einen Prokuriſten, 3. durch
zwei Prokuriſten.
am 20. Dezember 1905, am 15. Mai 1906 und am
16. Juni 1906 die Namen je eines weiteren „Geſamt—
prokuriſten“ eingetragen. Am 19. Dezember 1906
meldete die Aktiengeſellſchaft bei dem Amtsgerichte L.
zur Eintragung in das Handelsregiſter an, daß ſie
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
Auf ſpätere Anmeldungen wurden;
ihren Handlungsbevollmächtigten Georg K. und Heinrich,
K. in L. und Auguſt W. und Louis H. in Mannheim
Geſamtprokura erteilt habe. Das Amtsgericht vollzog
am 5. Januar 1907 die Eintragung im Handelsregiſter
für die in L. beſtehende Hauptniederlaſſung und in
den Handelsregiſtern für die in S., N., Bad D., G.
und F. beſtehenden Zweigniederlaſſungen. Am 22. Juni
1907 erklärten die Direktoren E. und S. zu Protokoll
des Gerichtsſchreibers, bei der Anmeldung ſei über—
ſehen worden, anzugeben, daß von den angemeldeten
weiteren „Geſamtprokuriſten“ ebenſo wie von allen
übrigen je zwei die Geſellſchaft vertreten und daß auch
einer allein in Gemeinſchaft mit einem Vorſtands—
mitgliede zur Vertretung befugt iſt. Das Amtsgericht
nahm am 24. Juni 1907 die dieſer Erklärung ent—
ſprechende Eintragung in das Handelsregiſter der
Hauptniederlaſſung und die Handelsregiſter der gez
381
nannten fünf Zweigniederlaſſungen vor und ordnete
die Niederſchlagung der Gebühren an, die dadurch
entſtanden waren, daß die Eintragung vom 5. Januar
1907 nicht ſofort richtig erfolgte. Der rechnungs⸗
führende Sekretär nahm an, daß vier Erteilungen der
Prokura eingetragen wurden und fegte für die Çin-
tragung einer jeden in die Regiſter der Hauptnieder⸗
laſſung und der fünf Zweigniederlaſſungen viermal
die im Art. 55 Ziff. 4 des GebG. beſtimmte Gebühr
an, und zwar für die Eintragung in die Handels⸗
regiſter für L., N., D. und F., weil an dieſen Orten
die Aktiengeſellſchaft mit einer Gewerbeſteuer von
Be als 1000 M angelegt ift, je viermal 75 M, alfo
je 300 M, für die Eintragung in das Handelsregiſter
für G., wo die Geſellſchaft mit einer Gewerbeſteuer
von 913.17 M angelegt ift, viermal 50 M, alfo 200 M,
für die Eintragung in das Handelsregiſter für S.,
wo „keine Steuer zur Umlagenerhebung ausgeſchieden
ift“, viermal 2 M, alfo 8 M, insgeſamt demnach
1408 M. Die Aktiengeſellſchaft erhob Erinnerungen.
Das Amtsgericht wies dieſe zurück. Auf die Beſchwerde
der Aktiengeſellſchaft hiergegen entſchied das Land⸗
gericht, der Beſchluß des Amtsgerichts ſei aufzu⸗
heben und für die Eintragung der vier Prokuriſten
in das Handelsregiſter feien nur 225 M (= 3 x 75 M)
Gebühren zu erheben. Auf die von der Regierungs-
finanzkammer eingelegte weitere Beſchwerde hat das
Oberſte Landesgericht für die Eintragung der 4 Pro-
kuriſten in das Handelsregiſter die Erhebung einer
Gebühr von 300 M (= 4 x 75 M) angeordnet und
im übrigen das Rechtsmittel zurückgewieſen.
Gründe: Das Landgericht hat mit Recht zwei
Eintragungen in das Handelsregiſter auseinander-
gehalten: diejenige, welche durch die Erteilung der
Prokura als Geſamtprokura an die vier bisherigen
Handlungsbevollmächtigten der Aktiengeſellſchaft ver—
anlaßt war, und die Eintragung der jedem der neu
beſtellten Prokuriſten erteilten Ermächtigung, die
Aktiengeſellſchaft gemeinſchaftlich mit einem Vorſtands⸗
mitgliede zu vertreten. Die Entſcheidung des Land⸗
gerichts, daß nach Art. 57 des GebG. für die Cin-
tragung des zweiten Vertretungsverhältniſſes eine be⸗
ſondere Gebühr nicht zu erheben iſt, beruht nicht auf
Verletzung einer Rechtsvorſchrift. Soweit ſich die weitere
Beſchwerde gegen die Anſchauung richtet, daß am
5. Januar 1907 „drei neue Geſamtprokuren“ in das
Handelsregiſter eingetragen worden ſeien, iſt fie be-
gründet. Das LG. ging davon aus, daß auch von
den neu angemeldeten wie von allen übrigen „Geſamt—
prokuriſten“ je zwei die Geſellſchaft vertreten können.
Den neu Angemeldeten ſei alſo Geſamtprokura in der
Weiſe erteilt worden, daß jeder mit einem der drei
anderen oder mit einem der ſchon früher eingetragenen
Prokuriſten die Geſellſchaft vertreten kann. Das LG.
hat demnach die Frage, wie viele Erteilungen zur
Eintragung angemeldet wurden, von dem Geſichts—
punkt aus betrachtet, wie ſich die Vertretungsbefugnis
der neu angemeldeten Prokuriſten geſtaltet. Zu der
Annahme, daß die Erteilung „dreier neuen Geſamt—
prokuren“ einzutragen geweſen fei, ift es dann dadurch
gekommen, daß es die Erteilung der Prokura als
Geſamtprokura an die vier Perſonen nur in Anſehung
ihrer Wirkung ſür das Vertretungsverhältnis in das
Auge faßte, in dem die neuen Prokuriſten zueinander
ſtehen, die dieſen ebenfalls zuſtehende Befugnis aber,
je mit einem der ſchon früher eingetragenen ‚Geſamt—
prokuriſten“ die Geſellſchaft zu vertreten, außer Betracht
ließ. Dieſe Erwägungen beruhen jedenfalls inſoweit
auf nicht richtiger Anwendung von Rechtsvorſchriften,
als ſie für die Entſcheidung darüber, welche Gebühren
für die Eintragung der neuen Prokuriſten anzuſetzen
ſind, für maßgebend erachten, welchen Inhalt ihre
Vertretungsbefugnis hat. Die Prokura iſt eine nur
geſetzlich umſchränkte, durch Vertrag und Wirkung
gegen Dritte nicht beſchränkbare Vollmacht. Auch der,
382
dem die Prokura als Geſamtprokura erteilt ift, iſt zur
Vertretung der Geſellſchaft bevollmächtigt, ſeine Ver⸗
tretungsbefugnis iſt aber kraft des Geſetzes inſofern
beſchränkt, als er ſie nicht allein ſondern nur durch
gemeinſchaftliches Handeln mit den anderen Perſonen,
denen die Prokura ebenfalls als Geſamtprokura erteilt
iſt, oder mit einer von ihnen ausüben kann. Dem⸗
gemäß kommt es, wenn eine Vermehrung der Perſonen
zur Eintragung in das Handelsregiſter angemeldet
wird, denen die Prokura als Geſamtprokura erteilt
ift, für die Beſtimmung der Gebühren nur darauf an,
um wie viele Perſonen die Zahl derer vermehrt wird,
denen die Prokura als Geſamtprokura erteilt iſt, denn
jeder von ihnen iſt die Prokura erteilt; daß ſie nur
als Geſamtprokura erteilt iſt, iſt belanglos. Es kann
daher auch nicht von der Eintragung einer Mehrzahl
von „Prokuren“ oder „Geſamtprokuren“ ſondern nur
von der Eintragung einer Mehrzahl von Erteilungen
der Prokura oder einer Mehrzahl von Perſonen ge-
ſprochen werden, denen die Prokura ſchlechthin oder
als Geſamtprokura erteilt iſt. Was die Aktiengeſell⸗
ſchaft am 19. Dezember 1906 zur Eintragung in
das Handelsregiſter nach 8 53 HGB. angemeldet hat,
ift hiernach die Erteilung der Prokura als Gefamt-
prokura an vier weitere Perſonen; für die am 5. Januar
1907 erfolgte Eintragung der Erteilung der Prokura
als Geſamtprokura an vier Perſonen iſt deshalb der
Art 65 8 ff. 4 der Gebühr anzuſetzen, die nach
4 Geb. für die Eintragung „einer
Prokura“ RE wird. Zu verneinen iſt die Frage,
ob nicht Art. 57 Abſ. 1 auf dieſe Eintragung inſoweit
anzuwenden iſt, daß nur eine einzige Gebühr deshalb
erhoben wird, weil auf Grund einer und derſelben
Anmeldung mehrere Eintragungen in das Handels⸗
Ber desſelben Gerichts erfolgten, die ſich, wenn
auch nicht a „diefelbe Prokura“ doch auf „dieſelbe
Geſellſchaft“ beziehen. Der Art. 57 ſteht in innerem
Zuſammenhange mit dem Art. 55. Deſſen nach Art. II
des Geſetzes vom 20. Auguſt 1906 am 1. September
1906 in Kraft getretene jetzige Faſſung unterſcheidet
zunächſt, ob ſich die Eintragung in das Handelsregiſter
bezieht auf einen Einzelkaufmann (Ziff. 1) oder auf
eine offene Handelsgeſellſchaft oder Kommanditgeſell⸗-
ſchaft (Ziff. 2) oder auf eine Aktiengeſellſchaft, Kommandit⸗
geſellſchaft auf Aktien oder Geſellſchaft m. b. H. (Ziff. 3),
und behandelt dann in Ziff. 4 die Eintragung der
Erteilung der Prokura beſonders, ohne zu unter
ſcheiden, ob der Inhaber des Handelsgeſchäfts ein
Einzelkaufmann oder eine der in Ziff. 2, 3 bezeichneten
Geſellſchaften iſt. Die Vorſchrift des Art. 57 Abſ. 1
ſchließt ſich an die Gliederung des Inhalts des Art. 55
inſofern an, als er unterſcheidet, ob ſich die mehreren
Eintragungen, die auf Grund einer und derſelben
Anmeldung erfolgen, auf „dieſelbe Firma“ oder auf
„dieſelbe Geſellſchaft“ oder auf „dieſelbe Prokura“
beziehen. Der Ausdruck „Firma“ bedeutet in dieſem
Zuſammenhang offenbar „Einzelkaufmann“ (Art. 55
Ziff. 1). denn anderenfalls würde, da ja auch jede
Handelsgeſellſchaft eine „Firma“ haben muß, nicht
erklärlich ſein, warum neben der „Firma“ die „Geſell—
ſchaft“ beſonders angeführt ift, und unter „dieſelbe
Prokura“ kann nichts anderes verſtanden werden als
„Erteilung der Prokura an dieſelbe Perſon“. Die
Vorſchrift des Art. 57 Abſ. 1 muß demnach ſo aus—
ausgelegt werden, daß, wenn mehrere Eintragungen
zu machen ſind, die ſich auf verſchiedene Einzelkauf—
leute oder auf verſchiedene Geſellſchaften oder auf die
Erteilung der Prokura an verſchiedene Perſonen be—
ziehen, für die Eintragungen die entſprechende Mehr—
zahl von Gebühren anzuſetzen iſt, mögen ſie auch auf
Grund einer und derſelben Anmeldung in das Handels—
regiſter desſelben Gerichts erfolgen. Als Gebühr für
die Eintragung der am 19. Dezember 1906 angemeldeten
Erteilung der Prokura als Geſamtprokura an vier
Perſonen iſt demnach nicht eine einzige Gebühr ſondern
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
das Vierfache der im Art. 55 Ziff. 4 beſtimmten Gebühr
anzuſetzen. Die Eintragung erfolgte nach § 13 HGB.
nicht nur im Handelsregiſter der Hauptniederlaſſung
der Aktiengeſellſchaft, ſondern auch in die Handels-
regiſter der fünf Zweigniederlaſſungen zu N., Bad D.,
„ G. und S. Die Beſchwerdeführerin rügt, daß
das LG. den Art. 56 Geb. nicht beachtet habe, nach
dem der vorgeſchriebene Gebührenſatz für die Ein⸗
tragung in jedes der bezeichneten ſechs Regiſter
beſonders zu erheben geweſen wäre. Die Rüge iſt
nicht begründet. Das LG. hat angenommen, daß an
ſich der im Art. 56 bezeichnete Fall vorliege, iſt aber
auf Grund des Art. 57 zu der Anſicht gekommen, daß
für die Eintragung jeder der angemeldeten Erteilungen
der Prokura in die ſechs Handelsregiſter a je eine
einzige nach dem höchſten der im Art. 55 Ziff. la
beſtimmten Sätze zu berechnende Gebühr anzuſetzen
ſei. Dieſe Auffaſſung beruht nicht auf der Verletzung
einer Rechtsvorſchrift. Die Vorſchrift des Art. 57
mußte das LG. anwenden, weil die auf Grund einer
und derſelben Anmeldung erfolgten mehreren Ein⸗
tragungen einer jeden der vier Erteilungen der Pro:
kura in das Handelsregiſter desſelben Gerichts erfolgt
ſind, nämlich in das des Amtsgerichts L., das das
Regiſtergericht für alle Amtsgerichte des Landgerichts⸗
bezirks F. iſt. Ob, wie der Art. 57 fordert, die
mehreren Eintragungen in das Handelsregiſter „ des⸗
ſelben Gerichts“ erfolgt ſind, könnte allerdings deshalb
fraglich ſein, weil für jeden Amtsgerichtsbezirk bei dem
Regiſtergericht ein beſonderes Handelsregiſter geführt
wird. Hierauf ſcheint auch die Regierungsfinanzkammer
ihre Anſicht zu ſtützen, daß die vier Erteilungen der Pro⸗
fura in die Handelsregiſter ſechs verſchiedener Gerichte
eingetragen wurden. Der im Art. 57 gebrauchte
Ausdruck „das Handelsregiſter desſelben Gerichts“
darf aber nicht in dieſem Sinne ausgelegt werden.
Die Führung des Handelsregiſters lag in Bayern
urſprünglich den Handelsgerichten, ſeit dem 1. Oktober
1879 bis zum Inkrafttreten des FGG. den Kand:
gerichten ob. Das Geb. enthält als Art. 58 Abſ. 1
ſeiner urſprünglichen Faſſung und der Faſſung von
1892 und als Art. 57 Abſ. 1 der Faſſung von 1899
die nämliche Vorſchrift, die der Art. 57 Abſ. 1 der
jetzigen Faſſung enthält. Da jedes LZ. nur ein
einziges Handelsregiſter für ſeinen ganzen Bezirk zu
führen hatte, konnte darüber, was unter „Handels:
regiſter desſelben Gerichts" zu verſtehen fei, damals
ein Zweifel nicht beſtehen. Würde der den Gegen—
ſtand der Entſcheidung bildende Fall eingetreten ſein,
ſolange dieſe Einrichtung beſtand, ſo wäre die Erteilung
der Prokura an die vier Perſonen nur in das bei
dem LG. F. geführte einzige Handelsregiſter eingetragen
worden; jetzt mußte fie, weil jede der fünf Zweig⸗
niederlaſſungen ſich in einem anderen Amtsgerichts⸗
bezirke befindet als die Hauptniederlaſſung, in ſechs
Handelsregiſter eingetragen werden. Die Beſtimmung
des 8 6 Abſ. 1 der Vorſchriften über die Führung
des Handelsregiſters würde alſo, wenn die Anſicht
der Regierungsfinanzkammer richtig wäre, bewirken,
daß ſtatt der einzigen Gebühr, die bei dem Beſtehen
der früheren Einrichtung für die Eintragung der
einzelnen Erteilung der Prokura erhoben worden
wäre, jetzt ſechs Gebühren gezahlt werden müßten.
Dieſe Tragweite kann der in dem § 6 Abſ. 1 ent⸗
haltenen, eine bloße Verwaltungsvorſchrift bildenden
Anordnung nicht beigelegt werden. Dazu kommt, daß
nach der Faſſung des $ 125 Abſ. 2 JGG., mit dem
dieſe Anordnung in gewiſſem Zuſammenhange ſteht,
nicht die Führung „der Regiſter“ ſondern die Führung
„des Regiſters“ für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem
Amtsgericht übertragen werden kann und daß auch—
die landesrechtlichen Vorſchriften wiederholt den Aus-
druck „das Handelsregiſter“ für die Geſamtheit der
bei einem Regiſtergerichte geführten „befonderen
Handelsregiſter“ gebrauchen. Der Grundgedanke, auf
A en
— nn
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 19.
dem die Vorſchriften der Art. 56, 57 beruhen, iſt
übrigens offenbar der, daß in den dort behandelten
Fällen nur eine einzige Gebühr dann erhoben werden
ſoll, wenn durch die Anmeldung die Tätigkeit nur
eines einzigen Gerichts in Anſpruch genommen worden
iſt. Für die Beantwortung der Frage, ob oder inwie⸗
weit die Vorſchriften der Art. 56, 57 anwendbar ſind,
müſſen hiernach, wenn an Grund derſelben An-
meldung eine Eintragung, die ſich auf die Erteilung
der Prokura an dieſelbe Perſon bezieht, zwar ſowohl
in das Handelsregiſter der Hauptniederlaſſung als
auch in die Handelsregiſter von Zweigniederlaſſungen
erfolgt, die Handelsregiſter der Zweigniederlaſſungen
aber von demſelben Gerichte geführt werden, das das
Handelsregiſter der Hauptniederlaſſung führt, die in
dieſe ſämtlichen Regiſter erfolgten Eintragungen als
Eintragungen „in das Handelsregiſter desſelben
Gerichts“ angeſehen werden. Der Art. 56 ift daher
nicht anwendbar. Demnach iſt auf Grund der am
22. Juni 1907 vervollſtändigten Anmeldung der Aktien⸗
geſellſchaft vom 19. Dezember 1906, alſo „auf Grund
einer und derſelben Anmeldung“, die Erteilung der
Prokura an vier Perſonen „in das Handelsregiſter
desſelben Gerichts“ eingetragen worden. Für die
Eintragung der Erteilung der Prokura an jede einzelne
der vier Perſonen iſt die im Art. 55 Ziff. 4 beſtimmte
Gebühr einmal anzuſetzen. Bei der Beſtimmung des
Betrags der Gebühr iſt das LG. mit Recht davon
ausgegangen, daß dafür der Betrag der Gewerbeſteuer
maßgebend iſt, mit dem die Aktiengeſellſchaft in L.
angelegt iſt, wo ſich ihre Hauptniederlaſſung beſindet.
Da ſie dort mit einer Gewerbeſteuer von mehr als
1000 M angelegt ift, hat es die Gebühr für die Ein-
tragung der einzelnen Erteilung der Prokura auf 75 M
ſeſtgeſetzt. Dieſer Betrag entſpricht den Vorſchriften
des Art. 55 Ziff. 1a und Ziff. 4 und liegt auch der
von der Beſchwerdeführerin aufgeſtellten Berechnung
zugrunde. Da aber nicht, wie das LG. angenommen
hat, drei ſondern vier Erteilungen der Prokura eins
getragen wurden, muß die angefochtene Entſcheidung
dahin geändert werden, daß für die Eintragungen
vier Gebühren von je 75 M, alfo von zuſammen 300 M,
anzuſetzen ſind. Im übrigen muß die weitere Beſchwerde
als unbegründet i werden. (Beſchl. d.
II. 35. vom 4. Mai 1908, Reg. V, 12/1908).
1337
B. Strafſachen.
de Ihrer igt in Pl. Ein Dienſtmädchen, das
den Hund ihrer nicht in Bayern wohnenden Dienſtherr⸗
ſchaft mit ſich nach Bayern nimmt, muß den Hund inner⸗
halb der geſetzlichen Friſt anmelden, auch wenn fie uur
vorübergehend in Bayern verweilt. Berſchulden. Die
als Dienſtmädchen in Düſſeldorf in Stellung befind-
liche Angeklagte wurde im Sommer 1907, als ihre
Herrſchaft eine Erholungsreiſe antrat, von ihrem Dienſt⸗
herrn mit deſſen Hund in ihre Heimatgemeinde L. in
Bayern geſchickt, wo ſie etwa 12 Wochen verweilte.
Den Hund hatte ſie die ganze Zeit bei ſich. Das Oberſte
Landesgericht entſchied, daß die Angeklagte den Hund
zur Verſteuerung hätte anmelden müſſen.
Aus den Gründen: 1. Nach Art. 1 des Gef., die
Erhebung einer Gebühr für das Halten von Hunden
2. Junt 1876 ii
betr. vom nn 1888 hat für jeden über 4 Monate
En — —
alten Hund der Beſitzer für das Kalenderjahr eine
Gebühr zu entrichten. Der Art. 3 beſtimmt in Abſ. 1,
daß im Januar oder Februar die Beſitzer der der Gebühr
unterliegenden Hunde dieſe bei der Ortspolizeibehörde
zur Eintragung anzumelden haben.
Art. 3 ſind Hunde, die nach dem Anmeldungstermin
in Beſitz genommen werden, innerhalb 14 Tagen nach
— mn 3 ͤ3s«—! . 2 2''!'!eer!r! ( —
383
der Beſitzerlangung, junge Hunde, welche nach jenem
Termin in das Alter von 4 Monaten eintreten, inner⸗
ap 14 Tagen nach dieſem Zeitpunkte anzumelden.
ach Abſ. 4 des Art. 3 hat bei Aenderung des Wohn-
ſitzes die Anmeldung innerhalb 14 Tagen nach Ein⸗
bringung des Hundes in den neuen Wohnort bei der
Ortspolizeibehörde dieſes letzteren zu erfolgen. Der
Abſ. 5 des Art. 3 endlich beſtimmt, daß Perſonen,
welche nur vorübergehend im Königreiche ver⸗
weilen, ihre Hunde innerhalb 14 Tagen bei der Orts⸗
polizeibehörde eines der Orte, in welchen die Hunde
während dieſer Zeit gehalten werden, anzumelden
haben. Die Abſ. 1 und 4 des Art. 3 ſetzen auf Seite
des Hundebeſitzers einen feſten Wohnſitz in Bayern
voraus, der Abſ. 5 ein vorübergehendes Verweilen im
Königreiche.
2. Mit Rückſicht auf den vorwiegend geſundheits⸗
polizeilichen Zweck des Geſetzes iſt das Strafbare nur
in der Unterlaſſung der Anmeldung, nicht in der
Hinterziehung der Gebühr zu erblicken. Hieraus folgt
aber, daß bei der Uebertretung nach Art. 7 nicht ſchon,
wie dies bei der Hinterziehung von Steuern und
anderen Gefällen der Fall iſt, das Vorhandenſein des
objektiven Tatbeſtandes die Strafbarkeit begründet,
ſondern, daß ein Verſchulden feſtgeſtellt werden muß;
als Verſchulden iſt auch Fahrläſſigkeit anzurechnen.
Das LG. hat die Eigenſchaft der Angeklagten als Be⸗
ſitzerin verneint aus der Erwägung, daß als Beſitzer
der anzuſehen ſei, wer die tatſächliche Gewalt über
den Hund ausübe, vorausgeſetzt, daß ſeinem Verhält⸗
niſſe zu dem Tier ein gewiſſer Grad von Selbſtändigkeit
innewohnt, vermöge deren er Dritte von der Verfügung
über das Tier ausſchließen kann. Dieſe Selbſtändigkeit
fehle Perſonen, die als Dienſtboten vermöge eines
begrenzten Abhängigkeitsverhältniſſes verpflichtet ſind,
den ſich auf das Tier beziehenden Weiſungen eines
anderen Folge zu leiſten; ſolche Perſonen übten die
tatſächliche Gewalt nicht ſelbſtändig, ſondern nur als
Stellvertreter, ja gewiſſermaßen als Werkzeug deſſen
aus, von dem ſie vermöge des dienſtlichen Verhält⸗
niſſes abhängig ſind.
3. Art. 3 Abſ. 1 bis 4 des Hundegeb®. regelt die
Anmeldepflicht der Hundebeſitzer mit dauerndem Auf⸗
enthalt in Bayern, Abſ. 5 die Anmeldepflicht der Per⸗
ſonen, die nur vorübergehend in Bayern verweilen.
Nach der tatſächlichen Geſtaltung des Falles kann nur
der Abſ. 5 des Art. 3 in Betracht kommen. Es fragt
ſich, ob Abſ. 5 auf die Angeklagte zutrifft. Eine Aus⸗
legung der Beſtimmung im Abſ. 5, wonach unter dem
Ausdrucke „ihre Hunde“ nur die zu verſtehen wären,
die den vorübergehend im Königreiche verweilenden
Perſonen zu Eigentum gehören, würde dem vom Geſetz⸗
geber verfolgten Zwecke widerſprechen. Mit dieſem
iſt nur die Auslegung vereinbar, daß Perſonen, die
unter Mitführung eines Hundes über die Grenze nach
Bayern zum Zwecke vorübergehenden Aufenthalts im
Königreiche kommen, den mitgeführten Hund, gleich⸗
viel, wem er gehört, innerhalb 14 Tagen bei der
Ortspolizeibehörde eines der Orte anzumelden haben,
an dem während dieſer Zeit der eingeführte Hund in
Bayern gehalten wird. Da hier nicht der Eigentümer
des Hundes, ſondern nur deſſen Dienſtmädchen vor⸗
übergehend in Bayern verweilte, diefe in das Land
Nach Abſ. 3 des
den Hund ihres Dienſtherrn mitbrachte, und ihn wäh⸗
rend des im Geſetze vorgeſehenen Zeitraumes in Bayern
hielt, ſo lag nur der Angeklagten die Anmeldepflicht
ob. (Urt. vom 13. Juni 1908, Rev. Reg. e
1366 f
384
Literatur.
Buff, Dr. Siegfried, Das deutſche Scheckgeſetz
vom 11. März 1908. (168 S.) . 1908. Deutſche
Verlagsanſtalt. Gbd. Mk.
Der Verfaſſer hat in os Erläuterungen
die wichtigſten juriſtiſchen Fragen erörtert, zu denen
das neue Geſetz Anlaß gibt und ſeine volkswirtſchaft⸗
liche Bedeutung dargelegt. Die Gewohnheiten des
Scheckverkehrs find — zuweilen unter Verweiſung
daß die Verhältniſſe im Ausland — ſoweit erläutert,
daß auch der im käufmänniſchen Zahlungsweſen
weniger bewanderte Leſer ſich ein Bild von ihnen
Buches kann. Die ſehr elegante Ausſtattung des
Buches ſei beſonders hervorgehoben.
— — — 0 =~ — —
Schweitzers Ausgabe des neuen bayer. Beamtengeſetzes.
Geſetz vom 16. Auguſt 1908. Mit Anhang: Ge⸗
altsordnung und Allerh. Verordnung vom
. September 1908 über die Gehaltsverhältniſſe der
etatsmäßigen Staatsbeamten. Teztausgabe mit Ver⸗
weiſungen auf die Materialien und ausführlichem
Beamten⸗ und Sachregiſter. München 1908, J.
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Gebd. Mk. 1.—.
Durch das Beamtengeſetz vom 16. Auguſt ſind
langjährige berechtigte Wünſche unſerer Beamtenſchaft
zum größten Teil in Erfüllung gegangen. Es wurde
zum erſtenmale neben einer durchgreifenden Verbeſſe⸗
rung der Einkommensverhältniſſe ein einheitliches
und gleichmäßiges Recht für ſämtliche Staatsange⸗
ſtellten geſchaffen. Hierin — nicht in der Gehalts-
ordnung — liegt die weittragende Bedeutung des
neuen Geſetzes. Zur Vermittlung der Kenntnis der
neuen Beſtimmungen ſcheint uns vorliegende Ausgabe
ſehr geeignet. Õie ift ſehr überſichtlich angelegt, ver:
weiſt auf die Materialien und enthält ausführliche
alphabetiſche Sach- und Beamtenregiſter. Ihr trotz
der guten Ausſtattung ſehr niedriger Preis (kart.
Mk. 1.— bei 240 Seiten) ermöglicht weiteſten Kreiſen
die Anſchaffung.
Adolph, Dr. jur. B., Regierungsrat im Sächſiſchen
Miniſterium des Innern. Vereinsgeſetz vom
19. April 1908. Unter Berückſichtigung aller
bish. Landesgeſetzgebungen. (XVI. 196 S.). Leipzig
1908, Roßberg'ſche Verlagsbuchh. Gebd. Mk. 3.—.
Die Erläuterungen beſchränken ſich zwar in der
Hauptſache auf Auszüge aus den Motiven und den
parlamentariſchen Verhandlungen, gleichwohl kann die
Ausgabe wegen der geſchickten Art, wie ſie die reichs—
rechtlichen und die bisherigen landesrechtlichen Vor—
ſchriften gegenüberſtellt, nur empfohlen werden.
von der Pfordten.
Notizeu.
Die nene pfälziſche Städteverfaſſung, nach der den
pfälziſchen Städten auf Antrag der Gemeindeverwal—
tung durch Kgl. Entſchließung die Verfaſſung der
ſtädtiſchen Gemeinden r. d. Rh. und damit die Kreis-
unmittelbarkeit verliehen werden kann, hat auch einige
Bedeutung für die Juſtizverhältniſſe in der Pfalz (Ge—
ſetz vom 15. Auguſt 1908, Vollzugsbek. vom 18. Auguſt
1908, GVBl. Nr. 52 S. 471 ff.) Betroffen wird durch
die Neuerung insbeſondere die Anwendung des Art. 24
AG. z. GVG. (Wahl der Vertrauensmänner nach 8 40
Abſ. 3, 4 GVG.) und die Organiſation der Gemeinde—
waiſenräte (Art. 94—98 AG. z. BGB.). Die Amts-
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908.
rührt.
Nr. 19.
anwaltſchaft wird in den unmittelbaren Städten der
Pfalz nach wie vor durch Beamte der Juſtizverwal⸗
tung beſorgt werden; auch die Vorſchriften über die
Beaufſichtigung der Standesbeamten bleiben unbe⸗
Zivilrechtliche Bedeutung kann die Vorſchrift
des Art. 3 Abſ. 1 des Geſetzes vom 15. Auguſt 1908
gewinnen, wonach der Diſtriktsverband bei Verleihung
der Kreisunmittelbarkeit an pfälziſche Städte aufrecht⸗
erhalten bleibt und die Löſung nur auf Grund einer
Vereinbarung der Beteiligten erfolgen kann (vgl.
Ziffer VI der Vollzugsbekanntmachung).
1383
Heimatſchutz. Auf Grund der Vorſchrift im Art. 22 b
des PStGB., der durch das Geſetz vom 6. Juli 1908
in das PStGB. eingeſtellt wurde (f. die Notiz in Nr. 15 16
dieſes Jahrgangs der Zeitſchrift, S. 323), wurde eine
Kgl. Verordnung vom 6. September 1908 über die
Ausgrabungen und Funde von prähiſtoriſchen oder
hiſtoriſch merkwürdigen Gegenſtänden erlaſſen; ſie tritt
am 1. November 1908 in Kraft. Die Ausführungs⸗
vorſchriften enthält eine Bekanntmachung des Kultus-
miniſteriums vom 7. September 1908 (GVBI. Nr. 60
S. 762 und 763). Damit ſind einige neue ſtrafrecht⸗
liche Tatbeſtände geſchaffen worden. Verboten iſt es
künftig, ohne Genehmigung der Diſtriktsverwaltungs⸗
behörde (in München des Stadtmagiſtrats) Ausgra⸗
bungen nach prähiſtoriſchen oder hiſtoriſch merkwür⸗
digen Gegenſtänden vorzunehmen oder zu anderen
Zwecken auf Grundſtücken zu graben, in denen ſolche
Gegenſtände zu vermuten ſind. Die Diſtriktsverwal⸗
tungsbehörde kann die Erlaubnis von Bedingungen
abhängig machen. Auf diefe Weiſe fol der Denkmäler⸗
beſtand vor Zerſtörungen und Beſchädigungen geſchützt
werden; Ausgrabungen durch unkundige Perſonen
folen verhindert und Grabungen auf „ hiſtoriſchem
Boden“ unter ſachkundige Beobachtung geſtellt werden.
Wer bei einer Erdarbeit, einer Bau- oder Abbruch—
arbeit prähiſtoriſche oder hiſtoriſch merkwürdige Sachen
findet, d. h. zuerſt auf ſie ſtößt, hat der Ortspolizei⸗
behörde Anzeige zu erſtatten. Der Finder kann die
Anzeigepflicht auf den Unternehmer der Arbeiten,
deſſen Stellvertreter oder den Leiter der Arbeiten ab⸗
wälzen, wenn er dieſen Perſonen Mitteilung von dem
Funde macht. Die Arbeiten ſind einzuſtellen und die
gefundenen Gegenſtände ſind aufzubewahren; dieſe
Verpflichtung dauert bis zum 7. Tage nach der Anzeige⸗
erſtattung fort. Die Anzeigepflicht ſoll die Möglich⸗
keit bieten, die ſachkundige Unterſuchung der Fund⸗
ſtellen und die Erwerbung der Fundgegenſtände im
Wege des freien Kaufs für bayeriſche Sammlungen
herbeizuführen. Unberührt bleiben die Vorſchriften
des bürgerlichen Rechts über den Eigentumserwerb
(vgl. z. B. 8 984 BGB.). Keine Anzeigepflicht beſteht,
wenn prähiſtoriſche oder hiſtoriſch merkwürdige Gegen⸗
ſtände nicht bei Gelegenheit einer Erdarbeit u. dgl.
ſondern freiliegend gefunden werden, etwa von einem
Spaziergänger oder bei der Durchſuchung alter Räume
in Gebäuden.
1:84
Errichtung nener Bezirksämter. Bezirksämter wer⸗
den mit Wirkung vom 16. Oktober 1908 an in Rieden⸗
burg und Lauf errichtet. Das Bezirksamt Riedenburg
wird den vom Bezirksamtsſprengel Beilngries abge⸗
trennten Amtsgerichtsbezirk Riedenburg umfaſſen, das
Bezirksamt Lauf den Amtsgerichtsbezirk Lauf, der bis⸗
her sum Bezirksamte Hersbruck gehörte (GVBl. S. 757/8).
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat in München.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H, Freiſing.
Ar. 20.
Herausgegeben. von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Baner.
Staats miniſterium der Yuftiz.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jäbrlich
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748).
Noch einmal die Unterhaltungspflicht des
§ 1021 ROY.
Von Reichsgerichtsrat Predari in Leipzig.
Die Frage, die bei Anwendung des $ 1021
Abſ. 1 Satz 2, Abſ. 2 BGB. entſteht, ift neueſtens
von ſachkundiger Feder in Nr. 9 des laufenden
Jahrgangs dieſer Zeitſchrift (S. 173 ff.) erörtert,
auch in den Lehrbüchern und Kommentaren mehr
oder weniger ausführlich behandelt. Das letzte
Wort ſcheint mir aber über ſie noch nicht geſprochen
zu ſein. Deshalb mag eine nochmalige Prüfung |
nicht überflüſſig fein, zumal der Gegenſtand des
Streites für die Praxis nicht unwichtig iſt. Der
8 1021 BGB. ſpricht ſich darüber nicht weiter
aus, ob die abweichend vom Geſetz kraft be—
ſonderen Vertrages dem Eigentümer des
herrſchenden Grundſtücks auferlegte Pflicht, eine
zur Ausübung einer Grunddienſtbarkeit auf dem
dienenden Grundſtück vorhandene, auch von deſſen
Eigentümer mitzubenützende Anlage allein zu
unterhalten, auf dem Blattes des herrſchenden
Grundſtücks als Reallaſt einzutragen iſt, oder ob
die Eintragung der Dienſtbarkeit mit dem ihr durch
jenen Vertrag zu ungunſten des herrſchenden Grund:
ſtücks gegebenen beſonderen Inhalt auf dem Blatte
des dienenden Grundſtücks genügt, um der
Unterhaltungspflicht dingliche Wirkung zu verleihen.
Es erhebt ſich daher der Zweifel, ob für dieſe
Pflicht, auf die nach Abſ. 2 des $ 1021 BGB.
die Vorſchriften über die Reallaſt entſprechende
Anwendung finden, das Eintragungsprinzip gilt
oder nicht. Es gälte nicht, wenn die Buchung
der Dienſtbarkeit auf dem Blatte des dienenden
Grundſtücks ausreichte; denn ſeine Bedeutung be⸗
ſteht eben darin, daß das Grundbuch eines Grund—
ſtücks vollſtändige Auskunft über die auf ihm
ruhenden Beſchwerungen geben ſoll, ſoweit nicht
Ausnahmen vom Geſetze zugelaſſen ſind, und dieſe
Auskunft gibt es nicht, wenn nicht auf dem Blatte
des belaſteten, ſondern auf dem Blatt eines anderen
Grundſtücks die Beſchwerung zu finden iſt. Die
Anſichten find ſehr geteilt, wie die in dem er—
München, den 15. Oktober 1908.
Zeitſchrift für
in Bayern
3
W
Nachdruck verboten.
2
) Inſertionsgebühr 30 Pf
4. Jahrg.
Rechtspflege
(Arthur Sellier)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachvplatz 1.
g. für die balbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
wähnten Aufſatz angezogene Literatur erkennen läßt;
nachzutragen wäre vielleicht, daß gegen die Ein⸗
tragung auch find Gierke, Sachenrecht § 144
S. 649, Eck⸗Leonhard, Vorträge 2 8 24 Anm. 4
und Crome, Syſtem 3 $ 430 Anm. 29, während
ich mich in meinem Kommentar zur GBO. Anm.
37 f zu 9 19 S. 347 für die Buchung ausgefprochen
habe. Daß es ſich unter Umſtänden um recht
erhebliche Beträge handeln kann, erhellt, wenn
man beiſpielsweiſe an eine Fahrtgerechtigkeit und
eine im Wegzuge liegende Brücke denkt, die der
Hochwaſſergefahr ausgeſetzt ift. Soviel iſt ſicher,
daß die auf vertragsmäßiger Regelung beruhende
Inſtandhaltungspflicht lediglich eine Einſchränkung
des eingeräumten Servitutrechtes, ein akzeſſoriſches
Rechtsverhältnis neben dieſem darſtellt, das in ſeinem
Beſtande von ihm abhängt (vgl. Mot. 3, 484).
Aber nicht fo ficher erſcheint es mir, ob die unſelb⸗
ſtändige Natur jener Pflicht ohne weiteres d. h. ohne
Ausſpruch im Geſetz die Eintragung unnötig macht,
dergeſtalt, daß die Unterhaltungslaſt als dingliche,
aus dem herrſchenden Grundſtücke zu befriedigende
vermöge des durch Eintragung auf dem Blatte
des dienenden Grundſtücks entſtandenen Haupt⸗
rechts, das im übrigen für den Eigentümer dieſes
Grundſtücks eine Pflicht ift, geltend gemacht werden
kann. Denn daß jene Laſt entſprechend den Real⸗
laſten zu behandeln fei, jagt der Abſ. 2 des $ 1021
BGB. ausdrücklich und die Mot. (3, 484) be⸗
tonen als den Unterſchied der mit einer Grund—
dienſtbarkeit verbundenen Leiſtungsverbindlichkeit von
der Reallaſt nur eben dieſe Verbindung. Es iſt
deshalb nicht angängig, das dingliche Moment bei
der Unterhaltungslaſt auszuſchalten und dem Be⸗
rechtigten d. i. dem Eigentümer des dienenden
Grundſtücks den Zugriff auf das Grundſtück zu
verſagen. Wie wäre ſonſt ein auch nur reallaſt⸗
ähnliches Gebilde zu konſtruieren? Darüber
herrſcht auch im allgemeinen kein Streit (abweichend,
ſoviel ich ſehe, nur Kretzſchmar i. d. Einf. i. d.
Grundbuchrecht II, 281 und Sachenrecht Anm. 3 d
zu § 1021 BGB.). Die Frage ift alfo dahin
zu ſtellen: Kann der Eigentümer des dienenden
Grundſtücks wegen ſeines Anſpruchs auf die aus
386
der vertragsmäßigen Unterhaltungspflicht ent:
ſpringenden wiederkehrenden Leiſtungen, die praktiſch
regelmäßig Geldleiſtungen ſein werden (weil der
Eigentümer die Inſtandſetzung zunächſt ſelbſt beſorgt
und die Erſtattung der vorgeſchoſſenen Koſten vom
anderen Teile fordert), Befriedigung aus dem herr:
ſchenden Grundſtück im Wege der Zwangsvollſtreckung
auch ohne Eintragung der Laſt auf dem
Blatte dieſes Grundſtücks verlangen? Wer die
Frage bejaht, vollzieht einen Bruch mit dem im BGB.
in voller Schärfe durchgeführten Grundbuchſyſtem.
Man wird daher prüfen müſſen, ob dieſer Bruch
für unſeren Fall wirklich im Geſetz ausgeſprochen
iſt. Ausdrücklich iſt es nicht geſchehen; es kann
ſich nur darum handeln, ob nach dem ganzen Zu—
ſammenhange der in Betracht kommenden Normen
der Schluß gerechtfertigt iſt, daß das Geſetz von
der Notwendigkeit der Eintragung hat abſehen
wollen. Im weſentlichen wird zugunſten dieſes
Schluſſes die Unſelbſtändigkeit der Unterhaltungs—
laſt, ihre durch das Daſein der Grunddienſtbarkeit
gegebene Bedingtheit angeführt.
ſelbſtändige, von dem zugrundeliegenden Zweck—
geſchäft unabhängig gemachte Belaſtungen ein:
tragungsfähig ſeien, iſt nirgends geſagt. Neben
der Grund- und Rentenſchuld und neben der eigent:
lichen Reallaſt ſteht die Hypothek in ihren ver⸗
ſchiedenen Formen, von denen jedenfalls die
Sicherungshypothek und ihre Abart, die Höchſt—
betragshypothek nicht als ſelbſtändige Belaſtungen
angeſprochen werden können. Man wird einwenden,
daß es ſich in dieſen Fällen um die Abhängigkeit
von einem Rechtsverhältnis außerhalb des Grund—
buchs handelt, während die Unterhaltungslaſt mit der
nur tabularmäßig möglichen Dienſtbarkeit ſteht und
fällt. Der Einwand wäre zu beachten, wenn es
richtig wäre, daß Recht und Pflicht als fidh gegen
ſeitig bedingend nur an einer Stelle, nämlich an
der zur Aufnahme des Rechtes beſtimmten Stelle,
gebucht werden könnten und daß daher die Pflicht
mit dem Recht auf dem Blatte des dienenden
Grundſtücks gebucht fet (gebucht mit den fih aus
dem Vertrauensprinzip ergebenden Wirkungen).
Aber auch dies ift aus dem Geſetze nicht zu ent:
nehmen. Wird ein Erbbaurecht gegen eine ein—
malige Leiſtung oder gegen wiederkehrenden Zins
beſtellt, ſo iſt das Gegenſeitigkeitsverhältnis zwiſchen
beiden Rechten gewiß nicht zu bezweifeln, ebenjo:
wenig aber, daß die für die Einräumung des
Erbbaurechts gewährte Gegenleiſtung grundbuch—
mäßig nur als Hypothek oder Reallaſt auf dem
Blatte des Erbbaurechts dargeſtellt werden
kann und daß ſie nicht eingetragen iſt, wenn ihrer
nur mit dem Erbbaurecht im Grundbuche des mit
dieſem belaſteten Grundſtücks gedacht iſt. Und
wie verhält es ſich, wenn der Erbbauberechtigte ge—
wiſſe wiederkehrende Verpflichtungen zur Erhaltung
des Bauwerks, das er auf dem Grundſtücke haben
darf, übernimmt? Sind ſie dinglich geſichert,
wenn ſie als beſondere Ausgeſtaltung des Erb—
|
Allein daß nur
Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
— — .... Gl. ͤ ——ͤ —
— ñ—ä —— — — —iñé—H æᷓ..— J.. ——¾
baurechts, als nähere Beſtimmung ſeines Inhalts
mit dieſem gebucht ſind? Hier iſt auch Kretzſchmar
(Sachenrecht, Vorbem. 3 zu 88 1021 ff. BGB.)
der Meinung, daß ſolche Verpflichtungen als Real⸗
laſt auf dem Blatte des Erbbaurechts einzutragen
ſeien. Ein Rechtsſatz, daß, ſofern mit einem
buchungspflichtigen Recht auch Laſten verknüpft
ſeien, dieſe mit dem Rechte ſelbſt als eingetragen
zu gelten hätten und beſonderer Buchung auf dem
beſchwerten Grundſtücke nicht bedürften, iſt im
BGB. nicht zu finden. Wo wäre auch die Grenze
zu ziehen? Man ſetze den Fall, daß der Eigen—
tümer des herrſchenden Grundſtücks die Unter—
haltungspflicht in Form einer jährlich zu entrichtenden
feſten Pauſchalgeldentſchädigung (Rente) übernimmt.
Soll hier dieſe Rente, um dinglich verſichert zu
ſein, nur auf dem Blatte des dienenden Grundſtücks
gebucht zu werden brauchen? Ein grundſätzlicher
Unterſchied zwiſchen dieſem Fall und dem, daß
der Servitutberechtigte lediglich verſpricht, die vor—
kommenden Ausbeſſerungsarbeiten zu übernehmen.
möchte nicht beſtehen. Die Belaſtung muß, damit
ſie dingliche Kraft erlange, auf dem Blatte des
Grundſtücks (oder grundſtücksgleichen Rechtes) ein:
getragen ſein, das von ihr betroffen wird. Will
es das Geſetz anders, jo ift dies unzweideutig aus:
geſprochen. So bei der Ueberbau- und Notwegrente
(S$ 914, 917 BGB.), bei denen aber auch wieder
die Regel Platz greift, wenn die Höhe der Rente
durch Vertrag feſtgeſtellt wird. Wäre im Falle
des 8 1021 BGB. die Abſicht geweſen, die Unter:
haltungslaſt vom Eintragungszwange zu befreien, ſo
würde dies geſagt worden ſein. Es kann auch
nicht anerkannt werden, daß ſich für die zweifache
Buchung Schwierigkeiten ergeben. Ich habe dies
ſchon in meinem Kommentar angedeutet. Soll
eine Grunddienſtbarkeit eingetragen werden, bei
welcher der Eigentümer des herrſchenden Grund:
ſtücks vertragsmäßig über das Geſetz hinausgehende
Verpflichtungen rückſichtlich der Unterhaltung von
Anlagen übernimmt, ſo ſind beide Eigentümer (des
herrſchenden wie des dienenden Grundſtücks) paſſiv
beteiligt, beide haben die Eintragung für je ihr
Grundſtück zu bewilligen. Freilich wird die Buchung
der Dienſtbarkeit nicht zu beanſtanden ſein, auch
wenn es an der Bewilligung für die Unterhaltungslaſt
fehlt; dann fehlt es aber für dieſe auch an der ding⸗
lichen Sicherung. Die Stelle, an der die Laſt ein⸗
zutragen iſt, iſt die für die Laſten überhaupt be-
ſtimmte Stelle (die zweite Abteilung des Grund⸗
buchs in Preußen und in Bayern; die Meinung.
daß auch das Beſtandsverzeichnis geeignet zur Auf—
nahme des Vermerks fei, gebe ich auff. Der Ber-
merk muß die Verknüpfung der Laſt mit der
Dienſtbarkeit erſichtlich machen, wie dies in der
von mir vorgeſchlagenen Eintragungsformel ge—
ſchehen iſt. Damit iſt auch grundbuchmäßig die
akzeſſoriſche Natur der Unterhaltungspflicht und ihr
Erlöſchen mit dem Erlöſchen der Dienſtbarkeit klar⸗
geſtellt. Der Pflicht eines jeden Eigentümers ſteht
das entſprechende Recht gegenüber, deſſen nochmalige
Aufnahme in das Beſtandsverzeichnis ſich erübrigen,
aber nicht unzuläſſig ſein wird. Richtig iſt, daß,
inſoweit die Unterhaltungslaſt nur mit Bewilligung
des Eigentümers des dienenden Grundſtücks ge:
löſcht werden kann, darin eine gewiſſe Ver⸗
kehrserſchwerung liegt, die aber doch kaum die
Außerkraftſetzung des Eintragungsprinzips zu recht⸗
fertigen vermag. Uebrigens zeigt der $ 24 i. V.
mit Abſ. 2 des $ 23 GBO. einen Weg, auf dem
ohne jene Bewilligung zum Ziele zu gelangen iſt.
Das Recht auf die Inſtandhaltung der dem gemein⸗
ſamen Nutzen dienenden Anlage erliſcht mit der
Aufhebung der Grunddienſtbarkeit, fällt alfo unter
den § 24 GBO. Die Möglichkeit von Rückſtänden
beſteht. Die Unterhaltungslaſt würde danach unter
allen Umftänden nach Ablauf eines Jahres ſeit
der — regelmäßig von der alleinigen Entſchließung
des Servitutberechtigten abhängigen — Löſchung
der Dienſtbarkeit auf dem Blatte des dienenden
Grundſtücks erfolgen können; ſie wird ſogleich er⸗
folgen dürfen, wenn im Grundbuch bei der Laſt
vermerkt iſt, daß zur Löſchung der Nachweis des
Erlöſchens der Dienſtbarkeit genügen ſoll. Die Ein⸗
tragung eines ſolchen Vermerks empfiehlt ſich daher.
Die hier vertretene Meinung ſchafft klare Ver⸗
hältniſſe. Zweifel über den Rang des Unterhaltungs—
rechts (wie vom Standpunkte des Eigentümers des
dienenden Grundſtücks zu fagen ift) und feine Be:
handlung in der Zwangsverſteigerung können nicht
entſtehen. Der Rang des Rechtes beſtimmt ſich
nach der Regel des $ 879 BGB.; es geht nicht
den ſämtlichen eingetragenen oder nicht eingetragenen
dinglichen Rechten (mit Ausnahme der Ueberbau—
und Notwegrente) vor. Daß bei dieſer Auffaſſung
der Dienſtbarkeitsverpflichtete des ausreichenden
N entbehren würde, kann nicht anerkannt
werden.
unverträglich iſt, vermag alſo wegen ſeiner
Anſprüche aus der Unterhaltungspflicht Befrie—
digung aus dem herrſchenden Grundſtück lediglich
auf Grund und nach Maßgabe der Eintragung
zu erlangen. Eine andere Frage iſt es, ob er nicht
bei Verweigerung der dem Servitutberechtigten ob—
liegenden Leiſtungen der Ausübung der Dienſt—
barkeit auch ohne die Unterlage des Grundbuchs
wirkſam entgegenzutreten vermag. Wer das aus
der Grunddienſtbarkeit entſpringende Recht bean:
ſprucht, die Erfüllung der eine Einſchränkung dieſes
Rechtes bedeutenden Pflicht jedoch verweigert, dem
wird mit Fug der Vorwurf der Argliſt zu machen
ſein und an ihm wird die konfeſſoriſche Klage
ſcheitern. Auch eine Klage des Unterhaltungsberech—
tigten mit dem Ziele der Verurteilung des Beklagten,
daß er ſich entweder der Ausübung der Servitut
enthalte oder aber die bedungene Unterhaltungspflicht
erfülle, möchte denkbar und zuläſſig ſein. Beide
Rechtsbehelfe verſagen freilich, wenn es ſich ledig:
lich um Rückſtände aus der Beſitzzeit eines Rechts⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
5 Er entbehrt nur des Schutzes, der
mit der Eintragungsbedürftigkeit ſeines Rechtes
nur die Richter können gegen ihren Willen nicht
des Beamten widerruflich iſt;
387
vorgängers des jetzigen Servitutberechtigten handelt,
für welche dieſer als Sonderrechtsnachfolger nicht
haftet. Die Eintragung der Unterhaltungslaſt auch
auf dem Blatte des herrſchenden Grundftüds ift
daher unter allen Umſtänden anzuraten.
Jas neue baheriſche Beamtenrecht.
Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg.
(Fortſetzung.)
Eine Aenderung in der dienſtlichen Stellung
des Beamten kann ſich ferner ergeben durch
Beförderung.
Das BG. fegt den Begriff der Beförderung
als bekannt voraus. Beförderung eines Staats-
dieners iſt Verleihung eines höheren ſtaatsdiener⸗
lichen Ranges und der hiermit verbundenen Rechte
(Seydel II S. 202); die Verſetzung auf eine
Amtsſtelle, die in eine höhere Gehaltsklaſſe ein⸗
gereiht iſt, iſt keine Beförderung, wenn mit der
neuen Stelle nicht ein höherer Rang verknüpft
iſt. Bei der Lückenhaftigkeit und Unklarheit der
Beſtimmungen über die Rangverhältniſſe der Be-
amten, beſonders der bisherigen nichtpragmatiſchen
Staatsdiener, kann es häufig ſehr zweifelhaft ſein,
' ob eine Verlegung auf eine Stelle, die einer
höheren Gehaltsklaſſe zugeteilt iſt als die bisherige
Stelle, eine Beförderung in dieſem Sinne iſt.
Die Vorſchriften der Art. 4 Abſ. 1 und 2
und Art. 5 Abſ. 1—3 (über Zuſtändigkeit zur
Ernennung der etatsmäßigen Beamten, Form und
Zeitpunkt der Wirkſamkeit der Ernennung) gelten
auch für die Beförderung der etatsmäßigen Beamten
(Art. 4 Abſ. 3, Art. 5 Abſ. 4).
Die Beförderung kann nicht abgelehnt werden;
befördert werden (8 8 Abſ. 1 GG.).
Die Beförderung eines widerruflichen Beamten
iſt ſolange widerruflich, als das Dienſtverhältnis
| fie bewirkt aber
auch keine Verlängerung der Dauer der Wider—
ruflichkeit. Die Beförderung des unwiderruflichen
Beamten iſt unwiderruflich; im Geſetz iſt das nicht
ausdrücklich geſagt, es ergibt ſich aber daraus, daß
das Geſetz nur die Widerruflichkeit des „Dienſt—
verhältniſſes“ innerhalb einer beſtimmten Probe—
zeit kennt (ogl. Begr. zu Art. 6 S. 88); daß
die Mehrzahl der in der Geſetzesbeilage I B auf:
gezählten Beamtenſtellungen wohl nie vor Er—
langung der Unwiderruflichkeit erreicht find, darf
nicht irre machen.
Die Regelung entſpricht dem ſeitherigen Rechte;
nach dieſem konnte aber die Beförderung provi—
ſoriſch nach $ 3 der IX. VerfB. durch Ernennung
zum Verweſer erfolgen und war diesfalls 3 Jahre
lang widerruflich; der proviſoriſch Beförderte genoß
388
bis zum allenfallſigen Widerruf die mit der höheren
Stelle verbundenen Rechte. Nun ſagt die Begr.
zu Art. 6 (S. 88), die bisher beſtandene Möglich:
keit, jede Beförderung zunächſt nur proviſoriſch
eintreten zu laſſen, erſcheine in Zukunft nr
ſchloſſen; man wird angeſichts des Art. 27 Abſ. 2
ſofort eines Schlimmeren belehrt; dieſer ſagt: „Auch
kann .. . ein bereits ernannter Beamter zunächſt
ohne Aenderung ſeines Gehalts oder unter vor:
läufiger Gewährung einer Zulage mit der Ver⸗
ſehung einer Amtsſtelle betraut werden, für die
in der Gehaltsordnung ein höherer Gehalt vor⸗
geſehen iſt.“ Das Ergebnis iſt, daß nicht einer
ſchädlichen Verweſerwirtſchaft (vgl. Seydel Bd. II
S. 204) ein Riegel vorgeſchoben iſt, ſondern im
Gegenteil zum Schaden der Beamten die Beſetzung
höherer Stellen ohne die bisher mit der provi⸗
ſoriſchen Beförderung verbundene Erhöhung im
Rang und Gehalt ermöglicht iſt; die beruhigenden
Verſicherungen des Finanzminiſters bei den Aus⸗
ſchußberatungen laffen hoffen, daß von dieſer Er-
mächtigung nur ganz ausnahmsweiſe Gebrauch
gemacht wird.
Die Stelle eines Richters oder eines Mitglieds
des Verwaltungsgerichtshofs und des oberſten
Rechnungshofes darf nicht mit einem Verweſer
beſetzt werden (Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 1; Aus⸗
nahme f. Art. 2 des AG. z. 6885. und zum 3G.
Dafür, daß ein Beamter durch Ueberführung in
eine höhere Gehaltsklaſſe keine Einbuße an Dienſt⸗
einkommen oder an Ausſicht auf Vorrückung in
eine höhere Dienſtaltersſtufe erleidet, trifft Art. 30
Vorſorge.
In der Uebergangszeit bleiben bei Berechnung
des Ruhegehalts, des Witwen- und Waiſengeldes
und der Waiſenunterhaltsbeiträge unter Umſtänden
die nach dem Inkrafttreten des Geſetzes erfolgten
Beförderungen der Beamten außer Betracht
(Art. 213 - 215), worauf noch zurückzukommen
ſein wird.
Das B. enthält keine Beſtimmungen über den |
Nang
der Beamten; in ſeinen Vorſchriften ſpielt der
Rang eine Rolle bei der Verſetzung (Art. 9) und
Strafverſetzung (Art. 109 Abſ. 1) und bei der
Wiederberufung der eeinſtweilen, zeitlich oder dauernd
in den Ruheſtand verſetzten Beamten (Art. 42
und 64 Abſ. 1). Die geltenden Beſtimmungen
über die Rangverhältniſſe der Beamten bedürften
dringend einer Neuregelung. Die Rangverhältniſſe
richten ſich keineswegs nach den Gehaltsordnungen
($ 2 der VO. vom 11. Juni 1892 die Gehalts-
bezüge der pragmatiſchen Staatsdiener betr. und
S 10 der VO. vom 26. Juni 1894, ferner 82 der VO.
vom 6. September 1908, die Gehaltsverhältniſſe der
etatsmäßigen Staatsbeamten betr.) ſondern immer
noch nach dem Generalmandat vom 21. März 1800
und den ſeitdem über den Dienſtrang erlaſſenen
— —— ͤ wWͤvb— — — — —
388 Beltidrift für Rechtspflege für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 9. 1908. Nr. 20.
Verordnungen; die Rangverhältniſſe der Richter,
Staatsanwälte und Gerichtsſchreiber ſind in der
VO. vom 23. Auguft 1879 zum Vollzug des
AG. z. GVG. (SS 5, 6, 14 und 24) geregelt;
im agen kann auf die Darſtellung der Rang⸗
verhältniſſe der bayeriſchen Staatsdiener in Webers
Geſ. u. VS. zn (1894) ©. 464 und auf
die Schrift O. Rebers. Rangordnung für die
Kgl. bayer. Hof- und Staatsbeamten, ſowie für
das Militär, verwieſen werden. Bei Verſetzung
in den Ruheſtand und ſelbſtverſtändlich bei Ent:
laſſung aus anderen Gründen erliſcht der Rang.
Es kann dem Beamten auch ein höherer Rang
als der mit ſeiner dienſtlichen Stellung verbundene
beſonders verliehen werden (ſ. bezüglich der Über:
amtsrichter, Landgerichtspräſidenten und Staats⸗
anwälte § 6, 15 der VO. vom 23. Auguſt 1879).
Das Dienſtverhältnis begründet eine Reihe von
Pflichten und Beſchränkungen der Beamten, als
deren wichtigſte im Abſchn. II beſonders genannt
werden:
A. Pflichten:
1. Die Pflicht zur gewiſſenhaften, geſetzmäßigen
Amtsführung; der Beamte hat, wie das Geſetz ſich
ausdrückt, alle Obliegenheiten des ihm übertragenen
Amtes den Geſetzen, Verordnungen und Dienſt—
vorſchriften entſprechend gewiſſenhaft wahrzunehmen
(Art. 11). Dem Staate gehört die volle Arbeits:
kraft des Beamten; ſeine Pflicht zur Dienſtleiſtung
iſt keine gemeſſene, ſie erſchöpft ſich daher auch
5 in der Verſehung des ihm übertragenen Amtes,
oferne dieſes nicht ſeine volle Zeit und Kraft in
An ſpruch Pe folgerichtig können ihm, ſoweit
nicht geſetzliche Verbote der Aemterhäufung beſtehen,
mehrere Aemter übertragen werden. Die Be—
ſtimmung des Art. 26 Abſ. 3 BG.: „Keinem
Beamten können gleichzeitig mehrere Amtsſtellen
im Hauptamte übertragen werden! ſtellt kein Aemter⸗
häufungsverbot im Sinne eines Schutzmittels gegen
übermäßige Belaſtung vor, ſondern ſchneidet dem
Beamten, dem mehrere Aemter aufgebürdet werden,
nur den Anſpruch auf ein mehrfaches Dienſtein—
kommen ab; es können ihm nur nicht mehrere
Amtsſtellen im Hauptamt übertragen, wohl aber
können ihm außer dem Hauptamte weitere Amts:
ſtellen im Nebenamte aufgebürdet werden; ebenſo
können ihm Nebengeſchäfte zugewieſen werden; die
Beſtimmung des Art. 19 HG., daß der Beamte
die Uebernahme von Nebenämtern oder Neben:
geſchäften im ſtaatlichen Dienſte nicht verweigern
kann, iſt daher keine beſondere, neben der allge—
meinen Dienſtpflicht beſtehende Verflichtung, ſondern
nur die Folge der Pflicht zu ungemeſſener Dienſt—
leiſtung und bringt auch gegenüber dem bisherigen
Rechte nichts Neues; die Pflicht des Beamten zur
Uebernahme von Nebenämtern und Nebengeſchäften
beſteht aber nur dann, wenn dieſe ſeiner Berufs:
bildung und dienſtlichen Stellung entſprechen; dieſe
Einſchränkung entſpricht ebenfalls dem bisherigen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 389
Rechte, wenigſtens dann, wenn man das Dienft- ihren Wohnſitz nehmen und beſtimmt das Staatz-
verhältnis als auf Vertrag gegründet anſieht. miniſterium der Juſtiz, inwieweit benachbarte Orte
Einen Rechtsbehelf hat der Beamte gegen die Auf: im Sinne dieſer Vorſchriften als ein Ort anzu⸗
bürdung von Nebenämtern und Nebengeſchäften ſehen ſind.
nicht, die Entſcheidung, ob er nicht überbürdet iſt 2. Die Pflicht des Beamten, ſich durch ſein
und ob Nebenamt oder Nebengeſchäft ſeiner Be⸗ Verhalten in und außer dem Amte der Achtung
rufsbildung und dienſtlichen Stellung entſprechen, di ˖
17 0 den vorgeſetzten Dienſtbehörden ausſchließ⸗ 12 00 a e
lich zu. | Die Vorſchrift iſt nicht ſo harmlos, als es auf
d Da nach 5 4 des EG. z. GG. nur den den erſten Blick ſcheint; daß der Beamte ſich eines
ordentlichen Gerichten als ſolchen Gegenſtände der achtungswürdigen Verhaltens zu befleißigen habe
Verwaltung, außer ſolchen der Justizverwaltung. darf wohl als ſelbſtverſtändlich gelten; man kann
nicht übertragen werden dürfen, beſteht reichs⸗ aber darüber ſehr verſchiedener Meinung ſein, ob
rechtlich kein Hindernis für die Uebertragung von ein beſtimmtes Verhalten des Beamten z. B. auf
Verwaltungsgeſchäften irgendwelcher Art auf ein: dem Gebiete der Politik oder der Kritik würdig
zelne Richter; dagegen ergibt ſich eine Beſchränkung oder unwürdig iſt; nun bildet aber die Vorſchrift
der Befugnis zur Mebertragung von Nebengeſchäften des Art. 11 über das Betragen des Beamten eine
aus der Vorſchrift des $ 152 GVG., daß Staats⸗ der wich
: = N r wichtigſten materiellen Grundlagen des Dienſt⸗
anmälten richterliche Geſchäfte nicht übertragen ſtrafrechtes, das keine beſtimmten ſtrafbaren Tat⸗
werden dürfen und aus Art. 2 des VGH. hin: . : i
ſichtlich der Verwendung der Mitglieder dieſes Ge- ner u "di ee 91
richtshofes zur ſtändigen Verwendung im Der: V . f
waltungsdienſte. Ueber die Verpflichtung der Ge- Hl en 6 1 a
richte und Staatsanwälte zur Erſtattung von denken erregt, das in Art. 1 Ziff. 2 den Beamten
Gutachten über Angelegenheiten der Geſetzgebung eines Dienſtvergehens ſchuldig erklärt, der ſich durch
und Juſtizverwaltung I. Art. 1> AG. z. 636. ſein a. in oder außer en Amte der Achtung,
Aus der Pflicht zur Amtsführung ergibt ſich die ſein Beruf fordert, unwürdig zeigt, und hat zu
von ſelbſt die Präſenzpflicht und die Reſidenzpflicht; Abänderungsanträgen und langen Exörterungen
auch dieſe können daher nicht als beſondere Pflichten Anlaß gegeben; auf die intereſſanten Verhand⸗
betrachtet werden; das BG. enthält denn auch über lungen kann hier nur verwieſen werden (Vhdl. d.
die ſogenannte Präſenzpflicht keine eigene Beltim: | K. d. Abg. 1880 Sten B. Bd. V S. 20, 21,
mung, ſondern beſchäftigt fih nur in den von | 23—30, Beil. Bd. X S. 194). Wie damals find
Sonntagsruhe und Urlaub — die Beſtimmungen auch bei Beratung des Beamtengeſetzes die auf
hierüber beeinfluſſen die Präſenzpflicht, ihre Cr: Schutz freier Meinungsäußerung auf politiſchem,
laſſung ift aber der Staatsregierung übertragen‘) — religiöſem und wiſſenſchaftlichem Gebiete abzielenden
„ Pi 15 1 5 0 Anträge abgelehnt worden.
er unerlaubten Fernhaltung vom Amte und dem e ?
Verfahren zur Verwirklichung dieſer Folgen, worauf Dienſtbeſch 1 ku 2. 1
noch zurückzukommen ift; dagegen regelt es in antwortung trifft den Befehlenden. Für einzelne
Art. 21 die ſog. Reſidenzpflicht, die ſich eigentlich J . . j
als eine aus der Dienftpflicht ergebende Beſchränkung Dienſtzweige kann die Gehorſamspflicht und Ver⸗
|
|
|
in der Wahl des Wohnſitzes darſtellt: Der Be⸗ antwortung abweichend von der allgemeinen Norm
f i lt werden (Art. 12 Abſ. 1 und 2). Die
amte hat ſeinen Wohnſitz derart zu nehmen, daß . f 1 l
hierdurch die Erfüllung feiner dienstlichen Obliegen— dienſtliche Gehorſamspflicht gilt für Beamte ſoweit
5 VF ; icht, als fie die richterliche Gewalt ausüben
heiten nicht beeinträchtigt iſt. Ob der Wohnſitz fich i 15 ;
dieſer Anforderung entſpricht, wird, wenn ein (Art. 12 Abf. 3; dazu für Richter der ordent
= lichen Gerichte $ 1 CVG., Tit. VIII § 3 der
Zweifel darüber beſteht, von der vorgeſetzten Dienſt— 1 i a f
behörde entſchieden“. Die Beſtimmung enthält Verfll.): es ift zu beachten, daß bie Ausnahme⸗
r R a beſtimmung des Abſ. 3 des Art. 12 nicht von
5 V ; . l Saun i
55 KEN ee richterlichen Beamten ſpricht ; auch nichtrichterliche
anwälte und Gerichtsvollzieher beſtanden Beamte ſchulden den dienſtlichen Gehorſam nicht,
Dieſe Bori christen 3 Art. 6 und 53 AG. ; ſoweit ſie zur Ausübung richterlicher Funktionen
i — Art. 1 i
in Streit- oder Disziplinarverfahren oder im ver:
GVG., IJMBek. vom 11. September 1879 JW. waltunasrechtlichen Verf berufen ſind.
S. 642; 8 9 Abi, 2 der Ger Volz. vom altungsrechtlichen Verfahren berufen ſin
16. Dezember 1899 IM Bl. S. 517 — bleiben 4. Die Pflicht zur Beobachtung der Amts⸗
in Geltung: ee bicie Beamten am verſchwiegenheit. Sie dauert auch nach Auflöſung
Site des Gerichts bei dem ſie angeſtellt ſind, des Dienſtverhältniſſes fort. Die dieſe Pflicht feſt—
legende Vorſchrift des Art. 13 BG. entſpricht genau
der Vorſchrift des Art. 106 des AG. z. StPO.
9 Di beſtehend Vorſchrift bei Weber ; 1 . ,
JJ Die Verletzung dieſer Pflicht hat unter beſtimmten
Geſ. u. VS. IV S. 559, XXX S. 290.
Vorausſetzungen e ai Folgen ($$ 92 Ziff. 1
88 353a, 355 StGB.).
Die Pflicht zur Leiſtung des Dienſteides
At. 23). Der Eid iſt regelmäßig vor dem Dienſt⸗
antritt zu leiſten; die Gültigkeit der Amtshand⸗
lungen iſt jedoch von der Leiſtung des Eides nur
abhängig, wenn beſondere Geſetze für die Ueber⸗
nahme gewiſſer Aemter die Ableiſtung eines Dienſt⸗
eides ausdrücklich vorſchreiben, wie das AG.
z. GWG. Art. 2—4 den Amtseid der Richter;
ſonſt iſt die unterbliebene Verpflichtung auf die
Gültigkeit der Amtshandlungen und auf die Ver⸗
antwortlichkeit für Pflichtverletzungen ohne Einfluß.
Der geleiſtete Eid verpflichtet auch für alle ſpäter
übertragenen Aemter; ſo daß bei Aenderungen der
dienſtlichen Stellung (auch bei Wiedereinſtellung
eines entlaſſenen Beamten?) weder eine Wieder⸗
holung der Eidesabnahme noch eine Zurück⸗
erinnerung an den geleiſteten Eid erforderlich iſt;
trotzdem formuliert das Geſetz keinen einheitlichen
Dienſteid; falls nicht die Ausführungsvorſchriften
eine Aenderung bringen, ſind nach wie vor die
bisher vorgeſchriebenen verſchiedenen Dienſteide ab⸗
zunehmen; es kann auf deren Zuſammenſtellung
in Schweitzers Juriſtenkalender 1908 S. 98—95
verwieſen werden (ſ. auch im Generalregiſter zu
Webers Geſ. u. VS. unter „Verpflichtung“).
Wegen krimineller Strafbarkeit einer falſchen
amtlichen, unter Berufung auf den Dienſteid vor
einer zur Abnahme von Eiden zuſtändigen Pe-
hörde abgegebenen Verſicherung f. § 155 Z. 3 StGB.
Wegen Entbindung von der Verpflichtung zur
Amtsverſchwiegenheit aus Anlaß gerichtlicher Ber-
nehmungen f. Bek. vom 7. Januar 1882 GVBl.
S. 39.
B. Nechtsbeſchränkungen.
1. In bezug auf Verehelichung.
Nach bisherigem Rechte bedurften alle prag—
matiſchen und nichtpragmatiſchen Staatsdiener und
ſonſtige im Staatsdienſte nicht bloß widerruflich
verwendeten Perſonen der Verehelichungsbewilligung
($ 1 der VO. vom 28. Auguſt 1868 RBI.
S. 1633; § 6 der VO. vom 26. Juni 1894;
§ 1 Abſ. 1 GerVollz O. und VO. vom 16. Juli 1870
RBL. S. 1281; $ 40 RMilG.; vgl. $ 38
PStG.).
Die nur widerruflich im Staatsdienſte ver:
wendeten Perſonen hatten bei Vermeidung der
Entlaſſung aus der Verwendung, die Staatsdienſt—
aſpiranten bei Meidung der Streichung aus den
Bewerberliſten Anzeige von der beabſichtigten Ver—
ehelichung zu erſtatten und dem dienſtaufſichtlichen
Einſpruch ſich zu fügen.
Nach Art. 17 des BG. bedürfen in Zukunft
nur noch die Angehörigen jener Beamtenklaſſen,
Beitſchrift für Rechtspflege in Ba in in Bayern. 1908. Nr. 20.
— —— — ́ʒꝗ—
ehelichung der zuſtändigen Dienſtbehörde lediglich
rechtzeitig anzuzeigen hat. Entſprechend dem bis⸗
herigen Rechte darf die Erlaubnis nur verweigert
werden, wenn der Eingehung der Ehe dienſtliche
Bedenken entgegenſtehen; fiskaliſche Intereſſen
dürfen nicht in Betracht gezogen werden.
Seither hatte die Nichteinholung der dienſt⸗
lichen Erlaubnis die Folge, daß Witwe und
Kinder keine Penſions- und Unterhaltsan⸗
ſprüche erlangten (Art. 24 $ 23 der Haupt⸗
landespragmatik; $ 33 der VO. vom 26. Juni
1894); das BG. kennt dieſe Folge nicht; dieſe
Aenderung iſt nicht von großer praktiſcher Be⸗
deutung. Denn der Mangel der vorgeſchriebenen
Verehelichungsbewilligung bildet ein aufſchiebendes
Ehehindernis ($ 1315 BGB.); der Standesbeamte
muß vor Beibringung der dienstlichen Verehelichungs⸗
bewilligung die Eheſchließung ablehnen (Anw.
z. Vollz. des PStG. Ziff. 35 0 JMBN. 1900
S. 897). Sollte dem Beamten, für den das Er:
fordernis dieſer Bewilligung in Zukunft beſtehen
wird, die Eheſchließung ohne dienſtliche Bewilligung
gelingen, wird ihn je nach ſeiner Stellung als
widerruflicher oder unwiderruflicher Beamter die
Dienſtentlaſſung auf adminiſtrativem Wege oder
durch Disziplinarerkenntnis in der Regel treffen
und damit für ſeine Familie der Verluſt der
Hinterbliebenenverſorgung eintreten.
Für die Beamten, für welche in Zukunft das
Erfordernis dienſtlicher Verehelichungsbewilligung
wegfäallt, entfällt das Ehehindernis des $ 1315
des BGB.; der Eheſchließung ſteht kein rechtliches
Hindernis entgegen, auch wenn die Dienſtbehörde
die Eheſchließung mißbilligt; damit iſt aber nicht
gejagt, daß der Staat die mißbilligte Ehe—
ſchließung eines Beamten, dem nur noch die
Pflicht der Anzeige der beabſichtigten Verehelichung
obliegt, ruhig hinnehmen muß. Die Begr. zu
Art. 17 des Entw. läßt keinen Zweifel darüber,
daß die vorgeſchriebene Anzeige nicht etwa bloß dem
Zweck dient, daß die Dienſtbehörde von der be—
abſichtigten Aenderung des Familienſtandes des
Beamten Kenntnis nimmt, ſondern dieſer Ge—
legenheit zur Prüfung geben ſoll, ob der beab—
ſichtigten Ehe dienſtliche Bedenken entgegenſtehen
und daß ſolche Bedenken dem Beamten unter
Hinweis auf die möglichen Folgen mitzuteilen
für welche durch Verordnung die Einholung der
dienſtlichen Verehelichungsbewilligung vorgeſchrieben
wird, der Verehelichungsbewilligung, während als
Regel gilt, daß der Beamte die beabſichtigte Ver—
|
find; fie fügt an, der Beamte habe es dann in
der Hand, von der Verehelichung abzuſtehen, oder
die Folgen, die ſich „beiſpielsweiſe durch die Not⸗
wendigkeit einer Verſetzung auf eine andere Stelle
oder nötigenſalls infolge disziplinären Einſchreitens
ergeben, auf ſich zu nehmen“.
Was dieſe möglichen Folgen betrifft, kann der
unwiderrufliche Beamte allerdings nach Art. 8
Abſ. 1 verſetzt, oder nach Art. 8 Abſ. 2 entlaſſen
werden; der unwiderrufliche Beamte kann nach
Art. 9 verſetzt werden; ein Einſchreiten im Dis—
ziplinarwege gegen den unwiderruflichen Beamten
wegen Mißachtung der dem Beamten bekannt
Zeitſch rift für ür Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 391
— — — —
gegebenen Mißbin gung der Eheſchließung kann | weiter, als fie an die Stelle der Zuläſſigkeit des
aber nicht erfolgen. Denn das Geſetz räumt den Verbots ein allgemeines Verbot ſetzt; der un⸗
Dienſtbehörden gegenüber dem Beamten, dem nur beſtimmte Begriff „dienſtliche Intereſſen“, worunter
die Anzeigepflicht obliegt, kein Einſpruchsrecht ein; man ſchließlich alles unterbringen fann, ift ſtehen⸗
die Bekanntgabe der Mißbilligung ſtellt auch geblieben. Durch die gleichzeitigen Aenderungen
keinen Dienſtbefehl vor; das Geſetz bietet auch der Art. 118 und 138 Abſ. 2, zufolge deren
ſonſt keine Handhabe. den Beamten in ſolchem nunmehr zur Verhängung von Dienſtſtrafen wegen
Falle wegen Ungehorſams zu faſſen. Das Dienſt⸗ Zuwiderhandlung gegen die Vorſchrift des Art. 16
ſtrafrecht kann daher nur in dem Falle einſetzen, in allen Fällen, alfo hier ausnahmsweiſe auch
daß die vom Staate mißbilligte Eheſchließung fih | von Ordnungsſtrafen, nur die Disziplinargerichte
auf Grund des Art. 11 des Gef. als Dienft: zuſtändig find, dürfte die Gefahr einer bedenklichen
vergehen darſtellt, weil das außerdienſtliche Ver- Auslegung des Verbots beſeitigt fein. Es wird
halten des Beamten die Achtung ſchädigt, die ſein auch nicht in allen Fällen, in denen das Disziplinar⸗
Beruf erfordert; das wird z. B. zutreffen, wenn gericht den objektiven Tatbeſtand eines Dienſtver⸗
der Beamte eine verrufene Perſon heiratet. geheng nach Art. 16 feſtſtellt, Beſtrafung erfolgen
2. Das Verbot der Teilnahme an Vereinen, können; die Verwarnung der Aufſichtsbehörden allein
deren Zwecke oder Beſtrebungen den ſtaatlichen oder wird nicht immer zum Nachweiſe ausreichen, daß
dienſtlichen Intereſſen zuwiderlaufen (Art. 16). der Beamte, der es in einem zweifelhaften Falle
Dieſes Verbot ift an die Stelle des ſcharf- auf die Entſcheidung der Disziplinargerichte an-
umſtrittenen Art. 16 des Entw. getreten, welcher kommen läßt, erkeunen mußte, daß Zwecke oder
beſagte: „Dem Beamten kann die Teilnahme an Beſtrebungen des Vereins ſtaatlichen oder dienſt—
beſtimmten Vereinen aus dienſtlichen Gründen lichen Intereſſen zuwiderlaufen.
unterſagt werden.“ Die Staatsregierung ſtellte Die Aenderung gegenüber dem Entwurfe läßt
ſich auf den Standpunkt, die Vorſchrift des keinen Zweifel, daß die Staatsregierung nicht be—
Art. 16 entſpreche im weſentlichen den bisherigen fugt fein fol, dem Beamten die Teilnahme an
Beſtimmungen, nur ſei das Verbot ſeither nur Vereinen zu verbieten, welche nicht ſchon auf Grund
„auf dem Umwege des Dienſteids“ wirkſam ge- des Art. 16 verboten find; etwa ergehenden Ber-
weſen. Das dürfte nicht vollſtändig zutreffend fein. | boten kann nur die Bedeutung einer Erklarung
Der Vereinseid hat ſich aus dem ſog. Illumi⸗ zukommen, daß die Regierung einen Verein als
nateneide entwickelt. Früher waren alle geheimen einen verbotenen nach Art. 16 BG. betrachtet;
Geſellſchaften und Verbindungen verboten, nicht nur unter dieſem Geſichtspunkt wird auch der
nur für die Staatsdiener, ſondern für alle Unter: ME. vom 18. März und 3. April 1850 (Weber,
tanen; die Staatsdiener ließ man ſchwören, daß Geſ. u. V. S. IV S. 103), welche den bei den unmittel⸗
fie keiner geheimen oder (allgemein) verbotenen baren Polizeiſtellen und Behörden verwendeten, mit
Geſellſchaft oder Verbindung angehören; Grund | der Beaufſichtigung politiſcher Vereine befaßten
des Verbotes und Eides war die vermeintliche | Staatsbeamten die Teilnahme an politiſchen Ber-
Staatsgefährlichkeit geheimer Geſellſchaften; die einen verbietet, noch Bedeutung beigemeſſen werden
Tendenz, den Beamten die andern Untertanen können. Es iſt aber nicht unzweifelhaft, ob die
nicht unterſagte Teilnahme an einer Geſellſchaft Faſſung des Art. 16 das Verbot der Teilnahme
aus dienſtlichen Intereſſen zu verbieten, taucht der Polizeibeamten an politiſchen Vereinen deckt,
jedoch ſchon in der Allerh. Entſchl. vom 20. Fe: obwohl mit Sicherheit anzunehmen ift, daß fie
bruar 1808 auf, welche die Mitgliedſchaft von ſolche und ähnliche Fälle nach Abſicht des Geſetz—
Staatsdienern bei Freimaurerlogen, die damals gebers decken ſoll; der Grund des Verbots der
nicht mehr zu den „unbedingt verbotenen“ Ge- bezeichneten ME. liegt darin, daß ſich die Mit—
ſellſchaften gehörten, für unzuläſſig erklärte. Nach gliedſchaft mit der Tätigkeit eines Kontrollorgans
dem Inkrafttreten des Vereinsgeſetzes vom 26. Fe- | nicht wohl verträgt; das Verbot des Art. 16 aber
bruar 1850 ſchrieb die VO. vom 15. März 1850 ſtellt darauf ab, daß Zwecke oder Beſtrebungen
einen Eid vor, mit dem der Staatsdiener zu ge: | des Vereins ſelbſt den ſtaatlichen oder dienſtlichen
loben hatte, daß er keinem dem Staate nicht an- Intereſſen zuwiderlaufen, was man von vielen
gezeigten Vereine angehören oder beitreten und politiſchen Vereinen nicht wird behaupten können.
in keinem Verbande mit einem von der zuſtändigen Die VO. vom 15. März 1850, welche die
Stelle geſchloſſenen oder ſolchem Vereine bleiben Abnahme des Vereinseides vorſchreibt, muß als
werde, an welchen ihm die Teilnahme in Gemäß: durch Art. 220 Abſ. I des BG. aufgehoben er:
heit der jeweils beſtehenden Disziplinarvorſchriften achtet werden; dem Verlangen einer eidlichen Ver—
„unterſagt fein wird“ (Weber, Gel. u. VS. I ſicherung feinem nach Art. 16 verbotenen Vereine
S. 138, 154, 462; II S. 615; IV S. 101 anzugehören oder beizutreten, würde Art. 16 des
und 103). Geſetzes nicht entgegenſtehen; aber ein Eid, keinem
Die Faſſung des Art. 16 könnte gegenüber Verein anzugehören, deſſen Bildung dem Staate
jener des Entwurfs für ſich allein als keine Ver- nicht angezeigt iſt, kann von dem Beamten nicht
beſſerung angeſehen werden, fie geht inſoferne noch | mehr gefordert werden.
— ————— — ———e — — ͤ äwÄo . —ñů33ů33ů3ů3ꝛ3˖ꝛ.ññÜX3'—2Vs.. ĩ —— — — —— — — —— —
3. Das Verbot der Annahme von Titeln,
Ehrenzeichen und Gehalten von anderen Regenten
oder Regierungen ohne Erlaubnis des Königs oder
der vom König ermächtigten Behörde, das in Art. 20
BG. Aufnahme gefunden hat, ſtellt eine ſpezielle
Rechtsbeſchränkung der Beamten nicht dar, da es
nach Tit. IV 8 14 Abſ. 2 der Verfll. für alle Staats⸗
angehörigen gilt (ſ. dazu Bek. vom 15. Oktober 1811
und 17. Juni 1835 RegBl. S. 1583 und 645;
JIMBek. vom 23. Januar 1887 IMBI. S. 40;
Strafbeſtimmung § 360 Nr. 8 StGB.); der be-
zeichnete Art. fügt aber als Rechtsbeſchränkung der
Beamten das neue Verbot der Annahme von Be:
lohnungen und Geſchenken von anderen Regenten
und Regierungen ohne die vorbezeichnete Erlaubnis
an und das weitere Verbot, ſonſtige Belohnungen
oder Geſchenke, die dem Beamten in bezug auf
ſein Amt zugedacht ſind, ohne Erlaubnis der zu—
ſtändigen Dienſtbehörde anzunehmen; ein allge—
meines Verbot letztbezeichneten Inhalts hat bisher
nicht beſtanden, wohl aber fanden fih ſolche Ber-
bote in Dienſtesinſtruktionen (3. B. § 14 der DInſtr.
für die Gendarmerie vom 20. September 1879).
Die Annahme von Geſchenken und anderen Vor—
teilen iſt unter gewiſſen Vorausſetzungen nach § 331,
332, 334 StGB. als Beſtechung ſtrafbar.
4. Beſchränkungen in der außerdienſtlichen
Tätigkeit. Art. 18 Abſ. 1 des BG. ſtellt in Leber:
einſtimmung mit > 21 Abſ. 3 der IX. VerfB.
als Grundſatz auf, daß der Beamte ein Neben:
amt oder Nebengeſchäft nur übernehmen darf, fo-
weit dies mit der gewiſſenhaften Erfüllung ſeiner
Pflichten und mit der Achtung, die ſein Beruf er—
fordert, vereinbar iſt; es iſt dies eigentlich nur ein
Folgeſatz aus der Vorſchrift des Art. 11 über die
Dienſtpflicht; als weitere ſelbſtverſtändliche Folge
ergibt ſich, daß dem Beamten jede auch an ſich
erlaubte Art von Nebenbeſchäftigung inſoweit unter—
ſagt werden kann, als ſie die Erfüllung der
Dienſtesaufgabe beeinträchtigt. Der Staat ver—
ſchafft ſich nun eine Kontrolle über die außerdienſt—
liche Tätigkeit des Beamten in gewiſſem Umfange
dadurch, daß er dem Beamten eine Anzeigepflicht
für eine Anzahl von Nebenbeſchäftigungen auferlegt.
Der Beamte hat ſeiner vorgeſetzten Dienſt—
behörde anzuzeigen: die Uebernahme eines unbe—
zahlten Nebenamtes im Dienſte des Reiches oder eines
anderen Bundesſtaates, einer ehrenamtlichen Stel—
lung in den Verwaltungsorganen einer Gemeinde,
Anſtalt, Stiftung, Kaſſe, Religions- oder Kirchen:
geſellſchaft, Erwerbsgeſellſchaft oder Genoſſenſchaft,
des Amtes eines Schiedsrichters, Teſtamentsvoll—
ſtreckers, Vormundes, Pflegers oder Beiſtandes,
oder einer anderen Verwaltung fremder Angelegen—
heiten (Art. 18 Abſ. 2). Dieſe Vorſchriften ent—
ſprechen dem ſeitherigen Rechte (VO. vom 10. März
1868 RegBl. 449), das nur eine ausdrückliche
Vorſchrift hinſichtlich der Uebernahme von Aemtern
im Dienſte des Reiches und eines Bundesſtaates
nicht kannte, weil als ſelbſtverſtändlich galt, daß
Zeitſchrift für Rechtspflege in! in Bayern. 1 1908. Nr. 20.
die Beſchäftigung eines bayeriſchen Staatsdieners
in außerbayeriſchen Dienſten nur mit Wiſſen und
Willen der Regierung erfolgen kann; die ſeitherige
Vorſchrift der Anzeige der Übernahme von Funk⸗
tionen bei Vereinen, die nicht bloß Förderung der
Geſelligkeit oder von Kunſt und Wiſſenſchaft be-
zweckten ($ 1 der VO. vom 10. März 1868 mit
ME. vom 13. November 1868 JM Bl. S. 245)
war noch in den Geſetzentwurf übernommen, iſt
aber geſtrichen worden.
Eigentliche Beſchränkungen der außerdienſtlichen
Tätigkeit begründen nur die Vorſchriften des Ge-
ſetzes, welche die Entſaltung einer außerdienſtlichen
Tätigkeit aus anderen Gründen als wegen Beſorg⸗
nis einer Beeinträchtigung der richtigen Erfüllung
der Dienſtesaufgaben von Einholung der Erlaub—
nis der zuſtändigen Dienſtbehörde abhängig machen.
Hierher gehört das Verbot des Art. 15, ohne Er:
laubnis der vorgeſetzten Behörde als Sachver—
ſtändiger außergerichtliche Gutachten abzugeben.
Wenn die Aeußerung des Finanzminiſters
hierzu bei den Ausſchußberatungen im Berichte
S. 12 richtig wiedergegeben iſt, daß es ſich bei
dieſem Verbote nur um die Verarbeitung von
Material handle, das dem Beamten auf Grund
ſeiner Dienſtesſtellung zur Kenntnis gelangt ſei
und das unter das Amtsgeheimnis falle, war
dieſe Auslegung irrig; zur Verhütung der Er—
ſtattung von Gutachten, die nur unter Verletzung
der Pflicht der Amtsverſchwiegenheit erſtattet
werden könnten, bedurfte es im Hinblick auf
Art. 14 keiner beſonderen Beſtimmung; die Be—
deutung des Art. 15 liegt gerade in der Unter:
ſagung der Abgabe von Gutachten über Gegen—
ſtände, die nicht unter das Amtsgeheimnis fallen,
und das Verbot beſchränkt ſich nicht einmal auf
die Verwertung ſolcher Kenntniſſe und Erfahrungen,
die der Beamte in ſeinem Berufe geſammelt hat.
ſondern gilt ganz allgemein, da das Geſetz nicht
nach dem Gegenſtand des Gutachtens unterſcheidet.
Nur dieſe Auslegung entſpricht dem Wortlaut und
dem Zweck der Beſtimmung, der in der Wahrung
der Unbefangenheit des Beamten und in der Ber:
hütung der Ausbeutung der amtlichen Stellung
des Gutachters zu Spekulation und Reklame zu
ſuchen iſt. Es iſt auch gleichgültig, ob das Gut—
achten entgeltlich oder unentgeltlich erſtattet wird.
Zur Abgrenzung des Begriffs des Sachverſtändigen—
gutachtens gegenüber der literariſchen Arbeit dient
als Prüfſtein, ob die Meinungsäußerung der
Allgemeinheit oder nur praktiſchen (rechtlichen oder
wirtſchaftlichen) Zwecken Einzelner oder doch eines
beſchränkten Intereſſentenkreiſes zu dienen beſtimmt
iſt; das Unterſcheidungsmerkmal wird auch dann
nicht verſagen, wenn die Umgehung des Geſetzes
durch Veröffentlichung des für einen Intereſſenten
erſtatteten Gutachtens in einem Fachblatt ver—
ſucht wird.
Ein gleichinhaltliches, für alle Beamten gültiges
Verbot beſtand bisher nicht. Wegen Abgabe ge—
richtlicher Gutachten vgl. § 76 Abſ. 2 StPO.,
$ 408 Abſ. 2 ZPO., Bek. vom 7. Januar 1882
Abſchnitte IV und V GVBl. S. 39—40.
Erlaubnis iſt ferner einzuholen zur Beteiligung
als Gründer an der Errichtung einer auf Gewinn
gerichteten Geſellſchaft, als welche jedoch eine
Genoſſenſchaft nicht gilt, deren Tätigkeit auf
den Kreis ihrer Mitglieder beſchränkt ift, ferner
zum Eintritt in den Vorſtand, Aufſichtsrat oder
Verwaltungsrat einer ſolchen Geſellſchaft (Art. 18
Abſ. 3 Ziff. 3). Die Erlaubnis darf nicht erteilt
werden, wenn mit der Tätigkeit unmittelbar oder
mittelbar ein Gewinn oder eine Entlohnung ver⸗
bunden iſt (Art. 18 Abſ. 4); dieſe Beſtimmung
wirkt als Verbot der Entfaltung einer gewinn⸗
bringenden Tätigkeit des Beamten auf dieſem
Gebiete.
Gründer einer Geſellſchaft ſind jene Perſonen,
welche die Geſellſchaft ins Leben rufen, in der
Regel alſo jene, welche den Geſellſchaftsvertrag
feſtſtellen; wo aber ein Geſetz, wie $ 187 des HGB.
für die Aktiengeſellſchaft, einen techniſchen Gründer⸗
begriff feſtſtellt, entſcheidet dieſer, wer Gründer
iſt. Nur der Beamte, der „als Gründer“ einen
Gewinn zieht oder beabſichtigt, wird von dem
Verbote betroffen; ein Gewinn, den der Gründer
nicht als Gründerlohn, ſondern als Frucht ſeiner
kapitaliſtiſchen Beteiligung ohne Vorrechte vor
anderen Geſellſchaftsmitgliedern aus den Betriebs⸗
überſchüſſen erzielt, hindert die Erteilung der Er⸗
laubnis alſo nicht.
Die Verbote des Art. 18 Abſ. 3 Ziff. 3
weichen nur wenig vom ſeitherigen Rechte ab
(ſ. Landtagsabſchied vom 28. April 1872 § 51
Ziff. 1 und 3 GVBl. S. 264), dag die Teil-
nahme an einem Gründerkonſortium und die
Uebernahme beſoldeter Aufſichts⸗ und Verwaltungs⸗
ratsſtellen bei finanziellen und induſtriellen Unter⸗
nehmungen mit Ausnahme der genoſſenſchaftlichen
und weſentlich gemeinnützigen Inſtitute verbot.
Die Erlaubnis der zuſtändigen Dienſtbehörde
iſt ferner erforderlich:
a) Zum Betrieb eines Gewerbes im Sinne
der GewO. und zwar nicht bloß ſeitens des
Beamten ſelbſt, ſondern auch ſeitens der Ehefrau
oder einer andern dem Hausſtande des Beamten
angehörenden Perſon (Art. 18 Abſ. 3 Ziff. 1).
Die Einſchiebung der Worte: „Im Sinne der
Reichsgewerbeordnung“ in den Text der Vorſchrift
iſt dem Ausſchuß der Abgeordnetenkammer zu
verdanken; damit iſt zwar der Umfang des Ver⸗
bots der gewerblichen Tätigkeit des Beamten auch
noch kein ſcharf abgegrenzter geworden (f. Land:
mann, GewO. Einl. Ziff. 5), aber es bieten doch
Literatur und Rechtſprechung bereits ein reiches
Material zur Entſcheidung in Zweifelfällen, während
der Ausdruck „Gewerbe“ im Entwurf eine Ab:
grenzung gegen andere Erwerbsarten überhaupt
nicht ermöglicht hätte. Die Einſchränkung des
Gewerbebetriebes der Frau und ſonſtiger dem
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
|
393
Hausſtand des Beamten angehörenden Perſonen,
alſo nicht bloß der Familienmitglieder, ſoll zur
Verhütung der Umgehung des Geſetzes dienen;
die Einſchränkung iſt auf Grund des § 12 Abſ. 2
der GewO. zuläſſig.
Die Vorſchrift deckt ſich mit der bisher für
nichtpragmatiſche Staatsdiener geltenden Be⸗
ſtimmung des $ 7 der VO. vom 26. Juni 1894;
pragmatiſche Beamte waren ſeither von der Aus⸗
übung der ſtreng bürgerlichen Gewerbe, von der
Führung einer Bank oder ähnlichen Anſtalt und
von dem perſönlichen Betrieb einer Fabrik nach
8 21 Abſ. I und III der IX. Verf B. aus⸗
geſchloſſen; dagegen beſtand eine Beſchränkung des
Gewerbebetriebes der Angehörigen des pragmatiſchen
Beamten nicht.
b) Zur Uebernahme eines Nebenamtes oder
Nebengeſchäftes, womit eine Entlohnung verbunden
iſt (Art. 18 Abſ. 3 Ziff. 2); ob die Entlohnung
eine einmalige oder in beſtimmten oder unregel⸗
mäßigen Zeiträumen ſich wiederholende iſt, iſt
gleichgültig. Die Begründung zum Entwurf be⸗
tont, daß wiſſenſchaftliche, künſtleriſche und ſchrift⸗
ſtelleriſche Tätigkeit nicht unter den Begriff
„Nebengeſchäft“ fällt. Die Beſchränkung galt
ſchon bisher auf Grund der VO. vom 10. März 1868
I 3 Ziff. 2 RegBl. S. 451; $ 15 der GerVollzO.
Die erteilte Erlaubnis kann in allen Fällen
jederzeit zurückgenommen werden.
Nicht übernommen hat das Geſetz die nach
§ 21 Abſ. 2 der IX. Verf B. ſeither beſtehende
Beſchränkung der im äußern Dienſte der Rechts⸗
pflege, Verwaltung oder Finanzverwaltung an:
geſtellten pragmatiſchen Beamten in der Erwerbung
von Grundbeſitz innerhalb ihres Amtsbezirkes.
Als aufgehoben ſind wohl auch anzuſehen die
Vorſchriften, welche für einzelne Beamtenklaſſen
die Erholung der dienſtlichen Bewilligung zur
Pachtung von Jagden forderten (3. B. ME. vom
3. Juni 1863, die Pachtung von Jagden durch
ſtadt⸗ und landgerichtliche Beamte betr. JM Bl.
S. 11), da ſie kaum als Dienſtvorſchriften im
Sinne des Art. 11 des BGG. gelten können.
Beſchraänkungen, welche Geſetze den Beamten
oder einzelnen Beamtenklaſſen auferlegen (3. B.
Art. 229 des Berggeſetzes) beſtehen natürlich fort.
Aufgabe der
Dienftanfficht
ift es, die richtige Erfüllung der dienstlichen
Pflichten der Beamten zu überwachen und durch
Warnung, Rüge und Zwangsmittel den ſaͤumigen
Beamten dazu anzuhalten (vgl. Art. 71 AG. z.
GG.), ſowie nötigenfalls die Anregung zur
Einleitung des Disziplinarverfahrens zu geben.
Die Dienſtaufſicht erſtreckt ſich, ſoweit ihr
nicht, wie gegenüber den Richtern, engere Schranken
gezogen ſind, auf die geſamte dienſtliche Tätigkeit
der untergebenen Beamten. Der Entwurf des
BG. hatte ſich darauf beſchränkt, Vorſchriften über
394 _ Beitichrift für Rechtspflege in! in Bayern 1908. Nr. 20.
Rügerecht und Zwangsmittel aufzunehmen; auf nacheinander aus dem gleichen Anlaſſe verhängte
Grund der Ausſchußberatungen iſt eine die Quali: Zwangsſtrafen dürfen den Geſamtbetrag von
fikation der Beamten betreffende Vorſchrift ein- | 50 M nicht überſteigen.
gefügt worden. | Gegen die im I ira „
mahnungen und Warnungen und angewendeten
Bet, 19 Er ee the na | Zwangsmittel fteht dem Beamten kein Beſchwerde⸗
recht zu, nur die gegen jede dienſtliche Verfügung
wie vor durch die Staatsregierung erlaſſen; zufäffige Anrufung der hoheren Stelle um Ab-
bleiben die beſtehenden Vorſchriften, don en, hilfe im Dienſtauffichtswege fteht ihm offen.
wann und nach welchen 1 da ali | Die gegenüber nichtrichterlichen Beamten der
1 dad die Bet 3 = 110 Sl Juſtizverwaltung bereits in Art. 71 des AG. z.
Dal Februar 1886 und 19. Juli 1905 GVG. den Aufſichtsbehörden eingeräumte Befug⸗
(JM Bl. 1883 S. 293; 1886 S. 76, 1905 nis zur Verhängung von Zwangsſtrafen iſt dem
S. 781); ein Recht der Beamten auf Mitteilung Art. 104 BG. angepaßt worden und bleibt neben
der Qualifikation und ein förmliches Beſchwerde⸗ ar in 1 a 15
recht beſtand ſeither nur, ſoweit die für die ein⸗ auf Grun 3 En m 3- befriſ A 8 i
zelnen Reſſorts verſchiedenen Vorſchriften ſolches geſprochenen Zwangeſtrafen i D) iſtete Be⸗
i ſchwerde zuläſſig (Art. 72 a. a. O.).
17. Angus er Eee ee ER e Sowohl die auf Grund des Art. 71 AG. z.
TE GWG., als die nach Art. 104 BG. verhängten
L . 102 u
„ auf 1 . Zwangsſtrafen werden den Wohlfahrtseinrichtungen
der Einträge in feiner Qualifikationsliſte bekannt für a on a ee:
zu geben; der Zuſatz „weſentlich“ ift nicht ganz d . a gelten nicht für
klar; es iſt nicht anzunehmen, daß er die Hand: die „ 5 1 Rich int die Dienſtauf
habe zur Geheimhaltung der „Bemerkungen“ egenüber den Richtern ift die Dienſtaufſicht
bieten ſoll, denn gerade dieſe bilden häufig einen beſchränkt; fie findet nicht ſtatt, ſoweit die Richter
mindeſtens ebenſo „weſentlichen“ Beſtandteil der „ a 1 5 15
Qualifikation, als die Noten und übrigen Ein— d G.; Art. 183, die Ri 1 a ATEEN
träge; unweſentliche Einträge ſollte die Quali- der Dienſtaufſicht über die Richter kann hier nicht
fikationsliſte überhaupt nicht enthalten. eingegangen werden. Hinſichtlich der Dienſtauf⸗
Dem Beamten iſt nunmehr die Beſchwerde fd * 91 F
„ n „ ind Be f
gegen die Einträge in feine Qualifikationsliſte . GRG. md 125 dazu ergangenen Bek. vom
eingeräumt. 11. Juli 1900 und 19. Juli 1905 getroffen
Zurechtweiſung und Zwangs mittel.
(JMBl. 1900 S. 997 und 1905 S. 783; f.
Das Geſetz gibt jedem Vorgeſetzten das Recht, auch IMBI. 1901 ©. 494, 1900 ©. 348, ferner
den ihm untergebenen Beamten mündlich oder
8 = der GerVBol;dD.). * bort
ý ach Art. 3 des RDG. (gemäß Art. 79 dortſelbſt
. N 8 ns anwendbar auf die Mitglieder des Verwaltungs⸗
Warnungen haben keinen dienſtſtrafrechtlichen gerichtshofes und nunmehr auch nach Art. 184 BG.
Charakter, ebenſowenig find dienſtſtrafrechtlicher auf die Mitglieder des Oberſten Rechnungshofes)
Natur die Zwangsmittel, welche das Geſetz den können auch den Richtern innerhalb der Grenzen des
„vorgeſetzten Dienſtbehörden“ gegenüber dem Aufſichtsrechts wegen geringer Dienſtvergehen münd⸗
ſaumigen Beamten an die Hand gibt (Art. 104). lich oder ſchriftlich Ermahnungen oder Warnungen er-
Dieſe Zwangsmittel ſind:
teilt werden; durch Einfügung des neuen Art. 4 a
i ; in das RDG. durch Art. 221 Abi. II BG. ijt
1. Die Entſendung eines Warteboten auf eine wichtige Garantie gegen Mißbrauch des Dienſt—
Koſten des ſäumigen Beamten; . aufſichtsrechtes geſchaffen worden. Der Richter kann
2. die Verhängung von Zwangsſtrafen; in Zukunft gegen eine ihm erteilte Mahnung oder
3. die Beigabe einer Geſchäftsaushilfe zur Warnung die Entſcheidung der Disziplinarkammer
Erledigung rückſtändiger Amtsgeſchäfte auf Koſten anrufen; er hat die Wahl zwiſchen Einlegung der
des ſäumigen Beamten. Aufſichtsbeſchwerde und dem Antrage auf Ent:
Während die Verhängung der letztgenannten ſcheidung der Disziplinarkammer; der Antrag
Maßregel an keine weitere Vorausſetzung geknüpft ſchließt die Beſchwerde, die Beſchwerde den Antrag
iſt, als daß der Beamte mit der Erledigung ſeiner aus. Bedauerlicherweiſe hat man dem Richter
Amtsgeſchäfte ſchuldhaft im Rückſtande iſt, ſetzt | den Gebrauch der dankeswerten Neuerung durch eine
die Anwendung der unter 1 und 2 bezeichneten | doppelte mit dem Antrage verbundene Gefahr er:
Zwangsmittel voraus, daß für die Erledigung | Schwert. Der die Entſcheidung der Disziplinar⸗
eines beſtimmten Amtsgeſchäftes eine Friſt geſteckt kammer anrufende Richter riskiert nicht bloß
und das Zwangsmittel angedroht war; mehrere | Koften — in einem Verfahren, das doch in erſter
f
|
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
395
Linie im öffentlichen Intereſſe die Wahrung der eingefügten Abſ. 5. Die Faſſung des Satzes 2 dieſer
Unabhängigkeit der Richter bezweckt — ſondern
neuen Beſtimmung iſt ungenau; ihr Wortlaut deckt
ſogar eine reformatio in pejus; letzteres dann, die Fälle nicht, daß die Aufhebung der Verfügung
wenn die Disziplinarkammer den Antrag nicht nur
für unbegründet, ſondern ein Dienſtvergehen für ge⸗
geben erachtet, für das nach Art. 4 Abſ. 1 des RDG.
Disziplinarbeſtrafung am Platze iſt; in dieſem Falle
hat die Disziplinarkammer die Einleitung des Diszi⸗
plinarverfahrens (vgl. Art. 23 RDG.) zu beſchließen;
nach Art. 4 Abſ. 1 tritt Disziplinarbeſtrafung ein,
ſich als erfolglos erweiſt oder wegen der Schwere
des Dienſtvergehens eine Ermahnung oder Warnung
gegeben erachten kann; doch gewiß nicht deshalb,
weil der Richter die durch feinen Antrag bekaͤmpfte
Warnung oder Ermahnung nicht befolgt hat; es
wäre aber auch nicht unbedenklich, im Falle der
Richter die erſte Warnung erfolglos mit Beſchwerde
angefochten hat und gegenüber der zweiten aus
gleichem Anlaſſe erteilten Warnung zur Abwehr
eines vermeintlich unzuläſſigen Eingriffs in ſeine
richterliche Unabhängigkeit die Entſcheidung der
Disziplinarkammer angerufen hat, in der Nicht⸗
befolgung der Warnungen ein mit Disziplinar⸗
ſtrafe zu ahndendes Dienſtvergehen zu erblicken;
der Fall aber, daß der Richter nach einer erſten
abweiſenden Entſcheidung der Disziplinarkammer
aus gleichem oder gleichartigen Anlaſſe eine zweite
Ermahnung oder Warnung erhält und gegen dieſe
wieder die Entſcheidung des Disziplinargerichts an-
ruft, ſcheidet, praktiſch betrachtet, ſchon deshalb aus,
weil man zu einer nochmaligen Warnung nicht
greifen, ſondern ſogleich das Disziplinarverfahren
einleiten würde.
Findet die Disziplinarkammer, daß der Richter
fih eines Dienſtvergehens ſchuldig gemacht hat,
ohne daß die Vorausſetzungen des Art. 4 Abſ. 1
gegeben ſind, hat der Beſchluß auf Zurückweiſung
des Antrags des Richters zu lauten; erachtet ſie ein
Dienſtvergehen nicht für gegeben, hat ſie durch
Beſchluß die Aufhebung der Verfügung der Auf—
ſichtsbehörde auszuſprechen.
Gegen den Beſchluß der Disziplinarkammer
ſteht dem Staatsanwalt und dem Richter die Be—
ſchwerde an den Disziplinarhof zu; auf die Be:
ſchwerde finden die Beſtimmungen der StPO.
über die ſofortige Beſchwerde entſprechende An—
wendung (Art. 56 RDG). Dem unterlegenen
Richter ſind die im Verfahren erwachſenen baren
Auslagen aufzubürden (Art. 224 Abſchn. 33:
neuer Satz zu Art. 77 Abſ. 2 RDG.); wenn der
Richter ſiegt, trägt die Staatskaſſe die Koſten
(Art. 77 Abſ. IV RDG), es können aber auch
die dem Richter erwachſenen notwendigen Auslagen
einſchließlich der Koſten der Verteidigung der
Staatskaſſe auferlegt werden auf Grund des durch
|
der Aufſichtsbehörde erft auf Beſchwerde des Richters
oder auf die zu deſſen Gunſten eingelegte Beſchwerde
des Staatsanwalts durch den Disziplinarhof er:
folgt, für welche Fälle die Beſtimmung doch ſicher
auch gelten ſoll.
Etwas Neues bringt ferner der in das RDG.
weiter eingefügte Art. 4 b; die Aufſichtsbehörde
wenn die ſchriftlich erteilte Mahnung oder Warnung
kann, bevor fie auf Grund des Art. 3 RDG. eine
Ermahnung oder Warnung erteilt, die Entſcheidung
der Disziplinarkammer darüber beantragen, ob dem
als unzureichend erſcheint. Es iſt nicht recht klar,
unter welchen Vorausſetzungen die Disziplinar⸗
kammer die 1. Alternative des Art. 4 Abſ. 1 für
Richter ein Dienſtvergehen zur Laſt fällt; gegen
die Entſcheidung ſteht dem Staatsanwalt und dem
Richter die ſofortige Beſchwerde an den Diziplinar⸗
hof zu.
Dem Richter kann kein Wartbote geſandt und
keine Geſchäftsaushilfe auf ſeine Koſten zur Er⸗
ledigung rückſtändiger Amtsgeſchäfte beigegeben
werden; Zwangsſtrafen können gegen ihn nur auf
Beſchwerde der Beteiligten wegen Verzögerung der
Rechtspflege nach Art. 73 und 74 des AG. z.
GVG. bis zum Höchſtbetrage von 100 M ver:
hängt werden.
Nach Art. 178 Ziff. 10 ſind die Entſcheidungen
der Beamten und Behörden über die Verhängung
von Zwangsſtrafen bindend für die Beurteilung
der gerichtlich geltend gemachten vermögensrecht⸗
lichen Anſprüche. (Fortſ. folgt).
Mitteilungen aus der Praxis.
Mäklervertrag, Dienſtvertrag und Schenkung.
1. Wird dem Mäkler beim Abſchluß des Vertrags
der Lohn oder ein Teil des Lohnes auch für den Fall
verſprochen, daß das Geſchäft nicht zuſtande komme,
ſo liegt eine Verbindung von Mäklervertrag und
Dienſtvertrag vor, niemals Schenkung. Darüber be—
ſteht Einigkeit (ſo Staub, HGB., 8. Aufl. Exkurs
vor § 93 Anm. 17; Staudinger, BGB. 8 652
Anm. 1? und 31; OLG. Darmſtadt vom 7. Februar
1902 im Recht 1902, 292).
Zweifelhaft dagegen iſt die Beurteilung des
Falles, daß dem Mäkler ſpäter, nach Abſchließung
des Mäklervertrags, zugeſagt wird, er ſolle den
Lohn auch dann bekommen, wenn das Geſchäft nicht
zum Abſchluß komme.
Erfolgt diefe ſpätere Vereinbarung noch, bevor
der Mäkler tätig wird, ſo kann auch hier von einer
Schenkung keine Rede ſein, die ſpätere Vereinbarung
iſt nichts anderes als ein Nachtrag zum Mäkler—
vertrag und hat die Wirkung, daß nun das
aus Mäklervertrag und Dienſtvertrag zuſammen—
geſetzte Rechtsverhältnis vorliegt. Das gleiche gilt
auch, wenn der Mäkler ſchon tätig geworden iſt,
aber nach der Vereinbarung des Vertragsnachtrags
noch eine weitere weſentliche Tätigkeit entfalten ſoll.
2. Anders dann, wenn dem Mäkler nach Ab—
Art. 224 Abſchn. 29 in den Art. 77 RDG. neu | ſchluß ſeiner Vermittlertätigkeit eine Provi—
396
ſion verſprochen wird, obwohl das Geſchäft überhaupt
nicht oder nicht durch ſeine Vermittlung zuſtande ge⸗
kommen iſt. Hier iſt fraglich, ob nicht ein Schenkungs⸗
verſprechen vorliegt, eine Frage, die namentlich wegen
der Formvorſchrift des 8 518 BGB. von Bedeutung ift.
Scherer in ſeinem Komm. z. BGB. Anm. 20
zu 8 652 bemerkt: „In ſolchen Fällen liege eine
Schenkung vor. Man dürfe dem Mäkler vorher für
den Fall, daß er keinen Erfolg erziele, eine Gebühr
verſprechen, alſo auch nachträglich.“ Die Begründung,
die Scherer gibt, ift wohl nicht ſtichhaltig; denn das
iſt eben die Frage, ob nicht der Fall des urſprünglich
kombinierten Mäkler⸗ und Dienſtvertrags anders
liegt als der Fall, daß dem Mäkler für die von ihm
geleiſtete Tätigkeit trotz ihrer Erfolgloſigkeit, alſo
trotz des Fehlens eines Anſpruchs auf Mäklerlohn,
eine Entlohnung verſprochen wird.
Das OLG. Breslau hat in dem Urteil vom
9. März 1905 (Recht 1905, 312) für einen Fall dieſer
Art ausgeſprochen, es liege eine Schenkung i im Sinne
des § 534 vor — alfo immerhin eine Schenkung. Im
Anſchluß an dieſe Entſcheidung bemerkt Achilles
Anm. 2 zu 8652: „Keine Schenkung, wenn gleich von
vornherein für alle Fälle zugeſichert; wenn nach—
träglich, Schenkung.“ Auch Planck, Vorbem. zum
8. Titel Nr. V1 nimmt ein Schenkungsverſprechen an
in dem Fall, daß jemand einem Mäkler eine Ber-
gütung für die Dienſte verſpricht, die der Mäkler
geleiſtet hat, ohne daß vorher ein Mäklervertrag
abgeſchloſſen war.
Zum entgegengeſetzten Ergebnis ſcheint das OLG.
Dresden in dem Urteil vom 29. Dezember 1903 ge⸗
kommen zu ſein. Die Ueberſchrift, unter der dieſe
Entſcheidung in der Rechtſpr. d. OLG. Bd. 9 S. 8
mitgeteilt wird, lautet: „Formfreiheit des Verſprechens
einer Proviſion für den ſchon erfolgten Nachweis
eines Kaufluſtigen.“ Die mitgeteilte Begründung
führt allerdings nur näher aus, daß in dieſem Falle
ein abſtraktes Schuldverſprechen nicht vorlag
und darum die Schriftlichkeit nicht erforderlich war.
3. Für die Entſcheidung der Frage, ob ein
Schenkungsverſprechen anzunehmen iſt oder nicht, iſt
das Weſen der Schenkung zu berückſichtigen. Es liegt
nahe anzunehmen, daß in dem nachträglichen Ver—
ſprechen für die auf Grund Mäklervertrags oder
auch ohne ein beſtehendes Rechtsverhältnis geleiſtete
Vermittlertätigkeit eine (remuneratoriſche) Schenkung
liegt, weil in einem ſolchen Falle eine Verpflichtung
zur Entrichtung eines Lohnes nicht beſteht. Zum
Begriff der Schenkung gehört jedoch ganz allgemein,
daß beide Teile über die Unentgeltlichkeit der Zu—
wendung einig feien (vgl. Planck Anm. 3 zu 8 516;
RG. vom 23. Mai 1906 in JW. 1906, 462). In der
zitierten RGE. iſt mit Recht betont, daß es bezüglich
der Einigkeit beider Teile über die Unentgeltlichkeit
der Zuwendung darauf ankomme, welche Bedeutung
die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck kommenden
ſubjektiven Standpunkt der Zuwendung beigelegt
hätten. Es kommt alſo auf die Auslegung der beider—
ſeitigen Willenserklärungen an.
Bei einem Leiſtungsverſprechen der fraglichen
Art wird aber den Beteiligten in der Regel der Ge—
danke fern liegen, daß der Verſprechende dem andern
eine Freigebigkeit erweiſen wolle, und es iſt vielmehr
anzunehmen, daß insbeſondere der Mäkler es zurück—
weiſen würde, wenn der andere ihm Zahlung in der
Weiſe verſpräche, daß er ihm damit ein Geſchenk machen
Zeitſchrift für EdBBeuſchrift für Rechtspflege in Bayern in Bayern. 1908. Nr. 20.
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wolle. Die Vereinbarung iſt vielmehr nach den Um⸗
ſtänden, unter denen ſie erfolgt, dahin auszulegen, daß
der Verſprechende dem andern nicht eine unentgelt⸗
liche Zuwendung macht, ſondern daß er mit dieſem.
allerdings erſt nachträglich, nach Leiſtung der Dienſte,
einen Dienſtvertrag abſchließt. Rechtlich ſteht
nichts im Wege, einen Vertrag dieſer Art zu ſchließen.
bei dem der eine Teil die Leiſtung, die auf Grund
des Vertrags zu machen iſt, vor dem Vertragsſchluß
ſchon ganz oder teilweiſe gemacht hat. So z. B. wenn
der Malermeiſter A., ein Anfänger, den Baumeiſter
B. dazu beſtimmt, ihn zur Vorführung ſeiner Leiſtungs⸗
fähigkeit einen Raum des Neubaus ausmalen zu laſſen
und ſodann, nachdem die Arbeit des A. entſprochen
hat, A. und B. vereinbaren, daß A. den ganzen
Neubau ausmale und für den qm Arbeitsleiſtung
einſchließlich des bereits bemalten
Raumes — einen beſtimmten Preis erhalte: oder
wenn A., von B. wegen Unbotmäßigkeit als Gärtner
entlaſſen, aber auf die Gutherzigkeit des B. bauend,
gleichwohl ohne deſſen Wiſſen nachher tagelang die
herbſtliche Arbeit des Baumputzens beſorgt, und je
daun A. und B. vereinbaren, daß dieſer für ſeine
Arbeit den treffenden Taglohn erhalten ſolle; oder
wenn der Dieb eines alten Gemäldes den Künſtler A.
mit der Ausbeſſerung des Gemäldes beauftragt und
der Eigentümer B., nachdem A. mit der Arbeit fertig
iſt, mit A. vereinbart, daß dieſer für das Werk den
der Arbeit entſprechenden Lohn erhalten ſolle. Den
Ausführungen in dem Urteil des OLG. Colmar
vom 29. Januar 1904 (Rechtſpr. d. OLG. Bd. 9 S. 7)
„es liege in der Natur des Mäklervertrags, daß er
ſich uur auf zukünftige, nicht auf vergangene Dienſte
beziehen könne; ſoweit eine Belohnung für bereits
geleiſtete Dienſte verſprochen werde, liege ein Mäfler-
vertrag nicht vor“, kann nicht beigetreten werden:
dem Weſen des Mäklervertrags widerſpricht es nicht
mehr als dem Weſen irgend eines andern auf eine
„Leiſtung“ gerichteten Vertrags anzunehmen, daß die
Entlohnung für die bereits gemachte Leiſtung er-
folgen ſolle. So hat auch das OLG. Dres den in
der erwähnten Entſcheidung (Rechtſpr. d. OLG. Bd. 9
S. 8) die nachträgliche Vereinbarung des Mäkler⸗
lohnes für den ſchon erfolgten Nachweis eines Kauf:
luſtigen dem regelmäßigen Fall, daß der Mäkler⸗
vertrag vor der Leiſtung des Mäklers geichlofien
worden iſt, vollkommen gleichgeſtellt. Kann aber der
Mäklervertrag ſelbſt nach Leiſtung der Mäkler⸗
dienste wirkſam geſchloſſen werden, fo ſteht der Gül-
tigkeit eines nach Leiſtung der Dienſte geſchloſſenen,
neben den Mäklervertrag tretenden Dienſtvertrags
nichts im Wege.
So hat auch das Reichsgericht in dem Er-
kenntnis vom 11. April 1899 (Bolze, Praxis des
RG., Bd. 7 S. 151 Nr. 418) in einem ähnlichen Fall
mit Recht das Vorliegen einer remuneratoriſchen
Schenkung verneint. Hier war der Kläger als Ver—
mittler bei einem Grundſtückskauf des Beklagten tätig
geweſen. Der Beklagte hat auch das Grundſtück ge—
kanft, allein nicht von C., dem gegenüber der Kläger
tätig geworden war, ſondern von D., der zunächſt
das Grundſtück von C. erworben hatte. Das dem
Kläger ſpäter von dem Beklagten gegebene Verſprechen,
er ſolle gleichwohl ſeine Proviſion erhalten, hat das
RG. für wirkſam erklärt. In der Begründung iſt
u. a. bemerkt, „der Beklagte ſelbſt habe nicht die Ab—
ſicht gehabt, den Kläger zu bereichern, ſondern habe
ihn für die in feinem Intereſſe gehabten Mühen und
Arbeiten entſchädigen wollen“. Wenn auch nach dem
Rechte des BGB. zum Begriffe der Schenkung eine
Bereicherungs abſicht nicht mehr gefordert wird,
fo muß doch die Zuwendung als eine unentgelt⸗
liche gewollt ſein, und gerade dieſe Abſicht hat in
dem vom RG. entſchiedenen Falle gefehlt, ſo daß alſo
die Entſcheidung auch für das heutige Recht noch voll⸗
kommen zutrifft.
4. Hat der Mäkler durch ſeine Tätigkeit die an
einem formbedürftigen Vertrage beteiligten Perſonen
zur mündlichen Vereinbarung gebracht, ſo kann der
Lohn ſeiner Bemühungen immer noch zu nichte werden,
wenn aus der Verbriefung des Vertrags nichts wird.
In dieſer Lage kommt es nicht ſelten vor, daß der
Mäkler, um für alle Fälle entlohnt zu werden, dazu
greift, ſich von beiden Teilen eine Vergütung ver⸗
ſprechen zu laſſen, die derjenige zu zahlen habe, der
am feſtgeſetzten Tage ſich zur Verbriefung des Ver⸗
trags nicht einfinden würde. Die Tätigkeit des
Mäklers iſt nach der Annahme der Beteiligten in
dieſem Zeitpunkt bereits abgeſchloſſen. Die Verein⸗
barung ift aber nach dem Ausgeführten nicht Schenkungs⸗
verſprechen, iſt alſo formlos gültig. Sie iſt auf Seiten
des einen Teils, der dem Mäkler den Auftrag ge⸗
geben hatte, rechtlich als nachträgliche Aenderung und
Ergänzung des urſprünglichen Mäklervertrags auf-
zufaſſen, auf Seiten des andern Teiles als die Ab⸗
ſchließung eines Dienſtvertrags, bei dem die Leiſtung
des Dienſtverpflichteten bereits vor der Schließung des
Vertrags erfolgt iſt, eines Vertrags ferner, bei dem
der Verſprechende eine Entlohnung für die nicht ihm,
ſondern dem andern Teil erwieſenen Dienſte verſpricht,
freilich um des Umſtandes willen, daß dieſe Dienſte,
da ſie zu dem Vertragsſchluß geführt haben, auch ihm
zugute gekommen ſind. Bei den beiden ſo geſchloſſenen
Verträgen liegen nur bedingte Leiſtungsverſprechen vor.
Zweifel können beſtehen, ob eine ſolche Verein⸗
barung nicht aus dem Geſichtspunkt des 8 314 BGB.
unwirkſam iſt; man könnte daran denken, daß das
vom Mäkler ausbedungene und ihm von beiden Teilen
bedingt gegebene Leiſtungsverſprechen nur den Zweck
haben ſollte, auf die Vertragsteile einen Druck dahin
auszuüben, daß dieſe das formbedürftige Rechtsgeſchäft
abſchlöſſen. Eine ſolche Auffaſſung kann unter Um—
ſtänden gerechtfertigt ſein; ſie braucht aber keineswegs
immer zuzutreffen. Eine ſolche Vereinbarung ver—
dankt ibre Entſtehung nur dem Beſtreben des Mäklers,
für alle Fälle eine Entlohnung für ſeine Tätigkeit zu
bekommen, und es kann ihm, zumal wenn die Leiſtung,
die er ſich durch die nachträgliche Vereinbarung ver:
ſprechen läßt, nicht oder nur wenig hinter dem ur—
ſprünglich bedungenen Mäklerlohn ſelbſt zurückbleibt,
gleichgültig ſein, ob nun das Rechtsgeſchäft zuſtande
kommt oder nicht. Wollte man in ſolchen Fällen aus
dem angegebenen Grunde die Unwirkſamkeit der Ver—
einbarung annehmen, ſo müßte das gleiche auch für
die Fälle gelten, daß fih ein Mäkler von vorn—
herein von dem Auftraggeber neben dem Mäkler—
lohn ein Honorar auch für den Fall verſprechen läßt,
daß das Geſchäft nicht zuſtande komme.
Landgerichtsrut Zeiler in Kempten.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20. 397
weis verfahren der Grundbuchordnung. Das Grundbuch⸗
verfahren iſt ein Antragsverfahren mit Beweislaſt,
d. i. ein Verfahren, bei dem die Betreibung des in
Frage kommenden privaten Intereſſes gegenüber der mit
ſeiner Befriedigung betrauten Rechtspflegeſtelle und
ebenfo die Beſchaffung der Entſcheidungs-⸗
grundlagen dem privaten Intereſſenten überlaſſen
iſt (ſ. m. Ausf. im „Recht“ 1908, 370). Beides hindert
jedoch nicht, daß nicht ſowohl hinſichtlich der Be⸗
treibung des Verfahrens als auch hinſichtlich der
Beſchaffung der Eintragungsgrundlagen — nur vom
Eintragungsverfahren ſoll hier die Rede ſein — auch
eine Offizialtätigkeit des Grundbuchamts vorkommen
kann; ſind doch auch im Zivilprozeſſe mit ſeinem aus⸗
geſprochenen Parteibetriebe unzweifelhafte Offizial⸗
|
Die Offizialtätigkeit des Grundbuchbeamten im Be:
|
|
pflichten nachweisbar. Offizialpflichten im Betriebe
des Eintragungsverfahrens der Grundbuchordnung
ſind zahlreich vorhanden; ich verweiſe nur auf Predari
258, 259 und meinen „Prozeßgang des formalen
Grundbuchrechts“, Sachregiſter unter „Offizialpflicht“
und „Offizialprüfung“. Nicht ſo klar liegt die Offizial⸗
beteiligung des Grundbuchamts bei der Beſchaffung
von Eintragungsgrundlagen. Was zunächſt die Ein⸗
tragungsgrundlagen im engeren Sinne, die zur Eins
tragung erforderlichen Erklärungen im Sinne des 8 29
Satz 1 GBO. anlangt, fo zerfällt ihre Beſchaffung,
wie ich an anderer Stelle dargelegt habe,“) in Mit⸗
teilung in beweiskräftiger Form, bei Stellung des
Antrags, und in Beweis im engeren Sinne, nach
Erlaß einer Zwiſchenverfügung gemäß § 18 GBO.
Iſt die Entgegennahme und Prüfung der beweis—
kräftig mitgeteilten rechtsgeſchäftlichen Erklärungen
eine Offizialtätigkeit? Zur Beantwortung dieſer Frage
wird es zunächſt der näheren Beſtimmung des Be—
griffs der Offizialpflicht bedürfen.
Ohne Zweifel iſt die gedachte Entgegennahme und
Prüfung Amtspflicht des Grundbuchamts. Wäre aber
Amtspflicht gleichbedeutend mit Offizialpflicht, dann
| wäre die geſamte gerichtliche Tätigkeit bei Führung
auch des Zivilprozeſſes Offizialtätigkeit. Dies wider:
ſpricht dem ſprachgebräuchlichen Sinne des Wortes.
Das Wort hat vielmehr den Sinn des Eigenbetriebs,
| der Initiative. So wird es gebraucht, wenn das anz
tragloſe Verfahren z. B. des Vormundſchaftsgerichts
als Offizialverfahren bezeichnet wird (Recht“ a. a. O.).
Das amtspflichtmäßige Verhalten des Grundbuchamts
| zum Zwecke der Kenntnisnahme von Eintragungs—
unterlagen könnte demnach als Offizialtätigkeit nur
| dann bezeichnet werden, wenn das Grundbuchamt ſich
| Diete Unterlagen ſelbſt verſchaffte, was durch § 29
Satz 1 GBO. ausgeſchloſſen iſt.
\ Iſt es Offizialtätigkeit, wenn das Grundbuchamt
| eine Zwiſchenverfügung gemäß $ 18 GBO. auf Nach—
bringung von Eintragungsunterlagen erläßt? Auch
dieſe Frage iſt zu verneinen. Eine Zwiſchenverfügung
| dieſer Art kann enthalten einmal das Anheimſtellen,
gewiſſe bisher noch nicht mitgeteilte Tatſachen
| (Erklärungen Beteiligter) in beweiskräftiger Form
dem Grundbuchamt mitzuteilen (3. B. Nachbringung
einer Zuſtimmungserklärung), das anderemal das An—
heimſtellen, für gewiſſe nicht überzeugend mitgeteilte
Tatſachen die beweiskräftige Form nachzubringen. In
beiden Fällen aber muß die Mitteilung oder ihre Er—
gänzung vom Antragſteller ausgehen: die Initiative
| ) BofMSchr. in einem der nächſten Hefte.
398 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
verbleibt demnach trotz der prozeſſualen Bemängelung
durch das Grundbuchamt beim Antragſteller.
Wie aber, wenn das Grundbuchamt mittels
Zwiſchenverfügung den Nachweis des Vorliegens von
Prozeßvorausſetzungen, ſei es allgemeiner, die zugleich
Vorausſetzungen der Gültigkeit des zu bewährenden
Geſchäfts (f. m. „Prozeßgang“ S. 8 ff.) find, oder be-
ſonderer (a. a. O.) anheimſtellt? An anderer Stelle!
habe ich dargelegt, daß der Grundbuchrichter
unter gewöhnlichen Umſtänden die Rechts⸗ und Ge⸗
ſchäftsfähigkeit des Antragſtellers als allgemeine Vor⸗
ausſetzungen des Geſchäfts auf Grund eines Induktions⸗
ſchluſſes des Geſetzgebers“) als vorhanden anzunehmen
hat. Hierin liegt eine Offizialtätigkeit noch nicht,
ſondern nur eine beſondere Art der prozeſſualen
Würdigung der Eintragungsgrundlagen. Denn auch
hier fehlt noch, was oben als Kennzeichen der Offizial⸗
tätigkeit feſtgeſtellt wurde, die Initiative des Grund⸗
buchamts. Liegen aber ungewöhnliche Umſtände vor,
d. i. ſind oder werden dem Grundbuchbeamten Um⸗
ſtände bekannt, die dem Schluß auf Rechts⸗ oder Ge⸗
ſchäftsfähigkeit des Antragſtellers entgegenſtehen, ohne
doch das Gegenteil zu erweiſen, ſo hat jetzt das
Grundbuchamt die Rechts⸗ oder Geſchäftsfäbigkeit zum
Beweiſe zu verſtellen. Und hierin nun liegt allerdings
eine Offizialtätigkeit des Grundbuchamts. Denn da⸗
mit unterzieht ſich das Grundbuchamt einem Forſchen
nach einem Umſtande, der vom Antragſteller weder
behauptet war noch auch behauptet zu werden brauchte,
um den geſtellten Antrag zu rechtfertigen. Dadurch
hebt ſich dieſe Art der Amtstätigkeit ſcharf von der
oben geſchilderten Verſtellung der rechtsgeſchäftlichen
Eintragungsunterlagen zum Beweiſe ab. Und dieſes
Verlangen des Beweiſes für etwas nicht Behauptetes
oder zu Behauptendes, dieſes Hinſtellen des dem
Schluß auf Rechts⸗ und Geſchäftsfähigkeit entgegen⸗
ſtehenden Umſtands zur Widerlegung oder Entkräftung
und ſomit Einführen eines neuen Gegenſtands und
einer neuen (negativen) Art des Beweiſes im engeren
Sinne, dies alles enthält allerdings eine Initiative
des Grundbuchamts in der Beweisbeſchaffung. Frei⸗
lich beſchafft es nicht ſelbſt den Beweis, aber es führt
doch den ihm von außen her bekannt gewordenen
Gegenumſtand (sit venia verbo!) zum Zwecke ſeiner
Widerlegung oder Entkräftung in das Verfahren ein,
wirkt alſo negativ doch zur Herſtellung des Beweis⸗
ergebniſſes mit. Hier läßt fih demnach eine Offizial-
tätigkeit negativer Art feſtſtellen.
Was nun die beſonderen Prozeßvorausſetzungen
der örtlichen und ſachlichen Zuſtändigkeit des Grund—
buchamts anlangt, ſo iſt bei ihnen kein Schluß der
erwähnten Art möglich. Denn es ſpricht keine generelle
Erfahrung dafür, daß Antragſteller ihre Anträge an
das örtlich und ſachlich zuſtändige Grundbuchamt
richten. Es müſſen demnach die Umſtände, auf denen
die Zuſtändigkeit beruht, dem Grundbuchamte mit-
geteilt werden. Dies geſchieht im weſentlichen ſchon
durch Mitteilung der Eintragungsunterlagen, aus
denen die Zuſtändigkeit mittels rechtlicher Schluß—
folgerung zu erſchließen iſt. Auch hier aber kann die
Sache ſo liegen, daß dem Grundbuchamt ein tatſäch—
1) PoſM Schr. a. a. O.
2) Auf einem Schluſſe dieſer Art kann auch die
zivilrechtliche Rechtsvermutung beruhen, nur daß dabei
dem Prozeßgegner die Entkräftung des Schluſſes über—
laſſen wird.
licher Umſtand bekannt iſt, der die Zuſtändigkeit als
zweifelhaft — nicht als widerlegt — erſcheinen lößt.
Alsdann hat es dieſen Umſtand gleichfalls von ſich
aus dem Antragſteller zur Entkräftung oder Wider⸗
legung zu ſtellen. Alſo auch hier eine — negative —
Offizialtätigkeit des Grundbuchamts.
Damit dürfte das Gebiet der Offizialpflicht im
Beweisverfahren im weſentlichen umſchrieben ſein.
Freilich gibt es noch mannigfache Tätigkeiten des
Grundbuchamts, die hierher gerechnet werden könnten.
Allein dieſe entſprechen nicht prozeſſualen Amtspflichten,
ſondern beruhen auf andern Gründen. So braucht
z. B. die Wendung, es entſpreche dem nobile officium
des Grundbuchbeamten, etwas Beſtimmtes zu tun,
nicht zu beſagen, daß der Grundbuchbeamte kraft
prozeſſualer Amtspflicht etwas zu tun habe; vielmehr
kann damit auch geſagt fein folen, daß er kraft feiner
allgemeinen Stellung, z. B. als Beamter zur Förderung
des Rechtsverkehrs, gewiſſe Verpflichtungen habe
(„noblesse oblige“). In dieſem nobile officium
kann insbeſondere auch die auf Herbeiführung von Er⸗
klärungen gerichtete Anordnung liegen (f. m. „Prozeß⸗
gang“ S. 19). Solche Tätigkeiten aber ſind keine
prozeſſual erheblichen Entſcheidungen und entſprechen
keiner Offizialpflicht des Grundbuchamts in dem oben
bezeichneten Sinne (f. dazu m. Ausf. in SächſRpfl A.
1907, 409 ff., 1906, 529 ff.).
Landrichter du Chesne in Leipzig.
Ans der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
1
Der Konkursverwalter ift nicht berechtigt, Zubehör⸗
ſtücke eines mit Hypstheken belaſteten Grundſtückes des
Gemeinſchuldners zu veräußern und den Erlös zur
Maſſe zu ziehen, falls die hg Ale nicht durch die
Regeln einer ordunngsmäßigen Wirtſchaft geboten if.
Die Hypothekglänbiger können den Erlös aus der Mafie
zurückfordern, auch wenn fie der Veränßerung nicht
widerſprochen haben.) Der Konkursverwalter hat eine
Anzahl beweglicher Gegenſtände durch einen Auktio⸗
nator verſteigern laſſen, die ſich in dem zur Konkurs⸗
maſſe gehörigen Hauſe befunden hatten. Die Sachen
wurden von den Käufern fortgenommen, den Erlös
zog der Konkursverwalter zur Konkursmaſſe. Auf
Antrag des Klägers, eines Hypothekengläubigers, iſt
die Zwangsverwaltung des Grundſtücks angeordnet,
und ſpäter auf Antrag des Konkursverwalters das
Grundſtück zur Zwangsverſteigerung gebracht worden.
In dem Zwangsverſteigerungs verfahren hat der Kläger
an ſeiner Hypothek einen Verluſt erlitten. Er be⸗
hauptet, daß die verkauften beweglichen Sachen Wirt⸗
ſchaftsinventar, alſo Zubehör des ihm verpfändeten
Hauſes, geweſen ſeien. Er klagt gegen den Konkurs⸗
verwalter auf Anerkennung ſeines Abſonderungs—
rechts daran und auf Herauszahlung des Erlöſes an
ihn. Vor dem Verkauf hatte der Kläger keine Ab—
ſonderungsrechte gegen den Konkursverwalter geltend
gemacht. Er wirft dem Konkursverwalter vor, daß
er es auf Vernichtung des ihm wohlbekannten Ab:
1) Anm. des Herausgebers. Eine für die Konkursver⸗
walter febr wichtige Entſcheidung, auf die wir die Herrn Rechts⸗
anwälte beſonders aufmerkſam machen.
— m u m — mau. m 0 UL M
ſonderungsrechts abgeſehen habe. Zum Verkauf fei
der Konkursverwalter nicht berechtigt geweſen, die
Konkursmaſſe ſei jetzt grundlos bereichert worden.
Das OLG. wies die Klage ab. Die Reviſion des
Klägers hatte Erfolg.
Gründe: Daß die verkauften Gegenſtände Zu—
behör des Hauſes waren, iſt nicht ſtreitig. Das Land⸗
gericht hat den Anſpruch des Klägers auf Herausgabe
des Erlöſes an ſich als begründet anerkannt, ſoweit
es ſich um verkauftes Zubehör handelt. Es findet
wegen des in § 865 Abſ. 2 ZPO. ausgeſprochenen
Pfändungsverbots eine ungerechtfertigte Bereicherung
der Konkursmaſſe darin, daß der Konkursverwalter in
mißbräuchlicher Ausübung des auf ihn übergegangenen
($ 6 KO.), dem Eigentümer in § 1121 BGB. einge-
räumten Verfügungsrechts, unter Nichtbeachtung des
Abſonderungsrechts des Klägers, Grundſtückszubehör
der Pfandhaftung entzogen und den Erlös der Kon—
kursmaſſe zugeführt hat. Das OLG. ift zu einem
entgegengeſetzten Ergebnis gelangt. Es nimmt an,
daß der Konkursverwalter nicht bloß berechtigt, ſon—
dern fogar verpflichtet geweſen fei, von dem erwähn—
ten Verfügungsrecht des Eigentümers zum Beſten der
Konkursmaſſe Gebrauch zu machen. Die Beſtimmung
in § 865 Abſ. 2 BPO. hält es nicht für anwendbar,
weil der Verkauf durch den Konkursverwalter inſoweit
nicht wie eine Vollſtreckung zu behandeln ſei. Auch
hätte nach ſeiner Anſicht der Kläger vor der Ver—
ſilberung des Zubehörs ſein Abſonderungsrecht gel—
tend machen müſſen, was nicht einmal außergerichtlich
geſchehen fei. Die Entſcheidung des OLG. ift nicht richtig.
Da nach § 6 KO. mit der Eröffnung des Konkurſes
das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Eigen—
tümers auf den Konkursverwalter übergeht, ſo iſt
dieſer in der Lage, in Ausübung des dem Eigentümer
in § 1121 BGB. eingeräumten Rechts die dort bezeich—
neten Gegenſtände, darunter auch Zubehörſtücke, von
der Haftung für die Hypothek frei zu machen, ſolange
ſie noch nicht für den Hypothekengläubiger in Beſchlag
genommen ſind. Damit iſt aber noch nicht die Frage
entſchieden, was aus dem Erlöſe wird. Veräußert der
Eigentümer, ſo fällt natürlich ihm auch der Erlös zu,
aber der Konkursverwalter iſt nicht Eigentümer, ſon—
dern hat nur deſſen Verwaltungs- und Verfügungs—
recht auszuüben und zwar nicht vorwiegend im Intereſſe
des Eigentümers, ſondern zu den Zwecken des Kon-
kurs verfahrens, die darauf hinauslaufen, daß die
Konkursgläubiger zu ihrem Recht kommen. Das Recht
der Konkursgläubiger beſchränkt ſich aber auf die
Konkursmaſſe, und es kann darum nicht die Aufgabe
des Konkursverwalters ſein, dieſe Maſſe auf Koſten
anderer, beſſer Berechtigter zu vermehren. Daß dies
geſchähe, wenn der Maſſe Werte zugeführt werden, an
denen noch Abſonderungsrechte beſtanden, liegt auf
der Hand. Nun wird wohl geſagt, an den in 8 1121
BGB. bezeichneten Gegenſtänden beſtehe nur ein be—
dingtes Abſonderungsrecht, nämlich nur unter der
Bedingung, daß ſie vom Gläubiger in Beſchlag ge—
nommen ſeien, bevor der Eigentümer ſie veräußere und
wegbringe. Das iſt auch inſoweit richtig, als in der
Tat dem Eigentümer im Intereſſe feiner Wirtſchafts—
führung, um ihn im wirtſchaftlichen Intereſſenkampfe
nicht zu febr einzuengen, das Recht verliehen ift, ein-
zelne dieſer Gegenſtände zu Gelde zu machen und der
Haftung für die Hypotheken zu entziehen. Aber dabei
iſt ſchon zu beachten, daß dieſes Recht, ſobald es ſich
um Zubehör handelt, ſeine Schranke hat in dem Ge—
bot ordnungsmäßiger Wirtſchaftführung, denn der
§ 1135 gibt den Hypothekengläubigern das Recht,
gegen eine dieſem Gebot zuwider erfolgende Ver—
ſchleuderung von Zubehörſtücken mit einer Klage auf
Unterlaſſung einzuſchreiten, und in weiterer Folge
davon können ſie den Eigentümer wegen widerrecht—
licher Verletzung ihres Hypothekenrechts aus 8 823
BGB. auf Schadenserſatz in Anſpruch nehmen.
Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens iſt nun
aber der wirtſchaftliche Kampf für den Eigentümer zu
Ende; was nun folgt, dient nur den Zwecken des
Konkursverfahrens. Daraus ergibt ſich, daß das in
§ 1121 BGB. dem Eigentümer eingeräumte Ber-
fügungsrecht in der Hand des Konkursverwalters eine
andere Bedeutung gewinnt. Wie es ſich mit Beziehung
auf die übrigen in 8 1121 bezeichneten Gegenſtände
geſtaltet, ingleichen wie weit das ähnliche Verfügungs⸗
recht des Eigentümers über Miet- und Pachtzinſe, ſo⸗
wie über Verſicherungsgelder durch den Konkursver—
walter ausgeübt werden kann, iſt hier nicht zu er⸗
örtern. Aber wenn der Konkursverwalter Zubehör-
ftü de eines Grundſtücks veräußert, nicht etwa in
ordnungsmäßiger Fortführung der bisherigen Bemirt-
ſchaftungsweiſe, ſondern nachdem dieſe aufgegeben iſt,
fo kann das zwar eine für die ordnungsmäßige Verwal⸗
tung der Konkursmaſſe nützliche oder gar not=
wendige Maßregel ſein. Aber im Intereſſe einer
ordnungsmäßigen Bewirtſchaftung des Grun dſtücks
liegt ſie dann nicht, iſt darauf auch gar nicht berechnet,
ſondern ſie ſoll nur dazu dienen und hat jedenfalls
im vorliegenden Fall nur dazu gedient, die infolge
Aufgebens der Wirtſchaft überflüſſig gewordenen Zu—
behörſtücke in Geld umzuſetzen. Damit kann aber die
Abführung des Erlöſes in die Konkursmaſſe nicht ge—
rechtfertigt werden, die Konkursmaſſe würde vielmehr
dadurch Werte empfangen, die nicht ihr zukommen
ſondern den Abſonderungsberechtigten, um die alſo
fie rechtlos bereichert werden würde (8 59 Ziff. 3 KO.).
Es iſt unrichtig, wenn zur Verteidigung der entgegen—
geſetzten Anſicht der Satz aufgeſtellt wird: der Kon-
kursverwalter habe nicht bloß nach 8 6 KO. das Recht,
ſondern nach SS 82, 117 fogar die Pflicht, noch nicht
in Beſchlag genommene Zubehörſtücke zum Beſten der
Konkursmaſſe zu verwerten. Die Pflicht des Konkurs—
verwalters in dieſer Beziehung erſchöpft ſich in einer
ordnungsmäßigen Verwaltung der Konkursmaſſe, zu
einer grundloſen Bereicherung der Konkursmaſſe und
Entwertung oder doch Verſchlechterung der Hypotheken
durch Wegbringung des Zubehörs hat er aber kein
Recht und vollends keine Verpflichtung. Auch darf
nicht eingewandt werden, daß nach § 4 Abſ. 2 KO.
die abgeſonderte Befriedigung unabhängig vom Kon—
kursverfahren erfolgt und daß deshalb der Konkurs—
verwalter die Rechte der Abſonderungsberechtigten
nicht von Amts wegen zu berückſichtigen hat. Daraus
folgt nicht, daß der Konkursverwalter dieſe Rechte zu
verletzen berechtigt wäre und die rechtliche Macht hätte,
den Abſonderungsberechtigten Werte zu entziehen und
der Konkursmaſſe zuzuwenden, auf die dieſe kein
Recht hat.
Die angefochtene Entſcheidung iſt aber auch des—
wegen unhaltbar, weil in § 865 Abſ. 2 ZPO. die
Pfändung von Zubehör für unzuläſſig erklärt wird.
Der Grund ift, daß der ſchon im öffentlichen Intereſſe
gebotene wirtſchaftliche Zuſammenhang zwiſchen Grund—
ſtück und Zubehör aufrecht erhalten werden ſoll. Nun
iſt zwar die Verwertung durch den Konkursverwalter
keine Pfändung, aber ſchon in den Urteilen des Se-
nats vom 13. Oktober und 6. November 1886 (JW.
1886 S. 414 Z. 3) und vom 12. November 1898 (Entſch.
Bd. 42 Nr. 22 S. 85 ff.) iſt ausgeführt worden, daß ſie
materiell einer ſolchen gleich ſteht und in Beziehung
auf Dritte, denen das Geſetz ein Widerſpruchs- oder
ein Vorzugsrecht für den Fall einer Zwangsvoll—
ſtreckung beigelegt hat, wie eine ſolche wirkt. An dieſer
Auffaſſung iſt feſtzuhalten. Hiernach iſt die rechtliche
Stellung der Abſonderungsberechtigten zu der durch
den Konkursverwalter erfolgten Veräußerung von Zu—
behör — wenn ſie ſich nicht etwa als eine zur ord—
nungsmäßigen Fortführung der Wirtſchaft gehörige
Maßregel und als aus dieſem Grunde zuläſſige Ver—
waltungsmaßregel rechtfertigen läßt, was hier nicht
der Fall iſt —, ſo zu beurteilen, wie wenn die Ver—
äußerung im Wege der Zwangsvollſtreckung für per-
ſönliche Gläubiger ftattgefunden hätte. In dieſem
Fall ſtände aber dem Abſonderungsgläubiger das
Recht zu, den Erlös für die Immobiliarmaſſe in An⸗
ſpruch zu nehmen oder aus ihr ſeine vorzugsweiſe
Befriedigung zu verlangen, wie in dem Urteil Bd. 42
S. 90 dargelegt iſt, alſo den Erlös zu dieſer Maſſe
zurückzuziehen, da die Gegenſtände ſelbſt durch deren
Veräußerung und Entfernung vom Grundſtück aus der
Pfandhaftung ausgeſchieden ſind und damit das Recht
auf ihre Zurückbringung zur Immobiliarmaſſe erloſchen
iſt. Nun lag freilich in den erſterwähnten beiden Fällen
die Sache ſo, daß der Hypothekengläubiger wenigſtens
außergerichtlich der Veräußerung durch den Konkurs-
verwalter widerſprochen hatte, und es wurde ausge—
führt, daß dies genüge, um ihm das Vorzugsrecht auf
den Erlös zu erhalten, während unentſchieden gelaſſen
wurde, ob dies auch der Fall ſein würde, wenn kein
Widerſpruch erhoben wäre. Allein dies erklärt ſich
aus der Vorſchrift in $ 206 des damals maßgebenden
preußiſchen Zwangsvollſtreckungsgeſetzes vom 13. Juli
1883, wonach die Zwangsvollſtreckung in bewegliche
Gegenſtände, die zur Immobiliarmaſſe gehören, frei—
gegeben und dem Realberechtigten nur das Recht ein⸗
geräumt war, dagegen Widerſpruch zu erheben. Das
ift nun aber inzwiſchen durch den $ 865 ZPO. geän⸗
dert worden, der in Abſ. 2 die Pfändung von Zu—
behör ausſchließt. Daß der Hypothekengläubiger nicht
etwa auf den Weg der Beſchwerde gegen die verbotene
Pfändung beſchränkt ift (8 766 ZPO.), ſondern ſich
ihrer mit der Widerſpruchsklage aus 8 371 BPO. er-
wehren könnte — die bis zum Schluß der Zwangs—
vollſtreckung, alſo bis zur Auskehrung des Erlöſes an
den pfändenden Gläubiger möglich iſt —, das iſt be—
reits in dem Urteil des erkennenden Senats in den
Entſch. Bd. 55 Nr. 49 S. 209 ausgeführt worden. Aber
angeſichts dieſes nunmehrigen Pfändungsverbots kann
die Zuläſſigkeit der Widerſpruchsklage nicht mehr von
der vorherigen Erhebung eines Widerſpruchs gegen
die Pfändung abhängig ſein. Die Unterlaſſung eines
Widerſpruchs würde die Pfändung nicht gültig machen,
ſeine Erhebung wäre ſomit eine leere Formalität.
Das Gleiche muß dann aber auch gegenüber der Ver—
äußerung von Zubehör durch den Konkursverwalter
gelten, zumal da das Verlangen eines Widerſpruchs
hier obendrein die unerwünſchte Folge haben würde,
daß ein Wettlauf zwiſchen dem Abſonderungsberech—
tigten und dem Konkursverwalter um das Zuvor—
kommen entſtände und von deſſen Ausfall, häufig alſo
vom Zufall, die Entſcheidung abhinge. Aus dieſen
Gründen iſt der Anſpruch des Klägers auf Heraus—
gabe des Erlöſes aus dem Zubehör, der zu Unrecht
an die Konkursmaſſe abgeführt worden iſt, berechtigt.
Der vom Beklagten hervorgehobene Umſtand, daß in—
zwiſchen ein Teil des Erlöſes, den er auf 1387.83 M
beziffert, an bevorrechtigte Konkursgläubiger ausbe—
zahlt worden iſt, iſt unerheblich. Selbſt wenn die
Behauptung dahin zu verſtehen wäre, daß die Aus—
zahlung mit den aus dem Verkauf des Zubehörs her—
rührenden Geldſtücken bewirkt ſei, würde dadurch eine
fortdauernde Bereicherung der Konkursmaſſe durch den
Erlös nicht beſeitigt worden ſein, da nicht behauptet
worden iſt, daß der Maſſe keine Mittel zur Verfügung
ſtänden oder noch zufließen würden, aus denen dieſe
Verwendung fremder Gelder wieder gedeckt werden
könnte. (Urt. des V. 35. vom 22. Juni 1908, V 627,07).
1390
— — -= n.
II.
Die Aufforderung zur Herſtellung der ehelichen
Gemeinſchaft im Sinne des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 BSD.
kann nicht in einer Klage auf Herſtellung der Gemein⸗
ſchaft gefunden werden, die mit einer Scheidungeklage
nur vorſorglich verbunden wurde. Die Parteien ſind
ſeit dem 26. März 1904 verheiratet. Am 16. September
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
1904 verließ die Beklagte den Kläger, ſeitdem leben
ſie getrennt. Mit der im Januar 1905 erhobenen
Klage begehrte der Kläger in erſter Linie Scheidung
der Ehe auf Grund des § 1568 BGB., vorſorglich
verlangte er Herſtellung der häuslichen Gemeinſchaft.
Die Beklagte beantragte Klagabweiſung. Das Land—
gericht hielt die Scheidungsklage nicht für gerecht⸗
fertigt, gab jedoch dem Eventualantrage des Klägers
ſtatt. Die Beklagte legte Berufung ein. Sie wieder⸗
holte zunächſt den Antrag auf Klagabweiſung und
ſtellte ſodann in der Verhandlung vom 5. Februar
1907 den weiteren Antrag, die Ehe aus Verſchulden
des Klägers auf die von ihr erhobene Widerklage zu
ſcheiden. Das OLG. änderte die Entſcheidung des
Landgerichts. Der Beklagten wurden vier Eide über
Verfehlungen des Klägers auferlegt. Für den Fall
der Leiſtung der Eide wird unter Abweiſung der
Klage die Ehe auf die Widerklage aus Verſchulden
des Klägers geſchieden. Für den Fall der Ver⸗
weigerung der Eide wird unter Abweiſung der auf
Scheidung gerichteten Klage und der Widerklage die
Beklagte verurteilt, die häusliche Gemeinſchaft mit
a Kläger herzuſtellen. Die Reviſion hatte keinen
rfolg.
Gründe: Das OLG. hat mit Bezug auf die in
2. Inſtanz am 5. Februar 1907 erhobene Widerklage
ausgeführt, die ſechsmonatige Friſt des § 1571 BGB.
fei gewahrt, weil die Parteien nur vom 26. März
bis 16. September 1904 zuſammengelebt hätten, von
letzterem Tage an aber die häusliche Gemeinſchaft auj-
gehoben geweſen ſei. Die Reviſion rügt Verletzung
der § 1571 und 1572 BGB. Sie meint, daß die für
die Widerklage ſelbſtändig zu berechnende Friſt von
ſechs Monaten zur Zeit der Erhebung der Widerflage
deshalb längſt abgelaufen geweſen ſei, weil in dem
auf Herſtellung der häuslichen Gemeinſchaft gerichteten
Eventualantrage der bereits im Januar 1905 erhobenen
Klage des Ehemanns die die Friſt in Lauf ſetzende
Aufforderung des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 enthalten
geweſen ſei. Die Angriffe konnten keinen Erfolg
haben. Allerdings kann ſich die eine Widerklage auf
Scheidung erhebende Partei nicht darauf berufen, daß
die von ihr hinſichtlich ihrer Widerklage zu wahrende
Friſt zur Zeit der Erhebung der Scheidungsklage des
Klägers noch nicht abgelaufen geweſen fei. Das Ox.
hat ſich hierauf zur Darlegung der rechtzeitigen Er—
hebung der Widerklage nicht bezogen, ſomit auch nicht
gegen § 1572 verſtoßen. Dagegen ift das OLG., das
auf die feit dem 16. September 1904 beſtehende Auf:
hebung der häuslichen Gemeinſchaft der Parteien hin-
wies, davon ausgegangen, daß die Vorausſetzungen
des § 1571 Abſ. 2 Satz 2 nicht gegeben feien. Dieſe
Annahme iſt rechtlich nicht zu beanſtanden. Nach dem
der bezeichneten Vorſchrift zugrunde liegenden Ge—
danken ſollte bei wirklichem oder vermeintlichem Vor-
liegen eines Scheidungsgrundes dem gekränkten Ehe⸗
gatten die Möglichkeit gewährt werden, fih tatſächl ich
von dem anderen Ehegatten zu trennen, ohne hier-
durch ſein Scheidungsrecht zu verlieren. Andererſeits
ſollte aber auch dem verlaſſenen Ehegatten, dem der
durch die tatſächliche Trennung geſchaffene Zuſtand
unerträglich erſchien, die Möglichkeit gewährt werden,
eine endgültige Entſcheidung herbeizuführen. Zu
dieſem Zwecke geſtattet das Geſetz dem verlaſſenen
Ehegatten, den anderen Ehegatten aufzufordern, ent—
weder die häusliche Gemeinſchaft wieder herzuſtellen
oder die Scheidungsklage zu erheben, und zwar mit
der Wirkung, daß die zu wahrende Klagfriſt von dem
Empfange der Aufforderung an läuft. An die Beob-
achtung einer beſonderen Form iſt die Aufforderung
nicht gebunden, ſie muß aber dem Wortlaut und
Zweck der geſetzlichen Vorſchrift entſprechend nach
ihrem Inhalt und ihrer ſonſtigen Beſchaffenheit unzwei⸗
deutig erkennen laſſen, daß der aufgeforderte Ehegatte
nunmehr vor die Wahl geſtellt wird, zurückzukehren
oder Scheidungsklage zu erheben. Die Frage, ob
eine den geſetzlichen Anforderungen genügende Kund—
gebung unter Umſtänden in der Erhebung der Klage
auf Herſtellung der häuslichen Gemeinſchaft gefunden
werden kann, mag dahin geſtellt bleiben. (Vgl. einer-
ſeits Planck BGB. § 1571 N. 2 c, andererſeits
Staudinger $ 1571 N. 3 d). Keinenfalls kann die
Erhebung einer Scheidungsklage, mit der nur vor—
ſorglich die Klage auf Herſtellung der häuslichen Ge—
meinſchaft verbunden iſt, den geſetzlichen Anforderungen
des S 1571 Abſ. 2 Satz 2 genügen. In einem ſolchen
Falle gibt der klagende Ehegatte dem anderen Gatten
kund, es komme ihm hauptſächlich und in erſter Linie
darauf an, eine Scheidung der Ehe wegen der dem
anderen Ehegatten zugeſchriebenen Verfehlungen zu
erreichen, nur für den Fall, daß die behaupteten
Scheidungsgründe keine Anerkennung ſeitens des
Gerichts finden ſollten, begehrt er Herſtellung der
häuslichen Gemeinſchaft. Der in dieſer Weiſe vor⸗
gehende Ehegatte gibt dem anderen Gatten nicht zu
erkennen, daß er ihn vor die Wahl ſtelle, zurück-
zukehren oder ſeinerſeits innerhalb der ſechsmonatigen
Friſt Scheidungsklage zu erheben. (Urt. d. IV. 38.
vom 7. Mai 1908, IV 497/07). — — — n.
1362
B. Strafſachen.
Kann ein „Inzipient“ einer Gemeindekanzlei in
Bayern zur Ausſtellung von Invalidenverſicherungs⸗
karten zuftäudig fein? Aus den Gründen: Nach
§ 10 der Bayer. VO. vom 14. Dezember 1899, den
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. N
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401
Nr. 20.
regiſter des Amtsgerichts M. wurde die von dem Kauf⸗
mann Carl F. in M. angemeldete Firma ‚Inſtitut
R. R. Carl F.“ eingetragen. Gegenſtand ift die leber-
laſſung mit Fahrrädern ausgerüſteter Leute zu vorüber-
gehenden Dienſtleiſtungen gegen Vergütung; die Be⸗
ſtellungen werden in den Geſchäftsräumen des Unter-
nehmens entgegengenommen. Im Mai 1908 meldete
Carl F. die Aenderung ſeiner Firma in: „Dienſt⸗
mann⸗Inſtitut R. R. Carl F.“ zur Eintragung an.
Das Regiſtergericht gab der Polizeidirektion M. Kennt-
nis. Dieſe erklärte, die Verhältniſſe der Dienſtmänner
feien ausſchließlich durch die auf Grund des § 37 GewO.
und des Art. 152 P StGB. erlaſſenen ortsp. Vorſchr.
vom 10. April 1896 geregelt, die beſtehenden Dienſt⸗
manninſtitute ſeien Vereinigungen ſelbſtändiger Dienſt—
männer, zum Betrieb einer Dienſtmänneranſtalt ſei
Genehmigung der Polizeidirektion erforderlich, es ſei
nicht zuläſſig, daß ein Unternehmen, das nicht nach
den ortspolizeilichen Vorſchriften zugelaſſen und ein-
gerichtet ſei, ſich als Dienſtmanninſtitut bezeichne. Das
Regiſtergericht hat der Vorſtellung der Polizeidirektion
keine Folge gegeben und die geänderte Firma einge—
tragen. Die Polizeidirektion regte hierauf die Löſchung
der Firmenänderung nach § 142 FGG. an und erſuchte
das Regiſtergericht, im Falle der Ablehnung die Akten
dem LG. zum Verfahren nach $ 143 vorzulegen. Das
Regiſtergericht lehnte die Einleitung des Löſchungs—
verfahrens ab; auch das LG. M., Kammer für Handels—
ſachen, hat beſchloſſen, der Anregung der Polizeidirektion
keine Folge zu geben. Das Oberſte LG. hat die Be-
ſchwerde als unzuläſſig verworfen.
Vollzug des Invalid Sgeſetzes 13. i
, e ee ee ee ee dns e e Bal
das Oberſte LG. zu entſcheiden, das in § 143 Abſ. 2
1899 betr. (GVBl. S. 1008), erfolgt die Ausſtellung
der Quittungskarten (§ 134 Inv.) in Bayern „durch
die Gemeindebehörde“. Weder die obenerwähnte VO.,
noch die dazu ergangene Bek. des Staatsminiſteriums
des Innern vom 27. Dezember 1899 mit der beige-
fügten „Anweiſung“ (M ABl. 1899 S. 757) enthält
eine Vorſchrift darüber, daß die Ausſtellung nur durch
ſolche Gemeindebeamte oder Bedienſtete erfolgen dürfe,
bei denen beſtimmte beſondere Vorausſetzungen ge—
geben wären. Da auch aus den Beſtimmungen der
Gemeindeordnung derartiges nicht zu entnehmen iſt,
muß angenommen werden, daß mit der Ausſtellung
der Quittungskarten in Vertretung der Gemeinde—
behörde jede im Dienſte der Gemeinde angeſtellte
Perſon betraut werden kann. Im vorliegenden Falle
iſt der Inzipient K. eigens zum Zwecke der Ausſtellung
der Quittungskarten im Dienſte der Landgemeinde
Sch angeſtellt und vom Bürgermeiſter mit dieſer Auf:
gabe betraut worden (Art. 129 Abſ. 4, 132, 145 Abſ. 1
Gem.). Er ift als ein in Vertretung der Gemeinde
handelnder Beamter anzuſehen (8 359 StGB.) und in
dieſer Eigenſchaft auch berufen, die mit der Aus—
ſtellung von Quittungskarten verbundenen Beurkun—
dungen mit öffentlichem Glauben zu bewirken. Die
Zuſtändigkeit des Inzipienten K. zur Ausſtellung der
Quittungskarten war in dieſem Sinne gegeben. (Urt.
des I. StS. vom 30. April 1908, 1 D 231,08).
1394
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
Bedarf der Gebrauch des Firmenzuſatzes „Dienſt⸗
manu-Inſtitut“ polizeilicher Genehmigung (HGB. 8 18
Abſ. 2, GewO. 8 37, PStchB. Art. 152)? Beſchwerde⸗
recht der Polizeibehörde und Beſchwerdegericht (in Bayern)
im Falle des 8 143 Abſ. 2 JOG. (SS 20, 199 FGG.,
Art. 167 Ziff. XII AG. z. BGB.). In das Handels⸗
— ̃ — a an
— — —
Gründe: Gegen den Beſchluß des LG., durch
welchen die Einleitung des Verfahrens nach § 143 FGG.
abgelehnt wird, findet nach 8 19 Abi. 1 FGG. die
mit § 199 Abſ. 2 JGG. und Art. 167 Ziff. XII AG.
z. BGB. zur Entſcheidung in den Fällen der ſofortigen
Beſchwerde ausdrücklich berufen und damit für das
Verfahren nach § 143 FGG. allgemein als Beſchwerde—
gericht bezeichnet iſt. Das Rechtsmittel iſt jedoch nicht
zuläſſig, weil der beſchwerdeführenden Behörde ein
Beſchwerderecht nach § 20 FGG. nicht zuſteht. Ein
allgemeines Recht zur Mitwirkung bei der Berichtigung
des Handelsregiſters iſt den Behörden der inneren
Verwaltung nicht eingeräumt. Die Vorausſetzungen
für die Anwendung der Art. 20 bis 22 PStGGB., nach
denen die Polizeibehörde befugt iſt, gegen ſtrafbare
Handlungen vorläufig einzuſchreiten und zum Vollzuge
von Geſetzen oder Verordnungen, deren Uebertretung
nicht mit Strafe bedroht iſt, an beſtimmte Perſonen
Anordnungen zu erlaſſen und, wenn nötig, die Folge—
leiſtung zu erzwingen, liegen nicht vor. Denn die
beſtehenden Geſetze und Verordnungen machen die
Bezeichnung einer Perſon als Dienſtmann oder eines
gewerblichen Unternehmens als Dienſtmanninſtitut
von der Erfüllung beſonderer Bedingungen oder von
einer behördlichen Bewilligung nicht abhängig und
enthalten kein Verbot des Gebrauchs dieſer Bezeich—
nungen durch hierzu nicht beſonders ermächtigte Per—
ſonen. Die Befugnis der Polizeidirektion zur Er—
laſſung eines ſolchen Verbots folgt auch nicht aus
8 37 GewO. und Art. 152 P StGB., nach welchen das
Gewerbe der Perſonen, die ihre Dienſte auf öffentlichen
Straßen oder Plätzen anbieten, der Regelung der
Ortspolizeibehörde unterliegt. Die Polizeibehörde
kann auf Grund dieſer Vorſchriften den hierunter
fallenden Perſonen den Gebrauch einer beſtimmten
Bezeichnung ihrer gewerblichen Tätigkeit vorſchreiben;
allein ihr Anordnungsrecht iſt auf den Kreis der in
den erwähnten Vorſchriften bezeichneten Gewerbe—
treibenden beſchränkt; ſie kann nur an dieſe Befehle
erlaſſen und kann insbeſondere anderen Perſonen nicht
verbieten, ſich der von ihr für die Straßengewerbe
vorgeſchriebenen Bezeichnungen zu bedienen. Die Er-
402
— — — — — ——
wägung, daß durch ein ſolches Verbot der Zweck der
polizeilichen Regelung vielleicht verläſſiger und volle
ſtändiger erreicht würde, kann hieran nichts ändern.
Die ortspolizeilichen Vorſchriften vom 10. April 1896
betr. die Dienſtmännerordnung (Münchener Amtsbl.
S. 301) enthalten dieſes Verbot nicht; es würde der
Wirkſamkeit entbehren, gleichwie auf Grund der Bor-
ſchriften der GewO. und des PStGB. dem Publikum
nicht verboten werden könnte, die Dienſte anzunehmen,
die auf öffentlichen Straßen oder Plätzen entgegen den
polizeilichen Vorſchriften angeboten werden. Ein der
Beſchwerdeführerin zuſtehendes Recht ift daher durch
die Eintragung der Firmenänderung in das Handels-
regiſter nicht beeinträchtigt. (Beſchluß des Je 5s.
vom 22. Juli 1908, Reg. III, 66/1908).
1379
B. Strafſachen.
Zur Banorduung. Wann liegt eine bauliche Anlage
in einem Dorfe vor? Feſtſetzung der Baulinie; Wirkung
dieſer Feſtſetzung; fortdauernde Wirkung des Beſchluſſes;
Fehlen des Bauplaues; Wirkung des Umſtandes, da
eine Mauer zum Teile im See um Teile außerhal
des Dorfes errichtet wird. F. A. beſitzt in dem Dorfe
H. ein Anweſen an der von Norden nach Süden laufen⸗
den Hauptſtraße, an das fih in öſtlicher Richtung 3u-
nächſt der Hausgarten anſchließt. Von dieſem durch
eine 120 m lange und 1m hohe Stützmauer getrennt
und Um tiefer gelegen als jener, liegt ein Weinberg,
der vom Hausgarten durch eine fünfſtufige Treppe
von 2m Breite für Fußgänger, nicht aber für Fuhr⸗
werke zugänglich iſt und bei einer mittleren Länge
von etwa 240 m und einer mittleren Breite von etwa
100 m eine Fläche von etwa 11 Morgen umfaßt. Der
Weinberg grenzt nördlich an den von der Hauptſtraße
zum Friedhof abzweigenden fog. Friedhofweg von
durchſchnittlich 6 m Breite und an einen ſich vom
Friedhof in öſtlicher Richtung fortſetzenden Pfad von
etwa 1 m Breite und öſtlich an den fog. Lettenpfad
von 1.27 — 1,90 m Breite. Um den Weinberg ließ A.
durch den Mitangeklagten H. vom Ende Juli bis An⸗
fangs Dezember 1906 auf der öſtlichen und nördlichen
Seite eine durchſchnittlich 2,50 m hohe maſſive Stein-
mauer aufführen. Der Bau, der ohne vorherige Feſt⸗
ſetzung der Baulinie ausgeführt wurde, wurde polizei-
lich eingeſtellt. Das LG. nahm an, daß feine der
Vorausſetzungen des §S 1 der BauO. gegeben fei. Auf
die Reviſion des Staatsanwaltes wurde das Urteil
aufgehoben.
Aus den Gründen: 1. Nach 8 1 der Baud.
hat die Baulinie einzuhalten, wer an beſtehenden oder
neu anzulegenden öffentlichen . . .. Wegen in zuſammen—
hängend gebauten Dörfern ein Gebäude oder eine bau—
liche Anlage der im § 8 bezeichneten Art neu auf-
führen oder an der Umfaſſung beſtehender Gebäude
oder baulichen Anlagen gegen die Straßenſeite eine
Hauptreparatur oder Hauptänderung vornehmen will;
iſt eine Baulinie noch nicht gegeben, oder ſoll von der
gegebenen abgewichen werden, ſo iſt vor allem die
Baulinie feſtzuſetzen und es darf vorher eine Bau—
führung nicht vorgenommen werden. (Es folgt die
Feſtſtellung, daß H. ein zuſammenhängend gebautes
Dorf iſt, ſowie daß der Friedhofweg und der Letten—
weg „öffentliche Wege“ i. S. des $ 1 der Baud. find).
2. Zunächſt iſt erheblich, ob die errichtete Mauer
an einem öffentlichen Weg in dem zuſammenhängend
gebauten Dorfe H. errichtet iſt. Der Senat geht bei
der Würdigung der Frage, ob eine bauliche Anlage
in einem zuſammenhängend gebauten Dorf oder in
der Flurmarkung des Dorfes errichtet iſt, von den
Erwägungen aus, die in der Entſcheidung vom 28. Mai
1906 (Samml. Bd. VII S. 25) ausgeſprochen worden
ſind. Nach ihnen iſt eine bauliche Anlage in dem
Dorfe errichtet, wenn ſie zu den ſchon vorhandenen
Beſtandteilen der Ortſchaft in das Verhältnis des
Zuſammenhanges der Bebauung tritt und demzufolge
als ein Teil der Ortſchaft erſcheint; das ſog. Aus⸗
dehnungsgebiet der Ortſchaft, das nach menſchlicher
Vorausſicht in einer nicht zu fernen Zukunft durch die
zu erwartende Bautätigkeit der Ortſchaft angeſchloſſen
wird, kommt nicht in Betracht. Demnach kann die
Frage, ob eine bauliche Anlage in einer Ortſchaft
errichtet iſt, in der Regel nur nach den Verhältniſſen
des Falles entſchieden werden. Sie wird in der Regel
bejaht werden müſſen, wenn es ſich um eine Bau-
führung in einem Teile der Ortsmarkung und des
Gemeindebezirkes handelt, für den eine Baulinie ſchon
feſtgeſetzt iſt, zumal eine Baulinie für ein Gebiet, das
[19 unmittelbar an den Kern der beſtehen⸗
en Ortsanlage anſchließt (vgl. 8 3 Baub.).
Die Baupolizeibehörde pflegt die Frage der Feſtſetzung
einer Baulinie erſt beim Vorhandenſein eines hin⸗
reichenden Bedürfniſſes zu erwägen, insbeſondere, wenn
ſichere Anhaltspunkte dafür beſtehen, daß die bauliche
Entwickelung des zuſammenhängend gebauten Dorfes
in naher Zeit über den beſtehenden Kern der bisherigen
Ortsanlage hinausdrängt, wenn es mithin gilt, das
künftige Bebauungs- und Beſiedelungsgebiet nach be-
ſtimmten Grenzen und Richtungen abzuſtecken und
namentlich ſeine Verbindung mit der beſtehenden Orts⸗
anlage herzuſtellen und zu ſichern. Iſt von der Bau-
polizeibehörde unter Einhaltung des vorgeſchriebenen
Verfahrens die Baulinie feſtgeſetzt worden, ſo wird
das Gebiet, für das die Baulinie in Frage kommt,
als in den Zuſammenhang mit der beſtehenden Bau—
an eingezogen anzuſehen fein.
Im Jahre 1883 wurde von der Kreisregierung
für eine neue Straße von der Kirche bis
zum Friedhof in H. die Baulinie feſtgeſetzt. Es
iſt nicht zu verkennen, daß ſich dieſe Baulinie auf ein
Gebiet bezieht, das an die beſtehende zuſam men⸗
hängende Bauanlage unmittelbar anſchließt; ſie
bezieht ſich auch auf ein Gebiet, in dem die Bauführung
erfolgte, die den Gegenſtand des Strafverfahrens bildet.
Dafür fehlen die Anhaltspunkte, daß von der zuſtän⸗
digen Behörde der dieſe Baulinie feſtſetzende Beſchluß
ausdrücklich wieder aufgehoben wurde. Geſchah dieſes
nicht, ſo dauert die durch den Beſchluß geſchaffene
Rechtslage fort und ift nach Maßgabe des § 1 zu
beachten. Der Beſchluß ift nicht deshalb außer Wirf-
ſamkeit getreten, weil der „Alignementplan in der
Zwiſchenzeit zu Verluſt gegangen ift”. Der Plan diente
zur Erläuterung des Inhaltes des Beſchluſſes, es iſt
nicht unmöglich, daß der Inhalt durch andere Beweis—
mittel, als den Plan, feſtgeſtellt wird. Daher iſt die
Anſchauung des LG. irrig, daß wegen des Fehlens
des Planes „eine Baulinie nicht beſtehe“.
4. Hiernach durfte das LG. bei der Würdigung
der Frage, ob die am Friedhofwege errichtete Mauer
zu der ſchon beſtehenden Ortsanlage des Dorſes H.
in das Verhältnis des Zuſammenhanges getreten ſei,
die Tatſache des Beſtehens einer Baulinie für eine
neue Straße von der Kirche bis zum Friedhof nicht
unberückſichtigt laffen. Das Gericht mußte zur er⸗
ſchöpfenden Erörterung der Frage, ob die Mauer als
„in dem Dorf“ errichtet anzuſehen fei, mit den ihm
zugänglichen Beweismitteln die Gründe für die Feſt—
ſetzung der Baulinie, den Inhalt und die Tragweite
des die Baulinie beſtimmenden Beſchluſſes feſtſtellen;
es mußte ferner erwägen, ob nicht die vor ein paar
Jahren erfolgte Verbreiterung eines Teiles des Fried—
hofweges — ſie erfolgte von der Abzweig ung
des Weges aus der Hauptſtraße an bis zum
Friedhof auf eine Strecke von 186 m — ſich ungefähr
an die Richtung hielt, die der feſtgeſetzten Baulinie
nahe kommt, und ob nicht in dieſer Verbreiterung
ein Anhaltspunkt für die Annahme zu finden iſt, daß
der Kern des Bebauungsgebietes eine Ausdehnung und
Verbindung mindeſtens ſoweit genommen hat, als die
Verbreiterung reicht.
5. Wird die zur Entſcheidung ſtehende Frage nach
den angedeuteten Geſichtspunkten und unter Berück⸗
ſichtigung der übrigen örtlichen Verhältniſſe gewürdigt,
ſo iſt es nicht undenkbar, daß ſie zu dem Ergebniſſe
führt, es ſei der Teil der „am Wege zum Friedhof“
errichteten Mauer als „im Dorfe“, der andere Teil
als außerhalb des Dorfes, in der Flurmarkung ers
richtet, anzuſehen. Dieſe Verſchiedenheit der tatſäch—
lichen Auffaſſung könnte auch zu verſchiedenen recht—
lichen Folgerungen führen. Soweit nämlich die
Errichtung der Mauer „in das Verhältnis des Zu—
ſammenhanges“ der Bebauung tritt, unterliegt die
Bauführung den Beſchränkungen des Eigentums, die
ſich mit Rückſicht auf die Pflicht zur Einhaltung der
Baulinie ergeben, ſoweit jenes nicht der Fall iſt, iſt
die Bauführung den Beſchränkungen nicht unterworfen.
Der Zuläſſigkeit der verſchiedenen rechtlichen Beurtei—
lung ſteht nicht entgegen, daß die Mauer als Ganzes
einem wirtſchaftlichen Zwecke zu dienen beſtimmt iſt;
die Baufreiheit iſt nur den durch die Bauordnung zu—
gelaſſenen Schranken unterworfen. Die hier ange—
deutete Verſchiedenheit der rechtlichen Behandlung kann
insbeſondere auch von Bedeutung werden für die „Bes
ſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes?, da dieſer
Zuſtand genau zu bezeichnen iſt. (Urt. vom 13. Juni
1908, Rev. Reg. Nr. 2201908). H.
1367
Oberlandesgericht Bamberg.
Beweislaſt im Falle des § 30 Ziff. 2 KO. Zahlungs:
einſtellung durch Flucht des Gemeinſchuldners. Die
Klage ſtützt ſich auf § 30 Ziff. 2 und 35 KO. Nach
erſterer Vorſchrift ſind u. a. für anfechtbar erklärt die
nach Zahlungseinſtellung oder in den letzten 10 Tagen
vor dem Eröffnungsantrag erfolgten Rechtshandlungen,
welche einem Konkursgläubiger eine Sicherung gez
währen, die er nicht zu beanſpruchen hatte, ſofern er
nicht beweiſt, daß ihm zur Zeit der Handlung weder
die Zahlungseinſtellung noch eine Abſicht des Gemein—
ſchuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu be—
günſtigen, bekannt war. Solche Rechtshandlungen
ſind nicht nur die vom Gemeinſchuldner vorgenom—
menen, auch die ohne oder wider feinen Willen ers
wirkte Vollſtreckung unterliegt gemäß 8 35 KO. der
Anfechtung. Das Geſetz läßt hier die Anfechtung in
zwei Fällen zu, nämlich wenn der Vorgang erfolgt
iſt entweder nach Zahlungseinſtellung, oder in den
letzten zehn Tagen vor dem Eröffnungsantrag. Hier
find die Vorausſetzungen beider Fälle ganz oder teil-
weiſe behauptet. Das Vorhandenſein einer Deckung
ohne Anſpruch hierauf i. S. des § 30 Ziff. 2 KO. ift
unbeſtritten.
a) Gründet der Konkursverwalter ſeine Anfechtung
nur auf die Behauptung der Vornahme einer anfecht⸗—
baren Rechtshandlung in den letzten zehn Tagen vor
dem Eröffnungsantrag, ſo hat er nur zu beweiſen,
daß der Eröffnungsantrag in einem beſtimmten Beit-
punkt geſtellt wurde und daß die angefochtene Rechts—
handlung in den kritiſchen Zeitraum fällt. Beides iſt
hier unbeſtritten. Der Anfechtungsgegner dagegen
muß behaupten und beweiſen, daß er eine Begünſtigungs—
abſicht des Gemeinſchuldners zur Zeit der Handlung
nicht gekannt habe. Dies muß er auch dann, wenn
der anfechtende Konkursverwalter das Vorliegen einer
Begünſtigungsabſicht gar nicht behauptet, weil ſie bis
zum Beweis des Gegenteils geſetzlich vermutet wird.
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
a a UA LE ́⁴ —— —¹— — — —— mn D—w— — 9 — BON
Die Vorſchrift des § 30 Ziff. 2 KO. beruht zwar außer
auf dem Verdacht der Kenntnis der kritiſchen Tatſache
auch auf dem Verdacht der Begünſtigungsabſicht und
403
ihrer Kenntnis; aber die Begünſtigungsabſicht des
Gemeinſchuldners und deren Kenntnis ſind nicht als
klagebegründende Tatſachen geſetzt, ſondern ihr Mangel
bildet vielmehr den Gegenſtand einer rechts ver⸗
neinenden Einwendung (RG. in LZ. Bd. 1
S. 602).
b) Wird die Vornahme einer Rechtshandlung nach
der Zahlungseinſtellung behauptet, ſo hat der Kläger
den objektiven Tatbeſtand zu beweiſen, nämlich, daß
an einem beſtimmten Zeitpunkt die Zahlungseinſtellung
erfolgte und daß der Beklagte nach dieſem Zeitpunkt
eine Rechtshandlung vorgenommen hat. Iſt dem
Kläger dieſer Beweis gelungen, ſo iſt es Sache des
Anfechtungsgegners, durch den zweifachen Nachweis
ſeiner Unkenntnis der Zahlungseinſtellung und der
Begünſtigungsabſicht des Gemeinſchuldners die An—
fechtbarkeit feiner Rechtshandlung auszuſchließen. Hier
iſt der Nachweis der Unkenntnis der Zahlungsein—
ſtellung nicht erbracht. Es iſt unbeſtritten, daß der
Gemeinſchuldner am 2. Januar 1906 nach Unterſchla—
gung von 18000 M und Hinterlaſſung einer großen
Zahl ungedeckter Schulden ins Ausland flüchtete;
ferner, daß der Beklagte am 9. Januar 1906 auf
Grund eines dinglichen Arreſtes bewegliche Gegen—
ſtände pfänden ließ. Beſtritten iſt dagegen, ob die
Flucht des Gemeinſchuldners eine Zahlungseinſtellung
im Sinne des 8 30 Ziff. 2 KO. war. Zahlungsein—
ſtellung iſt die ausdrückliche oder ſtillſchweigende Er—
klärung eines Gemeinſchuldners an ſeine Gläubiger
dahin, daß er wegen eines vorausſichtlich dauernden
Mangels an Zahlungsmitteln ſeine ſofort zu erfüllen—
den Geldſchulden im weſentlichen nicht mehr erfüllen
könne. Dieſe Erklärung kann der Schuldner auch durch
ſchlüſſige Handlungen abgeben; als ſolche muß auch die
Flucht ins Ausland angeſehen werden. Allerdings
ſteht nicht jede Flucht ins Ausland einer Zahlungs—
einſtellung gleich. Wenn z. B. jemand die Flucht er⸗
greift, um ſich einer ihm wegen ſchwerer Körperver—
letzung drohenden Strafe zu entziehen, ſo wird man
nicht ohne weiteres annehmen können, daß er damit
auch den Willen zum Ausdruck gebracht hat, ſeine
Zahlungen einzuſtellen. Aber ganz anders liegt der
Fall, wenn der Schuldner wie hier wegen Unter⸗
ſchlagungen flüchtig geht. Der Defraudant iſt jeder-
zeit verpflichtet, die unterſchlagenen Gelder zurückzu-
geben und wenn er ſich dieſer Verpflichtung durch die
Flucht entzieht, ſo erklärt er damit ſtillſchweigend, daß
er dieſe ſofort fällige Verpflichtung nicht mehr erfüllen
könne und wolle. (Urt. des I. ZS. vom 29. Februar
1908, BR. 286/07).
13837 Mitgeteilt von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
Literatur.
Entwurf einer Strafprezeßordunng und Novelle zum Gre-
richtsverfaſſungsgeſetze nebſt Begründung. Mit der amt⸗
lichen Ausgabe übereinſtimmender Abdruck. Berlin
1908, Verlag von Otto Liebmann. Geh. Mk. 2.—
Wir werden auf den Entwurf, der hier in eleganter
Ausſtattung den deutſchen Juriſten zur Kenntnis ge⸗
bracht wird, vorausſichtlich noch öfters zurückkommen.
Die meiſten Angriffe werden ſich wohl gegen die ge—
plante Organiſation der Berufungsſenate richten,
während gegen die vorgeſchlagenen Detail-Reformen
im Prozeßgang grundſätzliche Bedenken wohl nicht
erhoben werden können. von der Pfordten.
404
Notizen.
Die vorlänfige Eutlaſſung von Strafgefangenen.
Die bisher in Bayern geltenden Vollzugsvorſchriften
zu den 88 23-26 des StGB. haben durch die Be-
kanntmachung vom 14. September 1908 (JM Bl. S. 183)
eine einſchneidende Umgeſtaltung erfahren. Das gilt
vor allem für die Berechnung der Strafzeit, die nach
8 23 des StGB. verbüßt fein muß. Bisher konnte
der Gefangene nur dann vorläufig entlaſſen werden,
wenn er ſeit dem Zeitpunkt ſeiner Einlieferung in die
Strafanſtalt , mindeſtens aber 1 Jahr der im Urteil
ausgeſprochenen Strafe verbüßt hatte; ob auf dieſe
eine Unterſuchungshaft anzurechnen war, blieb bei
Berechnung der ¼ außer Betracht. Nach 8 4 Ziff. 4
der Bekanntmachung, die ſich mit dieſer Vorſchrift an
die in anderen Bundesſtaaten beſtehende Praxis an⸗
ſchließt, gilt als auferlegte Strafe im Sinne des 8 23
nur die Strafe, die der Verurteilte in der Strafanſtalt
zuzubringen hat. Iſt auf die Strafe eine Unterſuchungs⸗
haft anzurechnen, ſei es auf Grund ausdrücklicher Be⸗
ſtimmung im Urteil gemäß $ 60 des StGB. oder
gemäß § 482 der StPO., fo wird dieſe von der im
Urteil ausgeſprochenen Strafe abgezogen und erft aus
der ſich hiernach berechnenden Strafzeit werden die
% bemeſſen. Ein Beiſpiel möge den Unterſchied
zwiſchen den beiden Berechnungen erläutern. Ein
längere Zeit in Unterſuchungshaft befindlicher An-
geflagter wird zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt;
Monate werden angerechnet. Das Urteil wurde
rechtskräftig am 7. Mai 1906 nachmittags 2 Uhr; die
Einlieferung in die Straſanſtalt erfolgte am 24. Auguſt
1906 nachmittags 5 Uhr; das Strafende fällt auf den
7. November 1909 nachmittags 2 Uhr. Bisher konnte
dieſer Gefangene vorläufig entlaſſen werden, wenn er
feit dem 24. Auguft 1906 ¼ der gegen ihn aus-
geſprochenen 4 jährigen Zuchthausſtrafe, alſo 3 Jahre,
verbüßt hatte, ſohin am 24. Auguſt 1909. Nach der
Bekanntmachung vom 4. September 1908 dagegen
werden die ¼ berechnet aus der Zeit vom 24. Auguſt
1906 nachmittags 5 Uhr bis zum 7. November 1909
nachmittags 2 Uhr, das ſind 3 Jahre 2 Monate
13 Tage und 21 Stunden. ½ hiervon find 2 Jahre
4 Monate 25 Tage und 9 Stunden. Sie find verz
büßt am 19. Januar 1909 vormittags 2¼ Uhr. An
dieſem Tage kann der Gefangene vorläufig entlaſſen
werden. Er gewinnt alſo gegenüber der früheren
Berechnungsweiſe über 7 Monate.
Darüber, wie es bei der Vollſtreckung mehrerer
ſelbſtändiger Strafen mit der vorläufigen Entlaſſung
zu halten ſei, beſtanden bisher Vorſchriften nicht. Die
Bekanntmachung regelt dieſe Frage in folgender
Weiſe. Liegen hinſichtlich der erſten Strafe die Vor—
ausſetzungen der vorläufigen Entlaſſung vor, ſo kann
dieſe ſofort erfolgen, wenn dem Verurteilten in An—
ſehung der zweiten Strafe eine Bewährungsfriſt be-
willigt wird. Wird eine Bewährungsfriſt nicht be—
willigt, muß alſo die Vollſtreckung der zweiten Strafe
eingeleitet werden, ſo kann die vorläufige Entlaſſung
zunächſt nicht erfolgen; es wird vielmehr die Voll:
ſtreckung der erſten Strafe von dem Zeitpunkte an
unterbrochen, in dem der Gefangene vorläufig ent—
laffen werden könnte, ſodann die zweite Strafe voll-
ſtreckt und erſt nach deren Verbüßung die vorläufige
Entlaſſung hinſichtlich der erſten Strafe bewilligt.
Liegen auch hinſichtlich der zur Vollſtreckung ge—
langenden zweiten Strafe die Vorausſetzungen der
vorläufigen Entlaſſung vor, ſo wird dieſe bewilligt,
der Ablauf der Strafzeit (8 26 StGB.) abgewartet
und alsdann auch in Anſehung der erſten Straſe,
deren Vollſtreckung unterbrochen war, die vorläufige
Entlaſſung bewilligt.
— me
Eigentum von J. Schwei ger ® erlag (Arthur Sellier) in München.
nach Anhörung der Beamtenkonferenz
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 20.
Alle Geſuche um vorläufige Entlaſſung werden
nunmehr vom Juſtizminiſterium verbeſchieden. Tie
Befugnis der Strafanſtaltsvorſtände, ſolche Geſuche
abzuweiſen.
wenn ſie ihnen zur Befürwortung nicht geeignet er⸗
ſchienen, iſt aufgehoben.
Während die früheren Vorſchriften als Voraus-
ſetzung für die Bewilligung der vorläufigen Entlaſſung
noch die gründliche und nachhaltige Beſſerung des Ge⸗
fangenen aufſtellten, iſt von dieſem Erfordernis nunmehr
abgeſehen. Die Beamtenkonferenzen der Strafanſtalten
werden ſich alſo mit prophetiſchen Weisſagungen über
das künftige Verhalten des 8 A nicht mehr ab⸗
zugeben haben. Auch den früheren Beſtrafungen wird
nicht mehr dasſelbe Gewicht beigelegt wie bisher. Za-
gegen ift gute Führung eine weſentliche Vorausſetzung.
Bei völlig tadellofer Führung können unter beſonderen
Umſtänden ſogar Verbrecher vorläufig entlaſſen werden,
die ſchon ſchwer beſtraft und der Landespolizeibehörde
überwieſen worden find. Beſonderer Wert wird darauf
gelegt, daß der Gefangene nach der Entlaſſung fein
Fortkommen und Gelegenheit zu redlichem Erwerb
findet. Die Strafanſtaltsvorſtände haben mit allem
Nachdruck auf die Erfüllung dieſer Vorausſetzung hin⸗
zuwirken, beſonders dann, wenn kriminal- oder ſozial⸗
politiſche Gründe dafür ſprechen, daß der Gefangene
wieder in die Freiheit übergeführt wird.
Die polizeilichen Maßnahmen zur Ueberwachung
ſind auf das Mindeſtmaß beſchränkt, die Mitwirkung der
Ortspolizeibehörden iſt ausgeſchaltet. Der Entlaſſene
unterſteht der Schutzaufſicht der Diſtriktspolizeibehörde,
in München der Polizeidirektion; eine polizeiliche Leber-
wachung unterbleibt überhaupt, wenn es gelungen iſt,
einen Fürſorger zu gewinnen.
Die Geringfügigkeit des Strafreſts ſteht der vor-
läufigen Entlaſſung nicht entgegen. Mit der Gewohn—
heit, fie nur dann zu bewilligen, wenn der Strafreſt
mindeſtens 3 Monate betrug, hat das Juſtizminiſterium
ſchon ſeit längerer Zeit gebrochen.
1396
Aenderung der Dienſtvorſchriften für die Notare
und die Gerichtsvollzieher. Das Geſetz über die Er⸗
leichterung des Wechſelproteſies vom 30. Mai 1908
(dieſe Zeitſchr. S. 295) und das Geſetz über die Scheck⸗
proteſte vom 18. Juni 1908 (dieſe Zeitſchr. S. 323)
gaben den Anlaß zu einer Reihe von Aenderungen
und Ergänzungen der in den Dienſtvorſchriften für
die Notariate und die Gerichtsvollzieher enthaltenen
Anweiſungen über die formelle Behandlung der Proteſt—
erhebung (Bekanntmachung vom 15. September d. 38.,
JM Bl. S. 199). Daneben bringt die Bekanntmachung
aber auch ſonſtige Aenderungen der Geſchäftsanweiſung
für die Gerichtsvollzieher. Wichtig iſt folgendes: Nach
8 208 Abſ. 2 der Anweiſung iſt eine Geldſtrafe, die
gegen den Schuldner im Zwangsvollſtreckungs verfahren
zur Erzwingung einer Handlung feſtgeſetzt ift (S 888
Abſ. 1 ZPO.), vom 1. Oktober 1908 an — der Ein:
gang der Bekanntmachung enthält bei der Beſtimmung
des Anfangstermins einen offenſichtlichen Druckfehler —
nicht mehr auf Grund eines vom Prozeßgericht er⸗
teilten ſchriftlichen Auftrags, ſondern im Auftrage
des Gläubigers zu vollſtrecken. Die Vollſtreckung der
auf Grund des 8 890 Abſ. 1 ZPO. ausgeſprochenen
Geldſtrafe foll dagegen wie früher von dem ſchrift⸗
lichen Auftrage des Prozeßgerichts abhängig ſein.
Damit hat ſich die Juſtizverwaltung in der über die
Auslegung des § 888 Abſ. 1 entſtandenen Streitfrage
der Anſicht des Reichsgerichts angeſchloſſen (E. in Z8.
Bd. 53 S. 181).
1397
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing.
Ar. 21.
München, den 1. November 1908.
4. Jahrg.
Zeitſchrift für Nechtapflege
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Baner.
Staatsminiſterium der Juſtiz.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchbandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a).
Zum Grundſtücks begriff.
Von Amtsrichter Dr. Wilhelm Kriener in Würzburg.
Der oberſtrichterlichen Entſcheidung vom
24. Juli 1907, abgedruckt im dritten Jahrgang
Seite 351 dieſer Zeitſchrift, liegt folgender Tat-
en zugrunde:
R. beſtellt unter bisherigem Liegenſchaftsrecht
mit notarieller Urkunde auf einem Teil ſeiner
Pl.⸗Nr. 198 eine Dienſtbarkeit und beantragt
deren Eintragung in das Hypothekenbuch.
Die Entſcheidung ſührt aus:
1. Die Beſtellung einer Dienſtbarkeit auf dem
Teile eines Grundſtücks iſt nach gemeinem Rechte
nicht zuläſſig.
2. Aus dem Teile eines Grundſtücks kann aber
ein neues Grundſtück durch bloße Willenserklärung
des Berechtigten gebildet werden; hierzu genügt
auch ſtillſchweigende Willenserklärung; eine ſolche
liegt z. B. in der Beſtellung einer Dienſtbarkeit
auf dem bisherigen Teile eines Grundſtücks und
dem damit kundgegebenen Willen, über dieſen
Teil wie über ein ſelbſtſtändiges Grundſtück zu
verfügen; amtliche Feſtſtellung. Eintragung in
öffentliche Verzeichniſſe und Beobachtung einer
beſtimmten Form (mit anderen Worten: geometriſche
Vermeſſung und Bildung einer eigenen Plan—
nummer) iſt zur Schaffung eines ſolchen neuen
Grundſtücks nicht erforderlich.
3. Die Dienſtbarkeit und mit ihr das durch
ihre Beſtellung neu geſchaffene Grundſtück kann
aber ohne weiteres in das Hypotheken- und zus
künftige Grundbuch nicht eingetragen werden; denn
dort beſteht das neue Grundſtück vorerſt noch
nicht als ſolches, ſondern nur als ein Teil der
Pl.⸗Nr. 198; die trotzdem vorgenommene Ein—
ſchreibung könnte als die Bekundung eines nach
dem Geſetze unmöglichen Rechtszuſtandes angeſehen
werden und würde für jeden Fall in ſich wider—
ſpruchsvoll fein; die endgültige Einſchreibung ift
daher unzuläſſig, ſolange nicht die Trennung der
beiden Grundſtücksteile im Hypothekenbuch er:
ſichtlich iſt.
in Bayern
Verlag von
J. Schweitzer Verlag
(Arthur Zellier)
in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
.
Nachdruck verboten.
Dies iſt aber nur durch geometriſche Ver⸗
meſſung und Bildung einer eigenen Plannummer
möglich.
Nach Ziff. 2 iſt alſo durch Beſtellung einer
Dienſtbarkeit auf einem Teile der Pl.⸗Nr. 198
ein neues Grundſtück entſtanden; zu ſeiner Ent⸗
ſtehung bedurfte es der Bezeichnung mit eigener
Plannummer nicht.
Nach Ziff. 3 beſteht aber noch kein der Ein⸗
tragung ins Hypothekenbuch fähiges Grundſtück;
zu ſeiner Eintragung bedarf es der Bezeichnung
mit eigener Plannummer.
Es gibt demnach zwei Arten von Grundſtücken:
Solche mit und ſolche ohne Plannummern⸗
bezeichnung.
Nur erſtere, nicht aber letztere ſollen der Ein⸗
tragung in das Hypothekenbuch fähig ſein.
Dieſer Satz iſt um ſo bedeutungsvoller, als im
ſogenannten Anmeldungsverfahren eine ſehr große
Zahl von Dienſtbarkeiten und zwar beſonders von
ſolchen, die nur einen Teil von Plannummern
belaſten, in das Hypothekenbuch ohne vorherige
Vermeſſung eingetragen wurden und noch ein—
getragen werden. Nach dem obigen Satze aber
wären dieſe Eintragungen unzuläſſig; denn mit
dem Beſtehen dieſer Dienſtbarkeiten an Teilen von
Plannummern wären ſelbſtändige Grundſtücke
entſtanden, Dienſtbarkeit und Grundſtück könnten
| aber in das Hypothekenbuch erſt eingetragen werden.
nachdem dieſes mit eigener Plannummer verſehen
worden iſt.
Ob die Behauptung, daß nur mit eigener
Plannummer bezeichnete Grundſtücke ſich zum
Eintrag ins Hypotheken- und zukünftige Grund—
buch eignen, unter allen Umſtänden richtig iſt,
ſoll im folgenden unterſucht werden.
l.
Grundſtücke find nicht wie andere körperliche
Sachen etwas von vornherein beſtehendes, nach
Umfang und Inhalt durch ſich ſelbſt beſtimmtes;
ſondern nur die ungeteilte Erdoberfläche.
406
Erft dadurch, daß der Grund und Boden
durch Ziehen von Linien — die teils dem
natürlichen Laufe von Bächen, Gräben folgten,
teils durch Herſtellung von Rainen, Zäunen,
Mauern kenntlich gemacht, teils durch abſtands⸗
weiſes Setzen von Steinen, Einrammen von
Pfählen u. a. lediglich angedeutet wurden — in
einzelne Stücke geteilt und dieſe hierdurch gegen⸗
hen abgegrenzt wurden, wurden Grundſtücke ge-
chaffen
Anlaß zu dieſer Abgrenzung gab die Sonder⸗
herrſchaft der einzelnen Menſchen an Grund und
Boden, das Eigentum; der Begriff des Grund:
ſtücks iſt mithin jünger, als der des Eigentums.
Flächenausſchnitt und Eigentum wären dem⸗
nach die einzigen Merkmale des Grundſtücks⸗
begriffes, Grundſtück wäre alſo jede durch Linien
abgegrenzte Grundfläche, die dem nämlichen Eigen⸗
tumsrechte unterworfen iſt.
Zweifellos war dies auch der urſprüngliche
Grundſtücksbegriff. Für das gemeine Recht ſteht
aber dieſem Begriff der Satz entgegen: Ein
Grundſtücksteil kann mit einer Dienſtbarkeit nicht
belaſtet werden.
Denn da andererſeits feſtſteht, daß reale Teile
einer im Sondereigentum ſtehenden Fläche mit
Dienſtbarkeiten belaſtet werden können (man denke
nur an eine gewaltig große Fläche, von der ein
ganz ſchmaler Streifen, und zwar nur dieſer, mit
einem Fahrtrecht belaſtet iſt, in welchem Fall doch
gewiß nicht behauptet werden kann, die Dienſtbar⸗
keit erſtrecke ſich auf die ganze Fläche, nur die
Ausübung ſei auf die Teilfläche beſchränkt), ſo iſt
die Schlußfolgerung unabweislich, daß in einem
ſolchen Falle eben nicht ein, ſondern zwei Grund—
ſtücke vorhanden ſind, die zwar beide dem näm⸗
lichen Eigentumsrechte unterworfen ſind, die aber
verſchiedenartig mit Dienſtbarkeiten belaſtet ſind.
Hiernach iſt aber unter Grundſtück des gemeinen
Rechtes eine durch Linien begrenzte Grundfläche
zu verſtehen, die mit allen ihren Teilen gleichartig
nicht nur dem nämlichen Eigentum unterſteht,
ſondern auch den nämlichen Dienſtbarkeiten unter⸗
worfen iſt, ſoweit ſolche vorhanden ſind. Ein
neues Grundſtück entſteht demnach nicht allein, wenn
an Teilflächen Sondereigentum, ſondern ſchon dann,
wenn an ſolchen lediglich eine Dienſtbarkeit be⸗
gründet wird.
2.
Einen vom gemeinrechtlichen verſchiedenen Grund-
ſtücksbegriff ſchuf die Grundſteuergeſetzgebung zu An—
fang des vorigen Jahrhunderts. Maßgebend für
die Beſteuerung des Grund und Bodens war ledig—
lich das Eigentum an den einzelnen Grundflächen,
deren Größe und deren hier nicht weiter in Be—
tracht kommende Ertragsfähigkeit; ganze oder teil—
weiſe Belaſtung mit Dienſtbarkeiten hatte auf die
Beſteuerung keinerlei Einfluß und wurde daher
nicht berückſichtigt.
Zur Feſtſetzung der Steuer-
— ae S nn a e e e nn ae
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
ſchuldigkeit wurden die Grenzlinien der einzelnen
im Sondereigentum ſtehenden Flächen im Maß⸗
ſtabe von 1 bis 5000 auf den ſog. Flurplan über⸗
tragen und die Größen dieſer Flächen berechnet.
Zur Ermöglichung der Steuereinhebung wurden
die auf den Flurplan übertragenen Eigentums⸗
objekte einzeln nummeriert und die Plannummern
mit Angabe der Eigentümer und der Flächengröße
in den Grundſteuerkataſter aufgenommen.;
Hiernach verſtand die Steuerbehörde unter
Grundſtück eine lediglich den naͤmlichen Eigentums⸗
verhältniſſen unterliegende, mit eigener Plannummer
bezeichnete Fläche. Abgeſehen von dem Erfordernis
der Vermeſſung und Plannummerbezeichnung iſt
alfo dieſer mit dem urſprünglichen Grundſtücks⸗
begriff identiſch.
Hiermit beſtanden nunmehr zwei Arten von
Grundſtücken:
1. Grundſtücke im materiellen Sinn: die den
nämlichen Eigentums⸗ und Dienſtbarkeitsrechten
unterliegenden Flachen;
2. Grundſtücke im ſteuertechniſchen, formellen
Sinn: die lediglich den naͤmlichen Eigentumsrechten
unterliegenden, mit eigener Plannummer bezeich⸗
neten Flächen, auch ſchlechtweg Plannummern ge⸗
nannt.
Iſt letzteres nicht oder in gleicher Weiſe mit
Dienſtbarkeiten belaſtet, ſo iſt es mit erſterem
ſeinem Inhalt und Umfang nach identiſch, die
Grenzlinien beider Grundftüde find die gleichen;
weiſt es dagegen verſchiedenartige Dienſtbarkeits⸗
belaſtung auf, ſo beſteht es inhaltlich ſtets aus einer
Summe von Grundſtücken im materiellen Sinn.
3.
Beide Grundſtücksarten unterſcheiden ſich ferner
dadurch, daß die Aenderung ihrer Grenzlinien und
hiemit die Bildung neuer und die Veränderung
beſtehender Grundſtücke in ganz verſchiedener Weiſe
ſtattfindet. Beim materiellen Grundſtück konnten
Grenzänderungen durch bloße Willenserklärung des
Berechtigten ohne jegliche Form erfolgen; nicht
aber beim formellen Grundſtück. Dieſes kam
urſprünglich nur als Steuerobjekt in Betracht;
mit der Aenderung ſeiner Eigentumsgrenzen ver⸗
ſchob ſich aber auch ſeine Flächengröße und damit
auch ſeine Steuerbelaſtung; um aber dieſe ermitteln
zu können, bedurfte es in jedem Falle der Neu⸗
vermeſſung der abgetretenen Teilfläche und der
Berichtigung in Flurplan und Kataſter; bei Ver⸗
änderung und Neubildung von formellen Grund—
ſtücken war daher ſtets Vermeſſung der Grenzlinien
erforderlich und vorgeſchrieben.
Gerade dieſer Umſtand aber war für das gegen⸗
ſeitige Verhältnis der beiden Grundſtücksarten von
ausſchlaggebender Bedeutung. Denn um den Steuer—
behörden die Evidenthaltung der Kataſter zu er-
möglichen, wurde jetzt angeordnet, daß man ſich bei
allen Eigentums abtretungen zur Bezeichnung
der Rechtsobjekte lediglich mehr der Plannummern
bedienen durfte; dies hatte aber bei Abtretung
von Teilflächen die Verpflichtung zur jedesmaligen
Vermeſſung zur Folge; ſoweit daher nunmehr
Grundflächen als Eigentumsobjekte in Frage
kamen, wurde der Begriff des materiellen Grund-
ſtücks von nun an von jenem des formellen Grund—
ſtücks vollſtändig verdrängt; im übrigen aller⸗
dings beſtand erſterer in gleicher Weiſe wie bisher
fort. Jetzt aber verſtand man unter dieſem nur
mehr eine Fläche, welche, innerhalb einer Plan-
nummer gelegen, geſondert mit einer Dienſt⸗
barkeit belaſtet war; für diefe Grundſtücke ſchrieb
weder die Steuergeſetzgebung die Bildung einer
eigenen Plannummer vor, noch war dies durch das
bisherige Recht veranlaßt.
Die Folge war, daß auch in der Folgezeit
ſolche materielle Grundſtücke durch Beſtellung
von Dienſtbarkeiten entſtehen konnten, und zwar
ohne Vermeſſung, durch bloßen Parteiwillen; zur
näheren Bezeichnung des Umfangs der Dienſtbarkeit
und damit des Umfangs des materiellen Grund-
ſtücks diente lediglich die möglichſt genaue Pe-
ſchreibung ſeiner Lage innerhalb der Plannummer.
4.
Wir ſehen daher die in der Entſcheidung ge⸗
ſchilderte Rechtslage: durch die Beſtellung der
Dienſtbarkeit auf einem Teile der Pl.⸗Nr. 198 war
zwar ein neues Grundſtück gebildet, nicht aber eine
neue Plannummer.
Erſt mit der Anlegung des Grundbuchs ergab
fih teils die Zweckmäßigkeit, teils die Notwendig:
keit, nach bisherigem Rechte entſtandene Dienſt—
barkeiten in das Hypothekenbuch und zukünftige
Grundbuch einzutragen, und, falls ſich die Dienſt—
barkeit nur auf einen Teil der Plannummer er—
ſtreckt, das materielle Grundſtück zu buchen. Iſt
nun in dieſen Fällen die Bildung einer eigenen
Plannummer notwendig? Das bisherige Recht gibt
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
auf dieje Frage keine Antwort; auch in den Ueber:
leitungsvorſchriften iſt ſie nicht berührt worden;
vielleicht läßt ſich aus dem Grundbuchrecht des
BGB. eine Weiſung dafür entnehmen, wie dieſe
Fälle zu behandeln ſind.
407
ſich dieſer a m noch ausdrücklich aus 88 1018
und 1090 BG
Lediglich — einer aus dem Spezialitäts⸗
prinzip ſich ergebenden, im Geſetz aber gar nicht
ausdrücklich erwähnten Ordnungsvorſchrift ſollen
die einzelnen Grundſtücke gleichartigen Eigentums⸗
rechten unterliegen; daß aber eine ſolche Ordnung-
vorſchrift bezüglich der Dienſtbarkeiten im Prinzip
nicht beſteht, beſtimmt ausdrücklich 8 6 Satz 2
der GBO. |
Grundſtück des BGB. iſt alſo eine mit
eigener Plannummer bezeichnete Fläche, die dem
nämlichen Eigentumsrechte unterliegen ſoll. Der
Begriff des bisherigen Grundſtücks im formellen
Sinn (Plannummer) genügt aber demnach für
den Grundſtücksbegriff des BGB. vollſtändig;
mit dem Eintritte der Geltung des neuen Liegen⸗
ſchaftsrechtes ſind daher auch die Plannummern
des bisherigen Rechtes zu Grundſtücken des Grund⸗
buchrechtes geworden. Dieſes kennt aber nur
einen einheitlichen Grundſtücksbegriff; mit dem
nämlichen Moment haben die bisherigen Grund—
ſtücke im materiellen Sinne aufgehört zu exiſtieren,
fie find zu bloßen Grundſtücksteilen geworden.
Eben wegen des nur mehr kurzen Beſtehens
dieſer materiellen Grundſtücke wird es bei Ein-
tragung von Dienſtbarkeiten an Teilen von Plan:
nummern der umſtändlichen Vermeſſung und
Bildung eigener Plannummern nicht mehr be—
dürfen; denn iſt dies nach neuem Recht nicht
mehr nötig, ſo iſt nicht einzuſehen, warum dies
für die kurze Lebenszeit des alten Rechtes, das
ſich dem neuen jetzt ſchon nach Möglichkeit an⸗
ſchmiegen ſoll, erforderlich ſein ſoll.
Demnach find aber Dienſtbarkeiten ohne Ber:
meſſung und Bildung einer eigenen Plannummer,
ſind alſo auch materielle Grundſtücke der Ein⸗
tragung in das Hypothekenbuch fähig.
Das nene bayeriſche Beamtenrecht.
|
Von Jofeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg.
| (Fortfegung.)
| Die Folgen der Verletzung von Pflichten der Beamten
Das neue Liegenſchaftsrecht verſteht unter
Grundſtück lediglich eine Fläche, die in einem
amtlichen Verzeichnis unter einer Nummer oder
einem Buchſtaben aufgeführt ift (S 2 GBO.);
an und für ſich iſt weder erforderlich, daß dieſe
Fläche gleichartigem Eigentum, noch weniger, daß
ſie den nämlichen Dienſtbarkeiten unterliegt; Eigen⸗
tum ſowohl als Dienſtbarkeiten ſind nach BGB.
auch an Teilen von Grundſtücken möglich; dies
ergibt ſich ſchon allgemein aus $ 93 BGB.;
denn hiernach können nur weſentliche Beſtand⸗
teile einer Sache nicht Gegenſtand beſonderer
können rein vermögensrechtliche, dienſtſtrafrechtliche
und ſtrafrechtliche ſein. Mit den ſtrafrechtlichen
Folgen hat ſich dieſe Darſtellung nicht zu befaſſen;
es ſei nur erwähnt, daß die Verurteilung wegen
kriminell ſtrafbarer Pflichtverletzungen den Verluſt
des Amtes zur Folge haben kann (SS 358, 319,
31, 33, 35 StGB.).
Was die rein vermögensrechtlichen
Folgen betrifft, ſo ſcheidet die Haftung des Beamten
Rechte ſein; die einzelnen Flächenabſchnitte eines fur den a Verletzung feiner Amtspflicht einem
Grundſtücks bilden aber nicht weſentliche Beſtand—
teile; im beſonderen für die Dienſtbarkeiten ergibt
Dritten zugefügten Schaden wegen ihres privat—
rechtlichen Charakters aus der Darſtellung des
408
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
Beamtenrechts aus; dagegen ift der Anſpruch des ſchließt fie im Erſatzzuweiſungsverfahren!)
Staates auf Erſatz des Schadens, der dem Staate
durch die Verletzung der Amtspflicht zugegangen
ift, öffentlich⸗rechtlicher Natur und ſomit die Re:
gelung der Erſatzanſprüche Gegenſtand des Beamten—
dienſtrechts. Die Frage der Erſatzpflicht des Be⸗
amten iſt von um ſo größerer Bedeutung, als der
Staat für den von dem Beamten einem Dritten
zugefügten Schaden teils neben dem Beamten
($ 89 BGB.), teils an Stelle des Beamten haftet
($ 12 der GBO.; § 77 des EG. z. BGB. mit
Art. 60 und 61 des AG. z. BGB.).
Die Erſatzpflicht des Beamten für den vom
Staate gedeckten, vom Beamten bei Ausübung
der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt einem
Dritten zugefügten Schaden iſt durch Art. 60
ADİ. 4 des AG. z. BGB. ſchon ſeither geſetzlich
feſtgelegt geweſen; für andere Haftungsfälle fehlte
es an einer allgemein gültigen Vorſchrift, es war
jedoch in Theorie und Praxis das Beſtehen der
Erſatzpflicht des Beamten für dem Staate ſchuld—
ſchaft verurſachte Schäden unbeſtritten; ſtrittig
war nur, ob auf die Erſatzpflicht die Beſtimmungen
über den privatrechtlichen Dienſtvertrag analoge
Anwendung finden, oder jene über unerlaubte
Handlungen Platz greifen ſollten.
Art. 13 des BG. erklärt nun den Beamten
für den Schaden haftbar, den er durch vorſätzliche
oder fahrläſſige Verletzung feiner Amtspflicht dem
Staate verurſacht, ohne Unterſchied, ob der
Schaden vom Beamten bei Ausübung der öffent:
lichen Gewalt oder bei Beſorgung wirtſchaftlicher
Angelegenheiten des Staates letzterem unmittelbar
oder mittelbar zugefügt wird. Das Geſetz erklärt
für die Schadenshaftung die für unerlaubte Hand—
lungen geltenden Beſtimmungen der 85 827, 830,
840 Abſ. 1, 852 Abſ. 2 und 853 des BGB.
über Befreiung von der Haftung, Haftung mehrerer
Beſchädiger, über die Pflicht zur Herausgabe
einer Bereicherung nach Vollendung der Verjährung
und über das Recht des Verletzten, gegenüber
einer durch unerlaubte Handlung erlangten
Forderung die Erfüllung auch nach Verjährung
des Anſpruchs auf Aufhebung der Forderung zu
verweigern, für entſprechend anwendbar.
Der Erſatzanſpruch des Staates verjährt in
drei Jahren von dem Zeitpunkt der ſeitens einer
zur Geltendmachung des Anſpruchs zuſtändigen
Behörde erlangten Kenntnis vom Schaden und
der Perſon des Erſatzpflichtigen, im Falle der
Erſatzleiſtung des Staates an den geſchaͤdigten
Dritten vom Zeitpunkte der dem Beſchädigten
gegenüber erfolgten Anerkennung oder rechts—
kräftigen Feſtſtellung der Erſatzpflicht des Staates
an, ſpäteſtens aber in 30 Jahren von Begehung
der ſchaͤdigenden Handlung an. Ob die Haftung
des Beamten in Anſpruch genommen werden ſoll,
iſt dem Ermeſſen der zuſtändigen Behörde über—
laſſen; will dieje ihn haftbar machen, jo be:
.
|
(Art. 179, 180), daß der Beamte für den Schaden
haftbar iſt und in welcher Höhe er dem Staate
Erſatz zu leiſten hat. Gegen den Beſchluß ſteht
dem Beamten die Beſchwerde im Inſtanzenzuge
offen; die zweiwöchige Beſchwerdefriſt läuft vom
Tage der Eröffnung des Beſchluſſes. Der Be⸗
ſchluß wird mit Ablauf der Beſchwerdeſriſt oder
der Eröffnung der Entſcheidung der letzten Inſtanz
nach Maßgabe der Vorſchriften der Art. 6 und 7
des AG. z. ZPO. und KO. vollſtreckbar, kann
aber bei Gefahr auf Verzug ſchon früher, jedoch
unter Geſtattung der Abwendbarkeit der Voll⸗
ſtreckung durch Sicherheitsleiſtung oder Hinter⸗
legung, für vorläufig vollſtreckbar erklärt werden.
Die Feſtſtellung der Erſatzpflicht des Beamten
im Erſatzzuweiſungsverfahren iſt aber nur eine vor⸗
läufige; dem Beamten ſteht gegen den vollſtreck⸗
baren Beſchluß ſowohl hinſichtlich der Erſatzver⸗
bindlichkeit als auch hinſichtlich der ziffermäßigen
Schadensfeſtſetzung die Beſchreitung des Rechts⸗
weges binnen einer vom Tage des Eintritts der
Vollſtreckbarkeit laufenden einjährigen Ausſchluß⸗
friſt offen, ohne daß die vorherige Betretung des
Adminiſtrativweges nach Art. 2 des AG. z. ZPO.
und KO. geboten wäre. Eine Beſchränkung des
richterlichen Nachprüfungsrechts ergibt ſich aber
für die Fälle, in denen die Erſatzpflicht für einen
vom Staate gedeckten, vom Beamten in Ausübung
der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt einem
Dritten verurſachten Schaden in Frage ſteht, daraus.
daß die Nachprüfung der vor Inanſpruchnahme
des Staates ſeitens des Dritten vom Verwaltungs⸗
gerichtshof zu treffenden Vorentſcheidung den Ge⸗
richten entzogen ift (Art. 7 des BGG. in der
Faſſung des Art. 165 des AG. z. BGB.).
Das B iſt nicht bloß
gegen aktive, ſondern auch gegen im Ruheſtand
befindliche und entlaſſene Beamte wegen der in
der Aktivität geſtifteten Schäden zuläſſig.
Auch die richterlichen Beamten haften dem
Staate für den durch Pflichtverletzung zugefügten
Schaden; ihnen gegenüber greift aber nur info-
weit, als ſie Hinterlegungsbeamte ſind, das Erſatz⸗
zuweiſungsverfahren Platz (Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 8),
ſonſt ift der Staat auf den Zivilrechtsweg an-
gewieſen.
Das Erſatzzuweiſungsverfahren iſt zwar dem
bayer. Beamtenrechte nicht neu, hatte aber nur für
Kaſſaabgänge eine geſetzliche Grundlage; ſeine An—
wendung auf andere Beamte als Kaſſabeamte und
Materialverwalter beruht nur auf Gewohnheits—
recht und war ausgeſchloſſen in allen Fällen, in
welchen der Staat den Beamten auf Grund des
Art. 60 Abſ. 4 des AG. z. BGB. für den ihm
mittelbar zugefügten Schaden verantwortlich machen
1) Anm. des Herausgebers. Ein ſehr un-
glücklich gewählter, anſcheinend aus dem Finanzdeutſch
ftammender Ausdruck!
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
wollte. Ob die Ausdehnung der Zuläſſigkeit des
Erſatzzuweiſungsverfahrens auf alle Erſatzverbind⸗
lichkeiten der nichtrichterlichen Beamten „zumeiſt im
Intereſſe des Beamten ſelbſt gelegen“ iſt, wie die
Begründung zum X. Abſchnitt des Geſetzes meint,
iſt doch ſehr zu bezweifeln; wer ſich nicht verant⸗
wortlich fühlt, wird ſich durch den beſtbegründeten
Beſcheid der Verwaltungsbehörde von Betretung
des Rechtsweges kaum abhalten laſſen; der Vorteil
der Ausdehnung liegt daher wohl einzig auf Seite des
Staates, der raſch zu einem vollſtreckbaren Beſcheide
kommt und den Beamten im Prozeß in die Rolle des
Klägers drängt; ſoweit dagegen das Adminiſtrativ⸗
verfahren ſchon bisher auf Grund der Gerichts:
ordnung vom Jahre 1753, der verbeſſerten Hof⸗
ratsordnung vom 2. Juli 1750 und der Hof:
kammerordnung vom 16. Auguſt 1779 oder
!
409
des RDG. in Geltung (Art. 183 Abſ. 1 BG.);
ſie trifft der Verluſt des Dienſteinkommens im
Falle des unerlaubten Fernbleibens vom Amte
oder der Urlaubsüberſchreitung erft, wenn eine
nach Art. 4 RDG. erfolgte Ermahnung fruchtlos
gewohnheitsrechtlich Platz griff,“) bringen die Vor: |
ſchriften des Beamtengeſetzes inſofern dem Beamten
eine Beſſerſtellung, als die Zuläſſigkeit der Pe-
ſchreitung des Rechtsweges nicht mehr von vorgängiger
Zahlung oder Sicherſtellung der Erſatzſumme durch
den Beamten abhängig iſt und die bisherige
Streitfrage, inwieweit die Gerichte zur Nad:
prüfung der Erſatzpflicht des Beamten zuſtändig
ſind, durch Anerkennung der Zuſtändigkeit der
Gerichte zu dieſer Nachprüfung, ſofern nicht eine
Vorentſcheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu
reſpektieren iſt, gelöſt iſt.
Die Neuregelung der Erſatzpflicht und des
Erſatzzuweiſungsverfahrens hat Aenderungen des
Art. 60 Abſ. 4 und die Aufhebung des Art. 175
Abſ. 3 des AG. z. BGB. zur Folge gehabt
(Art. 226).
Für einen ſpeziellen Fall ſetzt das Geſetz in
Art. 22 eine beſondere Folge der Pflichtver—
letzung feſt:
Ein Beamter, der ſich ohne den erforderlichen
war, und die Entziehung des Dienſteinkommens
kann nur in dem in Art. 57 geregelten Verfahren
erfolgen.
Die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde
gegenüber nichtrichterlichen Beamten und jene des
Disziplinargerichts gegenüber richterlichen Beamten
ſind für den Streitrichter bindend (Art. 178
Ziff. 6 BG.).
Die dienſtſtrafrechtlichen Folgen der Pflichtverletzung.
An einem einheitlichen Dienſtſtrafrecht für die
nichtrichterlichen Beamten hat es bisher in Bayern
gefehlt. Das Dienſtſtrafrecht für die pragmatiſchen
Beamten war zunächſt in den 88 9—15 der IX.
Verf B. geregelt; dieje Regelung konnte nur in:
ſolange einigermaßen dem Bedürfniſſe genügen,
als die Strafgeſetze eine Reihe gröberer Pflicht:
verletzungen der Staatsdiener neben peinlichen
Strafen mit der Dienſtentlaſſung oder Degra—
dation bedrohten. Als mit Einführung des StGB.
die Grenzen der peinlichen Beſtrafung von Be:
amtendelikten enger als vordem gezogen waren,
half man ſich dadurch, daß man Beſtimmungen,
welche die nicht mehr mit krimineller Strafe be-
drohten dienſtlichen Verfehlungen nun mit Dienſt⸗
ſtrafen bedrohten, in das Geſetz vom 26. De—
zember 1871, den Vollzug der Einführung des
StGB. für das Deutſche Reich in Bayern betr.,
einſtellte und dieſe dann mit einigen Aenderungen
in das AG. z. StPO. übernahm. Der VI. Ab:
ſchnitt dieſes Geſetzes bildete ſonach die Ergänzung
der Disziplinarſtrafbeſtimmungen des Staatsdiener—
edikts; während nun die Disziplinarſtrafbe—
Urlaub von ſeinem Amte fernhält oder den er— ſtimmungen des AG. z. StPO. nach ausdrück—
teilten Urlaub überſchreitet, ohne daß ihm aus—
reichende Entſchuldigungsgründe zur Seite ſtehen,
iſt unbeſchadet dienſtſtrafrechtlichen Einſchreitens
für die Zeit des unerlaubten Fernbleibens vom
Amte ſeines Dienſteinkommens verluſtig. Vom
Amte hält ſich auch der Beamte unbefugt ferne,
|
licher Beſtimmung des Art. 112 dieſes Geſetzes
auf alle königlichen Staatsbeamten und öffentlichen
Diener, ferner auf die mit Verrichtungen ſolcher
betrauten Perſonen Anwendung fanden, herrſchte
nie Klarheit darüber, ob die dienſtſtrafrechtlichen
Beſtimmungen des Staatsdienerediktes, wie Seydel
der im Falle ſeiner Verſetzung, Beförderung oder (Bd. II S. 277 u. 284) behauptet, auch für die
Reaktivierung die ihm übertragene Stelle ohne nichtpragmatiſchen Beamten und Bedienſteten galten,
auf dieſe analog oder gar nicht anwendbar waren.
ausreichende Entſchuldigungsgründe rechtzeitig an—
zutreten unterläßt.
einkommens erfolgt durch Verfügung der zur
Urlaubserteilung zuſtändigen Behörde. Dem
Beamten ſteht gegen die Verfügung die Beſchwerde
im Inſtanzenzuge offen; die Beſchwerdefriſt be—
trägt zwei Wochen von der Eröffnung an.
Einziehung des Dienſteinkommens trägt nicht den
Charakter einer Strafe. Für richterliche Beamte
bleiben die Beſtimmungen der Art. 7 und 57
1) Vgl. dieſe Zeitſchrift Jahrg. 1907 S. 366.
Die
Die Einziehung des Dienſt⸗
Für einzelne Beamtenklaſſen ſind beſondere Dis—
ziplinarvorſchriften erlaſſen worden, ſo u. a. für
die Notare, die Gerichtsvollzieher, das Perſonal
der Verkehrsverwaltung, der Rentämter, der Gen:
darmerie und der Grenzwache.
Von einer vollſtändigen Darſtellung des ſeit—
her geltenden Dienſtſtrafrechtes muß hier abgeſehen
werden; folgende Angaben darüber werden genügen,
beim Vergleich mit den neuen Beſtimmungen zu
ſehen, wie viel ſtraffer in Zukunft die Zügel an—
gezogen werden können und wie gründlich die ſeit⸗
410
herigen Hinderniſſe der Ausſtoßung bedenklicher
Elemente aus dem Beamtenſtande beſeitigt ſind.
Das AGG. z. StPO. hat in den Art. 103 — 106
einige ſtraſbare Tatbeſtände feſtgelegt und im Art. 107
beſtimmt, daß neben dem Ausſpruch der angedrohten
Geldſtrafen auf disziplinäre Entziehung des Amtes
erkannt werden kann; auf letztere konnte nach
Art. 109 ferner erkannt werden, wenn ein Beamter
bei Ausübung ſeines Dienſtes oder unter Mik-
brauch ſeines Dienſtverhältniſſes eine ſtrafbare,
aber kein Verbrechen oder Vergehen im Amte
bildende Tat verübt hatte und deshalb zu einer
Gefängnisſtrafe von mehr als einem Jahr verurteilt
worden war; ſonſt konnte nur nach dem zur Er⸗
gänzung der 88 10 und 11 des Staatsdieneredikts
dienenden Art. 110 des AG. z. StPO. (neben
disziplinärer Geldſtrafe) auf Verluſt des Amtes
erkannt werden, wenn der Beamte nach dreimaliger
Disziplinarbeſtrafung im Sinne der 88 11 und 12
des Staatsdieneredikts wegen Fahrläſſigkeit, Un⸗
fleiß, Leichtſinn oder Unſittlichkeit ſich neuerdings
einer Pflichtverletzung folcher Art ſchuldig gemacht
hatte; dazu konnte es kaum je kommen, da mit
Dienſtſtrafen (Verweis, Geldbuße von 9—90 M,
Hausarreſt oder Zivilarreſt) erft nach erfolgloſen
Ermahnungen und Drohungen eingeſchritten werden
durfte, nur die geſchärften, d. h. ausdrücklich als
erſte, zweite, dritte zur Stellung vor Gericht führende
Strafe bezeichneten Disziplinarſtrafen zählten und
zwiſchen jeder geſchärften Strafe mindeſtens eine
einfache Dienſtſtrafe liegen mußte.
Bevor ich zur Beſprechung des materiellen
Dienſtſtrafrechtes und des Verfahrens nach dem
BG. übergehe, ſoll die Frage erörtert werden, auf
welche Perſonen die Beſtimmungen des BG. über
das Dienſtſtrafrecht Anwendung finden.
Das BG. ſchafft einheitliches Dienſtſtrafrecht
für alle aktiven nichtrichterlichen Beamten im Sinne
des BG.; die ſeither beſtehenden beſonderen Straf—
ordnungen für einzelne Beamtenklaſſen treten, ſo—
weit nicht das Geſetz ſelbſt Vorbehalte enthält,
(vgl. für die Gendarmeriemannſchaften Art. 204
Abſ. 2; ſ. ferner Art. 200, 201, 203 hinſichtlich
der Beamten der Militärverwaltung; daß auf die
Staatsminiſter die Vorſchriften des VII. Abſchnittes
überhaupt nicht Anwendung finden können, iſt oben
ſchon dargelegt) außer Kraft (Art. 220 Abſ. 1).
Nicht unzweifelhaft ift, ob die in 835 der Ger VollzoO.
vom 16. Dezember 1899 enthaltenen dienſtſtraf—
rechtlichen Vorſchriften nicht erſt beſonderer Auf—
hebung bedürfen; zwar treten nach Art. 220 Abſ. 1
BG. alle dieſem Geſetz entgegenſtehenden Vorſchriften,
ſoweit nicht in den Art. 212 — 217 und 222 Vor:
behalte gemacht ſind, für die Beamten im Sinne
des BG. außer Kraft; anderſeits aber bleiben
nach Art. 222 Abſ. 2 die nicht durch Abſ. 1 gez
änderten Borjchriften, alfo auch Art. 65, des
AG. z. GVG. unberührt; nach letztbezeichnetein
Artikel iſt aber die Regelung der Dienſtverhältniſſe
der Gerichtsvollzieher den auf dem Verordnungs—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
wege zu erlaſſenden Dienſtvorſchriſten vorbehalten
und auf Grund dieſer Geſetzesbeſtimmung iſt die
GerVollzO. erlaſſen.
Mit dem Unterſchied in der Rechtsſtellung der
unwiderruflichen und der widerruflichen Beamten
hängt es zuſammen, daß nicht alle Beſtimmungen
des BG. über Dienſtſtrafrecht auch auf die wider⸗
ruflichen aktiven Beamten Anwendung finden. Da
dieſe jederzeit im Verwaltungswege entlaſſen und
auch auf eine Stelle mit geringerem Rang und
Gehalt, bei vorliegendem Verſchulden auch ohne
Erſatz der Umzugskoſten verſetzt werden können,
konnte ihre Entlaſſung und Strafverſetzung nicht
von einem Disziplinarerkenntniſſe abhängig ge:
macht werden. Die Vorſchriften des Geſetzes über
Strafverſetzung und Dienſtentlaſſung, ſowie über
das die Verhängung dieſer Strafen betreffende
Disziplinarverfahren finden daher auf die wider⸗
ruflichen Beamten keine Anwendung. Nur in dem
einzigen Falle, daß die Dienſtentlaſſung mit der
Wirkung des Verluſtes des Anſpruchs auf Unfall:
fürſorge verhängt werden ſoll, finden auch die
Vorſchriften über die Dienſtentlaſſung der un-
widerruflichen Beamten auf die widerruflichen Be⸗
amten Anwendung (Art. 164).
Da in Art. 164 und 166 Abſ. 2 für die
widerruflichen Beamten und ebenſo in Art. 165
für die in Art. 25 bezeichneten Perſonen nur die
Vorſchriften der Art. 105 — 107, 111—117, nicht
aber der Art. 118 für entſprechend anwendbar er⸗
klärt find, genießen die widerruflichen Beamten
und die in Art. 25 genannten Perſonen den durch
die Aenderungen an den Art. 118 und 138 Abſ. 2
des Entwurfes geſchaffenen Schutz gegen miß⸗
bräuchliche Beeinträchtigung der Vereinsfreiheit
nicht. Dieſer Rechtszuſtand widerſpricht unzweifelhaft
dem Willen des Ausſchuſſes der Kammer der Ab—
geordneten, deſſen Bekämpfung des Art. 16 des
Entwurfes die beſagten Aenderungen zu danken
ſind, und kann das merkwürdige Reſultat zeitigen,
daß widerrufliche Beamte wegen Zugehörigkeit zu
einem Verein von ihren Vorgeſetzten mit Ordnungs—
ſtrafen belegt werden, während derſelbe Verein
von den Disziplinargerichten als kein verbotener
erklärt wird, unwiderrufliche Beamte ihm alſo an⸗
gehören dürfen. Man kann einwenden, daß dem
jederzeit entlaßburen Beamten die Anwendbarkeit
des Art. 118 nichts nützen würde; aber zu der
Gewalttat, einen Beamten wegen Zugehörigkeit
zu einem der Regierung mißliebigen Vereine zu
entlaſſen, obwohl das Disziplinargericht ein Dienſt—
vergehen für nicht vorliegend erklärt, würde keine
Regierung ſchreiten. Ich halte es für ein Ver:
ſehen, daß mit dem Art. 118 nicht auch die
Art. 164, 165 und 166 Abſ. 2 geändert worden ſind.
Der den dienſtſtrafrechtlichen Vorſchriften des
BG. unterworfene Beamte unterliegt dieſem nicht
bloß hinſichtlich der Verfehlungen, deren er fich
als Beamter im Sinne des BGG. ſchuldig ge:
macht hat, ſondern auch hinſichtlich ſolcher Dienſt⸗
Zeitſchrift für EU“M!MoBlBeiſchritt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 11. in Bayern. 1908. Nr. 21.
vergehen, F er während feines früheren Dienft-
verhältniſſes als Notar oder öffentlicher Beamter
begangen hat. Auch der in eine andere Staats⸗
dienerſtellung übergetretene frühere Richter unter⸗
liegt wegen eines als Richter begangenen Dienſt⸗
vergehens den Vorſchriften des BG. und nicht
mehr jenen des RDG.; es iſt alſo nicht die Zeit
der Verübung des Dienſtvergehens, ſondern die
Zeit der Verfolgung für die Frage der Anwend⸗
barkeit der Vorſchriften des BG. entſcheidend.
Es iſt ſogar, obwohl in ſolchen Fällen von
einem Dienſtvergehen nicht die Rede ſein kann,
dienſtſtrafrechtliches Einſchreiten nach den Vor⸗
ſchriften des BG. wegen Handlungen zuläſſig, die
der Beamte vor dem Eintritt in den Staatsdienſt
zu einer Zeit begangen hat, da er weder Staats⸗
beamter noch öffentlicher Beamter war, jedoch nur
dann, wenn die Handlung die Strafverſetzung oder
Dienftentlaffung begründet. Dem ſeitherigen Rechte
war eine ſolche Beſtimmung für nichtrichterliche
Beamte fremd.
Daß die Dienſtſtrafgewalt ſich nicht bloß auf
Beamte im Sinne des VG., ſondern darüber
hinaus auf die in Art. 25 bezeichneten Perſonen
erſtreckt, iſt bei Beſprechung deren Rechtsverhältniſſe
ſchon dargelegt worden. Die Dienſtſtrafgewalt hat
aber auch mit der Entlaſſung des Beamten ihr
Ende nicht erreicht; ihre bedenkliche Erweiterung
gegenüber den in den Ruheſtand verſetzten Beamten
wird bei Erörterung der Rechtsverhältniſſe der in
Ruheſtand befindlichen Beamten, die Dienſtſtraf—
gewalt gegenüber den ſonſt entlaſſenen Beamten
bei Beſprechung der Auflöſung des Dienſtver—
hältniſſes zur Sprache kommen.
Das BGG. hat vollſtändig davon abgeſehen,
ſtrafbare Tatbeſtände einzeln feſtzulegen; jede Ver—
letzung der dem Beamten obliegenden Pflichten iſt
als Dienſtvergehen ſtrafbar (Art. 105). Die Straf:
barkeit iſt von keiner erfolgloſen Ermahnung oder
Warnung abhängig. Für jedes, auch das erſte
Dienſtvergehen kann jede, auch die ſchwerſte der
zuläſſigen Dienſtſtrafen verhängt werden.
Das BGG. ſcheidet die Dienſtſtrafen in Ord:
nungsſtrafen und Disziplinarſtrafen. Ordnungs—
ſtrafen ſind:
1. Verweis.
2. Geldſtrafe.
Disziplinarſtrafen ſind:
1. Strafverſetzung (Art. 109) mit oder ohne
Veränderung des Dienſtortes und zwar entweder:
a) Verſetzung auf eine Amtsſtelle mit gleichem
Rang und Gehalt, neben der auf Geldſtrafe
bis zur Höhe des 3. Teiles des zuletzt be-
zogenen Jahresgehaltes erkannt werden kann;
b) Verſetzung auf eine Amtsſtelle mit geringerem
Rang und geringerem Gehalt, wobei jedoch
die Gehaltsminderung den 5. Teil des zuletzt
411
bezogenen Jahresgehaltes nicht überſchreiten
darf; neben dieſer Art der Strafverſetzung
kann nicht auf Geldſtrafe erkannt werden.
Da Verſetzung auf eine Stelle mit geringerem
Rang und geringerem Gehalt zuläſſig iſt, muß
auch Verſetzung auf eine Stelle mit geringerem
Gehalt aber gleichem Rang oder auf eine ſolche
mit gleichem Gehalt aber geringerem Rang für
zuläſſig erachtet werden, Fälle, die nach dem was
über den Rang oben geſagt worden iſt, im Be⸗
reiche der Möglichkeit liegen. Die Beſtimmung
der Amtsſtelle, auf welche der Beamte zu verſetzen
ift, ſteht der Verwaltungsbehörde, nicht dem Dis⸗
ziplinargerichte zu. Der zur Strafe verſetzte Be⸗
amte hat keinen Anſpruch auf Vergütung der
Umzugekoſten.
2. Dienſtentlaſſung mit der Folge des Ver⸗
luſtes des Titels, der Dienſtabzeichen und des
Anſpruchs auf Dienſteinkommen, Ruhegehalt und
Hinterbliebenenverſorgung (Art. 110 Abſ. 1). Das
Geſetz ſieht jedoch die Möglichkeit einer Milderung vor.
Die Geldſtrafen werden nach Art. 107 Abſ. III
den Wohlfahrtseinrichtungen für die Beamten zu—
gewendet; Art. 107 handelt aber nur von den
Ordnungsſtrafen. Für die neben der Strafverſetzung
erkannte Geldſtrafe, die den Charakter der Dis-
ziplinar (Neben-) Strafe hat, ift die Vorſchrift nicht
wiederholt; fie wird demnach der Staatskaſſe zu:
fallen. Das Ergebnis dürfte kaum beabſichtigt
ſein, ſondern auf einem Redaktionsverſehen beruhen.
Der Staat hat kein Intereſſe mehr an der
Verhängung von Dienſtſtrafen, wenn der Beamte
unter Verzicht auf alle aus dem Dienſtverhältnis
entſtandenen Rechte aus dieſem ausſcheidet; das
Dienſtſtrafverfahren wird daher eingeſtellt, wenn
der Beſchuldigte unter Verzicht auf Titel und
Dienſtabzeichen ſowie auf Dienſteinkommen, Ruhe—
gehalt und Hinterbliebenenverſorgung um Ent:
laſſung aus dem Staatsdienſte nachſucht und der
Beamte in bezug auf ſeinen Dienſt ſich nicht in
verſchuldetem Rückſtande befindet und über eine
ihm anvertraute Verwaltung von öffentlichem Ver—
mögen Rechnung abgelegt hat (Art. 114); die
Koſten des eingeſtellten Verfahrens find dem Be⸗
ſchuldigten aufzuerlegen (Art. 162 Abſ. 3 u. 6).
Für Dienſtſtrafſachen gilt das Legalitätsprinzip
nicht; die Ahndung von Pflichtverletzungen ſeiner
Beamten zu betreiben ift ein Recht des Dienſt—
herrn, das er nach ſeinem Ermeſſen üben oder
nicht ausüben kann (Begr. S. 210). Inwieweit er
die zur Verhängung von Ordnungsſtrafen zu:
ſtändigen Beamten und Behörden zum Strafen
verpflichten will, hat in den Vorſchriften über die
Dienſtaufſicht zum Ausdruck zu kommen; die Ein—
leitung des Disziplinarſtrafverfahrens iſt von einem
Antrage des zuſtändigen Miniſteriums oder der
von ihm ermächtigten Behörde abhängig gemacht
(Art. 129). Die Zurücknahme des Antrags iſt
bis zur Verkündung des Urteils der Disziplinar⸗
kammer zuläſſig, nach dem Erlaſſe des Ver⸗
weiſungsbeſchluſſes jedoch nur mit Zuſtimmung
des Beſchuldigten; die Zurücknahme des Antrags
hat die beſchlußmäßige Einſtellung des Verfahrens
5 (Art. 151); wegen der Koſten ſ. Art. 162
Aus dem RDG. übernommen hat das BG.
die Beſtimmungen (Art. 115 u. 116) über den
Einfluß eines ſtrafrechtlichen Verfahrens und deſſen
Ergebniſſes auf die Zuläſſigkeit der Einleitung
oder Fortſetzung eines Dienſtſtrafverfahrens.
Die Verurteilung im ſtrafrechtlichen Verfahren
ſchließt ein dienſtſtrafrechtliches Verfahren dann
aus, wenn die Verurteilung den Verluſt des Amtes
kraft Geſetzes nach ſich zieht, oder zugleich auf
Verluſt des Amtes erkannt iſt; andernfalls kann
nach Beendigung des Strafverfahrens das Dienſt⸗
ſtrafverfahren eingeleitet oder fortgeſetzt werden.
Die ſeitherige Streitfrage, ob Dienſtvergehen
verjähren, hat das BG. durch Herübernahme der
Beſtimmung aus dem RDG., daß die Stra}:
verfolgung von Dienſtvergehen in fünf Jahren
verjährt, aus der Welt geſchafft, der übernommenen
Vorſchrift des RDG. jedoch die Beſchränkung an-
gefügt, daß die dienſtſtrafrechtliche Verjährung
keinesfalls vor der ſtrafrechtlichen Verjährung ein⸗
tritt, wenn die Tat auch gegen ein Strafgeſetz
verſtößt (Art. 113 Abſ. 1). Ueber Unterbrechung
der Verjährung enthält Art. 113 al 2 Be:
ſtimmungen.
Vor dem Eingehen auf das
Dienftftrafverfahren
nach dem BG. ſei ein kurzer Rückblick auf das
ſeitherige Verfahren unter Ausſchaltung der in
den beſonderen Strafordnungen enthaltenen Be⸗
ſtimmungen geworfen.
Zuſtändig zur Verhängung von Dienſtſtrafen
war beim „ſubalternen Perſonal“ der Vorſtand,
wo dieſer aus mehreren Perſonen beſtand, das
geſamte Direktorium, beim höheren Perſonal die
vorgeſetzte Amtsbehörde. Bei Verhängung einfacher
1 war Gehör des Beſchuldigten, für
die 2. und 3. geſchärfte Dienſtſtrafe ſchriftliche
Vernehmung, Erſtattung ſchriftlichen Vortrages
und kollegiale Beratung vorgeſchrieben. Die dritte
geſchärfte Dienſtſtrafe konnte nur vom vorgeſetzten
Miniſterium verhängt werden; jeder Strafbeſcheid
mußte ſchriftlich ausgefertigt, mit Gründen ver—
ſehen und zugeſtellt werden. Gegen die Ver—
hängung geſchärfter Dienſtſtrafen fand Beſchwerde
mit aufſchiebender Wirkung an die nächſthöhere
Behörde und, wenn ein Staatsminiſterium in
erſter Inſtanz entſchieden hatte, an den Staatsrat
ſtatt. Kam es nach drei geſchärften Dienſtſtrafen zur
„Stellung vor Gericht“, ſo erfolgte gegen die nicht
der Militärgerichtsbarkeit unterſtehenden Beamten
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
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Behandlung und Aburteilung des Straffalles durch
die Landgerichte nach den Vorſchriften der StPO.
und des GVG. über das Verfahren in den zur
Zuſtändigkeit der Landgerichte gehörigen Straf:
ſachen jedoch unter Ausſchluß der Oeffentlichkeit
der Verhandlung. Gegen das landgerichtliche Urteil
fand Berufung an das Oberlandesgericht ſtatt;
das gleiche Verſahren fand in den Fällen einer
Verfehlung gegen Art. 103 bis 107 und bei
disziplinärer Entziehung des Amtes nach Art. 109
des AG. z. StPO., alfo in allen Faäͤllen ſtatt,
in welchen gegen einen Beamten auf Verluſt des
Amtes erkannt werden konnte.
Nach neuem Recht werden die Dienſtſtrafen
teils im Ordnungsſtrafverfahren, teils im Dis⸗
ziplinarverfahren verhängt; nicht die Art der Ver⸗
fehlung, ſondern die Art der zu verhängenden
Strafe entſcheidet über das Verfahren. Die Ord⸗
nungsſtrafen werden im Ordnungsſtrafverfahren,
die Disziplinarſtrafen im Disziplinarverfahren ver⸗
hängt; da nun, wie bereits oben dargelegt, jedes
Dienſtvergehen jede Art von Dienſtſtrafe zur Folge
haben kann, muß in jedem Falle eine Vorprüfung
ſtattfinden, ob nach Erheblichkeit des Dienſtvergehens
mit beſonderer Rückſicht auf die geſamte Führung
des Beſchuldigten lediglich eine Ordnungsſtrafe am
Platze iſt oder vorausſichtlich auf Strafverſetzung
oder Dienſtentlaſſung zu erkennen ſein wird. Dieſe
Prüfung liegt zunächſt den zur Verhängung von
Ordnungsſtrafen zuſtändigen Beamten oder Be⸗
hörden ob; halten dieſe eine Ordnungsſtrafe für
ausreichend, wird das Ordnungsſtrafverfahren durd-
geführt, halten ſie eine Disziplinarſtrafe für an⸗
gezeigt, fo entſcheidet das zuſtändige Miniſterium
oder die von dieſem ermächtigte Stelle, ob das
Disziplinarverfahren zu beantragen iſt (Art. 117,
129 Abſ. 1).
Die Regel, daß der Charakter der voraus⸗
ſichtlich zu verhaͤngenden Strafe als Ordnungs⸗
ſtrafe oder Disziplinarſtrafe für die Art des Ber-
fahrens maßgebend iſt, erleidet eine Ausnahme
hinſichtlich der durch Zugehörigkeit zu einem nach
Art. 16 unterſagten Vereine begangenen Dienſt⸗
vergehen. Hier find die Disziplinargerichte gegen:
über unwiderruflichen aktiven Beamten zur Ent⸗
ſcheidung zuſtändig ohne Rückſicht, ob auf Ordnungs⸗
ſtrafe oder Disziplinarſtrafe zu erkennen ſein wird
(Art. 118)
Das Ordunngsſtrafverfahren
iſt im Geſetz mit wenigen Sätzen abgetan. Für
zuſtändig zur Verhängung der Ordnungsſtrafen
werden die vorgeſetzten Behörden und Beamten
erklärt und die Erlaſſung der näheren Vorſchriften
hierüber wird der Staatsregierung vorbehalten.
Die Verhängung der Ordnungsſtrafe kann ohne
oder nach vorheriger Androhung ſtattfinden; erſteren⸗
falls iſt Gehör des Beamten vorgeſchrieben. Der
Strafbeſcheid wird ſchriſtlich oder zu Protokoll er-
laffen und muß die Gründe der Beſtrafung an-
geben. Die wichtige Frage nach den Rechtsmitteln
gegen die Strafverfügung wird durch den Satz
erledigt: „Die näheren Vorſchriften über das Be⸗
ſchwerdeverfahren werden von der Staatsregierung
erlaſſen“. Die Faſſung geſtattet wenigſtens den
Schluß, daß die Beſchwerde nicht ausgeſchloſſen
werden kann. Die Frage des Korreferenten, ob die
Beſchwerde aufſchiebende Wirkung habe, hat der
Finanzminiſter bei den Beratungen des Ausſchuſſes
der Abgeordnetenkammer bejaht; die Frage, ob
weitere Beſchwerde bis zur höchſten Inſtanz zu⸗
läſſig iſt, wäre wichtig genug geweſen, um im
Geſetze geregelt zu werden, iſt aber bei den Be⸗
ratungen nicht einmal angeſchnitten worden.
Mit um ſo größerer Sorgfalt iſt das
Disziplinar verfahren!)
ausgeſtaltet worden; es ſpielt ſich vor den Dis⸗
ziplinargerichten ab. Disziplinargerichte erſter In⸗
ſtanz ſind die „Disziplinarkammern für nicht⸗
richterliche Beamte“, die am Sitze jedes Ober⸗
landesgerichts errichtet werden und aus dem
Präſidenten des Oberlandesgerichts als Präſidenten,
den Mitgliedern und ſtellvertretenden Mitgliedern
der DR. für richterliche Beamte, ferner aus zwei
bis ſechs Beamten aus dem Geſchäftskreiſe jedes
Miniſteriums und der erforderlichen Anzahl von,
Stellvertretern beſtehen.
Disziplinargericht zweiter Inſtanz iſt der „Dis—
ziplinarhof für nichtrichterliche Beamte“ mit dem
Sitze in München; er beſteht aus dem Präſidenten
des oberſten Landesgerichts als Präſidenten, den
Mitgliedern und den ſtellvertretenden Mitgliedern
des DH. für richterliche Beamte und aus drei
bis ſechs Beamten aus dem Geſchäftskreiſe jedes
Miniſteriums und der erforderlichen Anzahl von
Stellvertretern. Die Mitglieder der DK. und des
DH., welche dieſem nicht als Mitglieder der
Disziplinargerichte für richterliche Beamte an-
gehören, werden vom König für die Dauer des
von ihnen bekleideten Hauptamtes ernannt und
müſſen unwiderrufliche Beamte ſein.
Die DR. entſcheiden in der Beſetzung von
fünf, der DH. in der Beſetzung von ſieben Mit:
gliedern einſchließlich des Präſidenten; die Bu-
ſammenſetzung der Disziplinargerichte erfolgt durch
deren Präſidenten. Das Uebergewicht der Berufs—
richter iſt durch die Beſtimmung geſichert, daß bei
den Entſcheidungen der DR. außer dem Präſidenten
zwei Mitglieder oder ſtellvertretende Mitglieder
der DK. für richterliche Beamte, bei jenen des
DH. außer dem Präſidenten drei Mitglieder oder
) Abkürzungen: DV. = Disziplinarverfahren.
DK. = Disziplinarkammer.
DH. = Disziplinarhof.
VU. Vorunterſuchung.
StA. = Staatsanwalt.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern 1908. Nr. 21.
413
ftellvertretenbe Mitglieder des DH. für richterliche
Beamte mitwirken müſſen; die übrigen Mitglieder
werden dem Geſchäftskreiſe des Miniſteriums ent⸗
nommen, dem der Beſchuldigte unterſteht.
Die Beſtimmungen des Geſetzes über örtliche
Zuſtändigkeit der DK., Nichtvereidigung, Aus:
ſchließung und Ablehnung von Mitgliedern der
Disziplinargerichte und das Verfahren hierbei,
über Friſtenlauf und Wiedereinſetzung in den
vorigen Stand, über Beeidigung von Zeugen und
Sachverſtändigen, deren Pflicht zur Abgabe des
Zeugniſſes oder Gutachtens und die Folgen der
Weigerung ſowie über Zuſtellungen, ferner die
Vorſchrift, daß alle im Disziplinarverfahren er⸗
gehenden Entſcheidungen mit Gründen zu verſehen
find (Art. 122, 123, 127, 128, 130 — 133) find
aus dem RDG. (Art. 14, 15, 20, 21, 24 — 27)
übernommen. Auch die weiteren Vorſchriften über
das Verfahren ſchließen ſich ſo eng an jene des
DG. an, daß nur die Abweichungen von deſſen ſeit⸗
herigen Beſtimmungen wiedergegeben werden ſollen.
Die Einleitung des DV. erfolgt auf Antrag
des zuſtändigen Miniſteriums oder der von dieſem
ermächtigten Stelle durch Verfügung des Präſi⸗
denten der DK. Dieſe Verfügung iſt ein Formal⸗
akt; der Präſident hat nur zu prüfen, ob ein
Antrag der zuſtändigen Stelle vorliegt. Zur Vor⸗
nahme der bei Gefahr auf Verzug vor der Ein—
leitung des DV. zuläſſigen Unterſuchungshand⸗
lungen ſind die dem Beamten vorgeſetzten Be⸗
hörden und Beamten zuſtändig; das Geſetz ſchreibt
die Beiziehung eines beeidigten, im Notfall eigens
zu beeidigenden Protokollführers zu dieſen ſowie
zu allen Unterſuchungshandlungen in der VU. vor.
Die VU. iſt in allen Fällen notwendig. Der ſie
führende Beamte wird durch den Präſidenten im
Benehmen mit dem zuſtändigen Miniſterium und
mit der Stelle, welche die Einleitung des Ver⸗
fahrens beantragt hat, beſtimmt; ſie muß einem
Beamten aus dem Geſchäftskreiſe des Miniſteriums
übertragen werden, dem der Beſchuldigte unter-
ſteht. Die Beſtimmung iſt vergebens mit guten
Gründen bekämpft worden. Die Vorſchriften über
die Beweiserhebung in der VU. haben eine Pe-
reicherung durch die Beſtimmung des Art. 134
|
Abſ. 7 über Zuläſſigkeit der kommiſſariſchen Ber-
nehmung von Zeugen und Sachverſtändigen in
der VU. erfahren. Schon im Laufe der VU.
ſoll dem Beſchuldigten, ſoweit es ohne Gefährdung
des Unterſuchungszweckes geſchehen kann, im Inter—
eſſe ſeiner Verteidigung von wichtigen oder neuen
Beweisergebniſſen Mitteilung gemacht werden. Vor
dem Schluſſe der BU. muß ihm das Ergebnis
mitgeteilt und ihm nochmals Gelegenheit zu ſeiner
Verteidigung gegeben werden (Art. 136 Abſ. 2 u. 3).
Erſcheint der Beſchuldigte in einem Termine nicht,
der ihm ausdrücklich als zur Entgegennahme be—
ſtimmt bezeichnet worden war, wird die Vorſchrift
als erfüllt anzuſehen ſein (vgl. Arndt, RBG.
Anm. zu $ 97). Zur Entſcheidung über einen
414
Antrag des StA. auf Ergänzung der VU., dem
der die BU. führende Beamte nicht ſtattgeben will,
iſt nicht die DK., ſondern deren Präſident zu⸗
ſtändig (Art. 137 Abſ. 2).
Lautet der Antrag des StA. auf Verweiſung
der Sache zur Hauptverhandlung, hat der StA.
eine die weſentlichen Ergebniſſe der Ermittelungen
enthaltende „Anſchuldigungsſchrift“ einzureichen.
Dieſe wird dem Beſchuldigten zur Erklärungsabgabe
binnen einer vom Präſidenten zu beſtimmenden
Friſt zugeſtellt. Nach deren Ablauf entſcheidet die
DE. über die Anträge des StA.; fie kann vorher
eine Ergänzung der VU. anordnen (Art. 137
Abſ. 4 und 5).
Antrag des StA. und Beſchluß der DE.
können außer auf Außerverfolgungſetzung, vor⸗
läufige Einſtellung oder Verweiſung zur Haupt⸗
verhandlung auf Einſtellung des Verfahrens lauten;
dieſe hat zu erfolgen, wenn zwar ein Dienſt⸗
vergehen vorliegt, die Verurteilung zur Straf⸗
verſetzung oder Dienſtentlaſſung aber nicht zu
erwarten iſt und es ſich nicht um ein durch Teil⸗
nahme an einem unterſagten Verein begangenes
Dienſtvergehen handelt. Wenn Einſtellung erfolgt,
kann die zuſtändige Behörde eine Ordnungsſtrafe
verhängen (Art. 138 Abſ. 2), was im Falle der
Außerverfolgungſetzung unſtatthaft iſt. In den
Fällen der Außerverfolgungſetzung und der Ein-
ſtellung iſt dem Beſchuldigten eine Ausfertigung
des Beſchluſſes zu erteilen (Art. 138 Abſ. 2 und 4);
in beiden Fällen kann das DV. auf Grund neuer
Tatſachen oder Beweismittel auf Antrag des zu:
ſtändigen Miniſteriums oder der von dieſem er:
mächtigten Stelle durch Beſchluß der DR. wieder
aufgenommen werden, die Wiederaufnahme iſt
jedoch im Falle der Einſtellung ausgeſchloſſen,
wenn eine Ordnungsſtrafe verhängt worden iſt
(Art. 141). Verweiſung zur Hauptverhandlung
erfolgt, wenn der Beſchuldigte eines Dienſtvergehens
wider Art. 16 oder eines Dienſtvergehens Hin-
reichend verdächtig ift, das die Strafverſetzung
oder Dienſtentlaſſung begründet. Der „Verweiſungs—
beſchluß“ iſt dem Beſchuldigten mit der Ladung
zur Hauptverhandlung abſchriftlich zuzuſtellen und
zu Beginn der Hauptverhandlung zu verleſen. Die
Darſtellung der Beweisaufnahme durch den Be—
richterſtatter in der Hauptverhandlung hat ſich
nur auf die im Verweiſungsbeſchluß enthaltenen
Anſchuldigungspunkte zu erſtrecken und eine Ver—
urteilung des Beſchuldigten kann nur wegen der
im Verweiſungsbeſchluß bezeichneten Tat erfolgen
(Art. 138 Abſ. 2, 139, 142 Abſ. 2, 144 Abſ. 1
und 3, 148 Abſ. 3). Das Miniſterium oder die
von ihm ermächtigte Stelle iſt befugt, einen Be—
amten in die Verhandlung abzuordnen (Art. 143
Abſ. 3). Für die Reihenfolge bei der Abſtimmung
bemißt ſich das Dienſtalter nach der Zeit der Er—
nennung zum Mitgliede der DK. (Art. 148 Abſ. 6).
Die DE. hat ſelbſt auf Ordnungsſtrafe zu erkennen,
wenn ſie auf Grund des Ergebniſſes der Beweisauf—
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Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
nahme findet, daß nur eine Ordnungsſtrafe zu ver⸗
hängen ſei (Art. 148 Abſ. 2). Die Verkündung des
Urteils erfolgt ſofort oder ſpäteſtens innerhalb der
auf den Schluß der Verhandlung folgenden
14 Tage. Die Verleſung der Entſcheidungsgründe,
deren ſchriftliche a a ihon vor Verkündung
des Urteils nur vorgeſchrieben ift, wenn die Wer:
kündung ausgeſetzt war, kann ſtets durch münd⸗
liche Mitteilung des weſentlichen Inhalts erſetzt
werden (Art. 148 Abſ. 5).
Die Vorſchriften über die Berufung und das
Verfahren in zweiter Inſtanz entſprechen vollſtändig
jenen des RDG. mit dem einzigen Unterſchiede,
daß die Befugnis zur Verlängerung der Friſten
zur Rechtfertigung und Beantwortung der Be⸗
rufung dem Präſidenten der DE. ſtatt dieſer ſelbſt
zuſteht und für die Reihenfolge bei der Abſtimmung
das Dienſtalter nach der Zeit der Ernennung zum
85 des DH. maßgebend iſt (Art. 157, 158
6).
Die dem Beſchuldigten erwachſenen notwendigen
Auslagen einſchließlich der Koſten der Verteidigung
können im Falle der Außerverfolgungſetzung oder
Freiſprechung der Staatskaſſe auferlegt werden.
Wiederaufnahme des Verfahrens findet nach
den Vorſchriften des Vierten Buches der StPO.
über die Wiederaufnahme in den vor den Schöffen:
gerichten verhandelten Sachen ſtatt; auf Grund
neuer Tatſachen oder Beweismittel iſt alſo die
Wiederaufnahme nur ſtatthaft, wenn der Verurteilte
dieſe in dem früheren Verfahren nicht gekannt
hatte oder doch ohne ſein Verſchulden nicht hatte
geltend machen können. Die Vorſchrift des § 403
StPO. findet nicht Anwendung, es kann aljo
Wiederaufnahme auch zum Zwecke der Aenderung
der Strafe ſtattfinden. Die auf Grund eines zu:
läſſigen Antrags angeordnete Beweiserhebung wird
nach den für die VU. in Disziplinarſachen, die
erneute Hauptverhandlung nach den über das
Verfahren in Disziplinarſachen geltenden Vor⸗
ſchriften durchgeführt. Oeffentliche Bekanntmachung
der Aufhebung des früheren Urteils durch Aus⸗
ſchreibung findet nicht ſtatt. Entſchädigung des
im Wiederaufnahmeverfahren freigeſprochenen Be⸗
amten findet nach den Vorſchriften des RG. vom
20. Mai 1898 betr. die Entſchädigung der im
Wiederaufnahmeverfahren freigeſprochenen Perſonen
ſtatt, jedoch entſcheidet über den Entſchädigungs⸗
antrag vorbehaltlich der Berufung auf den Rechts⸗
weg das zuſtändige Miniſterium oder die von ihm
hierzu ermächtigte Stelle. Führt das Wiederauf⸗
nahmeverfahren nur zu einer geringeren Strafe,
ſteht es im Ermeſſen des DG., gänzlichen oder
teilweiſen Erſatz des Vermögensſchadens anzuordnen.
(Schluß folgt).
Mitteilungen aus der Praxis.
Verhältnis zwiſchen dem Nachlaßgerichte und dem
Hypsthekenamte. Begriff der Nechtshilſe. (SS 65 ff.
NachlO. vom zl. Februar 105 8 2 BGO., 88 158 ff.
GVG.). Das Amtsgericht H. (Landgerichts A.) er-
mittelte als Nachlaßgericht, daß der am 6. Juli 1908
zu W. geſtorbene Privatier M. J. auf Grund des
Geſetzes und zufolge der von ſeiner Witwe A. J. er⸗
klärten Ausſchlagung der Erbſchaft von ſeinem Sohne
J. J. allein beerbt worden iſt und daß zum Nachlaß
auch mehrere im Bezirke des Amtsgerichts R. (Land⸗
gerichts N.) gelegene Grundſtücke gehören, als deren
Eigentümer im Grundſteuerkataſter und im Hypo⸗
thekenbuche noch der Erblaſſer M. J. eingetragen iſt.
Zu dem über dieſe Verhandlungen errichteten Proto-
kolle des Nachlaßgerichts beantragte der Erbe J. J.
die Ausſtellung eines Erbſcheins, — die ſofort zu den
Akten erfolgte —, und die Umſchreibung des Eigen-
tums an den Grundſtücken durch die einſchlägigen
Hypothekenämter. Das Nachlaßgericht überſandte die
Nachlaßakten zum Vollzuge der beantragten Um—
ſchreibung auch an das Hypothekenamt des Amts:
gerichts R. Dieſes verlangte zunächſt die Errichtung
und Ueberſendung eines geſonderten Protokolls über
den Eintragungsantrag nach $ 70 Abſ. II NachlO.
Das Amtsgericht H. lehnte dies als überflüſſig ab
und veranlaßte die Vorlegung der Akten „an das als
Beſchwerde⸗Inſtanz zuſtändige Oberlandesgericht Ni.,
damit durch dieſes gemeinſchaftliche obere Gericht
Entſcheidung getroffen werde“.
Dieſem Antrage auf Entſcheidung wurde aus
folgenden Gründen nicht ſtattgegeben:
„Die Eintragung des Erben im Hypothekenbuche
erfolgt grundſätzlich nur auf Antrag des Erben und
nicht von Amts wegen. Die Erledigung dieſes An—
trags liegt ausſchließlich dem Hypothekenamte ob, in
deſſen Bezirke die Grundſtücke gelegen ſind und von
dem die Hypothekenbücher geführt werden (8 63 Abſ. II
Nachl O., 88 86, 89, 96, 120 HypG., Art. 15 und 18
AG. z. GG.). Das Nachlaßgericht hat weder die
Eintragung des Erben von Amts wegen zu bewirken
noch etwa gar den Vollzug dieſer Eintragung in
eigener Zuſtändigkeit zu betätigen, ſondern nur auf
die Berichtigung des Hypothekenbuchs (und des
Kataſters) bei der Ermittelung des Erben „hinzu—
wirken“: es hat den Erben zu veranlaſſen, den An-
trag auf Eintragung im Hypothekenbuche zu ſtellen,
und es hat ſodann den Antrag dem Hypothekenamte
mit dem Erſuchen um Umſchreibung zu überſenden
(88 65 ff., 73 Nachl O.). Seine Mitwirkung beſchränkt
ſich alſo darauf, die Stellung des erforderlichen An—
trags des Erben und ſeine Ueberſendung an das
Hypothekenamt zu vermitteln. Das Erſuchen des
Nachlaßgerichts betrifft demnach nicht die Vornahme
einer zu feiner ſachlichen Zuſtändigkeit ges
hörigen und ſeinen eigenen Zwecken dienenden
Amtshandlung durch das erſuchte Gericht, ſondern
nur die tatſächliche Uebermittelung des Eintragungs—
antrags des Erben, deſſen Erledigung außerhalb
des nachlaßgerichtlichen Geſchäftskreiſes liegt, an das
ausſchließlich zuſtändige Hypothekenamt, für
deſſen Amtszwecke allein hierbei das Nachlaßgericht
behufs möglichſt raſcher Bereinigung der Hypotheken—
bücher tätig zu fein hat (v. Schneider, FGG. (3.)
S. 7 Anm. 5 zu § 2; Keidel, FGG. 2) S. 9 ff.
Anm. 2 zu 8 2; Haberſtumpf⸗Varthelmeß, Nach⸗
laßweſen (2.) S. 46, 210 u. 213, Anm. 1 zu Art. 4
NachlG., Anm. zu § 65 und Anm. 4 zu 867 NachlO.).
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
In der Ueberſendung der Akten und des Eintragungs⸗
antrags durch das Nachlaßgericht in H. an das
Hypothekenamt in R. lag alſo nicht ein Erſuchen um
„Rechtshilfe“ und in der Verfügung des Hypo⸗
thekenamts nicht die Ablehnung eines ſolchen Er⸗
ſuchens. Für eine Entſcheidung des Oberlandesgerichts
— nicht als gemeinſchaftlichen oberen Gerichts für die
Amtsgerichte H. und R., ſondern als des Gerichts,
zu deſſen Bezirke das erſuchte Amtsgericht R. ge⸗
hört —, im Sinne der § 160, 158 ff. GVG., § 2
FAG., Art. 129 AG. z. BGB. fehlen hiernach die
geſetzlichen Vorausſetzungen. u einer Tätigkeit
des Oberlandesgerichts als „gemeinſchaftlichen oberen“
Gerichts iſt überhaupt kein geſetzlicher Anlaß gegeben
(SS 5, 46, 75 JOG., § 25 Abſ. III Nachl O., Art. 129
AG. z. BGB.). — Wenn ſchließlich das Amtsgericht
H. als Nachlaßgericht für ſich ſelbſt ein ſachliches Be⸗
ſchwerderecht gegenüber der ablehnenden Verfügung
des Hypothekenamts R. beanſprucht haben ſollte,
würde es an der Zuſtändigkeit des Oberlandesgerichts
zur Verbeſcheidung dieſer Beſchwerde mangeln (Art. 129
AG. z. BGB., $ 94 Hyp®. in der Faſſung des Gef.
vom 20. Dezember 1903, 88 19 Abſ. II und 30 FGG.),
ganz abgeſehen von der Frage, ob ein derartiges Be⸗
ſchwerderecht dem Nachlaßgerichte als ſolchem über⸗
haupt zukäme und nicht vielmehr dem Erben als
Antragſteller allein zuſtände, falls er die vom Nach⸗
laßgerichte H. vertretene Anſicht teilen wollte (8 20
Abſ. II JOG., S$ 70 Abſ. II und 73 Nachl O.). (Bes
ſchluß des Fer.⸗Sen. vom 26. Auguſt 1908; BeſchwReg.
Nr. 214/08).
Bei der weiteren Betrachtung des einfachen Sach⸗
verhalts, der zunächſt nur zu der oben mitgeteilten
Entſcheidung führen konnte, gelangt man zu folgenden
Ergebniſſen:
1. Nach dem Grund buchrechte liegt ein Fall
der Rechtshilfe ebenfalls nicht vor. Die Um⸗
ſchreibung des Eigentums an Grundſtücken gehört
zur Zuſtändigkeit des Grundbuchamts, nicht des
— nur vermittelnden — Nachlaßgerichts. Die Ueber⸗
tragung der Verrichtungen beider Behörden an das
Amtsgericht darf nicht zur Verwiſchung oder Ver—
ſchiebung der geſetzlichen Grenzen ihrer Zuſtändigkeit
führen (SS 2, 72 FGG., 88 1, 13, 18 GBO., Art. 1,
4, 8 AG. z. GBOO.; Bay 3fR. 1906 S. 83, 97, 138,
270; Ps GBO. S. 227; Haberſtumpf-Barthelmeß
a. a. O.).
2. Dem Nachlaßge richte Steht das Rechtsmittel
der Beſchwerde Gur Zivilkammer des Landgerichts)
gegen die Entſcheidung des Grundbuchamts (Hypo—
thekenamts) nicht zu. In der Vermittelung des
Erbenantrags auf Umſchreibung liegt nicht ein
— kraft Reichsrechts oder vorbehaltenen Landes⸗
rechts — zum Amtspflichtenkreis des Nachlaßgerichts
gehöriges „Erſuchen“ an das Grundbuchamt (Hypo⸗
thekenamt); dieſes wird bier nur auf Grund des
Parteiantrags, nicht auf Grund eines behördlichen
Erſuchens tätig (S8 39, 71, 72, 81 GBO., 88 139,
525 Abſ. II GBDA., BaygfR. 1905 S. 321, 355;
1906 S. 425 ff. und die dort angeführten Belegſtellen;
ROLG. 12 S. 384; Meikel, GBO. S. 385 Anm. 40
zu 8 71, S. 268 Anm. 1 zu § 39; Fuchs-Arnheim,
GBO. S. 660 Anm. 16; Turnau-Förſter, GBO.
S. 349 Anm. 2 zu 8 71 und S. 261 Anm. 5 zu 839;
ferner S8 63—74 Nachl O., Ob LG. n. F. 7 S. 337;
v. Schneider, FGG. S. 46 ff. Anm. 4 zu § 20; Keidel,
FGG. S. 105 Anm. 3d zu 8 20).
3. Das Nachlaßgericht iſt zur Beſchwerde auch
dann nicht berechtigt, wenn es die Auseinander-
416 Zeitſchriſt für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
— — :]A— (— —-t-: — — — — — — — — — — — — — — — B-
ſetzung in Anſehung des Nachlaſſes zwiſchen mehreren
Erben (auf Antrag oder von Amts wegen) ver-
mittelt hat. Seine Aufgabe iſt mit der rechts⸗
kräftigen Beſtätigung der Auseinanderſetzung erledigt,
ihr Vollzug geſchieht nicht von Amts wegen, ſondern
iſt Sache der Beteiligten. Hieran wollte und konnte
mangels geſetzlicher Handhabe die Nachlaßordnung
nichts ändern ($$ 192, 88 ff. FGG.; Art. 4 ff. NachlG.,
ss 100 ff., 73, 67 ff. Nachl O., v. Schneider, FGG.
S. 202 Anm. 4 Abſ. II zu § 93; Keidel, FGG. S. 235
und 271 Anm. 1a zu 8 86 und Anm. 3 zu 8 98;
Bayg3fR. 1906 S. 97 ff.).
4. Das Grundbuchamt iſt berechtigt, die Er⸗
richtung und Ueberſendung eines geſonderten
Protokolls des auswärtigen Nachlaßgerichts über
den Antrag auf Umſchreibung zu verlangen. Dieſe
Urkunde, auf die ſich die zu vollziehende Eintragung
gründet, ift von ihm in den Grundbuchanlagen auf-
zubewahren, ſeiner Aufbewahrungspflicht entſpricht
die Uebergabepflicht der Beteiligten, ihre Erfüllung
hat das Nachlaßgericht zu vermitteln (S 9 GBO.;
Meikel, GBO. S. 93 ff., 425 ff. Anm. 2a und 7a zu
§ 9 und Anm. 3 zu 8 94; 8 70 Abſ. II Nachl O.;
S$ 524, 525 GBDA.). Verſchieden hiervon ift die
Fehlens des für die Grundbuchanlagen beſtimmten
geſonderten Protokolls den Antrag auf Eintragung
zurückweiſen darf und ob es nicht vielmehr zur Er:
möglichung des etwa veranlaßten ſofortigen Vollzugs
des Umſchreibungsantrags verpflichtet und berechtigt
iſt, von dem den Antrag enthaltenden Teile des nach—
laßgerichtlichen Protokolls ſelbſt eine Abſchrift
für die Grundbuchanlagen auf Koſten des Erben zu
nehmen (3525 Abſ. II — Schluß — GBDDA.; Fuchs⸗
Arnheim a. a. O. S. 132 Anm. 10 zu 8 9).
5. Ob vor der Anlegung des Grundbuchs auch
das Hypothekenamt die Vorlegung eines ge—
ſonderten Protokolls über den Umſchreibungs—
antrag des Erben verlangen kann, hängt von der
Auslegung der Vorſchrift des § 73 NachlO. ab.
Hiernach finden die Vorſchriften der S8 66—72 auf
die Herbeiführung der Umſchreibung im Hypotheken-
buch „entſprechende“ Anwendung. Ihre Anwendung
iſt ausgeſchloſſen, ſoweit ihnen Vorſchriften des
Hypothekengeſetzes entgegenſtehen. Dies iſt hier nicht
Nachlaßgericht zur Uebermittlung eines geſonderten
Protokolls veranlaſſen, um dieſes nach dem Vollzuge
der Eintragung unter die „Beilagen zum Hypotheken—
protokolle“ aufzunehmen. Zur Ablehnung des Ein—
tragungsantrags nur wegen des Mangels des ge—
ſonderten Protokolls wird jedoch auch das Hypotheken—
amt nicht kommen können, es wird vielmehr aus dem
den Antrag enthaltenden Protokolle des auswärtigen
Gerichts über die Nachlaßverhandlungen, das nicht
zu den Beilagen genommen werden kann, ſondern
dem Nachlaßgerichte zurückzugeben iſt, eine Regi—
ſtratur in das Hypothekenprotokoll aufzue
nehmen haben. Dieſes nach dem Hyypothekengeſetze
noch zuläſſige Verfahren dürfte alſo die dem Nach—
laßgerichte leines auswärtigen Amtsgerichts) an ſich
obliegende Herſtellung eines geſonderten Protokolls
in dringenden Fällen . machen, falls ſie
einmal unterblieben ift SS 8, 9 Inſtr. z. HypG.;
v. Henle, HypGG. (5) S. 143 Anm. 1 und 2; vgl.
OILA. n. F. 5 S. 508).
6. Das Rechtsmittel der Beſchwerde gegen die
den ſofortigen Vollzug des Antrags ablehnende Ver-
fügung des Grundbuchamts (Hypothekenamts)
ſteht nur dem Erben als Antragſteller zu. Sein
Rechtskreis allein iſt durch die Entſcheidung betroffen,
er allein hat an ihrer Beſeitigung ein rechtliches
Intereſſe (Art. 129 AG. z. BGB. und 8 20 FGG.
bzw. 8 71 GB.).
7. Gegenüber der Weigerung des Nach la ß⸗
gerichts, den Umſchreibungsantrag zu geſondertem
Protokoll entgegenzunehmen, iſt nicht das Rechtsmittel
der Rechtsbeſchwerde, ſondern nur die Anrufung der
Dienſtaufſichtsbehörde möglich. Es handelt
|
ſich um eine Verletzung der Ausführungsvorſchrift
des § 70 Abſ. II NachlO., die nicht zugleich eine Ber-
letzung geſetzlicher Vorſchriften in ſich ſchließt (Art. 129
AG. z. BGB., § 19 JGG., Art. 69 ff. AG. z. GVG.;
Haberſtumpf⸗Barthelmeß a. a. O. S. 140 Anm. 1).
Oberlandesgerichtsrat Bauer in Nürnberg.
1. Die Erweiterung der Strafliſte zu einem
Perſonalbsgen.) 2. Koſtenermäßigung gegenüber dem
Frage, ob das Grundbuchamt lediglich wegen des don vorneherein geſtändigen Angeklagten. 1. Groß
macht in ſeinem ausgezeichneten Handbuch für Unter⸗
ſuchungsrichter (4. Aufl. S. 36 u. 37) nachdrücklich auf
die Wichtigkeit des Studiums der Vorakten zur Bes
urteilung der Perſönlichkeit des Angeklagten, „mag
ſeine Schuld oder ſeine Nichtſchuld bewieſen werden
jollen“, aufmerkſam. Das von einem Menſchen in
gründlich geführten Akten niedergelegte Bild werde
ſich auch fpäter wiederholen. Für ein ſolches gerade
in ſchweren Fällen erforderliches Studium der Vor:
akten wären aber ſehr oft gerade die Akten, in denen
das Verfahren mit einer Außerverfolgungſetzung
oder Freiſprechung des Angeſchuldigten endigte, viel
dienlicher als die aus der Strafliſte erſichtlichen
Akten. Raffinierten Verbrechern gelingt es häufig
zum Schaden der Gerechtigkeit und ihrer Mitmenſchen
den Maſchen des Geſetzes zu entſchlüpfen, in denen
irgend ein armer Teufel hängen bleibt. (Schlau ein⸗
gefädelte Betrügereien im großen — Zechprellerei!) Die
Vorakten, die zur endlichen Ueberführung derartiger
gemeinſchädlicher Menſchen beitragen würden, ſind
häufig, namentlich bei größeren Gerichten, Perſonal⸗
der Fall. Das Hypothekenamt darf alſo zunächſt das häufig größ
wechſel uſw., dem mit dem neuen, mit dem früheren
oft ſehr ähnlichen Fall befaßten Staatsanwalt und
Richter nicht bekannt. Es dürfte deswegen vielleicht
zweckmäßig fein, die Strafliſte zu einem Perſonal⸗
bogen auszugeſtalten. Es könnte generelle Anweiſung
dahin ergehen, daß in die Strafliſte nach näherer
Anordnung auch diejenigen zur Beurteilung der
Perſönlichkeit eines Angeſchuldigten dienlichen Akten
vorgemerkt würden, in denen es nicht zu einer Ber-
urteilung gekommen iſt. Die Vormerkung könnte auf
Einlagebögen in die Strafliſte erfolgen, die hiervon
zu erholenden Abſchriften hätten im einzelnen Fall
bei den ſtaatsanwaltſchaftlichen Akten zu verbleiben.
Eine Bloßſtellung des Beſchuldigten (oder auch eines
wichtigen Zeugen) dürfte natürlich hierdurch nicht
erfolgen.
Vielleicht wäre es auch nicht unzweckmäßig, in
die zu einem Perſonalbogen zu erweiternde Strafliſte
| auch ſonſtige am zweckförderlichſten bei einer Behörde
) Vgl. auch diefe Zeitſchrift Jahrg. 1907 S. 464.
———
— — —
zu führende Einträge, wie z. B. die Leiſtung des Offen⸗
barungseides, als Beilage aufzunehmen.
2. Das Gerichtskoſtengeſetz gibt in den 88 64, 65
die Möglichkeit, den von vorneherein geſtändigen
Angeklagten mit geringeren Koſten zu belegen. Dieſe
vom Gerichtskoſtengeſetz gewollte Privilegierung des
geſtändigen Angeklagten, die ſowohl im Urteil als
mittels nachträglicher Entſcheidung erfolgen kann
(ſ. Pfafferoth Anm. zu 88 64, 65 GG.), wird in
der Praxis ſo ſelten angewendet, daß ein Hinweis
darauf angebracht erſcheinen dürfte.
Landgerichtsrat Vogl in Nürnberg.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Bedeutung der Löſchungsvormerkung (8 1179 868.)
insbeſendere in der Siwangöberfteigerung. Kommt es
zwiſchen dem Gläubiger einer Sicherungs⸗
hypothek und dem aus der Löſchungsvor⸗
merkung Berechtigten zu einem Rechts⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
417
an die offene Handelsgeſellſchaft F. L. Sch. hat, und
im Gegenſatz zum LG. hat das OLG. in dieſer Be-
ziehung dem Kläger den Beweis zugeſchoben. Damit
hat es die Beweislaſt verkannt. Dem OLG. ift darin
beizupflichten, daß die Hypotheken der Beklagten
ebenſo wie die des Klägers Höchſtbetragshypotheken
im Sinne des $ 1190 BGB. find. Nicht entſcheidend
dafür iſt, ob der Betrag der zu ſichernden Forderungen
zur Zeit der Eintragung ungewiß war. Dies ſchloß
die Beſtellung einer Sicherungshypothek im Sinne des
8 1184 und ſelbſt die Beſtellung einer gewöhnlichen
Buch⸗ oder Verkehrshypothek nicht aus. Anderſeits
ſteht jener Annahme nicht entgegen, daß die Hypo:
theken im Eintragungsvermerke nicht als Höchſt⸗
betragshypotheken bezeichnet find. Erforderlich
iſt nur, daß der Eintragungsvermerk ſie als ſolche
erkennbar macht, und dies trifft zu, wenn kein For⸗
derungsbetrag als feſtſtehend angegeben, vielmehr
erſichtlich ift, daß die Feſtſtellung des Betrages der
Forderung ſpäterer Zeit vorbehalten fein ſoll (vgl.
Planck, Komm. Anm. 1, 2c zum 8 1190). Bei den in
Rede ſtehenden Hypotheken bezeichnen die 25000 M
offenſichtlich nicht den Betrag der Forderung (f. § 1115),
ſondern nur den Betrag der Hypothek (f. g 1113 Abſ. 1),
und das kann nur im Sinne eines Höchſtbetrages,
bis zu dem die Grundſtücke für die in ihrem Betrage
erſt feſtzuſtellenden Forderungen haften ſollen, ver⸗
ſtanden werden. Für die Entſcheidung der Frage der
Beweislaſt kommt es übrigens, wie das OLG. wieder-
um zutreffend bemerkt, darauf, ob Höchſtbetrags- oder
ſtreite über die Verteilung des Verſteige⸗
rungserlöſes, ſo muß der erſtere das
Daſein feiner Forderung beweiſen. Auf
zwei Grundſtücken waren eingetragen je eine Siche—
rungshypothek von 25000 M für „alle Forderungen“,
welche der Beklagten „gegen die Firma F. L. Sch aus
einem Warenkredit zuſtehen“, und unmittelbar das
hinter je eine Sicherungshypothek von 25000 M für
„alle Forderungen“, welche dem Kläger „gegen die
Firma F. L. Sch. aus einer Kreditgewährung erwachſen
ſind oder noch erwachſen ſollten“. Neben jeder der
beiden Hypotheken der Beklagten war zugunſten des
Klägers eine Vormerkung eingetragen, daß der Eigen—
tümer verpflichtet ſei, die Hypotheken löſchen zu laſſen,
wenn ſie ſich mit dem Eigentum in einer Perſon
vereinigen. Ueber das Vermögen der unter der Firma
F. L. Sch. begriffenen offenen Handelsgeſellſchaft wurde
das Konkursverfahren eröffnet und beide Grundſtücke
kamen zur Zwangsverſteigerung. Nach den Teilungs⸗
plänen entfielen auf die Sicherungshypotheken der Be-
klagten aus dem einen Verſteigerungserlöſe 15422.55 M
und aus dem anderen 9728.74 M, zuſammen 25 151.29 M,
während die Hypotheken des Klägers ausfielen. Dieſer
widerſprach der Auszahlung an die Beklagte. Der
Vollſtreckungsrichter ordnete die Hinterlegung an und
ergänzte die Teilungspläne dahin, daß die hinterlegten
Beträge nebſt Hinterlegungszinſen an den Kläger zu
zahlen ſeien, falls endgültig feſtgeſtellt werde, daß der
Beklagten eine Forderung aus Warenkredit, wofür
ihr die Hypotheken beſtellt worden, nicht zuſteht. Im
Prozeſſe verfolgen die Parteien ihre Anſprüche auf die
hinterlegten Beträge. Das LG. hat die Beklagte flage-
gemäß verurteilt, in die Auszahlung der 25 151.29 M
nebſt Hinterlegungszinſen an den Kläger zu willigen
und die Widerklage abgewieſen. Dagegen hat das
Berufungsgericht die Klage abgewieſen und auf die
Widerklage feſtgeſtellt, daß der Widerſpruch des Klägers
gegen die Teilungspläne unbegründet ſei und daß die
hinterlegten Gelder nebſt den Zinſen an die Beklagte
zu zahlen ſeien. Die Reviſion des Klägers hatte
Erfolg.
Gründe: Die Parteien ſtreiten darüber, ob die
Beklagte Forderungen, wegen deren die verſteigerten
Grundſtücke kraft ihrer Sicherungshypotheken hafteten,
OLG. im allgemeinen beizupflichten.
andere Sicherungshypotheken, nicht an. Für beide
gelten die Sätze des S 1184 (ſ. §S 1190 Abſ. 3): daß
ſich das Gläubigerrecht aus der Hypothek nur nach
der Forderung beſtimmt und daß der Gläubiger ſich
zum Beweiſe der Forderung nicht auf die Eintragung
berufen kann, ſo daß er, auch wenn er nur das Gläu—
bigerrecht aus der Hypothek geltend macht, im Streit-
falle die Forderung anderweit beweiſen muß (f. Planck
Anm. 1a zum $ 1184). Anderſeits findet auf beide
der § 1163 Anwendung, demzufolge die Hypothek, in-
ſoweit die Forderung nicht entſtanden oder erloſchen
iſt, nicht wegfällt, ſondern dem Eigentümer als Eigen⸗
tümergrundſchuld (1177) zuſteht, mit der Maßgabe,
daß dies bei der Höchſtbetragshypothek erſt dann der
Fall iſt, wenn auch feſtſteht, daß aus den ihr zugrunde
liegenden Rechtsverhältniſſen keine weiteren Forde:
rungen mehr entſtehen können. Die Löſchungsvor⸗
merkung ($ 1179) greift nur in letzterer Beziehung
ein. Sie dient dem Intereſſe am Erlöſchen der von
ihr betroffenen Hypothek und an dem dadurch ver⸗
mittelten Nachrücken der Nachrechte. Dem perſön⸗
lichen Anſpruche des Vormerkungsberechtigten gegen
den Eigentümer auf Löſchung gibt ſie eine dingliche
Sicherung, zwar nicht in der Weiſe, daß die Hypothek
nicht als Eigentümergrundſchuld beſtehen kann und
unter den Vorausſetzungen einer Eigentümergrund—
Een: von ſelbſt erliſcht, ſondern nur in der
eiſe, daß ſie eine Verfügung über die Hypothek, die
jenen perſönlichen Anſpruch vereiteln oder beeinträch—
tigen würde, gegenüber dem Berechtigten unwirkſam
macht und ihm den Dritten, der durch die Verfügung
die Hypothek oder ein Recht daran erlangt hat, vers
pflichtet, ſeine Zuſtimmung zur Löſchung zu geben.
Vollends gibt ſie dem Berechtigten nicht ein dingliches
Recht an der Hypothek und es iſt inſofern nicht zu
beanſtanden, wenn das OLG. ſagt: Der Vormerkungs—
gläubiger ſtehe, auch wenn er der Gläubiger der nach—
ſtehenden Hypothek fei, außerhalb der von der Vor—
merkung betroffenen Hypothek. Auch in dem, was es
über die Wirkung der Löſchungsvormerkung bei der
Zwangsverſteigerung des Grundſtücks ſagt, iſt dem
Aus dem uns
ſtreitigen Sachverhalt ergibt ſich, daß die Hypotheken
der Beklagten gemäß den ES 91, 52 Zw. durch den
Zuſchlag erloſchen find. Vermöge des dem 8 92 Zw G.
418
zugrunde liegenden Surrogationsprinzips tritt der
Verſteigerungserlös derart an die Stelle des ver⸗
ſteigerten Grundſtücks, daß die Rechte, die an dieſem
beſtanden haben, ſoweit fie durch den Zuſchlag er-
löſchen, auf den Erlös übertragen werden. Der Erlös⸗
teil, der danach auf eine ſolchergeſtalt erloſchene Hypo⸗
thek entfällt, gebührt inſoweit, als bei ihr die Voraus⸗
ſetzungen für das Beſtehen einer Eigentümergrundſchuld
vorliegen (S 1163), dem Eigentümer, alfo dem Sub⸗
haſtaten jedenfalls dann, wenn er, wie hier, Eigen⸗
tümer auch zur Zeit der Eintragung der Hypothek
war. Ein durch die Vormerkung des 8 1179 geſicher⸗
ter Löſchungsanſpruch verpflichtet den Eigentümer
aber gegenüber dem Löſchungsberechtigten, das Recht
aus der Eigentümergrundſchuld aufzugeben und den
darauf entfallenen Erlösteil, ſoweit jener ein Intereſſe
daran hat, den nachfolgenden Realberechtigten zu
überlaſſen. Und die Vormerkung gibt dieſem Ans
ſpruche des Löſchungsberechtigten die gekennzeichnete
Wirkſamkeit gegenüber Dritten, ſo daß auch der Voll⸗
ſtreckungsrichter bei der Verteilung des Verſteigerungs⸗
erlöſes entſprechende Rückſicht darauf zu nehmen hat.
Zu den Dritten, denen gegenüber der Löſchungsanſpruch
mittels der Vormerkung wirkſam wird, gehört auch
der Inhaber der von dieſer betroffenen Hypothek.
Beſtehen hinſichtlich dieſer die Vorausſetzungen, unter
denen fie zur Eigentümergrundſchuld wird, oder unter
denen ſie ſich, wie es in den bei den Hypotheken der
Beklagten eingetragenen Vormerkungen heißt, mit dem
Eigentum in einer Perſon vereinigt, ſo ſetzt ſich das
Recht des Löſchungsberechtigten auf Ueberlaſſung des
auf die Hypothek entfallenden Erlösteils an die Nach⸗
berechtigten deshalb auch ihm gegenüber durch. Ob
aber jene Vorausſetzungen beſtehen, iſt beim Streit
zwiſchen ihm und dem Löſchungsberechtigten nach den
im 8 1163 bezeichneten objektiven Merkmalen beſonders
feſtzuſtellen. Keineswegs iſt dafür eine zwiſchen ihm
und dem Eigentümer getroffene Feſtſtellung maßgebend,
ſo daß das Recht des Löſchungsberechtigten, wie ſeitens
der Beklagten in dieſer Inſtanz geltend gemacht iſt,
in ſolcher Feſtſtellung ſeine „Begrenzung“ findet. Aller⸗
dings kann der Nachhypothekar ſeinen Widerſpruch
gegen das Liquidat des Vorhypothekars regelmäßig
nicht darauf ſtützen, daß dieſem eine durch ſeine Hypo⸗
thek geſicherte Forderung nicht zuſtehe. Der Grund hier⸗
für liegt aber darin, daß der Nachhypothekar mit einem
ſolchen Widerſpruch regelmäßig kein eigenes Intereſſe
verfolgt, weil die Vorhypothek dann eben Eigentümer⸗
grundſchuld ſein und der darauf entfallende Erlösteil
nicht ihm, ſondern dem Eigentümer gebühren würde.
Und dieſer Grund entfällt gegenüber dem Löſchungs⸗
berechtigten — namentlich auch dann, wenn er, wie
hier der Kläger, zugleich Nachhypothekar iſt. Sein
erörtertes, durch die Vormerkung in der bezeichneten
Weiſe mit dinglicher Wirkung bekleidetes Recht würde
auch bedeutungslos ſein, wenn die Feſtſtellung ſeiner
Vorausſetzungen ſo, wie die Beklagte meint, in die
Hände der Verpflichteten gegeben wäre.
Aus dem Weſen der Löſchungsvormerkung und
namentlich daraus, daß ſie ihre Wirkung nur unter
der Vorausſetzung äußert, daß die von ihr betroffene
Hypothek Eigentümergrundſchuld iſt, rechtfertigt ſich aber
auch die Annahme des OLG. nicht, daß der Kläger
das Beſtehen dieſer Vorausſetzung zu beweiſen, alſo
den Nachweis zu führen hat, daß die Beklagte eine
Forderung gegen die Firma F. L. Sch. „aus einem ders
ſelben von ihr eingeräumten Warenkredit“ nicht hat.
Das Gegenteil ergibt ſich dagegen aus der Natur ihrer
Hypotheken als Sicherungs- und insbeſondere Höchſt—
betragshypotheken. Die Sätze, daß ſich das (dingliche)
Gläubigerrecht bei ſolchen Hypotheken nach der Forde—
rung beſtimmt und daß der Gläubiger ſich zum Beweiſe
der Forderung nicht auf die Eintragung berufen kann,
gelten auch im Zwangsverſteigerungs verfahren. Der
auf die Hypothek entfallende Teil des Verſteigerungs—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
erlöſes iſt deshalb — wenn von einer Löſchungs⸗
vormerkung abgeſehen wird — an den Gläubiger nur
dann auszuzahlen, wenn der Schuldner (Subhaſtat)
deſſen Recht darauf anerkennt, ſonſt aber zu hinter⸗
legen — auch dann, wenn kein Widerſpruch erfolgt.
Und in dem zwiſchen dem Schuldner und dem Gläubiger
über den hinterlegten Betrag geführten Rechtsſtreite
muß letzterer ſeine Forderung beweiſen, widrigenfalls
der Betrag dem erſteren zuzuſprechen iſt. Dies nimmt
auch das OLG. an, indem es zutreffend hinzufügt:
daß es dabei gleichgültig ſei, ob der Gläubiger klage
oder verklagt werde. Und doch beſteht das Recht des
Schuldners auf den auf die Hypothek entfallenden Teil
des Verſteigerungserlöſes auch nur auf Grund der
Vorausſetzung, daß die Hypothek Eigentümergrund⸗
ſchuld ift. Jene dem § 1184 entnommenen Sätze gelten
bei ihrer allgemeinen Faſſung ebenſo im Verhältniſſe
zwiſchen dem Gläubiger und dem hinſichtlich ſeiner
Hypothek Löſchungsberechtigten und ergeben für den
Streit zwiſchen ihnen die gleiche Regelung der Beweis⸗
laſt. Die Vorausſetzung der Eigentümergrundſchuld iſt
bei einer Sicherungs⸗ und Höchſtbetragshypothek eben
damit gegeben, daß der eingetragene Gläubiger ſeine
Forderung nicht beweiſt. (Urt. des V. 35. vom
8. Juli 1908, V 436/07). — — — n.
1391
u
Auslegung eines Kartellvertrags, in dem Bertrags⸗
ſtrafen feſtgeſetzt find, aber nicht ausdrücklich beſtimmt
iſt, wem ſie zufallen ſollen. Verſchiedene Buchdrucker,
die ſich mit der Herſtellung von Fahrſcheinen für
Straßenbahnen befaßten, vereinigten ſich für 5 Jahre
zu einem Kartell, um einem unwirtſchaftlichen Preis⸗
rückgang entgegenzutreten. Es wurden Beſtimmungen
über die zu fordernden Preiſe getroffen und für jeden
Teilnehmer ein Kundenkreis feſtgeſetzt, den die andern
zu reſpektieren hatten. Jeder verpflichtete ſich bei
Meidung einer Vertragsſtrafe von 5000 M, die Ver⸗
abredungen einzuhalten. In einem Rechtsſtreite er-
klärte das OLG. den Vertrag für nichtig. Das NE.
trat dieſer Anſchauung nicht bei.
Aus den Gründen: Der Kartellvertrag ſoll
deshalb nichtig ſein, weil er nicht beſtimme, wem die
Vertragsſtrafen zufließen. Allein ehe ein ſolches Ur⸗
teil gefällt wurde, hätte unterſucht werden müſſen,
ob auch bei freier Auslegung des Vertrags unter Be⸗
rückſichtigung des Weſens der Sache und der von den
Kontrahenten verfolgten Zwecke eine Beſtimmung
nicht zu gewinnen ift (BGB. §§ 133, 157). Eine folde
Unterſuchung hat das OLG. nicht angeſtellt. Es iſt
zwar richtig, daß der Schutzverband ſelber die Gelder
nicht behalten ſollte. Das folgt aus § 12 des Ver⸗
trages, der die an den Verband abzuführenden Lei⸗
ſtungen erſchöpfend aufzählt, ohne die Vertragsſtraſen
zu erwähnen. Mit Unrecht aber hält es das Gericht
für ungewiß, ob die ſämtlichen übrigen Vertrags⸗
genoſſen die Empfänger ſein ſollten oder derjenige,
in deffen Kundenkreis der Verletzer eingriff. Nach § 8
wurden die Strafen verſprochen nicht nur für Ueber⸗
ſchreitung der Kundenkreiſe, ſondern für Verletzungen
aller Verpflichtungen, die in den vorhergehenden
Paragraphen geregelt waren. Namentlich war auch
die Einhaltung von Mindeſtpreiſen gegenüber neuen
Kunden (8 5) und die Beſchränkung in der Ueber-
nahme von Reklamen (8 6) von Bedeutung. Durch
einen Verſtoß gegen dieſe beiden letzteren Verpflich⸗
tungen konnte begrifflich nur die Geſamtheit der übri⸗
gen Teilnehmer, nicht ein beſtimmter einzelner ver⸗
letzt werden. In dieſen Fällen verbietet es ſich da⸗
her, einen einzelnen als Empfänger der Strafgelder
zu denken. Da der Vertrag aber nicht unterſcheidet,
iſt eine ſolche Annahme überhaupt von der Hand zu
weiſen. Nur das ließe ſich fragen, ob die Gelder der
Geſamtheit aller Kontrahenten, einſchließlich des Ver⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 419
letzers, zukommen ſollten, oder — wie z. B. in dem
Bd. 53 S. 19 RG. behandelten Fall — nur den
übrigen ohne ihn. Es wird das weſentlich davon
abhängen, ob durch den Kartellvertrag eine eigentliche
Geſellſchaft errichtet wurde oder ob der Vertrag nur
geſellſchaftsähnlichen Charakter hat. Zur Entſcheidung
der Streitſache iſt es nicht erforderlich, die Frage zu
beantworten. Es genügt die Feſtſtellung, daß die
Antwort gefunden werden kann. Die Einwendung
der Nichtigkeit des Vertrags wegen Fehlens einer
weſentlichen Beſtimmung iſt damit widerlegt. (Urt.
des I. 85. vom 11. Juli 1908, I 132/08).
1406 — — -n.
III.
Voll ſtreckbarkeit öſterreichiſcher Urteile in Dentſch⸗
land. Prüfung der red der ausländiſchen
Gerichte. Der Kläger hat auf Grund des 8 722 ZPO.
Klage erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvoll⸗
ſtreckung für zuläſſig zu erklären aus dem vom Han⸗
delsgericht zu Wien erlaſſenen Wechſelzahlungsauftrag
und aus den dieſen beſtätigenden öſterreichiſchen Ur⸗
teilen. Der Beklagte hat Klagabweiſung beantragt,
da der Erlaß des Vollſtreckungsurteils nach 8 723
Abſ. 2 und § 328 Abſ. 1 Ziff. 1 und 5 BPO. ausges
ſchloſſen ſei. Das LG. hat die Zuſtändigkeit der
Wiener Gerichte und die Verbürgung der Gegenſeitig⸗
keit angenommen, und hat infolgedeſſen nach dem
Klagantrag erkannt. Die Berufung des Beklagten
hat das OLG. als unbegründet zurückgewieſen. Seine
Reviſion hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: 1. Zunächſt hat das OLG.
mit Recht angenommen, daß auch nach deutſchem Recht
die Zuſtändigkeit der Wiener Gerichte gegeben iſt.
Wie das Reichsgericht bereits in ſeiner in Band 51
S. 135 j; der Sammlung abgedruckten Entſcheidung
ausgeführt hat, ſteht der deutſche Geſetzgeber auf dem
Standpunkt, daß dem ausländiſchen Urteil die An:
erkennung nicht zu verſagen iſt, wenn überhaupt die
Zuſtändigkeit eines Gerichts des in Betracht kommen⸗
den ausländiſchen Staates aus irgendeinem dem deut—
ſchen Recht angehörigen Grund anzunehmen tjt.!) Der
deutſche Richter hat nicht etwa die Entſcheidung des
ausländiſchen Gerichts bezüglich der Zuſtändigkeit
nachzuprüfen, ſondern er hat völlig ſelbſtändig zu
prüfen und zu entſcheiden, ob nach den Umſtänden
des Falls auf Grund des deutſchen Rechts die Zus
ſtändigkeit gegeben ſein würde. Beim Mangel einer
gegenteiligen Beſtimmung muß dem OLG. darin bei-
getreten werden, daß der inländiſche Richter die ge—
ſamte Sachlage, alſo auch ſolche Tatumſtände berück—
ſichtigen muß, die dem ausländiſchen Gerichte nicht
vorgetragen worden ſind. Dem Kläger, der vor dem
ausländiſchen Gericht deſſen Zuſtändigkeit nur nach
dem ausländiſchen Recht darzulegen hat, muß es un⸗
benommen ſein, vor dem inländiſchen Richter zum
Nachweis, daß das ausländiſche Gericht auch nach
deutſchem Rechte zuſtändig fein würde, neue Tatums
ſtände geltend zu machen. War hiernach der Kläger
berechtigt im Verfahren auf Erlaß des Vollſtreckungs—
urteils zum Nachweis der Zuſtändigkeit des aus—
ländiſchen Gerichts ſich nunmehr auch darauf zu be—
rufen, daß der Beklagte nach ſeinem eigenen Vorbringen
in dem Verfahren vor den Wiener Gerichten in Oeſter⸗
reich keinen Wohnſitz, wohl aber Vermögen beſaß,
fo ift nach § 529 ZPO. eine ſolche Geltendmachung
eines weiteren Zuſtändigkeitsgrundes auch noch in der
Berufungsinſtanz mit Recht zugelaſſen worden. Daß
aber das OLG. auf Grund des unbeſtrittenen Vor—
bringens des Klägers über die betrügeriſche Art und
Weiſe, wie M. und Zſch. ſich die Akzepte von den Bes
klagten verſchafft haben, annimmt, daß die Wiener
Gerichte auch nach deutſchem Recht gemäß § 23 ZPO.
1) Ebenſo Seuffert Bem. 3 zu § 328 ZPO.
zuſtändig geweſen ſein würden, iſt nach keiner Rich⸗
tung zu beanſtanden. Die Ausführungen der Reviſion,
daß eine Schädigung des Beklagten erſt eintrete, wenn
er an gutgläubige Dritte zahlen muß und daß ihm
deshalb jedenfalls zur Zeit der Erhebung der Klage
vor dem Wiener Handelsgericht ein Anſpruch von
irgendwelchem Vermögenswert gegen die genannten
Perſonen nicht zugeſtanden habe, gehen fehl. Nach
ſeiner eigenen Darſtellung war der Beklagte jedenfalls
in dem Zeitpunkt geſchädigt, als die durch Betrug von
ihm erlangten Akzepte an den gutgläubigen Kläger
weiter begeben wurden; ſchon damals ſtand ihm
gegen M. und Zſch. mindeſtens ein Anſpruch auf Be⸗
freiung von der Wechſelſchuld zu — ein Anſpruch,
der einen Vermögenswert beſitzt und deshalb zur Be⸗
nt des Gerichtsſtands des 8 23 ZPO. aus-
reicht
2. Bezüglich der Verbürgung der Gegenſeitigkeit
(8 328 Abſ. 1 Ziff. 5 ZPO.) nimmt das OLG. zu-
treffend an, daß durch die vom öſterreichiſchen Juſtiz⸗
miniſter erlaſſene Verordnung vom 19. Oktober 1904
die Vorſchrift des § 80 Nr. 2 der Exekutionsordnung
vom 27. Mai 1896 Deutſchland gegenüber außer An⸗
wendung geſetzt iſt und daß deshalb aus ihr ein Be⸗
denken bezüglich der Verbürgung der Gegenſeitigkeit
nicht mehr zu entnehmen ift. (Urt. des I. ZS. vom
25. Juli 1908, I 278/08).
1412 - — n.
IV.
aftung des Wirts für den Zuſtand der Zugänge
zum Gaſtlokal. Wer nach außenhin als der
Unternehmer einer Schankwirtſchaft auf⸗
tritt, kann ſich von der Haftung nicht
durch den Nachweis befreien, daß der Be⸗
trieb für Rechnung eines andern geführt
wird. Der Umſtand, daß der Zugang zur
Wirtſchaft auch den Zugang zu denübrigen
Räumen des Hauſes bildet, hebt die Haf-
tung nicht auf.
Aus den Gründen: Die Treppe, auf der die
Klägerin gefallen iſt, bildet den Zugang nicht bloß
zu dem Café P., ſondern auch zu den übrigen Stod-
werken des Hauſes. Eigentümer des letzteren war N.,
der auch das Café P. eingerichtet hatte. Die zu deſſen
Betrieb erforderliche Erlaubnis der Gewerbebehörde
war dem Beklagten R. als ſelbſtändigem Unterneh-
mer erteilt, er leitete auch den Betrieb in der Weiſe,
daß er nach außen, insbeſondere gegenüber der Ge-
werbebe hörde und dem Publikum, das in dem Café
verkehrte, als deſſen Inhaber galt. Zufolge des
zwiſchen den beiden Beklagten geſchloſſenen Vertrags
ging indes der Betrieb für Rechnung des N., R. er⸗
hielt von dieſem neben freier Wohnung und Koſt
feſten Gehalt und gewiſſe Prozente vom Umſatz und
vom Reingewinn. Mit Recht hat die Vorinſtanz an⸗
genommen, daß auch auf R. der Rechtsſatz Anwendung
zu finden hat, wonach derjenige, welcher in einem
Gebäude einen Verkehr für andere eröffnet, die Bor-
kehrungen zu treffen hat, die nötig ſind, um einen
gefahrloſen Verkehr zu ermöglichen. Ihm war für
ſeine Perſon die Erlaubnis erteilt, in dem Hauſe
Nr. 46 der Guſtav-Adolfſtraße als ſelbſtändiger Unters
nehmer Schankwirtſchaft zu betreiben, er hat auch
tatſächlich die Wirtſchaft eröffnet und dergeſtalt ge—
leitet, daß er der Gewerbebehörde und dem Publikum
gegenüber als der Unternehmer des Schankgewerbes
erſchien. Durch ſein Verhalten wurde der Betrieb der
Wirtſchaft erſt ermöglicht und ſomit auch der Verkehr
geſchaffen, den dieſer Betrieb mit ſich brachte. Des—
halb lag auch ihm die Verantwortung dafür ob, daß
ſich die den Zugang zu dem Café bildende Treppe
dauernd in demjenigen Zuſtand befand, den die Sicher—
heit der das Café beſuchenden Perſonen erforderte,
und er kann ſich dieſer Verantwortung nicht durch die
420
— —
Berufung darauf entziehen, daß das Café zufolge eines
von ihm mit N. getroffenen geheimen Abkommens
wirtſchaftlich ein Unternehmen des N. geweſen ſei,
indem dieſem der Gewinn zugefloſſen und der etwaige
Berluft zu feinen Laſten gegangen ſei. An den hier⸗
aus ſich ergebenden Folgerungen ändert auch der
Umſtand nichts, daß die Treppe als Zugang zu allen
Stockwerken des Hauſes diente. Denn daraus folgt
nur, daß auch N. als Beſitzer des Hauſes für die Ver⸗
kehrsſicherheit der Treppe zu ſorgen hatte, die Ver⸗
pflichtung des R., die Treppe in gefahrloſem Zuſtande
für diejenigen Perſonen zu erhalten, die ſie als Weg
zu oder aus dem Café benutzten, wurde dadurch nicht
berührt. Daß er an den hierzu erforderlichen Maß⸗
nahmen durch den Umſtand gehindert geweſen ſei,
daß die Treppe dem geſamten Hausverkehr diente und
der Verfügungsgewalt N.s unterlag, hat er ſelbſt gar
nicht behauptet. (Urt. des VI. 35. vom 2. Juli 1908,
VI 452/07).
1404
— — — .
B. Strafſachen.
1
Begriff des Schülers nach 8 174 Abſ. 1 Nr. 1 StG.
(Bayern). In der Diözeſe Augsburg beſteht die auf
kirchlichen Vorſchriften beruhende Uebung, daß die aus
der Sonntagsſchule entlaſſene Jugend den Befuch der
Chriſtenlehre bis zur Vollendung des achtzehnten Jahres
fortſetzt. Ein ſtaatlicher Zwang hierzu findet nicht ſtatt.
Der Beſuch iſt nur Gewiſſenspflicht. Die Teilnahme
der aus der Schule Entlaſſenen beſchränkt ſich auf das
Zuhören. Fragen werden nur an die Schulpflichtigen
geſtellt. Der Verurteilte, ein katholiſcher Pfarrer, hatte
an der ſiebzehnjährigen W., die bei ihm die Chriften-
lehre beſuchte, unzüchtige Handlungen vorgenommen.
Das LG. nahm an, W. ſei die Schülerin des Pfarrers
geweſen und ſtrafte dieſen nach 8 174 Abſ. 1 Nr. 1
StGB. Die Reviſion wurde verworfen.
Aus den Gründen: Es iſt unweſentlich, ob die
W. nach kirchlichen Vorſchriften zum Beſuche der Chriſten⸗
lehre verpflichtet war oder ob ſie ſich nur freiwillig
als Schülerin beteiligte (E. Bd. 11 S. 271). Noch weni⸗
ger iſt es von Belang, daß die W. nach den ſtaatlichen
Vorſchriften nicht mehr ſchulpflichtig war. Durch das
Erteilen und Empfangen des Unterrichts wurde bei
dem überlegenen Wiſſen und Können des Angeklagten
zwiſchen ihm und der W. von ſelbſt ein Unterord⸗
nungsverhältnis begründet, das zugleich eines der ſitt⸗
lichen Vertrauens verhältniſſe darſtellt, die durch 8 174
Abſ. 1 Nr. 1 geſchützt werden ſollen (E. Bd. 33 S. 423,
425). Da die W. zu den jugendlichen Perſonen ge—
hörte, zu deren Unterricht die Chriſtenlehre beſtimmt
iſt, wurde ihre Eigenſchaft als Schülerin im Sinne
des Geſetzes auch dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß
ihre Teilnahme an dem Unterrichte ſich auf das Zu—
hören beſchränkte. Dieſe Teilnahme kann nicht dem
Anhören einer Predigt gleichgeſtellt werden. War ſich
der Angeklagte der Eigenſchaft der W. als feiner
„Schülerin“ nicht bewußt, obwohl er alle tatſächlichen
Umſtände kannte, die ſeine Beziehung zur W. als die
eines Geiſtlichen zu feiner Schülerin erſcheinen laſſen,
ſo befand er ſich in einem nicht zu beachtenden Irrtum
über den ſtrafrechtlichen Begriff der Schülerin. (Urt.
des I. StS. vom 16. März 1908, 1 D 150/08). Bl.
1398
II.
Wie iſt bei tatſächlicher Unmöglichkeit der Ver⸗
nehmung eines geladenen und erſchienenen Zeugen in
der Hauptverhandlung zu verfahren? (S 244 StPO.).
Aus den Gründen: Die Vernehmung des
6jährigen Sohnes des Angeklagten iſt nach dem
Sitzungsprotokoll unmöglich geweſen, weil er keine
—— 9 ç–ͤWwmʒꝛ—— 3 e . j (—[—2— Š — a
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
Antwort gab und zu weinen anfing. Die Nichtver⸗
nehmung des Zeugen iſt alſo durch eine tatſächliche
Unmöglichkeit, nicht durch eine Maßregel des Vor⸗
ſitzenden oder des Gerichts herbeigeführt und kann
darnach keinen Reviſionsgrund bilden. Ob es möglich
geweſen wäre, durch eine andere Art der Behandlung
den Zeugen zu einer Ausſage zu veranlaſſen, entzieht
ſich der Prüfung des Reviſionsgerichts. Für dieſes
iſt allein maßgebend die durch das Protokoll be⸗
urkundete Tatſache der Nichtvernehmbarkeit des Zeugen.
(Urt. des Ferienſenats v. 11. Auguſt 1908, 3 D 669/08).
1407 B.
III.
Wann kann angenommen werden, daß das Urteil
auf einem Berſtoße gegen § 302 EtBO. nicht bern he?
Aus den Gründen: Wie das Protokoll ergibt,
ſind die von dem Beſchwerdeführer bezeichneten Ur⸗
kunden in beglaubigten Abſchriften den Geſchworenen
während der Beweiserhebung zum beſſeren
Verſtändnis eingehändigt worden. Damit iſt genügend
zum Ausdruck gebracht, daß nach Abſchluß der Beweis⸗
verhandlungen die Schriftſtücke den Geſchworenen nicht
mehr vorgelegen haben. Für die Behauptung der
Reviſion, daß die Abſchriften ſämtlich oder doch zum
Teil von den Geſchworenen mit in das Beratungs⸗
zimmer genommen ſeien, bietet das Sitzungsprotokoll
keinen Anhalt; es iſt daher nicht zu erörtern, ob,
wenn es geſchehen wäre, dies für unzuläſſig erachtet
werden müßte Uebrigens würde auf einem
etwaigen Verſtoße gegen $ 302 StPO. das angefochtene
Urteil nicht beruhen. Die erwähnte Vorſchrift bezweckt
nur, zu verhüten, daß die Geſchworenen bei der Bes
ratung Umſtände in Betracht ziehen, die nicht Gegen⸗
ſtand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung
geweſen ſind; hier handelt es ſich aber ausſchließlich
um ſolche Urkunden, die ihrem ganzen Inhalte nach
gemäß § 248 StPO. in der Hauptverhandlung ver:
leſen waren. (Urt. des Ferienſenats v. 24. Auguſt 1908,
4 D 686/08). B.
1408
IV.
1. Verpflichtung der Geſchäftsführer einer Gefell:
ſchaft m. b. H. zu kanfmänniſcher Buchführung.
2. Wann liegt Unterlaſſung der Führung von
Handelsbüchern vor?
Aus den Gründen: Nach den Vorſchriften der
§§ 13 Abſ. 3, 41 und 42 des Geſetzes, betr. die Gefell-
ſchaften m. b. H. i. d. F. vom 20. Mai 1898 in Ber-
bindung mit den §§ 6 Abſ. 1, 38 ff. HGB. hatten die
Angeklagten als Geſchäftsführer der von ihnen be
gründeten Geſellſchaft für die ordnungsmäßige Bud-
führung der Geſellſchaft Sorge zu tragen. Für die
Erfüllung dieſer Pflicht waren fie nach 8 240 Abſ. 1
Nr. 3 KO. ſtrafrechtlich verantwortlich (vgl. RGSt.
13 S. 236 ff., deren Ausführungen unbedenklich auf
die Geſellſchaften m. b. H. auszudehnen ſind). Ueber
die Zahl und die Art der hiernach erforderlichen Ge—
ſchäftsbücher, ſowie über ein beſtimmtes Buchführungs⸗
ſyſtem iſt ebenſowenig wie für den Einzelkaufmann
und andere Handelsgeſellſchaften auch für die Geſell—
ſchaften m. b. H. im Geſetze etwas vorgeſchrieben. Die
tatſächlich geführten Handelsbücher müſſen aber zu
einem zuverläſſigen Ergebnis führen können und eine
vollſtändige Ueberſicht des Vermögensſtandes der Ges
ſellſchaft gewähren. Die aus dem Fehlen beſonders
eines Hauptbuches und dem Mangel der Anlage ein⸗
zelner beſtimmter Konti in den geführten Büchern gez
troffene Schlußfolgerung und Feſtſtellung, die Ange⸗
klagten hätten die Handelsbücher ſo unordentlich ge—
führt, daß fie keinen Ueberblick über den Vermögens-
zuſtand der Geſellſchaft gewährten, iſt rechtlich nicht
zu beanſtanden. Irrtümlich iſt allerdings die von dem
Vorderrichter neben der Annahme einer unordentlichen
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21. 421
Buchführung getroffene Feſtſtellung, daß die Ange⸗
klagten es unterlaſſen haben, Handelsbücher zu führen,
deren Führung ihnen geſetzlich oblag. Nach der feſt⸗
ſtehenden Rechtſprechung des Reichsgerichts (RGSt. 11
S. 142, 161, Bd. 13 S. 236, 0 S. 170) liegt eine
Unterlaſſung der Führung ſolcher Handelsbücher nur
dann vor, wenn jede Buchführung fehlt und das
Fehlen einzelner Bücher und Buchführungsakte kann
nur als unordentliche Buchführung in Betracht kommen.
(Urt. des I. StS. v. 25. Juni 1908, 1 D. 439/08).
1410 B
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
I.
Beſteht ein geſetzlicher Hypothekentitel für Anwalts:
Toften, die durch den Antrag auf Eintragung einer Hypo:
thekenvormerkung von Bauferderungen entſtehen ? (5 648
BGB., Art. 50 Ue.). Rechtsanwalt O. hat als Be⸗
vollmächtigter des O. an das Hypothekenamt den An⸗
trag geſtellt, auf dem Blatte für das Anweſen der
Eheleute P. Hs.⸗Nr. 55 für eine durch Einbauung von
Heizkörperverkleidungen und Kachelherden in das Haus
Nr. 55 entſtandene Forderung nebſt 5% Verzugs—
zinſen feit 15. Juli 1908 und für 8.60 M durch die
Antragſtellung entſtandene Anwaltskoſten eine Hypo⸗
thek vorzumerken. Das Hypothekenamt hat die Hypo⸗
thek für die Hauptſache und die Zinſen vorgemerkt,
die Vormerkung einer Hypothek für die Anwaltskoſten
aber abgelehnt. Die Beſchwerde, zu deren Begrün—
dung geltend gemacht wurde, daß nach den SS 1210,
1257 BGB. auch die Koſten der Rechtsverfolgung zu
den Forderungen aus dem Werkvertrage gehören, für
die ein geſetzlicher Hypothekentitel beſteht, wurde zurück-
gewieſen. Das LG. erachtete für den Umfang der
Haftung des Grundſtücks, die ſich aus der nach 3 648
BGB. einzuräumenden Sicherungshypothek ergibt,
nicht den § 1210 fondern den 8 1118 BGB. für mağ-
gebend, der die Haftung nicht auf die Koſten der Eins
tragung erſtreckt, fand eine Beſtätigung ſeiner Anſicht
in der für die Vollſtreckungshypothek geltenden Sonder—
vorſchrift des 8 867 Abſ. 1 Satz 3 ZPO. und wies
darauf hin, daß die beantragte Vormerkung, wenn
die Haftung des Grundſtücks ſich kraft des Geſetzes
auf die Koſten der Eintragung erſtreckte, gegenſtands⸗
los und darum unzuläſſig ſein würde. Auf die weitere
Beſchwerde wurden die Entſcheidungen der Vorinſtanzen
aufgehoben.
Gründe: Nach Art. 50 UeG. ſteht dem Unter⸗
nehmer eines Bauwerkes oder eines einzelnen Teiles
eines Bauwerkes, ſolange das Grundbuch nicht als
angelegt anzuſehen iſt, für ſeine Forderungen aus
dem Vertrag anſtelle des in 8 648 BGB. beſtimmten
Anſpruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek
ein geſetzlicher Hypothekentitel zu. Während die dem
Schuldner obliegende Verpflichtung zur Einräumung
einer Sicherungshypothek es mit ſich bringt, daß er
die zur Erfüllung ſeiner Verpflichtung aufzuwendenden
Koſten der Eintragung zu tragen hat, iſt es bei dem
geſetzlichen Hypothekentitel Sache des Gläubigers, die
Eintragung der Vormerkung zu erwirken, und erfolgt
die Eintragung, bei der der Schuldner nicht mitzu-
wirken hat, auf Koſten des Gläubigers. Der Schuld—
ner iſt nicht ohne weiteres verpflichtet, ihm die auf—
gewendeten Koſten zu erſetzen, und wenn eine ſolche
Verpflichtung beſteht, ſo erſtreckt ſich die Haftung des
Grundſtücks aus der auf Grund des Hypothekentitels
erlangten Hypothek nach § 43 HypP®. gleichwohl nicht
auf die Koſten der Vormerkung und Eintragung. Die
Geltendmachung des geſetzlichen Hypothekentitels iſt
nicht eine Maßregel der Zwangsvollſtreckung. Die
—— ———.———————— — ᷑—w . —ꝛἈ . — — — — —¼ —- — —
Haftung des Grundſtücks für die dem Gläubiger zu
erſetzenden Koſten kann nur durch Belaſtung mit einer
Hypothek begründet werden, es fragt ſich alſo, ob die
Erſatzforderung des Beſchwerdeführers, falls ſie be⸗
gründet iſt, zu den Forderungen aus dem Werkvertrag
im Sinne des § 648 BGB. gehört, für die der ge-
ſetzliche Hypothekentitel beſteht. Der von dem Be-
ſchwerdeführer für die Bejahung der Frage geltend
gemachte Grund iſt allerdings nicht zutreffend. Dar⸗
aus, daß das Pfandrecht, das nach $ 647 BGB. dem
Unternehmer für ſeine Forderungen aus dem Vertrag
an den von ihm hergeſtellten oder ausgebeſſerten
Sachen des Beſtellers zuſteht, ſich nach den SS 1210,
1257 BGB. auf die dem Unternehmer zu erſetzenden
Koſten der Rechtsverfolgung erſtreckt, läßt ſich, auch
wenn die Geltendmachung des geſetzlichen Hypotheken—
titels durch Eintragungsantrag als „Rechtsverfolgung“
angeſehen werden könnte, nicht entnehmen, daß die
Erſatzforderung wegen der Koſten zu den Forderungen
aus dem Werkvertrage gehört. In 8 1210 werden
vielmehr die „zu erſetzenden Koſten“ in Abſ. 2 der
„Forderung in ihrem gegenwärtigen Beſtand“, von
der Abſ. 1 ſpricht, gegenüber geſtellt und wird die
Haftung des Pfandes auf fie durch eine pfandrecht—
liche Vorſchrift erſtreckt, die der hypothekenrechtlichen
Vorſchrift des 8 1118 entſpricht. Aber wenn der
Schuldner durch ſeinen Verzug dem Gläubiger Anlaß
gibt, zur Sicherung der Forderung von dem ſich aus
dem Werkvertrag ergebenden Rechte Gebrauch zu
machen, die Eintragung einer Hypothek zu erwirken,
und deshalb nach § 286 Abſ. 1 BGB. verpflichtet iſt,
dem Gläubiger die zur Erwirkung der Eintragung
erforderlich geweſene Aufwendung zu erſetzen, ſo iſt
der Erſatzanſpruch des Gläubigers eine aus dem Ber-
trage hervorgegangene Forderung und es erſtreckt ſich
deshalb auf ihn der geſetzliche Hypothekentitel. Hier
hat der Beſchwerdeführer, wie ſich aus dem Anſpruch
auf Verzugszinſen ergibt, behauptet, daß die Eheleute
P. ſich im Verzuge befinden, und das Hypothekenamt
hat keinen Anſtand genommen, den Anſpruch auf
Verzugszinſen als glaubhaft gemacht anzuſehen. Bei
dieſer Sachlage beruht die Zurückweiſung des Antrags,
die Hypothekenvormerkung auf die Koſten der Er—
wirkung der Eintragung zu erſtrecken, auf Ver—
letzung des Art. 50 des UeG. (Beſchluß des I. 38.
vom 21. September 1908, Rep. III 76/1908).
1401
II.
Beſchwer derecht des nach früherem Rechte geschiedenen
Ehemannes in einer Angelegenheit, welche die Sorge für
die Perſon eines aus der geſchiedenen Ehe herdorge:
gangenen Kindes betrifft, deffen Erziehung durch Vertrag
er Mutter überlaſſen wurde, wenn die Anordnung
der Mutter Er ntereffe des Kindes nicht entſpricht
($ 57 Abſ. 1 Nr. 9 GG., EG. z. BGB. Art. 203, 206,
BGB. § 1635).
Begründet das Zuſammenleben einer wegen Ehe⸗
un geichiedenen Frau mit dem Manne, mit dem fie
die Ehe gebrochen, aber ohne Befreiung von dem Ber:
bote des § 1312 BGB. im Ausland eine neue Ehe ge:
ſchloſſen hat, den Vorwurf des e Verhaltens
im Sinne des 3 1666 Abſ. 1 BB
Die Ehe des Kaufmanns i N. von M. mit
Klara G. ift durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom
9. Juli 1897 auf Grund vertragsmäßiger Einigung
nach talmudiſchem Rechte geſchieden worden, nachdem
die Ehegatten den Vorſchriften des talmudiſchen Rechtes
gemäß in notarieller Urkunde Vereinbarungen über
die Ordnung der Vermögensverhältniſſe und die Er—
ziehung der Kinder Rudolf und Alice getroffen hatten.
Die Erziehung des Knaben wurde dem Vater über—
laſſen, die Tochter wurde der Mutter zur Erziehung
übergeben. Der Vater ſollte für den Unterhalt der
Tochter vierteljährlich einen Geldbetrag entrichten und
422
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
mit ihr perſönlich verkehren dürfen. Er hat inzwiſchen
feinen Wohnſitz nach New⸗York verlegt, ift aber
Deutſcher geblieben. Die Mutter hat ſich am 18. Juli
1899 mit dem Kaufmanne Salo B. in M. wieder⸗
verheiratet. Dieſe Ehe iſt durch rechtskräftig gewordenes
Urteil aus Verſchulden der Frau wegen Ehebruchs mit
dem Kaufmanne Heinrich F. geſchieden worden. Klara
B. hat am 12. Auguſt 1908 in London eine neue Ehe
in das der Mutter zuſtehende Recht der Sorge für die
mit Heinrich F. geſchloſſen. Alice iſt ſeit etwa 5 Jahren
zur Erziehung und Ausbildung in dem klöſterlichen
Inſtitute zu W. untergebracht. Am 6. Juli 1908 ſtellte
der mütterliche Großvater mit Rückſicht darauf, daß
die Mutter während der bevorſtehenden Ferien voraus⸗
ſichtlich das Kind zu ſich nehmen wolle und in dieſem
Falle ihr Verkehr mit F. das geiſtige Wohl des Kindes
ernſtlich gefährden würde, an das Vormundſchafts⸗
gericht den Antrag, ihr zu verbieten, Alice aus dem
Inſtitute zu entfernen, und anzuordnen, daß das Kind
während der Ferien bei dem Antragſteller unterzu⸗
daß das Kind während der Ferien im Inſtitute ver⸗
bleibe, verwahrte ſich aber dagegen, daß es zu ihrem
Vater komme. Das Vormundſchaftsgericht ordnete an,
daß das Kind bis auf weiteres in der Anſtalt zu
bleiben habe, und teilte dieſe Anordnung der Oberin
mit. Die Oberin berichtete hierauf, im Intereſſe des
Kindes, das durch die Vorgänge im Elternhauſe er⸗
ſchüttert und aufgeregt ſei und unbedingt der Erholung
bedürfe, ſei dringend zu wünſchen, daß ihm geſtattet
werde, während der Ferien die Großeltern in die
Sommerfriſche zu begleiten. Hermann G. ließ den
Antrag, anzuordnen, daß ſeine Enkelin während der
Ferien bei ihm unterzubringen ſei, erneuern. Dagegen
beantragte die Mutter, zu beſtimmen, daß das Kind
vorerſt in der Anſtalt in W. zu bleiben habe. Das
Vormundſchaftsgericht erließ einſtweilige Anordnung
dahin, daß es bei der Beſtimmung der Mutter, daß
das Kind zunächſt in der Anſtalt in W. zu bleiben
habe, bis auf weiteres ſein Bewenden habe. In der
Begründung wurde ausgeführt, die Mutter müſſe in
der Ausübung ihres Rechtes, den Aufenthalt des Kindes
Perſon des Kindes durch eine abweichende Anordnung
eingreifen, wenn eine ſolche Anordnung aus beſonderen
Gründen im Intereſſe des Kindes geboten war, und
es ſtand nichts im Wege, eine auf eine beſtimmte Zeit
beſchränkte Anordnung zu erlaſſen, wenn es ſich um
ein von vorneherein zeitlich beſchränktes Intereſſe des
Kindes handelte. Beſondere Gründe, die die Anordnung
im Intereſſe des Kindes gebieten, ſind anzunehmen,
wenn das Intereſſe des Kindes einer ernſtlichen Ge⸗
fährdung ausgeſetzt iſt, die nur durch eine abweichende
Anordnung über das Recht der Sorge für die Perſon
des Kindes abgewendet werden kann. Das LG. konnte
ohne Rechtsirrtum in der von dem Vater geltend ge⸗
machten und von der Oberin bezeugten Erholungs⸗
bedürftigkeit des Kindes einen Umſtand finden, der
im Intereſſe der Geſundheit des Kindes Abhilfe er⸗
heiſchte, und wenn das Kind, wie das LG. einwand⸗
frei feſtgeſtellt hat, in der Anſtalt die nötige Erholung
bringen ſei. Klara B. erklärte ſich damit einverſtanden,
nicht finden konnte, eine Anordnung für geboten er⸗
achten, die dem Vater ermöglichte, dem Kinde ange-
meſſene Gelegenheit zur Erholung zu verſchaffen. Da
die in der Hauptſache getroffene Entſcheidung ſich hier⸗
nach als gerechtfertigt erweiſt, ſo iſt das Bedenken
ohne weſentliche Bedeutung, das ſich gegen die Anſicht
des LG. über das Zuſammenleben der Mutter mit F.
erheben läßt. Wenn auch die im Auslande geſchloſſene
Ehe nach § 1328 Abſ. 1 BGB. nichtig ift, fo ift doch.
abgeſehen davon, daß ſie als von Anfang an gültig
anzuſehen ſein würde, wenn nachträglich Befreiung
von dem Verbote des $ 1312 bewilligt werden ſollte,
nach 8 1329 BGB. das Zuſammenleben der Ehegatten
der nichtigen Ehe, ſolang nicht die Ehe für nichtig
erklärt iſt, als eheliche Lebensgemeinſchaft im Sinne
zu beſtimmen, geſchützt werden, weil bei der von ihr
getroffenen Beſtimmung eine Gefährdung des Wohles
des Kindes durch ihren Verkehr mit F. ausgeſchloſſen
ſei. Gegen dieſe Anordnung legte Alfred N., der in⸗
zwiſchen nach M. gekommen war, Beſchwerde mit dem
Antrag ein, das Kind während der Ferien den Groß—
eltern G. zu überlaſſen. Er berief ſich a den Be-
richt der Oberin und fügte bei, er habe bei einem
Beſuch in W. ſeine Tochter aus Gram über die Ver⸗
fehlung ihrer Mutter in hohem Maße niedergeſchlagen
gefunden, ſie bedürfe unbedingt einer Erholung, die
ihr nur durch einen Landaufenthalt bei den Großeltern
gewährt werden könne. Das LG. M. hat die Ver⸗
fügung des Vormundſchaftsgerichts aufgehoben und
angeordnet, daß Alice N. für die Dauer der Sommer:
ferien 1908 den mütterlichen Großeltern zu überlaſſen
fei. Das Oberſte Landesgericht hat die weitere Be-
ſchwerde der Mutter zurückgewieſen.
Gründe: Eine Verletzung des Geſetzes iſt darin
nicht zu finden, daß das LG. Alfred N. als zu der
Beſchwerde berechtigt angeſehen hat. Er iſt nach Art. 203
EG. z. BGB. Inhaber der elterlichen Gewalt und nach
Art. 206 nur in dem Rechte und der Pflicht der Sorge
für die Perſon des Kindes durch die in der Vereinbarung
des § 1353 Abf. 1 BGB. anzuſehen und läßt ſich des⸗
halb hieraus der Vorwurf unſittlichen Verhaltens im
Sinne des 8 1666 Abſ. 1 BGB. gegen die Mutter
nicht herleiten. (Beſchluß des Fer ZS. vom 5. Sep-
tember 1908, Reg. III. 77/1908). W.
1402
B. Strafſachen.
Wahrung i Intereſſen durch einen Be:
laftungszengen gegenüber einem Eutlaſtungszeugen in
der Haupt verhandlung. Am 20. Januar 1 fand
Hauptverhandlung ſtatt gegen K. W. wegen Körperver⸗
letzung an H. B. Als nach der Vernehmung der Bers
letzten H. B. der Fabrikarbeiter F. als Entlaſtungs⸗
zeuge auftrat, äußerte H. B., ſie nehme ihn als Zeugen
nicht an, er ſei ihr noch Geld ſchuldig, er ſei ein Rache⸗
zeuge, er habe Kuppelei getrieben. F. erhob deshalb
gegen H. B. Privatklage. H. B. wurde von der Straf-
kammer freigeſprochen, die Reviſion des F. wurde
verworfen.
Aus den Gründen: Die Strafkammer hat er⸗
wogen: Die Angeklagte ſei von der Tatſache über⸗
zeugt geweſen, daß der Privatkläger feiner Schlaf⸗
gängerin in ſeiner Wohnung intimen Verkehr mit
ſeinem Schwager geſtattet habe, ſie habe ein berech⸗
vom 30. Juni 1897 getroffenen Beſtimmungen beſchränkt,
nach § 57 Abſ. 1 Nr. 9 JGG. ſtand ihm daher das
Beſchwerderecht in der die Sorge für die Perſon des
Kindes betreffenden Angelegenheit zu; ſein berechtigtes
Intereſſe an der Wahrnehmung der Angelegenheit er—
gab ſich ohne weiteres aus ſeiner rechtlichen Stellung
zu dem Kinde. Ebenſowenig verſtößt die angefochtene
Entſcheidung gegen die nach Art. 206 EG. auch hier
anwendbare Vorſchrift des § 1635 Abſ. 1 Satz 2 BGB.
Nach dieſer Vorſchrift konnte das Beſchwerdegericht
|
tigtes Intereſſe an der Klarſtellung der Sache in der
Verhandlung gehabt; als Verletzte habe ſie einen
öffentlich-rechtlichen Anſpruch auf Beſtrafung der
Schuldigen und einen privatrechtlichen Anſpruch auf
Schadenserſatz gehabt, ſie ſei als Zeugin beeidigt ge⸗
weſen und habe ſchon im Hinblick auf § 134 StGB.
die Wahrheit fagen müſſen und ein berechtigtes Jn-
tereſſe daran gehabt als einwandfreie Zeugin zu er⸗
ſcheinen; mit dem Hinweiſe darauf, daß F. ſich der
Kuppelei ſchuldig gemacht habe und daß ihm deshalb
auch zugemutet werden könne, er werde, zumal er ihr
noch Geld ſchuldig ſei, der Wahrheit nicht die Ehre
geben, habe ſie berechtigte Intereſſen wahrgenommen
und da auch weder aus der Form der Aeußerung, noch
aus den Umſtänden, unter denen ſie erfolgte, das
Vorhandenſein einer Beleidigung fich ergebe, ſei nach
8 193 StGB. die Freiſprechung geboten. Dieſe Aus-
führungen ſind frei von einem Rechtsirrtum. Die
Annahme, daß H. B. in ihrer doppelten Eigenſchaft
als Verletzte und beeidigte Zeugin ein berechtigtes
Intereſſe an der Klarſtellung der Sache und an der
Aufklärung des Richters über die Perſönlichkeit des
als Gegenzeugen aufgetretenen F. hatte, läßt ſich nicht
beanſtanden. Als beeidigte Zeugin hatte ſie nicht bloß
das Recht, ſondern die Pflicht, alles vorzubringen,
was zum Nachweiſe der Schuld der Angeklagten dienen
konnte, insbeſondere auch darauf aufmerkſam zu
machen, daß F. als ihr Schuldner und wegen ſeines
Verhaltens dem Liebespaare gegenüber nicht unbe⸗
dingt glaubwürdig erſcheine. Dabei hat ſie die Grenze
der ihr als Zeugin obliegenden Pflicht zur Wahrheits⸗
angabe in keiner Weiſe überſchritten. Bei der wei⸗
teren unangreifbaren tatſächlichen Feſtſtellung, daß
das Vorhandenſein einer Beleidigung weder aus der
Form der Aeußerung noch aus den ſie begleitenden
Umſtänden entnommen werden kann, ae ſich
die Freiſprechung. (Urt. vom 1. September 1908, Rev.⸗
Reg. 357/08). H
1378 ;
Oberlandesgericht München.
Bollzug von Zengenſtrafen (3 380 StPO.). Der
Metzger R. in St. war durch Beſchluß des OLG. vom
4. März 1908 wegen unentſchuldigten Ausbleibens
als Zeuge zu 20 M Geldſtrafe, umgewandelt, falls
uneinbringlich, in zwei Tage Haft, verurteilt worden.
Die Pfändung blieb erfolglos. Das OLG. beſchloß
nunmehr die Haftſtrafe zu vollziehen und darum das
. des Wohnſitzes des Zeugen zu erſuchen.
us den Gründen: Der Vollzug erfolgt auf
Grund des gemäß $ 794 Nr. 3 ZPO. ſofort vollſtreck⸗
baren, bisher mit Beſchwerde trotz längſt erfolgter
Zuſtellung nicht angegriffenen Strafbeſchluſſes. Da
es fih nicht um eine Zwangs- oder Sicherheitshaft
im Sinne der K. VO. vom 3. Dezember 1881 (GVBl.
S. 1331) und der JMBel. vom 6. Dezember 1881
(JM Bl. S. 483) handelt, erfolgt die Vollſtreckung ge-
mäß Art. 26 AG. z. StPO. im Amtsgerichtsgefängnis
des Wohnortes des Verurteilten. Da jedoch nicht eine
nach Maßgabe der StPO. ausgeſprochene Strafe in
Frage ſteht, find die SS 483 ff. StPO. über Mitwir⸗
kung der Staatsanwaltſchaft beim Vollzug unanwend—
bar (vgl. Gaupp⸗Stein, ZPO. zu § 380); letzterer ift
vielmehr in ähnlicher Weiſe durch das erkennende Ge—
richt ſelbſt herbeizuführen, wie der Vollzug der Ord-
nungsſtrafen nach $ 181 GVG. durch den Vorſitzenden.
Die Inanſpruchnahme des zuſtändigen (inländiſchen)
Amtsgerichts entſpricht der Sachlage und dem Ge—
richtsgebrauche und iſt durch keine geſetzliche Beſtim⸗
mung gehindert (vgl. Art. 77 AG. z. GVG.) . (Beſchl.
pom n Auguft 1908, L 764/05 I). N.
1386
Oberlandesgericht Zweibrücken.
Beſchädigung eines Pferdes durch den abaerifienen
Draht der Starkſtremleitung eines Elektrizitätswerkes
(88 836, 837, 8 823 Abſ. 1 B68 B.). Im März 1906
kam das Chaiſenpferd des Klägers mit dem abgeriſſenen
Teile der Starkſtromleitung des Elektrizitätswerkes zu
N. in Berührung; es wurde zu Boden geworfen und
erkrankte infolge der Einwirkung des Stromes. Die
gegen den Inhaber des Elektrizitätswerkes gerichtete,
auf 88 836/7 BGB. geſtützte Klage begehrt Erſatz wegen
Minderung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit
des Tieres. Landgericht und Oberlandesgericht haben
Seinen für Negiepftege in Bayern. 1908. Nr. 21.
t
i
dem Klagantrage ftattgegeben mit dem Abmaße, dak
423
das Berufungsgericht den Schadenserſatzbetrag etwas
ermäßigte.
Aus den Gründen des Berufungsurteils:
Es ſteht feſt, daß das Pferd durch die Einwirkung des
elektriſchen Stromes, nicht durch ein mechaniſches
Hängenbleiben zu Schaden gekommen iſt. Es han⸗
delt ſich auch um eine Beſchädigung, die durch eine
Ablöſung von Teilen eines Werkes im Sinne von
§ 836 BGB. verurſacht worden ift. Die elektriſche
Leitung ruht auf den in den Boden eingerammten
Maſten, iſt alſo eine mit dieſem verbundene Anlage.
Die Haltung der Anlage iſt nach Maßgabe der Kon⸗
zeſſionsverhandlungen ein auf dreißig Jahre ein⸗
geräumtes Recht des Beklagten; ein Widerruf durch
die Diſtriktsgemeinde, auf deren Grund und Boden
die Leitung ruht, iſt nicht vorbehalten. Die Ver⸗
antwortlichkeit des Beklagten iſt in gleicher er
gegeben, ob man (Zurnau-Förfter I 39, RGE. 39,
204; 60, 422) die Starkſtromleitung als einen Be
ſtandteil des Elektrizitätswerkes, mit dem das Leitungs⸗
netz in feſter Verbindung ſteht, oder ob man die Ein⸗
richtung als ein auf fremdem Grund und Boden ge⸗
haltenes Werk anſieht. Wird die Sache unter dem
Geſichtspunkt von 88 836/7 BGB. gewürdigt, fo iſt
kein Zweifel, daß der Kläger der ihm obliegenden
Beweispflicht — Schädigung durch den ee
elektriſch geladenen Draht, objektiv fehlerhafte Anlage
und mangelhaſte Unterhaltung der Leitung — genügt
hat; die fehlerhaſte Anlage ergibt ſich aus der Ver⸗
wendung alten gelöteten Drahtes, aus der Nichtver⸗
ankerung des in der Böſchung ſtehenden, alſo ohnehin
einer Neigungsgefahr ausgeſetzten Leitungsmaſtes und
aus der ungenügend hohen und ſtraffen Spannung
des Drahtes. Sich zu entlaſten, hat der Beklagte
keinen ernſtlichen Verſuch gemacht. Seine Behauptung,
der Draht ſei infolge eines Schneeſturms geborſten,
verfängt nicht: der in Frage kommende Schneeſturm
war kein Naturereignis von ſolcher Abnormität, daß
bei der Herſtellung der Anlage und bei Bemeſſung
der Drahtſtärke nicht darauf hätte Rückſicht genommen
werden müſſen. Daß der Draht an anderen Stellen
nicht geriſſen iſt, deutet auf beſondere Umſtände, die
hier den Draht gegenüber Stürme und Schnee weniger
widerſtandsfähig machten: der Draht war nicht ſtraff
geſpannt und lag auch auf dem Dachfirſte auf. Wollte
man mit Rückſicht auf den Wortlaut von 88 836/7
BGB. Bedenken tragen, diefe Beſtimmungen angu-
wenden, fo käme § 823 BGB. zur Anwendung, da
der am Boden liegende, mit Elektrizität geladene und
infolge der fortbeſtehenden Verbindung mit der Zentral⸗
ſtelle diefe Kraft ergänzende Draht den Schaden Her-
vorgebracht hat und der Beklagte verantwortlich iſt,
der — wie vom Kläger nachgewieſen iſt — in der
Unterhaltung und Ueberwachung der elektriſchen Lei⸗
tung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht
gelaſſen hat. Der Beklagte hätte die allmähliche Sen-
kung des Maſtes, die ſich im Zeitraum mehrerer Wochen
vollzog, ſelbſt oder durch ſeine Organe wahrnehmen
und die Neuverankerung oder Geradeſtellung vorneh—
men müſſen, womit dann das Aufliegen des Drahts
auf dem Dache wegfiel, das nicht beſonders erkennbar
zu ſein brauchte. Wurde die Senkung des Maſtes,
wurden die ſchwankenden Bewegungen des Drahtes,
die für ſich allein ſchon die Gefahr des Abreißens
nahelegten, überſehen oder ignoriert, fo ift das ein
Außerachtlaſſen der gebotenen Vorſicht und Sorgfalt.
Der Beklagte, der bei ordnungsmäßiger Beaufſichtigung
und Kontrolle der Leitungsanlage die Loslöſung und
das Herabfallen des Drahtes hätte verhindern können,
haftet, wenn ein auf die Straße gefallener Teil eines
von ihm gehaltenen Werkes eines fremde Sache be—
ſchädigt. (Urt. vom 22. Januar 1908, Nr. 162/07).
1356 Mitg. von Oberlandesgerichtsrat Lunglmayr in Zweibrücken.
424
Literatur.
Barthelmeßz, N., Kgl. Amtsrichter in München. Geſetz
betr. die Berufsvormundſchaft vom 23. Fe⸗
bruar 1908. Handausgabe mit Erläuterungen und
Sachregiſter. VIII u. 138 S. München 1908, J.
Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Kart. Mk. 3.—.
Der Verfaſſer hat beſonderen Wert darauf gelegt,
eine Ausgabe zu ſchaffen, die von den einzelnen Be⸗
rufsvormündern bei der Ausübung ihres Amtes be⸗
nützt werden kann. Er hat ſich deshalb nicht darauf
beſchränkt, die kurzen aber nicht immer leicht verſtänd⸗
lichen Vorſchriften des Geſetzes zu erläutern, ſondern
zugleich einen gedrängten Abriß des Vormundſchafts⸗
rechts gegeben. Die Erläuterungen nehmen zu allen
Fragen Stellung, die ſich beim Vollzuge des Geſetzes,
insbeſondere in Anſehung des Verhältniſſes des Be-
rufsvormunds zum Vormundſchaftsgericht und zum
Mündel ergeben können. Der Verfaſſer hat mit Ver⸗
ſtändnis vorausgefühlt, wo ſich etwa Schwierigkeiten
und Reibungen ergeben könnten, was um ſo mehr
anzuerkennen iſt, als ihm die dürftige Rechtſprechung
nur wenige Anhaltspunkte bot. Er zeigt auch überall
ſelbſtändiges und geſundes Urteil. von der Pfordten.
Meisner, Chr., Rechtsanwalt in Würzburg. Die Vor⸗
ſchriften des BGB. über die Viehgewähr⸗
ſchaft nebſt der Kaiſerl. VO. vom 27. März 1899.
2. vollftändig umgearbeitete Auflage. München 1908,
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier). Gebd. Mk. 4.—.
Die Fragen des Viehgewährſchaftsrechts werden
nur ſelten vor den höheren Gerichten ausgetragen.
Die wenigen reichsgerichtlichen Erkenntniſſe, die zur
Verfügung ſtehen, find nicht alle zu gefunden Ergeb-
niſſen gelangt, der Standpunkt des Reichsgerichts in
der Frage der Anfechtbarkeit von Kaufverträgen iſt
ſogar recht bedenklich. Auch in der wichtigen Frage,
inwieweit der Verkäufer wegen „argliſtigen Ber-
ſchweigens“ haftet, gehen die Meinungen weit aus—
einander (vgl. diefe Zeitſchrift 1906 S. 225, 436, 470;
1907 S. 29). Die Zahl kleinerer Streitfragen ift ge-
radezu unermeßlich. Der Verfaſſer hat den verwickelten
Rechtszuſtand ſehr klar und überſichtlich geſchildert;
als vielerfahrener Praktiker hat er alle erdenklichen
Vorkommniſſe rechtlich gewürdigt. Auch der „tierärzt-
liche“ Teil iſt ſorgfältig und in einer dem Laien faß—
baren Weiſe behandelt. von der Pfordten.
Guttentagſche Sammlung dentſcher Reichsgeſetze.
In dieſer Sammlung ſind neu erſchienen:
1. Knitſchky, weil. Dr. jur. E. W. Die Seegeſetz⸗
gebung des Deutſchen Reichs. Unter Be-
rückſichtigung der Entſch. des Reichsoberhandels—
und des Reichsgerichts, des hanſeat. Oberlandes—
gerichts und der Seeämter. Textausgabe mit An—
merkungen und Sachregiſter. 4. verm. und verb.
Auflage, bearbeitet von Otto Rudorff, Oberlandes—
gerichtsrat in Hamburg. XXIV, 1155 S. Berlin
1908, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd.
Mk. 6.—.
2. Fiſcher, Dr. P. D., Wirkl. Geheimer Rat. Die
deutſche Poft- und Telegraphen-Geſetz⸗
gebung. Nebſt den Weltpoſtverträgen, dem inter—
nationalen Telegraphenvertrag und dem inter—
nationalen Funkentelegraphenvertrag. Text-Ausg.
mit Anmerkungen und Sachregiſter, fortgeführt von
Dr. jur. M. König, Geh. Oberpoſtrat, vortr. Rat
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 21.
im Reichs⸗Poſtamt. 6. Auflage. 580 S. Berlin
111 J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd.
3. Lutter, N., Geh. Regierungsrat im kaiſ. Patentamt,
Patentgeſetz vom 7. April 1891. Nebſt Ausfüh⸗
rungsbeſtimmungen, völkerrechtlichen Verträgen und
Patentanwaltsgeſetz. Bisher herausgeg. von Bro:
feſſor Dr. N. Stephan. 7. völlig neubearbeitete
Aufl. 353 S. Berlin 1908, J. Guttentag, Ber-
lagsbuchhandlung. Gebd. Mk. 2.80.
4. Hemptenmacher, Th., Wirkl. Geh. Ober⸗Regierungs⸗
rat. Börſengeſetz. Nebſt Ausführungsbeſtim⸗
mungen. Text⸗Ausg. mit Anmerkungen und Sach⸗
regiſter. Urſprüngl. herausgegeben von Unterſtaats⸗
ſekretär A. Wermuth und Regierungsrat H. Brendel.
2. völlig neu bearb. Auflage. 293 S. Berlin 1908,
J. Guttentag, Verlagsbuchhandlg. Gebd. Mk. 2.—.
5. Meyer, Gg., Juſtizrat, Rechtsanwalt in Berlin.
Das Recht der Beſchlagnahme von Lohn⸗
und VNV Auf Grundlage
der RG. vom 21. VI. 1869 u. 29. III. 1897 und
der ZPO. mit Einleitung, Anmerkungen u. Sach⸗
regiſter. 3. vermehrte Auflage. 185 S. Berlin
m 2 90 Guttentag, Verlagsbuchhandlung. Gebd.
Notizen.
Die Berwendung der Schreibmaſchine bei den Ne:
tariaten. Die Schreibmaſchine hat bei den Gerichten
ſchon feit Jahren Eingang gefunden; ihr Anwen:
dungsgebiet wächſt von Tag zu Tag. Mit der Zu:
laſſung der Schreibmaſchine im Urkundendienſt der
Notariate hat ſich das Juſtizminiſterium dagegen bis⸗
her zurückgehalten, weil der Stand der Technik noch
keine genügende Gewähr für die Dauerhaftigkeit der
Schreibmaſchinenſchrift zu bieten ſchien. Bisher war
die Verwendung der Schreibmaſchine den Notaren
nur für die amtliche Korreſpondenz und für gewiſſe
für die Grundbuchämter beſtimmte Abſchriften ge⸗
ſtattet. (DA. für die GBAe. § 569 Abſ. I). Die
Fortſchritte in der Technik haben das Miniſterium
jetzt veranlaßt, die Verwendung der Schreibmaſchine
in weiterem Maße zuzulaſſen, wie das in Preußen
und in Helfen anſcheinend ſchon früher ohne nad-
teilige Erfahrungen verſucht worden iſt. (Bek. vom
2. Oktober 1908, IM Bl. S. 229). Die Verwendung
der Schreibmaſchine zur Herſtellung von Urſchriften
von Urkunden iſt jedoch vorerſt wie bisher nicht
geſtattet.
1410
Die ee von Leumundszengniſſen durch die
Polizeibehörden ſoll künftig nicht mehr in der Weiſe
erfolgen, daß alle Beſtrafungen angeführt werden
(Entſchl. des Staatsminiſteriums des Innern vom
25. Auguſt 1908, Amtsblatt Nr. 17 S. 418). Die
Polizeibehörden ſollen vielmehr mit Takt und Sorg⸗
falt prüfen, ob nicht trotz geringfügiger oder weit
zurückliegender Beſtrafungen die Beſcheinigung eines
guten Leumunds erteilt werden kann.
1414
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing.
Ar. 22. München, den 15. November 1908. J. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
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Th. von der Pfordten IN N kl I 2. Schweitzer Verlag
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Baner B (Arthur Bellier)
Staats miniſterium der Juſtiz. in München, Lenbachplatz 1.
* . Ê
a Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
k. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9743).
Inſertionsgebübr 30 fg. für die balbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellena en
U =
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats k
20 Pfg. Beilagen nach Uedereinkunft.
3) Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Se 22
Nachdrud verboten.
Das Siebenmännermonopol. verteilung, wie ſie nun einmal im Reichsgerichte
Be K —.— iſt und ſein muß, und bei der Zuſammenſetzung
Eine Lehre aus dem Streit um den Eigentums⸗ der Senate iſt die Bildung der maßgebenden
vorbehalt an den eingebauten Maſchinen. Mehrheiten in den Senaten zu ſehr Zufallsſache
| und die Schwenkung des 5. Senates hängt ſicher
mit den ſtarken Perſonalveränderungen zuſammen,
nd naer l E die inzwiſchen in ihm ftattgefunden haben. Das
Der Maſchineninduſtrie it noch in empfind- Siebenmännermonopol ift oft nur ein Viermänner⸗
licher Erinnerung, welche Opfer fie einer unrich⸗ monopol und das geht denn doch nicht. Es geht
tigen juriſtiſchen Doktrin hat bringen müſſen, bis insbeſondere dann nicht, wenn für eine beſtimmte
teilweiſe Umkehr erfolgte. Aber auch nur teilweiſe, Gruppe von Rechtsfragen weſentlich nur ein einziger
denn das Reichsgericht iſt ſich nicht einig. Das Senat zuſtändig iſt. Die Mehrheitsabſtimmung
Bild ift augenblicklich jo, daß erſt kürzlich außer perſchärft eben die Monopolſtellung einiger weniger
dem 5. Senat auch noch der 2. Senat, treu ſeiner Richter ganz erheblich und daher kann man ganz
idon vor Jahren geäußerten Anſicht den Eigen- gewiß nicht ſagen, daß ein Erkenntnis eines be—
tumsvorbehalt anerkannt hat, daß aljo, wenn ſtimmten Senates immer die Anſicht des ganzen
man nur die Senate zählt, die entſchiedene Mehrheit Reichsgerichtes wiedergebe.
des Reichsgerichtes dem Eigentumsvorbehalt freund— Das i d dec une i er ene re heiden
lich geſonnen iſt.) Trotzdem bedeutet dies wegen (Bieter hier nicht ganz daſſende Ausdruck it der
der Geſchafts verteilung praktiſch doch nur, ab Kürze halber gewählt) der Fall. Dieſe kann
etwa in zwei Dritteln aller „ an aber vermieden werden, wenn die Rechtsfrage als
?!; On. Umgengni toe eine Tatfrage behandelt wird. Nach der Formel:
ſicher zugunſten der N wird ent⸗ 11
VV; an einen andern Tatbeſtand vor uns, wird jetzt der
o . ten der Konkursmaſſe Widerſpruch unter den verſchiedenen Senaten in
nn 088 0 1 1 u. paa onkursmaſſe Permanenz erklärt, wenn einige von ihnen auch
i Ip 3 3 Je. Taed i jetzt noch an der bisherigen Rechtſprechung feft-
Dieſer Zuſtand iſt unerträglich, weil praktiſch halten wollen.
ein Würfelſpiel, und alles andere als Rechtsſicher? Es läßt ſich verſtehen, wenn ein Senat wie
heit. Die Senate ſprechen aneinander vorbei in dieſer Frage es vorzieht, eine Rechtsfrage
und die Parteien müſſen bitten: 5 mir hinter einer angeblichen Tatfrage zu verſtecken,
nicht Recht, ſondern einen günſtigen Senat. Es ‚um nicht in einer Plenarentſcheidung, deren Mus-
klingt ſo voll, wenn es heißt, das Reichsgericht gang ungewiß iſt, mundtot gemacht zu werden.
habe entſchieden, tatſächlich find es formell nur Dies ift dann taktiſch nicht ganz unberechtigt,
7 Richter, in Wirklichkeit find es regelmäßig wenn der betreffende Senat einen Gedanken
jogar viel weniger, 6, 5 oder gar nur 4. Nun pertritt, der an fich richtig und billigenswert ift,
bedenke man, daß unter Umſtänden 4 Richter, aber noch keine Ausſicht auf Anerkennung bei den
die die geſchloſſene Mehrheit in dem zuſtändigen anderen Senaten hat. Unter Umſtänden kann
Senate bilden, dauernd die Rechtſprechung von es auch nützlich erſcheinen, erſt einmal abzuwarten,
ganz Deutſchland beherrſchen können, ohne daß welche Aufnahme die betreffende Rechtſprechung
fih daran etwas ändern ließe. Bei der Geſchaͤfts. in der Wiſſenſchaft findet und danach das künftige
— Verhalten einzurichten. Auch darüber läßt ſich
reden, daß dem Nachbarſenate gangbare Rückzugs—
brücken gebaut werden. Alle dieſe Mittel einer
Von Profeſſor Krückmaunn in Münſter i. W.
) Vgl. die Nachweiſe in meiner Schrift: Weſent⸗
licher Beſtandteil und Eigentumsvorbehalt S. 2 ff., 8 ff.
Günſtig find auch 1, 3 3S. BayᷣSbsG.
es
vermittelnden Taktik ſoll man nicht unbedingt
verwerfen, wenn es auch leicht iſt, vom „grund⸗
ſätzlichen Standpunkte“ aus ſie in Grund und
Boden zu verdammen als verwerflich und ſtörend
für die reine und unentwegte Rechtſprechung.
Nichts iſt ideal und vollkommen und ſo ſoll eine
kluge Taktik, die im Dienſte des Rechtes mit
mancherlei Menſchlichkeit rechnet, gar nicht unbe:
dingt verworfen werden. Sie kann, am richtigen
Orte und im richtigen Maße angewandt, unſtreitig
viel Gutes tun. Aber gerade dieſe Taktik führt
in unſerer Frage die Zerſplitterung herbei. Wir
müſſen daher ein Mittel gewinnen, auch gegen
den Willen der in Betracht kommenden Senate
zu einer Plenarentſcheidung zu kommen. Dies
iſt nun nicht anders möglich, als wenn das
Reichsgericht, durch den Reichskanzler
bindend aufgefordert, zu einer Plenar:
entſcheidung zuſammentritt. Es muß
möglich ſein, ihm eine Rechtsfrage zur
Entſcheidung vorzulegen, ohne daß dar—
über gerade zurzeit ein Prozeß an—
hängig iſt, damit eine für die Unter—
gerichte beachtliche höchſtrichterliche
Entſcheidung gewonnen wird. Die Voraus-
ſetzungen hierfür, wann dem Reichskanzler zuſteht,
ein ſolches bindendes Erſuchen zu ſtellen, werden
am beiten gar nicht geſetzlich feſtgelegt. Der
Reichskanzler wird ja doch praktiſch die Entſcheidung
immer in die Hand des Reichsjuſtizamtes legen
und dieſes iſt eine ſo bedächtige Behörde, daß
niemals zu fürchten ſein wird, es werde an das
Reichsgericht zu oft das Erſuchen um eine Plenar—
entſcheidung geſtellt werden. Als Anwendungs—
fälle dieſes Verfahrens wären zu denken einmal
ſolche Lage, wie ſie z. B. in der Frage des
Eigentumsvorbehalts beſteht, es muß aber auch
ſchon genügen, daß die nach der Geſchäftsverteilung
zuſtändigen Senate auf beachtlichen Widerſpruch
ſtoßen, ohne daß dieſer Widerſpruch bisher inner—
halb des Reichsgerichtes ſelber laut geworden iſt.
Zurzeit beſteht keine Möglichkeit, die nach der
Geſchäftsverteilung zuſtändigen Senate, wenn ſie
einig ſind, dem kritiſchen Votum des geſamten
Reichsgerichts zu unterwerfen, hierfür iſt aber
gerade dann doppeltes Bedürfnis, wenn die zu—
ſtändigen Senate in demſelben Irrtum befangen
ſind. So hätte z. B. in der Frage des Eigen—
tumsvorbehaltes ſchon lange vor der Schwenkung
des 5. Senates eine Plenarentſcheidung ergehen
müſſen.
Frage reif, ſeitdem ſind keine neuen Geſichtspunkte
mehr beigebracht worden. Wir hätten alſo ſchon
ſeit etwa 2 Jahren eine andere Rechtſprechung
haben können, denn mit Hilfe der anderen, dem
Vorbehalt günſtig geſinnten Senate war eine
ſichere Mehrheit ſchon damals zu erzielen. Da
diejenigen, die auf eine Plenarentſcheidung hin—
drängen, ſich immer genau Rechenſchaft davon
geben müſſen, ob die Frage ſchon zu einer ſolchen
Mindeſtens ſeit Anfang 1907 war die
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
werden müſſen und überdies bleibt der
| nehmen.
Plenarentſcheidung ſpruchreif iſt, werden ſie natur⸗
lich entſprechende Verſuche nicht früher machen,
als bis ſie genügendes Material geſammelt haben.
Praktiſch wird vielfach die Oeffentlichkeit der
Reichstagsverhandlungen in Anſpruch genommen
ſelb⸗
ſtändigen Initiative des Reichsjuſtizamtes ebenfalls
Raum, um in geeigneten Fällen von dem Reichs⸗
kanzler ein ſolches Erſuchen zu erwirken.
Aber noch ein anderes wird geſagt werden
müſſen. Das Reichsgericht wäre wahrſcheinlich
ſchon früher bedenklich geworden, wenn auch die
Oberlandesgerichte ihm mehr Widerſtand geleiſtet
hätten. Außer den bayeriſchen Gerichten. Kiel
und dem wie meiſtens ſelbſtändigen Hamburg
haben ſich die Oberlandesgerichte der reichsgerickt—
lichen Lehre denn doch zu lange gefügt. Zu Anfang,
als auch die Theorie hin und her tappte und wir
alle noch im Fahrwaſſer der Motive ſegelten, war
es verſtändlich, daß die ſcheinbar ſo einfache Formel
des RG. überall Nachfolge fand, als aber die
große Schädigung offenbar wurde, die die Redt-
ſprechung des RG. anzurichten drohte, als ein
theoretiſcher Gegengrund nach dem anderen herbei—
geſchafft wurde, hätten die Oberlandesgerichte doch
wohl mehr Selbſtändigkeit zeigen können, als ſie
getan haben. Die Folge der vorzeitigen Warren:
ſtreckung ift, daß fie jetzt, nachdem fih das Reichs
gericht überwiegend von der früheren Rechtſprechung
abgekehrt hat, dieſe Schwenkung ignorieren und
den unbefriedigenden Rechtszuſtand, ſoweit fie können.
verewigen müſſen, oder, daß ſie genau ſo, wie ſie
damals die Rechtſprechung des Reichsgerichtes ohne
eigene Zutaten angenommen haben, dies heute
mit der veränderten Rechtſprechung tun müſſen.
Das Anſehen unſerer Gerichte wird dadurch
auf keine Weiſe gehoben. Gewiß iſt urſprünglich
die Praxis durch die Theorie irregeleitet worden
und die Hauptſchuld lag zunächſt bei der Theorie,
aber dann hat die Praxis den Umſchwung der
Theorie nicht beachtet. Hierin hätten gerade die
Oberlandesgerichte, die ſich nicht ſo eingeſetzt hatten,
wie der 5. und. 7. Senat, beweglicher und elaſtiſcher
ſein können. Das wäre gerechter geweſen und hätte
mehr Ruhm und Ehre gebracht.
polizei und Etrafrechtsreform.)
Von Bezirksamtsaſſeſſor Dr. Friedrich Haenle in Kötzting.
Die Reform unſeres Strafrechts ſteht nicht
mehr in weiter Ferne. Es iſt daher an der Zeit,
daß auch die Beamten der inneren Verwaltung
zu den hierbei auftauchenden Streitfragen Stellung
Sie ſind hierzu vor allem berufen, da
1) Anm. des Herausgebers. Der Verfaſſer ver⸗
tritt zwar etwas zu einſeitig die Anſchauungen der Ver—
geltungslehre, immerhin bringt aber ſeine Abhandlung
beachtenswerte Anregungen. Es iſt nicht zu verkennen,
fie jeden Tag in ihrer polizeilichen Tatigkeit die
Wirkungen der Strafgeſetzgebung kennen lernen.
Mögen die folgenden Zeilen die Verwaltungs⸗
beamten veranlaſſen, in erhöhtem Maße die
Reformvorſchläge einer kritiſchen Würdigung zu
unterziehen!
Der Werdegang des Strafrechts iſt bekannt.
Sein Ausgangspunkt iſt die Rache, die Talion.
Dadurch, daß der Staat die Verfolgung in die
Hand nahm, wurde die blinde Rache des in
ſeinem Rechtsfrieden Gekränkten zum gerechten
Gerichte der den Rechtsfrieden garantierenden
Macht. Nach wie vor blieb jedoch das Ziel die
Sühne der begangenen Tat ohne Anſehen der
Perſon des Täters. Das war und iſt heute
gerechte Strafjuſtiz. Geändert haben ſich im
Lauf der Zeiten nur die Strafen und Strafarten.
Es iſt noch nicht lange her, daß die heute
ſo ſeltene Todesſtrafe eine häufig angewandte
Strafart bildete. Schon bei Delikten, die jetzt
ſehr milde beurteilt werden, wurde ſie angewandt
(insbeſondere bei Eigentumsdelikten; augenſcheinlich
iſt der Reſpekt vor dem Privateigentum im All⸗
gemeinempfinden gegen frühere Zeiten geſunken).
Man hat mit Recht geſagt, daß wir noch heute
dieſer für unſere Gefühle rohen Strafjuftiz zu
Dank verpflichtet ſind wegen der Ausleſe, welche
der Galgen und das Richtſchwert unter den ſozial
minderwertigen Individuen hielten. Die Strafjuſtiz
beſorgte damit früher in wirkſamer Weiſe die
Geſchäfte der Polizei. Dies alles hat ſich im
Lauf der Zeiten geändert. Die Strafen ſind viel
leichter geworden; ihre polizeiliche Wirkung ſteht
ſehr in Frage. Die Polizei ſelbſt aber hat außer
bei Bettlern, Landſtreichern, Dirnen, Zuhältern
und Arbeitsſcheuen bei der Behandlung des Ver—
brechertums faſt nichts zu ſagen. Sie hat das
Recht und die Pflicht, wenn ein Verbrechen vor:
gekommen iſt, den Täter ausfindig zu machen
und muß tagtäglich die Klagen über die wachſende
Rechtsunſicherheit über ſich ergehen laſſen. Sie
hat nur bei minderjährigen Perſonen unter ge-
wiſſen Umſtänden das Recht der Zwangserziehung
und außerdem das Recht der Polizeiaufſicht.
Letztere Maßregel hat notoriſch keinen praktiſchen
Wert; ſie hindert denjenigen, der ſich nicht beſſern
will, nicht an der Begehung ſtrafbarer Hand
lungen; demjenigen, der ſich beſſern will, macht
ſie aber die Beſſerung unmöglich, da im allge—
meinen kein vernünftiger Menſch eine Perſon bei
ſich aufnehmen will, bei der polizeiliche Ueber-
wachung für nötig erachtet wird.
Dieſer Zuſtand muß anders werden. Der
daß der jetzige Uebergangszuſtand ſeine Gefahren hat.
Insbeſondere führt die übergroße Milde gegen die
„Jugendlichen“, die nicht durch eine energiſche Durch—
führung des Zwangserziehungsgeſetzes ausgeglichen
wird, zu einer Lockerung der Staatsautorität; ſie kann
1 als Anreiz zur Begehung ſtrafbarer Handlungen
wirken.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
|
427
— — — —
Polizei muß in Zukunft bei der Bekämpfung des
Verbrechertums neben der Strafjuſtiz eine aus⸗
ſchlaggebende Rolle zugewieſen werden. Wenn
die Polizei ſchon jetzt das Recht hat, gemein⸗
gefährliche Geiſteskranke zu verwahren, ſo muß
ihr dies Recht aus dem gleichen Grund bei gemein⸗
gefährlichen Geiſtesgeſunden eingeräumt werden.
Alle die Hochſtapler, Betrüger, Diebe, Einbrecher,
Meſſerhelden, welche das Leben und Gut ihrer
Mitbürger tagtäglich bedrohen, können heute polizei⸗
lich nicht behandelt werden. Unſer Strafgeſetzbuch
iſt inſofern wirklich, wie ein Strafrechtslehrer
ſagt, die magna charta des Verbrechers.
Der Fehler unſerer jetzigen Geſetzgebung liegt
darin, daß durch die Strafe gleichzeitig ſtrafrecht⸗
liche und polizeiliche Zwecke verwirklicht werden
ollen. Darunter leidet notwendig ſowohl die
Strafjuſtiz, wie die Polizei. Dem Strafrichter
ſind zwei ganz heterogene Aufgaben überbürdet.
Auf der einen Seite ſoll er gerecht ſtrafen
ohne Anſehen der Perſon, auf der andern Seite
ſoll er gerade mit Rückſicht auf die Perſon und
ihr Vorleben die Strafe individualiſieren. Sieht
man nicht, daß hier der Strafrichter vor eine
unlösbare Aufgabe geſtellt iſt? Mit einem
Erkenntnis ſoll der Richter die Tat ſühnen, den
Verbrecher beſſern, die Geſellſchaft vor ihm ſchützen,
die Verbrecherzunft warnen! Der neueſte Ge⸗
danke iſt die unbeſtimmte Verurteilung ohne
Feſtſetzung der Verwahrungsdauer; das bedeutet
aber den Erſatz der Strafe durch die polizeiliche
Verwahrung. Alſo eigentlich Abſchaffung der
Strafgeſetzgebung! Wenn man das will, dann
ſage man es doch offen und erkläre, daß in Zu—
kunft an Stelle der Strafe aus Anlaß des Be—
gehens gewiſſer, verpönter Handlungen die polizei—
liche Verwahrung zu treten habe! Es iſt aber
nicht anzunehmen, daß die geſetzgebenden Faktoren,
ſo wie die Dinge heute liegen, für eine derartige
Umwälzung in der Geſetzgebung zu haben ſind.
Man muß daher darauf ſtehen bleiben: die
Strafe hat nach ihrer Geſchichte und den heute
noch geltenden Anſchauungen lediglich eine Daſeins⸗
berechtigung, inſoweit als ſie erkannt wird als
Sühne für die begangene Tat. Eine Folge⸗
erſcheinung der Strafe iſt die Generalprävention
(das iſt zwar eine polizeiliche Wirkung der erkannten
Strafen; auf ſie braucht aber bei der Strafzu—
meſſung keine Rückſicht genommen zu werden, da
die Strafandrohung und das Straferkenntnis als
ſolches unabhängig von der ſpeziellen Strafge—
ſtaltung präventiv wirken).
Neben die Strafgeſetzgebung hat nun als gleich—
wertiger Faktor die ſyſtematiſche Bekämpfung des
Verbrechertums durch die Verwaltung zu treten.
Zu dieſem Zwecke wäre ein eigenes Geſetz über
die polizeiliche Behandlung gemeingefährlicher Per:
ſonen auszuarbeiten. Den Verwaltungsbehörden
wäre darin das Recht einzuräumen im verwaltung3-
rechtlichen Verfahren Perſonen, die auf Grund
428 ' Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
ihres Vorlebens als gemeingefährlich zu erachten Strafgerichtsbarkeit und Polizei würde eine wirt-
ſind, auf Zeit oder lebenslänglich zu verwahren. ſame Bekaͤmpfung des Verbrechertums garantieren.
Etwaige Bedenken gegen die hierdurch der Während ſich heute die Schärfe der Strafe
Polizeiverwaltung einzuräumende Macht ließen ſich hauptſaͤchlich in der Länge der Verwahrungsdauer,
durch eine geeignete Faſſung des Geſetzes leicht dies faſt nur aus polizeilichen Erwägungen,
zer ſtreuen. dokumentiert, würde in Zukunft eine kurze, aber
Vorausſetzung für die Einleitung des Verfahrens energiſchere Beſtrafung (vgl. Militärſtrafgeſetzbuch)
bei den Verwaltungsbehörden wäre ein neben dem genügen und ſicher im allgemeinen mehr wirken;
Urteil geſondert zu faſſender Beſchluß des Straf: bei Gemeingefährlichen würde ſich ohnehin die
gerichts, wonach der Verbrecher wegen Gemein: polizeiliche Verwahrung anſchließen.
gefährlichkeit der Landespolizeibehörde überwieſen Es iſt auch anzunehmen, daß die völlige Aus⸗
wird. Es wäre zu dieſem Behuf von den geſetz⸗ ſchaltung polizeilicher Erwägungen bei der Straf:
gebenden Faktoren der Verbrechenskatalog dahin geſtaltung das Vertrauen des Volkes in die Straf⸗
zu prüfen, welche Verbrechen einen Rückſchluß, rechtspflege hebt. Denn polizeiliche Erwägungen
event. bei wiederholter Begehung auf die Gemein: bringen eine Individualiſierung des Falles mit
gefährlichkeit des Täters zulaſſen. Dieſe Frage ſich und erwecken damit den Eindruck einer Rück⸗
ift natürlich mit die ſchwerſte der ganzen Geſetz⸗ ſichtnahme auf die betreffende Perſon.
gebung; immerhin wird man erwägen müſſen, daß Es iſt zu hoffen, daß unſere geſetzgebenden
eine etwas weitherzige Beantwortung einer enge Faktoren rechtzeitig erkennen, wie jede Strafgeſetz⸗
herzigen vorzuziehen iſt, da die Ausführung des gebung, welche ſtrafrechtliche und polizeiliche Ge⸗
Geſetzes mit Garantien ohnehin umgeben werden ſichtspunkte gleichzeitig verwirklichen will, an einem
muß, welche einen Mißbrauch der Befugniſſe inneren Widerſpruch krankt! Hier wie überall gilt
direkt ausſchließen. Das Strafgericht müßte der der Leitſatz, der jedem Juriſten ſtets vorſchweben
Beſchlußfaſſung natürlich nicht nur die anlaß⸗ ſoll: Primum est distinguere !
gebende Tat, ſondern das ganze Vorleben des zu
Ueberweiſenden zugrunde legen; daher wäre Ver⸗
nehmung der Eltern, Verwandten, Erzieher, Lehrer,
Militärbehörden, Arbeitgeber, Nachbarn, Bekannten,
Vormundſchaftsgerichte, Aufenthaltspolizeibehörden
x. vorher geboten. Man darf zu den Gerichten
das Vertrauen beſitzen, daß ſie einen ſolchen Be⸗
ſchluß nicht ohne Grund faſſen.
Damit iſt ſchon geſagt, daß neben dem Be—
ſchluß die rechtskräftige Verurteilung wegen einer
ſchweren Straftat einhergehen muß. Freiſprechung
wegen Mangels an Beweis oder allein die be—
kundete gemeingefährliche Geſinnung laſſen einen
Schluß auf Gemeingefährlichkeit nicht zu; erſt die
nachweisliche Verwirklichung der Geſinnung in der
Tat genügt als Beweis.
Die Verwaltungsbehörde hätte ſodann unter
Zuziehung des Amtsarztes und eines Laien nach
ärztlicher Unterſuchung und mündlicher Verhand—
lung über die Art des Vollzugs ſich ſchlüſſig zu
machen und hierbei das ganze, event. durch weitere
Erhebungen ergänzte Aktenmaterial zugrunde zu
legen. Die Unterbringung könnte je nach der
Perſönlichkeit in Beſſerungsanſtalten, Arbeitshäu—
ſern, Verwahrungshäuſern (beſonders für geiſtig
Minderwertige), Arbeiterkolonien ꝛc. erfolgen;
vielleicht ließe ſich auch hierbei ein Verſuch mit
der Deportation in unſere Kolonien wagen?
Alljährlich würde unter Zugrundelegung der
ſeitens der Anſtalten ꝛc. gemachten Wahrnehmungen
neuerlich Beſchluß zu faſſen ſein. Dem Unterzu—
bringenden wäre ein Offizialverteidiger beizugeben.
Gegen jeden Beſchluß müßte der Weg der Be—
ſchwerde zum Verwaltungsgerichtshof offen ſtehen.
Nur eine derartige reinliche Scheidung von
Das neue bayeriſche Beamtenrecht.
Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg.
(Fortſetzung ſtatt Schluß).
Das Dienſtſtrafrecht für die richterlichen Beamten
regelt das durch Art. 183 Abſ. 1 BG. aufrecht
erhaltene RDG.; nur die Aenderungen, welche
dieſes Geſetz durch Art. 224 BG. erfahren hat,
ſollen hier dargeſtellt werden, ſoweit ſie nicht
ihon bei Beſprechung der Dienſtaufſicht und der
vorläufigen Enthebung vom Amte beſprochen
worden find und bei der Beſprechung der Ver:
ſetzung in den Ruheſtand zur Erörterung kommen
werden.
Zu den Disziplinarſtrafen iſt eine neue, die
Entziehung des Anſpruchs auf Vorrückung im
Gehalt auf die Dauer von höchſtens drei Jahren
gekommen. Die Neuerung ift veranlaßt durch die
Beſtimmung des Art. 183 Abſ. 2 Ziff. 2, welche
den richterlichen Beamten im Gegenſatz zu den
übrigen Beamten einen Anſpruch auf Vorrückung
im Gehalte nach Maßgabe der Gehaltsordnung
und des Dienſtalters einräumt. Von Einleitung
einer VU. kann Umgang genommen werden (Art. 224
Abſchn. 10). Auf die Entziehung des Anſpruchs
kann nicht neben einer anderen Disziplinarſtrafe
erkannt werden. Im Urteil iſt zugleich zu be
ſtimmen, ob und inwieweit durch die Entziehung
der Zeitpunkt für die ſpäteren Gehaltsvorrückungen
hinausgeſchoben wird (Art. 224 Abſchn. 3 Ziff. 1
Nr. 3 und Ziff. 3). Das Geſetz ſieht die Mög⸗
429
lichkeit einer nachträglichen Milderung der Strafe
vor; wenn nämlich der Richter ſich nach der Ver:
urteilung längere Zeit gut geführt hat, kann die
DK. die Entſcheidung auch dann, wenn diefe in
2. Inſtanz vom DH. erlaſſen iſt, hinſichtlich der
Zeit, für die der Anſpruch auf Vorrückung im
Gehalt entzogen iſt, und bezüglich des Zeitpunktes
der jpäteren Gehaltsvorrückung zugunſten des
Richters ändern. Gegen die Entſcheidung ſteht die
ſofortige Beſchwerde zum DH. offen (Art. 224
Abſchn. 23 und Abſchn. 22). Die Beſtimmung
gibt zu Zweifeln Anlaß: 1. in welcher Weiſe
dieſes nachträgliche Verfahren in Fluß kommt;
wohl auf Anregung der Dienſtaufſichtsbehörde;
2. wie ſich das Nachtragsverfahren abſpielt; die
Aenderung des Urteils wird ohne mündliche Ver⸗
handlung nach Anhörung des StA. auf Grund
der Aktenlage durch Beſchluß der DR. zu treffen
ſein; 3. über die Perſon des Beſchwerdeberechtigten;
die entſprechende Beſtimmung des Art. 33 Abſ. 2
BG. geſtattet den Schluß, daß nur der verurteilte
Richter beſchwerdeberechtigt ſein ſoll; 4. ob Aende⸗
rung des Urteils nur mit Wirkung für die Zus
kunft oder auch mit rückwirkender Kraft, ſodaß
teilweiſe Nachzahlung der vorenthaltenen Vorrückung
zu erfolgen hat, beſchloſſen werden kann; mit Rüd:
ſicht auf den Wortlaut des Art. 56a Abſ. 1 dürfte
letzteres anzunehmen fein, obwohl Abſ. 2 für die
Anordnung der Nachzahlung (noch) einen anderen
Weg unter anderen Vorausſetzungen vorſieht.
„Aus beſonderen Gründen“ kann nämlich die Juſtiz⸗
verwaltung die teilweiſe oder volle Nachzahlung
der vorenthaltenen Dienſtalterszulage verfügen.
Aus der Begr. zu Art. 31 (S. 112) ergibt ſich,
daß hierbei hauptſächlich an die Fälle gedacht iſt,
in denen nachträglich das Verhalten des Beamten
in einem milderen Lichte oder vollkommen ent:
ſchuldbar erſcheint, wenn ſich z. B. ſpäter heraus⸗
ſtellt, daß die ungenügenden Leiſtungen oder das
nicht entſprechende Verhalten des Richters durch
eine in der Entſtehung begriffene körperliche oder
geiſtige Erkrankung veranlaßt war. Die aus Art. 31
übernommene, auf die Verſagung der Vorrückung
im Verwaltungswege zugeſchnittene Vorſchrift des
Art. 56a Abſ. 2 paßt nicht zum Straſcharakter
der Entziehung der Vorrückung gegenüber dem
Richter; die Anordnung der Nachzahlung iſt beim
Verwaltungsbeamten als Korrektur der verſagenden
Verfügung gedacht, hier dagegen wirkt ſie wie
eine Begnadigung, obwohl die „beſonderen Gründe“
mehr als die nachträgliche gute Führung eine
Korrektur des verurteilenden Erkenntniſſes am Platze
erſcheinen laſſen und zumeiſt wohl auch die Wieder:
aufnahme des Verfahrens nach Art. 55 RDG.
begründen werden. Die Entſcheidungen der Dis—
ziplinargerichte über Verſagung der Gehaltsvor—
rückung einſchließlich der nachträglichen Aenderung
der Entſcheidung ſind für den Streitrichter bindend
(Art. 178 Nr. 5).
Der 1. Satz des zwiſchen Art. 6 Abſ. 1 und 2
Zieitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
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eingeſchobenen neuen Abſ. 2: „Auf Strafverjegung
iſt zu erkennen, wenn durch eine Handlung, die
ein ſchweres Dienſtvergehen bildet, Umſtände ge⸗
geben ſind, vermöge deren die amtliche Wirk⸗
ſamkeit des Richters auf der bisherigen Stelle in
einer nicht bloß vorübergehenden Art geſtört wird“
ſpricht nur ausdrücklich aus, was ſchon bisher
aus Art. 5 und 65 zu folgern war und dient
nur als Einleitung zu der angeknüpften neuen Be⸗
ſtimmung: „Sind ſolche Umſtände zwar nicht ohne
Verſchulden des Richters gegeben, iſt aber das
Verſchulden nicht derart, daß die Strafverſetzung
angemeſſen iſt, ſo kann das Disziplinargericht un⸗
abhängig von der Entſchei dung über die Strafe
ausſprechen, daß der Richter unter Vergütung der
Umzugskoſten auf ein Richteramt von gleicher
Dienſtesklaſſe und gleichem Gehalt verſetzt werden
kann“ und füllt eine im RDG. beſtandene Lücke
aus. Deſſen Art. 65 läßt die unfreiwillige, nicht zur
Strafe und nicht zufolge einer Organiſation er⸗
folgende Verſetzung eines Richters im Falle der
ganz unverſchuldeten Störung ſeiner amtlichen
Wirkſamkeit zu, dagegen trifft er die Faͤlle nicht,
in welchen die die Störung verurſachenden Um-
ſtände zwar nicht ohne Verſchulden des Richters
eingetreten ſind, dieſes Verſchulden aber zur Ver⸗
hängung der harten Strafe der Straſverſetzung
nicht ſchwer genug iſt.
Die Aeußerung der Begr. S. 283, auf Ver⸗
ſetzbarkeit könne auch im Falle der Freiſprechung
erkannt werden und werde diesfalls die Einleitung
eines beſonderen Verfahrens nach Art. 65 Ziff. 1
erſpart, iſt für den wohl häufigeren Fall unrichtig,
daß die Freiſprechung damit begründet wird, ein
Verſchulden des Richters liege nicht vor. Die neue
Beſtimmung füllt aber auch die ſeither beſtandene
Lücke nicht vollſtändig aus, da die Möglichkeit,
auf Verſetzbarkeit zu erkennen, die Verweiſung zur
Hauptverhandlung nach Art. 36 nicht rechtfertigt
und, wenn die DK. mit der Begründung, daß
zwar ein Verſchulden des Richters vorliege, dieſes
aber nicht von der Art ſei, daß es ein Dienſt⸗
vergehen darſtelle, außer Verfolgung ſetzt, weder
die DK. in der Lage iſt, die Verſetzbarkeit aus⸗
zuſprechen, noch die Vorausſetzungen des Art. 65
vorliegen. Es wäre alſo wohl richtiger geweſen,
die Lücke durch eine Ergänzung des Art. 65 ſelbſt
auszufüllen.
Von den die Dienſtentlaſſung und deren Folgen
betreffenden Beſtimmungen des Art. 6 und Art. 5
ſind die Aenderungen des ſeitherigen Abſ. 3 (nun 4)
Ziff. 1 des Art. 6 und der ſeitherigen Abſ. 4 und 5
(nun Abſ. 5) des Art. 5 nur redaktioneller Natur.
Neu iſt die Herübernahme der Beſtimmung
des Art. 110 Abſ. 3 BG. als neuer Abſatz 6 des
Art. 5, wonach dem entlaſſenen Beamten oder
ſeinen Hinterbliebenen, auch wenn das Urteil des
Disziplinargerichts eine Milderung der Wirkungen
der Entlaſſung nicht vorſieht, im Wege der Gnade
430
1 P Unterhaltsbeiträge gewährt werden
oͤnnen.
Die Vorſchrift des Art. 2 über die Verjährung
iſt mit jener des Art. 113 BG. in Uebereinſtimmung
gebracht durch Einfügung der Beſtimmung, daß
die Strafverfolgung des Dienſtvergehens, wenn
die Tat auch gegen ein Strafgeſetz verſtößt, nicht
verjährt, bevor die Strafverfolgung der Straftat
verjährt iſt. Nur redaktioneller Natur iſt die
Anpaſſung der Vorſchrift des Art. 9 (über Ein⸗
ſtellung des Verfahrens zufolge Geſuchs des Be⸗
ſchuldigten um Entlaſſung aus dem Staatsdienſte)
an die Faſſung des Art. 114 BG.
Durch eine Einſchaltung in den Art. 10 iſt
der Verfügung der Anklage im militärgerichtlichen
Verfahren (8 250 Mil StG.) die gleiche hemmende
Wirkung auf das DV. beigelegt worden, wie der
Erhebung der öffentlichen Klage im Verfahren
nach der StPO.
Der DR. ift die Befugnis eingeräumt, vor
der Beſchlußfaſſung über die Einleitung des DV.
die Vornahme einzelner Ermittlungen, die Ver⸗
nehmung von Zeugen oder Sachverſtändigen und
die ſchriftliche Verantwortung des Beſchuldigten
anzuordnen (Art. 224 Abſchn. 11). Im Zuſammen⸗
hange damit iſt durch die Aenderung des Art. 30
RDG. (Art. 224 Abſchn. 12 BG.) eine Verein⸗
fachung des Verfahrens in jenen Fällen ermöglicht,
in welchen von Einleitung einer BU. Umgang
genommen wird. Bisher mußte nach Einleitung
des DV. und vor Entſcheidung über die Ver⸗
weiſung zur Hauptverhandlung mindeſtens ſchrift⸗
liches Gehör des Beſchuldigten ſtattfinden. Die
neue Faſſung ordnet zwar gleichfalls an, daß in
ſolchen Fällen der Beſchuldigte mit ſeiner ſchrift⸗
lichen Verantwortung zu hören und das zur münd—
lichen Verhandlung etwa weiter Erforderliche vor-
zubereiten ſei, erteilt aber die Ermächtigung, von
Vorerhebungen, auch dem Gehör des Beſchuldigten,
abzuſehen, wenn durch die Ermittlungen der Dienſt—
aufſichtsbehörden oder durch die von der DR.
vor der Beſchlußfaſſung über die Einleitung des
DB. angeordneten Erhebungen die Sache genügend
aufgeklärt und der Beſchuldigte bereits ausreichend
gehört iſt, ſodaß nunmehr unter dieſen Voraus—
ſetzungen mit dem Beſchluß auf Einleitung des
Verſahrens der Beſchluß auf Verweiſung zur Haupt⸗
verhandlung verbunden oder aber, wenn die vor
Einleitung des DV. angeordneten Erhebungen zur
Entlaſtung des Beſchuldigten geführt haben, die Nicht:
eröffnung des Verfahrens beſchloſſen werden kann.
Neu ift die dem § 208 StPO. nachgebildete
Beſtimmung über die Zuläſſigkeit der vorläufigen
Einſtellung in Anſehung ſolcher Dienſtvergehen,
deren Feſtſtellung unweſentlich iſt. Die vorläufige
Einſtellung kann von Amts wegen nach Vernehmung
des StA. beſchloſſen werden (neuer Art. 36 a
und neuer Abſ. 2 Satz 3 des Art. 45 RDG.,
Art. 224 Abſchn. 15 und 18 BGG.). Aus der StPO.
($ 265) herübergenommen ift ferner die Vorſchrift
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22
des neuen Abſ. 2 Satz 1 des Art. 45 über Zu⸗
läſſigkeit der Einbeziehung einer im Laufe der Haupt⸗
verhandlung 1. Inſtanz neu erhobenen Beſchuldi⸗
gung in die Verhandlung und Aburteilung mit
Zuſtimmung des Angeſchuldigten. Sie iſt abweichend
von der StPO. nicht von einem Antrage des StA.
abhängig, der jedoch darüber gehört werden muß;
die Einbeziehu ng ift unzuläſſig, wenn nach dem
Ermeſſen der D 15 des neuen Dienſtvergehens
vorausſichtlich auf Strafverſetzung oder Dienſtent⸗
laſſung zu erkennen iſt (Art. 45 Abſ. 2 Satz 2).
Die Vorſchrift des Art. 45 Abſ. 3, jetzt Abj. 4
über die Verkündung der Urteile iſt mit jener des
Art. 148 Abſ. 5 des BG. in Uebereinſtimmung
gebracht worden — ſie unterſcheidet ſich von der
ſeitherigen dadurch, daß die Entſcheidungsgründe
nicht mehr verleſen werden müſſen, ſondern die
mündliche Mitteilung ihres weſentlichen Inhalts
genügt und die Verkündung der Entſcheidung auf
vierzehn Tage (bisher eine Woche) vertagt werden
kann (Art. 224 Abſchn. 18) — ebenſo jene des
Art. 55 über die Wiederaufnahme des Verfahrens
mit jener des Art. 159 BG. (Art. 224 Abſchn. 20).
Als Art. 55 a find dem Art. 160 BG. entſprechende
Beſtimmungen über Entſchädigung des im Wieder⸗
aufnahmeverfahren freigeſprochenen oder mit einer
geringeren Strafe belegten Richters eingefügt; der
Antrag auf Entſchädigung nach 85 des RG.
vom 20. Mai 1898 iſt bei dem zuſtändigen Ober:
ſtaatsanwalt zu ſtellen (Art. 224 Abſchn. 21).
Die Entſcheidungen der Beamten, Behörden und
Disziplinargerichte über die Verhängung von Ord—
nungs- und Disziplinarſtrafen find für den Streit:
richter bindend (Art. 178 Nr. 10).
Die Rechte der Beamten und der Schutz dieſer Nechte.
8 Ehrenrechte der Beamten ſind: Das Recht
au
1. den Dienſtrang, von dem ſchon oben die
Rede war;
2. auf den Titel (die Bezeichnung der dienſt⸗
lichen Stellung des Beamten); das Recht kann
dem aktiven Beamten nicht entzogen werden. Die
Entlaſſung zur Strafe hat den Verluſt des Amts—
titels zur Folge; der Titel geht ferner zu Verluſt
durch die auf Grund Entſchließung des Königs
oder der zur Ernennung zuſtändigen Behörde er—
folgende einſeitige Löſung des Dienſtverhältniſſes
eines widerruflichen Beamten (Art. 8 Abſ. 2),
ebenſo durch die auf Anſuchen bewilligte Ent—
laſſung des widerruflichen oder unwiderruflichen
Beamten, doch kann dem auf Anſuchen entlaſſenen
Beamten die Weiterführung des Titels in wider—
ruflicher Weiſe geſtattet werden (Art. 10 Abſ. 4).
Die in Ruheſtand verſetzten Beamten ſind zur
Weiterführung des Amtstitels mit dem Beiſatz
„außer Dienſt“ befugt. Während aber dem un—
widerruflichen Beamten dieſe Befugnis nur im
Wege des DB. entzogen werden kann, kann fie
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22, 481
dem widerruflichen Beamten jederzeit im Der:
waltungswege entzogen werden (Art. 70). Wegen
der Titel der Juſtizbeamten ſ. VO. vom 23. Auguſt
1879 z. Vollz. d. AG. z. GVG. Welche Beamte
in Zukunft ihrem Titel die Bezeichnung „König⸗
lich“ vorzuſetzen befugt ſind, wird durch VO. ge⸗
regelt werden; vgl. ME. vom 11. September
1856, Weber, GCVS. Bd. V S. 1. Dem Be:
amten kann natürlich, wie ſeither, ein höherer
als der ihm nach ſeiner dienſtlichen Stellung zu—
kommende Titel beſonders verliehen werden.
3. Die Dienſtabzeichen, ſoweit nach den Dienft:
vorſchriften ſolche beſtehen (ſ. für die Juſtizbeamten
Bek. vom 7. Juni 1858 RegBl. S. 617, VO.
vom 23. Auguft 1879 88 8, 16 und 26 JMBl.
S. 381, im übrigen die Zuſammenſtellung bei
Weber, Anhangband S. 493 ff.). Ueber Verluſt
des Rechtes und über die Geſtattung zum Weiter:
tragen der Dienſtabzeichen an entlaſſene Beamte
gilt das zu Ziff. 2 Geſagte; die in Ruheſtand
verſetzten Beamten haben keinen Anſpruch auf das
Weitertragen der Dienſtabzeichen, doch kann ihnen
das Tragen in widerruflicher Weiſe geſtattet
werden (Art. 8 Ab}. 2, Art. 10 Abi. 4, Art. 70
Abſ. 1 und 2, Art. 110 Abſ. 1 BG., Art. 5
Abſ. 5, Art. 8 ff. RDG.). Die neuen Beſtim—
mungen bringen gegenüber dem ſeitherigen Rechte
infoferne eine Verſchlechterung, als ſeither dem
zeitweilig oder wegen Dienſt- oder Lebensalters
dauernd quieszierten Beamten ein Recht auf
Weitertragen der Dienſtabzeichen zuſtand (IX. Verf.:
Beil. § 19 Abſ. 4, § 22 B und C).
II. Angeſichts der Beſtimmung des Art. 22
Abſ. 2 HBG., wonach jedem etatsmäßigen Beamten
jährlich ein angemeſſener Urlaub bewilligt werden
ſoll, ſoweit nicht außergewöhnliche Verhältniſſe
entgegenſtehen, wird man abweichend vom ſeit—
herigen Rechte von einem bedingten Anſpruch
dieſer Beamten auf Urlaub nach Maßgabe der
von der Staatsregierung zu erlaſſenden Vor—
ſchriften ſprechen können — für die Juſtizbeamten
bleibt vorerſt die Kgl. VO. vom 8. Juni 1904
SNB. S. 105 in Kraft. Ein Recht der Be:
amten auf Sonntagsruhe iſt dagegen nicht an—
erkannt; die Anregung im Ausſchuß der K. d. Abg.
hat nur zur Einfügung der Beſtimmung geführt,
daß die Vorſchriften über Sonntagsruhe von der
Staatsregierung erlaſſen werden (Art. 22 Abſ. 1).
III. Die wichtigſten Beſtimmungen des Ge—
ſetzes über die Vermögensrechte der Beamten
(über Dienſteinkommen, Wartegeld, Ruhegehalt
und Hinterbliebenenfürſorge) gelten nur für die
etatsmäßigen Beamten.
1. Die Beſoldung der Beamten hat eine voll—
ſtändige Umgeſtaltung erfahren. Die Rückſicht
auf die Einhaltung der dem Umfang des Auf—
ſatzes geſteckten Grenzen nötigt dazu, mich für
die Folge auf die Darſtellung der wichtigſten
Beſtimmungen des Geſetzes zu beſchränken; die
Beſprechung der Vorſchriften über die Beſoldung
wird um ſo knapper ſein können, als gerade dieſe
Materie ſchon am gründlichſten öffentlich be⸗
ſprochen ift und wohl auch von jedem Intereſ⸗
ſenten durchgearbeitet ſein wird. Eine Darſtellung
der ſeitherigen Beſoldungsnormen gibt die Denk⸗
ſchrift zur GO. (S. 4—6, 14, 16, 20—22).
Der etatsmäßige Beamte hat Anſpruch auf
Dienſteinkommen. Grundſätzlich bildet in Zukunft
„der Gehalt“ die einzige Entlohnung für die
Dienſtleiſtung; mit den „Zulagen“ iſt mit einigen
Ausnahmen (Auslandszulagen, Materialerſparnis⸗
prämien) aufgeräumt. Für die im Hauptamt
übertragene Stelle darf neben dem dafür be⸗
ſtimmten Gehalt eine weitere Vergütung nur ge⸗
währt werden, wenn ſie in der GO. vorgeſehen
iſt oder wenn die Dienſtleiſtung in außergewöhn⸗
licher Weiſe über das normale Maß hinausgeht.
Damit hängt die Aufhebung der VO. vom
23. April 1806 die Gratifikation der Staats⸗
diener und des 8 19 des Landtagsabſchieds vom
28. April 1872 durch Art. 220 BG. zuſammen.
Auch für ein Nebenamt oder Nebengeſchäft kann
dem Beamten eine beſondere Vergütung nur be⸗
willigt werden, wenn es mit dem Hauptamte
nicht in unmittelbarem Zuſammenhange ſteht oder
den Beamten in beſonderem Maße in Anſpruch
nimmt. Die Gehalte bemeſſen ſich nach der
GO. (Anl. zur Kgl. VO. vom 6. September 1908
GeſVBl. S. 681). Der Anſpruch auf Gehalt
entſteht erſt mit deſſen Zuweiſung; der Beamte
kann mit einem geringeren als dem in der GO.
vorgeſehenen Anfangsgehalt ernannt werden und
ohne Aenderung des Gehalts oder unter vor—
läufiger Gewährung einer Zulage mit Verſehung
einer höheren Stelle betraut werden. Vom Per-
bot der Beſetzung der Stelle eines Richters oder
Mitglieds des VerwGerH. mit einem Verweſer war
bereits oben die Rede. Dem richterlichen Beamten
darf kein geringerer Gehalt als der in der GO. be⸗
ſtimmte zugewieſen werden, jedoch ſieht das Geſetz
eine Ausnahme für die Vorſtände der Amtsgerichte
und der Abteilungen der Amtsgerichte vor; es
darf dieſen aber kein geringerer Gehalt als der
eines Oberamtsrichters zugewieſen werden (Art. 183
Abſ. 2 Nr. 1). Während bei nichtrichterlichen
Beamten in Erkrankungsfällen nach Ablauf von
26 Wochen die unverkürzte Gehaltszahlung und
die Uebernahme der weiteren Stellvertretungskoſten
auf die Staatskaſſe beſonderer Erlaubnis bedarf,
entfällt die Notwendigkeit dieſer Erlaubnis bei
den richterlichen Beamten (Art. 35 Abſ. 2;
Art. 183 Abſ. 2 Nr. 5). N
Aus dienſtlichen Rückſichten kann einem Pe-
amten ausnahmsweiſe ein höherer als der in der
GO. vorgeſehene Gehalt verliehen werden; von
dieſen Ausnahmen abgeſehen erhält der Beamte
bei ſeiner Ernennung oder Beförderung den
Gehalt der unterſten Stufe (Anfangsgehalt) ſeiner
Klaſſe. In ähnlicher Weiſe wie ſeither $ 4 der
VO. vom 11. Juni 1892 und $ 12 der BO.
432
vom 26. Juni 1894 trifft Art. 30 BG. Bor:
ſorge, daß kein Beamter durch Beförderung oder
ſonſtige Ueberführung in eine höhere Gehaltsklaſſe,
weder ſofort noch ſpaͤter, eine Einbuße an Gehalt
erleidet.
Auf die Vorrückungen in den Gehalt einer
höheren Dienſtaltersſtufe hat der nichtrichterliche
Beamte keinen Rechtsanſpruch; während aber ſeit⸗
her die Vorrückung nicht nur durch die Würdigkeit
des Beamten bedingt, ſondern außerdem bei prag⸗
matiſchen Beamten von Allerh. Genehmigung,
bei den übrigen Staatsdienern von Genehmigung
des Miniſteriums oder der von dieſem ermächtigten
Stelle abhängig war, iſt in Zukunft nur noch be⸗
friedigende Dienſtleiſtung und tadelfreies dienſt⸗
liches und außerdienſtliches Verhalten Voraus⸗
ſetzung; doch muß auch in Zukunft die Vorrückung
ausdrücklich verfügt werden. Soll die Vorrückung
nicht in vollem Maße bewilligt werden, muß ver⸗
ſagende Verfügung erlaſſen werden und 19 5 kann
die Vorrückung ganz oder teilweiſe verſagt, oder
in längeren Friſten, oder nur in widerruflicher
Weiſe bewilligt werden. Gegen die ſamt Gründen
ſchriftlich zu eröffnende Verfügung ſteht dem Be⸗
amten unbefriſtete Beſchwerde an das Staats⸗
miniſterium und, wenn die Verfügung von dieſem
erlaſſen iſt, an den Staatsrat zu. Bei ſpäterer
Bewilligung muß zugleich Beſtimmung getroffen
werden, ob und inwieweit durch die Verſagung
der Vorrückungen der Zeitpunkt für die ſpäteren
Vorrückungen hinausgeſchoben wird; auch teilweiſe
oder volle Nachzahlung kann aus beſonderen
Gründen genehmigt werden. Die Verfügungen
ſind in gleicher Weiſe wie die Verſagung der
Vorrückung mit Beſchwerde des Beamten anfecht⸗
bar (auh die eine Nachzahlung genehmigende
Verfügung? Redaktionsfehler bei Art. 33 Abſ. 2 7).
Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden über
Zuweiſung des Gehalts und über Verſagung und
nachträgliche Anweiſung der Gehaltsvorrückungen
find für den Streitrichter bindend (Art. 178 Nr. 5).
Die richterlichen Beamten haben einen nur
durch Urteil des Disziplinargerichts entziehbaren
Anſpruch auf Vorrückung im Gehalt nach Maß—
gabe der GO. und des Dienſtalters. Art. 33
Abſ. 1, nach dem die Vorrückung durch das
Miniſterium oder die von dieſem ermächtigte
Stelle verfügt wird, gilt zwar auch für die richter—
lichen Beamten; dieſe können aber ihren Anſpruch
auf die Vorrückung klagend geltend machen. Hier
ſind nur die Entſcheidungen der Disziplinargerichte
für den Streitrichter bindend (Art. 183 Abſ. 1
und Abſ. 2 Nr. 2 und 3, Art. 178 Nr. 5).
Dafür ſind die Beſtimmungen des Art. 32 über
die kraft Geſetzes eintretende Ausſetzung der Vor—
rückung gegenüber dem richterlichen Beamten
durch Art. 183 Abſ. 2 Nr. 4 verſchärft, um zu
verhüten, daß der Anſpruch auf Vorrückung
während der Dauer eines Strafverfahrens wirk—
ſam wird.
Beitichrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 222 in Bayern. 1908. Nr. 22.
Wichtige V enthalten die
Art. 211 Abſ. 2—7, 217 BG. und die
8§ 4 und 5 der Kgl. BO. 5 6. September 1908;
dieſe Verordnung betont wieder, daß die Ein⸗
reihung in die Klaſſen der GO. für den Dienſt⸗
rang der Beamten nicht maßgebend iſt.
Den Beſtimmungen über die Beſoldung hat
das Geſetz ſolche über Dienſtwohnungen angereiht;
ſie hätten beſſer ihren Platz im Abſchnitt über
die Pflichten der Beamten gefunden, da die Dienſt⸗
wohnung, von den wenigen in der GO. vorge⸗
ſehenen freien Dienſtwohnungen abgeſehen, als
Nebenbezug des Beamten ſich nicht mehr dar⸗
ſtellt, der Beamte keinen Anſpruch auf Zuweiſung
einer Dienſtwohnung oder auf Beibehaltung der
angewieſenen Dienſtwohnung hat, dagegen zur
Uebernahme der Dienſtwohnung verpflichtet iſt.
Das BG. geht davon aus, daß das Verhältnis
des Inhabers der Dienſtwohnung zum Staate
öffentlichrechtlicher Natur iſt und beſtimmt, daß
ſich das Verhältnis, ſoweit es nicht im Geſetze
ſelbſt geregelt iſt, nach den von der Staats⸗
regierung erlaſſenen Vorſchriften bemißt. Das
Geſetz beſchränkt ſich darauf, die Pflicht des Be⸗
amten zur Annahme und Benützung der Dienſt⸗
wohnung feſtzulegen, die Verpflichtung zur Ent⸗
richtung der „Mietentſchädigung“ zu regeln und
zu beſtimmen, daß die Dienſtwohnung jederzeit
durch eine andere erſetzt oder unter Einhaltung
einer angemeſſenen Kündigungsfriſt entzogen werden
kann und beim Ausſcheiden des Beamten aus
ſeiner Amtsſtelle innerhalb angemeſſener, von der
zuſtändigen Behörde zu beſtimmender Friſt zu
räumen iſt; im übrigen bleiben vorerſt hinſicht⸗
lich der Benützung und Unterhaltung der Dienſt⸗
wohnungen die Vorſchriften der VO. vom 28. Fe⸗
bruar 1851 (Reg Bl. S. 161) in Geltung.
Die Vorſchriften über die Vergütung für den
Genuß einer Dienſtwohnung (bisher nicht einheit⸗
lich geregelt) hat das Geſetz auf neuerer und
gerechterer Grundlage aufgebaut. Die Entſchädi⸗
gung wird von Fall zu Fall feſtgeſetzt. Es wird
zunächſt der „wirkliche Wert“ der Wohnung nach
Größe, Beſchaffenheit und ortsüblichen Mietpreiſen
feſtgeſtellt, es iſt aber auch der Wert zu berück⸗
ſichtigen, den die Wohnung für den Beamten
hat, (der vielleicht als Junggeſelle eine große
Familienwohnung beziehen muß); dieſer ſubjektive
Wert iſt aber bei der Beſtimmung der Miet⸗
entſchädigung nur mitbeſtimmend, er bildet nicht
deren obere Grenze, die das Geſetz vielmehr durch
die Vorſchrift beſtimmt, daß die Mietentſchädigung
zwei Drittel des „wirklichen Wertes“ nicht über:
ſteigen darf. Die Beſtimmungen über Dienſt⸗
wohnungen gelten nicht für Wohnungen, die der
Staat nicht zu Dienſtwohnungen beſtimmt, ſondern
ausſchließlich oder vorwiegend im Intereſſe der
Beamten (3. B. zur Steuerung einer Wohnungs:
not) als Vertragsteil nach bürgerlichem Recht an
Beamte vermietet.
Kein Beamter hat in Zukunft Anſpruch auf
Zuweiſung von Dienſtgrundſtücken; das Geſetz hat
auch keine Pflicht zur Uebernahme ſolcher aufge⸗
ſtellt; für die übernommenen Grundſtücke iſt
„Pachtentſchädigung“ zu bezahlen; die nähere
Regelung des Verhältniſſes kann durch allgemeine
Vorſchrift erfolgen. Die Entſcheidungen der Ver⸗
waltungsbehörden über die Höhe der Entſchädi⸗
gungen für Dienſtwohnungen, Gärten und ſonſtige
Grundſtücke ſowie über die Angemeſſenheit der
Kündigungs- und Räumungsfriſten find für den
Streitrichter bindend (Art. 178 Eingang u. Nr. 7).
2. Der Beamte hat Anſpruch auf Eric des
Dienſtaufwandes; das Geſetz hat ſich auf die
Aufrechterhaltung der beſtehenden Vorſchriften
beſchränkt (Art. 27 Abſ. 4). Nach den in der
Denkſchrift zur GO. (S. 29) aufgeſtellten Grund⸗
ſätzen ſollen die Dienſtaufwandentſchädigungen
jedoch im allgemeinen nur in einer Höhe bemeſſen
werden, daß fie keinen eigentlichen Beſoldungs⸗
beſtandteil bilden, ſondern lediglich zur Beſtreitung
des tatſächlichen Dienſtaufwandes ausreichen; die
derzeitigen Vorſchriften werden daher vorausficht:
lich bald eine Umgeſtaltung erfahren.
Als Dienſtaufwandentſchädigungen kommen
in Betracht:
a) Tagegelder und Reiſekoſten bei auswärtigen
Dienſtreiſen; eine Zuſammenſtellung der
wichtigſten Vorſchriften ſiehe in Schweitzers
Juriſtenkalender unter „Diätenregulativ“.
b) Die Fahrgelder des Perſonals der Verkehrs—
verwaltung;
c) Repräſentationsbezüge; die GO. ſieht ſolche
nur für die Staatsminiſter und Regierungs-
präſidenten vor.
3. Der Beamte hat bei Verſetzung auf eine
andere Amtsſtelle in den bereits beſprochenen
Fällen (Art. 8 Abſ. 1 Satz 2, Art. 9 Abi. 1
Satz 2) Anſpruch auf Umzugsgebühren, ebenſo
der Beamte, der ſeinen dienſtlichen Wohnſitz außer—
halb Bayerns hat, im Falle der Verſetzung in
den Ruheſtand (Art. 39 Abſ. 3, Art. 52 Abſ. 4).
Art. 27 Abſ. 1 BGG. hält die bisherigen Vor⸗
ſchriften über die Gewährung von Umzugskoſten
aufrecht, es bleibt alſo die VO. vom 20. November
1902, die Vergütung der Umzugskoſten an
Beamte und Bedienſtete des Zivilſtaatsdienſtes
betr. (GVBl. S. 709), in Geltung. Es iſt bereits
darauf hingewieſen worden, daß § 2 Ziff. 3
und § 5 dieſer Verordnung mit den Beſtim—
mungen des BG. nicht in Einklang ſtehen und
daher durch Art. 220 Abſ. 1 BG. für aufgehoben
gelten müſſen.
4. Alle Beamten im Sinne des BHG., gleich:
viel ob männlich oder weiblich, etatsmäßig oder
nichtetatsmäßig, beſoldet oder unbeſoldet, haben
Anſpruch auf Unfallfürſorge; auf die Beamten
der Militärverwaltung findet jedoch der VI. Abſchnitt
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
Reichshaftpflichtgeſetze
433
des BG. nicht Anwendung, weil dieſe nach wie
vor Unfallfürſorge nach dem Reichsunfallfürſorge⸗
geſetz vom 18. Juni 1901 genießen. Seither
war die Unfallfürſorge nur für die nichtpragma⸗
tiſchen Staatsdiener und deren Hinterbliebene
landesgeſetzlich geregelt (VO. vom 26. Juni 1894
§$ 44—51; VO. vom 13. Juni 1902 mit
Nachtrag vom 5. Januar 1906 GVBl. S. 701
bzw. S. 7); bei den pragmatiſchen Beamten
beſtand angeſichts ihrer verhältnismäßig guten
Penſionen kein Bedürfnis zur Unfallfürſorge.
Nach dem BG. greift die Unfallfürſorge bei
allen im Dienſte erlittenen Verunglückungen Platz,
ſowohl bei Betriebsunfällen, die in reichsgeſetzlich
der Unfallverſicherung unterliegenden Betrieben
ſich ereignen einſchließlich der Unfälle, welche den
in ſolchen Betrieben beſchäftigten Perſonen bei
Verrichtung häuslicher oder anderer Dienſte zu:
ſtoßen, zu denen fie nebenbei von ihren Borge-
ſetzten herangezogen werden, als auch bei Unfällen,
welche der Beamte in einem reichsgeſetzlich der
Unfallverſicherung nicht unterliegenden Betriebe
oder Dienſtzweig erleidet.
Der Verunglückte hat Anſpruch auf
a) Erſatz der Koſten des Heilverfahrens;
b) auf Ruhegehalt nach den Beſtimmungen der
Art. 89, 92—95.
Die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde,
ob Dienſtunfähigkeit vorliegt, tft für den Streit:
richter bindend (Art. 178 Nr. 2).
Die Hinterbliebenen erhalten
a) „Sterbegeld“, wenn ſie keinen Anſpruch
auf Ruhegehalt haben;
b) eine Rente nach den Beſtimmungen des
Art. 90; der Witwe kann im Falle der Wieder⸗
verheiratung eine einmalige Beihilfe bis zum
5 fachen Betrag der Witwenrente gewährt werden.
An Stelle dieſer Bezüge erhalten der Verletzte
und die Hinterbliebenen, wenn ihnen nach den
Vorſchriften über Verſetzung in den Ruheſtand
und Hinterbliebenenfürſorge (Abſchn. IV und V)
höhere Beträge zuſtehen, dieſe höheren Beträge.
Ueber die Notwendigkeit der Anmeldung der
Anſprüche ſ. Art. 97, über den Uebergang der
Erſatzanſprüche des Verunglückten an den Staat
Art. 100 Abſ. 2 und 3 und 101 Abſ. 2, über
Ausſchluß weiterer als der im BG. eingeräumten
Anſprüche ſ. Art. 99, 100 Abſ. 1, Art. 101
Abſ. 1. Darauf, daß Beamte, die in einem
reichsgeſetzlich der Unfallverſicherung nicht unter—
liegenden Betrieb oder Dienſtzweig verunglücken,
unter Umſtänden die höheren Anſprüche nach dem
geltend machen können,
während den in einem reichsgeſetzlich der Unfall—
verſicherung unterſtellten Betriebe verunglückten
Beamten nur die Anſprüche nach den Unfallfür—
ſorgevorſchriften des BG. zuſtehen (vgl. Art. 99
und 101), ſonach zwei beim ſelben Unfall ver—
434
unglüdte Beamte verſchiedener Reſſorts ganz
verſchiedene Anſprüche erwerben können, iſt ſchon
bei den Ausſchußberatungen aufmerkſam gemacht
worden.
Keinen Anſpruch auf Unfallfürſorgebezüge hat
der Verletzte, welcher den Unfall vorſätzlich oder
durch ein Verſchulden herbeigeführt hat, wegen
deſſen auf Dienſtentlaſſung oder nach Auflöſung
des Dienſtverhältniſſes auf Verluſt des Titels
und Ruhegehalts erkannt oder wegen deſſen die
Fähigkeit zur Beſchäftigung in einem öffentlichen
Dienſtzweig aberkannt worden iſt. Das Verſchulden
muß durch ein Disziplinarurteil feſtgeſtellt ſein;
es findet deshalb die Entlaſſung mit der Wirkung
des Verluſtes auf Unfallfürſorge auch bei wider⸗
ruflichen Beamten im DV. ſtatt. Falls das
Verfahren wegen Ablebens oder in der Perſon
des Verletzten liegenden Gründen nicht durchführ⸗
bar ift, kann der Anſpruch ganz oder teilweiſe ab-
gelehnt werden; der Rechtsweg bleibt natürlich offen.
5. Der unwiderufliche Beamte hat bei Ber-
ſetzung in den Ruheſtand Anſpruch auf Wartegeld
und Ruhegehalt; er hat auch, dem ſeitherigen
Rechte entſprechend, einen natürlich bedingten und
betagten Anſpruch auf Hinterbliebenenverſorgung;
die Beſprechung dieſer Anſprüche wird in den
Abſchnitt über Verſetzung in den Ruheſtand und
Hinterbliebenenfürſorge eingereiht werden.
Die Beſtimmungen über den Schutz der Rechte
der Beamten entſprechen kaum den auf das neue
Geſetz geſetzten Erwartungen.
Zwar eröffnet Art. 176 für alle vermögens⸗
rechtlichen Anſprüche der Beamten aus ihrem
Dienſtverhältniſſe mit Ausnahme der Anſprüche
auf Vergütung der Umzugskoſten und auf die
Entſchädigungen für Dienſtreiſen den Rechtsweg
und erweitert damit gegenüber dem ſeitherigen
Rechtszuſtande das Recht auf gerichtliche Ent—
ſcheidung, da ſeither die pragmatiſchen Beamten
und ihre Hinterbliebenen einen klagbaren Rechts—
anſpruch nur bezüglich der ihnen im Staatsdiener—
edikt zugeſicherten Rechte hatten und die Klagbar—
keit der den nichtpragmatiſchen Staatsdienern
eingeräumten Rechte ſtrittig war. Anderſeits
bringt das Geſetz eine ganz unerwartete Schmäle—
rung der Rechte der ſeitherigen pragmatiſchen
Beamten inſofern, als es den Rechtsweg für nicht—
vermögensrechtliche Anſprüche (die Ehrenrechte der
Beamten) nicht eröffnet, während er ſeither den
pragmatiſchen Beamten hinſichtlich aller im Staats—
dieneredikt zugeſicherten Rechtsanſprüche offen ſtand.
Dieſer Verluſt trifft auch die richterlichen Beamten,
da § 9 des GVG. den Richtern und Art. 2
VerwGHG. den Mitgliedern des Verwaltungs:
gerichtshofes den Rechtsweg nur für alle ver—
mögensrechtlichen Anſprüche aus dem Dienſtver—
hältniſſe ſichert; nur der Ausſchluß des Rechts—
weges hinſichtlich der Anſprüche auf Umzugskoſten
und auf Entſchädigung für Dienſtreiſen gilt
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
gegenüber den richterlichen Beamten nicht (Art. 183
Abſ. 1, Art. 184 Abſ. 2).
Aber auch die Einräumung des Rechtsweges
für die vermögensrechtlichen Anſprüche verliert
durch den Art. 178 ſehr viel an praktiſchem Wert,
weil hiernach für die Beurteilung der vor Gericht
geltend gemachten vermögensrechtlichen Anſprüche
die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden und
Disziplinargerichte, welche dieſe nach ihrem pflicht⸗
gemäßen Ermeſſen zu treffen berechtigt ſind,
bindend ſind. Die an die Beſtimmung unter
12 Nummern angeknüpfte Aufzählung bindender
Entſcheidungen betrifft Rechtsanſprüche der Beamten
— von der Wiedergabe wird hier abgeſehen, da
in dem Aufſatz bei Beſprechung des Gegenſtandes
der bindenden Entſcheidungen (Verſetzung, Gehalts⸗
zuweiſung uſw.) die Bindung des Richters je⸗
weils vermerkt iſt; ſoweit die Verwaltungs⸗
behörden reine Ermeſſensfragen entſcheiden, ſind
ihre Entſcheidungen in allen Fallen für den
Streitrichter bindend. Für ein eigenes Urteil des
Streitrichters bleibt ſonach recht wenig Stoff;
die Bindung entſpricht übrigens der ſchon ſeither
herrſchenden Auffaſſung. Zur Entſcheidung über
Anſprüche der Beamten aus ihrem Dienſtverhält⸗
niſſe ſowie ihrer Hinterbliebenen gegen den Staat
ſind ohne Rückſicht auf den Streitwert die Land⸗
gerichte zuſtändig (Art. 26 Nr. 1 AG. z. GG.).
Den Verwaltungsrechtsweg eröffnet das Geſetz
nirgends; es ift aber auch äußerſt ſparſam in
Einräumung des Rechtsmittels der Beſchwerde; ab⸗
geſehen vom Dienſtſtrafverfahren und vom Ber:
fahren nach Art. 4 a, b RDG. läßt es Beſchwerde
gegen die Verfügungen der Verwaltungsbehörden
nur in 6 Fällen zu. In den Fällen der Art. 33
und 51 geht die Beſchwerde an das Staats⸗
miniſterium und wenn die beſchwerende Ent⸗
ſcheidung von dieſem ausgegangen iſt, an den
Staatsrat, in den Fällen der Art. 22, 172 und
179 findet „Beſchwerde im Inſtanzenzuge“ ſtatt;
die Beſchwerde gegen die Einträge in der Quali⸗
fikationsliſte (Art. 102) iſt einfach „als Beſchwerde“
bezeichnet; man muß wohl annehmen, daß die
Unterſcheidung beabſichtigt iſt, hier alſo weitere
Beſchwerde nicht ſtattfindet. Die Beſchwerde iſt
in den Fällen des Art. 22, 51 und 179 befriſtet,
in den übrigen Fällen unbefriſtet; eine Form iſt
für die Beſchwerde nicht vorgeſchrieben.!
Bei den Ausſchußberatungen iſt mehrmals
teils die ſyſtematiſche Regelung des Beſchwerde⸗
rechts, teils die Einräumung der Beſchwerde für
beſtimmte Fälle angeregt, die Sache aber nach
Erklärungen des Finanzminiſters, das Beſchwerde⸗
recht ſei etwas Selbſtverſtändliches, nicht weiter
verfolgt worden (AB. S. 7—8; 50; 61). Das Be:
ſchwerderecht iſt aber nichts Selbſtverſtändliches;
es kann im Gegenteil gar kein Zweifel darüber
beſtehen, daß die Beſchwerde nur da zuſteht, wo
ſie das Geſetz ausdrücklich zuläßt. Die Beſchwerde,
welche der Finanzminiſter im Auge gehabt hat,
— 11
— A mn m m
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
kann nur die ſog. Aufſichtsbeſchwerde ſein, die
Anrufung der höheren Behörden um Abhilfe,
welche aber keine Beſchwerde im Sinne eines
Rechtsbehelfes ift. Die Auſfſichtsbeſchwerde be-
gründet kein Recht auf einen Beſcheid; ſie hat
auch keine auſſchiebende Wirkung.
(Schluß folgt.)
Mitteilungen ans der Praxis.
Sind Gewerbsunzucht treibende Frauensperſonen,
welche in Bayern von der zuſtändigen Polizeibehörde
wegen geſchlechtlicher Erkrankung zur Heilung in eine
öffentliche Krankenanſtalt verwieſen find und dort Ver:
wahrt werden, Gefangene im Sinne des 9 122 StGB.?
Dieſe Frage iſt zu bejahen. Es beſteht zwar in
Bayern mangels eines ſyſtematiſchen Geſetzes über
die Polizeiverwaltung keine ausdrückliche Beſtimmung,
welche der Polizeibehörde das Recht verleiht, Gewerbs—
unzucht treibende, geſchlechtlich erkrankte Frauensper⸗
ſonen in einer öffentlichen Krankenanſtalt unterzu⸗
bringen und dort, erforderlichenfalls auch gegen deren
Willen, bis zur Heilung zu verwahren. Ein ſolches
Recht ergibt ſich aber ſchon aus dem Notwehrrecht,
welches den Polizeibehörden ebenſo wie jedem Ein—
zelnen zuſteht. In Art. 66 Abſ. II PStGB. ift der
Polizeibehörde die Befugnis vorbehalten, Perſonen,
die wiſſentlich an einem anſteckenden Uebel leiden und
mit Verheimlichung desſelben ſich als Dienſtboten,
Ammen, Geſellen ꝛc. verdingen, oder, im Dienſt von
einem ſolchen Uebel befallen, es dem Arbeitgeber ver—
heimlichen, abſondern und heilen zu laſſen. Wenn
derartige Maßregeln gegen Perſonen zuläſſig find,
welche einer geregelten Beſchäftigung obliegen, um
wieviel mehr ſind ſie dann angezeigt gegen geſchlechtlich
erkrankte Dirnen, die durch Unzucht ihren Lebensunter—
halt erwerben und ſo im Fall ihrer Freiheit eine ſtete
Gefahr für die öffentliche Geſundheit bilden?
Art. 21 Abſ. II PStGB. bietet den Polizeibe—
hörden zu ſolchen Maßnahmen die erforderliche ge—
ſetzliche Handhabe. Hiernach ſind die Verwaltungs—
behörden berechtigt, ihren Verfügungen auch durch
körperliche Gewalt Gehorſam zu verſchaffen, wenn
und ſoweit dies erforderlich iſt.
Ohne Beſchränkung der Willensfreiheit der Dirnen
iſt jedoch eine derartige Maßregel nicht durchzuführen;
denn die Androhung von Ungehorſamsſtrafen, wie
ie Art. 21 Abſ. II PStGB. vorſieht, wäre gegen
jene wirkungslos.
Wenn nun ſolche Perſonen des Gebrauchs ihrer
perſönlichen Freiheit durch ſtaatliche Gewalt mit Recht
beraubt wurden, ſind ſie auf die Dauer der Verwahrung
in der öffentlichen Krankenanſtalt als „Gefangene“ zu
betrachten. Die notwendige Folge hiervon iſt, daß ſie
ſich nicht ſelbſt befreien dürfen und, falls im übrigen
der Tatbeſtand des 8 122 StGB. gegeben ift, den
geſetzlichen Strafen unterliegen.
In dieſem Sinne hat das Kgl. Landgericht Mün⸗
chen I kürzlich Urteil erlaſſen.
Landgerichtsrat Gmaehle in München.
— a ——
|
A ͤů—' ni
435
Zur Frage des Kanfalzufammenhanges im Haft:
pflichtrecht. In einem Erkenntnis vom 14. April 1908
(JW. 08 S. 405), insbeſondere aber in einem Erkenntnis
vom 19. Juni 1908 (JW. 08 S. 562) hat das Reichsgericht
ausgeſprochen, daß ein Betriebsunternehmer — es
handelt ſich offenbar um eine Eiſenbahn, der einen
anderen für ein bei einem Unfall erlittenes Nervenleiden
zu entſchädigen hat, auch für denjenigen Schaden
aufzukommen habe, den dieſer infolge der durch das
Nervenleiden begünſtigten Aufregung über den wegen
der Erſatzpflicht anhängig gewordenen Prozeß erleidet,
bzw. ihm dafür nach 8 847 BGB. Entſchädigung zu
leiſten habe. Dieſe Entſcheidung iſt m. E. bedenklich
und zwar deshalb, weil hier offenbar der Kauſal⸗
zuſammenhang zwiſchen dem Unfall und dem durch
die Aufregung verurſachten Schaden unterbrochen iſt.
Nach §1 HaftpflG. haftet der Betriebsunternehmer,
wenn bei dem Betriebe einer Eiſenbahn ein Menſch
getötet oder körperlich verletzt wird, für den dadurch
entſtandenen Schaden. Es unterliegt keinem Zweifel,
daß zu dem durch den Unfall entſtandenen Schaden
auch ein durch Nervenleiden verurſachter gehören kann:)
der Auffaſſung aber, daß die hier in Frage ſtehende Aut-
regung durch den Unfall veranlaßt worden iſt, kann
nicht beigetreten werden. Denn der Kläger hat ſich
zweifellos nicht in einem durch das Nervenleiden ver⸗
anlaßten Zuſtande dauernder Aufregung befunden;
vielmehr iſt dieſe Aufregung, zu der den Kläger das
in Frage ſtehende Nervenleiden höchſtens disponiert
hat, lediglich durch den Haftpflichtprozeß verurſacht
worden. Dieſer Prozeß hinwiederum iſt aber nicht
als ſchädliche und vom Unternehmer zu vertretende
Folge des Betriebsunfalls im Sinne des $ 1 HaftpflG.
anzuſehen, ſondern als die ganz naturgemäße Folge
des Verlangens des Betriebsunternehmers, die Frage
nach dem Beſtehen eines Entſchädigungsanſpruches,
die ihm doch ohne richterliche Entſcheidung zweifelhaft
erſcheint, durch eine ſolche Entſcheidung feſtgeſtellt zu
ſehen. Es ift nicht zu leugnen, daß im rein natür-
lichen Sinne die ſchädigende Aufregung ohne den
Betriebsunfall nicht eingetreten wäre; daraus geht
aber noch nicht hervor, daß ſie auch im rechtlichen
Sinne eine Folge des Betriebsunfalls geweſen iſt:“
vielmehr ift hier als eigentliche Urſache der Schädi—
gung ein von dem Betriebsunternehmer nicht zu ver—
tretender Umſtand, nämlich der Haftpflichtprozeß, in
die Kauſalreihe eingetreten.“
Nimmt man aber, ſelbſt entgegen der oben ver—
tretenen Auffaſſung, nicht den Haftpflichtprozeß ſondern
den Betriebsunfall als Urſache der ſchädigenden Auf-
regung des Klägers an, ſo kann auch dies nicht zur
Verurteilung des Beklagten zum Erſatze des dadurch
entſtandenen Schadens führen, weil in der dem Kläger
als Entſchädigung für das erlittene Nervenleiden zu—
zubilligenden Rente ja der Erſatz für alle damit
zuſammenhängenden Schädigungen enthalten iſt.“
Die prakliſchen Folgen einer derartigen Recht-
1) Vgl. Reindl, „ S. 36.
2) Vgl. Reindl a. a. O.
2) Vgl. RG. vom 19. Marz ao: wonach der
Kanal ban ne ng erfordert, daß „das Dazwiſchen—
treten eines dem bisherigen natürlichen Verlaufe
fremden, neuen Kauſalmoments ausgeſchloſſen erſcheint“.
4) Für den Fall einer erheblichen zur Zeit des
Urteils nicht zu überſehenden Aenderung der Ver—
hältniſſe gibt dem Kläger § 323 ZPO. ein Mittel.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
ſprechung ſind namentlich für die Eiſenbahnen höchſt
unbefriedigend, weil der Ausnützung der Eiſenbahn⸗
haftpflicht durch das Publikum damit Tür und Tor
geöffnet wird. Denn die Eiſenbahn kann jetzt, ſobald
ein Haftpflichtanſpruch gegen ſie erhoben wird, wenn
ſie nicht ganz ſicher iſt, den Nachweis eigenen Ver⸗
ſchuldens oder höherer Gewalt führen zu können, es
auf einen Prozeß nicht mehr ankommen laſſen, falls
ſie nicht Gefahr laufen will, die Gegenpartei noch
für die durch den Prozeß erlittene Aufregung ent-
ſchädigen zu müſſen. Daß ſie aber in vielen Fällen
wünſchen muß, eine richterliche Entſcheidung herbei⸗
zuführen, iſt angeſichts der Tatſache völlig verſtändlich,
daß fie durch die Vorſchriften des Haftpflichtgeſetzes
überhaupt einer ſehr ſtrengen Haftungslaſt unterliegt;
dazu kommt noch, daß ein aus einem Delikts- oder
deliktähnlichen) Tatbeſtand in Auſpruch Genommener
in der Regel weniger geneigt ſein wird, die Gegen⸗
partei ohne richterliches Urteil zu befriedigen als ein
vertraglich verpflichteter Schuldner, weil der gegen
jenen gerichtete Anſpruch dem richterlichen Ermeſſen
in weit höherem Grade unterliegt. Steht man der
oben vertretenen Auffaſſung entſprechend auf dem
Standpunkte, daß hier ein Kauſalzuſammenhang
zwiſchen dem Unfall und der ſchädigenden Aufregung
nicht beſteht, ſo kann man nicht umhin, mit der
Reviſion“) anzunehmen, daß es fih hier um eine
Wiedereinführung der alten poenae temere litigan-
tium handelt. Es iſt aber m. E. anzunehmen, daß
dem Gerechtigkeitsgefühl in dieſer Beziehung durch
die Vorſchriften über die Koſtenverteilung im Zivil⸗
prozeß völlig genügt iſt. Das Reichsgericht iſt auch
ſelbſt nicht immer der in dieſer neueſten Entſcheidung
vertretenen Auffaſſung geweſen,) und es wäre im
Intereſſe der Billigkeit zu wünſchen, daß die frühere
Rechtſprechung auf dieſem Gebiete wieder Platz greift.“)
Referendar Dr. Eger in Berlin.
— — —
) Daß eine obligatio ex delicto bzw. quasi ex d.
hier vorliegt, wird von Eger beſtritten (RHaftpflG.
S. 79) und ROHG. Bd. 12 S. 78, Bd. 13 S. 68,
RG. vom 18. September 1885 verneint. Die Streit:
frage iſt übrigens hier bedeutungslos.
e) Vgl. IW. 1908 S. 526.
) Vgl. RG. vom 5. März 1906 in JW. 1906
S. 231; ebenſo das Reichsverſicherungsamt (27. Mai
1908) für das Gebiet des Unfallverſicherungsrechts
(Vgl. dtſche. Verſz. 1908 S. 133).
e) Ebenſo zweifelhaft ift m. E. die Frage nach
dem Kauſalzuſammenhange, wenn jemand durch den
einem Dritten drohenden Betriebsunfall veranlaßt
wird, Schutzmaßregeln zugunſten des Dritten zu er-
greifen und hierbei einen Unfall erleidet, der ſich nicht
als Betriebsunfall darſtellt. Das Reichsgericht (vom
21. März 1892, Eifenb&. Bd. 20 S. 122) hat einen
Zuſammenhang mit der Begründung angenommen,
es liege „in dieſem Falle für den Verletzten eine
moraliſche und rechtliche Pflicht vor“ (Eger a. a. O.
S. 74); m. E. kann aber dieſe Erwägung erſt für die
Beantwortung der nächſten Frage, nämlich ob der
Einwand des eigenen Verſchuldens des Verletzten
Platz greift, in Betracht kommen, wenn bereits das
Vorliegen des Kauſalzuſammenhanges aus anderen
Gründen feſtſteht, z. B. wenn der betr. Retter bei
dem Rettungswerk ſelbſt wieder einen Betriebsunfall
erleidet.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht.
A. Zivil faen.
1
1. Nach welchen Geſichtspunkten iR die Zuläfſigkeit
des Nechtswegs u prüfen? Iſt der geſamte Inhalt
der Prozeßverhandlungen maßgebend, insbeſondere auch
die erg ten des un:
2. Haften Beamte für Nechtsverletzungen auch na
den allgemeinen Borſchriften des BGY. oder nur na
8 839 BGB.?
3. Kann fi der Beamte, der eine Rechts verletzung
ener: hat, auf einen Dienſtbefehl feines Borgeſetzten
erufen
Der Kläger iſt Mitpächter der Gemeindejagd zu
O., die von fisfaliidem Gebiete begrenzt wird. Der
Beklagte hat als Königlicher Förſter dieſe fiskaliſche
Jagd aber in Anſehung des Forſtſchutzes auch das
Gemeindejagdgebiet zu beaufſichtigen. Der Kläger be⸗
hauptet, der Beklagte habe ihn fortgeſetzt gefliſſentlich
in der Ausübung der Jagd geſtört, indem er, ſobald
der Kläger oder deſſen Gäſte die Jagd auszuüben im
Begriff ſtanden, durch abſichtliche Erregung von Lärm
das Wild verjagt habe. Er hat den Antrag geſtellt,
den Beklagten zu verurteilen, Störungen des Klägers
in der Ausübung der Jagd zu unterlaſſen.
Aus den Gründen des Reviſionsurteils:
1. Den vom Beklagten erhobenen Einwand der Unzu⸗
läſſigkeit des Rechtsweges hat das OLG. verworfen.
Mit der Klage verteidige der Kläger ſein Recht auf
Ausübung des ihm verpachteten Jagdrechtes gegen
widerrechtliche Störungen durch den Beklagten. Dem⸗
nach handle es ſich bei der Rechtsverfolgung nicht
um einen Gegenſtand des öffentlichen Intereſſes oder
Gemeinwohles, ſondern um die Verteidigung des
Rechtsgutes eines Einzelnen, die daher im Wege
eines bürgerlichen Rechtsſtreites zu erfolgen habe.
Daß der Beklagte Beamter ſei und vielleicht in Aus⸗
übung oder in Veranlaſſung der Ausübung ſeines
Amtes gehandelt habe, ſtehe ſeiner zivilrechtlichen
Verfolgung nicht entgegen, da von ſeiner vorgeſetzten
Behörde der Konflikt nicht erhoben fei (8 11 des
Einf. G. zum GVG.). Die Reviſion wendet ein, daß
für die auf Unterlaſſung gerichtete Klage der
Rechtsweg unzuläſſig fei. Das OLG. prüfe die Zu⸗
läſſigkeit nur nach der Begründung der Klage,
während für dieſe Frage der geſamte Inhalt der
Prozeßverhandlungen maßgebend ſei, insbeſondere
alſo auch die Verteidigung des Beklagten. Dieſer
mache nun geltend, er habe alle ihm vorgeworfenen
Handlungen vorgenommen zur Erfüllung ſeiner Amts⸗
pflicht und habe hierbei ſich auch im Einverſtändniſſe
mit ſeinem vorgeſetzten Oberförſter befunden, auf
deffen Anordnungen gehandelt. Demnach fei Gegen-
ſtand des Prozeſſes nicht eine bürgerliche Rechtsſtreitig⸗
keit. Ob die Handlungen eines Beamten ſich als
rechtmäßige Ausübung ſeines Dienſtes darſtellen, könne
zwar dann Gegenſtand der Beurteilung durch die
ordentlichen Gerichte werden, wenn die Verletzung der
Amtspflicht zur Grundlage eines Entſchädig ungs⸗
anſpruches gemacht ſei; dagegen ſeien die Gerichte
nicht befugt, in den Dienſtkreis einer anderen Behörde
derart einzugreifen, daß ſie durch Ausſprechen von
Verboten die dienſtliche Tätigkeit eines Beamten be⸗
ſtimmen. Dieſe Einwendungen ſind nicht gerechtfertigt.
Maßgebend für die Entſcheidung über die Zuläſſigkeit
des Rechtsweges iſt die rechtliche Natur des Streit⸗
gegenſtandes und den Streitgegenſtand beſtimmt zu⸗
nächſt die Klage. Für den Begriff der „bürgerlichen
Rechtsſtreitigkeit“ insbeſondere kommt es darauf an,
ob mit dem in der Klage erhobenen Anfpruch ein
der individuellen Rechtsſpäre des Einzelnen angehöriges
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
Intereſſe oder Rechtsgut verfolgt oder verteidigt wird.
Ob das zutrifft, wird regelmäßig die Klagebegrün⸗
dung ergeben. Freilich kann der Kläger nicht etwa
durch Behauptungen in der Klagbegründung will⸗
kürlich einen Streit, der nach dem objektiven, aus
dem Parteivorbringen erhellenden Tatbeſtande auf
öffentlich⸗ rechtlichem Gebiete liegt, zu einer bürger⸗
lichen Rechtsſtreitigkeit ſtempeln, und inſofern mag es
nicht unrichtig ſein, wenn geſagt wird (Droop, Der
Rechtsweg in Preußen 83 S. 5), es ſei für die Beurtei⸗
lung der Zuläſſigkeit des Rechtsweges nicht nur die
Begründung der Klage, ſondern der geſamte Inhalt
der Prozeßverhandlungen maßgebend. Allein keinen⸗
falls ift das entſcheidende Moment in der Berteidi-
gung des Beklagten zu ſuchen und macht ſchon die
Berufung des Beklagten darauf, daß ihm ein ftaat-
liches oder amtliches Recht zu dem fraglichen Eingriffe
zuſtehe, den Rechtsweg unzuläſſig. — Die Unterſchei⸗
dung, welche die Reviſion zwiſchen dem Anſpruch auf
Leiſtung von Schadenserſatz und der Unterlaſſungs⸗
klage aufſtellen will, iſt nicht zutreffend. Bei dem in
Frage ſtehenden Eingriff in die Privatrechtsſphäre
des Klägers, fei es Störung im Beſitze (88 862, 868
BGB.), fei es unerlaubte Handlung im Sinne von
8 839 oder 8 826 BGB., kommt es für die Zuläſſig⸗
keit des Rechtsweges nicht darauf an, ob Schadenserſatz
wegen bereits erfolgter oder Abwehr fernerhin drohen—
der Eingriffe erlangt werden ſoll. Beide Anſprüche
beruhen auf ein und demſelben Privatrechtsverhält—
niſſe. Im Berufungsurteile wird die Verpflichtung
des Beklagten zur Unterlaſſung weiterer unerlaubter
Handlungen ſogar ausdrücklich aus der in 8 249 des
BGB. geregelten Schadenserfakpflicht hergeleitet. Das,
was nach dem Klagbegehren dem Beklagten unterſagt
werden ſoll, iſt nicht die Vornahme von Amtshand—
lungen, die Ausübung des ſtaatlichen Rechtes, ſondern
die außerhalb der Grenzen feiner Amtsbefugniſſe
von ihm verübte und weiter zu beſorgende rechts—
widrige Schädigung des Klägers. Die Feſtſetzung der
Grenzen der Dienſtpflichten des Beklagten iſt aller—
dings, wie die Reviſion bemerkt, eine Angelegenheit
des öffentlichen Rechtes, aber um deswillen iſt dem
ordentlichen Richter nicht die Beurteilung entzogen,
ob der Beklagte jene Grenzen überſchritten hat.
2. Das OLG. hat die Anſicht des Beklagten, daß
Beamte für Rechtsverletzungen nicht nach den alls
gemeinen Vorſchriften des BGB. hafteten, als uns
richtig abgelehnt. Der § 839 BGB. regle nur die
Haftung des Beamten für Verletzung einer Amtspflicht
gegenüber dem Geſchädigten, die hier nicht geltend
gemacht ſei, nicht aber befreie dieſe Vorſchrift die
Beamten von der Haftung für andere in Veranlaſſung
der Ausübung ihres Amtes begangene unerlaubte
Handlungen. Die Reviſion rügt, daß zu Unrecht die
Anwendbarkeit des $ 839 BGB. verneint fei. Dieſer
regle gerade die Schadenserſatzpflicht des Beamten
aus den in Veranlaſſung (nicht bloß bei Gelegenheit)
der Ausübung des Amtes begangenen unerlaubten
Handlungen. Es ſei dann eben die Frage, ob er ſeine
Befugniſſe überſchritten habe. Ein Beamter aber, der
den Anordnungen ſeiner Vorgeſetzten Folge zu leiſten
habe, handle in rechtmäßiger Ausübung ſeines
Amtes, wenn er die ihm gegebenen Anordnungen
ausführe. Dieſer Angriff kann, ſoweit er den 8 839
BGB. betrifft, keinen Erfolg haben. Die angeführte
Begründung des Berufungsurteils iſt ohne Zweifel
dahin zu verſtehen, daß es ſich nicht um die Verletzung
der dem Beamten „einem Dritten gegenüber“
obliegenden Amtspflicht handle. Ob das zutrifft,
kann unerörtert bleiben. Richtig iſt jedenfalls, daß
durch die Vorſchrift des 8 839 der Beamte nicht
ſchlechthin der Haftung aus den allgemeinen Be—
ſtimmungen über unerlaubte Handlungen in dem Falle
enthoben iſt, wenn er auch gegen ſeine Dienſtpflicht
verſtoßen hat. So kann ſich ein Beamter insbeſondere
e ⁵ ooo . A A TT ————— . — . P ⁰ . nn en
437
auch nach § 826 BGB. haftbar machen (vgl. Oertmann,
Recht der Schuldverhältniſſe $ 839 Bd. 2 c S. 986;
Staudinger, Komm. § 839 Bd. 3 S. 925; Planck § 839
Bd. 1). Die Spezial beſtimmung in $ 839 Abſ. 1 Satz 2,
welche eine Konkurrenz der ſonſtigen, allgemeinen
Deliktshaftung ausſchließen könnte, greift hier nicht
Platz, ſofern dem Beklagten nach der Feſtſtellung des
Berufungsgerichts nicht bloß Fahrläſſigkeit, fondern
vorſätzlich unerlaubtes Handeln zur Laſt fällt.
3. Der Beklagte hat verſucht, die ihm zur Laſt
gelegten Handlungen als berechtigte und ſogar ge⸗
botene Abwehrmaßregeln gegen unberechtigte Ueber—
griffe der Jagdpächter darzuſtellen. Dieſen entgegen⸗
zutreten, ſei er von ſeinen Vorgeſetzten beſonders
angewieſen geweſen. In allem, was er getan, habe er
auf Befehl ſeines direkten Vorgeſetzten, des Forſtmeiſters
v. N., gehandelt. Das OLG. hat auch dieſes Schutz⸗
vorbringen zurüdgemiefen. Den Beklagten habe feine
Dienſtinſtruktion nicht zu den feſtgeſtellten Störungen
der Jagd berechtigt. Wenn ſein Vorgeſetzter auch ſein
Verhalten gebilligt und ſelbſt angeordnet haben ſollte,
ſo würde dadurch die Schuld des Beklagten und ſeine
Verantwortlichkeit doch nicht beſeitigt werden; denn
der Beklagte ſei deshalb doch nicht zu ſolchen Hand—
lungen verpflichtet geweſen und habe, wie anzunehmen,
ſich nicht dazu für verpflichtet gehalten. Dieſe Auf⸗
faſſung hinſichtlich der Bedeutung eines Einverſtänd—
niſſes oder eines Befehls des Vorgeſetzten iſt grund⸗
ſätzlich nicht zu beanſtanden. Der Untergebene
braucht eine geſetzlich verbotene oder ſittlich verwerf⸗
liche Handlung auf Befehl des Vorgeſetzten nicht
auszuführen (vgl. Delius, Die Haftpflicht des Beamten
8 11 S. 24). Auch für einen Königlichen Förſter be:
deutet die Gehorſamspflicht nicht die Verpflichtung,
den Anordnungen ſeiner Vorgeſetzten blindlings
zu folgen. (Urt. des VI. 35. vom 21. September 1908,
VI 538/07).
1419
— — —n
II
Begründung des Urteils in Anſehung der Beweis⸗
würdiaung. Aus den Gründen: Die Reviſion
rügt Verletzung des è 286 3PO.; das Berufungsge—
richt habe eine Reihe von Momenten, die für die
Behauptung des Klägers ſprächen, nicht berückſichtigt.
Der Angriff iſt jedoch nicht begründet. Das Gericht
iſt nicht verpflichtet, jede einzelne als
Indiz für die Wahrheit einer ſtreitigen
Behauptung vorgebrachte Tatſache für
ſich zu würdigen und über jede Zeugen⸗
ausſage ſich beſonders aus zuſprechen;) es
genügt, wenn aus den Entſcheidungsgründen ſich
ergibt, daß es ſie nicht für erheblich erachtet. Das
iſt hier der Fall. Das Berufungsgericht iſt bei Prüfung
des Vorbringens der Parteien und des Ergebniſſes
der Beweisaufnahme zu der Annahme gelangt, daß
kein Anlaß vorliege, einer der Parteien den richter—
lichen Eid anzuvertrauen. Damit bewegt es ſich auf
dem Boden freier Beweiswürdigung. (Urt. des VI. ZS.
vom 5. Oktober 1903, VI 549/07).
1417
III.
Nechtsverhältniſſe an der Kaution eines Angeſtell⸗
ten. Der Umſtand, daß die Kautionsſumme
dem Geſicherten ſpäter als Darlehen ges
geben wird, bewirkt nicht unter allen lim»
ftänden, daß die Kautionshaftung des
Geldbetrags untergeht. Insbeſondere
kann ein ſolcher Untergang nicht ohne
weiteres daraus geſchloſſen werden, daß
in dem Darlehens⸗-Schuldſchein die Fort⸗
dauer der Haftung nicht ausdrücklich er-
wähnt wird. Der Kläger war vom Juli 1902
— — — .
1) An m. d. Herausgebers. Möchten doch unſere Biel-
ſchreiber dieſen Satz des Reichsgerichts beachten!
438
bis zum Frühjahr 1903 Lagerhalter des beklagten
Vereins und hinterlegte als ſolcher am 16. Juli 1902
eine bare Kaution von 3000 M bei einem Bankhauſe.
Nachdem er im Frühjahre 1903 Vorſtandsmitglied
des Vereines geworden war, hat er mit dem Be⸗
klagten eine Vereinbarung getroffen, auf Grund deren
ein von den beiden andern Vorſtandsmitgliedern fo-
wie den Mitgliedern des Aufſichtsrates unterſchriebe⸗
ner Schuldſchein vom 2. Juli 1903 ausgeſtellt wurde,
worin jene Vertreter des Beklagten bekennen, von
dem Kläger 3000 M als Darlehen erhalten zu haben,
welches vierteljährig kündbar ſein und mit 4% verzinſt
werden pa Mit Schreiben vom 24. Auguft 1904 Hat der
Kläger die 3000 M gekündigt. Der Beklagte verweigert
die Zahlung, weil die 3000 M bis zu dem (am 1. Mai
1905 erfolgten) Austritte des Klägers aus ſeiner
Stellung den Charakter der Kaution nicht verloren
haben und vom Kläger nicht zurückverlangt werden
könnten, bevor er für die Zeit Rechnung gelegt habe, in
der er geſchäftsführender Direktor geweſen ga LG. und
OLG. gaben der Klage ſtatt. Die Reviſion hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Zwar ift dem OLG.
nicht vorzuwerfen, daß es im Hinblick auf § 607
Abſ. 2 BGB. die Beweislaſt verkannt habe. Mit
Vorlegung der Schuldurkunde vom 2. Juli 1903 hat
der Kläger zunächſt feiner Beweispflicht für das Be-
ſtehen der behaupteten Darlehensſchuld genügt. Von
einem baren Darlehen iſt in dem Schuldſchein nicht
die Rede, ein Darlehen kann aber ebenſowohl durch
Umwandlung einer andern Schuld in ein Darlehen
gegeben werden (RG. Bd. 56 S. 237, Bd. 57 S. 322).
Aber wenn auch im allgemeinen die Vermutung da-
für ſpricht, daß die Parteien ſchließlich über das einig
geworden find, was Beſtandteil der Urkunde gewor⸗
den iſt, und daß ſie das, was ſie etwa in Widerſpruch
mit der Schrift hin und her geredet haben, nicht haben
aufrecht erhalten wollen (RG. Bd. 52 Nr. 7 S. 25 ff.),
ſo greift doch dieſe Vermutung der Vollſtändigkeit des
Inhaltes einer Vertragsurkunde hier nicht ſchlechthin
durch. Unſtreitig waren die 3000 M ſeinerzeit als
Kaution hinterlegt worden; es fragt ſich, ob der Geld—
betrag durch Umwandlung in ein Darlehen ſeinem
bisherigen Zwecke, als Sicherheit für die Anſprüche
des Beklagten zu dienen, vollſtändig entzogen werden
ſollte, oder ob das beſtehende Kautionsverhältnis nur
— durch Verbindung mit demjenigen eines Dar-
lehens — geändert worden ift. Die letztere Geſtal—
tung wäre rechtlich wohl möglich und auch mit dem
Inhalte des Schuldſcheines vom 2. Juli 1903 trotz
der darin feſtgeſetzten vierteljährlichen Kündbarkeit des
Darlehens nicht, wie das OLG. annimmt, unverein—
bar. Es iſt denkbar, daß eine Kaution in der Weiſe
beſtellt wird, daß dem Empfänger die Befugnis ein—
geräumt würde, den ihm übergebenen oder hinterleg—
ten Geldbetrag für ſich zu verbrauchen, und er ver—
pflichtet iſt, die entſprechende Summe nach den Grund—
ſätzen eines Darlehens oder eines depositum irregu—
lare (BGB. 8 700) zurückzuerſtatten, unter Beibehal—
tung jedoch der Haftung des Geldbetrages als Kaution.
Das würde die Bedeutung haben, daß die Rückgabe,
ſolange die Kautionshaftung fortdauert, durch Wieder—
einlegung der Summe bei der Hinterlegungsſtelle be—
werkſtelligt wird, oder auch, daß der Empfänger dann,
wenn das Darlehen als ſolches, etwa auf erfolgte
Kündigung, rückzahlbar wäre, den Betrag weiterhin,
jetzt aber nur nach Maßgabe des Sicherungsrechtes
einbehalten darf. Dementſprechend könnte auch ein
beſtehendes Kautionsverhältnis nachträglich abgeändert
werden. — Jedenfalls aber wäre dem Beklagten gegen—
über der Schuldurkunde der Gegenbeweis zu geſtatten,
daß vereinbarungsgemäß die 3000 M gleichwohl Kaution
bleiben ſollten. In dieſer Richtung hat das OLG. die
hier vorliegenden Verhältniſſe nicht erſchöpfend ge—
würdigt. (Urt. des VI. ZS. vom 9. Juli 1908, VI 372/07).
1495
— — — N.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
B. Strafſachen.
1
Können in Bayern Beſchädigungen von ſtehenden
Holze im Walde als Sachbeſchädigung nach 8 303 E68.
ſtraſbar fein? Aus den Gründen: Das Vergehen
der Sachbeſchädigung ſoll vom Angeklagten dadurch
begangen worden ſein, daß er in dem Walde des
Bauers J. L. 35 Birken⸗ und ebenſoviele Fichten⸗
bäumchen im Werte von zuſammen 100 M aus Rach⸗
ſucht angehauen und geknickt hat. Die Strafkammer
hat den 8 303 StGB. und nicht die Beſtimmungen
des Bayer. Forſtgeſetzes vom 17. Juni 1590 für anwend⸗
bar erachtet, weil die Tat aus Rachſucht verübt ſei.
Nach Art. 49 des Forſtgeſetzes ſind alle durch dieſes
Geſetz in den Art. 79 bis 105 bezeichneten Entwen⸗
dungen, Beſchädigungen uſw. ohne Rückſicht auf den
Wert des entwendeten Gegenſtandes und den Betrag
des verurſachten Schadens, Forſtfrevel und nach Maß⸗
gabe der angeführten Artikel zu beſtrafen. Inſoweit
Beſtrafung auf Grund der Beſtimmungen des Forſt⸗
geſetzes erfolgt, iſt eine ſolche nach den allgemeinen
Strafgeſetzen ausgeſchloſſen (§S 2 EG. z. StGB.). Der
Art. 95 des Forſtgeſetzes regelt die Beſtrafung der
Beſchädigung von forſtlichen Erzeugniſſen und ordnet
an, daß anſtatt mit Geldſtrafe durch Haft geſtraft
werden ſoll, wer Holz, um dieſes für ſeine Beſtimmung
ganz oder teilweiſe untauglich zu machen, aus Mut⸗
willen oder Bosheit beſchädigt. In der Begründung
zum Geſetzentwurfe iſt hierzu bemerkt, daß Beſchädi⸗
gungen aus Mutwillen oder Bosheit ihres Beweg—
grundes wegen mit der eindringlicheren Strafe des
Arreſtes zu belegen ſeien (Verh. der K. d. Abg. 1851,
Beil. Bd. I S. 633 zu Art. 86 des Entw.). Hiernach
kann es keinem Zweifel unterliegen, daß nach der
Abſicht des Bayeriſchen Forſtgeſetzes die von ihm be⸗
ſprochenen Holzbeſchädigungen nicht nur ohne Rückſicht
auf die Höhe des Schadens, ſondern auch ohne Rüd-
ſicht auf den Beweggrund als Forſtfrevel behandelt
und beſtraft werden ſollen. Die von dem Angeklagten
verübte Beſchädigung iſt eine der in Art. 95 des
Forſtgeſetzes angeführten und es iſt daher nicht zu
billigen, daß die Strafkammer die Handlung des An-
geklagten deshalb nicht als Forſtfrevel, ſondern als
Sachbeſchädigung aus § 303 StG B. erachtet hat, weil
ſie „der Rachſucht“ entſprungen ſei. Zum Beweggrund
der Bosheit im Sinne des Art. 95 muß auch die
Rachſucht gerechnet werden und es geht nicht an, aus
dem von der Strafkammer für ihre Anſicht angezogenen
Art. 114 des Bayer. P StGB. in das daneben ſelb⸗
ſtändig beſtehende Forſtgeſetz einen Unterſchied hinein⸗
zutragen, den das Forſtgeſetz nicht kennt und nicht
machen will. Die Verurteilung des Angeklagten aus
8 303 StGB. ift ſohin haltlos. (Urt. des I. Sts.
vom 1. Oktober 1908, 1 D. 702/08). B.
1420
II
Wer iſt i im Sinne des § 117
StGB.? Aus den Gründen: Der Anweſensbeſitzer
A. W. hat mit ſeinem Schwiegerſohne A. H. eine
formloſe Uebereinkunft getroffen, wonach jeder von
ihnen die Hälfte des zum Anweſen des A. W. ge⸗
hörigen nicht unter neuem Grundbuchrechte ſtehenden
Grundbeſitzes für ſich allein bewirtſchaftet und be
nützt. Dies iſt auch der Fall bezüglich eines Waldes.
A. H. ift, wie das Urteil jagt, „in tatſächlichem Befitz
und Mitgenuß“ des ihm zugewieſenen Waldteiles.
Soweit für den Wald gemeinſchaftliche Nutzungen und
Laſten in Betracht kommen, nimmt A. H. in dem ihm
zuſtehenden Verhältniſſe daran teil. Am 4. Januar
1908 ging A. H. zur Ausübung des Forſtſchutzes in
ſeinen Waldteil und hier wurde er von dem Ange⸗
klagten angegriffen. Auf Grund dieſes Sachverhalts
> Ma —— — — ë
— m un
hält die Strafkammer den Angeklagten für überführt,
einen Waldeigentümer bzw. Forſtberechtigten wäh⸗
rend der Ausübung ſeines Rechtes tätlich angegriffen
zu haben“, und verurteilt ihn deshalb aus § 117
Abſ. 1 und 2 des StGB. Die unentſchiedene Bezeich⸗
nung des A. H. als eines „Waldeigentümers bzw.
Forſtberechtigten“ läßt vermuten, daß die Strafkammer
ſich nicht klar gemacht hat, inwiefern A. H. unter dem
Schutze des § 117 StGB. geſtanden iſt. Immerhin
waren nach den Feſtſtellungen des Urteils die Voraus—
ſetzungen für dieſen Schutz gegeben. Zwar iſt ſicher,
daß A. H. nicht „Waldeigentümer“ geweſen iſt (Art. 14
des bayer. NotG. vom 10. Nov. 1861, Art. 189 EG.
3 BGB., Art. 132 des bayer. Not®. vom 9. Juni
1899), allein bezüglich des Begriffs des „Forſtberech—
tigten“ macht das Geſetz keinen Unterſchied in den zu
ſchützenden Rechten; es werden nicht etwa dingliche
Rechte, Rechte an der Sache erfordert, ſondern es
kommen Rechte jeder Art in Betracht, alſo auch
ſolche aus perſönlichen Rechtsverhältniſſen. Es ſteht
daher auch kein rechtliches Bedenken entgegen, den
A. H. auf Grund der zwiſchen ihm und dem Wald—
eigentümer getroffenen Vereinbarung, der die Natur
eines perſönlichen Vertrages zukommt, deffen Rechts»
gültigkeit nicht zu bezweifeln ift, zufolge der ihm hier⸗
nach zuſtehenden perſönlichen Rechte als Forſtberech—
tigten im Sinne des 8 117 StGB. anzuſehen. (Urt.
des I. StS. vom 27. Mai 1908, 1 D 340/08).
1395 B.
III.
Wie iſt die Strafe innerhalb des geſetzlichen
Strafrahmens zu bemeſſen? Aus den Gründen:
Dagegen geben die Ausführungen des Urteils über
die Strafzumeſſung Anlaß zu Bedenken. Nach An—
führung von Straſerſchwerungsgründen wird dort
geſagt: „Dieſe Gründe waren beſtimmend, über die
ordentliche Strafe, die nach 8 244 Abſ. 1 StGB.
2 + 61/3 = 8½ Jahre betragen würde, etwas hinaus—
zugehen, ſo daß eine Zuchthausſtrafe von 10 Jahren
für angemeſſen erachtet wurde.“ Nach der Faſſung
dieſer Stelle muß angenommen werden, daß die Straf—
kammer hier einen Rechtsſatz aufſtellen wollte, wo—
nach auf das rechneriſche Mittel des Strafrahmens
von 2 bis 15 Jahren ($ 244 Abſ. 1 StGB.) zu erz
kennen wäre, wenn nicht tatſächliche Strafzumeſſungs—
gründe eine Abweichung nach oben oder unten an—
gezeigt erſcheinen ließen. Ein ſolcher Rechtsſatz beſteht
nicht. Der Richter hat nach dem Willen des Geſetzes
die für den einzelnen Fall gebotene Strafe unter Be—
rückſichtigung und Abwägung der für die Strafzu—
meſſung in Betracht kommenden Umſtände innerhalb
des vorgeſchriebenen Strafrahmens nach freiem Er—
meſſen zu beſtimmen; er kann ſich hierfür einen Durch—
ſchnittsmaßſtab bilden; aber es wäre rechtsirrtümlich
und würde dem Geiſte des Geſetzes widerſprechen,
wenn er rein rechneriſch das Mittel des angedrohten
Strafrahmens ziehen und dieſes kraft des Geſetzes zu—
nächſt als maßgebend und ſich hieran bei der Straf—
zumeſſung ſei es nach oben oder unten irgendwie für
gebunden erachten wollte. Da im vorliegenden Falle
ein ſolcher Rechtsirrtum zu vermuten iſt, iſt das Ur—
teil im Strafausſpruche nicht haltbar. (Urt. des
I. StS. vom 23. Mai 1908, 1 D 380,08).
1393 B.
IV.
Können Geiſteskranke als Zeugen vernommen
werden? Aus den Gründen: Die StPO. enthält
keine Beſtimmung, wonach die Zuläſſigkeit der zeug:
ſchaftlichen Vernehmung einer Perſon von deren
geiſtigen Eigenſchaften und Fähigkeiten abhängig zu
machen wäre; nur die Zuläſſigkeit der Beeidigung
kann unter Umſtänden dadurch in Frage geſtellt
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
— — ———— —
439
werden ($ 56 Nr. 1 StPO.). Es beſteht daher kein
prozeßrechtliches Hindernis, anch geiſteskranke Perſonen
als Zeugen zu vernehmen. (Urt. des I. StS. vom
7. Mai 1908, 1 D 309/08). B.
1392
vV.
Zum Begriffe der Befreiung von Gefangenen im
Sinne des & 347 StGB. Was gehört zum Borſatz?
Aus den Gründen: Der ſtaatlich als Gefangenen⸗
aufſeher angeſtellte Angeklagte hat wiederholt den
Strafgefangenen 4 ſeine (des Angeklagten) Ehefrau
bei Geſchäftsgängen in die Stadt begleiten laſſen und
einmal hat er den Strafgefangenen B allein zum Çin-
kaufen von Erdöl für das Gefängnis in die Stadt
geſchickt, in beiden Fällen ſind aber die Gefangenen,
ohne die Flucht ergriffen zu haben, in das Gefängnis
zurückgekehrt. Der Angeklagte iſt von der Anklage
wegen zweier Vergehen aus 8 347 StGB. freige⸗
ſprochen worden, weil beide Gefangene nur die Diög-
lichkeit zur Entweichung erlangt, aber ſie nicht be—
nützt hätten und weil der Angeklagte den Willen,
daß ſie die Gelegenheit zur Flucht ausnutzen möchten,
nicht gehabt, folglich nicht vorſätzlich im Sinne von
8 347 Abſ. 1 StGB. gehandelt habe; feine Beſtrafung
wegen fahrläffiger Gefangenenbefreiung wird mit
Rückſicht auf das Fehlen des äußeren Tatbeſtandes
abgelehnt. Jene Erwägungen laſſen eine unrichtige
Auffaſſung der Tatbeſtandsmerkmale des Entweichen⸗
laſſens und der Vorſätzlichkeit erkennen und ſind nicht
geeignet, die Freiſprechung zu tragen. Wie in der
reichsgerichtlichen Rechtſprechung ſtets feſtgehalten
wurde (Bd. 5 S. 324 [326], Bd. 9 S. 41, Bd. 26
S. 54), verſteht das Geſetz unter Befreiung eines Ge—
fangenen nichts anderes, als die für den Gefangenen
erkennbare Beſeitigung des tatſächlichen Zuſtandes
der Unfreiheit oder Gefangenſchaft, und daß das Ver—
halten des Angeklagten einen ſolchen Erfolg in Wirk—
lichkeit herbeigeführt hat, kann vom Boden der Einzel—
feſtſtellungen aus kaum zweifelhaft ſein. Für beide
Gefangene beſtand nicht bloß die Möglichkeit der Ent—
weichung, was vielleicht der Fall geweſen wäre, wenn
der Angeklagte die zur Verhütung einer Flucht er—
forderliche Bewachung nur auf kurze Zeit verabſäumt
hätte, vielmehr hörte bei A und bei B der tatſächliche
Zuſtand der Gefangenſchaft von ſelbſt auf, ſobald fie
ohne jede unmittelbare oder zwar aus der Entfernung
betätigte aber doch vollwirkſame Bewachung durch
einen Beamten oder durch eine mit der Bewachung
betraute andere Perſon das Gefängnis verlaſſen und
die ſo geſchaffene Sachlage erkannt hatten. Sie haben,
nach Maßgabe der erörterten Begleitumſtände, und
zwar 4, falls er nicht durch die Ehefrau des Ange—
klagten überwacht wurde, ihre Gänge zur Stadt und
die Rückkehr in das Gefängnis nicht unter dem Druck
beſtehender Freiheitsentziehung, nicht als Gefangene,
ſondern als tatſächlich in der Selbſtbeſtimmung un—
gehindert, kraft eigener, von fremdem Zwang unab—
hängiger Willensentſchließung ausgeführt, da nichts
ſie hinderte, in jedem beliebigen Augenblick andere
Wege einzuſchlagen. Darauf, daß ſie ſich ohne zu
fliehen freiwillig aus dem Zuſtande der Freiheit in
den der Gefangenſchaft zurückbegaben, kommt mithin
für den Begriff der Befreiung nichts an, weil hinſichtlich
ſeiner nur die äußere Sachlage, nicht die Willens—
richtung des Gefangenen den Ausſchlag gibt. Eine
beſondere Abſicht, eine auf das Entweichen von Ge—
fangenen gerichtete Zweckvorſtellung des Täters wird
nach dem klaren Wortlaut des Y 347 Abſ. 1 für den
inneren Tatbeſtand nicht verlangt. Es genügt, un—
beſchadet der ſtrafausſchließenden Wirkung eines et—
waigen tatſächlichen Irrtums, insbeſondere über die
Befugnis zu dem eingeſchlagenen Verfahren oder über
die Beurteilung der Sachlage durch den Gefangenen,
die Vorſätzlichkeit der äußeren Handlung, wenn weiter—
440 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
hin dem Täter diejenigen Tatſachen, in welchen das
Merkmal der Gefangenenbefreiung erblickt werden
muß, entweder als vorhanden bekannt oder doch als
möglich zum Bewußtſein gekommen waren. Deshalb
haftet den Urteilsgründen auch inſoweit ein Rechts⸗
irrtum an, als fie darauf Nachdruck legen, der An:
geflagte habe „den beiden Gefangenen Vertrauen
ſchenken zu können geglaubt und ſich auch in ſeinem
Vertrauen nicht getäuſcht geſehen“, ferner „in dieſem
Vertrauen nicht weiter überlegt“, daß im Entſenden
der Gefangenen zur Stadt ein zeitweiliges Freiſein
gefunden werden könnte. Nicht die Willensrichtung
der Gefangenen, ſondern die Erkennbarkeit der Sach⸗
lage für ſie iſt in Richtung auf den äußeren Tatbe⸗
ſtand des § 347 Abſ. 1 entſcheidend; folglich kommt
auch dem Bewußtſein oder der Meinung des Ange⸗
klagten nur im gleichen Umfang Erheblichkeit zu.
Hätte ſich der Angeklagte aus pflichtwidriger Sorg⸗
loſigkeit unrichtige Gedanken gemacht, könnte es ſich
unter allen Umſtänden höchſtens um eine fahrläſſige
Vergehung handeln. (Urt. des I. StS. vom 29. Juni
1908, 1 D. 410/08). B.
1421
Oberſtes Landesgericht.
Zi vilſachen.
I.
Rann die Firma eines Kaufmanns anf den Gr:
werber eines einzelnen Geſchäftszweiges übergehen, den
der Erwerber zu einem nenen ſelbſtandigen Handels⸗
geſchäfte macht? (HGB. §§ 22, 23, 30). Für den
Kaufmann H. B in B., der dort ein Handelsgeſchäft
in Landesprodukten, Sämereien, Dürrobft und Futter-
artikeln betreibt, iſt im Handelsregiſter die Firma
„H. B.“ eingetragen. Die Geſchäftsräume des B.
befinden ſich in der Kapellenſtraße, dort betreibt er
den Großhandel, daneben hatte er bis zum 1. Oktober
1906 für den Einzelverkauf ſeiner Waren einen Laden
in der Oberen Königſtraße. Das Ladengeſchäft war
eine Zeitlang verpachtet, nach Beendigung der Pacht
wurde es wieder wie vorher von einer Ladnerin
beſorgt, die die aus dem Hauptgeſchäfte gelieferten
Waren zu den feſtgeſetzten Preiſen zu verkaufen, die
Einnahmen in einem Aufſchreibbuche zu verzeichnen
und fie täglich oder jeden zweiten Tag abzuliefern
hatte. Am 1. Oktober 1906 verkaufte B. das Laden-
geſchäft mit Warenvorräten und Einrichtungsgegen—
ſtänden an den Kaufmann F., der es ſeitdem als
Landesprodukten- und Sämereiengeſchäft ſelbſtändig
betreibt. Bei den Unterhandlungen war die Befugnis
des F. zum Gebrauche der Firma H. B. zur Sprache
gekommen. F. behauptet, in dem Kaufvertrage ſei
ihm das Recht dazu eingeräumt worden, H. B. be-
ſtreitet es. F. führt für ſein Geſchäft die Firma „H.
B. Nachfolger“. Auf Anregung des H. B. gab ihm
das Regiſtergericht unter Androhung einer Ordnungs—
ſtrafe auf, ſich des Gebrauchs dieſer Firma zu ent—
halten oder ihn binnen zwei Wochen mittelſt Einſpruchs
zu rechtfertigen. Der Einſpruch wurde als unbegründet
verworfen, zugleich wurde das Verbot und die An—
drohung der Ordnungsſtrafe erneuert. Der ſofortigen
Beſchwerde, in der u. a. angeführt wurde, daß das Laden-
geſchäft eine Zweigniederlaſſung B.s geweſen ſei,
wurde der Erfolg verſagt. Die weitere Beſchwerde
wurde zurückgewieſen.
Gründe: Das LG. hat einwandfrei feſtgeſtellt,
daß das von dem Beſchwerdeführer erworbene Laden—
geſchäft des H. B. nur ein unſelbſtändiger und unter—
geordneter Beſtandteil des Beſchen Handelsgeſchäfts,
eine einfache Verkaufſtelle geweſen iſt. Als ſolche
konnte fie nach den 8S 22, 23 HGB. nicht mit der
Befugnis zur Fortführung der Firma H. B. über-
tragen werden. Dieſe Befugnis kann, da die Firma
der Name ift, unter dem das gefamte Handelsunter⸗
nehmen betrieben wird, nur dem Erwerber des
Handelsgeſchäfts im ganzen eingeräumt werden, nicht
mit einem einzelnen Geſchäftszweige, den der Erwerber
zu einem neuen ſelbſtändigen Handelsgeſchäfte macht,
auf den Nachfolger übergehen. H. B. konnte, da ein
Kaufmann auch in demſelben Geſchäftszweig und an
demſelben Orte mehrere ſelbſtändige Handelsnieder⸗
laſſungen haben kann, allerdings das Ladengeſchaäft
zu einem ſelbſtändigen Handelsgeſchäfte machen und
er konnte dies auch noch unmittelbar vor der Ver⸗
äußerung und zu dem Zwecke tun, um dieſes Geſchäft
mit deffen Firma übertragen zu können. Nach 8 F
HGB. durfte er aber für ſein neues Handelsgeſchäft
nicht die für ſein bisheriges Geſchäft beſtehende und
in das Handelsregiſter eingetragene Firma annehmen,
ſondern es mußte die Firma des neuen Geſchäfts ſich
von der des bisherigen Geſchäfts deutlich unterſcheiden.
In dieſer Beziehung würde es auch keinen Unterſchied
machen, wenn das am Orte der Hauptniederlaſſung
befindliche Ladengeſchäft bisher eine Zweigniederlaßung
geweſen wäre. Der Beſchwerdeführer konnte daher
durch die behauptete Vereinbarung die Befugnis zum
Gebrauche der Firma „H. B. Nachfolger“ auch dann
nicht erlangen, wenn es für ſtatthaft erachtet werden
könnte, bei der Veräußerung einer Verkaufsſtelle
ebenſo, wie es für die Veräußerung einer Zweignieder⸗
laſſung anerkannt iſt, in der Einräumung des Rechtes
zur Fortführung der Firma zugleich die Umwandlung
der bisher unſelbſtändigen Geſchäftseinrichtung in ein
ſelbſtändiges Geſchäft und die Annahme der bisherigen
Firma für das nunmehr ſelbſtändige Geſchäft zu finden.
(Beſchluß des Fer ZS. vom 12. September 1908, III
78/08). W.
1413
I.
Der Ansſchluß eines Mitglieds aus einem nicht
zen lehnen Vereine, deffen Statuten en
zulaſſen, kann durch Mehrheitsbeſchlußz eriolaen. Da
der Ansſchluz nach den Statuten nur aus beftimmten
Gründen erfolgen, fo ift die Ausſchließung unwirkſan.
wenn dem Betroffenen der Grund nicht bekannt gegeben
wird. (BGB. SS 54, 709). In W. beſteht ſchon ſeit
der Zeit vor 1900 die Geſellſchaft 3. Ihr Zweck iſt
nach § 1 der „Statuten“, „ihre Mitglieder durch ae:
ſelliges Beiſammenſein und ſonſtige Vergnügungen
zu unterhalten“. Die Eigenſchaft eines anerkannten
Vereins im Sinne des Geſetzes vom 29. April 1869
hatte ſie nicht erworben; ſeit dem Inkrafttreten des
BGB. iſt ſie in das Vereinsregiſter nicht eingetragen
worden. Im 8 6 der Statuten find die Gründe be
ſtimmt, aus denen ein Mitglied ausgeſchloſſen werden
kann. Die Leitung der Geſellſchaft liegt nach 8 9 der
„Geſamtverwaltung“ ob. Dieſe beſteht aus zehn
Perſonen; die an ihrer Spitze ſtehende Perſon iſt der
„Vorſtand“. Sie „überwacht alle Vereinsangelegen:
heiten und bildet auch im Falle von Streitigkeiten
und ſonſtigen Anſtänden das Schiedsgericht, wobei
ſie ermächtigt iſt, nach Umſtänden Mitglieder aus dem
Verein ee en, Der den Schluß der Statuten
bildende § 22 lautet: „Bei in allen Fällen etwa vor:
kommenden Stimmengleichheiten entſcheidet der Bor:
ſtande. Der Büttner Franz E. in N. war Mitglied
geworden. Im Januar 1907 kam es zu Streitigkeiten
zwiſchen ihm und dem Mitgliede der Geſamtverwal—
tung G.; er erhob gegen dieſen Privatklage wegen
Beleidigung. Das Verfahren wurde durch einen Ver:
gleich beendigt; G. übernahm dabei die Koſten. In
der Sitzung der Geſamtverwaltung vom 6. April, an
der acht Mitglieder teilnahmen, wurde einſtimmig be⸗
ſchloſſen, den Franz E. aus der Geſellſchaft auszu—
Schließen. Hiervon erhielt er am 8. April durch
Schreiben der Geſellſchaft Z. ohne Mitteilung des
Grundes der Ausſchließung Kenntnis. Er erhob Klage
gegen die Geſellſchaft mit dem Antrage, feſtzuſtellen,
daß er noch Mitglied iſt. Am 16. Mai 1907 fand
eine außerordentliche Sitzung der Geſamtverwaltung
ſtatt; als Gegenſtand der Tagesordnung war bezeichnet
worden: „Ausſchluß des Herrn E.“; alle zehn Mit-
glieder der Geſamtverwaltung nahmen teil. Es wurde
wiederum beſchloſſen, den Franz E. aus der Geſell⸗
ſchaft auszuſchließen; für die Ausſchließung ſtimmten
acht Mitglieder. Der Kläger bezeichnet die Beſchlüſſe
vom 6. April und 16. Mai als unwirkfam, weil ſie
nicht einſtimmig gefaßt ſeien, er vor der Beſchluß⸗
faſſung nicht gehört und ein Grund der Ausſchließung
weder feſtgeſtellt noch ihm mitgeteilt worden ſei. Sie
ſeien übrigens auch ſachlich ungerechtfertigt, weil ein
Grund für die Ausſchließung nicht vorgelegen habe.
Das Landgericht gab der Klage ſtatt. Das OLG.
hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Auf
Reviſion des Klägers hat das Oberſte Landesgericht
unter Aufhebung des Urteils des OLG. die Berufung
der Geſellſchaft gegen das Urteil des Landgerichts
zurückgewieſen:
Gründe: Die beklagte Geſellſchaft iſt ein nicht
rechtsfähiger Verein. Da ſie zur Zeit des Inkraft⸗
tretens des BGB. ſchon beſtand, finden nach Art. 2
Ue®. z. BGB. jetzt die Vorſchriften des BGB. über
die Geſellſchaft auf ſie Anwendung. Ihre „Statuten“
bezeichnen im 8 6 die Gründe, aus denen ein Mit-
glied ausgeſchloſſen werden kann, ermächtigen im 89
die Geſamtverwaltung, Mitglieder auszuſchließen. Daß
eine Geſellſchaft im Geſellſchafts vertrage die Befugnis,
Mitglieder auszuſchließen, einem Organe der Geſell—
ſchaft überträgt, iſt zuläſſig; der Reviſionskläger hat
die Gültigkeit dieſer Beſtimmung auch nicht beanſtandet.
Wenn der Beſchluß, durch den der Kläger aus der
Geſellſchaft ausgeſchloſſen worden iſt, weder gegen
das Geſetz noch gegen die Statuten verſtößt, kann das
Gericht nicht prüfen, ob ein genügender Anlaß zur
Ausſchließung vorlag. Auch der nicht rechtsfähige
Verein ift eine Körperſchaft, keine „Geſellſchaft“; er
ſoll nach dem Geſetze nur ſo behandelt werden, als
wäre er eine Geſellſchaft. Der Verein und die Ge—
ſellſchaft unterſcheiden ſich in weſentlichen Beziehungen.
Die Zahl der Mitglieder iſt in der Regel bei der
Geſellſchaft klein, bei dem Vereine größer; die Ge—
ſellſchaft verfolgt einen, häufig nur vorübergehenden,
wirtſchaftlichen Zweck, der Verein in der Regel einen
dauernden Zweck anderer Art. Die Geſellſchaft wird
durch das Ausſcheiden eines Mitglieds aufgelöſt, wenn
nicht im Geſellſchaftsvertrag etwas anderes beſtimmt
iſt; der Beſtand des Vereins iſt vom Wechſel der
Mitglieder unabhängig. Für den Verein beſteht des-
halb das Bedürfnis, in der Satzung Beſtimmungen
über die Ausſchließung von Mitgliedern zu treffen,
deren ferneres Verbleiben im Verein als dem Vereins-
zwecke nicht förderlich angeſehen wird. Sind ſolche
Beſtimmungen getroffen, ſo muß, ſoweit ſich nicht aus
der Satzung etwas anderes ergibt, davon ausgegangen
werden, daß durch den Beſchluß über die Ausſchließung
eines Mitglieds der Verein ſeinem Willen als Körper—
ſchaft Ausdruck gibt; er will ſelbſt endgültig darüber
beſtimmen, wer Mitglied ſein ſoll. Daß die beklagte
Geſellſchaft ihre Beſchlüſſe über die Ausſchließung von
Mitgliedern in dieſer Beziehung der Prüfung des
Richters unterwerfen wollte, geht weder aus dem 89
noch aus einer anderen Beſtimmung der Statuten
hervor. Soweit die Reviſion darauf geſtützt ift, daß
ein Grund für die Ausſchließung des Klägers nicht
beſtand, iſt ſie hiernach nicht begründet.
Für die „Generalverſammlung“ beſtimmt der
§ 13 der Statuten, daß alle Mitglieder daran teil-
nehmen „follen“, „mindeſtens aber / der Mitglieder
anweſend ſein muß“, und der 8 18 beſtimmt, daß
„die bei der Generalverſammlung nicht Erſchienenen
ſich unbedingt den dort gefaßten Beſchlüſſen zu fügen
haben“. Für die Verſammlungen und die Beſchlüſſe
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
441
der Geſamtverwaltung beſtehen ſolche Vorſchriften
nicht; daraus folgt, daß zur Faſſung eines gültigen
Beſchluſſes die Anweſenheit aller Mitglieder erforder-
lich iſt. Daß am 6. April acht Mitglieder für die
Ausſchließung des Klägers geſtimmt haben und daß
dieſe die Mehrheit auch dann gebildet haben würden,
wenn alle Mitglieder verſammelt geweſen wären, iſt
belanglos. Der Beſchluß wurde nicht von der Ge-
ſamtverwaltung, ſondern nur von acht Mitgliedern
gefaßt, und es iſt möglich, daß, wenn die fehlenden
zwei Mitglieder an der Beratung teilgenommen hätten,
die Abſtimmung ein anderes Ergebnis gehabt haben
würde. Der Beſchluß vom 6. April iſt daher ſchon
deshalb ungültig, weil nicht alle Mitglieder der
Geſamtverwaltung mitgewirkt haben. Dem Beſchluſſe
vom 16. Mai haftet dieſer Mangel nicht an. Mit
Unrecht macht die Reviſion geltend, daß dieſer Be—
ſchluß deshalb nicht habe gefaßt werden können, weil
der Kläger ſchon am 6. April aus der Geſellſchaft
ausgeſchloſſen worden war. Unzuläſſig iſt es, ein
Mitglied eines Vereins auszuſchließen, das aus dem
Verein ausgetreten iſt, dieſem alſo nicht mehr ange—
hören will!). Der Kläger aber hat die Wirkſamkeit
des Beſchluſſes vom 6. April nicht anerkannt, ſondern
geltend gemacht, daß er noch Mitglied ſei. Dies war
der Anlaß zu dem Beſchluſſe der Geſamtverwaltung
vom 16. Mai, durch den etwaige Mängel des Be—
ſchluſſes vom 6. April geheilt werden ſollten. Da-
durch, daß die Geſamtverwaltung einen ungültigen
Beſchluß gefaßt hatte, war ſie nicht gehindert, einen
neuen Beſchluß zu faſſen, der die bei der Faſſung
des erſten begangenen Fehler vermied. Die vom
OLG. dem $ 22 der Statuten gegebene Auslegung,
daß er Mehrheitsbeſchlüſſe zuläßt und auch für die
Beſchlüſſe der Geſamtverwaltung gilt, beruht nicht
auf Verletzung des Geſetzes; der Umſtand, daß der
Beſchluß vom 16. Mai mit Stimmenmehrheit gefaßt
wurde, berührt daher ſeine Gültigkeit nicht. Auch
der § 709 BGB. ift auf ihn nicht anwendbar; die
Vorſchrift gilt für die Führung der „Geſchäfte“ der
Geſellſchaft, die Ausſchließung eines Mitglieds iſt aber
kein „Geſchäft“ im Sinne dieſer Vorſchrift. Nicht
unbedenklich iſt dagegen, daß dem Kläger vor der
Faſſung des Beſchluſſes nicht Gelegenheit gegeben
wurde, ſich über das zu äußern, was ihm als ein
ſeine Ausſchließung rechtfertigendes Verhalten zur
Laſt gelegt wurde. Ob die Gultigkeit des Beſchluſſes
dadurch berührt wird, kann aber dahingeſtellt bleiben,
denn er iſt deshalb ungültig, weil in ihm, ſoweit er
dem Kläger bekannt gemacht worden iſt, der Grund
der Ausſchließung nicht angegeben iſt. Nach den
Statuten ſteht die Ausſchließung eines Mitglieds nicht
im Belieben des Vereins oder der Geſamtverwaltung,
ſondern ſie iſt nur aus beſtimmten Gründen zuläſſig.
Sie kann nach S 6 erfolgen, wenn das Mitglied mit
Zahlung des Vereinsbeitrages drei Monate lang im
Rückſtand iſt, ferner wenn es ſich „unehrenhaſte
Sachen, unanſtändiges Benehmen im Verein u. dgl.“
zu ſchulden kommen läßt. Die Mitglieder haben hier—
nach ein Recht darauf, nicht aus irgend einem anderen
Grunde ausgeſchloſſen zu werden, und demgemäß, um
dieſes Recht nötigenfalls wahren zu können, Anſpruch
darauf, daß ihnen der Ausſchließungsbeſchluß Auf—
ſchluß darüber gibt, aus welchem Grunde die Aus—
ſchließung erfolgte; es genügt nicht, daß das von
einem Ausſchließungsbeſchluſſe betroffene Mitglied
vermuten kann, aus welchem Anlaß es ausgeſchloſſen
wurde. Entſteht Streit darüber, ob der Verein die
Grenzen eingehalten hat, die ihm für die Ausübung
des Ausſchließungsrechts gezogen ſind, ſo hat das
Gericht zu prüfen, ob die Ausſchließung aus einem
Grunde erfolgt iſt, der in der Satzung des Vereins
1) Vgl. die Entſcheidungen des Reichsgerichts und des Oberſten
Landgerichts in dieſer Zeitſchrift Bd. 1 S. 222/3 und Bd. 3 S. 210%.
442
als Ausſchließungsgrund bezeichnet iſt. Dies zu prüfen,
ift dem Gerichte nicht möglich, wenn aus dem Be-
ſchluſſe nicht hervorgeht, ob er auf der Annahme
beruht, daß ein in der Satzung beſtimmter Aus⸗
ſchließungsgrund vorliegt. Der Beſchluß vom 16. Mai
hätte den Grund der Ausſchließung um ſo mehr an⸗
geben müſſen, als nach 8 7 Abſ. 1 der Statuten ein
Mitglied, das ausgeſchloſſen worden iſt, weil es ſich
„unehrenhafte Sachen oder unanſtändiges Benehmen“
hat zu Schulden kommen laſſen, nicht wieder auf⸗
genommen werden kann. Es iſt alſo für den Aus⸗
geſchloſſenen von Bedeutung, ob die Ausſchließung
auf dieſem Grunde oder einem anderen beruht. Die
Feſtſtellung des OL G., der Kläger habe ohne weiteres
annehmen können, daß Mo Zwiſtigkeiten mit G. den
Grund ſeiner Ausſchließung bildeten, iſt belanglos,
denn der Kläger kannte in dieſem Falle zwar den
Anlaß zu ſeiner Ausſchließung, wußte aber damit
noch nicht, daß die Geſamtverwaltung jene Zwiſtig⸗
keiten als eine „unehrenhafte Sache“ oder als „uns
anſtändiges Benehmen im Verein“ angeſehen, ihn alſo
aus einem Grunde ausgeſchloſſen habe, aus dem nach
den Statuten die Ausſchließung erfolgen konnte. Der
Kläger iſt hiernach nicht durch einen den Vorſchriften
der Statuten entſprechenden Beſchluß aus der Geſell⸗
ſchaft ausgeſchloſſen worden und iſt daher noch ihr
Mitglied. Die Entſcheidung des LG. iſt demnach
richtig, allerdings aus anderen als den von ihm an⸗
gegebenen Gründen. (Urt. des II. ZS. vom 30. März
1908, Reg. I 45/1908). W.
1280
Oberlandesgeridt München.
I
Zur Auslegung des § 127 KO. Allerdings hat
der Konkursverwalter nach 8 127 KO. das Recht, die
von Dritten vor der Konkurseröffnung gepfändeten
beweglichen Sachen des Gemeinſchuldners an Stelle
des Pfandgläubigers nach Maßgabe der Vollſtreckungs—
normen oder derjenigen über den Pfandverkauf
(8 1233 ff. BGB.) zu veräußern, den Erlös zur
Maſſe zu ziehen und den Pfändungspfandgläubiger
auf die dem 8 805 BPO. ähnliche Vorrechtsklage zu
verweiſen. Er kann ſich dazu ſogar des nämlichen
Gerichtsvollziehers bedienen, der die Vollſtreckung für
den Pfandgläubiger eingeleitet hat und kann das
Verfahren nach § 127 KO., das keines Gerichtsbeſchluſſes
und keiner Begründung bedarf, auch dazu verwenden,
um ſich in Anfechtungsfällen die Rolle des Beklagten
und zunächſt den Erlös zu ſichern, ohne, was ſonſt
die Regel wäre, das Gericht nach 88 771, 769 ZPO.
gegen den Pfändungsgläubiger angehen zu müſſen.
Solchenfalls handelt dann der Gerichtsvollzieher aber
nur mehr als Beauftragter des Konkursverwalters,
der ihm auch nötigenfalls für einen Koſtenausfall
haftet und es bemißt ſich nur nach den auf Grund
des 8 132 Abſ. 1 KO. getroffenen Beſtimmungen, wo
der Erlös einzuzahlen iſt. Mit Recht beſtreitet aber
die Beſchwerde, daß hier wirklich nach § 127 KO.
verfahren worden iſt. Die Vollſtreckungsakten laſſen
mehr nicht entnehmen, als daß der Konkursverwalter
am Tage nach der Konkurseröffnung (einen Tag vor
dem Verſteigerungstermin) dem Gerichtsvollzieher
ſchrieb: „In Sachen M. gg. B., in welcher Sie morgen
Pfandobjekte verſteigern wollen, bitte ich Sie um
Hinterlegung des Verſteigerungserlöſes, da die Pfän—
dung angefochten werden wird“. Das Verſteigerungs—
protokoll ſelbſt führt als Auftraggeber für die Ver—
ſteigerung nicht etwa den Konkursverwalter, ſondern
nur den Pfändungsgläubiger auf, während allerdings
die Hinterlegung nicht zur Verfügung des Letzteren,
ſondern ausſchließlich des Konkursverwalters geſchah.
Wenn dieſer jetzt behauptet, den Gerichtsvollzieher
freiwilliger
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
mündlich beauftragt zu haben, die Verſteigerung „für
die Konkursmaſſe vorzunehmen“, ſo iſt dies nicht nur
mit dem Wortlaut des obigen ſchriftlichen Auftrags
Eley vereinbar, 12 8 auch unbehelflich, weil eben
er Gerichtsvollzieher, gleichgültig, ob mit Recht oder
mit Unrecht, tatſächlich nicht für die Konkursmaſſe,
ſondern für den Pfändungsgläubiger verſteigert hat,
wie das maßgebende Protokoll ausweiſt. Es iſt alſo
nicht die Wirkung des § 127 KO., ſondern diejenige
des 8 819 BPO. (Zahlung) eingetreten. Daran konnte
das einfache Hinterlegungs verlangen des Konkurs⸗
verwalters nichts mehr ändern, wenn es auch bei
Uebereinkunft der Beteiligten einer
praktiſchen Uebung entſprechen mag. Die Hinter⸗
legung hätte ſolchenfalls nur auf Grund eines Be⸗
ſchluſſes des Vollſtreckungsgerichts gemäß 8 769 Abſ. 2
ZPO. erfolgen dürfen, der durch feine Friſtbeſtimmung
für den Pfändungsgläubiger günftiger als die gegen⸗
wärtige Sachlage geweſen wäre. Hiernach hätte das
Landgericht die Beſchwerde des Konkursverwalters
gegen den die Wiederhinausgabe des Erlöſes an den
Pfandgläubiger anordnenden amtsgerichtlichen Beſchluß
zurückweiſen folen; unzuläſſig — wie der Pfand-
gläubiger meint — war dieſe Beſchwerde nicht, denn
das Amtsgericht hat, wie fein Zitat des $ 102 ZPO.
bei der Koſtenüberbürdung auf den Gerichtsvollzieher
und die Zuſtellung zeigt, als Einwendungsgegner von
Anfang an nicht den Gerichtsvollzieher, ſondern den
Konkursverwalter betrachtet; vgl. übrigens bezüglich der
Zuläſſigkeit der Beſchwerde Dritter bei § 766 ZPO.
auch RG. in JW. 1890 S. 275. (Beſchl. v. 25. Sept.
50 ; Beſchw. Reg. Nr. 584/08 I). N.
14
II.
Zur Auslegung des $ 5 ZPO. Zwiſchen der Stadt-
gemeinde T. als eingeſetzter Nacherbin und dem Ver⸗
mächtnisnehmer W. entſtand Streit darüber, ob das
Vermächtnis bedingt oder nur betagt ſei und ob die
Stadtgemeinde die Nacherbſchaft angenommen habe.
Erſterer Zweifel war dadurch veranlaßt, daß das den
alleinigen Gegenſtand des Vermächtniſſes bildende,
unſtreitig 40600 M werte Haus erft nach dem Tode
der Vorerbin an den Vermächtnisnehmer gelangen
ſollte. Letzterer klagte nun gegen die Stadtgemeinde
T. auf Feſiſtellung, daß fein Vermächtnisrecht bereits
jetzt veräußerlich (und vererblich) fei, ferner gemäß
S 259 ff. ZPO. auf Herausgabe des Hauſes nach Ein-
tritt der Nacherbfolge an ihn „oder feine Rechtsnach—
folger“. Das LG. wies die Leiſtungsklage ab, weil
die Annahme der Nacherbſchaft und die Gefährdung
des Klägers nicht nachgewieſen ſei, gab dagegen dem
Feſtſtellungsantrag ſtatt und ſetzte den Streitwert auf
60 000 M mit der Begründung feft, es handle ſich um
zwei ſelbſtändige Anſprüche, nämlich bei der TFeit-
ſtellung um das Recht bis zum Eintritt der Nacherb⸗
folge und bei der Leiſtung um das Recht nach deren
Eintritt; letzterer Anſpruch fei nach § 6 ZPO. auf den
Hauswert zu beziffern; erſterer nach freiem Ermeſſen
auf deſſen Hälfte. Auf Beſchwerde wurde der Streit⸗
wert auf 40 600 M herabgeſetzt.
Aus den Gründen: Die im § 5 BPO. vor⸗
geſchriebene Zuſammenrechnung mehrerer Anſprüche
entfällt, wenn es an der Selbſtändigkeit eines An⸗
ſpruchs mangelt. Dies gilt insbeſondere im Verhält⸗
nis von Feſtſtellung und Leiſtung (Bay gZfR. 1905
S. 470), ſei es daß der Leiſtungsantrag nur eine
Folgerung aus der Feſtſtellung darſtellt, ſei es, daß
er wie bei Individualanſprüchen (RGB. Bd. 33 S. 1 ff.)
die Feſtſtellung in ſich begreift; auf die Zuläſſigkeit
einer foldjen Häufung kommt bei der Streitwertsfeſt—
ſetzung nichts an. Im gegebenen Falle würde kein
Zweifel über die Anwendbarkeit dieſer Ausnahme bes
ſtehen, wenn der Feſtſtellungsantrag das geſamte
Recht des Vermächtnisnehmers umfaſſen würde. Dann
wäre der Leiſtungsantrag durchweg nur eine Fol—
gerung aus der Feſtſtellung. Dadurch aber, daß ein
Teil des Rechts des Klägers unbeſtritten und deshalb
in den Feſtſtellungsantrag nicht mitaufgenommen iſt,
kann ſich der Streitwert unmöglich erhöhen. Dies
entſpricht der Natur der Sache; denn der Kläger kann
mit ſeiner Klage mehr als den Anweſenswert nicht
für fih erreichen; dieſer aber ift nach 8 6 ZPO.
ſchon für den Herausgabeantrag an den Kläger ſelbſt
anzuſetzen. Daß die verſchiedenen Anträge nicht gleich—
heitlich entſchieden zu werden brauchen, hat auf die
Bewertung des Vermächtniſſes keinen Einfluß; denn
wirklicher Streitgegenſtand iſt nur das Anweſen und
ſomit deſſen Wert. (Beſchl. vom 21. September 1908,
Beſchw.⸗Reg. 589/08 I).
13970 N.
Oberlandesgericht Bamberg.
Koſten eines mit Unrecht erwirkten Verſänmnis⸗
urteils (S 344 3P O.). Die Beklagte hatte 5 Tage vor
dem Verhandlungstermin Hauptſache und Zinſen an
die Klägerin geſandt und gleichzeitig unter Mitteilung
der Zahlung vom Anwalt der Klägerin die Bekannt—
gabe der Prozeßkoſten gefordert. Dieſer gab keine
Antwort, ſondern nahm im Verhandlungstermin Ver—
ſäumnisurteil auf Hauptſache, Zinſen und Koſten. Auf
Einſpruch überbürdete das LG. die Koſten des Ver:
ſäumnisurteils der Klägerin, das OLG. hob dieſe Ent—
ſcheidung auf.
Aus den Gründen: Der Erſtrichter hat die
Koſten des Verſäumnisurteils der Klägerin auferlegt,
weil dieſe die Erlaſſung des ſachlich nicht begründeten
Verſäumnisurteils verſchuldet habe. Dieſe Ent-
ſcheidung ſteht im Widerſpruch mit dem § 344 ZPO. und
den Grundſätzen der JPO. über die Koſtenverteilung,
wonach die objektive, vom Verſchulden abſehende
Koſtenhaftung durchgeführt ift. (Gaupp-Stein, 3PO.,
8.9. Aufl. § 91 I und Borbem. zu 8 91 ff. IV). Nach
dieſen Grundſätzen genügt für den Fall der Verſäumnis
zur Begründung der Koſtenpflicht des ſäumigen Teils
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
die bloße Tatſache des Nichterſcheinens (SS 95 und 344
ZPO.) Die Koſten der Verſäumnis find der ſäumigen
Partei unter allen Umſtänden aufzuerlegen, auch wenn
fie ſpäter in der Hauptſache ſiegt, auch wenn die
Säumnis ganz unverſchuldet war und die Erwirkung
des Verſäumnisurteils eine unerlaubte Handlung im
Sinne der 89 823 oder 826 BGB. darſtellt. Voraus-
ſetzung iſt nur, daß das Verſäumnisurteil in geſetzlicher
Weiſe ergangen iſt. Dies iſt der Fall, wenn nach
dem vom Gericht als zugeſtanden anzunehmenden,
tatſächlichen mündlichen Vorbringen des Erſchienenen,
deſſen Antrag gerechtfertigt iſt, nicht aber iſt ein un—
gejeglich ergangenes Verſäumnisurteil vorhanden, wenn
die das Verſäumnisurteil rechtfertigenden tatſächlichen
Behauptungen der Wahrheit nicht entſprechen oder
wiſſentlich falſch find. (Gaupp-Stein a. a. O. § 344 I;
Seuffert 8. Aufl. § 344, 1). Nach den in der Klage
enthaltenen und im Termin vom 21. Oktober 1907
vom Kläger wiederholten tatſächlichen Behauptungen
war das erlaſſene Verſäumnisurteil in geſetzlicher
Weiſe ergangen; damit iſt die Koſtenpflicht der Be—
klagten ohne weiteres feſtgeſtellt. Der Erſtrichter hat
ſonach mit Unrecht die Frage der ſchuldhaften Er—
wirkung des Verſäumnisurteils zum Gegenſtand ſeiner
Entſcheidung gemacht; auf dem Wege der Koſtenent—
ſcheidung war dies nicht ſtatthaft. Eine andere Frage
iſt es, ob nicht der Beklagten eine Schadenserſatzforde—
rung gegen die Klägerin wegen ſchuldhafter, gegen die
guten Sitten verſtoßender Erwirkung des Verſäumnis—
urteils zuſteht. Dieſe Forderung wird durch den
§ 344 3PO. nicht ausgeſchloſſen. Prozeſſual ift das
primäre Verlangen der Beklagten, die Klägerin zur
Rückgewähr des unter Vorbehalt gezahlten Betrags
für Verſäumniskoſten zu verurteilen, ein Inzident—
antrag. Solche Anträge, welche nicht als Widerklagen
anzuſehen find, läßt die ZPO. nur in einigen Fällen
zu, ſo in § 302 bei Vollſtreckung aus Vorbehaltsurteilen,
in § 600 aus ſolchen in Urkundenprozeß und in § 717
aus vorläufig vollſtreckbaren Urteilen, wenn dieſe
Urteile hinterher als unbegründet aufgehoben werden.
Dagegen iſt ein ſolcher Antrag nicht geſtattet in dem
Falle der unberechtigten Erwirkung eines Verſäumnis⸗
urteils. Es kann alſo dem Antrag nicht ſtattgegeben
werden. Vorſorglich wird von der Beklagten die Rück⸗
zahlung der Verſaͤumniskoſten im Wege der Wider—
klage begehrt und zwar auf Grund ſchuldhafter Hand—
lung der Klägerin. Anſpruch und Begründung ſind
daher mit dem Inzidentantrag identiſch. Der Anſpruch
iſt unbedingt rechtshängig gemacht, der Rechtsſchutz
iſt unbedingt verlangt. Bedingt iſt aber die Art ſeiner
prozeßrechtlichen Geltendmachung. Die beiden Rechts:
behelfe wurden gehäuft und alternativ zur Wahl des
Gerichtes geſtellt; es ſollte die Klägerin entweder auf
Grund des Inzidentantrages oder der Widerklage
unbedingt verurteilt werden. Es liegt alſo eine im
Sinne der Entſcheidung RG. Bd. 40 S. 331 unſtatt⸗
hafte nur vorſorgliche Widerklage nicht vor. Dagegen
ift die Widerklage aus anderen Gründen unzuläſſig.
Der damit geltend gemachte Schaden tritt endgültig
erſt mit der rechtskräftigen Erledigung des Rechtsſtreits
ein. Es iſt daher der Anſpruch noch nicht entſtanden
und kann jetzt nicht durch Klage noch durch Wider—
klage geltend gemacht werden. (Beſchluß des I. 38.
vom 10. Januar 1908. Beſchw. R. 17/08).
138⁰ Mitgt. von Oberlandesgerichtsrat Schäfer in Bamberg.
Literatur.
Poſener, Paul Dr. jur., Gerichtsaſſeſſor. Handbuch
des geſamten Rechts. Ein ſyſtematiſches Lehr—
buch für Studierende und Kandidaten. 4 Bände.
Berlin 1908, Verlag von Erich Weber. Broſch.
Mk. 41.—, gebd. Mk. 45.—.
Dem Studierenden, der in wenigen Semeſtern
den ganzen Examensſtoff einpauken will, mag ein
Hilfsmittel, wie es hier geboten wird, ſehr mill-
|
kommen ſein. Mit unverkennbarem techniſchem Geſchick
hat der Verfaſſer alle Gegenſtände des Univerſitäts—
Unterrichts (mit Einſchluß der Volkswirtſchaft) in
vier ganz überſichtliche Bände zuſammengefaßt. Wer
aber der Meinung iſt, daß das Eindringen in die Ge—
heimniſſe der Rechtswiſſenſchaft nicht mit dem Er⸗
lernen eines Handwerks auf eine Stufe geſtellt werden
kann, wird an ſolchen Büchern keine Freude haben.
Sie befördern die Verflachung des juriſtiſchen Nach:
wuchſes und füllen den Studierenden mit einer Maſſe
unverdauter Wiſſensbrocken. Man mag zugeben, daß
nicht alle wiſſenſchaftlichen Lehrbücher Vertiefung mit
kräftiger Anſchaulichkeit und mit Wirklichkeitsſinn ver-
einigen. Zur Ausfüllung dieſer Lücke ſind jedoch ge—
wandte Kompilatoren nicht berufen. von der Pfordten.
Falkmann, N., Senatspräſident am Kammergericht.
Die Anfechtung von Rechtshandlungen
durch die Gläubiger außerhalb des Konkurſes.
(117 S.) Berlin 1908, Franz Siemenroth.
Das Buch, ein Sonderabdruck aus der 2. Auflage
der Zwangsvollſtreckung des gleichen Verfaſſers,
enthält eine ſyſtematiſche Darſtellung des Anfechtungs—
rechtes und den Text des Anfechtungsgeſetzes mit
Verweiſungen auf die Darſtellung. Die Vorzüge des
Geſamtwerkes über die Zwangsvollſtreckung ſind ſo
allgemein anerkannt, daß es kaum geboten iſt, ſie
hier ausführlich hervorzuheben. Auch bei der Behand—
lung des Anfechtungsrechtes hat der Verfaſſer bei der
eingehendſten Berückſichtigung einer reichhaltigen Ka—
ſuiſtik, der Streitfragen und der Rechtſprechung das
444
Hauptgewicht darauf gelegt, die den einzelnen Geſetzes⸗
vorſchriften zugrunde liegenden Rechtsgedanken klar
und ſcharf herauszuſtellen. Dieſes Verdienſt iſt um
ſo höher anzuſchlagen, als das Anfechtungsrecht zu
den ſchwierigſten Materien der Zwangsvollſtreckung
gehört. Gtr.
Fedderſen, J., Landgerichtsrat in Göttingen. Das
Schwurgericht. Unter Berückſichtigung der
Rechtſprechung des Reichsgerichts für die Praxis
dargeſtellt. (244 S.) Berlin 1907, Verlag von
Otto Liebmann. Gebd. 6 Mk.
Die Einleitung des Werkes, worin ſich der Ver⸗
faſſer als entſchiedener Gegner des Schwurgerichtes
bekennt, enthält eine kurze, ſcharfe Beleuchtung der
Mängel des ſchwurgerichtlichen Verfahrens. Das
Buch ift aber keine Kampf- und Reformſchrift, ſondern
eine objektive und umfaſſende Darſtellung des geltenden
Rechtes für das geſamte ſchwurgerichtliche Verfahren
von der Bildung der Spruchliſte an bis zur Urteils-
verkündung. Die Rechtſprechung des Reichsgerichtes
iſt durchweg mit peinlicher Gewiſſenhaftigkeit berück—
ſichtigt, die Behandlung der Frageſtellung und des
Spruches überdies durch zahlreiche praktiſche Beiſpiele
anſchaulich gemacht. Der Stoff ift klar und überſicht—
lich angeordnet, weitſchweifige theoretiſche Erörterungen
über die zahlloſen wiſſenſchaftlichen Streitfragen auf
dieſem Gebiet ſind dem Zweck des Buches entſprechend
vermieden. Wer ſich über das geltende Recht raſch
und ſicher unterrichten will, dem wird das Buch un—
entbehrliche Dienſte leiſten. Seine Bedeutung für die
Praxis wird auch die Reform des Strafprozeßrechtes
überdauern, da am ſchwurgerichtlichen Verfahren
vorausſichtlich nichts weſentliches geändert wird.
Gtr.
Notizen.
Vogelſchutz und Jagdſchutz. Die am 1. September
d. Irs. in Kraft getretenen reichsgeſetzlichen Aende—
rungen der Vorſchriften über den Vogelſchutz und ihr
Verhältnis zu den landesrechtlichen Beſtimmungen
wurden auf S. 276 des laufenden Jahrgangs dieſer
Zeitſchrift beſprochen. Die Kgl. VO. vom 15. November
1889 iſt jetzt durch die am 26. Oktober in Kraft ge—
tretene Kgl. VO. vom 19. Oktober 1908 (GVBL. S. 965)
erſetzt worden, die die landesrechtlichen Ergänzungen
dem Reichsrecht anpaßt. Das Verhältnis des Reihs-
rechts zum Landesrecht iſt jetzt kurz das folgende:
Vom 1. März bis 1. Oktober unterliegt der Bogel-
fang, Vogelhandel und Transport dem reichsgeſetz—
lichen Verbot im § 3 Abſ. 1; die im § 3 Abſ. 2 bez
zeichneten Arten genießen das ganze Jahr reichsgeſetz—
lichen Schutz. Für die Zeit vom 1. Oktober bis
1. März iſt außerdem landesrechtlich das Fangen und
die Erlegung der in der Anlage I der BO. angeführten
Vögel, der Ankauf, der Verkauf und das Feilbieten,
die Vermittelung des An- und Verkaufs, der Trans—
port ſolcher Vögel in totem Zuſtande verboten.
Das Verbot des Handels und Transports lebender
Vögel wurde auf das ganze Jahr nur hinſichtlich
einiger in der Anlage II bezeichneter Singvögel aus—
gedehnt. Durch beſondere Ueberſichtlichkeit zeichnen
ſich die Vorſchriften über den Vogelſchutz nicht aus.
Es iſt aber im einzelnen Falle wichtig feſtzuſtellen, ob
das reichsgeſetzliche oder das landesgeſetzliche Verbot
übertreten wurde, da die Strafrahmen verſchieden ſind.
Die neue VO. enthält auch einige mit dem Vogel-
ſchutze zuſammenhängende Aenderungen der Kgl. VO.
vom 5. Oktober 1863 über die Ausübung der Jagden
und der Kgl. VO. vom 11. Juli 1900 über die jagd—
baren Tiere. Für den Juriſten iſt von Intereſſe, daß
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 22.
P6000 —Tü————————— — . mn Pa 2
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
jetzt Hauskatzen, die in der Zeit vom 1. März bis
31. Auguſt in einer Entfernung von mindeſtens 200 m
von den nächſten bewohnten Anweſen oder in öffent-
lichen Anlagen „umherſtreifend betroffen werden“, von
dem Jagdausübungsberechtigten oder dem von ihm
aufgeſtellten Jagdaufſeher getötet werden dürfen.
1427 |
Sprachecke
des Allgemeinen Deutſchen Sprachvereins.
Scheinbar, auſcheinend. Allen Mahnungen zum Trotz
werden „ſcheinbar“ und „anſcheinend“ immer wieder
verwechſelt. Häufig genug kommt es allerdings vor,
daß fih die Bedeutungen beider nahekommen, z. B.
wenn bei einer Felddienſtübung ein Soldat bei der
Beſchreibung ſagt: „Halblinks von der Waldecke ein
grauer Fleck, anſcheinend ein Heuſchober“, jo
könnte er auch fagen: „ſcheinbar ein Heufchober“,
dann nämlich, wenn die Entfernung ſo weit iſt, daß
er nicht unterſcheiden kann, ob es nur „ſcheinbar“
ein Heuſchober, alſo in Wirklichkeit kein Heuſchober,
oder „anſcheinend“ einer, nämlich ſehr wahr⸗
ſcheinlich einer iſt. Scheinbar verneint nämlich,
bezeichnet den falſchen Schein; anſcheinend aber
bejaht, wenigſtens bedingungsweiſe. Das „ſcheinbar“
ging vielleicht von der „ſcheinbaren Mannsbreite“
aus und überwucherte nun im Heerweſen das „ans
ſcheinend“; aber auch die „Icheinbare Mannsbreite“
iſt ſchon unrichtig, denn der Ausdruck bedeutet in der
gebräuchlichen Anwendung, daß am Ziele etwas ſo
breit ausſieht, wie ein Mann dort „erſcheinen“ würde,
oder daß es um eine ſolche Breite von etwas anderem
entfernt iſt u. ä. Es handelt ſich alſo tatſächlich um
keine nur „ſcheinbare“, ſondern um eine wirkliche
Mannsbreite, nur in der Verkleinerung der Ent—
fernung. Für manchen ſtammt alſo vielleicht aus
ſeiner Dienſtzeit die Gewöhnung an das Wort, das
infolgedeſſen in der Umgangsſprache, in den Zeitungen
und beſonders in der Gerichts- und Verwaltungs-
ſprache ſein Weſen treibt. Klingt es aber nicht ſehr
abſonderlich, iſt es nicht eigentlich beleidigend, wenn
eine Steuerbehörde einem höheren Beamten ſchreibt:
„Sie find ſchein bar im vorigen Jahre zum Direktor
befördert worden“? So iſt es auch unrichtig, wenn
man einem Bekannten erzählt: „Ich war geſtern ver-
geblich an deiner Wohnung; die Tür war ſcheinbar
verſchloſſen.“ Sagt man ihm aber: „Du warſt ſchein⸗
bar nicht zu Hauſe“, fo enthält dieſer Satz oft eine
Wahrheit, wenn auch eine ungewollt unhöfliche. Ganz
falſch iſt es auch, wenn geſchrieben wird: „Der Ver⸗
unglückte hat ſchein bar die Geleiſe überſchreiten
wollen, um den Weg zu feiner Wohnung abzukürzen“,
denn es ſoll doch nur heißen: wahrſcheinlich, vermut⸗
lich o. ä., und es hätte alſo geſchrieben werden müſſen:
„Der V. hat anſcheinend die Geleiſe überſchreiten
wollen.“ — Es beſteht alfo der himmelweite Unter:
ſchied, daß „ſcheinbar“ nach heutigem Sprachge⸗
brauche die Wirklichkeit verneint, den falſchen
Schein ausdrückt, während „anſcheinend'“ fie, wenn
auch nur bedingt, bejaht und eben ausdrückt, daß alle
Anzeichen dafür ſprechen, daß es wirklich ſo ſei,
wie es den Anſchein hat. — Scheinbar nur ein
kleiner Fehler, wird dieſe ewige Verwechſlung der
beiden Wörter anſcheinend — und leider nicht etwa
bloß „ſcheinbar“ — nur mit dazu beitragen, daß das
feine Sprachgefühl im Alltagsleben immer mehr ver«
loren geht.
1416
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juſtiz.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie., G. m. b. H., Freiſing.
München, den 1. 1. Dezember 1908. 1908.
4. I Jahrg.
Feitfhrif rift für Rechtspflege
in Bayern
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer.
Staats miniſterium der Juſtlz.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im 9 von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Voſtanfalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a).
Die Reform des Etrafverfahrens und die
Geſchäftsvereinfachung.
Von Oberlandesgerichtsrat R. Deinhardt in Jena.
Verlag von
2. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier)
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Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile
A deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
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1 . GL
Nachdruck verboten.
In Vervielfältigung des Schreibwerks ift das
Streben, den Angeklagten und ſeinen Verteidiger
möglichſt zu Eu und zu ſchirmen, ausgelaufen.
Durch die Ueberfülle der Formen will man dem
Streben genügen, milde Richter zu ſchaffen. Statt
Der Entwurf zur StPO. beſchäftigt fih in dem Richter Bewegungsfreiheit, das belebende Be-
der Hauptſache damit, die eigenartigen Grundſatze
des Strafprozeßverfahrens in Einzelheiten anders
zu regeln. Nur nebenbei ſtreift er die allgemeinen
Grundſätze jedes Verfahrens. Daß unſere ganze
Geſchäftsbehandlung einfach und kurz, überſichtlich
und ohne zweckloſes Beiwerk, gedrungen und ſich
auf das Notwendige beſchränkend ſein muß, ent⸗
ſpricht der Entwickelung unſeres ganzen Verkehrs
und die Staatsnotwendigkeiten drängen von allen
Seiten dazu, immer mehr die Weitläufigkeiten,
die Umſtändlichkeiten, den unnützen Formen⸗
wirrwarr abzuſchütteln. Jeder Betrieb ſucht die
wachſenden Aufgaben und Tätigkeiten dadurch zu
bewältigen, daß er die Betriebsmethoden verbeſſert
und überflüſſige Räder ausſchaltet, die vorhandenen
Kräfte beffer verwendet, die Einrichtungen zu:
ſammenfaßt, aber kein verſtändiger Geſchäftsleiter
bleibt, um des Neuen Herr zu werden, bei ver:
alteten Betriebsformen und dehnt ſie lediglich dem
Umfange nach aus. Mehr Umſatz und Leiſtungen,
weniger Speſen, heißt es überall. Handels- und
Fabrikbetriebe leiſten mit denſelben Kräften mehr
als früher, die Landwirtſchaft bringt mehr hervor
mit weniger Kräften. Leider trägt der Entwurf
ſolchen Geſichtspunkten noch nicht Rechnung.
Zwar braucht es zur Eröffnung des Haupt—
verſahrens nicht mehr der Mitwirkung dreier
Richter, der Vorſitzende allein wird tätig, der
Eröffnungsbeſchluß fällt weg, es wird nur Haupt:
verhandlung anberaumt; zur Ueberweiſung iſt nicht
mehr der Antrag des Staatsanwalts, Beſchluß
der Dreimännerfammer, Abgabe der Akten an
das Schöffengericht zur Anſetzung des Termins
notwendig, ſondern der Staatsanwalt erhebt die
Anklage ohne weiteres bei dem Amtsgericht. Das
iſt aber ſo ziemlich alles auf dieſem Gebiete. Im
übrigen hat der Entwurf alte Weitläufigkeiten be-
ſtehen laſſen und neue im Uebermaß geſchaffen.
wußtſein der Selbſtändigkeit zu geben, dadurch
die Freude zu ſeinem Berufe zu ſtärken und das
menſchliche Wohlwollen zu vermehren, hat man
ihm überall Zäune von Stacheldraht gezogen,
daß er nicht abirrt, und ertötet die Arbeitsluſt.
Er wird Automat, der herausgibt, was die Par⸗
teien hineintun.
Den Angeklagten und ſeinen Verteidiger hat
man mit liebevollerer Sorgfalt angeſehen, als den
Richter. Ihnen hat man alles Vertrauen ent⸗
gegengebracht, fie möglichſt von allen Einſchnü⸗
rungen und Einſchränkungen befreit, den Richter
aber betrachtet man mit allem möglichen Miß⸗
trauen, alles wird bei ihm „reglementiert“ und
„dekretiert“, der beſchränkte Untertanenverſtand
kehrt hier als beſchränkter Richterverſtand wieder,
in jeder Lage wird ihm gebieteriſch vorgeſchrieben,
was er zu tun und zu laſſen hat. In dieſer un⸗
ſeligen Neigung des Deutſchen, alles in Para:
graphen zu faſſen und alles recht förmlich zu
machen, ſchwelgt der Entwurf; die unwirtſchaft⸗
liche Vielſchreiberei, das Vieltun wegen unweſent⸗
licher Dinge, die ſubalternſte Bürokratie wird ver-
mehrt. Man beklagt ſich, daß die Richter pedan⸗
tiſche Buchſtabenmenſchen ſeien; das iſt zum Teil
auch richtig. Nicht ohne ihre Schuld hat ſich
der Irrglaube feſtgeſetzt, daß das Verſteifen auf
das Formale das ſei, was das Weſen der
Richter ausmache. Die Geſetzgebung züchtet ſie
ja aber zu Beamten heran, die zunächſt peinlich
auf die Form achten müſſen, und dabei kommt
es ganz von ſelbſt, daß über der Achtſamkeit auf
das kleinliche Aeußerliche das Sachliche Schaden
leidet. Der Sinn für das Weſentliche geht da—
durch oft verloren und er iſt doch die Grundlage
aller Tätigkeiten. Das Aeußere und Aeußerlichſte
der Dinge bekommt eine ſich blähende Wichtigkeit;
was der wirkliche Inhalt, ob er echt und ſachlich
446
ift, dieſe Frage verſchwindet oft ganz. Die Ge:
ſetzgebung iſt es, die dafür ſorgt, daß das Geiſtige,
Menſchliche ausgetrieben wird, die Feſſeln der
Form ſind Fallſtricke, die gerade bewirken, das
Anſehen der Juriſten herabzuſetzen und das ganze
Verfahren ſo unvolkstümlich wie möglich zu machen.
Aufgabe einer verſtändigen Reform müßte es ſein,
den Richter nicht durch kleinliche Pedanterien zu
zügeln, ſondern durch den Hinweis auf die großen,
ſachlich entſcheidenden Geſichtspunkte zu einer in
ſich gefeſtigten, kraftvollen, ſelbſtändigen Perſönlich⸗
keit immer mehr heranzubilden, ihn nicht zum
Formaliſten herabzudrücken, ſondern zum freien,
des Ziels bewußten Menſchen emporzuheben. Bei
der Einengung und Beſchränkung, dem Zurück—
drängen auf die Form und beſtimmt vorgeſchrie⸗
bene Erwägungen kommt die Erziehung zum Willen,
zur Initiative in Rückſtand. Von den Seelen⸗
kräften leidet die Willensſeite Schaden. Zu wenig
Tatbereitſchaft, zu wenig Verantwortlichkeitsdrang,
kein praktiſches und taktiſches Handeln und Ent⸗
ſchließen. Geiſtige Kräfte werden in weitem Maße
brachgelegt. Die Tat iſt immer ſtärker geweſen
als das Wort. Wenn es dem Richter an Wohl:
wollen fehlen ſollte, was wundert man ſich dar—
über, da ihn die Geſetzgebung ſelbſt nicht mit
Wohlwollen behandelt und ſelbſt ihn als den
ſchwarzen Mann betrachtet, der immer darauf
ausgeht, dem Angeklagten über Gebühr Uebeles
zuzufügen, den ſie deshalb möglichſt einengen und
binden muß. Dieſe Zeitſchrift und ihr Heraus:
geber find immer dafür eingetreten, die Rechts⸗
pflege von überlebtem äußerlichem Formenweſen
zu befreien und eine friſchere Betätigung des
Richters zu erſtreben. Deshalb mögen einige Pe:
merkungen zu dem Entwurfe unter dieſen Geſichts—
punkten geſtattet ſein. Maßgebend iſt dabei der
Gedanke: Was fällt, ſollt ihr noch ſtoßen.
Der Entwurf will nach der Begründung der
örtlichen Zuſtändigkeit erhöhte Berückſichtigung ge—
währen und bisher beſtehende Schranken beſeitigen
(S. 190 der Liebmannſchen Ausgabe).
Er ſetzt ſich damit in Widerſpruch mit der
ſonſtigen Entwickelung. Sie geht ohne Zweifel
auf Zurückdrängung des Formalen. Die Zu—
ſtändigkeitsfragen gehören hierzu. Der Entwurf
zur Abänderung der ZPO., der jetzt den Reihs-
tag beſchäftigen wird, ſucht den Unzuſtändigkeits—
einreden die Giftzähne auszubrechen und ſchränkt
ihre Wirkſamkeit ein. Er ſetzt fort, was die
Novelle von 1905 begonnen hatte. Mit Recht
ſagt die Begründung dazu, daß Streitigkeiten
über die Zuſtändigkeit für die Partei meiſt un—
fruchtbar und koſtſpielig ſeien. Sie ſind ein
Ueberbleibſel aus der Zeit, wo das Prozeſſeführen
oft ein anmutiges, unterhaltendes Spiel mit pro—
zeſſualen Formen war, in dem die Geſchicklichkeit,
mit ſolchen umzugehen, entſchied. Unſere An—
ſchauung iſt doch tiefer, mehr auf die Sache und
die Wahrheit gerichtet. Es ſcheint nicht ange—
T Viren — . KV—— . — — — — — .——ꝛ—— . ꝛ. ——ñ — . — —ũ . — — — . — — —— —
— — . . —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
bracht, das Feld für die Unzuſtändigkeitseinreden
im Strafprozeß noch zu erweitern. Im Gegenteil.
Die Möglichkeit, daß ein örtlich unzuſtändiges
Gericht entſcheidet, wird ganz gering; wenn die
Unzuſtändigkeit ſich erſt in ſpäteren Abſchnitten
des Verfahrens zeigt, handelt es ſich um ſo
geringfügige Feinheiten, daß ſie nicht berückſichtigt
zu werden brauchen, und der Angeklagte erleidet
dadurch keinen Schaden. Es wäre deshalb zu 8 1
ein Zuſatz zu machen, daß die Einrede der ört⸗
lichen Unzuſtändigkeit nach der Eröffnung des
Hauptverfahrens nicht mehr berückſichtigt wird.
Die Weitläufigkeiten des $ 209 find in einer
derartig formalen Sache nicht notwendig und die
Einrede der örtlichen Unzuſtändigkeit könnte beim
Berufungs- und Reviſionsverfahren ausgeſchaltet
werden ($ 329 Abſ. 2, § 347).
Die Einrichtung von viererlei Arten der Ge-
richte erſter Inſtanz (Amtsrichter, Amtsrichter mit
Schöffen, Strafkammer, Schwurgericht), wenn man
das Reichsgericht mitrechnet, von fünferlei, iſt zu
umſtändlich und widerſpricht dem Grundſatze, daß
die Gliederung der Zuſtändigkeit einfach und leicht
verſtändlich ſein muß. Die Weiterentwickelung
muß auf Vereinfachung hinausgehen und man
wird wohl dazu kommen, die Zuſtändigkeit der
Amtsgerichte noch auszudehnen. Das entſpricht
der ſozialen Umſchichtung unſerer Bevölkerung.
Man kann als Wertsgrenze bei Diebſtahl, Unter-
ſchlagung, Betrug, Sachbeſchädigung ſtatt 150 M
300 M annehmen und die Ueberweisbarkeit
braucht man nicht an ſolche kleinliche Beſtim⸗
mungen zu knüpfen, ob ſechs Monate Strafe zu
erwarten iſt oder mehr. Dieſe Abgrenzung iſt
doch recht willkürlich. Man ſoll die Möglichkeit
der Ueberweiſung bei allen Vergehen mit einzelnen
Ausnahmen geben, und es dem Ermeſſen des
Staatsanwalts überlaſſen, ob er von der Mög⸗
lichkeit nach Lage des Falles Gebrauch machen
will. Die Sachen können ja gerade auch dann
rechtlich und tatſächlich einfach liegen, wenn eine
höhere Strafe geboten iſt.
Eine Häufung von unnützem Schreibwerk,
Aktenverſendungen, Tagebucheintragungen, über—
flüſſigen Kontrollen ergibt ſich aus der Stellung,
die der Staatsanwaltſchaft dem Gericht und den
Staatsanwaltſchaften gegenüber den Polizeiorganen
angewieſen worden iſt.
Daß die Vollſtreckung der Entſcheidungen in
$ 29 der Staatsanwaltſchaft, der Vollſtreckungs—
behörde nach $ 463, zugewieſen ift, mag praktiſchen
Sinn haben. Daß die Staatsanwaltſchaft aber
auch die Zuſtellungen der gerichtlichen Verfügungen
beſorgt, beruht auf einer lediglich doktrinären Muj-
faſſung über die Stellung von Gericht und Staats—
anwaltſchaft. Für die Praxis iſt dieſe Auffaſſung
vollſtändig bedeutungslos, ja ſchädlich. Der
Richter ſoll mit dem Zuſtellungsweſen verſchont
bleiben und ſich nur ſeiner Rechtſprechung widmen,
war der Gedanke. In Wirklichkeit ſtellt doch nicht
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
der Richter oder der Staatsanwalt zu, ſondern
der Gerichtsſchreiber oder der Sekretär der Staats⸗
anwaltſchaft. Dem Richter wird gar keine Arbeit
erſpart. Der Entwurf durchbricht ſein Prinzip des
§ 29 ſchon durch den Abſ. 2, durch die bisherige
Beſtimmung für das Privatklageverfahren ($ 389
Abſ. 2), über die Vollſtreckung durch den Amts—
richter ($ 463 Abſ. 2) und durch die neue Be:
ſtimmung, daß Urteile, gegen die Berufung oder
Reviſion eingelegt wird, vom Gerichtsſchreiber zu:
zuſtellen find (88 316, 337). Die Begründung
ſieht hierin eine Vereinfachung und Beſchleunigung
des Verfahrens (zu 88 315 bis 318 a. E.). Und
in der Tat! Die Zuſtellung durch die Staats—
anwaltſchaft führt zu zweckloſen Weitläufigkeiten:
Beſchluß des Gerichtsvorſitzenden, daß die Akten
an die Staatsanwaltſchaft zur Zuſtellung abzu—
geben ſind, Abgabe der Akten dahin, Eingangs—
l
vermerk, Eintragung in deren Tagebuch, Akten⸗
zeichen, Beſchluß des Staatsanwalts, Ausführung
durch Sekretär und Diener, Beſchluß des Staats—
anwalts auf Rückgabe der Akten, Eingangsver⸗
merk beim Landgericht: während bei der Zuſtellung
durch den Gerichtsſchreiber die Akten bei dem
Gericht bleiben und alles Beiwerk wegfällt. Die
Gerichtsſchreiberei kann in dem Zeitalter der
Schreibmaſchinen am beſten die Abſchriften ſofort
mit den Beſchlüſſen herſtellen, es wird Zeit geſpart
und ſie kann gleich die Zuſtellung beſorgen.
Welche Behörde oder welches Geſchäft, das ſelber
Einrichtungen zur Verſendung von Briefen hat,
tun.
|
überläßt das einer anderen Stelle und gibt zu
der einzelnen Verſendung die ganzen Akten weg?
Die jetzige Regelung führt zu den kleinlichſten
Zuſtändigkeitsſtreitigkeiten, die oft mit dem An-
ſpruch auf die größte Wichtigkeit ausgetragen
werden, z. B. ob der Gerichtsſchreiber für die Ab—
ſchriften zu ſorgen hat oder der Sekretär und wer
ſie zu beglaubigen hat.
Regelungen von Formſachen, die Anlaß zu
nichtigen Zuſtändigkeitsſtreitigkeiten geben und das
Verfahren mit unnützen Weitläufigkeiten belaſten,
die auch von vielen Ausnahmen durchbrochen
werden, ſoll man vermeiden. Wenn der Gerichts-
ſchreiber Entſcheidungen, die angefochten werden,
zuſtellt, warum ſoll er nicht auch ſolche zuſtellen,
die auf die Anfechtung ergehen? Will man die
Beſchleunigung und Vereinfachung nicht auch dem
Verfahren im ganzen zuteil werden laſſen? Was
für die Schöffengerichtsſachen, die doch die Haupt—
maſſe bilden, durchgeführt iſt, ſollte das nicht auch
für die anderen Strafſachen der natürlichſte und
einfachſte Weg ſein? Man ſchaffe deshalb freie
Bahn und beſtimme in § 29:
Zuzuſtellen hat die Entſcheidungen der Ge—
richtsſchreiber.
der Staatsanwaltſchaft, dieſer ſind die Ent—
ſcheidungen zu übergeben.
Entſcheidungen, die den inneren Dienſt der
Gerichte oder die Ordnung während der
Die Vollſtreckung iſt Sache
447
Sitzung betreffen, oder deren Vollſtreckung
eilig iſt, ſind durch den Vorſitzenden, Ent⸗
ſcheidungen, Beſchlüſſe und Verfügungen des
Unterſuchungsrichters und des Amtsrichters
ſind durch dieſe ſelbſt zu vollſtrecken.
$$ 316, 337 wären entſprechend zu ändern.
Nicht weniger iſt es eine Weitläufigkeit und
Verlangſamung des Verfahrens, daß die Staats⸗
anwaltſchaft die Beteiligten, den Angeklagten, Ver⸗
teidiger und die Zeugen ladet (88 211, 216).
Der Vorſitzende beſtimmt den Termin, beſchließt,
daß die Akten an die Staatsanwaltſchaft gehen,
ſie gelangen durch den Gerichtsſchreiber an die
Staatsanwaltſchaft uſw. und von da auf dem
üblichen Wege und deſſen amtlicher Regiſtrierung
zurück. In Schöffengerichtsſachen iſt es jetzt doch
wohl meiſt ſo geordnet, daß der Gerichtsſchreiber
alles beſorgt. Das kann überall eingeführt werden.
In § 29 könnte neben zuzuſtellen eingefügt werden:
Er hat auch die Ladungen zu beſorgen.
Bei allen dieſen Dingen hat die Staats⸗
anwaltſchaft doch wenigſtens noch etwas Sachliches zu
Blokes Beförderungsinſtitut, Durchgangs—
ſtation für die Gerichtsakten iſt ſie bei dem Ver⸗
kehr zwiſchen den Inſtanzen.
Auf die Berufung ſchickt der Gerichtsſchreiber
die Akten der Staatsanwaltſchaft, dieſe überſendet
ſie dem Staatsanwalt bei dem Berufungsgericht.
Dieſer übergibt ſie binnen einer Woche dem Vor⸗
ſitzenden des Berufungsgerichts (8 331). Ebenſo
geht der Weg zurück, wenn das Berufungsurteil
oder der Beſchluß auf die Beſchwerde erlaſſen iſt.
Und derſelbe Aktenrundreiſeverkehr ſpielt ſich ab
nach der Reviſionsinſtanz und von der Reviſions⸗
inſtanz über Reichsanwalt, Oberſtaatsanwalt,
Staatsanwalt zurück ($ 338). Daß der vorgeſetzte
Staatsanwalt die Berufung des ihm untergeord—
neten prüft und, wenn fie unbegründet ift, zurück⸗
nimmt, trifft nur in ganz vereinzelten Fällen zu.
Die Prüfung der ſtaatsanwaltſchaftlichen Rechts⸗
mittel kann aber auch auf anderem Wege erreicht
werden. Bei Rechtsmitteln der Angeklagten iſt
der Durchgangsverkehr der Akten ganz bedeutungs—
los. Die Akten werden bei der Weitergabe gar
nicht geprüft, das ſollte man aus der Praxis er:
kennen. Die Eröffnungs- und Ueberweiſungs—
beſchlüſſe hat man bisher wenigſtens in der Regel
geprüft, trotzdem hat man hier die Praxis wohl
durchſchaut und ſie von einer leeren Form befreit.
Irgend ein ſachlicher Erfolg tritt bei dem Durch—
gangsverkehr nicht ein, das ganze Herumſchicken
dient nur dazu, die Schreibarbeit, die Zahl der
Geſchäftsnummern zu vermehren. Dieſe Art der
Benutzung der Einrichtung der Staatsanwaltſchaft
reicht noch nicht einmal an ihre Tätigkeit in Ehe⸗
prozeſſen heran, die doch auch vollkommen unglück—
lich geordnet iſt. Es genügte auf alle Fälle die
Vorſchrift, daß der Gerichtsſchreiber, nachdem er Ur:
dem Vorſitzenden des Berufungsgerichts überjendet.
teil und Berufungsanträge zugeſtellt hat, die Akten
448
Für das Privatklageverfahren aber gar iſt nach
der Praxis, die ſich nicht ändern wird und ſich
auch nicht zu ändern braucht, der Aktenrundreiſe⸗
verkehr der lebensfremdeſte, zopfigſte Behörden⸗
verkehr, unwürdig ganz und gar des Zeitalters, das
im Zeichen des Verkehrs ſteht, zweckloſe Beläſtigung
der Gerichte und Staatsanwaltſchaften (§ 395 Abſ. 3).
Man mag annehmen, die Staatsanwaltſchaft
erfahre dabei, wenn ein öffentliches Intereſſe vor⸗
liege, daß ſie die Verfolgung übernehmen müſſe.
Welcher Staatsanwalt lieſt die Akten? Sie werden
in das Tagebuch eingetragen, ein Ueberſendungs⸗
beſchluß wird darauf geſetzt, ſie gehen weiter. Ein
Briefträger pflegt nur ſelten die Poſtkarten, die er
befördert, zu leſen. Und der Staatsanwalt würde
die Zeit verſchwenden, wenn er die Privatklage⸗
ſachen durchleſen wollte, um einmal eine Perle
herauszufinden, bei der ſich die öffentliche Ver⸗
folgung lohnte.
Das erfährt er auf anderen Wegen genug und
übergenug. Das Intereſſe der Beteiligten ift
dazu mehr als ausreichend. Anzeigen zu machen
und Beſchwerden bis zur oberſten Juſtizverwaltungs⸗
behörde einzureichen, das unterlaſſen Geſchädigte
wahrhaftig nicht.
Der Möglichkeit, daß die Staatsanwaltſchaft
die Verfolgung übernimmt, ſollen auch die Mit⸗
teilungen an ſie dienen, die im Privatklageverfahren
vorgeſchrieben ſind. Hier ſorgt man nur für
die Anhäuſung von Makulatur in den Schreib⸗
ſtuben der Staatsanwaltſchaft. Die meiſten Privat⸗
klagen — 99 von 100 — ſind für ſie ohne
Intereſſe, Schimpfereien oft recht kleinlicher Art,
ein böſes Wort, das ſonſt 10 mal ertragen wird,
wird aus Rachſucht, übergroßer Empfindlichkeit
und ſonſtiger kleinlicher Veranlaſſung verfolgt,
unlautere Beweggründe allerlei Art ſpielen eine
Rolle, ein ernſter Ehrenſtreit iſt es oft nicht,
einer, der die Oeffentlichkeit angeht, nur ganz felten.
Wenn die Staatsanwaltſchaft Intereſſe haben
kann, ſo iſt das Beſtreben der Privaten, das
läſtige Privatklageverfahren zu vermeiden und die
eigene Verantwortung auf die Staatsanwaltſchaft
abzuwälzen, ausreichend genug, daß ſie Kenntnis
bekommt. Zum Ueberfluſſe könnte man noch eine
Beſtimmung einfügen, daß das Gericht von dem
Privatklageverfahren der Staatsanwaltſchaft Mit:
teilung zu machen hat, wenn ein öffentliches In⸗
tereſſe vorliegt. Nur was wirklichen Sinn hat,
zu tun, kann man dem Richter vorſchreiben, ver:
fehlt iſt es, ihm ſolche Vorſchriften zu machen,
deren Ausführung in den meiſten Fällen ohne
jeglichen Sinn iſt. Die Arbeit des Mannes, der
Sinnloſes tun muß, verliert ihre ſittlich erhebende
Kraft. Die Häufung der Mitteilungen iſt aber
überflüſſig. Die Klage ſoll mitgeteilt werden
($ 386), der Termin zur Hauptverhandlung iſt mit⸗
zuteilen (§ 390 Abi. 4), der Einſtellungsbeſchluß,
wenn die Klage zurückgenommen iſt oder der
— —— —ů2— et —iiu . —. i- —
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
ift mitzuteilen ($ 396 Abſ. 4)
— wenn der Verletzte ſelbſt verzichtet ‚oder ſich
ſeiner Sache nicht annimmt, iſt ſie nicht wert,
daß die Staatsanwaltſchaft es erfährt —, der
Vergleich iſt der Staatsanwaltſchaft bekannt zu
machen (8 397), — wenn die Parteien ſich ver⸗
gleichen, ſollte die Sache für die Staatsanwalt⸗
ſchaft erledigt ſein und es auch keiner beſonderen
Mitteilung bedürfen; der Tod des Privatklägers
iſt der Staatsanwaltſchaft bekannt zu machen ($ 398),
die ſchriftlich erhobene Widerklage iſt der Staats⸗
anwaltſchaft mitzuteilen (8 399 Abſ. 4); endlich
aber ein Lichtblick: die mündliche iſt nur mit⸗
zuteilen, wenn es das Gericht für angezeigt er⸗
achtet ($ 399 Abſ. 4), eine vernünftige Be⸗
ſtimmung, die man einfach auf alle Handlungen
im Privatklageverfahren ausdehnen ſollte.
Daß nach § 162 Abſ. 2 die Staatsanwaltſchaft
Ermittelungen jeder Art anſtellen oder auch durch
die Behörden des Polizei⸗ oder Sicherheitsdienſtes
anſtellen laſſen kann, bringt nicht in der wünſchens⸗
werten Weiſe zum Ausdruck, daß der Staats-
anwalt die Ermittelungen ſelbſt vornimmt und
daß er die Kriminalbeamten direkt beauftragt.
Eine Gewähr für Geſchäftsvereinfachung wird alſo
nicht gegeben, es bleibt die jetzige Handhabung,
daß die Akten immer möglichſt bald wieder aus
den Augen des Staatsanwalts wegkommen und
in der Welt herumlaufen. Aktenbeiziehung. nach
2 Wochen Perſonalbogen beiziehen, C-Anfrage,
dann Auftrag an einen Gendarmen, bald an einen
anderen. Und dann der Verkehr mit dem Ge:
meindevorſtand derſelben Stadt, in der der Staats⸗
anwalt amtiert: Eintragung in deſſen „Regi⸗
ſtrande“, Zwiſchenverfügung des Gemeindevor⸗
ſtandes, Abgabe an den Schutzmann und auf
demſelben Wege Rückſendung; dafür müßte ein⸗
fache Abgabe an den Schutzmann oder Vorladung
vor den Staatsanwalt treten.
Hier verſagt der Entwurf vollſtändig.
(Schluß folgt).
Kläger ausgeblieben iſt,
Einige Fragen des neuen Fiſchereirechts.
Von Joſeph Bleyer, II. Staatsanwalt in München,
verw. im Kgl. Staatsminiſterium der Juſtiz.
I. Beſitz und Eigentum an Fiſchen.
Die Fiſche ſind nach dem Sprachgebrauche des
BGB. ($ 960) „wilde Tiere“ und als ſolche in
der Regel der menſchlichen Herrſchaft nicht unter⸗
worfen, herrenlos. Wer einen herrenloſen Fiſch
in Eigenbeſitz nimmt, erwirbt daran das Eigen⸗
tum, ſofern nicht die Aneignung geſetzlich verboten
oder durch die Beſitzergreifung das Aneignungs—
recht eines andern verletzt wird. „Aneignung“
im Sinne des $ 958 BGB. iſt demnach der recht⸗
re — — —
lich erlaubte Erwerb des unmittelbaren oder mittel⸗
baren Eigenbeſitzes an einer herrenloſen Sache. Der
Aneignung find die in Teichen oder anderen ge:
ſchloſſenen Privatgewäſſern gehaltenen Fiſche nicht
unterworfen, denn fie find nach $ 960 Abſ. 1
Satz 2 nicht herrenlos.
Das Fiſchereigeſetz vom 15. Auguſt 1908 be⸗
ſtimmt in Art. 1 Abſ. 1 als den Inhalt des
Fiſchereirechts die Befugnis 1. die Fiſche zu hegen,
2. die Fiſche fih anzueignen. Da das Geſetz hier
zwiſchen geſchloſſenen und nicht geſchloſſenen Ge⸗
wäſſern nicht unterſcheidet, liegt die Annahme nahe,
daß es entgegen dem § 960 Abſ. 1 BGB. auch
die Fiſche in geſchloſſenen Gewäfſern als herrenlos
betrachtet. Die Folgerung wäre irrig. Mit der
Frage, unter welchen Vorausſetzungen die Fiſche
herrenlos oder nicht herrenlos ſind, befaßt ſich das
Fiſch G. nicht. Das dort geregelte Aneignungsrecht
erſchöpft ſich in der Befugnis, dem Fiſchfange
nachzugehen (den Fiſchen nachzuſtellen, ſie zu fangen)
und an den Fiſchen Eigentum zu erwerben, Ío-
weit fie nicht hon dem Berechtigten
nach den allgemeinen bürgerlich recht—
lichen Vorſchriften gehören. Ob an den
Fiſchen Eigentum beſteht, muß deshalb auch unter
der Herrſchaft des FHG. nach dem BGB. beant-
wortet werden. Die Schwierigkeiten ſind damit
allerdings nicht beſeitigt, denn die Vorſchriften
des Reichsrechts zeichnen ſich nicht durch Klarheit
aus. Ich greife zwei wichtigere Fragen heraus,
deren Entſcheidung auch für das Strafrecht von
Bedeutung iſt.
A. Die geſchloſſenen Privatgewäſſer des
8 960 Abſ. 1.
Die Fiſche, die ſich in einem rings um⸗
ſchloſſenen Gewäſſer befinden, ſind in ihrer Be—
wegungsfreiheit durch die Grenzen des Gewäſſers
beſchränkt, aber auch dem Zugriffe des ale
nicht ohne weiteres unterworfen. Es kann zweifel-
haft ſein, ob die ſo begrenzte Verfügungsgewalt
des Menſchen mangels einer beſonderen Be—
ſtimmung von der Rechtsordnung als GBeſitz
und) Eigentum an den Fiſchen anerkannt iſt.
Die Vorſchrift des § 960 Abſ. 1 Satz 2 hat
den Zweck, darüber Klarheit zu ſchaffen. Schon
der I. Entwurf des BGB. enthielt die Beſtim—
mung (mit einer redaktionellen Abweichung). In
den Motiven Bd. III S. 371 iſt dazu bemerkt:
„In der . . . Vorſchrift wird einem Mißverſtänd—
niſſe, welches das Gefangenhalten zu eng auffaßt,
vorgebeugt. Das Gefängnis kann ein engeres
oder ein weiteres, alfo auch . . . ein abgeſchloſſenes
Gewäſſer ſein“. Als Vorbilder wurden bezeichnet
das Preuß. ALR. I, 9 8 176 f. und § 229
S. 2 des Sächſ. BGB. Das letztere beſchränkt
ſich auf die Vorſchrift „Fiſche in Teichen ſind
nicht herrenlos“. Das preußiſche Landrecht be—
ſtimmt: „Teiche, Hälter, Seen und andere ge—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
449
ſchloſſene Gewäſſer, welche ſich nicht über die
Grenze des Grundſtlücks erſtrecken, in welchem fie
liegen, ſind in der Regel als das Eigentum des
Grundherrn anzuſehen. Die Fiſche in ſolchen
Privatgewäſſern gehören alſo auch dem Eigen⸗
tümer des Grundſtücks“. Bei der II. ing
wurde der Antrag, den jetzigen $ 960 Abi. 1
S. 2 als „ſelbſtverſtändlich“ zu ſtreichen, „im Inter⸗
eſſe der Deutlichkeit“ abgelehnt (Prot. III S. 254).
Leider iſt das Geſetz nicht ſo deutlich, als die
Verfaſſer annahmen. In der Literatur iſt be⸗
ſtritten, was ein „geſchloſſenes Privatgewäſſer“
im Sinne des BGB. iſt. Planck 3. Aufl. Erl. 2
zu 8 960 meint: „Geſchloſſene Gewäſſer find
ſolche, welchen es an einer für den Wechſel der
Fiſche geeigneten Verbindung fehlt; ſolche Ge:
wäſſer ſind ſtets Privatgewäſſer, d. h. nicht
öffentliche Gewäſſer im Sinne des Waſſerrechts“.
Kretzſchmar, Sachenrecht Bem. 2 zu 8 960 fordert
dagegen ein geſchloſſenes im Privateigentum ſtehendes
Gewäſſer; wenn das Gewäſſer öffentlich im Sinne
des Landeswaſſerrechts ſei, finde der Satz 2 keine
Anwendung. Der Kommentar von Staudinger
Bem. 1 8 zu 8 960 läßt im Anſchluß an
Staudinger, BIRA. Bd. 63 S. 288 den Begriff
„Privatgewäſſer“ durch das Landeswaſſerrecht be⸗
ſtimmen, ebenſo der Kommentar von Biermann
Bem. 1 zu $ 960.
Dieſen Anſichten iſt für bayeriſche Verhältniſſe
folgendes entgegenzuhalten: Das Landeswaſſer⸗
recht iſt im Waſſergeſetze vom 23. März 1907
und im Fiſchereigeſetze vom 15. Auguſt 1908
enthalten. In beiden Geſetzen kehrt der Begriff
„geſchloſſenes Gewäſſer“ wieder, aber mit ver⸗
ſchiedener Bedeutung. Das FiſchG. unterſcheidet im
Art. 2 drei Arten von geſchloſſenen Gewäſſern.
Für ihre Abgrenzung von den anderen Gewäſſern
waren nicht Rückſichten auf zivilrechtliche Ver⸗
hältniſſe maßgebend, ſondern das Bedürfnis, die
Anwendung einer Reihe von Vorſchriften des FiſchG.
auf gewiſſe Arten von Gewäſſern auszuſchließen.
Die in Nr. 1 bezeichneten künſtlich angelegten
Fiſchteiche find geſchloſſene Gewäſſer im Sinne
des Fiſch GG. auch dann, wenn fie mit einem natür-
lichen Gewäſſer in Verbindung ſtehen. Nach aus⸗
drücklicher Beſtimmung des Geſetzes („im Sinne des
Geſetzes“) ſoll übrigens ſeine Abgrenzung der ge—
ſchloſſenen Gewäſſer nur für die Auslegung des
vorſchriften) gelten.
(und der noch zu erlaſſenden Vollzugs—
Der Auslegung des BGB.
darf ſie nicht zugrunde gelegt werden.
Das WG. unterſcheidet zwiſchen geſchloſſenen
öffentlichen und geſchloſſenen Privatgewäſſern (Art. 1
Abſ. 2; Art. 16). Zu den geſchloſſenen Privat—
gewäſſern rechnet es nicht nur Gewäſſer, denen
es an einer für den Wechſel der Fiſche geeigneten
Verbindung fehlt, ſondern auch Quellen, dann
künſtlich angelegte Kanäle, Gräben. Bei der Unter—
ſcheidung der öffentlichen und privaten Gewaͤſſer
geht das WG. nicht von tatſächlichen Merkmalen
FiſchG.
450
aus, die im Einzelfalle die Feſtſtellung ermög⸗
lichen, ob ein öffentliches oder ein privates ge⸗
ſchloſſenes Gewäſſer vorliegt, ſondern von den „be:
ſtehenden Rechtsverhältniſſen“, d. h. den bei dem
Inkrafttreten des alten Geſetzes von 1852 be⸗
ſtehenden Rechtsverhältniſſen (f. die Kommentare
zu Art. 1 Abſ. 2 WG.). Von zwei rings um⸗
ſchloſſenen Seen kann der kleinere ein öffentliches,
der größere ein privates Gewäſſer ſein. Was den
erſteren zum öffentlichen Gewäſſer macht, iſt das
Beſtehen eines Gemeingebrauchs an ihm, dem der
andere nicht unterworfen iſt.
Auf dieſe vielfach zufällige und unſichere
Scheidung läßt fidh der bürgerlich rechtliche Pe-
griff des geſchloſſenen Privatgewäſſers nicht
aufbauen, abgeſehen davon, daß zu den ge:
ſchloſſenen Privatgewäſſern des Waſſerrechts Ge⸗
wäſſer gehören, denen die räumliche Begrenzung
fehlt. Die Auslegung des BEB. ift deshalb
unabhängig von den gleichlautenden Begriffen des
Landeswaſſerrechts zu verſuchen. Eine Handhabe
dafür bietet die Entſtehungsgeſchichte. Das BGB.
wollte fih der bisherigen Rechtsauffaſſung an:
ſchließen. Bis zum Jahre 1900 hat die Literatur
und Rechtſprechung im Einklange mit der im
Volke herrſchenden Anſchauung, allerdings mit
manchen Abweichungen in der Begründung und
Anwendung, auch da, wo geſetzliche Vorſchriften
fehlten, angenommen, daß die Fiſche, die ſich in
nicht zu großen rings umſchloſſenen Gewäſſern
befinden, ſchon vor dem Fange der Verfügungs—
gewalt und damit dem Beſitz und dem Eigentume
des Waſſereigentümers oder unter Umſtänden einer
anderen Perſon (auch des Fiſchwaſſerpächters) unter⸗
liegen. Fiſchte hier ein Unberechtigter, ſo galt er
als Dieb. Dagegen wurden die Fiſche in größeren,
wenn auch abgeſchloſſenen Gewäſſern Eo
Seen u. dgl.) als zunächſt herrenlos betrachtet.
Da das BGB. eine grundſätzliche Aenderung der
bisherigen Auffaſſung nicht beabſichtigte, kann die
Unterſcheidung unbedenklich auch der Auslegung
des BGB. zugrunde gelegt werden. Sie ent—
ſpricht der für das Eigentum an jagdbaren Tieren
bedeutſamen Abgrenzung der Tiergärten von den
eingehegten Jagdrevieren (§ 960 Ab}. 1 Satz 2).
Eine feſte Grenze kann dort wie hier nicht gezogen
werden, da es an feſtſtehenden Unterſcheidungs—
merkmalen fehlt. Die tatſächlichen Verhältniſſe
find entſcheidend (fo auch Olshauſen N. 5 d 2
zu $ 242 StGB.). Man wird im Einzelfalle
Rückſicht zu nehmen haben auf die Größe, die
Lage des Gewäſſers und wohl auch auf die in
der betreffenden Gegend herrſchende Volksanſchauung
(die im römiſchen Rechte einer ähnlichen Unter—
ſcheidung zugrunde gelegte existimatio circum-
colentium: Windſcheid-Kipp Bd. IS 146).
In erſter Linie wird man dabei fordern müſſen,
daß es dem Gewäſſer an einer für den Wechſel
der Fiſche geeigneten regelmäßigen Verbindung
mit einem freien Gewäſſer fehlt. Nicht aus—
|
|
i
|
ſchlaggebend darf fein, ob das Gewäſſer natürlich
oder künſtlich iſt oder ob es mit einer Ablaßvor⸗
richtung verſehen iſt. Der Nachdruck liegt auf der
Geſchloſſenheit des Gewäſſers.
Daß das Geſetz geſchloſſene Privat gewäſſer
fordert, erklärt ſich aus der Entſtehungsgeſchichte.
Das als Vorbild dienende Preuß. ALR. entzieht
die öffentlichen Gewäſſer dem Privateigentum, auch
des Fiskus (RGZ. Bd. 4 S. 258 [260], Bd. 35
S. 235 [238). Zu den nicht öffentlichen Ge-
wäſſern gehören außer den Privatflüſſen alle
ringsum von Grundſtücken abgeſchloſſenen Ge—
wäſſer ohne Rückſicht auf ihre Größe (ſ. RGZ.
Bd. 10 S. 78); ſie ſind Privateigentum des
Grundherrn. Den geſchloſſenen Privatgewäſſern
ſtehen nicht wie nach dem bayeriſchen Rechte die
geſchloſſenen öffentlichen Gewäſſer gegenüber, ſon⸗
dern alle geſchloſſenen Gewäſſer ſind geſchloſſene
Privatgewäſſer. Bei der Aufnahme der Vorſchrift
in das BGB. hat man demnach an einen Gegen:
ſatz der Privatgewäſſer zu öffentlichen Gewaͤſſern
nicht gedacht. Allerdings muß man, nachdem das
Geſetz einmal ſeine Vorſchrift auf Privatgewäſſer
beſchränkt, eine Ausnahme feſtſtellen können. M. E.
ift damit nur geſagt, daß das geſchloſſene Ge-
wäſſer im Privateigentum ſtehen muß; iſt das
Gewäſſer nicht eigentumsfähig, ſo kann auch an
den Fiſchen Eigentum nicht beſtehen. Für Bayern
iſt die Einſchränkung ohne Bedeutung, weil alle
geſchloſſenen Gewäſſer ohne Rückſicht auf ihren
öffentlichen oder privaten Charakter dem Eigentum
unterworfen find (f. Art. 2, 16 WG.).
B. Geſetzliche Aneignungsverbote.
Nach § 958 Abſ. 2 BGB. (zwingende Vor⸗
ſchrift: Art. 69 EG. z. BGB.) wird das Eigen:
tum an herrenloſen Fiſchen durch Beſitzergreifung
nicht erworben, wenn die Aneignung geſetzlich ver⸗
boten iſt. Dem geſetzlichen Verbote kann man
unbedenklich gleichſtellen Verbote, die auf Grund
geſetzlicher Ermächtigung von Behörden erlaſſen
werden. Zur Wirkſamkeit des Verbots in Ver—
waltungsvorſchriften iſt aber erforderlich, daß das
ihnen zugrunde liegende Geſetz den Ausſchluß
des Eigentumserwerbs unzweideutig ge—
ſtattet. Dieſe Vorausſetzung iſt m. E. bei den
bisherigen Erörterungen über die bei der Aus—
legung des $ 958 Abſ. 2 entſtandene, im Jagd—
rechte wiederkehrende Streitfrage nicht genügend
gewürdigt worden (Staudinger, BIRA. Bd. 63
S. 291, unter deſſen Einfluß die Mehrheit der
Schriftſteller ſteht; Oertmann, Bayer. Landes—
privatrecht S. 380 mit Literaturangaben; ſ. auch
das I. Prot. des Ausſch. d. K. d. R. zur Ber.
des FiſchGEntw. S. 3 unten).
Es iſt beſtritten, ob die Uebertretung der
fiſchereipolizeilichen Vorſchriften über Fangverbote,
Schonzeiten u. dgl. außer der Straffolge die
zivilrechtliche Wirkung hat, daß an den verbots—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
widrig gefangenen Fiſchen Eigentum nicht er⸗
worben wird.
Staudinger hat die Frage nach der noch
geltenden Landesfiſchereiordnung vom 4. Oktober
1884 unterſucht und iſt zu folgendem Ergebniſſe
gekommen: Ein abſolutes, den Erwerb des
Eigentums hinderndes Aneignungsver—
bot beſteht „ganz zweifellos“ hinſichtlich des Fanges
weiblicher Krebſe (LFiſchO. § 7), dann hinſichtlich
des Fanges von Fiſchen beſtimmter Art und männ⸗
lichen Krebſen unter dem Brittelmaß oder Minimal⸗
gewichte (3. B. LFiſchO. §8 5 bis 7). Hinſichtlich
der unter Mißachtung des Schonzeitverbots ge⸗
fangenen Fiſche neigt ſich Staudinger der An⸗
ſchauung zu, daß die Aneignung nur unter Strafe
geſtellt, nicht geſetzlich verboten iſt, er bezeichnet
aber die Frage als zweifelhaft. Ein zivilrechtliches
Aneignungsverbot enthalten nach ihm jedenfalls
nicht die Schonvorſchriften, die auf örtliche Be⸗
ſchränkungen des Aneignungsrechts (§S 14) oder
das Verbot von beſtimmten Fangarten oder Fang⸗
geräten (8 8 f.) gerichtet find.
Dieſe Unterſcheidung kann zunächſt mit dem
Wortlaute der CFiſch O. nicht gerechtfertigt werden.
Ein abſolutes, dauerndes Aneignungsverbot gibt
es ſchon wegen der vielen Ausnahmen und Unter:
ausnahmen nicht. Der Wortlaut läßt auch nicht
die Deutung zu, daß an der einen Stelle ein
zivilrechtlich wirkſames Verbot der Zueignung aus:
geſprochen werden wollte, an der anderen nicht.
Es ift willkürlich, wenn man z. B. der Beſtim⸗
mung „der Fang weiblicher Krebſe iſt verboten“
($ 7 Abſ. 1) eine zivilrechtliche Bedeutung geben
will, die die Beſtimmung „auf Fiſche, ſolange fie
der Schonzeit unterliegen, darf in keinem Gewäſſer
ein Fang unternommen werden“ ($ 2 Ab}. 1)
nicht haben ſoll. Abgeſehen davon fehlt es an der
geſetzlichen Ermächtigung zum Ausſpruche des zivil—
rechtlichen Aneignungsverbots. Geſetzliche Grund—
lage der LFiſchO. ift der Art. 126 Abſ. 1 Ziff. 1
des PStGB. Mit Strafe ift danach bedroht,
wer den oberpolizeilichen Vorſchriften über die
Zeit und Art des Fiſch- und Krebsfangs
zuwiderhandelt. Polizeigeſetze beſchränken ihre
Wirkung im allgemeinen auf das Gebiet des Straf—
rechts. Die Regelung zivilrechtlicher Fragen liegt
ihnen ferne. Wer die Ausnahme behauptet, muß
ſich auf den zweifelfreien Wortlaut und Sinn des
Geſetzes berufen können. Das PStGB. enthält
keine Vorſchrift darüber, daß unter gewiſſen Vor—
ausſetzungen der Eigentumserwerb an Fiſchen aus—
geſchloſſen ſein ſoll. Es ermächtigt auch die Ver—
waltungsbehörden nicht, den Erwerb des Eigen—
tums zu verbieten. Es iſt nicht erſichtlich, daß
das Geſetz mit der Zulaſſung polizeilicher Be—
ſchränkungen in der Ausübung des Fiſch- und
Krebsfangs zivilrechtliche Wirkungen hervorrufen
will. Das Geſetz nimmt nicht einmal Rückſicht
darauf, ob an den von den Fangbeſchränkungen
451
ſchloſſene Privatgewaͤſſer!) oder nicht. Es iſt ihm
darum zu tun, Vorſchriften über die Erhaltung
gewiſſer Fiſcharten und der Krebſe zu ermöglichen,
nicht aber den Eintritt der zivilrechtlichen Wirkung
der Beſitzergreiſung zu hindern. Soweit der
Delinquent den Erfolg der ſtrafbaren Handlung
nicht genießen ſoll, ordnet das Geſetz die Einziehung
an (vgl. die Bemerkungen von Jacubezky S. 241).
Auch das neue Fiſchereigeſetz befaßt ſich, wie ſchon
früher geſagt wurde, nicht mit den Eigentums⸗
verhältniſſen an Fiſchen und anderen Waſſertieren.
Die Grundlage der in Ausſicht geſtellten neuen
LFiſchO. wird der Art. 72 ſein, der „die Beſtim⸗
mungen über die Zeit und Art des Fiſch⸗
fangs, über beſondere Fangbeſchränkungen ſowie
über Markt⸗ und Verkehrsverbote für Fiſche“ uſw.
oberpolizeilichen Vorſchriften vorbehält. Ueber den
Ausſchluß des Eigentumserwerbs oder die Ermächti⸗
gung dazu enthält das Geſetz nichts. Wie ſeine
Stellung im Geſetze beweiſt, hat der Art. 72 den
Zweck, polizeiliche Vorſchriften über den Schutz
der Fiſcherei gegen Schädigungen zu er⸗
möglichen. Die Schädigung liegt in der verbots⸗
widrigen Ausübung der Fiſcherei, nicht im Erwerbe
des Eigentums. Allerdings hat die Polizei ein
Intereſſe daran, den Handel mit Fiſchen zu ver⸗
hindern, die entgegen ihrem Verbote gefangen
wurden. Das Fiſch. geſtattet deshalb die Cin-
ziehung der Fiſche ohne Rückſicht darauf, ob ſie
dem Verurteilten gehören oder nicht (Art. 106).
Ich faſſe meine Anſicht in dem Satze zu⸗
ſammen: Die Verletzung der polizeilichen Vor⸗
ſchriften über Fangverbote und Fangbeſchränkungen
hindert nicht, daß der Berechtigte Eigentümer der
verbotswidrig gefangenen Waſſertiere wird, weil
weder das PStGB. noch das FiſchG. ein Verbot
der Aneignung oder eine Ermächtigung zur Er⸗
laſſung dieſes Verbots enthält.
Der entgegengeſetzten Meinung fehlt nicht nur
die juriſtiſche Begründung, ſondern auch die
praktiſche Durchführbarkeit. Beiſpiele: Der Fiſcherei⸗
berechtigte X fängt am letzten Tage der Schonzeit
abſichtlich oder irrtümlich eine Forelle und ſchenkt
fie feinem Freunde Y, der weiß oder doch wiſſen
muß, daß die Schonzeit noch nicht beendigt war.
X hat den Fiſch mittels einer ſtrafbaren Hand—
lung, einer Uebertretung nach Art. 126 P StGB.,
erlangt. Y hat die Forelle „ſeines Vorteils wegen“
an ſich gebracht, weil ihm das Verzehren der
Forelle einen „ſinnlichen Genuß“ bereitet. Er
hat dadurch „die hinſichtlich der Sache geſchaffene
rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalten“ und
muß nach § 259 StGB. wegen Hehlerei mit Ge:
fängnis beſtraft werden. Hat die Frau des Y die
Forelle als willkommene Bereicherung des Mittag—
tiſches, alſo im eigenen Intereſſe, entgegen—
genommen und zubereitet, ſo muß auch ſie wegen
Hehlerei ins Gefängnis wandern. Hätte der
Fiſchereiberechtigte X den Filh zufällig in feinem
betroffenen Fiſchen ſchon Eigentum beſteht (ge: geſchloſſenen Gewäſſer gefangen, fo wäre die Sache
450
aus, die im Einzelfalle die Feſtſtellung ermög⸗
lichen, ob ein öffentliches oder ein privates ge⸗
ſchloſſenes Gewaͤſſer vorliegt, fondern von den „be:
ſtehenden Rechtsverhältniſſen“, d. h. den bei dem
Inkrafttreten des alten Geſetzes von 1852 be⸗
ſtehenden I» (ſ. die Kommentare
zu Art. 1 Abſ. 2 WG.). Von zwei rings um⸗
ſchloſſenen Seen kann der kleinere ein öffentliches,
der größere ein privates Gewäſſer ſein. Was den
erſteren zum öffentlichen Gewäſſer macht, iſt das
Beſtehen eines Gemeingebrauchs an ihm, dem der
andere nicht unterworfen iſt.
Auf dieſe vielfach zufällige und unſichere
Scheidung läßt ſich der bürgerlich rechtliche Be⸗
griff des geſchloſſenen Privatgewäſſers nicht
aufbauen, abgeſehen davon, daß zu den ge—
ſchloſſenen Privatgewäſſern des Waſſerrechts Ge-
wäſſer gehören, denen die räumliche Begrenzung
ſehlt. Die Auslegung des BGB. iſt deshalb
unabhängig von den gleichlautenden Begriffen des
Landeswaſſerrechts zu verſuchen. Eine Handhabe
dafür bietet die Entſtehungsgeſchichte. Das BGB.
wollte ſich der bisherigen Rechtsauffaſſung an⸗
ſchließen. Bis zum Jahre 1900 hat die Literatur
und Rechtſprechung im Einklange mit der im
Volke herrſchenden Anſchauung, allerdings mit
manchen Abweichungen in der Begründung und
Anwendung, auch da, wo geſetzliche Vorſchriften
fehlten, angenommen, daß die Fiſche, die ſich in
nicht zu großen rings umſchloſſenen Gewäſſern
befinden, ſchon vor dem Fange der Verfügungs⸗
gewalt und damit dem Beſitz und dem Eigentume
des Waſſereigentümers oder unter Umſtänden einer
anderen Perſon (auch des Fiſchwaſſerpächters) unter⸗
liegen. Fiſchte hier ein Unberechtigter, ſo galt er
als Dieb. Dagegen wurden die Fiſche in größeren,
wenn auch abgeſchloſſenen Gewäſſern 6
Seen u. dgl.) als zunächſt herrenlos betrachtet.
Da das BGB. eine grundſätzliche Aenderung der
bisherigen Auffaſſung nicht beabſichtigte, kann die
Unterſcheidung unbedenklich auch der Auslegung
des BGB. zugrunde gelegt werden. Sie ent—
ſpricht der für das Eigentum an jagdbaren Tieren
bedeutſamen Abgrenzung der Tiergärten von den
eingehegten Jagdrevieren (§ 960 Abſ. 1 Satz 2).
Eine feſte Grenze kann dort wie hier nicht gezogen
werden, da es an feſtſtehenden Unterſcheidungs—
merkmalen fehlt. Die tatſächlichen Verhältniſſe
find entſcheidend (jo auch Olshauſen N. 5 d 8
zu $ 242 StGB.). Man wird im Einzelfalle
Rückſicht zu nehmen haben auf die Größe, die
Lage des Gewäſſers und wohl auch auf die in
der betreffenden Gegend herrſchende Volksanſchauung
(die im römiſchen Rechte einer ähnlichen Unter—
ſcheidung zugrunde gelegte existimatio circum-
colentium: Windſcheid-Kipp Bd. IS 146).
In erſter Linie wird man dabei fordern müſſen,
daß es dem Gewäſſer an einer für den Wechſel
der Fiſche geeigneten regelmäßigen Verbindung
mit einem freien Gewäſſer fehlt. Nicht aus—
Zeltſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. in Bayern. 1908. Nr. 23.
ſchlaggebend darf ſein, ob das Gewäſſer natürlich
oder künſtlich iſt oder ob es mit einer Ablaßvor⸗
richtung verſehen iſt. Der Nachdruck liegt auf der
Geſchloſſenheit des Gewäſſers.
Daß das Geſetz geſchloſſene Privat gewäſſer
fordert, erklärt ſich aus der Entſtehungsgeſchichte.
Das als Vorbild dienende Preuß. ALR. entzieht
die öffentlichen Gewäſſer dem Privateigentum, auch
des Fiskus (RGZ. Bd. 4 S. 258 [260], Bd. 35
S. 235 [238]. Zu De nicht öffentlichen Ge⸗
wäfjern gehören außer den Privatflüſſen alle
ringsum von Grundſtücken abgeſchloſſenen Ge—
wäſſer ohne Rückſicht auf ihre Größe (ſ. RG3.
Bd. 10 S. 78); ſie ſind Privateigentum des
Grundherrn. Den geſchloſſenen Privatgewäſſern
ſtehen nicht wie nach dem bayeriſchen Rechte die
geſchloſſenen öffentlichen Gewäſſer gegenüber, ſon⸗
dern alle geſchloſſenen Gewäſſer find geſchloſſene
Privatgewäſſer. Bei der Aufnahme der Vorſchrift
in das BGB. hat man demnach an einen Gegen:
ſatz der Privatgewäſſer zu öffentlichen Gewäſſern
nicht gedacht. Allerdings muß man, nachdem das
Geſetz einmal ſeine Vorſchrift auf Privatgewäſſer
beſchränkt, eine Ausnahme feſtſtellen können. M. E.
iſt damit nur geſagt, daß das geſchloſſene Ge⸗
wäſſer im Privateigentum ſtehen muß; iſt das
Gewäſſer nicht eigentumsfähig, ſo kann auch an
den Fiſchen Eigentum nicht beſtehen. Für Bayern
iſt die Einſchränkung ohne Bedeutung, weil alle
geſchloſſenen Gewäſſer ohne Rückſicht auf ihren
öffentlichen oder privaten a dem Eigentum
unterworfen find (ſ. Art. 2, 16 WG.).
B. Geſetzliche Aneignungsverbote.
Nach § 958 Abſ. 2 BGB. (zwingende Vor-
ſchrift: Art. 69 EG. z. BGB.) wird das Eigen:
tum an herrenloſen Fiſchen durch Beſitzergreifung
nicht erworben, wenn die Aneignung geſetzlich ver⸗
boten iſt. Dem geſetzlichen Verbote kann man
unbedenklich gleichſtellen Verbote, die auf Grund
geſetzlicher Ermächtigung von Behörden erlaſſen
werden. Zur Wirkſamkeit des Verbots in Ver—
waltungsvorſchriften iſt aber erforderlich, daß das
ihnen zugrunde liegende Geſetz den Ausſchluß
des Eigentumserwerbs unzweideutig ge-
ſtattet. Dieſe Vorausſetzung iſt m. E. bei den
bisherigen Erörterungen über die bei der Aus—
legung des § 958 Abſ. 2 entſtandene, im Jagd-
rechte wiederkehrende Streitfrage nicht genügend
gewürdigt worden (Staudinger, BURA. Bd. 63
S. 291, unter deſſen Einfluß die Mehrheit der
Schriftſteller ſteht; Oertmann, Bayer. Landes—
privatrecht S. 380 mit Literaturangaben; ſ. auch
das I. Prot. des Ausſch. d. K. d. R. zur Ber.
des FiſchGEntw. S. 3 unten).
Es iſt beſtritten, ob die Uebertretung der
fiſchereipolizeilichen Vorſchriften über Fangverbote,
Schonzeiten u. dgl. außer der Straffolge die
zivilrechtliche Wirkung hat, daß an den verbots—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
widrig gefangenen Fiſchen Eigentum nicht er⸗
worben wird.
Staudinger hat die Frage nach der noch
geltenden Landesfiſchereiordnung vom 4. Oktober
1884 unterſucht und iſt zu folgendem Ergebniſſe
gekommen: Ein abjolutes, den Erwerb des
Eigentums hinderndes Aneignungsver⸗
bot beſteht „ganz zweifellos“ hinſichtlich des Fanges
weiblicher Krebſe (LFiſchO. 8 7), dann hinſichtlich
des Fanges von Fiſchen beſtimmter Art und männ⸗
lichen Krebſen unter dem Brittelmaß oder Minimal⸗
gewichte (3. B. LFiſchO. 88 5 bis 7). Hinſichtlich
der unter Mißachtung des Schonzeitverbots ge⸗
fangenen Fiſche neigt ſich Staudinger der An⸗
ſchauung zu, daß die Aneignung nur unter Strafe
geſtellt, nicht geſetzlich verboten iſt, er bezeichnet
aber die Frage als zweifelhaft. Ein zivilrechtliches
Aneignungsverbot enthalten nach ihm jedenfalls
nicht die Schonvorſchriften, die auf örtliche Be⸗
ſchränkungen des Aneignungsrechts (S 14) oder
das Verbot von beſtimmten Fangarten oder Fang⸗
geräten ($ 8 f.) gerichtet find.
Dieſe Unterſcheidung kann zunächſt mit dem
Wor tlaute der LFiſchO. nicht gerechtfertigt werden.
Ein abſolutes, dauerndes Aneignungsverbot gibt
es ſchon wegen der vielen Ausnahmen und Unter:
ausnahmen nicht. Der Wortlaut läßt auch nicht
die Deutung zu, daß an der einen Stelle ein
zivilrechtlich wirkſames Verbot der Zueignung aus—
geſprochen werden wollte, an der anderen nicht.
Es ift willkürlich, wenn man z. B. der Beſtim⸗
mung „der Fang weiblicher Krebſe iſt verboten“
($ 7 Abſ. 1) eine zivilrechtliche Bedeutung geben
will, die die Beſtimmung „auf Fiſche, ſolange ſie
der Schonzeit unterliegen, darf in keinem Gewäſſer
ein Fang unternommen werden“ ($ 2 Abi. 1)
nicht haben ſoll. Abgeſehen davon fehlt es an der
geſetzlichen Ermächtigung zum Ausſpruche des zivil—
rechtlichen Aneignungsverbots. Geſetzliche Grund—
lage der LFiſchO. ift der Art. 126 Abſ. 1 Ziff. 1
des PStGB. Mit Strafe ift danach bedroht,
wer den oberpolizeilichen Vorſchriften über die
Zeit und Art des Fiſch- und Krebsfangs
zuwiderhandelt. Polizeigeſetze beſchränken ihre
Wirkung im allgemeinen auf das Gebiet des Straf—
rechts. Die Regelung zivilrechtlicher Fragen liegt
ihnen ferne. Wer die Ausnahme behauptet, muß
ſich auf den zweifelfreien Wortlaut und Sinn des
Geſetzes berufen können. Das PStGB. enthält
keine Vorſchrift darüber, daß unter gewiſſen Vor:
ausſetzungen der Eigentumserwerb an Fiſchen aus—
geſchloſſen ſein ſoll. Es ermächtigt auch die Ver—
waltungsbehörden nicht, den Erwerb des Eigen—
tums zu verbieten. Es iſt nicht erſichtlich, daß
das Geſetz mit der Zulaſſung polizeilicher Be—
—— 32 ß —kG32 ꝝ-Ʒ2—ͤ UYYJnV.ů— un
451
ſchloſſene Privatgewäſſer!) oder nicht. Es iſt ihm
darum zu tun, Vorſchriften über die Erhaltung
gewiſſer Fiſcharten und der Krebſe zu ermöglichen,
nicht aber den Eintritt der zivilrechtlichen Wirkung
der Beſitzergreifung zu hindern. Soweit der
Delinquent den Erfolg der ſtrafbaren Handlung
nicht genießen ſoll, ordnet das Geſetz die Einziehung
an (vgl. die Bemerkungen von Jacubezky S. 241).
Auch das neue Fiſchereigeſetz befaßt ſich, wie ſchon
früher geſagt wurde, nicht mit den Eigentums⸗
verhältniſſen an Fiſchen und anderen Waſſertieren.
Die Grundlage der in Ausſicht geſtellten neuen
LFiſchO. wird der Art. 72 ſein, der „die Beſtim⸗
mungen über die Zeit und Art des Fiſch—
fangs, über beſondere Fangbeſchränkungen ſowie
über Markt⸗ und Verkehrsverbote für Fiſche“ uſw.
oberpolizeilichen Vorſchriften vorbehält. Ueber den
Ausſchluß des Eigentumserwerbs oder die Ermächti⸗
gung dazu enthält das Geſetz nichts. Wie ſeine
Stellung im Geſetze beweiſt, hat der Art. 72 den
Zweck, polizeiliche Vorſchriften über den Schutz
der Fiſcherei gegen Schädigungen zu er-
möglichen. Die Schädigung liegt in der verbots⸗
widrigen Ausübung der Fiſcherei, nicht im Erwerbe
des Eigentums. Allerdings hat die Polizei ein
Intereſſe daran, den Handel mit Fiſchen zu ver-
hindern, die entgegen ihrem Verbote gefangen
wurden. Das Fiſch. geſtattet deshalb die Ein-
ziehung der Fiſche ohne Rückſicht darauf, ob ſie
dem Verurteilten gehören oder nicht (Art. 106).
Ich fafſe meine Anſicht in dem Satze zu:
ſammen: Die Verletzung der polizeilichen Vor⸗
ſchriften über Fangverbote und Fangbeſchränkungen
hindert nicht, daß der Berechtigte Eigentümer der
verbotswidrig gefangenen Waſſertiere wird, weil
weder das PSGB. noch das FiſchG. ein Verbot
der Aneignung oder eine Ermächtigung zur Er⸗
laſſung dieſes Verbots enthält.
Der entgegengeſetzten Meinung fehlt nicht nur
die juriſtiſche Begründung, ſondern auch die
praktiſche Durchführbarkeit. Beiſpiele: Der Fiſcherei⸗
berechtigte X fängt am letzten Tage der Schonzeit
abſichtlich oder irrtümlich eine Forelle und ſchenkt
ſie ſeinem Freunde Y, der weiß oder doch wiſſen
muß, daß die Schonzeit noch nicht beendigt war.
X hat den Fiſch mittels einer ſtrafbaren Hand:
lung, einer Uebertretung nach Art. 126 PStGB.,
erlangt. Y hat die Forelle „ſeines Vorteils wegen“
an ſich gebracht, weil ihm das Verzehren der
Forelle einen „ſinnlichen Genuß“ bereitet. Er
hat dadurch „die hinſichtlich der Sache geſchaffene
rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalten“ und
muß nach § 259 StGB. wegen Hehlerei mit Ge-
fängnis beſtraft werden. Hat die Frau des Y die
Forelle als willkommene Bereicherung des Mittag—
Ihränfungen in der Ausübung des Fiſch⸗ und tiſches, alfo im eigenen Intereſſe, entgegen:
Krebsfangs zivilrechtliche Wirkungen hervorrufen
will. Das Geſetz nimmt nicht einmal Rückſicht
darauf, ob an den von den Fangbeſchränkungen
betroffenen Fiſchen ſchon Eigentum beſteht (ge:
genommen und zubereitet, ſo muß auch ſie wegen
Hehlerei ins Gefängnis wandern. Hätte der
Fiſchereiberechtigte X den Fiſch zufällig in ſeinem
geſchloſſenen Gewäſſer gefangen, ſo wäre die Sache
452
noch verwickelter; man könnte aber dem Y und
ſeiner Frau mit der Erwägung helfen, daß in
dieſem Falle X wenn auch ſtrafbar, ſo doch unan⸗
fechtbarer Eigentümer des Fiſches iſt. Dagegen
muß der Beſchenkte in folgenden Fällen als Hehler
geſtraft werden: X fängt in ſeinem Fiſchwaſſer
einen Fiſch, der in dem betreffenden Regierungs⸗
bezirke, z. B. in Niederbayern, geſchont it (8 1
Abſ. 4 LFiſch O.), und ſchickt ihn dem Y nach Ober-
bayern, wo der Fiſch keine Schonzeit hat. — Das
Minimalmaß für die Forelle beträgt nach 8 5
LFiſchO. 24 cm; die Kreisregierungen find jedoch
ermächtigt, für einzelne Bezirke das Minimalmaß
herabzuſetzen. Wenn der Berechtigte in einem
Bezirke, für den das Regelmaß gilt, eine Forelle
von 22 cm fängt und behält, erlangt er fie mittels
einer ftrafbaren Handlung. Der Freund Y, der
die Forelle „an ſich bringt“, kann gegen die An⸗
klage wegen Hehlerei nicht einwenden, daß in
ſeinem Bezirk ein kleineres Fangmaß zugelaſſen
ſei und dort Forellen mit 22 cm veräußert werden
dürften. Schließlich folgendes Beiſpiel: Der Be⸗
rechtigte X fängt unabſichtlich einen weiblichen
Krebs. Er unterläßt es ſträflicherweiſe, ihn
„unverzüglich in das N Gewäſſer frei
wieder einzuſetzen“ ($ 7 Abſ. 2 CFiſchO.), und
ſchenkt ihn unter Erzählung des Sachverhalts dem
Y, der den Krebs nach Hauſe trägt. X iſt Hehler;
er geht nur dann ſtraflos aus, wenn der Krebs
aus einem geſchloſſenen Gewäſſer ſtammt.
Der Ausſchluß des Eigentumserwerbs würde
auch auf dritte Perſonen wirken. Entwendet 2
dem X oder Y den unter Mißachtung eines
Fangverbots gefangenen Fiſch, ſo kann er wegen
vollendeten Diebſtahls nicht beſtraft werden, weil
der Fiſch herrenlos iſt. Weiß 2, daß der Fiſch
herrenlos iſt, ſo iſt auch die Beſtrafung wegen ver⸗
ſuchten Diebſtahls nicht möglich. Z iſt auch wegen
Hehlerei nicht ſtrafbar, denn er hat ſich des Fiſches
gegen den Willen des Vortäters bemächtigt
(Frank IV 2 zu 8 259), ebenſowenig nan
unbefugten Fiſchens, denn der gefangene Fiſch ift
nicht mehr Gegenſtand des Fiſchereirechts. Man
müßte fogar einen Schritt weitergehen und den Z,
der den herrenloſen, aber außerhalb des Gewäſſers
einem ausſchließenden Aneignungsrechte nicht mehr
unterworfenen Fiſch (Art. 1 Abſ. 1 FiſchG.) in
Eigenbeſitz nimmt, als Eigentümer des Fiſches
anerkennen (8 958 Abſ. 1 BGB.), obwohl er
landläufig als Dieb gilt.
Es bedarf keiner Darlegung, daß dieſe Ergeb—
niſſe unangemeſſen und unerträglich ſind. Sie
werden vermieden, wenn man die Fangverbote
nur als polizeiliche Beſchränkungen der Aus—
übung der Fiſchereiberechtigung betrachtet und
ihnen die Wirkung auf den Erwerb des Eigen-
tums verſagt (Olshauſen N. 17, Frank II 3
zu § 259). Freilich wird auch dann die Ver—
äußerung der verbotswidrig gefangenen Waller:
tiere ſtrafrechtlich verfolgt. Das ſog. Marktverbot
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
($ 2 Abi. 3, 8 6 Abſ. 1, 8 7 Abſ. 3 CFiſchO.)
macht aber den auf die Uebereignung gerichteten
Vertrag nicht nichtig; es ergreift nicht den Ver⸗
trag im ganzen, ſondern nur die Tätigkeit des
Veräußerers. Die zivilrechtliche Gültigkeit der
Uebereignung wird durch das Verbot nicht betroffen
($ 134 BGB. — RG. (Ver. 35.) Bd. 60 S. 275).
(Schluß folgt.)
Das neue bayeriihe Beamtenrecht.
Von Joſeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg.
(Schluß.)
Die Auflöſung des Dienſtverhältniſſes.
Von der Auflöſung des Dienſtverhaͤltniſſes als
ſtrafrechtlicher Folge und zufolge der durch Dis⸗
ziplinarerkenntnis verhängten Strafe der Dienſt⸗
entlaſſung war bereits die Rede; hiervon abgeſehen
kann die Auflöſung des Dienſtverhältniſſes außer
durch den Tod des Beamten erfolgen durch
1. Verſetzung in den Ruheſtand; in Ueber⸗
einſtimmung mit dem ſeitherigen Rechte (ſ. Seydel II
300—301) behandelt nämlich das BG. ſowohl
die zeitliche als die dauernde Verſetzung in den
Ruheſtand — nicht dagegen die einſtweilige Ver⸗
ſetzung in den Ruheſtand mit Wartegeld — als
Beendigung des Dienſtverhältniſſes durch Ent⸗
laſſung (vgl. Art. 1 Begr. S. 130, 140—141,
216), wobei jedoch weſentliche Fortwirkungen des
früheren Dienſtverhältniſſes beſtehen bleiben; die
Verſetzung in den Ruheſtand wird im nächſten
Abſchnitt beſprochen;
2. die auf adminiſtrativem Wege erfolgende
Entlaſſung; die Beſtimmungen hierüber bringen
nichts weſentlich Neues: Während der unwider⸗
rufliche Beamte ohne ſeine Zuſtimmung nur im
Wege des DB. entlaſſen werden kann, kann das
Dienſtverhältnis des widerruflichen Beamten ſeitens
des Staates jederzeit ohne Grundangabe einſeitig
gelöſt werden. Erfolgt die Entlaſſung nicht wegen
Pflichtverletzung, iſt dem Beamten der Gehalt noch
für die Dauer von 3 Monaten ſeit Mitteilung
der Entlaſſung zu gewähren. Daß die Entlaſſung
auch des unwiderruflichen Beamten im DV. zu
erfolgen hat, wenn fie mit der Wirkung des Ber-
luſtes des Anſpruchs auf Unfallfürſorge erfolgen
ſoll, iſt bereits beſprochen.
beſonderen
| feine Erklärung allein löſen;
Wie ſeither exiſtiert auch in Zukunft ſo wenig
eine Verpflichtung, im Staatsdienſte zu verbleiben,
wie eine ſolche zum Eintritt in ihn. Trotzdem
kann der Beamte das Dienſtverhältnis nicht durch
er kann nur jeder⸗
zeit — vorausgeſetzt, daß nicht die Verpflichtung
zu längerer Dienſtleiſtung auf Dienſtvertrag oder
Dienſtvorſchriften beruht — ohne
SASleitſckrift für Rechtspflege in Baye für Rechtspflege in in Bayern. 1908. Nr. 23.
Grundangabe um ſeine Entlaſſung „nachſuchen“;
die Löſung erfolgt erſt durch die Genehmigung,
die aber nur unter beſtimmten Vorausſetzungen
(Art. 10 Abſ. 1—3, Abſ. 2) verweigert werden
darf. Gegen die Verſagung der nachgeſuchten
Entlaſſung ſteht dem Beamten nur allenfalls die
Aufſichtsbeſchwerde, aber kein Rechtsmittel zu. Die
Entſcheidungen über die Entlaſſung ſind nach
Art. 178 3. 4 auch für den Streitrichter bindend.
Durch die im Adminiſtrativwege auf Anſuchen
oder ohne ſolches erfolgte Entlaſſung verliert der
Entlaſſene Titel, Dienſtabzeichen und Dienſtein⸗
kommen ſowie Anſpruch oder Ausſicht auf Ruhe⸗
gehalt und Hinterbliebenenverſorgung; doch kann
dem auf Anſuchen Entlaſſenen Weiterführung des
Titels und Weitertragen der Dienſtabzeichen wider:
ruflich geſtattet werden. Mit der Entlaſſung wird
der Beamte auch der Dienſtpflichten ledig, nur
die Pflicht zur Verſchwiegenheit nach Art. 14
dauert fort und es kann wegen Verletzung dieſer
Pflicht gegen den entlaſſenen Beamten, auch den
durch Disziplinarurteil entlaſſenen, noch nach
Auflöſung des Dienſtverhältniſſes Geldſtrafe bis
zu 600 M im DV. verhängt werden, ſofern
100 eine andere Strafe verwirkt iſt (Art. 168,
Ueber die Zuläſſigkeit der Anrechnung der
vor der Entlaſſung in etatsmäßiger Eigenſchaft
zurückgelegten Dienſtzeit für die Berechnung des
Gehaltes und Berechnung des Ruhegehaltes im
Falle der Wiederanſtellung und die Zuläſſigkeit
der Zuſicherung einer ſolchen Anrechnung bei Be—
1 n der Entlaſſung ſ. Art. 29 Abſ. 2,
rt. 57
Die Verſetzung in den Nuheſtand und die Rechtsſtellung
der im Nuheſtand befindlichen Beamten.)
Nur der etatsmäßige Beamte kann in den
Ruheſtand verſetzt werden.
Das BG. unterſcheidet:
I. die einſtweilige Verſetzung in den Ruheſtand
mit Wartegeld;
II. die Verſetzung in den Ruheſtand mit
Ruhegehalt und bei dieſer wiederum
1. die zeitliche V. i. R.
2. die dauernde
Die mit Wartegeld und die mit Ruhegehalt
in den Ruheſtand verſetzten Beamten ſind Beamte
außer Dienſt (wegen Weiterführung des Titels
und Tragens der Dienſtabzeichen ſ. o.). Warte—
geld und Ruhegehalt berechnen fih aus dem pen-
ſionsfähigen Dienſteinkommen; als ſolches gilt der
zuletzt bezogene Gehalt und der durch die GO.
als penſionsfähig erklärte Teil des Nebenein—
9 Abkürzungen: V. i. R.⸗Verſetzung in den Ruheſtand.
E. V. i. R. = Einſtweilige Verſetzung in den Ruhe:
ſtand mit Wartegeld.
V. i. R. m. R. — Verſetzung in den Ruheſtand mit
Ruhegehalt.
|
453
kommens; ferner wird — bei richterlichen Be⸗
amten unbedingt, bei den übrigen Beamten unter
der Vorausſetzung befriedigender Dienſtleiſtung
und tadelfreien dienſtlichen und außerdienſtlichen
Verhaltens — der Teilbetrag der naͤchſten Dienſt⸗
alterszulage nach Maßgabe der feit der legten
Gehaltsvorrückung zurückgelegten Dienſtzeit ein-
gerechnet, wobei jedoch nur volle Monate berück⸗
ſichtigt werden.
Für die Beurteilung der gerichtlich geltend ge⸗
machten vermögensrechtlichen Anſprüche auf Warte⸗
geld und Ruhegehalt ſind die Entſcheidungen der
Verwaltungsbehörden und Disziplinargerichte über
V. i. R. bindend (Art. 178 Ziff. 2).
Die einſtweilige Berichung a. den Nuheſtand mit
rtege
iſt bereits oben (S. gr als ein anderen Be:
amtengeſetzen nachgebildetes Inſtitut charakteriſiert
worden. Die Nachbildung iſt aber keine voll⸗
ſtändige. Während nämlich das RBG. und die
preußiſchen Geſetze die einſtweilige V. i. R. nur
gegenüber den Inhabern einzelner in dieſen Ge⸗
ſetzen bezeichneter Aemter bedingungslos, im
übrigen aber nur dann zulaſſen, wenn zufolge
einer Organiſation das vom Beamten verwaltete
Amt aufhört, das württembergiſche BG. die Zu⸗
läſſigkeit dieſer Maßregel überhaupt auf den letzt⸗
bezeichneten Fall beſchränkt, hat man ſich in
Bayern von der „Quieszierung infolge admini⸗
ſtrativer Erwägung“ nicht ganz loszumachen ver:
mocht und außer dem Falle, daß infolge einer
Aenderung in der Organiſation der Behörden oder
ihrer Bezirke zur Verwendung des Beamten im
Staatsdienſte keine Gelegenheit mehr gegeben iſt,
die E. V. i. R. auch dann für zuläſſig erklärt,
wenn ohne Verſchulden des Beamten Umſtände
vorliegen, durch die ſeine amtliche Wirkſamkeit
auch auf einer anderen Stelle nicht bloß vorüber⸗
gehend geſtört wäre; der Wortlaut dieſer Be⸗
ſtimmung iſt dem Art. 71 Ziff. 2 und Art. 65
Abſ. 1 Ziff. 1 RDG. nachgebildet.
Die Beſtimmungen über die E. V. i. R. ſind zu⸗
nächſt auf den unwiderruflichen Beamten zugeſchnitten,
es kann jedoch auch der widerrufliche etatsmäßige
Beamte unter gleichen Vorausſetzungen auf Warte⸗
geld geſetzt werden; ihm ſteht aber ein Anſpruch
auf Gewährung oder Belaſſung des Wartegelds
10 zu.
Das Wartegeld beträgt / des penſionsfähigen
Dienſteinkommens.
Der auf Wartegeld geſetzte Beamte kann unter
den gleichen Vorausſetzungen wie der aktive Be⸗
amte in den zeitlichen oder dauernden Ruheſtand
verſetzt werden; von den Vorſchriften über die
Pflichten der Beamten ſind auf ihn anwendbar
jene des Art. 11 über achtungswürdiges Ver—
halten außer dem Amte, des Art. 17 über An⸗
zeige einer beabſichtigten Verehelichung oder Ein:
holung der Erlaubnis hierzu und das Verbot des
454
Art. 20 über Annahme fremder Titel uſw. ohne
Erlaubnis. Das für den aktiven Beamten gültige
Dienſtſtrafrecht findet auf den auf Wartegeld ge-
ſetzten Bamten mit einigen der Eigenart ſeiner
Stellung und ſeinen Bezügen angepaßten Aende⸗
rungen (Art. 166) Anwendung.
Der auf Wartegeld geſetzte Beamte kann jeder⸗
zeit unter Gewährung der Umzugskoſten wieder
zur Dienſtleiſtung berufen werden; jedoch nur
auf eine Amtsſtelle, auf die er in feiner legten
dienſtlichen Stellung hätte verſetzt werden können.
Die Beſtimmungen über E. V. i. R. finden auf
die richterlichen Beamten nicht Anwendung. Da
diefe jedoch in dem in Art. 75 RDG. vor:
geſehenen Verfahren, wenn ohne Verſchulden des
Richters Umſtände gegeben ſind, die ſeine amtliche
Wirkſamkeit nicht bloß vorübergehend ſtören, in
den Ruheſtand verſetzt werden können, mußte Vor⸗
ſorge getroffen werden, daß der richterliche Beamte
nicht ſchlechter geſtellt iſt, wie der nichtrichterliche,
der unter der gleichen Vorausſetzung auf Warte⸗
geld geſetzt werden kann.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
Durch die Vorſchrift
des Art. 183 Nr. 6 Abſ. 1, welcher für dieſen
Fall für die Bemeſſung und Zahlung des Ruhe:
gehaltes des richterlichen Beamten die Art. 39
bis 41 entſprechend anwendbar erklärt, ift die
Gleichſtellung erreicht und dem richterlichen Pe-
amten für dieſen Fall der V. i. R. der höchſte Satz
des Ruhegehaltes geſichert.
Die Verſetzung in den Nuheſtand mit Ruhegehalt:
a) der nichtrichterlichen Beamten.
Nach ſeitherigem Rechte konnte nur der defini⸗
tive pragmatiſche Staatsdiener „Anſpruch“ auf
Ruhegehalt erwerben; nach neuem Rechte erwirbt
der weit größere Kreis der unwiderruflichen Be-
amten unter beſtimmten Vorausſetzungen Anſpruch
auf V. i. R. m. R. Widerrufliche Beamte können
„Anſpruch“ auf Ruhegehalt nur auf Grund der
Beſtimmungen über Unfallfürſorge erwerben; je—
doch „können“ ſie wegen Dienſtunfähigkeit in den
Ruheſtand verſetzt werden und es „kann“ ihnen
in dieſem Falle ein Ruhegehalt bis zur Höhe des
nach den Vorſchriften für die unwiderruflichen Be—
amten ſich berechnenden Betrages gewährt werden.
Wie ſeither dem definitiven pragmatiſchen Be—
amten ſteht künftig dem unmiderruflichen Beamten
Anſpruch auf V. i. R. m. R. im Falle der infolge
eines körperlichen Gebrechens oder Schwäche der
körperlichen oder geiſtigen Kräfte eingetretenen
Dienſtunfähigkeit zu. Wenn nicht ausgeſchloſſen
iſt, daß der dienſtunfähig Gewordene wieder dienſt—
fähig wird, iſt er, wie bisher, zunächſt nur für
die Dauer der vorausſichtlichen Dienſtunfähigkeit
in den (zeitlichen) Ruheſtand zu verſetzen. Der
in zeitlichem Ruheſtand Befindliche tritt weder mit
dem Friſtablauf von ſelbſt in die Aktivität zurück,
noch hat er ein Recht auf Wiederanſtellung. Er
„kann“, wenn er das 65. Lebensjahr noch nicht
— . ͤ6ö— 6— — — —ä— ——— 5 ã¼ ä — —— 4 mn
überſchritten hat, nach wiedererlangter Dienſt⸗
fähigkeit wieder zur Dienſtleiſtung auf eine Amts⸗
ſtelle berufen werden, auf die er als aktiver Be⸗
amter hätte verſetzt werden können. Aber auch der
wegen Dienſtunfähigkeit in den dauernden Ruheſtand
verſetzte Beamte kann in Zukunft unter den gleichen
Vorausſetzungen wieder zur Dienſtleiſtung berufen
werden, wie der in den zeitlichen Ruheſtand ver⸗
ſetzte Beamte. Seither beſtand eine Verpflichtung,
einer Wiederberufung zum Dienſte Folge zu leiſten,
nur für die nichtpragmatiſchen Staatsdiener.
Gegen die Wiederanſtellung gibt es keinen
Rechtsbehelf; zwar kann der wieder zum Dienſt
Berufene den ihm auf Grund des Art. 65 Ziff. 1
entzogenen Ruhegehalt klagend geltend machen,
aber die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde,
welche die Wiederanſtellung verfügt hat, iſt nach
Art. 178 Ziff. 3 für das Gericht bindend, die
Beſchreitung des Rechtsweges daher zwecklos.
Zum Nachweiſe der Dienſtunfähigkeit eines um
Verſetzung in den Ruheſtand nachſuchenden Be⸗
amten ift in Zukunft die Erklärung der unmittel-
bar vorgeſetzten Dienſtbehörde, daß ſie nach pflicht⸗
mäßigem Ermeſſen die Vorausſetzungen für die
V. i. R. für gegeben erachtet, erforderlich und in
der Regel genügend. Die zu § 22 D der BerfUrt.
ergangenen Vorſchriſten über den Nachweis der
Dienſtunfähigkeit (Weber II S. 78, 378, III S. 227,
IV S. 184, 634; JMBl. 1870 S. 50) find mit
dem Inkrafttreten des BG. aufgehoben.
Außer wegen Dienſtunfähigkeit kann der un:
widerrufliche Beamte wie ſeither der pragmatiſche
Beamte die V. i. R. wegen hohen Lebensalters be⸗
anſpruchen. Das BG. hat die Altersgrenze (ſeit⸗
her vollendetes 70. Lebensjahr) auf das vollendete
65. Lebensjahr herabgeſetzt, dafür aber das ſeit⸗
herige Recht der pragmatiſchen Beamten, wegen
Dienſtalters (nach vollen 40 Dienſtjahren) die
V. i. R. zu beanſpruchen, beſeitigt.
Ohne ſein Anſuchen kann der unwiderrufliche
Beamte in den Ruheſtand verſetzt werden:
1. ohne weiteres, wenn er das 65. Lebensjahr
vollendet hat; es iſt kein Verfahren, nicht
einmal Anhörung des Beamten vorge—
ſchrieben; der Satz der Begründung (S. 128
bis 129), daß das Verfahren nach Art. 51
(„in dieſen Fällen“) Platz greife, iſt irrig;
2. wegen Dienſtunfähigkeit;
3. wenn durch Verſchulden des Beamten Um—
ſtände vorliegen, durch die ſeine amtliche
Wirkſamkeit auch auf einer anderen Stelle
nicht bloß vorübergehend geſtört wäre, ein
Disziplinarverfahren aber wegen Verjährung
ausgeſchloſſen ift (vgl. Art. 71 Ziff. 2 mit
Art. 65 RDG.).
Durch dieſe Beſtimmungen iſt das ſeitherige
Recht der Staatsregierung, den Beamten jederzeit
aus adminiſtrativen Erwägungen in den zeitlichen
oder dauernden Ruheſtand zu verſetzen, einge⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
ſchränkt worden und das für die unter Ziff. 2 ftrafgewalt auf die im Ruheſtand befindlichen
u. 3 angeführten Fälle in Art. 51 Abſ. 1 mit 6
angeordnete Verfahren ſowie das den Beamten
eingeräumte Beſchwerderecht bieten ihm Garantien
für eine gründliche Prüfung der Vorausſetzungen
für die zwangsweiſe Ruheſtandverſetzung; anderer⸗
ſeits aber trifft dieſe den Beamten zufolge der
Schmälerung der Penfſionsrechte viel Härter als
ſeither.
Die Entſcheidung der Verwaltungsbehörde über
die Frage, ob die Einwendungen eines Beamten
oder ſeines Vertreters gegen die V. i. R. begründet
waren oder nicht, iſt für den Streitrichter bindend
(Art. 178 Ziff. 8).
Die Rechtsſtellung der in zeitlichen — oder
dauernden — Ruheſtand verſetzten Beamten iſt
von jener der ſonſt entlaſſenen Beamten weſentlich
verſchieden; der Staat, der ihnen Unterhalt fort⸗
gewährt, legt ihnen auch Pflichten und Pe-
ſchräͤnkungen auf. Die Verpflichtung, der Wieder:
berufung zum Dienſte bei Wiedereintritt der
Dienſtfähigkeit Folge zu leiſten, liegt nur den in
|
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den zeitlichen Ruheſtand und den wegen Dienſt⸗
unfähigkeit in den dauernden Ruheſtand verſetzten
Beamten ob; für alle in den zeitlichen oder
dauernden Ruheſtand verſetzten Beamten dagegen
gelten laut Art. 24
1. die Verpflichtung zur Beobachtung eines
ihrer früheren dienſtlichen Stellung würdigen
Verhaltens;
Beamten.
Seither konnte der im dauernden Ruheſtand
befindliche nichtrichterliche Beamte nur auf Grund
des Art. 106 des AG. z. StPO. wegen Ber:
letzung des Dienſtgeheimniſſes disziplinär mit Geld
bis zu 600 M beſtraft werden. Nun können zwar
Ordnungsſtrafen (Verweis oder Geldſtrafe bis zum
Betrage des einmonatigen Ruhegehaltes) auch nur
wegen Verletzung der Pflicht der Amtsverſchwiegen⸗
heit gegen den im zeitlichen oder dauernden Ruhe⸗
ſtand befindlichen Beamten verhängt werden, es
kann aber nunmehr gegen den in Ruheſtand ver:
ſetzten unwiderruflichen Beamten wegen ſolcher
Handlungen, die gegenüber einem aktiven Beamten
die Dienſtentlaſſung begründen würden, gleichviel
ob dieſe Handlungen in der Dienſtesaktivität oder
im Ruheſtand begangen ſind, ein Disziplinarver⸗
fahren eingeleitet werden und iſt an Stelle der
Dienſtentlaſſung auf Verluſt des Titels, der
Dienſtabzeichen, des Ruhegehalts ſowie des An⸗
ſpruchs auf Hinterbliebenenverſorgung zu erkennen;
zur Milderung allzugroßer Härten finden auch
hier die Beſtimmungen des Art. 110 Abſ. 2 u. 3
entſprechende Anwendung.
Die wichtigſten Beſtimmungen über die
künftig der Berechnung des Ruhegehalts zu—
grunde zu legende Dienſtzeit ſollen kurz erörtert
werden. Der Berechnung wird die nach Voll—
endung des 21. Lebensjahres in der Eigenſchaft
2. die Verpflichtung zur Wahrung des Amts: als (beſoldeter oder unbeſoldeter) Beamter im
geheimniſſes;
3. das Verbot der Annahme von Geſchenken,
Belohnungen uſw. ohne Erlaubnis nach
Maßgabe des Art. 20.
Dem in den zeitlichen Ruheſtand verſetzten
Beamten liegt außerdem noch die Verpflichtung
zur Anzeige der beabſichtigten Verehelichung oder
an der Erlaubnis hierzu ob (Art. 24
. 1).
Aus der gegenüber dem ſeitherigen Rechte
ſtrengeren Auffaſſung von dem Fortbeſtand eines
Pflichtverhältniſſes der in Ruheſtand verſetzten
Beamten zum Staat hat das BG. die äußerſten
Folgerungen gezogen. Seither war die Penſion
des nichtrichterlichen pragmatiſchen Beamten un-
entziehbar ſelbſt im Falle der Verurteilung des
penſionierten Beamten wegen einer in der Aktivität
begangenen ſtrafbaren Handlung zu einer Strafe,
die für den aktiven Beamten den Verluſt des
Amtes zur Folge gehabt hätte. Das BG. hat
die bisher nur für die nichtpragmatiſchen Be—
|
amten gültige Beſtimmung des § 28 Abſ. 1 Ziff. 3
der VO. vom 26. Juni 1894, wonach die Penſion
durch rechtskräftige Verurteilung zu einer Strafe,
welche für den aktiven Beamten den Verluſt des
Amtes kraft Geſetzes zur Folge gehabt hätte, als
für alle, auch für die richterlichen Beamten gültigen
i
t
Sinne des Art. 1 HG. zugebrachte Dienitzeit
zugrunde gelegt; dieſe wird regelmäßig vom Tage
der erſten eidlichen Verpflichtung als Beamter an
— für Juriſten alſo von der Verpflichtung als
Rechtspraktikant an — gerechnet, wenn aber nach⸗
weisbar die Eigenſchaft als Beamter im Sinne
des BG. ſchon früher erworben war, von dieſem
Zeitpunkte an. Wichtig iſt, daß auch die Zeit
eingerechnet wird, während welcher der Beamte
als Staatsdieneraſpirant den für die Ernennung
zum etatsmäßigen Beamten angeordneten oder zu⸗
gelaſſenen Vorbereitungsdienſt abgeleiſtet hat. Im
übrigen fei auf die Vorſchriften der Art. 54 —58
verwieſen.
Die Entſcheidungen der Verwaltungsbehörden
über die Anrechnung einer Dienſtzeit, die nach
Art. 56 und 57 angerechnet werden kann, ſind
für den Streitrichter bindend (Art. 178 Ziff. 8).
Ungünſtiger als das ſeitherige Recht ſind die
Beſtimmungen des Art. 66 über Ruhen des An-
ſpruchs auf Ruhegehalt, beſonders jene in Ziff. 2
dieſes Artikels. Seither hörte nur mit dem
Wiedereintritt des Quieszenten in die Aktivität
der Penſionsbezug auf; dagegen gab es keine
Norm, die den Einzug der Penſion wegen Bezugs
eines anderen Einkommens aus öffentlichem Dienſt
gerechtfertigt hätte. So hatte z. B. die leber-
Rechtssatz aufgenommen (Art. 65); er ſtimmt zu | nahme eines Notariats keinen Einfluß auf den
der nun zu beſprechenden Ausdehnung der Dienft: Ruhegehalt des Penſioniſten (Bl. f. RA. 50 S. 85).
456
In Zukunft kürzt der Staat den Ruhegehalt,
ſolange der Beamte a. D. ein ſolches Einkommen
bezieht, um den Betrag, um welchen Einkommen
und Ruhegehalt zuſammengerechnet den vor der
Ruheſtandsverſetzung bezogenen Gehalt überſteigen
würden. Die kurgzſichtige fiskaliſche Beſtimmung
wird ihren Zweck verfehlen und nur den Erfolg
haben, die in Ruheſtand verſetzten Beamten in
Privatſtellungen zu treiben.
Auch ein ganz vorübergehendes Einkommen
aus öffentlichem Dienſt rechtfertigt den Abzug, ſo
wenn z. B. ein Amtsrichter a. D. dadurch, daß
er auf einige Monate die Verweſung eines
Notariats übernimmt, für dieſe Zeit unter Hinzu⸗
rechnung ſeines Ruhegehalts ein ſeinen früheren
Gehalt überſteigendes Einkommen genießen würde.
Erdient der Beamte a. D. in der neuen Stellung
einen Ruhegehalt, ein Wartegeld oder einen ähn⸗
lichen Bezug, ſo bildet der Betrag des Ruhegehalts,
den er ſich verdient haben würde, wenn er die in
der neuen Stellung zugebrachte Zeit in der ur:
ſprünglichen Stellung fortgedient hätte, die Grenze
feiner Geſamtbezüge; den Betrag, um den die
Summe der beiden Ruhegehalte dieſen fingierten
Ruhegehalt überſteigt, kürzt der Staat an dem
urſprünglichen Ruhegehalt.
Weibliche unverheiratete Beamte haben An—
ſpruch auf Ruhegehalt gleich den männlichen
Beamten; ſie verlieren auch den Anſpruch auf
Ruhegehalt durch Verehelichung nicht. Der An—
ſpruch der weiblichen Beamten auf Ruhegehalt
ruht jedoch für die Dauer der Ehe, gleichviel ob
der weibliche Beamte fih erft nach der V. i. R.
verheiratet oder während der Dauer der Ehe in
Ruheſtand verſetzt wird. In den ungeſchmälerten
Bezug ſeines Ruhegehalts tritt der weibliche Be:
amte aber auch nach dem Tode des Mannes nur
dann, wenn er nicht durch die Ehe Anſpruch auf
Witwengeld aus der Staatskaſſe oder einer ſonſtigen
öffentlichen Kaſſe erworben hat; neben dem Witwen⸗
geld wird der Ruhegehalt nur ſoweit gewährt, als
er das Witwengeld überſteigt (Art. 206 Abſ. 1
Ziff. 2 und 3).
Beim Zuſammentreffen von ſtaatlichem Ruhe-
gehalt mit Witwengeld aus der Staatskaſſe' er—
geben ſich Schwierigkeiten aus Art. 86 Abſ. Ziff. 3
Satz 2 über Ruhen des Witwengeldes. Dieſe Be—
ſtimmung ſetzt offenbar die ungeſchmälerte Zahlung
des Ruhegehalts, Art. 206 die ungeſchmälerte
Zahlung des Witwengelds voraus; wird das aus
der Staatskaſſe zu zahlende Witwengeld nach Art. 86
gekürzt, muß der Ruhegehalt aus der Staatskaſſe
ſoweit gewährt werden als er das gekürzte Witwen—
geld überſteigt.
Steht dem weiblichen Beamten der Anſpruch
auf Ruhegehalt auf Grund der Vorſchriften über
Unfallfürſorge zu, tritt weder ein Ruhen des
Ruhegehalts für die Dauer der Ehe noch eine
Kürzung des Ruhegehalts beim Zuſammentreffen
mit einem Anſpruch auf Witwengeld ein. Richtet
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
ſich jedoch der Anſpruch auf Witwengeld gegen die
Staatskaſſe, erhält der weibliche Beamte das
Witwengeld nur ſoweit, als dieſes den Betrag
der Unfallpenſion überſteigt (Art. 206 Abſ. 2).
Zweifel ſind jedoch wieder in dem Falle möglich,
daß die Ruhegehaltsberechtigte die Witwe eines
aus einer anderen öffentlichen Kaſſe beſoldeten
Beamten im Sinne des BGG. iſt (ogl. Begr.
S. 82) und deshalb den Anſpruch auf Witwen⸗
geld gegen dieſe Kaſſe auf Grund des BG. hat.
Hier fragt es ſich, ob ein Ruhen des („nach dieſem
Geſetze ſich berechnenden“) Witwengelds nach Art. 86
eintritt. Die Entſcheidung hängt wohl von Be⸗
antwortung der Frage ab, ob der Unfallbezug,
der ja den Charakter der Penſion hat (ſ. Be⸗
gründung S. 171 unten), eine aus der Ver⸗
wendung im Staatsdienſte „erdiente“ Penſion
iſt; das iſt nicht unzweifelhaft, weil der Anſpruch
auch dem ſonſt nicht penſionsberechtigten Beamten
zuſteht; da aber der Anſpruch doch ſeine Wurzel
im Dienſtverhältniſſe hat, dürfte die Frage zu
bejahen ſein.
Der Ruhegehalt darf in Zukunft ohne Ge—
nehmigung im Auslande verzehrt werden; auch
ein Abzug an dem ins Ausland bezogenen Ruhe⸗
gehalt findet nicht mehr ſtatt.
Den zur Zeit des Inkrafttretens des Geſetzes
aktiven Beamten wahrt dieſes ihre erworbenen
Rechte in der Weiſe, daß es ihnen den höheren
Ruhegehalt ſichert, den ſie bei fortdauernder Gültig⸗
keit der ſeitherigen Vorſchriften über die Gehalte
und Penſionen im Zeitpunkte der V. i. R. verdient
haben würden, jedoch ohne Berückſichtigung der
mit oder nach dem Inkrafttreten des Geſetzes ein⸗
getretenen Beförderungen. Es kommen jedoch die
neuen Beſtimmungen über Ruhegehalt zur An⸗
wendung, wenn dieſe dem Beamten günſtiger find.
Das gleiche gilt für die zwar ſchon vor dem In⸗
krafttreten des BG. in Ruheſtand verſetzten, aber
nach dieſem Zeitpunkte wieder angeſtellten Be-
amten. Das Geſetz ſchweigt ſich darüber aus, wie
feſtgeſtellt werden ſoll, ob der Beamte bei Fort⸗
dauer der alten Normen und der früheren Stellung
die Vorrückungen, die ihm, wenn er ſie verdient
hätte (ſ. Begr. S. 269), für die vergleichende Be⸗
rechnung zugute zu rechnen ſind, erhalten oder
nicht erhalten hätte. Ob die früher erforderliche
beſondere Genehmigung erteilt worden wäre, iſt
nicht feſtſtellbar; es muß wohl unterſtellt werden,
daß dem Beamten die Vorrückungen unter den
alten Normen bewilligt worden wären, ſoweit ihm
nicht ſolche unter der Herrſchaft des BG. entzogen
worden ſind. Art. 213 Abſ. 2 wahrt ferner den
vor dem 1. Januar 1909 ernannten Beamten die
Anrechnung einer nach den ſeitherigen Vorſchriften
bei Bemeſſung des Ruhegehaltes anzurechnenden,
nach den neuen Vorſchriften nicht anzurechnenden
Dienſtzeit. Wichtig für jene Beamte, welche in
den erſten 6 Jahren nach Inkrafttreten des BG. in
den Ruheſtand verſetzt werden, iſt ferner die Ueber—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
457
— . —— . ——ö— . —ä — — ꝛtͤ—ę——ũ
gangsbeſtimmung des Art. 211 Abſ. 8, welche für
die Bemeſſung des Ruhegehalts und der Hinter⸗
bliebenenbezüge die für die Ueberleitung verfügte
Sperre der letzten oder der beiden letzten Dienſt⸗
altersſtufen ausſchaltet.
Was die Stellung der vor oder mit dem In⸗
krafttreten des BG. in Ruheſtand verſetzten Be⸗
amten betrifft, könnten die Vorſchriften des Art. 212
Abſ. 1 und 2, welche für dieſe Beamten und
deren Hinterbliebene die ſeitherigen Penſionsvor⸗
ſchriften und Vorſchriften über die einmalige Ab-
fertigung ſowie über die Unterhaltsbeiträge aus⸗
drücklich aufrecht erhalten, ſowie einzelne Sätze
der Begründung zu Art. 212 zu dem Schluſſe
verleiten, daß an Stelle der nicht ausdrücklich auf⸗
recht erhaltenen früheren Normen auch für die
unter den alten Normen in den Ruheſtand ver:
ſetzten Beamten die neuen Vorſchriften Anwendung
zu finden haben, alſo z. B. die Vorſchrift des
Art. 64 über Wiederberufung zur Dienſtleiſtung,
dann jene über Dienſtſtrafrecht. Dieſer Schluß
wäre irrig; dieſe Beamten a. D. waren nie Be⸗
amte im Sinne des BGG. und können nicht nad):
träglich als ſolche erklart werden.
BG. von in den Ruheſtand verſetzten Beamten
ſpricht, hat es nur die unter ſeiner Herrſchaft in
den Ruheſtand verſetzten Beamten im Auge. An der
Rechtslage der vor oder mit dem Inkrafttreten des
BG. penſionierten Beamten ändert ſich ſohin weiter
nichts, als daß nach Art. 212 Abſ. 3 die Vor:
ſchriften über das Erfordernis einer Erlaubnis zum
Genuß einer Penſion im Auslande auch für ſie
außer Kraft treten.
b) der richterlichen Beamten.
Die Verſetzung der richterlichen Beamten in
den dauernden Ruheſtand auf Anſuchen bietet keine
Beſonderheit. Für ihre unfreiwillige Verſetzung
in den Ruheſtand ſind die Beſtimmungen des RDG.
maßgebend. Nur die auf die V. i. R. bezüglichen
Aenderungen, welche das RTG. durch Art. 224
BG. erfahren hat, ſollen kurz beſprochen werden.
In Zukunft kann auch der richterliche Beamte
wider ſeinen Willen in den Ruheſtand verſetzt
werden, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat,
jedoch nur unter der weiteren Vorausſetzung, daß
ſeine V. i. R. im Intereſſe der Rechtspflege liegt
(Art. 224 Abſchn. 25 und 31, 184 BG.); es
greift dasſelbe Verfahren nach Art. 72 — 74 bzw.
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Wo das
Art. 79 Abſ. 4 RDG. Platz, wie ſeither im Falle
der unfreiwilligen V. i. R. wegen Dienſtunfähigkeit.
Die Vorſchriften über dieſes Verfahren haben eine
Ergänzung erhalten, indem in ähnlicher Weiſe wie
beim Verfahren gegen nichtrichterliche Beamte nach
Art. 51 BG. für den Fall Vorſorge getroffen
worden iſt, daß eine Verſtändigung mit dem
richterlichen Beamten nicht möglich iſt.
Der in den dauernden Ruheſtand verſetzte
richterliche Beamte kann zwar unter den gleichen
Vorausſetzungen wie der nichtrichterliche Beamte
wieder zur Dienſtleiſtung berufen werden, es können
jedoch Richter der ordentlichen Gerichte nur auf
eine Richterſtelle dieſer Gerichte, Mitglieder des Ver⸗
waltungsgerichtshofs und Mitglieder des Oberſten
Rechnungshofs nur wieder als Mitglieder des Ge⸗
richtshofs, dem ſie zuvor angehörten, berufen werden
(Art. 183 Ziff. 6 Abſ. 2, Art. 184 BG.).
Durch Aenderung des Art. 8 des RDG.
(Art. 224 Ziff. 5 und Ziff. 6 Abſ. 2) hat die
Disziplinarſtrafgewalt gegenüber dem im Ruhe⸗
ſtand befindlichen Richter eine erhebliche Aus⸗
dehnung erfahren, wie nachfolgende Vergleichung
ergibt:
1. Wegen in der Aktivität oder im Ruheſtand
begangener Verletzung der Pflicht zur Amts⸗
verſchwiegenheit iſt zwar künftig wie ſeither Ver⸗
weis oder Geldſtrafe bis zum Betrage des ein-
monatigen Ruhegehalts zuläſſig, wenn aber der
Fall ſo gelagert iſt, daß gegenüber dem aktiven
Richter die Dienſtentlaſſung begründet ſein würde,
iſt nicht bloß wie bisher auf Verluſt des Titels
und der Dienſtabzeichen, ſondern auch auf Ver⸗
luſt des Ruhegehaltes zu erkennen, wobei aller⸗
dings die Möglichkeit der Milderung überein⸗
ſtimmend mit Art. 110 Abſ. II und III des
BG. vorgeſehen iſt.
2. Wegen ſolcher Verfehlungen, welche in der
Dienſtesaktivität zur Dienſtentlaſſung geführt
haben würden, war bisher auf Verluſt des Titels
und der Junktionszeichen zu erkennen, und nur
in dem Falle, daß die Einſchreitung wegen einer
in der Dienſtesaktivität verübten ſtrafbaren Hand⸗
lung erfolgte, welche nach ſtrafgeſetzlichen Be⸗
ſtimmungen den Verluſt des Amtes zur Folge
haben konnte, konnte zugleich der Verluſt des
Ruhegehalts oder eines Teiles ausgeſprochen
werden.
Nunmehr iſt ohne Beſchränkung auf ſolche
Verfehlungen, welche nach ſtrafgeſetzlichen Be⸗
ſtimmungen den Verluſt des Amtes zur Folge
haben können, und ohne Rückſicht darauf, ob die
Verfehlung während der Aktivität oder während
des Ruheſtands begangen iſt, neben dem Ver⸗
luft des Titels und der Dienſtabzeichen auf Ver:
luſt des Ruhegehalts und, was nach bisherigem
Rechte niemals ausgeſprochen werden konnte, auf
Verluſt des Anſpruchs auf Hinterbliebenenver⸗
ſorgung zu erkennen, jedoch die Möglichkeit der
Milderung in Uebereinſtimmung mit Art. 110
Abſ. II u. III offen gehalten.
Ein etwas erfreulicheres Bild bieten die Vor:
ſchriften über
Hinterbliebenenfürſorge.
Freilich ſtehen auch hier neuen günſtigeren
Beſtimmungen Verluſte ſeitheriger Rechte der
Hinterbliebenen der pragmatiſchen Beamten gegen—
über; immerhin darf man für die ſchon vor dem
1. Januar 1909 angeſtellten Staatsdiener von
458
einer Beſſerſtellung ſprechen. Ob aber die Beſſer⸗
ſtellung der Hinterbliebenen jener Beamten, die
ſeither zu den pragmatiſchen zählten, eine dauernde
fein wird, dürfte von dem Schickſal des Alge-
meinen Unterſtützungsvereins und der Töchterkaſſe
abhängen; der Verluſt der Unterſtützungen und
Präbenden aus dieſen Fonds würde durch die
Erhöhung des Witwen- und Waiſengeldes vielfach
nicht aufgewogen werden.
Bei der folgenden Darſtellung bleiben die
Unfallfürſorgeanſprüche der Hinterbliebenen (ſ. oben)
außer Betracht.
Seither wurde Gehalt oder Penſion des Be⸗
amten noch für den Sterbemonat und Sterbe⸗
nachmonat an die Erben fortbezahlt. Künftig
haben die Witwe und die ehelichen oder legiti-
mierten Kinder des etatsmäßigen — widerruf—
lichen oder unwiderruflichen — Beamten und die
ehelichen oder legitimierten Kinder, nicht aber der
Witwer der weiblichen Beamten „Anſpruch“ auf
Fortzahlung des Gehalts, Wartegelds oder Ruhe—
gehalts noch für das auf den Sterbemonat folgende
unter beſtimmten Vorausſetzungen
Vierteljahr;
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
„kann“ der Sterbegehalt, wenn weder eine Witwe
noch Kinder vorhanden ſind, anderen Perſonen
gewährt werden (Art. 78 Abſ. 2). Der Sterbe⸗
gehalt iſt nicht abtretbar, nicht verpfändbar und
nicht pfändbar.
Der Kreis der zum Bezug von Penſionen
berechtigten Perſonen erfährt durch das BG. mehr—
ſache Verſchiebungen. Eine Erweiterung inſoferne,
als 1. Witwe und Kinder aller unwiderruflichen
Beamten künftig Anſpruch auf „Witwengeld“ und
„Waiſengeld“ haben, der Kreis der unwiderruf—
lichen Beamten aber ein größerer als jener der
ſeither pragmatiſchen Beamten ſein wird; 2. nicht
nur, wie ſeither den ehelichen und durch nach—
folgende Ehe legitimierten, ſondern auch den für
ehelich erklärten Kindern der Anſpruch auf Waiſen—
geld zuſteht; 3. künftig im Gegenſatz zum ſeit—
herigen Rechte auch den Hinterbliebenen aus Ehen,
die ohne die erforderliche dienſtliche Bewilligung
oder im zeitlichen Ruheſtand geſchloſſen ſind, der
Anſpruch zuſteht (ſ. Hauptlandespragmatik Art.
XXIV
1894). Eine Verengerung erfährt der Kreis der
Berechtigten dadurch, daß der den Hinterbliebenen
der pragmatiſchen widerruflichen Beamten zuge—
ſtandene Anſpruch auf Penfion, wenigſtens als
ſofort mit dem Tode des Beamten wirkſamer An—
ſpruch, wegfällt. Die Witwe und die ehelichen
oder legitimierten Kinder eines widerruflichen etats—
mäßigen Beamten erhalten zwar auch in Zukunft
Witwen- und Waiſengeld nach den für die un—
- widerruflihen Beamten beſtehenden Vorſchriften,
wenn der Beamte in Aktivität geſtorben iſt oder
im Zeitpunkte ſeines Todes auf Grund der
Art. 46, 68 im Genuß eines Wartegeldes oder
Ruhegehalts ſtand, haben jedoch einen klagbaren
Anſpruch erſt dann, wenn ihnen durch Entſcheidung
§ 23 be, vgl. § 33 VO. vom 26. Juni
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der zuſtändigen Verwaltungsbehörde, die für den
Streitrichter nach Art. 178 Ziff. 9 bindend iſt,
Witwen: oder Waiſengeld zuerkannt worden ift.
Keinen Anſpruch auf Witwen- und Waiſen⸗
geld haben die Hinterbliebenen eines Beamten aus
einer erſt nach der Verſetzung des Beamten in
den dauernden Ruheſtand geſchloſſenen Ehe und
die Hinterbliebenen der weiblichen Beamten.
Die Sätze der Hinterbliebenenbezüge anlangend
waren ſeither die Hinterbliebenen der im Ruhe-
ſtand geſtorbenen pragmatiſchen Beamten ſchlechter
gehalten als jene der in Aktivität geſtorbenen;
mit dieſer Unterſcheidung hatte ſchon die VO.
vom 26. Juni 1894 gebrochen. In Zukunft
beträgt das Witwengeld 40% des Ruhegehalts,
den der Mann bezogen hat oder bezogen haben
würde, wenn er am Todestage in den Ruheſtand
verſetzt worden wäre, jedoch nie über 30 % des
penſionsfähigen Einkommens des Mannes und,
abgeſehen von den Fällen, daß es nur zufolge
einer Kürzung nach Art. 76 (wenn Witwen- und
Waiſengeld zuſammen den Betrag des Ruhegehalts
des Mannes überſteigen) unter dieſen Betrag zu:
ſammenſchrumpft, nicht unter 300 M im Jahre.
Eine weitere wohltätige Neuerung bringt die Be—
ſtimmung, daß der Witwe bei der Wiederver-
heiratung, die wie ſeither das Erlöſchen des Be⸗
zugsrechtes zur Folge hat, eine einmalige Beihilfe
bis zum 5 fachen Jahresbetrage des Witwengeldes
gewährt werden kann.
Die Erhöhung des Witwengeldes bringt eine
Erhöhung des ein Fünftel oder ein Drittel des
Witwengeldes betragenden Waiſengeldes mit ſich.
Das BGG. vermeidet, wie ſchon die VO. vom
26. Juni 1894, die Bezeichnungen „einfache Waiſe“
und „Doppelwaiſe“; es ſpricht, noch weitergehend
als die letztbezeichnete Verordnung, den höheren
Satz dem Kinde zu, deſſen Mutter nicht mehr
lebt oder zur Zeit des Todes des Beamten zum
Bezuge von Witwengeld nicht berechtigt war. Es
erhalten hiernach auch die Kinder aus einer ge:
ſchiedenen Ehe, deren Mutter noch lebt, ferner
die Kinder, die eine Stiefmutter haben und zwar
ſelbſt dann, wenn letztere Witwengeld bezieht, das
höhere Waiſengeld. Als weitere Verbeſſerungen
ſind zu nennen: 1. die Feſtſetzung des Zeitpunktes,
in dem der Anſpruch auf Waiſengeld erliſcht (ſeit⸗
her Eintritt in das 21. Lebensjahr) auf den Ab⸗
lauf des Monats, in dem die Waiſe das 21. Lebens⸗
jahr vollendet hat; 2. die Nichtübernahme der
Vorſchriften über a) das Erfordernis einer Er—
laubnis zum Genuß der Bezüge ins Ausland,
b) Anrechnung von Präbenden und Stipendien
aus der Staatskaſſe, wogegen allerdings künftig
Kürzung der Hinterbliebenenbezüge um den Be:
trag der auf Grund der Unfallverſicherungsgeſetze
aus der Staatskaſſe bezogenen Witwen- und Kinder—
rente und unter beſtimmten Vorausſetzungen An:
rechnung der Hälfte des Bezugs aus einer Knapp—
ſchaftskaſſe erfolgt (Art. 74 Abſ. 3, Art. 79; vgl.
Hauptlandespragmatik Art. XXIV 822 8 23d oder Waiſe im Jahresbetrage von mehr als 2000 M
und VO. vom 26. Juni 1894 8 35).
Bei Einſchätzung der Vorzüge der neuen Vor⸗
ſchriften darf man nicht überſehen, daß der höhere
Satz des Witwengeldes ſich häufig aus einem
geringeren Ruhegehalt des Mannes berechnen wird
und auch Verluſte an pragmatiſchen Rechten zu
verzeichnen ſind; von dieſen Verluſten iſt beſonders
ſchwerwiegend der Wegfall der Erhöhun
Witwen- und Kinderpenſion um die Hälfte (Preſt⸗
haftigkeitszulage) und des Rechtes der unverſorgten
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
der
gebrechlichen Waiſen auf den Bezug von Unterhalts⸗
dauernden Gültigkeit der ſeitherigen Vorſchriften
über die Gehalte und Penſionen der Beamten
beiträgen über die normale Bezugszeit hinaus nach
Art. XXIV 58 10—13 der Hauptlandespragmatik.
In Zukunft „können“ den hinterbliebenen
ehelichen und legitimierten Kindern eines etats⸗
mäßigen Beamten nach Vollendung des 21. Lebens⸗
jahres im Falle der Erwerbsunfähigkeit und Unter⸗
ſtützungsbedürftigkeit fortlaufende Unterhaltsbeiträge
bis zur Höhe des nach dem BG. ſich berechnenden
Waiſengeldes bewilligt werden. Für die Waiſen
der ſeitherigen nichtpragmatiſchen Staatsdiener, für
welche eine Fürſorge über das vollendete 20. Lebens⸗
jahr hinaus nicht vorgeſehen war, bedeutet die
Neuregelung allerdings eine Verbeſſerung.
Neu iſt auch die Kürzung des Witwengeldes
der Witwe, die mehr als 15 Jahre jünger war
als ihr verſtorbener Gatte (Art. 77, 78). Un⸗
günſtig gegenüber dem Rechte für die pragmatiſchen
Beamten wirkt die nun allgemein gültige, ſeither
nur für die Hinterbliebenen der nichtpragmatiſchen
Staatsdiener beſtandene Beſchränkung, daß Witwen⸗
und Waiſengeld zuſammen den Betrag des wirk⸗
lichen oder angenommenen Ruhegehalts nicht über:
ſteigen dürfen (Art. 76). Ein weiterer Verluſt
iſt der Wegfall der ſeither jenen nichtverſorgten
Waiſen der pragmatiſchen Beamten, welche wegen
Ueberſchreitung des 20. Lebensjahres nicht mehr
in den Genuß eines Unterhaltsbeitrages kommen,
gewährten einmaligen Abfindung. Zu Verluſt
gehen endlich die ſeitherigen Rechte der Kinder
der Staatsminiſter, Miniſterialreferenten, Kollegial⸗
präſidenten, Kollegialdirektoren und jener Kollegial⸗
råte, welche entweder eine 25 jährige Kollegial-
dienſtzeit oder 40 Dienſt⸗ oder 70 Lebensjahre
zurückgelegt haben, auf den Fortgenuß der Unter⸗
haltsbeiträge bis zur Verſorgung oder bis zum
Ableben.
Auch die Beſtimmungen des Art. 86 über
Ruhen des Witwen⸗ und Waiſengeldes ſind un⸗
günſtiger als die ſeitherigen Vorſchriften; die neuen
Beſtimmungen ſehen ein vollſtändiges oder teilweiſes
Ruhen des Anſpruchs vor bei Verluſt der Reichs⸗
459
bzw. 1000 M aus Staatsdienſt, Verwendung im
Staatsdienſt oder einem anderen öffentlichen Dienſt
und beim Zuſammentreffen von Witwengeld mit einer
aus ſolcher Verwendung erdienten Penſion oder
ähnlichen Verſorgung im Jahresbetrage von über
1500 M (Ziff. 3). Den ſeinerzeitigen Hinter:
bliebenen der in die neue Gehaltsordnung über⸗
geleiteten, ſowie derjenigen Beamten, welche zwar
am 1. Januar 1909 ſich im Ruheſtand befinden,
ſpater aber wieder angeſtellt werden, wahrt Art. 214
die höheren Bezüge unter der Fiktion der fort⸗
und über die Bezüge der Hinterbliebenen und
ohne Berückſichtigung einer unter der Herrſchaft
des BG. eingetretenen Beförderung. Tritt der
Fall ein, daß für die Witwe die alten, für die
Kinder oder einzelne von ihnen die neuen Vor⸗
ſchriften günſtiger find oder umgekehrt, wird für
jeden Berechtigten der Bezug nach den ihm
günſtigeren Vorſchriften angewieſen.
Den Kindern der bereits vor dem 1. Januar
1909 in pragmatiſcher Eigenſchaft ernannten Be⸗
amten iſt der Anſpruch auf den Fortbezug der
Unterhaltsbeiträge nach Art. XXIV 88 10—13
der Hauptlandespragmatik gewahrt. Den Söhnen
und Töchtern jener Staatsminiſter uſw. (ſ. oben),
welche dieſe Dienſtesſtellung ſchon vor dem 1. Januar
1909 eingenommen haben, wahrt Art. 215 die in
Art. XXIV 89 der Hauptlandespragmatik ein-
geräumten Rechte nach Maßgabe der bisherigen
Penſionsvorſchriſten; hat der Kollegialrat am
1. Januar 1909 die rn A an welche
die Hauptlandespragmatik die Anſprüche knüpft, noch
nicht erfüllt, wahrt das Geſetz die Anſprüche doch,
wenn er dieſe Vorausſetzungen noch nach dem
1. Januar 1909 erfüllt oder im Falle er vor
deren Erfüllung auf Grund der neuen Beſtim⸗
mungen, welche die unfreiwillige V. i. R. nach
Vollendung des 65. Lebensjahres zulaſſen, in den
Ruheſtand verſetzt wird, wenn er nur den Zeit⸗
punkt erlebt, in welchem er unter der Fiktion fort⸗
dauernder Aktivität und fortdauernder Gültigkeit
|
|
angehörigkeit (Ziff. 1), beim Zuſammentreffen von
Witwen⸗ oder Waiſengeld mit einer weiteren Ver⸗
ſorgung, die der Beamte aus anderweitiger Verwen⸗
dung im Staats⸗ oder einem ſonſtigen öffentlichen
Dienſte für feine Hinterbliebenen erdient hatte (Ziff. 2)
und beim Zuſammentreffen von Witwen: oder
Waiſengeld mit einem Dienſteinkommen der Witwe
der alten Normen dieſe Vorausſetzungen erfüllt
haben würde. Die Beſtimmung hat für den
Kollegialrat das Mißliche, daß er, ſollen die
Kinder den Anſpruch nicht verlieren, es nach Voll⸗
endung des 65. Lebensjahres auf feine zwangs⸗
weiſe Penſionierung ankommen laſſen muß.
An den Rechten der Hinterbliebenen der Beamten
und Bedienſteten, die vor dem Inkrafttreten des
BG. geſtorben find, oder in dieſem Zeitpunkte ſich
in Ruheſtand befinden, treten keine nachteiligen
Aenderungen ein; von den günſtigeren Beſtim⸗
mungen des BG. kommen auf ſie nur zu ent⸗
ſprechender Anwendung die Vorſchriſt des Art. 74
Abſ. 4 (Zuläſſigkeit der Gewährung einer einmaligen
Beihilfe bei Wiederverheiratung der Witwe), die
Aufhebung der Anrechnung von Präbenden und
460
Stipendien aus der Staatskaſſe auf die Hinter:
bliebenenbezüge und die Vorſchriften des Art. 72
über den Sterbegehalt; zu letzterem Punkte iſt
die Faſſung des Art. 212 Abſ. 2 kaum richtig;
die Vorſchriften des Art. 72 ſollen offenbar nur
auf die Hinterbliebenen der am 1. Januar 1909
im Ruheſtand beſindlichen, nicht aber auf jene
der bereits vorher geſtorbenen Beamten Anwendung
finden, da eine Nachzahlung z. B. an die Hinter⸗
bliebenen eines vor 10 und mehr Jahren ge⸗
ſtorbenen Beamten doch gewiß nicht beabſichtigt
ift. Zum Genuß der Hinterbliebenenbezüge im
Ausland iſt keine Erlaubnis mehr erforderlich.
—
Ich ſchließe den Aufſatz mit dem Wunſche,
daß eine wohlwollende Handhabung des Geſetzes
die dieſem charakteriſtiſche ſtarke Betonung der
Dienſtgewalt möglichſt wenig fühlbar mache.
Mitteilungen aus der Praxis.
Führung verbstener Waffen durch Frauen in Selbſt⸗
mordabſicht? Daß ein von ſeinem Liebhaber verlaſſenes
Mädchen einen Selbſtmordverſuch begeht, iſt nicht un⸗
gewöhnlich; daß es ſich hierzu eines Revolvers be⸗
dient, iſt naheliegend. Daß es aber deshalb ſtrafbar
ſein ſoll, wenn es das Unglück hat, Dienſtbote zu ſein,
iſt verwunderlich. Der Fall iſt tatſächlich vorgekommen,
daß der Liebhaber, der ſo viel Edelmut noch auf⸗
brachte, dem Mädchen die Waffe, die es gegen ſich
erhoben hatte, zu entreißen, dann die Stirne beſaß,
die Sache der Polizei mitzuteilen, die eine Anzeige
gegen das Mädchen wegen Führens verbotener Waffen,
nämlich wegen Uebertretung des Art. 39 PStGB.
mit 8 1 Abſ. 1 der VO. vom 19. November 1887,
aufnahm und an den Amtsanwalt weitergab.
Die erſte Vorausſetzung für die Anwendbarkeit
der angeführten Beſtimmungen ift, daß Frauen iiber-
haupt unter $1 der VO. fallen. Es werden dort
aufgezählt auf der einen Seite die nach Zigeunerart
umherziehenden Perſonen, die wegen Geiſteskrankheit
entmündigten Perſonen, die Perſonen unter 18 Jahren,
die Lehrlinge, die Dienſtboten und die in der Haus—
induſtrie beſchäftigten Perſonen; es iſt nach dem
Wortſinn der Bezeichnungen gewiß, daß hierzu die
Frauen ebenſo gehören, wie die Männer. Auf der
anderen Seite ſind genannt die Bettler, die Land—
ſtreicher, die Zigeuner, die bei Eiſenbahnbauten bez |
ſchäftigten Arbeiter, die Taglöhner, die Gewerbegehilfen
und die Fabrikarbeiter; hierunter verſteht die Um—
gangſprache nur die männlichen Angehörigen der auf—
geführten Perſonenklaſſen, da für die Bezeichnung der
weiblichen eigene Formen gebräuchlich ſind. Endlich
werden die noch im Brot des Familienhauptes ſtehen—
den ledigen Hausſöhne von dem Verbot getroffen;
hier kann kein Zweifel ſein, daß nur die männlichen
Familienglieder gemeint ſind. Kommt man alſo zu
der Entſcheidung, daß Frauen der zuerſt genannten
Perſonenklaſſen ſich der Führung verbotener Waffen
ſchuldig machen können, die übrigen dagegen nicht?
Das wäre eine Buchſtaben-Jurisprudenz, für die ich
Zeitſchrift fi für ))) ] ð²2ꝛ T in Bayern. 1908. Nr. 23.
kein Verſtändnis hätte. Jede Vorſchrift hat einen
Zweck, der bei Unklarheit des Wortlautes zur Aus⸗
legung herangezogen werden darf und muß. Was
ſollte es aber für einen Sinn haben, die Waffenfübrung
einem weiblichen Dienſtboten zu verbieten, wenn ſie
einer Haustochter, die in den gleichen Verhältniſſen
wie der Dienſtbote ſein kann, oder einer Gewerbe⸗
gehilfin erlaubt iſt, oder einen Unterſchied zwiſchen
einer Fabrikarbeilerin und einer Hausinduſtriellen zu
machen? Geradezu unſinnig wäre es, die Anwend⸗
barkeit des Art. 39 PStGB. auf Frauensperſonen,
die nach Zigeunerart herumziehen, zu bejahen, auf
Zigeunerinnen ſelbſt zu verneinen. Dieſe Beiſpiele
zeigen klar, daß einheitlich entſchieden werden muß;
entweder bezieht ſich das Verbot auf F Frauen über⸗
haupt nicht oder auf alle Frauen, die den in § 1 der
VO. aufgeführten Gruppen angehören oder ibnen
wenigſtens in der weiblichen Sphäre entſprechen.
Nun iſt nach dem klaren Wortlaut der Vorſchrift
unbeſtreitbar, daß ſie auf Haustöchter nicht Anwendung
finden kann und bei der zweiterwähnten Perſonen⸗
klaſſe führt die wörtliche Auslegung zu demſelben Er⸗
gebnis, daß nämlich die Frauen außer Betracht bleiben.
Folglich kann unter den als „Perſonen“ aufgeführten
Gruppen nur der männliche Teil gemeint ſein. Daß
dies dem Wortſinn Zwang antäte, läßt ſich nicht
behaupten, wenn man berückſichtigt, daß nur bei
den Perſonengruppen, für welche die Sprache kein
eigenes Maskulinum, kein eigenes Femininum hat, die
neutrale Form gewählt iſt, und daß im übrigen ſtets
das Maskulinum angewendet wird. Ein Sinn für
eine ſolche Unterſcheidung zwiſchen Frauen und Männern
iſt leicht erſichtlich. Der Strafgeſetzgeber hat auch ſonſt
(freilich nicht immer mit Recht) zu den Frauen ein
größeres Vertrauen als zu den Männern — man
denke z. B. nur an 8 175 StGB. — und mag fid
der Erwartung hingegeben haben, die Waffenführung
durch Frauen beeinträchtige die öffentliche Sicherheit
nicht in dem Maß, daß eine Polizeivorſchrift angezeigt
erſcheine; es iſt bekannt, daß Burſchen aus den Kreiſen,
wie fie in § 1 der VO. aufgezählt find, in der Trunken⸗
heit oder bei Streit gerne zum Meſſer oder den eben⸗
falls dort genannten Waffen greifen, während man
das im allgemeinen den Frauen nicht nachſagt. Nicht
zu verkennen iſt freilich, daß die Entſtehungsgeſchichte
der behandelten Strafvorſchrift dagegen zu ſprechen
ſcheint. Die älteſte in Betracht kommende Verordnung.
die vom 30. Dezember 1862 (Reg Bl. 1863 S. 9), ver-
bot die Führung beſtimmter Waffen „allen unanſäſſigen
Perſonen“ ohne weiteren Beiſatz; hierunter fallen an
ſich die Frauen. Sie wurde aufgehoben und erſetzt
durch die Verordnung vom 21. Januar 1872 (RegBl.
S. 333), die das Verbot auf alle „unſelbſtändigen
Perſonen“ bezieht und wegen dieſes Begriffes auf
Art. 6 des Heim G. verweiſt, wo in Abſatz 2 als un:
ſelbſtändig außer den auf Grund richterlicher Ver—
fügung unter Kuratel ſtehenden Perſonen die Dienſt⸗
boten, Gewerbegehilfen und Hausſöhne, letztere unter
einer beſtimmten Vorausſetzung, genannt find. So
weit die Hausſöhne in Betracht kommen, konnten
freilich nur männliche Perſonen unter das Verbot
fallen (erft durch das AG. 3. BOB. ift das Wort
„Hausſöhne“ durch „Kinder“ erſetzt worden); im
übrigen iſt es dagegen zweifellos, daß das Heimat:
geſetz unter Dienſtboten und Gewerbegehilfen auch
weibliche Perſonen verſtand, weil ja auch ſolche einen
Heimatanſpruch erlangen können. Mit Rückſicht auf
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
die vorigen Ausführungen dürfte aber dieſe Ent⸗
ſtehungsgeſchichte nicht in Betracht kommen; vielmehr
muß angenommen werden, daß mit der Verordnung
von 1887 eine Aenderung des bisherigen Rechts⸗
zuſtandes gewollt war.
Da aber das Ergebnis nicht zweifelfrei iſt,
wird eine Unterſuchung darüber angezeigt ſein, ob
überhaupt eine Waffenführung im Sinn des Geſetzes
vorlag. Auch das iſt zu verneinen. Der Begriff der
Waffenführung iſt dem Reichsſtrafgeſetzbuch gleichfalls
bekannt (8 243 Abſ. 1 Ziff. 5, vgl. auch § 123 Abſ. 3)
und es iſt für dieſes beſtritten, ob das Beiſichtragen
der Waffe, der bloße Beſitz genügt, oder ob die Ab⸗
ſicht erforderlich iſt, ſich der Waffe zum Angriff oder
zur Verteidigung zu bedienen (ſ. Olshauſen, Komm.
z. StGB. 7. Aufl. 8 243 N. 46 auf einer Seite,
Frank, Komm. z. StGB. 5.7. Aufl. 8 243 N. VI
auf der anderen Seite). Stellung zu dieſer Frage
zu nehmen, ſcheint mir nicht notwendig, da eine Ueber-
nahme der Definition in das weſentlich verſchiedene
Gebiet des Polizeiſtrafrechts bedenklich wäre. Nach
dem polizeilichen Zweck des Art. 39 PStGB. ift viel-
mehr auf alle Fälle für deſſen Anwendbarkeit die
Abſicht notwendig, von der Waffe auch allenfalls Ge⸗
brauch zu machen, wie dies der vormalige oberſte
Gerichtshof in ſeiner Entſcheidung vom 30. Januar
1875 (Sammlg. Bd. 5 S. 38) ausgeſprochen hat und
wie es ſeitdem unbeſtritten geblieben iſt. Da die
Vorſchrift darauf abzielt, „Gefahren für die Sicher:
heit der Perſon“ abzuwenden und da Selbſtmord oder
Selbſtmordverſuch ſtraflos ſind, muß die erforderliche
Abſicht genauer dahin beſtimmt werden, in einer die
perſönliche Sicherheit anderer Perſonen gefährdenden
Weiſe die Waffe zu gebrauchen. Die öffentliche Ord-
nung kann freilich auch durch einen Selbſtmordverſuch
erheblich geſtört werden; allein gegen eine ſolche Be⸗
einträchtigung richtet fid Art. 39 PStGB. nach
feinem deutlichen Wortlaut nicht. Damit iſt klar⸗
geſtellt, daß nicht gegen dieſe Beſtimmung fehlt, wer
eine der in 8 1 der Verordnung aufgeführten Waffen
ausſchließlich zu dem Zweck bei ſich führt, um ſich
damit das Leben zu nehmen.
Ratsaſſeſſor Dr. Fiſcher in Nürnberg.
Ueber den Erwägungsſtil. Zu den Ausführungen
des Herausgebers dieſer Zeitſchrift in Nr. 18 dieſes
Jahrgangs über den Erwägungsſtil, insbeſondere in
Anklageſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſen, ſeien noch
folgende Ergänzungen geſtattet. Daß es auch ohne
den Erwägungsſtil geht, beweiſt der Umſtand, daß
die dort empfohlene Form zum Teil ſeit mehreren
Jahren geübt wird. Eröffnungsbeſchlüſſe zwar
gehen nicht leicht vom Erwägungsſtil ab. Dagegen
kann man ſchon ſeit Jahren Anklageſchriften ver—
ſchiedener Staatsanwälte leſen, welche ohne die alte
Form auskommen, kurz und bündig den Gegenſtand
der Anklage bezeichnen, den Antrag ſtellen und dieſen
dann geſondert hiervon begründen wie es in jedem
Urteil auch gemacht wird. Jenen Ausführungen iſt
auch darin beizuſtimmen, daß es ſich dabei nicht nur
um eine Sache von formeller Bedeutung handelt,
ſondern der alte Unfug die Strafrechtspflege geradezu
ſchädigt. Er bewirkt nicht nur, daß ſich der Juriſt
damit beim Publikum lächerlich macht, ſondern auch,
————— — ——— rr —. .. r... ̃ ... — Er
heuer des Erwägungsſtils verschwinden.
461
den Angeklagten nicht darüber aufzuklären vermag,
worum es ſich in der Anklage und im Hauptverfahren
handelt. Ä
Dagegen irrt der Verfafler, wenn er den Grund
der vermeintlichen Unentbehrlichkeit des Erwägungs⸗
ſtils in dieſen Fällen vor allem darin ſucht, daß man
glaube, nur fo gelinge das Einrücken oder „Inſerieren“.
Dieſer Grund würde ſchon für die Anklageſchriften
nicht zutreffen; denn da fehlen in der Regel die Vor⸗
lagen, aus denen Stellen herübergenommen werden
können. Und auch für Eröffnungsbeſchlüſſe iſt das
ungehörige und mit Recht verpönte „Inſerieren“
durchaus nicht allgemein verbreitet, gleichwohl aber
der Erwägungsſtil, auch da wo der Beſchluß ſelb⸗
ſtändig, ganz unabhängig von der formellen Faſſung
der Anklageſchrift, ausgearbeitet wird. Im allge⸗
meinen kann man wohl den Grund für die Beliebtheit
des Erwägungsſtils einfach darin ſuchen, daß man
ihn überkommen hat und die meiſten es eben ſo weiter⸗
treiben wie ſie es vorgefunden haben, ohne darüber
nachzudenken, ob ſie es nicht beſſer oder ſchöner machen
könnten. Es gilt eben auch da das bekannte Natur⸗
geſetz von dem Beharrungsvermögen oder der —
durchaus nicht der Faulheit; im Gegenteil, ich wun⸗
dere mich immer, wie ſich jemand durch dieſe ſchwer⸗
fällige Schreibart ſeine Arbeit ſo erſchweren mag;
ſtatt feine Gedanken Satz für Satz flott drauflos þin-
zuſchreiben, muß er bei jeder neuen Schachtelperiode,
ja bei jeder neuen Wendung, immer und immer wieder
auf fein ſchönes Machwerk von allem Anfang an zu-
rückſehen um herauszuklügeln, wie die neue Wendung
ſich mit all den vorausgehenden: daß, indem, nachdem
uſw. zuſammenreimen läßt. Der hier beſprochene be⸗
ſondere Fall der Faſſung der Anklageſchriften und
Eröffnungsbeſchlüſſe aber läßt ſich weder mit der
Bequemlichkeit des „Inſerierens“ noch auch genügend
mit der Macht der Gewohnheit erklären. Die Er⸗
klärung iſt wo anders zu ſuchen, und darauf möchte
on Aufmerkſamkeit richten, nämlich im Formular⸗
weſen.
Das amtliche Formular für die Anklageſchriften
des Amtsanwalts und die Eröffnungsbeſchlüſſe des
Amtsgerichts hierauf (Form. IX) ſowie das für die
Eröffnungsbeſchlüſſe in Privatklageſachen (Form. XIX),
ebenſo das für die landgerichtlichen Eröffnungs⸗
beſchlüſſe (Form. VI) iſt im Erwägungsſtil abgefaßt.
Nach dieſen Muſtern angefertigte Formulare werden
den Amtsanwälten und Amtsgerichten von den
höheren Juſtizverwaltungsbehörden geliefert und bei
den Landgerichten auf Soften ihrer Regie hergeſtellt.
Der Staatsanwalt und der Richter kann nicht anders
als ſich nach ihnen richten, mag er ſich auch noch ſo
ſehr ihrer Fehler oder Unſchönheiten bewußt ſein
und ſonſt auch noch ſo ſehr beſtrebt ſein, in gutem
Deutſch zu ſchreiben.
Hier alſo wäre einzuſetzen, wenn es beſſer werden
ſoll. Sobald aus den Formularen der Vordruck „In
Erwägung, daß“ verſchwindet, ſtatt deſſen in dem
Formular der Anklageſchriſten die Formel für die
Erhebung der Anklage und den Antrag an den An—
fang geſtellt wird und dann das Wort „Gründe“ folgt,
ebenſo in dem Formular der Eröffnungsbeſchlüſſe der
Vordruck für die Formel des Beſchluſſes an den
Anfang geſtellt und dann wieder „Gründe“ vor—
gedruckt würde, ebenſobald würde das ganze Unge—
Am ein
daß das Schriftſtück infolge feiner Unverſtändlichkeit ! Tfachſten ließe ſich dies ſchon jetzt in den landgericht—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
lichen Beſchlüſſen machen, weil das für ſie vorge⸗
ſchriebene Formular nur den Vordruck des Kopfes
enthält und nichts nötig wäre als die Worte „In
Erwägung, daß“ auszuſtreichen. Anders liegt die
Sache für Amtsanwalt und Amtsgericht, weil die für
fie beſtimmten Formulare nicht nur den Kopf ent-
halten, ſondern den Vordruck für den Text der ganzen
Anklageſchrift und des ganzen Eröffnungsbeſchluſſes.
Hier kann nur durch eine vollſtändige Umarbeitung
der Formulare Wandel geſchaffen werden.
Eine ſolche Umarbeitung der meiſten Formulare
in Strafſachen tut ja ohnedies längſt not. Die
Sprache der Zeit, aus der die Formulare ſtammen,
hat zwar vor der heutigen den Vorzug, daß ſie ſich
—
E E E — — — — —
ſtatt in den jetzt gebräuchlichen vielen abſtrakten und
für den Laien unverſtändlichen Begriffen in konkreten,
allgemein verſtändlichen ausdrückt. Dagegen iſt ihr
Satzbau und die Wahl mancher unſchöner Ausdrücke
des Kanzleideutſch für unſer heutiges Sprachgefühl
nicht mehr muſtergültig. Außerdem gälte es dabei
auch eine ganze Anzahl Ungenauigkeiten zu verbeſſern
ja ſelbſt Fehler auszumerzen. So prangt, um
bei den Anklageſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſen
ſtehen zu bleiben, in dem Formular der amtsgericht—
lichen Eröffnungsbeſchlüſſe in Privatklageſachen (XIX)
und in dem entſprechenden für öffentliche Klagen (X)
noch immer der Vorladungsbefehl des Gerichts-
ſchreibers bzw. Amtsanwalts an den Gerichtsvollzieher
und deſſen Vollzugsanzeige, obwohl es dergleichen
ſeit bald neun Jahren nicht mehr gibt; ſo gehört
der Auftrag des Amtsrichters an den Gerichts⸗
ſchreiber die Ladungen der Parteien und Zeugen zu
bewirken nicht wie in Form. XIX in den Text des
Eröffnungsbeſchluſſes und nicht wie in Form. XIX a
mit dem Beſchluß den Parteien zugeſtellt, ſondern
dieſer Auftrag hat nach dem Eröffnungsbeſchluß eine
Verfügung unter einer beſonderen Ziffer zu bilden
und geht die Parteien nichts an, iſt ihnen nicht mit⸗
abzuſchreiben. So erſcheint heutzutage der Ans
geklagte nicht mehr hinreichend verdächtig, ſondern
er iſt es; ſeine Tat begründet nicht mehr ein
Vergehen nach Paragraph ſoundſoviel, ſondern ſie
ift ein ſolches Vergehen; von einem Reich 3: Ges
richtsverfaſſungsgeſetz zu reden ift überflüſſig, weil
wir kein anderes haben; der Eröffnungsbeſchluß iſt
dem Amtsanwalt vorzuzeigen zur Beſorgung der
Ladungen, nicht zur Beſorgung der erforderlichen
Ladungen, denn andere als die erforderlichen beſorgt
er ohnedies nicht; die Ladung der „kehrſeits“ aufge—
führten Zeugen iſt nicht „nach Maßgabe“ der dort
bezeichneten Formulare zu bewirken, ſondern die auf
der Rückſeite aufgeführten Zeugen ſind nach den
dort bezeichneten Formularen zu laden. Alle ſolche
geſchwollenen Ausdrücke vergangener Menſchenalter
paſſen nicht mehr in unſere Zeit geläuterten Sprach—
gefühls. Dies ſind nur einige Beiſpiele aus zwei
von Dutzenden von Formularen.
Fehler, Ungenauigkeiten und Unſchönheiten aus ihnen
allen nachweiſen und Verbeſſerungsvorſchläge machen,
ſo würde ein ganzes Heft dieſer Zeitſchrift kaum dazu
ausreichen.
Daß eine ſolche vollſtändige Umarbeitung der
Formulare in Strafſachen nottut, dieſer Einſicht wird
man ſich an den maßgebenden Stellen kaum ver—
ſchließen. Die Möglichkeit einer baldigen neuen
Strafprozeßordnung, welche dieſe Formulare wieder
über den Haufen würfe, dürfte kein Hinderungsgrund
ſein. Denn mit einer neuen Strafprozeßordnung
rechnen wir nun ſchon ſeit ungefähr 15 Jabren ver⸗
geblich und wer kann wiſſen, wie lange ſie jetzt noch
ausbleiben wird? Daß diefe Formulare eine ge-
diegene Arbeit würden, dafür bürgen die in den letzten
Jahren auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichts⸗
barkeit erlaſſenen. Sie ſind alle oder ſo ziemlich alle
in formeller Beziehung bis in die größten Kleinig⸗
keiten hinein ſo muſterhaft ausgearbeitet, daß ſie auch
bei der Prüfung des ſtrengſten Stiliſten glänzend be⸗
ſtehen können.
Amtsrichter Dr. Kübel in Landau a. J.
Aus der Praxis der Gerichte.
Reichsgericht. |
A. Zivilſachen.
I.
Zu § 313 BGB. Wenn beieinemPertrage
über den Austauſch von Grundſtücken Einig-
keitdarüber beſteht, daß der Wert der beiden
Grundſtücke ſichausgleicht, fo verletzteine
unrichtige Angabe über den Wert in der
Vertragsurkunde die Form vorſchrift des
8 313 BG B. nicht.
Gründe: Nicht begründet iſt der Einwand der
Formungültigkeit des Vertrages. Die Angabe des
Wertes der gegeneinander ausgetauſchten Sachen ge—
hört nicht zu den weſentlichen Beſtandteilen des Tauſch⸗
vertrages. Nicht der Wert der von der einen Seite
tauſchweiſe hingegebenen Sache, ſondern die Sache
ſelbſt bildet den Gegenwert für die von dem anderen
Teile veräußerte Sache und tritt an die Stelle des
Preiſes beim Kauf. Wenn beide Teile darüber einig
ſind, daß der Wert der beiderſeits gegebenen Sachen
ſich ausgleicht, ſo bedarf es der Aufnahme der Werts⸗
angaben in der Vertragsurkunde überhaupt nicht. Aus
den Vorſchriften über die Minderung des Kaufpreiſes
bei Gewährsmängeln (§§ 472 ff. BGB.) kann die Not⸗
wendigkeit nicht hergeleitet werden. Die Anwendung
des § 472 auf den Fall des Tauſches unvertretbarer
Sachen führt ſinngemäß zu einer Vergleichung des
wirklichen Wertes, den die gegeneinander vertauſchten
Sachen zur Zeit des Tauſches hatten. (Vgl. $ 473
a. a. O.). Die im Koſten- und Stempelintereſſe er-
forderliche Angabe des Wertes berührt das Vertrags-
verhältnis nicht. Es hat alſo der Berufungsrichter
die unter Eidesbeweis geſtellte Behauptung des Be—
klagten, der Wert der auszutauſchenden Grundſtücke
fci nur im Intereſſe der Koſtenerſparnis im Vertrage
auf 36000 M anſtatt, wie verabredet, auf 48000 M
angegeben, mit Recht für unerheblich erachtet, und es
liegt die gerügte Verletzung des § 313 BGB. nicht
vor. (Urt. des V. 8S. vom 17. Oktober 1908, V
Wollte man die
607.07).
1438
— — — .
II.
Unter welchen . haftet der Mann
aus den von der Frau mit ſeinem Namen unterzeichneten
Akjepten? Aus den Gründen: Die Annahme, daß
dem Beklagten gegen den Kläger aus dem Geſchäfts⸗
verkehr eine perſönliche Forderung von 7720 M nebſt
Zinſen zuſteht, gründet das OLG. u. a. auf die 13
Wechſel, die als Akzepte den Namen des Klägers tragen.
Das Gericht erachtet für erwieſen, daß die Akzepte
von der Frau des Klägers mit deſſen Genehmigung
abgegeben find und daß es fih dabei nicht um Gefällig⸗
keitsakzepte, ſondern um Prolongationen älterer zur
Verfallzeit nicht eingelöſter Wechſel handelt. Als
Schuldgrund kommen ſie für den Anſpruch auf 6%
Zinſen und für die mitberechneten Wechſelproteſtkoſten
in Betracht. Inſoweit war zu der Frage Stellung
zu nehmen, ob der Kläger durch die von ſeiner Frau
mit ſeinem Namen abgegebenen Akzepte wechſelrechtlich
verpflichtet ift. Nach den von der Reviſion heran—
gezogenen Urteilen des I. 35. (RGE. Bd. 50 Nr. 14
und Bd. 58 Nr. 99) iſt dem Erfordernis der Schrift—
form gemäß dem in dieſer Beziehung auch auf dem
Gebiete des Wechſelrechts maßgebenden $ 126 BGB.
dadurch genügt, daß ein bevollmächtigter Vertreter
den Namen des Vertretenen als Akzept auf den Wechſel
geſetzt hat, während eine eigenhändige Unterſchrift des
Ausſtellers im Sinne des § 126 nicht vorliegt, wenn
ſich der durch das Akzept Bezeichnete zu deſſen Her—
ſtellung lediglich einer fremden Hand als Schreibhilfe
bedient hat. Der Senat hat keine Veranlaſſung ge—
funden, ſich auf einen abweichenden Standpunkt zu
ſtellen, ſondern im Anſchluß an jene Rechtſprechung
angenommen, daß der Kläger, der nach der Feſtſtellung
des OLG. die Akzeptierung der 13 Wechſel durch feine
Frau genehmigt hat, aus den Akzepten auch wechſel—
rechtlich verpflichtet iſt. Die Feſtſtellung des OLG.
läßt keinen Zweifel darüber, daß des Klägers Frau
bei der Akzeptierung nicht als bloßes Werkzeug tätig
geweſen iſt, ſondern als Vertreterin ihres Mannes
im Willen gehandelt hat. Und darauf, ob die Ge—
nehmigung des Klägers zur Akzeptierung im Sinne
einer Voll machtserteilung vorher oder im geſetzlichen
Sinne ($ 184 BGB.) nachträglich erteilt iſt, kommt
es nicht an, da die nachträgliche Genehmigung auf
den Zeitpunkt der Akzeptierung zurückwirkt (8 184)
und die fehlende Vollmacht erſetzt (SS 177, 180). So⸗
wohl die Vollmacht als auch die (nachträgliche) Ge—
nehmigung konnte auch durch Erklärung des Klägers
gegenüber feiner Frau erteilt werden (SS 167, 182)
und dieſe Erklärung bedurfte keiner beſonderen Form.
Der Vorwurf der Reviſion, die Genehmigung ſei nicht
aus ſchlüſſigen Tatſachen gefolgert, iſt hinfällig. Das
OLG. hat in dieſer Beziehung namentlich feſtgeſtellt,
daß der Beklagte für das von der Frau geleitete Ge—
ſchäft des Klägers Waren geliefert und Darlehen ge—
währt, daß der Kläger ſelbſt zwecks Begleichung der
Schuld Wechſelakzepte gegeben hatte, die zur Verfall—
zeit nicht eingelöſt wurden, daß an Stelle dieſer
Wechſel und weiterer zur Verfallzeit nicht eingelöſter
Prolongationswechſel bis zu jenen 13 Wechſeln hin
von der Frau namens des Klägers ſtets wieder Af-
zepte gegeben worden ſind und der Kläger hiervon
jedenfalls durch die die erwachſenen Wechſelſpeſen mit—
hinein beziehenden, ihm vom Beklagten überſandten
Kontoauszüge Kenntnis erhalten hat, ohne jemals
Widerſpruch zu erheben. Dies ſind Tatſachen, die den
Schluß nicht nur auf die Kenntnis des Klägers von
dieſen von ſeiner Frau in ſeinem Namen und in ſeinem
Intereſſe vorgenommenen Wechſelgeſchäften, ſondern
auch auf ſein Einverſtändnis damit ſehr wohl zu be—
gründen geeignet ſind. Ohne Grund beruft ſich die
Reviſion auf das Urteil des Senates vom 5. Ok—
tober 1904 (bei Gruchot Bd. 49 S. 669 f.), und, wenn
in dieſem Urteile weiter die Feſtſtellung derjenigen
Handlungen und Erklärungen gefordert iſt, in denen
die Genehmigung gefunden wird, ſo entſpricht das
angefochtene Urteil auch dieſem Erfordernis; denn hin—
ſichtlich eines Teiles der 13 Wechſel iſt eine aus—
drückliche Genehmigung des Klägers feſtgeſtellt und
im übrigen konnte bei Lage der Sache die Geneh—
migung ſehr wohl, wie geſchehen, in dem Unterlaſſen
jedes Widerſpruchs auf die Mitteilung der Konto—
auszüge gefunden werden. (Urt. des V. 35. vom
11. Juli 1908, V 545/07). — — — n.
1432
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
463
III.
Beweislaft für das Vorliegen einer Verzeihung im
Eheprozeſſe. Aus den Gründen: Den Beweis dafür,
daß es zu einer Ausſöhnung zwiſchen den Parteien
gekommen iſt, entnimmt das OLG. daraus, daß der
Kläger in Begleitung ſeiner Frau eine Wohnung in
B. beſichtigt und gemietet hat und daß die Beklagte
am gleichen Tage in B. in Gegenwart des Klägers
ihr Zeugnis in dem Strafverfahren verweigert hat,
das gegen dieſen wegen einer ihr zugefügten Miß—
handlung eingeleitet war. Bezüglich des Mietens der
Wohnung bemerkt das OL G., es fei zwar von keiner
Seite beſonders hervorgehoben, daß es ſich um eine
Familienwohnung gehandelt habe, aber nach Lage
der Sache beim Fehlen einer entgegenſtehenden Be—
hauptung ſei dies zu unterſtellen. Die Reviſion wendet
ſich hiergegen mit der Ausführung, in der Erwiderung
der Beklagten, daß aus dem Mieten nichts geworden
fei, liege ein Beſtreiten des Moments der Familiens
wohnung. Dem Kläger habe daher der Beweis ob—
gelegen, daß die fragliche Wohnung eine Familien-
wohnung geweſen ſei. Allein ein beſonderer Beweis
war hierfür, ſelbſt wenn in jener Erwiderung ein
Beſtreiten geſehen werden könnte, nicht zu verlangen,
da der Sachverhalt unzweideutig ergibt, daß die Be—
ſichtigung und das Mieten der Wohnung im gemein—
ſchaftlichen Intereſſe erfolgt iſt. Die Reviſion meint
ferner, aus der Zeugnisweigerung, welche die ver—
ſchiedenſten Gründe gehabt haben könne, ſei für eine
Ausſöhnung nichts zu folgern. Dabei überſieht ſie,
daß das OLG. hierfür nicht bloß die Zeugnisweigerung,
ſondern auch das zeitlich zuſammenfallende Mieten der
Wohnung verwertet. Dieſe beiden Umſtände konnten
ihm ſehr wohl die Ueberzeugung davon verſchaffen,
daß es in der Tat zu einer Ausſöhnung gekommen
war, daß die Beklagte nicht bloß für die Zukunft eine
Ausſöhnung in Ausſicht geſtellt hatte. Die hiergegen
erhobenen Angriffe können keinen Erfolg haben. Be—
denklich find allerdings die am Schluſſe des Berufungs-
urteils enthaltenen Ausführungen, es ſei nicht aus—
geſchloſſen, daß die Beklagte nur aus Furcht vor Miß—
handlungen oder aus anderen Gründen, ohne die
Abſicht dem Kläger zu verzeihen, ihr Zeugnis ver—
weigert und mit ihm die Wohnung beſichtigt habe.
Dies ſei aber nicht zu unterſtellen, ſondern wäre von
der Beklagten darzulegen geweſen, die jedoch nichts
derartiges vorgebracht habe. Eine derartige Teilung
der Beweislaſt, daß der die Verzeihung Behauptende
nur den äußeren Vorgang der Verzeihung nachzuweiſen
hat und demgegenüber der Beweis, daß der äußere
Vorgang eine Verzeihung nicht bedeutet, dem Gegner
zufällt, würde den im Eheprozeſſe zu ſtellenden Be—
weisanforderungen widerſprechen. Nachzuweiſen iſt,
daß nach den Umſtänden des Falles eine Verzeihung
vorliegt. Das Gericht hat zu prüfen, ob nach dem
geſamten Sachverhalt eine Verzeihung anzu—
nehmen iſt, ob das Verhalten des verletzten Ehegatten
erkennen läßt, daß er die Verfehlungen des anderen
nicht mehr als ehezerrüttend empfindet. Selbſtver—
ſtändlich hat das Gericht bei Beurteilung des Sach—
verhalts auch darauf Rückſicht zu nehmen, daß beſondere
Einwendungen, durch welche das Vorhandenſein einer
Verzeihung ausgeſchloſſen wird, nicht vorgebracht find.
Daraus folgt jedoch nicht, daß den Gegner eine eigent—
liche Beweislaſt trifft. Es ift ihm nur freigeſtellt, die
Darlegung, die zur Annahme einer Verzeihung führt,
durch den Nachweis eines gegenteiligen Sachverhalts
zu widerlegen. In einem anderen Sinne ſind aber auch
die Ausführungen des OLG. nicht aufzufaſſen, wenn
ſchon die Ausdrucksweiſe nicht ganz zutreffend ijt.
(Urt. des IV. 35. vom 28. September 1908, IV 642/07).
1430
— — er II.
464
IV.
Feſtſtellung der Erklärung des Teſtators, daß er
nicht ſchreiben könne. Bedentung des Handzeichens.
J. M. errichtete zu gerichtlichem Protokoll ein Teſta⸗
ment. Der Schlußſatz des Protokolls lautete: „Hier⸗
auf wurde das Protokoll dem Erblaſſer vorgeleſen,
von ihm mündlich genehmigt und, wie folgt, eigen⸗
händig mit dem Handzeichen + + + verfehen, welches
die unterzeichneten Gerichtsperſonen als dasjenige des
ſchreibensunkundigen Erblaſſers J. M. beſtätigten.
Geſchloſſen:
J. .. Amtsrichter. S. .. Gerichtsſchreiber“.
Nach dem Tode des Erblaſſers ergab ſich Streit
über die Gültigkeit des Teſtaments. Das OLG. er⸗
klärte es für gültig. Das RG. billigte diefe AMn-
ſchauung und führte aus:
Die Reviſion rügt Verletzung des $ 2242 Abſ. 2
des BGB. Sie macht geltend, das Protokoll vom
16. Oktober 1905 enthalte nicht die geſetzlich erforder⸗
liche Feſtſtellung der Erklärung des Erblaſſers, daß
er nicht ſchreiben könne. Der Angriff konnte keinen
Erfolg haben. Für die Formgültigkeit des Teſtaments
eines Schreibensunkundigen kommt es allerdings gerade
auf deſſen Erklärung an. Es iſt aber nicht erforder:
lich, daß dieſe Erklärung mit beſtimmten rechtsförm⸗
lichen Worten in dem Protokoll Ausdruck gefunden
hat; es genügt vielmehr, daß die Feſtſtellung der Er⸗
klärung irgendwie in einer ſchlüſſigen und zweifels⸗
freien Weiſe aus dem Protokolle hervorgeht. Ins—
beſondere kann unter Umſtänden die Unterkreuzung
des Protokolls durch den Erblaſſer mit ſeinem Hand—
zeichen von Bedeutung fein. Das OLG. erblickt in
der ſich in dem Schlußvermerke des Protokolls finden⸗
den Unterzeichnung des Erblaſſers mit drei Kreuzen
in Verbindung mit den unmittelbar vorausgehenden
und nachfolgenden Worten des Vermerks zunächſt die
Erklärung des Erblaſſers gegenüber dem das Teſta—
Pa aufnehmenden Richter, daß er nicht ſchreiben
önne,
tokolle zu entnehmende Feſtſtellung dieſer Erklärung
des Erblaſſers. Die Auslegung, zu der der Tatrichter
gelangt iſt, war nach dem geſamten Inhalte des Pro—
tokolls möglich und, da ihr eine rechtsirrtümliche Auf—
faſſung des § 2242 BGB. nicht zugrunde liegt, für
das Reviſionsgericht maßgebend. (Urt. des IV. 38.
vom 2. Juli 1908, IV 580/07). — —— n
1428
V.
Begriff des „mit einem Grundſtücke verbundenen
Werkes“ i. S. des 8 836 BGB. (Zelt). Haftung des
Mieters nach 8 837 HGY. Am 16. Juli 1905 ſtürzte
in A. infolge eines Sturmes das Dach des mit Leinen
umſpannten Reſtaurationszelts ein, welches der Be—
klagte zum dortigen Kinderfeſt auf dem von der Ge—
meinde A. ihm hierfür vermieteten Platze errichtet hatte.
Die Frau des Klägers wurde von einer niederfallenden
Zeltitange verletzt. Der Anſpruch auf Schadenserſatz
wurde vom LG. und OLG. dem Grunde nach für ge—
rechtfertigt erklärt. Die Reviſion blieb erfolglos.
Aus den Gründen: 1. Zu Unrecht meint die
Reviſion, daß das Reſtaurationszelt mit Rückſicht auf
ſeine Beſchaffenheit und ſeinen vorübergehenden Zweck
kein mit dem Grundſtück verbundenes Werk im Sinne
des 8 836 BGB. fei und deshalb die Anwendbarkeit
dieſer Vorſchrift entfalle. § 836 findet nicht bloß An-
wendung auf Bauwerke, ſondern auf ein jedes mit
dem Grundſtück verbundene Werk, das durch menſch—
liche Tätigkeit zu einem beſtimmten Gebrauchszweck
geſchaffen iſt und deſſen Herſtellung nach gewiſſen
techniſchen Regeln zu erfolgen hat. Darauf, daß ein
ſolches Werk für längere oder kürzere Dauer beſtimmt
iſt, kann es nicht ankommen. Es kann hiernach keinem
Zweifel unterliegen, daß das durch Einlaſſen der Pfähle
und ſodann die unzweideutig aus dem Pro⸗
S Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
— — — — —ö j — — —ä—äHn -— — — nn
— —— —— ꝗ—6ůĩ—ä G — Te
in das Erdreich mit dem Grund und Boden ver⸗
bundene, zum Gebrauche bei dem Kinderfeſt in A.
kunſtgerecht hergeſtellte Reſtaurationszelt des Beklagten
unter die Vorſchrift des 8 836 fällt. 2. Unbegründet
iſt ferner die Anſicht der Reviſion, daß der Beklagte
für den Unfall nicht hafte, weil er nur Mieter des
vielfach vorher anderweit vermieteten Zeltes geweſen
fei. 8 837 BGB. beſtimmt, daß, wenn jemand auf einem
fremden Grundſtück in Ausübung eines Rechts ein
Gebäude oder ein anderes Werk beſitzt, ihn an Stelle
des Beſitzers des Grundſtücks die in $ 836 verordnete
Verantwortlichkeit trifft. Dieſer Fall liegt hier vor.
Unbeſtritten hat der Beklagte den Platz für Er-
richtung des Reſtaurationszelts von der Gemeinde A.
gemietet. Damit iſt die Verantwortung für gehörige
Errichtung und Unterhaltung des Zelts, womit die
Gemeinde A. nichts zu tun hat, dem Beklagten, der
in Ausübung ſeines Rechts als Mieter das Zelt mit
dem Grundſtücke der Gemeinde A. verbunden hat
(S 95 BGB.), als ſelbſtändigem Beſitzer dieſes Werks zu⸗
gefallen. Ohne jede Bedeutung iſt, daß er die einzelnen
Materialien zu dem Zelt von dem Wirt St. gemietet
hat, der aus dieſem Vermieten ein Geſchäft macht.
Hierdurch ift der Vermieter nicht der Beſitzer des auf-
geſtellten Zeltes geworden. Ein abweichender Grund—
fatz iſt auch nicht in dem von der Reviſion angezogenen
Urteil Bd. 59 S. 9 der RGE. ausgeſprochen, in wel chem
das Verhältnis des Mieters des Hauſes zu dem bez-
ſitzenden Hauseigentümer erörtert iſt und in welchem
anerkannt iſt, daß der Mieter, wenn er in Ausübung
eines Rechts an einem fremden Grundſtücke ein Ge⸗
bäude mit dieſem verbunden hat, Eigenbeſitzer des
Gebäudes wird. (Urt. des IV. ZS. vom 21. September
1908, IV. 153/08).
1429
B. Strafſachen.
I.
Beag. - Preßzvergehen (§ 22 des RPreßG.
vom 7. Mai
Aus 5 per: Durch den Spruch der
Geſchworenen iſt V. ſchuldig erkannt, Ende Auguſt
oder Anfang September 1906 in K. eine unzüchtige
Schrift ... zum Zwecke der Verbreitung hergeſtellt
und odann dieſe Schrift verteilt zu haben. Das an⸗
gefochtene Urteil zieht den Angeklagten aus § 184
Abſ. 1 Nr. 1 StGB. zur Verantwortung, wozu es aus-
führt: die ſtrafbaren Handlungen ſeien Ende Auguſt
oder Anfang September 1906 verübt worden und vor
dem 9. März 1907, dem Tage der Eröffnung der Vor⸗
unterſuchung, habe keine richterliche Handlung gegen ihn
ſtattgefunden; gleichwohl komme ihm „die Wohltat
des § 22 des PreßG.“ nicht zuſtatten, weil feine „in
mehrere Einzelakte zerfallende fortgeſetzte Handlung“
nur einheitlich verjähren könne und „für einen ihrer
Einzelakte — das Herſtellen der unzüchtigen Druck⸗
ſchrift — die Friſt des § 22 nicht zutreffe, mithin der
Angeklagte die ſpäteſte Verjährung gegen ſich gelten
laſſen müſſe“. Dieſe Ausführungen ſtehen in Wider⸗
ſpruch mit der Rechtsanſicht, die in einem ähnlichen
Falle das Reichsgericht durch Erkenntnis vom 3. Juni
1905 aufgeſtellt und ausführlich begründet hat (E. 38
S. 72). Wie hier nachgewieſen iſt, verjährt die ſtraf⸗
bare Herſtellung von Druckſchriften unzüchtigen Inhalts
gemäß $ 22 des Geſetzes über die Preſſe innerhalb
6 Monaten mindeſtens dann, wenn ſich an ſie in einer
einheitlichen Handlung das Verbreiten anſchließt.
Letzteres trifft hier nach dem Spruche der Geſchworenen
zu. Demzufolge war das Urteil — unbeſchadet der
tatſächlichen Feſtſtellungen — aufzuheben und der An-
geklagte wegen eingetretener Verjährung .... frei-
zuſprechen. (Urt. des I. St S. v. 7. Mai 1908, 1 D 183/08).
1109 B.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
II
Auslegung des Abl. III des 8 3 Wein.; Verwendung
von Treſterwein zur Bereitung von Wermntwein und
Wermutlikör; Möglichkeit der Verwechslung von Treſter⸗
wafer mit Wein. 1. Für die Anwendbarkeit des 8 3
Wein. ift es gleichgültig, wie der Täter den verbots⸗
widrig hergeſtellten Wein verwenden will, ſoſerne nur
das Erzeugnis überhaupt zur gewerblichen Verwertung
beſtimmt iſt. Das ergibt ſich aus dem Zwecke des
Verbots. Um zu verhüten, daß Kunſtwein in den
Handel gelangt, iſt ſchon ſeine Herſtellung unterſagt.
Daher muß es für die Strafbarkeit des Herſtellers
belanglos ſein, ob er bei der Zubereitung die Abſicht
verfolgt, ſein Erzeugnis als „Wein“ abzuſetzen oder
ob er in dieſem Zeitpunkte etwa deſſen weitere Ver⸗
arbeitung für die Zeit nach der Vollendung in Ausſicht
genommen hat. Denn die Tatſache allein, daß der
Herſteller eine beſtimmte Art der Verwendung des
fertigen Erzeugniſſes vorſieht, hebt die Verwendbarkeit
zur gewerblichen Veräußerung als Wein nicht auf.
Durch § 3 Abſ. III Wein. wird die Richtigkeit dieſer
Auffaſſung des geſetzlichen Verbots beſtätigt. Nicht
der Verkauf von Treſterwein an die Branntwein⸗
brennereien zum Zwecke der Deſtillation iſt zugelaſſen,
ſondern es ſoll nur die Verwertung der Treſter als
Rohſtoff innerhalb der Brennereien ermöglicht, alſo
dieſen die gewerbsmäßige Herſtellung von Treſterwein
als Zwiſchenfabrikat geſtattet werden, jedoch nur
ſoweit, als durch die Kontrolle der Steuerbehörde
Sicherheit dafür geſchaffen iſt, daß der zubereitete
Treſterwein auch in der Tat zu Branntwein verarbeitet
wird und nicht eher und anders in den Verkehr gelangt,
als nachdem ihm die weſentlichen Eigenſchaften des
Weins genommen ſind und jede Gefahr beſeitigt iſt,
daß das fertige Erzeugnis im Verkehr mit Wein ver⸗
wechſelt werden kann. Dieſe Sicherheit fehlt, wenn
die Herſtellung von Treſterwein außerhalb der
Brennereien ſtattfindet; ſie kann durch die Abſicht des
Herſtellenden, den Treſterwein zur demnächſtigen ge⸗
werblichen Umarbeitung zu verwenden, nicht erſetzt
werden. Der Verteidiger ſucht aus der Entſcheidung
Bd. 37 S. 422/24 die gegenteilige Anſicht zu be⸗
ründen. Dabei überſieht er, daß nicht in Frage
ommt, ob Wermut wein oder Wermutlikör als
Wein, weinhaltige oder weinähnliche Getränke zu gelten
haben, ſondern nur, ob die Herſtellung des von dem
Angeklagten durch Auslaugung von Treſtern und
Gärung gewonnenen Erzeugniſſes dadurch erlaubt
wurde, daß der Angeklagte dieſes zur Bereitung von
Wermutwein oder Wermutlikör gewerblich verwenden
wollte. Darauf bezieht ſich die angezogene Entſchei⸗
dung nicht.
2. Hiernach hat ſich das Urteil zutreffend auf die
Prüfung der Frage beſchränkt, ob das von dem An-
geklagten durch Aufguß von Waſſer auf Treſter her-
geſtellte Erzeugnis als „Wein“ hergeſtellt iſt oder als
Nachahmung von ſolchem zu gelten hat. Die Frage
iſt aus zutreffenden Gründen bejaht worden. Wenn
die durch Auslaugung der Treſter gewonnene Flüſſig⸗
keit die alkoholiſche Gärung durchgemacht hat (Zreiter-
brühe, Treſterwaſſer), ſo kann ſie erfahrungsgemäß
als ein Getränk gelten, das ſich äußerlich als durch
Gärung ordnungsmäßig gewonnenen Traubenmoſtes
in erlaubter Herſtellungsart erzeugter Wein darſtellt.
Die Herſtellung des Treſterwaſſers fällt in dieſem
Falle unter das geſetzliche Verbot, mag immerhin
ſeine Verwendung regelmäßig auch nur die ſein, mit
anderem geſtreckten Wein verſchnitten und ſo in den
Verkehr gebracht zu werden. Ob im Einzelfall die
Möglichkeit ausgeſchloſſen iſt, daß das Treſterwaſſer
als Wein angeſehen und mit ſolchem verwechſelt
werden kann, darüber hat der Tatrichter unter Zu—
grundelegung der Geſamterſcheinung des Erzeugniſſes
zu entſcheiden und er wird dabei auf die Eigenſchaften,
465
die den Wein beſonders kennzeichnen, alſo Farbe und
Ausſehen, Geruch und Geſchmack Rückſicht zu nehmen
haben. (Urt. des I. Sts. vom 24. September 1908,
1D. 530/08). H.
1422
III
Zum Begriffe des „hinterliſtigen Ueberfalls“ und
der „das Leben gefährdenden Behandlung“ im Sinne
des 5 223 a StSB. Aus den Gründen: 1. Zum
Begriffe des hinterliſtigen Ueberfalles gehört ein
plötzlicher, von dem Angegriffenen nicht vermuteter
Ueberfall, der mit einer gewiſſen Liſt, wie Auflauern
oder Heranſchleichen, verbunden iſt und wobei die
Abſicht des Täters hervortritt, dem Angegriffenen die
Möglichkeit der Abwehr zu nehmen. Zu dem Vor-
ſatze der Körperverletzung hat noch hinzuzutreten, daß
die Handlung des Täters verſteckt iſt und der andere
Teil die Liſt erſt dann erkennt, wenn ihr Zweck erreicht
oder wenigſtens geſichert ift (vgl. E. 2 S. 74, 22 S. 311).
Die hiernach erforderliche Willensrichtung und Tätig-
keit des Angeklagten iſt genügend feſtgeſtellt. Er hat
ſich in dem Keller, in den er ſich unberechtigterweiſe
begeben, verborgen, als die Frau Sp. den Keller
betrat, hat dann, um einen Angriff auf ſie zu begehen,
ſich an die Abteilung herangeſchlichen, wo ſie arbeitete,
und, als ſie, durch ein Geräuſch ängſtlich geworden,
den Keller verlaſſen wollte, ſich in einer Niſche des
Kellers in die Ecke gedrückt, um ſich ſo verborgen zu
halten, die Sp. vorübergehen zu laffen und von rück-
wärts zu überfallen. Die Tatſache, daß ſie im letzten
Augenblicke beim Schein ihres Lichtes den fremden
Mann ſah, iſt nicht geeignet, das weſentlich in dem
Willen des Täters liegende Tatbeſtandsmerkmal des
hinterliſtigen Ueberfalls zu beſeitigen. Der Angeklagte
hat ſofort, als er bemerkte, daß die Sp. ihn ſah, ſie
überfallen und ſeine Abſicht, ihr die Möglichkeit der
Abwehr zu nehmen, auch inſofern verwirklicht, als ſie
durch das Würgen und Droſſeln am Halſe verhindert
wurde, um Hilfe zu ſchreien.
2. Der erſte Richter hat aus der Art des Angriffes
des Angeklagten, insbeſondere dem Droſſeln und
Würgen am Halſe der Sp., der Schwächlichkeit der
Frau, der Stärke und Dauer des Würgens und auch
aus deſſen Wirkungen geſchloſſen, daß der Angriff
geeignet war, bei der Sp. die Erſtickungsgefahr herbei-
zuführen und aufs höchſte zu ſteigern. Damit iſt eine
das Leben gefährdende Behandlung feſtgeſtellt (vgl.
E. 6 S. 396). In ſubjektiver Beziehung iſt das Be⸗
wußtſein des Täters, daß fein Handeln eine Lebens-
gefährdung der angegriffenen Perſon enthalte, nicht
erforderlich (vgl. E. 10 S. 100, 17 S. 279). Daß
aber der Angeklagte die Tat, wie er ſie begangen hat,
mit ihren Wirkungen in ſeinen Willen aufgenommen
hat, kann nach den Feſtſtellungen des angefochtenen
Urteils nicht zweifelhaft fein. (Urteil des Fer S. vo
11. Auguſt 1908, 1 D. 642/08). B.
1411
IV.
Iſt ein in eine öffentliche Irrenauſtalt eingeſchaffter
gemeingefährlicher Geiſteskranker ein Gefangener im
Sinne des § 347 StGB.? Aus den Gründen:
Die Freiheitsentziehung, die dem Begriffe eines Ge—
fangenen in den SS 120, 121, 122 und 347 StGB.
zugrunde liegt, muß die Folge eines geſetzlichen Eingriffs
des Staates, ſeiner Straf- und Polizeigewalt ſein;
die Staatsgewalt iſt Angriffsobjekt. Dies ſtaatliche
Haftrecht findet ſeine geſetzliche Grundlage in der Ver—
faſſung und anderen Geſetzen öffentlichrechtlichen
Charakters. In Baden ſteht die perſönliche Freiheit
unter dem Schutze der Verfaſſung vom 22. Auguſt 1818,
$ 13. Die Aufnahme von Geiſteskranken in Irren—
anſtalten iſt in der landesh. VO. vom 3. Oktober 1895
— das Verfahren bei Aufnahmen von Geiſteskranken
466
und Geiſtesſchwachen in öffentliche und private Irren⸗
und Krankenanſtalten betr. — geregelt. Nach 8 3!
dieſer VO. kann das Bezirksamt die Aufnahme eines
gefährlichen Kranken in eine öffentliche Irrenanſtalt
anordnen. Dies iſt hier geſchehen. E. G. befindet
fih mit kurzen Unterbrechungen feit dem ... in der
Heil⸗ und Pflegeanſtalt E., ſeine Belaſſung iſt durch
Entſchließung des Bezirksamts K. vom ... angeordnet
worden. In dieſe Heilanſtalt können u. a. Seelen-
geſtörte aufgenommen werden, die für ſich und andere
gefährlich ſind; zu dieſen gehört nach dem Urteil der
genannte Kranke, er iſt dem Eigentum ſeiner Mit⸗
menſchen in hohem Grade gefährlich. Nach den in
Entſch. Bd. 39 S. 7 vom Senate ausgeſprochenen
Grundſätzen iſt er deshalb Gefangener. Seine Feſt—
haltung iſt im geſetzmäßigen Verfahren von den zu—
ſtändigen Behörden zum Schutze der Geſellſchaft gegen
einen gemeingefährlichen Irren angeordnet worden;
die ſtaatliche Haftgewalt, die das Angriffsobjekt der
Tat bildet, ift verletzt. (Urt. des I. StS. vom
5. Oktober 1908, 1 D. 507/08). B.
1436
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
1
Wie kaun eine nach älterem Rechte auf Beran:
laſſung des Nachlaßgerichts im Hypsthekenbuche (nun
Grundbuch) eingetragene nurichtige Beſitztitelberichtigung
geändert werden? (G BO. § 36, S 22). Der verſtorbene
Austrägler Georg L. in N. hat in ſeinem notariellen
Teſtamente die fünf Kinder ſeiner vor ihm verſtorbenen
Tochter als Erben eingeſetzt, die Stiſtung eines „Jahr—
tags“ angeordnet und beſtimmt, daß die in ſeinem
Nachlaſſe befindlichen Grundſtücke „der Erbteil des—
jenigen von den Kindern ſein ſollen, das das elterliche
Anweſen Hs.⸗Nr. 10 in N. übernimmt, wogegen dieſes
Kind von dem übrigen Nachlaſſe nichts miterbt, gleich—
wohl aber von den Nachlaßverbindlichkeiten und der
Jahrtagſtiftung ebenſoviel zu tragen hat, als jedes
ſeiner vier Geſchwiſter“. Zum Nachlaſſe gehörten u. a.
eine Hypothekenforderung von 925 M und die Grund-
ſtücke Pl.⸗Nr. 1395 der StG. P. und Pl.-Nr. 355 473
der StG. D. Bei der Eröffnung des Teſtaments durch
das Nachlaßgericht beantragten die Erben, „da ſich das
Anweſen Nr. 10 in N. noch im Beſitze des Bauers
Joſeph S. befinde und zurzeit noch ungewiß ſei, wer
dieſes Anweſen übernimmt“, die Grundſtücke und die
Hypothekenforderung auf die fünf Erben zu gleichen
Teilen umzuſchreiben. Auf Erſuchen des Nachlaß—
gerichts wurde die beantragte Umſchreibung in An-
ſehung der drei Grundſtücke in den Hypothekenbüchern
(nun Grundbüchern) vollzogen. Am 6. Oktober 1904
übergab der Bauer Joſeph S. das Anweſen Hs.-Nr. 10
in N. ſeinem Stiefſohne Friedrich St., einem der
Erben. Friedrich St. und ſeine mit ihm in allge—
meiner Gütergemeinſchaft lebende Frau beſtellten als
nunmehrige Eigentümer des Anweſens und der von
Georg L. hinterlaſſenen Grundſtücke am 27. Mai 1908
einer Bank für ein Darlehen Hypothek an dieſem ge—
ſamten Grundbeſitze. Um die Eintragung der Hypothek
auf den Blättern für die Nachlaßgrundſtücke zu er-
wirken, ließ Friedrich St. unter Vorlegung der Urkunde
vom 27. Mai 1908, des Uebergabsvertrags vom
6. Oktober 1904, einer beglaubigten Abſchrift des
Teſtaments des Georg L. und der Protokolle des
Nachlaßgerichts über die Eröffnung des Teſtaments
und die Nachlaßverhandlungen und Bezugnahme auf
die Nachlaßakten bei den Grundbuchämtern N. und K.
die Berichtigung des Grundbuchs dahin beantragen,
daß das Eigentum an den drei von Georg L. hinter—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
laſſenen Grundſtücken uunmehr ihm und ſeiner Frau
zuſtehe. Das GBA. N. (für die StG. P.) gab dem
Antrage ſtatt, dagegen lehnte das GBA. K. die bean⸗
tragte Berichtigung ab, weil nach den für die erb—
rechtlichen Verhältniſſe maßgebenden Vorſchriften des
früheren Rechtes zur Eintragung von Verfügungen
über Nachlaßgrundſtücke ein Erbſchaftszeugnis erforder-
lich ſei. Die Beſchwerde des Friedrich St. wurde
anrüdfgemiefen. Das LG. billigte die Ablehnung der
Berichtigung, weil aus dem Teſtamente des Georg L.
nicht zu entnehmen ſei, „ob die an Friedrich St. ge⸗
machten Zuwendungen als Erbeinſetzung, Prälegat,
Legat, Teilungsanordnung oder was ſonſt anderes zu
erachten ſind“. Das Oberſte Landesgericht hat auch
die weitere Beſchwerde des Friedrich St. zurückgewieſen.
Gründe: Das LG. iſt mit Recht davon ausge-
gangen, daß für die Eintragung eines nach den erb—
rechtlichen Vorſchriften des früheren Rechtes einge—
tretenen Eigentumsüberganges in das Grundbuch nicht
die dem Hypothekenrechte des früheren Rechtes ange—
hörende Vorſchrift des 8 141 HypG. maßgebend,
ſondern der $ 36 GBO. entſprechend anzuwenden ift.
Es kann ihm aber darin nicht zugeſtimmt werden,
daß es wegen Zweifels über die Auslegung der letzt—
willigen Verfügung des Georg L. die Beibringung
eines Erbſchaftszeugniſſes für erforderlich erachtet hat.
Es ſteht nicht eine Zweifelhaftigkeit des Inhalts der
Verfügung in Frage, zu deren Aufklärung außerhalb
des Teſtaments liegende Umſtände in Betracht zu
ziehen find, ſondern es handelt ſich nur um die redt-
liche Beurteilung des in dem Teſtamente klar ausge—
ſprochenen Willens des Erblaſſers. Der Beantwortung
einer ſolchen Rechtsfrage darf das GBA. ſich nicht
durch das Verlangen eines Erbſcheines oder eines
Erbſchaftszeugniſſes des früheren Rechtes entſchlagen.
Georg L. hat ſeine fünf Enkel als Erben eingeſetzt
und für den Fall, daß einer von ihnen das Anweſen
Hs.⸗Nr. 10 in N. übernehmen werde, wie die Beſtim⸗
mung über die Haftung des Uebernehmers für die
Nachlaßverbindlichkeiten zeigt, nicht den Uebernehmer
mit einem Erbſchaftsvermächtniſſe zugunſten der
Geſchwiſter beſchwert, ſondern die Nachlaßgegenſtände
durch Vorausvermächtniſſe nach BL R. III K. 6 8 5
Nr. 3 unter die Erben verteilt, indem er die Grund—
ſtücke dem Uebernehmer des Anweſens und die übrigen
Nachlaßgegenſtände den Geſchwiſtern zugewieſen hat.
Mit dem Eintritte der Bedingung durch den Ueber—
gabsvertrag vom 6. Oktober 1904 hat daher der
Beſchwerdeführer das Eigentum an den Grundſtücken
erlangt. Gleichwohl iſt die Ablehnung der beantragten
Berichtigung gerechtfertigt. Es kann dahin geſtellt
bleiben, ob daraus, daß der Vermächtnisnehmer nach
BER. III K. 6 § 11 Nr. 1 fidh nicht eigenmächtig in
den Beſitz der vermachten Sache ſetzen darf, zu folgern
iſt, daß der Uebergang des Eigentums an dem ver—
machten Grundſtück auf ihn nur mit Bewilligung des
Erben in das Grundbuch eingetragen werden darf.
Denn dem Antrage des Beſchwerdeführers kann ſchon
mit Rückſicht auf den Inhalt und die Grundlage der
Eintragung, die berichtigt werden ſoll, nicht ſtatt—
gegeben werden. Nach dem Teſtamente des Georg L.
iſt das Eigentum an den Grundſtücken mit dem Erb—
ſchaftsantritt auf die fünf Erben als Miteigentümer
unter der auflöſenden Bedingung übergegangen, daß
die Grundſtücke nicht infolge der Uebernahme des
Anweſens einem der Erben allein zufallen. Die Ein—
tragung in dem jetzt als Grundbuch geltenden Hypo—
thekenbuche würde daher der wirklichen Rechtslage
nur entſprochen haben, wenn ſie den Vermerk enthielte,
daß das Eigentum im Falle der Uebernahme des
Anweſens durch einen der Erben auf dieſen übergehe,
die ohne dieſen Vermerk bewirkte Eintragung war von
vorneherein unrichtig. Wäre die Rechtslage ſo geweſen,
wie ſie in der Eintragung beurkundet iſt, ſo hätte die
Uebernahme des Anweſens durch den Beſchwerdeführer
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
467
eine Aenderung im Eigentum an den Grundſtücken ſtücke als Ausſtattung bildet den rechtlichen Grund
nicht herbeiführen können. Es handelt ſich alſo nicht
bloß darum, die Wirkung des Eintritts der Bedingung
in das Grundbuch einzutragen, ſondern die Eintragung
|
|
fol dahin berichtigt werden, daß das Miteigentum
der einzelnen Erben von vorneherein von der auf-
löſenden Bedingung abhängig war. Die von Anfang
an unrichtige Eintragung iſt auf Erſuchen des Nachlaß⸗
gerichts bewirkt worden, das mit ſeinem Erſuchen
bezeugt hat, daß der in dem Erſuchen bezeichnete Inhalt
der zu bewirkenden Eintragung den erbrechtlichen
Verhältniſſen entſpreche (Neue Samml. v. Entſch. d.
OLG. Bd. 5 S. 508). Es liegt ihr alfo ein Erbſchafts⸗
zeugnis zugrunde und der Beſchwerdeführer ſtützt
ſeinen Antrag darauf, daß der Inhalt des Zeugniſſes
unrichtig fei. Ueber diefe Frage hat aber das GBA.
nicht zu entſcheiden. Nach 8 36 GBO. genügt an
Stelle des Erbſcheines oder Erbſchaftszeugniſſes des
früheren Rechtes die Vorlegung der in einer öffent-
lichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen
und des Protokolls über die Eröffnung der Verfügung,
die Vorlegung dieſer Urkunden erſetzt den Erbſchein
oder das Erbſchaftszeugnis, aber wenn ein ſolches
Zeugnis des Nachlaßgerichts vorgelegt und auf grund
deffen die Eintragung nach § 36 GBO. bewirkt worden
iſt, ſo hat es für das GBA. dabei ſein Bewenden
(vgl. Predari Anm. 4a zum $ 36 S. 526). Es kann
deshalb ihm gegenüber nicht durch Vorlegung des
Teſtaments nach $ 22 GBO. nachgewieſen werden,
daß der Inhalt des Zeugniſſes und infolgedeſſen die
Eintragung im Grundbuch unrichtig iſt, ſondern es
muß, um die Berichtigung zu erwirken, entweder ein
neues Zeugnis des Nachlaßgerichts vorgelegt oder die
Bewilligung der Beteiligten beigebracht werden.
(Beſchl. des I. ZS. vom 2. Oktober 1908, Reg. III.
83/1908). W.
1423
II.
Können Minderjährige die Auflaſſung wirkſam
erklären? Begründen Bedenken über die Wirkſamkeit
des den rechtlichen Grund der Auflaſſung bildenden
Nechtsgeſchäfts die Ablehnung ihrer Eintragung? (SS 106,
107, 873, 925 BGB.). Die Eheleute W. haben mit ihren
Kindern, von denen zwei minderjährig aber über
18 Jahre alt ſind, zu notarieller Urkunde vereinbart,
daß jedes Kind als Ausſtattung ein aus Beſtandteilen
ihres Grundbeſitzes gebildetes „Gutlos“ im Werte von
5500 M zu Eigentumerhalten fol. Die Beteiligten haben
erklärt, darüber einig zu ſein, daß das Eigentum an
den jedem der Kinder zugeteilten Grundſtücken auf
den Uebernehmer übergeht. Die Urkunde enthält am
Schluſſe die Beſtimmung: Da die obigen Gutsloſe an
Wert einander völlig gleich ſind, findet unter den
Uebernehmern keine Herauszahlung ſtatt. Das GBA.
lehnte die Eintragung des Ueberganges des Eigentums
ab, weil die zwei minderjährigen Kinder zu der Ueber—
nahme der Grundſtücke mit der Beſtimmung eines
Anſchlagspreiſes, die fie für eine künftige Auseinander⸗
ſetzung mit den Geſchwiſtern binde, der Vertretung
durch Pfleger bedürften, und beſtimmte auf den An—
trag des Notariats, die Eintragung vorzunehmen, zur
Beibringung der Genehmigungserklärungen der für
die Minderjährigen zu beſtellenden Pfleger eine Friſt.
Die Beſchwerde der Beteiligten wurde zurückgewieſen.
Das oberſte Landesgericht hat auf die weitere Be—
ſchwerde der Eheleute W. die Entſcheidungen aufge—
hoben und das GBA. angewieſen, anderweitig zu
verfügen.
Gründe: Die notariellen Verträge enthalten
zwei Rechtsgeſchäfte, die Uebertragung des Eigentums
an den den einzelnen Kindern zugeteilten Grundſtücken
und die Vereinbarung, daß die Grundſtücke den Kindern
als Ausſtattung mit der Beſtimmung zugewendet
werden, daß eine Herauszahlung an die Geſchwiſter
nicht ſtattzufinden hat. Die Zuwendung der Grund—
des Grundſtücks verpflichtet iſt.
für die Uebertragung des Eigentums, dieſe erfordert
nach 8873 Abſ. 1 und § 925 Abſ. 1 BGB. nur die
Einigung der Beteiligten über den Eigentumsübergang
und deſſen Eintragung in das Grundbuch; das
Rechtsgeſchäft, das den rechtlichen Grund der Auf⸗
laſſung bildet, iſt nicht Beſtandteil der Auflaſſung
Die Unwirkſamkeit dieſes Rechtsgeſchäfts macht nicht
die Auflaſſung unwirkſam, ſondern hat nach § 812
BGB. die Folge, daß der Erwerber zur Herausgabe
Das GBA. hat des⸗
halb die Wirkſamkeit des den rechtlichen Grund der
Auflaſſung bildenden Rechtsgeſchäfts nicht zu prüfen
und darf nicht wegen Bedenken gegen die Wirkſamkeit
dieſes Rechtsgeſchäfts die Eintragung des Eigentums-
überganges ablehnen. Hier hatte es daher nur zu
prüfen, ob die minderjährigen W.ſchen Kinder in:
ſoweit geſchäftsfähig ſind, daß ſie das Anerbieten der
Uebereignung der Grundſtücke wirkſam annehmen
konnten. Dieſe Frage iſt, da die beiden Minderjährigen
über 18 Jahre alt find, nach den 8S 106, 107 BGB.
zu bejahen, weil die Erlangung des Eigentums an
den ihnen zugeteilten Grundſtücken nur einen recht⸗
lichen Vorteil bildet. Dem ſteht auch nicht, wie Neu⸗
mann (BGB. Bem. 1b zum 8 107) annimmt, die mit
dem Beſitz oder dem Eigentum an Grundſtücken ver⸗
bundene Pflicht zur Tragung gewiſſer öffentlicher
Laſten entgegen, denn dieſe Pflicht iſt eine Wirkung
des Beſitzes oder des Eigentums und gehört nicht zum
Inhalte der Auflaſſung. (Beſchluß des I. ZS. vom
23. Oktober 1908, Rep. III 86/08). W.
1443
B. Strafſachen.
Zur Banordunng. Berſchulden bei falſcher Aus-
kunft durch den Diſtriktstechniker. „Beſondere techniſche
Vorfichtsmaßregeln“ des 8 7 Ziff. 2. Ein Urteil, durch
welches im objektiven Verfahren der Polizeibehörde
die Beſeitigungsbefugnis nicht zuerkannt wurde, be:
gründet nicht den Einwand ne bis in idem für die
Strafverfolgung nach § 367 Nr. 15 StGB. Verjährung.
Das Landgericht hatte folgendes feſtgeſtellt: Am 19.
März 1907 ſuchte S. beim Bezirksamte F. um die
Genehmigung zum Aufbau eines Stockwerkes auf ſein
Wohnhaus nach. Das Bürgermeiſteramt äußerte, daß
S. auch beabſichtige, in die Rückſeite der zum Wohn⸗
haus gehörigen Scheune ein Tor zu brechen. Das
Bezirksamt erteilte die Genehmigung zur Ausführung
des Aufbaues, äußerte ſich aber hinſichtlich der
Scheunenwand nicht. Schon vor dem Eintreffen der
Genehmigung hatten die Angeklagten, S. als Bauherr
und R. als Baumeiſter, in die Scheunenwand ein Tor,
ein Fenſter und ein Luftloch ausgebrochen und vollendet,
ohne um baupolizeiliche Genehmigung nachgeſucht zu
haben, weil ihnen auf Befragen der Diſtriktstechniker
erklärt hatte, daß die beabſichtigte Bauführung nicht
genehmigungspflichtig ſei: Bei der Ausführung der
Torarbeiten waren eine Anzahl von Sicherungs—
maßregeln erforderlich, die von den Angeklagten auch
getroffen wurden. Die Angeklagten wurden beſtraft
und der Polizeibehörde die Ermächtigung zur Be—
ſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes zuge—
ſprochen. Ihre Reviſionen wurden verworfen.
Aus den Gründen: Nach § 6 Abſ. 1 der Bauz
ordnung iſt baupolizeiliche Genehmigung zu erholen
zur Herſtellung von neuen Haupt- und Nebengebäuden,
ſowie zur Vornahme einer Hauptreparatur oder Haupt—
änderung an ſolchen. Als Hauptreparaturen ſind nach
8 7 Ziff. 2 insbeſondere zu betrachten: Die Schwächung,
Verſetzung, Beſeitigung oder Erneuerung von Um-
faſſungen, ſoferne die Aenderung auf eine ganze Ge—
bäudeſeite ſich erſtreckt, oder von ſolcher Bedeutung iſt,
daß bei ordnungsgemäßem Verfahren beſondere tech—
niſche Vorſichtsmaßregeln erforderlich find. Die Straf:
kammer hat feſtgeſtellt, daß durch den Ausbruch der
für das Tor beſtimmten Rohöffnung eine Schwächung
der Umfaſſung der Scheune des ©. eingetreten iſt.
Die Begründung dieſer Feſtſtellung läßt erſehen, daß
der Begriff „Schwächung von Umfaſſungen“ nicht
verkannt iſt. Die Strafkammer hat weiter feſtgeſtellt,
daß die Aenderung von ſolcher Bedeutung war, daß
bei ordnungsmäßigem Verfahren beſondere techniſche
Vorſichtsmaßregeln erforderlich waren. Der in der
Bauordnung nicht beſtimmte Begriff „beſondere tech⸗
niſche Vorſichtsmaßregeln“ iſt ein Rechtsbegriff, deſſen
Auslegung der Nachprüfung des Reviſionsgerichtes
unterliegt. Die Strafkammer hat als unter dieſen
Begriff fallend die vorgenommenen Abſprießungen und
Abbolzungen angeſehen, weil Arbeiten in Frage
ſtünden, die über den Bereich des gewöhnlichen Maurers
hinausgehen und daher beſondere techniſche Vorſichts⸗
maßregeln notwendig machten. Dieſe Begründung
läßt eine Verkennung des Begriffes nicht erſehen; im
übrigen iſt die Feſtſtellung tatſächlicher Natur. In
ſubjektiver eure erfordert 8 367 Nr. 15 StGB. ein
Verſchulden, das auch in Fahrläſſigkeit beſtehen kann.
Die Feſtſtellung des Verſchuldens durch die Straf—
kammer läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Das Be⸗
rufungsgericht hat aus der Tatſache, daß die zuſtändige
Baupolizeibehörde durch den Bericht des Bürger—
meiſteramtes von der Abſicht des S., die fragliche
Bauvornahme auszuführen, Kenntnis erhielt, trotzdem
aber die eingereichten Pläne für den Umbau des
Vordergebäudes genehmigte, die Bauvornahme an der
Scheune aber mit Stillſchweigen überging, nicht den
Schluß gezogen, daß das Bezirksamt die letztere ſtill⸗
ſchweigend genehmigt habe und daß die Angeklagten
dies annehmen konnten. Die gegenteilige Anſchauung
der Beſchwerdeführer enthält einen unzuläſſigen An-
griff auf die Feſtſtellungen der Vorinſtanz. Der Tat⸗
beſtand einer Uebertretung nach § 367 Nr. 15 StGB.
iſt hiernach gegeben. Der Verurteilung der beiden
Angeklagten auf Grund dieſer Strafvorſchrift ſteht der
Grundſatz „ne bis in idem“ nicht entgegen; dieſer iſt
nicht bloß prozeſſualer, ſondern auch materiellrechtlicher
Natur; er enthält das Verbot, daß wenn durch rechts-
kräftiges Urteil darüber entſchieden iſt, ob eine Perſon
für eine beſtimmte Tat ſtrafrechtlich verantwortlich
ſei, dieſe Perſon wiederholt wegen derſelben Tat
ſtrafrechtlich verfolgt werde. Nach dem angefochtenen
Urteil und den vorliegenden Akten hat das Schöffen—
gericht bei dem Amtsgerichte G. durch rechtskräftig
gewordenes Urteil im objektiven Verfahren ausge—
ſprochen: Der Polizeibehörde wird die Ermächtigung,
die Beſeitigung des ordnungswidrigen Zuſtandes (hin—
ſichtlich der fraglichen Scheune) anzuordnen, nicht
zuerkannt. Das durch das bezeichnete Urteil zum Ab—
ſchluſſe gelangte Verfahren hatte die Verfolgung des
Angeklagten wegen einer Uebertretung nach 8 367
Nr. 15 StGB. überhaupt nicht zum Gegenſtande.
Die Strafkammer hat die Frage der Verjährung ver—
neint; ſie iſt davon ausgegangen, daß der Lauf der
Verjährung mangels Erſtattung der im 8 73 BauO.
vorgeſchriebenen Bauvollendungsanzeige überhaupt noch
nicht begonnen habe und hat ſich der ſtändigen Recht—
ſprechung des Oberlandesgerichtes und des oberſten
Landesgerichtes angeſchloſſen, derzufolge der Beginn
der Verjährung einer lediglich in der eigenmächtigen
Vornahme einer genehmigungspflichtigen Bauführung
beſtehenden Uebertretung nicht von dem Zeitpunkte
der tatſächlichen Vollendung des Baues, ſondern von
dem der Erſtattung der in § 73 Baud. vorgeſchriebenen
Bauvollendungsanzeige an zu berechnen ſei. Der Lauf
der Verjährung beginnt gleichmäßig in der Richtung
gegen den Bauherrn und den Baumeiſter; der Um⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 23.
en
ſtand, daß in 8 73 die Erſtattung der Bauvollendungs⸗
anzeige nur dem Bauherrn auferlegt iſt, ändert hieran
nichts. (Urt. vom 6. Oktober 1908, RevReg. ge
1424
Literatur.
Deunler Dr. W., Kgl. Notar in Lauf. Geſetz über
die Einführung einer Beſitzverände⸗
rungsabgabe für Gemeinden vom 15. Juni
1898. Handausgabe mit Erläuterungen. (63 S.).
München 1908, J. Schweitzer Verlag (Arthur
Sellier).
Obwohl das Geſetz nur aus einem einzigen Artikel
beſteht, war ſeine Erläuterung eine recht dankeswerte
Aufgabe mit Rückſicht auf die verſchiedenen, mitunter
nicht einfachen Beſtimmungen aus anderen Geſetzen,
die hier in Betracht kommen. Das Buch bietet eine
überſichtliche und gründliche Beſprechung aller ein=
ſchlägigen Vorſchriften und kann für den .
Gebrauch beſtens empfohlen werden.
Sprachecke
des Allgemeinen Deutſchen Sprachvereins.
Häufung von Verhältniswörtern (Präpoſitienen).
Nicht felten findet man mehrere Verhaältniswörter
nebeneinander. Hierdurch wird das erſte zuweilen
recht weit von ſeinem abhängigen Hauptworte getrennt.
Wuſtmann meint, dies ſei für jeden Menſchen von
feinerem Gefühl eine der beleidigendſten Sprach—
erſcheinungen, und er hat recht damit. Wer ſtieße
ſich denn nicht an einem Satze wie dem folgenden:
„Für die nach der durch das von dem Kloſter
Loccum erbaute Hoſpiz in weiteren Kreiſen bekannt
gewordene Inſel Langeoog kommenden Badereiſenden
hat ſich für die kommende Saiſon (Badezeit) eine
weſentliche Verbeſſerung hinſichtlich der Seereiſe voll⸗
zogen“. Ueber all den „für, nach, durch von” hat
der Verfaſſer hier gar ſelbſt den Faden verloren und
vergeſſen, daß es nach „nach“ doch „gewordenen“
heißen müßte. Sehr anſtößig iſt z. B. auch folgender
Satz: „Ich hatte für von einem an der Küſte von
Schantung geſtrandeten deutſchen Schiffe geraubte
Güter eine Entſchädigung verlangt“. Eine faſt un⸗
glaubliche Häufung von Verhältniswörtern findet ſich
aber in folgendem Satze, der der Eingabe eines öſter—
reichiſchen Anwalts entſtammen fol: „Das Gericht ..
wolle erkennen, der Beklagte ſei ſchuldig, mir für
die von mir für ihn an die in dem von ihm zur
Bearbeitung übernommenen Steinbruch beſchäftigten
Arbeiter vorgeſchoſſenen Arbeitslöhne Erſatz zu leiften“.
Eine Vermeidung ſolcher Ungeheuerlichkeiten läßt ſich
meiſtens mit Hilfe eines bezüglichen Fürworts (Relativs)
oder durch Zerlegung des Satzes in zwei oder mehr
Sätze oder durch Umſtellung der Wörter bewirken.
Dies letzte z. B. genügt bei dem Satze: „Das iſt ein
Verbrechen, welches in Paris mit bis zu fünf Jahren
Zuchthaus beſtraft wird“. Es brauchte nur zu heißen:
„mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren“. — Unſtatthafte
Auslaſſung eines Wortes findet ſich in ſolchen Anzeigen
wie: „Für ins Gebirge! Für an die See!“ Setzt
man zwiſchen für und ins (an) einen von dem
Wörtchen „für“ abhängigen Ausdruck, etwa Reifen,
ſo iſt alles in Ordnung. Solche falſche Redeweiſe
hört man ſelbſt in gebildeten Kreiſen häufig. Dadurch
wird ſie jedoch um nichts beſſer.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſteriumd. Juſtiz.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
G. m. b. H., Freiſing.
Ur. 24. München, den 15. Dezember 1908. 4. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
0
Th. von der Pfordten IN Bayern 2. Schweitzer Verlag
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. (Arthur Bellier)
Staats miniſterium der Juſtiz. in München, Lenbachplatz 1.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Mf. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Voſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9748).
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebühr 80 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzelle
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzelgen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
N A
Nachdruck verboten.
i ſtimmung ſchaffen müſſen, welche Zuſtellung nun
Nee deform de; etrafverfahren; und die | eigentlich die Rechtsmittelfriſt in Lauf fegt. Diele
Geſchäftsvereinfachung. | er zu Smile Bunde man 5 n
; l Beſeitigung von Streitfragen wäre an dieſem
Von Oberlandesgerichtsrat N. Deinhardt in Jena. Orte auch eine Beſtimmung erwünſcht, daß die
(Schluß). Einlegung von Rechtsmitteln auch ſchon vor Zu⸗
Wie die Berückſichtigung der öffentlichen In: | telung erfolgen kann. Der Angeklagte, der nicht
tereſſen, ſo hat der Entwurf auch die Verſtärkung erſchienen und deſſen Berufung verworfen wird,
des Schutzes der Verteidigung in dem Verbrauch legt Rechtsmittel ein, ſobald er von ſeinem Schickſal
von Tinte und Papier zu erreichen gehofft. erfährt und glaubt damit genug getan zu haben.
Aeußerlichkeiten, nicht Formen, die auf den inneren Zu ſeinem Leide muß er bei manchem Gerichte
Geiſt erziehend wirken. Der Verteidiger war bie: erfahren, daß fie eine ſolche Einlegung für un
her zu den Hauptverhandlungen beſonders neben gültig halten und er muß von vorn beginnen.
dem Angeklagten zu laden. Man ſollte meinen, Daß der Gerichtsſchreiber den, der Berufung
das genügte, alle anderen Mitteilungen wären | oder Reviſion eingelegt hat, darauf hinweiſt, daß
dementſprechend dem Angeklagten allein zu machen. er fie begründen muß (8 316 Abſ. 2, 8 337) ift
Dem Angeklagten geht die Sache fo nahe, daß durchaus zweckmäßig; wie die Reviſion jetzt ge⸗
er ſeinem Verteidiger davon Mitteilung macht | ordnet iſt, iſt eine Rechtsfalle. Wenn jemand
und dies benutzt, um mit ihm darüber zu ſprechen. Reviſion eingelegt hatte, ſo meinte er oft, damit
Wenn beide beſondere Mitteilungen bekommen, alles getan zu haben, er ging, weil er die geſetz⸗
iſt zu befürchten, daß ſie nebeneinander hergehen liche Beſtimmung, daß ſie zu begründen ſei, nicht
und ſich nicht ausſprechen. Alſo eine direkt ſchäd⸗ kannte, oft des klarſten Rechtes verluſtig, ſeine
liche Nebenwirkung. Rerviſion wurde verworfen.
Der Verteidiger iſt von den Terminen zu Daß jedoch der Angeklagte in' der Haupt:
benachrichtigen, in denen über die Fortdauer der verhandlung, wenn die Ladungsfriſt nicht ein-
Haft entſchieden wird ($ 116 Abſ. 3), der Antrag gehalten ift, die Ausſetzung des Verfahrens ver-
auf Vorunterſuchung iſt auch dem Verteidiger mit: langen kann und der Vorſitzende ihn darauf hin⸗
zuteilen, die Ablehnung ift mitzuteilen (§ 184). | weiſen ſoll, iſt eine die Verſchleppungsgelüſte unter:
Soweit tunlich, ift er auch von den Beweis- ſtützende Beſtimmung. Die Ausſetzung ift doch
erhebungsterminen zu benachrichtigen ($ 170). Der nur dann gerechtfertigt, wenn der Angeklagte be:
Beſchluß über die Eröffnung der Vorunterſuchung ſondere Vorbereitungen zur Hauptverhandlung
iſt dem Angeklagten und Verteidiger bekannt zu | nötig hatte und dieſe nicht hat ausführen können.
machen (3 185), ebenſo die Entſcheidung über die Geſchieht ihm durch die Verhandlung gar kein
Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 198), die Mn- | Unrecht, ſo iſt die Ausſetzung, weil etwa ein Tag
klageſchrift (§ 203), der Beſchluß, daß vor einem an einer Woche fehlt, eine Aeußerlichkeit und er-
Gericht niederer Ordnung Hauptverhandlung ſtatt- faßt die Sache ſelbſt gar nicht. Wenn der An⸗
finden fol ($ 210) uſw. Man ſollte eine all- wgeklagte auch gar nichts dafür vorbringen kann,
gemeine Beſtim mung ſchaffen, daß die Mitteilung daß er ſich noch erkundigen müſſe, wenn der
an den Angeklagten genügt und daß nur für die Richter überzeugt ift, der Angeklagte hat ſich vor:
Hauptverhandlung der Verteidiger beſonders ge- bereitet, er braucht keine Vorbereitung mehr, er
laden wird. Will der Verteidiger die Zuſtellung wird freigeſprochen auch ohne Ausſetzung, ſo muß er
an ſich haben, ſo kann er eine darauf hinweiſende wiederum etwas tun, was ihm wider ſeine praktiſche
Vollmacht einreichen. Infolge der doppelten Zu- Vernunft geht. Er muß dem Scheinweſen dienen,
ſtellung hat man in $ 304 eine beſondere Be: das nicht auf Sachlichkeit und inneren Wert geht.
— SCS en A —
470 Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
Das Beſtreben, in minderwichtigen Sachen richtigung eine leere Aeußerlichkeit. Dieſen Ge-
Eidesleiſtungen zu erſparen, wird durchkreuzt durch danken würde man zum Ausdruck bringen, wenn
die Beſtimmung, daß ſie nicht unterbleiben kann, man ſagte:
wenn ein Prozeßbeteiligter ſie verlangt und daß | Der Richter hat, wenn er die Zuziehung
der Richter dieſe zu befragen hat, ob ſie die Ver⸗ des Verteidigers und Staatsanwalts für
eidigung verlangen. Kläger und Angeklagte in zweckmäßig hält, dieſe zu benachrichtigen.
den Privatklageſachen oft fragwürdiger Natur, Ebenſo iſt die Parteiöffentlichkeit nach $ 168
wie ſie die Gerichte überſchwemmen, urteilen höchſt einfacher zu geſtalten, daß bei Vernehmung von
ſelten objektiv über den Zeugen, und die Beſtim⸗ Zeugen der Richter die Anweſenheit der Be⸗
mung wird dazu dienen, dem Streben, das man teiligten zu geſtatten hat, wenn ſie zur Aufklärung
jetzt ſo oft bemerkt, dem Zeugen etwas anzu- zweckdienlich erſcheint. Daß er den Staatsanwalt
hängen, ihn vielleicht mehr als den Angeklagten und Verteidiger nach $ 170 von ſämtlichen Ter-
zu verdächtigen, noch eine neue Grundlage zu minen benachrichtigen muß, erzeugt eine zweckloſe
geben. Es gibt auch Anwälte, die ſich mit den | Schreiberei, und daß bei ihrer Verhinderung auf
Parteien eins dünken und nun darauf ausgehen, Antrag der Termin verlegt werden muß, wird
ihnen zu beweiſen, daß fie auf dem Poſten find. ſtörend in die Geſchäfte eingreifen, einen ſachlichen
Auch diefe laffen fidh verleiten, dem Zeugen härter Erfolg aber nicht haben. Die Beſchuldigten
zuzuſetzen, als es objektiv notwendig iſt und An⸗ können kaum die Koſten aufwenden, zu ſämtlichen
träge auf Beeidigung zu ſtellen, die objektiv nicht Vernehmungsterminen, die ſich oft wiederholen,
gerechtfertigt ſind. Das Gericht iſt die objektiv zu erſcheinen, die Staatsanwaltſchaft wäre nur
entſcheidende Stelle. Wenn die Begründung für bei ſtarker Vermehrung ihres Perſonals dazu im:
die Stellung des Verteidigers darauf hinweiſt, ſtande. Die Anwälte müßten ihre Tätigkeit
daß er als öffentlich⸗rechtliches Organ der Rechts: | noch mehr zerſplittern als jetzt, fie würden, da
pflege tätig werde, jo mutet fie doch der menſch⸗ ſie doch an ihrem Wohnort und auswärts noch
lichen Natur zu viel zu. Der Verteidiger wird Ziviltermine an verſchiedenen Gerichten, Privat-
von ſeinem Auftraggeber angenommen. Dieſem klagen, Hauptverhandlungen in Strafſachen, häus⸗
hat er zu dienen, und er gewöhnt ſich allmählich liche Beſprechungen und ſonſtige Geſchäfte haben,
daran, die Sache nur von dieſem Geſichtspunkte ſehr oft nicht kommen können, ſehr oft Vertagungs⸗
aufzufaſſen, er wird eins mit den Anſichten ſeines | anträge ſtellen, und auch zu den vertagten Ter⸗
Auftraggebers. Es iſt ſeiner ganzen Stellung nach minen, da ſich ihre übrige Beſchäftigung oft
zuviel verlangt, daß er noch eine zweite Seele in | ändert, nicht erſcheinen können. Der Richter wird
ſich mit gleicher Inbrunſt nährt, die der anderen in eine oft ſehr unangenehme Lage kommen und
ganz entgegengeſetzt iſt. | wird in feinem Streben, die Sache zu fördern,
Statt daß das Gericht erft im Urteil aus: mit ſchwerüberwindlichen Maͤchten zu kämpfen
führt, eine Ausſage fei trotz Beeidigung unglaub - haben. Das Vertagungsunweſen in Zivilprozeſſen
würdig, kann es den Eid überhaupt erſparen. 10 5 1 an en ab⸗
| l ſchrecken. Daß die Gründe für die Verſagung
nn Au n der Anweſenheit angegeben werden müſſen (8 168
Die: dere gung de Segen k Ý Abſ. 1), wird eine Quelle der Unzufriedenheit für
terbleib gung N Mitalied 5 5 © den Angeſchuldigten und Verteidiger bilden.
unterbieiben, wenn alle eriglieder des Ge: Außerdem wird der Richter dadurch oft gezwungen
richts ſeine Ausſage für unglaubwürdig halten. werden, den Beſchuldigten klug zu machen, ob
e DATA 1 5 1 a erſt gleichzeitig und was er etwa noch in ſeinem Intereſſe tun
T E e beſch tepen. l könnte. Kolluſionen mehrerer Angeklagter find
Wird die Nichtvereidigung erſt bei dem Urteile jetzt in den Gefängniſſen trotz größter Aufmerk⸗
beſchloſſen, jo ift fie unbedenklich. ſamkeit ſchwer zu verhindern, wie ſoll es erſt bei
Daß, wenn der Verhaftete gegen den Haft- der Geſtattung der Anweſenheit in den Gerichts—
befehl Einwendung erhoben hat und darüber nach zimmern werden? Die Rechtspflege wird mand:
ſeiner Anhörung beſchloſſen werden ſoll, die übrigen mal in Nachteil kommen.
Prozeßbeteiligten und der Verteidiger benachrichtigt Daß bei Privatklagen der Amtsrichter vor
werden müſſen, hält das Verfahren auf und ver- der Eröffnung des Hauptverfahrens Ermittelungen
zögert die Entſcheidung, oft aljo die Freilaſſung. vornehmen kann, ift eine Maßregel, die zur Be:
Auch hier macht ſich in aufdringlicher Weiſe das ſchleunigung und Vereinfachung des Verfahrens
Formale ohne Rückſicht auf die ſachliche Be- , beitragen kann, unnötige Hauptverhandlungen
deutung geltend. Es kommt natürlich auf werden vermieden. Mehr in der Faſſung des
die Lage des Falles an, ob es zweckentſprechend Geſetzes als in dem Sinne der Beſtimmung liegt
iſt, daß Verteidiger und Staatsanwalt anweſend es, daß es ſcheint, als ob die Ermittelungen nur
find. Hat der Richter die Ueberzeugung, daß fie auf Antrag vorzunehmen wären. Die Praxis
noch weniger wiſſen als er ſelbſt und nichts zur wird diefe Beſtimmung jo auffaſſen. Indem ge:
Aufklärung beitragen können, jo ift die Benah- | jagt wird, der Amtsrichter fol, wenn Ermitte—
lungen beantragt werden, fie anftellen, ſo weit er
ſie für nötig hält, wird dies mit dem ſo beliebten
Unkkehrſchluſſe fo ausgelegt werden, als ob er
ohne Antrag die Ermittelungen nicht vornehmen
ſolle. Der Sinn ließe ſich leicht durch eine
Aenderung klarſtellen: Der Amtsrichter kann Er⸗
mittelungen anſtellen, ſoweit diefe zur Aufklärung
der Sache erforderlich ſind, und wenn der Privat⸗
kläger oder der Beſchuldigte ſolche beantragen,
ſoll er dem entſprechen. Da es im geltenden
Recht nicht unbeſtritten iſt, ob der Amtsrichter
berechtigt iſt, Ermittelungen anzuſtellen, es jeden⸗
falls nicht üblich iſt, daß er es tut, wäre ein
ausdrücklicher Ausſpruch angebracht. Zu Er:
mittelungen und Vergleichsabſchlüſſen würde es
gerade in Privatklageſachen ſehr zweckmäßig ſein,
einen Vortermin einzuführen. Als Ergebnis der
Privatklageſachen eines Terminstages vor dem
Schöffengericht und auch vor dem Landgericht
ſtellt ſich heraus, daß drei Vierteile oder die
Hälfte verglichen werden. Die Parteien ſprechen
ſich aus, der Amtsrichter redet mit ihnen, ſie
wiſſen nun, wie die Sache ungefähr läuft, ſie
ſind allmählich ruhiger geworden, die Koſten ſind
gewachſen, für einen Vergleich ift der Boden ge-
ebnet. Die Schöffen tun gewöhnlich nichts dazu
und die Koſten für ſie könnten geſpart werden.
Die Sühne vor dem Schiedsrichter macht den
Vortermin nicht überflüſſig. Das Gericht hat
mehr Anſehen bei den Parteien und, was dort
nicht gelingt, glückt aus dieſen und anderen
Gründen vor dem Gericht.“)
Dem Staatsanwalt ift nach § 200 die Be:
ſchwerde gegeben, wenn das Gericht den Ange—
ſchuldigten außer Verfolgung ſetzt oder das Ber:
fahren vor einem Gericht niederer Ordnung er—
öffnet. Der letztere Umſtand ſollte kein Grund |
für die Anfechtung fein, die erſte Beſtimmung
genügte.
Die Vorſchriften über das Kreuzverhör werden
nie Leben bekommen. Man ſoll ein Geſetz nicht
mit Beſtimmungen belaſten, die nie praktiſch
— . —1— —
werden.
Was die Verfaſſung der Gerichte und die
Formen ihrer Entſchließungen anlangt, ſo drängen
ſich folgende Gedanken auf:
Vom Standpunkte der praktiſchen Geſchäfts—
erledigung treten die Vorzüge des Einzelrichtertums
in den Vordergrund. Dem ſtehen natürlich Rad:
teile gegenüber und bei der Frage, ob ein Einzel:
richter oder drei Richter entſcheiden ſollen, prallen
grundſätzliche Anſchauungen aufeinander.
Ob drei oder fünf oder ſieben entſcheiden, iſt
nicht von der grundſätzlichen Bedeutung wie die
Frage ob einer oder drei. Beim Dreimänner— |
kollegium tritt der Nachteil der Schwerfälligkeit
und Langſamkeit am wenigſten hervor, die Vor—
1) Vgl. die Abhandlung von Landgerichtsrat
Dr. Erlacher S. 96, 117, 137, 159 dieſes Jahrgangs.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
471
teile gegenüber dem Einzelrichtertum mögen hier
überwiegen. Die Nachteile der Kollegialverfaſſung
machen ſich gewöhnlich mehr geltend, wenn die
Zahl der Mitglieder über drei ſteigt und die
Sache, die zu behandeln iſt, den Aufwand und
Zahl und ausgeſuchte Güte der Mitglieder nicht
rechtfertigt. Die Zahl von fünf Mitgliedern ent⸗
ſpricht bei Oberlandesgerichten oft nicht der
inneren Bedeutung der Sache und der Wirkung
der Entſcheidung. Die Fragen, die ein Ober⸗
landesgerichtsſeuat entſcheidet, werden von den
ungefähr 21 anderen Strafſenaten des Reichs
gleich oder abweichend entſchieden. Die bunteſte
Mannigfaltigkeit herrſcht auf dieſem Gebiete. Die
Sachen ſind oft unbedeutend: Beſchwerden, die
als unzuläſſig ſormularmäßig verworfen werden
müſſen, einfache Beſchwerden im Wiederaufnahme⸗
verfahren von Verurteilten, die immer wieder die⸗
ſelben Dinge in anderem Aufputz vorbringen,
Haftſachen, Reviſionen in Privatklageſachen unter⸗
geordneter Bedeutung, die oft wegen tatſächlicher
Angriffe eingelegt werden, weil die Partei die
einmal beſtehende dritte Inſtanz auch benutzen
will. Haftbeſchwerden ſollten mindeſtens binnen
24 Stunden erledigt werden. Jetzt muß man
auf den Sitzungstag warten. Drei Mitglieder
ließen ſich an einem anderen Tage leicht zu⸗
ſammenbringen, wie man das bei Landgerichten tut.
Es würde alfo in $ 127 des GWG. heißen
können:
Die Senate des Oberlandesgerichts ent⸗
ſcheiden in der Beſetzung von drei Mit⸗
gliedern mit Einſchluß des Vorſitzenden.
Mindeſtens ſollte man für die Beſchlußſachen
einführen, daß über ſie von drei Mitgliedern ent⸗
ſchieden werden kann und beſtimmen:
Die Senate entſcheiden in der Beſetzung von
drei Mitgliedern mit Einſchluß des Vor⸗
ſitzenden. In der Hauptverhandlung ent:
ſcheiden ſie in der Beſetzung von fünf Mit⸗
gliedern mit Einſchluß des Vorſitzenden.
Für die Reichsgerichtsſenate genügte eine Be—
ſetzung von fünf Mitgliedern. Man beginne von
oben her damit, die Vergeudung von Richter—
kräften einzuſchränken.
Das Schwurgerichtsverfahren ſpringt mit Zeit
und Geld wahrhaft verſchwenderiſch um. Wie
ſchließlich ein Geſchworener, um an einem Tage
Dienſt zu tun, zwei Wochen von Haus und Hof
entfernt ſein muß, iſt eine Beläſtigung, die der
Zweck nicht fordert, und wird nun eine Ausgabe
für den Staat, die nicht im Verhältnis zur Sache
ſteht. Die beiſitzenden Richter erſchöpfen ihre
Tätigkeit wirklich in dieſem Beiworte. Die als
Palladium des Schwurgerichts gedachte freie Ab—
lehnung von Geſchworenen iſt ein umſtändliches
Verfahren; aber das ginge noch hin; wie ſie als
Mittel benutzt wird, es nicht auf die Ablehnung
eines Urlaubsgeſuchs ankommen zu laſſen, ſondern
ſich ohne Urlaub freie Tage zu verſchaffen, iſt ein
bi
72
—
—
Zerrbild. Es ließe ſich leicht einrichten, die beiden
Beiſitzer abzuſchaffen, die Zahl der Geſchworenen
herabzuſetzen, und über das Strafmaß und Be⸗
weisanträge den Vorſitzenden zuſammen mit den
Geſchworenen entſcheiden zu laſſen.
Die Urteile über die tatſächliche Beurteilung
müſſen nunmehr oft nicht nur in Schöffengerichts⸗
ſachen, ſondern auch in den Strafkammerſachen
zweimal abgefaßt werden, in der erſten und Be⸗
rufungsinſtanz. Man wird ſehr oft dasſelbe ſagen
müſſen. Um dem wörtlichen Abſchreiben auszu⸗
weichen, ſagt man es mit anderen Worten und
dieſe ſind nicht immer beſſer. Man hat oft das
Bedürfnis wegen der ganzen tatſächlichen Feſt⸗
ſtellungen oder eines Teils davon ſich dem erſten
Richter anzuſchließen, wegen der Vorausſetzungen
des Rückfalls auf die Feſtſtellungen in der Anklage⸗
ſchrift oder bei Geſtändnis ganz auf dieſe zu ver⸗
weiſen. Dies hält man für unzuläſſig, weil die
StPO. im Gegenſatz zur ZPO. Verweiſungen
nicht für zuläſſig erklärt.
Zu § 259 waͤre deshalb ein Zuſatz wünſchens⸗
wert:
Entſpricht ein Geſtändnis dem Inhalte der
Anklageſchrift, ſo iſt die Verweiſung auf dieſe
zulaͤſſig; im übrigen kann auch wegen der
Vorausfetzungen des Rückfalls auf ſie ver⸗
wieſen werden.
und zu $ 329:
Eine Verweiſung auf das erſtinſtanzliche
Urteil iſt zuläſſig, ſofern durch ſie die Klar⸗
heit, was feſtgeſtellt wird, nicht leidet.
Daß das Urteil von ſämtlichen Richtern unter:
ſchrieben werden muß, führt bei ſtark beſetzten
Kollegien zur Verlangſamung des Verfahrens.
Bei ſieben Richtern kann allein mit dem Einholen
der Unterſchriften mehr als eine Woche hingehen,
bei fünf Richtern oft eine Woche. Beſonders um:
ſtaͤndlich wird dies bei den Berufungsſenaten werden,
da die Richter oft nicht an einem Platze wohnen.
Das Prinzip wird |
daß die Schöffen nicht unterſchreiben, bei Urteilen
des Amtsgerichts nur ein Name, bei denen der
Strafkammer zwei darunter ſtehen. Dies führt
dazu, daß die Schöffen nach außen hin als nicht
gleichwertig den Berufsrichtern erſcheinen. Dieſen
üblen Schein vermeidet man dadurch, daß die
Unterſchrift des Vorſitzenden und eines Beiſitzers
genügt. So handhabt es das Reichsgericht bei
Beſchlüſſen, die doch oft von großer Bedeutung
ſind, die öſterreichiſche Zivilprozeßordnung begnügt
ſich auch damit und es wird gegen jetzt keine fad-
liche Aenderung eingeführt. Denn hat der Ver:
faſſer und der Vorſitzende unterſchrieben, ſo geben
die übrigen Mitglieder mit größerer oder ge—
ringerer Ueberzeugung, mehr oder minder not—
gedrungen, ihre Namen; der Inhalt wird nicht
mehr geändert.
Die Durchführung der Berufung auch in
Strafkammerſachen wird ſicher dazu beitragen, die
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*
|
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
Prozeſſe weitläufiger zu machen. Immerhin doch
nicht ſo, wie es auf den erſten Blick ſcheint. Es
werden dafür viele Reviſionen wegfallen; denn
in vielen Fällen ſucht man auf dem Umwege der
Reviſion an die tatſächlichen Feſtſtellungen heran⸗
zukommen. Dieſe gehen dem Betroffenen an Herz
und Nieren, nicht die Rechtsausführungen. Die
Reviſion wird nur eingelegt und künſtlich begründet,
weil die Berufung fehlt.
Die Aufhebung des $ 366 wird viel Zeit und
Geld koſten, und zwar zum Teil unnütz. Der
Entwurf führt hier einmal ein Prinzip, das der
Unmittelbarkeit, rein bis zum Ende durch, ohne
abzuſtufen, wie er es ſonſt tut. Es gibt genug
Sachen, in denen die protokollierte Ausſage erſter
AR auch für die zweite genügte. Haben
pſychologiſche Forſchungen nachgewieſen, daß eine
Ausſage je öfter ſie wiederholt wird, deſto unzu⸗
verläſſiger wird, ſo werden die Vorteile der Un⸗
mittelbarkeit von den Nachteilen der Wiederholung
durchkreuzt. Es iſt den Zeugen nicht verſtändlich,
daß, was ſie ausführlich ausſagen, nicht nieder⸗
geſchrieben wird.
Die Aufhebung des $ 380 iſt zu billigen.
Daß aber wegen jeden kleinen Formenmangels
ein Urteil in der geringfügigſten Sache aufgehoben
werden ſoll, weil die Annahme nicht ausgeſchloſſen
iſt, daß ohne die prozeſſuale Verfehlung anders
erkannt worden wäre, und daß ein ganzes weit⸗
läufiges Verfahren, das ſachlich eine richtige Ent-
ſcheidung gebracht hat, an einer Kleinigkeit ſcheitert,
trägt ſchon jetzt dazu bei, die Juſtiz in den Ruf
des lächerlichen Spielens mit Formen zu bringen.
Gerade dieſe Betonung des Formalen iſt das dem
Laien (aber auch dem praktiſchen Juriſten) Unver⸗
ſtändliche, das, was das Verfahren beſonders unvolks⸗
tümlich macht.
Es empfiehlt ſich deshalb eine andere Be⸗
ſchränkung der Reviſionen wegen Verletzung von
Verfahrensvorſchriften. Es müßte zu $ 345 noch
„Inſoweit Mängel des Verfahrens feſt⸗
geſtellt find, unterliegt es dem freien Er:
meſſen des Reviſionsgerichts, ob ſie weſentlich
genug ſind, die Aufhebung des Urteils zu
rechtfertigen.“
Das Berufungsgericht ift durch diefe Beſtim—
mung genügend kontrolliert, verliert aber nicht
über der Beachtung der Formen den Sinn für
das Weſentliche, wozu die jetzige Formenſtrenge
oft verführt, und der Reviſionsrichter wird ge:
zwungen, mit praktiſchem Geiſte zu arbeiten und
muß ablaſſen, immer im luftleeren Raume der
Begriffe zu ſchweben.
Es iſt nur zu wünſchen, daß man bei der
Prüfung durch den Bundesrat ſich den Entwurf
auch einmal von unten anſieht, das heißt darnach,
wie im alltäglichen Leben ſich die Geſchäfts⸗
behandlung darſtellt.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24. 473
os i ere des (dinglichen) Fiſchereirechts. Dieſer ift in d
Ginige Fragen des nenen Jiſcherrirechts. Re der Eigeriumer des Gemla (rt. J,
Von Joſeph Bleyer, II. Staatsanwalt in München, beſteht das Fiſchereirecht als ſelbſtändiges ding⸗
verw. im Kgl. Staatsminiſterium der Juſtiz. liches Nutzungsrecht an einem fremden Gewäſſer
(Art. 9 Abſ. 1), ſo iſt er ein anderer als der
(Schluß). 3 Eigentümer.
II. Der Fiſchereiberechtigte. — Der zur Unbübung der Der Inhaber des Fiſchereirechts iſt nicht
Fiſcherei Berechtigte. immer fähig, das Recht auszuüben. Der ge⸗
Das FiſchG. enthält in einer Reihe von Ar: ſchäftsunfähige Inhaber iſt unfähig, die bei der
tikeln Vorſchriften über ſubjektive Rechte, Anſprüche Ausübung erforderlichen Willenserklärungen ab-
und Verbindlichkeiten, die im Streitfalle Gegen: zugeben (5 105 BGB.), Die juriſtiſche Perſon
fand der Entſcheidung der Zwilgerichte, der Ber- des öffentlichen oder des Privatrechts (Körperſchaft,
waltungsgerichte oder der Verwaltungsbehörden Stiftung oder Anſtalt) entbehrt der natürlichen
find und nicht felten vom Strafrichter als Bor: Handlungsfähigkeit. Durch welche Organe fie fid
fragen feiner Entſcheidung gewürdigt werden müſſen. bei der Ausübung vertreten laſſen muß, beſtimmt
Es iſt im einzelnen Falle nicht immer leicht, den das Geſetz im allgemeinen nicht (ſ. Art. 27 Abſ. 2,
Träger des Rechtes feſtzuſtellen und zu beſtimmen, Art. 30; anderſeits Art. 31 Abſ. 1). Die Ausübung
wer zur Sache legitimiert iſt, d. h. wer den An⸗ erfolgt in dem Umfange, wie ſie entſprechenden⸗
ſpruch erheben kann und wer die Verbindlichkeit falle der natürlichen Perſon zuſtünde, durch die
erfüllen muß, oder prozeſſualiſch genommen, wer Perſonen, deren Willen als der Wille der juriſtiſchen
der richtige Kläger und wer der richtige Beklagte iſt. Perſon gilt (4.8. den Vorſtand oder den anderen
verfaſſungsmäßig berufenen Vertreter des einge⸗
pa db en tet Gee ee Tagen Beni, br de ore .
ſchaft, den Geſchäftsführer der Gm ie be⸗
punkte ar die Aufftellung allgemeiner Sätze ge: zeichneten Organe gelten, ſoweit es ſich um
5 En b t als die Perſon, d die Ausübung des Fiſchereirechts handelt, als
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bindlichkeit erfüllen ſoll, regelmäßig den „Fiſcherei⸗ aber die juriſtiſche Perſon. Praktiſche Folgen:
Die Willensorgane der juriſtiſchen Perſonen be-
berechtigten“. Bisweilen wird von den „Inhabern pi Ausübung d für di ti-
der Fiſch chereirechte“ oder den „Berechtigten“ ſchlecht⸗ )%%%%%C% un
ſche Perſon keines Erlaubnisſcheins nach Art. 35,
hin geſprochen (ſ. Art. 5, 17). Davon unterſcheidet | ebenſowenig des ſchriftlichen Ausweiſes nach Art. 68,
das Geſetz den „zur Ausübung der Fiſcherei Bez Art. 1 Abi. 4
rechtigten“ (Art. 1 Abſ. 4, Art. 70 Abſ. 1 u. 2). 3 Der Inhaber des Fiſchereirechts iſt nicht
den „zur Ausübung der Fiſcherei Befugten“ immer berechtigt, das Recht auszuüben. In
„in dem betreffenden Gewäſſer zum Fiſchen B — die Berechtigung der Ausübung hat das Geſetz
— — nn —— — nn
fugten“ (Art. 103 Nr. 1 u. 2). Der zur Aus: beſonders in der Abteilung III durch viele und
übung der Fiſcherei Berechtigte iſt nicht immer einſchneidende Beſchränkungen eingegriffen. Der
identiſch mit der Perſon, die „das Fiſchereirecht Inhaber des Rechtes kann ſich auch durch Vertrag
ausübt“ (Art. 16), oder dem „Fiſcher (Art. 69). mit einem Dritten von der Ausübung des Rechtes
Von dem Berechtigten iſt ferner zu unterſcheiden ausſchließen. Der praktiſch wichtigſte Fall iſt die
ſein „Vertreter“ oder „Stellvertreter“ (Art. 65 Verpachtung des Rechtes, durch die der Inhaber
Nr. 2, Art. 103 Nr. 2). Die Fälle, in denen verpflichtet wird, dem Pächter die Ausübung ſeines
der Berechtigte einen Vertreter aufſtellen kann, d — in der Regel —
find im Geſetze nicht erſchöpfend aufgeft ſich der Ausübung des Rechtes zu enthalten. In⸗
ſonderer Unterſuchung bedürfen ſpäter die Falle dem der Pächter das Fiſchereirecht des andern
der vom Geſetz angeordneten Vertretung (Art. 25 j mei genen Namen ausübt, erſcheint auch er
Abſ. 2, Art. 27 Abſ. 1). Als Perſonen, die die als „Fiſchereiberechtigter“. Seine Berechtigung
Fiſcherei ausüben, bezeichnet das Geſetz weiter x umfaßt aber nur die Ausübung des Rechtes.
„beſonders aufgeſtellten Fiſcher“ (Art. 20 Abs 1 Dieſem Ergebniſſe trägt das Geſetz Rechnung.
Nr. 1, Art. 30), das Hilfs: (und Aufſichts⸗Per⸗ Es vermeidet zwar, von obligatoriſchen Fiſcherei⸗
ſonal (Art. 65 Nr. 1, Art. 67 bj. 3, Art. 70, 86), berechtigungen zu ſprechen, verſteht aber überall
die „nicht ſelbſtändigen Familienangehörigen” des da, wo es ſich um Rechte und Pflichten hinſicht⸗
Fiſchereiberechtigten (Art. 65 Nr. 2). Beſondere lich der Ausübung des Rechtes handelt, unter dem
Behandlung hat in mancher Hinſicht erfahren die Fiſchereiberechtigten außer dem Inhaber des Rechtes
rechtliche Stellung des Pächters und Unterpächters, auch den Pächter (f. die Begr. des Reg.⸗Entw.
des Inhabers eines Erlaubnisſcheins (Art. 35), Bd. I Verh. K. Abg. 1907 S. 346, 351). Dem
des Genoſſenſchaftsvorſtands. | Pächter ſteht in der Ausübung des Rechtes der
A. Wer iſt der „Fiſchereiberechtigte“? Nießbraucher des Rechtes gleich, ebenſo der Nutz⸗
Das Geſetz verſteht darunter zunächſt den Inhaber nießer des Rechtes kraft ehelichen Güterrechts oder
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elterlicher Gewalt, ſo verſchieden ſonſt ihre recht:
liche Stellung von der des Pächters iſt.
Ob die öffentliche Fiſcherei-Genoſſen⸗
ſchaft, vertreten durch ihren Vorſtand, zu den
„Fiſchereiberechtigten“ gerechnet werden darf, iſt
nicht ganz klar.
über. Nur die Ausübung der Rechte geht auf
ſie über und dieſe nur ſoweit, als es der Zweck
der Genoſſenſchaft erfordert. Das Geſetz erwähnt
die Genoſſenſchaft wiederholt neben dem Fiſcherei⸗
berechtigten (z. B. in Art. 17, 35, 80, 86). An
anderen Stellen führt es nur den Fiſchereiberech⸗
tigten an, wo es dieſem die ausübungsberechtigte
Genoſſenſchaft zweifellos gleichſtellen will (3. B. in
Art. 79, 85). Die Genoſſenſchaft wird darnach
den Inhabern der Fiſchereirechte in der Ausübung
der Rechte auch ohne beſondere geſetzliche Er:
wähnung ſoweit gleichſtehen, als nach ihrem Zwecke
und ihrer Satzung die Ausübung auf ſie über⸗
gegangen iſt. Den nach Art. 37 Nr. 2 zur ge⸗
meinſamen Bewirtſchaftung und Nutzung der Fiſch⸗
waſſer gebildeten Genoſſenſchaften wird in der
Regel die geſamte Ausübung der einbezogenen
Rechte in der Weiſe zuſtehen, daß die ſelbſtändige
Ausübung der Rechte durch die Genoſſen aus—
geſchloſſen iſt.
Es iſt weiter nicht unzweifelhaft, wer in dem
gemeinſchaftlichen Fiſchereibetriebe mit
mehr als zwei Beteiligten hinſichtlich der Aus-
übung als „Berechtigter“ zu gelten hat, wenn die
Fiſcherei auf Rechnung der Beteiligten durch be:
ſonders aufgeſtellte Fiſcher betrieben wird (Art. 20).
Die Inhaber der einzelnen Rechte find zur Aus:
Rechtsnachfolgerin der Genoſſen
iſt ſie nicht, denn die Rechte gehen nicht auf ſie
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
übung nicht mehr befugt. Der aufgeſtellte Fiſcher
iſt Hilfsperſon bei der Ausübung (darüber ſpäter).
Man wird die Beteiligten in der Geſamtheit als
Berechtigte hinſichtlich der Ausübung betrachten
müſſen.
Das Ergebnis läßt ſich in folgenden Sätzen
zuſammenfaſſen:
Soweit es ſich um den Beſtand des dinglichen
Fiſchereirechts, beſonders den Erwerb und den
Verluſt, den Inhalt und den Umfang des Rechtes
handelt, iſt der Inhaber des Rechtes als der
Fiſchereiberechtigte zur Sache legitimiert. Soweit
das Geſetz Anſprüche und Verbindlichkeiten hinſicht⸗
lich der Ausübung des Rechtes regelt, iſt der
„Fiſchereiberechtigte“ 1. der Inhaber des Rechtes,
2. an ſeiner Stelle die zur Ausübung des Rechtes
im eigenen Namen und im eigenen Intereſſe be—
rechtigte Perſon oder Perſonengemeinſchaft, die
den Inhaber des Rechtes von der Ausübung des
Rechtes ausſchließt. Iſt der Inhaber des Rechtes
(oder die ſonſtige andere Perſon, aus deren Rechte
die Befugnis der Ausübung abgeleitet wird) aus—
B. Die „zur Ausübung der Fiſcherei
Berechtigten“ bilden einen größeren Kreis als
die Fiſchereiberechtigten. Die Fiſcherei darf vor⸗
behaltlich beſonderer Beſchränkungen außer von
dem Fiſchereiberechtigten von allen Perſonen aus:
geübt werden, die von dem Fiſchereiberechtigten
hierzu ermächtigt werden. Dieſe weite Faſſung
legt das Geſetz dem Art. 103 Nr. 1 u. 2 zugrunde.
Von der dort angedrohten Beſtrafung ſind alle
Perſonen ausgenommen, die zur Ausübung der
Fiſcherei irgendwie materiellrechtlich befugt ſind
z. B. kraft zuläſſigen Auftrags oder kraft zuläſſiger
Erlaubnis des Fiſchereiberechtigten. Im übrigen
muß der Kreis der Perſonen, die zu den zur Aus:
übung Berechtigten gehören, enger gezogen werden.
Darauf deutet der Wortlaut des Art. 70, der
neben dem zur Ausübung der Fiſcherei Berechtigten
ausdrücklich deſſen Hilfe: und Aufſichtsperſonal
nennt. Zu den „zur Ausübung der Fiſcherei
Berechtigten“ gehören in der Regel nicht
1. die Perſonen, die im Namen und Auftrage
des Fiſchereiberechtigten die Fiſcherei in der
Weiſe ausüben, daß fie den auf die Aus:
übung fih beziehenden Weiſungen des Be-
rechtigten Folge leiſten müſſen — das Hilfs—
(und Aufſichts-)Perſonal mit Einſchluß der
beſonders aufgeſtellten Fiſcher und der nicht
ſelbſtändigen, d. h. der ledigen (?), im Brote
des Fiſchereiberechtigten ſtehenden, von ihm
alſo wirtſchaftlich abhängigen Familienan⸗
gehörigen;
2. die Perſonen, denen der Fiſchereiberechtigte
die Ausübung der Fiſcherei dem gemein—
rechtlichen precarium entſprechend auf be⸗
liebigen Widerruf überlaſſen hat — die
Fiſchereigäſte.
Dagegen werden zu den Ausübungsberechtigten
zu zählen fein die Perſonen, die außer dem Fiſcherei⸗
berechtigten die Fiſcherei im eigenen Namen
ausüben, nämlich die nach Art. 27 Abſ. 2 be⸗
rechtigten Innungsmitglieder, die Inhaber eines
Erlaubnisſcheins nach Art. 35.
Das Geſetz ſpricht an mehreren Stellen (ſ. o.)
von dem Vertreter des Fiſchereiberechtigten, läßt
aber in Zweifel, wen es darunter verſteht. Häufig
wird der Vertreter Hilfsperſon ohne Vertretungs—
macht ſein. Z. B. der Gutsbeſitzer, dem ein Fiſcherei⸗
recht zuſteht, läßt die Fiſcherei durch ſeinen
Verwalter tatſächlich ausüben. Wenn der Ver—
treter Vertretungsmacht hat, wirken die Rechts⸗
handlungen, die er innerhalb der Vertretungsmacht
im Namen des Vertretenen vornimmt, unmittelbar
für und gegen den Vertretenen. Für Willens—
erklärungen ſpricht dies der $ 164 Abſ. 1 BGB. aus;
der Grundſatz muß aber auch für ſonſtige Rechts—
handlungen wie die Beſitzergreifung an herrenloſen
nahmsweiſe daneben zur Ausübung berechtigt
(3. B. der Rechtsurheber behält ſich als Verpächter
die eigene Ausübung vor), ſo ſind die mehreren
nebeneinander „Fiſchereiberechtigte“.
Waſſertieren, die Ausübung des Uferbenützungs—
rechts nach Art. 70, die Ausübung des Fang- und
Tötungsrechts nach Art. 85 gelten. Die auf die
Ausübung des Fiſchereirechts ſich beziehenden An-
ſprüche und Verbindlichkeiten entſtehen demnach
regelmäßig unmittelbar in der Perſon des Ver⸗
tretenen.
Zweifelhaft iſt die Stellung der im Geſetze
beſonders vorgeſehenen Vertreter, die den Berech⸗
tigten oder die Berechtigten von der Ausübung
der Fiſcherei tatſächlich ausſchließen (Art. 25 Abſ. 2,
Art. 27 Abſ. 1). Aber auch ſie ſind nicht die zur
Ausübung der Fiſcherei Berechtigten im Sinne
des Geſetzes, denn ſie handeln in fremdem Namen
und Auftrag und auf fremde Rechnung und be-
rechtigen und verpflichten unmittelbar die ver-
tretenen Perſonen.
Die Vertretung durch einen anderen bei der
Ausübung der Fiſcherei berührt deshalb die Sad-
legitimation des Berechtigten nicht. Anſprüche
und Verbindlichkeiten des Vertreters, die mit
der Ausübung der Fiſcherei zuſammenhängen, be—
dürfen einer beſonderen rechtlichen Grundlage. Der
Vertreter haftet z. B. dem Dritten wegen einer
unerlaubten Handlung.
Folgt man dieſen Abgrenzungen, ſo kommt
man in der Regel zu angemeſſenen Ergebniſſen
bei der Auslegung des Geſetzes. Immerhin iſt
es erforderlich, bei jeder Beſtimmung den Inhalt
und den Zuſammenhang mit anderen Vorſchriften
genau zu erforſchen. Die folgenden Beiſpiele zeigen,
wie die Begriffe ineinander greifen und dadurch
die Auslegung erſchweren.
a) Die Berechtigung zum Froſchfang
(Art. 1 Abſ. 4). M. E. iſt die Rechtslage ſo:
Der Fiſchereiberechtigte bedarf zum Froſchfang
ebenſowenig eines Ausweiſes über ſeine materielle
Berechtigung wie zum Fiſchfange (ſ. Art. 68). Er
darf aber, obwohl der Froſchfang nicht Ausübung
des Fiſchereirechts iſt, dem Froſchfange nur nach—
gehen, wenn er zur Ausübung der Fiſcherei be—
rechtigt ift. Dies folgt aus dem Abi. 4 Satz 1.
Iſt er von der Ausübung der Fiſcherei ausge—
ſchloſſen, ſo darf er grundſätzlich anderen den
Froſchfang nicht erlauben. Hat er das Recht ver:
pachtet, ſo iſt in der Regel nur der Pächter zum
Froſchfang und zur Geſtattung des Froſchfangs
berechtigt. Iſt eine öffentliche Genoſſenſchaft aus—
übungsberechtigt, jo übt fie diefje Rechte durch den
Vorſtand aus. Wie liegt aber die Sache, wenn
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
ein gemeinſchaftlicher Betrieb (Art. 19) gebildet
iſt? Der beſonders aufgeſtellte Fiſcher iſt Hilfs—
perſon und bedarf ſowohl zum Fiſchfange wie zum
Froſchfange der ſchriftlichen Erlaubnis der Ge—
ſamtheit oder ihres Vertreters. Die Bewilligung
zum Froſchfange kann er deshalb anderen nur als
Beauftragter der Geſamtheit erteilen. Die Geſamt—
heit ift berechtigt, anderen den Froſchfſang zu ge:
ſtatten, ohne ſich der Vermittelung des Fiſchers
zu bedienen. Der einzelne Berechtigte kann die
Fiſcherei im eigenen Namen nicht mehr ausüben.
Er darf alſo dem Froſchfang auch im eigenen
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Die nach Art. 25 Abſ. 2 und Art. 27 Abſ. 1
ſtändig beſtellten Vertreter bedürfen zum Fiſch⸗
fange des Ausweiſes nach Art. 68 und zum Froſch⸗
fange des Ausweiſes nach Art. 1 Abſ. 4. Die
Ausweife können wie in ſonſtigen Fällen in einem
Schriftſtück enthalten ſein. Die Vertreter können
im Namen der Vertretenen anderen den Froſch⸗
fang erlauben. Dieſe Befugnis bleibt aber auch
den Vertretenen, da ſie nur von der Ausübung
der Fiſcherei in Perſon ausgeſchloſſen ſind. —
Nach ſolchen Erwägungen iſt auch zu entſcheiden,
ob die Begleitung des Fiſchereiberechtigten zur
Legitimation des Froſchfängers ausreicht. Des
ſchriftlichen Ausweiſes bedürfen nur die Perſonen
nicht, die den Fiſchereiberechtigten begleiten, der
den Froſchfang erlauben kann. Hierzu
kommen nach Abſ. 4 Satz 1 die Perſonen, die
außer dem Fiſchereiberechtigten zu den „zur Aus—
übung der Fiſcherei Berechtigten“ gehören, alſo
die nach Art. 27 Abſ. 2 berechtigten Berufsfiſcher
und die Inhaber eines Erlaubnisſcheins.
b) Intereſſante Vergleiche ermöglicht der Art. 6.
Das Recht der Fiſchnacheile gehört zum
geſetzlichen Inhalte des Fiſchereirechts; anderſeits
bildet es eine geſetzliche Beſchränkung des Eigen—
tums an dem überfluteten Grundſtücke. Iſt der
Beſtand des Rechtes der Nacheile ſtreitig (es wird
z. B. behauptet, daß die dem Geſetz entſprechende
Geltendmachung des Rechtes durch eine auf dem
Waſſergrundſtück oder dem ſelbſtändigen Fiſcherei⸗
rechte laſtende Grunddienſtbarkeit ausgeſchloſſen
ſei), ſo ſind zur Sache legitimiert der Inhaber
des Fiſchereirechts und der Eigentümer des über:
fluteten Grundſtücks. Handelt es ſich nur um
die Art der Ausübung und die daraus entſpringenden
rechtlichen Beziehungen, beſonders das Recht auf
Schadenserſatz, jo ſtehen fid) gegenüber der Fiſcherei—
berechtigte in dem oben feſtgeſtellten weiteren Sinne
und der unmittelbare Beſitzer (Eigentümer, Nieß—
braucher, Pächter u. a.) des belaſteten Grundſtücks.
Der Fiſchereiberechtigte braucht das Recht der
Nacheile nicht in Perſon auszuüben. Der Grund—
beſitzer muß die Ausübung durch jeden dulden,
der die Fiſcherei im eigenen oder fremden Namen
ausüben darf. Der Fiſchereiberechtigte iſt aber
wegen der ihn treffenden Haftpflicht in der Lage,
die Ausübung der Nacheile allen Perſonen zu
unterſagen, die das Recht zur Ausübung der
Fiſcherei von ihm ableiten. Der Inhaber eines
Erlaubnisſcheins iſt deshalb gegen das Verbot des
Fiſcherei berechtigten zur Nacheile nicht berechtigt.
Anderſeits haftet er für den dem Grundlbeſitzer
verurſachten Schaden niemals nach Art. 6 Abſ. 1
Satz 2 und Abſ. 3, ſondern nur nach den Vor—
ſchriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes.
c) Im Gegenſatze zum Art. 6 beſtimmt der
Art. 70, daß das Uferbenützungsrecht dem
zur Ausübung der Fiſcherei Berechtigten
Gewäſſer nur mit ſchriftlicher Bewilligung der zuſteht; in deſſen Namen und auf deſſen Verant—
Geſamtheit oder ihres Vertreters nachgehen. — wortung (Abſ. 2) darf auch das Hilfsperſonal
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(mit Einſchluß der Gäſte) und das Aufſichtsperſonal
die fremden Ufer betreten. Der Berufsfiſcher
(Art. 27 Abſ. 2), der Inhaber eines Erlaubnis⸗
ſcheins (Art. 35) können das Uferbenützungsrecht
ohne Ermächtigung ſeitens des Fiſchereiberechtigten
ausüben; dafür trifft ſie auch die Verpflichtung
zum Schadenserſatz unmittelbar und unter Ausſchluß
des Fiſchereiberechtigten, ſoferne dieſer nicht nach
den Vorſchriften des BGB. haftet. Z. B.: Der
Inhaber eines Erlaubnisſcheins begeht mit einem
Begleiter, der ihm als „Gehilfe“ dient, das fremde
Ufer. Der Begleiter beichädigt fahrläſſig eine
Anpflanzung. Der Begleiter haftet nach § 823
Abi. 1 BGB., der Inhaber des Erlaubnisſcheins
haſtet daneben auch ohne eigenes Verſchulden als
Geſamtſchuldner nach Art. 70 Abſ. 2, der Aus⸗
ſteller des Erlaubnisſcheins iſt in der Regel von
der Haftung befreit.
d) Das Recht des Fanges und der
Erlegung der im Art. 85 bezeichneten
ſchädlichen Tiere hat der „Fiſchereiberechtigte“.
Den „Fiſchereiberechtigten“ trifft die Verpflichtung,
über den Ort der Aufſtellung von Schlageiſen
zum Otterfange dem Jagdberechtigten oder feinem
Vertreter Mitteilung zu machen und dieſem die
gefangenen oder getöteten jagdbaren Tiere ab⸗
zuliefern. Der „Fiſchereiberechtigte“ darf fih die
zur Erlangung einer Entlohnung erforderlichen
Körperteile aneignen. Der „ZJiſchereiberechtigte“
iſt verpflichtet, den durch die Aufſtellung der Schlag⸗
eiſen entſtehenden Schaden zu erſetzen.
Das Recht der Beſeitigung ſchädlicher Tiere
gehört zum geſetzlichen Inhalte des Fiſchereirechts;
es wird bei der Ausübung des Fiſchereirechts
verwirklicht. Träger der bezeichneten Rechte und
Pflichten iſt deshalb der Fiſchereiberechtigte in
dem oben feſtgeſtellten weiteren Sinne. Dies
ſchließt nicht aus, daß fih der Berechtigte bei der
Ausübung feiner Befugniſſe und der Erfüllung
ſeiner Verpflichtungen durch andere entſprechend
ermächtigte oder beauftragte Perſonen vertreten
läßt. Dieſe Perſonen haften aber dem Jagd⸗
berechtigten und überhaupt dritten Perſonen nur
nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Bor-
ſchriften. Die weitere Folge iſt, daß auch der
Berufsfiſ cher (Art. 27 Abſ. 2) und der Inhaber
eines Erlaubnisſcheins (Art. 35) zu dem Fangen
und Erlegen der Tiere einer beſonderen Erlaubnis
des Fiſchereiberechtigten bedürfen. Erhalten ſie
die (ausdrückliche oder ſtillſchweigende) Erlaubnis,
ſo ſtehen ſie den Hilfsperſonen des Berechtigten
gleich. Stellen ſie den jagdbaren Tieren nach,
obwohl der Berechtigte es ihnen verboten hat, ſo
ſind ſie wegen unberechtigter Ausübung der Jagd
ſtrafbar.
Der Fiſchereiberechtigte haftet ſelbſtverſtändlich
nicht für den Schaden, der dadurch entſteht, daß
im Fiſchwaſſer ein Unberechtigter (z. B. ein Wil:
derer) ein Schlageiſen aufſtellt. Soweit er ſich
dritter Perſonen zur Erfüllung ſeiner Verbindlich—
Beitſchriſt für Rechtapflege in Bayern. 1908. Nr. ꝶc . für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
keiten (Abſ. 2, 3) bedient, hat er deren Verſchulden
nach $ 278 BGB. zu vertreten. Für den ſonſtigen
Schaden, den der von ihm zum Fangen oder Er⸗
legen ſchädlicher Tiere Beſtellte in Ausführung
dieſer Verrichtung einem Dritten widerrechtlich
zufügt, haftet der Fiſchereiberechtigte nach § 831
BGB. Drei Beiſpiele werden die Rechtslage er:
läutern: 1. Der Hund des Jagdberechtigten gerät
zufällig in das von dem Fiſcher des Berechtigten
aufgeſtellte Schlageiſen; Haftung des Berechtigten
ohne Rückſicht auf fein oder des Fiſchers Ber-
ſchulden nach Art. 85 Abſ. 5. 2. Der angeſtellte
Fiſcher verſäumt die rechtzeitige Ablieferung des
getöteten Tieres, das dadurch für den Jagd:
berechtigten wertlos wird; Haftung des Berch:
tigten nach 8 278 BGB. 3. Der angeſtellte
Fiſcher verwendet zum Fange eigenmaͤchtig Giſt,
der Hund des Jagdberechtigten geht daran zu:
grunde; Haftung des Berechtigten nach 8 831 BGB.
Mitteilungen aus der Praxis.
Zu 8 1021 BGB. In Nr. 20 des laufenden
Jahrgangs der Zeitſchrift wird von berufener Seite
im Gegenſatze zu den Erörterungen in Nr. 9 daran
feſtgehalten, daß die dem Eigentümer des herrſchen⸗
den Grundſtücks auferlegte Pflicht eine vom Eigen-
tümer des dienenden Grundſtücks mit benützte Anlage
zu unterhalten, nur dann das herrſchende Grundſtück
belaſte, wenn ſie auf dem Blatte dieſes Grundſtücks
eingetragen werde. Die gegenteilige Anſicht wird als
ein Bruch mit dem ſcharf durchgeführten Syſtem des
Grundbuchs bezeichnet.
Die Prüfung wird indeſſen nicht überflüſſig ſein,
ob hiermit in der Tat eine befriedigende Löſung der
viel umſtrittenen Frage gefunden iſt.
I, Die gegneriſchen Ausführungen ſtellen den
Satz an die Spitze, daß nach dem Zuſammenhang der
geſetzlichen Beſtimmungen von der Eintragung auf
dem Blatte des herrſchenden Grundſtücks auch dann
nicht Umgang genommen werden könne, wenn die
Belaſtung ſich nicht als ein ſelbſtändiges Recht dar⸗
ſtellt. Zur Stütze werden mehrere Beiſpiele angezogen,
in denen die Eintragung unſelbſtändiger Belaſtungen
im Grundbuche ausdrücklich vorgeſchrieben ſei.
1. Dem zuerſt aufgeführten Beiſpiele, der Hypothek,
wurde gegneriſcherſeits ſelbſt keine ausſchlaggebende
Bedeutung beigemeſſen. Es ſei hier indeſſen doch noch
darauf hingewieſen, daß das Hypothekrecht, ſobald es
durch die Eintragung im Grundbuche begründet iſt,
grundbuchmäßig in feinem Beſtande von der For:
derung, zu deren Sicherung das Recht dienen ſoll,
unabhängig wird.
Die Hypothekrechte — einſchließlich der Siche⸗
rungs- und Höchſtbetraghypothek — gehen durchaus
nicht mit der Forderung unter, ſondern bleiben als
Eigentümergrundſchulden beſtehen. Nicht zugegeben
kann daher werden, daß die Hypothek buchmäßig als
unſelbſtändige Belaſtung ſich darſtellt.
477
— . ——— e ———᷑S . d ' (—ͤ—
2. Wenn ſodann darauf verwieſen wird, daß Recht
und Pflicht, auch wenn ſie ſich gegenſeitig bedingen,
im Grundbuche nicht an einer Stelle gebucht werden,
ſo wird dem in keiner Weiſe entgegengetreten. Allein
für die hier beſprochene Streitfrage dürfte hiermit
nichts gewonnen ſein. Bekanntlich iſt der Kreis der
Rechte, die im Grundbuche eingetragen werden, ein
geſchloſſener. Liegen die erforderlichen Eintragungs⸗
bewilligungen vor, ſo wird das Grundbuchamt zu
prüfen haben, ob ein oder mehrere eintragungsfähige
Rechte gegeben ſind. Sind mehrere Rechte gegeben,
ſo wird jedes getrennt von dem anderen an der Stelle
eingetragen, die ihm zukommt, und in keinem der Ein⸗
träge das andere Recht mit aufgenommen. Auch ein
5 Gegenſeitigkeitsverhältnis ändert hieran
nichts.
Wenn infolge eines gegebenen Gegenſeitigkeits⸗
verhältniſſes die Eintragung eines Rechtes von der
Eintragung des anderen Rechtes abhängig gemacht
iſt, ſo wird zwar das Grundbuchamt keines der beiden
Rechte eintragen, wenn nicht auch die Vorausſetzungen
für die Eintragung des anderen Rechts vorliegen.
Sobald aber beide Rechte eingetragen ſind, kann
keines der Rechte als Beſtandteil des anderen an⸗
geſprochen werden. Sie ſind beide buchmäßig ſelb⸗
ſtändig.
Angeſichts dieſer Rechtslage kann ſelbſtverſtänd⸗
lich niemals davon die Rede ſein, daß durch die Ein⸗
tragung des einen Rechts von ſelbſt das andere Recht
dinglich wirkſam wird.
Aber unſelbſtändige Belaſtungen liegen nicht vor.
Wird beiſpielsweiſe bei der Uebertragung des Eigentums
an einem Grundſtücke gegen Entgelt für einen Teil
der Gegenleiſtung (Kaufpreis) Hypothek beſtellt, ein
anderer Teil der Gegenleiſtung in einer Reallaſt ge-
währt, ſo wird nicht wohl beſtritten werden können,
daß durch die Eintragung des Eigentumsübergangs,
die Eintragung der Hypothek, endlich die Eintragung
der Reallaſt buchmäßig durchaus ſelbſtändige Rechte
begründet werden.
Ebenſo wird es ſich bei dem vom Gegner als
zweites Beiſpiel angeführten Erbbaurecht verhalten.
Während die Vereinbarung über die Unterhaltung
der Anlage durch die Vorſchrift des § 1021 BGB.
ausdrücklich zum Beſtandteil der Grunddienſtbarkeit
erklärt iſt, fehlt es an der gleichen Beſtimmung beim
Erbbaurechte. Im Gegenſatze zur Grunddienſtbar⸗
keit dürfte die Beſtellung einer buchmäßig ſelbſtän⸗
dig zu behandelnden Reallaſt vorliegen, wenn der
Erbbauberechtigte in dinglicher Weiſe gegenüber dem
Eigentümer des belaſteten Grundſtücks wiederkehrende
Verpflichtungen zwecks Erhaltung des Bauwerks
übernimmt. Zweifellos muß die Reallaſt auf dem
Blatte des Erbbaurechts gebucht werden. Allein, und
das unterſcheidet dieſen Fall ganz weſentlich von der
Grunddienſtbarkeit, bei der Eintragung des Erbbau—
rechts als Belaſtung des betroffenen Grundſtücks
wird die beſtellte Reallaſt, da ſie nicht Beſtandteil des
Erbbaurechtes iſt, in keiner Weiſe zu berühren ſein.
Die geſtellte Frage, ob die Verpflichtung dinglich
geſichert iſt, wenn ſie als beſondere Ausgeſtaltung
des Erbbaurechts, als nähere Beſtimmung ſeines Jn-
halts mit dieſem gebucht wird, dürfte dahin zu beant—
worten ſein, daß die Buchung auf dem Blatte des
Erbbaurechts grundbuchmäßig nicht wird ſtattfinden
können.
— — 0 9 e a e o 2X ——
Die Berufung auf Kretzſchmar, Vorbemerkung 3
zum vierten Abſchnitt des Sachenrechts S. 303 geht
fehl. Wie ſich aus den Ausführungen Kretzſchmars
im 3 Bl G. von Lobe Bd. 3 S. 485 ergibt, ift die
Reallaſt, welche Kretzſchmar an der erſterwähnten
Stelle ſeines Kommentars auf dem Blatte des Erb⸗
baurechts eintragen läßt, eine ſelbſtändige Belaſtung,
welche buchmäßig mit dem Erbbaurechte nichts zu
ſchaffen hat. Kretzſchmar, dem hier durchaus beige⸗
pflichtet wird, hat es als ausgeſchloſſen erklärt,
daß der Erbbauberechtigte kraft des Rechts zur
Unterhaltung des Gebäudes verpflichtet wird.
3. Vor Beantwortung der Frage, wie es zu halten
ſei, wenn der Eigentümer des herrſchenden Grund⸗
ſtücks bei einer Grunddienſtbarkeit die Unterhaltungs⸗
pflicht in Form einer jährlich zu entrichtenden Pauſchal⸗
entſchädigung (Rente) bezieht, wird die Frage aufzu⸗
werfen ſein, wer die Rente erhält.
Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme,
daß der Empfänger nach gegneriſcher Anſchauung in
dem Eigentümer des dienenden Grundſtücks zu er⸗
blicken iſt, welcher dagegen für die tatſächliche Unter⸗
haltung der Anlage zu ſorgen hat. Haben die Be⸗
teiligten in dieſer Weiſe die Unterhaltungspflicht ge⸗
regelt, dann iſt die Regelung grundverſchieden von
dem Falle, in welchem der Eigentümer des herrſchen⸗
den Grundſtücks verſprochen hat, die Unterhaltungs⸗
arbeiten zu übernehmen.
Während in letzterem Falle die Unterhaltungspflicht
dem Eigentümer des herrſchenden Grundſtücks obliegt,
trifft ſie in erſterem Falle den Eigentümer des dienen⸗
den Grundſtücks. Die ausgeworfene Rente bildet nichts
weiter als die buchmäßig von der Grunddienſtbarkeit
vollſtändig zu trennende Gegenleiſtung, welche der
Unterhaltungspflichtige für die übernommene Pflicht
zu erhalten hat. Bei der Eintragung der Grund⸗
dienſtbarkeit auf dem Blatte des dienenden Grund⸗
ſtücks wird der Rente keine Erwähnung zu geſchehen
haben, dagegen zu vermerken ſein, daß der Eigentümer
des dienenden Grundſtücks die Verpflichtung zur Unter⸗
haltung der Anlage übernommen hat. Wurde die
Rente in Form einer auf dem herrſchenden Grund⸗
ſtücke laſtenden Reallaſt gewährt, ſo iſt ſie aus⸗
ſchließlich auf dem Blatte des herrſchenden Grund⸗
ſtücks als ſelbſtändiges Recht, nicht als Beſtandteil
der Grunddienſtbarkeit einzutragen.
Dem Gegner dürfte es nicht gelungen ſein, ein
Beiſpiel dafür ausfindig zu machen, daß nach dem
Grundbuchſyſtem irgend welcher nebenſächlicher Be⸗
ſtandteil eines dinglichen Rechts getrennt vom Haupt⸗
rechte zu buchen iſt.
II. Nicht beſtritten wurde, daß rechtlich die Grund-
dienſtbarkeit mit der Eintragung auf dem Blatte des
dienenden Grundſtücks dingliche Wirkſamkeit erhält,
auch wenn die Unterhaltungspflicht auf dem herrſchen—
den Grundſtücke nicht eingetragen wird, nach der
gegneriſchen — hier bekämpften — Anſchauung ſohin
nicht das herrſchende Grundſtück belaſtet.
Der anerkanntermaßen nicht löslichen Verbindung
der Unterhaltungspflicht mit der Dienſtbarkeit wird
vom Gegner dadurch Rechnung getragen, daß dem
Eigentümer des dienenden Grundſtücks die Befugnis
eingeräumt wird, die Klage des Servitutberechtigten,
der die Unterhaltungspflicht weigert, durch den Vor—
wurf der Argliſt zum Scheitern zu bringen. Ja es
wird die Stellung einer Klage auf Erlaſſung eines
Urteils dahin gewährt, daß entweder die Ausübung
der Dienſtbarkeit zu unterlaſſen oder die bedungene
Unterhaltungspflicht zu erfüllen ſei.
Billig wird die Frage aufzuwerfen ſein, ob dann
noch davon geſprochen werden kann, daß die Grund⸗
dienſtbarkeit — mit Ausſchluß der Unterhaltungs⸗
pflicht — dinglich wirkſam geworden ſei, wenn ſie
ohne Erfüllung der Unterhaltungspflicht doch nicht
ausgeübt werden kann, und ob nicht die tatſächlichen
Verhältniſſe mit dem nach der gegnerischen Konſtruktion
gegebenen Rechtsverhältniſſe in Widerſpruch ſtehen.
III. Bekennt man ſich zu der Anſchauung. daß es
der Eintragung auf dem Blatte des berrſchenden
Grundſtücks bedarf, um dieſes mit der Unterhaltungs⸗
pflicht zu belaſten, ſo wird — das muß eingeräumt
werden — der Rang der Belaſtung nach Vorſchrift
des § 879 BGB. beſtimmt werden.
Wie verhält es ſich aber dann im Falle der
Zwangsverſteigerung? Wenn der Erlös aus dem
verſteigerten herrſchenden Grundſtücke nur zur Deckung
zeitlich früher eingetragener Rechte zureicht, ſo geht
— das wird ſich nicht wohl beſtreiten laſſen — die
Unterhaltungspflicht unter, und iſt gemäß 88 52, 91,
130 ZwVG. auf dem Blatte des herrſchenden Grund-
ſtücks zu löſchen. Die durch Eintragung auf dem
dienenden Grundſtücke geſicherte Grunddienſtbarkeit
bleibt beſtehen und geht auf den Erwerber des
herrſchenden Grundſtücks über. In dieſem Falle wird
nimmer dem Erwerber des herrſchenden Grundſtücks
und deſſen Rechtsnachfolgern der Vorwurf der Arg⸗
liſt gemacht werden können, wenn ſie die wohl er⸗
worbene Grunddienſtbarkeit ausüben, und ſich der er⸗
loſchenen Pflicht, die Anlage zu unterhalten, weigern.
Die Rangbeſtimmung für die Unterhaltungspflicht,
welche mit der Eintragung auf dem herrſchenden
Grundſtücke verbunden iſt, führt demnach dazu, daß
ganz gegen den Willen der Beteiligten und entgegen
der Vorſchrift des § 1021 BGB., welche die Unter⸗
haltungspflicht zum Beſtandteil der Grunddienſtbarkeit
gemacht hat, diefe Pflicht von der Dienſtbarkeit los⸗
geriſſen und ſelbſtändig zum Erlöſchen gebracht wird.
Dieſe Rechtslage iſt nicht annehmbar und dürfte wohl
auch den Herrn Gegner nicht befriedigen, der durch
entſprechende Geſtaltung der Eintragungsformel dafür
ſorgen will, daß das Erlöſchen der Unterhaltungs⸗
pflicht als nebenſächliches Recht mit dem Erlöſchen
der Dienſtbarkeit zuſammenfällt.
Will man der Stellung der Unterhaltungspflicht
im Verhältniſſe zum Hauptrechte gerecht werden, ſo
muß man durch gehobene Rangſtellung dafür ſorgen,
daß die Pflicht unberührt beſtehen bleibt, wenn das
herrſchende Grundſtück der Zwangsverſteigerung unter⸗
ſtellt wird. Das kann und wird erreicht werden,
wenn man die Anwendung des § 879 BGB. dadurch
ausſchließt, daß man die dingliche Haftung für die
Unterhaltungspflicht nicht von der Eintragung auf
dem herrſchenden Grundſtücke abhängig macht.
Ich komme zu dem Schluſſe, daß der Zuſammen—
hang der in Betracht kommenden rechtlichen Vor—
ſchriften gegen die Eintragung auf dem herrſchenden
Grundſtücke ſpricht, und daß es ſich empfiehlt, von
dieſer Eintragung unter allen Umſtänden abzuſehen.
Senatspräſident Clarus in Augsburg.
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
Gefangenanſtalt oder Gefangnenanſtalt? Ueber
den deutſchen Sprachgebrauch ſteht keiner Autorität,
mag fte nun Duden,) Wuſtmann oder anders beißen,
ein apodiktiſches Urteil zu, ſondern jeder vernünftige
Deutſche kann ſtrittige Fälle ſelbſt entſcheiden, indem
er ſie von zwei Geſichtspunkten aus prüft: Richtig⸗
keit (nah Sprachgeſchichte und Analogie) und Schön⸗
heit (nach Gehör und Gebrauch). In unſerm Fall
iſt auf die Frage nach der Richtigkeit aus der Sprach⸗
geſchichte wenig zu entnehmen; nur daß bei Wörtern
wie „der Gefangene, der Haſe“ das in allen weiteren
Kaſus ſcheinbar angefügten n in Wahrheit zum Wort:
ſtamm gehört, daß alfo „Haſe braten“ (oder „Has⸗
braten“ ?) ebenſo unſinnig wäre wie etwa lateiniſch
origoalis (origalis) ftatt originalis. Demnach.
Oder halt! man könnte einwenden, unſerer Zuſammen⸗
ſetzung liege garnicht das Subſtantiv „der Gefangene“,
ſondern das Partizip „gefangen“ zugrunde. Die ſprach⸗
geſchichtliche Begründung würde zu weit führen; ſo
mag die Analogie ſprechen. „Abgeordnetwahl“
oder „Abgeordnetenwahl“? „Gefreitknopſ“
oder „Gefreitenknopf“? Ueberzeugender wäre
freilich ein Fall, wo das Partizip nicht auf t, ſondern
auf en ausginge. Nun geſetzt, jemand empfände das
Bedürfnis, „Fürſorge für Hinterbliebene“ in einem
Wort auszudrücken: wie wird es lauten müſſen? —
Man bilde beliebige Beiſpiele: die Analogie erklärt
einſtimmig „Gefangl(e)hnenanſtalt“ für die richtige
Form.
Von der anderen Inſtanz iſt nach einem bekannten
Wort ein logiſch zwingender Spruch nicht zu erwarten.
Wenn ſich jemand darauf verſteift, die Häufung ng
— nn unſchön zu finden, oder wenn er die richtige
Form für ſchwerfällig, zeitraubend beim Sprechen und
Schreiben, alſo unpraktiſch und damit im höheren Sinn
unſchön erklärt, ſo kann ihm niemand verwehren die
andere vorzuziehen. Wohl aber kann man die Frage
ſtellen, und für vernünftige Menſchen beantwortet ſie
ſich ſelbſt, ob das Angeführte ſchwer genug wiegt, um
deswegen der ſprachlichen Richtigkeit und damit dem
Sprachgefühl ins Geſicht zu ſchlagen. Denn das iſt
die ernſte Seite der Sache, die an ſich kaum ſo viele
Worte wert wäre: jede unrichtige Bildung (ſchon für
ſich allein und noch mehr noch durch die Analogien,
die ſie nach ſich zieht) erſchüttert den geringen Reſt
geſunden Sprachgefühls, den wir heute überhaupt
noch haben. Daß dies letzte nicht zuviel geſagt iſt,
dafür nur eine kleine Probe: Zeichnenlehrer oder
Zeichenlehrer? Die wenigſten werden ſofort mit
Sicherheit entſcheiden können, daß und warum hier
gerade umgekehrt die kürzere Form die richtige iſt.
Gepr. Lehramtskandidat Steck in München.
1) Das genannte Wörterbuch ſchreibt mit den
amtlichen Verordnungen „Gefangenwärter, Gefangen:
anſtalt“ uſw. Wuſtmann, Allerhand Sprachdumm—
heiten, behandelt die Frage nicht.
Aus vr Braris der Gerichte.
Reichsgericht.
A. nn
1. Steht eine anf Gai des k 935 ZPO. ange:
ordnete Zwangsverwaltung unter den Regeln des Zw.?
2. e für die Gewährung des Bor:
rechts nach § 10 Nr. 1 Zw V
Für den Beklagten ſtand auf zwei Grundſtücken
zur 1. Stelle eine Hypothek von 10000 M. Wegen
dieſes Anſpruchs ordnete das Vollſtreckungsgericht
durch einſtweilige Verfügung die Zwangsverwaltung
an, die auch eingeleitet wurde. Damals befand ſich
auf jedem der beiden Grundſtücke ein noch unfertiger
Neubau. Der Verwalter ſetzte die Arbeiten fort und
führte den einen Bau vollſtändig aus. Die Mittel
forderte das Vollſtreckungsgericht vom Beklagten als
Antragſteller ein, der vorſchußweiſe 57 969 M zahlte.
Dann wurden beide Grundſtücke zwangsweiſe ver-
ſteigert und vom Kläger erſtanden. Im Verteilungs-
termine wurden an 1. Stelle aus 8 10 Nr. 1 ZwVG.
jene Vorſchüſſe berückſichtigt und es erlitt infolgedeſſen
der Kläger auf eine nacheingetragene Hypothek einen
Ausfall. Der Kläger beſtritt das Vorrecht für die
Vorſchüſſe, erhob Widerſpruch gegen den Teilungsplan
und klagte. Die Klage wurde vom LG. und vom
OLG. abgewieſen. Die Reviſion hatte keinen Erfolg.
Gründe: 1. Das Vollſtreckungsgericht hat die
einſtweilige Verfügung auf Grund des § 935 ZPO.
erlaſſen, um eine die Sicherheit der Hypothek ge—
fährdende Verſchlechterung der Pfandgrundſtücke zu
verhindern. Nach dem Inhalte des Beſchluſſes beſteht
kein Zweifel, daß die Zwangsverwaltung als eine
ſolche im Sinne des ZwG. angeordnet worden ift.
Dazu war das Gericht bei dem ihm in § 938 ZPO.
geſtatteten freien Ermeſſen befugt, und hieraus ergibt
fih, daß die Vorſchriften der § 10 und 146 ff. mit
Recht auch hier angewendet worden ſind. Allerdings
ift die Zwangsverwaltung nur zum Zwecke der Siche-
rung und nicht zum Zwecke der Befriedigung des
Gläubigers angeordnet worden, allein dies allein kann
mangels einer einſchränkenden Beſtimmung des Geſetzes
nicht dazu führen, jene Vorſchriften für unanwendbar
zu erachten. Das iſt um ſo weniger zuläſſig, als das
ZwVG. ebenfalls dem Prozeßrechte angehört und ge-
radezu als Beſtandteil der ZPO. gedacht ift.
2. Die Reviſion rügt, daß das OLG. den durch
den Tatbeſtand feſtgeſtellten Sachverhalt nicht in
vollem Umfange berückſichtigt habe. Sie weiſt darauf
hin, es ſei geltend gemacht worden, daß der Beklagte
das Grundſtück bereits für fih gekauft gehabt, und
daß er in dem Schreiben vom 18. November 1905
verſichert habe, er wolle das Grundſtück nicht aus⸗
bauen laſſen, und es würde hierzu auch der künftige
wangsverwalter nicht verpflichtet ſein. Der Beklagte
abe dann auch die Leiſtung von Vorſchüſſen zunächſt
abgelehnt. Allein für die Entſcheidung war nicht er⸗
heblich, welchen Zweck der Beklagte mit dem Antrage
auf Anordnung der Zwangsverwaltung verfolgt und
welche Vorſtellung er ſelbſt von den im Rahmen der
Zwangsverwaltung vorzunehmenden Maßnahmen ge—
habt hat. Mit Unrecht legt die Reviſion auch darauf
beſonderes Gewicht, daß es ſich, wie übrigens auch
das OLG. nicht verkennt, bei der durch den Voll—
ſtreckungsrichter erfolgten Anordnung der Zwangs—
vollſtreckung um die Sicherung der Hypothek von
10 000 M gehandelt hat. Es kann unterſtellt werden,
daß hierzu ſchon ein Schutz der Bauten gegen Be:
ſchädigungen, namentlich gegen Witterungseinflüſſe,
genügt haben würde, und daß der weitere Ausbau
mit einem Koſtenaufwande von mehr als 57000 M
nicht nur zur Erhaltung, ſondern zu einer weſentlichen
Beitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
479
— AOE
1. Dezember 1904.
Verbeſſerung der e geführt jas Allein
dies 1 ſteht dem Anſpruche des Be lagten aus
8 10 Nr. 1 ZwVG. nicht entgegen. Es war Sache
des Vollſtreckungsgerichts, zu prüfen, ob die Anordnung
einer Zwangsverwaltung in den Formen des ZwVBG.
eine zur Erreichung des Sicherungszweckes geeignete
und gebotene Maßregel war. War die Anordnung
einmal getroffen, ſo waren, ſolange das Vollſtreckungs⸗
gericht nicht abweichende Anordnungen traf, für die
Ausführung die 1 . maßgebend.
Der Verwalter hatte — 8 152 — wie das Recht fo
auch die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die
erforderlich waren, um die Grundſtücke in ihrem wirt⸗
ſchaftlichen Beſtande zu erhalten und fie ordnungs⸗
mäßig zu benutzen. Er führte die Verwaltung nicht
nur für den Beklagten als Antragſteller, ſondern auch
für den Schuldner und die ſonſtigen „Beteiligten“ —
89 — und war dieſen allen verantwortlich. Deshalb
war für den Umfang ſeiner Rechte und Pflichten nicht
der Zweck maßgebend, zu dem der betreibende Gläu⸗
biger die Anordnung der Vollſtreckungsmaßregel er⸗
wirkt hatte, ſondern die Rückſicht auf das allgemeine
Intereſſe der ſäͤämtlichen Beteiligten. Das OLG. hat
nun feſtgeſtellt, daß die Fortführung der Bauten und
die Vollendung des einen Baues aus techniſchen
Gründen notwendig war, da ſonſt eine Entwertung
der Grundſtücke zu befürchten ſtand.
Hiernach haben die Ausgaben, wenn nicht zur
Erhaltung, ſo mindeſtens zur nötigen Verbeſſerung
der Pfandgrundſtücke gedient, und an eine weitere
Vorausſetzung ift in § 10 Nr. 1 a. a. O. der Erſatz⸗
anſpruch des die Zwangsverwaltung betreibenden
Gläubigers nicht geknüpft. Deshalb brauchte auch
nicht, wie die Reviſion glaubt, näher feſtgeſtellt zu
werden, ob mehr oder minder der Beklagte die Bau—
arbeiten geleitet und ob er unmittelbar und auf eigenen
Namen mit einzelnen Handwerkern Verträge abge-
ſchloſſen hat. Zudem beſteht darüber kein Streit, daß
der Beklagte, wenn auch mit im eigenen Intereſſe,
ſo doch im Einverſtändniſſe mit dem Zwangsverwalter
für die Maſſe und für deren Rechnung gehandelt hat.
Mit Unrecht rügt auch die Reviſion Nichtberückſichtigung
der Behauptung, daß 11088 M zur Bezahlung bereits
vom Vollſtreckungsſchuldner beſtellter Arbeiten ver⸗
wendet worden ſeien, und daß inſoweit für dieſen
vielleicht eine Verpflichtung zur Abnahme beſtanden
habe; jedenfalls ſtand die Ausführung der Arbeiten
noch aus, und dieſe war, wie erſichtlich das OLG.
annimmt, nach dem finanziellen Zuſammenbruche des
Vollſtreckungsſchuldners nur auf Koſten der Maſſe zu
erreichen. Hiernach beſtehen gegen die Annahme des
OL G., daß die Ausgaben zur Erhaltung oder nötigen
Verbeſſerung der Grundſtücke gemacht ſind, keine Be⸗
denken. (Urt. des V. 35. vom 14. Oktober 1908, V
585/07). — — — n.
1439
II.
Zuſtändigkeit der Kaufmannsgerichte. Der Kläger
hat mit dem Beklagten am 17. April 1901 einen
Vertrag geſchloſſen, durch den er zum Geſchäftsführer
eines in N. unter der Firma des Beklagten am
1. Juli 1901 zu errichtenden Handelsgeſchäftes beſtellt
wurde. Er ſollte neben einem Gewinnanteile von
10% ein Gehalt von monatlich 350 M bekommen
und das Recht haben, Einlagen in Höhe bis zu
100 000 M zu machen. Solche Einlagen hat er nicht
gemacht. Das Geſchäftsführerverhältnis begann mit
dem 1. Juli 1901 und endete durch Uebereinkunft am
Der Kläger hat unſtreitig an
Gehalt noch 900 & zu fordern. Er behauptet weiter,
daß ihm ein Mindeſtgewinnanteil von 1000 jährlich
garantiert worden ſei und fordert mit der Klage den
Gehaltsreſt von 900 M und für die Monate September
bis November 1904 den Gewinnanteil von 225 M,
insgeſamt alfo 1125 M. Der Beklagte hat die Mindeſt—
480
gewinngarantie beſtritten und ſeinerſeits aufrechnungs⸗
und widerklageweiſe einen Anſpruch von 10998 M
geltend gemacht. Die 1. Inſtanz hat von der Klage
den Betrag von 900 M, von den Gegenforderungen
den Betrag von 9440 M als begründet erachtet, nach
vollzogener Aufrechnung die Klage abgewieſen und
auf die Widerklage den Kläger zur Zahlung von
8540 M verurteilt. Die Berufung des Klägers wurde
zurückgewieſen. Auf ſeine Reviſion wurde das Urteil,
ſoweit eine Verurteilung des Klägers auf Grund der
Widerklage erfolgte, aufgehoben und in dieſem Um⸗
fange die Sache zurückverwieſen.
Aus den Gründen: Die Klage iſt vor dem
1. Januar 1905, dem Tage des Inkrafttretens des
KGG., erhoben, für fie ift ohne Zweifel nach § 21
a. a. O. das ordentliche Gericht zuſtändig. Die Wider⸗
klage iſt am 29. Mai 1905 durch Vortrag in der
mündlichen Verhandlung erhoben worden. Erſt an
dieſem Tage wurde fie im Sinne des 8 21 anhängig,
mochte ſie auch längſt vorher angekündigt ſein (8 281
ZPO., 8 161 KGG., § 25 GG.). Da nun am
29. April 1905 das Kaufmannsgericht zu N. bereits
beſtand, gehörten die mit der Widerklage verfolgten
Anſprüche, ſoweit für ſie die Vorausſetzungen der
88 1. 4, 5 KGG. erfüllt waren, vor dieſes Gericht, die
Zuſtändigkeit der ordentlichen Gerichte war nach § 6
KGG. ausgeſchloſſen. Irrtümlich ift die Anſchauung
des OL G., daß die Widerklage unter allen Umſtänden
wegen ihres Zuſammenhanges mit der Klage vor
dasſelbe Gericht wie die Klage gehöre, da beide die⸗
ſelbe beſtrittene Frage beträfen. Die Zuläſſigkeit des
ordentlichen Rechtsweges iſt für die Widerklage überall
ſelbſtändig zu prüfen, gleich als ob ſie als Klage
erhoben wäre. Und wenn zwiſchen Erhebung der
Klage und Erhebung der Widerklage durch Aenderung
der Geſetzgebung für den mit der Widerklage ver⸗
folgten Anſpruch der ordentliche Rechtsweg ausge⸗
ſchloſſen wird, ſo kann der rechtliche Zuſammenhang
zwiſchen beiden dieſe Wirkung des Geſetzes nicht be⸗
ſeitigen. Eine Uebergangsvorſchrift iſt für dieſen Fall
nicht getroffen, § 21 beläßt nur die bereits anhängigen
Streitigkeiten bei den bisherigen Behörden. Die mit
der Widerklage geltend gemachten Anſprüche beruhen
ſämtlich auf der einheitlichen Grundlage des Dienft-
vertrages und der aus ihm abgeleiteten Pflicht des
Klägers zur Herausgabe deſſen, was auf Grund der
Geſchäftsführung in feine Hand gelangt ift (SS 611,
675, 666, 667 BGB.). Die Sonderung dieſes einheit⸗
lichen Anſpruchs in ſechs verſchiedene Poſten hat ihren
Grund erſt in der Verteidigung des Widerbeklagten,
in ſeiner Rechtfertigung über den Verbleib der in
ſeine Hände gelangten Geſchäftsgelder. Es handelt
ſich alfo bei diefen Summen um Streitigkeiten über
die Leiſtungen aus dem Dienſtverhältniſſe oder um
Schadenserſatz wegen Nichterfüllung dieſer Leiſtungen
(S 5 Ziff. 2, 4 KGG.). Daß der Kläger Handlungs:
gehilfe des Beklagten (S 1 a. a. O.) geweſen ift, beruht
auf der einer Anfechtung nicht unterliegenden Aus—
legung des Vertrages vom 17. April 1901, wonach
der Kläger als Geſchäftsführer angeſtellt und ihm
geſtattet wurde, ſich durch Einlagen als ſtiller Geſell—
ſchafter zu beteiligen. Dies hat er nicht getan, ein
ſpäteres Geſellſchaftsverhältnis war in Ausſicht ge-
nommen, aber nicht von vornherein eingegangen.
Auf Handlungsgehilfen, deren Jahresarbeitsverdienſt
an Lohn oder Gehalt den Betrag von 5000 Mk. über-
ſteigt, finden die Vorſchriften des KGG. keine Anwendung
($ 4). Ob dies für den Kläger zutrifft, ſteht bis jetzt
nicht feſt. Er hat nach dem Vertrage zu beziehen:
4200 Dit. und 10% des Reingewinns. Der Jahres-
arbeitsverdienſt im Sinne des 8 4 begreift auch die
Tantiemen in ſich (Mot. z. KGG. S. 10). Ob in dem
Geſchäfte des Beklagten ein Reingewinn erzielt worden
iſt, an dem der Kläger teilnehmen kann, iſt nicht feſt—
geſtellt. Der Kläger hat behauptet, daß ein Mindeſt—
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
gewinn von 1000 M ihm für das Jahr garantiert
worden ſei, hat hierauf ſeine Klage geſtützt und über
den tatſächlich erzielten Gewinn keine Behauptung
aufgeſtellt. Der Beklagte hat die Gewinngarantie
beſtritten und behauptet, daß tatſächlich ein Gewinn
nicht erzielt ſei. Nach des Klägers Darſtellung hat
er alſo über 5000 M, nach des Beklagten Darſtell ung
unter 5000 M Jahresarbeitsverdienſt gehabt. Für
die Zuſtändigkeit des Kaufmannsgerichtes hinſichtlich
der Widerklage kommt es nicht auf die Behauptung
des Widerklägers über die Höhe der Bezüge an, ent⸗
ſcheidend iſt die objektive Sachlage; das Gericht hat
von Amts wegen feſtzuſtellen, wie viel der Jahres⸗
arbeitsverdienſt beträgt. Kann die Feſtſtellung, daß
der Handlungsgehilfe mehr als 5000 M verdient,
wegen unſicherer Bezüge nicht getroffen werden, ſo iſt
das Kaufmannsgericht zuſtändig. Denn das iſt die
Regel, 8 4 die Ausnahme. Das OLG. hat nach Ber-
neinung der Mindeſtgewinngarantie über die Höhe
des Jahresarbeitsverdienſtes des Klägers unter Ein:
rechnung des 10% igen Gewinnanteils keine Entſchei⸗
dung getroffen, weil der bilanzmäßige Gewinnanteil
nicht eingeklagt war. Dieſe Frage iſt noch offen und
deshalb die Sache zurückzuverweiſen. (Ausgeführt iſt
noch, daß die Anſprüche des Beklagten im Verfahren
vor dem ordentlichen Gerichte inſoweit zu prüfen
geweſen ſeien, als der Aufrechnungseinwand reiche,
weil das Recht der Aufrechnung nicht davon abhängig
ſei, daß die ſich gegenüberſtehenden Forderungen beide
vor den ordentlichen Gerichten oder beide vor den
Kaufmannsgerichten einklagbar ſein müßten. Es iſt
gebilligt, daß die feſtgeſtellte Gegenforderung zur Auf⸗
rechnung gegen die Klage zugelaſſen und die Klage
demgemäß abgewieſen wurde). (Urt. des III. 3S.
vom 12. Mai 1908, III 494/07). D.
1408
B. Straffaden.
I
Kann der yerfönlich haftende Geſellſchafter einer
Kommanditgeſellſchaft im Sinne des & 266 Nr. 2 StGB.
Bevollmächtigter der Geſellſchaft und der Geſellſchafter
ſein? Aus den Gründen: Wenn der Angeklagte,
weil perſönlich haftender und geſchäftsführender Ges
ſellſchafter der Firma M. & Cie. als Bevollmächtigter
dieſer Geſellſchaft und mittelbar als ſolcher der Kom⸗
manditiſten angeſehen und angenommen worden iſt,
er habe die nachteiligen Verfügungen über Vermögens⸗
ſtücke der Firma innerhalb des Kreiſes der ihm durch Voll⸗
macht eingeräumten Vertretungsbefugniſſe getroffen, ſo
iſt das rechtlich nicht zu beanſtanden. Hinſichtlich der
Stellung als Vertreter der Geſellſchaft und der Geſell⸗
ſchafter nach außen unterſcheidet ſich der perſönlich
haftende Geſellſchafter der Kommanditgeſellſchaft vom
offenen Geſellſchafter nicht (SS 161 Abſ. 2, 170, 125 bis
127 HGB.) und im Verhältnis zu dem Kommanditiſten
ift eine Beſchränkung feiner Befugniſſe durch den Ge-
ſellſchafter ebenſo zuläſſig, wie in der offenen Gefell-
ſchaft (SS 163, 109 HGB.). Daher treffen auf den
perſönlich haftenden Geſellſchafter der Kommandit-
geſellſchaft alle Erwägungen zu, auf Grund deren in
den Entſcheidungen Bd. 18 S. 272, Bd. 23 S. 316 der
offene Handelsgeſellſchaſter als „Bevollmächtigter der
Geſellſchaft und der Geſellſchafter“ erachtet iſt; auch
er leitet gleich dem perſönlich haftenden Geſellſchafter
ſeine nach außen unbeſchränkten Vertretungsbefugniſſe
zwar zunächſt aus dem Geſetz her, ſie beruhen aber
doch nur auf dem Geſellſchaftsvertrag, mit dem das
Geſetz als Rechtsfolge die Vertretungsbefugnis ver—
knüpft; es iſt ſonach bei dem einen wie dem anderen
die Befugnis, mit rechtlicher Wirkung für die Gefell-
ſchaft und die darin vereinten Perſonen Rechtsgeſchäfte
vorzunehmen, auf die privaten Willenserklärungen
der letzteren und den darin verkörperten Auftrag der
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
Geſellſchaft zu den in der Geſchäftsführung notwendigen
Rechtsgeſchäften gegründet. (Urt. des I. StS. vo
28. September 1908, 1 D. 797/08). B.
1425
II.
Die vom Staatsanwalt erhobene öffentliche Klage
kaun noch . werden, wenn das Gericht
nach Einreichung der Anklageſchrift die Vornahme ein:
elner Beweiserhebungen angeordnet hat (§ 154 StPO.).
us den Gründen: Der 1. Abſchnitt des 2. Buches
der StPO. (§ 151 mit 155) befaßt ſich mit der öffent-
lichen Klage als der notwendigen Vorausſetzung für
„die Eröffnung einer gerichtlichen Unterſuchung“ ($ 151)
und beſtimmt in § 154, daß die öffentliche Klage „nach
Eröffnung der Unterſuchung“ nicht zurückgenommen
werden kann. „Die Eröffnung einer gerichtlichen Unter⸗
ſuchung“ im Sinne der StPO. erfordert begriffsgemäß
einen richterlichen Beſchluß, durch den erklärt wird,
daß die Anordnung und Durchführung der Unter⸗
ſuchungshandlungen, die zur Strafverfolgung nötig ſein
werden, in ihrer Geſamtheit in eine einheitliche richter⸗
liche Hand gelegt und auf dieſem Wege einer richter⸗
lichen Entſcheidung zugeführt werden ſoll. Von der
Eröffnung einer gerichtlichen Unterſuchung kann daher
nur geſprochen werden bei der Eröffnung der Vor⸗
unterſuchung (§ 182, 200 StPO.) und der Eröffnung
des Hauptverfahrens (SS 201 ff. StPO.), wogegen
dadurch, daß das Gericht nach § 200 StPO. „einzelne
Beweiserhebungen anordnet“, ſchon dem Wortlaut nach
keine gerichtliche Unterſuchung im Sinne der 88 151,
154 „eröffnet“ wird. Mit der Anordnung einzelner
Beweiserhebungen erklärt das Gericht noch nicht, daß
nun die Unterſuchung in ihrer Geſamtheit in einheit⸗
liche richterliche Hand übergehen ſoll, es will vielmehr
die Entſcheidung darüber, ob das geſchehen ſoll, noch
durch die Beſchaffung weiteren Stoffes vorbereiten.
Es kann daher in einem ſolchen Falle der Staats⸗
anwalt die öffentliche Klage zurücknehmen. (Urt. des
I. StS. vom 12. März 1908, 1 D. 158/08). — ch.
1426
III.
Sind Verſuchshandlungen zur Notzucht (§ 177 StGB.)
ſtets unzüchtige Handlungen im Sinne des $ 176 Nr. 1
Sts B.? Aus den Gründen: Der Ausführung des
Verteidigers, daß der Spruch der Geſchworenen einen
unlösbaren inneren Widerſpruch enthalte, kann nicht
zugeſtimmt werden. Die Frage war darauf gerichtet,
ob der Angeklagte ſchuldig ſei, durch eine und dieſelbe
Handlung a) mit Gewalt unzüchtige Handlungen an
einer Frauensperſon vorgenommen und b) den Ent⸗
ſchluß, durch Gewalt eine Frauensperſon zur Duldung
des außerehelichen Beiſchlafs zu nötigen, durch Gand-
lungen betätigt zu haben, die einen Anfang der Aus⸗
führung dieſes Verbrechens enthalten. Die Geſchworenen
haben die Frage a) verneint, die zu b) bejaht. Der
Widerſpruch ſoll darin liegen, daß jede Handlung, die
einen Anfang der Ausführung des Verbrechens der
Notzucht enthält, ohne weiteres unzüchtig ſei, und daß,
wenn die Unzüchtigkeit der vorgenommenen Handlung
verneint werde, auch kein Anfang der Ausführung der
Notzucht, ſondern nur eine Vorbereitungshandlung
vorliegen könne. Allein zum Tatbeſtande der Notzucht
gehört auch die Gewalt und ſobald Gewalt zur Er—
zwingung des Beiſchlafs angewendet worden iſt, iſt
auch mit der Ausführung der Notzucht begonnen.
Dieſe Gewalt braucht aber nicht notwendig in einer
ſchon an ſich unzüchtigen Handlung zu beſtehen, eben⸗
ſowenig wie die hier zwar nicht in Betracht kommende,
aber der Gewalt gleichgeſtellte Drohung mit gegen—
wärtiger Gefahr für Leib oder Leben an ſich unzüchtig
iſt. (Die ebenfalls angeregte Frage, ob ein rechtliches
Zuſammentreffen zwiſchen Notzuchtsverſuch und dem
481
Verbrechen des 8 176 Nr. 1 StGB. denkbar oder ob
Geſetzeskonkurrenz anzunehmen iſt, iſt unentſchieden
geblieben). (Urt. d. I. StS. v. 12. Oktober 1908, 1 D.
595/08). B.
1441
Oberſtes Landesgericht.
A. Zivilſachen.
Kann der Prinzipal vom Negiſtergericht oder dem
vorgeſetzten Landgerichte die Löſchung der Firma er⸗
wirken, unter der ohne ſeine Genehmigung ſein Handlungs⸗
gehilfe während des Dienſtverhältniſſes ſic hat im Handels:
regiſter als Inhaber eines Konkurrenzgeſchäfts eintragen
laffen? (HGB. SS 29, 60; JGG. pS 142, ). Am
5. September 1908 haben Jofeph S. und Guſtav
W. in M., die bis zum Ende des Monats September
1908 Angeſtellte der Firma „Dienſtmann⸗Inſtitut
R. R.“ in M. waren, bei dem Regiſtergericht die
offene Handelsgeſellſchaft „Expreß⸗ und Gepäck⸗
beförderungs⸗Inſtitut B. R., S. und W.“ zur Eintragung
angemeldet. Als den Zeitpunkt, mit dem die Geſell⸗
ſchaft begonnen hat, beantragten ſie den 27. Auguſt
1908, den Tag der Schließung des Geſellſchaftsvertrags,
einzutragen, indem fie erklärten, der eigentliche Geſchäfts⸗
betrieb könne, da ſie bis zum 30. September in ihrer
bisherigen Stellung bleiben müßten, erſt am 1. Oktober
aufgenommen werden, ſie hätten aber nach Abſchluß
des Geſellſchaftsvertrags ſchon Geſchäftsräume gemietet,
einen Geſchäftsführer in Dienſt genommen, Fahrräder
gekauft und andere vorbereitende Rechtsgeſchäfte ge⸗
ſchloſſen. Das Regiſtergericht trug die Geſellſchaft
ein. Der Kaufmann Karl S., Inhaber der Firma
„Dienſtmann⸗Inſtitut R. R.“, beantragte bei der
Kammer für Handelsſachen die Löſchung der Geſell⸗
ſchaftsfirma, weil die Geſellſchafter, ſolange ſie An⸗
geſtellte ſeines Geſchäfts 1 nicht ein Konkurrenz⸗
geſchäft betreibende Vollkaufleute ſein könnten, eine
Verpflichtung zur Anmeldung einer Firma, durch
deren Eintragung eine Vertragspflicht verletzt oder
gefährdet werde, nicht le und einem Angeſtellten,
der wider Treu und Glauben eine Konkurrenzfirma
zur Eintragung anmelde, nicht durch die Eintragung
die ihm nicht gebührende rechtliche Stellung eines
Vollkaufmanns verſchafft werden dürfe. Die K. f. H.
wies den Antrag zurück. Auch die Beſchwerde des Karl
S. iſt zurückgewieſen worden.
Gründe: Der Beſchluß wird ſchon durch die
zutreffende Erwägung getragen, daß, auch wenn es
an einer weſentlichen Vorausſetzung der er
mangelte, nach den Umſtänden kein zureichender Grun
beſteht, die Löſchung anzuordnen (vgl. Bek. vom 24.
Dez. 1899, die Führung des Handelsregiſters betr.,
IMBI. S. 814, § 80 Abſ. 1 der beigegebenen Bor-
ſchriften, Neue Samml. v. Entſch. d. Obs G. Bd. 3
S. 670). Ein Fall der in den SS 142, 143 JGG.
bezeichneten Art liegt nicht vor. Die K. f. H. hat es
mit Recht p überflüſſig erachtet, auf die Frage ein⸗
zugehen, ob die Geſellſchafter S. und W. ſchon durch
die Anmeldung der Geſellſchaft zur Eintragung in
das Handelsregiſter dem im 8 60 Abſ. 1 HGB. be-
ſtimmten Verbote zuwidergehandelt haben, und es iſt
auch ohne Belang, ob fie ſchon nach § 1 Abſ. 2 Nr. 5
HGB. Kaufleute waren (vgl. Staub 8. Aufl. Bd. 2
Anm. 2 zu § 425 S. 1847), oder diefe Eigenſchaft erft
durch die Eintragung in das Handelsregiſter nach
82 HGB. erlangten. Für die Behauptung, ein An⸗
geſtellter eines kaufmänniſchen Geſchäfts könne ſchon
begrifflich nicht Vollkaufmann mit einem Konkurrenz—
geſchäfte ſein, fehlt es an jedem Anhalt; es iſt un⸗
verſtändlich, warum nicht dieſelbe Perſon in dem einen
Geſchäft als Angeſtellter, in einem anderen als Unter⸗
nehmer ſoll tätig ſein können. Aus dem Dienſtverhält⸗
niſſe des Angeſtellten ergibt ſich nach 8 60 Abſ. 1
482
HGB. die Verpflichtung, nicht ohne Einwilligung des
Prinzipals ein Handelsgewerbe zu betreiben, aber
dieſe Vertragspflicht ſchließt es ebenſowenig aus, daß
derjenige, der im Widerſpruche mit ihr eines der im
8 1 Abſ. 2 HGB. bezeichneten Handelsgewerbe betreibt,
Kaufmann und Vollkaufmann ift, wie nach § 7 HGB.
eine Zuwiderhandlung gegen Vorſchriften des öffent-
lichen Rechtes hindert, daß dem Zuwiderhandelnden
die Eigenſchaft eines Kaufmanns zukommt (vgl. Staub
Bd. 181 Anm. 22, 87 Anm. 1 mit 3). Im erſteren
Falle kann der Prinzipal, im zweiten die zuſtändige
Behörde die Einſtellung des Betriebes erwirken, aber
ſolange das Handelsgewerbe betrieben wird, iſt der
Unternehmer als Kaufmann den für Kaufleute geltenden
Vorſchriften des HGB. unterworfen, insbeſondere ver⸗
pflichtet, nach S 29 feine Firma zur Eintragung an=
zumelden. Ebenſo muß, wer ein gewerbliches Unter-
nehmen der im $ 2 HGB. bezeichneten Art betreibt,
ſein Unternehmen dadurch zu einem Handelsgewerbe
und ſich zum Kaufmann machen, daß er die Eintragung
ſeiner Firma in das Handelsregiſter herbeiführt, auch
wenn er als Angeſtellter eines anderen dieſem gegen-
über verpflichtet iſt, ſich des Betriebs zu enthalten.
Einer geſetzlich vorgeſchriebenen Anmeldung muß das
Regiſtergericht entſprechen. Eine Verletzung von Treu
und Glauben mag darin zu finden ſein, daß der An⸗
meldende ſich durch feine Handlungsweiſe in die Lage
bringt, die Anmeldung machen und die damit ver⸗
bundenen Folgen herbeiführen müſſen; die Erfüllung
der geſetzlichen Pflicht ſelbſt verſtößt aber nicht gegen
Treu und Glauben. Einer Eintragung, durch die der
vorgeſchriebenen Anmeldung entſprochen wird, fehlt
es nicht deswegen an einer weſentlichen Vorausſetzung,
weil der Anmeldende die Handlungen hätte unterlaſſen
ſollen, die ihn zu der Anmeldung verpflichten; ſie iſt
nicht unzuläſſig ſondern geſetzlich geboten. (Beſchluß
des I. ZS. vom 14. Oktober 1908, Reg. III. .
1447 ;
B. Strafſachen.
„Oeffeutlicher Verkehr“ i. S. der Maß⸗ und Gewichts⸗
ordnung vom 17. Anguſt 1868, Art. 10; „Zum Ge:
brauche im Gewerbe geeignete Maße“ i. S. des 9 369
Nr. 2 StGB. Die Angeklagten haben Baſaltbrüche
gepachtet und laſſen das gewonnene Rohmaterial zu
Straßendeckmaterial zerkleinern. Das ſo gewonnene
Material wird durch die Angeklagten von ihren Arbeits—
plätzen aus nach Kubikmetern verkauft. Die Meſſung
geſchieht mit geſetzlich geeichten Rahmenmaßen. Außer
den bei Verkäufen zur Anwendung kommenden geeichten
Rahmenmaßen beſitzt jeder Angeklagte an ſeinem
Arbeitsplatze noch ein bis drei Maße, ungefähr / chm
faſſend. Sie weichen in Geſtalt und Größe von dem
Rahmenmaße ab, das durch die Entſchl. des StM. d. J.
vom 18. Dezember 1877 für die Abmeſſung des für
die Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Deck—
materials vorgeſchrieben iſt. Dieſe Maße ſind nicht
geeicht und nur dazu beſtimmt, wegen ihrer beſſeren
Handlichkeit bei der Berechnung der Arbeitslöhne Ver—
wendung zu finden. Dieſe geſchieht ſo, daß die Arbeiter
das zerkleinerte Material in Käſten füllen und für
jeden gefüllten Kaften 1 M oder 1 M 30 3 erhalten.
Die Angeklagten wurden in zwei Inſtanzen verurteilt.
Unter Aufhebung des Strafkammerurteils wurde die
Sache zurückverwieſen.
Aus den Gründen: 1.8 369 Nr. 2 StGB.
bedroht die Gewerbetreibenden mit Strafe, bei denen
zum Gebrauch in ihrem Gewerbe geeignete, mit dem
geſetzlichen Eichungsſtempel nicht verſehene oder un—
richtige Maße, Gewichte oder Wagen vorgefunden
werden. Er verfolgt ebenſo wie Art. 10 der Maß—
und Gewichtsordnung vom 17. Auguſt 1868, der zum
Zumeſſen und Zuwägen im öffentlichen Verkehre nur
die Anwendung der nach der Maß- und Gewichts—
— ——— ,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
ordnung gehörig geſtempelten Maße, Gewichte und
Wagen erlaubt, nur den Zweck, die Anwendung vor:
ſchriftswidriger Meßgeräte im Verkehr zu verhindern.
Strafbar iſt daher nur die Verwendung vorſchrifts⸗
widriger Meßgeräte an einem Orte, an dem ſie ſich
im öffentlichen Verkehre befinden. Der Begriff des
„öffentlichen Verkehrs“ umfaßt die Fälle, in denen
Waren von Gewerbetreibenden oder anderen Perſonen
nach Maß und Gewicht verkauft werden. Er vollzieht
ſich an den Orten, die jedermann zum Ans und Ber-
kauf von Waren zugänglich ſind. An dieſen Orten,
gleichviel ob öffentlichen oder nichtöffentlichen, darf
der Gewerbetreibende nur ſolche Maße uſw. Haben,
die den geſetzlichen oder verordnungsmäßigen Beſtim⸗
mungen entſprechen. Die Strafbarkeit iſt nicht da⸗
durch bedingt, daß die vorſchriftswidrigen Meßgeräte
tatſächlich im öffentlichen Verkehre benützt werden.
oder zur Benützung darin beſtimmt ſind, doch iſt ſie
ausgeſchloſſen, wenn die Werkzeuge nur den inneren
Zwecken des Gewerbebetriebes dienen und in einer
Weiſe zur Anwendung gelangen, daß ſie im öffent⸗
lichen Verkehre zum Zumeſſen oder Zuwägen an das
Publikum nicht gebraucht werden können. Das OLG.
hat feſtgeſtellt, daß die Angeklagten das gewonnene
Steinmaterial von ihren Arbeitsplätzen aus nach
Kubikmetern verkauft haben und daß ihnen die Tat⸗
fahe der Aufbewahrung der Rahmenmaße an „dem
öffentlichen Verkehre ihres Gewerbes dienenden Orten“
bekannt war, das Urteil ſpricht auch von dem mit
dem Gewerbe der Angeklagten verbundenen öffentlichen
Verkehre, nämlich der „käuflichen Abgabe von Material
an das Publikum auf den Arbeitsplätzen“. Dieſe Feſt⸗
ſtellungen laſſen nicht mit Sicherheit entnehmen, ob
tatſächlich die Abwickelung des Verkehrs, das Zu⸗
meſſen an die Abnehmer mit den geſetzlich geeichten
Maßen auf den Arbeitsplätzen der Angeklagten erfolgte,
wo auch die hier in Frage ſtehenden Meßkäſten auf-
bewahrt waren und den Arbeitern gegenüber ver⸗
wendet wurden. Nur in dieſem Falle könnte davon
geſprochen werden, daß ſich die vorſchriftswidrigen
Maße im öffentlichen Verkehre befunden haben.
2. Für die Anwendbarkeit des § 369 Nr. 2 StGB.
iſt weiter erforderlich, daß die bei den Gewerbe⸗
treibenden vorgefundenen vorſchriftswidrigen Maße
zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignet ſind. Dieſe
Vorausſetzung iſt nicht ſchon dann gegeben, wenn mit
den Geräten überhaupt gemeſſen werden kann, ſondern
ſie müſſen zum Gebrauch in dem im beſonderen Falle
vorliegenden Gewerbe geeignet ſein, ihre Verwendung
muß dem in dieſem Betriebe herrſchenden Geſchäfts—
gebrauch und der Verkehrsanſchauung des Publikums
entſprechen, das nach dieſen Maßen zu kaufen pflegt
und das durch vorſchriftswidrige Maße getäuſcht
werden kann. Denn die Abſicht des Geſetzes geht eben
dahin, Schädigungen des die Waren auf Treu und
Glauben hinnehmenden Publikums zu verhüten. Auch
nach dieſer Richtung ſind die Feſtſtellungen des Urteils
nicht ausreichend. Die Strafkammer ſtellte nur feft,
daß die Meßkäſten einerſeits eine den in dem S 32
der Eichordnung vom 1. Auguft 1885 beſchriebenen
Meßwerkzeugen für Mineralprodukte ähnliche Geſtalt.
andererſeits ein in Bruchteilen eines Kubikmeters be⸗
ſtimmtes Faſſungsvermögen haben, ferner daß der
Verkauf des Straßendeckmaterials nach dem Hohlmaße
im Geſchäfte der Angeklagten üblich iſt. Sie gelangt
ſodann zu dem Schluſſe, daß diefe Meßkäſten nach der
Natur und dem Geſchäftsgebrauche im Gewerbe der
Angeklagten und nach ihrer Beſchaffenheit, Form und
Größe an ſich geeignet ſind, in dem Gewerbebetriebe der
Angeklagten zum Zumeſſen gebraucht zu werden. Es
ſteht hiernach nicht außer Zweifel, daß das LG. bei
feiner Schlußfolgerung alle weſentlichen Umſtände,
namentlich die allgemeine Verkehrsauffaſſung ent⸗
ſprechend gewürdigt hat. Hierbei kommt insbeſondere
auch in Betracht, daß das Urteil ausdrücklich feſtſtellt,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
daß die Angeklagten faſt ausſchließlich an den Staat
und an Diſtriktsgemeinden verkaufen, daß aber die
beſchlagnahmten Maße in Geſtalt und Größe von
dem durch die Miniſterialentſchließung vom 18. Dezember
1877 vorgeſchriebenen, zur Abmeſſung des für die
Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Deck⸗
materials beſtimmten Rahmenmaße abweichen. (Urt.
H.
vom 20. Oktober 1908, Rev Reg. 396,08).
1445
Oberlandesgericht München.
Zu 3 170 StPO. Der Antrag auf gerichtliche
Entſcheidung iſt formell unzuläſſig, ſchon deshalb,
weil der Antragſteller E der beigeſchafften
Akten des Amtsgerichts M. wegen Geiſteskrankheit
entmündigt, ſohin zu gerichtlichen Handlungen und
Anträgen unfähig iſt, dieſe Geiſteskrankheit auch nach
dem Inhalt der eingereichten Schriftſtücke offenbar bis
heute fortbeſteht. Sodann iſt der Antrag aber auch
mangels Mitunterzeichnung durch einen Rechtsanwalt
unzuläſſig. Der im Auslande wohnhafte Antragſteller
hat zwar beantragt, dieſe Unterzeichnung durch das
OLG. „im eigenen Wirkungskreiſe“ beiſetzen zu laſſen.
Die Herbeiführung dieſer Anwaltsunterſchrift iſt aber
Sache des Antragſtellers und es ſteht dem Gericht
hierfür keinerlei Mitwirkung, weder nach 8 33 NAD.
noch nach § 141 StPO. zu (Entſch. des OLG. München
in Straff. Bd. 2 S. 111; Bd. 8 S. 492). Hier würde
dem Antragſteller übrigens auch die Fähigkeit mangeln,
die Vollmacht rechtsgültig zu erteilen. (Beſchl. vom
6. November 1908; Reg.⸗Nr. 50/08). N.
1437
Landgericht München I.
Scheidung öſterreichiſcher Jsraeliten im 9
Reide. Die Zuſtändigkeit ift gemäß 8 606 Abſ. 1
und 4 ZBO. gegeben, weil der Ehemann feinen Wohn-
ſitz in Bayern hat und die öſterreichiſchen Geſetze einen
ausſchließlichen öſterreichiſchen Gerichtsſtand für die
Scheidung im Auslande wohnhafter Oeſterreicher nicht
anordnen (SS 76, 100 Oeſter. Jur.⸗Norm). Zur Sache
ſelbſt iſt zwar das internationale Scheidungsabkommen
vom 12. Juni 1902 bis heute zwiſchen dem Deutſchen
Reich und Oeſterreich nicht ratifiziert; gleichwohl
kommt das öſterreichiſche Scheidungsrecht ſchon nach
Art. 17 Abſ. 1 EG. z. BGB. zur Anwendung. Auf
Scheidung kann nach Abſ. 4 im Inlande jedoch nur
erkannt werden, wenn auch das deutſche Recht ſie
gegebenenfalls zuläßt. Hierbei iſt im Hinblicke auf
Art. 201 EG. z. BGB. neben dem BGB. auch das
frühere Recht, alſo das moſaiſche Recht zu berüdfich-
tigen (Bayer. QR., Anm. z. T.I Kap. VI § 49). Ehe-
bruch ift nach $ 1565 BGB. ein abſoluter Scheidungs⸗
grund und auch nach § 135 Allg. öſterr. BGB. iſt bei
jüdiſchen Ehegatten der Mann berechtigt, ſolchenfalls
die Frau ſelbſt wider ihren Willen durch einen Scheide—
brief von ſich zu entlaſſen; dies entſpricht dem moſa⸗
iſchen Recht (Bl. f. RA. Bd. 48 S. 438). Die mate⸗
rielle Scheidungsgrundlage iſt hiernach in ſämtlichen
Geſetzen gleichmäßig gegeben. Allerdings hat der
Kläger erklärt, er ſei nicht in der Lage, die formelle
Aushändigung eines Scheidungsbriefes darzutun, da
das hieſige Rabbinat die Mitwirkung hierzu mit Rück-
ſicht auf die deutſche Geſetzgebung bis nach rechts⸗
kräftigem Spruch des Zivilgerichts verweigere. Es
bedarf aber im Deutſchen Reiche auch dieſer formellen
Handlung gar nicht. Nach 8 1564 BGB. mit § 15
GVG. erfolgt hier die Scheidung durch Urteil unter
Ausſchluß jeder geiſtlichen Gerichtsbarkeit. Hiernach
it für das im Falle des 8 135 öſterr. BGB. in
483
Oeſterreich gebräuchliche, vom urſprünglichen moſa⸗
iſchen Recht bereits abweichende Verfahren kein Raum
(gewöhnliche Klage auf Annahme des Scheidebriefs;
nach Rechtskraft Ueberreichung des Scheidebriefs
im Gerichtstermin und Urteilsausſpruch, daß damit
die Ehe getrennt ſei, vgl. Leske⸗Löwenfeld, intern.
Rechtsverf. Bd. 4 S. 76). Denn ſoweit es ſich bei
der Uebergabe des Scheidebriefs um materielle Nor⸗
men handeln ſollte, ſteht Art. 30 EG. z. BGB. ent-
gegen (ogr: RG.Z. Bd. 57 S. 250; BayObLG. neue
Samml. Bd 6 S. 540); ſoweit es ſich aber um Ver⸗
fahrensvorſchriften handelt, gilt für das deutſche Ge⸗
richt innerhalb feiner einmal anerkannten Zuſtändig⸗
keit nur die 1 ZPO. Nach ähnlichen Grund⸗
ſätzen (vgl. Bl. f. RA. Bd. 48 S. 439) ift übrigens
auch ſchon zwiſchen 1870 und 1900 in Bayern ver⸗
fahren worden, wenn es ſich um die Scheidung israe⸗
litiſcher Ehen handelte. Der materielle Scheidungs⸗
grund wurde dem moſaiſchen Recht als maßgebendem
Zivilrecht entnommen. Die Scheidungsformen regelten
fih nach 85 76 ff. PerſsStG. in Verbindung mit der
jeweils geltenden Prozeßordnung. Letztere iſt ein
Beſtandteil der öffentlichen Ordnung im Sinne des
Art. 30 EG. z. BGB. Selbſtverſtändlich bleibt es den
Parteien unbenommen, neben und außerhalb des
gegenwärtigen Verfahrens zwecks Erfüllung religiöſer
Vorſchriften oder zwecks ſicherer Anerkennung des
gegenwärtigen Urteils in Oeſterreich die Scheidebrief⸗
erteilung nachzuholen; dem deutſchen Ehegericht ſteht
aber hierbei eine Mitwirkung nicht zu. Demnach
war gemäß 8&$ 1565, 1574 deutſches BGB., Art. 17
EG. hierzu; § 135 öfter. BGB. mit 8 6 öſterr.
Juſtiz⸗»M VO. vom 9. Dezember 1897 (Schuldausſpruch),
S 624, 91 deutſche ZPO. zu erkennen wie geſchehen.
(Urteil vom 13. Mai 1908; E 458/08). N.
1435
Literatur.
Seuffert, Dr. Lothar, o. ö. Profeſſor der Rechte in
München. Kommentar zur Zivilprozeßord⸗
nung in der Faſſung der Bekanntmachung vom
20. Mai 1898 mit den Aenderungen der Novelle
vom 5. Juni 1905 nebſt den Einführungsgeſetzen.
10. neu bearbeitete Auflage. 2 Bände. XXIX, 724
und IV, 872 Seiten. München 1908, C. H. Beck'ſche
e (Oskar Beck). Mk. 36.—, gebd.
Es wird nicht erforderlich ſein, die Vorzüge dieſes
hervorragenden Werkes nochmals beſonders Hervor-
zuheben. Wir freuen uns, daß es geglückt iſt, die
10. Auflage ſo rechtzeitig zu vollenden, daß ſie in der
kurzen Zeitſpanne bis zur Reform des Zivilprozeſſes
noch als Ratgeber für die Praxis dienen kann.
von der Pfordten.
Habicht, Dr. Hermann +, Geheimer Oberjuſtizrat und
vortragender Rat im preuß. Juſtizminiſterium.
Internationales Privatrecht nach dem
EG. z. BGB. Aus dem Nachlaſſe herausgegeben
von Max Greiff, Geheimem Oberjuſtizrat und vor⸗
tragendem Rat im preuß. Juſtizminiſterium. Berlin
1907. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 254 S.
Der Verfaſſer des bekannten großen Werkes über
die „Einwirkung des BGB. auf zuvor entſtandene
Rechtsverhältniſſe“ wurde leider durch den Tod gez
hindert, eine neu begonnene größere Arbeit, die Kom—
mentierung des EG. z. BGB. zu vollenden. Bei ſeinem
Ableben waren indes wenigſtens die Erläuterungen
der Vorſchriften über das internationale Privatrecht
nach dem EG. z. BGB. ſchon fo vollſtändig durd-
gearbeitet, daß ſie nur mehr weniger Ergänzungen
482
HGB. die Verpflichtung, nicht ohne Einwilligung des
Prinzipals ein Handelsgewerbe zu betreiben, aber
dieſe Vertragspflicht ſchließt es ebenſowenig aus, daß
derjenige, der im Widerſpruche mit ihr eines der im
8 1 Abſ. 2 HGB. bezeichneten Handelsgewerbe betreibt,
Kaufmann und Vollkaufmann ift, wie nach 87 HGB.
eine Zuwiderhandlung gegen Vorſchriften des öffent-
lichen Rechtes hindert, daß dem Zuwiderhandelnden
die Eigenſchaft eines Kaufmanns zukommt (vgl. Staub
Bd. 181 Anm. 22, 87 Anm. 1 mit 3). Im erſteren
Falle kann der Prinzipal, im zweiten die zuſtändige
Behörde die Einſtellung des Betriebes erwirken, aber
ſolange das Handelsgewerbe betrieben wird, iſt der
Unternehmer als Kaufmann den für Kaufleute geltenden
Vorſchriften des HGB. unterworfen, insbeſondere vers
pflichtet, nach § 29 feine Firma zur Eintragung an=
zumelden. Ebenſo muß, wer ein gewerbliches Unter—
nehmen der im $ 2 HGB. bezeichneten Art betreibt,
ſein Unternehmen dadurch zu einem Handelsgewerbe
und ſich zum Kaufmann machen, daß er die Eintragung
ſeiner Firma in das Handelsregiſter herbeiführt, auch
wenn er als Angeſtellter eines anderen dieſem gegen—
über verpflichtet iſt, ſich des Betriebs zu enthalten.
Einer geſetzlich vorgeſchriebenen Anmeldung muß das
Regiſtergericht entſprechen. Eine Verletzung von Treu
und Glauben mag darin zu finden fein, daß der Ans
meldende iH durch feine Handlungsweiſe in die Lage
bringt, die Anmeldung machen und die damit ver-
bundenen Folgen herbeiführen müſſen; die Erfüllung
der geſetzlichen Pflicht ſelbſt verſtößt aber nicht gegen
Treu und Glauben. Einer Eintragung, durch die der
vorgeſchriebenen Anmeldung entſprochen wird, fehlt
es nicht deswegen an einer weſentlichen Vorausſetzung,
weil der Anmeldende die Handlungen hätte unterlaſſen
ſollen, die ihn zu der Anmeldung verpflichten; ſie iſt
nicht unzuläſſig ſondern geſetzlich geboten. (Beſchluß
des I. ZS. vom 14. Oktober 1908, Reg. III. e
1447
B. Strafſachen.
„Oeffentlicher Verkehr“ i. S. der Map: und Gewichts:
ordnung vom 17. Auguft 1868, Art. 10; „Zum Ge:
brauche im Gewerbe geeignete Maße“ i. ©. des 8 369
Nr. 2 StS. Die Angeklagten haben Baſaltbrüche
gepachtet und laſſen das gewonnene Rohmaterial zu
Straßendeckmaterial zerkleinern. Das ſo gewonnene
Material wird durch die Angeklagten von ihren Arbeits-
plätzen aus nach Kubikmetern verkauft. Die Meſſung
geſchieht mit geſetzlich geeichten Rahmenmaßen. Außer
den bei Verkäufen zur Anwendung kommenden geeichten
Rahmenmaßen beſitzt jeder Angeklagte an ſeinem
Arbeitsplatze noch ein bis drei Maße, ungefähr / cbm
faſſend. Sie weichen in Geſtalt und Größe von dem
Rahmenmaße ab, das durch die Entſchl. des StM. d. J.
vom 18. Dezember 1877 für die Abmeſſung des für
die Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Ded-
materials vorgeſchrieben iſt. Dieſe Maße ſind nicht
geeicht und nur dazu beſtimmt, wegen ihrer beſſeren
Handlichkeit bei der Berechnung der Arbeitslöhne Ver—
wendung zu finden. Dieſe geſchieht ſo, daß die Arbeiter
das zerkleinerte Material in Käſten füllen und für
jeden gefüllten Kaften 1 M oder 1 M 30 3 erhalten.
Die Angeklagten wurden in zwei Inſtanzen verurteilt.
Unter Aufhebung des Strafkammerurteils wurde die
Sache zurückverwieſen.
Aus den Gründen: 1. 8 369 Nr. 2 StGB.
bedroht die Gewerbetreibenden mit Strafe, bei denen
zum Gebrauch in ihrem Gewerbe geeignete, mit dem
geſetzlichen Eichungsſtempel nicht verſehene oder un—
richtige Maße, Gewichte oder Wagen vorgefunden
werden. Er verfolgt ebenſo wie Art. 10 der Maß:
und Gewichtsordnung vom 17. Auguſt 1868, der zum
Zumeſſen und Zuwägen im öffentlichen Verkehre nur
die Anwendung der nach der Maß- und Gewichts⸗
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
ordnung gehörig geſtempelten Maße, Gewichte und
Wagen erlaubt, nur den Zweck, die Anwendung vor⸗
ſchriftswidriger Meßgeräte im Verkehr zu verhindern.
Strafbar iſt daher nur die Verwendung vorſchrifts⸗
widriger Meßgeräte an einem Orte, an dem ſie ſich
im öffentlichen Verkehre befinden. Der Begriff des
„öffentlichen Verkehrs“ umfaßt die Fälle, in denen
Waren von Gewerbetreibenden oder anderen Perſonen
nach Maß und Gewicht verkauft werden. Er vollzieht
ſich an den Orten, die jedermann zum An⸗ und Ver⸗
kauf von Waren zugänglich find. An dieſen Orten,
gleichviel ob öffentlichen oder nichtöffentlichen, darf
der Gewerbetreibende nur ſolche Maße uſw. haben,
die den geſetzlichen oder verordnungsmäßigen Beſtim⸗
mungen entſprechen. Die Strafbarkeit iſt nicht da⸗
durch bedingt, daß die vorſchriftswidrigen Meßgeräte
tatſächlich im öffentlichen Verkehre benützt werden,
oder zur Benützung darin beſtimmt ſind, doch iſt ſie
ausgeſchloſſen, wenn die Werkzeuge nur den inneren
Zwecken des Gewerbebetriebes dienen und in einer
Weiſe zur Anwendung gelangen, daß ſie im öffent⸗
lichen Verkehre zum Zumeſſen oder Zuwägen an das
Publikum nicht gebraucht werden können. Das OLG.
hat feſtgeſtellt, daß die Angeklagten das gewonnene
Steinmaterial von ihren Arbeitsplätzen aus nach
Kubikmetern verkauft haben und daß ihnen die Tat⸗
ſache der Aufbewahrung der Rahmenmaße an „dem
öffentlichen Verkehre ihres Gewerbes dienenden Orten‘
bekannt war, das Urteil ſpricht auch von dem mit
dem Gewerbe der Angeklagten verbundenen öffentlichen
Verkehre, nämlich der „käuflichen Abgabe von Material
an das Publikum auf den Arbeitsplätzen“. Dieſe Feſt⸗
ſtellungen laſſen nicht mit Sicherheit entnehmen, ob
tatſächlich die Abwickelung des Verkehrs, das Zu⸗
meſſen an die Abnehmer mit den geſetzlich geeichten
Maßen auf den Arbeitsplätzen der Angeklagten erfolgte.
wo auch die hier in Frage ſtehenden Meßkäſten auf⸗
bewahrt waren und den Arbeitern gegenüber ver⸗
wendet wurden. Nur in dieſem Falle könnte davon
ne werden, daß ſich die vorſchriftswidrigen
aße im öffentlichen Verkehre befunden haben.
2. Für die Anwendbarkeit des § 369 Nr. 2 StGB.
iſt weiter erforderlich, daß die bei den Gewerbe⸗
treibenden vorgefundenen vorſchriftswidrigen Maße
zum Gebrauche in ihrem Gewerbe geeignet ſind. Dieſe
Vorausſetzung iſt nicht ſchon dann gegeben, wenn mit
den Geräten überhaupt gemeſſen werden kann, ſondern
ſie müſſen zum Gebrauch in dem im beſonderen Falle
vorliegenden Gewerbe geeignet ſein, ihre Verwendung
muß dem in dieſem Betriebe herrſchenden Geſchäfts⸗
gebrauch und der Verkehrsanſchauung des Publikums
entſprechen, das nach dieſen Maßen zu kaufen pflegt
und das durch vorſchriftswidrige Maße getäuſcht
werden kann. Denn die Abſicht des Geſetzes geht eben
dahin, Schädigungen des die Waren auf Treu und
Glauben hinnehmenden Publikums zu verhüten. Auch
nach dieſer Richtung ſind die Feſtſtellungen des Urteils
nicht ausreichend. Die Strafkammer ſtellte nur feſt,
daß die Meßkäſten einerſeits eine den in dem § 32
der Eichordnung vom 1. Auguft 1885 beſchriebenen
Meßwerkzeugen für Mineralprodukte ähnliche Geſtalt,
andererſeits ein in Bruchteilen eines Kubikmeters be⸗
ſtimmtes Faſſungsvermögen haben, ferner daß der
Verkauf des Straßendeckmaterials nach dem Hohlmaße
im Geſchäfte der Angeklagten üblich iſt. Sie gelangt
ſodann zu dem Schluſſe, daß dieſe Meßkäſten nach der
Natur und dem Geſchäftsgebrauche im Gewerbe der
Angeklagten und nach bres Beſchaffenheit, Form und
Größe an ſich geeignet ſind, in dem Gewerbebetriebe der
Angeklagten zum Zumeſſen gebraucht zu werden. Es
ſteht hiernach nicht außer Zweifel, daß das LG. bei
feiner Schlußfolgerung alle weſentlichen Umſtände,
namentlich die allgemeine Verkehrsauffaſſung ent-
ſprechend gewürdigt hat. Hierbei kommt insbeſondere
auch in Betracht, daß das Urteil ausdrücklich feſtſte llt,
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
daß die Angeklagten faſt ausſchließlich an den Staat
und an Diſtriktsgemeinden verkaufen, daß aber die
beſchlagnahmten Maße in Geſtalt und Größe von
dem durch die Miniſterialentſchließung vom 18. Dezember
1877 vorgeſchriebenen, zur Abmeſſung des für die
Unterhaltung der Staatsſtraßen zu liefernden Deck⸗
materials beſtimmten Rahmenmaße abweichen. (Urt.
H.
vom 20. Oktober 1908, Rev Reg. 396/08).
1445
Oberlandesgericht München.
Zu 8 170 StPO. Der Antrag auf gerichtliche
Entſcheidung iſt formell unzuläſſig, ſchon deshalb,
weil der Antragſteller ausweislich der beigeſchafften
Akten des Amtsgerichts M. wegen Geiſteskrankheit
entmündigt, ſohin zu gerichtlichen Handlungen und
Anträgen unfähig iſt, dieſe Geiſteskrankheit auch nach
dem Inhalt der eingereichten Schriftſtücke offenbar bis
heute fortbeſteht. Sodann iſt der Antrag aber auch
mangels Mitunterzeichnung durch einen Rechtsanwalt
unzuläſſig. Der im Auslande wohnhafte .
hat zwar beantragt, dieſe Unterzeichnung durch das
OLG. „im eigenen Wirkungskreiſe“ beiſetzen zu laſſen.
Die Herbeiführung dieſer Anwaltsunterſchrift iſt aber
Sache des Antragſtellers und es ſteht dem Gericht
hierfür keinerlei Mitwirkung, weder nach 8 33 RAD.
noch nach § 141 StPO. zu (Entſch. des OLG. München
in Strafſ. Bd. 2 S. 111; Bd. 8 S. 492). Hier würde
dem Antragſteller übrigens auch die Fähigkeit mangeln,
die Vollmacht rechtsgültig zu erteilen. (Beſchl. vom
6. November 1908; Reg.⸗Nr. 50/08). N.
1437
Landgericht München I.
Scheidung öſterreichiſcher Jsraeliten im ro
Reihe. Die Zuſtändigkeit ift gemäß 8 606 Abſ. 1
und 4 BPO. gegeben, weil der Ehemann feinen Wohn⸗
fig in Bayern hat und die öſterreichiſchen Geſetze einen
ausſchließlichen öſterreichiſchen Gerichtsſtand für die
Scheidung im Auslande wohnhafter Oeſterreicher nicht
anordnen (S 76, 100 Oeſter. Jur. Norm). Zur Sache
ſelbſt iſt zwar das internationale Scheidungsabkommen
vom 12. Juni 1902 bis heute zwiſchen dem Deutſchen
Reich und Oeſterreich nicht ratifiziert; gleichwohl
kommt das öſterreichiſche Scheidungsrecht ſchon nach
Art. 17 Abſ. 1 EG. z. BGB. zur Anwendung. Auf
Scheidung kann nach Abſ. 4 im Inlande jedoch nur
erkannt werden, wenn auch das deutſche Recht ſie
a zuläßt. Hierbei iſt im Hinblicke auf
Art. EG. z. BGB. neben dem BGB. auch das
EN Recht, alfo das moſaiſche Recht zu berückſich⸗
tigen (Bayer. LR., Anm. z. T.I Kap. VI § 49). Ehe⸗
bruch iſt nach 8 1565 BGB. ein abſoluter Scheidungs—
grund und auch nach § 135 Allg. öſterr. BGB. ift bei
jüdiſchen Ehegatten der Mann berechtigt, ſolchenfalls
die Frau ſelbſt wider ihren Willen durch einen Scheide—
brief von fih zu entlaſſen; dies entſpricht dem moſa—
iſchen Recht (Bl. f. RA. Bd. 48 S. 438). Die mate⸗
rielle Scheidungsgrundlage iſt hiernach in ſämtlichen
Geſetzen gleichmäßig gegeben. Allerdings hat der
Kläger erklärt, er ſei nicht in der Lage, die formelle
Aushändigung eines Scheidungsbriefes darzutun, da
das hieſige Rabbinat die Mitwirkung hierzu mit Rück-
ſicht auf die deutſche Geſetzgebung bis nach rechts⸗
kräftigem Spruch des Zivilgerichts verweigere. Es
bedarf aber im Deutſchen Reiche auch dieſer formellen
Handlung gar nicht. Nach 3 1564 BGB. mit § 15
GG. erfolgt hier die S810 durch Urteil unter
Ausſchluß jeder geiſtlichen Gerichtsbarkeit. Hiernach
ift für das im Falle des 8 135 öſterr. BGB. in
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483
Oeſterreich gebräuchliche, vom urſprünglichen moſa⸗
iſchen Recht bereits abweichende Verfahren kein Raum
(gewöhnliche Klage auf Annahme des Scheidebriefs;
nach Rechtskraft Ueberreichung des Scheidebriefs
im Gerichtstermin und Urteilsausſpruch, daß damit
die Ehe getrennt fei, vgl. Leske⸗Löwenfeld, intern.
Rechtsverf. Bd. 4 S. 76). Denn ſoweit es ſich bei
der Uebergabe des Scheidebriefs um materielle Nors
men handeln ſollte, ſteht Art. 30 EG. z. BGB. ent⸗
gegen (vgl. RG. Z. Bd. 57 S. 250; BayObRG. neue
Samml. Bd 6 S. 540); ſoweit es ſich aber um Ver⸗
V handelt, gilt für das deutſche Ge⸗
richt innerhalb ſeiner einmal anerkannten Zuſtändig⸗
keit nur die deutſche ZPO. Nach ähnlichen Grund⸗
ſätzen (vgl. Bl. f. RA. Bd. 48 S. 439) ift übrigens
auch ſchon zwiſchen 1876 und 1900 in Bayern vers
fahren worden, wenn es ſich um die Scheidung israe⸗
litiſcher Ehen handelte. Der materielle Scheidung$:
grund wurde dem moſaiſchen Recht als maßgebendem
Zivilrecht entnommen. Die Scheidungsformen regelten
ih nach 88 76 ff. Perſ sts. in Verbindung mit der
jeweils geltenden Prozeßordnung. Letztere iſt ein
Beſtandteil der öffentlichen Ordnung im Sinne des
Art. 30 EG. z. BGB. Selbſtverſtändlich bleibt es den
Parteien unbenommen, neben und außerhalb des
gegenwärtigen Verfahrens zwecks Erfüllung religiöſer
Vorſchriften oder zwecks ſicherer Anerkennung des
gegenwärtigen Urteils in Oeſterreich die Scheidebrief-
erteilung nachzuholen; dem deutſchen Ehegericht ſteht
aber hierbei eine Mitwirkung nicht zu. Demnach
war gemäß §§ 1565, 1574 deutſches BGB., Art. 17
EG. hierzu; § 135 öſterr. BGB. mit 8 6 öſterr.
ufti: MVO. vom 9. Dezember 1897 (Schul dausſpruch),
SS 624, 91 deutſche ZPO. zu erkennen wie N
(Urteil vom 13. Mai 1908; E 458/08).
1435
Literatur.
Senffert, Dr. Lothar, o. ö. Profeffor der Rechte in
München. Kommentar zur Zivilprozeßord⸗
nung in der Faſſung der Bekanntmachung vom
20. Mai 1898 mit den Aenderungen der Novelle
vom 5. Juni 1905 nebſt den Einführungsgeſetzen.
10. neu bearbeitete Auflage. 2 Bände. XXIX, 72
und IV, 872 Seiten. München 1908, C. H. Beck'ſche
. (Oskar Beck). Mk. 36.—, gebd.
Es wird nicht erforderlich ſein, die Vorzüge dieſes
hervorragenden Werkes nochmals beſonders hervor—
zuheben. Wir freuen uns, daß es geglückt ift, die
10. Auflage ſo rechtzeitig zu vollenden, daß fie in der
kurzen Zeitſpanne bis zur Reform des Zivilprozeſſes
noch als Ratgeber für die Praxis dienen kann.
von der Pfordten.
Habicht, Dr. Hermann +, Geheimer Oberjuſtizrat und
vortragender Rat im preuß. Juſtizminiſterium.
Internationales Privatrecht nach dem
EG. z. BGB. Aus dem Nachlaſſe herausgegeben
von Max Greiff, Geheimem Oberjuſtizrat und vor—
tragendem Rat im preuß. Juſtizminiſterium. Berlin
1907. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung. 254 S.
Der Verfaſſer des bekannten großen Werkes über
die „Einwirkung des BGB. auf zuvor entſtandene
Rechtsverhältniſſe“ wurde leider durch den Tod ge-
hindert, eine neu begonnene größere Arbeit, die Kom—
mentierung des EG. z. BGB. zu vollenden. Bei ſeinem
Ableben waren indes wenigſtens die Erläuterungen
der Vorſchriften über das internationale Privatrecht
nach dem EG. z. BGB. ſchon fo vollſtändig durd-
gearbeitet, daß ſie nur mehr weniger Ergänzungen
484
durch den Herausgeber bedurften. Da dieſe in den
Art. 7 mit 31 der angeführten Geſetze enthaltenen
Vorſchriften mit den übrigen Teilen des Geſetzes in
keinem onnan gong ſtehen, vielmehr ein in ſich
geſchloſſenes Ganzes bilden, ſo war die Herausgabe
des vollendeten Bruchſtückes der Habichtſchen Arbeit
möglich und ſie war auch durchaus geboten, da das
Buch gewiß eine wertvolle Bereicherung der Literatur
über das internationale Privatrecht bedeutet. Es
bringt nicht nur eine klare, gründliche und erſchöpfende
Erläuterung der einzelnen Geſetzesvorſchriften, es
zeigt auch auf, wie die mannigfachen Lücken, deren
Ausfüllung der Geſetzgeber, wie ſo häufig, der Wiſſen⸗
ſchaft und der Praxis überlaſſen hat, am beſten zu
ſchließen find. Der Kommentierung der einzelnen
Artikel ift eine das Verſtändnis des behandelten Rechts⸗
ſtoffes erheblich fördernde, präziſe und bei aller
Knappheit gleichwohl vollſtändige ſyſtematiſche Dar⸗
ſtellung der Grundſätze des internationalen Privat⸗
rechtes vorausgeſchickt. Die Literaturangaben ſind
ſehr reichlich; alle Staatsverträge über das inter⸗
nationale Privatrecht ſind verzeichnet, das beſonders
wichtige Haager Abkommen vom 12. Juni 1902 iſt
überdies vollſtändig abgedruckt. St.
Leſſiug, Dr. iur. et phil. Haus, Rechtsanwalt und
Bankvorſtand in Bamberg. Scheckgeſetz vom
11. März 1908. Mit Einleitung, Erläuterungen
und Sachregiſter ſowie einem Anhang, betr. die
Einführung des ln: und Shed-
verkehrs. München 1908, J. Schweitzer Verlag
(Arthur Sellier). En Mk. 5.—.
An Erläuterungen des Scheckgeſetzes iſt gerade
kein Mangel. Die neue Bearbeitung von Leſſing
bietet aber weit mehr als die bisher erſchienenen
Handausgaben. Sie iſt ein umfaſſender Kommentar,
der einerſeits die ziviliſtiſchen Grundfragen des Scheck⸗
rechts ſorgfältig und ſelbſtändig prüft, anderſeits ſich
auch in Kaſuiſtik vertieft. Den Auffaſſungen, die in
den früher erſchienenen Ausgaben vertreten wurden,
tritt der Verfaſſer häufig in längeren Beweisführungen
entgegen. von der Pfordten.
Geigel, Dr. Neinhard, Die Trennung von Staat
und Kirche in Frankreich. IV, 94
non 1908, J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
Der Gedanke der Trennung von Staat und Kirche
beſchäftigt heute mehr denn je die Geiſter auch bei
uns. Deshalb ſollte die neueſte Geſchichte der Kirchen⸗
politik in Frankreich mit der geſetzgeberiſchen Löſung
dieſer Frage in einem Land, das bei kulturellen Um⸗
wälzungen ſtets bahnbrechend vorangeſchritten iſt,
jedem Gebildeten geläufig ſein. Mit Freuden muß
daher ein Buch über dieſes Thema begrüßt werden,
um ſo mehr, wenn es aus der Feder eines Renners
des Kirchenrechts wie Dr. Geigel ſtammt, der ſich ins⸗
beſondere auch wiederholt mit Gegenſtänden des reichs—
ländiſchen und franzöſiſchen Staatskirchenrechts ſchrift—
ſtelleriſch befaßt hat. In anſchaulicher Weiſe führt
uns der Verfaſſer nach kurzem Ueberblick über die
Entwickelung ſeit der franzöſiſchen Revolution mit der
Säkulariſation des Kirchenguts, ſeiner Reſtitution und
der Organiſation der Kirche unter Napoleon und der
ſpäteren Entfaltung in das grundlegende Trennungs—
geſetz von 1905 ein. Durch Vergleichung mit der
älteren franzöſiſchen Geſetzgebung wie auch mit dem
bayeriſchen Recht macht er uns den nicht einfachen
Stoff verſtändlich, wobei er auch das Weſen der
Rechtsverhältniſſe und der Organiſation darlegt. In
kurzen, ſcharfen Strichen zeichnet er den durch dieſes
Zeitſchrift für Rechtspflege in Bayern. 1908. Nr. 24.
Geſetz entfachten Kampf, die Gegenſätze zwiſchen Kurie
und Regierung, die Vermittelungsverſuche des franzö⸗
ſiſchen Epiſkopats, das zweite Trennungsgeſetz von
1907, welches dem von 1905 eine gemäßigte Aus⸗
legung und Ergänzung gab, und endlich das Ent⸗
gegenkommen der Regierung in einzelnen Fragen wie
der Förderung der Hilfskaſſen für Geiſtliche, während
ſie in der Kernfrage den Sieg behielt: Die Religion
iſt Privatſache; eine Staatsreligion . nicht mehr.
Der Verfaſſer iſt ernſthaft beſtrebt, die durch die
Parteileidenſchaften entſtellten und verſchleierten Bers
hältniſſe ſtreng objektiv zu behandeln. Möchten alle
die, welche blind nachbetend gegen die Vergewaltigung
der Religion und den Kirchenraub proteſtieren, dieſes
er leſen. Vielleicht würden auch fie eines andern
elehrt. Tr.
Notizen.
Die Poſtſcheckoerduung m u Königreich Bayern
it im GVBl. Nr. 73 vom 17. November 1908 ver:
öffentlicht. Sie tritt am 1. ar 1909 in Kraft. In
$ 1 wird der Beitritt zum Poſtüberweiſungs⸗ und
Scheckverkehr geregelt, welcher jeder Privatperſon,
Handelsfirma, Behörde, juriſtiſchen Perſon freiſteht.
Ueber die Einzahlungen auf ein Poſtſcheckkonto wird
in §§ 2 bis 5 das Erforderliche beſtimmt; fie können
mittels Zahlkarte, Poſtanweiſung oder Ueberweiſung
von einem anderen Poſtſcheckkonto geſchehen. Gemäß
88 2 bis 8 kann der Kontoinhaber über fein Gut:
1 durch Ueberweiſung auf ein anderes Poſtſcheck⸗
onto oder mittels Schecks verfügen. Für beide Arten
der Verfügung werden dem Kontoinhaber vom Poſt⸗
ſcheckamte Formulare geliefert — Ueberweiſungs⸗
formulare in Blattform und Poſtkartenform und
Scheckformulare. Die Beſtimmungen in § 9 bis 13
betreffen die für die Dienſtleiſtungen der Poſt zu
zahlenden Gebühren, die Portofreiheit der Sendungen
der Poſtſcheckämter und Poſtanſtalten, die Aenderungen
in den Verhältniſſen eines Kontoinhabers, den Aus
tritt aus dem Scheckverkehr, welcher dem Kontoinhaber
jederzeit freiſteht und die Gewährleiſtung der Poſt⸗
verwaltung. § 14 enthält eine Uebergangsbeſtimmung.
Die geſetzliche Grundlage für den i
bildet das Schedgefeg vom 11. März 1908 (RGI
S. 71). Die Poſt kommt als Bezogene im Sinne des
S 2 dieſes Geſetzes in Betracht. Die Beſtimmungen
der Poſtſcheckordnung haben als Beſtandteil des Ver⸗
tragsverhältniſſes zwiſchen der Poſt und dem Konto⸗
inhaber zu gelten. Auch in Württemberg und im
Reichspoſtgebiete wird vom 1. Januar 1 an der
Poſtſcheckverkehr eingeführt werden.
Urheberrechtsſchutz in den deutſchen Schutzgebieten.
Nach Art. 19 der Berner Konvention haben die Ver⸗
bandsländer jederzeit das Recht, der Konvention auch
für ihre Kolonien oder auswärtigen Beſitzungen bei⸗
zutreten. Das Deutſche Reich hat von dieſem Rechte
jetzt für alle ſeine Schutzgebiete Gebrauch gemacht.
Eine Kaiſ. Verordnung vom 15. Oktober 1908 TROSI.
S. 627) beſtimmt, daß die Berner Konvention, die in
Abänderung oder Ergänzung dieſer Uebereinkunft ge⸗
troffenen Abkommen und die Vorſchriften der zur
Ausführung der Uebereinkunft erlaſſenen Geſetze und
Verordnungen am 1. Januar 1909 mit einigen Ueber⸗
eee in den Schutzgebieten in Kraft treten.
Verantwortl. Herausgeber: Th. von der Pfordten,
K. durch dieſes K. Landgerichtsrat, verw. im Staatsminiſterium d. Juftis.
Eigentum von J. Schweitzer Verlag ( Verlag (Arthur Sellier) in München.
Druck von Dr. Franz Paul Datterer & Cie.,
A
f A
i 7
/
G. m. b. H., Freifing.
1
d
Ur. 1. München, den 1. Jannar 1908. 4. Jahrg.
Zeitfhrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
©
Th. von der Pfordten N N EIN 2. Schweitzer Verlag
K. Landgerichtsrat, verw. im K. Bayer. (Arthur Sellier)
Staatsminiſterium der Juſtlz. in München, Lenbachplatz 1.
Die Zeitſchreift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bavern Nr. 974a).
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplas 1.
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Radatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Inhalt:
Abhandlungen: Selte en iik Seite
Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat in Leipzig, Die Entlaſtung 8 d of Zu Art. 15
der Zivilfenate des Reichsgerichts. . 1 Sgchilein, ul. Staatsanwalt in Baptertb, Rechtlicher Bu-
Dittmann, Landgerichtsrat in Nürnberg. Ziviliſtiſche Bes . zwiſchen nden 15 Unterſchlagun
merkungen zum bayeriſchen Waſſergeſetz von 1907 4 Is E a a ee a j 15
Walter, Dr., Notar in Hof, Ueberweiſungs⸗ und Scheck⸗
i 12 Aus der Praxis der Geridte ...... 16
iia zwiſchen Hypothekenbanken und Notaren d 26
Mitteilungen aus der Praxis: Notiz:
Noſenthal, Dr., Rechtsanwalt in Würzburg, Pfändung Die Vollzugsvorſchriften zum neuen Waſſergeſetz vom
eigener Sachen ee ee en 13 | 23. Marz // A a a 27
Neumiller
Zivilprozeßordnung
für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen
unter beſonderer Berückſichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebnng und Nechtspflege
und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz.
Zweite umgearbeitete Auflage
8. XII, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 8.—.
Urteil:
„Der ee iſt in hervorragendem Maße mit dem Geſchick begabt, mit denkbar wenig Worten, 5 oft
ſogar nur mit einem Ausdruck alles Erforderliche zu ſagen. Daher birgt das Buch eine ſeinem Umfange nach nicht
zu vermutende Fülle des Inhalts. Aus der Praxis für die Praxis beſtimmt, gibt es in kürzeſter Friſt dem be⸗
aaga Richter und Anwalt zuverläſſige Auskunft über alle Werz des Verfahrens, die im Getriebe des Tages
an ihn herantreten. .. Der geeignete Platz für dieſes Werk, das allen Praktikern angelegentlich empfohlen
werden kann und das ſich deren Gunſt ſicherlich in kurzer Zeit erobern wird, iſt der Richtertiſch und der Ar⸗
beitstiſch des Anwalts.“ (RGR. Meyn in der „Deutſchen Juriſtenzeitung“ 1907 Nr. 18.)
Nachtrag mit Erläuterung
der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zeitelausgabe — erſcheinen.
3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer
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Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat.
Dr. E. Jaeger
Professor der Rechte in Leipzig
H. Könige
Reichsgerichtsrat
Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang 1 (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrg. Inhalt der Nummer 1 (00 Spalten):
Abhandlungen:
Simon, Dr. Herman Veit, Justizrat in Berlin, Firmen als Mit-
1 des Aufsichtsrats von Aktiengesellschaften.
ugleich ein Beitrag zur Frage der Kumulierung der
Aufs ichtsratsstellen.
Emminghaus, Dr. iur. A., Professor in Gotha, Stellung der
bei Oesellschaftsfusionen beteiligten Versicherten
nach Deutschem Recht.
Wolff, Dr. Th., Kammergerichtsrat, Geh. Justizrat in Berlin, Das
Zurückbehaltungsrecht im Konkurse.
Mitteilungen und Erörterungen:
Hachenburg, Dr., Rechtsanwalt in Mannheim, Die Novelle zur
Zivilprozessordnung. (Auszug aus seinem Referat auf dem
Anwaltstage vom 23. November 1907).
Könige, Reichsgerichtsrat, Die Oesetzentwürfe über den
Versicherungsvertrag in Oesterreich, der Schweiz
und in Frankreich,
Katz, Dr. Edwin, Justizrat in Berlin, Beweisaufnahme in
Patentprozessen.
Jacusiel, Dr. jur. Max, Berlin, Die Befugnis des Einzel-
staates zum Erlass eines Automobilhaftpflichtgesetzes.
Zsengery, M., Professor, Bankprokurist in Budapest, Privatver-
mögen und Bilanz.
Stern, Dr. Bruno, Rechtsanwalt in Würzburg, Rechtsfall zu
Depotgesetz 88 2, 9.
Aus der Rechtsprechung:
I. Rechtssätze des Reichsgerichts.
ll. Entscheidungen.
Reichsgericht.
Bayerisches Oberstes Landesgerichl.
Oberlandesgerichte.
Landgerichte.
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ie Patentgesetze aller Völker
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Gegr. 1713. œ R. v. Decker’s Verlag, Berlin SW. 19. S Gegr. 1713.
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>) Bearbeitet und mit Vorbemerkungen und Uebersichten, sowie einem Schlagwort-
: verzeichnis versehen.
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: Revised and Provided with preambles summaries and a Catchword Index
5 | von — by
k Josef Kohler Maximilian Mintz
Seh. Justizrat, ord. Professor an der Universität Berlin. Patentanwalt in Berlin.
Der erste Band des Werkes liegt nunmehr vor. Er enthält:
*
= Lig. l. Srossbritannlens Patentgesetzgebung, gehef tte M. 5.—
„ II. Patentgesetze der afrikanischen Kolonien Grossbritanniens. 1. Te ihk „ 6.—
i D , . rg
„. IV. Asiatische Kolonien Grossbritanniens a
i „ V. Australische Kolonien Grossbritanniens err EAA a a a E
„ VI u, VII erscheint soeben und enthält:
Ñ Die Patentgesetze der Amerikanischen Kolonien Grossbritanniens \
{ Das Konsularrecht von China, Japan, Korea, Siam und Nachträge
| Der komplett in Halbleder gebundene Band I des Werkes kostet 52 Mk.
i Die elegante Einbanddecke ist auch einzeln zu haben. Preis 2.60 Mk.
l Das Werk wird bei einem Umfang von zirka 130 Bogen zirka Mk. 65.— kosten.
;
h
„Die Patentgesetze aller Völker“
beabsichtigen eine vollständige Sammlung der zurzeit geltenden Patentgesetze aller Länder der Erde zu
bilden, Sie erscheinen in der Ursprache und dann, sofern es sich nicht um die englische oder französische
Sprache handelt, in korrekter deutscher Uebersetzung. Auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Texte
ist alle Sorgfalt verwandt, und der umfangreiche Stoff derart geordnet, dass für die Einteilung die Art
dies Patenterteilungsverfahrens, also der Hauptinhalt der Gesetze, massgebend gewesen ist. Es sind daher
die Länder des englischen Rechts, die Länder des Vorprüfungsverfahrens und die Länder des Anmelde-
= Systems unterschieden. Ein geschichtlicher Abriss und eine Charakterisierung eines jeden Gesetzes —
= deutsch und englisch — ist in Form einer Einleitung beigefügt. Ausserdem werden in einer tabellarischen
= Uebersicht die wesentlichsten Punkte des Rechts — ebenfalls zweisprachig — zusammengefasst. Am
Schluss des Werkes wird ein Wörterbuch technischer Ausdrücke beigelegt werden.
Von Zeit zu Zeit erscheinende Nuchträge sollen etwaige Abänderungen oder neue Gesetze ent-
halten und so das Werk immer auf der Höhe der Brauchbarkeit halten.
Pe; leder Interessent für internationales Patentrecht bzw. jedes grössere Patentbureau wird eine
* =
Anzahl ausländischer Patentgesetze, sowie der dazu gehörigen Rules, Regulations usw. bedürfen. Das
umfangreiche Material der Patentgesetze aller Völker bietet das vorliegende Werk zu einem verhältnis-
mässig billigen Preise und in einer Bearbeitung, die den Wert des wichtigen Materials besonders hebt.
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Der ns von Perſonenſtandsurkunden mit der
Schweiz. (Bekanntmachung vom 2. Oktober 1907)
Vorſchriften über die Unterbrechung der Verjährung
der Strafverfolgung und der Strafvollftredung .
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vom 1. Juli 1878.
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Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete iſt ſeine Mitarbeit von beſonderer Bedeutung.
Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen unterſtützten Erläuterungen er⸗
möglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen Fragen, an denen er nicht
vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach dem bewährten Muſter
Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes.
Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüſtzeug bilden.
Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Gefamt-
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen.
Jeil hrift für Arhtspflegr
Herausgegeben von Verlag von
“re il Bayer en
in Münden. in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Snfertlonage ebühr 30 Pfg. für die balbgefpaltene Be
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Bellagen nach Uebereinkunft.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Sonae. nn mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
k. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a),
Inhalt:
Abhandlungen: Selte N Seite
Weyl, Dr., Profeſſor in Kiel, „Einwilligung“, „Genehmi— | Mitteilungen aus der Praxis:
gung“ und „Zuftimmung“ im Bürgerlichen Ge- Schmitt, Oberreglerungsrat in München, Die Poſtportofrei—
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Durmayer, Dr., Meglerungsatzefſit in Speyer, Bemerkungen i
zu dem Entwurfe einer eee Notizen:
für Bayern (Fortſetzun dg 62 Die Anwendung der Zeugniszwangshaßft . .. 72
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Ende nächſter Woche erſcheint vollſtändig:
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München
Grundbuchordnung
für das Deutſche Reich
unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen
Vollzugsvorſchriften ꝛc.
gr. 8°. 32 Bogen. Preis in Ganzin; gebd. ca. Mk. 12.—
Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen
Normen geltenden Grundbuchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende
Buch; bei der Erläuterung der reichsrechtlichen Vorſchriften wird jeweils darauf hingewieſen,
inwieweit fie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erſchien:
Kommentar
Bayeriſ chen Waſſergeſebze
vom 23. März 1907
von
Dr. Theodor Harſter 8 Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrs angelegenheiten
Lieferung 1 (5 Bogen in gr. 80.) Mk. 1.80.
== Preis des vollſtändigen Werkes ca. ME. 16.—. =
Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben fich bei der Bearbeitung die
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft tretende neue Waſſergeſetz den
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Neben dem Juriſten kommt hier zum
erſten Male auch der Techniker zum Worte. Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten
Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete iſt ſeine Mitarbeit von beſonderer Bedeutung.
Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen unterſtützten Erläuterungen er-
möglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen Fragen, an denen er nicht
vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach dem bewährten Muſter
Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes.
Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüſtzeug bilden.
Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Gefamt-
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen.
r. 3. München, den 1. Februar 1908. 4. Jahrg.
Zeitschrift für Rechtapflege
Herausgegeben von Verlag von
esponda ill Dayer ge.
in München. in Münden, Lenbachplatz 1.
Die Sed gchrikt erſcheint an 1. und 15. jeben Monats
im Umfange von mindeftens 2 Bogen. Preis viertel jährlich
k. Beſtellungen übernimmt lede n und
Boftanftalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 9748),
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1:
suledens ebühr 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Bett
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanze 105
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Abhandlungen: Seite Seite
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ut mmung“ im Bürgerlichen Ges Schmitt, Oberreglerungsrat in München, Die .
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en Bayern (Fortfegung) . . 62 | Die Anwendung der Zeugniszwangs hatt 72
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Ende nächſter Woche erſcheint vollſtändig:
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München
Grundbuchordnung
für das Deutſche Reich
unter beſonderer Berüdfichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen
Vollzugsvorſchriften ꝛc.
or. 3». 32 Bogen. Preis in Ganzin; gebd. ca. Mk. 12.—
Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen
Normen geltenden Grund buchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende
Buch; bei der Erläuterung der reichsrechtlichen Vorſchriften wird jeweils darauf hingewieſen,
inwieweit ſie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden.
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Soeben erſchien:
Kommentar
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
von
Dr. Theodor Harſter a Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrsangelegenheiten
Lieferung 2 (5 Bogen in gr. 80.) Mk. 1.80.
=== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Mk. 16.—. ==
Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben ſich bei der Bearbeitung die
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darftellung der Rechtsfragen und technifchen
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft tretende neue Waſſergeſetz den
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite,
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte.
Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes.
Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird
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Behörden wird er ein unentbehrliches Rüſtzeug bilden.
Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Geſamt⸗
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen.
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer
Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat.
Dr. E. Jaeger
Professor der Rechte in Leipzig
H. Könige
Reichsgerichtsrat
Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—
II. Jahrg.
Abhandlungen:
Düringer, Dr., Reichsgerichterat in Leipzig, Zur Lehre vom
Sicherungskauf.
Wolff, Dr. Th., Kammergerichtsrat, Geh. Justizrat in Berlin, Das
Zurückbehaltungsrecht im Konkurse. (Schluss.)
Behrend, Dr. Richard, Regierungsrat im Aufsichtsamte für Privat-
versicherung in Berlin, Lebensversicherung und Gläu-
biger. Ill. Der Konkurs des Versicherungsnehmers.
Mitteilungen und Erörterungen:
Könige, Reichsgerichtsrat, Der österreichische Entwurf über
den Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses.
Jaeger, Dr. E., Professor der Rechte in Leipzig, Zuständigkeit
der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte in Fällen
der Rechtsnachfolge.
Inhalt der Nummer 2 (80 Spalten):
Saeger, Dr., Landrichter in Braunschweig, Die Vergütung des
Konkursverwalters.
Finger, Landgerichisrat in Strassburg, Rücktritt von Ver-
sicherungsverträgen bei geänderten Umständen.
Heine, Rechtsanwalt in Bielefeld, Ueber die Konzessions-
pflicht privater Versicherungsunternehmungen.
Aus der Rechtsprechung:
l. Rechtssätze des Reichsgerichts.
II. Entscheidungen.
Reichsgericht.
Oberlandesgerichte.
Kurze Bücheranzeigen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
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Preis Mk. 2.50 poſtfrei. v
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Eine Zierde für jeden Schreibtiſch
ift der nebenſtehend abgebildete
2 Sammelkaſten >
der Zeitichrift für Rechtspflege in Bayern.
Seine beſonderen Vorteile find:
Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern
liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen.
Staubfreie Aufbewahrung der erscheinenden
Nummern und größte Ordnung.
Gediegene Ausführung (teilweise in Holz),
daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus.
Nenmiller Zivilprozeßordnung
| für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen
unter beſonderer Berückſichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebung und Rechtsp e
und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz.
Zweite umgearbeitete Auflage
8. XII, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 3.—.
Urteil:
Das „Recht“ 1907 Nr. 23: Die neue Auflage bietet eine unermeßliche Fülle von Stoff zur Anwendung des Ge⸗
ſetzes auf allen bezüglichen Gebieten des Reichs⸗ und des bayeriſchen Landesrechts. Die Erläuterungen ſelbſt ver⸗
werten mit feinem N und erfahrenem Blicke bei ſcharfer Kürze die geſamte Rechtſprechung, enthalten
zahlreiche praktiſche Winke und bieten vielfach wertvolle Beiſpiele unter zuverläſſiger Anführung der Belegſtellen
aus den Zeitſchriften und Spruchſammlungen. Mit dieſen ſeltenen Vorzügen empfiehlt ſich das Buch ſelbſt jedem
porren Von ganz befonderem Werte ift das Werk für bayeriſche Verhältniſſe. Neumillers Handausg abe
ildet ein vollkommenes reichs⸗ und landesrechtliches Nachſchlagewerk, das, wie kein einziger Kommentar, allen
innerhalb und außerhalb des Sitzungsſaales auftretenden Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis mit kundigem Blicke
Rechnung trägt, und für jeden bayeriſchen Zivilprozeßpraktiker 3 iſt.
(Oberlandesgerichtsrat N. Bauer im „Recht“ 1907 Nr. 23).
Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende Novelle z. BPO. u. 3. G88. Geſetz geworden iſt, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung ug
der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zeitelausgabe — erſcheinen.
3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Vor kurzem ift vollſtändig geworden:
Haus Kößler
Kal. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München
Handbuch für die Praxis bei den Gerichten
und für den Anwalts: und Notariatsdienft.
Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt.
Entſchlietzungen bearbeitet
Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage.
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk.
Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs
wird gewiß willkommen fein. Neben der ſelbſtverſtänd lichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß- bzw. Konkursordnung
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der ‚Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗
dere Ausdehnung und Neugeftaltung.
3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München
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Ar. 4. München, den 15. Februar 1908. 4. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechts i l
Herausgegeben von è 15 1 9 i
Ch. von der Pfordten f i mat er? erlag
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Redaktion und Expedition: München. bachplatz 1.
. ebühr 30 Pfg. für die e Betitzeile
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Mona .
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis pierteljährli
Mt. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung
Boſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a).
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Soeben it voll ſtändig geworden:
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München
Grundbuchordnung
für das Deutſche Reich
unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen
Vollzugsvorſchriften x.
gr. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzlu. gebd. Mk. 12.50.
Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen
Normen geltenden Grundbuchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende
Buch; bei der Erläuterung der reichsrechtlichen Vorſchriften wird jeweils darauf hingewieſen,
inwieweit ſie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Fr. Keidel,
K. Landgerichtsrat in München.
Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriſten.
2. vollſtändig umgearbeitete Auflage.
gr. 8%. VII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60.
Die 1., ſehr beliebte Ausgabe hat in der 2. eine weſentliche Umgeſtaltung erfahren. Die reichs⸗ und
landesrechtlichen Vorſchriften ſind jetzt einheitlich nebeneinander in ein geſchloſſenes Ganzes verarbeitet. Dieſe
Kommentierungsmethode hat ſich fehr bewährt und erfreut ſich allenthalben größter Beliebtheit. Wir ver⸗
weiſen nur auf Meikel GBO. und Steiner BVG.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Vor kurzem iſt vollſtändig geworden:
Haus Kößler
Kal. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München
Handbuch für die Praxis bei den Gerichten
und für den Anwalts⸗ und Notariatsdienit.
Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt.
Entichliegungen bearbeitet
Dritte vollſtäudig umgearbeitete Auflage.
8. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk.
Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung.
3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
—— — ä -
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrg. Inhalt der Nummer 2 (80 Spalten):
Saeger, Dr., Landrichter in Braunschweig, Die Vergütung des
Abhandlungen:
Konkursverwalters.
Düringer, Dr., Reichsgerichtsrat in Leipzig, Zur Lehre vom
Sicherungskauf. Finger, Landgerichtsrat in Strassburg, Rücktritt von Ver-
Wolft, Dr. Th., Kammergerichtsrat, Geb. Justizrat in Berlin, Das sicherungsverträgen bei geänderten Umständen.
Behrend, Dr. Richard, Regierungsrat im Aufsichtsamte für Privat- pflicht privater Versicherungsunternehmungen.
versicherung in Berlin, Lebensversicherung und Gläu-
biger. Ill. Der Konkurs des Versicherungsnehmers.
Mitteilungen und Erörterungen:
Könige, Reichsgerichtsrat, Der österreichische Entwurf über
den Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses.
Aus der Rechtsprechung:
I. Rechtssätze des Reichsgerichts.
|
|
Zurückbehaltungsrecht im Konkurse. (Schluss.) | Heine, Rechtsanwalt in Bielefeld, Ueber die Konzessions-
|
II. Entscheidungen,
Reichsgericht.
Jaeger, Dr. E., Professor der Rechte in Leipzig, Zuständigkeit Oberland ichte.
der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte in Fällen ee
der Rechtsnachfolge. Kurze Bücheranzeigen.
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Eine Zierde für jeden Schreibtiich
iſt der nebenſtehend abgebildete
e Fanmellaſten =
GR ED 2 der Zeitſchrift für Rechtspflege in Bauern.
£ = 5 : IQ GE: 7 a Seine befonderen Vorteile find:
Aeußerſt praktiſche Form: die Nummern
liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen.
Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden
Nummern und größte Ordnung.
Gediegene Ausführung (teilweiſe in Holz),
daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus.
Preis Mk. 2.50 poſtfrei.
Nenmiller
Zivilprozeßordnung
für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen
unter beſonderer Berückſichtigung der Bayeriſchen Geſetzgebung und Rechtsp
und einem Anhange enthaltend einen Auszug aus dem Gerichtsverfaſſungsgeſetz.
Zweite umgearbeitete Auflage
8°. XI, 573 S. Preis in Ganzleinen geb. Mk. 8.—.
Arte it:
Das „Recht/ 1907 Nr. 23: Die neue Auflage bietet eine unermeßliche Fülle von Stoff zur Anwendung des Ge⸗
ſetzes auf allen bezüglichen Gebieten des Reichs- und des bayeriſchen Landesrechts. Die Erläuterungen ſelbſt ver-
werten mit feinem . und erfahrenem Blicke bei ſcharfer Kürze die geſamte Rechtſprechung, enthalten
zahlreiche praktiſche Winke und bieten vielfach wertvolle Beiſpiele unter zuverläſſiger Anführung der Belegſtellen
aus den Zeitſchriften und Spruchſammlungen. Mit dieſen ſeltenen Vorzügen empfiehlt ſich das Buch ſelbſt jedem
Juriſten. Von ganz beſonderem Werte iſt das Werk für bayeriſche Verhältniſſe. Neumillers Handausgabe
bildet ein vollkommenes reichs- und landesrechtliches Nachſchlagewerk, das, wie kein einziger Kommentar, allen
innerhalb und außerhalb des Sitzungsſaales auftretenden Bedürfniſſen der en Praxis mit kundigem Blicke
Rechnung trägt, und für jeden bayeriſchen Zivilprozeßpraktiker „
(Oberlandesgerichtsrat N. Bauer im „Recht“ 1907 Nr. 23).
Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende Novelle z. ZPO. u. z. GBG. Geſetz geworden ift, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung am
der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zettelausgabe — erſcheinen.
3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Vor kurzem iſt vollſtändig geworden:
Haus Köhler
Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München
Hand buch für die Praxis bei den Gerichten
und für den Anwalts: und Notariatsdienft.
Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt.
Eutſchlieungen bearbeitet
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ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab-
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3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München
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Herausgegeben von Verlag von
Th. von der Pfordten in h ein J. Schweitzer Verlag
K. Landgerichtsrat (Arthur Sellier)
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Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebübr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene Petitzeile
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Poſtanſtalt (Poſtzeitungsliſte für Bayern Nr. 974a),
anne Michel Dr chtsk. Bürgermeiſter in Landsb a. L Unfall 9
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wü e eng e E or a ng ja 73 beim Holzſchneiden mit einer Kreisſäge; Haftung
Dittmann, Landgerichtsrat in Nürnberg, Ziviliſtiſche Be- e kai S 8 . 1 und 2, 84
merkungen zum eee Waffe von 1907 $ . 8
(Schluß) 79 Aus der Praxis der . 1
Durmayer, Dr., Kegierungsatseffift in Speyer, Bemerkungen
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Pramberger, Amtsrichter in Eichſtätt, Zu Art. 105 des
Polizeiſtrafgeſetzbuches .. ; 4 83
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für das Deutſche Reich
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gr. 3“. 520 Seiten. Preis in Ganzin. gebd. Mk. 12.50.
Den täglichen Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis genügt nur ein Kommentar, der eine
einheitliche Darſtellung des in Bayern auf Grund der reichsrechtlichen und der landesrechtlichen
Normen geltenden Grundbuchrechts bietet; den Verſuch eines ſolchen unternimmt das vorliegende
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inwieweit fie durch die landesrechtlichen Vorſchriften ergänzt oder ausgeſchloſſen werden.
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Fr. Keidel,
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Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften.
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Kommentierungsmethode hat ſich ſehr bewährt und erfreut ſich allenthalben größter Beliebtheit. Wir ver⸗
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Vor kurzem iſt vollſtändig geworden:
Haus Kößler
Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München
Handbuch für die Praxis bei den Gerichten
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Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt.
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ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß- bzw. Konkursordnung
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3 Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
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1
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den Zwangsvergleich zur Abwendung des Konkurses.
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liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen.
Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden
Nummern und größte Ordnung.
Gediegene Ausführung (teilweise in Holz),
daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus.
Die 12. und 13. Lieferung
der 3./ 4. neubearbeiteten Auflage von
Staudingers Kommentar m BGB.
erſchienen ſoeben, enthaltend:
Lieferung 12: Band V, 108 1, iR fü t, 88 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder.
ogen. Mk. 4.
Lieferung 13: Band IV, Liefg. 4, Familienrecht, 88 1589—1715, erläutert von Staatsanwalt am
Oberlandesgericht Dr. Th. Engelmann. 20 Bogen. Mk. 7.50.
2 + Band !: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbſrz. Mk. 20.—.
ollftänd i Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50.
Ferner liegen vor:
Bd. II, Lig. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen.
Mk. 7.50. (Ofg. 10 des Geſamtwerkes.)
Bd. IV, Ifg. 1/3: Familienrecht, 88 1297—1588, erl. von Staatsanwalt Dr. Th. Engelmann. 45 Bogen. Mk. 16.80.
(fg. 3., 5., 8 des Geſamtwerkes.)
Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erschien: DR. H ANS GRO ss
S )
O. G. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ.
HANDBUCH FÜR UNTERSUCHUNGSRICHTER
SYSTEM DER KRIMINALISTIK
Z. umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text. |
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—.
Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet.
Aus Urteilen über die 4. Auflage:
Zentralblatt für Rechtswissenschaft. XXIV I.
— — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. — — Appelius.
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189.
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — -
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r. 5.
München, den 1. März 1908.
Zeitschrift für Rechtspflege
Herausgegeben von
Th. von der Pfordten
K. Landgerichtsrat
in München.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
= 3 von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
Boßanſtalt oſtgettungsliſte für Bayern Nr. 974a).
| Abhandlungen:
Troeltſch, m. Staatsanwalt in Augsburg, Ein Verſagen der
f Rehtfprejung oder eine Lücke des Geſetzes auf
dem Gebiete des Arbeiterſchutzes?
Kerlacher, Dr., Landgerichtsrat in Sof, Zur Reform des
rivatflageverfahrens . .
Daum Dr., Profeffor in Tübingen, Zur Lehre von der
usführung“ ſtrafbarer Handlungen (Schluß)
Mitteilungen aus der Praxis:
Ssetzelmaun, Notar in Roding Geringſtes Gebot bei
e . fhebung einer
in Bayern
Verlag von
(Arthur Sellier)
Redaktion und Expedition: München, Jenbachp
he oTe o 80 Pfg. für die halb er dr
ober deren Raum. Bel Wiederbolungen Rabatt
20 Pfa. Beilagen nach Uebereinkunft.
HS
Inhalt:
Amaye. Rechtspraktikant in München, Bagel che Sangen
geſellſchaften ü- ;
Aus der Praxis der Gerichte ;
Aus der Pr Bern: x age er. Bermaltungs-
gerichtshofs
N
Notizen
Die Ausweiſu ung beſtrafter Perſonen
Die Aufbringung der Mittel für die unterſtaung der
Notariatsgehilfen
Die Verwertung eingezogenen Weines
4. Jahrg.
2. Schweitzer Verlag
in München, Lenbachplatz 1.
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104
105
111
112
112
112
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Soeben it vollſtändig geworden:
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München
Grundbuchordu ung
für das Denutſche Reich
unter beſonderer Berückfichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlagigen
Vollzugsvorſchriften ꝛc.
gr. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzlu. gebd. Mk. 12.50.
Urteil,
Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906.
Was in dieſen beiden Heften an Kommentierungskunſt ee wird, läßt erwarten, daß ber
Verfaſſer feine Hufg gabe in glänzender Weiſe löſen wird.
ſteter und vollſtändi ge Berückſichtigun
der Rechtſprechung und des Schrifttums
ne weitſchweifig zu Jen ne
n verhältnis»
mäßiger Kürze das Keichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗
vas eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der REBO. erſchloſſen
Bea Nase Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte empfohlen werden.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
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J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erſchien:
Kommentar
Bayeriſ chen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
von
Dr. Theodor Harſter as Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrs angelegenheiten
Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text.
3. Lieferung (8 Bogen in gr. 80.) Mk. 3.—.
preis des vollftändigen Wertes ca. MI. 16.—. =
%
Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben fich bei der Bearbeitung die
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft getretene neue Waſſergeſetz den
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite,
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte.
Gerade bei dieſem Geſetze mit feinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich. Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes.
Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüftzeug bilden.
Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erſcheinen. Der Gefamt-
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen.
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer
Reichsgerichtsrat
Dr. E. Jaeger
Professor der Rechte in Leipzig
H. Könige
Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrg.
Abhandlungen:
Lobe, Dr., Oberlandesgerichtsrat in Dresden, Der vorläufige
Entwurf eines Oesetzes, betreffend die Abänderung
des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wett-
bewerbs vom 27. Mai 1890.
Faid, Dr., Justizrat in Mainz, Das Individualrecht an der
Prämienreserve bei Oegenseitigkeitsgesellschaften.
Sieveking, Dr. Gustav, Rechtsanwalt in Hamburg, Seever-
sicherung gegen Minengefahr.
Mitteilungen und Erörterungen:
Mitteis, Dr. L., Professor in Leipzig, Das Unternehmen als
Gegenstand des Rechtsverkehrs.
Danziger, Hugo, Kechtsanwalt in Breslau, Erfüllungs- und
Unterlassungszwang bei Vertragsbruch von Ange-
stellten.
Inhalt der Nummer 3 (80 Spalten):
Klein, Dr., Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf,
Erfinderrecht und Zwangsvollstreckung.
Voss, Amtsgerichtsrat a. D. in Stralsund, Die Unanfechtbar-
keit sittlich gebotener Erfüllungsleistungen,
Baumgarten, A., Reierendar in Tübingen, Zum 8 70 KO,
Marcuse, Dr. jur. P., Berlin, Die Vollstreckbarkeit ameri-
kanischer Urteile in Deutschland.
Aus der Rechtsprechung:
I. Rechtssätze des Reichsgerichts.
ll. Entscheidungen,
Reichsgericht.
Oberlandesgerichte.
Landgerichte.
Kurze Bücheranzeigen.
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Eine Zierde für jeden Schreibtiſch
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2 Sammellaſten >
der Jeitſchrift für Rechtspflege in Bayern.
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liegen ohne weiteres griffbereit zum Herausnehmen.
Staubfreie Aufbewahrung der erſcheinenden
Nummern und größte Ordnung.
Gediegene Ausführung (teilweiſe in Holz),
daher nur einmalige Anſchaffung auf Jahre hinaus.
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Kommentar
Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Landgerichtsrat in Limburg a / I. Rechtsanwalt in München.
== 8. (VII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.
Jurifijhe Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes zo auf das
auch unſer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
Partei, ſondern Diener des Rechtes fein zu müſſen.
J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München
S. Schwab, 2. Amtsrichter in Schwabach.
Grundriß des
kon | materiellen Liegenſchaftsrecht
= Ari Für ae des Bürgerlichen Geſetzbuchs
Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗
und Uebergangsvorſchriften.
Gr. 8. (88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen
Mk. 2.80.
Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05.
Was das Buch ſein will, ein Wegweiſer in das neue
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe.
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materielle
Liegenſchaftsrecht unter Berückfichtigung des landes recht⸗
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; fie ermöglicht
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In⸗
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für den
bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An⸗
wendungsbehelf.
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©
—
in Ganzleinen zum III. Jahrgange der Zeitſchrift für
Rechtspflege in Bauern können zum Preiſe von a Mk. 1.20
bezogen werden.
APR 4 190:
kr. 6. München, den 15. März 1908. I. Jahrg.
Zeitschrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Berlag von
gar M Gaye rarae
in München. in München, Lenbachplatz 1.
Die Zeltſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats f N a) Redaktion und Expedition nchen, Lenbachplatz 1.
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Prelë vierteljährlich MU . See ee 80 Die: für die ee Beti
Me. 38—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und E Í . ungen Ra Ade ngen
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 9748). O 20 Pig. Beilagen U ebereinkunft.
Inhalt:
Abhandlungen: Seite Selie
Dürr, Dr., II. Staatsanwalt in München, Mangel eines
fter, Oberlaudesgerichtsrat, Amtsgerichtsvorſtand in Paſſau⸗ 0
pf VF and forſpvollzelliche Straf⸗ 11g 55 Schutzes der Möfperrung von Wal 12
en 2%
% II. Staatsanwalt in Augsburg Ein Berfagen der
ur tſprechung oder eine Lücke bes Gefehes auf Aus der Praxis der Gerichte . 123
dem Gebiete des Arbeiterſchutzes? (Shlu) 115 Literat 131
Ferlacher, Dr., Landgerichtsrat in Hof, Zur Reform Ser
vatklageverfahrens (FJortfegung) . . . 117 Notizen:
Mitteilungen aus ber Praxis: Die neuen Vorſchriften über die Polizeiſtunde . 131
Dertmaun, Dr., Brofeffor in Erlangen. Bayeriſche Schützen⸗ Die Strafmitteilungen an die öffentlichen Unter⸗
1 F 121 ſuchungsanſtalten für Nahrungs⸗ und Genußmittel 132
. Entfernt, on en zum chrengerichlichen Beri ven Die Beſtrafung roher und unſittlicher Handlungen 132
gegen Rechtsanwäl lte . 121] Berichtigung . 132
Soeben erſchien:
Kommentar
Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
| Bon
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. War Friedländer,
Landgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München.
= 8° (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk...
uriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem 8 Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
Anregungen zu weiteren Forſchung en empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Mit der demnächſt erſcheinenden 14. Lieferung
der 8. / 4. neubearbeiteten Auflage von
Staudingers Kommentar m BGB.
wird
Band IV (Familienrecht) vollſtändig.
2 Teile ca. 45 und ca. 47 Bogen.
Broſch. ca. Mk. 36.—. Gebd. in Halbfrz. ca. Mk. 41.—.
Ferner liegen vor:
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—.
Band III: Sachenrecht. Brosch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbftz. Mk. 26.50.
Bd. II, Lig. 1: Necht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. 8. Kuhlenbeck. 20 Bogen.
Mk. 7.50. (Ofg. 10 des Geſamtwerkes.)
Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, 58 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. J. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
(Big. 12 des Geſamtwerkes.)
Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen.
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Soeben it vollſtändig geworden:
Meikel, Gg., ası. 1 Staatsanwalt in Munchen
Grundbuchordnung
für das Dentſche Reich
unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen
Vollzugsvorſchriften ꝛc.
urteil. gr. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzin. gebd. Mk. 12.50.
Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906.
Was in 05 beiden Heften an e eboten wird, läßt erwarten, daß der i
Verfaſſer feine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweiſig zu je iſt unter
ſteter und vollſtändiger Berückſichtigung der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis⸗
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗ |
rechts eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der RGB. erſchloſſen
wird Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte ug 5
erneck.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Einbanddeden
N 2 - = E 1
en ve nm 2
= zer um Sir:
6
an
in Ganzleinen zum III. Jahrgange der Zeitſchrift für
Rechtspflege in Bayern können zum Preiſe von a Mk. 1.20
bezogen werden.
Dr. A. Groſch,
I. Staatsanwalt.
Strafgeſetzbuch
für das Deutſche Reid.
Zum Gebrauch für Polizei-, Sicherheits: und
Kriminalbeamte.
8°. IV, 219 S. Gebunden Ml. 2.50.
Bisher gab es keine Erläuterung des StGB., die
ſich direkt und allein den Zwecken des nicht akademiſch
gebildeten Polizeibeamten dienſtbar machte. Die vors
liegende Handausgabe ſoll diefe Lücke ausfüllen. Sie
bringt in knapper, aber doch bis zum vollen Verſtändnis
durchgeführter Form alles das was die genannten Be⸗
amten brauchen, um, auf ſich allein angewieſen, ihrem
Berufe mit der nötigen Geſetzeskenntnis ausgerüſtet nach⸗
gehen zu können.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) Nünchen.
Fr. Keidel,
K. Landgerichtsrat in München.
Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berüdfichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften.
2. vollſtändig umgearbeitete Auflage.
gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60.
Deutſche Iuriſtenzeitung 1908 Nr. 5. ... Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laſſen,
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des
Geſetzes unter ih und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche
Anordnung der Anmerkungen.
Vermöge feiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
OberfiLER. Pfannſchmidt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erſchien:
Kommentar
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
von
Dr. Theodor Harſter m Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrs angelegenheiten
Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text.
3. Lieferung (8 Bogen in gr. 80.) Mk. 3.—.
=== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Ml. 16.—. ==
Die Herausgeber dieſes großangelegten Werkes haben ſich bei der Bearbeitung die
Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft getretene neue Waſſergeſetz den
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite,
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte.
Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich. Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes.
Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüftzeug bilden.
Die Ausgabe erfolgt in Lieferungen, die raſch nacheinander erfi cheinen. Der Geſamt⸗
preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen.
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APN 21
Ar. 7. München, den 1. April 1908. 4. Jahrg.
Zeitschrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Verlag von
esparra il Bayern eee
in München. in München, Lenbachplatz 1.
Redaktion und tion: München, e
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
Inſertionsgebühr 30 Pfg. 10, fur die bal Dgeipaltene Peti
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis i
Mk. 3. Hungen übernimmt jede Buchbandlung oder deren Raum. Bei er Ra Stellena
BoRannalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a). 20 Pfg. Bellagen nach U
S
Inhalt:
Abhandlungen: Selte | Selte
agen, Landgerichtsrat in Frankenthal, Zum Begriffe des
Hellmann, Dr., Univerfitätsprofeffor in München. Zum Ent⸗ 9 85
wurf eines Geſetzes betr. Aenderungen des Ge⸗ e i des e ve
richtsverfaſſungsgeſetzes, der Zivilprozeßordnung, 959 .
des Gerichtskoſtengeſetzes und der Gebührenordnung Aus der Praxis der delit na - .. 143
für Rechtsanwälte 133
erlacher, Dr., Landgerſchtsrat in Hof, Zur Reform des Literatur 151
rivatklageverfahrens (Fortſetzung) 137 Notizen:
òu bb Landrlchter in Leipzig, Die Berpfänbung t von 139 Die neue Verordnung über die Handelskammer und
Forderungen Handelsgremien „„ „ 152
Mitteilungen sus der Praxis: Die Beſtrafung der Majeſtats beleidigungen 3 152
Kübel, Dr., Amtsrichter in Landau a. J., Die . der Die Einberufung von . u das > Kaifer-
Einträge im Grundbuch 142 liche Statiſtiſche Amt 152
Soeben iſt vollſtändig geworden:
Meikel, Gg., Kgl. II. Staatsanwalt in München
Grundbuchordnung
für das Deutſche Reich
unter beſonderer Berüdfichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen
Vollzugsvorſchriften ꝛc.
er. 8°. 520 Seiten. Preis in Ganzin; gebd. ME. 12.50.
Urteil.
Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906.
Was in Auge beiden Heften an Kommentierungskunſt geboten wird, läßt erwarten, daß der
Verfaſſer feine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweifig zu fein, N t unter
fteter und vollſtändiger Berückſichtigung der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis⸗
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗
11 5 eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der RGB. erſchloſſen
Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte 2 5
erne
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeb hien:
oeben erschien DR HANS GROSS,
O. O. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ.
HANDDUCR FÜR UNTERSUCHUNGSRICHTER
SYSTEM DER KRIMINALISTIK
5., umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text.
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wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet.
Aus Urteilen über die 4. Auflage:
Zentralblatt für Rechtswissenschaft. XXIV I.
— — — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. — — Appelius.
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189.
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — —
Fr. Keidel,
K. Landgerichtsrat in München.
Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften.
2. vollſtändig umgearbeitete Auflage.
gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60.
Deutſche Inriſtenzeitung 1908 Nr. 5. . .. Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laſſen,
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des
Geſetzes unter ſich und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche
Anordnung der Anmerkungen.
Vermöge ſeiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen.
8 Oberſtͤ R. Pfannſchmidt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
II. Jahrg. Inhalt der Nummer 4 (80 Spalten):
Abhandlungen: Kisskalt, Rechtsanwalt in München, Die Vollstreckbarkeit
Breit, Dr. James, Rechtsanwalt in Dresden, Inhaberscheck und kalifornischer Urteile in Deutschland.
Regressrechte. Ein Beitrag zum neuen Scheckrecht. Aus der Rechtsprechung:
Kleinrath, O., Rechtsanwalt in Hannover, Der Zwangsvergleich
zur Abwendung des Konkurses. l. Rechtssätze des Relchsgerichts.
Wertheimer, Dr. jur. Ludwig, Rechtsanwalt zu Frankfurt a. M., Il. Entscheidungen.
Die Zwangsvollstreckung in gewerbliche Schutzrechte. Reichsgericht.
Mitteilungen und Erörterungen: Oberlandesgerichte.
i . Landgerichte.
Rehm, Dr., Professor in Strassburg i. E., Reserveeinlagen und
statthafte Zuwenigabschreibung. III. Ausländische Rechtsprechung.
Wörner, Dr., Rechtsanwalt, Dozent der Versicherungswissenschaft
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Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50.
Bd. II, Ifg. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, 55 241—389, erl. von Prof. Dr. 8. Kuhlenbeck. 20 Bogen.
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Inhalt:
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Lieberich, Sandgerichtsrat in Münden, Das Geſetz betr. die Schägengeſellſchaften e ee a a 164
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Erl er, Dr. „ Landgerichtsrat in Hof, Zur Reform des Literatur kk 171
vatklageverfahrens (Schlußß)ß . . 159 Notizen:
W zwiſchen Deutſchland und Italien, be⸗
Mitteilungen aus der Praxis: treffend den Schutz an Werken der Literatur und
Friedländer, Dr., gandgerichts rat in Simburg a. /g. Zum ehren⸗ Kunſt und an Photographien, vom 9. Dezember 1907 172
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Mk. 7.50. (Ofg. 10 des Geſamtwerkes.)
Bd. V, Big. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
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Kommentar
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
von
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ſterium für Verkehrs angelegenheiten
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Aufgabe geſtellt, eine möglichſt erſchöpfende Darſtellung der Rechtsfragen und techniſchen
Probleme zu bieten, die das am 1. Januar 1908 in Kraft getretene neue Waſſergeſetz den
Vollzugsbehörden und Intereſſenten zu löſen gibt. Dr. Harſter vertritt die juriſtiſche Seite,
Dr. Caſſimir, der Verfaſſer der von der bayeriſchen Oberſten Baubehörde herausgegebenen
offiziellen Denkſchrift „Die Waſſerkräfte Bayerns“, die techniſche Seite des Geſetzes. Es
kommt alſo hier neben dem Juriſten zum erſten Male auch der Techniker zum Worte.
Gerade bei dieſem Geſetze mit ſeinem ſteten Ineinandergreifen der beiden Tätigkeitsgebiete
iſt ſeine Mitarbeit unentbehrlich. Die gemeinverſtändlichen, zum Teil durch Abbildungen
unterſtützten Erläuterungen ermöglichen auch dem Laien das Zurechtfinden in den techniſchen
Fragen, an denen er nicht vorübergehen kann. Die rechtlichen Ausführungen behandeln nach
dem bewährten Muſter Kahrs und Staubs lehrbuchartig jeden einzelnen Artikel des Geſetzes.
Für jeden, dem das Waſſerrecht theoretiſches oder praktiſches Intereſſe bietet, wird
der Kommentar eine Fundgrube ſein; für die mit dem Vollzuge des Geſetzes betrauten
Behörden wird er ein unentbehrliches Rüftzeug bilden.
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preis des Werkes wird etwa Mk. 16.— betragen.
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Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrg. Inhalt der Nummer 3 (80 Spalten):
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Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung | Voss, Amtsgerichtsrat a. D. in Stralsund, Die Unanfechtbar-
des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wett- keit sittlich gebotener Erfüllungsleistungen,
bewerbs vom 27. Mai 18%. Baumgarten, A., Referendar in Tübingen, Zum 8 70 KO,
Fuld, Dr., Justizrat in Mainz, Das Individualrecht an der Marcuse, Dr. jur. P., Berlin, Die Vollstreckbarkeit ameri-
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Sievekiag, Dr. Gustav, Rechtsanwalt in Hamburg, Seever- i
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Bd. V, Ofg. 1: Erbrecht, SS 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. J. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
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Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage.
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk.
Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗
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ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗
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Abhandlungen: Seite Seite
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Lieberich, Landgerichtzrat in München. Das Geſetz betr. die Schützengeſellſchafte n 164
F en eee vom 17. Fe⸗ 156 Aus der Praxis der Gerichte 164
tage Dr., Sandgerichtsrat in Hof, Zur Reform des Literat 171
vatklageverfahrens (Schlußßß .. . 159 Notizen:
nl, zwiſchen Deutſchland und Italien, be⸗
Mitteilungen aus der Praxis: treffend den Schutz an Werken der Literatur und
Friedländer, Dr., Sandgerichts rat in Simburg a. / L. Zum ehren⸗ Kun ſt and an Photographien, vom 9. Dezember 1907 172
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Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
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Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen.
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Regressrechte. Ein Beitrag zum neuen Scheckrecht.
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Die Zwangsvollstreckung in gewerbliche Schutzrechte.
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für das Deutſche Reich vom 30. Januar 1877. — Handausgabe mit Erläuterungen
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Das „Necht“ 1907 Nr. 23: Die neue Auflage bietet eine unermeßliche Fülle von Stoff zur Anwendung des Ge-
ſetzes auf allen bezüglichen Gebieten des Reichs⸗ und des bayeriſchen Landesrechts. Die Erläuterungen ſelbſt ver⸗
werten mit feinem Verſtändniſſe und erfahrenem Blicke bei ſcharfer Kürze die geſamte e enthalten
zahlreiche praktiſche Winke und bieten vielfach wertvolle Beiſpiele unter zuverläſſiger Anführung der Belegſtellen
aus den Zeitſchriften und Spruchſammlungen. Mit dieſen ſeltenen Vorzügen empfiehlt ſich das Buch ſelbſt jedem
Juriſten. Von ganz beſonderem Werte iſt das Werk für bayeriſche Verhältniſſe. Neumillers Handausgabe
bildet ein vollkommenes reichs⸗ und landesrechtliches Nachſchlagewerk, das, wie kein einziger Kommentar, allen
innerhalb und außerhalb des Sitzungsſaales auftretenden Bedürfniſſen der bayeriſchen Praxis mit kundigem Blicke
Rechnung trägt, und für jeden bayeriſchen Zivilprozeßpraktiker * iſt. 8
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(Oberlandesgerichtsrat
Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende Novelle z. ZPO. u. z. 696. Geſetz geworden ift, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung
der neuen Beſtimmungen — in Form einer Zettelausgabe — erſcheinen.
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zu den durch die Min Bek. vom 11. N 1900 an⸗
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Soeben erſchien:
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Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Landgerichtsrat in Limburg a /I. | Rechtsanwalt in München.
— 8° (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk...
Juriſtiſche Wschenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem orarie Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem 15
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wie
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
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Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
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auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
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Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen.
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Kriminalbeamte.
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Bisher gab es keine Erläuterung des StGB., die
ſich direkt und allein den Zwecken des nicht akademiſch
gebildeten Polizeibeamten dienſtbar machte. Die vor⸗
liegende Handausgabe ſoll dieſe Lücke ausfüllen. Sie
bringt in knapper, aber doch bis zum vollen Verſtändnis
durchgeführter Form alles das was die genannten Be⸗
amten brauchen, um, auf ſich allein angewieſen, ihrem
Berufe mit der nötigen Geſetzeskenntnis ausgerüſtet nad
gehen zu können.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) Nünchen.
Fr. Keidel,
K. Landgerichtsrat in München.
Geſetz über die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften.
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Deutſche Juriſtenzeitung 1908 Nr. 5. ... Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laſſen,
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des
Geſetzes unter ſich und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche
Anordnung der Anmerkungen.
Vermöge ſeiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen.
OberſtscR. Pfannſchmidt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Reichs⸗Erbſchaftsſteuergeſetz
vom 3. Juni 1906
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern,
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig.
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Dr. F. W. N. Zimmermaun
Geh. Finanzrat in Braunſchweig.
80. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München |
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Kommentar zum
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907
von
Dr. Theodor Harſter is Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
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Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text.
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Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren
Frage wird er zu Nate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ftete Berückſichtigung der bisherigen
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Rechtſprechung, ſowie die üb erſichtliche
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent⸗
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert.
wir bitten die Beſprechung auf Seite 171 der nummer 8 zu beachten!!
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Vom 31. März 1873 in der Faſſung der Bekannt⸗
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Dr. L. Kuhlenbeck; Spez. Teil (88 433 — 534) erläutert von K. Kober.
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Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—.
Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50.
37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—.
Erbrecht, 58 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur sellier) München
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A
Inhalt:
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| der Vaterſchaft durch den unehelichen Vater und
Binder, Dry IT. 2004 aa Bur Auslegung ber 193 | die Verträge über die Zahlung des Unterhalts. 202
Rranfe, Landrichter in Altenburg, Der Beſchluß über die
e ee bei real konkurrierenden Straf⸗ 157
taten
Michel, Dr., rechtst. Bürgermelſter in Landsberg a. 8. Zum Bes
griffe des „Arbeiters“ im Sinne des Gewu BVG. 202
Maher, Amterichter in München. Die nagtragliche čin- | Aus der Praxis der Gerichte . . 203
tragung der Goldklauſel 199 | Literature s a a ea 211
Mitteilungen aus der e Notizen:
Steinharter, Dr., Rechtsanwalt in München, Die Protokolle | Die juriftifchen Sn der en. N
i
des Vormundſchaftsgerichts über die Anerkennung Preußen 212
Alsbald nach Verkündung des Geſetzes erſcheint:
Reichsgeſetz über den
Verſicherungs vertrag
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Vorſchriften des Handelsgeſetzbuches über die Seeverſicherung
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Dem bDerſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des re ens und feine Mitwirkung am Zuftande-
kommen des Era Beta e ee e laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und ee Seb alten: Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus 85 Sre fondern auf Grund von Beſtim⸗
mungen anderer 2a wie des BGB., HGB. und Priv., entſcheiden find. Die bisherige ver-
en tliche Rechtſprechung wird, ſoweit ſie nach se Kodifitation der bisher geſetzlich nicht geregelten
aterie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erſchien:
Kommentar zum
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907
von
Dr. Theodor Harſter REN Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrs angelegenheiten
Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text.
pup- 4, Lieferung (12 Bogen in gr. 8°.) Mk. 4.50.
== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Mk. 16.—. =
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Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Rechtfprechung, ſowie die üb erſichtliche
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rechts eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der REBO. erſchloſſen
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8°. IV, 219 S. Gebunden Mt. 2.50.
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ſich direkt und allein den Zwecken des nicht alademiſch
gebildeten Polizeibeamten dienſtbar machte. Die vor⸗
liegende Handausgabe ſoll dieſe Lücke ausfüllen. Sie
bringt in knapper, aber doch bis zum vollen Verſtändnis
durchgeführter Form alles das was die genannten Be⸗
amten brauchen, um, auf RA allein angewieſen, ihrem
Berufe mit der nötigen Geſetzeskenntnis ausgerüſtet nach⸗
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gr. 8°. VIII u. 102 Seiten. Kartoniert Mk. 2.80.
Die Handhabung des Forſtrügeverfahrens bietet
den damit befaßten Behörden nicht ſelten erhebliche
Schwierigkeiten, weil das bayer. Forſtrügerecht viele
Beſtimmungen enthält, die aus einer längſt 1 ar
Strafprozeßgeſetzgebung hervorgegangen find. Das
Forſtgeſetz iſt 190 dem in die Praxis tretenden Richter
zumeiſt fremd. Die Einarbeitung wurde dadurch er⸗
ſchwert, daß eine zuſammenhängende Darſtellung des
jetzt 9 bayer. Forſtrügerechts bisher gefehlt hat.
ieſe Lücke ſoll das vorliegende Werkchen ausfüllen.
Es ſoll den Gerichten und Forſtämtern ein zuverläſſiger
Wegweiſer ſein, der durch ſyſtematiſche F andlung,
die ſtets auf den Zuſammenhang der landesrechtlichen
Vorſchriften mit den Normen des ordentlichen Straf⸗
prozeſſes hinweiſt, die Anwendung der einſchlägigen
Beſtimmungen in der Praxis weſentlich erleichtert.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Fr. Keidel,
K. Landgerichtsrat in München.
Geſetz über die Angelegenheiten der frei. Gerichtsbarkeit
v. 17. Mai 1898 mit beſonderer Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗Vorſchriften.
2. vollftändig umgearbeitete Auflage.
gr. 8°. VIII, 436 Seiten. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.60.
Deutſche Inriſtenzeitung 1908 Nr. 5. . .. Das Werk, das Rechtſprechung und Literatur mit zuverläſſigen
Zitaten erſchöpfend verwertet, ohne dabei die ſelbſtändige Auffaſſung des Verfaſſers zurücktreten zu laffen,
empfiehlt ſich durch klare Darſtellung, insbeſondere auch des Zuſammenhangs der einzelnen Vorſchriften des
Geſetzes unter ſich und mit den materiell⸗rechtlichen Normen der Reichsgeſetze, ebenſo wie durch die überſichtliche
Anordnung der Anmerkungen.
Bermöge feiner Beſtimmung, in erſter Linie den bayeriſchen Juriſten zu dienen, verweiſt es, wenn
nötig, in geſonderten Noten auf die von dieſem zu beachtenden landesrechtlichen Ausführungsbeſtimmungen.
OberfiLENR. Pfannſchmidt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Soeben erſchien:
Kommentar
nechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Tandgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München.
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Juriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem farien
juriſtiſchen kritiſchen Geifte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das
auch unfer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
Partei, ſondern Diener des Rechtes fein zu müſſen.
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Soeben erſchien die 15. Lieferung
der 3. / 4. neu bearbeiteten Auflage von
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Bd. II, Lg. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen.
Mk. 7.50. (fg. 10 des Geſamtwerkes.)
Bd. V, Lg. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
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Abhandlungen: Seite Doſenheimer, Amtsrichter in Zudwigsbafen a. Rh., Ein Bor-
Nitzman, Dr., n. Staatsanwalt in Ansbach, Die 10 8578 ſchlag zur Aufhebung des § 75 des Br
Forſtgeſetz⸗Novelle vom 26. Februar 1908 213 verfaſſungsgeſetzeees 219
Benſchab, Bankdirettor in München, Die Aufnahme von Aus der Praxis der Gerichte e.’ 220
ypothekdarlehen als ers für une Aus der Praxis des bayer. V emule ngs-
ablöfungsfummen . . 215 gerihtshofs . 230
Mayer, Amtsrichter in München, Die nachträgliche tim Aus der Praxis des Reigsmititärgeriğts 231
tragung der Goldklauſel (Fortfegung) . - 216 Literatur 232
i , Notizen:
Mitteilungen aus der Praxis: Verordnung über Apothekerkammern 232
Maenner, Reichsgerichts rat in a. 8 64 Dr u er der en > Raufmannsgerichte
anwaltsordnung . : 219 für 232
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O. G. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ.
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SYSTEM DER KHIMINALISTIK
S. umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text.
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—.
Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet.
Aus Urteilen über die 4. Auflage:
Zentralblatt für Rechts wissenschaft. XXIV 1.
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bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. — — Appelius.
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189.
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — —
Die soeben erschienene Nr. Nr. 2 des Il. Jahrg. von
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Dr. Ernſt Müller. Meiningen,
K. Landgerichtsrat, Reichstags und Landtagsabgeordneter,
Urheberrecht an Werken der bildenden Künſte
und der Photographie
Geſetz vom 9. Januar 1907.
(2. Band des deutſchen „Arheber⸗ und Verlagsrechts“.)
8e. VIII, 332 Seiten. Preis broſch. Mt. 5.50, geb. Mk. 6.50.
Pe De — — — —
Der erſte Band dieſes Kommentars, der im Jahre 1901 ausgegeben wurde und das literariſche und
muſikaliſche Urheberrecht ſowie das Verlagsgeſetz enthält, fand bei der geſamten wiſſenſchaftlichen Kritik die
beſte Aufnahme und ausnahmslos die günſtigſte Beurteilung. Der Verfaſſer, Mitglied der Reichstagskommiſſion
und deren Berichterſtatter für das Plenum, iſt wie kein Anderer dazu berufen, die Auslegung des ebenfo
intereſſanten wie ſchwierigen Geſetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künfte
und der Photographie, der zukünftigen Rechtsgrundlage deutſchen Kunſtſchaffens, allen Beteiligten, d. h.
in dieſem Falle der ganzen deutſchen Nation, zu vermitteln. Die beiden Bände ſind auch einzeln zu beziehen.
yf
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J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
*
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8°. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—. '
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Soeben erſchien die 15. Lieferung
der 8. / 4. neu bearbeiteten Auflage von
Staudiugers Kommentar im BGB.
Inhalt:
Band. II, Lieferung 2: Recht der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (88 390—432) erläutert von
Dr. L. Kuhlenbeck; Spez. Teil (88 433 — 534) erläutert von K. Kober.
Preis broſchiert Mk. 8.50.
Ferner liegen vor: | |
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—.
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50.
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—.
Bd. II, Lig. 1: Recht der Schuldverhältniſſe, SS 241—389, erl. von Prof. Dr. L. Kuhlenbeck. 20 Bogen.
Mk. 7.50. (OIfg. 10 des Geſamtwerkes.)
Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, SS 1922—1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
(Big. 12 des Geſamtwerkes.)
Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Celier) München
An k auf J. Schweitzer Sortiment (Arthur Sellier)
Buchhandlung, Antiquariat und Leihinstitut
juristischer für Rechts- und Staats wissenschaften
Bibliotheken u. einzelner Werke München, Lenbachplatz 1, nächst dem Justizpalast
Soeben erſchien vollſtändig:
Kommentar m Baneriichen Notariatsgeſetze
vom 9. Juni 1899
von Heinrich Kaiſenberg, nach vefen Tode fortgeführt von Dr. Wilhelm Dennler,
weil. K. Juſtizrat und Notar in München K. Notar in Lauf.
gr. 8. VIII u. 493 Seiten. Preis broh. Mk. 10.50, gebd. in Halbfranz Mk. 13.—.
|
Urteil:
Mit dem Kaiſenberg'ſchen Kommentar liegt ein außerordentlich wertvolles, klares und praktiſch verwendbares
Werk vor, welches die Intereſſenten auf keine Frage ohne Antwort läßt. Durch die Beifügung eines ungemein ſorg⸗
fältigen und erſchöpfenden alphabetiſchen Regiſters iſt die Verwendbarkeit des Buches noch erheblich geſteigert worden.
Als Anhang ift dem Kommentar die Geſchäftsordnung für die Notariate vom 24. Dezbr. 1899 beigegeben und durch
kurze Hinweiſe auf andere einſchlägige Vorſchriften ſowie auf Ergebniſſe der Rechtſprechung und der Rechtslehre iſt
der Wert des Anhangs erhöht worden. In einem Nachtrag ſind auch die Aenderungen und Neuerungen, welche
bezüglich der in den erſten drei Lieferungen enthaltenen Artikel ſich ergeben haben, dargeſtellt.
| Fränk. Kurier 1907 Nr. 257 vom 22./ V. 1907.
3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Vor kurzem it vollſtändig geworden:
Hans Kößler
Kgl. landgerichtl. Ober⸗Sekretär in München
Hand buch für die Praxis bei den Gerichten
und für den Anwalts: und Notariatsdienſt.
Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erlänterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. minik.
Entſchlietzungen bearbeitet
Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage.
8. VIO u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk.
U
Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab-
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung.
3. Schweitzer Verlag Arthur Sellier) München
Alsbald nach Verkündung des Geſetzes erſcheint:
Reichsgeſetz über den
Verſicherungsvertrag
mit dem Einführungsgeſetz und dem Gef. betr. Abänderung der
Vorſchriften des Handelsgeſetzbuches über die Seeverſicherung
erläutert von
Dr. jur. h. c. J. A. Zehnter,
Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
8°, Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50.
Dem Derfiherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen $
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſi e een und ſeine Mitwirkung am Zu $
kommen des D e laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und Ben gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze 15 auf Grund von Beſtim ·
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver-
ſi . Rechtſprechung wird, ſoweit fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten
aterie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt.
| J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
|
Ti \ 9 JUL 6 1908
Jeilſchrift für Rechtspflege
Verlag von
Soeben erſchienen die 16. und 12. Lieferung
der 8. / 4. neubearbeiteten Auflage von
Staudiugers Kommentar m BGB.
Inhalt:
Band V, Lieferung 2: Erbrecht (88 1975—2054) erläutert von Dr. F. Herzfelder. Preis Mk. 4.—.
Band. II, Lieferung 3: Recht der Schuldverhältniſſe. Spezieller Teil (88 535— 645) er:
läutert von K. Kober. Preis Mk. 7.50.
Ferner liegen vor:
Band I: Allgemeiner Teil. Broſch. Mk. 17.50. Gebd. in Halbfrz. Mk. 20.—.
Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50.
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—.
Bd. II, Ofg. 1 u. 2: . der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (SS 241—432) erläutert von Dr. L. Kuhlenbeck;
Spez. Teil (88 433 — 534) erläutert von K. Kober. Preis broſchiert Mk. 16.—. (Ifg. 10 und 15
des Geſamtwerkes.)
Bd. V, Lig. 1: Erbrecht, SS 1922 — 1974, erl. von Rechtsanwalt Dr. F. Herzfelder. 10 Bogen. Mk. 4.—.
(fg. 12 des Gefamtwerkes.)
Der Preis des Geſamtwerkes wird etwa Mk. 150.— betragen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur celier) München
r. 12. Münden, den 15. Juni 1908. 4. Jahrg.
Herausgegeben von
€h. von der Pfordten in a J. Sch ge Yertas
K. Landgerichtsrat Arthur
in Dan in Münden, Lenbachplatz 1.
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Boſtanſtalt (Boſtzeltungsliſte für Bayern Nr. N Bee elage mag ereinkunft.
Inhalt:
; Geite
Abhandlungen: Seite Mitteilungen aus der Praxis:
Kahn, Dr., Juftisrat, Rechtsanwalt und Syndikus der Handels⸗ Stummer, Landgerichts rat in München. Ablehnung eines
und Gewerbetammer für 1 Die Börſengeſetz⸗ Geſchworenen während der Hauptverhandlung 244
novele vom 8. Mai 1989. 233 Bendix, Juſtizrat in Breslau, Aufrechnung mit einer Wechſel⸗
Doerr, Dr., Amtsrichter und Privatdozent in München, Wir⸗ geld forderung 244
kungen einheitlicher Verbrechen im Strafrecht und Aus der Praxis der Ger iche 245
Strafprozess 238 Literatur 252
Mayer, umtarichter in München, Die nachtraͤgliche Su Notizen:
tragung der Goldklauſel (Fortfegung) . . 242 Die Auslieferung an Un gam 252
Soeben erſchien:
Kommentar
Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Tandgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in Münden.
== 8° (VII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.
nriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen
Vorbilde folgend, ift das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen.
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Bor kurzem erſchien:
Dr. jur. A. Schlecht
Das
Recht der Elektrizität.
Gr. 85. VIII und 174 Seiten.
In eleg. Ganzleinen geb. Mk. 4.20.
Ein einheitliches Elektrizitätsrecht beſitzen wir in
Deutſchland noch nicht. Es exiſtieren nur, zerſtreut in
den verſchiedenen Rechtsgebieten, einzelne Geſetzesbe⸗
ſtimmungen, die das Recht der Elektrizität notdürftig
regeln. Was hiervon allgemeine Geltung hat, iſt in
vorliegendem Buche zum erſtenmal überſichtlich zu⸗
ſammengeſtellt und erläutert. Bei der immer ſtei⸗
genden Bedeutung, die der elektriſchen Kraft im deutſchen
Wirtſchaftsleben zukommt, iſt die Kenntnis des für ſie
geltenden Rechts unentbehrlich.
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mit dem Einführungsgeſetz
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Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50.
Dem Derfiherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungsweſens und ſeine 1 am Zuſtande ;
0
kommen des Verſicherungsvertragsgeſetzes laffen den Verfaſſer zu deffen Kommentierung als
erſcheinen. Die Erläuterungen find präzis und überfi
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht un
nders berufen
gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen
ar aus dem Geſetze, ſondern auf Grund von Beftim-
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver-
ſicherungsrechtliche Rechtſprechung wird, joti fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten
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1900 nicht mehr. Die veröffentlichten 9 Jahrgänge
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der für die ganze Serie im Abonnement Mk. 90.—
betrug, bedeutend herabgesetzt. Solange die zum Teil
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Demnächſt erſcheint in 2. verbeſſerter Auflage:
Der dienſtliche Derfehr und die Amtsſprache.
Auf der Grundlage der Bekanntmachung der Sivil⸗Staatsminiſterien vom 28. April 1901
unter beſonderer Berückſichtigung des dienstes bei den Juſtizbehörden.
Bon Th. von der Pfordten,
Kgl. Sandgerichtsrat in München.
8ů. Preis kartonniert ca. Mk. 1.80.
Die 1. Auflage dieſes Werkchens war ſchon kurze Zeit nach dem Erſcheinen vollſtändig vergriffen.
In der jetzt vorliegenden neuen Auflage ſind verſchiedene Abſchnitte weſentlich erweitert worden, ganz
neu ſind darin die Bekanntmachungen über die Entlaſtung der Richter von Schreibarbeit und über die
Abfaſſung der Urteile.
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Demnächſt wird erſcheinen:
Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten.
Erläutert von
Dr. E. Müller⸗ Meiningen Dr. Georg Schmid
Landgerichtsrat in München, und RNegierungsaſſeſſor in Stuttgart.
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, 8
Landtags abgeordneter für Hof.
— 8° ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5.— —
Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und politiſchen
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meinigen, verdankt das Geſetz ſein Zuſtandekommen und ſeine
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen.
dae e mit Regierungsaſſeſſor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus-
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt.
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ur. 2. Mulchen, den 1. Juli 1908. | 4. Jahrg.
Zeitschrift für Rechtspflege
Herausgegeben von + 45 1 1 i
Sh. von der Pfordten f | Schmeiker erlag
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Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
i sgebühr ES Pfg. für die halbgeſpaltene Wetitzelle
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Die Zeliſchelft erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis ehr
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Bonanſtalt oſtzettungsliſte für Bayern Nr. 974).
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Abiturienten eines Realgymnaſiums oder einer un erei pi Sinne des e 66
Oberrealſchule zur juriſtiſchen Laufbahn. — Die 858 E T
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für die Gegenwart. — Geſetz und Rechtspflege. 253 mit 8 240 StB. rechtlich konkurrieren?) . 267
Obermeyer, Dr., Juſtizrat, Nechtsanwalt in München, Die Aus d 18 iche 2287
Waſſerbenützungsrechte an öffentl. Flüſſen und an | BE DER RER ES RN
den im Eigentum des Staates oder Dritter F Aus der Praxis des en .
den Privatflüſſen 259 gerihtshofs . . 275
Maher, Amtsrichter in München, Die nasteäglige Ein.
tragung der Goldklauſel (Schluß) 2622 Site ratur 27
Mitteilungen aus der Praxis: „
»Schmid, Landgerichtsrat in München, Zur n des ie Haftung für ae De ee ee AÀ
8 115 StPO. . . 264 Vogel utzgeſez e
Demnächſt erſcheint in 2. verbeſſerter Auflage:
Der dienftliche Verkehr und die Amtsſprache.
Auf der Grundlage der Bekanntmachung der Sivil⸗Staatsminiſterien vom 28. April 1001
unter beſonderer Berückſichtigung des Dienſtes bei den Juſtizbehörden.
Von Th. von der Pfordten,
Kgl. Landgerichtsrat in München.
Preis kartonniert ca. Mk. 1.80.
Die 1. Auflage dieſes 8 war fon kurze Zeit nach dem Erſcheinen vollſtändig vergriffen.
n der jetzt vorliegenden neuen Auflage ſind verſchiedene Abſchnitte weſentlich erweitert worden, neu einge⸗
J
fügt find die Bekanntmachungen über die Entlaſtung der Richter von Schreibarbeit und über die Abfaſſung der Urteile.
Aus dem Vorwort:
Dieſes Büchlein ſoll zunächſt als Leitfaden für den Rechtspraktikanten dienen und ihm das Verſtändnis
für die Formen vermitteln, in denen iH heutzutage 15 ſchriftliche Amtsverkehr bei den Behörden abſpielt.
Es verfolgt aber noch einen weiteren Zweck. Es iſt höchſte Se daß die Behörden mit den alten
ſchwerfälligen Formen aufräumen, die ſie vor dem Inkrafttreten der Bekanntmachung vom 28. April 1901 an⸗
wendeten und von deren Gebrauch ſie ſich leider immer noch nicht entwöhnen können. Es muß ſich allmählich
die Erkenntnis durchringen, daß das Maß der Arbeitsleiſtung nicht nach dem Volumen und dem Gewichte des
vollge 1 Papiers bemeſſen werden kann. Und ebenſo dringend notwendig iſt es, daß die Behörden
endlich wieder zu einem natürlichen Sprachgebrauche zurückkehren und das papierene Juri tendeutſch ablegen.
Darum will dieſe Schrift die jungen Juriſten zur Aufmerkſamkeit anſpornen und verhüten, daß ſie aus
Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit den herkömmlichen Schlendrian mitmachen. Sie wendet ſich aber auch an
die älteren Praktiker, die im Drange der Dienſtgeſchäfte nur allzu leicht die Bedeutung eines ſprachlich
richtigen und lebendigen Ausdrucks vergeſſen.
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Kommentar zum
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907
von
Dr. Theodor Harſter er Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrs angelegenheiten
Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text.
4. Lieferung (12 Bogen in gr. 8°.) Mk. 4.50.
Die Schlußlieferung wird in allernächſter Zeit erſcheinen.
== Preis des vollſtändigen Werkes ca. Mk. 16.— =
Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren
Frage wird er zu Rate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ſtete Berückſichtigung der bisherigen
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Rechtſprechung, ſowie die üb erſichtliche
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent-
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert.
Das Sachenrecht
nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der Grundbuchordnung für das Deutſche Reich
2. neubearbeitete Auflage des „Rechts der Grundſtücke“ ===
Von
Karl Maenner,
Neichsgerichtsrat.
Gr. 8°. XII und 547 Seiten. 1906. Eleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—.
Yurift. Literaturblatt 1906 Nr. 4: Wer ſich über das Sachen⸗ und Llegenſchaftsrecht des geltenden Rechtes nach dem beutigen 1
der Rechtſprechung und des Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich das Studium dieſer ſyſtematiſchen
ſtellung. Dr. Ober neck.
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der in Zweifelsfällen raſche Orientierung wünſcht, ſoll
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Das bürgerliche Recht
des Deutſchen Reich
Syſtematiſch dargeſtellt und durch Beiſpiele erläutert
— 2, vollſtändig umgearbeitete Auflage
arbeiten. Der Zweck des Werkes, das bürgerliche
Recht ſpeziell für die Bedürfniſſe des Praktikers dar⸗
zuſtellen, iſt durch die ee tliche Stoffanordnung,
durch umfaſſende Berückſichtigung der Literatur und
Rechtſprechung, eingehende Sach⸗ und Quellenregiſter
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Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne.
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Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen,
Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text
Deutsche Ausgabe
bearbeitet und erweitert
von
Dr. iur. Hans Schneickert
Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin.
8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50.
Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll-
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine
im „Portrait parié“ dargestellte Signalementslehre
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei-
technik.
Niemand wird bestreiten, dass die Personen-
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei-
beamte auch weiss, auf was es bei Personen-
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es
ihm doch an einer systematischen Schulung auf
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis
heute noch keine Signalementslehre und begnügen
uns mit blossen Traditionen.
Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait
Runter dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und
ukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen-
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet.
Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat,
fügt der eigentlichen Signalementsiehre noch ein
wichtiges Kapitel über ‚dentitätetentstellungen ohne
Signalement bei.
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Band III: Sachenrecht. Broſch. Mk. 24.—. Gebd. in Halbfrz. Mk. 26.50.
Band IV: Familienrecht. 2 Teile. Broſch. Mk. 37.—. Geb. in Halbfrz. Mk. 42.—.
Bd. II, Ofg. 1 u. 2: Necht der Schuldverhältniſſe. Allg. Teil (SS 241—432) erläutert von Dr. L. Kuhlenbeck;
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Rechtsanwaltsordnung
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Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Tandgerichtsrat in Limburg a / T. " Rechtsanwalt in München.
8. (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.
Juriſtiſche e 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens en nu
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
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Eckert, Amtsrichter in Nürnberg, Schenkung aus dem Ges e ze ee Re ae
Mitteilungen aus der Praxis: g betr
Schneickert, Dr. jur., Kriminalkommiſſar in Berlin, Zufalls⸗ „ 50. 20 1006 s : = „ 295
oder Geſchicklichkeitsſpien; > 2 2 22284 Maß⸗ und Ge er chtsordnung 296
Tuma, Nechtspraktikant in Paſſau, Das Eigentum an öffent- e en eee en
lichen Gewäſſern ...... 286 Deutſcher Juriſtentgagagaag agg 296
Die Nummern 15 und 16 werden mit Kückſicht auf die Gerichtsferien zu einer
Doppelunmmer vereinigt, die am 10. Auguft erſcheinen wird.
Soeben erſchien in 2. verbeſſerter Auflage:
Der dienſtliche Derkehr und die Amtsſprache.
Auf der Grundlage der Bekanntmachung der Zivil:Staatsminifterien vom 28. April 1901
unter beſonderer Berückſichtigung des dienſtes bei den Juſtizbehörden.
Von Th. von der Pfordten,
Kgl. Landgerichtsrat in München.
8. Preis kartonniert Mk. 1.80.
Die 1. Auflage dieſes Werkchens war ſchon kurze Zeit nach dem Erſcheinen vollſtändig vergriffen.
In der jetzt vorliegenden neuen Auflage ſind verſchiedene Abſchnitte weſentlich erweitert worden, neu einge⸗
fügt ſind die Bekanntmachungen über die Entlaſtung der Richter von Schreibarbeit und über die Abfaſſung der Urteile.
Aus dem Vorwort:
Dieſes Büchlein ſoll zunächſt als Leitfaden für den Rechtspraktikanten dienen und ihm das Verſtändnis
für die Formen vermitteln, in denen ſich heutzutage der ſchriftliche Amtsverkehr bei den Behörden abſpielt.
Es verfolgt aber noch einen weiteren Zweck. Es iſt höchſte Zeit, daß die Behörden mit den alten
ſchwerfälligen Formen aufräumen, die ſie vor dem Inkrafttreten der Bekanntmachung vom 28. April 1901 an⸗
wendeten und von deren Gebrauch ſie ſich leider immer noch nicht entwöhnen können. Es muß ſich allmählich
die Erkenntnis durchringen, daß das Maß der Arbeitsleiſtung nicht nach dem Volumen und dem Gewichte des
e Papiers bemeſſen werden kann. Und ebenſo dringend notwendig iſt es, daß die Behörden
endlich wieder zu einem natürlichen Sprachgebrauche zurückkehren und das papierene Juriſtendeutſch ablegen.
Darum will dieſe Schrift die jungen Juriſten zur Aufmerkſamkeit anſpornen und verhüten, daß ſie aus
Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit den herkömmlichen Schlendrian mitmachen. Sie wendet ſich aber auch an
die älteren Praktiker, die im Drange der Dienſtgeſchäfte nur allzu leicht die Bedeutung eines ſprachlich
richtigen und lebendigen Ausdrucks vergeſſen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erſchien:
Kommentar l
Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Tandgerichtsrat in Limburg a / T. Rechtsanwalt in München.
8. (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.
uriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das
auch unſer ganzer Stand ſtolz ſein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Dr. A. Groſch,
I. Staatsanwalt.
Strafgeſetzbuch
für das Deutſche Reid.
Zum Gebrauch für Polizei⸗, Sicherheits⸗ und
Krimiualbeamte.
8°. IV, 219 Seiten. Gebunden Ml. 2.50.
Empfohlen im Amtsblatte der gl. Staatsminiſterien
des Königlichen Hauſes und des Aenßern und des
Innern in Nr. 9 vom 7. Mai 1908 S. 240:
„Das Buch ift ausſchließlich für die Zwecke der
„Vollzugsbeamten geſchrieben und eignet ſich daher
„aang beſenders zur Anſchaffung für Polizei“
„Sicherheits⸗ und Kriminalbeamte.“
3. Schweiger Verlag (Arthur Celier) Rinden.
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In Wiſſenſchaft und Praxis erfreut ſich ımein-
geſchränkter Anerkennung:
Steiner A., Rgl Amisriöter,
Geſetz über die
Jpangsperſteigerung und
die Zwangsverwaltung
vom 24. März 1897
unter beſonderer Berückſichtigung des bayerifchen Aus-
führungsgeſetzes und der einſchlägigen Vollzugsvor⸗
ſchriften nebſt Anhang. enthaltend: Beispiele und ge⸗
bührenxechtliche Beſtimmungen.
gr. 8°. VIII und 482 Seiten.
Preis in Ganzleinen gebunden Mk. 9.80.
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Die
praxis der Iwangsverſteigerung
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Ein Bandbuch des verfahrens in der Swangs⸗
verſteigerung und Zwangsverwaltung.
gr. 8°. (VI und 110 Seiten.) Preis gebunden in Ganz
leinen Mk. 3.60.
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Das Buch bietet, nach dem gewöhnlichen Gang des
Verfahrens geordnet, die im e
fahren zu erlaſſenden Beſchlüſſe und Verfügungen in Fors
mularform. An jedes Formular laltreich ſich knapp ge⸗
haltene, aber außerordentlich inhaltreiche, die geſamte
bisherige Rechtſprechung und die Ausführungsgeſetze der
Bundesſtaaten berückſichtigende Anmerkungen. Das Buch
wird von der Praxis, der es weſentliche Dienſte leiſtet,
freudig begrüßt werden.
J. Schweitzer Verlag (arthur celier München
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und die
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Bewerber um Anſtellung im höheren bayer.
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(geprüfte Rechtspraktikanten)
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Herausgegeben von
II. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg.
8°. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
„Association Berliner Schneider“
Friedrich Modler & Co., m str 20a
empfiehlt ihr Spezialgeschäft von Amts-
trachten für Justizbeamte zu ausser-
s gewöhnlich billigen Preisen.
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Für Richter und Rechtsanwälte von 25—40 Mk.
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Arnold, Dr. Anton, Rechtsanwalt in Nürnberg.
Die Aufſchlußpflicht von Vorſtand und
Aufſichtsrat gegenüber der Generalverſammlung
21 nen Aktienrecht. Gr. 8°. 80 S. Broſch.
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Landgerichtsrat in Limburg a / I. Rechtsanwalt in München.
8°. (VIII, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk.
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Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
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nwaltsordnung
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Empfohlen im Mmtöblatte ber Rgl. Staatminifterien unter befonberer Berüctjidhtigm
des Königlichen Hauſes und des Aeußern und des eſetzes und der einſchlägigen Bo or.
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Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne.
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Deutsche Ausgabe
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Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll-
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei-
technik.
Niemand wird bestreiten, dass die Personen-
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei-
beamte auch weiss, auf was es bei Personen-
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es
ihm doch an einer systematischen Schulung auf
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis
heute noch keine Signalementslehre und begnügen
uns mit blossen Traditionen.
Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen-
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet.
Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat,
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne
Signalement bei.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Neumillers
ZPO
2. Auflage
gebührt unter den Handausgaben der ZPO. die erste
Stelle
Der Stoff ist sehr geschickt angeordnet,
das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben.
(Prof. Or. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1907 Nr. 5)
8°. (All und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.—.
Sobald die zurzeit dem Reichstage vorliegende
Novelle zu ZPO. und GVG.
Gesetz geworden ist, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung
der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel-
S.
ausgabe — erscheinen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sollier) München.
Schwab, R. Amtsrichter in Schwabach.
Grundriß des
materiellen Liegenſchaftsrechts
des Bürgerlichen Geſetzbuchs
Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗
Gr. 80.
und Uebergangsvorſchriften.
(88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen
Mk. 2.80.
Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05.
Was das Buch ſein will, ein Wegweiſer in das neue
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe.
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materielle
Liegenſchaftsrecht unter Berückſichtigung des landesrecht⸗
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; ſie ermöglicht
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In⸗
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für den
bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An⸗
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Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
Inſertionsgebühr 80 Pfg. für die halbgeſpaltene e
oder deren Raum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanzelgen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
: Seite
MbbennTungen N | Aus der Praxis der . „ 305
Süter mann, Dr., U. Staatsanwalt in München, Die Feſt⸗ Literatur 322
ſtellung der Einſicht im Sinne des 8 56 StGB. ee e e e
vor der Hauptverhandlung. . . q . 2597 Notizen:
Bervier, Dr., Rechtsanwalt in Würzburg, Die rechtliche Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Aenderungen der Ge⸗
Natur der Kgl. privilegierten Schützengeſellſchaften 299 meindeordnungen und des Polizeiſtrafgeſetzbuchs betr. 323
Schanz, Dr., Amtsricbter in München, Die Vorpfändung Das Geſetz vom 16. Juni 1908, die Scheckproteſte betr. 323
von Buchhypothekforderungen rennen. 302 Das 9515 5 Juli 1908, den Vollzug des Vereins⸗ a
F geſetzes betr
Mitteilungen aus der Praxis: Das Geſetz vom 6. Juli 1908, die Abänderung des
Haber ſtumpf, Dr., . Staatsanwalt in München, Der Buhe- Titels VII 8 26 der Verfaſſungsurkunde betr. . 324
anſpruch der Ehefrau im Strafprozeſſe 304 | Die Bekanntgabe von Vorſtrafen der Angeklagten und
Michel, Dr., rehte. Bürgermelſter in Landsberg a. L., Zum Alen gen 324
Begriff des „Arbeiters“ im Sinne des Gewu. 304 Die Allerh. BO. vom 18. Juli 1908, die Kaminkehrer betr. 324
5 S chw eitzer's neuen bayer.
Beamtengeſetzes
mit Anhang Gehaltsordnung.
Textausgabe mit ausführlichem Sachregiſter.
kl. 8°. (ca. 14 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—.
Diefe Ausgabe wird ſich durch ihre praktiſche, überſichtliche Anlage, gute Aus⸗
ſtattung und billigen 1 auszeichnen und ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit
erwerben. Bei der Wichtigkeit der neuen Beſtimmungen iſt ihr Beſttz für
jeden Beamten unentbehrlich.
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und für den Anwalts: und Notariatsdienit.
Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt.
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Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage.
8°. VIII u. 989 Seiten. Preis gebd. 12.50 Mk.
Die in weiteſten Kreiſen längſt erwartete Neuherausgabe dieſes allbekannten und bewährten Handbuchs
wird gewiß willkommen ſein. Neben der ſelbſtverſtändlichen Umarbeitung nach dem neueſten Stande der Ge⸗
ſetzgebung weiſt die 3. Auflage eine weſentliche Vermehrung des gebotenen Stoffes auf. Während die Ab⸗
ſchnitte der „Streitigen Rechtspflege“ und des Konkursverfahrens der neuen Prozeß⸗ bzw. Konkursordnung
angegliedert wurden, erfuhr der Teil der „Nichtſtreitigen Gerichtsbarkeit“ eine ganz beſon⸗
dere Ausdehnung und Neugeſtaltung.
3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Vor kurzem erſchien die 3. Auflage von
Die vorſchriften über die
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2 9 O Prüfungen für den höheren
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bührt unter i Handausgaben der ZPO. die erste in SR
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das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben.
(Prof. Dr. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1007 Nr. 5)
Vorſchriften über die Praxis der geprüften
Bewerber um Anſtellung im höheren bayer.
Juftizdienft
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Mit e. Anhang enth. d. Studienpläne u. d. Promotions⸗
ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗
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Novelle zu ZPO. und GVG.
Gesetz geworden ist, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung
der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel-
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II. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg.
8. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80.
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J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang | (1907) eleg. in Ganzl. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 8 (80 Spalten):
Werner, Rechtsanwalt in Magdeburg, Prospekt für eigene
Aktien und Anleihen.
Düringer, Reichsgerichtsrat, Der 29. deutsche Juristentag.
Abhandlungen:
Hagens, Dr., Reichsgerichtsrat, Ist die in § 30 Abs. 3 Pat.
vorgesehene „Androhung der Zurücknahme“ eine mit
der Berufung anfechtbare Entscheidung?
Jacusiel, Dr. Max, in Berlin, Der Börsenterminhandel in Aus der Rechtsprechung:
Wertpapieren unter dem neuen Börsengesetz. I. Rechtssätze des Reichsgerichts
Josef, Dr. Eugen, Rechtsanwalt in Freiburg i. Br., Auflösend be-
dingte Versicherungsverträge und der nachträgliche | Il. Entscheidungen,
Wegfall des versicherten Interesses.
Reichsgericht.
Mitteilungen und Erörterungen: Oberlandesgerichte.
Levetzow, Dr., Rechtsanwalt in Berlin und Kurlbaum, Rechts- Landgerichte.
anwalt in Leipzig, Der Kostenerstattungsanspruch des
Qemeinschuldners. Zwei Beiträge zu $ 10 KO. Kurze Bücheranzeigen.
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Reichs⸗Erbſchaftsſteuergeſetz
vom 3. Juni 1906
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern,
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig.
Erläutert von
Dr. F. W. R. Zimmermann
Geh. Finanzrat in Braunſchweig.
8°. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. J
Oemnächſt erſcheint: .
Reichsgejeß über den
Verſicherungsvertrag
mit dem Einführungsgeſetz
erläutert von
Dr. jur. J. A. Zehnter,
Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50.
Dem berſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungs weſens und feine Mitwirkung am Zuftande-
kommen des De he laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, fondem auf Grund von Beſtim ⸗
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver-
ſicherungsrechtliche Rechtſprechung wird, ſoweit ſie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten
aterie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt.
IJ. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
— —— ¶ — nn nn nn
In kurzem erſcheint:
Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten.
Erläutert von
Dr. E. Müller- Meiningen Dr. Georg Schmid
Landgerichtsrat in München, und Regierungsaſſeſſor in Stuttgart.
Reichstagsabgeordneter für Meiningen,
Landtagsabgeordneter für Hof.
— 8° ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5.— —
Diefe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriftifden und politiſchen
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meinigen, verdankt das Geſetz ſein Zuſtandekommen und ſeine
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen.
Zuſammen mit Regierungsaffeffor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus-
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle
Bundesstaaten fortlaufend berückſichtigt.
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neider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Zuständigkeit, bei Anſprüchen eines im Wieder⸗
86 aufnahmeverfahren Frei
. geſprochenen 333
* das Reichsgeſetz über den Verſicherungsvertrag 325 Karpf, Rechtsprattikant in Nürnberg. Soll der Stantsanmalt
5 der = 15 ae einen beſtimmten Strafantrag ftellen? . . . 335
an, Febran ie esung nn Kae n ns 399 Aus der Praxis der n „ a 337
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Mitteilungen aus der Praxis: Roti
Jofel, Dr., Rechtsanwalt in Freiburg t. Br., Die Prüfungs Die deuſch⸗ belgische Uebereinkunft über den Schutz an
pflicht des Bormundfchaftsgerichts bei Genehmi⸗ Werken der Literatur und Kunſt und an Photo⸗
gung zweifelhafter Rechtsgeſchäfte und die Be⸗ graphien vom 16. Oktober 1907 (RG Bl. 1908 S. 405) 344
ſchwerde vor der Pflegſchaftsanordnung 331 Die neuen Vorſchriften für die gerichtlichen Leichen⸗
— Schülein, II. Staatsanwalt in Bayreuth, Zur Frage der | unter[unungen (Bel.vom7.Zulid.48..JMBL.S.152) 344
Die Nr. 18 und die folgenden Nummern werden eine größere Abhandlung über
— Das nene bayeriſche Beamtenrecht von Jofeph Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg
enthalten. Sie ſtellt den neuen Rechtszuſtand unter Vergleichung mit den bisher geltenden Geſetzen in ſyſte⸗
matiſcher Form eingehend dar und nimmt zu verſchiedenen zweifelhaften Fragen Stellung, die ſich bei der
Auslegung des neuen Geſetzes ergeben werden. Da größere Kommentare zum Beamtengeſetz vor dem Ende
des Jahres wohl nicht mehr erſcheinen werden, wird die Abhandlung vorausſichtlich für längere Zeit das
einzige wiſſenſchaftliche Hilfsmittel zur Einführung bilden.
Schweitzer's wg
Beamtengeſetzes
mit Anhang Gehaltsordnung.
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ſtattung und billigen a. auszeichnen und ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit
erwerben. Bei der Wichtigkeit der neuen Beſtimmungen iſt ihr Beſitz für
jeden Beamten unentbehrlich.
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J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Das Sachenrecht
nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der
Grundbuchordnung für das Deutſche Reich
2. neubearbeitete Auflage des „Rechts der Grundſtucke“.
Von
Karl Maenner,
Reichsgerichtsrat.
Gr. 8. XII und 547 Seiten. 1906.
Eleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—.
Juriſt. Literaturblatt 1906 Nr. 4:
Wer fi über das Sachen⸗ und Liegenſchaftsrecht des geltenden
Rechtes nach dem heutigen Stande der Rechtſprechung und des
Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich
das Studium dieſer ſyſtematiſchen Darſtellung.
Dr. Oberneck.
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Soeben erſchien:
Das Forſtrügeverfahren
im rechtsrheiniſchen Bayern.
Von J. Hümmer
Kgl. II. Staatsanwalt
gr. 8. VIII u. 102 Seiten. Kartoniert Mk. 2.80.
Die Handhabung des poama everfahrens bietet
den damit befaßten Behörden nicht felten erhebliche
Schwierigkeiten, weil das bayer. Forſtrügerecht viele
Beſtimmungen enthält, die aus einer längſt beſeitigten
Strafprozeßgeſetzgebung hervorgegangen find. Das
Forſtgeſetz ift auch dem in die Praxis tretenden Richter
zumeiſt fremd. Die Einarbeitung wurde dadurch er⸗
ſchwert, daß eine zuſammenhängende Darſtellung des
jetzt geltenden bayer. Forſtrügerechts bisher gefehlt hat.
Dieſe Lücke ſoll das vorliegende Werkchen ausfüllen.
Es fol den Gerichten und Forſtämtern ein zuverläſſiger
Wegweiſer ſein, der durch ſyſtematiſche Stoffbehandlung,
die ſtets auf den Zuſammenhang der landesrechtlichen
Vorſchriften mit den Normen des ordentlichen Straf⸗
prozeſſes hinweiſt, die Anwendung der einſchlägigen
Beſtimmungen in der Praxis weſentlich erleichtert.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Soeben erschien:
Signalementslehre
(System Alphonse Bertillon)
enthaltend
I. Das „gesprochene Porträt“ (Portrait parlé).
Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne.
II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement.
Von Dr. H. Schneickert.
Handbuch für
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen.
Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text
Deutsche Ausgabe
bearbeitet und erweitert
von
Dr. iur. Hans Schneickert
Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin.
8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50.
Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll-
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei-
technik.
Niemand wird bestreiten, dass die Personen-
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei-
beamte auch weiss, auf was es bei Personen-
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es
ihm doch an einer systematischen Schulung auf
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis
heute noch keine Signalementslehre und begnügen
uns mit blossen Traditionen.
Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen-
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet.
Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat,
fügt der eigentlichen Signalementsiehre noch ein
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne
Signalement bei,
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Empfohlen im Juſtizminiſterialblatt 1908 Nr. XII Seite 181.
Soeben wurde vollſtändig:
Kommentar zum
Bayeriſchen Waſſergeſetze
vom 23. März 1907
der VO. vom 1. Dezember 1907 und der Vollzugsbek. vom 3. Dezember 1907
von
Dr. Theodor Harſter nud Dr. Joſef Caſſimir
K. Bezirksamtsaſſeſſor in Kelheim K. Direktionsaſſeſſor im Staatsmini⸗
ſterium für Verkehrs angelegenheiten
Mit zahlreichen Illuſtrationen im Text.
XV und 922 Seiten.
Elegant in Ganzleinen gebunden Mk. 19.50.
Dieſes Werk wird der grundlegende Kommentar zum Waſſergeſetz. In jeder wichtigeren
Frage wird er zu Nate gezogen werden müſſen, aber auch mit Erfolg zu Rate gezogen
werden können. Die ſorgfältige Erläuterung und Darſtellung der zahlreichen techniſchen
Fragen (unter Beigabe zahlreicher Abbildungen), die ſtete Berückſichtigung der bisherigen
Rechtsverhältniſſe, der geſamten Literatur und Nechtſprechung, ſowie die überfichtliche
Einarbeitung der Vollzugsvorſchriften in die Kommentierung des eigent⸗
lichen Geſetzes verleiht dem Werke einen ganz beſonderen Wert.
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J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. J., Berlin W. 35.
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mit Einleitung, Anmerkungen und Sachreglſter A. Wermuth, Brendel,
dargeſtellt von von Unterſtaatsſekretär. eglerungzrat.
Juſtizrat Seorg Meyer Zweite, völlig ugubsarbeitste Auflage
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N Fragt des Patentamt. = E verbot des deutſchen Reichs und der
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In kurzem erſcheint:
Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten.
Erläutert von
Dr. E. Müller⸗Meiningen Dr. Georg Schmid
Landgerichtsrat in München, und Regierungsaſſeſſor in Stuttgart.
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, ö
Landtagsabgeordneter für Hof.
— 8°, ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5. — ——
Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und b h
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müͤller⸗Meinigen, verdankt das Geſetz fein Zuſtandekommen und ſeine
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen.
ammen mit Regierungsaſſeſſor Dr. Schmid⸗Stuttgart wird Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus⸗
gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
ey hen 21908
tir. 18. Miünchen. den 15. September 1908. | | J. I .Jahrg.
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Redaktion und Expedition: Münden, Lenbachplatz 1.
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Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15.
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Bokanfalt (Boftzeitungslifte für Bayern Ar. nn
Inhalt:
Abhandlungen: Seite eite
a Zahn, Rechtsanwalt in Straubing, Ein Ausnahmezuſtand
ee a a AR RENE Bauen: 345 bei der Entſcheidung gewerblicher Strelligkelten. 355
Schneider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Aus der Praxis der Gerichte 356
in das Reichsgeſetz über den Verſicherungsvertrag Notizen:
(Fortſetzunn ggg 350 n vor dem juriſtiſchen Studium 364
Die Stellung unter Polizeiaufſicht .. 364
Mitteilungen aus der Praxis: Das Fiſchereigeſetz für das Königreich Bayern . . 364
den der Pfordten, Landgerichtsrat in Münden, Anklage⸗ Die Koſten der Rechtshilfe bei der Vernehmung von
ſchriften und Eröffnungsbeſchlüſſs . .» 354 Sadverftändigen . . > 2 2 2 0 2 nn. 364
Schweitzer's uses: des
Beamtengeſetzes
Geſetz vom 16. Auguſt 1908
mit Anhang: Gehaltsordnung
und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats-
mäßigen Staatsbeamten.
Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem
Beamten⸗ und Sachregiſter.
kl. 8°. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—.
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ſtattung und billigen Preis aus und wird ſich dadurch bald allgemeine Beliebtheit
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Auf Grundlage der Reichsgeſete und Sachregiſter
vom 21. Juni 1869 und 29, März 1897 chul ch i
er Bivilprojeßorbuung S dre t Urſprünglich herausgegeben von
mit Einleitung, Anmerkungen und Sachreglſter A. Wermuth, . Brendel,
dargeſtellt von von Unterſtaatsſekretär. eglerungsrat.
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7. April 1891. j | ieferungs⸗
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rechtlichen Verträgen und Batentanwaltd« t
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g Praxis des Saas = R des Deutſchen Reichs und der
Bisher herausgegeben von des Bürgerlichen Geſetzbuchs. deutſchen Bundesſtaaten.
Profeſſor Dr. R. Stephan. Von
Siebente, völlig neubearbeitete Auflage
Text⸗Ausgabe mit Anmerkungen und
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Geh. Reg.-Rat im Kaiſerl. Pa RE, Privatdugent an der Univerfität Bonn. von Dr. jur. A. Cohn.
Taſchenformat. Geb. in ganz Leinen 2 Mk. 80 Pf. gr. 8. Preis 5 Mk. Taſchenformat. Gebunden in ganz Leinen 3 Mk.
In kurzem erſcheint:
Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
mit den Vollzugsvorſchriften der Bundesſtaaten.
Erläutert von
Dr. E. Müller⸗Meiningen Dr. Georg Schmid
Landgerichtsrat in München, und Negierungsaſſeſſor in Stuttgart.
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, |
Landtagsabgeordneter für Hof.
— 8° ca. 15 Bogen. In Leinen geb. ca. Mk. 5. ——
Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und es ke
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller-Meinigen, verdankt das Geſetz fein Zuſtandekommen und feine
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen.
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gabe ſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie werden deshalb für alle
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt. N |
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Redaktlon und Expedition: München, Lenbachplatz
eee eee 80 Pfg. für die halbgeſpaltene Peti
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Inhalt:
Abhandlungen: Selte
5 Zahn, Rechtsanwalt in Straubing, Ein Ausnahmezuſtand
e e e in 8 Das ee 345 bei der Entſcheidung gewerblicher Streitigkeiten.
Schneider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Aus der Praxis der Gerichte 5
in das Reichsgeſetz De den . Notizen:
(Fortſetzungh)d 350 Warming vor dem juriſtiſchen Studium
Die Stellung unter Polizeiaufſicht
Nitteilungen aus der Praxis: Das Fiſchereigeſetz für das Königreich Bayern
von der Pfordten, Landgerichtsrat in München, un Die Koſten der Rechtshilfe bei Der Vernehmung von
ſchriften und Eröffnungsbefhlüfe . . 354 Sachverſtändigen
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20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Schweitzer's sgte res
Beamtengeſetzes
Geſetz vom 16. Auguſt 1908
mit Anhang: Gehaltsordnung
und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats-
mäßigen Staatsbeamten.
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ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗
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arbeiten. Der Zweck des Werkes, das bürgerliche
Recht ſpeziell für die Bedürfniſſe des Praktikers dar⸗
zuſtellen, ift durch die überſichtliche Stoffanordnung,
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erreicht worden.
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für das Deutſche Reih
unter beſonderer Berückſichtigung des bayeriſchen Ausführungsgeſetzes und der einſchlägigen
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urteil. gr Seiten. Preis in Ganzin. gebd
Juriſt. Literaturblatt Bd. XVIII Nr. 5 vom 15. Mai 1906.
Was in dieſen beiden Heften an Kommentierungskunſt geboten wird, läßt erwarten, daß der
Verfaſſer ſeine Aufgabe in glänzender Weiſe löſen wird. Ohne weitſchweifig zu ſein, iſt unter
ſteter und vollſtändiger Berückſichtigung der Rechtſprechung und des Schrifttums in verhältnis⸗
mäßiger Kürze das Reichs⸗ und bayeriſche Landesgrundbuchrecht zur Darſtellung gebracht und mit
einer ſolchen Anſchaulichkeit, daß auch der nicht bayeriſche Juriſt in das Verſtändnis dieſes Landes⸗
rechts eingeführt und ihm dadurch eine weitere Quelle für die Auslegung der RGB. erſchloſſen
wird Dem bayeriſchen Praktiker darf das Werk auf das angelegentlichſte 5 MN
erned.
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Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer
Reichsgerichtsrat
Dr. E. Jaeger
Professor der Rechte in Leipzig
H. Könige
Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrgang.
Abhandlungen:
Hachenburg, Dr., Rechtsanwalt, Mannheim, Aus dem Rechte
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ill. Be-
dingung und Vorbehalt bei der Gründung einer Ge-
sellschaft mit beschränkter Haftung.
Schanze, Dr., Professor, Dresden, Geschmacksmustergesetz
und Kunstschutzgesetz.
Pollak, Dr. Rudolf,
verwalter.
Wertheimer, Dr. jur Ludw., Rechtsanwalt, Frankfurt a. M., Die
Ergebnisse des Leipziger Kongresses für gewerb-
lichen Rechtsschutz.
Professor, Wien, Laien als Konkurs-
Mitteilungen und Erörterungen:
Josef, Dr. Eugen, Rechtsanwalt, Freiburg i. Br., Die Haftpflicht-
versicherung verbundener Rechtsanwälte.
Müller, Dr., Gerichtsassessor, Göppingen, Die Wirkung der
Inhalt der Nummer 9 (80 Spalten):
heutigen exceptio rei venditae et traditae (8 986 BGB.)
im Konkurs.
Jaeger, E., Entgegnung.
Spiess, Landgerichtsrat, Halle a. S., Kann der Verkaufs-
kommissionär auf den Käufer Eigentum nach $ 930
BGB. (durch constitutum possessorium) übertragen.
Weissbart, Dr., Berlin, Sind in Preussen Verträge über die
im Reich hergestellten Erzeugnisse des Verkäufers
stempelpflichtig.
Aus der Rechtsprechung:
J. Rechtssätze des Reichsgerichts
II. Entscheidungen,
Reichsgericht.
Oberlandesgerichte.
Landgerichte.
Kurze Bücheranzeigen.
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Dr. Herm. Rehm,
Univ.-Prof. in Straßburg i. E.
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der Aktiengesellschaften und Gesellschaften m. b. H., Kommanditgesellschaften auf Aktien,
eingetragenen Genossenschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Hypotheken-
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oder deren Raum. Bel Wiederholungen Rabatt. Stellenanze Fe
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
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Abhandlungen: Seite Seite
Burlage, werdet in e Haſtenkſchädigung bei Be ee Tat en innat in die 5
ealkonkurreng 2
Altmann, Dr., Landrichter in Berlin, Zur Seftung der Bolt
Freilinger, 1. Staatsanwalt in Neben Das neue barer. ,
ſche Beamtenrecht (Fortſetzung ). 367 ſekretäre bei Einſchreibſendungen 76
Echneider, Oberlandesgerichtsrat in Stettin, Zur Einführung Aus der Praxis der Gerichte 378
in das Reichsgeſet a ben e ii aa ee 38A
(Schluß) 372 |
Notizen:
Mitteilungen aus der Praxis: Die neue lische eee en 6. . . 384
Freilinger, I. Staatsanwalt in Regensburg, Darf der Staats⸗ Heimatſchutz · . . 384
anwalt das Verfahren gegen den jugendlichen Errichtung neuer Bezirksämter „ e e e ee 3A
Soeben iſt erſchienen:
Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die
Viehgewährſehaft
nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899
Erläutert von
Chr. Meisner
Rechtsanwalt in Würzburg
2., vollſtändig umgearbeitete Auflage
8°. VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden mk. 4.—.
Seit Erſcheinen der 1. Auflage (1900) haben Wiſſenſchaft und Rechtſprechung auf Grund des neuen
bürgerlichen Rechts unabläſſig und erfolgreich auch am Ausbau der Beſtimmungen über die Viehgewähr⸗
Jaor gearbeitet. Eine vollſtändige Neugeſtaltung des Werkes war deshalb notwendig. Die vorliegende
Auflage bietet jetzt nicht nur die neueſte, ſondern wohl auch die umfaſſendſte Darſtellung des ſchwierigen
und an ſich unüberſichtlichen Rechtsſtoffes. Die Vertrautheit des Autors mit dem praktiſchen Leben zeigt
auch die neue Auflage.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
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DR. HANS GROSS,
O. G. PROFESSOR DES STRAFRECHTS AN DER KARL-FRANZENS-UNIVERSITÄT GRAZ.
HANDBUCH FÜR ÜNTERSUCHUNGSRIEHTER
SYSTEM DER KRIMINALISTIK
| ., umgearbeitete Auflage. Mit 138 Abbildungen im Text.
2 Teile. (XXIV u. 1053 Seiten.) Broschiert Mk. 18.—. Gebunden in Ganzleinen Mk. 20.—.
i Dieses grundlegende Werk, das fast in alle Kultursprachen übersetzt ist, gehört in die Hand eines
jeden, der mit Kriminalsachen zu tun hat. Die vorliegende 5. Auflage wurde wieder umgearbeitet und
wesentlich vermehrt, sodass sie auch den Besitzern früherer Auflagen wesentlich Neues bietet.
Aus Urteilen über die 4. Auflage:
Zentralblatt für Rechtswissenschaft.e XXIV I.
— — — ein Werk, das äusserlich und innerlich gewachsen, das einzig in seiner Art ist und
bisher von keinem anderen erreicht, geschweige denn übertroffen wird. —— Appelius.
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht. XVII S. 189. |
Das Handbuch von Hans Gross hat kaum mehr eine Empfehlung nötig, das unschätzbare
Werk gehört längst zum täglichen Handwerkszeug des Kriminalisten — — — —
Soeben erschien:
Soeben erſchien:
Das Forſtrügeverfahren
im rechtsrheiniſchen Bayern.
Von J. Hümmer
Kgl. II. Staatsanwalt
VIII u. 102 Seiten. Kartoniert Mk. 2.80.
S. Schwab, 2. Amtsrichter in Schwabach.
Grundriß des
materiellen Liegenſchaftsrechts
des Bürgerlichen Geſetzbuchs
Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführungs⸗
und Uebergangsvorſchriften. gr. 80.
Gr. 8°. (88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen
Mk. 2.80. Die Handhabung des Feu bietet
den damit befaßten Behörden nicht ſelten erhebliche
Schwierigkeiten, weil das bayer. Forſtrügerecht viele
Beſtimmungen enthält, die aus einer längjt beſeitigten
Strafprozeßgeſetzgebung hervorgegangen ir Das
Forſtgeſetz iſt auch dem in die Praxis tretenden Richter
zumeiſt fremd. Die Einarbeitung wurde dadurch er⸗
Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05.
Was das Buch ſein will, ein Wegweiſer in das neue
Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe,
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materielle
Liegenſchaftsrecht unter Berückſichtigung des landesrecht⸗
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; ſie ermöglicht
aber auch dem Praktiker eine raſche, ſyſtematiſche In⸗
formation. Und deshalb iſt der Grundriß auch für den
bayeriſchen Grundbuchverkehr ein recht brauchbarer An⸗
wendungsbehelf.
ſchwert, daß eine zuſammenhängende Darſtellung des
jetzt geltenden bayer. Forſtrügerechts bisher gefehlt hat.
Dieſe Lücke ſoll das vorliegende Werkchen ausfüllen.
Es ſoll den Gerichten und Forſtämtern ein zuverläſſiger
Wegweiſer fein, der durch ſyſtematiſche Stoffbehandlung,
die ſtets auf den Zuſammenhang der landesrechtlichen
Vorſchriften mit den Normen des ordentlichen Straf⸗
prozeſſes hinweiſt, die Anwendung der einſchlägigen
Beſtimmungen in der Praxis weſentlich erleichtert.
— — —
F. Gchweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München
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„„
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer
Reichsgerichtsrat
Dr. E. Jaeger
Professor der Rechte in Leipzig
H. Könige
Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat.
Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrgang.
Abhandlungen:
Hachenburg, Dr., Rechtsanwalt, Mannheim, Aus dem Rechte
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ill. Be-
dingung und Vorbehalt bei der Gründung einer Qe-
sellschaft mit beschränkter Haftung.
Schanze, Dr., Professor, Dresden, Geschmacksmustergesetz
und Kunstschutzgesetz.
Pollak, Dr. Rudolf, Professor, Wien,
verwalter. |
Wertheimer, Dr. jur. Ladw., Rechtsanwalt, Frankfurt a. M., Die
Ergebnisse des Leipziger Kongresses für gewerb-
lichen Rechtsschutz.
Mitteilungen und Erörterungen:
Josef, Dr. Eugen, Rechtsanwalt, Freiburg i. Br., Die Haftpflicht-
versicherung verbundener Rechtsanwälte.
Möller, Dr., Gerichtsassessor, Göppingen, Die Wirkung der
Laien als Konkurs-
Inhalt der Nummer 9 (80 Spalten):
heutigen exceptio rei venditae et traditae (8 986 BOB.)
im Konkurs.
Jaeger, E., Entgegnung.
Spiess, Landgerichtsrat, Halle a. S, Kann der Verkaufs-
kommissionär auf den Käufer Eigentum nach 8 930
BOB. (durch constitutum possessorium) übertragen.
Welssbart, Dr., Berlin, Sind in Prengel Verträge über die
im Reich hergestellten Erzeugnisse des Verkäufers
stempelpflichtig.
Aus der Rechtsprechung:
l. Rechtssätze des Reichsgerichts
II. Entscheidungen.
Reichsgericht.
Oberlandesgerichte.
Landgerichte,
Kurze Bücheranzeigen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Das Sachenrecht
nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der Grundbuchordnung für das Deutſche Reich
2. neubearbeitete Auflage des „Rechts der Grundſtücke- ===
Von
Karl Maenner,
Reichs gerichtsrat.
Gr. 8°. XII und 547 Seiten.
1906. Eleg. in Ganzl. gebd. Mk. 14.—.
Juriſt. Literaturblatt 1906 Nr. 4: Wer fiH über das Sachen⸗ und Liegenſchaftsrecht des geltenden Rechtes nach dem . Stande
der Rechtſprechung und des Schrifttums ſchnell und ſicher orientieren will, dem empfehle ich das Studium dieſer mal ſchen Dar⸗
r
ſtellung.
; erned.
J. Schweitzer verlag (Arthur Sellier) München.
Standinger's Kommentar zun HOY.
herausgegeben von
Dr. Thesder Loewenfeld, Dr. Erwin Niezler, Philipp Mayring t,
Univ.⸗Profeſſor und Rechtsanwalt in München. Profeſſor an der Univerſität Freiburg i. B. weil. K. Oberlandesgerichtsrat in München.
Dr. Ludwig Kuhlenbeck, Rari Kober, Dr. Thesdor Engelmann,
Profeſſor an der Univerſität Lauſanne. K. Oberlandesgerichtsrat in München. K. Staatsanwalt am Oberlandesgericht in München.
Dr. Felix Herzfelder, Jsſeyh Wagner,
Rechtsanwalt in München. Rat am K. Oberſten Landesgericht in München.
—
Vollſtändig find:
Band 1 Allgemeiner Zeil Band III Sachenrecht
erläutert von Dr. Loewenfeld und Dr. Niezler erläutert von K. Kober
Lex. 8. XVIII, 687 Seiten. Broſch. Mk. 17.50, Lex. 8. VIII, 974 Seiten. Broſch. Mk. 24.—,
geb. Mk. 20.—. geb. Mk. 26.50.
(Sieferung 1, 6, 9 des Geſamtwerkes) (Bieferung 2, 4, 7, 11 des Geſamtwerkes)
Band IV Familienrecht
erläutert von Dr. Th. Engelmann
Lex. 8. 2 Teile. VIII, VIII, 1472 Seiten. Broſch. Mk. 37.—, geb. Mk. 42.—.
(Lieferung 3, 5, 8, 13, 14 des Geſamtwerkes.)
Außerdem liegen vor:
Bd. II, fg. 1/3: Necht der Schuldverhältniſſe 88 241—432, erläutert von Prof. Dr. Kuhlenbeck;
88 433—645 erläutert von K. Kober. Mk. 23.50. (Efg. 10, 15 und 17 des Geſamtwerkes.)
Bd. V, Lig. 1/2: Erbrecht 88 1922 — 2054, erläutert von Dr. F. Herzfel der. Mk. 8.—.
(Lig. 12 und 16 des Geſamtwerkes.)
Bd. II wird Anfang Oktober 1908, Bd. V Ende 59 8 Die Vollendung des ganzen Werkes darf bis
Ende 1908 erwartet werden. Geſamtpreis ca. Mk. 1
Mit jeder neuen Auflage, mit jedem neuen Bande trat Staudingers Kommentar mehr in den Vordergrund
der wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Literatur zum BGB. Unter den Kommentaren ſteht er jetzt mit an erſter Stelle.
In der Rechtſprechung und Literatur findet ſeine Anſicht ſtändige Beachtung und Berückſichtigung. Staudinger gilt als
der für den Praktiker geeignetſte kommentar zum BGB.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
RR Dee | 0 d 1908
Ur. 20. München, den 15. Oktober 1908. | 4. Jahrg.
Zeitſchrift für Rechtspflege
Herausgegeben von Berlag von
%
Sh. von der Pfordten N h ki 3. Schweiger Verlag
8. Landger ichtsrat, verw. im K. Bayer. (Arthur Sellier)
Staats miniſterlum der Juſtlz. in München, Lenbachplatz 1.
a.
Die Zeitſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis viertel jährli
Mk. 8.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung un
Poſtanſtalt (Poſtzeltungsliſte für Bayern Nr. 974a).
Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
e BEDADE 80 Pfg. für die balbgeſpaltene Betitgeile
oder deren Raum. Bei Wiederbolungen Rabatt. Stellenanzeigen
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Abhandlungen: Seite
FPredari, Neichsgerichtsrat in Leipzig, Noch einmal die Unter⸗ i im y av n der 397
haltungspflicht des 8 1021 BGB. 385 e
Freilinger, 1. Staatsanwalt in Regensburg, Das neuebager Aus der Praxis der gerichte e e e. 38
ſche Beamtenrecht (Fortfegung). . . . . 387 Literatur 403
Mitteilungen aus der Praxis: Notizen:
Zeiler, Landgerichtsrat in Kempten, Mäklervertrag, Dienſt⸗ Die vorläufige Entlaſſung von Strafgefangenen 404
vertrag und Schenkung 395 Aenderung der Dienſtvorſchriften en die au und
Du Chesne, Landrichter in Lelpzig, Die Offizialtatigkeit die Gerichtsvollzieher . 404
Soeben iſt erſchienen:
Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die
Viehgewährſehaft
nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899
Erläutert von
Chr. Meisner
Rechtsanwalt in Würzburg
2., vollſtändig umgearbeitete Auflage
8°. VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden Mi. 4.—.
Seit Erſcheinen der 1. Auflage (1900) haben Wiſſenſchaft und Rechtſprechung auf Grund des neuen
bürgerlichen Rechts unabläſſig und erfolgreich auch am Ausbau der Beſtimmungen über die Viehgewähr⸗
Laer gearbeitet. Eine vollſtändige Neugeſtaltung des Werkes war deshalb notwendig. Die vorliegende
2. Auflage bietet jetzt nicht nur die neueſte, ſondern wohl auch die umfaſſendſte Darſtellung des ſchwierigen
und an ſich unüberſichtlichen Rechtsſtoffes. Die Vertrautheit des Autors mit dem praktiſchen Leben zeigt
auch die neue Auflage.
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Kaiſenbergs Tabellen
der bei Kotariatsgeſchäften anfallenden
Staats-, Gemeinde- und Notariatsgebühren.
2. durch eine große Wand⸗Tabelle vermehrte Ausgabe.
In Ganzleinen gebunden Mk. 7.—.
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Dr. A. Groſch,
I. Staatsanwalt.
Strafgeſetzbnch
für das Deutſche Reid.
Ergänzt durch das Geſetz vom 17. Februar 1908, betr.
die Beſtrafung der Majeſtätsbeleidigung.
Zum Gebrauch für Polizei⸗, Sicherheits⸗ und
Kriminalbeamte.
8°. IV, 219 Seiten. Gebunden Mk. 2.50.
Empfehlen im Amtsblatte der Kgl. Bayer. Staats:
miniſterien des Königlichen Hauſes und des Aenßern
und des Innern in Nr. 9 vom 7. Mai 1908 S. 240:
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(Arthur Sellier)
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für Rechts- und Staatswissenschaften
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aäöchst dem Justizpalast,
Soeben erschien:
Signalementslehre
(System Alphonse Bertillon)
enthaltend
I. Das „gesprochene Porträt‘ (Portrait parle).
Von Prof. Dr. R. A. Reiss, Lausanne.
II. Identitätsfeststellungen ohne Signalement.
Von Dr. H. Schneickert.
Handbuch für
Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen.
Mit sieben Tafeln u. zahlreichen Illustrationen im Text
Deutsche Ausgabe
bearbeitet und erweitert
von
Dr. iur. Hans Schneickert
Kgl. Kriminalkommissar am Polizeipräsidium in Berlin.
8° (IV, 164 S.) Preis gebunden Mk. 4.50.
Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll-
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei-
technik.
Niemand wird bestreiten, dass die Personen-
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei-
beamte auch weiss, auf was es bei Personen-
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es
ihm doch an einer systematischen Schulung auf
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis
heute noch keine Signalementslehre und begnügen
uns mit blossen Traditionen.
Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait
parlé“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und
Bukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen-
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet.
Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat,
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne
Signalement bei.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Leipziger Zeitschrift |
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—.
a
II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 10 (80 Spalten):
Abhandlungen: | Kirchberger, Dr., Reterendar, Leipzig, Die Wirkung der An-
Zehnter, Dr. J. A., Landgerichtspräsident, M. d. R., Offenburgi. B., fechtung gemäss § 30 KO. auf die der angefochtenen
Das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag. | Endung nach 8 845 ZPO. vorausgegangene Vor-
N „ Dr. I | j pfändung.
mn e München, Der Kampf: um die, Meuret, Rechtsanwalt, Stuttgart, Zum Begriff des Betriebs-
Voss Amitsgerichtarat a. D., Stralsund, Ueber die Anwendung n nSt 00 Bichir anaie maie cheidung ar
des § 205 II ZPO. auf Konkursfeststellungsprozesse. „nallxersicherangeinstanzen gebunden?
(Schluss folgt.) Aus der Rechtsprechung:
un 75 5 1 Geschmacksmustergesetz l. Rechtssätze des Reichsgerichts
un unstschutzgesetz. (Forts etzung.
eg ( une II. Entscheidungen.
Mitteilungen und Erörterungen: Reichsgericht.
Saeger, Dr., Landrichter, Braunschweig, Müssen die Inhaber u 1 seh 5
von Fremdenpensionaten ihre Firma im Handels- g j
register eintragen lassen ? Kurze Bücheranzeigen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
—
Reichs⸗Erbſchaftsſtenergeſetz
vom 3. Juuni 1906
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern,
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig.
Erläutert von
Dr. F. W. R. Zimmermaun
Geh. Finanzrat in Braunſchweig.
80. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—.
be J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München. S
Schweitzer s Ay a
Beamtengeſetzes
Geſetz vom 16. Auguſt 1908
mit Anhang: Gehaltsordnung
und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats⸗
mäßigen Staatsbeamten.
Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem
Beamten⸗ und Sachregiſter.
kl. 8. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—.
Wiſſenſchaftliche Beilage der „Münchener Neueſten Nachrichten“ 1908 Nr. 80: Die durd-
greifende Neugeſtaltung unſeres Beamtenrechtes wird es allen Beamten als Wohltat er⸗
ſcheinen laſſen, in einer brauchbaren Handausgabe den Text des Geſetzes zu erhalten. Ein
genaues Studium des neuen Rechtes, die Ueberwindung der mancherlei Schwierigkeiten,
welche der neue Rechtszuſtand namentlich in der Uebergangszeit mit ſich bringt, wird freilich
nur an der Hand eines ausführlichen Kommentars möglich ſein, wie er ebenfalls von der
rührigen Schweitzerſchen Verlagsbuchhandlung in Vorbereitung iſt. Aber auch die kleine
vorliegende Ausgabe hat ihre Vorzüge. Vor allem bringt ſie in kurzen Noten unter
den einzelnen Artikeln Hinweiſe p den Entwurf des Geſetzes, die Verhandlungen in
der Abgeordnetenkammer und die Motive. Dem Text iſt in dankenswerter Weiſe ein
ausführliches Beamten: und Sachregiſter beigegeben. Dr. Weiß.
e . an a
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Demnächſt erſcheint:
| Reichsgeſetz über den
Verſicherungsvertrag
mit dem Einführungegeſetz
erläutert von
Dr. jur. 3. A. Zehnter,
Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
8°. Ca. 250 Seiten. Preis geb. ca. Mk. 4.50.
Dem berſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungsweſens und feine Mitwirkung am Zuſtande⸗
kommen des eee elle laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, ſondern auf Grund von Beſtim ;
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVBG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver
ſicherungsrechtliche Rechtſprechung wird, ſoweit ſie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten
Materie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
a
2 7 U i l i u
RP NOV 15- 4500
Ur. 21. München, den 1. November 1908. 4. Jahrg.
Berausgegeben von + | Berlag von
Th. d t 9. Schweitzer Verlag
| Hahern .
Staats miniſtertum der Juſtlz. in München, Lenbachplatz 1.
Die Zeliſchrift erſcheint am 1. und 15. jeden Monats
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis vierteljährlich
Mk. 3.—. Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung und
i oder deren Raum. Bei Wiederbolunnen Rabatt. Stellenanzeigen
Poſtanſtalt (Boftzeitungstiite für Bayern Nr. 9748),
7 *. Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
: 8 Inſertlonsgebühr 30 Pfg. für die balbgeſpaltene nen
{ í 20 Pfg. Beilagen nach Uebereintunft.
Inhalt:
. Seite
Abhandlungen: Seite | gl, Landgerichterat in Nürnberg. 1. Die Erweiterung ber
Kriener, Dr., Amtsrichter in Würzburg, Zum Grundſtücks⸗ Strafliſte zu einem Perſonalbogen. 2. Koſten⸗
begriff 405 ermäßigung gegenüber dem von vorneherein ge⸗
Freilinger, L Staatsanwalt in Regensburg. Das neue bayeri⸗ ſtändigen Angeklagten —ð*ßſ 416
ſche Beamtenrecht (Fortfegung). d. 407 Aus der Praxis der Gerichte . 47
Mitteilungen aus der Praxis: Literatur „ „ O on r Q 8 424
Baner, Oberlandesgerichtsrat in Nürnberg, Verhältnis zwiſchen Notizen:
dem Nachlaßgerichte und dem Hypothekenamte. Die Verwendung der Schreibmaſchine bei den Notariaten 424
Begriff der Rechtshiltfe . 415 Die Ausſtellung von Leumundszeugniſſen . . 424
Soeben erſchien:
Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
nebſt den Ausführungsbeſtimmungen der ſämtlichen deutſchen Bundes ſtaaten und
Anhang (bisheriges preußiſches, bayeriſches, ausländiſches Vereinsrecht uſw.)
Erläutert von
Dr. E. Müller⸗ Meiningen Dr. Georg Schmid
Landgerichtsrat in München, und Regterungsaffeflor in Stuttgart.
Neichstagsabgeordneter für Meiningen,
Landtagsabgeordneter für Hof.
— 8. XII, 400 Seiten. In Leinen geb. Mk. 7.— —
Dieſe Ausgabe wird größte Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und politiſchen
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen, verdankt das Geſetz fein Zuſtandekommen und feine
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung liegt deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen.
5 mit B Dr. Schmid⸗Stuttgart hat Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus-
e geſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Bollzugsvorſchriften
a
ber einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie ſind deshalb für alle
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt und im Anhang nochmals vollſtändig abgedruckt worden.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
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Kgl. laudgerichtl. Ober⸗Sekretär in München
Hand buch für die Praxis bei den Gerichten
und für den Anwalts: und Notariatsdienſt.
Unter Vorführung praktiſcher Fälle, verſehen m. Erläuterungen, Anmerkungen, den Gebührennormen u. d. miniſt.
Eutſchließungen bearbeitet
Dritte vollfländig umgearbeitete Auflage.
8°. VII u. 989 Seiten.
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ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗
Univerſitäten.
Herausgegeben von
U. Staatsanwalt J. Schiedermair in Nürnberg.
8°. VIII, 206 Seiten. Gebd. Mk. 2.80.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Ankauf I
juristischer
Neumillers
ZPO
2. Auflage
gebührt unter den Handausgaben der ZPO. die erste
Stelle... . Der Stoff ist sehr geschickt angeordnet,
das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben.
(Prof. Dr. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1007 Nr. 5)
8°. (XII und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.—.
Sobald die
Novelle zu ZPO. und GVG.
Oesetz geworden ist, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung
der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel-
ausgabe — erscheinen.
d. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
J. Schweitzer Sortiment (Arthur Sellier) `
Buchhandlung, Antiquariat und Leihinstitut
für Rechts- und Staatswissenschaften
München, Lenbachplatz 1, nächst dem Justizpalast
Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige
Reichsgerichtsrat i Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
Jahrgang I (1907) eleg. in Ganzi. gbd. Mk. 22.—.
II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 10 (80 Spalten):
Abhandlungen: Kirchberger, Dr., Relerendar, Leipzig, Die Wirkung der An-
Zehater, Dr. J. A.. Landgerichtspräsident, M. d. R., Offenburg i. B., fechtung gemäss $ 30 KO. auf die der angefochtenen
Das Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag. Landung nach 8 845 ZPO. vorausgegangene Vor-
; pfändung. |
ar: o aa arl, Professor, München, Der Kampf um die Meuret, Rechtsanwalt, Stuttgart, Zum Begriff des Betriebs-
unfalles. Ist der Richter an die Entscheidung der
Voss, Amtsgerichtsrat a. D., Stralsund, Ueber die Anwendung Unfallversicherungsinstanzen gebunden?
des $ 20511 ZPO. auf Konkursfeststellungsprozesse.
(Schluss folgt.) Aus der Rechtsprechung:
Schanze, Dr., Professor, Dresden, Geschmacksmustergesetz | 1. Rechtssätze des Reichsgerichts
und Kunstschutzgesetz. (Fortsetzung.)
ll. Entscheidungen.
Mitteilungen und Erörteru ngen : Reichsgericht.
Saeger, Dr., Landrichter, Braunschweig, Müssen die Inhaber 5
von Fremdenpensionaten ihre Firma im Handels- nage e.
register eintragen lassen? Kurze Bücheranzeigen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Reichs⸗Erbſchaftsſteuergeſetz
vom 3. Inni 1906
Mit den hiezu erlaſſenen Ausführungsvorſchriften des Bundesrats und von Preußen, Bayern,
Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen und Braunſchweig.
Erläutert von
Dr. F. W. R. Zimmermann
Geh. Finanzrat in Braunſchweig.
8°. XII, 547 S. Preis gebd. Mk. 9.—.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Kommentar
Rechtsanwaltsordnung
vom 1. Juli 1878.
Von
Dr. Adolf Friedländer, und Dr. Max Friedländer,
Landgerichtsrat in Limburg a / L. Rechtsanwalt in München.
== 8°, (VIH, 371 Seiten.) Preis eleg. in Ganzl. gebd. 9.60 Mk..
Juriſtiſche Wochenſchrift, 1908 No. 3. Aeußerlich, in der Anlage, dem bewährten Staubſchen
Vorbilde folgend, iſt das Werk auch innerlich von Staubſchem Geiſte erfüllt, dem ſcharfen
juriſtiſchen kritiſchen Geiſte, und von hervorragender Klarheit in der Diktion, die ſich wiederum
als eine Folge vollkommener Beherrſchung des umfangreichen und ſchwierigen Stoffes dar⸗
ſtellt. Es iſt ein reiches Buch, das mehr gibt, als ſein Titel vermuten läßt, und das kein
Kollege aus der Hand legen wird, ohne mannigfache Belehrung oder wenigſtens vielfältige
Anregungen zu weiteren Forſchungen empfangen zu haben, und ein ſtolzes Buch, auf das
auch unfer ganzer Stand ſtolz fein kann, da es hochgemut für die uneingeſchränkte Freiheit
des Berufes plaidiert und als deren alleinige Korrektive die weiteſt ausgedehnte nobilitas
officii aufſtellt und das Standesbewußtſein, in Ausübung des Berufes nicht Diener einer
Partei, ſondern Diener des Rechtes ſein zu müſſen.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
Schweitzer's Au, m
Beamtengeſetzes
Geſetz vom 16. Auguſt 1908
mit Anhang: Gehaltsordnung
und VO. vom 6. September 1908 betr. die Gehaltsverhältniſſe der etats-
mäßigen Staatsbeamten.
Textausgabe mit Verweiſungen auf die Materialien und ausführlichem
Beamten⸗ und Sachregiſter.
kl. 8°. (15 Bogen.) Gebunden Mk. 1.—.
Wiſſeuſchaftliche Beilage der „Münchener Neueſten Nachrichten“ 1908 Nr. 80: Die durd-
greifende Neugeſtaltung unſeres Beamtenrechtes wird es allen Beamten als Wohltat er⸗
ſcheinen Laffen, in einer brauchbaren Handausgabe den Text des 1 zu erhalten. Ein
genaues Studium des neuen Rechtes, die Ueberwindung der mancherlei Schwierigkeiten,
welche der neue Rechtszuſtand namentlich in der Uebergangszeit mit ſich bringt, wird freilich
nur' an der Hand eines ausführlichen Kommentars möglich ſein, wie er ebenfalls von der
rührigen Schweitzerſchen Verlagsbuchhandlung in Vorbereitung iſt. Aber auch die kleine
vorliegende Ausgabe hat ihre Vorzüge. Vor allem bringt ſie in kurzen Noten unter
den einzelnen Artikeln Hinweiſe EN den Entwurf des Geſetzes, die Verhandlungen in
der Abgeordnetenkammer und die Motive. Dem Text iſt in dankenswerter Weiſe ein
ausführliches Beamten: und Sachregiſter beigegeben. Dr. Weiß.
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A. Redaktion und Expedition: München, Lenbachplatz 1.
im Umfange von mindeſtens 2 Bogen. Preis „ K) ertionsgebühr 30 Pfg. für die halbgeſpaltene Petitzelle
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Inhalt:
Abhandlungen: Seite gr Seite
â ankenanſtalt verwieſen find und dort verwahrt
1 gehre N en 5 werden, Gefangene im Sinne des § 122 StGB.? 435
Eigentumsvorbehalt an den eingebauten Maſchinen 425 Eter, Pr., Referendar in Berlin, Zur Frage des Kauſal⸗
Haenle, Dr., A in 5 ilad, Polten und zuſammenhangs im Haftpflichtrecht. . 435
Strafrechtsreforr mn 446 Aus der Praxis der Ger iche 4386
Freilinger, L Staatsanwalt in Regensburg. Das neue bayeri⸗ Siteratvu 443
ſche Beamtenrecht (Fortfegung) . „ „ 28 on i
Mitteilungen aus der Praxis: B `
Gmachle, Sandgerichtsrat in München, Sind Gewerbsunzucht ogelſchuz und Jagdſchut
treibende Frauensperſonen, welche in Bayern von Sprachecke des Allgemeinen Deutſchen
der zuſtändigen Polizeibehörde wegen geſchlecht⸗ Sprachvereins:
licher Erkrankung zur Heilung in eine öffentliche Scheinbar, anſcheinedd » > 2 2 444
Soeben ift erſchienen:
Schelkgeſetz
vom 11. März 1908
mit Erläuterungen und Anhang betr. die Einführung des
Poſt⸗Ueberweiſungs⸗ und Scheckverkehrs
von
Dr. Haus Leſſing,
Rechtsanwalt und Bankvorſtand in Bamberg.
8°. VIII u. 262 Seiten. Gebunden Mk. 5.—.
Dieſe Ausgabe konnte neben den Materialien und der Rechtſprechung über das bisherige Scheckrecht
die Ergebniſſe der geſamten zum neuen Geſetze erſchienenen Literatur bis in die allerneueſte Zeit berück⸗
ſichtigen. Sie bietet ſomit die neueſte und vollſtändigſte Darſtellung der jetzigen Lehre vom Scheck. Die
ausländiſche Geſetzgebung und die Vorſchriften über den Poſtüberweiſungs⸗ und Scheckverkehr ſind berück⸗
ſichtigt. Die mit wiſſenſchaftlicher Sorgfalt bearbeiteten Erläuterungen zeugen durchweg von einer genauen,
aus eigener praktiſcher Erfahrung ſchöpfenden Kenntnis des Scheckverkehrs und ſeiner Bedürfniſſe.
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S. Schwab, R. Amtsrichter in Schwabach.
Grundriß des
materiellen Liegenſchaftsrechts
des Bürgerlichen Geſetzbuchs
Unter Berückſichtigung der bayeriſchen Ausführung
und Uebergangsvorſchriften.
Gr. 8%. (88 Seiten). Preis gebunden in Ganzleinen
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Augsburger Abendzeitung Nr. 310 v. 6. XI. 05.
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Liegenſchaftsrecht, erfüllt es auch. Die präziſe, knappe
ſyſtematiſche Darſtellung der Vorſchriften über das materiell.
Liegenſchaftsrecht unter Berückfichtigung des landesrecht
lichen Teils iſt für den Lernenden von Wert; ſie ermöglich
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des Reichsgeſetzes üb. d. Angelegenh. der
freiw. Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898.
gr. 8˙. (VI, 364 S.) In Ganzleinen geb. Nl. 6.—.
Archiv . birg. Recht. 8d. 25.
.. . . Das Buch wendet ih vornehmlich an
den Praktiker; Gerichten und Notaren wird es
gleich willkommen ſein, denn die Darſtellung iſt
außerordentlich klar, die Stoffgruppierung übers
ſichtlich; auch die wichtigſten materiellen Geſichts⸗
punkte werden an gelegener Stelle in kurzer Dar⸗
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Schweitzers Terminkalender
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Der dienſtliche Verkehr
und die Amtsſprache.
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Kgl. Hanſes und des Aeutzern und des Innern
1908 Nr. 16 Seite 404
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angelegenheiten 1908, Nr. 24 Seite 352
im Finauzminiſterialblatt Nr. 1 vom
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Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
nebit den Ausführungsbeſtimmungen der ſümtlichen dentſchen Bundesſtaaten und
Anhang (bisheriges preußiſches, bayeriſches, ausländisches Vereinsrecht usw.)
Erlaͤutert von
Dr. E. Müller⸗Meiningen und
Landgerichtsrat in München,
Reichstagsabgeordneter für Meiningen,
Landtagsabgeordneter für Hof
— 8° XII, 400 Seiten. In Leinen gebunden Mk. 7.— —
Dieſe Ausgabe wird 8 Beachtung finden. Dem Sachverſtändnis, dem juriſtiſchen und politiſchen
Geſchick ihres Autors, des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen, verdankt das Geſetz ſein Zuſtandekommen und ſeine
jetzige Faſſung. Seine Kommentierung lag deshalb bei Dr. Müller⸗Meiningen wohl in den berufenſten Händen.
Sooman mit bie Pr Bine Dr. Schmid⸗Stuttgart hat Dr. Müller eine eingehend erläuterte Handaus⸗
gabe geſchaffen, die ſich den beſonderen Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften
der einzelnen Staaten haben bei dem Vereinsgeſetz eine erhöhte Bedeutung. Sie ſind deshalb alle
Bundesſtaaten fortlaufend berückſichtigt und im Anhang nochmals vollſtändig abgedruckt worden.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
Dr. Georg Schmid
Regierungsaſſeſſor in Stuttgart.
Soeben iſt erſchienen:
Die Vorſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches über die
Viehgewährſechaft
nebſt der hierzu ergangenen Kaiſerlichen Verordnung vom 27. März 1899
Erläutert von
Chr. Meisner ,
Rechtsanwalt in Würzburg
2., vollſtändig umgearbeitete Auflage
8°, VIII, 202 Seiten. In Leinen gebunden Mt. 4.—.
Wir bitten den Proſpekt in dieſer Nummer zu beachten.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München
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Soeben erſchien:
Reichsgeſetz über den
Verſicherungsvertrag
mit dem Einführungsgeſetz
erläutert von 5
Dr. jur. J. A. Zehnter,
Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
8°. XVI u. 304 Seiten. Preis geb. Mk. 6.50.
Dem Derfiherer, Derfiherten und dem Jurien wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des Privatverſicherungsweſens und ſeine Mitwirkung am ande;
kommen des Verſicherungsvertragsgeſetzes laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen
erſcheinen. Die Erläuterungen find präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit e alle Ye
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, sg auf Grund von Beftim-
mungen anderer Geſetze, wie des BGB., HGB. und PrivVG., zu entſcheiden find. Die bisherige ver-
Materie tliche Rechtſprechung wird, Be fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten
9
aterie noch von Bedeutung iſt, berückſich
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
München, den 1. Dezember 1908.
FEB 19 1909
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aum. Bei Wiederholungen Rabatt. Stellenanze jan
20 Pfg. Beilagen nach Uebereinkunft.
Abhandlungen: Seite Selte
deinhardt, Oberlandesgerichtsrat in Jena. Die Reform des | Bun DT; a eee Ueber, Den * 461
Strafverfahrens und die Geſchäftsvereinfachung. 445 | gung *
Bleyer, IL Staatsanwalt in München, verw. im Kgl. Staats: Aus der Praxis der a, ...... |; y-
miniſtertum der Jufti, Einige Fragen des neuen |
iſchereirechts z E 448 Literatur . 468
ger, L Staats anwalt in Regensburg as neue ayer s
fhe Beamtenrecht (Schluß ) . 62 Sp og ER ia einen een
Ritteilungen aus ber Praxis:
ſcher, Dr., Natsaſſeſſor in Rürnberd, Führung verbotener Häufung von Verhältniswörtern (Präpoſitionen)?) 468
Waffen durch Frauen in Selbitmorbabfiht? . . 460
Demnaͤchſt erſcheint:
in 2., vollſtändig umgearbeiteter und vermehrter Anflage
Das in Bayern geltende
Nachbarrecht
' mit Berückſichtigung des Berg: und Waſſerrechts
von
Chriſtiau Meisner,
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1. Lieferung. Gr. 8°. 80 Seiten. M. 1.50.
Das Nachbarrecht hat in Bayern, wo zahlreicher Kleinbeſitz und die vielfach vorhandene Parzellierung der Güter
die Möglichkeit der Verletzung nachbarrechtlicher Beſtimmungen vermehrt, eine beſonders große praktiſche Bedeutung.
Trotzdem fehlt eine einheitliche, in ſich geſchloſſene Regelung dieſes Re tsgebiets. Die geltenden Normen müſſen einer
Reihe reichs und landesrechtlicher, zivil⸗ und öffentlicherechtlicher Geſetze entnommen werden. Eine zuſammenhängende
Darſtellung aller dieſer Normen, wie fie Meisners Nachbarrecht bietet, entspricht nn einem Bedürfniſſe der Praxis.
Die 2. Auflage iſt mit . auf die Neuregelung verigiebener Materien vollſtändig umgearbeitet worden; fie
verwertet die geſamten Er onne der Wiſſenſchaft und tſprechung, die ſeit dem Eiſcheinen der 1. Auflage ver⸗
Öffentliht wurden. Das Werk wird in feiner neuen Geſtalt bei Handhabung des Nachbarrechts unentbehrlich fein.
Es werden 3 Lieferungen ausgegeben, die e etwa 25—30 Bogen umfaſſen und Anfang 1909 vorliegen
werden. Geſamtpreis: etwa M. 8.— bis M. 9.—
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Juſtiz⸗ u. Derwaltungsdienſt
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ordnungen der Juriſtenfakultäten der drei Landes⸗
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das Wesentliche überall sehr scharf hervorgehoben.
(Prof. Dr. E. Jaeger in Annalen des Deutschen Reichs 1907 Nr. i
8°. (XII und 575 Seiten.). Gebunden Mk. 8.—
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Gesetz geworden ist, wird ein
Nachtrag mit Erläuterung
der neuen Bestimmungen — in Form einer Zettel.
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Landgerichtspräſident in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
8°. XVI u. 304 Seiten. Preis geb. Mk. 6.50.
Dem berſicherer, Derfiherten und dem Juriſten wird hier eine praktiſche Handausgabe für den täglichen
Gebrauch geboten. Seine genaue Kenntnis des eto aper rungen und feine Mitwirkung am Zuftande
kommen des Verſicherungsvertragsgeſetzes laſſen den Verfaſſer zu deſſen Kommentierung als beſonders berufen
erſcheinen. Die Erläuterungen ſind präzis und überſichtlich gehalten. Sie erörtern mit Sorgfalt alle wichtigen
praktiſchen Fragen, vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze, 3 auf Grund von Beſtim-
1 es Ge Ei = des 1 un a der Kodiſtatt 1 1125 u lach 5 ver ·
erungsrechtliche Rechtſprechung wird, ſoweit fie nach der Kodifikation der bisher geſetzlich nicht geregelten
Materie noch von Bedeutung iſt, berückſichtigt. I.
J. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München.
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in Bayern
nebſt einer kurzen Darſtellung des geſetzlichen
Erbrechtes, des Pflichtteilsrechtes und Nachlaß
verfahrens fowie einem Anhang enthaltend
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k. Landgerichtsrat in Würzburg.
8°. XII, 447 S. In Ganzleinen gebd. Mk. 9.80.
In dieſem Werte gelangt die Errichtung der ordentlichen und
außecordenflichen Teſtamente, namentlich auch der fogen. Dorf-
teſtamente, ferner der Erbverträge, eingehend zur Erörterung;
hieran reiht AG eine kurze Darſtellung des geſetzlichen Erbrechtez,
des Pflichttells rechtes und des Nadlakverfahrens.
Eine größere Anzahl von Formularen, die MNuſter von
Teſtamenten und Erdverträgen enthalten, bildet den Schluß.
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des Reichsgeſetzes üb. d. Angelegenh. der
freiw. Gerichtsbarkeit v. 17. Mai 1898.
gr. 8. (VI, 864 S.) In Ganzleinen geb. M. 6.—.
Archi f. bürg. Recht. Bd. 25.
. . . . Das Buch wendet ſich vornehmlich an
den Praktiker; Gerichten und Notaren wird es
gleich willkommen ſein, denn die Darſtellung iſt
außerordentlich klar, die Stoffgruppierung über⸗
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Alphonse Bertillon, der sich um die Vervoll-
kommnung der Hilfsmittel der Kriminalpolizei schon
so verdient gemacht hat, verdanken wir durch seine
im „Portrait parlé“ dargestellte Signalementslehre
einen weiteren Fortschritt in der modernen Polizei-
technik.
Niemand wird bestreiten, dass die Personen-
beschreibung bei den polizeilichen Ermittelungen
täglich eine grosse Rolle spielt. Wenn der Polizei-
beamte auch weiss, auf was es bei Personen-
beschreibungen hauptsächlich ankommt, so fehlt es
ihm doch an einer systemauschen Schulung auf
diesem Gebiete. In der Tat haben wir auch bis
heute noch keine Signalementslehre und begnügen
uns mit blossen Traditionen.
Als bestes und einziges Lehrmittel gibt es nun
das nach den Vorschlägen Bertillons von seinem
Schüler Prof. Dr. R. A. Reiss ausgearbeitete „Portrait
arl&“, dessen Grundzüge sowohl bei der Pariser und
ukarester Kriminalpolizei wie auch bei einigen
Schweizer Polizeibehörden bereits gelehrt und in der
Praxis angewendet werden. Auch von den deutschen
Polizeibehörden ist eine Einführung des neuen
Signalements zu fordern und zu erwarten, dass man
den Beamten im Aufnehmen genauer Personen-
beschreibungen und im Rekognoszieren fremder
Personen nach allen Regeln der Kunst unterrichtet.
Dr. Schneickert, dem der Verfasser des „Portrait
parlé“ die Uebersetzung ins Deutsche übertragen hat,
fügt der eigentlichen Signalementslehre noch ein
wichtiges Kapitel über Identitätsfeststellungen ohne
Signalement bei.
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ſichtigen. Sie bietet ſomit die neueſte und vollſtändigſte Darſtellung der jetzigen Lehre vom Scheck. Die
regel) Geſetzgebung und die Vorſchriften über den Poſtüberweiſungs⸗ und Scheckverkehr find berück⸗
ſichtigt. Die mit wiſſenſchaftlicher Sorgfalt bearbeiteten Erläuterungen zeugen durchweg von einer genauen,
aus eigener praktiſcher Erfahrung ſchöpfenden Kenntnis des Scheckverkehrs und ſeiner Bedürfniſſe.
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8 andlungen: Seite Seite
Far: Oberlandesgerichtsrat in Jena, Die Reform des ewi er Gefangnenanftalt? München. Gefangenanſtalt 478
Schlaf. und die Geſchäftsvereinfachung e
d re E E 469 Aus der Praxis der Gerichte . 479
ler K IL A AE in München, verw. im Kgl. Staats⸗
minifterium der Juſtiz, Einige Fragen des neuen Meisen a ee E A a 483
Fiſchereirechts (Shluß) - - - > > 2 22. 473 Notizen:
titteilungen aus der Praxis: Die Poſtſcheckordnung für das Königreich Bayern
Er
larus, Senatspräſident in Augsburg, Zu 8 1021 BGB. . 476 Urheberrechtsſchutz in den deutſchen Schutzgebieten
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Henle, Zwangsenteignung. 1890.
Herrmann, Staatsw. Untersuchungen.
Jaeger, Konk.-Ordg. 2. Aufl.
Keller, röm. Civiiprozess. 1883.
Knies, Geld und Kredit.
Knles, Polit. Oekonomle 1883.
Mugdan, Materialien z. BGB.
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Reger, Gewerbeordnung. 4. Aufl.
Rehbeln-Relncke, Preuss. Landr. 5. Aufl.
Riehm, Konsumvereinswesen (München, Volksw.
Studien H. 51).
Roscher, Geschichte d. Nationalökonomie.
Schmeller, bayer. Wörterbuch.
Stengl, Pfarramt. 2. Aufl.
Völderndorff, Civilgesetzstatistik.
Wetzel, Civiiprozess. 3. Aufl. 1878.
Wochenschrift, Jurist. 1872/80. 1900 u. ff.
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nach dem Bürgerlichen Geſetzbuche und der
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Von
Karl Maenner,
Reichsgerichtsrat.
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Soeben erſchien:
Das Vereinsgeſetz
vom 19. April 1908
nebſt den Ansführungsbeſtimmungen der ſämt⸗
lichen dentſchen Bundesſtaaten und Anhang
(bisheriges prenßiſches, bayeriſches, ansländiſches
Vereinsrecht uſw.)
Erläutert von
Dr. C. Rüller⸗Neiningen .
„ Dr. Georg Schmid
Landgerichtsrat in München, Regierungsaſſeſſor
Reichstagsabgeordneter für Meiningen, n Stuttgart.
Landtagsabgeordneter für Hof
8°. XII. 400 Seiten. In Leinen gebunden Mk. 7.—.
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Rene dem en und politiſchen Geſchick ihres Autors, bes
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mit Reglerungsaſſeſſor Dr. Schmid⸗ Stuttgart hat Dr. Müller eine
eingebend erläuterte Handausgabe geſchaffen, die ſich den beſonderen
Bedürfniſſen der Praxis ſorgfältig anpaßt. Die Vollzugsvorſchriften
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Leipziger Zeitschrift
für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht
herausgegeben von
Dr. A. Düringer Dr. E. Jaeger H. Könige
Reichsgerichtsrat Professor der Rechte in Leipzig Reichsgerichtsrat
Halbjährlich 6 Hefte in Quartformat. Preis halbjährlich Mk. 10.—.
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II. Jahrgang. Inhalt der Nummer 12 (80 Spalten):
Abhandlungen: Wenz, Rechtsanwalt, Zweibrücken, Anfechtung von Aende-
Wienstein, Kammergerichtsrat, Berlin, Neues vom fiduziari- rungen des ehelichen Qüterstandes, insbesondere der
schen Rechtsgeschäft, Gütertrennung, und Haftung der Ehefrau wegen Ver-
bindlichkeiten ihres Ehemannes als Mitglied einer
ne Dresden, Vinkulation und Genossenschaft bei deren Konkurs.
Meuret, Rechtsanwalt, Stuttgart, Das Absonderungsrecht des Aus der Recht ch :
Haftpflichtgläubigers im Konkurs des Haftpflichtver- ee R
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Heck, Professor, Tübingen, Aktionärpflicht und Prospekt- Oberlandesgerichte.
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Dritte vollſtändig umgearbeitete Auflage.
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Landgerichtspräſtdent in Offenburg, Mitglied des Reichstags.
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Einführung des Poſt⸗Neberweiſungs⸗ und
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Ergebniſſe der geſamten zum neuen Geſetze erſchienenen
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Geſetzgebung und die Vorſchriften über den Poſt⸗Ueber⸗
weiſungs⸗ und Scheckverkehr find berückſichtigt. Die mit
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vor allem auch jene, die nicht unmittelbar aus dem Geſetze,
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wie des BGB., HB. und Priv., zu entſcheiden find.
Die bisherige verficherungsrechtliche Nechtſprechung wird,
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