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NORD- 1 NF» ('E.\TßAL- AFRIKA
ii) (K'ii Jahren 1S41) bis 1S55
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Dr. Heinrich Barth.
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Dr. Ileinr. liarth's
REISEN UND ENTDECKUNGEN
in Nord- und ( 'entral-Af rika.
Drilkr iband.
INHALT DES DRITTEN BANDES.
Kapitel I. Regenzeit in Kükaua 1851. S. 1.
Beschränkte pekuniäre Lage der Reisenden 1. — Grenze der tropischen
Regen in Bömu 3. — Anfang der Feldbestellung in Kükaua 4. — Plan,
die östlichen Ufer des Tsäd zu besuchen 6. — Overweg's Sorglosigkeit
in Verarbeitung seiner Reisenotizen 8. — Politische Verhältnisse im Su-
dan 9. — Hinfälligkeit des Reiches von Sokoto 12. — Das Fest „'ATd
el Fotr" in Kükaua 13. — Die Reiterei von Bümu 15. — Ankunft von
Briefen aus £uropa 17. — Lage der Reisenden in Bömu 18. — Vorbe-
reitung zur Reise nach KSnem 19.
KIapitel IL Zug nach Känem. 8. 21.
Aufbruch aus Kükaua 21. — Der Diener Mohammed ben Ahmed 22. —
Ungünstige Nachricht von den USl&d Slimän 25. — Nahrungsmittel der
Bewohner des östlichen Seeufers 26. — Nomadische Lager der Rinder-
hirten 29. — Ankunft in der Stadt Yö 31. — ilochzeitsfeierlithkeiten
in Bömu 31 (Anmerkung). — Der Fluss Komidugu 32. — Der elek-
trische Fisch im Flusse 33. — Vereinigung mit Overweg und der übri-
gen Reisegesellschaft 34. — Ausflug nach der Mündung des Kom&dugu 35.
— Übergang über den KomÄdugu 37. — Die Stadt Bärua 38. — Salz-
bereitung an den Ufem des TsSd 41. — Das Dorf NgÄgimi 42. — Ver-
ödung der Orte Läri und Wüdi 43. — Kine Elephantenheerde am Tsäd 45.
— Das Grenzdorf Beri 46. — Verschiedene Strassen von Ngegiini nach
Berl 48 (Anmerkung). — Die Natronbecken am Nordufer des Tsäd 49. —
Unfall des Reisenden 50. — Eine grosse Schlange 52. — Ankunft im La-
ger der UelSd Slimän 54.
Kapitel JH. Die Horde der üeläd Slimän. S. 56.
Frühere Schicksale der Horde 56. — Grosse Niederlage der Ilorde durch
die Tuareg 58. — Die Horde kommt unter die Hoheit Börau's 59. —
AllmähUcher Verfall der Horde 60.— Audienz beim Scheich Rhet 61. —
VT Inhalt des dritten Bandes.
Verhandlung über den Besuch des Bahhr el Ghasäl 62. — Nächtlicher
Tumult 64. — Flucht einer Sklavin 6.5. — Der Bit el Küma 67. — Ab-
zug eines Theiles der Horde nach Kükaua 68. — Der Landbau in Kä-
neni 69. — Der Jude 'Abd-Allah 70. — Der Tebu-Häuptling Hallöf 71.
— Vergebliche Alarmirung des Lagers 72.
KAriTKL IV. Schitäti. Die östlichen begünstigtcrcn Thäler Kä-
ncms. S. 74.
Abmarsch nach Osten 74. — Der Bir el Fteim 75. — Gedrückte Lage
der Kanembü 76. — Anerbietungen Hallüfs 79. — Verhandlung mit
Scheich Rhet 80. — Fäki 'OthmSn 80. — Das Thal B^rendö 82. — Der
Thalkesscl ToSder 83. — Das Thal Schelükko 85. — Das Thal Aghö 86.
— Vorbereitung zum Kampfe 87. — Raubgier der Trossbuben 89. — Das
Thal Gessgi 90.— Das Thal Ssigge-ssl 91. — Das falsche Wadi el Gha-
sÄl 93. — Das Thal A'läli A'dia 95. — Der Häuptling Keghdmma 96. —
Feindlicher Angriff 97. — Besorgliche Lage der Reisenden 99. — Rück-
kehr in die Landschaft SchitSti 101. — Das Lager am Brunnen Yegil 103.
— Körperliche Erschöpfung des Reisenden 105. — Verlegung des Lagers
nach AmÄnko 107. — Rückreise nach Kükaua 108. — Ankunft in Kü-
kaua 111.
Kapitel Y. Kriegsrüstungen gegen Mandara. S. 112.
Aufbruch von Kükaua 112. — Das Lager bei Kükia 113. — Charakte-
ristik LÄmino's 115.— Das Lager bei Y5di 116.— Die Stadt Marte 119.
— Lager bei Xla 120.— Die Stadt Diköa 122.— B6mu*s Verkehrswege
mit Europa 123. — Abschaffung des Sklavenhandels in Bomu 124. — Die
Schüa-Araber 125. — Das Innere der Stadt Diköa 127. — Ankunft 'Abd
e' Rahmän's 128. — Der Fluss Yiloe bei Diköa 129. — Der Wochen-
mirkt in der Stadt 131. — Notiz über iiimba Ssämbo's Hecreszug 133. —
Geographische Kenntnisse der Bomauer 134.
Kapitel VI. Die Grenzlandschoften der Schüa. 8. 136.
Lager bei A'fage 137. — Zuckergewinnung im Sudan 138. — Lager bei
Diggera; grosse Kälte 141. — Stehendes Sumpfgewässer in Bomu 142. —
Die Gewässer um den Tsäd herum 143. — Beilegung des Streites mit
Mändara 144. — Wilder Reis 146. — Das Lager in derWildniss 147. —
Der Müssgu- Fürst A'dischen 149. — Zug durch die Landschaft \Vo-
lödje 150. — Werth der Nadeln in dieser Landschaft 152. — Eine Art
wilder Katze, „ssümmoli'* 153.— Der Webervogel 154.— Dichte Wild-
niss, von Elephanten durchzogen 155. — Eintritt in das Land der
MüssgTi 156. — Kombehälter der Müssgu 158. — Lager beim Müssgu-
Dorfe K6rom 159. — Verzeichniss der Müssgu-Herrschaften 160. — Der
M&llem Djömme 162. — Audlena A'dischSn's beim Vezier 163. — Poli-
tiaeho IiSge der MÜBsgu 165. — Oyerweg's Besuch bei A'dischlfn 167.
Lalialt des dritten Bandes. vii
Kapitel VJLl. Die Landschaft der seichten Sumpfgewasscr. Was-
serscheide zwischen den Flüssen Benue und Schäri. S. 168.
Dm Dorf Bögo 168. — Die Verbreitung der Delebpalme 1C9. — Über-
fall eines Mdssgu- Distriktes 171. — Gänzliche Venv'irrung im Nach-
trapp 173. — Die Bomu-Kamcele 175. — Xürpcrbildung derMussgu 176.
— Äussere Erscheinung der Müssgu 178. — Aufbruch gegen die Tü-
buri 179. — Zug gegen D4mmo 181. — Das Dorf Dommo 182. — Die
Landschaft uro Denimo 185. — Unterwerfung zweier Kirdi-Häuptlingc 186.
— Priester bei den Mussgu 187. — Düngung der Felder 188. — Der
Fluss von Lögonc 189. — Ein Wasserkampf mit den Müssgu 191. —
Absendung eines Couriers nach Kükaua 192. — Eine kleinere Khasia
nach Südost 194. — Der Sserbowel in der Landschaft Wülia 196. —
Die Wasserverbindungen zwischen dem Tsäd und Benue 198. — Bück-
kehr nach dem Lager 200. — Hast am Xgäldjaro von Demmo 202.
Kapitel Ym. Rückkehr nach Boruu. S. 205.
Uohes Alter des Tabaksbaues in Central - Afrika 205. — Blinde Alarmi-
rung des Lagers 207. — Prachtvolle Landschaft 208. — Die Produkte
des Müssgu-Landes 209. — Benennungen des Rindes in den Central-Afri-
kanischen Sprachen 210. — Die Grenze von Wülia und Bärea 211. —
Lanze, gefunden in einem Dorfe der A'bare 212. — Zeichnung einer an-
geblichen Müssgucrin 213. — Anfall des Heeres durch Bienenschwärme 214.
— Ein erfolgloser Raubzug 217. — Wahrscheinliche Lage der Herrschaft
Füss 218. — Eintritt in ödere Gegenden 219. — Die zerstörte Residenz
Bäga 221. — Kornkammern und Gemächer in der ehemaligen Wohnung
des KÄbischme 222. — Erfolg des Heereszuges 224. — Die Berghöhen
von Wasa 227. — Rückkehr nach Ngomu 229. — Geographische Re-
sultate des beendigten Zuges 2.30. — Vorbereitung zu einem neuen Aus-
fluge 231.
Kapitel IX. Abreise nach Baghirmi. Die Landschaft Kotokö.
S. 232.
Ausrüstung des Reisenden 232. — Abreise von Ngomu 233. — Ein
SchBa-Araber wird in Dienste genommen 235. — Das Dorf Kostäri 236.
— Natrongehalt des Wassers 237. — Gruppe von Euphorbien 238. —
Die Dörfer Dabua, GudjSri und HAkkum 239. — Die Stadt Ngälä 240.
— Die Stadt Ren 243. — Der Distrikt Rdngana 244. — Die Stadt
A'fade 245. — Die Städte des Reiches Kotok5 246. — Eigenthümliche
Antilopenart 247. — Die Sümpfe um Kala herum 248.
I
Kapitel X. Die Pro\inz Logon. Logon birni. 8. 250.
Die Stadt Kala 250. — Die Stadt Hülluf der Zauberer 252. — Eintritt
in das Stadtgebiet von Logön 253. — Die Stadt Logon birni 254. —
viii Inhalt des dritten Bandes.
Palast des Statthaitors 255. — Audienz beim Keghimma 256. — Audienz
beim Sultan 257. — Wohnung desselben 259. — Persönlichkeit des Sul-
tans 2t)0. — Der Fluss von Lögone und seine Boote 261. — Der Was-
serkönig 262. — Grosse Gastfreundlichkeit des Sultans 263. — Beschif-
fung des Plusses von Logone 264. — Über die Flussnamen im Sudan 266.
— Historische Notizen über Logone 269. — Heutige politische Lage des
Staates 271. — Die Grosswtirdenträger des Reiches Logone 272. — Pro-
dukte und Industrie von Logone 21 ii, — Das Volk und seine Sprache 274.
Kapitel XI. Die beiden Flüsse. Eintritt in Baghirmi. S. 276.
Abreise von Logone 276. — Das Vorkommen des Rhinozeros im Su-
dan 278. — Ankunft an den Ufern des Schäri 279. — Umtriebe Hadj
Ahmed's 280. — Übergang über den SchSri bei Mele 283. — Eintritt
in Baghirmi 285. — Fauna der Landschaft 286. — Gezwungene Rück-
kehr nach MelS 287. — Das Dorf Mele 288. — Der Fluss SchSri 289.
— Abreise nach BügomÄn 291. — Die Dörfer MustafadjT, Biigari und
MatuSri 292. — Ankunft in Bügomdn 295. — Der Marktverkehr in Bü-
gart 296. — Das Dorf Bäkadä und der Hadj Bü-Bakr Ssadik 299. —
Verwilderter Zustand des Landes 301. — Kampf mit den weissen Amei-
sen 302. — Das Dorf Bäkadä 303. — Äussere Erscheinung der Baghir-
mior 305. — Pilgerkarawane in BAkada 306. — Handelsleute und Kara-
wanen in Baghirmi 307. — Feldbau bei B&kada 308. — Antwort vom
Vicestatthalter 309.
Kapitkl XII. Versuch, das Land zu verlassen. Verhaftung.
Endlicher Einzug in Mäsena. Mäsena's Eigenthümlichkei-
ten. S. 311.
Aufbruch von Bakadä 311. — Ankunft in McSkori 312. — Der Honig-
kukuk 313.— Das Dorf KoUe-köUc 314.— Das verödete Dorf Mdrga 315.
— Nachtlager in der Wildniss 317. — Ankunft in Kokorotsche 318. —
Ungeheuere Ameisenhügel bei Mele 320. — Ankunft in Mele 321. —
Verhaftung des Reisenden 322. — Aufbruch nach Mäsena 324. — An-
kunft daselbst 327. — Audienis beim Vicestatthalter 328, — Der Pullo
Fäki Ssämbo 330. — Anderweitige Bekanntschaften 333. — Lächerliche
Botschaft des Vicestatthalters 335. — Aberglaube der Baghirmier 337. —
Tauschmittel und Marktverkehr in Mäsena 338. — Schwierigkeit des wei-
teren Vordringens nach Osten 342. — Marktverkehr in A'bu-Gher 343.
Kapitel XIII. Beschreibung der Stadt Mäsena. Ankunft des
Sultans. Endliche Abreise. S. 345.
Topographie der Stadt 345. — Backsteinmauem im Sudan 346. — Der
Residenzpalast in Mäsena 347. — Bauweise der Stadt 349. — Arztliche
Praxis des Roisenden 350. — Die Frauen der Baghirmier 351. — Hadj
Inhalt des dritten Bandes. u
Ahmed's Terdrttssliche Lage 353. — Kampf mit den Ameisen 354. —
Kegcnmangcl 356. — Rückkehr des Sultans 357. — Der Paradezug des
Sultans 358. — ZuTorkoramenhcit des Sultans 361. — Ankunft von Brie-
fen aus Europa 362. — Mangelhafte Ausrüstung mit Geldmitteln 364. —
Verdächtiger Besuch von Ilofleutcn 365. — Beschwichtigung des Arg-
wohns der Eingeborenen 367. — Audienz beim Sultan 368. — Weitere
Verhandlung mit dem Reisenden 371. — Zweite Audienz beim Sultan 372.
— Tod Maina's BelÄdeml 373. — Unfreundlichkeit der Städter 375. —
Marktpreise in Mäsefia 376. — Endliche Beurlaubung des Reisenden 377.
— Abreise von Mäsena 379.
Kapitel XIV. Überblick über die Geschichte von Baghirmi.
^Ulgcmciner Zustand des Landes und seiner Bewohner. S. 380.
Quellen zur Geschichte Ost -Sudans 380. — Frühere Schicksale Ost -Su-
dans 383. — Gründung dos Reiches Baghirmi 385. — Erste Herrscher
von Baghirmi 387. — Kampf Baghlrmi's gegen WÄdäi" 389. — Unter-
werfung des Landes unter Wddä'i 390. — Erneuerter Angriff der Bor-
nauer auf Baghirmi 392. — Jetzige Lage des Landes 393. — Natürliche
Vorzüge Baghirmi's 395. — Beschwerliche Verbindung des Landes mit
der Nordküste Afrika's 396. — Die Landschaft südlich von Baghirmi 397.
— Die Nahrungsmittel des Landes 398. — Flora Baghirmi's 400. —
Bewaffnung der Baghimüer 401. — Verfassung und Beamtenthum 403. —
Das Abgabenwesen 404.
Kapitel XY. Rückreise nach Kükaua. Herrn Dr. Overweg^s Tod.
8. 406.
Abreise von Mäsena 407. — Aufenthalt in Kokorotsche 409. — Ankunft
in A'-ssü 410. — Übergang über den Schäri 411. — Rast in einem Schüa-
Dorfe 412. — Übergang über den Fluss bei Logon 414. — Ankunft in
A'fade 415. — Das Dorf VVangara 416. — Sumpfige Niederung am Tsäd
417. — Zusammenkunft mit Dr. Overweg und Eintritt in Kükaua 418. —
Audienz beim Scheich 419. — Körperliche Entkräftung Overweg's 421.
— Ernstliche Erkrankung desselben 423. — Overweg's Tod 425.
Anilvng I, zur Käncm-lieisc. Beschreibung der östlichen Theile
Känems nach Angaben der Eingeborenen. S. 429.
Die heutige Hauptstadt MÄö 430. — Die Umgebung derselben 431. —
Die Umgebung des Tsäd 433. — Itinerar von Mäö nach Täghghcl 433.
— Itinerar von Biri nach Täghghel 435. — Der Bahhr el GhasÄl 437. —
Strassen vom Tsäd nach Burgu 443. — Die Stämme der Tebu 444.
Uartb'B R«i»«ii. UI. **
^ Inluüt dett dritten Bandes.
Vn»*vn\. H. jsur Küiiem- Heise. Zusummcnstellung der geographi-
■aKvu \n^U»en, welche in dem „Diwan" oder dem Berichte des
luuou Alnued ben Ssofiya über des Königs Edriss Alaöma
^\'Ul/.u>^» von lk')mu nach Känem enthalten sind. S. 449.
^'VhU^v hVMaug 449.— Zweiter Feldzug 459.— Dritter Feldzug 4«1. -
Niorirr FeWaug 464. — Fünfter Feldzug 471. .— Letzter Feldzug 474.
XMiwti III, zum Mussgu-Feldznge. Bericht über die verschie-
dem'n Uoitereiabtlieilungen , aus welchen das Bornu-Heer bei
«lern Feldzuge nach Mussgu bestand. S. 476.
An II AN« lY. Städte und Dortschaften der Provinz Logen oder
Kogonc. JS. 481.
Anhang V. Depesche von Lord Palmerston. S. 483.
Amian« vi. Abriss der Geschichte von Wadai. S. 485.
Aniianc; VII. Ethnographische Beschreibung von Wadai. S. 500.
AxiiANfi VIII. Die Regierung von Wadai. S. 510.
Anhang IX. Sammlung von Itinerarien zur Feststelhing der
Topograi)hie Wadai's und Baghirmi's. S. 527.
I. Strassen von Mäsena nach Wära .527.
II. StraKisen im Inneren Wd<lAi*H 53.5.
III. Strassen im Inneren Bagliinni's .553.
BKiTrHSTi'CKK eines meteorologischen Tagebuches. S. 585.
In den Text eingedruckte Holzschnitte.
1. Kombehälter im Müssgu-Lande 158.
2. Dreizack, in einer Hütte der A'barc gefunden 212.
3. Knochen in der rntorlippc eines Müssgu-Weibes 2 LS.
•1. Kornkammer in der Residenz zu Bäga 222.
5. Gnindriss derselben 222.
♦». Grundriss der Wohnung des Sultans von Logonc und des Keghämma 259.
7. Plan der Stadt Mäsena 345.
8. Eiserner Haken, im Dorfe Lägia in WädÄi verfertigt 544.
Inhalt de» dritten Bandes.
XI
A II s i c li t V 11.
1. Der Komädugu bei Yö 'Ml.
2. Elephantenheerde am Tsäd 45.
3. Bir cl Fteim 75.
4. Henderl Ssigge-ssl 91.
5. Amsäkai, ein Kanenibü-Häuptling 110.
6. MÜ8go 171.
7. Ein Mussgu-Häuptling zu Pferde 179.
8. Das NjTÄldjam bei Deiunio 185.
9. Zeltenlager in Müsgo 206.
10. Wülia 208.
11. Wülia 212.
12. Das Innere einer Müssgu- Wohnung 222.
13. Lager bei Wanza 227.
14. Der Schäri bei Mole 283.
15. Der Kiuzug des Sultans in seinen Palast in Mäsena 358.
IG. Logon birni 414.
K cl r t e 11.
Nr.
10. Karte der Route von Kükaua nach Känem, 11**" Sept. bis 14**" Not. 1851.
Maassstab : Vi^oodooo.
11. Karte der Koute von Kükaua nach Müssgu, 25»"" Nov. 1851 bis 1***" Febr.
1852. Maassstab: '/boooqd-
12. Karte der Route von Kükaua nach Mäsena, .5**" März bis 21"**" Aug. 1852.
Maassstab : Vgoooop-
\
I. KAPITEL.
Regenzeit in, Xükaua 185 1.
Ich hatte bei meinem Aufbruch nach Adamaua die Haupt-
stadt Bornu's in bester Gesundheit verlassen; aber ich hatte
von jener Reise die Keime ernstlicher Krankheit zurückge-
bracht und der Aufenthalt in der Stadt, wenigstens zu dieser
Jahreszeit, war nicht eben dazu geeignet, meinen Zustand zu
verbessern. Gewiss würde es erepriesslicher für mich gewesen
sein, wenn ich im Stande gewesen wäre, mich unverweilt nach
einem gesünderen Orte zurückzuziehen; aber kleine, jedoch
zur Zeit höchst wichtige Geschäfte hielten mich in Kükaua
zurück.
Es war nöthig, die endlich angekommenen Waaren zu ver-
kaufen, um uns irgendwie flott zu halten, indem.wir die drin-
gendsten Schulden bezahlten und die zu weiteren Forschungs-
reisen nothwendigen Mittel beschafften. Es fand sich Waare
zum Belauf von 100 Pfund Sterling; da ich aber gezwun-
gen war, die Artikel für baares Geld loszuschlagen, ergab
sich ein beträchtlicher Verlust. Denn aller grössere Handel
in diesen Ländern wird auf zwei- oder selbst dreimonatlichen
Kj-edit abgeschlossen und am Ende geschieht die Zahlung
nicht in baarem Gelde, sondern fast ganz allein in Sklaven.
Gewiss ist es Bedürfiiiss für einen Reisenden, mit einör Aus-
wahl solcher Artikel versehen zu sein, welche die Geschenke
bilden, die er den Häuptlingen zu machen hat, und auch in
vielen Landschaften in Ermangelung einer allgemein gültigen
Barth'« B*bM. 111. 1
J
2 I. Kapitel.
Landesmünze zum Austausche nöthig sind; aber für seine
täglichen Bedürfnisse sollte der Reisende nicht auf den Ver-
kauf von Waaren angewiesen sein. Allerdings ist es keine
Frage, dass ein Europäer, der sich ruhig in einem Orte nie-
derliesse und enge kaufmännische Verhältnisse mit den Ein-
geborenen anknüpfte, eine grosse Menge interessanter Beleh-
nmgen sammeln könnte, die der Aufmerksamkeit des stets
umherwandemden Reisenden, dessen Zweck mehr in der Er-
forschung entfernter Gegenden beruht, wahrscheinlich entge-
hen würden. Aber auf der anderen Seite ist es in diesen
Ländern schwierig, ja unmöglich, Handel mit ausgedehnter
geographischer Forschung zu verbinden.
Überdies war ich gezwungen, meinen Freunden, um sie bei
guter Laune zu erhalten, zahlreiche Geschenke zu machen,
und hatte sehr häufig Anzüge nicht allein für sie selbst und
ihre Frauen, sondern selbst für ihre Diener und Anhänger
zu beschaffen, so dass. Alles zusammengenommen, die Mittel,
die mir die Waaren im Werthe von 100 Pfimd Sterling ge-
währten, nur sehr kurze Zeit ausreichen konnten. —
Ich habe bemerkt, dass, als ich nach Kukaua zurückkehrte,
der Anbau des Bodens noch nicht begonnen hatte. Wirklich
war das ganze Land so versengt, dass es überaus schwierig
war, hinreichend Futter für die Pferde zu finden; denn der
ganze Vorrath trockenen Grases war verbraucht und frische
Kräuter waren noch nicht zu haben. In meinen täglichen No-
tizen findet sich die Bemerkung, dass ich am 5*««^ August 12
Rottel für ein Bündel trockenen Grases — „kela kadjimbe" —
bezahlte, — ein ungeheuerer Preis in diesem Lande imd völlig
hinreichend, eine ganze Familie mehrere Tage zu unterhalten.
Das aber war der ungünstigste Augenblick; denn in wenigen
Tagen schoss frisches Gras auf imd befriedigte allen Mangel
Da ich diesen Gegenstand einmal bespreche, muss ich auch
erwähnen, dass das Gras von Kukaua' voll von Pennisetum
diatichum — „nglbbi" — mit der stacheligen Samenkapsel
\
Regcnseit in Kükaua. 3
ist und Pferde aus anderen Gegenden gewöhnlich sehr schlecht
dabei fahren, da sie einen Widerwillen dagegen haben, ihr
Maul mit den kleinen Stacheln dieses Grases anzufüllen.
Der Regenfall war im Jahre 1851 sehr reichlich und ich bin
sicher, dass er die von Herrn Dr. Vogel im Jahre 1854 gefun-
dene Regenmenge bei weitem übertroffen haben würde, wenn
er gemessen worden wäre. Es fielen allein während des Mo-
nats August zwölf sehr bedeutende Regengüsse, die zusammen
wahrscheinlich schon 30 Zoll überstiegen. Auch darf man
nicht vergessen, dass der Regenfall in Eükaua nicht die Re-
gel für eine weite Landschaft, sondern eine Ausnahme bildet,
was dem gänzlichen Mangel an Bäumen imd an Anhöhen in
der Umgegend zuzuschreiben ist. Ich bin daher der Ansicht,
dass Herrn Dr. Vogel's Angabe*), die Linie tropischer Regen
beginne erst südlich von Kükaua, mit einigem Vorbehalt zu
verstehen sei; denn wenn er den Regen in der bewaldeten
Landschaft in einiger Entfernung nördlich von der Hauptstadt,
Z¥rischen Dau-erghü und Kalfluä, gemessen hätte, so würde er
wahrscheinlich schon ein verschiedenes Residtat gefunden ha-
ben. Gewiss versteht Herr Dr. Vogel hier unter tropischem Re-
gen eine tropische Regenfülle und nicht den regelmässig wie-
derkehrenden Regenfall, der durch die aufsteigenden Strö-
mungen erhitzter Luft verursacht wird, und schliesst desshalb
Eükaua von der Zone tropischer Regen aus, wie sich denn
sicherlich die Hauptstadt Bömu's in dieser Hinsicht mehr der
mittleren Regenmenge von Europa anschliesst. Es wäre aber
grundfalsch, dies zu verallgemeinem und eine Linie südlich
von Kükaua durch den Sudan oder selbst nur durch Bomu
zu ziehen. Wie ganz anders muss der Regenfall auf dem
Tsäd sein und wie g^nz anders selbst in den waldigen und
sumpfigen Gegenden am Komädugu ! In der Nacht des S^^^ Au-
*) In einem seiner Briefe, der im Journal of Üie Royal Oeogr, Soc,, vol.
XXV, 1S66, p. 241, abgedruckt worden ist.
4 L Kapitel.
gust fiel ein überaus heftiger Regen, der nicht allein unseren
Hofraum unter Wasser setzte, sondern auch mein Gemach,
das 72 Fuss tiefer lag und nur eine niedrige Schwelle hatte,
in einen kleinen Teich verwandelte, was nicht wenig dazu
beitrug, meinen fieberhaften Zustand sehr bedeutend zu ver-
schlimmem, und wodurch auch der grösste Theil meines Ge-
päckes verdarb.
Am 5^^^ August fiel zum ersten Male Regen, ohne von Ge-
witter begleitet zu sein, während die Regenzeit im Allgemei-
nen mit erschrecklichen Gewitterstürmen hereinbricht Der
Überfluss an Wasser störte das üppige Dasein der „kanam
galgalma", der grossen, ausgewachsenen und nicht larvenarti-
gen Termiten, die so lange von unserem Zucker und anderen
Vorräthen gezehrt hatten, und am 6ten August verschwanden
sie alle auf einmal vom Boden und erfüllten die Luft als ver-
gängliche geflügelte Geschöpfe, in welchem Zustand sie vom
Volke „tsütsu" oder „dsüdsu" genannt werden und geröstet
zur Nahrung dienen. Ihre Lebenskraft ist so beschränkter
Natur und sie scheinen so schwach zu sein, dass sie sehr lä-
stig werden, wenn sie in jeder Richtung auf den Mann und
senie Nahrung fallen. Von jedem Schwärm dieser Insekten
scheint nur ein einziges Paar bestimmt zu sein, den Tag
schnellen Unterganges zu überleben; alle übrigen sterben
eines gewaltsamen Todes.
Die Stadt fing jetzt an, einen von dem früheren ganz vei>
schiedenen Anblick zu gewähren; aber während es erfreulich
war, die Trockenheit gehoben, frisches Gras und junge Saat
überall aufschiessen und die traurige Einförmigkeit der Ascle-
j>ias gigantea verdrängen zu sehn, so waren doch anderer-
seits die ausgedehnten Lachen, die sich überall in den Ver-
tiefungen des Bodens bildeten, der Gesundheit keineswegs
zuträglich, besonders da man an solchen Stellen allerlei Un-
rath und krepirtes Vieh hinzuwerfen pflegte. Die Folge
hienon war, dass meine Krankheit sich verschlimmerte, so
Regenzeit in Kdkaus. 5
sehr ich auch dagegen ankämpfte, indem ich mich durch kleine
Ausritte so viel wie möglich in Bewegung erhielt. Man
war jetzt überall bei der Feldarbeit beschäftigt, obgleich der
Boden in der Umgegend der Stadt nach der mannichfalti^en
BeschafiFenheit desselben keineswegs auf eine gleichmässige
Weise bestellt und ein grosser Theil, welcher aus „ange" und
„firki" — dem feinen, schwärzlichen, fast sandlosen Humus —
besteht, dem Anbau des Wintergetreides (Holcus cemuus)
— „massakuä'^ — vorbehalten wird.
Am 8^^ August gewährte die Landschaft ein sehr beleb-
tes Schauspiel, indem die Domänen in Gaudnge von einer
' bei Trommelschlag arbeitenden grossen Anzahl Leute bestellt
wurden. Diese Arbeiten dauerten bis zum 15*«» August, an
welchem Tage Herr Dr. Overweg die Ehre hatte, dem Scheich
von Bomu seine Büdduma-Freundc vorzustellen. Die ganze
Natur war nunmehr zu ein(?m heiteren Leben erwacht: die
Bäume trieben frisches Laub, die Jungen der Vögel wurden
flügge. Ich beobachtete mit vielem Vergnügen den kleinen
Haushalt einer befiederten Familie; derselbe enthielt fiinf
Junge, von denen das älteste und kühnste am 12*^^ August
seine Stärke zu versuchen anfing, während die vier anderen
am 14ten zusammen ausflogen.
Heirathen finden um diese Zeit, wo die Getreidepreise hoch
stehn, nur selten statt; die Ehen werden gewöhnlich nach
der Ernte, wo das Getreide billig ist, geschlossen. Die lan-
desüblichen Hochzeitsfeierlichkeiten sollen weiter unten be-
schrieben werden.
Am 5*«> September erhielten wir die erste Probe von neuer
weisser Negerhirse — „argüm möro" — , welches junge Korn,
am Feuer geröstet, recht angenehm schmeckt, aber um diese
Zeit für einen Leckerbissen gilt, indem man das neue Ge-
treide in beträchtlicher Menge erst Ende Novembers oder An-
fang Dezembers zu Markte bringt, nachdem die ganze Ernte,
welche eine geraume Zeit in kegelförmigen Haufen — ^^„bügga" —
I
im Pf^lde ^Ipism hai:. pamsRdnmcibai ndtsr jjsSmdkr
v^rt ist,
M(^m Frftnnrf, der V#»3di*r. ife«5eii wrssoxue Anfini
hinftir.htlich nu*ini*r rjff*sundlißit ich anf da» Würmste
k*>nn^n hftlv^. wüimohte ^far. das» ich wahrimd d» Begemnl
n^ht in d^r ri^uh v^^rhleiben im'khte. mui da^erwiasle. dasB
nns nj»in#*ntlirh vv>l dAran laff. die örtlichen ÜÄr des Taid-
.'''=^/^'^ ani ^or^rh**n. vj lie?»» er mir am 11*™ Amnist meldm. ick
If örm<* miriTn*=^hr den Bahhr el Ghasal b<?«icheii- ein Uiitefiidi-
mf^, w^lche^ ^. wi^ bereits erwähnt, ünflingfirh fSr manög-
Hfh f^kViirt. hatf/r. E« waren ron Kanem günstigere Nach-
rif-ht/^n ^nflfftrofFen : da irh jedoch an einem anderen Orte
7r,n dr^m p«^»Iitisrhen Znstande dieses zerrütteten Landes und
d^n fU,rf, imnnt^rbrrKthen wüthenden Kampfe zwbchen B&nn
nT»d Vf^dii an^fnhrlirh^ sprechen werde, so bemerke ich hier
r»Tir. dAft«? die ^f^fTsmürti^ im Sold des Yeziers stehenden Uelld
HVrrufiri anf ihrf^m letzten Raubzuge emige Erfolge erlangt
haf f^T» . wie (U-nn gerade an dem Tage memer Rückkehr von
Ad;»rr»Äria f>ericbtet wurde, dass dieselben 150 Pferde nnd
zfMrfvhf Kameele f.Tbentet hätten, was sich jedoch nadiher
fiU nne j(r^/<<!*e t 'bertrf jibnng erwies.
V/^ W/ir nuH zwar der Charakter dieser Lente, welche ohne
Tr^ij^ft /n d^^i ziigellosesten Räubern in der Welt gehören,
rf'4)d ^iit bekannt; da es jedoch der ausdrückliche Wunsch
fhr Ur'Mhvhc^} K#^giemng war, dass wir die Länder öst-
lich nm See erkunden Holltcn, und da das dortige Grebiet
vtfw fri^dlirlieri Vc-rkelir gänzlich ausgeschlossen imd vom
Ifoniii-Mofe mAhni so gut wie aufgegeben war, so stand uns
keifF nnd(*ri'r Weg offen, als unsere friedlichen Bestrebungen
ffiif den w^üii^er heÜHanien dieser Horde zu vereinigen. Auch
waren die Helfld Hlirnftn für derlei Verbindungen bereits eini-
f^ernniwReti vdrbfreiiet, da Hie, während sie noch ihre grasrei-
i\wu Wdlinwii/e an der grossen Syrte inne hatten, mit den
Mnglllndern in öft^«re freundschaftliche Berührung gekommen
Plan, die östlichen Ufer des Tsad zu besuchen. 7
waren. Wir hatten um so weniger eine Wahl, da sämmtliche
nordöstlich und östlich vom Tsäd liegenden Gaue gegenwärtig
mehr oder weniger von Wädai, welches damals mit Bömu
Krieg führte, abhängig waren und man uns gleich Anfangs
erö&et hatte, es stehe uns frei, überall hinzugehn, nur nicht
nach Wadai. Anstatt es mit eigener Bj-aft zu versuchen,
die östlichen Gemarkungen von Känem seinem östlichen Ne-
benbuhler wiederzunehmen, oder ihn doch wenigstens zu ver-
hindern, sich daselbst festzusetzen, hatte es der Vezier ge-
wagt, dazu die Überbleibsel des kriegerischen und dermalen
heimathlosen Stammes der Ueläd Slimän zu verwenden. Zu
dem Behufe hatte er mit diesen Arabern eine Vereinbarung
getroffen und es übernommen, sie mit Pferden, Flinten und
Schiessbedarf zu versehen. Um also diese ungastlichen Ge-
genden, welche in Europa beträchtliche Aufmerksamkeit er-
r^ hatten, zu besuchen, waren wir genöthigt, diese Gelegen-
heit zu benutzen. Ich zeigte demnach am IG^en August dem
Vezier an, ich sei bereit, mich zu den Ueläd Slimän in Borgu
zu begeben, worauf er den Wunsch ausdiückte, dass auch
Herr Dr. Overweg sich dem Zuge anschliessen möge, da der
Aufenthalt in Kükaua während der Regenzeit sehr unge-
sund sei
Herr Dr. Overweg war am 9^^^ August von seiner interes-
santen Beschiffung des Tsäd nach Maduari zurückgekehrt
In Hinsicht auf diese Fahrt wird es Jeder schmerzlich be-
dauern, dass der kühne Reisende durch frühzeitigen Tod ver-
hindert wurde, einen vollständigen Bericht über dieselbe zu
liefern. Die von ihm hinterlassenen Materialien gestatten kaum,
mehr davon zu sagen, als was schon Herr Dr. Petermann ^us
ihnen • zusammengestellt hat. Indem er in dem Englischen
Boote, welches wir den ganzen Weg durch die unabsehlichen
Sand- und Steinstrecken der Wüste hierher gebracht hatten,
das seichte WaBserbecken des Tsäd befuhr, hatte er einen
grossen Theil der Inseln besucht, welche in ihm zerstreut he-
f
' 8 I. Kapitel.
gen und, zuweilen zu blossen Sanddünen beschränkt, zuwei-
len zu weiten grasreichen Niederungen sich ausdehnend, eine
Bevölkerung in ihrer eigenthümlichen nationalen Unabhängig-
keit fristen, welche den Üben-est einer grossen, von den Ka-
non fast ganz vertilgten Nation bildet. Es war eine kleine, in
sich abgeschlossene Welt, mit der Herr Dr. Overweg so in Be-
rührung gekommen war und von welcher wir allmählich nähere
Kunde zu erlangen hoffen konnten. Seine Gesundheit war bei
der Rückkehr vortrefflich, viel besser, als zur Zeit, wo ich zu-
letzt wieder mit ihm in Kükaua zusammengetroffen war. Da
ihm die triftigen Gründe, welche unser Freund, der Vezier, für
seinen Wunsch hatte, dass wir während des letzten Theiles
der Regenzeit nicht in den sumpfigen Niederungen bei der
Hauptstadt verweilen möchten, sehr wohl bekannt waren, so
willigte er ein, sich mir auf diesem gewagten Zuge nach dem
Nordosten anzuschliessen.
Diese Gegenden hatten bereits bei unserer Abreise von
Mursuk Herrn Dr. Overweg's besondere Aufmerksamkeit auf
sich gezogen. Mit den unermesslichen Schwierigkeiten, welche
der Bereisung dieser ungastlichen Strecken entgegenstehen,
noch nicht vertraut, hatte er sich oft der trügerischen Hoff-
nung hingegeben, einst mit unserem jungen Tebu- Bur-
schen Mohammed el Gatröni die fruchtbarei;! und malerischen
Thäler von Borgu und Uadjanga durchstreifen zu können. In
dieser Beziehung sowohl, als auch wegen meines eigenen da-
mals so geschwächten Gesundheitszustandes, welcher mir wäh-
rend des Zuges nach Känem nur einen geringen Theil der
mir angeborenen Energie Hess, ist es überaus zu bedauern,
dass mein unglücklicher Gefährte, der sich nie recht bewusst
zu sein schien, dass sein Leben in Gefahr sei, die Ungewiss-
heit seiner Rückkehr in die Heimath nicht in Erwägung zog
und einen Bericht über seine Forschungen ausarbeitete. Wä-
ren alle von ihm nach und nach gesammelten Nachrichten
und gewonnenen Anschauungen zu den meinigen hinzugekom-
Die politischen Verhältnisse des Sudan. 9
men, so würden diese Länder jetzt viel besser bekannt sein, als
es der Fall ist Anstatt aber seine Mussestunden dazu zu be-
nutzen, eine auch für Andere lesbare Abschrift seiner Notizen
zu machen, liess er sie sänuntlich flüchtig mit Bleistift auf
kleine Papierschnitzel geschrieben, so dass sie selbst für ihn
nach Verlauf einiger: Zeit unlesbar werden mussten. Es ist
Schade, dass das bedeutende Talent, welches Dr. Overweg be-
sass, nicht mit einem mehr praktischen Wesen verbunden
und ausschUesslicher den Studien, denen er sich gewidmet,
zugewandt war.
Der politische Horizont des Sudan füllte sich damals mit
bedeutungsvollen Ereignissen, welche theils wirklich, theils
nur scheinbar von Wichtigkeit waren. Welche Vortheile
auch Bomu aus seiner centralen Lage ziehen mag, so hat
diese doch zugleich die Gefahr zur Folge, mit dem einen
oder anderen seiner Nachbarländer in fortwährende Zwistig-
keiten verwickelt zu werden. Und daraus ergibt sich, dass
sich dieses Reich unter einer schwachen Regierung auf die
Dauer nicht wird erhalten können; es muss entweder fort-
während seine Eroberungen über die angi-enzenden Länder
ausdehnen, oder es wird bald überwältigt werden.
Im Norden ist das Reich der 'Ossmanli, welches, obwohl
im Lineren schwach und zerfallen, doch mit seinen aussen-
liegenden Gliedeni Alles, was in seinem Bereich ist, zu er-
greifen droht. Im Nordwesten sind die Tuareg, welche zwar
nicht eine sehr bedrohliche einheitliche Macht bilden, aber
bei jeder Gelegenheit bereit sind, ihre Beute zu erhaschen;
im Westen das Reich von Sokoto^ von grosser Ausdehnung,
jedoch unbeschreiblich schwach in Folge des ungeregelten
Zustandes seiner nur locker vereinigten Provinzen und der
kraftlosen Regierung eines friedlich gesinnten Fürsten, so
dass gerade um diese Zeit der Statthalter einer Provinz die
Flammen des Aufruhrs und der Empörung weit um sich her
verbreitete, während ein anderer Lehnsträger im Süden des
10 L KapiteL
•
Reiches den Besitz der Länder, welche die jährliche Sklaven-
zufubr liefern, streitig machte. Im Osten Bömu's dagegen
liegt ein Reich, das, mit der jungfräulichen Stärke eines noch,
barbarischen Zustandes begabt, die Keime grosser Macht-
entwickelung in sich trägt, sofern es ihm gelingen sollte,
die verschiedenartigen Elemente, aus denen es besteht, yoU-
kommen zu bewältigen und ineinander zu verschmelzen, —
ich meine Wadäi.
Die Verhältnisse zu den 'Ossmanli waren zu der Zeit eigen-
thümlicher Art. Wie wir in dem geschichtlichen Berichte
über Bomu gesehn haben, umfasste dieses Reich vormals al-
les Land bis Fesän, ja den südlichen Theil von Fesän selbst
und sogar Wadän; aber seit seinem Verfalle während der
letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind diese Gren-
zen aufgegeben worden, wodurch die Verkehrsstrasse nach
dem Norden meistens sehr unsicher wurde. Ein solcher
Zustand der Dinge aber muss nothwendig überaus nach-
theilig auf ein Land wirken, welches in vielfacher Beziehung
auf die ihm von Norden her zufiiessenden Mittel angewiesen
ist. Der Regierung des Landes muss es daher, da sie bei ih-
rer gegenwärtigen Schwäche nicht im Stande ist, die Sicher-
heit dieser wichtigen Verkehrsstrasse herzustellen, angenehm
sein, wenn eine andere Macht ein solches Resultat herbei-
fuhrt. Der Vezier erklärte daher in einer Unterredung, die
ich nach meiner Ankunft im April mit ihm bezüglich der
vorhandenen Aussichten auf einen geregelten Verkehr mit
England hatte, es würde ihm sehr erwünscht sein, wenn die
Türken Kauär und besonders Bilma in Besitz nehmen, bei
den Salzgruben dieses Ortes ein Fort erbauen und in das-
selbe eine Besatzung legen wollten, um die Tuareg von Air
in Schranken zu halten und sie für alle auf der Fesäner
Strasse vorfallenden Räubereien verantwortlich zu machen.
In Folge dieser Mittheilung machte ich nun der Brittischen
Regierung die Eingabe, sich bezüglich dieses Gegenstandes
Die politiBcben Verbftltnisse des Sudan. 11
mit der Hohen Pforte in Verkehr zu setzen, welches auch
geschah.
Die Sache hatte jedoch für Borau auch ihre sehr bedenk-
liche Seite. Man konnte fragen, ob die Türken, wenn sie
sich einiQal in Bilma festgesetzt, nicht damit umgehen wür-
den, sich auch das ganze Land der Tebu zu unterv^erfen.
Ja, es war sogar zu befurchten, dass sie nur zu dem Behufe,
ihre Herrschaft auszudehnen, dort festen Fuss fassen möch-
ten. Als daher in Bomu die Nachricht ankam, es sei der
ehrgeizige Hassan Baschä mit sehr ausgedehnten Yerhaltungs-
befehlen wieder als Statthalter von Fesän eingesetzt worden,
fühlte sich der ganze Hof von Bomu beunruhigt. Diese Nach-
richt übte auf die Willigkeit des Scheichs und Veziers, mit
der Englischen Regierung in freundschaftlichen Verkehr zu
treten, einen gar bemerkenswerthen Einfluss aus.
Am 5*«n August waren sie nicht ijn Stande, ihre Besorg-
niss zu verbergen, es möge eine zahllose Schaar von Eng-
ländern ihr Land überströmen, nachdem ihnen einmal in
Folge des jetzt von Ihrer Brittischen Majestät Regierung vor-
gelegten Vertrages freier Zutritt gestattet worden sei; denn
obwohl ihnen die Armuth ihres Landes im Vergleich mit
Europa nicht unbekannt war, so pflegten sie dies doch mit-
unter zu vergessen.
Am Nachmittag des 6*«» kam der Bote mit jener Nach-
richt an und noch an demselben Abend Hess mir Hadj Be-
schlr anzeigen, dass sie bereit seien, den Vertrag zu unter-
zeicliuen. Bei späterer Gelegenheit drückten sie ihren eifri-
gen Wunsch aus, die Englische Regierung möge es sich an-
gelegen sein lassen, die Ausführung der ehrgeizigen Absich-
ten des Statthalters von Fesän zu verhindern.
Ich hatte mich aber schon damals davon überzeugt, dass
die nördliche Strasse durch die Wüste sich für den Euro-
päischen Verkehr nicht eigne, und dass eine bequeme, meh-
rere hundert Meilen in das Innere des Erätheiles hinein-
i
12 I. Kapitel.
führende Strasse, welche nicht sehr weit südlich von Eano, dexa
grossen Stapelplatze Inner -Afrika's, und nur 200 Meilen in
gerader Linie südlich von Kükaua sich hinzieht, in dem
Flusse Benue entdeckt worden sei. —
Was das Reich von Sokoto betrifft, so fiel in jene Zeit
ein Ereigniss, welches, während es einen augenscheinlichen
Beweis von der Hinfälligkeit dieses ausgedehnten, aus weit-
läufigen Provinzen bestehenden Reiches lieferte, sich für Bomu
als überaus vortheilhaft erwies. Am Isten August traf näm-
lich die Nachricht ein, dass Bo&ri oder Bochäri (der ver-
bannte Statthalter von Chadedja, welcher diese Stadt mit
bewaffneter Hand eingenommen und seinen Bruder getödtet
hatte) einem sehr zahlreichen, aus den Streitkräften der Pro-
vinzen Kanö, Bautschi, Katägum, Marmar und Boberu be-
stehenden Heere, das Aliu, der Herrscher von Sokoto, unter
der Führung seines Premierministers 'Abdu Gedädo gegen ihn
gesandt, — eine so entschiedene Niederlage beigebracht habe,
dass mehrere Hunderte in dem Kom&dugu, dem grossen Flusse
von Bomu, ihren Tod gefunden haben sollten. — Im Frühjahre,
während sich Herr Dr. Overweg in Göber aufhielt, hatten die
Mariadaüa und Göberaüa einen sehr erfolgreichen Kriegszug
nach S&nfara ausgeführt, und der Herrscher von Sokoto ver-
mochte sich nicht anders an ihnen zu rächen, als dass er
nach Kanö den Befehl sandte , meine Freunde, die Asbenaua,
von deren Stammgenossen sich viele an jenem Zuge bethei-
ligt hatten, aus der Stadt zu vertreiben. Dieser Befehl wurde
denn auch ausgeführt, so dass nur der bekannte Kandake
(derselbe, dessen Herr Richardson in der Beschreibung sei-
ner früheren Wüstenreise so oft Erwähnung thut) durch die
Vermittelung der Leute von Ghadämes in der Stadt bleiben
durfte.
Die unmittelbare Folge dieser politischen Verhältnisse war,
dass sich der Hof von Bomu bemühte, mit den Asbenaua
oder den Tuareg vonAsben, mit welchen derselbe sonst kei-
Die politischen Verhältnisse des Bndan. 13
neswegs in gutem Einvernehmen stand, in freundschaftlichen
Verkehr zu treten, und daher die im letzten Kriege gegen
dieselben gemachten Gefangenen freigab. Das Bündniss
dehnte sich bis Göber aus, und der eifrigste Wunsch des
Veziers war, geradezu auf Kanö los zu marschiren. Die Er-
oberung dieses grossen Stapelplatzes war das hohe Ziel, wel-
ches sich der Ehrgeiz dieses Mannes vorgesteckt hatte; er
besass jedoch dazu keineswegs hinreichende Thatkraft und
Selbstbeherrschung. Der Statthalter jenes. Platzes aber, be-
stürzt über den Sieg des Bochäri, welcher nun seine Raub-
züge in diese reiche Gemarkung ungehindert auszuführen
vermochte, vertheilte 60 Bemuse und 3000 Dollar unter
die Mallemin, um sie zu bewegen, Allah für das Heil des
Vaterlandes anzuflehen. —
Wir haben oben gesehn, dass die Bornuesen ihren Bezie-
hungen zu Adamaua eine feindliche Richtung gegeben hat-
ten ; sie brauchten jedoch von dieser Seite nichts zu befürch-
ten, da der Statthalter jener Mark mit den Angelegenheiten
seines eigenen Landes vollauf zu thun hatte.
Ich füge hier nun noch ein Wort über Wadai bei; denn
dies war die Seite, nach der sich die Blicke des Bornu-
Volkes mit der grössten Besorgniss richteten. Vor 7 Jahren
war Bomu beinahe von Waddi erobert worden; man suchte
sich also auf jede Weise von dorther Kunde zu verschaffen.
Aber auch von dorther lauteten die Nachrichten augenblick-
lich günstig; denn obgleich sich das Gerücht von dem Tode
des Sultans Mohammed Scherif als falsch erwiesen hatte, so
bestätigte sich doch die Kunde, dass das Land mit den Abü-
Ssenün oder Kodoyl in einen blutigen Bürgerkrieg gerathen
und eine grosse Anzahl der cinflussreichsten Männer in dem
Kampfe erlegen sei. —
Indessen nahmen die Angelegenheiten in der Stadt ihren
gewöhnlichen Lauf, nur dass das „'Aid el Fotr" oder „Ngu-
meri aschäm^' (das die grosse jährliche Fastenzeit abschlies-
}
14 * I. Kapitel.
sende Fest), wenn auch nicht vom Volke, welches we-
nig Theilnahme zeigte, doch aber vom Hofe mit grossem
Pompe begangen wurde. An anderen Orten, wie z. B. in
Kanö, scheint das erwähnte Fest mehr volksthiimlich ge-
feiert zu werden ; die Kinder . der Schlächter — „masufau-
tschi" — in jener Stadt besteigen dann mehrere eigens für
jenen Tag gemästete Ochsen, indem sie sich zwischen die
Homer setzen und die Thierö vermittelst um den Nacken
und am- Hinterbeine befestigter Stricke leiten. .Unter dem
gemeineren Volke von Börnu dagegen betheiligte man sich
an dem Feste fast nicht weiter, als dass man seine besten
Kleider anlegte; auch ist es in grösseren Haushalten allge-
meiner Gebrauch, dass man an jenem Tage den Dienern ein
neues Hemd zum Geschenk macht.
Auch ich legte am Morgen meine beste Kleidung an, be-
stieg mein Pferd, welches sich von den Anstrengungen der
letzten Reise wieder ein wenig erholt hatte, wenn es auch noch
keineswegs für eine neue derartige Untemehmimg geeignet
war, und begab mich nach der Oststadt — „billa gedibe" — .
Die grosse, von der Weststadt kommende Hauptstrasse war
gedrängt voll Leute zu Fuss und zu Pferde, welche hin-
und hei-wogten, Alle auf's Beste angethan. Es hatte vorher
geheissen, dass der Scheich seine Gebete in der Moschee
verrichten werde; es fand sich aber bald, dass er ausser-
halb der Stadt beten würde, da starke Abtheilungen Reiterei
zum Nordthore (der „tschinna yaläbe") hinausritten. Um
zu hören, wo die Festlichkeit stattfinden solle, begab ich
mich nach dem Hause des Veziers und traf ihn gerade, als
er inmitten eines Schwarmes wohlgeputzter imd gut beritte-
ner Anhänger herausgeritten kam.
Zugleich kamen aus verschiedenen Richtungen mehrere
Züge Reiterei heran, bestehend aus einer Anzahl Schwadro-
nen von je 100 — 200 Mann, jede von ihrem Hauptmann
— „kaschella'' — gefuhrt; die ganze Mannschaft, besonders
Das Fest 'Aid el Fötr. 15
die schwere Reiterei, war in den prachtvollsten Anzügen.
Die Reiter tragen meistens einen langen, dick wattirten Rock
— „degfbbir" — ^ darüber mehrere Toben von verschiedener
Farbe und mit allerlei Zierath, und ihre Kopfbedeckung be-
stand in einem Helme — „büge" — ,.dem unserer mittelal-
terlichen Ritter sehr ähnlich, aber von leichterem Metalle
und mit den prahlendsten Federn geschmückt. Ihre Streit-
rosse waren . insgesammt in Kriegszeug gekleidet, nämlich
in dicke Decken — „libbedi" — , welche aus verschieden-
artig gestreiftem Zeuge gefertigt waren und aus drei Thei-
len bestanden; die Füsse derThiere blieben unbedeckt, wäh-
rend der Kopf vom mit einer Metallplatte sowohl beschützt,
als auch geschmückt war. Andere trugen einen Panzer,
von welchem eine Art „ssillege'^ und eine andere „komä-
komi-ssübe" genannt wird. Bei der Schilderung des Müssgu-
Zuges werde ich Gelegenheit haben, diese Heergattung dar-
zustellen.
Die leichte Reiterei trug nur je zwei oder drei hell-schim-
memde Toben und kleine Mützen von weisser oder anderer
Farbe ; die Offiziere und begünstigteren Diener jedoch waren
mit Bemusen von feinerem oder gröberem Zeuge angethan,
die malerisch so über die Schultern geworfen waren, dass
man das reiche Seidenfutter am meisten zu sehn bekam.
Alle diese stolzen Schwadronen, in welchen gar viele herr-
liche Pferde prunkten, zogen nach dem Nordthore der Billa
gedibe, während die Reiterbedeckung des Scheichs selbst,
welcher noch in der Weststadt geblieben war, von Südwest
herkam. Diese letztere Truppe gewährte, wenigstens in der
Femsicht — wie bei theatralischen Vprstellimgen — , einen
wahrhaft grossartigen Anblick. Den Zug eröfl&iete eine An-
zahl Reiter; dann folgten die Livree-Sklaven des Scheichs,
mit Flinten bewafinet, und zuletzt kam der Scheich selbst,
als Zeichen seines priesterlichen Standes mit einem weissen
Bemos angethan, welcher sehr schön gegen seine Kopfbe-
16 I. Kapitel.
kleidung, einen dunkelrothen Shawl, abstach. Hinter ihm
folgten vier prächtige Schlachtiosse , mit seidenen Decken
von verschiedenen Farben behangen, das erste Streitross mit
Weiss und Gelb, das zweite mit Weiss und Brami, das dritte
mit Weiss und Hellgrün und das vierte mit Weiss und Kirsch-
roth. Dies war unstreitig der interessanteste und bemer-
kenswertheste ITieil des Aufeuges. Nach den Pferden folg-
ten die vier grossen Fahnen — „äläm" — des Scheichs nebst
den vier kleineren der Musketiere, imd eine zahlreiche Schwa-
dron Reiterei schloss das Ganze.
Mit dem Zuge des Scheichs vereinigten sich nun die an-
deren Corps und das ganze Heer zog in der Richtung von
Dau-erghü ungefähr 1 Meile weit vor die Stadt hinaus. Hier
schlug man das Zelt des Scheichs auf, welches aus einer
sehr weiten, blau imd weiss gestreiften Kuppel imd aus zur
Hälfte weissen, zur Hälfte rothen Vorhängen bestand; die
letzteren blieben halb geöffnet und gestatteten einen Blick
über das Ganze. In diesem Zelte verrichteten der Scheich,
der Vezier und die Grosswürdenträger ihre Gebete, während
die zahlreiche Mannschaft zu Pferde und zu Fuss sich höchst
grossartig und malerisch im Felde umher gruppirte.
Ich umwanderte indessen die interessanten Gruppen imd
suchte die Stärke der verschiedenen Abtheilungen zu zäh-
len. Das Resultat befriedigte zwar nicht die hoch ge-
spannte Erwartung, welche man in mir erregt hatte; doch
waren mindestens 3000 Mann Reiterei und 6- bis 7000 Mann
Fussvolk, das letztere zum Theil nur mit Pfeil und Bogen
bewafl'net, auf dem Platze. Die Menge der Zuschauer war
ebenfalls sehr gross.
Die Ceremonie dauerte nicht lange ; bereits um 9 Uhr rief
die „ganga^' die Anfuhrer zum Aufsitzen, und die dichte
Menschenmasse zertheilte und schaarte sich in verschiedene
Abtheilungen. Der Zug nahm seinen Weg um die Nordwest-
ecke der Oststadt und betrat dieselbe durch das Westthor;
Das Fest Aid el Fotr. 17
bei dem grossen Gedränge stand ich jedoch davon ab, vom
Scheich Abschied zu nehmen, mid wandte mich daher in
Begleitung von zwei sehr ritterlichen und wohlberittenen
jungen Arabern aus Ben-6häsi langsam über den sich zwi-
schen beiden Städten ausbreitenden freien Raum zurück
und machte in einiger Entfernung von dem Ostthore der
Weststadt Halt, um die Kaschella's, welche in diesem Stadt-
theile wohnen, vorbeikommen zu sehn.
Es waren ihrer 12 oder 13, aber nur wenige von ihnen
befehligten über 100 Mann Reiterei ; am stattlichsten zeigten
sich Fügo 'Ali, 'Ali Marghi, 'Ali Dendal, 'Ali Ladän, Beläl,
Ssälah Kandä und Djerma.
Es fiel auf, dass kein Schüa zum Feste gekommen war;
aber ich glaube, sie thun. dies überhaupt selten ; nur mitun-
ter kommen sie zum „'Aid el Kebir" oder „Ngümeri laiäbe".
Es ist bemerkenswerth, dass auch dieses kleinere Fest hier mit
so viel Glanz gefeiert wird, was sonst im Mohammedanischen
Sudan nur bei der „Laia" der Fall ist; dies rührt vielleicht
von Egyptischen Einwirkungen her; denn der Gebrauch ist
wenigstens so alt, wie die Zeit des Königs Edriss Alaöma. —
' Ich hatte die unaussprechliche Freudö, durch den am 6^^
August angekommenen Boten ein beträchtliches Päcktchen
Briefe aus Europa zu erhalten. Insgesammt enthielten sie
Versicherungen sowohl von dem grossen Interesse, das man
allgemein an unserem Unternehmen nahm — so wenig Nä-
heres auch von unseren bisherigen Schritten noch bekannt
geworden war — , als auch davon, dass Mittel geschafft wer-
den sollten, die uns befähigten, imsere Reisen fortsetzen zu
können, ohne gar zu grosse Entbehrungen zu erdulden.
Ich sammelte daher den kleinen Rest der mir bei meinem
kränklichen Zustände verbliebenen Energie und beendigte
den Bericht über meine Reise nach Adamaua. Diese Arbeit,
so kurz sie auch war, verursachte mir zwar viele Schwierig-
keiten, wurde aber auch, zusammen mit der Nachricht von
i
18 I. Kapitel.
Herrn Dr. Overweg's glücklicher Beschiflfung des Tsäd, am S^^
August abgesandt und in Europa mit gi'ossem Beifall aufge-
nommen. — Mit den Briefen und einigen Exemplaren des
Malteser „Portfolio" erhielt ich auch etliche Nummern des
Londoner „Athenaeum", welche mir ganz besondere Freude
machten. —
Im Allgemeinen war unsere Lage in Bömu nicht eben
übel. Wir standen im freundschaftlichen Vernehmen mit
der Regierung, wurden vom Volke im Allgemeinen nicht nur
geduldet, sondern selbst hochgeachtet, und sahen einen un-
ermesslichen, ebenso interessanten", wie nützlichen Wirkungs-
kreis vor unseren Augen aufgethan. Abgesehen von dem
Klima, war nur Ein misslicher Umstand vorhanden; dieser be-
stand nÄmlich darin, dass unsere Mittel zu beschränkt waren,
um uns vom Scheich und seinem Vezier ganz unabhängig zu
machen; denn die uns bis jetzt zugekommenen kldnen Hilfs-
summen waren nicht für unsere Bedürfnisse hinreichend und
gar bald dahin. Kaum waren wir im Stande, uns durch
unseren Kredit aufrecht zu erhalten und die unumgänglich-
sten Bedürfnisse zu decken. — Herr Dr. Overweg hatte vom
Scheich ein sehr schönes Pferd erhalten und war ausserdem
noch genöthigt gewesen, eine Anzahl Toben anzunehmen,
welche er dann' unter die Büdduma- Häuptlinge verschenkt
hatte, und Scheich und Vezier betrachteten ihn beinahe als
in ihren Diensten stehend. Er verlor daher mit der Repa-
ratur oder vielmehr mit dem Versuche der Reparatur ihrer
Uhren und dergleichen Dingen unendlich viel von seiner kost-
baren Zeit, und um gegen den verstorbenen Reisenden ge-
recht zu sein, müssen wir diese eigenthümliche Lage, in der
er sich befand, wohl in Anschlag bringen. Solche Dienste
hatte ich gleich von Anfang an abgelehnt und wurde daher
als minder nützlich betrachtet, so dass ich oft den Vorwurf
zu hören hatte: „'Abd el Kerim faidansse bdgo", „'Abd el
Kerim ist zu nichts nütze". Selbst ich war jedoch keines-
Lage in Borna. 19
wegs von dem Wohlwollen des Scheichs und Veziers unah-
hängig und hatte Alles, was ich besass, aufzuopfern, um von
Zeit zu Zeit ihre Gunst durch ein kleines Geschenk neu an-
zufachen.
Das Pferd, welches sie mir bald nach meiner Ankunft ge-
schenkt hatten, erwies sich als unfähig für solche Strapazen,
wie sie mit einer langen Reise verknüpft sind, und dasjenige,
welches ich vor meiner Adamaua- Heise gekauft hatte, war
zu sehr erschöpft, um bald wieder eine andere Reise mitma-
chen zu können, und nachdem ich nun zwei andere Kameele
gekauft und mich sonst für einen neuen Zug ausgerüstet hatte,
vermochte ich bei meinen gegenwärtigen beschränkten Mitteln
nicht, mir auch noch ein gutes Pferd zu verschaffen. Indem
ich mich daher dessen erinnerte, was mir der Vezier bezüg-
lich des ersten Pferdes bemerkt hatte, liess ich ihn wissen,
er würde mich sehr verbinden, wenn er mir ein Pferd zum
Geschenk machen wollte. Er war wirklich so freundlich,
mir vier Thiere zu senden, um eins davon auszuwählen; da
mir jedoch keines von allen gefiel, nahm ich kein einziges,
indem ich ihm einfach bemerkte, es sei unmöglich, unter
vier Gäulen — „kadara" — ein Pferd — „fir" — auszu-
wählen. Dieser Wink wurde nach einiger weiteren Ausein-
andersetzung von meinem Freunde verstanden, und er sandte
mir am Abend des 7*en September ein Thier aus seinem
eigenen Stalle, welches mir denn auch auf meinen vier fol-
genden Campagnen ein treuer und edler Gefährte war, bis
es im Dezember 1854, auf meiner Heimreise von Timbuktu,
in Kanö nebst einem seiner Gefährten von einer gefährli-
chen Krankheit dahingerafft wurde.
Dieses Pferd war überall, wohin mich in der Folge meine
Wanderungen führten, bei allen hohen Personen, vom Sultan
von Baghirmi an bis zu den Häuptlingen der Tademekket
und Auelinmiiden bei Timbuktu, ein Gegenstand des Neides ;
seine Farbe war ein eigenthümliches Grau, schön leoparden-
I
20 L Kapitel.
artig gefleckt. Die Kanöri stimmteQ bezüglich des auf das-
selbe anzuwenderiden Namens nicht überein; Einige nannten
es „scheggarä", während Andere glaubten^ ihm gebühre der
Name „keri ssassarandi". Das Thier war sehr lebhaft und
liebte es, seine schöne Figur auf's Vortheilhafteste zu zeigen,
wie denn die Bomu-Pferde überhaupt sehr feurig" und unruhig
sind. Es war ein vortrefflicher „kerl-ssa", d. h. es hatte einen
sehr schnellen Schritt, bis letzterer, wie dies nur zu oft der
Fall ist, durch das Reisen in Gesellschaft von Kameelen ver-
dorben wurde; aber wegen seines muthwilligen Wesens ward
ihm oft der Vorsprung abgewonnen. Von seiner Stärke legt
die Länge der Reisen, welche es als mein treuer Gefährte
zurücklegte, einen vollständigen Beweis- ab, besonders wenn
man den kriegerischen, wissenschaftlichen und Zehrvorrath
in Anschlag bringt, den ich stets bei mir führte. Es war
ein „ngirma", jedoch nicht von der grössten Höhe, und Herrn
Dr. Overweg's Pferd war beinahe eine halbe Hand höher; aber
während das meinige an Gewandtheit einem Löwen glich,
var das seinige schwerfällig wie ein Hippopotamus.
Im Besitze eines solchen Pferdes rüstete ich mich frohen
Muthes für meine neue Fahrt, welche ich in dem doppelten
Lichte eines Unternehmens für die Zwecke der Wissenschaft
und einer Gesundheitsreise betrachtete; denn meine Körper-
kräfte drohten in dem ungesunden Klima von Kükaua zu
erliegen. Ausser zwei Tesäner Burschen hatte ich noch zwei
zu den Ueläd Slimän gehörige Araber, Namens Bü-Sed imd
Hossen ben Här, in meine Dienste genommen.
n. KAPITEL.
Zug nach Kaneni. .
[Dannerstag, 11^^ September 1851,] Ich hatte mich ent-
schlossen, die Stadt vor den Arabern zu verlassen, um Zeit
genug zu gewinnen, während der ersten Tage langsam reisen
zu können. und so meinen geschwächten Körper, nach einer
40tägigen Ruhe in der Stadt, wieder, allmählich an die Be-
schwerden eines anhaltenden Marsches zu gewöhnen. Ich
hatte mich mit hinreichendem Mundvorrath versehen, na-
mentlich mit Summita, Dueda (Nudeln), Mohamssa (aus
Waizen bereiteter grpbkömiger Kusskuss) und Näkia (eine
Art Kuchen, aus Reis, Butter und Honig bereitet), — von
jedem zwei Häute voll. Alles dies wurde nebst dem ge-
ringen Grepäck, welches ich auf dieser Fahrt mitzunehmen
gedachte, in zwei lederne Säcke — „keua" — gesteckt,
welche die Last meiner beiden Kmeele bildeten.
Nachdem ani Morgen Alles bereit war, begab ich mich
zum Vezier, um von ihm Abschied zu nehmen und mit mei-
nem früheren Diener Mohammed ben Bü-S&d, dem ich 35
Dollar schuldete, abzurechnen. Hadj Beschir war wie gewöhn-
lich freundlich und liebenswürdig; was aber meinen frühe-
ren Diener betrifft, so musste ich ihm, da ich nicht einen
einzigen Dollar in baarem Gelde besass, eine AnweisiUig von
75 Dollar auf Fesän ausstellen. Wir hatten auch eine lange
Auseinandersetzung bezüglich der beträchtlichen dem Fesä-
ner Kaufmann Mohammed e' Ssfäksi schuldigen Summe, und
22 n. Kapitel.
da es unmöglich war, diese Angelegenheit auf der Stelle zu
ordnen, so sah ich mich genöthigt, ihre vorläufige Abschlies-
sung Herrn Dr. Overweg zu überlassen; denn ihre endliche
vollkommene Entledigung fand diese widerliche Geschichte
erst nach Ablauf des folgenden Jahres.
Wie denn dergleichen Dinge den Reisenden seiner besten
Stunden und halben Thatkraft zu berauben pflegen, so hat-
ten alle diese unangenehmen Geschäfte auch meine Abreise
so lange verzögert, dass gerade die Sonne unterging, als ich
zum Stadtthore hinausritt. Meine kleine Reisegesellschaft war
noch. sehr unvollständig; denn als ich in die hohen, wogenden
Hirsengefilde, welche die kleine nördliche Vorstadt gänzlich
den BUcken entzogen, hinaustrat, fand sich nur ein armer
junger Mann, den ich eigentlich gar nicht einmal gemiethet
hatte, als mein Gefährte vor ; die drei anderen von mir gemie-
theten Diener waren unter diesem oder jenem Vorwande zu-
rückgeblieben. Der Bursche, welcher sich zur rechten Zeit
eingefimden hatte, war Mohammed ben Ahmed aus Fesän. Ich
hatte denselben schon im verflossenen März (es war in Güm-
mel) fiir 2 Spanische Dollar monatlich zu miethen gewünscht
oder vielmehr wirklich gemiethet; aber die Ssuakena, seine
Gefährten in der Kafla, mit welcher er soeben von Norden
gekommen war, hatten ihm davon abgerathen, in die Dienste
eines Christen zu treten, — so dass er sein Wort brach und,
mit jener Kafla seine Reise fortsetzend, mich mit nur einem
einzigen brauchbaren Diener im Stiche liess. Er hatte aber
inzwischen Zeit gehabt, sein unwürdiges Verfahren vollkom-
men zu bereuen; denn er war in Eanö an den Rand des
Grabes gerathen und dann, von seinen früheren Freunden
verlassen, im grössten Elende nach Kükaua gekommen. Da
hatte er mich denn um Verzeihung und Mitleid gebeten, so
dass ich ihm nach einiger Einrede zu bleiben erlaubte, ohne
ihn jedoch zu miethen. Erst nachdem ich in der Folge
seine Anhänglichkeit zu mir erkannte, erhielt er von mir
Abreise nach Kanem. 23
monatlich 1 Dollar; 2 Dollar bekam er erst nach meiner
Abreise von Sinder (im Januar 1853), auf meinem Timbuktu-
Zuge, wo ich genöthigt war, allen meinen Leuten höheren
Lohn zu zahlen. — Es war also dieser Bursche, der mir,
als ich auf dem Känem-Zuge die Stadt verliess, mit meinen
^beiden Kameelen folgte.
Alles umher zeigte Fruchtbarkeit und Wachsthum, gbgleich
die Umgegend der Hauptstadt keineswegs das schönste
Ackerland Bömu's begreift, und durch die frische in der
freien Natur wehende Abendluft gestärkt, zog ich fröh-
lich dahin. Ich hatte, den östlichen Pfad eingeschlagen und
sah mich vergebens nach einer zum Lagerplatz geeigneten
Stelle um. Endlich erblickte ich zwei von meinen zurückge-
bliebenen Leuten und fand auch zugleich links vom Wege
auf etwas ansteigendem sandigen Bo^en einen Platz, wo wir
imser Zelt bequem aufschlagen konnten. Ich war froh, der
Einförmigkeit und Enge der Stadt enteilt zu sein; denn
nichts in der Welt macht mich so glücklich, als eine weite
offene Landschaft, ein bequemes Zelt und ein schönes Pferd.
Ich hatte jedoch keineswegs ein ganz behagliches Lager;
denn weil ich es vergessen hatte, mein Zelt zu schliessen,
wurde ich so sehr von den Mücken belästigt, dass ich fast
nicht schlafen konnte. In Folge der Nähe des See's fiel
in der Nacht ein so starker Thau, dass das Zelt am Mor-
gen ganz nass war, als ob es in's Wasser getaucht worden
wäre.
[Freitag, 12^^ September.] Ungeachtet dieser Unbe-
quendichkeiten erwachte ich am Morgen mit frohem Herzen
und kümmerte mich wenig um die Fliegen, welche, den
nächtlichen Quälern, den Mücken, folgend, mich nun anzu-
greifen kamen. Ich Hess mich vor dem Zelte- nieder, um
mich meiner Freiheit zu erfreuen. Es war ein schöner Mor-
gen, und ich blieb stundenlang sitzen, im ruhigen Genüsse
der einfachsten Landschaft — denn der See im Osten war
24 IL Kapitel.
nicht sichtbar und kaum ein einziger Baum belebte die Ge-
gend — ; aber die tiefe Stille, welche in der Natur herrschte,
athmete solche Heiterkeit und Zufriedenheit, dass ich mich
ebenso glücklich wie gestärkt fühlte. Ich dachte gar nicht
daran, zu schreiben oder zu studiren, sondern verträumte
den ganzen Tag. — Am Abend erscliien auch der dritte von
meinen Leuten; er brachte eine Zeile von Herrn Dr. Over-
weg mit, an mich adressirt, mit der Aufschrift; „m campo
caragae Aethiopiensis^ („karäga" heisst „Wil^niss").
[Sonnabend, 13^^ September,] Im Laufe des Morgens,
nachdem der Thau einigermassen abgetrocknet war, beschloss
ich, mit meinem Lager eine kleine Strecke weiter vorzu-
rücken, musste jedoch einen mehr westlichen Pfad einschla-
gen, wegen der vielen sumpfigen Lachen, die sich am Ende
der Regenzeit in der Einsenkung am Fusse der Hügel von
Dau-erghü gebildet hatten. Der Pflanzeuwuchs ist während
dieser Jahreszeit selbst in diesem einförmigen Striche reich
zu nennen.
Nachdem wir endlich die Korn- oder vielmehr Hirsenge-
filde von Dau-erghü erreicht hatten, erstiegen wir bald die
Sandhügel, wo sich die ganze Beschaffenheit der Landschaft
änderte; denn Dum -Gestrüpp höi^te fast gänzlich auf und
Retem (Spartium junceum oder monospermum) ward der ge-
wöhnliche botanische Schmuck des Bodens überall da, wo .
der Ackerbau eine Stelle frei gelassen hatte, während reich-
belaubte Mimosen die Einförmigkeit des Ackerlandes unter-
brachen. Nachdem ich mehrere Gruppen von Dörfern, wel-
che zusammen einen beträchtlichen Bezirk bildeten, zur
Seite gelassen hatte, gewahrte ich zur Rechten am Fusse
eines Abhanges eine jetzt von einem grünen Gewässer an-
gefüllte Thalmulde, wo bald nach Beendigung der Sommer-
emte jene besondere, „massakuä" genannte Sorghum-Pixi an-
gebaut wird. Der von einigen Akazien beschattete Ort war
sehr einladend, und da ich, obgleich erst 2 Stunden unter-
V
Zog Dach Känem. 25
wegs, wegen meiner Schwächlichkeit und Unpässlichkeit be-
reits ermüdet war, beschloss ich, während der Hitze hier
zu rasten;
. Ich hatte mich soeben auf dem Boden ausgestreckt, als
mir mitgetheilt wurde, es sei ein Bote von Rhet, dem Häupt-
ünge der üeläd Slimän, mit der Nachricht vorbeigekommen,
dass sich dieser unstäte und räuberische Stamm von Borgu
nach Känem zurückgezogen habe. Dies war eine gar unbe-
friedigende Nachricht, da mir nach Allem, was ich vernom-
men, Borgu als ein Land von vielem Interesse erschien (we-
nigstens von gleich grosser geographischer Bedeutung wie
Air oder Asben), welches, im Besitz von tiefen Thälem und
Schluchten und von lebendigen Quellen bewässert, ausser einer
grossen Fülle vortrefflicher Datteln, wenigstens an einigen be-
günstigten Stellen sogar Trauben und Feigen erzeugt. —
Der heutige Morgen war etwas trübe gewesen, aber gegen
Mittag kam die Sonne zum Vorschein und wir hatten von
unserer vortheilhaften Stellung am Abhänge eine weite Aus-
sicht über eine, wenn auch keineswegs malerische, doch im
reichsten Pflanzenkleide sich entfaltende Landschaft. Es
fand sich kaum ein kahler Fleck; die ganze Oberfläche war
grün, mit der einzigen Ausnahme, dasis die fast reifen Ähren
der Afrikanischen und Indischen Hirse sich bereits gelbbraun
zu färben anfingen. Das Getreide, dessen höchste Halme
nicht über 15'Fuss massen, stand jedoch bei weitem nicht
80 hoch wie dasjenige, welches ich später, auf meiner Heim-
reise von Timbuktu, in den üppigen Thälem des reichen
Kebbi antraf. Mehrere vorüberziehende Kanembü belebten
die Landschaft.
Als die Hitze der Mittagsstunden nachliess, brach ich mit
meiner kleinen Gesellschaft wieder auf und setzte meinen
Marsch nach Norden fort. Nach ungefähr 1 Stunde kamen
wir bei einer links am Wege gelegenen, vom Regen gebilde-
ten grossen Lache vorbei, an deren von einer Akazienhol«-
26 IL KapiteL
zung bewachsenem Ufer eine zahlreiche Heerde gut gehalte-
nen Rindviehes weidete.
Gegen Abend fanden wir mit einiger Mühe einen Pfad,
welcher uns durch das Ackerlapd nach Alainik führte, einem
in der hohen Hirsensaat fast ganz verborgenen Dörflein. Wir
wurden auf eine ziemlich kühle Weise empfangen, wie es der
Fremde überhaupt in allen Dörfern in der Nähe von Haupt-
städten erwarten muss, deren Einwohner mit fortwährenden
Ansprüchen auf ihre Gastfreundschaft heimgesucht werden.
Da ich aber meine Wohnung und Alles, was ich sonst be-
durfte, bei mir führte, so fragte ich nicht viel nach ihrer
Begegnung und mein Zelt war bald in einem Hofe aufge-
schlagen. Ich wurde jedoch unangenehm berührt durch
einen Wortwechsel, welcher zwischen meinem Geleitsreiter
und dem Hausherrn ausbrach, da Letzterer jenen sein Pferd
niclit an der Stelle, wo er es wünschte, anbinden lassen wollte;
ja, mein Begleiter unterstand sich sogar, unseren Wirth zu
schlagen. Solcher Behandlung sind die Unterthanen in die-
sen Ländern, wo zum grossen Theil Sklaven das Regiment
füliren, fortwährend ausgesetzt.
[Sonntag, W^ September i\ Nach einer erquickenden
nächtlichen Ruhe brach ich etwas später als am gestrigen
Tage auf und wand mich auf einem schmalen Pfade durch
das Gefilde, wo ausser Sorghum auch Karäss (Hibücus escu-
lentus) gebaut ward. Dieses Gemüse bildet in Gegenden,
wo die Blätter des Affenbrodbaumes — „küka" — und des
„hadjilrdj" (Balanites Aegyptiacus) mangeln, für die Einge-
borenen eine wesentliche Würze der Suppen. Obgleich die
Stadt Kükaua ihren Namen von dem Umstand erhalten hat,
dass an der Stelle, wo der Scheich Mohammed el Känemi,
der Vater des gegenwärtigen Herrschers, die Stadt grün-
dete, sich ein Baum dieser Art vorfand, so gibt es doch
bei Kukaua in einem Umkreise von mehreren Meilen kaum
eine einzige Küka.
Zug nach Kinem. 27
Der Himmel war bewölkt xmd die Landschaft wurde noch
einförmiger, als am vorigen Tage. Wir trafen einen kleineu
Trupp einheimischer, mit gedörrten Fischen handelnder Leute.
Diese Fische bilden durch ganz Bomu einen beträchtlichen
Handelsartikel; denn obgleich den Kanon gegenwärtig der
Besitz und selbst der Niessbrauch der herrlichen in ihrem
Gebiete sich ausbreitenden Wasserfläche — des „tsäde" —
vorenthalten ist, so ist doch der Fisch, welchem ihre Vor-
fahren den Namen „bü-ni" — „Speise" — (von „bü", essen)
gegeben haben, immer ein wesentlicher Bestandtheil ihre
Speisen und Brühen geblieben.
Das Gefilde war hier weniger sorgfältig bestellt, aber doch,
wenn auch nur in weiteren Zwischenräumen, mit Bäumen
mannichfacher Art besetzt. Ausser domigem Talha-Gestrüpp
kamen besonders vor Hadjilidj oder Bito (Baiamtes Aegy-
pttacus)^ Ssellm, Kurna, Sserräch und Gherret (Mimosa
nilotica). Etwas weiterhin, kurz ehe wir das Dorf Kali-
kagori erreichten, sah ich ein Weib, welches die Samen
einer essbaren, „kreb" oder „kaschä" genannten Poa (wovon
es mehrere Arten gibt) einsammelte, indem sie eine Art leich-
ten Korbes über die üppige Wiese hinschleifte. Die Samen
dieser Gräser werden von den Bewohnern Bomu's, Baghir-
mi's und Wädai's in grosser Menge als Nahrungsmittel be-
nutzt, .besonders von den Arabischen Ansiedlem in diesen
Ländem, den Schüa; jedoch habe ich wenigstens in Bomu
die schwarzen Eingeborenen sich nie dieser Speise bedie-
nen sehn, wogegen dieser Same in Baghirmi selbst von
den Reichen sehr geschätzt wird. Der Leser wird im Ver-
folge meines Berichtes sehn, dass in Mäsena vorzugsweise
diese Poa meine Nahrung bildete; sie gibt ein leichtes,
schmackhaftes Gericht, erfordert aber reicliliche Zuthat von
Butter.
Nachdem wir den Wald betreten hatten und bei verschie-
denen kleinen Lachen vorübergekommen ^iraren, lagerten wir.
i
28 n. EapiteL
als die Hitze zunahm, an einer der letzteren. In diesem
Striche war die „gherret" „üm-el-harka" oder „kingar"
genannte Mimosa nilotica sehr häufig; ihr Holz ist zu Sät-
teln und mancherlei anderen Dingen sehr geeignet und dient
verkohlt zur Pulverbereitung. Mein alter geschwätziger, ob-
gleich nicht sehr rüstiger Gefährte Bü-Sed beschäftigte sich
damit, neue Zeltpfiöcke aus diesem Holze zu schneiden, da
dieselben in dem harten schwarzen Boden dieses Land-
striches bald abbrechen; zu gleicher Zeit eröffnete er mir
mit dem Beistande Hossen ben Här's den ersten Blick in
das Treiben der zahlreichen in Känem und am Bahhr el
Ghasal wohnenden Stänune. Die Frucht der Gherret odei-
eigentlich die Gherret selbst — denn dieser Name kommt
ursprünglich der Frucht zu und wird nur missbräuchlich auf •
den Baum selbst angewendet — ist im äusseren Ansehen der
Frucht des Tamarindenbaumes sehr ähnlich und bildet na-
mentlich bei der Ruhr eine wichtige einheimische Arznei,
und ihr verdanke ich wahrscheinlich meine Genesung, als
ich bei meinem zweiten Aufenthalte in Sokoto (im Septem-
ber 1854) von dieser gefährlichen Krankheit befallen wurde.
Dieser Baum ist gleichfalls von wesentlichem Nutzen in der
Gerberei, besonders bei der Zubereitung der Wasserschläu-
che, jenes zu Wüstenreisen so unentbehrlichen Geräthes. — •
Der Kadjidji ist hier gleichfalls häufig. Von der ungefähr
nussgrossen Wurzel dieser kleinen Pflanze machen die Ein-
heimischen einen sehr ausgedehnten Gebrauch als Räucher-
werk.
Spät am Nachmittage setzten wir unsere Reise durch die von
offenen Stellen vielfach unterbrochene Waldung fort. Nach-
dem wir unseren Pfad einige Meilen weit verfolgt hatten, ver-
liessen wir denselben und schlugen eine mehr östliche Richtung
durch eine freundlich gebügelte Landschaft ein, die mit dich-
tem Grün bekleidet und von zahlreichen Heerden beweidet
war, da die Kanembü, gleich den Fulbe, während eines
Zug nach Kinem. 29
Theiles des Jahres oft in beträchtliche Entfernung wandern
und alles Vieh aus den nördlich von Ngömu gelegenen Ge-
genden während der kalten Jahreszeit hierher getrieben wird.
Da wir. jedoch hier kein Wasser finden konnten, so hatten
wir uns in der entgegengesetzten Richtung nach diesem für
eine behagliche nächtliche Ruhe so unentbehrlichen*Elemente
umzusehn. Einen sehr rauhen Strich durchstreifend, gelangten
wir endlich zu einem Hürdenlager — „beri" — , welches eine
Anzahl Kanembü mit ihren Heerden hier zeitweilig gebildet
hatten, während ein grösserer Ben sich gerade in östlicher
Richtung nach den Ufern des Tsäd zu in Bewegung setzte.
Auch hier war kein Wasser zu finden und Milch nur sehr
wenig zu haben.
[MorUcy, 15*^ September.] Ehe wir noch bereit waren,
brach das ganze nomadische Lager auf; das Vieh zog voran,
Männer, Weiber und Kinder folgten mit ihrem kleinen Haus-
rath, den sie mit Hilfe von Eseln fortschafften. Die haupt-
sächlichen oder vielmehr einzigen Geräthe dieser wandern-
den Rinderhirten bestehen in langen Stangen, an welchen die
Milch aufgehängt wird, den Schläuchen — „ssdkti" — für
die Milch und das Wasser, den Kalabaschen und den Gras-
iSaschen — „koriö" — . Die Männer sind durchgängig mit
langen hölzernen Schilden — „ngäua fogobe" — und Speeren
bewaffnet und, wie bereits bei einer früheren Gelegenheit an-
geführt, oft höchst phantastisch gekleidet.
Nachdem wir die Kameele beladen und unseren Marsch eine
Strecke fortgesetzt hatten, eiTeichten wir den zeitweiligen
Lagerplatz einer anderen grossen Heerde, deren Hüter sich
anfanglich gar unfreundlich zeigten imd uns nicht einen Tro-
pfen von ihrer Milch gemessen lassen wollten; ihr barsches
Wesen verwandelte sich jedoch bald in die äusserste Freund-
lichkeit, als mich Mädi, ein älterer Bruder Fügo Ali's, un-
seres Freundes in Maduäri, erkannte. Er wollte sogar dar-
auf bestehen, dass ich auf .der Stelle lagern und den Tag
30 ' n. Kapitel.
in seiner Gesellschaft zubringen sollte , und es hielt schwer,
ihn zu bewegen, mich meinen Marsch fortsetzen zu lassen,
nachdem ich so viel vortreffliche Milch genossen, als der Ma-
gen nur zu vertragen vermochte. Etwas weiterhin gelangten
wir auf die Hauptstrasse imd fanden auf der westlichen Seite
des Weges eine beträchtliche Lache mit schlammigem Was-
ser, womit wir zwei Schläuche anfüllten. Gewiss ist nichts
schädlicher für einen Europäer, als solches stehendes trübes
Wasser J aber wählend oder kurz nach der Regenzeit ist man
kaum im Stande, sich anderes zu verschaffen.
Bald darauf war ich Augenzeuge einer Probe der Behand-
lung, welcher die Bewohner dieser Länder fortwährend voA
den königlichen Dienern ausgesetzt sind; denn als wir eine
scliöne Schaafheerde antrafen, ergriflf mein Geleitsreiter das
fetteste Stück der ganzen Heerde trotz des Geschreies des
Schäfers, den ich vergebens zu trösten suchte, indem ich ihm
den Werth des Thieres bot. Als wir uns während der Hitze
unter dem spärlichen Schatten einiger Gäuo gelagert hatten,
schlachteten meine Leute das Schaaf, aber, wie gewöhnlich,
ass ich nur ein wenig von der Leber. Der Schatten war so
spärlich und die Hitze so drückend, dass ich mich, als wir
Nachmittags ein wenig weiter zogen, sehr schwach fühlte und
bald zu lagern genöthigt war.
[Dienstag f 16^^ September,^ Nach nächtlicher Ruhe in mei-
nem reinlichen Zelte fühlte ich mich sehr gestärkt. Bald
nach unserem Aufbruche trafen wir eine grosse, zur Weide
hierher gesandte Heerde Pferde und begegneten dann einer
zweiten Fisch -Kafla. Mein Geleitsmann begehrte, dass ich
mich ohne weiteren Aufenthalt nach der Stadt Yö begebe,
von wo er zurückzukehren hatte, und obgleich ich bald sehr
ermüdet war und Rast zu machen wünschte, wollte er doch
durchaus nicht anhalten. Die Gegend ist bis auf mehrere
Meilen südlich vom Komadugu sehr einförmig und kahl und
man sieht den hohen Tamarindenbaum hinter der Stadt Yö
Zug nach Känem. Die Stadt Yö.i 31
aus solcher Entfernung, dass der Reisende, der denselben
hervorragenden Gegenstand so lange Zeit stets vor Augen hat,
ausserordentlich ermüdet, ehe er ihn erreicht. Die Dümpalme
ist der vorherrschende Baum dieser flachen Landschaft, bil-
det jedoch nur vereinzelte Gruppen, während der Boden im
Allgemeinen äusserst kahl ist.
Indem ich mit meinem BeschütÄer vorausritt, erreichten wir
endlich die Stadt Yö und betraten , nachdem wir die kleine,
vor der Stadt sich ausbreitende Vorstadt passirt hatten, das
Innere, noch imschlüssig, ob wir inner- oder ausserhalb
der Stadt einen Rastort suchen sollten. Die Stadt besteht
aus sehr engen Gassen, wo eine drückende Hitze herrschte
und ein so unangenehmer Geruch von getrockneten Fischen
verbreitet war, dass mir der Aufenthalt in ihr ganz uner-
träglich vorkam. Wir ritten jedoch, da wir einmal hier wa-
ren, nach der Wohnung des Schitima oder Schitima Yöma,
wie der vollständige Titel des Statthalters lautet. Der-
selbe war gerade mit den Vorbereitungen zu einer neuen
Hochzeit beschäftigt, und eine grosse Masse Getreide war als
Vorrath für den neuen Haushalt vor dem dazu bestimmten
Theile des ansehnlichen, aus Lehm aufgeführten Gebäudes
aufgehäuft*). Wir ersuchten seine Leute um Quartier imd
*) Die HochzeitsfeierUchkeiten — ^^nigi" — dauern in Borna eine ganze
Woche. Am ersten Tage schmaust man „näkia", den bereits erwähnten be-
liebten Teig; am zweiten „tiggra", einen trockenen , sehr stark mit Pfc£fer
gewürzten Brei; am dritten „ng4dji'% das gewöhnliche, aus Sorghum berei-
tete Gericht y wo möglich mit etwas Fischbrähe. Der vierte Tag ist der
„liktere", wie ich glaube, daher so benannt, weil dann der Braut — „lar6-
ssa" — die Zierathen, welche sie bisher als Zeichen der Jungfrauschaft ge-
tragen hat, abgenommen werden; am fünften wird die Braut auf eine Matte
— „büschi" — gesetzt, Ton welcher sie sich siebenmal erhebt und ebenso
oft nach einander niederkniet (diese Ceremonic heisst „büschiro" oder „bü-
tschiro gen&tsain*') ; am folgenden Tage, welcher ein Freitag sein muss, findet
das Kopfwäschen der Braut statt, welche Ceremonie von ihren Freundinnen
unter Gesang vollzogen wird, und am Abend wird sie dann auf ein Pferd ge-
setzt und in das Haus des Bräutigams gebracht, wo nun der Schluss der
d2 n. KapiteL
man wies uns eine grosse Hütte innerhalb eines kleinen Ho-
fes in einem anderen Theile der Stadt an, wohin wir uns be-
gaben. Es war mir jedoch nicht möglich, mich in diesem
engen, von einer kleinen Gauo spärlich beschatteten Hofraum
irgend behaglich zu fühlen. Fast erstickt und mich sehr
unwohl fühlend, stieg ich wieder zu Pferde, eilte zum Thore
hinaus und war froh, als ich wieder im Freien war.
Ungefähr 900 Schritt vor der Stadt schlugen wir dann
bei Ankunft der Eameele das Zelt unter einer schattigen Ta-
marinde auf; ich streckte meine matten Glieder ß.uf dem Bo-
den aus und versank, der Ruhe mit Lust geniessend, einige
Stunden in einen Zustand halber Bewusstlosigkeit Ich war
so ermüdet von meinem Morgenritt, dass ich mit Besörg-
niss daran dachte , was aus mir werden solle , wenn meine
Reisegefährten mich eingeholt haben würden, wo mir dann
Anstrengungen ganz anderer Art bevorstanden.
Sobald ich mich hinreichend erholt hatte, um von meinem
Lager aufzustehn, machte ich einen kleinen Gang, um ^ine
Ansicht vom Flusse — „komädugu" — zu erhalten. Derselbe
bildete jetzt eine schöne Wasserfläche, indem das Bett ganz
voll — „tsimbüUena" — war, und eilte mit reissender Strö-
mung dem Tsäd zu. In der That konnte ich damals kaum
vermuthen, dass ich später mehrere Tage lang in dem trocke-
nen Bett dieses Flusses lagern würde, welchen, wie bestimmt
und klar auch die Angaben der Mitglieder der vorigen Ex-
pedition bezüglich seines wirklichen Laufes waren, Captain
W. Allen doch ^u einem Kunstkanal seiner Einbildungskraft
benutzt hat, um die überflüssigen Gewässer des Tsäd in den
Kuära zu leiten. Die Ufer des Komädugu sind hier sehr ma-
Nig& begangen wird. Die Kanöri unterscheiden sehr genau eine Heirath mit
einer „Jungfrau" — „f6ro" oder „f^ro kuyänga" . — Ton einer solchen mit
einer „Wittwe" — „k&mo s&uar" — , sie haben aber auch noch einige an-
dere feine Unterscheidungen.
Die Stadt Yö und der Komädagu. 33
lerisch, indem sie von herrlichen Tamarinden und Dümpalmen
— j^nsim" — beschattet werden , wozu sich am nördlichen
Ufer noch mancherlei schön belaubte Akazien gesellen. Im
Schatten der Tamarinden zieht man eine sehr gute Baum-
wolle und etwas weiter unterhalb am Flusse erzeugt man
um diese Jahreszeit Waizen in regelmässigen, vermittelst des
„Schadüf" oder „Lambuna" künstlich bewässerten Anlagen.
Baumwolle und eine massige Menge Waizen sind die einzi-
gen Erzeugnisse dieser Gegend, ausser den Fischen und der
Frucht der Dümpalme (Cucifera)^ welche letztere eine we-
sentliche Würze des „kunü", eines aus Negerhirse bereiteten
Breies, bildet Hirse und Sorghum wird hier nur wenig ge-
baut und andere Cerealien fehlen ganz. Auch Vieh ist nicht
eben viel in Yö vorhanden, öö dass nur wenig Milch zu ha-
ben ist. Fische, von denen der Fluss mehrere sehr schmack-
hafte Allen führt, sind hier die hauptsächlichste Speise.
Ich sah hier auch ein Exemplar des elektrischen Fisches.
Er war gegen 10 Zoll lang, sehr fett, und konnte den Arm
eines Mannes auf mehrere Minuten gefühllos machen; sein
Rücken war aschgrau und sein Bauch ganz weiss, Schwanz
und hintere Flossen roth. Herr Dr. Overweg machte eine
Skizze von einem solchen.
Während der Nacht erhob sich ein heftiger Sturm, so dass
wir die Stricke an den Zeltstangen gut befestigen mussten;
es fiel jedoch kein Tropfen Regen, denn die Regenzeit war
für Bömu so gut wie vorüber.
[Mittwochj 17^^ September.] Ich genoss am Morgen die An-
sicht des Flusses und schwelgte jn der frischen Kühle, welche
an seinen üfem herrschte. Männer badeten, Weiber holten
Wasser, Reisende setzten über, indem sie entweder mit ihren
Kleidern auf dem Kopfe hinüberschwammen, oder auf ein Paar
Kalabaschen, die durch ein Joch mit einander verbunden
waren, mit dem halben Leibe unter Wasser« hinübersteuerten.
Eine am vorherigen Tage angekonmiene Kafla — „karabka"-
B«rth'» R«Um. lU. 3
34 ILKapiteL
Tebu ans Känem war jenseits gelagert: denn dieselbe durfte
den Fluss nicht eher überschreiten, als bis Erlaubniss fiir
sie eingeholt war, da mehrere Monate im Jahre dieser Floss
oder dieses. Thal eine Art Qoarantaine bildet während sonst
wenigstens kleine Karawanen nach Belieben hinüber nnd her-
über passiren können.
Das einzige Boot auf dem Flosse, aof welchem auch wir
selbst übersetzen sollten, war eine Makara, gebildet von
mehreren Paaren Kalabaschen und Ton der gebrechlichen
Art, wie sie bereits in einem früheren Theile dieses Werkes
beschrieben worden ist Leider war es nnmöglich, den schö-
nen Schatten der herrlichen Tamarinden angestört zu gemes-
sen, wegen der Menge Ton Pelikanen und sonstigem Wasser-
geflügel, welches deren Zweige bewohnte.
Indem ich einen Theil meines Grepäckes umstellte, fand ich
die weissen Termiten mit der schnellstmöglichen Zerstörung
meiner Ledersä'cke und blatten emsig beschäftigt; wir waren
also genöthigt, Alles umzupacken und das Gepäck auf eine
dicke Unterlage von Zweigen zu legen. Die Termiten sind in
dieser Gegend sehr zahlreich, obwohl ihre Anlagen nur von
massiger Grösse und durchaus nicht mit den grossartigen Bau-
ten zu vergleichen sind, welche ich später in Baghirmi vorfand.
' [Donnerstag , l^if*^ September i\ Ungefähr 2 Stunden nach
Mittemaoht kam Herr Dr. Overweg mit einem der Ange-
sehensten unter den Ueläd Slimän, Namens Chälef- Allah, an
und meldete, dass unsere kleine Truppe heranrücke. Dieselbe
erschien jedoch erst um 10 Uhr Morgens, wo einige der Mu-
thigsten und am besten Berittenen, ihre Flinten schwingend, je
zwei und zwei auf mein Zelt zugeritten kamen. Es waren ihrer
im Ganzen 25 Mann zu Pferde, etwa 12 Mann zu Kameel und
gegen 8 Mann zu Fuss, ausser den Kindern. Sie schlugen ihre
Zelte etwas östlich von denunserigen auf und bildeten ein reges
Lager, dessen Eintracht jedoch, wie es bei solchen Leuten
natürlich ist, von baldigen Zankausbrüchen bedi-oht war.
Ausflug an die Mündung des Komädugu. d5
Ich fühlte mich etwas stärker und machte daher am Nach-
mittage mit meinem Gefährten einen Ritt in westlicher Rich-
tung, längs des Südufers des Flusses. Der im Ganzen von
West nach Ost gehende Fluss beschreibt hier oberhalb der
Stadt beträchtliche Biegungen und ist von niedrigeren Ufern
eingeschlossen, als dies an der Fürth der Fall ist. Der Pflan-
zenwuchs war hier sehr reich ; der von gewaltigen Tamarinden
dicht beschattete Boden war von mannichfaltigen Kräu-
tern, die gerade jetzt in Blüthe standen, bedeckt. Auf den
flachen Landspitzen am ,Ufer liegen mehrere kleine, aus
niedrigen und leichten Mattenhütten bestehende Fischer-
dörfer, bei welchen sich lange Reihen von Stangen zum
Dörren der Fische hinziehen, eben jetzt sehr reichlich,
namentlich mit Barben , behangen. . Wii* genossen eine Zeit
lang die Aussicht auf die stille Flussscene und kehrten
dann längs der Südseite der Stadt -zurück. Hier 'befinden
sich mehrere Hügel, welche, obgleich gegenwärtig mit Pflanzen
überwachsen, ganz das Ansehen von Schutthaufen haben, die
sich im Laufe der Zeit um die wahrscheinlich einst weiter
ausgedehnte Stadt anhäuften.
[Freitag j 19^^ September.] Herr Dr. Ovei-weg und ich, beglei-
tet von Chälef- Allah und einöm Führer, machten einen Ritt
längs des Flusses, um, wo möglich, dessen Mündung zu er-
reichen; es zeigte sich jedoch, dass sich am Südufer gar kein
Pfad dahin vorfindet. Nur am jenseitigen Nordufer führt
ein Weg nach der dort an der Mündung gelegenen be-
trächtlichen, jedoch bei dem gegenwärtigen geschwächten
Zustande Bomu's den Einföllen der Tuareg sehr ausge-
setzten Kanembü-Ortschaft Bosso. Nachdem wir daher bis
zum Dorfe oder vielmehr zur ummauerten Stadt Fatse, deren
Mauern ab^r verfallen und deren Einwohnerschaft auf ein
Dutzend Familien herabgesunken war, vorgedrungen, sahen
wir uns zur Rückkehr genöthigt. Ich für meine Person war übri-
gens noch kaum im Stande, einen langen Ausflug vorzunehmen ;
36 n. Kapitel.
denn als ich mein Pferd wieder besteigen wollte, fiel ich
besinnungslos zu Boden, und nach unserem Lager zurück-
gekehrt, hatte ich am Abend einen heftigen Fieberanfall*).
[Sonnabend j 20**^ September.] Es war am Tage vorher
beschlossen worden, heute den Fluss zu überschreiten, wozu
wir die Erlaubniss des Stadtherm eingeholt hatten; da je-
doch der Bote des Veziers noch nicht angekommen war, so
wollten wir lieber noch einen Tag warten. Ich fühlte mich
ein wenig wohler und machte eine Skizze der Stadt und
der sie umziehenden Dümpalmen; dann bereitete ich mich,
so gut, wie ich konnte, auf den anstrengenden Ma^ch vor,
der mir nun in Aussicht stand.
Wir erfuhren heute ein schönes Probestückchen von dem
Charakter derFreibeutep, mit denen wir uns behufs der Zwecke
unseres Unternehmens in Verbindung gesetzt hatten. Die kleine
Tebu-B^arawane, welche, wie oben bemerkt, aus Känem mit der
Nachricht angekommen war, Waddi habe mit allen den Ueläd
Slimän feindlichen Stämmen ein Bündniss zur Vertilgung
der Letzteren abgeschlossen, hatte erst heute Erlaubniss er-
halten, den Fluss zu überschreiten. Es waren harmlose
Leute, welche einige Lastthiere mit geringem Gut, hauptsäch-
lich Datteln, beladen hatten; ^sobald sie aber an's diessei-
tige Ufer herübergekommen waren, hielten unsere Gefährten
Bath, wo die gewaltsamsten Anträge durchdrangen, so
dass die armen Tebu, oder, wie diese Araber sie nennen,
Kreda, überfallen und all ihrer Datteln beraubt wurden.
Die Beute wurde sodann vertheilt und der grösste Theil
derselben war bereits verzehrt , oder verschleppt worden,
als ein bejahrter Araber hinzukam, der seinen Genossen
*) Herr Dr. Overweg hat später die Stadt B6aao besacht, aber weder be-
züglich desLaafes desFlasses, noch bezüglich seiner £inmündaiig in denTsSd
irgend etwas weiter bemerkt, als dass der Fluss unterhalb FAtse eine nörd-
lichere Bichtung einschlägt.
Übergang aber den Komädugu. 37
Über die Schändlichkeit ihres Verfahrens Vorstellungen machte
und sie überredete,' den Rest des Raubes, so weit es möglich
war, wieder zu sammeln und den Eigenthümem zurückzu-
stellen. Da der Bote des Veziers im Laufe des Abends an-
kam, wurde der Übergang über den Fluss auf den folgenden
Tag bestimmt festgesetzt.
[SonrUtzg, 2l9ten September^ Wir waren zu früher
Stunde in Bewegung, um bei Zeiten über den Fluss zu kom-
men, da keine anderen Fahrzeuge zum Übersetzen vorhan-
den waren, als zwei je aus drei Jochen Kalabaschen be-
stehende Mäkara's. Die Kameele hatten, da sie im Wasser
am schwersten zu bändigen sind, zuerst überzusetzen und
nach vieler Mühe und mit genauer Noth, was hauptsächlich
Folge von der Unebenheit des Bettes war, da sich das Was-
ser am Südufer eine Vertiefung, die gegenwärtig 10 — 11
Fuss betrug, ausgegraben hatte, während es in der Mitte
nur 6 — 7 Fuss tief war — gelangten die des Wassers meist
uxigewohnten Thiere alle glücklich auf das Nordufer hin-
über, wo sie sich ungestört an dem Laube der schönen
Mimosen gütlich thun konnten. Die Pferde folgten zu-
nächst, und zuletzt wir selbst mit dem Gepäcke.
Etwa um 9 Uhr Morgens befand ich mich im Flusse auf
meiner dreibündigen Mdkara und durchschnitt das Wasser
mit sehr ungleichmääsiger Bewegung, je nachdem die beiden
vom angespannten schwarzen Schwimmer der gebrechlichen
Fähre einen Ruck gaben. Es war ein schöner Tag und die
Flussansicht, belebt von so vielen Thieren und Menschen,
recht interessant; da ich jedoch den ganzen Morgen der
Sonne ausgesetzt gewesen, war ich froh, etwas Schatten zu
finden. Nachdem dann der ganze Zug gelandet und die
Hitze etwas nachgelassen, beluden wir die K^jneele und
setzten unseren Marsch fort
Wir hatten nun fürderhin keinen anderen Schutz zu erwar-
ten, als den uns unsere eigenen Waffen zu gewähren ver-
38 II. Kapitel.
«
mochten; denn das Land im Norden des Komädugu befindet
sich thatsächlich im Besitz von Freibeutern, so dass, ob-
gleich sich Scheich *Omar's Herrschaft dem Namen nach bis
Berl und selbst bis jenseits dieses Ortes erstreckt, derselben
nur da Achtung gezollt wird, wo sie mit Waflfengewalt
auftritt.
Das jetzt von uns durchzogene Land hatte dieselbe Beschaf-
fenheit, wie das in der unmittelbaren Nähe der Hauptstadt
und wie es in der Nähe von Landsee'n so gewöhnlich ist;
es bestand nämlich aus einem harten, schwarzen Humusboden
mit kurzem Graswuchs und wenigen vereinzelten Bäumen. Da
wir eine Heerde Schaafe trafen, setzten unsere Gefährten
nach und ergriffen drei fette Widder, worauf sofort zu lagern
beschlossen wurde.
[Montag , 22«^^ September.^ Während der ersten 10 Mei-
len unseres -Marsches blieb die Gegend von ungeßlhr gleicher
Beschaffenheit, worauf wir offenes^ zum grössten Theile be-
stelltes Ackerland erreichten und bald die Lehmmauem von
Bärua erblickten, obgleich dieselben, rings von aus Schutthau-
fen entstandenen Hügeln eingeschlossen, kaum erkennbar wa-
hren. Nahe beim Südwestthore der Stadt zieht sich die Strasse
über einen solchen Hügel hin, wodurch die Mauer als Schutz-
wehr ganz nutzlos und das gesammte Innere der Stadt dem
Auge des Reisenden blossgelegt wird.
Die Stadt besteht aus einer dicht zusammengedrängten
Masse von Hütten, die meistens keinen Hofplatz haben, aber
hier und da vo.n einer Mimose oder „kuma" beschattet
werden, und gewährt ein anziehendes Muster Inner- Afrikani-
scher Bauart. Die Einwohner, deren Mangel an Thätig-
keit man deutlich an diesen Schutthügeln erkennt, ver-
lassen sich jedoch nicht auf die Stärke ihrer Mauern, und
zur Schmach des Scheichs von Bömu, der von ihnen Tribut
erhebt und ihren Schulzen bestellt, zahlen sie den Tuareg
gleichfalls Schoss. Sie gehören meistens zum Kficnembü-
Die audt BAnia. 89
Stamme, doch sind auch mehrere Yedinä oder Büdduma
hier ansässig.* Ihre hauptsächliche Nahrung und einzige
Handelswaare besteht in Fischen, welche sie in grosser
Menge im See fangen, dessen nächste Buchten je nach der
Jahreszeit etwa 2 — 3 Meilen entfernt sind und von denen
sie wegen ihrer freundschaftlichen Beziehungen zu den kriege-
rischen Freibeutern des See's nicht ausgeschlossen werden,
wie dies mit. den Einwohnern von Ngomu und anderen Ort-
schaften der Fall ist. Mit Getreide sind sie nicht hinläng-
lich versehen und sie scheinen, nicht genug Mühe auf dessen
Erzeugung zu verwenden, vielleicht weil ihnen bei dem im-
öicheren Zustande des Landes nicht verbürgt ist, dass sie
auch ernten, was sie säen. Baumwolle haben sie nicht, sondern
sie tauschen für ihre Fische Baumwollenstreifen — „gäba-
gä" — und Kleidungsstücke ein. Gäbagä und Külgu (weisse
Baumwollhemden) sind die besten Artikel, welche ein Reisen-
der auf den Markt bringen kann, der hier für seine Wüsten-
reise über Bilma getrocknete Fische, welche dort die gesuch-
teste Waare sind, einzukaufen wünscht.
Bei deni kein sehr gutes Wasser enthaltenden Brunnen
an der Nordseite der Stadt erwarteten die zu unserem
Zuge gehörigen Reiter die Kameele. Einige zerstreut ste-
hende Hadjilidj {Baiamtes Aegyptiacics) und verkrüppelte
Talhabäume verbreiteten einen kärglichen Sohatten über die
Stoppelfelder, dje keineswegs von sorgfaltigem Anbau zeug-
ten, und ich war froh, als wir einen kleinen Vorrath an Wasser
eingenonmien hatten imd nun unseren Marsch fortsetzten. Wir
liessen bald die kümmerlichen Spuren von Ackerbau hinter
uns und erreichten von Siwäk-Büschen (Capparis sodata)
bestandenes sandiges Hügelland. Als wir dann etwas weiter-
hin den Kamm einer niedrigen Reihe Sandhügel erstiegen
hatten, gewannen wir zum ersten Male einen Anblick des
Tsäd oder wenigstens des von ihm überschwemmten Sumpf-
wiesenlandes.
40
n. EBfriiaL
Die ganze Landschaft war nun dicht mit __
sen. Etwas mehr als 1 Meile weit zogen wir auf der san-
digen Anhöhe entlang, dann säegen wir hinab und ver-
folgten unterhalb einen vom dichtesten Pflanzenwucha um-
ächlossenen Weg. Diese untere Strasse, sowie die ganze von
uns durchzogene Strecke bis nach Xgegimi wurde später ( im
Jahre 1S54) völlig überschwemmt und dürfte wohl niemak
wieder betreten werden; als ich daher im Jahre 1S55 diese
Strasse zog. war ich genöthigt. einen Umweg zu machen,
indem ich mich an den Sandhöhen entlang hielt, wo früher
die Stadt Wüdi lag.
Wir bezogen bald darauf ein Lager an einer von Gebüsch
etwas freien Stelle, hart am Ostfusse eines massigen Hügels ;
das Domengestrüppe war jedoch auch hier so dicht, dass
ich mich lange vergeblich nach einer davoti freien Stelle um-
sah, um mich niederlegen zu können, und ich fühlte mich erst
behaglich, als Bü-Sed mir einen Platz mit seiner Axt lich-
tete. Unser nur etwa 600 Schritt vom sumpfigen Ufer des
See's befindlicher Ruheplatz erwies sich keineswegs als eine
zum Lagern geeignete Stelle, und es machte sich nothwen-
dig, während der Xacht mehrere Wachen aufeustellen. Dessen-
ungeachtet verschwand einer von meinen gefüllten Wasser-
schläuchen von der Stange, an welcher derselbe am Abend
zum Kühlen aufgehängt worden war, und die Araber such- •
ton mich zu überzeugen, dass eine hungrige. Hyäne ihn fort-
gCHcldeppt habe; es war jedoch wahrscheinlicher, dass einer
von ihnen der Dieb gewesen war.
[fJienstag, 23'^^ September.] Wir setzten unseren Marsch
durch das dichte, überall von Elephanten - Spuren und
-Koth durchzogene Domengestrüppe fort — Hier und da
war die Capjmrts gerodet und wir trafen grosse Feuer-
i)liit'/e an, wo man deren Wurzeln zu Asche gebrannt hatte.
Auch fanden wir mehrere von den Dreifussen vor, deren die
Anwohnor der Lagune sich bedienen, um die Asche mit
Salxbereitang an den Ufern des Tsad. 41
Wasser durchzuseihen und die darin enthaltenen Salztheile
zu lösen und auszusondern. Der reine Salzgehalt wird hierauf
durch Versiedung der Soole hergestellt. Das gewonnene
Salz wird von Kanemhü's "nach Kükaua verführt; die Salz-
sieder selbst sind aber Büdduma.
Auf unserer Rückkehr von Känem trafen wir einen zahl-
reichen Haufen dieser freibeuterischen Inselbewohner, und
auch auf meiner Heimreise im Jahre 1855 fand ich sie in
vollem Betriebe dieses Geschäftes. So schwach und ge-
schmacklos dieses Salz auch ist, so ist es doch jedenfalls
vorzüglicher, als das von den Bewohnern Kotokö's aus Rin-
derkoth bereitete. In Miltü am oberen Schäri oder Bd-bussö
wird ein ziemlich gutes SaJz aus einem im Flusse wach-
senden Grase hergestellt. Die Müssgu bereiten, wie wir sehn
werden, diese dem grössten Theile des Menschengeschlechtes
so unentbehrliche Waare — oder wenigstens eine ihr cähnliche
Substanz — aus der Asche von Hirsen- und /Sor^fAww-Stroh.
Als wir aus dem Unterwald in freies Feldland hinausge-
treten waren, kamen wir bei einer beträchtlichen Salzsiede-
rei vorbei, wo wenigstens 20 irdene Pfannen in Betrieb
waren. Das Salz lag in grossen dreieckigen Stücken, welche
in irdenen Formen abgegossen waren, umher. Eine Anzahl
Leute war gerade damit beschäftigt, von einer nahen Seebucht
Lehm herbeizutragen, um daraus neue Formen zu machen.
Indem wir uns in der Nähe dieser Bucht hielten, genossen wir
des frischen, über den Flachsee dahinziehenden Luftzuges, den
das Gestrüpp bisher von uns abgehalten hatte, und machten
zeitig am Nachmittage Halt. Eine kleine Tebu-Karawane war
in unserer Nähe gelagert und hatte hier ohne Zweifel die
Nacht zubringen wollen ; es gefiel den Leuten aber die Nach-
barschaft unserer gesetzlosen Gefährten nicht, wesshalb sie
alsbald aufluden und davon zogen.
[Mittwochs 24*^^ September.] Unser Weg führte nun durch
fruchtbares Weideland mit einem Strich Unterholz zur Lin-
42 IL Kapitel.
ken. Es war ein schöner kühler Morgen. Wir kamen an
einer ausgedehnten* Lache vorhei, wo sich grosse Schwärme
von allerlei Wassergeflügel aufhielten. Herr Dr. Overweg
machte auf seinem stattlichen und hohen, aber gar- schwer-
fälligen und ungelenken Rosse einen erfolglosen Versuch, ein
Paar Eelära (Antilope Ärahica ? Äigocerus eUtpsipryninus f) *)
zu erjagen, aber in muthwilligen Sprüngen flohen sie durch
die herrliche Grasflur dahin. Um 9 Uhr erreichten wir den
wohlbekannten Ort Ngegimi und sahen uns sehr getäuscht,
blos ein armseliges offenes Dorf vorzufinden. Wirklich ent-
behrten die vereinzelt gelegenen runden Hütten, aus denen es
bestand, selbst jenes geringen Grades von Wohnlichkeit und
Bequemlichkeit, der sich auch bei dieser leichten Bauart bis
zu einem gewissen Punkte erreichen lässt. Die hungrigen
Einwohner wollten für einige Hühner, die wir zu erhandeln
wünschten, durchaus nichts annehmen, als Getreide, dessen
wir in diesen öden Gegenden selbst zu sehr benöthigt waren,
als dass wir es für Dinge von nicht entsprechendem Werth
hingegeben hätten.
Die Lage von Ngegimi ist sehr ungünstig, da der Macht-
haber von Bomu die Grenzen seiner thatsächlichen Herrschaft
hinter den Eomadugu zurückgezogen hat, wesshalb die arinen
Einwohner in fortwährender Furcht leben, von Raubzügen
der Tuareg heimgesucht zu werden. Zwei Jahre später wurde
dieses Dorf auch wirklich von den . freibeuterischen Horden
ausgeplündeirt und einige Monate darauf sahen sich die we-
nigen Einwohner, welche nicht in die Sklaverei geschleppt
worden waren, in Folge der hohen Überfluthung des Ts&d
genöthigt, ihren bisherigen Wohnplatz gänzlich zu verlassen
und ein neues Dorf £ftn Abhang der Sandhügel zu bauen, wo
*) Die Kellra ist, glaabe ich jetzt, wohl gewiss identisch mit dem Äi-
gocerus eUipsiprymnwt. Sie hat viel Ähnlichkeit mit der bei Anderson
(S. 448) abgebUdeten „lech6\
Zunehmende Verödung der Nordufer des Tsäd. 43
ich es Ende Mai 1855 antraf. Was die beiden von Denham
und aapperton erwähnten Ortschaften Wödi (einst ein gros-
ser Ort und gelegentlich Sitz der Bömu-Könige) nnd Läri
betrifft, so sind sie längst verlassen worden, indem Wüdi
1838 und Läri etwas später von den Tuareg eingenommen
und geplündert worden ist Gegenwärtig bezeichnen nur einige
Dattelpalmen, deren Frucht die kleinen schwarzen Känem-
Datteln an Güte weit übertreffen soll , auf den Sandhügelij
ungefähr 12 Meilen südwestlich von Ngegimi die Lage des
einst berühmten Wüdi. Dennoch stand Ngegimi dermalen dem
Namen nach unter der Aufsicht des Kaschella Haisen oder
Hassan.
• Meinen Betrachtungen über das Geschick des einst mäch-
tigen Reiches Känem und den stetigen Vordrang der Berber-
Rasse in das Herz des Sudans nachhängend, sass ich theil-
nahmlos auf meinem Pferde, als wir diese unwohnliche Ort-
schaft verliessen und über die völlig flache Ebene dahinzo-
gen, die früher ohne Zweifel Seeboden gewesen war und es
so bald wieder werden sollte. Sie war bald dürr und kahl,
bald wieder mit dichtem Pflanzenwuchs bedeckt. Zu unserer
Linken ward sie von .einer Reihe Sandhügel umzogen, welche
die natürliche Abgrenzung des Seebeckens bildeten. G«gen Mit-
tag erreichten wir eine tiefe Bucht des See's, welche in die-
ser gegenwärtig so öden und leblosen Landschaft das fri-
scheste Grün verbreitete. Nachdem wir die Pferde zur Tränke
gefuhrt und einen hinlänglichen Wasservorrath für die Nacht
eingenommen hatten, zogen wir durch die hier nicht über
1500 Schritt breite Ebene und erstiegen dann einen breit
sich vorschiebenden Sporn der Sandhügelkette, wo ^wir unser
Lager aufschlugen.
Es war ein erfreulicher Lagerplatz, wo das Herz wohl im
Gefühl der Freiheit sich erheben möchte. Vor uns nach Süd-
osten hin erstreckte sich das Marschland des Flachsee's — ein,
ivenigstens seiner Bestimmung nach, unabsehbar weites Reis-
44 n. Kapitel.
feld — bis an die Grenze des Horizonts; jedoch war kein
„weisses Wasser" oder offenes Seebecken zu erkennen, nicht
einmal zusammenhängende Seearme, nichts als eine unermess-
liehe, von unbestimmt begrenzten, bald sich verengenden, bald
sich erweiternden Kanälen durchzogene Marschfläche, so weit
nur das Auge reichen konnte. Südwestwärts erstreckte sich
das grüne Weideland, durch das wir gekommen, bis weit
jenseits Ngegimi's. Es war hier ein Gemälde von einer der
fruchtbarsten, dabei aber der Verödung gänzlich preisgege-
benen Landschaften der Erde aufgerollt. Doch lebte in mii*
ein schwacher Funke von Hofeung, dass diese Verödung
nicht immer hier herrschen wel*de, und ich schmeichelte
mir, dass meine Arbeiten in diesen Gegenden dazu beitragen
möchten, hier einst die ersten Keime neuen Lebens und fri-
scher Thätigkeit zu säen.
Meine Gefährten schienen meine Gefühle keineswegs zu
theilen. Ihrem bösen Treiben überlassen, waren sie umher-
gestreift und hatten einige Kanembü-Viehzüchter, die sie an-
getroffen, nicht nur ihrer Milch, sondern auch der Gefasse,
welche dieselbe enthielten, beraubt Im Laufe des Nachmittags
wandten sich daher einige ehrwürdige Alte an Herrn Dr. Over-
weg und mich, die einzigen redlichen Leute, die sie* in die-
ser zügellosen Bande zu finden erwarten konnten, und dran-
gen in uns um Erstattung des Geraubten. Glücklichei-weise
war es uns möglich, ihnen nicht nur ihre Gefasse wieder ver-
schaffen, sondern ihnen auch einige kleine Geschenke machen
zu können.
[Donnerstag, 2ö»t^ 8eptember,'\ Indem wir von unserem
Lagerplatz auf der Anhöhe wieder herabstiegen, durchzogen
wir eine schmale Grasfläche zwischen den Sandhügeln im
Norden und einer blauen Seebucht im Süden , wo sich die
üppigen Wiesen weiter in den See hinein erstreckten.
Um 7 Uhr Morgens hatten wir das Glück, eines der an-
ziehendsten Schauspiele zu gemessen, welche diese Gegen-
Eine Elcphantenheerde am See. 45
den in ihrer jetzigen Verödung darzubieten vermögen. Rechts
in der Feme irückte eine ganze Heerde Elephanten in regel-
mässigem Aufzuge langsam heran zur Tränke, einer Heer-
schaar vernünftiger Wesen nicht unähnlich. Den Vortrab bil-
deten die Männchen, deutlich an ihrer Grösse erkennbar, in
regelmässiger Schlachtordnung; in. einem kleinen Abstände
folgten die Jungen, in einem dritten Zuge die Weibchen, und
den Nachtrab des ganzen Zuges bildeten fünf Männchen von
ungeheuerer ürösse.- Die letzteren bemerkten uns, obgleich
wir in ziemlicher Entfernung waren und uns ganz ruhig ver-
hielten; einige von ihnen warfen Staub in die Luft, wir stör-
ten sie jedoch nicht. Es waren ihrer zusammen 96 Stück.
An die Stelle des schönen frischen Wiesengrundes trat nach
einer Weile eine trockenere Ebene, die, mit einer Art Heide
bewachsen, eine ziemlich trübselige Landschaft darstellte. Um
10 Uhr kamen wii* zu eirier grossen Heerde Rinder — „beri" — ,
versammelt bei einem kleinen Weiler — „dauar" — , welcher
aus leichten, hochgiebeligen Hütten bestand, deren Wände
aus Hirsenstroh vermittelst dreier Strohringe zusammengehal-
ten imd mit Kuhmist dünn überworfen waren. Obgleich wir
Milch erhielten, führten dennoch einige von unseren Gefähr-
ten, nicht zufrieden damit, ihren Magen füllen zu können, ein
schönes Füllen unter dem Verwände davon, dasselbe gehöre
den Büddüma, welche Feinde des Scheichs seien. Bald nach
unserem Aufbruch stiessen wir auf einen kleinen Zug Ochsen
mit einer Dattelladung. Hier wurden nicht nur alle Dat-
teln enthaltenden Schläuche weggenommen, sondern Einer der
Schurken ergriff auch eins von den Lastthieren und trieb es
ungeachtet alles Wehklagens des Eigenthümers mit sich fort
Und doch waren die so gemisshandclten Leute Unterthanen des
Herrschers von Bomu und die Ueläd Slimän nannten sich
dessen Freunde und Söldner!
Schöne frische Weiden und dürre, nur mit Heide bewach-
sene Sirecken folgten auf einander in der einförmigen, auch
46 II. Kapitel.
nicht von einem einzigen Baume unterbrochenen , völlig fla-
chen Ebene. Wir schlugen endlich unser Lager bei einem
verlassenen Weiler von Viehzüchteni auf, welcher in einem
grossen Kreise angelegt war und aus ungefähr 20 kleinen
kegelförmigen Hütten bestand, unsere Ruhe wurde bald
durch ein lärmendes Gezänk unterbrochen, welches sich über
die so unrechtmässig erhaltenen Datteln erhob, und einige
der bei dem Streite betheiligten Araber 4camen in mein
Zelt, um meine Entscheidung über ihre Ansprüche anzurufen,
wo ich denn das ganze Verfahren der im Laufe des Tages
verübten schamlosen Räubereien, namentlich auch den Raub
des Füllens zu rügen. nicht unterliess. Es war dies jedoch
eine missliche Frage und sie erregte die Leidenschaften der
Betheiligten so bedeutend, dj^s Einer von ihnen, Namens
Ibrahim, mit einem geladenen Gewehre in mein Zelt ge-
laufen kam und Jedem eine Kugel durch den Kopf zu ja-
gen drohte, der von Ungerechtigkeit und Räuberei rede. Was
Bacher und 'Abd e' Rahmän, die im thatsächlichen Besitze
des Pferdes waren, betrifft, so wollten sie uns verlassen und
sich davon macheu.
Das gewaltsame Verfahren unserer Beschützer hatte, in die-
ser fast verödeten Gegend einen solchen Schrecken verbrei-
tet, dass am Abend zwei Ochsen und eine Menge Milch aus
blosser Furcht von einem benachbarten Berl zum Geschenk
gebracht wurden. Die Nacht war, wenn auch nicht kalt, doch
frisch, und es fiel ein schwerer Thau.
[^Freitag, 26»ten Septeinber.] Wir erreichten um Mittag die
erste Hüttengruppe des Dorfes Beri, nachdem wir kurze Zeit •
einer herrlichen und zahlreichen Viehheerde — einer der
schönsten, die ich je im Inneren Afrika's angetroffen habe —
gefolgt waren, um, wo möglich, einen Trunk frischer Milch
zu erhalten , worauf wir eine ziemlich tiefe Bucht des Flach-
see's durchsetzt hatten. Wir lagerten jedoch an einer unge-
achtet der Nähe des Wassere überaus heissen, völlig schatten-
Der Ort Beri. 47
losen sandigen Stelle, gegen 300 Schritt vom Dorfe, welches
sich in beträchtlicher Länge von Norden nach Süden erstreckt.
•
Beri ist, jedenfalls seit der Glanzzeit des Königreichs Bömu,
ein Ort von Bedeutung, der in der Geschichte des grossen
Königs. Ednss Alaöma, von dessen Zeitgenossen Imäm Ahmed
Ydrfasst, häufig erwähnt wird. Es ist ein durch seine Lage
sehr bedeutender Posten, wo ein von Bomu nach Känem zie-
hendes Heer das Seeufer verlässt und gewöhnlich eine Zeit
lang Halt machen muss, um sich für den nachfolgenden
Marsch zu erholen und frischen Mundvorrath einzunehmeni
Bis vor wenig Jahren hatte hier ein Bomauischer Statthalter
Namens Schitima Aba seinien Sitz; er gab jedoch den Po-
steiv auf und zog den Aufenthalt in der Hauptstadt vor.
Ich bemerke hier, dass es eigentlich zwei Plätze Namens
Ben gibt, welche nur wenige Meilen von einander entfernt
sind. Die Ortschaft, bei der wir gelagert waren, heisst ge-
nauer „Beri-kurä" — „Gross-Beri" — , die andere fuhrt den
Beinamen „fute" oder „futebe" ^- „die westliche" — von ih-
rer mehr westlichen Lage; diese ist gegenwärtig sehr zurück-
gekommen, so dass wir sie unbeachtet zur Seite liegen lies-
sen. Die Einwohner von Beri sind grösstentheils Kanembü
von der Sippschaft der Ssugurti, einer grossen Abtheilung je-
nes Stammes, welche aber in dem letzten Kampfe der frü-
heren Dynastie beträchtlich gelitten hat (schon in den Hee-
reszügen des Edriss werden diese Ssugurti als etwas östlich
von Beri wohnend angegeben) ; ausserdem sind in Beri viele
Btidduma ansässig. Die gesammte Bewohnerschaft beträgt
wohl kaum mehr als 2000 Köpfe.
Ich war sehr froh, als das geraubte Füllen, sowie auch der
Lastochse n%ch abermaligem heftigen Zanke von den Räu-
bern, ausgeliefert wurden. Einer der gestern uns geschenkten
Ochsen wurde heute geschlachtet und unter-die ganze Truppe
vertheilt Was mich betriflft, so labte ich mich mit etwas fri-
scher Milch. Obgleich die Leute hier grosse Viehheerden
48 IL KmpiteL
besitzf-n and nach dem Xamen des Ortes, welcher ^ Vieh-
hürde'* bedeutet, wohl auch immer besessen haben, so 'ist
dfK-h im I)orfe. wie überhaupt oft im Sudan, nur wenig Milch
zu haK'U. da nur der unmittelbare Bedarf der Eigenthümer
hierher gebracht wird uml das Vieh weit entfernt ist Cber-
haujit sind die Hilfsquellen der Ortschaft gering. Getreide
^fc-ird fast gar nicht gebaut, in Folge des unsicheren und trost-
losen Zustandes des Landes, Die Einwohner stehn fortwäh-
rend in Verkehr mit den Yedinfi, derjenigen gewöhnlich B6d-
dunia genannten Abtheilung der Kotokö, welche die Seeinseln
bewohnt. Die Kntfemung des Dorfes vom See wechselt na-
türlich beträchtlich. Im Augenblick unserer Anwesenheit auf
der Hinreise war die nächste Bucht diejenige, über welche
wir am Morgen gekommen waren; die Einwohner nahmen
damals ihren Wasscri>edarf von jener Bucht Bei unserer
Kückreise dagegen war das Ufer ganz nahe am Orte, Der
Mangel an ßreni^hok ist sehr fühlbar; es findet sich kaum
ein (einziger Baum in der Umgegend *).
[SoHua/jendf 27'f^^ Sej^tember.] Wir verliessen nun das
Seeufer, indem wir ganz gemach ein wenig aufwärts stiegen,
hatten aber am Morgen einen schwierigen Marsch, um die
vielen vom See gebildeten und sich zwischen den Sandhü-
gciln hindurchwindenden sumpfigen Buchten und Natron-
beck(jn zu vermeiden. Was diese Natronbecken betriflPt, wel-
che nach Major Denham's Bericht viele irrthümlichc Vor-
stellungen bezüglich der Natur des Tsäd-See's veranlasst
haben, so bemerke ich, dass das Natron oder die Soda
*) Ich fUge hier die Ilaltpunkto eines anderen Weges von Ngcgimi nach
lierl hei: liter Tag: Nguhö, eine von Küri bewohnte offene Dorfschaft, wo
man vor Eintritt der llitse ankommt und übernachtet ; 2(«>' Tag: Tabünte, die
crHto Ortschaft in Kinem ; 3ter Tag : Berl. Einige bleiben auf der Reise von
NgrKiTiii nach Der! die !•<• Nacht in Turra, die 2^« in Balaia. — Ich will
hiiT nur hminrkrn, doss, wenigstens in früherer Zeit, Ben eigentlich nicht
lu KAnoni g<Tcchnut wurde.
Die Natronbecken am Nordufer des Tsäd. 49
nicht ursprünglich im Wasser, sondern im Boden enthalten
mid alles Wasser im Tsäd -See vielmehr frisch ist*); wenn
jedoch nach dem Rücktritt der Überschwemmung Wasser
in einem Becken zurückbleibt, wo der Boden mit Soda ge-
schwängert ist, so theilt sich natürlich diese Beschaffenheit
dem Wasser mit. Die Folge davon ist, dass es um den
Tsäd umher viele solche Becken gibt, welche je nach der
Jahreszeit entweder frisch oder bitter sind ; denn die im
Boden enthaltene Soda hat nur geringe Wirkung, so lange
das Becken tief ist, und macht sich erst bei abnehmender
Wassermenge geltend. Von derselben Beschaffenheit scheint
der See Boro in Känem zu sein, dessen ich weiter unten
erwähnen werde. Ich erinnere hier den Leser an meine
früher gemachten Bemerkungen bezüglich der Bedeutung des
Natronhandels zwischen Bömu und Nüpe oder NyfS.
Da wir keine Führer hatten — denn wer hätte sich be-
reitwillig den Händen so zügelloser Räuber, wie unsere Ge-
fährten waren, preisgeben mögen? — , so war es für uns eine
gar schwierige Aufgabe, aus diesem Labyrinthe von Süm-
pfen und Lachen herauszukommen. So erreichten wir nach
einigen Meilen eine schmale, aber sehr morastige Lache,
über welche wir, wie es schien, setzen mussten.
Da ich ein lebhaftes Thier, einen vortrefflichen „saiär", ritt,
so war ich den Übrigen etwas voraus und hatte nur drei
Reiter vor mir. Beim Moraste, dessen Beschaffenheit leicht
erkennbar war, angekommen, ritten wir Einer hinter dem
Anderen; Chälef- Allah war mein Vorraann. Als der erste
Reiter einige Schritte in den Morast hineingekommen war,
stürzte er, brachte jedoch sein Pferd wieder auf die Beine,
machte wieder eine Strecke vorwärts und sank dann aber-
*) Die yollkommcn reine Sässwasser - Natur des TsSd ist auf das Schla-
gendste bestätigt worden durch des verdienstvollen Prof. Ehrenberg Analysen
des von Dr. Vogel heimgesandten TsSd- Schlammes (Abhandlungen der Berl.
Akad., Juni 1856, S. 323 — 338).
Bwth'* Salami. IIL 4
50 U. Kapitel.
mals; nun war er aber dicht am festen Boden und kam da-
her ziemlich gut hinüber. Da dies die anderen Reiter, wel-
che vor mir waren, sahen, hielten sie plötzlich an und woll-
ten umkehren. Dadurch wurde mein Pferd zur Seite, ge-
drängt; es schwankte, von dem Morast beunruhigt, vorwärts
und stürzte auf die Kniee nieder ; wieder in die Höhe ge-
bracht, machte es sodann, um hindurchzukommen, einige
wilde Ansätze, fiel aber nach zwei odör drei vergeblichen
Versuchen auf die Seite und ich gerieth darunter. Der Mo-
rast war hier etwa- 4 Fuss tief. Ich erhielt von den Vor-
derhufen meines Pferdes auf Kopf und Schultern einige em-
pfindliche Schläge; doch gelang es mir nach langer An-
strengung, mich endlich aus dieser uninteressanten Lage
glücklich zu befreien. Ich trug einen weissen Bemus über
einer Nyffi-Tobe und ein Paar Pistolen im Gürtel, so dass
man sich leicht vorstellen kann, welche Figur ich spielte, als
ich den festen Erdboden erreichte. Nun blieb mir aber noch
die schwierige Aufgabe, mein Pferd herauszuziehen, welches,
nachdem es sich einigemal mit verzweifelter Anstrengung
hin- und hergeworfen hatte, jetzt regungslos auf dem Mo-
raste lag. Ich hatte bei- dieser Gelegenheit eine gute Probe
von der Hilfe , welche wir in* Fällen der Noth von unseren
Gefährten zu erwarten hatten ; dehn sie sahen ruhig zu, ohne
mir den geringsten Beistand zu leisten. Herr Dr. Overweg
war eine Strecke zurück und versah mich, als er ankam, mit
etwas trockener Kleidung.
Die Stelle wäre ohne diesen Unfall ganz interessant ge-
wesen, da hier, begünstigt von dem reichen Boden und eben
diesem Morste, ein schönes Feld mit rothem Ngaberi (von der
besonderen, „mössogä" oder vielmehr ,,massakuä" genannten
Sorghum- Art) stand; die Saat war im üppigsten Gedeihen
und fing eben zu reifen an. Es war das herrlichste Feld
der Art, welches ich auf meiner Reise zu sehn bekam.
Glücklicherweise schien die Sonne ziemlich warm; denn
Unfall des Reisenden. öl
nach dem unverhofften ßade und bei meinem fieberhaften
Zustande fing ich an, mich etwas kalt zu fühlen. — Wir
setzten unseren Marsch zuerst längs einer anderen Laclie,
welche aber frisches Wasser enthielt, fort imd kamen dann,
nachdem wir etwas aufwärts gestiegen waren, zu einer san-
digen, reich mit Gras und Mimosen bewachsenen Fläche.
Auf diesem ansteigenden Boden schienen wir ganz ausser dem
Bereich des See's zu sein; unser Erstaunen war daher gioss,
als wir ein Paar Meilen weiterhin zu einem . anderen schö-
nen Becken mit frischem klaren Wasser kamen. Bei dem
Zustande, in dem ich mich befand, war ich recht froh,
als. wir uns frühzeitig am nördlichen Ufer dieses kleinen
See's lagerten, .wo einige Sserrächs leidlichen Schatten ge-
währten.
Ich war eben damit beschäftigt, meine Kleider, Waffen, das
Sattelzeug und meine Tagebücher zu trocknen, als sich An-
zeichen eines herannahenden Gewitters kundgäbßn^ wess-
halb ich, um nicht an demselben Tage zweimal durchnässt
za werden, mein Zelt aufschlagen liess. Nach einem wüthen-
den Sturme entlud sich ein Platzregen, und ungefähr ein
Dutzend unserer Gefährten flüchteten sich in meine kleine,
schwächliche Behausung; doch gelang es nicht Allen, sich
vor der Nässe zu schützen, da der Regen so heftig war, dass
er zur Thür hereindrang. Das Gewitter hielt über eine
Stunde an, und da die Pferde, Kameele und alles Gepäck
vollkommen durchnässt waren, so wurde beschlossen, hier
die Nacht zu verbleiben.
[SontUiig, 28'^en September.] Aus irgend einem anderen
Grunde, aber hauptsächlich auch desshalb, um den zweiten
Ochsen zu schlachten, zu vertheilen und in „gedid" zu schnei-
den, blieben wir hier den ganzen Morgen. Die Sonne war
längst in Saual (Nachmittag) übergetreten, als wir unseren
Marsch durch die sandige , leicht gewellte Landschaft wieder
antraten, welche dicht mit Kräutern bewachsen war, namentlich
52 n. Kiqtitel.
mit Nessi, Bü-rekkeba (Panicum colonum) *) und der donige-
fiedertcQ Klette (Pennisetum distichum); dazu gesellten Bich
Doch mancherlei Mimosen, hauptsächlich die Talha und die
U'iu el barka (Mimosa nilotica). Unsere Gefährten fanden
mehrere Strausseneier und trafen auch eine grosse Heerde
Gazellen. — Die Gegend ward weiterbin dichter bewaldet
und gestaltete sich da, wo wir unser Lager für die Nacht
aufschlugen, zu einer sehr interessanten Landschaft; doch
war die Gefahr von Seiten reissender Tbiere beträchtlich,
und wir hörten fast die ganze Nacht hindurch das Gebrüll
eines Löwen.
[Montag, 29"^ Septe7nberi\ Zu früher Stunde brachen
wir auf. Der Landstrich blieb von derselben Beschaffenheit,
wie am gestrigen Tage, und zeigte manches schöne Exem-
plar der Mimosa auf, — hier einen vom Alter gebrochenen,
dort einen von SchlingjiHanzen umwundenen Baum. Eine
Art dieser Schlingpflanzen erzeugt die von den Kanöri „fitö"
genannte und von mir bereits erwähnte rothe saftige Frucht
Während wir um 8 Uhr gruppenweise weiter zogen, hiel-
ten zwei von unseren Reitern, welche etwas voraus waren,
plötzlich bei einer grossen, dichtbelaubten Gherret an und
ritten mit lautem Geschrei zu uns zurück. Wir kamen her-
bei und sahen eine ausserordentlich grosse Schlange, welche
drohend von den Asten jenes Baumes herabhing. Als sie
uns gewahrte, suchte sie sich zu verbergen, fiel aber, von
mehreren Kugeln getroffen , herunter , worauf wir ihr sofort
den Kopf abschnitten. Sie war 18 Fuss 7 Zoll lang und
mass am dicksten Theile des Körpers 5 Zoll im Durchmes-
ser ; ihre Haut hatt« eine schöne, grünlich-bunte Farbe. Zwei
*) Ich maaa mich biet wegen eines Iirthomea entschuldigen, der lon mir
im ersten Bimde begnognn norden istj ich habe nämlich dort da« ran den
Arabern „ bn-r^kkebi" genannte hohe Knotengras mit Avena Fornkalii iden-
tificirt. Du ist jedoeh nicht ganz richtig, da das letztere Gras dem „schedjret
el djcmcl" der Araber entspricht.
Eine grosse Schlange. 58
Eingeborene, welche sich uns gestern angeschlossen hatten,
schnitten das Ungeheuer auf und nahmen das Fett heraus,
das sie für vortrefflich erklärten.
Unser heutiger Ritt war überhaupt recht anziehend, da
das Land hier bedeutend reicher zu werden anfing; aber für
meinen schwachen Gesundheitszustand dauerte er zu lange,
so dass ich nach einem Tstündigen Marsche so sehr ermü-
det war, dass ich absteigen und mich niederlegen musste.
Die meisten Araber blieben bei uns, die Übrigen setzten mit
'Ali ben 'Aissa den Marsch zum Brunnen fort.
Als wir am Nachmittag wieder aufbrachen, war der Land-
strich während der ersten 8 Meilen ebener, wurde aber so-
dann hügelig, und um 5 Uhr erstiegen wir eine bedeutende
Hügelreihe, die ^ir erst zu unserer Linken hatten; dieselbe
erwies sich als höchsten Kulminationspunkt dieser ganzen
Landschaft, obgleich sie sich wahrscheinlich nicht mehr als
700 Fuss über den Spiegel des Tsäd erhebt. Wir durchzo-
gen . dann zwei Thalkessel , welche grosse Lieblichkeit be-
sassen, namentlich der zweite, in dessen von hohen Lehnen
eingeschlossenem Grunde sich eine auffällige Terrasse von
Kalksteinbidung vorfand. Doch war die Anmuth dieser bei-
den Thäler nur gering im Vergleich mit dem Henderi (Thal)
Foio oder Foyo, in welchem wir in einiger Entfernung vom
Brunnen unser Nachtlager nahmen; denn die Thalsohle war
dort mit einer ununterbrochenen, an manchen Stellen ganz
undurchdringlichen Pflanzenmasse überwachsen. Hier konnte
"der Botaniker mit Sicherheit darauf rechnen, einige neue
Arten zu finden; die gewöhnlichsten Bäume aber waren die-
selben verschiedenen Species der Acacta, welche in allen
diesen Landschaften vorwalten, nämlich die Küma (Cornus),
die Sserräch, die Um el barka (Mimosa nüottca), der Ha-
djilTdj (Balanitea Aegyptiacua) und die Talha (Mimosa f er-
rugtnea)y — alle mit Schlingpflanzen reich umwunden und
den kühlsten Schatten geirährend.
i
54 * n. KapiteL
Diese Thäler sind natürlich, da sich daselbst die einzigen
Wasserplätze befinden, wegen der reissenden Thiere, nament-
lich der hier sehr zahlreichen Löwen, bei Nacht sehr gefähr-
lich.— Unsere Gefährten empfingen hier vom Scheich Rhet,
dem jungen Häuptlinge der UelSd Slimän, eine Botschaft.
[Dienstag j 30f*^ September i\ Wir blieben hier nicht nur
den Vormittag, sondern auch die heisse Tageszeit hindurch ge-
lagert Während ich im kühlen Schatten einer Mimose ruhte,
erhielt ich einige werthvoUe Angaben über die verschiedenen
Stämme, welche gegenwärtig das Land Känem bewohnen, und
über ihre Ansiedelungen; ich übergehe jedoch dieselben hier,
da es geeigneter sein dürfte, alle von mir zu verschiedenen
Zeiten in dieser Beziehung gesammelten Nachrichten in einem
aUgemeinen Berichte zusammenzustellen, welcher im Anhang
gegeben werden soll.
Am Nachmittage liess man die Kameele und den schwere-
ren Theil des Zuges vorwärts ziehen und die Reiter folgten
ungefähr eine halbe Stunde später, nachdem sie die Pferde
zur Tränke gebracht hatten; anstatt aber in einer Wildniss,
wo kein regelmässiger Pfad gezogen war, die Spuren des
voraufgezogenen Trosses sorgfältig zu verfolgen, ritten sie
sorglos voran, und fanden bald, dass sie jede Spur verloren
hatten. Nun- wurde in grosser Verwirrung nach allen Rieh-
tungen hin gejagt. Dies ermüdete mich ungemein; denn
nichts ist für einen Menschen von geschwächter Gesundheit
so verdriesslich, als hin und her zu wandern, ohne zu wissen,
wo er den so ersehnten Ruheplatz zu erwarten hat. Nach-
dem wir einen Kundschafter nach dem anderen ausgesandt,
fanden wir endlich, die Spur und erreichten unsere Leute
nach Sonnenuntergang.
[Mitt^ooch^ pten Oktoberi] Frühzeitig aufgebrochen, trafen
wir nach zweistündigem Ritt einen lleiter, welcher vom La-
ger der Ueläd Slimän kam und uns in ihrer Wildniss will-
kommen hiess. £[aum hatte er seinen Gruss bestellt, als in
Ankunft im Lager der U6lad Slimän. 55
fast, ununterbrocheiier Reihenfolge aus dem Dickicht zur
Bechten und Linken Araber hervorstürzteri, ihre Flinten ab-
feuerten und uns mit ihrem gewöhnlichen Feldgeschrei: „ya
riäb, ya riäb!" begrüssten. Wir rückten auf diese Weise
eine halbe Stunde lang vorwärts und machten dann Halt,
um in feierlicherer Form die Begrüssungen einer zahlreicheren
von einem Mann von Bedeutung geführten Reiterschaar in
Empfang zu nehmen.
Nachdem der von den Pferdehufen aufgewehte Staub sich
etwas gelegt hatte, erblickten wir nun hier, wo die Waldung
etwas mehr gelichtet war, die gesammte Reiterei der Ueläd
Slimän im besten Aufzuge in einer Linie vor ims aufge-
stellt, ihren Häuptling Rhet, Sohn des Ssef e' Nasr ben Rhet,
und dessen Oheim 'Omar, Sohn Rhet's und Bruder 'Abd el
DjelÜ's, in ihrer Mitte. Dieser, von mir und Herrn Dr. Over-
weg nicht. erwartete feierliche Empfang machte einen grossen
Eindruck auf uns; man gestattete uns jedoch nicht lange,
passive Zuschauer zu bleiben, indem die Araber, die mit
uns aus Kükaua gekommen waren, uns aufforderten, der
Reihe voraus zu galöpiren, um den Häuptlingen unsere
Ehrerbietung zu bezeigen. Wir eilten daher unseren neuen
Freimden gerade entgegen und begrüssten sie mit unseren
Pistolen. Sie erwiderten unsere Komplimente und Wessen
uns willkommen, worauf sich. der junge Rhet mit blankem
Schwerte an die Spitze seiner Schwadronen stellte, die uns
unter dem fortwährenden Rufe : „ y4 riäb, ya riäb ! " nach dem
Lager geleiteten, wo man uns unseren Zeltplatz anwies.
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^»^^^^1^
I
m. KAPITEL
Die Uordo der UeUd Slimän.
So hatten wir nunmehr unser Geschick mit demjenigen
dieser Rotte von Freiheutem verknüpft. In Folge ihrer wil-
den, ruhelosen Lebensweise waren sie aus ihren ursprüng-
lichen Wohnsitzen an der Syrte*) vertrieben worden und hatten
sich nach einer langen Reihe abenteuerlicher Erlebnisse end-
lich unter der Führung Mohammed's, Sohnes *Abd el Djelil's, in
diesem Grenzlande zwischen der Wüste und den fruchtbaren
Strichen des Sudans auf den Trümmern des alten König-
reiches Känem niedergelassen, wie in ganz entsprechender
Weise in der westlichen Hälfte der Wüste die üeläd Ammer
(die Ludamar Mungo Park's) auf den Trümmern des Reiches
Melle ihre räuberische Macht begründet hatten. Damals
zählten die Ueläd Slimän eine beträchtliche Mannschaft und
konnten, da sie aus allen Araber -Stämmen vom Rif bis
Fesän grossen Zuzug von Abenteurern hatten, 900 — 1000
Mann Reiterei in's Feld stellen. Sie wandten nun ihre Auf-
merksamkeit unseren Freunden, »den Kel-owi, zu und fingen
an, deren Kameele, welche den Salzhandel von Bilma be-
trieben, als Raub davon zu führen. Jene Salzkarawanen
sind, wie der Leser sich aus dem früher Angeführten er-
innern wird, immer von sehr bedeutender Stärke; doch ist
*) Ich vorweise hier nur auf die lebhafte Beschreibung, welche Capt. Lyon
{NarrcUlve, p. 54) von der früheren Macht dieses Stammes gibt.
^ Frühere Schicksale der Horde. 57
es fast unmöglich, der uns von mehreren Personen gemachten
Angabe unbedingt Glauben zu schenken, dass die Ueläd
Slimän den Tuareg innerhalb 2 oder 3 Jahre über 30,000
Kameele abgenommen hätten , ja nach Einigen sogar 50,000.
Wären sie auf diese Weise auch nur eine kurze Zeit lang fort-
gefahren, so hätten sie in ganz Inner- Afrika eine unermessliche
Umwälzung hervorgebracht; denn die Kel-owi würden nach
dem Verlust ihrer Kameele Haussa nicht länger mit Salz ha-
ben versehen und ohne Salz nicht länger den für ihr Beste-
hen nothwendigsten Bedarf eintauschen können; sie hätten
sich also entweder dem Hunger preisgeben, oder mit Ge-
walt in den Besitz fruchtbarerer Bezirke von Sudan setzen
müssen. Aber bevor sie noch zu jenem Aussersten getrieben
wurden, ermannten sie sich zu einer kräftigen Anstrengimg
gegen ihre Feinde, und dies geschah mit Erfolg; denn, alle
Mannen in den verschiedenen Stämmen von Air oder Asben,
ja selbst viele der umherwohnenden Stämme aufbietend,
versammelten sie ein Heer von wenigstens 7000 Mann, haupt-
sächlich zu Kameel, jedoch auch mit Einschluss einer zahl-
reichen Reiterei zu Pferde, und zogen nun, im Anfange des
Jahres 1850, heran, um den Löwen in seiner eigenen Höhle
anzugreifen.
Ich bin geneigt anzunehmen, dass die Bomauer hierbei
die Hand im Spiele hatten; wenigstens konnte die Nach-
barschaft einer kriegerischen und ruhelosen und dabei so
zahlreichen Horde, wie die Ueläd Slimän sie damals unter Mo-
hammed's Führung bildeten, keinem irgend umsichtigen und
vorsichtigen Machthaber in Bömu gänzlich gleichgültig sein.
Freilich, seitdem die Macht Bomu's dermassen abgenommen
hat, dass es den täglichen Übergriflfen der Tuareg nicht
selbst hinlänglich Widerstand leisten konnte, war es für seine
Machthaber von grossem Nutzen, einen starken und kräftigen
Verbündeten zu besitzen, um jene in Zaum zu halten, aber
dieser durfte keineswegs selbst wieder gefährlich werden.
58 IIL Kapitel.
Wie dem aber auch sei, die Araber verliessen ihre sehr
feste Verschanzung bei Keskaua (welche sie, als ihnen der
beabsichtigte Kriegszug der Kel-owi kund geworden, am
Tsäd-Ufer angelegt hatten, und welche die Tuareg, wie diese
mir selbst gestanden , nie würden haben einnehmen können)
und zerstreuten sich, in der Voraussetzung, ihre Feinde wären
nicht im Stande, ihre Absichten auszuführen. Alle die zuge-
zogenen Stcämme, wie die Gedädefah, die Ferdjän, die Urfilla,
die Ftaim, die Ssuässi, die Temäma, die Dhohob, mit der
den Tuareg abgenommenen Beute bereichert, waren voll
Begierde, diese Beute in Sicherheit nach Hause zu bringen,
und begaben sich daher auf die Heimreise über Küfifara.
Der Rest der Araber war eben im Wadi 'Aläli, wohin mich
meine. Leser bald zu begleiten haben werden, gelagert, als
ein Kundschafter mit der Nachricht ankam, eine grosse
Schaar der Tuareg sei in der Nähe. Die Araber sollen
jedoch diesem Berichte keinen Glauben geschenkt haben und
daher, ehe sie noch ihre Vorbereitungen treffen konnten,
plötzlich von allen Seiten von. der zahlreichen Feindesschaar
umringt worden sein. Auch muss man bedenken, dass die-
selben meistens nur mit Flinten bewalfnet waren, welche
zwar in einem Reitereitrelfen sehr nützlich sind, wo sich der
Reiter nach dem Feuern zurückziehen kann, aber im nahen
Handgemenge und auf beschränktem Räume von geringem
Nutzen sind; nur Wenige besassen Pistolen, noch Wenigere
Schwerter. Die Kel-owi hingegen hatten neben ihrer grossen
Anzahl den Vortheil besserer Waffen, indem sie ausser Flin-
ten, die sie allerdings nur selten zu gebrauchen verstehen,
Speer, Schwert und Dolch führten. Die Folge davon war, dass
die Araber, nachdem sie eine kleine Anzahl der Feinde im Vor-
dertreffen getödtet hatten, bald überwältigt und hingemetzelt
vnirden, so dass nur die Hälfte von ihnen entkam. Der
Häuptling Mohammed selbst nahm seinen Weg schwer ver-
wundet durch die Schaar der Feinde und soll bald darauf,
Grosse Niederlage der Horde durch die Tnareg. 59
wie es heisst, von einem Tebu- Weibe, das ihn erkannte, er-
schlagen worden sein. Said, der kühnste, wie auch gewalt-
samste Streiter derUeläd Slimän, fiel auf der Wahlstatt, zu-
sammen mit den herzhaftesten Kämpen der kleinen Horde.
Die Tuareg machten eine sehr beträchtliche Beute, nicht nur
an Kameelen und Sklaven, sondern auch an Silber; denn die
besiegten Häuptlinge hatten einen grossen Reichthum aufge-
häuft So war die Blüthe der Truppe vernichtet, waren nur
die minder Tapferen und Jüngeren übrig geblieben.
Der Vezier von Bomu nahm nun den jungen Rhet, der
jetzt die Häuptlingsschaft und den geringen verbliebenen Rest
von Macht und Veimögen ererbt hatte, unter seinen beson-
deren Schutz und traf mit ihm und dem übriggebliebenen
Bruchstück des Stammes die Vereinbarung, dass sie ihm
dafür, indem er sie mit den benötliigten Pferden und Flinten
versehe, nach jedem Feldzuge einen bestimmten Theil ihrer
Beute liefern sollten. Gewiss hätte sich eine solche, mit schnel-
len Pferden versehene und mit Flinten bewaffnete Reiterei,
wenn scharf in Dienstordnung und Unterwürfigkeit gehalten,
an der Nordgrenze von Bomu sehr nützlich erweisen kön-
nen, um einerseits dem Vordringen der Tuareg, andererseits
dem der Wddai Einhalt zu thun. Die grosse Schwierigkeit
aber, welche der Vezier nicht bewältigt zu haben scheint, be-
stand darin, die freibeuterischen Streifzüge einer solchen
Rotte irgend einer politischen Regel zu unterwerfen.
Der Vezier sandte nun den jungen, kaum über 20 Jahre
alten Häuptling mit dem gesammten Überreste der Ueläd
Slimän nach Känem und behielt seine Mutter, sowie die
Weiber und kleinen Kinder einiger ihrer Hauptleute als
Geissei für ihre Treue in Kükaua zurück. Von Anfang an
bestand jedoch eine starke Partei gegen den jungen Häupt-
ling, der noch keine Grossthat vollbracht hatte, und dessen
einziges Verdienst darin bestand, der nächste Verwandte des
'Abd el Djelil zu sein.
eO m. Kapitel.
'Omar, sein Oheim, der sich von Jugend auf religiöser
Übungen befleissigt hatte und ein Meräbet genannt wurde,
hatte eine zahlreiche Partei, und ausserdem gab es mehrere
Männer unter ihnen, welche sich für ebenso wichtig hielten,
als ihren Häuptling. In Ermangelung persönlichen Einflusses
konnte also Khet mit seiner kleinen, im Ganzen nur 250
Reiter zählenden Rotte nur geringe Erfolge erzielen.
Alle in Känem und den umliegenden Landschaften angesie-
delten Stämme waren ihre natürlichen Feinde: die Noreä
oder Nudrma und die Schendaköra und Medema, die Ssd-
kerda und die Karda im Bahhr el Ghasäl, die Bültu, die
Worhda, die üeläd Raschid, die Diggana oder Daghana,
die üeläd Hamid, die Hommer und die Mahamid in Churma,
sie alle sannen auf ihre Vernichtung, während sie nur in den
Lasdlä oder el Asäla jenseits Eärkä oder Eargha und in
dem Kanembü- Stamme der Fugäbü Anhänger hatten. Alle
benachbarten Stämme legen ihnen den Namen „Minneminne"
oder „Menemene" („die Fresser") bei, und dieser Name, obgleich
aus der Völlerei dieser Araber entstanden , lässt sich auch
ganz passend auf ihr räuberisches Wesen beziehen*).
Im Verlaufe dieser Auflösung und kleinen Umtriebe legten
sich die Achtbarsten unter ihnen auf den Handel, während
Andere in. ihre ursprünglichen Sitze heimzukehren trachteten,
und als ich Bömu im Mai 1855 verliess, hatte sich der Rest
der kleinen Horde in zwei gesonderte Lager gespalten, und
die Auflösung oder der gänzliche Verfall der Gemeinde stand
nahe bevor.
Diese Horde war es denn, mit der, um die Zwecke unseres
Unternehmens so weit es uns nur irgend möglich war, zu er-
reichen, Herr Dr. Overweg und ich unser Geschick zu ver-
binden genöthigt waren; aber unglücklicherweise fehlte es uns
an dem wesentlichsten Mittel, um ein mehr als gewöhnliches
*) Die TSbu nennen sie „Erdi mädö" (,»die rothen Feinde'") oder „YögodS"".
Audienss bei dem Scheich Rhet 61
Interesse für unsere Personen oder die Zwecke unserer Sen»
düng zu erregen, nämlich an werthvollen Geschenken.
Während unsere Leute die Zelte aufschlugen, gingen
wir zum Scheich Rhet und zu 'Omar, um unsere Aufwartung
zu machen und uns mit ihnen, ehe wir zu ernstlicheren
Geschäften schritten, freundschaftlich zu besprechen. Sie
schienen dies auch erwartet zu haben, indem sie sich im
Schatten eines Baumes in geringer Entfernung von unseren
Zelten niedergelegt hatten. Rhet, welcher aus einer langen
Pfeife, nach Weise der Türken, rauchte, war ein leidlich hüb-
scher junger Mann , hatte aber eine mangelhafte Aussprache
und nichts Gebietendes -in seinem Wesen. Nachdem wir die
gewöhnlichen Komplimente gewechselt und einige allgemeine
Fragen hingeworfen, gingen wir wieder fort und erhielten
bald darauf ein Geschenk von Datteln und Milch.
Sehr viele von den Arabern machten uns einen Besuch,
und ein Renegat-Jude aus Tripoli, *Abd Allah, mit dem Bei-
namen „el Mussulmäni", schien uns nicht einen Augenblick
verlassen zu wollen, indem er uns fortwährend von seinen
Abenteuern erzählte und seine Wichtigkeit andeutete, auch
uns seiner uneigennützigsten Ergebenheit zu versichern nicht
verfehlte. Obgleich seine frühere Religion von der unseri-
gen verschieden war und er diese wieder mit einer anderen
aus blos weltlichen Rücksichten vertauscht hatte, so hielt er
sich doch fiir berechtigt, eine Art Verwandtschaft mit uns
zu beanspruchen und hatte die Geneigtheit, uns mitunter
seine Vettern (Ueläd ämi) zu nennen. Noch war hier ein
anderer Mann, welcher sich uns zuvorkommend zu erweisen
und in unsere Freundschaft einzuschleichen suchte; dies war
ein Egyptier Namens Ibrahim, ein schöner schlanker Mann,
welcher augenscheinlich ursprünglich von guter Familie war;
er war jedoch von Hause entflohen und führte nun in dieser
Genossenschaft ein rastloses, beschwerliches und reuevolles
Leben.
62 m. Ki^iteL
Als die Tageshitze etwas nachgelassen hatte, bereiteten
wir das kleine Geschenk vor, das wir dem Scheich Bliet zu
geben gedachten. Es bestand in . einem rothen Tuchbemus
von vorzüglicher Arbeit, einem Pfund Gewürznelken, «inem
Pfund Djaüi (Benzoe) und einem Rasirmesser. Wir wussten
wohl, dass es ein etwas unbedeutendes Geschenk war in Be-
tracht des Beistandes, welchen wir von diesen Leuten er-
heischteUj um unseren Zweck zu erreichen; wussten jedoch
auch, dass die Sache eigentlich eine uns vom Vezier von
Bömu, der diese Leute als in seinem Dienste stehend be-
trachtete, erwiesene Gunst war.
Lidern wir also auf die Freundschaft, welche in früheren
Zeiten, als der Stamm noch an der Syrte wohnte, zwischen
demselben und dem Englischen Konsul in Tripoli bestanden
habe, Bezug nahmen und einen Brief von Herrn Frederic
Warrington (dem Sohne des früheren Englischen Konsuls), wel-
cher den angesehensten Leuten im Stamme persönlich wohlbe-
kannt wat*, überreichten, erklärten wir unumwunden, dass wir
in der Absicht hierher gekommen seien, um mit ihrer Hilfe die
Bereisung des östlichen Seeufers und namentlich des Bahhr
el Ghasal, welcher seit längerer Zeit in unserer Heimath
viel Literesse erregt habe, zu versuchen. Scheich Rhet ent-
gegnete aber sofort, es sei ihnen unmöglich, ups nach jener
Landschaft zu bringen, da dieselbe wegen der vielen von
verschiedenen Seiten und von feindlichen Stämmen dorthin
ausgeführten Raubzüge die gefahrvollste in allen diesen Ge-
genden sei.
Nach einem bedöutungslosen Gespräch über die Engländer
verliessen wir den Häuptling und begaben uns mit einem
ganz gleichartigen Geschenk zu seinem Ohöim, dem wir nun
die Zwecke, die uns hierher geführt, noch nachdrücklicher
vorzustellen suchten. Ich drückte es als meine Ansicht
aus, dass, wie sie einerseits der Brittischen Regierung einen
sehr ervninschten Dienst leisten würden, wenn sie uns in den
yerhandlaiigen über den Besucli des Bahhr el GhasäL 63
Stand setzten, die Art der Verbindung zwischen dem Babhr
el Ghasal und dem See genau zu erkunden, so andererseits
ein beträchtlicher Theil des Tadels auf sie fallen würde,
falls wir unseren Plan nicht auszuführen vermöchten, da sie
sich stets als den Engländern zu grossem Dank verpflichtet
ausgegeben hätten. 'Omar ben Rhet ben Ssef e' Nasr räumte
alles dieses ein, zweifelte jedoch sehr, ob die Horde bei
ihrem gegenwärtigen geschwächten Zustande im Stande sein
würde, uns nach jener "Gegend zu bringen, die gänzlich unter
der Herrschaft von Wadai stehe. Die Erwähnung des Bahhr
el Ghasal veranlasste ein Gespräch über das Flusssystem
zwischen dem Tsäd und dem Nil, wobei 'Omar höchst ven-
worrene Angaben vorbrachte, welche anzuführen nutzlos sein
würde. Aber bezüglich jenes grossen Wadi selbst fanden
wir, dass er in Übereinstimmung mit den erfahrensten Leuten
unter diesen Arabern behauptete, dass selbiges nicht am See
auslaufe, sondern von dorther seinen Ursprung nähme —
und doch ist diese Ansicht natürlich unrichtig.
Wir verabschiedeten uns dann bei 'Omar und kehrten zu
unseren Zelten zurück. Der Lägerplatz befand sich auf einer
sandigen, offenen, aber doch leicht gewellten, anmuthigen und
mit einzelnen Mimosen geschmückten Fläche, an deren Fusse
sich ein Thal hinzieht, welches die Brunnen Yongo oder
Bü-Halima enthält und eine Fülle des reichsten Pflanzen-
wuchses darbietet. Die Zelte und Mattenhütten der Araber
nahmen einen ausgedehnten Platz ein, welcher mit keinerlei
Umfnedigung oder sonstiger Schutzwehr versehen war.
Da die "Sonne untergegangen war, legte ich niicb ausser-
halb meines Zeltes nieder, um nach einem heissen und
mühevollen Tage der abendlichen Kühle und Stille zu gemes-
sen. Alles war ruhig und schien in Frieden gebettet zu sein,
aber diese Stille wurde plötzlich durch ein wildes Geschrei
und Gekreisch, welches die Weiber im westlichen Theile
des Lagers erhoben, unterbrochen. Eilends griffen wir zu
64 IIL Kapitel.
den Waffen, indem wir glaubten, ein Feind sei in's Lager
gedrungen. Der Ruf: „älä e' dhahai*! äla e' dhahar!" — „in
den Sattel! in den Sattel!" — erscholl von allen Seiten und
eine Anzahl Reiter jagte an uns vorüber. Nach allgemeinem
Tumult ergab sich jedoch, dass es nur einige Räuber gewesen
waren, welche in der Abenddämmerung die Kameele ange-
fallen, zwei oder drei Leute in die Flucht gejagt, einen Rei-
ter getödtet und einen Theil der Heerde fortgetrieben hatten.
Unsere Freunde setzten den Räubern nach und holten sie bald
ein, worauf sich dieselben mit Hinterlassung ihrer Beute in
das Dickicht flüchteten.
. So hatten wir gleich am ersten Tage unserer Ankunft in
dieser kleinen Horde eine Probe von dem Charakter unserer
gegenwärtigen Fahrt. Das Wehklagen der Weiber über den
erschlagenen Mann erscholl traurig durch die Nacht und
mahnte uns an das Geschick, das vielleicht in kurzer Zeit
uns selbst befallen möchte. Spät in der Nacht, . als der Lärm
sich gelegt hatte, sandte uns Scheich Rhet eine junge Kuh
zum Geschenk.
[Donnerstag, 2^^ Oktober.] Wir blieben den ganzen heu-
tigen Tag im Lager und zogen viele werthvolle Auskunft
über den südöstlichen Theil des See's und die anliegenden
Theile-ein*), so dass der Tag sehr angenehm verfloss.
Auch am folgenden Tage fiel nichts Besonderes vor, ausser
dass die wichtige Nachricht eintraf, der in Mäö seinen Sitz
habende Agid von Wadai sei auf die Botschaft von dem von
den Arabern auf jene Stadt beabsichtigten Angrifi' entflohen.
Diese Nachricht, falls sie sich bestätigte, gab uns einige
schwache Hoffnung auf die Möglichkeit, nach dem östlichen
Seeufer vorzudringen, und die Araber machten demge-
mäss ihre Anschläge. Lidem Hadj 'Abbäss, welcher mit uns
gekommen war, um von den Arabern Hadj Beschlr's Antheil
*) AUe diese Angaben sind im Anhang snsammengestoUt.
Flacht einer Sklavin. 65
an der vqn ihnen auf dem letzten Raubzuge gemachten Beute
zu erheben, in einigen Tagen nach Ktikaua zurückzukehren
hatte, so schrieb ich dem Vezier einen Brief hinsichtlich un-
serer geringen Aussichten auf die vollständige Ausführung
unseres Planes. Den Rest des Tages genoss ich, behaglich
im Schatten eines Baumes ausgestreckt, der Ruhe, welche
jedoch durch Zänkereien unter meinen Leuten sehr gestört
wurde.
[Sonnabend y 4*^ Oktober^ Früh am Morgen, als Alles noch
stille war, erweckte mich der wehmüthige Gesang eines Ara-
bers, welcher zwischen den Strophen seines Liedes sich den
Thränen hinzugeben schien. Dieser tief gefühlvolle Gesang,
welcher so unerwartet inmitten dieser zügellosen Horde, wo
gemeiniglich nur die niedrigeren Eigenschaften des Menschen
zum Vorschein kamen, sich vernehmen Hess, übte auf mich
einen grossen Reiz aus; da jedoch der Sänger von meinem
Zelte etwas entfernt war, so konnte ich nicht verstehen, was
seinen Gram veranlasst habe, erfuhr es auch nachher nicht.
Denn ein anderer Gegenstand, der aber vielleicht gerade im
Zusammenhang mit dem Gram des Sängers stand , hatte
die Aufmerksamkeit der Araber erregt. Die schönste unter
den Sklavinnen, welche einen Theil der dem Vezier von
dessen Beamten Hadj 'Abbäss zu überbringenden Beute aus-
machten, war während der Nacht entflohen', man hatte vom
frühesten Tageslichte an Nachsuchungen angestellt, aber sie
waren erfolglos geblieben. Endlich entdeckte man ihr Hals-
band, ihr Gewand und Überreste ihrer Gebeine — sie war
den Raubthieren zur Beute gefallen. So hiess es wenigstens.
Die schöne Sklavin gehörte zu den Yedinä oder Büdduma
und soll grosse Reize besessen haben. Man glaubte, dass ihr
Verlust den Vezier sehr betrüben würde , welcher, wie ich be-
reits erwähnt habe, ein grosser Liebhaber ethnologischer Man-
nichfaltigkeit weiblicher Schönheit war. Diese Angelegenheit
veranlasste vielen ärgerlichen Wortwechsel, da das Mädchen
Barth'« BcImo. UI. 5
«
• I '
66 in. Kapitel.
dem Hadj 'Abbäss noch nicht überliefert worden war, als
sie die Flucht ergriff.
Es gab jedoch sonst noch gar mancherlei Zwist in dieser
kleinen Horde, und als der Beamte des Veziers seine Ab-
reise .antrat, benutzte eine sehr grosse Anzahl Araber diese
Gelegenheit, sich nach Kiikaua zu begeben, während nur
Wenige hatten mitgehn sollen. Wir selbst erlitten für unsere
Zwecke einen sehr ernstlichen Verlust durch die Abreise des
Scheich 'Omar, Rhet's Oheim, der durch seine Erfahnnig
und Kenntniss der Engländer, welche die seines jungen Nef-
fen bei weitem übertraf, für uns sehr nützlich hätte werden
können. Er hätte ims jedenfalls mittheilen sollen, dass er
abzureisen beabsichtigte, da seine Annahme unseres Geschen-
kes uns voraussetzen liess, dass er die Verpflichtung über-
nehme, uns in unserem Plane nach Kräften zu unterstützen;
so fühlten wir uns nun bei unseren so beschränkten Mitteln
bitter getäuscht. Allein, waren auch unsere Aussichten nicht
eben viel versprechend, so wussten wir doch jetzt, dass wir
wenigstens etwas weiter kommen würden, da der Aufbinich
des Lagers auf den nächsten Tag festgesetzt war.
[Sonntag, 5ten Oktober.] Nachdem die Kameele nebst
einer Bedeckung von Fussvolk am Morgen aufgebrochen
waren, ritten wir und die anderen Reiter zuvörderst aus, um
unsere Pferde. am Brunnen zu tränken, den wir, weil er
von unseren Zelten etwas entfernt war, noch nicht besucht
hatten. Das Thal hatte den wild-üppigen Charakter, welcher
den Thalsenkungen Känems eigenthümlich ist; es übertraf
sogar die meisten an malerischer Wildheit, und ein frösteln-
der Luftzug kam uns aus dem für Sonnenstrahlen undurch-
dringlichen Walde entgegen, welcher die Thalsohle in dichtester
Fülle bedeckte. Die Brunnen, deren mehrere waren, boten
ein lebhaftes und anziehendes Schauspiel dar, als die Reiter
in ihrem malerischen Anzüge, welcher aus der Landestracht
ihrer früheren Heimath und der ihrer gegenwärtigen Wohn-
Dor Bit c) Käras. 67 ''
f)tt7^ bunt zasammengesotzt ist,- diese Qnellen umdi-iingten,
um ihre hageren, aber ausdauernden Güule zu tränkeD.
Als wir dann nach unserem bisherigen Lagerplatze ziirück-
kphrU-n, war AJIea verlassen und Einsamkeit und Sülle war
an die Stelle der regen Wohnstätte einer streitsüclitigen;
wortreichen Menge getreten; wir eilton also über den leicht
gewellten, schön liewaldeten Sandboden weiter und Ijolten un-
sere Kanicele bald ein. Unser heutiger Bestimmungsort war
nicht fem und bereits um Mittag lagerten wir auf einer schö-
nen Sandhügelung ; unterhalb derselben zog sich ein anderer ■
Thalkessel hin, welcher namentlich mit Küma-Bäumen üppig
. bewachsen war, woher auch die dortige Quelle den Namen
„Bir el Küma" empfangen hat. Das aus Arabern und Tebu
gemischte IiOgor war sehr ausgedehnt und seine Lage konnte
nur gesund sein, obwohl wir während unseres Aufenthal-
tes auf dieser Anhöhe den Unterschied zwischen der nächt-
lichen Eiihle und der Hitze der Mittagsstunden ausseror-
dentlich emptindlicb fanden. — Da wir sehr guteu Appetit
hätten, bereiteten wir uns den ungewohnten Genuss einer
Schildkrötensuppe. Schildkröten sind in dieser Gegend gar
nicht selten, obwohl meistens sehr klein; von der Grösse,
wie wir sie in Air gesehn hatten, sind mir hier keine vor-
gekommen und ich habe auch nie davon gehört.
[Monlaff, 4'"" Oktoher.] Heute war der Tag des 'Aid el
Kebir. Bei Sojinenaufgang begab ich mich darum nach
einem kühlen, schattigen Platze, der etwas sudlich von unse-
rem Lager war; aber eben diesen Platz liatten die Araber,
ohne dass ich es wusste , zur" Verrichtung ihres Festgebetes
gewählt. Gewöhnlich beteten imr Wenige von ihnen; heute
aber begaben sich die angesehensten Personen unter ihnen,
Scheich Rhet an der Spitze, nach diesem Platze und ver-
richteten daselbst ihre Gebete mit Feierlichkeit and, wie es
schien, selbst mit Inbrunst.
Wie bedeutsam aber auch dieser Tag für unsere Mohamrae- _
€8 m. Ki^itel.
dänischen Begleiter war, so erwies er sich doch für uns als
ein sehr unglücklicher, dessen Ereignisse für unseren Plan,
in die gefahrvollen Landschaften am östlichen Ufer des Tsäd
vorzudringen, nur wenig Erfolg versprachen; denn ein be-
trächtlicher Theil des Stammes (150 Mann mit 70 Pferden)
brach an diesem Tage nach Kükaua auf, zu unserem unaus-
aprechlichen Verdruss und, wie es schien, auch zum Arger
des jungen Häuptlings; dies ward uns wenigstens klar, als
wir Letzterem um Mittag einen Besuch abstatteten. ' Bei un-
seren beschränkten Mitteln und dem unansehnlichen Charak-
ter unserer Mission konnten wir natürlich nicht erwarten,
dass diese ungeordnete Horde unsere Wünsche und Absich-
ten zur Richtschnur bei ihren Angelegenheiten machen sollte.
Ihr Verfahren war jedoch offenbar nur durch einen gewissen
hartnäckigen Unabhängigkeitssinn und durch Eifersucht ver-
anlasst worden und schien in offenem Widerspruch gegen
den Wunsch ihres jungen Häuptlings zu stehn. Um 1 Uhr
Nachmittags zogen sie ab und wir beförderten durch sie
einen Brief, in dem wir unsere Unzufriedenheit über einen
Zustand der Dinge aussprachen, welcher uur einen gar trüb-
seligen Erfolg für tmser Unternehmen vorausseht! liess.
Aber während wir uns in unseren wesentlichen Erwartun-
gen so getäuscht fanden, ward für unsere leiblichen Bedürf-
nisse desto besser gesorgt; denn am Morgen kamen mehrere
Fugäbü mit einer Anzahl Schaafe an, welche sie zu '/i Dollar
das Stück verkauften, und setzten uns so in den Stand, dem
religiösen Verlangen unserer Diener nach einem Extra-Gerichte
an diesem ihrem Feiertage genügen zu können. Am Abend
traf eine von Bömu kommende grosse Qchscnkarawane ein,
welche mit Getreide oder vielmehr Negerhirse beladen war;
dadurch wurden die Lebensmittel etwas billiger. In Folge
der Ankunft dieser Reisegesellschaft konnten wir nicht nur
selbst Getreide zu billigeren Preisen kaufen, sondern erhielten
auch vom Häuptlinge welches zum Geschenk.
Der Landbta In Kanein. 69
Das in dem vei'wilderten und Terödcten Lande selbst ge-
zogene Getreide reicht für die Bevölkerung, trotzdem dass
diese 80 sehr zusammengeschniolzen ist, nicht aus; auch war
das letzte Jahr an sich ein ungünstiges gewesen. Wir sehn
jedoch aus ImSm Ahmed's Bericht, dass schon damals we-
nigstens ein grosser Theil des Landes auf fremde Zufuhr
angewiesen war, und in Wahrheit trifft die von Maknsi
in einer anderswo angeführten Stelle hervorgehobene Ar-
muth dieser Landschaften einen grossen Theil des Landes
Kanem.
Aller Kauf in Känem wird vermittelst der gewöhnlichen
weissen Bömu-Hemden, welche die allgemeine Landestracht
bilden, al)geschlossen ; schwarze Toben werden hier nur von
den Wohlhabenden getragen. Selbst die in Känem angesie-
delten Araber tragen meistens nur diese weissen Baumwol-
lenbemden nebst einem Halk von demselben Zeuge, und nur
die bemittelten Leute unter ilinen können sich einen wolleneu
Mantel anschaffen; wir wurden wegen unserer Ausstattung
in dieser Beziehung nicht allein heftig beneidet, sondern
auch fortwährend angebettelt. Die Kleidung der Weiber
wird gleichfalls aus diesen Toben gemacht, indem man sie
in die regelmässigen oblongen Stücke,, aus welchen sie be-
stehen, zerschneidet und dann der Länge nach zusammen-
näht
IDietistag, 7'«" Oktober.] Da wir genöthigt waren, hier zu
bleiben, ohne bestimmte Aussicht zu haben, damit irgend
etwas Erspriesaliches zu erzielen, so hielten wir uns wenig-
stens für berechtigt, die Gastfreundschaft unserer Wirthe
anzusprechen; wir gaben daher unseren Wunsch zu erken-
nen, etwas mehr Milch zu erhalten, da wir selbst weder
Kühe, noch weibliche Kameele besässen. Das Gesuch wm^e
gewährt. Wir gewöhnten uns darauf gänzlich an Kameel-
milch und fanden dieselbe allmählich schmackliafter und
gesünder, als Kuhmilch; ich schreibe die Wiederherstellung
70 ni. ELapitel.
meiner geschwächten Körperkräfte hauptsächlich dieser Kost
zu. Die Töchter der Ben! Hassan brachten zwar im-
mer • einige Milch in's Lager, dieselbe war aber gewöhn-
lich in einem widerlichen Übergangszustande vom Süss
zum Sauer und die Gefässe (die aus Palmblättem verfertig-
ten Koriö's) pflegten, da sie nie ausgewaschen ¥nirden, einen
höchst Übeln Geruch zu haben, welcher sich der Milch mit-
theilte.
Da der abtrünnige Jude Abd Allah (el -Mussulmfini) bei
allen unseren Geschäften mit dem Häuptlinge den Vermittler
Spielte*, so machte ich ihm heute eine rothe Leibbinde zum
Geschenk und hielt ihn auch fortan durch gelegentliche
kleine Gaben bei guter Lauqe. Dieser Mann war ein wun-
derliches • Exemplar eines Jüdischen Abenteurers. Er war
aus Tripoli gebürtig, hatte aber wegen eines von ihm ver-
übten Mordes aus seiner Heimath fliehen müssen. Er flüch-
tete sich zum Stamme der üeläd Slimän, wo er seinen Jü-
dischen Glauben mit deni Mohammedanischen vertauschte
und Schutz fand. Nachdem er sich als Silberschmied ein
ziemliches Vermögen erworben . hatte , beraubten ihn seine
neuen Gefährten — diese Araber wohnten damals im Tebu-
Lande — seiner Schätze. Hierauf trennte er sich eine Zeit
laug von ihnen und machte in Gesellschaft von zwei anderen
abtrünnigen Juden, Namens Mü-ssa und Ibrahim, eine Reise
in den mittleren Sudan, -=— ein denkwürdiges Ereigniss, denn
sie wftren die Ersten . ihres Volkes , welche jene Strasse zo-
gen. Als er dann von dem Wohlergehen der üeläd Slimän
in Känem hörte, verband er sich abermals mit denselben
und ward Freibeuter. Er war ein sehr guter Reiter, seine
Reitkunst ersetzte jedoch iiür wenig den Mangel an Muth..
Trotzdem war er uns .in vieler Hinsicht nützlich, obgleich
wir uns dabei in Acht nehmen musstcn, dass uns die Leute
mit diesem Jüdischen Abenteurer nicht in zu nahe Verbin-
dung brachten.
Dar Tlbii'-Hauptliiig HallGf. 71
Ich begann auch heute die AuBarheitung meines kleinen Vo-
kabulars der Tebu-Sprache (oder vielmehr der „Modi Teda"),
und zwar fiir's Erete der in Boi^ heimischen Mundart; diese
letztere weicht sowohl Ton deijenigen, welche die Einwohner
Büma's reden, als auch tod dem Idiom, welches in dem süd-
lich Yon Fesfin gelegenen Striche gesprochen wird, beträcht-
lich ab. Ich erkannte schon gleich damals die nahe Ver-
wandtschaft dieser Sprache mit dem Kanöri, während sie
kaum ein auch nur öusserhches Verbindungsglied mit der
Berber-Sprache aufweist.
[Mittwoch, Stet Okiober,] Das einzige bemerkenswerthe
EreignisB des heutigen Tages bestand in der Ankunft Hal-
lüf's, eines kriegerischen Tebu- Häuptlings, mit 17 Reitern
der Fugabü Tebu, und ilir ritterlicher Aufritt vor das Zelt
dos Scheichs Ehet machte ihrer Reitkunst alle Ehre. Halltlf,
ein Mann von grossem Wüchse und gewaltiger Körpcrstärko
— wie man es selten bei diesen Leuten antrifft — und in
diesen Gegenden wegen seiner Tapferkeit berühmt, war frü-
her ein entHcbiedener Feind Bömu's gewesen, jetzt aber für
dessen Interessen gewonnen worden; er fürchtete sich jedoch
noch so sehr vor den Romauem, dase er sich während der
Anwesenheit des Hadj 'Abbäss (des Veziers Abgeordneten)
den Ueläd Slim&n nicht anschUcssen mochte, kain aber nun;
sobald er von dessen Abieise gehört hatte. Er war eben
kein gewissenhafter Mann, wie ich bald erfuhr, als er
mit den Fugäbü uns einen Besuch inachtc und uns, sobald
er sich vorgestellt hatte, um Gift bat. Wir schlugen ihm
natürbch seine Bitte kurzweg ab. Er Hess sich dann mit
seinen Gelahrten ruhig nieder und fand grosses Vergnügen
an der Musik meiner Spieldose, welche ich wirklich nebst
der Ulir auf meiner ganzen Reise für das geeignetste Instru-
ment fand, um die Eingeborenen von der grossen Überlegen-
heit dos Europäischen Genie'« und der Kunstfeitigkeit der
Europäer zu überzeugen. Diese Leute zeigten sich sehr em-
J
72 m. Kapitel.
pfänglich für die lebhaften Weisen, welche das kleine Instru-
ment aufführte, und sassen eine lange Zeit stille, um sich an
der geheimnissvollen Musik zu ergötzen. Bald ward die
kleine Dose der Hauptgegenstand allgemeiner Unterhaltung,
imd Scheich Rhet begehrte gleichfalls, mit dem geheimniss-
vollen Kästchen bekannt zu werden.
Der Tag endete jedoch nicht auf so harmlose Weise; denn
es kam schlimme Kunde. Hadj 'Abbäss hatte nämlich auf
dem Wege nach Bomu bei Ngegimi eine Truppe Kindin an-
getroflFen und hiess die Araber vor einem Überfall auf der
Hut sein. Unruhe und Besorgniss verbreitete sich daher
durch das Lager und Streifwachen wurden in allen Richtun-
gen durch das Land entsandt.
[Freitag, lO^n Oktober.] Am Morgen ward berichtet,
man habe bei einem Brunnen in der Umgegend drei Tua-
reg zu Pferde und fünf zu Kameel angetroffen, und alsbald
wurde Lärm geschlagen. Alle Araber sassen auf und auch
wir folgten ihrem Beispiele, obgleich ich äusserst schwach
war, während mein Pferd, das nun mehrere Tage Ruhe und
gutes Futter gehabt hatte, kaum im Zügel zu halten war,
als es so viele Genossen einhergalopiren und muthwillige
Sprünge machen sah.
Das ganze Lager zeigte ein sehr kriegerisches Ansehen;
der WaflFenruf erwies sich jedoch als ungegründet. Wir kehr-
ten also in's Lager zurück und fingen an, unser Gepäck zu
ordnen, da wir den schwersten Theil desselben hier lassen
und nur so wenig wie möglich auf dem weiteren Marsch nach
Osten mitnehmen sollten ; denn die Nachricht von der Flucht
des Chalifa von Wadai aus seinem Sitze M&ö, wo Niemand
zur Vertheidigung dieses Platzes gegen ihren Anfall verblie-
ben sei, hatte den Arabern Hoffnung auf Plünderung gemacht.
Zugleich jedoch richteten sich die Blicke unserer Freunde
mit Sehnsucht nach Bäteli, den berühmten Weidegründen im
Nordlaufe des Bahhr el Ghasäl, 2 Tagereisen jenseits Ege,
Vorbereitang zn einem Raubzuge nach Osten.
73
WO dermalen grosse Kameelheerden versammelt sein sollten.
Sie w(\llten aber natürlich nicht verlauten lassen, nach wel-
chem Ziele in Wahrheit ihr Heereszug gerichtet sei, und spra-
chen daher bald von diesem, bald von jenem Punkte als
dem Bestimmungsorte ihrer Plünderung.
i
IV. KAPITEL.
Schitäti. Die- östlichon bcgfinstigtcren Thälcr Käne'nis.
[tionnahend, IV^ Oktober^ Während die älteren Leute zur
Vertlieidigung des Lagers, der Angehörigen und des Eigen-
thumes zurückgelassen wurden, machten wir selbst uns am
folgenden Tage auf, um den rüstigeren Theil der Horde auf
seinem Heereszuge zu begleiten. Wir nahinen dazu nur je
ein Kameel und zwei unserer Leute mit.
Die Ländschaft, durch welche unser Weg führte, war von
demselben Charakter, wie ich ihn schon bei früher durchzo-
genen Gegenden Känems beschrieben habe: eine sandige
Ebene, mit Bäumen mittlerer Grösse — fast durchgehend«
Mimosen — geschmückt und in * günstigen Jahi*eszeiteu zum
Anbau von Sorghum wohlgeeignet, hie und da durch tiefe
Einsenkungen von bald grösserer, bald geringerer Ausdehnung*
unterbrochen. Diese sind meist hinreichend mit Wasser ver-
sehen, um schöne Pflanzungen oder Waizenfelder hervorzubrin-
gen, und jetzt bei dem verwahrlosten Zustande, in den dieses
Land versunken ist, mit üppigem Wald wüchse bedeckt, der.
nur den Thieren der Wildniss zur sicheren Zufluchtsstätte
dient. Zur Blüthezeit des. Landes bildeten aber diese Einsen-
kimgeh die Anziehungspunkte grösserer und kleinerer städti-
scher Mederlassungeh. Einen solchen unregelmässigen Thal-
kessel durchschnitten wir etwa 8 Meilen von imserem Haupt-
quartier und wählten unseren Lagerplatz auf dem höheren
Terrain, das den „Bir el Ftaim" beherrscht
Der Bir el Ftiim. 75
Der Th'alkess^l^ welcher diesen Brunnen enthält^ ist jedoch
nicht ganz von derselben Beschaffenheit, wie die meisten die-
ser Einsenkungen , sondern, hat einen besonderen Charakter.
Denn während die übrigen hinreichenden Raum zum Anbau
besitzen, ist dieser Thalgrund sehr eng und die umgebenden
Thalwäride, Wenigstens die auf der Nordseite, steigen zu grös-
serer Höhe an, als die allgemeine Erhebimg des Landes be-
trägt. Ich entwarf eine Skizze von dieser wilden Stätte, die
nur augenblicklich von einigen Reitern belebt wurde.
Auf der den Thalgrund überragenden Anhöhe lag sicher-
lich in alter Zeit ein ansehnlicher Ort, während jetzt nur ein
kleines Dorf der Fugäbü Kobber die Höhe krönt. Dr. Over-
weg und ich stiegen , ehe wir ims nach uns^renu Lagerplatz
wandten, der auf der Höhe des südlicheren Abhanges gewählt
war, in einiger . Entfernung . von den leichten Hütten dieser
Leute ab und machten ihnen einen Besuch, welcher fremid-
lich aufgenommen wurde.
Kaum hatten wir uns hier niedergelassen, als uns die An-
wohner ein aus Lidischer Hirse (Sorghum miUjare) bereite-
tes Gericht mit saurer Milch brachten und sich freundlich
zu uns setzten, um uns über die zwischen ihrem und un-
serem Lande obwaltende Verschiedenheit zu befragen. Sie
thaten auch viele Fragen politischer Natur, natürlich nach
dem engen Kreise ihres eigenen politischen Lebens bemessen.
So fragten sie uns, ob unsere Landsleute Freunde oder Feinde
von Dar-För oder von Wäddi wären; denn diese. Länder mit
Bomu zusammen begriffen ihren politischen Horizont. Hier
in Känem hatte man selbst von Franzosen und Russen noch
nichts gehört und konnte sich nur eine sehr schwache Idee
von einem Inglls machen. Dass sie von der zersplittei-ten
Deutschen Kraft etwas gehört hätten, war natürlich von vom
herein nicht zu erwarten. Wir zeigten ihnen unsere Instru-
mente und sie drückten nicht geringes Erstaunen darüber
aus, indem sie an unseren guten Absichten fast irre wurden;
J
76 IV. Kapitel.
denn sie konnten sich kaum vorstellen, dass wir, im Besitze
solcher Mittel, die ihnen übermenschlich schienen, nicht zum
Schaden unserer Nebenmenschen nur . auf unseren eigenen
Vortheil bedacht sein sollten. Sie brachten uns ein Löwen-
feil und bald darauf ein anderes schmackhaftes Gericht von
„deschische", aus Waizen bereitet, mit Datteln gewürzt und
mit vortrefflicher Butter übergössen. Die letztere gewann vor-
zugsweise unseren ganzen Beifall, da sie nichts von dem wi-
derlichen, um nicht zu sagen schmutzigen, Geschmacke an sich
hatte, welcher der Bomu-Butter eigenthümlich ist.
Während wir uns mit diesen Leuten unterhielten, wurden
wir uns immer mehr unserer ungünstigen Lage in diesem
Lande bewusst und fühlten tief den Nachtheil, der uns dar-
aus erwuchs, dass wir ims nicht stets in der Gesellschaft
und unter dem Schutze dieser Leute befinden konnten, der
Eingeborenen eben dieses Landes, mit dessen charakteristi-
schen Zügen sie uns so ungleich besser bekannt gemacht haben
würden, als jene Bande gesetzloser Räuber, die in Wirklich-
keit kein anderes Interesse an demselben nahm, als inwie-
weit es ihre Beutegier befriedigte. Aber diese armen Ein-
geborenen hatten weder Macht noch Ansehen , und wir hatten
uns überzeugt, dass da, wohin die Araber uns nicht geleiten
könnten, der Schutz dieser Leute sicherlich nichts vermöge.
Wir fühlten aber die gedrückte Lage dieser Kanembü völlig ;
denn ungeachtet ihrer Verbindung mit den Arabern wur-
den sie von denselben mit schnöder Verachtung behandelt
und die stolzen Söhne des Nordens vergassen nie, ihrem
tiefen Hohne Ausdruck zu geben, so oft sie von den ver-
fluchten („am bü") Keräda sprachen; denn den Namen Ke-
räda legen sie den Fugäbü bei*). Es ist nur zu natürlich.
*) Ich muss hier bemerken, dass sich gerade beim Stamme der Fugäbü eine
interessante Vermischung des Kanöri- mit dem Tcda-Stamme zeigt. In gewis-
ser Hinsicht scheinen sie eine Art Ton Mittolglied zwischen diesen beiden nahe
Terwandten KationaUtäten zu bilden.
Gedrückte Lage der Kanembo. 77
dass der Verkehr dieser beiden verschiedenen Stämme weder
innig noch aufrichtig sein kann, und die Landeseingeborenen
warteten nur den Tag ihrer Rache ab — und der wurde
ihnen gerade im Augenblicke zu Theil, als ich im Sommer
1855 das Land verliess.
Wir wurden endlich aus unserer behaglichen Ruhe und un-
seren geistigen und materiellen Genüssen, die uns unsere einge-
borenen Känera- Freunde boten, durch ein Gewitter aufge-
schreckt, das sich über unseren Häuptern gesammelt hatte
und nun auf ims herabzustürzen drohte, und wir eilten
von diesem hohen, die ganze Umgegend beherrschenden
Punkte foii, die tiefe Schlucht nach Norden umgehend,
nach unseren Zelten zu; aber es fiel nur wenig Regen. Am
Abend stellten sich zwei Schüa vom Stamme der Ben! Has-
san ein, und da sie von den Dörfern der Worhda kamen
und für Spione angesehn werden konnten, oder da man we-
nigstens befürchtete, sie würden nach ihrer Rückkehi* den
Anmarsch der Araber verrathen, so wurden sie in Fesseln
gelegt.
[Sonntag j 12^^ Oktober,] Wir machten einen kurzen Marsch
nach einem anderen Brunnen. Auch er liegt in einem tiefen
Kessel von bedeutendem Umfang, der für den vortrefflichsten
Anbau eine sehr geeignete Stätte darbieten würde und in
Wirklichkeit einst dargeboten hat, der aber gegenwärtig von
üppigst wuchernder wilder Pflanzenfülle gänzlich durchwach-
sen und rein unpassirbar geworden ist, so dass wir nur mit
grosser Mühe mit den ersten Reitern zum Brunnen vordrangen.
Das Wasser war sehr schlecht und überaus ungesund, voll
von Schwefelgas. Niemand hatte eine geraume Zeit den
Brunnen benutzt, die Araber seit wenigstens 7 Jahren nicht
an diesem Platze gelagert. Daher schrieb sich die reiche
Fülle des ausgezeichnetsten Kameelfutters; aber die Gefahr
vor wilden Thieren war natürlich in gleichem, Grade gross.
Der Boden war voll von Elephantenkoth und wilde Tauben
78 . IV. kapitol.
triebpii in grossen Schwärmen ihr Spiel in dem üppigen
Walddiekicht.
Der Platz für unser Lager Ward auf dem Ilochhoden ge-
wühlt, welcher den reichen Thalkcssel auf der Ostseite be-
herrscht und mit einem tiefen Gehänge von 300 — 400 Fuss
zu ihm hinabsteigt. Hier legte ich mich in dem kühlen
Schatten eines üj)pigen „sserräch" nieder, nicht weit vom Al)-
himge, und übersah von hier die Züge der Fugäbü, welche
im Laufe des Tages mit ihrem kleinen beweglichen Hausrath
ankamen, indem sie ihren früheren Aufenthalt am Bir el
Ftjum verlassen hatten.
Am Abend statteten wir Scheich Rhet einen Besiich ab
und waren, wie gewöhnlich, genöthigt, ihm und seinen Ge-
fälirten von Europäischen Verhältnissen zu erzählen, wäh-
rend es für uns so unendlich viel interessanter gewesen sein
würde, den Erzählungen aus ihrem eigenen Leben zuzuhor-
chen, einem Leben voller Begebenheiten, ebenso wild als
ruhelos, jedoch nicht selten auch reich an poetischen Zügen.
[Montag y 13^^ Oktober.'] Das Wetter war kühl und ein
starker Nordwind machte es empfindlich. Obgleich wir zu
einem leichten und schnellen Marsch gerüstet waren und
den grössten Theii unseres Gepäckes zurückgelassen hatten,
blieben wir doch heute und den folgenden Tag hier, und ich
erhandelte ein Schaaf für eine weisse Tobe, (Jie ich in Kü-
•kaua für 40 Rottel gekauft hatte, indem ich ausser dem
Schaafe eine Ssaa oder Sekka Negerhirse erhielt, um den
Kauf voll zu machen. Später erhielt ich noch eine schöne
fette Ziege , die wir noch heute schlachteten und ilir Fleisch
recht gut. fanden. Des längeren Aufenthaltes mir bewilsst,
hatte ich meine Ruhestätte im Schatten des Sserräch gereinigt,
und während ich hier der Ruhe pflegte , der ich in jneinem
angegrifi*enen Zustande so sehr bedurfte, kam der Tebu-Häupt-
ling Hallüf, und setzte sich zu einem Gespräche zu mir. Er
versicherte mich, dass er im Stande sei, uns nach Karkä oder
Ilallöf^s Anorbietungcn. 70
Kargha zu bringen, dem sumpfigen Insellande im südöst-
lichen Winkel des Tsäd, das einen vollständigen, in seinen
schwankenden Umrissen ewig wandelbaren Archipel kleiner
Inseln bildet Er bot uns seine Dienste zu einem solchen
Zwecke an, aber er fürchtete, wie er sagte, Scheich Rhet's
Eifersucht. Indem ich es vermied, auf sein Anerbieten ein-
zugehen, ehe ich mich erst seiner Machtvollkommenh(iit
vergewissert hätte, nahm ich mit ihm mein kleines Tebu"
Wörterbuch durch und verbesserte einige leichte Versehen.
IlaÜüf war ein umgänglicher Mann, aber weder ich noch
Herr Dr. Overweg trauten ihm, und nachdem wir uns be-
rathen, hielten wir es für das Beste, uns an den Araber-
Häuptling zu wenden, lim seine Meinung darüber einzuholen,
ob er glaube, dass Hallüf im Stande sei, uns .mit einiger
Sicherheit nach Karkä zu geleiten.
Scheich ßhet nahm keinen Anstand, zu erklären, dass
Hallüf durchaus unfähig sei, zu erfüllen, wessen er sich
rühme, und bat uns, mit Geduld abzuwarten, bis Nacli-
richten von Bomu ankämen, wohin er Botschaft gesandt
habe, um sich in Bezug auf unseren Plan, die östliche
Seite des See's zu besuchen, und auf seine eigenen Schritte
Raths zu erholen. Wir dagegen glaubten uns befugt, zu er-
warten, dass ihm der Vezier gleich im Anfange, als er uns
nach Känem aussandte, Befehl gegeben habe, uns in der Aus-
fühning unserer Pläne, mit denen er schon damals vollstän-
dig bekannt war, nach Kräften zu unterstiitzen. Wir konnten
uns kaum irgend ein günstiges Resultat von dem Umstände
versprechen, dass der Häuptling sich jetzt aus solcher Entfer-
nung Raths erhole. Wir beklagten uns daher bei 'Abd Allah
über des Scheichs Lauigkeit, und indem wir voraussetzten,
dass er es nicht zufrieden sein würde, uns unter dem Schutze
Hallirfs zu lassen, weil er erwarten musste, dass der Letz-
tere einige hübsche. Geschenke von uns erhalten und er selbst-
dabei leer ausgehen würde, erklärten wir ihm, dasd wir uns
80 IV. Kapitel.
selbst in dem Falle, dass wir mit Hallüf gingen, als noch un-
ter dem Schutze des Scheichs stehend betrachten würden, denn
er sei es, dem wir Hallüf 's Bekanntschaft verdankten; wir
würden daher gewiss nicht verfehlen, ilim ein ansehnliches
Geschenk zu machen, im Falle das Unternehmen uns ge-
lingen sollte.
Diese Erklärung schien volle Wirkung zu haben, und wir
erhielten im Laufe des Abends die befriedigende Botschaft,
dass es uns gestattet sein sollte, mit Hallüf zu gehn, aber
dass wir dem Scheich ein anständiges Geschenk zu machen
hätten, abgesehen von dem grossen Zelte, das ich selbst
für mich in Tripoli bereitet hatte. Völlig bereit zu jeder
Art Opfer, um den ausdrücklichen Wunsch der Regierung,
die uns gesandt, auszufuhren, imd gehoben durch die Aus-
sicht, dass, doch etwas geschehen möchte, machten wir
Scheich Rhöt am Abend einen Besuch, konnten es aber
nicht zu einem bestimmten Abkommen bringen.
Es war viel Gerede von einem gewissen Keghamma, der
allein die Macht besässe, uns nach Karkä zu bringen, wäh-
rend es hiess, dass uns Hallüf höchstens bis Mäö zu
bringen im Stande wäre; aber damals konnten wir nicht
dahinter kommen, wer dieser Keghamma eigentlich sei; wir
erfuhren jedoch, dass er in einem Platze Namens Kärafu, in
der Richtung von Mäö gelegen, seinen Sitz habe.
[Dienstag, 14^^ Oktober.] Ein heftiger, mit Sand ge-
schwängerter Wind machte den Aufenthalt im Freien un-
freundlich, und ich zog es daher vor, in meinem Zelte zu
bleiben. Hier setzte ich meine Studien in der Tebu-Sprache
fort und unterhielt mich if^benbei mit dem Fäki 'Othmän.
Dies war ein Mann, der durch seinen milden Sinn einen
auffallenden und interessanten Gegensatz gegen den gesetz-
losen und zanksüchtigen Charakter dieser Räuberhorde bil-
dete; auch besass er weniger Vorurtheil und abergläubische
Ansichten. Im Laufe des Nachmittags besuchten mich meh-
Notizßn über Schitati. 81
rere Fugäbü ; sie betrugen sich insgesammt mit Anstand und
waren nicht lästig.
Endlich ward beschlossen, dass wir am nächsten Donners-
tag mit Hallüf nach dem Bahhr el Ghasäl und Karkä auf-
brechen sollten, und obgleich wir bedauerten, die Verhand-
lung nicht zu einem bestimmteren Absclilussc gebracht zu
haben , gaben wir uns doch der Hoffnung hin , dass wir im
Stande sein möchten, unseren Zweck zu erreichen. Da ward
uns plötzlich am Abend gemeldet, dass Hallüf sein Verspre-
chen zurückgenommen habe, und dass also femer keine Rede
davon sein könne, mit ihm zu gehn.
Was der Grund dieses plötzlichen Umschlages war, kann
ich nicht angeben; aber alle unsere Gegengiünde waren un-
haltbar und mangelhaft, da wir nicht im Stande waren, ihnen
durch gute Geschenke gehöriges Gewicht zu geben. Es war
kaum möglich, dass die Botschaft, die Tuareg hätteu drei
Viehheerden von einem ein Paar Meilen von der Stadt Yö
entfernten Dorfe fortgetrieben, auf diese Politik irgend einen
Einfluss ausüben konnte.
[Mittwoch j löte^^ Oktober.] Ich war so glücklich, einige
nähere Kachrichten über die Provinz Schitati einzusammeln,
die wir nun betreten hatten. Es war offenbar eine der volk-
reichsten Gegenden des alten Reiches Känem, wo die be-
rühmtesten und mächtigsten Städte lagen, vor- allen das
uralte Aghö uiid die neue, aber gewaltige Stadt Ghami
Kiyäla (hiervon wird im Anhange ausführlicher die Rede
sein). Da wir nun das entferntere Karkä aufgeben mussten,
machte es uns nicht geringe Freude, zu hören, dass wir uns
endlich am ' nächsten Tage mit der ganzen Horde vorwärts
bewegen sollten.
[Donnerstag j 16*^ Oktober.] Wir hatten kaum unsere La-
gerstätte verlassen, als wir auf einen Elephantenpfad stiessen.
Er führte augenscheinlich zu einem Brunnen und war viel
betreten, ein unzweideutiger Beweis, dass die gewaltigen
Barths RwImo. 111. 0
i
82 IV. Kapitel.
Thiere in dieser verwüsteten und verwilderten Gegend, wo
der Mensch kaum eine Spur seiner Anwesenheit hinterlassen
hat, in grosser Anzahl hausen. Wir verfolgten den Pfad eine
weite Strecke, und indem wir in schnellem Schritte vorwärts
rückten, durchschnitten wir nach etwa 6 Meilen Weges eine
sehr schöne Thalsenkung oder vielmehr einen Thalkessel, der
sich von Süd nach Nord erstreckte und jedes Erzeugnisses
fähig war; gegenwärtig aber sah man hier nur wenige Spu-
ren menschlicher Thätigkeit und Industrie an einem kleinen
Waizenfeld, das mit Hilfe von Ziehbrunnen, bei den Arabern
„chdttatlr" genannt, wie wir sie schon wiederholentlich auf
unserer Wanderung angetroflfen hatten, bewässert wurde. Eben
diesen Namen hat man in der Folge der ganzen Ortlichkeit
gegeben; ihr einheimischer Name ist, wenn ich nicht irre,
„Yakallogö".
Unser Pfad führte uns dann zu einem anderen Thalkessel,
der ganz die Gestalt eines alten Circus hatte und dessen Bo-
den reich mit Natron geschwängert war. Sein Name ist
„Berende". Nach einem kurzen Halt hier, um den Kameelen
theils den Genuss des ihnen zuträglichen Minerals, theils einen
Anbiss des den Rand des Kessels umgebenden reichen Kraut-
wuchses zu gestatten, setzten wir unseren Marsch fort; und
während unser Tross dem geraden Pfade folgte, wandten wir,
Herr Dr. Overweg und ich, uns südwärts ab und besuchten
einen anderen Thalkessel, Namens „Boro". Dieser Kessel, ob-
gleich klein an Umfang, hat eine grössere Tiefe und in seinem
Grunde einen See, der je nach der jedesmaligen Jahreszeit und
der Wassermenge, die er enthjilt, gleich mehreren anderen
Wasserbecken um den Tsäd her, bald ein Süsswassersee, bald
ein Bittersee genannt werden kann. Nun war während der
letzten Regenzeit nur sehr wenig Regen in Känem gefallen
und folglich der See augenblicklich von nur kleinem Umfang.
Er hatte nämlich etwa 1^ Meile in Umfang und beschränkte
sich auf den tieferen südlichen Winkel des Beckens, während
Der Thalkessel Toader. 88
der nördliche Theil dicht bewaldet war. Dieser Theil wird
überhaupt selten überschwemmt.
In früheren Zeiten war hier viel Anbau und ein kleines
Dorf (zur Blüthezeit des Landes wohl ein grösserer Ort) lag
am Rande des See's. Jetzt ist Alles wüst und öde und un-
ser Führer aus Känem, Müssa Bede, nicht eben geneigt,
länger als nöthig an einem solchen Orte zu verweilen, drängte
vorwärts. Wir mussten daher schneller hinwegeilen, als wir
gewünscht hätten, und stiegen das steile östliche Gehänge
hinauf, welches wohl sicherlich 400 Fuss hoch ist. Hier
gewannen wir eine Aussicht über einen weiten Landstrich,
aber Alles war eine ununterbrochene und unübersehbare Wild-
niss ohne eine einzige Spur friedlicher menschlicher Thätig-
keit. Das einzige Zeichen von Leben, das wir gewahrten,
war eine Schaar von fünf Männern, die aus der Feme un-
sere Bewegungen beobachteten. Wir kehrten daher eilig zu
unserer Heerschaar zurück, um sie von diesem Umstände in
Kenntniss zu setzen, worauf sogleich eine Anzahl Reiter zu
ihrer Verfolgung abgeschickt wurde.
Indem wir nun in Gesellschaft unserer Raubfreunde den
Marsch fortsetzten, durchzogen wir etwa ^li Stunde vor Mit-
tag wiedfer einen ITialkessel Namens Toäder. In seinem süd-
lichen Theile befindet sich ein Seebecken, das aber augenblick-
lich trocken war, und um seinen Rand umher sind mehrere
Brunnen. Der Boden war hier dicht mit Unterholz bewachsen.
Einige Meilen weiterhin aber erreichten wir einen ausgedehn-
teren und überaus anmuthigen Thalkessel. Obwohl mit rei-
cher Pflanzenfülle bekleidet, war er doch nicht in so wildem
Zustande und von demselben undurchdringlichen Charakter,
vrie manche von denen, welche wir ge^ehn hatten. Der Grund
schien darin zu liegen, dass er weniger tief war, nur etwa
150 Fuss unter dem Niveau der höheren Sandfläche. Es ist
unzweifelhaft, dass am Rande dieses schönen Thaies eine der
Hauptstätten des alten Känems zu suchen ist, aber sonder-
6*
i
84 IV. Kapitel.
barerweise habe ich seinen Namen nicht erfahren oder auch
vielleicht vergessen, ihn aufeunotiren.
Hier machte die Heerschaar während der Tageshitze Halt
und Alles lagerte sich in nachlässigen Gruppen, je nachdem
Interesse oder Anhänglichkeit die Leute zusammenführte, un-
ter den schönen Sserräch- und Küma- Bäumen. Aber der
Platz war eben zu baumreich und zu dicht beschattet zu einem
nächtlichen Lager, sowohl der wilden Bestien halber, als
auch wegen der Gefahr eines plötzlichen feindlichen Überfalls.
Auch war bei aller Anmuth der Boden dieses schönen Thal-
grundes voller Skorpione und mein Leibwächter Bü-Sed ward
von einem älteren Vertreter dieses gefahrlichen Geschh^chtes
sehr ernsthaft gestochen.
Demgemäss ward, als der Dhohor vorüber war, Befehl zum
Aufbruch gegeben und wir erstiegen, indem wir uns im Thale
entlang hielten, dessen östlichen Abhang, hier einen ganz of-
fenen, von Bäumen fast entkleideten Platz zu unserem Lager
wählend. Die Araber brachten uns hier einen jimgen Strauss,
den sie im Thale gefangen hatten, und wir führten eine lange
imerspriessliche Unterhaltung mit ihnen; denn es musste uns
natürlich daran gelegen sein, ihr Wohlwollen zu erhalten.
[Freitag, 17f^n Oktober,] Zu sehr früher Stunde brachen
wir zu einem langen, mühevollen Tagesritt mit mehr südlicher
Richtung auf. Ungeachtet aller Sorgfalt, die ich auf mein
Befinden wandte, und obgleich ich mich sehr in Acht nahm,
konnte ich mich doch nicht von meinem kränklichen Zustande
erholen und war für Strapazen überaus empfindlich.
Im Anfange unseres heutigen Marsches war das Land är-
mer an Baumwuchs als gewöhnlich, aber es wurde bewalde-
ter, nachdem wir das „Assfüra" genannte Thal passirt hatten.
Dieser Kessel, der nur geringe Ausdehnung hat und auf al-
len Seiten von steilen Gehängen umschlossen ist, enthält eine
grosse Menge Brunnen ausgezeichneten Wassers; aber sein
Boden, der meist steinig ist, hat fast gar keinen Pflanzen-
Das Thal ScheMkko. 85
wuchs, hie und da eine Gruppe Düm-Gestrüpp ausgenommen.
Da also hier der- Aufenthalt keineswegs anziehend war, ritt
ich mit dem Mussulmäni etwas vorauf, aber ich fand bald,
dass er weit davon entfernt war, den Weg zu kennen, indem
er sich viel zu weit südlich hielt, wesshalb ich lieber zu den
Unserigen zurückkehrte. Es war, wie es schien, ursprünglich
die Absicht gewesen, von hier aus dir-ekt in südöstlicher Rich-
tung vorzudringen ; aus irgend einem mir unbekannten Grunde
jedoch hatte man diesen Plan aufgegeben, vielleicht, um die
Feinde irre zumachen, und die Richtung gänzlich verändert,
indem man nordöstlich marschirte.
Die Bildung der Oberfläche des Landes bietet hier eine
grössere Mannichfaltigkeit dar; anstatt einer ausgedehnten, un-
unterbrochenen und gleichmässigen Fläche, wie im westlichen
Theile Känems, folgen sich hier Thal und Hügel in schneller
Abwechselung. Nachdem wir mehrere kleine Einsenkungen die-
ser Art passirt hatten, erreichten wir ein beträchtlicheres Thal
Namens Djenä ü Schelukko. Hier zeigte sich Anbau von
Korn oder vielmehr Indischer Hirse, aber die Felder waren
von den Elephanten ganz und gar zerstört. Selbst auf der
Hochfläche *) war Korn gebaut worden , aber die Ernte war
wegen der Kargheit des Regens gänzlich fehlgeschlagen. Denn
Känem ist, wie schon Makrisi sehr richtig bemerkt hat, ein
sehr dürres Land, obwohl in alter Zeit eben des reicheren
Anbaues und der grösseien Pflanzenfülle halber auch der
Regenfall hier jedenfalls viel stärker gewesen sein muss, als
in gegenwärtiger Zeit. Gewiss konnte aber auch zur Blüthe-
zeit des Landes eine gelegentliche fürchterliche Hungersnoth
nicht ausbleiben. Keine Spur von menschlichen Wohnungen
war hier zu sehn.
Unsere Leute hatten es sich eben in diesem schönen Thale
*) Im Englischen Original (Bd. III. p. 90) hat sich hier ein Schreib- oder
Druckfehler eingeschlichen ; statt ,,«/ thc fooi of the aloptT muss es nämlich
heissen: „on the h'ufher U>.v.eC\
i
99 TW, KapiflnL
ht^fnfiia gKtnd^bt um hkr Se hgiasen TacefiBtondai ZQzdbrm*
f^. ah plötzlich fkr BefeU zum AofbnieiL lam. S> stiegen
wir /ieitn aimiüi^ wieder zn Pferde:.
I>ajt (..and wurde jetzt hogeliger md wir erreiditeii bald
den ^.hr>fkefi. bnnmenreiclieii ThalkesBel A^bö. sb dessen
Rande eine der ältesten imd berohmtesten städtischen Anae-
dehmgen de$i frnberen Reiches Einem hg. Jetzt ist aoch
die^ Statte eine Einöde. Wir machten dann einen knnm
Hah in dem flachen Thale NondoL mn unsere Pferde zn trin-
ken und nm üdlbst mit Wasser zn rersorgen; denn hier ist
aof^h heutigen Tages noch einiger Landban zn sehn nnd nm
zwd ofler drei Ziehbrannen — ^chattaür^ — lagert sich jetzt
in St^ipfpeln übendes Ackerland nmher. Da sich Jeder mit
Meinem R/iHne znerst nach dem Brunnen zn drangen sachte^
um \m der Annäherung an das Gebiet des Feindes nicht hin-
ter der Haupttruppe zurückzubleiben, so herrschte hier grosse
Unruhe und Verwirrung. MeinKameelweibchen, ein sehr feines,
kldrifm Tliier, aber für solche Parforcemärsche etwas zu schwer
bf'lmh?n, war im letzten Trosse, und da es wiederum ganz zu-
letzt von hier aufbrach, blieb es bald hinter der ganzen Heer-
H(;haar zurück, und ich bemühte mich umsonst, es vorwärts
zu tiringcn.
IlifT war das Land wiederum ebener als im letzten Theile
uuHcrm MarH(^h(m. Wir hätten nur Ein, aber freilich langge-
Mir(;(;ktcH Thal Namens Maina-ssa auf unserer Rechten. Zu
niciriPin (Jlücke machte; die ganze Heerschaar um 2 Uhr Nach-
niittnj^M oincii lungeren Halt, so dass mein Kameel sich wie-
der finHchlicKHcn konnte — ich hatte es schon aufgegeben.
Dw kl(un<^ rüstige Schaar stellte sich in einer langen Reihe
auf, nm h\v\\ zur Tapferkeit zu ermahnen und Befehle zu er-
tlu'ih'n flir dim Fall eines Zusammentreffens mit dem Feinde.
Kt'iii Pardon sollte gestattet werden; ein Jeder., der sein
IMrid od(T Kanie(»l cinbüssen würde, sollte für den Verlust
rnlHchiidigt werden.
Vorbereitnng sqm Kampfe. 87
Dies waren die Hauptpunkte, aber ausserdem wurde noch
gar Vieles ausgerufen, was mir, der ich am Ende der Schlacht-
linie stand, unverständlich blieb. Zwei Reiter sprengten der
Reihe entlang und schwenkten weisse Banner über ihren Kö-
pfen. Diese Banner waren wahrscheinlich ei'st für diese Ge-
legenheit gemacht, da ich früher nichts davon bei der Bande
gesehn hatte, und die ganze Scene hatte viel Schaugepränge
und eitel Spiel an sich. Als die Anrede vorüber war, spreng-
ten mehrere kleine Reitertrupps vor die Linie hinaus, als
„imän", das heisst, als durch einen Eid verpflichtet, entweder
zu siegen oder zu sterben.
Endlich setzten wir unseren Marsch fort, indem sich die
Linie in mehrere kleine unregelmässige Abtheilungen auflöste,
wie der Zufall oder Zuneigung die Leute zusammenbrachte;
aber wir kamen bald wieder zu einem anderen Halt. Man war
unter sich nicht einig und es folgte eine lange Verhandlung,
in deren P^olge drei der Fugäbü-Reiter in südlicher Richtung
abgeschickt wurden, um einen erfahrenen Führer zu holen.
Nach längerer Unterbrechung ging es wieder vorwärts durch
eine schön gewellte und gutbewaldete Gegend und wir wähl-
ten um Sonnenuntergang einen Platz zu unserem Lager, wo
wir, wie es hiess, ruhen sollten, bis der Mond aufgegangen
wäre, indem zugleich dringende Verbote ergingen, ein Feuer
anzuzünden, damit der Feind unsere Nähe nicht gewahr würde.
Die Dunkelheit war jedoch kaum eingetreten, als sich in süd-
östlicher Richtung grosse Feuer sehn Hessen, die eine un-
unterbrochene Flammenrcihe bildeten. Ein Jeder überaeugt«
sich, dass dies nicht gewöhnliche Feuer zum Hausbedarf
seien, sondern Feuerzeichen der Landesbewohner unter einan-
der, und es wurde daraus geschlossen, dass der Feind Nach-
richt von unserem Anrücken habe und seine Freunde zusam-
menrufe. Demgemäss kam der Befehl, imverzüglich aufzu-
brechen und den Marsch fortzusetzen; aber kaum waren die
Kameele beladen und Alles zum Marsch bereit, als der Ge-
88 .IV. Kapitel.
genbefehl kam, wir sollten bleiben, wo wir wären. Das Ge-
päck ward also wieder abgeladen, als plötzlich wieder der
Befehl erlassen wurde, aufzubrechen.
Diese Befehle und Gegenbefehle schienen ihren Grund eher
in der ungenügenden Kriegszucht der gesetzlosen Bande !zu
haben, wo jeder Mann von einiger Erfahrung und ein wenig
Tapferkeit etwas zu sagen hatte, als in der Absicht, einen etwa
lauschenden Spion irre zu führen. Aber was immer die Ursache
gewesen sein mag, es war höchst unangenehm und ich konnte
meine beiden Leute, Bü-Säd und Ahmed, die sich eben nicht
durch Energie auszeichneten, kaum dazu bewegen, ein zwei-
tes Mal mein Kameel zu beladen, während sich alles übrige
Volk mit grosser Rüstigkeit zum Marsche bereit machte und
davonzog, sobald es fertig war. Die Folge davon war, dass
ich mit meinen Leuten von Anfang an Hinter der übrigen
Schaar zurückblieb. Dazu kam nun aber unglücklicherweise
noch, dass das Gepäck so schlecht gepackt war, dass, als
wir uns nun endlich vom^ärts bewegten, mehrere Stücke her-
abfielen und wieder zurechtgelegt werden mussten. Da dies
nun mehr als einmal der Fall war, ward der Zwischenraum,
der mich von der Ilecrschaar trennte, so gross, dass zuletzt
nicht einmal das leiseste Geräusch von ihr zu uns drang, um
die Richtung unseres Marsches danach zu bestimmen, so dass
ich nur im Stande war, meine Leute nach den Sternen zu lei-
ten; denn zur Kompassbeobachtung war es zu dunkel. Um die
Sache noch schlimmer zu machen, war der Boden mit hohem
Gras bedeckt und es desshalb nicht möglich, in schnellem
Marsche vorzudringen. Der Baumwuchs war hier spärlich.
Endlicli wurden die Araber gewahr, dass ich zu weit zu-
rückgeblieben war, und es gelang Herrn Dr. Overweg's Vor-
stellungen, sie zu bewegen, um Mittemacht einen Halt zu
machen, wo ich sie denn einholte. Wir erleichterten dann
die Bürde des Kameeies und setzten unseren Marsch in an-
gestrengtem Schritte durch die dunkele Nacht fort. Die fer-
Raubgier der Trossbuben. 89
nen Feuer, welche die Dunkelheit einigermassen erhellten, ga-
ben, uns zugleich ein Vorgefühl des ernstlichen Widerstandes,
den wir finden würden.
[Sonnabend, 18*^ Oktober.] Etwa 2 Uhr Morgens, wo wir hö-
heres Terrain erreichten, stiegen wir ab und legten uns neben
unseren ermüdeten Pferden nieder, um ein Stündchen Ruhe zu
genicssen. Dann setzten wir, stets in derselben südöstlichen
Richtung, unseren Marsch mit grosser Rüstigkeit etwa eine
Stunde lang fort, wo wir auf gewelltem und mit Gebüßch
dicht bewachsenem Sandboden einen kurzen Halt machten.
Die Reiterei sprengte hier vorauf, während Herr Dr. Ovei%eg
und ich mit dem Packtross zurückbliebenr
Hierbei waren 60 bis 70 Kameele, beritten von jungen
Leuten und nicht über 10 Jahre alten Knaben, die mit so
grosser Begierde auf Beute lauerten, dass sie nur mit Mühe
von einigen der erfahrenen Krieger, die absichtlich zurück-
gelassen worden waren, zurückgehalten werden konnten. End-
lich rückten wir langsam vorwärts, mussten aber bald zum
zweiten Mal Halt machen, da sich nicht ein einziger Schuss
hören Hess, um uns zu leiten; als aber der Tag dämmerte,
Hessen sich die raubgierigen Buben nicht länger zurückhal-
ten und es ging vorwärts.
Hier hatten wir vor uns eine schwache Ansicht einer im-
regelmässigen Thalbildung im Schmucke einiger wenigen Pal-
men, die in der unstäten Beleuchtung der Morgendämme-
rung der Landschaft einen interessanten und ganz neuen
Charakter verliehen. Indem wir ^ann diese Thalebeue durch-
schnitten, stiegen wir gemach auf höheren Boden hinan und
erreichten ein kleines Dorf, dessen Hütten sich jedoch durch
Geräumigkeit auszeichneten. Um die Bande zusammenzu-
halten, wandten wir uns von dieseni Dorfe nördlich ab, aber
die am besten Berittenen und Verwegensten stürmten doch auf
ihren leichten Mehäi-a davon, um zu sehn, ob in dem ver-
lassenen Orte etwas für sie zurückgelassen wäre.
f
i.
90 IV. Kapitel.
Etwas Anbau war in der Nähe des Dorfes zu sehn , aber
im Allgemeinen verblieben der Landschaft auch hier die
augenscheinlichsten Spuren der Verödung. Endlich milderte
sich ihr trockener, dürrer Charakter und wir stiegen in ein
regelmässig gebildetes Thal Namens Gessgi hinab, das 7- bis
800 Schritt Breite hatte und von hohen Sandsteinklippen
geschlossen war.
Dies war die erste regelmässige Thalbildung, die wir auf
unserer Reise nach Eänem sahen, höchst bedeutend als ein
Beispiel der ausgebildeteren Thäler, welche diesen südöstlichen
Theil Kanems auszeichnen, während alle Einsenkungen in
den westlichen Landschaften eher den Charakter unregel-
mässiger Thalmulden hatten, mit mehr oder weniger Voll-
kommen gebildetem Gehänge. Dieses Thal dagegen, wel-
ches hier von Nord nach Süd gerichtet war, bildete augen-
scheinlich die gelegentliche Rinne eines kleinen Stromes
und war. in Folge der über die ganze Weite sich verbreiten-
den Feuchtigkeit mit mehreren Gruppen Palmbäum'en, hie
und da auch mit Kornfeldern geschmückt.
Es war also kein geringes Interesse, mit welchem Herr Dr.
Overweg und ich dieses Thal betrachteten , aber auch unsere
Freunde, die raublustigen Araber -Buben, fanden gleichfalls
hier etwas für sie Anziehendes und jeder Rest von Ordnung
hörte in unserer kleinen Schaar auf, indem sich das junge
unerfahrene Volk in allen Richtungen zerstreute. Einige
machten sich hinter einige Schaaf heerden, die man im Thale
gesehn hatte, während Andere die Hütten eines kleinen Wei-
lers plünderten, der am westlichen Rande des Thaies lag.
In dieser wilden Unordnung, in der wir beiden Europäer
und Deutsche fast allein gelassen wurden, war es höchst
glücklich für uns, dass von den Eingeborenen Niemand
lauerte, da sie leicht unsere ganze Bande in ihrer voll-
kommenen Zersprengung hätten aufheben können.
Nachdem wir uns umsonst in allen Richtungen nach den
Das Thal H^nderi-Ssfgge-ssT. * 91
Spuren der Reiterschaar umgeschaut, erstiegen wir den öst-
lichen Band des Thaies; er war ausserordentlich steil und
machte unseren beladenen Kameelen grosse Schwierigkeit
Da sammelten sich denn auch unsere Gefährten, besorgt,
wenn sie zurückblieben, sich dem Verderben preiszugeben,
allmählich um uns, und wir lückten langsam in unserer
durchgängig südöstlichen Richtung weiter, wo wir bald an
ein anderes und begünstigteres Thal kamen, das Henderi-
Ssigge-ssT heisst. Hier war der Thalboden mit einem dich-
teren Palmenhain geschmückt und im Schatten der schlan-
ken Bäume wogten schöne Waizenfelder in frischer grüner
Pracht, während die Ähren anfingen, sich gelblich zu fär-
ben, — ein ganz ungewohnter Anblick für uns. Oben dage-
gen, nahe am steil (etwa 120 Fuss) in das Thal abfallenden Ab-
hang, waren Felder mit einheimischer Hirse, die schon völlig
gereift, aber noch nicht geemtet war. Alles zusammen, die
grüne Saat unten im Thale, leicht beschattet von den male-
rischen Federblättern der schlanken Palmen darüber, in
deren Dickicht die Flüchtlinge Schutz suchten, der hohe
Bahmen der braunen Sandsteinklippen, dann die trockene
reife Saat der stämmigen Hirsenpflanzen und der eben in
Brand gesteckte Weiler oben am Bande, bildete eine inter-
essante Scene, die in beifolgender Ansicht dargestellt ist.
Während wir dann nach einigem Aufenthalte am steilen
Bande des Thaies weiter zogen, bemerkten wir, dass die
Eingeborenen, die sich mit Einschluss von 2 oder 3 Beitem
in den Hain zurückgezogen hatten, unsere Bewegungen beob-
achteten, und unsere wilden, gesetzlosen Gefährten erhoben
ein Schlachtgeschrei, um diese Leute zu schrecken, als wir
an einer Stelle, wo der Thalrand sich allmählicher absenkte,
in die Thalsohle hinabzusteigen anfingen. Ungeachtet ihres
gewaltigen Geschreies aber würden 5 Beiter genügt haben,
diesen ganzen Trupp unbärtiger junger Bursche über den
Haufen zu werfen. Einige von ihnen spielten mit dem
92 IV. Kapitel.
Hahne ihrer Flinten, ohne nur mit Kugeln versehen zu sein,
um so mehr bemühte sich Herr Dr. Overweg und auch ich,
unsere Leute an der Spitze des migeordneten Zuges zusam-
menzuhalten, und wir thaten klug daran. Denn die Eingebore-
•
nen machten einen plötzlichen Ausfall aus ihrem Versteck auf
die Nachzügler und bemächtigten sich zweier Kameele , mit
denen sie unverzüglich ihi-en Rückzug deckten, während die
jugendlichen, noch kura zuvor so verwegenen Reiter zeitig ab-
sprangen und davon liefen. Unsere kriegerischen Genossen
waren jetzt voll von Gestikulationen und wilden, drohenden
Geberden, aber Niemand wagte es, die kleine feindliche Truppe
aiizugreifen und ihr ihre Beute streitig zu machen.
So erstiegen wir die östliche Thalwand; aber waren wir
schon vorher unschlüssig gewesen, wohin wir uns wenden
sollten, so waren wir jetzt völlig im Unklaren, welche
Richtung die Reiterschaar eingeschlagen haben möchte. In-
dem wir daher ohne bestimmte Richtung auf- und abzogen,
litten wir nach unserem langen Tages- und Nachtmarsche
ausserordentlich an Ermüdung; denn unsere unsichere Lage
erlaubte uns nicht, abzusteigen und einen Augenblick der
Ruhe zu pflegen, und zu der körperlichen Mattigkeit gesellte
sich die Sonnenhitze, da es fast Mittag geworden war, und
ich selbst befand mich in einem schrecklichen Zustande der
Erschöpfung.
Endlich gewahrte man einige Reiter in grosser Entfer-
nung, jenseit einer flachen Thalsenkung, wie sie eine ge-
raubte Viehheerde vor sich hertrieben, und so aus der ge-
fährlichen Lage gerissen, in der wir uns bis jetzt befunden hat-
ten, jedes genügenden Schutzes beraubt, passirten wir eilig
das Thal, um zu unseren kriegerischeren und erfahreneren
Freunden zu stossen. Als wir uns dann mit ihnen vereint
hatten, wandten wir uns gemeinsam nach einein Platze etwas
weiter dieses ansehnliche Thal abwärts, wo ein kleiüer Weiler
und Stoppelfelder waren. Hier hoffte ich endlich ein wenig
Das falsche Wadi el Ghas^l. 98
Buhe ZU findien und legte mich in dem spärlichen Schatten
einer Talha nieder; ' unglücklicherweise jedoch war kein
Brunnen hier und nach einem kurzen Halte und einer Be-
rathung wurde Befehl zum Aufbruche gegeben. Kaum war
ich. im Stande, mein Streitross wieder zu besteigen und der
Schaar.zu folgen.
Die Araber gaben diesem Thale, das sehr flach war und
keine Dattelpalmen hervorbrachte, den Namen: „Wadi el
Ghasal", jedoch konnte ich nicht erfahren, wie sein wirk-
licher Name sei: <lenn es hat nichts in der Welt mit dem
berühmten und grösseren Thale zu thun, das gewöhnlich
von den Arabern so benannt wird. Der Brunnen war nicht
fem, nämlich in einem anderen schönen Thale oder Kessel
Namens Mssallat oder Amssdllat, tiefer als das sogenannte
Wadi el Ghasal, aber flacher als Ssigge-ssT sowohl wie Gessgl.
Es war mit Mimosen in wilder Üppigkeit durchwachsen und
in seinem tiefsten Theile mit Ziehbrunnen — „chattatlr" —
versehen, vermittelst deren eine schöne Baumwollenpflanzung
bewässert wurde, die erste, die wir in Känem sahen.
Die Araber hatten nicht eben sehr bedeutende Beute ge-
macht; denn die Worhda hatten zeitig Nachricht von ihrem
Anrücken erhalten und gerettet, was sie konnten. Der Ge-
sammtertrag des Heereszuges bestand in 15 Kameelen, etwas
mehr als 300 Stück Hornvieh und etwa 1500 Schaafen und
Ziegen. Man war einige Zeit in grosser Besorgniss um
Rhet und einen Trupp Reiter, die mit ihm in grössere
Entfernung vorgedrungen waren; aber auch er stiess hier
wieder zu uns mit einer zahlreichen Schaafheerde, die er
erbeutet hatte.
Wir waren geschäftig, unsere Pferde zu tränken und unsere
Schläuche zu füllen. Aber da gab's wenig Müsse; denn
kaum hatten wir angefangen, Wasser zu ziehen, als Alarm
sich verbreitete; die Worhda griffen uns an und 3 Schwa-
dronen Reiter wurden gebildet, um den Tross imd die Beute
'M IV. Kaintel.
ZU scliiitzeii, indem der Haupttrupp auf der südüstiichen
Seite zum Thale hinausstürmte. Aber obgleich der Feind bis
auf eine bedeutende Entfernung zurückgetrieben wurde, ward
doch die Absicht, sich am Abhänge neben diesem Brunnen
zu lagern, als zu gefährlich aufgegeben und man entschied,
sich weiter vom Feinde zu entfernen; dennoch aber schien man
immer noch nicht den Plan aufgegeben zu haben, nach Mäö
vorzudringen. Es kostete uns eine beträchtliche Zeit, aus
diesem bewaldeten Thale herauszukommen, indem die Araber
besorgt waren, bei einem neuen Angriffe des Feindes den
erbeuteten Raub wieder einzubüssen.
Endlich gelang es, die Heerden in Sicherheit voran zu
treiben, und wir brachen auf. Indem wir zum Thale hinaus-
rückten, erklimmten wir einen Felsrücken und stiegen von hier,
mit südwestlicher Richtung, etwas vor 2 Uhr Nachmittags,
in den engeren östlichen Theil eines tiefen und anmuthigen
Thaies hinab, das hier mit einem hübschen Dattelhain ge-
schmückt ist, während sich sein westlicher Theil zu einer
gut angebauten Einsenkung erweitert
Hier machten wir einen etwa halbstündigen Halt, um die
Thiere zu tränken und unsere Schläuche zu füllen; denn
nicht einmal hier hielt man es für rathsam, zu lagern, und
betrachtete überdies den Ort als einen unheilschwangeren.
Dies ist nämlich die Stätte, wo im Jahre 1850 die Kel-owi
die Ueläd Slimän überfielen und diese damals so mächtige
Raubhorde fast vernichteten.
Nach einem so kurzen Halt setzten wir also unseren Marsch
fort. Ich war jetzt so völlig erschöpft, dass ich gezwungen war,
in kurzen Zwischenräumen abzusteigen und mich einen Augen-
blick niederzulegen. So blieb ich einmal hinter der ganzen
Schaar zurück und war nur mit der grössten Anstrengung
im Stande, mich wieder in den Sattel zu heben. Dennoch
schleppte ich mich fort, bis wir endlich gegen Sonnenuntergang
am Rande des in ein tiefes Thal absteigenden Abhanges
Das Thal Aläli A'dia. 95
einen Platz für unser Lager wählten. Ich war nun, ganz
kurze und ungenügende Unterbrechungen abgerechnet, 34
Stunden zu Pferde gewesen und fiel besinnungslos zu Boden,
zum grossen Entsetzen Henn Dr. Overweg's und unserer Leute,
die mich als in den letzten Zügen liegend betrachteten. Aber
nach Verlauf einer Stunde erholte ich mich ein wenig, und
nachdem ich eine gute nächtliche Ruhe genossen, fühlte ich
mich am nächsten Morgen viel stärker, so dass ich mich
selbst einiger Anstrengung unterziehen konnte, die nicht ge-
rade unumgänglich nöthig war.
[Montag, 20^^^ Oktober.] So stieg ich denn mit upseren
Leuten, als sie Wasser holen wollten, in das Thal hinab.
Es führt den Namen A'läli A'dia oder Djeräd von einem kleinen
Weiler, der auf dem Gipfelpunkt der Ebene über dem Thal-
rande liegt und Aläli heisst. Der Brunnen war sehr reich-
lich, und das Thal prangte mit Dattelpalmen, aber der Bo-
den zeigte keine Spur von Anbau. Der Abhang der Thal-
wand vom Lagerplatz in den Thalkessel hinab war sehr steil
und fast 130 Fuss hoch.
Unsere Freunde hatten ihr Lager — „dauar" oder „firke" —
in den möglichst kleinsten Bereich zusammengezogen und es
mit ihrem Gepäck bestmöglich verbarrikadirt^ da alle leeren
Ledersäcke, die sie mit auf den Raubzug genommen hat-
ten, jetzt mit dem vom Feinde aufgespeicherten Korn ge-
füllt waren. Bei alledem aber waren sie keineswegs leichtem •
Muthes und schienen nicht genau zu wissen, wie sie sich ver-
halten sollten, ob weiter vordringen oder zurückkehren.
Mehrere Fugäbü und Leute Hallüf s fanden sich ein, um dem
Scheich Rhet ihren Gruss zu bieten, und eine Person von
bedeutendem Ansehen mit dem Titel „Keghamma" oder ge-
nauer „Keghamma futebe" („Kriegshauptmann des Westens"),
eben derselbe Mann, von dem wir so viel Gerede gehört
hatten, kam auch und machte mir einen Besuch in meinem
Zelte. Denn in meinem höchst angegriffenen Zustande war
96 ly. KapiteL
ich gezwungen, als die Sonne drückend wurde, in Erman-
gelung eines Baumschattens mein Zelt aufzuschlagen. So
kam es, da das meinige das einzige Zelt im Lager war,
dass ich Besuche von mehreren Partieen erhielt, die in Ruhe
zu frühstücken wünschten; unter Anderen kam auch ein
Mann Namens Kedel Baträm, Hallüfs Bruder.
Keghämma, dieser uns schon früher so viel gepriesene
Häuptling, trat mit der Behauptung auf, dass er sicherlich
im Stande wäre, uns nach Karkä zu bringen; aber dies er-
wies sich als ein blosser Vorwand und er nahm selbst bald
darau/ sein Versprechen vor dem Scheich zurück. Der Ge-
genstand unserer Wünsche lag noch in weiter Feme vor
uns, aber unser Freund Rhet war der Meinung, .dass er uns
schon weit genug gebracht hätte, um mehr Geschenke zu
verdienen , und gab uns deutlich seinen Wunsch durch *Abd
Allah zu verstehen. Glücklicherweise hatte ich einen hüb-
schen gelben, mit Golduaht besetzten Tuchkaftan bei mir und
gegen Abend, als ich von einem heftigen Fieberanfalle, der
mich im Laufe des Nachmittags plötelich befallen hatte,
wieder frei war, gingen wir zum Häuptling, um ihm unsere
Aufwartung zu machen. Während wir ihm den Kaftan zum
Geschenk machten, erklärten wir ihm, dass wir zufrieden
sein würden, wenn wir in den Stand gesetzt wären, den
unter dem Befehle des Keghdmma stehenden Gau zu be-
suchen. Aber die Lage der Araber ward bald gefährlicher
und man dachte an weiter nichts, als mit der grösstmög-
lichen Eile westwärts zurückzukehren.
Da ich meines fieberhaften Zustandes halber in den letzten
Tagen fast gar keine Nahrung zu mir genommen hatte und
überaus schwach war, lag ich schlaflos in meinem Zelte,
als sich im letzten Theile der Nacht ein gewaltiger Alarm
im Lager erhob. Ruhelos mich auf meinem Lager umher-
werfend, hörte ich, wie die Araber ihre Pferde bestiegen und
mit ihrem üblichen Sclilachtgeschrei : „y4 riäb, yd riäb", in
Feindlicher Angriff. 97
mehreren Abtheilungen im Lager umherritten. Dennoch
blieb ich ruhig auf meiner Matte liegen und Hess mich selbst
dann nicht aus meinem lethargischen Zustand erwecken, als
ich die Nachricht erhielt, dass eine zahlreiche feindliche Ar-
mee gegen das Lager anrücke; vielmehr nahm ich diese
Nachricht mit der Gleichgültigkeit auf, mit der ein von
Krankheit Erschöpfter selbst die wichtigsten Begebenheiten
betrachtet.
Ich bewegte mich nicht einmal, als mit der ersten Mor-
gendämmerung des 2l»ten Oktober der Feind wirklich bis
auf geringe Entfernung heranrückte umd unsere Freunde das
Lager verliessen, um die Schlacht anzubieten. Ich hörte dar-
auf etwa 10 Schüsse fallen, dachte aber nicht daran, dass
die Araber geschlagen werden würden. Plötzlich kündigte
mir Herr Dr. Overweg, der vom ersten Alarm an sein
Pferd gesattelt hielt, mit einem Angstschrei an, dass unsere
Freunde geschlagen seien, schwang sich auf sein Pferd und
galopirte davon. Mein berittener Diener, Bü-Sed, hatte
längst die Flucht ergriffen; eiligst sattelte Mohammed
mein Pferd, und durch die Gefahr mit neuer Lebens-
kraft beseelt, warf ich meinen Benius über, nahm Flinte
und Pistolen, warf meinen Doppelsack über den Sattel,
schwang mich hinein und eilte in westlicher Richtung da-
von, indem ich meinen Diener sich fest an dem Schweif an-
halten liess.
Es war die höchste Zeit zur Flucht; denn in demselben
Momente drang der Feind auf der Ostseite in das Lager ein.
Alles war geflohen und ich sah nur den Hauptsklaven Rhet's,
der mich flehentlich bat, das Prunkschwert seines Herrn mit-
zunehmen, damit es nicht in des Feindes Hände falle. Ich
war jedoch noch nicht weit vom Lager, als ich nahe hinter
mir schiessen hörte, und indem ich mich umwandte, sah ich
die Reiterei der Araber sich sammeln und mit dem Geschrei
„he keleb, keleb" dem Feinde wiederum zuwenden, der sich
96 IV. KaplteL
zerstreut hatte, um Beute zu machen. Ich eilte indess, diese
Nachricht Herrn Dr. Overweg zu bringen, welcher mit den
zu Kameel berittenen Arabern, ja selbst mehreren zu Pferde,
in grössere Entfernung auf einen Hügel geflüchtet war, wo
sie sich postirt hatten; mehrere dieser feigen Araber hatten
sich nicht geschämt, auf der Flucht ihre Flinten wegzuwer-
fen. Ich kehrte dann mit meinem Begleiter zum Dauar zu-
rück, aber zu. unserer grossen Verwunderung fanden wir,
dass nicht allein ä11' unser übriges Gepäck verschwunden,
sondern selbst von meinem Zelte nicht eine Spur übrig ge-
blieben war.
Die Worhda, nur von dem Englischen Zelte mit seinem
rothen Knopfe und von Scheich Rhet's Gepäck angezogen,
hatten die Habseligkeiten der übrigen Leute kaum berührt
und mein Zelt als hübsche Beute auf ihren Köpfen davon-
geschleppt; aber die Araber verfolgten sie und nahmen ih-
nen den Raub wenigstens theilweise wieder ab. Ein Engli-
scher lederner Sack, der mir gehörte und einige werthvolle
Artikel enthielt, war vom Feinde aufgeschnitten worden,
aber, wie es schien, gerade in demselben Augenblicke, als
unsere Freunde ihn einholten; denn es fehlte nichts dann.
Unser hauptsächlichster Verlust bestand in unserem Koch-*
geschirr und unseren Vorräthen; meine Journale und In-
strumente hatte ich in meinem Doppelsack gerettet, aber
in der Eile ein kleines Englisches Gebetbuch, das dem ver-
storbenen Herrn Richardson gehört hatte, auf meiner Matte
liegen lassen, und diesen Verlust bedauerte ich sehr.
Das Zusanmientrefifen war, wenn man die geringe Zahl der
Kämpfenden in Anschlag bringt, auf beiden Seiten nicht ohne
ansehnliche Verluste abgegangen; von den Arabern waren
4 auf dem Schlachtfelde geblieben, vom Feinde dagegen 34
Herr Dr. Overweg war eifrig bemüht, einige unserer Freunde,
welche schwer verwundet waren, zu verbinden. Alle waren
in der äussersten Wuth über die Unverschämtheit, wie sie
Besorgliche Lage der Reisenden. 99
es nannten, mit der „diese Hunde" von Kreda es gewagt
hätten, sie in ihrem eigenen Lager anzugreifen, und sie schwu-
ren, dass sie nun aufbrechen würden, lim all' ihre Dörfer und
ihr Korn zu verbrennen.
Wirklich brach alsbald die Reiterei auf, kehrte aber im
Laufe des Nachmittags etwas schweigsam, mit trüben Ge-
sichtern und ungünstiger Botschaft zurück, und vor Son-
nenuntergang waren unsere Freimde noch einmal genöthigt,
ihr eigenes Lager gegen einen zweiten Angriff der uner-
schrockenen Eingeborenen zu vertheidigen; jedoch gelang es
ihnen auch diesmal, den Feind zurückzuschlagen. In diesem
Kampfe zeichnete sich Hallüf vor Allen durch seine Tapfer-
keit aus, indem er 3 oder 4 Tebu mit eigener Hand töd-
tete, obwohl er nur mit dem Speer kämpfte.
Ungeachtet dieses kleinen Sieges aber waren die Vorbe-
deutungen für die folgende Nacht überaus ungünstig, und
die Ueläd Slimän würden sich unmittelbar aus dem Staube
gemacht haben, wenn sie nicht die Besorgniss gehegt hätten,
dass der grössere Theil imvDunkel der Nacht die Flucht er-
greifen möge und auf eine schimpfliche Flucht grosser Verlust
an Leben und Eigenthum folgen würde. Demzufolge ward be-
schlossen, den nächsten Morgen zum Aufbruch abzuwarten.
Es war jedoch eine ängstliche und ruhelose Nacht; denn die
Araber hatten die gewisse Nachricht erhalten, dass im Laufe
jener Nacht eine Schwadron von 30 — 40 Wäddi- Reitern zu
dem Feinde stossen würde, worauf dann ein- letzter Angriff
auf sie geschehen solle. Sie waren sich wohlbewusst, dass
der Feind eben nur aus Mangel an Reiterei geschlagen wor-
den war. Aus Vorsorge blieben alle Pferde gesattelt, ein-
zelne Trupps umritten fortwährend das Lager imd der Wacht-
ruf erschallte ununterbrochen durch die Nacht Der am
meiisten Aufgeregte und Furchtsamste von Allen war der Re-
negat-Jude 'Abd Allah; fest davon überzeugt, dass dies seine
letzte Nacht sein würde, war er mit der grössten Angstlich-
i
100 IV. KapiteL
keit bemüht, sich ein Basirmesser za versch^^en, um sich vor
der Todesstande seinen Kopf scheeren zu können.
[Mittwoch, 22*f^ Oktober.^ Glücklicherweise ging die
Nacht vorüber, ohne dass sich der Feind zeigte, and mit
Tagesanbruch ward das Zeichen zum Aufbruch gegeben,
worauf sich Jeder bemühte, seinem Nachbar den Vorsprung
abzugewinnen. — Wirklich kam der Feind, nach einer uns
später zugekommenen zweifellosen Nachricht, etwa 1 Stunde
später beim Lager an; da er aber sah, dass wir schon ab-
gezogen waren, hielt er es nicht für rathsam, uns zu ver-
folgen.
So liessen wir den interessantesten Theil Känems hinter
uns, eine Landschaft, einst dicht besetzt mit grossen, volk-
reichen und berühmten Städten (wie Ndjimie, Aghäfi und
alle die Plätze, welche ich nach dem Berichte der Kriegs-
züge des Ednss Alaoma im Anhang 11 beschreiben werde)
und durchzogen von zahlreichen begünstigten Thälem voll von
Dattelbäumen..
Indem wir zuerst eine westliche und dann eine südwest-
liche Richtung verfolgten, durch ein nicht eben besonders in-
teressantes Land, erreichten wir gegen 8 Uhr Morgens ein
weites Thal, Namens Takulum, mit reicher frischer Weide
und schönem Baumwuchs. In diesem Thale — in dessen Nähe,
nämlich im Thale Kdrafu, das ich im Anhange noch weiter
erwähnen werde, die gewöhnliche Residenz des Keghamma
ist — angekommen, war man der Meinung, dass wir nun
ausser Gefahr seien, und beschloss, Pferde und Kameele zu
tränken und ihnen etwas Fütterung zu gönnen. Ich für mei-
nen Theil war äusserst dankbar dafür, in dem Schatten
einer chi*würdigen Akazie, nahe an dem sanften, die schöne
griine Mulde umgebenden Abhänge, ein Paar Stunden Ruhe
zu erhalten. Aber gerade in der grössten Tageshitze ver-
liessen wir diesen anmuthigen Ruheplatz und folgten einer
mehr nordwestlichen Richtung, die uns mit allmählichem
Rückkehr in die Landscbafl Schitäti. 101
ÄDstieg in einen ziemlich bewaldeten Distrikt führte. Hier
war jüngst alles Gras verbrannt worden oder brannte noch,
und an einer Stelle war es selbst ..mit einiger Gefahr ver-
knüpft, uns einen Weg durch die Flammen zu bahnen. Die-
ses alljährlicheyerbrennen des Grases, welches ich schon frü-
her erwähnt habe, scheint eine im ganzen Sudan gebräuch-
liche Sitte zu sein.
Gegen Abend ward das Land ganz offen und vor uns
liess sich ein kleiner Höhenzug sehn, an dessen westlichem
Fusse unser Lagerplatz sein sollte; aber er schien sehr ent-
fernt und es war völlig dunkel, als wir in zwei getrennten
Lagern Halt machten, indem wir nicht im Stande waren,
unseren Bestimmungsort zu erreichen, unser Abendessen
war überaus einfach; denn da wir bei der Einnahme des
Lagers bei Aläli unsere ganze Provision eingebüsst hatten,
mussten wir uns mit einigen schlechten Datteln begnügen —
dem Einzigen, was wir von Scheich Rhet erhalten konnten.
[Donnerstag y 23'^^ Oktober^ Während imsere Leute in
Gesellschaft des Packtrosses und eines Theiles der Reiterei
mit den Kameelen die gerade Strasse verfolgten, schlugen
Herr Dr. Overweg und ich mit Scheich Rhet und seinem
Trupp eine mehr nördliche Richtung ein und brachten die
heissen Tagesstunden in einem freundlichen Thale zu. Es
war unzweifelhaft eines der schönsten Thäler, die wir im
Lande angetroffen hatten, nur dass es keine Dattelpalmen
hervorbrachte; aber die Landschaft Schitäti, die wir nun
wiederum betreten hatten, scheint der Palme keineswegs
günstig zu sein, während Schiri und die Nachbarschaft von
M&ö an diesen Bäumen sehr reich sind.
En Theil des Thalgrundes war in Kornfelder umgewan-
delt, die mit Hilfe von Chdttatlrs bewässert wurden; neben
diesen Ziehbrunnen befand sich eine Gruppe von Hütten,
während ein grösseres, aber gegenwärtig verlassenes Dorf
am Rande des Abhanges liegt, der das Thal beherrscht; es
102 IV.- Kapitel.
heisst Burka-drusso oder Burka-drusto. Hier genossen wir
einige Stunden lang einer ununterbrochenen Ruhe , aber aus-
serdem war unser Genuss höchst beschränkter Art, da wir
nichts zum Frühstück hatten, als eine Handvoll Datteln und
einen Trunk Wasser. Trotz dieser schmalen Kost war aber
unser materieller Mangel unbedeutend in Vergleich mit dem
bitteren Gefühl fehlgeschlagener Hoflfhung, das uns bedrückte ;
denn wir sahen nun deutlich ein, dass wir alle Hoffnung,
den Bahhr el Ghasäl oder selbst nur Mkö zu erreichen,
aufgeben müssten, imd doch war es nur eben dies gewesen,
was uns vermocht hatte, unser Schicksal mit demjenigen die-
ser Raubhorde zu vereinigen. Um diese Expedition . unter-
nehmen zu können, hatten wir alles uns gebliebene Eigen-
thum verbraucht und konnten desshalb keineswegs mit ih-
rem Ausgange zufrieden sein.
Als die Tageshitze vorüber war, setzten die Araber ihren
Marschiert und wir folgten ihnen, indem wir zum Thale
auf den höheren Boden hinaustraten und eine anmuthige,
schön mit Bäumen und Büschen geschmückte Landschaft
durchschnitten. Wir Hessen einen Thalkessel Namens Nükko
zu unserer Linken (eine von den drei Thalsenkungen Schi-
täti's, welche diesen Namen fuhren); weiterhin passirten wir
dann ein anderes, das Am^ko heisst Als uns die herein-
brechende Nacht auf dem Marsche überraschte, setzten un-
sere Gefährten ihre Pferde in Galop, um zeitig im Lager
anzukommen, während wir es vorzogen, unseren Weg lang-
sam zu verfolgen.
Das Land ward hier gewellter und weiterhin sogar felsig und
rauh. Wir verfolgten in der Dunkelheit unsere nordwestliche
Richtung, so gut wir konnten, und waren nicht wenig erfreut,
als wir endlich die Feuer des Lagers erblickten ; denn letzteres
war diesmal nicht auf der höchsten Erhebung des Terrains, son-
dern in einem Thalkessel unweit vom Brunnen aufgeschlagen.
Der Name desselben ist Bir el Hamesch oder Yegil; gewöhnlich
Das Lager am Brannen Tegil. 103
wird er „Yiggeli" ausgesprochen. Unsere Freude, das Lager
9
hier zu erreichen, war um so grösser, als wir daselbst nicht al-
lein alle unsere Leute und unser ganzes Gepäck v.orfanden, son-
dern auch Vorräthe, — ein bei unserem halbverhungerten
Zustande nicht unwichtiger Umstand. Natürlicherweise wur-
den wir mit Freuden von denjenigen unserer Diener begrüsst,
welche wir mit dem Rest der Araber am Bir el Eüma zurück-
gelassen; sie waren in grosser Bekümmemiss wegen unserer
Sicherheit gewesen, da ihnen viele ungünstige Gerüchte über
die Schicksale unserer Heerschaar zu Ohren gekonynen wa-
ren, und hatten das Lager vor mehreren Tagen vom Blr el
Küma nach diesem Platze verlegt, w.o sie nun mit der
grössten Sorge unserer Rückkehr entgegenharrten.
Das Erste, was wir zu thun hatten, war, eine grosse Schale
Kameelmilch anzugreifen, und so behaglich gestärkt, ruhten
wir vor unseren Zelten im Genüsse der erfrischenden Abend-
kühle. Das Lager — „dauar" — aber war höchst eng, da es
mit der dem Feinde abgenommenen Beute angefüllt war.
Die Leute hockten aus Furcht, der Feind möchte ihnen
folgen, ganz eng zusammen und hielten gewissenhaft Wache.
Unter solchen Umständen konnte es nicht fehlen, dass die
Trauerklagen der. Frauen über die Gefallenen, welche, von
lauten Klagetönen auf der grossen Trommel begleitet, dumpf
durch die Nacht hallten, einen tiefen Eindruck auf das ohnedies
erregte Gemüth machten. Jedoch blieben wir hier auch den
folgenden Tag ungestört und genossen körperliche und geistige
Ruhe um so mehr, da das Wetter sehr drückend war.
Hier war es, wo wir die Nachricht erhielten, dass die
Schwadron Wadai-Reiterei, welche zum Beistande der Worhda
gekommen war und am vorhergehenden Tage den Arabern
so viel Furcht und Angst verursacht hatte, nach Mäö zurück-
gekehrt sei ; und eine höchst unterhaltende Anekdote ward uns
von ihnen erzählt, diiB zugleich zeigt, in welch' hoher Achtung
diese W4d&i-Reiter bei den Arabern stehn und welche Furcht
104 IV. Kapitel.
die Letzteren wiederum vor den Ersteren haben. Dreissig Wa-
dai-Reiter sollten in Folge der dringenden Bitten der Worhda
zu ihnen gestossen sein und gemeinsam mit ihnen die Spu-
ren unserer Freunde verfolgt haben, indem die Worhda
ihnen vorstellten, dass eine grosse Anzahl der Letzteren ge-
tödtet sei.
So kamen sie zeitig am Morgen bei unserem Lager in
Xläli an, das wii' etwa eine Stunde zuvor verlassen hatten,
so dass der von unserer Schaar aufgewirbelte Staub noch
deutlich in der Entfernung sichtbar war. Als jedoch die
Worhda die Wädäi- Leute anspornten, jene Heerschaar an-
zugreifen, wollten sich die Letzteren zuvor überzeugen, wie
Viele von den Arabern in dem letzten Treffen gefallen wären,
während 34 Worhda getödtet sein sollten. Als sie daher
nur 2 Gräber fanden, behaupteten jene, dass jedes der
Gräber 10 Leichen enthielte; aber die Wädai- Leute waren
keineswegs so leichtgläubig, sondern öffneten die Gräber, um
sich von der Tapferkeit ihrer Bundesgenossen zu überzeugen.
Als sie aber nur 2 Leichen in jedem der Gräber fanden,
schimpften sie die Worhda Lügner und fühlten wenig Nei-
gung , den kühnen Eä,ubem zu folgen , die so viele Feinde
getödtet hatten, während sie nur so Wenige der Ihrigen ver-
loren. Allerdings mag dies Geschichtchen voi^ unseren Freun-
den, den Ueläd Slimän, etwas aufgeschmückt sein, wie denn
die Letzteren keineswegs leugnen konnten, dass ausser einer
Menge anderer Beute aus ihrem eigenen Lager, die der Feind
glücklich davon geschleppt, der Häuptling der Worhda sich
mit dem rothen Bemus brüsten konnte, den wir dem Scheich
Rhet zum Geschenke gemacht, ja dass er sich selbst rühmen
durfte, diesen kühnen Streitern 4 Pferde abgenommen zu
haben.
[SonrUag, 26'*^ Oktober,] Diesen und den folgenden Tag
waren die Araber insgesammt damit beschäftigt, Briefe nach
Kukaua zu söhreiben oder vom Fäki schreiben zu lassen,
Körperliche Erschöpfung des Reifenden. 105
da ein Eilbote im Begriffe stand, dahin aufzubrechen. Ich
fiir meine Person war fast der Einzige, der nicht einen Brief
zu Stande brachte; aber ich besass zu solcher geistigen An-
strengung nicht Energie genug und lag lethargisch in meinem
Zelte, indem ich von Zeit zu Zeit meine hinschwindenden
Kräfte mit einem Trunk Kameelmilch stärkte. Hätte ich nur
Kraft genug besessen , Müsse würde ich genug gehabt haben,
um das Tagebuch über meinen Ausflug in die östlichen Land-
schaften Käncms auszufüllen; aber zu solcher Arbeit war
ich vollkommen unfähig, und die Folge war, dass dieser
'Theil meines Tagebuches stets in einem sehr rohen und un-
ausgeführten Zustande blieb. Unendlich hätte die Beschrei-
bung dieser Gegend an Lebendigkeit und Bestimmtheit ge-
winnen können, vor Allem aber wären wenigstens die wichtig-
sten Punkte der vergleichenden Geographie an Ort und Stelle
aufs Reine gebracht worden.
Scheich Rhet, welcher der Meinung war, dass wir ihm
höchlichst dafür verpflichtet wären, dass wir so viel vom
Lande gesehn hätten, forderte eine Menge Dinge von uns;
wir konnten jedocjji nur wenige seiner Wünsche befriedi-
gen. Wir erklärten ihm unsererseits, dass wir mit' demje-
nigen, was wir gesehn, keineswegs zufrieden wären, und
dass wir, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, entschlossen
seien, so bald als möglich nach Kükaua zurückzukehren, und
Hessen ims nicht durch seine Vorstellungen, dass er selbst
in 5 oder 6 Tagen nach der Hauptstadt Bomu's aufzu-
brechen beabsichtige, von unserem Vorhaben abbringen.
[Montag f 27»ten Oktober.'] Der Eilbote nach Kükaua brach
im Laufe des Morgens auf. Am Abend machte eine Schaar
Freibeuter einen Angriff auf die Kameele der Araber, sie
wurden aber von der Reiterei verfolgt, die stets für
jeden Fall bereit ist, und wurden gezwungen, ihre Beute im
Stiche zu lassen, so dass sie kaum mit dem Leben davon
kamen. Der Thalkessel, in welchem der Brunnen liegt, ist
I
106 . lY. Kapitel.
reicher, als es gewöhnlich der Fall ist, und enthielt mehrere
Teiche stehenden Wassers, aus denen das Vieh getränkt
wurde. Selbst ein wirkliches Rohrdickicht war hier zu sehn
und hie und da die Höhle eines Löwen, und der Fürst der
Wildniss verfehlte nicht, seinen Tribut von den verschifedenen
Arten der Thierwelt -zu erheben, die den Besitz unserer
Freunde ausmachten, und bezeugte hinlänglich seine Neigung
zu einiger Abwechselung in seinen Mahlzeiten ; denn ein
Pferd, ein Kameel iind ein Bullochse wurden nach einander
seine Beute.
[Dienstag y 28«ten Oktober.] Da wir sahen, dass sich eine
Reisegesellschaft sammelte, um ifäch Kükaua zu gehn, wäh-
rend die Araber die Absicht hatten, noch einmal wieder nach
Burka-drusso zurückzukehren, so wandten wir uns unverzüg-
lich an den Häuptling, um ihn von unserer, Absicht in Kennt-
niss zu setzen, die Karawane zu begleiten. Ein Haupt der
Haddäda oder vielmehr Büngo, kam im Lager mit Friedens-
anerbietungen von Seiten der Schiri an und'stattete uns einen
Besuch ab , gemeinsam mit Kedel Baträm , dem früher er-
wähnten Häuptling, welcher der Schwiegervater des GhalTfa
von Mao war. Auch Kobber oder vielmehr das Haupt der
Kobber und andere angesehene Leute der Fugäbü .stellten
sich ein und ich unterhielt sie mit meiner Spieldose.
Nebenbei bereiteten wir uns zu unserer Rückreise vor und
ich kaufte einen kleinen Lederschlauch ganz leidlicher Dat-
teln für eine halbe Türkedi, während ich dem Renegaten
'Abd Allah, der zwischen uns und dem Häuptling den Ver-
mittler gemacht hatte, um nicht sein Schuldner zu bleiben,
einen Djerld (d. i. ein in Djirbi gewirkter feiner HÄik)- zum
Geschenk machte.
Diese ganze Zeit fühlte ich mich sehr unwohl, — ein Um-
stand, den ich ganz vorzüglich den grossen Veränderungen
der Atmosphäre zuschreibe, indem die Nächte kühl und die
Tage sehr warm waren.
Yerlegang des Lagen nach AmAnko. 107
[Freitag, 3P^^ Oktober,] Ungeachtet unserer bestimmten
Absicht, nach Kükaua zurückzukehren, mussten wir uns
doch noch einmal wieder nach Osten wenden, da die Araber
ihr Lager nach Amänko verlegten, dem Thalkessel, wel-
chen wir auf unserem Wege von Burka-drusso nach Yegil
zur Seite gelassen hatten. Viel Ungewissheit und Streit
über die Stätte, die sie zu ihrem Lager wählen sollten,
hatte unter ihnen geherrscht; denn ihre Lage war bei der
geringen Anzahl der zurückgebliebenen Streiter allerdings
gefährlich.
Es war ein glücklicher Umstand für uns, dass auch die am
folgenden Morgen eingetrofifenen- höchst ungünstigen Nachrich-
ten in Betreff der Sicherheit der Strasse nach Bömu auf die
Bestimmung des Aufbruches der Karawane für den 2*«» Novem-
ber keinen Einfluss hatten. Am Morgen kam nämlich Einer der
Ueläd Slimän in Begleitung zweier Bömu-Reiter von Kukaua
an, mit Briefen vom Vezier, in deneu er die Araber in den
dringlichsten Ausdrücken bat, ihr Lager ohne Verzug nach
Keskaua am Ufer des See's zu verlegen, wohin er nicht ver-
fehlen würde den ganzen Rest ihres Stammes zu schicken,
welcher sich zur Zeit in der Hauptstadt aufhielte; denn er
hätte bestimmte Nachricht, versicherte er sie, dass die Tuareg
eine andere Expedition, und zwar in grossem Maassstabe ge-
gen sie vorhätten.
Die Nachricht schien wohlbegründet zu sein; denn die 3
Boten waren auf ihrem Marsche zwischen Bärua und Nge-
gimi wirklich einer Schaar Tuareg begegnet, von denen 3 zu
Fuss und die Übrigen zu Pferde gewesen, und nur dadurch
entkommen, dass sie sich in die vom See gebildeten Sümpfe
zurückzogen. Diese Nachricht verbreitete natürlicherweise
grosse Besorgniss unter den Arabern; aber sie wurden densel-
ben Tag noch mehr beängstigt durch die Botschaft, dass ein
Trupp von 15 Wädai- Reitern in einem benachbarten Thale
im Hinterhalt läge. In Folge davon ward eine Schwadron
i
108 IV. Kapitel.
ausgesandt, um die Umgegend zu durchstreifen; sie kehrte
jedoch zurück, ohne irgend Jemanden gesehn zu haben.
[Sonntag j 2fen November,] Endlich erschien der Tag un-
serer Abreise von Känem. Sicherlich that es uns sehr leid,
das östliche Ufer des See's unerforscht lassen zu müssen; aber
wir hatten uns überzeugt, dass der Charakter unserer Mission
uns nicht länger erlaube, imser Geschick der (lenossen-
schaft dieser Freibeuter anheimzustellen. Wir hatten einige
Mühe, alles zu unserer Rückkehr Nöthige in Bereitschaft
zu setzen; denn die Kameele, die wir auf diesem Zuge mit-
genommen hatten, waren so erschöpft, dass sie nicht im
Stande waren, selbst nur das geringe Gepäck fortzuschaffen,
welches uns geblieben war, und wir hatten zu Scheich Rhet's
Freigebigkeit unsere Zuflucht zu nehmen. Auch schenkte
er uns 2 Kameele, die wundörbarerweise gerade eben nur
für die kurze Reise bis Kükaua ausreichten; denn das eine
derselben fiel bei unserer Ankunft in der Stadt ein Paar
Schritt vom nördlichen Thore und das zweite in geringer
Entfernung vom südlichen in dem Augenblicke, als wir Kü-
kaua auf unserer Expedition nach Müssgu verliessen.
Die Karawane, mit der wir unsere Rückreise antraten, war
zahlreich, aber Alles waren Kanembü, die das Wenige an
Hab und Gut auf Packochsen und ein Paar Kameelen fort-
schafften, und ausser uns selbst waren nur 2 Reiter dabei.
Dennoch befanden sich einige angesehene Leute und selbst
einige Frauen unter ihnen, deren übermässiger Schmuck an
Glasperten einen grösseren Mangel an Bildung beurkundete,
während ihre angenehmen regelmässigen Züge und schlanken
Formen einen lebendigen Gegensatz gegen die häusliche
Physiognomie und die viereckigen Formen der Bomu - Frauen
bildeten. Die Verschiedenheit zwischen den Bomu und Ka-
nembü ist höchst auffallend, obgleich es nicht leicht ist, diese
Erscheinung auf historische Weise zu erklären — aber wahr-
scheinlich ist sie die Folge der grösseren Mischung des nach
Rückreise Dach Kükaua. -* 109
£6mu ausgewanderten Volkes mit den früher hier angesie-
delten Negerstämmen.
Wir waren so glücklich, unsere Rückreise ohne irgend
einen ernstlichen Unfall zu vollenden, obgleich wir einige
leichte Beimruhigungen hatten. Die erste dei'selben befiel
uns, als wir uns der Stadt Beri näherten und alle Einwoh-
ner an einer engen Passage in geringer Entfernung von der
Stadt in Schlachtordnung aufgestellt fanden, und im ersten
Augenblick erhob sich ein grosser Alarm auf beiden Seiten.
Aber wir erfuhren bald, dass sie uns für Tuareg gehalten
hätten. Es hatte nämlich kurze Zeit zuvor eine zahl-
reiche Raubbande der Letzteren mit etwa 200 Eameelen
und ebenso vielen Pferden alles zu Beri gehörige Vieh fort-
geschleppt.
Der Zustand des Landes war so unsicher, dass die Ein-
wohner Herrn Dr. Overweg ungeachtet seiner ernsthaftesten
Protestationen nicht gestatteten, hiei^ zu bleiben, so dass
er genöthigt war, die Reise in Gesellschaft der Kafla fortzu-
setzen. Gewiss, im Falle wir einer leidUch starken Truppe
Tuareg begegnet wären, würden imsere Gefährten uns sehr
wenig Schutz gewährt haben. Wir waren jedoch so glück-
lich, diesen unsicheren Strich Landes gerade zu einer Zeit
zu passiren, wo eben ein Raubzug jener Horden, mit Beute
beladen, seinen Rückweg angetreten hatte.
Ernsthafter war im Anfang ein anderes ZusanimentrefFen,
als wir eine halbe Tagereise jenseits Ngegimi einer Schaar von
mehr als 40 Biidduma begegneten , die mit Speer und Schild
bewaffnet und nur mit einem Lederschurz angethan waren. Sie
waren damit beschäftigt gewesen, aus den Wurzeln der „ssiwäk"
(Cappar.18 aodata) Salz zu bereiten, und als sie den vorderen
Theil unserer Reisegesellschaft durch den dichten Wald daher-
kommen sahen, fingen sie einen Angriff an , so dass Herr Dr.
Overweg imd ich gezwungen waren , ein Paar blinde Schüsse
über ihre Köpfe weg zu feuern, worauf sie uns unbelästigt unse-
5
110 - IV. Kapitel.
ren Marsch fortsetzen Hessen; denn ausserdem, dass sie sich
bewusst waren, dass wir stärker wären, als sie vermuthet
hatten, erkannten sie auch einige ihrer Freunde unter den
Eanembü. Immerhin glich unser ganzer Marsch Von Ngegimi
nach Bärua durch das dichte Unterholz, mit welchem die
Ufer des See's hier überwachsen' sind, mehr einer Flucht
als einem ruhigen Marsch.
Am 10*6» November erreichten wir den Komadugu, und
nach einer lebhaften Verhandlung mit dem Statthalter — „sqhi-
tima" — , der in der Stadt Yö residirt, wurde mir und mei-
nem Gefährten erlaubt, den Fluss am selbigen Nachmittag
zu passir^n. Denn seit der Verödung der nördlichen Pro-
vinz ist es bei den Herrschern Bomu's Gebrauch gewor-
den, den Fluss als eine Art politischer Quarantaine zu
benutzen, ein Verfahren, das sie natürlicherweise nur an-
wenden können, so lange der Fluss voll ist, während ihn
den grösseren Theil des Jahres hindurch ein Jeder nach Gut-
« dünken passiren kann. Selbst mit uns übrigens war man
strenger, als man hätte erwarten sollen; denn nachdem wir
den Fluss schon passirt hatten, gestattete man uns nicht,
unsere Reise nach der Hauptstadt fortzusetzen, ehe der
Bote, der dorthin gesandt war, um unsere Ankunft anzuzei-
gen, mit der ausdrücklichen Erlaubniss zu unserer Weiterreise
zurückgekehrt wäre.
Das Uferland am Komadugu war sehr verändert, da
der Fluss jetzt seinen höchsten Stand erreicht hatte. An-
sehnliche Strecken waren mit Waizen bebaut und regel-
mässig in kleine viereckige Beete von 4 bis 5 Fuss im
Durchmesser getheilt, die jeden Morgen und Abend ver-
mittelst Schöpfeimer und kleiner Wasserrinnen, bewässert
wurden.
Wir erreichten Kukaua am 14*«»^ nachdem wir unterwegs in
Dau-erghü, wo sich jetzt ein grosses Wasser angesammelt hatte,
einem Trupp von etwa 50 Ueläd Slimän begegnet waren, die
i
• .
A -
Ankunft in Ktikava.
111
ZU ihren Gefährten in Känem stossen wollten. Anch sie be-
stätigten uns die Nachriclit, die wir schon 'vom Yöma gehört
hatten, dass der Scheich und sein Vezier im Begriffe stän-
den, auf eine Kriegsunteraehmung auszurücken. Nach einem
freundlichen Empfang vx)n Seiten unseres Wirthes, des Ve-
ziers, konnten wir daher in unserem eifrigen Bemühen, keine
Gelegenheit unbenutzt zu lassen, mit neuen Gegenden dieses
Welttheiles bekannt zu werden, nicht umhin zu versuchen,
auch diesen Ejiegszug auszubeuten, wie schwierig es auch
in Folge unseres gänzlichen Mangels an Mitteln für uns war,
die nöthigen Vorbereitungen für einen anderen Feldzug zu
treffen , und obgleich die Bestimmung des Heereszuges nicht
einmal ganz gewiss war.
V. KAPITEL.
KriegsrÜstungen 'gegen Mändara.
Von der angreifenden Expedition nach Känem in unser
Hauptquartier zurückgekehrt, verliess ich schon nach 10 Ta-
gen, am 25«*«^ November 1851, Kükaua wieder, um mich
einem neuen Heereszuge anzuschliessen. Um diese Zeit war ich
sowohl als Herr Dr. Overweg gänzlich von Mitteln entblösst,
da noch nichts von den für uns bestimmten Hilfsgeldem an-
gekommen war, und ich hatte beträchtliche Schwierigkeit,
mich mit dem für diese Reise Nöthigen auszurüsten, während
mein Begleiter noch auf unser krankes Kameel warten musste,
das sich auf der Weide befand.
Schon am Sonnabend vorher waren Scheich und Vezier mit
dem Keni des Heeres aufgebrochen. Wohin es ging, war noch
gar nicht bestimmt, wenigstens nicht öflfentlich bekannt, und
als dii'ektes Ziel ward nur Mändara angegeben, um den Für-
sten dieses kleinen, von Bergen geschützten Ländchens zum Ge-
horsam zu zwingen. I)ie Hauptsache aber war, dass die Kisten
und Sklavenräurae leer waren und gefüllt werden mussten;
woher, war Nebensache. Es war schon jetzt viel Gerede von
einem Ausbruche der Feindschaft zwischen 'Abd e' Rahmän
und dem Vezier, da der Erstere in enger Beziehung zum Für-
sten von Mdndara stand, und dies war auch der Grund, wess-
halb Herr Dr. Overweg anfangs lieber zurückbleiben wollte.
hvi meiner Armuth hatte ich jetzt keinen berittenen Die-
ner und mein ganzer Tross bestand in meiner treuen Naga
— „djige", wie die Kanöri das weibliche Kameel nennen — ,
die sich auf der Känem-Reise vortrefflich bewälirt hatte, und
zwei höchst unbedeutenden, geist^s- und körperschwacben Fc-
sSuern, Mohammed ben Habib und Mohammed ben Ahmed.'
Glücklicherweise hatte die küblere Jahreszeit meine Gesund-
heit wieder sehr gei^tärkt und mein Pferd, obgleich es zu dieser
Zeit kein grosses Übermass von Kräften bcsass, sich auch wie-
der von seinem kleinen Unwohlsein erholt. So verfolgte ich bei
massig warmem Wetter wohlgemuth die mir bekannte Ngomu-
Strasse, die jetzt aber einen bei weitem weniger ermüdenden
Charakter hatte, als vor 3 Monaten bei meiner Rückkehr von
Ädamaua. Damals war hier noch Alles dürr und trocken,
kaum ein einziger frischer ilalm war aufgeschossen, und ich
hatte meinen Wasservorrath bei Kaine mit MUbe aus einem
tiefen Brunnen schöpfen müssen. Jetzt war der Boden mit
frischen Kräutern bedeckt, die Bäume waren neu belaubt und
bei Käine, wo der Scheich mit seinem Kriegstross das erst«
Nachtlager nahm, hatte sich ein grosses Wasserbassin gebildet.
Dieses Bassin, von schön belaubten Bäumen umgeben, hält sich
2 bis 3 Monate nach der Regenzeit, wo es dann allmählich
eintrocknet. Jetat tränkte ich ohne weitere Mühe mein Pferd
und ritt dann den beiden Fesänem nach. Hier begegnete
ich meinen Freunden Hadj Edriss und Schitima Makaremma,
die vom Lager zurückkamen und mir mittheiften, dass der
Scheich heute jenseits Ngömu in Kükia lagere; ich hielt
daher während der heissen Stunden diesseits Ngömu eine
kleine Rast, um am Nachmittag, ohne weiteren Aufenthalt in
der Stadt, gleich direkt das Lager zu erreichen. Denn rings
um die Stadt ist im Umkreis von 1 'Stunde fast Alles baum-
loses Äckerfeld.
-Ich mochte etwa eine Stunde gerästet haben, als Herr
Dr. Overweg mir mit der unerfreulichen Botschaft nachkam,
dass sein Kameel bei Käine gefallen sei und selbst ohne Ge-
päck nicht wieder aufstehen wolle. Während er' daher bei
I
114 V. Kapitel.
mir blieb, sandte er seinen Diener Ibrahim voraus, um vom
Vezier ein anderes Kameel zu erbitten. Wir folgten später
und nahmen unseren Weg direkt zum Lager, während der
Pfad von Reitern, Kameelen und Fussgängem belebt war.
Das Land war auf dieser Seite nur stellenweise angebaut;
doch fiel uns etwa 2 Meilen hinter Ngömu eine sorgfältig ge-
pflegte Baumwollenpflanzung in's Auge und nahe beim Dorfe
Kükia zeigte sich schöner Landbau.
Diese ganze fruchtbare Ebene ward im Jahre 1854 ein
Raub der Überschwemmung des Tsäd, herbeigeführt durch
ein Einsinken des Bodens, wodurch das Land die wunder-
barste Veränderung erlitt. Hier gewannen wir den ersten
Blick auf das Zeltlager; aber es schien keineswegs bedeutend
zu sein und war auch erst im Entstehen begriffen, da bis
jetzt nur die nächste Umgebung des Hofes versanmielt war.
Das „ngdufate" hatte seine bestimmte Anordnung und un-
sere Stelle ward uns neben dem Zeltgehöft Lammo's, in eini-
ger Entfernung östlich von dem Gezelte Hadj Beschir's, an-
gewiesen. Da Jeder der Grossen wenigstens einen Theil sei-
nes Harims mit auf den „kengu" nimmt, so genügt ihnen ein
einfaches Zelt nicht, sondern es wird mit Hilfe von Vorhän-
gen aus gestreiftem Baumwollenzeug eine leichte Umzäunung
umher angebracht, um grössere Heimlichkeit für die Häuslich-
keit zu gewinnen. Für den Scheich und den Vezier ward sogar
bei jedem Lagerorte, so lange wir uns auf Bömu-Gebiet be-
fanden, stets eine Umzäunung aus Mattenwerk errichtet. Denn
es ist unrichtig, dass, wie man gesagt hat, das Königslager
— „keleno" — in Bomu von dem allgemeinen Heerlager
— „ngaufate" — getrennt sei, und man ersieht, aus dem
Geschichtswerke des Imäm Ahmed, dass dies auch früher
nicht der Fall war. Das gewöhnliche Kriegsvolk hatte wei-
ter keinen Schutz, ausser dass sich Einzelne leichte, hochge-
giebelte kleine Hütten aus dem Rohre des Indischen Kornes
errichteten, das jetzt in Fülle auf den Stoppelfeldern umherlag.
Charakteristik Lamlno^s. 115
Lamlno habe ich schon früher zuweilen erwähnt, ich muss
aber hier einige Worte mehr von ihm sagen, da wir durch
diesen Eriegszug in nähere Beziehung zu dieser eigenthüm-
lichen Persönlichkeit kamen. Wir finden hier ganz dasselbe
Verhältniss wie in Europa, wo notorische Spitzbuben mitun-
ter die trefflichsten Polizeibeamten abgeben. So war Lamlno
— eigentlich El Amin — früher ein gefurchteter Strassen-
räuber gewesen und nun chef de police oder Zwangsmeister
— „sserki-n-karfi" , wie die Haussa- Leute sagen würden —
geworden ; er leistete dem sanfteren Vezier durch seine Hart-
herzigkeit und Schamlosigkeit vortreffliche Dienste und wir
nannten ihn daher nur „die schamlose Linke". Einkerkern
und peitschen lassen war sein Hauptvergnügen ; er konnte in-
dessen auch sehr sanftmüthig und liebenswürdig sein, imd
nichts amüsirte HeiTn Dr. Overweg und mich mehr, als wenn
er uns in höchst sentimentalen Ausdrücken von seiner Liebe
zu der begünstigten Beherrscherin seines Herzens erzählte, die
er auf dem Kriegszuge mit sich führte. Auch war es überaus
spasshafl, den Schrecken wahrzunehmen, den er empfand, wenn
wir die Erde mit einem Straussenei verglichen, da es ihm bei
seiner Schwere imd Plumpheit unbegreiflich war, wie er sein
Gleichgewicht darauf bewahren sollte.
[Mittwoch, 26»i^ November.] Die vor dem Zelt des Scheichs
ertönende grosse Trommel gab früh am Morgen das Zeichen
zum Aufbruch und in breiter Schlachtordnung — „bäta" *) —
rückte das Heer mit seinem mächtigen Reitertrosse über die
mit hohem Rohr bedeckte Ebene hin, die nur hie und da
Anbau zeigte. Ich blieb jedoch diesmal noch bei den Ka-
meelen und Lastochsen, die mit Fussgängem und vereinzelten
Reitern in langen, unabsehbaren Zügen zur Seite marschir-
*) Dies ist die wahre Bedeutung Ton „bata", nicht, wie KoUe in seinem
Wörterbuche angibt, ^ytroop''. ,,Bäta'* ist der Oegensata Ton „fugunkä-
dagu", — „Biner hinter dem Anderen*^ — .
8«
116 V. ^apiteL
ten, wähl-end eirßelne Trupps Kanembü in ihrer spärlichen,
meist aus Lumpen zusamnfengeflickten oder blos aus einem
Schurzfell bestehenden Kleidung. und mit ihren leichtert Holz-
schilden unter munteren Zurufen am Lastzuge vorübereilten.:
So erreichten wir mit einem Marsch von etwa 12 Meilen
die Baum woUenfelder von Yedi, einem nicht unansehnlichen
Städtchen, das sich, von einer gut erhaltenen Thonmauer um-
gebeuj auf einer Hügelreihe zur Linken hinzog, während das
Land auf der Nordwestseite sich ah sandige Fläche ausbrei-
tet, die nur von wenigem Gesträuch und Dümgestrüpp
— ^ „ngille" — und wenigen vereinzelten Dünq)almen unter-
brochen wird. Auf dieser Seite bildet sich etwa eine Vier-
telstunde von der Stadt nach der Regenzeit ein ansehnlicher
Teich, an dessen Ufern die Yedenser Zwiebelgäcten anlegen
und durch Ziehbrunnen — „chattatir" — bewässern.
Die Sonne brannte sehr stark, während die Zelte aufgeschla-
gen wurden, und um- Mittag war die Hitze höchst bedeutend.
Wunderbarerweise versäumte ich diese ganze Zeit, thermo-
metrische Beobachtungen anzustellen, und ich befürchte fast,
dass Herr Dr. Overweg eben nicht aufmerksamer auf diesen
Gegenstand war. Der Grund dieser Unterlassung war, dass
wir stets. des Morgens so sehr früh aufbrachen und um Mit-
tag gewöhnlich keinen Schatten in der Nähe unserer Zelte
hatten; denn das Innere unserer sonnigen Behausungen, wo
alle Gegenstände fast ebenso gut Schatten warfen, wie draus-
sen, konnte natürlich nicht maassgebend sein für die Tempe-
ratur der Luft.
Unser Beschützer Lamino sandte uns dann ein vortreffliches
Gericht in Milch gekochten Reises mit aufgelegtem Honig-
brod. Der Reis war von ungewöhnlicher Weisse, während er
sonst in Bömu keineswegs besonders gut ist. Dann kam auch
eine Schüssel mit Honigbrod vom Vezier und wir hielten es
für unsere Pflicht, ihm und durch seine Vermittelung dem
Scheich .unsere Aufwartung zu machen. Der Scheich war in
Das Lager bei TedL 117
seiner getäumigen Thonbehausung aiHSserhalb der Stadt ab-
gestiegen und gab gerade den Leuten des Ortes grosse Au-
dienz. Bald nach den gewöhnlichen Begrüssüngsfonneln ward
die Unterhaltung durch den Vezier auf Denham (Eaeis Cha-
lil) gerichtet, der einst mit Kaschella Bärka ghanä und mit
Bü-Chalüm denselben Weg gezogen sei, und es kam dann des
anwesenden alten Mallem Schädeli oder Chadeli — damals
einfacher „fäki" oder „f Tgi" — Verhalten zum Christen (Den-
ham) zur Sprache, der von des Ersteren feindlicher Gesinnung
so treuen Bericht erstattet hat. Der alte, jetzt sehr mächtige
Mallem tischte zur Vergeltung eine Beschreibung der Scene
auf, wie er den Major, nach der schmählichen Niederlage aus-
geplündert imd kaimi mit dem Leben davongekommen, in
plenis naturalibua gesehn habe, mit allen den Insignien
— dem „tschl kadugübe" — , die den Ungläubigen von dem
•Gläubigen unterscheiden.
Die' Weise, in der diese ganze Geschichte aufgefasst wurde,
zeugte von der aufgeklärten Duldsamkeit. dieser Herren.. Der
Scheich sandte uns sogar am Abend zwei Hammel, eine
Last Indischer Hirse — ,>ngaberi" — und zwei Schüsseln zu-
bereiteter Speise, und da uns nun auch ein hier angesessener
lustiger Spielmann, den wir von früher her kannten und der
Herrn Dr. Overweg auf seiner Tsäd-Fahrt begleitet hatte, be-
wirthete, so war des Schmausens kein Ende. Übrigens fehlte
auch geistige Unterhaltung nicht, da der wissbegierige Vezier
auf diesem Heereszuge, wo er mehr Müsse hatte, als daheim
• in seinem Palaste, so viel als irgend möglich von uns lernen
wollte *). Auch den folgenden Tag blieben wir hier liegen,
da mehrere Kriegei-schaaren hier ztmi Heere stossen sollten.
Der Mangel an Holz machte sich sehr fühlbar.
*) Zwischen Tödi and dem Tsäd liegen folgende Orte: Lalge oder Lega,
ein ansehnliches ummauertes Städtchen, Dihhua oder Döbna, Djfggeri, M&-
nauäse, Qördinä und Mögolim.
I
118 V. Kapitel.
[Freitag, 28«^«n November.] Das „ngaufate" rückte bis Marie
vor. Gleich südlich von Yedi dehnt sich eine unabsehbar
weite, ganz kahle, nur hie und da mit einzelnen spärlichen
Mimosen bewachsene Ebene aus; dies ist der -Anfang des
„firki"- oder schwärzlichen Humusbodens, der in den südlichen
Gegenden Bömu^s so weite Strecken einnimmt und von dem
ich im vorigen Bande wiederholt gesprochen habe. Aber der
auf dieses eigenthümliche , mit der grossen Sumpflache des
Tsäd in der engsten Verbindung stehende Terrain angewie-
sene Anbau der „massäkuä'' oder „mossogä" (Holcus cemuus)
war dies Jahr nach spärlicherem Regen keineswegs gut aus-
gefallen.
Ich war mit meinem Kameel vorangezogen , als mich der
Vezier gewahr wurde und mich zum Scheich rufen Hess.
Nachdem mich dieser sehr freundlich begrüsst hatte, fragte
er mich, warum ich meine Pistolen stets im Leibgürtel trüge
und nicht am Sattel aufhinge, und lobte meine Vorsicht, als
ich mich auf Raeis Chalil's Unfall berief, der, auf seinem
unglücklichen Mandara-Zuge vom Pferde geworfen, ohne
eine Waffe in der Hand blieb. Er meinte jedoch, wir hätten
jetzt, bei einem so grossen Heereszuge, solche Fährlichkeiten
nicht zu befürchten, bemerkte mir indess sehr schmeichel-
haft, dass er mein Beispiel, das Chronometer stets um den
Leib gegürtet zu tragen, nachgeahmt habe und sehr zweck-
mässig finde.
Der Heerestrupp ritt hier wiederum hinter den vier Fah-
nenträgem des Scheichs und einem Djerma in breiter, sich
stattlich entfaltender Schlachtordnung, ward aber bald durch
eine Strecke Unterwald auseinandergesprengt und in eine
lange Reihe zusammengedrängt Der Lagerplatz war an der
Nordwestseite der Stadt gewählt, und als der Scheich bei
der für ihn bestimmten Mattenbehausung abgestiegen war,
sprengten Alle, mit Einschluss des Veziers, in schnellster
Carriere heran; ich musste, imi nicht umgeritten zu werden,
Die Stadt MArte. 119
ein Gleiches thun, erhielt aber doch, als ich Halt gemacht
hatte, von einem mir nachfolgenden Reiter, der mit grosser
^'^^^' "^li iHiiu^ einen sehr schmerzlichen Seiten-
grossen Schaar ist stets
Bniama, meinem
Stadt Marte, um
[eden Freitag ab-
gehaiit;ii, — jf^MBrartdTKiumen umgebenen freien
Platze, welcher sich vor dem westlichen Thore der Stadt
ausbreitet; aber er war heute, wenigstens um diese Tages-
zeit, durchaus unbedeutend. Er ist ganz ohne Buden imd
Negerhiise — „argüm möro" — , Butter und Trinkschalen
waren fast die einzigen zum Verkauf ausgebotenen Gegen-
stände; ebenso war auch die Zahl der Verkäufer und Käufer
nur gering. Ich ritt dann um die ganze Stadt herum, die
ungefähr 4000 Einwohner hat und gut ummauert ist. Auf der
Südseite ist die wohlerhaltene Mauer von Untergebüsch um-
geben, während sich auf der Ostseite, wo die meisten und
wasserreichsten Brunnen sind, einiger Anbau befindet, der
jedoch dies Jahr von geringer Ausdehnung war. Beson-
ders interessant ist eine kleine, aus grossen Rohrhütten be-
stehende Vorstadt auf der Nordseite, wo neben Kanöri-Volk
mehrere Fulbe- oder Felläta-Familien wohnen. Die ziemlich
genau orientirte Stadt hat auf jeder Seite ein Thor, nach
der Marktseite aber zwei; ihr Inneres besteht meist aus
Thonwohnungen und engen Strassen. Vom gewöhnlichen
Treiben in derselben konnte man natürlich bei der Anwe-
senheit einer solchen Heerestruppe nichts sehn; aber es war
mir interessant, dass Billama's Mutter auf dem sehr kleinen
Marktplatz innerhalb der Stadt eine Bude hatte. — Märte,
sowie Alä gehören Malay Ibram, dem ich am folgenden
Tage, wo wir hier noch liegen blieben, einen Besuch ab-
stattete.
i
120 V. KapiteL '
Unsere Zelte waren jetzt so mitgenommen, dass sie wäh-
rend der Mittagshitze nur höchst geringen Schutz darboten
und uns sehr unbequeme Stunden zubringen liessen^ Denn
mein grosses Zelt konnte ich, da es ein Eameel :^m Trans-
port und mehrere Leute zum Aufschlagen erforderte, in
meinen damaligen Verhältnissen nicht gebrauchen.
[Sonntag y 30«ten November.] Da ich am gestrigen Abend
ein schweisstreibendes Mittel eingenommen hatte, blieb ich
heute Morgen lange hinter der Truppe zurück, mn erst die
Sonne aufgehen zu lassen. Es war weit erfreulicher, den
schönen Morgen in Ruhe gemessen zu können, obgleich das
Land Anfangs eine fast Ununterbrochene nackte „firki"- Ebene
jnit rauhem zerklüfteten Boden darstellte, die nur auf dem
schmalen Pfade ein leichtes Portkommen bot. — Nahe vor dem
Dorfe Marte-ghanS — „Klein - Marte" — stapd der Holcua
noch auf den Feldern, die Ähren waren aber fast sämmt- '
lieh von der Truppe abgepflückt; dann folgte „karäga" (un-
bebautes, mit Mimosen bewaldetes Land). Ich ruhte ein
Stündchen unter einer Gruppe prächtiger, dichtkroniger Ta-
marinden zur Seite des Weges (bei zwei kleinen, freundlich •
gelegenen Dörfern , wo sich auch einige Abtheilungen des
Heeres gelagert hatten), um die Mittagshitze vorübergehn. zu
lassen und etwas gastfreundliche Pflege zu finden, was im gros-
sen Lager nicht möglich war; denn da gibt es kein Kom-
missariat und Jeder sorgt für sich selbst, so gut er kann,
zum grossen Nachtheil der Landschaft, durch welche der
Marsch geht, — selbst im eigenen Lande.
Kurz vor 10 Uhr erreichten wir das Lager, welches auf der
Westseite der Stadt Alä, wo die Brunnen sind, aufgeschlagen
war, während die Nordseite von schönen Bäumen umgeben
ist. Alä ist .eine nicht unansehnliche Stadt, von einer leid-
lieh erhaltenen Thonmauer umschlossen, mit je zwei Thoren
auf der Nord- und Westseite und je einem auf der Süd- •
und Ostseite. Das Innere der Stadt ist von grossen Bäumen,
Lager bei A15. 121
meistens Tschedia's ^ ^Äe^na elastica) und Küma's, belebt,
.während sich die Hütten durch hoch aufsteigende Dächer
'auszeichnen, welche zuweilen von BÄukengewächsen — der
Cucurbita lagenarta — hübsch umschlungen sind ; Thonwoh-
nungen sieht man hier nur wenig.
Da mich der Scheich schon seit mehreren Tagen wiederholt
um meinen Kompass gebeten hatte, in der Meinung, es wäre
ja genug, wenn nur Einer von uns beiden . ein solches Instru-
ment besässe, sandte ich ihm meine Spieldose, an der er stets
grosses Vergnügen gefunden hatte , mit dem Bemerken zum
Geschenk, dass ich solche Gegenstände verschenken könnte,
aber keine Instrumente. -^ Von Lamino erhielten wir heute
etwas gut zubereitetes Hasenfleisch, wie denn im Laufe des
. Tages mehrere Hasen eingefangen worden waren.
[Montag, i«'<^ Dezember.] Bald nach unserem Aufbruche
hatten wir ein kleines Dickicht zu passiren, und es entstand
hier- wegen der Indisciplin des Heeres ein höchst unerfreu-
liches Drängen und Stossen, wobei ein oder zwei Reiter
stark verletzt wurden. Sowohl bei solchen Gelegenheiten,
als auch in dichtem Walde sind die grossen Arabischen
Steigbügel von unschätzbarem Werthe, indem sie das ganze
Bein schützen und, geschickt damit manövrirt, jeden Zudring-
ling in ehrerbietiger Entfernung halten. Mit Englischen
Steigbügeln— davon bin ich fest überzeugt — würde ich
auf meinen Reisen um beide Beine gekommen sein.
Unser Weg führte dann wieder über einförmigen „firld"*)-
Boden und wir Hessen mehrere Felder mit Indischer Hirse
zur Seite, welche recht schön standen. — Einzelne Dörfer
*) Es ist mir höchst wahrscheinlich, dass Kölle's Bemerkung (S. 400 seines
Wörterbaches i)nter dem Worte „sangafaram** [d. i. „schingafaram"]) über
einen Distrikt P^rgi, dessen Hauptstadt Dfköa sei, ein blosses Missverständniss
des allgemeinen Ausdruckes „flrki" ist. — Wenn ich dann und wann Einiges
an KöUe's Arbeiten rüge, so geschieht es nur desshalb, weil sie in ihren
Hauptzügen vortrefflich sind.
I
122 y. Kapitel.
liegen überall zerstreut, selbst in scheinbar unangebautcn
Gegenden, obgleich diese Provinz keineswegs viele kleine An-
siedelungen hat — ausser den Schüa-Dörfem — , indem die
Bewohner mehr in befestigten Städten zusammengedrängt
leben.
Auf den „firki"- Boden folgte Untergebüsch, das sich bis an
die Mauern der grossen Stadt Diköa erstreckte, welche von
hohen, sich prächtig ausbreitenden Bäumen überragt wurden,
während die westliche Seite, an der entlang wir ritten, dicht
mit Frauen und Kindern besetzt war; ein grosser Zug Frauen,
die ihren Oberherm bei seiner Ankunft auf dem Lagerplatze
begrüsst hatten, kam uns im besten Putze entgegen. Ich
ward angenehm üben-ascht durch die ungleich vortheilhaf-
tere Körper- und Gesichtsbildung, die sie vor ihren Lands-
männinnen in der Hauptstadt auszeichnete. — Besonders
auffallend war mir der geringe Anbau, den man bei dieser
so grossen Stadt antraf; wenigstens war auf der Westseite
derselben nur weniges, von einer Waldung mächtiger Bäume
begrenztes Ackerfeld zu sehn. Ich hörte bei dieser Gelegen-
heit, dass dies Jahr wegen des geringen Regenfalles so gut
wie gar keine „mössogä"- Ernte gewesen sei.
Das „ngaufate" fing an, sich hart ausserhalb der südlichen
Stadtmauer zu bilden, wo sich ein baumloser, tief- sandi-
ger Platz, rings umher von Walddickicht umgeben, ausbrei-
tet. Obgleich im Dezember, war die Sonnengluth doch sehr
stark, und ich setzte mich, die Kameele erwartend, in den
Schatten einer dichten Bito (Balanitea Aegyptiacua)^ bis das
stets sich weiter ausbreitende Lager naher und näher rückte
und ich dem Kaschella Djätto meinen Platz einrämnte. Er
bot mir dafür ein schönes, krystallhelles Stück frisch vom
Baume gepflückten Gummi's an, das voll flüssiger Süssigkeit
war; in solchem Zustande ist dasselbe überaus erfrischend
und bildet hier nicht weniger als in Timbuktu einen Lecker-
bissen.
B(5nio*8 Verkehrswege mit Europa. 128
Das wie aus dem Boden hervorspriDgendc Heereslager
mit seinen mannichfaltigen, für den Augenblick gebildeten,
leichten Wohnungen, den verschiedenen Truppengattungen,
der Menge zum Theil vortrefflicher Pferde aller Farben,
dann die ankommenden Züge der Lastthiere, Kameele und
Packochsen, mit dem Hausgeräth und den wohlverhüllten
Frauen, — Alles bildete ein überaus interessantes Bild ; denn
jetzt hatte sich schon fast das ganze Kriegsvolk zusammen-
gefunden, so dass sicherlich 20,000 Menschen mit 10,000
Pferden und wenigstens ebenso vielen Lastthieren hier ver-
sammelt waren. Über die Bestandtheile des „kebü" werde
ich im weiteren Verlaufe unseres Heereszuges einiges Nähere
angeben.
Am Abend, nachdem sich die übrigen gewöhnlichen Gäste
des Veziers, als Lamino, Abü-DAüd (einer der angesehensten
Schüa- Häuptlinge), Salah, Grema Melüd u. A. m., entfernt
hatten und nur Hadj Edriss dageblieben war, entspann sich
zwischen uns und unserem Gönner ein sehr ernstes Gespräch
über die Mittel Bomu's, sich wieder zu seiner früheren Grösse
emporzuschwingen, — wobei natürlich das Prinzip dieser ver-
heerenden Rhasien und Sklavenjagden zur Sprache kam und
dagegen der Grundsatz einer wohlgeregelten Regierung, so-
wie auf Herrschaft und dauernde Eroberung abgesehener
Kriegszüge aufgestellt wurde. Besonders machte ich den
Vezier darauf au&nerksam, dass es, da sie den Türken ein-
mal nicht trauen könnten, ihr erstes Interesse hätte sein sol-
len, sich den grossen südlichen Strom, welcher ihnen leicht
Alles, dessen sie bedürfen möchten, aus Europa zuführen
könnte, frei zu halten. Er schob die ganze Schuld auf die
früheren Sultane des Landes; aber die armen Leute liatten,
als sie das Land der Köana beherrschten, wohl keine Idee
davon, dass der dieses Gebiet durchschneidende Strom di-
rekt dem Meere zuflösse, und wenn sie es ahnten, so war
der feindliche Gegensatz zwischen Isslam und Christenthum
I
124 V. Kapitel.
ZU damaliger ' Zeit noch so gross, dass sie eben aus dem
Grunde, weil jener Strom den Christen einen leichten Zu-
gang in ihr' Land eröffnete, jede engere Verbindung mit dem-
selben für sehr gefährlich halten mussten. Jetzt ist dies
aber ^anz anders, und es ist gar keine Frage, dass ein
energischer Häuptling vom Benue aus ganz Central -Afrika
beherrschen könnte. Energie ist jedoch leider gerade das,
was diesen Leuten fehlt.
Herr Dr..Overweg betonte bei dieser Gelegenheit in einer
begeisterten Rede die Abschaffung des Sklavenhandels, wo-
gegen der Vezier geltend machte, dass ihm die Sklaven die
Mittel an die Hand gäben, Feuerwaffen zii kaufen. Da hatte
er gerade den Nagel auf den Kopf getroffen ; denn eben die
Begierde nach den Feuerwaffen der Europäer hat den Skla-
venhandel an der ganzen Westküste hervorgerufen. Aber
wozu wollen diese Leute Gewehre haben ? Nicht um sich da-
mit eine überwiegende Herrschaft zu verschaffen, sondern
besonders eb^ desshalb, um wieder Sklaven einzufangen und
mit einem guten Vorrath dieser schmählichen Handelswaare
sich diejenigen Luxusartikel Europäischer Civilisation zu ver-
schaffen, mit welchen sie. bekannt geworden.
Indem ich also auf die Ansichten unserer Freunde ein-
ging, erklärte, ich dem Vezier, dass ihr Land gar vieles
Andere erzeuge, wofür sie Feuerwaffen erhalten könnten,
ohne alle ihre Nachbarländer wüste zu legeji und Noth und
Elend über so viele Tausende zu bringen. Ich erzählte auch
von den letzten Unterhandluilgen mit Dahome, wo dann
unser Freund bestimmt erklärte , dass , wenn die Englische
Regierung ihnen 1000 Gewehre und 4 Kanonen geben könne,
sie den im Handelsvertrage schon von Richardson als zu ge-
fährlich ausgelassenen Artikel über die Abschaffung des Skla-
venhandels sotori, unterschreiben wollten. — Könnten sie
sich mit dem Benue in Verbindung setzen,, so wäre dies et-
was Leichtes: durch das Gebiet der Türken aber imd durch
Abftchaffang des SklaveDhan^^ls in Börnu. 125
die Wüste eine solche Menge von WaflFen zu schaflfen, würde
keineswegs ohne Schwierigkeit soin. Und die Hauptsache
ist die Frage nach der Dauerhaftigkeit dieser Dynastie. —
Der Vezier seihst uhteriag schon nach .2 Jahren, und
Scheich 'Omar, der nun wieder zur Herrschaft gekom-
men , wie lange wird er sich ohne eine feste Stütze halten ?
Aber der Sklavenhändel ist jetzt wenigstens faktisch, wie es
•
scheint) an. der .Nordküste abgeschafft und es muss dieser
Umstand besonders auf das ganz in der Mitte gelegene Börnu
einen sehr grossen Einfluss ausüben — besonders wenn jetzt
endlich wirklich ^in regelmässiger Verkehr auf dem Benue
emgeleitet wird.
Es war unsere Bestimmung, hier mehrere Tage liegen zu
bleiben; denn während* sich, das eigentliche Kanöri-Volk
schon ziemlich zusammengefunden hatte, waren erst höchst
wenige Schüa angekommen, die meist in diesen südöstlichen
Gebieten des Landes wohnen. In der.That ward unser La-
ger, dessen südwestlicher Theil, wo wir gelagert waren,
schon von vornherein nicht sehr weitläufig gewesen war, von
Tag zu Tag enger und Mancher irrte ruhelos umher. Einem
angeseheneren Manne unter diesen neu angekommenen Schüa,
Namens Hadj Hamadän, von den Ha-ssünna, der von seinem
gewöhnlichen Wohnsitz im Wadi Guskäb , im fernen Osten ge-
legen, auf einige Zeit nach Loggene gekommen war, wo er Ver-
wandte hatte, erzeigte ich eines Abends Gastfreundschaft.
Aber die Schüa haben, wie ich schon bei anderer Gelegenheit
bemerkt habe, in ihrem Charakter ietwas entschieden Jüdi-
sches und ergreifen, wenn man ihnen einen Finger reicht,
nur zu leicht die ganze Hand ; sonst würde ich mich näher mit
ihnen eingelassen, haben. . ..
Ih e Einwanderung in diese Gegenden , die wenigstens vor
mehreren Jahrhunderten erfolgte, ist sicherlich nicht ohne In-
teresse, und sie bewahren, wie icfh schon andergwo bemerkt,
den 'charakteristischen Typus* ihrer Rasse sehr Bestimmt. Ihr
I
126 V. Kapitel.
Arabischer Dialekt ist sehr eigenthümlich, und während er An-
spruch auf eine ungleich grössere Reinheit macht, als das ver-
dorbene Patois des Maghreb, yorzüglich durch Beibehaltung
der reichen Verbalformen, so hat er doch im Anfang etwas
überaus Auffallendes durch die scharfe Vokalisirung und
ihr ewiges „kutsch, kutsch" — «ganz und gar" — und „ber-
ketek" — „zu Gnaden" — , das sie wahrhaft lächerlich hin-
ter jedes dritte Wort einschieben. Ein so knechtisches Kom-
pliment haben sie oflFenbar in der unterthänigen Stellung ge-
lernt, in der sie in diesen Negerländem stehn, obgleich sie
hier in Bornu noch ziemlich glimpflich behandelt werden, be-
sonders seitdem ihnen durch Tiräb, der zu den Sdlamät ge-
hörte, die höchste und einflussreichste Würde im Lande zu
Theü geworden ist. Aber wir werden sehn, wie schlecht sie
noch heute in Wädäi behandelt werden.
Von Kanon ^Leuten fehlten ausser kleineren Trupps nur
noch die beiden Kaschella's 'Ali Marghi und Djerma; sonst
waren mit Ausnahme von Kaschella Mdnso, meinem gast-
freundlichen Wirthe in Surrikulo, dessen Anwesenheit an
seinem Posten der Tuareg halber zu wichtig war, alle Ka-
schellanate und Truppenabtheilungen von diesseit des Komä-
dugu versammelt. Denn von Yen, Ghäladl und Damägherim,
das heisst den Provinzen jenseit des Komädugu, ist Niemand
verpflichtet, an diesen Kriegszügen des Scheichs Theil zu
nehmen, sondern Jeder bleibt auf seinem Posten.
Eine höchst eigenthümliche und auffallende Erscheinung
im Lager war ein Targi-Bote, der in Folge der oben ange-
deuteten Friedensvorschläge nach Kükaua gekommen war und
den der als zeitweiliger Viceregent dort zurückgelassene
Mallem Mohammed dem Heereszuge nachgesandt hatte.
Die Stadt Diköa, die oft als Residenz der Könige von
Bornu gedient hat, war wohl einiger Aufmerksamkeit werth,
und am Nachmittage unseres zweiten Rasttages stattete ich
ihrem Inneren einen Besuch ab, wiederum in Gesellschaft
Das Innere der Stadt Dfköa. 127
Blllama^s. Wir ritten zum westlichen Thore hinein, wo ich
dann sah, dass die Mauern, die wohl 30 Fuss Höhe haben,
im Inneren, gleich denjenigen der Hauptstadt, abgestuft sind
und unten eine ansehnliche Breite haben; sie waren übri-
gens in bester Ordnung.
Sobald wir das Innere betreten hatten, fielen mir die hohen
und der Spitze ermangelnden — „kögi ngmibe" — , oben ganz
abgerundeten Hütten auf, wie ich deren schon in anderen Städ-
ten bemerkt hatte, und je weiter wir kamen, um so besser
gefiel mir das Innere der Stadt, wie mir ihr Äusseres gleich
beim ersten Anblick durch seine Grösse imponirt hatte. Grosse,
weitkronige, herrliche Bäume, als Ngäbore (Ficus), Tschedia
(Kautschuk) und Küma, breiteten ihren Schatten überall aus
und gegen ihre breite Laubkrone bildeten 2 oder 3 ver-
einzelte Gonda oder, wie der Kanöri sie nennt, „bam-
büs Mdsarbe" (Garica Papaya) mit ihren eigenthümlichen
federartigen Kronen und ihrem glatten, jungfräulichen Stamm
einen lebendigen Gegensatz, während die Hecken und Um-
zäunungen der Höfe zum Theil von der „dagdägeF^ einer
üppig hinrankenden Schlingpflanze, belebt waren. Der
eigentliche Kern der Stadt schien ganz aus Thonwohnungen
zu bestehen.
So kamen wir zum Hause des Statthalters — „mainta" — ,
der eine gewisse Unabhängigkeit geniesst und dem ich, wenn'
ich ein anständiges Geschenk bei mir gehabt hätte, einen
Besuch gemacht haben würde. Ganz fürstlich war der von
der herrlichen Krone einer Besina elastica (der schönsten,
die ich in Bornu gesehn habe) beschattete und mit Pferde-
bäumen — „dateram" — versehene kleine Platz vor seinem
Hause, der „fäge" — „oflfene Rathssaal'' — ^ von einem grossen
Kreise Menschen besetzt, unter denen eine Bande Musik auf-
spielte.
Die Stadt hat wohl nicht unter 25,000 Einwohner, deren
Hauptbeschäftigung Baumwollenweberei ist, aber es ist hier
I
128 V. Kapitel. ~
selbst eine Pulverstampferei ; denn Pulvermählen gibt es hier
noch nicht, sondern das Pulver wird iA einem grossen höl-
zernen Mörser gestampft, und ich kam in der Folge in Ba-
ghfnbi jedes Mal, wenn ich meinen gebrannten Kaffee stam-
pfen liess, da ich keine Kaffeemühle besass., in den- Ver-
dacht, Pulver zu bereiten.
• • •
Leider wai" durch die Anwesenheit des Heeres die fried-
liche Beschäftigung der Einwohner gestört, und anstatt des
Klopfens von Geweben, das in vielen Städten Sudans einen
so angenehmen, reges gewerbliches Leben veranschaulichen-
den Ton hat, hörte man nichts als den Schall des. Pulver-
stampfens, der aus einer auf sehr ^fachep G^iTLndsätzen be-
ruhenden Pulverfabrik, wo 8 Sklaven beschäftigt waren,
hervorschallte.
So setzten Billama und ich unseren Ritt nach dem kleinen
Nachmittagsmarkt — „durria" — fort, fanden ihn. aber
augenblicklich, wo jdas Heerlager das Stadtleben ganz in den
Hintergrund drängte und wo die Bewohner sich wohl nicht
ganz ohne Grund vor Gewaltthätigkeiten fürchteten, unbedeu-
tend. Die Stadt gefiel mir so wohl, dass ich nicht umhin
konnte, einem Diköaner, der meinen Begleiter begrüsste, mein
Wohlgefallen mit „atema billa ngiUa" — „das ist eine schöne
Stadt" — auszudrücken, worauf. er in stolzem Bürgergefühl
entgegnete: „äte billa deka geni, dte billa maiwa" — „das
ist keine Landstadt, das ist eine Residenz" — .
Nahe bei dem Nordnordwestthore sah ich sqhr viel Ka-
räss (Hibiscus esculentits) in den die Hüttea umgebenden
kleinen Höfen. Wir wollten eigentlich von hier unseren Weg
nach dem westlichen Thore fortsetzen, als wir draussen eine
Reiterschaar herankommen sahen und 'Abd e' Rahmäu, den
Bruder Scheich 'Omar's erkannten , der vielleicht nicht in
den besten Absichten hierher kam. Während ich daher mei-
nen Weg langsamer fortsetzte, ausserhalb der Stadt mich
nach Osten wendend, eilte Billama, dem Kronprätendenten.
Der Flti88 T^oft bei Diköa. 1S9
den üblichen Beitergruss zu bringen. Wir ritten dann über
Nord nach der Südwestseite ' der Stadt hin , die in ihrer
ganzen ansehnlichen Länge vom Lager eingenommen war,
das von den an der Mauer befindlichen Schutthaufen aus
einen interessanten Anblick darbot. In der That hatte d^r
nordöstliche Theil, der von grossen Bäumen beschattet
wird, einen bei weitem anmuthigeren Charakter als derje-
nige, wo unsere Zelte standen. Es fiel mir auf, dass die so
völlig viereckige Stadt doch so unregelmässig orientirt ist,
ziemlich nach halben Himmelsgegenden^ imd ich glaube bei-
nahe, dass dies absichtlich geschehen ist, um Yortheil und
'Nachtheil der jedesmaligen Richtung gleichmässiger unter die
Einwohner zu vertheilen. Die Stadt hat auf jeder Seite
nur Ein Thor, auf der Südostseite hingegen, nach der Seite
des Marktplatzes, besitzt sie zwei Thore.
Aber um den Lebenskreis der Bewohner von Diköa recht
zu würdigen, war es nöthig, den südöstlich von der Stadt
nahe vorbeiziehenden „komadugu^', den Yäloe, zu besuchen,
und ich machte mich am Nachmittag des 4ten Dezember
dorthin auf. Er war an dieser Stelle etwa nur 2 Engl. Mei-
len von unseren Zelten entfernt und zog hier von Süd nach
Nord durch dichte Waldung hindurch; das eigentliche Bett
war etwa 20 Klaftern breit und von 12 — 15 Fuss hohen Ufern
eingeschlossen, an denen sich ein ununterbrochener Saum
der herrlichsten Baumkronen mit dem frischesten Laube hin-
zog, meist FtctiS' Alten ^ besonders die mit der Tamarinde
wetteifernde „ngdbore". Gegenwärtig jedoch enthielt dasselbe
nicht mehr einen zusammenhängenden Wasserstrom, sondern
war in mehrere völlig abgesonderte Wasserpfuhle von 1 bis
1^ Fuss Tiefe zerrissen. Dennoch aber war das Wasser kühl
und selbst wohlschmeckend, obgleich es keineswegs sehr rein
war und bei .der grossen Menge Pferde, die täglich darin ge-
tränkt wurden, auch gar nicht rein sein konnte. Wie ich
schon so oft erwähnt habe, sind es gerade diese stehenden
Btf1k*t BdMD. in. 9
laO y. Kapitel.
•
Wasserpfuhle, die im Sudan so viel Krankheiten erzeugen', be-
sonders den Guinea- Wurm und sonstige Hautausbrüche.
* Dies ist derselbe Komädugu, den wir schon auf der Reise
nach Adamaua im Gebiete von Udje kennen gelernt haben.
Über seinen unteren Lauf aber sind die Angaben nicht ganz
übereinstimmend. Wir werden nämlich im weiteren Verlaufe
unserer Unternehmung die Angabe des Hadj Edriss, „dass er
von hier nach Misne, Yon da nach Large zöge, beide Ort-
schaften etwas westlich lassend, dann aber westlich an Hok-
kum entlang in den Tsäd fliesse^\ etwas modificiren müssen;
denn die kleine zeitweilige Wasserrinne zwischen BiUa Bü-
tübe und Hokkum ist kaum geeignet, den ansehnlichen
Wasserstrom, den zuweilen der Yaloe bilden muss, in den
Tsäd abzuführen.
Die beiden Ufer waren jetzt dicht von Pferden und
Rmdem bedeckt, die sich hier am reichen Grase labten,
und kein schattiger Baum war zu finden, wo sich nicht
eine Truppe Kanembü oder Kanöri behaglich gelagert hätte.
Überall war das Dickicht von BaumwoUenfeldem unter-
brochen, die den Reichthum von Diköa ausmachen; aber ich
wunderte mich nicht wenig über deren gänzlich verwahr-
losten Zustand. In der That nicht allein Unkraut, sondern
hohe Büsche und Bäume unterbrachen überall die Baum-
wollenstauden und gestatteten ihnen kaum Raum, sich aus-
zubreiten. Dennoch aber bezeugte ihre Fülle, welch' ein
unendlicher Wohlstand in diesen Gegenden begraben liegt.
Undurchdringliches Dickicht machte zuletzt meinem Vordrin-
-gen ein Ende imd ich kehrte auf einem anderen, westlicheren
Pfade zurück, während ich unwillkürlich im Stillen über den
stärkeren Sinn der alten Bomu-Könige für Naturfülle und
Naturschönheit nachdachte, da sie ihren Sitz in den be^
günstigteren Gegenden ihres Reiches aufschlugen, wie Ghasr-
Eggomo und Diköa, während die jetzige Residenz in der
einförmigsten, trostlosesten Cregend gewählt ist Die Lage
Der Wochenmarkt in DfkSa. 131
•
von Ghasr-Eggomo scheinen sie sogar durch mehrere künst-
liche Becken, in die sie den Fluss ableiteten, verschönert
zu haben. In der That, der als Mensch und Fürst ausge-
zeichnete König Edriss Alaöma konnte, wie sein Geschicht-
schreiber, der Imäm Ahmed, berichtet, als er die Stadt Fika
im südwestlichen Theile seines Reiches besuchte, nicht um-
hin, den berühmten Bergsee, der in. einiger Entfernung da-
von hegt, zu besuchen. — Ein reicher Lebenskeim liegt in
diesen Wasserläufen, und ich bin überzeugt, er wird einst
geweckt werden.
Während ich' so nach unserem Lagerplatz zurückkehrte,
kam ich an dem täglichen Nachmittagsmarkt -r „durria" —
vorbei, der hier an der westlichen Seite des Lagers gehal-
ten wurde und recht belebt war. In der That blieb er
wenig hinter demjenigen der Residenz selbst zurück, und
dies war keineswegs zu verwundem, da hier an Menschen
wenigstens ebensoviel und an Pferden unendlich viel mehr
versammelt war, als die gewöhnliche Bevölkerung von Kü-
kaua beträgt. Nicht allein Korn, Fleisch, Bohnen, Erdnüsse
und sonstige Lebensmittel waren hier zu haben, sondern
auch kleine Luxusgegenstände, und ein reger Tauschhandel
ging vor sich^ da es den Käufern an Geld mangelte, sowohl
Muscheln („kungona"), als Baumwollenstreifen („gabagä").
Ich bemerkte auch, dass besonders auf dieser Seite, wo das
Lager von dichter Baummasse ganz hart begrenzt wurde,
eine lebendige Umscldussmauer von leichten Kanembü ge-
zogen war, welche die Wache hatten. Denn obgleich wir
noch mitten im eigenen Lande waren, so fangt doch bei
der unenergischen Regierungsweise schon hier einige Un-
sicherheit an, und gleich am ersten Abende unseres Lagems
an dieser Stätte war der Ausruf oder viebnehr Tronmielruf
— „gangema" — durch das „ngaufate" gegangen: „Jeder
solle vor Pferdedieben auf seiner Hut sein."
Übrigens war unser Aufenthalt hier ganz interessant, obgleich
9»
ir^ iTAT ii^%uuj^ viärufi dtflGssaeBBaBiiai ^sifibaiAa^iEiiJ
^^^''^^ ^^^»»nmm «uwffiadk Ik^Minnki vs4. Wir iSanda sät
4>w vAii^itii vuj 4w V^wr «f <i« fi>i(irhiftiriilnvn.r«6ift,
«Aldi ijl^ Hr>C^|«i^tt^ mvd ba Seite scsetit. is daa ö&ic-
Fr^!3iiff4«(«u 4*1^ il«: friuu^fiklive iQ3ti& bei $j^ fiUa aofiD-
^$f^ mi «iMf*rr^ v#Jk«NW Usterpdb» «ad üntierlMiscii aasfaal-
((TU. v/4i^ ihum ^kr dbnrordige Hadj Ed[n«& den köni^icbeii
Wäx^iMT ^^^#. In Afr Tkat w^u* es Tergno^icli. zn sehn.
wi^ 4^ Kdi^rb kmuHU Minkter beneidete, ab er eines Tass
v^ri^r AmiM; mit *iti^ eng amdblies«enden. beha^bJi wannen
tUiU^jsu^i IfM^nAei «ah, und er mbete nicht eher, bis aneh
<(!T d^ri t»^i warma» Klei/langjsi>tär:k rem nns erhalten hatte.
i^tit^m tu Kit hatten wir oaserem alten Freonde Annör
tirid ntnuim zahlreichen Verwandten mit unseren Tüiidschen
^it^Utti HUMhilUm rnÜM^en, aber bis zur Unterjacke und Un-
UtfWm*, mufifti wir hi« jetzt noch nicht herabgestiegen. Xa-
iürlU^h liatUfTi Aumt Bomu- Fürsten Überfioss an Eleidong,
ttt>4fr KWitn war weit und wenig auf Kälte berechnet, und ich
\m\Ht %i'\itm riiifhrfach angejfutirt, wie empfindlich der Afri-
kaiM;r g^^g^m die Kälte ist; auch bin ich davon überzeugt,
(IfiMH in (bfn ludssen Gegenden Central-Afrika*s eine gute La-
dung wurmen (Jnter/x*ugCH schnellen Abgang finden würde,
ziitfial wenn sie während des Monats Dezember oder Januar
einiriifR. Dagegen bewirtheten auch jene uns nach Kräften,
und ich war dem Vezicr sehr dankbar für einen Hut Zucker,
womit er meinom Mangel abhalf; denn nichts ist in diesem
Lande erfnmlicticr, als eine Tasse wohlschmeckenden Kafiee's,
b gleieb clor Zuciker natürlich zur Noth entbehrlich ist. Auch
war OK inU^rc^HHant zu sehn, wie eifrig unser Freund bemüht
war, uuN j(ule irgend erwünschte Mittheilung zukommen zu
loMNen.
Notis über A'mba-S8Ambo*B Heereszug. 133
In der That liess mich der Vezier eines Abends in aller-
grösster Eile rufen, als sollte ich ihn vom Tode erlösen, imd
was war es? Es war ihm einBomauer in die Hände gekom-
men, der ebenfalls, wie mein alter Freund, der Millem Ka-
töri, den bedeutungsvollen Heereszug A'mba-Ssambo's an die
Meeresküste mitgemacht, aber, während Katöri dann mit
dem Haupttheil des Heeres nach Mbäfu gegangen war, so-
gar noch die Ufergrenze mit überschritten und nach lötägi-
ger Fahrt (an klippiger Küste entlang) eine Insel überfallen
hatte, wo sie eine Menge Gewehre erbeuteten, deren Besitzer
— insgesammt Leute in Jacken — in ein grosses Schiflf ge-
flohen seien. Das Schiflf war der Beschreibung nach ein
Europäisches; denn von der Kleidung jener Leute allein
lässt sich noch nicht auf Europäischen Ursprung schliessen,
da auch viele Eingeborene an jenen Küsten umher Euro-
päische Kleidung tragen. Ich bin jedoch darüber nicht ganz
gewiss, ob sie einen grossen Fluss oder die oflfene See be-
schiflften. Jedenfalls ist dies ein Faktum, welches grosses In-
teresse erregen musste ; aber ich glaube kaum, dass einer der
Stiitthaltcr von Adamaua sich so bald wieder an's Meer wa-
gen wird, nachdem sie ein Englisches DampfschiflF den Fluss
hinauf bis an die Grenze ihres Landes haben kommen sehn. —
Derselbe Kanöri- Kriegsmann theilte mir auch mit, dass bei
jenem Heereszuge alle Pferde an Würmern gestorben seien.
Bei dieser Gelegenheit erzählte ich dem Vezier von der
eigenthümlichen Meeresherrschaft des Imäm von Maskat,
was ihm, als ein bisher ganz unbekanntes Faktum, ausser-
ordentliches Interesse gewährte. In der That, so wie im
Mittelalter die Araber, selbst die im fernen Westen, durch
die Reisen des unternehmenden Ebn Batüta und ande-
rer wackerer Männer über die Ostküste dieses Kontinentes
bessere Kenntnisse besassen, als die Europäer, so ist hier
jetzt alle Kenntniss jener Gegenden verschwunden, und ich
werde es nicht leicht vergessen, mit welchem Erstaunen die
184 y. Kftpttel.
Araber in Timbuktu meinen Angaben über die Sitze und die
Macht ihrer Glanbensgeüossen in jener Gegend zuhörten und
sich einer wahrhaft kindischen Freude darüber überliessen,
dass es selbst in Gegenden, die sie nie nennen gehört, Mosle-
min gäbe. Nur in Sokoto traf ich einen Mann, der noch Sso-
fäla dem Namen nach kannte; es war der gelehrte Kaderi
CAbd el Kader) dan TäflPa (Müstapha). —
Auch Billama kam häufig und gab mir manche neue 6e*
lehrung. Östlich (ein wenig nördlich) von Diköa liegt in
geringer Entfernung die ebenfalls mit einem Erdwall umge-
bene Stadt Adjin, welche dem Absa gehört, während Diköa's
Einkünfte dem Mala Massa Mdndara zufliessen. Diese bei-
den Städte sind Yon Kanori bewohnt, während die ebenfalls
lunmauerte Stadt. Gaüa, die etwa 2 Stunden westlich (etwas
südlich) von Diköa liegt, von Gdm-erghü bewohnt wird und
Residenz eines kleinen eingeborenen Statthalters dieses Vol-
kes ist, Namens Billama Ssära; der kleinere Herr, Billama
Djakoe, hat seinen Sitz in Degimba*). Ich erfuhr noch bei
dieser Gelegenheit, dass die Gäm-erghü keinen anderen Tri-
but zu liefern haben, als Butter.
Ausserdem hatte ich mich jetzt mit vollem Eifer auf das
Studium der Kanöri-Sprache gelegt **), die mich erst durch
die Schwierigkeit ihrer grammatischen Formen abgeschreckt
hatte, und ich konnte keinen besseren Lehrer haben, als
. *) Siehe, wa8 ich im zweiten Bande über diese Gegend gesagt habe.
♦*) Mein Kanöri- Wörterbuch wird mit meinen anderen Wörterbüchern sehr
bald nachfolgen; denn obgleich es sich in manchen Beziehungen nicht mit
Köllo's vortrefflichen Arbeiten messen kann, so ist e« doch auch in anderer
Hinsicht viel reichhaltiger, besonders in nationalen Beziehungen, und gibt für
die meisten Ausdrücke die allgemeiner gebräuchliche Aussprache. Kölle hat
den grossen Nachtheil, sein Wörterbuch nach den- Aussagen .eines einzigen
Mannes niedergeschrieben zu haben, der Über 20 Jahre von seiner Heimath
getrennt gewesen ist. Die schwierigeren und verwickeiteren Aoristformen,
wie sie der rerdienstvolle Missionar in seiner Grammatik gibt, gestehe ich,
nie im Gebrauch gefunden lu haben.
Stadium der Kanon-Sprache.
135
den gebildeten Hadj Edriss, welcher selbst ein Kanöri war
und viele Jahre im Oriente, besonders in Medina, gelebt
hatte, wodurch er, so zu sagen, halb arabisirt war» Ich
werde später etwas über die „Nadelpension" sagen, auf die
ich diesen respektabeln alten Bettler gesetzt hatte.
»
M.K.
Die OremxIam^sehftftciL der Schäa.
[H<mnahendj ß*^ Dezemler.] Endlicli Teriiessen wir unser
Lager bei Dikoar — noch immer in roOs^diger Ungewiss-
heit, ob es gegen Mandara f^andala> ginge, da sich der
Saltan diese» kleinen, aber Ton Berggmppen gut beschützten
I^andr^ noch immer nicht unterwerfen wollte. Die ron dort
herkommenden Gerüchte waren in der That der verschie-
dfmst^^ Art, und einen Augenblick war der kleine Herr je-
nrrs I^indes — wie es schien — wirklich zum Widerstände
(jntwrhloHWjn und hatte sich auf die Bei^e zurückgezogen, zu*
grosser lV;unnihigung Hadj Beschir's, der mich und Herrn
I>n Overweg angelegentlich fragte, was nun zu thun sei und
wie man den Feind mit der Reiterei auf den Bergen angrei-
ffrn könne. Denn die Stärke der Kanöri, so viel sie davon
norh besitzen , beruht fast allein auf ihrer Reiterei , da die
frühen'. Vortrefflichkeit der Kanembü - Infanterie, welche nur
auf der enthusiastischen Anhänglichkeit zu ihrem Führer
bestandc^n zu haben scheint, längst (mindestens seit dem
Sturze der alten Dynastie) verschwunden ist, und am we-
fri^Mt<?n konnte der Vezier bei diesen Leuten Sympathie fin-
den, (bi d(?r grösHt(5 Theil von ihnen eine entschiedene Vor-
lieb(5 für 'Abd cj' Rahmän hatte. Die Berghöhen Mandara's,
HO w(!it u'li Mi(5 aus Denham^s Beschreibung kannte und nach
«I<?ni, was ich von den westlich angrenzenden Höhen auf
meiner Heise nach Yöla gesehn hatte, schienen allerdings
Lager bei AYage. 137
für Kavallerie nicht zugänglich zu sein, ja kaum für eine so
unbeholfene und des Bergsteigens ungewohnte Infanterie, wie
die fast nur an Ebenen gewöhnten Kanembü und Kanöri
sind.
Das ganze Land war, als wir am Morgen aufbrachen, in
dichten Nebel gehüllt und dadurch wurde die Passage des
Komadugu, welche im ganzen Heere eine grosse Stockung
verursachte, um so schwieriger. Wir hatten dann einen
dichten, aus Bito's (Bcdanites Aegyptiacus) und Kindins
(Mimosa) bestehenden Wald zu passiren und hierauf wur-
den wir zur Linken eine umwallte Stadt gewahr^ über deren
Mauern reichkronige Bäume anmuthig herüberragten; es
war A'fage, eine ansehnliche, jedoch hinter Diköa zurückste-
hende Stadt. Nach nur kurzer Unterbrechung folgte . ein
anderes Städtchen zur Rechten, Namens Kodege, dessen
Mauern sich jedoch in gänzlich verfallenem Zustande be-
fanden; ihre Breschen waren augenblicklich dicht mit Zu-
schauem und Zuschauerinnen besetzt.
Schon zu früher Stunde lagerten wir uns westlich von So-
igoma, einer anderen ummauerten Stadt; aber der Lager-
platz war, wie es schien, etwas sonderbar gewählt, da es
hier kein Wasser gab und die Pferde desshalb insgesammt
nach Äfage zur Tränke zurückgeführt werden mussten.
Ich hatte kaum mein Zelt aufgeschlagen, als der grau-
same Polizeiminister Lamino — „kärgo dibbi, kindi dibbi",
wie sich Hadj Edriss über ihn ausdrückte — einen grossen
Raubmörder Namens Barka-ngölo, der mit seinem Nacken
in die schwere, 4 — 5 Fuss lange Holzklemme gespannt war,
mir vorführen und ihn zu seiner und, wie er meinte, auch
meiner Belustigung sich mit einem anderen ebenso einge-
klemmten Sträfling gegenseitig durchpeitschen li^ss. Um ihn
los zu werden , beschenkte ich ihn als Anerkennung für die
verschiedeneu Gerichte, welche er uns gelegentlich zuschickte,
mit einer ansehnlichen Menge Nelken iiir seine in der Koch-
t
188 TL Kapitel.
kunst wohlbewanderte Aäischa, und er wiederholte mir mit
verliebtem Lächeln, dass er sie sehr lieb habe und „sie ihn
auch", dies sei doch das Schönste auf Erden. So sentimen-
tal war diese dicke, nichts weniger als liebenswürdige Fleisch-
masse, und ich war* froh, als er sich entfernt hatte.
Wir näherten uns jetzt feindlichem Lande, und am Abend
erscholl das „gangema" durch das Lager: die Kameele, de-
ren Tross bisher die Eeiterei sehr gehemmt hatte, sollten sich
erst nach dem Aufbruch der letzteren in Bewegimg setzen.
Später hatten wir noch eine belebte Unterhaltung beim Yezier
über die ersten Anfange des Scheich Mohammed el Känemi,
welche ich oben bei der (reschichte Bomu's benutzt habe.
Sögoma ist in dieser Richtung die letzte Stadt auf Bömu-
Gebiet, und wir lagerten uns am folgenden Tage in einem
Distrikte Namens Mä-ssa, nahe bei einem dicht mit Wasser-
pflanzen — namentlich der Pistia stratiotes — angefüllten
Sumpfwasser, bei dem in einiger Entfernung mehrere Schüa-
Weiler umherlagen. Auf dem Wege passirten wir etwas
Baumwollenbau und Stoppelfelder. Hier (in Md-ssa) wird
hauptsächlich „ssabade" (Sorghum saccharatum) *) gebaut,
das süsse Indische Korn, yon dem mir schon in Diköa mein
Freund Mala Ibräm ein grosses Bündel zugeschickt hatte;
einige von diesen Rohrhalmen waren 14 Fuss lang, was mich
damals in Erstaunen setzte, mir aber hernach im Vergleich
zu dem baumhohen Rohr, das ich in den Thälem von Kebbi
antraf, gering erschien. Auch diesen Abend traktirte uns
der Vezier mit dem Marke solchen Rohres, das in schnee-
weissen Stangen von etwa 8 Zoll Länge sauber auf einem
Strohteller präsentirt wurde. Das Gespräch kam auf diese
Weise natürlich auch auf die Gewinnung des Zuckers, eines
Artikels, welcher den Grossen dieser Länder als eines der
*) Dies ist das „takanU'' der Haussaua, welches gewöhnlich für Zucker-
rohr genommen wird.
Znckergewiiinutig im Sudan. 189
edelsten Erzeugnisse Christlicher Industrie erscheint^ — bis
sie e]^ahren, auf wie unheilige Weise er gereinigt wird, wor-
auf sie dann in die missliche Alternative gerathen, ob sie die-
sem Genüsse entsagen oder sich über die Skrupel ihres
Glaubens hinwegsetzen sollen.
Das „ss&bade" würde jedenfalls einen reichen Ertrag an
Zucker liefern; wir haben aber gesehn, dass in einigen Ge-
genden des Sudans Zuckerrohr wild wächst, und werden bei
Sökoto eine kleine Zuckerplantage nebst Raffinerie finden,
betrieben von einem PuUo, der 25 Jahre in Brasilianischer
Sklaverei gelebt» hat.
Unsere Unterhaltung in diesen Afrikanischen Soireen beim
Vezier ward zuweilen so gelehrt-, dass selbst Ptolemäus mit
seinem jyMandaros oros'* herbeigezogen wurde. (Es ist für
den Archäologen, welcher alte und neue Namen so gern mit
einander in Verbindung bringt, sehr Schade, dass dieser Berg,
'anstatt mit dem „Mdndara" genannten Wandala-Ländchen zu-
sammenzufallen, fem am Atlantischen Ocean seine wirkliche
Lage hat.) Unser Wirth fand grosses Vergnügen an jeder
Art Belehrung, nur fehlte ihm leider die männliche Energie,
etwas auszuführen.
[Montag, 8ien Dezember,'] Wehe den Gegenden — selbst
in Freundesland — , durch welche hier ein Heereszug seinen
Weg nimmt! Wir passirten heute einige ausgedehnte Ge-
treidefelder, die in voller Pracht standen; aber ihre reich-
sten Ähren fielen trotz alles Schreiens der auf hohen Ge-
rüsten sitzenden Sklaven den hungrigen Reitern zu ihrem
und ihrer Thiere Unterhalt anheim. Diese Gerüste heissen
hier „görgo", und anstatt dass — wie ich das schon an-
derswo beschrieben habe — die an denselben befestigten
Stricke blos mit einem vegetabilischen Stoffe bestrichen sind,
was verursacht, dass sie, in Bewegung gesetzt, einen die
Vögel verscheuchenden Schall hervorbringen, sind hier hohle
Gefässe — „käre" — daran befestigt.
I
140 Tl. KspitsL
Das I^ager ward bei den zerstreuten Weilem Ton Dele oder
Delhe bezogen, einer schon von Denham anf seinem unglück-
lichen Mindara-Zoge berührten, aber wie die ganze Strasse
Tiel zü weit südlich verlegten Ortlichkeit.
Die Hütten in diesen Schüa- Weilem haben insgesammt ein
hohes, znckerhotartig abgemndetes Dach mit muregelmässig
aufgelegtem und von Stricken festgehaltenem Kohrwerk, wie
ich das schon anderswo beschrieben habe; hier aber ist die-
ses Dach gewöhnlich sehr freundlich mit den Ranken der
,^sagade'^ oder ,,knbewa" geziert Diese gekocht überaus
wohlschmeckende Kürbisart ist der Cucurbita Mdopepo eng
verwandt, wenn nicht mit ihr identisch, und auch in Timbuktu,
wo sie das Hauptgemüse bildet, überaus häufig.
Die lange Regenzeit erfordert hier, wie in Adamaua, Stal-
lungen für das Vieh, und dies sind umfangreichere Hütten von
ähnlicher Bauart wie die vorerwähnten, nur dass die unteren
Tlicile der Wände nicht aus Thon bestehen, sondern einen halb
offenen Verhack aus Baumstämmen bilden. Die hier sowohl
wie im benachbarten, nach dem Hadj A'maka benannten, Wei-
ler angesessenen Schüa heissen Bulgöa oder 'Auissia^ und ich
erfuhr hier manches Neue über die verschiedenen Stamm-
abtheilungen dieser interessanten Arabischen Kolonisten im
Negerlande , werde jedoch Alles bei einer anderen Gelegen-
heit zusammenstellen. Unser Lagerplatz war so dicht mit
Untergebüsch bewachsen, dass das Aufschlagen des 2Jeltes ge-
raume Zeit erforderte.
Die Verschiedenheit der Temperatur zwischen der Mittags-
liitze, wo wir um 2 Uhr Nachmittags im gelüfteten Zelte
stets 34^ bis 36^ Celsius hatten, und der Nacht, wo das Ther-
mometer oft auf 10° bis 12° sank, war so gross, dass ich
mir eine bedeutende Erkältung zuzog, und es war mir aus
diesc^m Grunde selir lieb, dass wir den folgenden Tag hier
liegen blieben. Der Vezier war so aufmerksam, als ich am
Abend aus seiner Soiree wegblieb, mir einen Sklaven mit
Lager bei Diggera. Grosse Kälte. 141
einem Räucherbecken zu schifcken; jedoch war der herrische
Bube sehr unzufrieden mit mir, da ich es nicht so machen
wollte, wie er es mir vorschrieb. Es ist nämlich Sitte bei
ihnen, wenn sie sich erkältet haben, nicht nur den Kopf
über ein Räucherbecken zu halten, was ich für genug hielt,
sondern auch, das Becken unter ihre weite Tobe setzend, mit
derselben alle Luft abzuschliessen und die ganze Rauchmasse,
indem sie die Halsöffiiung am Kopfe zusammenziehen, mit
dem Gesichte aufzufangen. Wirksam ist dies gewiss, aber es
war mir etwas zu viel.
[Mittwoch j 10^^ Dezember, \ Als wir unseren diesmal nur
kurzen Marsch fortsetzten, um das Lager nach dem nahen
Diggera zu verlegen, wechselten Wildniss — „karäga" — und
Ackerland — „külo" — mit einander ab. Bei ausseror-
dentliqh empfindlicher Kälte^ „so dass wir um 10 Uhr Vor-
mittags nicht mehr als 22^ C. im Zelte hatten" — ein Aus-
druck Afrikanischer, nicht Nord-Europäischer Empfindung — ,
blieben wir in Diggera die folgenden ö/fage liegen, und
glücklicherweise war unser Lagerplatz behaglicher, als bei
Dele.
Während dieser Rasttage unterhielt ich mich, wenn ich
nicht besondere Nachrichten zu sammeln Gelegenheit hatte
oder mit meinem Kanöri-Wörterbuch beschäftigt war, überaus
gern mit der Lektüre allgemeiner Lelirbücher, um nicht bei
der Anschauung dieser speziellen Verhältnisse das Allgemeine
zu vergessen. Leider hatten wir überhaupt nicht alle die
Bücher mit, die wir auf unserer Reise hätten brauchen kön-
nen; denn bei der gegenwärtigen Unternehmung konnte ich
auf meine einzige Kameellast nur sehr wenige mitnehmen. Ich
'fing hier auch mit Hilfe zweier Mandara-Sklaven mein Wör-
terbuch der Mandara-Sprache oder vielmehr der „ära Wdn-
dala" an, das ich später zu vervollständigen Gelegenheit hatte.
Unser Lagerplatz selbst hatte übrigens ein beträchtliches
Interesse, da er das erste vollkommene Beispiel jener flachen
142 VL KxpiUÜ.
stagnirenden Wasserarme darbot, die so ganz und gar cha-
rakteristisch für die Äqnatorial-Länder dieses Erdtheiles ^sind
und offenbar Anlass zu den verschiedenen Angaben über die
Richtung vieler Flussläufe gegeben haben. Man muss* jedoch
unterscheiden zwischen solchen Gev^ässem, die mit grösseren
Flüssen in unmittelbarer Verbindung stehn und sich oft pa-
rallel mit diesen, ganz wie die todten Hinterwasser am Ganges,
hinziehen, und eiölchen, die ganz unabhängig em kleines Was-
sersystem für sich bilden. Zu der letzteren Gattung scheint
dieses Sumpfwasser — „ngaljam", wie diese Art Gewässer
von den Kanöri genannt wird — zu gehören, obgleich einige
Schüa behaupteten, dass es bis nach dem Tsäd hinzöge. Kei-
nesfalls ist es unwahrscheinlich, dass diese Wassermenge nach
der Regenzeit gemeinschaftlich mit den Wasserbecken bei
Sengeri den Komadugu Lebai oder Lebe ganz vorzugsweise
speist. Dieses Wasser begrenzte südlich unseren Lager-
platz.
Ich wandte mich zuerst nach Osten, wo das „ngaufate''
bis hart an die herrlichen, das Wasser umgebenden Bäume,
meist Sykomoren — „ngäbore" .— imd Tamarinden — „tem-
süku" — reichte. Hier war es im höchsten Grade belebt
und fast unter jeder schönen Tamarinde war eine Gruppe ge-
lagert. Das Wasser war jetzt wahrscheinlich schon bedeutend
gefallen und nur an wenigen Stellen offen, im Übrigen aber
meist mit Sumpfgras dicht durchwachsen; es war ganz flach
und das grasige Bett hatte nur eine leichte Einsenkung. Ich
verfolgte es ziemlich weit nach Nordnordwest, sah mich dann
aber durch den dichten Baumwuchs gezwungen, umzukehren,
und wandte mich nun nach West, zuerst am südlichen Ufer
des hier fast ganz unterbrochenen Sumpfwassers entlang,
dessen Ausdehnung zur Regenzeit durch die grossen, sich
üppig ausbreitenden Bäume hinlänglich bezeichnet wird, dann,
mehrere Dorfgruppen zur Linken lassend, stets aufwärts,, bis
ich es an einer Stelle passirte, wo es ansehnlich breit und .
Die Gewässer um den Tsäd henun. 143
im Durchschnitt etwa 30 Zoll tief war. Besonders durch die
unregelmässige Linie seiner Ufer unterschied sich dieses Ge-
wässer von den ausgc^bildeteren „ngäljams", die ich in der
Folge nicht allein in dem sich zwischen dem Benue und
Schäri ausbreitenden Flachlande, sondern auch im mittleren
Stromsystein des grossen westlichen Stromes — I'-ssa — sehn
sollte.
Diese „Wiesenwasser", wie ich sie am liebsten bezeichnen
möchte, ziehen sich oft in schnurgerader oder regelmässig
schön geschweifter Linie, künstlichen Kanälen gleich, dahin,
und dies ist der Grund, dass sich an eines der bedeutendsten
Gewässer, den berühmten „Ras el mä" oder „A[raf-n-dman",
3 Tagereisen westlich von Timbuktu, die Tradition knüpft,
dass es ein künstlich angelegter Kanal wäre, um Waläta mit
dem grossen Flusse in Verbindung zu setzen.
Ganz anderer Natur ist der grosse „barrein" oder „bür-
rum", der bekannte Bahhr el Ghasal, von dem wir oben ge-
sprochen haben, ein breites sandiges Wadi, mit reichem Baum-
wuchs begrenzt und durchwachsen. Dieses eigenthümliche
Thal, welches näher zu untersuchen uns leider nicht vergönnt
war, bildete den Gegenstand unserer Unterhaltung am Sonn-
tagabend beim Vezier und es entspann sich eine wissen-
schaftliche Disputation, welche gewiss allen Hohn über die ver-
wahrloste Bevölkerung dieses Welttheiles hätte zum Schwei-
gen bringen können. Allerdings waren hierbei zwei Arabör,
aber doch wenigstens vom zehnten Geschlecht her emgeborene
Schüa, die Hauptleiter der Unterhaltung, nämlich Abü-Daüd
und Scheich ^Abbäss, und mehrere Kanöri nahmen lebhaf-
ten Antheil an derselben; fatalerweise war Kaschella Beläl,
der jene Gegenden sehi* genau kennt, nicht zugegen. Die Un-
tersuchung über die Ostgrenze des Tsäd, seine Abgeschlos-
senheit vom Fittri und die Neigung des „bürrum" ging so
in^s Einzelne, dass ich unendlich bedauerte, nicht Bleistift und
Papier zur Hand zu haben. Die Hauptangaben sind jedoch
I
144 VL K*piteL •
schon oben bei der Besprechung jenes eigenthümlicben Rinn-
sales benutzt.
Hier in Diggera, wo wir nur noch einen guten Tagemarsch
von der Hauptstadt von Wandala entfernt waren, musstesich
nun der Zweck des Feldzuges entscheiden. Ich habe schon oben
angeführt, wie beklommen unserem Freund, dem Hadj Be-
schir, zu Muthe war, als die Nachricht einlief, dass der kleine
Herr von Wandala, dessen Ahnherr einst ein zahlloses Bömu-
Heer zersprengt hatte, zum Widerstände entschlossen sei.
Darauf war man einige Tage still gewesen, sogar sehr still
und kleinlaut. Da erschien nun heute ein Diener des eigen-
sinnigen Vasallen mit einem, wie es hiess, vorläufigen Ge-
schenk von zehn schönen Sklavinnen und dem Versprechen
vollständiger Unterwerfung. So hiess es. Den Boten sah
ich — ich glaube, es war der „thuje" — , vom Geschenk aber
sah ich nichts, und das ist allerdings sehr natürlich, da diese
Herren vom weiblichen Geschlechte nicht gern etwas sehn
lassen, was sie für sich selbst haben wollen. Ein Man-
darauer aber oder vielmehr ein „är- Wandala", wie sie sich
selbst nennen, den ich im nächsten Jahre in Baghirmi
traf, wollte nichts davon wissen und betheuerte, dass sein
Herr, der mächtige „tukse" von Chachündala — eigentlich
„chach- Wandala" — so fern davon gewesen wäre, sich den
anmassenden „Mothake" — dies ist der Name, welchen sie
den Kanöri geben — zu unterwerfen, dass er sie vielmehr of-
fen verhöhnt hätte. Welche der beiden Angaben wahr ist,
weiss ich nicht; das Wahrscheinlichste aber ist, dass sich der
Vasall zu einer kleinen Nachgiebigkeit verstand, um dem
Lehnsherrn eklatanten Schimpf zu ersparen.
Wie dem immer sein mag, der Vezier theilte uns am
Abend in sehr heiterer Stimmung mit, dass die Angelegen-
heit mit Mdndara den glücklichsten Ausgang genommen habe,
demzufolge nun Scheich 'Omar mit einem kleinen Theile
des Heeres umkehren, er selbst aber mit dem bei weitem
Beilegung des Streites mit Mdndara. 145
grösseren eine Bhasia nach Müssgu unternehmen werde und
dass wir ihn natürlich begleiten würden. Nun wussten wir wohl,
dass es bei einem solchen Zuge vorzüglich, ja fast allein auf
Sklavenjagd abgesehen sei; es verlohnte sich aber doch wohl
der Mühe, sich mit eigenen Augen zu überzeugen, was wahr sei
an den Grausamkeiten, welche den Mohammedanern bei die-
sen Streifzügen zur Last gelegt werden, und mehr noch eine
Gegend zu besuchen, die von so grosser Wichtigkeit sein
musste, um das viel besprochene und ebenso oft falsch darge-
stellte Verhältnlss zwischen dem System des Afrikanischen Cen-
tralbeckens und des grossen westlichen Flusses zu entscheiden,
was auf friedlichem Weg zu thun wii* keine Aussicht hatten.
Dass Müssgu nicht, wie Major Denham es dargestellt hat,
ein Bergland oder vielmehr ein Bergdorf sei, davon hatten
wir uns schon überzeugt, aber es war schwer, sich eine klare
Anschauung von den zahUosen Gewässern zu machen, die
nach der Beschreibung unserer Berichterstatter das Land
nach allen Seiten durchziehen sollten.
Vom Lande Mändara oder vielmehr Wdndala wiH ich
nicht sprechen; Herr Dr. Vogel hat es später selbst besucht,
und wie er durch die astronomische Bestimmung der Haupt-
stadt Möra der ganzen Niederlegung dieser Gegenden einen
festen Halt gegeben hat, so wird er uns ja wohl auch hoffent-
lich nach glücklicher Heimkehr gewiss eine vollständige und
anziehende Beschreibung dieses kleinen, aber interessanten
Ländchens liefern, in dem er sich eine längere Zeit aufge-
halten hat. Dann kann ich sehn, ob ich etwa Einiges zu be-
merken habe, was seiner Darstellung widerspricht. Ich will
hier nur erwähnen, dass Herr Dr. Overweg Manches über dies
Land, das er immer einmal zu besuchen wünschte, gesammelt
haben muss; aber höchst wahrscheinlich hat er auch diese
Notizen auf zerstreuten Kladden, wie es seine unglückliche
Sitte war, verkommen lassen. Das ziemlich vollständige Wör-
terbuch, das ich von der Sprache des Landes gesanmielt
Bwth't ItolMii. IIL 10
U$ TL
****^^ Wird iehr taM Mchfolgen; idb habe schon oben
»«t. i^m die Sp»cb« ^^ Gam-erj^u ein blosser UMki
^ ^t^OfäsLn-fipr^he ist
[Mtifyeoch^ n^ Dezember.] Endlich ging es an's \w
rmtVm, und zwar in n^«»^' °^^ ^ ▼« einem Eoropier be-
tretene Gegenden; aber mwer Aufbruch verzögerte sich am
Morgen sehr wegen der Trennung des Lagers. Der Vezier
brach zuerst auf, mit dem bei weitem grössten Theile der
Heeresmacht — des y^iehvT — , dessen Bestandtheile , was
die Kavallerie betrifft, i^^h am Schlüsse dieses Abschnittes
mittheilen werde.
Die Gegend nahm gleich am Anfange unseres Marsches
einen neuen interessanten Charakter an. Wir hatten schon
hier in Bomu viel einheimischen Reis gegessen, uns gewaltig
üljer seine Schwärze und schlechte Qualität aufgehalten, ob-
gleich die kochverständige Liebste des sentimentalen Po-
lizeiministers ihn sehr schon weiss zu machen wusste, und
dabei gehört, dass er in den südlichen Provinzen des Landes
wild wachse; aber wir hatten noch keinen gesehn, und es
war hier hinter Dfggera, wo wir das erste wilde Reisfeld —
„schinkÄfaram" — mitten im Walde erblickten, nachdem wir
Steppelfelder mit untermischten Bohnen passirt hatten. Da
wunderten wir uns denn nicht mehr, dass die Qualität hier nicht
sehr gut sein kann, da nichts natürlicher ist, als dass der
höchst verständige Elephant, der die Vorlese hat, sich das
lieste aussucht, so dass hernach von den Leuten, meist
Scbüa, die sich diesem Geschäfte hingeben, nur das einge-
sammelt wird, was er übrig gelassen hat. Die Ernte geschieht
bald nach der Regenzeit.
Die ganze Wildniss war hier, obgleich nicht sehr dicht be-
waldet, voll von Wasserpfuhlen und dicht durchwachsenen Reis-
feldern. In der That hatte die Gegend heute etwas Tropisches;
unK(»r Lagcri)latz befand sich wieder hart an einer von wildem
IU>iH umgebenen PfUtzenlache, umschlossen von einem Saume
Du Lager in der WilduiM. 147
wmtkroniger, üppiger Bäame, und war so voll von Elephan-
teuBporen, dass kaum ein ebener Platz von 2 — 3 Fusa Durch-
messer gefunden werden konnte, was keineswegs sehr ange-
nehm war bei dieser wilden Art zu leben, ohne Stuhl, Diwan
oder Bettstelle. Denn der Boden ist so entsetzlich hait, dass
die Ränder der von den unzierlichen Pfoten des Elephanten
verursachten Löcher den auf blosser Matte und Teppichen
ruhenden Reisenden abscheulich drücken. In der That war auf
dieser ganzen ßeise der „lÄteram" — das „Grabinstrument"
(von „Itlugin", ich grabe) — , ein dicker hölzerner, 2{ — 3 Fuss
langer und mit einer schwcr«m eisernen Doppelkante ver-
sehener Knüttel, das nothwendigste Instrument, nm ein Loch
zu machen fiir den „dateram" — das „Hemmwerkzeug" — ,
das heisst Pferdebaum*). Gewöhnlich gräbt hier zu Lande
der Reiter dies Loch mit seiner Lanze ; in diesem eisenharten
Moorboden aber war es nicht möglich, in jetziger Jahres-
zeit auch nur die kleiaste Ö&ung zu machen. Während
der Regenzeit dagegen ist der Boden natürlicherweise um
so weicher und kaum passirbar.
Es war sehr überraschend für mich, dass heute eine Giraffe
gefangen wurde, da ich mir eigentlich die Vorstellung ge-
macht hatte, dasB dieses scheue Thier nicht in den dichter
bewohnten Ländern nahe am Äquator lebe, und da es vor-
züglich an dem Rande der Fruchtländer und der Wüste ge-
funden wird, in jenen weiten baumrcichen Hochsteppen, die
wir durchzogen hatten, ehe wir in's A&ikanische Flachland
hinabstiegen. Ich überzeugte mich aber bald, dass dies
Thier auch in den Wildnissen , die in diesen Gegenden die
dichter bewohnten Distrikte unterbrechen, keineswegs sel-
ten ist.
■) „ditcreni" — Ton Kollo Ubergtuigwi — komnit obawo tod „dingin"
(hier in der Bedeatimg „ich mache itatui, hftlte (»rück"), wla „Uter«tn" ron
„Ungin" her.
i
148 YI. Kapitel.
Als ich am Abend meinen Bemus überzog, hatte ich das
Unglück, von einem beim Aufrollen der Matten in denselben
gerathenen Skorpion in den Mittelfinger gestochen zu werden.
Da ich im Dunkeln das Thier nicht gesehn hatte, hielt ich die
Wunde im ersteh Augenblick für einen Biss jener abscheulichen
schwarzen Ameisen, den mir die Leute als augenblickUch
fast ebenso schmerzhaft dargestellt hatten, imd versäumte es,
mir die Hand schleunig abzubinden, wodurch es kam, dass
das Gift mir weit den Arm hinaufdrang und ihn 2 Tage fast
unbrauchbar machte. Als wir noch spät am Abend zum Veziier
gingen, fanden wir seinen Audienzsaal von den Elephanten-
spuren- so dicht durchwühlt, dass es überaus unangenehm
war, sich auf dem blossen Boden niederzulassen, und wir gin-
gen desshalb bald wieder fort. In der That ist diese Gegend
einer der elephantenreichsten Plätze in Afrika und es sind
der oben erwähnte Platz Fatauel und das auf meiner Reise
nach Baghirmi noch weiter zu erwähnende Djena in Löggene
die bedeutendsten Märkte für Elfenbein.
[Donnerstag,' ISten Dezember.] Herr Dr. Overweg und
ich pflegten jetzt früh beim Aufbruche uns gewöhnlich
bei des Veziers Gezelt einzufinden, um ihn zu begrüssen und
in seiner Nähe zu reiten. Im weiteren Verfolge deis Rittes
hielt ich mich dann gewöhnlich etwas hinter dem dichtesten
Trupp, eben vor seinem berittenen Harim, und auf den engen
Waldpfaden, wo des Drängens und Stossens oft zu viel war,
meist hinter seinen Leitpferden. Von beiden, berittenen
Dienerinnen und Leitpferden, führte der Vezier nur die be-
scheidene Zahl von 8 bei sich; der Scheich hattfe eine Schaar
von 12 Kebsweibem bei sich, aber auch das war bescheiden,
da wir bald den kleineren Herrn von Baghirmi mit 45 hol-
den Gefahi'tinnen vom Heereszuge zurückkommen sehn wer-
den. Diese Schönen waren insgesammt in weisse wollene
Bernuse gekleidet, mit ganz verhülltem Gesicht, und wurden
streng bewacht; in der That wollte der Eunuch nichts von
Der Mdssga-Fürat Xdischen. 149
meinem Beweggrund hören, dass ich mich in ihrer Nähe
hielte, weil hier am wenigsten Gedränge wäre ; aber er durfte
mich doch nicht auf so peremptorische Weise fortjagen,
wie er es mit Anderen machte, die das Unglück hatten, in
ilire Nähe zu kommen.
Wir hatten schon heute das Beispiel eines ausgebildeteren
Wiesen Wassers , das sich mit reichem Graswuchs quer vor
unseren Weg legte, und das Heer gewährte hier einen höchst
malerischen Anblick, als es am östlichen Rande desselben,*
dichten Baumwuchs hart zur Linken, hinzog. Durch dichte
Waldung traten wir von hier in die schöne freie Landschaft
des mehrere Gruppen umfassenden ansehnlichen Dorfes Wo-
lödje hinaus. Hier ergötzte ich mich an dem Anblick einer
charakteristischen Scene, nämlich einem Trupp raubend in ein
Dorf eindringender Beiter, die dessen Ältermann mit gutem
Erfolg mit Hilfe eines grossen Baumstammes zu Paaren
trieb. Etwas jenseit dieses Weilers ward der Lagerplatz ge-
wählt, 1 Meile östlich von einem weit ausgedehnten, von herr-
lichen Baumgruppen umgebenen Wiesenwasser.
Die abendliche Unterhaltung beim Vezier hatte einmal
wieder ein bedeutendes geographisches Interesse durch die
Anwesenheit des vom unterworfenen Müssgu-Fürsten Adischen
zurückgekehrten Boten, der stets den Unterhändler gemacht
hatte und das Land sehr wohl kannte, obgleich er selbst
nicht weiter vorgedrungen war, als bis Kade. Aus der ganzen
Art und Weise übrigens, wie sich der Vezier mit ihm be-
rieth, leuchtete eine grosse Unbestimmtheit hervor; erwusste
durchaus noch nicht, wohin er sich wenden solle. Den Für-
sten Fuss oder Puss hörten wir schon hier mit einem gewissen
Respekt nennen; man fiirchtete, ihn anzugreifen. Es war
eine Art von Ironie, wie der Bot« angab, dass man am Hofe
Adischen's über die Ankunft der Rhasia überaus erfreut sei.
Dabei schilderte er die Sitten dieses nur äusserUch zum Iss-
läm bekehrten Hofes. Seine Majestät Adischen lege sich des
i
150 VI. Kapital.
Abends im vollständigsten Deshabille vor den Augen seiner
Leute zu seinen Sklavinnen, deren er 200 habe. Dies schien
allerdings nicht blosse Verleumdung zu sein, da es auch
schon früher der gemüthliche Kaschella Beläl berichtet hatte,
der bei ihm zu Gaste gewesen war. Beläl erklärte zugleich,
dass er es versucht hätte, ihn von dieser Unsitte abzubringen,
aber vergeblich. Es ist auch sehr möglich, dass dieser kleine
Herr, der die Sache seiner Landsleute verrathen hat, um
sich die Gimst seiner Gebieter zu erwerben, wie sie behaupten,
ihnen gelegentlich, wenn sie ihn besuchen, den Niessbrauch
seiner Sklavinnen erlaubt, und dass er sich ihnen über-
haupt so verächtlich wie möglich macht. Davon aber dürfen
wir nicht auf die Sitten dieser Leute überhaupt schliessen;
wir werden sehr bald einen höchst entwickelten Sinn für
Häuslichkeit bei ihnen finden, obgleich es sich von selbst
versteht, dass sie das geschlechtliche Verhaltniss ganz vom
natürlichen Standpunkte nehmen und, sowie sie ihre Schaam
nicht vor einander verhüllen, auch keinen Grund sehn, sich
bei geschlechtlicher Vermischung in das Dunkel der Heim-
lichkeit zurückzuziehen.
[Freitag, 19ten Dezember.'] Die Feldlandschaft, durch die
unser Weg führte, als wir am Morgen unseren Lagerplatz ver-
liessen, war über alle Maassen lieblich und luftig und ganz
für Hirtenstänmie , wie die Schüa und Fulbe sind, geeignet;
aber auch Spuren von Landbau, ja selbst von Baumwollen-
feldem fanden sich. Dann trat Dümgebüsch — „ngille" —
auf, das wir seit der Umgebung von Kukaua fast gar nicht
zu Gesicht bekommen hatten, und weiterhin beherrschten
stolze Dümpalmen die anmuthige freie Landschaft, durch die
der „kebü" in langgestreckter Schlachtordnung — „bäta" —
und in mannichfach gruppirten und bunt gekleideten Haufen
dahinzog: die schwere Kavallerie in ihren dick wattirten
Röcken oder Panzerhemden und Kettenpanzern mit in der
Sonne glitzernden Helmen, unter ihrer eigenen Last fast er-
Zug durch die Landschaft Wolodje. 151
liegend; der leicht gekleidete Schüa auf hagerem aber ab-
gehärtetem Rappen und nur mit einer Handvoll Wurfspeere
bewaffnet; der eingebildete, selbstgefällige fürstliche Sklave in
seinen seidenen Toben; die halbnackten Kanembü-Speerleute
mit Schild imd Speer, ihrem halbzerrissenen Schurz und ih-
rer Berberischen Kopftracht, und in der Feme der Zug der
Kameele und Lastochsen, — Alles voll Muth und in der
Erwartung reicher Beute den unbekannten Landschafben im
Südosten zustrebend.
Es war ein herrliches Gefühl der Freiheit, das mich be-
seelte, als ich auf meinem muthigen Streitross in der schö-
nen Morgenbeleuchtung durch diese weite, -unabsehbar sich
hinstreckende und doch . so reich geschmückte Ebene zur
Seite dieser bunten Heerschaar dahinzog. Noch hatte kein
Blut dieses Heer besudelt und Schaaren unglücklicher, ihrer
Heimath entrissener und in die Knechtschaft geführter
Sklaven waren noch nicht mit den Reihen der Krieger ge-
mischt. Wohlgemuth zog Alles dahin nach Südost, den selbst
ihnen meist unbekannten Gegenden zu. Dann und wann be-
lebte sich der Heereszug, wenn eine Gazelle aufsprang und
scheu zwischen die einzelnen weit zerstreuten Gruppen ge-
rieth, wo dann leichte Kanembü-Schildträger und Schüa-Rei-
ter mit ihren Lanzen hinter der ihren Gaumen reizenden Beute
hinterdrein waren und der tausendfach wiederholte Ruf:
„kolle, külle" („lass ab, lass ab", nämlich sie gehört schon
uns) , „göne, göne" („greif zu, greif zu"), von einem Trupp zum
anderen enschoU; oder wenn ein schwerfälliges, feistes Perl-
huhn, aus dickem Busch aufgeschreckt, über die Köpfe dahin-
flog, alsbald gezwungen, sich wieder niederzulassen, imd so
nach vergeblicher zaghafter Flucht die Beute seiner Ver-
folger wurde, oft in mehrere Stücke zerzaust.
Die weit offene Gegend schien in weite Ferne zu locken,
aber auch heute war der Marsch nur von kurzer Dauer, und
schon vor 8 Uhr Morgens waren wir daran, imser Lager
152 TL KapiteL
wiederum au£m8chlagen. Diese ganze Landschaft wird noch
in dem weiten Distrikt Wolödje einbegriflfen , das Wasser
jedoch, das unserem Lagerplatz zur Seite war, führt den be-
sonderen Namen „Koda-ssale", wo auch, wie in ganz Wolödje,
die Bene-sse wohnen. Östlich von Kodd-ssale liegt die Ort-
schaft Lauäri, während der oben erwähnte ansehnliche Bezirk
gleiches Namens bis hierher hinabreicht; nahe westlich liegt
Ssüggeme, dahinter U'lba, südwestlich davon Meme und nord*
westlich Momo. Alle diese Ortschaften werden von Kanöri
und Schüa gemeinsam bewohnt; dahinter breitet sich Wild-
niss — „karäga" — aus.
Mein „kökana" Billama — ich hielt nämlich auch eine
kleine „nogona" — „Diwan" — , bei der mein alter Freund
von Adamaua und Hadj EdrTss die ersten Hof leute — ,,ko-
kanäua" — bildeten, aber auch gelegenthch andere Leute sich
einfanden, wie mein Ngomu- Freund Kaschella Kottoko, der
gleichfalls die Rhasia mitmachte — , Billama also erzählte,
dass er im genannten Orte für 3 Nadeln den täglichen Be-
darf seines Pferdes erhandelt, für 2 eine hölzerne Schüssel
— „bükuru" — gekauft habe und für 6 weitere eine Menge
Fleisch von einem jungen Rinde erhalten solle. Wie ich
nämlich meinen Geheimrath EdrTss auf Nadelpension gesetzt,
so hatte ich auch meinem Flügeladjutanten Billama, aller-
dings neben manchen anderen grösseren und kleineren Ge-
schenken, auch einige Hundert Nadeln gegeben, um seinen
Haushalt auf dem Kriegsstand zu bestreiten. Nadeln hatten
in der Residenz gar keinen Werth, hier aber in der Pro-
vinz waren sie sehr geschätzt; aber nur Wenige waren so
schlau gewesen, sich damit zu versehen. In der That war
dieses einfache Erzeugniss Eiu*opäischer Industrie auf meiner
Reise nach Baghirmi mein Hauptsubsistenzraittel , das mir.
den ehrenwerthen Titel „Nadelprinz" verschaffte.
Auch den folgenden Tag blieben wir hier liegen, da sich
die Truppe zum Marsch durch wildes, unangebautes Gebiet
Eine Gattung wilder Katze — „sBÜmmoH". 153
mit Kom zu versehen hatte. Jedes der umliegenden Dörfer
hatte zwei Ochsenlasten Kom zu liefern , das jedoch bei der
Vertheilung nur der nächsten Umgebung Lamlno's anheimfiel,
während der ganze übrige ungeheuere Tross auf sich selbst
angewiesen war und natürlich zum grossen Theil heimlich
oder oflfen den Bewohnern des Distriktes zur Last fallen
musste. Alles Kom ward auf Eseln foiigeschafft.
In diesem Lager machte der Vezier Herm . Dr. Overweg
einen kleinen Löwen zum Geschenk. Bei früherer Gelegen-
heit hatte er ihm schon einen „ssümmoli" gegeben, d. i.
eine Art wilder Katze von nicht eben häufigem Vorkom-
men, die nicht allein Gazellen, sondern selbst Kälber an-
fallen soll. Sie war von hellbrauner Farbe, der hintere
Theil jedoch schwara, und hatte sehr spitze, aufrecht
stehende Ohren — „ssümmo" — , ein Umstand, von dem
der Name abgeleitet worden ist; die Ohren sind ausserdem
mit einem schwarzen Streifen geschmückt. Eine grosse
Menge eigenthümlicher Geschichten wird vom Volke in Be-
zug auf die Wildheit dieses Thieres erzählt , und nach dem,
was wir selbst zu beobachten Gelegenheit hatten, scheint es
in der That ein wunderbares kleines Geschöpf zu sein; denn,
obgleich noch sehr jung und klein, war es doch äusserst wild
und ganz und gar Herr des jungen Löwen. Beide Thiere
wurden mit gekochter Milch gefüttert, die sie sehr liebten;
aber die beständige schwingende Bewegung, die sie auf dem
Rücken der Kameele in der Tageshitze ertragen mussten,
hatte in kurzer Zeit ihren Tod zur Folge.
[Sonntcu/, 2Pten J)ezember.] In dichtem Gedränge brachen
wir auf, um unseren Marsch in der anfänglich noch ziemlich
lichten Wildniss fortzusetzen, dem lebhaften Tummelplatze
grosser Elephantenheerden, wie die Menge von Koth und
die oft schachbretartig den Boden dicht markirenden Spu-
ren bezeugten. Nach etwa 6 Meilen, nachdem wir eines
Sumpfes halber oder aus sonst irgend einem Grunde einen
154 YL Kapitel.
spitzen Winkel beschrieben hatten, verdichtete sich die
Wildniss und wir setzten unseren Maxsch in schöner Wald-
landschaft fort. Leider konnte man, wie das auf solchen Zü-
gen, wo man nicht mit Müsse sich umsehn kann, stets der Fall
ist, nicht auf das Einzelne achten, besonders da die Bomu-
Pferde meist sehr böse und wild sind und man überall mit
Thieren zusammenkam, die wüthend ausschlugen. Aber der
Hauptcharakter dieses Waldes war, dass dichtes Dümge-
büsch den Boden bedeckte, mittlere Bäume, zum Theil Mi-
mosen, zum Theil von anderen Ai-ten, die Hauptwaldung bil-
deten und grössere, üppig weit sich ausbreitende Bäume, meist
Ficus-Arten , die niedere Holzung in schön gegliederte Grup-
pen theilten. Adansonien schienen sich hier ganz zu verlieren,
und wir sahen, so viel ich mich erinnere, im ganzen Müssgu-
Gebiet nur wenige Exemplare dieses sonst im Sudan so ge-
wöhnlichen Baumes. Unsere Aufmerksamkeit ward hier auch
gefesselt durch die höchst kunstvollen Nester des Webervogels,
die wie die Destillirkolben eines Chemikers von den Zweigen
herabhingen, obgleich wir den kunstfertigen Erbauer dieser
sorgfältigen Behausungen nicht zu sehn bekamen. Unser La-
gerplatz war auch mit zahlreichen Fächerpalmen geschmückt,
die das übrige Laubholz sehr malerisch unterbrachen. Durch
ihre Höhe, die bei vielen gegen 30 Fuss erreichte,, unterschied
sich diese Fächerpalme durchaus von der Chamaerops hu-
milisy der sie sonst ähnelt, und näherte sich der Chamae-
rops Martiana. Der Wald war hier so dicht, dass nur der
Platz, wo der Vezier selbst mit seiner nächsten Umgebung
lagerte, frei von Gebüsch war. — Es war das erste Mal, dass
wir einen leidlichen Marsch machten, obgleich die ganze
Marschweise doch ein deutlicher Beweis eines verweichlichten
Hofes war, wenigstens bei der Art der Kriegführung in die-
sem Lande, wo nur Übernimpelung einen bedeutenderen Er-
folg sichern kann.
Am Abend kam ein kleines Begrüssungsgeschenk von dem
Dichte Wildniss, Ton Elephanten durchzogen. 155
Müssgn-FüTsten Adischen an, bestehend in 5 Pferden und 20
Ochsen. Aber während so die einflussreicheren Männer im
Heere mit Nahrung wohlversehen wurden, war der grössere
Theil keineswegs gut daran und die Meisten fanden sich auf
das Mark des Dümgestrüpps — „ngille" — angewiesen, wel-
ches von den Bomauem witzigerweise „kumbu billabe" — „die
Nahrung der Landstadt" — genannt wird. Ein guter Jäger
indessen könnte sich bessere Nahrung verschafit haben imd
wir erhielten vom Vezier sogar ein kleines Straussenei.
Es war zu bedauern, dass wir absichtlich die gewöhnli-
chere und besuchtere Strasse, welche über mehrere Ansiede-
lungen der Fulbe oder Felläta geht, vermieden hatten, um
den Letzteren keine Unruhe zu verursachen ; denn in mehr als
Einer Beziehung wäre jene Strasse bei weitem interessanter ge-
wesen, sowohl von einem natürlichen Gesichtspunkt aus, als
in Bezug auf den politischen Zustand des Landes. Denn
dann würden wir deutlich erkannt haben, wie jenes rastlos
vordringende Volk das kleine Königreich Mändara ' täglich
mehr und mehr einengt
[Montag, 22^^^ Dezember.] Dichte Wildniss hielt noch
während der ersten 3 Meilen unseres Marsches an, dann aber
lichtete sie sich etwas und machte sehr ansehnlichen Reis-
feldern Platz, die jedoch zum grossen Theile verbrannt
waren. Der ganze Boden dieser Gegend yrar ein ununter-
brochenes Netz von Elephantenlöchem , die den Marsch
sehr erschwerten und einige Pferde lähmten; ja der arme
Ssälah, ein jüngerer Bruder Hadj Beschir's, stürzte und brach
den linken Arm. Eine Elephantenheerde war in der Nähe
und eines dieser Thiere, das zwischen die Reitertrupps gerieth,
ward getödtet; jedoch war keine Zeit, es abzuschlachten,
obgleich einige Stücke herausgeschnitten wurden. Hier war
wieder Alles mit Dümgestrüpp bedeckt, dann aber hörte es
auf und es zeigte sich wieder viel wilder Reis und hie und
da ein Teich, von herrlichem Baumwuchs rings umgeben und
1
156 VI. Kapitel.
■
augenblicklich belebt durch Gruppen von Reitern, die hier
ihre durstigen Gäule tränkten. Unser Marsch betrug, vrie der
gestrige, etwa 15 Engl. Meilen. Unsere Kost war heute
äussei-st manniehfach , ja sogar etwas zu kräftig für dies
Klima, wie sich sehr bald zeigte. Denn ausser unserer ge-
wöhnlichen Zeltkost — Reis öder „mohämssa" mit Bohnen —
bekamen wir heute ein Gericht Hasenfleisch, ein Gericht
Elephantenfleisch, das durchaus essbar war und grosse Ähn-
lichkeit mit Schw^einefleisch hatte, und einen allerdings nicht
sehr schmackhaften Fisch Namens „begeli" aus dem nahen
Wasserpfuhl.
[Dienstag, 239ten Dezember^ Heute war ein bedeutender
Tag unseres Feldzuges und manche der angeseheneren Leute
hatten ihre gewöhnliche Kleidung gegen einen glänzenderen
Anzug bei Seite gelegt. Wir betraten nun Üas Müssgu- Ge-
biet und kamen zugleich in Berührung mit zwei grundver-
schiedenen Elementen, die liier am Nordrande diese freie, un-
abhängige heidnische Völkerschaft auf alle Weise zu beein-
trächtigen suchen. Das eine war ein Theil ihrer selbst, aber
von ihr aus eigennützigem Verrath losgerissen; das andere
in Nationalität und Religion dem Prinzipe nach ihr gegenüber-
stehend, nämlich die am weitesten nach Nordost vorgeschobe-
nen selbstständigen Gemeinden der siegreichen Djemmää der
Fulbe oderFelläta, die bis hierher, wie wir oben gesehn haben,
ein ganz festes Reich zu begründen angefangen haben, wäh-
rend sie in ihren weiteren Versuchen auf Bömu und Baghlrmi
gescheitert sind.
Auf unserem heutigen Marsche mussten wir zweimal Halt
machen, das erste Mal, weil Füi-st Xdischen mit einem
Trupp seiner sattellosen Reiter auf meist kleinen Pferden
herankam, das zweite Mal, als eine Schwadron von etwa 200
Fulbe -Reitern unter Anführung eines Kriegshauptmannes,
Chürso's, des Herrn .von Fette, das wir bei früherer Gelegen-
heit schon mehrfach erwähnt und auf diesem Marsche schonend
Eintritt in das Land der Mdssga. 157
in einiger Entfernung westlich gelassen, zum Bomu- Heere
stiess, um an dem Kriegszuge Theil zu nehmen, der die
ihnen verhassten und bis jetzt noch hinter den natürli-
chen Deichen ihnen überlegenen Müssgu- Stämme schwächen
sollte. Denn in dieser Beziehung ging ihre Politik sicher-
lich Hand in Hand mit derjenigen der Bömu-Leute, obgleich
es nicht wenig auffällig ist und die laxe Verbindung dieser
Lehnreiche klar zeigt, dass, während der Herr vonAdamaua
jetzt auf fast feindlichem Pusse mit dem Beherrscher von
Bömu stand, einer seiner Lehnsleute mit dem Letzteren
sich verbünden sollte. Übrigens scheint die Verbindung die-
ser so .entlegenen Provinz der ausgedehnten Besitzungen der
Fulbe mit Yöla sehr lose. zu sein, imd ich habe nichts über
den Tribut erfahren können, den die einzelnen Statthalter
zu bezahlen haben. Unglücldicherweise hatte die reiche und
mannichfaltige Kost von gestern sehr nachtheilig auf mich
gewirkt, so dass ich mich genöthigt sah, mich bei den Ka-
meelen zu halten, und den Begegnungsscenen nicht in der
Nähe beiwohnen konnte»
Nach diesem Aufenthalte weiter ziehend, erreichten wir
eine halbe Stunde vor Mittag das nördlichste Müssgu -Dorf,
Namens Gabari, von reichen Kornfeldern umgeben. Alles
bot ein trauriges Bild der Plünderung und Verwüstung dar.
Am Abend zuvor war durch das Lager der Ausruf ergan-
gen, aus den Dörfern A'dischen's dürfe nichts geraubt werden,
weder Mensch noch Thier, vom Rinde herab bis zur Henne,
Korn allein wäre beutefrei. So war in den Gehöften Alles
beschäftigt, die eben eingeeniteten Ähren der rothen Indischen
Hirse — „ngaberi keme" — , die hier mit Ausschluss von
weisser Hirse und von Negerhiree — „argüm möro" —
wächst, auszudreschen und auf die Pferde zu laden. Der
grösste Tlieil der Ernte stand übrigens noch auf .dem Felde,
was auffallend war, da die Bewohner doch ahnen konnten,
dass der Heereszug diesen Weg nehmen würde, und da
IfiB TL K^teL
vir lange genug gezögert hatten, überdies die Saat reif war.
Selbst das in langen raupenarügeD Gewinden bis zu 15 Fuss
Länge für die trockene Jahreszeit in den Bätunen aufge-
speicherte nahrhafte Sompfgras ward von der Reiterei mit-
genommen nnd trotz des Verbotes auch manches zurncl^e-
lassene Zicklein, Huhn und Gerätb. Von den Eingeborenen
selbst aber liess sich Niemand sehn; Alle, obgleich Unter-
thanen A'discben's, hatten es für rathsamer gehalten, ihre
Sicherheit durch sclmeUe Flucht selbst zu wahren , als sich
der Diskretion dieser ungeordneten und schlecht disciplinir-
ten Heeresmasse zu überlassen.
Der AnbUck dieser Raubscenen war um so betrübender,
da das Dorf ein Bild eines gewissen behaglichen Lebens
und selbst eines gewissen Grades von Industrie seiner Be-
wohner darstellte. Im Allgemeinen enthielt jeder Hof eine
Gruppe von drei bis sechs Hütten, je nach der Zahl der
Weiber des Eigenthümers. Die Wände der Wohnungen be-
standen ohne eine einzige Ausnahme aus Thon, und aus
demselben Material bestanden in den Gehöften der Wohl-
habenderen selbst die Umzäunungen oder ümschlussmauem,
während die Wohnungen der Armeren von leichten Zäunen
aus trockenem Rohr eingeschlossen waren. Die Dächer der
Hütten waren mit grosser Sorgfalt gedeckt, wenigstens ebenso
soi^sam als in irgend einem Dorfe Bömu's, und sie waren
weit besser als Strohdächer.
Diese Uüssgu-Hütten zeigten in der Form
ihrer Giebelung selbst Spuren verschiedener
Style, die vielleicht auf eine gewisse Stu-
fenfolge im Leben zurückzuführen sind. —
Fast jeder Hufraum schloss ausser den Hüt-
ten und einem grossen, 12 — 15 Fuss hohen
Kombehälter aus Thon noch ein Scbatten-
dach ein. Die Kombehälter (s. nebenste-
'- heude Abbildung) haben ein gewölbtes, eben-
Lager beim MdBBga-Dorfe Körom. 159
falls ans Thon bestehendes Dach mit einer aufspringenden
Mündnng, welche wiederum von einem kleinen Strohdach
geschützt wird, in der Weise, wie die Skizze zeigt.
Aus den Kornfeldern, die hie und da von schönen
Küma- Bäumen beschattet waren und überhaupt ein Bild
der Fülle gaben, traten wir gegen Mittag in ganz ofiPenes
Weidesumpf land von ansehnlicher Ausdehnung hinaus, das
durch den Gegensatz des frischen, freien Grasteppichs gegen
das mit hoher, gelbreifer Saat prangende und in Waldung
eingeengte Ackerland einen höchst angenehmen Eindruck
machte. So zogen wir, etwas ansteigend, von den vereinzel-
ten flachen Wasserpfuhlen auf eine Gruppe grosser, prächtig
sich ausbreitender Bäume zu, welche die Felder vor einem
anderen Dorfe beschatteten. Das Dorf hiess Körom und
gehörte einem dem A'dischen untergebenen Häuptling, den we-
nigstens die Bomu-Leute „Mai Dabla^' nannten, dessen eigent-
licher Name jedoch „Feikama" oder vielmehr „fei*) Earna''
zu sein scheint; es lag, wie wir gleich sehn werden, in nicht
weiter Entfernung von Kade, der Ortschaft Ädischen's, selbst
Auf diesen Feldern war der Vezier abgestiegen imd das
Lager fing an, sich zu bilden. Schon war ein grosser Theil
der überaus prächtigen Karäge- Bäume, die wir hier im
Mussgu- Lande in reicherem Wüchse sahen, als irgendwo
sonst, selbst das Marghi-Land nicht ausgenommen, der gan-
zen Krone beraubt, um die grösseren Gezelte von aussen
mit einem Verbacke zu versehen, und in der Folge blieb zu
unserem tiefen Bedauern keiner dieser majestätischen Bäume
verschont Die grössteu derselben hatten etwa 80 Fuss Höhe
und ihre Kj-one konnte kaum geringeren Durchmesser haben,
aber das Laub ist nicht so dicht und regelmässig abgerundet,
wie bei den Tamarinden — „ngabore" — (liestnä elcistica).
Nur die bei ihrem ungeheueren kandelaberartigen Astwerk
*) DieMÜHgu-Leute drücken ,, Fürst" mit „P^i" oder »»fei" ans.
7<>ndiriiu. boA Luf^r wxr 'nean^ iheaa& -mm mui I» dem
Tinery^m^ £>i«ten. hi)«!iiäC mbi^äiiizu^fi. I^ar $iHiiBüBii ward
KjkTiTjri. 7*^lTii!ilCrCr i«cIIL UL AiCälL AzailBCflHItäMfisdiläL Kult
\i;sdt^XiAfA yefi2nij<uiä0>=Q^c — tÜN'fi« bäOe aienfie Abbild
f^me Vm^ikXifiüf^ca, beim Visier.
Wir yJLv^nf^ hürT die biridäL fr>i^!Eii#i«L Tice. — dnAv&nt-
halL AfrT Tom &!I^*»mäZL meoaiziiädieiL ScASiiipankLe ab» über-
ai» Uik^iL^wenh var: da vahnsd «irr Zeh aDe Adbdieii
Memilf^tf^ und imAhhängigen MöäeeTZr-Siamme hznlandtich ge-
warnt A^irin mosbteiL mn skfa auf dxwiL ÄJtsnS ^iase^ zn ma-
r^h^rn and Tor einem plötzliirhäi Übiczfill auf OmMr Hut m
vnn : aber eben de^balb hatte er Ton strategKcfaer Seite ge-
wLrsi nkht« Empfehlenswerthes-
Da wir hier aL?o sdU lagen und in unseren Verhältnissen an
ein weitete ('mhersch weifen nicht zu denken war. sah ich mich
na/;b Nacfaricfaten ron dem Lande mn. das wir soeben betre-
U'U hatten, and war 90 glücklich, in Said, einem freigelassen
uffXt HkiaTen Lamino's. der ein geborener Mdsägu war. einen
(hrH ]jHhfhA wohlkundigen )Iann zu finden. Er und ein Mann
Hti'A dern MünSgu-^Me Luggeu gaben mir folgendes Veizeich-
um ?rin MiJitsgu-IIerrschaften: Mäyum. nahe östlich von Kade,
d'?r \%ffM(\('.m Adiftchen's. dann ein kleiner Ort Namens MSga.
f»;trka, jetzt verlaftsen, Massanafa mit dem Fürsten Assana-
fi;i, ri^Hi weU;hf;m die ganze Herrschaft benannt ist; Ma-
nibiiA,rk;i, linlrio; Makalne, höchst wahrscheinlich ursprünglich
b^rnanrit nach einem Fürsten Namens Kalne oder Akalne, aber
((e(</;fiwürtig lUf^idenz d(.*s mächtigen Häuptlings Kabisclime;
KHiirrin; M/iHa^a, lU.»Kidenz des schon oben erwähnten sogenann-
ten FiirMten Fuhk, dessen eigentlicher Name jedoch Ngeumäta
will M(»ll, da „Fijsh" der Name der Herrschaft ist; Lüggeu, Ba-
n*ii, r»(i^ijfila mit dem F'ürsten Hüyüm, Mbogtam, Beubeu,
Kiib&HHeiiii mit dem Fürsten Margo, Kalän, Ngelmöng, Mö-
VeneichnisB der Mdsi^-Hemohaflen. 161
rom mit dem Fürsten Ssader&nsa, Büllum, Bege, Mddalang,
Eäsuei, das wir auf unserem weiteren Marsche östlich liegen
Hessen; die Herrschaft Eäkala, Duän oder Aduän in südwest-
licher Richtung ; Gemei, eine grosse Ortschaft in südöstlicher
Richtung; Wülia, Demmo, Äudege, Agsse. Manche dieser Ort-
schaften oder vielmehr Bezirke werden wir selbst in der Folge
berühren, die übrigen kann ich nicht genauer topographisch
angeben. — Ich will nun einige Bemerkungen über die Müssgu
im Allgemeinen beifugen. .
Die Müssgu oder Müssekü sind eine Abtheilimg des gros-
sen Volksstammes der Mä-ssa *) , der die Kötokö oder M4-
kari, die Bewohner von Logon oder Logone, die Mändara oder
är-Wändala mit den Gäm-erghü angehören, sowie augenschein-
lich auch der grosse Stamm der Bätta, ja selbst vielleicht der-
jenige derMbäna. Am engsten jedoch sind die Miissgu mit den
Logonesem verwandt, die, wie wir bald sehn werden, eine
ganz junge, sich blos in politischer Hinsicht wegen ihrer grös-
seren Civilisation von jenen absondernde Gemeinde, aber kei-
neswegs einen national getrennten Stamm bilden. Unter den
verschiedenen, in ihren Dialekten zum Theil sehr abweichenden
Gruppen der Eotokö scheinen ihnen Ngäla und Elessem der
Sprache nach am nächsten zu stehn. Jedoch sind auch die
Dialekte der in so viele einander feindlich gegenüberstehende
Gemeinden zersplitterten Mä-ssa-Müssgu sehr mannichfaltig
und so verschieden, dass man mich versicherte, die Leute von
Lüggeu verständen nicht leicht die von Wülia und Demmo.
Leider hatte ich aber keine Gelegenheit, von den anderen
Dialekten ausser demjenigen v.on Lüggeu Proben zu sammeln.
Über einzelne Sitten dieses Yolksstammes werde ich im Ver-
lauf unseres Feldzuges sprechen; hier will ich nur angeben,
*) Die Baghirmi-Leutc nennen sie daher noch his auf den heutigen Tag nie
anders als „Ms-ssa Müssekü". Leider habe ich es yersäumt , nachzuforschen,
wie die Leute yon Logone sie nennen.
Buth's B«lMD. la 11
162 VL
dass ihr Torzüglichster r^ssäfi"", um mich eines Hanssa-Wor-
tes za bedienen, oder Fetisch, wie man an der Küste sa-
gen würde, gleich dem der Marghi, eine lanzenartige, j^ete"
genannte Holzstange sein soll; aber der Unterschied der
Kulte ist jedenfalls bedeutend, da bei den Marghi die Holz-
stange mehr ein Symbol als ein Bild zu sein scheint und die
eigentliche Verehrung der heiligen Ortlichkeit gilt Bei den
Müssgu-Stämmen sah ich keine heiligen Haine.
Am Nachmittag wohnte ich einige Zeit der Versammlung
beim Vezier bei, wo ein interessant und abenteuerlich aus-
sehender alt^r Mann, der M&llem Djemme oder Djümma, die
Hauptrolle spielte. Die Geschichte dieses Mannes ist nicht
ohne Bedeutung und zeigt, welches Feld sich ehrgeizigen
Moslemin in den Heidenstaaten im Süden ihrer Länder er-
öffnet Vom alten Scheich, nämlich Mohammed el Amin el
Kanemi, wegen Ungehorsams einst mit Todesstrafe bedroht,
hatte sich der Schüa unter die Heiden geflüchtet und hier
allmählich auf eigene Hand eine kleine Herrschaft gegründet;
jetzt war er aber verjagt und kam nun zum Vezier, um sich von
ihm wieder einsetzen zu lassen. Natürlich besass er grosse
Kenntniss des Landes imd war desshalb sehr willkonmien; sei-
nen Zweck aber erreichte er, wie wir sehn werden, doch nicht.
Ich habe schon in dem Adamaua behandelnden Abschnitte
den Weg von dem südlichsten Punkte, den wir auf diesem
Müssgu-Zuge erreichten, nach den von mir erforschten Punk-
ten in jenem Lande auf die Autorität dieses Mannes ange-
geben. Leider aber war er nicht mittheilend, oder vielmehr
ich hatte nichts Hübsches, um es ihm schenken zu können,
sonst hätte ich von ihm unendlich viel über diese Länder
erfahren können, die in nicht gar femer Zukunft für die
Europäer von grosser Bedeutung werden müssen, der so um-
fassenden Wasserverbindung wegen, die sich, wenn man den
natürlichen Wasserläufen nur ein wenig nachhilft, bis in das
Herz des Kontinentes eröffiiet Diese Länder zvrischen dem
Audienz des A'dischen beim Yezier. 163
Benne und Schäri scheinen in der That die reichsten und
ihrer fast gänzlich ebenen Beschaffenheit wegen der Kultur
am meisten fähigen Länder des Erdtheiles zu sein. Nach
der Regenzeit natürlich, wenn die unzähligen Wasserrinnen,
die das Land fast ohne Abfluss durchschneiden, überfliessen,
kann das Klima in den Ebenen selbst für Europäer nicht
gesund sein; vereinzelte Berghohen aber sind von der Natur
durch diese üppigen Flachländer hin ausgestreut, um gesün-^
dere Stätten für Ansiedelungen zu gewähren.
Als die Hofleute — „kokanaua" — nach längerer Bera-
thung sich hinter die Vorhänge zurückzogen, um einen Im-
biss aus des Veziers Küche einzunehmen, entfernte auch ich
mich aus dem grossen Audicnzzelte des Heerführers; aber
ich war kaum eine Strecke fortgegangen, als mich der Ve-
zier zurückrufen liöss und auch einen Boten absandte, um
Herrn Dr. Overweg aus seinem Zelte holen zu lassen, — „der
Fürst Adischen nämlich käme zur öffentlichen Audienz". Ich
kehrte also in des Veziers Zelt zurück, wo die Hofleute be-
reits die ihnen ihrem Range gemäss zukommenden Plätze
auf dem Boden rings um ihren Führer eingenommen hat-
ten, während Letzterer selbst auf einem Rohrdiwan sass, wel-
cher ihm auf dem ganzen Feldzuge nachgetragen wurde. —
Nach kurzer Weile kam dann der Müssgu-Häuptling an, zu
Pferde — aber ohne Sattel — und von seinen drei Brüdern
begleitet. Eine grosse Menge Neugieriger aus dem Lager
hatte sich vor dem Zelte des Veziers versammelt und ver-
schonte Adischen keineswegs mit Spott und Zudringlichkeit;
er liess sich jedoch durch die Frechheit der Sklaven eben
nicht verblüffen, sondern bewahrte seine fürstliche Würde.
Die Vorhänge des geräumigen Audienzzeltes wurden in die
Höhe gehoben und der Kerdi-Fürst, eine kleine, gedrungene
Gestalt mit eher milden, als wilden Zügen und anscheinend
von einem Alter zwischen 50 und 60 Jahren, trat herein. Er
war mit einer schwarzen Tobe bekleidet, trug aber keine
11 •
i
164 VI. Kapitel.
Beinkleider und erscliien mit unbedecktem, glattgeschorenem
Haupte.
Auf dem Boden niederknieend und mit Händeklatschen die
Worte „Allah ngübheru degäl" — „Gott gebe dir ein langes
Leben!" — wiederholend, streute er Staub auf sein Haupt,
nach dem knechtischen Gebrauche des „kati götsin". So-
bald aber der auf den Trümmern seiner Nationalität sich sträu-
bende, auf allen Seiten seines Landes von Feinden bedrohte
Häuptling diese erniedrigende Geremonie ausgeführt hatte,
nahm er seine Würde wieder an und beschwerte sich nun über
seine westlichen Nachbarn, die Fulbe oder Felläta (oder, wie
die Müssgu sie nennen, „Tschögtschogo"), welche dem Bömu-
Heere zuvorgekommen wären und Kühe und anderen Raub
aus seinem Gebiete fortgeschleppt hätten. DerHadj versicherte
ihn, dass solche Unbilden in Zukunft nicht mehr geduldet
werden sollten, — er sei ganz und gar im Schutze Bömu's.
Auf seinen Wink wurden dann einige Packete entfaltet und
Ädischen ward vom Kaschella Beläl, seinem ehemaligen Gaste,
* zuerst mit einer neuen, schönen, dunkelblauen Nüpe-Tobe
(dem „Elephantenhemde"), hierüber dann mit einer reichen
seidenen Tobe (zu wohl 40,000 Muscheln) und zuletzt mit
einem darüber gewundenen Egyptischen Shawl bekleidet.
Während dann die eiteln, sich im Gefühle ihrer höheren Ci-
vilisation überhebenden Kokanaua ihn in ihrer unpolitischen
Kurzsichtigkeit auslachten, wünschte ihm der gemüthliche alte
Beläl auf recht herzliche Weise langes Leben und rief ein-
mal über das andere : „ngubberu degä meina, ngübberu degä
meina". Seine Brüder wurden dann mit weiten Hemden aus
gestreiftem Manchester — „äferit" — bekleidet.
So war aus diesem kleinen heidnischen Müssgu -Häuptling
eine Art Bomauischen Amtmannes geworden und er fristete
auf diese Weise seine armselige, unbeneidenswerthe Exi-
stenz, — mit welchen Opfern, das werden wir später sehn.
Die Müssgu - Nation ist in der That auf allen Seiten so
Politische Lage der Mdssgiu 165
eng Ton Feinden nmgeben, dass sie sich nur durch die grösste
Einigkeit vor dem Verderben retten könnte ; ' statt dessen
aber ist sie in viele kleine Herrschaften zerstückelt, die, an-
statt sich einander beizustehen, sich über ihr gegenseitiges
Ungemach freuen. In Wahrheit, nur die Menge der sumpfi-
gen Gewässer, welche ihr Land nach allen Seiten hin durch-
ziehen und dasselbe während des grössten Theiles des Jahres
für feindliche Heere ganz unzugänglich machen (auch während
der übrigen Zeit gewähren ihnen die Hauptgewässer natür-
liche Vertheidigungslinien, hinter die sie sich zurückziehen
können), erklärt es, wie das Land oder wenigstens einzelne
Bezirke desselben noch so dicht bevölkert sind, wie wir es
finden werden.
Im Norden die imenergischen , aber durch ihre zahlreiche
Reiterei und den Vortheil von Pulver und Blei furchtbaren
Kanöri; im Westen und Südwesten die unruhigen, rastlos
vordringenden Fidbe ; im Nordosten die eng verwandten, aber
durch die Verschiedenheit der Religion ihnen jetzt gegen-
überstehenden Logonescr; im Osten die wilden Bagrimma,
sie im Fanatismus eines vermeintlichen Isslam und im Ge-
nüsse imd in der Beutegier des Sklavenraubes verfolgend; —
alljährlich von allen Seiten niedergehetzt und um viele Hun-
derte, ja Tausende, seiner fortpflanzungsfähigsten Bewohner
beraubt: — so ist es natürlich nicht anders möglich, als
dass dieser unglückliche Volksstamm im Laufe der Zeit un-
terliegen muss. —
Es war heute Weihnachtstag, und da Herr Dr. Overweg und
ich, als Hamburger, dieses Fest durch eine ausserordentliche
Abendmahlzeit feiern wollten, sahen wir uns, aber leider ver-
geblich, nach Fischen um, welchen Genuss die Sumpfwasser
doch in Aussicht stellten. Mit Elephantenfleisch hatten wir
bittere Erfahrung gemacht — es war, obgleich nicht un-
schmackhaft, entschieden für den schwachen Zustand unse-
rer Magen zu kräftig oder unverdaulich — und Giraflfenfleisch,
166 VI. Kapitel.
das den höchsten unserer Afrikanischen Genüsse bildete, war
leider auch nllcht aufzutreiben. Desshalb erquickten wir uns
denn in Ermangelung höherer Genüsse mit einer Extra-Por-
tion von Kaflfee und Milch.
Die Fulbe waren heute noch nicht zur Audienz gekommen
und desshalb ward beschlossen, noch den folgenden Tag hier
zu bleiben; diese verweichlichten Höflinge sind keine Freunde
übergrosser Anstrengung. Dem gemeinen Kriegsvolk, das
keine Löhnung hatte und sich auch seinen Mundvorrath
selbst verschaflfen sollte — und zwar ohne plündern zu dür-
fen, da wir auf befreundetem Gebiete waren — , konnte aber
ein solcher Aufenthalt nur unerträglich sein, und wäh-
rend daher am folgenden Tage die Leute von Fette und
Bögo gerade zur Audienz waren, rückten zahlreiche Kanembü-
Trupps sowohl vor das Zelt des Veziers, als auch vor dieje-
nigen anderer Grossen und gaben ihre Ungeduld durch Schüt-
teln mit den Schilden und durch ihr eigenthümliches , nicht
sehr sanft tönendes Geschrei zu erkennen. Während nämlich
bei früheren Heereszügen die Schüa und Kanembü oft weit
vorauszogen, um sich ihren Bedarf leichter verschaflfen zu
können, war jetzt strenger Befehl gegeben worden, dass Nie-
mand dem Hauptzuge vorausgehn dürfe.
Herr Dr. Overweg machte diesen Nachmittag dem Füi'sten
A'dischen in Kade, dem Hauptorte seines Landes, welcher
etwa 2 Engl. Meilen südöstlich lag, einen Besuch und brachte
eine Ziege als Geschenk zurück ; er schien aber sonst keinen
grossen Genuss von seinem Ausflug gehabt zu haben. Es
wäre gewiss interessant gewesen, hier, in dem Orte dieses
den Kanöri befreundeten Häuptlings, die Sitten dieser Leute
zu studiren; aber es schien mir nicht räthlich, mich näher
mit ihnen einzulassen, da die Kanöri schon ohnedies zu ge-
neigt waren, uns mit diesen Kerdi zusammenzuwerfen, was
sich mein Begleiter ruhig gefallen Hess, wozu ich aber, da
es uns in ihrer Meimmg sehr herabsetzen musste, höchst
Oyerweg^s Besuch bei A'dischen.
167
wenig NeigUDg verspürte. Auch konnten sich diese unglückli-
eben, nur dem Zwange der Verhältnisse nachgebenden Herren
von Kade, da sie alles nationale Gefühl verleugnen mussten,
bei der Anwesenheit einer solchen Heeresmasse unmöglich
in ihrer wahren Natur geben; ja, sie waren eher geneigt,
ihren „kefö" selbst zu verleugnen.
J
Vn. KAPITEL.
Die Landschaft der seichten Sumpfgewasser. — Wasserscheide swischen den
Flössen Benue und Schfiri.
[Freüctg, 26»*^ Dezember. 1 Wir setzten nun endlich un-
seren Marsch fort, und zwar mit grosser östlicher Abbiegung
von unserer südsüdöstlichen Hauptrichtung, um Ead€, Adi-
schen's Residenz, zu umgehn und mit Plünderung zu ver-
schonen. Die Heeresmasse war in mehrere Trupps getheilt,
von denen sich einige weiter westlich am Rande einer mit
Bäumen eingefassten Wasserrinne entlang hielten; dennoch
aber war das Gedränge an einem die Ebene durchschnei-
denden, von hohen Ufern eingeschlossenen Rinnsale nichts
weniger als erfreulich. Hier stand das Korn — „massäkuä"
(Holcus cemutis) — noch unreif auf dem Felde; dann folgte
offenes Weideland.
Wir lagerten schon nach einem Marsche von weniger als
10 Meilen, nachdem wir hinter Eade eine ganz südliche Rich-
tung angenommen hatten, bei einem Dorfe Namens Bögo,
das einst sicherlich mit der gleichnamigen Fidbe -Ortschaft
im Westen einen zusammenhängenden Gau gebildet hat. Die
Einwohner waren auch hier insgesammt geflohen, obgleich
ihr Häuptling, welcher Bakschämi heisst, ein Verbündeter
und Freund A'dischen's war.' Die Hütten des Dorfes waren
sorgfältig gebaut, aber nur wenige Bäume verliehen durch
ihren Schatten den Gehöften einige Gemüthlichkeit. Unter
dem vorgefundenen Hausgeräth befanden sich auch Fischkörbe
Verbreitoog der Del<Hbpalme. • 169
— „kSyan", wie die Kanöri sagen — , von denen einige mit
trockenem, aus der rothen Holcus-Art bereiteten Teige ange-
füllt waren; aber die Leute. rührten ihn nicht an, aus Furcht,
er möchte vergiftet sein. Bei einer früheren Gelegenheit wa-
ren nämlich mehrere Leute durch einen Topf mit Honig, den
die Eingeborenen auf ihrer Flucht absichtlich zurückgelassen
hatten, vergiftet worden.
Schon auf unserem Marsche hatten wir jenseits der Was-
serrinne (zur Rechten) in der Feme eine Felshöhe erblickt;
von Bögo aus sahen wir sie nun in nordwestlicher Richtung
in schärferen Umrissen, und dahinter in schwächeren den
entfernteren zusammenhängenden Höhenzug Mändara's, den
ich aber leider nicht niederlegen konnte, da ich keinen zwei-
ten Winkel zur Berechnung der Entfernung fand.
[Sonnabend, 27«ien Dezemher.'] Der erste Theil unseres Mar-
sches führte heute durch lichte Waldung ; dann traten wir in
freieres Sumpf land hinaus, welches mit hohem frischen Grase
bewachsen und voll ungeheuerer Fusstapfen von Elephan-
ten war; auch Perlhühner wurden hier in Menge gefangen.
Nur hie und da überragte eine einzelne Mimose die flache
Linie der grasigen Savanna.
Nach einem Marsch von 6 Meilen erblickten wir die erste
Delebpalme im Müssgu- Lande. Schon zu wiederholten Ma-
len habe ich bei der Erzählung meiner Reisen die Aufmerk-
samkeit des Lesers auf diese schöne Fächerpalme gelenkt;
aber in allen Örtlichkeiten, wo ich sie bisher beobachtet hatte,
war sie meist nur vereinzelt vorgekommen. Selbst in Adamaua
ist sie auf besonders begünstigte Stellen beschränl^ während
sie sogar in einigen ausgedehnten Provinzen dieses Landes,
wie z. B. in Büban-djidda, ganz fehlt. Jetzt hatten wir -aber
das Land erreicht, wo dieser schöne und nützliche Baum
— wahrscheinlicherweise nur eine Varietät des berühmten
Borasstis flaheüiformis — der gewöhnlichste und vorherr-
schende Vertreter der Pflanzenwelt ist; die Müssgu nennen
i
ihn in ihrv^r ^h^nrhi» .-iin*i"'. Vom VxifHici-Liiiifie u» %iiHiic
*r *irh in Swt minn&^rhrarlumeni Ziue *iarrii rfie «ifOichiai
di«^ H^npf><rjuit voii Bwfairmi and & ü&r lie» Bos-bd zu
Wir «Vnlt^m fiTw^m La«RrpIa£z in emi>r •>rtsciui& Ndmens
f^vlum .rt#>pp^lfeWcnt ^fe von ^miwen. *icli w*3t AnsbrvHtsm-
4#^ KÄmKMn h#>d^iutftK w#Y(im. atui madite einen abersui»
fr^ndlkh^n tnui b^haoücfam Emiinzck. Wir wurden ab«3'
\v9AA fffsw^hr. dsv» a^ Fmrhtboriceit nnd Sciiönlieic «iüs
('0fin^ fi^r y^thhi^nciaift ein«» gramen Wasers znznsoiirpi-
f>^ ^, d^ikiL ^Ihsi an Krokrufilfn und Xjzornta's nicht arm.
rort f-jnifgfju kWn^n Kano^ä belebt war: es häuft wahr-
wii^Xu'M mit dem imr wenige Meilen entfernten Fhiss zu-
«lammen« Troiz der Sehonbeit der Landschaft war dieselbe
d^»^:h verlaA^^: denn die Bewohner waren sammtli«:h ent-
flohen. — I>er (ht geb^jrt dem Ma^ikko. einem Häuptling,
der KAbiA^hme ah I>;hn4herm anerkennt
Am NV;hmittag erhielt ich einen kurzen Besuch des Herrn
^(m yit'Ah'}}^^ dn^fT ziemlich bettelhaften Persönlichkeit Er
war alu IVite an den F^äreten ron ^landara geschickt worden
find i^Hm Ton der Hanpti$tadt jenes kleinen Landchens an-
g#;kommf7n, Za dieser Keise hatte er Ton M5ra ans 3 Tage
gf^braticht, Inderm er die erste Nacht in Mokoschi, die zweite
in KMte g^iM'hlafen hatte nnd hente von dort hierher gekom-
men war ; die ganze Strecke lässt sich aber in 2 starken
Ttip(,tmuirn('hf*n machen.
\Hnnnfnfjf 2H»i^ Dezember,] Es war ein interessanter Tage-
umrnt'h, der nns nime wichtige Züge von Land und Volk dieser
Zorin etiihiillte, aber uns um so mehr bedauern liess, dass wir
diPHn Mffhrnin Lniidschaft nicht in unserem eigentlichen Cha-
rnktifr i\ln friedliclio Iteiscnde durchziehen konnten, sondern
Überfall eines Mdssgu-Distriktes. 171
uns gezwungen sahen, die Gesellschaft dieses Heeres scho-
nungsloser und blutgieriger Sklaveujäger zu suchen, welche,
ohne Gefühl für die Schönheit des Landes und das behag-
liche Lebensglück seiner Bewohner, nur darauf bedacht wa-
ren, sich mit dem Raube desselben zu bereichem.
Als wir nach etwas weniger als 5 Meilen aus dichter Wal-
dung hervortauchten, betraten wir Stoppelfelder, besetzt mit
zahlreichen Hüttengruppen und schönen Bäumen, in deren
Asten wieder lange Gewinde von nahrhaftem Frühlingsgrase
der Sumpfniederungen für den Bedarf der dürren Jahreszeit
aufgehängt waren. Die Landschaft war äusserst anmuthig;
mehrere kleine Teiche belebten die Weiler, ähnlich wie in
den Dorfschaften unseres Heimathlandes, ausser dass Gänse
und Enten fehlten. Das einzige Leben, das sich aber jetzt
hier zeigte, war Raub und Zerstörung*). — Die Bauweise der
Hütten und die ganze Anordnung der Gehöfte hatte grosse
Ähnlichkeit mit derjenigen des ersten Dorfes, welches wir
bei unserem Eintritt in dieses Land gesehn hatten; die Gi-
pfel der Komschober waren im Allgemeinen hier mit einer
Art Nacken versehen, dessen Öffnung mit einem kleinen
Strohdach bedeckt war. Breite, wohlbetretene Pfade, von
dichten Zäunen eines besonderen, auf Kanöri „magara" ge-
'nannten Busches, den ich bei der Erwähnung der Felder
von Dauanö (in der Provinz Kanö) schon beschrieben habe,
begrenzt; durchzogen die Felder in allen Richtungen und
gaben ein Zeugniss von der grossen Sorgfalt der Eingebo-
renen.
Aber ein anderer Gegenstand zog meine Aufmerksamkeit
ganz besonders auf sich, da er Zeugniss ablegte von einem
gewissen Bildungsgrade, welcher die stolzen Mohammedani-
schen Bewohner dieser Länder beschämte, wiewohl er auf
*) In der Ansicht dieser Landschaft ist nicht dieser Augenblick der Zcrsto-
ningy sondern die Ruhe, die ihr vorherging, aufgefasst und das herannahende
Unglück nur durch die Rauchsäule im Hintergründe angedeutet.
i
172 Vn. Kapitel
der anderen Seite allerdings zugleich einen lebendigen Beweis
ihres Aberglaubens lieferte. Während nämlich die zum Isslam
übergetretenen Bewohner des Sudans in Bezug auf die Be-
stattung ihrer Todten überaus nachlässig sind und die Grä-
ber nicht hinreichend gegen die wilden Thiere schützen, sodass
die meisten Leichen in wenigen Tagen eine Beute der Hyänen
werden, — hatten wir hier regelmässige Grabmäler vor uns,
mit grossen, schön gerundeten Gewölben gedeckt, deren Gi-
pfel bei einigen mit ein Paar quergelegten Baumstämmen,
bei anderen mit einer irdenen Urne geschmückt waren. Die-
selbe Art der Verehrung, die von diesen Heiden ihren Vor-
fahren gezollt wird, ist in einem grossen Theile Afrika's vor-
herrschend, und wie sehr auch immer die besonderen Ge-
bräuche, welche mit dieser Verehi'ung der Vorfahren ver-
bunden sind, von einander abweichen mögen, so ist doch
überall das Prinzip dasselbe. Aber zu keiner Zeit und bei
keiner Gelegenheit bedauerte ich es mehr. Niemanden zur
Hand zu haben, um mir die Gebräuche dieser Leute erklä-
ren zu können, als damals, wo ich diese Stätten einheimi-
scher eigenthümlicher Weltanschauung vor mir sah. Die
Urne enthält höchst wahrscheinlich den Kopf des Verstor-
benen; was aber die Baumstämme bedeuten sollten, kann
ich nicht sagen. Es wäre jedoch nicht unmöglich, dass bei
dieser verschiedenen Ausschmückung auf das Geschlecht der
verstorbenen Person Rücksicht genommen wird.
Während ich mich der Anschauung dieses Bildes eines be-
haglichen, wenn auch geistig noch so beschränkten, Volksle-
bens überliess, vergass ich in dieser Träumerei ganz meine
eigene persönliche Sicherheit; denn der Vezier, der heute,
ohne dass ich es wusste, auf seinem kräftigen Schlachtross
seinen Marsch äusserst schnell fortgesetzt hatte, war weit vor-
aus und ich hatte nur eine Handvoll Schüa in meiner Nähe.
Als wir nun aus der dichten Waldung in einen anderen gut
angebauten und dic^t bewohnten Gau hinaustraten und in den
Gänzliche^Verwimmg im Nachtrupp. 173
Stoppelfeldern jede Spur eines betretenen Pfades aufhörte,
sah ich plötadich, dass ich vom Hauptzuge gänzlich abgeschnit-
ten war. In wilder Unordnung irrten hier einzelne Reiter
zwischen den Zäunen der Gehöfte hierhin und dorthin, wäh-
rend dort ein Eingeborener in äusserster Verzweiflung sein
Heil in der Flucht suchte; hier ward ein Anderer aus seinem
Versteck hervorgeholt, dort diente ein oben im dichten Laube
einer „ngabore" Hockender zum Ziele von Pfeilen und Kugeln;
einzelne Schüsse fielen in verschiedenen Richtungen. Ein klei-
ner Trupp Schüa war unter einem Baume versammelt und
suchte ein Rudel geraubten Viehes zusammenzuhalten. Um-
sonst wandte ich mich an Schüa und Kanöri mit der Frage,
wohin sich derVezier gewendet; Keiner konnte mir Auskunft
geben. Ich ritt also kreuz und quer durch die Ortschaft, um zu
sehn, ob ich nicht selbst die Spur des Haupttrupps auffin-
den könnte, aber die Spuren gingen unbestimmt hin und^her.
Verschiedene Trupps, in gleicher Ungewissheit wie ich selbst,
kamen mir entgegen und ich schloss mich einem derselben
an. Einige „libbedi" und Leute des Veziers befanden sich
dabei, aber Niemand wusste, wo der Heerfilhrer war, selbst
nicht der Diener, der den Teppich trug, auf welchen sich sein
Herr bei der Ankunft an einem Lagerplatze niederzulassen
pflegte. Da hörten wir in einiger Entfernung hinter uns eine
Gänga schlagen, und als wir dem Schalle nachgingen, fanden
wir eine ansehnliche Menge Reiter jeder Gattung, gewiss über
1000 Mann, auf einem freien Platze versammelt. Wir hör-
ten nun hier, dass die Kerdi den Zug an seiner dünnsten
Stelle durchbrochen und dass der Vezier seihen Marsch
eiligst fortgesetzt hätte, der Nachtrab aber sich hier zer-
streut habe. Würden diese armen Kerdi, denen es wahrlich
nicht . an Muth fehlt, von erfahrenen Anführern geleitet
und wai'teten die rechte Gelegenheit ab, sie könnten in die-
sen dichten Waldungen, wo Reiterei nur ein Henmmiss ist,
diesem meist feigen Tross unendliche Verluste beibringen und
J
174 VII. Kapitel
ihn leicht ganz zersprengen. Aber die grosse Schwäche der
Müssgu-Stämme liegt in dem Umstände, dass sie keine Pfeile
haben, sondern nur mit Lanze und Handeisen kämpfen ; sonst
würden sie sicherlich diese lästigen Nachbarn in ehrfurchts-
voller Entfernung halten können. Welchen geringen Nutzen
die Letzteren aber aus dem Gebrauche der Feuerwaffe zie-
hen, darüber hatte ich hinreichende Gelegenheit zu urthei-
len; denn mehrere Gewehrleute baten mich dringend um
Feuersteine, da sie die ihrigen entweder verloren, oder diese
sich nicht bewährt hatten.
Endlich setzte sich der ungeordnete Tross in Bewegung;
aber die Unschlüssigkeit und Furcht vor einigen etwa im
Dickicht versteckten Kerdi war so gross, dass wir wieder
umkehren mussten, nachdem wir schon eine gute Strecke
vorwärts gegangen, weil der Haupttross zurückgeblieben war.
Indem wir dann einer westlicheren Richtung folgten, er-
reichten wir durch dichte Waldung ein grosses sumpfarti-
ges Wiesenwasser mit unterbrochenen Wasserflächen, wohl
1 volle Meile breit und mit hohem Sumpfgrase bedeckt. Hier
erblickte ich zu meiner grossen Freude einen beträchtlichen
Theil der Reiterei, in langen Reihen ihre Pferde tränkend,
und erfuhr zu meiner Beruhigung, dass das Lager in der
Nähe sei; denn mit dem ungeordneten Tross, in dessen Ge-
sellschaft ich soeben gezogen war, hätte ich keinem Angriff
ausgesetzt zu sein gewünscht.
Ich tränkte daher mein Pferd am Rande des grossen Sumpf-
wiesenwassers und folgte dann vergnügt dem dumpfen Schalle
der grossen' Trommel des Veziers. Den Lagerplatz fand ich
nur wenige Minuten östlich vom Rande dieses grünen „ngdl-
djam" auf reichen, von schönen grossen Bäumen beschatteten
Stoppelfeldern. Hier fand ich Herrn Dr. Overweg, der sich
immer hart am Vezier gehalten hatte, und wir setzten uns
in den Schatten eines Baumes, um die Ankunft unserer Ka-
meele abzuwarten, über die wir einige gegründete Besorgniss
Die B<5nia-Kameele. 175
hegten; denn die ersten Eameele waren ohne Gepäck beim
Lagerplatz angekommen, da sie bei der Flucht ihrer Führer
die Last abgeworfen hatten. Dieser Umstand war aber dem
letzteren Theile des Trosses nur vortheilhaft, da der Vezier
in grosser Besorgniss nun zwei Kaschella's mit ihren Schwa-
dronen ausschickte, um den Tross sicher einzubringen. So
kamen unsere Thiere glücklich herbei, obgleich sie wirklich
in Gefahr gewesen waren, von den Kerdi, die sich hinter dem
Rücken des eigentlichen Heeres wieder gesammelt hatten, an-
gegriffen zu werden. Es war gewiss ein unglaublicher Un-
verstand, den Tross so ohne Schutz zu lassen.
Die Bömu-Kameele sind halbe Mehära, und während sie
die Kameele der Wüste an Stärke einigermassen übertreffen,
haben sie ein gutes Theil von deren Schnelligkeit. Li der
That ist nicht allein das Kameel, welches die Kriegstrommel
trägt — und diesen Gebrauch werden wir selbst in Baghirmi
finden — , stets dicht hinter dem Heerführer, wie schnell dieser
auch immer vorwärts inicken mag, sondern auch seine übrigen
Kameele mit den Zelten, dem Proviant und den fürstlichen
Köchinnen sind gewöhnlich in nur geringer Entfernung, und
die besten Kameele der Kokanaua mit deren Sklavinnen oder
Kebsweibem halten sich hart hinterdrein.
Die Ortschaft, wo wir unser Lager aufgeschlagen hatten,
heisstKäkalä und ist eine der bedeutenderen im Müssgu-Lande.
Eine grosse Menge Sklaven war heute eingefangen worden
und noch am Abend ward nach einem Kampfe, in welchem
drei Bomu-Reiter fielen, eine bedeutende Anzahl eingebracht
Ln Ganzen sollten an diesem Tage 1000 Sklaven gefangen
worden sein, aber sicherlich belief sich die Beute nicht unter
500. Die erwachsenen Männer, meist hochgewachsene Leute,
aber keineswegs mit sehr einnehmenden Zügen, wurden ohne
Schonung abgeschlachtet, oder man liess sie sich vielmehr
verbluten , indem man ihnen ein Bein abhieb ; ihre Zahl be-
lief sich auf 170. Ihr Vorderkopf war, anstatt rückwärts ge-
i
176 Vn. KapiteL
neigt ZU sein , bei den Meisten sehr hoch und die -Gesichts-
linie gerade, aber ihre buschigen Augenbrauen, weit offe-
nen Nasenlöcher, aufgeworfenen Lippen, hohen Backenkno-
chen und ihr grobes buschiges Haar gaben ihnen ein sehr
wildes Ansehen. Die Gestaltung der Beine mit den nach in-
nen gebogenen Knieknochen war besonders hässlich. Über-
haupt waren sie knochiger und ihre Glieder weniger schön
abgerundet, als bei den Marghi. Sie waren insgesammt von
schmutzig-schwarzer Farbe, weit entfernt von jenem glänzen-
den Schwarz, das bei anderen Stämmen einen so wohlgefäl-
ligen Eindruck macht und mit der dunkelen Hautfarbe eini-
germassen aussöhnt. Die Meisten von ihnen trugen einen
kurzen Bart; Mehrere hatten ihre Ohren mit kleinen Ku-
pferringen geschmückt, und fast Alle trugen ein aus Dümge-
strüpp — „ngille" — grob geflochtenes dickes Tau um den
Hals.
[Montag, 29*ten Dezember.] Bald nach unserem Aufbruch
vom Lagerplatz hatten wir das „ng&ldjam" zu passiren, das
hier gleichfalls mit hohem Grase dicht durchwachsen und
wegen der zahllosen, von Elephantenpfoten herrührenden Lö-
cher überaus schwierig zu passiren war. Dann traten wir wie-
derum in dichte Waldung ein, wo mir mein alter Haussa-
Freund, der „kokia", zum ersten Mal wieder begegnete, ein
Baum von mittlerer Grösse, mit grossen Blättern und Früch-
ten von der Grösse eines Apfels. Diese waren jetzt noch grün,
sollen aber selbst reif nicht essbar sein. Dieser Baum einwies
sich in der Folge als auch in diesen Waldungen des Müssgu-
Landes sehr häufig, wie ich ihn auf meinen früheren Reisen
schon in anderen Gegenden gefimden hatte. Über den La-
gerplatz für heute herrschte grosse ünschlüssigkeit. Ein
energischer Heerführer hätte höchst wahrscheinlich den Marsch
so schnell wie möglich fortgesetzt, um den nächsten Bezirk
unerwartet zu überfallen ; wir aber machten schon lange vor.
Mittag, allerdings gegen den Willen einer starken Partei, mit*
Besnch A'dischen^s bei dem Reisenden. 177
ten im Walde Halt Der benachbarte Teich, aus dem das
ganze Heer getränkt werden sollte, hiess es, enthalte nicht
hinreichend Wasser, und ein gewaltiger Waldbrand, der viel-
leicht ursprünglich absichtlich angelegt war, um den Platz
zu reinigen, aber sich plötzlich zu gewaltsam ausbreitete,
rückte höchst bedrolilich ganz hart auf uns los, so dass wir
uns eiligst zurückziehen mussten. Jedoch ward endlich be-
stimmt, hier zu lagern. Das Wasser, an dem man den Be-
sitzer einer kleinen Rinderlieerde fand, der, nichts Böses ali-
nend, hierher gekommen war, um sein Vieh zu tränken, und
abgeschlachtet wurde, erwies sich als ein umfangreicher und
ansehnlich tiefer Teich.
Allmählich trafen die Kameele ein, die Zelte wurden auf-
geschlagen, leichte Hütten errichtet, das Lager bildete
sich und ein Jeder überliess sich der Ruhe, als am Nach-
mittag plötzlich Alarm geschlagen wurde und Alles zu
den Waflfen eilte und die Pferde bestieg. Es schien un-
glaublich, dass der Feind ohne Einheit und gute Leitung
eine solche Heeresmasse von über 10,000 Mann Reiterei und
noch mehr Fussvolk angreifen sollte, obgleich ich überzeugt
bin, dass ein muthiger Überfall von einigen hundert ent-
schlossenen Kämpen diese ganze eitle und feige Schaar über
den Haufen geworfen haben würde. Der Alarm erwies sich
denn auch als vollkommen grundlos. Der Anlass dazu war,
dass einige der uns begleitenden Fulbe gesehn, wie drei Kerdi-
Weiber sich an das Wasser schlichen, und daraus gefolgert
hatten, dass die Feinde in der Nähe seien und spioniren
wollten; denn die dichte Waldung umher verhinderte jede
Femsicht.
Als sich das Lager endlich wieder beruhigt hatte, kam
der Fürst A'dischen mit einem ansehnlichen Gefolge seiner
Sattel- und kleiderlosen Reiter an mein Zelt, und da ich ihn
einlud, kam er zu mir herein. Er hatte ein besonderes
Anliegen, nämlich sich einen Ausschlag an den Lippen hei-
B*rth*s BdMo. 111. 12
178 Vn. EapiteL
len zu lassen; damit jedoch wies ich ihn an den „tahib'',
wie Herr Dr. Overweg sich nennen liess. Der kleine halb-
civilisirte Häuptling hatte nichts Anziehendes imd Interessan-
tes, und ich war froh, als ich ihn mit einigen kleinen Ge-
schenken abgefertigt In der That ist der Unterschied zwi-
schen den Marghi imd den Müssgu, obgleich ihre Sprache,
wie ich angegeben, auf eine entfernte Verwandtschaft hinweist,
sehr gross und durchaus zum Nachtheil der Lietzteren, deren
Grestalten, wenn auch zum grossen Theil ebenso gross, we-
niger Ebenmass und deren Züge etwas höchst Abschrecken-
des haben. Ich bemerkte keinen Schmuck an diesen LfCuten,
wie die schönen Eisen- oder vielmehr Stahlringe der Marghi,
wodor an den Höflingen, noch an dem gemeinen Manne.
AdiHohön hatte sich den Kopf geschoren, um sicli das Ansehn
oint'H Moslim zu geben, und trug eine Tobe; von seinen Be-
^l(«itorn trug nur Einer ein Hemd, die Übrigen hatten ihre
Iliinon mit einem ledernen Schurz verhüllt. Am merkwürdig-
Mtim ist bei diesen Leuten die Art, wie sie sich zu Pferde hai-
ton; sie ist wahrhaft barbarisch; denn absichtlich machen sie
eine breite oflfene Wunde auf dem Rücken ihrer kleinen
stämmigen Pferde, um festzusitzen, und wenn sie schnell
reiten wollen, ritzen sie sogar oft noch ihre Beine auf der
inneren Seite auf, damit sie durch das herabrieselnde Blut an
den Seiten ihrer Pferde festkleben ; denn sie entbehren Alles,
Sattel, Bügel und Zaum, und haben nichts als eine Halfter,
ihr Thier zu leiten. Sie tragen gewöhnlich nur Einen
Speer, aber mehrere Handeisen — „goliö" — . Der „göliö"
ist offenbar ihre beste Waffe, nicht allein im Handgemenge,
sondern auch aus der Feme, indem sie dieses scharfe und
doppelspitzige Eisen sehr geschickt von der Seite werfen
und Beine von Menschen und Pferden wegschneiden; so
wenigstens behaupteten meine Freunde. Es mag sich aber
wohl auf schwere Wunden beschränken. Einige ihrer Häup-
ter schützen ihren Oberkörper durch einen starken Panzer,
Aufbrach gQg&n die Tdburi. 179
der aus Büffelfell gemacht ist, indem sie das Haar nach
innen tragen, wie beifolgende Ansicht darstellt.
Während der Nacht, wo ich keinen Schlaf finden konnte,
vertrieb ich mir die Zeit mit den Possen des Rufers, der
dafür sorgte, dass die Leute nicht zu tief schliefen, und be-
sonders, dass eine Gruppe Wächter nicht in Schlaf ver-
fiele. Vorsicht war hier gewiss höchst nöthig.
[Dienstdg, 30»*^ Dezember.'] Dies sollte der letzte Ta-
gemarsch unseres Heerzuges gegen Süden oder vielmehr
Südosten sein. Die ersten 10 oder 11 Meilen ging es
durch so dichte Waldung, dass wii* oft Mühe hatten, uns
durchzuwinden, und dass die unruhigen, oft überaus bös-
artigen Bomu- Pferde, zwischen dem Dickicht zusammenge-
klemmt, in die unangenehmste Berührung mit einander kamen.
Hier pries ich wieder im Stillen meine massiven Steigbügel, die
schonungslos gegen Baum und Mensch ihren Platz bewahr-
ten. Dieser ganze Wald bestand aus mittelgrossen Bäumen,
wo die „kökia", der oben erwähnte Baum mit der apfelar-
tigen Frucht, ganz vorherrschend war; fast kein einziger
grösserer Baum liess sich sehn. Alles Wild war natürlich
von der grossen Menschenmasse verscheucht worden, aber
mir fiel die Seltenheit von Ameisenhügeln auf, bei der star-
ken Feuchtigkeit, die in diesen ausgedehnten Flachländern ob-
waltet.
Wir hielten uns ganz gerade auf Daüa zu, die oben er-
wähnte Ortschaft der Tüfuri oder Tüburi, einer Abtheilung der
grossen Völkerschaft der Fari oder Fall, an deren Wiederun-
terjochung nicht allein dem Mallem Djümma, sondern den in
den östlichen Distrikten Adamaua's angesessenen Fulbe über-
haupt unendlich viel gelegen war. Diese Partei hatte in den
Kriegsberathungen der letzten Tage den Sieg davon ge-
tragen über die Feigheit des grössten Theiles der Kanöri-
Kokanäua; jetzt aber, wo wir diesem als kriegerisch be-
kannten Stamme nahe rückten und wo es sich darum han-
12*
180 VIL KApitel.
delte, ob wir in Zeit von 3 oder 4 Stunden mit ihnen hand-
gemein werden sollten, ward die Sache bedenklicher. An
einem herrlich frischen, von grossen reichen Ngabore umzäun-
ten „ngäldjam", das nach einem Marsche von 4 Stunden die
einförmige Waldimg unterbrach, ward Halt gemacht, und
während die Reiter ihre Pferde in dem seichten, von Gras
und Schilf durchwachsenen Wiesenwasser tränkten, ward
eine lebhafte „nogona" im Schatten einer prächtigen Sy-
komore gehalten. Hier nun ward entschieden, dass wir
wenigstens nicht heute nach Daua und gegen die Tüburi,
sondern für^s Erste ganz östlich auf Demmo losmarschiren
sollten. Die Fulbe ' gaben ihren Punkt wahrscheinlich so
leicht auf, weil der Vezier ihnen die feste Hoffnung machte,
dass er, nachdem er sein Hauptquartier in Demmo bezogen
und den dort gemachten Raub an Sklaven und Heerden
sicher im verschanzten Lager deponirt hätte, einen Streif-
zug nach Daüa unternehmen würde. Aber wir werden sehn,
was ihn abhielt, wenigstens nach seiner eigenen, heimlich
ims gemachten Aussage, diesen Plan auszufuhren, wodurch
wir um den Besuch jener so überaus interessanten und
wichtigen Landschaft kamen, die wir schon bei früherer Ge-
legenheit besprochen haben*).
Während unseres Haltes betrachtete ich mit dem lebendig-
sten Interesse diese reiclie, vielbewegte Scenc, eine Masse von
einigen tausend Reitern mannichfaltigster , reiclister Farben-
pracht, mit ihren muthigen Streitrossen aller möglichen Gat-
tungen, vom „ngirma" zum kleinen stämmigen „kadära", vom
dunkelschwarzen „kera" durch alle Schattirungen von Braun
und Grau zum hellweissen „keri", obgleich ganz weisse Pferde
inBomu sehr selten sind: aU' dies Gewimmel von Menschen
und Pferden am grünen Saume eines schmalen Sumpfwassers
*) Im sweiten Theil, wo ich auch Herrn Dr. VogeFs glorreichen Tdburi-
See gehörig gewürdigt habe.
Zug gegen D^mmo. 181
entlang, hart begrenzt von einem dichten Wald grosser,
dichtbelaubter Bäume.
Nach nur viertelstündigem Halte waren wir wieder im
Sattel, ohne die Ankunft der Kameele abzuwarten, die jetzt
unter dem Schutze zweier Kaschellas zogen, und setzten
unseren Marsch fort, aber nun mit ganz veränderter Rich-
tung, indem wir das von Norden nach Süden ziehende
Sumpfwasser nahe unterhalb unseres Haltplatzes passirten,
an einer Stelle, wo es völlig trocken, aber voll von tiefen
Löchern von Elephantenfusstapfen war. Die Wildniss war
hier eine Zeit lang lichter, aber nach etwas mehr als 2 Mei-
len hatten wir ein äusserst dichtes Walddickicht vor uns,
so dass es für rathsam erachtet wurde, einen Augenblick
Halt zu machen, damit erst recognoscirt würde, ob hier etwa
ein Feind im] Hinterhalt liege. In der That muss man
diese armen Eingeborenen bedauern, die bei solchen natür-
lichen Verschanzungen sich nicht besser gegen diese ebenso
grausamen als feigen Eindringlinge zu vertheidigen wissen.
Natürlich sind diese dichten Waldungen, die jede kleine
Herrschaft, ich möchte sagen, jede Ortschaft von der an-
deren trennen, selbst eine Folge des Unverstandes und der
barbarischen Blindheit dieser Heidenstämme, die, ohne ein
gemeinsames nationales Band, nicht allein sich einander nicht
beistehen, sondern wohl gar noch einander befehden.
Kaum hatten wir uns einen Weg durch das Dickicht ge-
bahnt, als wir ein anderes Wiesenwasser vor uns hatten,
das aber im gegenwärtigen Zustand eher einem wirklichen
Sumpfe glich, durch welchen sich die Pferde nur mühsam
durcharbeiten konnten. Nachdem wir dann wieder festen
Boden gewonnen, hatten wir um Mittag abermals ein Sumpf-
gewässer zu passiren; dann aber öffiiete sich das Land, und
indem die Fahnen entfaltet und alle Tronuneln geschlagen
wurden, sprengte der grösste Theil der Reiterei zum AngriflF
oder vielmehr zum blossen Raube voraus; denn kein Feind
182 yn. Kapitel.
liess sich sehn. Gleich darauf erreichten wir die Dorfgrup-
pen von Demmo und machten jetzt jeden Augenblick Halt,
um uns nach dem zum Lagern geeignetsten Platze umzu-
sehn; aber die Angabe, dass nahe vor uns ein grösseres
Wasser sei, lockte den Vezier weiter, während zahlreiche
Delebpalmen hinter den schattigen Akazien hervortraten.
Da erblickten wir plötzlich ein breites Wassersal vor uns,
breiter, als wir noch eines in diesem Lande gesehn, wohl
über 2 Engl. Meilen weit und mit einem ansehnlichen oflfe-
nen Wasser, auf dem sich zwei Kähne der Eingeborenen
zeigten*).
Wir zogen bis hart an den Rand des Wassers, das hier
tief zu sein schien, obgleich eine Anzahl hungriger Kanembü
das erste offene Wasser passirt hatten und in dem zwischen
ihm und dem hinteren Arm liegenden Sumpfgrase einige
Fische zu erhaschen suchten. Drüben vom gegenüberliegen-
den Ufer ragte ein ganzer Wald von Delebpalmen über
die niedrigere Vegetation hervor und lockte zu sich hinüber.
Die Richtung dieses Wassers war hier von SW. nach
NO. und es soll sich nach übereinstimmenden Angaben, ob-
gleich es nur beim höchsten Wasserstande einigermassen
fliessend ist, mit dem Serbewel vereinen, wie der obere
Theil des Flusses — „ere" oder „lagham" — von Logone ge-
nannt wird.
Hier standen wir eine Zeit lang und schauten sehnsüchtig
nach dem anderen Ufer hinüber; es war eine höchst inter-
essante , eigenthümliche Landschaft , überaus charakteristisch
für diese flachen Äquatorialländer Afrika's, von denen man
•) Ganz von derselben Natur, wenn auch niclit in unmittelbarem Zusam-
menhange mit diesem flachen Wiesenwasser von D^mmo, ist entschieden das
NgÄldjam bei Daüa im Lande der Tüburi, das durch Herrn Dr. Vogel, wel-
cher CS gleich nach dem Beginn der Begenzeit sah, wo es schon ziemlich voll
Wasser war, unter dem Namen „Tüburi-See" eine so unverdiente Berühmtheit
erlangt hat.
Das Dorf Ddmmo. 183
früher eine so gänzlich falsche Vorstellung hatte. Anstatt
des massenhaften Mondgebirges waren die wenigen Berg-
höhen, die wir gefunden, ganz vereinzelt; anstatt eines wüsten
Hochlandes weite, unendlich fruchtbare Flachlande, kaum
1000 Fuss über dem Niveau des Meeres, von unzähligen brei-
ten Wasserrinnen fast ohne alles Gefalle durchzogen. Nur
nach SW. erblickte man in der Entfernung von etwa 16
Meilen die vereinzelte Felshöhe der Tüburi.
Aber nicht weniger anziehend, als die Scenerie der Land-
schaft, war der Anblick der Heerschaar unserer Gefährten,
die hier am Rande des Wassers dicht zusammengedrängt
standen. Nur höchst Wenige von ihnen waren je zuvor so
weit vorgedrungen und sie blickten mit Neugierde und Er-
staunen auf diese Landschaft. Gern wären sie über das
Wasser gegangen , um die armen Heiden zu verfolgen , von
denen sich die Erwachsenen mit wenigen Ausnahmen noch
eben glücklich gerettet hatten; aber doch ward eine grosse
Menge Sklavinnen und junger Kinder eingefangen. Denn die
Männer waren erst geflohen, als sie an der Masse der vom
Heereszug aufgetriebenen Staubwolke erkannt hatten, dass
nicht einer der gewöhnUchen kleinen Raubzüge heranrücke,
die sie gewohnt waren und denen sie Stand hielten. Auch
eine ziemliche Anzahl von Füllen nebst Rindern ward einge-
bracht.
Nachdem wir lange Zeit den Anblick dieser Landschaft
genossen, die an Mannichfaltigkeit und Reichthum die öde
Umgebung von Kükaua so weit übertraf, zogen wir uns wieder
etwas zurück, um uns vor den Mücken zu schützen, die nah
an diesen Wassern natürlich in grosser Fülle hausen, und
lagerten uns mitten zwischen den rauchenden Trümmern der
soeben in Brand gesteckten Hütten. Das ganze Dorf, noch vor
Kurzem eine Stätte der Wohlhabenheit und des Glückes, war
zerstört und verödet, und abgeschlachtete Männer lagen über-
all zerstreut zwischen den Ruinen umher. Kleine Abtheilungen
184 Vn. Kapitel.
leichter Reiterei versuchten den Feind zu verfolgen, und am
Nachmittag entstand in ziemlicher Entfernung ein Schar-
mützel, so dass ein Kaschella zu Hilfe geschickt werden
musste , und es ward uns berichtet , dass 3& Schüa gefallen
seien, eine Angabe, die sich jedoch hernach nicht ganz be-
stätigte. Auch im Ngäldjam kamen übrigens heute meh-
rere Bomu- Reiter um.
[Mittwoch, 3P^^ Dezember.] Wir blieben diesen und die
folgenden Tage hier liegen, weil die Bomu -Leute wirklich
beabsichtigten, dieses Land ihrer Herrschaft zu unterwerfen.
Bei den Verhältnissen, in denen wir uns befanden, gelang es
mir leider nicht, so viel Nachrichten einzuziehen, als ich
vriinschte. Die eingefangenen Sklaven sagten aus, dass die
Eameele bei ihren Landsleuten ausserordentliches Entsetzen
erregt hätten, und dass sie nicht vor dem Heere der Strei-
ter, sondern vor diesen Thieren geflohen seien. In der That
waren früher nur kleinere Rhasien so weit gekommen. —
Da ich keine erwünschten Mittheilungen fand, streifte ich
auf unserem Lagerplatze umher.
Die Hütten waren insgesammt aus Thonmauem erbaut ge-
wesen, die eine Dicke von 4 — 6 Zoll besassen und dem
Brande getrotzt hatten; die aus Rohr bestehenden Dächer
waren eingestürzt. Der Durchmesser der Hütten wechselte
zwischen 8 und 12 Fuss und jede schien 'im Inneren ihre
grosse Komume gehabt zu haben, während einige auch eine
kleine, einem Backofen nicht unähnliche, besondere Koch-
stelle besassen. Im Ganzen genommen war jedoch die Ein-
richtung der Gehöfte weniger behaglich, als ich sie in ande-
ren Dörfern dieser Landschaft zu sehn Gelegenheit hatte;
auch bemerkte ich hier nicht so grosse Gehöfte. In der
Mitte des Dorfes waren einige ausgedehnte Teiche, welche
von Menschenhand gemacht zu sein schienen. — Unser Lager
— „ngäufate" — war gestern in seinem ganzen Umfange
mit einem starken Verback von Domengesträuch umgeben
Die Umgebnng von D^mmo. 185
worden, aber mehr desshalb, um die Sklaven an der Flucht,
als um den Feind am Eindringen zu verhindern. •
Am Nachmittag machte ich einen Ritt zum Lager hinaus
nach dem nahen Ngaldjam, dessen Ufer von Pferden, Rin-
dern und ruhenden oder badenden Menschen belebt war.
Von hier aus entwarf ich die Skizze , nach der die Ansicht
des Ngaldjam von Herrn Bematz ausgeführt ist. Dann ritt
ich nach Osten am Ufer entlang, bis ich an eine Stelle kam,
wo das Wasser ganz aufzuhören schien, so dassman wenig-
stens eine bedeutende Strecke weit trockenen Fusses hinein-
gehn konnte ; aber drüben auf der südöstlichen Seite, jenseits
eines schmalen Stückes Land , das sich durch seinen Baum-
wuchs als eine zur Regenzeit von beiden Armen abgeschlos-
sene Insel zu erkennen gab, zog sich ein ansehnlicher Was-
serstreifen hin. Ich wäre gern noch weiter gezogen, aber
mein Begleiter ward, wohl nicht ohne Grund, ängstlich, da
wir uns schon zu weit von der Tränke entfernt hatten. Ich
sollte jedoch bald mehr von diesem Flachwasser zu sehn und
selbst zu fühlen bekommen. — Als ich in's Lager zurückge-
kehrt war und mit BiUama über dies weite Flachland sprach,
führte er mir einen aus dem Müssgu-Orte Lüggeu gebürti-
gen Sklaven, Namens 'Abd AUähi, zu, der mich versicherte,
dass sich das Land nicht ununterbrochen auf weite Entfer-
nung in so ebener Fläche ausdehne, sondern dass sich in
Süden oder vielmehr Südsüdost ein Berg Namens „Attongo"
erhebe. —
Hier in Demmo brach mir das Jahr 1852 an und ich
hegte damals die HoSnung, im Verlaufe desselben in das
Land der Wissenschaft zurückkehren zu können, — nicht ah-
nend, dass ich noch 3 Jahre mehr in diesen Ländern eines
fast rohen Naturzustandes zubringen sollte, stets den wech-
selnden Eindrücken neuer Entdeckung und Enttäuschung,
bald freundlicher, bald schnöder Behandlung und vielerlei
Noth, Trübsal und Krankheit ausgesetzt.
I
186 YIL Kapitel.
Wir blieben auch am Neujahrstag hier ruhig liegen, aber
besassen nur wenig, um ihn feiern zu können; auch wenig
sonstige Unterbrechungen gab es, mit Ausnahme einer inter-
essanten Verhandlung am Nachmittag beim Vezier, die ich
hier einzahlen will.
Dem intriganten Schüa - Häuptling Mfillem Djümma, den
sein Ehrgeiz nicht ruhen liess, war es nämlich gelungen,
nicht allein den entflohenen Vorsteher von Demmo (der Ort-
schaft, wo wir gelagert waren), sondern auch den vom näch-
sten Dorfe jenseits des Ngaldjams, welcher am meisten für
seine Sicherheit fürchtete, an sich zu locken und beide zu
überreden, sich öffentlich zu unterwerfen und um die Imäna
Bomu's nachzusuchen. Sie erschienen heute in Folge des-
sen vor der „nogona" imd warfen Staub auf ihr Haupt; als
sie aber nun ihre Unterwerfung beschwören sollten, schwur
zwar der Fürst von Demmo, indem er eine Handvoll Erde
aufhob und durch seine Finger gleiten liess, aber der Fürst
von jenseits des Ngaldjams verweigerte den Schwur desshalb,
weil diese Erde, da es nicht sein Grund und Boden sei,
zu seinem Eid nicht passe. Er wolle erst, sagte er, eine
Handvoll Erde aus seinem eigenen Lande holen. (Dieser
Schwur mit der Erde der Heimath kommt auch bei den
Alten vor.)
Als dann die beiden Herren, welche ihre Schaam bis dahin
nur sehr unvollständig mit einem schmalen Lederstreifen be-
deckt hatten, mit schwarzen Toben bekleidet wurden, zog
der Herr von Demmo die seinige über den Kopf, unbeküm-
mert darum, dass andere Theile unbekleidet blieben, und un-
ser etwas übermüthiger Freund, der Vezier, rief ihm lachend
zu : „so recht, der Kopf ist mehr werth als das Glied". Zur
Belustigung der Versammlung stiessen sie auch in ihr klei-
nes Hom, das jeder vornehmere Müssgu bei sich trägt*) und
**) Siehe die bereits erwähnte Abbüdnng des MAssgu-Häaptlings.
Prieatar bei den Mdsagn. 187
welches einem Jagdhorn sehr ähnlich ist; in der Handha-
bung dieses Instrumentes war jedoch der Priester, der die
beiden Fürsten begleitete, geschickter als diese selbst^ indem
er einen ganz melodischen und weit schallenden Ton hervor-
zubringen vermochte.
Es war das erste und einzige Mal, dass ich bei diesen heid-
nischen Völkern einen eigenen Priester sah, und es that mir
überaus leid, dass ich mit diesem Manne nicht näher in Be-
rührung kam und auch von anderen Leuten keine weitere
Auskunft darüber erhalten konnte, was sein besonderer Berufe-
kreis sei, um beurtheilen zu können, inwieweit der Kultus die-
ser inneren Stämme mit dem derjenigen an der Südwestküste
übereinstimme. Aber ich glaube im Allgemeinen nicht zu ir-
ren, wenn ich annehme, dass das priesterliche Amt bei die-
sen Stämmen im Inneren weniger entwickelt ist, als bei de-
nen an der Küste; denn bisher hatte ich wenig ausgebilde-
ten Fetischdienst bemerkt. Auch dieser Mann erhielt ein
Hemd zum Geschenk, aber nur ein weisses von sehr unter-
geordneter Qualität, und ich glaube nicht, dass er es lange
trug, nachdem er die Versammlung dieser civilisirten Höflinge
verlassen.
Als Preis seiner wohlwollenden Aufnahme brachte der Herr
von Demmo, wie das gewöhnlich in so zerrissenen Gemein-
den der Fall ist, die Bereitwilligkeit zum Verrath seiner Lands-
leute mit, indem er versprach, das Heer nach einer grossen,
wie dies erklärt wurde, „ummauerten" Stadt zu führen, wo
sie reichlich Beute machen würden. Demzufolge also ward
ein grosser Streifzug auf den folgenden Tag angesetzt, den
der Vezier in Person anführen wollte.
[Freitag, 2ten Januar 1852.] Während der frühen Morgen-
stunden verhielten wir uns ganz ruhig, wahrscheinlich um die
benachbarten Häuptlinge glauben zu machen, dass wir gar
nicht die Absicht hätten, irgend etwas zu unternehmen. Dann
brachen wir plötzlich mit fast der gesammten Reiterei und
I
188 YIL Kmpitel.
einem Theile der Eanembö - Schildträger auf, unter Leitung
unseres neuen Freundes und Bimdesgenossen, des Herrn von
Demmo, der sich in seiner schwarzen Tobe noch überaus lin-
kisch und sonderbar auf seinem kleinen Gaule benahm. Da
sich die Nachricht von dem Heereszuge nun einmal weithin
verbreitet hatte, mussten alle Eingeborenen fem und nah auf
ihrer Hut sein. So war es nur zu natürlich, dass die erste
Ortschaft, die wir nach einstündigem Marsch durch lichtere
Waldung erreichten, völlig verlassen war. Die Landschaft war
überaus lieblich, reich bewässert und schön mit Bäumen ge-
schmückt. Der Landbau vnirde so sorgfältig betrieben, dass
selbst Dünger in regelmässigen Entfernungen auf die Felder
getragen war, — das erste Beispiel solcher Industrie, das ich
in ganz Central - Afrika sowohl bei Mohammedanern als bei
Heiden gesehn. Diese ganze Landschaft bis Demmo heisst Wü-
lia, den besonderen Namen der Dorfschaft aber konnte ich
nicht erfahren. Die Einwohner hatten so viel Müsse zur
Flucht gehabt, dass das zum Raube Zurückgelassene über-
aus wenig betrug, und wir setzten desshalb unseren Marsch
ohne Aufenthalt in nordöstlicher Richtung fort.
Wir passirten nach etwa 4 Meilen Weges ein anderes, nur
10 — 15 Zoll tiefes Wiesenwasser, gegenwärtig von weitem
Grasland umgeben, das einen Theil des Jahres hindurch un-
ter Wasser steht und dann den Anblick eines ausgedehnten
See's gewähren muss. Überall umher war dieses frische grüne
Becken mit üppigen i^tcw«-Bäumen und „karäge" besetzt und
einzelne schlanke Dümpalmen ragten malerisch aus dem grü-
nen Laube hervor; nach Delebpalmen aber sah man sich ver-
geblich um.
Eine andere, jetzt gleichfalls von ihren unglücklichen Be-
wohnern verlassene Dorfschaft folgte und dann wieder ein
offenes Wiesenland, durch das sich jetzt eine schmale Was-
serrinne von Südwest nach Nordost hindurchzog. Sie war etwa
100 Schritt breit und so überaus regelmässig zwischen unge-
Der Flosa von L^gone. 189
fahr 10 Fuss hohen deichartigen Ufern eingeschlossen, dass sie
ganz das Aussehen eines künstlichen Eanales hatte, eine £i-
genthümlichkeit, die ich später vielfach nicht allein hier, son-
dern auch an den ähnlichen Gewässern am sogenannten Ni-
ger bemerkte. An der Stelle, wo wir sie passirten, war die
eigentliche Wasserrinne ganz unterbrochen und wir schritten
trockenen Fusses hindurch; jedoch war dies wohl künstlich
von den verfolgten Eingeborenen bewerkstelligt, um eine
schnelle Verbindung mit dem Flusse, in dem sie allein ihre
Rettung sahen, offen zu halten. Ohne Aufenthalt zog daher
die Heerschaar weiter, in der Hoffnung, die Flüchtigen noch
einzuholen, ehe sie den Fluss passirt hätten. Denn hier wa-
ren wir ganz nahe am Westufer des Flusses von Logon oder
Logone, den des Landes Unkundige gewöhnlich Schäri nen-
nen, obgleich dieser Name, der ganz ausschliesslich der Sprache
von Kotokö angehört, doch nur dem östlichen grösseren Arm
und dann dem vereinigten Flusse unterhalb Kussuri zukommt.
Hier an dieser Stelle ward uns der Fluss, der im Allgemei-
nen in der Müssgu-Sprache „arre" oder „ere" genannt wird,
mit dem besonderen Namen Serbewel bezeichnet, der gleich-
falls wohl sicher der Müssgu-Sprache angehört und eine eigen-
thümliche Bedeutung haben mag. Höher aufwärts, wo wir
seine Bekanntschaft im weiteren Verlaufe unserer Forschun-
gen machen werden, führt er die Namen Ba-Gun und B4-Bei,
da „bd" der allgemeine Ausdruck für „Fluss" in der Sprache
von Baghirmi und der eingeborenen Stämme der Ssom-rei ist,
sowie dies Wort auch der Sprache der Manding oder Man-
dingo angehört.
Bald standen wir am Ufer des schönen Stromes, der selbst
jetzt noch ein ansehnlicher Fluss von etwa 600 Schritt Breite
und so tief war, dass ein Trupp von sechs Schüa, die sich in
ihrer unwiderstehlichen Beutegier hineingewagt hatten, vom
Strome fortgerissen und die Beute eines Dutzend muthiger
Eingeborenen wurde, die in zwei Booten lauernd auf und ab
I
190 Vn. KapiteL
fuhren, wohl sicher, das8 wir ihnen ohne Fahrzeuge nicht fol-
gen könnten, obgleich es bei dem Überfluss an Bäumen einer
solchen Heeresmasse mit einiger Energie leicht gewesen wäre,
ein Paar Flösse zu bauen.
Die Ufer des Flusses waren hier augenblicklich im Durch-
schnitt 25 Fuss hoch; man darf jedoch nicht vergessen, dass
dies keineswegs der geringste Stand des Flusses ist, der im
Gegentheil, wie wir auf der Reise nach Baghirmi sehn wer-
den, bis zum Mai fallt und dann nicht allein hier im oberen
Laufe, sondern selbst bei I^ogon bimi furthbar ist Das ge-
genüberliegende Ufer war weniger hoch, sah aber in seinem
reichen Baumschmuck überaus einladend aus; der armen
Eingeborenen wegen sah ich es aber gern, dass wir nicht
hinüber konnten, und ich glaube, selbst unser Freund, der
Hadj Beschir, überschaute diese interessante Flusslandschaft
mit mehr wissenschaftlicher Theilnahme als Ingrimm. Leider
hatte ich diesmal mein Femrohr nicht bei mir, war aber so
glücklich, den Fluss noch an einer anderen Stelle weiter auf-
wärts zu sehn.
Nachdem wir ehiige Minuten hier am Hochrande des
Flusses gestanden und in den langsam sich dahinwälzenden
Strom hinabgeschaut hatten, wendeten wir unsere Thiere zur
Rückkehr, während unsere Freunde sich mit dem Gerede
trösteten, dass die Kerdi, wenn sie ihnen entgangen wären,
doch ihren Feinden, den jenseits des Flusses in der Imäna
Baghirmi wohnenden Heiden, in die Hände gefallen seien.
Phantasiereichere Berichterstatter wollten sogar wissen, der
Sultan von Baghirmi selbst sei gerade mit einer Rhasia drü-
ben gewesen und habe die Geflüchteten insgesammt „ge-
gessen".
So wandten wir denn dem Flusse den Rücken, mein Euro-
päischer Gefährte und ich überaus zufrieden mit unserem
Tagewerk, das uns an die Ufer dieses schönen Stromes ge-
führt hatte, unsere Begleiter aber höchst schweigsam und
Wasserkampf mit den Mdssgu. 191
ergrimmt, dass ihnen die erwartete Beute entronnen war.
In der That, wo das gehoflfte El Dorado der ummauerten
Stadt voll von zur Knechtschaft bestimmten Knaben und
Mädchen eigentlich sei, konnte ich nicht recht erfahren. Die
ganze Beute des heutigen Tages belief sich auf eine Hand-
voll Sklaven, Unglückliche, die Krankheit oder Hochsinn
abgehalten hatte, ihre heimathliche Hütte zu verlassen, ein
Paar Kühe, einige Ziegen, Hühner, etwas Matha-Kom, be-
sonders aber Erdmandeln (Arachis hypogaea)^ wovon grosse
Lasten von den hungrigen Kanembü nach Hause geschleppt
wurden.
Da bot sich willkommen ein Gegenstand, woran das ge-
täuschte Heer seine Erbitterung auslassen konnte. In der
langen kanalartigen Wasserrinne nämlich, die ich vorhin er-
wähnt habe und wo wir jetzt unsere ermüdeten Thiere
tränkten, zeigten sich vier Eingeborene, die, offenbar im Ver-
trauen auf ihren Muth und ihre Geschicklichkeit im Schwim-
men, hier im tiefen Wasser ihre Zuflucht genommen hatten,
um beim Abzug des Heeres den Ihrigen ein Zeichen zu
geben. Diese kleine Heldenschaar beschloss man also zu
opfern und das ganze zahlreiche Reiterheer stellte sich in
dichten Gliedern an beiden Seiten des Wassers auf. Jedoch
war es nicht so leicht, als es schien, und alles Feuern der
schlechten Schützen war umsonst, da die Müssgu höchst ge-
schickt untertauchten. Da liess der Vezier einige Kanembü
in's Wasser gehn und es entspann sich ein höchst eigenthüm-
licher Kampf, wie ich ÄhnUches nie gesehn, em Wasserkampf
mit Schild und Lanze, der wahrhaftig nicht geringe An-
strengung erforderte; denn während die Leute sich mit ihren
Füssen über dem Wasser erhalten mussten, hatten sie zu-
gleich den Speer zu schleudern und den Wurf des Gegners
zu pariren. Die armen Müssgu kämpften nicht allein für ihr
eigenes Leben, sondern gleichsam für ihre Nationalehre. Es
waren grosse, muskulöse Gestalten, die einzeln den Kanembü
id^ Tfli
bei WMlefli Si^rlei^Hi wan^: aber dK
hatiffsm IkamBfiti dm tob dem HiHBg» sckwaauDeii baU
ab LeidMtt auf dMt WMnpr. der finte jedoek war adbc»^
bar und die Kaaettim. die zwei der Ibrigtm ivrfev^ hattOL
dpkbeo iba in der Vetzveünai^ aal
Xacii dieaem aririiiylKcfcen Si^ aetztes wir ■BHfes Macsek
UmV iadem wir ihm etwa» aordüelier hirhiPn. ak aaf ms»«»
Hmwegt, Aach diese Gegend hatte denaelbem firwdilbarett
und obenu» ananitliigeB Charakter; das Land war dkht
bewc4mt und rortrefflieh bebaut, auch riel Tabak zeigte
sich. Die OrtHrhaften hatten denselben Charakter der Wohl-
habenheü, aber Allea ward weit und bnät in B^and ge-
steckt* Nach «okben Heldeotfaaten kdirten wir nach iiBäer«n
X(^fate zorucL
Hier ging wäbrimd der beiden folgenden Tage, angeachtet
den auf den 4^ Jannar fallenden ''Aid el Moläd. die ror-
laufige Tlii^lfing #ler Sklarim mfaig ror nich, nur gestört durch
die klaglich#;n Üfumfm^ die bei der Menge ganz kleiner Kin-
der nicht afjiibl/rili^fn krönten; riele von diesen armen Ge-
nchi'fpfen wurden fK;bonnngfiloft an» den Armen ihrer Mutter
hm^crvitmt^ um nu: nie wieder zu sehn« Erwachsene Männer
wanm fant gar niclit darunter. Ich werde später noch ein-
mal ytm dcmi Ausfall der ganzen Beute dieses Heereszuges und
vom Antheile des Heerführers sprechen.
Kin bedeutendes Ereigniss war die Absendung eines Boten
nai;h Käkaua, fUr mich doppelt interessant des eigenthümli-
ch<!n Weges hall>er, auf dem er geschickt werden musste, da
der Weg, auf dem wir gekommen waren, von Seiten der ver-
zweifelten Eingeborenen jetzt äusserst gefährdet war, wie
denn hier noch kürzlich ein Trupp von mehreren Reitern
und FiisHgängern bis auf Einen gänzlich aufgehoben worden
war. Der Bote, der jetzt gesandt wurde, musste also seinen
Weg über die Ortschaften der Fulbe nehmen, von Demmo
nach K&fto, von hier nach dem Fulbe-Orte Bögo, von wo er
Absendnng eines Gönners nach Kdkaoa. 198
der früher beschriebenen grosse^ Strasse folgen sollte.
Eine Eskorte von 15 Kanöri und 2 Fulbe oder Felläta ward
dem Boten mitgegeben, da besonders der erste Tagemarsch
sehr gefährlich war.
Es wurde die letzten Tage viel von einem grossen Zuge
gegen die Tüburi gesprochen, den wir mit dem ganzen
Lager thun sollten, und Herr Dr. Overweg und ich freuten
uns herzlich darauf, weil die Felshöhe, die wir schon am
Tage unserer Ankunft in der Feme gesehn, uns in die-
sem ganz flachen Lande von ausserordentlichem Interesse
schien. Aber ich habe schon oben angegeben, dass die Ka-
nöri eine gewisse heilige Scheu vor dieser Stätte hatten, und
der wahre Grund war sicher, dass sie mit Recht fürchteten,
die Kerdi würden sich auf die Felshöhe zurückziehen und ihnen,
da sie Wasser in Überfluss in der Nähe hatten, erfolgreichen
Widerstand leisten, obgleich es hiess, dass einst ein einziger
Kaschella, nämlich 'Ali Fugomämi, bis dahin seinen Raub-
zug erstreckt habe. Die Fulbe, denen diese freie Heiden-
gemeinde ein Dom im Auge war, bestanden dringend darauf,
der schlaue Vezier aber behauptete später gegen Herm Dr.
Overweg und mich, dass er jenen Heereszug aus Politik ver-
mieden habe, um diese letzte Schranke jenes rastlos sich aus-
breitenden Hirtenvolkes auf dieser Seite nicht mit eigener
Hand niederzureissen. Der Usurpator 'Abd e' Rahmän drang
im Anfang der Regenzeit 1854 bis in's Tüburi-Land vor, of-
fenbar nur aus Ehrgeiz, um sich rühmen zu können, weiter
vorgedrungen zu sein, als sein damals glücklich von ihm besieg-
ter Nebenbuhler, der Vezier ; dadurch ward es Herm Dr. Vo-
gel möglich, jenen höchst interessanten Punkt zu bestimmen*),
dem er durch seinen vermeintlichen grossen Binnensee, den
*) In der Ziffer der von ihm heimgesandten Bestimmung ist leider ent-
schieden ein Fehler, wesshalb ich dieselbe ganz unberücksichtigt habe lassen
müssen.
k's IMmd. ul 13
194 VIL KApitel.
Nährer des ungeheueren Benue-Flusses, noch mehr Bedeutung
zu geben versucht hat.
[Montag, ö^en Januar, '\ In tiefer Finstemiss, etwas nach
Mittemacht, kam der Führer des Heereszuges an mein Zelt
und raunte mir zu, dass es auf eine weite Rhasia ginge, aber
nicht nach dem ersehnten Tüburi, und dass auch das Ge-
päck hier bleiben solle. Obgleich ich lieber gewünscht hätte,
die Felshöhe am Anfange des nordöstlichsten Zuflusses des
Niger- Systems zu besuchen, war ich doch entschlossen,
keine Gelegenheit vorübergehn zu lassen, meine geographi-
schen Kenntnisse so weit wie möghch auszudehnen, und liess
mein Pferd satteln. Herr Dr. Overweg dagegen, als er hörte,
dass der Vezier nicht in Person den Zug anführe, son-
dern dass der junge Bü-Bakr, Sohn des Scheichs, den Befehl
übernehme, blieb zurück, und da ich keinen berittenen Die-
ner hatte und einem Fussgänger einen so weiten Marsch nicht
zumuthen konnte, sah ich mich gezwungen, ganz allein mit-
zuziehen.
In leisen Tönen, um nicht die Nachricht durch Verrath
vorauseilen zu lassen, bliesen die Homer Bü-Bakr's die Strei-
ter mittlerweile zusammen , und nachdem wir mit einiger
Schwierigkeit das enge Thor des Verhackes passirt hat-
ten, sammelten wir uns; dann ging es in ostsüdöstlicher
Richtung vorwärts. Jedoch hat die Natur diese armen Wil-
den so gut geschützt, dass sie nicht so leicht überrumpelt
werden können.
Glücklich passirten wir bei eintretender Helligkeit das erste
ziemlich breite Wasser des so weiten Ngäldjam von Wülia,
fanden aber grosse Schwierigkeit bei der Passage eines an-
deren Wassers mit tiefem Sumpfboden, der so morastig war,
dass mehrere Pferde stürzten, selbst einige, deren Reiter abge-
stiegen waren, und ich selbst war nicht wenig besorgt wegen
meines unruhig schnaubenden Streitrosses. Endlich hatten
wir jedoch diesen Morast hinter uns imd glaubten schon
Eine Rhasiaiiftoli' Südost. 195
Alles liberwiinden zu haben, als wir plötzlich ein anderes
und zwar ungleich tieferes Wasser vor uns sahen, das wir
nur mit ungeheuerem Aufenthalte passiren konnten. In der
That, ich musste lachen, wie wir fast eine ganze Stunde lang
vollkommen im Moraste feststeckten und kaum vom Flecke
kamen, während die armen Eingeborenen vor uns, die von mei-
nen Freunden überrumpelt werden sollten, mit aller Gemüth-
lichkeit Haus und Hof in Sicherheit bringen konnten. Den
meisten Pferden ging das Wasser über den Kücken, mir
selbst aber auf meinem stattlich hohen Gaule bis 3 Zoll ober-
halb des Kjiiees. Ein muthiger, geschickt angeführter Feind,
der uns bei dieser Passage angegriffen hätte, würde den gröss-
ten Theil der Pferde erbeutet und die Mannschaft in die
Flucht geschlagen haben.
Nach zweistündiger Anstrengung hatten wir endlich die-
ses breite Wiesen wasser glücklich hinter uns; wenn es voll
Wasser ist, muss es offenbar einem grossen, unabsehbar
langen Binnensee von 3 bis 4 Meilen Breite gleichen. Nun
ging es auf dem trockneren Wiesenboden, der bei dem höch-
sten Stande des Wassers auch überschwemmt ist, in drei
weit getrennten Hauptmassen schnell vorwärts, obgleich ein
grosser Theil des Heeres bei dem tiefen Wasser in das
Lager zurückgekehrt war, wohl nicht so sehr aus Furcht
vor dem feuchten Element, als weil einzusehn war, dasd
durch solchen Aufenthalt alle Aussicht auf Beute verlo-
ren sei.
So erreichten wir die ersten Weiler und bildeten nun eine
zusammenhängende Schlachtlinie; aber Alles war entflohen.
Wie wir uns dann dem Flusse näherten, — denn ihm wandten
wir uns wieder zu — gaben die Trommeln und die Homer
der Kaschella das Zeichen zum Angriff, und der bei weitem
grössere Theil des Heeres stürmte fort, bis auf die nächste
Umgebung Bü-Bakr's und die sieben die beiden Flügel
bildenden Kaschella's. Kaum waren sie fort, als ein
13»
196 yn. Kapitel.
Diener des Heerführers mit seinem Pferde in eine 12 Fuöö
tiefe und weite Grube fiel und dadurch einen langen Aufenthalt
verursachte. Jedoch war Müsse genug ; denn die Eingeborenen
hatten schon glücklicherweise Zeit gefunden, sich jenseits des
Flusses zu retten, und Kaschella Beläl, der muthigste und
energischste Eriegshauptmann des Reiches, schien es unter
seiner Würde zu halten, sich noch umsonst zu bemühen, wo
Alles schon verloren war. Wenigstens woUte er die Winke
Bü-Bakr's voraufzueilen nicht verstehen imd blieb mit den
übrigen Hauptleuten ruhig halten, während der Mann aus
der Grube gezogen wurde; das Pferd war todt. Hätten die
Müssgu mehrere solche Löcher .gegraben, wie es die Ein-
wohner Bömu's beim Heranrücken der Tuareg machen, so hät-
ten sie der Reiterei einen hübschen Verlust beibringen können.
Endlich ging es weiter über das sandige, schön bebaute Land,
und nachdem wir eine ansehnliche Ortschaft passirt, die noch
zum ausgedehnten Gaue Wülia gehört, aber einen besonde-
ren Namen hat, erreichten wir kurz vor 11 Uhr das weitere
oder Überschwemmungsufer des Serbewel, bis wohin er sich
in der Regenzeit ausbreitet, um dann bei seinem Zurücktreten
weit ausgedehnte Wasserteiche zurückzulassen, die eine Fülle
des frischesten Krautes auf dem flacheren Graslande nähren.
Dieses Ufer war etwa 8 Fuss hoch; an der Stelle weiter
abwärts, wo wir den Fluss vor ein Paar Tagen berührt, war
es nicht so ausgebildet, dort aber war das erste Ufer höher.
Auch am Benue war es der Fall, dass an einigen Stellen
ein sehr bestimmtes Ufer gegen den höchsten Stand der
Überschwemmimg gebildet, an anderen aber die Linie, die
der Fluss, wenn er über sein eigentliches Bett hinausgetreten
ist, erreicht, auf flachem grasigen Ufer unbestimmt ge-
lassen war, und so ist es natürlich mit allen Flüssen in
diesen Zonen.
Etwa 2000 Schritt innerhalb dieses äusseren grasigen Ufers
war das, hier nur 10 Fuss hohe, sandige innere Ufer, das
Der Serbewel in der Landschaft Wülia. 197
den Strom jetzt begrenzte. Er kam hier von S250. (mag-
netisch), verliess jedoch etwas unterhalb der Stelle diese Rich-
tmig, um eine andere, nämlich nach W. bei Nord, zu verfolgen ;
weiter aufwärts war sein jenseitiges Ufer reich mit Bäumen
bewachsen, unter denen Deleb- und Dümpalmen hervorschau-
ten ; Dörfer aber waren nicht zu sehn, obgleich hier am öst-
lichen Ufer eine Ortschaft Namens Kar liegen soll.
An der Stelle, wo wir den Fluss erreichten, war er an-
sehnlich breit, wenigstens 1200 Schritt, und bildete eine
Sandinsel, und das war offenbar der Grund gewesen, wess-
halb man den Raubzug nach diesem Punkte gelenkt hatte,
indem man hoffte, der Fluss werde hier eine Fürth bil-
den, was auch zuweilen nach spärlicher Regenzeit der Fall
sein mag und selbst dieses Jahr in Zeit von 2 Monaten
gewiss eintreten musste. Augenblicklich aber war das nicht
der Fall und die raubgierigen Schüa ritten verzweiflungs-
voll zwischen der Insel und unserem westlichen Ufer hin
und her.
Auch ich wandte mich nach der Insel, obgleich ich schon
sah, dass an ein weiteres Vordringen nicht zu denken sei.
Der erste, breitere Arm war an der tiefsten Stelle nur 18
bis 19 Zoll tief und musste in kurzer Zeit ganz aus-
trocknen, wo dann die Sandbank das Knie dieser Fluss-
biegung bilden würde; der östliche Arm aber, der nur etwa
200 Schritt breit zu sein schien, war von ansehnlicher Tiefe
und hier floss der Strom mit bedeutender Gewalt. Der alte
Abu Daüd, welcher mir an der Südspitze der Sandinsel be-
gegnet war und mich an das östliche Ufer derselben beglei-
tet hatte, bezeichnete die ganze Natur des Stromes mit dem
einen, aber vielsagenden Worte „yäkul", d. h. „er isst"
(nämHch den, der sich hineinwagt).
Es wäre um so gefährlicher gewesen, sich hineinzuwagen,
als auf dem gegenüberliegenden, nur etwa 4 Fuss hohen
Ufer eine Anzahl hochgewachsener, kräftiger Eingeborenen
Xm VIL Kmpitel.
tttand, die sich über unsere UDfähigkeit, den Fluss zu pas-
siren, lustig machten und offenbar bereit waren, jeden sich
Hinüberwagenden gastfreundschaftlich zu empfangen. Es
wäre natürlich ein Leichtes gewesen, diese Leute wegzubla-
sen imd so die Landung frei zu halten; aber ich sah nicht
einen einzigen Kanöri, sondern nur Schüa, die sich stets am
weitesten wagen, auf der Insel. Jedoch auch sonst waren
die Kerdi nicht ganz unthätig, diese Passage, welche allein
ihre geflüchteten Familien drüben schützte, zu vertheidigen ;
es fuhren nämlich etwas oberhalb im Flusse vier Kähne auf
und ab, — drei davon mit je vier, das vierte, grössere aber
mit zehn kräftigen Gestalten bemannt.
Natürlich kann in einem so zerrissenen Lande wie dieses,
wo jede kleine Gemeinde einen eigenen, schroff gegen die
Nachbarn abgegrenzten Staat bildet — , wie im alten Latium
und in Hellas — kein grosser Flussverkehr sein, und diese
vier Kähne bildeten wahrscheinlich die ganze Schiffsmacht,
welche den Anwohnern des Flusses hier zu Gebote stand. —
Das unermessliche Feld, welches die Natur in diesen so
fruchtbaren und von schiffbaren Strömen durchzogenen Län-
dern Central - Afrika's für die menschliche Thätigkeit und
Industrie eröffnet hat, musö bei solchen Lebensverhältnissen
brach liegen; aber es wird ausgebeutet werden, sobald der
rastlos vorwärts strebende Sinn des Europäers auch diese
Länder in sein Gebiet zieht, — und das kann nicht ausblei-
ben. In der That, ich bin davon überzeugt, dass in 50 Jah-
ren Europäische Fahrzeuge vom Busen von Biafra aus regel-
mässigen alljährlichen Verkehr mit dem grossen Becken des
Tsäd unterhalten werden.
Eine fast ununterbrochene Verbindung ist von der Natur
selbst angelegt (von der Mündung des sogenannten Niger an
bis zur Einmündung des mäyo Kebbi), und diese Strecke ist
für Boote von nicht mehr als etwa 3 Fuss Tiefe ohne wei-
tere Vorkehrung schiffbar; aber der mäyo Kebbi scheint in
Die Wasserrerbinduiigeii zwischen dem Tsad und BenaS. 199
seinem gegenwärtigen, sich weit auf flachem Grasboden aus-
breitenden Bette, nur für ganz flache Kähne, wie die der
Eingeborenen, fahrbar. Diese können nun beim höchsten
Wasserstande unzweifelhaft bis Daua (im Tüburi - Gebiete)
hinauffahren, wo Herr Dr. Vogel jenes sich seeartig erwei-
ternde grosse Becken besucht hat, das ihm ein selbstständi-
ger centraler See zu sein schien. Wenn von hier aus nicht
wirklich eine Bifurkation mit dem Serbewel oder oberen
Flusse von Logone existirt, nämlich vermittelst des gros-
sen, breiten Ngaldjam von Demmo — was sehr wahr-
scheinlich ist*) — , so beträgt doch die Wasserscheide höch-
stens 20 See- oder 5 Deutsche geographische Meilen, und
zwar ganz flachen Landes , während wohl ohne Zweifel das
sich an die Granithöhe von Tüburi anschliessende Felslager
ganz umgangen werden kann. Das Niveau des Tsäd scheint
ganz dasselbe zu sein, wie das des oberen Benue zwischen
dem Taepe (der Verbindung mit dem Färo) und Gewe oder
der Einmündung des mäyo Kebbi; wenigstens erhebt sich
der Benue an der erwähnten Stelle allem Anschein nach
nicht mehr als 850 — 900 Fuss über den Meeresspiegel.
Dieser flache Arm muss also fast ebensoviel Gefalle haben,
als der Fluss von Logone von Wülia an bis in den Tsäd. —
Diese reiche Ausstattung der Natur wird, wie ich hoffe, eines
Tages ausgebeutet werden, obgleich hier alle Verhältnisse
erst eine Grundumwälzung erfahren müssen, bevor ein regel-
mässiger friedlicher Verkehr eingeleitet werden kann.
Jedoch ich habe fast vergessen, den Ort anzugeben, wo ich
•) Herr Dr. A. Petermann hat mich in seiner klaren Anschauung für geo-
graphische Verhältnisse darauf aufmerksam gemacht, dass die grössere Was-
sermenge, welche ich im östlichen Theile des Ngaldjam fand, wo ich es am
5ten Januar (auf dem Hinwege <les Zuges) passirte, dafür su sprechen scheine,
dass es sich in dieser Richtung absenke und also mit dem Tüburi-Wasser
in Verbindung stehe. Beweisend ist aber dieser Grund bei der Natur jener
Wiesenwasser allerdings nicht.
I
200 YU. KapiteL
war, als ich diese Bemerkungen machte; ich stand auf der
Insel im Flusse. Der alte Abu Däüd trieb mich endlich zur
Bückkehr, und mit Recht; denn schon war der grösste Theil
der Schuä an's westliche Ufer zurückgekehrt und drohte
uns allein zu lassen. Es schien keineswegs angenehm, von
den Eingeborenen im Rücken angegriffen und vielleicht gar
von der Mannschaft der Boote abgeschnitten zu werden.
Wir traten jedoch nicht sogleich unseren beutelosen Rück-
marsch an, sondern zogen erst ein wenig am westlichen Ufer
abwärts , wo auf einer schmalen, steil abgerissenen Insel, die
nur durch einen engen, aber tiefen Kanal vom Festufer los-
getrennt war, ein Dutzend hochherziger Eingeborenen stand
und einer solchen Übermacht, wie die unserige, Hohn zu
sprechen wagte. Mehrere Kanöri- Gewehrleute feuerten auf
sie, aber ohne den geringsten Erfolg; denn entweder verfehl-
ten die Kugeln vollständig das Ziel, ungeachtet der grossen
Nähe, oder sie prallten wegen ihrer Leichtigkeit, da sie — wie
gewöhnlich hier zu Lande — aus Zinn bestanden und aus-
serdem von kraftlosem, verknallendem Pulver getrieben wur-
den, sogar von den schwachen, aus Rohr geflochtenen Schil-
den ab, mit denen sich jene Streiter schützten. Kein Einzi-
ger ward getroffen, wenigstens so lange ich Zeuge dieser
glorreichen Scene war; aber ich hielt es bald für rathsam,
mich zurückzuziehen, da mehrere Bomu-Leute, welche sahen,
dass ich meine Flinte bei mir hatte, mich dringend auffor-
derten, auf diese Spötter zu schiessen, und -mich dann, als
ich es verweigerte, mit dem gewöhnlichen „'Abd el Kerlm
feida nsse bägo" — „*Abd el Kenm ist ein nutzloser Mensch" —
überhäuften. Steine gibt es im ganzen Müssgu-Lande nicht,
ausser nahe an den vereinzelten Granithöhen (wie die bei den
Fulbe- Ansiedelungen und im Lande der Tüburi), sonst hätte
man jene Leute mit Steinwürfen angreifen können, und wohl
nachhaltiger als mit den Zinnkugeln. Die eigenthümlichen
Rohrschilde, womit sich diese Eingeborenen schützten, hatte
Rückkehr nach dem Lager. 201
ich später Gelegenheit in der Nähe zu sehn; sie sind ohen
etwa 16, unten 22 Zoll breit und etwa 40 Zoll lang, aber
ausgewölbt, und bestehen aus sehr dichtem Flechtwerk des-
selben Rohres, woniit die Hütten gedeckt werden.
Etwas vor Mittag machten wir uns auf den Heimweg,
nicht gerade sehr mit Beute überladen, da nur 15 Sklaven
— meistens unglückliche alte Weiber, die ihre heimathli-
chen Hütten nicht hatten verlassen können oder wollen —
in die Hände meiner Freunde gefallen waren; aber dafür
Hessen diese ihren Ingrimm an den Wohnungen jener Un-
glücklichen aus, und all' die behaglichen und reichen Ort-
schaften, welche wir passirten, wurden ein Raub der Flam-
men. Dies war allerdings ein empfindlicher Verlust für die
Leute, nicht sowohl wegen der Hütten, die sie leicht wieder
aufbauen können — obgleich das auf den Feldern stehende
Stoppelrohr, welches *bei schnellem und leichtem Hüttenbau
benutzt wird, gewöhnlich mit abbrannte — , als wegen der
Kommagazine, da die Ernte schon längst eingebracht war
und wohl nur Wenige die Vorsicht gehabt hatten, ihren
Wintervorrath in Katamören zu verbergen, wie ich deren
bei den Marghi beschrieben habe, aber hier gar nicht sah,
wenn nicht vielleicht die oben erwähnte Grube zu einem sol-
chen Zwecke bestimmt war. Auch hatten die Flüchtigen in
der Eile wohl nur einen kleinen Theil ihres Komvorrathes
retten können.
So ist nicht allein die Fortfühnmg der Sklaven und das Ab-
schlachten der älteren Gefangenen bei den traurigen Folgen
solcher Sklavenjagden in Anschlag zu bringen, sondern auch
die gewöhnlich darauf folgende Hungersnoth, die in vielen
Fällen gewiss eine grosse Menge dieser Unglücklichen hin-
rafft, obgleich sie die Natur mit so unzähligen seichten und
dabei fischreichen Gewässern versorgt hat, die ihnen ihre
Existenz auch in solchen Fällen sehr erleichtern müssen. —
Auf diesen Pimkt komme ich später wieder zurück
202 VIL Kapitel.
Die Waldungen, welche diese Ortschaften von einander
schieden, bestanden fast ausschliesslich aus Talhabäumen
— „kindin" — , die gerade in der Blüthe waren und einen
lieblichen Duft verbreiteten; hie und da schössen dazwischen
vereinzelte Dümpalmen — „Idnsim" — auf. Delebpalmen
sah ich in diesem Gaue gar nicht; aber jenseits des Flus-
ses (in SO.) hatte ich, wie schon angegeben, deren in der
Feme erblickt.
Nach 48tündigem Ritt erreichten wir wiederum das breite
Ng&ldjam von Demmo, aber an einer anderen Stelle, als wo
wir es am Morgen mit so ungeheuerem Zeitverluste passirt
hatten. In der That, hätten wir es am Morgen hier, wo
es unendlich weniger Wasser enthielt, durchsetzt, so hätten
die armen Müssgu wotl kaum Zeit zum Entkommen gehabt.
Ich Hess die Haupttruppe der Reiter an einem grösseren
Wasserbecken ihre Pferde tränken und setzte ohne Unter-
brechung meinen Marsch fort, dem heimischen Zelte zu;
denn da ich über 12 Stunden zu Pferde gesessen hatte, ohne
Rast und ohne etwas zu geniessen, litt ich sehr Hunger.
Es kostete mir aber volle 1^ Stunden, um dieses hier meist
trockene, mit hohem Sumpfgras angefüllte, an einigen Stel-
len sehr sumpfige und von Elephantenlöchem durchbrochene
eigenthümliche Bassin zu passiren, welches, wenn es voll
Wasser ist, wirklich den Anblick eines sehr ausgedehnten
See's gewähren muss. Nachdem ich noch 1 Meile an dem
Nordwestrande dieses Schilfmeeres, das mit schönen Bäumen
geschmückte sandige Festland zur Rechten lassend, hingezo-
gen war, kam ich endlich in meiner leichten Leinwandbe-
hausung an, wo mich volle Schüsseln erwarteten; und es
war dies eines der wenigen Male im Sudan, wo ich mich
erinnere, mit wahrhaft Europäischem Appetite gespeist zu
haben.
Der Vezier war sehr gnädig und rühmte meinen Muth,
dass ich ganz ohne befreundetes Gefolge diese ferne Rhasia
Bast. am Ngdldjsm Ton D^inmo. 203
begleitet habe; aber die Kauöri, welche mitgewesen waren,
verkümmerten mir das Lob durch ihr „feida nsse bägo". Dies
wurde denn überhaupt eines meiner Beiwörter in diesem
Lande und war der Grund, dass ich bei den meisten Leu-
ten weniger populär war, als Herr Dr. Overweg, der seinen
Europäischen Charakter mehr bei Seite setzte. Das „afi
feida nsse?" — „wozu ist er nütz?" — ist ein nicht allein
den Europäer, sondern selbst den Barbaren und Halbbarba-
ren in den menschlichen Verhältnissen leitendes Prinzip.
Den folgenden Tag blieben wir ganz ohne Grund hier lie-
gen, wenn es nicht etwa desshalb geschah, um den verweich-
lichten Hofleuten — „kokanaua" — , die den gestrigen Zug
begleitet hatten, einige Ruhe zu gönnen; dabei nahm der
Vezier Gelegenheit, mit meinem enthusiastischen Wunsch,
weiter nach Süden vorzudringen — wo möglich wenigstens
bis zum Äquator — , seinen Spass zu treiben, indem er zum
grossen Entsetzen der Kokanaua vorgab, dass er die Absicht
habe, noch viel weiter vorzudringen.
In der That, zu Zeiten konnte Hadj Beschir überaus lie-
benswürdig sein; auch besass er Verstand genug, um zu
begreifen, wie sich Europäer verleiten lassen könnten, so ge-
fahiToUe Reisen zu unternehmen, — obgleich er kaum fähig
war, den Muth völlig zu würdigen, den ein solches Unterneh-
men voraussetzt. Er hatte wiederholt mit mir über meinen
Plan, nach der Ostküste vorzudringen, gesprochen und war
der Ansicht, dass eine Schaar von 10 Europäern im Stande
sein würde, ihn auszuführen, wiewohl er von der Menge der
Wasserläufe in jenen Äquatorialgegenden grosse Hindernisse
erwartete, imd es kann kaum zweifelhaft sein, dass dies eins
der grössten bei einem solchen Unternehmen sein würde.
Um mich über meine getäuschte Erwartung, noch weiter
in's Innere vorzudringen, zu trösten, Hess er auch Mallem
Djümma rufen, um mir zu erzählen, wie weit der kühne Pullo-
Eroberer Büba jenseits Büban-djidda vorgedrungen sei ; aber
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»V»y#yn»it»nwm^niiy hi )^ 44 ' jl, Bf . h m'nmm^. Uli« fia^r »f der pmmim. %mtm
hihtKt, «TM jit^H tUm «efiA« ^ft ^rv2lk»t luiitt, mit dem tu^ammauaesL üaüämm.
f&n l(^k«n« ynt^^mm^^t %\»tcf Ht^m Dr. V<)fsi'i Lia^<mhg«trm«tnif^n. baib«&
♦»rf 'fi^f^f 9ui^ «v»J^ Wi*Ä f<»,lkkr, Iier Xam« ,,T4bfiri-Ort'* biwl«iitrt b«i
M^ff* Iv, Vrt^Äl ,/M" M<<f fUiim^hi „«na« i«r OrtK^aftm der Täb^rr*. wi*
TAV(rf>.^U4 M i)Mi ,,iU»« m UaA^ 4er lübmrr heuten mIL
VIII. KAPITEL.
Rückkehr nach Bornu.
[Mittwochs 7<«w Januar.^ An diesem Tage traten wir unsere
Rückkehr an. Es war wunderbar genug, dass gerade in dem
Augenblick, als in der Frühe die Trommel zum Aufbruch
geschlagen wurde, eine Mondfinsterniss eintrat; aber unser
Heerführer liess sich dadurch nicht, wie Nikias vor Syrakus-,
irre machen. Allerdings liess er Herrn Dr. Overweg rufen,
um sich von diesem über das von ihm wohl bemerkte Phä-
nomen belehren zu lassen, aber sonst kümmerte es ihn nicht
weiter.
Wir hielten uns jetzt im Ganzen östlicher, als auf unserem
Hinwege, näher an den Fluss von Logone. Eine kurze Strecke
lichterer Waldung trennte den Kulturdistrikt von Demmo von
einer anderen Ortschaft, wo ausser Holcus auch Tabak auf
den Feldern gebaut wurde. Schon früher hatten wir viel Tabak-
bau gesehn und waren zu der Überzeugung gekommen, dass,
so sonderbar das bei der allgemein bekannten Thatsache des
späten Gebrauchs dieser Pflanze bei den Arabern auch scheinen
mag, er hier einheimisch und nicht erst in neuerer Zeit ein-
geführt sei. Auch hatten wir bemerkt, dass nicht allein die
Männer, sondern selbst Frauen hier zu Lande leidenschaftlich
Tabak rauchen. Hier aber waren wir nicht wenig erstaunt,
Tabak und Baumwolle in friedlicher Vereinigung auf einem
und demselben Stück Feld gebaut zu sehn. Von Baumwolle
hatten wir in der That sonst noch gar nichts im Müssgu-
'^^^nsu^ ss^'^nn mrt üttswi: 1 \r»*ärE jl öbt ^ifrar vic -»»-
ttit* r.r ifv ^•.»»ft«*rim jl T^iaioir T=*r:::i*r>?L äe ömn. -^nuBL
/«uiM^ ^>-^n**v .-uiih**? v,inr*r la ^iksärtniii^L SrnnK Fi
/^f «f/^nf, /*i^>n zvÄ'i:>r. -irr: »ür^ Fdg«»i:r<hrrr:triL — -Hiii-
4^** «w^irT^lkfo^r, ^/rtvri*Äft i3Ld iäer Ijus-eftir^ wir. H^err
*^;f »/,jy>f»^r -»iH^fir, f >:i7*T.kiar:i Toii d^r An ä^i:. «är t^jb
/W# M^^tk'/fi Mkfji' ^^s^uut wird,
l/;*v yM/z^lhni »Ar r^rrUiVrii. Lur frimg^e zurückgebliebene
Hnhu^ rrrt/ti v^rrfrjjrt zwivrh^rfi fk-n Hütten nmher. Es war
^'tr^ *^'J#f l*/ri[*vrf 'f;*$(. /kr L^H«^rste. den wir während liieses
^fifr/z^t V*M/jtiifr< hatUrri, indem da» Thermometer um Ij Uhr
Sf9J.U$ftiiUiiV,K m kijhUm .Scliatten wjseres schönen Feigenbau-
Ah ^'u'h S\Ur^ ui ihtt erfrlvrhenden Kühle des Abends der
Kulii; tiuA \W\U',rVt'\i ü}>irrlie}»», entstand plötzlich ein gewaltiger
Alurriff mU'iu fh WwhH, die. Kerdi griflfen das Lager an. Die
'I roiiirii/'l wirbiflte und AlhfH eilte durch einander. Der Alarm
war wi iirtfHK dann mein (lefahrte sein Zelt aufgab und sich mit
Hf'Uu'U I/euten in (Im (mczcH des Veziers zurückzog, wobei ich
aiM'li ttieineri bei<l('n FeHuriem erlauben musste. dort Sicher-
\u*ii '/M H\U'hf*u. Ich Hclbst blieb bei den Zelten; denn ich
hiiiU* wellig I#UHt, meincj Lagerstätte noch einmal plündern
zu laHNietif wio ch in KAnem der Fall gewesen war. Bald ergab
!
Blinde AlarmiruDg des Lagers. 207
es sich jedoch, dasses ein ganz blinder Alarm sei, der dadurch
entstanden war, dass die den Umkreis des Ngäufate bewa-
chenden Kanembü einen Trupp mit uns ziehender Fulbe oder
Felläta für Feinde gehalten hatten, was die Furcht dieser
Leute um so mehr erregte, als heute wirkhch ein Trupp von
etwa 20 Schüa von den Kerdi aufgehoben worden war. Die
Haupiverluste bei solchen Raubzügen treffen immer diese
raubgierigen Araber, die sich am weitesten wagen; aber es
geUngt ihnen hierdurch auch, manchen Raub heimUch in ihre
Heimath abzuführen. Kein Einziger derselben hat ein Feuer-
gewehr, Alle sind nur mit Lanzen bewaffnet, gewöhnlich einer
Stosslanze — „kassakka" — , und vier kleinen Wurfspeeren
— „bällem" — ; sehr Wenige haben Schilde.
[Donnerstagy 8ten Januar,^ Wir erreichten nach einem Mar-
sche von etwas mehr als 1 Meile einige Weiler, wo Dum- und
Delebpalmen in seltener Gruppirung zusammenstanden, die,
wie sie aus dem Flammenmeere, das die Dorfschaft verzehrte,
hervorragten, einen höchst eigenthümlich malerischen Anblick
gewährten. Dahinter zog sich wiederum das Flüsschen mit
seinem klaren Wasserstreifen haii im Osten heran, wäh-
rend drüben ein reiches Grasland sich ausbreitete, mit lich-
terem Baumwuchse im Hintergrunde, über den nach OSO.
eine leichte Hügelkette herüberragte, offenbar schon auf der
Ostseite des Arre oder Flusses von Logone. Es bot sich ein
überaus frischer, weit umfassender Blick über diese unge-
heuere Weidelandschaft dar, und es war mir höchst erfreu-
lich, dass der Vezier auf dem bedeutend ansteigenden westli-
chen Ufer, an dem wir mit der Reiterei entlang zogen, einen
Augenblick Halt machte, nicht so sehr aus wissenschaft-
lichem Interesse, obgleich auch ihm diese Landschaft Freude
machte, als weil er vielleicht einen Angriff der Eingeborenen,
deren eine ziemliche Menge in der Feme zwischen den Bäu-
men sich sehn liess, auf den Packtross befürchtete. So
gruppirte sich die Menge der in buntscheckige, malerische
208 Vin. KapiteL
Tracfit gekleideten Kokanäua und Heerführer nahe bei einem
just in Flammen auflodernden Gehöft und gewährte selbst
einen höchst eigenthümlichen , lebensvollen Vordergrund zu
dem ganzen Bilde ; aber ich war froh, Wtährend unseres kur-
zen Aufenthaltes nur die Umrisse der Landschaft selbst zu
Papier zu bringen, mit dem langen, schmalen Streifen des
an der anderen Seite des Wassers entlang ziehenden Pack-
trosses und einzelnen Reitertrupps dazwischen.
Die Schönheit der Landschaft sowohl, als das wüste Bild der
Zerstörung gab mir Gelegenheit, mich mit unserem Freunde
und Beschützer in ein Gespräch über die PoUtik einzulassen,
die sie gegen diese Eingeborenen verfolgen, indem ich ihm
vorstellte, wie unendlich verständiger es von ihnen wäre,
wenn sie die Müssgu dieses schöne Land in Ruhe bestellen
liessen und sich begnügten , einen ansehnlichen Tribut von
ihnen zu erheben. Der Vezier aber entgegnete mir, dass
sie nur durch die gewaltsamsten Mittel diese ihre Unab-
hängigkeit über Alles liebenden Kerdi zur Unterwerfung
zwingen könnten, dass er desshalb ihre Kornmagazine ver-
brenne, um sie durch Hunger zu zwingen, und leider fühlten
sie diesen weniger, da die Menge der Gewässer ihnen einen
Übei-fluss von Fischen darböte.
Man muss auch bedenken, welche Art von Tribut diese
Leute erheben sollen ; Vieh hat für sie nicht viel Werth und
andere Produkte als Korn kennen sie kaum; Sklaven sind
also das Einzige, was sie von ihnen wollen ; durch gewaltsa-
mes Fortführen der Letzteren zwingen sie dieselben zur Un-
terwerfung und nach dieser erheben sie von ihnen einen fried-
lichen Tribut an — Sklaven. Dies Alles wird anders wer-
den, sobald ein regelmässiger, friedlicher Handelsverkehr auf
dem Benue in das Herz dieser Länder eröffnet ist und eine
stete Nachfrage nach den natürlichen Erzeugnissen derselben
statt findet, als da sind Baumwolle, vegetabilische Butter, Erd-
mandeln, Elfenbein, Rhinoceroshömer, die Fiber der üalo-
Die Produkte des Mdssga-Landes. 209
tropis oder Asclepias gigantea^ Wachs, Häute Und unzähliges
Andere. Der Vezier selbst, obgleich ein strenger Moslim,
war zu aufgeklärt, um die Verbreitung des Isslam in den
Vordergrund zu stellen, obgleich ihn natürlich die Überzeu-
gung, dass diese Unglücklichen als Heiden — „kofar" oder
„kerdi" — solche Behandlung verdienten, gegen ihre Leiden
stumpf machte.
Wir passirten darauf das Wasser, wo es nur geringe Tiefe
hatte, und auch ein anderes flacheres und breiteres Wiesen-
wasser und traten dann in schön hügeliges Land ein, wäh-
rend uns ein Arm des Wassers nahe zur Linken bUeb. Die ganze
Landschaft war aufs Schönste angebaut und dicht bewohnt;
Weiler folgte auf Weiler und grosse Bäume, meist Ficua-
Arten und GirafFenbäume — „karäge" — umhüllten das Ganze
mit der lebendigsten Pflanzenfülle. Einige Hütten zeichneten
sich aus durch ihre freundliche Umrankung mit der scllon
oben bei den Schüa - Weilern erwähnten „ssagade" (Cucur-
hitacea)y die wahrscheinlich mit der Melopepo identisch ist,
und das Ganze bot einen um so lebensvolleren Anblick, als
gerade der Tabak*) in Blüthe stand, wodurch man sich in
Gebiete der höchsten Civilisation versetzt glaubte.
In solcher Landschaft lagerten wir früh am Morgen, wo
wiederum hart zu unserer Rechten ein hübsch gewundenes
Rinnsal herantrat , indem sich der Boden in schöner frischer
Neigung etwa 20 Fuss weit hhiabsenkte; der Wasserarm war
nur etwa 90 Schritt breit, aber hier ansehnlich tief und voll
des klarsten, schönsten fliessenden Wassers, sanft an dem
(Jelände dahingleitend, um sich weiterhin in der Ebene zu
verlieren. Hier legte ich mich ein Stündchen träumend in
den Schatten einer grossen „karäge", mich den bezaubern-
den Eindrücken eines solchen wechselvollen Wanderlebens
*) Leider vergass ich es, mich danach zu erkondigen, ob dieMüssga einen
eigenen, einheiiuischen Namen für „Tabak" haben.
D«rth's ReiMn. IIL 14
f
210 Vm. KapiteL
Überlassend, die den Reisenden für alle Entbehrungen ent-
schädigen und ihn stets mit neuer Begierde erfüllen, sich wei-
teren Wagnissen auszusetzen. Meine zarte, aber leichtfüssige
und mühgewohnte Näga blieb heute ungewöhnlich lange aus
und kam erst mit den Nachzüglern des ganzen Trosses an;
Reiter hatten ihr im Gedränge die Last abgeworfen und
meine beiden kraftlosen Fesäner hatten Mühe gehabt, sie
wieder in Ordnung zu bringen.
Ich habe schon früher erwähnt, welche Mühe uns der
harte Alluvialboden in diesem Lande beim Zeltschlagen ver-
ursachte; hier aber war Alles lockerer Sandboden, wahr-
scheinlich als Flussschranke angehäuft.
Die leichteren Truppen hatten sich heute gleich nach un-
serer Ankunft zerstreut und brachten eine ansehnliche Menge
Vieh von den benachbarten Dörfern ein. All' dies Vieh ist, wie
iclf schon oben erwähnt habe, nur von mittlerer Grösse und die
Kühe geben entsetzlich wenig Milch. Die Müssgu sowohl,
wie die Marghi und verschiedene Abtheilungen der engver-
wandten Kötokö geben dem Rinde einen dem Haussa nahe
sich anschliessenden Namen, während die Batta dasselbe
mit einem entschieden von den Fulbe entlehnten Ausdruck
bezeichnen*). Solche Beziehungen sind insofern interessant,
als sie einigermassen einen Blick in die Kulturgeschichte
dieser Länder werfen lassen.
«
Eine interessante Unterbrechung des sonst keineswegs durch
Kampf und Heroismus ausgezeichneten Heereszuges fand
heute statt, indem einer der bei dem neulichen Streifeug für
*) Die Müssgu nennen das Rind ,,8ei" (die Kuh ,,sei menl*'), die Marghi,
Q&m-erghli, die A'fade, NghfiU und Yedina oder Büdduma : ,,thä". Bei den Bätta
hei^t die Kuh „nako" oder ,,nakei", was entschieden aus dem Fulfülde-Wort
„n^gge"* (Plur. „nei") entstanden ist; diese Pluralform „nei" haben die Fari
und Koana oder Kwona aufgenommen. — Ich komme anderswo auf diesen in-
teressanten Gegenstand lurück.
Grenze yod Wt&lia und BärSa. 211
todt ausgegebenen Schüa zwar verwundet, aber noch lebend
unter einem Baume gefunden wurde.
[Freitag, 9^^^ Januar,'] Die ganze Landschaft, in der wir
uns seit dem SO^tcJi Dezember bewegten, gehört zu Wülia,
das entscliieden einer der fruchtbarsten und am reichsten
bewässerten Striche der Erde ist. Erst am folgenden Tage ver-
liessen wir diese schöne Landschaft, nachdem sie sich noch
in ihrer ganzen Anmuth gezeigt, mit phantastisch gruppirten
Deich- und Diimpalmen. Ein verödeter Grenzbezirk, bald
bestehend aus giünem Sumpf land, durchwühlt von Tausen-
den von Elephanten und desshalb überaus schwierig für die
Passage der Reiterei, bald bewachsen mit dichter Waldung,
in rascher Aufeinanderfolge und Abwechselung, bildete die
Scheide 'zwischen Wülia und dem schon früher von uns
besuchten Gebiete von Barea, bewohnt von einem Stamme der
Müssgu Namens Abare. Wir verfolgten jedoch keineswegs
eine gerade Marschroute, sondern beschrieben einen gi'ossen
Winkel mit östlicher Abbiegung, und es schien fast, als wenn
es die Absicht des Heerführers gewesen wäre, noch einmal
an das Ufer des Flusses selbst vorzudringen; und dass ihn nur
die ausgedelmten Sumpfstrecken von der Ausführung seines
Planes zurückhielten. Streng geschieden und ganz ohne
friedlichen Verkehr unter einander, wie diese verschiedenen
kleinen Stämme sind, waren die A'bare ganz ohne Nachricht
vom Anrücken des Heeres geblieben, bis wir durch die
dichte Wildniss auf sie heranrückten, und sie hatten kaum
Zeit, sich mit ihren Familien aus der Dorfschaft in das
Dickicht der Waldung nach Osten zu flüchten. Aber sie
wurden verfolgt, und während der Kampf im Anfang eine Zeit
lang zweifelhaft gewesen, wurden sie durch das Hinzuströmen
einer immer grösseren Menge von Kriegsvolk bald überwältigt,
so dass die Beute des heutigen Tages, besonders an kleinen
Müssgu -Rindern, sehr bedeutend war. Aber auch Sklaven,
besonders junge Knaben und Mädchen, wurden in ziemlicher
212 Vra. KapiteL
Menge eingebracht, während wir des Anblickes der abge-
schlachteten Erwachsenen durch die Entfernung vom Schlacht-
felde überhoben waren.
Wir lagerten in geringer Entfernung von unserem früheren
Lagerplatz bei Kakala auf den Stoppelfeldern zwischen der
Dorfschaft, wo der Boden wieder aus dunkel- schwarzem,
überaus hartem Erdreich bestand. Kurz ehe wir das Dorf
erreichten, passirten wir ein umfassendes Feld von wildem
Reis, wobei mir auffiel, dass wir in Wülia nichts derglei-
chen gesehn hatten. Die Dorfgruppen waren anmuthig mit
einigen schönen Exemplaren der Delebpalme geschmückt,
und ich benutzte die Gelegenheit, um eine Skizze dieser
Scene einer behaglichen, von übermüthigen Feinden zerstör-
ten Wohnstätte des Menschen zu entwerfen. Die Hütten waren
im Allgemeinen von derselben Bauweise und zeigten
etwa denselben Grundplan, wie die oben beschriebe-
nen ; in einer derselben fand ich eine dreispitzige Lanze
oder Harpune, einer gewöhnlichen Heugabel sehr ähn-
lich, nur mit dem Unterschiede, dass die mittlere
Spitze ungleich länger war; auch der Stiel war sehr
lang, ungefähr 8 Fuss. Sie war wahrscheinlich mehr
zum Fischstechen als zur WaflFe bestimmt; sonst wäre
sie wohl jetzt nicht zurückgelassen worden. Übri-
gens wurde ja auch der Römische trtdens zu beiden
Zwecken benutzt.
In ganz kurzen Märschen rückten wir nun Bomu wiedel* nä-
her, indem wir uns meist im Allgemeinen in geringer Entfer-
nung östlich von unserer früheren Strasse hielten, jedoch im
Anfang sie, so lange wir den ausgebreiteten Gau Barea durch-
zogen, ein wenig zur Rechten Hessen. Wir lagerten am folgen-
den Tage wieder inmitten einer weit ausgebreiteten Oi-tschaft,
deren Felder besonders von üppigen Bito-Bäumen (Balanites
Aegyptiacus) beschattet wurden, auf eisenhartem Erdreich. Ich
hatte soeben mein Zelt aufschlagen lassen, als HSmed, der Sohn
ll
I
ZeichnuDg einer angeblichen Müssguerin. 213
Ibrahim Wädäi's, zu mir sandte, ich möchte ihn doch besu-
chen, und als ich der Einladung folgte, stellte er mir eine ge-
stern eingefangene Sklavin vor, die ich zeichnen sollte; denn er
wusste, dass ich nach dem Ursprung und den Gebräuchen die-
ser Stämme genaue Nachforschungen anstellte. Diese Sklavin
war allerdings werth, gezeichnet zu werden, da sie eine der
stattlichsten Frauen war, die ich im Müssgu-Lande sah, aber
ich hatte starken Verdacht, dass sie nicht von Müssgu-, son-
dern von Marghl- Abkunft war. Denn im ganzen Lande Müssgu
hatte ich keine Leute von rother Hautfarbe gesehn, sondern
Alle hatten dieselbe schmutzig -schwarze oder sogenannte
jycaß au laiV'Fsirhe; diese Person aber war röthlich. Aller-
dings trug sie einen grossen »Knochen in der Unterlippe, das
Nationalzeichen der Müssguerinnen, aber dies mochte sie an-
genommen haben. Sie selbst wollte nicht sprechen, um mich
über ihren Ursprung zu belehren, noch mir erlauben, meine
Skizze zu vollenden. Sie war schön gewachsen, mit Aus-
nahme der Beine, die etwas eingebogen waren, von hohem
Wuchs und schöner Brust. Ihre Züge waren nur wenig
durch den Knochen entstellt; ihr Hals war mit
Perlenschnüren geschmückt, aber diese waren ihr
nicht eigenthümlich , ebenso wenig wie ihr baumwollenes,
um die Hüften geschlagenes Tuch, das ihr erst von ihrem
neuen HeiTu, in dessen Hände sie gefallen, gegeben war.
Denn die Nationaltracht der Müssguerinnen besteht in nichts
als einer schmalen, runden, seilähnlichen Binde, aus Bast ge-
dreht, die zwischen den Beinen durchgezogen und um die
Hüften befestigt wird. Merkwürdig war der Fund dreier Briefe,
welche man den von Kükaua kommenden Boten, die, wie ich
oben berichtet, unterwegs vonKerdi aufgehoben worden waren,
mitgegeben hatte; sie wurden nämlich in der Tasche einer
in einer Thonurne versteckten Tobe gefunden, offenbar dem
Gewände des Mannes, der sie gebracht hatte und erschlagen
worden war, und die Briefe waren mitsammt der Tobe ge-
t
214 ym. KmpiteL
waschen worden. Da der Feldzug an grossen Thaten und inter-
essanten Ereignissen so arm war, wurde diesem kleinen Um-
stände eine grosse Wichtigkeit beigelegt Offenbar aber hatte der
Vezier Nachricht, wo der Bote aufgehoben worden war, und hatte
wohl desshalb hier besondere Nachsuchung anstellen lassen.
[ßonrUag, 11*^ Januar^ Diesen Moi^en machte sich beim
Aufbruch die Übereilung, mit der die Kanöri die Dörfer,
in denen wir gelagert hatten, in Brand zu stecken pflegten,
bevor wir dieselben ganz verlassen hatten, besonders fühlbar
und ein ungeheueres Gedr«änge entstand zwischen den bren-
nenden Hütten. Auch diese Landschaft war wieder von
einer der unzähligen Wasserrinnen oder Hinterwasser durch-
zogen, die dieses nahe an das Flusspaar des Tsäd grenzende
Land auszeichnen, — und wir passirten das Wasser mehr-
mals von der einen auf die andere Seite. Die armen Einge-
borenen schienen sich hier im Bewusstsein ihrer Schwäche
zu neuer und ungewohnter Energie erhoben zu haben, indem
sie einen grossen Erdwall aufgeführt; aber sie hatten sich
gezwungen gesehn, ihn halbvollendet zu lassen.
Nachdem kaum 3 Meilen zurückgelegt waren, lagerten wir
in einem Dorfe, das bereits einmal zei-stört worden zu sein
schien. Die Gehöfte mit ihren Hütten lagen in Gruppen
über einen weiten Raum zerstreut und waren von Acker-
oder vielmehr Stoppelfeld umgeben; dasselbe war von den
schönsten Akazien- und Karäge - Bäumen beschattet, welche
selbst die prächtigen Bäume von Korom an Fülle übertrafen.
Natürlich wünschten die Vornehmen, in dem Schatten dieser
herrlichen Bäume ihre Lagerstätten zu errichten ; aber kaum
hatte das Volk angefangen, es sich hier bequem zu machen,
als sie von einem Schwann grosser Bienen überfallen wur-
den, die sich ihnen hinter die Ohren setzten und sie auf's
Ausserste plagten, gleichsam als wollten sie das Ungemach
ihrer Gebieter rächen und die Lieblingsruhestätten derselben
gegen die frevelhaften Eindringlinge schützen. Es ist wohl-
Anfall des Heeres durch Bienenschwärme. 215
bekannt, dass Bienenschwänne fast die Aufhebung der Ex-
pedition Mungo Park's (auf seiner zweiten Reise), sowie auch
derjenigen Major Grey's zur Folge hatten; hier aber flüch-
tete ein ganzes Heer vor diesen kleinen Geschöpfen. Erst
durch Anzünden grosser Rauchfeuer vermochten sich selbst
die entfernter Gelagerten vor ihnen zu schützen. Wir hat-
ten vorher im Müssgu- Lande keine Bienenzucht bemerkt;
hier aber waren zahlreiche, aus ausgehöhlten dicken Baum-
stämmen bestehende Bienenkörbe in den grösseren Bäumen
aufgestellt. Auch an Turteltauben war die so gut mit Tei-
chen und dichtem Laubholz versehene Landschaft nicht arm ;
Papageien jedoch findet man in diesem ganzen Gebiete nicht
und wohl überhaupt nicht nördlich vom S^en Grad.
An dieser anmuthigen Stätte blieben wir den folgenden
Tag gelagert, während sich ein Theil des Heeres aufmachte,
um wieder nach unserem früheren Lagerplatze bei Käkala,
der nur wenige Meilen in südlicher Richtung von hier ent-
fernt war, vorzudringen und die dort gelegenen Ortschaften
zu übernimpeln. Diese Mannschaft kehrte jedoch am Abend
mit leeren Händen zurück. — Leider konnte ich über die
zwischen unseren beiden nahe zusammenfallenden Strassen
und den östlichsten Ansiedelungen der Fulbe gelegene Land-
schaft fast gar keine Nachrichten erhalten, und dieses Grenz-
gebiet scheint in der That durch die verheerenden Erobe-
rungszüge jenes rastlos vordringenden Stammes fast ganz ver-
wüstet worden zu sein ; wenigstens geht der Weg von Demmo
nach Kafta-Baüdi, den, wie oben erwähnt, die nach Kükaua
abgesandten Boten zu nehmen hatten, durch eine Waldung
von gewaltiger Ausdehnung.
Wir hatten heute in unserer Kost eine erfreuliche Ab-
wechselung, indem wir einen in dem nahen Wasser gefange-
nen, ansehnlich grossen, vortrefflichen Fisch erhielten. Über-
haupt schien die Landschaft, welche wir jetzt betreten hat-
ten, vorzüglich reich an Fischen zu sein.
I
216 Vm. Kapitel.
[Dienstag, 13*^ Januar.'] Als wir am heutigen Morgen
unseren Marsch fortsetzten, fanden wir den Boden überall
von kleinen Dämmen und Kanälen durchschnitten, vermit-
telst deren die Einwohner eine grosse Menge Fische fangen,
die bei hohem Wasserstande in diese Abdeichungen hinein-
schwimmen und dann, nach Schliessung des einzigen Zugan-
ges, nicht wieder heraus können. Allenthalben war der Bo-
den voll von Elephanten-Spuren und -Koth. Dichte Waldung
und offenes Weideland wechselten mit einander ab und die
erstere ward hier meist von einem aus Akazien bestehenden
Unterholze mit Kalgo- imd Kökia-Bäumen, als Oberholz, ge-
bildet.
Sehr interessant und anmuthig wurde die Landschaft, als
wir einen etwa 100 Schritt breiten offenen und klaren Fluss
— eine der zahllosen Wasserrinnen in diesem Afrikanischen
Holland — erreichten, welcher, auf beiden Seiten mit einem
Saum schlanker Delebpalmen — „kamelütu" — eingefasst,
bei der reinen Morgenluft und prächtigen Beleuchtung einen
überaus malerischen Anblick gewährte. Wir passirten ihn
hier, liessen ein Dorf zu unserer Linken und erreichten dann,
an der westlichen Seite des Flusses auf dem von ihm ge-
nährten frischen Rasenteppich hinziehend, 1 Meile weiterhin
einen Punkt, wo ein von Osten kommender oder dahin zie-
hender, etwas kleinerer und gleichfalls von Hj^phänen dersel-
ben Gattung umgürteter Arm des nahen Flusses sich mit
dem Hauptwasser vereinigt. Die Richtung dieser Gewässer
ist kaum zu erkennen, da das Land, ausser beim höchsten
Wasserstande, fast gar kein Gefälle hat.
Die fruchtbare, überaus malerische Landschaft jenseits
dieses schmalen, sich gleichmässig hinziehenden Wasserarmes
war übrigens keineswegs verlassen und überall liessen sich
Eingeborene sehn. Der Heerführer machte daher, mit der
Fronte gegen sie gekehrt, einen kleinen Halt, indem er die
Nachzügler heranrücken und an der Passage des Flusses,
Erfolgloser Raubzug. 217
WOZU sie aus Beutegier nicht übel Lust hatten, verhindern
liess. Man beschloss jedoch in entschieden sehr unkriege-
rischem Sinne, erst die Ankunft der Kameele abzuwarten und
mit Gemächlichkeit zu lagern, um einen Imbiss zu sich zu
nehmen. Wir bogen also westlich vom Wasser ab, in eine
Dorfschaft hinein, und lagerten hier auf den Stoppelfeldern.
Plötzlich, gerade um Mittag, stieg der Vezier, ohne dass
ich vorher Kenntniss davon erhielt, mit allen Kaschella's
wieder zu Pferde, um die Eingeborenen jenseits des Wassers
anzugreifen; aber diese Armen, welchen volle Gelegenheit
geworden war, die ganze Stärke des Heeres zu veranschla-
gen, hatten die ihnen gogöimte Mussezeit wolil weislich be-
nutzt, um die Ihrigen und ihre Habe in Sicherheit zu brin-
gen; denn der Serbewel oder Fluss von Logone zog hier in
nur etwa 4 Meilen Entfernung vorüber und konnte den Ver-
folgten, da ihre Gegner keine Boote besassen, bei seinem
jetzigen Stande vollkommene Sicherheit gewähren.
Trotzdem dass die Truppe nicht weit zog und schon nach
3 Stunden wieder umkehrte, bedauerte ich es doch sehr,
diese Gelegenheit versäumt zu haben, nicht allein den schö-
nen Fluss von Logone noch einmal, und zwar an einer ande-
ren Stelle, zu sehn, sondern auch jene malerische, palmen-
reiche Landschaft, die oflFenbar eine der schönsten in dieser
ganzen Gegend war, noch einmal zu besuchen. Herr Dr. Over-
weg, der frühzeitig Nachricht von dem Vorhaben des Heerfüh-
rers erhalten hatte, war diesmal glücklicher als ich. — Der
Heereszug war gezwungen, von unserem Lageiplatze aus erst
wieder nach der Stelle zurückzukehren, wo wir am Morgen
das Gewässer passirt hatten. Der grosse Fluss, den sie 3
bis 4 Meilen jenseits erreichten, hatte ein zusammenhängen-
des Bett und war nicht furthbar.
Wie reich an bezeichnenden Namen nicht allein der Dorf-
schaften, sondern auch der zahllosen Gewässer und Sümpfe
muss diese weite schöne Landschaft sein ! Aber der feindselig
I
218 Vm. Kapitel.
eindringende Fremdling lernt von allen diesen Verhältnissen
nichts kennen, und das Meiste, was er erfahren kann, sind
die Namen der hauptsächlichsten Ortschaften. In der That
ist für einen fühlenden, wissbegierigen Reisenden nichts trost-
loser, als einen solchen Baubzug zu begleiten; aber bei den
gegenwärtig in diesen Ländern noch obwaltenden Verhält-
nissen muss er entweder den Besuch vieler Gegenden ganz
aufgeben, oder eine solche Gelegenheit ergreifen. Er wird
dann aber auch das Recht haben, mit um so mehr Bestimmt-
heit von dem Elend zu sprechen, das durch diese Raubjagden
über die schönsten und volkreichsten Gegenden dieses Welt-
theiles gebracht wird. — Ich glaube, dass diese zwischen dem
schmalen Komadugu und dem Flusse gelegene Landschaft
die oben erwähnte Herrschaft Füss bildet, deren Fürst von
unseren Freunden wegen seiner grossen Macht so sehr ge-
fürchtet wurde.
Heute war der kühlste Tag, den wir bis jetzt auf un-
serem Zuge gehabt hatten, indem das Thermometer um
1^ Uhr Nachmittags im Baumschatten nur 29 ^ C. zeigte.
Dies war dem frischen Nordwinde zuzuschreiben, der um
Mittag wehte; denn während der Nacht war es nicht so
kalt, als später. Das Thermometer stand während dieser
Zeit bei Sonnenaufgang immer zwischen 13^° und 15 ^ und
bei Sonnenuntergang zwischen 23^ ^ und 25 ^.
[Mittwoch, 14t^ Januar,'] Während eines etwas länger als
gewöhnlich dauernden Marsches änderte sich der Charakter des
Landes vollständig, und nicht eben zum Vortheil; denn anstatt
reich mit Bäumen geschmückter Landschaften betraten wir
kahle Flächen, nur spärlich mit kümmerlichen Mimosen be-
wachsen und kaum zum Kombau fähig, welche besonders bei
trüberer Beleuchtung einen höchst unerfreulichen Eindruck
machten. Der Anfang des Marsches war jedoch sehr angenehm;
denn wir kehrten zuerst an das Ufer jener schönen, klaren
Wasserrinne zurück, an der entlang wir uns gestern gehalten
Eintritt in ödere Oegrenden. 219
hatten, — zur Linken Unterwald und jenseits schönster An-
bau und Palmen. Leider verhinderte aber dichter Nebel eine
weite Aussicht, da es bekanntlich in Afrika die Januartage
sind, wo das Wetter meist trübe ist und oft, wie auf unserem
Marsche von Däraerghü, etwas Regen fällt. (Ich werde im
Verlaufe meiner Reise Gelegenheit haben, mehr hierüber zu
sagen.) Das Gewässer war hier breiter, als an der gestern
berührten Stelle, imd ein Nilpferd — „ngurütu" — , ein
Thier, das wir, wohl nur der grossen Heeresmasse halber,
mit der wir diese Gegenden durchzogen, sonst weniger Ge-
legenheit fanden zu beobachten, steckte seinen unförmlichen
Kopf zum Wasser heraus. Die Ufer waren auch hier ganz
flach.
Sobald wir diesen schönen und klaren Wasserarm verlas-
sen hatten, ward der Charakter der Landschaft über alle
Maassen trübselig und öde, und wir passirten einen Weiler
von so armseligem, unbehaglichem Aussehn, wie ich bisher
in diesem Lande, wo alle Wohnstätten ein Bild der Behag-
lichkeit und des Wohlstandes bieten — soweit letzterer in
einem Lande wie Afrika zum behaglichen Leben erforderlich
ist — , noch nichts dergleichen wahrgenommen hatte. Keine
Spur von Anbau war auf dem nackten schwarzen Boden um-
her zu sehn, und es war klar, dass sich die Bewohner dieses
Weilers nur vom Fischfang nähren konnten.
Weitcfrhin schmückten allerdings einzelne Kamelütupalmen
das Land, aber sonst behielt es denselben Charakter, und
die Weiler, welche wir passirten, hatten wenig mehr Einla-
dendes. Der Boden zeigte deutliche Spuren davon, dass sich
zur Regenzeit die Überschwemmung über das ganze Land
erstreckt. Ein weiter Raum war hier ausschliesslich mit dem
A'ghül bedeckt, den ich seit Taganäma mich nicht erinnerte
gesehn zu haben.
Dann führte unser Weg durch jetzt fast ganz ausgetrock-
netes Sumpfgrasland, welches mit einer Menge kleiner Erd-
I
220 Vm. KapiteL
dämme durchzogen war; wir mussten hier mehrmals yon
unserer Richtung abgehn, um noch nicht ausgetrocknetem
Sumpfwasser auszuweichen. Hierauf folgte ganz nackter Bo-
den mit vereinzelten Büscheln von Sumpfgras, überragt von
kümmerlichen Karäge- Bäumen von kaum 15 Fuss Höhe,
während wir sie sonst in diesem Lande bis zu einer Höhe
von 70 — 80 Fuss und mit einer Krone von ebenso grossem
Durchmesser zu sehn gewohnt gewesen waren. So weit das
Auge reichte, war die BeschafiFenheit des Bodens von der-
selben traurigen Natur. Ganz vereinzelt zeigte sich etwas
Fächerpalmen-Buschwerk, das gewöhnlich die gegabelte Fä-
cherpalme (Hyphaena cucifera) ankündigt; hier aber war,
wenigstens auf unserem Wege, nichts von dieser zu sehn.
Endlich schien das Sumpfland ein Ende zu nehmen; aber
nichts als missrathene Stoppelfelder mit wenigen zerstreuten,
kläglich aussehenden Hütten trat an seine Stelle, und die
wenigen Bäume, die zu sehn waren, zeigten denselben kläg-
lichen, verschnmipften Wuchs, wie in dem vorher von uns
passirten Distrikt. Das durch so melancholischen Anblick er-
mattete Auge erfreute sich endlich an einem frischen Felde
mit „niassäkuä" (Holcus cernuus)^ so klein, verschrumpft und
licht die Saat auch stand. Schon hier traten neben den ge-
wöhnlichen Hütten andere von höchst eigenthümlicher und vor-
trefflicher Bauart auf, die ich weiter unten besprechen werde,
und die nur ein zum Bauen ausgezeichneter Thonboden auf-
zuführen gestattet. Indem wir dann wieder in eine Sumpfgras-
ebene eintraten, erreichten wir ein 40 — 50 Schritt breites,
aber ziemlich tiefes offenes Gewässer — „komddugu" — , das
sich, von etwa 10 Fuss hohen Ufern eingeschlossen, in schö-
ner Krümmung durch die Ebene wand. Auch hier fanden
wir eine Furthstelle, wo das jetzt stillstehende Wasser völlig
unterbrochen war, und ritten fast trockenen Fusses hindurch.
Der Vezier hatte auf Adischen's Rath seinen Lagerplatz
in geringer Entfernung von hier zwischen den halbzerstörten
Die zerstörte Residenz Baga. 221
Hüttengruppen von Bäga gewählt, der schon im vorigen Jahre
vom Kaschella 'Ali Fiigomämi geplünderten Residenz des Für-
sten oder Häuptlings Kabischme, den die Kanöri gewöhnlich
Käbschime nennen. Dahin ritt ich also, während der Haupt-
theil des Reitertrosses sich in den hier etwas besser stehen-
den Kornfeldern zerstreute, um die halb reifen Ähren für
sich selbst und ihre hungrigen Gäule einzusammeln. Glück-
lich, wer zuerst kam, denn die Späteren fanden entweder gar
nichts, oder nur ganz grünes, ungesundes Korn.
Das ganze für das Lager gewählte Terrain war überaus
kahl und öde, besonders nach der östlichen Seite, wo es nur
in weitem Umkreise von kleinen Mimosen begrenzt ward; aber
die Dorfschaft selbst und besonders das fürstliche Gehöft
Kabischme's erregte mein Interesse ausserordentlich, sowohl
wegen der vortrefflichen Ausführung des Materiellen in der
Bauweise, als auch wegen der behaglichen Häuslichkeit,
die sich im Ganzen aussprach, und ich that wohl daran,
diesen Baulichkeiten gleich nach meiner Ankunft, ehe der
Packtross ankam, die ernsteste Aufmerksamkeit zuzuwenden,
da das verlassene Gehöft Kabischme's in der Folge ein „ha-
rim" wurde, indem es derVezier für seine häuslichen Zwecke
ganz wie gemacht fand. Leider liess die gesammte Einrich-
tung des Palastes sich nicht mehr erkennen, da alles Holzwerk
weggebrannt war, besonders die die inneren Gehöfte ausfül-
lenden Schattenhallen. Das Ganze war jetzt ein leerer, offener,
ziemlich abgerundeter Hofraum von grossem Umfange, rings
umher von mehr oder weniger zerstörten Hütten umgeben
und an den vier Ecken, wenn man bei einem fast runden
Gebäude von Ecken sprechen darf, mit höchst eigenthümli-
chen und reich verzierten Räumen versehen, die meine Auf-
merksamkeit zuerst auf sich zogen, da sie von einem Kunst-
und Ordnungssinn zeugten, den ich hier zu finden nicht erwar-
tet hatte. Es waren kleine runde Gemächer von etwa 8 Fuss
Durchmesser und wenigstens 12 Fuss Höhe, eingeschlossen
jau*. öir ■.'vrir^^'- -z^Zr^ tTtr-ri Ziz:^^ i.i~r^ ^=.£ -!i:i. lie»
Antifcb^i: ■>? L^n/:. »kj^ li i> äl- »■-Llr;«..itv:? S— **-
lutiff: xtti^vii »iri
Es war (in runvsts. unbe-
24 Fuss lh^^^■hlUI■^M■r. Hin-
geben von oiniT otwa 7 Fuss
holion luid 1 Fuss dii-ki-ii
ITionmaiier, wi-K-he oben und
an dt'ii Ei-k.'n sorgfjiltig ab-
(('■piit/t war. Sobald mau durch den 4 Fuss hüben und etwa
2 Vu^n br<-iU:n Hingang getreten war. hatte man gleich znr
f.iiiki-n ';iii<- mit dftr Wand parallel lanfende und nut ihr einen
ÜJ ftinh br«it»;M Itaum abscbliessendc , etwa IJ Fuss hohe
223
nn. KtfättL
v«m dicken, iusiserst saaber jEe^tteten ThoniräDden und mit
f^ncm ganz engen, etwa 14 Zoll breiten nnd dnrch ein vor-
Ä springendes Portal verlängerten Eingang von
6 Foss Höbe Terseben. Das Äussere war
aof regelmässige Weise höchst eigentbiimbch
geschmückt, indem Reiben aufspringender
Kippen oder Wulste nm das Ganze herum-
liefen, wie es der neben^ebende Holzschnitt
darstelle Diese eigenthümbchen Kammern.
nach der Analogie schon oben beschriebener ähnbcber Maga-
zine, die übrigens nnten keinen Zugang hatten, und nach der
AusHage der Leute , waren nichts als wohlgeschätzte Kombe-
hälter, dienten aber vielleicht zugleich als Schlafzimmer iu der
kalten Jahreszeit. Sie fanden sich an allen vier Ecken ganz
genau von derselben Bauart; aber der Xordostwinkel des Ge-
hüft^M war in dieser Hinsicht von ganz besonderem Interesse,
weil hier mit diesem Magazin eine andere überaus cigen-
thümliclic Iläuuilichkcit verbunden war, die eine sehr schöne
Ide*! eines gemüthlichen häuslichen Lebeos gibt, wie man es
walirli<;h bei diesen Leuten nicht erwartet. Dies ist daher
auf der beifolgenden Ansiclit zur Anschauung zu bringen ver-
8ur;lit worden, während der nachstehende Grundriss das Ge-
nauere zeigen wird.
Es war ein rundes, unbe-
. decktes Gemach von etwa
r 24 Pubs Durchmesser, um-
geben von einer etwa 7 Fuss
hohen und 1 Fuss dicken
Tbonmauer, welche oben und
an den Ecken sorgfaltig ab-
gctputüt war. Sobald man durch den 4 Fuss hohen und etwa
2 l'uHS breiten Eingang getreten war, hatte man gleich üur
[linken oino mit der Wand parallel laufende und mit ihr einen
2J Fuss breiten Uaum abschliessende, etwa 1^ Fuss hohe
Ein Gemach in der Resident zu Baga. 223
und 1 Fuss breite Thonwand oder vielmehr Thonbank (4),
die sich um mehr als die Hälfte des Umfangs des Gemaches
herumzog, aber, um einen leichteren Zugang zu dem schma-
len Gange zwischen ihr und der Wand zu haben, etwa in der
Mitte unterbrochen war, indem die beiden Enden der so ge-
bildeten Bänke mit vorspringenden Absätzen versehen waren.
Der so abgeschlossene schmale Raum war zur Stallung für
drei Kühe bestimmt, deren jede an einen besonderen Pfahl
angebunden ward. So hatte die niedrige Wand entschieden
zwei ganz verschiedene Bestimmungen, indem sie einmal als
Absonderungsmittel, dann aber auch als Sitzbank diente, die
sich um den eigentlichen Mittelpunkt dieses Gemaches herum-
zog, eine Schattenhalle, die durch ein auf vier Pfählen ru-
hendes Dach aus Rohr, und Kräutern gebildet war und den
deutlichsten Beweis lieferte, dass dies Gemach nicht etwa als
unvollendet, etwa noch der Bedachung entbehrend, sondern
ganz entschieden als ein „ämS dio'' abgeschlossener, offener,
kleiner Hofraum anzusehen sei. Rechts von diesem Schatten-
dach war die Kochstelle (5), eine in ihrer Ai-t höchst sauber
und nett eingerichtete Küche, eingeschlossen von zwei ganz
niedrigen Thonwänden und gebildet von vier steinartig ge-
formten Thonaufsprüngen von etwa 6 Zoll Höhe, die eben auf
sehr einfache Weise zwei Kochstellen zum Aufsetzen von Tö-
pfen darboten, während sie einzeln von je drei Steinen hätten
gebildet werden müssen. Zwischen der Küche, dem Schatten-
dach und dem Ende der Thonbank, gegen die erstere noch
durch eine besondere Mauer abgesperrt, führte ein breiter
Gang auf das besondere Gemach (8), das wir als Kommaga-
zin kennen gelernt haben und das mit einer feuerfesten Mauer,
ungleich dicker als die des eben beschriebenen offenen Raumes,
umgeben war ; aber der Gang war vermauert und bildete jetzt
nur einen Rezess zu irgend welchem Zweck. Zwischen der
Kochstelle und der Thür war ein von zwei schmalen Seiten-
wänden eingeschlossener Raum, der wahrscheinlich nach der
224 Tm. KainteL
übereinstimmenden Einrichtung anderer Hütten dazu be-
stimmt war, die Waesenirne zu halten.
Diese vier so sorgsam abgeschlossenen und überaus war-
men Gemächer waren demVezier bei der ansehnlichen Kälte,
die wir hier während eines mehrtägigen Aufenthaltes zu er-
tragen hatten, höchst erwünscht, indem er darin seine Skla-
vinnen und sich selbst behaglichst einquartieren konnte. Die
Kälte an diesem so ausgesetzten Platze war so empfind-
lich, dass die ganze schwarze Welt und die beiden Weissen
obendrein umkommen zu müssen glaubten. In der Tbat,
die armen nackten, aus ihren warmen Hütten gerissenen
Müssgu - Sklaven erholten sich erst wieder um Mittag, wäh-
rend sie in der Nacht vor Kälte geschrieen ; dennoch zeigte
das Thermometer am Donnerstag Morgen den lÖ'«" Januar
etwas vor 6 Uhr 10^° C, die grösste Kälte, die wir auf
diesem Zuge erfahren; um Mittag stieg es auf SOj".
Der Grund, wesshalb wir an diesem so höchst unerfreu-
lichen Orte mehrere Tage liegen bleiben mussten, war, weil
man beabsichtigte, hier die ganze Beute zu theilen, ehe wir
das feindliche Gebiet verliessen, da, auf befreundetem Boden
angekommen, natürlich nichts mehr diese undisciplinii'tcn
Banden zusammenhalten konnte. Dies ist die gewöhnliche
Sitte auch im Wädäi und Dar-För. Obgleich die Rhasia
an den einzelnen Punkten nicht besonders glücklich gewesen
zu sein schien, so belief sich doch die gesammte Beute auf
eine gute Menge Sklaven, wie angegeben wurde, 10,000. aber
wahrscheinlich nicht mehr als etwa 3000; denn die Zahl
wird von den Heerführern gemeiniglich übertrieben, um sich,
mit dem Erfolg der Rhasia zu brüsten. Eine grosse Menge
von dieser Anzahl waren bejahrte Frauen, die nicht so
schnell hatten die Flucht ergreifen können, und Kindei- unter
8 Jahren. Die Erwachsenen, mit Ausnahme einiger Feig-
linge, die keinen Widerstand gezeigt hatten, waren, wie ge-
sagt, getödtet worden; jedoch schätze ich die Zahl derselben
Gesammtergebniss des Heeres^nges. 225
sehr gering, auf 200 — 300, da sich fast die gesammte er-
wachsene männliche Bevölkerung gerettet hatte. Von diesen
Sklaven erhielt der Heerführer den dritten Theil, ausser-
dem aber nahm er für sich selbst den ganzen Betrag einer
Sklavenhetze in Beschlag, mit der es folgende höchst eigen-
thümliche Bewandtniss hatte.
Am Nachmittag des 17^^^ Januar zogen zwei Kaschella's
aus, um, wie es hiess, von den benachbarten Dörfern Pferde-
futter einzusammeln, brachten aber am Abend als ihren
Haupterwerb an 800 Sklaven imd viele Rinder ein. Diese
hatten sie nämlich mit A'dischen's, natürlich so gut wie er-
zwungenem, Einverständniss von sdnem Gebiete entführt, als
eine Art friedlichen Tributes. Zu solchen Schändlichkeiten
muss sich dieser jämmerliche Fürst verstehen, um seine fürst-
liche Würde zu behaupten; denn man kann kaum sagen,
dass er auf diese Weise sein Land vor Baub schützt, da er
fortwährend ausgesogen wird imd die auf Raubzüge gegen
seine noch unabhängigen Landsleute ausziehenden Bömu-
Heere mit Allem zu versorgen hat. Wir haben schon oben
gesehn, wie seine Unterthanen, um nur ihr Leben und das
Kostbarste ihrer Habe zu retten, beim Herannahen des
Heereszuges entfliehen mussten. Natürlich sucht dieser Ver-
räther seiner Nation eine ihm nicht eifrig ergebene Ort-
schaft zum Opfer aus, — aber was muss die Folge davon sein
in dem Verhältnisse des Volkes zum Fürsten? Jede Spur
des Vertrauens muss schwinden. Es ist in der That fast im-
glaublich, wie er bei solchem Regimente bestehen kann, da
sein ganzes Fürstenthum kaum mehr als 15 Meilen oder
V4 Grad in der Länge und noch viel weniger in der Breite zu
betragen scheint. Seine Unterthanen schienen jedenfalls wohl
befugt zu sein, für sich selbst zu sorgen, und es war ihnen
denn auch gelungen, bei eingetretener Dimkelheit den Räu-
bern wenigstens einen Theil der erbeuteten Rinder wieder
abzunehmen, und der Vezier selbst bezeigte dem unter-
Bcrth't BaiMo. HL « 15
226 Tm. Kapitel.
thänigen VasalleDfiirsten seine Huld, indem er ihm 200 der
ältesten, fast nutzlosen Weiber wieder zustellen liess, mit dem
freundlichen Bemerken, sie sollten das Land bestellen und
er wolle, wenn er wiederkomme, den Ertrag davon essen.
Dies klang fast wie bittere Ironie. Der Vezier hatte sonst
gegen uns ausgesprochen, „dass er den Ädischen, der treu an
ihm festhalte, stark und mächtig wünsche, damit er dem Vor-
dringen der Felläta (Fulbe), deren eifrigster Gegner er wäre,
in diesen Gegenden Einhalt thun möge".
Bei dieser Gelegenheit hatte ich mich erkundigt, ob nicht
A'dischen im vorigen Jahre einmal gegen sie aufsätzig ge-
wesen sei, da ich von Reisenden gehört hatte, dass der Weg
von Adamaua nach Logone seinetwegen nicht sicher sei ; aber
der Hadj versicherte mich, dass diese Unterbrechung des
Verkehrs auf der genannten Strasse nicht von der Aufsätzig-
keit Ädischen's, sondern davon hergerührt habe, dass er
gegen die in sein Gebiet räuberisch eingefallenen Schüa
Repressalien geübt habe. Die Stellung dieses kleinen Für-
sten ist allerdings überaus eigenthümlich. Losgerissen von
seinen Landsleuten und ihnen feindlich gegenüberstehend,
hat er sich gegen die unablässig vordringenden Fulbe auf
der einen, gegen die räubeiischen und nur schwach von
ihrem Oberherm im Zaum gehaltenen Schüa auf der an-
deren und gegen Logone auf der dritten Seite zu vertheidigon.
Mit dem letzteren kleinen Ländchen jedoch scheint er im
Ganzen auf freundlichem Fusse zu stelm. AngebUch verän-
derte sich übrigens der Zustand der Verhältnisse bedeu-
tend in Folge dieses Heereszuges, indem der oben erwähnte,
sehr gefürchtete Häuptling „Füss" oder vielmehr Ngeu-
mäta sowohl, als Kabischme zur Friedensbitte und Unter-
werfung in's Lager kamen; aber die Weise, wie man davon
sprach, war keineswegs so grossprahlend, wie man hätte er-
warten sollen.
[Montag, 19^^ Januar.] Wir traten nun von hier un-
.^
Die Berghöhen von Wasa. 227
Seren Rückmarsch nach Kükaua an. Wir inussten zuerst
nach der Fürth des seichten Wasserarmes zurückkehren und
setzten dann unseren Marsch durch eine schöne grasige
Ebene fort, indem wir einen oder zwei Weiler passirten und
einige Felder mit heimischem Korn zur Seite liessen. Dann
lagerten wir uns, nach einem Marsche von ungefähr 10 Meilen.
Schon an diesem Tage hatten wir m der Entfernung nach
Westen einige kleine Erhebungen bemerkt; da wir aber
nur sehr kurze Tagemärsche machten, en-eichten wir den
Gau von Wäsa, der sich durch seine Felserhebungen aus-
zeichnet, nicht vor dem 22steii^ wo wir zwischen den beiden
Felshöhen, welche dieser Örtlichkeit ihien eigenthümlichen
Charakter verleihen, unser Lager bezogen.
Es verursachte uns ausserordentliches Vergnügen, nachdem
wir die flachen angeschwemmten Ebenen Bomu's und Müss-
gu's* durchzogen , uns wieder einmal im Angesicht einer Er-
hebung zu finden, wenn auch nur von mittlerer Höhe, und
diese Felshöhen von Wäsa hatten ein sehr malerisches Aus-
sehn. Die Thalebene zwischen ihnen, wo wir unseren Lager-
platz gewählt, war ziemlich arm an Baumwuchs; aber es
fanden sich einige schöne wilde Feigenbäume am nordöst-
lichen Fuss der westlichen Höhe, wo sich ein Wasserbecken in
einer tiefen, geräumigen Höhle gebildet hatte. Nach diesem
Platze wandte ich meine Schritte unmittelbar nach unserer
Ankunft, ehe noch die Kameele bei uns eingetroffen waren, und
brachte hier eine behagliche Stunde im Anblicke der inter-
essanten Scene zu, wie die zum Heere gehörigen Pferde
hierher zur Tränke geführt wui'den und immer neue Züge
vom Lager ankamen, während das reiche Laub der Bäume
umher einen anziehenden Gegensatz gegen die steilen Fels-
klippen bildete.
Nachdem ich eine Skizze von dieser Örtlichkeit entworfen
hatte, die in der gegenüberstehenden Ansicht dargestellt ist,
begab ich mich wieder zu meinem Gefährten und wir beschlos-
I
228 Vm. KapiteL
sen, die höhere der beiden Erhebungen zu ersteigen; jedoch
fühlte ich mich, besonders da ich mir eine heftige Erkältung
zugezogen hatte, nicht mehr stark genug, auch nur eine Höhe
wie diese, von weniger als 700 Fuss *) über der Ebene, zu er-
reichen, während Herr Dr. Overweg, der sich damals bes-
serer Gesundheit erfreute, als ich, den Gipfel erstieg. Diese
Felserhebungen sind zahlreich von schwarzen Affen besucht,
während selbst Raubthiere in grosser Menge hier ihr Lager
haben. Die von den Granitblöcken gebildeten Spalten sind
mit kleinen Bäumen und Sträuchem geschmückt. Die Aus-
sicht von hier über die immense Ebene nach Süden, die sich
von einem ununterbrochenen Streifen mittelhoher Bäume um-
säumt fand, war sehr charakteristisch, indem die einförmige
Linie im Vordergrunde von der anderen Felshöhe angenehm
unterbrochen ward.
Wäsa gehört schon zum Gebiete von Logone und besteht
aus mehreren kleinen Weilern, deren Bewohner im Allge-
meinen zu den Schüa gehören, deren Amtmann — „lauän" —
aber ein Mann aus dem Eroberungsvolke der Fulbe ist. So
macht sich der Einfluss dieses Stammes nicht allein durch
die Gewalt der Waffen imd durch kühneren Muth im Wege
verheerender Kriege, sondern fast noch mehr auf friedlichem
Wege, durch geistige Überlegenheit geltend und verschafft
sich Eingang in alle Gegenden und Reiche Central -Afrika's.
Es war in Wäsa, wo wir die Nachricht erhielten, dass ein
Eilbote von Fesän angekommen sei, der aber von den Tuareg
der Briefe und anderen Gegenstände, die er uns bringen
sollte, beraubt worden wäre. Dies war natürlicherweise
eine betrübende Botschaft, obgleich wir zur Zeit nicht er-
warten konnten, Geld oder sonst irgend etwas von grossem
Werthe zu erhalten.
*) Herr Dr. Vogel, der gleichfalls diesen Punkt im Jahre 1854 besuchte,
fand die Erhebung der Ebene 920 Fuss über dem Niveau des Meeres, wäh-
rend die beiden Höhen bezüglich 1300 und 1600 Fuss erreichten.
Rückkehr nach Ngömn. 229
[Donnerstag, 228^en Januar.] Ein merkwürdiger Anlass zur
Verzögerung des Aufbruchs ward diesen Morgen gegeben, der,
wenn es noch irgend eines Beweises bedurfte, wohl dazu geeig-
net war, dem Yezier die Augen zu öflFnen über den Abgrund,
der vor ihm lag. Sein ebenso starkes wie schnellfüssiges
Lieblingspferd, das er täglich ritt, war heute früh plötzlich
fast spurlos aus der Mitte des Lagers verschwunden, trotz
aller wartenden Sklaven imd trotz sichernder Fussketten, und
es dauerte geraume Zeit, bis es aus grosser Entfernung
zurückgebracht werden konnte. So verliessen wir erst zu
später Stunde diese interessante Örtlichkeit und lagerten
nach einem guten Ritt durch einen sehr reichen, aber un-
genügend bebauten Strich Landes in kurzer Entfernung von
einem seichten Gewässer, das von ansehnlicher Breite und
mit den schönsten Bäumen geschmückt war. Diese Örtlich-
keit heisst Sengiri, ein Name, der höchst wahrscheinlich mit
der ünvermeidlichkeit der Wasserpassage im Zusammen-
hange steht; denn wir werden denselben Namen da wieder-
finden, wo wir auf dem Wege von Kukaua westlich den
Komadugu von Bomu zu überschreiten haben.
Von diesem Sengiri aus erreichten wir mit massigem
Marsche Diggera und nahmen Quartier in unserem alten
Lager, ja, wir schlugen unsere Zelte über demselben, noch
vollkommen kenntlichen Kreisrund auf, wo sie vor 2 Mo-
naten gestanden hatten. Auf dem weiteren Marsche von Dig-
gera aus machten wir nun jeden Tag an demselben Platze
Halt, wo wir auf unserem Ausmarsch gelagert waren, bis
wir Ngomu erreichten.
[Sonntag, P^^ Februar.] Bei unserem Einzug in die
Hauptstadt wurde viel Ceremonie und Etiquette beobachtet
und die ganze Heeresmasse *), zum wenigsten derjenige Theil
derselben, welcher noch nicht entlassen war, wurde in dich-
*) Über die Bestandtheile der Reiterei siehe den Anhang III.
I
2d0 YIII. Kapitel.
ter Schlachtlinie aufgestellt, um auf ehrenvolle Art die mili-
tärischen Begrüssungen entgegenzunehmen, welche dem An-
führer bei seiner siegreichen Rückkehr dargebracht wurden.
Ausgezeichnet vor Allen, welche zur Begrüssung kamen, war
Rhet, der Häuptling der üeläd Slimän, der hier vor ein Paar
Tagen von Känem eingetroffen war, wo wir ihn zurückge-
lassen hatten und von wo er einen erfolgreichen Feld- oder
vielmehr Raubzug gegen die Künkuna in Karkä unternommen
hatte. Indem er an der Spitze einer kleinen Schaar von 20 — 30
Reitern, durch malerische Tracht ausgezeichnet, in schnellster
Carriere heransprengte, gewährte dieser kleine Araber-Häupt-
ling ein interessantes und lebensvolles Beispiel von Reit-
kunst, das einen auffallenden Gegensatz gegen die schwer-
fälligen Bewegungen der ungelenken und trägen Gestalten
der Neger bildete und uns einigermassen mit unseren Ge-
fährten auf dem Känem -Zuge aussöhnte.
Auch uns selbst, die beiden fremden Wanderer, erwar-
tete bei dem Wiederbetreten unseres alten Quartieres in der
Stadt eine aussergewöhnliche Bewirthung, indem wir mit
einem besonderen, aber von der Jahreszeit abhängigen Lecker-
bissen der Kanöri, bestehend aus dem frischen Samen des
„masr" (Zea Mays) genannten Kornes , der in eigenthüm-
Ucher Weise geröstet wird, traktirt wurden. —
Das war der Ausgang eines Feldzuges, der uns einen leich-
ten Femblick in die reich bewässerte Zone der Äquatorial-
landschaften eröffnete, wo sich wegen des geringen Gefälles
der Flüsse bei der ungeheueren, ihnen plötzlich zugcführten
Wassermenge, unzählige Hinterwasser und seichte Wasser-
läufe auf wenig ausgetieftem Wiesengrund bilden. Und doch
hatte man von eben diesem, einen grossen Theil des Jahres
der ungeheueren Wasserfülle wegen fast unpassirbaren, Län-
dergürtel die Meinung gehegt, dass er als hohe Gebirgskette
eine unübersteigliche Barriere bilde. Dieser Zug hatte uns
femer mit Stämmen in Verbindung gebracht, die als dem
Yorbereitnng za- einem neuen Ausflüge.
231
Zustand wilder Bestien sich nähernde Wilde dargestellt wor-
den waren, während wir bei ihnen manche Keime eines be-
scheidenen menschlichen Glückes fanden.
Allerdings betraten wir jene Gegenden nicht unter solchen
Umständen, wie es für uns wünschenswerth war; wir hatten
uns im Gegentheil in der Nothwendigkeit befunden, uns mit
einer Heeresmacht in Verbindung zu setzen, deren einziger
Zweck war, über diese in ihrem kindlich - natürlichen Zu-
stande sich glücklich fühlenden Menschen Verheerung und
Elend zu bringen. Da wir aber keine Macht besassen, die-
ses Unheil zu verhüten, waren wir doch froh, im Stande zu
sein, so viel zu sehn. Augenblicklich befanden wir uns ganz
ohne Mittel, da weitere Unterstützungen nicht eingetroffen
waren; aber ich verzweifelte desshalb nicht, und um mich
in den Stand zu setzen, mein Glück, ehe ich heimkehrte,
noch einmal in einer anderen Richtung zu versuchen, ver-
kaufte ich ausser anderen Sachen selbst mein grösseres
Zelt und verwendete einen Theil des so Erhandelten dazu,
mein kleines Zelt mit einheimischer Baumwolle zu. füttern;
denn in seinem damaligen Zustande zerfiel es in Lumpen
und sein Gewebe war so dünn geworden, dass es weder
vor Regen noch Sonne schützte.
I
K. KAPITEL.
Abreise nach Baghirrai. — Die Landschaft Kotoko.
Am Isten Februar 1852 war ich nach Kükaua zurückge-
kehrt und am 4^^^ März brach ich wieder auf — zur Reise
nach Baghiimi. Ich hegte jedoch keineswegs grosse Zuver-
sicht auf das Gelingen meines Unternehmens. Der Sultan
von Baghirmi, hiess es, sei von seiner Hauptstadt abwesend
imd auf einem Zuge nach dem südöstlichen Theile seines
Gebietes begriffen; doch würde ich ohne grosse Schwierig-
keiten bei dem den Sultan vertretenden Vice-Statthalter Zu-
tritt und von demselben die Erlaubniss erhalten, mich jenem
Zuge anschliessen zu dürfen, und somit Gelegenheit finden
zur Bereisung jener südlicheren Provinzen , welche für mich
allein ausführen zu können nicht in Aussicht stand. Ich wen-
dete mich also an den in Kükaua residirenden Agenten jenes
Fürsten, einen Eunuchen. Dieser Mann war in der zweiten
Schlacht bei Ngäla von den Kanöri zum Gefangenen gemacht
worden und dann zur Würde eines Mestrema (d. i. ersten Eu-
nuchen) des Sultans von Börnu emporgestiegen. Obgleich ich
ihm ein kleines Geschenk mitbrachte, empfing er mich doch
ziemlich kalt und machte mir nicht viel Hoffnung auf Erfolg.
Meine Mittel waren gänzlich erschöpft und ich war genö-
thigt, den kleinen Vorrath an Geschenken, welchen ich über-
haupt mitzunehmen vermochte, zu hohen Preisen und auf
Kredit zu kaufen. Ich hatte nur zwei sehr unbedeutende
Diener, nämhch Mohammed ben Habib und Mohammed ben
Abreise von Ngörnu. 233
Ahmed, zwei junge, aus Fesän gebürtige Burschen von ebenso
beschränktem Verstände, wie anspruchsvoll als Moslemin und
ohne alle Kenntniss von dem Lande, welches ich besuchen
wollte. Mein Lastvieh bestand einzig in einem Pferde für
mich selbst und einem weiblichen Kameele, um mein Gepäck
fortzuschaffen. Bei so geringer, ja selbst armseliger Zu-
rüstung begab ich mich gar nicht mit dem zuversichtlichen
Muthe, der den Erfolg sicher stellt, auf die Reise ; aber ent-
schlossen, nach Europa zurückzukehren, falls nicht bald neue
Mittel eintreffen sollten, wollte ich noch einen letzten ver-
zweifelten Versuch wagen, um etwas auszurichten, bevor ich
das Land gänzlich verliesse. —
Herr Dr. Overweg begleitete mich bis Ngomu, wo wir
bei unserem Freunde, dem Kaschella Kotokö, abstiegen. Es
machte mir bei meinem gegenwärtigen kümmerlichen Zu-
stande grosse Freude, hier durch einen Privatboten vom Ve-
zier ein kleines Packet Kaffee und vom M&Uem Mohammed
einen Hut Zucker zu empfangen. Solche Beweise uneigen-
nütziger Freundschaft sind für den Reisenden in einem frem-
den Lande eine grosse Befriedigung.
[Freüagy ö^en März.] Beim Beginne der Baumwollenpflan-
zung nahm ich von meinem Europäischen Gefährten Ab-
schied; er selbst beabsichtigte, in Kaschella Kotokö's Beglei-
tung einen Ausflug längs des Seeufers zu machen, nach Ma-
duäri, — demselben Orte, wo ihm binnen wenigen Monaten
zu erliegen beschieden war.
Der Mestrema hatte mir zur Begleitung einen Reiter mit-
gegeben, es war aber keineswegs ein Mann, wie ich ihn
mir wünschen mochte. Hätten Ethnologen seine Gesichts-
züge als den allgemeinen Typus der Negerrasse aufgestellt,
so hätten sie sich wohl für berechtigt halten können, der
letzteren e^jer eine Verwandtschaft mit dem Affen, als mit
dem Menschen beizumessen. Sein gemüthloses, aber dabei
eingebildetes Wesen entsprach seinem Ausseren vollkommen.
234 IX. KapiteL
Die Wasser des grossen Sumpfsee's, um dessen Ufer wir
uns in nicht grosser Entfernung herumwanden, hatten be-
reits beträchtlich abgenommen und schöne, frische, von zahl-
reichen Heerden beweidete Matten blossgelegt, während kleine,
nach dem Rückzuge der Fluth stehngebliebene Lachen
die einförmige Ausdehnung der Ebene unterbrachen. Auf
diesen fruchtbaren Gründen wird in grosser Menge Baum-
wolle gezogen und dieser Anbau könnte noch weit stärker
betrieben werden. Die Leute waren überall mit der Land-
arbeit beschäftigt, während auf allen brach liegenden Fel-
dern die üppige Asclepiaa oder Calotropis gigantea wieder
ihre Herrschaft zu üben anfing. Kaum ein Baum war zu
sehn; nur als wir weiter zogen, traten nach und nach ein-
zelne grössere Vertreter der Pflanzenwelt auf.
So kamen wir an dem Dorfe Kükiya vorbei, wo wir auf
dem Müssgu-Zuge zuerst übernachtet hatten. Hier ward der
tiefe Sandboden mitunter von einer vereinzelten Gruppe von
Dornbüschen belebt, während arme Leute hie und da nach
der bereits schon einigemal erwähnten Binsennuss — „habb el
äsis" oder „nefü" — (Cyperus esculentus) gruben. Auf einer
sonst nur mittelmässig bestellten Strecke Landes gewährte
ein schönes Waizenfeld einen herrlichen Anblick; es gehörte
mehreren angesehenen Hofleuten -^ „kokanaua" — in Kü-
kaua. — Wir tränkten hier unsere Pferde und wollten, nach-
dem wir noch eine Strecke weiter gezogen waren, in einem
dem Hadj Ibrahim gehörigen Weiler während der Tages-
hitze Halt machen, wurden jedoch sehr imgastfreundlich auf-
genommen und rasteten daher in einiger Entfernung vom
Dorfe im Schatten eines Kautschukbaumes (Bestna elastica).
Dieser Baum zeichnete sich durch einen besonderen Zauber
— „ssäfi" — aus, welcher einen Beweis von den vielen in die-
sen Ländern noch verbliebenen heidnischen Gebj^äuchen lie-
ferte. Derselbe bestand aus zwei auf einander gestellten, mit
einem eigenthümlichen Stoffe angefüllten Töpfen und sollte
Ein Schna- Araber wird in Dienst genommen. 235
die Fruchtbarkeit der Stuten des Dorfes sichern. — Da diese
Stelle ein gewöhnlicher Rastplatz der Reisenden ist, so wim-
melte der Boden von Insekten, besonders der grossen Art
der „kari", womit das Vieh in diesem Lande gewöhnlich
behaftet ist.
Als wir am Nachmittag unseren Marsch fortsetzten, be-
gegnete uns eine Karawane Karaeele und Lastochsen mit
einer Ladung Negerkorn, die Einer von den Leuten unseres
Freundes Lamino von der Pflanzung seines Hen-n nach der
Stadt brachte. Wir erreichten frühzeitig Yedi, an dem wir
ebenfalls auf unserem Müssgu-Zuge vorbeigekommen waren.
Ich hatte die Absicht, innerhalb der Stadt einzukehren; die
Strassen waren jedoch so eng, dass ich mein Lager lieber
ausserhalb aufschlug. Ein junger Schüa- Bursche bot mir
hier seine Dienste an; derselbe hatte uns bei dem Brunnen,
wo wir unsere Thiere tränkten, unentgeltlich Beistand ge-
leistet und dafür von mir als Belohnung einige Nadeln er-
halten. Da ich sehr eines Dieners bedürftig war, nahm ich
sein Anerbieten an und überzeugte mich im Verlaufe meiner
Reisen, dass ich sehr wohl daran gethan hatte; denn ob-
gleich mir der junge Bursche anfangs einige Mühe machte
und sich mitunter etwas unbeholfen anstellte, so erwies er
sich doch im Ganzen als sehr brauchbar.
Am Abend zeigte sich ein junger Mann Namens Degedji,
welcher Herrn Dr. Ovei-weg auf dessen Tsäd-Fahrt begleitet
hatte, sehr gastfreundlich gegen mich. Derselbe war Bar-
bier und Musikant in Einer Person, aber dabei ein ziemlich
lockerer Bui'sche.
Wir verfolgten die gerade Strasse nach Ngäla. Die an-
fangs offene Landschaft bedeckte sich allmählich mehr mit
Dnmge})üsch und weiterhin mit allerlei Bäumen mittlerer
Grösse. Ausser der Frau meines Geleitsreiters, die ihren Va-
ter in Baghirmi besuchen wollte und wenigstens im Vergleich
mit ihrem Gemahle eine leidliche Person war, hatte sich ein
t
236 IX. KapiteL
gar freundlicher Mann Namens Kägo unserer kleinen Trappe
angeschlossen. Derselbe war mit den Mitgliedern der frühe-
ren Expedition bekannt gewesen und liess es sich sehr ange-
legen sein, mir über die Eigenschaften der verschiedenen
Bäume und Sträucher, welche diese Wildniss schmückten,
Auskunft zu ertheilen, namentlich über den Kari, den Ka-
raua und den Lätram. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich,
dass eine gewisse Krankheit, welche man für die Schand-
marke einer dicht gehäuften Bevölkerung halten möchte,
auch in diesen Ländern gar nicht selten ist; sie wird hier
„dun" genannt. Von der reichen Ergiebigkeit dieses gegen-
wärtig der äussersten Verwahrlosung anheimgegebenen Lan-
des zeigen sich die Beweise überall. Die Bevölkerung der
kleinen, über die Landschaft zerstreuten Dorfschaften besteht
halb aus Kanon, halb aus Schüa, und ich war überrascht,
in einem Dorfe, welches einem gewissen M&llem Talbai Ssämi
gehört, Felläta oder Fulbe mit Kanöri vermischt anzutref-
fen. Die meisten Schüa hatten diese Dorfschaften bereits
verlassen, um ihrer Gewohnheit gemäss zeitweilig nach an-
derweitigen Wohnsitzen zu wandern.
Wir machten bei Zeiten im Dorfe Kostäri Halt, dessen
Bewohner mich bereits bei einer früheren Gelegenheit gesehn
hatten. Sie schienen sehr arm zu sein , was jedoch wohl ih-
rer Trägheit beigemessen werden kann. Ihren eigenen An-
gaben nach besteht ihr Unterhalt fast ausschliesslich in dem
Wassergeflügel, welches die flachen sumpfigen Seeufer in un-
zälüigen Schwärmen bewohnt; auch war wirklich das ganze
Dorf voll von wilden Gänsen und Enten. Es gelang mir je-
doch, ein wenig Milch, etwas Honig und Kreb oder Kaschä
zu erhalten. Das letztere ist eine Grasart, welche wahrschein-
lich mit der Poa Abyssinica identisch ist, jedoch in ver-
schiedenen Arten vorkommt, von welchen hier in Bornu zwei,
das „kaschä ngorgo" und das „kaschä magäia", die haupt-
sächlichsten sind, während es in Wäddi' drei oder vier Arten
Natrongehalt des Wassers. 237
gibt („dendng", „liliak", „schorok" und „tanfafanang") nebst
einer Abart, „feie" genannt.
Es ist sehr merkwürdig, dass, während das Wasser der
grossen Tsäd-Lache selbst frisch ist, das meiste des in dieser
Landschaft ganz hart am Rande des Seeufers vorgefundenen
Wassers Natron enthält. An diesem Orte war es so stark
mit diesem Mineral gesättigt, dass es kaum trinkbar war,
was sich bei der äusserst drückenden Beschaffenheit der Luft
um so fühlbarer machte. Beim Antritt meiner Reise und nach
einem längeren Aufenthalt in der Stadt war ich ohnedies in
so geschwächtem Zustande, dass ich meine Kräfte vermittelst
eines kleinen Restes von Mastixspiritus, den ich mitgenom-
men, wieder herstellen musste. Die Hitze war so heftig, dass
ich mich nicht wenig erleichtert fühlte, als sich am Nach-
mittag ein schwacher Wind erhob. Meine armen Thiere waren
jedoch noch schlimmer daran als ich selbst, da sie von einer
grossen blutsaugenden Fliege geplagt wurden.
Die Strasse, auf welcher Major Denham längs des Südufers
des Tsäd reiste, ist gegenwärtig wegen der Unsicherheit des
Landes gänzlich aufgegeben, sowie der von ihm erwähnte,
etwa 3 bis 4 Stunden nordöstlich vom hiesigen Platze gele-
gene Ort oder vielmehr Gau Kesskäri jetzt gänzlich verlassen
ist, wesshalb wir eine mehr südliche Strasse einschlugen.
Was hier zuerst unsere Aufmerksamkeit auf sich zog, war
eine Heerde Wildschweine, eine in diesen Gegenden für mich
sehr seltene Erscheinung. Ich fand jedoch diese Thiere spä-
ter in der Nähe der Ufer des Schäri sehr zahlreich, indem
sie dort sogar einen beträchtlichen Theil der Nahrung der
Eingeborenen, die Mohammedaner nicht ausgenommen, zu bil-
den schienen.
Als wir auf dem engen, durch die Waldung fuhrenden Pfad
dahinzogen, wies der Pflanzenwuchs plötzlich eine neue und
sehr bemerkenswerthe Erscheinung auf; denn wir trafen hier
auf eine Gruppe von zehn bis zwölf baumartigen Euphorbia-
238 ^IX. Kapitel.
ceen. Ich habe kleinere Euphorbien auf meiner Reise durch
Damerghü und selbst in Haussa erwähnt, seitdem aber war
mir die Euphorbie im Sudan nicht wieder zu Gesicht ge-
kommen. Hier dagegen bildete diese Pflanze Bäume von ge-
wiss nicht unter 30 — 35 Fuss Höhe; ihre saftvollen und üp-
pigen cactusartigen Blätter bildeten einen auffallenden Gegen-
satz zu dem einförmigen und dürren Laube der Mimosen,
welche ringsumher standen. Der Boden muss in dieser Ge-
gend von sehr eigen thümlicher Beschaffenheit sein; denn ich
habe auf meiner ganzen nachlierigen Reise die Euphorbie nie
wieder eine solche Höhe erreichen sehn; die grösste Höhe
derselben, die mir noch vorkam, betnig nur 20 Fuss; dies
war im Mussgu-Lande an einer ganz vereinzelten Stelle. Auch
auf meiner Reise nach Baghirmi traf ich nicht ein einziges,
auch noch so kleines, Exemplar dieser Pflanze wieder an.
Der Theil der Waldung, welchen wir nun durchzogen, hatte
ein frischeres Ansehen und die Scene belebte sich durch einen
Trupp Reiter, dem wir begegneten, worauf wir 5 Uhr Nach-
mittags im Dorfe Dabua ankamen. Hier fanden wir freund-
liche Aufnahme, wozu das einnehmende Wesen meines heite-
ren Gefährten Kägo nicht wenig beitrug, während die afl'en-
artigen Grimassen meines offiziellen Geleitsreiters ganz unbe-
achtet blieben. Man reichte uns Geflügel, Milch und Neger-
kom zum Abendessen. Der Platz ist gut mit Wasser ver-
sehen und der Brunnen nur 5 Klaftern tief.
[Sonntag, 7fen März.] Als wir wieder aufbrachen, betraten
wir einen sehr dichten Theil des Waldes („karäga tsilim", wie
die Kanöri sagen) mit einer reichen Mannichfaltigkeit von
Bäumen ; aber alle waren nur von mittlerer Grösse und unt(T
ihnen nicht ein einziger Tamarinden- oder Affenbrodbaum.
Als wir aber weiter kamen, öffnete sich die Landschaft etwas
mehr, indem an die Stelle der „karäga tsilim" die „dirride"
— „lichtere Waldung" — trat, und Zeichen von Acker-
bau fingen an, sich sehn zu lassen. Ich bemerkte hier, dass
Die Dörfer Gndjari und Hofknm. 2d9
der Thonboden — „firki" oder „ange" — mit kleinen Furchen
durchzogen war, um das Wasser während der Regenzeit für
den Anbau der Mässakuä zurückzuhalten; auch schien etwas
Banmwollenbau betrieben zu werden. In diesem Gau war
die Bevölkerung ebenfalls aus Schüa und Kanöri gemischt.
Das Dorf Gudjäri, bei dem wir weiterhin vorbeikamen,
zeichnete sich durch eine grosse Töpferei aus. Wir begeg-
neten hier einer zahlreichen Karawane Lastochsen mit einer
Getreideladung, die nach der auf meinem Müssgu-Zuge er-
wähnten Stadt Diköa unterwegs war; denn es ist, wie da-
selbst bemerkt wurde, der dortige Anbau gänzlich auf Baum-
wolle beschränkt, so dass die Einwohner ihren gesammten
Gretreidebedarf einführen müssen. Die Baumwolle wird nicht
auf Lastthicren,. sondern auf den Köpfen der Eingeborenen
transportirt, und weiterhin begegneten wir einem zahlreichen
Zuge solcher Leute, was denn einigermassen das Ansehen von
Gewerbfleiss hatte. Wir kamen auf unserem Wege an vielen
von jenen schwarzen, „firki" oder „änge" genannten morasti-
gen Stellen vorbei, welche ich bei einer früheren Gelegenheit
beschrieben habe, und erreichten 8J Uhr Morgens die kleine
Dorfschaft Hokkum.
Wir hatten diesen Weg in der Absicht eingeschlagen, das
bittere Brunnenwasser des Dorfes Djemage zu vermeiden,
fanden es jedoch hier noch schlimmer; denn es gab eben gar
kein Wasser im Dorfe und wir mussten in grosse Entfer-
nung schicken, um uns einen kleinen Vorrath zu verschaffen,
der keineswegs von angenehmer Beschaffenheit war. Dieser
Wassermangel scheint jedoch nur aus der Nachlässigkeit
der Einwohner zu entspringen; denn die Bininnen sind nicht
über 3 Klaftern tief und die Überschwemmung d(^s Tsäd
tritt mitunter so nahe heran, dass es nöthig befunden wor-
den ist, das Dorf an der Xordseite durch einen Deich zu
schützen. Wir rasteten hier während der Tageshitze im
Schatten eines Kuma- Baumes, dessen Fiiicht wir, da sie
I
r
240 IX. KapheL
gerade reif war, in Ermangelung eines höheren Genusses
nicht verschmähten.
Ich bemerkte hier mit Erstaunen, dass man Salz aus der
Verbrennung von Viehmist gewinnt. Es ist in der That
merkwürdig, zu welcher Aushilfe die ärmeren Leute im Sudan
schreiten, um sich mit diesem Artikel zu versehen, der allen
Stufen der menschlichen Gesellschaft zu einem unentbehr-
lichen Bestandtheil der gewöhnlichen Nahrung geworden ist.
Ungefähr V2 Stunde nach unserem Aufbruche am Nach-
mittage kamen wir bei einem beträchtlichen Binnsale an,
das, mit schönen, weit sich ausbreitenden Bäumen umsäumt,
eine sehr anmuthige Erscheinung bot. Es wird Koma-
dugu Imbulü oder Mbulü genannt. Nach der Behaup-
tung meines Gefährten Kägo ist es von dem Ydloe oder Ko-
mädugu von Diköa gänzlich verschieden, und nach dem, was
ich auf meiner Rückreise in Erfahrung brachte, scheint er
Recht zu haben. Das Rinnsal hatte gegen 12 Fuss hohe Ufer
imd eine Breite von 60 — 75 Fuss; die Tiefe des Wassers
betrug aber nur IJ Fuss; eine Strömung war nicht be-
merkbar. Der Baumwuchs war, auch nachdem wir dieses
Gewässer verlassen, von grösserer Mannichfaltigkeit , aber
durchweg ziemlich niedrig. Wir bemerkten hier in grosser
Menge das bereits fiüher erwähnte, „kreb" oder „kaschä" ge-
nannte Gras, welches einen beträchtlichen Nahrungsbestand-
theil der iinniiwu B(;völk(Tung bildet. Wir kamen bei
verschiedenen giin/li(^li vc^rlassenen und verfallenen Städten
vorbei, dann chirch cmi dicJites Gestrüppe, wie wir es kaum
in der Nähe (nuvv groMMnn Stadt anzutreffen erwarteten, und
erreichten um 5 Uhr die? Tlionnuuiern von Ngäla.
Das Innere iU*r Htadt hat inn sehr eigenthümliches An-
sehen, wie nicjhtM cl(»r Art im Stidan sich wieder findet, ob-
gleich der Plntz f<*«m»tiwllrtig in sehr verfallenem Zustande
ist; denn dc^r gOMiinunt^' iiltcro Stadttheil besteht aus Lehm-
wohnungen, welche auf einer hohen Terrasse erbaut sind.
Die Stadt NgSla. 241
Der Palast des Statthalters ist wirklich etwas ganz Stau-
nenswerthes für diese Regionen, indem derselbe mit seinem
gewaltigen Unterbau und hoch emporragenden Ringmauern
einer förmlichen Citadelle gleichsieht.
Uns wies man in dem geräumigen Hause des Gedädo
oder Delätu, in welchem Herr TuUy starb, unsere Wohnung
an; dasselbe war, wie sonst die ganze Stadt, im grössten
Verfall. Die Zeiten der Meram, der geliebten Frau des
Scheich Mohammed el Amin el Känemi, waren vorüber, und
Ngäla's Reichthum war von den Sklaven des gegenwärtigen
Scheichs und dessen Vezier verzehrt worden. Der einst
prächtige Palast der Meram selbst ist nichts als ein grosser
öder Ruinenhaufen.
Die mir überwiesene Wohnung war jedoch in einem ziem-
lich gut erhaltenen Zustande und enthielt ein oberes Stock-
werk, wo ich gegen die Schwärme von Mücken, mit welchen
der Ort behaftet ist, ziemlich geschützt war.
Wir blieben den ganzen folgenden Tag hier liegen und
unter Anderem stattete ich dem Statthalter einen Besuch
ab; es that mu* aber einigermassen leid, dass der vortheil-
hafte Eindruck, welchen das imposante Äussere des Palastes
auf mich gemacht hatte, durch den verfallenen und veröde-
ten Zustand des Inneren wieder zei'stört wurde. Die ganze
Gemarkung ist gegenwärtig in einem höchst vernachlässigten
Zustande, wodurch angedeutet scheint, dass der Beherrscher
dieses Landes seme Unfähigkeit, die hiesigen Unterthanen
gegen einen anderen Einfall Wadäi's vertheidigen zu können,
anerkenne.
Der Statthalter war nicht eben ein sehr intelligenter
Maim; er machte mich aber zuerst auf den Umstand auf-
merksam, dass die Einwohner der Stadt Ngäla eine eigen-
thümliche, vom Kanöri ganz verschiedene Mundart haben.
Ich fand nachher, dass dieselbe selbst von den Dialekten der
anderen bedeutenden Plätze in der Gemarkung Kotokö ver-
B«rth'« RaiMn. UI. 16
f
242 IX. KapiteL
schieden, dagegen mit der Sprache der Tsfid- Insulaner
(der sogenannten Büdduma, deren wirklicher Name aber
Yedinä ist) einerseits und der der Müssgu andererseits sehr
nahe verwandt ist. In einiger Entfernung von Ngäla liegt
die Stadt Ndiffu oder Ndifü, welche eine der letzten Festun-
gen des Stammes der Ssoi oder Ssö, deren ich in mei-
nem geschichtlichen Abrisse des Reiches Bomu wiederholt
Erwähnung gethan habe, gewesen sein soll. Angeblich
sind daselbst wiederholt schöne Schmucksachen ausgegraben
worden.
[Dienstag, 9*^ März,] Ich hatte auf der westlichen Seite
der Stadt kaum Spuren von Anbau bemerkt, und als ich am
nächsten Tage meinen Marsch fortsetzte, fand ich deren eben-
so wenig auf der anderen Seite. Die Umgegend von Ngäla,
namentlich die nordöstliche Seite, ist jedoch in den Augen
des Bomu- Volkes von grossem Interesse, da hier das Schlacht-
feld zweier wichtiger Zusammentreffen mit den Baghirmiem
liegt, in deren ersterem, im Jahre 1233 der Hedjra, der
Sultan Dünama fiel Meine Gefährten, die sich des ganzen
Verlaufs jenes Kampfes sehr wohl erinnerten, bezeichneten
mir mit patriotischem Enthusiasmus die verschiedenen Stel-
lungen, welche ein jeder Schlachthaufen eingenommen hatte.
Die Gegend wurde jedoch äusserst einförmig; eine fast
ununterbrochene Ebene von jenem schwarzen Thonboden,
dessen oben erwähnt worden, streckte sich in weite Feme
hin. Diese Ebene verwandelt sich aber während der Regen-
zeit, wo hier sämmtlicher Boden überschwemmt ist, in ein
unermessliches Getreidefeld , welches jene eigenthümliche,
Massäkuä genannte Sorghum- oder Holcus-Art erzeugt. Dann
aber ist diese Landschaft kaum für Pferde, geschweige für
Kameele passirbar. Einige kleine Dörfer, von Schüa be-
wohnt, wurden in einiger Entfemung im Süden bemerkt.
Wir hatten dann einen langen Aufenthalt, indem wir in
einer niedrigen Mimosenwaldung, welche diese Ebene um-
Die Stadt Ren. 243
gibt, den Weg verloren, bis wir endlich eine Dorfschaft
Namens Ssittahe erreichten, wo wir während der Tageshitze
Rast machten. Diese Ortschaft besteht aus zwei besonderen
Gruppen, von welcheu die eine grosse runde Rohrhütten für
die Regenzeit und die andere leichte längliche, gänzlich
aus Matten errichtete Wohnungen für die trockene Jahres-
zeit enthält. Hier wurden wir von einem Mallem, welcher
früher ein beträchtliches Vermögen besessen, aber durch
Erpressungen von Seiten der Sklaven seines Landesherm
viel eingebüsst hatte, gastfreundlich bewirthet. Es sind
diese unverschämten Hofsklaven, die, ohne Interesse für
die Wohlfahrt der Einwohner, dem Lande so viel Schaden
verursachen.
Was die Niederlassungen der Araber in der Gemarkung
Kotokö betrifft, so werden sie nicht über 200 Jahre alt sein.
Die meisten von diesen Arabern gehören zu dem zahlreichen
Stamme der Ssalamät.
Am Nachmittage erreichten wir, nachdem wir 4 Stunden
weiter gezogen, die Stadt Ren. Diese, früher ein beträchtli-
cher, jetzt aber fast verödeter Platz mit verfallenen Mauern,
hat jedoch ein sehr malerisches Ansehen, indem schöne,
reich belaubte Feigenbäume die Trümmer hoher, wohlgebau-
ter Thonwohnungen übei*wölben. Meine Wohnung war hier
besser, als ich erwartet hatte, — eine vortrefflich gebaute
Hütte, mit allen Bequemlichkeiten versehen, die ein solches
Gebäude nur gewähren kann. Die behagliche Ruhe, welche
mir das saubere Ansehen meiner Hütte versprach, wurde
jedoch durch Schwärme von Mücken, welche einem grossen
Sumpfe an der Nordseite der Mauer ihr Dasein verdankten,
gar sehr gestört. Die Stadt Ren war ehemals der Mittel-
punkt eines kleinen Königreichs, aber gegenwärtig völlig ver-
ödet ist. Die dortigen Einwohner haben einen besonde-
ren Dialekt. Der Statthalter war ganz beredt in der Be-
schreibung des Elendes, in das seine Untergebenen versunken
16«
244 IX. Kapitel.
seien, erwies sich aber dessenungeachtet sehr gastfrei ge-
gen mich.
Indem wir den erwähnten Sumpf bei Seite Hessen, zogen
wir weiter durch einen fruchtbaren und gut bevölkerten
Gau, der von offenen Weilern reich belebt war, während
zahlreiche Küma-Bäume, jetzt eben mit Frucht beladen, die
Komgefilde schmückten. Es gefiel mir wohl, zu bemerken, dass
die Bewohner denselben Gebrauch wie die Mussgu haben,
nämlich ihren Vorrath an Heu und Futterkraut wähi-end der
trockenen Jahreszeit in den Baumästen aufzubewahren. Die
Bewohner sind insgesanmit Araber, zu den Ueläd Megebel
gehörig, deren Häuptling Tssa A'sche genannt wird; der
Gau heisst Ranganä. In einer beträchtlichen Entfernung
im Süden üegt die ummauerte Stadt Dema, welche dem
Scheich Abba gehört. Die Araber sind entweder Viehzüch-
ter oder Getreidebauer; etwas weiterhin fanden wir jedoch
auch Baumwollenbau. Nach dieser kleinen Unterbrechung
betraten wir wiederum Firki-Boden, wo mich mein Gefahrte
auf eine neue, „ütutü" genannte Grasart aufmerksam machte,
deren Same ausser dem erwähnten Kreb einen gl'ossen
Theil der Nahrung der ärmeren Leute in dieser Gegend
abgibt.
Dichte Reihen schöner Tamarinden bezeichneten die Nähe
eines Rinnsales, welches selbst jetzt vqn Bedeutung war, in-
dem es über 100 Fuss Breite und 3 Fuss 9 Zoll tief
Wasser, jedoch keine bemerkbare Strömung hatte. Ein
kleiner Kahn, welcher am Ufer lag, schien anzudeuten, dass
es mitunter nicht durchwatet werden kann, was ich auch
auf meiner Rückreise selbst erfuhr, als ich es bei Legäri,
etwas weiter unterhalb, wo es eine weite Krümmung nach
Westen bildet, passirte. Dieses Rinnsal, welches während
der Regenzeit dem See eine beträchtliche Wassermenge zu-
führt, heisst Komädugu Lebe. Ehemals stand die bedeu-
tende Stadt Ssulö an dem jenseitigen Ufer; diese ist aber ge-
Die Stadt Afade. 245
genwärtig verlassen und die Ruinen sind mit dichter Wal-
dung durchwachsen. Etwas weiterhin bezeugten die Überreste
einer anderen alten Stadt die frühere Wichtigkeit dieser Ge-
gend. Wir nahten uns nunmehr der grössten Stadt im Lande
Kötoko, aber es waren kaum Spuren von Anbau bemerkbar,
mit Ausnahme einer jungen Baumwollenpflanzung, und die
dichte Waldung reichte bis an die Mauern der ausgedehnten,
aber in schleunigem Verfall begriflfenen Stadt.
Das ganze Innere der Stadt Afade ist gegenwärtig ein
grosser Schutthaufen, aus welchem hie und da ein in etwas
baulichem Zustande befindliches Gebäude hervorragt, und
ihre grösste Zierde besteht jetzt in einem prachtvollen Fei-
genbaume von der „büske" genannten Art, welche, wie ich
glaube, mit dem von den Arabern bei Timbuktu, ,due" ge-
nannten Baume identisch ist. Ich erinnere mich jedoch nicht,
je wieder ein so herrliches und üppiges Exemplar die-
ser Familie des Pflanzenreiches angetroffen zu haben, als
dieser „büske" von A'fade war; freilich wird seine Pracht
durch die traurige Sccne umher gehoben. Indem er sein
gewaltiges, undurchdringliches Dach vom frischesten und
lieblichsten Grün über einen grossen Theil des Platzes vor
den hohen Ruinen der Behausung des Statthalters ausbrei-
tete, bildete er den Versammlungsort — „fage" — für die
Müssiggänger dieser einst so betriebsamen und wohlhaben-
den, aber jetzt gänzlich herabgesunkenen Stadt.
Meine in dem oberen Stockwerke eines Hauses befindliche
Wohnung war ziemlich leidlich; sie war luftig und gewährte
eine Aussicht über die umliegenden Stadttheile, wobei ich
denn die Vortrefflichkeit des Thones, aus dem die Häuser
erbaut sind, bewundem musste. (Der Thon scheint über-
haupt in früherer Zeit im Lande Kotokö die leichteren Bau-
stoffe, wie Rohr und Stroh, gänzlich ausgeschlossen zu haben.)
Ich bemerkte, dass selbst viele von den runden Hütten eine
beträchtliche Höhe hatten und mit einem flachen Thondache
I
246 IX, KapiteL
versehen waren* welches eine hübsche, mit einer niedrigen
Brustwehr umzogene Terrasse bildete.
Ehedem scheint in diesem kleinen Königreiche Kotokö ein
beträchtlicher Grad von Bildung geherrscht zu haben. Übri-
gens war dasselbe nicht ein einziges Reich, sondern zerfiel in
eine Gruppe von Fürstenthümem, welche, wie aus der grossen
Mannichfaltigkeit der Mundarten ersichtlich ist — denn jedö
grössere Stadt (als lüessem, Gulfe und Küssuri, Makari und
Mäfate, Afade, Ren und endlich Ngäla mit der etwas ab-
weichenden Form von Ndiflfu und den Nachbarorten) hat ihre
besondere Mundart — , von einander ganz unabhängig waren.
Wenn wir nun erwägen, dass diese Landschaft in dem von
Ebn Chaldün*) erhaltenen Verzeichnisse der Negerländer des
Ebn Süd (1283 n. Chr.), worin selbst die Kürl (die Bewoh-
ner von Kargha) nicht vergessen sind, nicht vorkommt, wäh-
rend sie von MakrTsi **) augenscheinlich ei-wähnt wird : so
dürfte sich daraus ergeben, dass sie erst im Laufe des vier-
zehnten Jahrhunderts zu Bedeutung gelangte. Obgleich wir
die Verhältnisse, aus denen dies entsprang, nicht genau anzu-
geben vermögen, lässt sich doch annehmen, dass der Kampf
zwischen den beiden mächtigen üynastieen von Bornu und
Buläla wesentlich zu diesem Aufschwung beitrug.
Was den Dialekt von Äfade betrifft, von welchem ich ein
kurzes Wörterverzeichniss ansammelte, so scheint er ein
Übergangsglied zwischen der Mundart der Yedinä ***) , der
Tsäd-Insulaner, einerseits und derjenigen der Müssgu ande-
rerseits zu bilden.
In der Gemarkung Äfade besteht ein grosser Theil der
*) £bn Chaldüii, Arab. Text, vol. I, p. 200 ; trad. S. Macguckin de Slano,
vol. II, p. 116.
•*) Makiisi bei Hamaker, Spec. Catalog.y p. 206: /^X^^lj .
***) Ich wiederhole hier die, wie ich glaube, bereits an einer anderen
Stelle gemachte Bemerkung, dass unter Makilsi's LÜUi meiner Ansicht nach
die T^diiüi zu verstehen sind.
Eigenthümlicbe Antilopenart. 247
Bevölkerung aus Schüa, hauptsächlich vom Stamme der
E' Nedjaime und Ueläd Abu Chodhair. Der Statthalter war
zur Zeit gerade abwesend, indem er einen kleinen Zug unter-
nommen hatte, um diese sehr unstäten und oft widerspen-
stigen Leute zu züchtigen. Ungeachtet seiner Abwesenheit
behandelte man uns sehr gastfreundlich und wir erhielten
zum Abendessen ein Schaaf , mehrere Schüsseln mit Neger-
kom und ein vortrefflich zubereitetes Gericht sehr schmack-
hafter Fische aus dem Flusse Lebe; auch hatten wir keinen
Mangel an Milch.
Es wäre gewiss sehr interessant gewesen, hier einige Tage
verweilen zu können, um eine klarere Einsicht in die Eigen-
thümlichkeiten dieser Provinz zu erlangen; da jedoch das
entferntere Ziel meiner Reise einen längeren Aufenthalt nicht
gestattete, so setzte ich am folgenden Tag meinen Marsch
fort. — In allen diesen Städten trifft der Reisende die un-
bequeme Einrichtung, dass die Thore nicht weit genug sind,
um beladene Kameele hindurch zu lassen.
Als wir die Heerstrasse da, wo die Waldung durch etwas
Baumwollenbau unterbrochen wird, erreichten, erblickte ich
zwei schöne Exemplare der hier „tigdim" genannten Anti-
lope, welche graufarbig, niedrig gebaut und, wie ich glaube,
mit der Antilope annulipes entweder identisch oder doch ihr
nahe verwandt ist. Sonst ist mir diese Antilopenart im Sudan
nicht wieder vorgekommen.
Weiterhin, wo der Boden aus jener, von den Eingeborenen
„kabe" genannten, in der dürren Jahreszeit überaus harten
Erdart bestand und spärlich mit Zwergmimosen bewachsen
war, belebten so giosse Schwärme von Perlhühnern, wie ich
noch nie vorher gesehn hatte, das Gestrüppe. Ich bemerkte
hier mit grossem Interesse die rothe Art des Negerkomes,
welche von den gebildeteren Stämmen des Sudans nicht an-
gebaut zu werden scheint, aber das Hauptnahrungsmittel der
heidnischen Völkerschaften im Süden ist
I
248 IX. Kapitel.
Nachdem wir bei einem Schüa- Weiler — „Berl Schüabe" —
vorbeigekommen waren, wurde die Landschaft mannichfalti-
ger. Ein beträchtlich grosser, mit schönen Räumen umsäum-
ter Teich, der gegenwärtig aber ausgetrocknet war, ei*streckte
sich zu unserer Linken, und zu unserer Rechten lagen die
Ruinen der ehemaligen grossen Stadt Ssü, welcher Name
mit dem alten Stamme der Ssö oder Ssoi, der einst dieses
ganze Land bis nach Kala beherrschte, Zusammenhang zu
haben scheint. Eine arme Frau, vor Altersschwäche unfähig,
die Marktstadt zu erreichen, sass an der verfallenen Stadt-
mauer imd bot den Vorübergehenden die wenige Baumwolle
zum Kauf an, die sie hatte reinigen können. — Das Land
ist, namentlich wegen des wilden Treibens der Schüa-Araber,
in einem solchen Zustande , dass auch diese Strasse für un-
sicher gehalten wird, — so dass mein kleiner Trupp nebst
mehreren Leuten aus Logon, die sich uns angeschlossen hat-
ten, genöthigt war, sich eng zusammenzuhalten. Die Strasse
theilt sich hier, indem ein breiterer Pfad nach der Stadt
Küssuri und ein schmalerer, südwärts gehender, den wir ein-
schlugen, nach Logon birni oder Karnak Logone führt.
Wii' kamen hierauf bei zwei Dörfern vorbei , Namens De-
bäbe Gesäua und Debäbe Ngaia, von welchen das letztere
auch noch den sehr bemerkenswerthen Zunamen Krönik hat
und nach Angabe der Bewohner dortiger Gegend die Haui)t-
stadt oder eine der Hauptstädte der einst so mächtigen Ssö
gewesen ist. Den genauen Zeitpunkt ihrer Zerstöiimg ver-
mag ich nicht zu bestimmen; aber sie fand wahrscheinlich
während der Regierung des grossen Kanöri- Königs Edriss
Alaöma (zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts) statt. In
neuerer Zeit ward der Boden der hiesigen Umgegend mit
dem Blute zahlreichen Bornu- Volkes getränkt, nämlich hi
dessen wilden Streitigkeiten mit seinen Nachbarn, den Ba-
ghirmi oder Bägrimma, und es war in einem dieser Kämpfe,
und zwar bei der ummauerten Stadt Miltam, wo vor 40 Jah-
Die Sümpfe um Kala herum. 249
ren (1232 d. H.) der Scheich Mohammed el Känemi seinen
ältesten und geliebtesten Sohn verlor.
Wir tränkten misere Thiere an einem seichten Strome,
der sich im Wiesengrunde ausbreitete, setzten dann unseren
Marsch fort und mussten um 11^ Uhr einen sehr schwie-
rigen Sumpf überschreiten, wobei mehrere von unseren Leu-
ten stecken blieben. Diese ganze G-egend ist theilweisen
Überschwemmungen ausgesetzt; es sclieint aber sehr bemer-
kenswei-th, dass dieselben nicht während oder am Ende der
Regenzeit, sondern mehiere Monate später ihre grösste Höhe
erreichen, und als ich später (Ende August), während des
hohen Standes der Regenzeit, durch dieses Land reiste, fand
ich, dass nicht nur dieser, sondern auch die anderen Sümpfe
beträchtlich weniger Wasser enthielten, als im Mäi*z. Dieser
Umstand entsteht aus der eigehthümlichen BeschafiFenheit des
Tsäd, welcher sein höchstes Niveau im November erreicht,
wo sich alle aus den verschiedenen Flüssen und Strömen
kommenden Gewässer über den gesammten Bereich der Lache
ausgebreitet haben, während der Verlust durch Verdunstung
dann auch viel geringer ist, als in den heissen Monaten.
Nachdem wir eine sehr dichte Waldung, die voll von wil-
den Schweinen war (denselben schienen diese niedrigen, sum-
pfigen und dicht bewachsenen Gründe an den Ufern des
Schäri vorzüglich zu behagen), durchschnitten hatten und
dann über einen anderen Sumpf gekommen waren, wo die
Waldung endlich lichter wurde, gewahrten wir die hohen
Thonmauem der Stadt Kala, welche ein lieblicher Hain un-
geheuerer Feigenbäume umzog und eine einzelne riesige, ob-
wohl etwa« gebeugte Palme mit ihrer kleinen Fächerkrone
überragte.
I
X. KAPITEL.
Die Provinz Logo n. — Logonbirni.
Kala ist die erste Stadt im Gebiete von Logön oder L6-
gone, dessen Grenzen wir kurz vorher überschritten hat-
ten. Durch ein äusserst enges Thor, welches kaum mein
schlankes Kameel, nachdem die ganze Ladung abgenom-
men worden war, durchliess, zogen wir in die Stadt ein.
Gleich beim ersten Anblick erschien ihr Äusseres auffallend
abweichend von den soeben verlassenen Gegenden; denn
wälirend die Wohnungen einen gewissen Grad von Gesittung
anzeigten, glichen die Einwohner selbst mehr heidnischen
Völkerschaften, als den Moliammedancni. Wir wurden so-
fort von einem Haufen 7 bis 12 Jahre alter Knaben um-
ringt, welche, schlank und wohlgebaut, völlig nackt waren.
Dies sieht man im eigentlichen Bomu selbst bei Sklaven fast
niemals. Die Form ihrer Gesichtszüge war sehr verschieden
von dem in Bomu vorherrschenden Typus und deutete ande-
rerseits mehr natürlichen Verstand und Vei-schlagenheit an.
Ich habe bereits beim Müssgu-Lande bemerkt, wie sehr der
Zustand der Wohnungen gegen die Kleidung oder vielmehr
gegen den Mangel an Kleidung der Eingeborenen abstach;
aber hier war es noch auffallender, da die Wohnungen mei-
stens nicht runde konische Hütten, sondern geräumige, hohe
Thonhäuser von länglicher Form waren. Ich wurde in einem
dieser Gebäude beherbergt, fand es aber sehr schwül und
voller Staub.
Die Stadt Kala. 251
Die Stadt schien im äussersten Verfall begriffen und nur
der mittlere Theil derselben noch bebaut und bewohnt zu sein.
Die einzigen bemerkenswerthen Gegenstände waren zwei Pal-
men, von welchen ich die eine bereits von aussen bemerkt
hatte; ich fand nun, dass es nicht Dattelpahnen, sondern Fä-
cherpalmen waren. Sie waren niclit gabelförmig, gehörten nicht
zur Cucifera Thebaica und waren ebenso wenig Delebpalmen.
Dieselben waren jedenfalls die höchsten Bäume der gefächer-
ten Familie, die ich je gesehn zu haben mich erinnere; ihre
Höhe war bei dem kleinen, auf den höchsten Wipfel be-
schränkten Blätterbüschel um so überraschender.
Da die Stadt nichts von Interesse darbot, ging ich am
Nachmittage hinaus und ruhte ein Paar Stunden im Schat-
ten eines jener schönen Feigenbäume, welche, von einem
grossen und tiefen Sumpfe befruchtet, die Stadt rings um-
ziehen ; aber so angenehm ich mich während des Tages er-
holt hatte, um so trauriger brachte ich die Nacht zu, da eben
dieser stehenden Lachen wegen die Stadt voll von Mücken ist,
80 dass ich und alle meine Gefährten kein Auge schliessen
konnten.
Wir standen daher lange vor Tagesanbruch auf und hat-
ten bereits um 4 Uhr Morgens das Stadtthor hinter uns. Es
findet selbst bei dem gegenwärtigen zerrütteten Zustande die-
ser Gemarkung noch beträchtlicher Baumwollenbau statt, aber
dieser Anbau ist hier einer unermesslichen. Ausdehnung fähig.
Hierauf folgten Äor^Äww-Felder und weiterhin verkündete das
Blöken des Viehs und das Glucken der Hennen das Dasein
eines Schüa-Dorfes, welches in geringer Entfernung zur Lin-
ken lag. Angebaute Stellen wechselten mit Waldung ab, wo
das Wildschwein überall häufig war, und zahlreiche Dorf-
schafben lagen umher, die jedoch gegenwärtig alle verlassen
waren, da die Einwohner, welche zu den Schüa gehören, wäh-
rend der trockenen Jahreszeit nach Südwesten an ein seich-
tes Rinnsal wandern, das gewiss mit dem oberen Laufe des
I
252 X. Kapitel.
rmbulü in Verbindung steht, und wo sie für ihr Vieh fri-
schere Weiden finden. Dieses Ngäldjam ist unter den Namen
BauTsch, Madef und Burbede weit und breit bekannt. Wir
passirten sodann zur Linken die Stadt U'lluf , Hulluf oder
Helib , welche mit einer hohen Lehmmauer umzogen und ge-
rade wie Kala von reichkronigen Feigenbäumen fast verhüllt
ist. Diese Stadt, deren Name von den Arabern „Elf ausge-
sprochen wird und über deren Ursprung sie höchst unge-
reimte Überlieferungen haben, ist wegen der vermeintlichen
Hexerei und Zauberei ihrer Einwohner verrufen, was der ein-
zige Grund war, dass meine Gefährten hier während der Ta-
geshitze nicht Halt machen wollten.
Wir setzten also unseren Marsch fort und kamen, nachdem
wir einen anderen Sumpf überschritten hatten, in eine gut an-
gebaute Gegend, wo viel Sorghum gebaut, wurde. Es wun-
derte mich jedoch, die hüttenähnlichen Haufen der Getreide-
schober — „bägga argiimbe", wie sie im Kanöri heissen —
noch auf dem Felde stehn zu sehn.
Wir lagerten etwas jenseits der zeitweiligen Dorfschaft des
Scheich el Chasses, dicht an einem ausgedehnten Gewässer,
im Schatten einer schönen Tamarinde. Dieses Gewässer trock-
net, wie mich die Leute versicherten, jährlich nur eine kurze
Zeit ein, worauf die Regen es alsobald wieder anfüllen. Alle
diese einheimischen Araber sind, wie bereits bemerkt wurde,
sehr ungastlich und die Leute aus dem Dorfe boten uns kei-
nerlei Erfrischung an ; es gelang mir jedoch, für einige Nadeln
etwas Honig zu kaufen.
Als wir am Nachmittage wieder aufbrachen, fanden wir es
sehr schwierig, die Sümpfe zu vermeiden. Das Land war mit-
unter gut angebaut und erzeugte ausser Sorghum die ge-
fleckte Art Bohnen ; es überraschte mich jedoch, inmitten der
Stoppelfelder junge Saat der „massäkuä" genannten Sorghum-
Art aufschiessen zu sehn. Das ist in diesen Ländeni eine
seltene Erscheinung im Monat März, da dieses Winterkorn
Eintritt in das Stadtgebiet Logdn. 258
gewöhnlich während des Dezembers oder Januars geerntet
wird. Wir betraten hierauf einen Wald und erreichten auf
gewundenem Pfade das ziemlich beträchtliche Dorf Miinke,
welches zu Logon gehört, aber meistens von Kanöri bewohnt
wird. Hier schlug ich mein Zelt auf dem Marktplatze auf,
von einer Anzahl Neugieriger ungemein behelligt.
Das Land, welches wir durchzogen, als wir uns der Haupt-
stadt von Logon näherten, war von reicher und finichtbarer
Beschaflenheit, aber nur mangelhaft angebaut. Ausser Ge-
treide fand sich beträchtlich viel Baumwolle ; zahlreiche Bäume
mannichfaltiger Art erhöhten die Anmuth der Landschaft,
durch ihr schönes, reiches Laub, welches die Einförmigkeit,
die sonst der Lmer- Afrikanischen Waldung eigen ist, gänzlich
aufhob. Im Unterholze herrschte das Dümgestrüppe vor, all-
mähUch aber fing der „liaräss" oder „karäge"-Baum an, den
Vorrang zu gewmnen. Die Schoten dieses Baumes, welche
die Samen enthalten, sind ein Lieblingsfutter nicht nur für
Kameele, sondern auch für Affen und Schweine, welche beide
in dieser Landschaft sehr zahlreich zu sein scheinen und in
bestem Emvernehmen mit einander leben. Zahlreiche Höh-
len desT^dschweins (Orycteroßus Aethio^iensis) wurden gleich-
falls bemerkt.
Wir trafen eine Anzahl von Reisenden und zu Markte zie-
henden Leuten, welche uns freundlich grüssten, wodurch sich
denn die Nähe einer grösseren Oiischaft andeutete. Diese
Andeutung wurde bestätigt durch das Ei-scheinen mehrerer
Weiber, welche aus der Stadt gekommen waren, um Brenn-
holz für den Markt zu sammeln. Ich wurde angenehm über-
rascht, meine alte majestätische Bekannte aus dem Mussgu-
Lande, die Delebpalme — „urai" — hier wiederzusehn. An-
fangs liess sie sich nur einzeln sehn , mit * ihrer stolzen fä-
cherartigen Belaubung hoch über die zahlreichen Karäge-
Bäume, welche noch den Vorrang im Pflanzenwuchs behaup-
teten, emporragend; aber sowie an die Stelle des Thon-
I
254 X. Kapitel.
bodens Sand trat, erschien eine grosse Gruppe in gedräng-
ter Ordnung und voll von Früchten. Doch waren sie auf
diese Stelle beschränkt und ich traf bis nach der Stadt hin
weiter keinen Baum dieser Art an.
Als wir die Stadtmauer gewahrten, wechselte mein Reiter
seine Kleidung, indem er eine schillernde schwarze Nüpe-Tobe
anzog, um seinen Einzug mit grösserem Glanz zu halten, wäh-
rend ich das Vergnügen hatte, hier wieder einige frühere Rei-
segefährten zu treflfen, in deren Gesellschaft ich auf meiner
Adamaua -Reise über den Benue gesetzt war, und die sich
nun, anstatt die Reise in ihre Heimath im Westen fortzu-
setzen, wieder auf dem Wege nach Osten befanden, eher
um ihren kleinen Handelsspekulationen nachzugehen, als um
noch einmal die heiligen Stätten ihres Glaubens zu besuchen.
Wir betraten hierauf die Hauptstadt von Logon — Logön
bimi oder Kamak Loggon, wie sie bei den Schüa, oder
Kämak Logone oder Loggene, wie sie bei den Kanöri heisst — .
Die Stadt hat auf dieser (der nordwestlichen) Seite nur Ein
Thor, und dies war so eng, dass wir dem Kameel die La-
dung abnehmen mussten, ehe wir durchkommen konnten.
Die Rührigkeit und Betriebsamkeit der Stadt ist natürlich
auf die östliche oder Flussseite gerichtet, und hier hat sie
sieben Thore.
Das Innere der Stadt hatte auf der Seite, wo wir sie be-
traten, keineswegs ein sehr reges Ansehen. Die ersichtlich
von der ärmeren Bevölkerung bewohnten Hütten waren in
einem elenden Zustande, und das einzige Anziehende in der.
Scene bestand in einer Gruppe Dümpalmen, welche sich an
der Nordseite dieses ärmlichen Stadttheiles erhob. Das An-
sehen des Platzes besserte sich jedoch, als wir weiter in's
Innere vordrangen; hier sind die Strassen ziemUch breit, und
es überraschte mich der in seiner Art grossartige Charakter
der Hauptstrasse — „dendal" — , welche durch den Palast
des Sultans — „miarä^^ — an der Südseite imd das Haus
Logön birnL 255
des Keghämma — „ibälaghuän" — an der Nordseite gebil-
det wird.
Der Eingang zum Palaste des Sultans — „raäna miarä"
in der Sprache von Logon („kelakü Logon") — befindet
sich an der Ostseite, an einem offenen, von einigen Bäumen
beschatteten Platze; hier hatte ich eine geraume Zeit zu
Pferde zu warten, während man meine Wohnung bereit
machte, da die Etiquette mir nicht gestattete, abzusteigen.
Die Sonne brannte sehr heftig und meine Lage war durch-
aus nicht angenehm ; es gewährte mir jedoch Unterhaltung,
die Schwärme von Falken und anderen Vögeln zu beobach-
ten, welche in den Wipfeln einer Gruppe hoher Dümpalmen
nisteten, die über die etwas verfallenen Mauern der dem
Palaste gegenüber gelegenen Moschee herüberragten.
Ich hatte auch das Vergnügen, einen alten Freund des
Major Denham zu treflfen, nämlich Beläl, welcher ihn auf
seinen Zügen nach dem Schärf und nach Känem begleitete.
Dieser Mann, welcher eigentlich M&di hiess und einen
höchst liebenswürdigen, gutmüthigen Charakter und fast etwas
Europäisches in seinem Wesen hatte, blieb während der
Zeit meines ferneren Aufenthalts in Bömu mein Freund.
Sein Geschäft in dieser Stadt war gegenwärtig, den jähr-
lichen Tribut, welchen der Fürst des Landes Logon dem
Scheich von Bornu zu entrichten hat, zu erheben.
Die mir angewiesene Wohnung befand sich im oberen Stock-
werke des Palastes des Ibdlaghuän, welcher mich durch seine
vorzügliche und selbst grossartige Bauart in Erstaunen setzte.
Dieser sehr geräumige Palast besteht aus einer Anzahl von
Flügeln, welche kleine vierseitige Höfe einschliessen und ein
oberes Stockwerk mit vielen grossen Gemächern haben.
Der einzige Theil, welcher der sonstigen Grossartigkeit des
Gebäudes nicht entsprach, war die Treppe, welche gar dun-
kel und unbequem war. Mein eigenes Zimmer hatte nicht
weniger als 35 Fuss Länge, 15 Fuss Breite und ebensoviel
256 X. Kapitel.
in der Höbe und erhielt sein Licht durch zwei halbkreisför-
mige Fensteröffnungen, die natürlich keine Glasscheiben
hatten, aber vermittelst eines der Öffnung entsprechend ge-
bildeten Ladens von Rohr geschlossen werden konnten. Die
Decke war giebelförmig — eine hier zu Lande auffallende
Erscheinung — und mit einer Strohlage ausgefüllt.
Aber nicht nur meine Wohnung war vortrefflich, son-
dern auch die Behandlung, die ich erfuhr, war äusserst
gastfrei; denn ich hatte kaum das mir bestimmte Gemach
in Besitz genommen, als eine Schüssel mit einer ausgezeich-
neten Mehlspeise erschien. Es ist aber auffallend, welchen
diebischen Gelüsten das Volk von Logon ergeben ist;
gleich die erste Andeutung, welche ich davon erhielt, war
eine offizielle Warnung, mich vor den Sklaven meines Hauses
in Acht zu nehmen.
Nachdem ich mich ein wenig erholt ho-tte, ging ich mit
dem Kaschella Mädi aus, um dem Ibalaghuän oder Keghämma
meine Aufwartung zu machen. Wir fanden ihn in dem, auf
dem S. 259 folgenden Grundrisse, mit a bezeichneten Gemache.
Zuerst war er für mich unsichtbar, denn er sass hinter sei-
nem Mattenvorhange, — dem „parpar" oder „farfar" — , wel-
chem die Haussa die humoristische Benennung „munafeki"
(„Sünder") beilegen, und welcher aus einem feinen Bin-
sengrase gemacht ist; er gestattete mir jedoch bald, mich
ihm zu nahen. Er war ein grosser, ältlicher Mann mit
einem freundlich lächelnden Gesichte. In seinem Benehmen
war nichts, was verrieth, dass er von unfreier Geburt war,
wie denn auch seine Stellung in der That eine hohe war;
denn er war die zweite Person im kleinen Königreiche
und seine Wüide entsprach der eines Premiermiuistei's
oder Veziers. Sein Name ist Herdege. Ich machte ihm
ein kleines Geschenk, das, so unbedeutend es war, ihn
doch zu befriedigen schien, und zeigte ihm dann das sei-
nem Herrn zugedachte. Arm und von Mitteln entblösst.
^ Aadienz beim Sultan von Lögone. 257
wie ich auch dermalen war, hatte ich beschlossen, meine
eigenen Türkischen Beinkleider von schönem braunen Tuche,
die ich kaum einmal angehabt, wegzugeben, um meine
Bahn zu ebnen; denn ausser diesem Gegenstande hatte ich
nur Kleinigkeiten anzubieten, wie Turbane, Messer, Schee-
ren, Weihrauch imd einiges Gewürz. Der Keghämma zollte
meinem Geschenk Beifall, und ich begab mich daher sofort
mit M&di Beläl zum Sultan — „miarä", — um ihm meine
Ehrerbietung zu bezeigen.
Der Palast des Sultans ist ein sehr ausgedehntes Gebäude,
von einer 14 Fuss hohen Mauer umgeben und ungefähr von
gleicher Höhe mit dem Hause des Keghämma.
Der- öflFentliche Thcil des Gebäudes besteht aus einer Reihe
von grossen , durch überdachte Gemächer von einander ge-
trennten Höfen. In dem ersten Hofe, im Grundrisse mit a be-
zeichnet, waren in einer Art leicht gebauter Schattenhalle
die Eunuchen (oder, wie die Logone-Leute sagen, die „Bille-
Melägem") versammelt. Ich wurde hier nicht wenig über-
rascht, zwei eiserne Kanonen zu finden, freilich nicht von
sehr guter Arbeit und von hohem Alter, aber doch selbst
mit Laflfetten versehen. Hier hatte ich eine Zeit lang zu
warten, um angemeldet zu werden, und betrat dann ein
zweites Vorzimmer, mit b bezeichnet; Alles war sehr sauber
und ordentlich, natürlich waren die Höfe wohl ausdrücklich
ausgefegt. Der Hofraum hatte nicht unter 100 Fuss in der
Länge und etwa 30 Fuss in der Breite. Wir gingen hierauf
noch durch ein anderes Vorzimmer mit einem Hofraum von
gleicher Grösse und kamen endlich in den öffentlichen
Audienzhof, wo auf einem erhöhten Gerüste der königliche
Thron stand — ein roh gearbeiteter und roth angestrichener
Sitz, mit einem aus Dielen gezimmerten Baldachin über-
deckt, aber doch ganz eigenthümlich und im Prinzip von Allem
verschieden, was ich sonst im Sudan gesehn. Der Sultan be-
fand sich aber augenblicklich nicht hier, sondern in seinem
Bwth'« ItolMn. ra. 17
I
258 X. Kapitel. ^
Privatzimmer e^ wo er hinter einem Mattenvorhange sass,
und man forderte mich auf, ihn anzureden, ohne dass ich
ihn sah. Ich richtete also meine Anrede auf Kanori an den
Easchella Madi, von dem sie in die Landessprache verdol-
metscht wurde. Ich meldete dem Miarä, der Sultan Inglis,
welcher während der Regierung des früheren Herrschers von
Logone (des Miarä Ssäle) den Chalilu (Major Denham) her-
gesandt, habe jetzt mich beauftragt, ihm meine Ehrerbietung
zu bezeigen. Er nahm dieses Kompliment sehr beifällig auf
und erkundigte sich wiederholt nach der Gesundheit des
Sultans der Nassära Inglis. Nachdem er mich vermittelst
seines Vorhanges, ohne selbst beobachtet werden zu können,
gehörig beäugelt imd auch gefunden hatte, dass ich einiger^
massen wie ein menschliches Wesen aussehe und offenbar
von harmloser Natur sei, und nachdem auch das Geschenk vor
ihm ausgebreitet worden war, liess er mich in sein Gemach
eintreten und begrüsste mich sehr freundschaftlich, indem
er mir die Hand schüttelte. Er ersuchte mich hierauf, ihm
die Geschenke zu erklären, und freute sich besonders über
die Englischen Fabrikate, die grossen Stopfnadeln sogar
inbegriffen; denn so klein und geringfügig diese Dinge
auch waren, so hatte er dergleichen doch nie vorher ge-
sehn. . Er zählte sogar die Nadeln, eine nach der anderen,
und bestimmte für jede Partie eine Eigenthümerin in sei-
nem Harlm.
Die vorzüglichste Gunst, die ich mir von ihm zu erbitten
hatte, bestand darin, mir zu gestatten, den Fluss bis auf
eine gewisse Entfernung hinauf beschiffen zu dürfen; dieses
Gesuch bewilligte er mir und entliess mich dann sehr
gnädig.
Folgendes ist der Grundriss der Wohnungen des Sultans
und des Eeghänmia:
WohnoDg des Saltans von Lögone.
259
,J
C
II □
D E ND AL
A. Wohnung des Sultans.
•. Grosser Hofraum. — b. Zweiter Hoframn, gegen 100 Fnss lang und 30 Fnss
breit. — c. Dritter Hofraum. — d. Innerer Hofraum mit Schoppen und
Thron. — e. Gemach des Sultans. — f. Stallung.
B. Wohnung des Keghamma.
1. Grosser Hofraum. — 2. Treppe, welche nach den oberen Gemachem führt.
— 3. Hofraum. — 4. Zweiter Hofraum. — 5. Zimmer des Keghimma mit
zwei Buhebänken, von welchen das im Hintergrunde über die Flur er-
haben ist.
6. Schattendach Tor dem Paläste, aus Matten und Pfählen errichtet.
7. Kautschukbaum.
8. Moschee — „dab&ldemä" — , Ton einigen Fächerpalmen — in Log6n „gu-
ruru" genannt — beschattet.
Yüssuf — das ist der Name des gegenwärtigen Sultans, oder
nach der Logone- Aussprache Y'ssuf — ist ein grosser, beleibter
und gutgebauter Mann von ungefähr 40 Jahren, mit vollen
Gesichtszügen und einem etwas schwermüthigen Gesichts-
ausdrucke, welchen ich seiner eigenthümlichen und abhän-
17»
I
260 X. Kapitel.
gigen politischen Lage als Beherrscher eines Meinen König-
reiches zwischen zwei mächtigen Nachbarn, von denen er
fortwährend Belästigungen zu erleiden hat, zuschreibe. Er
ist ungefähr 19 Jahre Sultan gewesen und war bei Den-
ham's Besuche ein junger Mann, um welche Zeit sein Vater,
Ssale, und sein ältester Bruder, 'Abd el Kenm, sich in die
Regierung theilten oder vielmehr darum stritten. Er hatte
noch zwei andere ältere Brüder, welche Tschiröma und Marüfi
hiessen und beide vor ihm starben. Es ereignete sich bei
oder kurz vor seinem Regierungsantritte, dass, wie es scheint,
in Folge eines Einfalles, welchen Daüd, einer der Kriegs-
sklaven des Scheich Mohammed el Känemi, in das Land
machte, Logone in die Lage einer zinspflichtigen Provinz von
Bomu kam und ihm ein jährlicher Schoss von 100 Sklaven
und einer gleichen Zahl von Hemden oder Toben auferlegt
wurde. Vor jener Zeit soll der Fürst dieses kleinen Länd-
chens nur ein jährliches Geschenk von zwei Sklaven ent-
richtet haben.
Man erwies uns eine überaus gastfreundliche Behandlung,
ja es schien fast, als wolle unser Wirth durch das Über-
maass von Gastlichkeit unser Wohlsein zerstören; denn am
Abend schickte er uns vier gewaltige Schüsseln mit vortreff-
lichem, aus Sorghum zubereiteten Pudding, nebst Fleisch und
Suppe, und früh am folgenden Morgen abermals eine grosse
Schüssel voll mit Honig versüsster Grütze imd bald nachher
noch drei oder vier Schüsseln. Glücklicherweise waren ge-
nug Personen da, um diesen reichlichen Vorrath von Speise
zu verzehren; wir hatten nämlich eine grosse Menge von
Kükaua nach ihrer Heimath zurückkehrender Baghirmi-Leute
bei uns, denen ich diese Leckerbissen zustellte, welche Güte
sie aber hernach mit Undank vergalten.
Begierig danach, einen Blick über die Stadt zu erlangen,
machte ich am Nachmittag in Begleitung eines wohlberitte-
nen, zum Gefolge meines Freundes Kaschella Mädi gehören-
Der Flnss von Lögone und seine Boote. 261
den Beiters einen Spazierritt, indem wir uns zum Westthor
hinaus begaben, dann nach Osten umbogen und den Fluss
entlang zogen. An dieser Ecke beschreibt der Fluss, welcher
hier 550 — 600 Schritt breit ist , eine sich bis auf 1 Engl.
Meile von der Stadtmauer entfernende Krümmung; sein west-
liches Ufer war hier niedrig, während sich das gegenüberlie-
gende 12 — 15 Fuss hoch erhob.
Wohl 40 — 50 Boote, meistens von einer Breite von 4 Fuss
am Boden und von 6 Fuss am oberen Bande und durch einen
gewaltig grossen Schnabel ausgezeichnet, belebten den Fluss.
Alle diese Boote sind von derselben Bauart, wie die der
Büdduma, nur dass sie aus stärkeren Planken, und zwar
meistens von Birgim-Holz, gezimmert und gewöhnlich grösser
sind, während die der Büdduma aus dem gebrechlichsten
Materiale, nämlich Fögo-Holz, bestehen. Die Planken sind
vermittelst Seile, welche durch neben den Fugen gebohrte
Löcher gezogen sind, an einander befestigt imd die Fugen
mit Binsenbüscheln bedeckt; die letzteren werden dann ver-
mittelst dünnerer Stricke, welche durch kleinere und darauf
mit Gras gut verstopfte Löcher gezogen werden, fest ange-
schnürt
Die Höhe des Schnabels scheint sowohl durch die Seich-
tigkeit des Wassers, als auch durch die Heftigkeit der Strö-
mung während der Höhe des Flusses, welche ich auf meiner
Rückreise ebenfalls kennen lernte, bedingt zu werden. Gegen-
wärtig war das Wasser ziemlich seicht und mehrere Sand-
bänke lagen offen zu Tage. Vorzüglich erregten die Fischer-
boote meine Aufmerksamkeit; sie waren mit grossen Netzen
versehen, welche vom Hinterschiff an zwei sehr langen Stan-
gen, von den Kanöri „müsko ndi" — „die beiden Hände" —
imd von den Logone-Leuten „ssemi" genannt, herabhingen.
Wir hielten uns längs des Flusses, der allmählich sehr
nahe an die Stadtmauer herantritt. An der Stelle, wo er
sich am meisten nähert, befinden sich Kornfelder, welche
262 TL KapiteL
fortwährend vom Flusse aus bewässert werden; die Halme
waren gegenwärtig 1^ Fuss hoch. Waizen ist, wie ich schon
anderswo bemerkt habe, erst in neuerer Zeit im Sudan ein-
geführt worden, wird überall nur wenig gebaut und ist auch
nur unter seinem Arabischen Namen, „el kämeh", bekannt;
er ist bei der Masse der Bevölkerung nicht beliebt und gilt
für eine fürstliche Speise. Dieses Getreide ist natürlich auch
schon desswegen theuerer, weil es, da die tropischen Regen
für die zarte Pflanze zu heftig sind, nicht von selbst fort-
kommt, sondern nur in der trockenen oder vielmehr kühlen
Jahreszeit an Fluss- oder Sumpfufem vermittelst künstlicher
Bewässerung gezogen werden kann.
Durch die Flussansicht nicht wenig ergötzt, erreichten wir
das östlichste von den Thoren an der Südseite der Stadt, als
plötzlich ein alter Mann an uns herantrat imd mir mit ge-
bieterischer Miene untersagte, den Fluss zu besichtigen, ja mir
sogar befahl, mich' augenblicklich zurückzuziehen. Dies setzte
mich einigermassen in Verwunderung, da ich doch die Er-
laubniss des Sultans hatte und nicht zu begreifen vermochte,
wem ausser diesem hier die Befugniss zustehen könnte, mir,
was dieser erlaubt hatte, zu verbieten; aber mein Gefährte
theilte mir mit, dies sei der „marä-leghä" — „König der Ge-
wässer" — , welcher unbeschränkte Gerichtsbarkeit über den
Fluss — „lägham" — besässe. Ich hatte zwar viel von der
Autorität des Gewässerkönigs — „sserki-n-rüa" — in den
Kuära-Ländem gehört und gelesen, wusste aber nicht, dass
ein ähnlicher Gebrauch auch hier bestehe. Verwirrt und
beschämt begab ich mich durch das nächste Thor in die
Stadt zurück.
Da dicht bei diesem Thore das Haus des Ghäladlma oder
Maläghuän stand, stattete ich Letzterem einen Besuch ab.
Er war ein Mann von etwas weichlichem Charakter und
ich traf ihn in einem dunkelen, stark durchräucherten Ge-
mache. Der Besuch war nur dadurch von Interesse, dass
Grosse Gastfrenndliclikeit des Sultans. 263
jener mir einige weitere Einsicht in das Hofceremonial die-
ses kleinen Königreiches gab, dessen Dasein selbst noch vor
wenigen Jahren von einem so eminenten Manne, wie Herr
Fresnel*), geleugnet wurde.
Als ich nach Hause zurückgekehrt war, begab ich mich so-
gleich zum Keghämma, um von ihm bezüglich der Autorität sei-
nes Kollegen, des Wasserkönigs, Auskunft zu erhalten, und er
versprach mir, dass ich am folgenden Tage den Fluss ohne ir-
gend ein Hindemiss solle besuchen, ja auch beschiffen können.
Es war aber in der Stadt so viel Gerede von meiner Aufnahme
des Flusses, dass ich im Laufe des Nachmittags genöthigt war,
den Vezier noch einmal zu besuchen. Er wünschte nämlich
dringend zu wissen, ob ich, wenn ich mich in einem Boote einge-
schifft hätte, nicht etwa in's Wasser spränge, um nach Gold zu
suchen; hierauf antwortete ich ihm, „dass ich mich zu sehr
vor den Krokodilen fürchtete". Diese Andeutung schien viel
zur Beschwichtigung seiner Besorgniss beizutragen; denn er
schien die Europäer bisher für eine Art übernatürlicher We-
sen, die von aller Furcht frei seien, gehalten zu haben. —
Der gastfreie Charakter unserer Bewirthung blieb sich so
gleich, dass 200 Personen mit den Gerichten, die mir zuge-
schickt wurden, hätten gespeist werden können, und Ausser
diesen einheimischen Gerichten sandte mir mein freundlicher
Wirth für mich selbst ein grosses fettes Schaaf und einen
ungeheueren Krug mit Milch. Diese glänzende Behandlung er-
regte aber die Eifersucht und den Neid der oben erwähnten
Baghirmi- Leute, obgleich sie selbst von der Freigebigkeit
des Sultans gegen mich den grössten Vortheil zogen. — Nach
dem, was ich bemerkte, glaube ich annehmen zu können,
dass der Beherrscher dieses kleinen zinspflichtigen König-
reiches im Allgemeinen die gewiss weise Politik beobachtet,
•) BuUeHn de la SocUU de Oiogr. de Paria, sörie III, vol. XI, p. 30;
YoL XIV, p. 159.
I
264 X. Kapitel.
seine Gäste gut zu behandeln; doch wurde ich wahrschein-
lich vom Sultan noch besonders begünstigt.
Ich hatte meinen Plan, den Fluss zu beschiffen, mit be-
sonderem Vergnügen verfolgt, obgleich ich natürlich von An-
fang an nicht erwarten konnte,, grosse Erfolge zu erzielen;
denn die Mittel, welche mir zur Zeit zu Gebote standen, ge-
statteten mir nicht, etwaige bedeutende Schwierigkeiten zu
überwinden, und ausserdem reichte die Gerichtsbarkeit die-
ses kleinen Fürsten von Logone nur eine kurze Strecke längs
der Flussufer.
Um 8 Uhr Morgens war ich an Bord meines kleinen Boo-
tes — „wöam"*) — . Ich glaubte eines von der grössten Art
bekonmicn zu können, es war aber keines zu haben. Das
Boot, das ich endlich erhielt, mass nur 25 Fuss in der Länge
und 4 Fuss in dei' Breite, war jedoch ziemlich stark, indem
es aus neu geschnittenen Planken bestand und auf die oben
beschriebene Weise verstopft war, bei welcher Schiffsbauart
ein Fahrzeug freilich nicht eben vollkommen wasserdicht wird.
Die Boote haben keine anderen Sitze, als auf den Boden ge-
legte Rohrbündel, wobei der Passagier durch nichts gegen
das stets eindringende Wasser geschützt ist.
Wii: setzten nach dem jenseitigen Ufer über und kamen
bei zahlreichen, jetzt aus dem Wasser emporragenden Sand-
bänken vorbei, während die Stadt einen ganz interessanten
Anblick darbot, indem Dümpalmen — „gurüru", ein Paar
Delebpalmen — „murgüm" — und eine vereinzelte Dattel-
palme — „diffino" **) — über die Mauer emporragten , eine
*) Dieses Wort ist nur eine andere Form des Tedinä-Ausdrucks für „Boot"
— „pum** — .
**) Es ist merkwürdig, dass die Dattelpalme in allen diesen Ländern bis
Baghirroi die Haussa-Bcnennung „debino" führt, woraus erhellt, dass sie zu-
erst in jenen Theil des Sudans eingeführt wurde. Selbst die Fulbe von Sö-
koto haben keinen anderen Namen dafür, während die yon Adamaua den Na-
men der einheimischen Dattel, der Addua (Balanüea Ae^yptiaeusjy darauf an-
Beschiffung des Flasses von Lögone. 265
sehr bemerkenswerthe Erscheinung, da es sehr selten vor-
kommt, dass diese drei Palmenarten gemeinsam an einer
Stelle wachsen.
Indem der Fluss die Stadt umzieht, bildet er eine starke
Krümmung und ändert seine westöstliche Richtung in eine
nördliche und nordwestliche. Während wir am Ostufer hin
schifften, machten mich meine Gefährten auf ein sehr ho-
hes, von ihnen „korökorö" genanntes Rohr aufmerksam, wel-
ches aber nichts Anderes ist, als der Papyrus, der, wie schon
bemerkt worden, an den Ufern des Tsäd wächst und den
wir auch in verschiedenen kleineren See'n, besonders im Lande
Münio, wiederfinden werden. Es war mir höchst interessant,
zu hören, dass die hiesigen Eingeborenen daraus ein Zeug
— „gabagä" — verfertigen, das meiner Ansicht nach mit
dem von den Arabischen Schriftstellern erwähnten „uorsi"
einerlei sein muss, da „berdi" der Egyptische Name für Pa-
pyrus ist. Ich vermisste hier jedoch mehrere Rohrarten, die
am Tsäd wachsen, namentlich den Bole ; auf meine Erkundi-
gung nach der schönen Art, aus der das zierliche Mattenwerk
„kassär" oder „farfar" gemacht wird, in dessen Verfertigung
die Logone-Leute so berühmt sind, theilte man mir mit, dass
es nur bei der grossen Marktstadt Djinna wachse, welche
ich schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt habe und
auf welche ich unten näher zurückkommen werde. Ich war
sehr begierig, zu erfahren, wie die Eingeborenen den Fluss
nennen, welchem vom Major Denham der Name Schärf oder
Schäry gegeben worden ist, und ich wurde in meiner schon
vorher gefassten Ansicht bestätigt, dass dieser Fluss nicht der
Schärf selbst, sondern ein kleinerer Arm desselben sei; denn
Major Denham vermochte während seiner kurzen Anwesen-
heit hieselbst sich nicht bewusst zu werden, dass der Fluss,
wenden. Die Namen dieser Palme im Sonrhay und Mäba oder in den WädäT-
Sprachen sind hiervon jedoch ganz unabhängig und selbststandig.
266 X. EApItel.
welchen er bei der Stadt Logon sah, nicht derselbe sei, den
er bei Küssuri gesehn, sondern nur ein Arm desselben, und
zwar der kleinere.
Alle den Flüssen von den verschiedenen Völkerschaften im
Sudan gegebenen Namen haben jedoch keine weitere Bedeu-
tung, als eben die allgemeine von „Wasser", „Fluss", wie bei
dem westlichen grossen Bä der Mandi oder Mandingo, dem
Tssa der Sonrhay, dem Eghirreu der Imö-scharh, dem Mäyo
der Fulbe, dem Gulbi der Haussa, dem Kuära der Yöruba,
dem Benue der B&tta, dem Komädugu der Kanöri, dem öst-
lichen Bä der Baghirmi, dem Fittn der Küka, dem Bat-hä
der Araber von Wadai'. So bedeutet auch der Name „Schärf"
nichts als „Fluss", nämlich „Fluss von Kotokö", dessen Sprache
dieses Wort angehört. Das Wort „Tsäde" oder vielmehr
„Tsädhe" ist ebenfalls nichts weiter, als eine verschiedene
Aussprache desselben Namens, dessen ursprüngliche Form
wahrscheinlich „ssäre" oder „ssäghe" ist.
Dieser kleinere westliche Arm des Schärf heisst bei den
Eingeborenen von Lögone „läghame na Lögone", das heisst:
der Fluss („l&gham") von Lögone ; aber weiter stromaufwärts
hat derselbe verschiedene Namen, je nach den Plätzen, bei
welchen er vorüberfliesst, indem ihn z. B* die Müssgu in ihrer
eigenen Sprache im Allgemeinen „fire" oder „Arre" nennen,
welches wieder bloss „Fluss" heisst, während er an einer ande-
ren, von mir auf meinem Zuge nach Müssgu erreichten Stelle
den besonderen Namen „Serbewel" fuhrt, dessen Bedeutung
mir unbekannt ist Jedoch zurück zu unserer klejnen Fluss-
reise.
Unterdessen kamen wir bei dem Dorfe Honkel an der
Westseite des Flusses vorbei, welches, wie wir bald zu er-
wähnen haben werden, in der früheren Geschichte dieses Lan-
des von grosser Wichtigkeit war. Da der Fluss hier seinen
Lauf ändert, so näherten wir uns wieder dem westlichen Ufer
und wurden gewahr, dass wenigstens die halbe Einwohner-
Die Be8ohi£fiii]g des FloMes von Lögone. 267
Schaft herausgekommen war, um zu sehn, was der Christ auf
dem Flusse thue; denn sie konnten sich nichts Anderes vor-
stellen, als dass ich den Fluss mit der Absicht befuhre, nach
Gold zu suchen. In der Mitte des Gedränges befanden sich
einige Leute zu Pferde in sehr auffallender Tracht; man sagte
mir, es seien soeben angekommene Boten von dem Müssgu-
HäupÜing Adischen. Ich bemerkte bald, dass sie in einer
Kleidung prunkten, welche sie von ihren Unterdrückern auf
dem von mir und Herrn Dr. Overweg mitgemachten Zuge er-
halten hatten.
Indem ich dicht am jenseitigen Ufer ein Krokodil den Kopf
ein wenig aus dem Wasser emporheben sah, konnte ich nicht
umhin, auf dasselbe einen Schuss zu thun, worauf die Menge
in ein lautes Beifallsgeschrei ausbrach. Aber die Diener des
Sultans, welche mich im Boote begleiteten, hatten bereits schon
einige Zeit Unruhe gezeigt und wünschten dringend, dass ich
umkehre. Als ich nun eine vereinzelte schöne Delebpalme
— „margum", wie sie hier heisst — erreicht hatte, konnte
ich ihren dringenden Vorstellungen nicht länger widerstehen.
Wir hatten hier eine weite Aussicht über den Fluss, dessen
Richtung im Ganzen S20O. war.
Alle die herrlichen grossen Ströme, mit welchen die Natur
diese Länder ausgestattet hat, sind gegenwärtig kaum von
irgend einem Nutzen für die Uferanwohner ; kein Verkehr,
ausser zwischen den nächsten Ortschaften, wird betrieben'').
Es ist hier der menschlichen Thätigkeit ein weites Feld zur
Verbesserung eröffnet, wenn diese Landschaften die Aufmerk-
samkeit und Einwirkung Europa's auf sich gezogen haben
werden.
Wir wendeten ^mser Boot und liessen es mit der Strömung
schwimmen. Die Oberfläche des Wassers war so glatt und
*) Ich moM jedoch bemerken, dass die KQri mitunter Getreide bis naeh
fi^omin bringen.
i
268 X. Kapitel
einladend, dass ich der Versuchung nachgab, ein Bad zu neh-
men, und die Menge am Ufer erhob ein lautes Geschrei, als sie
den weissen Mann über Bord springen sah; aber ihr Erstaunen
war gross, als ich, nachdem ich eine Zeit lang im Flusse,
dessen Strömimg für meinen geschwächten Körper zu stark
war, umhergeplätschert, mit leeren Händen wieder herauskam ;
sie seien betrogen, hiess es nun, da man gesagt, ich wolle
nach Gold suchen. Als ich aber an's Land ging, war das
Gedränge so sehr gross, dass mir meine Gefährten mit ihren
Peitschen einen Weg durch die Menge öfl&ien mussten, und
ich war wirklich froh, als ich das Haus des Keghamma oder
Ibälaghuän wieder erreicht hatte.
Dieser kleine Ausflug kam mir jedoch theuer zu stehn;
denn als die erwähnten Leute aus Baghirmi, unter welchen
ein gewisser Hadj Ahmed der Vornehmste war, mich ein
solches Aufsehen erregen sahen, fanden sie sich wahrschein-
lich veranlasst, zu besorgen, dass, wenn ich während der
Abwesenheit des Herrschers in ihr eigenes Land kommen
würde, ich in dem Königreiche Unruhen erregen möchte.
Der Fürst von Logone hatte gleichfalls eine bei weitem zu
hohe Vorstellung von meinen Fähigkeiten gefasst und er-
suchte mich dringend, einige Zeit bei ihm zu verbleiben,
indem er glaubte, ich könnte ihm dazu behilflich sein, sich
von seinen Nachbarn unabhängiger zu machen. Unter An-
derem begehrte er auch, ich solle die beiden vorerwähnten
Kanonen abfeuern ; aber sie erfüllten mich nicht mit dem Zu-
trauen, das zu wagen.
Ich konnte mithin nur mit vieler Mühe den Sultan be-
wegen, mich meine Reise nach Osten fortsetzen zu lassen;
weil ich aber sah, dass, wenn ich hier noch einige Tage
bliebe, das Wenige, was ich noch übrig hatte, ausge-
geben sein würde, so beharrte ich fest bei meinem Ent-
schlüsse, meine Entdeckungen über die meiner Vorgänger
auszudehnen; denn es war bereits dem Major Denham ge-
Historische Notizen fiber Lögone. 269
lungen, diesen Platz zu erreichen, obgleich er denselben nur
sehr unvollständig beschrieben und die geographische Lage
ganz unrichtig angegeben hat.
Ich begab mich also am folgenden Morgen zum Miarä
Y'ssuf, um von ihm Abschied zu nehmen, und fand ihn in
dem im Risse mit / bezeichneten Hofraume, den er als
Stallung zu benutzen schien ; sein gesammter Marstall bestand
jedoch nur aus drei oder vier Pferden, aber von ziemUch gutem
Ansehen. Er sass auf einer Lehmbank — „ssegäge" — und
war sehr einfach gekleidet, mit einem rothen Tuche als
Kopfeeug. Er war sehr gütig und freundlich und bat mich
angelegentlich, mich nicht zu lange in Baghirmi aufzu-
halten, sondern so bald wie möglich in sein Land zurück-
zukehren. Unsere Unterredung fand auch bei dieser Ge-
legenheit, wie bei der vorherigen, in Kanöri statt. Ehe ich
jedoch dieses kleine Fürstenthum verlasse, will ich noch ein
Paar allgemeine Bemerkungen hinzufügen.
Logone ist, wie es scheint, nicht ein nationaler, sondern ein
politischer Name, dessen eigentliche Bedeutung ich jedoch
nicht habe ausfindig machen können*). Die Einwohner ge-
hören zum grossen Volksstamme der Mä-ssa, deren ich be-
reits früher erwähnt habe, und sind die nächsten Stammver-
wandten der Müssgu und dann der Einwohner von Man-
dara — „ar-Wandala" — und der Kotokö. Dir politisches
Bestehen als Volk von Logone (oder, wie sie sich selbst nen-
nen, „Logode Logon") ist erst neueren Ursprungs**), und der
Isslam wurde noch später bei ihnen eingeführt. Ihr Land be-
stand früher, gleich dem der Müssgu, aus einer Anzahl kleiner
Fürstenthümer, unter denen Honkel das mächtigste war, bis
*) Ich glaube, dass derselbe mit dem Flusse — „lÄgham" — in keinem
Zusammenhange steht, sonst würden sie ihn nicht „Idghame na L6gone"
nennen.
**) Der Name kommt in den Annalen des Edilss Alaöma nicht Tor.
y>i^. \jMlfm igfinJ^^. maA dem ^u
4^51 tomi^M r^^rki^ AIkt dfeser Fint «»1
kM» !(adkMi|Kr wwf» IbniieD, «nd es gdb liiwiK voU
Mf maßht$H IMBUMMdaner in der Stadt I>er Mass
H*4fe, d^ aUi»; Fint w<ld»eD I>eii]uaii bcsadite. der \x
Aß^k ^^:||^wr«^MMMi HermdMTS Tteof , toD der Enle
4m fckJfMtk F&nt«» da» Landes gewesen sein, der ach
fMki» Mk^ni«. Xadi Anderen war ein aherer Köni^
hf'h MdtjKha Ißjhmkf der erste MosUm. was andi gar nidit
wa)if«d]i^ijnKdi ist, da sich ans den Xamen einiger nnto- den
K^/rfigimf w^leb« dem Ssde Torangingen, nnrerkennbar er-
gifit, dass wenigstens eine ansserliclie Einwirkong des bslam
si^^li bereits viel früher bemerkbar machte.
Was die Xachfolge der Könige Ton Mi-ssa bis Ssäle be-
triffitf m %ehtani es, dass aaf Ms-ssa ein Fürst Namens
l/ngo An&^ssmadu folgte, and aaf diesen TTngo Ana-logon,
r#/ri weldi/fm Fürsten möglicherweise der gegenwärtige Xame
dr«s Landes IJpft^me herrührte. Anf ihn folgte zuerst Mögha
'Mi, fK>dann MOgha Kader nnd endlich Mä Ssalikuä, Ssä-
Wh Vorgänger. Die Mohammedanische Religion ist folglich
yahmfaMn in diesem Lande im Allgemeinen nicht über 60
Jahre alt; es ist nelbst vielen von den jüngeren Einwohnern
difT Htailt recht wohl erinnerlich, dass ihre Väter von Ge-
burt Heiden waren und erst später Mohammedaner wurden.
Aber auch noch jetzt ist der Isslam hieselbst von der rohesten
Art, und die ganze Kenntniss von religiösen Dingen, welche die
Einwohner, mit Ausnahme weniger hoch gestellter Personen,
bcHitzen, besteht in einigen auswendig gelernten , aber unver-
Htandcnon Phrasen und in der Anwendung der Beschneidung.
Auf dorn Lande dagegen hängen auch noch gegenwärtig die
meistern Leute dem Heidenthum an.
Die Einwohner von Lögone kämpften wiederholt mit ihren
Heatige polituche Lage des StMtes. 371
Nachbarn und Stammgenossen von Mandara, und zwar nicht
ohne Erfolge sie sollen auch die Stadt Mele am Ostufer
des Flusses Schfiri zerstört und alle männlichen Einwohner
derselben erschlagen haben. Die früheren Sultane von Bömu
scheinen die Einwohner von Logone in ziemlich ungetrübter
Ruhe belassen zu haben und mit einem leichten Schoss be-
hufs Anerkennung der Abhängigkeit zufrieden gewesen zu
sein. Gegenwärtig aber ist der Tribut beträchtlich, im Ver-
haltmss zu der geringen Ausdehnung des Landes, und über-
dies hat der unglückselige kleine Fürst auch noch dem
Sultan von Baghirmi, von dessen Unterthanen er fortwäh-
rend Plackereien auszustehen hat, einen Tribut zu ent-
richten. —
Der Name, welchen die Einwohner von Logone ihren west-
lichen Nachbarn beilegen, ist interessant, da dessen Ursprung
in eine ferne Zeit zurückzugehen scheint; sie nennen sie
nämlich „Billangare" oder vielmehr „bille Ng&re", welcher
Name wahrscheinlich von Ngaru, der alten Hauptstadt des
Ghäladi, der vorerwähnten westlichen Provinzen des Börnu-
Beiches, abgeleitet ist; „bille" bedeutet „Leute" im Allge-
meinen. Ihre östlichen Nachbarn, die Einwohner von Ba-
ghirmi, nennen sie „Mokkode", was vielleicht mit Makada im
Zusanunenhang steht Der letztere Name wird häufig auf
das Land westlich von Abyssinien angewandt und selbst
von Krapf, meiner Ansicht nach sicher irrthümlich, durch
„Christenland" erklärt
Von Südwesten dringen die Fulbe oder FellSta schwer auf
Logone ein. So ist, wie wir auf dem Müssgu-Zuge gesehen
haben, der Amtmann des Dorfes Wäsa, welches zum Gebiete
von Logone gehört, ein Pullo oder Felläta.
Die Einwohner von Logone scheinen in früherer Zeit häufig
Einfälle in das Land ihrer Nachbarn und Stammesgenossen,
der Mussgu, ausgeführt zu haben, um sich mit Sklaven
zu versehen; aber 8 Jahre vor meiner Ankunft erlitten sie
272 X. KapiteL
in jener Gegend eine so scharfe Züchtigong, dass sie seitdem
ihrff Feldzüge dahin eingestellt haben. Bei jener Gelegen-
heit verloren sie ihren Oberbefehlshaber, den Keghammä oder
Ibalaghuän Ydhia*), den Er'bauer des wirklich grossartigen
Palastes, in dem ich wohnte. Dieser Befehlshaber unter-
nahm einen Streifzug ins Müssgu-Land, nicht, wie gewöhn-
lich, zu Lande, sondern zu Wasser, und wurde, als er bei
einem Dorfe Namens Gummel an's Land ging, überfallen
und nebst den tapfersten seiner Genossen von den Einge-
borenen des Landes niedergemacht.
Die Regierung scheint eine beschränkte Monarchie zu sein,
indem • der Fürst von einer Anzahl Grosswürdenträger um-
geben ist, welche den Diwan — die „talubä", identisch mit
der „nogonä" des Bömu- Volkes — bilden. Der erste von
diesen Grosswürdenträgem ist der Ibalaghuän ; auf ihn folgt
der Malaghuän oder Ghäladima, dann derMairäi, dann der
Madam, der Marä-Leghä (König des Wassers oder Hafen-
meister), der Ulanghdi oder Tschiröma (der Thronfolger),
der Maraimarbä, der Madamätiä, der Madäm uchssäm, der
Inthäua, der Mäghauen achthäm, der Masaghe achthäm und
der Maghaie -mute.
Das Gebiet von Logone hat eine höchst vortheilhafte Lage
an zwei beträchtlichen, in geringer Entfernung weiter strom-
abwärts sich vereinigenden Ströme, dem Flusse von Logone,
Lägham oder E're im Westen und dem Schärf oder Bä im
Osten, und das kleine Königreich könnte sich der gedeih-
lichsten Verhältnisse erfreuen, würde es nicht von mäch-
tigen, von allen Seiten eindrfngenden Nachbarn überwältigt
und imterdrückt. Aber während die Bomauer einen mehr
regelmässigen Trfbut erheben, scheinen die Baghirmier die
*) Folgendes ist ein Verzeichniss der Ib&laghuin, so weit sie mir bekannt
geworden sind: I'ba-Gäre, I'ba-Kyäri, rba-'Othmän, I'ba-Käder, l'ba-A'bü,
l'ba-A'dem, I'ba-Ssliide, I^ba-Y^hia, I'ba-Herdege.
Produkte und Industrie von Lögone. 273
armen Gxenzanwohner von Logone mit der grössten Unge-
rechtigkeit zu behandeln und sie nach Willkür allerlei
Leistungen zu unterwerfen. Es ergibt sich dessenungeach-
tet aus dem Verzeichniss der Ortschaften in Logone, welches
im Anhange gegeben werden soll, dass das Land noch im-
mer ziemlich bevölkert ist, wenn sich auch freilich nicht
sagen lässt, dass es sich in einem blühenden Zustande
befinde.
Als animalische Nahrung dienen den Eingeborenen vorzugs-
weise Fische — i»klyi" — , welche der Fluss in grosser
Menge liefert; an Rindvieh — „nthä" — wie auch an
Schaafen — „üfu" — ist dagegen grosser Mangel, und allem
Anschein nach haben ihre Nachbarn sie dieser Wohlstands-
quelle beraubt; die einheimischen Araber besitzen jedoch
ziemlich beträchtliche Heerden von Rindern und Schaafen.
Auch Geflügel ist nicht sehr zahlreich, dagegen ist das
Schwein — „sse-sse" — überaus häufig und scheint von den
Eingeborenen vielfach als Speise benutzt zu werden. Ausser
Sorghum oder, wie es hier heisst, „makalä" und Hirse
— „wiyo" — („fiyo" der Kotokö und Yedinä) — Reis ist
mir nicht vorgekommen — wird beträchtlich viel Baum-
wolle — „mpdtaki" — gewonnen, imd Weberei bildet die
hauptsächlichste Industrie der Bevölkerung. Ihre Hemden
— „labü" — sind wirklich von vortrefflicher Arbeit, ihr
Indigo — „mögone" — ist jedoch nicht sehr gut, auch sind
sie nicht sehr geschickte Färber*).
Ausser der Baumwolle, welche in ihrem niedrigen, reich be
wässerten Lande in fast unbeschränkter Menge gewonnen wer-
den könnte, bildet das schon erwähnte schöne Mattenwerk,
*) Man sieht, dass mein Urtheil in dieser Beziehung sehr von dem Den-
ham's (Travels and Discoreries, vol. 1, p. 237) abweicht;' aber Denham be-
suchte nie Kanö und hatte daher keinen Maassstab zur Vergleichung der be-
siehungsweisen Qüte.
B«rth's RalMn. lU. \%
274 X. Kapitel.
dessen gewöhnlichere Sorte „parpar" oder „farfar" und dessen
feinere „möman" heisst, eines der gerühmtesten Erzeugnisse
des Landes; ihre hölzernen Näpfe — „dalguam" — und ihre
runden. Strohdeckel — „kille" — sind gleichfalls bemerkens-
werth; die hölzernen Näpfe sind von sehr vorzüglicher Ar-
beit, viel besser als die in Kükaua, wenn auch die Stroh-
deckel nicht die Vortrefflichkeit der in Dar-För gelieferten
Waare erreichen.
Überhaupt ist der hiesige Volksstamm mit viel Geschick-
lichkeit begabt und dabei, besonders die Weiber, von meistens
zierlicherer Körpergestalt, als der von Bomu. Es ist merk-
würdig, dass sie dieselbe Art von Tättowirung anwenden,
wie die Kanöri, nämlich meistens sechs vom äusseren Augen-
winkel über die Wange zum Mund herab gezogene krumme
Linien; auch haben sie dasselbe Wort dafür*), wie die Ka-
nöri, obgleich ihre Sprachen in sonstiger Hinsicht so gänz-
lich verschieden sind.
Mein Aufenthalt im Lande war zu kurz, um mit Entschie-
denheit über die moralischen Eigenschaften der Einwoh-
ner sprechen zu können. Die von Denham**) bemerkte Be-
nutzung von Eisenstücken als Umlaufsmittel ist längst abge-
kommen, imd gegenwärtig besteht das feste Werthmaass
des Landes in Kattunstreifen von 2 — 3 Zoll Breite.
Bezüglich der Sprache der Logoner gerieth Denham da-
durch in den entschiedensten Irrthum, dass er sie für einer-
lei mit der Baghirmi- Sprache hielt; denn obgleich die
Sprache, welche er reden hörte, wirklich Bagrimma war,
welches hier selir viel gesprochen wird, ist doch die ein-
heimische Sprache, welche die Leute unter einander aus-
schliessUch reden, ganz verschieden vom „tar Bagrimma" und
der Sprache der Müssgu nahe verwandt. Die Eingeborenen
*) Die Kanori nennen sie „beli", die L6god6 Logone „bei".
••) Denham, vol. 1, p. 238.
Die Sprache von Lögone.
275
nennen ihre Sprache „kelakü - Logone". So weit ich damit
bekannt geworden bin, ist die Aussprache selir schwierig
wegen der häufigen aspirirten Laute, namentlich des ch und
^, durch welchen letzteren Hauchlaut diese Sprache einige
äussere Ähnlichkeit mit dem Englischen hat.
18
f
XL KAPITEL
Die beiden Flusse. — Eintritt in Baghfrmi.
[Dienstag, Ißten März.] Es war 10 Uhr Morgens, als ich
Kdmak Lögone verliess, um in unbekannte, von einem Euro-
päischen Fuss noch nie betretene Regionen vorzudringen, und
bald darauf sass ich im Boote, während unsere Pferde, das
Kameel und der Lastochse durch den Fluss theils schwam-
men, theils wateten. Das Wasser war meistens seicht, ob-
gleich an einigen Stellen gegen 8^^ Fuss tief; die Strömung
betrug gegen 3 Meilen in der Stunde. Das Land hatte um
diese Zeit ein ganz anderes Aussehen, als bei meiner Rück-
kehr aus Baghirmi. Die niedrigen Gründe, welche in späte-
rer Jahreszeit gänzlich überschwemmt werden, sahen jetzt
sumpfig und trübselig aus, imd ich beschleunigte meine Schritte,
um dieser ungesunden , von den Strahlen der Mittagssonne
glühenden Gegend zu enteilen.
Nur dann und wann kam eine kleine Stelle Baumwollenfeld
im hohen Gestrüppe zum Vorschein. Dicht am Flusse befin-
det sich kaum ein einziger Baum, aber weiterhin, wo das
Land mehr angebaut ist, erschienen hie und da vereinzelte
Karäge-Bäume nebst zerstreuten Gruppen von Hütten. Da ich
während der letztverflossenen Tage der Mittagssonne nicht
ausgesetzt gewesen und die Hitze sehr gross war, so sah ich
mich nach einer Stelle um, wo ich während der heissesten
Stunden Halt machen könnte, und stieg, sehr gegen den
Wunsch meiner nach einem guten Mittagsessen begierigen
Abreise Ton L<5g^ne. 277
Gefährten, im kühlen Schatten eines schönen breiten Feigen-
baumes — „ngabore'', bei den Logoncm „serra" genannt —
ab, nicht weit von einer nach Norden zu gelegenen Dorf-
schaft Namens Ssö-sso, während sich zu unserer Rechten ein
Rinnsal durch eine sanfte Einsenkung im grünen Wiesengrund
ohne irgend ein wahrnehmbares Gefälle hindurchwand. Diese
seichten Rinnsale sind, wie ich bereits bei meiner Reise nach
Müssgu zu bemerken Gelegenlieit nahm, eine der bezeich-
nendsten Eigenthümlichkeiten dieses Theiles von Inner- Afrika,
das man früher für ein dürres, wüstes Hochland hielt. Nackte
Buben plätscherten und spielten im Wasser umher, in Gesell-
schaft und im besten Einvernehmen mit einer Anzahl Wild-
schweine, welches Thier ich nirgend im Sudan in solcher
Menge gesehn habe, als in der Nähe des Schäri. Kälber und
Ziegen weideten im Felde mit Wildschweinen in ihrer Mitte.
Als wir um 2 Uhr Nachmittags unseren Marsch fortsetz-
ten, bemerkte ich mit Vergnügen zahlreiche schöne Pferde-
heerden bei den Schüa-Dorfgruppen, welche das Rinnsal be-
grenzte , wobei grosse, reich belaubte Bäume die Anmuth der
Landschaft erhöhten. Es fand sich hier viel Zwiebelbau. Zur
Rechten unseres Pfades erstreckten sich weite Felder von
einem eigenthümlichen Winterkorn, von den Logonem „ss&f-
farä" imd von den Kanöri „keriräm" genannt. Diese Felder
gehören dem Landesherm; ausserdem wird aber in diesem
Theile von Lögone sehr wenig Getreide gebaut, da man sich
vor den Baghirmiem fürchtet, welche zu ernten pflegen, was
jene armen Leute gesäet haben. Man bemerkt jedoch mit-
unter kleine Baumwollenpflanzungen.
Nach einem Marsche von 9 Meilen erreichten wir Bäta,
einen halb verlassenen Ort mit sehr zerfallener Lehmmauer;
die wenigen verbliebenen Hütten, so einfach und unansehnlich
sie auch waren, deuteten jedoch einigen Gewerbfleiss und Rein-
lichkeit an, von Gastlichkeit aber erhielten wir keinen Beweis.
Die Autorität des Miarä Y ssuf schien durchaus unbeachtet
A
278 XL KajfTitel.
ZU bleiben, da diese armen Leute, und zwar nicht ohne Grund,
erkläii;en, weil ihr Landesherr sie nicht gegen die Erpres-
sungen ihrer Nachbarn beschütze, brauchten sie auch seine
Befehle nicht zu beachten. Es war daher durchaus nicht
nöthig, dass mich der Diener des Sultans weiter begleitete;
denn wurden seine Befehle schon hier nicht berücksichtigt,
so hatte man dies weiterhin noch viel weniger zu erwarten.
[Mittwochy 17t^ri März,] Wir setzten also unsere Reise ohne
diesen Diener fort. An der Ostseite der Stadt war etwas
Anbau bemerkbar, indem das Land hier sehr sumpfig und
während der Regenzeit überschwemmt ist; es ist mit dich-
tem Gestrüppe bewachsen, in welchem wilde Tliiere in Menge
hausen. Dicht unter der Obei-fliiche des Bodens findet sich
Wasser, und der Bnmnen bei einem Schüa-Dorfe, an wel-
chem wir vorbeikamen, war nur 3 Klaftern tief. Bei dem Dorfe
Atmartschäri, das wir zur Rechten liegen Hessen, zeigten sich
Spuren von Anbau, indem die Waldung gerodet war, um
Raum für Kornfelder zu gewinnen. Das Dorf wird von Ka-
nöri bewohnt. Bald darauf wurde die Waldung dichter
als vorher, indem Scldingpflanzen die Bäume hinaufkletter-
ten und in Gewinden von den Zweigen herabhingen. Hier
sah ich zum erstenmale die Spur des Rhinoceros, welches
in allen westlichen Theilen des Sudans mit wenigen Ausnah-
men so gut wie gar nicht vorkommt *). Es führt bei den Ein-
wohnern dieses östlichen Theiles von Logone den in Baghinni
ül)lichen Namen „binii", während es in der einheimischen
Landessprache „ngirme" heisst; im Kanöri heisst es „bdr-
kadjdn" oder „kdrgaddn", unter welchem Namen es höchst
auffallenderweise bereits von El Edrisi **) ei'wähnt wird,
aber nicht mit Bezug auf Afrika, sondern bei Indien. Es wird
von den Einwohnern, welche auf den schmalen Pfaden ihres
*) In der Knglisclicn Ausgabe habe ich mich in diesem Falle etwas zu be-
stimmt ausgedrückt; denn das Rhinoceros kommt in Libtako vor.
«♦) Scherif cl Edrisi, trad. Jaubcrt, vol. I, p. 72 : (jlcXTlST
Ankunft am Scliari. 279
heimischen Walddickichts oft mit diesem grimmigen Thiere
zusammentreffen, sehr gefürchtet.
Ich war ein wenig vorausgeritten, als ich plötzlich durch
die Zweige der Bäume den prächtigen Spiegel eines gros-
sen Flusses, viel grösser, als derjenige von Logone, ge-
wahrte. Tiefe Stille herrschte ringsum und die durchsichtige
Oberfläche des Wassers wurde auch nicht vom leisesten Wind-
hauche bewegt; keine Spur von Menschen oder Tliieren war
zu sehn, mit Ausnahme von zwei Flusspferden (bei den L6-
gonem „nie" geheissen), welche sich am Ufer gesonnt hatten
und sich bei unserer Annäherung in's Wasser stürzten. Dies
also war der wirkliche Schnri, das heisst „der grosse Fluss
der Kotokö" (denn „schäri" bedeutet, wie gesagt, nichts als
„Fluss"), welcher, verstärkt durch den kleineren, aber doch
beträchtlichen Fluss von Logone, jenes grosse stagnirende
Wasserbecken bildet, das diesem Theile des Sudans seine
eigenthümliche Gestaltung gibt. Der Fluss fliesst an dieser
Stelle von S 30 W. nach N 30 0., macht aber bedeutende Krüm-
mungen und kommt weiter stromaufwärts von S. und sodann
in einer Schlinge aus 038N.
Das Ufer, auf dem ich des stillen, aber schönen Schau-
spiels genoss, ist mit dichter Waldung bestanden und gegen
15 Fuss hoch. Keine menschHche Wohnung war zu sehn,
mit Ausnahme der kleinen Dorfschaft A'-ssü am jenseitigen
Ufer. Die Spiegelglätte des Wassers wurde nur dann und
wann durch das Aufspringen eines Fisches unterbrochen;
kein WasseiTogel war zu sehn, auch nicht ein einziges Boot.
Endlich bemerkten wir am jenseitigen Ufer, welches flach
und sandig ist, den Fährmann, der uns durch Zeichen bedeu-
tete, noch etwas weiter flussaufwärts zu gehn, damit wir
bei der Überfahrt durch die Strömung nicht zu weit abwärts
getrieben werden möchten. Wir gingen also gegen 1200 Schritt
weiter aufwärts, ich machte es mir im Schatten eines Bau-
mes bequem, während ich das Boot erwartete, und hing dem
i
280 XL Kapitel.
angenehmen Gedanken nach, dass ich nun bald ein neues
Land betreten würde, das noch von keinem Europäer besucht
worden war.
Endlich kam das Boot heran, aber sobald die Fährleute
erkannten, wer wir seien, nahmen sie eine befremdete und
geheimnissvolle Miene an und erklärten, dass sie uns nicht
übersetzen könnten, ohne vorher ihren Herrn, den Amtmann
von A'-ssü, befragt zu haben. So ungewöhnlich dies Verfah-
ren auch schien, so ahnte ich doch noch nicht, wie sich die
Sache eigentlich verhielt. Wir setzten uns daher ruhig am
Ufer nieder, um die Antwort abzuwarten, die wir für eine
blosse Förmlichkeit hielten. Die Luft war sehr schwül und
der Himmel trübe; Gewölk hing über dem Flusse, das Her-
annahen der Regenzeit verkündend. Um die tödtlichen Sta-
cheln der Blutfliegen von den Pferden abzuhalten, zündeten
wir ein Rauchfeuer an. Die Stiche dieser Fliege sind fast so
gefährlich, wie die der „tsetse" in den südlichen Theilen die-
ses Kontinentes , und viele Reisende verlieren all' ihre Pferde
an den Ufern dieses Flusses; aber glücklichei-weise ist sie
auf diese Ufer beschränkt.
Meine Ruhe ward plötzlich gestört durch die Ankunft
eines zahlreichen Zuges Pilger, die nach Mekka unterwegs
waren, alle vom Stamme der Fulbe oder Felläta, und zwar
grösstentheils aus dem westlichen Sudan, nur einige aus
Gottokö, einem wenig bekannten Lande zwischen Bambara
und Kong. Unter ihnen waren auch die Leute, welche mich
auf meiner Reise nach Adamaua begleitet hatten, imd denen
ich zum zweiten Male bei der Stadt Logone begegnet war. Ich
machte denselben ein Geschenk von Nähnadeln, um ihnen
bei ihrem löblichen Unternehmen eine kleine Unterstützung
zu- gewähren. Während wir zusammen plaudeiiien , kehrten
die Bootsleute mit der Staunen erregenden Antwort zurück,
dass mir der Amtmann des Dorfes verbiete , über den Fluss
zu setzen.
Umtriebe Hadj Ahmed's. 281
Wir vermochten uns erst kaum voraustelleu , worin die
Ursache dieses unvorhergesehenen Hindernisses hestehe, his
uns die Bootsleute mittheilten, dass Hadj Ahmed, das
Haupt der mehrerwähnten, von Kükaua nach ihrer Hei-
math zurückkehrenden Baghirmier, erklärt habe, ich sei
eine höchst gefährliche Person, und es habe ihnen selbst
der Vezier von Bomu gesagt, es sei ernstliche Gefahr vor-
handen, dass, falls ich während der Abwesenheit des Sul-
tans Baghirmi betreten sollte, ich den Thron umstüi-zen und
das Land zu Grunde richten würde. Da sich einige von
den angesehensten Männern des Dorfes im Boote befanden,
so wandten wir jedes Mittel an, um sie von der Ungereimt-
heit dieser Verläumdung zu überzeugen; aber Alles war
vergeblich, und es unterlag weiter keinem Zweifel, dass
man uns jedenfalls an dieser Stelle nicht würde übersetzen
lassen.
Ich war einen Augenblick unentschlossen, ob ich nach
Logon bimi zurückkehren und daselbst die Rückkunft eines
zum Sult^ von Baghirmi zu sendenden Boten abwarten,
oder ob ich mein Glück an einer anderen Stelle des Flusses
versuchen sollte. Ich wusste mir nicht zu erklären, von
woher die Schwierigkeit komme, ob es wirklich der Vezier
von Bomu sei, der diese Umtriebe angestiftet habe, da ihm
bekannt war, wie ernstlich mein Wunsch sei, wo irgend
möglich, nach Wädai vorzudringen, oder ob es der Sultan
von Logone sei, der glauben mochte, wenn er mich auf diese
Weise zur Rückkehr nöthige , würde er mich bewegen kön-
nen, länger bei ihm selbst zu verweilen. Ich hatte den
Baghirmier, so viel ich wusste, niemals beleidigt, sondern im
Gegentheil ihn und seine ganze Truppe in der Stadt Lo-
gone bewirthet und ihm noch besonders einige kleine Ge-
schenke gemacht ; er" mochte aber neidisch auf mich gewesen
sein, weil er den Sultan von Logone mich mit solcher Zu-
Torkommenheit beehren sah. Er war nach Kükaua gekom-
282 XL KapiteL
men, um daselbst einige Waaren zu kaufen, die in Baghinni
nicht zu haben waren und welche er wieder an den Sultan des
Landes mit Gewinn zu verkaufen gedachte. Er hielt mich
vielleicht auch für einen Kaufmann, der mit ihm concurri-
ren möchte. Nach Erwägung aller dieser Punkte beschloss
ich endlich, den Versuch zu machen, ob ich nicht an einer
anderen Stelle über den Fluss kommen könne.
Wir kehrten also etwas über 2 Meilen auf demselben
\V(»ge zurück, auf dem wir gekommen waren, um die Leute
glauben zu machen, dass wir uns wieder nach Logone wen-
deten, und bogen dann nach Norden ab. Unser Weg führte
in nordöstlicher Richtung hier durch dichte Waldung, dort
über kh'ine Dorfschaften, wo fast kein Getreide, wohl aber
etwas Baumwolle, welche die Einwohner selbst verarbeiteten,
gebaut wurde, bis wir das grössere Dorf Biigari erreich-
ten. Hier wurden wir von den Einwohiieni, welche, wie die
der meisten Weiler der Umgegend, zum Kanöri-Stamme ge-
hören, sehr freundlich aufgenommen und erhielten unver-
züglich einen grossen Hofraum zu unserem Gebrauche ange-
wiesen. Meine Gefährten erzählten den Leuten, wir hätten
den geraden Weg nach Mele verfehlt, und sie versuchten
mich sogar für einen ScherTfen auszugeben, aber unglück-
licherweise war ein Mann im Dorfe anwesend, der mich bei
der Fähre von A-ssü gesehen hatte, so dass nicht eben
grosse Hoffnung vorhanden war, den Fluss an einer anderen
Stelle ohne fernere Schwierigkeit überschreiten zu können.
Ich war dessenungeachtet entschlossen, kein Mittel unver-
sucht zu lassen, um die Gelegenheit, ein neues Land zu er-
forschen, nicht zu versäumen. Für eine üöra (ein kurzes
Hemdj versprach mir der Billama des Dorfes einen Führer,
der mich am folgenden Morgen an die Fähre von Mele brin-
gen sollte.
\Domierstay, 1^^^^ März.] Vor Tagesanbiiich traten wir unser
heimliches Untemehmen an. Der schmale, rauhe Pfad fiihi-te
Übergang über den Scbari bei Mele. 283
uns sogleich in den Wald, geleitet von einem schlanken, wolil-
gebauten, kräftigen und halbnackten Burschen, der mit Bo-
gen und Streitaxt bewaffnet war. Dann ward die Waldung
von Baumwollenpflanzungen und Getreidefeldeni unterbrochen,
sämmtlich den Einwohnern des Dorfes, wo wir übernachtet
hatten, gehörig, — bis wir endlich auf die Heerstrassc, die
in grossen Krümmungen von Logone nach Mele zieht, hinaus-
traten. Das Unterholz war hier anfänglich stark mit Düm-
gestrüppe — „ngiUe" — vermischt, aber bald darauf änderte
sich der Anblick der Landscliaft plötzlich, indem sich zu
unserer Linken schöne niedrige Wiesengründe ausbreiteten,
durclizogen von stehenden Lachen, den t Überresten der vor-
jährigen Uberschwemnmng, während wir zu unserer Kcchten
die dicht mit W^ald durchwachsenen Ruinen der früheren
Stadt Yessinekr hatten.
Hier erhielten wir zum zweiten Male eine Ansicht jenes
herrlichen Flusses, welclier die Westgrenze des Königreichs
Baghirrai bildet, und an dessen Überschreitung mich unbe-
kannte Leute durch ihre Umtriebe verhindern wollten. Das
Flussufer fällt hier in zwei Abstufungen ab und bildet
einen oberen Abhang, der gegenwärtig mit grünem Rasen
bedeckt war, und einen unteren von lockerem Sand, der sich
15 Fuss über das Wasser erhob. Hier störten wir wiederum
einige Krokodile auf, die sich behaglich gesonnt liatten;
aber wir verloren keine Zeit, sondern gaben alsbald dem
Fährmann jenseits Zeichen, herüberzukommen. Mittlerweile
zog ich mich liinter das Rohrdickicht am Ufer zurück,
um eine kleine Skizze von der Flussscene mit dem Dorfe
am jenseitigen Ufer zu entwerfen. Zu unserer grossen Freude
sahen wir bald ein Boot vom gegenüberliegenden Dorfe ab-
stossen, sich um die in der Mitte des Flusses befindliche
Sandbank herumziehen und zu uns herankommen. Das Ge-
lingen unseres Planes hing nun von wenigen Minuten ab ; so-
bald daher die Fährleute an unserem Ufer angelegt hatten,
I
284 XL Kapitel.
bezahlten wir, was sie forderten, und sprangen in das Boot,
welches gross und bequem war.
Es gereichte mir zu grosser Freude, obwohl ich nicht ohne
einige Besorgniss war, dass ich mich auf dem herrlichen, hier
gewiss nicht unter 1800 Fuss breiten Flusse eingeschifit sah.
Die Sandbank liegt etwas mehr nach dem Ostufer zu und die
Strömung („ngäda" im Kanöri, „dmma-uä" im Lögone) hält
sich durchaus nur an jener Seite, während der Fluss an der
westlichen Seite langsam dahinfliesst und meistens nicht
sehr tief zu sein scheint; im Fahrwasser zeigten die Stan-
gen der Fährleute 15 Fuss Tiefe. Das Kameel, die Pferde
und der Lastochse schwammen beim übersetzen an der
Seite des Bootes, nur dass sie am Nordende der gegenwärtig
etwa 400 Schritt langen Sandbank entlang gingen. Die
Strömung zwischen der Sandbank und dem Ostufer war sehr
stark und das Wasser tief, glücklicherweise aber die Ent-
fernung nur etwa 600 Fuss.
So fuhren wir in den kleinen Hafen von Mele ein und
wurden, als wir an's Land stiegen, von einem Ichneumon,
das frei umherlief und mit dem Schwänze wedelte, freundlich
bewillkommt. Es mochte dies ein glückliches Vorzeichen bei
meiner Ankunft im Lande scheinen. Auch die Leute, welche
in einer kleinen Werfte, wo die gewöhnlichen Flussschiflfc er-
baut werden, auf mannichfaltige Weise beschäftigt waren,
empfingen uns sehr freundlich, besonders, da ich einem ge-
wissen Beamten, „kaschella" betitelt, ein kleines Geschenk
gemacht, auch dem Fährlohn für die Bootsleute einige Na-
deln beigefügt hatte. Ich wurde angenelmi überrascht durch
die wohlgefälligen Formen des weiblichen Geschlechtes, ihr
anmuthiges Wesen und ihren gutstehenden Kopfputz, was
Alles sie sehr vortheilhaft nicht nur von den Kanöri- Wei-
bern, sondern auch von den Lögoneserinnen unterscheidet.
Sobald wir unser Kameel wieder beladen und Begrüssun-
gen ausgetauscht hatten, zogen wir weiter, indem wir das
Eintritt in BaghirmL 285
höhere, sich hier 25 Fuss erhebende Ufer hinanstiegen und
das Dorf dicht am steilen Ufer zur Linken liegen Hessen.
Aber kaum waren wir 1 Meile weiter gegangen, froh, trotz
aller uns entgegengestellten Hindemisse in dieses Land vor-
gedrungen zu sein, als wir einen Mann auf uns zukommen
sahen, den mein Reiter sogleich als einen Diener des Amt-
manns von A'-ssü erkannte. Dieser Umstand musste unsere
Hoffnung sehr herabstimmen. Hätte der Amtmann von
A-ssü seine Schuldigkeit mit mehr Vorsicht gethan und am
Abend vorher oder früh am Morgen einen Boten abge-
sandt, so wäre ich wohl nie nach Baghirmi gekommen.
Als wir den Mann mit seiner unheilvollen Botschaft seinen
Weg hatten fortsetzen lassen — denn er wagte es nicht, sich
gegen uns seines Befehles zu entäussern — , fanden wir es nach
kurzer Überlegung am gerathensten, den offenen Weg zu ver-
lassen und in die Stoppelfelder einzubiegen ; denn es wird hier
beträchtlicher Anbau von den Einwohnern Mele's betrieben.
Dieses Dorf ist nämlich, obgleich es dicht am Flusse liegt, mehr
ein landwirthschaftliches als ein Fischerdorf. Neuer Acker-
boden wurde soeben gerodet; den Bäumen wurden sämmtliche
Zweige und Aste abgehauen, so dass nur ein kurzer Stamm
stehen blieb, um die Kleidung der Arbeiter gegen die Amei-
sen oder vielmehr Termiten zu schützen. Das ganze Land
war gut angebaut und von zahlreichen Bäumen beschattet,
so dass es einen recht freundlichen Anblick darbot
Nach einem halbstündigen Marsche durch die Stoppeln
traten wir auf einen wohlbetretenen Pfad hinaus, welcher
von IQessem herkam, einem beträchtlichen, weiter flussab-
wärts gelegenen und noch zu Kotokö gehörigen Dorfe mit einer
eigenthümlichen Mundart. Wir verfolgten nun diesen Weg
und erreichten bald ein seichtes, grasreiches Gewässer von
der mehrerwähnten Art — in Baghirmi heissen dieselben
„kamane"' oder „guguli" — . Es wurde durch eine Niederlas-
sung von Schüa- Viehzüchtern vom Stamme der 'Agaife belebt
286 XL KapiteL
und erstreckte sich in grosser Länge von SSW. nach NNO^
so dass es eine wesentliche Eigenthümlichkeit dieses Landes-
theiles bildet; es wird Ambussäda oder Mbussäda genannt.
An der Stelle, wo wir es überschritten, war das Wasser nur
1 Fuss tief und das ganze seichte Bett mit dem reichsten
Pflanzengrün bedeckt.
Wir hielten uns hierauf hart an der Ostseite des Wiesen-
gewässers und hatten zur Linken ansteigenden Boden, der
mit einem prächtigen Gürtel, besonders schöner wilder Fei-
genbäume besetzt war. Die Landschaft erinnerte mich an das
Müssgu-Land, nur war das Rinnsal nicht so breit und es brach
keine Delebpalme durch das Laub der anderen Bäume, „wie
ein Wald über dem Walde" hervorragend. Eine fast unun-
terbrochene Reihe von Dorfschaften besäumte diesen schma-
len Streifen fruchtbaren Grüns und hie und da sah man eine
Ginippe von Leuten aus der dichten Belaubung hervorkom-
men, während zahlreiche Viehheerden über den marschigen
Wiesengrund einherstreiften und, mitunter nur mit dem Ober-
körper aus dem Wasser ragend, die frischen jungen Gras-
sprossen abweideten. Schöngefiederte Vögel von allerlei
Gattung und Grösse schweiften umher: hier rauschte der
riesige Pelikan vom benachbarten Baume hernieder, dort
stand der Marabu (Ciconia Marabu), einem alten Manne gleich-
sehend, mit dem Kopfe zwischen den Schultern; hier stol-
zirte der gewaltige blaugefiederte „dedegami" einher, indem
er seiner Beute nachspürte, weiterhin der Plotus mit seinem
langen schlangenailigen Halse; dort forschte der weisse Ibis
begierig nach Futter, und dazwischen watschelten allerlei
Enten — „geddegabü" oder „dabä" — , flogen und flatterten
zahlreiche kleine Vögel in grösseren und kleineren Schwär-
men umher. Dann und wann brach ein Wildschwein aus
dem Dickicht hervor, von einem zahlreichen Gefolge von Fer-
keln begleitet, und rann eilends in's kühle Wasser. Hier war
ein reichhaltiges, ja unerschöpfliches Feld für den Jäger,
GesEwungene Rückkehr nach Mele. 287
aber ich konnte nicht an's Jagen denken, denn ich war mir
gar wohl bewusst, dass etwas im Gange sei, um meinem
weiteren Vordringen im Lande ein Ende zu machen.
Es wäre vielleicht gescheidtcr gewesen, ohne Aufenthalt
weiter zu ziehen; ich empfand aber die Hitze der Sonne zu
stark, und da ich doch nicht mit Gewalt durch das Land
reisen konnte, ruhte ich lieber während der Tageshitze
im Schatten eines schönen breiten Ngabore oder Ngäto
(wilden Feigenbaumes) zur Seite eines Schüa- Dorfes. Ich
suchte hier vergebens bei den Einwohnern Einiges zu meiner
Erfrischung einzutauschen; zu meinem grossen Erstaunen war
weder Milch, noch sonst etwas zu haben, obgleich man
überall Vieh in zahlreicher Menge weiden sah. Aber die
Leute sagten mir, gerade, weil so viel Vieh auf einem so
schmalen Streifen von Weideland zusammengedrängt sei, hät-
ten sie so wenig Milch. Diese Schüa, welche zum Stamme
der Ueläd 'Ali gehören, nennen dieses seichte Gewässer
nach ihrem Oberhaupte „mssel el Hadj "Ali".
Ruhig, obwohl nicht ohne Besorgniss, hatte ich mich in der
schattigen Kühle ausgestreckt, als wir den Häuptling von Mele
mit sieben oder acht bewaf&ieten Schüa herankommen sahen.
Sie wandten sich zuerst an meinen Reiter Grema, der es sich
im Schatten eines anderen Baumes bequem gemacht hatte.
Nachdem sie ihre Sache mit ihm abgemacht hatten, kamen
sie dann zu mir und erklärten, dass sie mir nicht gestatten
könnten, meine Reise fortzusetzen, da sie gehalten seien, Ver-
haltungsbefehle aus der Hauptstadt abzuwarten, worauf ich
denn meinerseits sofort erklärte, dass ich gern ein Paar Tage
warten wolle, jedoch unter der Bedingung, dass sie mir eine
Wohnung überweisen und mich mit Lebensmitteln versehen
wollten. Sie drückten ihre Zufriedenheit mit meiner Willfäh-
rigkeit aus, erklärten aber, dass sie mir im Weigerungsfalle
alle Schüa in der Nachbarschaft nachgesandt haben würd^
um mich unterwegs zu beunruhigen. Der Häuptling von Mele
I
288 XL KapiteL
versicherte mich hierauf, er werde, wenn ich nach seinem Dorfe
zurückkehren wolle, dafür Soi^e tragen, dass ich mit Allem^
was ich bedürfe, namentlich mit Geflügel und Milch, hin-
reichend versehen würde.
Ich genehmigte daher, dass Grema die Reise allein fort-
setze, um meine Briefe nach der Hauptstadt zu bringen, wäh-
rend ich meinen Rückweg nach Mele antrat Auf einem ge-
raderen als dem vorher von mir eingeschlagenen Wege kehr-
ten wir in 1^ Stunden nach dem Dorfe zurück, wo ich die-
ses Land zuerst betreten hatte.
Mele hat eine ganz interessante Lage auf dem steilen Ufer
eines grossen, schiflfbaren Flusses, der hier seinen Lauf ändert
und die bisher eingehaltene westöstliche Richtung gegen eine
süd nördliche vertauscht. Sehr angenehm hätte ich hier einige
Tage in Betrachtung der anziehenden Scenerie zubringen kön-
nen, wenn mich nicht stets die Sorge um die Weiterreise beun-
ruhigt hätte. Unter diesen Umständen vergingen mir die 6
oder 7 Tage, die ich hier zubrachte, gar trübselig, und die
Einwohner fingen an, sehr misstrauisch gegen mich zu werden,
weil sie bemerkten , dass mein Lieblingsaufenthalt im Schat-
ten eines schönen Baumes am Flussufer war , von wo ich
eine weite Aussicht über den Strom nach Norden und We-
sten hin hatte. Der Verkehr auf dem Flusse war sehr un-
bedeutend, nur höchst selten sah man ein Boot vorbeifahren.
Mitunter belebte sich aber die langgestreckte Sandbank durch
ein Krokodil, das aus dem Wasser hervorkam, um sich zu
sonnen, oder durch die fröhliche Dorfjugend, welche hinüber-
schwamm, um nach ihrem Fischergeräthe zu sehn und die
Netze zu trocknen. Sowohl an Fischen wie an Krokodilen
ist der Fluss sehr reich und das Fleisch der letzteren ist bei
den Eingeborenen sehr beliebt. Ich sah auch etwas weiter
abwärts am Strande eine eigenthümliche Vorkehrung oder
eine Art Zaubergeräthe , an einem Baumstamme angebracht,
um, wie es schien, die Wasserholenden vor einem plötzlichen
Der Fluss Schäri. 289
Angriff dieser gefrässigen Thiere zu schützeD. Ausserdem ent-
hält der Fluss ein sehr grosses, wahrscheinlicli mit dem Ayü
des Benue und des Niger — dem Manatus Vogelü — iden-
tisches Thier *).
Nordöstlich ward das Dorf von einer dichten Waldung be-
grenzt, durch welche sich in geringer Entfernung das untere
Ende der Ambussäda zog, die hier einen überaus üppigen
Pflanzenwuchs hatte und ein Lieblingsaufenthalt der Wild-
schweine war. Ich bemerkte hier aucli Affen in beträchtli-
cher Anzahl.
Es war während meines Aufenthaltes in Mele, dass ich zu-
erst eine deutliche Vorstellung vom Laufe des Schäri und
von dessen Verhältniss zum Flusse von Logone erhielt, welche
Flüsse sich beide etwas unterhalb Küssuri bei einer Ortschaft
Namens Ssina Fatscha vereinigen; auch zog ich viele Nach-
richten — freilich nicht eben von der deutlichsten und be-
stimmtesten Art — über (Ue am oberen Laufe beider Flüsse
liegenden Orte und Herrschaften ein. Ich hörte, dass der Schäri
im vorigen Jalire über seine Ufer ausgetreten und sogar in die
Hütten der Einwohner eingedrungen sei. Und doch erhoben
sich an dieser Stelle die Ufer gegenwärtig mehr als 40 Fuss
über den Wassei-spiegel !
Der dem Flusse gewöhnlich beigelegte Name „Schäri" gehört,
wie schon bemerkt, der Sprache der Kotokö an ; die Baghir-
mier nennen ihn nur „Ba ' und unterscheiden seine verschie-
denen Theile nach den anliegenden Ortschaften, wie Bä-Mele,
Bä-Bü-ssö, Bä-Gün, während ihn die Araber hier Bahr-Mele
und etwas weiter aufwärts nach dem anderen Dorfe Bahr-
A-ssü nennen. Wenn daher zuweilen der ganze Fluss A-ssG
*) Ich glaube, dieses Thier ist dasjenige, welches Burekhardt (Reisen in
Nnbien, Anhang, 2<e Originalausgabe, I. S. 433) als den /vCp9^l anführt.
Dieser Name muss ihm von den SchOa gegeben worden sein, ich habe ihn
jedoch selbst nicht nennen hören.
Bwth't lUlMn. lU. i^
I
290 XI. Kapitel.
genannt wird, so verhält es sich damit ganz so, als wenn man
den Komädugu Waübe, Yeu oder Yö nennt
Aber wälirend ich so in Beziehung auf den herrlichen Strom
Gelegenheit hatte, meine Zeit nicht ganz unerspriesslich zu
verwenden, war meine Beköstigung keineswegs so angenehm,
wie man mich hatte erwarten lassen; denn weder Geflü-
gel, noch Milch war zu haben und die frischen Fische des
Flusses, die ich mir mitunter durch ein gutes Geschenk zu
verschaffen wusste, bekamen mir bei dem schwächlichen Zu-
stande meines Magens nicht gut, so vortrefflich und wohl-
schmeckend sie auch waren. Es wird ein kleiner Markt in £die,
einem 5 Meilen von hier entfernten Dorfc, und ein etwas be-
deutenderer Mittwochsmarkt beim Dorfe Tschinge gehalten,
aber auf beiden ist wenig zu haben, und, was die Hauptsache
war, ich hatte nicht, was die Leute wünschten.
Meine Ungeduld steigerte sich durch die unverkennbaren
Vorzeichen der herannahenden Regenzeit, während mir
Schwärme von Mücken auch die nächtliche Ruhe raubten. Der
Himmel war gewöhnlich trübe und in der Frühe hüllte zu-
weilen ein dichter Nebel die ganze Landschaft ein ; des Mor-
gens war die Luft ziemlich kühl, aber Mittags wurde es schwül
und im Laufe des Nachmittags erhob sich oft ein heftiger
Wind. Alle meine Pläne waren vereitelt, während ich so
gern dem Sultan auf seinem Zuge Gesellschaft geleistet hätte,
obgleich die Nachrichten aus dem Lager keineswegs ganz gün-
stig lauteten. Es hiess nämlich, die heidnischen Einwohner
von Gögomi, gegen die er Krieg führte, wären von ihrer Berg-
feste herabgekommen und hätten eine grosse Menge Volks
erschlagen ; unter den Gefallenen sollte sich auch ein wohlbe-
kannter Araber aus dem Westen (Marokko), der den Zug mit-
gemacht hatte, befinden.
[Donnerstag^ 2ö9t€n März.] Es war gegen Mittag, als zu
meiner grossen Freude mein Gefährte Grema 'Abdü aus der
Hauptstadt zurückkehrte. Er war begleitet von zwei Dienern
Abreise nach Bügomän. 291
des Serma oder Kadamdnge, des vom Sultan während seiner
Abwesenheit mit dem Oberbefehl über die Hauptstadt betrauten
Statthalters. Ich fand mich jedoch in meiner Erwartung, mich
nun ohne weiteren Aufenthalt nach der Hauptstadt begeben zu
können, getäuscht; denn die Boten überreichten mir eine Ur-
kunde mit einem grossen schwarzen Siegel, des Inhalts, dass
ich die Antwort des Sultans in Bügomän, einer weiter strom-
aufwärts gelegenen Stadt, abwarten und inzwischen von den
Einwohnern dieser und der benachbarten Stadt Mission mit
frischen Fischen und Milch versorgt werden solle. So sehn-
lich ich mich nun auch dem Sultan selbst anzuschliessen
wünschte, so wusste ich doch nichts gegen diese Anord-
nung einzuwenden und war froh, wenigstens von der Stelle zu
rücken, wenn auch nur ein wenig.
Unser Weg hielt sich, als wir das Dorf verliessen, am
steilen nordöstlichen Ufer des Flusses entlang. Ein wenig
oberhalb Mele vereinigt sich mit dem Hauptarm ein kleiner
östlicher Nebenarm, und die so gebildete Insel ist dickt be-
waldet und scheint mit Ausnahme eines kleinen Fischerwei-
lers ganz im Besitze der wilden Thiere belassen zu sein;
denn wir gewahrten deutlich eine Heerde von ungefähr 12
Antilopen, von der „Mohor" oder „Himraie" (Antilope Soem-
meringii) genannten Art, und zu unserer Verwunderung auch
eine Schaar von nicht weniger als 21 Krokodilen, die sich,
alle ruhig auf dem sandigen Strande auf dem Rücken lie-
gend, sonnten. Keines derselben war aber von besonderer
Grösse, das längste mass nur 12 — 15 Fuss.
Unser Marsch war ziemlich kurz, indem meine Gefährten
für uns in der 2^ Meilen weiter aufwärts am Nebenarme
gelegenen kleinen Dorfschaft Limschi Herberge nahmen.
Dies war ein leidlich betriebsamer Oil und mehrere Boote
lagen hier am Ufer. Da ich soeben eine solche Menge Kro-
kodile gesehn hatte, wunderte ich mich nicht wenig, die
Weiber, welche Wasser holten, sich olme Furcht im Flusse
19 •
292 XL Kapitel.
baden zu sehn; aber der Arm, obgleich nur etwa 100 Schritt
breit, schien ansehnlich tief zu sein und keine Sandbänke
zu haben. Die gegenüberliegende Insel war auch hier dicht
bewachsen, aber etwas weiter aufwärts liegt eine Dorfschaft
Namens O'diö. Unsere Aufnahme im Dorfe war sehr un-
freundlich, was mir eben keine günstige Vorstellung von dem
Ansehen des Vicestatthalters, unter dessen Schutze wir doch
reisten, einflösste.
[Freitag y 26»^^ März.] Unser Marsch führte während
der ersten 1^ Meilen durch Stoppelfelder, worauf wir in
einen dichten Wald kamen, der von Schlingpflanzen durch-
wunden, sonst aber gar einförmig war und der neubeleben-
den Kraft der Regenzeit entgegenharrte. Wir hatten fort-
während das seichte Rinnsal Mbussäda oder Mssel el Hadj
'Ali zur Linken, bis wir dasselbe nach einer Wegestrecke von
5 Meilen überschritten. Wir setzten sodann unseren Marsch
durch angebautes Feld fort, wo ausser Hirse auch etwas
Baumwolle gezogen wurde, darauf durch gelichtete Waldung
und erreichten nun bald das Dorf Mustafadji, den Geburts-
ort der Frau meines Geleitsmannes Grema 'Abdü.
Hier wurden wir ohne Verzug untergebracht, die Hütten
waren aber weder durch Grösse, noch durch Bauart bemer-
kenswerth, indem sie ganz aus Stroh und Rohr bestanden
und nur der untere Theil mit einem leichten Lehmüberwurfe
versehen war, so dass während der Tageshitze die Luft darin
zum Ersticken heiss ward. Die Einwohner sind alle Kanöri,
die seit der Verfallzeit von Bornu hier, sowie in anderen
Ortschaften Baghirmi's eingewandert sind und die hier be-
merkbare geringe Kultur eingeführt haben, namentlich die an
diesem Platze in beträchtlicher Ausdehnung betriebene We-
berei und Färberei. Der Schäri oder Bä ist hier in gerader
Linie nur wenig über 7 Meilen westlich entfernt, und die
Überschwemmung tritt bis dicht an das Dorf heran, indem
sie sich längs der flachen Thalbildungen und Rinnsalen,
Die Dörfer BdgarT und Matuän. 293
welche das Land durchschneiden, hinwindet. Eine grosse
Strecke Land war hier mit einheimischem Korn bestellt.
Die Einwohner des Dorfes erwiesen sich sehr gastfrei, und
der Schwiegervater meines Gefährten machte mir ein fettes
Schaaf zum Geschenk. Die einzige Schwierigkeit machte
das Wasser, indem der Bninnen ungeachtet seiner Tiefe von
15 Klaftern nur einen geringen Vorrath lieferte. Über-
haupt scheint Baghirmi ausserordentlich an Wassermangel
zu leiden.
Wir blieben hier den ganzen folgenden halben Tag und
brachen erst Nachmittags um 2J Uhr auf, indem wir eine
südwestliche Richtung einschhigen. Die Landschaft, die
wir nun durchzogen, war gut bevölkert und zeigte viel An-
bau von Baumwolle, und es war hier, wo ich dieselbe
zum ersten Male in Furchen bestellt fand, — eine Bestel-
lungsart, die, wie ich glaube, in Amerika und Indien allge-
mein üblich, im Sudan aber sehr selten ist; die auf den
Rainen befindlichen Stauden waren gegenwärtig blätterlos.
Alle Baumwollenanpflanzungen, welche ich bisher im Sudan
angetroffen hatte, waren sich selbst überlassen und daher in
einem verwilderten Zustande; hier aber schien ein sorgfälti-
ger Betrieb stattzufinden. Beim Dorfe Mütkoml ward meine
Aufmerksamkeit auf die grosse Menge von Eseln gelenkt;
der Boden war hier voll von den Höhlen des „fenek" (Mega-
lotis), von den einheimischen Schüa „Bü-IIassen" genannt.
Indem wir unseren Marsch über einen festen und trockenen
Thonboden fortsetzten, liessen wir weiterhin das grosse Dorf
Bügan zur Seite und kehrten etwas vor Sonnenuntergang
im Dorfe Matuärf ein, welches einem reichen und gelehr-
ten Manne Namens Legäri Bü-Müssa gehört, und fanden
eine sehr freundliche Aufnahme. Diese Leute waren eben-
falls Kanöri, und ich bemerkte mit viel Vergnügen als Zei-
chen von Gewerbfleiss eine kleine zwei Gruben enthaltende
Färberei.
I
294 XL Ka^L
[Sonntag y 2S**^ März.] Wir setzten unsere Beise früh-
zeitig fort und näherten uns jetzt der Stadt Bugomän, wo
ich die Befehle des Sultans abwarten sollte. Das Land
zeigte beträchtlichen Anbau, und zahlreiche landwirthschaft-
liche Weiler, von den Baghirmiem „yoeö" genannt, lagen
umher; gegenwärtig standen aber alle leer, da sie nur
während der Regenzeit von den ..Feldhänden", wie ein Ame-
rikaner sagen würde, bewohnt werden.
Nachdem wir etwa 4 Meilen weiter gezogen und durch
eine marschige Wiese mit zahlreichen Rhinocerosspuren ge-
kommen waren, standen wir abermals am üfer des grossen
Flusses von Baghirmi, des Schäri oderBä, welcher mir hier,
wo er einen weiten, flachen, sandigen Strand bildete*), an-
fänglich in Vergleich mit dem grossartigen Ansehen, das er
weiter thalabwärts hat, gar unbedeutend vorkam, so dass ich
ihn beinahe nur für einen Nebenarm gehalten hätte; allein
meine Leute versicherten mir wiederholt, dass dies nicht der
Fall sei, indem sich der Nebenarm, welcher weiter aufwärts,
etwas oberhalb der Stadt Miltu, sich vom Hauptstrome ab-
sondert und bei Bii-ssö und Batschikam vorbeifliesst, mit
dem Hauptflusse unfern von hier, bei der Stadt Misskin,
deren höhere Bäume von hier aus in Sicht waren, wieder
vereinigt habe. Die Richtung des Flusses ist hier auf eine
lange Strecke gerade von Süden nach Norden; er kömmt
aber weiter aufwärts, oberhalb Misskin, aus SSO. Das
Ufer ist an dieser Seite sehr niedrig, wesshalb sich der
Fluss während der LT)erschweramungszeit hier sehr weit
ausbreitet. Bei der sanften Abdachung des Bettes ist der
Fluss bis ziemlich weit vom Ufer seicht, jedoch wahrschein-
*) Bevor ich zum Hauptfluss kam, hatte ich einen Bach mit sehr kaltem
uiul klarem Wasser zu überschreiten, welcher in einer dem Flusse entgegen-
gesetzten Richtung floss ; aber sein Vcrhältniss zum Hauptstrom blieb mir un-
bekannt, da mich auch nachher Erlebnisse in dieser Gegend verhinderten,
dasselbe weiter zu ergründen.
Ankunft in Bügoraan. 295
lieh auf der gegenüberliegenden Seite, bei der Stadt Bügo-
män, wo das Ufer steil ist, von grösserer Tiefe.
Die Stadt hat aus dieser Entfernung einigermassen das
Ansehen eines verfallenen Ortes, wenigstens was die Ring-
mauer betriflft; sie war jedoch reichlich mit mannichfaltigen
Bäumen geziert, unter welchen Deleb- und Dümpalmen in
anmuthiger Weise hen'orragten. Es war eben Markttag und
eine Anzahl Leute hatte sich in der Morgenkühle am südöstli-
chen Strande, wo auch wir angekommen, versammelt, der Rück-
kehr des Fährbootes wartend, so dass das Ganze eine recht
belebte Scene darbot. Aber allmählich verlor sich das Ge-
räusch, und die Hitze der auf dem Sande widerstrahlenden
Sonne wurde fast unerträglich ; denn trotz meiner Warnung
hatten wir den grünen Gürtel von Bäumen und Pflanzenwuchs
hinter uns gelassen und waren weit auf das flache, sandige
Ufer hinausgegangen, welches jetzt bis unmittelbar an's Wasser
trocken war. Mein Geleitsmann war mit den beiden Dienern
des Serma in die Stadt gegangen, um meine Ankunft anzu-
melden und dem Amtmanno den Befehl des Vicestatthal-
ters, dass ich hier weitere Verfügungen des Sultans abwar-
ten solle, mitzutheilen, — aber sie kamen nicht zurück. Ver-
gebens suchte ich mich gegen die sengenden Sonnenstrah-
len zu schützen, indem ich mit dem Teppiche eine Überda-
chung über mir bildete; die Sonnenhitze ist in diesen Erd-
strichen nie heftiger, als gerade vor Anbruch der Regenzeit,
und wir hatten gewöhnlich um 2 Uhr 106° bis 110°. — Als
der Mittag vorüber war, wurde ich ungeduldig, beson-
ders desshalb, weil ich nichts zu essen hatte und auch kein
Brennholz da war, um selbst das einfachste Mahl zu kochen.
Endlich etwas vor 3 Uhr kehrten meine Boten zurück,
aber man sah es ihnen gleich an, dass sie keine Überbringer
günstiger Nachrichten waren. Der Amtmann von Bügomän
verweigerte dem ausdrücklichen Befehl seines Landesherm,
des Sultans von Baghirmi, Gehorsam und lehnte es ab, mich
I
296 XI. Kapitel.
in die Stadt zu lasseu. Es blieb uns also nur übrig, nach
dem Dorfe MatuärT, wo vrir so freundlich bewirthet worden
waren, zurückzukehren. Indem wir daher das Schaaf, das
wir noch nicht hatten schlachten können , mit fortschleppten,
kehrten wir auf demselben Wege, den wir gekommen, zurück.
Wir blieben in Matuarl den folgenden Morgen, und ich
hatte hinlänglich Zeit, über meine Lage in diesem Lande
nachzudenken. Es unterlag keinem Zweifel, dass die Mehr-
heit der Einwohner gegen Fremde sehi' stark eingenommen
war, und ich hielt es daher für das Geeignetste, nach Lögone
zurückzukehren und dort des Sultans Antwort abzuwarten;
aber meine Gefährten waren dieser Meinung nicht, sondern
erklärten, dass es mir nicht freistehe, das Land zu verlassen,
nachdem ich es einmal betreten. Es wurde also beschlos-
sen, dass wir in der Richtung nach der Hauptstadt weiter
gehen und dann nach Maassgabe der Umstände handeln soll-
ten. Wir brachen nur desshalb nicht sofort auf, weil meine
Gefährten durch den ausgedehnten Wald, den wir vor uns
hatten, zur Nachtzeit zu reisen wünschten, da während einer
ganzen Tagereise kein Wasser anzutreffen war und unsere
Leute keine Wasserschläncho hatten.
Um meine Mussozeit anzuwenden, machte ich einen Spa-
ziergang nach dem schon erwähnten Dorfe Bügari, wo Markt-
tag war, und ich freute mich, in Betracht der geringen in
diesen Ländern herrschenden Entwickelung der Lebensver-
hältnisse einen ziemlich regen Verkehr auf dem Markte an-
zutreffen. Es waren gegen 20 Stück Rindvieh, 60 — 80 Schaafe
und ein Dutzend Esel zum Verkauf ausgeboten, ferner ein gutes
Sortiment von schwarzen und weissen Toben und ein reich-
licher Vorrath von Butter und Honig, von Hirse, Bohnen
und Erdmandeln; die letzteren waren besonders in Menge
vorräthig und lieferten hinreichenden Beweis, dass auch in
diesen Gegenden jener werthvoUe Handelsartikel in i-eich-
licher Fülle wächst und ein hauptsächliches Nahrungsmittel
Der Maiitverkehr in Biigari. 297
der Bewohner bildet; das Ausgebot von Baumwolle aber
war nur beschränkt.
Die Stapelwaare des Marktes bestand in Toben, Halbtoben
und einfachen Baumwollenstreifen — „farda" — von 3 Zoll
Breite und 3 — 4 Drä Länge. Leider ermangelte ich dieses
Werthmaasses gänzlich, und die Leute verwarfen verächtlich
die elenden kurzen Hemden — „döra" — , welche ich von
Bomu mitgebracht hatte, so dass ich ungeachtet des reich-
lichen Ausgebotes auf dem Markte leicht unversorgt geblieben
wäre. Es gelang mir jedoch, einige Farda für Nadeln zu
kaufen, indem ich 4 Nadeln für je eine Farda bezahlte;
auch kaufte ich etwas Butter für einige Glasperlen.
Die ganze Gegend ist nur sehr kärgUch mit Wasser ver-
sehen, und der Brunnen in MatudrT, welcher nur 2^ Klaftern
tief ist, lieferte gar wenig. Die Brunnen in Biigari waren
3 lOaftern tief, gaben aber auch nicht mehr. Wollte man
freilich zu grösserer Tiefe graben und gehörige Brunnen her-
stellen , so würde man Wasser in hinlänglicher Menge er-
halten; aber die Leute gehn lieber täglich in ein weit entfern-
tes Dorf, um ein wenig Wasser zu holen, als dass sie sich
einige Wochen lang anstrengten, um einen für längere Dauer
berechneten Brunnen herzustellen.
Nachdem wir von der gesammten männlichen und weib-
lichen Einwohnerschaft des Dorfes herzlichen Abschied ge-
nommen hatten, begaben wir uns um 3 Uhr Nachmittags
wieder auf den Weg und setzten mit Ausnahme eines kurzen
Haltes, den wir bei Sonnenuntergang in einem Weiler
Namens „Büru-nyigo" — „Hyänenhöhle" — machten, un-
sere Reise ununterbrochen bis 11 Uhr Nachts fort. Der
eben erwähnte Weiler liegt am Saume der Wildniss, und
hier hatten wir die Pferde zu tränken und unseren eigenen
Wasserbedarf einzunehmen, sowie ich auch einigen Leuten,
die mir den ganzen Weg von Bügari aus gefolgt waren,
Arznei geben musste.
I
296 XL KapiteL
Nachdem wir etwas über 5 Stunden in der Mitte des
Waldes gerastet hatten, ohne von Menschen oder Thieren
belästigt zu werden setzten, wir unseren Zug durch die Wal-
dung fort. Sie bestand hier aus dichtem Gestrüppe, in
welchem grössere Bäume immer seltener wurden; hierauf
lichtete sie sich, und Schwärme von Turteltauben schie-
nen die Nähe von Wasser anzudeuten, obgleich freilich
diese Art von Andeutung sich mitunter als ganz unrichtig
erweist.
Als wir den Wald, der während der Regenzeit einen gar
verschiedenen Anblick gewähren muss, verlassen hatten, wur-
den bald Spuren früheren Anbaues sichtbar, selbst von Se-
sam (von den Kanöri „marraschi", von den Baghirmiem
„kärru" genannt), wie an der Tiefe der Furchen zu erken-
nen war. Selbst die jetzt hier herrschende Dürre vermochte
nicht die Einwohner einiger kleiner Weiler aus ihren gelieb-
ten Hoimathssitzen zu vertreiben; sie zogen ein elendes Da-
sein daheim den Bequemlichkeiten der Fremde vor. Wir
begegneten einem zahlreichen Haufen von Weibern und Kin-
dern, welche lieber jeden Morgen und Abend ihren unent-
behrlichen Wasserbedarf mehrere Meilen weit herholen, als
ihr heimisches Dorf aufgeben wollten.
Wir kamen nun durch einen anderen, gleichfalls von Wasser
entblössten Weiler, Hessen mehrere von angebauten Feldern
umgebene Dorfschaften in einiger Entfernung liegen und er-
reichten endlich das ersehnte El Dorado, wo sich Wasser vor-'
fand. Da war, wie zu erwarten stand, reges Leben am Brun-
nen, welcher die ganze durstige Nachbarschaft zu versorgen
hatte. Menschen, Kameele und Esel drängten sich umher, be-
gierig des Augenblicks harrend, wo die Reihe an sie kom-
men würde; und da der Bromnen 10 Klaftern tief war,
verging natürlich eine beträchtliche Zeit, ehe sie alle be-
friedigt werden konnten. . Vom Volke freundlich begrüsst,
schlug ich mein Zelt bei einem grossen Kautschukbaum
Der Hadj Bü-Bakr Ssadik. 299
— „tschedia" — auf, welcher jedoch nur spärlichen Schatten
gab, da das junge Laub noch nicht ausgeschossen war.
Ich kostete hier zum ersten Male eine Schüssel Sesam, wel-
cher ganz wie ein dicker Brei aus Hirse bereitet war, aber, mit
der gewöhnlichen Afrikanischen Brühe von Küka- oder Affen-
brodbaum-Blättem nur schwach gewürzt, mir nicht eben ein
sehr leckeres Gericht schien. Das Dorf, das Mokori genannt
wird, hat ein wohnliches Aussehen; das Indigostampfen in
den Färbergruben ging hier unaufhörlich, selbst während der
Tageshitze, vor sich. In der Nähe wohnten einige Fulbe-
oder Felläta- Schäfer, und ich erhielt hier für einige Glas-
perlen etwas Butter, sowie auch etwas Reis, nämlich wil-
den; denn der Reis wird hier nicht angebaut, sondern
nur in der Wildniss aus der vom Elephanten und Rhino-
ceros übrig gelassenen Saat eingelesen. Ich hätte hier über-
haupt recht guter Dinge sein können, hätte mich nicht die
Ungewissheit meiner Lage im Lande beunruhigt.
Als wir am Nachmittag unsere Reise fortsetzten, führte
unser Weg durch eine fruchtbare Landschaft, die theils mit
Hirse, theils mit Sesam bestellt war, bis wir bei der ersten
Gruppe des Dorfes Bäkadä anlangten, welches aus vier ge-
schiedenen Weilern besteht. Hier wünschten meine Gefährten
für mich Herberge zu nehmen ; aber glücklicherweise weigerte
sich der Amtmann des Dorfes, uns aufzunehmen, so dass sie
genöthigt waren, die Gastlichkeit eines anderen Weilers an-
zusprechen, wo ich denn das Glück hatte, in dem Hause
eines Mannes Aufnahme zu finden, dessen Bekanntschaft zu
den angenehmsten Erinnerungen meiner Reise gehört. Dies
war Hadj Bü-Bakr Ssadik, ein hagerer alter Mann von sehr
liebenswürdiger Gemüthsart, dem ich für viele Güte und
wichtige Auskunft zu grossem Danke verpflichtet wurde.
Während meine Leute mein Zelt auf seinem kleinen, durch
ein halbverfallenes Wetterdach etwas beschränkten Hof-
ramne aufschlugen, sass der gute Mann staunend daneben,
I
300 XL Kapitel.
und als er sich durch die Art meiner ^Behausung von mei-
ner eigenen Abkunft tiberzeugt hatte, erzählte er mir auf
gut Arabisch, dass er dreimal die Wallfahrt nach Mekka
gemacht und die grossen Schiffe der Christen auf der See
von Djidda gesehn habe. Er erinnerte sich genau der
sämmtlichen Ortschaften, die er im Verlauf seiner langen
Wanderungen besucht hatte.
Hoch erfreut, dass mich der Zufall mit einem solchen
Manne zusammengeführt, entsandte ich am folgenden Morgen
meinen Gefährten Grema *Abdü und die beiden Boten nach
der Hauptstadt, um dem Vicestatthalter anzuzeigen, dass
der Amtmann von Bügomän seinem ausdrücklichen Befehl
den Gehorsam und mir die Aufnahme in der Stadt verweigert
habe, und um anzufragen, was nun aus mir werden solle.
Ich schloss ein Geschenk bei und ersuchte ihn dringend,
mir entweder den Eintritt in die Hauptstadt, oder die Rück-
kehr nach Bornu zu gestatten. Grema versprach, am fol-
genden Morgen mit einer entscheidenden Antwort zurückzu-
kehren; er hielt jedoch nicht Wort, sondern blieb volle
7 Tage aus, obgleich die Hauptstadt nur 10 Meilen entfernt
war. Es traf sich daher sehr glücklich, dass ich Bü-Bakr
Ssadik's Gesellschaft hatte; denn Niemand vermochte mir
eine solche Einsicht in die Beschaflfenheit und Geschichte
dieser Gegenden zu geben, wie dieser Mann.
Er gab mir eine lebhafte Beschreibung von dem grossen
Nationalkampfe, den seine Landsleute gegen Bornu geführt,
und bei dessen Schlachten er meistens betheiligt gewesen
war. Er hob mit Recht hervor, dass die Sklaven seines
Herrn den Scheich Mohammed el Känemi zweimal geschla-
gen und dass der Scheich nur durch den Beistand zweier
auf einander folgender Sultane von Fesän, des Müstapha el
A'hmar und Muckeni's, endlich den Sieg errungen und nach
Zerstörung der Städte Babäliä und Gaui und nach Besitz-
nahme der Hauptstadt sich zeitweilig zum Herrn des Landes
Verwilderter Zustand des Landes. 301
gemacht Labe. Er beschrieb mir mit unverstelltem Behagen,
wie seine Landsleute die Felläta, welche die Djemmära in
ihrem Vaterlande hätten errichten wollen, zurückschlugen,
und wie sie nachher einen erfolgreichen Rachezug gegen Bögo,
eine der Niederlassungen dieses Volkes, ausführten.
Bü-Bakr war wirklich in jedem Sinne des Wortes ein Patriot
zu nennen. Obgleich ein seinem Sultan treu ergebener Unter-
than, betrachtete er doch mit der tiefsten Bekümmerniss den
Verfall seines Vaterlandes, mit Hinblick auf den Wohlstand
und Einfluss, dessen es sich vor der Zeit erfreute, wo es *Abd el
Kerlm Ssabün, der Sultan von Wadai, eroberte, seine Schätze
raubte, den König zinspflichtig machte und ganze Schaaren der
Einwohner in die Sklaverei schleppte. So war die gesammte
Wohlfahrt des Landes vernichtet worden, und nicht nur dessen
Reichthum an Silber und Vieh verschwunden, sondern es
hatte sich auch, wie er es in dem Trübsinn seines Gemüthes
ansah, Verfall und Verderben über die Natur selbst verbrei-
tet; — denn ganze Gemarkmigen, welche früher reich ange-
baut und mit Dorfschaften bedeckt gewesen wären, seien
jetzt zur Wildniss geworden, und früher reichlich mit Wasser
versehene Gegenden litten jetzt die äusserste Dürre. Wür-
mer, sagte er mii*, verzehrten ihr Getreide und Gemüse und
verurtheilten sie zur Hungersnoth.
Dies Alles war wahr, so weit es den gegenwärtigen Zu-
stand des Landes betraf; denn wenn ich gleich nicht sagen
kann, ob dessen natürliche Beschaflfenheit jemals viel günsti-
ger war, so gab es doch bezüglich seiner Regierung und po-
litischen Bedeutung einst eine Zeit, wo es sich eines besseren
Gedeihens erfreute. Es hat wirklich den Anschein, als ob
das Land von göttlicher Züchtigung heimgesucht würde, zur
Strafe für die Vergehen der Vorfahren und das gottlose
Leben des früheren Herrschers. In keinem von mir be-
reisten Lande in ganz Sudan habe ich so ungeheuere Schaa-
ren von zerstörenden Würmern und ein solches Vorherrschen
302 XL KspiteL
von Ameisen oder Termiten gefunden, wie in BaghirmL Na-
mentlich schwärmt der „hallu-uendi", ein grosser schwarzer
Wurm, so lang, aber viel dicker, wie die grösste Raupe, hier
in Millionen und verzehrt einen sehr beträchtlichen Theil
der Landeserzeugnisse. Bö-Bakr zeigte mir auch ein an-
deres, viel kleineres, aber nicht minder gefrässiges Insekt,
den „kundjungdjüdu*', einen ungefähr Va Zoll langen Käfer
von gelber Farbe, an welchem aber die armen Einwohner,
wie es auch in anderen Theilen von Afrika mit den Heu-
schrecken geschieht, ihre Rache zu nehmen nicht verfehlen,
indem sie das Insekt, wenn es auf ihre Unkosten dick und
fett geworden ist, — selbst verspeisen, — eine Sitte, welche,
wie so manche andere, noch von ihrem früheren heidni-
schen Zustande herstammen mag, wie es denn auch bei den
Ssokorö noch allgemein üblich ist, einen grossen ,,demäna"
genannten Käfer zu essen.
Auf andere Arten von Würmern werde ich weiter unten
zurückzukommen haben; was aber die schwarzen (Termes
mordax) und weissen Ameisen (Termes fatalis) betrifft, so
führte ich selbst mit ihnen wiederholt während meines Aufent-
haltes im Lande eine erbitterte, aber erfolglose Fehde. Be-
reits am zweiten Tage meiner Anwesenheit in Bäkadä be-
merkte ich, dass die weisse Ameise (Termes fatalis) mein
Bett, das ich auf einer groben, aus den dicksten Binsen ge-
machten Matte — „ssiggedi", wie sie auf Kanöri, oder
„läba", wie sie auf Baghirmi heisst — ausgebreitet hatte, mit
gänzlicher Zerstörung bedrohe. In Ermangelung besseren
Schutzes ei*sann ich daher ein Auskunftsraittel, das nach mei-
nem Dafürhalten mein Lager gegen die ferneren Angriffe die-
ser unerbittlichen Eindringlinge sicherstellen sollte, indem ich
mein Bett mit der dicken Binsenmatte und einer dünneren
Matte auf drei sehr dicke Stangen legte ; aber ich hatte bald
Veranlassung, zu entdecken, dass diese gefrässigen Insekten
nicht durch derlei Mittel abzuschrecken seien ; denn ich fand
Kampf mit den '^reissen Ameisen. d03
2 Tage nachher, dass sie nicht nur ihre Schanzen längs der
Stangen gezogen und deren Ende erreicht, sondern sich auch
durch die beiden groben Matten durchgefressen, ein grosses
Stück meines Türkischen Teppiches verzehrt und verschiedene
•andere Gegenstünde zerstört hatten. Und während meines
ferneren hiesigen Aufenthaltes konnte ich nur mit der grössten
Mühe diese Insekten von der Zerstörung aller meiner Sachen
abhalten ; denn ihre Gefrässigkeit und Zerstörungskraft scheint
bei Anbruch der Regenzeit zuzunehmen, und diese nahte jetzt
mit schnellen Schritten heran.
Das Wetter war ausserordentlich schwül; wir hatten am
3ten April das erste Gewitter, und von diesem Tage an brach
fast täglich ein solches los ; jedoch fiel im Ganzen nur we-
nig Regen.
Das Dorf Bakadä selbst enthielt natürlich wenig An-
ziehendes. Es war in früherer Zeit nur ein „yöeö" (ein Skla-
ven- oder Landwh'thschaftsdorf) gewesen, während damals
die Herren der Feldarbeiter in einer anderen Ortschaft Na-
mens Küstia gewohnt und sich erst seit einigen Jahren hier
niedergelassen hatten; es ist jedoch auch jetzt noch ei-
gentlich nur ein Ackerbaudorf, indem blos Getreide erzeugt
wird und die Einwohner nicht eine einzige Kuh besitzen, so
dass Milch und Butter für grosse Luxusartikel gelten, ja selbst
nicht einmal ein Huhn zu haben ist. Was aber Getreide be-
trifi't, so ist Bäkadä nicht ohne Bedeutung, sondern im Ge-
gentheil einer der wichtigsten getreideerzeugenden Plätze im
Lande, besonders für Sorghum — ngaberi" oder, wie sie es
hier nennen, „uä" — während weisse Hirse — „tschengo" —
nicht 80 viel gezogen wird. —
Sonntags wird beim westHchen WeUer ein Markt gehalten ;
derselbe ist aber sehr armselig und war es um so mehr für
mich, da die Leute sich weigerten, irgend einen der kleinen
Artikel, die ich noch besass, als Zahlung anzunehmen, und
mein ganzes Vermögen bestand damals aus 3000 Muscheln
d04 XI. Kapitel.
— d. i. ein wenig über einen Spanischen Thaler — , aus
einem kleinen Vorrath Glasperlen, einigen Spiegeln und
liauptsächlich aus Nähnadeln, während die Leute auch hier die
schon erwähnten, mir gänzlich fehlenden Kattunstreifen ver-
langten. Das gesammte Ausgebot von Luxusartikeln auf dem'
Markte bestand in einem einzigen elenden Schaafe, und als
Vertreter des gebildeten Auslandes fand sich ein halber Bo-
gen Schreibpapier.
Sonst gab es im Üorfe gar nichts von Interesse, mit Aus-
nahme meines liebenswürdigen, verständigen und gütigen
Wirthes Bii-Bakr Ssadik. Der arme Alte war entrüstet über
die Nachlässigkeit, mit der man mich behandelte; er war
aber schwach, schüchtern und ohne Einfluss in höheren
Kreisen. Die Auskunft, welche ich nach und nach von ihm
während meines einförmigen hiesigen Aufenthaltes sammelte,
findet sich im Anhange an den betreffenden Stellen vor. Es
war belustigend, zu sehn, wie der gute Mann während der
ganzen Zeit, wo er sich mit mir unterhielt, nicht einen
Augenblick müssig war; denn entweder nähte er, theils an
einem Kleidungsstücke für sich selbst, theils an einem Um-
wurf für eine seiner Frauen, die er in der Hauptstadt hatte
und bald zu besuchen gedachte, oder er schabte eine als
Arznei dienliche Wurael, oder wählte Indigo aus, um seine
Tobe zu färben, oder las, wenn er nichts Besseres zu thun
hatte, einzelne Getreidekörner vom Boden auf, da er es in
seinem frommen Siim für eine Sünde hielt, eine so herrliche
Gottesgabe zu verschleudern.
Die anderen Einwohner des Ortes waren zierahch ohne
Bedeutung; ich hatte viel Mühe mit dem Manne, der uns
bei unserer Ankunft Aufnahme verweigert hatte; denn in-
dem er krank war und ein Abfiihnmgsmittel brauchte,
fand ich die gewöhnlichen Mittel, mit denen ich versehen
war, für seinen herkulischen Leib zu schwach, bis es mir
endlich durch eine Dosis von einem halben Dutzend Unzen
Äussere ErscheinUDg der Baghirmier. 805
Glaubersalz, vermischt mit 3 oder 4 Drachmen Wmmpulver
gelang, ihn von der Wirksamkeit meiner Ai-zneien zu über-
zeugen.
Im Allgemeinen sind die Baghirmier viel ansehnlicher von
Gestalt, als die Bomauer; die Männer übertreffen letztere an
Grösse und Muskelkraft, wie sie es auch an Muth und That-
kraft thun; besonders aber ist der Wuchs der Weiber un-
vergleichlich vorzüglicher. Die Baghirmierinnen sind nämlich
im Allgemeinen wohlgebaut, schlank und nicht so vierschrö-
tig, wie die hässlichen Bornauerinnen, haben ebenmässige
Glieder, regelmässige Züge und einen angenehmen Ge-
sichtsausdruck; einige mit gi'ossen, dunklen, schönen Augen
könnte man selbst hübsch nennen. Sie haben nichts von
den weiten Nasenlöchern ihrer westlichen Nachbarinnen,
welche durch die garstige Koralle im linken Nasenflügel
noch mehr entstellt werden. Während der Haarputz der
Bomaueriimen hauptsächlich in einer Masse von Fett oder
Butter besteht, die sie auflegen, wenden die Baghirmierinnen
beträchtliche Sorgfalt auf die Frisur, und die Art, wie sie
das Haar ganz in der Form eines Helmbusches tragen, steht
ihnen vortrefflich, da sie der hohen, wohlgebauten Gestalt
ausnehmend gut entspricht. Es ist desshalb nicht ohne
Grund, dass die Frauen von Baghirmi im Sudan weit und
breit berühmt sind. Ihre Kleidung ist sehr einfach, der in
Bornu üblichen ähnlich, und besteht in der um die Brust
befestigten schwarzen Türkedl; Von den Reicheren wird ge-
wöhnlich noch eine zweite Tiirkedi über die Schultern ge-
worfen.
Die Weiber sehen im Allgemeinen sehr gesund aus, aber
die Männer leiden viel an einem eigen thümlichen Übel, wel-
ches in der Landessprache „mukdrdam" genannt, von den
Arabern aber mit dem Guinea -Wurme unter Einer Benen-
nung, nämlich „ferentit" oder „ärük", begriflen wird, obgleich
es davon sehr verschieden zu sein scheint. Es besteht näm-
Barth'« Belsan. Ul. 20
306 XL KapiteL
lieh in einem Wurme, welcher die kleine Zehe bewohnt und
dieses Glied, beim Gelenk anfangend, allmählich zerfrisst, so
dass es aussieht, als wenn es mit einem Faden abgebunden
wäre. Ich halte dieses Insekt für identisch mit der Malis
Americana oder Sauvagesii oder, wie es gewöhnlicher heisst,
Pulex penetrans^ einem in Amerika wohlbekannten, sehr klei-
nen schwarzen Insekte. Diese Krankheit ist in hiesiger Ge-
gend so verbreitet, dass man unter zehn Leuten wenigstens
Einen findet, der nur vier Zehen hat.
Dann und wann belebte sich das Dorf durch die Ankunft
einer Karawane von Pilgern oder einer Truppe von einhei-
mischen Reisenden — „tugürtschi'' oder „fatäki" — . Von
den Pilgern befanden sich einige mit einem Schatze wirrer
Eindrücke der geschauten, aber von ihnen kaum verstandenen
Dinge auf der Heimreise, während andere mit den beschränk-
ten Vorurtheilen ihrer fernen Heimath ostwärts zogen. Es wa-
ren unter ihnen Leute aus allen Theilen des Sudans ; aber un-
glücklicherweise konnte ich ihnen weiter nichts anbieten, als
Nähnadeln, mit welchem Artikel ich sie für ihre beschwer-
liche Reise bereitwillig unterstützte, weil für den Reisenden
nichts von grösserer Wichtigkeit ist, als sich das Wohlwol-
len dieser Leute zu erwerben, welche in diesen Gegenden
die Träger der öffentlichen Meinung sind. Meine Freigebig-
keit mit Nähnadeln und nichts als Nähnadeln erwarb mir
desshalb bei diesen witzigen Leuten den Titel „malärlbra"
— „Nadelnprinz" — ; aber obgleich sie immerhin von Nutzen
war, insofern sie meine freundliche Gesinnung zu erkennen
gab, so war dies doch kaum hinreichend, um einen nähe-
ren Verkehr anzuknüpfen. Von einem dieser Wanderer aus
der Feme, einem sehr einsichtsvollen, aus Kebbi gebürtigen
Manne, erhielt ich jedoch die erste Mittheilung über die
dichte Bevölkerung jener reichen, fruchtbaren Landschaft,
die ich bald selbst besuchen sollte.
Auch ein zahlreicher Zug Pilger aus Wandala oder Man-
Pilger- und Handelskarawanen. 307
dara erregte viel Aufsehen, 'und ich gerieth mit ihnen in
eine lebhafte Unterhaltung über das Verhalten ihres Fürsten
— „tukse-male" — zum Herrscher von Bornu; denn sie
stellten schlechterdings ni Abrede, dass sich ihr Fürst unter-
worfen habe, um jenes zahlreiche Heer, das wir vor einigen
Monaten nach Müssgu begleitet hatten, von seinem Lande ab-
zuhalten. Die ärmeren Mitglieder der Karawane zogen un-
ter Trommelschlag durch die Weiler, um durch Sammeln
von Almosen die Mittel zur Fortsetzung ihrer verdienstlichen
Reise zu erhalten, während die Reicheren zu meinem Wirthe
kamen imd von ihm ihren Getroidebedarf kauften.
. Auch ausserdem bot der Handelsverkehr des Dorfes, wo
ich mich so lange aufhalten musste, ungeachtet der Unbe-
deutsamkeit des Marktes noch manche andere interessante
Erscheinungen dar. Unter Anderen Hessen sich hier mitunter
kleine Trupps von Haussa-Kaufleuten — „dangarünfa" —
sehn ; es waren schlanke, thätige Burschen, an Strapazen ge-
wöhnt und mit kleinem Gewinne zufrieden, welche kleine
Packete mit Indigo gefärbter Hemden und anderer Waaren
den ganzen Weg von Kanö nach Baghirmi auf dem Kopfe
getragen hatten, um dieselben gegen die schönen Esel von
Dar-För, welche von Reisenden aus dem Osten hierher ge-
bracht werden, zu vertauschen.
Nicht weniger interessant war der Durchzug einiger Leute,
welche zu einer in ^^asena angekommenen zahh^eichen Kara-
wane Djelläba aus Nimrö iÄ Wi'idai gehörten; es waren ih-
rer etwa 12 mit ungefähr 20 Lastochsen und Eseln. Die
Fracht der Karawane bestand hauptsächlich in Kupfer von
dem grossen Kupferbergwerk „el Höfra" (hn Süden von Dar-
För), welches sie westwärts bis nach Kanö brachten, wo die-
ses schöne Metall gegen das von den Arabischen Karawanen
aus Tripoli eingeführte alte Kupfer den Markt behauptet.
Die in Bakadä angekommenen Leute waren jedoch die Är-
meren von der Truppe, und ihre Waare bestand ausschliess-
20*
I
306 XL Kapitel.
lieh in einem vorzüglichen Steinsalz, welches die T§bu-Gu-
rä,än vom Bürrum oder dem Bahhr el Ghasal nach Wära
bringen, wo es von den Djelläba aufgekauft und bis nach
Logon und Küssuri vertrieben wird. Ich kaufte für einen
Bogen Papier etwas von diesem Salz und fand es, von einem
entschieden fischigen Geschmack abgesehen, vortrefflich.
Ich stieg nur selten zu Pferde, da ich absichtlich Alles
vermied, was Aufmerksamkeit oder eifersüchtige und nei-
dische Gefühle erregen konnte; am lO^^^i wurde ich jedoch
zu einem langen Ritte genöthigt, weil sich mein Kameel
— damals mein einziges Lastthier — verlaufen hatte.
An der südöstlichen Seite des Dorfes befindet sich eine
sehr einförmige Waldung, wo viel hohes Riedgras wächst,
während die anderen Seiten meistens angebautes Land ent-
halten, welches von Hadjilidj („djänga", wie er hier heisst),
Nebek- oderKüma*)- und Talha-Bäumen (hier „kelaia" ge-
nannt) beschattet wird. Ich fand es bemerkenswerth , dass
alle Felder, selbst die, auf denen Hirse und Sorghum gebaut
wurde, in tiefen Furchen — „deräba" — bestellt waren, —
ein Betrieb des Getreidebaues, der mir im Sudan bisher
nicht vorgekommen war. Ausser Getreide ward viel Sesam
— „karru" — , Baumwolle — „nyere" — und Indigo — „alT-
ni" — gebaut; die Pflanzen waren gegenwärtig 2^ — 3 Fuss
hoch und blätterlos. Auch an der Nordostseite war eine
beträchtliche Waldung und der einförmige Wuchs mittel-
*) Der Name dieses im ganzen Sudan so häufigen Baumes ist in den
Formen Koma, Kürna, Kürnahl, Kümi, Kirna eines der am weitesten ver-
breiteten Wörter für Gegenstände im Gebrauche des Menschen, wonach man
vermuthcn sollte, dass der Baum in den gegenwärtig mit ihm bewachsenen
Gegenden nicht einheimisch, sondern daselbst von einem einzelnen Punkte aus
eingeführt worden sei. Diese Folgerung erscheint jedoch bei näherer Unter-
suchung als nicht probehaltig. Der Baum ist jedenfalls nicht aus einem
nördlicheren Klima in den Sudan verpflanzt worden, so wenig wie der Bala-
nites Aegypiiacus und die Cucifera^ welche irrthümlich Thebaica genannt
wird, während sie eher den Namen Nigritica verdient.
Antwort vom Vicestatthalter. 309
grosser Mimosen ward von mehreren Gruppen schöner Bäume,
darunter viele breitästige Kalgo's, anmuthig unterbrochen;
der Wald war reich an Perlhühnern und Gazellen. Der Bo-
den war bereits von der Nässe leidlich durchfeuchtet ; schöne
Büschel saftigen Grases schössen hie und da auf, und ich
konnte mein Pferd an einer Pfütze tränken; aber diese
Fülle des nassen Elementes war natürlich nur eine zeitwei-
lige Folge des schweren Regenfalles in der verflossenen Nacht,
und die armen Einwohner litten, da ihr tiefer Brunnen bei-
nahe trocken war, nach wie vor schmerzlich von der Dürre.
Nur allein wegen des Wassers hatte ich wiederholt Zwist
mit den Eingeborenen; denn sie wollten meinem Pferde kaum
einen hinlänglichen Antheil gewähren, obgleich ich dafür eine
beträchtliche Summe zu zalilen hatte. —
Ich wusste mich inzwischen kaum länger zu gedulden.
Endlich, am Abend des 6ten April, kehrte mein Geleitsmann
Grema, den ich am Slsten März nach der Hauptstadt ge-
sandt hatte, um mir unverzüglich eine bestimmte Antwort zu
bringen, mit einem Boten des Vicestatthalters zurück, —
aber nicht, um eines meiner beiden Gesuche zu gewähren,
sondern um mich vielmehr zu bereden, geduldig zu warten,
bis vom Sultan selbst eine Antwort ankommen würde. Da-
mit ich inzwischen keinen Hunger leiden möchte, brachten
sie mir ein Schaaf zum Schlachten und ein Hemd, um dafür
in einem benachbarten Dorfe Lebensmittel einzukaufen; da
jedoch ausser Hirse und Sorghum nichts zu haben war , er-
klärte ich es für durchaus unerlässlich , mich entweder nach
der Hauptstadt kommen, oder zurückkehren zu lassen. Ich
ersuchte Grema, bei mir zu bleiben; er gab aber vor, er
müsse unbedingt nach der Hauptstadt, wo sein Diener krank
liege, zuriickkehren. Da ich nicht vermuthete, dass er mich
im Stiche lassen wolle und die Absicht habe, sich dem Zuge
des Sultans anzuschliessen, liess ich ihn gehn imd beschloss,
noch einige Tage geduldig zu harren.
310
XI. Kapitel. Antwort vom Vicestatthalter.
Es dauerte mir aber denn doch zu lange, und als am
13ten auch mein freundlicher Wirth Bü-Bakr Ssadik selbst in
die Hauptstadt ging, hatte ich Niemanden, der meine Un-
ruhe beschwichtigte. Ich hatte mich vennittelst meines Wir-
thes noch einmal an den Vicestatthalter gewandt und ihn
ersucht, mich ohne weiteren Aufschub in die Hauptstadt zu
lassen, und Bü-Bakr hatte es mir auf das Bestimmteste
zugesagt, dass ich vor Donnerstag Abend (also am löten
April) eine entscheidende Antwort haben sollte. Da ich auf
diesem Baghirmi - Zuge zum Transport meines Gepäckes nur
Ein und noch dazu schwaches Kameel besass, so hatte ich fast
gar keine Bücher mitgenommen, und die geringe Auskunft,
die ich einzuziehen vermocht hatte, reicht« nicht hin, um
meinem rastlos voi-wärts strebenden Geiste genug Nahrung
zu gewähren; ich empfand daher grosse Niedergeschlagen-
heit.
Die Folge davon war, dass ich, als auch der Donnerstag
verflossen und weder Bü-Bakr selbst, noch eine Botschaft
von ihm angekommen war, nun beschloss, meine Drohung
zur Ausführung zu bringen und mich am nächsten Morgen
auf den Rückweg zu begeben.
XII. KAPITEL.
Versuch» das Land zu verlassen. — Verhaftung. — Endlicher Einzug in
Mäscna. — Mäsena's Eigenthümliehkciten.
[Freitag, i6''«'* ApriL'] Mit Tagesanbrucli stand ich auf,
um mich reisefertig zu machen. Der Himmel war trübe und
es regnete etwas, wodurch einige Zögerung entstand; sobald
aber der Regen nachgelassen hatte, liess ich mein Eameel
packen und das Pferd satteln. Mehrere von Bü-Bakr's Ver-
wandten und Freunden versuchten mich zum Bleiben zu be-
wegen, aber mein Entschluss stand fest, und indem ich auf
die Behandlung, die icli in diesem Lande erfahren hatte, hin-
wies, stieg ich zu Pferde und ritt davon. Meine drei Diener,
ebenfalls über ilire Behandlung verdriesslich, folgten mir, wenn
auch keineswegs frohen Muthes.
Wir kehrten auf demselben Pfade zurück, den wir gekom-
men w^aren ; aber der Regen hatte denselben fast unkenntlich
gemacht, und wir hatten grosse Mühe, die rechte Spur zu
verfolgen. Die Sonne schien nach dem Regen der vergange-
nen Nacht mit gewaltiger Stärke, wie es so oft im tropischen
Klima der Fall ist. Da es nun nicht meine Absicht war,
heimlich zu entfliehen, so beschloss ich, während der Hitze
in Mokorl Halt zu machen, und schlug ruhig mein Zelt auf;
denn ich erwartete bestimmt, dass man mich hier suchen
würde, wenn man meiner Person bedürfte.
Nach der schmalen Kost, auf welche ich so lange Zeit in
Bäkadä beschränkt gewesen, freute es mich sehr, mir hier
i
312 XII. Kapitel.
ein Huhn, etwas Butter und Milch verschaffen zu können, und
es war für mich eine Festtagsfreude, mich an diesen einfachen
Genüssen zu erquicken. Die Art, wie ich diese Lebensmittel
kaufte, war sehr umständlich, indem ein langer Tauschhandel
vermittelst Glasperlen, Nähnadeln und etwas Natron, das ich
vonKukaua mitgebracht hatte, stattfand. Der Preis des Huhnes
war 3 Stopfnadeln. Bei Erwähnung dieser Nadeln halte ich es
für passend, die Verpflichtung anzuerkennen, die ich in dieser
Beziehung gegen Herrn Charles Beke, den Abyssinischen Rei-
senden, habe, auf dessen Rath ich mich in London mit einem
kleinen Sortiment dieser Waare versehen hatte. In Mittel-
Sudan fand ihr Werth keine Anerkennung, aber hier in Ba-
ghirmi waren mir die groben Nadeln von vortrefflicher Eng-
lischer Arbeit äusserst nützlich und ich verdanke ihnen zum
Theil meinen Unterhalt im Lande.
Ich unterhielt mich ruhig mit den Leuten über meine
Lage; sie benahmen sich sehr freundlich gegen mich und rie-
then mir, falls im Laufe des Tages keine Nachricht von der
Hauptstadt eintreffen sollte, den Weg über K(Slle-K611e, Marga
und Djogode, welches letztere ein Ort von beträchtlicher Grösse
sei, einzuschlagen, um so den Huss beim Dorfe Kiessem zu
erreichen, wo ich nach Küssuri übersetzen könnte. Ich erhielt
hier von einem Felläta *) oder Pullo Namens *^Abd el Kader
einige wichtige Mittheilungen über das Flusssystem von Wa-
däi. Der Tag wäre übrigens sehr angenehm verflossen, hätte
sich nicht gegen Mittag ein starker Wind erhoben und mein
Zelt mit Staub und Sand angefüllt. Der Himmel war be-
wölkt, es fiel jedoch kein Regen.
Etwas nach Sonnenuntergang, wo sich das Gedränge am
Brunnen, der eine ausgedehnte Nachbarschaft mit Wasser
*) Die in Bornu und den benachbarten Ländern übliche Form ,, Felläta" ist
nach meinem DafUrhalten ursprünglich ein Plural, obgleich sie fortwährend als
Singular gebraucht wird.
Rückreise. — Der Honigkukuk. 313
versorgen musste, verloren hatte, mass ich die Wärme des
Wassers in demselben und fand 30 j\^ C. Der Brunnen war
15 Klaftern tief, die Temperatur der Luft betrug zur Zeit 30°
und war um 1 Uhr Nachmittags 37^ö^ t'- gewesen.
Ich brachte die Nacht nicht eben sehr erfreulich zu, indem
der Boden von Schwaben Ameisen (Termes mordax) wim-
melte, so dass das Kameel, wie auch das Pferd sich unruhig
umherwälzten und unseren Schlaf fortwährend störten. Früh
am Morgen setzte ich dann meine Reise westwärts ruhig fort.
Wald und Acker wechselten mit einander ab, wobei der An-
bau aus Hirse, Sesam und Baumwolle bestand. Weiber lasen
Hadjilidj-Blättcr auf, die sie in Ermangelung der geschätzte-
ren AflFenbrodbaum-Blätter zur Bereitung der geschmacklosen,
bei ihrer täglichen Mehlspeise gebrauchten Brühe benutzen.
DerHadjilidj war der am meisten vorkommende Baum ; ausser-
dem fand sich der von den Schüa „hömain" genannte Baum,
gegenwärtig ohne Blätter, aber mit Früchten bedeckt, welche
die Grösse einer Aprikose haben und im reifen Zustande von
den Bewohnern gegessen werden. Auch die „tsada" mit kirsch-
artiger Frucht, von den Schüa „abüdedje" genannt, war hier
sehr häufig.
Mein aufgeweckter Schüa-Bursche, der mich das Land jetzt
von einer ganz anderen Seite ansehn Hess, als ich es früher
vom Standpunkte der einheimischen schwarzen Bevölkerung
betrachtet hatte, machte mich hier auf den Honigkukuk
(Cuculus indicator) aufmerksam, welcher von den Schüa
„sclmeter" genannt wird und ein verwandeltes altes Weib sein
soll, das ihr verlorenes Söhnchen sucht und mit „schneter,
schneter !" beim Namen ruft. Dieser kleine Vogel hat überall
in Afrika zu allerlei seltsamen Mährchen Veranlassung ge-
geben.
Fünf Meilen weiter wünschten wir ip einem seitwärts von
der Strasse gelegenen Weiler Namens Bagäü Wasser zu er-
halten; als wir uns aber dem Brunnen näherten, stürzte ein
Tr4
<#nii#»r ffiitx^. aIä '^b -^ir *»s ^mniyr w^rtfayoUsosiL Babft htt-
nnh^rx wriWtAn. nnd wi«* iw» mit iirr>fai?sfier 'jefcenfe zarucftL
^^ jr- »«^ »f dt^ W*»rtfa /fpÄ W;i8swpi in dieaer ^fizrvsi fagaut!
Wir -»f^fjöv»:« ftb^A rniÄ#^r»»n Marwii fi>rt: <ii» Ei^sGAat Asse»
<^<*Tui*ni W^iW% k« >nnf>^n wir im» nur Airch ifen. «ek rm^iiBi
Wir HH:rtf^n Wann *to liickkfat »^far ♦ jestrnpfN* mit
l^m hrA^^ti Kr>br. toU von Spnr*^ di^r «jiraffi»^. eini?» in
Iwrffilk^Tt^^ Thrikti fU^ T^ndsan^ keme*w*?25 hantrggB TTütigj»:
aVf ^r PM, rf^i^n wir {ftkttfm. <»rww^ ^di ireiterimi ab S»
(f^nrShnlWi^ H^-^^T^nwfWf de^j E^phanten. EKe?*?s Tlüer war
w^*!!^ w^twärt*, narii #^to Flr»*«^ rn, nicht tlpI ron mir I»-
fWrfkt worden, währen/1 «sein f>hfrtwl. *ias Rkini>:i?r»>6. be-
r*^f«» fHcrht am Flnir^ hinlänffliche Bew^i^e seiner ttetrenwart
g#;jr^h^n haft^,
l'm ^J f'hr Mf]fru/:nsi n.ih^frten wir nn* dem I>jrtV KoDe-
Kollf*, wf-k'hf-M an-» rl^r fVme einf-n frr^^j^sartijren Anblick dar-
br>t. tndr'in frs von zw<-i stattlichen Ilelebpalmen und einem
lieblichen Taro^irindenhaine geziert war: was aber das Was-
nfT anlan^'t. Vf war (-> damit nicht viel besser bestellt^ als
in dem Dorfe. an«* dem wir vertrieben worden waren, indem
cä hinsichtlich dir-«f?s anentbehrlichen Dementes ron einer
b^rinahe 1 Meile etitfemten Schwesterdorfschaft abhing. Die
iHirre der vor mir liegenden Strecke nöthigte mich jedoch,
hier Halt 7M machen, um einen Vorrath von Wasser einzu-
nehmen, und das war der eirund, warum ich von Bagäü aus
dicHcn weiten Umweg nehmen musste.
AIm wir es uns im Schatten der Tamarinden bequem ge-
macht hatten, kamen einige Leute aus einem von uns unter-
wegs /tir Seite gelassenen Dorfe zu uns, um Arzneien zu er-
halten, imd di(j Weise, wie sie sich für meine Bemühung
erkc'nntlich zeigten, bewies so viel Zartgefühl und Artigkeit,
ibiMH ich die Annahme ihres Geschenkes nicht ablehnen konnte,
Das verödete Dorf Märga. 315
obgleich ich im Allgemeinen keine Bezahlung fiir meine Heil-
mittel nahm. Als sie sich nämlicli verabschiedeten , banden
sie ein Schaaf, das sie mitgebraclit liatten, an den Baum, un-
ter welchem wir ruhten, indem sie blos meinen Dienern an-
deuteten, es sei ein Geschenk für mich.
Ungeachtet der grossen Hitze während der Mittagsstunden
hielt ich es für's Beste, meine Reise ohne Aufschub fortzu-
setzen ; denn alle mir ertlieilte Auskunft stimmte darin über-
ein, dass die vor uns liegende Strecke eine ausgedelmte was-
serlose Wildniss sei. Es waren jedocli deutliche Spuren
vorhanden, dass während der Regenzeit dieser trockene
Wald mitunter zu einem ausgedehnten Morast wird, besucht
von Heerden von Giraffen und anderem wilden Gethier.
Zuerst war die Waldung licht; als wir aber weiter kamen,
bekleidete sie sich mit dichtem Flechtwerk von Schling-
pflanzen, welche von den einheimischen Arabeni „ssella', im
West- Arabischen Dialekt aber „ gheläf " genannt werden. An
vielen Stellen kam ein eigen thümliches Rohr vor. von den
Schüa, die daraus Schreibfedern machen, „häl"' genannt, und
hie und da schössen frische Grasbüschel auf, von der befruch-
tenden Kraft des Regens hervorgerufen. Es ist dieses junge
saftige Kraut, das besonders das Rhinoceros anzieht. So öde
diese Wildniss gegenwärtig auch war, so fand sich doch,
dass sie zeitweilig auch ein Schauplatz beträchtlicher mensch-
licher Betriebsamkeit ist; denn Sesam- und selbst Indigo-
felder fielen in's Auge.
Dreizehn Meilen w^eiter erreichten wir einen Weiler, wel-
cher augenscheinlich der Ort Marga war, bezüglich des-
sen unsere Berichterstatter ungewiss waren, ob wir die Ein-
wohner antreffen würden, oder nicht. Wir betraten den
Weiler, aber nicht ein einziges menschliches Wesen war zu
sehn; der Ort war leblos, verlassen und halb in Ruinen.
Doch hatte man in einigen Häusern Habseligkeiten zurück-
gelassen, welche, da die Thüren nicht fest genug ver-
I
816 Xn. KApHeL
schlössen waren, der Ehrlichkeit der Voroberkommeoden
überlassen blieben.
Der Pfad theilte sich hier, und wir hatten offenbar, um
über Djogode weiter zu reisen, den nördlichen einzuschla-
gen; aber unglücklicherweise war auf diesem Pfade keine
frische Fussspur bemerkbar, während der südliche viel be-
nutzt schien, und meine armen Diener, welche mir bisher
schweigsam, obwohl niedergeschlagen, gefolgt waren, brachen
in ein lautes Wehklagen aus, als sie mich den unbetretenen
Weg einschlagen sahen, indem sie ausriefen, ich wolle ihr,
sowie mein eigenes Leben in dieser öden Wildniss auf-
opfern. Ich stellte ihnen vergeblich die Nichtigkeit ihrer Ein-
wendungen vor und liess mich endlich, obwohl mit einem
unbehaglichen Vorgefühl, bewegen, ihrem kläglichen Flehen
nachzugeben, indem ich den südlichen Pfad einschlug.
Es war Sonnenuntergang, als wir einen anderen Weiler
erreichten, welcher, aus grossen, wohnlichen Hütten be-
stehend, uns zuversichtlich erwarten liess, hier bequeme Her-
berge zu finden; aber wir fanden bald, dass auch hier kein
menschliches Wesen zurückgeblieben war. Nur eine Gruppe
von fünf Antilopen mit aufrecht stehenden Hörnern (Oryx),
hier „tetel" genannt, stand furchtlos in geringer Entfer-
nung und starrte uns neugierig an. Es war das erste Mal,
dass ich dieses schöne Thier in wildem Zustande sah; ich
fand es jedoch nachher häufig in diesem Lande und traf es
auch einmal am Komadugu von Bomu an.
Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass der Brunnen
trocken war, setzten wir unseren Marsch fort, da wir es
nicht für gerathen hielten, in einem verlassenen Dorfe
(unes solchen Landes zu übernachten , und betraten aber-
mals ein Dickicht, wo es viel geregnet zu haben schien,
so dass ich sogar mein Pferd tränken konnte, wo aber
die Gefahr vor reissenden Thieren durch das Vorhandensein
von Wasser sehr vermehrt wurde. Nachdem wir noch 2 Meilen
Nachtlager in der Wildniss. 317
weiter gezogen, hielten wir es, da es sehr dunkel war, für
das Gerathenste, die Nacht über Halt zu machen ; wir wählten
also eine kleine von Holzung freie Stelle, brachten das Ge-
päck, das Kameel, das Pferd und das Schaaf in die Mitte
und überwiesen jedem von uns eine Ecke, wo wir ein Feuer
unterhalten wollten. Wir hatten jedoch kaum angefangen,
uns in der Nähe nach trockenem Reisholze umzuschauen, als
die wilden Thiere in allen Theilen der dichten Waldung ein
tobendes Getöse erhoben; ich war daher genöthigt, mehrere
Schüsse abzufeuern, ehe wir ein kleines Feuer anzumachen
im Stande waren, worauf wir, indem wir beim Suchen die
Brände vor uns herwarfen, bald hinlänglich Brennholz sammel-
ten. Ich konnte jedoch meine jungen und unerfahrenen Ge-
fährten nur mit Mühe dazu bringen, während der Nacht
wechselsweise Wache zu stehn und die Feuer zu unterhal-
ten, besonders da wegen eines Nordostwindes, der um Mitter-
nacht zu wehen anfing, das Holz sehr schnell verbrannte.
Ich hatte die Vorsicht gehabt, mir eine Anzahl Patro-
nen bereit zu legen, als plötzlich zwei Hyänen hereinstürz-
ten, welche sich gedeckt von der Holzung herangeschlichen
zu haben schienen, und denen es beinahe gelang, unser
Schaaf zu erhaschen. Aber eine von ihnen büsste für ihre
Verwegenheit mit dem Leben, und auf diese Weise, in-
dem wir bald Brände schleuderten, bald Schüsse feuerten,
hielten wir während des übrigen Theiles unserer ruhe-
losen Rast an diesem Orte die wilden Thiere glücklich von
uns ab. —
Als wir früh am Morgen aufbrachen, fanden wir un-
ter unseren Ledersäcken fünf Skorpione; sie waren höchst
wahrscheinlich von der Hitze des Feuers angezogen worden,
da sich dieses Thier sonst nach einem Regenfalle nur selten
sehn lässt. Die Waldung wurde nun bald lichter, und mein
>
Schüa-Bursche machte mich auf den sonderbaren Umstand
aufmerksam, dass der „dib", welcher hier sehr häufig vor-
3W XIL
kommt, ^inen ünrath immer .inf «iem rnnen. wdsBeiL Heek
feines AmelHenimoelH ablest. D«Hr Be^Esu ^schien iebr be-
tr^hflieh gewe^ien zn .^in, and eine Meäe ireitiabiiL ksune«
wir hei einem srftHsif^n Teiche anfi baki dakoad bei üineiü
wtt.ii nr^'fjmfiVfiin vorbei, welcher rings omfai^ eine FaDe des
p;*ücbti^ten ^/ra^^ei^ erzengte. Der Boden bestauid hier aa»
fej^tem Thon and der Fttaozenwnch» war mannicfaMtig :
btitld aber tolgte aaf den Wald ansgeiiehntes Aekeriand. we^
rhen die Nahe einer bedeutenden Ortachaä: ankftnttigte>
(ek wumte refbt gut. da^ä wir die Strasse nach Dju^otie
eme beträchtliche Strecke znr Rechten hatten liegen laäeen,
aber es TerdroH?» mich sehr, Ton den Leuten , wekhen wir
begegneten r za h^Sren^ dass wir Kukorotsche jor uns hatten,
daft^telbe Dorf, dnrch das wir aof dem Wege toq Mele nach
ßiigf>män gekommen. Da ich demnach jöies Dorf wie-
der berühren mnsnte. so beschlich mich die bange Xh-
nnng, en möge mir ein MLssgeschick zustosöen und mir nicht
vergfjnnt <^in, dieses Land so bald zn yerlassen: ich fasste
mich jedf>ch and bereitete nuch aof 4^ Unangenehm-
fite vor.
I>ie I^andschaft gewann non ein heiteres Ansehen, und
wir langten bei einem ausgedehnten und augenscheinlich
tiefen Gf5wä8ser an, das ringsum von herrlichen, reichbe-
laubten Bäumen geschmückt war. Viele Weiber vom be-
nar:bbarten Dorfe holten liier Wasser; auch wir nahmen einen
Vorrath ein, zogen dann weiter und machten Halt im Schatten
einen wliönen Hadjirülj im Angesicht des Dorfes. Rindvieh
iiikI Ksel weideten in grosser Anzahl umher und erwiesen
den Wohlstand der Einwohner. Kokorotsche ist ein wichti-
^(•r l'lat/ im Leben des Landes, indem es nebst Bügo-
infin der llHUptstadt den grüssten Theil des Bedarfs an
nir«<e liefert.
KntHcldoMHen , zum bösen Spiele gute Miene zu machen,
lieHH ich meinem L(»ute das Schaaf schlachten und machte es
Ankunft in Kökorotsche. 319
mir so bequem wie möglich, indem ich meinen Teppich, be-
schädigt, wie er von den Bakadä-Ameisen war, auf dem Erd-
boden ausbreitete und mir überhaupt den Anschein der
grössten Gemüthsruhe gab. Ich wusste damals noch nicht,
dass es in diesem Lande nur dem Sultan und einigen Gross-
würdenträgern gestattet ist, auf einem Teppich zu sitzen.
Während das Fleisch auf dem Feuer kochte und einen un-
gewohnten Genuss in Aussicht stellte, empfing ich einen
Besuch von Grema 'Abdü's Schwiegervater, meinem Wirthe
in Müstafadji, und seine Mienen und Winke bestätigten meine
ungünstigen Vermuthuugen. Ich einzahlte ihm, wie es mir
ergangen, seit ich bei ihm gewesen, — wie der Statthalter von
Bugomän sich geweigert, mich in seiner Stadt aufzunehmen,
und wie ich 18 Tage in Bakadä gesessen und vergeblich auf
die Erlaubniss in die Hauptstadt kommen zu dürfen, gewartet
habe. Ich zeigte ihm meinen Teppich und erzählte ihm,
dass ihn die Ameisen halb verzehrt, und wie wir an hin-
länglicher Nahrung und an Obdach beim Eintritt der Regen-
zeit Mangel gelitten hätten. Es tl^t ihm sehr leid, dass ich
nicht mit mehr Rücksicht behandelt worden war, er gab es
jedoch als seine Ansicht zu erkennen, dass der Vicestutt-
halter mir auf diese Weise nicht gestatten werde, das Land
zu verlassen.
Unglücklicherweise war dieser Mann nicht offen genug, um
mir zu gestehen, dass bereits Boten aus der Hauptstadt an-
gekommen seien; ebenso wenig gab mir der Dorfvorsteher
— „billama" oder vielmehr „goUennange" oder „gar", wie er
hier heisst — , welcher gerade mit einer zahlreichen Mann-
schaft ankam, als ich aufbrechen wollte, den entferntesten Wink
davon. Ob er in der Absicht kam, mich zurückzuhalten, und
nur Anstand nahm, sein Vorhaben auszuführen, weiss ich
nicht. Jedenfalls würde es für mich besser gewesen sein,
hätte sich mein Geschick hier statt in Mele entschieden. Wie
es nun einmal war, gab mir der Dorfvorsteher einen von sei-
820 XIL KapiteL
nen Leuten mit, um mir den Weg nach dem Flusse zu zeigen,
und ich brach ungefähr 1 Stunde nach Mittag auf.
Beträchtliche, vor 7 Tagen gefallene R^enschauer hatten
die dürre Beschaffenheit der Landschaft umgestaltet und
deren Lebenskräfte neu geweckt. Der ganze Gau trug das
heitere Kleid des Frühlings. Frische Wiesengründe breiteten
sich aus, und wir kamen bei einigen ausgedehnten Wasser-
flächen vorbei, umsäumt von welligen Ufern im glänzendsten
Grün. Wir kamen auch durch verschiedene Dörfer, unter
welchen eines Namens Mai-Dalä sich durch sein sauberes
Ansehen auszeichnete, indem die meisten Hütten neue Stroh-
dächer zum Schutze gegen den Regen erhalten hatten. In einem
dazwischen belegenen Walde erregten wiederum Dümbüsche
und Dümpalmen, hier „kolongo" genannt, meine Aufmerk-
samkeit wegen des weiten Gebietes, welches diese Pflanze
in Inner -Afrika eimiimmt, während man irrthümlich be-
hauptet hatte, dass sie ausschliesslich Ober-Egypten angehöre.
Wir überschritten hierauf das seichte Gewässer Ambussäda,
wo der blaugefiederte, r^hfüssige, hier „dellük" genannte
Vogel in grosser Anzahl umherplätscheile , und naheten uns
nun abermals dem Dorfe, wo ich zuerst dieses Land be-
treten hatte.
Auch hier war während meiner kurzen Abwesenheit eine
grosse Veränderung eingetreten. Die Äcker wurden ausge-
stockt, um sie für die Arbeiten der Regenzeit vorzubereiten, und
die Büsche und Baumstümpfe verbrannt, um die befruch-
tende Aschendüugung zu benutzen. Wir waren vorher noch
nie dem Flusse so nahe entlang gekommen, und ich war er-
staunt über die ausserordentliche Grösse der Ameisenhügel,
welche nicht die gewöhnliche spitzauslaufeude Kegelform,
sondern vielmehr eine den von mir am Bonue gesehenen
ähnliche Form, nur eine beträchtlichere Grösse hatten, in-
dem sie 30 — 40 Fuss hoch und dabei so sanft abgerundet
waren, dass ihr Umfang an der Basis in einigen Fällen über
Ankunft in Meli. 321
200 Fuss betrug. Das Dorf selbst hatte in der Zwischen-
zeit ein ganz verändertes Ansehen erhalten, indem in Folge
der nahenden Regenzeit eine Anzahl neuer Hütten errichtet
und die älteren mit neuen Strohdächern versehen waren.
Alle diese neuen Wohnungen bestanden nur aus Rohr und
Mattenwerk, hatten aber dennoch ein sauberes und freund-
liches Ansehen. Als ich das Dorf betrat, wurde ich von
den Einwohnern als ein alter Bekannter begrüsst, und ich
schlug ruhig mein Zelt an der früheren Stelle auf.
[Montag y 19^^ Aprt'L] Dies war für mich ein denkwür-
diger Tag, bestimmt, mich ein grösseres Maass imbeugsa-
mer Geduld zu lehren. Nach einer ruhigen Nacht be-
gab ich mich früh zum Vorsteher des Dorfes, um mit ihm
über mein Überschreiten des Flusses zu sprechen, und ich
machte ihm zugleich ein kleines Geschenk. In Baghirmi
gibt es, wie in Logone und anderen Theilen von Sudan, einen
besonderen Beamten für den Flussverkehr. Dieser Beamte,
welcher in Baghirmi den Titel „alifa-bä" („Kemän-Komadu-
gube", d. i. „Beamter des Flusses") führt, hat einen Agenten
oder Kaschella in jedem Dorfe an den Flussufem, wo es
eine Fähre gibt, und der hiesige Agent war zur Zeit ab-
wesend. In der Zwischenzeit unterhielt ich mich mit ver-
schiedenen von meinen früheren Betannten imd traf unter An-
deren einen Einwohner von Djogode, der es sehr bedauerte,
dass ich den Weg nach jenem Orte verfehlt hätte, da ich
daselbst gut behandelt worden wäre, weil fast alle Einwoh-
ner Kanöri sind. Der Statthalter jenes Ortes, welcher, wie
der von Moitö, den Titel „alifa" hat, war abwesend, wie
dieser Mann mir sagte, um sich dem Heere des Sultans an-
zuschliessen.
Während ich mich so unterhielt, kam der Vorsteher des
Dorfes plötzlich in mein Zelt und theilte mir mit, dass Bo-
ten vom Vicestatthalter angekommen wären, um meine Wei-
terreise zu verhindern ; da er mich dann fragte, was ich nun
Barth'« BdMo. III. 21
wff ^#9 ntif rjw'tvn n ^Hr^HRsn. '^^liispai jä. am leaa.
IVvrtVorif »Hi^r :*niiie flim^ SinnHic^ -srasi -aat ^/oitat ^aurnr-
,innq^ rt^ffmi^ixu»' nvt "Ttsuarir. -s ^ mr ncär .aar "ni»g»fa*ff,
.fki^ «iz int a#ü«pn ' m' za 'v^hsszniiBKi. im <? sicär oiai-
mmi mir wpfni&fjtmt^ -TtaaOifn ^>iItK üe jaübe Zkac 3l ttan. be-
nfti^hhfl]^<»fi Dorä^ SIew#*ai ambniieesL — kann. ^Hmtihlu'fc
itu^r Ttfi#i nu^r L^nb^ in ism Zm^. ^vnnmt 3iaa mick piü^-
lieh *TXtiff im! .n#*^iu^ ?'L««!*i» ji F-?»s**in TtrSEE.
F^ war ^>Hwhr -»in »Jinitk. ük« üe "ratiie « nnar^aga^c
7*>r *u»h aifUf: 'i«**»! iHtö» -jih. ihr Viiräib»*a TFanniiüt. :§o
wfir<<#» irh mirh Tii^üpn-tu: au*jii**r Wjifei itiin»ait äuunai:
ah^r ühArrskHi'ht; an*l iih^^nrjiitscr* wie iüä war. antErwart ki
mi^h a*^itnWiir, ohne iuicfa rmr ein Wirt la ^recüöi. <i»tti«r
^^^;»itth$ifi^fm ß^^biTuiluna: Dii^ L^^nCki ^ciueppcsn zmilit aar
tüPvcv^. Waifim. ViTufem ;MU!h mräi ♦i»»pd4!k: fort ja ae Le^s«fn
n<">fn^i*r. 4^t* fComp«»» aiwi mem Tasebiinfa- Sie ^Jilogien aIs-
4^mn m^n Z^it ab tmd leimen miüfa. unter einen od^^en
H/h/»|,p^^. wo k^h v/^)fi 2ir#>i fJienem des Vicestätthahers be-
N'A/:h /li^^^^rm ^mpör^Tkikn Verfahren mnsgte ich mir andi
fKi^'h 7fm f-inem fVief^er f lalbheiden Moral predigen lassen, in-
fU'ifi «f rr>K'b f^rrnnhuif.. mein Ge^ichick mit Gednld zn ertra-
j^/'f» ^l/rrin \]h^ k/yrnriie TOfn Gfitt
H^'lfmi fnf*iu4' \fmurr waren anfangs gefesselt worden; da sie
«b^r ^^r^w^ffMlH^rn, rlaiM i#:h, wenn man sie nicht freigäbe, ohne
hII^< ((^(^Hfffffing »^?jri würde, nahm man ihnen die Fesseln wie-
Verhaftung des Reisenden. 823
der ab, und sie hielten sich getreulich zu mir, um mein Miss-
geschick zu lindem. Am Abend bestieg der Sklave des Allfa-
Bä mein Pferd,, nahm eine meiner Pistolen mit und ritt fort —
nach Mäseüa.
Nachdem ich bis zum Abend ruhig an dem mir überwie-
senen Platze verblieben war, befahl ich meinen Dienern,
mein Zelt zurückzuverlangen; zu meiner Freude wurde die-
ser Forderung genügt, und ich verbrachte die folgenden
4 Tage still und in mein Geschick ergeben, obgleich wie ein
Sklave gefesselt, in meinem Zelte. Glücklichei-weise hattench
die Beschreibung von Mungo Park's erster Reise bei mir,
und die Schilderung seiner Leiden unter den Ludamar (Ueläd
'Ammer) hätte mir nie einen so hohen Genuss gewähren kön-
nen, wie in meiner jetzigen Lage, und sein Beispiel verfehlte
nicht, meine Geduld zu stärken.
Während ich mich in diesem Zustande befand, dachte ich
darüber nach, welche Möglichkeit für Europäer vorhanden sei,
diese Länder zu civilisiren, und ich kam zu dem Ergebniss,
dass es zu diesem Behufe unumgänglich nothwendig sein
würde, die günstigste Strecke des Landes zwischen den Flüs-
sen Kuära, Benue und Kadüua zu kolonisiren und somit
Handelsverkehr und Civilisation nach allen Richtungen im
Inneren des Welttheiles zu verbreiten; ich schrieb daher an
Ort und Stelle die Worte in mein Tagebuch: „Dies ist das
einzige Mittel, welches dem gewünschten Zwecke entspricht;
alles Übrige ist vergeblich."
Am Abend des 23sten April — ich lag noch immer ge-
fesselt in meinem Zelte — kam mein Freund aus Bdkadä,
Hadj Bü-Bakr Ssadik, auf meinem Pferde an, und entrüstet,
als er meine Fesseln sah, befahl er, dieselben unverzüglich
abzunehmen. Ich bat ihn darum, mir zu verzeihen, dass ich
mich für einen freien Mann gehalten und nicht gewusst hätte,
dass ich ein Sklave sei, — da mir die wirkliche Beschaffen-
heit meiner Lage in diesem Lande nicht bekannt gewesen.
324 Xn. KapiteL
Er aber lobte mein Benehmen migemein, indem er erklärte,
ich hätte nicht anders handeln können, und versprach mir,
ich solle nunmehr ohne irgend weiteren An£schab die Haupt-
stadt besuchen.
Durch diesen günstigen Wechsel der Dinge beruhigt, dankte
ich der Vorsehung dafür, dass sie mich aus dieser widerwärti-
gen Lage gezogen, und betrachtete meinen Unfall als eine
heilsame Lehre für die Zukunft Meine ganze Habe wurde
mir zurückgestellt, auch meine Waffen — mit Ausnahme der
na#h der Hauptstadt gebrachten Pistole. Ich musste mich
jedoch noch den folgenden Tag gedulden, weil der Haupt-
diener des Vicestatthalters noch nicht angekommen war und
auch mein Pferd, das die Reise nach der Hauptstadt und
zurück mit grosser Schnelligkeit gemacht hatte, einiger Ruhe
bedurfte.
[Sonntag, 25«^^ ApriL] Früh am Morgen begaben wir
uns nun abermals auf die Reise nach Osten. Obgleich ich
in diesem Lande bisher keine sehr freundliche Behandlung
erfahren hatte, so war ich doch bereit, lieber Alles zu er-
dulden, als den Besuch der Hauptstadt aufzugeben. Meine
armen Diener hingegen waren anders gesinnt; denn da ihnen
das wissenschaftliche Interesse abging, empfanden sie die
materiellen Entbehrungen desto mehr; sie betrachteten un-
sere beabsichtigte Reise ostwärts mit Schaudern und warfen
wehmüthige Blicke auf das jenseitige Ufer des Flusses, wel-
ches sie aller Entbehrungen und Verdriesslichkeiten zu über-
heben versprach.
Ich zog jetzt zum vierten Male die Ufer des Flusses ent-
lang; letzterer hatte gegenwärtig seinen niedrigsten Stand
erreicht („Bä nedonge", wie die Baghirmier sagen) und war,
seitdem ich ihn zuletzt gesehen hatte, 1 — 2 Fuss gefallen,
so dass ein weiterer beträchtlicher Theil der Sandbank bloss-
gelegt war.
Man hat in Europa keine Vorstellung von der Lage eines
Zog nach Misefia. 325
einzelnen schutzlosen Reisenden in diesen Gegenden. Hätte
ich meinen Wünschen folgen können, so wäre ich gleich beim
Eintritt in das Land diesen mächtigen Fluss entlang, bis
zur Quelle hinauf, gezogen; aber der Reisende ist in diesen
Ländern nur ein Sklave, der von den Launen eines unver-
ständigen imd argwöhnischen Volkes abhängt. Alles, was
ich unter den gegenwärtigen Umständen noch auszurichten
erwarten konnte, bestand darin, bezüglich des oberen Laufes
des Flusses bestimmte Auskunft einzuziehen; denn so sehn-
lich ich auch gewünscht hatte, an dem Feldzuge des Sultans
Theil zu nehmen, konnte ich doch nach Allem, was ich er-
fahren hatte, kaum glauben, dass man mir erlauben werde,
in grosse Entfernung vorzudringen.
Wir machten heute nur einen ziemlich kurzen Marsch;
denn nachdem wir während der Tageshitze beinahe 6 Stun-
den in einem Dorfe Namens Käda-bakaläi gerastet hatten,
zogen wir nur 3 Meilen weiter und lagerten dann in einem
anderen, neu erbauten Dorfe Namens Käda-märga, wo die
Einwohner des gleichnamigen, von ihnen verlassenen Dorfes
Obdach gesucht hatten. Der Ort hatte ein sauberes Aus-
sehen und besass eine Färberei — „bükko alinbe" — ; auch
wurde er von einer Anzahl zahmer Strausse belebt. Der
Brunnen enthielt bei einer Tiefe von 10 — 12 Klaftern einen
reichlichen Vorrath an Wasser , das aber von schlechter Be-
schaflfenheit war.
Am folgenden Tage hatten wir unseren Verlust an Zeit
wieder gut zu machen und rasteten daher nicht eher, als bis
wir unser Nachtlager, einige Meilen jenseits Bäkadä, erreicht
hatten; denn ungeachtet meiner Hochachtung gegen Bü-Bakr
Ssadik weigerte ich mich doch, in dem Orte, wo ich so lange
zurückgehalten worden war, irgend länger zu verweilen oder
ihn auch nur wieder zu betreten. — Die Waldwildniss war
durch die Regenfalle zur Aufnahme ihrer zeitweiligen Bewoh-
ner, der Schüa, vorbereitet, und der Brunnen von Bakadä,
fMenjiUuf. 27^>^^ ApriL^ Fnäi am HJMyyw bESK&ot wir
^mi . •im •TOfflirfa TimpriBi Et^yrtiinumyywit waA ^fm Kiwtyit^
rier T^neesihita»» 2a ern>sfiic9B. Di» Lmd war snt
und mit Bimnen. nameotlidi Tdlias and ^^^^j?«««
^mtK*kt: die <j«!treide&ifier waren jocb inor in Furcben
— ^APT^iMk'^ — büsCdlL Der Bt)«iesi beataml ans Snnd.
^fcber weiterem war er rfaome mui büiiete mefaroe grtMBe
IWkim. in deoen Äck wahroui «^ Regptmpit becfentBide
WamerpfotSDRii an»ftTniin4n. — Wer war ifie r,^iMfai4»#t: ^qq
^rhöiuni Tamarimlenhaamai imd aaaBeniem. nuck ^un emir-
9m Dnmpftlmün fielebc
Dann betraten wir einen raek nüt 6ras bewacksenen and
för Viehznrbt wobl^eeisneten <jan. Ser lebten einsiewait-
(ierte Fremdlinge Tom Sebna' and Fefläta-Stamme . wie das
gewöbnlirh anter ihnen der Fall ist. aaf dem bestäi Fasse
beisammen: denn die AhnHcbkeit der Sitten dieser beiden
Stämme hat sie. ongeaehtet ihrer ▼^osckiet^o^i Abkonft and
gän^li^b ▼ersrhiedenen 5*prache. aberall in die engste Ver-
binrhing gebracht and in bemerkenswerther Weise die An»-
breitöng de» letzteren Stammes über ein so weites Gebiet
rrm Ontral-Afrika erleichtert. Die Hatten dieser Yiehzück-
ter ftind von denen der eingeborenen BewcAner sehr abwei-
chend, indem rie einesthefls riel geraomiger sind, am aach
dem Vieh l^aiz geben zu können^ and andererseits dieRohr-
beda/'hnng in »ehr leichter and nachlassiger Weise besorgt
int; (h^tn (Iv^ne Jjevde pflegen ihre Wohnstatten gewöhnlich
mit der Jahrcftzeit za rerändem and lassen es sich desshalb
fiirlif an^f.'le^fyn »ein, viel Mühe auf dieselben zu verwenden.
AIr wir HO unwrren Marsch fortsetzten, erhielten wir plötz-
lich ^ifiHi filick über cfine offene, mit dem frischesten Grün
b^l(U»)dnt4i Horikiing, in der Ruinen von Lehmwohnungen weit
iri<rhrr*it(3t itmlii^rlagen. Dies war Mäsena, die Hauptstadt
Ankunft in Mäsefia. 927
des Landes, die jetzt ganz denselben trümmerhaften und ver-'
ödeten Charakter trug, wie der übrige Rest des Landes.
Die Stadt war in früheren Zeiten von weit grösserem um-
fang; die Mauer war in der Folge eingezogen worden, war
aber noch immer viel zu gross für die Stadt und befand sich
augenblicklich im kläglichsten Zustande des Verfalls. In der
That scheint das ganze Land von Baghirmi, verheert durch
einen höchst unheilvollen Bürgerkrieg und niedergetreten von
seinen Nachbarn, hinzusiechen, bis es seiner Bestimmung ge-
mäss entweder sich einmal wieder erhebt, oder dem ersten
Eindringling zur Beute fallt.
Jedoch war es mir nicht vergönnt, die heilige Umschluss-
mauer dieser verödeten Hauptstadt ohne weitere Belästigimg
zu betreten; denn indem ich genöthigt war, dem Vicestatt-
halter eine Botschaft zuzusenden, um ihm meine Ankunft
anzuzeigen, liess man mich länger als 1^ Stimden vor
dem Thore warten, obgleich hier auch nicht der geringste
Schatten zu finden war. Nach dieser Demüthigung ward es
mir gestattet, meinen bescheidenen Einzug zu halten. Nur
wenige menschliche Wesen waren zu sehn und offene Wie-
sengründe breiteten sich auf ansehnliche Entfernung aus, vor-
züglich auf der rechten, südlichen Seite der Stadt. Dann
betraten wir das bewohnte Viertel und ich ward in einer
Thonwohnung einquartiert, die in einem offenen Hofraum
stand, der gleichfalls mit einer niedrigen Thonmauer um-
geben war. Die Wohnung enthielt ein luftiges Vorderge-
mach, das meinem Geschmack ganz zusagte, und vier kleine
Hintergemächer, die allerdings nicht eben sehr luftig waren,
sich aber doch als höchst nützlich erwiesen, um Gepäck und
Vorräthe aufzubewahren.
Ich hatte kaum von meiner Wohnung Besitz genommen,
als sich eine Menge Leute einstellten, um mich im Namen
des Vicestatthalters zu begrüssen, und kurze Zeit darauf liess
sich ein vertrauter Sklave desselben se^n, dem ich meine
I
328 XIL KAfb^
Geschenke überreichte. Diese bestanden in einem Stack ge-
druckten Kattuns, gross genag für eine Tobe, in einem £g3rp-
tischen Turban, verschiedenen Arten wohlriechender Sach^i,
wie „machbil"' — der Frucht einer Art Täia — , Jubän"
— Benzoin — und einer betrachtlichen Menge Sandelholz,
das in den Ländern östlich Ton Bomn sehr hoch geschätzt
wird. Indem ich dieses kleine Geschenk dem Diener überlie-
ferte und es mit meinem ergebenen Grusse begleitete, erklärte
ich, dass es mir unmöglich sei, dem Vicestatthalter persön-
lich au£mwarten, bevor er mir meine Pistole ¥riederer8tattet
habe, die mir allein noch von allen den Dingen, die man
mir in Mele abgenommen hatte, fehlte, und nach einiger
Unterhandlung kamen wir überein, dass mir der Statthal-
ter die Waffe ausliefern sollte, sobald ich mich ihm vor-
stellte, ohne dass ich nöthig hätte, ein einziges Wort darüber
zu verlieren.
Demgemäss brach ich am Nachmittag mit Bü-Bakr auf, um
dem Vicestatthalter meinen Besuch abzustatten; ich fand in ihm
einen ziemlich wohlwollenden Mann, etwas über die mittleren
Jahre hinaus, in einfacher dunkelblauer Tobe, die schon ein
gutes Theil ihres früheren Glanzes eingebüsst hatte. Nachdem
ich ihn begrüsst, erklärte ich ihm, dass unverdiente Vernach-
lässigung und Mangel an gehöriger Nahrung mich bewogen
hätten, meinen Rückweg anzutreten, nachdem ich mich über-
zeugt, dass ich hier nicht willkommen sei; denn es sei, ver-
sicherte ich ihn, unser dringendster Wunsch, mit allen Für-
sten der Erde auf friedlichem Fusse zu leben und sie mit
uns bekannt zu machen. Obgleich mir die Abwesenheit des
Landeshemi nicht unbekannt gewesen wäre, hätte ich doch
keinen Anstand genommen, ihm einen Besuch zuzudenken, da
man mich versichert habe, dass es möglich sein würde, auf
dem Heereszuge zu ihm zu stossen.
Der Emir Edrlss — denn so redete ich nach Bü-Bakr's
wohlmeinender Instruktion den Statthalter an — entschul-
Audienz beim Yicestatthalter. 329
digte dann seine Landsleute damit, dass sie, mit unse-
rem Charakter unbekannt, mich behandelt hätten, wie sie
mit Jemandem von ihrem eigenen Stamm verfahren sein wür-
den, wenn er sich gegen die Vorschriften des Landes vergan-
gen hätte. Er Hess mir dann Angesichts der ganzen versam-
melten Menge meine Pistole zurückgeben und forderte mich
auf, geduldig die Ankunft des Sultans abzuwarten. Ich
konnte nichts Anderes thun, als seinen wohlgemeinten Rath
zu befolgen und mir die Zeit so gut wie möglich zu ver-
treiben.
Bei der Abwesenheit des Landesherm und der übrigen vor-
nehmsten Personen gewährte die Stadt zur damaligen Zeit
einen ruhigeren und mehr todten Anblick, als es gewöhnlich
der Fall ist; denn als ich meinen ersten Spaziergang durch
die Stadt machte, ward ich betroffen von dem Charakter
der Einsamkeit; der sich den Augen auf allen Seiten kundgab.
Glücklicherweise gab es in der Stadt einen Mann, dessen Ge-
sellschaft und Unterhaltung mir grosse Erleichterung meiner
Lage gewährte.
Am Nachmittage, während ich mich, auf meinem einfachen
Lager ausgestreckt, mit Lesen beschäftigte, erhielt ich einen
Besuch von drei Männern. Einer derselben war augenschein-
lich ein Mann von Negerabkunft und zeigte in seinen gerun-
y.elten Zügen eine Laufbahn voll Unruhe und Missgeschick,
hatte aber sonst nichts sehr Bemerkenswerthes an sich. Es
war Hadj Ahmed, ein Mann von Bambara-Ursprung und in
früheren Zeiten in Tauät wohnhaft, der sich aber nach einem
sehr wechselvollen Leben zuletzt in Medina angesiedelt hatte.
Hierbei war er zuerst in den Goldgruben von Bambük be-
schäftigt gewesen, hatte hernach kleine Handelsreisen von
Tauät nach Timbuktu unternommen, auf denen er zweimal
von den Tuareg ausgeplündert worden war, und ebenso auch
Agades und Kanö besucht. Von Medina aus hatte er den
Feldzug Ibrahim Baschä's mitgemacht, in den Schlachten
330
von Akkä und Deraddje gefoditen und war cbmn auf mehrere
Reisen bis Bassni und Baghdad gesdod^t wcH^n, Ins es nun
zuletzt in seiner Steüiing ak Diener der grossen Moschee in
Medina sein Schicksal gewesen war. nadi diesem Lande ans-
gesandt zn werden, um Ton dessen Sultan ein Geschenk an
Verschnittenen für den Tempel in Medina za erhalten.
Der Zweite nnter den Besuchern war ein Mann ehrwürdi-
gen Aassehens, mit feinen Zögen mid einem huschten Sil-
berbarte. Dies war das religiöse Haupt ron Bidderi, einem
Orte, Ton dem ich weiter unten mehr sagen werde.
Der Dritte war der Fäki Ssimbo. ein sehr hochgewachse-
ner und hagerer Pullo mit einem spärlichen Barte und aus-
drucksToüen Gesichtszügen, nur dass er des wichtigsten, das
menschliche Antlitz am meisten belebenden Zuges entbehrte,
indem er ganz und gar blind war. Zu jener Zeit kannte ich
diesen Mann noch nicht, Termuthete aber, sobald ich ihn in
lebendiger und ausdrucksToller Weise eine Fülle Ton Kennt-
nissen entwickeln hörte, fast sogleich, dass dies der Mann
sein möchte, den ich so viel hatte rühmen hören. Jedoch
setzte mich die erste Frage, die er an mich richtete, einiger-
massen in Erstaunen, indem er sich erkundigte, ob die Chri-
sten nicht zu den Beni-Issräil gehörten, das heisst, zu den •
Juden. Dieser bei rielen Moslemin des Inneren verbreitete
Irrthum beruht natürlich darauf, dass sie von der Natio-
nalität des Messias auf die der Anhänger seiner Lehre
schliessen.
Dies war die erste Unterhaltung mit diesem Manne, der von
nun an am meisten dazu beitrug, meinen Aufenthalt im Orte
erträglich zu machen. Gewiss konnte ich es kaimi erwartet
haben, in einem so abgelegenen Orte, wie Mäsena ist, einen
Mann zu linden, der nicht allein in allen Zweigen der Arabi-
schen Literatur wohlbewandert war, sondern selbst diejenigen
Theile von Aristoteles und Plato, die in's Arabische übertra-
gen oder vielmehr ganz in den Isslam aufgenommen worden
Der Pullo FÄki Ssämbo. 331
sind, nicht nur gelesen hatte, sondern sie selbst handschrift-
lich besass, und dem ausserdem die gründlichste Kenntniss
von den Ländern beiwohnte, die zu besuchen er Gelegenheit
gefunden hattiß.
Seine Vorfahren, die zu demjenigen Stamme der Fulbe ge-
hörten, der Fittobe heisst, waren nach den südlichen Land-
schaften Wadäi's ausgewandert, wo sie sich im Dorfe Bärek-
alla ansiedelten. In der Jugend hatte ihn sein Vater, der
selbst gelehrt war und ein Werk über Haussa geschrieben
hatte, nach Egypten geschickt, wo er viele Jahre in der Mo-
schee el As-har den Studien mit grösstem Eifer obgelegen
hatte. Er hatte dann den Entschluss gefasst, die Stadt Sebid
in Yemen zu besuchen, die sich wegen der hier blühenden
Wissenschaft der Logarithmen — „el hessäb" — bei den
Arabern einer grossen Berühmtheit erfreut; aber als er die
Stadt Gunfüda erreicht hatte, vereitelte der damals zwischen
den Türken und Wahabiten wüthende Kampf seine Pläne
und er war nach Dar-För zurückgekehrt. Indem er sich dann
einige Zeit hier niedergelassen, hatte er einen höchst merk-
würdigen Feldzug in südwestlicher Richtung bis an den Band
eines grossen, westlich fliessenden Stromes mitgemacht, der von
ungeheuerer Bedeutung in dem zukünftigen Verlaufe Afrika-
nischer Expeditionen werden kann. Nachdem er dann end-
lich nach Wadäi zurückgekehiii war, hatte er an jenem Hofe,
besonders während der Regierung von Abd el Asis, eine be-
deutende Rolle gespielt, bis ihn der gegenwärtige König, Mo-
hammed Scherif, auf Grund seines intimen Verhältnisses zu
dem eben erwähnten Fürsten von seinem Hofe verwies und in
die Verbannung nach Westen schickte, wo ihn zu dem übri-
gen Unglück das schwere Missgeschick der Blindheit ereilte.
Nachdem ich einmal die Bekanntschaft dieses Mannes ge-
macht hatte, ward es meine Gewohnheit, ihn täglich zu be-
suchen, und er war immer hoch erfreut, mich zu sehn oder
vielmehr meiner Unterhaltung zuzuhören, da er Niemanden
uatv. liir
u^ vTjiiix Infi äit £^ti^ididif3. ii»
Uli üi*^ i-n^Vfr* ÜLioiL jnr
uui it'ft'^mrie-nfr trnyfl'nr -? iR-iiurFssaBC ^vcnr. Ir
iur i^ix^^ü-ab-a uif. u^ j-n. ^"nt^ ös» JteBnüiänDiE: M£r 4bb
'•^'n»;^^^ mr. tatrr i^^üi "^lo^ 'SIL '$»iii:mfi> Jumnusc ~
.liUt#- (lIKJie ^ Bl#*r 2L Ü«L i^KKL 2i
;^.i'»r \ntuu*: *N>kiui»i VIT ^ i«är mnisKikrur
^h r tf t*» iu*är. ^; >!i'är ch SnnithML ■^«rayftäwüi-. «ck ici n
limiiitiiiu^ ni*r mit 'i^^ii^äjr^njfHr 'TiissäüJaniE mr msHaiL Ibaaie
rtv* iitt tt\ i:*"»«^.r "Vir x:i;:±r5i!äj^rTr«ffiH äfr EnuiTDrk. an
*v ^n^ .ttii*ti xiAtWSjh^ vrji *«iL TT:»!- ä^r ^trr-A ^ni .^iiär
^M-¥',ÄÄ.^.t »w i'.L **. Stt iLü jtftsa.'i:** - w*> «r mkli
/«PjWuYI A^-.?. ^Xj^^ *^T Z^Jiit, iailcll TrSiS ias Bci^ IK he-
p^JfAt. (Är^^. v/mie Eis I^Jtei *as? KIcitSl. die aller-
^^-^^^jT,^ fji/.ht 'rJj'^r. 4k fc*r*t«L wareE. W.aiik «r aher zn
w,f^/ k^ffi, IvtS^-^öUt kh ihm ein-e Taa&e Käsee- zu gieben.
m^'\f.\>4'. kt0^ t^ih i^r^/kftffT G*Ba*& f5r ihn war wad ihn im
(ßi^U: tu Äfi iVAAnu'^ Mf^hfft Torzeschrittene Gc^cwkn znröck-
(uUtij.: Äii^rb mit^:rlifiVi er ^ nie. die Tasse an jede sein»*
if*/$fU^$ H^rhliifrf ;ni drücken. Er hatte eine höchst son-
tU^tSfüti'. \m\u'\K: ihr Brechmittel nnd drang so wieder-
\tdt\i in ffiich, ihrii ^nn^m solchen Genoss zukommen za
Wkht'U, ibirt ich ihm im I..anfe weniger Wochen über ein
UfiUfitH iHiiyjntd m\i:her Paker für ihn selbst gab, abgesdieo
Anderweite Bekanntschaften. 333
von denjenigen, welche ich seiner Familie zu geben mich
genöthigt fand. Er litt nämlich an der Leber und glaubte,
dass Brechmittel das beste Heilmittel in der Welt wären.
Die einzige Unannehmlichkeit in meinem Verkehr mit diesem
Manne bestand darin, dass ihm selbst ebensoviel daran
lag, hinsichtlich der Länder der Christen und jener Theile
der Erde, mit denen er weniger oder gar nicht bekannt
war, von mir Belehrung zu erhalten, als mir daran lag, von
ihm zu lernen. Ausserdem aber hatte er als Ausleger des
Mohammedanischen Gesetzes — der „scherlä" — selbst viel
Beschäftigung und unsere Unterhaltung wurde dadurch oft
gestört.
Ausser diesem Mann und Hadj Ahmed war Slimän Einer
derjenigen, mit denen ich während meines Aufenthaltes in
diesem Lande den häufigsten Verkehr hatte. Er war Einer
von jenen reisenden, handelnden und zugleich bettelnden Ara-
bern, ein Scherif, wie er sich selbst nannte, aber eigentlich
ein Felläh, ein Eingeborener Egyptens, zur Zeit in Mekka
angesiedelt, der viel umhergereist war, sehr feine Sitten
hatte und, obgleich gerade kein gelehrter Mann, doch einen
gewissen Grad von allgemeiner Kenntniss besass, vorzugs-
weise in Bezug auf die Länder Wadai* und Dar-För, wo er
sich längere Zeit aufgehalten hatte. Er war auf seiner Reise
nach Konstantinopel von Herrn Brand, dem Englischen Kon-
sul in Smyrna, unterstützt worden und besass so eine gewisse
Anhänglichkeit an Europäer, besonders an deren Spenden.
Aber der gross te Theil der Belehrung, die ich mir zu ver^
schaflFen im Stande war, vor Allem, was Wadai betraf, ging
von einem jungen Eingeborenen jenes Landes aus, Namens
Ibrahim (Fäki Ibrahim), vom Stamme der Abü-Schärib. Mit
diesem aufgeweckten jungen Menschen brachte ich täglich
mehrere Stunden sehr angenehm und nützlich zu und er
schloss sich so eng an meine Person an, dass ich ihn
gern mit nach Sokoto genommen haben würde, wohin er
334 Xn. KapiteL
sich ZU begeben wünschte, nm unter d^ Leitung der Fulbe
sein Wissen zu erweitem.
Es war um so wünschenswerther, mit anderen Leuten auf
freundschaftlicherem Fusse zu stehn, als meine Beziehungen
zum Vicestatthalter etwas kalter Art waren. Nachdem er
mir eine erste leidliche Bewirthung hatte zu Theil werden
lassen, Hess er mich einige Tage ohne ein Zeichen von Gast-
freundschaft, ausser dass er mir einmal einen Strohteller voll
von der Frucht des Bito- Baumes — „hadjilidj" — sandte,
den ich aber nicht annahm. Es war ein Mann ohne Ein-
sicht und hatte nicht die geringste Vorstellung von den wis-
senschaftlichen Untersuchungen eines Europäers.
Da ich nur wenig Bewegung hatte, wurde ich gegen Ende
dieses Monates sehr unwohl, so dass ich es für rathsam
hielt, mich 5 Tage lang jeder Art von Nahrung zu enthal-
ten, mit Ausnahme eines mit zerhackten Zwiebeln, etwas Ho-
nig und einer starken Dosis schwarzen PfeflFers gewürzten Auf-
gusses von Tamarinden, — eine Art von Getränk, das dem
Europäer abscheulich vorkommen muss, das aber dem fieber-
kranken Reisenden in jenen heissen Gegenden in seiner er-
frischenden und kühlen Beschaffenheit einen wahren Genuss
bereitet. Da ich mich durch mein Unwohlsein überzeugte,
dass der Aufenthalt in dieser Stadt, wenn mir nicht gestattet
würde, umherzureisen , meiner Gesundheit zu nachtheilig
sein würde, so ersuchte ich den Statthalter auf das Drin-
gendste, mir zu erlauben, nach Westen zurückzukehren ; aber
er wollte unter keiner Bedingung zugeben, dass ich vor der
Ankunft des Sultans die Stadt verliesse. Diese ungünstige
Stimmung des Statthalters gegen mich nahm allmählich einen
noch ernsteren Charakter an; denn bei seiner Unfähigkeit
meine Bestrebungen und Forschungen zu verstehen, musste
er nothwendig in Bezug auf mein hiesiges Treiben Argwohn
fjissen.
Ich sass am 21>^i^ Juni ruhig in meiner Wohnung, als
Lächerliche Botschaft des SUtthalters. 335
einer seiner Diener, Agid Mü-ssa, plötzlich hereintrat und mir
nach einigem Zögern und wenigen einleitenden Bemerkungen
Tom Statthalter eine Botschaft folgenden Inhaltes überhrachte :
er wünsche zu wissen, ob, wie das Gerücht in der Stadt
umginge und wie ihm die Leute hinterbracht hätten, es
wahr sei, dass, sobald ein Gewitter aufstiege und wenn das
Gewölk am Himmel ei-schiene, ich meine Wohnung verliesse
und den Wolken geböte, sich zurückzuziehen; denn die
Leute hätten ihn versichert, dass sie zu wiederholten Ma-
len bemerkt hätten, wie die Wolken, sobald ich sie mit einer
gewissen gebieterischen Miene betrachtete , vorüberzögen,
ohne einen einzigen Tropfen Regen zu bringen.
Der AgTd Mü-ssa hatte mir wiederholt seine wohlwollende
Gesinnung zu erkennen gegeben und pflegte mich gelegent-
lich zu besuchen. Der Lihalt seiner Botschaft war aber so
abgeschmackt und lächerlich, dass ich, so ernst auch bei
dieser Gelegenheit sein Ausdruck war, doch nicht umhin
konnte, in ein lautes Gelächter auszubrechen; denn ich em-
pfand ein aufrichtiges Vergnügen an diesem unverhohlenen Aus-
druck des wahrhaft heidnischen Charakters bei diesen angebli-
chen Mohammedanern. Aber mein Freund bat mich dringend,
die Angelegenheit in einem ernsteren Lichte zu betrachten
und wohl zu bedenken, welche Antwort ich seinem Herrn
schicken wollte. Ich ersuchte ihn dann, dem Statthalter zu
erklären, dass kein Mensch, weder durch Zauberformeln, noch
durch Gebet, im Stande sei. Regen herbeizuführen oder zu
verhindern, sondern dass der Leiter aller Dinge Regen sende,
wo und wann es ihm immer gefiele. Ich fügte jedoch hinzu^
dass, wenn er der Ansicht sei, meine Gegenwart stifte im
Lande Unheil, er mir erlauben möge, mich zu entfernen,
dass ich nichts Besseres wünschen könne, als dies, und dass
ich dann Tag und Nacht ununterbrochen um Regen beten
wolle, während ich gegenwärtig selbst keineswegs einen
grossen Überfluss von Regen wünschen könne, da ich befurch-
336 XO. EifiteL
ten miisste, dass er mir den Rückzug darcb za grosses
Aoscliwellen des Flusses abschnitte.
Der Bote entfemte sieb dann mit meiner Antwort, kehrte
aber nach einer Weile mit folgendem Endbescheid des
Statthalters zurück: es väre seine eigene Meinung, dass
kein menschliches Wesen im Stande sei. Regen zu ver-
hüten, aber wir Alle wären Diener des Allmächtigen, und
wie sie ihre Gebete um Regen an ihn richteten, so solle
auch ich mein Gebet zu dem ihrigen gesellen; dann solle
es mir auch gestattet sein, sie zu rechter Zeit in Sicher-
heit zu verbissen; im Gegentheil aber, wenn ich gegen sie
übel gesinnt wäre, würde er mir gleichfalls übel begegnen.
Dabei Hess er mich, um mich einzuschüchtern, davon in Kennt-
niss setzen, dass sie aus einem ähnlichen Grunde eijist zwei
bedeutende Religionshäupter von Bidderi getodtet hätten.
Von der Art war der (.'harakter der Leute, mit denen ich
zu thun hatte, ungeachtet sie sich als aufgeklärte Mohamme-
daner ansahen. Um mir einen Beweis seiner wohlwollenden
Gesinnung zu geben, oder höclist wahrscheinlich, um sich zu
überzeugen, ob nicht die mir bereitete gute Bewirthung
einigen Einfluss auf die Menge des Kegenfalles haben möge
(da er mich für euien Elfenkönig aus höhereu Regionen zu
halten schien), sandte mir der Statthalter am Abend eine
Schüssel voll vortreftficben Puddings, reich mit Butter über-
gössen, und einen kleinen Topf Hirsen giütze — „medide" — ,
mit der Frucht der Dümpalme gewürzt. Ja, er versprach mir
selbst Korn für mein Pferd ; da ich ihm jedoch keinen Regen
zum Entgelt schickte, wie er erwartet zu haben schien, er-
streckte sich seine Gastfreundschaft nicht weiter.
Es war meine Gewohnheit gewesen, wenn sich ein Gewitter
sammelte, auszuschn, um mich zu überzeugen, von welcher
Seite es käme, da dies in diesen tropischen Gegenden eine
Frage von nicht geringem Interesse ist; aber der absurde
Abei^aube dieser Leute beunruhigte mich so, dass ich kaum
Aberglaabe der Baghfrmier. 837
diese Gewohnheit fortzusetzen wagte. In Bezug auf den
Aberglauben der Eingeborenen muss ich hier eines Falles
Erwähnung thun, der meinem Freunde Ssambo begegnete.
Während ich eines Tages mit ihm in ernsthaftem Gespräch
über die zahlreichen Sekten des Isslam begriflfen war, ward
unsere Unterhaltung plötzlich durch das Erscheinen einer
der Töchter des Sultans unterbrochen, die ohne Weiteres in
die Hütte trat und meinen Freund in den beleidigendsten Aus-
drücken beschuldigte, ihr durch seine Zauberkraft einen ihrer
Sklaven entwendet zu haben. Wunderbarer jedoch als sol-
ches Betragen von Seiten der Eingeborenen war es, dass
ein Mann von so gewaltigem Wissen wie Ssambo über-
haupt inmitten solcher Barbaren, wie diese waren, leben
konnte, ohne fortwährend der Hexerei oder Zauberei ver-
dächtigt zu werden.
Ich werde nie den Tag vergessen, wo ich einst meinen
Freund besuchen wollte und den unglücklichen, alten, blin-
den Mann in seinem Hofraume vor der Thür der kleinen
Rohrhütte, wo er gewöhnlich den Tag zuzubringen pflegte,
inmitten eines Haufens von Handschriften sitzend fand, an
denen er sich jetzt nur noch wie Polyphem an seinen Schaafen
durch Betasten ihrer ledernen Umschläge erfreuen konnte.
Unwillkürlich ward ich an einen Ausspruch des um die
Kenntniss des nordwestlichen Theiles von Afrika hochver^
dienten, aber sonst keineswegs seiner Arabischen Kenntnisse
halber preiswürdigen Jackson erinnert, worin er sagt, dass
die Zeit kommen möchte, wo die Texte der Klassiker mit
Hilfe von Handschriften aus dem Inneren des Sudan ver-
bessert werden würden.
Diese Erfahrungen in Bezug auf den Charakter der Ein-
geborenen machten mich noch vorsichtiger, als ich von An-
fang an gewesen war, sobald ich ihre Schwächen erkannt
hatte, und da ich hörte, dass das Vorrecht des Gebrauches
eines Teppichs auf gewisse Beamte beschränkt sei, schaffte ich
B«rlh'* B«Imd. m. 22
meinen aheiL halb roa den Termiten inBikadä lerfiresseiien
Teppich bei Seite, wiewohl mein La^er auf dem Erdboden
mit blosser Unterlage einer groben Rohrmatte keineswegs
sanft war. — Der Markt — Jcasskä** * i — nahm einen grossen
Theil meiner Zeit imd meiner Gedanken wahrend des ein-
förmigen Aufenthaltes in diesem Platze in Anspruch, nicht
so sehr wegen seiner eigenen Bedentnng. als Tielmehr wegen-
meiner Armnth. da ich gervnmgen war. ein Kxumer im klein-
sten Maassstabe zn werden. Denn da ich kanm etwas An-
deres besass. als eine geringe .Vnzahl Nadeln, war ich gezwun-
gen, taglich einen meiner Diener anf den )Iarkt zn senden^
nm mit Hilfe dieses so höchst winzigen Artikels Eoro-
päiscber Industrie zu rersuchen. die umlaufende Landesmünze
einzuhandeln.
Dif^ gangbare Münze in Baghirmi besteht in Baumwollen-
streifen — „fdrda" — . ähnlich denen, welche ich auf meiner
Reise nach Adamaua beschrieben habe — von sehr unre-
gelmässiger Länge, bald länger, bald kürzer, aber im Allge-
meinen von 2 „drÄ" Länge und einer Hand Breite — . aber
von sehr verschiedener Güte. Grössere Gegenstände werden
ge- und verkauft mit Hemden — „chalag** (Plur. ^chol-
gänj, wie sie von den Arabern, ..boF, ¥rie sie von den
Eingeborenen genannt werden — , deren Werth. je nach
ihrer Grösse und Güte, von 70 bis 150 .,färda" wech-
selt. Ich erhandelte eine ,.färda" gegen eine gewöhnliche
Englische Stopfnadel oder gegen 4 gewöhnliche Nähna-
deln aus Nürnberger Fabrik, aber später verdoppelte ich
den Preis.
Ausser Nadeln blieb mir sehr wenig übrig, mit Ausnahme
einiger Spiegel von der runden Art, welche in Lyon für
*) Wir )uibf?n hinr einen klaren Beweis, dass sich ein gewisser Grad von
Bildung von BAma aas über die benachbarten Länder in Osten Terbreitet hat ;
pkaK<ikn" ist nämlich eine leichte Umwandelang des Kanöri- Wortes „kässakQ".
Marktverkehr in Mäsena. 839
1 Sou feil geboten werden, die ich aber hier für den hohen
Preis von einem Hemde — „chalag" — verkaufte, während
eine bessere Art Spiegel, die ich in London für 8 Pence ge-
kauft hatte, 4 „chalag" oder vielmehr „cholgän", die unge-
fähr 1 Dollar an Werth gleichkamen, einbrachte.
Was Muscheln („keme-keme", wie sie hier genannt wer-
den) betriflFt, so haben sie keinen Umlauf auf dem Markt,
sondern bilden eine Waare füi- sich, als Ausfuhrartikel in
die Gebiete der Heiden, — wenigstens die Muscheln von
grösserem Umfang, welche bei den Einwohneni jener Gegen-
den sowohl wie bei den Ueläd Raschid sehr gesucht sind, so
dass man für 2000 derselben einen jungen Sklaven von der
„chomässi" und für 3000 einen von der „ssedässi" genannten
Gattung bekommt. Denn dieses einfache Volk trägt nicht
allein diese Muscheln als Schmuck, vorzugsweise die Frauen,
welche sich das Hintertheil mit ihnen bedecken sollen, son-
dern sie machen auch Mützen daraus, mit welchen sie die
Köpfe ihrer verstorbenen Verwandten schmücken, während
die Ueläd Raschid vorzugsweise die Köpfe ihrer Kameele
und Pferde mit diesen beliebten „keme-keme" (oder „kemti",
wie sie in Wädai genannt werden) zieren.
In früherer Zeit ward hier nur jeden Donnerstag Markt
gehalten, aber kurze Zeit vor meiner Ankunft hatten es
die Leute für vortheilhaft gefunden, täglich einen zu ha-
ben, so dass jetzt jeden Tag von 8 Uhr Morgens bis 11
Uhr Vormittags und von 3 Uhr Nachmittags bis Sonnen-
untergang Markt gehalten wurde. Natürlicherweise war
der Markt nicht eben besonders gut versehen, sondern
auf die blossen Lebensbedürfnisse beschränkt, indem der
grösste Luxusartikel, der sich hier vorfand, in Zwiebeln
bestand, einem Artikel, der nicht gerade in jeder Gegend
Central - Afrika's zu haben ist. Im Anfang waren diese
Zwiebeln auf dem Markte von Mäsena sehr billig, indem
8 für 1 „farda" verkauft wurden; aber mit der Annähe-
22*
340 XIL KapilaL
ruDg der Regenzeit stiegen sie im Preis, und ich hielt
es für zweckmässig, mir einen kleinen Vorrath davon anzu-
schaffen, da ich dieses Gemüse für meine Gesundheit über-
aus erspriesslich fand. Auch möchte ich jedem Reisenden
in diesen Landschaften rathen, sich stets mit Zwiebeln wohl
zu versorgen ; denn sie können sowohl zur Würze anderer
Speise dienen, als auch, in Scheiben geschnitten und mit
Tamarinden gemischt, zur Bereitung eines kühlen imd höchst
erfrischenden Getränkes gebraucht werden. Die schwarzen
Eingeborenen machen jedoch, wie ich schon bei anderer Ge-
legenheit erwähnt habe, im Allgemeinen keinen Gebrauch von
Zwiebeln, um ihre Nahrung damit zu würzen, da dieser
Kulturzweig zugleich mit Waizen erst in bezüglich junger
Zeit von den Arabern aus dem Norden in diese Länder einge-
führt worden ist. Aber die eingeborenen Araber — „Schiwa" —
und die Araber von der Küste — „Wasseli" — gebrauchen
dieses Gemüse in grosser Ausdehnung, und zwar sowohl als
Würze anderer Speisen, als auch als Arznei, vorzüglich bei
Fieberfallen, Pocken und Urinbeschwerden, die bei ihnen sehr
gewöhnlich und eine Folge davon sind, dass sie während
der Tageshitze marschiren.
Ausser den oben erwähnten Artikeln bestand die auf dem
Markte reichlichst vorhandene Waare in Korn, vorzugsweise
Negerkom (Pennisetum typhoideum), imd die hierin Handeln-
den hatten einen besonderen, im nördlichen Theile des Mark-
tes dazu bestimmten Platz, unter einem schönen Tamarinden?
bäum („mäss") — dem ältesten Theile der Stadt — , welcher
den Anlass zum Namen Mäsena (Mäss-ena) gegeben haben
soll, wie ich weiter unten zu entwickeln Gelegenheit haben
werde. Ausser Bohnen („mondjo") und Erdmandeln, die hier
„wüli" oder „büli" heissen, fand sich auch reichlich Salz („kä-
ssa") in Folge der Anwesenheit der Djeläba von Wadai, von
welchen ich einigen auf meinem Wege begegnet war; doch
ward es nur in sehr kleinen Portionen verkauft. Dieselben
Marktverkehr in Masena. 341
Leute verkauften auch Natron („ngiUu"), das durch dieTebu
von der Grenze der Wüste herbeigebracht wird. Milch („ssi")
und Butter („bugü*') waren theuer, aber sauere Milch („ssT
tschäle") in Menge vorhanden, — sie wird vorzugsweise von
den Töchtern der Ben! Hassan in die Stadt gebracht. Honig
(„tedji"), woran in vielen Ländern ein so grosser Reichthum
ist, war hier kaum zu bekommen. Dafür fanden sich stets
auf dem Markte ein Paar Stück Schaafe und Rindvieh und
zuweilen liessen sich ein Paar Hühner sehn; gelegentlich
machte auch ein Pferd von unansehnlichem Ausseren Pa-
rade. Baumwolle (,.nylre") war nicht sehr reichlich, auch sah
ich nicht ein einziges Mal Indigo („alini") auf dem Markt.
Rother Pfeffer (,,schlta"j bildete einen kleinen Handelsartikel
für sich, der in geringen Partieen von den Bomu-Händlem
feil geboten wurde.
Der wichtigste und fast ausschliessliche Artikel Euro-
päischen Erzeugnisses („ngä-ssan Seila") bestand in Glasper-
len, „mündjo" genannt, vorzugsweise den kleinen rothen,
welche hier in grosser Menge verkauft und nach den Hei-
denländern ausgeführt werden. Ich verkaufte auch einige
von der grossen Art, „nedjüm" genannt, welche bei den
Schüa sehr beliebt ist. Kattun, hier „schöter" genannt, ist
eine Seltenheit auf dem Markte und wird vielmehr privatim
an die grossen Männer des Landes verkauft.
Kanö-Waaren, hier „kalkobängri" oder „ngä-ssan degö"
genannt, bilden einen hervorstechenden Punkt in der Statistik
des Marktes, vorzüglich TürkedT („bolne"), während die
Kanö- und Nyffi- Toben, „hol godäni" genannt, nur mit ge-
nauer Noth mit der einheimischen Manufaktur wetteifern
können, da die Bomu- Leute oder vielmehr die MakarT und
Kotokö die Kunst der Färberei in Baghirmi eingeführt ha-
ben, obgleich in Mäseiia selbst, so viel mir bekannt, keine
einzige Färberei besteht. Sklaven („beli") wurden nicht
auf den Markt gebracht, sondern alle in den Häusern ver-
'?>,.'^Ä
XII. Kapitel.
kauft, ein Umstand, der ein gewisses Gefühl der Schick-
lichkeit anzuzeigen schien; später jedoch, nach der Rück-
kehr des Heereszuges, fehlte dieser Artikel keineswegs auf
dem Markte.
Elfenbein wird nicht auf den Markt gebracht, sondern die
geringe Menge dieses Artikels, die man hier überhaupt feil
bietet, wird im Inneren der Häuser verhandelt; zuweilen
aber machen die Araber, welche dieses Land besuchen,
ein sehr einträgliches Geschäft darin. Der Preis der Pferde
wird im Allgemeinen nach Sklaven abgeschätzt und der
Werth der letzteren ist in diesem Lande sehr niedrig, wie
man aus dem abnehmen mag, was ich oben hinsichtlich
der kleinen Summe gesagt habe, die man in den südlich ge-
legenen Ländern für sie zahlt. Aber die von hier ausge-
führten Sklaven werden nicht geschätzt, da sie mehr als die
Eingeborenen anderer Länder Krankheiten ausgesetzt sein
und gewöhnlich in sehr kurzer Zeit sterben sollen. Allerdings
werden aus Baghlrrai gebürtige Sklavinnen hoch geschätzt;
da sich aber fast alle Landeseinwohner, wenigstens dem äus-
seren Anschein nach, zum Isslam bekennen, so werden in ge-
genwärtiger Zeit nur höchst wenige in die Sklaverei ver-
kauft, während sie früher in Folge der grossen Sklaven-
jagden des Baschä von Fesän allerdings über Nord -Afrika
zersprengt waren. Die Schüa oder Schiwa schliessen im All-
gemeinen ihren Handel mit Kühen ab. —
Obgleich meine Mittel beim Antritt dieser Reise überaus
beschränkt waren, hatte ich es dennoch nicht für unmöglich
gehalten, dass es mir gelingen könnte, nach Wadai vorzu-
dringen, oder selbst die Nil-Länder zu erreichen, und ich über-
liess mich oft dem Vergniigen, meinen kleinen Vorrath von
Habseligkeiten zu überzählen, indem ich die Vorstellung ver-
folgte, wie ich, indem ich Alles, was ich besässe, weggäbe,
solch' ein Unternehmen ausführen könnte. Aber ich über-
zeugte mich bald, daas ich gezwungen sei, alle solche Pläne
Marktverkehr in A^n-Gher. 343
aufzugeben , und obschon ich glaube, dass ein Reisender, der
mit hinreichenden Mitteln und einem hohen Grad von Ge-
duld und Ausdauer versehen ist, Wadäi mit Erfolg von dieser
Seite erreichen könnte, bin ich doch überzeugt, dass ihn der
Herrscher jenes Landes sicherlich ein ganzes Jahr bei sich zu-
rückhalten würde. Dazu kam noch zu jener Zeit der vollkom-
men unsichere Zustand aller politischen Verhältnisse in WA-
däi, die ich im Anhang entwickeln werde.
Mein einziges Bestreben beschränkte sich also darauf, einige
Plätze in der Nachbarschaft zu besuchen, und ich war be-
sonders begierig, jenen kleinen Flussarm zu Gesicht zu, be-
kommen, welcher sich bei der Stadt Miltü vom Hauptflusse
absondert und der Hauptstadt bis auf etwa 9 Meilen nahe
kommt. Aber der Vicestatthalter wollte mir nicht gestatten,
den Platz zu verlassen, noch wollte er selbst zugeben, dass
ich das etwa ebenso weit in nordnordwestlicher Richtung ent-
fernte A'bü-Gher besuchte, wo jeden Sonnabend ein bedeutender
Markt gehalten wird; es half mir nichts, dass ich ihm erklärte,
es sei für mich unumgänglich nöthig, dorthin zu gehn, um
mir den nöthigen Vorrath an Lebensmitteln zu verschaffen.
Ich musste mich damit begnügen, meinen Leuten, die ich hin-
schickte, aufzutragen, auf alles Charakteristische besonders
aufmerksam zu sein.
Diese fanden den Markt von Äbu-Gher von etwa derselben
Bedeutung, wie den kleinen Nachmittagsmarkt — die „dur-
rla" — in Kükaua, nur dass in Äbü-Gher mehr Vieh war;
sie zählten etwa 100 Stück Schaafe und ebensoviel Rind-
vieh. Der Markt war wohlversehen mit Sorghum, Butter und
Baumwolle, aber Negerkom war nur wenig zu sehn. Ausser
Toben bestanden die hauptsächlichsten Artikel in Hacken
zum Landbau, Muscheln und Natron vom Bahhr el Ghasäl;
auch das „kadjidji" genannte einheimische Räucherwerk war
in Menge vorhanden. Als Merkwürdigkeit erwähnten meine
Leute eine Art Brod — „tiggra" — , aus der Frucht des „ha-
t
344
XIL KapHeL Maiktrerkehr io Alra-Crher.
djflidj (BalaniteB Aegyptiactts) — der ^bito'' der Kanon —
bereitet und ^ime^ genannt.
AI« einen Beweis der grossen Verschiedenheit der Sitten
und Gebräuche, welche in diesen Gegenden herrschen, will
ich hier erwähnen, dass die ,,färda" in A'bü-Gher, welche die
stehende Münze des Marktes bildet, von der in Mäsena übli-
chen verschieden ist und 3 „dra" an Länge und eine Hand-
breite an Weite misst. Das Dorf A'bü-Gher selbst besteht
aus zwei Häusergruppen, getrennt durch eine leichte Elinsen-
kung, wo der Markt abgehalten wird. Die Ortschaft hat eine
bedeutende Anzahl Fulbe oder Felläta unter ihren Einwoh-
nern, die eigentlich die Gründer der Dorfschaft waren.
Überzeugt, dass man mir nicht gestatten wolle, den Platz,
wo ich war, zu verlassen, fasste ich mich in Geduld und
suchte mir gelegentlich etwas Bewegung im Umkreise der
8tadt zu machen. Indem ich mich so bald zu Fuss, bald zu
Pferde umhertrieb, gewann ich allmählich eine allgemeine
Übersicht der Stadt, welcher ich im beifolgenden Grundplan
Gestalt gegeben habe. Obgleich er nur sehr unvollkommen
ist und keineswegs auf vollständige Genauigkeit Anspiiich ma-
chen kann, wird er doch dazu dienen, dem Leser eine ziem-
lich deutliche Vorstellung von der Stadt zu geben.
1
XIII. KAPITEL.
Beschreibung der Stadt Mäsena. — Ankunft des Sultans. — Endliche Abreiße.
Die Stadt Mäsena breitet sich über eine ansehnliche Fläche
aus; ihr Umfang beträgt etwa 7 Meilen, aber nur etwa die
Hälfte davon ist bewohnt. Das hauptsächlichste Viertel be-
findet sich in der Mitte der Stadt, auf der Nord- und West-
seite des Palastes des Sultans, während wenige abgesonderte
Viertel und vereinzelte Gehöfte zerstreut umherliegen.
' Der charakteristischste Punkt der Stadt besteht in einer tie-
fen, muldennrtigen Einsenkung, die sich in grosser Länge
hinzieht und die Stadt von West nach Ost durchschneidet,
auf dieselbe Weise, wie die Stadt Kanö von der Djakara
durchschnitten wird. Denn diese Vertiefung der Hauptstadt
Baghirmi's füllt sich in der Regenzeit mit Wasser und wird
desshalb von den Eingeborenen „bedä", von den Arabern „el
bahr" genannt, während sie einen Theil der trockenen Jah-
reszeit hindurch mit der reichsten Weide bekleidet ist. Es ist
auffallend, dass nicht allein in dieser Beziehung die Stadt
Mäsena mit Kanö einige Ähnlichkeit hat, sondern dass auch,
ganz wie bei dem grossen Marktplatz Haussa's, ihre Ober-
fläche von vielen anderen Vertiefungen und Löchern unter-
brochen wird, welche die Bininnen enthalten und sich wäh-
rend der Regenzeit in tiefe Wasserpfuhle verwandeln, die
durch Anhäufung alles Unrathes der Stadt viele verderbliche
Dünste entwickeln. Im Allgemeinen aber trocknet der Boden,
der aus Sand besteht, nach einem Regenfall sehr schnell ab.
Das hauptsächlichste Viertel der Stadt liegt auf der süd-
t
346 XIII. Kapitel.
liehen Seite der grossen Einsenkting; aber selbst dieses cen-
trale Viertel ist nichts weniger als dicht bewohnt und hatte
während der 3 ei*sten Monate meines hiesigen Aufenthal-
tes einen um so öderen Charakter, als der Sultan mit dem
Hofe abwesend war. Der Mittelpunkt dieses Viertels, weni-
ger rücksichtlich seiner Lage, als wegen seiner Bedeutung,
ist der Palast des Sultans. Die Gesammteinrichtung dieses
Gebäudes ist im Allgemeinen der Einrichtung der Häupt-
lingsresidenzen in anderen Städten analog; es besteht aus
unregelmässigen Ginippen von Thongebäuden und Hütten;
allein der Palast hat eine Eigenthümlichkeit, welche ihn in
sehr hervorragender Weise von allen anderen Gebäuden der
Art in diesen Ländern unterscheidet, und zwar besteht die-
selbe darin, dass die Umschlussmauer des ganzen Gebäudes
nicht aus an der Sonne getrockneten Lehigstücken, sondern
aus wirklich gebrannten Backsteinen gebaut ist.
Ich habe bei Schilderung meiner Reise von Kanö nach Kü-
kaua Gelegenheit gehabt, die Ruinen der Stadt Ghambarü
zu beschreiben. Auch sie bestehen aus diesem Material, und
dasselbe ist der Fall mit den Ruinen von Ghasr - figgomo,
der alten Hauptstadt — „bimi" — von Bomu, die ich im
weiteren Verlaufe meiner Reise beschreiben werde. Aber
gegenwärtig sieht sich der Reisende in irgend einer der
Städte des Sudans vergeblich nach so soliden Bauten um, und
ich war desshalb nicht wenig erstaunt, hier dergleichen zu
finden, wo man es am wenigsten erwarten sollte *). Der Ein-
druck des Rückschrittes von einem höheren Grade schon er-
rungener Bildung und Macht, der sich dem Wanderer im
Sudan oft aufdrängen muss, war um so grösser. Es ist in
der That allein den verheerenden Kriegen zuzuschreiben, dass
sich diese Königreiche nicht mächtiger entwickelt haben.
*) Ausserhalb der Stadt, auf der Strasse nach A'bu-Gher, sieht man noch
eine liuine aus gebrannten Backsteinen.
Der Residenzpalast in Masena. 347
Der Palast war wenigstens 50, wahrscheinlich aber be-
deutend über 100 Jahre alt und befand sich gegenwärtig im
Zustande bedeutenden Verfalles. Leider versäumte ich es, nach
dem Namen des Fürsten, der die Umschlussmauer des gan-
zen Gebäudes baute, genau zu forschen. Es bildet ein Vier-
eck von etwas oblonger Gestalt, dessen Vorderseite gegen
Nordwesten gerichtet ist, und niisst 2300 — 2400 Schritt im
Umfang. Bei solcher Grösse muss es einst ein sehr starkes
Gebäude gewesen sein, indem die Mauern an ihrer Basis un-
gefähr 10 Fuss Dicke haben und ursprünglich nahe an 20 Fuss
hocli waren; das Eingangsthor besteht aus starken hölzernen
Planken, die gut mit Eisen beschlagen sind.
Bei unserem Eintritt gelangten wir zuei*st auf einen offe-
nen Hofraum, in dessen östlichem Theile sich ein grosses ob-
longes Gebäude oder eine Halle erhob, die von Lehm erbaut
war. Es war die gewöhnliche Stätte öffentlicher Audienz. Ne-
ben dieser grossartigeren Halle war eine Hütte, wo der „kada-
mange" oder „serma" — denn mein Freund war kürzlich im
königlichen Hofdienst einen Grad aufgerückt — , der, wie ich
bemerkt, als Vicestatthalter eingesetzt war, seine offizielle Re-
sidenz hatte, während weiter nach Westen eine andere Hütte
die Eintrittshalle zu den inneren oder Privatgemächem des
Sultans bildete. Die letzteren werde ich bei Gelegenheit mei-
ner Audienz beim Landesherrn beschreiben und will hier nur
bemerken, dass der Palast kurze Zeit vor meiner Ankunft
durch eine im Inneren ausgebrochene Feuersbrunst bedeutend
gelitten hatte.
Sein ganzer südöstlicher Theil, der mit einer besonderen
Mauer umgeben ist, dient ausschliesslich für das weibliche
Personal des königlichen Haushaltes und ist voll Hütten, de-
ren Zahl ich natürlich nicht anzugeben im Stande bin, da ich
keinen Zutritt zu diesem heiligen und verschlossenen Theile
der Residenz hatte. Mündlichen Angaben nach soll der Sul-
tan zwischen 300 und 400 Frauen haben. Die Hütten sind
t
348 XIII. KapiteL
von verschiedener Grösse und Bauart, je nach dem Charak-
ter, der Beliebtheit und Wichtigkeit der Bewohnerinnen.
Vor dem Palaste breitet sich ein geräumiger, mit sechs
Karäge-Bäumen geschmückter Platz aus, auf welchem seitwärts
vom Eingange des Palastes ausserdem noch ein schöner Ta-
marindenbaum steht. Auf der Westseite stösst das grosse
Haus des Kriegshauptmanns — „fätscha" — an die könig-
liche Residenz, während nach Osten eine Moschee von klei-
nen Verhältnissen mit einem Minaret an ihrer Nordwestecke
auf den Platz vortritt. Die anderen Seiten werden von den
Wohnungen einiger der hauptsächlichsten Höflinge, wie des
„mandja", des „serma" und des „barma", eingenommen. Die
Hauptstrasse der Stadt mündet auf diesen Platz an seinem nord-
westlichen Winkel aus, und in ihr stehen die Gebäude einiger
der übrigen Hauptpersonen des Hofes. An der Stelle, wo diese
Strasse an der nördlichen Seite der tiefsten der oben erwähnten
Gruben (12) vorbeiführt, wird sie von einer anderen Haupt-
strasse geschnitten, welche in gerader Linie vom Thore kommt,
das nach Xbü-Gher fuhrt, und den Marktplatz durchschneidet.
Meine eigene Wohnung lag an der Südwestecke des be-
wohnten Viertels. Sie hatte den Vortheil einer offenen und
luftigen Lage, aber ebenso auch den Nachtheil, dass sie von
fast jedem Theil der Stadt aus sichtbar war, so dass ich
nicht aus meinem Zimmer heraustreten konnte, ohne von al-
len Leuten in der Nachbarschaft beobachtet zu werden. Wel-
che Folgen dieser Umstand hatte, habe ich schon Gelegen-
heit gehabt zu erwähnen.
In ihrem verfallenen Zustand bot die Stadt einen mannich-
faltigeren Anblick dar, da alle offenen Stellen mit frischem
Wiesengrund belebt waren. Aber in der ganzen Stadt sieht
man keine Spur von Industrie und das Ganze hat den
Charakter einer blos künstlichen Wohnstätte der unmittel-
bar mit dem Hofe in Verbindung stehenden Personen. Der
Marktplatz, dessen grösster Schmuck neben der oben er-
Bauweise der Stadt. 349
wähnten Tamarinde eine Dattelpalme ist — die einzige, die man
in der ganzen Stadt sieht — , ist beschränkt und hat nicht eine
einzige Bude oder ein einziges Wetterdach, so dass die Leute
genöthigt sind, sich selbst so gut wie möglich zu schützen,
indem sie an jedem Markttage ein neues zeitweiliges Schat-
tendach bauen. Das grösste Interesse gewährt die „bedä"
oder der „bahr", besonders auf der Südwestseite, wo diese
Einsenkung von einigen malerischen Gruppen Dümpalmen und
anderen reicher belaubten Bäumen begrenzt wird. Am westli-
chen sowohl als am südöstlichen Ende, in der Nähe des
Marktes, sieht man dagegen eine ansehnliche Menge von Ge-
müsegärten. Eine Folge der eigenthümlichen Beschaffenheit
der „bedä" scheint es zu sein, dass die direkte Verbindung
zwischen dem nördlichen und südlichen Viertel, die während
der trockenen Jahreszeit durch einen guten Pfad unterhalten
wird, während der Regenzeit gelegentlich unterbrochen ist
Die Bauart der Wohnungen ist im Allgemeinen gut und
die Bedachung der Hütten mit grosser Sorgfalt, ja selbst mit
Nettigkeit ausgeführt. Aber der Thon ist keineswegs von gu-
ter Beschaffenheit zum Bauen, so dass die Thonwohnungen
während der Regenzeit so wenig Sicherheit darbieten, dass
die meisten Leute dann lieber die Rohrhütten beziehen; ich
selbst hatte him^eichend Gelegenheit, mit dem hinfalligen Cha-
rakter dieser Bauten bekannt zu werden. Jedoch gibt es auch
einige gut aussehende Thongebäude auf dem Wege nach
Äbü-Gher, besonders eines uiit zwei Stockwerken, was man
hier selten sieht.
Die Stadtmauern sind im Allgemeinen in einem solchen
Zustande des Verfalls, dass die Thore in der Wirklichkeit alle
Bedeutung verloren haben; jedoch sind noch immer neun Thore
oder vielmehr Öffnungen in der Mauer in Gebrauch. Die
meisten derselben liegen auf der Südseite, während sich im
Norden nicht ein einziges Thor findet, da dieses Stadtviertel
so verlassen ist, dass es mit dichtem Unterholz überwachsen
I
d@0 Xm. KftphcL
Ist. RuDcl um die Stadt her liegen mehrere Weiler von ein-
gelx>renen Arabern — Schüa oder Schlwa — , besonders rom
Stamme der I^eni Hassan, welche die Stadt mit Milch und
Butter versorgen. Auf der Südseite besonders bildet sieh
während der liegenzeit eine ausgedehnte Lache stehenden
Wassers, die dann der ganzen Umgegend einen anderen Cha-
rakter verleiht. —
So verstrich meine Zeit, indem ich bald studirte, bald
einen Spaziergang machte, entweder zu Fuss oder zu Pferde,
jetzt dem Statthalter einen offiziellen Besuch abstattete, zu
anderen Zeiten wieder mit meinem Freunde Ssambo eine
interessante Unterhaltung hatte. Aber viel Zeit ward auch
dadurch in Anspruch genommen, dass ich den Leuten Arznei
verabreichen musste, besonders während der ersten Zeit mei-
nes Aufenthaltes; denn der kleine Vorrath an Arzneien, den
ich mitbrachte, ward schnell verbraucht. Aber selbst wenn
ich einen grösseren Vorrath gehabt hätte, möchte ich bei der
ungastfreundlichen Behandlung, die ich erfuhr, bisweilen in
Versuchung gekommen sein, den geringen Beistand, den
ich gewähren konnte, diesen Leuten voi-zuenthalten, und im
Anfange setzte mir der Kadamange nicht wenig zu, indem er
mich zu mehreren alten Weibern schickte, die vor Jahr und
Tag ihre Glieder gebrochen hatten und in jeder Hinsicht ganz
reif für die Gruft waren. Da legte ich einen amtlichen Pro-
test dagegen ein, dass ich in Zukunft zu Patientinnen von
so hohem Alter geschickt würde.
Aber bisweilen waren auch die Kranken recht interessant,
besonders die Frauen, und es machte mir eines Morgens
niclit wenig Vergnügen, als eine schöne, wohlgewachsene
junge Dame in Begleitung eines Dieners des Statthalters sich
einfand und mich dringend bat, ihre Mutter zu besuchen,
die unpässlich sei. In der Meinung, dass ihr Haus nicht
weit entfernt sei, folgte ich ihr zu Fuss, hatte aber die ganze
Stadt zu durchwandern, da sie in der Nähe des nach Abu-
Die Frauen der BagMrmier. 351
Gher führenden Thores wohnte, und es verursachte meinen
Freunden einige Unterhaltung, mich mit dieser jungen Dame
durch die Strassen schreiten zu sehn. In Zukunft aber
pflegte ich, wenn ich meine Patientin besuchen wollte, mein
Pferd zu besteigen, und die Tochter des Hauses war stets
höchlich vergnügt, so oft ich kam, und legte mir oft sehr
eindringende Fragen vor; so fragte sie mich, wie es mit
meinem Haushalte ginge, da ich so ganz allein wirthschafte,
und üb ich kürzlich Honig und Butter eingekauft habe. Sie
war eine recht hübsche Person und würde als solche selbst
in Europa angesehen worden sein, mit der einzigen Aus-
nahme ihrer Haut, deren glänzendes Schwarz ich damals ganz
wohlgefällig fand , ja zu weiblicher Schönheit fast wesentlich.
Auch die Prinzessinnen, die Töchter des abwesenden Für-
sten, welche hier zu Lande ebenfalls den Titel „Mairam"
führen, oder, wie das Wort gewöhnlich ausgesprochen wird,
„Meram", besuchten mich gelegentlich, unter dem Vorwand,
Arzneien zu bedürfen, und unter Anderen kam einst ein
munteres junges Mädchen von schlankem Wüchse und an-
muthigen, aber etwas coquetten Manieren, in Begleitung
einer älteren Schwester von ernsterem Wesen und vollerem
Wüchse. Sie klagte mir, dass sie an einem Augenübel
leide, und bat mich zu sehn, was es sei; als ich mich ihr
dann aber in ernster Weise näherte, ihre Augen mit grosser
Aufmerksamkeit untersuchte, ohne im Stande zu sein, auch
nur den kleinsten Fehler zu entdecken, und ihr nun erklärte,
dass Alles in Ordnung sei und dass ihre Augen gesund und
schön seien, brach sie in ein gewaltiges Gelächter aus und
wiederholte in coquetter und übermüthiger Weise: „schöne
Augen, schöne Augen!"
Eis herrscht, wie ich schon bemerkt habe, eine grosse Ver-
schiedenheit zwischen dem weiblichen Geschlechte der Ka-
nöri und der Baghirmier; die letzteren haben durchaus
den Vorrang und verdienen sicherlich, unter die schönsten
I
352 XIIL Kapitel.
Frauen im Sudan gezählt zu werden. Allerdings werden
sie von den Fulbe oder Felläta an schlanker Form und heller
Hautfarbe übertroffen, aber sie übertreffen jene wiederum bei
weitem an stattlichem Wüchse und symmetrisch und wohlgefäl-
lig gebildeten Gliedern, und der Glanz und die Schwärze ihrer
Augen sind in ganz Sudan berühmt. Von ihren häuslichen
Tugenden kann ich jedoch nicht sprechen, da meine Beobach-
tungen zu wenig zahlreich sind, um mich zu berechtigen, eine
Meinung über eine so schwierige Frage zu äussern. Ich will
nur sagen, dass ich in dieser Hinsicht Manches zu ihrem
Nachtheil gehört habe, und ich muss bekennen, dass ich
nicht Alles für Verläumdung halten kann.
Ehescheidung ist sehr häufig unter ihnen, je nach der
Veränderung der Neigung, und ich glaube, dass die Ba-
ghirmi- Leute Liebeshändeln mehr zugethan sind, als ihre
Nachbarn. Unter den jungen Leuten sind blutige Fehden
aus solchen Anlässen keineswegs selten, wie denn der Sohn
des Statthalters selbst zur Zeit in Gewahrsam war, weil er
einem seiner Nebenbuhler eine ernstliche Wunde beigebracht
hatte. In dieser Hinsicht sind die Baghirmier sehr ver-
schieden von ihren phlegmatischen westlichen Nachbarn,
den Kanöri, und nähern sich dem Charakter der Ein-
wohner Waddi's, welche berüchtigt sind wegen der wüthen-
den Streitigkeiten, in die sie oft durch Liebesangelegenheiten
verwickelt werden.
Ausser den kleinen Vorfällen meines eigenen alltäglichen
Lebens, die mir Beschäftigung gaben, waren es auch bis-
weilen kleine Privatangelegenheiten meiner Freunde, die mir
einige Unterhaltung gewährten. So war es bald mein alter
Freund Bü-Bakr aus Bakadä, der sich über seine Frau be-
klagte, die hier in Mäsena wohnte und seinen Haushalt
nicht so gut und ökonomisch besorgte, wie er es wünschte,
und wenn er gelegentlich in die Stadt kam, ihn nicht mit
der Freundlichkeit behandelte, die er zu verdienen glaubte.
Hadj Ahmed*s yerdriessliche Lage. B53
SO dass er endlich zu der Überzeugung kam, es sei das
Beste, sich von ihr zu scheiden; zu einer anderen Zeit ver-
folgte mein alter, rastlos thätiger Freund einen entlaufenen
Sklaven, welcher den Versuch gemacht hatte, über den Ba-
tschikäm zu entfliehen.
Ein anderes Mal war es mein Freund Hadj Ahmed, der
sich gegen mich über das Fehlschlagen seiner Erwartungen
beklagte, und wie ihm seine Feinde und Nebenbuhler zuvor-
kämen. Wirklich war dieser Mann hier zu Lande in einer
sonderbaren Lage, und es gelang mir nie, seiner Geschichte
völlig auf den Grund zu kommen. Wie ich früher erwähnt
habe, war er von Medina hierher gesandt worden, um vom
Könige von Baghirmi ein Geschenk an Verschnittenen zu er-
halten; aber jetzt, nachdem er hier etwa 1^ Jahre verweilt,
fortwährend vom Landesherrn hingehalten und vertröstet,
war ein zweiter Bote angekommen, der, wie es schien, die
Früchte seiner Mühen einernten sollte. Hadj Ahmed hatte
den Sultan im vorigen Jahre auf seinem Heereszuge be-
gleitet und bei dieser Gelegenheit beinahe sein Leben ein-
gebüsst, indem er von einer jener rohen eisernen Streit-
äxte, welche die hauptsächliche Waffe der heidnischen
Stämme im Süden bilden, eine schwere Kopfwunde erhalten
hatte. Er war daher zu dem Schluss gekommen, dass es
besser sei, dieses Mal zu Hause zu bleiben; aber er fand
kein Ende im Klagen über die knickerige und ungastfreund-
liche Behandlung des Statthalters. Die Lage meines Freun-
des ward um so bedauernswürdiger, als seine Sklavin, die
einzige, welche er zur Zeit hatte, die Flucht ergriff, indem
sie ihre Herrin, welche mit ihr vor die Stadt hinausgegan-
gen war, zu Boden warf und sich davon machte.
Scenen wie diese fielen täglich vor, und ich hatte häufig
Gelegenheit, meinen Freunden zu beweisen, dass die Macht
und Stärke der Christlichen Reiche Europa's vorzugsweise
auf ihrer Fähigkeit beruhe, ohne Unterlass ihre Lebens-
Bitftti'i BaiMn. UI. 23
354 Xin. Kapitel.
kraft aus eigenen freien Elementen zu erneuen, sowie auf
dem gänzlichen Fernhalten vom Sklavenhandel. Ich zeigfe
ihnen femer, dass die Sklaverei die hauptsächlichste Ursache
des schnellen Ubersturzes aller Mohammedanischen Dyna-
stieen und Reiche gewesen sei, die je geblüht hätten.
Dann war es wieder mein Freund Slimän, der mir Unter-
haltung gewährte. Ausser Gegenständen von ernsthafterer
Natur gab er mir bisweilen auch Geschichtchen aus seinem
häuslichen Leben zum Besten. Er hatte nämlich einen wan-
kelmüthigen Charakter und war gewöhnt, zeitweilige Verbin-
dungen mit eingeborenen Frauen auf die Dauer eines Mona-
tes einzugehen, die ihm natürlich manchen Einblick in die
Sitten des weibliehen Geschlechtes in den Ländern, die er
auf seinen Wanderungen passirte, eröffneten.
Bald war es wieder irgend ein Phänomen in der Natur,
das mir einige Beschäftigung gewährte. Zu den schädlichen
Insekten, an denen das Land Baghirmi reich ist, gehört die
grosse schwarze Ameise (Termes mordax), welche auf Ka-
nöri „kingibbu" oder „kangifu" und in der Baghlrmi-Sprache
— - dem „tar Bdgrimma" — „kissino" heisst, und dies Insekt
ist nicht eben eine der geringsten Landplagen. Ausser einigen
kleineren Scharmützeln mit demselben hatte ich eines Ta-
ges einen sehr verzweifelten Kampf mit einer zahlreichen
Schaar dieser kleinen gefrässigen Geschöpfe zu bestehen, die
meine Wohnung mit einer dummen Beharrlichkeit angiiifen,
die höchst unterhaltend gewesen wäre, wenn sie nicht meine
ganze Existenz zu nahe berührt hätte. In ununterbrochener,
dichter Linie von der Breite eines Zolles kamen sie eines
Morgens plötzlich über die Mauer meines Hofraumes, dran-
gen in die Halle, welche mein Staats- und Schlafzinmier bil-
dete, und marschirten geradewegs auf meine Vorrathskam-
mer zu. Da aber unglücklicherweise mein Lager in ihrem
Wege war, griffen sie mich selbst in höchst unbarmherziger
Weise an und zwangen mich bald zur Flucht. Wir fielen
Kampf mit den Ameisen. 365
dann über sie her, tödteten diejenigen, die sich auf Raub
zerstreut hatten und sich schon zum Theil, mit schweren
Hirsekörnern beladen, wieder davon machen wollten, und ver-
nichteten den Haupttheil des Heeres , wie er auf dem Pfade
entlang marschirt kam, mit Feuer; aber frische Legionen ka-
men heran, und es kostete uns wenigstens 2 Stunden, ehe
wir die Reihen der feindlichen Heeresmasse völlig durchbre-
chen und den Rest in die Flucht jagen konnten.
Bei dieser Gelegenheit schienen die bissigen Ameisen ganz
und gar durch den Vorrath von Korn angezogen worden
zu sein, den ich mir kurz zuvor von Bakadä hatte kom-
men lassen; aber im Allgemeinen behauptet man, dass ihre
feindlichen Angriffe nebenbei auch eine wohlthätige Wirkung
haben; denn wenn sie die Hütten der Eingeborenen einneh-
men, zerstören sie alle Art von Ungeziefer, selbst mit Ein-
schluss der Mäuse. Aber während diese schwarzen Ameisen
in vielen Gegenden des Sudans in mancher Hinsicht mit
Recht die „Auskehrer der Häuser" genannt werden können
und so einen wichtigen Platz in dem Prozesse der Natur
einnehmen, werden sie auch oft auf der anderen Seite wie-
der eben durch ihre Raubgierde nach dem, was der Mensch
eigentlich lieber für sich selbst behält, höchst nützlich. Denn
sie sammeln einen solchen Vorrath von Korn ein, dass die
armen Eingeborenen nicht allein dieser Gegenden, sondern
selbst längs der Ufer des sogenannten Niger, wie ich wieder-
holt zu bemerken Gelegenheit hatte, ihre Höhlen ausgraben,
um sich in den Besitz der von ihnen gesammelten- Vorräthe
zu setzen.
Neben diesen grossen schwarzen Ameisen findet sich die
kleine rothe, welche in Bömu „kitta-kitta" und in Baghirmi
„kissasse" genannt wird, in grosser Anzahl und wird oft höchst
lästig, und zwar eben durch ihre ausserordentliche Klein-
heit, da sie leicht in alle Arten Kleidungsstücke eindringt,
ohne beachtet zu werden. Ich fand oft grosses Vergnügen
856 Xin. Kapitel.
daran, eine Schlacht zwischen dieser kleinen rothen Ameise
und der in Bomu „kanäm", hier „niö" genannten weissen
Ardhe (Temies fatcUts) zu beobachten; es dauerte nicht
lange, so wurden die letzteren von den Kriegern der rothen
Ameise besiegt, ja diese kleinen Thierchen schleppten die
viel schwereren Feinde als guten Proviant für die kommende
Zeit der Noth mit Leichtigkeit und Behendigkeit in ihre
Löcher. Denn die weisse, larvenhafte Tervies ist machtlos,
sobald sie ihre unterirdischen, Schutz gewährenden Gänge
verlässt, welche ihr Stärke verleihen, wie die Erde dem
Antäus, wesshalb sie die Araber so bezeichnend „Kinder der
Erde" oder „Erdwürmer" — „el ardha" — nennen.
Die Regenfälle, welche im Anfang mit bedeutender Heftig-
keit eingetreten waren, hatten später fast ganz aufgehört, so
dass das Gras auf dem offenen unbebauten Feldland innerhalb
der Stadt ganz verwelkte und dass viele Leute, welche im
Vertrauen auf das erste Erscheinen des Regens ihre Saat
gleich damals dem Boden anvertraut hatten, sich traurig ge-
täuscht fanden. Ich habe schon Gelegenheit gehabt, zu er-
zählen, dass die Eingeborenen sammt ihrem Häuptlinge
diesen Zustand des Wetters meinem verderblichen Einflüsse
zuschrieben. Jedoch verursachte es mir nicht geringes Ver-
gnügen, so oft ich einen kleinen Ausflug zu Pferde in die
Umgegend der Hauptstadt machte, mich zu überzeugen,
dass das freie Land weniger an Trockenheit litt, als das
Innere der Stadt. Aber selbst draussen war bis jetzt we-
nig Anbau zu sehn. Es kam mir sehr bemerkenswerth
vor, dass sowohl hier, wie in den anderen Theilen des Lan-
des, vorzüglich in der Umgegend von Bakadä, das Korn
im Allgemeinen in tiefen Furchen — „deräba" — gebaut
wurde, eine Art des Anbaues, die ich in keinem anderen
Lande, durch das mich meine Reisen in Central - Afrika
bisher geführt, beobachtet hatte. Ich musste mich jedoch
selbst bei diesen kleinen Ausflügen in Acht nehmen; denn
Rückkehr des Sultans. 357
die Leute schöpften Argwohn, so oft ich zu Pferde stieg, und,
das erste Mal, wo sie mich davon galopii'en sahen, ver-
mutheten sie, ich wollte entfliehen, und machten Alarm.
Diese ganze Zeit meines Aufenthaltes in der Hauptstadt
war der Sultan — „bänga" — abwesend. Natürlich ver-
folgte die zurückgebliebene Bevölkerung seine Bewegungen
mit dem grössten Interesse, und die falschen Berichte, die
von Zeit zu Zeit einliefen, unterhielten eine ununterbrochene
Aufregung. Als ich das Land zuerst betrat, war der König
in bedeutende Entfernung nach Südosten vorgedrungen imd
belageiie einen Ort Namens Gögomi, der, auf einer felsigen
Anhöhe gelegen und von Natur stark befestigt, einen langen
Widerstand leistete, so dass das Heer der Belagerer einen
grossen Theil seiner besten Streiter einbüsste, unter Anderen
einen Arabischen Scherif, der den Feldzug mitmachte. Aber
endlich ward der Ort doch eingenommen und die Hofleute
bewogen den Fürsten, nach Hause zurückzukehren, da sie
so viel Hungersnoth zu leiden hatten, dass der grösste
Theil des Heeres genöthigt war, sich mit der Frucht der
Delebpalme zu ernähren; denn diese Palme, die, wie ich
schon anderswo erwähnt, wahrscheinlich mit dem Borassus
flahelliformis identisch ist, scheint in manchen südlichen Pro-
vinzen Baghirmi's der am häufigsten vorkommende Baum zu
sein.
[Sonnabend^ 3*^ Julu] Nach wiederholten falschen Ge-
rüchten von des Sultans Annäherung rückte er endlich wirk-
lich heran, und die Aufregung der ganzen zurückgebliebenen
Bevölkerung war natürlich sehr gross, denn fast alle kampf-
fähigen Männer waren länger als 6 Monate vom Hause ent-
fernt gewesen.
Es war gegen 9 Uhr Morgens, als sich das Heer der Süd-
seite der Stadt näherte. Schimmernder Pomp und barba-
rische Pracht ward in Fülle entfaltet, aber die Truppe
war keineswegs zahlreich, sondern auf die Anzahl der zur
358 XIII. Kapitol.
Einwohnerschaft der Hauptstadt Gehörigen beschränkt, indem
sich der Rest schon in allen Richtungen zerstreut hatte und
nach den bezüglichen Wohnstätten heimgekehrt war. Die
Folge davon war, dass sich nur 700 — 800 Reiter — „mala-
ssinda" — beim Heere befanden; aber mein Freund, der
Schenf Slimän, der, so weit ich Gelegenheit hatte seine
Wahrhaftigkeit zu prüfen, keineswegs zu Übertreibungen ge-
neigt war, versicherte mich, dass sich selbst auf ihrem Heim-
marsche wenigstens 2000 Mann Reiterei beim Heere befun-
den hätten. Mein Freund hatte nämlich vor geraumer Zeit,
erbittert durch die spärliche Bewh'thung des Statthaltei's,
die Hauptstadt verlassen, um sich dem Heere anzuschlies-
sen, oder vielmehr um der königlichen Huld näher zu sein.
An der Spitze des Heeres ritt der Kadamange, umgeben
von einer Abtheilimg Reiterei, in seiner Stellung als Stell-
vertreter des Fürsten während dessen Abwesenheit; dann
folgte der Barma, und hinter diesem ward ein langer Speer
von eigenthümlicher Gestalt cinhergetragen , der in der Ge-
schichte dieses Landes einen sehr wichtigen Gegenstand
bildet. Seine ursprüngliche Bestimmung ist, ein Idol dar-
zustellen, das von dem Mutterstaat Keuga Mataia herüber-
gebracht sein soll und entschieden eine grosse Ähnlichkeit
mit dem „fete" der Marghl und Müssgu hatte.
Gerade vor dem Sultan ritt der Fatscha (Kriegshaupt-
mann), der die zweite Person im Reiche ist, ähnlich deui
Keghdmma im alten Bomu- Reiche; in früheren Zeiten be-
sass er, wie wir sehn werden, eine ausserordentliche, wahrhaft
fürstliche Gewalt, Der Sultan selbst tnig einen gelben Ber-
nus und ritt einen Grauschimmel, dessen Vortrefflichkeit
jedoch kaum zu erkennen war, da er in Kriegszeug — „hb-
bedl" — von buntgestreiftem Zeug gekleidet war, wie ich
es auf meinem Müssgu -Feldzuge beschrieben habe. Auch
der Kopf des Sultans selbst war kaum sichtbar, nicht allein
wegen der vor und neben ihm befindlichen zahlreichen Rei-
i
r *
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!■
Der Paradezug des Sultans. 359
ter, sondern ganz besonders wegen zweier Schirme — der
eine von grüner, der andere von rother Farbe — , welche
ein Paar Sklaven auf jeder Seite neben ihm trugen.
Sechs Sklaven, deren rechter Arm in Eisenblech gekleidet
war, fächelten ihm mit Straussenfedern, die an langen Stangen
befestigt waren, Külilung zu; um ihn her ritten fünf Häupt-
linge, während auf seiner Rechten der Gheletma und andere
vornehme Leute des Landes sich zeigten. Diese ganze Gruppe
um den Fürsten herum bildete ein so wildes Gewirr, dass
es unmöglich war, alle besonderen Züge mit Genauigkeit zu
unterscheiden; aber so weit ich im Stande war, die Be-
Schreibung der Eingeborenen zu verstehen, waren etwa 30 In-
dividuen in Bernuse gekleidet, während die Übrigen nichts
als schwarze oder dunkelblau gefärbte Hemden trugen. Auch
der Kopf dieser Hofleute war meist unbedeckt Dicht hin-
ter dieser Gruppe folgte das Kriegskameel, das der Tromm-
ler — „kodganga" — ritt, der seine Geschicklichkeit auf
zwei an jeder Seite des Thieres befestigten Pauken zur Schau
stellte; neben ihm ritten drei Musikanten, von welchen zwei
je einen „buki" oder, wie es hier heisst, „kädja", d. i. ein
kleines Hom, trugen und der dritte ein „djödjo" oder „söso",
d. i. eine Art doppelter Egyptischer „derabüka".
Gewiss war das Aussehen dieses Theiles des Zuges, der
sich um die Person des Königs selbst gruppirte, nicht ohne
grossartigen Effekt ; aber derjenige, welcher hinterdrein folgte,
war noch charakteristischer in Hinsicht auf die barbarische
Pracht und die ganze Lebensweise solcher Afrikanischen
Höfe. Diese Gruppe bestand aus einer langen, gleichmässi-
gen Reihe von 45 bevorzugten Sklavinnen oder Konkubinen
— „habbabät" — des Sultans, welche zu Pferde und vom
Kopf bis auf den Fuss in einheimisches schwarzes Baumwol-
lentuch gekleidet waren; jede hatte rechts und links einen
Sklaven.
Die Prozession endete mit einer Reihe von 11 Kameelen,
I
360 Xni. Kapitel.
welche das Gepäck trugen. Auch die Zahl der Infanterie
— „maladjä" — war etwas beschränkt, da auch der grössere
Theil von ihr schon nach den bezüglichen Wohnstätten zurück-
gekehrt war; aber andererseits waren fast alle Städter heraus-
gekommen, um das siegreiche Heer auf seiner Heimkehr zu
sehn.
Der König hielt jedoch an diesem Tage noch nicht seinen
Einzug in die Hauptstadt selbst, sondern war in Überein-
stimmung mit einer geheiligten Sitte der Herrscher des Lan-
des gezwimgen, für die folgende Nacht sein Quartier draus-
sen zwischen den Ruinen des ältesten Viertels auf der West-
Seite der jetzigen Stadt zu nehmen; erst Sonntag den 4ten
Juli, gegen Mittag, zog er feierlich in Mäsefia ein. Diesmal
bildeten jedoch die „habbabät" keinen Theil der Prozes-
sion, da sie schon früh am Morgen in die Stadt gekom-
men waren; aber diese Lücke war ausgeglichen durch die
Theilnahme einer grösseren Anzahl Reiter, während hinter
dem zu Kameel berittenen Trommler ein anziehender krie-
gerischer Zug folgte, welcher aus 15 feurigen, sämmtlich in
Kriegszeug gekleideten Streitrossen bestand und, wie es schien,
für das ernsthafte Spiel des Mars besser geeignet war, als die
Reihe anmuthiger Fräulein.
Bei Gelegenheit seines Einzuges in die Stadt führte der
Bänga in seiner Triumphprozession sieben heidnische Häupt-
linge, unter denen der von Gogomi die hervorragendste Er-
scheinung und die grösste Zierde des Triumphzuges bildete;
denn er war nicht weniger bemerklich seiner hohen, stattli-
chen Gestalt halber, als besonders wegen des Umstandes,
dass er der Herrscher eines ansehnlichen heidnischen Staa-
tes (mit einer Hauptstadt in fast unzugänglicher Lage) ge-
wesen war. Auch erregte er die Theilnahme des blutgieri-
gen, aber witzigen Baghirmi - Volkes , indem er sich mit viel
Laune in sein Schicksal fugte, obgleich dasselbe keinesfalls
beneidenswerth war; es herrscht nämlich hier zu Lande der
Zurorkommenheit des Sultans. 361
Gebrauch, diese fürstlichen Gefangenen entweder zu tödten,
oder zu entmannen, nachdem man sie eine Zeit lang durch
alle Höfe des Palastes geführt hat, wo man dann den Frauen
imd Lieblingssklavinnen des Sultans erlaubt, ihre launenhaf-
ten und übermüthigen Neigungen in aller Art rohen Scher-
zes und Unsinnes an diesen Leuten auszulassen. — Die ab-
scheuliche Sitte der Verschneidung wird vielleicht in keinem
Lande Inner -Afrika's in solcher Ausdehnung geübt, wie ge-
rade in Baghimii.
Obwohl der Fürst gegen 6 Monate vom Hause entfernt
gewesen war, schien doch die Beute an Sklaven nicht be-
deutend gewesen zu sein, und der ganze Antheil des Sul-
tans selbst mochte in etwa 400 Individuen bestehen. Viel-
leicht aber hatte er schon früher einen Theil nach seiner
Hauptstadt geschickt; denn seine ganze Stellung macht es
ihm wohl zur Pflicht, seine Beute vor den Nachbarn etwas
geheim zu halten.
Der Fürst durchzog langsam die Stadt, entlang der vom
westlichen Thore kommenden Hauptstrasse und dem „den-
dal" oder „bokö", bis er unter dem Jauchzen des Volkes und
dem Händeklatschen — „kabello" oder „tofadji", wie es hier
heisst — der Frauen seinen Palast betrat.
Er erwies mir gleich von Anfang an viel Aufmerksamkeit
und sandte mir, obgleich ich ihm meinen Gruss noch nicht
dargebracht hatte, noch an demselben Nachmittag nach sei-
ner Ankunft zwei Boten, um mich willkommen zu heissen.
Diese Boten waren der Bruder und der Sohn eines der er-
sten Männer des Landes, welcher den Namen oder vielmehr
Titel „Mäina Belademl" führte und eine Art Bomauischen
Konsuls war. Unglücklicherweise war jedoch dieser vortreff-
liche Mann, der mir von allen Leuten als einer der verstän-
digsten Männer des Landes dargestellt wurde, in angegriffe-
nem Gesundheitszustande aus dem Feldzuge zurückgekehrt
und sollte in wenigen Tagen seiner Krankheit erliegen.
362 XIII. Kapitel.
Als ich den Boten des Fürsten mittheilte, wie rücksichts-
los ich behandelt worden wäre, versicherten sie mich, dass
ihr Herr nichts davon gewusst; er habe, sobald er von meiner
Ankunft gehört, dem Statthalter den Befehl ertheilt, mir
eine milchende Kuh zu stellen. — Die Boten gingen dann
fort und kehrten mit einem Schaaf, etwas Butter und einem
grösseren Vorrath von Kreb (dem Samen der schon früher
besprochenen Poa) zurück.
Am folgenden Morgen stattete ich Maina meinen Besuch ab,
begleitet von meinem früheren, verlaufenen Führer Grema
^Abdu, der sich, nachdem er mich in Bäkadä meinem eigenen
Geschick überlassen, dem Sultan auf seinem Feldzuge ange-
schlossen hatte. Maina war sehr krank und das Zimmer,
wo er lag, so dunkel, dass es mir bei meiner Überzeu-
gung von dem ernsthaften Charakter seiner Krankheit einen
Vorwand gab, ihm die Verabreichung von Arznei zu verwei-
gern, und dies war für mich ein sehr glücklicher Umstand,
da sonst sein Tod, der nach wenigen Tagen eintrat, von
diesen wild -fanatischen Leuten sicherlich nur mir und mei-
nen Arzneien zugeschrieben worden wäre.
Im Laufe desselben Abends erhielt ich die Nachricht von
der Ankunft eines Boten von Kükaua mit Depeschen für
mich, da die Karawane von Fesän endlich eingetroffen sei;
weil ich aber schon zu wiederholten Malen mit ähnlichen
Berichten getäuscht worden war, überliess ich mich nicht
eiteler Erwartung. So brach nach ruhig vollbrachter Nacht
der 6to Juli an, welcher Tag einer der glücklichsten meines
Lebens werden sollte ; denn nachdem ich über ein Jahr ohne
Mittel irgend einer Art gewesen war und mit meinem Ge-
schick gekämpft hatte, in dem Bestreben, vor meiner Heim-
kehr noch so viel wie möglich zu thun, — sah ich mich plötz-
lich beauftragt, die Zwecke dieser Unternehmung in grösse-
rem Maassstabe auszuftihren, und fand hinreichende Mittel
mir zu Gebote gestellt, um dieselben zu erreichen.
Ankunft von Briefen ans Europa. 363
Der Bote verstand ßich jedoch sehr gut auf seine Sache ;
denn er brachte mir, obgleich er zwei grosse Briefpackete
für mich hatte — eines mit Depeschen vom Auswärtigen
Ministerium der Englischen Regierung und ein anderes mit
einer grossen Anzahl von Privatbriefen — , blos das erstere,
welches in Kükaua sehr sorgsam in einen langen Streifen
feiner Baumwolle — „gabagä" — gepackt und noch in ro-
thes und gelbes Leder eingenäht worden war, — ohne auch
nur mit einem einzigen Worte des zweiten Packetes Erwäh-
imng zu thun. Erst nachdem ich mit Müsse die Depeschen,
welche mich mit dem Vertrauen der Englischen Regierung
beehrten, gelesen und seinen Eifer mit einem neuen Hemde
belohnt hatte, ging er schweigend fort, kehrte aber bald mit
dem zweiten Briefpacket und einem anderen, das 10 Türkedi's
enthielt, zurück. Diese Türkedi's, einheimisches Baumwollen-
fabrikat von Kanö, wurden mir auf Herrn Dr. Overweg's Ver-
langen vom Vezier von Bomu zur Unterstützung gesandt und
ich machte sogleich drei davon dem Boten imd seinen bei-
den Gefährten zum Geschenk.
Die Menge von Privatbriefen, aus England sowohl, wie aus
Deutschland, war sehr bedeutend; insgesammt enthielten sie
die Anerkennung dessen, was ich gethan hatte, — die grösste
Belohnung, welche ein Reisender in diesen Gegenden jemals
begehren kann. Vor Allem machte die lebendige Theilnahme,
welche die Königsberger Geographische Gesellschaft an un-
serem Unternehmen genommen hatte, den erhebendsten Ein-
druck auf mich und versetzte mich plötzlich aus diesem
Lande der Sklaverei in die höchsten Sphären freien, idealen
Strebens. Gewiss war aber auch die Verantwortlichkeit, welche
mir auf diese Weise aufgebürdet war, sehr gross, und der
Schluss, zu dem ich durch lange Erfahrung gelangt war,
„dass ich nicht im Stande sein würde, die vielen übertriebe-
nen Erwartungen, welche von meinen zukünftigen Untemeh-
mimgen gehegt wurden, zu erfüllen", war drückend genug. In
864 Xin. KapiteL
fast allen Privatbriefen nämlich, vor Allem aber in dem vor-
trefflichen Schreiben des Herrn Ritters von Bmisen, war die
Überzeugung ausgesprochen, dass ich mit meinem Grefahr-
ten im Stande sein würde, selbst ohne übergrosse Anstren-
gung und in bezüglich kurzer Zeit, den gaqisen breiten, un-
bekannten Gürtel des äquatorialen Afrika zu durchschnei-
den und die Südostküste zu erreichen; ja man betrachtete
uns zur Zeit gleichsam schon als glücklich in Mombäss an-
gelangt.
Nun hatte ich allerdings selbst die Idee eines solchen Un-
ternehmens wenigstens theilweise veranlasst, mich aber im
Verlaufe meiner Reisen vollkommen von der Unmöglichkeit
desselben überzeugt, ausser vielleicht mit Aufopferung einer
langen Reihe von Jahren, wozu ich meinen Gesundheitszu-
stand ganz ungenügend fand, und nur mit Hilfe einer Schaar
ganz zuverlässiger und aufrichtig anhänglicher Männer, sowie
ausgerüstet mit einem ansehnlichen Vorrath von Mitteln. Ich
fand dagegen zu meinem nicht geringen Erstaunen und Be-
dauern, dass die Summe von 800 Pfund Sterling, die uns
von Lord Palmerston zu Gebote gestellt war, ein todtcr Buch-
stabe blieb; nicht ein einziges Pfund dieser Summe war von
Tripoli befördeii; worden, indem man eine schon früher ab-
geschickte Sendung, im Ganzen zum Werthe von etwa 600
Pfund Sterling (mit Inbegriff einer Summe von 1000 Thalem
von Sr. Majestät dem Könige von Preussen und 400 Thalern
von meinem Vater), wovon das Meiste durch die Unachtsam-
keit und gewissenlose Vernachlässigung des Agenten länger
als ein Jahr in Fesän gelegen hatte, für hinreichend hielt,
obgleich die Gesammtmasse unserer Schulden diese ganze
Summe überstieg.
In dieser ungewissen Lage, zu der nur das Übennaass
von freundlicher und wohlwollender Gesinnung Anlass ge-
geben hatte, verursachte es mir grosso Freude, zu finden,
dass die Englische Regierung und insbesondere Lord Pal-
Verdächtiger Besuch von Hoflenten. S65
merston mich auf ein ausführbareres Projekt hinwiesen, in-
dem sie mich zu dem Versuch aufforderten, Timhuktu zu er-
reichen. Diesem Plane wandte ich daher meine volle Auf-
merksamkeit zu und schwelgte in meiner Einbildungskraft
mit hohem Entzücken bei dem Gedanken, ein Nachfolger in
der glorreichen Laufbahn Mungo Park's zu werden.
Für den Augenblick jedoch war ich noch in Baghirmi,
das heisst in einem Lande, wo unter dem Schleier des Iss-
lam eine grössere Menge abergläubischer Vorstellungen ob-
waltet, als in vielen rein heidnischen Ländern des Inne-
ren, und wo Argwohn und Unverstand mir noch manche
schlimme Lage bereiten konnten. Mitten im Genüsse meiner
brieflichen Schätze, die mich soeben in den Bereich des po-
litischen und wissenschaftlichen Lebens Europa's zurückge-
führt hatten, während alle Briefschaften aus jenen fernen Ge-
genden auf meinem einfachen Lager ausgebreitet lagen, ward
ich plötzlich durch einen meiner Diener unterbrochen, der
in mein Gemach geeilt kam und mich rasch davon benach-
richtigte, dass eine zahlreiche Schaar von Hofleuten soeben
mein Gehöft betreten habe.
Ich hatte kaum Zeit gehabt, meinen Schatz unter der
Matte verbergen zu können, als die Hofleute in mein Ge-
mach eintraten, so dass sich dasselbe in wenigen Augen-
blicken mit schwarzem Volk und schwaraen Toben anfüllte.
Es waren ausser dem Statthalter — „kadamange" — und
den beiden Verwandten Mäina's gegen 20 Personen, und
die Art, wie sie sich betrugen, war so auffallend, dass ich
fast befürchtete, ich möchte zum zweiten Male in Gefan-
genschaft gesetzt werden. Es konnte keine Frage sein, dass
sie von den zahlreichen Briefschaften, welche mir zugegangen
waren, Nachricht erhalten hatten; aber ausser meinen eige-
nen Briefen hatten die Bornu- Boten auch einen Brief ihres
Herrn an den Herrscher — „banga" — von Baghirmi mitge-
bracht, worin Scheich *Ömar den Letzteren, der ihm in ge-
366 Xm. Kapitel.
wisser Hinsicht tributär war, aufforderte, mir ohne Verzö-
gerung zu erlauben, in Gesellschaft der Boten nach Bomu
zurückzukehren. Ausserdem aber hatte man seit dem ersten
Augenblick meiner Ankunft starken Verdacht gehegt, dass
ich ein Türkischer Spion sei, und es fand sich selbst ein
Pilger aus dem fernen Westen, welcher sich bemühte, mit
dem beschränkten Vorrathe seiner geographischen und ethno-
logischen Kenntnisse den Leuten zu beweisen, dass ich ein
Amaut, also entschieden ein Türkischer Söldling sei; denn
dies, so behauptete jener kundige Reisende, seien die einzi-
gen Erdbewohner, welche Strümpfe trügen (ich besass näm-
lich damals noch einige Paare dieses Europäischen Luxus-
artikels und trug sie zuweilen).
Jedoch, sei dem, wie -ihm wolle, die Hofleute scheuten
sich, unverhohlen mit dem wirklichen Zwecke ihres Besuches
hervorzutreten, und schützten daher anfangs vor, dass sie
gekommen seien, um die Geschenke zu sehn, welche ich für
den Sultan mitgebracht hätte; da ich dieselben schon lange
in Bereitschaft gehalten hatte, zeigte ich sie ihnen ohne
Weiteres. Sie bestanden in einem guten rothen Tuchkaftan,
den ich in Tripoli für 9 Spanische Tbaler gekauft hatte;
einer Repetiruhr von Nürnberg für 10 Thaler, mit einer ge-
flochtenen seidenen Schnur von Tripolitanischer Arbeit; einem
Turban mit seidener Borde; einem Englischen Messer und
einigen dergleichen Scheeren; Nelken und mehreren anderen
Kleinigkeiten. Die Uhr verursachte das grösste Erstaunen,
da sie zur Zeit in gutem Zustande war; es war jedoch im-
merhin Schade, dass wir nicht mit guten Englischen Waaren
versehen worden waren und uns desshalb angewiesen fanden,
schlechte Artikel, wie imd wo sie sich auf unserem Wege
darboten, aufzulesen. — Die Höflinge verlangten auch mein
Femrohr zu sehn, und ein solches Instrument konnte natür-
lich ihr Erstaunen nur noch erhöhen.
Dann verlangten sie nach vielem Zusammenducken und lei-
Beschwichtigung des Argwohns der Eingeborenen. 367
sem Berathen, das mir ein etwas unheimliches Gefühl ein-
flösste, das Buch zu sehn, in das ich Alles, was ich sähe
und hörte, niederschriebe. Ohne Zaudern nahm ich mein
Tagebuch heraus und zeigte es ihnen, musste aber vorher
auch dessen Echtheit betheuem. Um ihren Argwohn gründ-
lich zu beseitigen, las ich ihnen dann freiwillig mehrere Stel-
len daraus vor, die sich auf die Geographie und Ethnogra-
phie des Landes bezogen, und es gelang mir, ihnen ein herz-
liches Lächeln abzugewinnen und ihre gute Laune so zu wecken,
dass sie selbst einige Namen hinzufügten, wo meine Verzeich-
nisse mangelhaft waren. Sie baten mich dann^ das Buch
ihrem Herrn vorlegen zu dürfen, und ich genehmigte ihr
Gesuch ohne Weiteres.
Meine Offenheit machte die Intriguen meiner Feinde voll-
kommen zu Schanden und beschwichtigte den Argwohn der
Eingeborenen; denn sie waren überzeugt, dass ich, wenn ich
irgend eine böse Absicht beim Niederschreiben meiner Be-
merkungen über ihr Land gehabt hätte, sicherlich Alles auf-
bieten würde, das Geschriebene zu verbergen.
So gingen sie davon, indem sie mein Tagebuch mitnahmen,
und man hinterbrachte mir später, dass der Landesherr alle
gelehrten Männer der Stadt berufen hätte, um ihre Meinung
über das Buch zu hören. Vielleicht war es auch vortheilhaft
für mich, dass die Hauptperson unter den Letzteren mein
Freund Ssdmbo war. Denn dieser, der mit meinen Forschun-
gen wohlbekannt war, stellte meine Aufzeichnungen als eine
höchst unschuldige und rein wissenschaftliche Sache dar, und
da nun Niemand mein Buch lesen konnte, ward es mir ganz
unbeschädigt wieder zurückgegeben. Ss&mbo erzählte mir
den Hergang der ganzen Angelegenheit am Nachmittag, wo
er mir einen Besuch abstattete, wobei er mir auch bemerk-
lich machte, dass der einzige Grund, warum ich heute
noch keine Audienz beim Sultan erhalten hätte, der oben
erwähnte Brief des Scheich von Bornu sei, der in gewissem
368 XIII. Kapitel.
Grade dasUnabhängigkeitsverhältniss Baghirmi's verletzt habe.
Auch erhielt ich in der That vor dem 8^^^ Juli keine Au-
dienz.
[Donnerstag, S^^^ Juli.] Ich hatte soeben, während einige
Freunde bei mir zum Besuche waren, zu Ssdmbo geschickt,
um ihn zu bitten, meine Abreise zu beschleunigen, als
Grema "Abdü in Begleitung eines Dieners des Banga er-
schien, um mich zu ihm zu führen. Ich Hess also Ssambo
bitten, mich zum Fürsten zu begleiten, sowie auch meinen
guten alten Wirth.aus Bäkadä, Bü-Bakr, der gerade in
der Stadt anwesend war. Gemeinsam gingen wir nun in
den Palast.
Hier ward ich bei meiner Ankunft in einen inneren Hof-
raum geführt, der im. Grundplan mit d bezeichnet ist, wo
Hofleute zu beiden Seiten einer Thür sassen, welche in ein
inneres Gemach führte. Die Öffnung dieser Thür war mit
einem durchsichtigen Vorhang aus Rohr — „kassar" oder,
wie es hier heisst, „pärpara" — verdeckt, wie ich solche in
meiner Beschreibung der Hauptstadt von Logone erwähnt
habe. Der Thüröffnung gegenüber, inmitten der beiden Rei-
hen der Hofleute, liess man mich mit meinen Gefährten nie-
dersetzen.
Ich war etwas ungewiss, an wen ich mich wenden sollte.
Niemand liess sich sehn, der sich in irgend einer Weise vor
den Übrigen ausgezeichnet hätte ; denn alle anwesenden Hof-
leute waren gleichmässig höchst einfach in schwarze oder
vielmehr dunkelblaue Toben gekleidet und Keiner hatte eine
Kopfbedeckung. Ich fragte daher, ehe ich meine Anrede
begann, mit lauter Stimme, ob der Sultan 'Abd el Kader an-
wesend sei, und eine hörbare Stimme liess sich hinter dem
Vorhang vernehmen, er sei anwesend. Natürlich hätte ich
lieber gewünscht, dem Sultan von Angesicht zu Angesicht
gegenüberzustehen, aber ich war wenigstens nun sicher, dass
er es war, den ich anredete. Ich begrüsste ihn daher so-
Audiens beim Sultan. 369
wohl von meiner Seite, als auch von Seiten der Regierung,
die mich ausgesandt, indem ich ihm erklärte, dass die Eng-
lische Regierung, als eine der Hauptmächte Europa's, nichts
dringender wünsche, als mit allen Fürsten der Erde Bekannt-
schaft zu machen, selbst mit denjenigen im Sudan. Denn es
sei ihr unablässiges Bestreben, den Handel ihrer üntertha-
nen, welche die ersten Handelsleute der Welt wären, in jeder
Richtung nach Möglichkeit auszudehnen ; wir seien die besten
Freimde des Sultans von Stambul. So, sagte ich, sei ich
denn auch gekommen, um freundschaftliche Verhältnisse mit
ihnen anzuknüpfen, wie wir Freundschaft und vertragsmässi-
gen friedlichen Verkehr mit fast allen Nationen der Erde hät-
ten. Allerdings könnten sie uns nicht viele Handelsartikel
bieten, zumal da wir den Sklavenhandel mit Abscheu be-
trachteten, aber dennoch wären wir im Stande, ihr Elfenbein
zu würdigen, und selbst wenn sie nichts für den Handel hät-
ten, wünschten wir mit ihnen auf gutem Fusse zu stehn.
Ich versicherte den Herrn von Baghirmi femer, dass, ob-
gleich unsere Sitten und unsere ganze Lebensweise ganz und
gar verschieden von denen vieler Nationen der Erde und so
auch von den ihrigen seien, doch Alle, die mit uns nähere Be-
kanntschaft hätten, unseren ausgezeichneten Charakter sehr gut
kennten und auch wüssten^ dass wir im höchsten Grade zuver-
lässig und voll wahrer Gottesfurcht seien und keinen anderen
Zweck hätten, als die Wohlfahrt des Menschengeschlechts, all-
gemeinen friedlichen Verkehr und Austausch von Bedürfhissen.
Ich ging dann auf einen Gegenstand über, der unmittelbar
Bezug auf mein Verhältniss hatte, und versicherte den Für-
sten und seine Hofleute, dass wir beim Niederschreiben von
Bemerkimgen über die Länder, welche wir besuchten, durch-
aus keinen bösen Zweck verfolgten, sondern nur beabsichtigten,
ims so genau wie möglich mit der Regierung, den Gebräu-
chen und Sitten des betreffenden Landes bekannt zu machen
und volle Einsicht zu gewinnen, was wir von ihnen kaufen
Barth'a R«iMn IIl. 24
370 XHL Kapitel
und was wir ihnen verkaufen könnten. So hätte schon Rala
Challl (Major Denham) die Absicht gehabt, dem Vater 'Abd
cl Käder^s einen Besuch zu machen, aber die feindlichen
Verhältnisse, welche damals zwischen Baghirmi und Bomu
obwalteten, hätten ihn an der Ausfuhrung seines Planes ver-
hindert und, als er bis Logone vorgedrungen gewesen wäre,
zur Umkehr genöthigt. Obgleich mich aber ganz dieselben
Beweggründe hierher geführt hätten, Beweggründe, die nur
das Beste ihres eigenen Landes zum Zwecke hätten, wäre ich
doch von seinen eigenen Leuten hart behandelt worden ; aber
der Grund davon sei, dass sie mit meinem wahren Charak-
ter nicht hinreichend bekannt gewesen wären. Mein dringend-
ster Wunsch sei gewesen, ihn auf dem Heereszuge zu beglei-
ten, um ihn in seiner vollen Macht kennen zu lernen, aber
seine Leute hätten mir nicht erlaubt, meinen Plan auszufüh-
ren. Aber darüber könnte ich mich nicht so sehr beklagen,
da wir schon gewohnt wären, in einem eben erst betretenen
Lande nicht gleich mit vollem Wohlwollen aufgenonmien zu
werden.
Ich hielt meine Anrede auf Arabisch, während mein blin-
der Freund Ssambo das Gesprochene Wort für Wort in die
Baghirmi-Sprache übertrug imd mir auch gelegentlich, wenn
er glaubte, dass ich mich zu starker Ausdrücke bediene, einen
Wink gab. Dann ward das Packet, welches meine Geschenke
enthielt, hervorgeholt und vor mir niedergelegt, damit ich es
mit eigener Hand öflfnen und dabei den Gebrauch eines je-
den Gegenstandes erklären möchte, wobei ich denn nicht ver-
säumte, die Uhr einigemal schlagen zu lassen.
Zum Schlüsse fügte ich dann hinzu, dass es nun, nachdem
ich in diesem Lande fast 4 Monate lang wie ein Gefangener
zurückgehalten worden, mein aufrichtiger Wunsch sei, ohne
weiteren Aufenthalt nach Kükaua zurückzukehren, wo ich gar
Manches zu besorgen hätte, während ich hier für den Augen-
blick von Mitteln gänzlich entblösst sei; ich versprach dage-
Weitere Verhandlung mit dem Reisenden. 371
gen, wenn er mir volle Sicherheit gewähren wollte und die
Umstände es erlaubten, würde ich entweder selbst oder mein
Gefahrte später einmal in sein Land zurückkehren. Nachdem
eine derartige Zusicherung gegeben und meine Rede im All-
gemeinen gutgeheissen war, entfernte ich mich.
Ich war kaum in meine Wohnung zurückgekehrt, als mir
die beiden Verwandten Maina Belademi^s, Mäina Eänadl und
Ssabün, einen Besuch abstatteten. Sie hatten ein höchst
mysteriöses Aussehen und machten mich nach einigen Um-
schweifen mit der wichtigen Botschaft bekannt, deren Über-
bringer sie waren. Es war nichts weniger als die Frage, ob ich
nicht eine Kanone bei mir hätte. Ich drückte natürlich mein
Erstaunen darüber aus, dass sie glauben könnten, ich sei mit
einem solchen Artikel versehen, während ich mein ganzes Ge-
päck auf dem Rücken eines schwachen Eameeles fortschafifte,
worauf sie entgegneten, dass, wenn ich keine EAnone bei mir
hätte,^ der Sultan zu wissen wünsche, ob ich nicht im Stande
sei, selbst eine solche zu verfertigen. Nachdem ich meine
Unfähigkeit zu einer solchen Leistung erklärt, entfernten sie
sich, kehrten jedoch am nächsten Tage zurück. Sie brach-
ten mir viele Empfehlungen von ihrem Herrn, der, wie sie
sagten, dringend wünsche, dass ich von ihm eine hübsche
Sklavin als Geschenk annähme, und auch die Absicht habe,
mir ein Eameel zu schenken und zwei Reiter zu bewilligen,
die mich nach Bomu zurückgeleiten sollten. Ich erklärte
ihnen, dass ich, obgleich das Unangenehme meiner einsa-
men Lage von mir wohl empfunden werde, doch vom Sultan
weder Sklaven noch Sklavinnen annehmen könne, und dass
ich überhaupt nichts sehnlicher wünsche, als die Erlaubniss
zur Abreise zu erhalten ; jedoch würde ich sehr dankbar sein,
wenn er mir einige Proben ihrer Erzeugnisse geben wollte.
Die Boten versprachen mir dann, dass ich am nächsten Tage
eine zweite Audienz bei ihrem Herrn haben solle, und sie
hielten Wort.
84*
a72 Xm. KapiteL
Auch diesmal konnte ich dem Fürsten nur meine Huldi-
gung darbringen , ohne ihn zu . sehn. Ich wiederholte mein
Gesuch, dass er mir erlauben möge, ohne weiteren Aufent-
halt abzureisen, da ich dringende (reschäfte in Kükaua hätte;
aber ich erhielt zur Antwort, dass der Sultan, obgleich mir
die Strasse offen stehe, als der mächtige Herrscher eines gros-
sen Landes mir nicht erlauben könne, mit leeren Händen ab-
zureisen. Um jedoch meinem Gesuch möglichsten Nachdruck
zu geben, schenkte ich ihm ein kleines Femrohr und unter-
wies seine Leute in dessen Gebrauch.
Als ich in meine Wohnung zurückgekehrt war, kamen meine
Freunde, um mir anzuzeigen, dass es ihres Herrn Absicht sei,
mir für die Geschenke, die er von mir erhalten, ein glänzen-
des Gegengeschenk zu machen; aber ich versicherte sie, dass
mir nichts so wichtig sei, als eine schleunige Rückkehr nach
Börnu, da ich doch einmal keine Aussicht habe, die Erlaub-
niss zu erhalten, weiter östlich vorzudiingen. Aber alle meine
Versicherungen waren nutzlos, da die Leute zu wenig mit dem
Charakter der Europäer bekannt waren, und es fanden sich
zu viele Personen, die, wenn mir selbst nichts daran lag, et-
was zu erhalten, dieses doch ihren eigenen Wünschen ange-
messener fanden. Ich war also genöthigt, mich in Geduld
und Resignation zu fügen.
Mittlerweile erfuhr ich, dass der Fürst im Anfange gefürch-
tet habe, ich möchte ihn vergiften oder vermittelst eines Zau-
bers tödten, und dass er wiederholt mit seinen Gelehrten
und Rathgebem erwogen habe, wie er sich gegen meine Zau-
berkraft schützen solle. Jedoch schon am zweiten Tage nach
meiner ersten Audienz hatte er mir die Genugthuung wider-
fahren lassen, den Aufseher des Flusses — „chalifa bä" —
und dessen Diener — „kaschella" — , der mich in Mele in
Ketten gelpgt hatte, zu mir zu schicken, um mich öffentlich
um Verzeihung zu bitten. Ich hatte ihm solche von Herzen
bewilligt, da ich zu wohl einsah, dass der Reisende in einem
Tod Main« BeUdernfs. 378
nie zuvor yon Europäern betretenen Lande freundliche und
rücksichtsvolle Behandlung kaum erwarten kann.
Jener in Baghirmi angesessene Pullo oder Felläta, der da-
durch, dass er in den Fährleuten am Grenzflusse Furcht und
Argwohn gegen mich erweckte, die Hauptursache der schnö-
den Behandlung wurde, die ich erfahren musste, war einige
Zeit vor Ankunft des Sultans von meinem gutmüthigen
Freunde Bü-Bakr von Bäkadä bei mir eingeführt worden, wo
er denn sehr gegen meinen Wunsch darauf bestand, durch
einen Eid zu betheuem, dass er nichts zu meinem Nachtheil
beabsichtigt habe. Dies bewerkstelligte er auf eine gar ge-
schickte Weise, indem er schwor, dass er den Fährmann nicht
angeregt habe, mich im Flusse zu ertränken, welches Ver-
brechens ich ihn aber gar nicht geziehen hatte. Da ich je-
doch hier mit Jedermann in gutem Vernehmen zu stehn
wünschte, erklärte ich mich befriedigt und entliess ihn. Bei
allen diesen Gelegenheiten hatte sich die Aufrichtigkeit der
Freundschaft, welche Bu-Bakr für mich hegte, in reichem
Maasse bewährt, indem er, mit dem heftigen Wesen der
Europäer wohlbekannt, nicht aufhörte, mich zur Geduld zu
ermahnen — „ssabr, ssabr", „känadi, känadf ' — ^ gewiss die
gewichtigsten Worte für den Reisenden in diesem Lande.
Ich hatte die Hoffnung gehegt, vor dem grossen Feste
— ,/Ald el kebir", hier „Ngümre ngölo" genannt — (19*«^
Juli) meine Abreise anzutreten ; aber es kam heran, ohne dass
Anstalten zu derselben gemacht worden wären. Es ist hier
landesüblich, dass die Einwohner aller umliegenden Ortschaf-
ten zur Feier dieses Festes in die Stadt kommen; für die
Würdenträger jedes Ortes ist dies sogar eine Pflicht, durch
deren Verletzung sie in eine schwere Strafe verfallen würden.
Aber diesmal wurde das Fest in einen Trauertag verwandelt;
denn es war in der Frühe desselben Tages , wo. M&ina Be-
l&deml, allgemein als der vortrefflichste Mann im Lande ver-
ehrt, starb, — ein schwerer Verlust für den Sultan selbst,
874 Xm. Kapitel.
dessen vollkommenes Vertrauen er genoss und dessen Vater
er, als derselbe von seinem Fätscha verfolgt wurde, das Le-
ben gerettet hatte.
Seinem eigenen Wunsche gemäss wurde der Verstorbene
nicht in oder in der Nähe der Stadt begraben, sondern in
der mehrere Meilen entfernten Ortschaft Biddeli, wo, wie ich
bei anderer Gelegenheit ausführen werde, der Isslam zuerst in
diesem Lande Wurzel fasste und wo noch gegenwärtig meh-
rere hochstehende geistliche Würdenträger ihren Sitz haben.
Dieser zwar nicht unvorhergesehene Trauerfall trübte doch
das ganze Fest. Es war Mittag, als der Sultan den Palast ver-
liess, um seine Gebete in dem alten verfallenen westlichen
Viertel zu verrichten; denn, wie bereits wiederholt bemerkt
worden, ist es eine geheiligte Sitte im ganzen Sudan, dass
der Landesherr an diesem Tage seine Gebete ausserhalb der
Stadt verrichte. Nachdem der Fürst bis nach Dhohor in
der alten Weststadt, wo ein Zelt für ihn aufgeschlagen war,
verweilt hatte, kehrte er zur Residenz zurück; aber wie der
Tag ungünstig begonnen hatte, so endigte er auch mit einem
bösen Anzeichen; denn am Abend erhob sich ein so heftiges
Gewitter, dass drei Gemächer im Inneren des Palastes mit
furchtbarem Krachen einstürzten, was im ganzen Stadtviertel
einen solchen Alarm erregte, als wäre die Stadt von Fein-
desmacht mit Sturm eingenommen.
Glücklicherweise hatte ich selbst hinreichende Fürsorge ge-
troffen, das Dach meines Hauses dauerhafter zu machen, so
dass es, obgleich die Flur vollständig überfluthet wurde, völ-
lig fest blieb. Ich hatte nämlich schon einige Tage vorher
bemerkt, dass der Balken, welcher als Hauptstütze der Ter-
rasse diente, gebrochen war; nachdem ich nun bei meinem
Wirthe vergeblich um Ausbessenmg desselben angehalten, liess
ich von meinen Dienern einen grossen Pfahl aus einem be-
nachbarten Hofraume wegnehmen und ihn als Stütze auf-
richten.
Unfreundlichkeit der St&dter. 375
Seit des Sultans Rückkehr hatte sich die Regenzeit mit
grosser Heftigkeit eingestellt, so dass es fast täglich regnete.
Viele der Eingeborenen schlössen daraus, dass es erst ihrem
Fürsten gelungen sei, den von mir über die Stadt verhängten
Zauber zu lösen. Die offenen Plätze imd weiten unbewohn-
ten Viertel der Stadt kleideten sich in Folge des Regens wie-
der in das frischeste, freimdlichste Grün imd der Bedä oder
Bahhr füllte sich mit Wasser. Auch war seit der Rückkehr
des Zuges ein viel lebhafterer Verkehr in der Stadt; ich trieb
mich jedoch nicht so viel umher, wie vorher, und zwar nicht
sowohl der Nässe, als des pöbelhaften Benehmens der Skla-
ven wegen; denn diese Menschen, welche keine andere Klei-
dung für angemessen halten, als ein schwarzes Hemd, und
deren geistige Bildung auf der niedrigsten Stufe steht, hiel-
ten sich fortwährend über meine Kleidung auf und standen
überhaupt, nur Wenige ausgenommen, nicht in gutem Verneh-
men mit mir.
Meiner Armuth halber, welche mir nicht gestattete, viel
zu verschenken, ausser Nadeln, hatte ich freilich den Titel
„Nadelnprinz" — „maläribra" — , den sie mir beilegten, wohl
verdient; sie hatten mir jedoch noch einen anderen Beinamen
verliehen , welcher so viel wie „Vater der drei" bedeutete und
daraus entstanden war, dass ich zuweilen ausser Strümpfen
dünne Schuhe und darüber starke Überschuhe trug, wäh-
rend diese Leute gewöhnlich barfuss gehn und nicht ein-
mal Sandalen tragen, ausser wenn sie einen sehr entfernten
Weg zu machen haben.
Obgleich ich mich also mehr zu Hause hielt, besuchte ich
doch mitunter den Markt, welcher, wenn auch in mancher Be-
ziehimg jetzt besser versehen , des Regenfalles und der gegen-
wärtigen Feldarbeiten wegen nicht so regelmässig abgehalten
und auch nicht von so vielen Verkäufern besucht wurde, wie
früher. Es wurden jetzt Sklaven zu Markt gebracht, mitunter
gegen 30, und zum Preise von je 25— 30Cholg&n oder ChalSg
I
376 XHL Kapitel.
(„lebü", gewöhnliche weisse Hemden), gleich 6 — 7 Spanischen
Thalern, verkauft. Auch Vieh war gegenwärtig zahlreich, indem
es nicht nur von den heidnischen Stämmen, welche nur ge-
ringe Heerden von kleiner Rasse zu besitzen scheinen, ein-
geführt, sondern in noch viel beträchtlicherer Anzahl den
Schüa- Stämmen der Deghaghera, angeblich zur Bestrafung
ihres Ungehorsams, gewaltsam weggenommen worden war. Der
Preis eines guten fetten Ochsen betrug 8 Cholgän, nicht ganz
2 Spanische Thaler. Während meines Aufenthaltes in Mele
hatte ich bemerkt, dass Schaafe aus Baghirmi nach Bömu
verführt werden.
In meiner Erwartung, ohne weiteren Verzug aufbrechen zu
dürfen, fand ich mich arg getäuscht, und es verstrich ein
Tag nach dem anderen ohne Anstalten zur Abreise. Ich hatte
ausserdem Ursache, mich über die Beköstigung zu beklagen;
denn obgleich mitunter ein Gericht vom Sultan kam, so
blieben dieselben doch viel häufiger aus; aber man erklärte
mir auf meine Erkundigung, dass die Sklaven, welche mir
meine Speise zu bringen hätten, dieselbe für sich behielten.
Erst am Isten August überzeugte ich mich, dass meine
Abreise nahe bevorstehe, da die' Sklaven meines Wirthes
das Erdreich in meinem Hofraume aufzugraben anfingen,
um „deräba" oder „bamia" (Hihiscus esculentus) zu säen;
denn wenn ich länger hätte bleiben sollen, würde mein
Kameel bald die Saat zerstört haben. Doch verflossen noch
mehrere Tage, ehe endlich Alles zu meiner Entlassung ge-
ordnet war.
Endlich am 6*6» August ward mir feierlicher Abschied gege-
ben ; denn am Nachmittag kam vom Sultan ein langer Aufzug,
geführt von Serma oder Kadamange, Ssabün und Kanadi,und
überbrachte mir ein Geschenk von 50 Hemden jeder Art,
zusammen zum Werthe von etwa 30 Thalem. Unter diesen
Hemden befanden sich 7 feinere, welche ich sämmtlich nach
England schickte, mit Ausnahme eines halbseidenen, das ich,
BenrlAabimg des Reisenden. S77
weil es sehr leicht war, für meinen eigenen Gebrauch zurück-
behielt; der Rest bestand in 23 besseren weissen .und 20 ge-
wöhnlichen Markt -Toben.
Indem mir Serma diese königliche Gabe überreichte und
dabei bemerkte, der Sultan bedauere, dass ich nichts Werth-
volleres, weder Sklaven noch Elfenbein, von ihm annehmen
wolle, gab er mir nun die amtliche Erklärung, dass es mir
jetzt freistehe, abzureisen, wann es mir beliebe, dass bisher
weder das Volk von Baghirmi mich, noch ich das Volk von
Baghirmi gehörig gekannt habe, dass ich aber, wenn ich
später zurückkehren wollte, Baghirmi wie meine Heimath
betrachten könne. Ich liess dem Sultan für sein Geschenk,
sowie für die Erlaubniss zur Abreise meinen Dank abstatten,
sagte jedoch den Boten, wenn man wünsche, dass dieses Land
von mir oder meinem Bruder (Gefährten) jemals wieder
besucht werden solle, so sei es unumgänglich nothwendig,
dass uns der Sultan einen ausdrücklichen Erlaubnissschein
mit seinem königlichen Siegel ausstelle. Sie sagten dies
zu und eröflEneten mir femer, dass mich von Seiten des Sul-
tans ein Mann bis zum Flusse begleiten werde, um mich
gegen fernere Ränke der Fährleute, meiner erbitterten Feinde,
zu schützen.
Die Freigebigkeit des Sultans, wenngleich nicht sehr gross,
setzte mich doch in den Stand, meinen Freunden und Dienern
einige Belohnung zu gewähren. Ich hatte bereits die von Kü-
kaua erhaltenen Türkedl unter die mir am nächsten Stehenden
vertheilt, 2 oder 3 ausgenommen, für die ich auf dem Markte
Lebensmittel kaufte. Ich vertheilte nun 30 von diesen To-
ben unter Serma's Leute, meine eigenen Diener, den Ffiki
Ssambo, Bü-Bakr und meine anderen Freunde. Der arme Hadj
Ahmed, der hier nur mit grosser Noth seinen Lebensunter-
halt fand, war äusserst dankbar für mein Geschenk und ver-
richtete inbrünstige Gebete für meine glückliche Heimkehr,
obschon es ihm viel lieber gewesen wäre, wenn ich ihn auf
I
878 Xm. KApiteL
seiner Reise nach Osten, durch Widdi und Dar-For, befrei-
tet hätte.
Aber obgleich ich bei meiner ersten Ankunft in diesem
Lande ein solches Unternehmen ausführen zu können gehofft
hatte, so hatte ich mich doch im Laufe meines hiesigen
Aufenthaltes überzeugt, dass es, abgesehen von meinem
gänzlichen Mangel an geeigneten Mitteln, unverständig sein
würde, dergleichen unter den gegenwärtigen höchst ungünsti-
gen Umständen zu versuchen, nachdem in Wädäi ein ver-
heerender Bürgerkrieg gewüthet und der Sturm noch nicht
beschwichtigt ward; dabei war meine Stellung in diesem
Lande zu ungewiss, um mir die Übermittelung hinlänglicher
Zuschüsse behufs Durchführung eines so grossartigen Unter-
nehmens von Kukaua aus sicher zu stellen. Ausserdem aber,
wenn ich auch recht gut wusste, ein wie grosses Interesse dem
Reiche von Waddi zukommt, sowohl bezüglich der weiten
Erstreckung seiner politischen Macht, wie der grossen Man-
nichfaltigkeit seiner Bevölkerungselemente, ingleichen wegen
seiner Lage an der Wasserscheide der Becken des Tsäd und
des Nil , so blieb mir doch kein Zweifel darüber, dass West-
Sudan am mittleren Laufe des sogenannten Niger ein viel
grossartigeres und ergiebigeres Feld für meine Bemühungen
sein würde. Doch war dermalen zur Unternehmung einer
Reise nach Wadai der Umstand einigermassen günstig, dass
die Boten des Sultans (oder vielmehr des Djerma oder Serma,
eines der mächtigsten Beamten jenes Landes, welcher die In-
spektion dieser Provinz hat) gerade hier anwesend waren, be-
hufs Erhebung des Tributes, den das gegenwärtig geschwächte
Baghirmi seinem mächtigeren Nachbar entrichten muss.
Was meinen Freund, den Scherif Slimän, betrifft, so be-
nahm er sich bei dieser Gelegenheit sehr anständig, indem
er durchaus keine Hemden annehmen wollte und sich nur
einige kleine Luxusartikel, wie etwas Kampher und eine
Englische Scheere, erbat.
Endliche Abreise von Masena. 379
Als die Verzögerung meiner Abreise gehoben war, wurde
ich endlich mit der Ursache derselben bekannt; denn am
8ten August Nachmittags erschien mein edler Gefährte Grema
Abdü, der mich, ehe ich noch die Hauptstadt eiTcichte,
ohne alle Umstände verlassen und sich überhaupt ganz un-
nütz erwiesen hatte, und zeigte mir an, es sei jetzt Alles
für unsere Abreise bereit, indem er die 5 Sklaven erhalten,
die er nach Kükaua zu bringen habe, theils für seine eigene
Rechnung, theils für Rechnung seines Herrn, des Mestrema,
welcher, wie schon bemerkt, in der Hauptstadt Bornu's un-
gefähr die Stellung eines Konsuls einnimmt. So schien es
denn in der That nicht länger zweifelhaft, dass ich nun
endlich diesen Ort verlassen würde ; denn am folgenden Tage
schickte mir der Sultan als Abschiedsschmaus eine grosse
Schüssel Reis und Fleisch, welche in einer Fülle von Butter
schwammen, und selbst mein karger Wirth, der Serma oder
Kadamänge, schickte ein anderes Gericht. Am 10t«n August
verliess ich denn wirklich die Hauptstadt von Baghirmi, wo
ich allerdings länger verweilt hatte, als ich wünschte, weil
ich mich nicht frei im Lande umher bewegen durfte, wo es
mir jedoch gelang, reichhaltige wichtige Auskunft einzu-
ziehen, von welcher dasjenige, was sich auf die Geschichte
und allgemeine Beschafifenheit des Landes bezieht, im fol-
genden Abschnitt zusammengestellt werden soll, in der Hoff-
nung, dadurch das Interesse des Lesers für diese wenig be-
kannten Gegenden anzuregen. Dagegen soll das übrige mehr
geographische Material im Anhange gegeben werden.
i
XIV. KAPITEL.
Überblick über die Geschichte Ton Baghfrmi. — Allgemeiner Zustand des
Landes und seiner Bewohner.
Die Hilfsquellen bezüglich der Geschichte des östlichen
Sudans sind noch kärglicher, als die geringfügigen Urkunden
zur Geschichte des westlichen Theiles Nigritiens, welche, wie
ich mir schmeichele, durch meine Arbeiten wenigstens in
grösserer Ausdehnung, als man vorher auch nur geahnt,
beleuchtet worden ist. Aber während wir für das König-
reich Sonrhay mit den berühmten Städten Gögö und Tim-
buktu im Tarich des Ahmed Bäbä einen fast ununterbroche-
nen historischen Bericht besitzen und uns für Bomu, gleich-
falls durch die Chroniken jenes Reiches und Imäm Ahmed's
Erzählung, ein ziemlich reichhaltiger Stoff zu Händen ge-
kommen ist, sind für Ost -Sudan (welches die Länder Ba-
ghirmi, Waddi oder Dar-Ssuläi und Dar-För begreift) noch
keine solche Urkunden aufgefunden worden, und wir besitzen
dafür ausser der von den Einwohnern selbst einzuziehenden
Auskunft nur vereinzelte dunkele Angaben, welche uns von
den Arabischen Schriftstellern des Mittelalters überliefert
worden sind.
Was sich von diesen Angaben im Allgemeinen auf Känem
und dessen Hauptstadt NdjTml oder Ndjimie bezieht, habe
ich bereits in meinem historischen Abrisse des Reiches
Bomu angeführt, imd in Betreff der östlicheren Länder er-
wähnen diese Schriftsteller weiter nichts, als die allgemeinen
Quellen zur Gescbichte Ost-Sudans. 881
Namen von Stämmen, wie die Sorhaua imd die Bädjö *), wel-
che von Ebn Said und auf dessen Gewähr von Äbü'l Fedä
als Stammverwandte angeführt werden**).
Der einzige Autor, welcher diese östliche Hälfte des Su-
dans näher berührt, ist der gewöhnlich unter dem Namen
Leo Africanus bekannte Spanische Maure, welcher innerhalb
dieser Grenzen ein grosses und mächtiges Königreich, von
ihm Gaöga genannt, beschreibt. Dieser Name hat, besonders
wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Namen der Sonrhay-Haupt-
stadt, welche er in der gewöhnlichen Arabischen Schreibweise
anführt, zu vielfacher Verwirrung und zahlreichen grundlosen
Hypothesen Veranlassung gegeben. Wenn wir jedoch Leo's
Angaben, die, weil sie erst nach Verlauf mehrerer Jahre
aus dem Gedächtniss niedergeschrieben worden, allerdings
höchst unbestimmt sind, vergleichen, namentlich das, was er
über die politischen Verhältnisse Gaöga's zu dem Reiche
Bomu sagt : so kann es durchaus keinem Zweifel unterliegen,
dass sein „Gaöga" das von den Bomauem nach seinen Be-
herrschern, den Buläla, benannte Beich ist. Der Grund,
warum er es Gaöga nennt, liegt auf der Hand; denn die
Buläla, ursprünglich ein Zweig des fürstlichen Hauses von
Känem, geführt von Djil (mit dem Beinamen Schikomemi,
*) In Betreff des Namens B&dj5 herrscht eine beträchtliche Schwierigkeit;
denn er ist gänzlich unbekannt, während die Dädjö ein wohlbekannter Stamm
sind, welcher im zehnten Jahrhundert des Isslam in Dar-För herrschte und
selbst noch gegenwärtig „Xäs Faräön" genannt wird. Wir können jedoch
nicht annehmen, dass der Name Badjö ein blosser Schreibfehler für D&djS
sei, wenn wir nicht jene Schriftsteller eines sehr ernstUchen Irrthumes be-
schuldigen wollen, da die Dädjö ganz verschiedenen Ursprungs tou den So-
rhaua, welche zur grossen Familie der Tdda gehören, zu sein scheinen, wäh-
rend der Ursprung der Ersteren in den Gebirgen von Fasoglö zu suchen sein
dürfte, und jene Schriftsteller erklären ausdrücklich die B&djö für Stamm-
verwandte der Sorhäua. DieB&djö können mit den B^dcyät identisch sein. —
Über die Sagh&y des Makrisi und die Ssoka des Masüdi habe ich meine Mei-
nung bereits bei einer früheren Gelegenheit ausgesprochen.
•*) Ebn Said in Äbü'l Fedä, S. 1Ö8.
383 XIV. Kapitel.
nach seiner Matter Schikoma), gründeten ihr Reich im (jebiete
der Eüka *), eines Stammes, der in früherer Zeit grosse Macht
besass, indem er alles Land im Osten von Baghfrmi bis weit
in's Innere von Dar-För hinein inne hatte; sein Hauptsitz
aber war im Orte Schebina am Bat-hä, während er sich
gegenwärtig in der Gemarkung Fittri**) befindet
Indem die Buläla in ihren neuen Wohnsitzen den Isslam,
sowie auch das Arabische Alphabet — „warasch" — und
eine gewisse Gresittung einführten, scheinen sie daselbst bald
zur Herrschaft gelangt zu sein und gründeten dann J&uö***)
als ihre neue Hauptstadt. Wenn wir die Verhältnisse der
Länder im Osten des Tsäd in diesem Lichte betrachten, so
beseitigen wir dadurch alle Schwierigkeiten, welche die An-
gaben bezüglich Gaöga's zu machen scheinen; denn wenn
Leo bemerkt, die Sprache des Landes sei dieselbe wie die
von Bomu, so bezieht sich dies oflfenbar auf die Sprache des
im Lande herrschenden, aus Bomu gekommenen Stammes,
mit dem er während seines dortigen Aufenthaltes in Berüh-
rung gekommen war, während die Buläla, noch gegenwärtig
die herrschende Familie in Fittri, jetzt durch Verheirathung
und Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung ihre
eigene Sprache vergessen und die der Küka angenommen ha-
ben. Als Leo seine Beschreibung von Afrika verfasste oder
vielmehr den Sudan bereiste — denn von dem nach seiner
Wiederabreise Vorgefallenen scheint er nur unvollkommen
unterrichtet gewesen zu sein — , hatten die Buläla gerade
den Höhepunkt ihrer Macht erreicht, indem sie Herren von
*) Die Baghirmier verknüpfen noch heutzutage die Buläla sehr eng mit
den Kanori, indem sie diese „Bio**, jene aber )»Blo BulSla" nennen.
**) Ich bemerke, dass „Fittri" ein Wort der Küka-Sprache ist und genau
wie „Tsad", ,,Ssäri'' oder „Schari" Mos „Fluss", „See" bedeutet.
•*•) Die Form „jAuö" ist gerade so gebildet, wie der Name der gegen-
wärtigen Hauptstadt von Kinem, Mäuö, und wie der der Hauptstadt des Son-
rhay-Reiches, G^ö, Oauö, Q5gö.
Frühere Sohioksale Ost-Sudans. 383
ganz KSnem waren, und mochten also (nachdem sie, wie uns
Makrisi und A'bü'l Fedä berichten , in der letzten Hälfte des
vierzehnten Jahrhunderts selbst den grossen Stamm der So-
rhaua ihrer Herrschaft unterworfen hatten) ganz füglich mit
den Hen'schem von Egypten in vertraute politische Bezie-
hungen getreten sein, da schon Makrisi (100 Jahre vor Leo)
in Egypten hinlänglich Gelegenheit fand, die allerjüngsten
Nachrichten über das regierende Haus von Känem und über
alle wichtigen Beziehungen des Landes zu sammeln.
Ebenso leicht ist es zu erklären, warum Leo den Fürsten
von Gaoga einen Moslim nennt, während doch die einheimi-
schen Gelehrten ausdrücklich behaupten, der Isslam sei nicht
vor dem elften Jahrhimdert der Hedjra, dessen Anfang ge-
nau mit dem des siebzehnten Jahrhunderts unserer Zeitrech-
nung zusammenfällt, folglich ein Jahrhundert vor Leo's
Reise nach Afrika, in diese Gegenden eingeführt worden.
Leo redet nämlich nur von den Fürsten selbst, deren re-
ligiöses Bekenntniss wahrscheinlich ohne Einfluss auf die ein-
heimische Bevölkerung blieb; seine Angaben stimmen daher
völlig mit den aus Makrisi zu entnehmenden überein; denn
zur Zeit des letzteren Geschichtschreibers waren die Fürsten
von Känem eben die Beherrscher jenes Königreiches, das
Leo Gaöga nennt, obgleich sie damals wahrscheinlich Ndji-
mie, das sie dem Herrscher von Bömu abgenommen, zu ih-
rer Hauptstadt gemacht hatten*).
Dieser scheinbare Widerspruch findet noch eine weitere
Erklärung in dem Umstände, dass, bald nachdem Leo diese
Gegenden bereist hatte, das heidnische Volk der Tündjur sein
Reich von Dar-För bis hart an die Grenzen von Baghirmi
ausdehnte und der Verbreitung des Isslam eine starke Schranke
entgegensetzte. In Bezug auf den Namen 'Omar, welchen Leo
*) über ihre Hauptsitze zur Zeit des Edrfos Alaöma 8. Anhang II zur
Känem-Eeise.
384 XIV. KapiteL
dem damaligen Könige derBuläla gibt, habe ich bereits an-
derwärts meine Meinung ausgesprochen. Die Tündjur, von
deren ursprünglicher Sprache, welche fast erloschen zu sein
scheint, ich mir keine Proben habe verschaflfen können, sol-
len aus Dongola gekommen sein, wo sie sich von dem wohl-
bekannten, ursprünglich in Benese sesshaften Egyptischen
Stamme der Batalessa abgetrennt hatten. Von Dongola aus
vordringend, besiegten die Tündjur zuerst, wie es heisst, die
Dadjö, welche damals, wie bereits erwähnt worden ist, Dar-
För beherrschten, imd verbreiteten sich im Laufe der Zeit
über ganz Wädai und einen Theil von Baghirmi. Eadama,
ungefähr 3 Tagereisen südwestlich von Wära und auf halbem
Wege zwischen Malam und Kaschemere gelegen, war die
Hauptstadt ihres ausgedehnten Reiches. In Wädai' behaup-
teten sie ihre Herrschaft, zufolge der einheimischen Tradition,
99 Mondjahre, während der östhche Theil dieser lockeren
Reichsverknüpfung verschiedenartiger Völkerschaften, wie er
zuerst erobert worden war, so auch ihnen zuerst entrissen
wurde, indem Küro die Tündjur besiegte und kurze Zeit vor
der allgemeinen Einführung des Isslam das heidnische Kö-
nigreich Dar-För gründete. Dieser Küro war der dritte Vor-
fahr Slimän's, des ersten Moslimfürsten von Dar-För. Der
mittlere Theil des Tündjur -Reiches wurde dagegen von 'Abd
el Kerim, dem Begründer des Mohammedanischen Reiches
Wadai, gestürzt (nach der Tradition im Jahre 1020 der
Hedjra).
Wir unterlassen es jedoch, auf die Geschichte der Könige
von Wadäi hier weiter einzugehen, insofern dieselbe mit dem
hier betrachteten Lande nicht näher in Berührung steht*),
und beschränken uns auf einige Bemerkungen bezüglich der
Könige von Baghirmi selbst.
*) Einen kurzen Abriss der Oeschichte ?on W&däi' findet man in An-
hang VL
Gründung des Reiches Baghirmi. 885
Baghirmi*) erhob sich, wie es heisst, ans der Finstemiss
des Heidenthums , welche die östlichen Theile des Sndans
bedieckte, erst eine geraume Zeit, nachdem in West -Sudan
mächtige Königreiche gegründet worden waren, — einige
Jahre nach der Einfuhrung des Isslam in Wädäi. Aber wie
das Herrschergeschlecht, welches das Königreich Wadäi
gründete, vom Auslande gekommen war, so scheinen auch
die Gründer von Baghirmi daselbst eingewandert zu sein,
und die Gegend, von der sie eingewandert, scheint wenig
zweifelhaft, obgleich sie selbst, gleich allen herrschenden
Stämmen im Sudan, ihren Ursprung viel lieber von den Be-
wohnern von Yemen herleiten möchten. Sie wissen jedoch
recht wohl und erkennen es auch offen an, dass die Eingebore-
nen von Kenga, Kirssua und Ilirla eine mit ihnen nahe ver-
wandte Völkerschaft sind; sie wollen aber glauben machen,
dass der Häuptling Dokkenge auf seinem Zuge von Yemen
an jenen Plätzen einige von seinen Genossen als Statthalter
einsetzte. Was Hirla betrifft, so erkennen sie dessen An-
sprüche auf Ebenbürtigkeit nicht an, sondern leiten den Na-
men jenes Ortes, sowie das dortige königliche Geschlecht,
von einem Sklaven Dokkenge's Namens Cherallah ab. Bei
näherer Nachfrage gestehen jedoch die Baghirmier selbst
ein, dass ihr Ursprung nicht in grösserer Entfernung zu
suchen sei, als zu Kenga oder Kenga Matäia**) und dass
*) So wird der Naino im Lande selbst gewöhnlich ausgesprochen , oft aber
klingt er wie Bagrimmi, und die Adjcktivform ist jedenfalls Brfgrimma, was
häufig wie Barma ausgesprochen wird. Die Gelehrten schreiben ohne Unter-
Scheidung ^ JK^ und ^ /-^^ > während die Bomauer ^^^J9L^ (Begharmi)
oder , ^ «VAw^ (Bekärmi) schreiben.
**) Nach allem hier Bemerkten scheint es sehr zweifelhaft, ob die Ibkärem
{^ «U^^Jl) , von £bn Said in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahr-
hunderts erwähntf mit diesem Königreiche wirklich identificirt werden können ;
Barth*« RsiMii. ni. 25
386 XIY. Kapitel
dieser Ort, 5 Tagereisen östlich von Mäsena und 3 lange Tage-
reisen südsüdöstlich von Jäuö gelegen und durch die seltsame
Form des dortigen Heidenthums ausgezeichnet, der ursprüng-
liche Sitz ihrer Könige war; denn nicht nur betrachten dieBa-
ghirmier Kenga mit tiefer, heiliger Verehrung als ihren Ur^
sitz, welchen angreifen oder unterwerfen zu wollen unerlaubt
sei, sondern sie haben auch gewisse Embleme, welche bei
besonderen Gelegenheiten zur Schau gestellt werden und
welche, wie sie behaupten, von Kenga hergebracht sind.
Diese Embleme bestehen in einem sehr langen Speer, wel-
cher bei gewissen Gelegenheiten vor dem Könige hergetragen
wird, einer kleinen Pauke und einem Bügelhorn. Die Sprache
von Kenga ist der von Baghirmi nahe verwandt, obgleich
sie auch einige davon abweichende Bestandtheile enthält,
und bilden diese beiden Mundarten mit derjenigen der Küka
zusammen Eine Sprache.
Die Auswanderer — um auf unsere Hauptfrage zurückzu-
kommen — drangen unter der Leitung ilires Häuptlings Dok-
kenge, wie es heisst, auf der durch die Niederlassungen
Hirla, Kirssua und Nairomä — eine Ortschaft unfern von
Mäseiia, am Bätschikäm — bezeichneten Strasse vor.
Als dieser heidnische Fürst vor 300 Jahren sein neues Kö-
nigreich gründete, soll sich an der Stelle, wo jetzt die Haupt-
stadt liegt, nur eine armselige Ansiedelung von Fulbe-Vieh-
züchtem befunden haben, und der Ort erhielt seinen jetzigen
Namen, wie die Baghirmier selbst sagen, von einer grossen
Tamarinde — „ärdeb" — (in der Bagrimma-Sprachc „mäss")
imd einem Felläni-Mädchen Namens Ena, das bei demselben
Milch verkaufte. Diese Fulbe (oder Felläta, wie sie überall
in Ost -Sudan heissen) sollen durch die jährlichen Einfälle
es mag natürlich mehrere Jahrhunderte vor der Gründung des Königreiches
einen Stamm dieses Namens gegeben haben. Die erste unzweifelhafte Erwäh-
nung von Baghirmi oder Baghdrmi findet sich in dem früher mitgetheilton
Berichte ImSm Ahmed's von EdrTss Alaöma's Zügen nach KSnem.
Erste Herrscher von Baghirmi. 387
der Buläa grosse Bedrängniss gelitten haben, und Dokkengc
übernahm es nun, sie gegen jene zu beschützen. Mit Ausnahme
dieser Felläta- Ansiedelung, einiger Arabischen oder Schüa-
Stämme*), welche, wie namentlich die Benl Hassan, schon da-
mals sich im Lande auszubreiten angefangen hatten, und
endlich der Einsiedelei eines Felläta - Scheichs oder heiligen
Mannes zu Bidderi (einer Ortschaft 9 Meilen östlich von
Mäseiia), der jedoch, so einsam er auch war, einen sehr
bedeutenden Einfluss auf die Einführung des Isslam in
diese Länder ausübte, — waren sämmtliche Einwohner des
Landes, wie auch der Häuptling Dokkenge selbst, Heiden.
Li der Mitte des Landes lagen, sämmtlich an dem kleinen,
gewöhnlich Bdtschikäm genannten Arme des Schäri, vier
kleine Königreiche, Matia, Mdbberät, Marine und Mere oder
Damre. Nachdem sich Dokkenge bei der, wie gesagt, Mä-
sena genannten Stelle festgesetzt und eine kleine Nieder-
lassiyjg gebildet hatte, soll er sich diese vier Königreiche
durch List unterworfen, dann auch die Buläla zurückge-
trieben und somit in kurzer Zeit ein beträchtliches Gebiet
erworben haben. Seine Regierung soll von langer Dauer ge-
wesen, ihm dann sein Bruder Lubetko und diesem Delubirni
gefolgt sein, unter dessen Regierung sich das Königreich Ba-
glurmi beträchtlich weiter ausdehnte. Als Delubimi's ältester
Sohn, Malö, den Thron bestiegen hatte, fand er sich bald in
einen hartnäckigen Kampf mit 'Abd - Allah , einem jünge-
ren Bruder, verwickelt, welcher, weil zum Isslam bekehrt,
sich mehr zum Tlirone berechtigt glaubte. Anfänglich von
Malö geschlagen , soll 'Abd - Allah seinen Bruder darauf mit
Hilfe der heidnischen Stämme besiegt und ihn endlich nach
einem mehrtägigen blutigen Kampfe innerhalb der Stadt des
Lebens beraubt haben.
*) Dass dio Araber sich schon so frühzeitig in jenen Gegenden ausgebreitet
haben, ist eine durch ImSm Alimcd's Bericht ToUstandig bestätigte Thatsacho.
25«
388 XIV. Kapitel.
Nachdem *Abd-Allah sodann den Thron bestiegen und seine
Herrschaft mit dem Blute seiner gesammten Verwandtschaft
befestigt hatte, soll er jedoch die Wohlfahrt seines Landes, in
dem er den Isslam einführte, bedeutend gehoben, auch die
Hauptstadt zu ihrer gegenwärtigen Ausdehnung erweitert ha-
ben. Der Ajifang seiner Regierung fällt ungefähr 10 Jahre
nach der Gründung des Reiches Wädai durch 'Abd el Kerim,
Yäme's Sohn, und auf ihn folgten 14 Moslim- Könige von
Baghirmi.
'Abd-Allah's erste Nachfolger waren Wondja, Lauem und
Bugomända, von welchen Fürsten wenig oder nichts bekannt
ist. Hierauf aber folgte eine glorreiche Regierung, welche
in der Geschichte Baghirmi's Epoche machte — die des Kö-
nigs Mohammed el Amin, in Folge seiner Wallfahrt nach
Mekka auch „el Hadj" genannt; denn dieser Fürst verwal-
tete nicht nur die Angelegenheiten seines Landes mit grös-
serer Gerechtigkeit, als seine Vorfahren, und hob es im. An-
sehen seiner Nachbarn, sondern er erweiterte auch beträcht-
lich dessen Gebiet und Machtstellung, indem er einerseits
das vormals zu Känem gehörige, damals aber unabhängige
Reich Babäliä unterwarf und dessen König Kdbdu tödtete,
andererseits in entgegengesetzter Richtung seine Eroberungen
bis nach Gogomi, einer starken und unzugänglichen Nie-
derlassung 7 oder 8 Tagereisen südöstlich von der Haupt-
stadt, ausdehnte, derselben Feste, welche während meines hie-
sigen Aufenthaltes vom gegenwärtigen Sultan zum zweiten
Male erobert wurde, was als eine wahre Grossthat galt.
Auch wird es den Bemühungen Mohammed el Amin's zuge-
schrieben, dass nun die Mehrheit seiner Unterthanen sich
zum Isslam bekannte.
Diesem ruhmwürdigen Fürsten folgte sein Sohn 'Abd e' Rah-
• man, dessen Todesjahr mit annähernder Gewissheit bestimmt
werden kann, indem diese Begebenheit mit der Geschichte
der Nachbarländer in Verbindung steht; denn weil er sich
Kampf Bagbirmrs gegen Wädd'i. 389
gegen die, wie es scheint, während Ldueni's Regierung ein-
gesetzte Oberherrlichkeit Börnu's aufgelehnt hatte, wurde
vom Scheich ^Mohammed el Känemi der Beistand des 'Abd
el Kerim Ssabün, Sultans von Wädai, welcher im Jahre 1815
starb, gegen ihn nachgesucht. Der leichte Sieg, welchen
der kraftvolle und rücksichtslose Herrscher von Wädäi, der das
ihm gemachte Anerbieten begierig ergrifif, über das Baghirmi-
Vülk davontrug, wird den Folgen einer verheerenden Pest,
welche den grösseren Theil der erwachsenen Bevölkerung
des Landes hinweggerafift hatte, zugeschrieben, sowie dem
Umstände, dass der Befehlshaber des Heeres — „fdtscha" — ^
gegen seinen Landesherm feindlich gesinnt, mit seiner gesamm-
ten Abtheilung die Flucht ergriff und ihn in der Schlacht im
Stiche liess. Ssabün tödtete 'Abd e' Rahmän sammt dessen
vornehmster Gattin — „ghümssu" — , schleppte einen gros-
sen Theil der Bevölkerung, ingleichen sämmtliche wäh-
rend der blühenden Machtverhältnisse Baghirmi's gesammelte
Schätze hinweg und beschenkte Mallem Ngarmäba Beri, *Abd
e' Rahmän's jüngeren Sohn, mit dem Königstitel. Als aber
Ssabün das Land wieder verlassen hatte, kehrte 'Othman,
'Abd e' Rahmän's ältester Sohn, mit dem Bei- oder Schimpf-
namen Bügomän, welcher, während der König von Wädai
das Land verheerte, jenseits des Schäri in der Stadt Bügo-
män (demselben Orte, dessen Statthalter mich nicht aufneh-
men wollte) Zuflucht gefunden hatte, alsbald zurück, besiegte
seinen jüngeren Bruder, blendete ihn und bestieg dann
den Thron.
Als der König von Wddäi diese ungünstige Nachricht er-
hielt, kehrte er abermals nach Baghirmi zurück, schlug 'Oth-
män in der Schlacht bei Moitö, trieb ihn aus dem Lande
und setzte dessen Bruder auf den Thron. Sowie aber Ssa-
bün den Rücken gewandt, erschien auch'Othmän wieder, er-
tränkte seinen Bruder im Flusse und bemächtigte sich aber-
mals der Herrschaft. Es war ihm jedoch nicht vergönnt,
390 XIV. Kapitel.
sich seiner Beute lange in Ruhe zu erfreuen; denn indem
sich zwischen ihm und Rueli, seinem Fdtscha (demselben, der
sich auch gegen seinen Vater so feindselig bewiesen), ein Zwist
erhob, wurde von diesem Manne, der durch persönliche Eigen-
schaften die seinem Amte innewohnende Macht ungemein
erhöht und sich die Unterstützung einer 2ahlreichen Partei
erworben hatte, der Sultan der Herrschaft entsetzt und
des Landes verwiesen und dessen jüngerer Bruder, el Hadj,
den wir zur Unterscheidung von einem früheren Sultan
dieses Namens Hadj den Zweiten nennen wollen, mit der
Landesherrlichkeit bekleidet. 'Othmän flüchtete sich von
Bügomän, seinem gewöhnlichen Zufluchtsort, weiter nach
Gulfe, der Kotokö-Stadt an der westlichen Seite des Schäri,
wo er ein Heer versammelte, aber vom Fätscha angegriflfen
und besiegt wurde. Er flehte jetzt den Scheich el Känemi
um Beistand an und brachte auch mit Hilfe der Schüa von
Bomu ein neues Heer zusammen, mit dem er abermals
zurückkehrte, aber in der Schlacht bei Schäul wiederum be-
siegt wurde.
Durch List über den Fluss entkommen, suchte er jetzt
Zuflucht bei'Amanük, dem aus Major Denham's Abenteuern
wohlbekannten mächtigen Häuptlinge der Däghana- Schüa;
allein es blieb ihm kein anderer Ausweg, um den Verfolgun-
gen seines Gegners zu entgehen, als sich in die Arme seines
alten Feindes, des Königs von Wadai, zu stürzen, wo er denn
Beistand erhielt, jedoch unter der Bedingung, welche er auf
den Kuran eidlich zu beschwören hatte, dass er und seine
Nachkommen dem Fürsten von Wadäi einen beträchtlichen
Tribut zahlen sollten. Dieser alle 3 Jahre zu entrichtende
Tribut besteht in 100 gewöhnlichen Sklaven, 30 schönen
Sklavinnen, 100 Pferden und 1000 Hemden — „cholgän" —
(auf Wadai „derketü" genannt), ausserdem in 10 Sklavinnen,
4 Pferden und 40 Hemden für den Serma oder Djerma , den
Oberaufseher dieser Provinz.
Unterwerfung des Landes unter Wäddi. 391
Nachdem *" Othmän durch diese Vereinbarung, welche Ba-
gh'rmi ebenso sehr zur tributären Provinz von Wädai machte,
wie dasselbe früher in Bezug auf Bomu der Fall gewesen
war, Beistand erhalten, kehrte er in sein Heimathsland zu-
rück, wo er seinen mächtigen Widersacher, den endlich sein
Waffenglück verliess, besiegte, indem derselbe bei Kökotsche
am Batschikäm und bei Xssü am Schäri entscheidende Nie-
derlagen erlitt. Der Fätscha, der in Logon birni Zuflucht
gesucht und gefunden halte, lieferte dem 'Othmän zwar noch
eine Schlacht bei einer Ortschaft Namens Dindor, wo dessen
Hilfsvolk aus Wadäi in grosser Anzahl geblieben sein soll;
allein die Logoner fürchteten, Rueli werde den Kampf nicht
durchzuführen vermögen und sie würden für den ihm gewähr-
ten Schutz zu büssen haben. Um dem zuvorzukommen, hielten
sie es daher für geeigneter, ihn seinem Feinde zu überliefern,
was sie auch durch List bewerkstelligten. Der ehrgeizige
Mann soll dann in Wädai gestorben sein, indem ihn 'Othmäa
an Ssabün auslieferte.
Der unstäte Fürst von Baghirmi erlangte einige Ruhe, so
lange Ssabün lebte ; Yüssuf aber, dessen Nachfolger, war mit
ihm unzufrieden und stellte daher einen anderen Prätenden-
ten Namens Djarinüme auf. Kaum hatte aber 'Othmän die-
sen Feind überwunden, was er ohne grosse Mühe that, so
sah er sich bereits wieder in einem anderen Theile des Lan-
des zimi Kampfe genöthigt Mohanmied el Känemi, Scheich
von Bomu, hatte ihn nämlich bei der Wiederbesteigung des
Thrones blos zu dem Behufe unterstützt, die alte Oberherr-
lichkeit Bomu's über Baghirmi wieder herzustellen, und da
er nun fand, dass er seinen Zweck nicht erreicht hatte, fing
er offene Feindseligkeiten mit ihm an, welche einen Kampf
veranlassten, der eine Reihe von Jahren mit gleichem Erfolge
auf beiden Seiten fortgeführt wurde, jedoch kein weiteres Er-
gebniss hatte, als die Verheerung der beiderseitigen Grenz-
gemarkungen. Der Scheich von Bomu, damals in anderwei-
I
892 XIV. Kapitel.
tige Schwierigkeiten verwickelt, sah ein, dass er allein Ba-
ghirmi nicht werde bewältigen können, und soll daher \ei
Yüssuf, Baschä von Tripoli, um Hilfe nachgesucht haben, der
ihm denn im Jahre 1818 Müsstafä el A'hmar, damals Sultan
von Fesän, nebst Muckeni und dem Scheich el Barüd zur Hilfe
sandte, welche Baghirmi's ganzen nordwestlichen Theil ver-
heerten, die dortigen wichtigsten Plätze, Babaliä und Gäui,
zerstörten und eine grosse Anzahl von Sklaven davon führten,
unter denen sich auch Agld Müssa befand, einer meiner haupt-
sächlichsten Berichterstatter über Baghirmi.
Dies trug sich um die Zeit von Capt. Lyon's Reiseunter-
nehmung zu. Später kehrte Muckeni noch einmal zurück, mit
*Abd el Djelil, dem berühmten Häuptlinge der üeläd Slimän,
welcher bereits den früheren Zug in untergeordneter Stellung
mitgemacht hatte. Da aber Muckeni mit diesem ausgezeich-
neten Anführer in Zwist gerieth, weil Letzterer seinem Plane,
in Bomu einzufallen, nicht beitreten wollte, so kehrte er
selbst nach Hause zurück und sandte an seiner Statt den
Hadj Ibrahim, welcher die Stadt Moitö plünderte und brand-
schatzte und ihre Einwohner in die Sklaverei führte, wäh-
rend 'Abd el Djelil in Känem dasselbe that. Sodann folgte
im Jahre 1824 die zweite Schlacht von Ngäla, von welcher
Major Denham in seinem Reisewerke eine Beschreibung ge-
geben hat. Ungeachtet seines theilweisen Erfolges war der
Scheich von Bömu dennoch nicht im Stande, die Baghirmier
gänzUch zu unterwerfen ; denn obgleich nicht so zahlreich und
nicht im Besitz einer so vortrefflichen Reiterei wie ihre Nach-
barn, waren sie den Letzteren doch an persönlicher Tapfer-
keit weit überlegen.
Während 'Othmän's unruhiger Regierung ward Baghirmi
auch noch von einer anderen Seite bedroht, nämlich von den
Fulbe oder Felläta, welche, dem dunkeln Drange einer fort-
währenden Vergrösserung ihres Gebietes und ihrer Macht
folgend, vor 30 Jahren auch einen Einfall in Baghirmi mach-
Jetzige Lage des Landes. 393
ten; allein sie wurden zurückgeschlagen und die Baghirmier
rächten sich durch einen erfolgreichen Zug gegen Bögo, einen
der bedeutendsten Plätze derFulbe, östlich von Wändala oder
Mändara gelegen, den ich bei der Reise nach Adamaua und
dem Mussgu-Zuge erwähnt habe. Während das Land von
diesen ununterbrochenen äusseren und inneren Fehden schwer
litt, scheint 'Othmän einen Versuch gemacht zu haben, sich
mit Känem in Verbindung zu setzen, wahrscheinlich um eine
Verkehrsstrasse nach der Küste durch Vermittelung der Ueläd
Slimän — hier „Minne-minne" genannt — zu eröfifnen, welche
durch einen plötzlichen Wechsel der Dinge genöthigt worden
waren, in denselben Grenzgemarkungen vom Sudan ein Un-
terkommen zu suchen, mit welchen ihr Häuptling 'Abd el Dje-
lil im Verlaufe seiner Sklavenjagden bekannt geworden war.
'Othmän Bügomän scheint, im Ganzen genommen, ein ge-
waltthätiger Despot gewesen zu sein, der keinen Anstand nahm,
Fremde so gut wie seine eigenen Unterthanen zu plündern; ja,
er achtete so wenig irgend ein Gesetz, mochte es menschlichen
oder göttlichen Ursprungs sein, dass er glaubwürdigen Behaup-
tungen nach seine eigene Tochter heirathete *). Er scheint aber
ein kraftvoller Mann und mitunter selbst edelmüthig und frei-
gebig gewesen zu sein. Er starb im letzten Monat des Jahres
1260 d. H. oder gegen Ende des Jahres 1844 unserer Zeitrech-
nung, und ihm folgte sein ältester Sohn, 'Abd el Kader, der
gegenwärtige Herrscher von Baghirmi, der mit seinem Vater
fast während dessen ganzen Lebens auf keinem freundli-
chen Fusse gestanden und desshalb eine Reihe von Jahren in
Güiin, der damaligen Hauptstadt von Adamaua, zugebracht
hatte.
'Abd el Kader entging mit genauer Noth einer grossen Ge-
fahr, welche gleich im ersten Monat seiner Regierung über
*) Nach Anderen heirathete er auch seine Schwester. Wie es scheint, be-
schuldigte man seinen Vater ähnlicher Verbrechen.
394 XIV. Kapitel.
ihn hereinbrach, indem Mohammed Ssäleh, der Herrscher von
Wadäi, mit einem Heere gegen ihn heranzog, so dass 'Abd
el Kader aus seiner Hauptstadt flüchtete und sich mit Volk
und Schätzen nach Mdnchfa zurückzog, wo er sich in einer
starken Stellung hinter dem Flusse und mit den Booten auf
den Flügeln zur Schlacht rüstete. Als aber der Sultan von
Wddäi die Stärke seiner Stellung sah, liess er ihm kundthun,
er wolle ihm nichts zu Leide thun, so lange er die durch
den Eid seines Vaters gelobte Unterwürfigkeit beobachte;
wirklich scheint er auch den Baghf rmiem weiter keinen Scha-
den zugefügt zu haben, als dass er sie ihrer Kleidung, des
gewöhnlichen schwarzen Hemdes, beraubte, auf welches die
Einwohner von Wdddi sehr nei(fisch sind, da ihnen selbst die
Färbekunst nicht bekannt ist.
Nachdem diese Gefahr vorüber war, hielt es 'Abd el Kader,
der mir von Allen, die mit ihm näher bekannt zu werden Ge-
legenheit hatten, als ein Mann von gesundem Verstände und
grosser Gerechtigkeitsliebe geschildert ward, obgleich er nicht
eben sehr freigebig sein mag, für das Geeignetste, auch mit
seinen westlichen Nachbarn, den Kanöri, freundschaftliche Be-
ziehungen aufrecht zu erhalten. Erleichtert ward dies dem
Herrn von Baghlrmi durch den Umstand, dass seine Mutter
die Tante des Scheich 'Omar ist. Die Baghirmier wenigstens
behaupten, dass ihr Fürst mehr in Folge dieses verwandt-
schaftlichen Verhältnisses, als aus Furcht oder im Gefühl sei-
ner Schwäche in die Entrichtung des Tributes, welcher in
100 Sklaven jährlich besteht, gewilligt habe.
Nachdem er auf solche Weise den Frieden mit seinen bei-
den Nachbarn hergestellt, hat es sich 'Abd el Kader beson-
ders angelegen sein lassen, sein Gebiet nach jener Seite, die
ihm allein offen blieb, nämlich nach der Südseite oder den
Heidenländem hin, auszudehnen und seine Macht zu vergrös-
sern, und er hat dies auch, jedes Jahr mehrere Monate im
Felde zubringend, mit Erfolg gethan. Er hat eine grosse An-
Natürliche Vorzüge von Bagliirmi. 395
zahl heidnischer Häuptlinge unterjocht, von denen er einen be-
stimmten alljährlichen Tribut erhebt, — eine Anordnung, die
bisher fast unbekannt gewesen sein soll. Dieser Tribut besteht
natürlich fast ausschliesslich aus Sklaven, welche sich die heid-
nischen Häuptlinge nur durch Befehdung ihrer Nachbarn ver-
schaffen können. In Sklaven besteht daher fast ausschliesslich
der Reichthum des Sultans; er kann sich aber durch dieses
Mittel seine dringendsten Bedürfnisse, nämlich Pferde und
Feuerwaffen, sowie auch einige Luxusartikel verschaffen.
Nur mit starkem, obwohl unterdrücktem Unwillen ertragen
die Baghlrmier die Abhängigkeit, in welcher sie zu ihren bei-
derseitigen Nachbarn stehn, und es unterliegt keinem Zwei-
fel, dass sie, wenn es irgendwie die Umstände erlauben, die
erste Gelegenheit ergreifen werden, ihr Joch abzuwerfen, ob-
wohl der an Wddäi zu entrichtende Tribut schwer auf ihnen
lastet und jede Sammlung ihrer Kräfte erschwert.
Die mittlere Lage Baghirmi's ist freilich dessen staatlicher
Unabhängigkeit nicht sehr günstig; das Land besitzt jedoch
den grossen Vortheil eines mächtigen westlichen Grenzflusses,
welcher nicht nur eine natürliche Schutzwehr gegen den west-
lichen Nachbar bildet, sondern auch, da sich Bagliirmi an
mehreren Stellen über denFluss hinüber nach Westen erstreckt,
ein sicheres Vertheidigungsmittel gegen Angriffe des mächtigen
östlichen Königreiches gewähren kann und bereits wiederholt
gewährt hat.
Dies ist fast der einzige Nutzen, welchen das Land von
der grossen, ihm von der Natur verliehenen Gabe hat*), einem
in allen Jahreszeiten schiffbaren Flusse, welcher das halbe
Gebiet des Landes umzieht und mitten durch dasselbe einen
Arm sendet, den Batschikäm, der während des grössten Theiles
des Jahres schiffbar ist und leicht zu jeder Jahreszeit für kiei-
*) Die Boote der Kalcäma, der südlichen Insulaner des TsSd, bringen je-
doch mitunter Getreide bis BügomSn.
I
396 XIV. Kapitel.
nere Fahrzeuge schiffbar gemacht werden könnte. Dieser AnD|
welcher sich der Hauptstadt bis auf 9 oder 10 Meilen nähert,
macht einen ITieil der südlichen Gemarkungen zur Insel.
Der grosse Missstand, unter dem Baghirmi leidet, ist, dass
es ihm an einer geraden Karawanenstrasse nach der Nord-
küste fehlt, und dass es folglich bezüglich seines Bedarfes
an Europäischen und Arabischen Erzeugnissen von der be-
schränkten Zufuhr auf dem weiten Umwege durch Wädäi
oder Bomu abhängt, wodurch der Preis der Waaren bedeu-
tend erhöht und der Verkehr bei Feindseligkeiten mit diesen
Ländern gänzlich unterbrochen wird. Dies war auch die Ur-
sache, warum das Königreich der Buläla (Leo's Gaöga) sich
zu solcher gewaltigen Macht erhob, nachdem es in den Besitz
von Känem gekommen war. In früherer Zeit, als das König-
reich Bomu augenscheinlich vom Gipfelpunkte seiner Macht
schon herabzusteigen angefangen hatte und dort auf die rege
Laufbahn thatkräftiger und unternehmender Herrscher die
schwache Regierung frommer, aber saumseliger Fürsten ge-
folgt war, scheinen sich die Baghirmier in dieser Beziehung
ohne viele Umständlichkeit selbst mit ihrem Bedarf versorgt
zu haben, indem sie fortwährend Raubzüge auf der Kara-
wanenstrasse von Fesän nach Bornu ausführten und Eigen-
thum, selbst Silber, von grossem Betrage erbeuteten, — aus
welcher Quelle der von 'Abd el Kerim Ssabün, dem König
von Wadä'i, in Mäsena vorgefundene Schatz entsprungen sein
soll. In anderer Richtung erstreckten sich früher ihre Raub-
züge bis in's Batta- und Marghi-Land. —
Werfen wir nun einen übersichtlichen Blick auf das Land,
so finden wir, dass es in seinem gegenwärtigen politischen
Bestand von gar engen Grenzen umschlossen wird, indem es
sich in seiner grössten Länge nordsüdlich nur etwa 240 und
in seiner grössten Breite gegen 150 Meilen erstreckt. Ein
so kleines Königreich würde durchaus nicht im Stande sein,
sich gegen seine beiden mächtigen Nachbarn zu behaupten,
Die Landschaft südlich von Baghirmi. 897
wenn ihm nicht in den heidnischen Ländern im Süden so
unversiegbare Hilfsquellen zu Gebote ständen.
Das ganze Land, so weit es das eigentliche Baghirmi bil-
det, besteht aus einer flachen Ebene mit einer unmerklichen
Abdachung nacji Norden und einer Erhebung über das Mee-
resniveau von ungefähr 950 Fuss ; nur im nördlichsten Theile
des Landes, nördlich von einer durch Moitö gezogenen Li-
nie, gibt es einzelne Hügel oder Berge, welche die Wasser-
scheide zwischen dem Becken des Fittri und demjenigen des
Tsäd bilden (diese beiden Becken stehen mit einander in
keinerlei Verbindung). Während aber Baghirmi eine Ebene
ist, scheinen die aussen liegenden südöstlichen Gemarkungen
gar gebirgig zu sein, mid einige dortige Gebirge, besonders
die Gruppe Gere, scheinen eine solche Höhe zu erreichen,
dass die Kälte daselbst sehr empfindlich fühlbar wird und
während der kälteren Monate mitunter Hagel oder Schnee
fällt. Aus den Mittheilungen der Eingeborenen, besonders
wenn man die von Belel Kole gegebene Beschreibung berück-
sichtigt, dürfte man schliessen, dass es in jener Richtung
einige Vulkane gibt. Im Süden muss es ebenfalls beträcht-
liche Gebirge geben, wo die drei Flüsse Benue, Schäri und
der Fluss von Logone und wahrscheinlich noch mehrere an-
dere entspringen ; aber sie müssen in grosser Entfernung, weit
jenseits des Bereiches der mir zugekommenen Nachrichten,
liegen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass in diesem
Theile des Kontinentes an keinen ewigen Schnee oder auch
nur an einen solchen zu denken ist, der geraume Zeit lie-
gen bliebe; auch ist durchaus keine Nothwendigkeit für eine
solche Annahme vorhanden, da der Regenfall am Äquator
vollkommen hinreicht, um zahlreiche unversiegbare Quellen
zu speisen und die jährlichen ungeheueren Flussanschwellun-
gen zu verursachen, welche die Uferlandschaftea auf so er-
staunliche Weise überschwemmen. Damit fällt es mii* jedoch
keineswegs ein, das Dasein von Schnee in den Äquatorial-
398 XIV. Kapitel.
landschaften Afrika's überhaupt zu leugnen; denn in Damot,
Ssämen, Kaffa und anderen umliegenden Ländern gibt es
entschieden manche Berghöhen, wo sich eine geringe Menge
Schnee's einen Theil des Jahres über hält, und ich sehe
keinen Ginind, warum das nicht auch mit anderen, süd-
licher, imfern der Ostküste gelegenen Berghöhen der Fall
sein sollte; aber darüber kann kein Zweifel sein, dass das An-
schwellen der Fliisse in diesen Gegenden nichts mit dem
Schmelzen grosser, auf Berghöhen angesammelter Schnee-
massen zu thun hat. Die Schwellzeit scheint bei den er-
wähnten drei Flüssen genau zusammenzufallen, aber die reis-
sendste Strömung scheint der Fluss von Logone zu haben.
Der Boden Baghirmi's besteht theils aus Kalk — „a&e" — ,
theils aus Sand — „ssinaka" — und bringt demgemäss ent-
weder Negerhirse — „tschengo" — (Penmsetum) oder Sor-
ghum — „wä" — hervor; diese zwei Getreidcarten bilden
mit ihren verschiedenen Abarten das Hauptnahiningsmittel
der Einwohner von Baghirmi, sowie von fast ganz Sudan.
Ausserdem wird beträchtlich viel Sesam — „karru" — ge-
baut, welcher Betrieb diesem Lande, wie auch mehreren heid-
nischen Ländern, wo diese Sämerei bei vielen Stämmen den
hauptsächlichsten Theil der Nahrung zu bilden scheint, ein
ganz eigenthümliches Ansehen gibt. In anderen Gemarkun-
gen Baghirmi's sind Bohnen — „mongo" — die vorherr-
schende Speise; aber Erdmandeln — „büli" — scheinen nur
in beschränkterem Maasse gebaut zu werden.
Waizen wii'd, mit Ausnahme einer kleinen Stelle innerhalb
der Stadt für den Privatgebrauch des Sultans, gar nicht ge-
baut. Auch Reis wird nicht gezogen, aber nach dem Re-
gen in der Waldung, wo er in Sümpfen und zeitweiligen
Lachen wild wächst, in grosser Menge gelesen (in der That
bildet eine gute Schüssel Reis mit einem tüchtigen Stück
Butter und Fleisch eines der wenigen guten Gerichte, die
mir in Baghirmi vorgekommen sind). Ein anderes sehr viel
Die Nahrongsmittel des Landes. 399
benutztes Nahrungsmittel gewähren verschiedene Arten eines
Grases, einer Poa^ die, wie ich glaube, mit der Poa Abyssi-
nica identisch ist und hier von den schwarzen Eingeborenen
„tschenna", von den eingeborenen Arabern (den Schüa) „kreb"
genannt wird; die in Baghirmi gewöhnliche Art wird „djö-
djö" genannt und nicht nur von den Armen, sondern auch
von den Reichen als Speise benutzt. Hierüber vermag ich
selbst vollkommen aus Erfahrung zu sprechen, indem ich
während meines langen Aufenthaltes in diesem Lande, abge-
sehen von etwas Reis, fast ausschliesslich von dieser Poa lebte.
Ich fand dieselbe, wenn sie mit einer gehörigen Menge But-
ter zubereitet oder in Milch gekocht war, recht schmackhaft;
freilich ist sie nur eine leichte Speise, und wenn sie so keine
Verdauungsbeschwerden verursacht, stillt sie auch den Appetit
nur auf kurze Zeit und flösst eben keine übei'flüssige Stärke ein.
Von Gemüsen hat man ausser „gongo" (den Blättern des
AflFenbrodbaumes — „küka" — ) und mitunter denen des Ha-
djilidj — „djanga" — , aus welchen die armen Leute ihre
gewöhnliche Zukost bereiten, besonders „moluchla" („go-
nermo", Corchorius oUtorius) und „deräba" oder „bamia"
(„gobälto" und „geddeglr"). Auch Wassermelonen — „ger-
laka"CO — ? sowie die Melopejw — „kürtschi"(?) — genannte
Cucurbita- Art ^ deren ich schon früher Erwähnung gethan
habe, werden in einiger Ausdehnung gezogen. Innerhalb der
Stadt werden viele Zwiebeln — „bässal" — gebaut, aber we-
niger für den Gebrauch der Einwohner, als der den Oil be-
suchenden Fremden.
Von Rohstoflfen für die Industrie gewinnt man Baumwolle
— „nyere" — und Indigo — „alinl" — in für den Be-
darf der Einwohner hinlänglicher Menge; beide Artikel wer-
den aber meistens von den in dieses Land eingewanderten
Bomauem gezogen.
Der Boden scheint keineswegs von ungünstiger Beschaffen-
heit zu sein, wenn auch bei weitem nicht so ergiebig, wie in an-
400 XIV. Kapitel.
deren Theilen des Sudans; nur leidet das Land, wie ich oben
bemerkt habe, sehr an Dürre, und Termiten und Würmer
vereiteln in grossem Maasse die Arbeiten des Landmannes.
Von den Bäumen, welche im Lande am häufigsten und
dem Menschen am nützlichsten sind, habe ich besonders die
Tamarinde — „ardeb" — , in Baghirmi „mäss" genannt, zu
erwähnen, — einen durch seine Frucht ebenso nützlichen,
wie durch sein Laub schönen Baum. Die Frucht der Ta-
marinde bildet, meiner Ansicht nach, wegen ihrer erfrischen-
den und kühlenden Eigenschaften bei einer grossen Anzahl
leichter, diesem Klima eigenthümlicher Krankheiten das beste
und sicherste Mittel. Ihr zunächst folgt die Delebpalme (hier
„kaue" genannt), welche an mehreren Stellen des Landes
häufig vorkommt, obwohl sie in den äusseren Gemarkungen
im Süden noch viel häufiger ist; sodann die Dümpalme, die
zwar nicht ganz so häufig, jedoch in mehreren Theilen des
Landes in beträchtlicher Anzahl gefunden wird ; ferner der Ha-
djilidj — „djdnga" — (Dahmites Aegyptiacus)^ dessen Frucht
nicht allein essbar ist, sondern dessen Blätter auch (gleich
denen des Aft'enbrodbaumes , welcher hier nicht sehr stark
vorzukommen scheint) als Zukost benutzt werden; endlich der
Körna oder Kirna (Cornus) und die Sykamore — «bili" — .
Viele der in Haussa gewöhnlichen Bäume, wie die Kadeiia
(Bassia Parka) und die Doröa (Parkia)^ kommen hier, we-
nigstens in den von mir besuchten Gegenden, gar nicht vor;
jedoch „habb el melük" (Croton tiglium) ist häufig, und ich
selbst versah mich bei meiner Rückkehr aus diesem Lande
zum Ersatz meiner verbrauchten Europäischen Arzneien mit
einem Vorrath dieses kräftigen Abführungsmittels. —
Bergbau gibt es gar nicht. Eisen wird von den äusseren
Gemarkungen eingeführt, namentlich von Giirgara aus, einem
20 — 25 Meilen vom Flusse entfernten Orte, wo der Sand-
stein beträchtlich viel Eisenerz zu enthalten scheint. Natron
kommt vom Bahhr el Ghasal. —
BewaffnuDg der Baghirmier. 401
Die Eigenthümlichkeiten des Landes und die Topographie
der Städte und Dorfschaften werden in einem besonderen
Abschnitte des Anhanges beschrieben werden; ich bemerke
also hier nur noch, dass die Gesammtbevölkerung des Lan-
des kaum die Zahl von IJ Millionen zu übersteigen scheint
und dass die ganze Heeresmacht bei dem gegenwärtigen
hetabgekommenen Zustande des Königreiches mit Noth über
10,000 Mann Fussvolk und 3000. Mann Reiterei begreift
— und zwar mit Einschluss der Schüa, welche die schwarze
Bevölkerung in der Pferdezucht übertreffen — , wähi*end die
Reiterei von Wadäi auf 5- bis 6000 Mann und die von Dar-
För auf mehr als 10,000 Mann anzuschlagen ist.
Die üblichste Waflfe in Baghirmi ist der Speer — „nyiga" — ,
während Bogen — „kä-kesse" — und Pfeil — „kesse" — sowohl
in Baghirmi selbst, als auch in den nach Süden zu gelege-
nen heidnischen Ländeni selten sind. Der Schild ist eben-
falls sehr wenig in Gebrauch und nur unter dem Kanöri-
Namen „ngaua" bekannt; noch seltener ist die werthvollere
Rüstung — „ssüllug" — , und ich sah auch fast keine ein-
zige Feuerwaflfc im Lande. Dagegen sind fast sänmitliche
heidnische Bewohner dieser Gegenden mit dem von mir noch
in so vielen anderen Ländern angetroffenen Handbeil bewaff-
net, welches von den Kanöri „goliö", hier aber „ndjTga" ge-
nannt wird, so dass sich die Namen für Speer und Beil nur
duich Einen Buchstaben von einander unterscheiden. Nur
wenige Baghirmier sind reich genug, um sich ein Schwert
— „kasskara" — anzuschaffen, welche Waffe sie auch nicht
zu schmieden vermögen , und sogar der eigenthündiche , am
linken Ai*me getragene Dolch — „kiä" — , welcher nach dem
Vorgang der Tuareg in dem gi'össten Theil des Sudan ein-
geführt worden, ist höchst selten.
Da ich über die körperliche Gestalt der Bewohner Baghir-
mi's bereits mehrmals gesprochen habe, bemerke ich hier
nur, dass sie ein schöner Menschenschlag sind, ganz verschie-
Banh's B«iMn. lU. 26
402 XIY. Kapitel.
denen Stammes von den Kanöri, aber, wie die Sprache zeigt,
mit den Küka und verschiedenen anderen Stämmen im Osten
nahe verwandt. Sie selbst nennen ihre Sprache „tar Ba-
grimma". Den Isslam haben sie erst in jüngerer Zeit ange-
nommen und die Mehrzahl verdient auch noch heutigen Ta-
ges mehr den Namen von Heiden, als von Mohammedanern.
Das Maass der Kenntnisse, welche sie besitzen, ist nur ge-
ringfügig; nur die wenigen Eingeborenen, welche die Wall-
fahrt gemacht, wie Bü-Bakr Ssadik, sind einigermassen mit
dem Arabischen vertraut; Leute von einiger Gelehrsamkeit
gibt es unter ihnen nicht. Jedoch will ich erwähnen, dass
am 258^en Mai der Kadamange Almosen spendete, weil sein
Sohn die einmalige Lektüre des Kuran vollendet hatte und
zur zweiten überging — wodurch für die Familie der Tag
zu dem Feste des „chätem el kuran" wurde. Nur unter den
Felläta oder Fremden aus Wädai gibt es Gelehrte. Die ein-
zigen Industriezweige, in denen^ sie einigen Fortschritt ge-
macht haben, sind die Künste der Färberei und der Weberei,
welche sie beide auch in Waddi eingeführt haben, obgleich
in Baghirmi selbst die Weber und Färber meistens Kanöri
sind. Schwarze Toben sind bei den Männern viel üblicher
als in Bomu, und auch die Bolne oder Tüi-kedi, welche ge-
wöhnlich die einzige Kleidung der Weiber bilden, sowie das
Oberkleid — „debdalena" — sind schwarz gefärbt. Eng-
anschliesende Hemden — „tarkldji" — , in Wädäi die ge-
wöhnliche weibliche Kleidung, werden wenig getragen.
Die Regierung von Baghirmi ist eine unumschränkte Mo-
narchie, welche weder durch ein aristokratisches Element,
wie in Bomu, noch durch einen solchen Ministerrath, wie wir
ihn in den Haussa- Staaten gefunden haben, gemässigt wird.
Die Obliegenheiten der verschiedenen Staatsämter scheinen
keineswegs genau bestimmt und desshalb dem Ermessen oder
Missbrauch der Beamten überlassen zu sein, wie wir denn
gesehn haben, dass der Fatscha während 'Othmän's Regie-
Verfassang und Beamtentham. 403
rung eine solche Macht erlangt hatte, dass er gegen den
König selbst einen langen und erfolgreichen Krieg zu führen
vermochte.
Der Titel des Königs ist „banga". Das Amt des Fatscha
entspricht genau dem des Keghdmma in Bomu; hierauf
folgt das Amt des Ngarmäne (Ministers des königlichen
Haushalts) und das des Gheletma, welches Wort aus „gha-
ladima" verderbt ist. Sodann kommen der Gär-Moien-
mänge (Verwalter der offenen Weiden und Wälder), der
Milma, dessen Amt aus Bornu eingeführt sein soll, femer
der Gär-Ngöde, der Gär-Nginge, der Serma und der Kada-
mänge, welch' letzterer ursprünglich der Lehrmeister der
Söhne des Königs war. Ausser diesen haben die Hauptleute
— „bärma" — und die Statthalter der bedeutendsten Ort-
schaften beträchtliche Macht, namentlich der Elifa-Moitö
(Statthalter von Moitö), wie auch der Elifa-Bä (Beamte der
Gewässer). Von diesen Würdenträgem sind die folgenden
befugt, auf einem Teppich zu sitzen : der Fätscha, der Bdrma,
der Gheletma, der Milma, der Gär-Moienmdnge, der Bang
Bu-ssö, der Bang Dam, der Elifa-Moitö, der Ellfa-Bä. Von
den Hofbeamten sind nur der Fatscha, Mäina, Gär-Moien-
mange, der auch schlechthin Mdnge genannt wird, und der
Bärma freie Leute, die übrigen sind Sklaven; jedoch kann
ich nicht sagen, ob dies in allen Fällen prinzipmässig ist
oder mehr von Umständen abhängt. Wir haben gesehn,
dass der Sultan während seiner Abwesenheit von der Haupt-
stadt einen der untergeordnetsten Höflinge, den Kadamänge,
zum Reichsverweser gemacht hatte.
Des Sultans Mutter — „kuh-bänga" — steht in hohem
Ansehen, ohne jedoch die grossen Machtbefugnisse zu be-
sitzen, welche wir die Mdgira in Bomu haben ausüben sehn
und welche wir auch bei der Möma in Wädäi antreffen
werden. Der Thronanwart, hier, wie in Bomu, „tschiröma"
betitelt, geniesst beträchtlichen Einfluss, welcher nicht be-
26»
I
404 XIY. KapiteL
stimmt begrenzt ist. sondern Ton seiner Persönlichkeit ab-
Längt Obgleich der Titel des Sultans so Terschieden tod
dem des Königs Ton Borna ist haben doch die Prinzessinnen
denselben Titeln wie in jenem Lande, nämlich ^^eram^, und
dieser Titel ist selbst in Wddäi eingeführt worden.
Bezüglich der vom Könige erhobenen Auflagen — ,4^den-
bdnga'^ genannt — erlaubte mir meine Lage im Lande
nicht, genaue Auskunft zu erlangen ; ich beschränke mich da-
her in dieser Beziehung auf einige allgemeine Bemerkungen.
Die Ton den Mohammedanischen Bewohnern des eigentlichen
Baghirmi zu entrichtenden Auflagen sind von zweierlei Art,
indem sie theils in Getreide, theils in Baumwollenstreifen beste-
hen. Die Getreideauflage, die dem Tsidiräm Mäibe in Bomn
und dem Kürdi-n -Kassa in Haussa entspricht, wird hier
„motten-banga" oder, wie es gewöhnlich ausgesprochen wird ,
„mötten-banki" genannt ; die andere Auflage dagegen heisst
„fdrda - n - banga". Viele Ortschaften haben auch eine Ab-
gabe in Butter zu entrichten, obschon die Schüa oder, wie
sie hier heissen, die Schlwa (die einheimischen Araber) die
gewöhnlichen Hoflieferanten von diesem Artikel sind.
Die Schlwa von Baghirmi gehören besonders zu den fol-
genden Stämmen: den Ssälamät, Beni Hassan, Ueläd Mü-ssa
(einem sehr kriegcrisclien Stamm), Ueläd 'Ali und den Degha-
ghera. Sie wohnen im ganzen Lande zerstreut, besitzen aber
einige Dorfschaften fast ausschliesslich für sich selbst. Die
Auflage, welche diese Araber zu entrichten haben, besteht
hauptsächlich in Vieh und wird „djengal" genannt; dieselbe
ist sehr beträchtlich. Ob diese Araber von Baghirmi, gleich
denen von Bomu, auch dem Könige alle Hengste einzuliefern
haben, indem sie nur die Stuten für sich behalten dürfen,
weiss ich nicht genau, ich glaube aber, dass es der Fall ist.
Die bedeutendste Auflage aber, wol(*lio der Sultan be-
zieht, besteht in den Sklaven, w<»loho dio yanspliichtigen heid-
nischen Gemarkungen zu entrichten haben, namentUch die
Das Abgabenwesen.
405
Häuptlinge von Miltü, Dam, Ssomrei nebst vielen anderen,
von deren Gebieten und Macht man durch die von mir
zusammengetragenen Itinerarien einige Auskunft erlangt.
Dieser Sklaventribut begründet die Stärke und den Reich-
thum des Königs von Baghinni, welcher fortwährend be-
strebt ist, seine Macht über die benachbarten heidnischen
Völkerschaften auszudehnen.
Die Einwohner von Ba^hirmi haben ihrem Landesherm
eine höchst knechtische Unterwürfigkeit zu bezeigen; wenn
sie sich ihm nahen, müssen sie nicht nur mit unbedeck-
tem Haupte erscheinen, sondern auch das Hemd von der
linken Schulter herunterziehen und den Kopf mit Staub be-
streuen. Sie leiden übrigens im Allgemeinen keine schwere Be-
drückung und besitzen selbst eine viel grössere Redefreiheit,
als die Einwohner mancher Europäischen Staaten; aber na-
türlich hängt in diesen Ländern, wo es keine geregelte Ver-
fassung gibt. Alles von den persönlichen Eigenschaften des
jedesmaligen Füi*sten ab, und Glück und Unglück der Be-
wohner ist an seine Launen geknüpft.
I
XV. KAPITEL.
Rückreise nach Kükaua. — Herrn Dr. Overweg's Tod.
Hatte ich gleich einst das Ziel verfolgt, nach dem oberen
Nil vorzudringen, so^ war ich doch froh, als ich mich am
IQten August westwärts wandte, da ich seitdem die Gewiss-
heit erlangt hatte, dass ein solches Unternehmen unter ge-
genwärtigen Umständen unmöglich sei.
Man hatte mich so oft mit dem Versprechen meiner end-
lichen Abreise getäuscht, dass ich dem Boten, welcher am
Morgen dieses Tages vom Serma ankam, um mir anzuzeigen,
ich könne mich jetzt reisefertig machen, nicht traute und
mich nicht rührte, bis der Serma selbst erschien und die
Sache bestätigte, wobei er mir zugleich mittheilte, ich würde
des Sultans Brief in Betreff meiner Sicherheit bei einem
künftigen Besuche bei dem Maina Ssabün vorfinden.
Ich liess also von meinen Dienern das Gepäck in Ord-
nung bringen; bevor ich jedoch aufbrach, erhielt ich den
Besuch einer grossen Anzahl von Höflingen mit einem Agid
an der Spitze, um von mir Abschied zu nehmen und zum
letzten Male ihr dringendes Anliegen vorzubringen, dem Sul-
tan meinen schönen „keri-ssassarandi" (Gaul) zu verkaufen.
Dies Gesuch musste ich jedoch abschlagen, indem ich ihnen
sagte, ich brauche selbst mein Pferd und sei nicht als Kauf-
mann, sondern als Gesandter in ihr Land gekommen. Sie hat-
ten stets mit Unwillen gesehn, dass ich mein Pferd nicht ver-
kaufen wollte, da alle Leute, welche von der anderen Seite von
Abreise von Masena. 407
Bomu nach diesem Lande kommen, Pferde zum Verkauf
eigens mitbringen. Sie rächten sich daher dadurch, dass
sie mir noch einen anderen Beinamen, den eines stolzen
und hochmüthigen Mannes — „derbaki ngölo' — ertheilten.
Aber ich würde mich um Alles in der Welt nicht von dem
Gefährten meiner Mühen und Gefahren getrennt haben, ob-
gleich er seine Fehler hatte und damals allerdings nicht bei
guter Leibesbeschaffenheit war. Ich hatte ein Vorgefühl,
dass mir das Pferd noch auf manchem Zuge ein nützlicher
Genosse sein werde, und es sollte mich in Wirklichkeit noch
2 Jahre lang tragen und den Neid meiner Freunde und
Feinde in Timbuktu erregen, wie es hier gethan.
Nachdem ich den Brief des Sultans erhalten, mit dessen
Inhalt ich mich nur höchst zufrieden erklären konnte*),
ging es nun endlich im Ernste fort, imd das Herz schlug
mir hoch vor Freuden, als ich nun zum Westthore hinaus
in's Freie kam und einmal wieder meiner Freiheit genoss.
Das ganze Land war mit dem schönsten Grün bekleidet,
die reichsten Weidegründe und herrlichsten Getreidefelder
wechselten mit einander ab. Allerdings war die Höhe, welche
das Getreide erreicht hatte, auffallend verschieden, indem es
auf einem Felde gegen 5 Fuss hoch stand und eben in's Korn
schoss, während auf einem anderen, dicht daneben, die zarten
Halme eben aus der Erde emporsprossten. Weil nämlich im
Anfange der Regenzeit beinahe 4 Wochen lang kein Re-
gen gefallen war, so hatte dies damals viele Leute abgehal-
ten, die Saat dem Boden anzuvertrauen. Etwas weiterhin
fand viel Anbau von Bohnen statt.
Indem mir jetzt die Absteckung des Pfades, mit dem
ich vollkommen vertraut war, weiter keine Schwierigkeit
machte, konnte ich mich dem allgemeinen Eindrucke der so
*) Ich sandte diesen Brief mit des Sultans Siegel an das Brittische Mi-
nisterium der auswärtigen Angelegenheiten in London.
I
408 XV. Kapitel.
gänzlich umgestalteten Landschaft unge8t<)rt hingeben. Jen-
seits des Felläta- Dorfes, das ich auf meinem Auszuge er-
wähnt habe, mussten wir eine weite Wasserfläche überschrei-
ten, und der Grund war zu wiederholten Malen äusserst
schwierig für mein Kameel, so dass wir hinsichtlich des mar-
schigen Bodens von Logone höchst besorgt wurden. Auch
verfehlten die Leute, die uns auf der Strasse begegneten,
nicht, uns zu bedeuten, dass dies nicht das rechte Thier für
diese Jahreszeit sei, und ohne Frage sind Packochsen zur
Reise in diesem Theile des Jahres wegen ihres sicheren
Trittes Kameelen weit vorzuziehen, obgleich es wieder viele
Schwierigkeit macht, sie über die Flüsse zu bringen.
Wir kamen im wohlbekannten Dorfe Bäkadä gerade zur
rechten Zeit an, um einem heftigen Gewitter zu entgehen, das
mit geringer Unterbrechung den ganzen Nachmittag anhielt;
da ich jedoch meinen Wirth nicht zu Hause traf, nahm ich
auf meine eigene Verantwortlichkeit von seiner Hütte Besitz
und beschwichtigte nachher den Unwillen meines alten guten
Freundes, dessen Gastlichkeit von allen Wanderern auf dieser
offenen Heerstrasse so oft beansprucht wurde, mit einem Ge-
schenke von zwei feinen weissen Hemden. Ich fühlte tiefes
Mitleid für ihn, indem ihm am folgenden Tage, den wir hier
zubringen mussten, die ganze Schaar, die sich unserer Truppe
angeschlossen hatte, zur Last fiel; ich hätte jedoch wohl
erwarten können, dass er wenigstens mir selbst seine Gast-
freundschaft noch auf einen Tag länger würde haben ange-
deihen lassen, da wir uns für immer trennen sollten und
ich hier gegen meinen Wunsch zurückgehalten wurde. So
aber ist der Charakter des Volkes von Baghirmi in seinem
gegenwärtigen herabgekommenen politischen und moralischen
Zustande.
Meine Gefährten waren am Morgen noch nicht ganz zur
Reise bereit. Es regnete während des grösseren Theiles der
folgenden Nacht, und nur mit Mühe konnte ich am Morgen
Aufenthalt in Kökorotsche. 409
meine Leute in Bewegung bringen und musste endlich wirk-
lich Gewalt anwenden, um unseren Zug wieder in Gang zu
setzen. Ein Europäer hat keine Vorstellung davon, wie die
Thätigkeit eines Reisenden in diesen Ländern durch die
Tnigheit und Lässigkeit der Eingeborenen gelähmt wird.
Endlich waren wir unterwegs und kehrten nach einem
massigen Marsche in KöUe-koUe ein. In Folge des starken
Regenfalles hatte auch hier die Landschaft ein höchst reiches
und üppiges Ansehen; aber überall auf den Feldern liess
sich der lange schwarze „haluessi" genannte Wunn, welcher
den Saaten so grossen Schaden verursacht, in ungeheuerer
Anzahl sehn. Die Dorfschaften, mit deren Aussehen wir wäh-
rend der trockenen Jahreszeit so genau vertraut gewesen,
waren kaum wieder zu erkennen, indem die Hütten durch
die hohen Saaten jetzt dem Blicke völlig entzogen waren.
Am folgenden Tage gelangten wir nach Kokorotsche, nach-
dem wir glücklich über einen sehr schwierigen Morast ohne
Unfall gekommen waren. Die ganze Waldregion, die auf mei-
nem Auszuge auch nicht einen einzigen Tropfen Wasser enthielt,
war jetzt in eine fortlaufende Reihe von Sümpfen verwan-
delt, und die Oberfläche trug überall eine dichte Pflanzen-
decke. Während dieser Jahreszeit schlagen die Schüa- Ara-
ber hier ihre zeitweiligen Lager auf.
In Kokorotsche mussten wir uns auch noch einen zweiten
Tag aufhalten, um den Boten des Sultans abzuwarten, der
mich gegen die ferneren Ränke der Fährleute, gegen die ich
grösseres Misstrauen hegte, als selbst gegen Europäische Po-
lizeioffizianten , in Schutz nehmen sollte. Inzwischen schloss
sich uns auch Grema 'Abdü's Frau, die sich diese ganze
Zeit über bei ihrem Vater in Müstafadji aufgehalten hatte,
wieder an, und aller weitere Aufenthalt schien beseitigt.
Gewiss ist ein solcher Besuch einer verheiratheten Frau im
väterlichen Hause sehr geeignet, Europäern eine bessere Vor-
stellung vom Afrikanischen Familienleben beizubringen. Man
410 XV. Kapitel.
weiss in der That in Europa wenig davon, wie freundschaft-
lich in diesen Ländern Mann und Weib mit einander leben,
und es war dieser liebenswürdige Zug, der mich einigermas-
sen mit meinem Gefährten aussöhnte, gegen den ich sonst
sehr eingenommen war.
[Sonnabend y 14^ August^ Wir traten nun endlich unsere
Reise mit Ernst an. Es hatte schon am Nachmittage des vori-
gen Tages sehr stark geregnet, und nun hatten wir am Morgen
wiederum einen heftigen Regenguss, welcher volle 2 Stunden
anhielt und unsere Abreise beträchtlich verzögerte. Die Ent-
fernung bis zum Flusse war nicht gross, aber der letztere
Theil des Weges von so schlechter Beschaffenheit, dass mein
Kameel seine Ladung nicht weniger als sechsmal abwarf,
so dass meine Diener fast zur Verzweiflung gebracht wur-
den und mir erst mehrere Stunden nach meiner Ankunft in
A'-ssü nachkamen, nachdem ich es mir bereits in einer vor-
trefflichen Hütte bequem gemacht hatte. Sie war aus sauber
geglättetem Lehm sorgfältig erbaut, und es that mir herzlich
leid, zwei unverheirathete alte Damen, welche sie bewohnten,
aus ihr vertreiben zu müssen.
Sobald ich etwas ausgeruht hatte, brach ich auf, um den
Fluss in Augenschein zu nehmen. Die grossailige Erschei-
nung dieses Flusses hatte mich, als ich, von Logone kommend,
ihn zum ersten Male gewahrte, in Erstaunen gesetzt und
es hatte mir jedesmal Freude gemacht, wenn in Mele mein
Blick auf den schönen Strom fiel; gegenwärtig hatte er nun
aber beträchtlich zugenommen und bildete eine Wasserfläche
von wenigstens 3000 Fuss Breite, von zahlreichen Werdern
durchsetzt, während das diesseitige hohe, sanft abfallende Ufer
in reiche Saaten des Egyptischen Kornes — „masr" —
(Zea Mays) gekleidet war. Mehrere kleine Kähne oder viel-
mehr Boote lagen am Strande , aber ich sah mich vergebens
nach einem um, welches gross genug für mein Kameel gewesen
wäre, indem ich gegründete Furcht hegte, dasselbe dem Strome
Übergang über den Flnss. 411
anzuvertrauen. Ich bemerkte jedoch mit Vergnügen, dass
die Strömung nicht sehr reissend war, indem sie mir nicht
über 3 Meilen die Stunde zu betragen schien. Leider war
auch heute sehr nasse Witterung, so dass es nicht so ange-
nehm war, imiherzustreifen , als sonst wohl der Fall ge-
wesen wäre.
X-ssü war früher eine, umwallte Stadt, aber der Wall hat
jetzt ein ebenso verfallenes Aussehen, wie überhaupt das
ganze Land; die Einwohner, für die die ^ähre eine fort-
währende Quelle des Gewinnes ist, scheinen jedoch leid-
lich wohlhabend zu sein. Nach diesem Dorfe, das vor-
mals von grösserer Bedeutung gewesen zu sein scheint, als
jetzt, wird der Fluss mitunter der „Fluss von A-ssü" genannt;
er sollte aber nie „der Fluss Ä-ssü" genannt werden. Auch
hier befindet sich ein Beamter oder Aufseher der Fähre mit
dem Titel Kaschella*), ganz wie im Dorfe Mele.
Wir mussten uns anfänglich eine Meile weiter stromab-
wärts begeben, um den bei der Hinreise erwähnten flachen,
sandigen Strand zu erreichen. Endlich nach langem Zögern
wurden die Boote gebracht und das Übersetzen begann. Die
Pferde kamen zuerst, indem drei oder vier längs der Boote
schwammen; es war aber eine schwierige Aufgabe für die
im Boote sitzenden Leute, sie zu leiten, und ungeachtet aller
ihrer Anstrengungen und alles Geschreies der am Ufer ver-
bliebenen trieb die Strömung mehrere vom Boote fort und eine
ziemliche Strecke den Fluss hinab; eines derselben, ein schö-
ner schwarzer Gaul, ertrank. Es war die äusserste Zeit, \fO
der Fluss für Pferde noch passirbar ist; denn während des
ganzen Monates September wird der Übergang, wie die Leute
mich versicherten, nie versucht Ich selbst kam mit Pferd
und Gepäck glücklich ohne Unfall hinüber, und nachdem
*) Kaschella ißt eigentlich ein B6mu- Titel, aber in diesen Ortschaften an
der Westgrenze Baghinui's allgemein in Gebrauch.
412 XV. Kapitel.
ich einen Schuss abgefeuei*t hatte, um meine Freude auszu-
drücken, nun den Händen des fanatischen Baghirrai- Volkes ent-
kommen zu sein, setzte ich unverzüglich meinen Marsch fort,
indem ich mich fürchtete, mein Pferd den so äusserst gefahr-
lichen Stichen der „tsetse"-Fliege blosszustellen, welches Insekt
glücklicherweise nur an den unmittelbaren Ufern des Flusses
haust; wenigstens ist es mir sonst nirgends vorgekommen.
Es ist eine grosse gelbe Art und überaus giftig und gefährlich.
So hatte ich^ nun wieder das Gebiet meines Freundes
Yüssuf, des Fürsten von Logone, betreten und konnte mich
frei und ohne Gefahr vor Belästigung bewegen. Das Wetter
war sehr feucht, und ich musste zweimal in kleinen Dorf-
schaften, die inmitten reicher Getreidefelder lagen, einkeh-
ren, um heftigen Regengüssen zu entgehen. Der ganze Gau
heisst Mokorö und begreift ausser mehreren von Logone-Leu-
ten — „Logode Logon" — bewohnten Dorfschaften 10 Schüa-
Weiler; in einem von diesen nahmen wir Herberge. Diese
Schüa zeichneten sich jedoch nicht durch ihre Gastfreiheit
aus, und erst nach langer Unterhandlung konnte ich ein
Unterkommen in einer ihrer Hütten finden. Letztere sind
für diese Gegenden sehr geräumig, indem sie 50 bis 60 Fuss
Durchmesser haben; auch besitzen sie die bemerkenswerthe
Eigenthümlichkeit, dass sie mit einer Art von Schlafzinrnaer
versehen sind, welches die Mitte der Wohnung einnimmt und
in einem etwa 3 Fuss über dem Boden erhöheten, 20 Fuss
langen, 6 — 8 Fuss breiten und ebenso hohen Gemach be-
steht, das im Inneren durch Scheidewände in mehrere Kam-
mern getheilt und ringsum von jenem vortrefflichen, ^us
feinem Rohr gemachten Mattenwerk umstellt ist, durch
dessen Verfertigung die Einwolmer von Logone sich so sehr
auszeichnen. Dies Mattenwerk ist von dunkeler Farbe, und
ich war überrascht, auf meine Erkundigung, wie es gefärbt
werde, zu hören, dass dies durch Einsenken der Matten in
schwarze schlanunige Thonerde geschieht. In diesem ver-
Rast in einem Schua-Dorfe. 413
schlossenen Gemach, „ghurära" genannt, finden diese Leute
während der nächtlichen Ruhe Schutz gegen die zahllosen
Mückenschwärme, von denen dieses niedrige Marschland heim-
gesucht wird.
Ich hatte natüilich keine Ansprüche auf diesen bevorrech-
teten Platz, der den Familienmitgliedern vorbehalten ist; ich
richtete mich daher auf der erfiöheten Thonbank beim Ein-
gange ein, wo mich die Mücken zwar behelligten, jedoch, da
die Thür frühe geschlossen ward, auch die Aufmerksamkeit
des grausamen Insektes durch das in der Hütte befindliche
Vieh stärker angezogen wurde, in nicht allzu unerträglicher
Anzahl. Sonst wurde ich recht gut behandelt, denn der
Wiith war ein reicher Mann Namens Adim und seine Frau
sogar eine Piinzessin — „meram" — von Logone; sie war
überdies eine geschwätzige und freundliche Person. Sie be-
wiitheten mich bald nach meiner Ankunft mit einem kleinen
Pfannkuchen und am Abend mit einer Schüssel voll Milch-
reis. Es war äusserst interessant, die eigenthümliche Le-
bensart dieser Leute zu beobachten und sie ihr Arabisches
Idiom reden zu hören, das noch nicht den Vokalreich-
thum, der ursprünglich die Sprache bezeichnete, eingebüsst,
wenn auch in sonstiger Beziehung^ sehr an Reinheit verloren
hat. Sie bewahren mehrere auffallende Gebräuche, die sie mit
ihren Brüdern im Osten in Verbindung erhalten — nament-
lich das Gesetz der Blutrache — „e' dhie" *) — und die Infi-
bulation der jungen Mädchen — zur praktischen Gewähr-
leistung thatsächlicher Unschuld. Die hiesigen Araber ge-
hören zum grossen Stamme der Ssalamät. —
•) Bezüglich dieses Gebrauches ist Burkhardt („Reisen in Nubien'*, 2«« Ori-
ginalausgabe, Anhang I, S. 434) sehr richtig unterrichtet; aber im Allgemei-
nen verunstalten allerlei Irrthümcr seine die Länder östlich vom Tsäd betref-
fenden Angaben, nicht nur in der Geographie, sondern auch in der Ethnologie
dieser Gegenden, indem er fortwährend einheimische und Arabische Stämme
mit einander verwechselt.
414 XV. Kapitel.
Nach einem Marsche von 8 Meilen durch eine theils mit
Negerhirse angebaute, theils aus Sümpfen bestehende Ebene
gelangten wir am Ib^^^ August nach dem Flusse von Logone.
Wegen der sehr beträchtlichen Flussanschwellung waren wir
diesmal genöthigt gewesen, einen Pfad ganz verschieden von
dem, den wir auf unserem Auszuge gekommen, einzuschlagen.
Die Landschaft war ganz umgestaltet und die kleine Boden-
senkung, durch die wir unweit unseres Landungsplatzes da-
mals gekommen, war zu einem schiflfbaren Flussarm gewor-
den, auf welchem mehrere Boote von beträchtlicher Grösse
hin- und herfuhren. Der Fluss entfaltete jetzt eine sehr
weite Wasserfläche, welche weder von Sandbänken, noch von
Werdern unterbrochen war, und wenn sie auch dem Flusse
Schärf nicht an Breite gleichkam, denselben doch an Schnel-
ligkeit übertraf, indem die Strömung augenschehilich über
3^ Meilen oder wohl über 4 Meilen die Stunde betrug.
Die Stadt Logon mit ihren dreierlei sich über die Lehm-
mauem emporschwingenden Palmen lud mich vom jenseitigen
Ufer aus zu wirthlichem Obdachc ein, und da ich eifrigst
wünschte , ohne fernere Zögenmg Kükaua zu erreichen , so
fuhr ich, nachdem ich eine in der beifolgenden Abbildung
gegebene Skizze entworfen hatte, sofort über, um am folgen-
den Tage meine Reise fortzusetzen. Als ich jedoch dem
Keghamma meinen Besuch abstattete, konnte ich ihn nur
mit der grössten Mühe bewegen, mich fortziehen zu lassen,
und er weigerte sich anfänglich schlechterdings, dies zu ge-
statten, indem er es für eine Schande seines Herrn erklärte,
mich mit leeren Händen zu entlassen. Aber ich wollte es
lieber aufgeben, vom Fürsten Yüssuf persönlich Abschied zu
nehmen, so leid es mir auch that, nicht warten zu können,
bis mein freundlicher Wirth einige Toben, als Probestücke
der heimischen Industrie, für mich bereit hatte.
Es regnete während der Nacht und des folgenden Mor-
gens und wir hatten einen schwierigen Marsch durch das
j
l
Ankunft in A'fade. 415
tiefe Marschland von Logone; wir zogen jedoch bis 4 Uhr
Nachmittags weiter, worauf wir % Meilen jenseits U'lluf oder
Hulluf, der oben erwähnten Stadt, Halt machten, da sich
meine Gefährten auch diesmal zu sehr vor der schwarzen
Kunst der Einwohner fürchteten, um in der Stadt selbst ein
Unterkommen für die Nacht zu suchen. Wir wurden aber
auch in dem Dorfe, wo wir einkehrten, anfänglich schlecht
empfangen, so dass meine Gefährten unsere Aufnahme er-
zwingen mussten; doch gelang es mir allmählich, mit dem
Manne, der so sehr wider Willen unser Wirth geworden, in
freundschaftliche Beziehungen zu treten, und es glückte mir
endlich sogar, für einige von den grossen, „nedjüm" genann-
ten Glasperlen etwas Geflügel, Milch und Korn zu erhalten,
so dass wir es uns ziemlich behaglich machen konnten. —
Da die hiesige Gegend sehr von Dieben heimgesucht sein
sollte, trafen wir demgemäss unsere Vorsichtsmaassregehi.
Am folgenden Tage erreichten wir Afade, indem wir über
Kala gegangen waren, wo ich zu meiner Verwunderung den
Sumpf ungeachtet der vorgerückten Jahreszeit viel geringer
ausgedehnt fand, als bei der Hinreise. (Diese auffallende
Erscheinung erklärt sich durch den Umstand, dass diese
Sümpfe von der Flussüberschwemmung gespeist werden, wel-
che, trotz der Regenfälle, bis in den September hinein fort*
während abnimmt, worauf dann der Fluss wieder voll wird
und abermals austritt.) Der letzte Theil der Strasse nach
A'fade war sehr sumpfig, weil jene unwirthliche „kabe"-
Strecke fast gänzlich unter Wasser stand.
In Afade suchten mich meine Gefährten durch allerlei
Kniffe einen oder mehrere Tage zurückzuhalten; aber unge-
achtet der freundlichen Aufnahme, welche ich bei dem Statt-
halter des Platzes gefunden, war mir doch zu viel daran ge-
legen, Kükaua zu erreichen, um ihnen nachzugeben, so dass
ich, meinen Dienern befehlend, mir so bald wie möglich zu
folgen, am nächsten Morgen imverzüglich meine Reise fort-
I
416 XV. Kapitel.
setzte. Die Strasse war aber überaus unwegsam, und ich
sah mich gezwungen, eine von meiner Herreise ganz ver-
schiedene, nämlich mehr nördliche Richtung einzuschlagen,
um die unzugänglichen Moräste bei der Stadt Ren und die
sehr schwierige Strasse von Ngäla zu vermeiden.
Nach einem 11 stündigen Marsche, auf dem wir verschie-
dene grössere und kleinere Dorfschaften und zahllose Sümpfe
passirten, stiegen wir für die Nacht in einem von Schüa und
Fulbe bewohnten Dorfe mit dem auffallenden Namen Wan-
gara ab ; es erforderte aber eine längere Unterhandlung, um
Aufnahme zu erhalten, da diese Leute im Vertrauen auf die
Schutzwehren, welche ihnen die benachbarten morastigen
Ufergelände des Tsäd darbieten, ein gar unabhängiges We-
sen haben. Nachdem wir aber einmal näher mit einander
bekannt geworden, wurden wir freundlich behandelt. Der
Billaraa des Dorfes war ein Tündjuraui, der von Mondö nach
diesem Orte ausgewandert war; er hatte jedoch die eigen-
thümliche Mundart seines Stammes vergessen.
Während meines nächsten Tagemarsches führte ich ein
gar amphibienartiges Leben, indem ich mich ebensoviel im
Wasser, als auf festem Boden befand; denn ausserdem, dass
ich von einem heftigen Regenschauer, welcher den grössten
Theil des Tages über anhielt, durchnässt wurde, hatte ich
noch drei beträchtlich angeschwollene Bäche ohne die Hilfe
eines Bootes zu passiren, wobei ich mich zweimal entkleiden
und, indem ich Kleidung und Sattel auf dem Kopfe befestigte,
mit dem Pferde hindurchschwimmen musste. Der erste Bach
war der Mülu, ungefähr 1000 Schritt jenseits des dem Ka-
schella Beläl gehörigen Städtchens Legäri; der zweite ist
wahrscheinlich der Mbulü (Major Denham's Gumbalaram)
jenseits des auf einer kleinen Anhöhe liegenden Dorfes Dä-
gnla. Beim Mülu leisteten uns die Einwohner von Legäri
Beistand, aber beim Mbidü waren ich und mein Mallem,
mit dem ich rüstig vorausgeeilt war, auf unsere gegenseitige
Sumpfige NiedoniBg am Tsad. 417
Hilfe angewiesen. Die reissende Strömung des letzteren,
zwischen steilen (8 Fuss hohen) Ufern eingedämmten Baches
setzte meinen Genossen nicht wenig in Schrecken, bis ich
mich entkleidete und, mich auf meine Erfahiimg im Schwim-
men verlassend, ihm den Weg wies. Glücklicherweise kam
ein Fischer auf einem einfachen, aus grossen an einander
gebundenen Kürbissen bestehenden Flosse, wie ich sie schon
bei früherer Gelegenheit beschrieben habe, herangeschwom-
men, mit dessen Beistand wir denn ohne Unfall unsere
Pferde und Kleidungsstücke hinüber brachten. Während wir
uns so abmühten, stellte sich Grema 'Abdü bei uns ein,
welcher, da er mich an meinem Entschlüsse festhalten sah
und sich schämte, nicht mit uns zusammen in der Haupt-
stadt ankommen zu sollen, endlich Frau und Sklaven zurück-
gelassen hatte und uns nachgeeilt war. — Wir setzten sodann
unseren Zug bei fortdauernden Regengüssen durch dieses
Marschland fort und gelangten beim Dorfe Hokkum zum
dritten Bache , den wir jedoch trotz seiner Heftigkeit, ohne
abzusteigen, überschritten , indem uns das Wasser gerade bis
an den Sattel reichte.
Als wir endlich beim Dorfe Gudjäri den schwarzen Thon-
boden, aus welchem diese ganze, in der gegenwärtigen Jah-
reszeit in einen ununterbrochenen Sumpf verwandelte Allu-
vialebene besteht, verliessen, trat ein leichter Sandboden auf,
so dass wu- von nun an unseren Marsch behaglicher fort-
setzen konnten. Nachdem wir im Dorfe Debua einen kleinen
Imbiss eingenommen hatten, rasteten wir nicht eher wieder,
als bis wii' das 1 Meile nordöstlich von Yedi gelegene Dorf
Boglüöa erreicht hatten. Hier wurden wir gut beherbergt
und bewirthet und waren bis spät in die Nacht hinein mit
dem Trocknen unserer ganz durchnässten Kleidungsstücke
beschäftigt.
[Freitag, 20»ten August] Wir hatten nun nur noch Eine
gute Tagereise bis Kükaua; als wir aber nach einem 6stün-
B«trth't ReiMn. lU. 27
i
418 XV. Kapitel.
digen Ritte die Stadt Ngornu erreichten, konnte ich nur mit
der grössten Mühe meine Reiter von der Stelle bringen. Sie
waren nämlich völlig ermüdet — denn die Bomauer sind
heutigen Tages nicht mehr an so grosse Anstrengungen ge-
wöhnt — und wünschten, hier bei ihren Freunden auszu-
ruhen. Meine Gefährten waren in der That an Leib und
Seele so gänzlich erschöpft, dass sie, seltsam genug, dicht
bei der Hauptstadt den Weg verloren, da die hochstehende
Saat freilich der Landschaft ein ganz verändertes Aussehen
gab. Der grosse Teich von Kaine war jetzt ausgedehnter,
als ich ihn je gesehn, und hatte den Pfad auf eine beträcht-
liche Strecke überschwemmt.
Ich hatte einen Mann vorausgeschickt, um dem Vezier und
Herrn Dr. Overweg meine Ankunft anzuzeigen; dann hatten
wir bei einer der vielen stehenden Lachen eine kurze Zeit
Halt gemacht und waren eben im Begriff, wieder zu Pferde
zu steigen, als mein Freund dahcrgalopirt kam. Unser Wie-
dersehn war beiderseitig ein höchst freudiges, da wir dies-
mal viel länger von einander getrennt gewesen waren, als
je vorher; auch hatte man in Kükaua sehr beunruhigende
Nachrichten über meinen Empfang in Baghirmi erhalten. —
Herr Dr. Oven^eg hatte inzwischen eine sehr interessante
Reise nach dem südwestlichen Gebirgslande von Bornu aus-
geführt und war bereits vor 2 Monaten von dort zurückge-
kehrt ; aber ich war höchst erstaunt, dass er ungeachtet die-
ser langen Ruhe viel schwächer und erschöpfter aussah, als
ich je früher bemerkt hatte. Er theilte mir mit, dass er
seit seiner Rückkehr viel gekränkelt habe imd sich auch
jetzt noch nicht hergestellt fühle, beschrieb mir aber auf
die lebhafteste und aufmunterndste Weise die Mittel, welche
zu unserer Verfügung gestellt worden waren, und mit den
kühnsten Entwürfen für die Zukunft betraten wir die Stadt.
Hier fand ich mich nun, wieder in den Besitz meiner alten
Wohnung gelangt, von Genüssen umgeben, denen ich während
Rückkehr nach Kükana. 419
des letzten Halbjahres fast entfremdet worden war, — wie
Kaffee und Thee mit Milch und Zucker.
Es war ein sehr glücklicher Umstand für mich, dass sich
meine Ankunft nicht einen halben Tag verzögert hatte ; denn
sowohl die Karawane, wie der Courier waren abgegangen,
letzterer vor 4 Tagen, so dass die Leute meinten, es würde
nicht mehr möglich sein, ihm meine Briefe nachzusenden.
Der Vezier aber, den ich früh am folgenden Morgen be-
suchte und welcher mich sehr freundlich aufnahm, stellte mir
drei Reiter, die den Courier einholen sollten. Da ich glück-
licherweise meine Briefe und Depeschen in Baghirmi beant-
wortet hatte, so brauchte ich nur mein Packet zurecht zu
machen; die Reiter holten jedoch den Courier erst in einer
Entfernung von 40 Meilen jenseits Ngegimi ein, im Herzen
der Wüste. — Meine Diener kamen nicht vor dem folgenden
Abend an, und zwar in einem sehr trübseligen Zustande, in-
dem sie sowohl mit dem Kameel, als mit dem Gepäck viele
Noth gehabt hatten.
[Mo7itagj 23fften August.] Wir hatten heute eine wichtige
Privataudienz beim Scheich, in der ich nach dem Austausche
der üblichen Komplimente die Gelegenheit ergriff, mich gegen
ihn über die gegenwärtigen Verhältnisse der Expedition deut-
lich auszusprechen. Er gab den Wunsch zu erkennen, die
Englische Regierung möchte mich zum Konsul bestellen,
worauf ich ihm erwiderte, dass dies unthunlich sei, da es
mir vielmehr obliege, unbekannte Länder zu erforschen, mit
denselben Verkehr anzuknüpfen und sodann in die Heimath
zurückzukehren; die Englische Regierung sei zwar von dem
eifrigen Wunsche beseelt, die freundschaftlichsten Beziehun-
gen mit Bomu einzuleiten, unsere wissenschaftliche Mission
erstrecke sich jedoch weit über die Grenzen seines Gebietes
hinaus. Ich theilte ihm zugleich mit, dass sich die Regie-
rung in ihren letzten Depeschen dahin ausspreche, wir möch-
ten, falls es sich als unmöglich erweisen sollte, in südlicher
27«
i
420 XV. Kapitel.
oder östlicher Richtung vorzudringen, uns westlich wenden
und Timbuktu zu erreichen suchen.
Diese Mittheilung schien sowohl den Scheich, als auch den
Vezier ungemein zu erfreuen; denn sie fürchteten nichts so
sehr, als dass wir nach Wddä'i gehn und mit dem Sultan
jenes Landes in freundschaftlichen Verkehr treten möchten.
Aus diesem Grunde war ich auch davon überzeugt, dass der
Vezier sicherlich nichts für mich gethan hatte zur Siche-
rung einer guten Aufnahme in Baghirmi, vielleicht aber in
entgegengesetzter Richtung nicht unthätig gewesen war. Der
Scheich erklärte jedoch, dass er, wie er imserem gegenwär-
tigen Vorhaben, unser Glück in westlicher Richtung zu ver-
suchen, grossen Beifall schenke, uns doch auch nicht daran
hindern würde, selbst nach Wadäi zu gehn, da es ja den
Unterthanen Ihrer Brittischen Majestät nach dem ausdrück-
lichen "Wortlaute des Vertrages freistehe, sich hinzuwenden,
wohin es ihnen beliebe, — obschon er erst einige Tage später
und nach zahlreichen Zögerungen und Ausflüchten den Vertrag
wirklich unterzeichnete. Ich drückte dann noch die Hoff-
nung aus, dass uns die Umstände, ehe wir das Land ver-
liessen, gestatten möchten, die von uns und der Englischen
Regierung gleich stark begehrte Aufnahme und Erforschung
des Tsäd zu beendigen. — Unsere Ansprache, sowie die Ge-
schenke fanden eine huldvolle Aufnahme und wir wurden
dann mit Herzlichkeit entlassen.
Am letzten August unteraeichnete der Scheich den Vertrag
und machte uns dabei die Hoffnung, dass, wenn wirklich Eng-
lische Kaufleute in das Land kommen und also nach an-
derer Waare, als Sklaven, nachfragen sollten, dann der Skla-
venhandel allmählich abgeschafft werden könne. —
Ich war nunmehr in den Stand gesetzt, alle unsere peku-
niären Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Dieselben
waren in einem höchst verwickelten, ja verzweifelten Zu-
stände, da wir ausser der grossen, dem Kaufmann Moham-
Körperliche EntkrttftnDg Dr. Overweg's. 421
med e' Ssfäksi schuldigen, an Ort und Stelle zu schaffenden
Summe von 1275 Thalern dem Vezier allein 500 Spanische
Thaler schuldeten. Weil wir nicht bei allen Beträgen Baar-
zahlung leisten konnten — wir hatten ja nur eine Baarsen-
dung von 1050 Thalern von der Regierung erhalten — , so ver-
glich ich mich mit dem Kaufmanne dahi^, dass ich ihm
200 Thaler baar und einen Wechsel von 1500 Thalem (auf
Fesän) gab, wogegen ich alle kleineren Schulden, sowie auch
die beim Vezier baar bezahlte.
Wir hätten nunmehr, wenn auch mit nur massigen Mit-
teln, allerdings recht Bedeutendes leisten können, wäre es
uns beschieden gewesen, beisammen zu bleiben; aber wäh-
rend im Anfange alle unsere Anstrengungen durch die
Geringfügigkeit unserer Mittel, welche keine umfassende-
ren Unternehmungen gestatteten, gelähmt worden waren,
wollte es nun unser Geschick, dass, als endlich hinlängliche
Mittel eingetroffen waren. Einer von uns beiden erliegen
sollte.
Ich habe bereits bemerkt, dass ich durch das erschöpfte
Aussehen meines Genossen übeiTascht wurde, als ich densel-
ben bei meiner Rückkehr vor dem Thore der Hauptstadt traf;
tief betrübte es mich nun , den ersten Eindruck durch fer-
nere Beobachtungen bestätigt zu finden. Da er sich nach
einer kleinen Luftveränderung sehnte, es auch unserem Zwecke,
der Erforschung des Tsäd, ganz entsprach, den Zustand des
Komadugu in dieser Jahreszeit zu beobachten, während grös-
sere Unternehmungen gegenwärtig nicht möglich waren, so
kamen wir überein, dass er einen kleinen Ausflug nach dem
unteren Theile des Flusses machen sollte. Demgemäss reiste
er am 29^ten August in Gesellschaft eines Edelmannes zweiten
Ranges — „kokana" — nach Adjiri ab, welche Ortschaft, un-
weit westlich vom Gau Dütschi gelegen, jenem Edelmanne ge-
hörte.
Ich begleitete ihn bis zur Dorfschaft D4u-erghü und wir
422 XV. Kapitel.
trennten uns mit der Zuversicht, dass ihm der Ausflug recht
zuträglich sein würde. Herr Dr. Overweg fand auch viele
Unterhaltung an dem reichen Pflanzenwuchs des Komd-
dugu, welcher um diese Jahreszeit, während des Steigens des
Flusses, in voller Kraft stand. Er erfuhr durch Erkundigung
bei den Eingeborenen die sehr interessante Thatsache, dass
der Komddugu, welcher während der trockenen Jahreszeit aus
einer Reihe von einzelnen Pfützen besteht, am 2l8ten oder
228ten Juli einen ununterbrochenen, ostwärts dem Tsäd zu-
ziehenden Strom zu bilden anfängt und dann 7 Monate lang,
also bis Mitte Februars, zu fliessen fortfährt; im Monat No-
vember fängt er an, über seine Ufer auszutreten. Aber so
sehr sich auch mein Freund für die ihn umgebenden Gegen-
stände interessirte, so musste er sich doch für deren aufmerk-
same Beobachtung nicht stark genug gefühlt haben ; denn die
von ihm auf diesem Ausfluge verzeiclmeten Bemerkungen sind
äusserst kurz und unbefriedigend, während es von Wichtig-
keit gewesen sein würde, hätte er den Lauf des Flusses mit
einiger Genauigkeit aufnehmen können. Bei so geschwäch-
tem Zustande beging er die Unbedachtsamkeit, den letzten
Tagesmarsch seiner Rückreise nach Kükaua, am 13ten Sep-
tember, zu sehr zu beeilen, und ich bemerkte mit Bedauern,
als wir zusammen zu Abend assen, dass ihm der Appetit fast
gänzlich fehlte.
Mit der Unzuträglichkeit des Klima's während des Monats
September vollkommen bekannt, kamen wir beide überein,
uns so viel wie möglich Bewegung und täglich einen klei-
nen Ritt zu machen. Wir verabredeten demgemäss auf Sonn-
tag den IQten September einen Besuch in Dau-erghü; aber
unglücklicherweise verhinderte uns ein Geschäft, das wir zu
erledigen hatten, früh am Morgen aufzubrechen. Da nun mein
Freund an jenem Tage starkes Kopfweh hatte, so sclilug ich
vor, unseren Ausflug auf einen anderen Tag zu verschieben;
er meinte jedoch, dass ihn die freie Luft stärken würde. Wir
Dr. Ovcrweg's Erkrankung. 428
brachen daher während der Tageshitze auf; doch schien die
Sonne nicht sehr hell und Herr Dr. Overweg verfehlte nicht,
sich den Kopf so viel wie möglich gegen die Sonnenstrahlen
zu schützen.
Nachdem wir uns im Schatten eines herrlichen Hadjilldj
erholt hatten, hielt sich Herr Dr. Overweg für stark genug,
jagen gehn zu können, und war so unvorsichtig, dass er
sich bei der Verfolgung eines Wasservogels in tiefes Was-
ser begab imd, ohne auch nur ein Wort davon zu sa-
gen, den ganzen Tag über in seinen nassen Kleidern blieb.
Ich hatte keine Ahnung davon, bis er nach unserer Rück-
kehr in die Stadt spät am Abend seine Kleider am Feuer
trocknete.
Obgleich er den ganzen Tag über in Bewegung gewesen,
vermochte er doch nicht, unser einfaches Abendessen zu ge-
niessen , er klagte jedoch nicht. Am folgenden Morgen aber
fühlte er sich so schwach, dass er nicht vom Lager aufzustehn
vermochte. Anstatt nun ein schweisstreibendes Mittel zu neh-
men, wie ich ihm ernstlich rieth, war er so eigensinnig, gar
keine Arznei brauchen zu wollen, so dass seine Krankheit mit
beunruhigender Schnelligkeit zunahm und am folgenden Tage
seine Zunge wie gelähmt und seine Aussprache ganz undeut-
lich, ja rein unverständlich war. Er wurde sich nun selbst der
Gefahr bewusst, in der er sich befand, und erklärte, er werde
in der Stadt nicht genesen können, er müsse durchaus eine
Luftveränderung haben, und hege die Hofl&iung, dass er, wenn
ich ihn nach Mdduäri schaffen könnte, bei unserem Freunde,
dem Kaschella Fügo 'Ali, bald wieder hergestellt werden
würde.
Es war eine schwierige Aufgabe, meinen kranken Genos-
sen nach dem gewünschten Orte zu bringen, welcher über
8 Meilen von Kukaua entfernt ist. Obgleich er die Reise am
Donnerstag Morgen antrat, vermochte er doch nicht seinen
Bestimmungsort vor Freitag früh zu erreichen. Ich machte
I
424 XV. Kapitel.
Fügo 'Ali ein Geschenk, damit er ihn sorgfaltig pflege, ord-
nete das sonst noch Erforderliche an und kehrte alsdann
nach der Stadt zurück, um meine Depeschen zu schliessen;
aber noch am selbigen Abend kam einer von den Dienern,
die ich "bei Herrn Dr. Overweg zurückgelassen hatte, mit der
Nachricht zu mir, dass es viel schlimmer mit dem Kranken
gehe und dass. sie nicht ein einziges Woii: von ihm ver-
stehen könnten.
Ich stieg alsbald zu Pferde und fand, in Mäduäri ange-
kommen, meinen Genossen im beklagenswerthesten Zustande
im Hofraume liegen, da er sich hartnäckig geweigert hatte,
in der Hütte zu schlafen. Er war in kaltem Schweisse
gebadet und hatte alle Decken von sich geworfen. Er er-
kannte mich nicht und wollte weder mir, noch sonst Jemand
gestatten, ihn zuzudei*ken. Sobald Delirium eintrat, mur-
melte er fortwährend ganz uuvei^ständliche Worte, in welchen
ein Gewirre von allen Begebenheiten seines Lebens enthal-
ten zu sein schien, sprang wiederholt rasend von seinem La-
ger auf und rannte mit solcher Wuth gegen die Bäume
und das Feuer, dass vier Männer ihn kaum zurückzuhalten
vermochten.
Gegen Morgen wurde er endlich ruhiger und hielt sich
still auf seinem Lager, ohne dass ich bemerkte, wie seine
Kraft schon ganz gebrochen sei. In der Hoflfnung, er habe
die Krisis überstanden, glaubte ich, nach der Stadt zurück-
kehren zu köimen. Ich fragte ihn. ob er etwas Besonderes
wünsche, und er deutete an, er habe mir etwas zu sagen ; es
war mir aber unmöglich, ihn zu verstehen. Aus dem, was
sich bald ereignete, kann ich nur den Schluss ziehen, er habe
mir im Bewusstsein des nahen Todes seine Familie empfeh-
len wollen.
Am Sonntag Morgen sehr früh kam Herrn Dr. Overweg's
erster Diener mit der Nachricht zu mir, dass der Zustand
meines Freundes höchst bedenklich sei und dass er nicht ein
Dr. Overweg's Tod. 425
Wort mehr gesprochen, seitdem ich ihn verlassen habe, son-
dern regungslos daliege. Ich ritt unverzüglich nach Mdduäri,
aber ehe ich noch das Dorf erreichte, kam mir ein Bruder
Fügo 'Ali's entgegen und erklärte mir mit Thränen in den.
Augen, unser Freund sei verschieden. Mit Tagesanbruch, wäh-
rend einige Regentropfen fielen, hatte sich sein Geist nach
kurzem Kampfe vom Körper gelöst.
Am Nachmittag legte ich ihn in sein Grab; es war im
Schatten eines schönen Hadjilidj gegraben und gegen Raub-
thiere wohlgeschützt. So starb mein einziger Freund und
Gefährte im SOstcn Jahre seines Lebens, in der Blüthe der
Jugend. Es war ihm nicht beschieden, seine Reisen zu voll-
enden und glücklich heimzukehren; aber er fand einen höchst
ehrenvollen Tod im Dienste der Wissenschaft. Es ist in der
That ein bemerkenswerther Umstand, dass er seine Grab-
stelle selbst bestimmte, genau am Rande jenes See's, durch
dessen Beschiffung er seinem Namen ewige Berühmtheit ver-
schafft hat. Sicher war es ein Vorgefühl des herannahenden
Todes, dass ihn die unwiderstehliche Sehnsucht nach dieser
Stelle erfasste, wo er dicht an der Seite des Bootes starb,
in dem er seine Reise gemacht hatte. Viele Einwohner des
Dorfes, denen er während seines wiederholten hiesigen Auf-
enthaltes wohlbekannt geworden war, beklagten bitter seinen
Tod, und sie werden gewiss des „Tabib", wie er genannt
wurde, noch lange gedenken.
Tief erschüttert und voll von trüben Betrachtungen über
meine verlassene Lage kehrte ich am Abend nach der Stadt
zurück; aber unsere Wohnung, welche mein Gefährte wäh-
rend meines Aufenthaltes in Baghirmi bedeutend verbes-
sert und durch Übertünchen mit Gyps, von dem er im
Hofraume eine Schicht vorgefunden, verschönert hatte, er-
schien mir jetzt gänzlich verödet und überaus trübselig. War
es nun gleich ursprünglich mein Vorhaben gewesen, noch
einen Versuch zu machen, nach dem Ostufer des Tsäd vor-
426
XY. Kapitel. Rückkehr nach der Stadt
zudringen, so kam mir doch jetzt jeder längere Aufenthalt
an diesem Orte so unerträglich vor, dass ich mich zur unge-
säumten Abreise nach dem grossen westlichen Strome ent-
schloss, um neue Länder zu sehn und mit neuen Menschen
in Berührung zu kommen.
ANHANG.
I
I
L
Zur Känem - Reise.
Beschreibung der östlichen Theile Käneras nach Angaben der Eingeborenen.
Indem ich eine allgemeine Beschreibung derjenigen Gegen-
den Känems versuche, welche ich nicht selbst besucht habe,
muss ich mein Bedauern ausdrücken, dass ich während mei-
ner Anwesenheit im Lande keine Kenntniss von der hand-
schriftlichen Geschichte der Kriegszüge des Königs EdrTss
Alaöma in eben jene Landschaft hatte. Denn mit Hilfe des
reichen Vorrathes an wichtigen, sowohl historischen wie
geographischen Daten, die in jenem Werke enthalten sind,
würde ich im Stande gewesen sein, der Beschreibung der
von mir durchzogenen Landschaften grösseres Interesse zu
verleihen und vielleicht selbst die Lage mancher bedeuten-
deren ihrer früheren Ortschaften zu identificiren.
Die frühere Hauptstadt von Känem war, wie wir gesehn
haben, Ndjimi oder Ndjimie, dessen ungefähre Lage weiter-
hin angedeutet werden soll. Der gegenwärtige Hauptort
(wenn dieses Wort sich noch auf ein solches Land, wie Kä-
nem jetzt ist, anwenden lässt) ist Mao oder vielmehr Mäö *),
ein schon zu Edrlss Alaöma's Zeiten sehr wichtiger Ort.
•) Dieser Name Avird im Arabischen auf verschiedene Weise geschrieben.
Imäm Ahmed gibt zuweilen die Form \^SUC , dann wieder iaLc ; aber die
wirklich einheimische Form scheint Mäö zu sein, welcher Name mit G&ö, wie
die Hauptstadt des Sonrhay - Reiches heisst, ToUstandig übereinstimmt. £s
I
430 Anhang I.
Wir wünschten angelegentlichst, diese Stadt zu erreichen,
und es würde auch wohl gelungen sein, hätten die Ueläd
Slimän den Zug, dem wir uns angeschlossen, mit ihrer ge-
sammten Mannschaft ausgeführt, anstatt der Hälfte derselben
zu erlauben, sich nach Kükaua zu entfernen. Die Stadt
scheint etwa 20 Meilen südöstlich von HenderT Sslggc-ssi zu
liegen und gegenwärtig nur dünn bewohnt zu sein, indem
die Einwohnerzahl wohl sicherlich nicht 3000 bis ' XX) über-
steigt; doch soll sie noch immer einen beträchtlichen Um-
fang haben. Um die Stadt zieht sich eine Ringmauer, deren
Zustand, da sie aus Lehm erbaut und daher jährlicher
Ausbesserung benöthigt ist, gar sehr von dem jedesmaligen
Zustand des Landes abhängt. Dattelpalmen zieren in gros-
ser Anzahl den Ort. Er ist Sitz eines Chalifa, dessen Macl;it
höchst unsicherer und ungewisser Natur ist, da sie gänzlich
von der zeitweiligen Oberherrlichkeit von Wadai oder Bornu
abhängt, wesshalb es gemeiniglich zwei Chalifen gibt, einen,
welcher wirkliche Gewalt hat, und einen anderen in der An-
wartschaft, jenen bei der ersten Gelegenheit mit Hilfe der
ihn begünstigenden Macht zu vertreiben. Der berühmte König
von Wädäi, Abd el Kerim Ssabün, war es, dem zuerst die An-
sprüche zufielen, welche die Buläla, die Fürsten der damals
von Wädäi eingenommenen Länder Fittri und Küka, durch
Eroberung auf das Königreich Känem er\^orben hatten.
Kehren wir jedoch nach Maö zurück! fiier wird jeden
Mittwoch ein Markt gehalten, welcher jedoch wegen des sehr
unsicheren Zustandes des Landes gegenwärtig schwerlich von
besonderer Bedeutung sein kann. Die Einwohner der Stadt
scheinen zu einer besonderen Sippschaft zu gehören; denn
ist keineswegs unwahrscheinlich, dass der Name Matan, welchen Ebn Said
und nach ihm A'bü'l Feda (S. 162) einem wohlbekannten Platze Känoms
geben, im Namen Milö seinen Ursprung gehabt hat, obgleich sie ihn hart am
Ufer des Tsad („bahlret KOrl") und nördUch tou Ndjfraie ansetzen.
Die Umgebung der Stadt M4o. 431
die Teda nennen sie Beräncma. Den Ursprung dieses Na-
mens habe ich nicht in P>fahrung bringen können. Er könnte
mit dem Namen Börnu* in einem gewissen Zusammenhang
zu stehn scheinen, hat aber jedenfalls nichts mit dem Namen
Beräuni zu thun, der den Teda selbst von den Kel-owi und
anderen Fremden gegeben wird.
Zwischen Maö und Henden Ssigge-ssi scheint es noch ver-
schiedene fruchtbare Thäler zu geben, wo die Dattelpalme
in grösserer oder geringerer Menge gedeiht, unter welchen
die folgenden besonders rühmlich bekannt sind: das Thal
Kdrfu oder Kärafu, einige Meilen von Mäö, unter der Herr-
schaft des Keghämma Gürde, Nachfolgers des Keghdmma
Ssintal; das Thal Yegi an der Westseite und nicht weit von
Kdrfu, das Thal Badänga, gleichfalls nicht weit davon, sehr
reich an Dattelpalmen, und das Thal Kedalä, welches dem
Häuptling Tschefande*) gehört; femer die Thäler Hamädji
(dem Fügo gehörig?), Galtarä und Mäpal. Das Mäpal-Thal
soll die Grenze der Dattel in dieser Richtung bilden. An
der Westseite von Mäö liegt noch eine bewohnte Ortschaft
Namens Kadjidi, aber sie hat keine Dattelbäume.
Das obere Gessgi-Thal, das sich nach Aussage der Leute
von Süden nach Norden senken soll, wird TelerT-Tschemö
genannt und ist der Sitz der SchM, zu welchen die Fugäbu
oder, wie der Name oft ausgesprochen wird, Fogubö Schiri
gehören, die bitteren Feinde der Worhda, welche das eigent-
liche Gessgi-Thal bewohnen. In dieser Gegend liegt auch
noch das Lillöa-Thal.
Nördlich von Mäö und östlich oder vielmehr südöstlich in
geringer Entfernung von Aläli liegt die Ortschaft Kul&kulä,
gleichfalls von Kanembü bewohnt. Welche Lage die von
dem gegenwärtig unter dem Befehle eines Keghdmma — „ke-
*) Die letztere Angabe ist vielleicht nicht ganz richtig. — Das Kanöri-
Wort ,, tschefande'* bedeutet: „er hat gefunden'*.
432 Anhang I.
ghämma gedibe" — stehenden Stamme Kemalla bewohnte
Ortschaft Beräda , die gleichfalls im Norden von Mäö liegen
soll, in Bezug auf die letzterwähnten Ortschaften hat, weiss
ich nicht genau zu sagen; sie liegt wahrscheinlich ein wenig
mehr östlich. Mehrere, gleichfalls nördlich von Mäö gelegene
Thäler werden von den Medele bewohnt, einem nomadischen
Stamm im Besitze von grossen Rindvieh- und Schaaf heerden ;
nach diesem Stamme ist auch oflFenbar das Thal Medele,
oder, wie der Name gewöhnlich ausgesprochen wird, „Madele",
das wir selbst passirten, benannt. Endlich liegt in dieser Gegend
noch das Güm-ssa-Thal, bewohnt von dem Tebu- Stamme der
Güm-ssua, welche von den weiter unten erwähnten Gümssu ver-
schieden zu sein scheinen, obgleich ich darüber ungewiss bin.
Ostnordöstlich von Mäö liegen die Ortschaften Kammegrl
und Djugö, welche von einer eigenthümlichen Sippschaft be-
wohnt werden, die bei den Arabern „cl Mällemm" heisst, deren
einheimischen Namen ich aber nicht habe erfahren können;
ich glaube aber, dass sie mit dem Haddäda genannten
Stamme, dessen urspiünglicher Name „Bungu" oder noch
eigenthümlicher „Dügu" ist, identisch sind.
Etwas weiter westlich von Mäö entfernt befinden sich die
zahlreichen Wohnplätze der Schitäti, nach denen die ganze
Landschaft bezeichnet wird. Von diesen Ortschaften besuchten
wir mehrere, wie Yegil, Aghö (schon im frühen Mittelalter ein
wichtiger Platz), Arndnko, Burkadrusso, Boro. Ausser diesen
sind die folgenden die bedeutendsten unter ihren zeitweiligen
Wohnplätzen: Berinde, Linkero, Kinti, Hederke, Din, Ge-
ringe, Tyiro, KüUa, Lariska, zwei verschiedene Ortschaften
mit dem Namen Nünku, Kaii oder Kö, Lischegö, KelemrT,
Dele, Toäder, Geno, LergedjT, Yiggela, Maina, Yiggii, Yakülge,
Bngale*), Büni, Tschanga, Ndurö, Lodore, zwei verschiedene
*) Bdgale ist gewiss ein interessantes Beispiel von der Homonymie Afrika-
nischer Namen in oft weit auseinander liegenden Landschaften.
Die Umgebung des Tsad. 433
Plätze mit den Namen Kiäla, Bolleli, Küttua, Mi, Kadjirö,
Äddufo, Yerö.
Ich wende mich nun südwärts von M&ö dem südöstlichen
Gestade des Tsäd - See's zu, der, nachdem sein inneres Becken
durch Herrn Dr. Overweg's BeschifFung im Allgemeinen er-
kundet ist, nun nach diesen Angaben auch in seinen äusse-
ren Umrissen ziemlich genau dargestellt werden kann, ob-
gleich es freilich gar sehr zu bedauern ist, dass es uns
nicht gelang, diesen Landstrich selbst zu erreichen imd seine
wesentliche Beschaffenheit aus eigener Ansicht zu erforschen.
I. Itinerar von Älaö iiacli Tdglighel (in genau süd-
licher Richtung).
Ister Tag: Royendü, eine von den Wguegim, einer besonde-
ren Sippschaft der Teda oder Tebu, bewohnte Ortschaft.
2ter Tag: Beiangara*), Ortschaft der Dibberi, welche die
Kanöri- Sprache reden und der ursprüngliche Stanmi der
Fugäbü sein sollen. Ankunft vor der Hitze des Tages.
3ter Tag : Ghalä, beträchtliche Dorfschaft der Kubberi oder
Kobber, welche die Kanöri - Sprache reden.
4ter Tag : Djekere, eine gegenwärtig unansehnliche , aber frü-
her bedeutende Ortschaft, bewohnt von den Kdnku, einem
Stamme oder einer Sippschaft der Kanembü (vielleicht
identisch mit den Künkunä oder Kakenna.)
5ter Tag: Ankunft vor der Hitze beim Brunnen Lefädu, wo
keine Wohnungen sind; nach kurzer Rast Aufbruch und
Ankunft in Mailo, einer an einem fischreichen See gele-
genen Ortschaft, bewohnt von den Haddäda oder Bungu,
einer eigenthümlichen Völkerschaft, welche die Kanöri-
*) Der Name Belängara hat ein eigenthttmlichcs Aussehen; er ist wahr-
scheinlich von dem Ursprung der Bewohner abgeleitet , denn „bille 'Sgire" ist
der Name, womit noch heute die Bewohner von Lögone die Kanöri bescichnun.
Barth'» KaiMn. UI. 28
434 Anhang L
Sprache redet, beinahe ganz nackt geht, indem sie nur
einen ledernen Schurz trägt, und mit Pfeil und Bogen und
einem eigenthümlich gestalteten Handeisen — „göliö" —
bewaflfnet ist. Es sind geschickte Bogenschützen , und
werden sie angegriffen, so ziehen sie sich in die dichten
Wälder ihrer Heimath, welche den allgemeinen Namen
Bari zu führen scheint und wiederholt schon von Imäm
Ahmed erwähnt wird, zurück und verstehen ihre po-
litische und religiöse Unabhängigkeit — sie sind Heiden
— gut zu vertheidigen. Zu ihnen gehört der wohlbe-
kannte Stamm, welcher wenigstens bei den Ueläd Slimän
den Namen Duarda Hadjra führt. Ein bekannter Ort der
Haddäda ist Dimäri, der Wohnsitz des Mala Dima. Auch
residirt hier ein Häuptling der Tübur, eines Stammes,
dessen genauere Beziehungen mir unbekannt sind. In
Bäri wird jeden Donnerstag ein Markt gehalten, wahr-
scheinlich in dem Mäö am nächsten liegenden Theile. Im
Jahre 1853 verbündeten sich die Ueläd Slimän eng mit
den Haddäda und brachten so dem Beamten von Wädai,
dem Agid el Bahhr, eine Niederlage bei.
[Um einen allgemeinen Begriff von dieser wenig bekannten
Landschaft zu geben, ist das folgende Itinerar von Kü-
ssuri nach Mäö, nach den Angaben des Kanemma-Häupt-
lings Xmssakai, von grosser Bedeutung:
Ister Tag: Man schläft in der Wildniss.
2ter Tag: Man schläft in der Nähe von Kaü Abüddala,
einer Felserhebung am See*).
3ter Tag: Yamanük Kalema, ein grosses offenes Dorf,
offenbar so benannt von dem kriegerischen Häuptling
Ämanük oder Yämanük, der aus Denham's Bericht
wohlbekannt ist.
*) Denham, Bd. 1. S. 261 der Originalausgabe. — Zwei Strassen, welche
diesen wichtigen Punkt mit .Vbü-Gher und M$16 Terbinden, sollen am Ende
dieses Bandes gegeben werden.
Die Umgebung des Tsad. 435
4ter Tag: Bari, ein ausgedehnter Bezirk, früher unter der
Autorität des Scheichs von Bömu, unweit vom Ufer
des See's.
5tor Tag : Dimäri, ein ansehnlicher Platz, Dima (Mala Dima)
gehörig, der von A'mssakai, einem Statthalter von Kä-
nem, benannt wird.
6ter Tag: Gümssu, eine in einem Thale, das reich an
Dattelpalmen ist, gelegene und von Kanembü und
Schiia bewohnte Ortschaft.
7ter Tag: Mandö oder Mondö, ein grosser Marktplatz,
früher unter dem Chalifen von Bömu.
8ter Tag: Mäö.]
6ter Tag: Taghghel, eine am Ufer der sumpfigen Lache ge-
legene Ortschaft, bewohnt von den Eadjidi, die viel Ge-
treide bauen und grosse Heerden von Kameelen be-
sitzen — eine bei der Lage des Ortes auffallende Er-
scheinung. Ankunft vor der Hitze des Tages. Man
kann, wenn man es wünscht, von Djekere sofort weiter
gehn und Taghghel noch selbigen Tages bei Sonnenunter-
gang erreichen.
Die Richtung aller Thäler — „wddiän" — , welche man
auf diesem Wege durchschneidet, ist westöstlich.
n. Von Berl iiacli Taghghel längs des Ufers *) der
Lache.
»
Ister Tag: Kologo.
2tcr Tag: Kesskaua oder Kisskaua, bewohnt von den Kub-
beri, welche viel Getreide, hauptsächlich Masr ( Zea
Mays), sowie auch Bohnen bauen imd viel Rindvieh be-
sitzen. In früheren Zeiten lag noch eine Dorfschaft oder
*) Wenn man bei einem solchen Sumpf gewässer , wie der Tsad ist, über-
haupt von einem Ufur sprechen kaan.
28*
436 Anhang I.
ein Bezirk Namens Kesskaua, am südlichen Ufer der
Sumpflaclie, 1 Tagereise westlich von Ngäla.
3ter Tag: Köskodö.
4ter Tag: Talgin, eine ansehnliche offene Dorfschaft. Un-
fern ist ein Thal mit Dattelpalmen. Man kann Talgln
von Beri aus leicht in 2 Tagen erreichen, indem man
in Kesskaua übernachtet.
[Von Talgin geht die gerade Strasse nach M^ö in 3 Ta-
gereisen folgendermassen :
Ister Tag: Mänigä, eine von Tebu und Kanembu be-
wohnte Ortschaft, wie es scheint, an einem Arme der
grossen Lache gelegen.
2ter Tag: Eine Dorfschaft, bewohnt von Tebu, unter
der Herrschaft des Kaschella Batscha, mit einem nicht
unbedeutenden Markte, wo besonders viel Datteln ver-
kauft werden.
3ter Tag: Maö; Ankunft bei Sonnenuntergang, nachdem
man während der Hitze in einer oflFenen Ebene mit
Dattelpalmen Rast gemacht.]
5ter Tag : Wüli oder Füli ; von hier fühii eine andere Strasse
nach Mäö.
6ter Tag: Kununü.
7ler Tag: Kdnanä.
8ter Tag: Forrom, eine auf festem Lande belegene Oii-
scbaft oder ein Bezirk, von der Insel gleichen Namens
wohl zu unterscheiden,
gter Tag: Ngillewä.
lOter Tag: Medi.
llter Tag: Taghghel. (Ich will hier nur bemerken, dass
Tdghghel nicht mit Denham's Tdngalia zusammenfallen
kann, da die letztere Ortschaft 1 Tagereise südUch*)
*) S. Dcnham, Bd. I. S. 265. In dieser Stelle scheint beinahe ein Missrer-
ständniss obzuwalten, nämlich t^hi a datf^ („in einem Tageraarsch") zu stehn
Der Bahhr el Ghasäl. 437
oder vielmehr südwestlich vom Bahhi* el Ghasäl lag,
während Tdghghel 1| Tagereisen nördlich davon liegt.)
IIL Der Bahlir el Ghasäl, „Biirrum" *) von den Ka-
nenibu und „Föde" von den Tebu-Guraän genannt.
Alle bezüglich dieses vielbesprochenen Thaies, das wir so
sehnlich zu erreichen gewünscht hatten, mir gewordenen
Mittheilungen stimmen in der sehr merkwürdigen Angabe
überein, dass es nicht von der Wüste nach der Lache zu,
sondern von der Tsäd- Lache nach der Wüste zu abgedacht
sei. Alle Zeugen sagen aus, dass es gegenwärtig trocken
sei, aber vor weniger als 100 Jahren das Bett eines Flusses oder
Kanales gebildet habe, durch welchen eine Wasserverbin-
dung zwischen dem Tsäd und Bürgu stattgefunden. Einige
behaupten sogar, es lebe noch ein sehr alter Mann, der in
früher Jugend diesen Weg zu Wasser gemacht habe. Natür-
lich ist alles dieses mehr als apokryphisch und gar nicht
denkbar, dass das Land Bürgu nicht mehrere 100 Fuss über
dem Niveau des grossen Central- Afrikanischen Flusssackes
läge, — denn das ist wohl das schlagendste Wort, mit dem
wir die Tsäd-Lache zu bezeichnen im Stande sind. — Die Stätte,
wo dieses sehr grosse , gegenwärtig trockene und mit Bäumen
dicht durchwachsene Wadi in den Tsäd mündet, ist nahe süd-
lich von einer Ortschaft Namens 'Aliman, welche 1^ Tagerei-
sen südlich von Täghghel entfernt sein soll, indem man nach
Aufbruch von Tdghghel zuerst in Kirtschimma übernachtet
und dann vor Mittag in 'Ah'mari ankommt. Die Verbindung
zwischen der Sumpf lache und dem Thale soll aber gegen-
wäi*tig bei einer Stelle Namens Ssüggera (von den Arabern Mes-
räk genannt) durch Sandhügel unterbrochen sein, und zwar der
statt „(rnce'\ ,, eines Tages'*, ,,in früherer Zeit*', nämlich als der SchQa-HanptUng
noch mächtig war.
*) In der Vorrede steht ,,bärrem**, was eine andere Form desselben Kamens
ist und im Allgemeinen „Wasserplatz**, „Brunnen** bedeutet.
I
438 Anhang I.
Ai-t, dass die Tsäd- Wasser selbst beim höchsten Stande ver-
hindert werden, in das Burrum einzutreten. Jedoch wird
hier weiter landeinwärts ein anderes Becken gebildet, das
gelegentlich Hedebä genannt wird.
a) Von 'Alimari nach Moitö*).
Ister Tag: Kedäda, ausschliesslich von entflohenen Sklaven
bewohnt, die hier ihre Freiheit wiedergefunden haben.
2ter Tag: Kedigi, von Asale'- Arabern bewohnt.
3ter Tag: Moitö (s. Anh. VIIL).
b) Von 'Alimari nach Edrnak Logone (2^ Tagereisen).
Obgleich einige meiner Berichterstatter — offenbar auf
Grund der vielen kleineren Thäler, die sich an den grossen
Bürrum anzuschliessen scheinen, der Meinung waren, dass
es ein Zweigthal gäbe, durch welches der Bahhr el Ghasäl
mit dem Fittri, d. h. der Sumpflache der Küka, dem Fluss-
sacke des Bat-hä, in Verbindung stehe, so stimmte doch
die Mehrzahl derselben darin überein, dass gar keine
solche Verbindung bestehe, dass aber verschiedene, von ein-
ander unabhängige Thäler zwischen beiden gelegen seien.
Mehrere Umstände scheinen diese Angabe völlig zu bestä-
tigen, — vor allen derjenige, dass die Reisenden zwischen
Yaö und Moitö gar kein von Norden kommendes Thal
passiren.
Die Richtung des Biirrum ergibt sich für einen beträcht-
lichen Theil seines Verlaufes aus der Strasse, welche von Mao
nach Yäö, dem Hauptort der Provinz Fittii führt und nach den
Berichterstattern eine fast genau östliche Richtung verfolgt.
Ister Tag: Kalkalä, nicht zu verwechseln mit dem vorher
erwähnten Orte Kulakulä; ein kurzer Marsch.
2ter Tag: Güdjer, wo man während der Hitze Rast hält,
dann am Nachmittag aufbricht und auf der Strasse über-
*) Der Aussprache nach, und wenn "man die Schreibweise der Araber unbe-
rücksichtigt lässt, könnte man diesen Xamen auch „McutÖ" schreiben.
Der Bahhr el Ghasjll. 439
nachtet. Die hiesige Umgegend scheint den allgemeinen
Namen Ssagöre zu führen, meiner Ansicht nach nicht ver-
schieden von Yagöre, dem Namen der Landschaft, in
welclier Mondö belegen ist.
3ter Tag: Toröro, ein Brunnen im Bürrum. Ankunft vor
Eintritt der Mittagshitze — „käila" — . Zu Pferde soll
man den Weg von Mäö nach dem Bürrum in Einem
Tage machen. Man hält hier während der Hitze Rast,
bricht um Dhohor (2-J Uhr Nachmittags) wieder auf und
lagert bei Sonnenuntergang noch immer im Wadi.
4Ur Tag: Lager beim Anfang der Hitze, noch immer in
demselben Wadi.
5ter Tag : In einem anderen (V) Wadi, wahrscheinlich einem
sich abzweigenden Arm.
ßter Tag: Schegeräi, ein wasserreicher Brunnen (anderen
Berichtei-stattem nach im Bürrum).
7ter Tag: Hadjidjat.
gter Tag: Ijager zwischen den Felsen im Wadi Fäli.
9ter Tag: Fittri.
[Ich gebe hier die Strasse von Yäö nach Mäö, nach dem
Berichte des Buläla*) Ibrahim:
Ister Tag: Fäli, ein felsiges Thal, schon im Gebiete von
Baghirmi.
2tcr Tag: Aüni, ein von Baghirmi-Lcuten bewohnter Weiler.
3ter Tag : Bükko, ein von Baghirmi-Leuten bewohnter Weiler.
4ter Tag : Schegeräi, ein von Tebu-Gurään bewohntes Thal.
5ter Tag: Bahhr el Gliasdl.
6ter Tag : Kedäda, eine von Tündjur bewohnte Ortschaft Es
ist eine sehi* wichtige Frage, ob dieses Kedäda mit dem
vorher erwähnten einerlei sei.
*) Ich gestehe, dass ich nicht genau weiss, wie die Singnlaxform ron Bu-
lala lauten niüsste.
I
440 Anhang I.
7ter Tag: Mondö, ansehnlicher Ort im Bezirk Yagöre, dess-
halb auch zuweilen Mondö Yagöre genannt, bewohnt von
Tündjur (dieser eigenthümlichen Völkerschaft wird am
Ende dieses Bandes noch näher erwähnt werden), Wadai-
Leuten und Arabern. In demselben Bezirk Yagöre liegt
auch die Ortschaft Bugdrma, beherrscht von dem Häupt-
linge Kedl-Adümmo. Mondö wird von Denham*) als
ungefähr 10 Stunden zu Pferde von seiner Station im
Lager der Düggana entfernt aufgeführt Es ist der Sitz
eines Statthalters, früher unter der Regierung von^Bömu,
jetzt aber (wenigstens 1851) unter der von Wäddi. Der
gegenwärtige Statthalter ist Fügobo-Bakr oder A'bakr
(eigentlich Abü-Bakr). Auch der Agid el Bahhr hat hier
häufig seinen Aufenthalt.
8ter Tag: Yagübberi (so wahrscheinlich nach dem Kanembü-
Stanmie der Kübberi genannt), bewohnt von Tündjur.
9ter Tag: M&ö.]
Es ist hier am geeignetsten, die von den Ueläd Slimän
uns mitgetheilten Stationen längs des berühmten Bürrum an-
zuführen, wodurch sich nach Vergleichung mit den obigen
Itinerarien ein ungefährer Umriss der Windungen dieses be-
rühmten Thaies, wie sie in der später erscheinenden allgemei-
nen Karte angesetzt sind, herausstellen wird.
Wenn man bei *Alimari anfängt und immer das Bürrum
entlang zieht, so sind die üblichen Stationen die folgenden:
Geren — Hebäl — Schegeräi — Fadjädja — Münarak —
Scheddera — Toröri — Haradibe — GelemnT — Hagedji —
Tülb-bahr (Tül-el-bahr?) — Tschüaru — Ege.
Die Lage von Ege wird ziemlich genau festgestellt durch
*) Denham, Bd. I. S. 262 ff. Es ist nicht ganz klar, ob Denham die .50
Meilen (S. 267) bis Mendoo (Mondö) oder bis M^ö rechnet, obgleich das Letz-
tere wahrscheinlich ist. Der Name Korata Mendooby (S. 267) bedeutet die
Kerida oder Kreda (Fugäbü) von M6ndö.
Der Bahhr el Ghasäl. 441
Vergleichung mit einem weiter unten anzuführenden Itinerar
von Ngegimi nach jener weidereichen Thallandschaft. Vorher
muss jedoch einer Schwierigkeit Erwähnung geschehen, die
einige Ungewissheit in der Darstellung dieser Gegenden übrig
lässt. Diese Schwierigkeit betrifft die Stelle Schegeräi,
welche in der letzterwähnten Mittheilung als ein Platz und
Brunnen im Bürrum selbst, in den anzuführenden Itinera-
rien aber mehr als ein besonderes Thal bezeichnet wird;
jedoch kann nach gehöriger Überlegung kein Zweifel an der
Identität obwalten. Das grosse Burnmi hat offenbar mehrere
kleinere Abzweigungen. Wegen der die grosse Schlangen-
windung des Thaies klar vor Augen stellenden Identität von
Toröri in den verschiedenen Itinerarien kann von einem Zwei-
fel nicht entfernt die Rede sein.
Der Weg von Ngegimi nach Ege berührt folgende Statio-
nen: Maiidjät — bir Nefä-ssa — bir Scherifa — bir el
Höscha — el Hamir — bir Hadüdj — bir el 'Att-esch —
bir ben Miissebl — bir Ssali — Kederi — Dira oder Diri —
Birfo (ich bin nicht gewiss, ob ursprünglich bir Fo) — Ege.
Ich gebe nun den Weg vom Bir el Kürna*) (dessen Lage
wir auf unserer eigenen Reise selbst kennen lernten) nach
Ege über bir el *Att-esch und Müssebl.
Ister Tag: Langer Marsch. Ankunft beim bir el 'Att-esch
bei Sonnenuntergang. Richtung nördlich.
2ter Tag: Rast in der Wildniss um Dhohor.
3ter Tag: Bir ben Müssebi, nach vierstündigem Marsche.
4ter Tag : Rast in der Wildniss um 'Asser (ungefähr 4^ Uhr
Nachmittags).
5tcr Tag: Nach vier- oder fünfstündigem Marsche Ankunft
*) ich bemerke hier, dass ich mit Bezug auf Känem den Namen dieses weit
verbreiteten Baumes gewöhnlich „kdma" geschrieben habe; sonst ist f,k6ma"
gebräuchlicher.
I
442 Anhang I.
beim bir el Borfo, welcher bereits ausserhalb der Grenzen
von Känem liegt. Es ist augenscheinlich, dass dieser
Brunnen nicht mit Birfo einerlei ist.
6ter Tag: Rast an einer Stelle mit vielem Hhäd, aber we-
nigen Bäumen.
7ter Xag: Ege; Ankunft bei Sonnenuntergang.
. Ege ist eine weit berühmte flache, weidereiche Thalland-
schaft — in welcher Kukiirde als eine bemerkenswerthe
Stätte angeführt wird — , zeitweilig von verschiedenen Stäm-
men besucht, die hierher kommen, theils um ihre Kameele
an den hiesigen Quellen zu tränken, welche den gedeihli-
chen Wuchs des Kameeis (wahrscheinlich ihres Natron-
oder Salzgehaltes wegen) aufs Trefflichste befördern sol-
len, theils um die Frucht des Ssiwäk (Gapjjaris sodata oder
ßalvadora Persica) zu sammeln, welche in diesem Theile
des Thaies in grosser Menge wächst, weiter aufwärts aber
seltener vorkommt. Die stärksten unter diesen Stämmen
waren früher die unten in dem Verzeichniss der Tebu-Stämme
angeführten Bultu oder Biltu, welche «inst die Nakassa be-
herrschten, die Haläl e' Debüs — ein Arabischer Schimpf-
name; der eigentliche Name des Stammes ist mir nicht be-
kannt — und die Chiät e' Rih — ebenfalls ein Spottname — ,
Ferner kommen häufig nach Ege die Mu-ssu, die Ssakerda
und die von den Kedl Lauäti- beherrschte Abtheilung der
Fugäbü, zuweilen auch die üeläd Slimän. Weil jedoch Ege
bei vielen Stämmen als ein vortrefflicher Platz für ihre Ka-
meelheerden sehr beliebt ist, so werden natürlich auch zahl-
reiche Raubzüge dahin ausgeführt.
Von Ege aus scheint sich das Bürrum oder der Bahhr el Gha-
sdl nach NW. oder wenigstens nach NNW. zu wenden, nämlich
nach Tangür hin, das 2 Tagemärsche von Ege entfernt ist. Hier
scheint das Land wirklich ein weites Becken zu bilden — ein
Umstand, der die Angabe der Eingeborenen, dass sich das Biir-
rum vom Tsäd aus abwärts senke, als weniger unsinnig er-
Strassen nach Btirgn. 443
scheinen lässt, da Tangür nach der allgemeinen Annahme
das Ende des Bümim bildet. Eine hier angestellte hypso-
metrische Beobachtung würde die Frage über das Gefälle
des Bürrum und die Richtigkeit der merkwürdigen betreffen-
den Angabe der Eingeborenen auf der Stelle entscheiden.
Einige Leute behaupten jedoch, dass sich diese grosse Thal-
bildung noch weiter in Burku oder Bürgu hinein erstrecke.
Eine oder zwei Tagereisen nördlich von Tangür liegt die Ort-
schaft Bdteli, nicht minder berühmt als Ege wegen ihres
vorzüglichen Schlages Kameele (von welchen ich selbst mit-
unter eines besass), imd Degirschim.
Nach diesen Mittheilungen bezüglich des südöstlichen Thei-
les von Känem und des Bümmi gehe ich nun zu den mir
bekannt gewordenen Strassen von diesen Gegenden nach
Bürku oder Bürgu über (schon Capt. Lyon hat über dies
Land einige interessante Bemerkungen gemacht), imd zwar
zu der Strasse von Eye nach Yen oder Beläd el '^Oniiäny dem
Hauptorte von Bürku. (Richtung: NNO.)
Ister Tag: Tarö oder Trö, ein Thal mit bitterem Wasser.
2ter Tag: Karo; Ankunft vor der Hitze des Tages.
3tcr Tag: Aüdanga, Brunnen mit viel Buschwerk.
4ter Tag: Tungurki; Ankunft vor der Hitze des Tages.
5ter Tag: Yaiö el Kebir, Brunnen mit Dümpalmen. Un-
fern davon Yaiö-el-srhir.
gter Tag: Yen, nachdem man am 6*«^ Tage die Grenzen von
Bürku überschritten und dann zuerst die Quelle *Am Te-
lekka erreicht hatte. Die Umgegend von Yen ist reich
an Weideland und Palmen. Die Dorfschaft besteht mei-
stens aus steinernen Hütten , die Einwohnerzahl schwankt
aber sehr. Es gibt verschiedene Häuptlinge im Orte, un-
ter welche die Gewalt vertheilt ist und von welchen Lenga
oder, wie sein Titel ist, Täua Lenga der einflussreichste
zu sein scheint. Ausser ihm leben hier die Häuptlinge:
I
444 Anbang I.
Yüorde, Kälome und Biddu, welch' letzterer zu den Bid-
dua gehört; auch hält sich Kedel-Agre, der Häuptling
der Bultu, hier zuweilen auf. In Teki, einer durch eine
grosse Quelle befruchteten OrtschafE, wohnt noch ein an-
derer Häuptling, welcher zu den Tiyoua gehört und Ge-
henni genannt wird. Galäkka ist der Name einer ande-
ren der hauptsächlichsten Ortschaften Bürku's,
Yen ist 11 Tagereisen von 'Arädha oder 'Orädha*) ent-
fernt, dem Sitze der Mähamid, dessen Lage mit grosser
Sicherheit durch seine Entfernung von Wära bestimmt wer-
den kann:
Ister Tag: Wen, 3ter Tag: Tschirogia, 7tcr Tag: Oschim,
llter Tag: 'Arädha.
Ich fuge hier einige Angaben über die Stämme und Sipp-
schaften der Tebu, namentlich über ihre gegenwärtigen Wohn-
plätze bei, welche Angaben nach dem, was ich über dieses
Volk bereits in meiner Untersuchung über die Geschichte des
Königreichs Bomu (Bd. II. S. 299 ff.) beigebracht habe und was
ich über dasselbe noch im weiteren Verlaufe meines Berich-
tes bei meiner Heimreise im Jahre 1855 zu bemerken haben
werde, nothwendigerweise kurz sein müssen.
Die Tebu, Tübu oder vielmehr Teda halte ich noch immer
auf das Entschiedenste für nahe Verwandte derKanöri, und ich
glaube, dass die von mir früher (Bd. U.) erläuterten histori-
schen Beziehungen zwischen den beiden Völkern meiner auf
linguistische Gründe gestützten Ansicht zur mächtigen Bestä-
tigung dienen. Die Araber, namentlich die Ueläd Slimän, fü-
gen dem Namen „Tebu" gewöhnlich das Wort „Graän" oder
„Guraän" hinzu, welches ich auf den so oft von Leo Africanus
erwähnten Bezirk „Goran" oder, wie Marmol schreibt, „Go-
•) Ich bin nicht ganz sicher in der Schreibweise dieses Namens, glaube
jedoch, dass er mit p geschrieben wird.
Die Stämme der Tebu. 445
rhan" glaube beziehen zu dürfen. Die Tebu selbst habe ich
nie «dieses Wort gebrauchen hören , nach dessen Bedeutung
ich jedoch zu fragen vergass. Ich bemerke nur noch, dass
die Tebu in ihrer eigenen Sprache den Kanöri den Namen
„Tiigubä", den Imö-scharh aber den Namen „Yeburde" geben.
Ich will nun zuerst die bereits gelegentlich erwähnten, in
und um Känem wohnenden Tebu -Stämme auffuhren, mich
dann nach Norden und von da nach Südosten wenden.
Die bedeutendsten in Känem scsshaften Stämme sind die
Worhda, die Dogörda, die Gadeä, die Yeorma*) und die
Fidda; in Lümna am Komadugu Waübe die federe; nördlich
vom Komadugu bis nach Beduäram die Bülgudä, von den Ara-
bern und Bomauern Däsa genannt; unfern von Beduäram die
Wandala, ein bereits von Capt. Lyon, sowie auch von Denham
erwähnter Stamm**); unweit von den Letzteren die Aüssa;
beim Brunnen Aghadem die Bolodüa, von den Kanöri „am
Wadebe" genannt; am Burrum, welches die Tebu „Fede" nen-
nen, entlang wohnen die Karda, gemeiniglich Kreda genannt
und in verschiedene Sippschaften getheilt, von welchen die
Gelimma, die Gra-ssön (dies halte ich mehr für den Namen
eines HäuptUngs, da die Stämmenamen sämmtlich in einen
Vokal auslauten) und die Buköschele die angesehensten sind;
die Schindaköra mit dem Häuptling Abu Nakür, die Ssa-
kerda mit den Bakaikore, die Medemä und die Nöreä, ge-
wöhnlich Nuormä genannt***); inEge und Bäteli die Mü-ssu
mit dem Häuptling Wüdda ; in Tangür die Nakassa, von de-
*) Die Yeönna sowohl wie die Tümm^lme und Yeggadä sind von den Tua-
rcg fast gänzlich vernichtet worden.
**) Was den ebenfalls von beiden genannten Reisenden (Lyon, S. 265 ; Den-
ham, Bd. I. S. 42 und sonst oft) erwähnten Stamm Traita betrifft, so scheint
mir derselbe kein einheimischer Name zu sein ; ich bin wenigstens nicht im
Stande gewesen, über den Wohnsitz des so benannten Stammes Auskunft zu
erlangen. Denham nennt ihn an einer Stelle „die Leute von Traita**.
***) Unter diesem letzteren Kamen auch Burckhardt bekannt (Travels in
Niil/ia, 2nd ed., Ap. I. p. 43öJ.
}
446 Anhang I.
nen die Un mit dem Häuptling Mäina (kein Eigenname, wie
es scheint) eine Abtheilimg bilden; inBilma oder Bulma — .dies
letztere ist wahrscheinlich die richtige alte Form — und im
Wadi Kauär, wie es die Araber seit vielen Jahrhunderten nen-
nen, oder „henderi Teda", wie es die Eingeborenen als das
Uauptthal ihres Stammes bezeichnen, — die Ge-sserä oder
Ge-ssedi.
In Tibessti (Tibessti ist ein allgemeiner Name, der früher
einen weiteren Umfang als gegenwärtig bezeichnet zu haben
scheint, aber nur scheinbar die ganz fremde Form des Stamm-
namens Tebu bestätigt) und in Bäteli : die Temaghera *), ein
sehr interessanter Stamm von alter historischer Wichtigkeit
(s. Bd. II), welcher zur Zeit des Edriss Alaöma in Nguruti in
Känem seinen Sitz hatte, mit dem Häuptling Gurde, Teharke's
Nachfolger ; die Gonda oder Gunda, deren alter Häuptling Ta-
her Assar vor einiger Zeit starb, in Borde (Capt. Lyon's Ber-
dai), einer der bedeutendsten Oi-tschaften in Tibessti, und an
anderen Stätten ; die Arindä in Dirkemäu, einer anderen Ort-
schaft in Tibessti, mit dem Häuptling Keneme ; nördlich von
Tibessti, im Thale Täö, die Abö, ein Name, der oft irrthüm-
lich für den einer Ortschaft angesehen worden ist; man hat
mich aber ganz bestimmt versichert, dass es nur ein Stamm-
name sei.
Diese zuletzt genannten Stämme bilden in ihrer Gesammt-
heit, wie ich glaube, die gewöhnlich „Tebu Reschäde", in der
einheimischen Sprache aber „Tedetü" genannte Gruppe.
In O'djanga oder Wadjanga**), der östlich an Tibessti und
*) Dieses Wort scheint ein Berber-Element zu enthalten, was jedoch wohl
mehr scheinbar als wirklich sein dürfte. Imam Ahmed schreibt stets deutlich
„Tumäghira".
•♦) S. Lyon's Bericht, S. 266, wo eine etwas übertriebene Boschreibung
der Bewässerung der Landschaft, dio freilich nicht überall ganz unfruchtbar
sein dürfte, gegeben ist. bYcsncl im lUtUehn lie la Soc, Oeogr, de Par'n.
Serie UI. VoL 14, p. 175.
Die Stftixmie der Tebn. 447
nordöstlich an Bürku grenzenden Landschaft, in der Richtung
von Küffara*), sitzen dieWonya mit dem Häuptling Onökke;
südlich von ihnen die Matätena oder Gürin, in fruchtbaren
Thälern, die sogar Feigen hervorbringen.
In Bürku sind die folgenden Stämme: die Bültu, von den
Arabern mit dem Spottnamen „Nedja el Keleb" bezeichnet,
mit dem mächtigen Häuptling Kedel-Agre (von welchem auch
die Kirdidä in Klrdi, die Guruä in Gur und die Elbueda in
Elbue abhängig sind), während eines Theiles des Jahres in Yen,
aber nach der Dattelernte gewöhnlich in dem Bezirke Kere-
Bürku und zu anderen Jahieszeiten in Ege wohnhaft; die Yenoä
mit dem Häuptlüige Alanga oder vielmehr Lenga in Yen ; die
Dösa mit dem Häuptlinge Kälema in Büdda, einem Thale
östlich von Yen; die Yerda in einer Ortschaft gleichen Na-
mens ungefähr eine halbe Tagereise östlich von Yen, mit dem
Häuptling Yile ; die Teyeuä in Teke, einer fruchtbaren Land-
schaft oder Thalebene, gegenwärtig unter der HeiTschaft des
Gehenni, indem der frühere Häuptling Ssahäi, der Vater einer
zahlreichen Familie, gestorben ist; in dem grossen Thale
'Arädha, an der Grenze von Wdddi, die Mohede, früher un-
ter 'Othmän Belede, welcher vor Kurzem gestorben ist. In
noch grösserer Entfernung sind dann die Wohnsitze des zahl-
reichen und mächtigen Stammes der Sorhaua, der schon im
13*^11 Jalirhundcrt den Isslam annahm.
Ich müsste jetzt den Stamm der Terauye oder Bedeyät oder,
wie sie von den Arabern genannt werden, der A'ua, welche
die Landschaft tnnedi bewohnen, aufführen, wenn ich sicher
wäre, dass derselbe zum Volke der Tebu gehört. Aber die
wenigen Wörter ihrer Sprache, welche ich habe erfahren
können, wie Wasser, Feuer, sind völlig verschieden von den
entsprechenden Wörtern in der Tebu-Sprache, wie:
*) Zu KüfTara gehört Kebabo, ein Ort, der Ton den Einwohnern Bürku'a
fjTesser" genannt wird.
J
448
AnhaDg L
Wasser
Feuer
Terauye mi, djö,
Teda eyL uuem.
Jedoch mögen dies nur Dialektverschiedenheiten sein, wie das
oft der Fall ist.
finnedi wird von einer grossen Anzahl von Thälem durch-
schnitten, von welchen eines Käüle und ein anderes, in der
Nähe von Wäddi, Nlyu genannt wird. Einer unter den Häupt-
lingen der Terauye ist Rüs-si, welcher durch seine Theil-
nahme an den Handelsunteniehmungen des Königs "Abd el Ke-
rim Ssabün von Wddäi wohlbekannt geworden ist*). Er war
im Jahre 1851 noch am Leben und ist ein Moslim, während
sonst die Terauye meistens Heiden sind.
*) S. Fresnel, BuUetin de Ui Soc. de G4offr. 1849, Ser. UI, Tom. XL
p. 5:$.
IL
Zur Kaiiem- Reise.
Zusammenstellung der geogp*aphischcn Angaben, welche in dem ,,Diwan"f oder
dem Berichte des ImSm Ahmed ben Ssoflya *) über des Königs Edrlss Alaoma
Feldzüge von B6mu nach Käncm, enthalten sind.
Erster Felclzug.
1 Tagemarsch: Ghambarü (l^^^-s^c), nachdem er von Bimi
Ghasr-figgomo aufgebrochen ist.
1 Tagemarsch: Santam {(^j)-
1 Tagemarsch: Kischfmua (öj4.io ), indem er sich west-
wärtis zurückgewandt hatte.
1 Tagemarsch: Santam, indem er wieder die östliche Rich-
tung eingeschlagen hatte.
V 1 Tagemarsch: Ghotüa (»y^).
Mehrere (kui-ze) Tagemärsche: Beri {^Jr?)' Wer König la-
gerte jedoch nicht in der Stadt Berl selbst, sondern rings
• ' um einen befestigten Platz (äaJ^) Namens Ghatigha
(^JÄÜlc), welcher, nach anderen Angaben, in nur geringer
Entfernung von der Stadt Beri liegt. — . Berl war ein
t
*) Siehe, was ich im zweiten Bande über diesen Mann gesagt habe. —
Ich bemerke hier ein- für allemal, dass die Namen im Manuskripte im Ma-
ghrebi- oder Warasch - Style geschrieben sind, hier aber im östlichen oder
A'bü -'Omar -Style wiedergegeben werden.
D«rth'B RelMii. lU. 29
I
450 Anhang IL
durch seine Lage berühmter Platz, welche für den Ver-
kehr zwischen Bomu und Ksnem von grosser Bedeutung
war*).
1 Tagemarsch : Furtü (y ^). Ankunft um die „kaila*' oder
„kiyüla", nachdem er bei Ssakala (äXCav), einer unbe-
wohnten (3rtlichkeit (yVS^), und bei der Stadt Ghayawa
(}yfiC) vorübergekommen war. — Die Stadt Furtü oder
Furtüa ist von der grössten Wichtigkeit für die Geogra-
phie von Känem, da sie mit dem von Makrisi erwähn-
ten I'kll oder I'keli identisch ist. Imäm Ahmed schreibt
o o^
äXJi. Sie hatte ausserdem noch einen dritten Namen,
> ^ o ^
nämlich Ghaldjadü oder Ghaldjadiiä ((^v-XsnXc).
1 Tagemarsch: Aläle (^^i); bei östlicher Richtung.
1 Tagemarsch: Ghibüa-kandjiyis (iAsruj ^^j-^c), eine un-
\i ^ 40' ^
m •
bewohnte Ortlichkeit.
1 Tagemarsch: Daghäl ((J^^).
1 Tagemarsch: Bürum ifrf)-
1 Tagemarsch: Koro (jjj <-^).
1 Tagemarsch: Kessuadä ^Oy*S\
.- ;
1 Tagemarsch: Ghumämf (^ycWc).
y y
1 Tagemarsch: Ssülü oder Ssülüa (»^^). Diese Ortschaft
war, nach einer anderen Stelle des Kanöri-Geschicht-
Erster Feldzag. 451
Schreibers*), ein Sitz der Kenaniya, welcher Stamm in
fiüherer Zeit den Hauptbestandtheil der Bevölkerung von
Känem ausgemacht zu haben scheint, aber dem Volke
von Bomu feindlicli gegenüber stand und durch die Feld-
züge des Edriss offenbar sehr gelitten hat (s. weiter unten).
1 Tagemai-sch: Mülghim (i**^).
^ y 9
1 Tagemarsch: Kurü oder Kurüä (Ur^).
1 Tagemarsch: Meladjerä, ein Fluss**) ((^•'**mJI i-sn^t
1 Tagemarsch: Rimbauä (U-5-^).
l Tagemarsch : Mäö (hier \^^ , aber bald darauf Uv^c und
S. 16 {y^ [aus Versehen selbst (J[J^] geschrieben). Er
kam kurz vor „ssauäl" hier an.
Da die Lage von Beri von uns selbst bestimmt und auch
die von Mäö mit annähernder Genauigkeit gegeben worden
ist, so könnte der ganze Weg, angenommen, dass derselbe
in einer einigermassen geraden Linie laufe, mit einiger Ge-
nauigkeit in einer Karte niedergelegt werden. Die Unsicher-
heit nimmt natürlicherweise zu, wenn wir über diesen Ort
hinaus nach dem südöstlichen Theile von Känem vordringen.
Mäö war damals ein in ganz Känem berühmter Ort, ob-
gleich zu der Zeit kein mächtiger Häuptling hier seinen Sitz
hatte; 'Abd el Djelil, der Buläla- Fürst, residirte damals in
Yitukui'ma (oder Yutükurma, denn beide Foimen, Ä/O
♦) Manuskript, S. 101.
**) Dieser Fluss ist eine wichtige Eigonthümlichkeit des Landes und könnte
Yon einem die südlichen Theile von KSnom besuchenden lieiscndcn leicht iden-
tificirt werden.
29«
452 Anhang ü.
und Ä/Op=3yS?» kommen vor*)), das von Mäö „megTl" (d. h.
etwa 5 — 6 Stunden schnellen Marsches) in südöstlicher
Richtung entfernt gewesen zu sein scheint.
Von Mäö zog Edriss in nördlicher Richtung nach Wa-ssdmi
(^yoL*^) (S. 18), welches einen bis gegen Ssauäl anhal-
tenden Marsch davon entfernt ist, — wälirend das Bu-
läla-Heer nach Klrssila (äa^-I^zi) kam, das möglicher-
weise westlich von Wa-ssämi lag**). Die Buläla flohen
(um „ dhahüe ") ; Edriss richtete dann seinen Zug nach
den südlichen Landschaften Känems und kam zwischen
Dhohor und 'Asser in Manmaua (ää^Ä/o) an, wo es kein
Wasser gab.
Von hier nach Ta-ssa (äa*o) oder Tu-ssa (ämÖ). Ankunft
um Ssauäl. Es war offenbar ein beträchtlicher Ort, da
der König daselbst 8 Tage blieb. — Hier flohen die Bu-
läla zum zweiten Male.
Von Ta-ssa nach Ndjimie oder Schimie (hier aamaJI, etwas
weiter unten *6sr) und einige Zeilen vorher *a**Ji geschrie-
ben), der alten Hauptstadt vor Daüd's Zeit. Ankunft vor
Ssauäl. — Leider gibt der Geschichtschreiber nicht die
Richtung an, welche sein Fürst hier verfolgte.
Hier liess Edriss an den Gräbern der alten Könige
Bornu's den Kuran dreimal lesen.
*) Solche zwei verschiedene Formen kommen bei vielen Kanöri- und Tebu-
Kamen vor, wie Bulma und Bilma, „btirni" (wie Imäm Ahmed stets schreibt)
und „birni", u. a. m.
**) Dies ist jedoch sehr zweifelhaft; denn die Buläla zogen sich auf ihrer
Flucht nach Osten zurück.
Erster Feldzag. 458
Von Ndjfmie zog Ednss nach A'ghäfi (cj^^^Oj ^^ ^^^ ^^'
festigter Ort der Bulala war. Er kam (nach einem kur-
zen Aufenthalte auf dem Marsche) um Dhohor an und
fand d.aselb8t das feindliche Heer vor, welches sofort die
Flucht ergriff.
Von Alghäfl nach Ssendü (öa<-Xa*a/).
Von Ssendü nach I'kima (ä^j ().
Von I'kima kehrte er nach Äghafi zurück und feierte da-
selbst nach altem Brauche von Bomu das 'Aid el Fotr.
Von A'ghäfi nach Fifi-ssi (ämaaW) , wo er,. indem er am
Abend aufgebrochen und die ganze Nacht hindurch mar-
schirt war, am Morgen ankam. Er machte hier grosse
Beute, da 'Abd el Djelil die Flucht ergriff.
Von Fifi-ssi kehrte er in 2-J Tagen nach A'ghäfi zurück,
während sich 'Abd el Djelil in Gha-ssikü (IjX^mac) , nörd-
lich von A'ghäfi, befand.
Von Äghäfi wandte sich EdrTss nach Ndjimie, indem er bei
Anfang des 'Asser aufbrach und um „el äschä" ankam.
Von Ndjimie zog er sodann in schneUem Marsche (vom
Dhohor bis „mughreb") nach Melima (^WaX/o).
Von Melima nach Gha-ssikü.
Von Gha-ssikü kehrte er über Melima und Ndjimie nach
Aghäfi zurück und hielt dort eine geraume Zeit Hof, in-
dem er die Häuptlinge der Buläla und selbst die der Ara-
ber und der Bewohner der Landschaft Fittri zu sich be-
rief und die Regierung von Känem dem Fäki Mohammed
ben Abd- Allah, übertrug.
Von A'ghäfi zog Edriss nach Ghamtilü, dem Be*gräbnissorte
des Biri ben Dünama.
454 • Anhang II.
Von Ghamtilü südwärts nach Beläghi ( clXj).
[Während König Edriss nach Beläghi ging, besuchte
sein Imäm, Ahmed ben Ssofiya, indem er sich mehr west-
lieh hielt, eine alte Moschee Namens (J^y <-V^im4/o,
augenscheinlich eine der ersten Stätten des Mohamme-
danischen Gottesdienstes im Lande Känem.]
Von Beläghi wandte sich Edriss wieder südwärts, in der
Richtung der Sumpf lache (^^/jl*^) {jjO ^sniJt Sqä. (jJi),
nach Fissla (&aaaa5) , wo er eine lange Zeit verweilte und
Gesandtschaften von den Arabern, den Küka oder viel-
mehr Kükü (1^=3^=3) und den übrigen Bewohnern
Fittil's empfing.
Von Fissla wandte sich Edriss westwärts nach Bomu zu:
Zuerst nach Diyauä v]^*-^) , wo er sich etwas aufhielt.
Von Diyauä nach Ghalä oder vielmehr Ngalä (^^).
Von Ngalä nach A'uano (^^v-
Von Äuano nach 'Alüa (ö^Ac).
Von 'Alüa [kehrte er zurück (?)] nach Ngalä.
Von Ngalä nach Madaghama (Ä442lXc), wo sich ihm Mo-
hammed ben 'Abd-Allah mit seinem Heere anschloss.
Von Madaghama kehrte Edriss auf die Nachricht von 'Abd
el Djelil's abermaliger Rückkehr nach Yitükurma wieder
ostwärts nach Ngalä zurück und ging von dort wieder
nach Madaghama.
Von Madaghama kam er, in geradem Marsche auf Bornu,
in einem langen Tagemarsche nach Ssülü.
Erster Feldzag. 455
Von Ssülü nach Keghu-ssiti (Äia^uiT ).
Von Keghu-ssiti nach Ssiki (äJCama üÜLsit) , einem Orte,
der damals die Grenze zwischen Bornu und Käneni bil-
dete, wesshalb hier beim Durchmarsche die Trommel ge-
rührt wurde.
Von SsTki nach dem Gau der Ssugurti oder Ssukurti \^J^y
Von Ssugurti nach Bulughi {iyS).
Von Bulüghi nach Ngughiiti (Ngurüti) (^J».c%c, weiter unten
y y
•• • •
Ä3^ÄC geschrieben).
Von Ngughiiti nach Berl.
[Aber des Königs direkte Rückkehr nach Bornu wurde
verhindert; denn er erhielt in Berl Kunde von einer bei
Yitükurraa zwischen *Abd el Djelll und Mohammed, dem
Statthalter von Känem^ gelieferten Schlacht, in welcher
der Letztere unzweifelhaft besiegt worden war. Er kehrte
daher noch einmal nach Osten zurück, indem er sein
Heer in zwei Abtheilungen trennte und davon nur eine
mit sich nahm.]
Von Berl nach Ghatighi (hier sonderbarerweise Äc^lc
^ ••
geschrieben), demselben befestigten Piatee, der oben als
ganz in der Nähe von Berl liegend erw<ähnt worden ist,
und wo sich die Heere zu sammeln pflegten.
Von Ghatighi oder Ghatiga nach Ngughüti.
Von Ngughüti nach Bulüghi.
Von Bulüghi nach Kirteti (V) (^_jÄ3-==).
Von Kirteti nach Keghu-ssiti.
}
456 Anlumg IL
ou Keghu-ssiti nach Ririkmi (^^^»^[^).
Von Ririkmi nach Ghami-Kiäla \^^^^(^r^) , einer grossen
ummauerten Stadt, — offenbar eines von den beiden von
mir früher als zu Schitäti gehörig erwähnten Eiala.
Von Ghami-Kiäla nach Yesembü (im-mao), wo er, in der
Nacht aufgebrochen, bei beschleunigtem Marsche nach
Sonnenaufgang ankam; dieser Ort scheint jedoch nicht
in der Richtung seines Zuges gelegen zu haben, da er
von hier zurückkehrte, um den geraden Weg fortzu-
setzen.
Von dort nach Wa-ssämi.
Von Wa-ssämi nach Melima, wo er umKaila(etwa 11 Uhr)
ankam.
Von Melima nach Ndjiuiie (östlich), wo er am Abend an-
kam.
Von Xdjimie nach Äghäff oder der Festung von A'ghäfi, wo
er, nach Mittemacht aufgebrochen, vor Sonnenaufgang
ankam. Er verfolgte von liier aus den *Abd el DjelÜ und
nahm einen Theil von dessen Smtäla nebst der Königin
Ghiimssu Wäbi gefangen.
Von A'ghäfi kehrte er nach Ndjimie zurück.
[Der Chalifa Yenma Yaghä, welchen Edriss mit den
Kranken inWa-ssami zurückgelassen hatte, setzte von
da seinen Marsch langsam nach Norden (^Q^ ^i
(JUä5() fort und kam zuerst nach Diru (p?«->) ;
von Dim nach Madhimi [m^^^ ;
von Madhimi nach Ndjlmie, wo er Edriss antraf.]
Erster Feldzug. 457
Von Ndjlmie zogEdriss selbst ostwärts nach Kauäl jO]^' — »),
wo er um Dhahaüe (gegen 9 Uhr Vormittags) ankam.
Von Kauäl brach er um Mittemacht auf, zog zuerst süd-
wärts, wandte sich bei Tagesanbnich ostwärts, indem er
sich allmählich immer mehr nach Norden hielt, und über-
fiel die Tebu (offenbar beim Bahhr el Ghasdl). Von die-
sem Raubzuge kehrte er dann nach Kauäl zurück.
Von Kauäl wendete er sich — wie es scheint, auf einem
langen Umwege — nach Ndjimie zurück, indem er zu-
erst nach Saghi [Scheghi, Schiri (?)] (ääm») ging, das er
bei Sonnenuntergang erreichte.
Von Saghi (Schiri?) brach er bei Sonnenaufgang auf und
gelangte über I'kma (*♦!> i) und Ghurfala ( V^r^) nach
Ndjimie. Edriss traf gerade zur rechten Zeit hier ein;
denn der Buläla-König hatte auf seinem Wege nach Ba-
ghlrmi — oder, wie es hier in der im Kanöri üblichen
o^-
Form geschrieben ist, Bagharmi (cj^r^) — Nachricht
von Edriss' Rückkehr nach Känem erhalten und sein
Heer dem Feinde entgegengeführt, ja, es war ihm fast
gelungen, das Lager des Bornu-Heeres durch plötzlichen
Überfall zu nehmen, — als Edriss eben ankam und ihn
zum Rückzug nöthigte.
Von Ndjimie zog Edriss nun nach Ghimarä (»r-»^).
Von Ghimarä in südlicher Richtung nach Ssatöm (r^^),
einem unfern von Yitükurma gelegenen Orte.
Von Ssatöm nach Daghelü oder Dagheluä (UAco), wo
'Abd el Djelil sich aufhielt, jedoch nun die Flucht ergriff.
(Daghelü ist wahrscheinlich identisch mit T&ghghel.)
458 Anhang IL
Von Daghelü kehrte Edriss nach Ssatöm zurück und traf
seinen Vezier in Karglia - Ssimssim (**am>*' Äc -^^ *) ).
(Daghelü lag also südlich oder im südlichen Theile von
Kargha.)
[In Ssimssim hatte Edriss eine Zusammenkunft mit
einigen Arabern (Schüa) und Tebu oder Tübu («w4^*),
wie Imäm Ahmed gewöhnlich schreibt Die Letzteren
zogen es in ihrer Bedrängniss vor, nach Bömu zu wan-
dern, während die Ersteren, welche sich eines engen
Bündnisses mit dem Bomu- Könige erfreuten, in K&nem
verblieben.]
Von Ssimssim zog Edriss nördlich nach Bari (cfjv) (augen-
scheinlich der oben erwähnte Gau).
[Der Vezier, welchen Edriss in Ssatöm zuiückgelassen,
lintt<\ um sich mit ihm in Ssimssim wieder zu vereinigen,
l^loichfalls Bari ** ) dun hzogon.]
Von Bari zog Ednss nnch Mandö ((_5^-^-^) (Mandö Yagöre).
Von Mandö zog Ednss nordwärts und erfuhr, dass der Feind
westwärts ziehe; er änderte daher die Richtung seines
Marsches, bis er KiUki (V) (V^\Ja^=> vAX^) erreichte.
'Abd el DjeUl wurde verfolgt und floh in die Wüste.
*) Mniu Mamiftkripl hat hier einen kleinen Schreibfehler, indem der erste
Thcil dieses Xamens wiederholt ist.
*•) In Biri traf der Vewer ©ine fremde Kafl«, die er plünderte (^cAJi
r^K *di). — K«nm« war WÄhrwheinlich ein Statthalter von Kafi , der oben
erkühnten Stadt in Schitati. Xhel el .Vrmi «teht offenbar mit dem früher er-
wähnten Mestidjed A'rmi in Verbindung.
Zweiter Feldsug. 459
[Der in Mandö gebliebene Befehlshaber Midalä ben Fa-
tima folgte seinem König langsjim nach, lagerte aber den-
noch nach seinem Aufbruche von Mandö nicht eher, als
bis er M&ö zur Seite gelassen hatte. In diesem Lager er-
hielt er den Befehl, nachYira zu kommen, und zog zuerst
nach Yikima,
von da nach Yira (»r:*), wo er um Hedjir (d. i. ein
wenig nach 12 Uhr) eintraf.]
Von dort zog Edriss nach Ssitati (wahrscheinlich Schitäti)
(IxIoaa/, wie es an drei Stellen geschrieben ist*)).
Von Schitäti wandte er sich westwärts zur Heimkehr nach
Bomu, schlug aber am ersten Tage sein Lager ganz in
der Nähe auf, wo die Araber (Schiia) Abschied von ihm
nahmen.
Von hier zog er langsam nach Beri **) , wo die Beute ver-
theilt und alle diejenigen Gefangenen, welche freie Leute
waren, ohne Lösegeld zu ihren Familien und Stämmen
entlassen wurden. Dies geschah einem sehr bemerkens-
weilhen, seit alten Zeiten von den Buläla auf ihren Raub-
zügen nach Bomu beobachteten Gebrauche zufolge: —
ein Cluster Keim von Völkerrecht.
Zweiter Feldzii«;.
Kaum hatte Edriss Alaöma seine Statthalter und Befehls-
haber entlassen, um für einen zweiten Feldzug nach Käncm
*) Es erhellt hieraus, dass der oben Torkommende Name VdXJ^^^^
ein blosser Schreibfehler ist. ' "
•*) Dieser Name ist aus Versehen hier einmal (^%0 und an einer an-
deren Stelle ^^f^ geschrieben.
I
458 Anhang IL
Von Daghelü kehrte Edrlss nach Ssatöm zurück und traf
seinen Vezier in Kargha - Ssimssim (i^mm^ Äc-^d*)).
(Daghelü lag also südlich oder im südlichen Theile von
Kargha.)
[In Ssimssim hatte Edriss eine Zusammenkunft mit
einigen Arabern (Schüa) und Tebu oder Tübu (v^^),
wie Imäm Ahmed gewöhnlich schreibt. Die Letzteren
zogen es in ihrer Bedrängniss vor, nach Bomu zu wan-
dern, während die Ersteren, welche sich eines engen
Bündnisses mit dem Bomu -Könige erfreuten, in Känem
verblieben.]
Von Ssimssim zog Edrlss nördlich nach Bari (cf; v) (augen-
scheinlich der oben erwähnte Gau).
[Der Vezier, welchen Edriss in Ssatöm zurückgelassen,
hatte, um sich mit ihm in Ssimssim wieder zu vereinigen,
gleichfalls Bari**) durchzogen.]
Von Bari zog Edrlss nach Mandö ((J^*^) (Mandö Yagöre).
Von Mandö zog Edriss nordwärts und erfuhr, dass der Feind
westwärts ziehe; er änderte daher die Richtung seines
Marsches, bis er Kitaki (V) (V^ ^>^— a lXAmjJI) erreichte.
'Abd el DjelTl wurde verfolgt und floh in die Wüste.
*) Mein Manuskript hat hier einen kleinen Schreibfehler, indem der erste
Theil dieses Namens wiederholt ist.
♦*) In Bari traf der Vezier eine fremde Kafla, die er plünderte (^^lXJI
r _/0 %a]\ — Kaüma war wahrscheinlich ein Statthalter von Kau , der oben
erwähnten Stadt in Schitati. Ähel el A'rmi steht offenbar mit dem früher er-
wähnten Messdjed A'rmi in Verbindung.
Dritter Feldzug. 461
Von Ben kehrte Edriss nach Ghambarü zurück, und zwar
— wie nach Imäm Ahmed's Bericht anzunehmen ist — mit
ganz ausserordentlicher Schnelligkeit; denn er machte diesen
Weg, dessen Länge in gerader Linie 130 geographische Mei-
len beträgt, in 25 Stunden wirklichen Marsches, mit Berüh-
rung folgender Punkte:
^y -
Aufbruch von Beri um 'Asser; Ankunft in Kebüa (ö^J^
um 'Aschä.
Aufbruch von Kebüa am Morgen; Ankunft in Kikeri
(ö^,^i£=5) um Kalla.
Aufbruch von Kikeri am Nachmittag; Ankunft in Debübü
(jf^y^O oder (Oj3o) um 'Aschä.
Aufbruch von Debübü am Morgen; Ankunft in KuSyah
(&j1ä%) um Kaila.
Von hier in einigen Meilen (vom Anfang bis zum Ende des
'Asser) nach Ghambanl.
Dritter Feldzug.
Nach kurzer Käst rüstete sich Edriss alsbald zu einem
ferneren Zuge, um vor der Dattelnemte nach Känem zurück-
zukehren.
Das Heer sammelte sich in Ghatigha, unfern von Berl.
Von dort aus zog er längs des Ufers des Tsäde oder Tsädi
(ülS* ^jaruJt O J^ r^V**';}) nach Ngughüti.
Von Ngughüti nach Bulüdji.
Von Bulüdji nach dem Ssugurti-Gau.
Von hier nach Röro, wo er seine leichte Elite-Reiterei vor-
aussandte.
i
462 AnhüDg IL
o
Von Roro nach Kimissno ((^m»»^=d lXXjJI), wo er um
Ssauäl ankam.
Von Kimissno brach er bei *Asser- Anfang auf und erreichte
bei beschleunigtem Marsche Lebä (W) , eine berühmte
Ortschaft mit künstlich bewässertem Ackerland, vor Son-
nenuntergang.
Von Lebä zog er ostwärts nach Ghami-Kiäla (in 2\ Tagen).
Von Ghanii-Kiäla brach er um *^Asser auf und zog ostwärts
nach I'ssembü oder Yissembü. Nur bei Sonnenuntergang
wurde abgestiegen, um zu kochen und die Pferde zu füt-
teiTi, und sodann der Marsch unverzüglich die ganze Nacht
hindurch fortgesetzt; erst bei Tagesanbruch stieg man
wieder ab, um das Gebet zu verrichten, zog aber hier-
auf ohne Rast weiter bis jenseits Wa-ssämi, das unfern
(^^offenbar westlich) von Yissembü lag, wo Edriss reiche
Beute machte.
Von Yissembü zog er nach Delli {^O lXX-jJ)), einem we-
gen seines Dattelnreichthums und seiner sonstigen Frucht-
barkeit berühmten Orte. Hier Hess er die Datteln in al-
len verschiedenen Stufen der Reife einsammeln.
Von Delli wandte sich Edriss nach Westen, um sich mit
seinem Befehlshaber Yiruma Yaghä zu vereinigen, worauf
er, davon benachrichtigt, dass die Tebu ihn abzuschnei-
den beabsichtigten, diese angriff und ein furchtbares Blut-
bad unter ihnen anrichtete.
Von hier ging er nach dem „grossen Brunnen" (der Name
desselben ist nicht angegeben).
Von hier unter der Führung eines erfahi'cnen Tebu nach
Ghami-Kiäla.
Von Gharni-Kiäla wandte sich Edriss ostwärts nach den
dattelnreichen Ortschaften und Thälern; er lagerte in
\
Dritter Feldtug. 463
Von hier zog er, ohne Halt zu machen,' bis nach Yidh (LW:>)
oder Yidhi (^^^<^) , einer besonders wegen ihrer Datteln
berühmten Landschaft
Von da wandte er sich südwärts und kam nach Fögha (äCj5),
einer gleichfalls dattelnreichen Ortschaft. (Noch eines ande-
ren Ortes mit Dattelpalmen, Namens Debekü, wird hier
Erwähnung gethan.)
Von Fögha zurück nach Delli oder vielmehr etwas jenseits
dieser Ortschaft.
Von da zog er mehrere Tage in südlicher Richtung bis
I'wana (^^O» i'^ südlichen Känem gelegen.
Von hier über Delmi nach Daghelii oder Daghuluä (hier
UaCO geschrieben), dem oben erwähnten Ort, welchen
der Geschichtschreiber bei dieser Gelegenheit als bei
dem Volke von Känem besonders beiühmt und als äus-
serst wohlhabend darstellt. — Sein Weg führte an zahl-
reichen Wasseransammlungen oder Lachen vorüber, wel-
che damals gerade voll Wasser waren; an emer dersel-
ben übernachtete er. Als er am folgenden Morgen in der
Stadt ankam, fand er, dass sich die Einwohner geflüch-
tet hatten; aber die Koiäm und die zu Kameel Beritte-
nen setzten ihnen in nördlicher Richtung nach und mach-
ten reiche Beute.
Der König der Buläla floh inzwischen mit seinen An-
hängern in die Wüste.
Edriss kehrte nach Bomu heim.
Zuerst kam er nach Ngalä, einer Gruppe von Dorfschaften
oder vielmehr einem Gau (VAc j^^Xjüt (^t IXc cXX^t).
J
464 AnhüDg II.
Von Ngalä nach Tentebü ()y^Xi3).
Von Tentebü nach Röro.
y
Von Röro nordwärts nach Ssiru {^r^)» Zum Aaszuge ge-
brauchte Edriss einen Tag und eine Nacht ('^^ ^^)t
aber beim Heimzuge marschirte er von Ssiru nach Röro
nur vom Morgen an bis zum Sonnenuntergang, so dass
die Entfernung nicht sehr gross sein kann, da er damals
mit Beute beladen war (dieselbe bestand namentlich aus
Rindvieh und Ziegen, Kameele aber waren nicht erbeutet
worden).
-<» -»
Von Röro nach Limärä (kW), wo er 2 Tage rastete.
Von dort nach Ghayauä.
Von Ghayauä nahm er einen anderen Weg nach Dilärä
(kUo) , wo er die eine Hälfte seines Heeres zurückliess,
während er mit der anderen nach Ghambarü zurückkehrte.
Vierter Feldzug *).
Im nächsten Jahre, am ersten Sonntage des Schauäl, ver-
liess Edriss abermals Ghambarü und zog über Samtam, I'ta-
naua, Ben, Ngurüti oder Ngughüti, Ssugurti und Röro nach
Kessüdä.
Von Kessüdä ging er, die Strasse nach Ghumämi bei Seite
lassend, nach Ssiki.
Von SsIki nach Ririkma (*^5p^).
Von Ririkma nach Wagham (it^j)-
Von Wagham nach Wa-ssaml.
*) Nach Imäm Ahmed's Bericht ist dies der fünfte Zug des Königs.
Vierter Feldzug. 46&
Von Wa-8saml nach Mao oder Mauö (hier Ui^ geschrieben).
Von Mäö nach Ghamirä (»r-»^).
Von Ghamirä nach Ndjlmie, der Hauptstadt von Känem
Von Ndjlmie nach Beläghi, wobei er einen grossen Wasser-
voiTath mitnalim.
Von Beläghi nach A'ghäfi, wo er, nachdem er um 'Asser
aufgebrochen, vor Sonnenuntergang ankam.
Von A'ghäfi nach Ghaudjaia; Ankunft um Ssauäl.
Von Ghaudjaia nach Ragharkü y^r^j)*
Das Bornu-Heer wurde in seinem befestigten Lager (bei
letzterem Orte) am 25«ten Dhu el kadä zur Nachtzeit von
den Buläla angegriffen, worauf ein heftiger Kampf er-
folgte, in welchem das Bomu-Volk eine grosse Nieder-
lage, sowie einen beträchtlichen Verlust an seiner Habe
erlitt und das Lager beinahe vom Feinde genommen
wurde.
Von Ragharkü zog Edriss nach Delli, worauf die Buläla
ihre letzte Festung, Aghö ((^» oder |^Vi aufgaben,
einen sehr alten Platz, welchen sie, nachdem von Edriss
alle ihre Festungen in Känem (selbst die beiden anderen
berühmtesten Plätze , I'kima und A'ghäfi) zerstört worden,
wieder hergestellt hatten*).
^) Ich füge hier die ganze Stelle des GcschichUchreiben , welche Ton der
grössten Wichtigkeit ist, bei:
bS\ B^j^l öüOLsJ( Uoa.! 5^[y( UjÜir Opjo
Barth! lt«U«n. iii 30
J
466 Anhang IL
Aghö lag offenbar am Rande des Thalkessels {^^^)i
bei dem wir am lO*«" Oktober auf unserem Zuge vorbei-
kamen, und Dein ist identisch mit dem oben unter den
fruchtbarsten Ortschaften von Schitäti erwähnten Orte.
Von Delli zog Edriss ganz langsam südlich auf Eelu (^^^) zu,
bis er über den Fluss gekommen war, welcher Eänem von
Kelu trennt "'). Er setzte seinen Marsch bis nach Listeii
\jj [jcf ÖOJl{j| l^ÄxllS- (J\Ai\ äJyJjÄ leXAXSli*
LjaÄJt ^1 ^ ^\jo\ XiXAJt gUjJf ^^Oü K^^
j»j»f y^ OM Löalj ^XTolJLiJl vA ^^ 5^
^UjI j.jis^\^ y ^g^' i:;lcjl ^^Ja ^^ |yy3
[jv^l,? ^jja5l J<i y^ Äjljyj ^ikjf oyfc'jj
*) Diese Stelle ist vom grösstcn Interesse, wesshalb ich die Worte des
Autors anführe:
i:)\ (J\ iX^/o IX^ aAr oXj ^JJ« (j-A^f Xa^U ^t
■ • ••
Der Verfasser spricht gana deutlich Ton einem fliessenden Wasser und nicht
Ton einem trockenen Thale ; es ist jedoch nicht klar, ob es ein unabhängiger
Vierter Feldzug. 467
(^JCmJ) fort, von welcher Ortschaft angegeben wird, dass
sie früher dem Stamme der Kilabetl (^Ä^^u ) gehört
•• — -»
und eine grosse Anzahl von Hütten oder Zelten (ö^-aIO
OjaXJ») enthalten habe.
Ich würde vermuthen, dass Kelu der Gau der Kaleäma
im südöstlichen Theile des Tsäd sei, — wäre nur irgend
erwähnt, dass Edriss durch Bari und Kargha gekommen
sei ; so viel ist jedoch gewiss , dass es ein langer, mehr-
tägiger Marsch war.
Von Kelu wandte sich Edriss nordwärts zurück und lieferte
dem Buläla-Könige 'Abd el Djelil vor Kiäyaka (äCj^T,
etwas weiterhin weniger korrect Ä> Ia> ) eine blutige
Schlacht.
Eiäyaka war ein Gau, in welchem die Buläla nach der
Zerstörung ihrer anderen Festungen, I'kima, Aghäfi imd
Aghö, eine neue Festung erbaut hatten, wie es heisst, auf
Anregung der Prinzessinnen. Diese Feste oder vielmehr
diese Gruppe von drei verschiedenen Foils, Yekl (^_jX^),
Makaranna (Äi -X.-/©) und Kurkuriua (^r^r^)*)^ wurde
Fluss oder ein TheU des Tsad war. Man yergleiche die SteUe in der Torher-
gehenden Note, wo er von demselben Kelu spricht und es ^.STl/Jl /«wO S<«X^^I
nennt, und auch die folgende Note.
*) Ich gebe hier die merkwürdige SteUc
cÄ C*^ ^ - ^Si^"^^^ SftJyiJf y*j u^
' > *
O^Oa.!^ töClbj »jj^j.r jAäyOj ai^ jAÖyOj
30
J
468 Anhang IL
ein grosser und wichtiger Platz, indem die Buläla die Ein-
wohner aus allen Theilen Känems, mit Ausnahme der von
Tetdlüa oder Tetälü (jy^O und der von Afägi (wU) *j,
hierher verpflanzten. Sie brachten namentlich alleTebu hier-
her, selbst die Keserdä (So^mS^)^ was höchst wahrschein-
lich ein Schreibfehler statt Ssakerdä ist, so dass nur We-
nige von diesem Stamme in Känem zurückblieben. Die Bu-
läla schlössen ausserdem ein enges Bündniss mit der Bevöl-
kerung der südlichen Landschaften(y^4jJl ^Q^ A^ V5 ^^^
Volke von Kargha, um es mit Getreide zu versehen, das es
für Toben und Vieh erkaufte. Dieser Verkehr hörte erst
bei der Ankunft des Edriss in Ragharkü auf.
Die bei diesem wichtigen Platze (Kidyaka) gelieferte
Schlacht wurde nach einem grossen Blutbade auf beiden
Seiten durch des Königs Edriss persönliche Tapferkeit ge-
wonnen. Er zog darauf in die Stadt ein, lagerte daselbst
2 Tage lang, während welcher Zeit die Trommel fort-
während gerührt wurde, und brannte sodann den ganzen
Ort nieder.
Von Kiäyaka wandte sich Edriss ostwärts und zog nach Mi
(ä>c lXXmäJI) ^ wahrscheinlich dem oben als zu Schitäti ge-
y^ LUa^SJljJ V^^y r^yÖCjf yAaaz'l du^ öOjf aX^b
*) Der ersto dieser beiden Namen steht offenbar in Zusammenhang mit dem
Namen des Stammes der Tetäla, einer Abtheilung des grossen Volkes der Ssö
oder Sseu, das vom Könige EdrTss fast vernichtet wurde und dessen Überreste
sich in die Marschgründc des Tsad flüchteten (s. die chronologische Tafel im
II. Band, unter Edriss Kegierung). Der Name A'fSgi erinnert an A^fage, welches
jedoch nicht eine Stadt in KSnem ist und keinesfalls hier gemeint sein kann.
Vierter Feldzng. 469
hörig erwähnten Orte dieses Namens, obgleich dadurch die
Lage von Kidyaka sehr weit nach Westen gerückt wer-
den würde, da sich aus den Worten des Schriftstellers er-
gibt, dass die Entfernung zwischen beiden Städten be-
trächtlich war.
[Inzwischen verfolgte sein Vezier den *Abd el Djelil nach
Kauäl, augenscheinlich dem oben erwähnten Ort.
Von Kauäl nach Kucäka (^o |^).
Von Kuäka nach I'tandua, das ebenfalls bereits früher
erwähnt worden ist.
Von I'tandua aus warf sich der Vezier Edriss ben Ha-
run auf die Tebu und machte grosse Beute, während
sich 'Abd el Djelil in die Wüste flüchtete. Er brach
sodann auf und vereinigte sich mit seinem Herrn in
Mi, wo sie das 'Aid el kebir feierten.]
Von Mi kehrte EdrTss nach Kidyaka zuiück.
[Von Kidyaka aus sandte der König den Farkama Mo-
hammed nach Kala (eülToXjjJl ^().]
EdrTss selbst 'zog von Kiayaka nach Gharikü , wo er eine
lange Zusammenkunft mit den Arabern hatte.
Von Gharikü aus zog er weit nach Norden hin, gegen die
Tebu, während er den schweren Theil seines Heeres nach
Ndjimie sandte.
Nach Besiegung der Tebu kehrte er nach Tinu {^f^^) zu-
rück.
Von Tinu'zog er nach Ndjimie südwärts, von Dhohor bis
Sonnenuntergang und vom Morgen bis Ssauäl.
In Ndjimie erschienen die Tebu, um ihre Unterwürfig-
keit zu erklären, und im Ssanssdnne (offenbar das befe-
stigte Ijager seines Heeres), wohin sich der Sultan sodann
begab, empfing er Gesandtschaften von den Bewohnern
i
470 Anhang IL
von Fittri {LJr^ «AX^ \Al) und von dem Araber- oder
Schüa-Häuptlinge '^Ali ben Yerdha, sowie aach einen Bo-
ten vom Stamme der Küka (äX^ (J^^' *^^W^ l:>^)*
(Es ist mir unbekannt, was Mili bedeutet, ich halte es je-
doch für den Namen einer besonderen Ortschaft oder Ab-
theilung der Küka.) Während seines hiesigen Aufenthal-
tes wurde er von den Arabern reichlich mit Getreide ver-
sehen.
[Von Ndjimie aus entsandte Ednss einen Theil seines
Heeres zur Verfolgung 'Abd el Djelil's, welcher sich west-
wärts gewandt hatte und dann wahrscheinlich nach Nor-
den gezogen war, da das Bomu-Volk sich zuerst nord-
wärts richtete. Nachdem es eine grosse Entfernung er-
reicht hatte, ohne auf *Abd el Djelil zu stossen, gab es die
Verfolgung auf und plünderte die Stadt Kiriua (ö^^-^J").
Von Kiriua zogen sie nach Mäö, um den Sultan zu er-
warten.]
Edriss selbst begab sich von Ndjimie westwärts nach Gha-
mirä (»r^J^) und schloss ein Bündniss mit dessen Ein-
wohnern.
Von Ghamirä südwärts nach (?) *) , wo er. eine Zeit lang
blieb.
Von jener Ortschaft, welche irgendwo im Süden, in der Nähe
von Kargha, liegt, kehrte Edriss nach Mäö zurück, wo er
sein Heer antraf
Von Mäö begab sich Ednss auf die Heimkehr nach Bomu :
Zuerst kam er nach Malehi (cjQ^^)«
*) Hier ist auf S. 99 des Texte« etwM »usgelMsen.
Fünfter Feldzng. 471
Von MÜehi nach Müli Ghim und MüU Füll
Von Müli nach Ssülü (Wy**), wo er bei der Ortschaft Flyü
((Ja5) sein Lager aufschlug.
Von Ssülü nach Kessüdd (^OyM^^=>),
Von Kessüdd über die wohlbekannten Ortschaften Rörö,
Ssugurti, Bulüdji, Ngughüti nach dem berühmten Orte
Ghdtigha oder Ghdtighi bei Berl.
Von Ghätigha nach I'tanäua, indem er um 'Asser aufbrach
und um 'Aschä ankam.
Von rtanäua nach Ruäya.
Von Ruäya nach Ghambarü.
Fünfter Feldzug.
Nachdem Edriss zehn Tage in seiner Lieblingsstadt Gham-
barü unter gi'ossen Festlichkeiten verbracht hatte, rüstete er
sich zu einem neuen Zuge nach Känem, nämlich gegen den
Stamm der Kenänie (SAiUxJf SXa^J. Ich habe von diesem
Stamme bereits bei einer früheren Gelegenheit gesprochen, und
ich muss gestehen, dass ich den einheimischen Ursprung des
Namens Kenänie bezweifle, vielmehr das damit bezeichnete Volk
für identisch halte mit den Haddäda oder Bongu, welche einst
einen sehr zahlreichen Stamm gebildet zu haben scheinen
und vielleicht überhaupt die eigentlichen Ursassen von Kä-
nem gewesen sind. Damals war der Hauptsitz dieses bemer-
kenswerthen Stammes zu Ssülü, einer bereits öfter erwähn-
ten Ortschaft, wesshalb der Stamm gemeiniglich unter der Be-
nennung „das Volk von Ssülü" (^y** A^O bekannt war.
Aus Furcht aber vor dem Bomu- Könige, dessen Zorn sie
durch ihr Raubwesen erregt hatten, verliessen sie [ihren Wohn-
J
472 Anhang ü.
sitz, während er von Känem zurückkehrte, und zogen fort
nach Kargha (Äc-f) *).
Edriss sammelte sein Heer in Fakarä, um die Mitte des
ersten Djumäd.
Von Fakarä zog er nach Dalikina (^UxJo), wo er um KaÜa
ankam.
Von Dalikina nach Maddua (öjl<-^) ; Ankunft um Kdila.
Von Maddua nach Keri Kurüku (^^^r^^^); Ankimftum
Mittag.
Von Keri Kurüku nach Kuri Keramnu (öja^o-^ ö-Jj.
Von Keramnü nach Wurni (^^j); Ankunft um Kdila.
Von Wurni nach Lebüdu; Ankunft um Mittag.
Von Lebüdu nach Kessüdd.
Dann über Bulüdji, Beri (irrthümUch geschrieben anstatt
BüiTum) nach ßörö. In ßörö um Mittag angekommen, ver-
liess er es wieder um *^Asser, verrichtete die Mughreb-Gebete
bei einem Ghadir, Kitandka (ä> va>j ) genannt, brach am
Abend wieder auf und kam um 2 Uhr Morgens in Ssiki an.
In Ssiki theilte er sein Heer in drei Abtheilungen, von
welchen eine mit den Keghdrama südwärts nach Ririkma
(Ä4^^-Jj) und anderen Ortschaften der Kendnle und
*) Der Autor fügt (S. 103) folgende interessante Worte hinzu:
Fünfter Feldzng. 473
eine andere mit den Yerima nordwärts nach Mdi und den
benachbarten, von demselben Stamme bewohnten Gauen
zog.
Edriss selbst schlug die mittlere Strasse nach Didi {lJ^.^)
und anderen benachbarten Ortschaften ein, machte grosse
Beute (ungefähr 1000 Sklaven) und kehrte dann zurück.
Von Didi nach Rirfkrifa, wo er um 'Asser ankam.
Von Rlrikma weiterziehend, schlug er sein Lager bei einem
berühmten Ethelbaume auf, welcher die Grenze von Kä-
nem bezeichnete, nachdem er während der Tageshitze ein
Paar Stunden lang beim Teiche — „ghadir" — Kitanäka,
wo er um Ssauäl ankam, gerastet hatte.
Von der Grenze (welche in der Nähe von Ssiki — s. oben —
gewesen sein muss) nach Rörö.
(Von dort auf der grossen Strasse nach Bimi.)
Von Rörö nach Bürrum (hier ist wieder aus Versehen Beri
geschrieben).
Von Bürrum nach Bulüdji.
Von Bulüdji nach Furtu.
Von Fürtu nach Melfifl (nicht eine Ortschaft, sondern ein
Teich oder Wasserbecken [,^_^Xa1A4^ ^_^4-mmJi Uoyartj),
offenbar nicht weit von Beri.
Von Melfifi nach der Ortschaft Merdali {(Jo^ ^-ViwjJf).
Von Merdali nach Ghüi Kefüküa (ö^J^XJö^)^ wo er eine
Karawane von Bomu- und Tebu-Kaufleuten mit vielen
Pferden traf.
Von dort nach Ghighir (r*^ OjAJt ^-XXjJf), indem er
um Dhohor aufbrach und gegen Ende des *^Asser dort
ankam.
J
474 Anhang II.
Von Ghlghir nach Ghiskiru (fj J^ImaC tXV^f).
Von dort nach Samtam.
Von Samtam nach Ghambarü, nachdem er über den Fluss
-A-^xJi i^arLjJ) gesetzt.
Von Ghambarü nach Bimi oder Bümi, wo er am Abend an-
kam.
Das Ergebniss dieses Zuges war die völlige Demüthigung
des Kendnie-Stammes , der bisher der zahlreichste in Känem
gewesen war.
Letzter Feldzug nach den Grenzen von Känem.
Als Edriss in Bimi die Nachricht erhielt, Mohammed ben
'Abd-Allah, den er zum König von Känem gemacht hatte, habe,
hauptsächlich mit Hilfe der Araber oder Schüa und nament-
lich des mächtigen Häuptlings *Ali ben Yerdha den Buläla-
König 'Abd el DjelTl besiegt, kehrte er im Ssauäl noch ein-
mal nach Känem zurück und zog:
von Ghambarü nach Samtam;
von Samtam nach Ghetü;
von Ghetü nach Milu;
von Mllu nach Ledä (l<-^);
von Ledä nach Burkumüa (»^45^3);
von Burkumüa nach Ghauäli (^U^);
von Ghauäli nach Milti;
von Milti nach Beri (hier ^r^ geschrieben);
von Beri nach Ghayauä;
von Ghayauä nach Melhü (J^Q^);
Letzter Feldzag. 475
von Melhü nach Dighimssil ( W»co);
von Dighimssil nach Hughulghula (ääXäXä.) bei Dilaram ,
von Hughulghula nach Roro;
von Rörö nach Kessüdd;
von Kessüdd nach Ssiki (hier mit dem Beinamen &4-O1O
\8ic\ bezeichnet).
Hier traf er Mohammed ben üibd- Allah , den neuen König
von Känem, und hatte mit ihm eine lange Unterredung be-
züglich der Grenzen ihrer Königreiche,, worin sie überein-
kamen, dass das gesammte Keghusti und das gesammte Ssiru
(Schiri?), wie auch Babäliä zu Bomu gehören sollten*). Die
letztere Bedingung ist besonders von grosser Wichtigkeit.
Mohammed Ben *Abd- Allah schwor den Eid des Gehorsams
und die Befehlshaber der Buläla legten demgemäss zwei Eide
ab, einen dem Könige von Bomu und den anderen dem von
Känem.
Nachdem Ednss eine Musterung seines Heeres gehalten,
kehrte er über Ssiki, Rörö, Dflaram, Buludji, Ghayauä,
Beri, Multi, Didl, Milu, Ruäya, Bersselma, Ghataua und über
den Komädugu ((^xUx^f ^.aruif) nach Bimi zurück
\y^^ liOb (.^jv^ai cj^ l^^W ^j^ »j^ ^ C^^ä.
l^lLcfj . . U^ loa. ^^ LjU^ üOljJf jLo V^OJJ
^ir Kjoj^ ^^ t^ ^Ikcl U V^J UjJj edJf lXsc
^N^^^«^^^^NA^^^^^^^%^^#N^^^N^^^«>^^^*'^»^^
i
m.
Zum Müssgu-Feldzuge.
Bericht über die verschiedenen Reiter ei- Abtheilungen, aus welchen das Borna-
Heer bei dem Feldzuge nach Müssgu bestand.
a) Die einlieimischen Araber (Schüa).
Lauän Hadji, Häuptling der A'mdjege, der in Ämdage seinen
Sitz hatte.
Fügo Dermän (*Abd el Rahmän) aus Bainge.
Fügo A'dige aus Mälemn, einer Dorfschaft im Bezirk Wolödje.
Fügo I'nus (Tünes) aus Maleuä.
Fügo Dermän aus Wolamssdy.
Fügo Kolone, Häuptling der Ssäradji, aus Yelöenni.
Mai Asche, Häuptling der Mäyin, aus Aschegri.
Fügo Pdlama aus Pälamari.
Fügo Hamma aus Mdgariä.
Mdfonlma aus Mdfoni.
Fügo Mohammed aus Aissärem.
Fügo Köre aus Keringur.
Lauän Hämed aus Karauäru.
Lauän Mohammed aus Gobeö.
Fügo Adam aus Kadje.
Lauän Slimän aus Slimän.
Mai Kalama aus Kala.
Fügo Hämed (gewöhnlich Abu Daüd genannt), Häuptling
der Kohälema, aus Kümbedä, nördlich von Yedi*).
*) Jeder Schua-Häuptling hatte einige Hundert Reiter bei sich. Nur zwei
Reiterei-Abtheilungen des Börnu-Heeres.
477
Scheich Ssäle aus Molüt, mit ungefähr 100 Mann.
Scheich Tauru aus Ngomäti.
Fügo Badaue, der Sohn des Hadj Beschir, mit nur wenig
Reitern.
b) Kaiiöri, Freie und Sklaven.
Sklaven des Scheichs:
L«i«hte
Ucit«r«i.
dchwcr« Reiter«!
— „liblwdi" — .
Kaschella Beläl
200
30
'Ali MarghT
200
30
Kaschella Ssäle
100
20
Kaschella 'AhdeUehi ('Ahd - Allah) .
80
16
Kaschella Säi
150
20
Kaschella 'Ali- Dendal ....
90
20
Drei andere Offiziere niederen Grades,
zusammen mit ....
21
Sklaven des Veziers:
Kaschella Djäto . . .
200
34
Kaschella Cheralla ....
150
20
Kaschella Kobtar A'djime
140
25
Kaschella Hadji Kakdu
80
15
Kaschella Tümbede ....
100
18
Kaschella Bä-sso
40
10
Berittene Musketiere des Scheichs:
Kaschella Abdellehi (verschieden von
dem vorher erwähnten) .
20
Kaschella Serma
30
Kaschella Magadji ....
10
Kaschella Billama (mein Fremid)
32
Kaschella Mdllare
20
Musketiere des Veziers:
Kaschella Meheme ....
10
grosse Häuptlinge schlössen sich dem Zuge nicht an, nämlich Mohammed Ku-
n^u, Häuptling der Schcg&u, und Lauin Gibdo aus Lerdö.
478
Aiibang in.
Kaschella Fatälla
Kaschella Masfid
Hadji Urfay
Hadji Ramadhän
Bedaue
Mali Mä-ssa Mändarä . . . .
Yagha Ghana
MMlem Tschadeli
Mohammed Gädjeml . . . .
Mohammed Bü-'Alagh . . . .
Legiwodda
Kaschella 'Omar
Kaschella 'Omar Döra . . . .
Wdsseli (ein Offizier Mestrema's, des er-
sten Eunuchen)
Kaschella 'Ali Agün (ein Offizier Abaisso's)
Kaschella Bäggar (ein anderer Offizier
desselben)
A'mdji (ein Mann des Dighama)
Kaschella Mohammed Marghi (ein Offizier
des 'Abd e' Rahmän) .
Schitima Mädu ....
Schitima Yöma (Statthalter von Yö, mit
den Mobber) ....
Schitima Fugöma ....
Schitima Sabelauma
Schitima Yauama ....
Schitima Bössoma ....
Schitima 'Abdü
Schitima 'Abademma
Höflinge und Anhänger des Veziers:
Grema Milüd
Lamino
8
10
100
16
60
12
50
30
80
20
100
10
60
1
20
40
8
50
6
30
40
10
28
8
40
30
1
80
5
30
40
50
10
40
20
20
10
200
33
150
21
Beiterei-Abtheilaogen des Börnn-Heeres.
479
Bäscbara (Offizier des Lamlno) .
Dynama Gadjaremma .
Scheich 'Abbäss ....
Hamsa Ueled el Göni .
Karaberima
Baläl
Adamu
'Abdellehi Schlntiri
Mallem Malerama ....
Abräss ..;...
Kaschella Said (Offizier des Mallem Mo-
hammed)
Abba Massta (Sohii des alten Scheichs
Mohammed el Känemi)
Abba Bagar
XVdcvl ••••••
Beschir
Assan (Sohn 'Ali's , Enkel des Mohammed
el Känemi)
Kässelma
Yenma
Erima ......
U'noma (Tebu- Häuptling)
Fagodöma (Häuptling von Koiäm) .
Murdjüma (Koiäm) ....
Käüma*) (Koiäm) ....
Ssenua Babudma (Koiäm)
Ssenua Kindagoma (Koiäm)
Kotoko (Känemma- Häuptling) .
Leicht«
B«it«r#L
Schwer« Reiterei
13
20
7
20
7
60
3
8
18
8
16
6
6
30 —
60
10
90
13
90
16
10
30
1
13
5
10
200
100
80
60
40
100
30
*) Ein Offizier mit dem Titel „kÄüma^ wird bereits in Imäm Ahmed's Ge-
schichte erwähnt; derselbe wurde wahrscheinlich ursprünglich nach der Ort-
schaft Käu oder Kö in Schitäti in KSnem so genannt.
480
Anhang lUL Beiterei-A1>theUiuigen des B^ma-Heeres.
Sckwc
Fugo 'Ali (aas Madoari) .... 20 —
Sintelma 10 —
Kanöri: Leichte Reiterei 4181, oder vielmehr in runder
Zahl 4500 Maun Tda viele kleine Abtheilnngen ausgelassen
sind;; schwere Reiterei 472, oder rund 500.
Schüa: Gegen 8000 Mann.
IV.
Städte und Dorfschaften der Prorinz Logön oder L6gone *).
Im nordwestlichen Theile der Provinz: Kündi, Gerle, Ssina,
Godoni, Gemang, Kokofiä, Kiddebä, Ngulaua, Maserä, Dolo,
Kasere, Unko-älem, Thägulü, Kärsse, Guäfa, Dlffil, ein ande-
res Thägulü, Muchsse, Gosenäke, Modeä (Dorfschaft der Mut-
ter des regierenden Fürsten I'ssufj, Biuäl, Mägui, Uanänukl,
Mätke, Findlle, Ssuäntegä, Tsi, MossöggolT, ü'lessemme,
Ngäme, Dügguhi, Kutteläha, Ngätsi, Ssäude, Djilbe, Tilde,
Kala, Hulluf oder Ilelib, Ilakä, Kässessä nebst anderen in die-
ser Gegend.
Im südöstlichen Theile: Golonderä, Degenie, Ssigge, Bä-
geäni, Bllle, Ilöia, Hännene, Uäsa, Ldbane, Gurfäi am Flusse,
Tschide, Ndjeggere, Ssige, U'ltseme, Ssilim, Käbe 'Imadhe
oder West-Käbe, Bäge, ein an Elfenbein reicher Ort, Djlnna,
nach der Hauptstadt die grösste Stadt des kleinen König-
reiches und wichtig wegen der Menge des dort zu Markte
gebrachten Elfenbeins, wie auch wegen der dort verfertigten
feinen Matten, die ich schon bei früherer Gelegenheit erwähnt
habe; Kalassimö, eine Tagereise westlich von Djlnna; Käbe
demä oder ngölo — „Gross-Käbc" — , die Grenzstadt gegen
Bügomän — die Grenze selbst bildet ein Kenkang genannter
Morast — , Ssü, U'mssa, Madeägo, Tümbalä, der grösste Ort
*) Nur die grösseren Orte sind hier erwähnt, die meisten hahen King-
mauern, die aber gegenwärtig durchgängig in VerfaU sind.
Barth'» Beben. III. 31
482
Anhang IV. Stftdte und Dorfschaften der ProT. Log<5n.
jenseits des Flusses, d. h. des Flusses von Logone oder des
Lagham; Mele, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen
Orte am Ostufer des Schäri; Fuldji, Kuldji mit einem fast
unabhängigen Statthalter; Fongol und Mere, beide am Flusse;
Göfa, Diä, Ngultssemi, Ueindlle, Djemädo, O'deö, ein grosser
Ort; Ngösso, Sitz eines Statthalters.
V.
Depesche von Lord Palmerston.
Auswärtiges Amt, 7»««» Oktober 1851.
Mein Herr!
Im Auftrage des Viscount Palmerston habe ich den Em-
pfang Ihrer Zuschrift vom 19ten April dieses Jahres aus Küka
in Bomu, in welcher Sie den in der Nacht vom 2*«^ zum
3t«n des vorhergehenden Monats März zu Nghurutua zwischen
Sinder und Küka erfolgten traurigen Todesfall des Herrn Ri-
chardson mittheilen, zu bescheinigen und Ihnen dafür zu
danken.
Da die Expedition somit gerade vor dem Schlüsse desjeni-
gen Hauptabschnittes ihrer Arbeiten, welcher mit der Erfor-
schung des Tsäd-Beckens endigen sollte, ilires Hauptes be-
raubt ist, so ist Ihrer Majestät Regierung der Ansicht, dass
nichts weiter fehlt, um die Hauptzwecke der Expedition des
Herrn Richardson für erledigt halten zu können, als die Ab-
schliessung dieser Erforschung.
Ich bin desshalb von Lord Palmerston angewiesen, Ihnen
mitzutheilen, dass es sein Wunsch ist, Sie und Dr. Overweg
möchten nach beendigter Aufnahme des Tsäd-See's und sei-
ner Ufer den übrigen Theil Ihrer in Afrika entworfenen Pläne
genau so zur Ausführung bringen, wie dies geschehen sein
würde, wenn Herr Richai-dson noch lebte und Sie sich von
ihm nach Massgabe des im Dezember 1849 in Triplikat ab-
gefassten Übereinkommens, von welchem Sie und Dr. Overweg
je ein Exemplar besitzen, getrennt hätten.
31«
484
Anhang Y. Depeaclie ron Lord PSüaentoB.
Zar Zeit der Zeichmmg jenes Papieres scbeiiieii Sie die Ab-
sicht gehegt zu haben, bei Ihren ferneren Forschungen ösüich
nach dem Nil oder südöstlich nach Mombäs Torzadringen.
Mögen Sie nun noch bei diesem Vorhaben beharren oder
jetzt Grand haben, eine westliche Richtung nach Timbokta
hin Torzoziehen, so bin ich von Lord Palmerston angewie-
sen, Ihnen zu eröfinen, dass er Tolle Zufriedenheit darin findet^
Urnen die Fortführang der bisher anter der Leitang des
Herrn Richardson gestandenen Expedition bis zu deren gänz-
licher Vollendung anzuvertrauen.
Sie werden sich daher hiermit für bevollmächtigt erachten,
die Leitung der Expedition zu übernehmen, und ein solches
Verfahren einhalten, welches Ihnen nach reiflicher Erwägung
der allgemeinen Zwecke, die Ihrer Majestät Regierung bei
der Ausseudung der Expedition nach Inner-Afirika zu erzielen
beabsichtigte, am geeignetsten scheinen dürfte.
Diese Zwecke werden Sie in der Herrn Richardson ertheil-
ten Original-Iustruktion, von welcher eine Abschrift für Ihre
Benutzung und Weisung beifolgt, angegeben finden.
Ich bin, mein Herr,
Ihr ergebener
H. Waddington.
Herrn Dr. BarÜi,
VI.
Abriss der Geschichte von Wädäi.
In dem Abschnitte, in welchem wir die Geschichte von Ba-
ghirmi behandelten, haben wir gesehn, das^ der Stanuu der
Tündjur ein grosses Reich gründete, das, da es nur aus einer
Anhäufung verschiedener, leicht zusammengefugter Elemente
bestand, in weniger als 100 Jahren nach seiner Gründung
zerschmettert und in Stücke zerrissen wurde. Der Theil,
welcher sich zuerst vom Hauptköri)er absonderte, umfasste
die östlichen Landschaften, indem Küru, der dritte Vorgän-
ger Slimän's, des ersten Moslim-Königs von För oder Dar-
För , die Tündjur besiegte und die Herrschaft über jene Ge-
genden für den Stamm der Foraui gewann.
Der mittlere Theil und eigentliche Kern des Reiches der
Tündjur dagegen ward, einheimischer Tradition zufolge, im
Jahre 1020 der Hedjra vom Gründer des Mohammedanischen
Reiches von Wadai, 'Abd el Kerim, dem Sohne Yäme's, über-
wunden.
Wöda, der Sohn Yäme's, der zum Stamme der Gemir *)
gehörte, die damals in Schendi angesiedelt waren und sich
zum Isslam bekehrt hatten, war mit seinen Landsleuten in
die Gegenden ausgewandert, die später, ihm zu Ehren, wie es
*) Die Herleitang des Ursprunges dieser kiiniglichen Familie von den jib-
bassiden ist ein blosses üimgespinnst. Ich selbst besitze einen Brief mit dem
königlichen Siegel, das diese anmassende DeTise trügt.
I
486 Anhang VI.
heisst, unter dem Namen Waddi begriflfen wurden, und hier
soll er im Reiche der Tündjur ein bedeutendes Ansehn genos-
sen haben. Sein Enkel 'Abd el Kerim soll Statthalter gewisser
Provinzen des Königs Däüd gewesen sein, der damals das
Reich der Tündjur beherrschte, aber schon die mächtige Hand
seines östlichen Nachbars Slimän, des ersten Mohammeda-
nischen Königs von För, gefühlt hatte.
Angeregt von religiösem Gefühle, soll dieser Edelmann meh-
rere Jahre in Bldderl zugebracht haben, einem etwa 10 Mei-
len östlich von der Hauptstadt des Königreichs Baghfrmi ent-
fernten Orte, welche Hauptstadt jedoch zu damaliger Zeit noch
nicht existirt zu haben scheint. Biddcrl war nämlich eine
der Ortschaften in jener Gegend , wo sich seit frühen Zeiten
Leute von dem weit verbreiteten Stamme der Fulbe angesie-
delt hatten und unter ihnen eine Familie, die vermöge unbe-
strittener Heiligkeit und ansehnlicher Belesenheit angefangen
hatte, bei der Einführung des Isslams einen bedeutenden
Einfluss auf einen weiten Kreis der umliegenden Provinzen
auszuüben. Das Haupt dieser Familie nun, Namens Moham-
med, soll "Abd el Kerlm, den Enkel Wöda's, sowie seine Be-
gleiter, Aniälek, den Häuptling der Marfa, der in einem Orte
Namens Hoggene angesiedelt war, den Massaläter Mümin,
den A'bü-Schärib Dedebam und den Djelläbi Wüel-Banän,
zu der Idee begeistert haben, die heidnische Herrschaft der
Tündjui* zu stürzen und an ihrer Statt ein neues, auf denisslam
gegründetes Reich zu stiften.
'Abd el Kerlm kehrte in seine Heimath zurück, breitete
seine Unabhängigkeitsideen aus und stand dann nach Ver-
lauf weniger Jahre gegen seinen Lehnsherrn Däüd auf, machte
Madabä, einen etwa 10 Meilen nördlich von der späteren
Stadt Wära gelegenen Bergort, zu seinem Wohnsitze und legte
so nach verzweifeltem Kampfe den Grund zum Königreich Wä-
dai, wie er da« Land seinem Grossvater zu Ehren benannte.
*Abd el Kerlm soll nach langer Regierung gestorben sein, nach-
Abriss der Geschichte von WAä&L 487
dem er zum Nachfolger seinen Sohn Charüt bestimmt hatte,
den wir Charüt den Ersten nennen können. Dies ist der König,
der Wära gründete und diese Stadt, die mit natürlichen Wäl-
len umgeben ist (ein Umstand, der den Grund zu ihretn Namen
— „die von Hügeln umgebene Stadt" — abgab), zu seiner
Residenz erhob. Auch er soll mehrere Jahre regiert haben,
worauf ihm sein ältester Sohn, Charif, nachfolgte, der nicht
so glücklich war wie sein Vater und Grossvater, sondern im
dritten Jahre seiner Regierung von dem kriegerischen Stamme
der Täma, den er zu unterwerfen trachtete, erschlagen wurde.
Charifs Nachfolger war Yaküb *Arüss, sein jüngerer Bru-
der, der sich stark genug fühlte, einen Heereszug in's Innere
von För zu unternehmen. Denn da MüsÄ, der damalige Kö-
nig jenes Landes, der Sohn und Nachfolger Slimän's, des
ruhmvollen Gründers dieses Mohammedanischen Königreiches
an Altersschwäche zu leiden anfing , mag 'Arüss gehofft ha-
ben, nur geringen Widerstand zu finden; aber er wurde ge-
schlagen und zu schleunigem Rückzug gezwungen. Diesem
Fürsten folgte sein Sohn Charüt H., der während seiner vier-
zigjährigen Regierung grössere Ruhe genossen und mehr bür-
gerliches Glück begründet zu haben scheint, als man in
einem aus so verschiedenartigen Elementen zusammengesetz-
ten Reiche erwarten sollte.
Der Sohn dieses Königs war Djöda oder Dj&ude mit dem
Beinamen Charif e' Tlmän, besser bekannt unter seinem Eh-
rentitel „Mohammed Ssuläi" oder „Ssule" (in der Bedeu-
tung „der Befreier"). Dieser Titel wurde ihm von seinen Un-
terthanen beigelegt in Folge des Sieges, durch den er sein
Land von dem Joche der Forauer befreite, die unter dem
Befehle A'bü '1 Kä-ssem's, des zweiten Sohnes Ahmed Bokkor's
und des sechsten Mohammedanischen Königs jenes Landes,
Wädäi mit einem gewaltigen Heere überzogen hatten, um es
sich tributpflichtig zu machen. Es war dies der siegreiche und
ruhmwürdige König, der Wädäi zu einem von seinen Nachbarn
I
488 ^ Anhang VI.
geehrten und gefiirchteten Reiche erhob und ihm seinen an-
deren Namen, nämlich „Dar-Ssuläi" *), gegeben hat.
Ebenso war es dieser König, der am Schlüsse seiner Regie-
rung Käjiem, oder mindestens den besseren Theil desselben,
den Händen des Sultans von Bomu entriss, durch die Erobe-
rung sowohl von Mondö oder Mandö, der Stadt der Tündjur,
als auch von Maö, der Residenz eines vom Sultan von Bomu
eingesetzten Chalifa. Dies war der Anfang der Feindselig-
keiten, die noch heutigen Tages zwischen Bomu und Wadäi*
bestehen. Mohammed Ssuläi soll, wie sein Vater, 40 Jahre
regiert haben.
Ihm folgte sein Sohn Ssäleh mit dem Beinamen Derret.
Dieser Prinz ist mir fast einstimmig als ein schlechter Fürst
geschildert worden, aber dies scheint wenigstens theilweise
dem Umstände zuzuschreiben zu sein, dass er eine bedeutende
Anzahl 'Ulama dem Tode überlieferte, da diese Leute in Wä-
ddi grosses Ansehen geniessen. Jedenfalls beschleunigte er
seinen Tod, indem er das Rachegefühl der Mutter seines äl-
testen Sohnes, Abd el Kerim, die zum Stamme der Mälänga
gehörte, durch eine ihr zugefügte Beleidigung rege machte.
Denn auf ihren Antrieb, wie es heisst, rückte ihr Sohn 'Abd
el Kerim gegen seinen Vater in's Feld, während sich der
Letztere im 8ten Jahre seiner Regierung mit einem Heere
gegen die Mädalä, die Bewohner eines Ortes nahe bei Ma-
dabä und nicht weit von den Sitzen der Malanga, gewendet
hatte. In einer blutigen Schlacht gelang es dem Sohne, sei-
nen Vater zu besiegen, der bei dieser Gelegenheit fiel. Dies
geschah im Jahre 1805. Die Umstände, wie ich sie hier gegeben,
sind, obgleich von anderen Darstellungen stark abweichend,
dermassen festgestellt, dass sie keinen Zweifel übrig lassen.
*) In dieser Benennung wird es kaum möglich sein, den durch Arabisch-
Mosliraischen Einfluss in diese Gegenden eingeführten Ausdruck „dar" — „das
Haus", „das Reich" — wegzulassen. Ein einheimischer Fordui dagegen wird
kaum je den Namen Där-För gebrauchen.
Abriss der Geschichte von Wädäi. 489
*Abd el Kerim, besser bekannt unter seinem Beinamen Ssa-
bün, den er sich in späterer Zeit erwarb, bestieg den Kö-
nigsthron von Wddäi mit dem Blute seines Vaters besudelt,
verlieh aber alsbald seiner Regierung einen solchen Charakter,
dass Alle darin übereinkommen, sie als eine der weisesten dar-
zustellen, die man je in diesem Theile der Erde hat kennen
lernen.
Das Erste, was er that, war allerdings mit schmählicher
Unterdrückung des Schwächeren verbunden. Es bestand darin,
dass er sich selbst und sein Land mit dem Raube von Baghlrmi
bereicherte, dessen Bewohner in der Entwickelung mensch-
licher Verhältnisse viel weiter vorgeschritten waren, als ilire
östlichen Nachbarn, und sich ausserdem durch ihre Raubzüge
nach Dirki, im grossen Tebu-Thale — „henderi Teda" — auf
der Fesän-Strasse, grosse Reichthümer erworben hatten, nicht
allein in Korallen und Gegenständen stattlicher Gewandung,
sondern auch in Silber (Österreichischen und Spanischen Tha-
lern). 'Abd el Kenm soll, übertriebener Angaben Anderer
nicht zu gedenken, nach dem Berichte glaubwürdiger Perso-
nen fünf Kameelladungen , das heisst ungefähr 1500 Pfund
Gewicht, an Silber mit sich fortgeführt haben. Unter seiner
Regienmg geschah es auch, dass, wie ich bei früherer Gele-
genheit erwähnt habe, Baghlrmi für immer eine tributäre
Provinz Wadai's wurde.
Nachdem dieser Fürst auf solche Weise ein mächtiges Kö-
nigreich gegründet hatte, bestand der Hauptgegenstand sei-
ner Anstrengungen darin, eine direkte Verbindung mit den
Häfen an der Küste des Mittelmeeres zu eröffnen, um sich auf
diese Weise selbst leicht mit Erzeugnissen versehen zu können,
welche vor der Plünderung Baghfrmi's den Bewohnern Wa-
dai's so gut wie unbekannt waren.
Während ich nun zu der Auseinandersetzung der Anstren-
gungen 'Abd el Kerim's auf diesem Felde, wie sie vom ver-
storbenen Herrn Fresnel in seiner Abhandlung über Wadai ge-
I
490 Anhang VI.
geben worden, um so weniger hinzuzufügen habe, als jene Ent-
wickelung offenbar den Hauptgegenstand der Untersuchungen
dieses Gelehrten bildete, muss ich die Irrthümer berichtigen,
welche in den Angaben desselben über den Tod jenes Königs
und die Regierung seines Nachfolgers enthalten sind. '^Abd
el Kerim Ssabün starb im lOten Jahre seiner Regieining, das
bestimmt in das Jahr 1815 fällt, in einem Orte nahe bei
Wära, Namens Djünne, wo er ein Heer gesammelt hatte,
um, wie mich wohlunterrichtete Personen versichert haben,
gegen den Herrscher von Bornu oder vielmehr den Scheich
Mohammed el Kanemi einen Krieg zu beginnen. Denn der
Letztere, begierig, die Landschaft Känem, die ihn adoptirt
hatte, wieder zu ihrem früheren Glanz zu erheben, wünschte
dringend, jenes Land, den Kern des Bornu - Reiches , wieder
aus den Händen 'Abd el Kerim's zu befreien.
Ssabün stai*b so plötzlich, dass er ausser Stande war, sei-
nen Nachfolger zu ernennen; aber Joder, den ich über die-
sen Punkt befragt habe, hat mich versichert, dass an Vergif-
tung nicht zu denken gewesen sei. Ausserdem sind andere mit
jenem Ereigniss verknüpfte Umstände keineswegs der Ali;, wie
sie von Herrn Fresnel dargestellt sind. So zum Beispiel hatte
Ssabün gar keinen Sohn Namens Ssekssän. Er hinterliess
nämlich sechs Söhne, deren ältester, Namens Ä-ssed, von
einer Mutter aus dem Stamme der Kondongö geboren war,
während Yüssuf, der zweite, und noch drei andere Söhne 'Abd
el Kerim's von einer und derselben Mutter geboren waren,
die zum Stamme dei* Mädabä gehörte. Was die Mutter Dja-
far's betrifft, jenes jungen Wadäi-Prinzen , der durch seinen
langen Aufenthalt in Tripoli und zahlreiche interessante Aben-
teuer in Europa und besonders in England *) nicht ganz un-
bekannt ist, so gehörte sie einem anderen Stamme an.
*) S. Herrn Konsul Barker's oder vielmehr Lieutenant (jetzt Rear-Admiral)
Sir Henry Srayth's Story of Jafar im United Service Journal, 1830.
Abriss der Greschichte von Wildäi. 491
Als daher Ssabün gestorben war, ohne einen Nachfolger er-
nannt zu haben, erhoben sich die Parteigänger des Stammes
der Mddabä gegen die Kondongö oder die Partei Ä-ssed's, und
nachdem es ihnen gelungen war, ihre Gegner zu besiegen und
A'-ssed zu tödten, setzten sie Yüssuf auf den Thron. Dieser
Prinz, dem zuweilen der Beiname Charifäin gegeben wird,
ohne dass derselbe jedoch allgemein im Lande bekannt war,
regierte zuerst unter der Vormundschaft seines Onkels Abu
Rokkhiye, dann, nachdem er sowohl seinen Onkel, wie den
gleichfalls mächtigen Agid der Mahamld, Namens Dömmo,
getödtet, 16 Jahre lang in der tyrannischsten Weise über
Wäddi, bis er im Anfange des Jahres 1830 auf den Antrieb
seiner Mutter Ssimbil getödtet wurde. Niemals hat über Wd-
däi ein König Namens 'Abd el Kader geherrscht, und Major
Denham hatte vollkommen Recht, wenn er im Jahre 1823
den damals regierenden Fürsten jenes Landes den unmittel-
baren Nachfolger Ssabün's nannte.
Dem Yüssuf folgte sein Sohn Räkeb, der noch im Kindcsalter
stand und schon nach 17 oder 18 Monaten an den Pocken
starb, worauf ein Mann, der zu einem Zweige der königlichen
Familie gehörte, Namens 'Abd el 'Asis, ein Sohn Rädama's,
dessen Vater Gändigin ein jüngerer Sohn Djöda Mohammed
Ssuläi's war, während seine Mutter gleichfalls zum könig-
lichen Stammbaume gehörte, den Thron bestieg. Untei'stützt
von dem kriegerischen Stamme der Kodoi(oderBü-Ssenün, wie
sie ihrer rothen Zähne halber von den Arabern genannt wer-
den), unter dem er seinen Aufenthalt gewählt, gelang es ihm
auch, seine Stellung während eines fast ununterbrochenen
Kampfes mit seinen Gegnern zu behaupten. Der erste Zusam-
menstoss, den er zu bestehen hatte, war gegen die Kelingen
gerichtet, die nicht etwa Djäfar, den rechtmässigen Thronerben,
begünstigten, sondern einen anderen Prätendenten Namens
Kede aufstellten; sie wurden jedoch bei einem Orte in der
Nachbarschaft vonWära, Namens Folkotö, gänzlich geschlagen.
t
492 Anhang VT.
Kaum hatte *Abd el 'Asfs angefangen, einige Ruhe zu gemes-
sen, als der Stamm der Kondongö, seine bergigen Wohnsitze
verlassend, gegen ihn zu Felde rückte; aber sie wurden
in einer Schlacht in der Nähe eines Ortes Namens Burtai
gleichfalls geschlagen und beinahe vernichtet 'Abd el ^Asls,
den mir meine Freunde als einen Mann von ausgezeichneten
Eigenschaften und grossem Verstände schilderten, starb gleich-
falls nach einer Regierung von 5^ Jahren an den Pocken,
worauf dann sein junger Sohn Adam, der damals noch im
Knabenalter stand, auf den Thron gesetzt, aber nach wenig
mehr als einem Jahre wieder entthront und in ehrenvolle Ge-
fangenschaft nach För oder Dar-För geschleppt wurde.
Die Umstände, welche diese Revolution herbeiführten, wa-
ren folgender Art: Mohammed Ssäleh, ohne triftigen Grund
„e' Scherif" genannt, der Wädäi schon lange zuvor heimlich
betreten hatte, dem es aber nicht möglich gewesen war,
einen Anhang zu gewinnen, hinlänglich stark, um ihn in den
Stand zu setzen, seine Ansprüche auf die Nachfolge als Bruder
Ssabün's ofifen gültig zu machen, hatte sich endlich au Mo-
hammed Fddhl, den König von För, gewendet und diesen Für-
sten durch das Versprechen, dass er ihm alljährlich einen
ansehnlichen Tribut zahlen wolle, dazu vermocht, ihm zu der
Erlangung des Königthumes von Wädai Beistand zu leisten.
Bei dem Elend, in welches das Land damals durch eine ernst-
liche Hungersnoth gestürzt war, bedurfte es zur Eroberung
Wdddi's nur des Beistandes zweier Hauptleute — „^ade" — ,
nämlich *Abd e' SsTd's und 'Abd el Fat-ha's, während keiner
der Grossen des Landes einen ernsthaften Widerstand lei-
stete, mit Ausnahme des Kämkoläk des Stammes der Kodoi,
dessen Anstrengungen aber vergeblich waren.
Von Mohammed Ssäleh, der auf diese Weise mit Hilfe
einer fremden Macht im Monat Tom el auel des Jahres der
Hedjra 1250 (im Juli 1834) den Thron bestieg, kann man
wohl sagen, dass er sich um das Beste des Landes bemüht
Abriss der Geschichte von Wädäi'. 493
hat; aber die letzten Jahre seiner Regierung sind sicherlich
unglücklich gewesen, sowohl für ihn selbst, als für seine Un-
terthanen.
Das Erste, was Mohammed Ssäleh mitemahm, um seine
Unterthanen oder vielmehr sich selbst zu bereichem und seine
Herrschaft weiter auszudehnen, war ein Feldzug gegen Karkä
oder Kargha, den aus Inseln und halbversunkenen Wiesen-
und Weidegründen bestehenden Sumpfgau im südöstlichen
Winkel des Tsäd, den ich in meiner Beschreibung von Känem
besprochen habe; und es gelang ihm, von hier eine grosse
Menge Vieh fortzuführen. Vielleicht lag auch ein Grund,
wesshalb er diesen Hecreszug unternahm, darin, dass sich ein
anderes Glied der königlichen Familie, nämlich Nur e' Din,
der durch Yüssuf und Fürba in gerader Linie von Ssäleh
Derret abstammte, in jenen sumpfigen und beinahe unzu-
gänglichen Gau zurückgezogen hatte, und vermittelst des Ein-
flusses, den er sich über die benachbarten Stämme zu ver-
schaffen wusste, leicht in späterer Zeit als Prätendent hätte
auftreten können. Im nächsten Jahre marechirte Mohanmied
Ssäleh gegen die Täma, jenen unbesiegbaren und räuberi-
schen Stamm, der seine Wohnsitze in einer bergigen Land-
schaft 4 Tagereisen nordöstlich von Wära hat, und beklei-
dete, nachdem er sie besiegt und ihren Häuptling getödtet
hatte, einen anderen Mann mit dessen Würde. Aber die
Täma vertrieben den eingesetzten Häuptling, als der Kö-
nig den Rücken gewandt hatte, so dass der Letztere ge-
zwungen war, im folgenden Jahre einen zweiten Heereszug
gegen sie zu unternehmen, wo er sie dami noch einmal be-
siegte und zwang, einen Mann Namens Ibrahim als ihr Haupt
anzuerkennen.
Hierauf miternahm Mohammed Ssäleh im Jahre 1846 jenen
Zug gegen Bornu, von dem ich jn der chronologischen Ta-
belle der Geschichte jenes Reiches eine kurze Beschreibung
gegeben habe, da er von Herrn Fresnel sehr falsch dar-
I
494 Anhang VL
gestellt worden ist Denn obgleich der König von Waddi bid
in das Herz von B6rnu eindrang, erreichte er doch nicht sei-
nen Zweck, die alte Dynastie der Ssaefua in ihre Rechte als
Herrscher von Bomu wieder einzusetzen, sondern fiihrte im
Gegentheil den g<änzlichen Ruin derselben herbei, so dass
sein Zug keineswegs als sehr glücklich ausgeführt' betrachtet
werden kann. Allerdings führte er eine ansehnliche Beute
hinweg, aber er verlor dagegen einen beträchtlichen Theil
seines Heeres, sowohl in der Schlacht von Küssuri, als auf
seinem Rückmarsch nach Hause, ganz besonders beim Über-
schreiten des Schärf.
Auf seinem Rückmarsch erlangte der König jedoch noch
einen kleinen Vortheil, indem er seine Wafifen gegen die ana
Bahhr el Ghasal angesessenen Tebu-Stämme richtete. Er un-
terwarf sie und legte ihnen einen jährlichen Tribut auf. Von
dieser Zeit erst scheint sich das Amt des Agld ol bahhr her-
zuschreiben.
Nach diesem immerhin höchst denkwürdigen Zuge nach
Boniu unternahm Mohammed Ssäleh keinen weiteren Feldzug,
sondern er sah sich, nachdem er 3 oder 4 Jahre ruhig zu Hause
geblieben war, gezwungen, die Kraft eines Theiles seines Rei-
ches in blutigem Kampf gegen den anderen aufzureiben.
Ursprung und Grund dieses Bürgerkrieges, der Wdddi bis
zur Zeit, wo ich den Sudan verliess, in sehr geschwächtem Zu-
stande erhielt, ist in der wirkUch oder auch nur vorgeblich ein-
getretenen Blindheit des Königs zu suchen. Denn dieses kör-
perliche Gebrechen, das ihn, wenn es begründet war, nach den
Landesgesetzen zur weiteren Hen-schaft unfähig machte, abge-
sehen von seiner durch Habsucht hervorgerufenen allgemeinen
Unpopularität , gab seinen Gegnern, den Kodoi, die A'dam
als ihren rechtmässigen Herrscher betrachteten, einen Vor-
wand, ihn nicht länger als ihren Herrn anzuerkennen. Dies
war der Anlass, dass er, um seinen öffentlichen und gehei-
men Feinden zu entgehn, im Jahre 1850 die alte Residenz
Abriss der Geschichte von Wädill 495
aller früheren Könige von Wadäi, von Charüt dem Ersten
herab, verliess und den Sitz der Regierung von Wära nach
Abeschr verlegte. Dies ist ein unbedeutendes Dorf, etwa
20 Meilen südlich von Wära, im Gebiete der Kelingen, der
Anhänger des Königs, gelegen und fast ganz ohne Wasser,
so dass sich Mohammed Ssäleh aus beiden Gründen hier ziem-
lich sicher fühlte.
Der Kampf, eine lange Zeit im Stillen genährt, brach nicht
vor 1851 aus, wo der König im Monat Schäbän gezwungen
war, gegen die Kodoi zu marschiren, die ihn, unterstützt
von einem Theil der A'bl oder A'bü Schärib, in ihren Bergen
erwarteten, von wo sie dann, als er dem Fusse der Höhen nahe
gekommen war, am Freitag den 9ten Schäbän mit grosser
Heftigkeit auf ihn herabstürzten, so dass sie seine Reihen
durchbrachen und nach Niedermetzelung einer grossen Menge
Leute höheren Ranges, unter denen sich auch A'bü Horra,
der alte blinde Bruder des Königs, und seine eigene Toch-
ter Fatima befanden, bis zu seiner eigenen Person durch-
drangen und nahe daran waren, ihn zu erschlagen, als es
seinen Leuten gelang, ihm das Leben zu retten. Aber zu kühn
gemacht durch diesen Erfolg, wagte es der Feind am näch-
sten Tage, seine Bergfeste zu verlassen und in die Ebene hin-
abzusteigen, wo er in Folge der überlegenen Zahl und der
vorzüglicheren Reiterei des königlichen Heeres überwunden
wurde und nach einem empfindlichen Verlust, der jedoch mehr
die Reihen ihrer Kampfgenossen, der Abu Schärib, als ihre
eigenen lichtete, Zuflucht in den Bergen suchte. Ungeachtet
dieses Verlustes jedocli, den sie in der eben erwähnten Schlacht
erlitten, welche von den Eingeborenen die Schlacht von Tor-
bigen oder Djälkam genannt wird, haben die KodoI, als ein
kriegerischer Stamm, keineswegs ihr Recht aufgegeben ; selbst
während meines Aufenthaltes in Baghirmi hiess es, dass sie
bei der Absicht beharrten, den Kampf nach beendigter Ernte
zu emeuem.
i
496 Anhang VI.
So weit habe ich die Geschichte des Landes in der De-
pesche behandelt, welche ich nach meiner Rückkehr von Ba-
ghirmi heimsandte, und die Bemerkung, mit der ich da-
mals meinen geschichtlichen Bericht von Wadäi scUoss, ist
seitdem in sehr auffallender Weise bestätigt worden. Meine
Worte waren: „Die Uneinigkeit, welche gegenwäiüg im Her-
zen von Wadai herrscht, ist um so folgenreicher, als der
König Mohammed Ssäleh mit seinem ältesten Sohn Moham-
med auf schlechtem Fusse zu stehn scheint. Der Thronerbe
blieb bei der Übersiedelung des Hofes nach Abeschr in Wära
zurück und soll sich, nachdem er wiederholt vorgeladen wor-
den war, vor seinem Vater zu erscheinen, in die südlichen
Landschaften des Reiches zurückgezogen haben."
Nur wenige Monate später, als ich diese Zeilen geschrie-
ben, erhielten wir in Bornu die Nachricht von dem Aus-
bruche eines Bürgerkrieges zwischen Vater und Sohn;
ein langer blutiger Kampf begann, in welchem Mohammed,
der Sohn Mohammed Ssäleh's, nicht allein seinen Vater,
sondeni auch seine Brüder besiegte, obgleich sie einen star-
ken Anhang hatten, während er selbst in Folge seiner Ge-
burt (als Sohn einer Ausländerin, einer Felläterin von Kor-
dofän) sich ganz allein auf seine eigene Energie und seinen
persönlichen Muth verlassen musste. Hieraus erklärt sich
auch von selbst das gewaltsame Verfahren des Usurpators,
dem natürlich der ganze Landesadel feindlich gegenüber-
stand; so soll er eine grosse Niederlage unter den angese-
hensten Männern des Landes angerichtet haben.
Über den gegenwärtigen Zustand der politischen Verhält-
nisse des Landes bin ich nicht genau unterrichtet; ich
habe jedoch gehört, dass dieser König von einem seiner Brü-
der entthront worden sei. Sollte Herr Dr. Vogel, der, wie
wii' nun wissen, über Känem und Fittri Baghirmi erreicht
und sich dann von da wieder nördlich um Wadai herum
gewandt hat, wider Erwarten so glücklich sein, mit dem
Abriss der Geschichte von Wdddi. 497
Leben davonzukommen, so werden wir von diesem interes-
santen Lande bald mehr hören; aber leider lassen selbst die
letzten Nachrichten (vom 20*«» Juni) aus Borgu nur we-
nig Hoffnung, dass das Leben des ebenso rüstigen und un-
erschrockenen, wie aufgeweckten und tief wissenschaftlich
gebildeten jungen Mannes, der eine so reiche Zukunft in Leben
und Wissenschaft vor sich hatte, verschont geblieben sei; es ist
vielmehr zu befürchten, dass fürderhin auch Wära unter
den zahlreichen Grabstätten Europäischer Reisenden figuriren
wird, welche sich im Inneren des Afrikanischen Festlandes zer-
streut finden. Allerdings ist eine schwache Hoffnung in diesem
Augenblicke (Anfang September 1857) wieder aufgetaucht;
möge das Bestreben, nichts unversucht zu lassen, um das
Schicksal des kühnen Forschers zu enthüllen, wenigstens dazu
beitragen, uns einen Blick auf den Faden seiner Bemühungen
werfen zu lassen. Allein auch im Falle, dass sich die Nach-
richt bestätigte, Eduard Vogel sei vom Fürsten von Wädäi,
sei es im Zorn über eine ihm von anderer Seite her ange-
thane Beleidigung oder aus Fanatismus, enthauptet worden,
würde das Leben meines jungen Freundes nicht als vöUig
nutzlos weggeworfen zu betrachten sein, und sein Tod selbst
würde künftigen Reisenden einen Schirm gegen ein ähnliches
Schicksal gewähren. —
Dies ist eine kurze Skizze der Geschichte Wadai's, so weit
mich meine Nachforschungen in Baghirmi in den Stand setz-
ten, mit ihr bekannt zu werden. Für die Genauigkeit meiner
Angaben im Allgemeinen kann ich bürgen, wie weit sie auch
von Berichten Anderer abweichen mögen.
Ich schliesse nun einige allgemeine Bemerkungen an.
Das auf diese Weise durch die, wenn auch unsystemati-
schen, aber doch energischen Bemühungen mehrerer Fürsten
in ein ausgedehntes Königreich vereinigte Land hat seine
grösste Längenausdehnung in der Richtung von WNW. nach
OSO. und erstreckt sich ungefähr vom 15*e» Grad östl. L. von
Barth't BcUen. in. 32
I
498 Anhang VI.
Greenwich bis zum 238ten Grad und vom 15^ bis 10^ nördL
Breite*). In Bezug auf seine physische BeschafiFenheit will
ich hier nur eine kurze Skizze der eigenthümlichsten Züge
entwerfen, indem ich die Darlegung des Einzelnen den Iti-
nerarien überlasse, da die ganze Kenntniss, die wir von dem
Lande besitzen, nicht von eigener Anschauung herrührt, son-
dern von diesen Itinerarien abgeleitet ist.
Das eigentliche Wddai ist ein ziemlich ebenes Land, aber
unterbrochen von einer grossen Menge vereinzelter Berge .von
trockener und dürrer Beschaffenheit, und unfähig, beständi-
gen Quellen Nahrung zu geben; selbst die einzigen Quellen,
von deren Vorhandensein im Lande ich Kunde einsammeln
konnte, nämlich diejenigen in der Nähe der Ortschaft Hamien
im Thale Waringek, sollen heisses Wasser enthalten. Das ganze
Land hat eine Neigung von Ost nach West, d. h. mit anderen
Worten vom Fusse des Djebel Märra in För nach dem Becken
des Fittri, des besonderen Landsee's der Küka, der alle
Feuchtigkeit aufiiimmt, die während der Regenzeit von den
kleineren Wasserläufen herabgeführt wird und sich im grös-
seren Thale des Bat-hä ansammelt. Nur das Wadi Kia
scheint hiervon eine Ausnahme zu machen, da es, hart an
der genannten Bergkette entlang von Nord nach Süd lau-
fend, nach der Angabe der meisten meiner Berichterstatter
keine Verbindung mit jenem Becken zu haben scheint und
möglicherweise einem Arme des Nils zufliesst. — Im nörd-
lichen Theile Wädäi's, wo das Land von wüsten Gauen be-
grenzt wird, gibt es mehrere kleinere Wasserläufe — „saraf ",
wie sie hier genannt werden — , die im Sande dahinsterben.
In Bezug auf das zwischen den beiden Landsee'n, dem
Fittri auf der einen und dem Tsäd auf der anderen Seite,
gelegene Land habe ich schon an einer anderen Stelle ge-
zeigt, dass es eine höher gelegene Landschaft ist, welche
*) Im Englischen Texte ist hier ein Schreibfehler.
Abriss der (beschichte von Wiidäü
4d9
alle Verbindung zwischen den beiden Seebecken abschneidet,
während die Wasserläufe und Thäler die natürlichen Stras-
sen bilden, an denen entlang die Wohnplätze der Anwohner
liegen. Auch über diese Landschaft werden wir ganz an-
deren Aufschluss erhalten, wenn Herr Dr. Vogel, der, wie
wir nun wissen , diese Gegend im März vorigen Jahres auf
dem Wege von Känem nach Fittri durchzogen hat, noch am
Leben sein sollte, oder wenn wenigstens seine letzten Papiere
gerettet werden.
Was die äusseren Provinzen des Reiches betriflft, so ist
ihr Charakter, so weit sie nach Süden liegen, augenschein-
lich mannichfaltiger und reicher an perennirenden Wasser-
läufen, als der Kern des Königreiches selbst; aber die sie
betreflfenden Nachforschungen sind noch nicht weit genug
gediehen, um uns in den Stand zu setzen, eine allgemeine
Darstellung derselben zu geben.
32
i
VU.
Ethnographische Beschreibung von Wädäi.
Vfiä&i ist in jeder Hinsicht ein noch junges Reich, in dem
die verschiedenartigsten Elemente mit beinahe unbeschränk-
ter, das Gesammtwesen des politischen Körpers schwächen-
der und entkräftender Macht neben einander bestehen. Des-
senungeachtet ist die Mannichfaltigkeit dieser Elemente in
einem so ausgedehnten Gebiete wie Wdddi keineswegs aus-
serordentlich für diese Gegend der Erde; denn die Zahl der
verschiedenen hier gesprochenen Dialekte übertriflFt nicht die
Anzahl derjenigen, die man in Fümbinä redet; ja selbst in
Bomu, wo in Folge eines ausgleichenden und centralisiren-
den Regierungssystems mehrere Stämme im Laufe der Zeit
fast ganz vernichtet worden sind, überschreitet die Zahl der
innerhalb der Reichsgrenzen bis heute noch geredeten Spra-
chen fünfzehn.
In Wdddi hat man zuerst zwei grosse Gruppen von einan-
der zu unterscheiden : die einheimischen oder eingewanderten
Negerstämme auf der einen und die Arabischen Stämme auf
der anderen Seite. Ich will zuerst die Negerstämme betrach-
ten, indem ich eine vollständige Liste derselben mittheile und
jedesmal einige Bemerkungen in Bezug auf ihre Stärke und
ihre politische Macht hinzufüge. In Bezug auf ihre Ver-
wandtschaft Äter einander aber kann man bis jetzt nur we-
nig mit Gewissheit sagen, da noch keine Wörterverzeichnisse
ihrer Sprachen vorliegen. Ich selbst war nicht im Stande,
Ethnographische Beschreibung von Wädäi. 501
mir deren mehr als drei zu verschaflfen, nämlich einmal von
der Sprache des Hauptstammes (der Mäba) dann von der-
jenigen der Küka und endlich von derjenigen der Abii oder
AT)u Schärib. Die Wohnplätze dieser Stämme wird man
besser aus der Sammlung von Itinerarien, als aus diesen all-
gemeinen Angaben kennen lernen.
Ich fasse zuerst die Gruppe von Stämmen in's Auge,
welche das eigentliche WädÄ'i oder Mäba (in der hier nach
Arabischer Weise gebräuchlichen Form als Dar -Mäba be-
kannt) bewohnen und eine und dieselbe Sprache, „böra
Mäbang" genannt, reden, von der ich ein leidlich vollständi-
ges Wörterverzeichniss (mit mehr als 2000 Wörtern) nebst
einer grossen Menge Phrasen (mit Einschluss des Vater-
unsers) zu sammeln im Stande war. Diese Gruppe besteht
aus den folgenden Stämmen oder vielmehr Abtheilungen:
den Kelingen*), welche mehrere, etwa einen Tagemarsch süd-
lich von Wära gelegene Dörfer bewohnen; den Malanga**),
im Nordosten; den Mädabä und den Mädalä, nahe bei den
Letzteren, und den Kodoi, d. i. Bergbewohnern (von „kodök",
der Berg). Die Letzteren werden von den Arabern wegen ihrer
rothen Zähne, welche Farbe sie durch die Beschaffenheit des
Wassers in jenen Bergstätten erhalten sollen, Bü-Ssenün (Sin-
gular „Ssennaui") genannt; dort in den Bergen bewahren sie
ihre körperliche Kraft und ihren unabhängigen, freiheitslie-
benden Sinn und sie werden einstimmig als der tapferste von
allen Stämmen Wdddi's anerkannt. Die berühmtesten unter
den Bergstätten der KodoT sind: Kürungun (der Sitz ihres
Häuptlings), Bümdan, Mögum, Bürkuli, Mutüng und Warschekr,
welche Ortschaften sämmtlich einen Tagemarsch östlich von
Wära liegen.
*) Der Namo wird im Arabischen, welches gar nicht Hihig ist, die so vielen
Ncgcrsprachcn eigenen Nasenlaute wiederzugeben, (O^ gesclirieben.
**) VäV.A/0 geschrieben.
502 Anhang VIL
Auf die Eodoi folgen die kleineren Abtheilungeu der
Kunö, der Djimbo, der Abu Gredäm, der Ogodöngda, der
KauSk, der Aschkiting, der Bili, der Bilting, der *Am-G&-
mara, der Koromboi, der Girri (in Am-deKk wohnend), die
Leute von Schefeii, die Minga (in dem „Firscha" genannten
Gau angesessen), die Amirga (Bewohner von Mäschek), die
Leute von Andobü, die von Schibi, die von Tara, — lauter
in der Nachbarschaft von Wära gelegene Ortschaften.
Alle eben aufgezählten Mäba- Abtheilungen, zu denen viel-
leicht noch einige andere kleine Bruchstücke gehören, sol-
len einen gänzlich von einander verschiedenen Charakter be-
sitzen und ganz selbstständige Körperschaften bilden. Die
zahlreichsten unter ihnen sind die Kelingen, die Eadjdnga,
die Malänga und die Eodoi; aber der Vorrang der Ersteren
beruht auf nichts, als auf dem Umstände, dass die gegen-
wärtige Königin -Mutter — „mömo" — , die in Wddäi einen
gewissen Einfluss ausübt, zu diesem Stamme gehört.
Aber weder von den Kelingen, noch von irgend einem an-
deren der erwähnten Stämme, welche die Gruppe von Mäba
oder Dar-Mäba bilden, stammten die Könige von Wddäi
ursprünglich ab, sondern diese gingen aus den oben erwähn-
ten Gemir, einem Stamme von ganz verschiedener Nationali-
tät, hervor, und nur aus diesem Grunde, nicht etwa mit
Rücksicht auf ihre Macht, die gegenwärtig ausserordentlich
geschwächt ist, weise ich diesem Stamme, welcher sich durch
ein besonderes Idiom auszeichnet, den zweiten Platz an.
Ich zähle mm die verschiedenen Abtheilungen der Abu
Schärib oder A'bil auf, deren Stamm in seiner Gesammtzahl
die ganze Gruppe von Mäba übertreffen soll; aber die von
ihnen gesprochenen Dialekte sollen so sehr von einander ab-
weichen, dass die Leute der einen Abtheilung nur mit Noth
diejenigen der anderen verstehen können, so dass als allge-
meine Umgangs- und Verkehrssprache die „böra Mäbaug"
gilt, die allen angesehenen Landeseinwohnem bekannt ist, zu
Ethnograplusclie Beschroibung von Wädäi. 503
welchem besonderen Stamme sie immer gehören mögen. Ich
erwähne zuerst die Kbü. Schärib Menagön und Maraxit, die
eine gemeinsame Sprache reden, von der ich ein ausgawähl-
tes Wörterverzeichniss , das etwa 200 Wörter umfasst, nebst
einer Übersetzung des Vaterunsers gesammelt habe. Auch
muss ich mit diesem Stamme die Täma gruppiren, die nach
ganz positiven Angaben mit den Ersteren nahe verwandt sein
sollen, obgleich die Wohnsitze dieser beiden Stämme gegen-
wärtig weit von emander geschieden smd, indem die Mena-
gön und Mararit etwa 6 Tagemärsche südlich von Wära an-
gesessen sind, während die Täma, wie oben angegeben, einen
bergigen, 4 Tagemärsche nordöstlich von der Hauptstadt ge-
legenen Gau bewohnen.
Dieser kriegerische Stamm, der sich vorzugsweise durch
seine Geschicklichkeit im Gebrauche des Speeres auszeichnet,
scheint gegenwärtig, wenigstens in gewissem Sinne, seine Un-
abhängigkeit, die er länger als 2 Jahrhunderte mit Erfolg
vertheidigt hat, verloren zu haben. Allerdings gelang es ih-
nen im Anfang, einen Mann Namens Bilbildek, den der ge-
genwärtige König von Wddä'i über sie eingesetzt hatte (an-
statt ihres früheren unabhängigen Häuptlinges E' Nur, den
er hatte enthaupten lassen), zurückzutreiben; aber der nach
einem zweiten Feldzuge vom Könige eingesetzte Amtmann
Ibrahim scheint wirklich seine Stellung in einem ihrer wich-
tigsten Wohnplätze, Namens Nanäua, zu behaupten. Auch
sollen die Täma gegenwärtig die Märkte von WddÄi* besu-
chen, während die „kai Mäba" (die Leute vom eigentlichen
Mäba) es nicht wagen, auf die Märkte der Täma zu gehn.
Die Letzteren besitzen eine grosse Menge Pferde, aber nur
wenig Rindvieh.
Auf die Täma lasse ich die Abu Schärib Gnorga*) und
Darna folgen, welche östlich von den Menagön und Mdrarlt
•) V^.
'J^-
i
504 Anluuig VIL
angesessen sind; dann die Al)ü Schärib Kübu, die in Goninga,
nahe. bei ^dabü, wohnen; die Abu Schärib Ssungöri*), die
einen Gau von beträchtlichem Umfange nach der Grenze
von För hin bewohnen, untermischt mit den Md-ssallt, und
vorzugsweise wegen der Zucht einer schönen Rasse hochge-
wachsener Pferde berühmt sind; die Abu Schärib Schäli,
nahe bei den Ssungöri; die A'bü Schärib Schochen, die vor-
zugsweise den wohlbekannten gleichnamigen Ort bewohnen;
die Abu Schärib Bubala, eng verbundene Freunde der Kodoi,
deren östliche Nachbarn sie sind, und endlich die Ueläd
Djemma, die gleichfalls der grossen Gruppe der Abu Schärib
angehören, aber, wie man behauptet, durch ein besonderes
Idiom, oder wohl vielmehr durch einen besonderen Dialekt,
ausgezeichnet aind.
Dieser Gruppe schliesse ich die Md-ssalit an, die nach
den Abu Schärib am zahlreichsten sein sollen und möglicher-
weise mit den Ssungöri, mit denen sie untermischt wohnen,
etwas verwandt sind. Dennoch aber scheint der Zustand von
Barbarei, in den die Mä-ssalit versunken sind, von der alier-
niedrigsten Art zu sein; ja sie sollen selbst Menschenfleisch
nicht verschmähen, und besonders wird dieser Vorwurf gegen
diejenige Abtheilung derselben erhoben, welche in der Ort-
schaft Nyessere, nahe an der Grenze von För, leben.
Nach den Md-ssalit erwähne ich zunächst, auf Grund der
Nachbarschaft ihrer Wohnplätze, den Stamm der *AlT und
wende mich dann rückwärts nach der Umgegend von Wära,
wo ich zuerst die Mimi nennen will, einen Stamm, der sich,
wie es heisst, durch eine besondere Sprache auszeichnet.
Dann nenne ich eine Gruppe, die mehrere Stämme begreift,
über deren Verwandtschaftsgrad aber erst dann Sicheres fest-
gestellt werden kann, wenn man von ihren Sprachen oder
Dialekten Wörterverzeichnisse und grammatische Beispiele
•)
J,
j^Cam..
Ethnographische Bcsohreibong von Wädäi. 505
gesammelt hat; es sind die folgenden Stämme: die Moeö*)
mid die Marfa, die Eörunga oder, wie sie von den Arabern
genannt werden, E&ringa und die Kaschemere. (Es ist nicht
unwahrscheinlich, dass zwischen diesen Stämmen und den
Mä-ssallt eine Art Verwandtschaft stattfindet.)
Ich zähle jetzt die Kondongö auf, einen Stamm, welcher
früher bedeutende Kraft besass, aber gegenwärtig durch den
gegen ^bd el *AsIs geführten Kampf und eine darauf folgende
Hungersnoth sehr geschwächt ist. Sie sind besonders wegen
der Vorzüglichkeit ihrer Weberei berühmt.
Ich erwähne nun noch als besondere Stämme oder Natio-
nalitäten: die Kabbäga, im Südosten von Wära, nahe bei
den Kübu; die Mübi, am Bat-hä; die M4rta; die Dermüdi
oder Darämdutü; die Bäkka oder Uelad el Bachcha, nahe
bei Maldm ; die Birkit, nahe an den Grenzen von För, wo sie
auch zahlreich sind; die Täla; die Kadjägsse oder Kadjä-
gasse, hart an der SSW.-Grenze des eigentlichen Wädäi, und
(nicht weit von ihnen) die Tündjur, der Rest jener mächti-
gen Völkerschaft, welche einst alle diese Länder beherrschte
und deren Bruchstücke jetzt vorzugsweise in M^arä ange-
siedelt sind, einer Ortschaft, die zu Dar-Soyüd gehört.
Femer nenne ich die Küka, welche vorzugsweise am un-
teren Laufe des Bat-hä entlang angesiedelt sind, sowie inFittri,
wo sie, was die Sprache betrifft, mit den Buläla eine gemein-
same Gruppe bilden, geschieden von den vorher erwähnten
Stämmen Wädäi's, aber eng verbunden mit den Bewohnern
Baghirmi's, mit deren Sprache, wenigstens was die eine
Hälfte der sie bildenden Elemente betrifft, diejenige der Küka
identisch ist.
Auf die Küka müssen wir die Dädjö folgen lassen, einen
Stamm, der selbst noch jetzt, obgleich seine alte Macht hin-
*) Der Name wird ^^yO oder ,^ geschrieben.
i
506 Anhang VIL
geschwunden, sehr zaUreich* ist Was ihre Wohnsitze in
Widäi betrifiPt, so sind sie vorzugsweise südöstlich von den
Küka angesiedelt, mit denen sie einige entfernte Verwandt-
schaft haben. Vielleicht sind diejenigen Elemente in der
Sprache der Küka, die mit der Sprache der Bewohner von
Baghirmi keine Übereinstimmung haben, identisch mit den
entsprechenden Ausdrücken der Sprache der Didjö. Auch
in Bezug auf die Verwandtschaft zwischen den D&djö und
den A'bü Telfän, welche Letztere einen 2 Tagemärsche süd-
südwestlich von Birket Fdtima gelegenen beiden Gau be-
wohnen, sind wir noch nicht im Stande, zu einer klaren An-
sicht zu kommen. Die Abu Telfän scheinen, wenigstens so
weit die Civilisation in Betracht kommt, einen sehr niedrigen
Rang einzunehmen und stehn bei den Bewohnern von Wädäi'
in dem Rufe von Heiden — „djendchera" — ; sie sind jedoch
reich an Pferden und Rindvieh.
In der Provinz Dar-Soyüd, am mittleren Laufe des Bat-hä
gelegen, habe ich noch einen besonderen Stamm zu er-
wähnen, nämlich die Kaüdara, die in einem ansehnUchen
Orte Namens Kinne wohnen und eine besondere Sprache re-
den sollen.
Ehe ich nun die Stämme aufzähle, welche die äusseren
Provinzen nach Süden bewohnen und erst theilweise unter-
worfen sind, will ich erst die So-rbdua oder, wie der Name
in Wadai ausgesprochen wird, So-chäua erwähnen, sowie die
Guraän, zwei grosse Abtheilungen der Tebu oder vielmehr
Teda, welche die Wüste im Norden von Wadä'i bewohnen,
Reichthum an Heerden besitzen und sich dem Herrscher von
Wadai unterworfen haben.
In den südlichen Provinzen sind zu nennen : die Ssilla, an-
gesessen in dem gebirgigen Gau südsüdwestlich von Schenlni;
die Bändalä, nahe bei Djedji ; die Rünga, die das Land süd-
westlich von Ssilla und 15 Tagereisen von Wära bewohnen
und ebensowohl an För wie an Wadai Abgaben zahlen; die
Ethnographische Beschreibang von Wäddi. 507
D&ggel, deren Hauptstadt Mangära ist, nördlich von Runga
und westlich von Ssilla; die Gülla, die von sehr schönem
Körperbau und zum Theil kupferfarbig sein sollen, westlich
von Rünga; die Fäna, südlich von Gülla; die Birrimbirri,
südsüdöstlich von Wädä'i; die Sseli, südlich von Rünga, und
endlich die Kutingära.
Dies ist ein etwas trockenes Verzeichniss der zahlreichen
Stämme, die zu der schwarzen Bevölkerung von Wddai ge-
hören. Nur fortgesetzte Untersuchungen im Inneren jenes
Landes selbst und Sanmilungen von Wörterverzeichnissen ihrer
Sprachen sind geeignet, den zwischen ihnen bestehenden Grad
von Verwandtschaft festzustellen.
Was nun die andere grosse Gruppe betrifiFt, nämlich die
Arabische Bevölkerung von Wädai — die „"Arämka Dar Mä-
bana", wie sie in der Landessprache genannt werden, da sich
die Leute vonWäddi' des in Baghirmi undBömuso allgemein
gebräuchlichen Ausdruckes Schüa oder Schiwa niemals be-
dienen — , so umfasst sie folgende Stämme, die seit unge-
fähr 500 Jahren in Wädä'i angesessen sind. Zuerst die M&-
hamid, die mächtigsten unter allen , reich sowohl an Eamee-
len als an Kleinvieh; sie wohnen oder ziehen vielmehr um-
her in den Thälem nördlich von Wära, und zwar besonders
im Wadi 'Orädha, 2 Tagemärsche von jenem Platze, wo sie
Herr Dr. Vogel besucht zu haben scheint, der uns jedenfalls,
wenn ihm noch glückliche Heimkehr beschieden ist, eine le-
bensvolle Beschreibung von dem Wanderleben diesed heerden-
reichen Stammes liefern wird. Nahe bei ihnen die Ben! Helba,
die politisch mit den Tündjur verbunden gewesen sein sollen;
die Schlggegät, zum Theil in enger Verbindung mit denMi-
hamld, zum Theil in der Nähe von Djedji angesessen; die
Ssebbedi; die Ssef e' dm und die Beni Hassan. Die Letzte-
i*en, denen wir schon in Bomu und Känem begegneten, wo
sie in grosser Anzahl verbreitet sind, scheinen sich auch
in Wädd'i kaum besserer Zustände zu erfreuen und eine grosse
i
506 Anhang YII.
Menge derselben schweift im östlichen Sudan umher, um mit
ihrer Arbeit etwas zu verdienen, während die Übrigen in der
Regenzeit nach einer £tang genannten Örtlichkeit wandern,
die nordöstlich Ton Wära, zwischen dem Gebiete der Täma
und dem der So-rhdua, liegt.
Während alle diese Stämme im Norden von Wära umher-
streifen, sind diejenigen, welche ich jetzt folgen lasse, wenig-
stens einen Theil des Jahres im Thale des Bat-hä angesiedelt
Dies sind erstens die Missirie, der dritte Stamm unter den Wd-
ddi- Arabern in Bezug auf die Kopfzahl und in zwei Abtheilun-
gen zerfallend, nämlich die Missirie Sorük — „die Schwarzen"-
und die Missirie Homr — „die Rothen" — ; der Hauptsitz der-
selben ist DombolL Dann kommen die Chosäm, die Nächsten
bezüglich der Menge, die Soyüd, Djaätena, Ssabbade und die
'Abidie, zu welchen man noch die Nuaibe hinzufügen kann, die
sich mehr nördlich vom Bat-hä halten. Nächst diesen sind dann
die Ssäbalät zu nennen, ein etwas armer Stamm, der Viehzucht
für den Bedarf des Königs treibt und dessen Haushalt mit
Milch versorgt. Südlich von den Ssungöri sind die Wohn-
sitze der Korobät, deren Hauptort Tendjing ist, östlich von
Tündjung, das wiederum 2 Tagereisen von Schenlni entfernt
liegt.
Auf den reichen Weidegründen 4 Tagereisen südöstlich von
Blrket Fdtima, die von einem seichten Wasserlauf, einer Art
Indischer NuUah, Namens Bahhr e' Tini, genährt werden, sind
die Wanderstämme der Kolomät und der Terdjem, während
nach dem südwestlichen Ende des Reiches zu, am Rande
einer anderen, wahrscheinlich stromlosen NuUah, die nach
dem Namen des Stammes, den ich soeben erwähnen will, be-
zeichnet wird, die Sitze der Ueläd Raschid sind, nahe am
östlichen Grenzbezirk der heidnischen Tributärprovinzen von
Baghirmi. Ein Theil von ihnen ist selbst mitten unter jenen
heidnischen Stämmen angesessen, vorzüglich unter den Büa
Küli, mit denen sie Heirathsgemeinschaft zu haben scheinen.
Ethnogpraphische Beschreibung Ton ViM&i,
509
Sie sind ganz besonders reich an Pferden von kleinem Schlag
und haben ansehnlichen Grundbesitz.
Endlich ist noch eine andere Gruppe Arabischer Stänune
zu erwähnen, die ihr Vieh an einem anderen seichten Wasser
weiden, das gleichfalls nur wenig Fall zu haben scheint und
gewöhnlich O'm e' Timän genannt, aber auch häufig nach den
Stämmen bezeichnet wird, die an seinem Rande angesessen
sind. Ostwärts, nicht weit von den Bdndalä, haust der zahl-
reiche Stamm der Ssälamät; westlich von ihnen wohnen die
Hemäd und endlich die Schdrafa, die auch gelegentlich den
Bahhr e' Tini besuchen. Neben diesen, nach den Westgren-
zen des Reiches zu, sind die Düggana oder Däghana angesie-
delt, die in früheren Zeiten von Bömu abhängig waren.
Was die Farbe aller dieser Arabischen Stämme betriflft,
so kann man sie in zwei Gruppen theilen, nämlich in die „So-
rük" und in die „Homr". Zur ersten Gruppe, welche die dun-
kelfarbigen Stämme umfasst, gehören hauptsächlich die nach
eben diesem Charakter „Sorük" genannten Missirie *) und die
'Abidie , während die Mahamid, die Raschid, die Ghosäm, die
Hamide und die übrigen oben erwähnten Stämme die bei
weitem zahlreichere Gruppe der „Homr" bilden.
*) Im Englischen Text ist hier ein Druckfehler.
i
vin.
Regierang yon WAd&T.
Aus der vorhergehenden Darstellung der verschiedenen Ele-
mente der Bevölkerung von Wädäi* ergibt sich schon, dass
auch die Regierung eine verschiedenartig zusammengesetzte,
der Übereinstimmung und Einheitlichkeit ermangelnde sein
müsse. Bei Untersuchung der in der Regierung dieser man-
nichfaltigen Völkerschaften beobachteten Verwaltungsart haben
wir zuvörderst zu bemerken, dass (ohne Zweifel nach dem
Vorgange von Dar-För) das gesammte Reich von WddÄi in
vier grosse Provinzen getheilt ist, nämlich: die Einwohner-
schaft der westlichen Gemarkungen — die „Lulül-endi" — ,
die der südlichen — die „Motay-endi" — , die der östlichen
— die „Talünt-endi" — und die der nördlichen — die „Tür-
talü" — . Diesen vier grossen Abtheilungen oder Provinzen ist
je ein Kamkoläk vorgesetzt: der Kamkoläk des Westens, ge-
genwärtig K. Nehed, welcher in Gosbeda, einem zu Mäschek
(3 Tagereisen westsüdwestlich von Wära) gelegenen Dorfe, sei-
nen Sitz hat ; der Kamkoläk des Südens, gegenwärtig Moham-
med, welcher in Kürkuti am Betehä, 2 Tagereisen südlich von
Wära, residirt; der Kamkoläk des Ostens, gegenwärtig Abäkr
(Abu Bakr) Ueled Meram , welcher nahe an der Grenze von
Dar-För seinen Sitz hat, und der des Nordens, gegenwärtig
Scheich -el-'Arab, Tondö's Sohn, welcher in Megeren, gegen
20 Meilen nördlich von Wära, seinen Hof hält.
Neben diesen vier vornehmsten Statthaltern — „kemäkel"
Kegierung Yon WddaY. 511
(Plural von „kamkoläk") — gibt es noch vier untergeordnete,
„Kamkoläk-endikrek" genannt, welche die Stellvertreter der
ersteren zu sein und ausserdem noch einige besondere Oblie-
genheiten zu haben scheinen. Dieselben sind g^enwärtig: Kam-
koläk Nässr, welcher dem K. Nehed beigeordnet ist; K. He-
djäb, welcher im Süden steht; K. Kelingen und Kamkoläk
Rakeb.
Diese Kemäkel haben im Allgemeinen die Verwaltung der
öffentlichen Angelegenheiten in den Provinzen, Macht über
Leben und Tod, und erheben die „dhiäfa", eigentlich „das
Gastgeschenk", einen nach der Grösse der betreffenden
Ortschaft abgemessenen Tribut. Ihre Gerichtsbarkeit scheint
sich jedoch durchaus nicht auf die Arabische Bevölkerung zu
erstrecken, und selbst bei den einheimischen Stämmen schei-
nen viele Ausnahmen von derselben zu bestehen, indem meh-
rere Stämme, namentlich die Täma, die Kodoi, die Buläla,
die Middogö und einige von den Abü-Schärib, ihre selbst-
ständigen mächtigen Häuptlinge besitzen, auch mehrere heid-
nische Stämme ihre früheren eingeborenen Fürsten behalten
haben. Ausserdem sind sehr viele von einheimischen Stäm-
men bewohnte Orte den ursprünglich als Statthalter über die
Araber-Stämme bestellten A'gade oder Agid's zugewiesen wor-
den, so dass die Kemäkel auf den Kriegszügen eine bei wei-
tem geringere Macht unter ihrem Befehle haben, als die
Agade.
Endlich ist in der östlichen Provinz ein besonderer Agid
e' ssybbha (ssäbah) bestellt worden, der von dem Kamkoläk
des Ostens unabhängig ist und in Bir-Taiul an der Grenze
von Dar-För seinen Sitz hat, obgleich sich seine Gerichts-
barkeit ursprünglich nur über den Stamm der Korobät er-
streckte.
Es folgt nun ein Verzeichniss der gegenwärtigen AgTds oder
A'gade, der von ihnen beherrschten Stämme und deren ein-
heimischer Häuptlinge:
512 AnliaDg VIIL
Shm an AgM. Nmm 4m BAaptUaca. Katoa 4m
'Abd e' Ssaläm Hagar . . M&hamTd,
iM&Uem Burma*) ii.Dendini**) Beul Helba.
Ichamis ITeled SSbe . . . S^bbedl.
Dj^rma, Mohammed Ssi- YTtanZld ScbfggeriU
leh'8 Nefife . . . . U jj« ^Ssef e* Dia.
fGoddfim 5« - ,,
(Bern Hassan.
MSssa GhabSsch .... Uelid Djenirb.
Scherf e' Din Mahaiie Ueläd 'Ali.
H&gene Tarima Missine Sortik.
DÄgga MagÄddam Missine Homr.
(Kamkolak NehSd.) AUadjid Soytid.
M&mmedi Biyat NnÜbe.
T^ j 1X11 1. ro jui All vx iSchecb SsSleh DjÜiena.
FadaUllah (Fadhl-AUah) J., ^ ,. ,,";
(AI Baher Düggana.
Dj6nna Schögoma . . (Mir unbekannt.) Chosim.
^Dilla )
Hanno s_^, > Hamide.
(R&dama )
Barka Messer .... Ssindur 'Abidio.
Dj6rma 'Abd el 'Asis . Ssäleh Kölomät.
Qädi Fäkih Yaküb T6rdjem.
Bached, Agid e' ssybbba (SUt unbekannt.) K6robät.
^Diyäb, mit dem Beinamen
„Ssidi Dj^nün" . . . Ssdlamat.
Ssiid '{Bekek, dessen Tochter mit
dem Könige Djedd el Mola
Terheirathet ist ... Schdrafa.
Horr Scheich Andjo Ssdbbada,
Danna Halib, eine Fran .... Raschid.
(Unbekannt.) Mäfer Ssdbalät.
'Abd-el-Wähed . . . Biyäb Debäba, eine Abthei-
lung des gleichnami-
gen Stammes.
Fäkih 'All oder' AlTo, Agid- fA'dim, nach welchem Charithi
el-bahhr genannt , des- ) die höchste Gewalt im> Assälc'
sen Vater in der Schlacht i Stamme hat. ) Tebu-Stämme,
bei Küssuri blieb . lA'b KaschoUe Kreda
/Schinnaköra.
iSsdkerdä.
Birre Xbu Nakör ^Ssdkere.
iMadamce.
(Fämdlle.
*) Welcher in Gdlum Kuscha seinen Sitz hat.
*♦) Welcher in A'm-Ssidr wohnt, einem 1 Tagereise nordwestlich von Wära
und ungefähr ebenso weit von Gdlum Kuscha entfernten Saraf.
Regierung von Wädäi. 513
Diese Ägiden, unter denen Djerma, dem halb Wädäi* gehö-
ren soll, der mächtigste ist, besitzen grosse Autorität im
Kriege wie im Frieden; denn sie haben nicht nur die Auf-
sicht über die Geschäfte ihrer Bezirke und die Erhebung des
Tributs, sondern auch das Aufgebot der Kriegsmannschaft
und deren Anführung in der Schlacht; auch unternehmen sie
fortwährend grosse Raubzüge auf eigene Rechnung. Nach
Djerma ist der Agid-el-bahhr, welchem Moito, die nordöst-
liche Grenzstadt von Bagbirmi, einen besonderen Zins (unab-
hängig von dem allgemeinen Tribut, den Baghirmi an Wa-
dä'i entrichtet) zu zahlen hat, durch seine zahlreiche Reiterei
der mächtigste; auf ihn folgen, wie es scheint, der Agid der
Djaätena und derjenige der Düggana. Der Agid-e'-Ssybha
ist sehr verrufen wegen der Erpressungen und Unannehndich-
keiten, denen Reisende und Pilger durch ihn fortwährend aus-
gesetzt sind, wesshalb diese sein Gebiet auch möglichst ver-
meiden.
Jeder von diesen Ägiden hat einen Chalifa oder Stellver-
treter, Agid-el-Birsch genannt, den er in seinen Bezirk sen-
det, wenn er selbst nicht zu gehn wünscht; einige von die-
sen üben auch selbstständig eine beträchtliche Macht aus.
Diesen Beamten ist Seitens des Sultans noch ein Emm bei-
geordnet, welcher die Erhebung der Abgaben zu überwachen
und zu kontroliren, wie auch darauf zu achten hat, dass der
gehörige Theil, nämlich die halbe Dhiäfa, dem Sultan zuge-
stellt werde.
Abgaben. — Die Abgaben oder Steuern — hier „diwän"
genannt — sind je nach dem Reichthum und den Erzeugnis-
sen der einzelnen Bezirke bemessen und daher sehr ver-
schiedener Art. Im Allgemeinen aber hat jeder Einwohner
einer Stadt im eigentlichen Wddäi neben ausserordentlichen
Beisteuern und Geschenken für seine Person 2 Mudd — ein
21 Handvoll Korn („duchn") haltendes Maass — zu entrich-
ten und ausserdem gemeinschaftlich mit den andern Einwoh-
lUrth'» ItolMn. IIL 33
I
514 Anhang VIU.
nern derselben Stadt eine bestimmte Anzahl Kameele zn lie-
fern, während bei den Arabern jeder Familienvater alle 3 Jahre
eine Käffala von zwei Stück Vieh oder, falls er ein Fäkih ist,
von einem Stück zu stellen hat. Ausser dieser allgemeinen
Auflage gibt es besondere für die schwarzen Eingeborenen;
so hat zum Beispiel jede Dorfschaft an jedem grossen Mo-
hammedanischen Feiertage ilu*em Adjuädi, d. h. der Person,
welcher es als Einkommen überwiesen ist, ein Machaldie — ein
Maass von 3 Mudd oder Medäd — Duchn, ausserdem einem
Hofbeamten, „Ssidi-e'-Derb" genannt, wie auch dem „Ssldi-
el-Albeue" einen gleichen Betrag zu entrichten, während grös-
sere Dörfer oder Städte nach Verhältniss mehr, bis zu 10 Me-
chäli, zu geben haben ; ausserdem müssen die kleineren Dör-
fer bei Ablieferung der Auflagen an den König ihrem Adjuädi
eine Kameelladung Duchn, die grösseren Ortschaften aber
mehrere schenken. Die eingeborene Negerbevölkerung des
eigentlichen Wadai hat kein Vieh und keine Tokäki (Kattun-
streifen) einzuliefern, es sei denn auf den augenblickUchen
und ausdrücklichen Befehl des Königs; bei der Festsetzung
ihrer Abgaben wird vielmehr die besondere Art der Erzeug-
nisse ihres Wohnsitzes und der Grad ihres Wohlstandes in
Anschlag gebracht; die Ssungöri zum Beispiel, deren vor-
treffliche Pferde ich schon erwähnt habe, sollen jährlich eine
Abgabe von 100 Pferden entrichten, während die Abgaben
der Gemir und Tündjur ausschliesslich in wildem Reis be-
stehen, mit welchem sie den königlichen Haushalt zu versehen
haben.
Was die Araber betriflft, so haben sie ausser der oben er-
wähnten allgemeinen Auflage — „käflfala" — dem König selbst
die „nöba" zu geben, bestehend in der alle 4 Jahre erfolgen-
den Lieferung einer Kuh von jedem vierten Mann; ferner
hat jedes Lager an jedem Feiertage eine junge Kuh zu lie-
fern, und endlich sind die Araber sehr von der kostspieligen
Dhiäfa belästigt, welche sie, wie bereits bemerkt, dem Agid-
Begierung von Wddäi. 515
el-Birsch bei dessen jährlichem Besuche zu entrichten haben,
während die W&däi, wie wohlbekannt, die in ihrem Lande
wohnhaften Araber in anderer Hinsicht in strenger Unterwür-
figkeit halten und sie dadurch verhindeni, sich beträchtliches
Vermögen zu erwerben. Was femer die Mahamid betrifft,
so besteht deren Abgabe gänzlich in Kameelen, und sie sol-
len deren alle 3 Jahre 1000 Stück liefern, während die'Abi-
die, die selbst nur sehr wenig Vieh besitzen, aber die Vieh-
züchter des Königs sind, ihre Abgaben in Butter entrichten.
Ebenso verschieden sind die Auflagen — der „diwän" —
in den aussen liegenden Gemarkungen Wädai's. So entrichten
die Dädjö 1000 Tokäki, ausserdem Honig, in welch' letzterem
Artikel die gesaramten regelmässigen Leistungen der Gemar-
kungen Ddggel, Kebait und der Bändalä bestehen, während
Ssllla ausser Honig eine bestimmte Anzahl von schönen Skla-
vinnen liefert, Bünga aber ausser seiner Quote jenes gesuch-
ten Artikels (Honig) jährlich 100 grosse Elephantenzähne oder
den halben Werth davon in Sklaven gibt. Die Auflagen von
Gulla und den anliegenden heidnischen Ländern bestehen al-
lein in Sklaven. Von den Tebu-Stämmen liefern die So-rhdua
eine bestimmte Anzahl von Pferden und die Gur&än, so weit
sie von Wddäi abhängig sind, eine solche von Kameelen.
Endlich ist hier noch des Diwans zu gedenken, den der
König von Baghirmi seit der Zeit entrichtet, wo 'Othmän, der
Vater des gegenwärtigen Herrn jenes Landes, bei Ssabün um
Hilfe zur Wiedereroberung seines Landes vom F&tscha an-
hielt, wie in meinem Berichte über Baghirmi erwähnt worden
ist. Dieser Tribut, welcher gerade während meiner Anwesen-
heit in Mäsena erhoben wurde, besteht in 100 Pferden jegli-
cher Art, 100 Sklaven, 30 schönen Sklavinneu — „sseräri" —
und 1000 Hemden — „gumssän" — . Dieser Tribut, in Ba-
ghirmi im Gesammtwerth von 2500 — 3000 Spanischen Tha-
lem, wird alle 3 Jahre entrichtet, nebst einem Geschenk von
10 Sseräri, 4 Pferden und 4 Gumssän an den Djerma Ueled el
33»
i
516 Anhang Vm.
Meram, welcher die Oberaufsicht über dieses abhängige König-
reich führt. Es gibt nämlich einen Oberaufseher — „kurssi" —
für jede Gemarkung ausserhalb des eigentlichen Wddäi, und der
Djerma ist nicht nur Agid über die oben erwähnten Araber-
Stämme, sondern auch Kurssi vonBaghirmi und ganz Fittri, so-
wie auch derDddjö und derMiddogö. Der gegenwärtige Kurssl
von Rünga, Namens Scherif, hat seinen Wohnsitz in Schenini,
welches nebst den anliegenden Dorfschaften seinen Bedarf an
Lebensmitteln zu liefern hat, und von hier begibt er sich jähr-
lich in die Provinz, um die Auflagen zu erheben. Auch die
üeläd Raschid haben, theils wegen ihrer beträchtlichen Ent-
fernung von der Hauptstadt, theils auch, wie es scheint, we-
gen ihrer Versunkenheit im Heidenthum, einen eigenen Kurssl,
obgleich sie ausserdem gemeinschaftlich mit den Ssälamat
unter einem eigenen Agid stehn.
Der Fäscher und dessen Mitglieder. — Bezüglich der inne-
ren Regierung des Landes beschränke ich mich, da eine eigent-
liche Civilverwaltung gar nicht besteht, auf Aufzählung der
Mitglieder des königlichen Rathes — des „fäscher" — , in dem
der gegenwärtige Sultan Mohammed Scherif jedoch niemals
erscheint. Dieser Rath hält seine Sitzungen auf einem ofiFe-
nen, gleichfalls Fäscher genannten Platze, wo überhaupt alle
öffentlichen Angelegenheiten verhandelt werden. Der Vorstand
des Fäschers und der Erste unter seinen Mitgliedern — den
„Fäscher-Mele" — in Machtbefugniss ist der Ssing-Melek,
in wörtlicher Bedeutung so viel wie „Thormeister", der aber
augenscheinlich die Stellung und Machtbefugniss eines Ve-
ziers hat, indem alle die innere Verwaltung betreffenden An-
gelegenheiten hauptsächlich von ihm verhandelt werden.
Der gegenwärtige Ssing-Melek soll ein Mann von Einsicht
sein; er lieisst Aschen und ist der jüngere Bruder des
mächtigen Djerma Ueled el Meram, der ihn sowohl an Reich-
thum, als an Einfluss übertrifft, wälirend er in der ceremo-
niellen Rangordnung des Fäschors zunächst auf jenen folgt.
Rcgiemng von WädAi. 517
Sodann kommen: der Kamkoläk Räkeb, welcher die Stel-
lung eines Majordomus zu haben scheint; der Emin 'Abd-
Allähi, ein Bruder des Ssing-Melek, welcher Oberaufseher
der Hemden, d. h. Privatschatzmeister, des Sultans ist; der
Kurssi Äbü Bakr, Abu Horra's Sohn, dessen oben bereits
gedacht wurde, gegenwärtig im Gebiet der Kodoi stehend;
Kurssi *Abd - AUähi , der Oberaufseher der Ueläd Raschid ;
der Agid el Mdhanud; der Agid der Ueläd Raschid; der
Agid el DjÄatena; der Agid c' Ssalanität; der Agid el Cho-
säm; der Agid el Birsch; der Agid el f]dden; der Maige-
nek, der Befehlshaber des unmittelbaren Vortrabs des Sul-
tans auf Kriegszügen, dem Djerina im Heere des alten Kö-
nigreiches Bomu gleich; der Kamkoläk Mohammed Wökih'k;
der Kamkoläk Nehed; der Kamkoläk Tandö; der Kamkoläk
Abu Bakr; der Agid el 'Abidie; der Kurssl Rünga; der Agid
e' Ssybba; der Kamkoläk Atamän ('Othmän); der Agid Am-
marga, ein Hofhaushaltsbeamter; der Agid Ssälem , der Ober-
aufseher der Getreidelieferungen für den Palast; der Agid
Yüngo, ebenfalls ein Beamter für das Innere; der Milleng-
Dlme, Challfa des Kamkoläk der südlichen Marken ; der Mil-
leng-türi, Challfa des Statthalters der Ostmarken; Moham-
med Djegeles, Challfa des Agid el Mahamid ; Mohammed Da-
häba Bodda, Stellvertreter des Kamkoläk Mohammed; der
Challfa Föd, dessen Standquartier im Süden ist; Kubär, ein
Adjuädi, dessen Wohnsitz in Äbgudäm, 11 Tagereisen südlich
von Wära, ist, und Andere von geringerer Autorität.
Die Reihenfolge, in welcher ich hier die Mitglieder des Ra-
thes aufgezählt habe, ist ungefähr ihre Rangordnung. Die Kö-
nigin-Mutter — „mömö" — hat mitunter ihren Beirath abzu-
geben, erscheint aber nie in der Versammlung selbst.
Das Heer. — Auch in Betreff des Kriegswesens beschränke
ich mich auf wenige Worte. Nach mehrfachen genauen Nach-
forschungen glaube ich mich nicht zu irren, wenn ich die Rei-
terei von Wädäi, in welcher, wie fast in allen diesen Ländern,
J
518 Anhang Vm.
die Hauptstärke des Heeres besteht, auf 7000 Mann veran-
schlage. Gegen 1000 Mann dieser Reiterei tragen das Pan-
zerhemd — die „derret" — ; doch nimmt die Zahl derselben
jährlich zu, indem in Folge des Verkehrs mit Ben-Ghäsi jede
Karawane von dorther einige Kameelladungen mitbringt,
welche um den Preis von 1 oder 2 Sklavinnen das Stück ver-
kauft werden. Die Pferde sollen vortrefflich sein ; jedem Wet-
ter und jeder Hitze ausgesetzt, nie unter Dach oder Schat-
ten gebracht, besitzen sie die äusserste Ausdauer, wobei sie
jedoch, wenigstens die der Grossen, reichlich mit Milchreis
gefüttert werden sollen. Die Pferde des Sultans führen sämmt-
lich den Titel „aruäil" (Sing, „rauäü"), wobei aber jedes noch
seinen besonderen Namen hat. Nur wenige Leute im Heere
besitzen Flinten, indem eingeborene Wäddi-Männer selbst mich
versichert haben, es gebe deren nur gegen 300. Die Stärke
des WÄdÄi- Volkes beruht in dem Gebrauche der Speere,
während die Föraui sich vornehmlich auf das Schwert ver-
lassen.
Die Rangordnung der Befehlshaber bestimmt sich haupt-
sächlich nach der Anzahl der von ihnen in's Feld gestellten
Truppen. Ausser dem Sultan und dem Ssing-Melek ist Nie-
mand dem Djerma Agid der Mähamld gleichzustellen, auf
den der Djerma *Abd el Asis und der Kamkoläk Räkeb fol-
gen; diese sind sämmtlich freie Leute. Nach ihnen kommen
Sklaven, nämlich: der mächtige Agid-el-bahhr; Fadalälle,
der Agld der Djädtena; Ssäid, Agld der Ssdlamät; Ddnna;
Ddgga , der „edderi", d. i. Befehlshaber des Nachtrabes ; Mä-
geue ; El Horr ; Hanno, Agld der Hamide, welcher aber kein
Sklave, sondern ein geborener Wddäui ist; der Djerma Scho-
goma, Käflfa und Andere.
Es gibt mehrere Hauptleute in des Sultans eigener Reite-
rei mit dem Titel Djerma, wie Djerma Angarütü, Djerma
Dhohob, Djerma Rebek, Djerma Kaukob, Djerma Hassan,
Djerma Ssiäde, Djerma Dhähab, Djerma Fudhl, welcher ge-
Regiernng von WädäY. 519
gewöhnlich in Känem steht; Djerma Mongö und Djerma
Benäi.
Ilofhaushalt — Den Vorrang im Haushalt des Sultans von
Wddäi haben die Söhne des Monarchen — die „kolötu" —
und die Töchter desselben — die „meram" — . Zur Zeit mei-
ner Anwesenlieit in Baghirmi gab es fünf Kolötu. Mohammed,
der Thronerbe, der schon damals mit seinem Vater auf keinem
guten Fusse stehn sollte, ist der Sohn einer Pullo- oder Fe-
latnle-Frau, welche Mohammed Ssäleh in Kordofän heira-
thete, wesshalb man in WädÄi seiner Thronnachfolge mei-
stens abhold ist. 'All und Adim haben eine gemeinsame Mut-
ter, Mädem Schekoma; Chodr, der drittgeborene Sohn, und
Machmüdi haben eine andere Mutter. Nach den Kolötu und
Meram kommen die Häbbabät oder, wie sie in der Sprache
der Wddäui heissen, die Ellssi (Sing, „elik") — die Frauen
oder Konkubinen des Sultans — , unter denen Schekoma und
Ssokäi die begünstigtsten sein sollen.
Die am Hofe angestellten Beamten sind die folgenden: die
königlichen Hof bedienten — Baräkenä-Koli — ; die könig-
lichen Zeltner — Daläli-Koli oder Ssiäd el Albeue — ; die
Boten — Tuerät — ; die Speerträger — Motor-Mele — ; die
Pagen und Kammerdiener — Tangna-Koli — ; die im Schop-
pen oder der Halle („legedäbe") stehenden Boten — Ayäl-
Legedäbe — ; die Stallmeister — Koraiät oder Ssiäd elChel — ;
die Meister der Hemden und Tokäki — Gdrrafln oder Ssiäd
el Cholgän — , und endlich die Eunuchen, die Meister der
Frauengemächer — Artu (Sing, „arak") oder, wie sie hier heis-
sen, Schiüch.
Beschaffenheit der Städte und Dorfachaften, — Die Ort-
schaften in ganz Wddä'i sind im Allgemeinen klein, und es
ist mir von Eingeborenen selbst versichert worden, dass es
keine Stadt gäbe, die über 1000 einzelne Wohnungen ent-
hielte. Wära, bis jüngst Haupt- imd Residenzstadt, war im
Jahre 1852, in Folge der Verlegung des Begierungssitzes
I
520 Anhang Vin.
nach Abeschr, in fortwährender Abnahme des Wohlstands und
zunehmender Verödung begrififen und enthielt kaum 400 Häuser,
während Nimrö, der berühmte Hauptsitz der Djelläba, nicht
über 200 enthielt. . Im Allgemeinen sind die Ortschaften der
Kodol am ausgedehntesten, indem einige bis gegen 600 Häu-
ser zählen , während die der Mimai am kleinsten sein sollen.
Der grösste Ort von ganz Wddäi soll Kodogus, 2 Tage-
märsche westlich von Schenini, sein.
Die Wohnungen bestehen, wie in allen Theilen des Sudans,
aus Gruppen von runden, glockenförmigen Hütten aus Rohr-
geflecht — in der Wdddi - Sprache „mdhareb" oder „ssa-
mavi" genannt — und mit einer Mauer oder einem Zaun
— „scherägena-dall" — umfriedigt, aber nur in seltenen Fäl-
len (namentlich die Wohnungen des Königs, der Standes-
personen und der Djelläba) aus Lehm erbaut. Die Araber
dagegen wohnen in tragbaren Hütten, aus Matten zusam-
mengesetzt, die sie selbst aus Delebpalmbliittem flechten und
welche von den Wdddui „reri" genannt werden.
Verhehr und Marktplätze, — Der Grosshandel ist fast
ganz in den Händen der Djelläba, welcher eigenthümliche
Stamm, den ich oben nicht unter den einheimischen Stäm-
men aufgeführt habe, vor 100 Jahren aus dem Nilthale in
beträchtlicher Anzahl in dieses Land eingewandert und ge-
genwärtig hauptsächlich, obwohl nicht ausschliesslich, in
Nimrö, 8 Meilen südwestlich von der früheren Hauptstadt
Wära gelegen, angesiedelt ist. Diese Kaufleute von Geburt
treiben ihre Geschäfte in Gesellschaften, von welchen jede
ihre eigene Reiselinie hat: so geht eine Gesellschaft jähr-
lich nach Rünga; eine andere besucht die Kupfergewerke
südlich von För; wieder eine andere verführt ihre Waaren
nach den entfernten südwestlichen Gegenden, in das Gebiet
der Ueläd Raschid und in Baghirmi's heidnische Grenzlän-
der (Beddnga, Gögomi, Audi); wieder andere bereisen die
Märkte von Baghirmi, Logone und Bornu (wie sie sich denn
Regierung von WAdili. 521
während meines Aufenthaltes in Mäsefia daselbst in solcher
Anzahl eingefunden, dass sie sich ausserhalb der Stadt, auf
der Strasse nach A'bü-Gher, eine grosse Dorfschaft erbaut
hatten), während noch andere alljährlich die Märkte von
För und Kordofän beziehen und endlich andere, nament-
lich die Reicheren, die neuerdings eröffnete Karawanenstrasse
nach Ben-Ghäsi, über deren Geschichte Herr Fresnel so aus-
führlich berichtet hat, in Betrieb nehmen. Jeder dieser Ge-
sellschaften wird auf die Dauer der Reise vom Sultan ein
Vorstand — „agid" — beigegeben, welcher demselben für
die sehr beträchtliche, von dem sich ergebenden Gewinnste
zu erhebende Abgabe haftet.
Die Aii:ikel, mit denen dieser Handel betrieben wird, sind
hauptsächlich die folgenden: Salz, von den Mähamid und
Tebu nach Nimrö und Wära gebracht, wo es von den Djel-
läba im Grossen aufgekauft und in die entferntesten Gemar-
kungen, selbst bis nach Logone, verführt wird ; Kupfer, haupt-
sächlich von dem beriihmtcn Bergwerke „el Hofrah", sowie
von Riinga kommend und meistens, und zwar zu hohen
Preisen, nach Bornu verführt; Euro])äische Waaren (nament-
lich feine Tuche, Bemuse, Panzer, Glasperlen imd sonstiger
Zierath, Kaliko, Papier, Nähnadeln u. dergl. m.), von den
Ben -Ghasi- Karawanen, sowie über För von Egypten aus
eingeführt und hauptsächlich bei den Rungauern, den Ueläd
Raschid und in Baghinni gegen Elfenbein umgetauscht, das
sodann mit grossem Gewinne von Wära nach Ben-Ghäsi
ausgeführt wird ; Esel von der aus Osten stammenden Rasse,
welche in den westlichen Theilen des Sudans sehr begehrt
sind ; Türkedi, Tabak, Kohol und mancherlei andere^on den
Haussa-Händlem nach Baghirmi gebrachte und dort von den
Djelläba eingetauschte Artikel. Der wichtigste Handelsgegen-
stand aber besteht, wie im Sudan überhaupt, so auch im
Lande Wdddi — in Sklaven.
In ganz Wäddi gibt es keinen Marktplatz, wo sich ge-
I
522 Anhang YHI.
meinsame Niederlagen der Hauptprodukte des Landes vor-
fänden, weder in Wära oder Nimrö, noch sonst wo, und man
muss sich selbst die unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse aus
beträchtlicher Entfernung herbeischaffen. So müssen sich
die Einwohner von Wära, sowie auch die M&hamid, wenn
sie einen Vorrath von Duchn, ihrem Hauptlebensmittel, ein-
kaufen wollen, nach Girre, einem etwas westlich von Nimrö
gelegenen Orte, oder nach den Dorfschaften der Kodol be-
geben, oder sie gehn auch wohl in die Niederlassungen der
Kaschemere (wie Eüldi, Butir, Kimdungö, Komaig, Hedjir),
während man in den südlichen Gemarkungen dieses Nahrungs-
mittel am billigsten in Abker, Gnamünia und Mistachede, so-
wie im Thal des Bat-hä, besonders in Dumböli, Räss el Fll,
Ssummükedür, Agllba, in Kössi-wähed („Einhütte") und in
Assäige kauft.
Als festes Werthmaass im Verkelu* gilt die Tokia (Plural:
„tokäki"), bestehend aus 2 Kattunstreifen, 18 Drä lang und
3 breit, aus kleineren Streifen zusammengesetzt, welche
zwar die in Bagblrmi, Bornu und dem West-Sudan üblichen
beträchtlich an Breite übertreffen, ihnen aber an Güte nach-
stehen. Mit diesem Umlaufsmittel werden alle kleineren Um-
sätze betrieben, während man grössere mit Vieh, in wel-
chem der Hauptreichthum des Landes besteht, oder mit Skla-
ven macht ; Thaler sind erst in jüngster Zeit durch die Kauf-
leute von Ben-Ghäsi eingeführt worden. Man kauft für 1 To-
kia di*ei oder vier Schaafe bei den Mähamid, die, wie bereits
erwähnt, sehr grosse Schaafheerden besitzen und bei denen
sie also am billigsten sind; mit 30 Schaafmüttem erhandelt
man 1 Kuh und mit 12 bis 15 Kühen ein gutes Pferd. Fer-
ner erhält man für 1 Tokia 4 bis 5 Ueba — ein Maass, wel-
ches den achten Theil einer Ochsenladung ausmacht — Duchn,
wenn derselbe am theuersten ist, und 6 Ueba nach der Ernte,
während man für 1 Kuh 30 bis 36 Ueba und für 1 Ochsen
16 bis 20 bekonmit.
Regiernog roxi Wädäi. 523
Industrie. — Es ist einleuchtend, dass in einem neu* ge-
gründeten Königreiche, das, wie Wädai, aus einer losen Zu-
sammenhäufung fast gänzlich barbarischer Stämme besteht, der
Kunstfleiss nur die rohesten Erzeugnisse liefern kann, wie Waf-
fen und Ackergeräthe, zu welchen man sich einheimischen
Eisens bedient, neben dem man auch noch in Runga, sowie
in geringerer Menge im Wadi Djelingak Kupfer findet. Die
Wadauer wissen sogar nicht einmal den schönen Indigo, der
in ihrem Lande wächst, zu verwenden, um ihre Kleider oder
vielmehr ihre Hemden zu färben ; es gibt nämlich unter ihnen
nur Wenige, die sich etwas Besseres als dieses wesentlichste
Kleidungsstück anzuschafifen vermögen. Man sagt selbst, dass
die Mehrheit des Volkes vor Vertheilung der grossen Beute,
die 'Abd el Kerim Ssabün in Baghirmi machte, keine Klei-
dung ausser dem Lederschurz besass. Die Indigo - Färberei
ist gänzlich in den Händen der in Wadai sesshaften Baghfr-
mier und Bomauer, besonders der letzteren, welche neben
mehreren anderen die folgenden namhaften und wichtigen
Färbereien besitzen : erstens Djemll e' Ssld, eine 2 kurze Ta-
gereisen südwestlich von Wära entfernte Ortschaft, deren
Einwohner hauptsächlich den Ruhm besitzen, am schönsten
blau zu färben; diesem Orte zunächst steht Blrbaschon, eine
andere Bomauische Ansiedelung zwischen Djemil e' Ssid und
Wära. Femer sind berühmte Färbereien: Schalla und Leyin,
westlich von Djemll e' Ssid, und Biren, eine nicht unbeträcht-
Hche Ortschaft an der Betehä, 2 Tagereisen südwestUch von
Wära. Andere Bomauische Färber sind sesshaft in Kanip-
galä, 2 Tagereisen südlich von Wära, und in Derdigl, 1 Ta-
gereise südlich von Karringalä, und noch andere in Kelingen
Messer, einer Ortschaft in der Gemarkung der Kelingen. Ein
schwarzes oder blaues Hemd ist jedoch noch immer ein gros-
ser Luxusartikel in Wäddi und gilt als eine Auszeichnung
für Standespersonen, wesshalb die Wadauer auf ihrem Zuge
gegen Bomu, wie oben erzählt, dadurch ihren Zorn kühlten,
524 Anhang VIII.
dass sie allen Baghfrmiern und Bornauern, die sie ei^riffen,
die schwarzen Hemden abnahmen, anstatt die Leute selbst in
die Sklaverei zu führen.
Gelehrsamkeit. — Niemand wird in einem Lande wie W4-
däi sehr ausgebreitete Gelehrsamkeit erwarten; dennoch sind
die Wadauer Fäkih und 'Ulama bezüglich ihrer Eenntniss
des Kuräns unter allen Völkern des Sudans beiühmt, die
Fulbe oder Fellani nicht ausgenommen. Ausser dem Kurün
besitzen sie mehrere kleine Bücher oder Abhandlungen, welche
sowohl zu grammatischer als auch zu religiöser Belehrung all-
gemein gelesen werden, nämlich : Nöh, Elfiye, Chalil, Ressäla,
A'chdar-Mandhüm, A'chdar-Manssür, Bakädi, Taälik, A'bü-el-
Hassan, Thamcän al djonne, 'Ädjcli oder A'udjeli el kubbara,
Audjeli-el-Usstha und andere. Das religiöse Recht — die
„scheriä," — wird mit grosser Geschicklichkeit von die-
sen Fäkih (Doktoren) gehandhabt; der Landesbrauch — die
„ssiässa" — übt jedoch auf die Entscheidungen grösseren
Einfluss, als das Buch.
Als der grösste Doktor in Wadäi gilt in jetziger Zeit all-
gemein ein Mann vom Stamme der Abü-Schärib, überall unter
dem Namen Fäkih-el-bahhr bekannt, viele Jahre hindurch
der Genosse Mohammed Ssäleh's, während derselbe obdach-
los umherwanderte, worin wahrscheinlich der Grund liegt,
dass ihn der wilde König nicht, wie so viele andere gelehrte
Männer, hinrichten Hess, wie denn unter Anderen der Scheich-
el-Herän, ein ebenfalls dem begabten Stamme der Abü-Schä-
rib entsprossener grosser Doktor, unter dem Verwände hin-
gerichtet wurde, er habe Mohammed Ssäleh seinen Feinden,
den Kodol, verrathen; ebenso auch der grosse und gelehrte
Imäm Mohammed Glrga.
Speisen. — Als Hauptnahrung dient den Einwohnern von
Wadai, wie denen der meisten Theile des Sudans, Duchn
(Pennisetum tyiilioidenm) ; sie haben jedoch auch Waizen und
Reis. Ausserdem sind sie reichlich mit Fleisch und leidlich
Regiemng von Wid&i. 525
mit Milch und Butter versehen und haben daher nicht nö-
thig, sich jeden Tag des unschmackhaften Breies zu bedie-
nen, der aus gedörrten und zerriebenen Fischen bereitet und
dann wie ein Laib Brod gestaltet wird, in welcher Form die
Speise „menditschek" heisst, während man den gedörrten Fisch
in seiner natürlichen Form „fertene" nennt. Sie besitzen im
Gegentheil eine grosse Mannichfaltigkeit von Gerichten, von
welchen ich eine kurze Liste geben will, ohne jedoch nach
den Regeln kulinarischer Kunst erklären zu können, wie je-
des zubereitet wird. Ich bemerke vorher nur noch, dass man
sich hier nicht des in anderen Theilen Sudans so ausschliess-
lich benutzten grossen hölzernen Mörsers — „funduk" oder
„kdrru" — bedient, sondern den Duchn auf Steinen zerreibt,
an welchen Wädäi keinen Mangel hat, wälirend in manchen
Theilen von Bomu und Baghirmi nicht ein einziger Stein zu
sehn ist. Aus Duchn werden die folgenden Gerichte berei-
tet: Damirge, das gewöhnliche tägliche Gericht; Massäfifa,
eine in Wädäi sehr beliebte Speise; Reschefa, ein anderes
aus Duchn und Milch bereitetes Gericht; Takärin, Riudsfett-
duchn; Kfssere; Denässi; Amköschu; Ssüri; Kökor; 'AdjTne
amräfa; Rotöto und Ssubäi; endlich ein aus Sesam berei-
tetes Gericht Namens Amkeleno. Unter dem Kuchenwerk
nennt man: KiUikäb, aus Duchn und Honig; Matabba, aus
Reis und Honig; Käk, aus Duchn oder Reis mit Butter, Ho-
nig und Datteln ; 'Adjine serka, und endlich Fduorö, aus in
Milch gesottenen und dann abgekühlten Datteln bereitet. Un-
ter den Fleischspeisen sind die Ueka und das Schaham el ke-
bel die beliebtesten Gerichte. Von berauschenden Geträn-
ken ist das von den Arabern Merissa genannte zu erwähnen,
von welchem es drei Arten gibt, den „bilbil" — „rothen" — ,
den „äkebesch" — „weissen" — und den „hal" genannten.
Indem ich diesen Abriss von Wdddi beschliesse, muss ich
bemerken, dass derselbe vollständig in Baghirmi im Jahre 1852
abgefasst worden ist. Ich habe das Werk „/>e Voyage au
526
AnhftDg YIIL Regierung von WidiS..
Ouadd'tf^ im Jahre 1851 vom hochverdienten Herrn Jomard
und Herrn Perron herausgegeben, erst im Jahre 1855 zu Ge-
sicht bekommen und in demselben auch nicht zur Umände-
rung eines einzigen Wortes Veranlassung gefunden. Der Bericht
des Scheich e' Tünssi ist überaus werthvoU bezüglich der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse des Volkes, aber voll von Über-
treibungen hinsichtlich der staatlichen Angelegenheiten, wie
z. B. der Stärke des Heeres, des Tributs von Baghfrmi
u. s. w.
Sammlung Ton Itinerarien zur Feststellung der Topographie Widät's und
Baghirmi's.
I. Strassen von Mäsena nacliWära. Richtung: ost-
nordüstlicli.
a)Itinerar Hadj Bü-Bakr Ssadik's aus Bdkadä, der diese Strasse
dreimal bereiste. Marsch täglich etwa 6 Stunden.
Ister Tag: Baläu, grosser Baghirmi-Ort mit besonderem Scheich.
DerWeg passirt Bldderi, die von mir wiederholt erwähnte
Ortschaft '
2ter Tag: Dilfin, Baghirmi-Ort. Die Brunnen überall tief.
3ter Tag: Kindji, die letzte der eigentlichen Baghirmi - Ort-
schaften, schon gemischt mit Schüa*).
4ter Tag: Wenesse, Schüa-Ort mit Anbau.
5ter Tag: Birka, Ort der Ueläd Müssa, die als der kriege-
rischste Stamm unter den Schüa dargestellt werden.
6ter Tag : Tümssa, eine von Küka bewohnte, aber zu Baghirmi
gehörige Ortschaft.
7ter Tag: Kein Ort. Man bricht am Abend wieder auf, schläft
dann etwas und erreicht am Morgen des
8ten Tages: Gela, die erste Ortschaft von Fittri.
*) Kindji ist 2 Tagereisen oststtdöstUch Ton Moitö, der grossen Ortschaft,
an der sich östlich ein Berg erhebt, der einzige in Baghirmi.
528 Anhang IX.
I
9ter Tag: Melme, ansehaliche Ortschaft mit grossem Markt am
Dienstag. Man hat sich bis hierher fast nördlich gehal-
ten und wendet sich nun östlich.
lO^er Tag : Yäuö, die Hauptstadt von Fittrf, an der nördlichen
Seite des Bat-hä, nahe an seiner Mündung in den See
Fittri, grosser, aber offener Ort (erst von den Buläla ge-
baut, vor deren Ankunft Küdu der Hauptort in Fittrl war),
Residenz Djuräb's ben Abu Ssekln, des gegenwärtigen Bu-
läla-Fürsten. Das ganze Land ist reich an Weidegründen.
Von Melme nach Yäuö wendet man sich in einem Winkel
erst östlich, dann südlich.
llterTag: Sseta, Oil der Buläla.
12tcr Tag: Hafir, Lager ohne Ortschaft, noch zum Gebiet
Fittrl gehörig.
13ter Tag: Djeddäda, Lager ohne Ortschaft im Sandthal des
in Schlangonwindungen hinziehenden Bat-hä, der in der
trockenen Jahreszeit nur stehende Pfuhle bildet.
14ter Tag: Ssürra, eine nur zeitweilig von den Arabischen
Djäätena, welche in der Regenzeit hierher kommen, be-
wohnte Örtlichkeit. Sie gehört zu Wdddi.
löter Tag: Dlfda, Ortschaft der Arabischen Cliosäm.
16ter Tag: Nedjme, Ortschaft der Arabischen el Hemedät.
ITter Tag: Kundjur, Ortschaft der Arabischen Küka.
18t*^rTag: Derraänia, Ortschaft der Arabischen Küka. — Einen
Tagemarsch östlich (etwas südlich) von Dermäma liegt
Abu Telfän, ein grosser, von heidnischen Dddjö bewohn-
ter Berg.
lOter Tag: Birket Fdtinia, ein weites, vom Bat-hä gespeistes
Wasserbassin ausserhalb der Nordseite des Wadi's, mit
einer Ortschaft der Arabischen Massmädja; jedoch auch
die Ersegät weiden hier.
20ster Tag: Rähet el Challa, grosser Wasserpfuhl mit einer
Ortschaft der Dädjö (unter Wäddi stehender Schwarzer)
und Ertäna.
Strassen von Masena nach Wära. 529
2l8t6r Tag: Odjöb, Ortschaft der Mä-ssallt, von Schwarzen
bewohnt, mit Ertana.
228ter Tag: Foröli, Ortschaft der Ssiäda, einer Abtheilung
der Mä-ssalit.
238ter Tag: Am Hadjar*), Ortschaft der Mä-ssalit.
248terTag: Djemest(Djumes)el bedha, Ortschaft der Mä-ssalit,
an dem Ellbogen des Bat-hä, der von Süden kommt und
den man hier verlässt
25«ter Tag : Bororit, grosser Ort im eigentlichen Wdddi. Man
wendet sich jetzt von Ost nach Nordost.
268ter Tag: Am - schdrarlb , ein grosser, zu Wäddi' gehöriger
Ort.
278ter Tag: Mäschek, grosser Ort
288ter Tag: Nimrö, Ort der Djelläba, mit Thonwohnungen.
Die Brunnen haben eine Tiefe von 3 Klaftern. — Süd-
lich von Nimrö ist der Bergort Tolfü.
298ter Tag: Wära, Hauptstadt von Vf&d&i und bisherige Re-
sidenz, von Sandhöhen, die nur im Süden und Norden
(Nordwesten) einen Zugang lassen, eingeschlossen. Durch
den südlichen Zugang, den „lingak Embelkenä", betritt
man die Stadt, indem man Bürtay zur Seite liegen lässt.
Alle Wohnungen, den Palast ausgenommen, sind aus
Rohr erbaut Der Rathsplatz — „fascher" — ist nichts
als ein offener, mit Bäumen („ssayäl") besetzter, ge-
räumiger Platz. Die Brunnen innerhalb der Stadt haben
eine Tiefe von 9 Klaftern, ausserhalb sind sie nicht
tief. Der Palast liegt an dem östlichen Höhenzug; der
westliche heisst Tire, hat einige Hütten und ist militä-
risch besetzt. Westnordwestlich von Wära liegt Tonä
und nach Osten, nahe daran, Gandigin. — Nimrö ist
von Wära aus etwa 8 Meilen entfernt.
*) Im Englischen Text (S. 564) ist hier ein Fehler; es steht nämlich
,/Ain Hajar" statt „Am Hajar".
B«rth'B B«iMii. lU. 34
530 Anhang IX.
b) Strasse von Bororit nach Mäsena. Richtung westlich
(etwas südlich).
Nach dem Fäki Ibrahim aus dem Stamme der A^bl Schirib H^nagon.
Ister Tag: Hillet e' Schech, ein grosser, von Sklaven des Sul-
tans, von Arab Soyüd und von Buläla bewohnter Ort Man
passirt am Morgen mehrere kleine Weiler, bringt die
Mittagshitze (etwa von 10 Uhr Vormittags bis 3 oder 4 Uhr
Nachmittags)*) in Angürma Tauemät zu, einer Ortschaft
des Dar -Soyüd, weit nördlich vom Bat-hä, der bei Ma-
lam die Betehä aufgenommen.
2ter Tag : A'm-debang, ein grosser, von Näss Küka bewohnter
Ort auf Sandboden — „gös" — , etwa 1^ Tagemärsche
nördlich vom Bat-hä gelegen. Man hält im Dorfe Modo,
welches an der Rähet Ssaribe liegt, einem von Norden her
genährten, auf Thonboden stehenden Wasser.
3tcr Tag: Ein grosser Ort der Soyüd. Man hält in Dokeät,
einem Ort der 'Arab Soyüd. — Im Dar-Wäddi selbst be-
stehen die Dörfer der Araber aus „gesch"-Hütten, ausser-
halb aber aus transpoilabehi Matteuhütten, welche von
den Wadäi-Leuten „weri" genannt werden.
4ter Tag: Scheg el hadjilidj, eine Ortschaft der Küka und
Buläla unter Agid Fadalällah, fern vom Bat-hä. Man
hält unterwegs.
5tcr Tag: Nega, ohne Ort; unfruchtbares, nur mit Talha-
bäumcn bewachsenes Land, ohne Wasser. Man hält in
A'mbirke, einem kleinen Orte.
6ter Tag : A'm - Djimesi. Man hält in einer Ortschaft der Bu-
läla.
7tcr Tag: Chatit, ein Ort der Buläla. Ibrahim war den gan-
zen Morgen in A'm-Djimesi geblieben und erst um 'Asser
aufgebrochen.
*) Ich werde diesen mittägigen Halt in Zukunft nur mit dem Ausdrucke
,, halten" bezeichnen.
Strassen von MäseTia nach Wara. 531
gter Tag: Ein kleiner Ort. Man hält in einer von Bornu-
Volk bewohnten Ortschaft.
gter Tag: Angarruendi, ein ansehnlicher Ort der Missirie.
Man hält in A'm-Scheräi, einer Felläta- Ortschaft mit
vielen Kühen.
IQter Tag: A'rda, ein Ort der Küka und Buläla am Bat-hä.
Man hält in Schebina, einem am Bat-hä gelegenen wohl-
habenden Ort der Küka, die hier früher sehr mächtig
waren. — Der Bat-hä hat jetzt an seinen Ufern durchaus
keine Delebpalmen mehr, da alle in der grossen Hungers-
noth vor 17 Jahren gefallt worden sind, um das nahrhafte
Mark als Speise zu benutzen.
llterTag: A'm-alaui, wohlhabender, vonWddduiund'ArabDjaä-
tena bewohnter Ort, fem vom Bat-hä, der hier nach Süden
ausbiegt. Bis A'm-aläui ,wo Ibrahim 2 Tage blieb, ist Alles
Dar-Mäba. Man hält am Morgen in einem kleinen Orte.
[Von A'rda an hat man sich etwas Nord von West ge-
wandt.]
12ter Tag: Man lageii; auf dem sandigen Boden des Bat-hä;
kein Ort. Man lässt Ssürra zur Rechten, in der nördli-
chen Ausbiegung des Thaies, liegen.
Man macht an diesen Tagen keinen Halt um Mittag,
sondern geht von Morgen bis Mittag.
13ter Tag: Charüb, im Rinnsal des Bat-hä; ohne Ort.
14ter Tag: Djeddäda, ofifene Lagerstätte im Bat-hä.
15ter Tag : Sseta, eine Ortschaft der Buläla, in ihrem Gebiete
Fittri.
16ter Tag: Gamssa, Oii; der Buläla auf der Südseite des Bat-hä.
17tcr Tag: Yäua oder Yäö, Hauptstadt der Buläla, nahe am
Nordufer des Bat-hä. — Middogö ist von hier etwa 12
Stunden (in ostsüdöstlicher Richtung) entfernt.
18ter Tag : Melme, eine aus 3 Weilern bestehende, bedeutende
Marktortschaft, nicht weit vom Nordufer des See's Fittri.
Zwischen Yäua und Melme bildet die Strasse einen Winkel.
34«
532 Anhang IX.
IQter Tag: Man lagert gegen Mitternacht im Walde, nach-
dem man an einem Brunnen gehalten hat und von da
um Dholior aufgebrochen ist. Bis zu diesem Brunnen ist
die Richtung westlich, von hier aber bis Mäsena südlich.
20ter Tag: Moitö, die erste Ortschaft Baghirmi's, welche je-
doch an den Agid el Bahhr für sich einen besonderen
Tribut von 400 Hemden zahlt, sowie einige andere Klei-
nigkeiten.
Sie besteht aus fünf Dörfern , von denen drei in einer
Reihe am Südfusse einer Felserhebung liegen und zwei
abgesondert am Ostfusse einer anderen Erhebung. Zwi-
schen den beiden ansehnlichen Felserhebungen, von denen
sich die östlichere lang hinstreckt, zieht sich der Weg
durch Fittrl.
Bei dem östlichen Dorfe der westlichen Gruppe wird
wöchentlich zweimal Markt abgehalten, nämlich Dienstags
und Donnerstags; derselbe ist aber viel unbedeutender,
als der von Melme. — Moitö ist der Sitz eines Chalifen
des Sultans von Baghirmi.
Man hält am Vormittag in kleinen Dorfschaften — „hil-
lelät" — der Küka, von wo man, um Dhohor aufbrechend,
spät in Moitö ankommt.
2l8ter Tag: Hillet 'Arab, die man am Morgen erreicht, nach-
dem man am Abend aufgebrochen ist und in der Nega
geschlafen hat.
228ter Tag: Garra, wo man am Morgen ankommt, nachdem
man am Abend aufgebrochen ist und bei Arabern über-
nachtet hat.
238ter Tag: Djiläss. Ibrahim war am Morgen aufgebrochen
und hatte in einem Orte der Küka Halt gemacht.
248tcr Tag: A'bü-Gher, eine wegen ihres Sonnabendmarktes
bedeutende, aus zwei durch den Marktplatz getrennten
Dörfern bestehende Ortschaft von Felläta-Ursprung. Das
südliche Dorf ist ganz von Fellata bewohnt, das nördliche
Strassen ron Misefia nach Wära. 533
von kleinen Handelsleuten. — Der Name hat, so viel ich
habe ermitteln können, nichts mit „dbü kern" (dem Na-
men des Rhinozeros) zu thun.
258ter Tag : Ssobiö, Dorf des Mallem Ssäleh Tündjuräui, eines
sehr gelehrten Fäki. Ankunft am Morgen, nachdem man
am Abend aufgebrochen ist und am Wege geschlafen hat.
268ter Tag: Mäseüa, ganz nahe.
Von A'bü-Gher an ist die Richtung südsüdöstlich.
c) Strasse von Mäsena nach Wära.
Nach dem Ffiki 'Ali MalÄnga.
Ister Tag: A'bü-Gher.
2ter Tag: Yeläss (der oben erwähnte Baghirmi-Ort).
3ter Tag: A'bü-Gerra.
4ter Tag: Moltö (die oben erwähnte, um Felshöhen herum
gelegene Gruppe von Dörfern).
Etwa 7 Stunden nördlich von Moitö liegt die Ortschaft
Aüni (gleichfalls mit einer Felserhebung), 1 Tagemarsch
nordwestlich Gossüss (auch mit einer Bergerhebung) und
2 Tagemärsche nordöstlich Angora, eine Ortschaft der
Küka.
5ter Tag: Kalkalle, ein Baghirmi-Ort. Starker Marsch.
6ter Tag: Melme, eine grosse Ortschaft mit kleinen Weilern.
7ter Tag: Sseta, ein nördlich vom Bat -ha gelegener grosser
Ort. Man lässt Yauö zur Rechten.
gter Tag: Ssürra, blosser Lagerplatz ohne Ort.
gter Tag : Djeddäda, nur Lagerplatz.
lOtor Tag: Geltssa, Lagerstätte,
llter Tag: Difde, ein Ort der Ssdlamät und Küka, welche
das Wasser des sich hier nördlich herumwindenden
Bat-hä trinken.
12ter Tag: A'm-aldui, Ort der Malänga, fem vom Bat-hä.
Kurzer Marsch. Bis hierher reichen von Wära aus die
„mensel Ssultän^' (die königlichen Reisequartiere).
i
584 Anhang IX.
13terTag: Angarruendi, ein Ort der Ueläd Hassen, fem vom
Bat-hä, der sich nach Süden gezogen.
14ter Tag: Escheraie, ein Weiler der Felläta.
15ter Tag : Tanile, ein Ort der Djelläba (mit Thonwohnungen
und „gesch"- Hütten), fem vom Bat-hä.
16t«r Tag: Birre, ein Ort des Mallem Mohädjar, des A^d
der Ssebbade.
Birket Fatima, der grosse Ort der Ssiäde Massmddje
und Sitz ihres Agjd, mit Thon- und „gesch"- Wohnungen,
ist von hier (in südlicher Richtung) 6 Stunden entfernt.
17ter Tag: A'bü Gerra, ein grosser Ort der Ueläd Bü-Ss^d.
18ter Tag: Berega, ein Ort der MaUnga. Starker Marsch.
19tcr Tag: Megerä, ein Ort der Tündjur und Djelläba anoi
Wadi Elmä, das sich nördlich in die „gisän" zieht
208ter Tag: Dokeät, ein ansehnlicher Ort der Näss Girri, an
einem Wadi gelegen, das reich an Löwen und Rhinoze-
ros ist.
21sterTag: Düggull, ein Ort der 'Arab Raschid, „fokarä sudie"
(d. h. durch friedlichen Lebenswandel, ein geringes Quan-
tum von Gelehrsamkeit und geringen Besitz sich auszeich-
nende Leute), nahe bei Am-debäng.
22stcr Tag : Am-Bateta, ein Ort der 'Arab Missirle, in Nega,
ohne Wadi.
23ster Tag : Tdmmedäl Hummelän mit 'iVrab Missirle.
24ster Tag: Bir Ssünta, ein wohlhabender Ort Bomauischer
Djelläba.
25ster Tag: Biri Yeuö, ein Ort der Mägena Machmüdi.
26ster Tag : A'm-Set ein Ort von Fokarä der Missine bewohnt,
mit kleinem „sardf ".
278tcr Tag : A'm-Schererib, ein Ort der Terdjem, mit „sardf " ;
drei Felshöhen aus rothem Gestein erheben sich hier.
288ter Tag: Am-Dekik, ein Ort der Näss Glrri, von Ssabün
erbaut und von den Leuten „Karaak Wddär' genannt
als wäre es die Hauptstadt des Landes.
Strassen im Inneren WddäJTs. &35
298ter Tag: Firscha, ein Ort der Näss Mänga.
softer Tag: Kältegge, ein Ort der Mänga.
3l8ter Tag: Nimrö, ein Djelläba-Ort mit einem grossen Fäki
Namens Göni Meress.
32Bter Tag: Wära.
n. Strassen im Inneren WMdi*s.
a) Strasse von Wära nach Schenini. Richtung südlich.
Nach dem Fäki Ibrahim.
Ister Tag: Abeschr, früher ein kleiner Ort der Kelingcn, seit
3 Jahren aber vom Sultan Scherif zu seiner Residenz ge-
macht; in Folge dessen ist es dichter bewohnt und mit
einigen Thonwohnungen versehen. Ankunft um Dhohor,
indem man am Morgen zuerst Tara passirt, einen „mensel
Ssultän", wo Yüssuf Charifäin starb und das früher ein
grosser Ort war; dann den ansehnlichen Ort Kay-wäna,
femer Ganänga, Nyaldng (Djelläba-Ort), Djiküb, und end-
lich U'tulö.
Von Nimrö nach Abeschr ist ein starker Tagemarsch.
2ter Tag: Kelingen Kiri, eine hügelige Ortschaft des Sultans,
dessen Mutter von hier gebürtig ist, und Wohnsitz des
Kamkoläk Räkeb. Man hat auf dem Wege Dilebät
passirt.
3ter Tag: Kindji Minrak, eine Ortschaft der Kadjanga, die
wolil 40 Dörfer in diesem hügeligen und gebirgigen Gaue
bewohnen, am Nordufer der Betehä. Man hält in Errin-
manga, einem in ebener Landschaft gelegenen Orte.
4ter Tag: Denam, ein Ort der A'bü Schärib. Man passirt am
Morgen Am-dirdi, einen Ort der Kadjanga, dann FÄrrel
imd Gändigin (am Westfusse einer Felserhebung), hält in Be-
dlne, passirt Güngerüm (insgesammt Ortschaften der Ka-
djanga), dann KordufiÜ und endlich Gelebe, den Geburts-
ort des Fäki Ibrahim.
586 Anhang IX.
5tcT Tag: Schenlni, ein Ort der Abu SchSrib Menagon und
Märarit, die jedoch mit den Bili, den Kodoi, den Mimi,
den Ganänga, den Buläla und den "Arab Chosäm gemiBcht
sind. Man passirt am Morgen Am-bürtunü, einen Ort der
Dädjö am Nordfusse einer Felserhebung, an deren West-
fusse ein Ort der Djelläba liegt, während sich im Osten
eine Ortschaft der Missirie ausbreitet. Nachdem man
westwärts um den Berg herumgegangen ist, passirt man
das Wadi el Hamra, ein weites, in seinem oberen Laufe
(bei Koriö, Gundur u. s. w.) mit Deleb- und Dattelpalmen
und mit 'Ardeb besetztes , hier aber zur Saat benutztes
Thal, das sich etwas nordwestlich, bei Ssunkütu Maläm,
mit dem Bat-hä vereinigt; passirt dann eine „nega" oder
„elan" (d. i. eine mit Talhabäumen bewachsene Ebene)
und erreicht Habile, einen Ort der Abu Schärib, Wohn-
sitz des Mallem Sachai'ie, wo man hält. Hierauf passirt
■ man Ablubän, wo sich das Wadi Habile mit dem Wadi
el Hamra vereinigt, und kommt, nachdem man das dem
Wadi el Hamra zuziehende, breite und tiefe Wadi Dirren-
gek passirt hat, in Schenlni an.
Die Abu Schärib in Schenlni sind, wie oben angegeben,
mit den Bili u. s. w. gemischt.
b) Strasse von Schenlni nach Boront über O'grogö.
Nach dem Fäki Ibrahim.
Ister Tag: Abkar 'Abd el Chälik, ein Dorf des Gaues Abkar,
der noch folgende Dörfer zählt: Abkar Djembong, eines
der grösseren Dörfer Waddi's, mit etwa 600 Hütten, A.
Mototong, A. Bendaldng, A. Täuahbe, A. A'mdjedäge, A.
Hedjellidjong, A. Hedjerbassän (von den Arabern „Hadjar
A'bü Hassan" genannt), A. Gognotang, A. Dillit, A, Dje-
mil e' Ssid. Man wendet sich am Morgen zuerst west-
lich, passirt das Wadi el Hanu-a und da« Dorf Mistachede,
von wo man sich nordwestlich wendet, das Wadi Wdrringek
Btrassen im Inneren Wdddi*8. 537
nahe zur Rechten, und Rogrogö passirt. Man ruht wäh-
rend der Hitze in Meri (Ort der zu den WädÄui gehörigen
Ogodongde und Gämara), nachdem man das Wadi War-
ringek überschritten hat, das sich zwischen Rogrogö west-
lich und A'blubän östlich mit dem Wadi el Hamra verei-
nigt, passirt dann Sserira und Magällemek, sämmtlich noch
auf dem rechten Ufer des Wdrringek, und endlich dicht
vor Abkar 'Abd el Chälik Abkar Hedjellidjong.
2ter Tag: Namwürren, Ort der KadjÄnga. Man passirt am
Morgen Hämien, den einzigen durch warme Quellen mit
süssem Wasser ausgezeichneten Ort Wädäi's, mit kleinen
Felsaufsprüngen am Wadi W^drringek. Das Wasser ist so
warm, dass man die Hand nicht hinein halten hann, kühlt
sich jedoch bald an der Luft ab. In Hämien wohnt Fäki
Djabür, aus dem Stamme der A'bü Schärib. Man pas-
sirt dann Sachäli, einen Ort der Bändalä, und hält in
KarÄngaldk. Am Nachmittag überschreitet man das Wadi
Wärringek noch einmal, welches von Nordwesten kommt,
nämlich von Morrö, einem Ort der KadjÄnga, von wo es
sich nach der Nega Adjädje zieht, dann nach Marfa und
von hier östlich nach Kulbü, welches von Hdmien 3 Stun-
den westnordwestlich entfernt liegt. Von KarängaUk geht
man nach Kirengel, einem Ort der Bändalä, westlich und
nördlich vom Wadi Kirengelnäk; letzteres zieht südlich
über Nyära, wo sich das Wadi Korkotö mit ihm ver-
einigt, dem Wadi Wdrringek zu. Das Land „gös" (Sand)
und „tln" (Lehm) geht nach Himeda und von hier nach
Namwürren.
3ter Tag: Djömbo Fokarän am Wadi Ingöndjobök, einem
von Norden kommenden grossen Wadi mit vielem Zwie-
belbau, welches dem vom Orte nur wenig entfernten Be-
tehä zuzieht Man passirt am Morgen F&ring&ng, einen
Ort der Kadjdnga, dann Künigi, dann Fütela nyammuk
guäna G,giess die Butter ein", von seinem Butterreichthume
538 Anhang DL
SO genannt), dann Firti, sämmtlich Ortschaften der Eadjänga,
setzt hierauf über den Betehä, aus dem die Bewohner
Firti's trinken, und hält in Nyemer Hedjilldje, einem un-
ter dem Agid der Djaätena stehenden Ort der Eadjänga^
nordwestlich vom Betehä, der hier Ton Norden kommt.
Man geht nun nach Nyemer Tergemenge, noch am Betehä,
den man jetzt zur Linken oder östlich li^en lässt, und
erreicht Djombo.
4t«r Tag: O'grogö, das Ibrahim um dieKdfla (d.h. um die Mit-
tagshitze) erreichte, nachdem er Djombo Lärscheri am Be-
tehä, Djombo Ssuebe und Djombo D^gal, lauter von Wä-
ddui* bewohnte Ortschaften, passirt hatte. Er wollte von
O'grogö zu den Mähamid im Wadi 'Orädha gehn, um
sich bei diesem reichsten Araber -Stamme im Lesen des
Kuräns auszubilden und zugleich nicht mit leeren Händen
auszugehn. Da jedocli damals gerade die Kodoi mit dem
Sultan kämpften, was diese zwischen den Kelingen und
KodoT hinführende Strasse unsicher machte, entschloss er
sich, nach Baghirmi zu gehn, und wandte sich daher jetzt
westlich, dann nordwestlich nach Bororit zu. Er brach
noch an demselben Tage auf und schlief in Kindji-Mlnrak,
einem grossen, aus 5(K) Hütten bestehenden Dorfe der
Kadjdnga und (leburtsor^je des Ssäleh Derret. Er passirte
vorher Djombo Ssdrkale und Gündogin, eine aus drei Wei-
lern bestehende Dorfschaft der KadjÄnga. Richtung west-
lich, etwas südlich.
5ter Tag: O'scheua, eine südlich vom Betehä gelegene Ort-
schaft der Kascheniere. Man passirt am Morgen Gössmin,
in sandiger Landschaft gelegen, dann Tongong, einen kleinen
Weiler Tschekoma's, der Mutter Mohammed's, des ältesten
Solmes des Scherifen, von Kadjdnga bewohnt; dann Dje-
räd am Betehä, ebenfalls von Kadjdnga bewohnt, endlich
Ofülek , ein von Moslimischen Dddjö bewohntes Dorf, und
hält in Biren, einem ansehnlichen Ort mit gemischter Be-
Strassen im Inneren Widdf s. 539
«
völkerung (derNässKorongo, Gärdäi, Kolotdng und Djün-
gorÄng) auf der Südseite des Betehä und 16 — 17 Stun-
den südlich von Wära. Man geht dann üher Biren Kenga,
einen Ort der WadÄui, und Kaschemere am Betehä, auf
diese Weise O'schena erreichend.
6ter Tag; A'm-charüba, grosser Ort der Kaschemere, früher
Abu Horra, dem Bruder des Scherifen, der in der Schlacht
bei Torbigen fiel, gehörig. Die Kaschemere bereiten un-
ter allen Bewohnern Wädai's die reichsten und schmack-
haftesten Speisen. Man passirt am Morgen Kelti, einen an-
sehnlichen Ort der Kaschemere, dann Bütere, beide auf
der Südseite des Betehä, und hält in Fünduk, einem anderen
Ort der Kaschemere, von wo A'm-charüba ganz nahe ist.
7ter Tag: Kdure, Ort an der Nordseitc des Bet«hä, wo man
des guten Essens wegen übernachtet. In dieser Beziehung
sind die Bewohner von Kaure die Ausgezeichnetsten nach
den Kaschemere, sowie nach ihnen die A'bü Godäm und
die MÄrfa. Man überschreitet am Morgen den Betehä,
lässt Nydngalä, einen Oii; der Djelläba an der Nordseite
des Betehä, rechts liegen und wendet sich westwärts mit
etwas nördlicher Abweichung, passirt dann Hidjerät, einen
Ort der Jjcute der Schiüch (A^erschuittenen) der Hdbba-
bät (Konkubinen des Sultans), fem vom Betehä, hält dann
in Hidjer, einem Orte, der früher der Lieblingstochter des
Scherifen, Namens Fdtima, die bei Torbigen erschlagen
wurde, gehörte, jetzt einer Tochter Tschekoma's über-
tragen, nicht sehr weit vom Betehä. Kaure liegt von hier
westlich mit etwas südlicher Abweichimg. — Der Betehä
wendet sich von Kaure südlich nach Maläm, einem von
einer Abtheilung der Täma bewohnten Ort, 10 — 12 Stun-
den südlich von Kä.ure, etwas westlich abweichend.
8ter Tag: Bororlt, eine von Kaschemere, Wadaui, Arabern
und Ueläd Huschta (so wird das Gesinde der früheren
Sultane genannt) bewohnte, grosse Ortschaft und „mensel
540 Anhang DL
Ssultän". Sie besteht aus etwa 20 Weilern, deren grösster
Bororit Hadjar heisst. Man passirt am Morgen mehrere
kleine Weiler, in deren einem man wahrend der Tages-
hitze rastet.
c) Strasse von Wära nach Dumta, erstem Ort För's oder
Dar-För's.
Nach Hadj Ssadik. Dnrchschnittsmaass etwa 10 Engl. Meilen den Tag.
Ister Tag: GÄttakarak, Ort der WädÄui.
2tor Tag: Gattakardk, gleichnamiger Ort der Kelingen.
3ter Tag: Wäueledä, Ort der WadÄui.
4ter Tag : Kelmedi, grosser Ort der Ssungori mit ansehnlichem
Markt — „tarf e' dar" — , die letzte der Ortschaften Wd-
dÄ'i's. Östlich von diesem Orte sind aufspringende Felsen,
hinter denen sich die Täma- Wegelagerer verstecken.
5ter Tag: Tumtubaia, Brunnen in der Challa.
6ter Tag: Assünga, ein mit Delebpalmen bewachsenes Wadi
mit fliessendem Wasser im Charif. (Wadi Assünga ist
allem Anschein nach mit Wadi Kia identisch.)
7ter Tag: Dumta, erste Ortschaft Dar-För's.
[Dumta ist nach Hadj Ssadik 8 Tagemärsche von Keb-
kabie entfernt:
later Tag: Bir Degig, Oil mit besonderer Ertäna.
2ter Tag: O'ra, Ort.
3tcr Tag: A'm-düchen, Ort.
4ter Tag: Kulkuläia, Ort.
5ter Tag: Konge, Ort mit grosser Djama.
6ter Tag : Wadi Bare, sich nach Südsüdost ziehendes Thal,
dicht bewohnt.
7ter Ssultän 'Omar, grosser Ort am Bare und am Fusse
einer Felserhebung.
8ter Tag : Kebkabie, grosser Ort der Djelläba, mit Thon-
Wohnungen und sehr besuchtem Dienstags- und Don-
nerstagsmarkte. Warme Quellen.
Strassen im Inneren WiddTs. 541
Von Kebkable bis Tendelti sind 8 Tagemärsche:
Ister Tag : Bir Nabek, Brunnen in der Challa, mitten zwi-
sclien den Bergerhebungen des Märra.
2ter Tag : Käura, Brunnen mit spärlichem Anbau im Gebirge.
3ter Tag
4ter Tag
5ter Tag
6ter Tag
Küru, Ort im Gebirge, mit Djama.
Schebena, Ort der Djelläba im Wadi.
Djello, aus Lehm gebautes Dorf der Djelläba.
Moele, Ort mit Thon- imd „gesch"-Wohnungen.
Tiefer Brunnen.
7ter Tag: Maddüp, kleiner Ort.
8ter Tag: Tendelti, Stadt in Dar-För.
Demnach von Dumta nach Tendelti im Ganzen 16 Tage-
märsche.]
d) Strasse von Schenini nach Dumta.
Nach FSki Ibrahim.
Ister Tag: Derdjili, Ort der 'Ali (Schwarzer) mit besonderer
Ertäna. Man passirt am Morgen Bärekälla und hält in
MitschirT, beides ebenfalls Ortschaften der 'Ali.
2ter Tag: Bürtay, Gruppe von zwei Dörfern der 'Ali. Man hält
in AläschL
3ter Tag: Harrünek, ansehnlicher Ort im Gebirge, bewohnt
von Md-ssalit und 'Ali. Ankunft vor Dhohor. Man passirt
früh am Morgen Ssäniö, gleichfalls einen Bergort der 'Ali,
wo das Thal des Bat-hä seinen Anfang nimmt, 2 Tagerei-
sen ostnordöstlich von A m-gontüra, einem Orte der Kübu.
4*er Tag: Dulla, Ort der Mä.-ssalTt in ebener Landschaft.
5ter Tag: Kia, ein Thal mit Thonboden, das in seinem obe-
ren Laufe Assünga heisst und durch Delebpalmen und einen
anderen Baum Namens „djäch-djach" belebt ist. Man hält
bei Mämur, einem Wasser am Fusse einer Felserhebung.
6ter Tag: Murli, Ort der Md-ssalit, aber schon zu För gehö-
rig. Man passirt am Morgen Wadi Kädja und macht hier
während der hcissen Stunden Halt.
542 Anhang IX.
7ter Tag: Dumta, kleine Ortschaft mit wenigen Datteln, die
Residenz Hdnafi's — „mukdäm Hänafi".
e) Strasse von Schenini nach Djurlü.
Nach FSki Ibrahim.
l8t€r Tag: O'guma, Ort der A'bü Scharib. Man passirt A'blu-
bän und HabTle.
2ter Tag: Adekke, von Küka bewohnter Bergort. Man pas-
sirt Glegiss, Were, Schach-haen, sämmtlich Orte der A'bü
Schärib, dann den Bergort Tara, weiterhin Tara Goror-
gorä, einen Ort der Täma, und dann Gäskundji, einen
Ort der Küka.
3tcr Tag: Betehä, das so genannte Thal, der kleine Bat -ha,
ohne Ort. Mau passirt Tündjüug und Kültumö, von Näss
Wadaui bewohnt, sowie Tammäni, einen Ort der Ssungöri.
Säramtliche Orte liegen in der Ebene.
4ter Tag: Djurlü, Bergort der Ssungöri, die mit den Md-ssallt
gemischt, diese ganze Landschaft vom Betehä an bewoh-
nen. Djurlü ist die Residenz der Grossen der Ssungöri.
Der Berg selbst ist in Vergleich mit den übrigen Berger-
hebungen Wddäi's sehr hoch, aber kerne Tagereise breit.
Er ist nach Ibrahim der Ursprung des Betehä, während
der Bat-hä selbst seine Quellen im Ssoniö hat.
f) Die Hauptortschafteu im Betehä, von Biren aufwärts.
Nach dem Fäki Ibrahim.
Westlich von Biren liegt Aüschena oder O'schena, auf der
gegenüberliegenden oder nördlichen Seite des Wadi Mür-
schudü; dann östlich, aufwäi*ts, Ofüla, ein Ort der Dädjö;
ferner Djemer Hedjilidje, ein Ort der Kadjanga, und Koro-
riang, auch von Kadjdnga bewohnt, und Fii-ti, ebenfalls (alle
diese Orte liegen an der Südseite des Wadi's); an der
Nordseite üossminni, dann A'mmärga, dann die aus sechs
Strassen im Inneren WiA&Ca. 543
oder sieben Dörfern bestehende Ortschaft Schokän, nämlich
Seh. Kordofän, Seh. Bdtarän, Seh. Aberbi, Seh. Mini u. s. w.
(alle von Bili bewohnt); dann östlich davon Schime, ein Ort
der Mimi und Koromboi; dann Agurbo, ein Ort der Mimi;
Kunö, eine Ortschaft der Kodol, und Kawäk. Dann folgen
die Ortschaften der Ssungöri.
Alle diese Ortschaften zeichnen sich besonders durch ihren
Zwiebelbau aus. Bei Etlm (westlich von Biren, mit einer
Bergerhebung) bauen die Sklaven des Sultans für Letzteren
Korn.
g) Strasse von Schenini nach Nyessere. Richtimg südöstlich.
Ister Tag: A'm-gontüra, ein Ort der A'bü Schärib, am Süd-
ufer des Bat-hä gelegen, mit dem sich hier das von Dir-
djeli (4 Tagemärsche nordwestlich von Biren) über Marfa-
Ogumö und Dobbur kommende Wadi Issera vereinigt
Man passirt am Morgen Bärekdlla, einen Ort der A'bü
Schärib, dann Gumtüdj, einen Ort der Gnorga, und hält
in Daline, ebenfalls einem Ort der Gnorga.
2ter Tag: Ketteke, ein Ort der Md-ssallt. Man passirt am
Morgen UrüUa, nicht weit östlich von A'm-gontura gelegen,
dann Nebbegäga, einen Ort der A'bü Schärib, und betritt
nun das Gebiet der Md-ssalit, worauf man ihre Dorf-
schaften Ola Ssdbbalät imd Ola Ddbangät passirt
3ter Tag: Challa. Man hält in Wadi Kla.
4ter Tag: Nyessere, ein Ort der Mä-ssalit oder genauer der
Ambüss, einer Abtheilung der Mä.-ssalit, die man der
Menschenfresserei beschuldigt. Der Ort gehöii; schon zu
För.
h) Strasse von Schenini nach Möku, oder den Eisengruben.
Richtung westlich.
Die Möku befinden sich bei der aus zwei Weilern beste-
henden, von den Baruala bewohnten Ortschaft Schdkkayäk,
T
544 Anhang IX.
t
die eine Grube zur Seite der Ortschaft, die andere südlich da-
von in zwei gesonderten Bergerhebungen; nicht weit westlich
von Schdkkayäk, in der Erhebung hart am Dorfe Ligia, ist
eine andere Eisengrube, wo man 100 Hacken — „dje-
räri" — von der nebenstehenden Gestalt für einen Och-
sen kauft.
Das Eisen aus diesen Möku, das man in kleinen Steinen
nur von obenauf wegnimmt, wird von den Schmie*den in den
nahen Schmiededörfem Fähem (südlich von Sch&kkayäk),
A'blubän (südlich von Fähem), Müruske (südlich von Sch4k-
kayäk) und Gossmän verarbeitet.
Auf dem massigen Marsche von Schenini bis Sch&kkayäk
passirt man Misstachede, Rogrogö und berührt dann zwei zu
der grossen, von Mimi, Gelma, A'bü Schärib und Kanöri be-
wohnten Ortschaft Manga gehörige Weiler, nämlich Mdnga
Dlrdige und Mdnga Abakiiiak. Die übrigen zu dieser Ort-
schaft gehörigen Weiler heissen Mänga Kordäle, Mä.nga Me-
rende (nördlich von Schdkkayäk), Mänga Müttong, M4nga
A'beyÄng (Wohnsitz der Abu Schärib) und Mä.nga Miri, von
wo ein kurzer Weg über Sscrlr und Magällem nach Abkar
Hädjilidj führt.
Eine andere bedeutende Eisengrube ist bei Kädjam, 4 Stan-
den westsüdwestlich von Tökhili im Gaue Djedji, und deren
Eisen wird von den A'blebay nach A'tarek (zwischen Abkar
und Mdnga Merende) zu den Haddäd Mönnu gebracht,
die auch das von den Djelläba von dem bekannten Berg-
werke Höfrah (im Süden Dar-För's) aus eingeführte Kupfer
verarbeiten.
i) Strasse von Schenini nach Ssillä, über A'ndelä. Richtung
erst südsüdwestlich, dann südlich.
Nach dem Fäki Ibrahim.
Ister Tag: A'ndelä, eine theils von Wädäui, theils von Bdn-
dalä bewohnte Ortschaft. Man passirt am Morgen Sehe-
Strassen Im Inneren W^diTs. 545
chülke, eine aus zwei Weilern bestehende und von Ogo-
dongde bewohnte Ortschaft, nahe bei Schenini ; dann Tor-
döna, gleichfalls von Ogodongde bewohnt; dann das Wadi
el Hamra, und hält in Ssünkutü. Hierauf passirt man
Ssunkutü Djidnak oder Nyilik, überschreitet nun den
Bat-hä, der etwas weiter oben (bei Ssünkutü Maldm) das
Wadi el Hamra aufgenommen hat, und passirt dann den
Ort Agflbe, drei von Wäddui bewohnte Weiler, und, nahe
bei A ndelä, Agflbe Angnereda.
2t«r Tag: Schakäk, ein Ort der Bandalä; Sandboden mit
Felsaufsprüngen. Starker Marsch. Man hält am Brun-
nen Kadäda, ohne Anwohner, aber mit vielen Bäumen,
besonders Dümpalmen.
3ter Tag: Tschilimna, ein Ort der Bäudalä imd der A'blebay,
in dessen Nähe, gegen Westen, die Ssälamät, Mfssirle und
Djedji wohnen. Man sieht von hier aus die Berghöhen
von Ssillä, dessen Bewohner den Markt von Tschilimna mit
Honig imd sowohl getrockneten, als auch frischen Fischen
versorgen. Man hält um Mittag im Wadi Bochäss, das
südlich in das grosse Wadi Diwe ziehen soll. Das letz-
tere fliesst neben Djedji und wird von Einigen für iden-
tisch gehalten mit dem Bahhr Ssdlamät, der MangSra
passirt, dann (1 Tagereise von Mangära) „Gede" oder
„Bahhr el Hemät" und weiter imten „0 m e' Tlmän" oder
„Bahhr Ssälamäf' heisst; Ibrahim meint, dass er sich mit
dem Gewässer von Rünga vereinigt. Ausser den Hemät und
Ssalamät weiden auch die Scharafa ihre Heerdcn an sei-
nen Ufern.
4ter Tag: SsiDä, von Ibrahim selbst aber nicht betreten.
Man hat am Morgen das Wadi Diwe passirt, welches
sich auf lehmigem Boden weit ausbreitet und voll von
Fischen ist. — Die Ssillä sind hübsche Leute, die sich
nicht durch Einschnitte verunstalten.
Yüssuf Charifaln machte einen Raubzug hierher.
Btfth't R«Uen. UI. 35
546
Anhang HL
j.-i.t
k) Gerader Weg nach Ssillfi.
Ister Tag: Dümboli, ein Ort der Missirie, nahe westlich vc
Bäss el Fil oder TdndjakndL Man passirt am Morge
Schochülke, dann Abdjefili, einen Ort der Ogodongc
mit dem kleinen Wadi A'bü Ghänem („Al)ü Chänem'" aui
gesprochen) im Süden, das sich imweit Ssunkutü mit dei
Wadi el Hamra vereinigt, und hält hierauf in Ssöromö, ai
Nordufer des Bat-hä gelegen, der nahe östlich vom W&d&i
Orte Maräi hinfliesst.
2ter Tag: Challa. Man passirt den grossen Berg Eadjessk«
3ter Tag: Ssillä. Ankunft am Morgen.
1) Strasse von Wära nach Bünga. Bichtung südlich, dann
westlich.
Nach Hadj SsadÜL.
Ister Tag: Eine Ortschaft der Kondongö mit einer grosse
und langen Bergerhebung.
2ter Tag: Andischa, ein Wddäi-Ort.
3ter Tag: Hauära, ein in ebener Landschaft gelegener W^
däi-Ort.
4ter Tag: Betehä, ein Wadi mit Wdddi- Anwohnern.
5ter Tag: A'fi, ein Wddäi-Ort am Fusse der Berghöhen.
6ter Tag: Kemeri, ein Wddäi-Ort. Ebene Gegend; nur ii
Süden entfernte Berghöhen.
7ter Tag : Eine Ortschaft der Tschaima, Sklaven der Bändali
welche Honig bereiten.
8ter Tag: Kodoguss, eine der grössten Ortschaften Wddäi'
von Talba - Arabern bewohnt. Kodoguss ist aber nac
Ibrahim vielmehr ein Ort der Abu - Schärib, Kadjägass
und Dermüdi, 3| Tagemärsche von Schenini entfernt (ma
schläft die Iste Nacht in U'rka, einem Oi-t der Wddäi
und Bdndalä am Bat-hä; die 2*^ Nacht in Am-bürtuni
von Wdddui und Bdndalä bewohnt, und zwar sind di
Letzteren zahlreicher, und die 3te Nacht in einem Orl
Strassen im Inneren Wäd^'^s. 547
dessen Namen der Berichterstatter vergessen hat); Rich-
tung westsüdwestlich.
9ter Tag: Td el Gadem.
lOter Tag: Kädjam, ein am Westfusse eines Berges gelege-
ner Ort.
llter Tag: Mangära, vom Berichterstatter irrthümlich die
Hauptstadt von Kebet oder Kadjdgasse genannt.
Von Mangära nach Ssillä ist es 1 Tagemarsch. Rich-
tung östlich.
12t«r Tag: Gurära, Lagerplatz in der Challa.
13ter Tag: Meterbe.
14ter Tag : Donäss , Name des Herrn von Rünga (des
Nachfolgers von Sseblr), der an För und Wadai Tribut
zahlt.
Rünga liegt nach Hadj Ssadik zu Wära wie Mandara
zu Küka, und zu Tendelti wie der Felläta-Ort Bögo (an
der Ostseite von Mandara) zu Mäsena.
m) Strasse von Schenini nach Rünga.
Nach Fäki Ibrahim's Angabe, der diesen Weg nicht selbst bereist hat.
Ister Tag: A'ndalä.
2ter Tag: Schakäki.
3ter Tag: Djedji, ein Distrikt mit ungefähr 20 Weilern.
4ter Tag: Kerere, ein Ort der Mäsmadje.
5ter Tag: ChaUa.
6ter Tag: Kebet, äussere Provinz- Wadai's (ist nicht iden-
tisch mit Kadjagasse, das zum eigentlichen Wadäi ge-
hört).
7ter Tag: Challa.
8ter Tag : Mangära *), Hauptstadt von Däggel, auf einer Fels-
erhebung und an einem grossen stehenden, von den Ara-
bern „bahhr e' Tlhi" genannten Wasser gelegen.
•) ,,maiigära" bedeutet in der Däggel-Sprache „Fels**.
35»
548 Anhang IX.
9ter Tag: Ein grosses, in der Regenzeit weit ausgedelmtes
Wiesenwasser auf Thonboden.
lOter Tag: Rünga. Ankunft am Morgen.
Südlich von Rünga befindet sich nach Fäki Ss&mbo
die „Dar-Meng" genannte Provinz.
n) Strasse von Tendelti nach Rünga. Richtung südlich.
Nach Hadj Ssadik.
Ister Tag: Koriö, ansehnlicher Marktort. Starker Marsch
(bis 'Asser). Geht man langsam, so ruht man während
der Hitze an der Rahet Birbidi, schläft in A'm-habfle und
erreicht Köriö erst am anderen Morgen. — Der Markt
wird daselbst am Dienstag xmA Donnerstag abgehalten.
Ein Theil der Pilger wendet sich vom Gebiete der
Ssungöri über Djebel Heress direkt nach Koriö.
2ter Tag: Djurtöba, ein Ort der Buläla und Küka.
3ter Tag: Abeschr, Ort der Foraui.
4ter Tag: Wägif, ein von Baghirmi-Volk bewohnter Ort
5ter Tag : A'm-kordess, ein anderer Baghirmi-Ort. Das ganze
Land besteht aus Sandboden.
6ter Tag: Sselälo, ein grosser, von Bömu-Volk bewohnter
Ort.
7ter Tag: A'm-madjüra, ein ansehnlicher und wegen des Ver-
kehrs mit den Kirdi - Ländern bedeutender Ort, Sitz des
Gouverneurs von Birket, bewohnt von Mä-ssalit, Dadjö,
Baghirmiern und Foräui.
[Ein anderer Weg von Tendelti nach A'm-madjüra ist
nach Hadj Mohammed folgender:
Ister Tag: Dhifän Haggeröna, ein Ort der D4djö jen-
seits Koriö, das man passirt. Starker Marsch.
2ter Tag: A'm-harräss, ein neuer, von einem aus Bü
Harräss (in Kordofän) stammenden Mann erbauter
und von Foraui und Baghirmi- Leuten bewohnter
Ort.
Strassen im Inneren W&d&Cn. 549
3ter Tag : A'm-kardü88, ein von Foräui bewohnter Ort des
Scheteta (identisch mit Am-kordess).
4ter Tag: HiUet el Makdüm KhaM.
5ter Tag: A'm-madjüra, 2^ Tagemärsche von Tebeldle,
3 Tagemärsche von der Höfra und ungefähr ebenso
weit vom Bahhr el Ersegät entfernt A'm-madjüra ist
sehr reich an Delebpalmen und besitzt einen bedeu-
tenden Sonntagsmarkt, den die Ersegät mit Butter
versorgen. Die Bewohner des Ortes sollen vorzüglich
vermittelst Wod&'s und Tabaks Sklavenhandel treiben.]
gter Tag: Gldja, ein von Foräui und Gullä bewohnter Ort,
(damals) von Mohammed Sseteba regiert.
9ter Tag: Mädjam, ein Ort der Üirab Taäscha; auch Md-
ssalit wohnen daselbst
lOter Tag: Bähet Chäli, in der Challa; ohne Anwohner,
lltor Tag: Bali.
12ter Tag: Dum Asseheba.
13ter Tag: Dum Ardeba.
14ter Tag: Challa.
löter Tag: Debe, ein Dorf der Bünga (Heiden), auch von
einigen 'ürbän (wandernden Arabern) bewohnt
16ter Tag: Tarkämu, Challa mit Bömu- Anwohnern.
17tor Tag: Die Eesidenz des Herrn von Bünga, Donäss', nach
dem der Ort gewöhnlich bezeichnet wird ; sein eigentlicher
Name ist mir nicht bekannt
o) Grössere Ortschaften im Fittri und Kabailen der Bulüa.
Nach dem BulSla Ibrahim.
In dem „defii Meläda" genannten Gaue : Temssa, Keschegä,
Tlggedi (wo ein geflüchteter Sultanssohn aus Bömu residiren
soll), Göla, Dübunör, Gela, Käbberä, Möio, Dögo, Gälo.
In El Gösa: Melme, Küdu, Amäna, Gügu, Ssege, A'gene,
Baiälla, Bögo, Schege, Bürrigö, Befdrkamä, Denni, Gollo,
Y4ü, Gämssa, WägalS, Sseta.
&50 Anhang IX.
Kabailen (Geschlechter) der Buläla : Loflfeuä (die „Ssoltana",
d. i. das herrschende Geschlecht), Gidjo, Batt&ua, Argumuä,
Tschelmuä, Wädeuä, Kässeuä, Djillua und viele andere (we-
nigstens 20, nach der Überlieferung aber 99). Der Stamm-
vater der Buläla ist Djili (Djfl Schikomemi), welcher aus
Eänem kam.
p) Einige Nachrichten über den Fittri und den Bat-hä.
Nach 'OthmSn, den Ssabün gefangen ans Baghirmi weggeführt, mit Znsatzen
von Hadj Ssadik.
Der See — „fittri" bedeutet in der Sprache der Eüka nichts
Anderes, als „Thal", „Seebecken", und fällt daher ganz mit
der Bedeutung von „tsäd" zusammen — hat 2 Tagemärsche
im Umfang, ist durchaus mit frischem Wasser auf Thonbo-
den versehen und ringsumher mit reichem Wiesenland, aber
nur spärlichem Baumwuchs umgeben, während das Thal
des Bat-hä von Reihen schöner Bäume bewaldet ist. Kein
Wadi mündet in den See, ausser dem Bat-hä, und er hat
durchaus keinen Abfluss, indem die Verdunstung auf dem
sich während der Überschwemmung weit ausbreitenden fla-
chen Wasserbecken so gewaltig ist. In der Mitte des nur
flachen See's liegt eine Insel Namens Modo, deren heidnische
oder wenigstens halbheidnische Bewohner, zu den schon den
Küka unterwürfigen A'bü Sslmmin gehörend, den See mit klei-
nen , aus ausgehöhlten Baumstämmen bestehenden Nachen,
die 2 bis 3 Menschen fassen, befahren. Von Fischen gibt
es im See den das Wasser schlagenden „angöla" und den
„bolbüt"; „ssemmak" gibt es hier nicht. Die um den See
umher gelegenen Hauptortschaften sind von Yaö aus: Debu-
nöro, Tamssa oder Temssa, Gela, Gölo, Dago, Gdmssa (das
etwa 12 Meilen von Yäö entfernt ist, aber weit vom See zu-
zück, dessen Ufer, wie die des Tsäd, sehr wandelbar sind).
Fünf Nefi'er haben im Fittri ihre Weideplätze ; die Ben! Maleki
besitzen daselbst viele Kameele; die DjäÄtena, die Hamide und
Strassen im Inneren WädäTs. 551
ein Theil der Kreda, sowie selbst andere Tebu-Stämme kom-
men im Sommer hierher. Im Charif, wo die Araber-Stämme
fortziehen und wo Alles überschwemmt und von Schwärmen
von Mücken heimgesucht wird, werden die Kameele des Fittri
selbst, wie die des Sultans, in Hütten untergebracht, wohin ihnen
das Futter geschafft wird; andere werden mit Matten bedeckt.
Die Hauptortschaften am Saume des Bat-hä entlang sind:
Sseta, Dlfde, Heneu, Djurundü, A'm-charüba, Durmämi, Ssigö,
Mugdära, Birket Fatima (ein Ort der Mdssmadje an der
Westseite der Rahet und nördlich vom Wadi), A'm-ssiddre,
AI A'fanln und endlich der Gau Dar-Soyüd.
Von Mlddogö, das 1 Tagemarsch von Yäö entfernt ist,
nach Birket Fätima sind 4 Tagereisen; man geht über A'b
Seräfa, eine Ortschaft der Küka mit kleinen Felshöhen, He-
djel, einen anderen Ort der Küka, und Beuo.
q) Strasse vom Fittri nach Mäö. Richtung nordwestlich.
Nach dem Buläla Ibrahim.
Ister Tag: Fäli oder Färi (ursprünglich Fäghi [?]), ein von
Baghirmi- Leuten bewohnter Weiler, zwischen Felsen ge-
legen, in einer Art Wadi-Einsenkung.
2tor Tag: Aüni, Baghirmi- Weiler mit Felsaufsprüngen.
3ter Tag: Bukkö, Baghinni-Weiler.
4ter Tag: SchegerÄie, ein Wadi, in dem die Gurään ihre
Kameele weiden.
5ter Tag: Bahhr el Ghasäl, eine weite, baumreiche Wadi-
Einsenkung.
6ter Tag: Kedäda, eine Ortschaft der Tündjur.
Kedäda ist 1 Tagemarsch von 'Alimari entfernt, wo
sich das östliche Ende des Tsäd in früherer Zeit in den
Bahhr el Ghasäl ergossen haben soll, während jetzt Sand-
dünen die Verbindung imterbrechen.
7tor Tag: Mondö, eine andere Ortschaft der Tündjur. Ihr
Herr heisst Abäkr.
bb2 Anhang IX.
8ter Tag: Yagubberi, ein Weiler der Tündjur.
gter Tag: Maö, Wohnsitz des Chalifen WidfiTs und Stand-
quartier Djerma Mongo's. Die Einwohner Maö's heissen
in der Gurään-Sprache Beränemä.
Herr Dr. Vogel scheint diesen höchst interessanten,
schon fiüher von mir besprochenen Ort besucht zu ha-
ben; wir werden daher, wenn er am Leben geblieben ist,
bald Näheres davon hören.
r) Strasse vom Fittri nach Maö.
Nach einem Wadauer.
Ißter Tag: Chabini, Gurään- Ansiedelung mit vielem Wasser.
2t«r Ts^: El Chasälät, ein Wadi, das nach dem Bahhr el
Ghasä ziehen soll und von Däggana oder D^hana be-
wohnt ist.
3ter Tag: Schegeraie, Wadi mit Giirään-Bevölkerung.
4ter Tag: Delebät, Wadi.
5ter Tag: El Gret, Wadi.
6ter Tag: Maö.
Der Berichterstatter behauptet, Wadi Färi zur Rechten
gelassen und den Bahhr el Ghasäl gar nicht passirt zu ha-
ben. — Ein anderer Referent ging von Maö nach Fittri
über Kälkalä, Güdjer, den Brunnen Toröro im Bahhr el
GhasäL Wadi Schegeraie (mit vielem Wasser) und die Fel-
sengruppe Hadjidjät im Wadi Färi.
Ul)er diese ganze Strasse wird ims HeiT Dr. Vogel, wenn
er glücklich zurückkehrt, reichen Aufschluss geben.
s) Strasse von Wära nach Wädi 'Orädha.
Nach Fäki Ibrahim und 'Ali (vom Stamme der Malänga).
Ister Tag: Böbok, Ort der Kadjlgadji, eines Wadai-Stammes.
Man reist zum Nordwestthore von Wära hinaus auf der
nach dem Dorfe Bäteme, das mau gleich bei der Stadt
passirt, „lingak Batemelek'' genannten Strasse und passirt
Strassen im Inneren Wäddfs. 553
weiterhin .das Dorf I'nding und dann Korummüdi, ein
von Fesänem bewohntes Dorf.
2tcr Tag: Tatsere, eine von Wadaui bewohnte Ortschaft. Man
hält in T&chscha.
3ter Tag: 'Orädha, ein an Weideland sehr reiches Wadi oder
„saräf ", wo die Mdhamid im Sommer weiden, während sie
im Charif nach Tüitu und Ssübbu ziehen.
Östlich vom Wadi 'Orädha ist das Wadi Ssubb, 2 Ta-
gemärsche von der Berglandschaft der Täma. Die grosse
Karawanenstrasse von Fesän über Borgti nach Wära be-
rührt 'Orädha.
['Ali machte folgenden Umweg nach Wadi 'Orädha, wohin
die Wädäi'schen Fäki gern gehn, weil sie bei den reichen
Arabern durch Lesen und Schreiben leicht ein Rind oder
eine Anzahl Schaafe verdienen:
Ister Tag : Böbok.
2ter Tag: Kurssö, ein ansehnlicher Ort der Mimi.
3ter Tag: Tatsere. All' dies Land besteht aus Sandboden.
4ter Tag: Annan, ein Ort der Fokarä aus dem Stamme der
Mahamid, wo ihre Häuptlinge wohnen, nämlich Mahmud
*^Abd e' Ssaläm Ueled Tschötscho und Hagar Ueled Belle.
5ter Tag: Rehedo, eine andere Wohnstätte der Mahamid.
6ter Tag: Ssubb, ein nach West ziehendes Saräf, wo eben-
falls die Mahamid weiden.
7ter Tag : 'Orädha.]
m. Strassen im Inneren Baghfrmi's.
a) Grössere und kleinere Ortschaften am Schärf, von Bügom&n
aufwärts.
Märdja, kleines Dorf; Misskin, ansehnliche umwallte Stadt;
Mäbi, kleiner Ort, wo sich der Bätschikäm mit dem Schärf
vereinigt; Mainpa (oder Manchfa); Andja; Mölan; Gelende;
Makelü; O'ngo oder O'nokö; Bündjul; Balenere (mit Erd-
i
564 AnliaBg IX
mauer); Mondo (mit Erdmauer); Moro; MadelaipS; Baingane;
Laffiäta; Gedo; Müssgu; Boäi; Miän; M6golo;Käba; Djilim;
Mäbbele (mit grosser Erdmauer); L&ffanä (mit verfallener
Erdmauer); Bu-ssö, grosse Ortschaft; Mongaiä (Bä-Ngörgo-
loDg); Bin; Koromafe; Täbe; Mädjim; Bubür; Dere; Göfiia;
Tschlromadl; Miltü.
b) Strasse von Mäsena nach Läffanä und Bu-sso.
Ister Tag: Mogdl, jenseits des Fürth - Ortes Batschikim, ober-
halb des gleichnamigen Flusses gelegen, der sich bei Täpe
(nahe bei Miltü) vom oberen Schäri trennt, aber bei Mebi,
einem kleinen Ort in der Nähe von Misskin, wieder mit
ihm vereinigt.
2*er Tag: Mangagullafe.
3ter Tag: Gäram, von Kanon bewohnte Oilschaft.
4ter Tag: Man schläft in der Challa.
5tcr Tag: Bedä-kürtschi, Baghirmi-Ort unterhalb Bu-ssö's.
6ter Tag: Dendäm, Baghirmi-Ort.
7tcr Tag: Laffanä.
[Bedä-kürtschi liegt näher an Mäbbele und Laffanä, als
an Bu-ssö. — Bu-ssö ist nach Agid Müssa ungefähr so
weit von Mäsena entfernt, wie Logon bimi oder Moftö,
und kann von der Hauptstadt aus in 3 starken Tagemär-
schen erreicht werden:
Ister Tag: Gäuin Hadji.
2tcr Tag: Bedä-kurtschi.
3ter Tag: Bu-ssö.]
c) Strasse von Mäsena nach Bu-ssö.
Nach Hadj Ssadlk.
Ister Tag : Bdtschikam, kleiner Ort an der Südseite des gleich-
namigen Flussarmes, der nach Hadj Ssadlk kurz vor der
Regenzeit kaum 30 Schritt breit ist, zur Regenzeit aber
eine bis zu 1 Engl. Meile sich ausdehnende Wasser-
Strasse im Iimeren Baghfrmrs. 565
fläche bildet. Man passirt den Fluss, der nach der grös-
seren, an seinem Nordufer gelegenen und früher von einem
eigenen Sultan regierten Ortschaft I'r auch Bä-I'r heisst,
gewöhnlich an dieser Stelle.
2*«Jf Tag: Bultun, grosses, von Kanöri bewohntes Dorf.
3ter Tag: Bedä-kurtschi, mit grossem Sumpfwasser („bedä"),
woher der Name des Ortes. Man hält in Dilfin, einem
Kanöri-Orte.
4ter Tag: Dendäm, Baghirmi-Ort.
5ter Tag: Bu-ssö, grosse, theils von Heiden, die jedoch auch
Kleidung tragen, theils von Moslemln bewohnte Stadt mit
vielen sogenannten Mällems, das heisst Leuten, die ein
Paar Phrasen aus dem Kurän schreiben können.
d) Strasse von Bu-ssö nach Miltü. Richtung südöstlich.
Ister Tag : Kiär, weit vom Fluss entfernt ; die Einwohner trin-
ken nur aus Brunnen. Man passirt am Morgen den Fluss
und hält sich dann in geringer Entfernung östlich von
demselben, mit etwas südlicher Abweichung.
2*er Tag: Täpe*), grosser Ort an der Südseite des Flusses.
Richtung südsüdöstlich.
3ter Tag: Miltü, grosse Kirdi-Ortschaft, jetzt von Bä, dem
Sohne 'Ali Fendjär's, der vor 2 Jahren in Mäsena starb,
regiert; weit ausgedehnt. Die Einwohner besitzen eine
grosse Menge von Pferden und bereiten aus dem Fluss-
rohr eine Art Salz, das sie in zuckerhutartiger Form
weithin verkaufen. Bei Bölo, ein wenig östlich von Miltü,
trennt sich der Bätschikdm vom Schäri.
e) Ortschaften vom B£tschik&m aufwärts. Richtung süd-
südöstlich.
Batschikdm, der Furth-Ort; I'r, ansehnlicher Ort; Mogal;
*) Agid Müssa scheint sich hier versehen und KiSr und TSpe umgestellt zu haben.
556 Anhang IX.
•
Mäbberät, einst der Sitz einer selbstständigen Herrschaft
Mäss-enäu, Ort der Trompeter des Sultans — der „boäga" —
Belamedi, Baghfrmi-Ort; Mämssa; Tschikoriä; Bugolöbe
Küttutü; Diggeli; Mässere; Gdyokö; Mfrre oder Mere, früher
Sitz einer eigenen Herrschaft, des Fürsten Damre; Döl; Me-
gele oder Megede; Yeläl; Dimkir; Marine; Mub; Beti; Nglr-
bing; Ssagemäta, die letzte Baghlrmi-Ortschaft, jenseits deren
das von Heiden bewohnte Land Ssdruä anfängt.
f) Strasse von Mäsena nach Kirbe, der Hauptstadt von
Ssäruä.
Ister Tag: Bätschikdm.
2ter Tag: Nairomä, Ortschaft an einem kleinen Flusse, der
sich bei I'r in den Bätschikdm oder Bä-I'r ergiesst. Hier
wird jeden Freitag ein bedeutender Markt gehalten.
3ter Tag: Ngdttara. Ankunft etwa um 10 Uhr.
4ter Tag: Djil, ein Dorf. Ankunft etwa um 10 Uhr.
5tcr Tag : Ssdgemäta, Baghirmi-Ort am Bdtschikdm. Starker
Marsch.
ßter Tag: Negi. Ankunft etwa um 10 Uhr.
7ter Tag: Mongolä, ein Ort am Schäri, schon zu Ssdruä ge-
hörig.
8tcr Tag: Klrbe, Residenz des Sultans A'bü von Ssdruä; so
wird derselbe wenigstens in Baghlrmi genannt.
Kirbe ist 1 Tagereise vonKiär und vonTäpe (oder Miltü),
aber näher an Kiär.
Von Kirbe nach Middobö, einer anderen bedeutenden
Stadt von Ssdruä, führt der Weg über Dan oder Dana.
Andere Ortschaften Ssdruä's sind : Togilä, Ddngua, beide
am Bdtschikdm; Dan, Mirti, Djilang, Mirkin, Mongolä,
Djimmir, Djö, Belai, Mut, Bile, sämmtlich am Schäri ge-
legen.
Von Dana nach Lairi ist 1 starker Tagemarsch, etwa
30 Meüen.
Strassen im Inneren BagMrmi's. 557
g) Strasse von Miltü nach Gogomi. Richtung nordöstlich.
Nach Agid MSssa, mit Zusätzen Ton lUmadhän.
Ister Tag: Attar, Ortschaft von Ssdruä; man hat am Morgen
gleich bei Miltü den Schärf überschrftten , der hier von
Süden kommt. Starker Marsch.
2*«' Tag: Kome, Bergort der Heiden, umgeben von vier Ber-
gen, von denen einer Täbe und ein anderer Bofio heisst.
Kome ist 1 Tagereise von Middobö in nördlicher Richtung
entfernt.
3ter Tag: Belel Kole, eine von Natur ausserordentlich ver-
theidigte Wohnstätte der Ssokorö, ringförmig sich um
einander herziehende Felsreihen mit je nur Einem Zu-
gang und mit Wasser im Inneren. Der Fürst haust auf
einer Felserhebung in der Mitte dieses eigenthümlichen
Bergkessels ; die übrigen Bewohner wohnen zwischen den
Felsreihen. Nahe dabei ist ein Schüa-Ort. Zwischen Kome
und Belel Kole liegt etwas seitwärts Djötol.
4ter Tag: Gogomi, Bergort in einem Kessel mit engem Zu-
gang, bewohnt von einem Stamme der Ssokorö mit einem
früher sehr mächtigen Häuptling, den aber jetzt der Sultan
von Baghlrmi besiegt und gefangen eingebracht hat. Die
Djelläba Wdddi's gehen bis hierher und bringen Europäi-
sche Erzeugnisse.
Von Gogomi bis Kenga sind 5 oder 6 kurze Tagereisen
über Büdir, einen Ort auf einem steilen Berge mit Quell-
wasser am Fusse und auf der Höhe; etwa so hoch lie-
gend wie Tibesti. Nahe östlich bei Gogomi liegen: Ssim,
Bergort ; B&ddege, Bergort, beide von Ssokorö bewohnt, de-
ren Bewaffnung in Bogen und Pfeil besteht; Gal, Bergort
mit seichtem Wassersal; Tumki, Bergort; Kenga Mataia.
h) Strasse von Mäsena nach Gogomi.
Ister Tag: Bidderi, ansehnliche Ortschaft, berühmt wegen
der für die Ausbreitung des Isslam in diesen Gegenden
556 Anliang IX«
überaus wichtigen Familie von Schiüch (d. h. in diesem
Falle: durch ihre Frömmigkeit und Belesenheit weit und
breit verehrte Häupter des Glaubens) und bedeutend
durch ihren Freitagsmarkt, wo jedoch nicht die gewöhn-
liche Münze des Marktes von Masena gangbar ist, nämlich
Farden und Cholgän, sondern nur die schönste GräbagS
— 20 für 1 Chalag.
2tor Tag: Müdda, Baghirmi-Ort.
3ter Tag: Dechdrue, grosse Ortschaft der Dechächera oder
Deghäghera (Araber).
4ter Tag: Eüri, Schüa-Ortschaft an einem stehenden Wasser.
5ter Tag: Massk&u, ebenfalls Schüa-Ort.
6ter Tag: Gatö, Schüa-Ort mit Teich.
gter Tag: Djenä, grosse ummauerte Bergstadt der Ssokorö,
die den von den Baghlrmiem „dernäna" genannten Käfer
essen sollen. Djenä liegt zwischen Gogomi und Korne in
einer hügeligen Landschaft.
9ter Tag: Gogomi, 2 Tagereisen von Middobö. Richtung öst-
lich mit etwas nördlicher Abweichung.
Der Weg von Gogomi nach A'bü Telfän geht über Bä-
nem, Bälli, Ssim, Kondolä und Kengetä.
i) Abtheiluugen der Büa.
Die dem Sultan von Baghfrmi unterworfenen Abtheilungen
dieses zahlreichen Stammes sind folgende: Büa Nyeldang, die
mächtigsten von allen; die BüaGamkül(Gamkül*) ist von Mid-
dobö, der Grenzortschaft von Ssäruä, 12 Engl. Meilen in öst-
licher Richtung und von Gogomi 2 Tagemärsche südlich ent-
fernt, letzterer Weg durch eine wilde Gebii'gslandschaft füli-
*) Es ist sehr wahrscheinlich, dass Gamkdl mit dem vom Neger Wogga
dem Herrn Mac Queen beschriebenen Kimkul identisch ist (s. Journal of tfie
Jioyal Oeoijr, Soc., Vol. XV. p. 374). „Koome" in eben diesem höchst kurzen
und ungenligenden Bericht (S. 375) ist wohl sicherlich mein Belel Korne.
Strassen im Inneren Baglifrmi*s. 669
rend; östlich und südöstlich von Gamkül liegen, etwa 12 — 15
Meilen entfernt, die beiden Bergortschaften Konnäle und Sa-
rakella, die von einer Frau als Königin regiert werden und
unabhängig sind); die Büa I'r, die Büa Wage und die Büa
Schok.
Unabhängig sind: die Büa La, sehr zahlreich und in meh-
rere Familien und Ortschaften zerfallend; die Büa Künne;
die Bfia Gingli; die Büa Möke; die Büa D&mla; die Büa
Kurmän; die Büa Gew, deren Distrikt eine hohe Bergerhebung
mdt Wasser auf der Spitze enthält; die Büa Dokerö; die Büa
Güm; die Büa Ladön; die Büa Tünia; die Büa Kürbul; die
Büa Kullünga oder Kelänga, deren Gebiet 2 Tagereisen von
Kome entfernt ist, mit einem Berg; die Büa Malbön ; die Büa
Bulül, und endlich die Büa Mubb und die Büa Küli, die eine
, Gebirgslandschaft nahe bei den Ueläd Raschid bewohnen.
Die Nyilem, zu denen nach Agid Müssa die Dass&r gehö-
ren, während Andere sie zu den Büa zählen, wohnen hart
an der Nordostseite des Flusses. Jenseit der Dassär kommt
man zu den Kölum, den Nyü und in geringer Entfernung
nach Furä, von Gambai bewohnt.
k) Strasse von Mäseha nach Eenga Matdia.
Istor Tag: Nairomä, der oben genannte Marktort.
2t«r Tag: Mille, Ort mit Sonntagsmarkt.
3ter Tag : Kirssua, ansehnliche Ortschaft an einem kleinen Ge-
wässer oder vielmehr einem Wiesensal auf Thonboden
— „ssel" oder „mssel" — , das im Charif nach Barkadana,
Sidigiä, Bulülu und dem ansehnlichen, von einem eigenen
Herrn regierten Gämmara abzieht. (Ob identisch mit dem
Mssel von Debbäba?)
4ter Tag: Hlrla, Ortschaft eines mit den Bägrimma eng ver-
wandten Stammes.
5ter Tag: Beddnga, ansehnhche Gebirgsortschaft eines Stam-
mes der Ssokorö, mit mächtigem Herrn, welche aber
560 Anhang IX.
äusserlich zum Isslam bekehrt sind. Die Bewolmer klei-
den sich und tragen keinen entstellenden Gesichtsschmuck,
sondern die Frauen nur die so allgemein verbreitete Na-
senperle und Perlen im Ohr. Die Waddi'schen Djellaba
bringen auch hierher ihre Waaren. Sie haben nicht Bo-
gen und Pfeil, sondern nur Lanze und Handeisen. Das
Wasser dieser Gebirgsgegend soll nach den Angaben Mo-
hammed Büme's, der sich hier viele Jahre aufgehalten hat,
durch das Gebiet der Ueläd Raschid in den Nil fliessen,
aber es ist sehr zweifelhaft.
[Von Bedänga nach A'bü Telfän sind 3 Tagemärsche in
ostnordöstlicher Richtung. Man geht über B&mmanS und
Miggedi.]
6ter Tag: Kenga Mat&ia, die Hauptort«chaft eines mit den
Baghirmi eng verwandten Stammes, dessen Sultan sehr
mächtig ist und über ein ansehnliches Gebiet herrscht, zu
welchem Djou, Gal und Ddmbar gehören. Das Hauptpro-
dukt dieser Landschaft ist Sesam. Mein neuer Referent, der
eben erwähnte Mohammed Büme, bestätigte mir vollkom-
men Alles, was mir Agid Bürku früher über den sonder-
baren Kultus dieser Heiden mitgetheilt hatte. Nach dem-
selben fliesst das Wasser von Gogomi über Lim, Gal,
Bänam und Kenga in die „gisän", die sandige Wildniss
im Süden des Fittri, ab. Kenga ist nach demselben von
Yäö 4 Tagereisen in südlicher Richtung entfernt. Der Weg
führt über Ngar-ssära, die Oilschaft eines mächtigen Herrn,
die etwa 2 Tagereisen von beiden Orten und ebenso weit
von Middogö ist. Nach dem Buläla Ibralüm erreicht man
Kenga in 3 (starken) Tagereisen von Yäö über Garia,
Morbö und BüUum. Übrigens ist der Mai'sch von Bedanga
nach Kenga ein langer und unsicherer, den man in etwa 16
Stunden meist zur Nachtzeit zurücklegt, indem man Abends
aufbricht und am nächsten Tage mit Eintritt der Hitze
Kenga erreicht.
Strassen im Inneren Baghirmi^s. 561
k) Strasse von Mäsefia über Lairi nacli Bu-ssö.
Ister Tag : Gögo. Man macht während der Mittagshitze Halt
in Mala.
2ter Tag: Ngög.
3ter Tag: Duing.
4ter Tag: Müro. Lauter kurze Märsche.
oteF- Tag : Lairi, grosser Baghirmi- Ort östlich (südöstlich) von
Kirssua und an demselben Wassersal, 1 guten Tagemarsch
von Togilä entfernt, von wo Attar 2 Tagereisen entfernt
ist, indem man am Bätschikdm schläft.
6ter Tag: Gapkong. Kurzer Marsch.
7ter Tag: Bu-ssö, nachdem man etwa auf der Hälfte des
Weges den Bdtscliikam überschritten hat.
1) Strassen von Mäsena über Kolle nach Lairi und von KoUe
nach Moitö.
Strasse von Mäsena nach Lairi.
Istor Tag: Sseta. Man passirt Bidderi, Mandeln, Dabinen
und Gadäu auf dem Wege.
2terTag: A'mdjeri, nachdem man Mabbela, DeiTedjä, Melede,
Bindebiö und Tauyin passirt hat.
3ter Tag: Kolle, ansehnlicher Baghirmi-Ort, 1 Tagereise von
Kirssua entfernt, von wo ein Wiesen wasser — „ssel" —
über DoldegT und Für zieht.
4tcr Tag: Lairi. Starker Marsch.
Strasse von Kolle nach Moitö über Debäba.
Ister Tag: Kirssua Djibilgi, an einem Wassersal; mit beson-
derem Häuptling.
2ter Tag: Hirla, Bergort.
3ter Tag: Djokko, Ortschaft der Küka.
4ter Tag: Debäba, grosse, in mehreren Weilem auseinander-
liegende Ortschaft der Schüa, mit reichen Weideplätzen
und Wassersalen. Debäba ist 2 Tagereisen von Baläu
entfernt, indem man in Kö-ssi, einem Kanöri-Orte, schläft
I
562 Anhang IX.
und zwischen Kö-ssi und Baläu ein anderes Ssel über-
schreitet.
5ter Tag: Moitö. Guter Marsch.
m) Strasse von L&ffanä nach Bang-Bai. Schneller Marsch,
wie er auf Heereszügen üblich ist Richtung: bis Lai südlich.
Ister Tag: A'Uöa, von Heiden bewohnte Ortschaft, in Abhän-
gigkeit von Baghirmi. Man passirt am Morgen den Schäri
oder vielmehr Bä-Bu-ssö, wie er hier genannt wird.
2ter Tag: Gürgarä, grosse Ortschaft einer ansehnlichen Völ-
kerschaft, von wo alles in Baghfrmi verbrauchte Eisen
kommt.
3ter Tag: Tschäken, grosse Ortschaft mit besonderem Häupt-
ling. Ankunft Mittags.
4ter Tag: Djogdö, grosser Ort, theilweise mit Thonwohnun-
gen, zu dem grossen Reiche GäbberT gehörig.
5ter Tag: Lödji, Ortschaft mit besonderem Herrn, Namens
Krki, dem Sohne Belät's.
6ter Tag: Gunn, Ort am Bd-Gunn, wie hier der Fluss von L6-
gone genannt wird. Fast jede Ortschaft hat ihre beson-
dere Ertäna. Das Land bringt Sorghum^ Fül, Erdmandeln
— „koltsche" — und Melonen hervor.
7ter Tag: Lai, an derselben Seite des Ba-Gunn, Sitz Ssügu-
lum's, des Sohnes Nöba's. Der Fluss ist reich an Fi-
schen und voll von Booten. Südlich von Lai scheint sich
nach dem Berichterstatter ein aus dem Felläta- Gebiet
(von Büban-djidda) kommender Arm mit dem Flusse zu
vereinigen. Übrigens ist mein Referent der Ansicht, dass
der Fluss von Logone und der Fluss von Dai, Miltü, Bu-
ssö und A'-ssu nur Arme eines und desselben Stromes seien,
der sich oberhalb Dai theilt.
gter Tag: Mül, nachdem man bei Lai den Fluss überschrit-
ten und sich nun mit etwas südlicher Abweichung west-
lich gewandt hat.
Strassen im Inneren Baghirmrs. 563
gter Tag: Koio, Ortschaft mit besonderem Herrn. Das Erd-
reich ist trockener Thon.
lOter Tag: Kiagör, mit besonderem Herrn; nahe. — Etwa
6 Stunden von Kiagör, östlich mit etwas nördlicher Ab-
weichung, liegt Bari, in gebirgiger Landschaft.
llter Tag: Nong, eine andere zu Baghirmi gehörige Ortschaft.
12ter Tag : Dögo, die letzte Ortschaft von Baghirmi, bis wohin
der Kriegszug vordrang. Das ganze Land producirt Honig in
Masse, ist reich an Ziegen und Schaafen, hat aber durch-
aus keine Kühe. Duchn (Pennisetum typhoideum) ist die
Hauptnahrung; von den Bäumen sind der Butterbaum („tä-
bur") und die Delebpalme die ausgezeichnetsten. Das Erd-
reich ist dunkelroth (Lehmboden). Von Dögo nach Büban-
djidda sind es nach diesem Referenten 2 Tagemärsche.
n) Strassen von Mabbele nach Lai und Ssälin, und von Tschä-
Tschaken nach Kim.
Nach Agid Müssa.
Strasse von Mabbele nach Lai.
Ister Tag : Gürgarä. Weiter Marsch, bis 'Asser.
2t«i^ Tag: Tschäken, ansehnliche Ortschaft mit eigenem
Häuptling, als Knotenpunkt verschiedener Strassen wich-
tig, indem südlich die Strasse nach Lai, südwestlich die
nach Kim und westsüdwestlich die nach Dam abgeht.
3ter Tag: Djogdö, bedeutender Ort. Nahe.
4ter Tag: Tscholol, 4 Stunden östlich von Gunn entfernter Ort.
5ter Tag: Nyinga. Nahe.
6ter Tag: Lai, grosse Ortschaft an der Ostseite des Flusses von
Logone.
[Geht man von Lai, nachdem man den Fluss passirt
hat, westsüdwestlich, so erreicht man in 10 — 12 Meilen
Nung-Tschire *) und dann Tschüa (mit besonderem Herrn),
Mälo, Dükko und Baibotö.]
*) Mung-chir^ im Englischen Texte ist ein Bruckfohlcr.
36 •
564 Anhang IX.
Strasse von Tschäken nach Kim.
Ister Tag: Gunögunö. Etwa 20 Meilen.
2ter Tag: Kim, grosse Ortschaft am Flusse von Logone.
Kim ist 3 Tagemärsche von Demmo in Wülia, dem ent-
ferntesten Pmikte, den wir auf unserem Mussgu- Heeres-
zuge erreichten, entfernt, so dass diese Verbindungsstrasse
von der höchsten Wichtigkeit für die Niederlegung aller
jener Gegenden ist:
Ister Tag: Djimän, am Flusse. Ungefähr 10 Meilen.
2ter Tag: Kar. 20 Meilen.
3ter Tag: Demmo.
Kim ist von Lai 2 gute Tagemärsche in südsüdöstlicher
Richtung entfernt. Man schläft in Bissme am Flusse.
Von Kim aus sieht man bei der fast baumlosen Beschaffen-
heit dieser Landschaft mit trockenem Thonboden die Bäume
von £re, einer an der Westseite des Flusses in nordwest-
licher Richtung gelegenen Ortschaft. Dieser Ort wurde
wahrscheinlich von seiner Lage an einem Einschiffungsplatz
oder einer Fürth so benannt, indem „dre" in der Mussgu-
Sprache „Fluss" bedeutet. Marraba, die grosse Ortschaft
des Mögom, liegt 10 — 12 Meilen von Kim, auf der anderen
Seite des Flusses und in einiger Entfernung von demselben.
Strasse von Lai nach Ssälin. Richtung östlich, mit etwas
nördlicher Abweichung.
Ister Tag: Tschlre, grosse Ortschaft des Sultans Kassardk,
neben dem es hier noch zwei andere Herren gibt, mit be-
sonderer Ertäna. Tschlre zeichnet sich durch eine ausge-
dehnte Pflanzung fruchttragender Dattelpalmen
aus, die bewässert und gut gepflegt wird. In Tschire
gibt es weder Esel, noch Katzen ; Pferde werden von Ba-
ghirmi eingefühi't. Starker Marsch von 25 Meilen.
2t*?r Tag: Massrö. Etwa 30 Meilen.
3ter Tag: Ssälin, Sultansresidenz und hauptsächlicher Markt
von Dam.
Strassen im Inneren Baghfrmi^s.
565
Von Ssälin nach Dämmuk, der Hauptstadt von Ssomrai,
ist es 1 Tagereise in südöstlicher Richtung.
Strasse von Mäseüa nach Ssälin.
Ister Tag: Mogal. ,
2ter Tag
3ter Tag
4ter Tag
5ter Tag
6ter Tag
7ter Tag
8ter Tag
Djeldjelli, Kanöri-Ort.
Beda-kürtschi.
Bu-ssö.
Tündjurkü, Kerdi-Ort.
Gürgarä.
Limmi.
Ssälin, Hauptortschaft von Dam oder, wie das
Land vielleicht richtiger genannt wird, Ndam.
o) Strasse von Mäsena nach Bäng-Bai.
Xach Agid Biirku.
Ister Tag: Kagä.
2ter Tag: Garäm.
3ter Tag: Mabbele.
4ter Tag: Gürgarä oder vielmehr eine der drei Dorfschaften,
aus denen dieser Distrikt besteht, während das südliche Dorf
nach Tschäken, das westliche nach Tschedjiräki hin liegt.
5ter Tag: Mätele.
6ter Tag: Kim, grosse Ortschaft, wo ein Kaschella (Fluss-
aufseher) des Sultans von Baghirmi residirt.
7ter Tag: Marrabä. Ankmift um *Asser (wohl bei schwerer
Passage des Flusses).
8ter Tag: Domanä. Ganze Tagereise.
9ter Tag: Bissai. Ankunft um Mitüig.
lOter Tag: Bai Kuri.
llter Tag: Bai Toi, eine der vier grossen Herrschaften.
12ter Tag: Köman.
13ter Tag: Kaktia.
14tor Tag : Müdumbim, eine der vier grössten Ortschaften oder
Herrschaften von B£ng-Bai.
&66 Anhang IX.
15ter Tag: Keni, ebenfalls eine der vier Herrschaften.
16ter Tag: Debdjogeme.
17ter Tag: GombaL
18ter Tag: Tdpolö, die Herrschaft des mächtigsten Fürsten
in Bäng-Bai.
igter Tag: Mdssentä.
p) Strasse von Bu-ss5 nach Bäng-Dai. Schneller Marsch,
Heereszug.
Ister Tag: Täbe, grosse Ortschaft an der Südseite des Flus-
ses, den man am Morgen überschreitet
2*er Tag: Kiär, kleinere Ortschaft, entfernt vom Flusse.
3ter Tag: Miltü, grosse, weit ausgedehnte Ortschaft nahe an
der Südwestseite des Flusses.
4ter Tag
5ter Tag
6ter Tag
7ter Tag
Bald, entfernt vom Flusse.
Scheggi,
Mül, grosse Ortschaft.
Ssarä-Gule, Residenz des Sultans Koina, Sohnes des
berühmten Gossdegä, nach dem gewöhnlich Ort und Land
benannt werden. Die Bewohner trinken nur aus Brunnen.
gter Tag: Digti, hat einen eigenen Herrn.
gter Tag: Gär-Kümra oder Ssarä-n-Gär-Kümra, eine andere
Herrschaft mit mächtigem Oberhaupt.
lOter Tag: Bdng-Dai, andere Herrschaft an einem ansehn-
lichen Fluss, den mein Referent — derselbe, dessen An-
gaben der Route m) zu Grunde liegen — den Fluss der
Fellän oder Fulbe nennt. Dai und Fong sind die bedeu-
tendsten Herrschaften in Ssarä.
q) Strassen von Miltü nach Dai und von Lai nach DaL
Nach Agid MQssa.
Strasse von Miltü nach Dai. Richtung südlich.
Ister Tag: Mül, grosser Ort. Starker Marsch, bis Sonnenunter-
gang (etwa 35 Meilen).
Strassen im Inneren Baghirmi's. 567
2ter Tag : Ssarä-Gossdegä. Etwa 25 Meilen Wegs südlich mit
etwas östlicher Abweichung.
3ter Tag : Kumra. Ankunft um "Asser. 30 Meilen in südlicher
Richtung.
4ter Tag: Dai, grosse Ortschaft in dicht bewohnter Landschaft
am oberen Schäri, der hier von Süden nach Norden fliesst,
aber sich bei Miltü nach Nordwesten wendet. 25 Meilen
in südsüdöstlicher Richtung.
Strasse von Lai nach Dai.
Ister Tag: Bai Fir, besondere Herrschaft am Fluss von L6-
gone.
2ter Tag: Bai Kagä, eine andere zu Bai gehörige, fem vom
Flusse gelegene Herrschaft, von Waldung umgeben ; nahe
bei Massrö.
3ter Tag: Dai, nachdem man den Fluss — den Schari —
überschritten. Dai liegt nach der ausdrücklichen Angabe
eines anderen Berichterstatters an der westlichen Seite
des Flusses, ganz so, wie Kamak Logone am Flusse liegt.
r) Strassen von Mäbbele nach Fong und von Fong nach Bu-ssö.
Nach Hadj Ssadik.
Strasse von Mdbbele nach Fong.
Istcr Tag: Gürgarä, von Heiden bewohnte Ortschaft jenseits
des Flusses. Weit.
2tor Tag: Ssotto, von Heiden bewohnte Ortschaft.
3ter Tag: Garn, andere Ortschaft. Das Land producirt Sor-
ghunij Bohnen, Duchn und viele Delebpalmen, auch Bdua,
eine Art süsser Melonen (Cucurbita melopepo),
4ter Tag : Djogtö, grosser, zu Ssomrai gehöriger Ort, 1 Tage-
reise von Kim entfernt.
5ter Tag: Tscholol, Herrschaft des Sultans Kiki.
6ter Tag : Pam, grosse Ortschaft. Ausser Schaafen gibt es hier
noch Rinder.
7ter Tag: Mlddigi.
J
&6B Anhang IX.
8tor Tag: Ledanga. Alles in ebener Landschaft.
Ijter Tag : Tschlre, die oben erwähnte Ortschaft mit dem Pal-
monhain.
lOter Tag; Bröto.
lltor Tag: Mürki, ansehnliche Ortschaft mit grossen, „rüin"
geuaimten Bäumen.
12ter Tag: Dam Passar.
13tor Tag: Fong oder Dam Fong, ansehnliche, nach ihrem
Herrn — „kenüss Fong" -^ so benannte Herrschaft. Fong
liegt etwa 30 Meilen südwestlich von Gossdegä und von
Tschire. Von Lai ist es l^ Tagereisen entfernt, indem
man den Fluss überschreitet.
Strasse von Fong zurück nach Bu-ssö.
Ister Tag: Tümmak, an einem kleinen Wassersal.
2tcr Tag: Mül, grosse Ortschaft. Nahe östlich von hier liegt
Fälik.
3ter Tau: Ssok.
4tür Tag: Ur. Lauter besondere Ortschaften und Herrschaf-
ten mit eigener Ertäua oder wenigstens Dialekten.
b^^r Tag: Godak.
i\icT Tag: Betang Godak. Gadang, ehi grosser Ort. ist von
hier 1 Tagereise östhch entfernt und kann in einem gut<?n
Tagemai*sch von Bu-ssö aus erreicht werden.
Iwt Tag: Gonda.
Sior Tag: Bu-ssö,
>) Orte von Btltschikdm abwärts und Strasse von Mäsena
nach Müssgu.
Orte von Batschikam abwärts.
Ssigir; Mädjir; Bakiil: Mdnga: Tarngölo; Bukäbe; Matia.
früher bedeutender i^il und Sitz einer besondei'en Herrschaft»
mit givssem Markt am Sonnabend; Mdnlja; von hier entwe-
der, indem man sich diesseits des Flusses hält, nach Bäla
Mä^s;^ oder, indem man ihn übei>chreitt*t. nach Mission, beide
Strassen im Inneren Bagbirmrs. 560
Orte am grossen Flusse — Schäri — gelegen, mit dem
sich der Bdtscbikäm bei Mebi wieder vereinigt.
Kokorotsche, der Ort, der nächst Bügomän die meiste
Saat nach der Hauptstadt liefert, liegt 1 Stunde nördlich
vom Bätschikäm; der Weg von hier nach Bäla Mässa
führt über Bekeri und Heia.
Strasse von Mäsena nach Müssgu.
Ister Tag : Bekäbe oder Bukäbe. ansehnlicher Ort mit Erdwall,
am Bdtscbikäm.
2ter Tag: Mdtia.
3tcr Tag: Manchfa, ansehnliche Stadt an der Ostseite des
Schäri. Man überschreitet am Morgen den Bdtschikära.
4ter Tag: Müssgu, Kerdi-Stadt am Flusse von Lögone. Man
überschreitet am Morgen den Schäri. Weiter Marsch. —
Gebt man langsam und hält sich am Fluss entlang, so
. schläft man die Iste Nacht in 0 nokö, die 2t© in Bäingane
und erreicht erst am 3^^^ Morgen Müssgu.
Von Müssgu nach Gunna, einer grossen Kerdi-Ortschaft
der Mässa, ist es nicht über 1 Tagemarsch.
t) Strasse von Mäsena nach Bang- Bai. Richtung gewunden.
Nach Agid Bürku.
(VerÖfifentUcht im Journal of the B, O, S. 1852 , jetzt aber berichtigt.)
Ister Tag: fr, am Flusse Bä-IV, der nach Osten (Westen?)
fliesst. Ankunft am Morgen.
2ter Tag : Bätschikdm, Baghf rmi-Ortschaft an der Südseite des-
selben Flusses oder vielmehr eines Arms des Schäri. Nahe.
3ter Tag: Garäm. Ankunft gegen Anfang der Hitze, worauf
der Referent um Dhohor wieder aufbrach und in der Ka-
räga schlief.
4tcr Tag: Laffanä, an einem grossen, nach Osten (Nord-
westen?) fliessenden Flusse, dem Schäri.
5ter Tag: Auf dem Sandufer des Flusses, der in einem gros-
sen Boote überschritten wuide.
570 Anhang DL
6ter Tag: Ba-880, Ortschaft mit mächtigem Henn, am Nord-
ufer des Flusses, den der Referent wieder zurüclqiassirte.
7ter Tag: Mirti, eine Insel im Schäri mit fielen Booten; das
Wasser ist jedoch wegen der vielen Sjt)kodile gefahr-
lich.
8ter Tag: Haldnga, eine Ortschaft am Nordufer des Schari,
die mit Bu-ssö einen Herrn gemeinsam hat
9tcr Tag : Tabe, grosse Stadt am Südufer des Flusses mit ge-
mischter Bevölkerung.
lOtcr Tag: Gadäng, Kerdi-Ortsdiaft weit vom Flusse. An-
kunft um Dhohor.
lltcr Tag: Kiär, eine aus kleinen Weilern bestehende Dorf-
schaft, abseits vom Flusse gelegen.
12ter Tag: [Miltü], grosser Ort mit vielen Pferden, damals
(1850) dem mächtigen Herrn Ali Fendjär gehörig, der
bald darauf hochverelirt in der Hauptstadt von Baghirmi
starb.
IS^«" Tag: Ortschaft des Bang -Dam, der von allen Leuten
allein Kleidung trägt. Das Land umher ist voll kleiner
Weiler mit viel Baumwuchs auf Sandboden. Die Elin-
wohner essen Pferdefleisch.
14tcr Tag: l'ssemrai oder Ssomrai, grosser Distrikt des Sul-
tans („bang'') Wondja, dessen Boden aus Thon besteht,
Ankunft früh am Morgen.
15ter Tag: Eine andere Ortschaft von Tssemrai mit einem
besonderen Herrn Namens Bürsso. Die Bewohner des
ganzen Landes trinken nur aus Brunnen von 2 — 3 Klaf-
tern Tiefe und essen hauptsächlich rothes Sorghum. Der
Boden besteht aus Thon; die Felder werden von einigen
grossen Bäumen beschattet.
I6t«r Tag: Fätschang Göngaue, Herrschaft eines grossen Sul-
tans, dessen Land dicht bewohnt und voll Wasserfurchen
— „ssel" oder „ngaldjam" — ist, die jedoch nur zur Re-
genzeit, wo das Land unpassirbar ist, Wasser haben.
Strassen im Inneren Baghlrmrs. 571
17ter Tag: G&bberi oder vielmehr eine grosse Ortschaft
(Djogtö?) im Gebiete von Gabberi, die man am Abend
erreicht, nachdem man um Mittag geruht hat. Die Ein-
wohner haben als Waffe nur das Handeisen, das sie in
ihrer Sprache „djigadji" nennen. Sie besitzen viele Pferde
und viel Rindvieh, sollen aber dennoch, wie die Bewohner
des ganzen Landes des Bdng-Wondja, nur Hundefleisch
essen. Ausserdem schlachten sie unter einer grossen
Sykomore — „djimes" — Hunde, Schaafe und Hühner
zu Ehren ihrer Gottheit und begleiten diese Handlung
mit einer lauten, auf Rindshäuten erzeugten Musik. Sie
rauben und bekriegen sich gegenseitig.
18ter Tag: Korinina, grosse Ortschaft des Sultans Koina (eines
Sohnes Gossdegä's), im Inneren von einem Ei^wall, dann
von einer weiteren Holzumfassung und nach aussen hin
von Gräben und Bäumen umgeben. Rings um den so
befestigten Hauptort liegen viele kleine Weiler umher.
Die Einwohner tragen nur einen Lederguii; um die Hüften
und beschneiden sich nicht. Sie haben viel Bohnen.
19ter Tag: Eine grosse, dem Sultan Gossdegä gehörige Ort-
schaft des Gebietes Ssarä, deren Bewohner viel Duchn,
Sorghum und Bohnen bauen und einen nützlichen Baum,
den Täbur, pflanzen. Letzterer trägt Früchte wie Datteln,
hat eine grosse Krone, aber kleine Blätter, und sein Mark,
das weiss wie fett ist, bildet die Butter und das Öl der
Einwohner. (Denselben Baum fand ich später am Niger.)
208ter Tag: Ssarä-ngär-Kümra, eine Ortschaft mit stehendem
Wasser, irrthümlich als dem Sultan Gossdegä gehörig
angegeben.
2l8ter Tag: Ssarä -be-Dai, Ortschaft des Sultans Ssdria (der
viele Pferde besitzt), am oberen Schäri. Ganzer Tage-
marsch mit Ausruhen.
228tcr Tag: Yäldang (oder Nyeldang), Stamm und Ortschaft
der grossen Völkerschaft der Büa, die im südlichen Theile
572 Anhang IX.
ihrer Landschaft einen hohen Berg bat, wohin sie sich
zur Kriegszeit flüchtet.
23«ter Tag: Gamkül, Ortschaft einer anderen Abtheilung der
Büa. Der Boden besteht aus Sand mit Felsaufsprüngen,
die mit Bäumen bekleidet sind, und ist von kleinen Rinn-
salen durchschnitten. Giraffen, Löwen, Elephanten und
Schweine hausen in dieser Gegend; die letzteren bilden
die Hauptnahning der Bewohner.
248tcr Tag : Dan Madobö (oder Middobö), jenseits eines Berg-
zuges gelegen, den man überschreitet, und dem Sultan
Gare gehörig. Das Land trägt Kotton, Duchn und Sor-
yhum.
258ter Tag: Dan Bebe, Ortschaft des Sultans („gär") Godä.
Das Land, welches zur Regenzeit von Wasserströmen
durchzogen wird, bringt Kotton und Sorghum hervor.
268ter Tag: Korne, in gebirgiger Landschaft gelegen. Die
Leute wohnen jedoch miten am Fusse der Berghöhen und
steigen nur zur Zeit der Feldarbeit hinauf, weil ilire
Saat auf den Berghöhen wächst; sie haben nur Brunnen.
Kurzer Marsch.
278tcr Tag: Komare, in einer gebirgigen Landschaft, welche
Kotton producirt. Die Einwolmer tragen nur einen Leil>-
gurt und verehren einen Felsen als ihren Gott; jedoch
soll es auch einige Moslemin unter ihnen geben.
2!S»tcr Tag : Andi, Ortschaft der Ssodjigä, die ihre Pferde wie
si(!h selbst bekleiden sollen. Die Landschaft ist gebirgig.
Voller Tagemarsch.
Andi ist von Gogomi 2 Tagemärsche entfernt (man geht
über Djili) und liegt 30 Meilen nördlich von Gamkül.
29ster Tag: Burdä, grosse Ortschaft der Gännanga oder viel-
mehr Mdnga mit einem tiefen, fischreichen See (ob iden-
tisch mit dem See Bissä, den man zwischen Gogomi und
Andi passirtV).
30ster Tag : Tamki, Ortschaft der Ssokorö, die mit Lanze und
Strassen im Inneren Baghirmi's. 573
Bogen bewafifnet sind und sich, die Weiber ausgenommen,
kleiden. Sie sollen gekochte Eidechsen essen, haben aber
auch Sorghum, Ihre Landschaft ist gebirgig.
3 Ister Tag: Goberä, ein Kerdi-Ort in gebirgiger, baumreicher
Landschaft.
328ter Tag: Bäng-Bai, eine an der Südseite eines ansehnlichen,
fischreichen, ostwärts fliessenden Stromes gelegene grosse
Stadt; sie steht unter dem Häuptling Ssarä Gulä. (Alle
diese Angaben sind vollkommen richtig; aber dieses Bdng-
Bai ist gänzlich verschieden von dem Gebiete Bai am Flusse
von Logone. Der Fluss ist nach Ramadhän identisch mit
dem Bahhr Raschid, der nach ihm von hier über Tamkl,
Audi, Nyeldang und Gamkür zieht und sich bei Nilem
mit dem Schäri vereinigt.) Die Einwohner leben wie das
Vieh, haben nur Schleudern und bauen keinen Kotton.
Bdng-Bai ist 4 Tagemärsche von Abu Telfän und 2^
von Middogö entfernt.
u) Strasse von Mäsena nach Rünga und Ssillä. Weg nicht
gerade, sondern mit westlicher Abweichung.
Nach Agid Burku.
Ister Tag: Ginim, eine ansehnliche Ortschaft mit Erdwall und
gi*osser Dschäma aus Thon. Es gibt hier viele Bäume
von der „äriss" genannten Art
2tcr Tag: Am-djerri, ein Ort von mittlerer Grösse mit Holz-
wall, bewohnt von Elephanten- und Löwenjägem. Man
passirt Wald.
3ter Tag: Kirssua (Djibilki [V]), an einem Gewässer gelegen,
das nach Nordnordwest zieht, viele Fische enthält und
von den Anwohnern (zur Regenzeit) in „buchssa", jenen
grossen, schon bei früherer Gelegenheit beschriebenen
Kürbissen, beschifft wird. Waldige Gegend.
4ter Tag: Kirssua Hirla, Ortschaft mit einem mächtigen
Häuptling, um deren südliche Seite sich ein grosses, mit
574 Anhang IX.
Bäumen bewachsenes Gebirge herumzieht Die Einwohner
sind halb Heiden, halb Moslcmm. Starker Marsch.
5ter Tag: Beddnga, eine mit Holzwall umgebene Ortschait,
um die sich im Westen ein Berg herumzieht; nur von Hei-
den bewohnt. Mit grossen Feigenbäumen — „djimes'^ — ^
die für heilig gehalten werden. Der Boden ist nach Nor-
den zu Sand, nach Süden Thon. Die Brunnen sind etwa 5
Klaftern tief. Der „gär'' Bed&nga ist von Baghfrmi abhängig.
6ter Tag: B&mmenä, Heidenort im Gebirge, dessen Bewohner
nur aus Bnmnen trinken. Die Hütten bestehen aus Rohr.
Nahe.
7ter Tag: O'le Mdntandjä, grosser Heidenort Der Obertheil
der Hütten besteht aus Rohr, der Untertheil aus Thon.
Der Referent ruhte um Mittag an einem grossen Berge in
der Ghalla.
8ter Tag : Ssömo, Ortschaft mit Quellen, theils oben auf einem
Berge, theils am Fusse desselben gelegen. Die Einwohner,
insgesammt Heiden, haben Pferde, Kühe und Schaafe, es-
sen Schweinefleisch und bauen, was bemerkenswerth ist,
viel Kotton. „Tetel" (Anttlo2)e oryx) sind zahlreich; da-
neben ein Thier, „wdktotö" genannt, wie eine Katze, aber
ohne Schwanz, vielleicht identisch mit dem früher be-
schriebenen „ssümmoli".
gter Tag: Gellä, Ort mit besonderem Herrn, an einem klei-
nen, nach Süden ziehenden Gewässer, Muggerü genannt,
welches reich an Fischen ist und zur Regenzeit mit
Buchssen beschifft wird.
10t«r Tag: Gär-Ssära oder Ngär-Ssära, grosse Heidenortschaft
mit mächtigem Herrn Namens Maket, an einem stehen-
den, nur zur Regenzeit fliessenden Gewässer — „ssel" — ,
das man mit Buchssen befährt oder auf einem von der einen
nach der anderen Seite gespannten Tau überschreitet
Auf dem Wege ruht man an einer Gruppe von vier Brun-
nen, am Fusse eines Gebirges.
Strassen im Inneren Baghirmi's. 575
llter Tag: Dimbar, grosser Heidenort, blos aus Rohrhütten
bestehend, dessen Herr Gär-Dogö heisst. Meines Referen-
ten Geburtsort.
12ter Tag: Bänam, grosser Ort, -in dessen Nähe sich ein ho-
her Berg erhebt, der „tot Schfmme". Das Land bringt
Duchn, Sesam, Sorghum und viel Kotton hervor. Die Feld-
arbeit wird nicht, wie gewöhnlich im Sudan, von den Wei-
bern verrichtet, sondern von den Männern, indem die er-
steren die Oberhand besitzen.
13ter Tag: Gorgor, Ortschaft mit kleinem Gewässer, nur dem
Namen nach zu Baghlrmi gehörig, in gebirgiger Landschaft
mit vielem rothen und blauen Gestein. Die Höhen steil
aufspringend. Die Einwohner haben Lanze und Schwert
(höchst beachtenswerth), nur Wenige Bogen.
14ter Tag: Lete, in gebirgiger Landschaft. Ganz nahe.
15ter Tag: Bubü, mittelmässiger Ort. Ganz nahe.
leter Tag: Tscheiemi, grosser Ort.
17ter Tag: Kenga Matiia, grosse Ortschaft mit mächtigem
Sultan, bei einem östlich vom Orte sich von Norden nach
Süden hinziehenden Wassersal. Nahe bei Kenga steigt
eine steile Gebirgswand aus buntem Gestein auf, so bunt
wie ein Teppich und dicht bevölkert mit Vögeln, daher
„Vater der Vögel" oder „Vogelfels" genannt. An ihrem Fusse
halten die Bewohner zur Sommerszeit bei ihrem Tempel
ein grosses Fest ab. Der Tempel besteht aus einer geräu-
migen Hütte, über deren Kopfspitze ein Gefäss schwebt, das
aufsteigen soll, wenn Feinde kommen, und wieder herab-
steigen, wenn sie weg sind. Sie schlachten hier Hühner
und Hammel, bringen Sorghum und Lupinen mit und säen
sie, worauf noch am selbigen Tage Alles reifen soll, so
dass sie die Frucht schneiden, kochen und essen. Sie
stellen dann zwei Frauen auf einen hölzernen Mörser
— „kdrru" oder „fimduk" — zu jeder Seite der Hütte,
kleiden sie prächtig, worauf sie sich in Pferde verwandeln
576 Anlumg IX.
und den Kdmi prügeln, der selbst wie ein Pferd auf-
springt.
Diese fabelhaften Angaben, sie mögen nun auf was im-
mer für einem Betrug beruhen, wurden mir ganz unabhän-
gig auch von anderen höchst glaubwürdigen Referenten
eraählt. Das über der Hütte schwebende Gefäss soll ihre
Gottheit vorstellen.
Nach dem erfahrenen Ramadhän Degedji liegen zwi-
sch(4i Kenga und Belel-Kole folgende Bergortschafiten in
kui-zen Etappen von einander: Ger (Gere, siehe weiter un-
ten), grosse Bergortschaft mit vielen Bewohnern; Ssära,
dem Sultan Moche gehörig; Bedänga; Bämmenä; Badjäu
und Mere (Bergortschaft an dem nach Audi ziehenden
Wasser); dann Djennä, Kedil, Kotkol und Belel-Kole.
IS^c^ Tag: SsȊr, grosser Ort auf und am Fusse eines grossen
Berges, auf dem der mit einer Erdmauer umgebene Pa-
last des Sultans steht, der am „äid el kebir" die ihm un-
tergebenen kleineren Herren, die ilmi Geschenke bringen,
traktirt, wozu er eine Menge Rinder schlachtet.
I9tcr Tag: Doi, grosser Ort mit besonderem Herrn. Nahe.
2Ü8ter Tag: Dangal, ()i*tschaft oben auf einem Berge, in ge-
birgiger Landschaft.
2l8ter Tag: Banal, grosse Ortschaft am Fuss eines steil auf-
steigenden Gebirges, mit zahlreicher Reiterei. Der Berg
oder Gebirgszug, ,.Gcre" genannt, soll sich über 30 Tage-
reisen lang hinziehen und auf seinen, von Thälern, in de-
nen sich zur Regenzeit Wassersale bilden, und von fisch-
reichen Bergsee'n unterbrochenen, Ilölien zahlreiche Dorf-
schaften enthalten, deren Bewohner sich kleiden und reiche
Heerden besitzen. Aber zuweilen soll es hier oben sehr
kalt sein und Schnee oder wohl Hagel fallen. Dieses ganze
Land steht unter der Oberholieit von Kenga.
228tor Tag : Ion, grosse Ortschaft aan Fusse des Berges unter-
halb Kenga. «i ,
Strassen im Inneren Baghirmrs. 577
238ter Tag : Tamki (s. oben), grosse Ortschaft mit dem Sultan
Bischära Milkete. Tamki ist geraden Weges von Kenga
nur 1 Tagereise südwestlich entfernt.
24«ter Tag: Göber, Ort auf einer Bergerhebung von rothem
Gestein, dessen Bewohner, mit Bogen und Pfeilen bewaff-
net, sehr furchtbar sind. Die Landschaft ist mit mehre-
ren Rinnsalen versehen.
258ter Tag: Djaifi, (iruppe mehrerer Dörfer oben auf dem
Berge.
268ter Tag: Minedogö.
278ter Tag : Mlddogö, Bergortschaft oder vielmehr Distrikt mit
gegen 40 Weilern, um eine vereinzelte Bergerhebung her-
umliegend, mit einem Herrn Namens A'bü Choddr. Die
Einwohner Hüchteten sich bei dem Einfalle der Wdddi's
im Jahre 1852 auf den Berg, wo sie sich 7 Monate lang
hielten, bis das Heer Wdddi's abzog.
288ter Tag : Drongolö, Dorf der A'fanin, einer Abtheilung des
Stammes der Küka oder vielmehr eines einheimischen, den
Letzteren unterworfenen Stammes, am Thale des Bat-ha,
mit stehenden Wasserpfuhlen.
298ter Tag: Kündjur, Ortschaft der Küka.
SQstcr Tag: A'm-Chariiba, Distrikt mit vielen kleinen Dorf-
schaften am Bat-hä, dessen Ufer h^r mit zahlreichen Düm-
palmen (DelebpalmeuV) besetzt sein soll. Ganz nahe.
3l8ter Tag: * Kornai, grosse Ortschaft der Küka, ganz aus
Rolu'hütten bestehend. Das Hauptprodukt ist Duchn.
32ster Tag: Birket Fdtima, grosses stehendes Wasser am
nördlichen Ufer des Bat-hä, von wo aus man eine grosse
Ortschaft sieht.
338ter Tag (der Referent wendet sich jetzt südlich): Ansehn-
liche Ortschaft der Massmadje, Araber mit Heerden, am
Fusse des Gebirges, auf dessen Gipfel Heiden wohnen.
Die Landschaft ist reich an grossen Bäumen.
348ter Tag : Ansehnliches ' ^orf der Dadjö. In der Challa wan-
Uarth't Roben. UI. 37
I
578 Anhang IX.
dert eine grosse Menge Fellän oder Fulbe mit ihren Heer-
den umher.
358ter Tag: Korbe (V), grosse Ortschaft oder viehnehr Distrikt
der Mässalät (die der Referent fälschlich für Araber hält)
an einem Gewässer Namens Berekat, mit zahlreichen Heer-
den, aber höchst diebischen Einwohnern. Nördlich von den
Wohnungen der Mässalät ist nach dem Referenten kein
eigentliches Gewässer.
368ter Tag : Weiler der *Arab Ssälamät , gemischt mit Heiden
und selbst halb Heiden, am Bahhr e' Tini, einem still-
stehenden Gewässer.
378ter Tag: Distrikt der Ueläd Raschid.
SSster Tag: Grosse Ortschaft der Bdndalä, wo viel Honig
producirt wird.
398ter Tag : Dar-Sseli, grosser Distrikt, ganz eben, mit grossen
Bäumen.
408terTag: Ssofdlauen, kleiner Ort, von Arabern bewohnt, die
der Referent für Heiden erklärt, mit 'Abd e' Rahmän
Djöko als Häuptling an ihrer Spitze.
4l8ter Tag: Grosser Ort des Herrn von Rünga. Das Land ist
von vielen Bergen unterbrochen.
42«ter Tag: Dar-Schila, gebirgiges Land mit einem nach Ost
fliessenden Fluss, jopseits dessen Dar-Dinga liegt.
v) Strasse von Kükaua über Lögoue und Bu-ssö nach
Bang-Bai.
Nach den Angaben von Sklavenhändlern.
Ister Tag: Ngomu.
2ter Tag: Ngäla.
3ter Tag: A'fade.
4tcr Tag: Kala Kabe.
5ter Tag: Hdllebü.
6ter Tag: Kala Guril.
7ter Tag: Kdrnak Logone oder Logon bimi.
Strassen im Inneren Baghfrmrs. 579
Ster Tag: Kübu ngölo, grosse umwallte Stadt.
9ter Tag: Bügomäu, grosse Stadt unter dem Sultan Massen,
an der Westseite des Schäri.
lOter Tag : Mayemba oder Manchfa, an der anderen oder Ost-
seite des zwischen diesen beiden Städten fliessenden gros-
sen Flusses.
llter Tag: Müssgu, zei'streute Weiler in einer Landschaft mit
einzelnen Höhen. Man hält sich immer am Wasser ent-
lang.
12ter Tag: Baien ere.
13ter Tag: Mondö.
14ter Tag: Murö.
15ter Tag: Gurumbdnga.
16ter Tag: Gadö.
17ter Tag: Kokotschö.
18ter Tag: Mafele, immer am Fluss entlang gehend.
19ter Tag: Laflfanä.
208ter Tag: Bu-ssö, grosser Ort unter einem bedeutenden
Häuptling.
2l8ter Tag: Mirti, Ort auf einer Insel im Schäri.
228ter Tag: Birrl. Alles am Flusse.
238tcr Tag: Mongolä, dessen Herr Binlgo heisst.
248ter Tag: Mütu, Ort an demselben Fluss, mit Booten,
Unghurütu, und Krokodilen. Von dichter Waldung um-
grenzt.
25ster Tag: Bargnä, ansehnlicher Ort.
268ter Tag: Djö (nicht Yö), eine andere Heidenortschaft.
278ter Tag: Billai, die letzte Ortschaft am Flusse Schäri.
288ter Tag : Nigi, Dorf in einer Landschaft mit kleinen Rinn-
salen, die dem grossen Flusse zuziehen.
29ster Tag: Togilä, am Bdtschikäm.
SOater Tag: Kerbe, grosser Ort in waldiger Gegend.
3l8ter Tag: Goreö.
328ter Tag: Bükkabe, eine an einem Fluss g(^loi^ene Ortscliaft.
37*
i
580 Anhang IX.
338ter Tag : Limmirkai, am grossen Fluss, 1 Tagereise vor Attar.
348ter Tag: Bekang. — Die Einwohner aller dieser Orte gehn
nackt, sind nur mit dem Handeisen bewaffnet und essen
Hundefleisch.
358ter Tag: KcSrbol, eine andere Ortschaft an demselben
Flusse.
368tef Tag : Büa Dassär (so benannt nach dem Sultan Dassär).
Die Einwohner essen Rind- imd Pferdefleisch und binden
sich die Schweife der Pferde um die Hüften; der Baum
„delu" vertritt ihre Gottheit.
378ter Tag: Köna.
388ter Tag: Nyegel.
398ter Tag: Nilem, eine hochgelegene Ortschaft auf einer in-
selartigen Landspitze zwischen dem Schäri und einem
Zufluss (dem Wasser von Andi), auf der Ostseite.
408ter Tag: Kunnö.
4l8ter Tag: Djenge. grosser Ort am Fusso des hier aus der
Ebene aufsteigenden Gebirges.
428ter Tag: Gaschäffar, ein Ort im (iebirge.
43ster Tag: Tengi, ein Ort in gebirgiger Gegend und an der
Westseite eines Flusses (des Schäii?).
448ter Tag: Fätum, in ebener, baumreicher Gegend am Fluss.
458ter Tag: Köm.
46ster Tag: Kümra (Ssarä-ngär-Kiimra), in einer Gebirgsland-
schaft gelegen.
478ter Tag: Bang-Bai, ein (in diesem Theile) nicht ebener Di-
strikt mit vier Häuptlingen, von denen einer Djimdil
heisst.
488ter Tag: Küdumür, Ortschaft mit einem Berge.
49ster Tag: (jedjemir. Ort mit einem Berge und einem süd-
wärts laufenden Flusse.
oOster Tag: Bang-Derlr, Gebirgslandschaft mit einem Flusse,
wo der „kö" (ein Baum mit grossen Früchten) zahlreich
vorhanden ist.
Strassen iiu Inneren Baghirnii's. 581
ölster Tag: Dai, in gebirgiger Landschaft und mit einem
Fluss.
528ter Tag: Guräl, eine in ebener Landschaft gelegene Ort-
schaft; sie wird von bösartigen Menschen von rother
Hautfarbe bewohnt.
ößster Tag: Tscholol, Ortschaft des Häuptlings Kiki.
548ter Tag: Djogtö, grosse Ortschaft.
[Alles keine starken Märsche.]
558tcr Tag : Mugmö, in einer ebenen, baumreichen Landschaft
mit nur kleinen Wassersalen (ohne fliessendes Wasser).
Der Boden bringt Duchn hervor. Elephanten und reis-
sende Thiere, besonders Hyänen, sind selir zahlreich.
568ter Tag: Gam, ein in ebener Landschaft gelegener Ort.
Die Bewohner gehn sämmtlich nackt einher, essen Hunde-
fleisch und haben nur Handeisen.
578ter Tag: Ssomrai, ebene Landschaft mit einem kleinen
Wasserlauf.
ödster Tag : Yälma, ebene Gegend. Man ändert nun seine Rich-
tung.
öQsterTag: Dolemä, in ebener Landschaft gelegen, mit dem vo-
rigen zu Ssomrai gehörig. Grosse Bäume ; der Boden trägt
nur Duchn. Die Leute besitzen Hunde, Rinder und Schweine.
eOster Tag: Tschlre, grosse Ortschaft.
6l8ter Tag: Gdbberi, ebene Landschaft. Kein fliessendes
Wasser, sondern nur Brunnen.
628ter Tag: Kimre.
Strasse von Moitö nach Babäliä.
Nach Ramadhän DegSdji.
Ister Tag: Augüra, Küka-Ort.
2ter Tag: Dimdim, Wadi, wo die Bewohner Moitö's Natron
holen und in welches die Schüa gern ihre Heerden
treiben.
3ter Tag: Kargha.
4ter Tag: Babäliä.
J
582 Anhang IX.
Strasse von Mäsena nach Meddebä.
Ister Tag: Bäkadä. Kurzer Marsch. )
2ter Tag: KollekoUe. Kurzer Marsch, f ^"^'^^ ^J Tagemär-
^ y sehen abzumachen.
3ter Tag: Marga. Kurzer Marsch. )
4ter Tag: Djogode, eme grosse, von Kanöri bewohnte Ort-
, Schaft, Residenz eines Chalifen.
5ter Tag: Meddebä.
w) Strasse von Mäsena über Gäui nach M&ö.
Nach Agid MQssa.
[Der Berichterstatter wurde vor 9 Jahren von 'Othmän Bü-
gomän nach Känem geschickt, um Mohammed, den Sohn *A.bd
el Djelil's, zu begrüssen und ihm zur Einleitung von Unter-
handlungen eine Anzahl Sklaven als Geschenk zu übergeben.
VjY ward vom C!halifen 'Ali beinahe getödtet, und die Unter-
handlungen zerschlugen sich bald in Folge der Unsicherheit
des Weges. I
Ister Tag: A'bü-(ihcr.
2ter Tag: Tschekkä.
3tcr Tag: Derdja.
4tor Tag: Meddebtä, etwas oberhalb Kiessem, am Schäri ge-
legen.
5terTag: Giiui, früher eine bedeutende Stadt jetzt aber mit
nur wenig Einwohnern, nachdem es vom Scheich Moham-
med el Känemi zerstört worden, der es im Jahre 1234
d. H. (18'vi9 n. Chr.) mit Hilfe Müsstafa el A'hmars und
Muckeni's einnahm.
(laui ist von Kiessem etwa 20 Meilen entfernt,
fjtor Tag: Eine Ortschaft der 'Arab Yamanük oder der l)ä-
ghana, an einem stehenden Wasser gelegen.
7tiT Tag: Kidik.
v<ter Tag: BabäüA, früher Sitz einer besonderen Ileri-schall
mit eigtMiem Dialekt (demselben, der in Ih'igomän gespro-
chen wird), aber seit seiner Zei-störung durch Miisstafa
Strassen iin Inneren Bagbirmrs. 583
el ATimar und Muckeni (in demselben Jahre wie Gaui)
iast ganz verlassen; nur umher noch einige Anwohner.
Babäliä ist etwa 12 Meilen vom Schäri entfernt und
einen starken Tagemarsch (30 Meilen) von Gaui.
9^er Tag: Siän, eine zu Kärkä oder Kargha gehörige Ort-
schaft.
10*«r Tag : Ein nahe am See gelegener, zu Kärkä gehöriger
Weiler.
llter Tag:
12ter Tag: ( ^j^.^^ ^^.^^^ _ ,^j,i^j^^„ _ ^^^^ g^j.j^-
13ter Tag:
14ter Tag:
löter Tag: Ort der Nefässa.
16ter Tag: Ort der'Arab Känem. Starker nächtlicher Marsch
(vor 'Asser bis zum Morgen des folgenden Tages).
17ter Tag: M&ö.
x) Ortschaften am Schäri, von Bügomän abwärts.
Von Bügomän am Flusse abwärts liegen: Yaiiya; Bäla
Mässa (mit Erdwall); Kudjl; A'-ssü oder Aissü (mit einem
im äussersten Verfall befindlichen Erd wall); Ndära; Mai Dalä;
Gedie; Mele.
Von Mele am Flusse abwärts liegen: Meddebä; Kiessem,
ansehnlicher Ort mit einem eigenen, zur grossen Gruppe der
Kotokö gehörigen Idiom, 20 Meilen von Mele entfernt; Ti-
bälo; Scheggua oder Kindji Biirgu, mit der Fürth Ssina-
Fätscha, wo sich der Fluss von Logone mit dem Schäri verei-
nigt; Gulfe; Mafang; Schdui, ein aus Denham's Beschreibung
wohlbekannter Ort; Mäkari, ein sehr wichtiger Ort, sowohl
wegen der Schifffahrt auf dem Schäri und Tsäd, als auch
wegen seiner Färbereien; (ich empfehle daher dessen Besuch
späteren diese Gegenden erforschenden Reisenden auf's Drin-
gendste).
584
Anhang IX. Strassen im Inneren Bagblrmrs.
Das überaus wichtige Itinerar einer von A'm-madjüra (iii:
Süden Dar-För's) in südwestlicher Richtung durch Bända
(oder, wie es von diesen von Arabischer Kultur berührten
Stämmen genannt wird, Dar-Bända) bis zum Rande eines
grossen, westlich fliessenden Stromes gehenden Strasse vill
ich hier nicht weiter besprechen, sondern verweise auf das
Jounud of the liof/al Geoyrajfhical Hoviety^ 1853, vol. XXIIL
p. 12(.). Nur das will ich noch bemerken, dass dieser grosse
Strom für künftige, in grossartiger Weise weiter strebende
Reiseunternehmungen einen Hauptpunkt der Erforschung bil-
den nmss.
MUCHSTÜCKE
eines meteorologischen Tagebuchois.
Datam.
Stunde.
' Grade
Celsiua.
Bcmerkuiig;en.
JnU 1851.
28.
29.
30.
31.
ÄuyUHL
1.
2.
3.
4.
Souneuaufg.
26
Mittag
27
Mittag
31
Sonncnaufg.
25
Mittag
34
Sonnenunterg.
32
Sonnenaafg.
23,3
Mittag
32
Sonnenunterg.
30
Mitug
35
• •
Bewölkter Himmel; es fallen einige
Regentropfen.
Um 8J Uhr Vorm. ein heftiges, von
Regen begleitetes Gewitter, wel-
ches bis 11 Uhr anhält.
Während der Nacht mehr Regen.
Früh am Morgen ein Gewitter; um
10 Uhr Vorm. einige Regentropfen.
Keine Beobachtungen.
In der Nacht vom 2ten zum 3*cn ein
heftiges Gewitter , begleitet von
den stärksten Regengüssen , die
wir überhaupt noch in dieser Re-
genzeit gehabt hatten.
Keine Beobachtungen.
In der Nacht vom 4*«» zum 5t«« wie-
der ein sehr starker Regengnss,
welcher bis zum Morgen anhielt,
aber weder von Donner noch von
Blitz begleitet war. — Keine Be-
obachtungen.
r)8(j
Brachstücke eines nietcorologigcheu Tagebuches.
Datum.
Stunde.
Grude
Celsius .
Bemerknnf^n.
Au4piHt.
5.
6.
7.
8.
9.
10 — 11.
12.
13 - 14.
15.
16.
17 - 18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
2h.
2B.
27 — 28.
2!».
30.
31.
1 Uhr Nachm.
Mittag
Mittag
Mittag
ßonncnaufg.
Mittag
• • ■
Mittag
Mitt4ig
Mittag
Mittag
■ • • •
• • •
Mittag
23
29
26
32
22
23
31,5
32
33
31
32
• • • •
Um 9^ Uhr Vorm. ein starker Re-
genguss, welcher bis 11 Uhr an-
hielt und dem einige WindstÖsse
vorhergingen und einige Donner-
schlage folgten.
Am Morgen bewölkter Himmel.
l'm lOj Ulir Vorm. Regen.
Am Morgen schönes Wetter, gegen
Mittag bewölkter Himmel und um
2 Uhr Nachm. ein heftiges, von
starkem Regen begleitetes Gewitter.
Am Morgen regnerisch, nachher Son-
nenschein.
Schönes Wetter. — Keine Beobach-
tungen.
Um 11 Ihr Vorm. ein sehr heftiger
Schauer, der aber nicht lange an-
hielt.
Keine Beobachtungen.
Um 11 Uhr Vorm. Regen und am
Nachm. wieder. — Keine Beob-
achtungen.
Bewölkter Himmel. — Keine Bcob.
Keine Beobachtungen.
Schönes Wetter.
In der Nacht ein Gewitter mit hefti-
gem Regen. — Keine Beobachtung.
Keine Beobachtungen.
Bewölkter Himmel.
Um 9 Uhr Ab. ein .sehr schweres
CJewitter mit ziemlich viel Regen.
Kalter Nordwind.
Keine Beobachtungen.
Um 1\ Morg. ein schweres Gewit-
ter mit etwas Regen. — Keine
Beobachtungen.
Keine Beobachtungen.
Schönes Wetter. — Keine Bcob.
Keine Beobachtungen.
Bruchstücke eines metcorologischeu Tagebuches.
587
DHtum.
Stande.
Grade
Celsius.
1
Benicrkuiigren.
September,
^
1
1.
• •
1
Schönes Wetter. — Keine Beobach-
tungen.
2.
Mittag
25
1
Um 10 Uhr Vorm. ein von starkem
Regen begleitetes Gewitter.
3.
• •
Am Morgen bis beinahe zum Mittag
Regen, nachher schönes Wetter. —
Keine Beobachtungen.
4.
Mittag
31
Während des Nachm. etwas Regen.
5.
• •
Keine Beobachtungen.
6.
Mittag
32
7.
*****
• •
Viel Regen, zuweilen hcttig, zuwei-
len schwach. — Keine Beobach-
tungen.
8.
Mittag
30
1).
Mittag
32
10.
• •
Keine Beobachtung.
11.
• •
Schwerer Thau. — Keine Beobach-
tungen.
12.
Mittag
33
13.
Mittag
32
Bewölkter Himmel ; die Sonne bricht
aber allmiihlich durch.
14.
Sonnenaufg.
25
15.
• •
Schweres Gewitter. — Keine Beob-
achtungen.
16.
Sonnenaufg.
23
17.
•
Keine Beobachtungen.
18.
2 Uhr Nachm.
37
in der Stadt }t».
19.
2 Uhr Nachm.
37
2().
2 Uhr Nachm.
3(5
Heftiger Ostwind.
Sonneiiuntcrg.
31
21 - 22.
• •
Keine Beobachtungen.
23.
2i Uhr Nehm.
32
Um 9 Uhr Ab. ein Gewitter mit et-
was Regen.
24 — 2«.
. .
Keine Beobachtungen.
27.
. •
Während des Nachm. ein Gewittrr
mit viel Regen. — Keine Beob-
achtungen.
28 — 2J».
* •
Keine Beobachtungen.
30.
Sonnenaufg.
21
A'dftet».
1 l'hr Nachm.
39
Heisser Nordwind (von der Wüste).
DU-m.
Slunde.
Gridt
Okivhfr.
1.
•i.
2 Uht N»chm.
36-
Keine Bcohachtungoi.
3.
Mitt.g' ■
38
2 L hf NMhra.
40
4.
Mitt^
»i
2 Uhr NMbm.
40
5.
Mitug
37
^ Ubr Ab.
Sti
H.
Mitlmg
38
2 Uhr NtcbiD.
41
7.
20
MilUg
39
2 tlir Nachm.
41
8.
Mitug
40
■2 Uhr N.chm.
41
;t.
Mittag
33
2 Uhr Kachln.
40
Im f-iidüsien ein Gewitter; gegen
iii.
Miciag
40
■2 Uhr N-cbm.
44
tili (icH im-r: am .\hend etwas Kegi ii.
11.
Milug
3Ü
Gegen Mittag iL.bt E-ich von allen
2 l hr Naibm. etwas Kegen.
\2.
Mittag
3T
i Uhr Nachm.
3S
ia-14.
Heftig<.'r N..r<lslunn. — Keine Btc.l.-
\:,.
Minag
3P
1« - 21.
Keine Ikvbaehluiigen.
22.
Mittag
se
23.
■2 Uhr Nachm.
42
•11.
2 Übt Nachm.
43
2fi.
1 Uhr Nachm.
43
Ä.
2 Uhr Nachm.
42
Miiiag
41
2 Uhr Nachm.
\t
Um SUhrNaehui. .ii<. l.ie-iltir aus
!-üiien fr^K «VjWd Ifegi'n.
3«.
20.
2 Uhr Nachm.
•^
Bniclutflcke eines metcorologiachen Tagebncliea.
l>«lBm.
Slunde.
Geld.
Olilun.
N<.i-e«U-er.
1-30,
Keine Beobachtnngon.
1.
2.
1 Uhr Nachm.
36
3.
11 Uhr Nehm.
18
36
4.
Keine Buubnchtungen.
&.
1) Ihr Nohn>.
28
Diläia.
Dichter Nebel tm Morgen, w
fig in dieser Jalir^nKeit.
ie hXil-
6.
11 Uhr Nehm.
35
7.
Keine BeobBchtungen.
a
H Uhr Nehm.
34
!l — 10.
n.
14 Uhr Nehm.
32
12.
8oimen«ufg.
1) Uhr Nehm.
12
32
la
KeinD Ueubkchtangen.
14.
11
15.
Keine Beobacbtmigen.
16.
8<ll1]lUllRUrir.
13
17.
Keine Bcoliach Hingen.
18.
51 Uhr Murg.
13
19.
Bouiieimurg.
"
2a
2 Uhr Naohm.
11
30
21.
11
22.
8onn..aafg.
H
23-25.
Keine licobaolilungeii.
26.
14
27.
Sonnen «11 fg.
14
23
28-29.
Keine Beobachtungen.
30.
16
31.
Januar 18Ö2.
1.
Keine UonbMhtnngcn.
2.
Bonnenaufg.
IS
3.
UitUg
15
S6
BrachitOeke rinei meteorolugiaohen Tagefcooliei
„.„.
Slniul^
.ä^uV
Januar.
i.
Mittag
Sonnonanterg.
SO
28
5.
(i.
7.
tinonenaufg.
IJUlirNtlini.
15
15
38
8.
6 Uhr Morg.
1 übr Nachm.
16
33
25
9.
flonnenaufg.
äUtirN»chnt.
8oDncnuiiWirg.
14
36
la
n.
HonnCDaufg.
17
35
in kühlem Baumschattpn.
li Uhr Nehm.
38
(ionneimiilcrg.
28
la.
IVh K*chm.
».mnenunterg.
15
31
25
Vi.
Sonne iiaufg.
14
m'hrNchm.
29
in achr kühlem Schatten und
einem kühlen Nordwinde.
bei
SümiüEiiLit«rg.
24
u.
Sonnenaufg.
Sonnensufg.
Mittag
14
11
31
SO
16.
äonDSDaufg.
Mittag
11
35
17.
li Uhr Nehm.
13
32
1».
1 ühr Nachm.
14
30
19-20.
Keine Be-ihachtitngen.
21.
Sonnen unterg.
14
24
22.
13
ÄJ.
Sonnen all fg.
15
24.
Brnchstflcke eines meteorologischen Tagebnchet
Dilnm.
"■
<^'Z.
B..„.u„„..
Jannnr.
26.
13
26.
11
14 Uhr Nehm.
34
ta.„u.,„,.
24
•21.
Sonnenaufg.
14
28.
HitUg
37
an.
15
.
30-31.
Keine Iteobaclitungcn.
Februar.
1.
• ■
2.
Sonnenaufg.
13
Mittag
24
18
a
15
12i Uhr MilL
21
4
13
Sonnen unterg.
22
5.
Sonnenwifg.
16
Mitug
26
Sonnenuntorg.
22
ti.
17
12i Uhr Mitt.
27
24
7.
8onnen«afg.
17
Mitlag
29
SonnBiiunHng.
2!>
a
llfi
1 Uhr Naehm.
27
.'^ninjeimntcrg.
26
!l.
Sonnenaufg.
17,5
Mittag
31
26
10.
Sonnenaufg.
m
Mittag
31
Sonnenunterg.
26
11.
20
Mittag
3b
27
u.
Sonnenaafg.
21
■ iDet«amIagiieb«n TagobsebM.
/■rtr-mr.
12.
MitUg
33
SonnenuDterg.
30
13.
21
MitUg
37
^oiin^oiiterg.
31
14.
S,,„n...nfB.
21^
Heftiger »Innn.
11 cur Nehm.
37
ir>.
Soiitienaufg.
21
11 Uhr Nehm.
37
Sonne-cutcrg.
80
1«.
Runnenaurg.
21
121 l'hr Mitt
37
)<oiiiiciian(crg.
31
17.
22
1-JJ Uhr MitL
30
31
la
21
li Uhr Nthm.
38,;.
31
19.
ScjIlTlMl»ufg.
21,-1
IJ Ihr Nehm.
37
.Vth Ahenl ncUMlchl.
•20.
>f„.m..naufg.
20
l'ii l.'lir MiM,
3!»
•21.
20
Wtthrc...l .Iie««r gti.tcn Zeil viele
1-1 Uhr Nehi...
37
Krankhoilcii in Kiikniin.
3Ü
2-2.
SoilllUIIBUfg.
lit
IfChrNcbm.
32
Soniicmintcrg.
20
■2:i.
8i>iiiittiaufg.
20
It ChrNuhm.
31
Souiii'iiuiitL'rg.
2«
24.
11»
1 Ulir Nachm.
31
25
Zi.
Sunncnaiifg.
18
SM.
Ht
1 Uhr Sothra.
32
So.„..,m.,>erg.
27
•21.
Smiiicuaiil'g.
Ifl
Bmchstüakc emex meteoToIngiftehen TJigebucb««.
F^niar.
27.
2 Uhr Nachm.
33
27
28.
äonnonaufg.
lil,5.
lUhrNufhm.
33
Sonnenuntrrg,
28
Mlirz.
1.
2U
12i Uhr Miti.
33
30
2.
21
1 Uhr Nucliiii,
36
30
3.
SooneniBlg.
22
I Uhr Naclim.
38
4.
ßonnenaafg.
22
1| Uhr Nclim.
m
r..
1 j Uhr Mchm.
36
Sonne nunlcrg.
30
li.
26
li Uhr XcUm.
37,5
27
7.
Sounenaufg.
22
IJ Uhr Nehm.
34
2!»
8.
22
H Uhr Nehm.
36
30
H.
10.
21,.-.
1
H Uhr Nehm.
37
32
11.
12.
1} Uhr Nclim.
34
13.
T^H/im IHt»;. - Im 21 Uhr Nuchn,.
elKas Regen. — Kein« Iteohach-
14.
Sonnenaufg.
22
15.
2 Uhr Nachm.
34,.'l
Ib.
IJ Uhr Nehm.
37
17.
Sonnanaufg.
24
Schwer hewöUter Himmel.
BmchfltDcke eines metoomlngiiiolien Tagebncliei.
HL-1
r Nehm
iiniifK.
l^ChrN'clim
S..iin
imiit«.
2 Uhr
Niichiii
»Ollll
na«f«.
nn
r Xchi»
Soiui
nutiterg
S..ni)
«....%.
an.
Nachm
Mitwg
14 Uhr Nclmi.
1} L-I,r No
K vi IIP Ilcibwliliingcn.
11 Ulir Seil
»»Ig.
'fg-
Diui rrntu 'lunittitr in der licgenzoit.
IlL-r Iliiiiind am Morgan <]iuht l><-
\\-;[in, t'üiidiie Liit'i, Dil' Soiini-
iiriehr niicli 1» l'iir durch die Wnl-
ki-u, u1)or Vj Stunde nach Mittag
crlu'lit sich ihtH (Jcwitti-r »jidlieh
in gi-rihger Knlfcmiiii^, von vn
ua Uis ItAkuilä vurdriiigl. Vini
I rUr bis 1 Ulir -A-i Min. Nielimit-
lugs i^iiiigu Bchwi'rü Hegentropien,
«■•■lehnn 'inige lieftige WiiulHtr'.ssi-
Um 11 Uhi- V.irjiiiil. saniiiiehi sich
dichte Kcgi^nnolk.'ii, ua Hillt Jedi.ch
kein Ifegi-n.
Brucbstücke eines meteorologischen Tagebucbes.
505
Datum.
Stande.
Grade
CeUiiis.
Bemerkungen.
April,
I
5.
Sonnenaufg.
27,5
Um 5 Uhr Morg. erhebt sich ein von
1\ i:iir Nehm.
33
etwas Regen begleitetes Gewitter
Sonnenunterg.
32
und hält bis 8 Uhr an, worauf die
Sonne durch die Wolken bricht,
während es noch fortwährend don-
nert. Um 9J Uhr regnet es wie-
der etwas und der Himmel bleibt
während des ganzen Tages be-
wölkt.
♦>.
Sonnenaufg.
25
Der Himmel dicht bewölkt; Gewit-
ter in Norden.
1 J Uhr Nehm.
41
7.
Sonnenaufg.
22,2
1 Uhr Nachm.
41,4
2 Uhr Nachm.
43
Sonnenunterg.
35
8.
Sonnenaufg.
25
Bewölkter Himmel.
Mittag
35
Um 11 Uhr regnet es etwas, hört
aber mehrmals wieder auf, wäh-
rend sich das Gewitter allmählich
•
nach Norden verzieht.
li Uhr Nehm.
40
Sonnenunterg.
34
Um 8 Uhr Abends erhebt sich ein
Gewitter in Osten, von starkem
Wind, aber nur wenig Regen be-
gleitet. Während der Nacht ist es
sehr schwül.
9.
Sonnenaufg.
27
Bewölkter J^immcl und schwüle Luft ;
um 8 Uhr Morg. fallen einige Re-
gentropfen.
2 Uhr Nachm.
37
10.
1 Uhr Nachm.
40
Um 3 Uhr Morg. ein Gewitter ohne
Sonnenunterg.
38
Wind, aber mit beträchtlichem Re-
gen, welcher 1\ Stunden anhält.
11.
Sonnenaufg.
25
Bewölkter Himmel.
H Uhr Nehm.
39,5
Sonnenunterg.
31
Am Abend ein Gewitter aus We-
sten, wobei jedoch nur einige Re-
gentropfen fallen.
12.
Sonnenaufg.
24
Bewölkter Himmel; schwül.
:w
r>fHi
Brochstücke eines meteorologischen Tageboehea.
Datum.
Stande.
12.
13.
14.
If).
1«.
17.
\H.
VX
Unide
CeUlac
14 L'lir Nehm. 3;'»
.SniinenniitcriT. 37.3
Soniieiiaufg.
21
1| Uhr Nehm.
31»
SonnennDtorg.
33
Sonneiiautg.
23
Mitta«;
31»
2^ L'hr Xchiii.
Ma
Sonnenaiiterg. 31,:?
!i?oniienaufg. 2;')
li Ihr Xchm. 36
2 Uhr Xachm. 39
. Sonnenunterg. 32,2
• Sonncnaufg. 27
■ 1 l'hr Nachm. ■ 37,.'>
Sonnenunterg. 27
BCBBCfkOOfCIl.
Um 2 Uhr Nachm. ein Gewitter in
der Feme, nach Osten lu, wel-
ches »ich allmählich nähert and
bei Sonnenuuteigang mit niiauf-
hürlich aufeinanderfolgenden Don-
nerschlägen und Blitsen entladet,
begleitet Ton iinr wenigen Regen-
tropfen, aber ron heftigen Wind-
dtössen, bis um 8 Uhr Ab. ein
schwerer Kegengnss folgt, der ge-
gen 2 Stunden anhält.
Um Mittag ziehen sich starke Wol-
ken zusammen« worauf um 1 Uhr
Nachm. erst einige grosse Regen-
tropfen fallen, nach denen ein
schwerer Schauer folgt, welcher
10 Minuten anhält. Der Himmel
bleibt bowJ'lkt.
L'ni 7 rhr Morg. fallen einige Regen-
tropfen, aber nachher klärt sich der
Himmel Huf und am Nachmittag
weht ein sanAcr Wind. In der fol-
genden Nacht regnet es etwas.
Am Morgen bewölkter Himmel und
etwas Rogen.
Um Mittag erhebt sich ein heftiger
Wind aus Südosten und der Him-
mel wird wieder dicht bewölkt.
Keine Beobachtungen.
Um 2 Uhr Morg. heftiger Nordost-
wind. — Keine Beobachtungen.
Keine Beobachtungen.
Schwüles Wetter. — Keine Beobach-
tungen.
Bruchtitäcke eines meteorologischen Tagebaches.
597
Datum.
Stunde.
Grade
Celsius.
Bemerkungen.
April,
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
li Uhr Nehm.
li Uhr Nehm.
Mittag
124 ^'l>r Mitt.
IJ Uhr Nehm.
40
38
39
35
39
Um 2 Uhr Nachm. zieht sich ein
Gewitter in Südosten zusammen,
worauf es um 3^ Uhr erst leicht
zu regnen anfUngt und dann von
3 Uhr 45 Min. bis 4 Uhr 15 Min.
ein schwerer Schauer folgt, wo-
durch sich die Luft sehr erfrischt
Der Regen hört hierauf auf, wäh-
rend es fortdauernd unter starken
Windstössen aus Ostnordost don-
nert; aber bei Sonnenuntergang
fängt der Regen wieder an und
dauert 2 Stunden.
Keine Beobachtungen.
Die>^Sonne bricht um 8 Ulir Vorm.
durch die Gewitterwolken.
Bewölkter Himmel, aber kein Regen.
Nachm. 4 Uhr ein kurzer, aber hefti-
ger Schauer; einige Donnerschläge
folgen, obwohl keine vorhergingen.
Dicht bewölkter Himmel. Die Sonne
brichtzwarum 94Uhr Vorm. dnrc]^,
die Luft bleibt jedoch schwül.
Am Nachmittag ein Gewitter mit star-
kem Wind, aber ohne Regen.
Mäneiia, — Schwüle Luft. — Keine
Beobachtungen.
Am Nachmittag zieht sich ein Ge-
witter zusammen , das uns jedoch
nur einige Regentropfen am Abend
bringt — Keine Beobachtungen.
Der Himmel den ganzen Tag be-
wölkt Am Nachmittag zieht sich
in Süden ein Gewitter zusammen,
wobei es aber nicht regnet —
Keine Beobachtungen.
Am Nachmittag ein Gewitter und in
der folgenden Nacht schwere Ro-
gengüsse, welche gegen 2 Stunden
anhalten. — Keine Beobachtungen.
Bewölkter 11 immel. UieSonne bricht
Ulli 10 Uhr Vorm. durch das Gc-
niilke, jedoch nur auf einige Mi-
nutcD. [rm 4 Uhr Nacbin. Bobwere
Oewillerivotken mit vielem Wettcr-
i leuchten, wobei es aber otcht ng-
' HCL Keine Beolisdli tunken.
L'm TiJ lihr Katliiu. livtiL'U ticli dun-
kele tiRwillFrwolktn lusanimi-u,
vcrKcbwindcn aber in weatlicfacr
Kichtung. — Keine Beobachton-
m it UhT Vunu. Mcigen Geirittcr-
wulkcn !n Sadwestcn auf, beglt-i-
let von Htarkem Winde, n'oranfcin
McbwKrer l£egcn«chsncr fiilgt, di-r
2 .'iiiiiicicii anhält. — Keine BciJi-
nrhiiiiigL'ii.
ein (iuwitter, — Keine Bcobacbtim-
1 L'lir Kaehm, 34
■ Ijnir.Nchm. 3r>
I i^riirNciiui. au
j 1] tlir Ndiin. ; 35,;l
ljrhrNi.-lim. m
2 riir Kachni. 1 Sl.i
2 L'lir Nucliiii. 37
Oiüni-r Morgen. Am Nachmitlace
wellt ein Htarkcr Wiiitl.
ileitereii Welter.
Cm 'ij riir Vorniitt. ein sehr brl-
ligcr Siurm. — Keine Iteobneli*
I tuilgeli.
Diulit bewnlktL'rllinmiel: die t«,»!»,.'
KL-Iii'iiit mir dnnn und nann. Um
I 11 rhrVunn. klHil sieb dns Wi-l-
IiT iiuf, wird judoeh am Nachinit-
I tut; iil'Cnnals triil«>. Um 2 l'br
: Nuclim. bnclit dns (i<-wiiler los,
I OH r(');]iel nlicr iiii-ht viel.
Bruchstücke eines iiieteorologischeii Tagcbuclios.
im
Datum.
Stunde.
Grade
Celsius.
Bemerkangen.
Mai.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
2 Uhr Nachiu.
li Uhr Nehm.
2 Uhr Nachm.
...
Sonnenaufg.
li Uhr Nehm.
• •
Sonnenaufg.
Sonnenaufg.
IJ Uhr Nehm.
2 Uhr Nachm.
30
31,3
33
24
35
20
25
36
36
Der Himmel den ganzen Tag be-
wölkt. Um 1} Uhr Nachm. ein
Gewitter in der Ferne, nach Osten
hin. Von 4 — 5 Uhr regnet es
sehr heftig, worauf der Regen
gänzlich aufhört, bei Sonnenun-
tergang aber wieder anfUngt, dann
und wann von Donner begleitet,
was gleichmässig bis 8j Uhr am
folgenden Morgen fortdauert. —
Keine Beobachtungen.
Kurz vor Mittag hatte sich das Wet-
ter etwas aufgeklärt, wird aber am
Nachmittag wieder trübe.
Dicht bewölkter Himmel ; die Sonne
kommt jedoch um 10 Uhr Vorm.
zum Durchbruch.
Trübes Wetter. — Keine Beobach-
tungen.
Heiteres Wetter.
Kein Gewitter. — Keine Beobach-
tungen.
Um Mittag leichte Gewitterwolken,
von starkem Wind, aber keinem
Regen begleitet, worauf sich der
Himmel bald aufklärt.
Kein Gewitter. — Keine Beobach-
tungen.
Heiterer, frischer Morgen.
Heiteres Wetter. Während des Nach-
mittags bilden sich leichte Wolken.
Am Abend Wetterleuchten.
Windig. Der Himmel ziemlich trübe.
Nach 5 Uhr Nachm. Gewitterwol-
ken im Westen und im Nordosten
und nach der letzteren Richtung
hin Wetterleuchten ohne Donner.
Nach Sonnenuntergang regnet es,
in der Stadt nur wenig, ausser-
halb aber mehr.
fÜNl
Hruchstücke eines meteorologisclien Tagebaches.
Datum.
Stande.
Grade
Celaiiu.
BenicrkwigMi.
Mai,
26.
27.
28.
21».
30.
Jvn'i.
1.
2.
.S.
4.
Sonnenaofg. 23
2J Uhr Ncbm. 32
I Sonnenaufg. , 26
! li Uhr Nehm. 1 36
Sonnenaufg. { 24
H Uhr Nehm. | 35
ßonnenunterg. 1 33,4
»Soiincnaufg. | 23
2 Uhr Nachm. 35,6
; Sonnenautg. ! 23,6
1 Ulli- Nachm. 35
j Der Ilimmel etwas bewölkt. Am
! Abend ein Gewitter, aber in der
Stadt kein Regen.
: Der Himmel etwas bewölkt.
Nach Sonnenuntergang Wetterleuch-
ten und Wind.
; Um 5 Uhr Nachm. rugnet es etwas
bei Sonnenschein, aach donnert
CS einmal.
I
I
4} Uhr Nehm.
27
Um 2 Uhr Nachm. heftige Wind-
8tJ>sse.
Heiteres Wetter. — Keine Beobach-
tungen.
Trüber Himmel. Um 6J Uhr Morg.
etwas Regen mit entferntem Don-
ner. Nachher klHrt sich der Him-
mel auf. — Keine Beobachtungen.
Trüber Himmel; die Sonne kommt
erst um 5 Uhr Nachm. zum Durch-
bruch. — Keine Beobachtungen.
Trüber Himmel, kalte Luft und ein
starker Südostwind, bis die Soitne
endlich durchbricht und die Wol-
ken zerstreut. — Keine Beobach-
tungen.
Um 9 Uhr Ab. zieht sich ein Ge-
witter zusammen, es regnet aber
nur wenig. — Keine Beobachtun-
gen.
Keine Beobachtungen.
Um 3J U'hr Nachm. ein heftiges Ge-
witter mit starkem Nordsturme,
worauf ein schwerer, aber nur
kurzer Rogenguss folgt
Bioicbstückc eines meteorologischen Tagebuches.
GOl
Datum.
! stunde.
1
Grade
Celsius.
1
i Bemerkungen.
Juni
7.
Sonnenaufg.
24
Dicht bewölkter Himmel.
8.
Sounenaufg.
24,6
Schwere Gewitterwolken, welche die
14 Uhr Nehm.
35
Sonne um 9 Uhr Vormitt. durch-
bricht Am Abend in Westen Wet-
terleuchten.
a
• •
Heiteres Wetter. — Keine Beobach-
tungen.
10.
Sonnenaufg.
25
IJ Uhr Nehm.
35
Am Nachmittag bilden sich Gewit-
terwolken und um 4 Uhr fÄllt
ein leichter Regen.
11.
2 Uhr Nachm.
a5
Nach 4 Uhr Nachm. ein Gewitter
(aus Süden) ohne Regen.
12.
Sonnenaufg.
23,4
Am Abend in Westnordwest Wetter-
2 Uhr Nachm.
34
leuchten.
13.
Sonnenaufg.
25
1} Uhr Nehm.
34
Am Nachmittag bilden sich Gewit-
terwolken und um 3^ Uhr don-
nert es in der Ferne im We-
sten. Um 5i Uhr regnet es het-
tig in Norden, aber nicht in der
Stadt (Mäsena).
14.
Sonnenaufg.
27
Trübe. Nach 3 Uhr Nachm. im
H Uhr Nehm.
34
Nordosten ein heftiges Gewitter;
um 3^ Uhr beginnt der Regen bei
uns und hält, meistens heftig, mit-
unter gelinder, bis 7 Uhr Ab. an.
Auch in der folgenden Nacht reg-
net es etwas.
15.
Sonnenaufg.
23,5
Sehr trübe. Um 6 Uhr 25 Min. Morg.
2 Uhr Nachm.
30
regnet es wieder etwas. Erst
Sonnenunterg.
24
1 Uhr Nachm. bricht die Sonne
durch die Wolken.
16.
Sonnenaufg.
21
Trübe. Am Abend in Norden und
2 Uhr Nachm.
30,6
Nordosten Wetterleuchten.
17.
Sonnenaufg.
25
Trübe; die Sonne bricht nur dann
und wann durch. Um 6 Uhr Ab.
bildet sich in Westen ein Gewit-
ter, ohne uns jedoch zu erreichen,
während sich ein anderes Gewit-
^2
Bruchstücke eines tnetcoi ologischen Tagebuches.
Datum.
Htunde.
Grade
Celsius.
Bemerkungren.
Juni.
18.
Soiinenaufg.
2 Uhr Nachm.
19. *)
21.
Suuucnaufg.
• •
23
32
23
23.
24.
2h.
• •
ter in Ostsüdost EUBammenzieht und
gleichfalls nur mit Wetterleachteii
und ohne Regen vorüberzieht.
Dicht bewölkter Himmel ; die Sonne
bricht nur selten durch. Um 4 Uhr
Nachm. in Westen ein Gewitter
ohne Regen. Nach Sonnenunter-
gang heftige Windstösse.
Um 2^ Uhr Nachm. entfernter Don-
ner; von Osten kommen dichte
Gewitterwolken heran und über-
ziehen den ganzen Himmel , ohne
jedoch Regen zu bringen. Am Abend
Wetterleuchten.
Heiteres Wetter.
Um 5 l.'hr Nachm. ein Gewitter mit
heftigem Sturme, aber ohne Regen.
Trübe; die Sonne scheint nicht vor
Naclimittag und auch da nur zu-
weilen. Am Abend Wetterleuchten
in Westen und Ostnordosten.
Am Morgen heiter, aber um 12^ Uhr
Mitt. zieht sich aus Südwesten ein
Gewitter zusammen, worauf um 1
Uhr Nachm. einige Tropfen fal-
len und um 2} Uhr etwas mehr
Regen kömmt.
Heiterer Morgen. Um 6 Uhr Ab.
zieht sich in Osten ein Gewitter zu-
sammen, bringt aber nur einige
Regentropfen.
In der vorhergehenden Nacht regnete
es 2 Stunden lang ziemlich stark.
Um 3^ Uhr Nachm. erhebt sich
ein heftiger Sturm und der Him-
mel bewölkt sich in Osten.
*) An diesen» Tage zerbrach das letzte Thcmionioter, das ich auf dieser
Heise bei mir hatte; in Folge dessen vom 20»»«" Juni bis 2**" September gar
keine Beobachtungen.
liruchstücke üiiies iiieteoroli»giäclieii 'J'ugebucheH.
603
Datum.
Stunde
Grade
Celsius.
Bemerkungen.
Juni
26.
27.
28.
2«h
30.
Juli,
1.
2.
3.
Heiteres Wetter.
Um 3 Uhr Nachmittags ein Gewitter
aus Westsüdwest ; e» fallen jedoch '
nur einige Regentrupfen und das
Gewitter zieht in südlicher Rich-
tung vorüber.
Heiterer Morgen, der Himmel mit
leichtem Gewölk überzogen. Um
4 Uhr Nachm. bildet sich ein
schweres Gewitter in Westen und
entladet sich daselbst, ohne uns
mehr als einige Regentropfen zu
bringen.
Der Himmel ist am Morgen heiter,
bewölkt sich aber am Nachmittage
und in der Nacht regnet es ein
wenig.
Trübe. Um 5 Uhr Nachm. zieht sich
ein Gewitter zusammen, ohne dass
es anfllnglich regnet. Um 7 Uhr
Ab., nachdem sich das Gewölk
in Westen und Norden entladen
hat, fllngt es auch bei uns an
zu regnen, und zwar ^2 Stunde
lang mit grosser Heftigkeit, worauf
es gelinder fortfUhrt.
Am Morgen ein heftiger Schauer,
der etwa 1} Stunden anhält; der
Regen fUhrt bis 11 Uhr Vorm. fort,
tropfenweise zu fallen, worauf um
2. Uhr Nachm. die Sonne zum Vor-
schein kommt.
Vormittags heiter, bis sich um 3 Uhr
Nachm. in Südwest ein schweren
Gewitter bildet, aber, ohne dass
ein einziger Regentropfen OlUt,
nach Süd und Nordwest zieht.
Um 5^ Uhr Nachm. bildet sich in
Süden ein Gewitter, begleitet von
I
netcorolugiselien Tagebnchcs.
einem heftigen Scbaaer, wcluher
gegen So HiDUtcD jtiihiLlt, worauf
»ach knracr rnlerbrechung nocli
Ewci andere, nich) goiiE k> heflige
Sclianer folgen.
Gegen Sonnenuntergang in Usten ein
Gewitter, worauf hefligor Regc'n
Ailgl; letalerer fUngl nacli kimer
L'nterbrechuiii; von Nencm an und
dauert bis lum Morgen.
Sebr trflber Morgen i etnaii Regen.
Kein Hegen.
Uegeii Mittag bildet sich in WcBten
em Gewitter und um 3 Ihr Nachm.
fnllen Giuigi> llc-gciilropfeii, wiirniif
CD nni 4 Uhr lieflig regnet und
nach kurier Unterbrechung no<-h
einmal zu regnen annngt.
Her tlinimel den ganlcu Tag trfiiii-:
BChwülo Luft: um Mitlag etwas
Regen.
Trübe; die Sonne kommt nur Kelten
zum Vorschein. E* regnet mitun-
ter etwas, bcBondcTS um 3 l'hr
S.chm, , und Ab. 6 Uhr fBllt «in
heftiger, bis 11 Uhr anhaltender
Schauer, wobei e» aber weder
donnert, noch büliL
Derilimme) abwechselnd trübe und
heiler.
Heiterer Morgen: um Hittag bilden
sieb in i*iiden Ocwitterwolkcii und
um 1} l'hr Nachm. fllllf mi fclin .■-
rn Schauer, welcher mit unaotgo-
aetzter llcfligkoit 1 {Stunde lang
onhKlt und dann minder heftig biit
um 5 l.'hr forlduuerL
Trlllier lliuiincl und feuchte LiiO,
bi^ Eich da» Wetter um Mit-
tag aufkifin, worauf bk wKrmer
Braobstiicke aines meteorologischen Tagebncliea,
wird, l'm 10 Chr Ab. weht ein
riiarkeT Stnnn, noniaf liegen folgt,
ivcluhiT bii luiu Morgen iDhüIt.
Trüber Uimnjel bi» Mittag, wo die
Sonne lum Vorachein liomml. Am
Abend zieht aus Süden ein Gewit-
ter heran , wobei ea '/, Stunde
lang liefcig und dann gelinder
regnet, bis abermals ein starker
Schauer loHbricht.
Trüber Himmel am Morgen, worauf
die Sonne glanivoll dos Gowült
durchbricht. Am Abend Wetter-
leuchten.
Der Uimniel ain Murguu heiter, gc-
h'oi Mitlag wo sieb eiu kalter
Wind .■rbDbi^Ti, hcwülkt. Um tij
Uhr Ab, sieht ans Südost ein ge-
waltiges (Jfniltir litTuii begleitet
Von Regen ivpli^fn'i rni gleicher
Heftigkeit bi» 7j L'lir anbHit und
dann bis 0 l'br 20 Min. gelinder
fortdauert.
Dos Wetlcr schön, um Mittag aber
[wai schwül kein Qewittcr.
Der llinmicl nni Morgen mit leieb-
tcm Gewölk bedeekL Cm 4 Uhr
Nachm. sind aus t^üdwcst und lu-
gl(:ich Alls Norden achwaric Ge-
ivitferwolkeii im Anzugj nm 6 Uhr
2lJ Min. Ab. b.giiint der Regen und
hlllt mit mclirodcr weniger Heftig-
keit hiH a Uhr 10 Min. an, worauf
er eine kurze Zeit aufhört und
dann wieder anfangt.
Der ilimmol «m Morgen bewölkt.
Um b Uhr Nachm. sohwarxo Oewit-
terwolkpii im Anzug, begleitet von
heiligem Regen, welcher von G4
bis 0 Uhr Ab. anbUlt und wKh-
(yti\ Brnchfttuckf eine» mc-trornlikgiscben Tagebvehes.
Patuin. Btantle. Oliio#
Jf'/i. ;
rend der ersten Stande mit ^rwi-
äer Heftigkeit flUt.
:^». Um 5| Uhr Murg. fingt der Regen
, wieder an and danert bis S-^ ITlir.
I Um 1 Uhr und dann am 3 l'hr
I
Nachm. fUlIt wieder leichter Re-
gen, sowie anch von b UTir Ab.
bis 1 Uhr nach Mittemmcbt.
1^1. ' . . Der Himmel am Morgen bedeckt:
es fallen einige Regentropfen.
i Nachher schwane Gewitterwolken
im Anzug, es regnet aber nieht.
22, ' Ziemlich heiterer Himmel. Am Abend
rückt von Norden ein Gewitter
heran, lieht aber, einige Tropfen
ausgenommen . uhne Reg^n vor-
über.
2.'J. . . (iegen Morgen regnet es 1 Stunde
lang, worauf die Wolken ver-
.seliwinden, sich jcd«.K!li am Nach-
' i mittag wieder zusaninienziehen.
! alier ohne Regen zu bringen.
'24. . . Am M«»rgen sehweben leichte Wol-
I ken ülier un«« liin: in der Feme
heiterer Horiz«int. Am Abend bil-
1 »let sich in <.>sten ein schwarzes
(ifwiiter, woliei jedi>ch nur zwi-
schen jSJ und ?<J Uhr einige Re-
gfntrojifen fallen.
•>r, ! Der am Morgen trübr Himmel klärt
Äff* '• ^^
sich um Mittag auf. Am Abend
«;rosst.T Hof um dt-n Mond.
2j;. . . Um 4 Ulir Morg. ein leichter Regen-
schauer: «ler Himmel Meibt dicht
brwiilkt bis S Uhr Vurm., worauf
, sich die Wolken verziehen und
ein heiterer Tag l)eginnt.
27, Der Hinmiel am Morgen heiter. Am
I Nachmittag ziehen aus .Siids(idt»st
i Kegeuwidken lieran . welche vnii
Brnchatncke eines meteorologischen Tagebuches.
G07
Datum.
Stunde.
Grade
CelBius.
Bemerkungen.
Juli,
28.
30.
31.
AiigusL
2.
3.
C).
(>.
• •
• f t •
t • t
5^ bis 10 Uhr Ab. schweren Re-
gen bringen, der während der er-
sten 3 Viertelstunden mit beson-
derer Heftigkeit fällt, dann aber
etwas nachlässt
Kein Regen.
Ziemlich bewölkter Himmel. In der
Nacht regnet es 1 Stunde lang,
wobei ein heftiger Sturm weht.
Kein Regen.
Um 4 Uhr Nachm. zieht von Süden
ein Grewitter heran, geht aber, ohne
Regen zu bringen, nach Westen
vorüber.
Heiteres Wetter.
Am Morgen ziemlich trübe; nach»
her kommt die Sonne zum Vor-
schein. Bald nach Sonnenunter-
gang zieht aus Südsüdost ein (ic-
witter heran und um GJ Uhr Ab.
fängt es an zu regnen ; der Regen
dauert die ganze Nacht hindurch,
jedoch nur gelind.
Um 5i Uhr Morg. regnet es wieder,
zuweilen geliud , zuweilen heftig,
aber doch im Ganzen nicht viel.
Um 10 Uhr Vorm. kommt die
Sonne zum Vorschein.
Kein Regen.
Um 6 Uhr Ab. zieht ein Clewit-
tcr aus Nordost und ein anderes
aus Westen heran ; aber beide
gchn vorüber , ohne Regen zu
bringen.
Am Nachmittag ein Gewitter, wobei
es von 5^ bis 10 Uhr Ab. ziem-
lich stark regnet.
Kein Regen.
netcorologischen T*gebn«hei,
rin UitUg Diu BchwercH GcwiltPT
mus Oiteii, ä»» «icli um 12) Ulir
mit gro«BGC HrftJgkeit eutladel,
aber nur 10 Min. Ung anhnlL Em
regnet wieder von a Uhr 22 Hin.
bu 2Ubr40Miii., wolwi ein itar-
ker Slunn weht. Von 7J irhr bis
A Ulir 20 Min. Ab. Olli al«rma1ii
TtüUs un-i rc^-iitriwl.cfl Weilet. Am
Morgen fallen einige Trojifen nnil
um II Uhr 20 Min. regnet es ge-
lind, worauf wanner SomiL'näk'liciii
folgt.
Der Bogen, wclclicr fast diu ganze
Naulit iilicr angebnlleii, hürl kan
vor 7 L'br Morg. auf.
Um Mitlag eicIicii Kcgcnwulkcn über
uns hin , es fallt ii aber nur we-
il igti Trupfeii.
In der vorhergehe udcii Nacht gelin-
der Itvgeu ulinc Ucwitter: es reg-
net wieder um 10 Uhr Vorm., dann
um 2 l'hrNaehui. heftiger und um
4 Ihr 22 Min. »och einmal. Der
.1 bleibt den ganien Tag
bcwi'.lkt.
Am Morgen tUUt ein 2 ätuudcii wah-
render liuftigor Schauer -worauf
ein zweiter , aber küraemr ftilgl.
Der Himmel hleibt fast den gan-
zen Tug bewülkt und am Nncli
mittag milt wieder etwas Itegeli.
L'ui Mittag ein neliwcrev Schauer,
weli'lier \'j Stunde kug aiiliHK;
wührund des NaehiuittagH regnet
Der Himmel den ganzen Tag diclit
liowülktt e» regnet auch mehr-
Bruchstücke eines meteorologischen Tagebuches.
609
Datum.
Stunde.
Grade
CeUiiiB
Bemerkungen.
AtiffUSt,
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27 — 31.
September.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8-10.
Barth'a R«Imii. IIL
Sonnenaufg.
Sonnenaufg.
Sonnenaufg.
Sonnenaufg.
Sonnenaufg.
• « • . •
• • • I
23
26
26
25
23
• •
Um 6 Uhr Morg, f&llt »/, Stunde
lang ein heftiger Schauer.
Schöner, heiterer Morgen. Um Mittag
bewölkt sich der Himmel und um
12^ Uhr fallen einige Tropfen ;
später, während des Nachmittags,
fällt mehr Regen.
Zuweilen der Himmel bewölkt und
etwas Regen.
Regnerischer Tag; der Regen fängt
um 11 Uhr Vorm. an und dauert
bis 3 Uhr Nachm.
Um 11 Uhr Vorm. fällt etwas Regen,
aber viel mehr rings umher in der
Nähe.
Um 2 Uhr Nachm. etwas Regen.
Kukaita^ — Kein Regen.
Um 3 Uhr Nachm. beträchtlicher
Regen.
Um 4 Uhr Nachm. gelinder Regen.
Um Mittag zieht sich ein Gewitter
zusammen, aber es fällt kein Re-
gen.
Der Himmel um Mittag bewölkt, aber
kein Regen.
Kein Regen.
Heiteres Wetter.
Um Mittag bildet sich ein Gewitter;
am Nachmittag gelinder Regen.
Der Himmel am Nachmittag bewölkt,
aber kein Regen.
Am Morgen fallen einige Regen-
tropfen. ,
Kein Regen.
Um 10^ Uhr Vorm. ein Gewitter mit
ziemlich viel Regen.
Ein warmer, heiterer Tag.
Kein Regen. — Keine Beobachtungen.
39
■H...
nimde.
Ap(«^.
11.
I^UhrNacbm.
37
Um4 UhrNschn. ein Gewitter ohne
BegeD.
12.
2 Uhr Nmcbm.
86.7
Schönei Wetter.
la
An Nachnilt*g w» hefUger nnd kal-
geo.
14.
1 in>r Nachm.
85
IB.
26,7
le.
Heiteret Welter. — Keine Beobach-
itmgen.
17.
IJ Uhr Nohm.
36
18.
27
19.
26
2 Uhr Nachm.
36
20.
Sonnen «nfg.
26
BewOlliler liimmel ; die Sonne kommt
»war um Mittag tum Vowchein,
aher nur anf knrae Zeit In
Osten ein Gewitter, doch fallen
bei noa nur wenige TropEen.
21.
KoDDeiianfg.
26
11 Uhr Nehm.
36
Um b Ubr Nachm. ein Gewitter; am
Abend einige Regentropfen,
22-2(1.
gen.
21.
FrQh am Margen geUnder Kegen. —
Keine Bcobachtnngen.
28. .
Kein Regen. — Keine Beobachtun-
gen.
29.
li Uhr Nehm.
36
30.
Sonnen anfg.
27
2 Uhr Nachm.
38
OIctebtr.
1-2.
Kein Kegen. - Keine Beobachtun-
gen.
.■J,
Sonnenaufg.
25
1} Uhr Nehm.
36,!
res(;e«fitter, aber nur wenige Re-
gentropfen.
4.
Sonnenaufg.
26
ii.
Sonnenanfg.
26
H Uhr Nohm.
38
Bruchstücke eines meteorologischen Tagehuches.
611
Datum.
stunde.
Grade
Celsius.
Demerkungren.
Oktober,
G 10.
« •
Keine Beobachtungen.
11.
• •
In der vorhergehenden Nacht ein Ge-
witter und ziemlich viel Regen. —
Keine Beobachtungen.
12 13.
• •
Ileitercs Wetter. — Keine Beobacli-
tungen.
14.
• •
Um 10 Uhr Vorm. ein starker Sturm,
wobei einige Regentropfen fallen ;
die Regenwolken isiehcn jedoch
nach Südost vorüber.
15.
Sonnenaufg.
22,2
14 Uhr Nehm.
35,6
16.
« •
Bewölkter Himmel, aber um Mittag
klärt es sich auf. — Keine Beob-
achtungen.
17.
Sonnenaufg.
24
18.
Sonnenaufg.
22
1 J Uhr Nehm.
37
19.
Sonnenaufg.
22
20.
* .
Am Abend ein starker Sturm, wel-
cher ein Gewitter anzukündigen
scheint. — Keine Beobachtungen.
21.
« *
Am Nachmittag ein Gewitter mit ge-
lindem Regen um 3 Uhr Nachm.,
welcher y^ Stunde lang anhält und
dann nach kurzer Unterbrechung
noch einmal anfängt. — Keine
Beobachtungen.
22.
. • • .
« •
Am Nachmittag ein Gewitter, aber
in unserer Nähe kein Regen. —
Keine Beobachtungen.
23 - 31.
Sonnenaufg.
21-22
An allen diesen Tagen weht viel
14 Uhr Nehm.
35-36
Wind.
November,
1 — 10.
• •
Keine lieobachtungen.
11.
Sonnenaufg.
20
12.
Sonnenaufg.
19,6
13.
Sonnenaufg.
19
14.
Sonnenaufg.
18,5
tcomlngiiichcn Taf^ebnchei.
..,.,..
ÜIDndc.
c-;".«.
'
Xweu^rr.
\lu
HciuieiiMüg.
18,3
111'IitNcLid.
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11 lllir Nehm.
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Keine Beobkcbtungeu.
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BU-itt K°IO
KARTE DER ROUTE
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KrKAUA NACH KA]!f]
II. Sept. bis 14. Not.
1851.
({^«••eicbrirt von K Prt^rmanji .
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Stanford University Libraries
Stanford, California
Retum thi« book on or befor« date due.