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Full text of "Reisen und Entderkungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855"

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WrzrilliAK 


lieifen  und  (irntdecltiutpn 


111 


NORD- 1  NF»  ('E.\TßAL- AFRIKA 


ii)  (K'ii  Jahren  1S41)  bis  1S55 


^Oll 


Dr.  Heinrich  Barth. 


•'»  111»  I'  im  Antti;i^  il«-r  HrittisclH'ii  hS'girnmjj  iiuttTiioiinufiien  Ri'if>e. 


l>nH(M*  HjukI. 


Mit    K  «<  r  1 1>  II «    li  o  I  /.  s  «  h  u  1 1 1 1  II    II  ml    B  i  1  A  <*  r  n 


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3)^3.  G\ 


Dr.   Ileinr.   liarth's 


REISEN  UND  ENTDECKUNGEN 


in  Nord-  und  ( 'entral-Af rika. 


Drilkr  iband. 


INHALT  DES  DRITTEN  BANDES. 


Kapitel  I.     Regenzeit  in  Kükaua  1851.     S.  1. 

Beschränkte  pekuniäre  Lage  der  Reisenden  1.  —  Grenze  der  tropischen 
Regen  in  Bömu  3.  —  Anfang  der  Feldbestellung  in  Kükaua  4.  —  Plan, 
die  östlichen  Ufer  des  Tsäd  zu  besuchen  6.  —  Overweg's  Sorglosigkeit 
in  Verarbeitung  seiner  Reisenotizen  8.  —  Politische  Verhältnisse  im  Su- 
dan 9.  —  Hinfälligkeit  des  Reiches  von  Sokoto  12.  —  Das  Fest  „'ATd 
el  Fotr"  in  Kükaua  13.  —  Die  Reiterei  von  Bümu  15.  —  Ankunft  von 
Briefen  aus  £uropa  17.  —  Lage  der  Reisenden  in  Bömu  18.  —  Vorbe- 
reitung zur  Reise  nach  KSnem  19. 

KIapitel  IL     Zug  nach  Känem.     8.  21. 

Aufbruch  aus  Kükaua  21.  —  Der  Diener  Mohammed  ben  Ahmed  22.  — 
Ungünstige  Nachricht  von  den  USl&d  Slimän  25.  —  Nahrungsmittel  der 
Bewohner  des  östlichen  Seeufers  26.  —  Nomadische  Lager  der  Rinder- 
hirten 29.  —  Ankunft  in  der  Stadt  Yö  31.  —  ilochzeitsfeierlithkeiten 
in  Bömu  31  (Anmerkung).  —  Der  Fluss  Komidugu  32.  —  Der  elek- 
trische Fisch  im  Flusse  33.  —  Vereinigung  mit  Overweg  und  der  übri- 
gen Reisegesellschaft  34.  —  Ausflug  nach  der  Mündung  des  Kom&dugu  35. 

—  Übergang  über  den  KomÄdugu  37.  —  Die  Stadt  Bärua  38.  —  Salz- 
bereitung an  den  Ufem  des  TsSd  41.  —  Das  Dorf  NgÄgimi  42.  —  Ver- 
ödung der  Orte  Läri  und  Wüdi  43.  —  Kine  Elephantenheerde  am  Tsäd  45. 

—  Das  Grenzdorf  Beri  46.  —  Verschiedene  Strassen  von  Ngegiini  nach 
Berl  48  (Anmerkung). —  Die  Natronbecken  am  Nordufer  des  Tsäd  49. — 
Unfall  des  Reisenden  50.  —  Eine  grosse  Schlange  52.  —  Ankunft  im  La- 
ger der  UelSd  Slimän  54. 

Kapitel  JH.     Die  Horde  der  üeläd  Slimän.     S.  56. 

Frühere  Schicksale  der  Horde  56. —  Grosse  Niederlage  der  Ilorde  durch 
die  Tuareg  58.  —  Die  Horde  kommt  unter  die  Hoheit  Börau's  59.  — 
AllmähUcher  Verfall  der  Horde  60.—  Audienz  beim  Scheich  Rhet  61.  — 


VT  Inhalt  des  dritten  Bandes. 

Verhandlung  über  den  Besuch  des  Bahhr  el  Ghasäl  62.  —  Nächtlicher 
Tumult  64.  —  Flucht  einer  Sklavin  6.5.  —  Der  Bit  el  Küma  67.  —  Ab- 
zug eines  Theiles  der  Horde  nach  Kükaua  68.  —  Der  Landbau  in  Kä- 
neni  69.  —  Der  Jude  'Abd-Allah  70.  —   Der  Tebu-Häuptling  Hallöf  71. 

—  Vergebliche  Alarmirung  des  Lagers  72. 

KAriTKL  IV.     Schitäti.    Die  östlichen  begünstigtcrcn  Thäler  Kä- 
ncms.     S.  74. 

Abmarsch  nach  Osten  74.  —  Der  Bir  el  Fteim  75.  —  Gedrückte  Lage 
der  Kanembü  76.  —  Anerbietungen  Hallüfs  79.  —  Verhandlung  mit 
Scheich  Rhet  80.  —  Fäki  'OthmSn  80.  —  Das  Thal  B^rendö  82.  —  Der 
Thalkesscl  ToSder  83.  —  Das  Thal  Schelükko  85.  —  Das  Thal  Aghö  86. 

—  Vorbereitung  zum  Kampfe  87.  —  Raubgier  der  Trossbuben  89.  —  Das 
Thal  Gessgi  90.—  Das  Thal  Ssigge-ssl  91.  —  Das  falsche  Wadi  el  Gha- 
sÄl  93.  —  Das  Thal  A'läli  A'dia  95.  —  Der  Häuptling  Keghdmma  96.  — 
Feindlicher  Angriff  97.  —  Besorgliche  Lage  der  Reisenden  99.  —  Rück- 
kehr in  die  Landschaft  SchitSti  101. —  Das  Lager  am  Brunnen  Yegil  103. 

—  Körperliche  Erschöpfung  des  Reisenden  105.  —  Verlegung  des  Lagers 
nach  AmÄnko  107.  —  Rückreise  nach  Kükaua  108.  —  Ankunft  in  Kü- 
kaua 111. 

Kapitel  Y.     Kriegsrüstungen  gegen  Mandara.     S.   112. 

Aufbruch  von  Kükaua  112.  —  Das  Lager  bei  Kükia  113.  —  Charakte- 
ristik LÄmino's  115.—  Das  Lager  bei  Y5di  116.—  Die  Stadt  Marte  119. 

—  Lager  bei  Xla  120.—  Die  Stadt  Diköa  122.—  B6mu*s  Verkehrswege 
mit  Europa  123.  —  Abschaffung  des  Sklavenhandels  in  Bomu  124.  —  Die 
Schüa-Araber  125.  —  Das  Innere  der  Stadt  Diköa  127.  —  Ankunft  'Abd 
e'  Rahmän's  128.  —  Der  Fluss  Yiloe  bei  Diköa  129.  —  Der  Wochen- 
mirkt  in  der  Stadt  131. —  Notiz  über  iiimba  Ssämbo's  Hecreszug  133. — 
Geographische  Kenntnisse  der  Bomauer  134. 

Kapitel  VI.     Die  Grenzlandschoften  der  Schüa.     8.  136. 

Lager  bei  A'fage  137.  —  Zuckergewinnung  im  Sudan  138.  —  Lager  bei 
Diggera;  grosse  Kälte  141. —  Stehendes  Sumpfgewässer  in  Bomu  142. — 
Die  Gewässer  um  den  Tsäd  herum  143.  —  Beilegung  des  Streites  mit 
Mändara  144. —  Wilder  Reis  146.  —  Das  Lager  in  derWildniss  147. — 
Der  Müssgu- Fürst  A'dischen  149.  —  Zug  durch  die  Landschaft  \Vo- 
lödje  150.  —  Werth  der  Nadeln  in  dieser  Landschaft  152.  —  Eine  Art 
wilder  Katze,  „ssümmoli'*  153.—  Der  Webervogel  154.—  Dichte  Wild- 
niss,  von  Elephanten  durchzogen  155.  —  Eintritt  in  das  Land  der 
MüssgTi  156.  —  Kombehälter  der  Müssgu  158.  —  Lager  beim  Müssgu- 
Dorfe  K6rom  159.  —  Verzeichniss  der  Müssgu-Herrschaften  160.  —  Der 
M&llem  Djömme  162.  —  Audlena  A'dischSn's  beim  Vezier  163.  —  Poli- 
tiaeho  IiSge  der  MÜBsgu  165.  —  Oyerweg's  Besuch  bei  A'dischlfn  167. 


Lalialt  des  dritten  Bandes.  vii 

Kapitel  VJLl.   Die  Landschaft  der  seichten  Sumpfgewasscr.   Was- 
serscheide   zwischen  den  Flüssen  Benue  und  Schäri.     S.   168. 

Dm  Dorf  Bögo  168.  —  Die  Verbreitung  der  Delebpalme  1C9.  —  Über- 
fall eines  Mdssgu- Distriktes  171.  —  Gänzliche  Venv'irrung  im  Nach- 
trapp 173. —  Die  Bomu-Kamcele  175. —  Xürpcrbildung  derMussgu  176. 

—  Äussere  Erscheinung  der  Müssgu  178.  —  Aufbruch  gegen  die  Tü- 
buri  179.  —  Zug  gegen  D4mmo  181.  —  Das  Dorf  Dommo  182.  —  Die 
Landschaft  uro  Denimo  185. —  Unterwerfung  zweier  Kirdi-Häuptlingc  186. 

—  Priester  bei  den  Mussgu  187.  —  Düngung  der  Felder  188.  —  Der 
Fluss  von  Lögonc  189.  —  Ein  Wasserkampf  mit  den  Müssgu  191.  — 
Absendung  eines  Couriers  nach  Kükaua  192.  —  Eine  kleinere  Khasia 
nach  Südost  194.  —  Der  Sserbowel  in  der  Landschaft  Wülia  196.  — 
Die  Wasserverbindungen  zwischen  dem  Tsäd  und  Benue  198.  —  Bück- 
kehr  nach  dem  Lager  200.  —  Hast  am  Xgäldjaro  von  Demmo  202. 

Kapitel  Ym.     Rückkehr  nach  Boruu.     S.  205. 

Uohes  Alter  des  Tabaksbaues  in  Central  -  Afrika  205.  —  Blinde  Alarmi- 
rung  des  Lagers  207.  —  Prachtvolle  Landschaft  208.  —  Die  Produkte 
des  Müssgu-Landes  209.  —  Benennungen  des  Rindes  in  den  Central-Afri- 
kanischen  Sprachen  210.  —  Die  Grenze  von  Wülia  und  Bärea  211.  — 
Lanze,  gefunden  in  einem  Dorfe  der  A'bare  212.  —  Zeichnung  einer  an- 
geblichen Müssgucrin  213.  —  Anfall  des  Heeres  durch  Bienenschwärme  214. 

—  Ein  erfolgloser  Raubzug  217. —  Wahrscheinliche  Lage  der  Herrschaft 
Füss  218.  —  Eintritt  in  ödere  Gegenden  219. —  Die  zerstörte  Residenz 
Bäga  221.  —  Kornkammern  und  Gemächer  in  der  ehemaligen  Wohnung 
des  KÄbischme  222.  —  Erfolg  des  Heereszuges  224.  —  Die  Berghöhen 
von  Wasa  227.  —  Rückkehr  nach  Ngomu  229.  —  Geographische  Re- 
sultate des  beendigten  Zuges  2.30.  —  Vorbereitung  zu  einem  neuen  Aus- 
fluge 231. 

Kapitel  IX.     Abreise    nach  Baghirmi.     Die  Landschaft  Kotokö. 

S.  232. 

Ausrüstung  des  Reisenden  232.  —  Abreise  von  Ngomu  233.  —  Ein 
SchBa-Araber  wird  in  Dienste  genommen  235.  —  Das  Dorf  Kostäri  236. 

—  Natrongehalt  des  Wassers  237.  —  Gruppe  von  Euphorbien  238.  — 
Die  Dörfer  Dabua,  GudjSri  und  HAkkum  239.  —   Die  Stadt  Ngälä  240. 

—  Die  Stadt  Ren  243.  —  Der  Distrikt  Rdngana  244.  —  Die  Stadt 
A'fade  245.  —  Die  Städte  des  Reiches  Kotok5  246.  —  Eigenthümliche 
Antilopenart  247.  —  Die  Sümpfe  um  Kala  herum  248. 

I 

Kapitel  X.     Die  Pro\inz  Logon.     Logon  birni.     8.  250. 

Die  Stadt  Kala  250.  —  Die  Stadt  Hülluf  der  Zauberer  252.  —  Eintritt 
in   das  Stadtgebiet  von  Logön  253.  —   Die   Stadt  Logon  birni  254.  — 


viii  Inhalt  des  dritten  Bandes. 

Palast  des  Statthaitors  255.  —  Audienz  beim  Keghimma  256.  —  Audienz 
beim  Sultan  257.  —  Wohnung  desselben  259.  —  Persönlichkeit  des  Sul- 
tans 2t)0.  —  Der  Fluss  von  Lögone  und  seine  Boote  261.  —  Der  Was- 
serkönig 262.  —  Grosse  Gastfreundlichkeit  des  Sultans  263.  —  Beschif- 
fung  des  Plusses  von  Logone  264.  —  Über  die  Flussnamen  im  Sudan  266. 

—  Historische  Notizen  über  Logone  269.  —  Heutige  politische  Lage  des 
Staates  271. —  Die  Grosswtirdenträger  des  Reiches  Logone  272. —  Pro- 
dukte und  Industrie  von  Logone  21  ii, —  Das  Volk  und  seine  Sprache  274. 

Kapitel  XI.     Die  beiden  Flüsse.    Eintritt  in  Baghirmi.    S.  276. 

Abreise  von  Logone  276.  —  Das  Vorkommen  des  Rhinozeros  im  Su- 
dan 278.  —  Ankunft  an  den  Ufern  des  Schäri  279.  —  Umtriebe  Hadj 
Ahmed's  280.  —  Übergang  über  den  SchSri  bei  Mele  283.  —  Eintritt 
in  Baghirmi  285.  —  Fauna  der  Landschaft  286.  —  Gezwungene  Rück- 
kehr nach  MelS  287.  —  Das  Dorf  Mele  288.  —   Der  Fluss  SchSri  289. 

—  Abreise  nach  BügomÄn  291.  —  Die  Dörfer  MustafadjT,  Biigari  und 
MatuSri  292.  —  Ankunft  in  Bügomdn  295.  —  Der  Marktverkehr  in  Bü- 
gart 296.  —  Das  Dorf  Bäkadä  und  der  Hadj  Bü-Bakr  Ssadik  299.  — 
Verwilderter  Zustand  des  Landes  301.  —  Kampf  mit  den  weissen  Amei- 
sen 302.  —  Das  Dorf  Bäkadä  303.  —  Äussere  Erscheinung  der  Baghir- 
mior  305.  —  Pilgerkarawane  in  BAkada  306.  —  Handelsleute  und  Kara- 
wanen in  Baghirmi  307.  —  Feldbau  bei  B&kada  308.  —  Antwort  vom 
Vicestatthalter  309. 

Kapitkl   XII.     Versuch,    das   Land   zu   verlassen.     Verhaftung. 

Endlicher   Einzug    in   Mäsena.      Mäsena's    Eigenthümlichkei- 

ten.     S.  311. 

Aufbruch  von  Bakadä  311.  —  Ankunft  in  McSkori  312.  —  Der  Honig- 
kukuk  313.—  Das  Dorf  KoUe-köUc  314.—  Das  verödete  Dorf  Mdrga  315. 

—  Nachtlager  in  der  Wildniss  317.  —  Ankunft  in  Kokorotsche  318.  — 
Ungeheuere  Ameisenhügel  bei  Mele  320.  —  Ankunft  in  Mele  321.  — 
Verhaftung  des  Reisenden  322.  —  Aufbruch  nach  Mäsena  324.  —  An- 
kunft daselbst  327.  —  Audienis  beim  Vicestatthalter  328,  —  Der  Pullo 
Fäki  Ssämbo  330.  —  Anderweitige  Bekanntschaften  333.  —  Lächerliche 
Botschaft  des  Vicestatthalters  335.  —  Aberglaube  der  Baghirmier  337.  — 
Tauschmittel  und  Marktverkehr  in  Mäsena  338.  —  Schwierigkeit  des  wei- 
teren Vordringens  nach  Osten  342.  —  Marktverkehr  in  A'bu-Gher  343. 

Kapitel  XIII.     Beschreibung   der   Stadt  Mäsena.      Ankunft  des 

Sultans.     Endliche  Abreise.     S.  345. 

Topographie  der  Stadt  345.  —  Backsteinmauem  im  Sudan  346.  —  Der 
Residenzpalast  in  Mäsena  347.  —  Bauweise  der  Stadt  349.  —  Arztliche 
Praxis  des  Roisenden  350.  —  Die  Frauen  der  Baghirmier  351.  —  Hadj 


Inhalt  des  dritten  Bandes.  u 

Ahmed's  Terdrttssliche  Lage  353.  —  Kampf  mit  den  Ameisen  354.  — 
Kegcnmangcl  356.  —  Rückkehr  des  Sultans  357.  —  Der  Paradezug  des 
Sultans  358.  —  ZuTorkoramenhcit  des  Sultans  361. —  Ankunft  von  Brie- 
fen aus  Europa  362.  —  Mangelhafte  Ausrüstung  mit  Geldmitteln  364.  — 
Verdächtiger  Besuch  von  Ilofleutcn  365.  —  Beschwichtigung  des  Arg- 
wohns der  Eingeborenen  367.  —  Audienz  beim  Sultan  368.  —  Weitere 
Verhandlung  mit  dem  Reisenden  371.  —  Zweite  Audienz  beim  Sultan  372. 

—  Tod  Maina's  BelÄdeml  373.  —  Unfreundlichkeit  der  Städter  375.  — 
Marktpreise  in  Mäsefia  376.  —  Endliche  Beurlaubung  des  Reisenden  377. 

—  Abreise  von  Mäsena  379. 

Kapitel   XIV.     Überblick    über    die   Geschichte    von   Baghirmi. 
^Ulgcmciner  Zustand  des  Landes  und  seiner  Bewohner.    S.  380. 

Quellen  zur  Geschichte  Ost -Sudans  380.  —  Frühere  Schicksale  Ost -Su- 
dans 383.  —  Gründung  dos  Reiches  Baghirmi  385.  —  Erste  Herrscher 
von  Baghirmi  387.  —  Kampf  Baghlrmi's  gegen  WÄdäi"  389.  —  Unter- 
werfung des  Landes  unter  Wddä'i  390.  —  Erneuerter  Angriff  der  Bor- 
nauer  auf  Baghirmi  392.  —  Jetzige  Lage  des  Landes  393.  —  Natürliche 
Vorzüge  Baghirmi's  395.  —  Beschwerliche  Verbindung  des  Landes  mit 
der  Nordküste  Afrika's  396.  —  Die  Landschaft  südlich  von  Baghirmi  397. 

—  Die  Nahrungsmittel  des  Landes  398.  —  Flora  Baghirmi's  400.  — 
Bewaffnung  der  Baghimüer  401. —  Verfassung  und  Beamtenthum  403. — 
Das  Abgabenwesen  404. 

Kapitel  XY.     Rückreise  nach  Kükaua.  Herrn  Dr.  Overweg^s  Tod. 
8.  406. 

Abreise  von  Mäsena  407.  —  Aufenthalt  in  Kokorotsche  409.  —  Ankunft 
in  A'-ssü  410. —  Übergang  über  den  Schäri  411. —  Rast  in  einem  Schüa- 
Dorfe  412.  —  Übergang  über  den  Fluss  bei  Logon  414.  —  Ankunft  in 
A'fade  415.  —  Das  Dorf  VVangara  416.  —  Sumpfige  Niederung  am  Tsäd 
417.  —  Zusammenkunft  mit  Dr.  Overweg  und  Eintritt  in  Kükaua  418. — 
Audienz  beim  Scheich   419.   —    Körperliche  Entkräftung   Overweg's  421. 

—  Ernstliche  Erkrankung  desselben  423.  —  Overweg's  Tod  425. 


Anilvng  I,  zur  Käncm-lieisc.     Beschreibung  der  östlichen  Theile 
Känems  nach  Angaben  der  Eingeborenen.     S.  429. 

Die  heutige  Hauptstadt  MÄö  430.  —  Die  Umgebung  derselben  431.  — 
Die  Umgebung  des  Tsäd  433.  —  Itinerar  von  Mäö  nach  Täghghcl  433. 
—  Itinerar  von  Biri  nach  Täghghel  435.  —  Der  Bahhr  el  GhasÄl  437.  — 
Strassen  vom  Tsäd  nach  Burgu  443.  —  Die  Stämme  der  Tebu  444. 

Uartb'B  R«i»«ii.    UI.  ** 


^  Inluüt  dett  dritten  Bandes. 

Vn»*vn\.    H.  jsur  Küiiem- Heise.    Zusummcnstellung  der  geographi- 

■aKvu    \n^U»en,  welche  in  dem  „Diwan"  oder  dem  Berichte  des 

luuou    Alnued    ben    Ssofiya    über   des   Königs    Edriss    Alaöma 

^\'Ul/.u>^»  von  lk')mu  nach  Känem  enthalten  sind.     S.  449. 

^'VhU^v  hVMaug  449.—  Zweiter  Feldzug  459.—  Dritter  Feldzug  4«1.    - 
Niorirr  FeWaug  464.  —  Fünfter  Feldzug  471.  .—  Letzter  Feldzug  474. 

XMiwti  III,  zum  Mussgu-Feldznge.  Bericht  über  die  verschie- 
dem'n  Uoitereiabtlieilungen ,  aus  welchen  das  Bornu-Heer  bei 
«lern  Feldzuge  nach  Mussgu  bestand.     S.  476. 

An II AN«  lY.  Städte  und  Dortschaften  der  Provinz  Logen  oder 
Kogonc.     JS.  481. 

Anhang  V.     Depesche  von  Lord  Palmerston.     S.  483. 

Amian«   vi.      Abriss  der  Geschichte  von  Wadai.     S.  485. 

Aniianc;   VII.     Ethnographische  Beschreibung  von  Wadai.    S.  500. 

AxiiANfi  VIII.     Die  Regierung  von  Wadai.     S.  510. 

Anhang  IX.  Sammlung  von  Itinerarien  zur  Feststelhing  der 
Topograi)hie  Wadai's  und  Baghirmi's.     S.  527. 

I.  Strassen  von  Mäsena  nach  Wära  .527. 

II.  StraKisen  im  Inneren  Wd<lAi*H  53.5. 

III.  Strassen  im  Inneren  Bagliinni's  .553. 

BKiTrHSTi'CKK  eines  meteorologischen  Tagebuches.     S.  585. 


In  den  Text  eingedruckte  Holzschnitte. 

1.  Kombehälter  im  Müssgu-Lande  158. 

2.  Dreizack,  in  einer  Hütte  der  A'barc  gefunden  212. 

3.  Knochen  in  der  rntorlippc  eines  Müssgu-Weibes  2 LS. 
•1.  Kornkammer  in  der  Residenz  zu  Bäga  222. 

5.  Gnindriss  derselben  222. 

♦».  Grundriss  der  Wohnung  des  Sultans  von  Logonc  und  des  Keghämma  259. 

7.  Plan  der  Stadt  Mäsena  345. 

8.  Eiserner  Haken,  im  Dorfe  Lägia  in  WädÄi  verfertigt  544. 


Inhalt  de»  dritten  Bandes. 


XI 


A  II  s  i  c  li  t  V  11. 

1.  Der  Komädugu  bei  Yö  'Ml. 

2.  Elephantenheerde  am  Tsäd  45. 

3.  Bir  cl  Fteim  75. 

4.  Henderl  Ssigge-ssl  91. 

5.  Amsäkai,  ein  Kanenibü-Häuptling  110. 

6.  MÜ8go  171. 

7.  Ein  Mussgu-Häuptling  zu  Pferde  179. 

8.  Das  NjTÄldjam  bei  Deiunio  185. 

9.  Zeltenlager  in  Müsgo  206. 

10.  Wülia  208. 

11.  Wülia  212. 

12.  Das  Innere  einer  Müssgu- Wohnung  222. 

13.  Lager  bei  Wanza  227. 

14.  Der  Schäri  bei  Mole  283. 

15.  Der  Kiuzug  des  Sultans  in  seinen  Palast  in  Mäsena  358. 
IG.  Logon  birni  414. 


K  cl  r  t  e  11. 


Nr. 


10.  Karte  der  Route  von  Kükaua  nach  Känem,   11**"  Sept.  bis  14**"  Not.  1851. 
Maassstab  :    Vi^oodooo. 

11.  Karte  der  Koute  von  Kükaua  nach  Müssgu,  25»""  Nov.   1851  bis  1***"  Febr. 
1852.     Maassstab:   '/boooqd- 

12.  Karte  der  Route  von  Kükaua  nach  Mäsena,  .5**"  März  bis  21"**"  Aug.  1852. 
Maassstab :   Vgoooop- 


\ 


I.  KAPITEL. 

Regenzeit    in,  Xükaua    185  1. 


Ich  hatte  bei  meinem  Aufbruch  nach  Adamaua  die  Haupt- 
stadt Bornu's  in  bester  Gesundheit  verlassen;  aber  ich  hatte 
von  jener  Reise  die  Keime  ernstlicher  Krankheit  zurückge- 
bracht und  der  Aufenthalt  in  der  Stadt,  wenigstens  zu  dieser 
Jahreszeit,  war  nicht  eben  dazu  geeignet,  meinen  Zustand  zu 
verbessern.  Gewiss  würde  es  erepriesslicher  für  mich  gewesen 
sein,  wenn  ich  im  Stande  gewesen  wäre,  mich  unverweilt  nach 
einem  gesünderen  Orte  zurückzuziehen;  aber  kleine,  jedoch 
zur  Zeit  höchst  wichtige  Geschäfte  hielten  mich  in  Kükaua 
zurück. 

Es  war  nöthig,  die  endlich  angekommenen  Waaren  zu  ver- 
kaufen, um  uns  irgendwie  flott  zu  halten,  indem.wir  die  drin- 
gendsten Schulden  bezahlten  und  die  zu  weiteren  Forschungs- 
reisen nothwendigen  Mittel  beschafften.  Es  fand  sich  Waare 
zum  Belauf  von  100  Pfund  Sterling;  da  ich  aber  gezwun- 
gen war,  die  Artikel  für  baares  Geld  loszuschlagen,  ergab 
sich  ein  beträchtlicher  Verlust.  Denn  aller  grössere  Handel 
in  diesen  Ländern  wird  auf  zwei-  oder  selbst  dreimonatlichen 
Kj-edit  abgeschlossen  und  am  Ende  geschieht  die  Zahlung 
nicht  in  baarem  Gelde,  sondern  fast  ganz  allein  in  Sklaven. 
Gewiss  ist  es  Bedürfiiiss  für  einen  Reisenden,  mit  einör  Aus- 
wahl solcher  Artikel  versehen  zu  sein,  welche  die  Geschenke 
bilden,  die  er  den  Häuptlingen  zu  machen  hat,  und  auch  in 
vielen  Landschaften  in  Ermangelung  einer  allgemein  gültigen 

Barth'«  B*bM.  111.  1 


J 


2  I.  Kapitel. 

Landesmünze  zum  Austausche  nöthig  sind;  aber  für  seine 
täglichen  Bedürfnisse  sollte  der  Reisende  nicht  auf  den  Ver- 
kauf von  Waaren  angewiesen  sein.  Allerdings  ist  es  keine 
Frage,  dass  ein  Europäer,  der  sich  ruhig  in  einem  Orte  nie- 
derliesse  und  enge  kaufmännische  Verhältnisse  mit  den  Ein- 
geborenen anknüpfte,  eine  grosse  Menge  interessanter  Beleh- 
nmgen  sammeln  könnte,  die  der  Aufmerksamkeit  des  stets 
umherwandemden  Reisenden,  dessen  Zweck  mehr  in  der  Er- 
forschung entfernter  Gegenden  beruht,  wahrscheinlich  entge- 
hen würden.  Aber  auf  der  anderen  Seite  ist  es  in  diesen 
Ländern  schwierig,  ja  unmöglich,  Handel  mit  ausgedehnter 
geographischer  Forschung  zu  verbinden. 

Überdies  war  ich  gezwungen,  meinen  Freunden,  um  sie  bei 
guter  Laune  zu  erhalten,  zahlreiche  Geschenke  zu  machen, 
und  hatte  sehr  häufig  Anzüge  nicht  allein  für  sie  selbst  und 
ihre  Frauen,  sondern  selbst  für  ihre  Diener  und  Anhänger 
zu  beschaffen,  so  dass.  Alles  zusammengenommen,  die  Mittel, 
die  mir  die  Waaren  im  Werthe  von  100  Pfimd  Sterling  ge- 
währten, nur  sehr  kurze  Zeit  ausreichen  konnten.  — 

Ich  habe  bemerkt,  dass,  als  ich  nach  Kukaua  zurückkehrte, 
der  Anbau  des  Bodens  noch  nicht  begonnen  hatte.  Wirklich 
war  das  ganze  Land  so  versengt,  dass  es  überaus  schwierig 
war,  hinreichend  Futter  für  die  Pferde  zu  finden;  denn  der 
ganze  Vorrath  trockenen  Grases  war  verbraucht  und  frische 
Kräuter  waren  noch  nicht  zu  haben.  In  meinen  täglichen  No- 
tizen findet  sich  die  Bemerkung,  dass  ich  am  5*««^  August  12 
Rottel  für  ein  Bündel  trockenen  Grases  —  „kela  kadjimbe"  — 
bezahlte,  —  ein  ungeheuerer  Preis  in  diesem  Lande  imd  völlig 
hinreichend,  eine  ganze  Familie  mehrere  Tage  zu  unterhalten. 
Das  aber  war  der  ungünstigste  Augenblick;  denn  in  wenigen 
Tagen  schoss  frisches  Gras  auf  imd  befriedigte  allen  Mangel 
Da  ich  diesen  Gegenstand  einmal  bespreche,  muss  ich  auch 
erwähnen,  dass  das  Gras  von  Kukaua'  voll  von  Pennisetum 
diatichum  —  „nglbbi"  —  mit  der  stacheligen  Samenkapsel 


\ 


Regcnseit  in  Kükaua.  3 

ist  und  Pferde  aus  anderen  Gegenden  gewöhnlich  sehr  schlecht 
dabei  fahren,  da  sie  einen  Widerwillen  dagegen  haben,  ihr 
Maul  mit  den  kleinen  Stacheln  dieses  Grases  anzufüllen. 

Der  Regenfall  war  im  Jahre  1851  sehr  reichlich  und  ich  bin 
sicher,  dass  er  die  von  Herrn  Dr.  Vogel  im  Jahre  1854  gefun- 
dene Regenmenge  bei  weitem  übertroffen  haben  würde,  wenn 
er  gemessen  worden  wäre.  Es  fielen  allein  während  des  Mo- 
nats August  zwölf  sehr  bedeutende  Regengüsse,  die  zusammen 
wahrscheinlich  schon  30  Zoll  überstiegen.  Auch  darf  man 
nicht  vergessen,  dass  der  Regenfall  in  Eükaua  nicht  die  Re- 
gel für  eine  weite  Landschaft,  sondern  eine  Ausnahme  bildet, 
was  dem  gänzlichen  Mangel  an  Bäumen  imd  an  Anhöhen  in 
der  Umgegend  zuzuschreiben  ist.  Ich  bin  daher  der  Ansicht, 
dass  Herrn  Dr.  Vogel's  Angabe*),  die  Linie  tropischer  Regen 
beginne  erst  südlich  von  Kükaua,  mit  einigem  Vorbehalt  zu 
verstehen  sei;  denn  wenn  er  den  Regen  in  der  bewaldeten 
Landschaft  in  einiger  Entfernung  nördlich  von  der  Hauptstadt, 
Z¥rischen  Dau-erghü  und  Kalfluä,  gemessen  hätte,  so  würde  er 
wahrscheinlich  schon  ein  verschiedenes  Residtat  gefunden  ha- 
ben. Gewiss  versteht  Herr  Dr.  Vogel  hier  unter  tropischem  Re- 
gen eine  tropische  Regenfülle  und  nicht  den  regelmässig  wie- 
derkehrenden Regenfall,  der  durch  die  aufsteigenden  Strö- 
mungen erhitzter  Luft  verursacht  wird,  und  schliesst  desshalb 
Eükaua  von  der  Zone  tropischer  Regen  aus,  wie  sich  denn 
sicherlich  die  Hauptstadt  Bömu's  in  dieser  Hinsicht  mehr  der 
mittleren  Regenmenge  von  Europa  anschliesst.  Es  wäre  aber 
grundfalsch,  dies  zu  verallgemeinem  und  eine  Linie  südlich 
von  Kükaua  durch  den  Sudan  oder  selbst  nur  durch  Bomu 
zu  ziehen.  Wie  ganz  anders  muss  der  Regenfall  auf  dem 
Tsäd  sein  und  wie  g^nz  anders  selbst  in  den  waldigen  und 
sumpfigen  Gegenden  am  Komädugu !  In  der  Nacht  des  S^^^  Au- 


*)  In  einem  seiner  Briefe,  der  im  Journal  of  Üie  Royal  Oeogr,  Soc,,  vol. 
XXV,  1S66,  p.  241,  abgedruckt  worden  ist. 


4  L  Kapitel. 

gust  fiel  ein  überaus  heftiger  Regen,  der  nicht  allein  unseren 
Hofraum  unter  Wasser  setzte,  sondern  auch  mein  Gemach, 
das  72  Fuss  tiefer  lag  und  nur  eine  niedrige  Schwelle  hatte, 
in  einen  kleinen  Teich  verwandelte,  was  nicht  wenig  dazu 
beitrug,  meinen  fieberhaften  Zustand  sehr  bedeutend  zu  ver- 
schlimmem, und  wodurch  auch  der  grösste  Theil  meines  Ge- 
päckes verdarb. 

Am  5^^^  August  fiel  zum  ersten  Male  Regen,  ohne  von  Ge- 
witter begleitet  zu  sein,  während  die  Regenzeit  im  Allgemei- 
nen mit  erschrecklichen  Gewitterstürmen  hereinbricht  Der 
Überfluss  an  Wasser  störte  das  üppige  Dasein  der  „kanam 
galgalma",  der  grossen,  ausgewachsenen  und  nicht  larvenarti- 
gen Termiten,  die  so  lange  von  unserem  Zucker  und  anderen 
Vorräthen  gezehrt  hatten,  und  am  6ten  August  verschwanden 
sie  alle  auf  einmal  vom  Boden  und  erfüllten  die  Luft  als  ver- 
gängliche geflügelte  Geschöpfe,  in  welchem  Zustand  sie  vom 
Volke  „tsütsu"  oder  „dsüdsu"  genannt  werden  und  geröstet 
zur  Nahrung  dienen.  Ihre  Lebenskraft  ist  so  beschränkter 
Natur  und  sie  scheinen  so  schwach  zu  sein,  dass  sie  sehr  lä- 
stig werden,  wenn  sie  in  jeder  Richtung  auf  den  Mann  und 
senie  Nahrung  fallen.  Von  jedem  Schwärm  dieser  Insekten 
scheint  nur  ein  einziges  Paar  bestimmt  zu  sein,  den  Tag 
schnellen  Unterganges  zu  überleben;  alle  übrigen  sterben 
eines  gewaltsamen  Todes. 

Die  Stadt  fing  jetzt  an,  einen  von  dem  früheren  ganz  vei> 
schiedenen  Anblick  zu  gewähren;  aber  während  es  erfreulich 
war,  die  Trockenheit  gehoben,  frisches  Gras  und  junge  Saat 
überall  aufschiessen  und  die  traurige  Einförmigkeit  der  Ascle- 
j>ias  gigantea  verdrängen  zu  sehn,  so  waren  doch  anderer- 
seits die  ausgedehnten  Lachen,  die  sich  überall  in  den  Ver- 
tiefungen des  Bodens  bildeten,  der  Gesundheit  keineswegs 
zuträglich,  besonders  da  man  an  solchen  Stellen  allerlei  Un- 
rath  und  krepirtes  Vieh  hinzuwerfen  pflegte.  Die  Folge 
hienon  war,  dass  meine  Krankheit  sich  verschlimmerte,  so 


Regenzeit  in  Kdkaus.  5 

sehr  ich  auch  dagegen  ankämpfte,  indem  ich  mich  durch  kleine 
Ausritte  so  viel  wie  möglich  in  Bewegung  erhielt.  Man 
war  jetzt  überall  bei  der  Feldarbeit  beschäftigt,  obgleich  der 
Boden  in  der  Umgegend  der  Stadt  nach  der  mannichfalti^en 
BeschafiFenheit  desselben  keineswegs  auf  eine  gleichmässige 
Weise  bestellt  und  ein  grosser  Theil,  welcher  aus  „ange"  und 
„firki"  —  dem  feinen,  schwärzlichen,  fast  sandlosen  Humus  — 
besteht,  dem  Anbau  des  Wintergetreides  (Holcus  cemuus) 
—  „massakuä'^  —  vorbehalten  wird. 

Am  8^^  August  gewährte  die  Landschaft  ein  sehr  beleb- 
tes Schauspiel,  indem  die  Domänen  in  Gaudnge  von  einer 
'  bei  Trommelschlag  arbeitenden  grossen  Anzahl  Leute  bestellt 
wurden.  Diese  Arbeiten  dauerten  bis  zum  15*«»  August,  an 
welchem  Tage  Herr  Dr.  Overweg  die  Ehre  hatte,  dem  Scheich 
von  Bomu  seine  Büdduma-Freundc  vorzustellen.  Die  ganze 
Natur  war  nunmehr  zu  ein(?m  heiteren  Leben  erwacht:  die 
Bäume  trieben  frisches  Laub,  die  Jungen  der  Vögel  wurden 
flügge.  Ich  beobachtete  mit  vielem  Vergnügen  den  kleinen 
Haushalt  einer  befiederten  Familie;  derselbe  enthielt  fiinf 
Junge,  von  denen  das  älteste  und  kühnste  am  12*^^  August 
seine  Stärke  zu  versuchen  anfing,  während  die  vier  anderen 
am  14ten  zusammen  ausflogen. 

Heirathen  finden  um  diese  Zeit,  wo  die  Getreidepreise  hoch 
stehn,  nur  selten  statt;  die  Ehen  werden  gewöhnlich  nach 
der  Ernte,  wo  das  Getreide  billig  ist,  geschlossen.  Die  lan- 
desüblichen Hochzeitsfeierlichkeiten  sollen  weiter  unten  be- 
schrieben werden. 

Am  5*«>  September  erhielten  wir  die  erste  Probe  von  neuer 
weisser  Negerhirse  —  „argüm  möro"  — ,  welches  junge  Korn, 
am  Feuer  geröstet,  recht  angenehm  schmeckt,  aber  um  diese 
Zeit  für  einen  Leckerbissen  gilt,  indem  man  das  neue  Ge- 
treide in  beträchtlicher  Menge  erst  Ende  Novembers  oder  An- 
fang Dezembers  zu  Markte  bringt,  nachdem  die  ganze  Ernte, 
welche  eine  geraume  Zeit  in  kegelförmigen  Haufen — ^^„bügga" — 


I 


im  Pf^lde  ^Ipism  hai:.  pamsRdnmcibai  ndtsr  jjsSmdkr 
v^rt  ist, 

M(^m  Frftnnrf,  der  V#»3di*r.  ife«5eii  wrssoxue  Anfini 
hinftir.htlich  nu*ini*r  rjff*sundlißit  ich  anf  da»  Würmste 
k*>nn^n  hftlv^.  wüimohte  ^far.  das»  ich  wahrimd  d»  Begemnl 
n^ht  in  d^r  ri^uh  v^^rhleiben  im'khte.  mui  da^erwiasle.  dasB 
nns  nj»in#*ntlirh  vv>l  dAran  laff.  die  örtlichen  ÜÄr  des  Taid- 
.'''=^/^'^  ani  ^or^rh**n.  vj  lie?»»  er  mir  am  11*™  Amnist  meldm.  ick 
If örm<*  miriTn*=^hr  den  Bahhr  el  Ghasal  b<?«icheii-  ein  Uiitefiidi- 
mf^,  w^lche^  ^.  wi^  bereits  erwähnt,  ünflingfirh  fSr  manög- 
Hfh  f^kViirt.  hatf/r.  E«  waren  ron  Kanem  günstigere  Nach- 
rif-ht/^n  ^nflfftrofFen :  da  irh  jedoch  an  einem  anderen  Orte 
7r,n  dr^m  p«^»Iitisrhen  Znstande  dieses  zerrütteten  Landes  und 
d^n  fU,rf,  imnnt^rbrrKthen  wüthenden  Kampfe  zwbchen  B&nn 
nT»d  Vf^dii  an^fnhrlirh^  sprechen  werde,  so  bemerke  ich  hier 
r»Tir.  dAft«?  die  ^f^fTsmürti^  im  Sold  des  Yeziers  stehenden  Uelld 
HVrrufiri  anf  ihrf^m  letzten  Raubzuge  emige  Erfolge  erlangt 
haf f^T» .  wie  (U-nn  gerade  an  dem  Tage  memer  Rückkehr  von 
Ad;»rr»Äria  f>ericbtet  wurde,  dass  dieselben  150  Pferde  nnd 
zfMrfvhf  Kameele  f.Tbentet  hätten,  was  sich  jedoch  nadiher 
fiU  nne  j(r^/<<!*e  t 'bertrf jibnng  erwies. 

V/^  W/ir  nuH  zwar  der  Charakter  dieser  Lente,  welche  ohne 
Tr^ij^ft  /n  d^^i  ziigellosesten  Räubern  in  der  Welt  gehören, 
rf'4)d  ^iit  bekannt;  da  es  jedoch  der  ausdrückliche  Wunsch 
fhr  Ur'Mhvhc^}  K#^giemng  war,  dass  wir  die  Länder  öst- 
lich nm  See  erkunden  Holltcn,  und  da  das  dortige  Grebiet 
vtfw  fri^dlirlieri  Vc-rkelir  gänzlich  ausgeschlossen  imd  vom 
Ifoniii-Mofe  mAhni  so  gut  wie  aufgegeben  war,  so  stand  uns 
keifF  nnd(*ri'r  Weg  offen,  als  unsere  friedlichen  Bestrebungen 
ffiif  den  w^üii^er  heÜHanien  dieser  Horde  zu  vereinigen.  Auch 
waren  die  Helfld  Hlirnftn  für  derlei  Verbindungen  bereits  eini- 
f^ernniwReti  vdrbfreiiet,  da  Hie,  während  sie  noch  ihre  grasrei- 
i\wu  Wdlinwii/e  an  der  grossen  Syrte  inne  hatten,  mit  den 
Mnglllndern  in  öft^«re  freundschaftliche  Berührung  gekommen 


Plan,  die  östlichen  Ufer  des  Tsad  zu  besuchen.  7 

waren.  Wir  hatten  um  so  weniger  eine  Wahl,  da  sämmtliche 
nordöstlich  und  östlich  vom  Tsäd  liegenden  Gaue  gegenwärtig 
mehr  oder  weniger  von  Wädai,  welches  damals  mit  Bömu 
Krieg  führte,  abhängig  waren  und  man  uns  gleich  Anfangs 
erö&et  hatte,  es  stehe  uns  frei,  überall  hinzugehn,  nur  nicht 
nach  Wadai.  Anstatt  es  mit  eigener  Bj-aft  zu  versuchen, 
die  östlichen  Gemarkungen  von  Känem  seinem  östlichen  Ne- 
benbuhler wiederzunehmen,  oder  ihn  doch  wenigstens  zu  ver- 
hindern, sich  daselbst  festzusetzen,  hatte  es  der  Vezier  ge- 
wagt, dazu  die  Überbleibsel  des  kriegerischen  und  dermalen 
heimathlosen  Stammes  der  Ueläd  Slimän  zu  verwenden.  Zu 
dem  Behufe  hatte  er  mit  diesen  Arabern  eine  Vereinbarung 
getroffen  und  es  übernommen,  sie  mit  Pferden,  Flinten  und 
Schiessbedarf  zu  versehen.  Um  also  diese  ungastlichen  Ge- 
genden, welche  in  Europa  beträchtliche  Aufmerksamkeit  er- 
r^  hatten,  zu  besuchen,  waren  wir  genöthigt,  diese  Gelegen- 
heit zu  benutzen.  Ich  zeigte  demnach  am  IG^en  August  dem 
Vezier  an,  ich  sei  bereit,  mich  zu  den  Ueläd  Slimän  in  Borgu 
zu  begeben,  worauf  er  den  Wunsch  ausdiückte,  dass  auch 
Herr  Dr.  Overweg  sich  dem  Zuge  anschliessen  möge,  da  der 
Aufenthalt  in  Kükaua  während  der  Regenzeit  sehr  unge- 
sund sei 

Herr  Dr.  Overweg  war  am  9^^^  August  von  seiner  interes- 
santen Beschiffung  des  Tsäd  nach  Maduari  zurückgekehrt 
In  Hinsicht  auf  diese  Fahrt  wird  es  Jeder  schmerzlich  be- 
dauern, dass  der  kühne  Reisende  durch  frühzeitigen  Tod  ver- 
hindert wurde,  einen  vollständigen  Bericht  über  dieselbe  zu 
liefern.  Die  von  ihm  hinterlassenen  Materialien  gestatten  kaum, 
mehr  davon  zu  sagen,  als  was  schon  Herr  Dr.  Petermann  ^us 
ihnen  •  zusammengestellt  hat.  Indem  er  in  dem  Englischen 
Boote,  welches  wir  den  ganzen  Weg  durch  die  unabsehlichen 
Sand-  und  Steinstrecken  der  Wüste  hierher  gebracht  hatten, 
das  seichte  WaBserbecken  des  Tsäd  befuhr,  hatte  er  einen 
grossen  Theil  der  Inseln  besucht,  welche  in  ihm  zerstreut  he- 


f 


'  8  I.  Kapitel. 

gen  und,  zuweilen  zu  blossen  Sanddünen  beschränkt,  zuwei- 
len zu  weiten  grasreichen  Niederungen  sich  ausdehnend,  eine 
Bevölkerung  in  ihrer  eigenthümlichen  nationalen  Unabhängig- 
keit fristen,  welche  den  Üben-est  einer  grossen,  von  den  Ka- 
non fast  ganz  vertilgten  Nation  bildet.  Es  war  eine  kleine,  in 
sich  abgeschlossene  Welt,  mit  der  Herr  Dr.  Overweg  so  in  Be- 
rührung gekommen  war  und  von  welcher  wir  allmählich  nähere 
Kunde  zu  erlangen  hoffen  konnten.  Seine  Gesundheit  war  bei 
der  Rückkehr  vortrefflich,  viel  besser,  als  zur  Zeit,  wo  ich  zu- 
letzt wieder  mit  ihm  in  Kükaua  zusammengetroffen  war.  Da 
ihm  die  triftigen  Gründe,  welche  unser  Freund,  der  Vezier,  für 
seinen  Wunsch  hatte,  dass  wir  während  des  letzten  Theiles 
der  Regenzeit  nicht  in  den  sumpfigen  Niederungen  bei  der 
Hauptstadt  verweilen  möchten,  sehr  wohl  bekannt  waren,  so 
willigte  er  ein,  sich  mir  auf  diesem  gewagten  Zuge  nach  dem 
Nordosten  anzuschliessen. 

Diese  Gegenden  hatten  bereits  bei  unserer  Abreise  von 
Mursuk  Herrn  Dr.  Overweg's  besondere  Aufmerksamkeit  auf 
sich  gezogen.  Mit  den  unermesslichen  Schwierigkeiten,  welche 
der  Bereisung  dieser  ungastlichen  Strecken  entgegenstehen, 
noch  nicht  vertraut,  hatte  er  sich  oft  der  trügerischen  Hoff- 
nung hingegeben,  einst  mit  unserem  jungen  Tebu- Bur- 
schen Mohammed  el  Gatröni  die  fruchtbarei;!  und  malerischen 
Thäler  von  Borgu  und  Uadjanga  durchstreifen  zu  können.  In 
dieser  Beziehung  sowohl,  als  auch  wegen  meines  eigenen  da- 
mals so  geschwächten  Gesundheitszustandes,  welcher  mir  wäh- 
rend des  Zuges  nach  Känem  nur  einen  geringen  Theil  der 
mir  angeborenen  Energie  Hess,  ist  es  überaus  zu  bedauern, 
dass  mein  unglücklicher  Gefährte,  der  sich  nie  recht  bewusst 
zu  sein  schien,  dass  sein  Leben  in  Gefahr  sei,  die  Ungewiss- 
heit  seiner  Rückkehr  in  die  Heimath  nicht  in  Erwägung  zog 
und  einen  Bericht  über  seine  Forschungen  ausarbeitete.  Wä- 
ren alle  von  ihm  nach  und  nach  gesammelten  Nachrichten 
und  gewonnenen  Anschauungen  zu  den  meinigen  hinzugekom- 


Die  politischen  Verhältnisse  des  Sudan.  9 

men,  so  würden  diese  Länder  jetzt  viel  besser  bekannt  sein,  als 
es  der  Fall  ist  Anstatt  aber  seine  Mussestunden  dazu  zu  be- 
nutzen, eine  auch  für  Andere  lesbare  Abschrift  seiner  Notizen 
zu  machen,  liess  er  sie  sänuntlich  flüchtig  mit  Bleistift  auf 
kleine  Papierschnitzel  geschrieben,  so  dass  sie  selbst  für  ihn 
nach  Verlauf  einiger:  Zeit  unlesbar  werden  mussten.  Es  ist 
Schade,  dass  das  bedeutende  Talent,  welches  Dr.  Overweg  be- 
sass,  nicht  mit  einem  mehr  praktischen  Wesen  verbunden 
und  ausschUesslicher  den  Studien,  denen  er  sich  gewidmet, 
zugewandt  war. 

Der  politische  Horizont  des  Sudan  füllte  sich  damals  mit 
bedeutungsvollen  Ereignissen,  welche  theils  wirklich,  theils 
nur  scheinbar  von  Wichtigkeit  waren.  Welche  Vortheile 
auch  Bomu  aus  seiner  centralen  Lage  ziehen  mag,  so  hat 
diese  doch  zugleich  die  Gefahr  zur  Folge,  mit  dem  einen 
oder  anderen  seiner  Nachbarländer  in  fortwährende  Zwistig- 
keiten  verwickelt  zu  werden.  Und  daraus  ergibt  sich,  dass 
sich  dieses  Reich  unter  einer  schwachen  Regierung  auf  die 
Dauer  nicht  wird  erhalten  können;  es  muss  entweder  fort- 
während seine  Eroberungen  über  die  angi-enzenden  Länder 
ausdehnen,  oder  es  wird  bald  überwältigt  werden. 

Im  Norden  ist  das  Reich  der  'Ossmanli,  welches,  obwohl 
im  Lineren  schwach  und  zerfallen,  doch  mit  seinen  aussen- 
liegenden  Gliedeni  Alles,  was  in  seinem  Bereich  ist,  zu  er- 
greifen droht.  Im  Nordwesten  sind  die  Tuareg,  welche  zwar 
nicht  eine  sehr  bedrohliche  einheitliche  Macht  bilden,  aber 
bei  jeder  Gelegenheit  bereit  sind,  ihre  Beute  zu  erhaschen; 
im  Westen  das  Reich  von  Sokoto^  von  grosser  Ausdehnung, 
jedoch  unbeschreiblich  schwach  in  Folge  des  ungeregelten 
Zustandes  seiner  nur  locker  vereinigten  Provinzen  und  der 
kraftlosen  Regierung  eines  friedlich  gesinnten  Fürsten,  so 
dass  gerade  um  diese  Zeit  der  Statthalter  einer  Provinz  die 
Flammen  des  Aufruhrs  und  der  Empörung  weit  um  sich  her 
verbreitete,  während  ein  anderer  Lehnsträger  im  Süden  des 


10  L  KapiteL 

• 

Reiches  den  Besitz  der  Länder,  welche  die  jährliche  Sklaven- 
zufubr  liefern,  streitig  machte.  Im  Osten  Bömu's  dagegen 
liegt  ein  Reich,  das,  mit  der  jungfräulichen  Stärke  eines  noch, 
barbarischen  Zustandes  begabt,  die  Keime  grosser  Macht- 
entwickelung in  sich  trägt,  sofern  es  ihm  gelingen  sollte, 
die  verschiedenartigen  Elemente,  aus  denen  es  besteht,  yoU- 
kommen  zu  bewältigen  und  ineinander  zu  verschmelzen,  — 
ich  meine  Wadäi. 

Die  Verhältnisse  zu  den  'Ossmanli  waren  zu  der  Zeit  eigen- 
thümlicher  Art.  Wie  wir  in  dem  geschichtlichen  Berichte 
über  Bomu  gesehn  haben,  umfasste  dieses  Reich  vormals  al- 
les Land  bis  Fesän,  ja  den  südlichen  Theil  von  Fesän  selbst 
und  sogar  Wadän;  aber  seit  seinem  Verfalle  während  der 
letzten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  sind  diese  Gren- 
zen aufgegeben  worden,  wodurch  die  Verkehrsstrasse  nach 
dem  Norden  meistens  sehr  unsicher  wurde.  Ein  solcher 
Zustand  der  Dinge  aber  muss  nothwendig  überaus  nach- 
theilig auf  ein  Land  wirken,  welches  in  vielfacher  Beziehung 
auf  die  ihm  von  Norden  her  zufiiessenden  Mittel  angewiesen 
ist.  Der  Regierung  des  Landes  muss  es  daher,  da  sie  bei  ih- 
rer gegenwärtigen  Schwäche  nicht  im  Stande  ist,  die  Sicher- 
heit dieser  wichtigen  Verkehrsstrasse  herzustellen,  angenehm 
sein,  wenn  eine  andere  Macht  ein  solches  Resultat  herbei- 
fuhrt. Der  Vezier  erklärte  daher  in  einer  Unterredung,  die 
ich  nach  meiner  Ankunft  im  April  mit  ihm  bezüglich  der 
vorhandenen  Aussichten  auf  einen  geregelten  Verkehr  mit 
England  hatte,  es  würde  ihm  sehr  erwünscht  sein,  wenn  die 
Türken  Kauär  und  besonders  Bilma  in  Besitz  nehmen,  bei 
den  Salzgruben  dieses  Ortes  ein  Fort  erbauen  und  in  das- 
selbe eine  Besatzung  legen  wollten,  um  die  Tuareg  von  Air 
in  Schranken  zu  halten  und  sie  für  alle  auf  der  Fesäner 
Strasse  vorfallenden  Räubereien  verantwortlich  zu  machen. 
In  Folge  dieser  Mittheilung  machte  ich  nun  der  Brittischen 
Regierung  die  Eingabe,  sich  bezüglich  dieses  Gegenstandes 


Die  politiBcben  Verbftltnisse  des  Sudan.  11 

mit  der  Hohen  Pforte  in  Verkehr  zu  setzen,  welches  auch 
geschah. 

Die  Sache  hatte  jedoch  für  Borau  auch  ihre  sehr  bedenk- 
liche Seite.  Man  konnte  fragen,  ob  die  Türken,  wenn  sie 
sich  einiQal  in  Bilma  festgesetzt,  nicht  damit  umgehen  wür- 
den, sich  auch  das  ganze  Land  der  Tebu  zu  unterv^erfen. 
Ja,  es  war  sogar  zu  befurchten,  dass  sie  nur  zu  dem  Behufe, 
ihre  Herrschaft  auszudehnen,  dort  festen  Fuss  fassen  möch- 
ten. Als  daher  in  Bomu  die  Nachricht  ankam,  es  sei  der 
ehrgeizige  Hassan  Baschä  mit  sehr  ausgedehnten  Yerhaltungs- 
befehlen  wieder  als  Statthalter  von  Fesän  eingesetzt  worden, 
fühlte  sich  der  ganze  Hof  von  Bomu  beunruhigt.  Diese  Nach- 
richt übte  auf  die  Willigkeit  des  Scheichs  und  Veziers,  mit 
der  Englischen  Regierung  in  freundschaftlichen  Verkehr  zu 
treten,  einen  gar  bemerkenswerthen  Einfluss  aus. 

Am  5*«n  August  waren  sie  nicht  ijn  Stande,  ihre  Besorg- 
niss  zu  verbergen,  es  möge  eine  zahllose  Schaar  von  Eng- 
ländern ihr  Land  überströmen,  nachdem  ihnen  einmal  in 
Folge  des  jetzt  von  Ihrer  Brittischen  Majestät  Regierung  vor- 
gelegten Vertrages  freier  Zutritt  gestattet  worden  sei;  denn 
obwohl  ihnen  die  Armuth  ihres  Landes  im  Vergleich  mit 
Europa  nicht  unbekannt  war,  so  pflegten  sie  dies  doch  mit- 
unter zu  vergessen. 

Am  Nachmittag  des  6*«»  kam  der  Bote  mit  jener  Nach- 
richt an  und  noch  an  demselben  Abend  Hess  mir  Hadj  Be- 
schlr  anzeigen,  dass  sie  bereit  seien,  den  Vertrag  zu  unter- 
zeicliuen.  Bei  späterer  Gelegenheit  drückten  sie  ihren  eifri- 
gen Wunsch  aus,  die  Englische  Regierung  möge  es  sich  an- 
gelegen sein  lassen,  die  Ausführung  der  ehrgeizigen  Absich- 
ten des  Statthalters  von  Fesän  zu  verhindern. 

Ich  hatte  mich  aber  schon  damals  davon  überzeugt,  dass 
die  nördliche  Strasse  durch  die  Wüste  sich  für  den  Euro- 
päischen Verkehr  nicht  eigne,  und  dass  eine  bequeme,  meh- 
rere hundert  Meilen  in  das  Innere   des  Erätheiles   hinein- 


i 


12  I.  Kapitel. 

führende  Strasse,  welche  nicht  sehr  weit  südlich  von  Eano,  dexa 
grossen  Stapelplatze  Inner -Afrika's,  und  nur  200  Meilen  in 
gerader  Linie  südlich  von  Kükaua  sich  hinzieht,  in  dem 
Flusse  Benue  entdeckt  worden  sei.  — 

Was  das  Reich  von  Sokoto  betrifft,  so  fiel  in  jene  Zeit 
ein  Ereigniss,  welches,  während  es  einen  augenscheinlichen 
Beweis  von  der  Hinfälligkeit  dieses  ausgedehnten,  aus  weit- 
läufigen Provinzen  bestehenden  Reiches  lieferte,  sich  für  Bomu 
als  überaus  vortheilhaft  erwies.  Am  Isten  August  traf  näm- 
lich die  Nachricht  ein,  dass  Bo&ri  oder  Bochäri  (der  ver- 
bannte Statthalter  von  Chadedja,  welcher  diese  Stadt  mit 
bewaffneter  Hand  eingenommen  und  seinen  Bruder  getödtet 
hatte)  einem  sehr  zahlreichen,  aus  den  Streitkräften  der  Pro- 
vinzen Kanö,  Bautschi,  Katägum,  Marmar  und  Boberu  be- 
stehenden Heere,  das  Aliu,  der  Herrscher  von  Sokoto,  unter 
der  Führung  seines  Premierministers  'Abdu  Gedädo  gegen  ihn 
gesandt,  —  eine  so  entschiedene  Niederlage  beigebracht  habe, 
dass  mehrere  Hunderte  in  dem  Kom&dugu,  dem  grossen  Flusse 
von  Bomu,  ihren  Tod  gefunden  haben  sollten.  —  Im  Frühjahre, 
während  sich  Herr  Dr.  Overweg  in  Göber  aufhielt,  hatten  die 
Mariadaüa  und  Göberaüa  einen  sehr  erfolgreichen  Kriegszug 
nach  S&nfara  ausgeführt,  und  der  Herrscher  von  Sokoto  ver- 
mochte sich  nicht  anders  an  ihnen  zu  rächen,  als  dass  er 
nach  Kanö  den  Befehl  sandte ,  meine  Freunde,  die  Asbenaua, 
von  deren  Stammgenossen  sich  viele  an  jenem  Zuge  bethei- 
ligt hatten,  aus  der  Stadt  zu  vertreiben.  Dieser  Befehl  wurde 
denn  auch  ausgeführt,  so  dass  nur  der  bekannte  Kandake 
(derselbe,  dessen  Herr  Richardson  in  der  Beschreibung  sei- 
ner früheren  Wüstenreise  so  oft  Erwähnung  thut)  durch  die 
Vermittelung  der  Leute  von  Ghadämes  in  der  Stadt  bleiben 
durfte. 

Die  unmittelbare  Folge  dieser  politischen  Verhältnisse  war, 
dass  sich  der  Hof  von  Bomu  bemühte,  mit  den  Asbenaua 
oder  den  Tuareg  vonAsben,  mit  welchen  derselbe  sonst  kei- 


Die  politischen  Verhältnisse  des  Bndan.  13 

neswegs  in  gutem  Einvernehmen  stand,  in  freundschaftlichen 
Verkehr  zu  treten,  und  daher  die  im  letzten  Kriege  gegen 
dieselben  gemachten  Gefangenen  freigab.  Das  Bündniss 
dehnte  sich  bis  Göber  aus,  und  der  eifrigste  Wunsch  des 
Veziers  war,  geradezu  auf  Kanö  los  zu  marschiren.  Die  Er- 
oberung dieses  grossen  Stapelplatzes  war  das  hohe  Ziel,  wel- 
ches sich  der  Ehrgeiz  dieses  Mannes  vorgesteckt  hatte;  er 
besass  jedoch  dazu  keineswegs  hinreichende  Thatkraft  und 
Selbstbeherrschung.  Der  Statthalter  jenes.  Platzes  aber,  be- 
stürzt über  den  Sieg  des  Bochäri,  welcher  nun  seine  Raub- 
züge in  diese  reiche  Gemarkung  ungehindert  auszuführen 
vermochte,  vertheilte  60  Bemuse  und  3000  Dollar  unter 
die  Mallemin,  um  sie  zu  bewegen,  Allah  für  das  Heil  des 
Vaterlandes  anzuflehen.  — 

Wir  haben  oben  gesehn,  dass  die  Bornuesen  ihren  Bezie- 
hungen zu  Adamaua  eine  feindliche  Richtung  gegeben  hat- 
ten ;  sie  brauchten  jedoch  von  dieser  Seite  nichts  zu  befürch- 
ten, da  der  Statthalter  jener  Mark  mit  den  Angelegenheiten 
seines  eigenen  Landes  vollauf  zu  thun  hatte. 

Ich  füge  hier  nun  noch  ein  Wort  über  Wadai  bei;  denn 
dies  war  die  Seite,  nach  der  sich  die  Blicke  des  Bornu- 
Volkes  mit  der  grössten  Besorgniss  richteten.  Vor  7  Jahren 
war  Bomu  beinahe  von  Waddi  erobert  worden;  man  suchte 
sich  also  auf  jede  Weise  von  dorther  Kunde  zu  verschaffen. 
Aber  auch  von  dorther  lauteten  die  Nachrichten  augenblick- 
lich günstig;  denn  obgleich  sich  das  Gerücht  von  dem  Tode 
des  Sultans  Mohammed  Scherif  als  falsch  erwiesen  hatte,  so 
bestätigte  sich  doch  die  Kunde,  dass  das  Land  mit  den  Abü- 
Ssenün  oder  Kodoyl  in  einen  blutigen  Bürgerkrieg  gerathen 
und  eine  grosse  Anzahl  der  cinflussreichsten  Männer  in  dem 
Kampfe  erlegen  sei.  — 

Indessen  nahmen  die  Angelegenheiten  in  der  Stadt  ihren 
gewöhnlichen  Lauf,  nur  dass  das  „'Aid  el  Fotr"  oder  „Ngu- 
meri  aschäm^'  (das  die  grosse  jährliche  Fastenzeit  abschlies- 


} 


14  *    I.  Kapitel. 

sende  Fest),  wenn  auch  nicht  vom  Volke,  welches  we- 
nig Theilnahme  zeigte,  doch  aber  vom  Hofe  mit  grossem 
Pompe  begangen  wurde.  An  anderen  Orten,  wie  z.  B.  in 
Kanö,  scheint  das  erwähnte  Fest  mehr  volksthiimlich  ge- 
feiert zu  werden ;  die  Kinder  .  der  Schlächter  —  „masufau- 
tschi"  —  in  jener  Stadt  besteigen  dann  mehrere  eigens  für 
jenen  Tag  gemästete  Ochsen,  indem  sie  sich  zwischen  die 
Homer  setzen  und  die  Thierö  vermittelst  um  den  Nacken 
und  am-  Hinterbeine  befestigter  Stricke  leiten.  .Unter  dem 
gemeineren  Volke  von  Börnu  dagegen  betheiligte  man  sich 
an  dem  Feste  fast  nicht  weiter,  als  dass  man  seine  besten 
Kleider  anlegte;  auch  ist  es  in  grösseren  Haushalten  allge- 
meiner Gebrauch,  dass  man  an  jenem  Tage  den  Dienern  ein 
neues  Hemd  zum  Geschenk  macht. 

Auch  ich  legte  am  Morgen  meine  beste  Kleidung  an,  be- 
stieg mein  Pferd,  welches  sich  von  den  Anstrengungen  der 
letzten  Reise  wieder  ein  wenig  erholt  hatte,  wenn  es  auch  noch 
keineswegs  für  eine  neue  derartige  Untemehmimg  geeignet 
war,  und  begab  mich  nach  der  Oststadt  — „billa  gedibe" — . 
Die  grosse,  von  der  Weststadt  kommende  Hauptstrasse  war 
gedrängt  voll  Leute  zu  Fuss  und  zu  Pferde,  welche  hin- 
und  hei-wogten,  Alle  auf's  Beste  angethan.  Es  hatte  vorher 
geheissen,  dass  der  Scheich  seine  Gebete  in  der  Moschee 
verrichten  werde;  es  fand  sich  aber  bald,  dass  er  ausser- 
halb der  Stadt  beten  würde,  da  starke  Abtheilungen  Reiterei 
zum  Nordthore  (der  „tschinna  yaläbe")  hinausritten.  Um 
zu  hören,  wo  die  Festlichkeit  stattfinden  solle,  begab  ich 
mich  nach  dem  Hause  des  Veziers  und  traf  ihn  gerade,  als 
er  inmitten  eines  Schwarmes  wohlgeputzter  imd  gut  beritte- 
ner Anhänger  herausgeritten  kam. 

Zugleich  kamen  aus  verschiedenen  Richtungen  mehrere 
Züge  Reiterei  heran,  bestehend  aus  einer  Anzahl  Schwadro- 
nen von  je  100 — 200  Mann,  jede  von  ihrem  Hauptmann 
—  „kaschella''  —  gefuhrt;  die  ganze  Mannschaft,  besonders 


Das  Fest  'Aid  el  Fötr.  15 

die  schwere  Reiterei,  war  in  den  prachtvollsten  Anzügen. 
Die  Reiter  tragen  meistens  einen  langen,  dick  wattirten  Rock 
—  „degfbbir"  — ^  darüber  mehrere  Toben  von  verschiedener 
Farbe  und  mit  allerlei  Zierath,  und  ihre  Kopfbedeckung  be- 
stand in  einem  Helme  —  „büge" — ,.dem  unserer  mittelal- 
terlichen Ritter  sehr  ähnlich,  aber  von  leichterem  Metalle 
und  mit  den  prahlendsten  Federn  geschmückt.  Ihre  Streit- 
rosse waren  . insgesammt  in  Kriegszeug  gekleidet,  nämlich 
in  dicke  Decken  —  „libbedi"  — ,  welche  aus  verschieden- 
artig gestreiftem  Zeuge  gefertigt  waren  und  aus  drei  Thei- 
len  bestanden;  die  Füsse  derThiere  blieben  unbedeckt,  wäh- 
rend der  Kopf  vom  mit  einer  Metallplatte  sowohl  beschützt, 
als  auch  geschmückt  war.  Andere  trugen  einen  Panzer, 
von  welchem  eine  Art  „ssillege'^  und  eine  andere  „komä- 
komi-ssübe"  genannt  wird.  Bei  der  Schilderung  des  Müssgu- 
Zuges  werde  ich  Gelegenheit  haben,  diese  Heergattung  dar- 
zustellen. 

Die  leichte  Reiterei  trug  nur  je  zwei  oder  drei  hell-schim- 
memde  Toben  und  kleine  Mützen  von  weisser  oder  anderer 
Farbe ;  die  Offiziere  und  begünstigteren  Diener  jedoch  waren 
mit  Bemusen  von  feinerem  oder  gröberem  Zeuge  angethan, 
die  malerisch  so  über  die  Schultern  geworfen  waren,  dass 
man  das  reiche  Seidenfutter  am  meisten  zu  sehn  bekam. 

Alle  diese  stolzen  Schwadronen,  in  welchen  gar  viele  herr- 
liche Pferde  prunkten,  zogen  nach  dem  Nordthore  der  Billa 
gedibe,  während  die  Reiterbedeckung  des  Scheichs  selbst, 
welcher  noch  in  der  Weststadt  geblieben  war,  von  Südwest 
herkam.  Diese  letztere  Truppe  gewährte,  wenigstens  in  der 
Femsicht  —  wie  bei  theatralischen  Vprstellimgen  — ,  einen 
wahrhaft  grossartigen  Anblick.  Den  Zug  eröfl&iete  eine  An- 
zahl Reiter;  dann  folgten  die  Livree-Sklaven  des  Scheichs, 
mit  Flinten  bewafinet,  und  zuletzt  kam  der  Scheich  selbst, 
als  Zeichen  seines  priesterlichen  Standes  mit  einem  weissen 
Bemos  angethan,  welcher  sehr  schön  gegen  seine  Kopfbe- 


16  I.  Kapitel. 

kleidung,  einen  dunkelrothen  Shawl,  abstach.  Hinter  ihm 
folgten  vier  prächtige  Schlachtiosse ,  mit  seidenen  Decken 
von  verschiedenen  Farben  behangen,  das  erste  Streitross  mit 
Weiss  und  Gelb,  das  zweite  mit  Weiss  und  Brami,  das  dritte 
mit  Weiss  und  Hellgrün  und  das  vierte  mit  Weiss  und  Kirsch- 
roth.  Dies  war  unstreitig  der  interessanteste  und  bemer- 
kenswertheste  ITieil  des  Aufeuges.  Nach  den  Pferden  folg- 
ten die  vier  grossen  Fahnen  —  „äläm"  —  des  Scheichs  nebst 
den  vier  kleineren  der  Musketiere,  imd  eine  zahlreiche  Schwa- 
dron Reiterei  schloss  das  Ganze. 

Mit  dem  Zuge  des  Scheichs  vereinigten  sich  nun  die  an- 
deren Corps  und  das  ganze  Heer  zog  in  der  Richtung  von 
Dau-erghü  ungefähr  1  Meile  weit  vor  die  Stadt  hinaus.  Hier 
schlug  man  das  Zelt  des  Scheichs  auf,  welches  aus  einer 
sehr  weiten,  blau  imd  weiss  gestreiften  Kuppel  imd  aus  zur 
Hälfte  weissen,  zur  Hälfte  rothen  Vorhängen  bestand;  die 
letzteren  blieben  halb  geöffnet  und  gestatteten  einen  Blick 
über  das  Ganze.  In  diesem  Zelte  verrichteten  der  Scheich, 
der  Vezier  und  die  Grosswürdenträger  ihre  Gebete,  während 
die  zahlreiche  Mannschaft  zu  Pferde  und  zu  Fuss  sich  höchst 
grossartig  und  malerisch  im  Felde  umher  gruppirte. 

Ich  umwanderte  indessen  die  interessanten  Gruppen  imd 
suchte  die  Stärke  der  verschiedenen  Abtheilungen  zu  zäh- 
len. Das  Resultat  befriedigte  zwar  nicht  die  hoch  ge- 
spannte Erwartung,  welche  man  in  mir  erregt  hatte;  doch 
waren  mindestens  3000  Mann  Reiterei  und  6-  bis  7000  Mann 
Fussvolk,  das  letztere  zum  Theil  nur  mit  Pfeil  und  Bogen 
bewafl'net,  auf  dem  Platze.  Die  Menge  der  Zuschauer  war 
ebenfalls  sehr  gross. 

Die  Ceremonie  dauerte  nicht  lange ;  bereits  um  9  Uhr  rief 
die  „ganga^'  die  Anfuhrer  zum  Aufsitzen,  und  die  dichte 
Menschenmasse  zertheilte  und  schaarte  sich  in  verschiedene 
Abtheilungen.  Der  Zug  nahm  seinen  Weg  um  die  Nordwest- 
ecke der  Oststadt  und  betrat  dieselbe  durch  das  Westthor; 


Das  Fest   Aid  el  Fotr.  17 

bei  dem  grossen  Gedränge  stand  ich  jedoch  davon  ab,  vom 
Scheich  Abschied  zu  nehmen,  mid  wandte  mich  daher  in 
Begleitung  von  zwei  sehr  ritterlichen  und  wohlberittenen 
jungen  Arabern  aus  Ben-6häsi  langsam  über  den  sich  zwi- 
schen beiden  Städten  ausbreitenden  freien  Raum  zurück 
und  machte  in  einiger  Entfernung  von  dem  Ostthore  der 
Weststadt  Halt,  um  die  Kaschella's,  welche  in  diesem  Stadt- 
theile  wohnen,  vorbeikommen  zu  sehn. 

Es  waren  ihrer  12  oder  13,  aber  nur  wenige  von  ihnen 
befehligten  über  100  Mann  Reiterei ;  am  stattlichsten  zeigten 
sich  Fügo  'Ali,  'Ali  Marghi,  'Ali  Dendal,  'Ali  Ladän,  Beläl, 
Ssälah  Kandä  und  Djerma. 

Es  fiel  auf,  dass  kein  Schüa  zum  Feste  gekommen  war; 
aber  ich  glaube,  sie  thun.  dies  überhaupt  selten ;  nur  mitun- 
ter kommen  sie  zum  „'Aid  el  Kebir"  oder  „Ngümeri  laiäbe". 
Es  ist  bemerkenswerth,  dass  auch  dieses  kleinere  Fest  hier  mit 
so  viel  Glanz  gefeiert  wird,  was  sonst  im  Mohammedanischen 
Sudan  nur  bei  der  „Laia"  der  Fall  ist;  dies  rührt  vielleicht 
von  Egyptischen  Einwirkungen  her;  denn  der  Gebrauch  ist 
wenigstens  so  alt,  wie  die  Zeit  des  Königs  Edriss  Alaöma.  — 
'  Ich  hatte  die  unaussprechliche  Freudö,  durch  den  am  6^^ 
August  angekommenen  Boten  ein  beträchtliches  Päcktchen 
Briefe  aus  Europa  zu  erhalten.  Insgesammt  enthielten  sie 
Versicherungen  sowohl  von  dem  grossen  Interesse,  das  man 
allgemein  an  unserem  Unternehmen  nahm  —  so  wenig  Nä- 
heres auch  von  unseren  bisherigen  Schritten  noch  bekannt 
geworden  war  — ,  als  auch  davon,  dass  Mittel  geschafft  wer- 
den sollten,  die  uns  befähigten,  imsere  Reisen  fortsetzen  zu 
können,  ohne  gar  zu  grosse  Entbehrungen  zu  erdulden. 

Ich  sammelte  daher  den  kleinen  Rest  der  mir  bei  meinem 
kränklichen  Zustände  verbliebenen  Energie  und  beendigte 
den  Bericht  über  meine  Reise  nach  Adamaua.  Diese  Arbeit, 
so  kurz  sie  auch  war,  verursachte  mir  zwar  viele  Schwierig- 
keiten, wurde  aber  auch,  zusammen  mit  der  Nachricht  von 


i 


18  I.  Kapitel. 

Herrn  Dr.  Overweg's  glücklicher  Beschiflfung  des  Tsäd,  am  S^^ 
August  abgesandt  und  in  Europa  mit  gi'ossem  Beifall  aufge- 
nommen. —  Mit  den  Briefen  und  einigen  Exemplaren  des 
Malteser  „Portfolio"  erhielt  ich  auch  etliche  Nummern  des 
Londoner  „Athenaeum",  welche  mir  ganz  besondere  Freude 
machten.  — 

Im  Allgemeinen  war  unsere  Lage  in  Bömu  nicht  eben 
übel.  Wir  standen  im  freundschaftlichen  Vernehmen  mit 
der  Regierung,  wurden  vom  Volke  im  Allgemeinen  nicht  nur 
geduldet,  sondern  selbst  hochgeachtet,  und  sahen  einen  un- 
ermesslichen,  ebenso  interessanten",  wie  nützlichen  Wirkungs- 
kreis vor  unseren  Augen  aufgethan.  Abgesehen  von  dem 
Klima,  war  nur  Ein  misslicher  Umstand  vorhanden;  dieser  be- 
stand nÄmlich  darin,  dass  unsere  Mittel  zu  beschränkt  waren, 
um  uns  vom  Scheich  und  seinem  Vezier  ganz  unabhängig  zu 
machen;  denn  die  uns  bis  jetzt  zugekommenen  kldnen  Hilfs- 
summen waren  nicht  für  unsere  Bedürfnisse  hinreichend  und 
gar  bald  dahin.  Kaum  waren  wir  im  Stande,  uns  durch 
unseren  Kredit  aufrecht  zu  erhalten  und  die  unumgänglich- 
sten Bedürfnisse  zu  decken.  —  Herr  Dr.  Overweg  hatte  vom 
Scheich  ein  sehr  schönes  Pferd  erhalten  und  war  ausserdem 
noch  genöthigt  gewesen,  eine  Anzahl  Toben  anzunehmen, 
welche  er  dann'  unter  die  Büdduma- Häuptlinge  verschenkt 
hatte,  und  Scheich  und  Vezier  betrachteten  ihn  beinahe  als 
in  ihren  Diensten  stehend.  Er  verlor  daher  mit  der  Repa- 
ratur oder  vielmehr  mit  dem  Versuche  der  Reparatur  ihrer 
Uhren  und  dergleichen  Dingen  unendlich  viel  von  seiner  kost- 
baren Zeit,  und  um  gegen  den  verstorbenen  Reisenden  ge- 
recht zu  sein,  müssen  wir  diese  eigenthümliche  Lage,  in  der 
er  sich  befand,  wohl  in  Anschlag  bringen.  Solche  Dienste 
hatte  ich  gleich  von  Anfang  an  abgelehnt  und  wurde  daher 
als  minder  nützlich  betrachtet,  so  dass  ich  oft  den  Vorwurf 
zu  hören  hatte:  „'Abd  el  Kerim  faidansse  bdgo",  „'Abd  el 
Kerim  ist  zu  nichts  nütze".    Selbst  ich  war  jedoch  keines- 


Lage  in  Borna.  19 

wegs  von  dem  Wohlwollen  des  Scheichs  und  Veziers  unah- 
hängig  und  hatte  Alles,  was  ich  besass,  aufzuopfern,  um  von 
Zeit  zu  Zeit  ihre  Gunst  durch  ein  kleines  Geschenk  neu  an- 
zufachen. 

Das  Pferd,  welches  sie  mir  bald  nach  meiner  Ankunft  ge- 
schenkt hatten,  erwies  sich  als  unfähig  für  solche  Strapazen, 
wie  sie  mit  einer  langen  Reise  verknüpft  sind,  und  dasjenige, 
welches  ich  vor  meiner  Adamaua- Heise  gekauft  hatte,  war 
zu  sehr  erschöpft,  um  bald  wieder  eine  andere  Reise  mitma- 
chen zu  können,  und  nachdem  ich  nun  zwei  andere  Kameele 
gekauft  und  mich  sonst  für  einen  neuen  Zug  ausgerüstet  hatte, 
vermochte  ich  bei  meinen  gegenwärtigen  beschränkten  Mitteln 
nicht,  mir  auch  noch  ein  gutes  Pferd  zu  verschaffen.  Indem 
ich  mich  daher  dessen  erinnerte,  was  mir  der  Vezier  bezüg- 
lich des  ersten  Pferdes  bemerkt  hatte,  liess  ich  ihn  wissen, 
er  würde  mich  sehr  verbinden,  wenn  er  mir  ein  Pferd  zum 
Geschenk  machen  wollte.  Er  war  wirklich  so  freundlich, 
mir  vier  Thiere  zu  senden,  um  eins  davon  auszuwählen;  da 
mir  jedoch  keines  von  allen  gefiel,  nahm  ich  kein  einziges, 
indem  ich  ihm  einfach  bemerkte,  es  sei  unmöglich,  unter 
vier  Gäulen  —  „kadara"  —  ein  Pferd  —  „fir"  —  auszu- 
wählen. Dieser  Wink  wurde  nach  einiger  weiteren  Ausein- 
andersetzung von  meinem  Freunde  verstanden,  und  er  sandte 
mir  am  Abend  des  7*en  September  ein  Thier  aus  seinem 
eigenen  Stalle,  welches  mir  denn  auch  auf  meinen  vier  fol- 
genden Campagnen  ein  treuer  und  edler  Gefährte  war,  bis 
es  im  Dezember  1854,  auf  meiner  Heimreise  von  Timbuktu, 
in  Kanö  nebst  einem  seiner  Gefährten  von  einer  gefährli- 
chen Krankheit  dahingerafft  wurde. 

Dieses  Pferd  war  überall,  wohin  mich  in  der  Folge  meine 
Wanderungen  führten,  bei  allen  hohen  Personen,  vom  Sultan 
von  Baghirmi  an  bis  zu  den  Häuptlingen  der  Tademekket 
und  Auelinmiiden  bei  Timbuktu,  ein  Gegenstand  des  Neides ; 
seine  Farbe  war  ein  eigenthümliches  Grau,  schön  leoparden- 


I 


20  L  Kapitel. 

artig  gefleckt.  Die  Kanöri  stimmteQ  bezüglich  des  auf  das- 
selbe anzuwenderiden  Namens  nicht  überein;  Einige  nannten 
es  „scheggarä",  während  Andere  glaubten^  ihm  gebühre  der 
Name  „keri  ssassarandi".  Das  Thier  war  sehr  lebhaft  und 
liebte  es,  seine  schöne  Figur  auf's  Vortheilhafteste  zu  zeigen, 
wie  denn  die  Bomu-Pferde  überhaupt  sehr  feurig"  und  unruhig 
sind.  Es  war  ein  vortrefflicher  „kerl-ssa",  d.  h.  es  hatte  einen 
sehr  schnellen  Schritt,  bis  letzterer,  wie  dies  nur  zu  oft  der 
Fall  ist,  durch  das  Reisen  in  Gesellschaft  von  Kameelen  ver- 
dorben wurde;  aber  wegen  seines  muthwilligen  Wesens  ward 
ihm  oft  der  Vorsprung  abgewonnen.  Von  seiner  Stärke  legt 
die  Länge  der  Reisen,  welche  es  als  mein  treuer  Gefährte 
zurücklegte,  einen  vollständigen  Beweis-  ab,  besonders  wenn 
man  den  kriegerischen,  wissenschaftlichen  und  Zehrvorrath 
in  Anschlag  bringt,  den  ich  stets  bei  mir  führte.  Es  war 
ein  „ngirma",  jedoch  nicht  von  der  grössten  Höhe,  und  Herrn 
Dr.  Overweg's  Pferd  war  beinahe  eine  halbe  Hand  höher;  aber 
während  das  meinige  an  Gewandtheit  einem  Löwen  glich, 
var  das  seinige  schwerfällig  wie  ein  Hippopotamus. 

Im  Besitze  eines  solchen  Pferdes  rüstete  ich  mich  frohen 
Muthes  für  meine  neue  Fahrt,  welche  ich  in  dem  doppelten 
Lichte  eines  Unternehmens  für  die  Zwecke  der  Wissenschaft 
und  einer  Gesundheitsreise  betrachtete;  denn  meine  Körper- 
kräfte drohten  in  dem  ungesunden  Klima  von  Kükaua  zu 
erliegen.  Ausser  zwei  Tesäner  Burschen  hatte  ich  noch  zwei 
zu  den  Ueläd  Slimän  gehörige  Araber,  Namens  Bü-Sed  imd 
Hossen  ben  Här,  in  meine  Dienste  genommen. 


n.  KAPITEL. 

Zug     nach     Kaneni.  . 


[Dannerstag,  11^^  September  1851,]  Ich  hatte  mich  ent- 
schlossen, die  Stadt  vor  den  Arabern  zu  verlassen,  um  Zeit 
genug  zu  gewinnen,  während  der  ersten  Tage  langsam  reisen 
zu  können. und  so  meinen  geschwächten  Körper,  nach  einer 
40tägigen  Ruhe  in  der  Stadt,  wieder,  allmählich  an  die  Be- 
schwerden  eines  anhaltenden  Marsches  zu  gewöhnen.  Ich 
hatte  mich  mit  hinreichendem  Mundvorrath  versehen,  na- 
mentlich mit  Summita,  Dueda  (Nudeln),  Mohamssa  (aus 
Waizen  bereiteter  grpbkömiger  Kusskuss)  und  Näkia  (eine 
Art  Kuchen,  aus  Reis,  Butter  und  Honig  bereitet),  —  von 
jedem  zwei  Häute  voll.  Alles  dies  wurde  nebst  dem  ge- 
ringen Grepäck,  welches  ich  auf  dieser  Fahrt  mitzunehmen 
gedachte,  in  zwei  lederne  Säcke  —  „keua"  —  gesteckt, 
welche  die  Last  meiner  beiden  Kmeele  bildeten. 

Nachdem  ani  Morgen  Alles  bereit  war,  begab  ich  mich 
zum  Vezier,  um  von  ihm  Abschied  zu  nehmen  und  mit  mei- 
nem früheren  Diener  Mohammed  ben  Bü-S&d,  dem  ich  35 
Dollar  schuldete,  abzurechnen.  Hadj  Beschir  war  wie  gewöhn- 
lich freundlich  und  liebenswürdig;  was  aber  meinen  frühe- 
ren Diener  betrifft,  so  musste  ich  ihm,  da  ich  nicht  einen 
einzigen  Dollar  in  baarem  Gelde  besass,  eine  AnweisiUig  von 
75  Dollar  auf  Fesän  ausstellen.  Wir  hatten  auch  eine  lange 
Auseinandersetzung  bezüglich  der  beträchtlichen  dem  Fesä- 
ner  Kaufmann  Mohammed  e'  Ssfäksi  schuldigen  Summe,  und 


22  n.  Kapitel. 

da  es  unmöglich  war,  diese  Angelegenheit  auf  der  Stelle  zu 
ordnen,  so  sah  ich  mich  genöthigt,  ihre  vorläufige  Abschlies- 
sung  Herrn  Dr.  Overweg  zu  überlassen;  denn  ihre  endliche 
vollkommene  Entledigung  fand  diese  widerliche  Geschichte 
erst  nach  Ablauf  des  folgenden  Jahres. 

Wie  denn  dergleichen  Dinge  den  Reisenden  seiner  besten 
Stunden  und  halben  Thatkraft  zu  berauben  pflegen,  so  hat- 
ten alle  diese  unangenehmen  Geschäfte  auch  meine  Abreise 
so  lange  verzögert,  dass  gerade  die  Sonne  unterging,  als  ich 
zum  Stadtthore  hinausritt.  Meine  kleine  Reisegesellschaft  war 
noch. sehr  unvollständig;  denn  als  ich  in  die  hohen,  wogenden 
Hirsengefilde,  welche  die  kleine  nördliche  Vorstadt  gänzlich 
den  BUcken  entzogen,  hinaustrat,  fand  sich  nur  ein  armer 
junger  Mann,  den  ich  eigentlich  gar  nicht  einmal  gemiethet 
hatte,  als  mein  Gefährte  vor ;  die  drei  anderen  von  mir  gemie- 
theten  Diener  waren  unter  diesem  oder  jenem  Vorwande  zu- 
rückgeblieben. Der  Bursche,  welcher  sich  zur  rechten  Zeit 
eingefimden  hatte,  war  Mohammed  ben  Ahmed  aus  Fesän.  Ich 
hatte  denselben  schon  im  verflossenen  März  (es  war  in  Güm- 
mel)  fiir  2  Spanische  Dollar  monatlich  zu  miethen  gewünscht 
oder  vielmehr  wirklich  gemiethet;  aber  die  Ssuakena,  seine 
Gefährten  in  der  Kafla,  mit  welcher  er  soeben  von  Norden 
gekommen  war,  hatten  ihm  davon  abgerathen,  in  die  Dienste 
eines  Christen  zu  treten,  —  so  dass  er  sein  Wort  brach  und, 
mit  jener  Kafla  seine  Reise  fortsetzend,  mich  mit  nur  einem 
einzigen  brauchbaren  Diener  im  Stiche  liess.  Er  hatte  aber 
inzwischen  Zeit  gehabt,  sein  unwürdiges  Verfahren  vollkom- 
men zu  bereuen;  denn  er  war  in  Eanö  an  den  Rand  des 
Grabes  gerathen  und  dann,  von  seinen  früheren  Freunden 
verlassen,  im  grössten  Elende  nach  Kükaua  gekommen.  Da 
hatte  er  mich  denn  um  Verzeihung  und  Mitleid  gebeten,  so 
dass  ich  ihm  nach  einiger  Einrede  zu  bleiben  erlaubte,  ohne 
ihn  jedoch  zu  miethen.  Erst  nachdem  ich  in  der  Folge 
seine  Anhänglichkeit  zu  mir  erkannte,  erhielt  er  von  mir 


Abreise  nach  Kanem.  23 

monatlich  1  Dollar;  2  Dollar  bekam  er  erst  nach  meiner 
Abreise  von  Sinder  (im  Januar  1853),  auf  meinem  Timbuktu- 
Zuge,  wo  ich  genöthigt  war,  allen  meinen  Leuten  höheren 
Lohn  zu  zahlen.  —  Es  war  also  dieser  Bursche,  der  mir, 
als  ich  auf  dem  Känem-Zuge  die  Stadt  verliess,  mit  meinen 
^beiden  Kameelen  folgte. 

Alles  umher  zeigte  Fruchtbarkeit  und  Wachsthum,  gbgleich 
die  Umgegend  der  Hauptstadt  keineswegs  das  schönste 
Ackerland  Bömu's  begreift,  und  durch  die  frische  in  der 
freien  Natur  wehende  Abendluft  gestärkt,  zog  ich  fröh- 
lich dahin.  Ich  hatte,  den  östlichen  Pfad  eingeschlagen  und 
sah  mich  vergebens  nach  einer  zum  Lagerplatz  geeigneten 
Stelle  um.  Endlich  erblickte  ich  zwei  von  meinen  zurückge- 
bliebenen Leuten  und  fand  auch  zugleich  links  vom  Wege 
auf  etwas  ansteigendem  sandigen  Bo^en  einen  Platz,  wo  wir 
imser  Zelt  bequem  aufschlagen  konnten.  Ich  war  froh,  der 
Einförmigkeit  und  Enge  der  Stadt  enteilt  zu  sein;  denn 
nichts  in  der  Welt  macht  mich  so  glücklich,  als  eine  weite 
offene  Landschaft,  ein  bequemes  Zelt  und  ein  schönes  Pferd. 
Ich  hatte  jedoch  keineswegs  ein  ganz  behagliches  Lager; 
denn  weil  ich  es  vergessen  hatte,  mein  Zelt  zu  schliessen, 
wurde  ich  so  sehr  von  den  Mücken  belästigt,  dass  ich  fast 
nicht  schlafen  konnte.  In  Folge  der  Nähe  des  See's  fiel 
in  der  Nacht  ein  so  starker  Thau,  dass  das  Zelt  am  Mor- 
gen ganz  nass  war,  als  ob  es  in's  Wasser  getaucht  worden 
wäre. 

[Freitag,  12^^  September.]  Ungeachtet  dieser  Unbe- 
quendichkeiten  erwachte  ich  am  Morgen  mit  frohem  Herzen 
und  kümmerte  mich  wenig  um  die  Fliegen,  welche,  den 
nächtlichen  Quälern,  den  Mücken,  folgend,  mich  nun  anzu- 
greifen kamen.  Ich  Hess  mich  vor  dem  Zelte-  nieder,  um 
mich  meiner  Freiheit  zu  erfreuen.  Es  war  ein  schöner  Mor- 
gen, und  ich  blieb  stundenlang  sitzen,  im  ruhigen  Genüsse 
der  einfachsten  Landschaft  —  denn  der  See  im  Osten  war 


24  IL  Kapitel. 

nicht  sichtbar  und  kaum  ein  einziger  Baum  belebte  die  Ge- 
gend — ;  aber  die  tiefe  Stille,  welche  in  der  Natur  herrschte, 
athmete  solche  Heiterkeit  und  Zufriedenheit,  dass  ich  mich 
ebenso  glücklich  wie  gestärkt  fühlte.  Ich  dachte  gar  nicht 
daran,  zu  schreiben  oder  zu  studiren,  sondern  verträumte 
den  ganzen  Tag.  —  Am  Abend  erscliien  auch  der  dritte  von 
meinen  Leuten;  er  brachte  eine  Zeile  von  Herrn  Dr.  Over- 
weg  mit,  an  mich  adressirt,  mit  der  Aufschrift;  „m  campo 
caragae  Aethiopiensis^  („karäga"  heisst  „Wil^niss"). 

[Sonnabend,  13^^  September,]  Im  Laufe  des  Morgens, 
nachdem  der  Thau  einigermassen  abgetrocknet  war,  beschloss 
ich,  mit  meinem  Lager  eine  kleine  Strecke  weiter  vorzu- 
rücken, musste  jedoch  einen  mehr  westlichen  Pfad  einschla- 
gen, wegen  der  vielen  sumpfigen  Lachen,  die  sich  am  Ende 
der  Regenzeit  in  der  Einsenkung  am  Fusse  der  Hügel  von 
Dau-erghü  gebildet  hatten.  Der  Pflanzeuwuchs  ist  während 
dieser  Jahreszeit  selbst  in  diesem  einförmigen  Striche  reich 
zu  nennen. 

Nachdem  wir  endlich  die  Korn-  oder  vielmehr  Hirsenge- 
filde von  Dau-erghü  erreicht  hatten,  erstiegen  wir  bald  die 
Sandhügel,  wo  sich  die  ganze  Beschaffenheit  der  Landschaft 
änderte;  denn  Dum -Gestrüpp  höi^te  fast  gänzlich  auf  und 
Retem  (Spartium  junceum  oder  monospermum)  ward  der  ge- 
wöhnliche botanische  Schmuck  des  Bodens  überall  da,  wo  . 
der  Ackerbau  eine  Stelle  frei  gelassen  hatte,  während  reich- 
belaubte Mimosen  die  Einförmigkeit  des  Ackerlandes  unter- 
brachen. Nachdem  ich  mehrere  Gruppen  von  Dörfern,  wel- 
che zusammen  einen  beträchtlichen  Bezirk  bildeten,  zur 
Seite  gelassen  hatte,  gewahrte  ich  zur  Rechten  am  Fusse 
eines  Abhanges  eine  jetzt  von  einem  grünen  Gewässer  an- 
gefüllte Thalmulde,  wo  bald  nach  Beendigung  der  Sommer- 
emte  jene  besondere,  „massakuä"  genannte  Sorghum-Pixi  an- 
gebaut wird.  Der  von  einigen  Akazien  beschattete  Ort  war 
sehr  einladend,   und  da  ich,  obgleich  erst  2  Stunden  unter- 


V 


Zog  Dach  Känem.  25 

wegs,  wegen  meiner  Schwächlichkeit  und  Unpässlichkeit  be- 
reits ermüdet  war,  beschloss  ich,  während  der  Hitze  hier 
zu  rasten; 

.  Ich  hatte  mich  soeben  auf  dem  Boden  ausgestreckt,  als 
mir  mitgetheilt  wurde,  es  sei  ein  Bote  von  Rhet,  dem  Häupt- 
ünge  der  üeläd  Slimän,  mit  der  Nachricht  vorbeigekommen, 
dass  sich  dieser  unstäte  und  räuberische  Stamm  von  Borgu 
nach  Känem  zurückgezogen  habe.  Dies  war  eine  gar  unbe- 
friedigende Nachricht,  da  mir  nach  Allem,  was  ich  vernom- 
men, Borgu  als  ein  Land  von  vielem  Interesse  erschien  (we- 
nigstens von  gleich  grosser  geographischer  Bedeutung  wie 
Air  oder  Asben),  welches,  im  Besitz  von  tiefen  Thälem  und 
Schluchten  und  von  lebendigen  Quellen  bewässert,  ausser  einer 
grossen  Fülle  vortrefflicher  Datteln,  wenigstens  an  einigen  be- 
günstigten Stellen  sogar  Trauben  und  Feigen  erzeugt.  — 

Der  heutige  Morgen  war  etwas  trübe  gewesen,  aber  gegen 
Mittag  kam  die  Sonne  zum  Vorschein  und  wir  hatten  von 
unserer  vortheilhaften  Stellung  am  Abhänge  eine  weite  Aus- 
sicht über  eine,  wenn  auch  keineswegs  malerische,  doch  im 
reichsten  Pflanzenkleide  sich  entfaltende  Landschaft.  Es 
fand  sich  kaum  ein  kahler  Fleck;  die  ganze  Oberfläche  war 
grün,  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dasis  die  fast  reifen  Ähren 
der  Afrikanischen  und  Indischen  Hirse  sich  bereits  gelbbraun 
zu  färben  anfingen.  Das  Getreide,  dessen  höchste  Halme 
nicht  über  15'Fuss  massen,  stand  jedoch  bei  weitem  nicht 
80  hoch  wie  dasjenige,  welches  ich  später,  auf  meiner  Heim- 
reise von  Timbuktu,  in  den  üppigen  Thälem  des  reichen 
Kebbi  antraf.  Mehrere  vorüberziehende  Kanembü  belebten 
die  Landschaft. 

Als  die  Hitze  der  Mittagsstunden  nachliess,  brach  ich  mit 
meiner  kleinen  Gesellschaft  wieder  auf  und  setzte  meinen 
Marsch  nach  Norden  fort.  Nach  ungefähr  1  Stunde  kamen 
wir  bei  einer  links  am  Wege  gelegenen,  vom  Regen  gebilde- 
ten grossen  Lache  vorbei,  an  deren  von  einer  Akazienhol«- 


26  IL  KapiteL 

zung  bewachsenem  Ufer  eine  zahlreiche  Heerde  gut  gehalte- 
nen Rindviehes  weidete. 

Gegen  Abend  fanden  wir  mit  einiger  Mühe  einen  Pfad, 
welcher  uns  durch  das  Ackerlapd  nach  Alainik  führte,  einem 
in  der  hohen  Hirsensaat  fast  ganz  verborgenen  Dörflein.  Wir 
wurden  auf  eine  ziemlich  kühle  Weise  empfangen,  wie  es  der 
Fremde  überhaupt  in  allen  Dörfern  in  der  Nähe  von  Haupt- 
städten erwarten  muss,  deren  Einwohner  mit  fortwährenden 
Ansprüchen  auf  ihre  Gastfreundschaft  heimgesucht  werden. 
Da  ich  aber  meine  Wohnung  und  Alles,  was  ich  sonst  be- 
durfte, bei  mir  führte,  so  fragte  ich  nicht  viel  nach  ihrer 
Begegnung  und  mein  Zelt  war  bald  in  einem  Hofe  aufge- 
schlagen.  Ich  wurde  jedoch  unangenehm  berührt  durch 
einen  Wortwechsel,  welcher  zwischen  meinem  Geleitsreiter 
und  dem  Hausherrn  ausbrach,  da  Letzterer  jenen  sein  Pferd 
niclit  an  der  Stelle,  wo  er  es  wünschte,  anbinden  lassen  wollte; 
ja,  mein  Begleiter  unterstand  sich  sogar,  unseren  Wirth  zu 
schlagen.  Solcher  Behandlung  sind  die  Unterthanen  in  die- 
sen Ländern,  wo  zum  grossen  Theil  Sklaven  das  Regiment 
füliren,  fortwährend  ausgesetzt. 

[Sonntag,  W^  September i\  Nach  einer  erquickenden 
nächtlichen  Ruhe  brach  ich  etwas  später  als  am  gestrigen 
Tage  auf  und  wand  mich  auf  einem  schmalen  Pfade  durch 
das  Gefilde,  wo  ausser  Sorghum  auch  Karäss  (Hibücus  escu- 
lentus)  gebaut  ward.  Dieses  Gemüse  bildet  in  Gegenden, 
wo  die  Blätter  des  Affenbrodbaumes  —  „küka"  —  und  des 
„hadjilrdj"  (Balanites  Aegyptiacus)  mangeln,  für  die  Einge- 
borenen eine  wesentliche  Würze  der  Suppen.  Obgleich  die 
Stadt  Kükaua  ihren  Namen  von  dem  Umstand  erhalten  hat, 
dass  an  der  Stelle,  wo  der  Scheich  Mohammed  el  Känemi, 
der  Vater  des  gegenwärtigen  Herrschers,  die  Stadt  grün- 
dete, sich  ein  Baum  dieser  Art  vorfand,  so  gibt  es  doch 
bei  Kukaua  in  einem  Umkreise  von  mehreren  Meilen  kaum 
eine  einzige  Küka. 


Zug  nach  Kinem.  27 

Der  Himmel  war  bewölkt  xmd  die  Landschaft  wurde  noch 
einförmiger,  als  am  vorigen  Tage.  Wir  trafen  einen  kleineu 
Trupp  einheimischer,  mit  gedörrten  Fischen  handelnder  Leute. 
Diese  Fische  bilden  durch  ganz  Bomu  einen  beträchtlichen 
Handelsartikel;  denn  obgleich  den  Kanon  gegenwärtig  der 
Besitz  und  selbst  der  Niessbrauch  der  herrlichen  in  ihrem 
Gebiete  sich  ausbreitenden  Wasserfläche  —  des  „tsäde"  — 
vorenthalten  ist,  so  ist  doch  der  Fisch,  welchem  ihre  Vor- 
fahren den  Namen  „bü-ni"  —  „Speise" —  (von  „bü",  essen) 
gegeben  haben,  immer  ein  wesentlicher  Bestandtheil  ihre 
Speisen  und  Brühen  geblieben. 

Das  Gefilde  war  hier  weniger  sorgfältig  bestellt,  aber  doch, 
wenn  auch  nur  in  weiteren  Zwischenräumen,  mit  Bäumen 
mannichfacher  Art  besetzt.  Ausser  domigem  Talha-Gestrüpp 
kamen  besonders  vor  Hadjilidj  oder  Bito  (Baiamtes  Aegy- 
pttacus)^  Ssellm,  Kurna,  Sserräch  und  Gherret  (Mimosa 
nilotica).  Etwas  weiterhin,  kurz  ehe  wir  das  Dorf  Kali- 
kagori  erreichten,  sah  ich  ein  Weib,  welches  die  Samen 
einer  essbaren,  „kreb"  oder  „kaschä"  genannten  Poa  (wovon 
es  mehrere  Arten  gibt)  einsammelte,  indem  sie  eine  Art  leich- 
ten Korbes  über  die  üppige  Wiese  hinschleifte.  Die  Samen 
dieser  Gräser  werden  von  den  Bewohnern  Bomu's,  Baghir- 
mi's  und  Wädai's  in  grosser  Menge  als  Nahrungsmittel  be- 
nutzt, .besonders  von  den  Arabischen  Ansiedlem  in  diesen 
Ländem,  den  Schüa;  jedoch  habe  ich  wenigstens  in  Bomu 
die  schwarzen  Eingeborenen  sich  nie  dieser  Speise  bedie- 
nen sehn,  wogegen  dieser  Same  in  Baghirmi  selbst  von 
den  Reichen  sehr  geschätzt  wird.  Der  Leser  wird  im  Ver- 
folge meines  Berichtes  sehn,  dass  in  Mäsena  vorzugsweise 
diese  Poa  meine  Nahrung  bildete;  sie  gibt  ein  leichtes, 
schmackhaftes  Gericht,  erfordert  aber  reicliliche  Zuthat  von 
Butter. 

Nachdem  wir  den  Wald  betreten  hatten  und  bei  verschie- 
denen kleinen  Lachen  vorübergekommen  ^iraren,  lagerten  wir. 


i 


28  n.  EapiteL 

als  die  Hitze  zunahm,  an  einer  der  letzteren.  In  diesem 
Striche  war  die  „gherret"  „üm-el-harka"  oder  „kingar" 
genannte  Mimosa  nilotica  sehr  häufig;  ihr  Holz  ist  zu  Sät- 
teln und  mancherlei  anderen  Dingen  sehr  geeignet  und  dient 
verkohlt  zur  Pulverbereitung.  Mein  alter  geschwätziger,  ob- 
gleich nicht  sehr  rüstiger  Gefährte  Bü-Sed  beschäftigte  sich 
damit,  neue  Zeltpfiöcke  aus  diesem  Holze  zu  schneiden,  da 
dieselben  in  dem  harten  schwarzen  Boden  dieses  Land- 
striches bald  abbrechen;  zu  gleicher  Zeit  eröffnete  er  mir 
mit  dem  Beistande  Hossen  ben  Här's  den  ersten  Blick  in 
das  Treiben  der  zahlreichen  in  Känem  und  am  Bahhr  el 
Ghasal  wohnenden  Stänune.  Die  Frucht  der  Gherret  odei- 
eigentlich  die  Gherret  selbst  —  denn  dieser  Name  kommt 
ursprünglich  der  Frucht  zu  und  wird  nur  missbräuchlich  auf  • 
den  Baum  selbst  angewendet  —  ist  im  äusseren  Ansehen  der 
Frucht  des  Tamarindenbaumes  sehr  ähnlich  und  bildet  na- 
mentlich bei  der  Ruhr  eine  wichtige  einheimische  Arznei, 
und  ihr  verdanke  ich  wahrscheinlich  meine  Genesung,  als 
ich  bei  meinem  zweiten  Aufenthalte  in  Sokoto  (im  Septem- 
ber 1854)  von  dieser  gefährlichen  Krankheit  befallen  wurde. 
Dieser  Baum  ist  gleichfalls  von  wesentlichem  Nutzen  in  der 
Gerberei,  besonders  bei  der  Zubereitung  der  Wasserschläu- 
che, jenes  zu  Wüstenreisen  so  unentbehrlichen  Geräthes.  — • 
Der  Kadjidji  ist  hier  gleichfalls  häufig.  Von  der  ungefähr 
nussgrossen  Wurzel  dieser  kleinen  Pflanze  machen  die  Ein- 
heimischen einen  sehr  ausgedehnten  Gebrauch  als  Räucher- 
werk. 

Spät  am  Nachmittage  setzten  wir  unsere  Reise  durch  die  von 
offenen  Stellen  vielfach  unterbrochene  Waldung  fort.  Nach- 
dem wir  unseren  Pfad  einige  Meilen  weit  verfolgt  hatten,  ver- 
liessen  wir  denselben  und  schlugen  eine  mehr  östliche  Richtung 
durch  eine  freundlich  gebügelte  Landschaft  ein,  die  mit  dich- 
tem Grün  bekleidet  und  von  zahlreichen  Heerden  beweidet 
war,  da  die  Kanembü,  gleich   den  Fulbe,    während  eines 


Zug  nach  Kinem.  29 

Theiles  des  Jahres  oft  in  beträchtliche  Entfernung  wandern 
und  alles  Vieh  aus  den  nördlich  von  Ngömu  gelegenen  Ge- 
genden während  der  kalten  Jahreszeit  hierher  getrieben  wird. 
Da  wir.  jedoch  hier  kein  Wasser  finden  konnten,  so  hatten 
wir  uns  in  der  entgegengesetzten  Richtung  nach  diesem  für 
eine  behagliche  nächtliche  Ruhe  so  unentbehrlichen*Elemente 
umzusehn.  Einen  sehr  rauhen  Strich  durchstreifend,  gelangten 
wir  endlich  zu  einem  Hürdenlager  —  „beri"  — ,  welches  eine 
Anzahl  Kanembü  mit  ihren  Heerden  hier  zeitweilig  gebildet 
hatten,  während  ein  grösserer  Ben  sich  gerade  in  östlicher 
Richtung  nach  den  Ufern  des  Tsäd  zu  in  Bewegung  setzte. 
Auch  hier  war  kein  Wasser  zu  finden  und  Milch  nur  sehr 
wenig  zu  haben. 

[MorUcy,  15*^  September.]  Ehe  wir  noch  bereit  waren, 
brach  das  ganze  nomadische  Lager  auf;  das  Vieh  zog  voran, 
Männer,  Weiber  und  Kinder  folgten  mit  ihrem  kleinen  Haus- 
rath,  den  sie  mit  Hilfe  von  Eseln  fortschafften.  Die  haupt- 
sächlichen oder  vielmehr  einzigen  Geräthe  dieser  wandern- 
den Rinderhirten  bestehen  in  langen  Stangen,  an  welchen  die 
Milch  aufgehängt  wird,  den  Schläuchen  —  „ssdkti"  —  für 
die  Milch  und  das  Wasser,  den  Kalabaschen  und  den  Gras- 
iSaschen  —  „koriö"  — .  Die  Männer  sind  durchgängig  mit 
langen  hölzernen  Schilden  —  „ngäua  fogobe"  —  und  Speeren 
bewaffnet  und,  wie  bereits  bei  einer  früheren  Gelegenheit  an- 
geführt, oft  höchst  phantastisch  gekleidet. 

Nachdem  wir  die  Kameele  beladen  und  unseren  Marsch  eine 
Strecke  fortgesetzt  hatten,  eiTeichten  wir  den  zeitweiligen 
Lagerplatz  einer  anderen  grossen  Heerde,  deren  Hüter  sich 
anfanglich  gar  unfreundlich  zeigten  imd  uns  nicht  einen  Tro- 
pfen von  ihrer  Milch  gemessen  lassen  wollten;  ihr  barsches 
Wesen  verwandelte  sich  jedoch  bald  in  die  äusserste  Freund- 
lichkeit, als  mich  Mädi,  ein  älterer  Bruder  Fügo  Ali's,  un- 
seres Freundes  in  Maduäri,  erkannte.  Er  wollte  sogar  dar- 
auf bestehen,  dass  ich  auf  .der  Stelle  lagern  und  den  Tag 


30  '       n.  Kapitel. 

in  seiner  Gesellschaft  zubringen  sollte ,  und  es  hielt  schwer, 
ihn  zu  bewegen,  mich  meinen  Marsch  fortsetzen  zu  lassen, 
nachdem  ich  so  viel  vortreffliche  Milch  genossen,  als  der  Ma- 
gen nur  zu  vertragen  vermochte.  Etwas  weiterhin  gelangten 
wir  auf  die  Hauptstrasse  imd  fanden  auf  der  westlichen  Seite 
des  Weges  eine  beträchtliche  Lache  mit  schlammigem  Was- 
ser, womit  wir  zwei  Schläuche  anfüllten.  Gewiss  ist  nichts 
schädlicher  für  einen  Europäer,  als  solches  stehendes  trübes 
Wasser  J  aber  wählend  oder  kurz  nach  der  Regenzeit  ist  man 
kaum  im  Stande,  sich  anderes  zu  verschaffen. 

Bald  darauf  war  ich  Augenzeuge  einer  Probe  der  Behand- 
lung, welcher  die  Bewohner  dieser  Länder  fortwährend  voA 
den  königlichen  Dienern  ausgesetzt  sind;  denn  als  wir  eine 
scliöne  Schaafheerde  antrafen,  ergriflf  mein  Geleitsreiter  das 
fetteste  Stück  der  ganzen  Heerde  trotz  des  Geschreies  des 
Schäfers,  den  ich  vergebens  zu  trösten  suchte,  indem  ich  ihm 
den  Werth  des  Thieres  bot.  Als  wir  uns  während  der  Hitze 
unter  dem  spärlichen  Schatten  einiger  Gäuo  gelagert  hatten, 
schlachteten  meine  Leute  das  Schaaf,  aber,  wie  gewöhnlich, 
ass  ich  nur  ein  wenig  von  der  Leber.  Der  Schatten  war  so 
spärlich  und  die  Hitze  so  drückend,  dass  ich  mich,  als  wir 
Nachmittags  ein  wenig  weiter  zogen,  sehr  schwach  fühlte  und 
bald  zu  lagern  genöthigt  war. 

[Dienstag f  16^^  September,^  Nach  nächtlicher  Ruhe  in  mei- 
nem reinlichen  Zelte  fühlte  ich  mich  sehr  gestärkt.  Bald 
nach  unserem  Aufbruche  trafen  wir  eine  grosse,  zur  Weide 
hierher  gesandte  Heerde  Pferde  und  begegneten  dann  einer 
zweiten  Fisch -Kafla.  Mein  Geleitsmann  begehrte,  dass  ich 
mich  ohne  weiteren  Aufenthalt  nach  der  Stadt  Yö  begebe, 
von  wo  er  zurückzukehren  hatte,  und  obgleich  ich  bald  sehr 
ermüdet  war  und  Rast  zu  machen  wünschte,  wollte  er  doch 
durchaus  nicht  anhalten.  Die  Gegend  ist  bis  auf  mehrere 
Meilen  südlich  vom  Komadugu  sehr  einförmig  und  kahl  und 
man  sieht  den  hohen  Tamarindenbaum  hinter  der  Stadt  Yö 


Zug  nach  Känem.    Die  Stadt  Yö.i  31 

aus  solcher  Entfernung,  dass  der  Reisende,  der  denselben 
hervorragenden  Gegenstand  so  lange  Zeit  stets  vor  Augen  hat, 
ausserordentlich  ermüdet,  ehe  er  ihn  erreicht.  Die  Dümpalme 
ist  der  vorherrschende  Baum  dieser  flachen  Landschaft,  bil- 
det jedoch  nur  vereinzelte  Gruppen,  während  der  Boden  im 
Allgemeinen  äusserst  kahl  ist. 

Indem  ich  mit  meinem  BeschütÄer  vorausritt,  erreichten  wir 
endlich  die  Stadt  Yö  und  betraten ,  nachdem  wir  die  kleine, 
vor  der  Stadt  sich  ausbreitende  Vorstadt  passirt  hatten,  das 
Innere,  noch  imschlüssig,  ob  wir  inner-  oder  ausserhalb 
der  Stadt  einen  Rastort  suchen  sollten.  Die  Stadt  besteht 
aus  sehr  engen  Gassen,  wo  eine  drückende  Hitze  herrschte 
und  ein  so  unangenehmer  Geruch  von  getrockneten  Fischen 
verbreitet  war,  dass  mir  der  Aufenthalt  in  ihr  ganz  uner- 
träglich vorkam.  Wir  ritten  jedoch,  da  wir  einmal  hier  wa- 
ren, nach  der  Wohnung  des  Schitima  oder  Schitima  Yöma, 
wie  der  vollständige  Titel  des  Statthalters  lautet.  Der- 
selbe war  gerade  mit  den  Vorbereitungen  zu  einer  neuen 
Hochzeit  beschäftigt,  und  eine  grosse  Masse  Getreide  war  als 
Vorrath  für  den  neuen  Haushalt  vor  dem  dazu  bestimmten 
Theile  des  ansehnlichen,  aus  Lehm  aufgeführten  Gebäudes 
aufgehäuft*).    Wir  ersuchten  seine  Leute  um  Quartier  imd 


*)  Die  HochzeitsfeierUchkeiten  —  ^^nigi"  —  dauern  in  Borna  eine  ganze 
Woche.  Am  ersten  Tage  schmaust  man  „näkia",  den  bereits  erwähnten  be- 
liebten Teig;  am  zweiten  „tiggra",  einen  trockenen ,  sehr  stark  mit  Pfc£fer 
gewürzten  Brei;  am  dritten  „ng4dji'%  das  gewöhnliche,  aus  Sorghum  berei- 
tete Gericht  y  wo  möglich  mit  etwas  Fischbrähe.  Der  vierte  Tag  ist  der 
„liktere",  wie  ich  glaube,  daher  so  benannt,  weil  dann  der  Braut  —  „lar6- 
ssa"  —  die  Zierathen,  welche  sie  bisher  als  Zeichen  der  Jungfrauschaft  ge- 
tragen hat,  abgenommen  werden;  am  fünften  wird  die  Braut  auf  eine  Matte 
—  „büschi"  —  gesetzt,  Ton  welcher  sie  sich  siebenmal  erhebt  und  ebenso 
oft  nach  einander  niederkniet  (diese  Ceremonic  heisst  „büschiro"  oder  „bü- 
tschiro  gen&tsain*') ;  am  folgenden  Tage,  welcher  ein  Freitag  sein  muss,  findet 
das  Kopfwäschen  der  Braut  statt,  welche  Ceremonie  von  ihren  Freundinnen 
unter  Gesang  vollzogen  wird,  und  am  Abend  wird  sie  dann  auf  ein  Pferd  ge- 
setzt und  in  das  Haus  des  Bräutigams  gebracht,    wo  nun  der  Schluss  der 


d2  n.  KapiteL 

man  wies  uns  eine  grosse  Hütte  innerhalb  eines  kleinen  Ho- 
fes in  einem  anderen  Theile  der  Stadt  an,  wohin  wir  uns  be- 
gaben. Es  war  mir  jedoch  nicht  möglich,  mich  in  diesem 
engen,  von  einer  kleinen  Gauo  spärlich  beschatteten  Hofraum 
irgend  behaglich  zu  fühlen.  Fast  erstickt  und  mich  sehr 
unwohl  fühlend,  stieg  ich  wieder  zu  Pferde,  eilte  zum  Thore 
hinaus  und  war  froh,  als  ich  wieder  im  Freien  war. 

Ungefähr  900  Schritt  vor  der  Stadt  schlugen  wir  dann 
bei  Ankunft  der  Eameele  das  Zelt  unter  einer  schattigen  Ta- 
marinde auf;  ich  streckte  meine  matten  Glieder  ß.uf  dem  Bo- 
den aus  und  versank,  der  Ruhe  mit  Lust  geniessend,  einige 
Stunden  in  einen  Zustand  halber  Bewusstlosigkeit  Ich  war 
so  ermüdet  von  meinem  Morgenritt,  dass  ich  mit  Besörg- 
niss  daran  dachte ,  was  aus  mir  werden  solle ,  wenn  meine 
Reisegefährten  mich  eingeholt  haben  würden,  wo  mir  dann 
Anstrengungen  ganz  anderer  Art  bevorstanden. 

Sobald  ich  mich  hinreichend  erholt  hatte,  um  von  meinem 
Lager  aufzustehn,  machte  ich  einen  kleinen  Gang,  um  ^ine 
Ansicht  vom  Flusse  —  „komädugu"  —  zu  erhalten.  Derselbe 
bildete  jetzt  eine  schöne  Wasserfläche,  indem  das  Bett  ganz 
voll  —  „tsimbüUena"  —  war,  und  eilte  mit  reissender  Strö- 
mung dem  Tsäd  zu.  In  der  That  konnte  ich  damals  kaum 
vermuthen,  dass  ich  später  mehrere  Tage  lang  in  dem  trocke- 
nen Bett  dieses  Flusses  lagern  würde,  welchen,  wie  bestimmt 
und  klar  auch  die  Angaben  der  Mitglieder  der  vorigen  Ex- 
pedition bezüglich  seines  wirklichen  Laufes  waren,  Captain 
W.  Allen  doch  ^u  einem  Kunstkanal  seiner  Einbildungskraft 
benutzt  hat,  um  die  überflüssigen  Gewässer  des  Tsäd  in  den 
Kuära  zu  leiten.  Die  Ufer  des  Komädugu  sind  hier  sehr  ma- 


Nig&  begangen  wird.  Die  Kanöri  unterscheiden  sehr  genau  eine  Heirath  mit 
einer  „Jungfrau"  —  „f6ro"  oder  „f^ro  kuyänga"  . —  Ton  einer  solchen  mit 
einer  „Wittwe"  —  „k&mo  s&uar"  — ,  sie  haben  aber  auch  noch  einige  an- 
dere feine  Unterscheidungen. 


Die  Stadt  Yö  und  der  Komädagu.  33 

lerisch,  indem  sie  von  herrlichen  Tamarinden  und  Dümpalmen 
—  j^nsim"  —  beschattet  werden ,  wozu  sich  am  nördlichen 
Ufer  noch  mancherlei  schön  belaubte  Akazien  gesellen.  Im 
Schatten  der  Tamarinden  zieht  man  eine  sehr  gute  Baum- 
wolle und  etwas  weiter  unterhalb  am  Flusse  erzeugt  man 
um  diese  Jahreszeit  Waizen  in  regelmässigen,  vermittelst  des 
„Schadüf"  oder  „Lambuna"  künstlich  bewässerten  Anlagen. 
Baumwolle  und  eine  massige  Menge  Waizen  sind  die  einzi- 
gen Erzeugnisse  dieser  Gegend,  ausser  den  Fischen  und  der 
Frucht  der  Dümpalme  (Cucifera)^  welche  letztere  eine  we- 
sentliche Würze  des  „kunü",  eines  aus  Negerhirse  bereiteten 
Breies,  bildet  Hirse  und  Sorghum  wird  hier  nur  wenig  ge- 
baut und  andere  Cerealien  fehlen  ganz.  Auch  Vieh  ist  nicht 
eben  viel  in  Yö  vorhanden,  öö  dass  nur  wenig  Milch  zu  ha- 
ben ist.  Fische,  von  denen  der  Fluss  mehrere  sehr  schmack- 
hafte Allen  führt,  sind  hier  die  hauptsächlichste  Speise. 

Ich  sah  hier  auch  ein  Exemplar  des  elektrischen  Fisches. 
Er  war  gegen  10  Zoll  lang,  sehr  fett,  und  konnte  den  Arm 
eines  Mannes  auf  mehrere  Minuten  gefühllos  machen;  sein 
Rücken  war  aschgrau  und  sein  Bauch  ganz  weiss,  Schwanz 
und  hintere  Flossen  roth.  Herr  Dr.  Overweg  machte  eine 
Skizze  von  einem  solchen. 

Während  der  Nacht  erhob  sich  ein  heftiger  Sturm,  so  dass 
wir  die  Stricke  an  den  Zeltstangen  gut  befestigen  mussten; 
es  fiel  jedoch  kein  Tropfen  Regen,  denn  die  Regenzeit  war 
für  Bömu  so  gut  wie  vorüber. 

[Mittwochj  17^^  September.]  Ich  genoss  am  Morgen  die  An- 
sicht des  Flusses  und  schwelgte  jn  der  frischen  Kühle,  welche 
an  seinen  üfem  herrschte.  Männer  badeten,  Weiber  holten 
Wasser,  Reisende  setzten  über,  indem  sie  entweder  mit  ihren 
Kleidern  auf  dem  Kopfe  hinüberschwammen,  oder  auf  ein  Paar 
Kalabaschen,  die  durch  ein  Joch  mit  einander  verbunden 
waren,  mit  dem  halben  Leibe  unter  Wasser«  hinübersteuerten. 
Eine  am  vorherigen  Tage  angekonmiene  Kafla  —  „karabka"- 

B«rth'»  R«Um.   lU.  3 


34  ILKapiteL 

Tebu  ans  Känem  war  jenseits  gelagert:  denn  dieselbe  durfte 
den  Fluss  nicht  eher  überschreiten,  als  bis  Erlaubniss  fiir 
sie  eingeholt  war,  da  mehrere  Monate  im  Jahre  dieser  Floss 
oder  dieses.  Thal  eine  Art  Qoarantaine  bildet  während  sonst 
wenigstens  kleine  Karawanen  nach  Belieben  hinüber  nnd  her- 
über passiren  können. 

Das  einzige  Boot  auf  dem  Flosse,  aof  welchem  auch  wir 
selbst  übersetzen  sollten,  war  eine  Makara,  gebildet  von 
mehreren  Paaren  Kalabaschen  und  Ton  der  gebrechlichen 
Art,  wie  sie  bereits  in  einem  früheren  Theile  dieses  Werkes 
beschrieben  worden  ist  Leider  war  es  nnmöglich,  den  schö- 
nen Schatten  der  herrlichen  Tamarinden  angestört  zu  gemes- 
sen, wegen  der  Menge  Ton  Pelikanen  und  sonstigem  Wasser- 
geflügel, welches  deren  Zweige  bewohnte. 

Indem  ich  einen  Theil  meines  Grepäckes  umstellte,  fand  ich 
die  weissen  Termiten  mit  der  schnellstmöglichen  Zerstörung 
meiner  Ledersä'cke  und  blatten  emsig  beschäftigt;  wir  waren 
also  genöthigt,  Alles  umzupacken  und  das  Gepäck  auf  eine 
dicke  Unterlage  von  Zweigen  zu  legen.  Die  Termiten  sind  in 
dieser  Gegend  sehr  zahlreich,  obwohl  ihre  Anlagen  nur  von 
massiger  Grösse  und  durchaus  nicht  mit  den  grossartigen  Bau- 
ten zu  vergleichen  sind,  welche  ich  später  in  Baghirmi  vorfand. 
'  [Donnerstag ,  l^if*^  September i\  Ungefähr  2  Stunden  nach 
Mittemaoht  kam  Herr  Dr.  Overweg  mit  einem  der  Ange- 
sehensten unter  den  Ueläd  Slimän,  Namens  Chälef- Allah,  an 
und  meldete,  dass  unsere  kleine  Truppe  heranrücke.  Dieselbe 
erschien  jedoch  erst  um  10  Uhr  Morgens,  wo  einige  der  Mu- 
thigsten  und  am  besten  Berittenen,  ihre  Flinten  schwingend,  je 
zwei  und  zwei  auf  mein  Zelt  zugeritten  kamen.  Es  waren  ihrer 
im  Ganzen  25  Mann  zu  Pferde,  etwa  12  Mann  zu  Kameel  und 
gegen  8  Mann  zu  Fuss,  ausser  den  Kindern.  Sie  schlugen  ihre 
Zelte  etwas  östlich  von  denunserigen  auf  und  bildeten  ein  reges 
Lager,  dessen  Eintracht  jedoch,  wie  es  bei  solchen  Leuten 
natürlich  ist,  von  baldigen  Zankausbrüchen  bedi-oht  war. 


Ausflug  an  die  Mündung  des  Komädugu.  d5 

Ich  fühlte  mich  etwas  stärker  und  machte  daher  am  Nach- 
mittage mit  meinem  Gefährten  einen  Ritt  in  westlicher  Rich- 
tung, längs  des  Südufers  des  Flusses.  Der  im  Ganzen  von 
West  nach  Ost  gehende  Fluss  beschreibt  hier  oberhalb  der 
Stadt  beträchtliche  Biegungen  und  ist  von  niedrigeren  Ufern 
eingeschlossen,  als  dies  an  der  Fürth  der  Fall  ist.  Der  Pflan- 
zenwuchs war  hier  sehr  reich ;  der  von  gewaltigen  Tamarinden 
dicht  beschattete  Boden  war  von  mannichfaltigen  Kräu- 
tern, die  gerade  jetzt  in  Blüthe  standen,  bedeckt.  Auf  den 
flachen  Landspitzen  am  ,Ufer  liegen  mehrere  kleine,  aus 
niedrigen  und  leichten  Mattenhütten  bestehende  Fischer- 
dörfer, bei  welchen  sich  lange  Reihen  von  Stangen  zum 
Dörren  der  Fische  hinziehen,  eben  jetzt  sehr  reichlich, 
namentlich  mit  Barben ,  behangen.  .  Wii*  genossen  eine  Zeit 
lang  die  Aussicht  auf  die  stille  Flussscene  und  kehrten 
dann  längs  der  Südseite  der  Stadt  -zurück.  Hier 'befinden 
sich  mehrere  Hügel,  welche,  obgleich  gegenwärtig  mit  Pflanzen 
überwachsen,  ganz  das  Ansehen  von  Schutthaufen  haben,  die 
sich  im  Laufe  der  Zeit  um  die  wahrscheinlich  einst  weiter 
ausgedehnte  Stadt  anhäuften. 

[Freitag j  19^^  September.]  Herr  Dr.  Ovei-weg  und  ich,  beglei- 
tet von  Chälef- Allah  und  einöm  Führer,  machten  einen  Ritt 
längs  des  Flusses,  um,  wo  möglich,  dessen  Mündung  zu  er- 
reichen; es  zeigte  sich  jedoch,  dass  sich  am  Südufer  gar  kein 
Pfad  dahin  vorfindet.  Nur  am  jenseitigen  Nordufer  führt 
ein  Weg  nach  der  dort  an  der  Mündung  gelegenen  be- 
trächtlichen, jedoch  bei  dem  gegenwärtigen  geschwächten 
Zustande  Bomu's  den  Einföllen  der  Tuareg  sehr  ausge- 
setzten Kanembü-Ortschaft  Bosso.  Nachdem  wir  daher  bis 
zum  Dorfe  oder  vielmehr  zur  ummauerten  Stadt  Fatse,  deren 
Mauern  ab^r  verfallen  und  deren  Einwohnerschaft  auf  ein 
Dutzend  Familien  herabgesunken  war,  vorgedrungen,  sahen 
wir  uns  zur  Rückkehr  genöthigt.  Ich  für  meine  Person  war  übri- 
gens noch  kaum  im  Stande,  einen  langen  Ausflug  vorzunehmen ; 


36  n.  Kapitel. 

denn  als  ich  mein  Pferd  wieder  besteigen  wollte,  fiel  ich 
besinnungslos  zu  Boden,  und  nach  unserem  Lager  zurück- 
gekehrt, hatte  ich  am  Abend  einen  heftigen  Fieberanfall*). 

[Sonnabend j  20**^  September.]  Es  war  am  Tage  vorher 
beschlossen  worden,  heute  den  Fluss  zu  überschreiten,  wozu 
wir  die  Erlaubniss  des  Stadtherm  eingeholt  hatten;  da  je- 
doch der  Bote  des  Veziers  noch  nicht  angekommen  war,  so 
wollten  wir  lieber  noch  einen  Tag  warten.  Ich  fühlte  mich 
ein  wenig  wohler  und  machte  eine  Skizze  der  Stadt  und 
der  sie  umziehenden  Dümpalmen;  dann  bereitete  ich  mich, 
so  gut,  wie  ich  konnte,  auf  den  anstrengenden  Ma^ch  vor, 
der  mir  nun  in  Aussicht  stand. 

Wir  erfuhren  heute  ein  schönes  Probestückchen  von  dem 
Charakter  derFreibeutep,  mit  denen  wir  uns  behufs  der  Zwecke 
unseres  Unternehmens  in  Verbindung  gesetzt  hatten.  Die  kleine 
Tebu-B^arawane,  welche,  wie  oben  bemerkt,  aus  Känem  mit  der 
Nachricht  angekommen  war,  Waddi  habe  mit  allen  den  Ueläd 
Slimän  feindlichen  Stämmen  ein  Bündniss  zur  Vertilgung 
der  Letzteren  abgeschlossen,  hatte  erst  heute  Erlaubniss  er- 
halten, den  Fluss  zu  überschreiten.  Es  waren  harmlose 
Leute,  welche  einige  Lastthiere  mit  geringem  Gut,  hauptsäch- 
lich Datteln,  beladen  hatten;  ^sobald  sie  aber  an's  diessei- 
tige Ufer  herübergekommen  waren,  hielten  unsere  Gefährten 
Bath,  wo  die  gewaltsamsten  Anträge  durchdrangen,  so 
dass  die  armen  Tebu,  oder,  wie  diese  Araber  sie  nennen, 
Kreda,  überfallen  und  all  ihrer  Datteln  beraubt  wurden. 
Die  Beute  wurde  sodann  vertheilt  und  der  grösste  Theil 
derselben  war  bereits  verzehrt  ,  oder  verschleppt  worden, 
als  ein   bejahrter  Araber  hinzukam,   der    seinen    Genossen 


*)  Herr  Dr.  Overweg  hat  später  die  Stadt  B6aao  besacht,  aber  weder  be- 
züglich desLaafes  desFlasses,  noch  bezüglich  seiner  £inmündaiig  in  denTsSd 
irgend  etwas  weiter  bemerkt,  als  dass  der  Fluss  unterhalb  FAtse  eine  nörd- 
lichere Bichtung  einschlägt. 


Übergang  aber  den  Komädugu.  37 

Über  die  Schändlichkeit  ihres  Verfahrens  Vorstellungen  machte 
und  sie  überredete,'  den  Rest  des  Raubes,  so  weit  es  möglich 
war,  wieder  zu  sammeln  und  den  Eigenthümem  zurückzu- 
stellen. Da  der  Bote  des  Veziers  im  Laufe  des  Abends  an- 
kam, wurde  der  Übergang  über  den  Fluss  auf  den  folgenden 
Tag  bestimmt  festgesetzt. 

[SonrUtzg,  2l9ten  September^  Wir  waren  zu  früher 
Stunde  in  Bewegung,  um  bei  Zeiten  über  den  Fluss  zu  kom- 
men, da  keine  anderen  Fahrzeuge  zum  Übersetzen  vorhan- 
den waren,  als  zwei  je  aus  drei  Jochen  Kalabaschen  be- 
stehende Mäkara's.  Die  Kameele  hatten,  da  sie  im  Wasser 
am  schwersten  zu  bändigen  sind,  zuerst  überzusetzen  und 
nach  vieler  Mühe  und  mit  genauer  Noth,  was  hauptsächlich 
Folge  von  der  Unebenheit  des  Bettes  war,  da  sich  das  Was- 
ser am  Südufer  eine  Vertiefung,  die  gegenwärtig  10 — 11 
Fuss  betrug,  ausgegraben  hatte,  während  es  in  der  Mitte 
nur  6 — 7  Fuss  tief  war  —  gelangten  die  des  Wassers  meist 
uxigewohnten  Thiere  alle  glücklich  auf  das  Nordufer  hin- 
über, wo  sie  sich  ungestört  an  dem  Laube  der  schönen 
Mimosen  gütlich  thun  konnten.  Die  Pferde  folgten  zu- 
nächst, und  zuletzt  wir  selbst  mit  dem  Gepäcke. 

Etwa  um  9  Uhr  Morgens  befand  ich  mich  im  Flusse  auf 
meiner  dreibündigen  Mdkara  und  durchschnitt  das  Wasser 
mit  sehr  ungleichmääsiger  Bewegung,  je  nachdem  die  beiden 
vom  angespannten  schwarzen  Schwimmer  der  gebrechlichen 
Fähre  einen  Ruck  gaben.  Es  war  ein  schöner  Tag  und  die 
Flussansicht,  belebt  von  so  vielen  Thieren  und  Menschen, 
recht  interessant;  da  ich  jedoch  den  ganzen  Morgen  der 
Sonne  ausgesetzt  gewesen,  war  ich  froh,  etwas  Schatten  zu 
finden.  Nachdem  dann  der  ganze  Zug  gelandet  und  die 
Hitze  etwas  nachgelassen,  beluden  wir  die  K^jneele  und 
setzten  unseren  Marsch  fort 

Wir  hatten  nun  fürderhin  keinen  anderen  Schutz  zu  erwar- 
ten, als  den  uns  unsere  eigenen  Waffen  zu  gewähren  ver- 


38  II.  Kapitel. 

« 

mochten;  denn  das  Land  im  Norden  des  Komädugu  befindet 
sich  thatsächlich  im  Besitz  von  Freibeutern,  so  dass,  ob- 
gleich sich  Scheich  *Omar's  Herrschaft  dem  Namen  nach  bis 
Berl  und  selbst  bis  jenseits  dieses  Ortes  erstreckt,  derselben 
nur  da  Achtung  gezollt  wird,  wo  sie  mit  Waflfengewalt 
auftritt. 

Das  jetzt  von  uns  durchzogene  Land  hatte  dieselbe  Beschaf- 
fenheit, wie  das  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  Hauptstadt 
und  wie  es  in  der  Nähe  von  Landsee'n  so  gewöhnlich  ist; 
es  bestand  nämlich  aus  einem  harten,  schwarzen  Humusboden 
mit  kurzem  Graswuchs  und  wenigen  vereinzelten  Bäumen.  Da 
wir  eine  Heerde  Schaafe  trafen,  setzten  unsere  Gefährten 
nach  und  ergriffen  drei  fette  Widder,  worauf  sofort  zu  lagern 
beschlossen  wurde. 

[Montag ,  22«^^  September.^  Während  der  ersten  10  Mei- 
len unseres -Marsches  blieb  die  Gegend  von  ungeßlhr  gleicher 
Beschaffenheit,  worauf  wir  offenes^  zum  grössten  Theile  be- 
stelltes Ackerland  erreichten  und  bald  die  Lehmmauem  von 
Bärua  erblickten,  obgleich  dieselben,  rings  von  aus  Schutthau- 
fen entstandenen  Hügeln  eingeschlossen,  kaum  erkennbar  wa- 
hren. Nahe  beim  Südwestthore  der  Stadt  zieht  sich  die  Strasse 
über  einen  solchen  Hügel  hin,  wodurch  die  Mauer  als  Schutz- 
wehr ganz  nutzlos  und  das  gesammte  Innere  der  Stadt  dem 
Auge  des  Reisenden  blossgelegt  wird. 

Die  Stadt  besteht  aus  einer  dicht  zusammengedrängten 
Masse  von  Hütten,  die  meistens  keinen  Hofplatz  haben,  aber 
hier  und  da  vo.n  einer  Mimose  oder  „kuma"  beschattet 
werden,  und  gewährt  ein  anziehendes  Muster  Inner- Afrikani- 
scher Bauart.  Die  Einwohner,  deren  Mangel  an  Thätig- 
keit  man  deutlich  an  diesen  Schutthügeln  erkennt,  ver- 
lassen sich  jedoch  nicht  auf  die  Stärke  ihrer  Mauern,  und 
zur  Schmach  des  Scheichs  von  Bömu,  der  von  ihnen  Tribut 
erhebt  und  ihren  Schulzen  bestellt,  zahlen  sie  den  Tuareg 
gleichfalls    Schoss.      Sie    gehören   meistens  zum  Kficnembü- 


Die  audt  BAnia.  89 

Stamme,  doch  sind  auch  mehrere  Yedinä  oder  Büdduma 
hier  ansässig.*  Ihre  hauptsächliche  Nahrung  und  einzige 
Handelswaare  besteht  in  Fischen,  welche  sie  in  grosser 
Menge  im  See  fangen,  dessen  nächste  Buchten  je  nach  der 
Jahreszeit  etwa  2 — 3  Meilen  entfernt  sind  und  von  denen 
sie  wegen  ihrer  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  den  kriege- 
rischen Freibeutern  des  See's  nicht  ausgeschlossen  werden, 
wie  dies  mit.  den  Einwohnern  von  Ngomu  und  anderen  Ort- 
schaften der  Fall  ist.  Mit  Getreide  sind  sie  nicht  hinläng- 
lich versehen  und  sie  scheinen,  nicht  genug  Mühe  auf  dessen 
Erzeugung  zu  verwenden,  vielleicht  weil  ihnen  bei  dem  im- 
öicheren  Zustande  des  Landes  nicht  verbürgt  ist,  dass  sie 
auch  ernten,  was  sie  säen.  Baumwolle  haben  sie  nicht,  sondern 
sie  tauschen  für  ihre  Fische  Baumwollenstreifen  —  „gäba- 
gä"  —  und  Kleidungsstücke  ein.  Gäbagä  und  Külgu  (weisse 
Baumwollhemden)  sind  die  besten  Artikel,  welche  ein  Reisen- 
der auf  den  Markt  bringen  kann,  der  hier  für  seine  Wüsten- 
reise über  Bilma  getrocknete  Fische,  welche  dort  die  gesuch- 
teste Waare  sind,  einzukaufen  wünscht. 

Bei  deni  kein  sehr  gutes  Wasser  enthaltenden  Brunnen 
an  der  Nordseite  der  Stadt  erwarteten  die  zu  unserem 
Zuge  gehörigen  Reiter  die  Kameele.  Einige  zerstreut  ste- 
hende Hadjilidj  {Baiamtes  Aegyptiacics)  und  verkrüppelte 
Talhabäume  verbreiteten  einen  kärglichen  Sohatten  über  die 
Stoppelfelder,  dje  keineswegs  von  sorgfaltigem  Anbau  zeug- 
ten, und  ich  war  froh,  als  wir  einen  kleinen  Vorrath  an  Wasser 
eingenonmien  hatten  imd  nun  unseren  Marsch  fortsetzten.  Wir 
liessen  bald  die  kümmerlichen  Spuren  von  Ackerbau  hinter 
uns  und  erreichten  von  Siwäk-Büschen  (Capparis  sodata) 
bestandenes  sandiges  Hügelland.  Als  wir  dann  etwas  weiter- 
hin den  Kamm  einer  niedrigen  Reihe  Sandhügel  erstiegen 
hatten,  gewannen  wir  zum  ersten  Male  einen  Anblick  des 
Tsäd  oder  wenigstens  des  von  ihm  überschwemmten  Sumpf- 
wiesenlandes. 


40 


n.  EBfriiaL 


Die  ganze  Landschaft  war  nun  dicht  mit  __    

sen.  Etwas  mehr  als  1  Meile  weit  zogen  wir  auf  der  san- 
digen Anhöhe  entlang,  dann  säegen  wir  hinab  und  ver- 
folgten unterhalb  einen  vom  dichtesten  Pflanzenwucha  um- 
ächlossenen  Weg.  Diese  untere  Strasse,  sowie  die  ganze  von 
uns  durchzogene  Strecke  bis  nach  Xgegimi  wurde  später  ( im 
Jahre  1S54)  völlig  überschwemmt  und  dürfte  wohl  niemak 
wieder  betreten  werden;  als  ich  daher  im  Jahre  1S55  diese 
Strasse  zog.  war  ich  genöthigt.  einen  Umweg  zu  machen, 
indem  ich  mich  an  den  Sandhöhen  entlang  hielt,  wo  früher 
die  Stadt  Wüdi  lag. 

Wir  bezogen  bald  darauf  ein  Lager  an  einer  von  Gebüsch 
etwas  freien  Stelle,  hart  am  Ostfusse  eines  massigen  Hügels ; 
das  Domengestrüppe  war  jedoch  auch  hier  so  dicht,  dass 
ich  mich  lange  vergeblich  nach  einer  davoti  freien  Stelle  um- 
sah, um  mich  niederlegen  zu  können,  und  ich  fühlte  mich  erst 
behaglich,  als  Bü-Sed  mir  einen  Platz  mit  seiner  Axt  lich- 
tete. Unser  nur  etwa  600  Schritt  vom  sumpfigen  Ufer  des 
See's  befindlicher  Ruheplatz  erwies  sich  keineswegs  als  eine 
zum  Lagern  geeignete  Stelle,  und  es  machte  sich  nothwen- 
dig,  während  der  Xacht  mehrere  Wachen  aufeustellen.  Dessen- 
ungeachtet verschwand  einer  von  meinen  gefüllten  Wasser- 
schläuchen von  der  Stange,  an  welcher  derselbe  am  Abend 
zum  Kühlen  aufgehängt  worden  war,  und  die  Araber  such-  • 
ton  mich  zu  überzeugen,  dass  eine  hungrige. Hyäne  ihn  fort- 
gCHcldeppt  habe;  es  war  jedoch  wahrscheinlicher,  dass  einer 
von  ihnen  der  Dieb  gewesen  war. 

[fJienstag,  23'^^  September.]  Wir  setzten  unseren  Marsch 
durch  das  dichte,  überall  von  Elephanten -  Spuren  und 
-Koth  durchzogene  Domengestrüppe  fort  —  Hier  und  da 
war  die  Capjmrts  gerodet  und  wir  trafen  grosse  Feuer- 
i)liit'/e  an,  wo  man  deren  Wurzeln  zu  Asche  gebrannt  hatte. 
Auch  fanden  wir  mehrere  von  den  Dreifussen  vor,  deren  die 
Anwohnor    der  Lagune    sich  bedienen,  um  die  Asche  mit 


Salxbereitang  an  den  Ufern  des  Tsad.  41 

Wasser  durchzuseihen  und  die  darin  enthaltenen  Salztheile 
zu  lösen  und  auszusondern.  Der  reine  Salzgehalt  wird  hierauf 
durch  Versiedung  der  Soole  hergestellt.  Das  gewonnene 
Salz  wird  von  Kanemhü's  "nach  Kükaua  verführt;  die  Salz- 
sieder  selbst  sind  aber  Büdduma. 

Auf  unserer  Rückkehr  von  Känem  trafen  wir  einen  zahl- 
reichen Haufen  dieser  freibeuterischen  Inselbewohner,  und 
auch  auf  meiner  Heimreise  im  Jahre  1855  fand  ich  sie  in 
vollem  Betriebe  dieses  Geschäftes.  So  schwach  und  ge- 
schmacklos dieses  Salz  auch  ist,  so  ist  es  doch  jedenfalls 
vorzüglicher,  als  das  von  den  Bewohnern  Kotokö's  aus  Rin- 
derkoth  bereitete.  In  Miltü  am  oberen  Schäri  oder  Bd-bussö 
wird  ein  ziemlich  gutes  SaJz  aus  einem  im  Flusse  wach- 
senden Grase  hergestellt.  Die  Müssgu  bereiten,  wie  wir  sehn 
werden,  diese  dem  grössten  Theile  des  Menschengeschlechtes 
so  unentbehrliche  Waare  —  oder  wenigstens  eine  ihr  cähnliche 
Substanz  —  aus  der  Asche  von  Hirsen-  und  /Sor^fAww-Stroh. 

Als  wir  aus  dem  Unterwald  in  freies  Feldland  hinausge- 
treten waren,  kamen  wir  bei  einer  beträchtlichen  Salzsiede- 
rei vorbei,  wo  wenigstens  20  irdene  Pfannen  in  Betrieb 
waren.  Das  Salz  lag  in  grossen  dreieckigen  Stücken,  welche 
in  irdenen  Formen  abgegossen  waren,  umher.  Eine  Anzahl 
Leute  war  gerade  damit  beschäftigt,  von  einer  nahen  Seebucht 
Lehm  herbeizutragen,  um  daraus  neue  Formen  zu  machen. 
Indem  wir  uns  in  der  Nähe  dieser  Bucht  hielten,  genossen  wir 
des  frischen,  über  den  Flachsee  dahinziehenden  Luftzuges,  den 
das  Gestrüpp  bisher  von  uns  abgehalten  hatte,  und  machten 
zeitig  am  Nachmittage  Halt.  Eine  kleine  Tebu-Karawane  war 
in  unserer  Nähe  gelagert  und  hatte  hier  ohne  Zweifel  die 
Nacht  zubringen  wollen ;  es  gefiel  den  Leuten  aber  die  Nach- 
barschaft unserer  gesetzlosen  Gefährten  nicht,  wesshalb  sie 
alsbald  aufluden  und  davon  zogen. 

[Mittwochs  24*^^  September.]  Unser  Weg  führte  nun  durch 
fruchtbares  Weideland  mit  einem  Strich  Unterholz  zur  Lin- 


42  IL  Kapitel. 

ken.  Es  war  ein  schöner  kühler  Morgen.  Wir  kamen  an 
einer  ausgedehnten*  Lache  vorhei,  wo  sich  grosse  Schwärme 
von  allerlei  Wassergeflügel  aufhielten.  Herr  Dr.  Overweg 
machte  auf  seinem  stattlichen  und  hohen,  aber  gar- schwer- 
fälligen und  ungelenken  Rosse  einen  erfolglosen  Versuch,  ein 
Paar  Eelära  (Antilope  Ärahica  ?  Äigocerus  eUtpsipryninus  f)  *) 
zu  erjagen,  aber  in  muthwilligen  Sprüngen  flohen  sie  durch 
die  herrliche  Grasflur  dahin.  Um  9  Uhr  erreichten  wir  den 
wohlbekannten  Ort  Ngegimi  und  sahen  uns  sehr  getäuscht, 
blos  ein  armseliges  offenes  Dorf  vorzufinden.  Wirklich  ent- 
behrten die  vereinzelt  gelegenen  runden  Hütten,  aus  denen  es 
bestand,  selbst  jenes  geringen  Grades  von  Wohnlichkeit  und 
Bequemlichkeit,  der  sich  auch  bei  dieser  leichten  Bauart  bis 
zu  einem  gewissen  Punkte  erreichen  lässt.  Die  hungrigen 
Einwohner  wollten  für  einige  Hühner,  die  wir  zu  erhandeln 
wünschten,  durchaus  nichts  annehmen,  als  Getreide,  dessen 
wir  in  diesen  öden  Gegenden  selbst  zu  sehr  benöthigt  waren, 
als  dass  wir  es  für  Dinge  von  nicht  entsprechendem  Werth 
hingegeben  hätten. 

Die  Lage  von  Ngegimi  ist  sehr  ungünstig,  da  der  Macht- 
haber von  Bomu  die  Grenzen  seiner  thatsächlichen  Herrschaft 
hinter  den  Eomadugu  zurückgezogen  hat,  wesshalb  die  arinen 
Einwohner  in  fortwährender  Furcht  leben,  von  Raubzügen 
der  Tuareg  heimgesucht  zu  werden.  Zwei  Jahre  später  wurde 
dieses  Dorf  auch  wirklich  von  den .  freibeuterischen  Horden 
ausgeplündeirt  und  einige  Monate  darauf  sahen  sich  die  we- 
nigen Einwohner,  welche  nicht  in  die  Sklaverei  geschleppt 
worden  waren,  in  Folge  der  hohen  Überfluthung  des  Ts&d 
genöthigt,  ihren  bisherigen  Wohnplatz  gänzlich  zu  verlassen 
und  ein  neues  Dorf  £ftn  Abhang  der  Sandhügel  zu  bauen,  wo 


*)  Die  Kellra  ist,  glaabe  ich  jetzt,  wohl  gewiss  identisch  mit  dem  Äi- 
gocerus  eUipsiprymnwt.  Sie  hat  viel  Ähnlichkeit  mit  der  bei  Anderson 
(S.  448)  abgebUdeten  „lech6\ 


Zunehmende  Verödung  der  Nordufer  des  Tsäd.  43 

ich  es  Ende  Mai  1855  antraf.  Was  die  beiden  von  Denham 
und  aapperton  erwähnten  Ortschaften  Wödi  (einst  ein  gros- 
ser Ort  und  gelegentlich  Sitz  der  Bömu-Könige)  nnd  Läri 
betrifft,  so  sind  sie  längst  verlassen  worden,  indem  Wüdi 
1838  und  Läri  etwas  später  von  den  Tuareg  eingenommen 
und  geplündert  worden  ist  Gegenwärtig  bezeichnen  nur  einige 
Dattelpalmen,  deren  Frucht  die  kleinen  schwarzen  Känem- 
Datteln  an  Güte  weit  übertreffen  soll ,  auf  den  Sandhügelij 
ungefähr  12  Meilen  südwestlich  von  Ngegimi  die  Lage  des 
einst  berühmten  Wüdi.  Dennoch  stand  Ngegimi  dermalen  dem 
Namen  nach  unter  der  Aufsicht  des  Kaschella  Haisen  oder 
Hassan. 

•  Meinen  Betrachtungen  über  das  Geschick  des  einst  mäch- 
tigen Reiches  Känem  und  den  stetigen  Vordrang  der  Berber- 
Rasse  in  das  Herz  des  Sudans  nachhängend,  sass  ich  theil- 
nahmlos  auf  meinem  Pferde,  als  wir  diese  unwohnliche  Ort- 
schaft verliessen  und  über  die  völlig  flache  Ebene  dahinzo- 
gen, die  früher  ohne  Zweifel  Seeboden  gewesen  war  und  es 
so  bald  wieder  werden  sollte.  Sie  war  bald  dürr  und  kahl, 
bald  wieder  mit  dichtem  Pflanzenwuchs  bedeckt.  Zu  unserer 
Linken  ward  sie  von  .einer  Reihe  Sandhügel  umzogen,  welche 
die  natürliche  Abgrenzung  des  Seebeckens  bildeten.  G«gen  Mit- 
tag erreichten  wir  eine  tiefe  Bucht  des  See's,  welche  in  die- 
ser gegenwärtig  so  öden  und  leblosen  Landschaft  das  fri- 
scheste Grün  verbreitete.  Nachdem  wir  die  Pferde  zur  Tränke 
gefuhrt  und  einen  hinlänglichen  Wasservorrath  für  die  Nacht 
eingenommen  hatten,  zogen  wir  durch  die  hier  nicht  über 
1500  Schritt  breite  Ebene  und  erstiegen  dann  einen  breit 
sich  vorschiebenden  Sporn  der  Sandhügelkette,  wo  ^wir  unser 
Lager  aufschlugen. 

Es  war  ein  erfreulicher  Lagerplatz,  wo  das  Herz  wohl  im 
Gefühl  der  Freiheit  sich  erheben  möchte.  Vor  uns  nach  Süd- 
osten hin  erstreckte  sich  das  Marschland  des  Flachsee's  —  ein, 
ivenigstens  seiner  Bestimmung  nach,  unabsehbar  weites  Reis- 


44  n.  Kapitel. 

feld  —  bis  an  die  Grenze  des  Horizonts;  jedoch  war  kein 
„weisses  Wasser"  oder  offenes  Seebecken  zu  erkennen,  nicht 
einmal  zusammenhängende  Seearme,  nichts  als  eine  unermess- 
liehe,  von  unbestimmt  begrenzten,  bald  sich  verengenden,  bald 
sich  erweiternden  Kanälen  durchzogene  Marschfläche,  so  weit 
nur  das  Auge  reichen  konnte.  Südwestwärts  erstreckte  sich 
das  grüne  Weideland,  durch  das  wir  gekommen,  bis  weit 
jenseits  Ngegimi's.  Es  war  hier  ein  Gemälde  von  einer  der 
fruchtbarsten,  dabei  aber  der  Verödung  gänzlich  preisgege- 
benen Landschaften  der  Erde  aufgerollt.  Doch  lebte  in  mii* 
ein  schwacher  Funke  von  Hofeung,  dass  diese  Verödung 
nicht  immer  hier  herrschen  wel*de,  und  ich  schmeichelte 
mir,  dass  meine  Arbeiten  in  diesen  Gegenden  dazu  beitragen 
möchten,  hier  einst  die  ersten  Keime  neuen  Lebens  und  fri- 
scher Thätigkeit  zu  säen. 

Meine  Gefährten  schienen  meine  Gefühle  keineswegs  zu 
theilen.  Ihrem  bösen  Treiben  überlassen,  waren  sie  umher- 
gestreift und  hatten  einige  Kanembü-Viehzüchter,  die  sie  an- 
getroffen, nicht  nur  ihrer  Milch,  sondern  auch  der  Gefasse, 
welche  dieselbe  enthielten,  beraubt  Im  Laufe  des  Nachmittags 
wandten  sich  daher  einige  ehrwürdige  Alte  an  Herrn  Dr.  Over- 
weg  und  mich,  die  einzigen  redlichen  Leute,  die  sie*  in  die- 
ser zügellosen  Bande  zu  finden  erwarten  konnten,  und  dran- 
gen in  uns  um  Erstattung  des  Geraubten.  Glücklichei-weise 
war  es  uns  möglich,  ihnen  nicht  nur  ihre  Gefasse  wieder  ver- 
schaffen, sondern  ihnen  auch  einige  kleine  Geschenke  machen 
zu  können. 

[Donnerstag,  2ö»t^  8eptember,'\  Indem  wir  von  unserem 
Lagerplatz  auf  der  Anhöhe  wieder  herabstiegen,  durchzogen 
wir  eine  schmale  Grasfläche  zwischen  den  Sandhügeln  im 
Norden  und  einer  blauen  Seebucht  im  Süden ,  wo  sich  die 
üppigen  Wiesen  weiter  in  den  See  hinein  erstreckten. 

Um  7  Uhr  Morgens  hatten  wir  das  Glück,  eines  der  an- 
ziehendsten Schauspiele  zu  gemessen,  welche  diese  Gegen- 


Eine  Elcphantenheerde  am  See.  45 

den  in  ihrer  jetzigen  Verödung  darzubieten  vermögen.  Rechts 
in  der  Feme  irückte  eine  ganze  Heerde  Elephanten  in  regel- 
mässigem Aufzuge  langsam  heran  zur  Tränke,  einer  Heer- 
schaar  vernünftiger  Wesen  nicht  unähnlich.  Den  Vortrab  bil- 
deten die  Männchen,  deutlich  an  ihrer  Grösse  erkennbar,  in 
regelmässiger  Schlachtordnung;  in.  einem  kleinen  Abstände 
folgten  die  Jungen,  in  einem  dritten  Zuge  die  Weibchen,  und 
den  Nachtrab  des  ganzen  Zuges  bildeten  fünf  Männchen  von 
ungeheuerer  ürösse.-  Die  letzteren  bemerkten  uns,  obgleich 
wir  in  ziemlicher  Entfernung  waren  und  uns  ganz  ruhig  ver- 
hielten; einige  von  ihnen  warfen  Staub  in  die  Luft,  wir  stör- 
ten sie  jedoch  nicht.    Es  waren  ihrer  zusammen  96  Stück. 

An  die  Stelle  des  schönen  frischen  Wiesengrundes  trat  nach 
einer  Weile  eine  trockenere  Ebene,  die,  mit  einer  Art  Heide 
bewachsen,  eine  ziemlich  trübselige  Landschaft  darstellte.  Um 
10  Uhr  kamen  wii*  zu  eirier  grossen  Heerde  Rinder  —  „beri"  — , 
versammelt  bei  einem  kleinen  Weiler  —  „dauar"  — ,  welcher 
aus  leichten,  hochgiebeligen  Hütten  bestand,  deren  Wände 
aus  Hirsenstroh  vermittelst  dreier  Strohringe  zusammengehal- 
ten imd  mit  Kuhmist  dünn  überworfen  waren.  Obgleich  wir 
Milch  erhielten,  führten  dennoch  einige  von  unseren  Gefähr- 
ten, nicht  zufrieden  damit,  ihren  Magen  füllen  zu  können,  ein 
schönes  Füllen  unter  dem  Verwände  davon,  dasselbe  gehöre 
den  Büddüma,  welche  Feinde  des  Scheichs  seien.  Bald  nach 
unserem  Aufbruch  stiessen  wir  auf  einen  kleinen  Zug  Ochsen 
mit  einer  Dattelladung.  Hier  wurden  nicht  nur  alle  Dat- 
teln enthaltenden  Schläuche  weggenommen,  sondern  Einer  der 
Schurken  ergriff  auch  eins  von  den  Lastthieren  und  trieb  es 
ungeachtet  alles  Wehklagens  des  Eigenthümers  mit  sich  fort 
Und  doch  waren  die  so  gemisshandclten  Leute  Unterthanen  des 
Herrschers  von  Bomu  und  die  Ueläd  Slimän  nannten  sich 
dessen  Freunde  und  Söldner! 

Schöne  frische  Weiden  und  dürre,  nur  mit  Heide  bewach- 
sene Sirecken  folgten  auf  einander  in  der  einförmigen,  auch 


46  II.  Kapitel. 

nicht  von  einem  einzigen  Baume  unterbrochenen ,  völlig  fla- 
chen Ebene.  Wir  schlugen  endlich  unser  Lager  bei  einem 
verlassenen  Weiler  von  Viehzüchteni  auf,  welcher  in  einem 
grossen  Kreise  angelegt  war  und  aus  ungefähr  20  kleinen 
kegelförmigen  Hütten  bestand,  unsere  Ruhe  wurde  bald 
durch  ein  lärmendes  Gezänk  unterbrochen,  welches  sich  über 
die  so  unrechtmässig  erhaltenen  Datteln  erhob,  und  einige 
der  bei  dem  Streite  betheiligten  Araber  4camen  in  mein 
Zelt,  um  meine  Entscheidung  über  ihre  Ansprüche  anzurufen, 
wo  ich  denn  das  ganze  Verfahren  der  im  Laufe  des  Tages 
verübten  schamlosen  Räubereien,  namentlich  auch  den  Raub 
des  Füllens  zu  rügen. nicht  unterliess.  Es  war  dies  jedoch 
eine  missliche  Frage  und  sie  erregte  die  Leidenschaften  der 
Betheiligten  so  bedeutend,  dj^s  Einer  von  ihnen,  Namens 
Ibrahim,  mit  einem  geladenen  Gewehre  in  mein  Zelt  ge- 
laufen kam  und  Jedem  eine  Kugel  durch  den  Kopf  zu  ja- 
gen drohte,  der  von  Ungerechtigkeit  und  Räuberei  rede.  Was 
Bacher  und  'Abd  e'  Rahmän,  die  im  thatsächlichen  Besitze 
des  Pferdes  waren,  betrifft,  so  wollten  sie  uns  verlassen  und 
sich  davon  macheu. 

Das  gewaltsame  Verfahren  unserer  Beschützer  hatte,  in  die- 
ser fast  verödeten  Gegend  einen  solchen  Schrecken  verbrei- 
tet, dass  am  Abend  zwei  Ochsen  und  eine  Menge  Milch  aus 
blosser  Furcht  von  einem  benachbarten  Berl  zum  Geschenk 
gebracht  wurden.  Die  Nacht  war,  wenn  auch  nicht  kalt,  doch 
frisch,  und  es  fiel  ein  schwerer  Thau. 

[^Freitag,  26»ten  Septeinber.]  Wir  erreichten  um  Mittag  die 
erste  Hüttengruppe  des  Dorfes  Beri,  nachdem  wir  kurze  Zeit  • 
einer  herrlichen  und  zahlreichen  Viehheerde  —  einer  der 
schönsten,  die  ich  je  im  Inneren  Afrika's  angetroffen  habe  — 
gefolgt  waren,  um,  wo  möglich,  einen  Trunk  frischer  Milch 
zu  erhalten ,  worauf  wir  eine  ziemlich  tiefe  Bucht  des  Flach- 
see's  durchsetzt  hatten.  Wir  lagerten  jedoch  an  einer  unge- 
achtet der  Nähe  des  Wassere  überaus  heissen,  völlig  schatten- 


Der  Ort  Beri.  47 

losen  sandigen  Stelle,  gegen  300  Schritt  vom  Dorfe,  welches 
sich  in  beträchtlicher  Länge  von  Norden  nach  Süden  erstreckt. 

• 

Beri  ist,  jedenfalls  seit  der  Glanzzeit  des  Königreichs  Bömu, 
ein  Ort  von  Bedeutung,  der  in  der  Geschichte  des  grossen 
Königs.  Ednss  Alaöma,  von  dessen  Zeitgenossen  Imäm  Ahmed 
Ydrfasst,  häufig  erwähnt  wird.  Es  ist  ein  durch  seine  Lage 
sehr  bedeutender  Posten,  wo  ein  von  Bomu  nach  Känem  zie- 
hendes Heer  das  Seeufer  verlässt  und  gewöhnlich  eine  Zeit 
lang  Halt  machen  muss,  um  sich  für  den  nachfolgenden 
Marsch  zu  erholen  und  frischen  Mundvorrath  einzunehmeni 
Bis  vor  wenig  Jahren  hatte  hier  ein  Bomauischer  Statthalter 
Namens  Schitima  Aba  seinien  Sitz;  er  gab  jedoch  den  Po- 
steiv  auf  und  zog  den  Aufenthalt  in  der  Hauptstadt  vor. 

Ich  bemerke  hier,  dass  es  eigentlich  zwei  Plätze  Namens 
Ben  gibt,  welche  nur  wenige  Meilen  von  einander  entfernt 
sind.  Die  Ortschaft,  bei  der  wir  gelagert  waren,  heisst  ge- 
nauer „Beri-kurä"  —  „Gross-Beri"  — ,  die  andere  fuhrt  den 
Beinamen  „fute"  oder  „futebe"  ^-  „die  westliche"  —  von  ih- 
rer mehr  westlichen  Lage;  diese  ist  gegenwärtig  sehr  zurück- 
gekommen, so  dass  wir  sie  unbeachtet  zur  Seite  liegen  lies- 
sen.  Die  Einwohner  von  Beri  sind  grösstentheils  Kanembü 
von  der  Sippschaft  der  Ssugurti,  einer  grossen  Abtheilung  je- 
nes Stammes,  welche  aber  in  dem  letzten  Kampfe  der  frü- 
heren Dynastie  beträchtlich  gelitten  hat  (schon  in  den  Hee- 
reszügen des  Edriss  werden  diese  Ssugurti  als  etwas  östlich 
von  Beri  wohnend  angegeben) ;  ausserdem  sind  in  Beri  viele 
Btidduma  ansässig.  Die  gesammte  Bewohnerschaft  beträgt 
wohl  kaum  mehr  als  2000  Köpfe. 

Ich  war  sehr  froh,  als  das  geraubte  Füllen,  sowie  auch  der 
Lastochse  n%ch  abermaligem  heftigen  Zanke  von  den  Räu- 
bern, ausgeliefert  wurden.  Einer  der  gestern  uns  geschenkten 
Ochsen  wurde  heute  geschlachtet  und  unter-die  ganze  Truppe 
vertheilt  Was  mich  betriflft,  so  labte  ich  mich  mit  etwas  fri- 
scher Milch.    Obgleich   die  Leute  hier  grosse  Viehheerden 


48  IL  KmpiteL 

besitzf-n   and  nach   dem  Xamen   des  Ortes,   welcher  ^ Vieh- 
hürde'* bedeutet,  wohl   auch   immer  besessen  haben,   so 'ist 
dfK-h  im  I)orfe.  wie  überhaupt  oft  im  Sudan,  nur  wenig  Milch 
zu  haK'U.  da  nur  der  unmittelbare  Bedarf  der  Eigenthümer 
hierher  gebracht  wird  uml  das  Vieh  weit  entfernt  ist  Cber- 
haujit  sind   die  Hilfsquellen  der  Ortschaft  gering.     Getreide 
^fc-ird  fast  gar  nicht  gebaut,  in  Folge  des  unsicheren  und  trost- 
losen Zustandes  des  Landes,     Die  Einwohner  stehn  fortwäh- 
rend in  Verkehr  mit  den  Yedinfi,  derjenigen  gewöhnlich  B6d- 
dunia  genannten  Abtheilung  der  Kotokö,  welche  die  Seeinseln 
bewohnt.    Die  Kntfemung  des  Dorfes  vom  See  wechselt  na- 
türlich beträchtlich.    Im  Augenblick  unserer  Anwesenheit  auf 
der  Hinreise  war  die  nächste  Bucht  diejenige,   über  welche 
wir  am   Morgen  gekommen   waren;   die  Einwohner  nahmen 
damals  ihren   Wasscri>edarf  von  jener  Bucht     Bei  unserer 
Kückreise   dagegen   war  das  Ufer  ganz  nahe  am  Orte,     Der 
Mangel  an  ßreni^hok  ist  sehr  fühlbar;  es   findet   sich  kaum 
ein  (einziger  Baum  in  der  Umgegend  *). 

[SoHua/jendf  27'f^^  Sej^tember.]  Wir  verliessen  nun  das 
Seeufer,  indem  wir  ganz  gemach  ein  wenig  aufwärts  stiegen, 
hatten  aber  am  Morgen  einen  schwierigen  Marsch,  um  die 
vielen  vom  See  gebildeten  und  sich  zwischen  den  Sandhü- 
gciln  hindurchwindenden  sumpfigen  Buchten  und  Natron- 
beck(jn  zu  vermeiden.  Was  diese  Natronbecken  betriflPt,  wel- 
che nach  Major  Denham's  Bericht  viele  irrthümlichc  Vor- 
stellungen bezüglich  der  Natur  des  Tsäd-See's  veranlasst 
haben,    so  bemerke  ich,    dass  das  Natron  oder  die  Soda 


*)  Ich  fUge  hier  die  Ilaltpunkto  eines  anderen  Weges  von  Ngcgimi  nach 
lierl  hei:  liter  Tag:  Nguhö,  eine  von  Küri  bewohnte  offene  Dorfschaft,  wo 
man  vor  Eintritt  der  llitse  ankommt  und  übernachtet ;  2(«>'  Tag:  Tabünte,  die 
crHto  Ortschaft  in  Kinem ;  3ter  Tag :  Berl.  Einige  bleiben  auf  der  Reise  von 
NgrKiTiii  nach  Der!  die  !•<•  Nacht  in  Turra,  die  2^«  in  Balaia.  —  Ich  will 
hiiT  nur  hminrkrn,  doss,  wenigstens  in  früherer  Zeit,  Ben  eigentlich  nicht 
lu  KAnoni  g<Tcchnut  wurde. 


Die  Natronbecken  am  Nordufer  des  Tsäd.  49 

nicht  ursprünglich  im  Wasser,  sondern  im  Boden  enthalten 
mid  alles  Wasser  im  Tsäd -See  vielmehr  frisch  ist*);  wenn 
jedoch  nach  dem  Rücktritt  der  Überschwemmung  Wasser 
in  einem  Becken  zurückbleibt,  wo  der  Boden  mit  Soda  ge- 
schwängert ist,  so  theilt  sich  natürlich  diese  Beschaffenheit 
dem  Wasser  mit.  Die  Folge  davon  ist,  dass  es  um  den 
Tsäd  umher  viele  solche  Becken  gibt,  welche  je  nach  der 
Jahreszeit  entweder  frisch  oder  bitter  sind ;  denn  die  im 
Boden  enthaltene  Soda  hat  nur  geringe  Wirkung,  so  lange 
das  Becken  tief  ist,  und  macht  sich  erst  bei  abnehmender 
Wassermenge  geltend.  Von  derselben  Beschaffenheit  scheint 
der  See  Boro  in  Känem  zu  sein,  dessen  ich  weiter  unten 
erwähnen  werde.  Ich  erinnere  hier  den  Leser  an  meine 
früher  gemachten  Bemerkungen  bezüglich  der  Bedeutung  des 
Natronhandels  zwischen  Bömu  und  Nüpe  oder  NyfS. 

Da  wir  keine  Führer  hatten  —  denn  wer  hätte  sich  be- 
reitwillig den  Händen  so  zügelloser  Räuber,  wie  unsere  Ge- 
fährten waren,  preisgeben  mögen?  — ,  so  war  es  für  uns  eine 
gar  schwierige  Aufgabe,  aus  diesem  Labyrinthe  von  Süm- 
pfen und  Lachen  herauszukommen.  So  erreichten  wir  nach 
einigen  Meilen  eine  schmale,  aber  sehr  morastige  Lache, 
über  welche  wir,  wie  es  schien,  setzen  mussten. 

Da  ich  ein  lebhaftes  Thier,  einen  vortrefflichen  „saiär",  ritt, 
so  war  ich  den  Übrigen  etwas  voraus  und  hatte  nur  drei 
Reiter  vor  mir.  Beim  Moraste,  dessen  Beschaffenheit  leicht 
erkennbar  war,  angekommen,  ritten  wir  Einer  hinter  dem 
Anderen;  Chälef- Allah  war  mein  Vorraann.  Als  der  erste 
Reiter  einige  Schritte  in  den  Morast  hineingekommen  war, 
stürzte  er,  brachte  jedoch  sein  Pferd  wieder  auf  die  Beine, 
machte  wieder  eine  Strecke  vorwärts  und   sank  dann  aber- 


*)  Die  yollkommcn  reine  Sässwasser  -  Natur  des  TsSd  ist  auf  das  Schla- 
gendste bestätigt  worden  durch  des  verdienstvollen  Prof.  Ehrenberg  Analysen 
des  von  Dr.  Vogel  heimgesandten  TsSd- Schlammes  (Abhandlungen  der  Berl. 
Akad.,  Juni  1856,  S.  323  —  338). 

Bwth'*  Salami.    IIL  4 


50  U.  Kapitel. 

mals;  nun  war  er  aber  dicht  am  festen  Boden  und  kam  da- 
her ziemlich  gut  hinüber.  Da  dies  die  anderen  Reiter,  wel- 
che vor  mir  waren,  sahen,  hielten  sie  plötzlich  an  und  woll- 
ten umkehren.  Dadurch  wurde  mein  Pferd  zur  Seite,  ge- 
drängt; es  schwankte,  von  dem  Morast  beunruhigt,  vorwärts 
und  stürzte  auf  die  Kniee  nieder ;  wieder  in  die  Höhe  ge- 
bracht, machte  es  sodann,  um  hindurchzukommen,  einige 
wilde  Ansätze,  fiel  aber  nach  zwei  odör  drei  vergeblichen 
Versuchen  auf  die  Seite  und  ich  gerieth  darunter.  Der  Mo- 
rast war  hier  etwa- 4  Fuss  tief.  Ich  erhielt  von  den  Vor- 
derhufen meines  Pferdes  auf  Kopf  und  Schultern  einige  em- 
pfindliche Schläge;  doch  gelang  es  mir  nach  langer  An- 
strengung, mich  endlich  aus  dieser  uninteressanten  Lage 
glücklich  zu  befreien.  Ich  trug  einen  weissen  Bemus  über 
einer  Nyffi-Tobe  und  ein  Paar  Pistolen  im  Gürtel,  so  dass 
man  sich  leicht  vorstellen  kann,  welche  Figur  ich  spielte,  als 
ich  den  festen  Erdboden  erreichte.  Nun  blieb  mir  aber  noch 
die  schwierige  Aufgabe,  mein  Pferd  herauszuziehen,  welches, 
nachdem  es  sich  einigemal  mit  verzweifelter  Anstrengung 
hin-  und  hergeworfen  hatte,  jetzt  regungslos  auf  dem  Mo- 
raste lag.  Ich  hatte  bei- dieser  Gelegenheit  eine  gute  Probe 
von  der  Hilfe ,  welche  wir  in*  Fällen  der  Noth  von  unseren 
Gefährten  zu  erwarten  hatten ;  dehn  sie  sahen  ruhig  zu,  ohne 
mir  den  geringsten  Beistand  zu  leisten.  Herr  Dr.  Overweg 
war  eine  Strecke  zurück  und  versah  mich,  als  er  ankam,  mit 
etwas  trockener  Kleidung. 

Die  Stelle  wäre  ohne  diesen  Unfall  ganz  interessant  ge- 
wesen, da  hier,  begünstigt  von  dem  reichen  Boden  und  eben 
diesem  Morste,  ein  schönes  Feld  mit  rothem  Ngaberi  (von  der 
besonderen,  „mössogä"  oder  vielmehr  ,,massakuä"  genannten 
Sorghum- Art)  stand;  die  Saat  war  im  üppigsten  Gedeihen 
und  fing  eben  zu  reifen  an.  Es  war  das  herrlichste  Feld 
der  Art,  welches  ich  auf  meiner  Reise  zu  sehn  bekam. 

Glücklicherweise  schien  die  Sonne  ziemlich  warm;    denn 


Unfall  des  Reisenden.  öl 

nach  dem  unverhofften  ßade  und  bei  meinem  fieberhaften 
Zustande  fing  ich  an,  mich  etwas  kalt  zu  fühlen.  —  Wir 
setzten  unseren  Marsch  zuerst  längs  einer  anderen  Laclie, 
welche  aber  frisches  Wasser  enthielt,  fort  imd  kamen  dann, 
nachdem  wir  etwas  aufwärts  gestiegen  waren,  zu  einer  san- 
digen, reich  mit  Gras  und  Mimosen  bewachsenen  Fläche. 
Auf  diesem  ansteigenden  Boden  schienen  wir  ganz  ausser  dem 
Bereich  des  See's  zu  sein;  unser  Erstaunen  war  daher  gioss, 
als  wir  ein  Paar  Meilen  weiterhin  zu  einem .  anderen  schö- 
nen Becken  mit  frischem  klaren  Wasser  kamen.  Bei  dem 
Zustande,  in  dem  ich  mich  befand,  war  ich  recht  froh, 
als.  wir  uns  frühzeitig  am  nördlichen  Ufer  dieses  kleinen 
See's  lagerten,  .wo  einige  Sserrächs  leidlichen  Schatten  ge- 
währten. 

Ich  war  eben  damit  beschäftigt,  meine  Kleider,  Waffen,  das 
Sattelzeug  und  meine  Tagebücher  zu  trocknen,  als  sich  An- 
zeichen eines  herannahenden  Gewitters  kundgäbßn^  wess- 
halb  ich,  um  nicht  an  demselben  Tage  zweimal  durchnässt 
za  werden,  mein  Zelt  aufschlagen  liess.  Nach  einem  wüthen- 
den  Sturme  entlud  sich  ein  Platzregen,  und  ungefähr  ein 
Dutzend  unserer  Gefährten  flüchteten  sich  in  meine  kleine, 
schwächliche  Behausung;  doch  gelang  es  nicht  Allen,  sich 
vor  der  Nässe  zu  schützen,  da  der  Regen  so  heftig  war,  dass 
er  zur  Thür  hereindrang.  Das  Gewitter  hielt  über  eine 
Stunde  an,  und  da  die  Pferde,  Kameele  und  alles  Gepäck 
vollkommen  durchnässt  waren,  so  wurde  beschlossen,  hier 
die  Nacht  zu  verbleiben. 

[SontUiig,  28'^en  September.]  Aus  irgend  einem  anderen 
Grunde,  aber  hauptsächlich  auch  desshalb,  um  den  zweiten 
Ochsen  zu  schlachten,  zu  vertheilen  und  in  „gedid"  zu  schnei- 
den, blieben  wir  hier  den  ganzen  Morgen.  Die  Sonne  war 
längst  in  Saual  (Nachmittag)  übergetreten,  als  wir  unseren 
Marsch  durch  die  sandige ,  leicht  gewellte  Landschaft  wieder 
antraten,  welche  dicht  mit  Kräutern  bewachsen  war,  namentlich 


52  n.  Kiqtitel. 

mit  Nessi,  Bü-rekkeba  (Panicum  colonum)  *)  und  der  donige- 
fiedertcQ  Klette  (Pennisetum  distichum);  dazu  gesellten  Bich 
Doch  mancherlei  Mimosen,  hauptsächlich  die  Talha  und  die 
U'iu  el  barka  (Mimosa  nilotica).  Unsere  Gefährten  fanden 
mehrere  Strausseneier  und  trafen  auch  eine  grosse  Heerde 
Gazellen.  —  Die  Gegend  ward  weiterbin  dichter  bewaldet 
und  gestaltete  sich  da,  wo  wir  unser  Lager  für  die  Nacht 
aufschlugen,  zu  einer  sehr  interessanten  Landschaft;  doch 
war  die  Gefahr  von  Seiten  reissender  Tbiere  beträchtlich, 
und  wir  hörten  fast  die  ganze  Nacht  hindurch  das  Gebrüll 
eines  Löwen. 

[Montag,  29"^  Septe7nberi\  Zu  früher  Stunde  brachen 
wir  auf.  Der  Landstrich  blieb  von  derselben  Beschaffenheit, 
wie  am  gestrigen  Tage,  und  zeigte  manches  schöne  Exem- 
plar der  Mimosa  auf,  —  hier  einen  vom  Alter  gebrochenen, 
dort  einen  von  SchlingjiHanzen  umwundenen  Baum.  Eine 
Art  dieser  Schlingpflanzen  erzeugt  die  von  den  Kanöri  „fitö" 
genannte  und  von  mir  bereits  erwähnte  rothe  saftige  Frucht 
Während  wir  um  8  Uhr  gruppenweise  weiter  zogen,  hiel- 
ten zwei  von  unseren  Reitern,  welche  etwas  voraus  waren, 
plötzlich  bei  einer  grossen,  dichtbelaubten  Gherret  an  und 
ritten  mit  lautem  Geschrei  zu  uns  zurück.  Wir  kamen  her- 
bei und  sahen  eine  ausserordentlich  grosse  Schlange,  welche 
drohend  von  den  Asten  jenes  Baumes  herabhing.  Als  sie 
uns  gewahrte,  suchte  sie  sich  zu  verbergen,  fiel  aber,  von 
mehreren  Kugeln  getroffen ,  herunter ,  worauf  wir  ihr  sofort 
den  Kopf  abschnitten.  Sie  war  18  Fuss  7  Zoll  lang  und 
mass  am  dicksten  Theile  des  Körpers  5  Zoll  im  Durchmes- 
ser ;  ihre  Haut  hatt«  eine  schöne,  grünlich-bunte  Farbe.  Zwei 

*)  Ich  maaa  mich  biet  wegen  eines  Iirthomea  entschuldigen,  der  lon  mir 
im  ersten  Bimde  begnognn  norden  istj  ich  habe  nämlich  dort  da«  ran  den 
Arabern  „  bn-r^kkebi"  genannte  hohe  Knotengras  mit  Avena  Fornkalii  iden- 
tificirt.  Du  ist  jedoeh  nicht  ganz  richtig,  da  das  letztere  Gras  dem  „schedjret 
el  djcmcl"  der  Araber  entspricht. 


Eine  grosse  Schlange.  58 

Eingeborene,  welche  sich  uns  gestern  angeschlossen  hatten, 
schnitten  das  Ungeheuer  auf  und  nahmen  das  Fett  heraus, 
das  sie  für  vortrefflich  erklärten. 

Unser  heutiger  Ritt  war  überhaupt  recht  anziehend,  da 
das  Land  hier  bedeutend  reicher  zu  werden  anfing;  aber  für 
meinen  schwachen  Gesundheitszustand  dauerte  er  zu  lange, 
so  dass  ich  nach  einem  Tstündigen  Marsche  so  sehr  ermü- 
det war,  dass  ich  absteigen  und  mich  niederlegen  musste. 
Die  meisten  Araber  blieben  bei  uns,  die  Übrigen  setzten  mit 
'Ali  ben  'Aissa  den  Marsch  zum  Brunnen  fort. 

Als  wir  am  Nachmittag  wieder  aufbrachen,  war  der  Land- 
strich während  der  ersten  8  Meilen  ebener,  wurde  aber  so- 
dann hügelig,  und  um  5  Uhr  erstiegen  wir  eine  bedeutende 
Hügelreihe,  die  ^ir  erst  zu  unserer  Linken  hatten;  dieselbe 
erwies  sich  als  höchsten  Kulminationspunkt  dieser  ganzen 
Landschaft,  obgleich  sie  sich  wahrscheinlich  nicht  mehr  als 
700  Fuss  über  den  Spiegel  des  Tsäd  erhebt.  Wir  durchzo- 
gen .  dann  zwei  Thalkessel ,  welche  grosse  Lieblichkeit  be- 
sassen,  namentlich  der  zweite,  in  dessen  von  hohen  Lehnen 
eingeschlossenem  Grunde  sich  eine  auffällige  Terrasse  von 
Kalksteinbidung  vorfand.  Doch  war  die  Anmuth  dieser  bei- 
den Thäler  nur  gering  im  Vergleich  mit  dem  Henderi  (Thal) 
Foio  oder  Foyo,  in  welchem  wir  in  einiger  Entfernung  vom 
Brunnen  unser  Nachtlager  nahmen;  denn  die  Thalsohle  war 
dort  mit  einer  ununterbrochenen,  an  manchen  Stellen  ganz 
undurchdringlichen  Pflanzenmasse  überwachsen.  Hier  konnte 
"der  Botaniker  mit  Sicherheit  darauf  rechnen,  einige  neue 
Arten  zu  finden;  die  gewöhnlichsten  Bäume  aber  waren  die- 
selben verschiedenen  Species  der  Acacta,  welche  in  allen 
diesen  Landschaften  vorwalten,  nämlich  die  Küma  (Cornus), 
die  Sserräch,  die  Um  el  barka  (Mimosa  nüottca),  der  Ha- 
djilTdj  (Balanitea  Aegyptiacua)  und  die  Talha  (Mimosa  f er- 
rugtnea)y  —  alle  mit  Schlingpflanzen  reich  umwunden  und 
den  kühlsten  Schatten  geirährend. 


i 


54  *  n.  KapiteL 

Diese  Thäler  sind  natürlich,  da  sich  daselbst  die  einzigen 
Wasserplätze  befinden,  wegen  der  reissenden  Thiere,  nament- 
lich der  hier  sehr  zahlreichen  Löwen,  bei  Nacht  sehr  gefähr- 
lich.—  Unsere  Gefährten  empfingen  hier  vom  Scheich  Rhet, 
dem  jungen  Häuptlinge  der  UelSd  Slimän,  eine  Botschaft. 

[Dienstag  j  30f*^  September i\  Wir  blieben  hier  nicht  nur 
den  Vormittag,  sondern  auch  die  heisse  Tageszeit  hindurch  ge- 
lagert Während  ich  im  kühlen  Schatten  einer  Mimose  ruhte, 
erhielt  ich  einige  werthvoUe  Angaben  über  die  verschiedenen 
Stämme,  welche  gegenwärtig  das  Land  Känem  bewohnen,  und 
über  ihre  Ansiedelungen;  ich  übergehe  jedoch  dieselben  hier, 
da  es  geeigneter  sein  dürfte,  alle  von  mir  zu  verschiedenen 
Zeiten  in  dieser  Beziehung  gesammelten  Nachrichten  in  einem 
aUgemeinen  Berichte  zusammenzustellen,  welcher  im  Anhang 
gegeben  werden  soll. 

Am  Nachmittage  liess  man  die  Kameele  und  den  schwere- 
ren Theil  des  Zuges  vorwärts  ziehen  und  die  Reiter  folgten 
ungefähr  eine  halbe  Stunde  später,  nachdem  sie  die  Pferde 
zur  Tränke  gebracht  hatten;  anstatt  aber  in  einer  Wildniss, 
wo  kein  regelmässiger  Pfad  gezogen  war,  die  Spuren  des 
voraufgezogenen  Trosses  sorgfältig  zu  verfolgen,  ritten  sie 
sorglos  voran, und  fanden  bald,  dass  sie  jede  Spur  verloren 
hatten.  Nun-  wurde  in  grosser  Verwirrung  nach  allen  Rieh- 
tungen  hin  gejagt.  Dies  ermüdete  mich  ungemein;  denn 
nichts  ist  für  einen  Menschen  von  geschwächter  Gesundheit 
so  verdriesslich,  als  hin  und  her  zu  wandern,  ohne  zu  wissen, 
wo  er  den  so  ersehnten  Ruheplatz  zu  erwarten  hat.  Nach- 
dem wir  einen  Kundschafter  nach  dem  anderen  ausgesandt, 
fanden  wir  endlich,  die  Spur  und  erreichten  unsere  Leute 
nach  Sonnenuntergang. 

[Mitt^ooch^  pten  Oktoberi]  Frühzeitig  aufgebrochen,  trafen 
wir  nach  zweistündigem  Ritt  einen  lleiter,  welcher  vom  La- 
ger der  Ueläd  Slimän  kam  und  uns  in  ihrer  Wildniss  will- 
kommen hiess.    £[aum  hatte  er  seinen  Gruss  bestellt,  als  in 


Ankunft  im  Lager  der  U6lad  Slimän.  55 

fast,  ununterbrocheiier  Reihenfolge  aus  dem  Dickicht  zur 
Bechten  und  Linken  Araber  hervorstürzteri,  ihre  Flinten  ab- 
feuerten  und  uns  mit  ihrem  gewöhnlichen  Feldgeschrei:  „ya 
riäb,  ya  riäb!"  begrüssten.  Wir  rückten  auf  diese  Weise 
eine  halbe  Stunde  lang  vorwärts  und  machten  dann  Halt, 
um  in  feierlicherer  Form  die  Begrüssungen  einer  zahlreicheren 
von  einem  Mann  von  Bedeutung  geführten  Reiterschaar  in 
Empfang  zu  nehmen. 

Nachdem  der  von  den  Pferdehufen  aufgewehte  Staub  sich 
etwas  gelegt  hatte,  erblickten  wir  nun  hier,  wo  die  Waldung 
etwas  mehr  gelichtet  war,  die  gesammte  Reiterei  der  Ueläd 
Slimän  im  besten  Aufzuge  in  einer  Linie  vor  ims  aufge- 
stellt, ihren  Häuptling  Rhet,  Sohn  des  Ssef  e'  Nasr  ben  Rhet, 
und  dessen  Oheim  'Omar,  Sohn  Rhet's  und  Bruder 'Abd  el 
DjelÜ's,  in  ihrer  Mitte.  Dieser,  von  mir  und  Herrn  Dr.  Over- 
weg  nicht. erwartete  feierliche  Empfang  machte  einen  grossen 
Eindruck  auf  uns;  man  gestattete  uns  jedoch  nicht  lange, 
passive  Zuschauer  zu  bleiben,  indem  die  Araber,  die  mit 
uns  aus  Kükaua  gekommen  waren,  uns  aufforderten,  der 
Reihe  voraus  zu  galöpiren,  um  den  Häuptlingen  unsere 
Ehrerbietung  zu  bezeigen.  Wir  eilten  daher  unseren  neuen 
Freimden  gerade  entgegen  und  begrüssten  sie  mit  unseren 
Pistolen.  Sie  erwiderten  unsere  Komplimente  und  Wessen 
uns  willkommen,  worauf  sich. der  junge  Rhet  mit  blankem 
Schwerte  an  die  Spitze  seiner  Schwadronen  stellte,  die  uns 
unter  dem  fortwährenden  Rufe :  „  y4  riäb,  ya  riäb ! "  nach  dem 
Lager  geleiteten,  wo  man  uns  unseren  Zeltplatz  anwies. 


^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^»^^^^1^ 


I 


m.  KAPITEL 

Die   Uordo    der    UeUd    Slimän. 


So  hatten  wir  nunmehr  unser  Geschick  mit  demjenigen 
dieser  Rotte  von  Freiheutem  verknüpft.  In  Folge  ihrer  wil- 
den, ruhelosen  Lebensweise  waren  sie  aus  ihren  ursprüng- 
lichen Wohnsitzen  an  der  Syrte*)  vertrieben  worden  und  hatten 
sich  nach  einer  langen  Reihe  abenteuerlicher  Erlebnisse  end- 
lich unter  der  Führung  Mohammed's,  Sohnes  *Abd  el  Djelil's,  in 
diesem  Grenzlande  zwischen  der  Wüste  und  den  fruchtbaren 
Strichen  des  Sudans  auf  den  Trümmern  des  alten  König- 
reiches Känem  niedergelassen,  wie  in  ganz  entsprechender 
Weise  in  der  westlichen  Hälfte  der  Wüste  die  üeläd  Ammer 
(die  Ludamar  Mungo  Park's)  auf  den  Trümmern  des  Reiches 
Melle  ihre  räuberische  Macht  begründet  hatten.  Damals 
zählten  die  Ueläd  Slimän  eine  beträchtliche  Mannschaft  und 
konnten,  da  sie  aus  allen  Araber -Stämmen  vom  Rif  bis 
Fesän  grossen  Zuzug  von  Abenteurern  hatten,  900 — 1000 
Mann  Reiterei  in's  Feld  stellen.  Sie  wandten  nun  ihre  Auf- 
merksamkeit unseren  Freunden,  »den  Kel-owi,  zu  und  fingen 
an,  deren  Kameele,  welche  den  Salzhandel  von  Bilma  be- 
trieben, als  Raub  davon  zu  führen.  Jene  Salzkarawanen 
sind,  wie  der  Leser  sich  aus  dem  früher  Angeführten  er- 
innern wird,  immer  von  sehr  bedeutender  Stärke;   doch  ist 


*)  Ich  vorweise  hier  nur  auf  die  lebhafte  Beschreibung,  welche  Capt.  Lyon 
{NarrcUlve,  p.  54)  von  der  früheren  Macht  dieses  Stammes  gibt. 


^  Frühere  Schicksale  der  Horde.  57 

es  fast  unmöglich,  der  uns  von  mehreren  Personen  gemachten 
Angabe  unbedingt  Glauben  zu  schenken,  dass  die  Ueläd 
Slimän  den  Tuareg  innerhalb  2  oder  3  Jahre  über  30,000 
Kameele  abgenommen  hätten ,  ja  nach  Einigen  sogar  50,000. 

Wären  sie  auf  diese  Weise  auch  nur  eine  kurze  Zeit  lang  fort- 
gefahren, so  hätten  sie  in  ganz  Inner- Afrika  eine  unermessliche 
Umwälzung  hervorgebracht;  denn  die  Kel-owi  würden  nach 
dem  Verlust  ihrer  Kameele  Haussa  nicht  länger  mit  Salz  ha- 
ben versehen  und  ohne  Salz  nicht  länger  den  für  ihr  Beste- 
hen nothwendigsten  Bedarf  eintauschen  können;  sie  hätten 
sich  also  entweder  dem  Hunger  preisgeben,  oder  mit  Ge- 
walt in  den  Besitz  fruchtbarerer  Bezirke  von  Sudan  setzen 
müssen.  Aber  bevor  sie  noch  zu  jenem  Aussersten  getrieben 
wurden,  ermannten  sie  sich  zu  einer  kräftigen  Anstrengimg 
gegen  ihre  Feinde,  und  dies  geschah  mit  Erfolg;  denn,  alle 
Mannen  in  den  verschiedenen  Stämmen  von  Air  oder  Asben, 
ja  selbst  viele  der  umherwohnenden  Stämme  aufbietend, 
versammelten  sie  ein  Heer  von  wenigstens  7000  Mann,  haupt- 
sächlich zu  Kameel,  jedoch  auch  mit  Einschluss  einer  zahl- 
reichen Reiterei  zu  Pferde,  und  zogen  nun,  im  Anfange  des 
Jahres  1850,  heran,  um  den  Löwen  in  seiner  eigenen  Höhle 
anzugreifen. 

Ich  bin  geneigt  anzunehmen,  dass  die  Bomauer  hierbei 
die  Hand  im  Spiele  hatten;  wenigstens  konnte  die  Nach- 
barschaft einer  kriegerischen  und  ruhelosen  und  dabei  so 
zahlreichen  Horde,  wie  die  Ueläd  Slimän  sie  damals  unter  Mo- 
hammed's  Führung  bildeten,  keinem  irgend  umsichtigen  und 
vorsichtigen  Machthaber  in  Bömu  gänzlich  gleichgültig  sein. 
Freilich,  seitdem  die  Macht  Bomu's  dermassen  abgenommen 
hat,  dass  es  den  täglichen  Übergriflfen  der  Tuareg  nicht 
selbst  hinlänglich  Widerstand  leisten  konnte,  war  es  für  seine 
Machthaber  von  grossem  Nutzen,  einen  starken  und  kräftigen 
Verbündeten  zu  besitzen,  um  jene  in  Zaum  zu  halten,  aber 
dieser  durfte  keineswegs  selbst  wieder  gefährlich  werden. 


58  IIL  Kapitel. 

Wie  dem  aber  auch  sei,  die  Araber  verliessen  ihre  sehr 
feste  Verschanzung  bei  Keskaua  (welche  sie,  als  ihnen  der 
beabsichtigte  Kriegszug  der  Kel-owi  kund  geworden,  am 
Tsäd-Ufer  angelegt  hatten,  und  welche  die  Tuareg,  wie  diese 
mir  selbst  gestanden ,  nie  würden  haben  einnehmen  können) 
und  zerstreuten  sich,  in  der  Voraussetzung,  ihre  Feinde  wären 
nicht  im  Stande,  ihre  Absichten  auszuführen.  Alle  die  zuge- 
zogenen Stcämme,  wie  die  Gedädefah,  die  Ferdjän,  die  Urfilla, 
die  Ftaim,  die  Ssuässi,  die  Temäma,  die  Dhohob,  mit  der 
den  Tuareg  abgenommenen  Beute  bereichert,  waren  voll 
Begierde,  diese  Beute  in  Sicherheit  nach  Hause  zu  bringen, 
und    begaben  sich  daher  auf  die  Heimreise  über  Küfifara. 

Der  Rest  der  Araber  war  eben  im  Wadi  'Aläli,  wohin  mich 
meine. Leser  bald  zu  begleiten  haben  werden,  gelagert,  als 
ein  Kundschafter  mit  der  Nachricht  ankam,  eine  grosse 
Schaar  der  Tuareg  sei  in  der  Nähe.  Die  Araber  sollen 
jedoch  diesem  Berichte  keinen  Glauben  geschenkt  haben  und 
daher,  ehe  sie  noch  ihre  Vorbereitungen  treffen  konnten, 
plötzlich  von  allen  Seiten  von. der  zahlreichen  Feindesschaar 
umringt  worden  sein.  Auch  muss  man  bedenken,  dass  die- 
selben meistens  nur  mit  Flinten  bewalfnet  waren,  welche 
zwar  in  einem  Reitereitrelfen  sehr  nützlich  sind,  wo  sich  der 
Reiter  nach  dem  Feuern  zurückziehen  kann,  aber  im  nahen 
Handgemenge  und  auf  beschränktem  Räume  von  geringem 
Nutzen  sind;  nur  Wenige  besassen  Pistolen,  noch  Wenigere 
Schwerter.  Die  Kel-owi  hingegen  hatten  neben  ihrer  grossen 
Anzahl  den  Vortheil  besserer  Waffen,  indem  sie  ausser  Flin- 
ten, die  sie  allerdings  nur  selten  zu  gebrauchen  verstehen, 
Speer,  Schwert  und  Dolch  führten.  Die  Folge  davon  war,  dass 
die  Araber,  nachdem  sie  eine  kleine  Anzahl  der  Feinde  im  Vor- 
dertreffen getödtet  hatten,  bald  überwältigt  und  hingemetzelt 
vnirden,  so  dass  nur  die  Hälfte  von  ihnen  entkam.  Der 
Häuptling  Mohammed  selbst  nahm  seinen  Weg  schwer  ver- 
wundet durch  die  Schaar  der  Feinde  und  soll  bald  darauf, 


Grosse  Niederlage  der  Horde  durch  die  Tnareg.  59 

wie  es  heisst,  von  einem  Tebu- Weibe,  das  ihn  erkannte,  er- 
schlagen worden  sein.  Said,  der  kühnste,  wie  auch  gewalt- 
samste Streiter  derUeläd  Slimän,  fiel  auf  der  Wahlstatt,  zu- 
sammen mit  den  herzhaftesten  Kämpen  der  kleinen  Horde. 
Die  Tuareg  machten  eine  sehr  beträchtliche  Beute,  nicht  nur 
an  Kameelen  und  Sklaven,  sondern  auch  an  Silber;  denn  die 
besiegten  Häuptlinge  hatten  einen  grossen  Reichthum  aufge- 
häuft So  war  die  Blüthe  der  Truppe  vernichtet,  waren  nur 
die  minder  Tapferen  und  Jüngeren  übrig  geblieben. 

Der  Vezier  von  Bomu  nahm  nun  den  jungen  Rhet,  der 
jetzt  die  Häuptlingsschaft  und  den  geringen  verbliebenen  Rest 
von  Macht  und  Veimögen  ererbt  hatte,  unter  seinen  beson- 
deren Schutz  und  traf  mit  ihm  und  dem  übriggebliebenen 
Bruchstück  des  Stammes  die  Vereinbarung,  dass  sie  ihm 
dafür,  indem  er  sie  mit  den  benötliigten  Pferden  und  Flinten 
versehe,  nach  jedem  Feldzuge  einen  bestimmten  Theil  ihrer 
Beute  liefern  sollten.  Gewiss  hätte  sich  eine  solche,  mit  schnel- 
len Pferden  versehene  und  mit  Flinten  bewaffnete  Reiterei, 
wenn  scharf  in  Dienstordnung  und  Unterwürfigkeit  gehalten, 
an  der  Nordgrenze  von  Bomu  sehr  nützlich  erweisen  kön- 
nen, um  einerseits  dem  Vordringen  der  Tuareg,  andererseits 
dem  der  Wddai  Einhalt  zu  thun.  Die  grosse  Schwierigkeit 
aber,  welche  der  Vezier  nicht  bewältigt  zu  haben  scheint,  be- 
stand darin,  die  freibeuterischen  Streifzüge  einer  solchen 
Rotte  irgend  einer  politischen  Regel  zu  unterwerfen. 

Der  Vezier  sandte  nun  den  jungen,  kaum  über  20  Jahre 
alten  Häuptling  mit  dem  gesammten  Überreste  der  Ueläd 
Slimän  nach  Känem  und  behielt  seine  Mutter,  sowie  die 
Weiber  und  kleinen  Kinder  einiger  ihrer  Hauptleute  als 
Geissei  für  ihre  Treue  in  Kükaua  zurück.  Von  Anfang  an 
bestand  jedoch  eine  starke  Partei  gegen  den  jungen  Häupt- 
ling, der  noch  keine  Grossthat  vollbracht  hatte,  und  dessen 
einziges  Verdienst  darin  bestand,  der  nächste  Verwandte  des 
'Abd  el  Djelil  zu  sein. 


eO  m.  Kapitel. 

'Omar,  sein  Oheim,  der  sich  von  Jugend  auf  religiöser 
Übungen  befleissigt  hatte  und  ein  Meräbet  genannt  wurde, 
hatte  eine  zahlreiche  Partei,  und  ausserdem  gab  es  mehrere 
Männer  unter  ihnen,  welche  sich  für  ebenso  wichtig  hielten, 
als  ihren  Häuptling.  In  Ermangelung  persönlichen  Einflusses 
konnte  also  Khet  mit  seiner  kleinen,  im  Ganzen  nur  250 
Reiter  zählenden  Rotte  nur  geringe  Erfolge  erzielen. 

Alle  in  Känem  und  den  umliegenden  Landschaften  angesie- 
delten Stämme  waren  ihre  natürlichen  Feinde:  die  Noreä 
oder  Nudrma  und  die  Schendaköra  und  Medema,  die  Ssd- 
kerda  und  die  Karda  im  Bahhr  el  Ghasäl,  die  Bültu,  die 
Worhda,  die  üeläd  Raschid,  die  Diggana  oder  Daghana, 
die  üeläd  Hamid,  die  Hommer  und  die  Mahamid  in  Churma, 
sie  alle  sannen  auf  ihre  Vernichtung,  während  sie  nur  in  den 
Lasdlä  oder  el  Asäla  jenseits  Eärkä  oder  Eargha  und  in 
dem  Kanembü- Stamme  der  Fugäbü  Anhänger  hatten.  Alle 
benachbarten  Stämme  legen  ihnen  den  Namen  „Minneminne" 
oder  „Menemene"  („die  Fresser")  bei,  und  dieser  Name,  obgleich 
aus  der  Völlerei  dieser  Araber  entstanden ,  lässt  sich  auch 
ganz  passend  auf  ihr  räuberisches  Wesen  beziehen*). 

Im  Verlaufe  dieser  Auflösung  und  kleinen  Umtriebe  legten 
sich  die  Achtbarsten  unter  ihnen  auf  den  Handel,  während 
Andere  in.  ihre  ursprünglichen  Sitze  heimzukehren  trachteten, 
und  als  ich  Bömu  im  Mai  1855  verliess,  hatte  sich  der  Rest 
der  kleinen  Horde  in  zwei  gesonderte  Lager  gespalten,  und 
die  Auflösung  oder  der  gänzliche  Verfall  der  Gemeinde  stand 
nahe  bevor. 

Diese  Horde  war  es  denn,  mit  der,  um  die  Zwecke  unseres 
Unternehmens  so  weit  es  uns  nur  irgend  möglich  war,  zu  er- 
reichen, Herr  Dr.  Overweg  und  ich  unser  Geschick  zu  ver- 
binden genöthigt  waren;  aber  unglücklicherweise  fehlte  es  uns 
an  dem  wesentlichsten  Mittel,  um  ein  mehr  als  gewöhnliches 


*)  Die  TSbu  nennen  sie  „Erdi  mädö"  (,»die  rothen  Feinde'")  oder  „YögodS"". 


Audienss  bei  dem  Scheich  Rhet  61 

Interesse  für  unsere  Personen  oder  die  Zwecke  unserer  Sen» 
düng  zu  erregen,  nämlich  an  werthvollen  Geschenken. 

Während  unsere  Leute  die  Zelte  aufschlugen,  gingen 
wir  zum  Scheich  Rhet  und  zu 'Omar,  um  unsere  Aufwartung 
zu  machen  und  uns  mit  ihnen,  ehe  wir  zu  ernstlicheren 
Geschäften  schritten,  freundschaftlich  zu  besprechen.  Sie 
schienen  dies  auch  erwartet  zu  haben,  indem  sie  sich  im 
Schatten  eines  Baumes  in  geringer  Entfernung  von  unseren 
Zelten  niedergelegt  hatten.  Rhet,  welcher  aus  einer  langen 
Pfeife,  nach  Weise  der  Türken,  rauchte,  war  ein  leidlich  hüb- 
scher junger  Mann ,  hatte  aber  eine  mangelhafte  Aussprache 
und  nichts  Gebietendes -in  seinem  Wesen.  Nachdem  wir  die 
gewöhnlichen  Komplimente  gewechselt  und  einige  allgemeine 
Fragen  hingeworfen,  gingen  wir  wieder  fort  und  erhielten 
bald  darauf  ein  Geschenk  von  Datteln  und  Milch. 

Sehr  viele  von  den  Arabern  machten  uns  einen  Besuch, 
und  ein  Renegat-Jude  aus  Tripoli,  *Abd  Allah,  mit  dem  Bei- 
namen „el  Mussulmäni",  schien  uns  nicht  einen  Augenblick 
verlassen  zu  wollen,  indem  er  uns  fortwährend  von  seinen 
Abenteuern  erzählte  und  seine  Wichtigkeit  andeutete,  auch 
uns  seiner  uneigennützigsten  Ergebenheit  zu  versichern  nicht 
verfehlte.  Obgleich  seine  frühere  Religion  von  der  unseri- 
gen  verschieden  war  und  er  diese  wieder  mit  einer  anderen 
aus  blos  weltlichen  Rücksichten  vertauscht  hatte,  so  hielt  er 
sich  doch  fiir  berechtigt,  eine  Art  Verwandtschaft  mit  uns 
zu  beanspruchen  und  hatte  die  Geneigtheit,  uns  mitunter 
seine  Vettern  (Ueläd  ämi)  zu  nennen.  Noch  war  hier  ein 
anderer  Mann,  welcher  sich  uns  zuvorkommend  zu  erweisen 
und  in  unsere  Freundschaft  einzuschleichen  suchte;  dies  war 
ein  Egyptier  Namens  Ibrahim,  ein  schöner  schlanker  Mann, 
welcher  augenscheinlich  ursprünglich  von  guter  Familie  war; 
er  war  jedoch  von  Hause  entflohen  und  führte  nun  in  dieser 
Genossenschaft  ein  rastloses,  beschwerliches  und  reuevolles 
Leben. 


62  m.  Ki^iteL 

Als  die  Tageshitze  etwas  nachgelassen  hatte,  bereiteten 
wir  das  kleine  Geschenk  vor,  das  wir  dem  Scheich  Bliet  zu 
geben  gedachten.  Es  bestand  in .  einem  rothen  Tuchbemus 
von  vorzüglicher  Arbeit,  einem  Pfund  Gewürznelken,  «inem 
Pfund  Djaüi  (Benzoe)  und  einem  Rasirmesser.  Wir  wussten 
wohl,  dass  es  ein  etwas  unbedeutendes  Geschenk  war  in  Be- 
tracht des  Beistandes,  welchen  wir  von  diesen  Leuten  er- 
heischteUj  um  unseren  Zweck  zu  erreichen;  wussten  jedoch 
auch,  dass  die  Sache  eigentlich  eine  uns  vom  Vezier  von 
Bömu,  der  diese  Leute  als  in  seinem  Dienste  stehend  be- 
trachtete, erwiesene  Gunst  war. 

Lidern  wir  also  auf  die  Freundschaft,  welche  in  früheren 
Zeiten,  als  der  Stamm  noch  an  der  Syrte  wohnte,  zwischen 
demselben  und  dem  Englischen  Konsul  in  Tripoli  bestanden 
habe,  Bezug  nahmen  und  einen  Brief  von  Herrn  Frederic 
Warrington  (dem  Sohne  des  früheren  Englischen  Konsuls),  wel- 
cher den  angesehensten  Leuten  im  Stamme  persönlich  wohlbe- 
kannt wat*,  überreichten,  erklärten  wir  unumwunden,  dass  wir 
in  der  Absicht  hierher  gekommen  seien,  um  mit  ihrer  Hilfe  die 
Bereisung  des  östlichen  Seeufers  und  namentlich  des  Bahhr 
el  Ghasal,  welcher  seit  längerer  Zeit  in  unserer  Heimath 
viel  Literesse  erregt  habe,  zu  versuchen.  Scheich  Rhet  ent- 
gegnete aber  sofort,  es  sei  ihnen  unmöglich,  ups  nach  jener 
Landschaft  zu  bringen,  da  dieselbe  wegen  der  vielen  von 
verschiedenen  Seiten  und  von  feindlichen  Stämmen  dorthin 
ausgeführten  Raubzüge  die  gefahrvollste  in  allen  diesen  Ge- 
genden sei. 

Nach  einem  bedöutungslosen  Gespräch  über  die  Engländer 
verliessen  wir  den  Häuptling  und  begaben  uns  mit  einem 
ganz  gleichartigen  Geschenk  zu  seinem  Ohöim,  dem  wir  nun 
die  Zwecke,  die  uns  hierher  geführt,  noch  nachdrücklicher 
vorzustellen  suchten.  Ich  drückte  es  als  meine  Ansicht 
aus,  dass,  wie  sie  einerseits  der  Brittischen  Regierung  einen 
sehr  ervninschten  Dienst  leisten  würden,  wenn  sie  uns  in  den 


yerhandlaiigen  über  den  Besucli  des  Bahhr  el  GhasäL  63 

Stand  setzten,  die  Art  der  Verbindung  zwischen  dem  Babhr 
el  Ghasal  und  dem  See  genau  zu  erkunden,  so  andererseits 
ein  beträchtlicher  Theil  des  Tadels  auf  sie  fallen  würde, 
falls  wir  unseren  Plan  nicht  auszuführen  vermöchten,  da  sie 
sich  stets  als  den  Engländern  zu  grossem  Dank  verpflichtet 
ausgegeben  hätten.  'Omar  ben  Rhet  ben  Ssef  e'  Nasr  räumte 
alles  dieses  ein,  zweifelte  jedoch  sehr,  ob  die  Horde  bei 
ihrem  gegenwärtigen  geschwächten  Zustande  im  Stande  sein 
würde,  uns  nach  jener  "Gegend  zu  bringen,  die  gänzlich  unter 
der  Herrschaft  von  Wadai  stehe.  Die  Erwähnung  des  Bahhr 
el  Ghasal  veranlasste  ein  Gespräch  über  das  Flusssystem 
zwischen  dem  Tsäd  und  dem  Nil,  wobei  'Omar  höchst  ven- 
worrene  Angaben  vorbrachte,  welche  anzuführen  nutzlos  sein 
würde.  Aber  bezüglich  jenes  grossen  Wadi  selbst  fanden 
wir,  dass  er  in  Übereinstimmung  mit  den  erfahrensten  Leuten 
unter  diesen  Arabern  behauptete,  dass  selbiges  nicht  am  See 
auslaufe,  sondern  von  dorther  seinen  Ursprung  nähme  — 
und  doch  ist  diese  Ansicht  natürlich  unrichtig. 

Wir  verabschiedeten  uns  dann  bei  'Omar  und  kehrten  zu 
unseren  Zelten  zurück.  Der  Lägerplatz  befand  sich  auf  einer 
sandigen,  offenen,  aber  doch  leicht  gewellten,  anmuthigen  und 
mit  einzelnen  Mimosen  geschmückten  Fläche,  an  deren  Fusse 
sich  ein  Thal  hinzieht,  welches  die  Brunnen  Yongo  oder 
Bü-Halima  enthält  und  eine  Fülle  des  reichsten  Pflanzen- 
wuchses darbietet.  Die  Zelte  und  Mattenhütten  der  Araber 
nahmen  einen  ausgedehnten  Platz  ein,  welcher  mit  keinerlei 
Umfnedigung  oder  sonstiger  Schutzwehr  versehen  war. 

Da  die  "Sonne  untergegangen  war,  legte  ich  niicb  ausser- 
halb meines  Zeltes  nieder,  um  nach  einem  heissen  und 
mühevollen  Tage  der  abendlichen  Kühle  und  Stille  zu  gemes- 
sen. Alles  war  ruhig  und  schien  in  Frieden  gebettet  zu  sein, 
aber  diese  Stille  wurde  plötzlich  durch  ein  wildes  Geschrei 
und  Gekreisch,  welches  die  Weiber  im  westlichen  Theile 
des  Lagers  erhoben,   unterbrochen.    Eilends  griffen   wir  zu 


64  IIL  Kapitel. 

den  Waffen,  indem  wir  glaubten,  ein  Feind  sei  in's  Lager 
gedrungen.  Der  Ruf:  „älä  e'  dhahai*!  äla  e'  dhahar!"  —  „in 
den  Sattel!  in  den  Sattel!"  —  erscholl  von  allen  Seiten  und 
eine  Anzahl  Reiter  jagte  an  uns  vorüber.  Nach  allgemeinem 
Tumult  ergab  sich  jedoch,  dass  es  nur  einige  Räuber  gewesen 
waren,  welche  in  der  Abenddämmerung  die  Kameele  ange- 
fallen, zwei  oder  drei  Leute  in  die  Flucht  gejagt,  einen  Rei- 
ter getödtet  und  einen  Theil  der  Heerde  fortgetrieben  hatten. 
Unsere  Freunde  setzten  den  Räubern  nach  und  holten  sie  bald 
ein,  worauf  sich  dieselben  mit  Hinterlassung  ihrer  Beute  in 
das  Dickicht  flüchteten. 

.  So  hatten  wir  gleich  am  ersten  Tage  unserer  Ankunft  in 
dieser  kleinen  Horde  eine  Probe  von  dem  Charakter  unserer 
gegenwärtigen  Fahrt.  Das  Wehklagen  der  Weiber  über  den 
erschlagenen  Mann  erscholl  traurig  durch  die  Nacht  und 
mahnte  uns  an  das  Geschick,  das  vielleicht  in  kurzer  Zeit 
uns  selbst  befallen  möchte.  Spät  in  der  Nacht, .  als  der  Lärm 
sich  gelegt  hatte,  sandte  uns  Scheich  Rhet  eine  junge  Kuh 
zum  Geschenk. 

[Donnerstag,  2^^  Oktober.]  Wir  blieben  den  ganzen  heu- 
tigen Tag  im  Lager  und  zogen  viele  werthvolle  Auskunft 
über  den  südöstlichen  Theil  des  See's  und  die  anliegenden 
Theile-ein*),  so  dass  der  Tag  sehr  angenehm  verfloss. 

Auch  am  folgenden  Tage  fiel  nichts  Besonderes  vor,  ausser 
dass  die  wichtige  Nachricht  eintraf,  der  in  Mäö  seinen  Sitz 
habende  Agid  von  Wadai  sei  auf  die  Botschaft  von  dem  von 
den  Arabern  auf  jene  Stadt  beabsichtigten  Angrifi'  entflohen. 
Diese  Nachricht,  falls  sie  sich  bestätigte,  gab  uns  einige 
schwache  Hoffnung  auf  die  Möglichkeit,  nach  dem  östlichen 
Seeufer  vorzudringen,  und  die  Araber  machten  demge- 
mäss  ihre  Anschläge.  Lidem  Hadj  'Abbäss,  welcher  mit  uns 
gekommen  war,  um  von  den  Arabern  Hadj  Beschlr's  Antheil 


*)  AUe  diese  Angaben  sind  im  Anhang  snsammengestoUt. 


Flacht  einer  Sklavin.  65 

an  der  vqn  ihnen  auf  dem  letzten  Raubzuge  gemachten  Beute 
zu  erheben,  in  einigen  Tagen  nach  Ktikaua  zurückzukehren 
hatte,  so  schrieb  ich  dem  Vezier  einen  Brief  hinsichtlich  un- 
serer geringen  Aussichten  auf  die  vollständige  Ausführung 
unseres  Planes.  Den  Rest  des  Tages  genoss  ich,  behaglich 
im  Schatten  eines  Baumes  ausgestreckt,  der  Ruhe,  welche 
jedoch  durch  Zänkereien  unter  meinen  Leuten  sehr  gestört 
wurde. 

[Sonnabend y  4*^  Oktober^  Früh  am  Morgen,  als  Alles  noch 
stille  war,  erweckte  mich  der  wehmüthige  Gesang  eines  Ara- 
bers, welcher  zwischen  den  Strophen  seines  Liedes  sich  den 
Thränen  hinzugeben  schien.  Dieser  tief  gefühlvolle  Gesang, 
welcher  so  unerwartet  inmitten  dieser  zügellosen  Horde,  wo 
gemeiniglich  nur  die  niedrigeren  Eigenschaften  des  Menschen 
zum  Vorschein  kamen,  sich  vernehmen  Hess,  übte  auf  mich 
einen  grossen  Reiz  aus;  da  jedoch  der  Sänger  von  meinem 
Zelte  etwas  entfernt  war,  so  konnte  ich  nicht  verstehen,  was 
seinen  Gram  veranlasst  habe,  erfuhr  es  auch  nachher  nicht. 
Denn  ein  anderer  Gegenstand,  der  aber  vielleicht  gerade  im 
Zusammenhang  mit  dem  Gram  des  Sängers  stand ,  hatte 
die  Aufmerksamkeit  der  Araber  erregt.  Die  schönste  unter 
den  Sklavinnen,  welche  einen  Theil  der  dem  Vezier  von 
dessen  Beamten  Hadj  'Abbäss  zu  überbringenden  Beute  aus- 
machten, war  während  der  Nacht  entflohen',  man  hatte  vom 
frühesten  Tageslichte  an  Nachsuchungen  angestellt,  aber  sie 
waren  erfolglos  geblieben.  Endlich  entdeckte  man  ihr  Hals- 
band, ihr  Gewand  und  Überreste  ihrer  Gebeine  —  sie  war 
den  Raubthieren  zur  Beute  gefallen.  So  hiess  es  wenigstens. 
Die  schöne  Sklavin  gehörte  zu  den  Yedinä  oder  Büdduma 
und  soll  grosse  Reize  besessen  haben.  Man  glaubte,  dass  ihr 
Verlust  den  Vezier  sehr  betrüben  würde ,  welcher,  wie  ich  be- 
reits erwähnt  habe,  ein  grosser  Liebhaber  ethnologischer  Man- 
nichfaltigkeit  weiblicher  Schönheit  war.  Diese  Angelegenheit 
veranlasste  vielen  ärgerlichen  Wortwechsel,  da  das  Mädchen 

Barth'«  BcImo.    UI.  5 


« 

•  I    ' 


66  in.  Kapitel. 

dem  Hadj  'Abbäss  noch  nicht  überliefert  worden  war,  als 
sie  die  Flucht  ergriff. 

Es  gab  jedoch  sonst  noch  gar  mancherlei  Zwist  in  dieser 
kleinen  Horde,  und  als  der  Beamte  des  Veziers  seine  Ab- 
reise .antrat,  benutzte  eine  sehr  grosse  Anzahl  Araber  diese 
Gelegenheit,  sich  nach  Kiikaua  zu  begeben,  während  nur 
Wenige  hatten  mitgehn  sollen.  Wir  selbst  erlitten  für  unsere 
Zwecke  einen  sehr  ernstlichen  Verlust  durch  die  Abreise  des 
Scheich  'Omar,  Rhet's  Oheim,  der  durch  seine  Erfahnnig 
und  Kenntniss  der  Engländer,  welche  die  seines  jungen  Nef- 
fen bei  weitem  übertraf,  für  uns  sehr  nützlich  hätte  werden 
können.  Er  hätte  ims  jedenfalls  mittheilen  sollen,  dass  er 
abzureisen  beabsichtigte,  da  seine  Annahme  unseres  Geschen- 
kes uns  voraussetzen  liess,  dass  er  die  Verpflichtung  über- 
nehme, uns  in  unserem  Plane  nach  Kräften  zu  unterstützen; 
so  fühlten  wir  uns  nun  bei  unseren  so  beschränkten  Mitteln 
bitter  getäuscht.  Allein,  waren  auch  unsere  Aussichten  nicht 
eben  viel  versprechend,  so  wussten  wir  doch  jetzt,  dass  wir 
wenigstens  etwas  weiter  kommen  würden,  da  der  Aufbinich 
des  Lagers  auf  den  nächsten  Tag  festgesetzt  war. 

[Sonntag,  5ten  Oktober.]  Nachdem  die  Kameele  nebst 
einer  Bedeckung  von  Fussvolk  am  Morgen  aufgebrochen 
waren,  ritten  wir  und  die  anderen  Reiter  zuvörderst  aus,  um 
unsere  Pferde. am  Brunnen  zu  tränken,  den  wir,  weil  er 
von  unseren  Zelten  etwas  entfernt  war,  noch  nicht  besucht 
hatten.  Das  Thal  hatte  den  wild-üppigen  Charakter,  welcher 
den  Thalsenkungen  Känems  eigenthümlich  ist;  es  übertraf 
sogar  die  meisten  an  malerischer  Wildheit,  und  ein  frösteln- 
der  Luftzug  kam  uns  aus  dem  für  Sonnenstrahlen  undurch- 
dringlichen Walde  entgegen,  welcher  die  Thalsohle  in  dichtester 
Fülle  bedeckte.  Die  Brunnen,  deren  mehrere  waren,  boten 
ein  lebhaftes  und  anziehendes  Schauspiel  dar,  als  die  Reiter 
in  ihrem  malerischen  Anzüge,  welcher  aus  der  Landestracht 
ihrer  früheren  Heimath  und  der  ihrer  gegenwärtigen  Wohn- 


Dor  Bit  c)  Käras.  67   '' 

f)tt7^  bunt   zasammengesotzt  ist,- diese  Qnellen  umdi-iingten, 
um  ihre  hageren,  aber  ausdauernden  Güule  zu  tränkeD. 

Als  wir  dann  nach  unserem  bisherigen  Lagerplatze  ziirück- 
kphrU-n,  war  AJIea  verlassen  und  Einsamkeit  und  Sülle  war 
an  die  Stelle  der  regen  Wohnstätte  einer  streitsüclitigen; 
wortreichen  Menge  getreten;  wir  eilton  also  über  den  leicht 
gewellten,  schön  liewaldeten  Sandboden  weiter  und  Ijolten  un- 
sere Kanicele  bald  ein.  Unser  heutiger  Bestimmungsort  war 
nicht  fem  und  bereits  um  Mittag  lagerten  wir  auf  einer  schö- 
nen Sandhügelung ;  unterhalb  derselben  zog  sich  ein  anderer  ■ 
Thalkessel  hin,  welcher  namentlich  mit  Küma-Bäumen  üppig 
.  bewachsen  war,  woher  auch  die  dortige  Quelle  den  Namen 
„Bir  el  Küma"  empfangen  hat.  Das  aus  Arabern  und  Tebu 
gemischte  IiOgor  war  sehr  ausgedehnt  und  seine  Lage  konnte 
nur  gesund  sein,  obwohl  wir  während  unseres  Aufenthal- 
tes auf  dieser  Anhöhe  den  Unterschied  zwischen  der  nächt- 
lichen Eiihle  und  der  Hitze  der  Mittagsstunden  ausseror- 
dentlich emptindlicb  fanden.  —  Da  wir  sehr  guteu  Appetit 
hätten,  bereiteten  wir  uns  den  ungewohnten  Genuss  einer 
Schildkrötensuppe.  Schildkröten  sind  in  dieser  Gegend  gar 
nicht  selten,  obwohl  meistens  sehr  klein;  von  der  Grösse, 
wie  wir  sie  in  Air  gesehn  hatten,  sind  mir  hier  keine  vor- 
gekommen und  ich  habe  auch  nie  davon  gehört. 

[Monlaff,  4'""  Oktoher.]  Heute  war  der  Tag  des 'Aid  el 
Kebir.  Bei  Sojinenaufgang  begab  ich  mich  darum  nach 
einem  kühlen,  schattigen  Platze,  der  etwas  sudlich  von  unse- 
rem Lager  war;  aber  eben  diesen  Platz  liatten  die  Araber, 
ohne  dass  ich  es  wusste ,  zur"  Verrichtung  ihres  Festgebetes 
gewählt.  Gewöhnlich  beteten  imr  Wenige  von  ihnen;  heute 
aber  begaben  sich  die  angesehensten  Personen  unter  ihnen, 
Scheich  Rhet  an  der  Spitze,  nach  diesem  Platze  und  ver- 
richteten daselbst  ihre  Gebete  mit  Feierlichkeit  and,  wie  es 
schien,  selbst  mit  Inbrunst. 

Wie  bedeutsam  aber  auch  dieser  Tag  für  unsere  Mohamrae-     _ 


€8  m.  Ki^itel. 

dänischen  Begleiter  war,  so  erwies  er  sich  doch  für  uns  als 
ein  sehr  unglücklicher,  dessen  Ereignisse  für  unseren  Plan, 
in  die  gefahrvollen  Landschaften  am  östlichen  Ufer  des  Tsäd 
vorzudringen,  nur  wenig  Erfolg  versprachen;  denn  ein  be- 
trächtlicher Theil  des  Stammes  (150  Mann  mit  70  Pferden) 
brach  an  diesem  Tage  nach  Kükaua  auf,  zu  unserem  unaus- 
aprechlichen  Verdruss  und,  wie  es  schien,  auch  zum  Arger 
des  jungen  Häuptlings;  dies  ward  uns  wenigstens  klar,  als 
wir  Letzterem  um  Mittag  einen  Besuch  abstatteten. '  Bei  un- 
seren beschränkten  Mitteln  und  dem  unansehnlichen  Charak- 
ter unserer  Mission  konnten  wir  natürlich  nicht  erwarten, 
dass  diese  ungeordnete  Horde  unsere  Wünsche  und  Absich- 
ten zur  Richtschnur  bei  ihren  Angelegenheiten  machen  sollte. 
Ihr  Verfahren  war  jedoch  offenbar  nur  durch  einen  gewissen 
hartnäckigen  Unabhängigkeitssinn  und  durch  Eifersucht  ver- 
anlasst worden  und  schien  in  offenem  Widerspruch  gegen 
den  Wunsch  ihres  jungen  Häuptlings  zu  stehn.  Um  1  Uhr 
Nachmittags  zogen  sie  ab  und  wir  beförderten  durch  sie 
einen  Brief,  in  dem  wir  unsere  Unzufriedenheit  über  einen 
Zustand  der  Dinge  aussprachen,  welcher  uur  einen  gar  trüb- 
seligen Erfolg  für  tmser  Unternehmen  vorausseht!  liess. 

Aber  während  wir  uns  in  unseren  wesentlichen  Erwartun- 
gen so  getäuscht  fanden,  ward  für  unsere  leiblichen  Bedürf- 
nisse desto  besser  gesorgt;  denn  am  Morgen  kamen  mehrere 
Fugäbü  mit  einer  Anzahl  Schaafe  an,  welche  sie  zu  '/i  Dollar 
das  Stück  verkauften,  und  setzten  uns  so  in  den  Stand,  dem 
religiösen  Verlangen  unserer  Diener  nach  einem  Extra-Gerichte 
an  diesem  ihrem  Feiertage  genügen  zu  können.  Am  Abend 
traf  eine  von  Bömu  kommende  grosse  Qchscnkarawane  ein, 
welche  mit  Getreide  oder  vielmehr  Negerhirse  beladen  war; 
dadurch  wurden  die  Lebensmittel  etwas  billiger.  In  Folge 
der  Ankunft  dieser  Reisegesellschaft  konnten  wir  nicht  nur 
selbst  Getreide  zu  billigeren  Preisen  kaufen,  sondern  erhielten 
auch  vom  Häuptlinge  welches  zum  Geschenk. 


Der  Landbta  In  Kanein.  69 

Das  in  dem  vei'wilderten  und  Terödcten  Lande  selbst  ge- 
zogene Getreide  reicht  für  die  Bevölkerung,  trotzdem  dass 
diese  80  sehr  zusammengeschniolzen  ist,  nicht  aus;  auch  war 
das  letzte  Jahr  an  sich  ein  ungünstiges  gewesen.  Wir  sehn 
jedoch  aus  ImSm  Ahmed's  Bericht,  dass  schon  damals  we- 
nigstens ein  grosser  Theil  des  Landes  auf  fremde  Zufuhr 
angewiesen  war,  und  in  Wahrheit  trifft  die  von  Maknsi 
in  einer  anderswo  angeführten  Stelle  hervorgehobene  Ar- 
muth  dieser  Landschaften  einen  grossen  Theil  des  Landes 
Kanem. 

Aller  Kauf  in  Känem  wird  vermittelst  der  gewöhnlichen 
weissen  Bömu-Hemden,  welche  die  allgemeine  Landestracht 
bilden,  al)geschlossen ;  schwarze  Toben  werden  hier  nur  von 
den  Wohlhabenden  getragen.  Selbst  die  in  Känem  angesie- 
delten Araber  tragen  meistens  nur  diese  weissen  Baumwol- 
lenbemden  nebst  einem  Halk  von  demselben  Zeuge,  und  nur 
die  bemittelten  Leute  unter  ilinen  können  sich  einen  wolleneu 
Mantel  anschaffen;  wir  wurden  wegen  unserer  Ausstattung 
in  dieser  Beziehung  nicht  allein  heftig  beneidet,  sondern 
auch  fortwährend  angebettelt.  Die  Kleidung  der  Weiber 
wird  gleichfalls  aus  diesen  Toben  gemacht,  indem  man  sie 
in  die  regelmässigen  oblongen  Stücke,,  aus  welchen  sie  be- 
stehen, zerschneidet  und  dann  der  Länge  nach  zusammen- 
näht 

IDietistag,  7'«"  Oktober.]  Da  wir  genöthigt  waren,  hier  zu 
bleiben,  ohne  bestimmte  Aussicht  zu  haben,  damit  irgend 
etwas  Erspriesaliches  zu  erzielen,  so  hielten  wir  uns  wenig- 
stens für  berechtigt,  die  Gastfreundschaft  unserer  Wirthe 
anzusprechen;  wir  gaben  daher  unseren  Wunsch  zu  erken- 
nen, etwas  mehr  Milch  zu  erhalten,  da  wir  selbst  weder 
Kühe,  noch  weibliche  Kameele  besässen.  Das  Gesuch  wm^e 
gewährt.  Wir  gewöhnten  uns  darauf  gänzlich  an  Kameel- 
milch  und  fanden  dieselbe  allmählich  schmackliafter  und 
gesünder,  als  Kuhmilch;  ich  schreibe  die  Wiederherstellung 


70  ni.  ELapitel. 

meiner  geschwächten  Körperkräfte  hauptsächlich  dieser  Kost 
zu.  Die  Töchter  der  Ben!  Hassan  brachten  zwar  im- 
mer •  einige  Milch  in's  Lager,  dieselbe  war  aber  gewöhn- 
lich in  einem  widerlichen  Übergangszustande  vom  Süss 
zum  Sauer  und  die  Gefässe  (die  aus  Palmblättem  verfertig- 
ten Koriö's)  pflegten,  da  sie  nie  ausgewaschen  ¥nirden,  einen 
höchst  Übeln  Geruch  zu  haben,  welcher  sich  der  Milch  mit- 
theilte. 

Da  der  abtrünnige  Jude  Abd  Allah  (el  -Mussulmfini)  bei 
allen  unseren  Geschäften  mit  dem  Häuptlinge  den  Vermittler 
Spielte*,  so  machte  ich  ihm  heute  eine  rothe  Leibbinde  zum 
Geschenk  und  hielt  ihn  auch  fortan  durch  gelegentliche 
kleine  Gaben  bei  guter  Lauqe.  Dieser  Mann  war  ein  wun- 
derliches •  Exemplar  eines  Jüdischen  Abenteurers.  Er  war 
aus  Tripoli  gebürtig,  hatte  aber  wegen  eines  von  ihm  ver- 
übten Mordes  aus  seiner  Heimath  fliehen  müssen.  Er  flüch- 
tete sich  zum  Stamme  der  üeläd  Slimän,  wo  er  seinen  Jü- 
dischen Glauben  mit  deni  Mohammedanischen  vertauschte 
und  Schutz  fand.  Nachdem  er  sich  als  Silberschmied  ein 
ziemliches  Vermögen  erworben .  hatte ,  beraubten  ihn  seine 
neuen  Gefährten  —  diese  Araber  wohnten  damals  im  Tebu- 
Lande  —  seiner  Schätze.  Hierauf  trennte  er  sich  eine  Zeit 
laug  von  ihnen  und  machte  in  Gesellschaft  von  zwei  anderen 
abtrünnigen  Juden,  Namens  Mü-ssa  und  Ibrahim,  eine  Reise 
in  den  mittleren  Sudan,  -=—  ein  denkwürdiges  Ereigniss,  denn 
sie  wftren  die  Ersten .  ihres  Volkes ,  welche  jene  Strasse  zo- 
gen. Als  er  dann  von  dem  Wohlergehen  der  üeläd  Slimän 
in  Känem  hörte,  verband  er  sich  abermals  mit  denselben 
und  ward  Freibeuter.  Er  war  ein  sehr  guter  Reiter,  seine 
Reitkunst  ersetzte  jedoch  iiür  wenig  den  Mangel  an  Muth.. 
Trotzdem  war  er  uns  .in  vieler  Hinsicht  nützlich,  obgleich 
wir  uns  dabei  in  Acht  nehmen  musstcn,  dass  uns  die  Leute 
mit  diesem  Jüdischen  Abenteurer  nicht  in  zu  nahe  Verbin- 
dung brachten. 


Dar  Tlbii'-Hauptliiig  HallGf.  71 

Ich  begann  auch  heute  die  AuBarheitung  meines  kleinen  Vo- 
kabulars der  Tebu-Sprache  (oder  vielmehr  der  „Modi  Teda"), 
und  zwar  fiir's  Erete  der  in  Boi^  heimischen  Mundart;  diese 
letztere  weicht  sowohl  Ton  deijenigen,  welche  die  Einwohner 
Büma's  reden,  als  auch  tod  dem  Idiom,  welches  in  dem  süd- 
lich Yon  Fesfin  gelegenen  Striche  gesprochen  wird,  beträcht- 
lich ab.  Ich  erkannte  schon  gleich  damals  die  nahe  Ver- 
wandtschaft dieser  Sprache  mit  dem  Kanöri,  während  sie 
kaum  ein  auch  nur  öusserhches  Verbindungsglied  mit  der 
Berber-Sprache  aufweist. 

[Mittwoch,  Stet  Okiober,]  Das  einzige  bemerkenswerthe 
EreignisB  des  heutigen  Tages  bestand  in  der  Ankunft  Hal- 
lüf's,  eines  kriegerischen  Tebu- Häuptlings,  mit  17  Reitern 
der  Fugabü  Tebu,  und  ilir  ritterlicher  Aufritt  vor  das  Zelt 
dos  Scheichs  Ehet  machte  ihrer  Reitkunst  alle  Ehre.  Halltlf, 
ein  Mann  von  grossem  Wüchse  und  gewaltiger  Körpcrstärko 
—  wie  man  es  selten  bei  diesen  Leuten  antrifft  —  und  in 
diesen  Gegenden  wegen  seiner  Tapferkeit  berühmt,  war  frü- 
her ein  entHcbiedener  Feind  Bömu's  gewesen,  jetzt  aber  für 
dessen  Interessen  gewonnen  worden;  er  fürchtete  sich  jedoch 
noch  so  sehr  vor  den  Romauem,  dase  er  sich  während  der 
Anwesenheit  des  Hadj  'Abbäss  (des  Veziers  Abgeordneten) 
den  Ueläd  Slim&n  nicht  anschUcssen  mochte,  kain  aber  nun; 
sobald  er  von  dessen  Abieise  gehört  hatte.  Er  war  eben 
kein  gewissenhafter  Mann,  wie  ich  bald  erfuhr,  als  er 
mit  den  Fugäbü  uns  einen  Besuch  inachtc  und  uns,  sobald 
er  sich  vorgestellt  hatte,  um  Gift  bat.  Wir  schlugen  ihm 
natürbch  seine  Bitte  kurzweg  ab.  Er  Hess  sich  dann  mit 
seinen  Gelahrten  ruhig  nieder  und  fand  grosses  Vergnügen 
an  der  Musik  meiner  Spieldose,  welche  ich  wirklich  nebst 
der  Ulir  auf  meiner  ganzen  Reise  für  das  geeignetste  Instru- 
ment fand,  um  die  Eingeborenen  von  der  grossen  Überlegen- 
heit dos  Europäischen  Genie'«  und  der  Kunstfeitigkeit  der 
Europäer  zu  überzeugen.    Diese  Leute  zeigten  sich  sehr  em- 


J 


72  m.  Kapitel. 

pfänglich  für  die  lebhaften  Weisen,  welche  das  kleine  Instru- 
ment aufführte,  und  sassen  eine  lange  Zeit  stille,  um  sich  an 
der  geheimnissvollen  Musik  zu  ergötzen.  Bald  ward  die 
kleine  Dose  der  Hauptgegenstand  allgemeiner  Unterhaltung, 
imd  Scheich  Rhet  begehrte  gleichfalls,  mit  dem  geheimniss- 
vollen Kästchen  bekannt  zu  werden. 

Der  Tag  endete  jedoch  nicht  auf  so  harmlose  Weise;  denn 
es  kam  schlimme  Kunde.  Hadj  'Abbäss  hatte  nämlich  auf 
dem  Wege  nach  Bomu  bei  Ngegimi  eine  Truppe  Kindin  an- 
getroflFen  und  hiess  die  Araber  vor  einem  Überfall  auf  der 
Hut  sein.  Unruhe  und  Besorgniss  verbreitete  sich  daher 
durch  das  Lager  und  Streifwachen  wurden  in  allen  Richtun- 
gen durch  das  Land  entsandt. 

[Freitag,  lO^n  Oktober.]  Am  Morgen  ward  berichtet, 
man  habe  bei  einem  Brunnen  in  der  Umgegend  drei  Tua- 
reg  zu  Pferde  und  fünf  zu  Kameel  angetroffen,  und  alsbald 
wurde  Lärm  geschlagen.  Alle  Araber  sassen  auf  und  auch 
wir  folgten  ihrem  Beispiele,  obgleich  ich  äusserst  schwach 
war,  während  mein  Pferd,  das  nun  mehrere  Tage  Ruhe  und 
gutes  Futter  gehabt  hatte,  kaum  im  Zügel  zu  halten  war, 
als  es  so  viele  Genossen  einhergalopiren  und  muthwillige 
Sprünge  machen  sah. 

Das  ganze  Lager  zeigte  ein  sehr  kriegerisches  Ansehen; 
der  WaflFenruf  erwies  sich  jedoch  als  ungegründet.  Wir  kehr- 
ten also  in's  Lager  zurück  und  fingen  an,  unser  Gepäck  zu 
ordnen,  da  wir  den  schwersten  Theil  desselben  hier  lassen 
und  nur  so  wenig  wie  möglich  auf  dem  weiteren  Marsch  nach 
Osten  mitnehmen  sollten ;  denn  die  Nachricht  von  der  Flucht 
des  Chalifa  von  Wadai  aus  seinem  Sitze  M&ö,  wo  Niemand 
zur  Vertheidigung  dieses  Platzes  gegen  ihren  Anfall  verblie- 
ben sei,  hatte  den  Arabern  Hoffnung  auf  Plünderung  gemacht. 
Zugleich  jedoch  richteten  sich  die  Blicke  unserer  Freunde 
mit  Sehnsucht  nach  Bäteli,  den  berühmten  Weidegründen  im 
Nordlaufe  des  Bahhr  el  Ghasäl,  2  Tagereisen  jenseits  Ege, 


Vorbereitang  zn  einem  Raubzuge  nach  Osten. 


73 


WO  dermalen  grosse  Kameelheerden  versammelt  sein  sollten. 
Sie  w(\llten  aber  natürlich  nicht  verlauten  lassen,  nach  wel- 
chem Ziele  in  Wahrheit  ihr  Heereszug  gerichtet  sei,  und  spra- 
chen daher  bald  von  diesem,  bald  von  jenem  Punkte  als 
dem  Bestimmungsorte  ihrer  Plünderung. 


i 


IV.  KAPITEL. 

Schitäti.     Die- östlichon  bcgfinstigtcren  Thälcr  Käne'nis. 


[tionnahend,  IV^  Oktober^  Während  die  älteren  Leute  zur 
Vertlieidigung  des  Lagers,  der  Angehörigen  und  des  Eigen- 
thumes  zurückgelassen  wurden,  machten  wir  selbst  uns  am 
folgenden  Tage  auf,  um  den  rüstigeren  Theil  der  Horde  auf 
seinem  Heereszuge  zu  begleiten.  Wir  nahinen  dazu  nur  je 
ein  Kameel  und  zwei  unserer  Leute  mit. 

Die  Ländschaft,  durch  welche  unser  Weg  führte,  war  von 
demselben  Charakter,  wie  ich  ihn  schon  bei  früher  durchzo- 
genen Gegenden  Känems  beschrieben  habe:  eine  sandige 
Ebene,  mit  Bäumen  mittlerer  Grösse  —  fast  durchgehend« 
Mimosen  —  geschmückt  und  in  *  günstigen  Jahi*eszeiteu  zum 
Anbau  von  Sorghum  wohlgeeignet,  hie  und  da  durch  tiefe 
Einsenkungen  von  bald  grösserer,  bald  geringerer  Ausdehnung* 
unterbrochen.  Diese  sind  meist  hinreichend  mit  Wasser  ver- 
sehen, um  schöne  Pflanzungen  oder  Waizenfelder  hervorzubrin- 
gen, und  jetzt  bei  dem  verwahrlosten  Zustande,  in  den  dieses 
Land  versunken  ist,  mit  üppigem  Wald  wüchse  bedeckt,  der. 
nur  den  Thieren  der  Wildniss  zur  sicheren  Zufluchtsstätte 
dient.  Zur  Blüthezeit  des.  Landes  bildeten  aber  diese  Einsen- 
kimgeh  die  Anziehungspunkte  grösserer  und  kleinerer  städti- 
scher Mederlassungeh.  Einen  solchen  unregelmässigen  Thal- 
kessel durchschnitten  wir  etwa  8  Meilen  von  imserem  Haupt- 
quartier und  wählten  unseren  Lagerplatz  auf  dem  höheren 
Terrain,  das  den  „Bir  el  Ftaim"  beherrscht 


Der  Bir  el  Ftiim.  75 

Der  Th'alkess^l^  welcher  diesen  Brunnen  enthält^  ist  jedoch 
nicht  ganz  von  derselben  Beschaffenheit,  wie  die  meisten  die- 
ser Einsenkungen ,  sondern, hat  einen  besonderen  Charakter. 
Denn  während  die  übrigen  hinreichenden  Raum  zum  Anbau 
besitzen,  ist  dieser  Thalgrund  sehr  eng  und  die  umgebenden 
Thalwäride,  Wenigstens  die  auf  der  Nordseite,  steigen  zu  grös- 
serer Höhe  an,  als  die  allgemeine  Erhebimg  des  Landes  be- 
trägt. Ich  entwarf  eine  Skizze  von  dieser  wilden  Stätte,  die 
nur  augenblicklich  von  einigen  Reitern  belebt  wurde. 

Auf  der  den  Thalgrund  überragenden  Anhöhe  lag  sicher- 
lich in  alter  Zeit  ein  ansehnlicher  Ort,  während  jetzt  nur  ein 
kleines  Dorf  der  Fugäbü  Kobber  die  Höhe  krönt.  Dr.  Over- 
weg  und  ich  stiegen ,  ehe  wir  ims  nach  uns^renu  Lagerplatz 
wandten,  der  auf  der  Höhe  des  südlicheren  Abhanges  gewählt 
war,  in  einiger . Entfernung . von  den  leichten  Hütten  dieser 
Leute  ab  und  machten  ihnen  einen  Besuch,  welcher  fremid- 
lich  aufgenommen  wurde. 

Kaum  hatten  wir  uns  hier  niedergelassen,  als  uns  die  An- 
wohner ein  aus  Lidischer  Hirse  (Sorghum  miUjare)  bereite- 
tes Gericht  mit  saurer  Milch  brachten  und  sich  freundlich 
zu  uns  setzten,  um  uns  über  die  zwischen  ihrem  und  un- 
serem Lande  obwaltende  Verschiedenheit  zu  befragen.  Sie 
thaten  auch  viele  Fragen  politischer  Natur,  natürlich  nach 
dem  engen  Kreise  ihres  eigenen  politischen  Lebens  bemessen. 
So  fragten  sie  uns,  ob  unsere  Landsleute  Freunde  oder  Feinde 
von  Dar-För  oder  von  Wäddi  wären;  denn  diese. Länder  mit 
Bomu  zusammen  begriffen  ihren  politischen  Horizont.  Hier 
in  Känem  hatte  man  selbst  von  Franzosen  und  Russen  noch 
nichts  gehört  und  konnte  sich  nur  eine  sehr  schwache  Idee 
von  einem  Inglls  machen.  Dass  sie  von  der  zersplittei-ten 
Deutschen  Kraft  etwas  gehört  hätten,  war  natürlich  von  vom 
herein  nicht  zu  erwarten.  Wir  zeigten  ihnen  unsere  Instru- 
mente und  sie  drückten  nicht  geringes  Erstaunen  darüber 
aus,  indem  sie  an  unseren  guten  Absichten  fast  irre  wurden; 


J 


76  IV.  Kapitel. 

denn  sie  konnten  sich  kaum  vorstellen,  dass  wir,  im  Besitze 
solcher  Mittel,  die  ihnen  übermenschlich  schienen,  nicht  zum 
Schaden  unserer  Nebenmenschen  nur .  auf  unseren  eigenen 
Vortheil  bedacht  sein  sollten.  Sie  brachten  uns  ein  Löwen- 
feil  und  bald  darauf  ein  anderes  schmackhaftes  Gericht  von 
„deschische",  aus  Waizen  bereitet,  mit  Datteln  gewürzt  und 
mit  vortrefflicher  Butter  übergössen.  Die  letztere  gewann  vor- 
zugsweise unseren  ganzen  Beifall,  da  sie  nichts  von  dem  wi- 
derlichen, um  nicht  zu  sagen  schmutzigen,  Geschmacke  an  sich 
hatte,  welcher  der  Bomu-Butter  eigenthümlich  ist. 

Während  wir  uns  mit  diesen  Leuten  unterhielten,  wurden 
wir  uns  immer  mehr  unserer  ungünstigen  Lage  in  diesem 
Lande  bewusst  und  fühlten  tief  den  Nachtheil,  der  uns  dar- 
aus erwuchs,  dass  wir  ims  nicht  stets  in  der  Gesellschaft 
und  unter  dem  Schutze  dieser  Leute  befinden  konnten,  der 
Eingeborenen  eben  dieses  Landes,  mit  dessen  charakteristi- 
schen Zügen  sie  uns  so  ungleich  besser  bekannt  gemacht  haben 
würden,  als  jene  Bande  gesetzloser  Räuber,  die  in  Wirklich- 
keit kein  anderes  Interesse  an  demselben  nahm,  als  inwie- 
weit  es  ihre  Beutegier  befriedigte.  Aber  diese  armen  Ein- 
geborenen hatten  weder  Macht  noch  Ansehen ,  und  wir  hatten 
uns  überzeugt,  dass  da,  wohin  die  Araber  uns  nicht  geleiten 
könnten,  der  Schutz  dieser  Leute  sicherlich  nichts  vermöge. 
Wir  fühlten  aber  die  gedrückte  Lage  dieser  Kanembü  völlig ; 
denn  ungeachtet  ihrer  Verbindung  mit  den  Arabern  wur- 
den sie  von  denselben  mit  schnöder  Verachtung  behandelt 
und  die  stolzen  Söhne  des  Nordens  vergassen  nie,  ihrem 
tiefen  Hohne  Ausdruck  zu  geben,  so  oft  sie  von  den  ver- 
fluchten („am  bü")  Keräda  sprachen;  denn  den  Namen  Ke- 
räda  legen  sie   den  Fugäbü  bei*).    Es  ist  nur  zu  natürlich. 


*)  Ich  muss  hier  bemerken,  dass  sich  gerade  beim  Stamme  der  Fugäbü  eine 
interessante  Vermischung  des  Kanöri-  mit  dem  Tcda-Stamme  zeigt.  In  gewis- 
ser Hinsicht  scheinen  sie  eine  Art  Ton  Mittolglied  zwischen  diesen  beiden  nahe 
Terwandten  KationaUtäten  zu  bilden. 


Gedrückte  Lage  der  Kanembo.  77 

dass  der  Verkehr  dieser  beiden  verschiedenen  Stämme  weder 
innig  noch  aufrichtig  sein  kann,  und  die  Landeseingeborenen 
warteten  nur  den  Tag  ihrer  Rache  ab  —  und  der  wurde 
ihnen  gerade  im  Augenblicke  zu  Theil,  als  ich  im  Sommer 
1855  das  Land  verliess. 

Wir  wurden  endlich  aus  unserer  behaglichen  Ruhe  und  un- 
seren geistigen  und  materiellen  Genüssen,  die  uns  unsere  einge- 
borenen Känera- Freunde  boten,  durch  ein  Gewitter  aufge- 
schreckt, das  sich  über  unseren  Häuptern  gesammelt  hatte 
und  nun  auf  ims  herabzustürzen  drohte,  und  wir  eilten 
von  diesem  hohen,  die  ganze  Umgegend  beherrschenden 
Punkte  foii,  die  tiefe  Schlucht  nach  Norden  umgehend, 
nach  unseren  Zelten  zu;  aber  es  fiel  nur  wenig  Regen.  Am 
Abend  stellten  sich  zwei  Schüa  vom  Stamme  der  Ben!  Has- 
san ein,  und  da  sie  von  den  Dörfern  der  Worhda  kamen 
und  für  Spione  angesehn  werden  konnten,  oder  da  man  we- 
nigstens befürchtete,  sie  würden  nach  ihrer  Rückkehi*  den 
Anmarsch  der  Araber  verrathen,  so  wurden  sie  in  Fesseln 
gelegt. 

[Sonntag j  12^^  Oktober,]  Wir  machten  einen  kurzen  Marsch 
nach  einem  anderen  Brunnen.  Auch  er  liegt  in  einem  tiefen 
Kessel  von  bedeutendem  Umfang,  der  für  den  vortrefflichsten 
Anbau  eine  sehr  geeignete  Stätte  darbieten  würde  und  in 
Wirklichkeit  einst  dargeboten  hat,  der  aber  gegenwärtig  von 
üppigst  wuchernder  wilder  Pflanzenfülle  gänzlich  durchwach- 
sen und  rein  unpassirbar  geworden  ist,  so  dass  wir  nur  mit 
grosser  Mühe  mit  den  ersten  Reitern  zum  Brunnen  vordrangen. 
Das  Wasser  war  sehr  schlecht  und  überaus  ungesund,  voll 
von  Schwefelgas.  Niemand  hatte  eine  geraume  Zeit  den 
Brunnen  benutzt,  die  Araber  seit  wenigstens  7  Jahren  nicht 
an  diesem  Platze  gelagert.  Daher  schrieb  sich  die  reiche 
Fülle  des  ausgezeichnetsten  Kameelfutters;  aber  die  Gefahr 
vor  wilden  Thieren  war  natürlich  in  gleichem,  Grade  gross. 
Der  Boden  war  voll  von  Elephantenkoth  und  wilde  Tauben 


78  .  IV.  kapitol. 

triebpii  in  grossen  Schwärmen  ihr  Spiel  in  dem  üppigen 
Walddiekicht. 

Der  Platz  für  unser  Lager  Ward  auf  dem  Ilochhoden  ge- 
wühlt, welcher  den  reichen  Thalkcssel  auf  der  Ostseite  be- 
herrscht und  mit  einem  tiefen  Gehänge  von  300  —  400  Fuss 
zu  ihm  hinabsteigt.  Hier  legte  ich  mich  in  dem  kühlen 
Schatten  eines  üj)pigen  „sserräch"  nieder,  nicht  weit  vom  Al)- 
himge,  und  übersah  von  hier  die  Züge  der  Fugäbü,  welche 
im  Laufe  des  Tages  mit  ihrem  kleinen  beweglichen  Hausrath 
ankamen,  indem  sie  ihren  früheren  Aufenthalt  am  Bir  el 
Ftjum  verlassen  hatten. 

Am  Abend  statteten  wir  Scheich  Rhet  einen  Besiich  ab 
und  waren,  wie  gewöhnlich,  genöthigt,  ihm  und  seinen  Ge- 
fälirten  von  Europäischen  Verhältnissen  zu  erzählen,  wäh- 
rend es  für  uns  so  unendlich  viel  interessanter  gewesen  sein 
würde,  den  Erzählungen  aus  ihrem  eigenen  Leben  zuzuhor- 
chen, einem  Leben  voller  Begebenheiten,  ebenso  wild  als 
ruhelos,  jedoch  nicht  selten  auch  reich  an  poetischen  Zügen. 

[Montag  y  13^^  Oktober.']  Das  Wetter  war  kühl  und  ein 
starker  Nordwind  machte  es  empfindlich.  Obgleich  wir  zu 
einem  leichten  und  schnellen  Marsch  gerüstet  waren  und 
den  grössten  Theii  unseres  Gepäckes  zurückgelassen  hatten, 
blieben  wir  doch  heute  und  den  folgenden  Tag  hier,  und  ich 
erhandelte  ein  Schaaf  für  eine  weisse  Tobe,  (Jie  ich  in  Kü- 
•kaua  für  40  Rottel  gekauft  hatte,  indem  ich  ausser  dem 
Schaafe  eine  Ssaa  oder  Sekka  Negerhirse  erhielt,  um  den 
Kauf  voll  zu  machen.  Später  erhielt  ich  noch  eine  schöne 
fette  Ziege ,  die  wir  noch  heute  schlachteten  und  ilir  Fleisch 
recht  gut.  fanden.  Des  längeren  Aufenthaltes  mir  bewilsst, 
hatte  ich  meine  Ruhestätte  im  Schatten  des  Sserräch  gereinigt, 
und  während  ich  hier  der  Ruhe  pflegte ,  der  ich  in  jneinem 
angegrifi*enen  Zustande  so  sehr  bedurfte,  kam  der  Tebu-Häupt- 
ling  Hallüf,  und  setzte  sich  zu  einem  Gespräche  zu  mir.  Er 
versicherte  mich,  dass  er  im  Stande  sei,  uns  nach  Karkä  oder 


Ilallöf^s  Anorbietungcn.  70 

Kargha  zu  bringen,  dem  sumpfigen  Insellande  im  südöst- 
lichen Winkel  des  Tsäd,  das  einen  vollständigen,  in  seinen 
schwankenden  Umrissen  ewig  wandelbaren  Archipel  kleiner 
Inseln  bildet  Er  bot  uns  seine  Dienste  zu  einem  solchen 
Zwecke  an,  aber  er  fürchtete,  wie  er  sagte,  Scheich  Rhet's 
Eifersucht.  Indem  ich  es  vermied,  auf  sein  Anerbieten  ein- 
zugehen, ehe  ich  mich  erst  seiner  Machtvollkommenh(iit 
vergewissert  hätte,  nahm  ich  mit  ihm  mein  kleines  Tebu" 
Wörterbuch  durch  und  verbesserte  einige  leichte  Versehen. 

IlaÜüf  war  ein  umgänglicher  Mann,  aber  weder  ich  noch 
Herr  Dr.  Overweg  trauten  ihm,  und  nachdem  wir  uns  be- 
rathen,  hielten  wir  es  für  das  Beste,  uns  an  den  Araber- 
Häuptling  zu  wenden,  lim  seine  Meinung  darüber  einzuholen, 
ob  er  glaube,  dass  Hallüf  im  Stande  sei,  uns  .mit  einiger 
Sicherheit  nach  Karkä  zu  geleiten. 

Scheich  ßhet  nahm  keinen  Anstand,  zu  erklären,  dass 
Hallüf  durchaus  unfähig  sei,  zu  erfüllen,  wessen  er  sich 
rühme,  und  bat  uns,  mit  Geduld  abzuwarten,  bis  Nacli- 
richten  von  Bomu  ankämen,  wohin  er  Botschaft  gesandt 
habe,  um  sich  in  Bezug  auf  unseren  Plan,  die  östliche 
Seite  des  See's  zu  besuchen,  und  auf  seine  eigenen  Schritte 
Raths  zu  erholen.  Wir  dagegen  glaubten  uns  befugt,  zu  er- 
warten, dass  ihm  der  Vezier  gleich  im  Anfange,  als  er  uns 
nach  Känem  aussandte,  Befehl  gegeben  habe,  uns  in  der  Aus- 
fühning  unserer  Pläne,  mit  denen  er  schon  damals  vollstän- 
dig bekannt  war,  nach  Kräften  zu  unterstiitzen.  Wir  konnten 
uns  kaum  irgend  ein  günstiges  Resultat  von  dem  Umstände 
versprechen,  dass  der  Häuptling  sich  jetzt  aus  solcher  Entfer- 
nung Raths  erhole.  Wir  beklagten  uns  daher  bei  'Abd  Allah 
über  des  Scheichs  Lauigkeit,  und  indem  wir  voraussetzten, 
dass  er  es  nicht  zufrieden  sein  würde,  uns  unter  dem  Schutze 
Hallirfs  zu  lassen,  weil  er  erwarten  musste,  dass  der  Letz- 
tere einige  hübsche.  Geschenke  von  uns  erhalten  und  er  selbst- 
dabei  leer  ausgehen  würde,  erklärten  wir  ihm,  dasd  wir  uns 


80  IV.  Kapitel. 

selbst  in  dem  Falle,  dass  wir  mit  Hallüf  gingen,  als  noch  un- 
ter dem  Schutze  des  Scheichs  stehend  betrachten  würden,  denn 
er  sei  es,  dem  wir  Hallüf 's  Bekanntschaft  verdankten;  wir 
würden  daher  gewiss  nicht  verfehlen,  ilim  ein  ansehnliches 
Geschenk  zu  machen,  im  Falle  das  Unternehmen  uns  ge- 
lingen sollte. 

Diese  Erklärung  schien  volle  Wirkung  zu  haben,  und  wir 
erhielten  im  Laufe  des  Abends  die  befriedigende  Botschaft, 
dass  es  uns  gestattet  sein  sollte,  mit  Hallüf  zu  gehn,  aber 
dass  wir  dem  Scheich  ein  anständiges  Geschenk  zu  machen 
hätten,  abgesehen  von  dem  grossen  Zelte,  das  ich  selbst 
für  mich  in  Tripoli  bereitet  hatte.  Völlig  bereit  zu  jeder 
Art  Opfer,  um  den  ausdrücklichen  Wunsch  der  Regierung, 
die  uns  gesandt,  auszufuhren,  imd  gehoben  durch  die  Aus- 
sicht, dass,  doch  etwas  geschehen  möchte,  machten  wir 
Scheich  Rhöt  am  Abend  einen  Besuch,  konnten  es  aber 
nicht  zu  einem  bestimmten  Abkommen  bringen. 

Es  war  viel  Gerede  von  einem  gewissen  Keghamma,  der 
allein  die  Macht  besässe,  uns  nach  Karkä  zu  bringen,  wäh- 
rend es  hiess,  dass  uns  Hallüf  höchstens  bis  Mäö  zu 
bringen  im  Stande  wäre;  aber  damals  konnten  wir  nicht 
dahinter  kommen,  wer  dieser  Keghamma  eigentlich  sei;  wir 
erfuhren  jedoch,  dass  er  in  einem  Platze  Namens  Kärafu,  in 
der  Richtung  von  Mäö  gelegen,  seinen  Sitz  habe. 

[Dienstag,  14^^  Oktober.]  Ein  heftiger,  mit  Sand  ge- 
schwängerter Wind  machte  den  Aufenthalt  im  Freien  un- 
freundlich, und  ich  zog  es  daher  vor,  in  meinem  Zelte  zu 
bleiben.  Hier  setzte  ich  meine  Studien  in  der  Tebu-Sprache 
fort  und  unterhielt  mich  if^benbei  mit  dem  Fäki  'Othmän. 
Dies  war  ein  Mann,  der  durch  seinen  milden  Sinn  einen 
auffallenden  und  interessanten  Gegensatz  gegen  den  gesetz- 
losen und  zanksüchtigen  Charakter  dieser  Räuberhorde  bil- 
dete; auch  besass  er  weniger  Vorurtheil  und  abergläubische 
Ansichten.    Im  Laufe  des  Nachmittags  besuchten  mich  meh- 


Notizßn  über  Schitati.  81 

rere  Fugäbü ;  sie  betrugen  sich  insgesammt  mit  Anstand  und 
waren  nicht  lästig. 

Endlich  ward  beschlossen,  dass  wir  am  nächsten  Donners- 
tag mit  Hallüf  nach  dem  Bahhr  el  Ghasäl  und  Karkä  auf- 
brechen sollten,  und  obgleich  wir  bedauerten,  die  Verhand- 
lung nicht  zu  einem  bestimmteren  Absclilussc  gebracht  zu 
haben ,  gaben  wir  uns  doch  der  Hoffnung  hin ,  dass  wir  im 
Stande  sein  möchten,  unseren  Zweck  zu  erreichen.  Da  ward 
uns  plötzlich  am  Abend  gemeldet,  dass  Hallüf  sein  Verspre- 
chen zurückgenommen  habe,  und  dass  also  femer  keine  Rede 
davon  sein  könne,  mit  ihm  zu  gehn. 

Was  der  Grund  dieses  plötzlichen  Umschlages  war,  kann 
ich  nicht  angeben;  aber  alle  unsere  Gegengiünde  waren  un- 
haltbar und  mangelhaft,  da  wir  nicht  im  Stande  waren,  ihnen 
durch  gute  Geschenke  gehöriges  Gewicht  zu  geben.  Es  war 
kaum  möglich,  dass  die  Botschaft,  die  Tuareg  hätteu  drei 
Viehheerden  von  einem  ein  Paar  Meilen  von  der  Stadt  Yö 
entfernten  Dorfe  fortgetrieben,  auf  diese  Politik  irgend  einen 
Einfluss  ausüben  konnte. 

[Mittwoch j  löte^^  Oktober.]  Ich  war  so  glücklich,  einige 
nähere  Kachrichten  über  die  Provinz  Schitati  einzusammeln, 
die  wir  nun  betreten  hatten.  Es  war  offenbar  eine  der  volk- 
reichsten Gegenden  des  alten  Reiches  Känem,  wo  die  be- 
rühmtesten und  mächtigsten  Städte  lagen,  vor-  allen  das 
uralte  Aghö  uiid  die  neue,  aber  gewaltige  Stadt  Ghami 
Kiyäla  (hiervon  wird  im  Anhange  ausführlicher  die  Rede 
sein).  Da  wir  nun  das  entferntere  Karkä  aufgeben  mussten, 
machte  es  uns  nicht  geringe  Freude,  zu  hören,  dass  wir  uns 
endlich  am '  nächsten  Tage  mit  der  ganzen  Horde  vorwärts 
bewegen  sollten. 

[Donnerstag j  16*^  Oktober.]  Wir  hatten  kaum  unsere  La- 
gerstätte verlassen,  als  wir  auf  einen  Elephantenpfad  stiessen. 
Er  führte  augenscheinlich  zu  einem  Brunnen  und  war  viel 
betreten,    ein  unzweideutiger  Beweis,    dass    die   gewaltigen 

Barths  RwImo.  111.  0 


i 


82  IV.  Kapitel. 

Thiere  in  dieser  verwüsteten  und  verwilderten  Gegend,  wo 
der  Mensch  kaum  eine  Spur  seiner  Anwesenheit  hinterlassen 
hat,  in  grosser  Anzahl  hausen.  Wir  verfolgten  den  Pfad  eine 
weite  Strecke,  und  indem  wir  in  schnellem  Schritte  vorwärts 
rückten,  durchschnitten  wir  nach  etwa  6  Meilen  Weges  eine 
sehr  schöne  Thalsenkung  oder  vielmehr  einen  Thalkessel,  der 
sich  von  Süd  nach  Nord  erstreckte  und  jedes  Erzeugnisses 
fähig  war;  gegenwärtig  aber  sah  man  hier  nur  wenige  Spu- 
ren menschlicher  Thätigkeit  und  Industrie  an  einem  kleinen 
Waizenfeld,  das  mit  Hilfe  von  Ziehbrunnen,  bei  den  Arabern 
„chdttatlr"  genannt,  wie  wir  sie  schon  wiederholentlich  auf 
unserer  Wanderung  angetroflfen  hatten,  bewässert  wurde.  Eben 
diesen  Namen  hat  man  in  der  Folge  der  ganzen  Ortlichkeit 
gegeben;  ihr  einheimischer  Name  ist,  wenn  ich  nicht  irre, 
„Yakallogö". 

Unser  Pfad  führte  uns  dann  zu  einem  anderen  Thalkessel, 
der  ganz  die  Gestalt  eines  alten  Circus  hatte  und  dessen  Bo- 
den reich  mit  Natron  geschwängert  war.  Sein  Name  ist 
„Berende".  Nach  einem  kurzen  Halt  hier,  um  den  Kameelen 
theils  den  Genuss  des  ihnen  zuträglichen  Minerals,  theils  einen 
Anbiss  des  den  Rand  des  Kessels  umgebenden  reichen  Kraut- 
wuchses zu  gestatten,  setzten  wir  unseren  Marsch  fort;  und 
während  unser  Tross  dem  geraden  Pfade  folgte,  wandten  wir, 
Herr  Dr.  Overweg  und  ich,  uns  südwärts  ab  und  besuchten 
einen  anderen  Thalkessel,  Namens  „Boro".  Dieser  Kessel,  ob- 
gleich klein  an  Umfang,  hat  eine  grössere  Tiefe  und  in  seinem 
Grunde  einen  See,  der  je  nach  der  jedesmaligen  Jahreszeit  und 
der  Wassermenge,  die  er  enthjilt,  gleich  mehreren  anderen 
Wasserbecken  um  den  Tsäd  her,  bald  ein  Süsswassersee,  bald 
ein  Bittersee  genannt  werden  kann.  Nun  war  während  der 
letzten  Regenzeit  nur  sehr  wenig  Regen  in  Känem  gefallen 
und  folglich  der  See  augenblicklich  von  nur  kleinem  Umfang. 
Er  hatte  nämlich  etwa  1^  Meile  in  Umfang  und  beschränkte 
sich  auf  den  tieferen  südlichen  Winkel  des  Beckens,  während 


Der  Thalkessel  Toader.  88 

der  nördliche  Theil  dicht  bewaldet  war.  Dieser  Theil  wird 
überhaupt  selten  überschwemmt. 

In  früheren  Zeiten  war  hier  viel  Anbau  und  ein  kleines 
Dorf  (zur  Blüthezeit  des  Landes  wohl  ein  grösserer  Ort)  lag 
am  Rande  des  See's.  Jetzt  ist  Alles  wüst  und  öde  und  un- 
ser Führer  aus  Känem,  Müssa  Bede,  nicht  eben  geneigt, 
länger  als  nöthig  an  einem  solchen  Orte  zu  verweilen,  drängte 
vorwärts.  Wir  mussten  daher  schneller  hinwegeilen,  als  wir 
gewünscht  hätten,  und  stiegen  das  steile  östliche  Gehänge 
hinauf,  welches  wohl  sicherlich  400  Fuss  hoch  ist.  Hier 
gewannen  wir  eine  Aussicht  über  einen  weiten  Landstrich, 
aber  Alles  war  eine  ununterbrochene  und  unübersehbare  Wild- 
niss  ohne  eine  einzige  Spur  friedlicher  menschlicher  Thätig- 
keit.  Das  einzige  Zeichen  von  Leben,  das  wir  gewahrten, 
war  eine  Schaar  von  fünf  Männern,  die  aus  der  Feme  un- 
sere Bewegungen  beobachteten.  Wir  kehrten  daher  eilig  zu 
unserer  Heerschaar  zurück,  um  sie  von  diesem  Umstände  in 
Kenntniss  zu  setzen,  worauf  sogleich  eine  Anzahl  Reiter  zu 
ihrer  Verfolgung  abgeschickt  wurde. 

Indem  wir  nun  in  Gesellschaft  unserer  Raubfreunde  den 
Marsch  fortsetzten,  durchzogen  wir  etwa  ^li  Stunde  vor  Mit- 
tag wiedfer  einen  ITialkessel  Namens  Toäder.  In  seinem  süd- 
lichen Theile  befindet  sich  ein  Seebecken,  das  aber  augenblick- 
lich trocken  war,  und  um  seinen  Rand  umher  sind  mehrere 
Brunnen.  Der  Boden  war  hier  dicht  mit  Unterholz  bewachsen. 
Einige  Meilen  weiterhin  aber  erreichten  wir  einen  ausgedehn- 
teren und  überaus  anmuthigen  Thalkessel.  Obwohl  mit  rei- 
cher Pflanzenfülle  bekleidet,  war  er  doch  nicht  in  so  wildem 
Zustande  und  von  demselben  undurchdringlichen  Charakter, 
vrie  manche  von  denen,  welche  wir  ge^ehn  hatten.  Der  Grund 
schien  darin  zu  liegen,  dass  er  weniger  tief  war,  nur  etwa 
150  Fuss  unter  dem  Niveau  der  höheren  Sandfläche.  Es  ist 
unzweifelhaft,  dass  am  Rande  dieses  schönen  Thaies  eine  der 
Hauptstätten   des  alten  Känems  zu  suchen  ist,   aber  sonder- 

6* 


i 


84  IV.  Kapitel. 

barerweise  habe  ich  seinen  Namen  nicht  erfahren  oder  auch 
vielleicht  vergessen,  ihn  aufeunotiren. 

Hier  machte  die  Heerschaar  während  der  Tageshitze  Halt 
und  Alles  lagerte  sich  in  nachlässigen  Gruppen,  je  nachdem 
Interesse  oder  Anhänglichkeit  die  Leute  zusammenführte,  un- 
ter den  schönen  Sserräch-  und  Küma- Bäumen.  Aber  der 
Platz  war  eben  zu  baumreich  und  zu  dicht  beschattet  zu  einem 
nächtlichen  Lager,  sowohl  der  wilden  Bestien  halber,  als 
auch  wegen  der  Gefahr  eines  plötzlichen  feindlichen  Überfalls. 
Auch  war  bei  aller  Anmuth  der  Boden  dieses  schönen  Thal- 
grundes voller  Skorpione  und  mein  Leibwächter  Bü-Sed  ward 
von  einem  älteren  Vertreter  dieses  gefahrlichen  Geschh^chtes 
sehr  ernsthaft  gestochen. 

Demgemäss  ward,  als  der  Dhohor  vorüber  war,  Befehl  zum 
Aufbruch  gegeben  und  wir  erstiegen,  indem  wir  uns  im  Thale 
entlang  hielten,  dessen  östlichen  Abhang,  hier  einen  ganz  of- 
fenen, von  Bäumen  fast  entkleideten  Platz  zu  unserem  Lager 
wählend.  Die  Araber  brachten  uns  hier  einen  jimgen  Strauss, 
den  sie  im  Thale  gefangen  hatten,  und  wir  führten  eine  lange 
imerspriessliche  Unterhaltung  mit  ihnen;  denn  es  musste  uns 
natürlich  daran  gelegen  sein,  ihr  Wohlwollen  zu  erhalten. 

[Freitag,  17f^n  Oktober,]  Zu  sehr  früher  Stunde  brachen 
wir  zu  einem  langen,  mühevollen  Tagesritt  mit  mehr  südlicher 
Richtung  auf.  Ungeachtet  aller  Sorgfalt,  die  ich  auf  mein 
Befinden  wandte,  und  obgleich  ich  mich  sehr  in  Acht  nahm, 
konnte  ich  mich  doch  nicht  von  meinem  kränklichen  Zustande 
erholen  und  war  für  Strapazen  überaus  empfindlich. 

Im  Anfange  unseres  heutigen  Marsches  war  das  Land  är- 
mer an  Baumwuchs  als  gewöhnlich,  aber  es  wurde  bewalde- 
ter, nachdem  wir  das  „Assfüra"  genannte  Thal  passirt  hatten. 
Dieser  Kessel,  der  nur  geringe  Ausdehnung  hat  und  auf  al- 
len Seiten  von  steilen  Gehängen  umschlossen  ist,  enthält  eine 
grosse  Menge  Brunnen  ausgezeichneten  Wassers;  aber  sein 
Boden,  der  meist  steinig  ist,  hat  fast  gar  keinen  Pflanzen- 


Das  Thal  ScheMkko.  85 

wuchs,  hie  und  da  eine  Gruppe  Düm-Gestrüpp  ausgenommen. 
Da  also  hier  der- Aufenthalt  keineswegs  anziehend  war,  ritt 
ich  mit  dem  Mussulmäni  etwas  vorauf,  aber  ich  fand  bald, 
dass  er  weit  davon  entfernt  war,  den  Weg  zu  kennen,  indem 
er  sich  viel  zu  weit  südlich  hielt,  wesshalb  ich  lieber  zu  den 
Unserigen  zurückkehrte.  Es  war,  wie  es  schien,  ursprünglich 
die  Absicht  gewesen,  von  hier  aus  dir-ekt  in  südöstlicher  Rich- 
tung vorzudringen ;  aus  irgend  einem  mir  unbekannten  Grunde 
jedoch  hatte  man  diesen  Plan  aufgegeben,  vielleicht,  um  die 
Feinde  irre  zumachen,  und  die  Richtung  gänzlich  verändert, 
indem  man  nordöstlich  marschirte. 

Die  Bildung  der  Oberfläche  des  Landes  bietet  hier  eine 
grössere  Mannichfaltigkeit  dar;  anstatt  einer  ausgedehnten,  un- 
unterbrochenen und  gleichmässigen  Fläche,  wie  im  westlichen 
Theile  Känems,  folgen  sich  hier  Thal  und  Hügel  in  schneller 
Abwechselung.  Nachdem  wir  mehrere  kleine  Einsenkungen  die- 
ser Art  passirt  hatten,  erreichten  wir  ein  beträchtlicheres  Thal 
Namens  Djenä  ü  Schelukko.  Hier  zeigte  sich  Anbau  von 
Korn  oder  vielmehr  Indischer  Hirse,  aber  die  Felder  waren 
von  den  Elephanten  ganz  und  gar  zerstört.  Selbst  auf  der 
Hochfläche  *)  war  Korn  gebaut  worden ,  aber  die  Ernte  war 
wegen  der  Kargheit  des  Regens  gänzlich  fehlgeschlagen.  Denn 
Känem  ist,  wie  schon  Makrisi  sehr  richtig  bemerkt  hat,  ein 
sehr  dürres  Land,  obwohl  in  alter  Zeit  eben  des  reicheren 
Anbaues  und  der  grösseien  Pflanzenfülle  halber  auch  der 
Regenfall  hier  jedenfalls  viel  stärker  gewesen  sein  muss,  als 
in  gegenwärtiger  Zeit.  Gewiss  konnte  aber  auch  zur  Blüthe- 
zeit  des  Landes  eine  gelegentliche  fürchterliche  Hungersnoth 
nicht  ausbleiben.  Keine  Spur  von  menschlichen  Wohnungen 
war  hier  zu  sehn. 

Unsere  Leute  hatten  es  sich  eben  in  diesem  schönen  Thale 


*)  Im  Englischen  Original  (Bd.  III.  p.  90)  hat  sich  hier  ein  Schreib-  oder 
Druckfehler  eingeschlichen ;  statt  ,,«/  thc  fooi  of  the  aloptT  muss  es  nämlich 
heissen:  „on  the  h'ufher  U>.v.eC\ 


i 


99  TW,  KapiflnL 

ht^fnfiia  gKtnd^bt  um  hkr  Se  hgiasen  TacefiBtondai  ZQzdbrm* 
f^.  ah  plötzlich  fkr  BefeU  zum  AofbnieiL  lam.  S>  stiegen 
wir  /ieitn  aimiüi^  wieder  zn  Pferde:. 

I>ajt  (..and  wurde  jetzt  hogeliger  md  wir  erreiditeii  bald 
den  ^.hr>fkefi.  bnnmenreiclieii  ThalkesBel  A^bö.  sb  dessen 
Rande  eine  der  ältesten  imd  berohmtesten  städtischen  Anae- 
dehmgen  de$i  frnberen  Reiches  Einem  hg.  Jetzt  ist  aoch 
die^  Statte  eine  Einöde.  Wir  machten  dann  einen  knnm 
Hah  in  dem  flachen  Thale  NondoL  mn  unsere  Pferde  zn  trin- 
ken und  nm  üdlbst  mit  Wasser  zn  rersorgen;  denn  hier  ist 
aof^h  heutigen  Tages  noch  einiger  Landban  zn  sehn  nnd  nm 
zwd  ofler  drei  Ziehbrannen  —  ^chattaür^  —  lagert  sich  jetzt 
in  St^ipfpeln  übendes  Ackerland  nmher.  Da  sich  Jeder  mit 
Meinem  R/iHne  znerst  nach  dem  Brunnen  zn  drangen  sachte^ 
um  \m  der  Annäherung  an  das  Gebiet  des  Feindes  nicht  hin- 
ter der  Haupttruppe  zurückzubleiben,  so  herrschte  hier  grosse 
Unruhe  und  Verwirrung.  MeinKameelweibchen,  ein  sehr  feines, 
kldrifm  Tliier,  aber  für  solche  Parforcemärsche  etwas  zu  schwer 
bf'lmh?n,  war  im  letzten  Trosse,  und  da  es  wiederum  ganz  zu- 
letzt von  hier  aufbrach,  blieb  es  bald  hinter  der  ganzen  Heer- 
H(;haar  zurück,  und  ich  bemühte  mich  umsonst,  es  vorwärts 
zu  tiringcn. 

IlifT  war  das  Land  wiederum  ebener  als  im  letzten  Theile 
uuHcrm  MarH(^h(m.  Wir  hätten  nur  Ein,  aber  freilich  langge- 
Mir(;(;ktcH  Thal  Namens  Maina-ssa  auf  unserer  Rechten.  Zu 
niciriPin  (Jlücke  machte;  die  ganze  Heerschaar  um  2  Uhr  Nach- 
niittnj^M  oincii  lungeren  Halt,  so  dass  mein  Kameel  sich  wie- 
der finHchlicKHcn  konnte  —  ich  hatte  es  schon  aufgegeben. 
Dw  kl(un<^  rüstige  Schaar  stellte  sich  in  einer  langen  Reihe 
auf,  nm  h\v\\  zur  Tapferkeit  zu  ermahnen  und  Befehle  zu  er- 
tlu'ih'n  flir  dim  Fall  eines  Zusammentreffens  mit  dem  Feinde. 
Kt'iii  Pardon  sollte  gestattet  werden;  ein  Jeder.,  der  sein 
IMrid  od(T  Kanie(»l  cinbüssen  würde,  sollte  für  den  Verlust 
rnlHchiidigt  werden. 


Vorbereitnng  sqm  Kampfe.  87 

Dies  waren  die  Hauptpunkte,  aber  ausserdem  wurde  noch 
gar  Vieles  ausgerufen,  was  mir,  der  ich  am  Ende  der  Schlacht- 
linie stand,  unverständlich  blieb.  Zwei  Reiter  sprengten  der 
Reihe  entlang  und  schwenkten  weisse  Banner  über  ihren  Kö- 
pfen. Diese  Banner  waren  wahrscheinlich  ei'st  für  diese  Ge- 
legenheit gemacht,  da  ich  früher  nichts  davon  bei  der  Bande 
gesehn  hatte,  und  die  ganze  Scene  hatte  viel  Schaugepränge 
und  eitel  Spiel  an  sich.  Als  die  Anrede  vorüber  war,  spreng- 
ten mehrere  kleine  Reitertrupps  vor  die  Linie  hinaus,  als 
„imän",  das  heisst,  als  durch  einen  Eid  verpflichtet,  entweder 
zu  siegen  oder  zu  sterben. 

Endlich  setzten  wir  unseren  Marsch  fort,  indem  sich  die 
Linie  in  mehrere  kleine  unregelmässige  Abtheilungen  auflöste, 
wie  der  Zufall  oder  Zuneigung  die  Leute  zusammenbrachte; 
aber  wir  kamen  bald  wieder  zu  einem  anderen  Halt.  Man  war 
unter  sich  nicht  einig  und  es  folgte  eine  lange  Verhandlung, 
in  deren  P^olge  drei  der  Fugäbü-Reiter  in  südlicher  Richtung 
abgeschickt  wurden,  um  einen  erfahrenen  Führer  zu  holen. 

Nach  längerer  Unterbrechung  ging  es  wieder  vorwärts  durch 
eine  schön  gewellte  und  gutbewaldete  Gegend  und  wir  wähl- 
ten um  Sonnenuntergang  einen  Platz  zu  unserem  Lager,  wo 
wir,  wie  es  hiess,  ruhen  sollten,  bis  der  Mond  aufgegangen 
wäre,  indem  zugleich  dringende  Verbote  ergingen,  ein  Feuer 
anzuzünden,  damit  der  Feind  unsere  Nähe  nicht  gewahr  würde. 
Die  Dunkelheit  war  jedoch  kaum  eingetreten,  als  sich  in  süd- 
östlicher Richtung  grosse  Feuer  sehn  Hessen,  die  eine  un- 
unterbrochene Flammenrcihe  bildeten.  Ein  Jeder  überaeugt« 
sich,  dass  dies  nicht  gewöhnliche  Feuer  zum  Hausbedarf 
seien,  sondern  Feuerzeichen  der  Landesbewohner  unter  einan- 
der, und  es  wurde  daraus  geschlossen,  dass  der  Feind  Nach- 
richt von  unserem  Anrücken  habe  und  seine  Freunde  zusam- 
menrufe. Demgemäss  kam  der  Befehl,  imverzüglich  aufzu- 
brechen und  den  Marsch  fortzusetzen;  aber  kaum  waren  die 
Kameele  beladen  und  Alles  zum  Marsch  bereit,  als  der  Ge- 


88  .IV.  Kapitel. 

genbefehl  kam,  wir  sollten  bleiben,  wo  wir  wären.  Das  Ge- 
päck ward  also  wieder  abgeladen,  als  plötzlich  wieder  der 
Befehl  erlassen  wurde,  aufzubrechen. 

Diese  Befehle  und  Gegenbefehle  schienen  ihren  Grund  eher 
in  der  ungenügenden  Kriegszucht  der  gesetzlosen  Bande  !zu 
haben,  wo  jeder  Mann  von  einiger  Erfahrung  und  ein  wenig 
Tapferkeit  etwas  zu  sagen  hatte,  als  in  der  Absicht,  einen  etwa 
lauschenden  Spion  irre  zu  führen.  Aber  was  immer  die  Ursache 
gewesen  sein  mag,  es  war  höchst  unangenehm  und  ich  konnte 
meine  beiden  Leute,  Bü-Säd  und  Ahmed,  die  sich  eben  nicht 
durch  Energie  auszeichneten,  kaum  dazu  bewegen,  ein  zwei- 
tes Mal  mein  Kameel  zu  beladen,  während  sich  alles  übrige 
Volk  mit  grosser  Rüstigkeit  zum  Marsche  bereit  machte  und 
davonzog,  sobald  es  fertig  war.  Die  Folge  davon  war,  dass 
ich  mit  meinen  Leuten  von  Anfang  an  Hinter  der  übrigen 
Schaar  zurückblieb.  Dazu  kam  nun  aber  unglücklicherweise 
noch,  dass  das  Gepäck  so  schlecht  gepackt  war,  dass,  als 
wir  uns  nun  endlich  vom^ärts  bewegten,  mehrere  Stücke  her- 
abfielen und  wieder  zurechtgelegt  werden  mussten.  Da  dies 
nun  mehr  als  einmal  der  Fall  war,  ward  der  Zwischenraum, 
der  mich  von  der  Ilecrschaar  trennte,  so  gross,  dass  zuletzt 
nicht  einmal  das  leiseste  Geräusch  von  ihr  zu  uns  drang,  um 
die  Richtung  unseres  Marsches  danach  zu  bestimmen,  so  dass 
ich  nur  im  Stande  war,  meine  Leute  nach  den  Sternen  zu  lei- 
ten; denn  zur  Kompassbeobachtung  war  es  zu  dunkel.  Um  die 
Sache  noch  schlimmer  zu  machen,  war  der  Boden  mit  hohem 
Gras  bedeckt  und  es  desshalb  nicht  möglich,  in  schnellem 
Marsche  vorzudringen.     Der  Baumwuchs  war  hier  spärlich. 

Endlicli  wurden  die  Araber  gewahr,  dass  ich  zu  weit  zu- 
rückgeblieben war,  und  es  gelang  Herrn  Dr.  Overweg's  Vor- 
stellungen, sie  zu  bewegen,  um  Mittemacht  einen  Halt  zu 
machen,  wo  ich  sie  denn  einholte.  Wir  erleichterten  dann 
die  Bürde  des  Kameeies  und  setzten  unseren  Marsch  in  an- 
gestrengtem Schritte  durch  die  dunkele  Nacht  fort.    Die  fer- 


Raubgier  der  Trossbuben.  89 

nen  Feuer,  welche  die  Dunkelheit  einigermassen  erhellten,  ga- 
ben, uns  zugleich  ein  Vorgefühl  des  ernstlichen  Widerstandes, 
den  wir  finden  würden. 

[Sonnabend,  18*^  Oktober.]  Etwa  2  Uhr  Morgens,  wo  wir  hö- 
heres Terrain  erreichten,  stiegen  wir  ab  und  legten  uns  neben 
unseren  ermüdeten  Pferden  nieder,  um  ein  Stündchen  Ruhe  zu 
genicssen.  Dann  setzten  wir,  stets  in  derselben  südöstlichen 
Richtung,  unseren  Marsch  mit  grosser  Rüstigkeit  etwa  eine 
Stunde  lang  fort,  wo  wir  auf  gewelltem  und  mit  Gebüßch 
dicht  bewachsenem  Sandboden  einen  kurzen  Halt  machten. 
Die  Reiterei  sprengte  hier  vorauf,  während  Herr  Dr.  Ovei%eg 
und  ich  mit  dem  Packtross  zurückbliebenr 

Hierbei  waren  60  bis  70  Kameele,  beritten  von  jungen 
Leuten  und  nicht  über  10  Jahre  alten  Knaben,  die  mit  so 
grosser  Begierde  auf  Beute  lauerten,  dass  sie  nur  mit  Mühe 
von  einigen  der  erfahrenen  Krieger,  die  absichtlich  zurück- 
gelassen worden  waren,  zurückgehalten  werden  konnten.  End- 
lich rückten  wir  langsam  vorwärts,  mussten  aber  bald  zum 
zweiten  Mal  Halt  machen,  da  sich  nicht  ein  einziger  Schuss 
hören  Hess,  um  uns  zu  leiten;  als  aber  der  Tag  dämmerte, 
Hessen  sich  die  raubgierigen  Buben  nicht  länger  zurückhal- 
ten und  es  ging  vorwärts. 

Hier  hatten  wir  vor  uns  eine  schwache  Ansicht  einer  im- 
regelmässigen  Thalbildung  im  Schmucke  einiger  wenigen  Pal- 
men, die  in  der  unstäten  Beleuchtung  der  Morgendämme- 
rung der  Landschaft  einen  interessanten  und  ganz  neuen 
Charakter  verliehen.  Indem  wir  ^ann  diese  Thalebeue  durch- 
schnitten, stiegen  wir  gemach  auf  höheren  Boden  hinan  und 
erreichten  ein  kleines  Dorf,  dessen  Hütten  sich  jedoch  durch 
Geräumigkeit  auszeichneten.  Um  die  Bande  zusammenzu- 
halten, wandten  wir  uns  von  dieseni  Dorfe  nördlich  ab,  aber 
die  am  besten  Berittenen  und  Verwegensten  stürmten  doch  auf 
ihren  leichten  Mehäi-a  davon,  um  zu  sehn,  ob  in  dem  ver- 
lassenen Orte  etwas  für  sie  zurückgelassen  wäre. 


f 


i. 


90  IV.  Kapitel. 

Etwas  Anbau  war  in  der  Nähe  des  Dorfes  zu  sehn ,  aber 
im  Allgemeinen  verblieben  der  Landschaft  auch  hier  die 
augenscheinlichsten  Spuren  der  Verödung.  Endlich  milderte 
sich  ihr  trockener,  dürrer  Charakter  und  wir  stiegen  in  ein 
regelmässig  gebildetes  Thal  Namens  Gessgi  hinab,  das  7-  bis 
800  Schritt  Breite  hatte  und  von  hohen  Sandsteinklippen 
geschlossen  war. 

Dies  war  die  erste  regelmässige  Thalbildung,  die  wir  auf 
unserer  Reise  nach  Eänem  sahen,  höchst  bedeutend  als  ein 
Beispiel  der  ausgebildeteren  Thäler,  welche  diesen  südöstlichen 
Theil  Kanems  auszeichnen,  während  alle  Einsenkungen  in 
den  westlichen  Landschaften  eher  den  Charakter  unregel- 
mässiger Thalmulden  hatten,  mit  mehr  oder  weniger  Voll- 
kommen gebildetem  Gehänge.  Dieses  Thal  dagegen,  wel- 
ches hier  von  Nord  nach  Süd  gerichtet  war,  bildete  augen- 
scheinlich die  gelegentliche  Rinne  eines  kleinen  Stromes 
und  war.  in  Folge  der  über  die  ganze  Weite  sich  verbreiten- 
den Feuchtigkeit  mit  mehreren  Gruppen  Palmbäum'en,  hie 
und  da  auch  mit  Kornfeldern  geschmückt. 

Es  war  also  kein  geringes  Interesse,  mit  welchem  Herr  Dr. 
Overweg  und  ich  dieses  Thal  betrachteten ,  aber  auch  unsere 
Freunde,  die  raublustigen  Araber -Buben,  fanden  gleichfalls 
hier  etwas  für  sie  Anziehendes  und  jeder  Rest  von  Ordnung 
hörte  in  unserer  kleinen  Schaar  auf,  indem  sich  das  junge 
unerfahrene  Volk  in  allen  Richtungen  zerstreute.  Einige 
machten  sich  hinter  einige  Schaaf  heerden,  die  man  im  Thale 
gesehn  hatte,  während  Andere  die  Hütten  eines  kleinen  Wei- 
lers plünderten,  der  am  westlichen  Rande  des  Thaies  lag. 
In  dieser  wilden  Unordnung,  in  der  wir  beiden  Europäer 
und  Deutsche  fast  allein  gelassen  wurden,  war  es  höchst 
glücklich  für  uns,  dass  von  den  Eingeborenen  Niemand 
lauerte,  da  sie  leicht  unsere  ganze  Bande  in  ihrer  voll- 
kommenen Zersprengung  hätten  aufheben  können. 

Nachdem  wir  uns  umsonst  in  allen  Richtungen  nach  den 


Das  Thal  H^nderi-Ssfgge-ssT.  *    91 

Spuren  der  Reiterschaar  umgeschaut,  erstiegen  wir  den  öst- 
lichen Band  des  Thaies;  er  war  ausserordentlich  steil  und 
machte  unseren  beladenen  Kameelen  grosse  Schwierigkeit 
Da  sammelten  sich  denn  auch  unsere  Gefährten,  besorgt, 
wenn  sie  zurückblieben,  sich  dem  Verderben  preiszugeben, 
allmählich  um  uns,  und  wir  lückten  langsam  in  unserer 
durchgängig  südöstlichen  Richtung  weiter,  wo  wir  bald  an 
ein  anderes  und  begünstigteres  Thal  kamen,  das  Henderi- 
Ssigge-ssT  heisst.  Hier  war  der  Thalboden  mit  einem  dich- 
teren Palmenhain  geschmückt  und  im  Schatten  der  schlan- 
ken Bäume  wogten  schöne  Waizenfelder  in  frischer  grüner 
Pracht,  während  die  Ähren  anfingen,  sich  gelblich  zu  fär- 
ben, —  ein  ganz  ungewohnter  Anblick  für  uns.  Oben  dage- 
gen, nahe  am  steil  (etwa  120  Fuss)  in  das  Thal  abfallenden  Ab- 
hang, waren  Felder  mit  einheimischer  Hirse,  die  schon  völlig 
gereift,  aber  noch  nicht  geemtet  war.  Alles  zusammen,  die 
grüne  Saat  unten  im  Thale,  leicht  beschattet  von  den  male- 
rischen Federblättern  der  schlanken  Palmen  darüber,  in 
deren  Dickicht  die  Flüchtlinge  Schutz  suchten,  der  hohe 
Bahmen  der  braunen  Sandsteinklippen,  dann  die  trockene 
reife  Saat  der  stämmigen  Hirsenpflanzen  und  der  eben  in 
Brand  gesteckte  Weiler  oben  am  Bande,  bildete  eine  inter- 
essante Scene,  die  in  beifolgender  Ansicht  dargestellt  ist. 

Während  wir  dann  nach  einigem  Aufenthalte  am  steilen 
Bande  des  Thaies  weiter  zogen,  bemerkten  wir,  dass  die 
Eingeborenen,  die  sich  mit  Einschluss  von  2  oder  3  Beitem 
in  den  Hain  zurückgezogen  hatten,  unsere  Bewegungen  beob- 
achteten, und  unsere  wilden,  gesetzlosen  Gefährten  erhoben 
ein  Schlachtgeschrei,  um  diese  Leute  zu  schrecken,  als  wir 
an  einer  Stelle,  wo  der  Thalrand  sich  allmählicher  absenkte, 
in  die  Thalsohle  hinabzusteigen  anfingen.  Ungeachtet  ihres 
gewaltigen  Geschreies  aber  würden  5  Beiter  genügt  haben, 
diesen  ganzen  Trupp  unbärtiger  junger  Bursche  über  den 
Haufen    zu   werfen.     Einige   von    ihnen   spielten    mit  dem 


92  IV.  Kapitel. 

Hahne  ihrer  Flinten,  ohne  nur  mit  Kugeln  versehen  zu  sein, 
um  so  mehr  bemühte  sich  Herr  Dr.  Overweg  und  auch  ich, 
unsere  Leute  an  der  Spitze  des  migeordneten  Zuges  zusam- 
menzuhalten, und  wir  thaten  klug  daran.    Denn  die  Eingebore- 

• 

nen  machten  einen  plötzlichen  Ausfall  aus  ihrem  Versteck  auf 
die  Nachzügler  und  bemächtigten  sich  zweier  Kameele ,  mit 
denen  sie  unverzüglich  ihi-en  Rückzug  deckten,  während  die 
jugendlichen,  noch  kura  zuvor  so  verwegenen  Reiter  zeitig  ab- 
sprangen und  davon  liefen.  Unsere  kriegerischen  Genossen 
waren  jetzt  voll  von  Gestikulationen  und  wilden,  drohenden 
Geberden,  aber  Niemand  wagte  es,  die  kleine  feindliche  Truppe 
aiizugreifen  und  ihr  ihre  Beute  streitig  zu  machen. 

So  erstiegen  wir  die  östliche  Thalwand;  aber  waren  wir 
schon  vorher  unschlüssig  gewesen,  wohin  wir  uns  wenden 
sollten,  so  waren  wir  jetzt  völlig  im  Unklaren,  welche 
Richtung  die  Reiterschaar  eingeschlagen  haben  möchte.  In- 
dem wir  daher  ohne  bestimmte  Richtung  auf-  und  abzogen, 
litten  wir  nach  unserem  langen  Tages-  und  Nachtmarsche 
ausserordentlich  an  Ermüdung;  denn  unsere  unsichere  Lage 
erlaubte  uns  nicht,  abzusteigen  und  einen  Augenblick  der 
Ruhe  zu  pflegen,  und  zu  der  körperlichen  Mattigkeit  gesellte 
sich  die  Sonnenhitze,  da  es  fast  Mittag  geworden  war,  und 
ich  selbst  befand  mich  in  einem  schrecklichen  Zustande  der 
Erschöpfung. 

Endlich  gewahrte  man  einige  Reiter  in  grosser  Entfer- 
nung, jenseit  einer  flachen  Thalsenkung,  wie  sie  eine  ge- 
raubte Viehheerde  vor  sich  hertrieben,  und  so  aus  der  ge- 
fährlichen Lage  gerissen,  in  der  wir  uns  bis  jetzt  befunden  hat- 
ten, jedes  genügenden  Schutzes  beraubt,  passirten  wir  eilig 
das  Thal,  um  zu  unseren  kriegerischeren  und  erfahreneren 
Freunden  zu  stossen.  Als  wir  uns  dann  mit  ihnen  vereint 
hatten,  wandten  wir  uns  gemeinsam  nach  einein  Platze  etwas 
weiter  dieses  ansehnliche  Thal  abwärts,  wo  ein  kleiüer  Weiler 
und  Stoppelfelder  waren.    Hier  hoffte  ich  endlich  ein  wenig 


Das  falsche  Wadi  el  Ghas^l.  98 

Buhe  ZU  findien  und  legte  mich  in  dem  spärlichen  Schatten 
einer  Talha  nieder; '  unglücklicherweise  jedoch  war  kein 
Brunnen  hier  und  nach  einem  kurzen  Halte  und  einer  Be- 
rathung  wurde  Befehl  zum  Aufbruche  gegeben.  Kaum  war 
ich.  im  Stande,  mein  Streitross  wieder  zu  besteigen  und  der 
Schaar.zu  folgen. 

Die  Araber  gaben  diesem  Thale,  das  sehr  flach  war  und 
keine  Dattelpalmen  hervorbrachte,  den  Namen:  „Wadi  el 
Ghasal",  jedoch  konnte  ich  nicht  erfahren,  wie  sein  wirk- 
licher Name  sei:  <lenn  es  hat  nichts  in  der  Welt  mit  dem 
berühmten  und  grösseren  Thale  zu  thun,  das  gewöhnlich 
von  den  Arabern  so  benannt  wird.  Der  Brunnen  war  nicht 
fem,  nämlich  in  einem  anderen  schönen  Thale  oder  Kessel 
Namens  Mssallat  oder  Amssdllat,  tiefer  als  das  sogenannte 
Wadi  el  Ghasal,  aber  flacher  als  Ssigge-ssT  sowohl  wie  Gessgl. 
Es  war  mit  Mimosen  in  wilder  Üppigkeit  durchwachsen  und 
in  seinem  tiefsten  Theile  mit  Ziehbrunnen  —  „chattatlr"  — 
versehen,  vermittelst  deren  eine  schöne  Baumwollenpflanzung 
bewässert  wurde,  die  erste,  die  wir  in  Känem  sahen. 

Die  Araber  hatten  nicht  eben  sehr  bedeutende  Beute  ge- 
macht; denn  die  Worhda  hatten  zeitig  Nachricht  von  ihrem 
Anrücken  erhalten  und  gerettet,  was  sie  konnten.  Der  Ge- 
sammtertrag  des  Heereszuges  bestand  in  15  Kameelen,  etwas 
mehr  als  300  Stück  Hornvieh  und  etwa  1500  Schaafen  und 
Ziegen.  Man  war  einige  Zeit  in  grosser  Besorgniss  um 
Rhet  und  einen  Trupp  Reiter,  die  mit  ihm  in  grössere 
Entfernung  vorgedrungen  waren;  aber  auch  er  stiess  hier 
wieder  zu  uns  mit  einer  zahlreichen  Schaafheerde,  die  er 
erbeutet  hatte. 

Wir  waren  geschäftig,  unsere  Pferde  zu  tränken  und  unsere 
Schläuche  zu  füllen.  Aber  da  gab's  wenig  Müsse;  denn 
kaum  hatten  wir  angefangen,  Wasser  zu  ziehen,  als  Alarm 
sich  verbreitete;  die  Worhda  griffen  uns  an  und  3  Schwa- 
dronen Reiter  wurden  gebildet,  um  den  Tross  imd  die  Beute 


'M  IV.  Kaintel. 

ZU  scliiitzeii,  indem  der  Haupttrupp  auf  der  südüstiichen 
Seite  zum  Thale  hinausstürmte.  Aber  obgleich  der  Feind  bis 
auf  eine  bedeutende  Entfernung  zurückgetrieben  wurde,  ward 
doch  die  Absicht,  sich  am  Abhänge  neben  diesem  Brunnen 
zu  lagern,  als  zu  gefährlich  aufgegeben  und  man  entschied, 
sich  weiter  vom  Feinde  zu  entfernen;  dennoch  aber  schien  man 
immer  noch  nicht  den  Plan  aufgegeben  zu  haben,  nach  Mäö 
vorzudringen.  Es  kostete  uns  eine  beträchtliche  Zeit,  aus 
diesem  bewaldeten  Thale  herauszukommen,  indem  die  Araber 
besorgt  waren,  bei  einem  neuen  Angriffe  des  Feindes  den 
erbeuteten  Raub  wieder  einzubüssen. 

Endlich  gelang  es,  die  Heerden  in  Sicherheit  voran  zu 
treiben,  und  wir  brachen  auf.  Indem  wir  zum  Thale  hinaus- 
rückten, erklimmten  wir  einen  Felsrücken  und  stiegen  von  hier, 
mit  südwestlicher  Richtung,  etwas  vor  2  Uhr  Nachmittags, 
in  den  engeren  östlichen  Theil  eines  tiefen  und  anmuthigen 
Thaies  hinab,  das  hier  mit  einem  hübschen  Dattelhain  ge- 
schmückt ist,  während  sich  sein  westlicher  Theil  zu  einer 
gut  angebauten  Einsenkung  erweitert 

Hier  machten  wir  einen  etwa  halbstündigen  Halt,  um  die 
Thiere  zu  tränken  und  unsere  Schläuche  zu  füllen;  denn 
nicht  einmal  hier  hielt  man  es  für  rathsam,  zu  lagern,  und 
betrachtete  überdies  den  Ort  als  einen  unheilschwangeren. 
Dies  ist  nämlich  die  Stätte,  wo  im  Jahre  1850  die  Kel-owi 
die  Ueläd  Slimän  überfielen  und  diese  damals  so  mächtige 
Raubhorde  fast  vernichteten. 

Nach  einem  so  kurzen  Halt  setzten  wir  also  unseren  Marsch 
fort.  Ich  war  jetzt  so  völlig  erschöpft,  dass  ich  gezwungen  war, 
in  kurzen  Zwischenräumen  abzusteigen  und  mich  einen  Augen- 
blick niederzulegen.  So  blieb  ich  einmal  hinter  der  ganzen 
Schaar  zurück  und  war  nur  mit  der  grössten  Anstrengung 
im  Stande,  mich  wieder  in  den  Sattel  zu  heben.  Dennoch 
schleppte  ich  mich  fort,  bis  wir  endlich  gegen  Sonnenuntergang 
am  Rande    des   in    ein  tiefes  Thal  absteigenden  Abhanges 


Das  Thal  Aläli  A'dia.  95 

einen  Platz  für  unser  Lager  wählten.  Ich  war  nun,  ganz 
kurze  und  ungenügende  Unterbrechungen  abgerechnet,  34 
Stunden  zu  Pferde  gewesen  und  fiel  besinnungslos  zu  Boden, 
zum  grossen  Entsetzen  Henn  Dr.  Overweg's  und  unserer  Leute, 
die  mich  als  in  den  letzten  Zügen  liegend  betrachteten.  Aber 
nach  Verlauf  einer  Stunde  erholte  ich  mich  ein  wenig,  und 
nachdem  ich  eine  gute  nächtliche  Ruhe  genossen,  fühlte  ich 
mich  am  nächsten  Morgen  viel  stärker,  so  dass  ich  mich 
selbst  einiger  Anstrengung  unterziehen  konnte,  die  nicht  ge- 
rade unumgänglich  nöthig  war. 

[Montag,  20^^^  Oktober.]  So  stieg  ich  denn  mit  upseren 
Leuten,  als  sie  Wasser  holen  wollten,  in  das  Thal  hinab. 
Es  führt  den  Namen  A'läli  A'dia  oder  Djeräd  von  einem  kleinen 
Weiler,  der  auf  dem  Gipfelpunkt  der  Ebene  über  dem  Thal- 
rande liegt  und  Aläli  heisst.  Der  Brunnen  war  sehr  reich- 
lich, und  das  Thal  prangte  mit  Dattelpalmen,  aber  der  Bo- 
den zeigte  keine  Spur  von  Anbau.  Der  Abhang  der  Thal- 
wand vom  Lagerplatz  in  den  Thalkessel  hinab  war  sehr  steil 
und  fast  130  Fuss  hoch. 

Unsere  Freunde  hatten  ihr  Lager  —  „dauar"  oder  „firke"  — 
in  den  möglichst  kleinsten  Bereich  zusammengezogen  und  es 
mit  ihrem  Gepäck  bestmöglich  verbarrikadirt^  da  alle  leeren 
Ledersäcke,  die  sie  mit  auf  den  Raubzug  genommen  hat- 
ten, jetzt  mit  dem  vom  Feinde  aufgespeicherten  Korn  ge- 
füllt waren.  Bei  alledem  aber  waren  sie  keineswegs  leichtem  • 
Muthes  und  schienen  nicht  genau  zu  wissen,  wie  sie  sich  ver- 
halten sollten,  ob  weiter  vordringen  oder  zurückkehren. 
Mehrere  Fugäbü  und  Leute  Hallüf  s  fanden  sich  ein,  um  dem 
Scheich  Rhet  ihren  Gruss  zu  bieten,  und  eine  Person  von 
bedeutendem  Ansehen  mit  dem  Titel  „Keghamma"  oder  ge- 
nauer „Keghamma  futebe"  („Kriegshauptmann  des  Westens"), 
eben  derselbe  Mann,  von  dem  wir  so  viel  Gerede  gehört 
hatten,  kam  auch  und  machte  mir  einen  Besuch  in  meinem 
Zelte.     Denn  in   meinem  höchst  angegriffenen  Zustande  war 


96  ly.  KapiteL 

ich  gezwungen,  als  die  Sonne  drückend  wurde,  in  Erman- 
gelung eines  Baumschattens  mein  Zelt  aufzuschlagen.  So 
kam  es,  da  das  meinige  das  einzige  Zelt  im  Lager  war, 
dass  ich  Besuche  von  mehreren  Partieen  erhielt,  die  in  Ruhe 
zu  frühstücken  wünschten;  unter  Anderen  kam  auch  ein 
Mann  Namens  Kedel  Baträm,  Hallüfs  Bruder. 

Keghämma,  dieser  uns  schon  früher  so  viel  gepriesene 
Häuptling,  trat  mit  der  Behauptung  auf,  dass  er  sicherlich 
im  Stande  wäre,  uns  nach  Karkä  zu  bringen;  aber  dies  er- 
wies sich  als  ein  blosser  Vorwand  und  er  nahm  selbst  bald 
darau/  sein  Versprechen  vor  dem  Scheich  zurück.  Der  Ge- 
genstand unserer  Wünsche  lag  noch  in  weiter  Feme  vor 
uns,  aber  unser  Freund  Rhet  war  der  Meinung, .dass  er  uns 
schon  weit  genug  gebracht  hätte,  um  mehr  Geschenke  zu 
verdienen ,  und  gab  uns  deutlich  seinen  Wunsch  durch  *Abd 
Allah  zu  verstehen.  Glücklicherweise  hatte  ich  einen  hüb- 
schen gelben,  mit  Golduaht  besetzten  Tuchkaftan  bei  mir  und 
gegen  Abend,  als  ich  von  einem  heftigen  Fieberanfalle,  der 
mich  im  Laufe  des  Nachmittags  plötelich  befallen  hatte, 
wieder  frei  war,  gingen  wir  zum  Häuptling,  um  ihm  unsere 
Aufwartung  zu  machen.  Während  wir  ihm  den  Kaftan  zum 
Geschenk  machten,  erklärten  wir  ihm,  dass  wir  zufrieden 
sein  würden,  wenn  wir  in  den  Stand  gesetzt  wären,  den 
unter  dem  Befehle  des  Keghdmma  stehenden  Gau  zu  be- 
suchen. Aber  die  Lage  der  Araber  ward  bald  gefährlicher 
und  man  dachte  an  weiter  nichts,  als  mit  der  grösstmög- 
lichen  Eile  westwärts  zurückzukehren. 

Da  ich  meines  fieberhaften  Zustandes  halber  in  den  letzten 
Tagen  fast  gar  keine  Nahrung  zu  mir  genommen  hatte  und 
überaus  schwach  war,  lag  ich  schlaflos  in  meinem  Zelte, 
als  sich  im  letzten  Theile  der  Nacht  ein  gewaltiger  Alarm 
im  Lager  erhob.  Ruhelos  mich  auf  meinem  Lager  umher- 
werfend, hörte  ich,  wie  die  Araber  ihre  Pferde  bestiegen  und 
mit  ihrem  üblichen  Sclilachtgeschrei :  „y4  riäb,  yd  riäb",  in 


Feindlicher  Angriff.  97 

mehreren  Abtheilungen  im  Lager  umherritten.  Dennoch 
blieb  ich  ruhig  auf  meiner  Matte  liegen  und  Hess  mich  selbst 
dann  nicht  aus  meinem  lethargischen  Zustand  erwecken,  als 
ich  die  Nachricht  erhielt,  dass  eine  zahlreiche  feindliche  Ar- 
mee gegen  das  Lager  anrücke;  vielmehr  nahm  ich  diese 
Nachricht  mit  der  Gleichgültigkeit  auf,  mit  der  ein  von 
Krankheit  Erschöpfter  selbst  die  wichtigsten  Begebenheiten 
betrachtet. 

Ich  bewegte  mich  nicht  einmal,  als  mit  der  ersten  Mor- 
gendämmerung des  2l»ten  Oktober  der  Feind  wirklich  bis 
auf  geringe  Entfernung  heranrückte  umd  unsere  Freunde  das 
Lager  verliessen,  um  die  Schlacht  anzubieten.  Ich  hörte  dar- 
auf etwa  10  Schüsse  fallen,  dachte  aber  nicht  daran,  dass 
die  Araber  geschlagen  werden  würden.  Plötzlich  kündigte 
mir  Herr  Dr.  Overweg,  der  vom  ersten  Alarm  an  sein 
Pferd  gesattelt  hielt,  mit  einem  Angstschrei  an,  dass  unsere 
Freunde  geschlagen  seien,  schwang  sich  auf  sein  Pferd  und 
galopirte  davon.  Mein  berittener  Diener,  Bü-Sed,  hatte 
längst  die  Flucht  ergriffen;  eiligst  sattelte  Mohammed 
mein  Pferd,  und  durch  die  Gefahr  mit  neuer  Lebens- 
kraft beseelt,  warf  ich  meinen  Benius  über,  nahm  Flinte 
und  Pistolen,  warf  meinen  Doppelsack  über  den  Sattel, 
schwang  mich  hinein  und  eilte  in  westlicher  Richtung  da- 
von, indem  ich  meinen  Diener  sich  fest  an  dem  Schweif  an- 
halten liess. 

Es  war  die  höchste  Zeit  zur  Flucht;  denn  in  demselben 
Momente  drang  der  Feind  auf  der  Ostseite  in  das  Lager  ein. 
Alles  war  geflohen  und  ich  sah  nur  den  Hauptsklaven  Rhet's, 
der  mich  flehentlich  bat,  das  Prunkschwert  seines  Herrn  mit- 
zunehmen, damit  es  nicht  in  des  Feindes  Hände  falle.  Ich 
war  jedoch  noch  nicht  weit  vom  Lager,  als  ich  nahe  hinter 
mir  schiessen  hörte,  und  indem  ich  mich  umwandte,  sah  ich 
die  Reiterei  der  Araber  sich  sammeln  und  mit  dem  Geschrei 
„he  keleb,  keleb"  dem  Feinde  wiederum  zuwenden,  der  sich 


96  IV.  KaplteL 

zerstreut  hatte,  um  Beute  zu  machen.  Ich  eilte  indess,  diese 
Nachricht  Herrn  Dr.  Overweg  zu  bringen,  welcher  mit  den 
zu  Kameel  berittenen  Arabern,  ja  selbst  mehreren  zu  Pferde, 
in  grössere  Entfernung  auf  einen  Hügel  geflüchtet  war,  wo 
sie  sich  postirt  hatten;  mehrere  dieser  feigen  Araber  hatten 
sich  nicht  geschämt,  auf  der  Flucht  ihre  Flinten  wegzuwer- 
fen. Ich  kehrte  dann  mit  meinem  Begleiter  zum  Dauar  zu- 
rück, aber  zu. unserer  grossen  Verwunderung  fanden  wir, 
dass  nicht  allein  ä11'  unser  übriges  Gepäck  verschwunden, 
sondern  selbst  von  meinem  Zelte  nicht  eine  Spur  übrig  ge- 
blieben war. 

Die  Worhda,  nur  von  dem  Englischen  Zelte  mit  seinem 
rothen  Knopfe  und  von  Scheich  Rhet's  Gepäck  angezogen, 
hatten  die  Habseligkeiten  der  übrigen  Leute  kaum  berührt 
und  mein  Zelt  als  hübsche  Beute  auf  ihren  Köpfen  davon- 
geschleppt;  aber  die  Araber  verfolgten  sie  und  nahmen  ih- 
nen den  Raub  wenigstens  theilweise  wieder  ab.  Ein  Engli- 
scher lederner  Sack,  der  mir  gehörte  und  einige  werthvolle 
Artikel  enthielt,  war  vom  Feinde  aufgeschnitten  worden, 
aber,  wie  es  schien,  gerade  in  demselben  Augenblicke,  als 
unsere  Freunde  ihn  einholten;  denn  es  fehlte  nichts  dann. 
Unser  hauptsächlichster  Verlust  bestand  in  unserem  Koch-* 
geschirr  und  unseren  Vorräthen;  meine  Journale  und  In- 
strumente hatte  ich  in  meinem  Doppelsack  gerettet,  aber 
in  der  Eile  ein  kleines  Englisches  Gebetbuch,  das  dem  ver- 
storbenen Herrn  Richardson  gehört  hatte,  auf  meiner  Matte 
liegen  lassen,  und  diesen  Verlust  bedauerte  ich  sehr. 

Das  Zusanmientrefifen  war,  wenn  man  die  geringe  Zahl  der 
Kämpfenden  in  Anschlag  bringt,  auf  beiden  Seiten  nicht  ohne 
ansehnliche  Verluste  abgegangen;  von  den  Arabern  waren 
4  auf  dem  Schlachtfelde  geblieben,  vom  Feinde  dagegen  34 
Herr  Dr.  Overweg  war  eifrig  bemüht,  einige  unserer  Freunde, 
welche  schwer  verwundet  waren,  zu  verbinden.  Alle  waren 
in  der  äussersten  Wuth  über  die  Unverschämtheit,  wie  sie 


Besorgliche  Lage  der  Reisenden.  99 

es  nannten,  mit  der  „diese  Hunde"  von  Kreda  es  gewagt 
hätten,  sie  in  ihrem  eigenen  Lager  anzugreifen,  und  sie  schwu- 
ren, dass  sie  nun  aufbrechen  würden,  lim  all'  ihre  Dörfer  und 
ihr  Korn  zu  verbrennen. 

Wirklich  brach  alsbald  die  Reiterei  auf,  kehrte  aber  im 
Laufe  des  Nachmittags  etwas  schweigsam,  mit  trüben  Ge- 
sichtern und  ungünstiger  Botschaft  zurück,  und  vor  Son- 
nenuntergang waren  unsere  Freimde  noch  einmal  genöthigt, 
ihr  eigenes  Lager  gegen  einen  zweiten  Angriff  der  uner- 
schrockenen Eingeborenen  zu  vertheidigen;  jedoch  gelang  es 
ihnen  auch  diesmal,  den  Feind  zurückzuschlagen.  In  diesem 
Kampfe  zeichnete  sich  Hallüf  vor  Allen  durch  seine  Tapfer- 
keit aus,  indem  er  3  oder  4  Tebu  mit  eigener  Hand  töd- 
tete,  obwohl  er  nur  mit  dem  Speer  kämpfte. 

Ungeachtet  dieses  kleinen  Sieges  aber  waren  die  Vorbe- 
deutungen für  die  folgende  Nacht  überaus  ungünstig,  und 
die  Ueläd  Slimän  würden  sich  unmittelbar  aus  dem  Staube 
gemacht  haben,  wenn  sie  nicht  die  Besorgniss  gehegt  hätten, 
dass  der  grössere  Theil  imvDunkel  der  Nacht  die  Flucht  er- 
greifen möge  und  auf  eine  schimpfliche  Flucht  grosser  Verlust 
an  Leben  und  Eigenthum  folgen  würde.  Demzufolge  ward  be- 
schlossen, den  nächsten  Morgen  zum  Aufbruch  abzuwarten. 
Es  war  jedoch  eine  ängstliche  und  ruhelose  Nacht;  denn  die 
Araber  hatten  die  gewisse  Nachricht  erhalten,  dass  im  Laufe 
jener  Nacht  eine  Schwadron  von  30 — 40  Wäddi- Reitern  zu 
dem  Feinde  stossen  würde,  worauf  dann  ein-  letzter  Angriff 
auf  sie  geschehen  solle.  Sie  waren  sich  wohlbewusst,  dass 
der  Feind  eben  nur  aus  Mangel  an  Reiterei  geschlagen  wor- 
den war.  Aus  Vorsorge  blieben  alle  Pferde  gesattelt,  ein- 
zelne Trupps  umritten  fortwährend  das  Lager  imd  der  Wacht- 
ruf  erschallte  ununterbrochen  durch  die  Nacht  Der  am 
meiisten  Aufgeregte  und  Furchtsamste  von  Allen  war  der  Re- 
negat-Jude 'Abd  Allah;  fest  davon  überzeugt,  dass  dies  seine 
letzte  Nacht  sein  würde,  war  er  mit  der  grössten  Angstlich- 


i 


100  IV.  KapiteL 

keit  bemüht,  sich  ein  Basirmesser  za  versch^^en,  um  sich  vor 
der  Todesstande  seinen  Kopf  scheeren  zu  können. 

[Mittwoch,  22*f^  Oktober.^  Glücklicherweise  ging  die 
Nacht  vorüber,  ohne  dass  sich  der  Feind  zeigte,  and  mit 
Tagesanbruch  ward  das  Zeichen  zum  Aufbruch  gegeben, 
worauf  sich  Jeder  bemühte,  seinem  Nachbar  den  Vorsprung 
abzugewinnen.  —  Wirklich  kam  der  Feind,  nach  einer  uns 
später  zugekommenen  zweifellosen  Nachricht,  etwa  1  Stunde 
später  beim  Lager  an;  da  er  aber  sah,  dass  wir  schon  ab- 
gezogen waren,  hielt  er  es  nicht  für  rathsam,  uns  zu  ver- 
folgen. 

So  liessen  wir  den  interessantesten  Theil  Känems  hinter 
uns,  eine  Landschaft,  einst  dicht  besetzt  mit  grossen,  volk- 
reichen und  berühmten  Städten  (wie  Ndjimie,  Aghäfi  und 
alle  die  Plätze,  welche  ich  nach  dem  Berichte  der  Kriegs- 
züge des  Ednss  Alaoma  im  Anhang  11  beschreiben  werde) 
und  durchzogen  von  zahlreichen  begünstigten  Thälem  voll  von 
Dattelbäumen.. 

Indem  wir  zuerst  eine  westliche  und  dann  eine  südwest- 
liche Richtung  verfolgten,  durch  ein  nicht  eben  besonders  in- 
teressantes Land,  erreichten  wir  gegen  8  Uhr  Morgens  ein 
weites  Thal,  Namens  Takulum,  mit  reicher  frischer  Weide 
und  schönem  Baumwuchs.  In  diesem  Thale  —  in  dessen  Nähe, 
nämlich  im  Thale  Kdrafu,  das  ich  im  Anhange  noch  weiter 
erwähnen  werde,  die  gewöhnliche  Residenz  des  Keghamma 
ist  —  angekommen,  war  man  der  Meinung,  dass  wir  nun 
ausser  Gefahr  seien,  und  beschloss,  Pferde  und  Kameele  zu 
tränken  und  ihnen  etwas  Fütterung  zu  gönnen.  Ich  für  mei- 
nen Theil  war  äusserst  dankbar  dafür,  in  dem  Schatten 
einer  chi*würdigen  Akazie,  nahe  an  dem  sanften,  die  schöne 
griine  Mulde  umgebenden  Abhänge,  ein  Paar  Stunden  Ruhe 
zu  erhalten.  Aber  gerade  in  der  grössten  Tageshitze  ver- 
liessen  wir  diesen  anmuthigen  Ruheplatz  und  folgten  einer 
mehr  nordwestlichen  Richtung,    die    uns  mit  allmählichem 


Rückkehr  in  die  Landscbafl  Schitäti.  101 

ÄDstieg  in  einen  ziemlich  bewaldeten  Distrikt  führte.  Hier 
war  jüngst  alles  Gras  verbrannt  worden  oder  brannte  noch, 
und  an  einer  Stelle  war  es  selbst  ..mit  einiger  Gefahr  ver- 
knüpft, uns  einen  Weg  durch  die  Flammen  zu  bahnen.  Die- 
ses alljährlicheyerbrennen  des  Grases,  welches  ich  schon  frü- 
her erwähnt  habe,  scheint  eine  im  ganzen  Sudan  gebräuch- 
liche Sitte  zu  sein. 

Gegen  Abend  ward  das  Land  ganz  offen  und  vor  uns 
liess  sich  ein  kleiner  Höhenzug  sehn,  an  dessen  westlichem 
Fusse  unser  Lagerplatz  sein  sollte;  aber  er  schien  sehr  ent- 
fernt und  es  war  völlig  dunkel,  als  wir  in  zwei  getrennten 
Lagern  Halt  machten,  indem  wir  nicht  im  Stande  waren, 
unseren  Bestimmungsort  zu  erreichen,  unser  Abendessen 
war  überaus  einfach;  denn  da  wir  bei  der  Einnahme  des 
Lagers  bei  Aläli  unsere  ganze  Provision  eingebüsst  hatten, 
mussten  wir  uns  mit  einigen  schlechten  Datteln  begnügen  — 
dem  Einzigen,  was  wir  von  Scheich  Rhet  erhalten  konnten. 

[Donnerstag  y  23'^^  Oktober^  Während  imsere  Leute  in 
Gesellschaft  des  Packtrosses  und  eines  Theiles  der  Reiterei 
mit  den  Kameelen  die  gerade  Strasse  verfolgten,  schlugen 
Herr  Dr.  Overweg  und  ich  mit  Scheich  Rhet  und  seinem 
Trupp  eine  mehr  nördliche  Richtung  ein  und  brachten  die 
heissen  Tagesstunden  in  einem  freundlichen  Thale  zu.  Es 
war  unzweifelhaft  eines  der  schönsten  Thäler,  die  wir  im 
Lande  angetroffen  hatten,  nur  dass  es  keine  Dattelpalmen 
hervorbrachte;  aber  die  Landschaft  Schitäti,  die  wir  nun 
wiederum  betreten  hatten,  scheint  der  Palme  keineswegs 
günstig  zu  sein,  während  Schiri  und  die  Nachbarschaft  von 
M&ö  an  diesen  Bäumen  sehr  reich  sind. 

En  Theil  des  Thalgrundes  war  in  Kornfelder  umgewan- 
delt, die  mit  Hilfe  von  Chdttatlrs  bewässert  wurden;  neben 
diesen  Ziehbrunnen  befand  sich  eine  Gruppe  von  Hütten, 
während  ein  grösseres,  aber  gegenwärtig  verlassenes  Dorf 
am  Rande  des  Abhanges  liegt,  der  das  Thal  beherrscht;  es 


102  IV.-  Kapitel. 

heisst  Burka-drusso  oder  Burka-drusto.  Hier  genossen  wir 
einige  Stunden  lang  einer  ununterbrochenen  Ruhe ,  aber  aus- 
serdem war  unser  Genuss  höchst  beschränkter  Art,  da  wir 
nichts  zum  Frühstück  hatten,  als  eine  Handvoll  Datteln  und 
einen  Trunk  Wasser.  Trotz  dieser  schmalen  Kost  war  aber 
unser  materieller  Mangel  unbedeutend  in  Vergleich  mit  dem 
bitteren  Gefühl  fehlgeschlagener  Hoflfhung,  das  uns  bedrückte ; 
denn  wir  sahen  nun  deutlich  ein,  dass  wir  alle  Hoffnung, 
den  Bahhr  el  Ghasäl  oder  selbst  nur  Mkö  zu  erreichen, 
aufgeben  müssten,  imd  doch  war  es  nur  eben  dies  gewesen, 
was  uns  vermocht  hatte,  unser  Schicksal  mit  demjenigen  die- 
ser Raubhorde  zu  vereinigen.  Um  diese  Expedition .  unter- 
nehmen zu  können,  hatten  wir  alles  uns  gebliebene  Eigen- 
thum  verbraucht  und  konnten  desshalb  keineswegs  mit  ih- 
rem Ausgange  zufrieden  sein. 

Als  die  Tageshitze  vorüber  war,  setzten  die  Araber  ihren 
Marschiert  und  wir  folgten  ihnen,  indem  wir  zum  Thale 
auf  den  höheren  Boden  hinaustraten  und  eine  anmuthige, 
schön  mit  Bäumen  und  Büschen  geschmückte  Landschaft 
durchschnitten.  Wir  Hessen  einen  Thalkessel  Namens  Nükko 
zu  unserer  Linken  (eine  von  den  drei  Thalsenkungen  Schi- 
täti's,  welche  diesen  Namen  fuhren);  weiterhin  passirten  wir 
dann  ein  anderes,  das  Am^ko  heisst  Als  uns  die  herein- 
brechende Nacht  auf  dem  Marsche  überraschte,  setzten  un- 
sere Gefährten  ihre  Pferde  in  Galop,  um  zeitig  im  Lager 
anzukommen,  während  wir  es  vorzogen,  unseren  Weg  lang- 
sam zu  verfolgen. 

Das  Land  ward  hier  gewellter  und  weiterhin  sogar  felsig  und 
rauh.  Wir  verfolgten  in  der  Dunkelheit  unsere  nordwestliche 
Richtung,  so  gut  wir  konnten,  und  waren  nicht  wenig  erfreut, 
als  wir  endlich  die  Feuer  des  Lagers  erblickten ;  denn  letzteres 
war  diesmal  nicht  auf  der  höchsten  Erhebung  des  Terrains,  son- 
dern in  einem  Thalkessel  unweit  vom  Brunnen  aufgeschlagen. 
Der  Name  desselben  ist  Bir  el  Hamesch  oder  Yegil;  gewöhnlich 


Das  Lager  am  Brannen  Tegil.  103 

wird  er  „Yiggeli"  ausgesprochen.    Unsere  Freude,  das  Lager 

9 

hier  zu  erreichen,  war  um  so  grösser,  als  wir  daselbst  nicht  al- 
lein alle  unsere  Leute  und  unser  ganzes  Gepäck  v.orfanden,  son- 
dern auch  Vorräthe,  —  ein  bei  unserem  halbverhungerten 
Zustande  nicht  unwichtiger  Umstand.  Natürlicherweise  wur- 
den wir  mit  Freuden  von  denjenigen  unserer  Diener  begrüsst, 
welche  wir  mit  dem  Rest  der  Araber  am  Bir  el  Eüma  zurück- 
gelassen; sie  waren  in  grosser  Bekümmemiss  wegen  unserer 
Sicherheit  gewesen,  da  ihnen  viele  ungünstige  Gerüchte  über 
die  Schicksale  unserer  Heerschaar  zu  Ohren  gekonynen  wa- 
ren, und  hatten  das  Lager  vor  mehreren  Tagen  vom  Blr  el 
Küma  nach  diesem  Platze  verlegt,  w.o  sie  nun  mit  der 
grössten  Sorge  unserer  Rückkehr  entgegenharrten. 

Das  Erste,  was  wir  zu  thun  hatten,  war,  eine  grosse  Schale 
Kameelmilch  anzugreifen,  und  so  behaglich  gestärkt,  ruhten 
wir  vor  unseren  Zelten  im  Genüsse  der  erfrischenden  Abend- 
kühle. Das  Lager  —  „dauar"  —  aber  war  höchst  eng,  da  es 
mit  der  dem  Feinde  abgenommenen  Beute  angefüllt  war. 
Die  Leute  hockten  aus  Furcht,  der  Feind  möchte  ihnen 
folgen,  ganz  eng  zusammen  und  hielten  gewissenhaft  Wache. 
Unter  solchen  Umständen  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  die 
Trauerklagen  der.  Frauen  über  die  Gefallenen,  welche,  von 
lauten  Klagetönen  auf  der  grossen  Trommel  begleitet,  dumpf 
durch  die  Nacht  hallten,  einen  tiefen  Eindruck  auf  das  ohnedies 
erregte  Gemüth  machten.  Jedoch  blieben  wir  hier  auch  den 
folgenden  Tag  ungestört  und  genossen  körperliche  und  geistige 
Ruhe  um  so  mehr,  da  das  Wetter  sehr  drückend  war. 

Hier  war  es,  wo  wir  die  Nachricht  erhielten,  dass  die 
Schwadron  Wadai-Reiterei,  welche  zum  Beistande  der  Worhda 
gekommen  war  und  am  vorhergehenden  Tage  den  Arabern 
so  viel  Furcht  und  Angst  verursacht  hatte,  nach  Mäö  zurück- 
gekehrt sei ;  und  eine  höchst  unterhaltende  Anekdote  ward  uns 
von  ihnen  erzählt,  diiB  zugleich  zeigt,  in  welch'  hoher  Achtung 
diese  W4d&i-Reiter  bei  den  Arabern  stehn  und  welche  Furcht 


104  IV.  Kapitel. 

die  Letzteren  wiederum  vor  den  Ersteren  haben.  Dreissig  Wa- 
dai-Reiter  sollten  in  Folge  der  dringenden  Bitten  der  Worhda 
zu  ihnen  gestossen  sein  und  gemeinsam  mit  ihnen  die  Spu- 
ren unserer  Freunde  verfolgt  haben,  indem  die  Worhda 
ihnen  vorstellten,  dass  eine  grosse  Anzahl  der  Letzteren  ge- 
tödtet  sei. 

So  kamen  sie  zeitig  am  Morgen  bei  unserem  Lager  in 
Xläli  an,  das  wii'  etwa  eine  Stunde  zuvor  verlassen  hatten, 
so  dass  der  von  unserer  Schaar  aufgewirbelte  Staub  noch 
deutlich  in  der  Entfernung  sichtbar  war.  Als  jedoch  die 
Worhda  die  Wädäi- Leute  anspornten,  jene  Heerschaar  an- 
zugreifen, wollten  sich  die  Letzteren  zuvor  überzeugen,  wie 
Viele  von  den  Arabern  in  dem  letzten  Treffen  gefallen  wären, 
während  34  Worhda  getödtet  sein  sollten.  Als  sie  daher 
nur  2  Gräber  fanden,  behaupteten  jene,  dass  jedes  der 
Gräber  10  Leichen  enthielte;  aber  die  Wädai- Leute  waren 
keineswegs  so  leichtgläubig,  sondern  öffneten  die  Gräber,  um 
sich  von  der  Tapferkeit  ihrer  Bundesgenossen  zu  überzeugen. 
Als  sie  aber  nur  2  Leichen  in  jedem  der  Gräber  fanden, 
schimpften  sie  die  Worhda  Lügner  und  fühlten  wenig  Nei- 
gung ,  den  kühnen  Eä,ubem  zu  folgen ,  die  so  viele  Feinde 
getödtet  hatten,  während  sie  nur  so  Wenige  der  Ihrigen  ver- 
loren. Allerdings  mag  dies  Geschichtchen  voi^  unseren  Freun- 
den, den  Ueläd  Slimän,  etwas  aufgeschmückt  sein,  wie  denn 
die  Letzteren  keineswegs  leugnen  konnten,  dass  ausser  einer 
Menge  anderer  Beute  aus  ihrem  eigenen  Lager,  die  der  Feind 
glücklich  davon  geschleppt,  der  Häuptling  der  Worhda  sich 
mit  dem  rothen  Bemus  brüsten  konnte,  den  wir  dem  Scheich 
Rhet  zum  Geschenke  gemacht,  ja  dass  er  sich  selbst  rühmen 
durfte,  diesen  kühnen  Streitern  4  Pferde  abgenommen  zu 
haben. 

[SonrUag,  26'*^  Oktober,]  Diesen  und  den  folgenden  Tag 
waren  die  Araber  insgesammt  damit  beschäftigt,  Briefe  nach 
Kukaua   zu    söhreiben  oder  vom  Fäki  schreiben  zu  lassen, 


Körperliche  Erschöpfung  des  Reifenden.  105 

da  ein  Eilbote  im  Begriffe  stand,  dahin  aufzubrechen.  Ich 
fiir  meine  Person  war  fast  der  Einzige,  der  nicht  einen  Brief 
zu  Stande  brachte;  aber  ich  besass  zu  solcher  geistigen  An- 
strengung nicht  Energie  genug  und  lag  lethargisch  in  meinem 
Zelte,  indem  ich  von  Zeit  zu  Zeit  meine  hinschwindenden 
Kräfte  mit  einem  Trunk  Kameelmilch  stärkte.  Hätte  ich  nur 
Kraft  genug  besessen ,  Müsse  würde  ich  genug  gehabt  haben, 
um  das  Tagebuch  über  meinen  Ausflug  in  die  östlichen  Land- 
schaften Käncms  auszufüllen;  aber  zu  solcher  Arbeit  war 
ich  vollkommen  unfähig,  und  die  Folge  war,  dass  dieser 
'Theil  meines  Tagebuches  stets  in  einem  sehr  rohen  und  un- 
ausgeführten Zustande  blieb.  Unendlich  hätte  die  Beschrei- 
bung dieser  Gegend  an  Lebendigkeit  und  Bestimmtheit  ge- 
winnen können,  vor  Allem  aber  wären  wenigstens  die  wichtig- 
sten Punkte  der  vergleichenden  Geographie  an  Ort  und  Stelle 
aufs  Reine  gebracht  worden. 

Scheich  Rhet,  welcher  der  Meinung  war,  dass  wir  ihm 
höchlichst  dafür  verpflichtet  wären,  dass  wir  so  viel  vom 
Lande  gesehn  hätten,  forderte  eine  Menge  Dinge  von  uns; 
wir  konnten  jedocjji  nur  wenige  seiner  Wünsche  befriedi- 
gen. Wir  erklärten  ihm  unsererseits,  dass  wir  mit' demje- 
nigen, was  wir  gesehn,  keineswegs  zufrieden  wären,  und 
dass  wir,  um  nicht  noch  mehr  Zeit  zu  verlieren,  entschlossen 
seien,  so  bald  als  möglich  nach  Kükaua  zurückzukehren,  und 
Hessen  ims  nicht  durch  seine  Vorstellungen,  dass  er  selbst 
in  5  oder  6  Tagen  nach  der  Hauptstadt  Bomu's  aufzu- 
brechen beabsichtige,  von  unserem  Vorhaben  abbringen. 

[Montag  f  27»ten  Oktober.']  Der  Eilbote  nach  Kükaua  brach 
im  Laufe  des  Morgens  auf.  Am  Abend  machte  eine  Schaar 
Freibeuter  einen  Angriff  auf  die  Kameele  der  Araber,  sie 
wurden  aber  von  der  Reiterei  verfolgt,  die  stets  für 
jeden  Fall  bereit  ist,  und  wurden  gezwungen,  ihre  Beute  im 
Stiche  zu  lassen,  so  dass  sie  kaum  mit  dem  Leben  davon 
kamen.    Der  Thalkessel,  in  welchem  der  Brunnen  liegt,  ist 


I 


106  .  lY.  Kapitel. 

reicher,  als  es  gewöhnlich  der  Fall  ist,  und  enthielt  mehrere 
Teiche  stehenden  Wassers,  aus  denen  das  Vieh  getränkt 
wurde.  Selbst  ein  wirkliches  Rohrdickicht  war  hier  zu  sehn 
und  hie  und  da  die  Höhle  eines  Löwen,  und  der  Fürst  der 
Wildniss  verfehlte  nicht,  seinen  Tribut  von  den  verschifedenen 
Arten  der  Thierwelt  -zu  erheben,  die  den  Besitz  unserer 
Freunde  ausmachten,  und  bezeugte  hinlänglich  seine  Neigung 
zu  einiger  Abwechselung  in  seinen  Mahlzeiten ;  denn  ein 
Pferd,  ein  Kameel  iind  ein  Bullochse  wurden  nach  einander 
seine  Beute. 

[Dienstag y  28«ten  Oktober.]  Da  wir  sahen,  dass  sich  eine 
Reisegesellschaft  sammelte,  um  ifäch  Kükaua  zu  gehn,  wäh- 
rend die  Araber  die  Absicht  hatten,  noch  einmal  wieder  nach 
Burka-drusso  zurückzukehren,  so  wandten  wir  uns  unverzüg- 
lich an  den  Häuptling,  um  ihn  von  unserer,  Absicht  in  Kennt- 
niss  zu  setzen,  die  Karawane  zu  begleiten.  Ein  Haupt  der 
Haddäda  oder  vielmehr  Büngo,  kam  im  Lager  mit  Friedens- 
anerbietungen  von  Seiten  der  Schiri  an  und'stattete  uns  einen 
Besuch  ab ,  gemeinsam  mit  Kedel  Baträm ,  dem  früher  er- 
wähnten Häuptling,  welcher  der  Schwiegervater  des  GhalTfa 
von  Mao  war.  Auch  Kobber  oder  vielmehr  das  Haupt  der 
Kobber  und  andere  angesehene  Leute  der  Fugäbü  .stellten 
sich  ein  und  ich  unterhielt  sie  mit  meiner  Spieldose. 

Nebenbei  bereiteten  wir  uns  zu  unserer  Rückreise  vor  und 
ich  kaufte  einen  kleinen  Lederschlauch  ganz  leidlicher  Dat- 
teln für  eine  halbe  Türkedi,  während  ich  dem  Renegaten 
'Abd  Allah,  der  zwischen  uns  und  dem  Häuptling  den  Ver- 
mittler gemacht  hatte,  um  nicht  sein  Schuldner  zu  bleiben, 
einen  Djerld  (d.  i.  ein  in  Djirbi  gewirkter  feiner  HÄik)-  zum 
Geschenk  machte. 

Diese  ganze  Zeit  fühlte  ich  mich  sehr  unwohl,  —  ein  Um- 
stand, den  ich  ganz  vorzüglich  den  grossen  Veränderungen 
der  Atmosphäre  zuschreibe,  indem  die  Nächte  kühl  und  die 
Tage  sehr  warm  waren. 


Yerlegang  des  Lagen  nach  AmAnko.  107 

[Freitag,  3P^^  Oktober,]  Ungeachtet  unserer  bestimmten 
Absicht,  nach  Kükaua  zurückzukehren,  mussten  wir  uns 
doch  noch  einmal  wieder  nach  Osten  wenden,  da  die  Araber 
ihr  Lager  nach  Amänko  verlegten,  dem  Thalkessel,  wel- 
chen wir  auf  unserem  Wege  von  Burka-drusso  nach  Yegil 
zur  Seite  gelassen  hatten.  Viel  Ungewissheit  und  Streit 
über  die  Stätte,  die  sie  zu  ihrem  Lager  wählen  sollten, 
hatte  unter  ihnen  geherrscht;  denn  ihre  Lage  war  bei  der 
geringen  Anzahl  der  zurückgebliebenen  Streiter  allerdings 
gefährlich. 

Es  war  ein  glücklicher  Umstand  für  uns,  dass  auch  die  am 
folgenden  Morgen  eingetrofifenen- höchst  ungünstigen  Nachrich- 
ten in  Betreff  der  Sicherheit  der  Strasse  nach  Bömu  auf  die 
Bestimmung  des  Aufbruches  der  Karawane  für  den  2*«»  Novem- 
ber keinen  Einfluss  hatten.  Am  Morgen  kam  nämlich  Einer  der 
Ueläd  Slimän  in  Begleitung  zweier  Bömu-Reiter  von  Kukaua 
an,  mit  Briefen  vom  Vezier,  in  deneu  er  die  Araber  in  den 
dringlichsten  Ausdrücken  bat,  ihr  Lager  ohne  Verzug  nach 
Keskaua  am  Ufer  des  See's  zu  verlegen,  wohin  er  nicht  ver- 
fehlen würde  den  ganzen  Rest  ihres  Stammes  zu  schicken, 
welcher  sich  zur  Zeit  in  der  Hauptstadt  aufhielte;  denn  er 
hätte  bestimmte  Nachricht,  versicherte  er  sie,  dass  die  Tuareg 
eine  andere  Expedition,  und  zwar  in  grossem  Maassstabe  ge- 
gen sie  vorhätten. 

Die  Nachricht  schien  wohlbegründet  zu  sein;  denn  die  3 
Boten  waren  auf  ihrem  Marsche  zwischen  Bärua  und  Nge- 
gimi  wirklich  einer  Schaar  Tuareg  begegnet,  von  denen  3  zu 
Fuss  und  die  Übrigen  zu  Pferde  gewesen,  und  nur  dadurch 
entkommen,  dass  sie  sich  in  die  vom  See  gebildeten  Sümpfe 
zurückzogen.  Diese  Nachricht  verbreitete  natürlicherweise 
grosse  Besorgniss  unter  den  Arabern;  aber  sie  wurden  densel- 
ben Tag  noch  mehr  beängstigt  durch  die  Botschaft,  dass  ein 
Trupp  von  15  Wädai- Reitern  in  einem  benachbarten  Thale 
im  Hinterhalt  läge.    In  Folge  davon  ward  eine  Schwadron 


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108  IV.  Kapitel. 

ausgesandt,  um  die  Umgegend  zu  durchstreifen;  sie  kehrte 
jedoch  zurück,  ohne  irgend  Jemanden  gesehn  zu  haben. 

[Sonntag  j  2fen  November,]  Endlich  erschien  der  Tag  un- 
serer Abreise  von  Känem.  Sicherlich  that  es  uns  sehr  leid, 
das  östliche  Ufer  des  See's  unerforscht  lassen  zu  müssen;  aber 
wir  hatten  uns  überzeugt,  dass  der  Charakter  unserer  Mission 
uns  nicht  länger  erlaube,  imser  Geschick  der  (lenossen- 
schaft  dieser  Freibeuter  anheimzustellen.  Wir  hatten  einige 
Mühe,  alles  zu  unserer  Rückkehr  Nöthige  in  Bereitschaft 
zu  setzen;  denn  die  Kameele,  die  wir  auf  diesem  Zuge  mit- 
genommen hatten,  waren  so  erschöpft,  dass  sie  nicht  im 
Stande  waren,  selbst  nur  das  geringe  Gepäck  fortzuschaffen, 
welches  uns  geblieben  war,  und  wir  hatten  zu  Scheich  Rhet's 
Freigebigkeit  unsere  Zuflucht  zu  nehmen.  Auch  schenkte 
er  uns  2  Kameele,  die  wundörbarerweise  gerade  eben  nur 
für  die  kurze  Reise  bis  Kükaua  ausreichten;  denn  das  eine 
derselben  fiel  bei  unserer  Ankunft  in  der  Stadt  ein  Paar 
Schritt  vom  nördlichen  Thore  und  das  zweite  in  geringer 
Entfernung  vom  südlichen  in  dem  Augenblicke,  als  wir  Kü- 
kaua auf  unserer  Expedition  nach  Müssgu  verliessen. 

Die  Karawane,  mit  der  wir  unsere  Rückreise  antraten,  war 
zahlreich,  aber  Alles  waren  Kanembü,  die  das  Wenige  an 
Hab  und  Gut  auf  Packochsen  und  ein  Paar  Kameelen  fort- 
schafften, und  ausser  uns  selbst  waren  nur  2  Reiter  dabei. 
Dennoch  befanden  sich  einige  angesehene  Leute  und  selbst 
einige  Frauen  unter  ihnen,  deren  übermässiger  Schmuck  an 
Glasperten  einen  grösseren  Mangel  an  Bildung  beurkundete, 
während  ihre  angenehmen  regelmässigen  Züge  und  schlanken 
Formen  einen  lebendigen  Gegensatz  gegen  die  häusliche 
Physiognomie  und  die  viereckigen  Formen  der  Bomu  -  Frauen 
bildeten.  Die  Verschiedenheit  zwischen  den  Bomu  und  Ka- 
nembü ist  höchst  auffallend,  obgleich  es  nicht  leicht  ist,  diese 
Erscheinung  auf  historische  Weise  zu  erklären  —  aber  wahr- 
scheinlich ist  sie  die  Folge  der  grösseren  Mischung  des  nach 


Rückreise  Dach  Kükaua.  -*  109 

£6mu  ausgewanderten  Volkes  mit  den  früher  hier  angesie- 
delten  Negerstämmen. 

Wir  waren  so  glücklich,  unsere  Rückreise  ohne  irgend 
einen  ernstlichen  Unfall  zu  vollenden,  obgleich  wir  einige 
leichte  Beimruhigungen  hatten.  Die  erste  dei'selben  befiel 
uns,  als  wir  uns  der  Stadt  Beri  näherten  und  alle  Einwoh- 
ner an  einer  engen  Passage  in  geringer  Entfernung  von  der 
Stadt  in  Schlachtordnung  aufgestellt  fanden,  und  im  ersten 
Augenblick  erhob  sich  ein  grosser  Alarm  auf  beiden  Seiten. 
Aber  wir  erfuhren  bald,  dass  sie  uns  für  Tuareg  gehalten 
hätten.  Es  hatte  nämlich  kurze  Zeit  zuvor  eine  zahl- 
reiche Raubbande  der  Letzteren  mit  etwa  200  Eameelen 
und  ebenso  vielen  Pferden  alles  zu  Beri  gehörige  Vieh  fort- 
geschleppt. 

Der  Zustand  des  Landes  war  so  unsicher,  dass  die  Ein- 
wohner Herrn  Dr.  Overweg  ungeachtet  seiner  ernsthaftesten 
Protestationen  nicht  gestatteten,  hiei^  zu  bleiben,  so  dass 
er  genöthigt  war,  die  Reise  in  Gesellschaft  der  Kafla  fortzu- 
setzen. Gewiss,  im  Falle  wir  einer  leidUch  starken  Truppe 
Tuareg  begegnet  wären,  würden  imsere  Gefährten  uns  sehr 
wenig  Schutz  gewährt  haben.  Wir  waren  jedoch  so  glück- 
lich, diesen  unsicheren  Strich  Landes  gerade  zu  einer  Zeit 
zu  passiren,  wo  eben  ein  Raubzug  jener  Horden,  mit  Beute 
beladen,  seinen  Rückweg  angetreten  hatte. 

Ernsthafter  war  im  Anfang  ein  anderes  ZusanimentrefFen, 
als  wir  eine  halbe  Tagereise  jenseits  Ngegimi  einer  Schaar  von 
mehr  als  40  Biidduma  begegneten ,  die  mit  Speer  und  Schild 
bewaffnet  und  nur  mit  einem  Lederschurz  angethan  waren.  Sie 
waren  damit  beschäftigt  gewesen,  aus  den  Wurzeln  der  „ssiwäk" 
(Cappar.18  aodata)  Salz  zu  bereiten,  und  als  sie  den  vorderen 
Theil  unserer  Reisegesellschaft  durch  den  dichten  Wald  daher- 
kommen sahen,  fingen  sie  einen  Angriff  an ,  so  dass  Herr  Dr. 
Overweg  imd  ich  gezwungen  waren ,  ein  Paar  blinde  Schüsse 
über  ihre  Köpfe  weg  zu  feuern,  worauf  sie  uns  unbelästigt  unse- 


5 


110  -  IV.  Kapitel. 

ren  Marsch  fortsetzen  Hessen;  denn  ausserdem,  dass  sie  sich 
bewusst  waren,  dass  wir  stärker  wären,  als  sie  vermuthet 
hatten,  erkannten  sie  auch  einige  ihrer  Freunde  unter  den 
Eanembü.  Immerhin  glich  unser  ganzer  Marsch  Von  Ngegimi 
nach  Bärua  durch  das  dichte  Unterholz,  mit  welchem  die 
Ufer  des  See's  hier  überwachsen' sind,  mehr  einer  Flucht 
als  einem  ruhigen  Marsch. 

Am  10*6»  November  erreichten  wir  den  Komadugu,  und 
nach  einer  lebhaften  Verhandlung  mit  dem  Statthalter  — „sqhi- 
tima" — ,  der  in  der  Stadt  Yö  residirt,  wurde  mir  und  mei- 
nem Gefährten  erlaubt,  den  Fluss  am  selbigen  Nachmittag 
zu  passir^n.  Denn  seit  der  Verödung  der  nördlichen  Pro- 
vinz ist  es  bei  den  Herrschern  Bomu's  Gebrauch  gewor- 
den, den  Fluss  als  eine  Art  politischer  Quarantaine  zu 
benutzen,  ein  Verfahren,  das  sie  natürlicherweise  nur  an- 
wenden können,  so  lange  der  Fluss  voll  ist,  während  ihn 
den  grösseren  Theil  des  Jahres  hindurch  ein  Jeder  nach  Gut- 
«  dünken  passiren  kann.  Selbst  mit  uns  übrigens  war  man 
strenger,  als  man  hätte  erwarten  sollen;  denn  nachdem  wir 
den  Fluss  schon  passirt  hatten,  gestattete  man  uns  nicht, 
unsere  Reise  nach  der  Hauptstadt  fortzusetzen,  ehe  der 
Bote,  der  dorthin  gesandt  war,  um  unsere  Ankunft  anzuzei- 
gen, mit  der  ausdrücklichen  Erlaubniss  zu  unserer  Weiterreise 
zurückgekehrt  wäre. 

Das  Uferland  am  Komadugu  war  sehr  verändert,  da 
der  Fluss  jetzt  seinen  höchsten  Stand  erreicht  hatte.  An- 
sehnliche Strecken  waren  mit  Waizen  bebaut  und  regel- 
mässig in  kleine  viereckige  Beete  von  4  bis  5  Fuss  im 
Durchmesser  getheilt,  die  jeden  Morgen  und  Abend  ver- 
mittelst Schöpfeimer  und  kleiner  Wasserrinnen,  bewässert 
wurden. 

Wir  erreichten  Kukaua  am  14*«»^  nachdem  wir  unterwegs  in 
Dau-erghü,  wo  sich  jetzt  ein  grosses  Wasser  angesammelt  hatte, 
einem  Trupp  von  etwa  50  Ueläd  Slimän  begegnet  waren,  die 


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•  . 


A  - 


Ankunft  in  Ktikava. 


111 


ZU  ihren  Gefährten  in  Känem  stossen  wollten.  Anch  sie  be- 
stätigten uns  die  Nachriclit,  die  wir  schon  'vom  Yöma  gehört 
hatten,  dass  der  Scheich  und  sein  Vezier  im  Begriffe  stän- 
den, auf  eine  Kriegsunteraehmung  auszurücken.  Nach  einem 
freundlichen  Empfang  vx)n  Seiten  unseres  Wirthes,  des  Ve- 
ziers,  konnten  wir  daher  in  unserem  eifrigen  Bemühen,  keine 
Gelegenheit  unbenutzt  zu  lassen,  mit  neuen  Gegenden  dieses 
Welttheiles  bekannt  zu  werden,  nicht  umhin  zu  versuchen, 
auch  diesen  Ejiegszug  auszubeuten,  wie  schwierig  es  auch 
in  Folge  unseres  gänzlichen  Mangels  an  Mitteln  für  uns  war, 
die  nöthigen  Vorbereitungen  für  einen  anderen  Feldzug  zu 
treffen ,  und  obgleich  die  Bestimmung  des  Heereszuges  nicht 
einmal  ganz  gewiss  war. 


V.  KAPITEL. 

KriegsrÜstungen 'gegen   Mändara. 


Von  der  angreifenden  Expedition  nach  Känem  in  unser 
Hauptquartier  zurückgekehrt,  verliess  ich  schon  nach  10  Ta- 
gen, am  25«*«^  November  1851,  Kükaua  wieder,  um  mich 
einem  neuen  Heereszuge  anzuschliessen.  Um  diese  Zeit  war  ich 
sowohl  als  Herr  Dr.  Overweg  gänzlich  von  Mitteln  entblösst, 
da  noch  nichts  von  den  für  uns  bestimmten  Hilfsgeldem  an- 
gekommen war,  und  ich  hatte  beträchtliche  Schwierigkeit, 
mich  mit  dem  für  diese  Reise  Nöthigen  auszurüsten,  während 
mein  Begleiter  noch  auf  unser  krankes  Kameel  warten  musste, 
das  sich  auf  der  Weide  befand. 

Schon  am  Sonnabend  vorher  waren  Scheich  und  Vezier  mit 
dem  Keni  des  Heeres  aufgebrochen.  Wohin  es  ging,  war  noch 
gar  nicht  bestimmt,  wenigstens  nicht  öflfentlich  bekannt,  und 
als  dii'ektes  Ziel  ward  nur  Mändara  angegeben,  um  den  Für- 
sten dieses  kleinen,  von  Bergen  geschützten  Ländchens  zum  Ge- 
horsam zu  zwingen.  I)ie  Hauptsache  aber  war,  dass  die  Kisten 
und  Sklavenräurae  leer  waren  und  gefüllt  werden  mussten; 
woher,  war  Nebensache.  Es  war  schon  jetzt  viel  Gerede  von 
einem  Ausbruche  der  Feindschaft  zwischen  'Abd  e'  Rahmän 
und  dem  Vezier,  da  der  Erstere  in  enger  Beziehung  zum  Für- 
sten von  Mdndara  stand,  und  dies  war  auch  der  Grund,  wess- 
halb  Herr  Dr.  Overweg  anfangs  lieber  zurückbleiben  wollte. 

hvi  meiner  Armuth  hatte  ich  jetzt  keinen  berittenen  Die- 
ner und  mein  ganzer  Tross  bestand  in  meiner  treuen  Naga 


—  „djige",  wie  die  Kanöri  das  weibliche  Kameel  nennen  — , 
die  sich  auf  der  Känem-Reise  vortrefflich  bewälirt  hatte,  und 
zwei  höchst  unbedeutenden,  geist^s-  und  körperschwacben  Fc- 
sSuern,  Mohammed  ben  Habib  und  Mohammed  ben  Ahmed.' 
Glücklicherweise  hatte  die  küblere  Jahreszeit  meine  Gesund- 
heit wieder  sehr  gei^tärkt  und  mein  Pferd,  obgleich  es  zu  dieser 
Zeit  kein  grosses  Übermass  von  Kräften  bcsass,  sich  auch  wie- 
der von  seinem  kleinen  Unwohlsein  erholt.  So  verfolgte  ich  bei 
massig  warmem  Wetter  wohlgemuth  die  mir  bekannte  Ngomu- 
Strasse,  die  jetzt  aber  einen  bei  weitem  weniger  ermüdenden 
Charakter  hatte,  als  vor  3  Monaten  bei  meiner  Rückkehr  von 
Ädamaua.  Damals  war  hier  noch  Alles  dürr  und  trocken, 
kaum  ein  einziger  frischer  ilalm  war  aufgeschossen,  und  ich 
hatte  meinen  Wasservorrath  bei  Kaine  mit  MUbe  aus  einem 
tiefen  Brunnen  schöpfen  müssen.  Jetzt  war  der  Boden  mit 
frischen  Kräutern  bedeckt,  die  Bäume  waren  neu  belaubt  und 
bei  Käine,  wo  der  Scheich  mit  seinem  Kriegstross  das  erst« 
Nachtlager  nahm,  hatte  sich  ein  grosses  Wasserbassin  gebildet. 
Dieses  Bassin,  von  schön  belaubten  Bäumen  umgeben,  hält  sich 
2  bis  3  Monate  nach  der  Regenzeit,  wo  es  dann  allmählich 
eintrocknet.  Jetat  tränkte  ich  ohne  weitere  Mühe  mein  Pferd 
und  ritt  dann  den  beiden  Fesänem  nach.  Hier  begegnete 
ich  meinen  Freunden  Hadj  Edriss  und  Schitima  Makaremma, 
die  vom  Lager  zurückkamen  und  mir  mittheiften,  dass  der 
Scheich  heute  jenseits  Ngömu  in  Kükia  lagere;  ich  hielt 
daher  während  der  heissen  Stunden  diesseits  Ngömu  eine 
kleine  Rast,  um  am  Nachmittag,  ohne  weiteren  Aufenthalt  in 
der  Stadt,  gleich  direkt  das  Lager  zu  erreichen.  Denn  rings 
um  die  Stadt  ist  im  Umkreis  von  1 'Stunde  fast  Alles  baum- 
loses Äckerfeld. 

-Ich  mochte  etwa  eine  Stunde  gerästet  haben,  als  Herr 
Dr.  Overweg  mir  mit  der  unerfreulichen  Botschaft  nachkam, 
dass  sein  Kameel  bei  Käine  gefallen  sei  und  selbst  ohne  Ge- 
päck nicht  wieder  aufstehen  wolle.    Während  er'  daher  bei 


I 


114  V.  Kapitel. 

mir  blieb,  sandte  er  seinen  Diener  Ibrahim  voraus,  um  vom 
Vezier  ein  anderes  Kameel  zu  erbitten.  Wir  folgten  später 
und  nahmen  unseren  Weg  direkt  zum  Lager,  während  der 
Pfad  von  Reitern,  Kameelen  und  Fussgängem  belebt  war. 
Das  Land  war  auf  dieser  Seite  nur  stellenweise  angebaut; 
doch  fiel  uns  etwa  2  Meilen  hinter  Ngömu  eine  sorgfältig  ge- 
pflegte Baumwollenpflanzung  in's  Auge  und  nahe  beim  Dorfe 
Kükia  zeigte  sich  schöner  Landbau. 

Diese  ganze  fruchtbare  Ebene  ward  im  Jahre  1854  ein 
Raub  der  Überschwemmung  des  Tsäd,  herbeigeführt  durch 
ein  Einsinken  des  Bodens,  wodurch  das  Land  die  wunder- 
barste Veränderung  erlitt.  Hier  gewannen  wir  den  ersten 
Blick  auf  das  Zeltlager;  aber  es  schien  keineswegs  bedeutend 
zu  sein  und  war  auch  erst  im  Entstehen  begriffen,  da  bis 
jetzt  nur  die  nächste  Umgebung  des  Hofes  versanmielt  war. 

Das  „ngdufate"  hatte  seine  bestimmte  Anordnung  und  un- 
sere Stelle  ward  uns  neben  dem  Zeltgehöft  Lammo's,  in  eini- 
ger Entfernung  östlich  von  dem  Gezelte  Hadj  Beschir's,  an- 
gewiesen. Da  Jeder  der  Grossen  wenigstens  einen  Theil  sei- 
nes Harims  mit  auf  den  „kengu"  nimmt,  so  genügt  ihnen  ein 
einfaches  Zelt  nicht,  sondern  es  wird  mit  Hilfe  von  Vorhän- 
gen aus  gestreiftem  Baumwollenzeug  eine  leichte  Umzäunung 
umher  angebracht,  um  grössere  Heimlichkeit  für  die  Häuslich- 
keit zu  gewinnen.  Für  den  Scheich  und  den  Vezier  ward  sogar 
bei  jedem  Lagerorte,  so  lange  wir  uns  auf  Bömu-Gebiet  be- 
fanden, stets  eine  Umzäunung  aus  Mattenwerk  errichtet.  Denn 
es  ist  unrichtig,  dass,  wie  man  gesagt  hat,  das  Königslager 

—  „keleno"  —    in  Bomu   von  dem  allgemeinen  Heerlager 

—  „ngaufate"  —  getrennt  sei,  und  man  ersieht,  aus  dem 
Geschichtswerke  des  Imäm  Ahmed,  dass  dies  auch  früher 
nicht  der  Fall  war.  Das  gewöhnliche  Kriegsvolk  hatte  wei- 
ter keinen  Schutz,  ausser  dass  sich  Einzelne  leichte,  hochge- 
giebelte  kleine  Hütten  aus  dem  Rohre  des  Indischen  Kornes 
errichteten,  das  jetzt  in  Fülle  auf  den  Stoppelfeldern  umherlag. 


Charakteristik  Lamlno^s.  115 

Lamlno  habe  ich  schon  früher  zuweilen  erwähnt,  ich  muss 
aber  hier  einige  Worte  mehr  von  ihm  sagen,  da  wir  durch 
diesen  Eriegszug  in  nähere  Beziehung  zu  dieser  eigenthüm- 
lichen  Persönlichkeit  kamen.  Wir  finden  hier  ganz  dasselbe 
Verhältniss  wie  in  Europa,  wo  notorische  Spitzbuben  mitun- 
ter die  trefflichsten  Polizeibeamten  abgeben.  So  war  Lamlno 

—  eigentlich  El  Amin  —  früher  ein  gefurchteter  Strassen- 
räuber  gewesen  und  nun  chef  de  police  oder  Zwangsmeister 

—  „sserki-n-karfi" ,  wie  die  Haussa- Leute  sagen  würden  — 
geworden ;  er  leistete  dem  sanfteren  Vezier  durch  seine  Hart- 
herzigkeit und  Schamlosigkeit  vortreffliche  Dienste  und  wir 
nannten  ihn  daher  nur  „die  schamlose  Linke".  Einkerkern 
und  peitschen  lassen  war  sein  Hauptvergnügen ;  er  konnte  in- 
dessen auch  sehr  sanftmüthig  und  liebenswürdig  sein,  imd 
nichts  amüsirte  HeiTn  Dr.  Overweg  und  mich  mehr,  als  wenn 
er  uns  in  höchst  sentimentalen  Ausdrücken  von  seiner  Liebe 
zu  der  begünstigten  Beherrscherin  seines  Herzens  erzählte,  die 
er  auf  dem  Kriegszuge  mit  sich  führte.  Auch  war  es  überaus 
spasshafl,  den  Schrecken  wahrzunehmen,  den  er  empfand,  wenn 
wir  die  Erde  mit  einem  Straussenei  verglichen,  da  es  ihm  bei 
seiner  Schwere  imd  Plumpheit  unbegreiflich  war,  wie  er  sein 
Gleichgewicht  darauf  bewahren  sollte. 

[Mittwoch,  26»i^  November.]  Die  vor  dem  Zelt  des  Scheichs 
ertönende  grosse  Trommel  gab  früh  am  Morgen  das  Zeichen 
zum  Aufbruch  und  in  breiter  Schlachtordnung  —  „bäta"  *)  — 
rückte  das  Heer  mit  seinem  mächtigen  Reitertrosse  über  die 
mit  hohem  Rohr  bedeckte  Ebene  hin,  die  nur  hie  und  da 
Anbau  zeigte.  Ich  blieb  jedoch  diesmal  noch  bei  den  Ka- 
meelen und  Lastochsen,  die  mit  Fussgängem  und  vereinzelten 
Reitern  in  langen,  unabsehbaren  Zügen  zur  Seite  marschir- 


*)  Dies  ist  die  wahre  Bedeutung  Ton  „bata",  nicht,  wie  KoUe  in  seinem 
Wörterbuche  angibt,  ^ytroop''.  ,,Bäta'*  ist  der  Oegensata  Ton  „fugunkä- 
dagu",  —  „Biner  hinter  dem  Anderen*^  — . 

8« 


116  V.  ^apiteL 

ten,  wähl-end  eirßelne  Trupps  Kanembü  in  ihrer  spärlichen, 
meist  aus  Lumpen  zusamnfengeflickten  oder  blos  aus  einem 
Schurzfell  bestehenden  Kleidung. und  mit  ihren  leichtert  Holz- 
schilden  unter  munteren  Zurufen  am  Lastzuge  vorübereilten.: 

So  erreichten  wir  mit  einem  Marsch  von  etwa  12  Meilen 
die  Baum woUenfelder  von  Yedi,  einem  nicht  unansehnlichen 
Städtchen,  das  sich,  von  einer  gut  erhaltenen  Thonmauer  um- 
gebeuj  auf  einer  Hügelreihe  zur  Linken  hinzog,  während  das 
Land  auf  der  Nordwestseite  sich  ah  sandige  Fläche  ausbrei- 
tet, die  nur  von  wenigem  Gesträuch  und  Dümgestrüpp 
— ^  „ngille"  —  und  wenigen  vereinzelten  Dünq)almen  unter- 
brochen wird.  Auf  dieser  Seite  bildet  sich  etwa  eine  Vier- 
telstunde  von  der  Stadt  nach  der  Regenzeit  ein  ansehnlicher 
Teich,  an  dessen  Ufern  die  Yedenser  Zwiebelgäcten  anlegen 
und  durch  Ziehbrunnen  —  „chattatir"  —  bewässern. 

Die  Sonne  brannte  sehr  stark,  während  die  Zelte  aufgeschla- 
gen wurden,  und  um- Mittag  war  die  Hitze  höchst  bedeutend. 
Wunderbarerweise  versäumte  ich  diese  ganze  Zeit,  thermo- 
metrische  Beobachtungen  anzustellen,  und  ich  befürchte  fast, 
dass  Herr  Dr.  Overweg  eben  nicht  aufmerksamer  auf  diesen 
Gegenstand  war.  Der  Grund  dieser  Unterlassung  war,  dass 
wir  stets. des  Morgens  so  sehr  früh  aufbrachen  und  um  Mit- 
tag gewöhnlich  keinen  Schatten  in  der  Nähe  unserer  Zelte 
hatten;  denn  das  Innere  unserer  sonnigen  Behausungen,  wo 
alle  Gegenstände  fast  ebenso  gut  Schatten  warfen,  wie  draus- 
sen,  konnte  natürlich  nicht  maassgebend  sein  für  die  Tempe- 
ratur der  Luft. 

Unser  Beschützer  Lamino  sandte  uns  dann  ein  vortreffliches 
Gericht  in  Milch  gekochten  Reises  mit  aufgelegtem  Honig- 
brod.  Der  Reis  war  von  ungewöhnlicher  Weisse,  während  er 
sonst  in  Bömu  keineswegs  besonders  gut  ist.  Dann  kam  auch 
eine  Schüssel  mit  Honigbrod  vom  Vezier  und  wir  hielten  es 
für  unsere  Pflicht,  ihm  und  durch  seine  Vermittelung  dem 
Scheich  .unsere  Aufwartung  zu  machen.    Der  Scheich  war  in 


Das  Lager  bei  TedL  117 

seiner  getäumigen  Thonbehausung  aiHSserhalb  der  Stadt  ab- 
gestiegen und  gab  gerade  den  Leuten  des  Ortes  grosse  Au- 
dienz. Bald  nach  den  gewöhnlichen  Begrüssüngsfonneln  ward 
die  Unterhaltung  durch  den  Vezier  auf  Denham  (Eaeis  Cha- 
lil)  gerichtet,  der  einst  mit  Kaschella  Bärka  ghanä  und  mit 
Bü-Chalüm  denselben  Weg  gezogen  sei,  und  es  kam  dann  des 
anwesenden  alten  Mallem  Schädeli  oder  Chadeli  —  damals 
einfacher  „fäki"  oder  „f  Tgi"  —  Verhalten  zum  Christen  (Den- 
ham) zur  Sprache,  der  von  des  Ersteren  feindlicher  Gesinnung 
so  treuen  Bericht  erstattet  hat.  Der  alte,  jetzt  sehr  mächtige 
Mallem  tischte  zur  Vergeltung  eine  Beschreibung  der  Scene 
auf,  wie  er  den  Major,  nach  der  schmählichen  Niederlage  aus- 
geplündert imd  kaimi  mit  dem  Leben  davongekommen,  in 
plenis  naturalibua  gesehn  habe,  mit  allen  den  Insignien 
—  dem  „tschl  kadugübe"  — ,  die  den  Ungläubigen  von  dem 
•Gläubigen  unterscheiden. 

Die' Weise,  in  der  diese  ganze  Geschichte  aufgefasst  wurde, 
zeugte  von  der  aufgeklärten  Duldsamkeit. dieser  Herren..  Der 
Scheich  sandte  uns  sogar  am  Abend  zwei  Hammel,  eine 
Last  Indischer  Hirse  —  ,>ngaberi"  —  und  zwei  Schüsseln  zu- 
bereiteter Speise,  und  da  uns  nun  auch  ein  hier  angesessener 
lustiger  Spielmann,  den  wir  von  früher  her  kannten  und  der 
Herrn  Dr.  Overweg  auf  seiner  Tsäd-Fahrt  begleitet  hatte,  be- 
wirthete,  so  war  des  Schmausens  kein  Ende.  Übrigens  fehlte 
auch  geistige  Unterhaltung  nicht,  da  der  wissbegierige  Vezier 
auf  diesem  Heereszuge,  wo  er  mehr  Müsse  hatte,  als  daheim 
•  in  seinem  Palaste,  so  viel  als  irgend  möglich  von  uns  lernen 
wollte  *).  Auch  den  folgenden  Tag  blieben  wir  hier  liegen, 
da  mehrere  Kriegei-schaaren  hier  ztmi  Heere  stossen  sollten. 
Der  Mangel  an  Holz  machte  sich  sehr  fühlbar. 


*)  Zwischen  Tödi  and  dem  Tsäd  liegen  folgende  Orte:  Lalge  oder  Lega, 
ein  ansehnliches  ummauertes  Städtchen,  Dihhua  oder  Döbna,  Djfggeri,  M&- 
nauäse,  Qördinä  und  Mögolim. 


I 


118  V.  Kapitel. 

[Freitag,  28«^«n  November.]  Das  „ngaufate"  rückte  bis  Marie 
vor.  Gleich  südlich  von  Yedi  dehnt  sich  eine  unabsehbar 
weite,  ganz  kahle,  nur  hie  und  da  mit  einzelnen  spärlichen 
Mimosen  bewachsene  Ebene  aus;  dies  ist  der -Anfang  des 
„firki"-  oder  schwärzlichen  Humusbodens,  der  in  den  südlichen 
Gegenden  Bömu^s  so  weite  Strecken  einnimmt  und  von  dem 
ich  im  vorigen  Bande  wiederholt  gesprochen  habe.  Aber  der 
auf  dieses  eigenthümliche ,  mit  der  grossen  Sumpflache  des 
Tsäd  in  der  engsten  Verbindung  stehende  Terrain  angewie- 
sene Anbau  der  „massäkuä''  oder  „mossogä"  (Holcus  cemuus) 
war  dies  Jahr  nach  spärlicherem  Regen  keineswegs  gut  aus- 
gefallen. 

Ich  war  mit  meinem  Kameel  vorangezogen ,  als  mich  der 
Vezier  gewahr  wurde  und  mich  zum  Scheich  rufen  Hess. 
Nachdem  mich  dieser  sehr  freundlich  begrüsst  hatte,  fragte 
er  mich,  warum  ich  meine  Pistolen  stets  im  Leibgürtel  trüge 
und  nicht  am  Sattel  aufhinge,  und  lobte  meine  Vorsicht,  als 
ich  mich  auf  Raeis  Chalil's  Unfall  berief,  der,  auf  seinem 
unglücklichen  Mandara-Zuge  vom  Pferde  geworfen,  ohne 
eine  Waffe  in  der  Hand  blieb.  Er  meinte  jedoch,  wir  hätten 
jetzt,  bei  einem  so  grossen  Heereszuge,  solche  Fährlichkeiten 
nicht  zu  befürchten,  bemerkte  mir  indess  sehr  schmeichel- 
haft, dass  er  mein  Beispiel,  das  Chronometer  stets  um  den 
Leib  gegürtet  zu  tragen,  nachgeahmt  habe  und  sehr  zweck- 
mässig finde. 

Der  Heerestrupp  ritt  hier  wiederum  hinter  den  vier  Fah- 
nenträgem des  Scheichs  und  einem  Djerma  in  breiter,  sich 
stattlich  entfaltender  Schlachtordnung,  ward  aber  bald  durch 
eine  Strecke  Unterwald  auseinandergesprengt  und  in  eine 
lange  Reihe  zusammengedrängt  Der  Lagerplatz  war  an  der 
Nordwestseite  der  Stadt  gewählt,  und  als  der  Scheich  bei 
der  für  ihn  bestimmten  Mattenbehausung  abgestiegen  war, 
sprengten  Alle,  mit  Einschluss  des  Veziers,  in  schnellster 
Carriere  heran;  ich  musste,  imi  nicht  umgeritten  zu  werden, 


Die  Stadt  MArte.  119 

ein  Gleiches  thun,  erhielt  aber  doch,  als  ich  Halt  gemacht 
hatte,  von  einem  mir  nachfolgenden  Reiter,  der  mit  grosser 
^'^^^'  "^li     iHiiu^    einen  sehr  schmerzlichen  Seiten- 

grossen Schaar  ist  stets 


Bniama,  meinem 
Stadt  Marte,  um 
[eden  Freitag  ab- 
gehaiit;ii,  —  jf^MBrartdTKiumen  umgebenen  freien 

Platze,  welcher  sich  vor  dem  westlichen  Thore  der  Stadt 
ausbreitet;  aber  er  war  heute,  wenigstens  um  diese  Tages- 
zeit, durchaus  unbedeutend.  Er  ist  ganz  ohne  Buden  imd 
Negerhiise  —  „argüm  möro"  — ,  Butter  und  Trinkschalen 
waren  fast  die  einzigen  zum  Verkauf  ausgebotenen  Gegen- 
stände; ebenso  war  auch  die  Zahl  der  Verkäufer  und  Käufer 
nur  gering.  Ich  ritt  dann  um  die  ganze  Stadt  herum,  die 
ungefähr  4000  Einwohner  hat  und  gut  ummauert  ist.  Auf  der 
Südseite  ist  die  wohlerhaltene  Mauer  von  Untergebüsch  um- 
geben, während  sich  auf  der  Ostseite,  wo  die  meisten  und 
wasserreichsten  Brunnen  sind,  einiger  Anbau  befindet,  der 
jedoch  dies  Jahr  von  geringer  Ausdehnung  war.  Beson- 
ders interessant  ist  eine  kleine,  aus  grossen  Rohrhütten  be- 
stehende Vorstadt  auf  der  Nordseite,  wo  neben  Kanöri-Volk 
mehrere  Fulbe-  oder  Felläta-Familien  wohnen.  Die  ziemlich 
genau  orientirte  Stadt  hat  auf  jeder  Seite  ein  Thor,  nach 
der  Marktseite  aber  zwei;  ihr  Inneres  besteht  meist  aus 
Thonwohnungen  und  engen  Strassen.  Vom  gewöhnlichen 
Treiben  in  derselben  konnte  man  natürlich  bei  der  Anwe- 
senheit einer  solchen  Heerestruppe  nichts  sehn;  aber  es  war 
mir  interessant,  dass  Billama's  Mutter  auf  dem  sehr  kleinen 
Marktplatz  innerhalb  der  Stadt  eine  Bude  hatte.  —  Märte, 
sowie  Alä  gehören  Malay  Ibram,  dem  ich  am  folgenden 
Tage,  wo  wir  hier  noch  liegen  blieben,  einen  Besuch  ab- 
stattete. 


i 


120  V.  KapiteL  ' 

Unsere  Zelte  waren  jetzt  so  mitgenommen,  dass  sie  wäh- 
rend der  Mittagshitze  nur  höchst  geringen  Schutz  darboten 
und  uns  sehr  unbequeme  Stunden  zubringen  liessen^  Denn 
mein  grosses  Zelt  konnte  ich,  da  es  ein  Eameel  :^m  Trans- 
port und  mehrere  Leute  zum  Aufschlagen  erforderte,  in 
meinen  damaligen  Verhältnissen  nicht  gebrauchen. 

[Sonntag  y  30«ten  November.]  Da  ich  am  gestrigen  Abend 
ein  schweisstreibendes  Mittel  eingenommen  hatte,  blieb  ich 
heute  Morgen  lange  hinter  der  Truppe  zurück,  mn  erst  die 
Sonne  aufgehen  zu  lassen.  Es  war  weit  erfreulicher,  den 
schönen  Morgen  in  Ruhe  gemessen  zu  können,  obgleich  das 
Land  Anfangs  eine  fast  Ununterbrochene  nackte  „firki"-  Ebene 
jnit  rauhem  zerklüfteten  Boden  darstellte,  die  nur  auf  dem 
schmalen  Pfade  ein  leichtes  Portkommen  bot. —  Nahe  vor  dem 
Dorfe  Marte-ghanS  —  „Klein  -  Marte"  —  stapd  der  Holcua 
noch  auf  den  Feldern,  die  Ähren  waren  aber  fast  sämmt-  ' 
lieh  von  der  Truppe  abgepflückt;  dann  folgte  „karäga"  (un- 
bebautes, mit  Mimosen  bewaldetes  Land).  Ich  ruhte  ein 
Stündchen  unter  einer  Gruppe  prächtiger,  dichtkroniger  Ta- 
marinden zur  Seite  des  Weges  (bei  zwei  kleinen,  freundlich  • 
gelegenen  Dörfern ,  wo  sich  auch  einige  Abtheilungen  des 
Heeres  gelagert  hatten),  um  die  Mittagshitze  vorübergehn.  zu 
lassen  und  etwas  gastfreundliche  Pflege  zu  finden,  was  im  gros- 
sen Lager  nicht  möglich  war;  denn  da  gibt  es  kein  Kom- 
missariat und  Jeder  sorgt  für  sich  selbst,  so  gut  er  kann, 
zum  grossen  Nachtheil  der  Landschaft,  durch  welche  der 
Marsch  geht,  —  selbst  im  eigenen  Lande. 

Kurz  vor  10  Uhr  erreichten  wir  das  Lager,  welches  auf  der 
Westseite  der  Stadt  Alä,  wo  die  Brunnen  sind,  aufgeschlagen 
war,  während  die  Nordseite  von  schönen  Bäumen  umgeben 
ist.  Alä  ist  .eine  nicht  unansehnliche  Stadt,  von  einer  leid- 
lieh  erhaltenen  Thonmauer  umschlossen,  mit  je  zwei  Thoren 
auf  der  Nord-  und  Westseite  und  je  einem  auf  der  Süd-  • 
und  Ostseite.    Das  Innere  der  Stadt  ist  von  grossen  Bäumen, 


Lager  bei  A15.  121 

meistens  Tschedia's  ^  ^Äe^na  elastica)  und  Küma's,  belebt, 

.während  sich  die  Hütten   durch  hoch  aufsteigende  Dächer 

'auszeichnen,  welche  zuweilen  von  BÄukengewächsen  —  der 

Cucurbita  lagenarta  —  hübsch  umschlungen  sind ;  Thonwoh- 

nungen  sieht  man  hier  nur  wenig. 

Da  mich  der  Scheich  schon  seit  mehreren  Tagen  wiederholt 
um  meinen  Kompass  gebeten  hatte,  in  der  Meinung,  es  wäre 
ja  genug,  wenn  nur  Einer  von  uns  beiden .  ein  solches  Instru- 
ment besässe,  sandte  ich  ihm  meine  Spieldose,  an  der  er  stets 
grosses  Vergnügen  gefunden  hatte ,  mit  dem  Bemerken  zum 
Geschenk,  dass  ich  solche  Gegenstände  verschenken  könnte, 
aber  keine  Instrumente.  -^  Von  Lamino  erhielten  wir  heute 
etwas  gut  zubereitetes  Hasenfleisch,  wie  denn  im  Laufe  des 
.  Tages  mehrere  Hasen  eingefangen  worden  waren. 

[Montag,  i«'<^  Dezember.]  Bald  nach  unserem  Aufbruche 
hatten  wir  ein  kleines  Dickicht  zu  passiren,  und  es  entstand 
hier-  wegen  der  Indisciplin  des  Heeres  ein  höchst  unerfreu- 
liches Drängen  und  Stossen,  wobei  ein  oder  zwei  Reiter 
stark  verletzt  wurden.  Sowohl  bei  solchen  Gelegenheiten, 
als  auch  in  dichtem  Walde  sind  die  grossen  Arabischen 
Steigbügel  von  unschätzbarem  Werthe,  indem  sie  das  ganze 
Bein  schützen  und,  geschickt  damit  manövrirt,  jeden  Zudring- 
ling  in  ehrerbietiger  Entfernung  halten.  Mit  Englischen 
Steigbügeln—  davon  bin  ich  fest  überzeugt  —  würde  ich 
auf  meinen  Reisen  um  beide  Beine  gekommen  sein. 

Unser  Weg  führte  dann  wieder  über  einförmigen  „firld"*)- 
Boden  und  wir  Hessen  mehrere  Felder  mit  Indischer  Hirse 
zur  Seite,   welche  recht  schön  standen.  —  Einzelne  Dörfer 


*)  Es  ist  mir  höchst  wahrscheinlich,  dass  Kölle's  Bemerkung  (S.  400  seines 
Wörterbaches  i)nter  dem  Worte  „sangafaram**  [d.  i.  „schingafaram"])  über 
einen  Distrikt  P^rgi,  dessen  Hauptstadt  Dfköa  sei,  ein  blosses  Missverständniss 
des  allgemeinen  Ausdruckes  „flrki"  ist.  —  Wenn  ich  dann  und  wann  Einiges 
an  KöUe's  Arbeiten  rüge,  so  geschieht  es  nur  desshalb,  weil  sie  in  ihren 
Hauptzügen  vortrefflich  sind. 


I 


122  y.  Kapitel. 

liegen  überall  zerstreut,  selbst  in  scheinbar  unangebautcn 
Gegenden,  obgleich  diese  Provinz  keineswegs  viele  kleine  An- 
siedelungen hat  —  ausser  den  Schüa-Dörfem  — ,  indem  die 
Bewohner  mehr  in  befestigten  Städten  zusammengedrängt 
leben. 

Auf  den  „firki"- Boden  folgte  Untergebüsch,  das  sich  bis  an 
die  Mauern  der  grossen  Stadt  Diköa  erstreckte,  welche  von 
hohen,  sich  prächtig  ausbreitenden  Bäumen  überragt  wurden, 
während  die  westliche  Seite,  an  der  entlang  wir  ritten,  dicht 
mit  Frauen  und  Kindern  besetzt  war;  ein  grosser  Zug  Frauen, 
die  ihren  Oberherm  bei  seiner  Ankunft  auf  dem  Lagerplatze 
begrüsst  hatten,  kam  uns  im  besten  Putze  entgegen.  Ich 
ward  angenehm  üben-ascht  durch  die  ungleich  vortheilhaf- 
tere  Körper-  und  Gesichtsbildung,  die  sie  vor  ihren  Lands- 
männinnen in  der  Hauptstadt  auszeichnete.  —  Besonders 
auffallend  war  mir  der  geringe  Anbau,  den  man  bei  dieser 
so  grossen  Stadt  antraf;  wenigstens  war  auf  der  Westseite 
derselben  nur  weniges,  von  einer  Waldung  mächtiger  Bäume 
begrenztes  Ackerfeld  zu  sehn.  Ich  hörte  bei  dieser  Gelegen- 
heit, dass  dies  Jahr  wegen  des  geringen  Regenfalles  so  gut 
wie  gar  keine  „mössogä"- Ernte  gewesen  sei. 

Das  „ngaufate"  fing  an,  sich  hart  ausserhalb  der  südlichen 
Stadtmauer  zu  bilden,  wo  sich  ein  baumloser,  tief- sandi- 
ger Platz,  rings  umher  von  Walddickicht  umgeben,  ausbrei- 
tet. Obgleich  im  Dezember,  war  die  Sonnengluth  doch  sehr 
stark,  und  ich  setzte  mich,  die  Kameele  erwartend,  in  den 
Schatten  einer  dichten  Bito  (Balanitea  Aegyptiacua)^  bis  das 
stets  sich  weiter  ausbreitende  Lager  naher  und  näher  rückte 
und  ich  dem  Kaschella  Djätto  meinen  Platz  einrämnte.  Er 
bot  mir  dafür  ein  schönes,  krystallhelles  Stück  frisch  vom 
Baume  gepflückten  Gummi's  an,  das  voll  flüssiger  Süssigkeit 
war;  in  solchem  Zustande  ist  dasselbe  überaus  erfrischend 
und  bildet  hier  nicht  weniger  als  in  Timbuktu  einen  Lecker- 
bissen. 


B(5nio*8  Verkehrswege  mit  Europa.  128 

Das  wie  aus  dem  Boden  hervorspriDgendc  Heereslager 
mit  seinen  mannichfaltigen,  für  den  Augenblick  gebildeten, 
leichten  Wohnungen,  den  verschiedenen  Truppengattungen, 
der  Menge  zum  Theil  vortrefflicher  Pferde  aller  Farben, 
dann  die  ankommenden  Züge  der  Lastthiere,  Kameele  und 
Packochsen,  mit  dem  Hausgeräth  und  den  wohlverhüllten 
Frauen,  —  Alles  bildete  ein  überaus  interessantes  Bild ;  denn 
jetzt  hatte  sich  schon  fast  das  ganze  Kriegsvolk  zusammen- 
gefunden, so  dass  sicherlich  20,000  Menschen  mit  10,000 
Pferden  und  wenigstens  ebenso  vielen  Lastthieren  hier  ver- 
sammelt waren.  Über  die  Bestandtheile  des  „kebü"  werde 
ich  im  weiteren  Verlaufe  unseres  Heereszuges  einiges  Nähere 
angeben. 

Am  Abend,  nachdem  sich  die  übrigen  gewöhnlichen  Gäste 
des  Veziers,  als  Lamino,  Abü-DAüd  (einer  der  angesehensten 
Schüa- Häuptlinge),  Salah,  Grema  Melüd  u.  A.  m.,  entfernt 
hatten  und  nur  Hadj  Edriss  dageblieben  war,  entspann  sich 
zwischen  uns  und  unserem  Gönner  ein  sehr  ernstes  Gespräch 
über  die  Mittel  Bomu's,  sich  wieder  zu  seiner  früheren  Grösse 
emporzuschwingen,  —  wobei  natürlich  das  Prinzip  dieser  ver- 
heerenden Rhasien  und  Sklavenjagden  zur  Sprache  kam  und 
dagegen  der  Grundsatz  einer  wohlgeregelten  Regierung,  so- 
wie auf  Herrschaft  und  dauernde  Eroberung  abgesehener 
Kriegszüge  aufgestellt  wurde.  Besonders  machte  ich  den 
Vezier  darauf  au&nerksam,  dass  es,  da  sie  den  Türken  ein- 
mal nicht  trauen  könnten,  ihr  erstes  Interesse  hätte  sein  sol- 
len, sich  den  grossen  südlichen  Strom,  welcher  ihnen  leicht 
Alles,  dessen  sie  bedürfen  möchten,  aus  Europa  zuführen 
könnte,  frei  zu  halten.  Er  schob  die  ganze  Schuld  auf  die 
früheren  Sultane  des  Landes;  aber  die  armen  Leute  liatten, 
als  sie  das  Land  der  Köana  beherrschten,  wohl  keine  Idee 
davon,  dass  der  dieses  Gebiet  durchschneidende  Strom  di- 
rekt  dem  Meere  zuflösse,  und  wenn  sie  es  ahnten,  so  war 
der  feindliche  Gegensatz  zwischen  Isslam  und  Christenthum 


I 


124  V.  Kapitel. 

ZU  damaliger ' Zeit  noch  so  gross,  dass  sie  eben  aus  dem 
Grunde,  weil  jener  Strom  den  Christen  einen  leichten  Zu- 
gang in  ihr' Land  eröffnete,  jede  engere  Verbindung  mit  dem- 
selben für  sehr  gefährlich  halten  mussten.  Jetzt  ist  dies 
aber  ^anz  anders,  und  es  ist  gar  keine  Frage,  dass  ein 
energischer  Häuptling  vom  Benue  aus  ganz  Central -Afrika 
beherrschen  könnte.  Energie  ist  jedoch  leider  gerade  das, 
was  diesen  Leuten  fehlt. 

Herr  Dr..Overweg  betonte  bei  dieser  Gelegenheit  in  einer 
begeisterten  Rede  die  Abschaffung  des  Sklavenhandels,  wo- 
gegen der  Vezier  geltend  machte,  dass  ihm  die  Sklaven  die 
Mittel  an  die  Hand  gäben,  Feuerwaffen  zii  kaufen.  Da  hatte 
er  gerade  den  Nagel  auf  den  Kopf  getroffen ;  denn  eben  die 
Begierde  nach  den  Feuerwaffen  der  Europäer  hat  den  Skla- 
venhandel an  der  ganzen  Westküste  hervorgerufen.  Aber 
wozu  wollen  diese  Leute  Gewehre  haben  ?  Nicht  um  sich  da- 
mit eine  überwiegende  Herrschaft  zu  verschaffen,  sondern 
besonders  eb^  desshalb,  um  wieder  Sklaven  einzufangen  und 
mit  einem  guten  Vorrath  dieser  schmählichen  Handelswaare 
sich  diejenigen  Luxusartikel  Europäischer  Civilisation  zu  ver- 
schaffen, mit  welchen  sie. bekannt  geworden. 

Indem  ich  also  auf  die  Ansichten  unserer  Freunde  ein- 
ging, erklärte,  ich  dem  Vezier,  dass  ihr  Land  gar  vieles 
Andere  erzeuge,  wofür  sie  Feuerwaffen  erhalten  könnten, 
ohne  alle  ihre  Nachbarländer  wüste  zu  legeji  und  Noth  und 
Elend  über  so  viele  Tausende  zu  bringen.  Ich  erzählte  auch 
von  den  letzten  Unterhandluilgen  mit  Dahome,  wo  dann 
unser  Freund  bestimmt  erklärte ,  dass ,  wenn  die  Englische 
Regierung  ihnen  1000  Gewehre  und  4  Kanonen  geben  könne, 
sie  den  im  Handelsvertrage  schon  von  Richardson  als  zu  ge- 
fährlich  ausgelassenen  Artikel  über  die  Abschaffung  des  Skla- 
venhandels sotori,  unterschreiben  wollten.  —  Könnten  sie 
sich  mit  dem  Benue  in  Verbindung  setzen,,  so  wäre  dies  et- 
was Leichtes:  durch  das  Gebiet  der  Türken  aber  imd  durch 


Abftchaffang  des  SklaveDhan^^ls  in  Börnu.  125 

die  Wüste  eine  solche  Menge  von  WaflFen  zu  schaflfen,  würde 
keineswegs  ohne  Schwierigkeit  soin.  Und  die  Hauptsache 
ist  die  Frage  nach  der  Dauerhaftigkeit  dieser  Dynastie.  — 
Der  Vezier  seihst  uhteriag  schon  nach  .2  Jahren,  und 
Scheich  'Omar,  der  nun  wieder  zur  Herrschaft  gekom- 
men ,  wie  lange  wird  er  sich  ohne  eine  feste  Stütze  halten  ? 

Aber  der  Sklavenhändel  ist  jetzt  wenigstens  faktisch,  wie  es 

• 

scheint)  an. der  .Nordküste  abgeschafft  und  es  muss  dieser 
Umstand  besonders  auf  das  ganz  in  der  Mitte  gelegene  Börnu 
einen  sehr  grossen  Einfluss  ausüben  —  besonders  wenn  jetzt 
endlich  wirklich  ^in  regelmässiger  Verkehr  auf  dem  Benue 
emgeleitet  wird. 

Es  war  unsere  Bestimmung,  hier  mehrere  Tage  liegen  zu 
bleiben;  denn  während*  sich, das  eigentliche  Kanöri-Volk 
schon  ziemlich  zusammengefunden  hatte,  waren  erst  höchst 
wenige  Schüa  angekommen,  die  meist  in  diesen  südöstlichen 
Gebieten  des  Landes  wohnen.  In  der.That  ward  unser  La- 
ger,  dessen  südwestlicher  Theil,  wo  wir  gelagert  waren, 
schon  von  vornherein  nicht  sehr  weitläufig  gewesen  war,  von 
Tag  zu  Tag  enger  und  Mancher  irrte  ruhelos  umher.  Einem 
angeseheneren  Manne  unter  diesen  neu  angekommenen  Schüa, 
Namens  Hadj  Hamadän,  von  den  Ha-ssünna,  der  von  seinem 
gewöhnlichen  Wohnsitz  im  Wadi  Guskäb ,  im  fernen  Osten  ge- 
legen, auf  einige  Zeit  nach  Loggene  gekommen  war,  wo  er  Ver- 
wandte hatte,  erzeigte  ich  eines  Abends  Gastfreundschaft. 
Aber  die  Schüa  haben,  wie  ich  schon  bei  anderer  Gelegenheit 
bemerkt  habe,  in  ihrem  Charakter  ietwas  entschieden  Jüdi- 
sches und  ergreifen,  wenn  man  ihnen  einen  Finger  reicht, 
nur  zu  leicht  die  ganze  Hand ;  sonst  würde  ich  mich  näher  mit 
ihnen  eingelassen,  haben.       .  .. 

Ih  e  Einwanderung  in  diese  Gegenden ,  die  wenigstens  vor 
mehreren  Jahrhunderten  erfolgte,  ist  sicherlich  nicht  ohne  In- 
teresse,  und  sie  bewahren,  wie  icfh  schon  andergwo  bemerkt, 
den 'charakteristischen  Typus*  ihrer  Rasse  sehr  Bestimmt.    Ihr 


I 


126  V.  Kapitel. 

Arabischer  Dialekt  ist  sehr  eigenthümlich,  und  während  er  An- 
spruch auf  eine  ungleich  grössere  Reinheit  macht,  als  das  ver- 
dorbene Patois  des  Maghreb,  yorzüglich  durch  Beibehaltung 
der  reichen  Verbalformen,  so  hat  er  doch  im  Anfang  etwas 
überaus  Auffallendes  durch  die  scharfe  Vokalisirung  und 
ihr  ewiges  „kutsch,  kutsch"  —  «ganz  und  gar"  —  und  „ber- 
ketek"  —  „zu  Gnaden"  — ,  das  sie  wahrhaft  lächerlich  hin- 
ter jedes  dritte  Wort  einschieben.  Ein  so  knechtisches  Kom- 
pliment haben  sie  oflFenbar  in  der  unterthänigen  Stellung  ge- 
lernt, in  der  sie  in  diesen  Negerländem  stehn,  obgleich  sie 
hier  in  Bornu  noch  ziemlich  glimpflich  behandelt  werden,  be- 
sonders seitdem  ihnen  durch  Tiräb,  der  zu  den  Sdlamät  ge- 
hörte, die  höchste  und  einflussreichste  Würde  im  Lande  zu 
Theü  geworden  ist.  Aber  wir  werden  sehn,  wie  schlecht  sie 
noch  heute  in  Wädäi  behandelt  werden. 

Von  Kanon  ^Leuten  fehlten  ausser  kleineren  Trupps  nur 
noch  die  beiden  Kaschella's  'Ali  Marghi  und  Djerma;  sonst 
waren  mit  Ausnahme  von  Kaschella  Mdnso,  meinem  gast- 
freundlichen Wirthe  in  Surrikulo,  dessen  Anwesenheit  an 
seinem  Posten  der  Tuareg  halber  zu  wichtig  war,  alle  Ka- 
schellanate  und  Truppenabtheilungen  von  diesseit  des  Komä- 
dugu  versammelt.  Denn  von  Yen,  Ghäladl  und  Damägherim, 
das  heisst  den  Provinzen  jenseit  des  Komädugu,  ist  Niemand 
verpflichtet,  an  diesen  Kriegszügen  des  Scheichs  Theil  zu 
nehmen,  sondern  Jeder  bleibt  auf  seinem  Posten. 

Eine  höchst  eigenthümliche  und  auffallende  Erscheinung 
im  Lager  war  ein  Targi-Bote,  der  in  Folge  der  oben  ange- 
deuteten Friedensvorschläge  nach  Kükaua  gekommen  war  und 
den  der  als  zeitweiliger  Viceregent  dort  zurückgelassene 
Mallem  Mohammed  dem  Heereszuge  nachgesandt  hatte. 

Die  Stadt  Diköa,  die  oft  als  Residenz  der  Könige  von 
Bornu  gedient  hat,  war  wohl  einiger  Aufmerksamkeit  werth, 
und  am  Nachmittage  unseres  zweiten  Rasttages  stattete  ich 
ihrem  Inneren  einen  Besuch  ab,  wiederum  in  Gesellschaft 


Das  Innere  der  Stadt  Dfköa.  127 

Blllama^s.  Wir  ritten  zum  westlichen  Thore  hinein,  wo  ich 
dann  sah,  dass  die  Mauern,  die  wohl  30  Fuss  Höhe  haben, 
im  Inneren,  gleich  denjenigen  der  Hauptstadt,  abgestuft  sind 
und  unten  eine  ansehnliche  Breite  haben;  sie  waren  übri- 
gens in  bester  Ordnung. 

Sobald  wir  das  Innere  betreten  hatten,  fielen  mir  die  hohen 
und  der  Spitze  ermangelnden  —  „kögi  ngmibe"  — ,  oben  ganz 
abgerundeten  Hütten  auf,  wie  ich  deren  schon  in  anderen  Städ- 
ten bemerkt  hatte,  und  je  weiter  wir  kamen,  um  so  besser 
gefiel  mir  das  Innere  der  Stadt,  wie  mir  ihr  Äusseres  gleich 
beim  ersten  Anblick  durch  seine  Grösse  imponirt  hatte.  Grosse, 
weitkronige,  herrliche  Bäume,  als  Ngäbore  (Ficus),  Tschedia 
(Kautschuk)  und  Küma,  breiteten  ihren  Schatten  überall  aus 
und  gegen  ihre  breite  Laubkrone  bildeten  2  oder  3  ver- 
einzelte Gonda  oder,  wie  der  Kanöri  sie  nennt,  „bam- 
büs  Mdsarbe"  (Garica  Papaya)  mit  ihren  eigenthümlichen 
federartigen  Kronen  und  ihrem  glatten,  jungfräulichen  Stamm 
einen  lebendigen  Gegensatz,  während  die  Hecken  und  Um- 
zäunungen der  Höfe  zum  Theil  von  der  „dagdägeF^  einer 
üppig  hinrankenden  Schlingpflanze,  belebt  waren.  Der 
eigentliche  Kern  der  Stadt  schien  ganz  aus  Thonwohnungen 
zu  bestehen. 

So  kamen  wir  zum  Hause  des  Statthalters  —  „mainta"  — , 
der  eine  gewisse  Unabhängigkeit  geniesst  und  dem  ich,  wenn' 
ich  ein  anständiges  Geschenk  bei  mir  gehabt  hätte,  einen 
Besuch  gemacht  haben  würde.  Ganz  fürstlich  war  der  von 
der  herrlichen  Krone  einer  Besina  elastica  (der  schönsten, 
die  ich  in  Bornu  gesehn  habe)  beschattete  und  mit  Pferde- 
bäumen —  „dateram"  —  versehene  kleine  Platz  vor  seinem 
Hause,  der  „fäge"  —  „oflfene  Rathssaal''  — ^  von  einem  grossen 
Kreise  Menschen  besetzt,  unter  denen  eine  Bande  Musik  auf- 
spielte. 

Die  Stadt  hat  wohl  nicht  unter  25,000  Einwohner,  deren 
Hauptbeschäftigung  Baumwollenweberei  ist,  aber  es  ist  hier 


I 


128  V.  Kapitel.      ~ 

selbst  eine  Pulverstampferei ;  denn  Pulvermählen  gibt  es  hier 
noch  nicht,  sondern  das  Pulver  wird  iA  einem  grossen  höl- 
zernen Mörser  gestampft,  und  ich  kam  in  der  Folge  in  Ba- 
ghfnbi  jedes  Mal,  wenn  ich  meinen  gebrannten  Kaffee  stam- 
pfen liess,  da  ich  keine  Kaffeemühle  besass.,  in  den- Ver- 
dacht, Pulver  zu  bereiten. 

•  •  • 

Leider  wai"  durch  die  Anwesenheit  des  Heeres  die  fried- 
liche Beschäftigung  der  Einwohner  gestört,  und  anstatt  des 
Klopfens  von  Geweben,  das  in  vielen  Städten  Sudans  einen 
so  angenehmen,  reges  gewerbliches  Leben  veranschaulichen- 
den  Ton  hat,  hörte  man  nichts  als  den  Schall  des. Pulver- 
stampfens, der  aus  einer  auf  sehr  ^fachep  G^iTLndsätzen  be- 
ruhenden Pulverfabrik,  wo  8  Sklaven  beschäftigt  waren, 
hervorschallte. 

So  setzten  Billama  und  ich  unseren  Ritt  nach  dem  kleinen 
Nachmittagsmarkt  —  „durria"  —  fort,  fanden  ihn.  aber 
augenblicklich,  wo  jdas  Heerlager  das  Stadtleben  ganz  in  den 
Hintergrund  drängte  und  wo  die  Bewohner  sich  wohl  nicht 
ganz  ohne  Grund  vor  Gewaltthätigkeiten  fürchteten,  unbedeu- 
tend. Die  Stadt  gefiel  mir  so  wohl,  dass  ich  nicht  umhin 
konnte,  einem  Diköaner,  der  meinen  Begleiter  begrüsste,  mein 
Wohlgefallen  mit  „atema  billa  ngiUa"  —  „das  ist  eine  schöne 
Stadt"  —  auszudrücken,  worauf. er  in  stolzem  Bürgergefühl 
entgegnete:  „äte  billa  deka  geni,  dte  billa  maiwa"  —  „das 
ist  keine  Landstadt,  das  ist  eine  Residenz"  — . 

Nahe  bei  dem  Nordnordwestthore  sah  ich  sqhr  viel  Ka- 
räss  (Hibiscus  esculentits)  in  den  die  Hüttea  umgebenden 
kleinen  Höfen.  Wir  wollten  eigentlich  von  hier  unseren  Weg 
nach  dem  westlichen  Thore  fortsetzen,  als  wir  draussen  eine 
Reiterschaar  herankommen  sahen  und  'Abd  e'  Rahmäu,  den 
Bruder  Scheich  'Omar's  erkannten ,  der  vielleicht  nicht  in 
den  besten  Absichten  hierher  kam.  Während  ich  daher  mei- 
nen Weg  langsamer  fortsetzte,  ausserhalb  der  Stadt  mich 
nach  Osten  wendend,  eilte  Billama,  dem  Kronprätendenten. 


Der  Flti88  T^oft  bei  Diköa.  1S9 

den  üblichen  Beitergruss  zu  bringen.  Wir  ritten  dann  über 
Nord  nach  der  Südwestseite  '  der  Stadt  hin ,  die  in  ihrer 
ganzen  ansehnlichen  Länge  vom  Lager  eingenommen  war, 
das  von  den  an  der  Mauer  befindlichen  Schutthaufen  aus 
einen  interessanten  Anblick  darbot.  In  der  That  hatte  d^r 
nordöstliche  Theil,  der  von  grossen  Bäumen  beschattet 
wird,  einen  bei  weitem  anmuthigeren  Charakter  als  derje- 
nige, wo  unsere  Zelte  standen.  Es  fiel  mir  auf,  dass  die  so 
völlig  viereckige  Stadt  doch  so  unregelmässig  orientirt  ist, 
ziemlich  nach  halben  Himmelsgegenden^  imd  ich  glaube  bei- 
nahe,  dass  dies  absichtlich  geschehen  ist,  um  Yortheil  und 
'Nachtheil  der  jedesmaligen  Richtung  gleichmässiger  unter  die 
Einwohner  zu  vertheilen.  Die  Stadt  hat  auf  jeder  Seite 
nur  Ein  Thor,  auf  der  Südostseite  hingegen,  nach  der  Seite 
des  Marktplatzes,  besitzt  sie  zwei  Thore. 

Aber  um  den  Lebenskreis  der  Bewohner  von  Diköa  recht 
zu  würdigen,  war  es  nöthig,  den  südöstlich  von  der  Stadt 
nahe  vorbeiziehenden  „komadugu^',  den  Yäloe,  zu  besuchen, 
und  ich  machte  mich  am  Nachmittag  des  4ten  Dezember 
dorthin  auf.  Er  war  an  dieser  Stelle  etwa  nur  2  Engl.  Mei- 
len von  unseren  Zelten  entfernt  und  zog  hier  von  Süd  nach 
Nord  durch  dichte  Waldung  hindurch;  das  eigentliche  Bett 
war  etwa  20  Klaftern  breit  und  von  12 — 15  Fuss  hohen  Ufern 
eingeschlossen,  an  denen  sich  ein  ununterbrochener  Saum 
der  herrlichsten  Baumkronen  mit  dem  frischesten  Laube  hin- 
zog, meist  FtctiS' Alten  ^  besonders  die  mit  der  Tamarinde 
wetteifernde  „ngdbore".  Gegenwärtig  jedoch  enthielt  dasselbe 
nicht  mehr  einen  zusammenhängenden  Wasserstrom,  sondern 
war  in  mehrere  völlig  abgesonderte  Wasserpfuhle  von  1  bis 
1^  Fuss  Tiefe  zerrissen.  Dennoch  aber  war  das  Wasser  kühl 
und  selbst  wohlschmeckend,  obgleich  es  keineswegs  sehr  rein 
war  und  bei  .der  grossen  Menge  Pferde,  die  täglich  darin  ge- 
tränkt wurden,  auch  gar  nicht  rein  sein  konnte.  Wie  ich 
schon  so  oft  erwähnt  habe,  sind  es  gerade  diese  stehenden 

Btf1k*t  BdMD.  in.  9 


laO  y.  Kapitel. 

• 

Wasserpfuhle,  die  im  Sudan  so  viel  Krankheiten  erzeugen',  be- 
sonders den  Guinea- Wurm  und  sonstige  Hautausbrüche. 

*  Dies  ist  derselbe  Komädugu,  den  wir  schon  auf  der  Reise 
nach  Adamaua  im  Gebiete  von  Udje  kennen  gelernt  haben. 
Über  seinen  unteren  Lauf  aber  sind  die  Angaben  nicht  ganz 
übereinstimmend.  Wir  werden  nämlich  im  weiteren  Verlaufe 
unserer  Unternehmung  die  Angabe  des  Hadj  Edriss,  „dass  er 
von  hier  nach  Misne,  Yon  da  nach  Large  zöge,  beide  Ort- 
schaften etwas  westlich  lassend,  dann  aber  westlich  an  Hok- 
kum  entlang  in  den  Tsäd  fliesse^\  etwas  modificiren  müssen; 
denn  die  kleine  zeitweilige  Wasserrinne  zwischen  BiUa  Bü- 
tübe  und  Hokkum  ist  kaum  geeignet,  den  ansehnlichen 
Wasserstrom,  den  zuweilen  der  Yaloe  bilden  muss,  in  den 
Tsäd  abzuführen. 

Die  beiden  Ufer  waren  jetzt  dicht  von  Pferden  und 
Rmdem  bedeckt,  die  sich  hier  am  reichen  Grase  labten, 
und  kein  schattiger  Baum  war  zu  finden,  wo  sich  nicht 
eine  Truppe  Kanembü  oder  Kanöri  behaglich  gelagert  hätte. 
Überall  war  das  Dickicht  von  BaumwoUenfeldem  unter- 
brochen, die  den  Reichthum  von  Diköa  ausmachen;  aber  ich 
wunderte  mich  nicht  wenig  über  deren  gänzlich  verwahr- 
losten Zustand.  In  der  That  nicht  allein  Unkraut,  sondern 
hohe  Büsche  und  Bäume  unterbrachen  überall  die  Baum- 
wollenstauden und  gestatteten  ihnen  kaum  Raum,  sich  aus- 
zubreiten. Dennoch  aber  bezeugte  ihre  Fülle,  welch'  ein 
unendlicher  Wohlstand  in  diesen  Gegenden  begraben  liegt. 
Undurchdringliches  Dickicht  machte  zuletzt  meinem  Vordrin- 
-gen  ein  Ende  imd  ich  kehrte  auf  einem  anderen,  westlicheren 
Pfade  zurück,  während  ich  unwillkürlich  im  Stillen  über  den 
stärkeren  Sinn  der  alten  Bomu-Könige  für  Naturfülle  und 
Naturschönheit  nachdachte,  da  sie  ihren  Sitz  in  den  be^ 
günstigteren  Gegenden  ihres  Reiches  aufschlugen,  wie  Ghasr- 
Eggomo  und  Diköa,  während  die  jetzige  Residenz  in  der 
einförmigsten,  trostlosesten   Cregend  gewählt  ist     Die  Lage 


Der  Wochenmarkt  in  DfkSa.  131 

• 

von  Ghasr-Eggomo  scheinen  sie  sogar  durch  mehrere  künst- 
liche Becken,  in  die  sie  den  Fluss  ableiteten,  verschönert 
zu  haben.  In  der  That,  der  als  Mensch  und  Fürst  ausge- 
zeichnete König  Edriss  Alaöma  konnte,  wie  sein  Geschicht- 
schreiber, der  Imäm  Ahmed,  berichtet,  als  er  die  Stadt  Fika 
im  südwestlichen  Theile  seines  Reiches  besuchte,  nicht  um- 
hin, den  berühmten  Bergsee,  der  in.  einiger  Entfernung  da- 
von hegt,  zu  besuchen.  —  Ein  reicher  Lebenskeim  liegt  in 
diesen  Wasserläufen,  und  ich  bin  überzeugt,  er  wird  einst 
geweckt  werden. 

Während  ich'  so  nach  unserem  Lagerplatz  zurückkehrte, 
kam  ich  an  dem  täglichen  Nachmittagsmarkt  -r  „durria"  — 
vorbei,  der  hier  an  der  westlichen  Seite  des  Lagers  gehal- 
ten wurde  und  recht  belebt  war.  In  der  That  blieb  er 
wenig  hinter  demjenigen  der  Residenz  selbst  zurück,  und 
dies  war  keineswegs  zu  verwundem,  da  hier  an  Menschen 
wenigstens  ebensoviel  und  an  Pferden  unendlich  viel  mehr 
versammelt  war,  als  die  gewöhnliche  Bevölkerung  von  Kü- 
kaua  beträgt.  Nicht  allein  Korn,  Fleisch,  Bohnen,  Erdnüsse 
und  sonstige  Lebensmittel  waren  hier  zu  haben,  sondern 
auch  kleine  Luxusgegenstände,  und  ein  reger  Tauschhandel 
ging  vor  sich^  da  es  den  Käufern  an  Geld  mangelte,  sowohl 
Muscheln  („kungona"),  als  Baumwollenstreifen  („gabagä"). 
Ich  bemerkte  auch,  dass  besonders  auf  dieser  Seite,  wo  das 
Lager  von  dichter  Baummasse  ganz  hart  begrenzt  wurde, 
eine  lebendige  Umscldussmauer  von  leichten  Kanembü  ge- 
zogen war,  welche  die  Wache  hatten.  Denn  obgleich  wir 
noch  mitten  im  eigenen  Lande  waren,  so  fangt  doch  bei 
der  unenergischen  Regierungsweise  schon  hier  einige  Un- 
sicherheit an,  und  gleich  am  ersten  Abende  unseres  Lagems 
an  dieser  Stätte  war  der  Ausruf  oder  viebnehr  Tronmielruf 
—  „gangema"  —  durch  das  „ngaufate"  gegangen:  „Jeder 
solle  vor  Pferdedieben  auf  seiner  Hut  sein." 

Übrigens  war  unser  Aufenthalt  hier  ganz  interessant,  obgleich 

9» 


ir^  iTAT  ii^%uuj^  viärufi  dtflGssaeBBaBiiai  ^sifibaiAa^iEiiJ 
^^^''^^  ^^^»»nmm  «uwffiadk  Ik^Minnki  vs4.  Wir  iSanda  sät 
4>w  vAii^itii  vuj  4w  V^wr  «f  <i«  fi>i(irhiftiriilnvn.r«6ift, 
«Aldi  ijl^  Hr>C^|«i^tt^  mvd  ba  Seite  scsetit.  is  daa  ö&ic- 

Fr^!3iiff4«(«u  4*1^  il«:  friuu^fiklive  iQ3ti&  bei  $j^  fiUa  aofiD- 
^$f^  mi  «iMf*rr^  v#Jk«NW  Usterpdb»  «ad  üntierlMiscii  aasfaal- 
((TU.  v/4i^  ihum  ^kr  dbnrordige  Hadj  Ed[n«&  den  köni^icbeii 
Wäx^iMT  ^^^#.  In  Afr  Tkat  w^u*  es  Tergno^icli.  zn  sehn. 
wi^  4^  Kdi^rb  kmuHU  Minkter  beneidete,  ab  er  eines  Tass 
v^ri^r  AmiM;  mit  *iti^  eng  amdblies«enden.  beha^bJi  wannen 
tUiU^jsu^i  IfM^nAei  «ah,  und  er  mbete  nicht  eher,  bis  aneh 
<(!T  d^ri  t»^i  warma»  Klei/langjsi>tär:k  rem  nns  erhalten  hatte. 

i^tit^m  tu  Kit  hatten  wir  oaserem  alten  Freonde  Annör 
tirid  ntnuim  zahlreichen  Verwandten  mit  unseren  Tüiidschen 
^it^Utti  HUMhilUm  rnÜM^en,  aber  bis  zur  Unterjacke  und  Un- 
UtfWm*,  mufifti  wir  hi«  jetzt  noch  nicht  herabgestiegen.  Xa- 
iürlU^h  liatUfTi  Aumt  Bomu- Fürsten  Überfioss  an  Eleidong, 
ttt>4fr  KWitn  war  weit  und  wenig  auf  Kälte  berechnet,  und  ich 
\m\Ht  %i'\itm  riiifhrfach  angejfutirt,  wie  empfindlich  der  Afri- 
kaiM;r  g^^g^m  die  Kälte  ist;  auch  bin  ich  davon  überzeugt, 
(IfiMH  in  (bfn  ludssen  Gegenden  Central-Afrika*s  eine  gute  La- 
dung wurmen  (Jnter/x*ugCH  schnellen  Abgang  finden  würde, 
ziitfial  wenn  sie  während  des  Monats  Dezember  oder  Januar 
einiriifR.  Dagegen  bewirtheten  auch  jene  uns  nach  Kräften, 
und  ich  war  dem  Vezicr  sehr  dankbar  für  einen  Hut  Zucker, 
womit  er  meinom  Mangel  abhalf;  denn  nichts  ist  in  diesem 
Lande  erfnmlicticr,  als  eine  Tasse  wohlschmeckenden  Kafiee's, 
b  gleieb  clor  Zuciker  natürlich  zur  Noth  entbehrlich  ist.  Auch 
war  OK  inU^rc^HHant  zu  sehn,  wie  eifrig  unser  Freund  bemüht 
war,  uuN  j(ule  irgend  erwünschte  Mittheilung  zukommen  zu 
loMNen. 


Notis  über  A'mba-S8Ambo*B  Heereszug.  133 

In  der  That  liess  mich  der  Vezier  eines  Abends  in  aller- 
grösster  Eile  rufen,  als  sollte  ich  ihn  vom  Tode  erlösen,  imd 
was  war  es?  Es  war  ihm  einBomauer  in  die  Hände  gekom- 
men,  der  ebenfalls,  wie  mein  alter  Freund,  der  Millem  Ka- 
töri,  den  bedeutungsvollen  Heereszug  A'mba-Ssambo's  an  die 
Meeresküste  mitgemacht,  aber,  während  Katöri  dann  mit 
dem  Haupttheil  des  Heeres  nach  Mbäfu  gegangen  war,  so- 
gar noch  die  Ufergrenze  mit  überschritten  und  nach  lötägi- 
ger  Fahrt  (an  klippiger  Küste  entlang)  eine  Insel  überfallen 
hatte,  wo  sie  eine  Menge  Gewehre  erbeuteten,  deren  Besitzer 
—  insgesammt  Leute  in  Jacken  —  in  ein  grosses  Schiflf  ge- 
flohen seien.  Das  Schiflf  war  der  Beschreibung  nach  ein 
Europäisches;  denn  von  der  Kleidung  jener  Leute  allein 
lässt  sich  noch  nicht  auf  Europäischen  Ursprung  schliessen, 
da  auch  viele  Eingeborene  an  jenen  Küsten  umher  Euro- 
päische Kleidung  tragen.  Ich  bin  jedoch  darüber  nicht  ganz 
gewiss,  ob  sie  einen  grossen  Fluss  oder  die  oflfene  See  be- 
schiflften.  Jedenfalls  ist  dies  ein  Faktum,  welches  grosses  In- 
teresse erregen  musste ;  aber  ich  glaube  kaum,  dass  einer  der 
Stiitthaltcr  von  Adamaua  sich  so  bald  wieder  an's  Meer  wa- 
gen  wird,  nachdem  sie  ein  Englisches  DampfschiflF  den  Fluss 
hinauf  bis  an  die  Grenze  ihres  Landes  haben  kommen  sehn.  — 
Derselbe  Kanöri- Kriegsmann  theilte  mir  auch  mit,  dass  bei 
jenem  Heereszuge  alle  Pferde  an  Würmern  gestorben  seien. 

Bei  dieser  Gelegenheit  erzählte  ich  dem  Vezier  von  der 
eigenthümlichen  Meeresherrschaft  des  Imäm  von  Maskat, 
was  ihm,  als  ein  bisher  ganz  unbekanntes  Faktum,  ausser- 
ordentliches Interesse  gewährte.  In  der  That,  so  wie  im 
Mittelalter  die  Araber,  selbst  die  im  fernen  Westen,  durch 
die  Reisen  des  unternehmenden  Ebn  Batüta  und  ande- 
rer wackerer  Männer  über  die  Ostküste  dieses  Kontinentes 
bessere  Kenntnisse  besassen,  als  die  Europäer,  so  ist  hier 
jetzt  alle  Kenntniss  jener  Gegenden  verschwunden,  und  ich 
werde  es  nicht  leicht  vergessen,  mit  welchem  Erstaunen  die 


184  y.  Kftpttel. 

Araber  in  Timbuktu  meinen  Angaben  über  die  Sitze  und  die 
Macht  ihrer  Glanbensgeüossen  in  jener  Gegend  zuhörten  und 
sich  einer  wahrhaft  kindischen  Freude  darüber  überliessen, 
dass  es  selbst  in  Gegenden,  die  sie  nie  nennen  gehört,  Mosle- 
min  gäbe.  Nur  in  Sokoto  traf  ich  einen  Mann,  der  noch  Sso- 
fäla  dem  Namen  nach  kannte;  es  war  der  gelehrte  Kaderi 
CAbd  el  Kader)  dan  TäflPa  (Müstapha).  — 

Auch  Billama  kam  häufig  und  gab  mir  manche  neue  6e* 
lehrung.  Östlich  (ein  wenig  nördlich)  von  Diköa  liegt  in 
geringer  Entfernung  die  ebenfalls  mit  einem  Erdwall  umge- 
bene Stadt  Adjin,  welche  dem  Absa  gehört,  während  Diköa's 
Einkünfte  dem  Mala  Massa  Mdndara  zufliessen.  Diese  bei- 
den Städte  sind  Yon  Kanori  bewohnt,  während  die  ebenfalls 
lunmauerte  Stadt.  Gaüa,  die  etwa  2  Stunden  westlich  (etwas 
südlich)  von  Diköa  liegt,  von  Gdm-erghü  bewohnt  wird  und 
Residenz  eines  kleinen  eingeborenen  Statthalters  dieses  Vol- 
kes ist,  Namens  Billama  Ssära;  der  kleinere  Herr,  Billama 
Djakoe,  hat  seinen  Sitz  in  Degimba*).  Ich  erfuhr  noch  bei 
dieser  Gelegenheit,  dass  die  Gäm-erghü  keinen  anderen  Tri- 
but zu  liefern  haben,  als  Butter. 

Ausserdem  hatte  ich  mich  jetzt  mit  vollem  Eifer  auf  das 
Studium  der  Kanöri-Sprache  gelegt  **),  die  mich  erst  durch 
die  Schwierigkeit  ihrer  grammatischen  Formen  abgeschreckt 
hatte,  und  ich  konnte  keinen  besseren  Lehrer  haben,  als 


.  *)  Siehe,  wa8  ich  im  zweiten  Bande  über  diese  Gegend  gesagt  habe. 
♦*)  Mein  Kanöri- Wörterbuch  wird  mit  meinen  anderen  Wörterbüchern  sehr 
bald  nachfolgen;  denn  obgleich  es  sich  in  manchen  Beziehungen  nicht  mit 
Köllo's  vortrefflichen  Arbeiten  messen  kann,  so  ist  e«  doch  auch  in  anderer 
Hinsicht  viel  reichhaltiger,  besonders  in  nationalen  Beziehungen,  und  gibt  für 
die  meisten  Ausdrücke  die  allgemeiner  gebräuchliche  Aussprache.  Kölle  hat 
den  grossen  Nachtheil,  sein  Wörterbuch  nach  den-  Aussagen  .eines  einzigen 
Mannes  niedergeschrieben  zu  haben,  der  Über  20  Jahre  von  seiner  Heimath 
getrennt  gewesen  ist.  Die  schwierigeren  und  verwickeiteren  Aoristformen, 
wie  sie  der  rerdienstvolle  Missionar  in  seiner  Grammatik  gibt,  gestehe  ich, 
nie  im  Gebrauch  gefunden  lu  haben. 


Stadium  der  Kanon-Sprache. 


135 


den  gebildeten  Hadj  Edriss,  welcher  selbst  ein  Kanöri  war 
und  viele  Jahre  im  Oriente,  besonders  in  Medina,  gelebt 
hatte,  wodurch  er,  so  zu  sagen,  halb  arabisirt  war»  Ich 
werde  später  etwas  über  die  „Nadelpension"  sagen,  auf  die 
ich  diesen  respektabeln  alten  Bettler  gesetzt  hatte. 


» 


M.K. 


Die    OremxIam^sehftftciL   der   Schäa. 


[H<mnahendj  ß*^  Dezemler.]  Endlicli  Teriiessen  wir  unser 
Lager  bei  Dikoar  —  noch  immer  in  roOs^diger  Ungewiss- 
heit,  ob  es  gegen  Mandara  f^andala>  ginge,  da  sich  der 
Saltan  diese»  kleinen,  aber  Ton  Berggmppen  gut  beschützten 
I^andr^  noch  immer  nicht  unterwerfen  wollte.  Die  ron  dort 
herkommenden  Gerüchte  waren  in  der  That  der  verschie- 
dfmst^^  Art,  und  einen  Augenblick  war  der  kleine  Herr  je- 
nrrs  I^indes  —  wie  es  schien  —  wirklich  zum  Widerstände 
(jntwrhloHWjn  und  hatte  sich  auf  die  Bei^e  zurückgezogen,  zu* 
grosser  lV;unnihigung  Hadj  Beschir's,  der  mich  und  Herrn 
I>n  Overweg  angelegentlich  fragte,  was  nun  zu  thun  sei  und 
wie  man  den  Feind  mit  der  Reiterei  auf  den  Bergen  angrei- 
ffrn  könne.  Denn  die  Stärke  der  Kanöri,  so  viel  sie  davon 
norh  besitzen ,  beruht  fast  allein  auf  ihrer  Reiterei ,  da  die 
frühen'.  Vortrefflichkeit  der  Kanembü  -  Infanterie,  welche  nur 
auf  der  enthusiastischen  Anhänglichkeit  zu  ihrem  Führer 
bestandc^n  zu  haben  scheint,  längst  (mindestens  seit  dem 
Sturze  der  alten  Dynastie)  verschwunden  ist,  und  am  we- 
fri^Mt<?n  konnte  der  Vezier  bei  diesen  Leuten  Sympathie  fin- 
den, (bi  d(?r  grösHt(5  Theil  von  ihnen  eine  entschiedene  Vor- 
lieb(5  für  'Abd  cj'  Rahmän  hatte.  Die  Berghöhen  Mandara's, 
HO  w(!it  u'li  Mi(5  aus  Denham^s  Beschreibung  kannte  und  nach 
«I<?ni,  was  ich  von  den  westlich  angrenzenden  Höhen  auf 
meiner   Heise   nach  Yöla  gesehn  hatte,  schienen  allerdings 


Lager  bei  AYage.  137 

für  Kavallerie  nicht  zugänglich  zu  sein,  ja  kaum  für  eine  so 
unbeholfene  und  des  Bergsteigens  ungewohnte  Infanterie,  wie 
die  fast  nur  an  Ebenen  gewöhnten  Kanembü  und  Kanöri 
sind. 

Das  ganze  Land  war,  als  wir  am  Morgen  aufbrachen,  in 
dichten  Nebel  gehüllt  und  dadurch  wurde  die  Passage  des 
Komadugu,  welche  im  ganzen  Heere  eine  grosse  Stockung 
verursachte,  um  so  schwieriger.  Wir  hatten  dann  einen 
dichten,  aus  Bito's  (Bcdanites  Aegyptiacus)  und  Kindins 
(Mimosa)  bestehenden  Wald  zu  passiren  und  hierauf  wur- 
den wir  zur  Linken  eine  umwallte  Stadt  gewahr^  über  deren 
Mauern  reichkronige  Bäume  anmuthig  herüberragten;  es 
war  A'fage,  eine  ansehnliche,  jedoch  hinter  Diköa  zurückste- 
hende Stadt.  Nach  nur  kurzer  Unterbrechung  folgte  .  ein 
anderes  Städtchen  zur  Rechten,  Namens  Kodege,  dessen 
Mauern  sich  jedoch  in  gänzlich  verfallenem  Zustande  be- 
fanden; ihre  Breschen  waren  augenblicklich  dicht  mit  Zu- 
schauem und  Zuschauerinnen  besetzt. 

Schon  zu  früher  Stunde  lagerten  wir  uns  westlich  von  So- 
igoma,  einer  anderen  ummauerten  Stadt;  aber  der  Lager- 
platz war,  wie  es  schien,  etwas  sonderbar  gewählt,  da  es 
hier  kein  Wasser  gab  und  die  Pferde  desshalb  insgesammt 
nach  Äfage  zur  Tränke  zurückgeführt  werden  mussten. 

Ich  hatte  kaum  mein  Zelt  aufgeschlagen,  als  der  grau- 
same Polizeiminister  Lamino  —  „kärgo  dibbi,  kindi  dibbi", 
wie  sich  Hadj  Edriss  über  ihn  ausdrückte  —  einen  grossen 
Raubmörder  Namens  Barka-ngölo,  der  mit  seinem  Nacken 
in  die  schwere,  4 — 5  Fuss  lange  Holzklemme  gespannt  war, 
mir  vorführen  und  ihn  zu  seiner  und,  wie  er  meinte,  auch 
meiner  Belustigung  sich  mit  einem  anderen  ebenso  einge- 
klemmten Sträfling  gegenseitig  durchpeitschen  li^ss.  Um  ihn 
los  zu  werden ,  beschenkte  ich  ihn  als  Anerkennung  für  die 
verschiedeneu  Gerichte,  welche  er  uns  gelegentlich  zuschickte, 
mit  einer  ansehnlichen  Menge  Nelken  iiir  seine  in  der  Koch- 


t 


188  TL  Kapitel. 


kunst  wohlbewanderte  Aäischa,  und  er  wiederholte  mir  mit 
verliebtem  Lächeln,  dass  er  sie  sehr  lieb  habe  und  „sie  ihn 
auch",  dies  sei  doch  das  Schönste  auf  Erden.  So  sentimen- 
tal war  diese  dicke,  nichts  weniger  als  liebenswürdige  Fleisch- 
masse, und  ich  war*  froh,  als  er  sich  entfernt  hatte. 

Wir  näherten  uns  jetzt  feindlichem  Lande,  und  am  Abend 
erscholl  das  „gangema"  durch  das  Lager:  die  Kameele,  de- 
ren Tross  bisher  die  Eeiterei  sehr  gehemmt  hatte,  sollten  sich 
erst  nach  dem  Aufbruch  der  letzteren  in  Bewegimg  setzen. 
Später  hatten  wir  noch  eine  belebte  Unterhaltung  beim  Yezier 
über  die  ersten  Anfange  des  Scheich  Mohammed  el  Känemi, 
welche  ich  oben  bei  der  (reschichte  Bomu's  benutzt  habe. 

Sögoma  ist  in  dieser  Richtung  die  letzte  Stadt  auf  Bömu- 
Gebiet,  und  wir  lagerten  uns  am  folgenden  Tage  in  einem 
Distrikte  Namens  Mä-ssa,  nahe  bei  einem  dicht  mit  Wasser- 
pflanzen —  namentlich  der  Pistia  stratiotes  —  angefüllten 
Sumpfwasser,  bei  dem  in  einiger  Entfernung  mehrere  Schüa- 
Weiler  umherlagen.  Auf  dem  Wege  passirten  wir  etwas 
Baumwollenbau  und  Stoppelfelder.  Hier  (in  Md-ssa)  wird 
hauptsächlich  „ssabade"  (Sorghum  saccharatum)  *)  gebaut, 
das  süsse  Indische  Korn,  yon  dem  mir  schon  in  Diköa  mein 
Freund  Mala  Ibräm  ein  grosses  Bündel  zugeschickt  hatte; 
einige  von  diesen  Rohrhalmen  waren  14  Fuss  lang,  was  mich 
damals  in  Erstaunen  setzte,  mir  aber  hernach  im  Vergleich 
zu  dem  baumhohen  Rohr,  das  ich  in  den  Thälem  von  Kebbi 
antraf,  gering  erschien.  Auch  diesen  Abend  traktirte  uns 
der  Vezier  mit  dem  Marke  solchen  Rohres,  das  in  schnee- 
weissen  Stangen  von  etwa  8  Zoll  Länge  sauber  auf  einem 
Strohteller  präsentirt  wurde.  Das  Gespräch  kam  auf  diese 
Weise  natürlich  auch  auf  die  Gewinnung  des  Zuckers,  eines 
Artikels,  welcher  den  Grossen  dieser  Länder  als  eines  der 


*)  Dies  ist  das  „takanU''  der  Haussaua,  welches  gewöhnlich  für  Zucker- 
rohr genommen  wird. 


Znckergewiiinutig  im  Sudan.  189 

edelsten  Erzeugnisse  Christlicher  Industrie  erscheint^  —  bis 
sie  e]^ahren,  auf  wie  unheilige  Weise  er  gereinigt  wird,  wor- 
auf sie  dann  in  die  missliche  Alternative  gerathen,  ob  sie  die- 
sem  Genüsse  entsagen  oder  sich  über  die  Skrupel  ihres 
Glaubens  hinwegsetzen  sollen. 

Das  „ss&bade"  würde  jedenfalls  einen  reichen  Ertrag  an 
Zucker  liefern;  wir  haben  aber  gesehn,  dass  in  einigen  Ge- 
genden des  Sudans  Zuckerrohr  wild  wächst,  und  werden  bei 
Sökoto  eine  kleine  Zuckerplantage  nebst  Raffinerie  finden, 
betrieben  von  einem  PuUo,  der  25  Jahre  in  Brasilianischer 
Sklaverei  gelebt»  hat. 

Unsere  Unterhaltung  in  diesen  Afrikanischen  Soireen  beim 
Vezier  ward  zuweilen  so  gelehrt-,  dass  selbst  Ptolemäus  mit 
seinem  jyMandaros  oros'*  herbeigezogen  wurde.  (Es  ist  für 
den  Archäologen,  welcher  alte  und  neue  Namen  so  gern  mit 
einander  in  Verbindung  bringt,  sehr  Schade,  dass  dieser  Berg, 
'anstatt  mit  dem  „Mdndara"  genannten  Wandala-Ländchen  zu- 
sammenzufallen,  fem  am  Atlantischen  Ocean  seine  wirkliche 
Lage  hat.)  Unser  Wirth  fand  grosses  Vergnügen  an  jeder 
Art  Belehrung,  nur  fehlte  ihm  leider  die  männliche  Energie, 
etwas  auszuführen. 

[Montag,  8ien  Dezember,']  Wehe  den  Gegenden  —  selbst 
in  Freundesland  — ,  durch  welche  hier  ein  Heereszug  seinen 
Weg  nimmt!  Wir  passirten  heute  einige  ausgedehnte  Ge- 
treidefelder, die  in  voller  Pracht  standen;  aber  ihre  reich- 
sten  Ähren  fielen  trotz  alles  Schreiens  der  auf  hohen  Ge- 
rüsten sitzenden  Sklaven  den  hungrigen  Reitern  zu  ihrem 
und  ihrer  Thiere  Unterhalt  anheim.  Diese  Gerüste  heissen 
hier  „görgo",  und  anstatt  dass  —  wie  ich  das  schon  an- 
derswo beschrieben  habe  —  die  an  denselben  befestigten 
Stricke  blos  mit  einem  vegetabilischen  Stoffe  bestrichen  sind, 
was  verursacht,  dass  sie,  in  Bewegung  gesetzt,  einen  die 
Vögel  verscheuchenden  Schall  hervorbringen,  sind  hier  hohle 
Gefässe  —  „käre"  —  daran  befestigt. 


I 


140  Tl.  KspitsL 

Das  I^ager  ward  bei  den  zerstreuten  Weilem  Ton  Dele  oder 
Delhe  bezogen,  einer  schon  von  Denham  anf  seinem  unglück- 
lichen Mindara-Zoge  berührten,  aber  wie  die  ganze  Strasse 
Tiel  zü  weit  südlich  verlegten  Ortlichkeit. 

Die  Hütten  in  diesen  Schüa- Weilem  haben  insgesammt  ein 
hohes,  znckerhotartig  abgemndetes  Dach  mit  muregelmässig 
aufgelegtem  und  von  Stricken  festgehaltenem  Kohrwerk,  wie 
ich  das  schon  anderswo  beschrieben  habe;  hier  aber  ist  die- 
ses Dach  gewöhnlich  sehr  freundlich  mit  den  Ranken  der 
,^sagade'^  oder  ,,knbewa"  geziert  Diese  gekocht  überaus 
wohlschmeckende  Kürbisart  ist  der  Cucurbita  Mdopepo  eng 
verwandt,  wenn  nicht  mit  ihr  identisch,  und  auch  in  Timbuktu, 
wo  sie  das  Hauptgemüse  bildet,  überaus  häufig. 

Die  lange  Regenzeit  erfordert  hier,  wie  in  Adamaua,  Stal- 
lungen für  das  Vieh,  und  dies  sind  umfangreichere  Hütten  von 
ähnlicher  Bauart  wie  die  vorerwähnten,  nur  dass  die  unteren 
Tlicile  der  Wände  nicht  aus  Thon  bestehen,  sondern  einen  halb 
offenen  Verhack  aus  Baumstämmen  bilden.  Die  hier  sowohl 
wie  im  benachbarten,  nach  dem  Hadj  A'maka  benannten,  Wei- 
ler angesessenen  Schüa  heissen  Bulgöa  oder  'Auissia^  und  ich 
erfuhr  hier  manches  Neue  über  die  verschiedenen  Stamm- 
abtheilungen dieser  interessanten  Arabischen  Kolonisten  im 
Negerlande ,  werde  jedoch  Alles  bei  einer  anderen  Gelegen- 
heit zusammenstellen.  Unser  Lagerplatz  war  so  dicht  mit 
Untergebüsch  bewachsen,  dass  das  Aufschlagen  des  2Jeltes  ge- 
raume Zeit  erforderte. 

Die  Verschiedenheit  der  Temperatur  zwischen  der  Mittags- 
liitze,  wo  wir  um  2  Uhr  Nachmittags  im  gelüfteten  Zelte 
stets  34^  bis  36^  Celsius  hatten,  und  der  Nacht,  wo  das  Ther- 
mometer oft  auf  10°  bis  12°  sank,  war  so  gross,  dass  ich 
mir  eine  bedeutende  Erkältung  zuzog,  und  es  war  mir  aus 
diesc^m  Grunde  selir  lieb,  dass  wir  den  folgenden  Tag  hier 
liegen  blieben.  Der  Vezier  war  so  aufmerksam,  als  ich  am 
Abend  aus  seiner  Soiree  wegblieb,  mir  einen  Sklaven  mit 


Lager  bei  Diggera.     Grosse  Kälte.  141 

einem  Räucherbecken  zu  schifcken;  jedoch  war  der  herrische 
Bube  sehr  unzufrieden  mit  mir,  da  ich  es  nicht  so  machen 
wollte,  wie  er  es  mir  vorschrieb.  Es  ist  nämlich  Sitte  bei 
ihnen,  wenn  sie  sich  erkältet  haben,  nicht  nur  den  Kopf 
über  ein  Räucherbecken  zu  halten,  was  ich  für  genug  hielt, 
sondern  auch,  das  Becken  unter  ihre  weite  Tobe  setzend,  mit 
derselben  alle  Luft  abzuschliessen  und  die  ganze  Rauchmasse, 
indem  sie  die  Halsöffiiung  am  Kopfe  zusammenziehen,  mit 
dem  Gesichte  aufzufangen.  Wirksam  ist  dies  gewiss,  aber  es 
war  mir  etwas  zu  viel. 

[Mittwoch  j  10^^  Dezember, \  Als  wir  unseren  diesmal  nur 
kurzen  Marsch  fortsetzten,  um  das  Lager  nach  dem  nahen 
Diggera  zu  verlegen,  wechselten  Wildniss  —  „karäga"  —  und 
Ackerland  —  „külo"  —  mit  einander  ab.  Bei  ausseror- 
dentliqh  empfindlicher  Kälte^  „so  dass  wir  um  10  Uhr  Vor- 
mittags nicht  mehr  als  22^  C.  im  Zelte  hatten"  —  ein  Aus- 
druck Afrikanischer,  nicht  Nord-Europäischer  Empfindung  — , 
blieben  wir  in  Diggera  die  folgenden  ö/fage  liegen,  und 
glücklicherweise  war  unser  Lagerplatz  behaglicher,  als  bei 
Dele. 

Während  dieser  Rasttage  unterhielt  ich  mich,  wenn  ich 
nicht  besondere  Nachrichten  zu  sammeln  Gelegenheit  hatte 
oder  mit  meinem  Kanöri-Wörterbuch  beschäftigt  war,  überaus 
gern  mit  der  Lektüre  allgemeiner  Lelirbücher,  um  nicht  bei 
der  Anschauung  dieser  speziellen  Verhältnisse  das  Allgemeine 
zu  vergessen.  Leider  hatten  wir  überhaupt  nicht  alle  die 
Bücher  mit,  die  wir  auf  unserer  Reise  hätten  brauchen  kön- 
nen; denn  bei  der  gegenwärtigen  Unternehmung  konnte  ich 
auf  meine  einzige  Kameellast  nur  sehr  wenige  mitnehmen.  Ich 
'fing  hier  auch  mit  Hilfe  zweier  Mandara-Sklaven  mein  Wör- 
terbuch der  Mandara-Sprache  oder  vielmehr  der  „ära  Wdn- 
dala"  an,  das  ich  später  zu  vervollständigen  Gelegenheit  hatte. 

Unser  Lagerplatz  selbst  hatte  übrigens  ein  beträchtliches 
Interesse,  da  er  das  erste  vollkommene  Beispiel  jener  flachen 


142  VL  KxpiUÜ. 

stagnirenden  Wasserarme  darbot,  die  so  ganz  und  gar  cha- 
rakteristisch für  die  Äqnatorial-Länder  dieses  Erdtheiles  ^sind 
und  offenbar  Anlass  zu  den  verschiedenen  Angaben  über  die 
Richtung  vieler  Flussläufe  gegeben  haben.  Man  muss* jedoch 
unterscheiden  zwischen  solchen  Gev^ässem,  die  mit  grösseren 
Flüssen  in  unmittelbarer  Verbindung  stehn  und  sich  oft  pa- 
rallel mit  diesen,  ganz  wie  die  todten  Hinterwasser  am  Ganges, 
hinziehen,  und  eiölchen,  die  ganz  unabhängig  em  kleines  Was- 
sersystem für  sich  bilden.  Zu  der  letzteren  Gattung  scheint 
dieses  Sumpfwasser  —  „ngaljam",  wie  diese  Art  Gewässer 
von  den  Kanöri  genannt  wird  —  zu  gehören,  obgleich  einige 
Schüa  behaupteten,  dass  es  bis  nach  dem  Tsäd  hinzöge.  Kei- 
nesfalls ist  es  unwahrscheinlich,  dass  diese  Wassermenge  nach 
der  Regenzeit  gemeinschaftlich  mit  den  Wasserbecken  bei 
Sengeri  den  Komadugu  Lebai  oder  Lebe  ganz  vorzugsweise 
speist.  Dieses  Wasser  begrenzte  südlich  unseren  Lager- 
platz. 

Ich  wandte  mich  zuerst  nach  Osten,  wo  das  „ngaufate'' 
bis  hart  an  die  herrlichen,  das  Wasser  umgebenden  Bäume, 
meist  Sykomoren  —  „ngäbore"  .—  imd  Tamarinden  —  „tem- 
süku"  —  reichte.  Hier  war  es  im  höchsten  Grade  belebt 
und  fast  unter  jeder  schönen  Tamarinde  war  eine  Gruppe  ge- 
lagert. Das  Wasser  war  jetzt  wahrscheinlich  schon  bedeutend 
gefallen  und  nur  an  wenigen  Stellen  offen,  im  Übrigen  aber 
meist  mit  Sumpfgras  dicht  durchwachsen;  es  war  ganz  flach 
und  das  grasige  Bett  hatte  nur  eine  leichte  Einsenkung.  Ich 
verfolgte  es  ziemlich  weit  nach  Nordnordwest,  sah  mich  dann 
aber  durch  den  dichten  Baumwuchs  gezwungen,  umzukehren, 
und  wandte  mich  nun  nach  West,  zuerst  am  südlichen  Ufer 
des  hier  fast  ganz  unterbrochenen  Sumpfwassers  entlang, 
dessen  Ausdehnung  zur  Regenzeit  durch  die  grossen,  sich 
üppig  ausbreitenden  Bäume  hinlänglich  bezeichnet  wird,  dann, 
mehrere  Dorfgruppen  zur  Linken  lassend,  stets  aufwärts,,  bis 
ich  es  an  einer  Stelle  passirte,  wo  es  ansehnlich  breit  und . 


Die  Gewässer  um  den  Tsäd  henun.  143 

im  Durchschnitt  etwa  30  Zoll  tief  war.  Besonders  durch  die 
unregelmässige  Linie  seiner  Ufer  unterschied  sich  dieses  Ge- 
wässer von  den  ausgc^bildeteren  „ngäljams",  die  ich  in  der 
Folge  nicht  allein  in  dem  sich  zwischen  dem  Benue  und 
Schäri  ausbreitenden  Flachlande,  sondern  auch  im  mittleren 
Stromsystein  des  grossen  westlichen  Stromes  —  I'-ssa  —  sehn 
sollte. 

Diese  „Wiesenwasser",  wie  ich  sie  am  liebsten  bezeichnen 
möchte,  ziehen  sich  oft  in  schnurgerader  oder  regelmässig 
schön  geschweifter  Linie,  künstlichen  Kanälen  gleich,  dahin, 
und  dies  ist  der  Grund,  dass  sich  an  eines  der  bedeutendsten 
Gewässer,  den  berühmten  „Ras  el  mä"  oder  „A[raf-n-dman", 
3  Tagereisen  westlich  von  Timbuktu,  die  Tradition  knüpft, 
dass  es  ein  künstlich  angelegter  Kanal  wäre,  um  Waläta  mit 
dem  grossen  Flusse  in  Verbindung  zu  setzen. 

Ganz  anderer  Natur  ist  der  grosse  „barrein"  oder  „bür- 
rum",  der  bekannte  Bahhr  el  Ghasal,  von  dem  wir  oben  ge- 
sprochen haben,  ein  breites  sandiges  Wadi,  mit  reichem  Baum- 
wuchs begrenzt  und  durchwachsen.  Dieses  eigenthümliche 
Thal,  welches  näher  zu  untersuchen  uns  leider  nicht  vergönnt 
war,  bildete  den  Gegenstand  unserer  Unterhaltung  am  Sonn- 
tagabend beim  Vezier  und  es  entspann  sich  eine  wissen- 
schaftliche Disputation,  welche  gewiss  allen  Hohn  über  die  ver- 
wahrloste Bevölkerung  dieses  Welttheiles  hätte  zum  Schwei- 
gen bringen  können.  Allerdings  waren  hierbei  zwei  Arabör, 
aber  doch  wenigstens  vom  zehnten  Geschlecht  her  emgeborene 
Schüa,  die  Hauptleiter  der  Unterhaltung,  nämlich  Abü-Daüd 
und  Scheich  ^Abbäss,  und  mehrere  Kanöri  nahmen  lebhaf- 
ten Antheil  an  derselben;  fatalerweise  war  Kaschella  Beläl, 
der  jene  Gegenden  sehi*  genau  kennt,  nicht  zugegen.  Die  Un- 
tersuchung über  die  Ostgrenze  des  Tsäd,  seine  Abgeschlos- 
senheit vom  Fittri  und  die  Neigung  des  „bürrum"  ging  so 
in^s  Einzelne,  dass  ich  unendlich  bedauerte,  nicht  Bleistift  und 
Papier  zur  Hand  zu  haben.    Die  Hauptangaben  sind  jedoch 


I 


144  VL  K*piteL      • 

schon  oben  bei  der  Besprechung  jenes  eigenthümlicben  Rinn- 
sales benutzt. 

Hier  in  Diggera,  wo  wir  nur  noch  einen  guten  Tagemarsch 
von  der  Hauptstadt  von  Wandala  entfernt  waren,  musstesich 
nun  der  Zweck  des  Feldzuges  entscheiden.  Ich  habe  schon  oben 
angeführt,  wie  beklommen  unserem  Freund,  dem  Hadj  Be- 
schir,  zu  Muthe  war,  als  die  Nachricht  einlief,  dass  der  kleine 
Herr  von  Wandala,  dessen  Ahnherr  einst  ein  zahlloses  Bömu- 
Heer  zersprengt  hatte,  zum  Widerstände  entschlossen  sei. 
Darauf  war  man  einige  Tage  still  gewesen,  sogar  sehr  still 
und  kleinlaut.  Da  erschien  nun  heute  ein  Diener  des  eigen- 
sinnigen Vasallen  mit  einem,  wie  es  hiess,  vorläufigen  Ge- 
schenk von  zehn  schönen  Sklavinnen  und  dem  Versprechen 
vollständiger  Unterwerfung.  So  hiess  es.  Den  Boten  sah 
ich  —  ich  glaube,  es  war  der  „thuje"  — ,  vom  Geschenk  aber 
sah  ich  nichts,  und  das  ist  allerdings  sehr  natürlich,  da  diese 
Herren  vom  weiblichen  Geschlechte  nicht  gern  etwas  sehn 
lassen,  was  sie  für  sich  selbst  haben  wollen.  Ein  Man- 
darauer  aber  oder  vielmehr  ein  „är- Wandala",  wie  sie  sich 
selbst  nennen,  den  ich  im  nächsten  Jahre  in  Baghirmi 
traf,  wollte  nichts  davon  wissen  und  betheuerte,  dass  sein 
Herr,  der  mächtige  „tukse"  von  Chachündala  —  eigentlich 
„chach- Wandala"  —  so  fern  davon  gewesen  wäre,  sich  den 
anmassenden  „Mothake"  —  dies  ist  der  Name,  welchen  sie 
den  Kanöri  geben  —  zu  unterwerfen,  dass  er  sie  vielmehr  of- 
fen verhöhnt  hätte.  Welche  der  beiden  Angaben  wahr  ist, 
weiss  ich  nicht;  das  Wahrscheinlichste  aber  ist,  dass  sich  der 
Vasall  zu  einer  kleinen  Nachgiebigkeit  verstand,  um  dem 
Lehnsherrn  eklatanten  Schimpf  zu  ersparen. 

Wie  dem  immer  sein  mag,  der  Vezier  theilte  uns  am 
Abend  in  sehr  heiterer  Stimmung  mit,  dass  die  Angelegen- 
heit mit  Mdndara  den  glücklichsten  Ausgang  genommen  habe, 
demzufolge  nun  Scheich  'Omar  mit  einem  kleinen  Theile 
des  Heeres  umkehren,  er  selbst  aber  mit  dem  bei  weitem 


Beilegung  des  Streites  mit  Mdndara.  145 

grösseren  eine  Bhasia  nach  Müssgu  unternehmen  werde  und 
dass  wir  ihn  natürlich  begleiten  würden.  Nun  wussten  wir  wohl, 
dass  es  bei  einem  solchen  Zuge  vorzüglich,  ja  fast  allein  auf 
Sklavenjagd  abgesehen  sei;  es  verlohnte  sich  aber  doch  wohl 
der  Mühe,  sich  mit  eigenen  Augen  zu  überzeugen,  was  wahr  sei 
an  den  Grausamkeiten,  welche  den  Mohammedanern  bei  die- 
sen Streifzügen  zur  Last  gelegt  werden,  und  mehr  noch  eine 
Gegend  zu  besuchen,  die  von  so  grosser  Wichtigkeit  sein 
musste,  um  das  viel  besprochene  und  ebenso  oft  falsch  darge- 
stellte Verhältnlss  zwischen  dem  System  des  Afrikanischen  Cen- 
tralbeckens  und  des  grossen  westlichen  Flusses  zu  entscheiden, 
was  auf  friedlichem  Weg  zu  thun  wii*  keine  Aussicht  hatten. 
Dass  Müssgu  nicht,  wie  Major  Denham  es  dargestellt  hat, 
ein  Bergland  oder  vielmehr  ein  Bergdorf  sei,  davon  hatten 
wir  uns  schon  überzeugt,  aber  es  war  schwer,  sich  eine  klare 
Anschauung  von  den  zahUosen  Gewässern  zu  machen,  die 
nach  der  Beschreibung  unserer  Berichterstatter  das  Land 
nach  allen  Seiten  durchziehen  sollten. 

Vom  Lande  Mändara  oder  vielmehr  Wdndala  wiH  ich 
nicht  sprechen;  Herr  Dr.  Vogel  hat  es  später  selbst  besucht, 
und  wie  er  durch  die  astronomische  Bestimmung  der  Haupt- 
stadt Möra  der  ganzen  Niederlegung  dieser  Gegenden  einen 
festen  Halt  gegeben  hat,  so  wird  er  uns  ja  wohl  auch  hoffent- 
lich nach  glücklicher  Heimkehr  gewiss  eine  vollständige  und 
anziehende  Beschreibung  dieses  kleinen,  aber  interessanten 
Ländchens  liefern,  in  dem  er  sich  eine  längere  Zeit  aufge- 
halten hat.  Dann  kann  ich  sehn,  ob  ich  etwa  Einiges  zu  be- 
merken habe,  was  seiner  Darstellung  widerspricht.  Ich  will 
hier  nur  erwähnen,  dass  Herr  Dr.  Overweg  Manches  über  dies 
Land,  das  er  immer  einmal  zu  besuchen  wünschte,  gesammelt 
haben  muss;  aber  höchst  wahrscheinlich  hat  er  auch  diese 
Notizen  auf  zerstreuten  Kladden,  wie  es  seine  unglückliche 
Sitte  war,  verkommen  lassen.  Das  ziemlich  vollständige  Wör- 
terbuch, das  ich  von  der  Sprache  des  Landes  gesanmielt 

Bwth't  ItolMii.   IIL  10 


U$  TL 

****^^  Wird  iehr  taM  Mchfolgen;  idb  habe  schon  oben 
»«t.  i^m  die  Sp»cb«  ^^  Gam-erj^u  ein  blosser  UMki 
^  ^t^OfäsLn-fipr^he  ist 

[Mtifyeoch^  n^  Dezember.]  Endlich  ging  es  an's  \w 
rmtVm,  und  zwar  in  n^«»^'  °^^  ^  ▼«  einem  Eoropier  be- 
tretene Gegenden;  aber  mwer  Aufbruch  verzögerte  sich  am 
Morgen  sehr  wegen  der  Trennung  des  Lagers.  Der  Vezier 
brach  zuerst  auf,  mit  dem  bei  weitem  grössten  Theile  der 
Heeresmacht  —  des  y^iehvT  — ,  dessen  Bestandtheile ,  was 
die  Kavallerie  betrifft,  i^^h  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes 
mittheilen  werde. 

Die  Gegend  nahm  gleich  am  Anfange  unseres  Marsches 
einen  neuen  interessanten  Charakter  an.  Wir  hatten  schon 
hier  in  Bomu  viel  einheimischen  Reis  gegessen,  uns  gewaltig 
üljer  seine  Schwärze  und  schlechte  Qualität  aufgehalten,  ob- 
gleich die  kochverständige  Liebste  des  sentimentalen  Po- 
lizeiministers ihn  sehr  schon  weiss  zu  machen  wusste,  und 
dabei  gehört,  dass  er  in  den  südlichen  Provinzen  des  Landes 
wild  wachse;  aber  wir  hatten  noch  keinen  gesehn,  und  es 
war  hier  hinter  Dfggera,  wo  wir  das  erste  wilde  Reisfeld  — 
„schinkÄfaram"  —  mitten  im  Walde  erblickten,  nachdem  wir 
Steppelfelder  mit  untermischten  Bohnen  passirt  hatten.  Da 
wunderten  wir  uns  denn  nicht  mehr,  dass  die  Qualität  hier  nicht 
sehr  gut  sein  kann,  da  nichts  natürlicher  ist,  als  dass  der 
höchst  verständige  Elephant,  der  die  Vorlese  hat,  sich  das 
lieste  aussucht,  so  dass  hernach  von  den  Leuten,  meist 
Scbüa,  die  sich  diesem  Geschäfte  hingeben,  nur  das  einge- 
sammelt wird,  was  er  übrig  gelassen  hat.  Die  Ernte  geschieht 
bald  nach  der  Regenzeit. 

Die  ganze  Wildniss  war  hier,  obgleich  nicht  sehr  dicht  be- 
waldet, voll  von  Wasserpfuhlen  und  dicht  durchwachsenen  Reis- 
feldern. In  der  That  hatte  die  Gegend  heute  etwas  Tropisches; 
unK(»r  Lagcri)latz  befand  sich  wieder  hart  an  einer  von  wildem 
IU>iH  umgebenen  PfUtzenlache,  umschlossen  von  einem  Saume 


Du  Lager  in  der  WilduiM.  147 

wmtkroniger,  üppiger  Bäame,  und  war  so  voll  von  Elephan- 
teuBporen,  dass  kaum  ein  ebener  Platz  von  2 — 3  Fusa  Durch- 
messer gefunden  werden  konnte,  was  keineswegs  sehr  ange- 
nehm war  bei  dieser  wilden  Art  zu  leben,  ohne  Stuhl,  Diwan 
oder  Bettstelle.  Denn  der  Boden  ist  so  entsetzlich  hait,  dass 
die  Ränder  der  von  den  unzierlichen  Pfoten  des  Elephanten 
verursachten  Löcher  den  auf  blosser  Matte  und  Teppichen 
ruhenden  Reisenden  abscheulich  drücken.  In  der  That  war  auf 
dieser  ganzen  ßeise  der  „lÄteram"  —  das  „Grabinstrument" 
(von  „Itlugin",  ich  grabe)  — ,  ein  dicker  hölzerner,  2{ — 3  Fuss 
langer  und  mit  einer  schwcr«m  eisernen  Doppelkante  ver- 
sehener Knüttel,  das  nothwendigste  Instrument,  nm  ein  Loch 
zu  machen  fiir  den  „dateram"  —  das  „Hemmwerkzeug" — , 
das  heisst  Pferdebaum*).  Gewöhnlich  gräbt  hier  zu  Lande 
der  Reiter  dies  Loch  mit  seiner  Lanze ;  in  diesem  eisenharten 
Moorboden  aber  war  es  nicht  möglich,  in  jetziger  Jahres- 
zeit auch  nur  die  kleiaste  Ö&ung  zu  machen.  Während 
der  Regenzeit  dagegen  ist  der  Boden  natürlicherweise  um 
so  weicher  und  kaum  passirbar. 

Es  war  sehr  überraschend  für  mich,  dass  heute  eine  Giraffe 
gefangen  wurde,  da  ich  mir  eigentlich  die  Vorstellung  ge- 
macht hatte,  dasB  dieses  scheue  Thier  nicht  in  den  dichter 
bewohnten  Ländern  nahe  am  Äquator  lebe,  und  da  es  vor- 
züglich an  dem  Rande  der  Fruchtländer  und  der  Wüste  ge- 
funden wird,  in  jenen  weiten  baumrcichen  Hochsteppen,  die 
wir  durchzogen  hatten,  ehe  wir  in's  A&ikanische  Flachland 
hinabstiegen.  Ich  überzeugte  mich  aber  bald,  dass  dies 
Thier  auch  in  den  Wildnissen ,  die  in  diesen  Gegenden  die 
dichter  bewohnten  Distrikte  unterbrechen,  keineswegs  sel- 
ten ist. 


■)  „ditcreni"  —  Ton  Kollo  Ubergtuigwi  —  komnit  obawo  tod  „dingin" 
(hier  in  der  Bedeatimg  „ich  mache  itatui,  hftlte  (»rück"),  wla  „Uter«tn"  ron 
„Ungin"  her. 


i 


148  YI.  Kapitel. 

Als  ich  am  Abend  meinen  Bemus  überzog,  hatte  ich  das 
Unglück,  von  einem  beim  Aufrollen  der  Matten  in  denselben 
gerathenen  Skorpion  in  den  Mittelfinger  gestochen  zu  werden. 
Da  ich  im  Dunkeln  das  Thier  nicht  gesehn  hatte,  hielt  ich  die 
Wunde  im  ersteh  Augenblick  für  einen  Biss  jener  abscheulichen 
schwarzen  Ameisen,  den  mir  die  Leute  als  augenblickUch 
fast  ebenso  schmerzhaft  dargestellt  hatten,  imd  versäumte  es, 
mir  die  Hand  schleunig  abzubinden,  wodurch  es  kam,  dass 
das  Gift  mir  weit  den  Arm  hinaufdrang  und  ihn  2  Tage  fast 
unbrauchbar  machte.  Als  wir  noch  spät  am  Abend  zum  Veziier 
gingen,  fanden  wir  seinen  Audienzsaal  von  den  Elephanten- 
spuren-  so  dicht  durchwühlt,  dass  es  überaus  unangenehm 
war,  sich  auf  dem  blossen  Boden  niederzulassen,  und  wir  gin- 
gen desshalb  bald  wieder  fort.  In  der  That  ist  diese  Gegend 
einer  der  elephantenreichsten  Plätze  in  Afrika  und  es  sind 
der  oben  erwähnte  Platz  Fatauel  und  das  auf  meiner  Reise 
nach  Baghirmi  noch  weiter  zu  erwähnende  Djena  in  Löggene 
die  bedeutendsten  Märkte  für  Elfenbein. 

[Donnerstag,'  ISten  Dezember.]  Herr  Dr.  Overweg  und 
ich  pflegten  jetzt  früh  beim  Aufbruche  uns  gewöhnlich 
bei  des  Veziers  Gezelt  einzufinden,  um  ihn  zu  begrüssen  und 
in  seiner  Nähe  zu  reiten.  Im  weiteren  Verfolge  deis  Rittes 
hielt  ich  mich  dann  gewöhnlich  etwas  hinter  dem  dichtesten 
Trupp,  eben  vor  seinem  berittenen  Harim,  und  auf  den  engen 
Waldpfaden,  wo  des  Drängens  und  Stossens  oft  zu  viel  war, 
meist  hinter  seinen  Leitpferden.  Von  beiden,  berittenen 
Dienerinnen  und  Leitpferden,  führte  der  Vezier  nur  die  be- 
scheidene Zahl  von  8  bei  sich;  der  Scheich  hattfe  eine  Schaar 
von  12  Kebsweibem  bei  sich,  aber  auch  das  war  bescheiden, 
da  wir  bald  den  kleineren  Herrn  von  Baghirmi  mit  45  hol- 
den Gefahi'tinnen  vom  Heereszuge  zurückkommen  sehn  wer- 
den. Diese  Schönen  waren  insgesammt  in  weisse  wollene 
Bernuse  gekleidet,  mit  ganz  verhülltem  Gesicht,  und  wurden 
streng  bewacht;  in  der  That  wollte  der  Eunuch  nichts  von 


Der  Mdssga-Fürat  Xdischen.  149 

meinem  Beweggrund  hören,  dass  ich  mich  in  ihrer  Nähe 
hielte,  weil  hier  am  wenigsten  Gedränge  wäre ;  aber  er  durfte 
mich  doch  nicht  auf  so  peremptorische  Weise  fortjagen, 
wie  er  es  mit  Anderen  machte,  die  das  Unglück  hatten,  in 
ilire  Nähe  zu  kommen. 

Wir  hatten  schon  heute  das  Beispiel  eines  ausgebildeteren 
Wiesen  Wassers ,  das  sich  mit  reichem  Graswuchs  quer  vor 
unseren  Weg  legte,  und  das  Heer  gewährte  hier  einen  höchst 
malerischen  Anblick,  als  es  am  östlichen  Rande  desselben,* 
dichten  Baumwuchs  hart  zur  Linken,  hinzog.  Durch  dichte 
Waldung  traten  wir  von  hier  in  die  schöne  freie  Landschaft 
des  mehrere  Gruppen  umfassenden  ansehnlichen  Dorfes  Wo- 
lödje  hinaus.  Hier  ergötzte  ich  mich  an  dem  Anblick  einer 
charakteristischen  Scene,  nämlich  einem  Trupp  raubend  in  ein 
Dorf  eindringender  Beiter,  die  dessen  Ältermann  mit  gutem 
Erfolg  mit  Hilfe  eines  grossen  Baumstammes  zu  Paaren 
trieb.  Etwas  jenseit  dieses  Weilers  ward  der  Lagerplatz  ge- 
wählt, 1  Meile  östlich  von  einem  weit  ausgedehnten,  von  herr- 
lichen Baumgruppen  umgebenen  Wiesenwasser. 

Die  abendliche  Unterhaltung  beim  Vezier  hatte  einmal 
wieder  ein  bedeutendes  geographisches  Interesse  durch  die 
Anwesenheit  des  vom  unterworfenen  Müssgu-Fürsten  Adischen 
zurückgekehrten  Boten,  der  stets  den  Unterhändler  gemacht 
hatte  und  das  Land  sehr  wohl  kannte,  obgleich  er  selbst 
nicht  weiter  vorgedrungen  war,  als  bis  Kade.  Aus  der  ganzen 
Art  und  Weise  übrigens,  wie  sich  der  Vezier  mit  ihm  be- 
rieth,  leuchtete  eine  grosse  Unbestimmtheit  hervor;  erwusste 
durchaus  noch  nicht,  wohin  er  sich  wenden  solle.  Den  Für- 
sten Fuss  oder  Puss  hörten  wir  schon  hier  mit  einem  gewissen 
Respekt  nennen;  man  fiirchtete,  ihn  anzugreifen.  Es  war 
eine  Art  von  Ironie,  wie  der  Bot«  angab,  dass  man  am  Hofe 
Adischen's  über  die  Ankunft  der  Rhasia  überaus  erfreut  sei. 
Dabei  schilderte  er  die  Sitten  dieses  nur  äusserUch  zum  Iss- 
läm  bekehrten  Hofes.    Seine  Majestät  Adischen  lege  sich  des 


i 


150  VI.  Kapital. 

Abends  im  vollständigsten  Deshabille  vor  den  Augen  seiner 
Leute  zu  seinen  Sklavinnen,  deren  er  200  habe.  Dies  schien 
allerdings  nicht  blosse  Verleumdung  zu  sein,  da  es  auch 
schon  früher  der  gemüthliche  Kaschella  Beläl  berichtet  hatte, 
der  bei  ihm  zu  Gaste  gewesen  war.  Beläl  erklärte  zugleich, 
dass  er  es  versucht  hätte,  ihn  von  dieser  Unsitte  abzubringen, 
aber  vergeblich.  Es  ist  auch  sehr  möglich,  dass  dieser  kleine 
Herr,  der  die  Sache  seiner  Landsleute  verrathen  hat,  um 
sich  die  Gimst  seiner  Gebieter  zu  erwerben,  wie  sie  behaupten, 
ihnen  gelegentlich,  wenn  sie  ihn  besuchen,  den  Niessbrauch 
seiner  Sklavinnen  erlaubt,  und  dass  er  sich  ihnen  über- 
haupt so  verächtlich  wie  möglich  macht.  Davon  aber  dürfen 
wir  nicht  auf  die  Sitten  dieser  Leute  überhaupt  schliessen; 
wir  werden  sehr  bald  einen  höchst  entwickelten  Sinn  für 
Häuslichkeit  bei  ihnen  finden,  obgleich  es  sich  von  selbst 
versteht,  dass  sie  das  geschlechtliche  Verhaltniss  ganz  vom 
natürlichen  Standpunkte  nehmen  und,  sowie  sie  ihre  Schaam 
nicht  vor  einander  verhüllen,  auch  keinen  Grund  sehn,  sich 
bei  geschlechtlicher  Vermischung  in  das  Dunkel  der  Heim- 
lichkeit zurückzuziehen. 

[Freitag,  19ten  Dezember.']  Die  Feldlandschaft,  durch  die 
unser  Weg  führte,  als  wir  am  Morgen  unseren  Lagerplatz  ver- 
liessen,  war  über  alle  Maassen  lieblich  und  luftig  und  ganz 
für  Hirtenstänmie ,  wie  die  Schüa  und  Fulbe  sind,  geeignet; 
aber  auch  Spuren  von  Landbau,  ja  selbst  von  Baumwollen- 
feldem  fanden  sich.  Dann  trat  Dümgebüsch  —  „ngille"  — 
auf,  das  wir  seit  der  Umgebung  von  Kukaua  fast  gar  nicht 
zu  Gesicht  bekommen  hatten,  und  weiterhin  beherrschten 
stolze  Dümpalmen  die  anmuthige  freie  Landschaft,  durch  die 
der  „kebü"  in  langgestreckter  Schlachtordnung  —  „bäta"  — 
und  in  mannichfach  gruppirten  und  bunt  gekleideten  Haufen 
dahinzog:  die  schwere  Kavallerie  in  ihren  dick  wattirten 
Röcken  oder  Panzerhemden  und  Kettenpanzern  mit  in  der 
Sonne  glitzernden  Helmen,  unter  ihrer  eigenen  Last  fast  er- 


Zug  durch  die  Landschaft  Wolodje.  151 

liegend;  der  leicht  gekleidete  Schüa  auf  hagerem  aber  ab- 
gehärtetem Rappen  und  nur  mit  einer  Handvoll  Wurfspeere 
bewaffnet;  der  eingebildete,  selbstgefällige  fürstliche  Sklave  in 
seinen  seidenen  Toben;  die  halbnackten  Kanembü-Speerleute 
mit  Schild  imd  Speer,  ihrem  halbzerrissenen  Schurz  und  ih- 
rer Berberischen  Kopftracht,  und  in  der  Feme  der  Zug  der 
Kameele  und  Lastochsen,  —  Alles  voll  Muth  und  in  der 
Erwartung  reicher  Beute  den  unbekannten  Landschafben  im 
Südosten  zustrebend. 

Es  war  ein  herrliches  Gefühl  der  Freiheit,  das  mich  be- 
seelte, als  ich  auf  meinem  muthigen  Streitross  in  der  schö- 
nen Morgenbeleuchtung  durch  diese  weite,  -unabsehbar  sich 
hinstreckende  und  doch .  so  reich  geschmückte  Ebene  zur 
Seite  dieser  bunten  Heerschaar  dahinzog.  Noch  hatte  kein 
Blut  dieses  Heer  besudelt  und  Schaaren  unglücklicher,  ihrer 
Heimath  entrissener  und  in  die  Knechtschaft  geführter 
Sklaven  waren  noch  nicht  mit  den  Reihen  der  Krieger  ge- 
mischt. Wohlgemuth  zog  Alles  dahin  nach  Südost,  den  selbst 
ihnen  meist  unbekannten  Gegenden  zu.  Dann  und  wann  be- 
lebte sich  der  Heereszug,  wenn  eine  Gazelle  aufsprang  und 
scheu  zwischen  die  einzelnen  weit  zerstreuten  Gruppen  ge- 
rieth,  wo  dann  leichte  Kanembü-Schildträger  und  Schüa-Rei- 
ter  mit  ihren  Lanzen  hinter  der  ihren  Gaumen  reizenden  Beute 
hinterdrein  waren  und  der  tausendfach  wiederholte  Ruf: 
„kolle,  külle"  („lass  ab,  lass  ab",  nämlich  sie  gehört  schon 
uns) ,  „göne,  göne"  („greif  zu,  greif  zu"),  von  einem  Trupp  zum 
anderen  enschoU;  oder  wenn  ein  schwerfälliges,  feistes  Perl- 
huhn, aus  dickem  Busch  aufgeschreckt,  über  die  Köpfe  dahin- 
flog, alsbald  gezwungen,  sich  wieder  niederzulassen,  imd  so 
nach  vergeblicher  zaghafter  Flucht  die  Beute  seiner  Ver- 
folger wurde,  oft  in  mehrere  Stücke  zerzaust. 

Die  weit  offene  Gegend  schien  in  weite  Ferne  zu  locken, 
aber  auch  heute  war  der  Marsch  nur  von  kurzer  Dauer,  und 
schon  vor  8  Uhr  Morgens  waren  wir  daran,  imser  Lager 


152  TL  KapiteL 

wiederum  au£m8chlagen.  Diese  ganze  Landschaft  wird  noch 
in  dem  weiten  Distrikt  Wolödje  einbegriflfen ,  das  Wasser 
jedoch,  das  unserem  Lagerplatz  zur  Seite  war,  führt  den  be- 
sonderen Namen  „Koda-ssale",  wo  auch,  wie  in  ganz  Wolödje, 
die  Bene-sse  wohnen.  Östlich  von  Kodd-ssale  liegt  die  Ort- 
schaft Lauäri,  während  der  oben  erwähnte  ansehnliche  Bezirk 
gleiches  Namens  bis  hierher  hinabreicht;  nahe  westlich  liegt 
Ssüggeme,  dahinter  U'lba,  südwestlich  davon  Meme  und  nord* 
westlich  Momo.  Alle  diese  Ortschaften  werden  von  Kanöri 
und  Schüa  gemeinsam  bewohnt;  dahinter  breitet  sich  Wild- 
niss  —  „karäga"  —  aus. 

Mein  „kökana"  Billama  —  ich  hielt  nämlich  auch  eine 
kleine  „nogona"  —  „Diwan"  — ,  bei  der  mein  alter  Freund 
von  Adamaua  und  Hadj  EdrTss  die  ersten  Hof  leute  —  ,,ko- 
kanäua"  —  bildeten,  aber  auch  gelegenthch  andere  Leute  sich 
einfanden,  wie  mein  Ngomu- Freund  Kaschella  Kottoko,  der 
gleichfalls  die  Rhasia  mitmachte  — ,  Billama  also  erzählte, 
dass  er  im  genannten  Orte  für  3  Nadeln  den  täglichen  Be- 
darf seines  Pferdes  erhandelt,  für  2  eine  hölzerne  Schüssel 
—  „bükuru"  —  gekauft  habe  und  für  6  weitere  eine  Menge 
Fleisch  von  einem  jungen  Rinde  erhalten  solle.  Wie  ich 
nämlich  meinen  Geheimrath  EdrTss  auf  Nadelpension  gesetzt, 
so  hatte  ich  auch  meinem  Flügeladjutanten  Billama,  aller- 
dings neben  manchen  anderen  grösseren  und  kleineren  Ge- 
schenken, auch  einige  Hundert  Nadeln  gegeben,  um  seinen 
Haushalt  auf  dem  Kriegsstand  zu  bestreiten.  Nadeln  hatten 
in  der  Residenz  gar  keinen  Werth,  hier  aber  in  der  Pro- 
vinz waren  sie  sehr  geschätzt;  aber  nur  Wenige  waren  so 
schlau  gewesen,  sich  damit  zu  versehen.  In  der  That  war 
dieses  einfache  Erzeugniss  Eiu*opäischer  Industrie  auf  meiner 
Reise  nach  Baghirmi  mein  Hauptsubsistenzraittel ,  das  mir. 
den  ehrenwerthen  Titel  „Nadelprinz"  verschaffte. 

Auch  den  folgenden  Tag  blieben  wir  hier  liegen,  da  sich 
die  Truppe  zum  Marsch  durch  wildes,  unangebautes  Gebiet 


Eine  Gattung  wilder  Katze  —  „sBÜmmoH".  153 

mit  Kom  zu  versehen  hatte.  Jedes  der  umliegenden  Dörfer 
hatte  zwei  Ochsenlasten  Kom  zu  liefern ,  das  jedoch  bei  der 
Vertheilung  nur  der  nächsten  Umgebung  Lamlno's  anheimfiel, 
während  der  ganze  übrige  ungeheuere  Tross  auf  sich  selbst 
angewiesen  war  und  natürlich  zum  grossen  Theil  heimlich 
oder  oflfen  den  Bewohnern  des  Distriktes  zur  Last  fallen 
musste.    Alles  Kom  ward  auf  Eseln  foiigeschafft. 

In  diesem  Lager  machte  der  Vezier  Herm .  Dr.  Overweg 
einen  kleinen  Löwen  zum  Geschenk.  Bei  früherer  Gelegen- 
heit hatte  er  ihm  schon  einen  „ssümmoli"  gegeben,  d.  i. 
eine  Art  wilder  Katze  von  nicht  eben  häufigem  Vorkom- 
men, die  nicht  allein  Gazellen,  sondern  selbst  Kälber  an- 
fallen soll.  Sie  war  von  hellbrauner  Farbe,  der  hintere 
Theil  jedoch  schwara,  und  hatte  sehr  spitze,  aufrecht 
stehende  Ohren  —  „ssümmo"  — ,  ein  Umstand,  von  dem 
der  Name  abgeleitet  worden  ist;  die  Ohren  sind  ausserdem 
mit  einem  schwarzen  Streifen  geschmückt.  Eine  grosse 
Menge  eigenthümlicher  Geschichten  wird  vom  Volke  in  Be- 
zug auf  die  Wildheit  dieses  Thieres  erzählt ,  und  nach  dem, 
was  wir  selbst  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten,  scheint  es 
in  der  That  ein  wunderbares  kleines  Geschöpf  zu  sein;  denn, 
obgleich  noch  sehr  jung  und  klein,  war  es  doch  äusserst  wild 
und  ganz  und  gar  Herr  des  jungen  Löwen.  Beide  Thiere 
wurden  mit  gekochter  Milch  gefüttert,  die  sie  sehr  liebten; 
aber  die  beständige  schwingende  Bewegung,  die  sie  auf  dem 
Rücken  der  Kameele  in  der  Tageshitze  ertragen  mussten, 
hatte  in  kurzer  Zeit  ihren  Tod  zur  Folge. 

[Sonntcu/,  2Pten  J)ezember.]  In  dichtem  Gedränge  brachen 
wir  auf,  um  unseren  Marsch  in  der  anfänglich  noch  ziemlich 
lichten  Wildniss  fortzusetzen,  dem  lebhaften  Tummelplatze 
grosser  Elephantenheerden,  wie  die  Menge  von  Koth  und 
die  oft  schachbretartig  den  Boden  dicht  markirenden  Spu- 
ren bezeugten.  Nach  etwa  6  Meilen,  nachdem  wir  eines 
Sumpfes  halber  oder  aus  sonst  irgend  einem  Grunde  einen 


154  YL  Kapitel. 

spitzen  Winkel  beschrieben  hatten,  verdichtete  sich  die 
Wildniss  und  wir  setzten  unseren  Maxsch  in  schöner  Wald- 
landschaft fort.  Leider  konnte  man,  wie  das  auf  solchen  Zü- 
gen, wo  man  nicht  mit  Müsse  sich  umsehn  kann,  stets  der  Fall 
ist,  nicht  auf  das  Einzelne  achten,  besonders  da  die  Bomu- 
Pferde  meist  sehr  böse  und  wild  sind  und  man  überall  mit 
Thieren  zusammenkam,  die  wüthend  ausschlugen.  Aber  der 
Hauptcharakter  dieses  Waldes  war,  dass  dichtes  Dümge- 
büsch  den  Boden  bedeckte,  mittlere  Bäume,  zum  Theil  Mi- 
mosen, zum  Theil  von  anderen  Ai-ten,  die  Hauptwaldung  bil- 
deten und  grössere,  üppig  weit  sich  ausbreitende  Bäume,  meist 
Ficus-Arten ,  die  niedere  Holzung  in  schön  gegliederte  Grup- 
pen theilten.  Adansonien  schienen  sich  hier  ganz  zu  verlieren, 
und  wir  sahen,  so  viel  ich  mich  erinnere,  im  ganzen  Müssgu- 
Gebiet  nur  wenige  Exemplare  dieses  sonst  im  Sudan  so  ge- 
wöhnlichen Baumes.  Unsere  Aufmerksamkeit  ward  hier  auch 
gefesselt  durch  die  höchst  kunstvollen  Nester  des  Webervogels, 
die  wie  die  Destillirkolben  eines  Chemikers  von  den  Zweigen 
herabhingen,  obgleich  wir  den  kunstfertigen  Erbauer  dieser 
sorgfältigen  Behausungen  nicht  zu  sehn  bekamen.  Unser  La- 
gerplatz war  auch  mit  zahlreichen  Fächerpalmen  geschmückt, 
die  das  übrige  Laubholz  sehr  malerisch  unterbrachen.  Durch 
ihre  Höhe,  die  bei  vielen  gegen  30  Fuss  erreichte,,  unterschied 
sich  diese  Fächerpalme  durchaus  von  der  Chamaerops  hu- 
milisy  der  sie  sonst  ähnelt,  und  näherte  sich  der  Chamae- 
rops Martiana.  Der  Wald  war  hier  so  dicht,  dass  nur  der 
Platz,  wo  der  Vezier  selbst  mit  seiner  nächsten  Umgebung 
lagerte,  frei  von  Gebüsch  war.  —  Es  war  das  erste  Mal,  dass 
wir  einen  leidlichen  Marsch  machten,  obgleich  die  ganze 
Marschweise  doch  ein  deutlicher  Beweis  eines  verweichlichten 
Hofes  war,  wenigstens  bei  der  Art  der  Kriegführung  in  die- 
sem Lande,  wo  nur  Übernimpelung  einen  bedeutenderen  Er- 
folg sichern  kann. 
Am  Abend  kam  ein  kleines  Begrüssungsgeschenk  von  dem 


Dichte  Wildniss,  Ton  Elephanten  durchzogen.  155 

Müssgn-FüTsten  Adischen  an,  bestehend  in  5  Pferden  und  20 
Ochsen.  Aber  während  so  die  einflussreicheren  Männer  im 
Heere  mit  Nahrung  wohlversehen  wurden,  war  der  grössere 
Theil  keineswegs  gut  daran  und  die  Meisten  fanden  sich  auf 
das  Mark  des  Dümgestrüpps  —  „ngille"  —  angewiesen,  wel- 
ches von  den  Bomauem  witzigerweise  „kumbu  billabe" — „die 
Nahrung  der  Landstadt"  —  genannt  wird.  Ein  guter  Jäger 
indessen  könnte  sich  bessere  Nahrung  verschafit  haben  imd 
wir  erhielten  vom  Vezier  sogar  ein  kleines  Straussenei. 

Es  war  zu  bedauern,  dass  wir  absichtlich  die  gewöhnli- 
chere und  besuchtere  Strasse,  welche  über  mehrere  Ansiede- 
lungen der  Fulbe  oder  Felläta  geht,  vermieden  hatten,  um 
den  Letzteren  keine  Unruhe  zu  verursachen ;  denn  in  mehr  als 
Einer  Beziehung  wäre  jene  Strasse  bei  weitem  interessanter  ge- 
wesen, sowohl  von  einem  natürlichen  Gesichtspunkt  aus,  als 
in  Bezug  auf  den  politischen  Zustand  des  Landes.  Denn 
dann  würden  wir  deutlich  erkannt  haben,  wie  jenes  rastlos 
vordringende  Volk  das  kleine  Königreich  Mändara '  täglich 
mehr  und  mehr  einengt 

[Montag,  22^^^  Dezember.]  Dichte  Wildniss  hielt  noch 
während  der  ersten  3  Meilen  unseres  Marsches  an,  dann  aber 
lichtete  sie  sich  etwas  und  machte  sehr  ansehnlichen  Reis- 
feldern Platz,  die  jedoch  zum  grossen  Theile  verbrannt 
waren.  Der  ganze  Boden  dieser  Gegend  yrar  ein  ununter- 
brochenes Netz  von  Elephantenlöchem ,  die  den  Marsch 
sehr  erschwerten  und  einige  Pferde  lähmten;  ja  der  arme 
Ssälah,  ein  jüngerer  Bruder  Hadj  Beschir's,  stürzte  und  brach 
den  linken  Arm.  Eine  Elephantenheerde  war  in  der  Nähe 
und  eines  dieser  Thiere,  das  zwischen  die  Reitertrupps  gerieth, 
ward  getödtet;  jedoch  war  keine  Zeit,  es  abzuschlachten, 
obgleich  einige  Stücke  herausgeschnitten  wurden.  Hier  war 
wieder  Alles  mit  Dümgestrüpp  bedeckt,  dann  aber  hörte  es 
auf  und  es  zeigte  sich  wieder  viel  wilder  Reis  und  hie  und 
da  ein  Teich,  von  herrlichem  Baumwuchs  rings  umgeben  und 


1 


156  VI.  Kapitel. 

■ 

augenblicklich  belebt  durch  Gruppen  von  Reitern,  die  hier 
ihre  durstigen  Gäule  tränkten.  Unser  Marsch  betrug,  vrie  der 
gestrige,  etwa  15  Engl.  Meilen.  Unsere  Kost  war  heute 
äussei-st  manniehfach ,  ja  sogar  etwas  zu  kräftig  für  dies 
Klima,  wie  sich  sehr  bald  zeigte.  Denn  ausser  unserer  ge- 
wöhnlichen Zeltkost  —  Reis  öder  „mohämssa"  mit  Bohnen  — 
bekamen  wir  heute  ein  Gericht  Hasenfleisch,  ein  Gericht 
Elephantenfleisch,  das  durchaus  essbar  war  und  grosse  Ähn- 
lichkeit mit  Schw^einefleisch  hatte,  und  einen  allerdings  nicht 
sehr  schmackhaften  Fisch  Namens  „begeli"  aus  dem  nahen 
Wasserpfuhl. 

[Dienstag,  239ten  Dezember^  Heute  war  ein  bedeutender 
Tag  unseres  Feldzuges  und  manche  der  angeseheneren  Leute 
hatten  ihre  gewöhnliche  Kleidung  gegen  einen  glänzenderen 
Anzug  bei  Seite  gelegt.  Wir  betraten  nun  Üas  Müssgu- Ge- 
biet und  kamen  zugleich  in  Berührung  mit  zwei  grundver- 
schiedenen Elementen,  die  liier  am  Nordrande  diese  freie,  un- 
abhängige heidnische  Völkerschaft  auf  alle  Weise  zu  beein- 
trächtigen suchen.  Das  eine  war  ein  Theil  ihrer  selbst,  aber 
von  ihr  aus  eigennützigem  Verrath  losgerissen;  das  andere 
in  Nationalität  und  Religion  dem  Prinzipe  nach  ihr  gegenüber- 
stehend, nämlich  die  am  weitesten  nach  Nordost  vorgeschobe- 
nen selbstständigen  Gemeinden  der  siegreichen  Djemmää  der 
Fulbe  oderFelläta,  die  bis  hierher,  wie  wir  oben  gesehn  haben, 
ein  ganz  festes  Reich  zu  begründen  angefangen  haben,  wäh- 
rend sie  in  ihren  weiteren  Versuchen  auf  Bömu  und  Baghlrmi 
gescheitert  sind. 

Auf  unserem  heutigen  Marsche  mussten  wir  zweimal  Halt 
machen,  das  erste  Mal,  weil  Füi-st  Xdischen  mit  einem 
Trupp  seiner  sattellosen  Reiter  auf  meist  kleinen  Pferden 
herankam,  das  zweite  Mal,  als  eine  Schwadron  von  etwa  200 
Fulbe -Reitern  unter  Anführung  eines  Kriegshauptmannes, 
Chürso's,  des  Herrn  .von  Fette,  das  wir  bei  früherer  Gelegen- 
heit schon  mehrfach  erwähnt  und  auf  diesem  Marsche  schonend 


Eintritt  in  das  Land  der  Mdssga.  157 

in  einiger  Entfernung  westlich  gelassen,  zum  Bomu- Heere 
stiess,  um  an  dem  Kriegszuge  Theil  zu  nehmen,  der  die 
ihnen  verhassten  und  bis  jetzt  noch  hinter  den  natürli- 
chen Deichen  ihnen  überlegenen  Müssgu- Stämme  schwächen 
sollte.  Denn  in  dieser  Beziehung  ging  ihre  Politik  sicher- 
lich Hand  in  Hand  mit  derjenigen  der  Bömu-Leute,  obgleich 
es  nicht  wenig  auffällig  ist  und  die  laxe  Verbindung  dieser 
Lehnreiche  klar  zeigt,  dass,  während  der  Herr  vonAdamaua 
jetzt  auf  fast  feindlichem  Pusse  mit  dem  Beherrscher  von 
Bömu  stand,  einer  seiner  Lehnsleute  mit  dem  Letzteren 
sich  verbünden  sollte.  Übrigens  scheint  die  Verbindung  die- 
ser so  .entlegenen  Provinz  der  ausgedehnten  Besitzungen  der 
Fulbe  mit  Yöla  sehr  lose. zu  sein,  imd  ich  habe  nichts  über 
den  Tribut  erfahren  können,  den  die  einzelnen  Statthalter 
zu  bezahlen  haben.  Unglücldicherweise  hatte  die  reiche  und 
mannichfaltige  Kost  von  gestern  sehr  nachtheilig  auf  mich 
gewirkt,  so  dass  ich  mich  genöthigt  sah,  mich  bei  den  Ka- 
meelen zu  halten,  und  den  Begegnungsscenen  nicht  in  der 
Nähe  beiwohnen  konnte» 

Nach  diesem  Aufenthalte  weiter  ziehend,  erreichten  wir 
eine  halbe  Stunde  vor  Mittag  das  nördlichste  Müssgu -Dorf, 
Namens  Gabari,  von  reichen  Kornfeldern  umgeben.  Alles 
bot  ein  trauriges  Bild  der  Plünderung  und  Verwüstung  dar. 
Am  Abend  zuvor  war  durch  das  Lager  der  Ausruf  ergan- 
gen, aus  den  Dörfern  A'dischen's  dürfe  nichts  geraubt  werden, 
weder  Mensch  noch  Thier,  vom  Rinde  herab  bis  zur  Henne, 
Korn  allein  wäre  beutefrei.  So  war  in  den  Gehöften  Alles 
beschäftigt,  die  eben  eingeeniteten  Ähren  der  rothen  Indischen 
Hirse  —  „ngaberi  keme"  — ,  die  hier  mit  Ausschluss  von 
weisser  Hirse  und  von  Negerhiree  —  „argüm  möro"  — 
wächst,  auszudreschen  und  auf  die  Pferde  zu  laden.  Der 
grösste  Tlieil  der  Ernte  stand  übrigens  noch  auf  .dem  Felde, 
was  auffallend  war,  da  die  Bewohner  doch  ahnen  konnten, 
dass  der  Heereszug    diesen  Weg   nehmen  würde,   und  da 


IfiB  TL  K^teL 

vir  lange  genug  gezögert  hatten,  überdies  die  Saat  reif  war. 
Selbst  das  in  langen  raupenarügeD  Gewinden  bis  zu  15  Fuss 
Länge  für  die  trockene  Jahreszeit  in  den  Bätunen  aufge- 
speicherte nahrhafte  Sompfgras  ward  von  der  Reiterei  mit- 
genommen nnd  trotz  des  Verbotes  auch  manches  zurncl^e- 
lassene  Zicklein,  Huhn  und  Gerätb.  Von  den  Eingeborenen 
selbst  aber  liess  sich  Niemand  sehn;  Alle,  obgleich  Unter- 
thanen  A'discben's,  hatten  es  für  rathsamer  gehalten,  ihre 
Sicherheit  durch  sclmeUe  Flucht  selbst  zu  wahren ,  als  sich 
der  Diskretion  dieser  ungeordneten  und  schlecht  disciplinir- 
ten  Heeresmasse  zu  überlassen. 

Der  AnbUck  dieser  Raubscenen  war  um  so  betrübender, 
da  das  Dorf  ein  Bild  eines  gewissen  behaglichen  Lebens 
und  selbst  eines  gewissen  Grades  von  Industrie  seiner  Be- 
wohner darstellte.  Im  Allgemeinen  enthielt  jeder  Hof  eine 
Gruppe  von  drei  bis  sechs  Hütten,  je  nach  der  Zahl  der 
Weiber  des  Eigenthümers.  Die  Wände  der  Wohnungen  be- 
standen ohne  eine  einzige  Ausnahme  aus  Thon,  und  aus 
demselben  Material  bestanden  in  den  Gehöften  der  Wohl- 
habenderen selbst  die  Umzäunungen  oder  ümschlussmauem, 
während  die  Wohnungen  der  Armeren  von  leichten  Zäunen 
aus  trockenem  Rohr  eingeschlossen  waren.  Die  Dächer  der 
Hütten  waren  mit  grosser  Sorgfalt  gedeckt,  wenigstens  ebenso 
soi^sam  als  in  irgend  einem  Dorfe  Bömu's,  und  sie  waren 
weit  besser  als  Strohdächer. 

Diese  Uüssgu-Hütten  zeigten  in  der  Form 
ihrer  Giebelung  selbst  Spuren  verschiedener 
Style,  die  vielleicht  auf  eine  gewisse  Stu- 
fenfolge im  Leben  zurückzuführen  sind.  — 
Fast  jeder  Hufraum  schloss  ausser  den  Hüt- 
ten und  einem  grossen,  12 — 15  Fuss  hohen 
Kombehälter  aus  Thon  noch  ein  Scbatten- 
dach  ein.  Die  Kombehälter  (s.  nebenste- 
'-  heude  Abbildung)  haben  ein  gewölbtes,  eben- 


Lager  beim  MdBBga-Dorfe  Körom.  159 

falls  ans  Thon  bestehendes  Dach  mit  einer  aufspringenden 
Mündnng,  welche  wiederum  von  einem  kleinen  Strohdach 
geschützt  wird,  in  der  Weise,  wie  die  Skizze  zeigt. 

Aus  den  Kornfeldern,  die  hie  und  da  von  schönen 
Küma- Bäumen  beschattet  waren  und  überhaupt  ein  Bild 
der  Fülle  gaben,  traten  wir  gegen  Mittag  in  ganz  ofiPenes 
Weidesumpf land  von  ansehnlicher  Ausdehnung  hinaus,  das 
durch  den  Gegensatz  des  frischen,  freien  Grasteppichs  gegen 
das  mit  hoher,  gelbreifer  Saat  prangende  und  in  Waldung 
eingeengte  Ackerland  einen  höchst  angenehmen  Eindruck 
machte.  So  zogen  wir,  etwas  ansteigend,  von  den  vereinzel- 
ten flachen  Wasserpfuhlen  auf  eine  Gruppe  grosser,  prächtig 
sich  ausbreitender  Bäume  zu,  welche  die  Felder  vor  einem 
anderen  Dorfe  beschatteten.  Das  Dorf  hiess  Körom  und 
gehörte  einem  dem  A'dischen  untergebenen  Häuptling,  den  we- 
nigstens die  Bomu-Leute  „Mai  Dabla^'  nannten,  dessen  eigent- 
licher Name  jedoch  „Feikama"  oder  vielmehr  „fei*)  Earna'' 
zu  sein  scheint;  es  lag,  wie  wir  gleich  sehn  werden,  in  nicht 
weiter  Entfernung  von  Kade,  der  Ortschaft  Ädischen's,  selbst 

Auf  diesen  Feldern  war  der  Vezier  abgestiegen  imd  das 
Lager  fing  an,  sich  zu  bilden.  Schon  war  ein  grosser  Theil 
der  überaus  prächtigen  Karäge- Bäume,  die  wir  hier  im 
Mussgu- Lande  in  reicherem  Wüchse  sahen,  als  irgendwo 
sonst,  selbst  das  Marghi-Land  nicht  ausgenommen,  der  gan- 
zen Krone  beraubt,  um  die  grösseren  Gezelte  von  aussen 
mit  einem  Verbacke  zu  versehen,  und  in  der  Folge  blieb  zu 
unserem  tiefen  Bedauern  keiner  dieser  majestätischen  Bäume 
verschont  Die  grössteu  derselben  hatten  etwa  80  Fuss  Höhe 
und  ihre  Kj-one  konnte  kaum  geringeren  Durchmesser  haben, 
aber  das  Laub  ist  nicht  so  dicht  und  regelmässig  abgerundet, 
wie  bei  den  Tamarinden  —  „ngabore"  —  (liestnä  elcistica). 
Nur  die  bei  ihrem  ungeheueren  kandelaberartigen  Astwerk 


*)  DieMÜHgu-Leute  drücken  ,, Fürst"  mit  „P^i"  oder  »»fei"  ans. 


7<>ndiriiu.  boA  Luf^r  wxr  'nean^  iheaa&  -mm  mui  I»  dem 
Tinery^m^  £>i«ten.   hi)«!iiäC  mbi^äiiizu^fi.    I^ar  $iHiiBüBii  ward 

KjkTiTjri.   7*^lTii!ilCrCr   i«cIIL  UL  AiCälL   AzailBCflHItäMfisdiläL  Kult 

\i;sdt^XiAfA  yefi2nij<uiä0>=Q^c  —  tÜN'fi«  bäOe  aienfie  Abbild 
f^me  Vm^ikXifiüf^ca,  beim  Visier. 

Wir  yJLv^nf^  hürT  die  biridäL  fr>i^!Eii#i«L  Tice. —  dnAv&nt- 
halL  AfrT  Tom  &!I^*»mäZL  meoaiziiädieiL  ScASiiipankLe  ab»  über- 
ai»  Uik^iL^wenh  var:  da  vahnsd  «irr  Zeh  aDe  Adbdieii 
Memilf^tf^  und  imAhhängigen  MöäeeTZr-Siamme  hznlandtich  ge- 
warnt A^irin  mosbteiL  mn  skfa  auf  dxwiL  ÄJtsnS  ^iase^  zn  ma- 
r^h^rn  and  Tor  einem  plötzliirhäi  Übiczfill  auf  OmMr  Hut  m 
vnn :  aber  eben  de^balb  hatte  er  Ton  strategKcfaer  Seite  ge- 
wLrsi  nkht«  Empfehlenswerthes- 

Da  wir  hier  aL?o  sdU  lagen  und  in  unseren  Verhältnissen  an 
ein  weitete  ('mhersch weifen  nicht  zu  denken  war.  sah  ich  mich 
na/;b  Nacfaricfaten  ron  dem  Lande  mn.  das  wir  soeben  betre- 
U'U  hatten,  and  war  90  glücklich,  in  Said,  einem  freigelassen 
uffXt  HkiaTen  Lamino's.  der  ein  geborener  Mdsägu  war.  einen 
(hrH  ]jHhfhA  wohlkundigen  )Iann  zu  finden.  Er  und  ein  Mann 
Hti'A  dern  MünSgu-^Me  Luggeu  gaben  mir  folgendes  Veizeich- 
um  ?rin  MiJitsgu-IIerrschaften:  Mäyum.  nahe  östlich  von  Kade, 
d'?r  \%ffM(\('.m  Adiftchen's.  dann  ein  kleiner  Ort  Namens  MSga. 
f»;trka,  jetzt  verlaftsen,  Massanafa  mit  dem  Fürsten  Assana- 
fi;i,  ri^Hi  weU;hf;m  die  ganze  Herrschaft  benannt  ist;  Ma- 
nibiiA,rk;i,  linlrio;  Makalne,  höchst  wahrscheinlich  ursprünglich 
b^rnanrit  nach  einem  Fürsten  Namens  Kalne  oder  Akalne,  aber 
((e(</;fiwürtig  lUf^idenz  d(.*s  mächtigen  Häuptlings  Kabisclime; 
KHiirrin;  M/iHa^a,  lU.»Kidenz  des  schon  oben  erwähnten  sogenann- 
ten FiirMten  Fuhk,  dessen  eigentlicher  Name  jedoch  Ngeumäta 
will  M(»ll,  da  „Fijsh"  der  Name  der  Herrschaft  ist;  Lüggeu,  Ba- 
n*ii,  r»(i^ijfila  mit  dem  F'ürsten  Hüyüm,  Mbogtam,  Beubeu, 
Kiib&HHeiiii  mit  dem  Fürsten  Margo,  Kalän,  Ngelmöng,  Mö- 


VeneichnisB  der  Mdsi^-Hemohaflen.  161 

rom  mit  dem  Fürsten  Ssader&nsa,  Büllum,  Bege,  Mddalang, 
Eäsuei,  das  wir  auf  unserem  weiteren  Marsche  östlich  liegen 
Hessen;  die  Herrschaft  Eäkala,  Duän  oder  Aduän  in  südwest- 
licher Richtung ;  Gemei,  eine  grosse  Ortschaft  in  südöstlicher 
Richtung;  Wülia,  Demmo,  Äudege,  Agsse.  Manche  dieser  Ort- 
schaften oder  vielmehr  Bezirke  werden  wir  selbst  in  der  Folge 
berühren,  die  übrigen  kann  ich  nicht  genauer  topographisch 
angeben.  —  Ich  will  nun  einige  Bemerkungen  über  die  Müssgu 
im  Allgemeinen  beifugen.   . 

Die  Müssgu  oder  Müssekü  sind  eine  Abtheilimg  des  gros- 
sen Volksstammes  der  Mä-ssa  *) ,  der  die  Kötokö  oder  M4- 
kari,  die  Bewohner  von  Logon  oder  Logone,  die  Mändara  oder 
är-Wändala  mit  den  Gäm-erghü  angehören,  sowie  augenschein- 
lich auch  der  grosse  Stamm  der  Bätta,  ja  selbst  vielleicht  der- 
jenige derMbäna.  Am  engsten  jedoch  sind  die  Miissgu  mit  den 
Logonesem  verwandt,  die,  wie  wir  bald  sehn  werden,  eine 
ganz  junge,  sich  blos  in  politischer  Hinsicht  wegen  ihrer  grös- 
seren Civilisation  von  jenen  absondernde  Gemeinde,  aber  kei- 
neswegs einen  national  getrennten  Stamm  bilden.  Unter  den 
verschiedenen,  in  ihren  Dialekten  zum  Theil  sehr  abweichenden 
Gruppen  der  Eotokö  scheinen  ihnen  Ngäla  und  Elessem  der 
Sprache  nach  am  nächsten  zu  stehn.  Jedoch  sind  auch  die 
Dialekte  der  in  so  viele  einander  feindlich  gegenüberstehende 
Gemeinden  zersplitterten  Mä-ssa-Müssgu  sehr  mannichfaltig 
und  so  verschieden,  dass  man  mich  versicherte,  die  Leute  von 
Lüggeu  verständen  nicht  leicht  die  von  Wülia  und  Demmo. 
Leider  hatte  ich  aber  keine  Gelegenheit,  von  den  anderen 
Dialekten  ausser  demjenigen  v.on  Lüggeu  Proben  zu  sammeln. 

Über  einzelne  Sitten  dieses  Yolksstammes  werde  ich  im  Ver- 
lauf unseres  Feldzuges  sprechen;   hier  will  ich  nur  angeben, 


*)  Die  Baghirmi-Leutc  nennen  sie  daher  noch  his  auf  den  heutigen  Tag  nie 
anders  als  „Ms-ssa  Müssekü".  Leider  habe  ich  es  yersäumt ,  nachzuforschen, 
wie  die  Leute  yon  Logone  sie  nennen. 

Buth's  B«lMD.    la  11 


162  VL 

dass  ihr  Torzüglichster  r^ssäfi"",  um  mich  eines  Hanssa-Wor- 
tes  za  bedienen,  oder  Fetisch,  wie  man  an  der  Küste  sa- 
gen würde,  gleich  dem  der  Marghi,  eine  lanzenartige,  j^ete" 
genannte  Holzstange  sein  soll;  aber  der  Unterschied  der 
Kulte  ist  jedenfalls  bedeutend,  da  bei  den  Marghi  die  Holz- 
stange mehr  ein  Symbol  als  ein  Bild  zu  sein  scheint  und  die 
eigentliche  Verehrung  der  heiligen  Ortlichkeit  gilt  Bei  den 
Müssgu-Stämmen  sah  ich  keine  heiligen  Haine. 

Am  Nachmittag  wohnte  ich  einige  Zeit  der  Versammlung 
beim  Vezier  bei,  wo  ein  interessant  und  abenteuerlich  aus- 
sehender alt^r  Mann,  der  M&llem  Djemme  oder  Djümma,  die 
Hauptrolle  spielte.  Die  Geschichte  dieses  Mannes  ist  nicht 
ohne  Bedeutung  und  zeigt,  welches  Feld  sich  ehrgeizigen 
Moslemin  in  den  Heidenstaaten  im  Süden  ihrer  Länder  er- 
öffnet Vom  alten  Scheich,  nämlich  Mohammed  el  Amin  el 
Kanemi,  wegen  Ungehorsams  einst  mit  Todesstrafe  bedroht, 
hatte  sich  der  Schüa  unter  die  Heiden  geflüchtet  und  hier 
allmählich  auf  eigene  Hand  eine  kleine  Herrschaft  gegründet; 
jetzt  war  er  aber  verjagt  und  kam  nun  zum  Vezier,  um  sich  von 
ihm  wieder  einsetzen  zu  lassen.  Natürlich  besass  er  grosse 
Kenntniss  des  Landes  imd  war  desshalb  sehr  willkonmien;  sei- 
nen Zweck  aber  erreichte  er,  wie  wir  sehn  werden,  doch  nicht. 
Ich  habe  schon  in  dem  Adamaua  behandelnden  Abschnitte 
den  Weg  von  dem  südlichsten  Punkte,  den  wir  auf  diesem 
Müssgu-Zuge  erreichten,  nach  den  von  mir  erforschten  Punk- 
ten in  jenem  Lande  auf  die  Autorität  dieses  Mannes  ange- 
geben. Leider  aber  war  er  nicht  mittheilend,  oder  vielmehr 
ich  hatte  nichts  Hübsches,  um  es  ihm  schenken  zu  können, 
sonst  hätte  ich  von  ihm  unendlich  viel  über  diese  Länder 
erfahren  können,  die  in  nicht  gar  femer  Zukunft  für  die 
Europäer  von  grosser  Bedeutung  werden  müssen,  der  so  um- 
fassenden Wasserverbindung  wegen,  die  sich,  wenn  man  den 
natürlichen  Wasserläufen  nur  ein  wenig  nachhilft,  bis  in  das 
Herz  des  Kontinentes  eröffiiet    Diese  Länder  zvrischen  dem 


Audienz  des  A'dischen  beim  Yezier.  163 

Benne  und  Schäri  scheinen  in  der  That  die  reichsten  und 
ihrer  fast  gänzlich  ebenen  Beschaffenheit  wegen  der  Kultur 
am  meisten  fähigen  Länder  des  Erdtheiles  zu  sein.  Nach 
der  Regenzeit  natürlich,  wenn  die  unzähligen  Wasserrinnen, 
die  das  Land  fast  ohne  Abfluss  durchschneiden,  überfliessen, 
kann  das  Klima  in  den  Ebenen  selbst  für  Europäer  nicht 
gesund  sein;  vereinzelte  Berghohen  aber  sind  von  der  Natur 
durch  diese  üppigen  Flachländer  hin  ausgestreut,  um  gesün-^ 
dere  Stätten  für  Ansiedelungen  zu  gewähren. 

Als  die  Hofleute  —  „kokanaua"  —  nach  längerer  Bera- 
thung  sich  hinter  die  Vorhänge  zurückzogen,  um  einen  Im- 
biss  aus  des  Veziers  Küche  einzunehmen,  entfernte  auch  ich 
mich  aus  dem  grossen  Audicnzzelte  des  Heerführers;  aber 
ich  war  kaum  eine  Strecke  fortgegangen,  als  mich  der  Ve- 
zier  zurückrufen  liöss  und  auch  einen  Boten  absandte,  um 
Herrn  Dr.  Overweg  aus  seinem  Zelte  holen  zu  lassen,  —  „der 
Fürst  Adischen  nämlich  käme  zur  öffentlichen  Audienz".  Ich 
kehrte  also  in  des  Veziers  Zelt  zurück,  wo  die  Hofleute  be- 
reits die  ihnen  ihrem  Range  gemäss  zukommenden  Plätze 
auf  dem  Boden  rings  um  ihren  Führer  eingenommen  hat- 
ten, während  Letzterer  selbst  auf  einem  Rohrdiwan  sass,  wel- 
cher ihm  auf  dem  ganzen  Feldzuge  nachgetragen  wurde.  — 
Nach  kurzer  Weile  kam  dann  der  Müssgu-Häuptling  an,  zu 
Pferde  —  aber  ohne  Sattel  —  und  von  seinen  drei  Brüdern 
begleitet.  Eine  grosse  Menge  Neugieriger  aus  dem  Lager 
hatte  sich  vor  dem  Zelte  des  Veziers  versammelt  und  ver- 
schonte Adischen  keineswegs  mit  Spott  und  Zudringlichkeit; 
er  liess  sich  jedoch  durch  die  Frechheit  der  Sklaven  eben 
nicht  verblüffen,  sondern  bewahrte  seine  fürstliche  Würde. 
Die  Vorhänge  des  geräumigen  Audienzzeltes  wurden  in  die 
Höhe  gehoben  und  der  Kerdi-Fürst,  eine  kleine,  gedrungene 
Gestalt  mit  eher  milden,  als  wilden  Zügen  und  anscheinend 
von  einem  Alter  zwischen  50  und  60  Jahren,  trat  herein.  Er 

war  mit  einer  schwarzen  Tobe  bekleidet,  trug  aber  keine 

11  • 


i 


164  VI.  Kapitel. 

Beinkleider  und  erscliien  mit  unbedecktem,  glattgeschorenem 
Haupte. 

Auf  dem  Boden  niederknieend  und  mit  Händeklatschen  die 
Worte  „Allah  ngübheru  degäl"  —  „Gott  gebe  dir  ein  langes 
Leben!"  —  wiederholend,  streute  er  Staub  auf  sein  Haupt, 
nach  dem  knechtischen  Gebrauche  des  „kati  götsin".  So- 
bald aber  der  auf  den  Trümmern  seiner  Nationalität  sich  sträu- 
bende, auf  allen  Seiten  seines  Landes  von  Feinden  bedrohte 
Häuptling  diese  erniedrigende  Geremonie  ausgeführt  hatte, 
nahm  er  seine  Würde  wieder  an  und  beschwerte  sich  nun  über 
seine  westlichen  Nachbarn,  die  Fulbe  oder  Felläta  (oder,  wie 
die  Müssgu  sie  nennen,  „Tschögtschogo"),  welche  dem  Bömu- 
Heere  zuvorgekommen  wären  und  Kühe  und  anderen  Raub 
aus  seinem  Gebiete  fortgeschleppt  hätten.  DerHadj  versicherte 
ihn,  dass  solche  Unbilden  in  Zukunft  nicht  mehr  geduldet 
werden  sollten,  —  er  sei  ganz  und  gar  im  Schutze  Bömu's. 
Auf  seinen  Wink  wurden  dann  einige  Packete  entfaltet  und 
Ädischen  ward  vom  Kaschella  Beläl,  seinem  ehemaligen  Gaste, 
*  zuerst  mit  einer  neuen,  schönen,  dunkelblauen  Nüpe-Tobe 
(dem  „Elephantenhemde"),  hierüber  dann  mit  einer  reichen 
seidenen  Tobe  (zu  wohl  40,000  Muscheln)  und  zuletzt  mit 
einem  darüber  gewundenen  Egyptischen  Shawl  bekleidet. 
Während  dann  die  eiteln,  sich  im  Gefühle  ihrer  höheren  Ci- 
vilisation  überhebenden  Kokanaua  ihn  in  ihrer  unpolitischen 
Kurzsichtigkeit  auslachten,  wünschte  ihm  der  gemüthliche  alte 
Beläl  auf  recht  herzliche  Weise  langes  Leben  und  rief  ein- 
mal über  das  andere :  „ngubberu  degä  meina,  ngübberu  degä 
meina".  Seine  Brüder  wurden  dann  mit  weiten  Hemden  aus 
gestreiftem  Manchester  —  „äferit"  —  bekleidet. 

So  war  aus  diesem  kleinen  heidnischen  Müssgu -Häuptling 
eine  Art  Bomauischen  Amtmannes  geworden  und  er  fristete 
auf  diese  Weise  seine  armselige,  unbeneidenswerthe  Exi- 
stenz, —  mit  welchen  Opfern,  das  werden  wir  später  sehn. 
Die   Müssgu  -  Nation   ist    in    der  That  auf  allen  Seiten  so 


Politische  Lage  der  Mdssgiu  165 

eng  Ton  Feinden  nmgeben,  dass  sie  sich  nur  durch  die  grösste 
Einigkeit  vor  dem  Verderben  retten  könnte ; '  statt  dessen 
aber  ist  sie  in  viele  kleine  Herrschaften  zerstückelt,  die,  an- 
statt sich  einander  beizustehen,  sich  über  ihr  gegenseitiges 
Ungemach  freuen.  In  Wahrheit,  nur  die  Menge  der  sumpfi- 
gen Gewässer,  welche  ihr  Land  nach  allen  Seiten  hin  durch- 
ziehen und  dasselbe  während  des  grössten  Theiles  des  Jahres 
für  feindliche  Heere  ganz  unzugänglich  machen  (auch  während 
der  übrigen  Zeit  gewähren  ihnen  die  Hauptgewässer  natür- 
liche Vertheidigungslinien,  hinter  die  sie  sich  zurückziehen 
können),  erklärt  es,  wie  das  Land  oder  wenigstens  einzelne 
Bezirke  desselben  noch  so  dicht  bevölkert  sind,  wie  wir  es 
finden  werden. 

Im  Norden  die  imenergischen ,  aber  durch  ihre  zahlreiche 
Reiterei  und  den  Vortheil  von  Pulver  und  Blei  furchtbaren 
Kanöri;  im  Westen  und  Südwesten  die  unruhigen,  rastlos 
vordringenden  Fidbe ;  im  Nordosten  die  eng  verwandten,  aber 
durch  die  Verschiedenheit  der  Religion  ihnen  jetzt  gegen- 
überstehenden Logonescr;  im  Osten  die  wilden  Bagrimma, 
sie  im  Fanatismus  eines  vermeintlichen  Isslam  und  im  Ge- 
nüsse imd  in  der  Beutegier  des  Sklavenraubes  verfolgend;  — 
alljährlich  von  allen  Seiten  niedergehetzt  und  um  viele  Hun- 
derte, ja  Tausende,  seiner  fortpflanzungsfähigsten  Bewohner 
beraubt:  —  so  ist  es  natürlich  nicht  anders  möglich,  als 
dass  dieser  unglückliche  Volksstamm  im  Laufe  der  Zeit  un- 
terliegen muss.  — 

Es  war  heute  Weihnachtstag,  und  da  Herr  Dr.  Overweg  und 
ich,  als  Hamburger,  dieses  Fest  durch  eine  ausserordentliche 
Abendmahlzeit  feiern  wollten,  sahen  wir  uns,  aber  leider  ver- 
geblich, nach  Fischen  um,  welchen  Genuss  die  Sumpfwasser 
doch  in  Aussicht  stellten.  Mit  Elephantenfleisch  hatten  wir 
bittere  Erfahrung  gemacht  —  es  war,  obgleich  nicht  un- 
schmackhaft, entschieden  für  den  schwachen  Zustand  unse- 
rer Magen  zu  kräftig  oder  unverdaulich  —  und  Giraflfenfleisch, 


166  VI.  Kapitel. 

das  den  höchsten  unserer  Afrikanischen  Genüsse  bildete,  war 
leider  auch  nllcht  aufzutreiben.  Desshalb  erquickten  wir  uns 
denn  in  Ermangelung  höherer  Genüsse  mit  einer  Extra-Por- 
tion von  Kaflfee  und  Milch. 

Die  Fulbe  waren  heute  noch  nicht  zur  Audienz  gekommen 
und  desshalb  ward  beschlossen,  noch  den  folgenden  Tag  hier 
zu  bleiben;  diese  verweichlichten  Höflinge  sind  keine  Freunde 
übergrosser  Anstrengung.  Dem  gemeinen  Kriegsvolk,  das 
keine  Löhnung  hatte  und  sich  auch  seinen  Mundvorrath 
selbst  verschaflfen  sollte  —  und  zwar  ohne  plündern  zu  dür- 
fen, da  wir  auf  befreundetem  Gebiete  waren  — ,  konnte  aber 
ein  solcher  Aufenthalt  nur  unerträglich  sein,  und  wäh- 
rend daher  am  folgenden  Tage  die  Leute  von  Fette  und 
Bögo  gerade  zur  Audienz  waren,  rückten  zahlreiche  Kanembü- 
Trupps  sowohl  vor  das  Zelt  des  Veziers,  als  auch  vor  dieje- 
nigen anderer  Grossen  und  gaben  ihre  Ungeduld  durch  Schüt- 
teln mit  den  Schilden  und  durch  ihr  eigenthümliches ,  nicht 
sehr  sanft  tönendes  Geschrei  zu  erkennen.  Während  nämlich 
bei  früheren  Heereszügen  die  Schüa  und  Kanembü  oft  weit 
vorauszogen,  um  sich  ihren  Bedarf  leichter  verschaflfen  zu 
können,  war  jetzt  strenger  Befehl  gegeben  worden,  dass  Nie- 
mand dem  Hauptzuge  vorausgehn  dürfe. 

Herr  Dr.  Overweg  machte  diesen  Nachmittag  dem  Füi'sten 
A'dischen  in  Kade,  dem  Hauptorte  seines  Landes,  welcher 
etwa  2  Engl.  Meilen  südöstlich  lag,  einen  Besuch  und  brachte 
eine  Ziege  als  Geschenk  zurück ;  er  schien  aber  sonst  keinen 
grossen  Genuss  von  seinem  Ausflug  gehabt  zu  haben.  Es 
wäre  gewiss  interessant  gewesen,  hier,  in  dem  Orte  dieses 
den  Kanöri  befreundeten  Häuptlings,  die  Sitten  dieser  Leute 
zu  studiren;  aber  es  schien  mir  nicht  räthlich,  mich  näher 
mit  ihnen  einzulassen,  da  die  Kanöri  schon  ohnedies  zu  ge- 
neigt waren,  uns  mit  diesen  Kerdi  zusammenzuwerfen,  was 
sich  mein  Begleiter  ruhig  gefallen  Hess,  wozu  ich  aber,  da 
es  uns  in  ihrer  Meimmg  sehr  herabsetzen    musste,  höchst 


Oyerweg^s  Besuch  bei  A'dischen. 


167 


wenig  NeigUDg  verspürte.  Auch  konnten  sich  diese  unglückli- 
eben, nur  dem  Zwange  der  Verhältnisse  nachgebenden  Herren 
von  Kade,  da  sie  alles  nationale  Gefühl  verleugnen  mussten, 
bei  der  Anwesenheit  einer  solchen  Heeresmasse  unmöglich 
in  ihrer  wahren  Natur  geben;  ja,  sie  waren  eher  geneigt, 
ihren  „kefö"  selbst  zu  verleugnen. 


J 


Vn.  KAPITEL. 


Die  Landschaft  der  seichten  Sumpfgewasser.  —  Wasserscheide  swischen  den 

Flössen  Benue  und  Schfiri. 


[Freüctg,  26»*^  Dezember. 1  Wir  setzten  nun  endlich  un- 
seren Marsch  fort,  und  zwar  mit  grosser  östlicher  Abbiegung 
von  unserer  südsüdöstlichen  Hauptrichtung,  um  Ead€,  Adi- 
schen's  Residenz,  zu  umgehn  und  mit  Plünderung  zu  ver- 
schonen. Die  Heeresmasse  war  in  mehrere  Trupps  getheilt, 
von  denen  sich  einige  weiter  westlich  am  Rande  einer  mit 
Bäumen  eingefassten  Wasserrinne  entlang  hielten;  dennoch 
aber  war  das  Gedränge  an  einem  die  Ebene  durchschnei- 
denden, von  hohen  Ufern  eingeschlossenen  Rinnsale  nichts 
weniger  als  erfreulich.  Hier  stand  das  Korn  —  „massäkuä" 
(Holcus  cemutis)  —  noch  unreif  auf  dem  Felde;  dann  folgte 
offenes  Weideland. 

Wir  lagerten  schon  nach  einem  Marsche  von  weniger  als 
10  Meilen,  nachdem  wir  hinter  Eade  eine  ganz  südliche  Rich- 
tung angenommen  hatten,  bei  einem  Dorfe  Namens  Bögo, 
das  einst  sicherlich  mit  der  gleichnamigen  Fidbe -Ortschaft 
im  Westen  einen  zusammenhängenden  Gau  gebildet  hat.  Die 
Einwohner  waren  auch  hier  insgesammt  geflohen,  obgleich 
ihr  Häuptling,  welcher  Bakschämi  heisst,  ein  Verbündeter 
und  Freund  A'dischen's  war.'  Die  Hütten  des  Dorfes  waren 
sorgfältig  gebaut,  aber  nur  wenige  Bäume  verliehen  durch 
ihren  Schatten  den  Gehöften  einige  Gemüthlichkeit.  Unter 
dem  vorgefundenen  Hausgeräth  befanden  sich  auch  Fischkörbe 


Verbreitoog  der  Del<Hbpalme.     •  169 

—  „kSyan",  wie  die  Kanöri  sagen  — ,  von  denen  einige  mit 
trockenem,  aus  der  rothen  Holcus-Art  bereiteten  Teige  ange- 
füllt waren;  aber  die  Leute. rührten  ihn  nicht  an,  aus  Furcht, 
er  möchte  vergiftet  sein.  Bei  einer  früheren  Gelegenheit  wa- 
ren nämlich  mehrere  Leute  durch  einen  Topf  mit  Honig,  den 
die  Eingeborenen  auf  ihrer  Flucht  absichtlich  zurückgelassen 
hatten,  vergiftet  worden. 

Schon  auf  unserem  Marsche  hatten  wir  jenseits  der  Was- 
serrinne (zur  Rechten)  in  der  Feme  eine  Felshöhe  erblickt; 
von  Bögo  aus  sahen  wir  sie  nun  in  nordwestlicher  Richtung 
in  schärferen  Umrissen,  und  dahinter  in  schwächeren  den 
entfernteren  zusammenhängenden  Höhenzug  Mändara's,  den 
ich  aber  leider  nicht  niederlegen  konnte,  da  ich  keinen  zwei- 
ten Winkel  zur  Berechnung  der  Entfernung  fand. 

[Sonnabend,  27«ien  Dezemher.']  Der  erste  Theil  unseres  Mar- 
sches führte  heute  durch  lichte  Waldung ;  dann  traten  wir  in 
freieres  Sumpf  land  hinaus,  welches  mit  hohem  frischen  Grase 
bewachsen  und  voll  ungeheuerer  Fusstapfen  von  Elephan- 
ten  war;  auch  Perlhühner  wurden  hier  in  Menge  gefangen. 
Nur  hie  und  da  überragte  eine  einzelne  Mimose  die  flache 
Linie  der  grasigen  Savanna. 

Nach  einem  Marsch  von  6  Meilen  erblickten  wir  die  erste 
Delebpalme  im  Müssgu- Lande.  Schon  zu  wiederholten  Ma- 
len habe  ich  bei  der  Erzählung  meiner  Reisen  die  Aufmerk- 
samkeit des  Lesers  auf  diese  schöne  Fächerpalme  gelenkt; 
aber  in  allen  Örtlichkeiten,  wo  ich  sie  bisher  beobachtet  hatte, 
war  sie  meist  nur  vereinzelt  vorgekommen.  Selbst  in  Adamaua 
ist  sie  auf  besonders  begünstigte  Stellen  beschränl^  während 
sie  sogar  in  einigen  ausgedehnten  Provinzen  dieses  Landes, 
wie  z.  B.  in  Büban-djidda,  ganz  fehlt.  Jetzt  hatten  wir  -aber 
das  Land  erreicht,  wo  dieser  schöne  und  nützliche  Baum 

—  wahrscheinlicherweise  nur  eine  Varietät  des  berühmten 
Borasstis  flaheüiformis  —  der  gewöhnlichste  und  vorherr- 
schende Vertreter  der  Pflanzenwelt  ist;  die  Müssgu  nennen 


i 


ihn  in  ihrv^r  ^h^nrhi»  .-iin*i"'.  Vom  VxifHici-Liiiifie  u»  %iiHiic 
*r  *irh  in  Swt  minn&^rhrarlumeni  Ziue  *iarrii  rfie  «ifOichiai 

di«^  H^npf><rjuit  voii  Bwfairmi  and  &   ü&r  lie»  Bos-bd  zu 

Wir  «Vnlt^m  fiTw^m  La«RrpIa£z  in  emi>r  •>rtsciui&  Ndmens 

f^vlum  .rt#>pp^lfeWcnt  ^fe  von  ^miwen.  *icli  w*3t  AnsbrvHtsm- 
4#^  KÄmKMn  h#>d^iutftK  w#Y(im.  atui  madite  einen  abersui» 
fr^ndlkh^n  tnui  b^haoücfam  Emiinzck.  Wir  wurden  ab«3' 
\v9AA  fffsw^hr.  dsv»  a^  Fmrhtboriceit  nnd  Sciiönlieic  «iüs 
('0fin^  fi^r  y^thhi^nciaift  ein«»  gramen  Wasers  znznsoiirpi- 
f>^  ^,  d^ikiL  ^Ihsi  an  Krokrufilfn  und  Xjzornta's  nicht  arm. 
rort  f-jnifgfju  kWn^n  Kano^ä  belebt  war:  es  häuft  wahr- 
wii^Xu'M  mit  dem  imr  wenige  Meilen  entfernten  Fhiss  zu- 
«lammen«  Troiz  der  Sehonbeit  der  Landschaft  war  dieselbe 
d^»^:h  verlaA^^:  denn  die  Bewohner  waren  sammtli«:h  ent- 
flohen. —  I>er  (ht  geb^jrt  dem  Ma^ikko.  einem  Häuptling, 
der  KAbiA^hme  ah  I>;hn4herm  anerkennt 

Am  NV;hmittag  erhielt  ich  einen  kurzen  Besuch  des  Herrn 
^(m  yit'Ah'}}^^  dn^fT  ziemlich  bettelhaften  Persönlichkeit  Er 
war  alu  IVite  an  den  F^äreten  ron  ^landara  geschickt  worden 
find  i^Hm  Ton  der  Hanpti$tadt  jenes  kleinen  Landchens  an- 
g#;kommf7n,  Za  dieser  Keise  hatte  er  Ton  M5ra  ans  3  Tage 
gf^braticht,  Inderm  er  die  erste  Nacht  in  Mokoschi,  die  zweite 
in  KMte  g^iM'hlafen  hatte  nnd  hente  von  dort  hierher  gekom- 
men war ;  die  ganze  Strecke  lässt  sich  aber  in  2  starken 
Ttip(,tmuirn('hf*n  machen. 

\Hnnnfnfjf  2H»i^  Dezember,]  Es  war  ein  interessanter  Tage- 
umrnt'h,  der  nns  nime  wichtige  Züge  von  Land  und  Volk  dieser 
Zorin  etiihiillte,  aber  uns  um  so  mehr  bedauern  liess,  dass  wir 
diPHn  Mffhrnin  Lniidschaft  nicht  in  unserem  eigentlichen  Cha- 
rnktifr  i\ln  friedliclio  Iteiscnde  durchziehen  konnten,  sondern 


Überfall  eines  Mdssgu-Distriktes.  171 

uns  gezwungen  sahen,  die  Gesellschaft  dieses  Heeres  scho- 
nungsloser und  blutgieriger  Sklaveujäger  zu  suchen,  welche, 
ohne  Gefühl  für  die  Schönheit  des  Landes  und  das  behag- 
liche Lebensglück  seiner  Bewohner,  nur  darauf  bedacht  wa- 
ren, sich  mit  dem  Raube  desselben  zu  bereichem. 

Als  wir  nach  etwas  weniger  als  5  Meilen  aus  dichter  Wal- 
dung hervortauchten,  betraten  wir  Stoppelfelder,  besetzt  mit 
zahlreichen  Hüttengruppen  und  schönen  Bäumen,  in  deren 
Asten  wieder  lange  Gewinde  von  nahrhaftem  Frühlingsgrase 
der  Sumpfniederungen  für  den  Bedarf  der  dürren  Jahreszeit 
aufgehängt  waren.  Die  Landschaft  war  äusserst  anmuthig; 
mehrere  kleine  Teiche  belebten  die  Weiler,  ähnlich  wie  in 
den  Dorfschaften  unseres  Heimathlandes,  ausser  dass  Gänse 
und  Enten  fehlten.  Das  einzige  Leben,  das  sich  aber  jetzt 
hier  zeigte,  war  Raub  und  Zerstörung*).  —  Die  Bauweise  der 
Hütten  und  die  ganze  Anordnung  der  Gehöfte  hatte  grosse 
Ähnlichkeit  mit  derjenigen  des  ersten  Dorfes,  welches  wir 
bei  unserem  Eintritt  in  dieses  Land  gesehn  hatten;  die  Gi- 
pfel der  Komschober  waren  im  Allgemeinen  hier  mit  einer 
Art  Nacken  versehen,  dessen  Öffnung  mit  einem  kleinen 
Strohdach  bedeckt  war.  Breite,  wohlbetretene  Pfade,  von 
dichten  Zäunen  eines  besonderen,  auf  Kanöri  „magara"  ge- 
'nannten  Busches,  den  ich  bei  der  Erwähnung  der  Felder 
von  Dauanö  (in  der  Provinz  Kanö)  schon  beschrieben  habe, 
begrenzt;  durchzogen  die  Felder  in  allen  Richtungen  und 
gaben  ein  Zeugniss  von  der  grossen  Sorgfalt  der  Eingebo- 
renen. 

Aber  ein  anderer  Gegenstand  zog  meine  Aufmerksamkeit 
ganz  besonders  auf  sich,  da  er  Zeugniss  ablegte  von  einem 
gewissen  Bildungsgrade,  welcher  die  stolzen  Mohammedani- 
schen Bewohner  dieser  Länder  beschämte,  wiewohl  er  auf 


*)  In  der  Ansicht  dieser  Landschaft  ist  nicht  dieser  Augenblick  der  Zcrsto- 
ningy  sondern  die  Ruhe,  die  ihr  vorherging,  aufgefasst  und  das  herannahende 
Unglück  nur  durch  die  Rauchsäule  im  Hintergründe  angedeutet. 


i 


172  Vn.  Kapitel 

der  anderen  Seite  allerdings  zugleich  einen  lebendigen  Beweis 
ihres  Aberglaubens  lieferte.  Während  nämlich  die  zum  Isslam 
übergetretenen  Bewohner  des  Sudans  in  Bezug  auf  die  Be- 
stattung ihrer  Todten  überaus  nachlässig  sind  und  die  Grä- 
ber nicht  hinreichend  gegen  die  wilden  Thiere  schützen,  sodass 
die  meisten  Leichen  in  wenigen  Tagen  eine  Beute  der  Hyänen 
werden,  —  hatten  wir  hier  regelmässige  Grabmäler  vor  uns, 
mit  grossen,  schön  gerundeten  Gewölben  gedeckt,  deren  Gi- 
pfel bei  einigen  mit  ein  Paar  quergelegten  Baumstämmen, 
bei  anderen  mit  einer  irdenen  Urne  geschmückt  waren.  Die- 
selbe Art  der  Verehrung,  die  von  diesen  Heiden  ihren  Vor- 
fahren gezollt  wird,  ist  in  einem  grossen  Theile  Afrika's  vor- 
herrschend, und  wie  sehr  auch  immer  die  besonderen  Ge- 
bräuche, welche  mit  dieser  Verehi'ung  der  Vorfahren  ver- 
bunden sind,  von  einander  abweichen  mögen,  so  ist  doch 
überall  das  Prinzip  dasselbe.  Aber  zu  keiner  Zeit  und  bei 
keiner  Gelegenheit  bedauerte  ich  es  mehr.  Niemanden  zur 
Hand  zu  haben,  um  mir  die  Gebräuche  dieser  Leute  erklä- 
ren zu  können,  als  damals,  wo  ich  diese  Stätten  einheimi- 
scher eigenthümlicher  Weltanschauung  vor  mir  sah.  Die 
Urne  enthält  höchst  wahrscheinlich  den  Kopf  des  Verstor- 
benen; was  aber  die  Baumstämme  bedeuten  sollten,  kann 
ich  nicht  sagen.  Es  wäre  jedoch  nicht  unmöglich,  dass  bei 
dieser  verschiedenen  Ausschmückung  auf  das  Geschlecht  der 
verstorbenen  Person  Rücksicht  genommen  wird. 

Während  ich  mich  der  Anschauung  dieses  Bildes  eines  be- 
haglichen, wenn  auch  geistig  noch  so  beschränkten,  Volksle- 
bens überliess,  vergass  ich  in  dieser  Träumerei  ganz  meine 
eigene  persönliche  Sicherheit;  denn  der  Vezier,  der  heute, 
ohne  dass  ich  es  wusste,  auf  seinem  kräftigen  Schlachtross 
seinen  Marsch  äusserst  schnell  fortgesetzt  hatte,  war  weit  vor- 
aus und  ich  hatte  nur  eine  Handvoll  Schüa  in  meiner  Nähe. 
Als  wir  nun  aus  der  dichten  Waldung  in  einen  anderen  gut 
angebauten  und  dic^t  bewohnten  Gau  hinaustraten  und  in  den 


Gänzliche^Verwimmg  im  Nachtrupp.  173 

Stoppelfeldern  jede  Spur  eines  betretenen  Pfades  aufhörte, 
sah  ich  plötadich,  dass  ich  vom  Hauptzuge  gänzlich  abgeschnit- 
ten war.  In  wilder  Unordnung  irrten  hier  einzelne  Reiter 
zwischen  den  Zäunen  der  Gehöfte  hierhin  und  dorthin,  wäh- 
rend dort  ein  Eingeborener  in  äusserster  Verzweiflung  sein 
Heil  in  der  Flucht  suchte;  hier  ward  ein  Anderer  aus  seinem 
Versteck  hervorgeholt,  dort  diente  ein  oben  im  dichten  Laube 
einer  „ngabore"  Hockender  zum  Ziele  von  Pfeilen  und  Kugeln; 
einzelne  Schüsse  fielen  in  verschiedenen  Richtungen.  Ein  klei- 
ner Trupp  Schüa  war  unter  einem  Baume  versammelt  und 
suchte  ein  Rudel  geraubten  Viehes  zusammenzuhalten.  Um- 
sonst wandte  ich  mich  an  Schüa  und  Kanöri  mit  der  Frage, 
wohin  sich  derVezier  gewendet;  Keiner  konnte  mir  Auskunft 
geben.  Ich  ritt  also  kreuz  und  quer  durch  die  Ortschaft,  um  zu 
sehn,  ob  ich  nicht  selbst  die  Spur  des  Haupttrupps  auffin- 
den könnte,  aber  die  Spuren  gingen  unbestimmt  hin  und^her. 
Verschiedene  Trupps,  in  gleicher  Ungewissheit  wie  ich  selbst, 
kamen  mir  entgegen  und  ich  schloss  mich  einem  derselben 
an.  Einige  „libbedi"  und  Leute  des  Veziers  befanden  sich 
dabei,  aber  Niemand  wusste,  wo  der  Heerfilhrer  war,  selbst 
nicht  der  Diener,  der  den  Teppich  trug,  auf  welchen  sich  sein 
Herr  bei  der  Ankunft  an  einem  Lagerplatze  niederzulassen 
pflegte.  Da  hörten  wir  in  einiger  Entfernung  hinter  uns  eine 
Gänga  schlagen,  und  als  wir  dem  Schalle  nachgingen,  fanden 
wir  eine  ansehnliche  Menge  Reiter  jeder  Gattung,  gewiss  über 
1000  Mann,  auf  einem  freien  Platze  versammelt.  Wir  hör- 
ten nun  hier,  dass  die  Kerdi  den  Zug  an  seiner  dünnsten 
Stelle  durchbrochen  und  dass  der  Vezier  seihen  Marsch 
eiligst  fortgesetzt  hätte,  der  Nachtrab  aber  sich  hier  zer- 
streut habe.  Würden  diese  armen  Kerdi,  denen  es  wahrlich 
nicht .  an  Muth  fehlt,  von  erfahrenen  Anführern  geleitet 
und  wai'teten  die  rechte  Gelegenheit  ab,  sie  könnten  in  die- 
sen dichten  Waldungen,  wo  Reiterei  nur  ein  Henmmiss  ist, 
diesem  meist  feigen  Tross  unendliche  Verluste  beibringen  und 


J 


174  VII.  Kapitel 

ihn  leicht  ganz  zersprengen.  Aber  die  grosse  Schwäche  der 
Müssgu-Stämme  liegt  in  dem  Umstände,  dass  sie  keine  Pfeile 
haben,  sondern  nur  mit  Lanze  und  Handeisen  kämpfen ;  sonst 
würden  sie  sicherlich  diese  lästigen  Nachbarn  in  ehrfurchts- 
voller Entfernung  halten  können.  Welchen  geringen  Nutzen 
die  Letzteren  aber  aus  dem  Gebrauche  der  Feuerwaffe  zie- 
hen, darüber  hatte  ich  hinreichende  Gelegenheit  zu  urthei- 
len;  denn  mehrere  Gewehrleute  baten  mich  dringend  um 
Feuersteine,  da  sie  die  ihrigen  entweder  verloren,  oder  diese 
sich  nicht  bewährt  hatten. 

Endlich  setzte  sich  der  ungeordnete  Tross  in  Bewegung; 
aber  die  Unschlüssigkeit  und  Furcht  vor  einigen  etwa  im 
Dickicht  versteckten  Kerdi  war  so  gross,  dass  wir  wieder 
umkehren  mussten,  nachdem  wir  schon  eine  gute  Strecke 
vorwärts  gegangen,  weil  der  Haupttross  zurückgeblieben  war. 
Indem  wir  dann  einer  westlicheren  Richtung  folgten,  er- 
reichten wir  durch  dichte  Waldung  ein  grosses  sumpfarti- 
ges Wiesenwasser  mit  unterbrochenen  Wasserflächen,  wohl 
1  volle  Meile  breit  und  mit  hohem  Sumpfgrase  bedeckt.  Hier 
erblickte  ich  zu  meiner  grossen  Freude  einen  beträchtlichen 
Theil  der  Reiterei,  in  langen  Reihen  ihre  Pferde  tränkend, 
und  erfuhr  zu  meiner  Beruhigung,  dass  das  Lager  in  der 
Nähe  sei;  denn  mit  dem  ungeordneten  Tross,  in  dessen  Ge- 
sellschaft ich  soeben  gezogen  war,  hätte  ich  keinem  Angriff 
ausgesetzt  zu  sein  gewünscht. 

Ich  tränkte  daher  mein  Pferd  am  Rande  des  grossen  Sumpf- 
wiesenwassers und  folgte  dann  vergnügt  dem  dumpfen  Schalle 
der  grossen'  Trommel  des  Veziers.  Den  Lagerplatz  fand  ich 
nur  wenige  Minuten  östlich  vom  Rande  dieses  grünen  „ngdl- 
djam"  auf  reichen,  von  schönen  grossen  Bäumen  beschatteten 
Stoppelfeldern.  Hier  fand  ich  Herrn  Dr.  Overweg,  der  sich 
immer  hart  am  Vezier  gehalten  hatte,  und  wir  setzten  uns 
in  den  Schatten  eines  Baumes,  um  die  Ankunft  unserer  Ka- 
meele  abzuwarten,  über  die  wir  einige  gegründete  Besorgniss 


Die  B<5nia-Kameele.  175 

hegten;  denn  die  ersten  Eameele  waren  ohne  Gepäck  beim 
Lagerplatz  angekommen,  da  sie  bei  der  Flucht  ihrer  Führer 
die  Last  abgeworfen  hatten.  Dieser  Umstand  war  aber  dem 
letzteren  Theile  des  Trosses  nur  vortheilhaft,  da  der  Vezier 
in  grosser  Besorgniss  nun  zwei  Kaschella's  mit  ihren  Schwa- 
dronen ausschickte,  um  den  Tross  sicher  einzubringen.  So 
kamen  unsere  Thiere  glücklich  herbei,  obgleich  sie  wirklich 
in  Gefahr  gewesen  waren,  von  den  Kerdi,  die  sich  hinter  dem 
Rücken  des  eigentlichen  Heeres  wieder  gesammelt  hatten,  an- 
gegriffen zu  werden.  Es  war  gewiss  ein  unglaublicher  Un- 
verstand, den  Tross  so  ohne  Schutz  zu  lassen. 

Die  Bömu-Kameele  sind  halbe  Mehära,  und  während  sie 
die  Kameele  der  Wüste  an  Stärke  einigermassen  übertreffen, 
haben  sie  ein  gutes  Theil  von  deren  Schnelligkeit.  Li  der 
That  ist  nicht  allein  das  Kameel,  welches  die  Kriegstrommel 
trägt  —  und  diesen  Gebrauch  werden  wir  selbst  in  Baghirmi 
finden  — ,  stets  dicht  hinter  dem  Heerführer,  wie  schnell  dieser 
auch  immer  vorwärts  inicken  mag,  sondern  auch  seine  übrigen 
Kameele  mit  den  Zelten,  dem  Proviant  und  den  fürstlichen 
Köchinnen  sind  gewöhnlich  in  nur  geringer  Entfernung,  und 
die  besten  Kameele  der  Kokanaua  mit  deren  Sklavinnen  oder 
Kebsweibem  halten  sich  hart  hinterdrein. 

Die  Ortschaft,  wo  wir  unser  Lager  aufgeschlagen  hatten, 
heisstKäkalä  und  ist  eine  der  bedeutenderen  im  Müssgu-Lande. 
Eine  grosse  Menge  Sklaven  war  heute  eingefangen  worden 
und  noch  am  Abend  ward  nach  einem  Kampfe,  in  welchem 
drei  Bomu-Reiter  fielen,  eine  bedeutende  Anzahl  eingebracht 
Ln  Ganzen  sollten  an  diesem  Tage  1000  Sklaven  gefangen 
worden  sein,  aber  sicherlich  belief  sich  die  Beute  nicht  unter 
500.  Die  erwachsenen  Männer,  meist  hochgewachsene  Leute, 
aber  keineswegs  mit  sehr  einnehmenden  Zügen,  wurden  ohne 
Schonung  abgeschlachtet,  oder  man  liess  sie  sich  vielmehr 
verbluten ,  indem  man  ihnen  ein  Bein  abhieb ;  ihre  Zahl  be- 
lief sich  auf  170.    Ihr  Vorderkopf  war,  anstatt  rückwärts  ge- 


i 


176  Vn.  KapiteL 

neigt  ZU  sein ,  bei  den  Meisten  sehr  hoch  und  die  -Gesichts- 
linie gerade,  aber  ihre  buschigen  Augenbrauen,  weit  offe- 
nen Nasenlöcher,  aufgeworfenen  Lippen,  hohen  Backenkno- 
chen und  ihr  grobes  buschiges  Haar  gaben  ihnen  ein  sehr 
wildes  Ansehen.  Die  Gestaltung  der  Beine  mit  den  nach  in- 
nen gebogenen  Knieknochen  war  besonders  hässlich.  Über- 
haupt waren  sie  knochiger  und  ihre  Glieder  weniger  schön 
abgerundet,  als  bei  den  Marghi.  Sie  waren  insgesammt  von 
schmutzig-schwarzer  Farbe,  weit  entfernt  von  jenem  glänzen- 
den Schwarz,  das  bei  anderen  Stämmen  einen  so  wohlgefäl- 
ligen Eindruck  macht  und  mit  der  dunkelen  Hautfarbe  eini- 
germassen  aussöhnt.  Die  Meisten  von  ihnen  trugen  einen 
kurzen  Bart;  Mehrere  hatten  ihre  Ohren  mit  kleinen  Ku- 
pferringen geschmückt,  und  fast  Alle  trugen  ein  aus  Dümge- 
strüpp  —  „ngille"  —  grob  geflochtenes  dickes  Tau  um  den 
Hals. 

[Montag,  29*ten  Dezember.]  Bald  nach  unserem  Aufbruch 
vom  Lagerplatz  hatten  wir  das  „ng&ldjam"  zu  passiren,  das 
hier  gleichfalls  mit  hohem  Grase  dicht  durchwachsen  und 
wegen  der  zahllosen,  von  Elephantenpfoten  herrührenden  Lö- 
cher überaus  schwierig  zu  passiren  war.  Dann  traten  wir  wie- 
derum in  dichte  Waldung  ein,  wo  mir  mein  alter  Haussa- 
Freund,  der  „kokia",  zum  ersten  Mal  wieder  begegnete,  ein 
Baum  von  mittlerer  Grösse,  mit  grossen  Blättern  und  Früch- 
ten von  der  Grösse  eines  Apfels.  Diese  waren  jetzt  noch  grün, 
sollen  aber  selbst  reif  nicht  essbar  sein.  Dieser  Baum  einwies 
sich  in  der  Folge  als  auch  in  diesen  Waldungen  des  Müssgu- 
Landes  sehr  häufig,  wie  ich  ihn  auf  meinen  früheren  Reisen 
schon  in  anderen  Gegenden  gefimden  hatte.  Über  den  La- 
gerplatz für  heute  herrschte  grosse  ünschlüssigkeit.  Ein 
energischer  Heerführer  hätte  höchst  wahrscheinlich  den  Marsch 
so  schnell  wie  möglich  fortgesetzt,  um  den  nächsten  Bezirk 
unerwartet  zu  überfallen ;  wir  aber  machten  schon  lange  vor. 
Mittag,  allerdings  gegen  den  Willen  einer  starken  Partei,  mit* 


Besnch  A'dischen^s  bei  dem  Reisenden.  177 

ten  im  Walde  Halt  Der  benachbarte  Teich,  aus  dem  das 
ganze  Heer  getränkt  werden  sollte,  hiess  es,  enthalte  nicht 
hinreichend  Wasser,  und  ein  gewaltiger  Waldbrand,  der  viel- 
leicht ursprünglich  absichtlich  angelegt  war,  um  den  Platz 
zu  reinigen,  aber  sich  plötzlich  zu  gewaltsam  ausbreitete, 
rückte  höchst  bedrolilich  ganz  hart  auf  uns  los,  so  dass  wir 
uns  eiligst  zurückziehen  mussten.  Jedoch  ward  endlich  be- 
stimmt, hier  zu  lagern.  Das  Wasser,  an  dem  man  den  Be- 
sitzer einer  kleinen  Rinderlieerde  fand,  der,  nichts  Böses  ali- 
nend,  hierher  gekommen  war,  um  sein  Vieh  zu  tränken,  und 
abgeschlachtet  wurde,  erwies  sich  als  ein  umfangreicher  und 
ansehnlich  tiefer  Teich. 

Allmählich  trafen  die  Kameele  ein,  die  Zelte  wurden  auf- 
geschlagen, leichte  Hütten  errichtet,  das  Lager  bildete 
sich  und  ein  Jeder  überliess  sich  der  Ruhe,  als  am  Nach- 
mittag plötzlich  Alarm  geschlagen  wurde  und  Alles  zu 
den  Waflfen  eilte  und  die  Pferde  bestieg.  Es  schien  un- 
glaublich, dass  der  Feind  ohne  Einheit  und  gute  Leitung 
eine  solche  Heeresmasse  von  über  10,000  Mann  Reiterei  und 
noch  mehr  Fussvolk  angreifen  sollte,  obgleich  ich  überzeugt 
bin,  dass  ein  muthiger  Überfall  von  einigen  hundert  ent- 
schlossenen Kämpen  diese  ganze  eitle  und  feige  Schaar  über 
den  Haufen  geworfen  haben  würde.  Der  Alarm  erwies  sich 
denn  auch  als  vollkommen  grundlos.  Der  Anlass  dazu  war, 
dass  einige  der  uns  begleitenden  Fulbe  gesehn,  wie  drei  Kerdi- 
Weiber  sich  an  das  Wasser  schlichen,  und  daraus  gefolgert 
hatten,  dass  die  Feinde  in  der  Nähe  seien  und  spioniren 
wollten;  denn  die  dichte  Waldung  umher  verhinderte  jede 
Femsicht. 

Als  sich  das  Lager  endlich  wieder  beruhigt  hatte,  kam 
der  Fürst  A'dischen  mit  einem  ansehnlichen  Gefolge  seiner 
Sattel-  und  kleiderlosen  Reiter  an  mein  Zelt,  und  da  ich  ihn 
einlud,  kam  er  zu  mir  herein.  Er  hatte  ein  besonderes 
Anliegen,  nämlich  sich  einen  Ausschlag  an  den  Lippen  hei- 

B*rth*s  BdMo.  111.  12 


178  Vn.  EapiteL 

len  zu  lassen;  damit  jedoch  wies  ich  ihn  an  den  „tahib'', 
wie  Herr  Dr.  Overweg  sich  nennen  liess.  Der  kleine  halb- 
civilisirte  Häuptling  hatte  nichts  Anziehendes  imd  Interessan- 
tes, und  ich  war  froh,  als  ich  ihn  mit  einigen  kleinen  Ge- 
schenken abgefertigt  In  der  That  ist  der  Unterschied  zwi- 
schen den  Marghi  imd  den  Müssgu,  obgleich  ihre  Sprache, 
wie  ich  angegeben,  auf  eine  entfernte  Verwandtschaft  hinweist, 
sehr  gross  und  durchaus  zum  Nachtheil  der  Lietzteren,  deren 
Grestalten,  wenn  auch  zum  grossen  Theil  ebenso  gross,  we- 
niger Ebenmass  und  deren  Züge  etwas  höchst  Abschrecken- 
des haben.  Ich  bemerkte  keinen  Schmuck  an  diesen  LfCuten, 
wie  die  schönen  Eisen-  oder  vielmehr  Stahlringe  der  Marghi, 
wodor  an  den  Höflingen,  noch  an  dem  gemeinen  Manne. 
AdiHohön  hatte  sich  den  Kopf  geschoren,  um  sicli  das  Ansehn 
oint'H  Moslim  zu  geben,  und  trug  eine  Tobe;  von  seinen  Be- 
^l(«itorn  trug  nur  Einer  ein  Hemd,  die  Übrigen  hatten  ihre 
Iliinon  mit  einem  ledernen  Schurz  verhüllt.  Am  merkwürdig- 
Mtim  ist  bei  diesen  Leuten  die  Art,  wie  sie  sich  zu  Pferde  hai- 
ton; sie  ist  wahrhaft  barbarisch;  denn  absichtlich  machen  sie 
eine  breite  oflfene  Wunde  auf  dem  Rücken  ihrer  kleinen 
stämmigen  Pferde,  um  festzusitzen,  und  wenn  sie  schnell 
reiten  wollen,  ritzen  sie  sogar  oft  noch  ihre  Beine  auf  der 
inneren  Seite  auf,  damit  sie  durch  das  herabrieselnde  Blut  an 
den  Seiten  ihrer  Pferde  festkleben ;  denn  sie  entbehren  Alles, 
Sattel,  Bügel  und  Zaum,  und  haben  nichts  als  eine  Halfter, 
ihr  Thier  zu  leiten.  Sie  tragen  gewöhnlich  nur  Einen 
Speer,  aber  mehrere  Handeisen  —  „goliö"  — .  Der  „göliö" 
ist  offenbar  ihre  beste  Waffe,  nicht  allein  im  Handgemenge, 
sondern  auch  aus  der  Feme,  indem  sie  dieses  scharfe  und 
doppelspitzige  Eisen  sehr  geschickt  von  der  Seite  werfen 
und  Beine  von  Menschen  und  Pferden  wegschneiden;  so 
wenigstens  behaupteten  meine  Freunde.  Es  mag  sich  aber 
wohl  auf  schwere  Wunden  beschränken.  Einige  ihrer  Häup- 
ter schützen  ihren  Oberkörper  durch  einen  starken  Panzer, 


Aufbrach  gQg&n  die  Tdburi.  179 

der  aus  Büffelfell  gemacht  ist,   indem  sie  das  Haar  nach 
innen  tragen,  wie  beifolgende  Ansicht  darstellt. 

Während  der  Nacht,  wo  ich  keinen  Schlaf  finden  konnte, 
vertrieb  ich  mir  die  Zeit  mit  den  Possen  des  Rufers,  der 
dafür  sorgte,  dass  die  Leute  nicht  zu  tief  schliefen,  und  be- 
sonders, dass  eine  Gruppe  Wächter  nicht  in  Schlaf  ver- 
fiele.   Vorsicht  war  hier  gewiss  höchst  nöthig. 

[Dienstdg,  30»*^  Dezember.']  Dies  sollte  der  letzte  Ta- 
gemarsch unseres  Heerzuges  gegen  Süden  oder  vielmehr 
Südosten  sein.  Die  ersten  10  oder  11  Meilen  ging  es 
durch  so  dichte  Waldung,  dass  wii*  oft  Mühe  hatten,  uns 
durchzuwinden,  und  dass  die  unruhigen,  oft  überaus  bös- 
artigen Bomu- Pferde,  zwischen  dem  Dickicht  zusammenge- 
klemmt, in  die  unangenehmste  Berührung  mit  einander  kamen. 
Hier  pries  ich  wieder  im  Stillen  meine  massiven  Steigbügel,  die 
schonungslos  gegen  Baum  und  Mensch  ihren  Platz  bewahr- 
ten. Dieser  ganze  Wald  bestand  aus  mittelgrossen  Bäumen, 
wo  die  „kökia",  der  oben  erwähnte  Baum  mit  der  apfelar- 
tigen Frucht,  ganz  vorherrschend  war;  fast  kein  einziger 
grösserer  Baum  liess  sich  sehn.  Alles  Wild  war  natürlich 
von  der  grossen  Menschenmasse  verscheucht  worden,  aber 
mir  fiel  die  Seltenheit  von  Ameisenhügeln  auf,  bei  der  star- 
ken Feuchtigkeit,  die  in  diesen  ausgedehnten  Flachländern  ob- 
waltet. 

Wir  hielten  uns  ganz  gerade  auf  Daüa  zu,  die  oben  er- 
wähnte Ortschaft  der  Tüfuri  oder  Tüburi,  einer  Abtheilung  der 
grossen  Völkerschaft  der  Fari  oder  Fall,  an  deren  Wiederun- 
terjochung nicht  allein  dem  Mallem  Djümma,  sondern  den  in 
den  östlichen  Distrikten  Adamaua's  angesessenen  Fulbe  über- 
haupt unendlich  viel  gelegen  war.  Diese  Partei  hatte  in  den 
Kriegsberathungen  der  letzten  Tage  den  Sieg  davon  ge- 
tragen über  die  Feigheit  des  grössten  Theiles  der  Kanöri- 
Kokanäua;  jetzt  aber,  wo  wir  diesem  als  kriegerisch  be- 
kannten Stamme  nahe  rückten  und  wo  es  sich  darum  han- 

12* 


180  VIL  KApitel. 

delte,  ob  wir  in  Zeit  von  3  oder  4  Stunden  mit  ihnen  hand- 
gemein werden  sollten,  ward  die  Sache  bedenklicher.  An 
einem  herrlich  frischen,  von  grossen  reichen  Ngabore  umzäun- 
ten „ngäldjam",  das  nach  einem  Marsche  von  4  Stunden  die 
einförmige  Waldimg  unterbrach,  ward  Halt  gemacht,  und 
während  die  Reiter  ihre  Pferde  in  dem  seichten,  von  Gras 
und  Schilf  durchwachsenen  Wiesenwasser  tränkten,  ward 
eine  lebhafte  „nogona"  im  Schatten  einer  prächtigen  Sy- 
komore  gehalten.  Hier  nun  ward  entschieden,  dass  wir 
wenigstens  nicht  heute  nach  Daua  und  gegen  die  Tüburi, 
sondern  für^s  Erste  ganz  östlich  auf  Demmo  losmarschiren 
sollten.  Die  Fulbe  '  gaben  ihren  Punkt  wahrscheinlich  so 
leicht  auf,  weil  der  Vezier  ihnen  die  feste  Hoffnung  machte, 
dass  er,  nachdem  er  sein  Hauptquartier  in  Demmo  bezogen 
und  den  dort  gemachten  Raub  an  Sklaven  und  Heerden 
sicher  im  verschanzten  Lager  deponirt  hätte,  einen  Streif- 
zug nach  Daüa  unternehmen  würde.  Aber  wir  werden  sehn, 
was  ihn  abhielt,  wenigstens  nach  seiner  eigenen,  heimlich 
ims  gemachten  Aussage,  diesen  Plan  auszufuhren,  wodurch 
wir  um  den  Besuch  jener  so  überaus  interessanten  und 
wichtigen  Landschaft  kamen,  die  wir  schon  bei  früherer  Ge- 
legenheit besprochen  haben*). 

Während  unseres  Haltes  betrachtete  ich  mit  dem  lebendig- 
sten Interesse  diese  reiclie,  vielbewegte  Scenc,  eine  Masse  von 
einigen  tausend  Reitern  mannichfaltigster ,  reiclister  Farben- 
pracht, mit  ihren  muthigen  Streitrossen  aller  möglichen  Gat- 
tungen, vom  „ngirma"  zum  kleinen  stämmigen  „kadära",  vom 
dunkelschwarzen  „kera"  durch  alle  Schattirungen  von  Braun 
und  Grau  zum  hellweissen  „keri",  obgleich  ganz  weisse  Pferde 
inBomu  sehr  selten  sind:  aU'  dies  Gewimmel  von  Menschen 
und  Pferden  am  grünen  Saume  eines  schmalen  Sumpfwassers 


*)  Im  sweiten  Theil,  wo  ich  auch  Herrn  Dr.  VogeFs  glorreichen  Tdburi- 
See  gehörig  gewürdigt  habe. 


Zug  gegen  D^mmo.  181 

entlang,  hart  begrenzt  von  einem  dichten  Wald  grosser, 
dichtbelaubter  Bäume. 

Nach  nur  viertelstündigem  Halte  waren  wir  wieder  im 
Sattel,  ohne  die  Ankunft  der  Kameele  abzuwarten,  die  jetzt 
unter  dem  Schutze  zweier  Kaschellas  zogen,  und  setzten 
unseren  Marsch  fort,  aber  nun  mit  ganz  veränderter  Rich- 
tung, indem  wir  das  von  Norden  nach  Süden  ziehende 
Sumpfwasser  nahe  unterhalb  unseres  Haltplatzes  passirten, 
an  einer  Stelle,  wo  es  völlig  trocken,  aber  voll  von  tiefen 
Löchern  von  Elephantenfusstapfen  war.  Die  Wildniss  war 
hier  eine  Zeit  lang  lichter,  aber  nach  etwas  mehr  als  2  Mei- 
len hatten  wir  ein  äusserst  dichtes  Walddickicht  vor  uns, 
so  dass  es  für  rathsam  erachtet  wurde,  einen  Augenblick 
Halt  zu  machen,  damit  erst  recognoscirt  würde,  ob  hier  etwa 
ein  Feind  im]  Hinterhalt  liege.  In  der  That  muss  man 
diese  armen  Eingeborenen  bedauern,  die  bei  solchen  natür- 
lichen Verschanzungen  sich  nicht  besser  gegen  diese  ebenso 
grausamen  als  feigen  Eindringlinge  zu  vertheidigen  wissen. 
Natürlich  sind  diese  dichten  Waldungen,  die  jede  kleine 
Herrschaft,  ich  möchte  sagen,  jede  Ortschaft  von  der  an- 
deren trennen,  selbst  eine  Folge  des  Unverstandes  und  der 
barbarischen  Blindheit  dieser  Heidenstämme,  die,  ohne  ein 
gemeinsames  nationales  Band,  nicht  allein  sich  einander  nicht 
beistehen,  sondern  wohl  gar  noch  einander  befehden. 

Kaum  hatten  wir  uns  einen  Weg  durch  das  Dickicht  ge- 
bahnt, als  wir  ein  anderes  Wiesenwasser  vor  uns  hatten, 
das  aber  im  gegenwärtigen  Zustand  eher  einem  wirklichen 
Sumpfe  glich,  durch  welchen  sich  die  Pferde  nur  mühsam 
durcharbeiten  konnten.  Nachdem  wir  dann  wieder  festen 
Boden  gewonnen,  hatten  wir  um  Mittag  abermals  ein  Sumpf- 
gewässer zu  passiren;  dann  aber  öffiiete  sich  das  Land,  und 
indem  die  Fahnen  entfaltet  und  alle  Tronuneln  geschlagen 
wurden,  sprengte  der  grösste  Theil  der  Reiterei  zum  AngriflF 
oder  vielmehr  zum  blossen  Raube  voraus;  denn  kein  Feind 


182  yn.  Kapitel. 

liess  sich  sehn.  Gleich  darauf  erreichten  wir  die  Dorfgrup- 
pen von  Demmo  und  machten  jetzt  jeden  Augenblick  Halt, 
um  uns  nach  dem  zum  Lagern  geeignetsten  Platze  umzu- 
sehn;  aber  die  Angabe,  dass  nahe  vor  uns  ein  grösseres 
Wasser  sei,  lockte  den  Vezier  weiter,  während  zahlreiche 
Delebpalmen  hinter  den  schattigen  Akazien  hervortraten. 
Da  erblickten  wir  plötzlich  ein  breites  Wassersal  vor  uns, 
breiter,  als  wir  noch  eines  in  diesem  Lande  gesehn,  wohl 
über  2  Engl.  Meilen  weit  und  mit  einem  ansehnlichen  oflfe- 
nen  Wasser,  auf  dem  sich  zwei  Kähne  der  Eingeborenen 
zeigten*). 

Wir  zogen  bis  hart  an  den  Rand  des  Wassers,  das  hier 
tief  zu  sein  schien,  obgleich  eine  Anzahl  hungriger  Kanembü 
das  erste  offene  Wasser  passirt  hatten  und  in  dem  zwischen 
ihm  und  dem  hinteren  Arm  liegenden  Sumpfgrase  einige 
Fische  zu  erhaschen  suchten.  Drüben  vom  gegenüberliegen- 
den Ufer  ragte  ein  ganzer  Wald  von  Delebpalmen  über 
die  niedrigere  Vegetation  hervor  und  lockte  zu  sich  hinüber. 
Die  Richtung  dieses  Wassers  war  hier  von  SW.  nach 
NO.  und  es  soll  sich  nach  übereinstimmenden  Angaben,  ob- 
gleich es  nur  beim  höchsten  Wasserstande  einigermassen 
fliessend  ist,  mit  dem  Serbewel  vereinen,  wie  der  obere 
Theil  des  Flusses  —  „ere"  oder  „lagham"  —  von  Logone  ge- 
nannt wird. 

Hier  standen  wir  eine  Zeit  lang  und  schauten  sehnsüchtig 
nach  dem  anderen  Ufer  hinüber;  es  war  eine  höchst  inter- 
essante ,  eigenthümliche  Landschaft ,  überaus  charakteristisch 
für  diese  flachen  Äquatorialländer  Afrika's,  von  denen  man 


•)  Ganz  von  derselben  Natur,  wenn  auch  niclit  in  unmittelbarem  Zusam- 
menhange mit  diesem  flachen  Wiesenwasser  von  D^mmo,  ist  entschieden  das 
NgÄldjam  bei  Daüa  im  Lande  der  Tüburi,  das  durch  Herrn  Dr.  Vogel,  wel- 
cher CS  gleich  nach  dem  Beginn  der  Begenzeit  sah,  wo  es  schon  ziemlich  voll 
Wasser  war,  unter  dem  Namen  „Tüburi-See"  eine  so  unverdiente  Berühmtheit 
erlangt  hat. 


Das  Dorf  Ddmmo.  183 

früher  eine  so  gänzlich  falsche  Vorstellung  hatte.  Anstatt 
des  massenhaften  Mondgebirges  waren  die  wenigen  Berg- 
höhen, die  wir  gefunden,  ganz  vereinzelt;  anstatt  eines  wüsten 
Hochlandes  weite,  unendlich  fruchtbare  Flachlande,  kaum 
1000  Fuss  über  dem  Niveau  des  Meeres,  von  unzähligen  brei- 
ten Wasserrinnen  fast  ohne  alles  Gefalle  durchzogen.  Nur 
nach  SW.  erblickte  man  in  der  Entfernung  von  etwa  16 
Meilen  die  vereinzelte  Felshöhe  der  Tüburi. 

Aber  nicht  weniger  anziehend,  als  die  Scenerie  der  Land- 
schaft, war  der  Anblick  der  Heerschaar  unserer  Gefährten, 
die  hier  am  Rande  des  Wassers  dicht  zusammengedrängt 
standen.  Nur  höchst  Wenige  von  ihnen  waren  je  zuvor  so 
weit  vorgedrungen  und  sie  blickten  mit  Neugierde  und  Er- 
staunen auf  diese  Landschaft.  Gern  wären  sie  über  das 
Wasser  gegangen ,  um  die  armen  Heiden  zu  verfolgen ,  von 
denen  sich  die  Erwachsenen  mit  wenigen  Ausnahmen  noch 
eben  glücklich  gerettet  hatten;  aber  doch  ward  eine  grosse 
Menge  Sklavinnen  und  junger  Kinder  eingefangen.  Denn  die 
Männer  waren  erst  geflohen,  als  sie  an  der  Masse  der  vom 
Heereszug  aufgetriebenen  Staubwolke  erkannt  hatten,  dass 
nicht  einer  der  gewöhnUchen  kleinen  Raubzüge  heranrücke, 
die  sie  gewohnt  waren  und  denen  sie  Stand  hielten.  Auch 
eine  ziemliche  Anzahl  von  Füllen  nebst  Rindern  ward  einge- 
bracht. 

Nachdem  wir  lange  Zeit  den  Anblick  dieser  Landschaft 
genossen,  die  an  Mannichfaltigkeit  und  Reichthum  die  öde 
Umgebung  von  Kükaua  so  weit  übertraf,  zogen  wir  uns  wieder 
etwas  zurück,  um  uns  vor  den  Mücken  zu  schützen,  die  nah 
an  diesen  Wassern  natürlich  in  grosser  Fülle  hausen,  und 
lagerten  uns  mitten  zwischen  den  rauchenden  Trümmern  der 
soeben  in  Brand  gesteckten  Hütten.  Das  ganze  Dorf,  noch  vor 
Kurzem  eine  Stätte  der  Wohlhabenheit  und  des  Glückes,  war 
zerstört  und  verödet,  und  abgeschlachtete  Männer  lagen  über- 
all zerstreut  zwischen  den  Ruinen  umher.   Kleine  Abtheilungen 


184  Vn.  Kapitel. 

leichter  Reiterei  versuchten  den  Feind  zu  verfolgen,  und  am 
Nachmittag  entstand  in  ziemlicher  Entfernung  ein  Schar- 
mützel, so  dass  ein  Kaschella  zu  Hilfe  geschickt  werden 
musste ,  und  es  ward  uns  berichtet ,  dass  3&  Schüa  gefallen 
seien,  eine  Angabe,  die  sich  jedoch  hernach  nicht  ganz  be- 
stätigte. Auch  im  Ngäldjam  kamen  übrigens  heute  meh- 
rere Bomu- Reiter  um. 

[Mittwoch,  3P^^  Dezember.]  Wir  blieben  diesen  und  die 
folgenden  Tage  hier  liegen,  weil  die  Bomu -Leute  wirklich 
beabsichtigten,  dieses  Land  ihrer  Herrschaft  zu  unterwerfen. 
Bei  den  Verhältnissen,  in  denen  wir  uns  befanden,  gelang  es 
mir  leider  nicht,  so  viel  Nachrichten  einzuziehen,  als  ich 
vriinschte.  Die  eingefangenen  Sklaven  sagten  aus,  dass  die 
Eameele  bei  ihren  Landsleuten  ausserordentliches  Entsetzen 
erregt  hätten,  und  dass  sie  nicht  vor  dem  Heere  der  Strei- 
ter, sondern  vor  diesen  Thieren  geflohen  seien.  In  der  That 
waren  früher  nur  kleinere  Rhasien  so  weit  gekommen.  — 
Da  ich  keine  erwünschten  Mittheilungen  fand,  streifte  ich 
auf  unserem  Lagerplatze  umher. 

Die  Hütten  waren  insgesammt  aus  Thonmauem  erbaut  ge- 
wesen, die  eine  Dicke  von  4 — 6  Zoll  besassen  und  dem 
Brande  getrotzt  hatten;  die  aus  Rohr  bestehenden  Dächer 
waren  eingestürzt.  Der  Durchmesser  der  Hütten  wechselte 
zwischen  8  und  12  Fuss  und  jede  schien  'im  Inneren  ihre 
grosse  Komume  gehabt  zu  haben,  während  einige  auch  eine 
kleine,  einem  Backofen  nicht  unähnliche,  besondere  Koch- 
stelle besassen.  Im  Ganzen  genommen  war  jedoch  die  Ein- 
richtung der  Gehöfte  weniger  behaglich,  als  ich  sie  in  ande- 
ren Dörfern  dieser  Landschaft  zu  sehn  Gelegenheit  hatte; 
auch  bemerkte  ich  hier  nicht  so  grosse  Gehöfte.  In  der 
Mitte  des  Dorfes  waren  einige  ausgedehnte  Teiche,  welche 
von  Menschenhand  gemacht  zu  sein  schienen.  —  Unser  Lager 
—  „ngäufate"  —  war  gestern  in  seinem  ganzen  Umfange 
mit  einem  starken  Verback  von  Domengesträuch  umgeben 


Die  Umgebnng  von  D^mmo.  185 

worden,  aber  mehr  desshalb,  um  die  Sklaven  an  der  Flucht, 
als  um  den  Feind  am  Eindringen  zu  verhindern.  • 

Am  Nachmittag  machte  ich  einen  Ritt  zum  Lager  hinaus 
nach  dem  nahen  Ngaldjam,  dessen  Ufer  von  Pferden,  Rin- 
dern und  ruhenden  oder  badenden  Menschen  belebt  war. 
Von  hier  aus  entwarf  ich  die  Skizze ,  nach  der  die  Ansicht 
des  Ngaldjam  von  Herrn  Bematz  ausgeführt  ist.  Dann  ritt 
ich  nach  Osten  am  Ufer  entlang,  bis  ich  an  eine  Stelle  kam, 
wo  das  Wasser  ganz  aufzuhören  schien,  so  dassman  wenig- 
stens eine  bedeutende  Strecke  weit  trockenen  Fusses  hinein- 
gehn  konnte ;  aber  drüben  auf  der  südöstlichen  Seite,  jenseits 
eines  schmalen  Stückes  Land ,  das  sich  durch  seinen  Baum- 
wuchs als  eine  zur  Regenzeit  von  beiden  Armen  abgeschlos- 
sene Insel  zu  erkennen  gab,  zog  sich  ein  ansehnlicher  Was- 
serstreifen  hin.  Ich  wäre  gern  noch  weiter  gezogen,  aber 
mein  Begleiter  ward,  wohl  nicht  ohne  Grund,  ängstlich,  da 
wir  uns  schon  zu  weit  von  der  Tränke  entfernt  hatten.  Ich 
sollte  jedoch  bald  mehr  von  diesem  Flachwasser  zu  sehn  und 
selbst  zu  fühlen  bekommen.  —  Als  ich  in's  Lager  zurückge- 
kehrt war  und  mit  BiUama  über  dies  weite  Flachland  sprach, 
führte  er  mir  einen  aus  dem  Müssgu-Orte  Lüggeu  gebürti- 
gen Sklaven,  Namens  'Abd  AUähi,  zu,  der  mich  versicherte, 
dass  sich  das  Land  nicht  ununterbrochen  auf  weite  Entfer- 
nung in  so  ebener  Fläche  ausdehne,  sondern  dass  sich  in 
Süden  oder  vielmehr  Südsüdost  ein  Berg  Namens  „Attongo" 
erhebe.  — 

Hier  in  Demmo  brach  mir  das  Jahr  1852  an  und  ich 
hegte  damals  die  HoSnung,  im  Verlaufe  desselben  in  das 
Land  der  Wissenschaft  zurückkehren  zu  können,  —  nicht  ah- 
nend, dass  ich  noch  3  Jahre  mehr  in  diesen  Ländern  eines 
fast  rohen  Naturzustandes  zubringen  sollte,  stets  den  wech- 
selnden Eindrücken  neuer  Entdeckung  und  Enttäuschung, 
bald  freundlicher,  bald  schnöder  Behandlung  und  vielerlei 
Noth,  Trübsal  und  Krankheit  ausgesetzt. 


I 


186  YIL  Kapitel. 

Wir  blieben  auch  am  Neujahrstag  hier  ruhig  liegen,  aber 
besassen  nur  wenig,  um  ihn  feiern  zu  können;  auch  wenig 
sonstige  Unterbrechungen  gab  es,  mit  Ausnahme  einer  inter- 
essanten Verhandlung  am  Nachmittag  beim  Vezier,  die  ich 
hier  einzahlen  will. 

Dem  intriganten  Schüa  -  Häuptling  Mfillem  Djümma,  den 
sein  Ehrgeiz  nicht  ruhen  liess,  war  es  nämlich  gelungen, 
nicht  allein  den  entflohenen  Vorsteher  von  Demmo  (der  Ort- 
schaft, wo  wir  gelagert  waren),  sondern  auch  den  vom  näch- 
sten Dorfe  jenseits  des  Ngaldjams,  welcher  am  meisten  für 
seine  Sicherheit  fürchtete,  an  sich  zu  locken  und  beide  zu 
überreden,  sich  öffentlich  zu  unterwerfen  und  um  die  Imäna 
Bomu's  nachzusuchen.  Sie  erschienen  heute  in  Folge  des- 
sen vor  der  „nogona"  imd  warfen  Staub  auf  ihr  Haupt;  als 
sie  aber  nun  ihre  Unterwerfung  beschwören  sollten,  schwur 
zwar  der  Fürst  von  Demmo,  indem  er  eine  Handvoll  Erde 
aufhob  und  durch  seine  Finger  gleiten  liess,  aber  der  Fürst 
von  jenseits  des  Ngaldjams  verweigerte  den  Schwur  desshalb, 
weil  diese  Erde,  da  es  nicht  sein  Grund  und  Boden  sei, 
zu  seinem  Eid  nicht  passe.  Er  wolle  erst,  sagte  er,  eine 
Handvoll  Erde  aus  seinem  eigenen  Lande  holen.  (Dieser 
Schwur  mit  der  Erde  der  Heimath  kommt  auch  bei  den 
Alten  vor.) 

Als  dann  die  beiden  Herren,  welche  ihre  Schaam  bis  dahin 
nur  sehr  unvollständig  mit  einem  schmalen  Lederstreifen  be- 
deckt hatten,  mit  schwarzen  Toben  bekleidet  wurden,  zog 
der  Herr  von  Demmo  die  seinige  über  den  Kopf,  unbeküm- 
mert darum,  dass  andere  Theile  unbekleidet  blieben,  und  un- 
ser etwas  übermüthiger  Freund,  der  Vezier,  rief  ihm  lachend 
zu :  „so  recht,  der  Kopf  ist  mehr  werth  als  das  Glied".  Zur 
Belustigung  der  Versammlung  stiessen  sie  auch  in  ihr  klei- 
nes Hom,  das  jeder  vornehmere  Müssgu  bei  sich  trägt*)  und 


**)  Siehe  die  bereits  erwähnte  Abbüdnng  des  MAssgu-Häaptlings. 


Prieatar  bei  den  Mdsagn.  187 

welches  einem  Jagdhorn  sehr  ähnlich  ist;  in  der  Handha- 
bung dieses  Instrumentes  war  jedoch  der  Priester,  der  die 
beiden  Fürsten  begleitete,  geschickter  als  diese  selbst^  indem 
er  einen  ganz  melodischen  und  weit  schallenden  Ton  hervor- 
zubringen vermochte. 

Es  war  das  erste  und  einzige  Mal,  dass  ich  bei  diesen  heid- 
nischen Völkern  einen  eigenen  Priester  sah,  und  es  that  mir 
überaus  leid,  dass  ich  mit  diesem  Manne  nicht  näher  in  Be- 
rührung kam  und  auch  von  anderen  Leuten  keine  weitere 
Auskunft  darüber  erhalten  konnte,  was  sein  besonderer  Berufe- 
kreis sei,  um  beurtheilen  zu  können,  inwieweit  der  Kultus  die- 
ser inneren  Stämme  mit  dem  derjenigen  an  der  Südwestküste 
übereinstimme.  Aber  ich  glaube  im  Allgemeinen  nicht  zu  ir- 
ren, wenn  ich  annehme,  dass  das  priesterliche  Amt  bei  die- 
sen Stämmen  im  Inneren  weniger  entwickelt  ist,  als  bei  de- 
nen an  der  Küste;  denn  bisher  hatte  ich  wenig  ausgebilde- 
ten Fetischdienst  bemerkt.  Auch  dieser  Mann  erhielt  ein 
Hemd  zum  Geschenk,  aber  nur  ein  weisses  von  sehr  unter- 
geordneter Qualität,  und  ich  glaube  nicht,  dass  er  es  lange 
trug,  nachdem  er  die  Versammlung  dieser  civilisirten  Höflinge 
verlassen. 

Als  Preis  seiner  wohlwollenden  Aufnahme  brachte  der  Herr 
von  Demmo,  wie  das  gewöhnlich  in  so  zerrissenen  Gemein- 
den der  Fall  ist,  die  Bereitwilligkeit  zum  Verrath  seiner  Lands- 
leute mit,  indem  er  versprach,  das  Heer  nach  einer  grossen, 
wie  dies  erklärt  wurde,  „ummauerten"  Stadt  zu  führen,  wo 
sie  reichlich  Beute  machen  würden.  Demzufolge  also  ward 
ein  grosser  Streifzug  auf  den  folgenden  Tag  angesetzt,  den 
der  Vezier  in  Person  anführen  wollte. 

[Freitag,  2ten  Januar  1852.]  Während  der  frühen  Morgen- 
stunden verhielten  wir  uns  ganz  ruhig,  wahrscheinlich  um  die 
benachbarten  Häuptlinge  glauben  zu  machen,  dass  wir  gar 
nicht  die  Absicht  hätten,  irgend  etwas  zu  unternehmen.  Dann 
brachen  wir  plötzlich  mit  fast  der  gesammten  Reiterei  und 


I 


188  YIL  Kmpitel. 

einem  Theile  der  Eanembö  -  Schildträger  auf,  unter  Leitung 
unseres  neuen  Freundes  und  Bimdesgenossen,  des  Herrn  von 
Demmo,  der  sich  in  seiner  schwarzen  Tobe  noch  überaus  lin- 
kisch und  sonderbar  auf  seinem  kleinen  Gaule  benahm.  Da 
sich  die  Nachricht  von  dem  Heereszuge  nun  einmal  weithin 
verbreitet  hatte,  mussten  alle  Eingeborenen  fem  und  nah  auf 
ihrer  Hut  sein.  So  war  es  nur  zu  natürlich,  dass  die  erste 
Ortschaft,  die  wir  nach  einstündigem  Marsch  durch  lichtere 
Waldung  erreichten,  völlig  verlassen  war.  Die  Landschaft  war 
überaus  lieblich,  reich  bewässert  und  schön  mit  Bäumen  ge- 
schmückt. Der  Landbau  vnirde  so  sorgfältig  betrieben,  dass 
selbst  Dünger  in  regelmässigen  Entfernungen  auf  die  Felder 
getragen  war,  —  das  erste  Beispiel  solcher  Industrie,  das  ich 
in  ganz  Central  -  Afrika  sowohl  bei  Mohammedanern  als  bei 
Heiden  gesehn.  Diese  ganze  Landschaft  bis  Demmo  heisst  Wü- 
lia,  den  besonderen  Namen  der  Dorfschaft  aber  konnte  ich 
nicht  erfahren.  Die  Einwohner  hatten  so  viel  Müsse  zur 
Flucht  gehabt,  dass  das  zum  Raube  Zurückgelassene  über- 
aus wenig  betrug,  und  wir  setzten  desshalb  unseren  Marsch 
ohne  Aufenthalt  in  nordöstlicher  Richtung  fort. 

Wir  passirten  nach  etwa  4  Meilen  Weges  ein  anderes,  nur 
10  — 15  Zoll  tiefes  Wiesenwasser,  gegenwärtig  von  weitem 
Grasland  umgeben,  das  einen  Theil  des  Jahres  hindurch  un- 
ter Wasser  steht  und  dann  den  Anblick  eines  ausgedehnten 
See's  gewähren  muss.  Überall  umher  war  dieses  frische  grüne 
Becken  mit  üppigen  i^tcw«-Bäumen  und  „karäge"  besetzt  und 
einzelne  schlanke  Dümpalmen  ragten  malerisch  aus  dem  grü- 
nen Laube  hervor;  nach  Delebpalmen  aber  sah  man  sich  ver- 
geblich um. 

Eine  andere,  jetzt  gleichfalls  von  ihren  unglücklichen  Be- 
wohnern verlassene  Dorfschaft  folgte  und  dann  wieder  ein 
offenes  Wiesenland,  durch  das  sich  jetzt  eine  schmale  Was- 
serrinne von  Südwest  nach  Nordost  hindurchzog.  Sie  war  etwa 
100  Schritt  breit  und  so  überaus  regelmässig  zwischen  unge- 


Der  Flosa  von  L^gone.  189 

fahr  10  Fuss  hohen  deichartigen  Ufern  eingeschlossen,  dass  sie 
ganz  das  Aussehen  eines  künstlichen  Eanales  hatte,  eine  £i- 
genthümlichkeit,  die  ich  später  vielfach  nicht  allein  hier,  son- 
dern auch  an  den  ähnlichen  Gewässern  am  sogenannten  Ni- 
ger bemerkte.  An  der  Stelle,  wo  wir  sie  passirten,  war  die 
eigentliche  Wasserrinne  ganz  unterbrochen  und  wir  schritten 
trockenen  Fusses  hindurch;  jedoch  war  dies  wohl  künstlich 
von  den  verfolgten  Eingeborenen  bewerkstelligt,  um  eine 
schnelle  Verbindung  mit  dem  Flusse,  in  dem  sie  allein  ihre 
Rettung  sahen,  offen  zu  halten.  Ohne  Aufenthalt  zog  daher 
die  Heerschaar  weiter,  in  der  Hoffnung,  die  Flüchtigen  noch 
einzuholen,  ehe  sie  den  Fluss  passirt  hätten.  Denn  hier  wa- 
ren wir  ganz  nahe  am  Westufer  des  Flusses  von  Logon  oder 
Logone,  den  des  Landes  Unkundige  gewöhnlich  Schäri  nen- 
nen, obgleich  dieser  Name,  der  ganz  ausschliesslich  der  Sprache 
von  Kotokö  angehört,  doch  nur  dem  östlichen  grösseren  Arm 
und  dann  dem  vereinigten  Flusse  unterhalb  Kussuri  zukommt. 
Hier  an  dieser  Stelle  ward  uns  der  Fluss,  der  im  Allgemei- 
nen in  der  Müssgu-Sprache  „arre"  oder  „ere"  genannt  wird, 
mit  dem  besonderen  Namen  Serbewel  bezeichnet,  der  gleich- 
falls wohl  sicher  der  Müssgu-Sprache  angehört  und  eine  eigen- 
thümliche  Bedeutung  haben  mag.  Höher  aufwärts,  wo  wir 
seine  Bekanntschaft  im  weiteren  Verlaufe  unserer  Forschun- 
gen machen  werden,  führt  er  die  Namen  Ba-Gun  und  B4-Bei, 
da  „bd"  der  allgemeine  Ausdruck  für  „Fluss"  in  der  Sprache 
von  Baghirmi  und  der  eingeborenen  Stämme  der  Ssom-rei  ist, 
sowie  dies  Wort  auch  der  Sprache  der  Manding  oder  Man- 
dingo  angehört. 

Bald  standen  wir  am  Ufer  des  schönen  Stromes,  der  selbst 
jetzt  noch  ein  ansehnlicher  Fluss  von  etwa  600  Schritt  Breite 
und  so  tief  war,  dass  ein  Trupp  von  sechs  Schüa,  die  sich  in 
ihrer  unwiderstehlichen  Beutegier  hineingewagt  hatten,  vom 
Strome  fortgerissen  und  die  Beute  eines  Dutzend  muthiger 
Eingeborenen  wurde,  die  in  zwei  Booten  lauernd  auf  und  ab 


I 


190  Vn.  KapiteL 

fuhren,  wohl  sicher,  das8  wir  ihnen  ohne  Fahrzeuge  nicht  fol- 
gen könnten,  obgleich  es  bei  dem  Überfluss  an  Bäumen  einer 
solchen  Heeresmasse  mit  einiger  Energie  leicht  gewesen  wäre, 
ein  Paar  Flösse  zu  bauen. 

Die  Ufer  des  Flusses  waren  hier  augenblicklich  im  Durch- 
schnitt 25  Fuss  hoch;  man  darf  jedoch  nicht  vergessen,  dass 
dies  keineswegs  der  geringste  Stand  des  Flusses  ist,  der  im 
Gegentheil,  wie  wir  auf  der  Reise  nach  Baghirmi  sehn  wer- 
den, bis  zum  Mai  fallt  und  dann  nicht  allein  hier  im  oberen 
Laufe,  sondern  selbst  bei  I^ogon  bimi  furthbar  ist  Das  ge- 
genüberliegende Ufer  war  weniger  hoch,  sah  aber  in  seinem 
reichen  Baumschmuck  überaus  einladend  aus;  der  armen 
Eingeborenen  wegen  sah  ich  es  aber  gern,  dass  wir  nicht 
hinüber  konnten,  und  ich  glaube,  selbst  unser  Freund,  der 
Hadj  Beschir,  überschaute  diese  interessante  Flusslandschaft 
mit  mehr  wissenschaftlicher  Theilnahme  als  Ingrimm.  Leider 
hatte  ich  diesmal  mein  Femrohr  nicht  bei  mir,  war  aber  so 
glücklich,  den  Fluss  noch  an  einer  anderen  Stelle  weiter  auf- 
wärts zu  sehn. 

Nachdem  wir  ehiige  Minuten  hier  am  Hochrande  des 
Flusses  gestanden  und  in  den  langsam  sich  dahinwälzenden 
Strom  hinabgeschaut  hatten,  wendeten  wir  unsere  Thiere  zur 
Rückkehr,  während  unsere  Freunde  sich  mit  dem  Gerede 
trösteten,  dass  die  Kerdi,  wenn  sie  ihnen  entgangen  wären, 
doch  ihren  Feinden,  den  jenseits  des  Flusses  in  der  Imäna 
Baghirmi  wohnenden  Heiden,  in  die  Hände  gefallen  seien. 
Phantasiereichere  Berichterstatter  wollten  sogar  wissen,  der 
Sultan  von  Baghirmi  selbst  sei  gerade  mit  einer  Rhasia  drü- 
ben gewesen  und  habe  die  Geflüchteten  insgesammt  „ge- 
gessen". 

So  wandten  wir  denn  dem  Flusse  den  Rücken,  mein  Euro- 
päischer Gefährte  und  ich  überaus  zufrieden  mit  unserem 
Tagewerk,  das  uns  an  die  Ufer  dieses  schönen  Stromes  ge- 
führt hatte,  unsere  Begleiter  aber  höchst  schweigsam  und 


Wasserkampf  mit  den  Mdssgu.  191 

ergrimmt,  dass  ihnen  die  erwartete  Beute  entronnen  war. 
In  der  That,  wo  das  gehoflfte  El  Dorado  der  ummauerten 
Stadt  voll  von  zur  Knechtschaft  bestimmten  Knaben  und 
Mädchen  eigentlich  sei,  konnte  ich  nicht  recht  erfahren.  Die 
ganze  Beute  des  heutigen  Tages  belief  sich  auf  eine  Hand- 
voll Sklaven,  Unglückliche,  die  Krankheit  oder  Hochsinn 
abgehalten  hatte,  ihre  heimathliche  Hütte  zu  verlassen,  ein 
Paar  Kühe,  einige  Ziegen,  Hühner,  etwas  Matha-Kom,  be- 
sonders aber  Erdmandeln  (Arachis  hypogaea)^  wovon  grosse 
Lasten  von  den  hungrigen  Kanembü  nach  Hause  geschleppt 
wurden. 

Da  bot  sich  willkommen  ein  Gegenstand,  woran  das  ge- 
täuschte Heer  seine  Erbitterung  auslassen  konnte.  In  der 
langen  kanalartigen  Wasserrinne  nämlich,  die  ich  vorhin  er- 
wähnt habe  und  wo  wir  jetzt  unsere  ermüdeten  Thiere 
tränkten,  zeigten  sich  vier  Eingeborene,  die,  offenbar  im  Ver- 
trauen auf  ihren  Muth  und  ihre  Geschicklichkeit  im  Schwim- 
men, hier  im  tiefen  Wasser  ihre  Zuflucht  genommen  hatten, 
um  beim  Abzug  des  Heeres  den  Ihrigen  ein  Zeichen  zu 
geben.  Diese  kleine  Heldenschaar  beschloss  man  also  zu 
opfern  und  das  ganze  zahlreiche  Reiterheer  stellte  sich  in 
dichten  Gliedern  an  beiden  Seiten  des  Wassers  auf.  Jedoch 
war  es  nicht  so  leicht,  als  es  schien,  und  alles  Feuern  der 
schlechten  Schützen  war  umsonst,  da  die  Müssgu  höchst  ge- 
schickt untertauchten.  Da  liess  der  Vezier  einige  Kanembü 
in's  Wasser  gehn  und  es  entspann  sich  ein  höchst  eigenthüm- 
licher  Kampf,  wie  ich  ÄhnUches  nie  gesehn,  em  Wasserkampf 
mit  Schild  und  Lanze,  der  wahrhaftig  nicht  geringe  An- 
strengung erforderte;  denn  während  die  Leute  sich  mit  ihren 
Füssen  über  dem  Wasser  erhalten  mussten,  hatten  sie  zu- 
gleich den  Speer  zu  schleudern  und  den  Wurf  des  Gegners 
zu  pariren.  Die  armen  Müssgu  kämpften  nicht  allein  für  ihr 
eigenes  Leben,  sondern  gleichsam  für  ihre  Nationalehre.  Es 
waren  grosse,  muskulöse  Gestalten,  die  einzeln  den  Kanembü 


id^  Tfli 


bei  WMlefli  Si^rlei^Hi  wan^:  aber  dK 
hatiffsm  IkamBfiti  dm  tob  dem  HiHBg»  sckwaauDeii  baU 
ab  LeidMtt  auf  dMt  WMnpr.  der  finte  jedoek  war  adbc»^ 
bar  und  die  Kaaettim.  die  zwei  der  Ibrigtm  ivrfev^  hattOL 
dpkbeo  iba  in  der  Vetzveünai^  aal 

Xacii  dieaem  aririiiylKcfcen  Si^  aetztes  wir  ■BHfes  Macsek 
UmV  iadem  wir  ihm  etwa»  aordüelier  hirhiPn.  ak  aaf  ms»«» 
Hmwegt,  Aach  diese  Gegend  hatte  denaelbem  firwdilbarett 
und  obenu»  ananitliigeB  Charakter;  das  Land  war  dkht 
bewc4mt  und  rortrefflieh  bebaut,  auch  riel  Tabak  zeigte 
sich.  Die  OrtHrhaften  hatten  denselben  Charakter  der  Wohl- 
habenheü,  aber  Allea  ward  weit  und  bnät  in  B^and  ge- 
steckt* Nach  «okben  Heldeotfaaten  kdirten  wir  nach  iiBäer«n 
X(^fate  zorucL 

Hier  ging  wäbrimd  der  beiden  folgenden  Tage,  angeachtet 
den  auf  den  4^  Jannar  fallenden  ''Aid  el  Moläd.  die  ror- 
laufige  Tlii^lfing  #ler  Sklarim  mfaig  ror  nich,  nur  gestört  durch 
die  klaglich#;n  Üfumfm^  die  bei  der  Menge  ganz  kleiner  Kin- 
der nicht  afjiibl/rili^fn  krönten;  riele  von  diesen  armen  Ge- 
nchi'fpfen  wurden  fK;bonnngfiloft  an»  den  Armen  ihrer  Mutter 
hm^crvitmt^  um  nu:  nie  wieder  zu  sehn«  Erwachsene  Männer 
wanm  fant  gar  niclit  darunter.  Ich  werde  später  noch  ein- 
mal ytm  dcmi  Ausfall  der  ganzen  Beute  dieses  Heereszuges  und 
vom  Antheile  des  Heerführers  sprechen. 

Kin  bedeutendes  Ereigniss  war  die  Absendung  eines  Boten 
nai;h  Käkaua,  fUr  mich  doppelt  interessant  des  eigenthümli- 
ch<!n  Weges  hall>er,  auf  dem  er  geschickt  werden  musste,  da 
der  Weg,  auf  dem  wir  gekommen  waren,  von  Seiten  der  ver- 
zweifelten Eingeborenen  jetzt  äusserst  gefährdet  war,  wie 
denn  hier  noch  kürzlich  ein  Trupp  von  mehreren  Reitern 
und  FiisHgängern  bis  auf  Einen  gänzlich  aufgehoben  worden 
war.  Der  Bote,  der  jetzt  gesandt  wurde,  musste  also  seinen 
Weg  über  die  Ortschaften  der  Fulbe  nehmen,  von  Demmo 
nach  K&fto,  von  hier  nach  dem  Fulbe-Orte  Bögo,  von  wo  er 


Absendnng  eines  Gönners  nach  Kdkaoa.  198 

der  früher  beschriebenen  grosse^  Strasse  folgen  sollte. 
Eine  Eskorte  von  15  Kanöri  und  2  Fulbe  oder  Felläta  ward 
dem  Boten  mitgegeben,  da  besonders  der  erste  Tagemarsch 
sehr  gefährlich  war. 

Es  wurde  die  letzten  Tage  viel  von  einem  grossen  Zuge 
gegen  die  Tüburi  gesprochen,  den  wir  mit  dem  ganzen 
Lager  thun  sollten,  und  Herr  Dr.  Overweg  und  ich  freuten 
uns  herzlich  darauf,  weil  die  Felshöhe,  die  wir  schon  am 
Tage  unserer  Ankunft  in  der  Feme  gesehn,  uns  in  die- 
sem ganz  flachen  Lande  von  ausserordentlichem  Interesse 
schien.  Aber  ich  habe  schon  oben  angegeben,  dass  die  Ka- 
nöri eine  gewisse  heilige  Scheu  vor  dieser  Stätte  hatten,  und 
der  wahre  Grund  war  sicher,  dass  sie  mit  Recht  fürchteten, 
die  Kerdi  würden  sich  auf  die  Felshöhe  zurückziehen  und  ihnen, 
da  sie  Wasser  in  Überfluss  in  der  Nähe  hatten,  erfolgreichen 
Widerstand  leisten,  obgleich  es  hiess,  dass  einst  ein  einziger 
Kaschella,  nämlich  'Ali  Fugomämi,  bis  dahin  seinen  Raub- 
zug erstreckt  habe.  Die  Fulbe,  denen  diese  freie  Heiden- 
gemeinde ein  Dom  im  Auge  war,  bestanden  dringend  darauf, 
der  schlaue  Vezier  aber  behauptete  später  gegen  Herm  Dr. 
Overweg  und  mich,  dass  er  jenen  Heereszug  aus  Politik  ver- 
mieden habe,  um  diese  letzte  Schranke  jenes  rastlos  sich  aus- 
breitenden Hirtenvolkes  auf  dieser  Seite  nicht  mit  eigener 
Hand  niederzureissen.  Der  Usurpator  'Abd  e'  Rahmän  drang 
im  Anfang  der  Regenzeit  1854  bis  in's  Tüburi-Land  vor,  of- 
fenbar nur  aus  Ehrgeiz,  um  sich  rühmen  zu  können,  weiter 
vorgedrungen  zu  sein,  als  sein  damals  glücklich  von  ihm  besieg- 
ter Nebenbuhler,  der  Vezier ;  dadurch  ward  es  Herm  Dr.  Vo- 
gel möglich,  jenen  höchst  interessanten  Punkt  zu  bestimmen*), 
dem  er  durch  seinen  vermeintlichen  grossen  Binnensee,  den 


*)  In  der  Ziffer  der  von  ihm  heimgesandten  Bestimmung  ist  leider  ent- 
schieden ein  Fehler,  wesshalb  ich  dieselbe  ganz  unberücksichtigt  habe  lassen 
müssen. 

k's  IMmd.  ul  13 


194  VIL  KApitel. 

Nährer  des  ungeheueren  Benue-Flusses,  noch  mehr  Bedeutung 
zu  geben  versucht  hat. 

[Montag,  ö^en  Januar, '\  In  tiefer  Finstemiss,  etwas  nach 
Mittemacht,  kam  der  Führer  des  Heereszuges  an  mein  Zelt 
und  raunte  mir  zu,  dass  es  auf  eine  weite  Rhasia  ginge,  aber 
nicht  nach  dem  ersehnten  Tüburi,  und  dass  auch  das  Ge- 
päck hier  bleiben  solle.  Obgleich  ich  lieber  gewünscht  hätte, 
die  Felshöhe  am  Anfange  des  nordöstlichsten  Zuflusses  des 
Niger- Systems  zu  besuchen,  war  ich  doch  entschlossen, 
keine  Gelegenheit  vorübergehn  zu  lassen,  meine  geographi- 
schen Kenntnisse  so  weit  wie  möghch  auszudehnen,  und  liess 
mein  Pferd  satteln.  Herr  Dr.  Overweg  dagegen,  als  er  hörte, 
dass  der  Vezier  nicht  in  Person  den  Zug  anführe,  son- 
dern dass  der  junge  Bü-Bakr,  Sohn  des  Scheichs,  den  Befehl 
übernehme,  blieb  zurück,  und  da  ich  keinen  berittenen  Die- 
ner hatte  und  einem  Fussgänger  einen  so  weiten  Marsch  nicht 
zumuthen  konnte,  sah  ich  mich  gezwungen,  ganz  allein  mit- 
zuziehen. 

In  leisen  Tönen,  um  nicht  die  Nachricht  durch  Verrath 
vorauseilen  zu  lassen,  bliesen  die  Homer  Bü-Bakr's  die  Strei- 
ter mittlerweile  zusammen ,  und  nachdem  wir  mit  einiger 
Schwierigkeit  das  enge  Thor  des  Verhackes  passirt  hat- 
ten, sammelten  wir  uns;  dann  ging  es  in  ostsüdöstlicher 
Richtung  vorwärts.  Jedoch  hat  die  Natur  diese  armen  Wil- 
den so  gut  geschützt,  dass  sie  nicht  so  leicht  überrumpelt 
werden  können. 

Glücklich  passirten  wir  bei  eintretender  Helligkeit  das  erste 
ziemlich  breite  Wasser  des  so  weiten  Ngäldjam  von  Wülia, 
fanden  aber  grosse  Schwierigkeit  bei  der  Passage  eines  an- 
deren Wassers  mit  tiefem  Sumpfboden,  der  so  morastig  war, 
dass  mehrere  Pferde  stürzten,  selbst  einige,  deren  Reiter  abge- 
stiegen waren,  und  ich  selbst  war  nicht  wenig  besorgt  wegen 
meines  unruhig  schnaubenden  Streitrosses.  Endlich  hatten 
wir   jedoch    diesen  Morast  hinter  uns  imd  glaubten  schon 


Eine  Rhasiaiiftoli' Südost.  195 

Alles  liberwiinden  zu  haben,  als  wir  plötzlich  ein  anderes 
und  zwar  ungleich  tieferes  Wasser  vor  uns  sahen,  das  wir 
nur  mit  ungeheuerem  Aufenthalte  passiren  konnten.  In  der 
That,  ich  musste  lachen,  wie  wir  fast  eine  ganze  Stunde  lang 
vollkommen  im  Moraste  feststeckten  und  kaum  vom  Flecke 
kamen,  während  die  armen  Eingeborenen  vor  uns,  die  von  mei- 
nen Freunden  überrumpelt  werden  sollten,  mit  aller  Gemüth- 
lichkeit  Haus  und  Hof  in  Sicherheit  bringen  konnten.  Den 
meisten  Pferden  ging  das  Wasser  über  den  Kücken,  mir 
selbst  aber  auf  meinem  stattlich  hohen  Gaule  bis  3  Zoll  ober- 
halb des  Kjiiees.  Ein  muthiger,  geschickt  angeführter  Feind, 
der  uns  bei  dieser  Passage  angegriffen  hätte,  würde  den  gröss- 
ten  Theil  der  Pferde  erbeutet  und  die  Mannschaft  in  die 
Flucht  geschlagen  haben. 

Nach  zweistündiger  Anstrengung  hatten  wir  endlich  die- 
ses breite  Wiesen wasser  glücklich  hinter  uns;  wenn  es  voll 
Wasser  ist,  muss  es  offenbar  einem  grossen,  unabsehbar 
langen  Binnensee  von  3  bis  4  Meilen  Breite  gleichen.  Nun 
ging  es  auf  dem  trockneren  Wiesenboden,  der  bei  dem  höch- 
sten Stande  des  Wassers  auch  überschwemmt  ist,  in  drei 
weit  getrennten  Hauptmassen  schnell  vorwärts,  obgleich  ein 
grosser  Theil  des  Heeres  bei  dem  tiefen  Wasser  in  das 
Lager  zurückgekehrt  war,  wohl  nicht  so  sehr  aus  Furcht 
vor  dem  feuchten  Element,  als  weil  einzusehn  war,  dasd 
durch  solchen  Aufenthalt  alle  Aussicht  auf  Beute  verlo- 
ren sei. 

So  erreichten  wir  die  ersten  Weiler  und  bildeten  nun  eine 
zusammenhängende  Schlachtlinie;  aber  Alles  war  entflohen. 
Wie  wir  uns  dann  dem  Flusse  näherten,  —  denn  ihm  wandten 
wir  uns  wieder  zu  —  gaben  die  Trommeln  und  die  Homer 
der  Kaschella  das  Zeichen  zum  Angriff,  und  der  bei  weitem 
grössere  Theil  des  Heeres  stürmte  fort,  bis  auf  die  nächste 
Umgebung  Bü-Bakr's  und  die  sieben  die  beiden  Flügel 
bildenden    Kaschella's.      Kaum    waren    sie    fort,    als    ein 

13» 


196  yn.  Kapitel. 

Diener  des  Heerführers  mit  seinem  Pferde  in  eine  12  Fuöö 
tiefe  und  weite  Grube  fiel  und  dadurch  einen  langen  Aufenthalt 
verursachte.  Jedoch  war  Müsse  genug ;  denn  die  Eingeborenen 
hatten  schon  glücklicherweise  Zeit  gefunden,  sich  jenseits  des 
Flusses  zu  retten,  und  Kaschella  Beläl,  der  muthigste  und 
energischste  Eriegshauptmann  des  Reiches,  schien  es  unter 
seiner  Würde  zu  halten,  sich  noch  umsonst  zu  bemühen,  wo 
Alles  schon  verloren  war.  Wenigstens  woUte  er  die  Winke 
Bü-Bakr's  voraufzueilen  nicht  verstehen  imd  blieb  mit  den 
übrigen  Hauptleuten  ruhig  halten,  während  der  Mann  aus 
der  Grube  gezogen  wurde;  das  Pferd  war  todt.  Hätten  die 
Müssgu  mehrere  solche  Löcher  .gegraben,  wie  es  die  Ein- 
wohner Bömu's  beim  Heranrücken  der  Tuareg  machen,  so  hät- 
ten sie  der  Reiterei  einen  hübschen  Verlust  beibringen  können. 
Endlich  ging  es  weiter  über  das  sandige,  schön  bebaute  Land, 
und  nachdem  wir  eine  ansehnliche  Ortschaft  passirt,  die  noch 
zum  ausgedehnten  Gaue  Wülia  gehört,  aber  einen  besonde- 
ren Namen  hat,  erreichten  wir  kurz  vor  11  Uhr  das  weitere 
oder  Überschwemmungsufer  des  Serbewel,  bis  wohin  er  sich 
in  der  Regenzeit  ausbreitet,  um  dann  bei  seinem  Zurücktreten 
weit  ausgedehnte  Wasserteiche  zurückzulassen,  die  eine  Fülle 
des  frischesten  Krautes  auf  dem  flacheren  Graslande  nähren. 
Dieses  Ufer  war  etwa  8  Fuss  hoch;  an  der  Stelle  weiter 
abwärts,  wo  wir  den  Fluss  vor  ein  Paar  Tagen  berührt,  war 
es  nicht  so  ausgebildet,  dort  aber  war  das  erste  Ufer  höher. 
Auch  am  Benue  war  es  der  Fall,  dass  an  einigen  Stellen 
ein  sehr  bestimmtes  Ufer  gegen  den  höchsten  Stand  der 
Überschwemmimg  gebildet,  an  anderen  aber  die  Linie,  die 
der  Fluss,  wenn  er  über  sein  eigentliches  Bett  hinausgetreten 
ist,  erreicht,  auf  flachem  grasigen  Ufer  unbestimmt  ge- 
lassen war,  und  so  ist  es  natürlich  mit  allen  Flüssen  in 
diesen  Zonen. 

Etwa  2000  Schritt  innerhalb  dieses  äusseren  grasigen  Ufers 
war  das,  hier  nur  10  Fuss  hohe,  sandige  innere  Ufer,  das 


Der  Serbewel  in  der  Landschaft  Wülia.  197 

den  Strom  jetzt  begrenzte.  Er  kam  hier  von  S250.  (mag- 
netisch), verliess  jedoch  etwas  unterhalb  der  Stelle  diese  Rich- 
tmig,  um  eine  andere,  nämlich  nach  W.  bei  Nord,  zu  verfolgen ; 
weiter  aufwärts  war  sein  jenseitiges  Ufer  reich  mit  Bäumen 
bewachsen,  unter  denen  Deleb-  und  Dümpalmen  hervorschau- 
ten ;  Dörfer  aber  waren  nicht  zu  sehn,  obgleich  hier  am  öst- 
lichen Ufer  eine  Ortschaft  Namens  Kar  liegen  soll. 

An  der  Stelle,  wo  wir  den  Fluss  erreichten,  war  er  an- 
sehnlich breit,  wenigstens  1200  Schritt,  und  bildete  eine 
Sandinsel,  und  das  war  offenbar  der  Grund  gewesen,  wess- 
halb  man  den  Raubzug  nach  diesem  Punkte  gelenkt  hatte, 
indem  man  hoffte,  der  Fluss  werde  hier  eine  Fürth  bil- 
den, was  auch  zuweilen  nach  spärlicher  Regenzeit  der  Fall 
sein  mag  und  selbst  dieses  Jahr  in  Zeit  von  2  Monaten 
gewiss  eintreten  musste.  Augenblicklich  aber  war  das  nicht 
der  Fall  und  die  raubgierigen  Schüa  ritten  verzweiflungs- 
voll zwischen  der  Insel  und  unserem  westlichen  Ufer  hin 
und  her. 

Auch  ich  wandte  mich  nach  der  Insel,  obgleich  ich  schon 
sah,  dass  an  ein  weiteres  Vordringen  nicht  zu  denken  sei. 
Der  erste,  breitere  Arm  war  an  der  tiefsten  Stelle  nur  18 
bis  19  Zoll  tief  und  musste  in  kurzer  Zeit  ganz  aus- 
trocknen, wo  dann  die  Sandbank  das  Knie  dieser  Fluss- 
biegung bilden  würde;  der  östliche  Arm  aber,  der  nur  etwa 
200  Schritt  breit  zu  sein  schien,  war  von  ansehnlicher  Tiefe 
und  hier  floss  der  Strom  mit  bedeutender  Gewalt.  Der  alte 
Abu  Daüd,  welcher  mir  an  der  Südspitze  der  Sandinsel  be- 
gegnet war  und  mich  an  das  östliche  Ufer  derselben  beglei- 
tet hatte,  bezeichnete  die  ganze  Natur  des  Stromes  mit  dem 
einen,  aber  vielsagenden  Worte  „yäkul",  d.  h.  „er  isst" 
(nämHch  den,  der  sich  hineinwagt). 

Es  wäre  um  so  gefährlicher  gewesen,  sich  hineinzuwagen, 
als  auf  dem  gegenüberliegenden,  nur  etwa  4  Fuss  hohen 
Ufer  eine  Anzahl  hochgewachsener,  kräftiger  Eingeborenen 


Xm  VIL  Kmpitel. 

tttand,  die  sich  über  unsere  UDfähigkeit,  den  Fluss  zu  pas- 
siren,  lustig  machten  und  offenbar  bereit  waren,  jeden  sich 
Hinüberwagenden  gastfreundschaftlich  zu  empfangen.  Es 
wäre  natürlich  ein  Leichtes  gewesen,  diese  Leute  wegzubla- 
sen imd  so  die  Landung  frei  zu  halten;  aber  ich  sah  nicht 
einen  einzigen  Kanöri,  sondern  nur  Schüa,  die  sich  stets  am 
weitesten  wagen,  auf  der  Insel.  Jedoch  auch  sonst  waren 
die  Kerdi  nicht  ganz  unthätig,  diese  Passage,  welche  allein 
ihre  geflüchteten  Familien  drüben  schützte,  zu  vertheidigen ; 
es  fuhren  nämlich  etwas  oberhalb  im  Flusse  vier  Kähne  auf 
und  ab,  —  drei  davon  mit  je  vier,  das  vierte,  grössere  aber 
mit  zehn  kräftigen  Gestalten  bemannt. 

Natürlich  kann  in  einem  so  zerrissenen  Lande  wie  dieses, 
wo  jede  kleine  Gemeinde  einen  eigenen,  schroff  gegen  die 
Nachbarn  abgegrenzten  Staat  bildet  — ,  wie  im  alten  Latium 
und  in  Hellas  —  kein  grosser  Flussverkehr  sein,  und  diese 
vier  Kähne  bildeten  wahrscheinlich  die  ganze  Schiffsmacht, 
welche  den  Anwohnern  des  Flusses  hier  zu  Gebote  stand.  — 
Das  unermessliche  Feld,  welches  die  Natur  in  diesen  so 
fruchtbaren  und  von  schiffbaren  Strömen  durchzogenen  Län- 
dern Central  -  Afrika's  für  die  menschliche  Thätigkeit  und 
Industrie  eröffnet  hat,  musö  bei  solchen  Lebensverhältnissen 
brach  liegen;  aber  es  wird  ausgebeutet  werden,  sobald  der 
rastlos  vorwärts  strebende  Sinn  des  Europäers  auch  diese 
Länder  in  sein  Gebiet  zieht,  —  und  das  kann  nicht  ausblei- 
ben. In  der  That,  ich  bin  davon  überzeugt,  dass  in  50  Jah- 
ren Europäische  Fahrzeuge  vom  Busen  von  Biafra  aus  regel- 
mässigen alljährlichen  Verkehr  mit  dem  grossen  Becken  des 
Tsäd  unterhalten  werden. 

Eine  fast  ununterbrochene  Verbindung  ist  von  der  Natur 
selbst  angelegt  (von  der  Mündung  des  sogenannten  Niger  an 
bis  zur  Einmündung  des  mäyo  Kebbi),  und  diese  Strecke  ist 
für  Boote  von  nicht  mehr  als  etwa  3  Fuss  Tiefe  ohne  wei- 
tere Vorkehrung  schiffbar;  aber  der  mäyo  Kebbi  scheint  in 


Die  Wasserrerbinduiigeii  zwischen  dem  Tsad  und  BenaS.         199 

seinem  gegenwärtigen,  sich  weit  auf  flachem  Grasboden  aus- 
breitenden Bette,  nur  für  ganz  flache  Kähne,  wie  die  der 
Eingeborenen,  fahrbar.  Diese  können  nun  beim  höchsten 
Wasserstande  unzweifelhaft  bis  Daua  (im  Tüburi  -  Gebiete) 
hinauffahren,  wo  Herr  Dr.  Vogel  jenes  sich  seeartig  erwei- 
ternde grosse  Becken  besucht  hat,  das  ihm  ein  selbstständi- 
ger centraler  See  zu  sein  schien.  Wenn  von  hier  aus  nicht 
wirklich  eine  Bifurkation  mit  dem  Serbewel  oder  oberen 
Flusse  von  Logone  existirt,  nämlich  vermittelst  des  gros- 
sen, breiten  Ngaldjam  von  Demmo  —  was  sehr  wahr- 
scheinlich ist*)  — ,  so  beträgt  doch  die  Wasserscheide  höch- 
stens 20  See-  oder  5  Deutsche  geographische  Meilen,  und 
zwar  ganz  flachen  Landes ,  während  wohl  ohne  Zweifel  das 
sich  an  die  Granithöhe  von  Tüburi  anschliessende  Felslager 
ganz  umgangen  werden  kann.  Das  Niveau  des  Tsäd  scheint 
ganz  dasselbe  zu  sein,  wie  das  des  oberen  Benue  zwischen 
dem  Taepe  (der  Verbindung  mit  dem  Färo)  und  Gewe  oder 
der  Einmündung  des  mäyo  Kebbi;  wenigstens  erhebt  sich 
der  Benue  an  der  erwähnten  Stelle  allem  Anschein  nach 
nicht  mehr  als  850  —  900  Fuss  über  den  Meeresspiegel. 
Dieser  flache  Arm  muss  also  fast  ebensoviel  Gefalle  haben, 
als  der  Fluss  von  Logone  von  Wülia  an  bis  in  den  Tsäd.  — 
Diese  reiche  Ausstattung  der  Natur  wird,  wie  ich  hoffe,  eines 
Tages  ausgebeutet  werden,  obgleich  hier  alle  Verhältnisse 
erst  eine  Grundumwälzung  erfahren  müssen,  bevor  ein  regel- 
mässiger friedlicher  Verkehr  eingeleitet  werden  kann. 

Jedoch  ich  habe  fast  vergessen,  den  Ort  anzugeben,  wo  ich 


•)  Herr  Dr.  A.  Petermann  hat  mich  in  seiner  klaren  Anschauung  für  geo- 
graphische Verhältnisse  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  grössere  Was- 
sermenge,  welche  ich  im  östlichen  Theile  des  Ngaldjam  fand,  wo  ich  es  am 
5ten  Januar  (auf  dem  Hinwege  <les  Zuges)  passirte,  dafür  su  sprechen  scheine, 
dass  es  sich  in  dieser  Richtung  absenke  und  also  mit  dem  Tüburi-Wasser 
in  Verbindung  stehe.  Beweisend  ist  aber  dieser  Grund  bei  der  Natur  jener 
Wiesenwasser  allerdings  nicht. 


I 


200  YU.  KapiteL 

war,  als  ich  diese  Bemerkungen  machte;  ich  stand  auf  der 
Insel  im  Flusse.  Der  alte  Abu  Däüd  trieb  mich  endlich  zur 
Bückkehr,  und  mit  Recht;  denn  schon  war  der  grösste  Theil 
der  Schuä  an's  westliche  Ufer  zurückgekehrt  und  drohte 
uns  allein  zu  lassen.  Es  schien  keineswegs  angenehm,  von 
den  Eingeborenen  im  Rücken  angegriffen  und  vielleicht  gar 
von  der  Mannschaft  der  Boote  abgeschnitten  zu  werden. 

Wir  traten  jedoch  nicht  sogleich  unseren  beutelosen  Rück- 
marsch an,  sondern  zogen  erst  ein  wenig  am  westlichen  Ufer 
abwärts ,  wo  auf  einer  schmalen,  steil  abgerissenen  Insel,  die 
nur  durch  einen  engen,  aber  tiefen  Kanal  vom  Festufer  los- 
getrennt war,  ein  Dutzend  hochherziger  Eingeborenen  stand 
und  einer  solchen  Übermacht,  wie  die  unserige,  Hohn  zu 
sprechen  wagte.  Mehrere  Kanöri- Gewehrleute  feuerten  auf 
sie,  aber  ohne  den  geringsten  Erfolg;  denn  entweder  verfehl- 
ten die  Kugeln  vollständig  das  Ziel,  ungeachtet  der  grossen 
Nähe,  oder  sie  prallten  wegen  ihrer  Leichtigkeit,  da  sie  —  wie 
gewöhnlich  hier  zu  Lande  —  aus  Zinn  bestanden  und  aus- 
serdem von  kraftlosem,  verknallendem  Pulver  getrieben  wur- 
den, sogar  von  den  schwachen,  aus  Rohr  geflochtenen  Schil- 
den ab,  mit  denen  sich  jene  Streiter  schützten.  Kein  Einzi- 
ger ward  getroffen,  wenigstens  so  lange  ich  Zeuge  dieser 
glorreichen  Scene  war;  aber  ich  hielt  es  bald  für  rathsam, 
mich  zurückzuziehen,  da  mehrere  Bomu-Leute,  welche  sahen, 
dass  ich  meine  Flinte  bei  mir  hatte,  mich  dringend  auffor- 
derten, auf  diese  Spötter  zu  schiessen,  und -mich  dann,  als 
ich  es  verweigerte,  mit  dem  gewöhnlichen  „'Abd  el  Kerlm 
feida  nsse  bägo"  —  „*Abd  el  Kenm  ist  ein  nutzloser  Mensch" — 
überhäuften.  Steine  gibt  es  im  ganzen  Müssgu-Lande  nicht, 
ausser  nahe  an  den  vereinzelten  Granithöhen  (wie  die  bei  den 
Fulbe- Ansiedelungen  und  im  Lande  der  Tüburi),  sonst  hätte 
man  jene  Leute  mit  Steinwürfen  angreifen  können,  und  wohl 
nachhaltiger  als  mit  den  Zinnkugeln.  Die  eigenthümlichen 
Rohrschilde,  womit  sich  diese  Eingeborenen  schützten,  hatte 


Rückkehr  nach  dem  Lager.  201 

ich  später  Gelegenheit  in  der  Nähe  zu  sehn;  sie  sind  ohen 
etwa  16,  unten  22  Zoll  breit  und  etwa  40  Zoll  lang,  aber 
ausgewölbt,  und  bestehen  aus  sehr  dichtem  Flechtwerk  des- 
selben Rohres,  woniit  die  Hütten  gedeckt  werden. 

Etwas  vor  Mittag  machten  wir  uns  auf  den  Heimweg, 
nicht  gerade  sehr  mit  Beute  überladen,  da  nur  15  Sklaven 
—  meistens  unglückliche  alte  Weiber,  die  ihre  heimathli- 
chen  Hütten  nicht  hatten  verlassen  können  oder  wollen  — 
in  die  Hände  meiner  Freunde  gefallen  waren;  aber  dafür 
Hessen  diese  ihren  Ingrimm  an  den  Wohnungen  jener  Un- 
glücklichen aus,  und  all'  die  behaglichen  und  reichen  Ort- 
schaften, welche  wir  passirten,  wurden  ein  Raub  der  Flam- 
men. Dies  war  allerdings  ein  empfindlicher  Verlust  für  die 
Leute,  nicht  sowohl  wegen  der  Hütten,  die  sie  leicht  wieder 
aufbauen  können  —  obgleich  das  auf  den  Feldern  stehende 
Stoppelrohr,  welches  *bei  schnellem  und  leichtem  Hüttenbau 
benutzt  wird,  gewöhnlich  mit  abbrannte  — ,  als  wegen  der 
Kommagazine,  da  die  Ernte  schon  längst  eingebracht  war 
und  wohl  nur  Wenige  die  Vorsicht  gehabt  hatten,  ihren 
Wintervorrath  in  Katamören  zu  verbergen,  wie  ich  deren 
bei  den  Marghi  beschrieben  habe,  aber  hier  gar  nicht  sah, 
wenn  nicht  vielleicht  die  oben  erwähnte  Grube  zu  einem  sol- 
chen Zwecke  bestimmt  war.  Auch  hatten  die  Flüchtigen  in 
der  Eile  wohl  nur  einen  kleinen  Theil  ihres  Komvorrathes 
retten  können. 

So  ist  nicht  allein  die  Fortfühnmg  der  Sklaven  und  das  Ab- 
schlachten der  älteren  Gefangenen  bei  den  traurigen  Folgen 
solcher  Sklavenjagden  in  Anschlag  zu  bringen,  sondern  auch 
die  gewöhnlich  darauf  folgende  Hungersnoth,  die  in  vielen 
Fällen  gewiss  eine  grosse  Menge  dieser  Unglücklichen  hin- 
rafft, obgleich  sie  die  Natur  mit  so  unzähligen  seichten  und 
dabei  fischreichen  Gewässern  versorgt  hat,  die  ihnen  ihre 
Existenz  auch  in  solchen  Fällen  sehr  erleichtern  müssen.  — 
Auf  diesen  Pimkt  komme  ich  später  wieder  zurück 


202  VIL  Kapitel. 

Die  Waldungen,  welche  diese  Ortschaften  von  einander 
schieden,  bestanden  fast  ausschliesslich  aus  Talhabäumen 
—  „kindin"  — ,  die  gerade  in  der  Blüthe  waren  und  einen 
lieblichen  Duft  verbreiteten;  hie  und  da  schössen  dazwischen 
vereinzelte  Dümpalmen  — „Idnsim"  —  auf.  Delebpalmen 
sah  ich  in  diesem  Gaue  gar  nicht;  aber  jenseits  des  Flus- 
ses (in  SO.)  hatte  ich,  wie  schon  angegeben,  deren  in  der 
Feme  erblickt. 

Nach  48tündigem  Ritt  erreichten  wir  wiederum  das  breite 
Ng&ldjam  von  Demmo,  aber  an  einer  anderen  Stelle,  als  wo 
wir  es  am  Morgen  mit  so  ungeheuerem  Zeitverluste  passirt 
hatten.  In  der  That,  hätten  wir  es  am  Morgen  hier,  wo 
es  unendlich  weniger  Wasser  enthielt,  durchsetzt,  so  hätten 
die  armen  Müssgu  wotl  kaum  Zeit  zum  Entkommen  gehabt. 
Ich  Hess  die  Haupttruppe  der  Reiter  an  einem  grösseren 
Wasserbecken  ihre  Pferde  tränken  und  setzte  ohne  Unter- 
brechung meinen  Marsch  fort,  dem  heimischen  Zelte  zu; 
denn  da  ich  über  12  Stunden  zu  Pferde  gesessen  hatte,  ohne 
Rast  und  ohne  etwas  zu  geniessen,  litt  ich  sehr  Hunger. 
Es  kostete  mir  aber  volle  1^  Stunden,  um  dieses  hier  meist 
trockene,  mit  hohem  Sumpfgras  angefüllte,  an  einigen  Stel- 
len sehr  sumpfige  und  von  Elephantenlöchem  durchbrochene 
eigenthümliche  Bassin  zu  passiren,  welches,  wenn  es  voll 
Wasser  ist,  wirklich  den  Anblick  eines  sehr  ausgedehnten 
See's  gewähren  muss.  Nachdem  ich  noch  1  Meile  an  dem 
Nordwestrande  dieses  Schilfmeeres,  das  mit  schönen  Bäumen 
geschmückte  sandige  Festland  zur  Rechten  lassend,  hingezo- 
gen war,  kam  ich  endlich  in  meiner  leichten  Leinwandbe- 
hausung an,  wo  mich  volle  Schüsseln  erwarteten;  und  es 
war  dies  eines  der  wenigen  Male  im  Sudan,  wo  ich  mich 
erinnere,  mit  wahrhaft  Europäischem  Appetite  gespeist  zu 
haben. 

Der  Vezier  war  sehr  gnädig  und  rühmte  meinen  Muth, 
dass  ich  ganz  ohne  befreundetes  Gefolge  diese  ferne  Rhasia 


Bast. am  Ngdldjsm  Ton  D^inmo.  203 

begleitet  habe;  aber  die  Kauöri,  welche  mitgewesen  waren, 
verkümmerten  mir  das  Lob  durch  ihr  „feida  nsse  bägo".  Dies 
wurde  denn  überhaupt  eines  meiner  Beiwörter  in  diesem 
Lande  und  war  der  Grund,  dass  ich  bei  den  meisten  Leu- 
ten weniger  populär  war,  als  Herr  Dr.  Overweg,  der  seinen 
Europäischen  Charakter  mehr  bei  Seite  setzte.  Das  „afi 
feida  nsse?"  —  „wozu  ist  er  nütz?"  —  ist  ein  nicht  allein 
den  Europäer,  sondern  selbst  den  Barbaren  und  Halbbarba- 
ren in  den  menschlichen  Verhältnissen  leitendes  Prinzip. 

Den  folgenden  Tag  blieben  wir  ganz  ohne  Grund  hier  lie- 
gen, wenn  es  nicht  etwa  desshalb  geschah,  um  den  verweich- 
lichten Hofleuten  —  „kokanaua"  — ,  die  den  gestrigen  Zug 
begleitet  hatten,  einige  Ruhe  zu  gönnen;  dabei  nahm  der 
Vezier  Gelegenheit,  mit  meinem  enthusiastischen  Wunsch, 
weiter  nach  Süden  vorzudringen  —  wo  möglich  wenigstens 
bis  zum  Äquator  — ,  seinen  Spass  zu  treiben,  indem  er  zum 
grossen  Entsetzen  der  Kokanaua  vorgab,  dass  er  die  Absicht 
habe,  noch  viel  weiter  vorzudringen. 

In  der  That,  zu  Zeiten  konnte  Hadj  Beschir  überaus  lie- 
benswürdig sein;  auch  besass  er  Verstand  genug,  um  zu 
begreifen,  wie  sich  Europäer  verleiten  lassen  könnten,  so  ge- 
fahiToUe  Reisen  zu  unternehmen,  —  obgleich  er  kaum  fähig 
war,  den  Muth  völlig  zu  würdigen,  den  ein  solches  Unterneh- 
men voraussetzt.  Er  hatte  wiederholt  mit  mir  über  meinen 
Plan,  nach  der  Ostküste  vorzudringen,  gesprochen  und  war 
der  Ansicht,  dass  eine  Schaar  von  10  Europäern  im  Stande 
sein  würde,  ihn  auszuführen,  wiewohl  er  von  der  Menge  der 
Wasserläufe  in  jenen  Äquatorialgegenden  grosse  Hindernisse 
erwartete,  imd  es  kann  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  dies  eins 
der  grössten  bei  einem  solchen  Unternehmen  sein  würde. 
Um  mich  über  meine  getäuschte  Erwartung,  noch  weiter 
in's  Innere  vorzudringen,  zu  trösten,  Hess  er  auch  Mallem 
Djümma  rufen,  um  mir  zu  erzählen,  wie  weit  der  kühne  Pullo- 
Eroberer  Büba  jenseits  Büban-djidda  vorgedrungen  sei ;  aber 


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f A9I  f^<»mi  ffr.  f'MttMBtOi  fnhiifiTUM  KjrU  mme»  ThaLe*  too.  CeatnL-Jkfcikx 
4*^4f«*ii  ^A^  i»vi4«r^l^  iMfM,  <j«r  mit  Dr,  V^t^eT«  «.Tihvri-'Jrtr  iiiaicaeiL  iac 

»V»y#yn»it»nwm^niiy  hi  )^  44 '  jl,  Bf .  h  m'nmm^.  Uli«  fia^r  »f  der  pmmim.  %mtm 
hihtKt,  «TM  jit^H  tUm  «efiA«  ^ft  ^rv2lk»t  luiitt,  mit  dem  tu^ammauaesL  üaüämm. 
f&n  l(^k«n«  ynt^^mm^^t  %\»tcf  Ht^m  Dr.  V<)fsi'i  Lia^<mhg«trm«tnif^n.  baib«& 
♦»rf  'fi^f^f  9ui^  «v»J^  Wi*Ä  f<»,lkkr,  Iier  Xam«  ,,T4bfiri-Ort'*  biwl«iitrt  b«i 
M^ff*  Iv,  Vrt^Äl  ,/M"  M<<f  fUiim^hi  „«na«  i«r  OrtK^aftm  der  Täb^rr*.  wi* 
TAV(rf>.^U4  M  i)Mi  ,,iU»«  m  UaA^  4er  lübmrr  heuten  mIL 


VIII.  KAPITEL. 

Rückkehr    nach    Bornu. 


[Mittwochs  7<«w  Januar.^  An  diesem  Tage  traten  wir  unsere 
Rückkehr  an.  Es  war  wunderbar  genug,  dass  gerade  in  dem 
Augenblick,  als  in  der  Frühe  die  Trommel  zum  Aufbruch 
geschlagen  wurde,  eine  Mondfinsterniss  eintrat;  aber  unser 
Heerführer  liess  sich  dadurch  nicht,  wie  Nikias  vor  Syrakus-, 
irre  machen.  Allerdings  liess  er  Herrn  Dr.  Overweg  rufen, 
um  sich  von  diesem  über  das  von  ihm  wohl  bemerkte  Phä- 
nomen belehren  zu  lassen,  aber  sonst  kümmerte  es  ihn  nicht 
weiter. 

Wir  hielten  uns  jetzt  im  Ganzen  östlicher,  als  auf  unserem 
Hinwege,  näher  an  den  Fluss  von  Logone.  Eine  kurze  Strecke 
lichterer  Waldung  trennte  den  Kulturdistrikt  von  Demmo  von 
einer  anderen  Ortschaft,  wo  ausser  Holcus  auch  Tabak  auf 
den  Feldern  gebaut  wurde.  Schon  früher  hatten  wir  viel  Tabak- 
bau gesehn  und  waren  zu  der  Überzeugung  gekommen,  dass, 
so  sonderbar  das  bei  der  allgemein  bekannten  Thatsache  des 
späten  Gebrauchs  dieser  Pflanze  bei  den  Arabern  auch  scheinen 
mag,  er  hier  einheimisch  und  nicht  erst  in  neuerer  Zeit  ein- 
geführt sei.  Auch  hatten  wir  bemerkt,  dass  nicht  allein  die 
Männer,  sondern  selbst  Frauen  hier  zu  Lande  leidenschaftlich 
Tabak  rauchen.  Hier  aber  waren  wir  nicht  wenig  erstaunt, 
Tabak  und  Baumwolle  in  friedlicher  Vereinigung  auf  einem 
und  demselben  Stück  Feld  gebaut  zu  sehn.  Von  Baumwolle 
hatten  wir  in  der  That  sonst  noch  gar  nichts  im  Müssgu- 


'^^^nsu^  ss^'^nn   mrt    üttswi:  1  \r»*ärE  jl   öbt  ^ifrar  vic  -»»- 

ttit*  r.r  ifv  ^•.»»ft«*rim  jl  T^iaioir  T=*r:::i*r>?L  äe  ömn.  -^nuBL 
/«uiM^  ^>-^n**v  .-uiih**?  v,inr*r   la  ^iksärtniii^L  SrnnK  Fi 

/^f  «f/^nf,  /*i^>n  zvÄ'i:>r.  -irr:  »ür^  Fdg«»i:r<hrrr:triL  —  -Hiii- 

4^**  «w^irT^lkfo^r,  ^/rtvri*Äft  i3Ld  iäer  Ijus-eftir^  wir.     H^err 

*^;f  »/,jy>f»^r  -»iH^fir,  f >:i7*T.kiar:i   Toii  d^r  An  ä^i:.   «är  t^jb 

/W#  M^^tk'/fi  Mkfji'  ^^s^uut  wird, 

l/;*v  yM/z^lhni  »Ar  r^rrUiVrii.  Lur  frimg^e  zurückgebliebene 
Hnhu^  rrrt/ti  v^rrfrjjrt  zwivrh^rfi  fk-n  Hütten  nmher.  Es  war 
^'tr^  *^'J#f  l*/ri[*vrf  'f;*$(.  /kr  L^H«^rste.  den  wir  während  liieses 
^fifr/z^t  V*M/jtiifr<  hatUrri,  indem  da»  Thermometer  um  Ij  Uhr 
Sf9J.U$ftiiUiiV,K  m  kijhUm  .Scliatten  wjseres  schönen  Feigenbau- 

Ah  ^'u'h  S\Ur^  ui  ihtt  erfrlvrhenden  Kühle  des  Abends  der 
Kulii;  tiuA  \W\U',rVt'\i  ü}>irrlie}»»,  entstand  plötzlich  ein  gewaltiger 
Alurriff  mU'iu  fh  WwhH,  die.  Kerdi  griflfen  das  Lager  an.  Die 
'I  roiiirii/'l  wirbiflte  und  AlhfH  eilte  durch  einander.  Der  Alarm 
war  wi  iirtfHK  dann  mein  (lefahrte  sein  Zelt  aufgab  und  sich  mit 
Hf'Uu'U  I/euten  in  (Im  (mczcH  des  Veziers  zurückzog,  wobei  ich 
aiM'li  ttieineri  bei<l('n  FeHuriem  erlauben  musste.  dort  Sicher- 
\u*ii  '/M  H\U'hf*u.  Ich  Hclbst  blieb  bei  den  Zelten;  denn  ich 
hiiiU*  wellig  I#UHt,  meincj  Lagerstätte  noch  einmal  plündern 
zu  laHNietif  wio  ch  in  KAnem  der  Fall  gewesen  war.  Bald  ergab 


! 


Blinde  AlarmiruDg  des  Lagers.  207 

es  sich  jedoch,  dasses  ein  ganz  blinder  Alarm  sei,  der  dadurch 
entstanden  war,  dass  die  den  Umkreis  des  Ngäufate  bewa- 
chenden Kanembü  einen  Trupp  mit  uns  ziehender  Fulbe  oder 
Felläta  für  Feinde  gehalten  hatten,  was  die  Furcht  dieser 
Leute  um  so  mehr  erregte,  als  heute  wirkhch  ein  Trupp  von 
etwa  20  Schüa  von  den  Kerdi  aufgehoben  worden  war.  Die 
Haupiverluste  bei  solchen  Raubzügen  treffen  immer  diese 
raubgierigen  Araber,  die  sich  am  weitesten  wagen;  aber  es 
geUngt  ihnen  hierdurch  auch,  manchen  Raub  heimUch  in  ihre 
Heimath  abzuführen.  Kein  Einziger  derselben  hat  ein  Feuer- 
gewehr, Alle  sind  nur  mit  Lanzen  bewaffnet,  gewöhnlich  einer 
Stosslanze  —  „kassakka"  — ,  und  vier  kleinen  Wurfspeeren 
—  „bällem"  — ;  sehr  Wenige  haben  Schilde. 

[Donnerstagy  8ten  Januar,^  Wir  erreichten  nach  einem  Mar- 
sche von  etwas  mehr  als  1  Meile  einige  Weiler,  wo  Dum-  und 
Delebpalmen  in  seltener  Gruppirung  zusammenstanden,  die, 
wie  sie  aus  dem  Flammenmeere,  das  die  Dorfschaft  verzehrte, 
hervorragten,  einen  höchst  eigenthümlich  malerischen  Anblick 
gewährten.  Dahinter  zog  sich  wiederum  das  Flüsschen  mit 
seinem  klaren  Wasserstreifen  haii  im  Osten  heran,  wäh- 
rend drüben  ein  reiches  Grasland  sich  ausbreitete,  mit  lich- 
terem Baumwuchse  im  Hintergrunde,  über  den  nach  OSO. 
eine  leichte  Hügelkette  herüberragte,  offenbar  schon  auf  der 
Ostseite  des  Arre  oder  Flusses  von  Logone.  Es  bot  sich  ein 
überaus  frischer,  weit  umfassender  Blick  über  diese  unge- 
heuere Weidelandschaft  dar,  und  es  war  mir  höchst  erfreu- 
lich, dass  der  Vezier  auf  dem  bedeutend  ansteigenden  westli- 
chen Ufer,  an  dem  wir  mit  der  Reiterei  entlang  zogen,  einen 
Augenblick  Halt  machte,  nicht  so  sehr  aus  wissenschaft- 
lichem Interesse,  obgleich  auch  ihm  diese  Landschaft  Freude 
machte,  als  weil  er  vielleicht  einen  Angriff  der  Eingeborenen, 
deren  eine  ziemliche  Menge  in  der  Feme  zwischen  den  Bäu- 
men sich  sehn  liess,  auf  den  Packtross  befürchtete.  So 
gruppirte  sich  die  Menge  der  in  buntscheckige,  malerische 


208  Vin.  KapiteL 

Tracfit  gekleideten  Kokanäua  und  Heerführer  nahe  bei  einem 
just  in  Flammen  auflodernden  Gehöft  und  gewährte  selbst 
einen  höchst  eigenthümlichen ,  lebensvollen  Vordergrund  zu 
dem  ganzen  Bilde ;  aber  ich  war  froh,  Wtährend  unseres  kur- 
zen Aufenthaltes  nur  die  Umrisse  der  Landschaft  selbst  zu 
Papier  zu  bringen,  mit  dem  langen,  schmalen  Streifen  des 
an  der  anderen  Seite  des  Wassers  entlang  ziehenden  Pack- 
trosses und  einzelnen  Reitertrupps  dazwischen. 

Die  Schönheit  der  Landschaft  sowohl,  als  das  wüste  Bild  der 
Zerstörung  gab  mir  Gelegenheit,  mich  mit  unserem  Freunde 
und  Beschützer  in  ein  Gespräch  über  die  PoUtik  einzulassen, 
die  sie  gegen  diese  Eingeborenen  verfolgen,  indem  ich  ihm 
vorstellte,  wie  unendlich  verständiger  es  von  ihnen  wäre, 
wenn  sie  die  Müssgu  dieses  schöne  Land  in  Ruhe  bestellen 
liessen  und  sich  begnügten ,  einen  ansehnlichen  Tribut  von 
ihnen  zu  erheben.  Der  Vezier  aber  entgegnete  mir,  dass 
sie  nur  durch  die  gewaltsamsten  Mittel  diese  ihre  Unab- 
hängigkeit über  Alles  liebenden  Kerdi  zur  Unterwerfung 
zwingen  könnten,  dass  er  desshalb  ihre  Kornmagazine  ver- 
brenne, um  sie  durch  Hunger  zu  zwingen,  und  leider  fühlten 
sie  diesen  weniger,  da  die  Menge  der  Gewässer  ihnen  einen 
Übei-fluss  von  Fischen  darböte. 

Man  muss  auch  bedenken,  welche  Art  von  Tribut  diese 
Leute  erheben  sollen ;  Vieh  hat  für  sie  nicht  viel  Werth  und 
andere  Produkte  als  Korn  kennen  sie  kaum;  Sklaven  sind 
also  das  Einzige,  was  sie  von  ihnen  wollen ;  durch  gewaltsa- 
mes Fortführen  der  Letzteren  zwingen  sie  dieselben  zur  Un- 
terwerfung und  nach  dieser  erheben  sie  von  ihnen  einen  fried- 
lichen Tribut  an  —  Sklaven.  Dies  Alles  wird  anders  wer- 
den, sobald  ein  regelmässiger,  friedlicher  Handelsverkehr  auf 
dem  Benue  in  das  Herz  dieser  Länder  eröffnet  ist  und  eine 
stete  Nachfrage  nach  den  natürlichen  Erzeugnissen  derselben 
statt  findet,  als  da  sind  Baumwolle,  vegetabilische  Butter,  Erd- 
mandeln, Elfenbein,  Rhinoceroshömer,  die  Fiber  der  üalo- 


Die  Produkte  des  Mdssga-Landes.  209 

tropis  oder  Asclepias  gigantea^  Wachs,  Häute  Und  unzähliges 
Andere.  Der  Vezier  selbst,  obgleich  ein  strenger  Moslim, 
war  zu  aufgeklärt,  um  die  Verbreitung  des  Isslam  in  den 
Vordergrund  zu  stellen,  obgleich  ihn  natürlich  die  Überzeu- 
gung, dass  diese  Unglücklichen  als  Heiden  —  „kofar"  oder 
„kerdi"  —  solche  Behandlung  verdienten,  gegen  ihre  Leiden 
stumpf  machte. 

Wir  passirten  darauf  das  Wasser,  wo  es  nur  geringe  Tiefe 
hatte,  und  auch  ein  anderes  flacheres  und  breiteres  Wiesen- 
wasser und  traten  dann  in  schön  hügeliges  Land  ein,  wäh- 
rend uns  ein  Arm  des  Wassers  nahe  zur  Linken  bUeb.  Die  ganze 
Landschaft  war  aufs  Schönste  angebaut  und  dicht  bewohnt; 
Weiler  folgte  auf  Weiler  und  grosse  Bäume,  meist  Ficua- 
Arten  und  GirafFenbäume  —  „karäge"  —  umhüllten  das  Ganze 
mit  der  lebendigsten  Pflanzenfülle.  Einige  Hütten  zeichneten 
sich  aus  durch  ihre  freundliche  Umrankung  mit  der  scllon 
oben  bei  den  Schüa  -  Weilern  erwähnten  „ssagade"  (Cucur- 
hitacea)y  die  wahrscheinlich  mit  der  Melopepo  identisch  ist, 
und  das  Ganze  bot  einen  um  so  lebensvolleren  Anblick,  als 
gerade  der  Tabak*)  in  Blüthe  stand,  wodurch  man  sich  in 
Gebiete  der  höchsten  Civilisation  versetzt  glaubte. 

In  solcher  Landschaft  lagerten  wir  früh  am  Morgen,  wo 
wiederum  hart  zu  unserer  Rechten  ein  hübsch  gewundenes 
Rinnsal  herantrat ,  indem  sich  der  Boden  in  schöner  frischer 
Neigung  etwa  20  Fuss  weit  hhiabsenkte;  der  Wasserarm  war 
nur  etwa  90  Schritt  breit,  aber  hier  ansehnlich  tief  und  voll 
des  klarsten,  schönsten  fliessenden  Wassers,  sanft  an  dem 
(Jelände  dahingleitend,  um  sich  weiterhin  in  der  Ebene  zu 
verlieren.  Hier  legte  ich  mich  ein  Stündchen  träumend  in 
den  Schatten  einer  grossen  „karäge",  mich  den  bezaubern- 
den  Eindrücken    eines    solchen  wechselvollen  Wanderlebens 


*)  Leider  vergass  ich  es,  mich  danach  zu  erkondigen,  ob  dieMüssga  einen 
eigenen,  einheiiuischen  Namen  für  „Tabak"  haben. 

D«rth's  ReiMn.  IIL  14 


f 


210  Vm.  KapiteL 

Überlassend,  die  den  Reisenden  für  alle  Entbehrungen  ent- 
schädigen und  ihn  stets  mit  neuer  Begierde  erfüllen,  sich  wei- 
teren Wagnissen  auszusetzen.  Meine  zarte,  aber  leichtfüssige 
und  mühgewohnte  Näga  blieb  heute  ungewöhnlich  lange  aus 
und  kam  erst  mit  den  Nachzüglern  des  ganzen  Trosses  an; 
Reiter  hatten  ihr  im  Gedränge  die  Last  abgeworfen  und 
meine  beiden  kraftlosen  Fesäner  hatten  Mühe  gehabt,  sie 
wieder  in  Ordnung  zu  bringen. 

Ich  habe  schon  früher  erwähnt,  welche  Mühe  uns  der 
harte  Alluvialboden  in  diesem  Lande  beim  Zeltschlagen  ver- 
ursachte; hier  aber  war  Alles  lockerer  Sandboden,  wahr- 
scheinlich als  Flussschranke  angehäuft. 

Die  leichteren  Truppen  hatten  sich  heute  gleich  nach  un- 
serer Ankunft  zerstreut  und  brachten  eine  ansehnliche  Menge 
Vieh  von  den  benachbarten  Dörfern  ein.  All'  dies  Vieh  ist,  wie 
iclf  schon  oben  erwähnt  habe,  nur  von  mittlerer  Grösse  und  die 
Kühe  geben  entsetzlich  wenig  Milch.  Die  Müssgu  sowohl, 
wie  die  Marghi  und  verschiedene  Abtheilungen  der  engver- 
wandten Kötokö  geben  dem  Rinde  einen  dem  Haussa  nahe 
sich  anschliessenden  Namen,  während  die  Batta  dasselbe 
mit  einem  entschieden  von  den  Fulbe  entlehnten  Ausdruck 
bezeichnen*).  Solche  Beziehungen  sind  insofern  interessant, 
als  sie  einigermassen  einen  Blick  in  die  Kulturgeschichte 
dieser  Länder  werfen  lassen. 

« 

Eine  interessante  Unterbrechung  des  sonst  keineswegs  durch 
Kampf  und  Heroismus  ausgezeichneten  Heereszuges  fand 
heute  statt,  indem  einer  der  bei  dem  neulichen  Streifeug  für 


*)  Die  Müssgu  nennen  das  Rind  ,,8ei"  (die  Kuh  ,,sei  menl*'),  die  Marghi, 
Q&m-erghli,  die  A'fade,  NghfiU  und  Yedina  oder  Büdduma :  ,,thä".  Bei  den  Bätta 
hei^t  die  Kuh  „nako"  oder  ,,nakei",  was  entschieden  aus  dem  Fulfülde-Wort 
„n^gge"*  (Plur.  „nei")  entstanden  ist;  diese  Pluralform  „nei"  haben  die  Fari 
und  Koana  oder  Kwona  aufgenommen.  —  Ich  komme  anderswo  auf  diesen  in- 
teressanten Gegenstand  lurück. 


Grenze  yod  Wt&lia  und  BärSa.  211 

todt  ausgegebenen  Schüa  zwar  verwundet,  aber  noch  lebend 
unter  einem  Baume  gefunden  wurde. 

[Freitag,  9^^^  Januar,']  Die  ganze  Landschaft,  in  der  wir 
uns  seit  dem  SO^tcJi  Dezember  bewegten,  gehört  zu  Wülia, 
das  entscliieden  einer  der  fruchtbarsten  und  am  reichsten 
bewässerten  Striche  der  Erde  ist.  Erst  am  folgenden  Tage  ver- 
liessen  wir  diese  schöne  Landschaft,  nachdem  sie  sich  noch 
in  ihrer  ganzen  Anmuth  gezeigt,  mit  phantastisch  gruppirten 
Deich-  und  Diimpalmen.  Ein  verödeter  Grenzbezirk,  bald 
bestehend  aus  giünem  Sumpf land,  durchwühlt  von  Tausen- 
den von  Elephanten  und  desshalb  überaus  schwierig  für  die 
Passage  der  Reiterei,  bald  bewachsen  mit  dichter  Waldung, 
in  rascher  Aufeinanderfolge  und  Abwechselung,  bildete  die 
Scheide  'zwischen  Wülia  und  dem  schon  früher  von  uns 
besuchten  Gebiete  von  Barea,  bewohnt  von  einem  Stamme  der 
Müssgu  Namens  Abare.  Wir  verfolgten  jedoch  keineswegs 
eine  gerade  Marschroute,  sondern  beschrieben  einen  gi'ossen 
Winkel  mit  östlicher  Abbiegung,  und  es  schien  fast,  als  wenn 
es  die  Absicht  des  Heerführers  gewesen  wäre,  noch  einmal 
an  das  Ufer  des  Flusses  selbst  vorzudringen;  und  dass  ihn  nur 
die  ausgedelmten  Sumpfstrecken  von  der  Ausführung  seines 
Planes  zurückhielten.  Streng  geschieden  und  ganz  ohne 
friedlichen  Verkehr  unter  einander,  wie  diese  verschiedenen 
kleinen  Stämme  sind,  waren  die  A'bare  ganz  ohne  Nachricht 
vom  Anrücken  des  Heeres  geblieben,  bis  wir  durch  die 
dichte  Wildniss  auf  sie  heranrückten,  und  sie  hatten  kaum 
Zeit,  sich  mit  ihren  Familien  aus  der  Dorfschaft  in  das 
Dickicht  der  Waldung  nach  Osten  zu  flüchten.  Aber  sie 
wurden  verfolgt,  und  während  der  Kampf  im  Anfang  eine  Zeit 
lang  zweifelhaft  gewesen,  wurden  sie  durch  das  Hinzuströmen 
einer  immer  grösseren  Menge  von  Kriegsvolk  bald  überwältigt, 
so  dass  die  Beute  des  heutigen  Tages,  besonders  an  kleinen 
Müssgu -Rindern,  sehr  bedeutend  war.  Aber  auch  Sklaven, 
besonders  junge  Knaben  und  Mädchen,  wurden  in  ziemlicher 


212  Vra.  KapiteL 

Menge  eingebracht,  während  wir  des  Anblickes  der  abge- 
schlachteten Erwachsenen  durch  die  Entfernung  vom  Schlacht- 
felde überhoben  waren. 

Wir  lagerten  in  geringer  Entfernung  von  unserem  früheren 
Lagerplatz  bei  Kakala  auf  den  Stoppelfeldern  zwischen  der 
Dorfschaft,  wo  der  Boden  wieder  aus  dunkel- schwarzem, 
überaus  hartem  Erdreich  bestand.  Kurz  ehe  wir  das  Dorf 
erreichten,  passirten  wir  ein  umfassendes  Feld  von  wildem 
Reis,  wobei  mir  auffiel,  dass  wir  in  Wülia  nichts  derglei- 
chen gesehn  hatten.  Die  Dorfgruppen  waren  anmuthig  mit 
einigen  schönen  Exemplaren  der  Delebpalme  geschmückt, 
und  ich  benutzte  die  Gelegenheit,  um  eine  Skizze  dieser 
Scene  einer  behaglichen,  von  übermüthigen  Feinden  zerstör- 
ten Wohnstätte  des  Menschen  zu  entwerfen.  Die  Hütten  waren 
im  Allgemeinen  von  derselben  Bauweise  und  zeigten 
etwa  denselben  Grundplan,  wie  die  oben  beschriebe- 
nen ;  in  einer  derselben  fand  ich  eine  dreispitzige  Lanze 
oder  Harpune,  einer  gewöhnlichen  Heugabel  sehr  ähn- 
lich, nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  mittlere 
Spitze  ungleich  länger  war;  auch  der  Stiel  war  sehr 
lang,  ungefähr  8  Fuss.  Sie  war  wahrscheinlich  mehr 
zum  Fischstechen  als  zur  WaflFe  bestimmt;  sonst  wäre 
sie  wohl  jetzt  nicht  zurückgelassen  worden.  Übri- 
gens wurde  ja  auch  der  Römische  trtdens  zu  beiden 
Zwecken  benutzt. 
In  ganz  kurzen  Märschen  rückten  wir  nun  Bomu  wiedel*  nä- 
her, indem  wir  uns  meist  im  Allgemeinen  in  geringer  Entfer- 
nung östlich  von  unserer  früheren  Strasse  hielten,  jedoch  im 
Anfang  sie,  so  lange  wir  den  ausgebreiteten  Gau  Barea  durch- 
zogen, ein  wenig  zur  Rechten  Hessen.  Wir  lagerten  am  folgen- 
den Tage  wieder  inmitten  einer  weit  ausgebreiteten  Oi-tschaft, 
deren  Felder  besonders  von  üppigen  Bito-Bäumen  (Balanites 
Aegyptiacus)  beschattet  wurden,  auf  eisenhartem  Erdreich.  Ich 
hatte  soeben  mein  Zelt  aufschlagen  lassen,  als  HSmed,  der  Sohn 


ll 


I 


ZeichnuDg  einer  angeblichen  Müssguerin.  213 

Ibrahim  Wädäi's,  zu  mir  sandte,  ich  möchte  ihn  doch  besu- 
chen, und  als  ich  der  Einladung  folgte,  stellte  er  mir  eine  ge- 
stern eingefangene  Sklavin  vor,  die  ich  zeichnen  sollte;  denn  er 
wusste,  dass  ich  nach  dem  Ursprung  und  den  Gebräuchen  die- 
ser Stämme  genaue  Nachforschungen  anstellte.  Diese  Sklavin 
war  allerdings  werth,  gezeichnet  zu  werden,  da  sie  eine  der 
stattlichsten  Frauen  war,  die  ich  im  Müssgu-Lande  sah,  aber 
ich  hatte  starken  Verdacht,  dass  sie  nicht  von  Müssgu-,  son- 
dern von  Marghl- Abkunft  war.  Denn  im  ganzen  Lande  Müssgu 
hatte  ich  keine  Leute  von  rother  Hautfarbe  gesehn,  sondern 
Alle  hatten  dieselbe  schmutzig -schwarze  oder  sogenannte 
jycaß  au  laiV'Fsirhe;  diese  Person  aber  war  röthlich.  Aller- 
dings trug  sie  einen  grossen  »Knochen  in  der  Unterlippe,  das 
Nationalzeichen  der  Müssguerinnen,  aber  dies  mochte  sie  an- 
genommen haben.  Sie  selbst  wollte  nicht  sprechen,  um  mich 
über  ihren  Ursprung  zu  belehren,  noch  mir  erlauben,  meine 
Skizze  zu  vollenden.  Sie  war  schön  gewachsen,  mit  Aus- 
nahme der  Beine,  die  etwas  eingebogen  waren,  von  hohem 
Wuchs  und  schöner  Brust.  Ihre  Züge  waren  nur  wenig 
durch  den  Knochen  entstellt;  ihr  Hals  war  mit 
Perlenschnüren  geschmückt,  aber  diese  waren  ihr 
nicht  eigenthümlich ,  ebenso  wenig  wie  ihr  baumwollenes, 
um  die  Hüften  geschlagenes  Tuch,  das  ihr  erst  von  ihrem 
neuen  HeiTu,  in  dessen  Hände  sie  gefallen,  gegeben  war. 
Denn  die  Nationaltracht  der  Müssguerinnen  besteht  in  nichts 
als  einer  schmalen,  runden,  seilähnlichen  Binde,  aus  Bast  ge- 
dreht, die  zwischen  den  Beinen  durchgezogen  und  um  die 
Hüften  befestigt  wird.  Merkwürdig  war  der  Fund  dreier  Briefe, 
welche  man  den  von  Kükaua  kommenden  Boten,  die,  wie  ich 
oben  berichtet,  unterwegs  vonKerdi  aufgehoben  worden  waren, 
mitgegeben  hatte;  sie  wurden  nämlich  in  der  Tasche  einer 
in  einer  Thonurne  versteckten  Tobe  gefunden,  offenbar  dem 
Gewände  des  Mannes,  der  sie  gebracht  hatte  und  erschlagen 
worden  war,  und  die  Briefe  waren  mitsammt  der  Tobe  ge- 


t 


214  ym.  KmpiteL 

waschen  worden.  Da  der  Feldzug  an  grossen  Thaten  und  inter- 
essanten Ereignissen  so  arm  war,  wurde  diesem  kleinen  Um- 
stände eine  grosse  Wichtigkeit  beigelegt  Offenbar  aber  hatte  der 
Vezier  Nachricht,  wo  der  Bote  aufgehoben  worden  war,  und  hatte 
wohl  desshalb  hier  besondere  Nachsuchung  anstellen  lassen. 

[ßonrUag,  11*^  Januar^  Diesen  Moi^en  machte  sich  beim 
Aufbruch  die  Übereilung,  mit  der  die  Kanöri  die  Dörfer, 
in  denen  wir  gelagert  hatten,  in  Brand  zu  stecken  pflegten, 
bevor  wir  dieselben  ganz  verlassen  hatten,  besonders  fühlbar 
und  ein  ungeheueres  Gedr«änge  entstand  zwischen  den  bren- 
nenden Hütten.  Auch  diese  Landschaft  war  wieder  von 
einer  der  unzähligen  Wasserrinnen  oder  Hinterwasser  durch- 
zogen, die  dieses  nahe  an  das  Flusspaar  des  Tsäd  grenzende 
Land  auszeichnen,  —  und  wir  passirten  das  Wasser  mehr- 
mals von  der  einen  auf  die  andere  Seite.  Die  armen  Einge- 
borenen schienen  sich  hier  im  Bewusstsein  ihrer  Schwäche 
zu  neuer  und  ungewohnter  Energie  erhoben  zu  haben,  indem 
sie  einen  grossen  Erdwall  aufgeführt;  aber  sie  hatten  sich 
gezwungen  gesehn,  ihn  halbvollendet  zu  lassen. 

Nachdem  kaum  3  Meilen  zurückgelegt  waren,  lagerten  wir 
in  einem  Dorfe,  das  bereits  einmal  zei-stört  worden  zu  sein 
schien.  Die  Gehöfte  mit  ihren  Hütten  lagen  in  Gruppen 
über  einen  weiten  Raum  zerstreut  und  waren  von  Acker- 
oder vielmehr  Stoppelfeld  umgeben;  dasselbe  war  von  den 
schönsten  Akazien-  und  Karäge  -  Bäumen  beschattet,  welche 
selbst  die  prächtigen  Bäume  von  Korom  an  Fülle  übertrafen. 
Natürlich  wünschten  die  Vornehmen,  in  dem  Schatten  dieser 
herrlichen  Bäume  ihre  Lagerstätten  zu  errichten ;  aber  kaum 
hatte  das  Volk  angefangen,  es  sich  hier  bequem  zu  machen, 
als  sie  von  einem  Schwann  grosser  Bienen  überfallen  wur- 
den, die  sich  ihnen  hinter  die  Ohren  setzten  und  sie  auf's 
Ausserste  plagten,  gleichsam  als  wollten  sie  das  Ungemach 
ihrer  Gebieter  rächen  und  die  Lieblingsruhestätten  derselben 
gegen  die  frevelhaften  Eindringlinge  schützen.     Es  ist  wohl- 


Anfall  des  Heeres  durch  Bienenschwärme.  215 

bekannt,  dass  Bienenschwänne  fast  die  Aufhebung  der  Ex- 
pedition Mungo  Park's  (auf  seiner  zweiten  Reise),  sowie  auch 
derjenigen  Major  Grey's  zur  Folge  hatten;  hier  aber  flüch- 
tete ein  ganzes  Heer  vor  diesen  kleinen  Geschöpfen.  Erst 
durch  Anzünden  grosser  Rauchfeuer  vermochten  sich  selbst 
die  entfernter  Gelagerten  vor  ihnen  zu  schützen.  Wir  hat- 
ten vorher  im  Müssgu- Lande  keine  Bienenzucht  bemerkt; 
hier  aber  waren  zahlreiche,  aus  ausgehöhlten  dicken  Baum- 
stämmen bestehende  Bienenkörbe  in  den  grösseren  Bäumen 
aufgestellt.  Auch  an  Turteltauben  war  die  so  gut  mit  Tei- 
chen und  dichtem  Laubholz  versehene  Landschaft  nicht  arm ; 
Papageien  jedoch  findet  man  in  diesem  ganzen  Gebiete  nicht 
und  wohl  überhaupt  nicht  nördlich  vom  S^en  Grad. 

An  dieser  anmuthigen  Stätte  blieben  wir  den  folgenden 
Tag  gelagert,  während  sich  ein  Theil  des  Heeres  aufmachte, 
um  wieder  nach  unserem  früheren  Lagerplatze  bei  Käkala, 
der  nur  wenige  Meilen  in  südlicher  Richtung  von  hier  ent- 
fernt war,  vorzudringen  und  die  dort  gelegenen  Ortschaften 
zu  übernimpeln.  Diese  Mannschaft  kehrte  jedoch  am  Abend 
mit  leeren  Händen  zurück.  —  Leider  konnte  ich  über  die 
zwischen  unseren  beiden  nahe  zusammenfallenden  Strassen 
und  den  östlichsten  Ansiedelungen  der  Fulbe  gelegene  Land- 
schaft fast  gar  keine  Nachrichten  erhalten,  und  dieses  Grenz- 
gebiet scheint  in  der  That  durch  die  verheerenden  Erobe- 
rungszüge jenes  rastlos  vordringenden  Stammes  fast  ganz  ver- 
wüstet worden  zu  sein ;  wenigstens  geht  der  Weg  von  Demmo 
nach  Kafta-Baüdi,  den,  wie  oben  erwähnt,  die  nach  Kükaua 
abgesandten  Boten  zu  nehmen  hatten,  durch  eine  Waldung 
von  gewaltiger  Ausdehnung. 

Wir  hatten  heute  in  unserer  Kost  eine  erfreuliche  Ab- 
wechselung, indem  wir  einen  in  dem  nahen  Wasser  gefange- 
nen, ansehnlich  grossen,  vortrefflichen  Fisch  erhielten.  Über- 
haupt schien  die  Landschaft,  welche  wir  jetzt  betreten  hat- 
ten, vorzüglich  reich  an  Fischen  zu  sein. 


I 


216  Vm.  Kapitel. 

[Dienstag,  13*^  Januar.']  Als  wir  am  heutigen  Morgen 
unseren  Marsch  fortsetzten,  fanden  wir  den  Boden  überall 
von  kleinen  Dämmen  und  Kanälen  durchschnitten,  vermit- 
telst deren  die  Einwohner  eine  grosse  Menge  Fische  fangen, 
die  bei  hohem  Wasserstande  in  diese  Abdeichungen  hinein- 
schwimmen  und  dann,  nach  Schliessung  des  einzigen  Zugan- 
ges, nicht  wieder  heraus  können.  Allenthalben  war  der  Bo- 
den voll  von  Elephanten-Spuren  und  -Koth.  Dichte  Waldung 
und  offenes  Weideland  wechselten  mit  einander  ab  und  die 
erstere  ward  hier  meist  von  einem  aus  Akazien  bestehenden 
Unterholze  mit  Kalgo-  imd  Kökia-Bäumen,  als  Oberholz,  ge- 
bildet. 

Sehr  interessant  und  anmuthig  wurde  die  Landschaft,  als 
wir  einen  etwa  100  Schritt  breiten  offenen  und  klaren  Fluss 
—  eine  der  zahllosen  Wasserrinnen  in  diesem  Afrikanischen 
Holland  —  erreichten,  welcher,  auf  beiden  Seiten  mit  einem 
Saum  schlanker  Delebpalmen  —  „kamelütu"  —  eingefasst, 
bei  der  reinen  Morgenluft  und  prächtigen  Beleuchtung  einen 
überaus  malerischen  Anblick  gewährte.  Wir  passirten  ihn 
hier,  liessen  ein  Dorf  zu  unserer  Linken  und  erreichten  dann, 
an  der  westlichen  Seite  des  Flusses  auf  dem  von  ihm  ge- 
nährten frischen  Rasenteppich  hinziehend,  1  Meile  weiterhin 
einen  Punkt,  wo  ein  von  Osten  kommender  oder  dahin  zie- 
hender, etwas  kleinerer  und  gleichfalls  von  Hj^phänen  dersel- 
ben Gattung  umgürteter  Arm  des  nahen  Flusses  sich  mit 
dem  Hauptwasser  vereinigt.  Die  Richtung  dieser  Gewässer 
ist  kaum  zu  erkennen,  da  das  Land,  ausser  beim  höchsten 
Wasserstande,  fast  gar  kein  Gefälle  hat. 

Die  fruchtbare,  überaus  malerische  Landschaft  jenseits 
dieses  schmalen,  sich  gleichmässig  hinziehenden  Wasserarmes 
war  übrigens  keineswegs  verlassen  und  überall  liessen  sich 
Eingeborene  sehn.  Der  Heerführer  machte  daher,  mit  der 
Fronte  gegen  sie  gekehrt,  einen  kleinen  Halt,  indem  er  die 
Nachzügler  heranrücken    und  an  der  Passage  des  Flusses, 


Erfolgloser  Raubzug.  217 

WOZU  sie  aus  Beutegier  nicht  übel  Lust  hatten,  verhindern 
liess.  Man  beschloss  jedoch  in  entschieden  sehr  unkriege- 
rischem Sinne,  erst  die  Ankunft  der  Kameele  abzuwarten  und 
mit  Gemächlichkeit  zu  lagern,  um  einen  Imbiss  zu  sich  zu 
nehmen.  Wir  bogen  also  westlich  vom  Wasser  ab,  in  eine 
Dorfschaft  hinein,  und  lagerten  hier  auf  den  Stoppelfeldern. 

Plötzlich,  gerade  um  Mittag,  stieg  der  Vezier,  ohne  dass 
ich  vorher  Kenntniss  davon  erhielt,  mit  allen  Kaschella's 
wieder  zu  Pferde,  um  die  Eingeborenen  jenseits  des  Wassers 
anzugreifen;  aber  diese  Armen,  welchen  volle  Gelegenheit 
geworden  war,  die  ganze  Stärke  des  Heeres  zu  veranschla- 
gen, hatten  die  ihnen  gogöimte  Mussezeit  wolil weislich  be- 
nutzt, um  die  Ihrigen  und  ihre  Habe  in  Sicherheit  zu  brin- 
gen; denn  der  Serbewel  oder  Fluss  von  Logone  zog  hier  in 
nur  etwa  4  Meilen  Entfernung  vorüber  und  konnte  den  Ver- 
folgten, da  ihre  Gegner  keine  Boote  besassen,  bei  seinem 
jetzigen  Stande  vollkommene  Sicherheit  gewähren. 

Trotzdem  dass  die  Truppe  nicht  weit  zog  und  schon  nach 
3  Stunden  wieder  umkehrte,  bedauerte  ich  es  doch  sehr, 
diese  Gelegenheit  versäumt  zu  haben,  nicht  allein  den  schö- 
nen Fluss  von  Logone  noch  einmal,  und  zwar  an  einer  ande- 
ren Stelle,  zu  sehn,  sondern  auch  jene  malerische,  palmen- 
reiche Landschaft,  die  oflFenbar  eine  der  schönsten  in  dieser 
ganzen  Gegend  war,  noch  einmal  zu  besuchen.  Herr  Dr.  Over- 
weg,  der  frühzeitig  Nachricht  von  dem  Vorhaben  des  Heerfüh- 
rers erhalten  hatte,  war  diesmal  glücklicher  als  ich.  —  Der 
Heereszug  war  gezwungen,  von  unserem  Lageiplatze  aus  erst 
wieder  nach  der  Stelle  zurückzukehren,  wo  wir  am  Morgen 
das  Gewässer  passirt  hatten.  Der  grosse  Fluss,  den  sie  3 
bis  4  Meilen  jenseits  erreichten,  hatte  ein  zusammenhängen- 
des Bett  und  war  nicht  furthbar. 

Wie  reich  an  bezeichnenden  Namen  nicht  allein  der  Dorf- 
schaften, sondern  auch  der  zahllosen  Gewässer  und  Sümpfe 
muss  diese  weite  schöne  Landschaft  sein !   Aber  der  feindselig 


I 


218  Vm.  Kapitel. 

eindringende  Fremdling  lernt  von  allen  diesen  Verhältnissen 
nichts  kennen,  und  das  Meiste,  was  er  erfahren  kann,  sind 
die  Namen  der  hauptsächlichsten  Ortschaften.  In  der  That 
ist  für  einen  fühlenden,  wissbegierigen  Reisenden  nichts  trost- 
loser, als  einen  solchen  Baubzug  zu  begleiten;  aber  bei  den 
gegenwärtig  in  diesen  Ländern  noch  obwaltenden  Verhält- 
nissen muss  er  entweder  den  Besuch  vieler  Gegenden  ganz 
aufgeben,  oder  eine  solche  Gelegenheit  ergreifen.  Er  wird 
dann  aber  auch  das  Recht  haben,  mit  um  so  mehr  Bestimmt- 
heit von  dem  Elend  zu  sprechen,  das  durch  diese  Raubjagden 
über  die  schönsten  und  volkreichsten  Gegenden  dieses  Welt- 
theiles  gebracht  wird.  —  Ich  glaube,  dass  diese  zwischen  dem 
schmalen  Komadugu  und  dem  Flusse  gelegene  Landschaft 
die  oben  erwähnte  Herrschaft  Füss  bildet,  deren  Fürst  von 
unseren  Freunden  wegen  seiner  grossen  Macht  so  sehr  ge- 
fürchtet wurde. 

Heute  war  der  kühlste  Tag,  den  wir  bis  jetzt  auf  un- 
serem Zuge  gehabt  hatten,  indem  das  Thermometer  um 
1^  Uhr  Nachmittags  im  Baumschatten  nur  29  ^  C.  zeigte. 
Dies  war  dem  frischen  Nordwinde  zuzuschreiben,  der  um 
Mittag  wehte;  denn  während  der  Nacht  war  es  nicht  so 
kalt,  als  später.  Das  Thermometer  stand  während  dieser 
Zeit  bei  Sonnenaufgang  immer  zwischen  13^°  und  15  ^  und 
bei  Sonnenuntergang  zwischen  23^  ^  und  25  ^. 

[Mittwoch,  14t^  Januar,']  Während  eines  etwas  länger  als 
gewöhnlich  dauernden  Marsches  änderte  sich  der  Charakter  des 
Landes  vollständig,  und  nicht  eben  zum  Vortheil;  denn  anstatt 
reich  mit  Bäumen  geschmückter  Landschaften  betraten  wir 
kahle  Flächen,  nur  spärlich  mit  kümmerlichen  Mimosen  be- 
wachsen und  kaum  zum  Kombau  fähig,  welche  besonders  bei 
trüberer  Beleuchtung  einen  höchst  unerfreulichen  Eindruck 
machten.  Der  Anfang  des  Marsches  war  jedoch  sehr  angenehm; 
denn  wir  kehrten  zuerst  an  das  Ufer  jener  schönen,  klaren 
Wasserrinne  zurück,  an  der  entlang  wir  uns  gestern  gehalten 


Eintritt  in  ödere  Oegrenden.  219 

hatten,  —  zur  Linken  Unterwald  und  jenseits  schönster  An- 
bau und  Palmen.  Leider  verhinderte  aber  dichter  Nebel  eine 
weite  Aussicht,  da  es  bekanntlich  in  Afrika  die  Januartage 
sind,  wo  das  Wetter  meist  trübe  ist  und  oft,  wie  auf  unserem 
Marsche  von  Däraerghü,  etwas  Regen  fällt.  (Ich  werde  im 
Verlaufe  meiner  Reise  Gelegenheit  haben,  mehr  hierüber  zu 
sagen.)  Das  Gewässer  war  hier  breiter,  als  an  der  gestern 
berührten  Stelle,  imd  ein  Nilpferd  —  „ngurütu"  — ,  ein 
Thier,  das  wir,  wohl  nur  der  grossen  Heeresmasse  halber, 
mit  der  wir  diese  Gegenden  durchzogen,  sonst  weniger  Ge- 
legenheit fanden  zu  beobachten,  steckte  seinen  unförmlichen 
Kopf  zum  Wasser  heraus.  Die  Ufer  waren  auch  hier  ganz 
flach. 

Sobald  wir  diesen  schönen  und  klaren  Wasserarm  verlas- 
sen hatten,  ward  der  Charakter  der  Landschaft  über  alle 
Maassen  trübselig  und  öde,  und  wir  passirten  einen  Weiler 
von  so  armseligem,  unbehaglichem  Aussehn,  wie  ich  bisher 
in  diesem  Lande,  wo  alle  Wohnstätten  ein  Bild  der  Behag- 
lichkeit und  des  Wohlstandes  bieten  —  soweit  letzterer  in 
einem  Lande  wie  Afrika  zum  behaglichen  Leben  erforderlich 
ist  — ,  noch  nichts  dergleichen  wahrgenommen  hatte.  Keine 
Spur  von  Anbau  war  auf  dem  nackten  schwarzen  Boden  um- 
her zu  sehn,  und  es  war  klar,  dass  sich  die  Bewohner  dieses 
Weilers  nur  vom  Fischfang  nähren  konnten. 

Weitcfrhin  schmückten  allerdings  einzelne  Kamelütupalmen 
das  Land,  aber  sonst  behielt  es  denselben  Charakter,  und 
die  Weiler,  welche  wir  passirten,  hatten  wenig  mehr  Einla- 
dendes. Der  Boden  zeigte  deutliche  Spuren  davon,  dass  sich 
zur  Regenzeit  die  Überschwemmung  über  das  ganze  Land 
erstreckt.  Ein  weiter  Raum  war  hier  ausschliesslich  mit  dem 
A'ghül  bedeckt,  den  ich  seit  Taganäma  mich  nicht  erinnerte 
gesehn  zu  haben. 

Dann  führte  unser  Weg  durch  jetzt  fast  ganz  ausgetrock- 
netes Sumpfgrasland,  welches  mit  einer  Menge  kleiner  Erd- 


I 


220  Vm.  KapiteL 

dämme  durchzogen  war;  wir  mussten  hier  mehrmals  yon 
unserer  Richtung  abgehn,  um  noch  nicht  ausgetrocknetem 
Sumpfwasser  auszuweichen.  Hierauf  folgte  ganz  nackter  Bo- 
den mit  vereinzelten  Büscheln  von  Sumpfgras,  überragt  von 
kümmerlichen  Karäge- Bäumen  von  kaum  15  Fuss  Höhe, 
während  wir  sie  sonst  in  diesem  Lande  bis  zu  einer  Höhe 
von  70 — 80  Fuss  und  mit  einer  Krone  von  ebenso  grossem 
Durchmesser  zu  sehn  gewohnt  gewesen  waren.  So  weit  das 
Auge  reichte,  war  die  BeschafiFenheit  des  Bodens  von  der- 
selben traurigen  Natur.  Ganz  vereinzelt  zeigte  sich  etwas 
Fächerpalmen-Buschwerk,  das  gewöhnlich  die  gegabelte  Fä- 
cherpalme (Hyphaena  cucifera)  ankündigt;  hier  aber  war, 
wenigstens  auf  unserem  Wege,  nichts  von  dieser  zu  sehn. 

Endlich  schien  das  Sumpfland  ein  Ende  zu  nehmen;  aber 
nichts  als  missrathene  Stoppelfelder  mit  wenigen  zerstreuten, 
kläglich  aussehenden  Hütten  trat  an  seine  Stelle,  und  die 
wenigen  Bäume,  die  zu  sehn  waren,  zeigten  denselben  kläg- 
lichen, verschnmipften  Wuchs,  wie  in  dem  vorher  von  uns 
passirten  Distrikt.  Das  durch  so  melancholischen  Anblick  er- 
mattete Auge  erfreute  sich  endlich  an  einem  frischen  Felde 
mit  „niassäkuä"  (Holcus  cernuus)^  so  klein,  verschrumpft  und 
licht  die  Saat  auch  stand.  Schon  hier  traten  neben  den  ge- 
wöhnlichen Hütten  andere  von  höchst  eigenthümlicher  und  vor- 
trefflicher Bauart  auf,  die  ich  weiter  unten  besprechen  werde, 
und  die  nur  ein  zum  Bauen  ausgezeichneter  Thonboden  auf- 
zuführen gestattet.  Indem  wir  dann  wieder  in  eine  Sumpfgras- 
ebene eintraten,  erreichten  wir  ein  40 — 50  Schritt  breites, 
aber  ziemlich  tiefes  offenes  Gewässer  —  „komddugu"  — ,  das 
sich,  von  etwa  10  Fuss  hohen  Ufern  eingeschlossen,  in  schö- 
ner Krümmung  durch  die  Ebene  wand.  Auch  hier  fanden 
wir  eine  Furthstelle,  wo  das  jetzt  stillstehende  Wasser  völlig 
unterbrochen  war,  und  ritten  fast  trockenen  Fusses  hindurch. 

Der  Vezier  hatte  auf  Adischen's  Rath  seinen  Lagerplatz 
in  geringer  Entfernung  von  hier  zwischen  den  halbzerstörten 


Die  zerstörte  Residenz  Baga.  221 

Hüttengruppen  von  Bäga  gewählt,  der  schon  im  vorigen  Jahre 
vom  Kaschella  'Ali  Fiigomämi  geplünderten  Residenz  des  Für- 
sten oder  Häuptlings  Kabischme,  den  die  Kanöri  gewöhnlich 
Käbschime  nennen.  Dahin  ritt  ich  also,  während  der  Haupt- 
theil  des  Reitertrosses  sich  in  den  hier  etwas  besser  stehen- 
den Kornfeldern  zerstreute,  um  die  halb  reifen  Ähren  für 
sich  selbst  und  ihre  hungrigen  Gäule  einzusammeln.  Glück- 
lich, wer  zuerst  kam,  denn  die  Späteren  fanden  entweder  gar 
nichts,  oder  nur  ganz  grünes,  ungesundes  Korn. 

Das  ganze  für  das  Lager  gewählte  Terrain  war  überaus 
kahl  und  öde,  besonders  nach  der  östlichen  Seite,  wo  es  nur 
in  weitem  Umkreise  von  kleinen  Mimosen  begrenzt  ward;  aber 
die  Dorfschaft  selbst  und  besonders  das  fürstliche  Gehöft 
Kabischme's  erregte  mein  Interesse  ausserordentlich,  sowohl 
wegen  der  vortrefflichen  Ausführung  des  Materiellen  in  der 
Bauweise,  als  auch  wegen  der  behaglichen  Häuslichkeit, 
die  sich  im  Ganzen  aussprach,  und  ich  that  wohl  daran, 
diesen  Baulichkeiten  gleich  nach  meiner  Ankunft,  ehe  der 
Packtross  ankam,  die  ernsteste  Aufmerksamkeit  zuzuwenden, 
da  das  verlassene  Gehöft  Kabischme's  in  der  Folge  ein  „ha- 
rim"  wurde,  indem  es  derVezier  für  seine  häuslichen  Zwecke 
ganz  wie  gemacht  fand.  Leider  liess  die  gesammte  Einrich- 
tung des  Palastes  sich  nicht  mehr  erkennen,  da  alles  Holzwerk 
weggebrannt  war,  besonders  die  die  inneren  Gehöfte  ausfül- 
lenden Schattenhallen.  Das  Ganze  war  jetzt  ein  leerer,  offener, 
ziemlich  abgerundeter  Hofraum  von  grossem  Umfange,  rings 
umher  von  mehr  oder  weniger  zerstörten  Hütten  umgeben 
und  an  den  vier  Ecken,  wenn  man  bei  einem  fast  runden 
Gebäude  von  Ecken  sprechen  darf,  mit  höchst  eigenthümli- 
chen  und  reich  verzierten  Räumen  versehen,  die  meine  Auf- 
merksamkeit zuerst  auf  sich  zogen,  da  sie  von  einem  Kunst- 
und  Ordnungssinn  zeugten,  den  ich  hier  zu  finden  nicht  erwar- 
tet hatte.  Es  waren  kleine  runde  Gemächer  von  etwa  8  Fuss 
Durchmesser  und  wenigstens   12  Fuss  Höhe,  eingeschlossen 


jau*.  öir  ■.'vrir^^'-  -z^Zr^  tTtr-ri  Ziz:^^  i.i~r^  ^=.£  -!i:i.  lie» 
Antifcb^i:  ■>?  L^n/:.  »kj^  li  i>  äl-  »■-Llr;«..itv:?  S— **- 

lutiff:  xtti^vii  »iri 

Es  war  (in  runvsts.  unbe- 

24  Fuss  lh^^^■hlUI■^M■r.  Hin- 
geben von  oiniT  otwa  7  Fuss 
holion  luid  1  Fuss  dii-ki-ii 
ITionmaiier,  wi-K-he  oben  und 
an  dt'ii  Ei-k.'n  sorgfjiltig  ab- 
(('■piit/t  war.  Sobald  mau  durch  den  4  Fuss  hüben  und  etwa 
2  Vu^n  br<-iU:n  Hingang  getreten  war.  hatte  man  gleich  znr 
f.iiiki-n  ';iii<-  mit  dftr  Wand  parallel  lanfende  und  nut  ihr  einen 
ÜJ  ftinh  br«it»;M  Itaum  abscbliessendc ,   etwa   IJ  Fuss  hohe 


223 


nn.  KtfättL 


v«m  dicken,  iusiserst  saaber  jEe^tteten  ThoniräDden  und  mit 
f^ncm  ganz  engen,  etwa  14  Zoll  breiten  nnd  dnrch  ein  vor- 

Ä  springendes  Portal  verlängerten  Eingang  von 
6  Foss  Höbe  Terseben.  Das  Äussere  war 
aof  regelmässige  Weise  höchst  eigentbiimbch 
geschmückt,  indem  Reiben  aufspringender 
Kippen  oder  Wulste  nm  das  Ganze  herum- 
liefen, wie  es  der  neben^ebende  Holzschnitt 
darstelle  Diese  eigenthümbchen  Kammern. 
nach  der  Analogie  schon  oben  beschriebener  ähnbcber  Maga- 
zine, die  übrigens  nnten  keinen  Zugang  hatten,  und  nach  der 
AusHage  der  Leute ,  waren  nichts  als  wohlgeschätzte  Kombe- 
hälter,  dienten  aber  vielleicht  zugleich  als  Schlafzimmer  iu  der 
kalten  Jahreszeit.  Sie  fanden  sich  an  allen  vier  Ecken  ganz 
genau  von  derselben  Bauart;  aber  der  Xordostwinkel  des  Ge- 
hüft^M  war  in  dieser  Hinsicht  von  ganz  besonderem  Interesse, 
weil  hier  mit  diesem  Magazin  eine  andere  überaus  cigen- 
thümliclic  Iläuuilichkcit  verbunden  war,  die  eine  sehr  schöne 
Ide*!  eines  gemüthlichen  häuslichen  Lebeos  gibt,  wie  man  es 
walirli<;h  bei  diesen  Leuten  nicht  erwartet.  Dies  ist  daher 
auf  der  beifolgenden  Ansiclit  zur  Anschauung  zu  bringen  ver- 
8ur;lit  worden,  während  der  nachstehende  Grundriss  das  Ge- 
nauere zeigen  wird. 

Es  war  ein  rundes,  unbe- 
.  decktes  Gemach  von  etwa 
r  24  Pubs  Durchmesser,  um- 
geben von  einer  etwa  7  Fuss 
hohen  und  1  Fuss  dicken 
Tbonmauer,  welche  oben  und 
an  den  Ecken  sorgfaltig  ab- 
gctputüt  war.  Sobald  man  durch  den  4  Fuss  hohen  und  etwa 
2  l'uHS  breiten  Eingang  getreten  war,  hatte  man  gleich  üur 
[linken  oino  mit  der  Wand  parallel  laufende  und  mit  ihr  einen 
2J  Fuss  breiten  Uaum  abschliessende,  etwa  1^  Fuss  hohe 


Ein  Gemach  in  der  Resident  zu  Baga.  223 

und  1  Fuss  breite  Thonwand  oder  vielmehr  Thonbank  (4), 
die  sich  um  mehr  als  die  Hälfte  des  Umfangs  des  Gemaches 
herumzog,  aber,  um  einen  leichteren  Zugang  zu  dem  schma- 
len Gange  zwischen  ihr  und  der  Wand  zu  haben,  etwa  in  der 
Mitte  unterbrochen  war,  indem  die  beiden  Enden  der  so  ge- 
bildeten Bänke  mit  vorspringenden  Absätzen  versehen  waren. 
Der  so  abgeschlossene  schmale  Raum  war  zur  Stallung  für 
drei  Kühe  bestimmt,  deren  jede  an  einen  besonderen  Pfahl 
angebunden  ward.  So  hatte  die  niedrige  Wand  entschieden 
zwei  ganz  verschiedene  Bestimmungen,  indem  sie  einmal  als 
Absonderungsmittel,  dann  aber  auch  als  Sitzbank  diente,  die 
sich  um  den  eigentlichen  Mittelpunkt  dieses  Gemaches  herum- 
zog, eine  Schattenhalle,  die  durch  ein  auf  vier  Pfählen  ru- 
hendes Dach  aus  Rohr,  und  Kräutern  gebildet  war  und  den 
deutlichsten  Beweis  lieferte,  dass  dies  Gemach  nicht  etwa  als 
unvollendet,  etwa  noch  der  Bedachung  entbehrend,  sondern 
ganz  entschieden  als  ein  „ämS  dio''  abgeschlossener,  offener, 
kleiner  Hofraum  anzusehen  sei.  Rechts  von  diesem  Schatten- 
dach war  die  Kochstelle  (5),  eine  in  ihrer  Ai-t  höchst  sauber 
und  nett  eingerichtete  Küche,  eingeschlossen  von  zwei  ganz 
niedrigen  Thonwänden  und  gebildet  von  vier  steinartig  ge- 
formten Thonaufsprüngen  von  etwa  6  Zoll  Höhe,  die  eben  auf 
sehr  einfache  Weise  zwei  Kochstellen  zum  Aufsetzen  von  Tö- 
pfen darboten,  während  sie  einzeln  von  je  drei  Steinen  hätten 
gebildet  werden  müssen.  Zwischen  der  Küche,  dem  Schatten- 
dach und  dem  Ende  der  Thonbank,  gegen  die  erstere  noch 
durch  eine  besondere  Mauer  abgesperrt,  führte  ein  breiter 
Gang  auf  das  besondere  Gemach  (8),  das  wir  als  Kommaga- 
zin  kennen  gelernt  haben  und  das  mit  einer  feuerfesten  Mauer, 
ungleich  dicker  als  die  des  eben  beschriebenen  offenen  Raumes, 
umgeben  war ;  aber  der  Gang  war  vermauert  und  bildete  jetzt 
nur  einen  Rezess  zu  irgend  welchem  Zweck.  Zwischen  der 
Kochstelle  und  der  Thür  war  ein  von  zwei  schmalen  Seiten- 
wänden eingeschlossener  Raum,  der  wahrscheinlich  nach  der 


224  Tm.  KainteL 

übereinstimmenden  Einrichtung  anderer  Hütten  dazu  be- 
stimmt war,  die  Waesenirne  zu  halten. 

Diese  vier  so  sorgsam  abgeschlossenen  und  überaus  war- 
men Gemächer  waren  demVezier  bei  der  ansehnlichen  Kälte, 
die  wir  hier  während  eines  mehrtägigen  Aufenthaltes  zu  er- 
tragen hatten,  höchst  erwünscht,  indem  er  darin  seine  Skla- 
vinnen und  sich  selbst  behaglichst  einquartieren  konnte.  Die 
Kälte  an  diesem  so  ausgesetzten  Platze  war  so  empfind- 
lich, dass  die  ganze  schwarze  Welt  und  die  beiden  Weissen 
obendrein  umkommen  zu  müssen  glaubten.  In  der  Tbat, 
die  armen  nackten,  aus  ihren  warmen  Hütten  gerissenen 
Müssgu  -  Sklaven  erholten  sich  erst  wieder  um  Mittag,  wäh- 
rend sie  in  der  Nacht  vor  Kälte  geschrieen ;  dennoch  zeigte 
das  Thermometer  am  Donnerstag  Morgen  den  lÖ'«"  Januar 
etwas  vor  6  Uhr  10^°  C,  die  grösste  Kälte,  die  wir  auf 
diesem  Zuge  erfahren;  um  Mittag  stieg  es  auf  SOj". 

Der  Grund,  wesshalb  wir  an  diesem  so  höchst  unerfreu- 
lichen Orte  mehrere  Tage  liegen  bleiben  mussten,  war,  weil 
man  beabsichtigte,  hier  die  ganze  Beute  zu  theilen,  ehe  wir 
das  feindliche  Gebiet  verliessen,  da,  auf  befreundetem  Boden 
angekommen,  natürlich  nichts  mehr  diese  undisciplinii'tcn 
Banden  zusammenhalten  konnte.  Dies  ist  die  gewöhnliche 
Sitte  auch  im  Wädäi  und  Dar-För.  Obgleich  die  Rhasia 
an  den  einzelnen  Punkten  nicht  besonders  glücklich  gewesen 
zu  sein  schien,  so  belief  sich  doch  die  gesammte  Beute  auf 
eine  gute  Menge  Sklaven,  wie  angegeben  wurde,  10,000.  aber 
wahrscheinlich  nicht  mehr  als  etwa  3000;  denn  die  Zahl 
wird  von  den  Heerführern  gemeiniglich  übertrieben,  um  sich, 
mit  dem  Erfolg  der  Rhasia  zu  brüsten.  Eine  grosse  Menge 
von  dieser  Anzahl  waren  bejahrte  Frauen,  die  nicht  so 
schnell  hatten  die  Flucht  ergreifen  können,  und  Kindei-  unter 
8  Jahren.  Die  Erwachsenen,  mit  Ausnahme  einiger  Feig- 
linge, die  keinen  Widerstand  gezeigt  hatten,  waren,  wie  ge- 
sagt, getödtet  worden;  jedoch  schätze  ich  die  Zahl  derselben 


Gesammtergebniss  des  Heeres^nges.  225 

sehr  gering,  auf  200 — 300,  da  sich  fast  die  gesammte  er- 
wachsene männliche  Bevölkerung  gerettet  hatte.  Von  diesen 
Sklaven  erhielt  der  Heerführer  den  dritten  Theil,  ausser- 
dem aber  nahm  er  für  sich  selbst  den  ganzen  Betrag  einer 
Sklavenhetze  in  Beschlag,  mit  der  es  folgende  höchst  eigen- 
thümliche  Bewandtniss  hatte. 

Am  Nachmittag  des  17^^^  Januar  zogen  zwei  Kaschella's 
aus,  um,  wie  es  hiess,  von  den  benachbarten  Dörfern  Pferde- 
futter einzusammeln,  brachten  aber  am  Abend  als  ihren 
Haupterwerb  an  800  Sklaven  imd  viele  Rinder  ein.  Diese 
hatten  sie  nämlich  mit  A'dischen's,  natürlich  so  gut  wie  er- 
zwungenem, Einverständniss  von  sdnem  Gebiete  entführt,  als 
eine  Art  friedlichen  Tributes.  Zu  solchen  Schändlichkeiten 
muss  sich  dieser  jämmerliche  Fürst  verstehen,  um  seine  fürst- 
liche Würde  zu  behaupten;  denn  man  kann  kaum  sagen, 
dass  er  auf  diese  Weise  sein  Land  vor  Baub  schützt,  da  er 
fortwährend  ausgesogen  wird  imd  die  auf  Raubzüge  gegen 
seine  noch  unabhängigen  Landsleute  ausziehenden  Bömu- 
Heere  mit  Allem  zu  versorgen  hat.  Wir  haben  schon  oben 
gesehn,  wie  seine  Unterthanen,  um  nur  ihr  Leben  und  das 
Kostbarste  ihrer  Habe  zu  retten,  beim  Herannahen  des 
Heereszuges  entfliehen  mussten.  Natürlich  sucht  dieser  Ver- 
räther seiner  Nation  eine  ihm  nicht  eifrig  ergebene  Ort- 
schaft zum  Opfer  aus,  —  aber  was  muss  die  Folge  davon  sein 
in  dem  Verhältnisse  des  Volkes  zum  Fürsten?  Jede  Spur 
des  Vertrauens  muss  schwinden.  Es  ist  in  der  That  fast  im- 
glaublich,  wie  er  bei  solchem  Regimente  bestehen  kann,  da 
sein  ganzes  Fürstenthum  kaum  mehr  als  15  Meilen  oder 
V4  Grad  in  der  Länge  und  noch  viel  weniger  in  der  Breite  zu 
betragen  scheint.  Seine  Unterthanen  schienen  jedenfalls  wohl 
befugt  zu  sein,  für  sich  selbst  zu  sorgen,  und  es  war  ihnen 
denn  auch  gelungen,  bei  eingetretener  Dimkelheit  den  Räu- 
bern wenigstens  einen  Theil  der  erbeuteten  Rinder  wieder 
abzunehmen,   und    der  Vezier   selbst   bezeigte    dem  unter- 

Bcrth't  BaiMo.  HL  «  15 


226  Tm.  Kapitel. 

thänigen  VasalleDfiirsten  seine  Huld,  indem  er  ihm  200  der 
ältesten,  fast  nutzlosen  Weiber  wieder  zustellen  liess,  mit  dem 
freundlichen  Bemerken,  sie  sollten  das  Land  bestellen  und 
er  wolle,  wenn  er  wiederkomme,  den  Ertrag  davon  essen. 
Dies  klang  fast  wie  bittere  Ironie.  Der  Vezier  hatte  sonst 
gegen  uns  ausgesprochen,  „dass  er  den  Ädischen,  der  treu  an 
ihm  festhalte,  stark  und  mächtig  wünsche,  damit  er  dem  Vor- 
dringen der  Felläta  (Fulbe),  deren  eifrigster  Gegner  er  wäre, 
in  diesen  Gegenden  Einhalt  thun  möge". 

Bei  dieser  Gelegenheit  hatte  ich  mich  erkundigt,  ob  nicht 
A'dischen  im  vorigen  Jahre  einmal  gegen  sie  aufsätzig  ge- 
wesen sei,  da  ich  von  Reisenden  gehört  hatte,  dass  der  Weg 
von  Adamaua  nach  Logone  seinetwegen  nicht  sicher  sei ;  aber 
der  Hadj  versicherte  mich,  dass  diese  Unterbrechung  des 
Verkehrs  auf  der  genannten  Strasse  nicht  von  der  Aufsätzig- 
keit  Ädischen's,  sondern  davon  hergerührt  habe,  dass  er 
gegen  die  in  sein  Gebiet  räuberisch  eingefallenen  Schüa 
Repressalien  geübt  habe.  Die  Stellung  dieses  kleinen  Für- 
sten ist  allerdings  überaus  eigenthümlich.  Losgerissen  von 
seinen  Landsleuten  und  ihnen  feindlich  gegenüberstehend, 
hat  er  sich  gegen  die  unablässig  vordringenden  Fulbe  auf 
der  einen,  gegen  die  räubeiischen  und  nur  schwach  von 
ihrem  Oberherm  im  Zaum  gehaltenen  Schüa  auf  der  an- 
deren und  gegen  Logone  auf  der  dritten  Seite  zu  vertheidigon. 
Mit  dem  letzteren  kleinen  Ländchen  jedoch  scheint  er  im 
Ganzen  auf  freundlichem  Fusse  zu  stelm.  AngebUch  verän- 
derte sich  übrigens  der  Zustand  der  Verhältnisse  bedeu- 
tend in  Folge  dieses  Heereszuges,  indem  der  oben  erwähnte, 
sehr  gefürchtete  Häuptling  „Füss"  oder  vielmehr  Ngeu- 
mäta  sowohl,  als  Kabischme  zur  Friedensbitte  und  Unter- 
werfung in's  Lager  kamen;  aber  die  Weise,  wie  man  davon 
sprach,  war  keineswegs  so  grossprahlend,  wie  man  hätte  er- 
warten sollen. 

[Montag,   19^^  Januar.]     Wir  traten  nun  von  hier  un- 


.^ 


Die  Berghöhen  von  Wasa.  227 

Seren  Rückmarsch  nach  Kükaua  an.  Wir  inussten  zuerst 
nach  der  Fürth  des  seichten  Wasserarmes  zurückkehren  und 
setzten  dann  unseren  Marsch  durch  eine  schöne  grasige 
Ebene  fort,  indem  wir  einen  oder  zwei  Weiler  passirten  und 
einige  Felder  mit  heimischem  Korn  zur  Seite  liessen.  Dann 
lagerten  wir  uns,  nach  einem  Marsche  von  ungefähr  10  Meilen. 
Schon  an  diesem  Tage  hatten  wir  m  der  Entfernung  nach 
Westen  einige  kleine  Erhebungen  bemerkt;  da  wir  aber 
nur  sehr  kurze  Tagemärsche  machten,  en-eichten  wir  den 
Gau  von  Wäsa,  der  sich  durch  seine  Felserhebungen  aus- 
zeichnet, nicht  vor  dem  22steii^  wo  wir  zwischen  den  beiden 
Felshöhen,  welche  dieser  Örtlichkeit  ihien  eigenthümlichen 
Charakter  verleihen,  unser  Lager  bezogen. 

Es  verursachte  uns  ausserordentliches  Vergnügen,  nachdem 
wir  die  flachen  angeschwemmten  Ebenen  Bomu's  und  Müss- 
gu's*  durchzogen ,  uns  wieder  einmal  im  Angesicht  einer  Er- 
hebung zu  finden,  wenn  auch  nur  von  mittlerer  Höhe,  und 
diese  Felshöhen  von  Wäsa  hatten  ein  sehr  malerisches  Aus- 
sehn. Die  Thalebene  zwischen  ihnen,  wo  wir  unseren  Lager- 
platz gewählt,  war  ziemlich  arm  an  Baumwuchs;  aber  es 
fanden  sich  einige  schöne  wilde  Feigenbäume  am  nordöst- 
lichen Fuss  der  westlichen  Höhe,  wo  sich  ein  Wasserbecken  in 
einer  tiefen,  geräumigen  Höhle  gebildet  hatte.  Nach  diesem 
Platze  wandte  ich  meine  Schritte  unmittelbar  nach  unserer 
Ankunft,  ehe  noch  die  Kameele  bei  uns  eingetroffen  waren,  und 
brachte  hier  eine  behagliche  Stunde  im  Anblicke  der  inter- 
essanten Scene  zu,  wie  die  zum  Heere  gehörigen  Pferde 
hierher  zur  Tränke  geführt  wui'den  und  immer  neue  Züge 
vom  Lager  ankamen,  während  das  reiche  Laub  der  Bäume 
umher  einen  anziehenden  Gegensatz  gegen  die  steilen  Fels- 
klippen bildete. 

Nachdem  ich  eine  Skizze  von  dieser  Örtlichkeit  entworfen 
hatte,  die  in  der  gegenüberstehenden  Ansicht  dargestellt  ist, 
begab  ich  mich  wieder  zu  meinem  Gefährten  und  wir  beschlos- 


I 


228  Vm.  KapiteL 

sen,  die  höhere  der  beiden  Erhebungen  zu  ersteigen;  jedoch 
fühlte  ich  mich,  besonders  da  ich  mir  eine  heftige  Erkältung 
zugezogen  hatte,  nicht  mehr  stark  genug,  auch  nur  eine  Höhe 
wie  diese,  von  weniger  als  700  Fuss  *)  über  der  Ebene,  zu  er- 
reichen, während  Herr  Dr.  Overweg,  der  sich  damals  bes- 
serer Gesundheit  erfreute,  als  ich,  den  Gipfel  erstieg.  Diese 
Felserhebungen  sind  zahlreich  von  schwarzen  Affen  besucht, 
während  selbst  Raubthiere  in  grosser  Menge  hier  ihr  Lager 
haben.  Die  von  den  Granitblöcken  gebildeten  Spalten  sind 
mit  kleinen  Bäumen  und  Sträuchem  geschmückt.  Die  Aus- 
sicht von  hier  über  die  immense  Ebene  nach  Süden,  die  sich 
von  einem  ununterbrochenen  Streifen  mittelhoher  Bäume  um- 
säumt fand,  war  sehr  charakteristisch,  indem  die  einförmige 
Linie  im  Vordergrunde  von  der  anderen  Felshöhe  angenehm 
unterbrochen  ward. 

Wäsa  gehört  schon  zum  Gebiete  von  Logone  und  besteht 
aus  mehreren  kleinen  Weilern,  deren  Bewohner  im  Allge- 
meinen zu  den  Schüa  gehören,  deren  Amtmann  —  „lauän"  — 
aber  ein  Mann  aus  dem  Eroberungsvolke  der  Fulbe  ist.  So 
macht  sich  der  Einfluss  dieses  Stammes  nicht  allein  durch 
die  Gewalt  der  Waffen  imd  durch  kühneren  Muth  im  Wege 
verheerender  Kriege,  sondern  fast  noch  mehr  auf  friedlichem 
Wege,  durch  geistige  Überlegenheit  geltend  und  verschafft 
sich  Eingang  in  alle  Gegenden  und  Reiche  Central -Afrika's. 

Es  war  in  Wäsa,  wo  wir  die  Nachricht  erhielten,  dass  ein 
Eilbote  von  Fesän  angekommen  sei,  der  aber  von  den  Tuareg 
der  Briefe  und  anderen  Gegenstände,  die  er  uns  bringen 
sollte,  beraubt  worden  wäre.  Dies  war  natürlicherweise 
eine  betrübende  Botschaft,  obgleich  wir  zur  Zeit  nicht  er- 
warten konnten,  Geld  oder  sonst  irgend  etwas  von  grossem 
Werthe  zu  erhalten. 


*)  Herr  Dr.  Vogel,  der  gleichfalls  diesen  Punkt  im  Jahre  1854  besuchte, 
fand  die  Erhebung  der  Ebene  920  Fuss  über  dem  Niveau  des  Meeres,  wäh- 
rend die  beiden  Höhen  bezüglich  1300  und  1600  Fuss  erreichten. 


Rückkehr  nach  Ngömn.  229 

[Donnerstag,  228^en  Januar.]  Ein  merkwürdiger  Anlass  zur 
Verzögerung  des  Aufbruchs  ward  diesen  Morgen  gegeben,  der, 
wenn  es  noch  irgend  eines  Beweises  bedurfte,  wohl  dazu  geeig- 
net war,  dem  Yezier  die  Augen  zu  öflFnen  über  den  Abgrund, 
der  vor  ihm  lag.  Sein  ebenso  starkes  wie  schnellfüssiges 
Lieblingspferd,  das  er  täglich  ritt,  war  heute  früh  plötzlich 
fast  spurlos  aus  der  Mitte  des  Lagers  verschwunden,  trotz 
aller  wartenden  Sklaven  imd  trotz  sichernder  Fussketten,  und 
es  dauerte  geraume  Zeit,  bis  es  aus  grosser  Entfernung 
zurückgebracht  werden  konnte.  So  verliessen  wir  erst  zu 
später  Stunde  diese  interessante  Örtlichkeit  und  lagerten 
nach  einem  guten  Ritt  durch  einen  sehr  reichen,  aber  un- 
genügend bebauten  Strich  Landes  in  kurzer  Entfernung  von 
einem  seichten  Gewässer,  das  von  ansehnlicher  Breite  und 
mit  den  schönsten  Bäumen  geschmückt  war.  Diese  Örtlich- 
keit heisst  Sengiri,  ein  Name,  der  höchst  wahrscheinlich  mit 
der  ünvermeidlichkeit  der  Wasserpassage  im  Zusammen- 
hange steht;  denn  wir  werden  denselben  Namen  da  wieder- 
finden, wo  wir  auf  dem  Wege  von  Kukaua  westlich  den 
Komadugu  von   Bomu  zu  überschreiten  haben. 

Von  diesem  Sengiri  aus  erreichten  wir  mit  massigem 
Marsche  Diggera  und  nahmen  Quartier  in  unserem  alten 
Lager,  ja,  wir  schlugen  unsere  Zelte  über  demselben,  noch 
vollkommen  kenntlichen  Kreisrund  auf,  wo  sie  vor  2  Mo- 
naten gestanden  hatten.  Auf  dem  weiteren  Marsche  von  Dig- 
gera aus  machten  wir  nun  jeden  Tag  an  demselben  Platze 
Halt,  wo  wir  auf  unserem  Ausmarsch  gelagert  waren,  bis 
wir  Ngomu  erreichten. 

[Sonntag,  P^^  Februar.]  Bei  unserem  Einzug  in  die 
Hauptstadt  wurde  viel  Ceremonie  und  Etiquette  beobachtet 
und  die  ganze  Heeresmasse  *),  zum  wenigsten  derjenige  Theil 
derselben,  welcher  noch  nicht  entlassen  war,  wurde  in  dich- 


*)  Über  die  Bestandtheile  der  Reiterei  siehe  den  Anhang  III. 


I 


2d0  YIII.  Kapitel. 

ter  Schlachtlinie  aufgestellt,  um  auf  ehrenvolle  Art  die  mili- 
tärischen Begrüssungen  entgegenzunehmen,  welche  dem  An- 
führer bei  seiner  siegreichen  Rückkehr  dargebracht  wurden. 
Ausgezeichnet  vor  Allen,  welche  zur  Begrüssung  kamen,  war 
Rhet,  der  Häuptling  der  üeläd  Slimän,  der  hier  vor  ein  Paar 
Tagen  von  Känem  eingetroffen  war,  wo  wir  ihn  zurückge- 
lassen hatten  und  von  wo  er  einen  erfolgreichen  Feld-  oder 
vielmehr  Raubzug  gegen  die  Künkuna  in  Karkä  unternommen 
hatte.  Indem  er  an  der  Spitze  einer  kleinen  Schaar  von  20 — 30 
Reitern,  durch  malerische  Tracht  ausgezeichnet,  in  schnellster 
Carriere  heransprengte,  gewährte  dieser  kleine  Araber-Häupt- 
ling ein  interessantes  und  lebensvolles  Beispiel  von  Reit- 
kunst, das  einen  auffallenden  Gegensatz  gegen  die  schwer- 
fälligen Bewegungen  der  ungelenken  und  trägen  Gestalten 
der  Neger  bildete  und  uns  einigermassen  mit  unseren  Ge- 
fährten auf  dem  Känem -Zuge  aussöhnte. 

Auch  uns  selbst,  die  beiden  fremden  Wanderer,  erwar- 
tete bei  dem  Wiederbetreten  unseres  alten  Quartieres  in  der 
Stadt  eine  aussergewöhnliche  Bewirthung,  indem  wir  mit 
einem  besonderen,  aber  von  der  Jahreszeit  abhängigen  Lecker- 
bissen der  Kanöri,  bestehend  aus  dem  frischen  Samen  des 
„masr"  (Zea  Mays)  genannten  Kornes ,  der  in  eigenthüm- 
Ucher  Weise  geröstet  wird,  traktirt  wurden.  — 

Das  war  der  Ausgang  eines  Feldzuges,  der  uns  einen  leich- 
ten Femblick  in  die  reich  bewässerte  Zone  der  Äquatorial- 
landschaften  eröffnete,  wo  sich  wegen  des  geringen  Gefälles 
der  Flüsse  bei  der  ungeheueren,  ihnen  plötzlich  zugcführten 
Wassermenge,  unzählige  Hinterwasser  und  seichte  Wasser- 
läufe auf  wenig  ausgetieftem  Wiesengrund  bilden.  Und  doch 
hatte  man  von  eben  diesem,  einen  grossen  Theil  des  Jahres 
der  ungeheueren  Wasserfülle  wegen  fast  unpassirbaren,  Län- 
dergürtel die  Meinung  gehegt,  dass  er  als  hohe  Gebirgskette 
eine  unübersteigliche  Barriere  bilde.  Dieser  Zug  hatte  uns 
femer  mit  Stämmen  in  Verbindung  gebracht,   die  als  dem 


Yorbereitnng  za- einem  neuen  Ausflüge. 


231 


Zustand  wilder  Bestien  sich  nähernde  Wilde  dargestellt  wor- 
den waren,  während  wir  bei  ihnen  manche  Keime  eines  be- 
scheidenen menschlichen  Glückes  fanden. 

Allerdings  betraten  wir  jene  Gegenden  nicht  unter  solchen 
Umständen,  wie  es  für  uns  wünschenswerth  war;  wir  hatten 
uns  im  Gegentheil  in  der  Nothwendigkeit  befunden,  uns  mit 
einer  Heeresmacht  in  Verbindung  zu  setzen,  deren  einziger 
Zweck  war,  über  diese  in  ihrem  kindlich  -  natürlichen  Zu- 
stande sich  glücklich  fühlenden  Menschen  Verheerung  und 
Elend  zu  bringen.  Da  wir  aber  keine  Macht  besassen,  die- 
ses Unheil  zu  verhüten,  waren  wir  doch  froh,  im  Stande  zu 
sein,  so  viel  zu  sehn.  Augenblicklich  befanden  wir  uns  ganz 
ohne  Mittel,  da  weitere  Unterstützungen  nicht  eingetroffen 
waren;  aber  ich  verzweifelte  desshalb  nicht,  und  um  mich 
in  den  Stand  zu  setzen,  mein  Glück,  ehe  ich  heimkehrte, 
noch  einmal  in  einer  anderen  Richtung  zu  versuchen,  ver- 
kaufte ich  ausser  anderen  Sachen  selbst  mein  grösseres 
Zelt  und  verwendete  einen  Theil  des  so  Erhandelten  dazu, 
mein  kleines  Zelt  mit  einheimischer  Baumwolle  zu. füttern; 
denn  in  seinem  damaligen  Zustande  zerfiel  es  in  Lumpen 
und  sein  Gewebe  war  so  dünn  geworden,  dass  es  weder 
vor  Regen  noch  Sonne  schützte. 


I 


K.  KAPITEL. 

Abreise  nach  Baghirrai.  —   Die  Landschaft  Kotoko. 


Am  Isten  Februar  1852  war  ich  nach  Kükaua  zurückge- 
kehrt und  am  4^^^  März  brach  ich  wieder  auf  —  zur  Reise 
nach  Baghiimi.  Ich  hegte  jedoch  keineswegs  grosse  Zuver- 
sicht auf  das  Gelingen  meines  Unternehmens.  Der  Sultan 
von  Baghirmi,  hiess  es,  sei  von  seiner  Hauptstadt  abwesend 
imd  auf  einem  Zuge  nach  dem  südöstlichen  Theile  seines 
Gebietes  begriffen;  doch  würde  ich  ohne  grosse  Schwierig- 
keiten bei  dem  den  Sultan  vertretenden  Vice-Statthalter  Zu- 
tritt und  von  demselben  die  Erlaubniss  erhalten,  mich  jenem 
Zuge  anschliessen  zu  dürfen,  und  somit  Gelegenheit  finden 
zur  Bereisung  jener  südlicheren  Provinzen ,  welche  für  mich 
allein  ausführen  zu  können  nicht  in  Aussicht  stand.  Ich  wen- 
dete mich  also  an  den  in  Kükaua  residirenden  Agenten  jenes 
Fürsten,  einen  Eunuchen.  Dieser  Mann  war  in  der  zweiten 
Schlacht  bei  Ngäla  von  den  Kanöri  zum  Gefangenen  gemacht 
worden  und  dann  zur  Würde  eines  Mestrema  (d.  i.  ersten  Eu- 
nuchen) des  Sultans  von  Börnu  emporgestiegen.  Obgleich  ich 
ihm  ein  kleines  Geschenk  mitbrachte,  empfing  er  mich  doch 
ziemlich  kalt  und  machte  mir  nicht  viel  Hoffnung  auf  Erfolg. 

Meine  Mittel  waren  gänzlich  erschöpft  und  ich  war  genö- 
thigt,  den  kleinen  Vorrath  an  Geschenken,  welchen  ich  über- 
haupt mitzunehmen  vermochte,  zu  hohen  Preisen  und  auf 
Kredit  zu  kaufen.  Ich  hatte  nur  zwei  sehr  unbedeutende 
Diener,  nämhch  Mohammed  ben  Habib  und  Mohammed  ben 


Abreise  von  Ngörnu.  233 

Ahmed,  zwei  junge,  aus  Fesän  gebürtige  Burschen  von  ebenso 
beschränktem  Verstände,  wie  anspruchsvoll  als  Moslemin  und 
ohne  alle  Kenntniss  von  dem  Lande,  welches  ich  besuchen 
wollte.  Mein  Lastvieh  bestand  einzig  in  einem  Pferde  für 
mich  selbst  und  einem  weiblichen  Kameele,  um  mein  Gepäck 
fortzuschaffen.  Bei  so  geringer,  ja  selbst  armseliger  Zu- 
rüstung  begab  ich  mich  gar  nicht  mit  dem  zuversichtlichen 
Muthe,  der  den  Erfolg  sicher  stellt,  auf  die  Reise ;  aber  ent- 
schlossen, nach  Europa  zurückzukehren,  falls  nicht  bald  neue 
Mittel  eintreffen  sollten,  wollte  ich  noch  einen  letzten  ver- 
zweifelten Versuch  wagen,  um  etwas  auszurichten,  bevor  ich 
das  Land  gänzlich  verliesse.  — 

Herr  Dr.  Overweg  begleitete  mich  bis  Ngomu,  wo  wir 
bei  unserem  Freunde,  dem  Kaschella  Kotokö,  abstiegen.  Es 
machte  mir  bei  meinem  gegenwärtigen  kümmerlichen  Zu- 
stande grosse  Freude,  hier  durch  einen  Privatboten  vom  Ve- 
zier  ein  kleines  Packet  Kaffee  und  vom  M&Uem  Mohammed 
einen  Hut  Zucker  zu  empfangen.  Solche  Beweise  uneigen- 
nütziger Freundschaft  sind  für  den  Reisenden  in  einem  frem- 
den Lande  eine  grosse  Befriedigung. 

[Freüagy  ö^en  März.]  Beim  Beginne  der  Baumwollenpflan- 
zung nahm  ich  von  meinem  Europäischen  Gefährten  Ab- 
schied; er  selbst  beabsichtigte,  in  Kaschella  Kotokö's  Beglei- 
tung einen  Ausflug  längs  des  Seeufers  zu  machen,  nach  Ma- 
duäri,  —  demselben  Orte,  wo  ihm  binnen  wenigen  Monaten 
zu  erliegen  beschieden  war. 

Der  Mestrema  hatte  mir  zur  Begleitung  einen  Reiter  mit- 
gegeben, es  war  aber  keineswegs  ein  Mann,  wie  ich  ihn 
mir  wünschen  mochte.  Hätten  Ethnologen  seine  Gesichts- 
züge als  den  allgemeinen  Typus  der  Negerrasse  aufgestellt, 
so  hätten  sie  sich  wohl  für  berechtigt  halten  können,  der 
letzteren  e^jer  eine  Verwandtschaft  mit  dem  Affen,  als  mit 
dem  Menschen  beizumessen.  Sein  gemüthloses,  aber  dabei 
eingebildetes  Wesen  entsprach  seinem  Ausseren  vollkommen. 


234  IX.  KapiteL 

Die  Wasser  des  grossen  Sumpfsee's,  um  dessen  Ufer  wir 
uns  in  nicht  grosser  Entfernung  herumwanden,  hatten  be- 
reits beträchtlich  abgenommen  und  schöne,  frische,  von  zahl- 
reichen Heerden  beweidete  Matten  blossgelegt,  während  kleine, 
nach  dem  Rückzuge  der  Fluth  stehngebliebene  Lachen 
die  einförmige  Ausdehnung  der  Ebene  unterbrachen.  Auf 
diesen  fruchtbaren  Gründen  wird  in  grosser  Menge  Baum- 
wolle gezogen  und  dieser  Anbau  könnte  noch  weit  stärker 
betrieben  werden.  Die  Leute  waren  überall  mit  der  Land- 
arbeit beschäftigt,  während  auf  allen  brach  liegenden  Fel- 
dern die  üppige  Asclepiaa  oder  Calotropis  gigantea  wieder 
ihre  Herrschaft  zu  üben  anfing.  Kaum  ein  Baum  war  zu 
sehn;  nur  als  wir  weiter  zogen,  traten  nach  und  nach  ein- 
zelne grössere  Vertreter  der  Pflanzenwelt  auf. 

So  kamen  wir  an  dem  Dorfe  Kükiya  vorbei,  wo  wir  auf 
dem  Müssgu-Zuge  zuerst  übernachtet  hatten.  Hier  ward  der 
tiefe  Sandboden  mitunter  von  einer  vereinzelten  Gruppe  von 
Dornbüschen  belebt,  während  arme  Leute  hie  und  da  nach 
der  bereits  schon  einigemal  erwähnten  Binsennuss  —  „habb  el 
äsis"  oder  „nefü"  —  (Cyperus  esculentus)  gruben.  Auf  einer 
sonst  nur  mittelmässig  bestellten  Strecke  Landes  gewährte 
ein  schönes  Waizenfeld  einen  herrlichen  Anblick;  es  gehörte 
mehreren  angesehenen  Hofleuten  -^  „kokanaua"  —  in  Kü- 
kaua.  —  Wir  tränkten  hier  unsere  Pferde  und  wollten,  nach- 
dem wir  noch  eine  Strecke  weiter  gezogen  waren,  in  einem 
dem  Hadj  Ibrahim  gehörigen  Weiler  während  der  Tages- 
hitze Halt  machen,  wurden  jedoch  sehr  imgastfreundlich  auf- 
genommen und  rasteten  daher  in  einiger  Entfernung  vom 
Dorfe  im  Schatten  eines  Kautschukbaumes  (Bestna  elastica). 
Dieser  Baum  zeichnete  sich  durch  einen  besonderen  Zauber 
—  „ssäfi"  —  aus,  welcher  einen  Beweis  von  den  vielen  in  die- 
sen Ländern  noch  verbliebenen  heidnischen  Gebj^äuchen  lie- 
ferte. Derselbe  bestand  aus  zwei  auf  einander  gestellten,  mit 
einem  eigenthümlichen  Stoffe  angefüllten  Töpfen  und  sollte 


Ein  Schna- Araber  wird  in  Dienst  genommen.  235 

die  Fruchtbarkeit  der  Stuten  des  Dorfes  sichern.  —  Da  diese 
Stelle  ein  gewöhnlicher  Rastplatz  der  Reisenden  ist,  so  wim- 
melte der  Boden  von  Insekten,  besonders  der  grossen  Art 
der  „kari",  womit  das  Vieh  in  diesem  Lande  gewöhnlich 
behaftet  ist. 

Als  wir  am  Nachmittag  unseren  Marsch  fortsetzten,  be- 
gegnete uns  eine  Karawane  Karaeele  und  Lastochsen  mit 
einer  Ladung  Negerkorn,  die  Einer  von  den  Leuten  unseres 
Freundes  Lamino  von  der  Pflanzung  seines  Hen-n  nach  der 
Stadt  brachte.  Wir  erreichten  frühzeitig  Yedi,  an  dem  wir 
ebenfalls  auf  unserem  Müssgu-Zuge  vorbeigekommen  waren. 
Ich  hatte  die  Absicht,  innerhalb  der  Stadt  einzukehren;  die 
Strassen  waren  jedoch  so  eng,  dass  ich  mein  Lager  lieber 
ausserhalb  aufschlug.  Ein  junger  Schüa- Bursche  bot  mir 
hier  seine  Dienste  an;  derselbe  hatte  uns  bei  dem  Brunnen, 
wo  wir  unsere  Thiere  tränkten,  unentgeltlich  Beistand  ge- 
leistet und  dafür  von  mir  als  Belohnung  einige  Nadeln  er- 
halten. Da  ich  sehr  eines  Dieners  bedürftig  war,  nahm  ich 
sein  Anerbieten  an  und  überzeugte  mich  im  Verlaufe  meiner 
Reisen,  dass  ich  sehr  wohl  daran  gethan  hatte;  denn  ob- 
gleich mir  der  junge  Bursche  anfangs  einige  Mühe  machte 
und  sich  mitunter  etwas  unbeholfen  anstellte,  so  erwies  er 
sich  doch  im  Ganzen  als  sehr  brauchbar. 

Am  Abend  zeigte  sich  ein  junger  Mann  Namens  Degedji, 
welcher  Herrn  Dr.  Ovei-weg  auf  dessen  Tsäd-Fahrt  begleitet 
hatte,  sehr  gastfreundlich  gegen  mich.  Derselbe  war  Bar- 
bier und  Musikant  in  Einer  Person,  aber  dabei  ein  ziemlich 
lockerer  Bui'sche. 

Wir  verfolgten  die  gerade  Strasse  nach  Ngäla.  Die  an- 
fangs offene  Landschaft  bedeckte  sich  allmählich  mehr  mit 
Dnmge})üsch  und  weiterhin  mit  allerlei  Bäumen  mittlerer 
Grösse.  Ausser  der  Frau  meines  Geleitsreiters,  die  ihren  Va- 
ter in  Baghirmi  besuchen  wollte  und  wenigstens  im  Vergleich 
mit  ihrem  Gemahle  eine  leidliche  Person  war,  hatte  sich  ein 


t 


236  IX.  KapiteL 

gar  freundlicher  Mann  Namens  Kägo  unserer  kleinen  Trappe 
angeschlossen.  Derselbe  war  mit  den  Mitgliedern  der  frühe- 
ren Expedition  bekannt  gewesen  und  liess  es  sich  sehr  ange- 
legen sein,  mir  über  die  Eigenschaften  der  verschiedenen 
Bäume  und  Sträucher,  welche  diese  Wildniss  schmückten, 
Auskunft  zu  ertheilen,  namentlich  über  den  Kari,  den  Ka- 
raua  und  den  Lätram.  Bei  dieser  Gelegenheit  erfuhr  ich, 
dass  eine  gewisse  Krankheit,  welche  man  für  die  Schand- 
marke einer  dicht  gehäuften  Bevölkerung  halten  möchte, 
auch  in  diesen  Ländern  gar  nicht  selten  ist;  sie  wird  hier 
„dun"  genannt.  Von  der  reichen  Ergiebigkeit  dieses  gegen- 
wärtig der  äussersten  Verwahrlosung  anheimgegebenen  Lan- 
des zeigen  sich  die  Beweise  überall.  Die  Bevölkerung  der 
kleinen,  über  die  Landschaft  zerstreuten  Dorfschaften  besteht 
halb  aus  Kanon,  halb  aus  Schüa,  und  ich  war  überrascht, 
in  einem  Dorfe,  welches  einem  gewissen  M&llem  Talbai  Ssämi 
gehört,  Felläta  oder  Fulbe  mit  Kanöri  vermischt  anzutref- 
fen. Die  meisten  Schüa  hatten  diese  Dorfschaften  bereits 
verlassen,  um  ihrer  Gewohnheit  gemäss  zeitweilig  nach  an- 
derweitigen Wohnsitzen  zu  wandern. 

Wir  machten  bei  Zeiten  im  Dorfe  Kostäri  Halt,  dessen 
Bewohner  mich  bereits  bei  einer  früheren  Gelegenheit  gesehn 
hatten.  Sie  schienen  sehr  arm  zu  sein ,  was  jedoch  wohl  ih- 
rer Trägheit  beigemessen  werden  kann.  Ihren  eigenen  An- 
gaben nach  besteht  ihr  Unterhalt  fast  ausschliesslich  in  dem 
Wassergeflügel,  welches  die  flachen  sumpfigen  Seeufer  in  un- 
zälüigen  Schwärmen  bewohnt;  auch  war  wirklich  das  ganze 
Dorf  voll  von  wilden  Gänsen  und  Enten.  Es  gelang  mir  je- 
doch, ein  wenig  Milch,  etwas  Honig  und  Kreb  oder  Kaschä 
zu  erhalten.  Das  letztere  ist  eine  Grasart,  welche  wahrschein- 
lich mit  der  Poa  Abyssinica  identisch  ist,  jedoch  in  ver- 
schiedenen Arten  vorkommt,  von  welchen  hier  in  Bornu  zwei, 
das  „kaschä  ngorgo"  und  das  „kaschä  magäia",  die  haupt- 
sächlichsten sind,  während  es  in  Wäddi'  drei  oder  vier  Arten 


Natrongehalt  des  Wassers.  237 

gibt  („dendng",  „liliak",  „schorok"  und  „tanfafanang")  nebst 
einer  Abart,  „feie"  genannt. 

Es  ist  sehr  merkwürdig,  dass,  während  das  Wasser  der 
grossen  Tsäd-Lache  selbst  frisch  ist,  das  meiste  des  in  dieser 
Landschaft  ganz  hart  am  Rande  des  Seeufers  vorgefundenen 
Wassers  Natron  enthält.  An  diesem  Orte  war  es  so  stark 
mit  diesem  Mineral  gesättigt,  dass  es  kaum  trinkbar  war, 
was  sich  bei  der  äusserst  drückenden  Beschaffenheit  der  Luft 
um  so  fühlbarer  machte.  Beim  Antritt  meiner  Reise  und  nach 
einem  längeren  Aufenthalt  in  der  Stadt  war  ich  ohnedies  in 
so  geschwächtem  Zustande,  dass  ich  meine  Kräfte  vermittelst 
eines  kleinen  Restes  von  Mastixspiritus,  den  ich  mitgenom- 
men, wieder  herstellen  musste.  Die  Hitze  war  so  heftig,  dass 
ich  mich  nicht  wenig  erleichtert  fühlte,  als  sich  am  Nach- 
mittag ein  schwacher  Wind  erhob.  Meine  armen  Thiere  waren 
jedoch  noch  schlimmer  daran  als  ich  selbst,  da  sie  von  einer 
grossen  blutsaugenden  Fliege  geplagt  wurden. 

Die  Strasse,  auf  welcher  Major  Denham  längs  des  Südufers 
des  Tsäd  reiste,  ist  gegenwärtig  wegen  der  Unsicherheit  des 
Landes  gänzlich  aufgegeben,  sowie  der  von  ihm  erwähnte, 
etwa  3  bis  4  Stunden  nordöstlich  vom  hiesigen  Platze  gele- 
gene Ort  oder  vielmehr  Gau  Kesskäri  jetzt  gänzlich  verlassen 
ist,  wesshalb  wir  eine  mehr  südliche  Strasse  einschlugen. 

Was  hier  zuerst  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich  zog,  war 
eine  Heerde  Wildschweine,  eine  in  diesen  Gegenden  für  mich 
sehr  seltene  Erscheinung.  Ich  fand  jedoch  diese  Thiere  spä- 
ter in  der  Nähe  der  Ufer  des  Schäri  sehr  zahlreich,  indem 
sie  dort  sogar  einen  beträchtlichen  Theil  der  Nahrung  der 
Eingeborenen,  die  Mohammedaner  nicht  ausgenommen,  zu  bil- 
den schienen. 

Als  wir  auf  dem  engen,  durch  die  Waldung  fuhrenden  Pfad 
dahinzogen,  wies  der  Pflanzenwuchs  plötzlich  eine  neue  und 
sehr  bemerkenswerthe  Erscheinung  auf;  denn  wir  trafen  hier 
auf  eine  Gruppe  von  zehn  bis  zwölf  baumartigen  Euphorbia- 


238  ^IX.  Kapitel. 

ceen.  Ich  habe  kleinere  Euphorbien  auf  meiner  Reise  durch 
Damerghü  und  selbst  in  Haussa  erwähnt,  seitdem  aber  war 
mir  die  Euphorbie  im  Sudan  nicht  wieder  zu  Gesicht  ge- 
kommen. Hier  dagegen  bildete  diese  Pflanze  Bäume  von  ge- 
wiss nicht  unter  30 — 35  Fuss  Höhe;  ihre  saftvollen  und  üp- 
pigen cactusartigen  Blätter  bildeten  einen  auffallenden  Gegen- 
satz zu  dem  einförmigen  und  dürren  Laube  der  Mimosen, 
welche  ringsumher  standen.  Der  Boden  muss  in  dieser  Ge- 
gend von  sehr  eigen thümlicher  Beschaffenheit  sein;  denn  ich 
habe  auf  meiner  ganzen  nachlierigen  Reise  die  Euphorbie  nie 
wieder  eine  solche  Höhe  erreichen  sehn;  die  grösste  Höhe 
derselben,  die  mir  noch  vorkam,  betnig  nur  20  Fuss;  dies 
war  im  Mussgu-Lande  an  einer  ganz  vereinzelten  Stelle.  Auch 
auf  meiner  Reise  nach  Baghirmi  traf  ich  nicht  ein  einziges, 
auch  noch  so  kleines,  Exemplar  dieser  Pflanze  wieder  an. 

Der  Theil  der  Waldung,  welchen  wir  nun  durchzogen,  hatte 
ein  frischeres  Ansehen  und  die  Scene  belebte  sich  durch  einen 
Trupp  Reiter,  dem  wir  begegneten,  worauf  wir  5  Uhr  Nach- 
mittags im  Dorfe  Dabua  ankamen.  Hier  fanden  wir  freund- 
liche Aufnahme,  wozu  das  einnehmende  Wesen  meines  heite- 
ren Gefährten  Kägo  nicht  wenig  beitrug,  während  die  afl'en- 
artigen  Grimassen  meines  offiziellen  Geleitsreiters  ganz  unbe- 
achtet blieben.  Man  reichte  uns  Geflügel,  Milch  und  Neger- 
kom  zum  Abendessen.  Der  Platz  ist  gut  mit  Wasser  ver- 
sehen und  der  Brunnen  nur  5  Klaftern  tief. 

[Sonntag,  7fen  März.]  Als  wir  wieder  aufbrachen,  betraten 
wir  einen  sehr  dichten  Theil  des  Waldes  („karäga  tsilim",  wie 
die  Kanöri  sagen)  mit  einer  reichen  Mannichfaltigkeit  von 
Bäumen ;  aber  alle  waren  nur  von  mittlerer  Grösse  und  unt(T 
ihnen  nicht  ein  einziger  Tamarinden-  oder  Affenbrodbaum. 
Als  wir  aber  weiter  kamen,  öffnete  sich  die  Landschaft  etwas 
mehr,  indem  an  die  Stelle  der  „karäga  tsilim"  die  „dirride" 
—  „lichtere  Waldung"  —  trat,  und  Zeichen  von  Acker- 
bau fingen  an,  sich  sehn  zu  lassen.    Ich  bemerkte  hier,  dass 


Die  Dörfer  Gndjari  und  Hofknm.  2d9 

der  Thonboden  —  „firki"  oder  „ange"  —  mit  kleinen  Furchen 
durchzogen  war,  um  das  Wasser  während  der  Regenzeit  für 
den  Anbau  der  Mässakuä  zurückzuhalten;  auch  schien  etwas 
Banmwollenbau  betrieben  zu  werden.  In  diesem  Gau  war 
die  Bevölkerung  ebenfalls  aus  Schüa  und  Kanöri  gemischt. 

Das  Dorf  Gudjäri,  bei  dem  wir  weiterhin  vorbeikamen, 
zeichnete  sich  durch  eine  grosse  Töpferei  aus.  Wir  begeg- 
neten hier  einer  zahlreichen  Karawane  Lastochsen  mit  einer 
Getreideladung,  die  nach  der  auf  meinem  Müssgu-Zuge  er- 
wähnten Stadt  Diköa  unterwegs  war;  denn  es  ist,  wie  da- 
selbst bemerkt  wurde,  der  dortige  Anbau  gänzlich  auf  Baum- 
wolle beschränkt,  so  dass  die  Einwohner  ihren  gesammten 
Gretreidebedarf  einführen  müssen.  Die  Baumwolle  wird  nicht 
auf  Lastthicren,.  sondern  auf  den  Köpfen  der  Eingeborenen 
transportirt,  und  weiterhin  begegneten  wir  einem  zahlreichen 
Zuge  solcher  Leute,  was  denn  einigermassen  das  Ansehen  von 
Gewerbfleiss  hatte.  Wir  kamen  auf  unserem  Wege  an  vielen 
von  jenen  schwarzen,  „firki"  oder  „änge"  genannten  morasti- 
gen Stellen  vorbei,  welche  ich  bei  einer  früheren  Gelegenheit 
beschrieben  habe,  und  erreichten  8J  Uhr  Morgens  die  kleine 
Dorfschaft  Hokkum. 

Wir  hatten  diesen  Weg  in  der  Absicht  eingeschlagen,  das 
bittere  Brunnenwasser  des  Dorfes  Djemage  zu  vermeiden, 
fanden  es  jedoch  hier  noch  schlimmer;  denn  es  gab  eben  gar 
kein  Wasser  im  Dorfe  und  wir  mussten  in  grosse  Entfer- 
nung schicken,  um  uns  einen  kleinen  Vorrath  zu  verschaffen, 
der  keineswegs  von  angenehmer  Beschaffenheit  war.  Dieser 
Wassermangel  scheint  jedoch  nur  aus  der  Nachlässigkeit 
der  Einwohner  zu  entspringen;  denn  die  Bininnen  sind  nicht 
über  3  Klaftern  tief  und  die  Überschwemmung  d(^s  Tsäd 
tritt  mitunter  so  nahe  heran,  dass  es  nöthig  befunden  wor- 
den ist,  das  Dorf  an  der  Xordseite  durch  einen  Deich  zu 
schützen.  Wir  rasteten  hier  während  der  Tageshitze  im 
Schatten  eines  Kuma- Baumes,  dessen  Fiiicht  wir,   da  sie 


I 


r 


240  IX.  KapheL 

gerade  reif  war,  in  Ermangelung  eines  höheren  Genusses 
nicht  verschmähten. 

Ich  bemerkte  hier  mit  Erstaunen,  dass  man  Salz  aus  der 
Verbrennung  von  Viehmist  gewinnt.  Es  ist  in  der  That 
merkwürdig,  zu  welcher  Aushilfe  die  ärmeren  Leute  im  Sudan 
schreiten,  um  sich  mit  diesem  Artikel  zu  versehen,  der  allen 
Stufen  der  menschlichen  Gesellschaft  zu  einem  unentbehr- 
lichen Bestandtheil  der  gewöhnlichen  Nahrung  geworden  ist. 

Ungefähr  V2  Stunde  nach  unserem  Aufbruche  am  Nach- 
mittage kamen  wir  bei  einem  beträchtlichen  Binnsale  an, 
das,  mit  schönen,  weit  sich  ausbreitenden  Bäumen  umsäumt, 
eine  sehr  anmuthige  Erscheinung  bot.  Es  wird  Koma- 
dugu  Imbulü  oder  Mbulü  genannt.  Nach  der  Behaup- 
tung meines  Gefährten  Kägo  ist  es  von  dem  Ydloe  oder  Ko- 
mädugu  von  Diköa  gänzlich  verschieden,  und  nach  dem,  was 
ich  auf  meiner  Rückreise  in  Erfahrung  brachte,  scheint  er 
Recht  zu  haben.  Das  Rinnsal  hatte  gegen  12  Fuss  hohe  Ufer 
imd  eine  Breite  von  60 — 75  Fuss;  die  Tiefe  des  Wassers 
betrug  aber  nur  IJ  Fuss;  eine  Strömung  war  nicht  be- 
merkbar. Der  Baumwuchs  war,  auch  nachdem  wir  dieses 
Gewässer  verlassen,  von  grösserer  Mannichfaltigkeit ,  aber 
durchweg  ziemlich  niedrig.  Wir  bemerkten  hier  in  grosser 
Menge  das  bereits  fiüher  erwähnte,  „kreb"  oder  „kaschä"  ge- 
nannte Gras,  welches  einen  beträchtlichen  Nahrungsbestand- 
theil  der  iinniiwu  B(;völk(Tung  bildet.  Wir  kamen  bei 
verschiedenen  giin/li(^li  vc^rlassenen  und  verfallenen  Städten 
vorbei,  dann  chirch  cmi  dicJites  Gestrüppe,  wie  wir  es  kaum 
in  der  Nähe  (nuvv  groMMnn  Stadt  anzutreffen  erwarteten,  und 
erreichten  um  5  Uhr  die?  Tlionnuuiern  von  Ngäla. 

Das  Innere  iU*r  Htadt  hat  inn  sehr  eigenthümliches  An- 
sehen, wie  nicjhtM  cl(»r  Art  im  Stidan  sich  wieder  findet,  ob- 
gleich der  Plntz  f<*«m»tiwllrtig  in  sehr  verfallenem  Zustande 
ist;  denn  dc^r  gOMiinunt^'  iiltcro  Stadttheil  besteht  aus  Lehm- 
wohnungen, welche  auf  einer  hohen  Terrasse  erbaut  sind. 


Die  Stadt  NgSla.  241 

Der  Palast  des  Statthalters  ist  wirklich  etwas  ganz  Stau- 
nenswerthes  für  diese  Regionen,  indem  derselbe  mit  seinem 
gewaltigen  Unterbau  und  hoch  emporragenden  Ringmauern 
einer  förmlichen  Citadelle  gleichsieht. 

Uns  wies  man  in  dem  geräumigen  Hause  des  Gedädo 
oder  Delätu,  in  welchem  Herr  TuUy  starb,  unsere  Wohnung 
an;  dasselbe  war,  wie  sonst  die  ganze  Stadt,  im  grössten 
Verfall.  Die  Zeiten  der  Meram,  der  geliebten  Frau  des 
Scheich  Mohammed  el  Amin  el  Känemi,  waren  vorüber,  und 
Ngäla's  Reichthum  war  von  den  Sklaven  des  gegenwärtigen 
Scheichs  und  dessen  Vezier  verzehrt  worden.  Der  einst 
prächtige  Palast  der  Meram  selbst  ist  nichts  als  ein  grosser 
öder  Ruinenhaufen. 

Die  mir  überwiesene  Wohnung  war  jedoch  in  einem  ziem- 
lich gut  erhaltenen  Zustande  und  enthielt  ein  oberes  Stock- 
werk, wo  ich  gegen  die  Schwärme  von  Mücken,  mit  welchen 
der  Ort  behaftet  ist,  ziemlich  geschützt  war. 

Wir  blieben  den  ganzen  folgenden  Tag  hier  liegen  und 
unter  Anderem  stattete  ich  dem  Statthalter  einen  Besuch 
ab;  es  that  mu*  aber  einigermassen  leid,  dass  der  vortheil- 
hafte  Eindruck,  welchen  das  imposante  Äussere  des  Palastes 
auf  mich  gemacht  hatte,  durch  den  verfallenen  und  veröde- 
ten Zustand  des  Inneren  wieder  zei'stört  wurde.  Die  ganze 
Gemarkung  ist  gegenwärtig  in  einem  höchst  vernachlässigten 
Zustande,  wodurch  angedeutet  scheint,  dass  der  Beherrscher 
dieses  Landes  seme  Unfähigkeit,  die  hiesigen  Unterthanen 
gegen  einen  anderen  Einfall  Wadäi's  vertheidigen  zu  können, 
anerkenne. 

Der  Statthalter  war  nicht  eben  ein  sehr  intelligenter 
Maim;  er  machte  mich  aber  zuerst  auf  den  Umstand  auf- 
merksam, dass  die  Einwohner  der  Stadt  Ngäla  eine  eigen- 
thümliche,  vom  Kanöri  ganz  verschiedene  Mundart  haben. 
Ich  fand  nachher,  dass  dieselbe  selbst  von  den  Dialekten  der 
anderen  bedeutenden  Plätze  in  der  Gemarkung  Kotokö  ver- 

B«rth'«  RaiMn.    UI.  16 


f 


242  IX.  KapiteL 

schieden,  dagegen  mit  der  Sprache  der  Tsfid- Insulaner 
(der  sogenannten  Büdduma,  deren  wirklicher  Name  aber 
Yedinä  ist)  einerseits  und  der  der  Müssgu  andererseits  sehr 
nahe  verwandt  ist.  In  einiger  Entfernung  von  Ngäla  liegt 
die  Stadt  Ndiffu  oder  Ndifü,  welche  eine  der  letzten  Festun- 
gen des  Stammes  der  Ssoi  oder  Ssö,  deren  ich  in  mei- 
nem geschichtlichen  Abrisse  des  Reiches  Bomu  wiederholt 
Erwähnung  gethan  habe,  gewesen  sein  soll.  Angeblich 
sind  daselbst  wiederholt  schöne  Schmucksachen  ausgegraben 
worden. 

[Dienstag,  9*^  März,]  Ich  hatte  auf  der  westlichen  Seite 
der  Stadt  kaum  Spuren  von  Anbau  bemerkt,  und  als  ich  am 
nächsten  Tage  meinen  Marsch  fortsetzte,  fand  ich  deren  eben- 
so wenig  auf  der  anderen  Seite.  Die  Umgegend  von  Ngäla, 
namentlich  die  nordöstliche  Seite,  ist  jedoch  in  den  Augen 
des  Bomu- Volkes  von  grossem  Interesse,  da  hier  das  Schlacht- 
feld zweier  wichtiger  Zusammentreffen  mit  den  Baghirmiem 
liegt,  in  deren  ersterem,  im  Jahre  1233  der  Hedjra,  der 
Sultan  Dünama  fiel  Meine  Gefährten,  die  sich  des  ganzen 
Verlaufs  jenes  Kampfes  sehr  wohl  erinnerten,  bezeichneten 
mir  mit  patriotischem  Enthusiasmus  die  verschiedenen  Stel- 
lungen, welche  ein  jeder  Schlachthaufen  eingenommen  hatte. 

Die  Gegend  wurde  jedoch  äusserst  einförmig;  eine  fast 
ununterbrochene  Ebene  von  jenem  schwarzen  Thonboden, 
dessen  oben  erwähnt  worden,  streckte  sich  in  weite  Feme 
hin.  Diese  Ebene  verwandelt  sich  aber  während  der  Regen- 
zeit, wo  hier  sämmtlicher  Boden  überschwemmt  ist,  in  ein 
unermessliches  Getreidefeld ,  welches  jene  eigenthümliche, 
Massäkuä  genannte  Sorghum-  oder  Holcus-Art  erzeugt.  Dann 
aber  ist  diese  Landschaft  kaum  für  Pferde,  geschweige  für 
Kameele  passirbar.  Einige  kleine  Dörfer,  von  Schüa  be- 
wohnt, wurden  in  einiger  Entfemung  im  Süden  bemerkt. 
Wir  hatten  dann  einen  langen  Aufenthalt,  indem  wir  in 
einer  niedrigen  Mimosenwaldung,  welche   diese   Ebene  um- 


Die  Stadt  Ren.  243 

gibt,  den  Weg  verloren,  bis  wir  endlich  eine  Dorfschaft 
Namens  Ssittahe  erreichten,  wo  wir  während  der  Tageshitze 
Rast  machten.  Diese  Ortschaft  besteht  aus  zwei  besonderen 
Gruppen,  von  welcheu  die  eine  grosse  runde  Rohrhütten  für 
die  Regenzeit  und  die  andere  leichte  längliche,  gänzlich 
aus  Matten  errichtete  Wohnungen  für  die  trockene  Jahres- 
zeit enthält.  Hier  wurden  wir  von  einem  Mallem,  welcher 
früher  ein  beträchtliches  Vermögen  besessen,  aber  durch 
Erpressungen  von  Seiten  der  Sklaven  seines  Landesherm 
viel  eingebüsst  hatte,  gastfreundlich  bewirthet.  Es  sind 
diese  unverschämten  Hofsklaven,  die,  ohne  Interesse  für 
die  Wohlfahrt  der  Einwohner,  dem  Lande  so  viel  Schaden 
verursachen. 

Was  die  Niederlassungen  der  Araber  in  der  Gemarkung 
Kotokö  betrifft,  so  werden  sie  nicht  über  200  Jahre  alt  sein. 
Die  meisten  von  diesen  Arabern  gehören  zu  dem  zahlreichen 
Stamme  der  Ssalamät. 

Am  Nachmittage  erreichten  wir,  nachdem  wir  4  Stunden 
weiter  gezogen,  die  Stadt  Ren.  Diese,  früher  ein  beträchtli- 
cher, jetzt  aber  fast  verödeter  Platz  mit  verfallenen  Mauern, 
hat  jedoch  ein  sehr  malerisches  Ansehen,  indem  schöne, 
reich  belaubte  Feigenbäume  die  Trümmer  hoher,  wohlgebau- 
ter Thonwohnungen  übei*wölben.  Meine  Wohnung  war  hier 
besser,  als  ich  erwartet  hatte,  —  eine  vortrefflich  gebaute 
Hütte,  mit  allen  Bequemlichkeiten  versehen,  die  ein  solches 
Gebäude  nur  gewähren  kann.  Die  behagliche  Ruhe,  welche 
mir  das  saubere  Ansehen  meiner  Hütte  versprach,  wurde 
jedoch  durch  Schwärme  von  Mücken,  welche  einem  grossen 
Sumpfe  an  der  Nordseite  der  Mauer  ihr  Dasein  verdankten, 
gar  sehr  gestört.  Die  Stadt  Ren  war  ehemals  der  Mittel- 
punkt eines  kleinen  Königreichs,  aber  gegenwärtig  völlig  ver- 
ödet ist.  Die  dortigen  Einwohner  haben  einen  besonde- 
ren Dialekt.  Der  Statthalter  war  ganz  beredt  in  der  Be- 
schreibung des  Elendes,  in  das  seine  Untergebenen  versunken 

16« 


244  IX.  Kapitel. 

seien,  erwies  sich  aber  dessenungeachtet  sehr  gastfrei  ge- 
gen mich. 

Indem  wir  den  erwähnten  Sumpf  bei  Seite  Hessen,  zogen 
wir  weiter  durch  einen  fruchtbaren  und  gut  bevölkerten 
Gau,  der  von  offenen  Weilern  reich  belebt  war,  während 
zahlreiche  Küma-Bäume,  jetzt  eben  mit  Frucht  beladen,  die 
Komgefilde  schmückten.  Es  gefiel  mir  wohl,  zu  bemerken,  dass 
die  Bewohner  denselben  Gebrauch  wie  die  Mussgu  haben, 
nämlich  ihren  Vorrath  an  Heu  und  Futterkraut  wähi-end  der 
trockenen  Jahreszeit  in  den  Baumästen  aufzubewahren.  Die 
Bewohner  sind  insgesanmit  Araber,  zu  den  Ueläd  Megebel 
gehörig,  deren  Häuptling  Tssa  A'sche  genannt  wird;  der 
Gau  heisst  Ranganä.  In  einer  beträchtlichen  Entfernung 
im  Süden  üegt  die  ummauerte  Stadt  Dema,  welche  dem 
Scheich  Abba  gehört.  Die  Araber  sind  entweder  Viehzüch- 
ter oder  Getreidebauer;  etwas  weiterhin  fanden  wir  jedoch 
auch  Baumwollenbau.  Nach  dieser  kleinen  Unterbrechung 
betraten  wir  wiederum  Firki-Boden,  wo  mich  mein  Gefahrte 
auf  eine  neue,  „ütutü"  genannte  Grasart  aufmerksam  machte, 
deren  Same  ausser  dem  erwähnten  Kreb  einen  gl'ossen 
Theil  der  Nahrung  der  ärmeren  Leute  in  dieser  Gegend 
abgibt. 

Dichte  Reihen  schöner  Tamarinden  bezeichneten  die  Nähe 
eines  Rinnsales,  welches  selbst  jetzt  vqn  Bedeutung  war,  in- 
dem es  über  100  Fuss  Breite  und  3  Fuss  9  Zoll  tief 
Wasser,  jedoch  keine  bemerkbare  Strömung  hatte.  Ein 
kleiner  Kahn,  welcher  am  Ufer  lag,  schien  anzudeuten,  dass 
es  mitunter  nicht  durchwatet  werden  kann,  was  ich  auch 
auf  meiner  Rückreise  selbst  erfuhr,  als  ich  es  bei  Legäri, 
etwas  weiter  unterhalb,  wo  es  eine  weite  Krümmung  nach 
Westen  bildet,  passirte.  Dieses  Rinnsal,  welches  während 
der  Regenzeit  dem  See  eine  beträchtliche  Wassermenge  zu- 
führt, heisst  Komädugu  Lebe.  Ehemals  stand  die  bedeu- 
tende Stadt  Ssulö  an  dem  jenseitigen  Ufer;  diese  ist  aber  ge- 


Die  Stadt  Afade.  245 

genwärtig  verlassen  und  die  Ruinen  sind  mit  dichter  Wal- 
dung durchwachsen.  Etwas  weiterhin  bezeugten  die  Überreste 
einer  anderen  alten  Stadt  die  frühere  Wichtigkeit  dieser  Ge- 
gend. Wir  nahten  uns  nunmehr  der  grössten  Stadt  im  Lande 
Kötoko,  aber  es  waren  kaum  Spuren  von  Anbau  bemerkbar, 
mit  Ausnahme  einer  jungen  Baumwollenpflanzung,  und  die 
dichte  Waldung  reichte  bis  an  die  Mauern  der  ausgedehnten, 
aber  in  schleunigem  Verfall  begriflfenen  Stadt. 

Das  ganze  Innere  der  Stadt  Afade  ist  gegenwärtig  ein 
grosser  Schutthaufen,  aus  welchem  hie  und  da  ein  in  etwas 
baulichem  Zustande  befindliches  Gebäude  hervorragt,  und 
ihre  grösste  Zierde  besteht  jetzt  in  einem  prachtvollen  Fei- 
genbaume von  der  „büske"  genannten  Art,  welche,  wie  ich 
glaube,  mit  dem  von  den  Arabern  bei  Timbuktu,  ,due"  ge- 
nannten Baume  identisch  ist.  Ich  erinnere  mich  jedoch  nicht, 
je  wieder  ein  so  herrliches  und  üppiges  Exemplar  die- 
ser Familie  des  Pflanzenreiches  angetroffen  zu  haben,  als 
dieser  „büske"  von  A'fade  war;  freilich  wird  seine  Pracht 
durch  die  traurige  Sccne  umher  gehoben.  Indem  er  sein 
gewaltiges,  undurchdringliches  Dach  vom  frischesten  und 
lieblichsten  Grün  über  einen  grossen  Theil  des  Platzes  vor 
den  hohen  Ruinen  der  Behausung  des  Statthalters  ausbrei- 
tete, bildete  er  den  Versammlungsort  —  „fage"  —  für  die 
Müssiggänger  dieser  einst  so  betriebsamen  und  wohlhaben- 
den, aber  jetzt  gänzlich  herabgesunkenen  Stadt. 

Meine  in  dem  oberen  Stockwerke  eines  Hauses  befindliche 
Wohnung  war  ziemlich  leidlich;  sie  war  luftig  und  gewährte 
eine  Aussicht  über  die  umliegenden  Stadttheile,  wobei  ich 
denn  die  Vortrefflichkeit  des  Thones,  aus  dem  die  Häuser 
erbaut  sind,  bewundem  musste.  (Der  Thon  scheint  über- 
haupt in  früherer  Zeit  im  Lande  Kotokö  die  leichteren  Bau- 
stoffe, wie  Rohr  und  Stroh,  gänzlich  ausgeschlossen  zu  haben.) 
Ich  bemerkte,  dass  selbst  viele  von  den  runden  Hütten  eine 
beträchtliche  Höhe  hatten  und  mit  einem  flachen  Thondache 


I 


246  IX,  KapiteL 

versehen  waren*  welches  eine  hübsche,  mit  einer  niedrigen 
Brustwehr  umzogene  Terrasse  bildete. 

Ehedem  scheint  in  diesem  kleinen  Königreiche  Kotokö  ein 
beträchtlicher  Grad  von  Bildung  geherrscht  zu  haben.  Übri- 
gens war  dasselbe  nicht  ein  einziges  Reich,  sondern  zerfiel  in 
eine  Gruppe  von  Fürstenthümem,  welche,  wie  aus  der  grossen 
Mannichfaltigkeit  der  Mundarten  ersichtlich  ist  —  denn  jedö 
grössere  Stadt  (als  lüessem,  Gulfe  und  Küssuri,  Makari  und 
Mäfate,  Afade,  Ren  und  endlich  Ngäla  mit  der  etwas  ab- 
weichenden Form  von  Ndiflfu  und  den  Nachbarorten)  hat  ihre 
besondere  Mundart  — ,  von  einander  ganz  unabhängig  waren. 
Wenn  wir  nun  erwägen,  dass  diese  Landschaft  in  dem  von 
Ebn  Chaldün*)  erhaltenen  Verzeichnisse  der  Negerländer  des 
Ebn  Süd  (1283  n.  Chr.),  worin  selbst  die  Kürl  (die  Bewoh- 
ner  von  Kargha)  nicht  vergessen  sind,  nicht  vorkommt,  wäh- 
rend sie  von  MakrTsi  **)  augenscheinlich  ei-wähnt  wird :  so 
dürfte  sich  daraus  ergeben,  dass  sie  erst  im  Laufe  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  zu  Bedeutung  gelangte.  Obgleich  wir 
die  Verhältnisse,  aus  denen  dies  entsprang,  nicht  genau  anzu- 
geben vermögen,  lässt  sich  doch  annehmen,  dass  der  Kampf 
zwischen  den  beiden  mächtigen  üynastieen  von  Bornu  und 
Buläla  wesentlich  zu  diesem  Aufschwung  beitrug. 

Was  den  Dialekt  von  Äfade  betrifft,  von  welchem  ich  ein 
kurzes  Wörterverzeichniss  ansammelte,  so  scheint  er  ein 
Übergangsglied  zwischen  der  Mundart  der  Yedinä  ***) ,  der 
Tsäd-Insulaner,  einerseits  und  derjenigen  der  Müssgu  ande- 
rerseits zu  bilden. 

In   der  Gemarkung  Äfade  besteht  ein  grosser  Theil  der 


*)  £bn  Chaldüii,  Arab.  Text,  vol.  I,   p.  200 ;  trad.  S.  Macguckin  de  Slano, 
vol.  II,  p.  116. 

•*)  Makiisi  bei  Hamaker,  Spec.  Catalog.y  p.  206:  /^X^^lj  . 

***)  Ich  wiederhole   hier  die,   wie  ich   glaube,   bereits   an    einer  anderen 

Stelle  gemachte  Bemerkung,   dass  unter  Makilsi's  LÜUi  meiner  Ansicht  nach 
die  T^diiüi  zu  verstehen  sind. 


Eigenthümlicbe  Antilopenart.  247 

Bevölkerung  aus  Schüa,  hauptsächlich  vom  Stamme  der 
E'  Nedjaime  und  Ueläd  Abu  Chodhair.  Der  Statthalter  war 
zur  Zeit  gerade  abwesend,  indem  er  einen  kleinen  Zug  unter- 
nommen hatte,  um  diese  sehr  unstäten  und  oft  widerspen- 
stigen Leute  zu  züchtigen.  Ungeachtet  seiner  Abwesenheit 
behandelte  man  uns  sehr  gastfreundlich  und  wir  erhielten 
zum  Abendessen  ein  Schaaf ,  mehrere  Schüsseln  mit  Neger- 
kom  und  ein  vortrefflich  zubereitetes  Gericht  sehr  schmack- 
hafter Fische  aus  dem  Flusse  Lebe;  auch  hatten  wir  keinen 
Mangel  an  Milch. 

Es  wäre  gewiss  sehr  interessant  gewesen,  hier  einige  Tage 
verweilen  zu  können,  um  eine  klarere  Einsicht  in  die  Eigen- 
thümlichkeiten  dieser  Provinz  zu  erlangen;  da  jedoch  das 
entferntere  Ziel  meiner  Reise  einen  längeren  Aufenthalt  nicht 
gestattete,  so  setzte  ich  am  folgenden  Tag  meinen  Marsch 
fort.  —  In  allen  diesen  Städten  trifft  der  Reisende  die  un- 
bequeme Einrichtung,  dass  die  Thore  nicht  weit  genug  sind, 
um  beladene  Kameele  hindurch  zu  lassen. 

Als  wir  die  Heerstrasse  da,  wo  die  Waldung  durch  etwas 
Baumwollenbau  unterbrochen  wird,  erreichten,  erblickte  ich 
zwei  schöne  Exemplare  der  hier  „tigdim"  genannten  Anti- 
lope, welche  graufarbig,  niedrig  gebaut  und,  wie  ich  glaube, 
mit  der  Antilope  annulipes  entweder  identisch  oder  doch  ihr 
nahe  verwandt  ist.  Sonst  ist  mir  diese  Antilopenart  im  Sudan 
nicht  wieder  vorgekommen. 

Weiterhin,  wo  der  Boden  aus  jener,  von  den  Eingeborenen 
„kabe"  genannten,  in  der  dürren  Jahreszeit  überaus  harten 
Erdart  bestand  und  spärlich  mit  Zwergmimosen  bewachsen 
war,  belebten  so  giosse  Schwärme  von  Perlhühnern,  wie  ich 
noch  nie  vorher  gesehn  hatte,  das  Gestrüppe.  Ich  bemerkte 
hier  mit  grossem  Interesse  die  rothe  Art  des  Negerkomes, 
welche  von  den  gebildeteren  Stämmen  des  Sudans  nicht  an- 
gebaut zu  werden  scheint,  aber  das  Hauptnahrungsmittel  der 
heidnischen  Völkerschaften  im  Süden  ist 


I 


248  IX.  Kapitel. 

Nachdem  wir  bei  einem  Schüa- Weiler  —  „Berl  Schüabe"  — 
vorbeigekommen  waren,  wurde  die  Landschaft  mannichfalti- 
ger.  Ein  beträchtlich  grosser,  mit  schönen  Räumen  umsäum- 
ter  Teich,  der  gegenwärtig  aber  ausgetrocknet  war,  ei*streckte 
sich  zu  unserer  Linken,  und  zu  unserer  Rechten  lagen  die 
Ruinen  der  ehemaligen  grossen  Stadt  Ssü,  welcher  Name 
mit  dem  alten  Stamme  der  Ssö  oder  Ssoi,  der  einst  dieses 
ganze  Land  bis  nach  Kala  beherrschte,  Zusammenhang  zu 
haben  scheint.  Eine  arme  Frau,  vor  Altersschwäche  unfähig, 
die  Marktstadt  zu  erreichen,  sass  an  der  verfallenen  Stadt- 
mauer imd  bot  den  Vorübergehenden  die  wenige  Baumwolle 
zum  Kauf  an,  die  sie  hatte  reinigen  können.  —  Das  Land 
ist,  namentlich  wegen  des  wilden  Treibens  der  Schüa-Araber, 
in  einem  solchen  Zustande ,  dass  auch  diese  Strasse  für  un- 
sicher gehalten  wird,  —  so  dass  mein  kleiner  Trupp  nebst 
mehreren  Leuten  aus  Logon,  die  sich  uns  angeschlossen  hat- 
ten, genöthigt  war,  sich  eng  zusammenzuhalten.  Die  Strasse 
theilt  sich  hier,  indem  ein  breiterer  Pfad  nach  der  Stadt 
Küssuri  und  ein  schmalerer,  südwärts  gehender,  den  wir  ein- 
schlugen, nach  Logon  birni  oder  Karnak  Logone  führt. 

Wii'  kamen  hierauf  bei  zwei  Dörfern  vorbei ,  Namens  De- 
bäbe  Gesäua  und  Debäbe  Ngaia,  von  welchen  das  letztere 
auch  noch  den  sehr  bemerkenswerthen  Zunamen  Krönik  hat 
und  nach  Angabe  der  Bewohner  dortiger  Gegend  die  Haui)t- 
stadt  oder  eine  der  Hauptstädte  der  einst  so  mächtigen  Ssö 
gewesen  ist.  Den  genauen  Zeitpunkt  ihrer  Zerstöiimg  ver- 
mag ich  nicht  zu  bestimmen;  aber  sie  fand  wahrscheinlich 
während  der  Regierung  des  grossen  Kanöri- Königs  Edriss 
Alaöma  (zu  Anfang  des  siebzehnten  Jahrhunderts)  statt.  In 
neuerer  Zeit  ward  der  Boden  der  hiesigen  Umgegend  mit 
dem  Blute  zahlreichen  Bornu- Volkes  getränkt,  nämlich  hi 
dessen  wilden  Streitigkeiten  mit  seinen  Nachbarn,  den  Ba- 
ghirmi  oder  Bägrimma,  und  es  war  in  einem  dieser  Kämpfe, 
und  zwar  bei  der  ummauerten  Stadt  Miltam,  wo  vor  40  Jah- 


Die  Sümpfe  um  Kala  herum.  249 

ren  (1232  d.  H.)  der  Scheich  Mohammed  el  Känemi  seinen 
ältesten  und  geliebtesten  Sohn  verlor. 

Wir  tränkten  misere  Thiere  an  einem  seichten  Strome, 
der  sich  im  Wiesengrunde  ausbreitete,  setzten  dann  unseren 
Marsch  fort  und  mussten  um  11^  Uhr  einen  sehr  schwie- 
rigen Sumpf  überschreiten,  wobei  mehrere  von  unseren  Leu- 
ten stecken  blieben.  Diese  ganze  G-egend  ist  theilweisen 
Überschwemmungen  ausgesetzt;  es  sclieint  aber  sehr  bemer- 
kenswei-th,  dass  dieselben  nicht  während  oder  am  Ende  der 
Regenzeit,  sondern  mehiere  Monate  später  ihre  grösste  Höhe 
erreichen,  und  als  ich  später  (Ende  August),  während  des 
hohen  Standes  der  Regenzeit,  durch  dieses  Land  reiste,  fand 
ich,  dass  nicht  nur  dieser,  sondern  auch  die  anderen  Sümpfe 
beträchtlich  weniger  Wasser  enthielten,  als  im  Mäi*z.  Dieser 
Umstand  entsteht  aus  der  eigehthümlichen  BeschafiFenheit  des 
Tsäd,  welcher  sein  höchstes  Niveau  im  November  erreicht, 
wo  sich  alle  aus  den  verschiedenen  Flüssen  und  Strömen 
kommenden  Gewässer  über  den  gesammten  Bereich  der  Lache 
ausgebreitet  haben,  während  der  Verlust  durch  Verdunstung 
dann  auch  viel  geringer  ist,  als  in  den  heissen  Monaten. 

Nachdem  wir  eine  sehr  dichte  Waldung,  die  voll  von  wil- 
den Schweinen  war  (denselben  schienen  diese  niedrigen,  sum- 
pfigen und  dicht  bewachsenen  Gründe  an  den  Ufern  des 
Schäri  vorzüglich  zu  behagen),  durchschnitten  hatten  und 
dann  über  einen  anderen  Sumpf  gekommen  waren,  wo  die 
Waldung  endlich  lichter  wurde,  gewahrten  wir  die  hohen 
Thonmauem  der  Stadt  Kala,  welche  ein  lieblicher  Hain  un- 
geheuerer Feigenbäume  umzog  und  eine  einzelne  riesige,  ob- 
wohl etwa«  gebeugte  Palme  mit  ihrer  kleinen  Fächerkrone 
überragte. 


I 


X.  KAPITEL. 

Die  Provinz  Logo n.   —  Logonbirni. 


Kala  ist  die  erste  Stadt  im  Gebiete  von  Logön  oder  L6- 
gone,  dessen  Grenzen  wir  kurz  vorher  überschritten  hat- 
ten. Durch  ein  äusserst  enges  Thor,  welches  kaum  mein 
schlankes  Kameel,  nachdem  die  ganze  Ladung  abgenom- 
men worden  war,  durchliess,  zogen  wir  in  die  Stadt  ein. 
Gleich  beim  ersten  Anblick  erschien  ihr  Äusseres  auffallend 
abweichend  von  den  soeben  verlassenen  Gegenden;  denn 
wälirend  die  Wohnungen  einen  gewissen  Grad  von  Gesittung 
anzeigten,  glichen  die  Einwohner  selbst  mehr  heidnischen 
Völkerschaften,  als  den  Moliammedancni.  Wir  wurden  so- 
fort von  einem  Haufen  7  bis  12  Jahre  alter  Knaben  um- 
ringt, welche,  schlank  und  wohlgebaut,  völlig  nackt  waren. 
Dies  sieht  man  im  eigentlichen  Bomu  selbst  bei  Sklaven  fast 
niemals.  Die  Form  ihrer  Gesichtszüge  war  sehr  verschieden 
von  dem  in  Bomu  vorherrschenden  Typus  und  deutete  ande- 
rerseits mehr  natürlichen  Verstand  und  Vei-schlagenheit  an. 
Ich  habe  bereits  beim  Müssgu-Lande  bemerkt,  wie  sehr  der 
Zustand  der  Wohnungen  gegen  die  Kleidung  oder  vielmehr 
gegen  den  Mangel  an  Kleidung  der  Eingeborenen  abstach; 
aber  hier  war  es  noch  auffallender,  da  die  Wohnungen  mei- 
stens nicht  runde  konische  Hütten,  sondern  geräumige,  hohe 
Thonhäuser  von  länglicher  Form  waren.  Ich  wurde  in  einem 
dieser  Gebäude  beherbergt,  fand  es  aber  sehr  schwül  und 
voller  Staub. 


Die  Stadt  Kala.  251 

Die  Stadt  schien  im  äussersten  Verfall  begriffen  und  nur 
der  mittlere  Theil  derselben  noch  bebaut  und  bewohnt  zu  sein. 
Die  einzigen  bemerkenswerthen  Gegenstände  waren  zwei  Pal- 
men, von  welchen  ich  die  eine  bereits  von  aussen  bemerkt 
hatte;  ich  fand  nun,  dass  es  nicht  Dattelpahnen,  sondern  Fä- 
cherpalmen waren.  Sie  waren  niclit  gabelförmig,  gehörten  nicht 
zur  Cucifera  Thebaica  und  waren  ebenso  wenig  Delebpalmen. 
Dieselben  waren  jedenfalls  die  höchsten  Bäume  der  gefächer- 
ten Familie,  die  ich  je  gesehn  zu  haben  mich  erinnere;  ihre 
Höhe  war  bei  dem  kleinen,  auf  den  höchsten  Wipfel  be- 
schränkten Blätterbüschel  um  so  überraschender. 

Da  die  Stadt  nichts  von  Interesse  darbot,  ging  ich  am 
Nachmittage  hinaus  und  ruhte  ein  Paar  Stunden  im  Schat- 
ten eines  jener  schönen  Feigenbäume,  welche,  von  einem 
grossen  und  tiefen  Sumpfe  befruchtet,  die  Stadt  rings  um- 
ziehen ;  aber  so  angenehm  ich  mich  während  des  Tages  er- 
holt hatte,  um  so  trauriger  brachte  ich  die  Nacht  zu,  da  eben 
dieser  stehenden  Lachen  wegen  die  Stadt  voll  von  Mücken  ist, 
80  dass  ich  und  alle  meine  Gefährten  kein  Auge  schliessen 
konnten. 

Wir  standen  daher  lange  vor  Tagesanbruch  auf  und  hat- 
ten bereits  um  4  Uhr  Morgens  das  Stadtthor  hinter  uns.  Es 
findet  selbst  bei  dem  gegenwärtigen  zerrütteten  Zustande  die- 
ser Gemarkung  noch  beträchtlicher  Baumwollenbau  statt,  aber 
dieser  Anbau  ist  hier  einer  unermesslichen. Ausdehnung  fähig. 
Hierauf  folgten  Äor^Äww-Felder  und  weiterhin  verkündete  das 
Blöken  des  Viehs  und  das  Glucken  der  Hennen  das  Dasein 
eines  Schüa-Dorfes,  welches  in  geringer  Entfernung  zur  Lin- 
ken lag.  Angebaute  Stellen  wechselten  mit  Waldung  ab,  wo 
das  Wildschwein  überall  häufig  war,  und  zahlreiche  Dorf- 
schafben lagen  umher,  die  jedoch  gegenwärtig  alle  verlassen 
waren,  da  die  Einwohner,  welche  zu  den  Schüa  gehören,  wäh- 
rend der  trockenen  Jahreszeit  nach  Südwesten  an  ein  seich- 
tes Rinnsal  wandern,  das  gewiss  mit  dem  oberen  Laufe  des 


I 


252  X.  Kapitel. 

rmbulü  in  Verbindung  steht,  und  wo  sie  für  ihr  Vieh  fri- 
schere Weiden  finden.  Dieses  Ngäldjam  ist  unter  den  Namen 
BauTsch,  Madef  und  Burbede  weit  und  breit  bekannt.  Wir 
passirten  sodann  zur  Linken  die  Stadt  U'lluf ,  Hulluf  oder 
Helib ,  welche  mit  einer  hohen  Lehmmauer  umzogen  und  ge- 
rade wie  Kala  von  reichkronigen  Feigenbäumen  fast  verhüllt 
ist.  Diese  Stadt,  deren  Name  von  den  Arabern  „Elf  ausge- 
sprochen wird  und  über  deren  Ursprung  sie  höchst  unge- 
reimte Überlieferungen  haben,  ist  wegen  der  vermeintlichen 
Hexerei  und  Zauberei  ihrer  Einwohner  verrufen,  was  der  ein- 
zige Grund  war,  dass  meine  Gefährten  hier  während  der  Ta- 
geshitze nicht  Halt  machen  wollten. 

Wir  setzten  also  unseren  Marsch  fort  und  kamen,  nachdem 
wir  einen  anderen  Sumpf  überschritten  hatten,  in  eine  gut  an- 
gebaute Gegend,  wo  viel  Sorghum  gebaut,  wurde.  Es  wun- 
derte mich  jedoch,  die  hüttenähnlichen  Haufen  der  Getreide- 
schober —  „bägga  argiimbe",  wie  sie  im  Kanöri  heissen  — 
noch  auf  dem  Felde  stehn  zu  sehn. 

Wir  lagerten  etwas  jenseits  der  zeitweiligen  Dorfschaft  des 
Scheich  el  Chasses,  dicht  an  einem  ausgedehnten  Gewässer, 
im  Schatten  einer  schönen  Tamarinde.  Dieses  Gewässer  trock- 
net, wie  mich  die  Leute  versicherten,  jährlich  nur  eine  kurze 
Zeit  ein,  worauf  die  Regen  es  alsobald  wieder  anfüllen.  Alle 
diese  einheimischen  Araber  sind,  wie  bereits  bemerkt  wurde, 
sehr  ungastlich  und  die  Leute  aus  dem  Dorfe  boten  uns  kei- 
nerlei Erfrischung  an ;  es  gelang  mir  jedoch,  für  einige  Nadeln 
etwas  Honig  zu  kaufen. 

Als  wir  am  Nachmittage  wieder  aufbrachen,  fanden  wir  es 
sehr  schwierig,  die  Sümpfe  zu  vermeiden.  Das  Land  war  mit- 
unter gut  angebaut  und  erzeugte  ausser  Sorghum  die  ge- 
fleckte Art  Bohnen ;  es  überraschte  mich  jedoch,  inmitten  der 
Stoppelfelder  junge  Saat  der  „massäkuä"  genannten  Sorghum- 
Art  aufschiessen  zu  sehn.  Das  ist  in  diesen  Ländeni  eine 
seltene  Erscheinung  im  Monat  März,  da   dieses  Winterkorn 


Eintritt  in  das  Stadtgebiet  Logdn.  258 

gewöhnlich  während  des  Dezembers  oder  Januars  geerntet 
wird.  Wir  betraten  hierauf  einen  Wald  und  erreichten  auf 
gewundenem  Pfade  das  ziemlich  beträchtliche  Dorf  Miinke, 
welches  zu  Logon  gehört,  aber  meistens  von  Kanöri  bewohnt 
wird.  Hier  schlug  ich  mein  Zelt  auf  dem  Marktplatze  auf, 
von  einer  Anzahl  Neugieriger  ungemein  behelligt. 

Das  Land,  welches  wir  durchzogen,  als  wir  uns  der  Haupt- 
stadt von  Logon  näherten,  war  von  reicher  und  finichtbarer 
Beschaflenheit,  aber  nur  mangelhaft  angebaut.  Ausser  Ge- 
treide fand  sich  beträchtlich  viel  Baumwolle ;  zahlreiche  Bäume 
mannichfaltiger  Art  erhöhten  die  Anmuth  der  Landschaft, 
durch  ihr  schönes,  reiches  Laub,  welches  die  Einförmigkeit, 
die  sonst  der  Lmer- Afrikanischen  Waldung  eigen  ist,  gänzlich 
aufhob.  Im  Unterholze  herrschte  das  Dümgestrüppe  vor,  all- 
mähUch  aber  fing  der  „liaräss"  oder  „karäge"-Baum  an,  den 
Vorrang  zu  gewmnen.  Die  Schoten  dieses  Baumes,  welche 
die  Samen  enthalten,  sind  ein  Lieblingsfutter  nicht  nur  für 
Kameele,  sondern  auch  für  Affen  und  Schweine,  welche  beide 
in  dieser  Landschaft  sehr  zahlreich  zu  sein  scheinen  und  in 
bestem  Emvernehmen  mit  einander  leben.  Zahlreiche  Höh- 
len desT^dschweins  (Orycteroßus  Aethio^iensis) wurden  gleich- 
falls bemerkt. 

Wir  trafen  eine  Anzahl  von  Reisenden  und  zu  Markte  zie- 
henden Leuten,  welche  uns  freundlich  grüssten,  wodurch  sich 
denn  die  Nähe  einer  grösseren  Oiischaft  andeutete.  Diese 
Andeutung  wurde  bestätigt  durch  das  Ei-scheinen  mehrerer 
Weiber,  welche  aus  der  Stadt  gekommen  waren,  um  Brenn- 
holz für  den  Markt  zu  sammeln.  Ich  wurde  angenehm  über- 
rascht, meine  alte  majestätische  Bekannte  aus  dem  Mussgu- 
Lande,  die  Delebpalme  — „urai" —  hier  wiederzusehn.  An- 
fangs liess  sie  sich  nur  einzeln  sehn ,  mit  *  ihrer  stolzen  fä- 
cherartigen Belaubung  hoch  über  die  zahlreichen  Karäge- 
Bäume,  welche  noch  den  Vorrang  im  Pflanzenwuchs  behaup- 
teten,  emporragend;    aber    sowie   an  die   Stelle  des  Thon- 


I 


254  X.  Kapitel. 

bodens  Sand  trat,  erschien  eine  grosse  Gruppe  in  gedräng- 
ter Ordnung  und  voll  von  Früchten.  Doch  waren  sie  auf 
diese  Stelle  beschränkt  und  ich  traf  bis  nach  der  Stadt  hin 
weiter  keinen  Baum  dieser  Art  an. 

Als  wir  die  Stadtmauer  gewahrten,  wechselte  mein  Reiter 
seine  Kleidung,  indem  er  eine  schillernde  schwarze  Nüpe-Tobe 
anzog,  um  seinen  Einzug  mit  grösserem  Glanz  zu  halten,  wäh- 
rend ich  das  Vergnügen  hatte,  hier  wieder  einige  frühere  Rei- 
segefährten zu  treflfen,  in  deren  Gesellschaft  ich  auf  meiner 
Adamaua -Reise  über  den  Benue  gesetzt  war,  und  die  sich 
nun,  anstatt  die  Reise  in  ihre  Heimath  im  Westen  fortzu- 
setzen, wieder  auf  dem  Wege  nach  Osten  befanden,  eher 
um  ihren  kleinen  Handelsspekulationen  nachzugehen,  als  um 
noch  einmal  die  heiligen  Stätten  ihres  Glaubens  zu  besuchen. 
Wir  betraten  hierauf  die  Hauptstadt  von  Logon  —  Logön 
bimi  oder  Kamak  Loggon,  wie  sie  bei  den  Schüa,  oder 
Kämak  Logone  oder  Loggene,  wie  sie  bei  den  Kanöri  heisst  — . 
Die  Stadt  hat  auf  dieser  (der  nordwestlichen)  Seite  nur  Ein 
Thor,  und  dies  war  so  eng,  dass  wir  dem  Kameel  die  La- 
dung abnehmen  mussten,  ehe  wir  durchkommen  konnten. 
Die  Rührigkeit  und  Betriebsamkeit  der  Stadt  ist  natürlich 
auf  die  östliche  oder  Flussseite  gerichtet,  und  hier  hat  sie 
sieben  Thore. 

Das  Innere  der  Stadt  hatte  auf  der  Seite,  wo  wir  sie  be- 
traten, keineswegs  ein  sehr  reges  Ansehen.  Die  ersichtlich 
von  der  ärmeren  Bevölkerung  bewohnten  Hütten  waren  in 
einem  elenden  Zustande,  und  das  einzige  Anziehende  in  der. 
Scene  bestand  in  einer  Gruppe  Dümpalmen,  welche  sich  an 
der  Nordseite  dieses  ärmlichen  Stadttheiles  erhob.  Das  An- 
sehen des  Platzes  besserte  sich  jedoch,  als  wir  weiter  in's 
Innere  vordrangen;  hier  sind  die  Strassen  ziemUch  breit,  und 
es  überraschte  mich  der  in  seiner  Art  grossartige  Charakter 
der  Hauptstrasse  —  „dendal"  — ,  welche  durch  den  Palast 
des  Sultans  —  „miarä^^  —  an  der  Südseite  imd  das  Haus 


Logön  birnL  255 

des  Keghämma  —  „ibälaghuän"  —  an  der  Nordseite  gebil- 
det wird. 

Der  Eingang  zum  Palaste  des  Sultans  —  „raäna  miarä" 
in  der  Sprache  von  Logon  („kelakü  Logon")  —  befindet 
sich  an  der  Ostseite,  an  einem  offenen,  von  einigen  Bäumen 
beschatteten  Platze;  hier  hatte  ich  eine  geraume  Zeit  zu 
Pferde  zu  warten,  während  man  meine  Wohnung  bereit 
machte,  da  die  Etiquette  mir  nicht  gestattete,  abzusteigen. 
Die  Sonne  brannte  sehr  heftig  und  meine  Lage  war  durch- 
aus nicht  angenehm ;  es  gewährte  mir  jedoch  Unterhaltung, 
die  Schwärme  von  Falken  und  anderen  Vögeln  zu  beobach- 
ten, welche  in  den  Wipfeln  einer  Gruppe  hoher  Dümpalmen 
nisteten,  die  über  die  etwas  verfallenen  Mauern  der  dem 
Palaste  gegenüber  gelegenen  Moschee  herüberragten. 

Ich  hatte  auch  das  Vergnügen,  einen  alten  Freund  des 
Major  Denham  zu  treflfen,  nämlich  Beläl,  welcher  ihn  auf 
seinen  Zügen  nach  dem  Schärf  und  nach  Känem  begleitete. 
Dieser  Mann,  welcher  eigentlich  M&di  hiess  und  einen 
höchst  liebenswürdigen,  gutmüthigen  Charakter  und  fast  etwas 
Europäisches  in  seinem  Wesen  hatte,  blieb  während  der 
Zeit  meines  ferneren  Aufenthalts  in  Bömu  mein  Freund. 
Sein  Geschäft  in  dieser  Stadt  war  gegenwärtig,  den  jähr- 
lichen Tribut,  welchen  der  Fürst  des  Landes  Logon  dem 
Scheich  von  Bornu  zu  entrichten  hat,  zu  erheben. 

Die  mir  angewiesene  Wohnung  befand  sich  im  oberen  Stock- 
werke des  Palastes  des  Ibdlaghuän,  welcher  mich  durch  seine 
vorzügliche  und  selbst  grossartige  Bauart  in  Erstaunen  setzte. 
Dieser  sehr  geräumige  Palast  besteht  aus  einer  Anzahl  von 
Flügeln,  welche  kleine  vierseitige  Höfe  einschliessen  und  ein 
oberes  Stockwerk  mit  vielen  grossen  Gemächern  haben. 
Der  einzige  Theil,  welcher  der  sonstigen  Grossartigkeit  des 
Gebäudes  nicht  entsprach,  war  die  Treppe,  welche  gar  dun- 
kel und  unbequem  war.  Mein  eigenes  Zimmer  hatte  nicht 
weniger  als  35  Fuss  Länge,  15  Fuss  Breite  und  ebensoviel 


256  X.  Kapitel. 

in  der  Höbe  und  erhielt  sein  Licht  durch  zwei  halbkreisför- 
mige Fensteröffnungen,  die  natürlich  keine  Glasscheiben 
hatten,  aber  vermittelst  eines  der  Öffnung  entsprechend  ge- 
bildeten Ladens  von  Rohr  geschlossen  werden  konnten.  Die 
Decke  war  giebelförmig  —  eine  hier  zu  Lande  auffallende 
Erscheinung  —  und  mit  einer  Strohlage  ausgefüllt. 

Aber  nicht  nur  meine  Wohnung  war  vortrefflich,  son- 
dern auch  die  Behandlung,  die  ich  erfuhr,  war  äusserst 
gastfrei;  denn  ich  hatte  kaum  das  mir  bestimmte  Gemach 
in  Besitz  genommen,  als  eine  Schüssel  mit  einer  ausgezeich- 
neten Mehlspeise  erschien.  Es  ist  aber  auffallend,  welchen 
diebischen  Gelüsten  das  Volk  von  Logon  ergeben  ist; 
gleich  die  erste  Andeutung,  welche  ich  davon  erhielt,  war 
eine  offizielle  Warnung,  mich  vor  den  Sklaven  meines  Hauses 
in  Acht  zu  nehmen. 

Nachdem  ich  mich  ein  wenig  erholt  ho-tte,  ging  ich  mit 
dem  Kaschella  Mädi  aus,  um  dem  Ibalaghuän  oder  Keghämma 
meine  Aufwartung  zu  machen.  Wir  fanden  ihn  in  dem,  auf 
dem  S.  259  folgenden  Grundrisse,  mit  a  bezeichneten  Gemache. 
Zuerst  war  er  für  mich  unsichtbar,  denn  er  sass  hinter  sei- 
nem Mattenvorhange,  —  dem  „parpar"  oder  „farfar"  — ,  wel- 
chem die  Haussa  die  humoristische  Benennung  „munafeki" 
(„Sünder")  beilegen,  und  welcher  aus  einem  feinen  Bin- 
sengrase gemacht  ist;  er  gestattete  mir  jedoch  bald,  mich 
ihm  zu  nahen.  Er  war  ein  grosser,  ältlicher  Mann  mit 
einem  freundlich  lächelnden  Gesichte.  In  seinem  Benehmen 
war  nichts,  was  verrieth,  dass  er  von  unfreier  Geburt  war, 
wie  denn  auch  seine  Stellung  in  der  That  eine  hohe  war; 
denn  er  war  die  zweite  Person  im  kleinen  Königreiche 
und  seine  Wüide  entsprach  der  eines  Premiermiuistei's 
oder  Veziers.  Sein  Name  ist  Herdege.  Ich  machte  ihm 
ein  kleines  Geschenk,  das,  so  unbedeutend  es  war,  ihn 
doch  zu  befriedigen  schien,  und  zeigte  ihm  dann  das  sei- 
nem Herrn    zugedachte.     Arm   und   von  Mitteln  entblösst. 


^  Aadienz  beim  Sultan  von  Lögone.  257 

wie  ich  auch  dermalen  war,  hatte  ich  beschlossen,  meine 
eigenen  Türkischen  Beinkleider  von  schönem  braunen  Tuche, 
die  ich  kaum  einmal  angehabt,  wegzugeben,  um  meine 
Bahn  zu  ebnen;  denn  ausser  diesem  Gegenstande  hatte  ich 
nur  Kleinigkeiten  anzubieten,  wie  Turbane,  Messer,  Schee- 
ren,  Weihrauch  imd  einiges  Gewürz.  Der  Keghämma  zollte 
meinem  Geschenk  Beifall,  und  ich  begab  mich  daher  sofort 
mit  M&di  Beläl  zum  Sultan  —  „miarä",  —  um  ihm  meine 
Ehrerbietung  zu  bezeigen. 

Der  Palast  des  Sultans  ist  ein  sehr  ausgedehntes  Gebäude, 
von  einer  14  Fuss  hohen  Mauer  umgeben  und  ungefähr  von 
gleicher  Höhe  mit  dem  Hause  des  Keghämma. 

Der-  öflFentliche  Thcil  des  Gebäudes  besteht  aus  einer  Reihe 
von  grossen  ,  durch  überdachte  Gemächer  von  einander  ge- 
trennten Höfen.  In  dem  ersten  Hofe,  im  Grundrisse  mit  a  be- 
zeichnet, waren  in  einer  Art  leicht  gebauter  Schattenhalle 
die  Eunuchen  (oder,  wie  die  Logone-Leute  sagen,  die  „Bille- 
Melägem")  versammelt.  Ich  wurde  hier  nicht  wenig  über- 
rascht, zwei  eiserne  Kanonen  zu  finden,  freilich  nicht  von 
sehr  guter  Arbeit  und  von  hohem  Alter,  aber  doch  selbst 
mit  Laflfetten  versehen.  Hier  hatte  ich  eine  Zeit  lang  zu 
warten,  um  angemeldet  zu  werden,  und  betrat  dann  ein 
zweites  Vorzimmer,  mit  b  bezeichnet;  Alles  war  sehr  sauber 
und  ordentlich,  natürlich  waren  die  Höfe  wohl  ausdrücklich 
ausgefegt.  Der  Hofraum  hatte  nicht  unter  100  Fuss  in  der 
Länge  und  etwa  30  Fuss  in  der  Breite.  Wir  gingen  hierauf 
noch  durch  ein  anderes  Vorzimmer  mit  einem  Hofraum  von 
gleicher  Grösse  und  kamen  endlich  in  den  öffentlichen 
Audienzhof,  wo  auf  einem  erhöhten  Gerüste  der  königliche 
Thron  stand  —  ein  roh  gearbeiteter  und  roth  angestrichener 
Sitz,  mit  einem  aus  Dielen  gezimmerten  Baldachin  über- 
deckt, aber  doch  ganz  eigenthümlich  und  im  Prinzip  von  Allem 
verschieden,  was  ich  sonst  im  Sudan  gesehn.  Der  Sultan  be- 
fand sich  aber  augenblicklich  nicht  hier,  sondern  in  seinem 

Bwth'«  ItolMn.   ra.  17 


I 


258  X.  Kapitel.  ^ 

Privatzimmer  e^  wo  er  hinter  einem  Mattenvorhange  sass, 
und  man  forderte  mich  auf,  ihn  anzureden,  ohne  dass  ich 
ihn  sah.  Ich  richtete  also  meine  Anrede  auf  Kanori  an  den 
Easchella  Madi,  von  dem  sie  in  die  Landessprache  verdol- 
metscht wurde.  Ich  meldete  dem  Miarä,  der  Sultan  Inglis, 
welcher  während  der  Regierung  des  früheren  Herrschers  von 
Logone  (des  Miarä  Ssäle)  den  Chalilu  (Major  Denham)  her- 
gesandt, habe  jetzt  mich  beauftragt,  ihm  meine  Ehrerbietung 
zu  bezeigen.  Er  nahm  dieses  Kompliment  sehr  beifällig  auf 
und  erkundigte  sich  wiederholt  nach  der  Gesundheit  des 
Sultans  der  Nassära  Inglis.  Nachdem  er  mich  vermittelst 
seines  Vorhanges,  ohne  selbst  beobachtet  werden  zu  können, 
gehörig  beäugelt  imd  auch  gefunden  hatte,  dass  ich  einiger^ 
massen  wie  ein  menschliches  Wesen  aussehe  und  offenbar 
von  harmloser  Natur  sei,  und  nachdem  auch  das  Geschenk  vor 
ihm  ausgebreitet  worden  war,  liess  er  mich  in  sein  Gemach 
eintreten  und  begrüsste  mich  sehr  freundschaftlich,  indem 
er  mir  die  Hand  schüttelte.  Er  ersuchte  mich  hierauf,  ihm 
die  Geschenke  zu  erklären,  und  freute  sich  besonders  über 
die  Englischen  Fabrikate,  die  grossen  Stopfnadeln  sogar 
inbegriffen;  denn  so  klein  und  geringfügig  diese  Dinge 
auch  waren,  so  hatte  er  dergleichen  doch  nie  vorher  ge- 
sehn. .  Er  zählte  sogar  die  Nadeln,  eine  nach  der  anderen, 
und  bestimmte  für  jede  Partie  eine  Eigenthümerin  in  sei- 
nem Harlm. 

Die  vorzüglichste  Gunst,  die  ich  mir  von  ihm  zu  erbitten 
hatte,  bestand  darin,  mir  zu  gestatten,  den  Fluss  bis  auf 
eine  gewisse  Entfernung  hinauf  beschiffen  zu  dürfen;  dieses 
Gesuch  bewilligte  er  mir  und  entliess  mich  dann  sehr 
gnädig. 

Folgendes  ist  der  Grundriss  der  Wohnungen  des  Sultans 
und  des  Eeghänmia: 


WohnoDg  des  Saltans  von  Lögone. 


259 


,J 


C 


II □ 


D  E  ND AL 


A.  Wohnung  des  Sultans. 

•.  Grosser  Hofraum.  —  b.  Zweiter  Hoframn,  gegen  100  Fnss  lang  und  30  Fnss 
breit.  —  c.  Dritter  Hofraum.  —  d.  Innerer  Hofraum  mit  Schoppen  und 
Thron.  —  e.  Gemach  des  Sultans.  —  f.  Stallung. 

B.  Wohnung  des  Keghamma. 

1.  Grosser  Hofraum.  —  2.  Treppe,  welche  nach  den  oberen  Gemachem  führt. 
—  3.  Hofraum.  —  4.  Zweiter  Hofraum.  —  5.  Zimmer  des  Keghimma  mit 
zwei  Buhebänken,  von  welchen  das  im  Hintergrunde  über  die  Flur  er- 
haben ist. 

6.  Schattendach  Tor  dem  Paläste,  aus  Matten  und  Pfählen  errichtet. 

7.  Kautschukbaum. 

8.  Moschee  —  „dab&ldemä"  — ,  Ton  einigen  Fächerpalmen  —  in  Log6n  „gu- 
ruru"  genannt  —  beschattet. 

Yüssuf  —  das  ist  der  Name  des  gegenwärtigen  Sultans,  oder 
nach  der  Logone- Aussprache  Y'ssuf  —  ist  ein  grosser,  beleibter 
und  gutgebauter  Mann  von  ungefähr  40  Jahren,  mit  vollen 
Gesichtszügen  und  einem  etwas  schwermüthigen  Gesichts- 
ausdrucke, welchen  ich  seiner  eigenthümlichen  und  abhän- 

17» 


I 


260  X.  Kapitel. 

gigen  politischen  Lage  als  Beherrscher  eines  Meinen  König- 
reiches zwischen  zwei  mächtigen  Nachbarn,  von  denen  er 
fortwährend  Belästigungen  zu  erleiden  hat,  zuschreibe.  Er 
ist  ungefähr  19  Jahre  Sultan  gewesen  und  war  bei  Den- 
ham's  Besuche  ein  junger  Mann,  um  welche  Zeit  sein  Vater, 
Ssale,  und  sein  ältester  Bruder,  'Abd  el  Kenm,  sich  in  die 
Regierung  theilten  oder  vielmehr  darum  stritten.  Er  hatte 
noch  zwei  andere  ältere  Brüder,  welche  Tschiröma  und  Marüfi 
hiessen  und  beide  vor  ihm  starben.  Es  ereignete  sich  bei 
oder  kurz  vor  seinem  Regierungsantritte,  dass,  wie  es  scheint, 
in  Folge  eines  Einfalles,  welchen  Daüd,  einer  der  Kriegs- 
sklaven des  Scheich  Mohammed  el  Känemi,  in  das  Land 
machte,  Logone  in  die  Lage  einer  zinspflichtigen  Provinz  von 
Bomu  kam  und  ihm  ein  jährlicher  Schoss  von  100  Sklaven 
und  einer  gleichen  Zahl  von  Hemden  oder  Toben  auferlegt 
wurde.  Vor  jener  Zeit  soll  der  Fürst  dieses  kleinen  Länd- 
chens nur  ein  jährliches  Geschenk  von  zwei  Sklaven  ent- 
richtet haben. 

Man  erwies  uns  eine  überaus  gastfreundliche  Behandlung, 
ja  es  schien  fast,  als  wolle  unser  Wirth  durch  das  Über- 
maass  von  Gastlichkeit  unser  Wohlsein  zerstören;  denn  am 
Abend  schickte  er  uns  vier  gewaltige  Schüsseln  mit  vortreff- 
lichem, aus  Sorghum  zubereiteten  Pudding,  nebst  Fleisch  und 
Suppe,  und  früh  am  folgenden  Morgen  abermals  eine  grosse 
Schüssel  voll  mit  Honig  versüsster  Grütze  imd  bald  nachher 
noch  drei  oder  vier  Schüsseln.  Glücklicherweise  waren  ge- 
nug Personen  da,  um  diesen  reichlichen  Vorrath  von  Speise 
zu  verzehren;  wir  hatten  nämlich  eine  grosse  Menge  von 
Kükaua  nach  ihrer  Heimath  zurückkehrender  Baghirmi-Leute 
bei  uns,  denen  ich  diese  Leckerbissen  zustellte,  welche  Güte 
sie  aber  hernach  mit  Undank  vergalten. 

Begierig  danach,  einen  Blick  über  die  Stadt  zu  erlangen, 
machte  ich  am  Nachmittag  in  Begleitung  eines  wohlberitte- 
nen, zum  Gefolge  meines  Freundes  Kaschella  Mädi  gehören- 


Der  Flnss  von  Lögone  und  seine  Boote.  261 

den  Beiters  einen  Spazierritt,  indem  wir  uns  zum  Westthor 
hinaus  begaben,  dann  nach  Osten  umbogen  und  den  Fluss 
entlang  zogen.  An  dieser  Ecke  beschreibt  der  Fluss,  welcher 
hier  550  —  600  Schritt  breit  ist ,  eine  sich  bis  auf  1  Engl. 
Meile  von  der  Stadtmauer  entfernende  Krümmung;  sein  west- 
liches Ufer  war  hier  niedrig,  während  sich  das  gegenüberlie- 
gende 12  — 15  Fuss  hoch  erhob. 

Wohl  40 — 50  Boote,  meistens  von  einer  Breite  von  4  Fuss 
am  Boden  und  von  6  Fuss  am  oberen  Bande  und  durch  einen 
gewaltig  grossen  Schnabel  ausgezeichnet,  belebten  den  Fluss. 
Alle  diese  Boote  sind  von  derselben  Bauart,  wie  die  der 
Büdduma,  nur  dass  sie  aus  stärkeren  Planken,  und  zwar 
meistens  von  Birgim-Holz,  gezimmert  und  gewöhnlich  grösser 
sind,  während  die  der  Büdduma  aus  dem  gebrechlichsten 
Materiale,  nämlich  Fögo-Holz,  bestehen.  Die  Planken  sind 
vermittelst  Seile,  welche  durch  neben  den  Fugen  gebohrte 
Löcher  gezogen  sind,  an  einander  befestigt  imd  die  Fugen 
mit  Binsenbüscheln  bedeckt;  die  letzteren  werden  dann  ver- 
mittelst dünnerer  Stricke,  welche  durch  kleinere  und  darauf 
mit  Gras  gut  verstopfte  Löcher  gezogen  werden,  fest  ange- 
schnürt 

Die  Höhe  des  Schnabels  scheint  sowohl  durch  die  Seich- 
tigkeit  des  Wassers,  als  auch  durch  die  Heftigkeit  der  Strö- 
mung während  der  Höhe  des  Flusses,  welche  ich  auf  meiner 
Rückreise  ebenfalls  kennen  lernte,  bedingt  zu  werden.  Gegen- 
wärtig war  das  Wasser  ziemlich  seicht  und  mehrere  Sand- 
bänke lagen  offen  zu  Tage.  Vorzüglich  erregten  die  Fischer- 
boote meine  Aufmerksamkeit;  sie  waren  mit  grossen  Netzen 
versehen,  welche  vom  Hinterschiff  an  zwei  sehr  langen  Stan- 
gen, von  den  Kanöri  „müsko  ndi"  —  „die  beiden  Hände" — 
imd  von  den  Logone-Leuten  „ssemi"  genannt,  herabhingen. 

Wir  hielten  uns  längs  des  Flusses,  der  allmählich  sehr 
nahe  an  die  Stadtmauer  herantritt.  An  der  Stelle,  wo  er 
sich  am  meisten  nähert,  befinden  sich  Kornfelder,  welche 


262  TL  KapiteL 

fortwährend  vom  Flusse  aus  bewässert  werden;  die  Halme 
waren  gegenwärtig  1^  Fuss  hoch.  Waizen  ist,  wie  ich  schon 
anderswo  bemerkt  habe,  erst  in  neuerer  Zeit  im  Sudan  ein- 
geführt worden,  wird  überall  nur  wenig  gebaut  und  ist  auch 
nur  unter  seinem  Arabischen  Namen,  „el  kämeh",  bekannt; 
er  ist  bei  der  Masse  der  Bevölkerung  nicht  beliebt  und  gilt 
für  eine  fürstliche  Speise.  Dieses  Getreide  ist  natürlich  auch 
schon  desswegen  theuerer,  weil  es,  da  die  tropischen  Regen 
für  die  zarte  Pflanze  zu  heftig  sind,  nicht  von  selbst  fort- 
kommt, sondern  nur  in  der  trockenen  oder  vielmehr  kühlen 
Jahreszeit  an  Fluss-  oder  Sumpfufem  vermittelst  künstlicher 
Bewässerung  gezogen  werden  kann. 

Durch  die  Flussansicht  nicht  wenig  ergötzt,  erreichten  wir 
das  östlichste  von  den  Thoren  an  der  Südseite  der  Stadt,  als 
plötzlich  ein  alter  Mann  an  uns  herantrat  imd  mir  mit  ge- 
bieterischer Miene  untersagte,  den  Fluss  zu  besichtigen,  ja  mir 
sogar  befahl,  mich'  augenblicklich  zurückzuziehen.  Dies  setzte 
mich  einigermassen  in  Verwunderung,  da  ich  doch  die  Er- 
laubniss  des  Sultans  hatte  und  nicht  zu  begreifen  vermochte, 
wem  ausser  diesem  hier  die  Befugniss  zustehen  könnte,  mir, 
was  dieser  erlaubt  hatte,  zu  verbieten;  aber  mein  Gefährte 
theilte  mir  mit,  dies  sei  der  „marä-leghä"  —  „König  der  Ge- 
wässer" — ,  welcher  unbeschränkte  Gerichtsbarkeit  über  den 
Fluss  —  „lägham"  —  besässe.  Ich  hatte  zwar  viel  von  der 
Autorität  des  Gewässerkönigs  —  „sserki-n-rüa"  —  in  den 
Kuära-Ländem  gehört  und  gelesen,  wusste  aber  nicht,  dass 
ein  ähnlicher  Gebrauch  auch  hier  bestehe.  Verwirrt  und 
beschämt  begab  ich  mich  durch  das  nächste  Thor  in  die 
Stadt  zurück. 

Da  dicht  bei  diesem  Thore  das  Haus  des  Ghäladlma  oder 
Maläghuän  stand,  stattete  ich  Letzterem  einen  Besuch  ab. 
Er  war  ein  Mann  von  etwas  weichlichem  Charakter  und 
ich  traf  ihn  in  einem  dunkelen,  stark  durchräucherten  Ge- 
mache.   Der  Besuch  war  nur  dadurch  von  Interesse,  dass 


Grosse  Gastfrenndliclikeit  des  Sultans.  263 

jener  mir  einige  weitere  Einsicht  in  das  Hofceremonial  die- 
ses kleinen  Königreiches  gab,  dessen  Dasein  selbst  noch  vor 
wenigen  Jahren  von  einem  so  eminenten  Manne,  wie  Herr 
Fresnel*),  geleugnet  wurde. 

Als  ich  nach  Hause  zurückgekehrt  war,  begab  ich  mich  so- 
gleich zum  Keghämma,  um  von  ihm  bezüglich  der  Autorität  sei- 
nes Kollegen,  des  Wasserkönigs,  Auskunft  zu  erhalten,  und  er 
versprach  mir,  dass  ich  am  folgenden  Tage  den  Fluss  ohne  ir- 
gend ein  Hindemiss  solle  besuchen,  ja  auch  beschiffen  können. 
Es  war  aber  in  der  Stadt  so  viel  Gerede  von  meiner  Aufnahme 
des  Flusses,  dass  ich  im  Laufe  des  Nachmittags  genöthigt  war, 
den  Vezier  noch  einmal  zu  besuchen.  Er  wünschte  nämlich 
dringend  zu  wissen,  ob  ich,  wenn  ich  mich  in  einem  Boote  einge- 
schifft hätte,  nicht  etwa  in's  Wasser  spränge,  um  nach  Gold  zu 
suchen;  hierauf  antwortete  ich  ihm,  „dass  ich  mich  zu  sehr 
vor  den  Krokodilen  fürchtete".  Diese  Andeutung  schien  viel 
zur  Beschwichtigung  seiner  Besorgniss  beizutragen;  denn  er 
schien  die  Europäer  bisher  für  eine  Art  übernatürlicher  We- 
sen, die  von  aller  Furcht  frei  seien,  gehalten  zu  haben.  — 

Der  gastfreie  Charakter  unserer  Bewirthung  blieb  sich  so 
gleich,  dass  200  Personen  mit  den  Gerichten,  die  mir  zuge- 
schickt wurden,  hätten  gespeist  werden  können,  und  Ausser 
diesen  einheimischen  Gerichten  sandte  mir  mein  freundlicher 
Wirth  für  mich  selbst  ein  grosses  fettes  Schaaf  und  einen 
ungeheueren  Krug  mit  Milch.  Diese  glänzende  Behandlung  er- 
regte aber  die  Eifersucht  und  den  Neid  der  oben  erwähnten 
Baghirmi- Leute,  obgleich  sie  selbst  von  der  Freigebigkeit 
des  Sultans  gegen  mich  den  grössten  Vortheil  zogen. —  Nach 
dem,  was  ich  bemerkte,  glaube  ich  annehmen  zu  können, 
dass  der  Beherrscher  dieses  kleinen  zinspflichtigen  König- 
reiches im  Allgemeinen  die  gewiss  weise  Politik  beobachtet, 


•)   BuUeHn  de  la  SocUU  de  Oiogr.  de  Paria,  sörie  III,  vol.  XI,  p.  30; 
YoL  XIV,  p.  159. 


I 


264  X.  Kapitel. 

seine  Gäste  gut  zu  behandeln;  doch  wurde  ich  wahrschein- 
lich vom  Sultan  noch  besonders  begünstigt. 

Ich  hatte  meinen  Plan,  den  Fluss  zu  beschiffen,  mit  be- 
sonderem Vergnügen  verfolgt,  obgleich  ich  natürlich  von  An- 
fang an  nicht  erwarten  konnte,,  grosse  Erfolge  zu  erzielen; 
denn  die  Mittel,  welche  mir  zur  Zeit  zu  Gebote  standen,  ge- 
statteten mir  nicht,  etwaige  bedeutende  Schwierigkeiten  zu 
überwinden,  und  ausserdem  reichte  die  Gerichtsbarkeit  die- 
ses kleinen  Fürsten  von  Logone  nur  eine  kurze  Strecke  längs 
der  Flussufer. 

Um  8  Uhr  Morgens  war  ich  an  Bord  meines  kleinen  Boo- 
tes — „wöam"*)  — .  Ich  glaubte  eines  von  der  grössten  Art 
bekonmicn  zu  können,  es  war  aber  keines  zu  haben.  Das 
Boot,  das  ich  endlich  erhielt,  mass  nur  25  Fuss  in  der  Länge 
und  4  Fuss  in  dei'  Breite,  war  jedoch  ziemlich  stark,  indem 
es  aus  neu  geschnittenen  Planken  bestand  und  auf  die  oben 
beschriebene  Weise  verstopft  war,  bei  welcher  Schiffsbauart 
ein  Fahrzeug  freilich  nicht  eben  vollkommen  wasserdicht  wird. 
Die  Boote  haben  keine  anderen  Sitze,  als  auf  den  Boden  ge- 
legte Rohrbündel,  wobei  der  Passagier  durch  nichts  gegen 
das  stets  eindringende  Wasser  geschützt  ist. 

Wii:  setzten  nach  dem  jenseitigen  Ufer  über  und  kamen 
bei  zahlreichen,  jetzt  aus  dem  Wasser  emporragenden  Sand- 
bänken vorbei,  während  die  Stadt  einen  ganz  interessanten 
Anblick  darbot,  indem  Dümpalmen  —  „gurüru",  ein  Paar 
Delebpalmen  —  „murgüm"  —  und  eine  vereinzelte  Dattel- 
palme —  „diffino"  **)  —  über  die  Mauer  emporragten ,  eine 


*)  Dieses  Wort  ist  nur  eine  andere  Form  des  Tedinä-Ausdrucks  für  „Boot" 
—  „pum**  — . 

**)  Es  ist  merkwürdig,  dass  die  Dattelpalme  in  allen  diesen  Ländern  bis 
Baghirroi  die  Haussa-Bcnennung  „debino"  führt,  woraus  erhellt,  dass  sie  zu- 
erst in  jenen  Theil  des  Sudans  eingeführt  wurde.  Selbst  die  Fulbe  von  Sö- 
koto  haben  keinen  anderen  Namen  dafür,  während  die  yon  Adamaua  den  Na- 
men der  einheimischen  Dattel,  der  Addua  (Balanüea  Ae^yptiaeusjy  darauf  an- 


Beschiffung  des  Flasses  von  Lögone.  265 

sehr  bemerkenswerthe  Erscheinung,  da  es  sehr  selten  vor- 
kommt, dass  diese  drei  Palmenarten  gemeinsam  an  einer 
Stelle  wachsen. 

Indem  der  Fluss  die  Stadt  umzieht,  bildet  er  eine  starke 
Krümmung  und  ändert  seine  westöstliche  Richtung  in  eine 
nördliche  und  nordwestliche.  Während  wir  am  Ostufer  hin 
schifften,  machten  mich  meine  Gefährten  auf  ein  sehr  ho- 
hes, von  ihnen  „korökorö"  genanntes  Rohr  aufmerksam,  wel- 
ches aber  nichts  Anderes  ist,  als  der  Papyrus,  der,  wie  schon 
bemerkt  worden,  an  den  Ufern  des  Tsäd  wächst  und  den 
wir  auch  in  verschiedenen  kleineren  See'n,  besonders  im  Lande 
Münio,  wiederfinden  werden.  Es  war  mir  höchst  interessant, 
zu  hören,  dass  die  hiesigen  Eingeborenen  daraus  ein  Zeug 
—  „gabagä"  —  verfertigen,  das  meiner  Ansicht  nach  mit 
dem  von  den  Arabischen  Schriftstellern  erwähnten  „uorsi" 
einerlei  sein  muss,  da  „berdi"  der  Egyptische  Name  für  Pa- 
pyrus ist.  Ich  vermisste  hier  jedoch  mehrere  Rohrarten,  die 
am  Tsäd  wachsen,  namentlich  den  Bole ;  auf  meine  Erkundi- 
gung nach  der  schönen  Art,  aus  der  das  zierliche  Mattenwerk 
„kassär"  oder  „farfar"  gemacht  wird,  in  dessen  Verfertigung 
die  Logone-Leute  so  berühmt  sind,  theilte  man  mir  mit,  dass 
es  nur  bei  der  grossen  Marktstadt  Djinna  wachse,  welche 
ich  schon  bei  einer  früheren  Gelegenheit  erwähnt  habe  und 
auf  welche  ich  unten  näher  zurückkommen  werde.  Ich  war 
sehr  begierig,  zu  erfahren,  wie  die  Eingeborenen  den  Fluss 
nennen,  welchem  vom  Major  Denham  der  Name  Schärf  oder 
Schäry  gegeben  worden  ist,  und  ich  wurde  in  meiner  schon 
vorher  gefassten  Ansicht  bestätigt,  dass  dieser  Fluss  nicht  der 
Schärf  selbst,  sondern  ein  kleinerer  Arm  desselben  sei;  denn 
Major  Denham  vermochte  während  seiner  kurzen  Anwesen- 
heit hieselbst  sich  nicht  bewusst  zu  werden,  dass  der  Fluss, 


wenden.    Die  Namen  dieser  Palme  im  Sonrhay  und  Mäba  oder  in  den  WädäT- 
Sprachen  sind  hiervon  jedoch  ganz  unabhängig  und  selbststandig. 


266  X.  EApItel. 

welchen  er  bei  der  Stadt  Logon  sah,  nicht  derselbe  sei,  den 
er  bei  Küssuri  gesehn,  sondern  nur  ein  Arm  desselben,  und 
zwar  der  kleinere. 

Alle  den  Flüssen  von  den  verschiedenen  Völkerschaften  im 
Sudan  gegebenen  Namen  haben  jedoch  keine  weitere  Bedeu- 
tung, als  eben  die  allgemeine  von  „Wasser",  „Fluss",  wie  bei 
dem  westlichen  grossen  Bä  der  Mandi  oder  Mandingo,  dem 
Tssa  der  Sonrhay,  dem  Eghirreu  der  Imö-scharh,  dem  Mäyo 
der  Fulbe,  dem  Gulbi  der  Haussa,  dem  Kuära  der  Yöruba, 
dem  Benue  der  B&tta,  dem  Komädugu  der  Kanöri,  dem  öst- 
lichen Bä  der  Baghirmi,  dem  Fittn  der  Küka,  dem  Bat-hä 
der  Araber  von  Wadai'.  So  bedeutet  auch  der  Name  „Schärf" 
nichts  als  „Fluss",  nämlich  „Fluss  von  Kotokö",  dessen  Sprache 
dieses  Wort  angehört.  Das  Wort  „Tsäde"  oder  vielmehr 
„Tsädhe"  ist  ebenfalls  nichts  weiter,  als  eine  verschiedene 
Aussprache  desselben  Namens,  dessen  ursprüngliche  Form 
wahrscheinlich  „ssäre"  oder  „ssäghe"  ist. 

Dieser  kleinere  westliche  Arm  des  Schärf  heisst  bei  den 
Eingeborenen  von  Lögone  „läghame  na  Lögone",  das  heisst: 
der  Fluss  („l&gham")  von  Lögone ;  aber  weiter  stromaufwärts 
hat  derselbe  verschiedene  Namen,  je  nach  den  Plätzen,  bei 
welchen  er  vorüberfliesst,  indem  ihn  z.  B*  die  Müssgu  in  ihrer 
eigenen  Sprache  im  Allgemeinen  „fire"  oder  „Arre"  nennen, 
welches  wieder  bloss  „Fluss"  heisst,  während  er  an  einer  ande- 
ren, von  mir  auf  meinem  Zuge  nach  Müssgu  erreichten  Stelle 
den  besonderen  Namen  „Serbewel"  fuhrt,  dessen  Bedeutung 
mir  unbekannt  ist  Jedoch  zurück  zu  unserer  klejnen  Fluss- 
reise. 

Unterdessen  kamen  wir  bei  dem  Dorfe  Honkel  an  der 
Westseite  des  Flusses  vorbei,  welches,  wie  wir  bald  zu  er- 
wähnen haben  werden,  in  der  früheren  Geschichte  dieses  Lan- 
des von  grosser  Wichtigkeit  war.  Da  der  Fluss  hier  seinen 
Lauf  ändert,  so  näherten  wir  uns  wieder  dem  westlichen  Ufer 
und  wurden  gewahr,  dass  wenigstens  die  halbe  Einwohner- 


Die  Be8ohi£fiii]g  des  FloMes  von  Lögone.  267 

Schaft  herausgekommen  war,  um  zu  sehn,  was  der  Christ  auf 
dem  Flusse  thue;  denn  sie  konnten  sich  nichts  Anderes  vor- 
stellen, als  dass  ich  den  Fluss  mit  der  Absicht  befuhre,  nach 
Gold  zu  suchen.  In  der  Mitte  des  Gedränges  befanden  sich 
einige  Leute  zu  Pferde  in  sehr  auffallender  Tracht;  man  sagte 
mir,  es  seien  soeben  angekommene  Boten  von  dem  Müssgu- 
HäupÜing  Adischen.  Ich  bemerkte  bald,  dass  sie  in  einer 
Kleidung  prunkten,  welche  sie  von  ihren  Unterdrückern  auf 
dem  von  mir  und  Herrn  Dr.  Overweg  mitgemachten  Zuge  er- 
halten hatten. 

Indem  ich  dicht  am  jenseitigen  Ufer  ein  Krokodil  den  Kopf 
ein  wenig  aus  dem  Wasser  emporheben  sah,  konnte  ich  nicht 
umhin,  auf  dasselbe  einen  Schuss  zu  thun,  worauf  die  Menge 
in  ein  lautes  Beifallsgeschrei  ausbrach.  Aber  die  Diener  des 
Sultans,  welche  mich  im  Boote  begleiteten,  hatten  bereits  schon 
einige  Zeit  Unruhe  gezeigt  und  wünschten  dringend,  dass  ich 
umkehre.  Als  ich  nun  eine  vereinzelte  schöne  Delebpalme 
—  „margum",  wie  sie  hier  heisst —  erreicht  hatte,  konnte 
ich  ihren  dringenden  Vorstellungen  nicht  länger  widerstehen. 
Wir  hatten  hier  eine  weite  Aussicht  über  den  Fluss,  dessen 
Richtung  im  Ganzen  S20O.  war. 

Alle  die  herrlichen  grossen  Ströme,  mit  welchen  die  Natur 
diese  Länder  ausgestattet  hat,  sind  gegenwärtig  kaum  von 
irgend  einem  Nutzen  für  die  Uferanwohner ;  kein  Verkehr, 
ausser  zwischen  den  nächsten  Ortschaften,  wird  betrieben''). 
Es  ist  hier  der  menschlichen  Thätigkeit  ein  weites  Feld  zur 
Verbesserung  eröffnet,  wenn  diese  Landschaften  die  Aufmerk- 
samkeit und  Einwirkung  Europa's  auf  sich  gezogen  haben 
werden. 

Wir  wendeten  ^mser  Boot  und  liessen  es  mit  der  Strömung 
schwimmen.    Die  Oberfläche  des  Wassers  war  so  glatt  und 


*)  Ich  moM  jedoch  bemerken,  dass  die  KQri  mitunter  Getreide  bis  naeh 
fi^omin  bringen. 


i 


268  X.  Kapitel 

einladend,  dass  ich  der  Versuchung  nachgab,  ein  Bad  zu  neh- 
men, und  die  Menge  am  Ufer  erhob  ein  lautes  Geschrei,  als  sie 
den  weissen  Mann  über  Bord  springen  sah;  aber  ihr  Erstaunen 
war  gross,  als  ich,  nachdem  ich  eine  Zeit  lang  im  Flusse, 
dessen  Strömimg  für  meinen  geschwächten  Körper  zu  stark 
war,  umhergeplätschert,  mit  leeren  Händen  wieder  herauskam ; 
sie  seien  betrogen,  hiess  es  nun,  da  man  gesagt,  ich  wolle 
nach  Gold  suchen.  Als  ich  aber  an's  Land  ging,  war  das 
Gedränge  so  sehr  gross,  dass  mir  meine  Gefährten  mit  ihren 
Peitschen  einen  Weg  durch  die  Menge  öfl&ien  mussten,  und 
ich  war  wirklich  froh,  als  ich  das  Haus  des  Keghamma  oder 
Ibälaghuän  wieder  erreicht  hatte. 

Dieser  kleine  Ausflug  kam  mir  jedoch  theuer  zu  stehn; 
denn  als  die  erwähnten  Leute  aus  Baghirmi,  unter  welchen 
ein  gewisser  Hadj  Ahmed  der  Vornehmste  war,  mich  ein 
solches  Aufsehen  erregen  sahen,  fanden  sie  sich  wahrschein- 
lich veranlasst,  zu  besorgen,  dass,  wenn  ich  während  der 
Abwesenheit  des  Herrschers  in  ihr  eigenes  Land  kommen 
würde,  ich  in  dem  Königreiche  Unruhen  erregen  möchte. 
Der  Fürst  von  Logone  hatte  gleichfalls  eine  bei  weitem  zu 
hohe  Vorstellung  von  meinen  Fähigkeiten  gefasst  und  er- 
suchte mich  dringend,  einige  Zeit  bei  ihm  zu  verbleiben, 
indem  er  glaubte,  ich  könnte  ihm  dazu  behilflich  sein,  sich 
von  seinen  Nachbarn  unabhängiger  zu  machen.  Unter  An- 
derem begehrte  er  auch,  ich  solle  die  beiden  vorerwähnten 
Kanonen  abfeuern ;  aber  sie  erfüllten  mich  nicht  mit  dem  Zu- 
trauen, das  zu  wagen. 

Ich  konnte  mithin  nur  mit  vieler  Mühe  den  Sultan  be- 
wegen, mich  meine  Reise  nach  Osten  fortsetzen  zu  lassen; 
weil  ich  aber  sah,  dass,  wenn  ich  hier  noch  einige  Tage 
bliebe,  das  Wenige,  was  ich  noch  übrig  hatte,  ausge- 
geben sein  würde,  so  beharrte  ich  fest  bei  meinem  Ent- 
schlüsse, meine  Entdeckungen  über  die  meiner  Vorgänger 
auszudehnen;   denn  es  war  bereits  dem  Major  Denham  ge- 


Historische  Notizen  fiber  Lögone.  269 

lungen,  diesen  Platz  zu  erreichen,  obgleich  er  denselben  nur 
sehr  unvollständig  beschrieben  und  die  geographische  Lage 
ganz  unrichtig  angegeben  hat. 

Ich  begab  mich  also  am  folgenden  Morgen  zum  Miarä 
Y'ssuf,  um  von  ihm  Abschied  zu  nehmen,  und  fand  ihn  in 
dem  im  Risse  mit  /  bezeichneten  Hofraume,  den  er  als 
Stallung  zu  benutzen  schien ;  sein  gesammter  Marstall  bestand 
jedoch  nur  aus  drei  oder  vier  Pferden,  aber  von  ziemUch  gutem 
Ansehen.  Er  sass  auf  einer  Lehmbank  —  „ssegäge"  —  und 
war  sehr  einfach  gekleidet,  mit  einem  rothen  Tuche  als 
Kopfeeug.  Er  war  sehr  gütig  und  freundlich  und  bat  mich 
angelegentlich,  mich  nicht  zu  lange  in  Baghirmi  aufzu- 
halten, sondern  so  bald  wie  möglich  in  sein  Land  zurück- 
zukehren. Unsere  Unterredung  fand  auch  bei  dieser  Ge- 
legenheit, wie  bei  der  vorherigen,  in  Kanöri  statt.  Ehe  ich 
jedoch  dieses  kleine  Fürstenthum  verlasse,  will  ich  noch  ein 
Paar  allgemeine  Bemerkungen  hinzufügen. 

Logone  ist,  wie  es  scheint,  nicht  ein  nationaler,  sondern  ein 
politischer  Name,  dessen  eigentliche  Bedeutung  ich  jedoch 
nicht  habe  ausfindig  machen  können*).  Die  Einwohner  ge- 
hören zum  grossen  Volksstamme  der  Mä-ssa,  deren  ich  be- 
reits früher  erwähnt  habe,  und  sind  die  nächsten  Stammver- 
wandten der  Müssgu  und  dann  der  Einwohner  von  Man- 
dara  —  „ar-Wandala"  —  und  der  Kotokö.  Dir  politisches 
Bestehen  als  Volk  von  Logone  (oder,  wie  sie  sich  selbst  nen- 
nen, „Logode  Logon")  ist  erst  neueren  Ursprungs**),  und  der 
Isslam  wurde  noch  später  bei  ihnen  eingeführt.  Ihr  Land  be- 
stand früher,  gleich  dem  der  Müssgu,  aus  einer  Anzahl  kleiner 
Fürstenthümer,  unter  denen  Honkel  das  mächtigste  war,  bis 


*)  Ich  glaube,  dass  derselbe  mit  dem  Flusse  —  „lÄgham"  —  in  keinem 
Zusammenhange  steht,  sonst  würden  sie  ihn  nicht  „Idghame  na  L6gone" 
nennen. 

**)  Der  Name  kommt  in  den  Annalen  des  Edilss  Alaöma  nicht  Tor. 


y>i^.  \jMlfm  igfinJ^^.  maA  dem  ^u 

4^51  tomi^M  r^^rki^  AIkt  dfeser  Fint  «»1 
kM»  !(adkMi|Kr  wwf»  IbniieD,  «nd  es  gdb  liiwiK  voU 
Mf  maßht$H  IMBUMMdaner  in  der  Stadt  I>er  Mass 
H*4fe,  d^  aUi»;  Fint  w<ld»eD  I>eii]uaii  bcsadite.  der  \x 
Aß^k  ^^:||^wr«^MMMi  HermdMTS  Tteof ,  toD  der  Enle 
4m  fckJfMtk  F&nt«»  da»  Landes  gewesen  sein,  der  ach 
fMki»  Mk^ni«.  Xadi  Anderen  war  ein  aherer  Köni^ 
hf'h  MdtjKha  Ißjhmkf  der  erste  MosUm.  was  andi  gar  nidit 
wa)if«d]i^ijnKdi  ist,  da  sich  ans  den  Xamen  einiger  nnto-  den 
K^/rfigimf  w^leb«  dem  Ssde  Torangingen,  nnrerkennbar  er- 
gifit,  dass  wenigstens  eine  ansserliclie  Einwirkong  des  bslam 
si^^li  bereits  viel  früher  bemerkbar  machte. 

Was  die  Xachfolge  der  Könige  Ton  Mi-ssa  bis  Ssäle  be- 
triffitf  m  %ehtani  es,  dass  aaf  Ms-ssa  ein  Fürst  Namens 
l/ngo  An&^ssmadu  folgte,  and  aaf  diesen  TTngo  Ana-logon, 
r#/ri  weldi/fm  Fürsten  möglicherweise  der  gegenwärtige  Xame 
dr«s  Landes  IJpft^me  herrührte.  Anf  ihn  folgte  zuerst  Mögha 
'Mi,  fK>dann  MOgha  Kader  nnd  endlich  Mä  Ssalikuä,  Ssä- 
Wh  Vorgänger.  Die  Mohammedanische  Religion  ist  folglich 
yahmfaMn  in  diesem  Lande  im  Allgemeinen  nicht  über  60 
Jahre  alt;  es  ist  nelbst  vielen  von  den  jüngeren  Einwohnern 
difT  Htailt  recht  wohl  erinnerlich,  dass  ihre  Väter  von  Ge- 
burt Heiden  waren  und  erst  später  Mohammedaner  wurden. 
Aber  auch  noch  jetzt  ist  der  Isslam  hieselbst  von  der  rohesten 
Art,  und  die  ganze  Kenntniss  von  religiösen  Dingen,  welche  die 
Einwohner,  mit  Ausnahme  weniger  hoch  gestellter  Personen, 
bcHitzen,  besteht  in  einigen  auswendig  gelernten ,  aber  unver- 
Htandcnon  Phrasen  und  in  der  Anwendung  der  Beschneidung. 
Auf  dorn  Lande  dagegen  hängen  auch  noch  gegenwärtig  die 
meistern  Leute  dem  Heidenthum  an. 

Die  Einwohner  von  Lögone  kämpften  wiederholt  mit  ihren 


Heatige  polituche  Lage  des  StMtes.  371 

Nachbarn  und  Stammgenossen  von  Mandara,  und  zwar  nicht 
ohne  Erfolge  sie  sollen  auch  die  Stadt  Mele  am  Ostufer 
des  Flusses  Schfiri  zerstört  und  alle  männlichen  Einwohner 
derselben  erschlagen  haben.  Die  früheren  Sultane  von  Bömu 
scheinen  die  Einwohner  von  Logone  in  ziemlich  ungetrübter 
Ruhe  belassen  zu  haben  und  mit  einem  leichten  Schoss  be- 
hufs Anerkennung  der  Abhängigkeit  zufrieden  gewesen  zu 
sein.  Gegenwärtig  aber  ist  der  Tribut  beträchtlich,  im  Ver- 
haltmss  zu  der  geringen  Ausdehnung  des  Landes,  und  über- 
dies hat  der  unglückselige  kleine  Fürst  auch  noch  dem 
Sultan  von  Baghirmi,  von  dessen  Unterthanen  er  fortwäh- 
rend Plackereien  auszustehen  hat,  einen  Tribut  zu  ent- 
richten. — 

Der  Name,  welchen  die  Einwohner  von  Logone  ihren  west- 
lichen Nachbarn  beilegen,  ist  interessant,  da  dessen  Ursprung 
in  eine  ferne  Zeit  zurückzugehen  scheint;  sie  nennen  sie 
nämlich  „Billangare"  oder  vielmehr  „bille  Ng&re",  welcher 
Name  wahrscheinlich  von  Ngaru,  der  alten  Hauptstadt  des 
Ghäladi,  der  vorerwähnten  westlichen  Provinzen  des  Börnu- 
Beiches,  abgeleitet  ist;  „bille"  bedeutet  „Leute"  im  Allge- 
meinen. Ihre  östlichen  Nachbarn,  die  Einwohner  von  Ba- 
ghirmi, nennen  sie  „Mokkode",  was  vielleicht  mit  Makada  im 
Zusanunenhang  steht  Der  letztere  Name  wird  häufig  auf 
das  Land  westlich  von  Abyssinien  angewandt  und  selbst 
von  Krapf,  meiner  Ansicht  nach  sicher  irrthümlich,  durch 
„Christenland"  erklärt 

Von  Südwesten  dringen  die  Fulbe  oder  FellSta  schwer  auf 
Logone  ein.  So  ist,  wie  wir  auf  dem  Müssgu-Zuge  gesehen 
haben,  der  Amtmann  des  Dorfes  Wäsa,  welches  zum  Gebiete 
von  Logone  gehört,  ein  Pullo  oder  Felläta. 

Die  Einwohner  von  Logone  scheinen  in  früherer  Zeit  häufig 
Einfälle  in  das  Land  ihrer  Nachbarn  und  Stammesgenossen, 
der  Mussgu,  ausgeführt  zu  haben,  um  sich  mit  Sklaven 
zu  versehen;  aber  8  Jahre  vor  meiner  Ankunft  erlitten  sie 


272  X.  KapiteL 

in  jener  Gegend  eine  so  scharfe  Züchtigong,  dass  sie  seitdem 
ihrff  Feldzüge  dahin  eingestellt  haben.  Bei  jener  Gelegen- 
heit verloren  sie  ihren  Oberbefehlshaber,  den  Keghammä  oder 
Ibalaghuän  Ydhia*),  den  Er'bauer  des  wirklich  grossartigen 
Palastes,  in  dem  ich  wohnte.  Dieser  Befehlshaber  unter- 
nahm einen  Streifzug  ins  Müssgu-Land,  nicht,  wie  gewöhn- 
lich, zu  Lande,  sondern  zu  Wasser,  und  wurde,  als  er  bei 
einem  Dorfe  Namens  Gummel  an's  Land  ging,  überfallen 
und  nebst  den  tapfersten  seiner  Genossen  von  den  Einge- 
borenen des  Landes  niedergemacht. 

Die  Regierung  scheint  eine  beschränkte  Monarchie  zu  sein, 
indem  •  der  Fürst  von  einer  Anzahl  Grosswürdenträger  um- 
geben ist,  welche  den  Diwan  —  die  „talubä",  identisch  mit 
der  „nogonä"  des  Bömu- Volkes  —  bilden.  Der  erste  von 
diesen  Grosswürdenträgem  ist  der  Ibalaghuän ;  auf  ihn  folgt 
der  Malaghuän  oder  Ghäladima,  dann  derMairäi,  dann  der 
Madam,  der  Marä-Leghä  (König  des  Wassers  oder  Hafen- 
meister), der  Ulanghdi  oder  Tschiröma  (der  Thronfolger), 
der  Maraimarbä,  der  Madamätiä,  der  Madäm  uchssäm,  der 
Inthäua,  der  Mäghauen  achthäm,  der  Masaghe  achthäm  und 
der  Maghaie -mute. 

Das  Gebiet  von  Logone  hat  eine  höchst  vortheilhafte  Lage 
an  zwei  beträchtlichen,  in  geringer  Entfernung  weiter  strom- 
abwärts sich  vereinigenden  Ströme,  dem  Flusse  von  Logone, 
Lägham  oder  E're  im  Westen  und  dem  Schärf  oder  Bä  im 
Osten,  und  das  kleine  Königreich  könnte  sich  der  gedeih- 
lichsten Verhältnisse  erfreuen,  würde  es  nicht  von  mäch- 
tigen, von  allen  Seiten  eindrfngenden  Nachbarn  überwältigt 
und  imterdrückt.  Aber  während  die  Bomauer  einen  mehr 
regelmässigen  Trfbut  erheben,  scheinen  die  Baghirmier  die 


*)  Folgendes  ist  ein  Verzeichniss  der  Ib&laghuin,  so  weit  sie  mir  bekannt 
geworden  sind:  I'ba-Gäre,  I'ba-Kyäri,  rba-'Othmän,  I'ba-Käder,  l'ba-A'bü, 
l'ba-A'dem,  I'ba-Ssliide,  I^ba-Y^hia,  I'ba-Herdege. 


Produkte  und  Industrie  von  Lögone.  273 

armen  Gxenzanwohner  von  Logone  mit  der  grössten  Unge- 
rechtigkeit zu  behandeln  und  sie  nach  Willkür  allerlei 
Leistungen  zu  unterwerfen.  Es  ergibt  sich  dessenungeach- 
tet aus  dem  Verzeichniss  der  Ortschaften  in  Logone,  welches 
im  Anhange  gegeben  werden  soll,  dass  das  Land  noch  im- 
mer ziemlich  bevölkert  ist,  wenn  sich  auch  freilich  nicht 
sagen  lässt,  dass  es  sich  in  einem  blühenden  Zustande 
befinde. 

Als  animalische  Nahrung  dienen  den  Eingeborenen  vorzugs- 
weise Fische  —  i»klyi"  — ,  welche  der  Fluss  in  grosser 
Menge  liefert;  an  Rindvieh  —  „nthä"  —  wie  auch  an 
Schaafen  —  „üfu"  —  ist  dagegen  grosser  Mangel,  und  allem 
Anschein  nach  haben  ihre  Nachbarn  sie  dieser  Wohlstands- 
quelle beraubt;  die  einheimischen  Araber  besitzen  jedoch 
ziemlich  beträchtliche  Heerden  von  Rindern  und  Schaafen. 
Auch  Geflügel  ist  nicht  sehr  zahlreich,  dagegen  ist  das 
Schwein  —  „sse-sse"  —  überaus  häufig  und  scheint  von  den 
Eingeborenen  vielfach  als  Speise  benutzt  zu  werden.  Ausser 
Sorghum    oder,   wie    es    hier  heisst,    „makalä"    und    Hirse 

—  „wiyo"  —  („fiyo"  der  Kotokö  und  Yedinä)  —  Reis  ist 
mir  nicht  vorgekommen  —  wird  beträchtlich  viel  Baum- 
wolle —  „mpdtaki"  —  gewonnen,  imd  Weberei  bildet  die 
hauptsächlichste  Industrie    der  Bevölkerung.     Ihre  Hemden 

—  „labü"  —  sind  wirklich  von  vortrefflicher  Arbeit,  ihr 
Indigo  —  „mögone"  —  ist  jedoch  nicht  sehr  gut,  auch  sind 
sie  nicht  sehr  geschickte  Färber*). 

Ausser  der  Baumwolle,  welche  in  ihrem  niedrigen,  reich  be 
wässerten  Lande  in  fast  unbeschränkter  Menge  gewonnen  wer- 
den könnte,  bildet  das  schon  erwähnte  schöne  Mattenwerk, 


*)  Man  sieht,  dass  mein  Urtheil  in  dieser  Beziehung  sehr  von  dem  Den- 
ham's  (Travels  and  Discoreries,  vol.  1,  p.  237)  abweicht;' aber  Denham  be- 
suchte nie  Kanö  und  hatte  daher  keinen  Maassstab  zur  Vergleichung  der  be- 
siehungsweisen  Qüte. 

B«rth's  RalMn.  lU.  \% 


274  X.  Kapitel. 

dessen  gewöhnlichere  Sorte  „parpar"  oder  „farfar"  und  dessen 
feinere  „möman"  heisst,  eines  der  gerühmtesten  Erzeugnisse 
des  Landes;  ihre  hölzernen  Näpfe  —  „dalguam"  —  und  ihre 
runden.  Strohdeckel  —  „kille"  —  sind  gleichfalls  bemerkens- 
werth;  die  hölzernen  Näpfe  sind  von  sehr  vorzüglicher  Ar- 
beit, viel  besser  als  die  in  Kükaua,  wenn  auch  die  Stroh- 
deckel nicht  die  Vortrefflichkeit  der  in  Dar-För  gelieferten 
Waare  erreichen. 

Überhaupt  ist  der  hiesige  Volksstamm  mit  viel  Geschick- 
lichkeit begabt  und  dabei,  besonders  die  Weiber,  von  meistens 
zierlicherer  Körpergestalt,  als  der  von  Bomu.  Es  ist  merk- 
würdig, dass  sie  dieselbe  Art  von  Tättowirung  anwenden, 
wie  die  Kanöri,  nämlich  meistens  sechs  vom  äusseren  Augen- 
winkel über  die  Wange  zum  Mund  herab  gezogene  krumme 
Linien;  auch  haben  sie  dasselbe  Wort  dafür*),  wie  die  Ka- 
nöri, obgleich  ihre  Sprachen  in  sonstiger  Hinsicht  so  gänz- 
lich verschieden  sind. 

Mein  Aufenthalt  im  Lande  war  zu  kurz,  um  mit  Entschie- 
denheit über  die  moralischen  Eigenschaften  der  Einwoh- 
ner sprechen  zu  können.  Die  von  Denham**)  bemerkte  Be- 
nutzung von  Eisenstücken  als  Umlaufsmittel  ist  längst  abge- 
kommen, imd  gegenwärtig  besteht  das  feste  Werthmaass 
des  Landes  in  Kattunstreifen  von  2  —  3  Zoll  Breite. 

Bezüglich  der  Sprache  der  Logoner  gerieth  Denham  da- 
durch in  den  entschiedensten  Irrthum,  dass  er  sie  für  einer- 
lei mit  der  Baghirmi- Sprache  hielt;  denn  obgleich  die 
Sprache,  welche  er  reden  hörte,  wirklich  Bagrimma  war, 
welches  hier  selir  viel  gesprochen  wird,  ist  doch  die  ein- 
heimische Sprache,  welche  die  Leute  unter  einander  aus- 
schliessUch  reden,  ganz  verschieden  vom  „tar  Bagrimma"  und 
der  Sprache  der  Müssgu  nahe  verwandt.    Die  Eingeborenen 


*)  Die  Kanori  nennen  sie  „beli",  die  L6god6  Logone  „bei". 
••)  Denham,  vol.  1,  p.  238. 


Die  Sprache  von  Lögone. 


275 


nennen  ihre  Sprache  „kelakü  -  Logone".  So  weit  ich  damit 
bekannt  geworden  bin,  ist  die  Aussprache  selir  schwierig 
wegen  der  häufigen  aspirirten  Laute,  namentlich  des  ch  und 
^,  durch  welchen  letzteren  Hauchlaut  diese  Sprache  einige 
äussere  Ähnlichkeit  mit  dem  Englischen  hat. 


18 


f 


XL  KAPITEL 

Die  beiden  Flusse.  —  Eintritt  in  Baghfrmi. 


[Dienstag,  Ißten  März.]  Es  war  10  Uhr  Morgens,  als  ich 
Kdmak  Lögone  verliess,  um  in  unbekannte,  von  einem  Euro- 
päischen Fuss  noch  nie  betretene  Regionen  vorzudringen,  und 
bald  darauf  sass  ich  im  Boote,  während  unsere  Pferde,  das 
Kameel  und  der  Lastochse  durch  den  Fluss  theils  schwam- 
men, theils  wateten.  Das  Wasser  war  meistens  seicht,  ob- 
gleich an  einigen  Stellen  gegen  8^^  Fuss  tief;  die  Strömung 
betrug  gegen  3  Meilen  in  der  Stunde.  Das  Land  hatte  um 
diese  Zeit  ein  ganz  anderes  Aussehen,  als  bei  meiner  Rück- 
kehr aus  Baghirmi.  Die  niedrigen  Gründe,  welche  in  späte- 
rer Jahreszeit  gänzlich  überschwemmt  werden,  sahen  jetzt 
sumpfig  und  trübselig  aus,  imd  ich  beschleunigte  meine  Schritte, 
um  dieser  ungesunden ,  von  den  Strahlen  der  Mittagssonne 
glühenden  Gegend  zu  enteilen. 

Nur  dann  und  wann  kam  eine  kleine  Stelle  Baumwollenfeld 
im  hohen  Gestrüppe  zum  Vorschein.  Dicht  am  Flusse  befin- 
det sich  kaum  ein  einziger  Baum,  aber  weiterhin,  wo  das 
Land  mehr  angebaut  ist,  erschienen  hie  und  da  vereinzelte 
Karäge-Bäume  nebst  zerstreuten  Gruppen  von  Hütten.  Da  ich 
während  der  letztverflossenen  Tage  der  Mittagssonne  nicht 
ausgesetzt  gewesen  und  die  Hitze  sehr  gross  war,  so  sah  ich 
mich  nach  einer  Stelle  um,  wo  ich  während  der  heissesten 
Stunden  Halt  machen  könnte,  und  stieg,  sehr  gegen  den 
Wunsch  meiner  nach  einem    guten  Mittagsessen  begierigen 


Abreise  Ton  L<5g^ne.  277 

Gefährten,  im  kühlen  Schatten  eines  schönen  breiten  Feigen- 
baumes —  „ngabore'',  bei  den  Logoncm  „serra"  genannt  — 
ab,  nicht  weit  von  einer  nach  Norden  zu  gelegenen  Dorf- 
schaft Namens  Ssö-sso,  während  sich  zu  unserer  Rechten  ein 
Rinnsal  durch  eine  sanfte  Einsenkung  im  grünen  Wiesengrund 
ohne  irgend  ein  wahrnehmbares  Gefälle  hindurchwand.  Diese 
seichten  Rinnsale  sind,  wie  ich  bereits  bei  meiner  Reise  nach 
Müssgu  zu  bemerken  Gelegenlieit  nahm,  eine  der  bezeich- 
nendsten Eigenthümlichkeiten  dieses  Theiles  von  Inner- Afrika, 
das  man  früher  für  ein  dürres,  wüstes  Hochland  hielt.  Nackte 
Buben  plätscherten  und  spielten  im  Wasser  umher,  in  Gesell- 
schaft und  im  besten  Einvernehmen  mit  einer  Anzahl  Wild- 
schweine, welches  Thier  ich  nirgend  im  Sudan  in  solcher 
Menge  gesehn  habe,  als  in  der  Nähe  des  Schäri.  Kälber  und 
Ziegen  weideten  im  Felde  mit  Wildschweinen  in  ihrer  Mitte. 

Als  wir  um  2  Uhr  Nachmittags  unseren  Marsch  fortsetz- 
ten, bemerkte  ich  mit  Vergnügen  zahlreiche  schöne  Pferde- 
heerden bei  den  Schüa-Dorfgruppen,  welche  das  Rinnsal  be- 
grenzte ,  wobei  grosse,  reich  belaubte  Bäume  die  Anmuth  der 
Landschaft  erhöhten.  Es  fand  sich  hier  viel  Zwiebelbau.  Zur 
Rechten  unseres  Pfades  erstreckten  sich  weite  Felder  von 
einem  eigenthümlichen  Winterkorn,  von  den  Logonem  „ss&f- 
farä"  imd  von  den  Kanöri  „keriräm"  genannt.  Diese  Felder 
gehören  dem  Landesherm;  ausserdem  wird  aber  in  diesem 
Theile  von  Lögone  sehr  wenig  Getreide  gebaut,  da  man  sich 
vor  den  Baghirmiem  fürchtet,  welche  zu  ernten  pflegen,  was 
jene  armen  Leute  gesäet  haben.  Man  bemerkt  jedoch  mit- 
unter kleine  Baumwollenpflanzungen. 

Nach  einem  Marsche  von  9  Meilen  erreichten  wir  Bäta, 
einen  halb  verlassenen  Ort  mit  sehr  zerfallener  Lehmmauer; 
die  wenigen  verbliebenen  Hütten,  so  einfach  und  unansehnlich 
sie  auch  waren,  deuteten  jedoch  einigen  Gewerbfleiss  und  Rein- 
lichkeit an,  von  Gastlichkeit  aber  erhielten  wir  keinen  Beweis. 
Die  Autorität  des  Miarä  Y  ssuf  schien  durchaus  unbeachtet 

A 


278  XL  KajfTitel. 

ZU  bleiben,  da  diese  armen  Leute,  und  zwar  nicht  ohne  Grund, 
erkläii;en,  weil  ihr  Landesherr  sie  nicht  gegen  die  Erpres- 
sungen ihrer  Nachbarn  beschütze,  brauchten  sie  auch  seine 
Befehle  nicht  zu  beachten.  Es  war  daher  durchaus  nicht 
nöthig,  dass  mich  der  Diener  des  Sultans  weiter  begleitete; 
denn  wurden  seine  Befehle  schon  hier  nicht  berücksichtigt, 
so  hatte  man  dies  weiterhin  noch  viel  weniger  zu  erwarten. 

[Mittwochy  17t^ri  März,]  Wir  setzten  also  unsere  Reise  ohne 
diesen  Diener  fort.  An  der  Ostseite  der  Stadt  war  etwas 
Anbau  bemerkbar,  indem  das  Land  hier  sehr  sumpfig  und 
während  der  Regenzeit  überschwemmt  ist;  es  ist  mit  dich- 
tem Gestrüppe  bewachsen,  in  welchem  wilde  Tliiere  in  Menge 
hausen.  Dicht  unter  der  Obei-fliiche  des  Bodens  findet  sich 
Wasser,  und  der  Bnmnen  bei  einem  Schüa-Dorfe,  an  wel- 
chem wir  vorbeikamen,  war  nur  3  Klaftern  tief.  Bei  dem  Dorfe 
Atmartschäri,  das  wir  zur  Rechten  liegen  Hessen,  zeigten  sich 
Spuren  von  Anbau,  indem  die  Waldung  gerodet  war,  um 
Raum  für  Kornfelder  zu  gewinnen.  Das  Dorf  wird  von  Ka- 
nöri  bewohnt.  Bald  darauf  wurde  die  Waldung  dichter 
als  vorher,  indem  Scldingpflanzen  die  Bäume  hinaufkletter- 
ten und  in  Gewinden  von  den  Zweigen  herabhingen.  Hier 
sah  ich  zum  erstenmale  die  Spur  des  Rhinoceros,  welches 
in  allen  westlichen  Theilen  des  Sudans  mit  wenigen  Ausnah- 
men so  gut  wie  gar  nicht  vorkommt  *).  Es  führt  bei  den  Ein- 
wohnern dieses  östlichen  Theiles  von  Logone  den  in  Baghinni 
ül)lichen  Namen  „binii",  während  es  in  der  einheimischen 
Landessprache  „ngirme"  heisst;  im  Kanöri  heisst  es  „bdr- 
kadjdn"  oder  „kdrgaddn",  unter  welchem  Namen  es  höchst 
auffallenderweise  bereits  von  El  Edrisi  **)  ei'wähnt  wird, 
aber  nicht  mit  Bezug  auf  Afrika,  sondern  bei  Indien.  Es  wird 
von  den  Einwohnern,  welche  auf  den  schmalen  Pfaden  ihres 


*)  In  der  Knglisclicn  Ausgabe  habe  ich  mich  in  diesem  Falle  etwas  zu  be- 
stimmt ausgedrückt;  denn  das  Rhinoceros  kommt  in  Libtako  vor. 
«♦)  Scherif  cl  Edrisi,  trad.  Jaubcrt,  vol.  I,  p.  72 :  (jlcXTlST 


Ankunft  am  Scliari.  279 

heimischen  Walddickichts  oft  mit  diesem   grimmigen  Thiere 
zusammentreffen,  sehr  gefürchtet. 

Ich  war  ein  wenig  vorausgeritten,  als  ich  plötzlich  durch 
die  Zweige  der  Bäume  den  prächtigen  Spiegel  eines  gros- 
sen Flusses,  viel  grösser,  als  derjenige  von  Logone,  ge- 
wahrte. Tiefe  Stille  herrschte  ringsum  und  die  durchsichtige 
Oberfläche  des  Wassers  wurde  auch  nicht  vom  leisesten  Wind- 
hauche bewegt;  keine  Spur  von  Menschen  oder  Tliieren  war 
zu  sehn,  mit  Ausnahme  von  zwei  Flusspferden  (bei  den  L6- 
gonem  „nie"  geheissen),  welche  sich  am  Ufer  gesonnt  hatten 
und  sich  bei  unserer  Annäherung  in's  Wasser  stürzten.  Dies 
also  war  der  wirkliche  Schnri,  das  heisst  „der  grosse  Fluss 
der  Kotokö"  (denn  „schäri"  bedeutet,  wie  gesagt,  nichts  als 
„Fluss"),  welcher,  verstärkt  durch  den  kleineren,  aber  doch 
beträchtlichen  Fluss  von  Logone,  jenes  grosse  stagnirende 
Wasserbecken  bildet,  das  diesem  Theile  des  Sudans  seine 
eigenthümliche  Gestaltung  gibt.  Der  Fluss  fliesst  an  dieser 
Stelle  von  S  30  W.  nach  N  30  0.,  macht  aber  bedeutende  Krüm- 
mungen  und  kommt  weiter  stromaufwärts  von  S.  und  sodann 
in  einer  Schlinge  aus  038N. 

Das  Ufer,  auf  dem  ich  des  stillen,  aber  schönen  Schau- 
spiels genoss,  ist  mit  dichter  Waldung  bestanden  und  gegen 
15  Fuss  hoch.  Keine  menschHche  Wohnung  war  zu  sehn, 
mit  Ausnahme  der  kleinen  Dorfschaft  A'-ssü  am  jenseitigen 
Ufer.  Die  Spiegelglätte  des  Wassers  wurde  nur  dann  und 
wann  durch  das  Aufspringen  eines  Fisches  unterbrochen; 
kein  WasseiTogel  war  zu  sehn,  auch  nicht  ein  einziges  Boot. 
Endlich  bemerkten  wir  am  jenseitigen  Ufer,  welches  flach 
und  sandig  ist,  den  Fährmann,  der  uns  durch  Zeichen  bedeu- 
tete, noch  etwas  weiter  flussaufwärts  zu  gehn,  damit  wir 
bei  der  Überfahrt  durch  die  Strömung  nicht  zu  weit  abwärts 
getrieben  werden  möchten.  Wir  gingen  also  gegen  1200  Schritt 
weiter  aufwärts,  ich  machte  es  mir  im  Schatten  eines  Bau- 
mes bequem,  während  ich  das  Boot  erwartete,  und  hing  dem 


i 


280  XL  Kapitel. 

angenehmen  Gedanken  nach,  dass  ich  nun  bald  ein  neues 
Land  betreten  würde,  das  noch  von  keinem  Europäer  besucht 
worden  war. 

Endlich  kam  das  Boot  heran,  aber  sobald  die  Fährleute 
erkannten,  wer  wir  seien,  nahmen  sie  eine  befremdete  und 
geheimnissvolle  Miene  an  und  erklärten,  dass  sie  uns  nicht 
übersetzen  könnten,  ohne  vorher  ihren  Herrn,  den  Amtmann 
von  A'-ssü,  befragt  zu  haben.  So  ungewöhnlich  dies  Verfah- 
ren auch  schien,  so  ahnte  ich  doch  noch  nicht,  wie  sich  die 
Sache  eigentlich  verhielt.  Wir  setzten  uns  daher  ruhig  am 
Ufer  nieder,  um  die  Antwort  abzuwarten,  die  wir  für  eine 
blosse  Förmlichkeit  hielten.  Die  Luft  war  sehr  schwül  und 
der  Himmel  trübe;  Gewölk  hing  über  dem  Flusse,  das  Her- 
annahen der  Regenzeit  verkündend.  Um  die  tödtlichen  Sta- 
cheln der  Blutfliegen  von  den  Pferden  abzuhalten,  zündeten 
wir  ein  Rauchfeuer  an.  Die  Stiche  dieser  Fliege  sind  fast  so 
gefährlich,  wie  die  der  „tsetse"  in  den  südlichen  Theilen  die- 
ses Kontinentes ,  und  viele  Reisende  verlieren  all'  ihre  Pferde 
an  den  Ufern  dieses  Flusses;  aber  glücklichei-weise  ist  sie 
auf  diese  Ufer  beschränkt. 

Meine  Ruhe  ward  plötzlich  gestört  durch  die  Ankunft 
eines  zahlreichen  Zuges  Pilger,  die  nach  Mekka  unterwegs 
waren,  alle  vom  Stamme  der  Fulbe  oder  Felläta,  und  zwar 
grösstentheils  aus  dem  westlichen  Sudan,  nur  einige  aus 
Gottokö,  einem  wenig  bekannten  Lande  zwischen  Bambara 
und  Kong.  Unter  ihnen  waren  auch  die  Leute,  welche  mich 
auf  meiner  Reise  nach  Adamaua  begleitet  hatten,  imd  denen 
ich  zum  zweiten  Male  bei  der  Stadt  Logone  begegnet  war.  Ich 
machte  denselben  ein  Geschenk  von  Nähnadeln,  um  ihnen 
bei  ihrem  löblichen  Unternehmen  eine  kleine  Unterstützung 
zu-  gewähren.  Während  wir  zusammen  plaudeiiien ,  kehrten 
die  Bootsleute  mit  der  Staunen  erregenden  Antwort  zurück, 
dass  mir  der  Amtmann  des  Dorfes  verbiete ,  über  den  Fluss 
zu  setzen. 


Umtriebe  Hadj  Ahmed's.  281 

Wir  vermochten  uns  erst  kaum  voraustelleu ,  worin  die 
Ursache  dieses  unvorhergesehenen  Hindernisses  hestehe,  his 
uns  die  Bootsleute  mittheilten,  dass  Hadj  Ahmed,  das 
Haupt  der  mehrerwähnten,  von  Kükaua  nach  ihrer  Hei- 
math zurückkehrenden  Baghirmier,  erklärt  habe,  ich  sei 
eine  höchst  gefährliche  Person,  und  es  habe  ihnen  selbst 
der  Vezier  von  Bomu  gesagt,  es  sei  ernstliche  Gefahr  vor- 
handen, dass,  falls  ich  während  der  Abwesenheit  des  Sul- 
tans Baghirmi  betreten  sollte,  ich  den  Thron  umstüi-zen  und 
das  Land  zu  Grunde  richten  würde.  Da  sich  einige  von 
den  angesehensten  Männern  des  Dorfes  im  Boote  befanden, 
so  wandten  wir  jedes  Mittel  an,  um  sie  von  der  Ungereimt- 
heit dieser  Verläumdung  zu  überzeugen;  aber  Alles  war 
vergeblich,  und  es  unterlag  weiter  keinem  Zweifel,  dass 
man  uns  jedenfalls  an  dieser  Stelle  nicht  würde  übersetzen 
lassen. 

Ich  war  einen  Augenblick  unentschlossen,  ob  ich  nach 
Logon  bimi  zurückkehren  und  daselbst  die  Rückkunft  eines 
zum  Sult^  von  Baghirmi  zu  sendenden  Boten  abwarten, 
oder  ob  ich  mein  Glück  an  einer  anderen  Stelle  des  Flusses 
versuchen  sollte.  Ich  wusste  mir  nicht  zu  erklären,  von 
woher  die  Schwierigkeit  komme,  ob  es  wirklich  der  Vezier 
von  Bomu  sei,  der  diese  Umtriebe  angestiftet  habe,  da  ihm 
bekannt  war,  wie  ernstlich  mein  Wunsch  sei,  wo  irgend 
möglich,  nach  Wädai  vorzudringen,  oder  ob  es  der  Sultan 
von  Logone  sei,  der  glauben  mochte,  wenn  er  mich  auf  diese 
Weise  zur  Rückkehr  nöthige ,  würde  er  mich  bewegen  kön- 
nen, länger  bei  ihm  selbst  zu  verweilen.  Ich  hatte  den 
Baghirmier,  so  viel  ich  wusste,  niemals  beleidigt,  sondern  im 
Gegentheil  ihn  und  seine  ganze  Truppe  in  der  Stadt  Lo- 
gone bewirthet  und  ihm  noch  besonders  einige  kleine  Ge- 
schenke gemacht ;  er"  mochte  aber  neidisch  auf  mich  gewesen 
sein,  weil  er  den  Sultan  von  Logone  mich  mit  solcher  Zu- 
Torkommenheit  beehren  sah.    Er  war  nach  Kükaua  gekom- 


282  XL  KapiteL 

men,  um  daselbst  einige  Waaren  zu  kaufen,  die  in  Baghinni 
nicht  zu  haben  waren  und  welche  er  wieder  an  den  Sultan  des 
Landes  mit  Gewinn  zu  verkaufen  gedachte.  Er  hielt  mich 
vielleicht  auch  für  einen  Kaufmann,  der  mit  ihm  concurri- 
ren  möchte.  Nach  Erwägung  aller  dieser  Punkte  beschloss 
ich  endlich,  den  Versuch  zu  machen,  ob  ich  nicht  an  einer 
anderen  Stelle  über  den  Fluss  kommen  könne. 

Wir  kehrten  also  etwas  über  2  Meilen  auf  demselben 
\V(»ge  zurück,  auf  dem  wir  gekommen  waren,  um  die  Leute 
glauben  zu  machen,  dass  wir  uns  wieder  nach  Logone  wen- 
deten, und  bogen  dann  nach  Norden  ab.  Unser  Weg  führte 
in  nordöstlicher  Richtung  hier  durch  dichte  Waldung,  dort 
über  kh'ine  Dorfschaften,  wo  fast  kein  Getreide,  wohl  aber 
etwas  Baumwolle,  welche  die  Einwohner  selbst  verarbeiteten, 
gebaut  wurde,  bis  wir  das  grössere  Dorf  Biigari  erreich- 
ten. Hier  wurden  wir  von  den  Einwohiieni,  welche,  wie  die 
der  meisten  Weiler  der  Umgegend,  zum  Kanöri-Stamme  ge- 
hören, sehr  freundlich  aufgenommen  und  erhielten  unver- 
züglich einen  grossen  Hofraum  zu  unserem  Gebrauche  ange- 
wiesen. Meine  Gefährten  erzählten  den  Leuten,  wir  hätten 
den  geraden  Weg  nach  Mele  verfehlt,  und  sie  versuchten 
mich  sogar  für  einen  ScherTfen  auszugeben,  aber  unglück- 
licherweise war  ein  Mann  im  Dorfe  anwesend,  der  mich  bei 
der  Fähre  von  A-ssü  gesehen  hatte,  so  dass  nicht  eben 
grosse  Hoffnung  vorhanden  war,  den  Fluss  an  einer  anderen 
Stelle   ohne  fernere  Schwierigkeit  überschreiten  zu   können. 

Ich  war  dessenungeachtet  entschlossen,  kein  Mittel  unver- 
sucht zu  lassen,  um  die  Gelegenheit,  ein  neues  Land  zu  er- 
forschen, nicht  zu  versäumen.  Für  eine  üöra  (ein  kurzes 
Hemdj  versprach  mir  der  Billama  des  Dorfes  einen  Führer, 
der  mich  am  folgenden  Morgen  an  die  Fähre  von  Mele  brin- 
gen sollte. 

\Domierstay,  1^^^^  März.]  Vor  Tagesanbiiich  traten  wir  unser 
heimliches  Untemehmen  an.    Der  schmale,  rauhe  Pfad  fiihi-te 


Übergang  über  den  Scbari  bei  Mele.  283 

uns  sogleich  in  den  Wald,  geleitet  von  einem  schlanken,  wolil- 
gebauten,  kräftigen  und  halbnackten  Burschen,  der  mit  Bo- 
gen und  Streitaxt  bewaffnet  war.  Dann  ward  die  Waldung 
von  Baumwollenpflanzungen  und  Getreidefeldeni  unterbrochen, 
sämmtlich  den  Einwohnern  des  Dorfes,  wo  wir  übernachtet 
hatten,  gehörig,  —  bis  wir  endlich  auf  die  Heerstrassc,  die 
in  grossen  Krümmungen  von  Logone  nach  Mele  zieht,  hinaus- 
traten. Das  Unterholz  war  hier  anfänglich  stark  mit  Düm- 
gestrüppe  —  „ngiUe"  —  vermischt,  aber  bald  darauf  änderte 
sich  der  Anblick  der  Landscliaft  plötzlich,  indem  sich  zu 
unserer  Linken  schöne  niedrige  Wiesengründe  ausbreiteten, 
durclizogen  von  stehenden  Lachen,  den  t Überresten  der  vor- 
jährigen Uberschwemnmng,  während  wir  zu  unserer  Kcchten 
die  dicht  mit  W^ald  durchwachsenen  Ruinen  der  früheren 
Stadt  Yessinekr  hatten. 

Hier  erhielten  wir  zum  zweiten  Male  eine  Ansicht  jenes 
herrlichen  Flusses,  welclier  die  Westgrenze  des  Königreichs 
Baghirrai  bildet,  und  an  dessen  Überschreitung  mich  unbe- 
kannte Leute  durch  ihre  Umtriebe  verhindern  wollten.  Das 
Flussufer  fällt  hier  in  zwei  Abstufungen  ab  und  bildet 
einen  oberen  Abhang,  der  gegenwärtig  mit  grünem  Rasen 
bedeckt  war,  und  einen  unteren  von  lockerem  Sand,  der  sich 
15  Fuss  über  das  Wasser  erhob.  Hier  störten  wir  wiederum 
einige  Krokodile  auf,  die  sich  behaglich  gesonnt  liatten; 
aber  wir  verloren  keine  Zeit,  sondern  gaben  alsbald  dem 
Fährmann  jenseits  Zeichen,  herüberzukommen.  Mittlerweile 
zog  ich  mich  liinter  das  Rohrdickicht  am  Ufer  zurück, 
um  eine  kleine  Skizze  von  der  Flussscene  mit  dem  Dorfe 
am  jenseitigen  Ufer  zu  entwerfen.  Zu  unserer  grossen  Freude 
sahen  wir  bald  ein  Boot  vom  gegenüberliegenden  Dorfe  ab- 
stossen,  sich  um  die  in  der  Mitte  des  Flusses  befindliche 
Sandbank  herumziehen  und  zu  uns  herankommen.  Das  Ge- 
lingen unseres  Planes  hing  nun  von  wenigen  Minuten  ab ;  so- 
bald daher  die  Fährleute  an  unserem  Ufer  angelegt  hatten, 


I 


284  XL  Kapitel. 

bezahlten  wir,  was  sie  forderten,  und  sprangen  in  das  Boot, 
welches  gross  und  bequem  war. 

Es  gereichte  mir  zu  grosser  Freude,  obwohl  ich  nicht  ohne 
einige  Besorgniss  war,  dass  ich  mich  auf  dem  herrlichen,  hier 
gewiss  nicht  unter  1800  Fuss  breiten  Flusse  eingeschifit  sah. 
Die  Sandbank  liegt  etwas  mehr  nach  dem  Ostufer  zu  und  die 
Strömung  („ngäda"  im  Kanöri,  „dmma-uä"  im  Lögone)  hält 
sich  durchaus  nur  an  jener  Seite,  während  der  Fluss  an  der 
westlichen  Seite  langsam  dahinfliesst  und  meistens  nicht 
sehr  tief  zu  sein  scheint;  im  Fahrwasser  zeigten  die  Stan- 
gen der  Fährleute  15  Fuss  Tiefe.  Das  Kameel,  die  Pferde 
und  der  Lastochse  schwammen  beim  übersetzen  an  der 
Seite  des  Bootes,  nur  dass  sie  am  Nordende  der  gegenwärtig 
etwa  400  Schritt  langen  Sandbank  entlang  gingen.  Die 
Strömung  zwischen  der  Sandbank  und  dem  Ostufer  war  sehr 
stark  und  das  Wasser  tief,  glücklicherweise  aber  die  Ent- 
fernung nur  etwa  600  Fuss. 

So  fuhren  wir  in  den  kleinen  Hafen  von  Mele  ein  und 
wurden,  als  wir  an's  Land  stiegen,  von  einem  Ichneumon, 
das  frei  umherlief  und  mit  dem  Schwänze  wedelte,  freundlich 
bewillkommt.  Es  mochte  dies  ein  glückliches  Vorzeichen  bei 
meiner  Ankunft  im  Lande  scheinen.  Auch  die  Leute,  welche 
in  einer  kleinen  Werfte,  wo  die  gewöhnlichen  Flussschiflfc  er- 
baut werden,  auf  mannichfaltige  Weise  beschäftigt  waren, 
empfingen  uns  sehr  freundlich,  besonders,  da  ich  einem  ge- 
wissen Beamten,  „kaschella"  betitelt,  ein  kleines  Geschenk 
gemacht,  auch  dem  Fährlohn  für  die  Bootsleute  einige  Na- 
deln beigefügt  hatte.  Ich  wurde  angenelmi  überrascht  durch 
die  wohlgefälligen  Formen  des  weiblichen  Geschlechtes,  ihr 
anmuthiges  Wesen  und  ihren  gutstehenden  Kopfputz,  was 
Alles  sie  sehr  vortheilhaft  nicht  nur  von  den  Kanöri- Wei- 
bern, sondern  auch  von  den  Lögoneserinnen  unterscheidet. 

Sobald  wir  unser  Kameel  wieder  beladen  und  Begrüssun- 
gen  ausgetauscht  hatten,  zogen  wir  weiter,  indem  wir  das 


Eintritt  in  BaghirmL  285 

höhere,  sich  hier  25  Fuss  erhebende  Ufer  hinanstiegen  und 
das  Dorf  dicht  am  steilen  Ufer  zur  Linken  liegen  Hessen. 
Aber  kaum  waren  wir  1  Meile  weiter  gegangen,  froh,  trotz 
aller  uns  entgegengestellten  Hindemisse  in  dieses  Land  vor- 
gedrungen zu  sein,  als  wir  einen  Mann  auf  uns  zukommen 
sahen,  den  mein  Reiter  sogleich  als  einen  Diener  des  Amt- 
manns von  A'-ssü  erkannte.  Dieser  Umstand  musste  unsere 
Hoffnung  sehr  herabstimmen.  Hätte  der  Amtmann  von 
A-ssü  seine  Schuldigkeit  mit  mehr  Vorsicht  gethan  und  am 
Abend  vorher  oder  früh  am  Morgen  einen  Boten  abge- 
sandt, so  wäre  ich  wohl  nie  nach  Baghirmi  gekommen. 

Als  wir  den  Mann  mit  seiner  unheilvollen  Botschaft  seinen 
Weg  hatten  fortsetzen  lassen  —  denn  er  wagte  es  nicht,  sich 
gegen  uns  seines  Befehles  zu  entäussern  — ,  fanden  wir  es  nach 
kurzer  Überlegung  am  gerathensten,  den  offenen  Weg  zu  ver- 
lassen und  in  die  Stoppelfelder  einzubiegen ;  denn  es  wird  hier 
beträchtlicher  Anbau  von  den  Einwohnern  Mele's  betrieben. 
Dieses  Dorf  ist  nämlich,  obgleich  es  dicht  am  Flusse  liegt,  mehr 
ein  landwirthschaftliches  als  ein  Fischerdorf.  Neuer  Acker- 
boden wurde  soeben  gerodet;  den  Bäumen  wurden  sämmtliche 
Zweige  und  Aste  abgehauen,  so  dass  nur  ein  kurzer  Stamm 
stehen  blieb,  um  die  Kleidung  der  Arbeiter  gegen  die  Amei- 
sen oder  vielmehr  Termiten  zu  schützen.  Das  ganze  Land 
war  gut  angebaut  und  von  zahlreichen  Bäumen  beschattet, 
so  dass  es  einen  recht  freundlichen  Anblick  darbot 

Nach  einem  halbstündigen  Marsche  durch  die  Stoppeln 
traten  wir  auf  einen  wohlbetretenen  Pfad  hinaus,  welcher 
von  IQessem  herkam,  einem  beträchtlichen,  weiter  flussab- 
wärts  gelegenen  und  noch  zu  Kotokö  gehörigen  Dorfe  mit  einer 
eigenthümlichen  Mundart.  Wir  verfolgten  nun  diesen  Weg 
und  erreichten  bald  ein  seichtes,  grasreiches  Gewässer  von 
der  mehrerwähnten  Art  —  in  Baghirmi  heissen  dieselben 
„kamane"'  oder  „guguli"  — .  Es  wurde  durch  eine  Niederlas- 
sung von  Schüa- Viehzüchtern  vom  Stamme  der  'Agaife  belebt 


286  XL  KapiteL 

und  erstreckte  sich  in  grosser  Länge  von  SSW.  nach  NNO^ 
so  dass  es  eine  wesentliche  Eigenthümlichkeit  dieses  Landes- 
theiles  bildet;  es  wird  Ambussäda  oder  Mbussäda  genannt. 
An  der  Stelle,  wo  wir  es  überschritten,  war  das  Wasser  nur 
1  Fuss  tief  und  das  ganze  seichte  Bett  mit  dem  reichsten 
Pflanzengrün  bedeckt. 

Wir  hielten  uns  hierauf  hart  an  der  Ostseite  des  Wiesen- 
gewässers und  hatten  zur  Linken  ansteigenden  Boden,  der 
mit  einem  prächtigen  Gürtel,  besonders  schöner  wilder  Fei- 
genbäume besetzt  war.  Die  Landschaft  erinnerte  mich  an  das 
Müssgu-Land,  nur  war  das  Rinnsal  nicht  so  breit  und  es  brach 
keine  Delebpalme  durch  das  Laub  der  anderen  Bäume,  „wie 
ein  Wald  über  dem  Walde"  hervorragend.  Eine  fast  unun- 
terbrochene Reihe  von  Dorfschaften  besäumte  diesen  schma- 
len Streifen  fruchtbaren  Grüns  und  hie  und  da  sah  man  eine 
Ginippe  von  Leuten  aus  der  dichten  Belaubung  hervorkom- 
men, während  zahlreiche  Viehheerden  über  den  marschigen 
Wiesengrund  einherstreiften  und,  mitunter  nur  mit  dem  Ober- 
körper aus  dem  Wasser  ragend,  die  frischen  jungen  Gras- 
sprossen abweideten.  Schöngefiederte  Vögel  von  allerlei 
Gattung  und  Grösse  schweiften  umher:  hier  rauschte  der 
riesige  Pelikan  vom  benachbarten  Baume  hernieder,  dort 
stand  der  Marabu  (Ciconia  Marabu),  einem  alten  Manne  gleich- 
sehend, mit  dem  Kopfe  zwischen  den  Schultern;  hier  stol- 
zirte  der  gewaltige  blaugefiederte  „dedegami"  einher,  indem 
er  seiner  Beute  nachspürte,  weiterhin  der  Plotus  mit  seinem 
langen  schlangenailigen  Halse;  dort  forschte  der  weisse  Ibis 
begierig  nach  Futter,  und  dazwischen  watschelten  allerlei 
Enten  —  „geddegabü"  oder  „dabä"  — ,  flogen  und  flatterten 
zahlreiche  kleine  Vögel  in  grösseren  und  kleineren  Schwär- 
men umher.  Dann  und  wann  brach  ein  Wildschwein  aus 
dem  Dickicht  hervor,  von  einem  zahlreichen  Gefolge  von  Fer- 
keln begleitet,  und  rann  eilends  in's  kühle  Wasser.  Hier  war 
ein  reichhaltiges,   ja  unerschöpfliches  Feld    für  den  Jäger, 


GesEwungene  Rückkehr  nach  Mele.  287 

aber  ich  konnte  nicht  an's  Jagen  denken,  denn  ich  war  mir 
gar  wohl  bewusst,  dass  etwas  im  Gange  sei,  um  meinem 
weiteren  Vordringen  im  Lande  ein  Ende  zu  machen. 

Es  wäre  vielleicht  gescheidtcr  gewesen,  ohne  Aufenthalt 
weiter  zu  ziehen;  ich  empfand  aber  die  Hitze  der  Sonne  zu 
stark,  und  da  ich  doch  nicht  mit  Gewalt  durch  das  Land 
reisen  konnte,  ruhte  ich  lieber  während  der  Tageshitze 
im  Schatten  eines  schönen  breiten  Ngabore  oder  Ngäto 
(wilden  Feigenbaumes)  zur  Seite  eines  Schüa- Dorfes.  Ich 
suchte  hier  vergebens  bei  den  Einwohnern  Einiges  zu  meiner 
Erfrischung  einzutauschen;  zu  meinem  grossen  Erstaunen  war 
weder  Milch,  noch  sonst  etwas  zu  haben,  obgleich  man 
überall  Vieh  in  zahlreicher  Menge  weiden  sah.  Aber  die 
Leute  sagten  mir,  gerade,  weil  so  viel  Vieh  auf  einem  so 
schmalen  Streifen  von  Weideland  zusammengedrängt  sei,  hät- 
ten sie  so  wenig  Milch.  Diese  Schüa,  welche  zum  Stamme 
der  Ueläd  'Ali  gehören,  nennen  dieses  seichte  Gewässer 
nach  ihrem  Oberhaupte  „mssel  el  Hadj  "Ali". 

Ruhig,  obwohl  nicht  ohne  Besorgniss,  hatte  ich  mich  in  der 
schattigen  Kühle  ausgestreckt,  als  wir  den  Häuptling  von  Mele 
mit  sieben  oder  acht  bewaf&ieten  Schüa  herankommen  sahen. 
Sie  wandten  sich  zuerst  an  meinen  Reiter  Grema,  der  es  sich 
im  Schatten  eines  anderen  Baumes  bequem  gemacht  hatte. 
Nachdem  sie  ihre  Sache  mit  ihm  abgemacht  hatten,  kamen 
sie  dann  zu  mir  und  erklärten,  dass  sie  mir  nicht  gestatten 
könnten,  meine  Reise  fortzusetzen,  da  sie  gehalten  seien,  Ver- 
haltungsbefehle aus  der  Hauptstadt  abzuwarten,  worauf  ich 
denn  meinerseits  sofort  erklärte,  dass  ich  gern  ein  Paar  Tage 
warten  wolle,  jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  sie  mir  eine 
Wohnung  überweisen  und  mich  mit  Lebensmitteln  versehen 
wollten.  Sie  drückten  ihre  Zufriedenheit  mit  meiner  Willfäh- 
rigkeit aus,  erklärten  aber,  dass  sie  mir  im  Weigerungsfalle 
alle  Schüa  in  der  Nachbarschaft  nachgesandt  haben  würd^ 
um  mich  unterwegs  zu  beunruhigen.  Der  Häuptling  von  Mele 


I 


288  XL  KapiteL 

versicherte  mich  hierauf,  er  werde,  wenn  ich  nach  seinem  Dorfe 
zurückkehren  wolle,  dafür  Soi^e  tragen,  dass  ich  mit  Allem^ 
was  ich  bedürfe,  namentlich  mit  Geflügel  und  Milch,  hin- 
reichend versehen  würde. 

Ich  genehmigte  daher,  dass  Grema  die  Reise  allein  fort- 
setze, um  meine  Briefe  nach  der  Hauptstadt  zu  bringen,  wäh- 
rend ich  meinen  Rückweg  nach  Mele  antrat  Auf  einem  ge- 
raderen als  dem  vorher  von  mir  eingeschlagenen  Wege  kehr- 
ten wir  in  1^  Stunden  nach  dem  Dorfe  zurück,  wo  ich  die- 
ses Land  zuerst  betreten  hatte. 

Mele  hat  eine  ganz  interessante  Lage  auf  dem  steilen  Ufer 
eines  grossen,  schiflfbaren  Flusses,  der  hier  seinen  Lauf  ändert 
und  die  bisher  eingehaltene  westöstliche  Richtung  gegen  eine 
süd  nördliche  vertauscht.  Sehr  angenehm  hätte  ich  hier  einige 
Tage  in  Betrachtung  der  anziehenden  Scenerie  zubringen  kön- 
nen, wenn  mich  nicht  stets  die  Sorge  um  die  Weiterreise  beun- 
ruhigt hätte.  Unter  diesen  Umständen  vergingen  mir  die  6 
oder  7  Tage,  die  ich  hier  zubrachte,  gar  trübselig,  und  die 
Einwohner  fingen  an,  sehr  misstrauisch  gegen  mich  zu  werden, 
weil  sie  bemerkten ,  dass  mein  Lieblingsaufenthalt  im  Schat- 
ten eines  schönen  Baumes  am  Flussufer  war ,  von  wo  ich 
eine  weite  Aussicht  über  den  Strom  nach  Norden  und  We- 
sten hin  hatte.  Der  Verkehr  auf  dem  Flusse  war  sehr  un- 
bedeutend, nur  höchst  selten  sah  man  ein  Boot  vorbeifahren. 
Mitunter  belebte  sich  aber  die  langgestreckte  Sandbank  durch 
ein  Krokodil,  das  aus  dem  Wasser  hervorkam,  um  sich  zu 
sonnen,  oder  durch  die  fröhliche  Dorfjugend,  welche  hinüber- 
schwamm, um  nach  ihrem  Fischergeräthe  zu  sehn  und  die 
Netze  zu  trocknen.  Sowohl  an  Fischen  wie  an  Krokodilen 
ist  der  Fluss  sehr  reich  und  das  Fleisch  der  letzteren  ist  bei 
den  Eingeborenen  sehr  beliebt.  Ich  sah  auch  etwas  weiter 
abwärts  am  Strande  eine  eigenthümliche  Vorkehrung  oder 
eine  Art  Zaubergeräthe ,  an  einem  Baumstamme  angebracht, 
um,  wie  es  schien,  die  Wasserholenden  vor  einem  plötzlichen 


Der  Fluss  Schäri.  289 

Angriff  dieser  gefrässigen  Thiere  zu  schützeD.  Ausserdem  ent- 
hält der  Fluss  ein  sehr  grosses,  wahrscheinlicli  mit  dem  Ayü 
des  Benue  und  des  Niger  —  dem  Manatus  Vogelü  —  iden- 
tisches Thier  *). 

Nordöstlich  ward  das  Dorf  von  einer  dichten  Waldung  be- 
grenzt, durch  welche  sich  in  geringer  Entfernung  das  untere 
Ende  der  Ambussäda  zog,  die  hier  einen  überaus  üppigen 
Pflanzenwuchs  hatte  und  ein  Lieblingsaufenthalt  der  Wild- 
schweine war.  Ich  bemerkte  hier  aucli  Affen  in  beträchtli- 
cher Anzahl. 

Es  war  während  meines  Aufenthaltes  in  Mele,  dass  ich  zu- 
erst eine  deutliche  Vorstellung  vom  Laufe  des  Schäri  und 
von  dessen  Verhältniss  zum  Flusse  von  Logone  erhielt,  welche 
Flüsse  sich  beide  etwas  unterhalb  Küssuri  bei  einer  Ortschaft 
Namens  Ssina  Fatscha  vereinigen;  auch  zog  ich  viele  Nach- 
richten —  freilich  nicht  eben  von  der  deutlichsten  und  be- 
stimmtesten Art  —  über  (Ue  am  oberen  Laufe  beider  Flüsse 
liegenden  Orte  und  Herrschaften  ein.  Ich  hörte,  dass  der  Schäri 
im  vorigen  Jalire  über  seine  Ufer  ausgetreten  und  sogar  in  die 
Hütten  der  Einwohner  eingedrungen  sei.  Und  doch  erhoben 
sich  an  dieser  Stelle  die  Ufer  gegenwärtig  mehr  als  40  Fuss 
über  den  Wassei-spiegel ! 

Der  dem  Flusse  gewöhnlich  beigelegte  Name  „Schäri"  gehört, 
wie  schon  bemerkt,  der  Sprache  der  Kotokö  an ;  die  Baghir- 
mier  nennen  ihn  nur  „Ba '  und  unterscheiden  seine  verschie- 
denen Theile  nach  den  anliegenden  Ortschaften,  wie  Bä-Mele, 
Bä-Bü-ssö,  Bä-Gün,  während  ihn  die  Araber  hier  Bahr-Mele 
und  etwas  weiter  aufwärts  nach  dem  anderen  Dorfe  Bahr- 
A-ssü  nennen.     Wenn  daher  zuweilen  der  ganze  Fluss  A-ssG 


*)  Ich  glaube,    dieses  Thier  ist   dasjenige,   welches  Burekhardt  (Reisen  in 
Nnbien,  Anhang,  2<e  Originalausgabe,  I.  S.  433)  als  den  /vCp9^l  anführt. 

Dieser  Name  muss  ihm   von  den  SchOa  gegeben   worden  sein,   ich  habe   ihn 
jedoch  selbst  nicht  nennen  hören. 

Bwth't  lUlMn.  lU.  i^ 


I 


290  XI.  Kapitel. 

genannt  wird,  so  verhält  es  sich  damit  ganz  so,  als  wenn  man 
den  Komädugu  Waübe,  Yeu  oder  Yö  nennt 

Aber  wälirend  ich  so  in  Beziehung  auf  den  herrlichen  Strom 
Gelegenheit  hatte,  meine  Zeit  nicht  ganz  unerspriesslich  zu 
verwenden,  war  meine  Beköstigung  keineswegs  so  angenehm, 
wie  man  mich  hatte  erwarten  lassen;  denn  weder  Geflü- 
gel, noch  Milch  war  zu  haben  und  die  frischen  Fische  des 
Flusses,  die  ich  mir  mitunter  durch  ein  gutes  Geschenk  zu 
verschaffen  wusste,  bekamen  mir  bei  dem  schwächlichen  Zu- 
stande meines  Magens  nicht  gut,  so  vortrefflich  und  wohl- 
schmeckend sie  auch  waren.  Es  wird  ein  kleiner  Markt  in  £die, 
einem  5  Meilen  von  hier  entfernten  Dorfc,  und  ein  etwas  be- 
deutenderer Mittwochsmarkt  beim  Dorfe  Tschinge  gehalten, 
aber  auf  beiden  ist  wenig  zu  haben,  und,  was  die  Hauptsache 
war,  ich  hatte  nicht,  was  die  Leute  wünschten. 

Meine  Ungeduld  steigerte  sich  durch  die  unverkennbaren 
Vorzeichen  der  herannahenden  Regenzeit,  während  mir 
Schwärme  von  Mücken  auch  die  nächtliche  Ruhe  raubten.  Der 
Himmel  war  gewöhnlich  trübe  und  in  der  Frühe  hüllte  zu- 
weilen ein  dichter  Nebel  die  ganze  Landschaft  ein ;  des  Mor- 
gens war  die  Luft  ziemlich  kühl,  aber  Mittags  wurde  es  schwül 
und  im  Laufe  des  Nachmittags  erhob  sich  oft  ein  heftiger 
Wind.  Alle  meine  Pläne  waren  vereitelt,  während  ich  so 
gern  dem  Sultan  auf  seinem  Zuge  Gesellschaft  geleistet  hätte, 
obgleich  die  Nachrichten  aus  dem  Lager  keineswegs  ganz  gün- 
stig lauteten.  Es  hiess  nämlich,  die  heidnischen  Einwohner 
von  Gögomi,  gegen  die  er  Krieg  führte,  wären  von  ihrer  Berg- 
feste herabgekommen  und  hätten  eine  grosse  Menge  Volks 
erschlagen ;  unter  den  Gefallenen  sollte  sich  auch  ein  wohlbe- 
kannter Araber  aus  dem  Westen  (Marokko),  der  den  Zug  mit- 
gemacht hatte,  befinden. 

[Donnerstag^  2ö9t€n  März.]  Es  war  gegen  Mittag,  als  zu 
meiner  grossen  Freude  mein  Gefährte  Grema  'Abdü  aus  der 
Hauptstadt  zurückkehrte.   Er  war  begleitet  von  zwei  Dienern 


Abreise  nach  Bügomän.  291 

des  Serma  oder  Kadamdnge,  des  vom  Sultan  während  seiner 
Abwesenheit  mit  dem  Oberbefehl  über  die  Hauptstadt  betrauten 
Statthalters.  Ich  fand  mich  jedoch  in  meiner  Erwartung,  mich 
nun  ohne  weiteren  Aufenthalt  nach  der  Hauptstadt  begeben  zu 
können,  getäuscht;  denn  die  Boten  überreichten  mir  eine  Ur- 
kunde mit  einem  grossen  schwarzen  Siegel,  des  Inhalts,  dass 
ich  die  Antwort  des  Sultans  in  Bügomän,  einer  weiter  strom- 
aufwärts gelegenen  Stadt,  abwarten  und  inzwischen  von  den 
Einwohnern  dieser  und  der  benachbarten  Stadt  Mission  mit 
frischen  Fischen  und  Milch  versorgt  werden  solle.  So  sehn- 
lich ich  mich  nun  auch  dem  Sultan  selbst  anzuschliessen 
wünschte,  so  wusste  ich  doch  nichts  gegen  diese  Anord- 
nung einzuwenden  und  war  froh,  wenigstens  von  der  Stelle  zu 
rücken,  wenn  auch  nur  ein  wenig. 

Unser  Weg  hielt  sich,  als  wir  das  Dorf  verliessen,  am 
steilen  nordöstlichen  Ufer  des  Flusses  entlang.  Ein  wenig 
oberhalb  Mele  vereinigt  sich  mit  dem  Hauptarm  ein  kleiner 
östlicher  Nebenarm,  und  die  so  gebildete  Insel  ist  dickt  be- 
waldet und  scheint  mit  Ausnahme  eines  kleinen  Fischerwei- 
lers ganz  im  Besitze  der  wilden  Thiere  belassen  zu  sein; 
denn  wir  gewahrten  deutlich  eine  Heerde  von  ungefähr  12 
Antilopen,  von  der  „Mohor"  oder  „Himraie"  (Antilope  Soem- 
meringii)  genannten  Art,  und  zu  unserer  Verwunderung  auch 
eine  Schaar  von  nicht  weniger  als  21  Krokodilen,  die  sich, 
alle  ruhig  auf  dem  sandigen  Strande  auf  dem  Rücken  lie- 
gend, sonnten.  Keines  derselben  war  aber  von  besonderer 
Grösse,  das  längste  mass  nur  12  — 15  Fuss. 

Unser  Marsch  war  ziemlich  kurz,  indem  meine  Gefährten 
für  uns  in  der  2^  Meilen  weiter  aufwärts  am  Nebenarme 
gelegenen  kleinen  Dorfschaft  Limschi  Herberge  nahmen. 
Dies  war  ein  leidlich  betriebsamer  Oil  und  mehrere  Boote 
lagen  hier  am  Ufer.  Da  ich  soeben  eine  solche  Menge  Kro- 
kodile gesehn  hatte,  wunderte  ich  mich  nicht  wenig,  die 
Weiber,  welche  Wasser  holten,  sich  olme  Furcht  im  Flusse 

19  • 


292  XL  Kapitel. 

baden  zu  sehn;  aber  der  Arm,  obgleich  nur  etwa  100  Schritt 
breit,  schien  ansehnlich  tief  zu  sein  und  keine  Sandbänke 
zu  haben.  Die  gegenüberliegende  Insel  war  auch  hier  dicht 
bewachsen,  aber  etwas  weiter  aufwärts  liegt  eine  Dorfschaft 
Namens  O'diö.  Unsere  Aufnahme  im  Dorfe  war  sehr  un- 
freundlich, was  mir  eben  keine  günstige  Vorstellung  von  dem 
Ansehen  des  Vicestatthalters,  unter  dessen  Schutze  wir  doch 
reisten,  einflösste. 

[Freitag  y  26»^^  März.]  Unser  Marsch  führte  während 
der  ersten  1^  Meilen  durch  Stoppelfelder,  worauf  wir  in 
einen  dichten  Wald  kamen,  der  von  Schlingpflanzen  durch- 
wunden, sonst  aber  gar  einförmig  war  und  der  neubeleben- 
den Kraft  der  Regenzeit  entgegenharrte.  Wir  hatten  fort- 
während das  seichte  Rinnsal  Mbussäda  oder  Mssel  el  Hadj 
'Ali  zur  Linken,  bis  wir  dasselbe  nach  einer  Wegestrecke  von 
5  Meilen  überschritten.  Wir  setzten  sodann  unseren  Marsch 
durch  angebautes  Feld  fort,  wo  ausser  Hirse  auch  etwas 
Baumwolle  gezogen  wurde,  darauf  durch  gelichtete  Waldung 
und  erreichten  nun  bald  das  Dorf  Mustafadji,  den  Geburts- 
ort der  Frau  meines  Geleitsmannes  Grema  'Abdü. 

Hier  wurden  wir  ohne  Verzug  untergebracht,  die  Hütten 
waren  aber  weder  durch  Grösse,  noch  durch  Bauart  bemer- 
kenswerth,  indem  sie  ganz  aus  Stroh  und  Rohr  bestanden 
und  nur  der  untere  Theil  mit  einem  leichten  Lehmüberwurfe 
versehen  war,  so  dass  während  der  Tageshitze  die  Luft  darin 
zum  Ersticken  heiss  ward.  Die  Einwohner  sind  alle  Kanöri, 
die  seit  der  Verfallzeit  von  Bornu  hier,  sowie  in  anderen 
Ortschaften  Baghirmi's  eingewandert  sind  und  die  hier  be- 
merkbare geringe  Kultur  eingeführt  haben,  namentlich  die  an 
diesem  Platze  in  beträchtlicher  Ausdehnung  betriebene  We- 
berei und  Färberei.  Der  Schäri  oder  Bä  ist  hier  in  gerader 
Linie  nur  wenig  über  7  Meilen  westlich  entfernt,  und  die 
Überschwemmung  tritt  bis  dicht  an  das  Dorf  heran,  indem 
sie    sich    längs    der    flachen   Thalbildungen   und    Rinnsalen, 


Die  Dörfer  BdgarT  und  Matuän.  293 

welche    das  Land    durchschneiden,    hinwindet.    Eine  grosse 
Strecke  Land  war  hier  mit  einheimischem  Korn  bestellt. 

Die  Einwohner  des  Dorfes  erwiesen  sich  sehr  gastfrei,  und 
der  Schwiegervater  meines  Gefährten  machte  mir  ein  fettes 
Schaaf  zum  Geschenk.  Die  einzige  Schwierigkeit  machte 
das  Wasser,  indem  der  Bninnen  ungeachtet  seiner  Tiefe  von 
15  Klaftern  nur  einen  geringen  Vorrath  lieferte.  Über- 
haupt scheint  Baghirmi  ausserordentlich  an  Wassermangel 
zu  leiden. 

Wir  blieben  hier  den  ganzen  folgenden  halben  Tag  und 
brachen  erst  Nachmittags  um  2J  Uhr  auf,  indem  wir  eine 
südwestliche  Richtung  einschhigen.  Die  Landschaft,  die 
wir  nun  durchzogen,  war  gut  bevölkert  und  zeigte  viel  An- 
bau von  Baumwolle,  und  es  war  hier,  wo  ich  dieselbe 
zum  ersten  Male  in  Furchen  bestellt  fand,  —  eine  Bestel- 
lungsart, die,  wie  ich  glaube,  in  Amerika  und  Indien  allge- 
mein üblich,  im  Sudan  aber  sehr  selten  ist;  die  auf  den 
Rainen  befindlichen  Stauden  waren  gegenwärtig  blätterlos. 
Alle  Baumwollenanpflanzungen,  welche  ich  bisher  im  Sudan 
angetroffen  hatte,  waren  sich  selbst  überlassen  und  daher  in 
einem  verwilderten  Zustande;  hier  aber  schien  ein  sorgfälti- 
ger Betrieb  stattzufinden.  Beim  Dorfe  Mütkoml  ward  meine 
Aufmerksamkeit  auf  die  grosse  Menge  von  Eseln  gelenkt; 
der  Boden  war  hier  voll  von  den  Höhlen  des  „fenek"  (Mega- 
lotis),  von  den  einheimischen  Schüa  „Bü-IIassen"  genannt. 

Indem  wir  unseren  Marsch  über  einen  festen  und  trockenen 
Thonboden  fortsetzten,  liessen  wir  weiterhin  das  grosse  Dorf 
Bügan  zur  Seite  und  kehrten  etwas  vor  Sonnenuntergang 
im  Dorfe  Matuärf  ein,  welches  einem  reichen  und  gelehr- 
ten Manne  Namens  Legäri  Bü-Müssa  gehört,  und  fanden 
eine  sehr  freundliche  Aufnahme.  Diese  Leute  waren  eben- 
falls Kanöri,  und  ich  bemerkte  mit  viel  Vergnügen  als  Zei- 
chen von  Gewerbfleiss  eine  kleine  zwei  Gruben  enthaltende 
Färberei. 


I 


294  XL  Ka^L 

[Sonntag  y  2S**^  März.]  Wir  setzten  unsere  Beise  früh- 
zeitig fort  und  näherten  uns  jetzt  der  Stadt  Bugomän,  wo 
ich  die  Befehle  des  Sultans  abwarten  sollte.  Das  Land 
zeigte  beträchtlichen  Anbau,  und  zahlreiche  landwirthschaft- 
liche  Weiler,  von  den  Baghirmiem  „yoeö"  genannt,  lagen 
umher;  gegenwärtig  standen  aber  alle  leer,  da  sie  nur 
während  der  Regenzeit  von  den  ..Feldhänden",  wie  ein  Ame- 
rikaner sagen  würde,  bewohnt  werden. 

Nachdem  wir  etwa  4  Meilen  weiter  gezogen  und  durch 
eine  marschige  Wiese  mit  zahlreichen  Rhinocerosspuren  ge- 
kommen waren,  standen  wir  abermals  am  üfer  des  grossen 
Flusses  von  Baghirmi,  des  Schäri  oderBä,  welcher  mir  hier, 
wo  er  einen  weiten,  flachen,  sandigen  Strand  bildete*),  an- 
fänglich in  Vergleich  mit  dem  grossartigen  Ansehen,  das  er 
weiter  thalabwärts  hat,  gar  unbedeutend  vorkam,  so  dass  ich 
ihn  beinahe  nur  für  einen  Nebenarm  gehalten  hätte;  allein 
meine  Leute  versicherten  mir  wiederholt,  dass  dies  nicht  der 
Fall  sei,  indem  sich  der  Nebenarm,  welcher  weiter  aufwärts, 
etwas  oberhalb  der  Stadt  Miltu,  sich  vom  Hauptstrome  ab- 
sondert und  bei  Bii-ssö  und  Batschikam  vorbeifliesst,  mit 
dem  Hauptflusse  unfern  von  hier,  bei  der  Stadt  Misskin, 
deren  höhere  Bäume  von  hier  aus  in  Sicht  waren,  wieder 
vereinigt  habe.  Die  Richtung  des  Flusses  ist  hier  auf  eine 
lange  Strecke  gerade  von  Süden  nach  Norden;  er  kömmt 
aber  weiter  aufwärts,  oberhalb  Misskin,  aus  SSO.  Das 
Ufer  ist  an  dieser  Seite  sehr  niedrig,  wesshalb  sich  der 
Fluss  während  der  LT)erschweramungszeit  hier  sehr  weit 
ausbreitet.  Bei  der  sanften  Abdachung  des  Bettes  ist  der 
Fluss  bis  ziemlich  weit  vom  Ufer  seicht,  jedoch  wahrschein- 


*)  Bevor  ich  zum  Hauptfluss  kam,  hatte  ich  einen  Bach  mit  sehr  kaltem 
uiul  klarem  Wasser  zu  überschreiten,  welcher  in  einer  dem  Flusse  entgegen- 
gesetzten Richtung  floss ;  aber  sein  Vcrhältniss  zum  Hauptstrom  blieb  mir  un- 
bekannt, da  mich  auch  nachher  Erlebnisse  in  dieser  Gegend  verhinderten, 
dasselbe  weiter  zu  ergründen. 


Ankunft  in  Bügoraan.  295 

lieh  auf  der  gegenüberliegenden  Seite,  bei  der  Stadt  Bügo- 
män,  wo  das  Ufer  steil  ist,  von  grösserer  Tiefe. 

Die  Stadt  hat  aus  dieser  Entfernung  einigermassen  das 
Ansehen  eines  verfallenen  Ortes,  wenigstens  was  die  Ring- 
mauer betriflft;  sie  war  jedoch  reichlich  mit  mannichfaltigen 
Bäumen  geziert,  unter  welchen  Deleb-  und  Dümpalmen  in 
anmuthiger  Weise  hen'orragten.  Es  war  eben  Markttag  und 
eine  Anzahl  Leute  hatte  sich  in  der  Morgenkühle  am  südöstli- 
chen Strande,  wo  auch  wir  angekommen,  versammelt,  der  Rück- 
kehr des  Fährbootes  wartend,  so  dass  das  Ganze  eine  recht 
belebte  Scene  darbot.  Aber  allmählich  verlor  sich  das  Ge- 
räusch, und  die  Hitze  der  auf  dem  Sande  widerstrahlenden 
Sonne  wurde  fast  unerträglich ;  denn  trotz  meiner  Warnung 
hatten  wir  den  grünen  Gürtel  von  Bäumen  und  Pflanzenwuchs 
hinter  uns  gelassen  und  waren  weit  auf  das  flache,  sandige 
Ufer  hinausgegangen,  welches  jetzt  bis  unmittelbar  an's  Wasser 
trocken  war.  Mein  Geleitsmann  war  mit  den  beiden  Dienern 
des  Serma  in  die  Stadt  gegangen,  um  meine  Ankunft  anzu- 
melden und  dem  Amtmanno  den  Befehl  des  Vicestatthal- 
ters,  dass  ich  hier  weitere  Verfügungen  des  Sultans  abwar- 
ten solle,  mitzutheilen,  —  aber  sie  kamen  nicht  zurück.  Ver- 
gebens suchte  ich  mich  gegen  die  sengenden  Sonnenstrah- 
len zu  schützen,  indem  ich  mit  dem  Teppiche  eine  Überda- 
chung über  mir  bildete;  die  Sonnenhitze  ist  in  diesen  Erd- 
strichen nie  heftiger,  als  gerade  vor  Anbruch  der  Regenzeit, 
und  wir  hatten  gewöhnlich  um  2  Uhr  106°  bis  110°.  —  Als 
der  Mittag  vorüber  war,  wurde  ich  ungeduldig,  beson- 
ders desshalb,  weil  ich  nichts  zu  essen  hatte  und  auch  kein 
Brennholz  da  war,  um  selbst  das  einfachste  Mahl  zu  kochen. 

Endlich  etwas  vor  3  Uhr  kehrten  meine  Boten  zurück, 
aber  man  sah  es  ihnen  gleich  an,  dass  sie  keine  Überbringer 
günstiger  Nachrichten  waren.  Der  Amtmann  von  Bügomän 
verweigerte  dem  ausdrücklichen  Befehl  seines  Landesherm, 
des  Sultans  von  Baghirmi,  Gehorsam  und  lehnte  es  ab,  mich 


I 


296  XI.  Kapitel. 

in  die  Stadt  zu  lasseu.  Es  blieb  uns  also  nur  übrig,  nach 
dem  Dorfe  MatuärT,  wo  vrir  so  freundlich  bewirthet  worden 
waren,  zurückzukehren.  Indem  wir  daher  das  Schaaf,  das 
wir  noch  nicht  hatten  schlachten  können ,  mit  fortschleppten, 
kehrten  wir  auf  demselben  Wege,  den  wir  gekommen,  zurück. 

Wir  blieben  in  Matuarl  den  folgenden  Morgen,  und  ich 
hatte  hinlänglich  Zeit,  über  meine  Lage  in  diesem  Lande 
nachzudenken.  Es  unterlag  keinem  Zweifel,  dass  die  Mehr- 
heit der  Einwohner  gegen  Fremde  sehi'  stark  eingenommen 
war,  und  ich  hielt  es  daher  für  das  Geeignetste,  nach  Lögone 
zurückzukehren  und  dort  des  Sultans  Antwort  abzuwarten; 
aber  meine  Gefährten  waren  dieser  Meinung  nicht,  sondern 
erklärten,  dass  es  mir  nicht  freistehe,  das  Land  zu  verlassen, 
nachdem  ich  es  einmal  betreten.  Es  wurde  also  beschlos- 
sen, dass  wir  in  der  Richtung  nach  der  Hauptstadt  weiter 
gehen  und  dann  nach  Maassgabe  der  Umstände  handeln  soll- 
ten. Wir  brachen  nur  desshalb  nicht  sofort  auf,  weil  meine 
Gefährten  durch  den  ausgedehnten  Wald,  den  wir  vor  uns 
hatten,  zur  Nachtzeit  zu  reisen  wünschten,  da  während  einer 
ganzen  Tagereise  kein  Wasser  anzutreffen  war  und  unsere 
Leute  keine  Wasserschläncho  hatten. 

Um  meine  Mussozeit  anzuwenden,  machte  ich  einen  Spa- 
ziergang nach  dem  schon  erwähnten  Dorfe  Bügari,  wo  Markt- 
tag war,  und  ich  freute  mich,  in  Betracht  der  geringen  in 
diesen  Ländern  herrschenden  Entwickelung  der  Lebensver- 
hältnisse einen  ziemlich  regen  Verkehr  auf  dem  Markte  an- 
zutreffen. Es  waren  gegen  20  Stück  Rindvieh,  60 — 80  Schaafe 
und  ein  Dutzend  Esel  zum  Verkauf  ausgeboten,  ferner  ein  gutes 
Sortiment  von  schwarzen  und  weissen  Toben  und  ein  reich- 
licher Vorrath  von  Butter  und  Honig,  von  Hirse,  Bohnen 
und  Erdmandeln;  die  letzteren  waren  besonders  in  Menge 
vorräthig  und  lieferten  hinreichenden  Beweis,  dass  auch  in 
diesen  Gegenden  jener  werthvoUe  Handelsartikel  in  i-eich- 
licher  Fülle  wächst  und  ein  hauptsächliches  Nahrungsmittel 


Der  Maiitverkehr  in  Biigari.  297 

der  Bewohner  bildet;  das  Ausgebot  von  Baumwolle  aber 
war  nur  beschränkt. 

Die  Stapelwaare  des  Marktes  bestand  in  Toben,  Halbtoben 
und  einfachen  Baumwollenstreifen  —  „farda"  —  von  3  Zoll 
Breite  und  3 — 4  Drä  Länge.  Leider  ermangelte  ich  dieses 
Werthmaasses  gänzlich,  und  die  Leute  verwarfen  verächtlich 
die  elenden  kurzen  Hemden  —  „döra"  — ,  welche  ich  von 
Bomu  mitgebracht  hatte,  so  dass  ich  ungeachtet  des  reich- 
lichen Ausgebotes  auf  dem  Markte  leicht  unversorgt  geblieben 
wäre.  Es  gelang  mir  jedoch,  einige  Farda  für  Nadeln  zu 
kaufen,  indem  ich  4  Nadeln  für  je  eine  Farda  bezahlte; 
auch  kaufte  ich  etwas  Butter  für  einige  Glasperlen. 

Die  ganze  Gegend  ist  nur  sehr  kärgUch  mit  Wasser  ver- 
sehen, und  der  Brunnen  in  MatudrT,  welcher  nur  2^  Klaftern 
tief  ist,  lieferte  gar  wenig.  Die  Brunnen  in  Biigari  waren 
3  lOaftern  tief,  gaben  aber  auch  nicht  mehr.  Wollte  man 
freilich  zu  grösserer  Tiefe  graben  und  gehörige  Brunnen  her- 
stellen ,  so  würde  man  Wasser  in  hinlänglicher  Menge  er- 
halten; aber  die  Leute  gehn  lieber  täglich  in  ein  weit  entfern- 
tes Dorf,  um  ein  wenig  Wasser  zu  holen,  als  dass  sie  sich 
einige  Wochen  lang  anstrengten,  um  einen  für  längere  Dauer 
berechneten  Brunnen  herzustellen. 

Nachdem  wir  von  der  gesammten  männlichen  und  weib- 
lichen Einwohnerschaft  des  Dorfes  herzlichen  Abschied  ge- 
nommen hatten,  begaben  wir  uns  um  3  Uhr  Nachmittags 
wieder  auf  den  Weg  und  setzten  mit  Ausnahme  eines  kurzen 
Haltes,  den  wir  bei  Sonnenuntergang  in  einem  Weiler 
Namens  „Büru-nyigo"  —  „Hyänenhöhle"  —  machten,  un- 
sere Reise  ununterbrochen  bis  11  Uhr  Nachts  fort.  Der 
eben  erwähnte  Weiler  liegt  am  Saume  der  Wildniss,  und 
hier  hatten  wir  die  Pferde  zu  tränken  und  unseren  eigenen 
Wasserbedarf  einzunehmen,  sowie  ich  auch  einigen  Leuten, 
die  mir  den  ganzen  Weg  von  Bügari  aus  gefolgt  waren, 
Arznei  geben  musste. 


I 


296  XL  KapiteL 

Nachdem  wir  etwas  über  5  Stunden  in  der  Mitte  des 
Waldes  gerastet  hatten,  ohne  von  Menschen  oder  Thieren 
belästigt  zu  werden  setzten,  wir  unseren  Zug  durch  die  Wal- 
dung fort.  Sie  bestand  hier  aus  dichtem  Gestrüppe,  in 
welchem  grössere  Bäume  immer  seltener  wurden;  hierauf 
lichtete  sie  sich,  und  Schwärme  von  Turteltauben  schie- 
nen die  Nähe  von  Wasser  anzudeuten,  obgleich  freilich 
diese  Art  von  Andeutung  sich  mitunter  als  ganz  unrichtig 
erweist. 

Als  wir  den  Wald,  der  während  der  Regenzeit  einen  gar 
verschiedenen  Anblick  gewähren  muss,  verlassen  hatten,  wur- 
den bald  Spuren  früheren  Anbaues  sichtbar,  selbst  von  Se- 
sam (von  den  Kanöri  „marraschi",  von  den  Baghirmiem 
„kärru"  genannt),  wie  an  der  Tiefe  der  Furchen  zu  erken- 
nen war.  Selbst  die  jetzt  hier  herrschende  Dürre  vermochte 
nicht  die  Einwohner  einiger  kleiner  Weiler  aus  ihren  gelieb- 
ten Hoimathssitzen  zu  vertreiben;  sie  zogen  ein  elendes  Da- 
sein daheim  den  Bequemlichkeiten  der  Fremde  vor.  Wir 
begegneten  einem  zahlreichen  Haufen  von  Weibern  und  Kin- 
dern, welche  lieber  jeden  Morgen  und  Abend  ihren  unent- 
behrlichen Wasserbedarf  mehrere  Meilen  weit  herholen,  als 
ihr  heimisches  Dorf  aufgeben  wollten. 

Wir  kamen  nun  durch  einen  anderen,  gleichfalls  von  Wasser 
entblössten  Weiler,  Hessen  mehrere  von  angebauten  Feldern 
umgebene  Dorfschaften  in  einiger  Entfernung  liegen  und  er- 
reichten endlich  das  ersehnte  El  Dorado,  wo  sich  Wasser  vor-' 
fand.  Da  war,  wie  zu  erwarten  stand,  reges  Leben  am  Brun- 
nen, welcher  die  ganze  durstige  Nachbarschaft  zu  versorgen 
hatte.  Menschen,  Kameele  und  Esel  drängten  sich  umher,  be- 
gierig des  Augenblicks  harrend,  wo  die  Reihe  an  sie  kom- 
men würde;  und  da  der  Bromnen  10  Klaftern  tief  war, 
verging  natürlich  eine  beträchtliche  Zeit,  ehe  sie  alle  be- 
friedigt werden  konnten.  .  Vom  Volke  freundlich  begrüsst, 
schlug   ich   mein    Zelt    bei   einem    grossen  Kautschukbaum 


Der  Hadj  Bü-Bakr  Ssadik.  299 

—  „tschedia"  —  auf,  welcher  jedoch  nur  spärlichen  Schatten 
gab,  da  das  junge  Laub  noch  nicht  ausgeschossen  war. 

Ich  kostete  hier  zum  ersten  Male  eine  Schüssel  Sesam,  wel- 
cher ganz  wie  ein  dicker  Brei  aus  Hirse  bereitet  war,  aber,  mit 
der  gewöhnlichen  Afrikanischen  Brühe  von  Küka-  oder  Affen- 
brodbaum-Blättem  nur  schwach  gewürzt,  mir  nicht  eben  ein 
sehr  leckeres  Gericht  schien.  Das  Dorf,  das  Mokori  genannt 
wird,  hat  ein  wohnliches  Aussehen;  das  Indigostampfen  in 
den  Färbergruben  ging  hier  unaufhörlich,  selbst  während  der 
Tageshitze,  vor  sich.  In  der  Nähe  wohnten  einige  Fulbe- 
oder  Felläta- Schäfer,  und  ich  erhielt  hier  für  einige  Glas- 
perlen etwas  Butter,  sowie  auch  etwas  Reis,  nämlich  wil- 
den; denn  der  Reis  wird  hier  nicht  angebaut,  sondern 
nur  in  der  Wildniss  aus  der  vom  Elephanten  und  Rhino- 
ceros  übrig  gelassenen  Saat  eingelesen.  Ich  hätte  hier  über- 
haupt recht  guter  Dinge  sein  können,  hätte  mich  nicht  die 
Ungewissheit  meiner  Lage  im  Lande  beunruhigt. 

Als  wir  am  Nachmittag  unsere  Reise  fortsetzten,  führte 
unser  Weg  durch  eine  fruchtbare  Landschaft,  die  theils  mit 
Hirse,  theils  mit  Sesam  bestellt  war,  bis  wir  bei  der  ersten 
Gruppe  des  Dorfes  Bäkadä  anlangten,  welches  aus  vier  ge- 
schiedenen Weilern  besteht.  Hier  wünschten  meine  Gefährten 
für  mich  Herberge  zu  nehmen ;  aber  glücklicherweise  weigerte 
sich  der  Amtmann  des  Dorfes,  uns  aufzunehmen,  so  dass  sie 
genöthigt  waren,  die  Gastlichkeit  eines  anderen  Weilers  an- 
zusprechen, wo  ich  denn  das  Glück  hatte,  in  dem  Hause 
eines  Mannes  Aufnahme  zu  finden,  dessen  Bekanntschaft  zu 
den  angenehmsten  Erinnerungen  meiner  Reise  gehört.  Dies 
war  Hadj  Bü-Bakr  Ssadik,  ein  hagerer  alter  Mann  von  sehr 
liebenswürdiger  Gemüthsart,  dem  ich  für  viele  Güte  und 
wichtige  Auskunft  zu  grossem  Danke  verpflichtet  wurde. 

Während  meine  Leute  mein  Zelt  auf  seinem  kleinen,  durch 
ein  halbverfallenes  Wetterdach  etwas  beschränkten  Hof- 
ramne  aufschlugen,  sass  der  gute  Mann  staunend  daneben, 


I 


300  XL  Kapitel. 

und  als  er  sich  durch  die  Art  meiner  ^Behausung  von  mei- 
ner eigenen  Abkunft  tiberzeugt  hatte,  erzählte  er  mir  auf 
gut  Arabisch,  dass  er  dreimal  die  Wallfahrt  nach  Mekka 
gemacht  und  die  grossen  Schiffe  der  Christen  auf  der  See 
von  Djidda  gesehn  habe.  Er  erinnerte  sich  genau  der 
sämmtlichen  Ortschaften,  die  er  im  Verlauf  seiner  langen 
Wanderungen  besucht  hatte. 

Hoch  erfreut,  dass  mich  der  Zufall  mit  einem  solchen 
Manne  zusammengeführt,  entsandte  ich  am  folgenden  Morgen 
meinen  Gefährten  Grema  *Abdü  und  die  beiden  Boten  nach 
der  Hauptstadt,  um  dem  Vicestatthalter  anzuzeigen,  dass 
der  Amtmann  von  Bügomän  seinem  ausdrücklichen  Befehl 
den  Gehorsam  und  mir  die  Aufnahme  in  der  Stadt  verweigert 
habe,  und  um  anzufragen,  was  nun  aus  mir  werden  solle. 
Ich  schloss  ein  Geschenk  bei  und  ersuchte  ihn  dringend, 
mir  entweder  den  Eintritt  in  die  Hauptstadt,  oder  die  Rück- 
kehr  nach  Bornu  zu  gestatten.  Grema  versprach,  am  fol- 
genden Morgen  mit  einer  entscheidenden  Antwort  zurückzu- 
kehren; er  hielt  jedoch  nicht  Wort,  sondern  blieb  volle 
7  Tage  aus,  obgleich  die  Hauptstadt  nur  10  Meilen  entfernt 
war.  Es  traf  sich  daher  sehr  glücklich,  dass  ich  Bü-Bakr 
Ssadik's  Gesellschaft  hatte;  denn  Niemand  vermochte  mir 
eine  solche  Einsicht  in  die  Beschaflfenheit  und  Geschichte 
dieser  Gegenden  zu  geben,  wie  dieser  Mann. 

Er  gab  mir  eine  lebhafte  Beschreibung  von  dem  grossen 
Nationalkampfe,  den  seine  Landsleute  gegen  Bornu  geführt, 
und  bei  dessen  Schlachten  er  meistens  betheiligt  gewesen 
war.  Er  hob  mit  Recht  hervor,  dass  die  Sklaven  seines 
Herrn  den  Scheich  Mohammed  el  Känemi  zweimal  geschla- 
gen und  dass  der  Scheich  nur  durch  den  Beistand  zweier 
auf  einander  folgender  Sultane  von  Fesän,  des  Müstapha  el 
A'hmar  und  Muckeni's,  endlich  den  Sieg  errungen  und  nach 
Zerstörung  der  Städte  Babäliä  und  Gaui  und  nach  Besitz- 
nahme der  Hauptstadt  sich  zeitweilig  zum  Herrn  des  Landes 


Verwilderter  Zustand  des  Landes.  301 

gemacht  Labe.  Er  beschrieb  mir  mit  unverstelltem  Behagen, 
wie  seine  Landsleute  die  Felläta,  welche  die  Djemmära  in 
ihrem  Vaterlande  hätten  errichten  wollen,  zurückschlugen, 
und  wie  sie  nachher  einen  erfolgreichen  Rachezug  gegen  Bögo, 
eine  der  Niederlassungen  dieses  Volkes,  ausführten. 

Bü-Bakr  war  wirklich  in  jedem  Sinne  des  Wortes  ein  Patriot 
zu  nennen.  Obgleich  ein  seinem  Sultan  treu  ergebener  Unter- 
than,  betrachtete  er  doch  mit  der  tiefsten  Bekümmerniss  den 
Verfall  seines  Vaterlandes,  mit  Hinblick  auf  den  Wohlstand 
und  Einfluss,  dessen  es  sich  vor  der  Zeit  erfreute,  wo  es  *Abd  el 
Kerlm  Ssabün,  der  Sultan  von  Wadai,  eroberte,  seine  Schätze 
raubte,  den  König  zinspflichtig  machte  und  ganze  Schaaren  der 
Einwohner  in  die  Sklaverei  schleppte.  So  war  die  gesammte 
Wohlfahrt  des  Landes  vernichtet  worden,  und  nicht  nur  dessen 
Reichthum  an  Silber  und  Vieh  verschwunden,  sondern  es 
hatte  sich  auch,  wie  er  es  in  dem  Trübsinn  seines  Gemüthes 
ansah,  Verfall  und  Verderben  über  die  Natur  selbst  verbrei- 
tet; —  denn  ganze  Gemarkmigen,  welche  früher  reich  ange- 
baut und  mit  Dorfschaften  bedeckt  gewesen  wären,  seien 
jetzt  zur  Wildniss  geworden,  und  früher  reichlich  mit  Wasser 
versehene  Gegenden  litten  jetzt  die  äusserste  Dürre.  Wür- 
mer, sagte  er  mii*,  verzehrten  ihr  Getreide  und  Gemüse  und 
verurtheilten  sie  zur  Hungersnoth. 

Dies  Alles  war  wahr,  so  weit  es  den  gegenwärtigen  Zu- 
stand des  Landes  betraf;  denn  wenn  ich  gleich  nicht  sagen 
kann,  ob  dessen  natürliche  Beschaflfenheit  jemals  viel  günsti- 
ger war,  so  gab  es  doch  bezüglich  seiner  Regierung  und  po- 
litischen Bedeutung  einst  eine  Zeit,  wo  es  sich  eines  besseren 
Gedeihens  erfreute.  Es  hat  wirklich  den  Anschein,  als  ob 
das  Land  von  göttlicher  Züchtigung  heimgesucht  würde,  zur 
Strafe  für  die  Vergehen  der  Vorfahren  und  das  gottlose 
Leben  des  früheren  Herrschers.  In  keinem  von  mir  be- 
reisten Lande  in  ganz  Sudan  habe  ich  so  ungeheuere  Schaa- 
ren von  zerstörenden  Würmern  und  ein  solches  Vorherrschen 


302  XL  KspiteL 

von  Ameisen  oder  Termiten  gefunden,  wie  in  BaghirmL  Na- 
mentlich schwärmt  der  „hallu-uendi",  ein  grosser  schwarzer 
Wurm,  so  lang,  aber  viel  dicker,  wie  die  grösste  Raupe,  hier 
in  Millionen  und  verzehrt  einen  sehr  beträchtlichen  Theil 
der  Landeserzeugnisse.  Bö-Bakr  zeigte  mir  auch  ein  an- 
deres, viel  kleineres,  aber  nicht  minder  gefrässiges  Insekt, 
den  „kundjungdjüdu*',  einen  ungefähr  Va  Zoll  langen  Käfer 
von  gelber  Farbe,  an  welchem  aber  die  armen  Einwohner, 
wie  es  auch  in  anderen  Theilen  von  Afrika  mit  den  Heu- 
schrecken geschieht,  ihre  Rache  zu  nehmen  nicht  verfehlen, 
indem  sie  das  Insekt,  wenn  es  auf  ihre  Unkosten  dick  und 
fett  geworden  ist,  —  selbst  verspeisen,  —  eine  Sitte,  welche, 
wie  so  manche  andere,  noch  von  ihrem  früheren  heidni- 
schen Zustande  herstammen  mag,  wie  es  denn  auch  bei  den 
Ssokorö  noch  allgemein  üblich  ist,  einen  grossen  ,,demäna" 
genannten  Käfer  zu  essen. 

Auf  andere  Arten  von  Würmern  werde  ich  weiter  unten 
zurückzukommen  haben;  was  aber  die  schwarzen  (Termes 
mordax)  und  weissen  Ameisen  (Termes  fatalis)  betrifft,  so 
führte  ich  selbst  mit  ihnen  wiederholt  während  meines  Aufent- 
haltes im  Lande  eine  erbitterte,  aber  erfolglose  Fehde.  Be- 
reits am  zweiten  Tage  meiner  Anwesenheit  in  Bäkadä  be- 
merkte ich,  dass  die  weisse  Ameise  (Termes  fatalis)  mein 
Bett,  das  ich  auf  einer  groben,  aus  den  dicksten  Binsen  ge- 
machten Matte  —  „ssiggedi",  wie  sie  auf  Kanöri,  oder 
„läba",  wie  sie  auf  Baghirmi  heisst  —  ausgebreitet  hatte,  mit 
gänzlicher  Zerstörung  bedrohe.  In  Ermangelung  besseren 
Schutzes  ei*sann  ich  daher  ein  Auskunftsraittel,  das  nach  mei- 
nem Dafürhalten  mein  Lager  gegen  die  ferneren  Angriffe  die- 
ser unerbittlichen  Eindringlinge  sicherstellen  sollte,  indem  ich 
mein  Bett  mit  der  dicken  Binsenmatte  und  einer  dünneren 
Matte  auf  drei  sehr  dicke  Stangen  legte ;  aber  ich  hatte  bald 
Veranlassung,  zu  entdecken,  dass  diese  gefrässigen  Insekten 
nicht  durch  derlei  Mittel  abzuschrecken  seien ;  denn  ich  fand 


Kampf  mit  den  '^reissen  Ameisen.  d03 

2  Tage  nachher,  dass  sie  nicht  nur  ihre  Schanzen  längs  der 
Stangen  gezogen  und  deren  Ende  erreicht,  sondern  sich  auch 
durch  die  beiden  groben  Matten  durchgefressen,  ein  grosses 
Stück  meines  Türkischen  Teppiches  verzehrt  und  verschiedene 
•andere  Gegenstünde  zerstört  hatten.  Und  während  meines 
ferneren  hiesigen  Aufenthaltes  konnte  ich  nur  mit  der  grössten 
Mühe  diese  Insekten  von  der  Zerstörung  aller  meiner  Sachen 
abhalten ;  denn  ihre  Gefrässigkeit  und  Zerstörungskraft  scheint 
bei  Anbruch  der  Regenzeit  zuzunehmen,  und  diese  nahte  jetzt 
mit  schnellen  Schritten  heran. 

Das  Wetter  war  ausserordentlich  schwül;  wir  hatten  am 
3ten  April  das  erste  Gewitter,  und  von  diesem  Tage  an  brach 
fast  täglich  ein  solches  los ;  jedoch  fiel  im  Ganzen  nur  we- 
nig Regen. 

Das  Dorf  Bakadä  selbst  enthielt  natürlich  wenig  An- 
ziehendes. Es  war  in  früherer  Zeit  nur  ein  „yöeö"  (ein  Skla- 
ven- oder  Landwh'thschaftsdorf)  gewesen,  während  damals 
die  Herren  der  Feldarbeiter  in  einer  anderen  Ortschaft  Na- 
mens Küstia  gewohnt  und  sich  erst  seit  einigen  Jahren  hier 
niedergelassen  hatten;  es  ist  jedoch  auch  jetzt  noch  ei- 
gentlich nur  ein  Ackerbaudorf,  indem  blos  Getreide  erzeugt 
wird  und  die  Einwohner  nicht  eine  einzige  Kuh  besitzen,  so 
dass  Milch  und  Butter  für  grosse  Luxusartikel  gelten,  ja  selbst 
nicht  einmal  ein  Huhn  zu  haben  ist.  Was  aber  Getreide  be- 
trifi't,  so  ist  Bäkadä  nicht  ohne  Bedeutung,  sondern  im  Ge- 
gentheil  einer  der  wichtigsten  getreideerzeugenden  Plätze  im 
Lande,  besonders  für  Sorghum  —  ngaberi"  oder,  wie  sie  es 
hier  nennen,  „uä"  —  während  weisse  Hirse  —  „tschengo"  — 
nicht  80  viel  gezogen  wird.  — 

Sonntags  wird  beim  westHchen  WeUer  ein  Markt  gehalten ; 
derselbe  ist  aber  sehr  armselig  und  war  es  um  so  mehr  für 
mich,  da  die  Leute  sich  weigerten,  irgend  einen  der  kleinen 
Artikel,  die  ich  noch  besass,  als  Zahlung  anzunehmen,  und 
mein  ganzes  Vermögen   bestand  damals  aus  3000  Muscheln 


d04  XI.  Kapitel. 

—  d.  i.  ein  wenig  über  einen  Spanischen  Thaler  — ,  aus 
einem  kleinen  Vorrath  Glasperlen,  einigen  Spiegeln  und 
liauptsächlich  aus  Nähnadeln,  während  die  Leute  auch  hier  die 
schon  erwähnten,  mir  gänzlich  fehlenden  Kattunstreifen  ver- 
langten. Das  gesammte  Ausgebot  von  Luxusartikeln  auf  dem' 
Markte  bestand  in  einem  einzigen  elenden  Schaafe,  und  als 
Vertreter  des  gebildeten  Auslandes  fand  sich  ein  halber  Bo- 
gen Schreibpapier. 

Sonst  gab  es  im  Üorfe  gar  nichts  von  Interesse,  mit  Aus- 
nahme meines  liebenswürdigen,  verständigen  und  gütigen 
Wirthes  Bii-Bakr  Ssadik.  Der  arme  Alte  war  entrüstet  über 
die  Nachlässigkeit,  mit  der  man  mich  behandelte;  er  war 
aber  schwach,  schüchtern  und  ohne  Einfluss  in  höheren 
Kreisen.  Die  Auskunft,  welche  ich  nach  und  nach  von  ihm 
während  meines  einförmigen  hiesigen  Aufenthaltes  sammelte, 
findet  sich  im  Anhange  an  den  betreffenden  Stellen  vor.  Es 
war  belustigend,  zu  sehn,  wie  der  gute  Mann  während  der 
ganzen  Zeit,  wo  er  sich  mit  mir  unterhielt,  nicht  einen 
Augenblick  müssig  war;  denn  entweder  nähte  er,  theils  an 
einem  Kleidungsstücke  für  sich  selbst,  theils  an  einem  Um- 
wurf  für  eine  seiner  Frauen,  die  er  in  der  Hauptstadt  hatte 
und  bald  zu  besuchen  gedachte,  oder  er  schabte  eine  als 
Arznei  dienliche  Wurael,  oder  wählte  Indigo  aus,  um  seine 
Tobe  zu  färben,  oder  las,  wenn  er  nichts  Besseres  zu  thun 
hatte,  einzelne  Getreidekörner  vom  Boden  auf,  da  er  es  in 
seinem  frommen  Siim  für  eine  Sünde  hielt,  eine  so  herrliche 
Gottesgabe  zu  verschleudern. 

Die  anderen  Einwohner  des  Ortes  waren  zierahch  ohne 
Bedeutung;  ich  hatte  viel  Mühe  mit  dem  Manne,  der  uns 
bei  unserer  Ankunft  Aufnahme  verweigert  hatte;  denn  in- 
dem er  krank  war  und  ein  Abfiihnmgsmittel  brauchte, 
fand  ich  die  gewöhnlichen  Mittel,  mit  denen  ich  versehen 
war,  für  seinen  herkulischen  Leib  zu  schwach,  bis  es  mir 
endlich  durch  eine  Dosis  von  einem  halben  Dutzend   Unzen 


Äussere  ErscheinUDg  der  Baghirmier.  805 

Glaubersalz,  vermischt  mit  3  oder  4  Drachmen  Wmmpulver 
gelang,  ihn  von  der  Wirksamkeit  meiner  Ai-zneien  zu  über- 
zeugen. 

Im  Allgemeinen  sind  die  Baghirmier  viel  ansehnlicher  von 
Gestalt,  als  die  Bomauer;  die  Männer  übertreffen  letztere  an 
Grösse  und  Muskelkraft,  wie  sie  es  auch  an  Muth  und  That- 
kraft  thun;  besonders  aber  ist  der  Wuchs  der  Weiber  un- 
vergleichlich vorzüglicher.  Die  Baghirmierinnen  sind  nämlich 
im  Allgemeinen  wohlgebaut,  schlank  und  nicht  so  vierschrö- 
tig, wie  die  hässlichen  Bornauerinnen,  haben  ebenmässige 
Glieder,  regelmässige  Züge  und  einen  angenehmen  Ge- 
sichtsausdruck; einige  mit  gi'ossen,  dunklen,  schönen  Augen 
könnte  man  selbst  hübsch  nennen.  Sie  haben  nichts  von 
den  weiten  Nasenlöchern  ihrer  westlichen  Nachbarinnen, 
welche  durch  die  garstige  Koralle  im  linken  Nasenflügel 
noch  mehr  entstellt  werden.  Während  der  Haarputz  der 
Bomaueriimen  hauptsächlich  in  einer  Masse  von  Fett  oder 
Butter  besteht,  die  sie  auflegen,  wenden  die  Baghirmierinnen 
beträchtliche  Sorgfalt  auf  die  Frisur,  und  die  Art,  wie  sie 
das  Haar  ganz  in  der  Form  eines  Helmbusches  tragen,  steht 
ihnen  vortrefflich,  da  sie  der  hohen,  wohlgebauten  Gestalt 
ausnehmend  gut  entspricht.  Es  ist  desshalb  nicht  ohne 
Grund,  dass  die  Frauen  von  Baghirmi  im  Sudan  weit  und 
breit  berühmt  sind.  Ihre  Kleidung  ist  sehr  einfach,  der  in 
Bornu  üblichen  ähnlich,  und  besteht  in  der  um  die  Brust 
befestigten  schwarzen  Türkedl;  Von  den  Reicheren  wird  ge- 
wöhnlich noch  eine  zweite  Tiirkedi  über  die  Schultern  ge- 
worfen. 

Die  Weiber  sehen  im  Allgemeinen  sehr  gesund  aus,  aber 
die  Männer  leiden  viel  an  einem  eigen thümlichen  Übel,  wel- 
ches in  der  Landessprache  „mukdrdam"  genannt,  von  den 
Arabern  aber  mit  dem  Guinea -Wurme  unter  Einer  Benen- 
nung, nämlich  „ferentit"  oder  „ärük",  begriflen  wird,  obgleich 
es  davon  sehr  verschieden  zu  sein  scheint.    Es  besteht  näm- 

Barth'«  Belsan.  Ul.  20 


306  XL  KapiteL 

lieh  in  einem  Wurme,  welcher  die  kleine  Zehe  bewohnt  und 
dieses  Glied,  beim  Gelenk  anfangend,  allmählich  zerfrisst,  so 
dass  es  aussieht,  als  wenn  es  mit  einem  Faden  abgebunden 
wäre.  Ich  halte  dieses  Insekt  für  identisch  mit  der  Malis 
Americana  oder  Sauvagesii  oder,  wie  es  gewöhnlicher  heisst, 
Pulex  penetrans^  einem  in  Amerika  wohlbekannten,  sehr  klei- 
nen schwarzen  Insekte.  Diese  Krankheit  ist  in  hiesiger  Ge- 
gend so  verbreitet,  dass  man  unter  zehn  Leuten  wenigstens 
Einen  findet,  der  nur  vier  Zehen  hat. 

Dann  und  wann  belebte  sich  das  Dorf  durch  die  Ankunft 
einer  Karawane  von  Pilgern  oder  einer  Truppe  von  einhei- 
mischen Reisenden  —  „tugürtschi''  oder  „fatäki"  — .  Von 
den  Pilgern  befanden  sich  einige  mit  einem  Schatze  wirrer 
Eindrücke  der  geschauten,  aber  von  ihnen  kaum  verstandenen 
Dinge  auf  der  Heimreise,  während  andere  mit  den  beschränk- 
ten Vorurtheilen  ihrer  fernen  Heimath  ostwärts  zogen.  Es  wa- 
ren unter  ihnen  Leute  aus  allen  Theilen  des  Sudans ;  aber  un- 
glücklicherweise konnte  ich  ihnen  weiter  nichts  anbieten,  als 
Nähnadeln,  mit  welchem  Artikel  ich  sie  für  ihre  beschwer- 
liche Reise  bereitwillig  unterstützte,  weil  für  den  Reisenden 
nichts  von  grösserer  Wichtigkeit  ist,  als  sich  das  Wohlwol- 
len dieser  Leute  zu  erwerben,  welche  in  diesen  Gegenden 
die  Träger  der  öffentlichen  Meinung  sind.  Meine  Freigebig- 
keit mit  Nähnadeln  und  nichts  als  Nähnadeln  erwarb  mir 
desshalb  bei  diesen  witzigen  Leuten  den  Titel  „malärlbra" 
—  „Nadelnprinz"  — ;  aber  obgleich  sie  immerhin  von  Nutzen 
war,  insofern  sie  meine  freundliche  Gesinnung  zu  erkennen 
gab,  so  war  dies  doch  kaum  hinreichend,  um  einen  nähe- 
ren Verkehr  anzuknüpfen.  Von  einem  dieser  Wanderer  aus 
der  Feme,  einem  sehr  einsichtsvollen,  aus  Kebbi  gebürtigen 
Manne,  erhielt  ich  jedoch  die  erste  Mittheilung  über  die 
dichte  Bevölkerung  jener  reichen,  fruchtbaren  Landschaft, 
die  ich  bald  selbst  besuchen  sollte. 

Auch  ein  zahlreicher  Zug  Pilger  aus  Wandala  oder  Man- 


Pilger-  und  Handelskarawanen.  307 

dara  erregte  viel  Aufsehen,  'und  ich  gerieth  mit  ihnen  in 
eine  lebhafte  Unterhaltung  über  das  Verhalten  ihres  Fürsten 
—  „tukse-male"  —  zum  Herrscher  von  Bornu;  denn  sie 
stellten  schlechterdings  ni  Abrede,  dass  sich  ihr  Fürst  unter- 
worfen habe,  um  jenes  zahlreiche  Heer,  das  wir  vor  einigen 
Monaten  nach  Müssgu  begleitet  hatten,  von  seinem  Lande  ab- 
zuhalten. Die  ärmeren  Mitglieder  der  Karawane  zogen  un- 
ter Trommelschlag  durch  die  Weiler,  um  durch  Sammeln 
von  Almosen  die  Mittel  zur  Fortsetzung  ihrer  verdienstlichen 
Reise  zu  erhalten,  während  die  Reicheren  zu  meinem  Wirthe 
kamen  imd  von  ihm  ihren  Getroidebedarf  kauften. 
.  Auch  ausserdem  bot  der  Handelsverkehr  des  Dorfes,  wo 
ich  mich  so  lange  aufhalten  musste,  ungeachtet  der  Unbe- 
deutsamkeit  des  Marktes  noch  manche  andere  interessante 
Erscheinungen  dar.  Unter  Anderen  Hessen  sich  hier  mitunter 
kleine  Trupps  von  Haussa-Kaufleuten  —  „dangarünfa"  — 
sehn ;  es  waren  schlanke,  thätige  Burschen,  an  Strapazen  ge- 
wöhnt und  mit  kleinem  Gewinne  zufrieden,  welche  kleine 
Packete  mit  Indigo  gefärbter  Hemden  und  anderer  Waaren 
den  ganzen  Weg  von  Kanö  nach  Baghirmi  auf  dem  Kopfe 
getragen  hatten,  um  dieselben  gegen  die  schönen  Esel  von 
Dar-För,  welche  von  Reisenden  aus  dem  Osten  hierher  ge- 
bracht werden,  zu  vertauschen. 

Nicht  weniger  interessant  war  der  Durchzug  einiger  Leute, 
welche  zu  einer  in  ^^asena  angekommenen  zahh^eichen  Kara- 
wane Djelläba  aus  Nimrö  iÄ  Wi'idai  gehörten;  es  waren  ih- 
rer etwa  12  mit  ungefähr  20  Lastochsen  und  Eseln.  Die 
Fracht  der  Karawane  bestand  hauptsächlich  in  Kupfer  von 
dem  grossen  Kupferbergwerk  „el  Höfra"  (hn  Süden  von  Dar- 
För),  welches  sie  westwärts  bis  nach  Kanö  brachten,  wo  die- 
ses schöne  Metall  gegen  das  von  den  Arabischen  Karawanen 
aus  Tripoli  eingeführte  alte  Kupfer  den  Markt  behauptet. 
Die  in  Bakadä  angekommenen  Leute  waren  jedoch  die  Är- 
meren von  der  Truppe,  und  ihre  Waare  bestand  ausschliess- 

20* 


I 


306  XL  Kapitel. 

lieh  in  einem  vorzüglichen  Steinsalz,  welches  die  T§bu-Gu- 
rä,än  vom  Bürrum  oder  dem  Bahhr  el  Ghasal  nach  Wära 
bringen,  wo  es  von  den  Djelläba  aufgekauft  und  bis  nach 
Logon  und  Küssuri  vertrieben  wird.  Ich  kaufte  für  einen 
Bogen  Papier  etwas  von  diesem  Salz  und  fand  es,  von  einem 
entschieden  fischigen  Geschmack  abgesehen,  vortrefflich. 

Ich  stieg  nur  selten  zu  Pferde,  da  ich  absichtlich  Alles 
vermied,  was  Aufmerksamkeit  oder  eifersüchtige  und  nei- 
dische Gefühle  erregen  konnte;  am  lO^^^i  wurde  ich  jedoch 
zu  einem  langen  Ritte  genöthigt,    weil    sich    mein  Kameel 

—  damals  mein  einziges  Lastthier  —  verlaufen  hatte. 

An  der  südöstlichen  Seite  des  Dorfes  befindet  sich  eine 
sehr  einförmige  Waldung,  wo  viel  hohes  Riedgras  wächst, 
während  die  anderen  Seiten  meistens  angebautes  Land  ent- 
halten, welches  von  Hadjilidj  („djänga",  wie  er  hier  heisst), 
Nebek-  oderKüma*)-  und  Talha-Bäumen  (hier  „kelaia"  ge- 
nannt) beschattet  wird.  Ich  fand  es  bemerkenswerth ,  dass 
alle  Felder,  selbst  die,  auf  denen  Hirse  und  Sorghum  gebaut 
wurde,  in  tiefen  Furchen  —  „deräba"  —  bestellt  waren,  — 
ein  Betrieb  des  Getreidebaues,  der  mir  im  Sudan  bisher 
nicht  vorgekommen  war.    Ausser  Getreide  ward  viel  Sesam 

—  „karru"  — ,  Baumwolle  —  „nyere"  —  und  Indigo  —  „alT- 
ni" —  gebaut;  die  Pflanzen  waren  gegenwärtig  2^ — 3  Fuss 
hoch  und  blätterlos.  Auch  an  der  Nordostseite  war  eine 
beträchtliche   Waldung    und    der  einförmige  Wuchs   mittel- 


*)  Der  Name  dieses  im  ganzen  Sudan  so  häufigen  Baumes  ist  in  den 
Formen  Koma,  Kürna,  Kürnahl,  Kümi,  Kirna  eines  der  am  weitesten  ver- 
breiteten Wörter  für  Gegenstände  im  Gebrauche  des  Menschen,  wonach  man 
vermuthcn  sollte,  dass  der  Baum  in  den  gegenwärtig  mit  ihm  bewachsenen 
Gegenden  nicht  einheimisch,  sondern  daselbst  von  einem  einzelnen  Punkte  aus 
eingeführt  worden  sei.  Diese  Folgerung  erscheint  jedoch  bei  näherer  Unter- 
suchung als  nicht  probehaltig.  Der  Baum  ist  jedenfalls  nicht  aus  einem 
nördlicheren  Klima  in  den  Sudan  verpflanzt  worden,  so  wenig  wie  der  Bala- 
nites  Aegypiiacus  und  die  Cucifera^  welche  irrthümlich  Thebaica  genannt 
wird,  während  sie  eher  den  Namen  Nigritica  verdient. 


Antwort  vom  Vicestatthalter.  309 

grosser  Mimosen  ward  von  mehreren  Gruppen  schöner  Bäume, 
darunter  viele  breitästige  Kalgo's,  anmuthig  unterbrochen; 
der  Wald  war  reich  an  Perlhühnern  und  Gazellen.  Der  Bo- 
den war  bereits  von  der  Nässe  leidlich  durchfeuchtet ;  schöne 
Büschel  saftigen  Grases  schössen  hie  und  da  auf,  und  ich 
konnte  mein  Pferd  an  einer  Pfütze  tränken;  aber  diese 
Fülle  des  nassen  Elementes  war  natürlich  nur  eine  zeitwei- 
lige Folge  des  schweren  Regenfalles  in  der  verflossenen  Nacht, 
und  die  armen  Einwohner  litten,  da  ihr  tiefer  Brunnen  bei- 
nahe trocken  war,  nach  wie  vor  schmerzlich  von  der  Dürre. 
Nur  allein  wegen  des  Wassers  hatte  ich  wiederholt  Zwist 
mit  den  Eingeborenen;  denn  sie  wollten  meinem  Pferde  kaum 
einen  hinlänglichen  Antheil  gewähren,  obgleich  ich  dafür  eine 
beträchtliche  Summe  zu  zalilen  hatte.  — 

Ich  wusste  mich  inzwischen  kaum  länger  zu  gedulden. 
Endlich,  am  Abend  des  6ten  April,  kehrte  mein  Geleitsmann 
Grema,  den  ich  am  Slsten  März  nach  der  Hauptstadt  ge- 
sandt hatte,  um  mir  unverzüglich  eine  bestimmte  Antwort  zu 
bringen,  mit  einem  Boten  des  Vicestatthalters  zurück,  — 
aber  nicht,  um  eines  meiner  beiden  Gesuche  zu  gewähren, 
sondern  um  mich  vielmehr  zu  bereden,  geduldig  zu  warten, 
bis  vom  Sultan  selbst  eine  Antwort  ankommen  würde.  Da- 
mit ich  inzwischen  keinen  Hunger  leiden  möchte,  brachten 
sie  mir  ein  Schaaf  zum  Schlachten  und  ein  Hemd,  um  dafür 
in  einem  benachbarten  Dorfe  Lebensmittel  einzukaufen;  da 
jedoch  ausser  Hirse  und  Sorghum  nichts  zu  haben  war ,  er- 
klärte ich  es  für  durchaus  unerlässlich ,  mich  entweder  nach 
der  Hauptstadt  kommen,  oder  zurückkehren  zu  lassen.  Ich 
ersuchte  Grema,  bei  mir  zu  bleiben;  er  gab  aber  vor,  er 
müsse  unbedingt  nach  der  Hauptstadt,  wo  sein  Diener  krank 
liege,  zuriickkehren.  Da  ich  nicht  vermuthete,  dass  er  mich 
im  Stiche  lassen  wolle  und  die  Absicht  habe,  sich  dem  Zuge 
des  Sultans  anzuschliessen,  liess  ich  ihn  gehn  imd  beschloss, 
noch  einige  Tage  geduldig  zu  harren. 


310 


XI.  Kapitel.   Antwort  vom  Vicestatthalter. 


Es  dauerte  mir  aber  denn  doch  zu  lange,  und  als  am 
13ten  auch  mein  freundlicher  Wirth  Bü-Bakr  Ssadik  selbst  in 
die  Hauptstadt  ging,  hatte  ich  Niemanden,  der  meine  Un- 
ruhe beschwichtigte.  Ich  hatte  mich  vennittelst  meines  Wir- 
thes  noch  einmal  an  den  Vicestatthalter  gewandt  und  ihn 
ersucht,  mich  ohne  weiteren  Aufschub  in  die  Hauptstadt  zu 
lassen,  und  Bü-Bakr  hatte  es  mir  auf  das  Bestimmteste 
zugesagt,  dass  ich  vor  Donnerstag  Abend  (also  am  löten 
April)  eine  entscheidende  Antwort  haben  sollte.  Da  ich  auf 
diesem  Baghirmi  -  Zuge  zum  Transport  meines  Gepäckes  nur 
Ein  und  noch  dazu  schwaches  Kameel  besass,  so  hatte  ich  fast 
gar  keine  Bücher  mitgenommen,  und  die  geringe  Auskunft, 
die  ich  einzuziehen  vermocht  hatte,  reicht«  nicht  hin,  um 
meinem  rastlos  voi-wärts  strebenden  Geiste  genug  Nahrung 
zu  gewähren;  ich  empfand  daher  grosse  Niedergeschlagen- 
heit. 

Die  Folge  davon  war,  dass  ich,  als  auch  der  Donnerstag 
verflossen  und  weder  Bü-Bakr  selbst,  noch  eine  Botschaft 
von  ihm  angekommen  war,  nun  beschloss,  meine  Drohung 
zur  Ausführung  zu  bringen  und  mich  am  nächsten  Morgen 
auf  den  Rückweg  zu  begeben. 


XII.  KAPITEL. 

Versuch»  das  Land  zu  verlassen.  —    Verhaftung.  —  Endlicher  Einzug  in 
Mäscna.  —   Mäsena's  Eigenthümliehkciten. 


[Freitag,  i6''«'*  ApriL']  Mit  Tagesanbrucli  stand  ich  auf, 
um  mich  reisefertig  zu  machen.  Der  Himmel  war  trübe  und 
es  regnete  etwas,  wodurch  einige  Zögerung  entstand;  sobald 
aber  der  Regen  nachgelassen  hatte,  liess  ich  mein  Eameel 
packen  und  das  Pferd  satteln.  Mehrere  von  Bü-Bakr's  Ver- 
wandten und  Freunden  versuchten  mich  zum  Bleiben  zu  be- 
wegen, aber  mein  Entschluss  stand  fest,  und  indem  ich  auf 
die  Behandlung,  die  icli  in  diesem  Lande  erfahren  hatte,  hin- 
wies, stieg  ich  zu  Pferde  und  ritt  davon.  Meine  drei  Diener, 
ebenfalls  über  ilire  Behandlung  verdriesslich,  folgten  mir,  wenn 
auch  keineswegs  frohen  Muthes. 

Wir  kehrten  auf  demselben  Pfade  zurück,  den  wir  gekom- 
men w^aren ;  aber  der  Regen  hatte  denselben  fast  unkenntlich 
gemacht,  und  wir  hatten  grosse  Mühe,  die  rechte  Spur  zu 
verfolgen.  Die  Sonne  schien  nach  dem  Regen  der  vergange- 
nen Nacht  mit  gewaltiger  Stärke,  wie  es  so  oft  im  tropischen 
Klima  der  Fall  ist.  Da  es  nun  nicht  meine  Absicht  war, 
heimlich  zu  entfliehen,  so  beschloss  ich,  während  der  Hitze 
in  Mokorl  Halt  zu  machen,  und  schlug  ruhig  mein  Zelt  auf; 
denn  ich  erwartete  bestimmt,  dass  man  mich  hier  suchen 
würde,  wenn  man  meiner  Person  bedürfte. 

Nach  der  schmalen  Kost,  auf  welche  ich  so  lange  Zeit  in 
Bäkadä  beschränkt  gewesen,  freute  es  mich  sehr,  mir  hier 


i 


312  XII.  Kapitel. 

ein  Huhn,  etwas  Butter  und  Milch  verschaffen  zu  können,  und 
es  war  für  mich  eine  Festtagsfreude,  mich  an  diesen  einfachen 
Genüssen  zu  erquicken.  Die  Art,  wie  ich  diese  Lebensmittel 
kaufte,  war  sehr  umständlich,  indem  ein  langer  Tauschhandel 
vermittelst  Glasperlen,  Nähnadeln  und  etwas  Natron,  das  ich 
vonKukaua  mitgebracht  hatte,  stattfand.  Der  Preis  des  Huhnes 
war  3  Stopfnadeln.  Bei  Erwähnung  dieser  Nadeln  halte  ich  es 
für  passend,  die  Verpflichtung  anzuerkennen,  die  ich  in  dieser 
Beziehung  gegen  Herrn  Charles  Beke,  den  Abyssinischen  Rei- 
senden, habe,  auf  dessen  Rath  ich  mich  in  London  mit  einem 
kleinen  Sortiment  dieser  Waare  versehen  hatte.  In  Mittel- 
Sudan  fand  ihr  Werth  keine  Anerkennung,  aber  hier  in  Ba- 
ghirmi  waren  mir  die  groben  Nadeln  von  vortrefflicher  Eng- 
lischer Arbeit  äusserst  nützlich  und  ich  verdanke  ihnen  zum 
Theil  meinen  Unterhalt  im  Lande. 

Ich  unterhielt  mich  ruhig  mit  den  Leuten  über  meine 
Lage;  sie  benahmen  sich  sehr  freundlich  gegen  mich  und  rie- 
then  mir,  falls  im  Laufe  des  Tages  keine  Nachricht  von  der 
Hauptstadt  eintreffen  sollte,  den  Weg  über  K(Slle-K611e,  Marga 
und  Djogode,  welches  letztere  ein  Ort  von  beträchtlicher  Grösse 
sei,  einzuschlagen,  um  so  den  Huss  beim  Dorfe  Kiessem  zu 
erreichen,  wo  ich  nach  Küssuri  übersetzen  könnte.  Ich  erhielt 
hier  von  einem  Felläta  *)  oder  Pullo  Namens  *^Abd  el  Kader 
einige  wichtige  Mittheilungen  über  das  Flusssystem  von  Wa- 
däi.  Der  Tag  wäre  übrigens  sehr  angenehm  verflossen,  hätte 
sich  nicht  gegen  Mittag  ein  starker  Wind  erhoben  und  mein 
Zelt  mit  Staub  und  Sand  angefüllt.  Der  Himmel  war  be- 
wölkt, es  fiel  jedoch  kein  Regen. 

Etwas  nach  Sonnenuntergang,  wo  sich  das  Gedränge  am 
Brunnen,   der  eine   ausgedehnte  Nachbarschaft  mit   Wasser 


*)  Die  in  Bornu  und  den  benachbarten  Ländern  übliche  Form  ,, Felläta"  ist 
nach  meinem  DafUrhalten  ursprünglich  ein  Plural,  obgleich  sie  fortwährend  als 
Singular  gebraucht  wird. 


Rückreise.  —  Der  Honigkukuk.  313 

versorgen  musste,  verloren  hatte,  mass  ich  die  Wärme  des 
Wassers  in  demselben  und  fand  30 j\^  C.  Der  Brunnen  war 
15  Klaftern  tief,  die  Temperatur  der  Luft  betrug  zur  Zeit  30° 
und  war  um  1  Uhr  Nachmittags  37^ö^  t'-  gewesen. 

Ich  brachte  die  Nacht  nicht  eben  sehr  erfreulich  zu,  indem 
der  Boden  von  Schwaben  Ameisen  (Termes  mordax)  wim- 
melte, so  dass  das  Kameel,  wie  auch  das  Pferd  sich  unruhig 
umherwälzten  und  unseren  Schlaf  fortwährend  störten.  Früh 
am  Morgen  setzte  ich  dann  meine  Reise  westwärts  ruhig  fort. 
Wald  und  Acker  wechselten  mit  einander  ab,  wobei  der  An- 
bau aus  Hirse,  Sesam  und  Baumwolle  bestand.  Weiber  lasen 
Hadjilidj-Blättcr  auf,  die  sie  in  Ermangelung  der  geschätzte- 
ren AflFenbrodbaum-Blätter  zur  Bereitung  der  geschmacklosen, 
bei  ihrer  täglichen  Mehlspeise  gebrauchten  Brühe  benutzen. 
DerHadjilidj  war  der  am  meisten  vorkommende  Baum ;  ausser- 
dem fand  sich  der  von  den  Schüa  „hömain"  genannte  Baum, 
gegenwärtig  ohne  Blätter,  aber  mit  Früchten  bedeckt,  welche 
die  Grösse  einer  Aprikose  haben  und  im  reifen  Zustande  von 
den  Bewohnern  gegessen  werden.  Auch  die  „tsada"  mit  kirsch- 
artiger Frucht,  von  den  Schüa  „abüdedje"  genannt,  war  hier 
sehr  häufig. 

Mein  aufgeweckter  Schüa-Bursche,  der  mich  das  Land  jetzt 
von  einer  ganz  anderen  Seite  ansehn  Hess,  als  ich  es  früher 
vom  Standpunkte  der  einheimischen  schwarzen  Bevölkerung 
betrachtet  hatte,  machte  mich  hier  auf  den  Honigkukuk 
(Cuculus  indicator)  aufmerksam,  welcher  von  den  Schüa 
„sclmeter"  genannt  wird  und  ein  verwandeltes  altes  Weib  sein 
soll,  das  ihr  verlorenes  Söhnchen  sucht  und  mit  „schneter, 
schneter !"  beim  Namen  ruft.  Dieser  kleine  Vogel  hat  überall 
in  Afrika  zu  allerlei  seltsamen  Mährchen  Veranlassung  ge- 
geben. 

Fünf  Meilen  weiter  wünschten  wir  ip  einem  seitwärts  von 
der  Strasse  gelegenen  Weiler  Namens  Bagäü  Wasser  zu  er- 
halten; als  wir  uns  aber  dem  Brunnen  näherten,  stürzte  ein 


Tr4 

<#nii#»r  ffiitx^.  aIä  '^b  -^ir  *»s  ^mniyr  w^rtfayoUsosiL  Babft  htt- 
nnh^rx  wriWtAn.  nnd  wi«*  iw»  mit  iirr>fai?sfier  'jefcenfe  zarucftL 
^^  jr-  »«^  »f  dt^  W*»rtfa  /fpÄ  W;i8swpi  in  dieaer  ^fizrvsi  fagaut! 
Wir  -»f^fjöv»:«  ftb^A  rniÄ#^r»»n  Marwii  fi>rt:  <ii»  Ei^sGAat  Asse» 
<^<*Tui*ni  W^iW%  k«  >nnf>^n  wir  im»  nur  Airch  ifen.  «ek  rm^iiBi 

Wir  HH:rtf^n  Wann  *to  liickkfat  »^far  ♦  jestrnpfN*  mit 
l^m  hrA^^ti  Kr>br.  toU  von  Spnr*^  di^r  «jiraffi»^.  eini?»  in 
Iwrffilk^Tt^^  Thrikti  fU^  T^ndsan^  keme*w*?25  hantrggB  TTütigj»: 
aVf  ^r  PM,  rf^i^n  wir  {ftkttfm.  <»rww^  ^di  ireiterimi  ab  S» 
(f^nrShnlWi^  H^-^^T^nwfWf  de^j  E^phanten.  EKe?*?s  Tlüer  war 
w^*!!^  w^twärt*,  narii  #^to  Flr»*«^  rn,  nicht  tlpI  ron  mir  I»- 
fWrfkt  worden,  währen/1  «sein  f>hfrtwl.  *ias  Rkini>:i?r»>6.  be- 
r*^f«»  fHcrht  am  Flnir^  hinlänffliche  Bew^i^e  seiner  ttetrenwart 
g#;jr^h^n  haft^, 

l'm  ^J  f'hr  Mf]fru/:nsi  n.ih^frten  wir  nn*  dem  I>jrtV  KoDe- 
Kollf*,  wf-k'hf-M  an-»  rl^r  fVme  einf-n  frr^^j^sartijren  Anblick  dar- 
br>t.  tndr'in  frs  von  zw<-i  stattlichen  Ilelebpalmen  und  einem 
lieblichen  Taro^irindenhaine  geziert  war:  was  aber  das  Was- 
nfT  anlan^'t.  Vf  war  (->  damit  nicht  viel  besser  bestellt^  als 
in  dem  Dorfe.  an«*  dem  wir  vertrieben  worden  waren,  indem 
cä  hinsichtlich  dir-«f?s  anentbehrlichen  Dementes  ron  einer 
b^rinahe  1  Meile  etitfemten  Schwesterdorfschaft  abhing.  Die 
iHirre  der  vor  mir  liegenden  Strecke  nöthigte  mich  jedoch, 
hier  Halt  7M  machen,  um  einen  Vorrath  von  Wasser  einzu- 
nehmen, und  das  war  der  eirund,  warum  ich  von  Bagäü  aus 
dicHcn  weiten  Umweg  nehmen  musste. 

AIm  wir  es  uns  im  Schatten  der  Tamarinden  bequem  ge- 
macht hatten,  kamen  einige  Leute  aus  einem  von  uns  unter- 
wegs /tir  Seite  gelassenen  Dorfe  zu  uns,  um  Arzneien  zu  er- 
halten, imd  di(j  Weise,  wie  sie  sich  für  meine  Bemühung 
erkc'nntlich  zeigten,  bewies  so  viel  Zartgefühl  und  Artigkeit, 
ibiMH  ich  die  Annahme  ihres  Geschenkes  nicht  ablehnen  konnte, 


Das  verödete  Dorf  Märga.  315 

obgleich  ich  im  Allgemeinen  keine  Bezahlung  fiir  meine  Heil- 
mittel nahm.  Als  sie  sich  nämlicli  verabschiedeten ,  banden 
sie  ein  Schaaf,  das  sie  mitgebraclit  liatten,  an  den  Baum,  un- 
ter welchem  wir  ruhten,  indem  sie  blos  meinen  Dienern  an- 
deuteten, es  sei  ein  Geschenk  für  mich. 

Ungeachtet  der  grossen  Hitze  während  der  Mittagsstunden 
hielt  ich  es  für's  Beste,  meine  Reise  ohne  Aufschub  fortzu- 
setzen ;  denn  alle  mir  ertlieilte  Auskunft  stimmte  darin  über- 
ein, dass  die  vor  uns  liegende  Strecke  eine  ausgedelmte  was- 
serlose Wildniss  sei.  Es  waren  jedocli  deutliche  Spuren 
vorhanden,  dass  während  der  Regenzeit  dieser  trockene 
Wald  mitunter  zu  einem  ausgedehnten  Morast  wird,  besucht 
von  Heerden  von  Giraffen  und  anderem  wilden  Gethier. 
Zuerst  war  die  Waldung  licht;  als  wir  aber  weiter  kamen, 
bekleidete  sie  sich  mit  dichtem  Flechtwerk  von  Schling- 
pflanzen, welche  von  den  einheimischen  Arabeni  „ssella',  im 
West- Arabischen  Dialekt  aber  „  gheläf "  genannt  werden.  An 
vielen  Stellen  kam  ein  eigen thümliches  Rohr  vor.  von  den 
Schüa,  die  daraus  Schreibfedern  machen,  „häl"'  genannt,  und 
hie  und  da  schössen  frische  Grasbüschel  auf,  von  der  befruch- 
tenden Kraft  des  Regens  hervorgerufen.  Es  ist  dieses  junge 
saftige  Kraut,  das  besonders  das  Rhinoceros  anzieht.  So  öde 
diese  Wildniss  gegenwärtig  auch  war,  so  fand  sich  doch, 
dass  sie  zeitweilig  auch  ein  Schauplatz  beträchtlicher  mensch- 
licher Betriebsamkeit  ist;  denn  Sesam-  und  selbst  Indigo- 
felder fielen  in's  Auge. 

Dreizehn  Meilen  w^eiter  erreichten  wir  einen  Weiler,  wel- 
cher augenscheinlich  der  Ort  Marga  war,  bezüglich  des- 
sen unsere  Berichterstatter  ungewiss  waren,  ob  wir  die  Ein- 
wohner antreffen  würden,  oder  nicht.  Wir  betraten  den 
Weiler,  aber  nicht  ein  einziges  menschliches  Wesen  war  zu 
sehn;  der  Ort  war  leblos,  verlassen  und  halb  in  Ruinen. 
Doch  hatte  man  in  einigen  Häusern  Habseligkeiten  zurück- 
gelassen,   welche,    da    die    Thüren    nicht    fest    genug    ver- 


I 


816  Xn.  KApHeL 

schlössen  waren,  der  Ehrlichkeit  der  Voroberkommeoden 
überlassen  blieben. 

Der  Pfad  theilte  sich  hier,  und  wir  hatten  offenbar,  um 
über  Djogode  weiter  zu  reisen,  den  nördlichen  einzuschla- 
gen; aber  unglücklicherweise  war  auf  diesem  Pfade  keine 
frische  Fussspur  bemerkbar,  während  der  südliche  viel  be- 
nutzt schien,  und  meine  armen  Diener,  welche  mir  bisher 
schweigsam,  obwohl  niedergeschlagen,  gefolgt  waren,  brachen 
in  ein  lautes  Wehklagen  aus,  als  sie  mich  den  unbetretenen 
Weg  einschlagen  sahen,  indem  sie  ausriefen,  ich  wolle  ihr, 
sowie  mein  eigenes  Leben  in  dieser  öden  Wildniss  auf- 
opfern. Ich  stellte  ihnen  vergeblich  die  Nichtigkeit  ihrer  Ein- 
wendungen vor  und  liess  mich  endlich,  obwohl  mit  einem 
unbehaglichen  Vorgefühl,  bewegen,  ihrem  kläglichen  Flehen 
nachzugeben,  indem  ich  den  südlichen  Pfad  einschlug. 

Es  war  Sonnenuntergang,  als  wir  einen  anderen  Weiler 
erreichten,  welcher,  aus  grossen,  wohnlichen  Hütten  be- 
stehend, uns  zuversichtlich  erwarten  liess,  hier  bequeme  Her- 
berge zu  finden;  aber  wir  fanden  bald,  dass  auch  hier  kein 
menschliches  Wesen  zurückgeblieben  war.  Nur  eine  Gruppe 
von  fünf  Antilopen  mit  aufrecht  stehenden  Hörnern  (Oryx), 
hier  „tetel"  genannt,  stand  furchtlos  in  geringer  Entfer- 
nung und  starrte  uns  neugierig  an.  Es  war  das  erste  Mal, 
dass  ich  dieses  schöne  Thier  in  wildem  Zustande  sah;  ich 
fand  es  jedoch  nachher  häufig  in  diesem  Lande  und  traf  es 
auch  einmal  am  Komadugu  von  Bomu  an. 

Nachdem  wir  uns  überzeugt  hatten,  dass  der  Brunnen 
trocken  war,  setzten  wir  unseren  Marsch  fort,  da  wir  es 
nicht  für  gerathen  hielten,  in  einem  verlassenen  Dorfe 
(unes  solchen  Landes  zu  übernachten ,  und  betraten  aber- 
mals ein  Dickicht,  wo  es  viel  geregnet  zu  haben  schien, 
so  dass  ich  sogar  mein  Pferd  tränken  konnte,  wo  aber 
die  Gefahr  vor  reissenden  Thieren  durch  das  Vorhandensein 
von  Wasser  sehr  vermehrt  wurde.    Nachdem  wir  noch  2  Meilen 


Nachtlager  in  der  Wildniss.  317 

weiter  gezogen,  hielten  wir  es,  da  es  sehr  dunkel  war,  für 
das  Gerathenste,  die  Nacht  über  Halt  zu  machen ;  wir  wählten 
also  eine  kleine  von  Holzung  freie  Stelle,  brachten  das  Ge- 
päck, das  Kameel,  das  Pferd  und  das  Schaaf  in  die  Mitte 
und  überwiesen  jedem  von  uns  eine  Ecke,  wo  wir  ein  Feuer 
unterhalten  wollten.  Wir  hatten  jedoch  kaum  angefangen, 
uns  in  der  Nähe  nach  trockenem  Reisholze  umzuschauen,  als 
die  wilden  Thiere  in  allen  Theilen  der  dichten  Waldung  ein 
tobendes  Getöse  erhoben;  ich  war  daher  genöthigt,  mehrere 
Schüsse  abzufeuern,  ehe  wir  ein  kleines  Feuer  anzumachen 
im  Stande  waren,  worauf  wir,  indem  wir  beim  Suchen  die 
Brände  vor  uns  herwarfen,  bald  hinlänglich  Brennholz  sammel- 
ten. Ich  konnte  jedoch  meine  jungen  und  unerfahrenen  Ge- 
fährten nur  mit  Mühe  dazu  bringen,  während  der  Nacht 
wechselsweise  Wache  zu  stehn  und  die  Feuer  zu  unterhal- 
ten, besonders  da  wegen  eines  Nordostwindes,  der  um  Mitter- 
nacht zu  wehen  anfing,  das  Holz  sehr  schnell  verbrannte. 

Ich  hatte  die  Vorsicht  gehabt,  mir  eine  Anzahl  Patro- 
nen bereit  zu  legen,  als  plötzlich  zwei  Hyänen  hereinstürz- 
ten, welche  sich  gedeckt  von  der  Holzung  herangeschlichen 
zu  haben  schienen,  und  denen  es  beinahe  gelang,  unser 
Schaaf  zu  erhaschen.  Aber  eine  von  ihnen  büsste  für  ihre 
Verwegenheit  mit  dem  Leben,  und  auf  diese  Weise,  in- 
dem wir  bald  Brände  schleuderten,  bald  Schüsse  feuerten, 
hielten  wir  während  des  übrigen  Theiles  unserer  ruhe- 
losen Rast  an  diesem  Orte  die  wilden  Thiere  glücklich  von 
uns  ab.  — 

Als  wir  früh  am  Morgen  aufbrachen,  fanden  wir  un- 
ter unseren  Ledersäcken  fünf  Skorpione;  sie  waren  höchst 
wahrscheinlich  von  der  Hitze  des  Feuers  angezogen  worden, 
da  sich  dieses  Thier  sonst  nach  einem  Regenfalle  nur  selten 

sehn  lässt.    Die  Waldung  wurde  nun  bald  lichter,  und  mein 

> 

Schüa-Bursche  machte  mich  auf  den  sonderbaren  Umstand 
aufmerksam,   dass  der  „dib",  welcher  hier  sehr  häufig  vor- 


3W  XIL 

kommt,  ^inen  ünrath  immer  .inf  «iem  rnnen.  wdsBeiL  Heek 
feines  AmelHenimoelH  ablest.  D«Hr  Be^Esu  ^schien  iebr  be- 
tr^hflieh  gewe^ien  zn  .^in,  and  eine  Meäe  ireitiabiiL  ksune« 
wir  hei  einem  srftHsif^n  Teiche  anfi  baki  dakoad  bei  üineiü 
wtt.ii  nr^'fjmfiVfiin  vorbei,  welcher  rings  omfai^  eine  FaDe  des 
p;*ücbti^ten  ^/ra^^ei^  erzengte.  Der  Boden  bestauid  hier  aa» 
fej^tem  Thon  and  der  Fttaozenwnch»  war  mannicfaMtig : 
btitld  aber  tolgte  aaf  den  Wald  ansgeiiehntes  Aekeriand.  we^ 
rhen  die  Nahe  einer  bedeutenden  Ortachaä:  ankftnttigte> 

(ek  wumte  refbt  gut.  da^ä  wir  die  Strasse  nach  Dju^otie 
eme  beträchtliche  Strecke  znr  Rechten  hatten  liegen  laäeen, 
aber  es  TerdroH?»  mich  sehr,  Ton  den  Leuten ,  wekhen  wir 
begegneten  r  za  h^Sren^  dass  wir  Kukorotsche  jor  uns  hatten, 
daft^telbe  Dorf,  dnrch  das  wir  aof  dem  Wege  toq  Mele  nach 
ßiigf>män  gekommen.  Da  ich  demnach  jöies  Dorf  wie- 
der berühren  mnsnte.  so  beschlich  mich  die  bange  Xh- 
nnng,  en  möge  mir  ein  MLssgeschick  zustosöen  und  mir  nicht 
vergfjnnt  <^in,  dieses  Land  so  bald  zn  yerlassen:  ich  fasste 
mich  jedf>ch  and  bereitete  nuch  aof  4^  Unangenehm- 
fite vor. 

I>ie  I^andschaft  gewann  non  ein  heiteres  Ansehen,  und 
wir  langten  bei  einem  ausgedehnten  und  augenscheinlich 
tiefen  Gf5wä8ser  an,  das  ringsum  von  herrlichen,  reichbe- 
laubten Bäumen  geschmückt  war.  Viele  Weiber  vom  be- 
nar:bbarten  Dorfe  holten  liier  Wasser;  auch  wir  nahmen  einen 
Vorrath  ein,  zogen  dann  weiter  und  machten  Halt  im  Schatten 
einen  wliönen  Hadjirülj  im  Angesicht  des  Dorfes.  Rindvieh 
iiikI  Ksel  weideten  in  grosser  Anzahl  umher  und  erwiesen 
den  Wohlstand  der  Einwohner.  Kokorotsche  ist  ein  wichti- 
^(•r  l'lat/  im  Leben  des  Landes,  indem  es  nebst  Bügo- 
infin  der  llHUptstadt  den  grüssten  Theil  des  Bedarfs  an 
nir«<e  liefert. 

KntHcldoMHen ,  zum  bösen  Spiele  gute  Miene  zu  machen, 
lieHH  ich  meinem  L(»ute  das  Schaaf  schlachten  und  machte  es 


Ankunft  in  Kökorotsche.  319 

mir  so  bequem  wie  möglich,  indem  ich  meinen  Teppich,  be- 
schädigt, wie  er  von  den  Bakadä-Ameisen  war,  auf  dem  Erd- 
boden ausbreitete  und  mir  überhaupt  den  Anschein  der 
grössten  Gemüthsruhe  gab.  Ich  wusste  damals  noch  nicht, 
dass  es  in  diesem  Lande  nur  dem  Sultan  und  einigen  Gross- 
würdenträgern gestattet  ist,  auf  einem  Teppich  zu  sitzen. 
Während  das  Fleisch  auf  dem  Feuer  kochte  und  einen  un- 
gewohnten Genuss  in  Aussicht  stellte,  empfing  ich  einen 
Besuch  von  Grema  'Abdü's  Schwiegervater,  meinem  Wirthe 
in  Müstafadji,  und  seine  Mienen  und  Winke  bestätigten  meine 
ungünstigen  Vermuthuugen.  Ich  einzahlte  ihm,  wie  es  mir 
ergangen,  seit  ich  bei  ihm  gewesen,  —  wie  der  Statthalter  von 
Bugomän  sich  geweigert,  mich  in  seiner  Stadt  aufzunehmen, 
und  wie  ich  18  Tage  in  Bakadä  gesessen  und  vergeblich  auf 
die  Erlaubniss  in  die  Hauptstadt  kommen  zu  dürfen,  gewartet 
habe.  Ich  zeigte  ihm  meinen  Teppich  und  erzählte  ihm, 
dass  ihn  die  Ameisen  halb  verzehrt,  und  wie  wir  an  hin- 
länglicher Nahrung  und  an  Obdach  beim  Eintritt  der  Regen- 
zeit Mangel  gelitten  hätten.  Es  tl^t  ihm  sehr  leid,  dass  ich 
nicht  mit  mehr  Rücksicht  behandelt  worden  war,  er  gab  es 
jedoch  als  seine  Ansicht  zu  erkennen,  dass  der  Vicestutt- 
halter  mir  auf  diese  Weise  nicht  gestatten  werde,  das  Land 
zu  verlassen. 

Unglücklicherweise  war  dieser  Mann  nicht  offen  genug,  um 
mir  zu  gestehen,  dass  bereits  Boten  aus  der  Hauptstadt  an- 
gekommen seien;  ebenso  wenig  gab  mir  der  Dorfvorsteher 
—  „billama"  oder  vielmehr  „goUennange"  oder  „gar",  wie  er 
hier  heisst  — ,  welcher  gerade  mit  einer  zahlreichen  Mann- 
schaft ankam,  als  ich  aufbrechen  wollte,  den  entferntesten  Wink 
davon.  Ob  er  in  der  Absicht  kam,  mich  zurückzuhalten,  und 
nur  Anstand  nahm,  sein  Vorhaben  auszuführen,  weiss  ich 
nicht.  Jedenfalls  würde  es  für  mich  besser  gewesen  sein, 
hätte  sich  mein  Geschick  hier  statt  in  Mele  entschieden.  Wie 
es  nun  einmal  war,  gab  mir  der  Dorfvorsteher  einen  von  sei- 


820  XIL  KapiteL 

nen  Leuten  mit,  um  mir  den  Weg  nach  dem  Flusse  zu  zeigen, 
und  ich  brach  ungefähr  1  Stunde  nach  Mittag  auf. 

Beträchtliche,  vor  7  Tagen  gefallene  R^enschauer  hatten 
die  dürre  Beschaffenheit  der  Landschaft  umgestaltet  und 
deren  Lebenskräfte  neu  geweckt.  Der  ganze  Gau  trug  das 
heitere  Kleid  des  Frühlings.  Frische  Wiesengründe  breiteten 
sich  aus,  und  wir  kamen  bei  einigen  ausgedehnten  Wasser- 
flächen vorbei,  umsäumt  von  welligen  Ufern  im  glänzendsten 
Grün.  Wir  kamen  auch  durch  verschiedene  Dörfer,  unter 
welchen  eines  Namens  Mai-Dalä  sich  durch  sein  sauberes 
Ansehen  auszeichnete,  indem  die  meisten  Hütten  neue  Stroh- 
dächer zum  Schutze  gegen  den  Regen  erhalten  hatten.  In  einem 
dazwischen  belegenen  Walde  erregten  wiederum  Dümbüsche 
und  Dümpalmen,  hier  „kolongo"  genannt,  meine  Aufmerk- 
samkeit wegen  des  weiten  Gebietes,  welches  diese  Pflanze 
in  Inner -Afrika  eimiimmt,  während  man  irrthümlich  be- 
hauptet hatte,  dass  sie  ausschliesslich  Ober-Egypten  angehöre. 
Wir  überschritten  hierauf  das  seichte  Gewässer  Ambussäda, 
wo  der  blaugefiederte,  r^hfüssige,  hier  „dellük"  genannte 
Vogel  in  grosser  Anzahl  umherplätscheile ,  und  naheten  uns 
nun  abermals  dem  Dorfe,  wo  ich  zuerst  dieses  Land  be- 
treten hatte. 

Auch  hier  war  während  meiner  kurzen  Abwesenheit  eine 
grosse  Veränderung  eingetreten.  Die  Äcker  wurden  ausge- 
stockt, um  sie  für  die  Arbeiten  der  Regenzeit  vorzubereiten,  und 
die  Büsche  und  Baumstümpfe  verbrannt,  um  die  befruch- 
tende Aschendüugung  zu  benutzen.  Wir  waren  vorher  noch 
nie  dem  Flusse  so  nahe  entlang  gekommen,  und  ich  war  er- 
staunt über  die  ausserordentliche  Grösse  der  Ameisenhügel, 
welche  nicht  die  gewöhnliche  spitzauslaufeude  Kegelform, 
sondern  vielmehr  eine  den  von  mir  am  Bonue  gesehenen 
ähnliche  Form,  nur  eine  beträchtlichere  Grösse  hatten,  in- 
dem sie  30 — 40  Fuss  hoch  und  dabei  so  sanft  abgerundet 
waren,  dass  ihr  Umfang  an  der  Basis  in  einigen  Fällen  über 


Ankunft  in  Meli.  321 

200  Fuss  betrug.  Das  Dorf  selbst  hatte  in  der  Zwischen- 
zeit ein  ganz  verändertes  Ansehen  erhalten,  indem  in  Folge 
der  nahenden  Regenzeit  eine  Anzahl  neuer  Hütten  errichtet 
und  die  älteren  mit  neuen  Strohdächern  versehen  waren. 
Alle  diese  neuen  Wohnungen  bestanden  nur  aus  Rohr  und 
Mattenwerk,  hatten  aber  dennoch  ein  sauberes  und  freund- 
liches Ansehen.  Als  ich  das  Dorf  betrat,  wurde  ich  von 
den  Einwohnern  als  ein  alter  Bekannter  begrüsst,  und  ich 
schlug  ruhig  mein  Zelt  an  der  früheren  Stelle  auf. 

[Montag  y  19^^  Aprt'L]  Dies  war  für  mich  ein  denkwür- 
diger Tag,  bestimmt,  mich  ein  grösseres  Maass  imbeugsa- 
mer Geduld  zu  lehren.  Nach  einer  ruhigen  Nacht  be- 
gab ich  mich  früh  zum  Vorsteher  des  Dorfes,  um  mit  ihm 
über  mein  Überschreiten  des  Flusses  zu  sprechen,  und  ich 
machte  ihm  zugleich  ein  kleines  Geschenk.  In  Baghirmi 
gibt  es,  wie  in  Logone  und  anderen  Theilen  von  Sudan,  einen 
besonderen  Beamten  für  den  Flussverkehr.  Dieser  Beamte, 
welcher  in  Baghirmi  den  Titel  „alifa-bä"  („Kemän-Komadu- 
gube",  d.  i.  „Beamter  des  Flusses")  führt,  hat  einen  Agenten 
oder  Kaschella  in  jedem  Dorfe  an  den  Flussufem,  wo  es 
eine  Fähre  gibt,  und  der  hiesige  Agent  war  zur  Zeit  ab- 
wesend. In  der  Zwischenzeit  unterhielt  ich  mich  mit  ver- 
schiedenen von  meinen  früheren  Betannten  imd  traf  unter  An- 
deren einen  Einwohner  von  Djogode,  der  es  sehr  bedauerte, 
dass  ich  den  Weg  nach  jenem  Orte  verfehlt  hätte,  da  ich 
daselbst  gut  behandelt  worden  wäre,  weil  fast  alle  Einwoh- 
ner Kanöri  sind.  Der  Statthalter  jenes  Ortes,  welcher,  wie 
der  von  Moitö,  den  Titel  „alifa"  hat,  war  abwesend,  wie 
dieser  Mann  mir  sagte,  um  sich  dem  Heere  des  Sultans  an- 
zuschliessen. 

Während  ich  mich  so  unterhielt,  kam  der  Vorsteher  des 
Dorfes  plötzlich  in  mein  Zelt  und  theilte  mir  mit,  dass  Bo- 
ten vom  Vicestatthalter  angekommen  wären,  um  meine  Wei- 
terreise zu  verhindern ;  da  er  mich  dann  fragte,  was  ich  nun 

Barth'«  BdMo.    III.  21 


wff  ^#9  ntif  rjw'tvn  n  ^Hr^HRsn.  '^^liispai  jä.  am  leaa. 
IVvrtVorif »Hi^r  :*niiie  flim^  SinnHic^  -srasi  -aat  ^/oitat  ^aurnr- 
,innq^  rt^ffmi^ixu»'  nvt  "Ttsuarir.  -s  ^  mr  ncär  .aar  "ni»g»fa*ff, 
.fki^   «iz   int   a#ü«pn  '  m'  za  'v^hsszniiBKi.   im  <?  sicär  oiai- 

mmi  mir  wpfni&fjtmt^  -TtaaOifn  ^>iItK  üe  jaübe  Zkac  3l  ttan.  be- 
nfti^hhfl]^<»fi  Dorä^  SIew#*ai  ambniieesL  —  kann.  ^Hmtihlu'fc 
itu^r  Ttfi#i  nu^r  L^nb^  in   ism  Zm^.  ^vnnmt  3iaa  mick  piü^- 

lieh  *TXtiff  im!  .n#*^iu^  ?'L««!*i»  ji  F-?»s**in  TtrSEE. 

F^  war  ^>Hwhr  -»in  »Jinitk.  ük«  üe  "ratiie  «  nnar^aga^c 
7*>r  *u»h  aifUf:  'i«**»!  iHtö»  -jih.  ihr  Viiräib»*a  TFanniiüt.  :§o 
wfir<<#»  irh  mirh  Tii^üpn-tu:  au*jii**r  Wjifei  itiin»ait  äuunai: 
ah^r  ühArrskHi'ht;  an*l  iih^^nrjiitscr*  wie  iüä  war.  antErwart  ki 
mi^h  a*^itnWiir,  ohne  iuicfa  rmr  ein  Wirt  la  ^recüöi.  <i»tti«r 
^^^;»itth$ifi^fm  ß^^biTuiluna:  Dii^  L^^nCki  ^ciueppcsn  zmilit  aar 
tüPvcv^.  Waifim.  ViTufem  ;MU!h  mräi  ♦i»»pd4!k:  fort  ja  ae  Le^s«fn 

n<">fn^i*r.  4^t*  fComp«»»  aiwi  mem  Tasebiinfa-  Sie  ^Jilogien  aIs- 
4^mn  m^n  Z^it  ab  tmd  leimen  miüfa.  unter  einen  od^^en 
H/h/»|,p^^.  wo  k^h  v/^)fi  2ir#>i  fJienem  des  Vicestätthahers  be- 

N'A/:h  /li^^^^rm  ^mpör^Tkikn  Verfahren  mnsgte  ich  mir  andi 
fKi^'h  7fm  f-inem  fVief^er  f lalbheiden  Moral  predigen  lassen,  in- 
fU'ifi  «f  rr>K'b  f^rrnnhuif..  mein  Ge^ichick  mit  Gednld  zn  ertra- 
j^/'f»        ^l/rrin  \]h^  k/yrnriie  TOfn  Gfitt 

H^'lfmi  fnf*iu4'  \fmurr  waren  anfangs  gefesselt  worden;  da  sie 
«b^r  ^^r^w^ffMlH^rn,  rlaiM  i#:h,  wenn  man  sie  nicht  freigäbe,  ohne 
hII^<  ((^(^Hfffffing  »^?jri  würde,  nahm  man  ihnen  die  Fesseln  wie- 


Verhaftung  des  Reisenden.  823 

der  ab,  und  sie  hielten  sich  getreulich  zu  mir,  um  mein  Miss- 
geschick zu  lindem.  Am  Abend  bestieg  der  Sklave  des  Allfa- 
Bä  mein  Pferd,,  nahm  eine  meiner  Pistolen  mit  und  ritt  fort  — 
nach  Mäseüa. 

Nachdem  ich  bis  zum  Abend  ruhig  an  dem  mir  überwie- 
senen Platze  verblieben  war,  befahl  ich  meinen  Dienern, 
mein  Zelt  zurückzuverlangen;  zu  meiner  Freude  wurde  die- 
ser Forderung  genügt,  und  ich  verbrachte  die  folgenden 
4  Tage  still  und  in  mein  Geschick  ergeben,  obgleich  wie  ein 
Sklave  gefesselt,  in  meinem  Zelte.  Glücklichei-weise  hattench 
die  Beschreibung  von  Mungo  Park's  erster  Reise  bei  mir, 
und  die  Schilderung  seiner  Leiden  unter  den  Ludamar  (Ueläd 
'Ammer)  hätte  mir  nie  einen  so  hohen  Genuss  gewähren  kön- 
nen, wie  in  meiner  jetzigen  Lage,  und  sein  Beispiel  verfehlte 
nicht,  meine  Geduld  zu  stärken. 

Während  ich  mich  in  diesem  Zustande  befand,  dachte  ich 
darüber  nach,  welche  Möglichkeit  für  Europäer  vorhanden  sei, 
diese  Länder  zu  civilisiren,  und  ich  kam  zu  dem  Ergebniss, 
dass  es  zu  diesem  Behufe  unumgänglich  nothwendig  sein 
würde,  die  günstigste  Strecke  des  Landes  zwischen  den  Flüs- 
sen Kuära,  Benue  und  Kadüua  zu  kolonisiren  und  somit 
Handelsverkehr  und  Civilisation  nach  allen  Richtungen  im 
Inneren  des  Welttheiles  zu  verbreiten;  ich  schrieb  daher  an 
Ort  und  Stelle  die  Worte  in  mein  Tagebuch:  „Dies  ist  das 
einzige  Mittel,  welches  dem  gewünschten  Zwecke  entspricht; 
alles  Übrige  ist  vergeblich." 

Am  Abend  des  23sten  April  —  ich  lag  noch  immer  ge- 
fesselt in  meinem  Zelte  —  kam  mein  Freund  aus  Bdkadä, 
Hadj  Bü-Bakr  Ssadik,  auf  meinem  Pferde  an,  und  entrüstet, 
als  er  meine  Fesseln  sah,  befahl  er,  dieselben  unverzüglich 
abzunehmen.  Ich  bat  ihn  darum,  mir  zu  verzeihen,  dass  ich 
mich  für  einen  freien  Mann  gehalten  und  nicht  gewusst  hätte, 
dass  ich  ein  Sklave  sei,  —  da  mir  die  wirkliche  Beschaffen- 
heit meiner  Lage  in  diesem  Lande  nicht  bekannt  gewesen. 


324  Xn.  KapiteL 

Er  aber  lobte  mein  Benehmen  migemein,  indem  er  erklärte, 
ich  hätte  nicht  anders  handeln  können,  und  versprach  mir, 
ich  solle  nunmehr  ohne  irgend  weiteren  An£schab  die  Haupt- 
stadt besuchen. 

Durch  diesen  günstigen  Wechsel  der  Dinge  beruhigt,  dankte 
ich  der  Vorsehung  dafür,  dass  sie  mich  aus  dieser  widerwärti- 
gen Lage  gezogen,  und  betrachtete  meinen  Unfall  als  eine 
heilsame  Lehre  für  die  Zukunft  Meine  ganze  Habe  wurde 
mir  zurückgestellt,  auch  meine  Waffen  —  mit  Ausnahme  der 
na#h  der  Hauptstadt  gebrachten  Pistole.  Ich  musste  mich 
jedoch  noch  den  folgenden  Tag  gedulden,  weil  der  Haupt- 
diener des  Vicestatthalters  noch  nicht  angekommen  war  und 
auch  mein  Pferd,  das  die  Reise  nach  der  Hauptstadt  und 
zurück  mit  grosser  Schnelligkeit  gemacht  hatte,  einiger  Ruhe 
bedurfte. 

[Sonntag,  25«^^  ApriL]  Früh  am  Morgen  begaben  wir 
uns  nun  abermals  auf  die  Reise  nach  Osten.  Obgleich  ich 
in  diesem  Lande  bisher  keine  sehr  freundliche  Behandlung 
erfahren  hatte,  so  war  ich  doch  bereit,  lieber  Alles  zu  er- 
dulden, als  den  Besuch  der  Hauptstadt  aufzugeben.  Meine 
armen  Diener  hingegen  waren  anders  gesinnt;  denn  da  ihnen 
das  wissenschaftliche  Interesse  abging,  empfanden  sie  die 
materiellen  Entbehrungen  desto  mehr;  sie  betrachteten  un- 
sere beabsichtigte  Reise  ostwärts  mit  Schaudern  und  warfen 
wehmüthige  Blicke  auf  das  jenseitige  Ufer  des  Flusses,  wel- 
ches sie  aller  Entbehrungen  und  Verdriesslichkeiten  zu  über- 
heben versprach. 

Ich  zog  jetzt  zum  vierten  Male  die  Ufer  des  Flusses  ent- 
lang; letzterer  hatte  gegenwärtig  seinen  niedrigsten  Stand 
erreicht  („Bä  nedonge",  wie  die  Baghirmier  sagen)  und  war, 
seitdem  ich  ihn  zuletzt  gesehen  hatte,  1 — 2  Fuss  gefallen, 
so  dass  ein  weiterer  beträchtlicher  Theil  der  Sandbank  bloss- 
gelegt  war. 

Man  hat  in  Europa  keine  Vorstellung  von  der  Lage  eines 


Zog  nach  Misefia.  325 

einzelnen  schutzlosen  Reisenden  in  diesen  Gegenden.  Hätte 
ich  meinen  Wünschen  folgen  können,  so  wäre  ich  gleich  beim 
Eintritt  in  das  Land  diesen  mächtigen  Fluss  entlang,  bis 
zur  Quelle  hinauf,  gezogen;  aber  der  Reisende  ist  in  diesen 
Ländern  nur  ein  Sklave,  der  von  den  Launen  eines  unver- 
ständigen imd  argwöhnischen  Volkes  abhängt.  Alles,  was 
ich  unter  den  gegenwärtigen  Umständen  noch  auszurichten 
erwarten  konnte,  bestand  darin,  bezüglich  des  oberen  Laufes 
des  Flusses  bestimmte  Auskunft  einzuziehen;  denn  so  sehn- 
lich ich  auch  gewünscht  hatte,  an  dem  Feldzuge  des  Sultans 
Theil  zu  nehmen,  konnte  ich  doch  nach  Allem,  was  ich  er- 
fahren hatte,  kaum  glauben,  dass  man  mir  erlauben  werde, 
in  grosse  Entfernung  vorzudringen. 

Wir  machten  heute  nur  einen  ziemlich  kurzen  Marsch; 
denn  nachdem  wir  während  der  Tageshitze  beinahe  6  Stun- 
den in  einem  Dorfe  Namens  Käda-bakaläi  gerastet  hatten, 
zogen  wir  nur  3  Meilen  weiter  und  lagerten  dann  in  einem 
anderen,  neu  erbauten  Dorfe  Namens  Käda-märga,  wo  die 
Einwohner  des  gleichnamigen,  von  ihnen  verlassenen  Dorfes 
Obdach  gesucht  hatten.  Der  Ort  hatte  ein  sauberes  Aus- 
sehen und  besass  eine  Färberei  —  „bükko  alinbe"  — ;  auch 
wurde  er  von  einer  Anzahl  zahmer  Strausse  belebt.  Der 
Brunnen  enthielt  bei  einer  Tiefe  von  10 — 12  Klaftern  einen 
reichlichen  Vorrath  an  Wasser ,  das  aber  von  schlechter  Be- 
schaflfenheit  war. 

Am  folgenden  Tage  hatten  wir  unseren  Verlust  an  Zeit 
wieder  gut  zu  machen  und  rasteten  daher  nicht  eher,  als  bis 
wir  unser  Nachtlager,  einige  Meilen  jenseits  Bäkadä,  erreicht 
hatten;  denn  ungeachtet  meiner  Hochachtung  gegen  Bü-Bakr 
Ssadik  weigerte  ich  mich  doch,  in  dem  Orte,  wo  ich  so  lange 
zurückgehalten  worden  war,  irgend  länger  zu  verweilen  oder 
ihn  auch  nur  wieder  zu  betreten.  —  Die  Waldwildniss  war 
durch  die  Regenfalle  zur  Aufnahme  ihrer  zeitweiligen  Bewoh- 
ner, der  Schüa,  vorbereitet,  und  der  Brunnen  von  Bakadä, 


fMenjiUuf.  27^>^^  ApriL^  Fnäi  am  HJMyyw  bESK&ot  wir 
^mi .  •im  •TOfflirfa  TimpriBi  Et^yrtiinumyywit  waA  ^fm  Kiwtyit^ 
rier  T^neesihita»»  2a  ern>sfiic9B.  Di»  Lmd  war  snt 
und   mit  Bimnen.    nameotlidi  Tdlias  and  ^^^^j?««« 


^mtK*kt:  die  <j«!treide&ifier  waren  jocb  inor  in  Furcben 
—  ^APT^iMk'^  —  büsCdlL  Der  Bt)«iesi  beataml  ans  Snnd. 
^fcber  weiterem  war  er  rfaome  mui  büiiete  mefaroe  grtMBe 
IWkim.  in  deoen  Äck  wahroui  «^  Regptmpit  becfentBide 
WamerpfotSDRii  an»ftTniin4n.  —  Wer  war  ifie  r,^iMfai4»#t:  ^qq 
^rhöiuni  Tamarimlenhaamai  imd  aaaBeniem.  nuck  ^un  emir- 
9m  Dnmpftlmün  fielebc 

Dann  betraten  wir  einen  raek  nüt  6ras  bewacksenen  and 
för  Viehznrbt  wobl^eeisneten  <jan.  Ser  lebten  einsiewait- 
(ierte  Fremdlinge  Tom  Sebna'  and  Fefläta-Stamme .  wie  das 
gewöbnlirh  anter  ihnen  der  Fall  ist.  aaf  dem  bestäi  Fasse 
beisammen:  denn  die  AhnHcbkeit  der  Sitten  dieser  beiden 
Stämme  hat  sie.  ongeaehtet  ihrer  ▼^osckiet^o^i  Abkonft  and 
gän^li^b  ▼ersrhiedenen  5*prache.  aberall  in  die  engste  Ver- 
binrhing  gebracht  and  in  bemerkenswerther  Weise  die  An»- 
breitöng  de»  letzteren  Stammes  über  ein  so  weites  Gebiet 
rrm  Ontral-Afrika  erleichtert.  Die  Hatten  dieser  Yiehzück- 
ter  ftind  von  denen  der  eingeborenen  BewcAner  sehr  abwei- 
chend, indem  rie  einesthefls  riel  geraomiger  sind,  am  aach 
dem  Vieh  l^aiz  geben  zu  können^  and  andererseits  dieRohr- 
beda/'hnng  in  »ehr  leichter  and  nachlassiger  Weise  besorgt 
int;  (h^tn  (Iv^ne  Jjevde  pflegen  ihre  Wohnstatten  gewöhnlich 
mit  der  Jahrcftzeit  za  rerändem  and  lassen  es  sich  desshalb 
fiirlif  an^f.'le^fyn  »ein,  viel  Mühe  auf  dieselben  zu  verwenden. 

AIr  wir  HO  unwrren  Marsch  fortsetzten,  erhielten  wir  plötz- 
lich ^ifiHi  filick  über  cfine  offene,  mit  dem  frischesten  Grün 
b^l(U»)dnt4i  Horikiing,  in  der  Ruinen  von  Lehmwohnungen  weit 
iri<rhrr*it(3t  itmlii^rlagen.     Dies  war  Mäsena,  die  Hauptstadt 


Ankunft  in  Mäsefia.  927 

des  Landes,  die  jetzt  ganz  denselben  trümmerhaften  und  ver-' 
ödeten  Charakter  trug,  wie  der  übrige  Rest  des  Landes. 

Die  Stadt  war  in  früheren  Zeiten  von  weit  grösserem  um- 
fang; die  Mauer  war  in  der  Folge  eingezogen  worden,  war 
aber  noch  immer  viel  zu  gross  für  die  Stadt  und  befand  sich 
augenblicklich  im  kläglichsten  Zustande  des  Verfalls.  In  der 
That  scheint  das  ganze  Land  von  Baghirmi,  verheert  durch 
einen  höchst  unheilvollen  Bürgerkrieg  und  niedergetreten  von 
seinen  Nachbarn,  hinzusiechen,  bis  es  seiner  Bestimmung  ge- 
mäss entweder  sich  einmal  wieder  erhebt,  oder  dem  ersten 
Eindringling  zur  Beute  fallt. 

Jedoch  war  es  mir  nicht  vergönnt,  die  heilige  Umschluss- 
mauer  dieser  verödeten  Hauptstadt  ohne  weitere  Belästigimg 
zu  betreten;  denn  indem  ich  genöthigt  war,  dem  Vicestatt- 
halter  eine  Botschaft  zuzusenden,  um  ihm  meine  Ankunft 
anzuzeigen,  liess  man  mich  länger  als  1^  Stimden  vor 
dem  Thore  warten,  obgleich  hier  auch  nicht  der  geringste 
Schatten  zu  finden  war.  Nach  dieser  Demüthigung  ward  es 
mir  gestattet,  meinen  bescheidenen  Einzug  zu  halten.  Nur 
wenige  menschliche  Wesen  waren  zu  sehn  und  offene  Wie- 
sengründe breiteten  sich  auf  ansehnliche  Entfernung  aus,  vor- 
züglich auf  der  rechten,  südlichen  Seite  der  Stadt.  Dann 
betraten  wir  das  bewohnte  Viertel  und  ich  ward  in  einer 
Thonwohnung  einquartiert,  die  in  einem  offenen  Hofraum 
stand,  der  gleichfalls  mit  einer  niedrigen  Thonmauer  um- 
geben war.  Die  Wohnung  enthielt  ein  luftiges  Vorderge- 
mach, das  meinem  Geschmack  ganz  zusagte,  und  vier  kleine 
Hintergemächer,  die  allerdings  nicht  eben  sehr  luftig  waren, 
sich  aber  doch  als  höchst  nützlich  erwiesen,  um  Gepäck  und 
Vorräthe  aufzubewahren. 

Ich  hatte  kaum  von  meiner  Wohnung  Besitz  genommen, 
als  sich  eine  Menge  Leute  einstellten,  um  mich  im  Namen 
des  Vicestatthalters  zu  begrüssen,  und  kurze  Zeit  darauf  liess 
sich  ein  vertrauter  Sklave  desselben  se^n,   dem  ich  meine 


I 


328  XIL  KAfb^ 

Geschenke  überreichte.  Diese  bestanden  in  einem  Stack  ge- 
druckten Kattuns,  gross  genag  für  eine  Tobe,  in  einem  £g3rp- 
tischen  Turban,  verschiedenen  Arten  wohlriechender  Sach^i, 
wie  „machbil"'  —  der  Frucht  einer  Art  Täia  — ,  Jubän" 
—  Benzoin  —  und  einer  betrachtlichen  Menge  Sandelholz, 
das  in  den  Ländern  östlich  Ton  Bomn  sehr  hoch  geschätzt 
wird.  Indem  ich  dieses  kleine  Geschenk  dem  Diener  überlie- 
ferte und  es  mit  meinem  ergebenen  Grusse  begleitete,  erklärte 
ich,  dass  es  mir  unmöglich  sei,  dem  Vicestatthalter  persön- 
lich au£mwarten,  bevor  er  mir  meine  Pistole  ¥riederer8tattet 
habe,  die  mir  allein  noch  von  allen  den  Dingen,  die  man 
mir  in  Mele  abgenommen  hatte,  fehlte,  und  nach  einiger 
Unterhandlung  kamen  wir  überein,  dass  mir  der  Statthal- 
ter die  Waffe  ausliefern  sollte,  sobald  ich  mich  ihm  vor- 
stellte, ohne  dass  ich  nöthig  hätte,  ein  einziges  Wort  darüber 
zu  verlieren. 

Demgemäss  brach  ich  am  Nachmittag  mit  Bü-Bakr  auf,  um 
dem  Vicestatthalter  meinen  Besuch  abzustatten;  ich  fand  in  ihm 
einen  ziemlich  wohlwollenden  Mann,  etwas  über  die  mittleren 
Jahre  hinaus,  in  einfacher  dunkelblauer  Tobe,  die  schon  ein 
gutes  Theil  ihres  früheren  Glanzes  eingebüsst  hatte.  Nachdem 
ich  ihn  begrüsst,  erklärte  ich  ihm,  dass  unverdiente  Vernach- 
lässigung und  Mangel  an  gehöriger  Nahrung  mich  bewogen 
hätten,  meinen  Rückweg  anzutreten,  nachdem  ich  mich  über- 
zeugt, dass  ich  hier  nicht  willkommen  sei;  denn  es  sei,  ver- 
sicherte ich  ihn,  unser  dringendster  Wunsch,  mit  allen  Für- 
sten der  Erde  auf  friedlichem  Fusse  zu  leben  und  sie  mit 
uns  bekannt  zu  machen.  Obgleich  mir  die  Abwesenheit  des 
Landeshemi  nicht  unbekannt  gewesen  wäre,  hätte  ich  doch 
keinen  Anstand  genommen,  ihm  einen  Besuch  zuzudenken,  da 
man  mich  versichert  habe,  dass  es  möglich  sein  würde,  auf 
dem  Heereszuge  zu  ihm  zu  stossen. 

Der  Emir  Edrlss  —  denn  so  redete  ich  nach  Bü-Bakr's 
wohlmeinender  Instruktion  den  Statthalter  an  —   entschul- 


Audienz  beim  Yicestatthalter.  329 

digte  dann  seine  Landsleute  damit,  dass  sie,  mit  unse- 
rem Charakter  unbekannt,  mich  behandelt  hätten,  wie  sie 
mit  Jemandem  von  ihrem  eigenen  Stamm  verfahren  sein  wür- 
den, wenn  er  sich  gegen  die  Vorschriften  des  Landes  vergan- 
gen hätte.  Er  Hess  mir  dann  Angesichts  der  ganzen  versam- 
melten Menge  meine  Pistole  zurückgeben  und  forderte  mich 
auf,  geduldig  die  Ankunft  des  Sultans  abzuwarten.  Ich 
konnte  nichts  Anderes  thun,  als  seinen  wohlgemeinten  Rath 
zu  befolgen  und  mir  die  Zeit  so  gut  wie  möglich  zu  ver- 
treiben. 

Bei  der  Abwesenheit  des  Landesherm  und  der  übrigen  vor- 
nehmsten Personen  gewährte  die  Stadt  zur  damaligen  Zeit 
einen  ruhigeren  und  mehr  todten  Anblick,  als  es  gewöhnlich 
der  Fall  ist;  denn  als  ich  meinen  ersten  Spaziergang  durch 
die  Stadt  machte,  ward  ich  betroffen  von  dem  Charakter 
der  Einsamkeit;  der  sich  den  Augen  auf  allen  Seiten  kundgab. 
Glücklicherweise  gab  es  in  der  Stadt  einen  Mann,  dessen  Ge- 
sellschaft und  Unterhaltung  mir  grosse  Erleichterung  meiner 
Lage  gewährte. 

Am  Nachmittage,  während  ich  mich,  auf  meinem  einfachen 
Lager  ausgestreckt,  mit  Lesen  beschäftigte,  erhielt  ich  einen 
Besuch  von  drei  Männern.  Einer  derselben  war  augenschein- 
lich ein  Mann  von  Negerabkunft  und  zeigte  in  seinen  gerun- 
y.elten  Zügen  eine  Laufbahn  voll  Unruhe  und  Missgeschick, 
hatte  aber  sonst  nichts  sehr  Bemerkenswerthes  an  sich.  Es 
war  Hadj  Ahmed,  ein  Mann  von  Bambara-Ursprung  und  in 
früheren  Zeiten  in  Tauät  wohnhaft,  der  sich  aber  nach  einem 
sehr  wechselvollen  Leben  zuletzt  in  Medina  angesiedelt  hatte. 
Hierbei  war  er  zuerst  in  den  Goldgruben  von  Bambük  be- 
schäftigt gewesen,  hatte  hernach  kleine  Handelsreisen  von 
Tauät  nach  Timbuktu  unternommen,  auf  denen  er  zweimal 
von  den  Tuareg  ausgeplündert  worden  war,  und  ebenso  auch 
Agades  und  Kanö  besucht.  Von  Medina  aus  hatte  er  den 
Feldzug    Ibrahim  Baschä's  mitgemacht,    in    den  Schlachten 


330 

von  Akkä  und  Deraddje  gefoditen  und  war  cbmn  auf  mehrere 
Reisen  bis  Bassni  und  Baghdad  gesdod^t  wcH^n,  Ins  es  nun 
zuletzt  in  seiner  Steüiing  ak  Diener  der  grossen  Moschee  in 
Medina  sein  Schicksal  gewesen  war.  nadi  diesem  Lande  ans- 
gesandt  zn  werden,  um  Ton  dessen  Sultan  ein  Geschenk  an 
Verschnittenen  für  den  Tempel  in  Medina  za  erhalten. 

Der  Zweite  nnter  den  Besuchern  war  ein  Mann  ehrwürdi- 
gen Aassehens,  mit  feinen  Zögen  mid  einem  huschten  Sil- 
berbarte. Dies  war  das  religiöse  Haupt  ron  Bidderi,  einem 
Orte,  Ton  dem  ich  weiter  unten  mehr  sagen  werde. 

Der  Dritte  war  der  Fäki  Ssimbo.  ein  sehr  hochgewachse- 
ner und  hagerer  Pullo  mit  einem  spärlichen  Barte  und  aus- 
drucksToüen  Gesichtszügen,  nur  dass  er  des  wichtigsten,  das 
menschliche  Antlitz  am  meisten  belebenden  Zuges  entbehrte, 
indem  er  ganz  und  gar  blind  war.  Zu  jener  Zeit  kannte  ich 
diesen  Mann  noch  nicht,  Termuthete  aber,  sobald  ich  ihn  in 
lebendiger  und  ausdrucksToller  Weise  eine  Fülle  Ton  Kennt- 
nissen entwickeln  hörte,  fast  sogleich,  dass  dies  der  Mann 
sein  möchte,  den  ich  so  viel  hatte  rühmen  hören.  Jedoch 
setzte  mich  die  erste  Frage,  die  er  an  mich  richtete,  einiger- 
massen  in  Erstaunen,  indem  er  sich  erkundigte,  ob  die  Chri- 
sten nicht  zu  den  Beni-Issräil  gehörten,  das  heisst,  zu  den  • 
Juden.  Dieser  bei  rielen  Moslemin  des  Inneren  verbreitete 
Irrthum  beruht  natürlich  darauf,  dass  sie  von  der  Natio- 
nalität des  Messias  auf  die  der  Anhänger  seiner  Lehre 
schliessen. 

Dies  war  die  erste  Unterhaltung  mit  diesem  Manne,  der  von 
nun  an  am  meisten  dazu  beitrug,  meinen  Aufenthalt  im  Orte 
erträglich  zu  machen.  Gewiss  konnte  ich  es  kaimi  erwartet 
haben,  in  einem  so  abgelegenen  Orte,  wie  Mäsena  ist,  einen 
Mann  zu  linden,  der  nicht  allein  in  allen  Zweigen  der  Arabi- 
schen Literatur  wohlbewandert  war,  sondern  selbst  diejenigen 
Theile  von  Aristoteles  und  Plato,  die  in's  Arabische  übertra- 
gen oder  vielmehr  ganz  in  den  Isslam  aufgenommen  worden 


Der  Pullo  FÄki  Ssämbo.  331 

sind,  nicht  nur  gelesen  hatte,  sondern  sie  selbst  handschrift- 
lich besass,  und  dem  ausserdem  die  gründlichste  Kenntniss 
von  den  Ländern  beiwohnte,  die  zu  besuchen  er  Gelegenheit 
gefunden  hattiß. 

Seine  Vorfahren,  die  zu  demjenigen  Stamme  der  Fulbe  ge- 
hörten, der  Fittobe  heisst,  waren  nach  den  südlichen  Land- 
schaften Wadäi's  ausgewandert,  wo  sie  sich  im  Dorfe  Bärek- 
alla  ansiedelten.  In  der  Jugend  hatte  ihn  sein  Vater,  der 
selbst  gelehrt  war  und  ein  Werk  über  Haussa  geschrieben 
hatte,  nach  Egypten  geschickt,  wo  er  viele  Jahre  in  der  Mo- 
schee el  As-har  den  Studien  mit  grösstem  Eifer  obgelegen 
hatte.  Er  hatte  dann  den  Entschluss  gefasst,  die  Stadt  Sebid 
in  Yemen  zu  besuchen,  die  sich  wegen  der  hier  blühenden 
Wissenschaft  der  Logarithmen  —  „el  hessäb"  —  bei  den 
Arabern  einer  grossen  Berühmtheit  erfreut;  aber  als  er  die 
Stadt  Gunfüda  erreicht  hatte,  vereitelte  der  damals  zwischen 
den  Türken  und  Wahabiten  wüthende  Kampf  seine  Pläne 
und  er  war  nach  Dar-För  zurückgekehrt.  Indem  er  sich  dann 
einige  Zeit  hier  niedergelassen,  hatte  er  einen  höchst  merk- 
würdigen Feldzug  in  südwestlicher  Richtung  bis  an  den  Band 
eines  grossen,  westlich  fliessenden  Stromes  mitgemacht,  der  von 
ungeheuerer  Bedeutung  in  dem  zukünftigen  Verlaufe  Afrika- 
nischer Expeditionen  werden  kann.  Nachdem  er  dann  end- 
lich nach  Wadäi  zurückgekehiii  war,  hatte  er  an  jenem  Hofe, 
besonders  während  der  Regierung  von  Abd  el  Asis,  eine  be- 
deutende Rolle  gespielt,  bis  ihn  der  gegenwärtige  König,  Mo- 
hammed Scherif,  auf  Grund  seines  intimen  Verhältnisses  zu 
dem  eben  erwähnten  Fürsten  von  seinem  Hofe  verwies  und  in 
die  Verbannung  nach  Westen  schickte,  wo  ihn  zu  dem  übri- 
gen Unglück  das  schwere  Missgeschick  der  Blindheit  ereilte. 

Nachdem  ich  einmal  die  Bekanntschaft  dieses  Mannes  ge- 
macht hatte,  ward  es  meine  Gewohnheit,  ihn  täglich  zu  be- 
suchen, und  er  war  immer  hoch  erfreut,  mich  zu  sehn  oder 
vielmehr  meiner  Unterhaltung  zuzuhören,  da  er  Niemanden 


uatv.    liir 

u^    vTjiiix   Infi   äit  £^ti^ididif3.  ii» 

Uli    üi*^    i-n^Vfr*  ÜLioiL    jnr 

uui    it'ft'^mrie-nfr  trnyfl'nr  -?  iR-iiurFssaBC  ^vcnr.    Ir 

iur  i^ix^^ü-ab-a   uif.    u^  j-n.  ^"nt^  ös»  JteBnüiänDiE:  M£r  4bb 

'•^'n»;^^^  mr.    tatrr  i^^üi  "^lo^  'SIL  '$»iii:mfi>  Jumnusc  ~ 

.liUt#-         (lIKJie     ^     Bl#*r    2L     Ü«L    i^KKL    2i 

;^.i'»r    \ntuu*:  *N>kiui»i   VIT   ^  i«är  mnisKikrur 

^h  r  tf  t*»  iu*är.  ^;  >!i'är  ch  SnnithML  ■^«rayftäwüi-.  «ck  ici  n 
limiiitiiiu^ ni*r   mit  'i^^ii^äjr^njfHr  'TiissäüJaniE  mr  msHaiL  Ibaaie 

rtv*  iitt  tt\  i:*"»«^.r  "Vir  x:i;:±r5i!äj^rTr«ffiH  äfr  EnuiTDrk.  an 
*v  ^n^  .ttii*ti  xiAtWSjh^  vrji  *«iL  TT:»!-   ä^r  ^trr-A  ^ni  .^iiär 

^M-¥',ÄÄ.^.t    »w   i'.L  **.    Stt  iLü   jtftsa.'i:**  -  w*>  «r  mkli 

/«PjWuYI     A^-.?.    ^Xj^^    *^T    Z^Jiit,    iailcll  TrSiS    ias    Bci^    IK    he- 

p^JfAt.  (Är^^.  v/mie  Eis  I^Jtei  *as?  KIcitSl.  die  aller- 
^^-^^^jT,^  fji/.ht  'rJj'^r.  4k  fc*r*t«L  wareE.  W.aiik  «r  aher  zn 
w,f^/  k^ffi,  IvtS^-^öUt  kh  ihm  ein-e  Taa&e  Käsee-  zu  gieben. 
m^'\f.\>4'.  kt0^  t^ih  i^r^/kftffT  G*Ba*&  f5r  ihn  war  wad  ihn  im 
(ßi^U:  tu  Äfi  iVAAnu'^  Mf^hfft  Torzeschrittene  Gc^cwkn  znröck- 
(uUtij.:  Äii^rb  mit^:rlifiVi  er  ^  nie.  die  Tasse  an  jede  sein»* 
if*/$fU^$  H^rhliifrf  ;ni  drücken.  Er  hatte  eine  höchst  son- 
tU^tSfüti'.  \m\u'\K:  ihr  Brechmittel  nnd  drang  so  wieder- 
\tdt\i  in  ffiich,  ihrii  ^nn^m  solchen  Genoss  zukommen  za 
Wkht'U,  ibirt  ich  ihm  im  I..anfe  weniger  Wochen  über  ein 
UfiUfitH  iHiiyjntd  m\i:her  Paker  für  ihn  selbst  gab,  abgesdieo 


Anderweite  Bekanntschaften.  333 

von  denjenigen,  welche  ich  seiner  Familie  zu  geben  mich 
genöthigt  fand.  Er  litt  nämlich  an  der  Leber  und  glaubte, 
dass  Brechmittel  das  beste  Heilmittel  in  der  Welt  wären. 
Die  einzige  Unannehmlichkeit  in  meinem  Verkehr  mit  diesem 
Manne  bestand  darin,  dass  ihm  selbst  ebensoviel  daran 
lag,  hinsichtlich  der  Länder  der  Christen  und  jener  Theile 
der  Erde,  mit  denen  er  weniger  oder  gar  nicht  bekannt 
war,  von  mir  Belehrung  zu  erhalten,  als  mir  daran  lag,  von 
ihm  zu  lernen.  Ausserdem  aber  hatte  er  als  Ausleger  des 
Mohammedanischen  Gesetzes  —  der  „scherlä"  —  selbst  viel 
Beschäftigung  und  unsere  Unterhaltung  wurde  dadurch  oft 
gestört. 

Ausser  diesem  Mann  und  Hadj  Ahmed  war  Slimän  Einer 
derjenigen,  mit  denen  ich  während  meines  Aufenthaltes  in 
diesem  Lande  den  häufigsten  Verkehr  hatte.  Er  war  Einer 
von  jenen  reisenden,  handelnden  und  zugleich  bettelnden  Ara- 
bern, ein  Scherif,  wie  er  sich  selbst  nannte,  aber  eigentlich 
ein  Felläh,  ein  Eingeborener  Egyptens,  zur  Zeit  in  Mekka 
angesiedelt,  der  viel  umhergereist  war,  sehr  feine  Sitten 
hatte  und,  obgleich  gerade  kein  gelehrter  Mann,  doch  einen 
gewissen  Grad  von  allgemeiner  Kenntniss  besass,  vorzugs- 
weise in  Bezug  auf  die  Länder  Wadai*  und  Dar-För,  wo  er 
sich  längere  Zeit  aufgehalten  hatte.  Er  war  auf  seiner  Reise 
nach  Konstantinopel  von  Herrn  Brand,  dem  Englischen  Kon- 
sul in  Smyrna,  unterstützt  worden  und  besass  so  eine  gewisse 
Anhänglichkeit  an  Europäer,  besonders  an  deren  Spenden. 

Aber  der  gross te  Theil  der  Belehrung,  die  ich  mir  zu  ver^ 
schaflFen  im  Stande  war,  vor  Allem,  was  Wadai  betraf,  ging 
von  einem  jungen  Eingeborenen  jenes  Landes  aus,  Namens 
Ibrahim  (Fäki  Ibrahim),  vom  Stamme  der  Abü-Schärib.  Mit 
diesem  aufgeweckten  jungen  Menschen  brachte  ich  täglich 
mehrere  Stunden  sehr  angenehm  und  nützlich  zu  und  er 
schloss  sich  so  eng  an  meine  Person  an,  dass  ich  ihn 
gern    mit  nach  Sokoto  genommen  haben  würde,    wohin  er 


334  Xn.  KapiteL 

sich  ZU  begeben  wünschte,  nm  unter  d^  Leitung  der  Fulbe 
sein  Wissen  zu  erweitem. 

Es  war  um  so  wünschenswerther,  mit  anderen  Leuten  auf 
freundschaftlicherem  Fusse  zu  stehn,  als  meine  Beziehungen 
zum  Vicestatthalter  etwas  kalter  Art  waren.  Nachdem  er 
mir  eine  erste  leidliche  Bewirthung  hatte  zu  Theil  werden 
lassen,  Hess  er  mich  einige  Tage  ohne  ein  Zeichen  von  Gast- 
freundschaft, ausser  dass  er  mir  einmal  einen  Strohteller  voll 
von  der  Frucht  des  Bito- Baumes  —  „hadjilidj"  —  sandte, 
den  ich  aber  nicht  annahm.  Es  war  ein  Mann  ohne  Ein- 
sicht und  hatte  nicht  die  geringste  Vorstellung  von  den  wis- 
senschaftlichen Untersuchungen  eines  Europäers. 

Da  ich  nur  wenig  Bewegung  hatte,  wurde  ich  gegen  Ende 
dieses  Monates  sehr  unwohl,  so  dass  ich  es  für  rathsam 
hielt,  mich  5  Tage  lang  jeder  Art  von  Nahrung  zu  enthal- 
ten, mit  Ausnahme  eines  mit  zerhackten  Zwiebeln,  etwas  Ho- 
nig und  einer  starken  Dosis  schwarzen  PfeflFers  gewürzten  Auf- 
gusses von  Tamarinden,  —  eine  Art  von  Getränk,  das  dem 
Europäer  abscheulich  vorkommen  muss,  das  aber  dem  fieber- 
kranken Reisenden  in  jenen  heissen  Gegenden  in  seiner  er- 
frischenden und  kühlen  Beschaffenheit  einen  wahren  Genuss 
bereitet.  Da  ich  mich  durch  mein  Unwohlsein  überzeugte, 
dass  der  Aufenthalt  in  dieser  Stadt,  wenn  mir  nicht  gestattet 
würde,  umherzureisen ,  meiner  Gesundheit  zu  nachtheilig 
sein  würde,  so  ersuchte  ich  den  Statthalter  auf  das  Drin- 
gendste, mir  zu  erlauben,  nach  Westen  zurückzukehren ;  aber 
er  wollte  unter  keiner  Bedingung  zugeben,  dass  ich  vor  der 
Ankunft  des  Sultans  die  Stadt  verliesse.  Diese  ungünstige 
Stimmung  des  Statthalters  gegen  mich  nahm  allmählich  einen 
noch  ernsteren  Charakter  an;  denn  bei  seiner  Unfähigkeit 
meine  Bestrebungen  und  Forschungen  zu  verstehen,  musste 
er  nothwendig  in  Bezug  auf  mein  hiesiges  Treiben  Argwohn 
fjissen. 

Ich  sass   am  21>^i^  Juni  ruhig  in  meiner  Wohnung,  als 


Lächerliche  Botschaft  des  SUtthalters.  335 

einer  seiner  Diener,  Agid  Mü-ssa,  plötzlich  hereintrat  und  mir 
nach  einigem  Zögern  und  wenigen  einleitenden  Bemerkungen 
Tom  Statthalter  eine  Botschaft  folgenden  Inhaltes  überhrachte : 
er  wünsche  zu  wissen,  ob,  wie  das  Gerücht  in  der  Stadt 
umginge  und  wie  ihm  die  Leute  hinterbracht  hätten,  es 
wahr  sei,  dass,  sobald  ein  Gewitter  aufstiege  und  wenn  das 
Gewölk  am  Himmel  ei-schiene,  ich  meine  Wohnung  verliesse 
und  den  Wolken  geböte,  sich  zurückzuziehen;  denn  die 
Leute  hätten  ihn  versichert,  dass  sie  zu  wiederholten  Ma- 
len bemerkt  hätten,  wie  die  Wolken,  sobald  ich  sie  mit  einer 
gewissen  gebieterischen  Miene  betrachtete ,  vorüberzögen, 
ohne  einen  einzigen  Tropfen  Regen  zu  bringen. 

Der  AgTd  Mü-ssa  hatte  mir  wiederholt  seine  wohlwollende 
Gesinnung  zu  erkennen  gegeben  und  pflegte  mich  gelegent- 
lich zu  besuchen.  Der  Lihalt  seiner  Botschaft  war  aber  so 
abgeschmackt  und  lächerlich,  dass  ich,  so  ernst  auch  bei 
dieser  Gelegenheit  sein  Ausdruck  war,  doch  nicht  umhin 
konnte,  in  ein  lautes  Gelächter  auszubrechen;  denn  ich  em- 
pfand ein  aufrichtiges  Vergnügen  an  diesem  unverhohlenen  Aus- 
druck des  wahrhaft  heidnischen  Charakters  bei  diesen  angebli- 
chen Mohammedanern.  Aber  mein  Freund  bat  mich  dringend, 
die  Angelegenheit  in  einem  ernsteren  Lichte  zu  betrachten 
und  wohl  zu  bedenken,  welche  Antwort  ich  seinem  Herrn 
schicken  wollte.  Ich  ersuchte  ihn  dann,  dem  Statthalter  zu 
erklären,  dass  kein  Mensch,  weder  durch  Zauberformeln,  noch 
durch  Gebet,  im  Stande  sei.  Regen  herbeizuführen  oder  zu 
verhindern,  sondern  dass  der  Leiter  aller  Dinge  Regen  sende, 
wo  und  wann  es  ihm  immer  gefiele.  Ich  fügte  jedoch  hinzu^ 
dass,  wenn  er  der  Ansicht  sei,  meine  Gegenwart  stifte  im 
Lande  Unheil,  er  mir  erlauben  möge,  mich  zu  entfernen, 
dass  ich  nichts  Besseres  wünschen  könne,  als  dies,  und  dass 
ich  dann  Tag  und  Nacht  ununterbrochen  um  Regen  beten 
wolle,  während  ich  gegenwärtig  selbst  keineswegs  einen 
grossen  Überfluss  von  Regen  wünschen  könne,  da  ich  befurch- 


336  XO.  EifiteL 

ten  miisste,  dass  er  mir  den  Rückzug  darcb  za  grosses 
Aoscliwellen  des  Flusses  abschnitte. 

Der  Bote  entfemte  sieb  dann  mit  meiner  Antwort,  kehrte 
aber  nach  einer  Weile  mit  folgendem  Endbescheid  des 
Statthalters  zurück:  es  väre  seine  eigene  Meinung,  dass 
kein  menschliches  Wesen  im  Stande  sei.  Regen  zu  ver- 
hüten, aber  wir  Alle  wären  Diener  des  Allmächtigen,  und 
wie  sie  ihre  Gebete  um  Regen  an  ihn  richteten,  so  solle 
auch  ich  mein  Gebet  zu  dem  ihrigen  gesellen;  dann  solle 
es  mir  auch  gestattet  sein,  sie  zu  rechter  Zeit  in  Sicher- 
heit zu  verbissen;  im  Gegentheil  aber,  wenn  ich  gegen  sie 
übel  gesinnt  wäre,  würde  er  mir  gleichfalls  übel  begegnen. 
Dabei  Hess  er  mich,  um  mich  einzuschüchtern,  davon  in  Kennt- 
niss  setzen,  dass  sie  aus  einem  ähnlichen  Grunde  eijist  zwei 
bedeutende  Religionshäupter  von  Bidderi  getodtet  hätten. 

Von  der  Art  war  der  (.'harakter  der  Leute,  mit  denen  ich 
zu  thun  hatte,  ungeachtet  sie  sich  als  aufgeklärte  Mohamme- 
daner ansahen.  Um  mir  einen  Beweis  seiner  wohlwollenden 
Gesinnung  zu  geben,  oder  höclist  wahrscheinlich,  um  sich  zu 
überzeugen,  ob  nicht  die  mir  bereitete  gute  Bewirthung 
einigen  Einfluss  auf  die  Menge  des  Kegenfalles  haben  möge 
(da  er  mich  für  euien  Elfenkönig  aus  höhereu  Regionen  zu 
halten  schien),  sandte  mir  der  Statthalter  am  Abend  eine 
Schüssel  voll  vortreftficben  Puddings,  reich  mit  Butter  über- 
gössen, und  einen  kleinen  Topf  Hirsen giütze  —  „medide" — , 
mit  der  Frucht  der  Dümpalme  gewürzt.  Ja,  er  versprach  mir 
selbst  Korn  für  mein  Pferd ;  da  ich  ihm  jedoch  keinen  Regen 
zum  Entgelt  schickte,  wie  er  erwartet  zu  haben  schien,  er- 
streckte sich  seine  Gastfreundschaft  nicht  weiter. 

Es  war  meine  Gewohnheit  gewesen,  wenn  sich  ein  Gewitter 
sammelte,  auszuschn,  um  mich  zu  überzeugen,  von  welcher 
Seite  es  käme,  da  dies  in  diesen  tropischen  Gegenden  eine 
Frage  von  nicht  geringem  Interesse  ist;  aber  der  absurde 
Abei^aube  dieser  Leute  beunruhigte  mich  so,  dass  ich  kaum 


Aberglaabe  der  Baghfrmier.  837 

diese  Gewohnheit  fortzusetzen  wagte.  In  Bezug  auf  den 
Aberglauben  der  Eingeborenen  muss  ich  hier  eines  Falles 
Erwähnung  thun,  der  meinem  Freunde  Ssambo  begegnete. 
Während  ich  eines  Tages  mit  ihm  in  ernsthaftem  Gespräch 
über  die  zahlreichen  Sekten  des  Isslam  begriflfen  war,  ward 
unsere  Unterhaltung  plötzlich  durch  das  Erscheinen  einer 
der  Töchter  des  Sultans  unterbrochen,  die  ohne  Weiteres  in 
die  Hütte  trat  und  meinen  Freund  in  den  beleidigendsten  Aus- 
drücken beschuldigte,  ihr  durch  seine  Zauberkraft  einen  ihrer 
Sklaven  entwendet  zu  haben.  Wunderbarer  jedoch  als  sol- 
ches Betragen  von  Seiten  der  Eingeborenen  war  es,  dass 
ein  Mann  von  so  gewaltigem  Wissen  wie  Ssambo  über- 
haupt inmitten  solcher  Barbaren,  wie  diese  waren,  leben 
konnte,  ohne  fortwährend  der  Hexerei  oder  Zauberei  ver- 
dächtigt zu  werden. 

Ich  werde  nie  den  Tag  vergessen,  wo  ich  einst  meinen 
Freund  besuchen  wollte  und  den  unglücklichen,  alten,  blin- 
den Mann  in  seinem  Hofraume  vor  der  Thür  der  kleinen 
Rohrhütte,  wo  er  gewöhnlich  den  Tag  zuzubringen  pflegte, 
inmitten  eines  Haufens  von  Handschriften  sitzend  fand,  an 
denen  er  sich  jetzt  nur  noch  wie  Polyphem  an  seinen  Schaafen 
durch  Betasten  ihrer  ledernen  Umschläge  erfreuen  konnte. 
Unwillkürlich  ward  ich  an  einen  Ausspruch  des  um  die 
Kenntniss  des  nordwestlichen  Theiles  von  Afrika  hochver^ 
dienten,  aber  sonst  keineswegs  seiner  Arabischen  Kenntnisse 
halber  preiswürdigen  Jackson  erinnert,  worin  er  sagt,  dass 
die  Zeit  kommen  möchte,  wo  die  Texte  der  Klassiker  mit 
Hilfe  von  Handschriften  aus  dem  Inneren  des  Sudan  ver- 
bessert werden  würden. 

Diese  Erfahrungen  in  Bezug  auf  den  Charakter  der  Ein- 
geborenen machten  mich  noch  vorsichtiger,  als  ich  von  An- 
fang an  gewesen  war,  sobald  ich  ihre  Schwächen  erkannt 
hatte,  und  da  ich  hörte,  dass  das  Vorrecht  des  Gebrauches 
eines  Teppichs  auf  gewisse  Beamte  beschränkt  sei,  schaffte  ich 

B«rlh'*  B«Imd.    m.  22 


meinen  aheiL  halb  roa  den  Termiten  inBikadä  lerfiresseiien 
Teppich  bei  Seite,  wiewohl  mein  La^er  auf  dem  Erdboden 
mit  blosser  Unterlage  einer  groben  Rohrmatte  keineswegs 
sanft  war.  —  Der  Markt  —  Jcasskä**  *  i  —  nahm  einen  grossen 
Theil  meiner  Zeit  imd  meiner  Gedanken  wahrend  des  ein- 
förmigen Aufenthaltes  in  diesem  Platze  in  Anspruch,  nicht 
so  sehr  wegen  seiner  eigenen  Bedentnng.  als  Tielmehr  wegen- 
meiner  Armnth.  da  ich  gervnmgen  war.  ein  Kxumer  im  klein- 
sten Maassstabe  zn  werden.  Denn  da  ich  kanm  etwas  An- 
deres besass.  als  eine  geringe  .Vnzahl  Nadeln,  war  ich  gezwun- 
gen, taglich  einen  meiner  Diener  anf  den  )Iarkt  zn  senden^ 
nm  mit  Hilfe  dieses  so  höchst  winzigen  Artikels  Eoro- 
päiscber  Industrie  zu  rersuchen.  die  umlaufende  Landesmünze 
einzuhandeln. 

Dif^  gangbare  Münze  in  Baghirmi  besteht  in  Baumwollen- 
streifen  —  „fdrda"  — .  ähnlich  denen,  welche  ich  auf  meiner 
Reise  nach  Adamaua  beschrieben  habe  —  von  sehr  unre- 
gelmässiger Länge,  bald  länger,  bald  kürzer,  aber  im  Allge- 
meinen von  2  „drÄ"  Länge  und  einer  Hand  Breite  — .  aber 
von  sehr  verschiedener  Güte.  Grössere  Gegenstände  werden 
ge-  und  verkauft  mit  Hemden  —  „chalag**  (Plur.  ^chol- 
gänj,  wie  sie  von  den  Arabern,  ..boF,  ¥rie  sie  von  den 
Eingeborenen  genannt  werden  — ,  deren  Werth.  je  nach 
ihrer  Grösse  und  Güte,  von  70  bis  150  .,färda"  wech- 
selt. Ich  erhandelte  eine  ,.färda"  gegen  eine  gewöhnliche 
Englische  Stopfnadel  oder  gegen  4  gewöhnliche  Nähna- 
deln aus  Nürnberger  Fabrik,  aber  später  verdoppelte  ich 
den  Preis. 

Ausser  Nadeln  blieb  mir  sehr  wenig  übrig,  mit  Ausnahme 
einiger  Spiegel    von   der  runden  Art,    welche  in  Lyon  für 


*)  Wir  )uibf?n  hinr  einen  klaren  Beweis,  dass  sich  ein  gewisser  Grad  von 
Bildung  von  BAma  aas  über  die  benachbarten  Länder  in  Osten  Terbreitet  hat ; 
pkaK<ikn"  ist  nämlich  eine  leichte  Umwandelang  des  Kanöri- Wortes  „kässakQ". 


Marktverkehr  in  Mäsena.  839 

1  Sou  feil  geboten  werden,  die  ich  aber  hier  für  den  hohen 
Preis  von  einem  Hemde  —  „chalag"  —  verkaufte,  während 
eine  bessere  Art  Spiegel,  die  ich  in  London  für  8  Pence  ge- 
kauft hatte,  4  „chalag"  oder  vielmehr  „cholgän",  die  unge- 
fähr 1  Dollar  an  Werth  gleichkamen,  einbrachte. 

Was  Muscheln  („keme-keme",  wie  sie  hier  genannt  wer- 
den) betriflFt,  so  haben  sie  keinen  Umlauf  auf  dem  Markt, 
sondern  bilden  eine  Waare  füi-  sich,  als  Ausfuhrartikel  in 
die  Gebiete  der  Heiden,  —  wenigstens  die  Muscheln  von 
grösserem  Umfang,  welche  bei  den  Einwohneni  jener  Gegen- 
den sowohl  wie  bei  den  Ueläd  Raschid  sehr  gesucht  sind,  so 
dass  man  für  2000  derselben  einen  jungen  Sklaven  von  der 
„chomässi"  und  für  3000  einen  von  der  „ssedässi"  genannten 
Gattung  bekommt.  Denn  dieses  einfache  Volk  trägt  nicht 
allein  diese  Muscheln  als  Schmuck,  vorzugsweise  die  Frauen, 
welche  sich  das  Hintertheil  mit  ihnen  bedecken  sollen,  son- 
dern sie  machen  auch  Mützen  daraus,  mit  welchen  sie  die 
Köpfe  ihrer  verstorbenen  Verwandten  schmücken,  während 
die  Ueläd  Raschid  vorzugsweise  die  Köpfe  ihrer  Kameele 
und  Pferde  mit  diesen  beliebten  „keme-keme"  (oder  „kemti", 
wie  sie  in  Wädai  genannt  werden)  zieren. 

In  früherer  Zeit  ward  hier  nur  jeden  Donnerstag  Markt 
gehalten,  aber  kurze  Zeit  vor  meiner  Ankunft  hatten  es 
die  Leute  für  vortheilhaft  gefunden,  täglich  einen  zu  ha- 
ben, so  dass  jetzt  jeden  Tag  von  8  Uhr  Morgens  bis  11 
Uhr  Vormittags  und  von  3  Uhr  Nachmittags  bis  Sonnen- 
untergang Markt  gehalten  wurde.  Natürlicherweise  war 
der  Markt  nicht  eben  besonders  gut  versehen,  sondern 
auf  die  blossen  Lebensbedürfnisse  beschränkt,  indem  der 
grösste  Luxusartikel,  der  sich  hier  vorfand,  in  Zwiebeln 
bestand,  einem  Artikel,  der  nicht  gerade  in  jeder  Gegend 
Central  -  Afrika's  zu  haben  ist.  Im  Anfang  waren  diese 
Zwiebeln  auf  dem  Markte  von  Mäsena  sehr  billig,  indem 
8  für    1  „farda"  verkauft  wurden;    aber  mit  der  Annähe- 

22* 


340  XIL  KapilaL 

ruDg  der  Regenzeit  stiegen  sie  im  Preis,  und  ich  hielt 
es  für  zweckmässig,  mir  einen  kleinen  Vorrath  davon  anzu- 
schaffen, da  ich  dieses  Gemüse  für  meine  Gesundheit  über- 
aus erspriesslich  fand.  Auch  möchte  ich  jedem  Reisenden 
in  diesen  Landschaften  rathen,  sich  stets  mit  Zwiebeln  wohl 
zu  versorgen  ;  denn  sie  können  sowohl  zur  Würze  anderer 
Speise  dienen,  als  auch,  in  Scheiben  geschnitten  und  mit 
Tamarinden  gemischt,  zur  Bereitung  eines  kühlen  imd  höchst 
erfrischenden  Getränkes  gebraucht  werden.  Die  schwarzen 
Eingeborenen  machen  jedoch,  wie  ich  schon  bei  anderer  Ge- 
legenheit erwähnt  habe,  im  Allgemeinen  keinen  Gebrauch  von 
Zwiebeln,  um  ihre  Nahrung  damit  zu  würzen,  da  dieser 
Kulturzweig  zugleich  mit  Waizen  erst  in  bezüglich  junger 
Zeit  von  den  Arabern  aus  dem  Norden  in  diese  Länder  einge- 
führt worden  ist.  Aber  die  eingeborenen  Araber  — „Schiwa"  — 
und  die  Araber  von  der  Küste  —  „Wasseli"  —  gebrauchen 
dieses  Gemüse  in  grosser  Ausdehnung,  und  zwar  sowohl  als 
Würze  anderer  Speisen,  als  auch  als  Arznei,  vorzüglich  bei 
Fieberfallen,  Pocken  und  Urinbeschwerden,  die  bei  ihnen  sehr 
gewöhnlich  und  eine  Folge  davon  sind,  dass  sie  während 
der  Tageshitze  marschiren. 

Ausser  den  oben  erwähnten  Artikeln  bestand  die  auf  dem 
Markte  reichlichst  vorhandene  Waare  in  Korn,  vorzugsweise 
Negerkom  (Pennisetum  typhoideum),  imd  die  hierin  Handeln- 
den hatten  einen  besonderen,  im  nördlichen  Theile  des  Mark- 
tes dazu  bestimmten  Platz,  unter  einem  schönen  Tamarinden? 
bäum  („mäss")  —  dem  ältesten  Theile  der  Stadt  — ,  welcher 
den  Anlass  zum  Namen  Mäsena  (Mäss-ena)  gegeben  haben 
soll,  wie  ich  weiter  unten  zu  entwickeln  Gelegenheit  haben 
werde.  Ausser  Bohnen  („mondjo")  und  Erdmandeln,  die  hier 
„wüli"  oder  „büli"  heissen,  fand  sich  auch  reichlich  Salz  („kä- 
ssa")  in  Folge  der  Anwesenheit  der  Djeläba  von  Wadai,  von 
welchen  ich  einigen  auf  meinem  Wege  begegnet  war;  doch 
ward  es  nur  in  sehr  kleinen  Portionen  verkauft.    Dieselben 


Marktverkehr  in  Masena.  341 

Leute  verkauften  auch  Natron  („ngiUu"),  das  durch  dieTebu 
von  der  Grenze  der  Wüste  herbeigebracht  wird.  Milch  („ssi") 
und  Butter  („bugü*')  waren  theuer,  aber  sauere  Milch  („ssT 
tschäle")  in  Menge  vorhanden,  —  sie  wird  vorzugsweise  von 
den  Töchtern  der  Ben!  Hassan  in  die  Stadt  gebracht.  Honig 
(„tedji"),  woran  in  vielen  Ländern  ein  so  grosser  Reichthum 
ist,  war  hier  kaum  zu  bekommen.  Dafür  fanden  sich  stets 
auf  dem  Markte  ein  Paar  Stück  Schaafe  und  Rindvieh  und 
zuweilen  liessen  sich  ein  Paar  Hühner  sehn;  gelegentlich 
machte  auch  ein  Pferd  von  unansehnlichem  Ausseren  Pa- 
rade. Baumwolle  (,.nylre")  war  nicht  sehr  reichlich,  auch  sah 
ich  nicht  ein  einziges  Mal  Indigo  („alini")  auf  dem  Markt. 
Rother  Pfeffer  (,,schlta"j  bildete  einen  kleinen  Handelsartikel 
für  sich,  der  in  geringen  Partieen  von  den  Bomu-Händlem 
feil  geboten  wurde. 

Der  wichtigste  und  fast  ausschliessliche  Artikel  Euro- 
päischen Erzeugnisses  („ngä-ssan  Seila")  bestand  in  Glasper- 
len, „mündjo"  genannt,  vorzugsweise  den  kleinen  rothen, 
welche  hier  in  grosser  Menge  verkauft  und  nach  den  Hei- 
denländern ausgeführt  werden.  Ich  verkaufte  auch  einige 
von  der  grossen  Art,  „nedjüm"  genannt,  welche  bei  den 
Schüa  sehr  beliebt  ist.  Kattun,  hier  „schöter"  genannt,  ist 
eine  Seltenheit  auf  dem  Markte  und  wird  vielmehr  privatim 
an  die  grossen  Männer  des  Landes  verkauft. 

Kanö-Waaren,  hier  „kalkobängri"  oder  „ngä-ssan  degö" 
genannt,  bilden  einen  hervorstechenden  Punkt  in  der  Statistik 
des  Marktes,  vorzüglich  TürkedT  („bolne"),  während  die 
Kanö-  und  Nyffi- Toben,  „hol  godäni"  genannt,  nur  mit  ge- 
nauer Noth  mit  der  einheimischen  Manufaktur  wetteifern 
können,  da  die  Bomu- Leute  oder  vielmehr  die  MakarT  und 
Kotokö  die  Kunst  der  Färberei  in  Baghirmi  eingeführt  ha- 
ben, obgleich  in  Mäseiia  selbst,  so  viel  mir  bekannt,  keine 
einzige  Färberei  besteht.  Sklaven  („beli")  wurden  nicht 
auf  den  Markt  gebracht,  sondern  alle  in  den  Häusern  ver- 


'?>,.'^Ä 


XII.  Kapitel. 


kauft,  ein  Umstand,  der  ein  gewisses  Gefühl  der  Schick- 
lichkeit anzuzeigen  schien;  später  jedoch,  nach  der  Rück- 
kehr des  Heereszuges,  fehlte  dieser  Artikel  keineswegs  auf 
dem  Markte. 

Elfenbein  wird  nicht  auf  den  Markt  gebracht,  sondern  die 
geringe  Menge  dieses  Artikels,  die  man  hier  überhaupt  feil 
bietet,  wird  im  Inneren  der  Häuser  verhandelt;  zuweilen 
aber  machen  die  Araber,  welche  dieses  Land  besuchen, 
ein  sehr  einträgliches  Geschäft  darin.  Der  Preis  der  Pferde 
wird  im  Allgemeinen  nach  Sklaven  abgeschätzt  und  der 
Werth  der  letzteren  ist  in  diesem  Lande  sehr  niedrig,  wie 
man  aus  dem  abnehmen  mag,  was  ich  oben  hinsichtlich 
der  kleinen  Summe  gesagt  habe,  die  man  in  den  südlich  ge- 
legenen Ländern  für  sie  zahlt.  Aber  die  von  hier  ausge- 
führten Sklaven  werden  nicht  geschätzt,  da  sie  mehr  als  die 
Eingeborenen  anderer  Länder  Krankheiten  ausgesetzt  sein 
und  gewöhnlich  in  sehr  kurzer  Zeit  sterben  sollen.  Allerdings 
werden  aus  Baghlrrai  gebürtige  Sklavinnen  hoch  geschätzt; 
da  sich  aber  fast  alle  Landeseinwohner,  wenigstens  dem  äus- 
seren Anschein  nach,  zum  Isslam  bekennen,  so  werden  in  ge- 
genwärtiger Zeit  nur  höchst  wenige  in  die  Sklaverei  ver- 
kauft, während  sie  früher  in  Folge  der  grossen  Sklaven- 
jagden des  Baschä  von  Fesän  allerdings  über  Nord -Afrika 
zersprengt  waren.  Die  Schüa  oder  Schiwa  schliessen  im  All- 
gemeinen ihren  Handel  mit  Kühen  ab.  — 

Obgleich  meine  Mittel  beim  Antritt  dieser  Reise  überaus 
beschränkt  waren,  hatte  ich  es  dennoch  nicht  für  unmöglich 
gehalten,  dass  es  mir  gelingen  könnte,  nach  Wadai  vorzu- 
dringen, oder  selbst  die  Nil-Länder  zu  erreichen,  und  ich  über- 
liess  mich  oft  dem  Vergniigen,  meinen  kleinen  Vorrath  von 
Habseligkeiten  zu  überzählen,  indem  ich  die  Vorstellung  ver- 
folgte, wie  ich,  indem  ich  Alles,  was  ich  besässe,  weggäbe, 
solch'  ein  Unternehmen  ausführen  könnte.  Aber  ich  über- 
zeugte mich  bald,  daas  ich  gezwungen  sei,  alle  solche  Pläne 


Marktverkehr  in  A^n-Gher.  343 

aufzugeben ,  und  obschon  ich  glaube,  dass  ein  Reisender,  der 
mit  hinreichenden  Mitteln  und  einem  hohen  Grad  von  Ge- 
duld und  Ausdauer  versehen  ist,  Wadäi  mit  Erfolg  von  dieser 
Seite  erreichen  könnte,  bin  ich  doch  überzeugt,  dass  ihn  der 
Herrscher  jenes  Landes  sicherlich  ein  ganzes  Jahr  bei  sich  zu- 
rückhalten würde.  Dazu  kam  noch  zu  jener  Zeit  der  vollkom- 
men unsichere  Zustand  aller  politischen  Verhältnisse  in  WA- 
däi,  die  ich  im  Anhang  entwickeln  werde. 

Mein  einziges  Bestreben  beschränkte  sich  also  darauf,  einige 
Plätze  in  der  Nachbarschaft  zu  besuchen,  und  ich  war  be- 
sonders begierig,  jenen  kleinen  Flussarm  zu  Gesicht  zu,  be- 
kommen, welcher  sich  bei  der  Stadt  Miltü  vom  Hauptflusse 
absondert  und  der  Hauptstadt  bis  auf  etwa  9  Meilen  nahe 
kommt.  Aber  der  Vicestatthalter  wollte  mir  nicht  gestatten, 
den  Platz  zu  verlassen,  noch  wollte  er  selbst  zugeben,  dass 
ich  das  etwa  ebenso  weit  in  nordnordwestlicher  Richtung  ent- 
fernte A'bü-Gher  besuchte,  wo  jeden  Sonnabend  ein  bedeutender 
Markt  gehalten  wird;  es  half  mir  nichts,  dass  ich  ihm  erklärte, 
es  sei  für  mich  unumgänglich  nöthig,  dorthin  zu  gehn,  um 
mir  den  nöthigen  Vorrath  an  Lebensmitteln  zu  verschaffen. 
Ich  musste  mich  damit  begnügen,  meinen  Leuten,  die  ich  hin- 
schickte, aufzutragen,  auf  alles  Charakteristische  besonders 
aufmerksam  zu  sein. 

Diese  fanden  den  Markt  von  Äbu-Gher  von  etwa  derselben 
Bedeutung,  wie  den  kleinen  Nachmittagsmarkt  —  die  „dur- 
rla"  —  in  Kükaua,  nur  dass  in  Äbü-Gher  mehr  Vieh  war; 
sie  zählten  etwa  100  Stück  Schaafe  und  ebensoviel  Rind- 
vieh. Der  Markt  war  wohlversehen  mit  Sorghum,  Butter  und 
Baumwolle,  aber  Negerkom  war  nur  wenig  zu  sehn.  Ausser 
Toben  bestanden  die  hauptsächlichsten  Artikel  in  Hacken 
zum  Landbau,  Muscheln  und  Natron  vom  Bahhr  el  Ghasäl; 
auch  das  „kadjidji"  genannte  einheimische  Räucherwerk  war 
in  Menge  vorhanden.  Als  Merkwürdigkeit  erwähnten  meine 
Leute  eine  Art  Brod  —  „tiggra"  — ,  aus  der  Frucht  des  „ha- 


t 


344 


XIL  KapHeL     Maiktrerkehr  io  Alra-Crher. 


djflidj  (BalaniteB  Aegyptiactts)  —  der  ^bito''  der  Kanon  — 
bereitet  und  ^ime^  genannt. 

AI«  einen  Beweis  der  grossen  Verschiedenheit  der  Sitten 
und  Gebräuche,  welche  in  diesen  Gegenden  herrschen,  will 
ich  hier  erwähnen,  dass  die  ,,färda"  in  A'bü-Gher,  welche  die 
stehende  Münze  des  Marktes  bildet,  von  der  in  Mäsena  übli- 
chen verschieden  ist  und  3  „dra"  an  Länge  und  eine  Hand- 
breite an  Weite  misst.  Das  Dorf  A'bü-Gher  selbst  besteht 
aus  zwei  Häusergruppen,  getrennt  durch  eine  leichte  Elinsen- 
kung,  wo  der  Markt  abgehalten  wird.  Die  Ortschaft  hat  eine 
bedeutende  Anzahl  Fulbe  oder  Felläta  unter  ihren  Einwoh- 
nern, die  eigentlich  die  Gründer  der  Dorfschaft  waren. 

Überzeugt,  dass  man  mir  nicht  gestatten  wolle,  den  Platz, 
wo  ich  war,  zu  verlassen,  fasste  ich  mich  in  Geduld  und 
suchte  mir  gelegentlich  etwas  Bewegung  im  Umkreise  der 
8tadt  zu  machen.  Indem  ich  mich  so  bald  zu  Fuss,  bald  zu 
Pferde  umhertrieb,  gewann  ich  allmählich  eine  allgemeine 
Übersicht  der  Stadt,  welcher  ich  im  beifolgenden  Grundplan 
Gestalt  gegeben  habe.  Obgleich  er  nur  sehr  unvollkommen 
ist  und  keineswegs  auf  vollständige  Genauigkeit  Anspiiich  ma- 
chen kann,  wird  er  doch  dazu  dienen,  dem  Leser  eine  ziem- 
lich deutliche  Vorstellung  von  der  Stadt  zu  geben. 


1 


XIII.  KAPITEL. 

Beschreibung  der  Stadt  Mäsena.  —  Ankunft  des  Sultans.  —  Endliche  Abreiße. 

Die  Stadt  Mäsena  breitet  sich  über  eine  ansehnliche  Fläche 
aus;  ihr  Umfang  beträgt  etwa  7  Meilen,  aber  nur  etwa  die 
Hälfte  davon  ist  bewohnt.  Das  hauptsächlichste  Viertel  be- 
findet sich  in  der  Mitte  der  Stadt,  auf  der  Nord-  und  West- 
seite des  Palastes  des  Sultans,  während  wenige  abgesonderte 
Viertel  und  vereinzelte  Gehöfte  zerstreut  umherliegen. 
'  Der  charakteristischste  Punkt  der  Stadt  besteht  in  einer  tie- 
fen, muldennrtigen  Einsenkung,  die  sich  in  grosser  Länge 
hinzieht  und  die  Stadt  von  West  nach  Ost  durchschneidet, 
auf  dieselbe  Weise,  wie  die  Stadt  Kanö  von  der  Djakara 
durchschnitten  wird.  Denn  diese  Vertiefung  der  Hauptstadt 
Baghirmi's  füllt  sich  in  der  Regenzeit  mit  Wasser  und  wird 
desshalb  von  den  Eingeborenen  „bedä",  von  den  Arabern  „el 
bahr"  genannt,  während  sie  einen  Theil  der  trockenen  Jah- 
reszeit hindurch  mit  der  reichsten  Weide  bekleidet  ist.  Es  ist 
auffallend,  dass  nicht  allein  in  dieser  Beziehung  die  Stadt 
Mäsena  mit  Kanö  einige  Ähnlichkeit  hat,  sondern  dass  auch, 
ganz  wie  bei  dem  grossen  Marktplatz  Haussa's,  ihre  Ober- 
fläche von  vielen  anderen  Vertiefungen  und  Löchern  unter- 
brochen wird,  welche  die  Bininnen  enthalten  und  sich  wäh- 
rend der  Regenzeit  in  tiefe  Wasserpfuhle  verwandeln,  die 
durch  Anhäufung  alles  Unrathes  der  Stadt  viele  verderbliche 
Dünste  entwickeln.  Im  Allgemeinen  aber  trocknet  der  Boden, 
der  aus  Sand  besteht,  nach  einem  Regenfall  sehr  schnell  ab. 
Das  hauptsächlichste  Viertel  der  Stadt  liegt  auf  der  süd- 


t 


346  XIII.  Kapitel. 

liehen  Seite  der  grossen  Einsenkting;  aber  selbst  dieses  cen- 
trale Viertel  ist  nichts  weniger  als  dicht  bewohnt  und  hatte 
während  der  3  ei*sten  Monate  meines  hiesigen  Aufenthal- 
tes einen  um  so  öderen  Charakter,  als  der  Sultan  mit  dem 
Hofe  abwesend  war.  Der  Mittelpunkt  dieses  Viertels,  weni- 
ger rücksichtlich  seiner  Lage,  als  wegen  seiner  Bedeutung, 
ist  der  Palast  des  Sultans.  Die  Gesammteinrichtung  dieses 
Gebäudes  ist  im  Allgemeinen  der  Einrichtung  der  Häupt- 
lingsresidenzen in  anderen  Städten  analog;  es  besteht  aus 
unregelmässigen  Ginippen  von  Thongebäuden  und  Hütten; 
allein  der  Palast  hat  eine  Eigenthümlichkeit,  welche  ihn  in 
sehr  hervorragender  Weise  von  allen  anderen  Gebäuden  der 
Art  in  diesen  Ländern  unterscheidet,  und  zwar  besteht  die- 
selbe darin,  dass  die  Umschlussmauer  des  ganzen  Gebäudes 
nicht  aus  an  der  Sonne  getrockneten  Lehigstücken,  sondern 
aus  wirklich  gebrannten  Backsteinen  gebaut  ist. 

Ich  habe  bei  Schilderung  meiner  Reise  von  Kanö  nach  Kü- 
kaua  Gelegenheit  gehabt,  die  Ruinen  der  Stadt  Ghambarü 
zu  beschreiben.  Auch  sie  bestehen  aus  diesem  Material,  und 
dasselbe  ist  der  Fall  mit  den  Ruinen  von  Ghasr  -  figgomo, 
der  alten  Hauptstadt  —  „bimi"  —  von  Bomu,  die  ich  im 
weiteren  Verlaufe  meiner  Reise  beschreiben  werde.  Aber 
gegenwärtig  sieht  sich  der  Reisende  in  irgend  einer  der 
Städte  des  Sudans  vergeblich  nach  so  soliden  Bauten  um,  und 
ich  war  desshalb  nicht  wenig  erstaunt,  hier  dergleichen  zu 
finden,  wo  man  es  am  wenigsten  erwarten  sollte  *).  Der  Ein- 
druck des  Rückschrittes  von  einem  höheren  Grade  schon  er- 
rungener Bildung  und  Macht,  der  sich  dem  Wanderer  im 
Sudan  oft  aufdrängen  muss,  war  um  so  grösser.  Es  ist  in 
der  That  allein  den  verheerenden  Kriegen  zuzuschreiben,  dass 
sich  diese  Königreiche  nicht  mächtiger  entwickelt  haben. 


*)  Ausserhalb  der  Stadt,   auf  der  Strasse  nach  A'bu-Gher,  sieht  man  noch 
eine  liuine  aus  gebrannten  Backsteinen. 


Der  Residenzpalast  in  Masena.  347 

Der  Palast  war  wenigstens  50,  wahrscheinlich  aber  be- 
deutend über  100  Jahre  alt  und  befand  sich  gegenwärtig  im 
Zustande  bedeutenden  Verfalles.  Leider  versäumte  ich  es,  nach 
dem  Namen  des  Fürsten,  der  die  Umschlussmauer  des  gan- 
zen Gebäudes  baute,  genau  zu  forschen.  Es  bildet  ein  Vier- 
eck von  etwas  oblonger  Gestalt,  dessen  Vorderseite  gegen 
Nordwesten  gerichtet  ist,  und  niisst  2300 — 2400  Schritt  im 
Umfang.  Bei  solcher  Grösse  muss  es  einst  ein  sehr  starkes 
Gebäude  gewesen  sein,  indem  die  Mauern  an  ihrer  Basis  un- 
gefähr 10  Fuss  Dicke  haben  und  ursprünglich  nahe  an  20  Fuss 
hocli  waren;  das  Eingangsthor  besteht  aus  starken  hölzernen 
Planken,  die  gut  mit  Eisen  beschlagen  sind. 

Bei  unserem  Eintritt  gelangten  wir  zuei*st  auf  einen  offe- 
nen Hofraum,  in  dessen  östlichem  Theile  sich  ein  grosses  ob- 
longes Gebäude  oder  eine  Halle  erhob,  die  von  Lehm  erbaut 
war.  Es  war  die  gewöhnliche  Stätte  öffentlicher  Audienz.  Ne- 
ben dieser  grossartigeren  Halle  war  eine  Hütte,  wo  der  „kada- 
mange"  oder  „serma"  —  denn  mein  Freund  war  kürzlich  im 
königlichen  Hofdienst  einen  Grad  aufgerückt  — ,  der,  wie  ich 
bemerkt,  als  Vicestatthalter  eingesetzt  war,  seine  offizielle  Re- 
sidenz hatte,  während  weiter  nach  Westen  eine  andere  Hütte 
die  Eintrittshalle  zu  den  inneren  oder  Privatgemächem  des 
Sultans  bildete.  Die  letzteren  werde  ich  bei  Gelegenheit  mei- 
ner Audienz  beim  Landesherrn  beschreiben  und  will  hier  nur 
bemerken,  dass  der  Palast  kurze  Zeit  vor  meiner  Ankunft 
durch  eine  im  Inneren  ausgebrochene  Feuersbrunst  bedeutend 
gelitten  hatte. 

Sein  ganzer  südöstlicher  Theil,  der  mit  einer  besonderen 
Mauer  umgeben  ist,  dient  ausschliesslich  für  das  weibliche 
Personal  des  königlichen  Haushaltes  und  ist  voll  Hütten,  de- 
ren Zahl  ich  natürlich  nicht  anzugeben  im  Stande  bin,  da  ich 
keinen  Zutritt  zu  diesem  heiligen  und  verschlossenen  Theile 
der  Residenz  hatte.  Mündlichen  Angaben  nach  soll  der  Sul- 
tan zwischen  300  und  400  Frauen  haben.     Die  Hütten  sind 


t 


348  XIII.  KapiteL 

von  verschiedener  Grösse  und  Bauart,  je  nach  dem  Charak- 
ter, der  Beliebtheit  und  Wichtigkeit  der  Bewohnerinnen. 

Vor  dem  Palaste  breitet  sich  ein  geräumiger,  mit  sechs 
Karäge-Bäumen  geschmückter  Platz  aus,  auf  welchem  seitwärts 
vom  Eingange  des  Palastes  ausserdem  noch  ein  schöner  Ta- 
marindenbaum steht.  Auf  der  Westseite  stösst  das  grosse 
Haus  des  Kriegshauptmanns  —  „fätscha"  —  an  die  könig- 
liche Residenz,  während  nach  Osten  eine  Moschee  von  klei- 
nen Verhältnissen  mit  einem  Minaret  an  ihrer  Nordwestecke 
auf  den  Platz  vortritt.  Die  anderen  Seiten  werden  von  den 
Wohnungen  einiger  der  hauptsächlichsten  Höflinge,  wie  des 
„mandja",  des  „serma"  und  des  „barma",  eingenommen.  Die 
Hauptstrasse  der  Stadt  mündet  auf  diesen  Platz  an  seinem  nord- 
westlichen Winkel  aus,  und  in  ihr  stehen  die  Gebäude  einiger 
der  übrigen  Hauptpersonen  des  Hofes.  An  der  Stelle,  wo  diese 
Strasse  an  der  nördlichen  Seite  der  tiefsten  der  oben  erwähnten 
Gruben  (12)  vorbeiführt,  wird  sie  von  einer  anderen  Haupt- 
strasse geschnitten,  welche  in  gerader  Linie  vom  Thore  kommt, 
das  nach  Xbü-Gher  fuhrt,  und  den  Marktplatz  durchschneidet. 

Meine  eigene  Wohnung  lag  an  der  Südwestecke  des  be- 
wohnten Viertels.  Sie  hatte  den  Vortheil  einer  offenen  und 
luftigen  Lage,  aber  ebenso  auch  den  Nachtheil,  dass  sie  von 
fast  jedem  Theil  der  Stadt  aus  sichtbar  war,  so  dass  ich 
nicht  aus  meinem  Zimmer  heraustreten  konnte,  ohne  von  al- 
len Leuten  in  der  Nachbarschaft  beobachtet  zu  werden.  Wel- 
che Folgen  dieser  Umstand  hatte,  habe  ich  schon  Gelegen- 
heit gehabt  zu  erwähnen. 

In  ihrem  verfallenen  Zustand  bot  die  Stadt  einen  mannich- 
faltigeren  Anblick  dar,  da  alle  offenen  Stellen  mit  frischem 
Wiesengrund  belebt  waren.  Aber  in  der  ganzen  Stadt  sieht 
man  keine  Spur  von  Industrie  und  das  Ganze  hat  den 
Charakter  einer  blos  künstlichen  Wohnstätte  der  unmittel- 
bar mit  dem  Hofe  in  Verbindung  stehenden  Personen.  Der 
Marktplatz,  dessen  grösster  Schmuck  neben    der  oben   er- 


Bauweise  der  Stadt.  349 

wähnten  Tamarinde  eine  Dattelpalme  ist  —  die  einzige,  die  man 
in  der  ganzen  Stadt  sieht  — ,  ist  beschränkt  und  hat  nicht  eine 
einzige  Bude  oder  ein  einziges  Wetterdach,  so  dass  die  Leute 
genöthigt  sind,  sich  selbst  so  gut  wie  möglich  zu  schützen, 
indem  sie  an  jedem  Markttage  ein  neues  zeitweiliges  Schat- 
tendach bauen.  Das  grösste  Interesse  gewährt  die  „bedä" 
oder  der  „bahr",  besonders  auf  der  Südwestseite,  wo  diese 
Einsenkung  von  einigen  malerischen  Gruppen  Dümpalmen  und 
anderen  reicher  belaubten  Bäumen  begrenzt  wird.  Am  westli- 
chen sowohl  als  am  südöstlichen  Ende,  in  der  Nähe  des 
Marktes,  sieht  man  dagegen  eine  ansehnliche  Menge  von  Ge- 
müsegärten. Eine  Folge  der  eigenthümlichen  Beschaffenheit 
der  „bedä"  scheint  es  zu  sein,  dass  die  direkte  Verbindung 
zwischen  dem  nördlichen  und  südlichen  Viertel,  die  während 
der  trockenen  Jahreszeit  durch  einen  guten  Pfad  unterhalten 
wird,  während  der  Regenzeit  gelegentlich  unterbrochen  ist 

Die  Bauart  der  Wohnungen  ist  im  Allgemeinen  gut  und 
die  Bedachung  der  Hütten  mit  grosser  Sorgfalt,  ja  selbst  mit 
Nettigkeit  ausgeführt.  Aber  der  Thon  ist  keineswegs  von  gu- 
ter Beschaffenheit  zum  Bauen,  so  dass  die  Thonwohnungen 
während  der  Regenzeit  so  wenig  Sicherheit  darbieten,  dass 
die  meisten  Leute  dann  lieber  die  Rohrhütten  beziehen;  ich 
selbst  hatte  him^eichend  Gelegenheit,  mit  dem  hinfalligen  Cha- 
rakter dieser  Bauten  bekannt  zu  werden.  Jedoch  gibt  es  auch 
einige  gut  aussehende  Thongebäude  auf  dem  Wege  nach 
Äbü-Gher,  besonders  eines  uiit  zwei  Stockwerken,  was  man 
hier  selten  sieht. 

Die  Stadtmauern  sind  im  Allgemeinen  in  einem  solchen 
Zustande  des  Verfalls,  dass  die  Thore  in  der  Wirklichkeit  alle 
Bedeutung  verloren  haben;  jedoch  sind  noch  immer  neun  Thore 
oder  vielmehr  Öffnungen  in  der  Mauer  in  Gebrauch.  Die 
meisten  derselben  liegen  auf  der  Südseite,  während  sich  im 
Norden  nicht  ein  einziges  Thor  findet,  da  dieses  Stadtviertel 
so  verlassen  ist,  dass  es  mit  dichtem  Unterholz  überwachsen 


I 


d@0  Xm.  KftphcL 

Ist.  RuDcl  um  die  Stadt  her  liegen  mehrere  Weiler  von  ein- 
gelx>renen  Arabern  —  Schüa  oder  Schlwa  — ,  besonders  rom 
Stamme  der  I^eni  Hassan,  welche  die  Stadt  mit  Milch  und 
Butter  versorgen.  Auf  der  Südseite  besonders  bildet  sieh 
während  der  liegenzeit  eine  ausgedehnte  Lache  stehenden 
Wassers,  die  dann  der  ganzen  Umgegend  einen  anderen  Cha- 
rakter verleiht.  — 

So  verstrich  meine  Zeit,  indem  ich  bald  studirte,  bald 
einen  Spaziergang  machte,  entweder  zu  Fuss  oder  zu  Pferde, 
jetzt  dem  Statthalter  einen  offiziellen  Besuch  abstattete,  zu 
anderen  Zeiten  wieder  mit  meinem  Freunde  Ssambo  eine 
interessante  Unterhaltung  hatte.  Aber  viel  Zeit  ward  auch 
dadurch  in  Anspruch  genommen,  dass  ich  den  Leuten  Arznei 
verabreichen  musste,  besonders  während  der  ersten  Zeit  mei- 
nes Aufenthaltes;  denn  der  kleine  Vorrath  an  Arzneien,  den 
ich  mitbrachte,  ward  schnell  verbraucht.  Aber  selbst  wenn 
ich  einen  grösseren  Vorrath  gehabt  hätte,  möchte  ich  bei  der 
ungastfreundlichen  Behandlung,  die  ich  erfuhr,  bisweilen  in 
Versuchung  gekommen  sein,  den  geringen  Beistand,  den 
ich  gewähren  konnte,  diesen  Leuten  voi-zuenthalten,  und  im 
Anfange  setzte  mir  der  Kadamange  nicht  wenig  zu,  indem  er 
mich  zu  mehreren  alten  Weibern  schickte,  die  vor  Jahr  und 
Tag  ihre  Glieder  gebrochen  hatten  und  in  jeder  Hinsicht  ganz 
reif  für  die  Gruft  waren.  Da  legte  ich  einen  amtlichen  Pro- 
test dagegen  ein,  dass  ich  in  Zukunft  zu  Patientinnen  von 
so  hohem  Alter  geschickt  würde. 

Aber  bisweilen  waren  auch  die  Kranken  recht  interessant, 
besonders  die  Frauen,  und  es  machte  mir  eines  Morgens 
niclit  wenig  Vergnügen,  als  eine  schöne,  wohlgewachsene 
junge  Dame  in  Begleitung  eines  Dieners  des  Statthalters  sich 
einfand  und  mich  dringend  bat,  ihre  Mutter  zu  besuchen, 
die  unpässlich  sei.  In  der  Meinung,  dass  ihr  Haus  nicht 
weit  entfernt  sei,  folgte  ich  ihr  zu  Fuss,  hatte  aber  die  ganze 
Stadt  zu  durchwandern,   da  sie  in  der  Nähe  des  nach  Abu- 


Die  Frauen  der  BagMrmier.  351 

Gher  führenden  Thores  wohnte,  und  es  verursachte  meinen 
Freunden  einige  Unterhaltung,  mich  mit  dieser  jungen  Dame 
durch  die  Strassen  schreiten  zu  sehn.  In  Zukunft  aber 
pflegte  ich,  wenn  ich  meine  Patientin  besuchen  wollte,  mein 
Pferd  zu  besteigen,  und  die  Tochter  des  Hauses  war  stets 
höchlich  vergnügt,  so  oft  ich  kam,  und  legte  mir  oft  sehr 
eindringende  Fragen  vor;  so  fragte  sie  mich,  wie  es  mit 
meinem  Haushalte  ginge,  da  ich  so  ganz  allein  wirthschafte, 
und  üb  ich  kürzlich  Honig  und  Butter  eingekauft  habe.  Sie 
war  eine  recht  hübsche  Person  und  würde  als  solche  selbst 
in  Europa  angesehen  worden  sein,  mit  der  einzigen  Aus- 
nahme ihrer  Haut,  deren  glänzendes  Schwarz  ich  damals  ganz 
wohlgefällig  fand ,  ja  zu  weiblicher  Schönheit  fast  wesentlich. 

Auch  die  Prinzessinnen,  die  Töchter  des  abwesenden  Für- 
sten, welche  hier  zu  Lande  ebenfalls  den  Titel  „Mairam" 
führen,  oder,  wie  das  Wort  gewöhnlich  ausgesprochen  wird, 
„Meram",  besuchten  mich  gelegentlich,  unter  dem  Vorwand, 
Arzneien  zu  bedürfen,  und  unter  Anderen  kam  einst  ein 
munteres  junges  Mädchen  von  schlankem  Wüchse  und  an- 
muthigen,  aber  etwas  coquetten  Manieren,  in  Begleitung 
einer  älteren  Schwester  von  ernsterem  Wesen  und  vollerem 
Wüchse.  Sie  klagte  mir,  dass  sie  an  einem  Augenübel 
leide,  und  bat  mich  zu  sehn,  was  es  sei;  als  ich  mich  ihr 
dann  aber  in  ernster  Weise  näherte,  ihre  Augen  mit  grosser 
Aufmerksamkeit  untersuchte,  ohne  im  Stande  zu  sein,  auch 
nur  den  kleinsten  Fehler  zu  entdecken,  und  ihr  nun  erklärte, 
dass  Alles  in  Ordnung  sei  und  dass  ihre  Augen  gesund  und 
schön  seien,  brach  sie  in  ein  gewaltiges  Gelächter  aus  und 
wiederholte  in  coquetter  und  übermüthiger  Weise:  „schöne 
Augen,  schöne  Augen!" 

Eis  herrscht,  wie  ich  schon  bemerkt  habe,  eine  grosse  Ver- 
schiedenheit zwischen  dem  weiblichen  Geschlechte  der  Ka- 
nöri  und  der  Baghirmier;  die  letzteren  haben  durchaus 
den  Vorrang  und  verdienen  sicherlich,  unter  die  schönsten 


I 


352  XIIL  Kapitel. 

Frauen  im  Sudan  gezählt  zu  werden.  Allerdings  werden 
sie  von  den  Fulbe  oder  Felläta  an  schlanker  Form  und  heller 
Hautfarbe  übertroffen,  aber  sie  übertreffen  jene  wiederum  bei 
weitem  an  stattlichem  Wüchse  und  symmetrisch  und  wohlgefäl- 
lig gebildeten  Gliedern,  und  der  Glanz  und  die  Schwärze  ihrer 
Augen  sind  in  ganz  Sudan  berühmt.  Von  ihren  häuslichen 
Tugenden  kann  ich  jedoch  nicht  sprechen,  da  meine  Beobach- 
tungen zu  wenig  zahlreich  sind,  um  mich  zu  berechtigen,  eine 
Meinung  über  eine  so  schwierige  Frage  zu  äussern.  Ich  will 
nur  sagen,  dass  ich  in  dieser  Hinsicht  Manches  zu  ihrem 
Nachtheil  gehört  habe,  und  ich  muss  bekennen,  dass  ich 
nicht  Alles  für  Verläumdung  halten  kann. 

Ehescheidung  ist  sehr  häufig  unter  ihnen,  je  nach  der 
Veränderung  der  Neigung,  und  ich  glaube,  dass  die  Ba- 
ghirmi- Leute  Liebeshändeln  mehr  zugethan  sind,  als  ihre 
Nachbarn.  Unter  den  jungen  Leuten  sind  blutige  Fehden 
aus  solchen  Anlässen  keineswegs  selten,  wie  denn  der  Sohn 
des  Statthalters  selbst  zur  Zeit  in  Gewahrsam  war,  weil  er 
einem  seiner  Nebenbuhler  eine  ernstliche  Wunde  beigebracht 
hatte.  In  dieser  Hinsicht  sind  die  Baghirmier  sehr  ver- 
schieden von  ihren  phlegmatischen  westlichen  Nachbarn, 
den  Kanöri,  und  nähern  sich  dem  Charakter  der  Ein- 
wohner Waddi's,  welche  berüchtigt  sind  wegen  der  wüthen- 
den  Streitigkeiten,  in  die  sie  oft  durch  Liebesangelegenheiten 
verwickelt  werden. 

Ausser  den  kleinen  Vorfällen  meines  eigenen  alltäglichen 
Lebens,  die  mir  Beschäftigung  gaben,  waren  es  auch  bis- 
weilen kleine  Privatangelegenheiten  meiner  Freunde,  die  mir 
einige  Unterhaltung  gewährten.  So  war  es  bald  mein  alter 
Freund  Bü-Bakr  aus  Bakadä,  der  sich  über  seine  Frau  be- 
klagte, die  hier  in  Mäsena  wohnte  und  seinen  Haushalt 
nicht  so  gut  und  ökonomisch  besorgte,  wie  er  es  wünschte, 
und  wenn  er  gelegentlich  in  die  Stadt  kam,  ihn  nicht  mit 
der  Freundlichkeit  behandelte,  die  er  zu  verdienen  glaubte. 


Hadj  Ahmed*s  yerdriessliche  Lage.  B53 

SO  dass  er  endlich  zu  der  Überzeugung  kam,  es  sei  das 
Beste,  sich  von  ihr  zu  scheiden;  zu  einer  anderen  Zeit  ver- 
folgte mein  alter,  rastlos  thätiger  Freund  einen  entlaufenen 
Sklaven,  welcher  den  Versuch  gemacht  hatte,  über  den  Ba- 
tschikäm  zu  entfliehen. 

Ein  anderes  Mal  war  es  mein  Freund  Hadj  Ahmed,  der 
sich  gegen  mich  über  das  Fehlschlagen  seiner  Erwartungen 
beklagte,  und  wie  ihm  seine  Feinde  und  Nebenbuhler  zuvor- 
kämen. Wirklich  war  dieser  Mann  hier  zu  Lande  in  einer 
sonderbaren  Lage,  und  es  gelang  mir  nie,  seiner  Geschichte 
völlig  auf  den  Grund  zu  kommen.  Wie  ich  früher  erwähnt 
habe,  war  er  von  Medina  hierher  gesandt  worden,  um  vom 
Könige  von  Baghirmi  ein  Geschenk  an  Verschnittenen  zu  er- 
halten; aber  jetzt,  nachdem  er  hier  etwa  1^  Jahre  verweilt, 
fortwährend  vom  Landesherrn  hingehalten  und  vertröstet, 
war  ein  zweiter  Bote  angekommen,  der,  wie  es  schien,  die 
Früchte  seiner  Mühen  einernten  sollte.  Hadj  Ahmed  hatte 
den  Sultan  im  vorigen  Jahre  auf  seinem  Heereszuge  be- 
gleitet und  bei  dieser  Gelegenheit  beinahe  sein  Leben  ein- 
gebüsst,  indem  er  von  einer  jener  rohen  eisernen  Streit- 
äxte, welche  die  hauptsächliche  Waffe  der  heidnischen 
Stämme  im  Süden  bilden,  eine  schwere  Kopfwunde  erhalten 
hatte.  Er  war  daher  zu  dem  Schluss  gekommen,  dass  es 
besser  sei,  dieses  Mal  zu  Hause  zu  bleiben;  aber  er  fand 
kein  Ende  im  Klagen  über  die  knickerige  und  ungastfreund- 
liche Behandlung  des  Statthalters.  Die  Lage  meines  Freun- 
des ward  um  so  bedauernswürdiger,  als  seine  Sklavin,  die 
einzige,  welche  er  zur  Zeit  hatte,  die  Flucht  ergriff,  indem 
sie  ihre  Herrin,  welche  mit  ihr  vor  die  Stadt  hinausgegan- 
gen war,  zu  Boden  warf  und  sich  davon  machte. 

Scenen  wie  diese  fielen  täglich  vor,  und  ich  hatte  häufig 
Gelegenheit,  meinen  Freunden  zu  beweisen,  dass  die  Macht 
und  Stärke  der  Christlichen  Reiche  Europa's  vorzugsweise 
auf  ihrer  Fähigkeit    beruhe,    ohne  Unterlass  ihre  Lebens- 

Bitftti'i  BaiMn.  UI.  23 


354  Xin.  Kapitel. 

kraft  aus  eigenen  freien  Elementen  zu  erneuen,  sowie  auf 
dem  gänzlichen  Fernhalten  vom  Sklavenhandel.  Ich  zeigfe 
ihnen  femer,  dass  die  Sklaverei  die  hauptsächlichste  Ursache 
des  schnellen  Ubersturzes  aller  Mohammedanischen  Dyna- 
stieen  und  Reiche  gewesen  sei,   die  je  geblüht  hätten. 

Dann  war  es  wieder  mein  Freund  Slimän,  der  mir  Unter- 
haltung gewährte.  Ausser  Gegenständen  von  ernsthafterer 
Natur  gab  er  mir  bisweilen  auch  Geschichtchen  aus  seinem 
häuslichen  Leben  zum  Besten.  Er  hatte  nämlich  einen  wan- 
kelmüthigen  Charakter  und  war  gewöhnt,  zeitweilige  Verbin- 
dungen mit  eingeborenen  Frauen  auf  die  Dauer  eines  Mona- 
tes einzugehen,  die  ihm  natürlich  manchen  Einblick  in  die 
Sitten  des  weibliehen  Geschlechtes  in  den  Ländern,  die  er 
auf  seinen  Wanderungen  passirte,  eröffneten. 

Bald  war  es  wieder  irgend  ein  Phänomen  in  der  Natur, 
das  mir  einige  Beschäftigung  gewährte.  Zu  den  schädlichen 
Insekten,  an  denen  das  Land  Baghirmi  reich  ist,  gehört  die 
grosse  schwarze  Ameise  (Termes  mordax),  welche  auf  Ka- 
nöri  „kingibbu"  oder  „kangifu"  und  in  der  Baghlrmi-Sprache 
— -  dem  „tar  Bdgrimma"  —  „kissino"  heisst,  und  dies  Insekt 
ist  nicht  eben  eine  der  geringsten  Landplagen.  Ausser  einigen 
kleineren  Scharmützeln  mit  demselben  hatte  ich  eines  Ta- 
ges einen  sehr  verzweifelten  Kampf  mit  einer  zahlreichen 
Schaar  dieser  kleinen  gefrässigen  Geschöpfe  zu  bestehen,  die 
meine  Wohnung  mit  einer  dummen  Beharrlichkeit  angiiifen, 
die  höchst  unterhaltend  gewesen  wäre,  wenn  sie  nicht  meine 
ganze  Existenz  zu  nahe  berührt  hätte.  In  ununterbrochener, 
dichter  Linie  von  der  Breite  eines  Zolles  kamen  sie  eines 
Morgens  plötzlich  über  die  Mauer  meines  Hofraumes,  dran- 
gen in  die  Halle,  welche  mein  Staats-  und  Schlafzinmier  bil- 
dete, und  marschirten  geradewegs  auf  meine  Vorrathskam- 
mer  zu.  Da  aber  unglücklicherweise  mein  Lager  in  ihrem 
Wege  war,  griffen  sie  mich  selbst  in  höchst  unbarmherziger 
Weise  an  und  zwangen  mich  bald  zur  Flucht.     Wir  fielen 


Kampf  mit  den  Ameisen.  365 

dann  über  sie  her,  tödteten  diejenigen,  die  sich  auf  Raub 
zerstreut  hatten  und  sich  schon  zum  Theil,  mit  schweren 
Hirsekörnern  beladen,  wieder  davon  machen  wollten,  und  ver- 
nichteten den  Haupttheil  des  Heeres ,  wie  er  auf  dem  Pfade 
entlang  marschirt  kam,  mit  Feuer;  aber  frische  Legionen  ka- 
men heran,  und  es  kostete  uns  wenigstens  2  Stunden,  ehe 
wir  die  Reihen  der  feindlichen  Heeresmasse  völlig  durchbre- 
chen und  den  Rest  in  die  Flucht  jagen  konnten. 

Bei  dieser  Gelegenheit  schienen  die  bissigen  Ameisen  ganz 
und  gar  durch  den  Vorrath  von  Korn  angezogen  worden 
zu  sein,  den  ich  mir  kurz  zuvor  von  Bakadä  hatte  kom- 
men lassen;  aber  im  Allgemeinen  behauptet  man,  dass  ihre 
feindlichen  Angriffe  nebenbei  auch  eine  wohlthätige  Wirkung 
haben;  denn  wenn  sie  die  Hütten  der  Eingeborenen  einneh- 
men, zerstören  sie  alle  Art  von  Ungeziefer,  selbst  mit  Ein- 
schluss  der  Mäuse.  Aber  während  diese  schwarzen  Ameisen 
in  vielen  Gegenden  des  Sudans  in  mancher  Hinsicht  mit 
Recht  die  „Auskehrer  der  Häuser"  genannt  werden  können 
und  so  einen  wichtigen  Platz  in  dem  Prozesse  der  Natur 
einnehmen,  werden  sie  auch  oft  auf  der  anderen  Seite  wie- 
der eben  durch  ihre  Raubgierde  nach  dem,  was  der  Mensch 
eigentlich  lieber  für  sich  selbst  behält,  höchst  nützlich.  Denn 
sie  sammeln  einen  solchen  Vorrath  von  Korn  ein,  dass  die 
armen  Eingeborenen  nicht  allein  dieser  Gegenden,  sondern 
selbst  längs  der  Ufer  des  sogenannten  Niger,  wie  ich  wieder- 
holt zu  bemerken  Gelegenheit  hatte,  ihre  Höhlen  ausgraben, 
um  sich  in  den  Besitz  der  von  ihnen  gesammelten-  Vorräthe 
zu  setzen. 

Neben  diesen  grossen  schwarzen  Ameisen  findet  sich  die 
kleine  rothe,  welche  in  Bömu  „kitta-kitta"  und  in  Baghirmi 
„kissasse"  genannt  wird,  in  grosser  Anzahl  und  wird  oft  höchst 
lästig,  und  zwar  eben  durch  ihre  ausserordentliche  Klein- 
heit, da  sie  leicht  in  alle  Arten  Kleidungsstücke  eindringt, 
ohne  beachtet  zu  werden.     Ich  fand  oft  grosses  Vergnügen 


856  Xin.  Kapitel. 

daran,  eine  Schlacht  zwischen  dieser  kleinen  rothen  Ameise 
und  der  in  Bomu  „kanäm",  hier  „niö"  genannten  weissen 
Ardhe  (Temies  fatcUts)  zu  beobachten;  es  dauerte  nicht 
lange,  so  wurden  die  letzteren  von  den  Kriegern  der  rothen 
Ameise  besiegt,  ja  diese  kleinen  Thierchen  schleppten  die 
viel  schwereren  Feinde  als  guten  Proviant  für  die  kommende 
Zeit  der  Noth  mit  Leichtigkeit  und  Behendigkeit  in  ihre 
Löcher.  Denn  die  weisse,  larvenhafte  Tervies  ist  machtlos, 
sobald  sie  ihre  unterirdischen,  Schutz  gewährenden  Gänge 
verlässt,  welche  ihr  Stärke  verleihen,  wie  die  Erde  dem 
Antäus,  wesshalb  sie  die  Araber  so  bezeichnend  „Kinder  der 
Erde"  oder  „Erdwürmer"  —  „el  ardha"  —  nennen. 

Die  Regenfälle,  welche  im  Anfang  mit  bedeutender  Heftig- 
keit eingetreten  waren,  hatten  später  fast  ganz  aufgehört,  so 
dass  das  Gras  auf  dem  offenen  unbebauten  Feldland  innerhalb 
der  Stadt  ganz  verwelkte  und  dass  viele  Leute,  welche  im 
Vertrauen  auf  das  erste  Erscheinen  des  Regens  ihre  Saat 
gleich  damals  dem  Boden  anvertraut  hatten,  sich  traurig  ge- 
täuscht fanden.  Ich  habe  schon  Gelegenheit  gehabt,  zu  er- 
zählen, dass  die  Eingeborenen  sammt  ihrem  Häuptlinge 
diesen  Zustand  des  Wetters  meinem  verderblichen  Einflüsse 
zuschrieben.  Jedoch  verursachte  es  mir  nicht  geringes  Ver- 
gnügen, so  oft  ich  einen  kleinen  Ausflug  zu  Pferde  in  die 
Umgegend  der  Hauptstadt  machte,  mich  zu  überzeugen, 
dass  das  freie  Land  weniger  an  Trockenheit  litt,  als  das 
Innere  der  Stadt.  Aber  selbst  draussen  war  bis  jetzt  we- 
nig Anbau  zu  sehn.  Es  kam  mir  sehr  bemerkenswerth 
vor,  dass  sowohl  hier,  wie  in  den  anderen  Theilen  des  Lan- 
des, vorzüglich  in  der  Umgegend  von  Bakadä,  das  Korn 
im  Allgemeinen  in  tiefen  Furchen  —  „deräba"  —  gebaut 
wurde,  eine  Art  des  Anbaues,  die  ich  in  keinem  anderen 
Lande,  durch  das  mich  meine  Reisen  in  Central  -  Afrika 
bisher  geführt,  beobachtet  hatte.  Ich  musste  mich  jedoch 
selbst  bei  diesen  kleinen  Ausflügen  in  Acht  nehmen;   denn 


Rückkehr  des  Sultans.  357 

die  Leute  schöpften  Argwohn,  so  oft  ich  zu  Pferde  stieg,  und, 
das  erste  Mal,  wo  sie  mich  davon  galopii'en  sahen,  ver- 
mutheten  sie,  ich  wollte  entfliehen,  und  machten  Alarm. 

Diese  ganze  Zeit  meines  Aufenthaltes  in  der  Hauptstadt 
war  der  Sultan  —  „bänga"  —  abwesend.  Natürlich  ver- 
folgte die  zurückgebliebene  Bevölkerung  seine  Bewegungen 
mit  dem  grössten  Interesse,  und  die  falschen  Berichte,  die 
von  Zeit  zu  Zeit  einliefen,  unterhielten  eine  ununterbrochene 
Aufregung.  Als  ich  das  Land  zuerst  betrat,  war  der  König 
in  bedeutende  Entfernung  nach  Südosten  vorgedrungen  imd 
belageiie  einen  Ort  Namens  Gögomi,  der,  auf  einer  felsigen 
Anhöhe  gelegen  und  von  Natur  stark  befestigt,  einen  langen 
Widerstand  leistete,  so  dass  das  Heer  der  Belagerer  einen 
grossen  Theil  seiner  besten  Streiter  einbüsste,  unter  Anderen 
einen  Arabischen  Scherif,  der  den  Feldzug  mitmachte.  Aber 
endlich  ward  der  Ort  doch  eingenommen  und  die  Hofleute 
bewogen  den  Fürsten,  nach  Hause  zurückzukehren,  da  sie 
so  viel  Hungersnoth  zu  leiden  hatten,  dass  der  grösste 
Theil  des  Heeres  genöthigt  war,  sich  mit  der  Frucht  der 
Delebpalme  zu  ernähren;  denn  diese  Palme,  die,  wie  ich 
schon  anderswo  erwähnt,  wahrscheinlich  mit  dem  Borassus 
flahelliformis  identisch  ist,  scheint  in  manchen  südlichen  Pro- 
vinzen Baghirmi's  der  am  häufigsten  vorkommende  Baum  zu 
sein. 

[Sonnabend^  3*^  Julu]  Nach  wiederholten  falschen  Ge- 
rüchten von  des  Sultans  Annäherung  rückte  er  endlich  wirk- 
lich heran,  und  die  Aufregung  der  ganzen  zurückgebliebenen 
Bevölkerung  war  natürlich  sehr  gross,  denn  fast  alle  kampf- 
fähigen Männer  waren  länger  als  6  Monate  vom  Hause  ent- 
fernt gewesen. 

Es  war  gegen  9  Uhr  Morgens,  als  sich  das  Heer  der  Süd- 
seite der  Stadt  näherte.  Schimmernder  Pomp  und  barba- 
rische Pracht  ward  in  Fülle  entfaltet,  aber  die  Truppe 
war  keineswegs  zahlreich,  sondern  auf  die  Anzahl  der  zur 


358  XIII.  Kapitol. 

Einwohnerschaft  der  Hauptstadt  Gehörigen  beschränkt,  indem 
sich  der  Rest  schon  in  allen  Richtungen  zerstreut  hatte  und 
nach  den  bezüglichen  Wohnstätten  heimgekehrt  war.  Die 
Folge  davon  war,  dass  sich  nur  700 — 800  Reiter  —  „mala- 
ssinda"  —  beim  Heere  befanden;  aber  mein  Freund,  der 
Schenf  Slimän,  der,  so  weit  ich  Gelegenheit  hatte  seine 
Wahrhaftigkeit  zu  prüfen,  keineswegs  zu  Übertreibungen  ge- 
neigt war,  versicherte  mich,  dass  sich  selbst  auf  ihrem  Heim- 
marsche wenigstens  2000  Mann  Reiterei  beim  Heere  befun- 
den hätten.  Mein  Freund  hatte  nämlich  vor  geraumer  Zeit, 
erbittert  durch  die  spärliche  Bewh'thung  des  Statthaltei's, 
die  Hauptstadt  verlassen,  um  sich  dem  Heere  anzuschlies- 
sen,  oder  vielmehr  um  der  königlichen  Huld  näher  zu  sein. 

An  der  Spitze  des  Heeres  ritt  der  Kadamange,  umgeben 
von  einer  Abtheilimg  Reiterei,  in  seiner  Stellung  als  Stell- 
vertreter des  Fürsten  während  dessen  Abwesenheit;  dann 
folgte  der  Barma,  und  hinter  diesem  ward  ein  langer  Speer 
von  eigenthümlicher  Gestalt  cinhergetragen ,  der  in  der  Ge- 
schichte dieses  Landes  einen  sehr  wichtigen  Gegenstand 
bildet.  Seine  ursprüngliche  Bestimmung  ist,  ein  Idol  dar- 
zustellen, das  von  dem  Mutterstaat  Keuga  Mataia  herüber- 
gebracht sein  soll  und  entschieden  eine  grosse  Ähnlichkeit 
mit  dem  „fete"  der  Marghl  und  Müssgu  hatte. 

Gerade  vor  dem  Sultan  ritt  der  Fatscha  (Kriegshaupt- 
mann), der  die  zweite  Person  im  Reiche  ist,  ähnlich  deui 
Keghdmma  im  alten  Bomu- Reiche;  in  früheren  Zeiten  be- 
sass  er,  wie  wir  sehn  werden,  eine  ausserordentliche,  wahrhaft 
fürstliche  Gewalt,  Der  Sultan  selbst  tnig  einen  gelben  Ber- 
nus  und  ritt  einen  Grauschimmel,  dessen  Vortrefflichkeit 
jedoch  kaum  zu  erkennen  war,  da  er  in  Kriegszeug  —  „hb- 
bedl"  —  von  buntgestreiftem  Zeug  gekleidet  war,  wie  ich 
es  auf  meinem  Müssgu -Feldzuge  beschrieben  habe.  Auch 
der  Kopf  des  Sultans  selbst  war  kaum  sichtbar,  nicht  allein 
wegen  der  vor  und  neben  ihm  befindlichen  zahlreichen  Rei- 


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Der  Paradezug  des  Sultans.  359 

ter,  sondern  ganz  besonders  wegen  zweier  Schirme  —  der 
eine  von  grüner,  der  andere  von  rother  Farbe  — ,  welche 
ein  Paar  Sklaven  auf  jeder  Seite  neben  ihm  trugen. 

Sechs  Sklaven,  deren  rechter  Arm  in  Eisenblech  gekleidet 
war,  fächelten  ihm  mit  Straussenfedern,  die  an  langen  Stangen 
befestigt  waren,  Külilung  zu;  um  ihn  her  ritten  fünf  Häupt- 
linge, während  auf  seiner  Rechten  der  Gheletma  und  andere 
vornehme  Leute  des  Landes  sich  zeigten.  Diese  ganze  Gruppe 
um  den  Fürsten  herum  bildete  ein  so  wildes  Gewirr,  dass 
es  unmöglich  war,  alle  besonderen  Züge  mit  Genauigkeit  zu 
unterscheiden;  aber  so  weit  ich  im  Stande  war,  die  Be- 
Schreibung  der  Eingeborenen  zu  verstehen,  waren  etwa  30  In- 
dividuen in  Bernuse  gekleidet,  während  die  Übrigen  nichts 
als  schwarze  oder  dunkelblau  gefärbte  Hemden  trugen.  Auch 
der  Kopf  dieser  Hofleute  war  meist  unbedeckt  Dicht  hin- 
ter dieser  Gruppe  folgte  das  Kriegskameel,  das  der  Tromm- 
ler —  „kodganga"  —  ritt,  der  seine  Geschicklichkeit  auf 
zwei  an  jeder  Seite  des  Thieres  befestigten  Pauken  zur  Schau 
stellte;  neben  ihm  ritten  drei  Musikanten,  von  welchen  zwei 
je  einen  „buki"  oder,  wie  es  hier  heisst,  „kädja",  d.  i.  ein 
kleines  Hom,  trugen  und  der  dritte  ein  „djödjo"  oder  „söso", 
d.  i.  eine  Art  doppelter  Egyptischer  „derabüka". 

Gewiss  war  das  Aussehen  dieses  Theiles  des  Zuges,  der 
sich  um  die  Person  des  Königs  selbst  gruppirte,  nicht  ohne 
grossartigen  Effekt ;  aber  derjenige,  welcher  hinterdrein  folgte, 
war  noch  charakteristischer  in  Hinsicht  auf  die  barbarische 
Pracht  und  die  ganze  Lebensweise  solcher  Afrikanischen 
Höfe.  Diese  Gruppe  bestand  aus  einer  langen,  gleichmässi- 
gen  Reihe  von  45  bevorzugten  Sklavinnen  oder  Konkubinen 
—  „habbabät"  —  des  Sultans,  welche  zu  Pferde  und  vom 
Kopf  bis  auf  den  Fuss  in  einheimisches  schwarzes  Baumwol- 
lentuch gekleidet  waren;  jede  hatte  rechts  und  links  einen 
Sklaven. 

Die  Prozession  endete  mit  einer  Reihe  von  11  Kameelen, 


I 


360  Xni.  Kapitel. 

welche  das  Gepäck  trugen.  Auch  die  Zahl  der  Infanterie 
—  „maladjä"  —  war  etwas  beschränkt,  da  auch  der  grössere 
Theil  von  ihr  schon  nach  den  bezüglichen  Wohnstätten  zurück- 
gekehrt war;  aber  andererseits  waren  fast  alle  Städter  heraus- 
gekommen, um  das  siegreiche  Heer  auf  seiner  Heimkehr  zu 
sehn. 

Der  König  hielt  jedoch  an  diesem  Tage  noch  nicht  seinen 
Einzug  in  die  Hauptstadt  selbst,  sondern  war  in  Überein- 
stimmung mit  einer  geheiligten  Sitte  der  Herrscher  des  Lan- 
des gezwimgen,  für  die  folgende  Nacht  sein  Quartier  draus- 
sen  zwischen  den  Ruinen  des  ältesten  Viertels  auf  der  West- 
Seite  der  jetzigen  Stadt  zu  nehmen;  erst  Sonntag  den  4ten 
Juli,  gegen  Mittag,  zog  er  feierlich  in  Mäsefia  ein.  Diesmal 
bildeten  jedoch  die  „habbabät"  keinen  Theil  der  Prozes- 
sion, da  sie  schon  früh  am  Morgen  in  die  Stadt  gekom- 
men waren;  aber  diese  Lücke  war  ausgeglichen  durch  die 
Theilnahme  einer  grösseren  Anzahl  Reiter,  während  hinter 
dem  zu  Kameel  berittenen  Trommler  ein  anziehender  krie- 
gerischer Zug  folgte,  welcher  aus  15  feurigen,  sämmtlich  in 
Kriegszeug  gekleideten  Streitrossen  bestand  und,  wie  es  schien, 
für  das  ernsthafte  Spiel  des  Mars  besser  geeignet  war,  als  die 
Reihe  anmuthiger  Fräulein. 

Bei  Gelegenheit  seines  Einzuges  in  die  Stadt  führte  der 
Bänga  in  seiner  Triumphprozession  sieben  heidnische  Häupt- 
linge, unter  denen  der  von  Gogomi  die  hervorragendste  Er- 
scheinung und  die  grösste  Zierde  des  Triumphzuges  bildete; 
denn  er  war  nicht  weniger  bemerklich  seiner  hohen,  stattli- 
chen Gestalt  halber,  als  besonders  wegen  des  Umstandes, 
dass  er  der  Herrscher  eines  ansehnlichen  heidnischen  Staa- 
tes (mit  einer  Hauptstadt  in  fast  unzugänglicher  Lage)  ge- 
wesen war.  Auch  erregte  er  die  Theilnahme  des  blutgieri- 
gen, aber  witzigen  Baghirmi  -  Volkes ,  indem  er  sich  mit  viel 
Laune  in  sein  Schicksal  fugte,  obgleich  dasselbe  keinesfalls 
beneidenswerth  war;  es  herrscht  nämlich  hier  zu  Lande  der 


Zurorkommenheit  des  Sultans.  361 

Gebrauch,  diese  fürstlichen  Gefangenen  entweder  zu  tödten, 
oder  zu  entmannen,  nachdem  man  sie  eine  Zeit  lang  durch 
alle  Höfe  des  Palastes  geführt  hat,  wo  man  dann  den  Frauen 
imd  Lieblingssklavinnen  des  Sultans  erlaubt,  ihre  launenhaf- 
ten und  übermüthigen  Neigungen  in  aller  Art  rohen  Scher- 
zes und  Unsinnes  an  diesen  Leuten  auszulassen.  —  Die  ab- 
scheuliche Sitte  der  Verschneidung  wird  vielleicht  in  keinem 
Lande  Inner -Afrika's  in  solcher  Ausdehnung  geübt,  wie  ge- 
rade in  Baghimii. 

Obwohl  der  Fürst  gegen  6  Monate  vom  Hause  entfernt 
gewesen  war,  schien  doch  die  Beute  an  Sklaven  nicht  be- 
deutend gewesen  zu  sein,  und  der  ganze  Antheil  des  Sul- 
tans selbst  mochte  in  etwa  400  Individuen  bestehen.  Viel- 
leicht aber  hatte  er  schon  früher  einen  Theil  nach  seiner 
Hauptstadt  geschickt;  denn  seine  ganze  Stellung  macht  es 
ihm  wohl  zur  Pflicht,  seine  Beute  vor  den  Nachbarn  etwas 
geheim  zu  halten. 

Der  Fürst  durchzog  langsam  die  Stadt,  entlang  der  vom 
westlichen  Thore  kommenden  Hauptstrasse  und  dem  „den- 
dal"  oder  „bokö",  bis  er  unter  dem  Jauchzen  des  Volkes  und 
dem  Händeklatschen  —  „kabello"  oder  „tofadji",  wie  es  hier 
heisst  —  der  Frauen  seinen  Palast  betrat. 

Er  erwies  mir  gleich  von  Anfang  an  viel  Aufmerksamkeit 
und  sandte  mir,  obgleich  ich  ihm  meinen  Gruss  noch  nicht 
dargebracht  hatte,  noch  an  demselben  Nachmittag  nach  sei- 
ner Ankunft  zwei  Boten,  um  mich  willkommen  zu  heissen. 
Diese  Boten  waren  der  Bruder  und  der  Sohn  eines  der  er- 
sten Männer  des  Landes,  welcher  den  Namen  oder  vielmehr 
Titel  „Mäina  Belademl"  führte  und  eine  Art  Bomauischen 
Konsuls  war.  Unglücklicherweise  war  jedoch  dieser  vortreff- 
liche Mann,  der  mir  von  allen  Leuten  als  einer  der  verstän- 
digsten Männer  des  Landes  dargestellt  wurde,  in  angegriffe- 
nem Gesundheitszustande  aus  dem  Feldzuge  zurückgekehrt 
und  sollte  in  wenigen  Tagen  seiner  Krankheit  erliegen. 


362  XIII.  Kapitel. 

Als  ich  den  Boten  des  Fürsten  mittheilte,  wie  rücksichts- 
los ich  behandelt  worden  wäre,  versicherten  sie  mich,  dass 
ihr  Herr  nichts  davon  gewusst;  er  habe,  sobald  er  von  meiner 
Ankunft  gehört,  dem  Statthalter  den  Befehl  ertheilt,  mir 
eine  milchende  Kuh  zu  stellen.  —  Die  Boten  gingen  dann 
fort  und  kehrten  mit  einem  Schaaf,  etwas  Butter  und  einem 
grösseren  Vorrath  von  Kreb  (dem  Samen  der  schon  früher 
besprochenen  Poa)  zurück. 

Am  folgenden  Morgen  stattete  ich  Maina  meinen  Besuch  ab, 
begleitet  von  meinem  früheren,  verlaufenen  Führer  Grema 
^Abdu,  der  sich,  nachdem  er  mich  in  Bäkadä  meinem  eigenen 
Geschick  überlassen,  dem  Sultan  auf  seinem  Feldzuge  ange- 
schlossen hatte.  Maina  war  sehr  krank  und  das  Zimmer, 
wo  er  lag,  so  dunkel,  dass  es  mir  bei  meiner  Überzeu- 
gung von  dem  ernsthaften  Charakter  seiner  Krankheit  einen 
Vorwand  gab,  ihm  die  Verabreichung  von  Arznei  zu  verwei- 
gern, und  dies  war  für  mich  ein  sehr  glücklicher  Umstand, 
da  sonst  sein  Tod,  der  nach  wenigen  Tagen  eintrat,  von 
diesen  wild -fanatischen  Leuten  sicherlich  nur  mir  und  mei- 
nen Arzneien  zugeschrieben  worden  wäre. 

Im  Laufe  desselben  Abends  erhielt  ich  die  Nachricht  von 
der  Ankunft  eines  Boten  von  Kükaua  mit  Depeschen  für 
mich,  da  die  Karawane  von  Fesän  endlich  eingetroffen  sei; 
weil  ich  aber  schon  zu  wiederholten  Malen  mit  ähnlichen 
Berichten  getäuscht  worden  war,  überliess  ich  mich  nicht 
eiteler  Erwartung.  So  brach  nach  ruhig  vollbrachter  Nacht 
der  6to  Juli  an,  welcher  Tag  einer  der  glücklichsten  meines 
Lebens  werden  sollte ;  denn  nachdem  ich  über  ein  Jahr  ohne 
Mittel  irgend  einer  Art  gewesen  war  und  mit  meinem  Ge- 
schick gekämpft  hatte,  in  dem  Bestreben,  vor  meiner  Heim- 
kehr noch  so  viel  wie  möglich  zu  thun,  —  sah  ich  mich  plötz- 
lich beauftragt,  die  Zwecke  dieser  Unternehmung  in  grösse- 
rem Maassstabe  auszuftihren,  und  fand  hinreichende  Mittel 
mir  zu  Gebote  gestellt,  um  dieselben  zu  erreichen. 


Ankunft  von  Briefen  ans  Europa.  363 

Der  Bote  verstand  ßich  jedoch  sehr  gut  auf  seine  Sache ; 
denn  er  brachte  mir,  obgleich  er  zwei  grosse  Briefpackete 
für  mich  hatte  —  eines  mit  Depeschen  vom  Auswärtigen 
Ministerium  der  Englischen  Regierung  und  ein  anderes  mit 
einer  grossen  Anzahl  von  Privatbriefen  — ,  blos  das  erstere, 
welches  in  Kükaua  sehr  sorgsam  in  einen  langen  Streifen 
feiner  Baumwolle  —  „gabagä"  —  gepackt  und  noch  in  ro- 
thes  und  gelbes  Leder  eingenäht  worden  war,  —  ohne  auch 
nur  mit  einem  einzigen  Worte  des  zweiten  Packetes  Erwäh- 
imng  zu  thun.  Erst  nachdem  ich  mit  Müsse  die  Depeschen, 
welche  mich  mit  dem  Vertrauen  der  Englischen  Regierung 
beehrten,  gelesen  und  seinen  Eifer  mit  einem  neuen  Hemde 
belohnt  hatte,  ging  er  schweigend  fort,  kehrte  aber  bald  mit 
dem  zweiten  Briefpacket  und  einem  anderen,  das  10  Türkedi's 
enthielt,  zurück.  Diese  Türkedi's,  einheimisches  Baumwollen- 
fabrikat von  Kanö,  wurden  mir  auf  Herrn  Dr.  Overweg's  Ver- 
langen vom  Vezier  von  Bomu  zur  Unterstützung  gesandt  und 
ich  machte  sogleich  drei  davon  dem  Boten  imd  seinen  bei- 
den Gefährten  zum  Geschenk. 

Die  Menge  von  Privatbriefen,  aus  England  sowohl,  wie  aus 
Deutschland,  war  sehr  bedeutend;  insgesammt  enthielten  sie 
die  Anerkennung  dessen,  was  ich  gethan  hatte,  —  die  grösste 
Belohnung,  welche  ein  Reisender  in  diesen  Gegenden  jemals 
begehren  kann.  Vor  Allem  machte  die  lebendige  Theilnahme, 
welche  die  Königsberger  Geographische  Gesellschaft  an  un- 
serem Unternehmen  genommen  hatte,  den  erhebendsten  Ein- 
druck auf  mich  und  versetzte  mich  plötzlich  aus  diesem 
Lande  der  Sklaverei  in  die  höchsten  Sphären  freien,  idealen 
Strebens.  Gewiss  war  aber  auch  die  Verantwortlichkeit,  welche 
mir  auf  diese  Weise  aufgebürdet  war,  sehr  gross,  und  der 
Schluss,  zu  dem  ich  durch  lange  Erfahrung  gelangt  war, 
„dass  ich  nicht  im  Stande  sein  würde,  die  vielen  übertriebe- 
nen Erwartungen,  welche  von  meinen  zukünftigen  Untemeh- 
mimgen  gehegt  wurden,  zu  erfüllen",  war  drückend  genug.  In 


864  Xin.  KapiteL 

fast  allen  Privatbriefen  nämlich,  vor  Allem  aber  in  dem  vor- 
trefflichen  Schreiben  des  Herrn  Ritters  von  Bmisen,  war  die 
Überzeugung  ausgesprochen,  dass  ich  mit  meinem  Grefahr- 
ten  im  Stande  sein  würde,  selbst  ohne  übergrosse  Anstren- 
gung und  in  bezüglich  kurzer  Zeit,  den  gaqisen  breiten,  un- 
bekannten Gürtel  des  äquatorialen  Afrika  zu  durchschnei- 
den und  die  Südostküste  zu  erreichen;  ja  man  betrachtete 
uns  zur  Zeit  gleichsam  schon  als  glücklich  in  Mombäss  an- 
gelangt. 

Nun  hatte  ich  allerdings  selbst  die  Idee  eines  solchen  Un- 
ternehmens wenigstens  theilweise  veranlasst,  mich  aber  im 
Verlaufe  meiner  Reisen  vollkommen  von  der  Unmöglichkeit 
desselben  überzeugt,  ausser  vielleicht  mit  Aufopferung  einer 
langen  Reihe  von  Jahren,  wozu  ich  meinen  Gesundheitszu- 
stand ganz  ungenügend  fand,  und  nur  mit  Hilfe  einer  Schaar 
ganz  zuverlässiger  und  aufrichtig  anhänglicher  Männer,  sowie 
ausgerüstet  mit  einem  ansehnlichen  Vorrath  von  Mitteln.  Ich 
fand  dagegen  zu  meinem  nicht  geringen  Erstaunen  und  Be- 
dauern, dass  die  Summe  von  800  Pfund  Sterling,  die  uns 
von  Lord  Palmerston  zu  Gebote  gestellt  war,  ein  todtcr  Buch- 
stabe blieb;  nicht  ein  einziges  Pfund  dieser  Summe  war  von 
Tripoli  befördeii;  worden,  indem  man  eine  schon  früher  ab- 
geschickte Sendung,  im  Ganzen  zum  Werthe  von  etwa  600 
Pfund  Sterling  (mit  Inbegriff  einer  Summe  von  1000  Thalem 
von  Sr.  Majestät  dem  Könige  von  Preussen  und  400  Thalern 
von  meinem  Vater),  wovon  das  Meiste  durch  die  Unachtsam- 
keit und  gewissenlose  Vernachlässigung  des  Agenten  länger 
als  ein  Jahr  in  Fesän  gelegen  hatte,  für  hinreichend  hielt, 
obgleich  die  Gesammtmasse  unserer  Schulden  diese  ganze 
Summe  überstieg. 

In  dieser  ungewissen  Lage,  zu  der  nur  das  Übennaass 
von  freundlicher  und  wohlwollender  Gesinnung  Anlass  ge- 
geben hatte,  verursachte  es  mir  grosso  Freude,  zu  finden, 
dass  die  Englische  Regierung  und  insbesondere  Lord  Pal- 


Verdächtiger  Besuch  von  Hoflenten.  S65 

merston  mich  auf  ein  ausführbareres  Projekt  hinwiesen,  in- 
dem sie  mich  zu  dem  Versuch  aufforderten,  Timhuktu  zu  er- 
reichen. Diesem  Plane  wandte  ich  daher  meine  volle  Auf- 
merksamkeit zu  und  schwelgte  in  meiner  Einbildungskraft 
mit  hohem  Entzücken  bei  dem  Gedanken,  ein  Nachfolger  in 
der  glorreichen  Laufbahn  Mungo  Park's  zu  werden. 

Für  den  Augenblick  jedoch  war  ich  noch  in  Baghirmi, 
das  heisst  in  einem  Lande,  wo  unter  dem  Schleier  des  Iss- 
lam  eine  grössere  Menge  abergläubischer  Vorstellungen  ob- 
waltet, als  in  vielen  rein  heidnischen  Ländern  des  Inne- 
ren, und  wo  Argwohn  und  Unverstand  mir  noch  manche 
schlimme  Lage  bereiten  konnten.  Mitten  im  Genüsse  meiner 
brieflichen  Schätze,  die  mich  soeben  in  den  Bereich  des  po- 
litischen und  wissenschaftlichen  Lebens  Europa's  zurückge- 
führt hatten,  während  alle  Briefschaften  aus  jenen  fernen  Ge- 
genden auf  meinem  einfachen  Lager  ausgebreitet  lagen,  ward 
ich  plötzlich  durch  einen  meiner  Diener  unterbrochen,  der 
in  mein  Gemach  geeilt  kam  und  mich  rasch  davon  benach- 
richtigte, dass  eine  zahlreiche  Schaar  von  Hofleuten  soeben 
mein  Gehöft  betreten  habe. 

Ich  hatte  kaum  Zeit  gehabt,  meinen  Schatz  unter  der 
Matte  verbergen  zu  können,  als  die  Hofleute  in  mein  Ge- 
mach eintraten,  so  dass  sich  dasselbe  in  wenigen  Augen- 
blicken mit  schwarzem  Volk  und  schwaraen  Toben  anfüllte. 
Es  waren  ausser  dem  Statthalter  —  „kadamange"  —  und 
den  beiden  Verwandten  Mäina's  gegen  20  Personen,  und 
die  Art,  wie  sie  sich  betrugen,  war  so  auffallend,  dass  ich 
fast  befürchtete,  ich  möchte  zum  zweiten  Male  in  Gefan- 
genschaft gesetzt  werden.  Es  konnte  keine  Frage  sein,  dass 
sie  von  den  zahlreichen  Briefschaften,  welche  mir  zugegangen 
waren,  Nachricht  erhalten  hatten;  aber  ausser  meinen  eige- 
nen Briefen  hatten  die  Bornu- Boten  auch  einen  Brief  ihres 
Herrn  an  den  Herrscher  —  „banga"  —  von  Baghirmi  mitge- 
bracht, worin  Scheich  *Ömar  den  Letzteren,  der  ihm  in  ge- 


366  Xm.  Kapitel. 

wisser  Hinsicht  tributär  war,  aufforderte,  mir  ohne  Verzö- 
gerung zu  erlauben,  in  Gesellschaft  der  Boten  nach  Bomu 
zurückzukehren.  Ausserdem  aber  hatte  man  seit  dem  ersten 
Augenblick  meiner  Ankunft  starken  Verdacht  gehegt,  dass 
ich  ein  Türkischer  Spion  sei,  und  es  fand  sich  selbst  ein 
Pilger  aus  dem  fernen  Westen,  welcher  sich  bemühte,  mit 
dem  beschränkten  Vorrathe  seiner  geographischen  und  ethno- 
logischen Kenntnisse  den  Leuten  zu  beweisen,  dass  ich  ein 
Amaut,  also  entschieden  ein  Türkischer  Söldling  sei;  denn 
dies,  so  behauptete  jener  kundige  Reisende,  seien  die  einzi- 
gen Erdbewohner,  welche  Strümpfe  trügen  (ich  besass  näm- 
lich damals  noch  einige  Paare  dieses  Europäischen  Luxus- 
artikels und  trug  sie  zuweilen). 

Jedoch,  sei  dem,  wie -ihm  wolle,  die  Hofleute  scheuten 
sich,  unverhohlen  mit  dem  wirklichen  Zwecke  ihres  Besuches 
hervorzutreten,  und  schützten  daher  anfangs  vor,  dass  sie 
gekommen  seien,  um  die  Geschenke  zu  sehn,  welche  ich  für 
den  Sultan  mitgebracht  hätte;  da  ich  dieselben  schon  lange 
in  Bereitschaft  gehalten  hatte,  zeigte  ich  sie  ihnen  ohne 
Weiteres.  Sie  bestanden  in  einem  guten  rothen  Tuchkaftan, 
den  ich  in  Tripoli  für  9  Spanische  Tbaler  gekauft  hatte; 
einer  Repetiruhr  von  Nürnberg  für  10  Thaler,  mit  einer  ge- 
flochtenen seidenen  Schnur  von  Tripolitanischer  Arbeit;  einem 
Turban  mit  seidener  Borde;  einem  Englischen  Messer  und 
einigen  dergleichen  Scheeren;  Nelken  und  mehreren  anderen 
Kleinigkeiten.  Die  Uhr  verursachte  das  grösste  Erstaunen, 
da  sie  zur  Zeit  in  gutem  Zustande  war;  es  war  jedoch  im- 
merhin Schade,  dass  wir  nicht  mit  guten  Englischen  Waaren 
versehen  worden  waren  und  uns  desshalb  angewiesen  fanden, 
schlechte  Artikel,  wie  imd  wo  sie  sich  auf  unserem  Wege 
darboten,  aufzulesen.  —  Die  Höflinge  verlangten  auch  mein 
Femrohr  zu  sehn,  und  ein  solches  Instrument  konnte  natür- 
lich ihr  Erstaunen  nur  noch  erhöhen. 

Dann  verlangten  sie  nach  vielem  Zusammenducken  und  lei- 


Beschwichtigung  des  Argwohns  der  Eingeborenen.  367 

sem  Berathen,  das  mir  ein  etwas  unheimliches  Gefühl  ein- 
flösste,  das  Buch  zu  sehn,  in  das  ich  Alles,  was  ich  sähe 
und  hörte,  niederschriebe.  Ohne  Zaudern  nahm  ich  mein 
Tagebuch  heraus  und  zeigte  es  ihnen,  musste  aber  vorher 
auch  dessen  Echtheit  betheuem.  Um  ihren  Argwohn  gründ- 
lich zu  beseitigen,  las  ich  ihnen  dann  freiwillig  mehrere  Stel- 
len daraus  vor,  die  sich  auf  die  Geographie  und  Ethnogra- 
phie des  Landes  bezogen,  und  es  gelang  mir,  ihnen  ein  herz- 
liches Lächeln  abzugewinnen  und  ihre  gute  Laune  so  zu  wecken, 
dass  sie  selbst  einige  Namen  hinzufügten,  wo  meine  Verzeich- 
nisse mangelhaft  waren.  Sie  baten  mich  dann^  das  Buch 
ihrem  Herrn  vorlegen  zu  dürfen,  und  ich  genehmigte  ihr 
Gesuch  ohne  Weiteres. 

Meine  Offenheit  machte  die  Intriguen  meiner  Feinde  voll- 
kommen zu  Schanden  und  beschwichtigte  den  Argwohn  der 
Eingeborenen;  denn  sie  waren  überzeugt,  dass  ich,  wenn  ich 
irgend  eine  böse  Absicht  beim  Niederschreiben  meiner  Be- 
merkungen über  ihr  Land  gehabt  hätte,  sicherlich  Alles  auf- 
bieten würde,  das  Geschriebene  zu  verbergen. 

So  gingen  sie  davon,  indem  sie  mein  Tagebuch  mitnahmen, 
und  man  hinterbrachte  mir  später,  dass  der  Landesherr  alle 
gelehrten  Männer  der  Stadt  berufen  hätte,  um  ihre  Meinung 
über  das  Buch  zu  hören.  Vielleicht  war  es  auch  vortheilhaft 
für  mich,  dass  die  Hauptperson  unter  den  Letzteren  mein 
Freund  Ssdmbo  war.  Denn  dieser,  der  mit  meinen  Forschun- 
gen wohlbekannt  war,  stellte  meine  Aufzeichnungen  als  eine 
höchst  unschuldige  und  rein  wissenschaftliche  Sache  dar,  und 
da  nun  Niemand  mein  Buch  lesen  konnte,  ward  es  mir  ganz 
unbeschädigt  wieder  zurückgegeben.  Ss&mbo  erzählte  mir 
den  Hergang  der  ganzen  Angelegenheit  am  Nachmittag,  wo 
er  mir  einen  Besuch  abstattete,  wobei  er  mir  auch  bemerk- 
lich machte,  dass  der  einzige  Grund,  warum  ich  heute 
noch  keine  Audienz  beim  Sultan  erhalten  hätte,  der  oben 
erwähnte  Brief  des  Scheich  von  Bornu  sei,  der  in  gewissem 


368  XIII.  Kapitel. 

Grade  dasUnabhängigkeitsverhältniss  Baghirmi's  verletzt  habe. 
Auch  erhielt  ich  in  der  That  vor  dem  8^^^  Juli  keine  Au- 
dienz. 

[Donnerstag,  S^^^  Juli.]  Ich  hatte  soeben,  während  einige 
Freunde  bei  mir  zum  Besuche  waren,  zu  Ssdmbo  geschickt, 
um  ihn  zu  bitten,  meine  Abreise  zu  beschleunigen,  als 
Grema  "Abdü  in  Begleitung  eines  Dieners  des  Banga  er- 
schien, um  mich  zu  ihm  zu  führen.  Ich  Hess  also  Ssambo 
bitten,  mich  zum  Fürsten  zu  begleiten,  sowie  auch  meinen 
guten  alten  Wirth.aus  Bäkadä,  Bü-Bakr,  der  gerade  in 
der  Stadt  anwesend  war.  Gemeinsam  gingen  wir  nun  in 
den  Palast. 

Hier  ward  ich  bei  meiner  Ankunft  in  einen  inneren  Hof- 
raum geführt,  der  im.  Grundplan  mit  d  bezeichnet  ist,  wo 
Hofleute  zu  beiden  Seiten  einer  Thür  sassen,  welche  in  ein 
inneres  Gemach  führte.  Die  Öffnung  dieser  Thür  war  mit 
einem  durchsichtigen  Vorhang  aus  Rohr  —  „kassar"  oder, 
wie  es  hier  heisst,  „pärpara"  —  verdeckt,  wie  ich  solche  in 
meiner  Beschreibung  der  Hauptstadt  von  Logone  erwähnt 
habe.  Der  Thüröffnung  gegenüber,  inmitten  der  beiden  Rei- 
hen der  Hofleute,  liess  man  mich  mit  meinen  Gefährten  nie- 
dersetzen. 

Ich  war  etwas  ungewiss,  an  wen  ich  mich  wenden  sollte. 
Niemand  liess  sich  sehn,  der  sich  in  irgend  einer  Weise  vor 
den  Übrigen  ausgezeichnet  hätte ;  denn  alle  anwesenden  Hof- 
leute waren  gleichmässig  höchst  einfach  in  schwarze  oder 
vielmehr  dunkelblaue  Toben  gekleidet  und  Keiner  hatte  eine 
Kopfbedeckung.  Ich  fragte  daher,  ehe  ich  meine  Anrede 
begann,  mit  lauter  Stimme,  ob  der  Sultan  'Abd  el  Kader  an- 
wesend sei,  und  eine  hörbare  Stimme  liess  sich  hinter  dem 
Vorhang  vernehmen,  er  sei  anwesend.  Natürlich  hätte  ich 
lieber  gewünscht,  dem  Sultan  von  Angesicht  zu  Angesicht 
gegenüberzustehen,  aber  ich  war  wenigstens  nun  sicher,  dass 
er  es  war,  den  ich  anredete.     Ich  begrüsste  ihn  daher  so- 


Audiens  beim  Sultan.  369 

wohl  von  meiner  Seite,  als  auch  von  Seiten  der  Regierung, 
die  mich  ausgesandt,  indem  ich  ihm  erklärte,  dass  die  Eng- 
lische Regierung,  als  eine  der  Hauptmächte  Europa's,  nichts 
dringender  wünsche,  als  mit  allen  Fürsten  der  Erde  Bekannt- 
schaft zu  machen,  selbst  mit  denjenigen  im  Sudan.  Denn  es 
sei  ihr  unablässiges  Bestreben,  den  Handel  ihrer  üntertha- 
nen,  welche  die  ersten  Handelsleute  der  Welt  wären,  in  jeder 
Richtung  nach  Möglichkeit  auszudehnen ;  wir  seien  die  besten 
Freimde  des  Sultans  von  Stambul.  So,  sagte  ich,  sei  ich 
denn  auch  gekommen,  um  freundschaftliche  Verhältnisse  mit 
ihnen  anzuknüpfen,  wie  wir  Freundschaft  und  vertragsmässi- 
gen  friedlichen  Verkehr  mit  fast  allen  Nationen  der  Erde  hät- 
ten. Allerdings  könnten  sie  uns  nicht  viele  Handelsartikel 
bieten,  zumal  da  wir  den  Sklavenhandel  mit  Abscheu  be- 
trachteten, aber  dennoch  wären  wir  im  Stande,  ihr  Elfenbein 
zu  würdigen,  und  selbst  wenn  sie  nichts  für  den  Handel  hät- 
ten, wünschten  wir  mit  ihnen  auf  gutem  Fusse  zu  stehn. 

Ich  versicherte  den  Herrn  von  Baghirmi  femer,  dass,  ob- 
gleich unsere  Sitten  und  unsere  ganze  Lebensweise  ganz  und 
gar  verschieden  von  denen  vieler  Nationen  der  Erde  und  so 
auch  von  den  ihrigen  seien,  doch  Alle,  die  mit  uns  nähere  Be- 
kanntschaft hätten,  unseren  ausgezeichneten  Charakter  sehr  gut 
kennten  und  auch  wüssten^  dass  wir  im  höchsten  Grade  zuver- 
lässig und  voll  wahrer  Gottesfurcht  seien  und  keinen  anderen 
Zweck  hätten,  als  die  Wohlfahrt  des  Menschengeschlechts,  all- 
gemeinen friedlichen  Verkehr  und  Austausch  von  Bedürfhissen. 

Ich  ging  dann  auf  einen  Gegenstand  über,  der  unmittelbar 
Bezug  auf  mein  Verhältniss  hatte,  und  versicherte  den  Für- 
sten und  seine  Hofleute,  dass  wir  beim  Niederschreiben  von 
Bemerkimgen  über  die  Länder,  welche  wir  besuchten,  durch- 
aus keinen  bösen  Zweck  verfolgten,  sondern  nur  beabsichtigten, 
ims  so  genau  wie  möglich  mit  der  Regierung,  den  Gebräu- 
chen und  Sitten  des  betreffenden  Landes  bekannt  zu  machen 
und  volle  Einsicht  zu  gewinnen,  was  wir  von  ihnen  kaufen 

Barth'a  R«iMn    IIl.  24 


370  XHL  Kapitel 

und  was  wir  ihnen  verkaufen  könnten.  So  hätte  schon  Rala 
Challl  (Major  Denham)  die  Absicht  gehabt,  dem  Vater  'Abd 
cl  Käder^s  einen  Besuch  zu  machen,  aber  die  feindlichen 
Verhältnisse,  welche  damals  zwischen  Baghirmi  und  Bomu 
obwalteten,  hätten  ihn  an  der  Ausfuhrung  seines  Planes  ver- 
hindert und,  als  er  bis  Logone  vorgedrungen  gewesen  wäre, 
zur  Umkehr  genöthigt.  Obgleich  mich  aber  ganz  dieselben 
Beweggründe  hierher  geführt  hätten,  Beweggründe,  die  nur 
das  Beste  ihres  eigenen  Landes  zum  Zwecke  hätten,  wäre  ich 
doch  von  seinen  eigenen  Leuten  hart  behandelt  worden ;  aber 
der  Grund  davon  sei,  dass  sie  mit  meinem  wahren  Charak- 
ter nicht  hinreichend  bekannt  gewesen  wären.  Mein  dringend- 
ster Wunsch  sei  gewesen,  ihn  auf  dem  Heereszuge  zu  beglei- 
ten, um  ihn  in  seiner  vollen  Macht  kennen  zu  lernen,  aber 
seine  Leute  hätten  mir  nicht  erlaubt,  meinen  Plan  auszufüh- 
ren. Aber  darüber  könnte  ich  mich  nicht  so  sehr  beklagen, 
da  wir  schon  gewohnt  wären,  in  einem  eben  erst  betretenen 
Lande  nicht  gleich  mit  vollem  Wohlwollen  aufgenonmien  zu 
werden. 

Ich  hielt  meine  Anrede  auf  Arabisch,  während  mein  blin- 
der Freund  Ssambo  das  Gesprochene  Wort  für  Wort  in  die 
Baghirmi-Sprache  übertrug  imd  mir  auch  gelegentlich,  wenn 
er  glaubte,  dass  ich  mich  zu  starker  Ausdrücke  bediene,  einen 
Wink  gab.  Dann  ward  das  Packet,  welches  meine  Geschenke 
enthielt,  hervorgeholt  und  vor  mir  niedergelegt,  damit  ich  es 
mit  eigener  Hand  öflfnen  und  dabei  den  Gebrauch  eines  je- 
den Gegenstandes  erklären  möchte,  wobei  ich  denn  nicht  ver- 
säumte, die  Uhr  einigemal  schlagen  zu  lassen. 

Zum  Schlüsse  fügte  ich  dann  hinzu,  dass  es  nun,  nachdem 
ich  in  diesem  Lande  fast  4  Monate  lang  wie  ein  Gefangener 
zurückgehalten  worden,  mein  aufrichtiger  Wunsch  sei,  ohne 
weiteren  Aufenthalt  nach  Kükaua  zurückzukehren,  wo  ich  gar 
Manches  zu  besorgen  hätte,  während  ich  hier  für  den  Augen- 
blick von  Mitteln  gänzlich  entblösst  sei;  ich  versprach  dage- 


Weitere  Verhandlung  mit  dem  Reisenden.  371 

gen,  wenn  er  mir  volle  Sicherheit  gewähren  wollte  und  die 
Umstände  es  erlaubten,  würde  ich  entweder  selbst  oder  mein 
Gefahrte  später  einmal  in  sein  Land  zurückkehren.  Nachdem 
eine  derartige  Zusicherung  gegeben  und  meine  Rede  im  All- 
gemeinen gutgeheissen  war,  entfernte  ich  mich. 

Ich  war  kaum  in  meine  Wohnung  zurückgekehrt,  als  mir 
die  beiden  Verwandten  Maina  Belademi^s,  Mäina  Eänadl  und 
Ssabün,  einen  Besuch  abstatteten.  Sie  hatten  ein  höchst 
mysteriöses  Aussehen  und  machten  mich  nach  einigen  Um- 
schweifen mit  der  wichtigen  Botschaft  bekannt,  deren  Über- 
bringer sie  waren.  Es  war  nichts  weniger  als  die  Frage,  ob  ich 
nicht  eine  Kanone  bei  mir  hätte.  Ich  drückte  natürlich  mein 
Erstaunen  darüber  aus,  dass  sie  glauben  könnten,  ich  sei  mit 
einem  solchen  Artikel  versehen,  während  ich  mein  ganzes  Ge- 
päck auf  dem  Rücken  eines  schwachen  Eameeles  fortschafifte, 
worauf  sie  entgegneten,  dass,  wenn  ich  keine  EAnone  bei  mir 
hätte,^  der  Sultan  zu  wissen  wünsche,  ob  ich  nicht  im  Stande 
sei,  selbst  eine  solche  zu  verfertigen.  Nachdem  ich  meine 
Unfähigkeit  zu  einer  solchen  Leistung  erklärt,  entfernten  sie 
sich,  kehrten  jedoch  am  nächsten  Tage  zurück.  Sie  brach- 
ten mir  viele  Empfehlungen  von  ihrem  Herrn,  der,  wie  sie 
sagten,  dringend  wünsche,  dass  ich  von  ihm  eine  hübsche 
Sklavin  als  Geschenk  annähme,  und  auch  die  Absicht  habe, 
mir  ein  Eameel  zu  schenken  und  zwei  Reiter  zu  bewilligen, 
die  mich  nach  Bomu  zurückgeleiten  sollten.  Ich  erklärte 
ihnen,  dass  ich,  obgleich  das  Unangenehme  meiner  einsa- 
men Lage  von  mir  wohl  empfunden  werde,  doch  vom  Sultan 
weder  Sklaven  noch  Sklavinnen  annehmen  könne,  und  dass 
ich  überhaupt  nichts  sehnlicher  wünsche,  als  die  Erlaubniss 
zur  Abreise  zu  erhalten ;  jedoch  würde  ich  sehr  dankbar  sein, 
wenn  er  mir  einige  Proben  ihrer  Erzeugnisse  geben  wollte. 
Die  Boten  versprachen  mir  dann,  dass  ich  am  nächsten  Tage 
eine  zweite  Audienz  bei  ihrem  Herrn  haben  solle,  und  sie 
hielten  Wort. 

84* 


a72  Xm.  KapiteL 

Auch  diesmal  konnte  ich  dem  Fürsten  nur  meine  Huldi- 
gung darbringen ,  ohne  ihn  zu .  sehn.  Ich  wiederholte  mein 
Gesuch,  dass  er  mir  erlauben  möge,  ohne  weiteren  Aufent- 
halt abzureisen,  da  ich  dringende  (reschäfte  in  Kükaua  hätte; 
aber  ich  erhielt  zur  Antwort,  dass  der  Sultan,  obgleich  mir 
die  Strasse  offen  stehe,  als  der  mächtige  Herrscher  eines  gros- 
sen Landes  mir  nicht  erlauben  könne,  mit  leeren  Händen  ab- 
zureisen. Um  jedoch  meinem  Gesuch  möglichsten  Nachdruck 
zu  geben,  schenkte  ich  ihm  ein  kleines  Femrohr  und  unter- 
wies seine  Leute  in  dessen  Gebrauch. 

Als  ich  in  meine  Wohnung  zurückgekehrt  war,  kamen  meine 
Freunde,  um  mir  anzuzeigen,  dass  es  ihres  Herrn  Absicht  sei, 
mir  für  die  Geschenke,  die  er  von  mir  erhalten,  ein  glänzen- 
des Gegengeschenk  zu  machen;  aber  ich  versicherte  sie,  dass 
mir  nichts  so  wichtig  sei,  als  eine  schleunige  Rückkehr  nach 
Börnu,  da  ich  doch  einmal  keine  Aussicht  habe,  die  Erlaub- 
niss  zu  erhalten,  weiter  östlich  vorzudiingen.  Aber  alle  meine 
Versicherungen  waren  nutzlos,  da  die  Leute  zu  wenig  mit  dem 
Charakter  der  Europäer  bekannt  waren,  und  es  fanden  sich 
zu  viele  Personen,  die,  wenn  mir  selbst  nichts  daran  lag,  et- 
was  zu  erhalten,  dieses  doch  ihren  eigenen  Wünschen  ange- 
messener fanden.  Ich  war  also  genöthigt,  mich  in  Geduld 
und  Resignation  zu  fügen. 

Mittlerweile  erfuhr  ich,  dass  der  Fürst  im  Anfange  gefürch- 
tet habe,  ich  möchte  ihn  vergiften  oder  vermittelst  eines  Zau- 
bers tödten,  und  dass  er  wiederholt  mit  seinen  Gelehrten 
und  Rathgebem  erwogen  habe,  wie  er  sich  gegen  meine  Zau- 
berkraft schützen  solle.  Jedoch  schon  am  zweiten  Tage  nach 
meiner  ersten  Audienz  hatte  er  mir  die  Genugthuung  wider- 
fahren lassen,  den  Aufseher  des  Flusses  —  „chalifa  bä"  — 
und  dessen  Diener  —  „kaschella"  — ,  der  mich  in  Mele  in 
Ketten  gelpgt  hatte,  zu  mir  zu  schicken,  um  mich  öffentlich 
um  Verzeihung  zu  bitten.  Ich  hatte  ihm  solche  von  Herzen 
bewilligt,  da  ich  zu  wohl  einsah,  dass  der  Reisende  in  einem 


Tod  Main«  BeUdernfs.  378 

nie  zuvor  yon  Europäern  betretenen  Lande  freundliche  und 
rücksichtsvolle  Behandlung  kaum  erwarten  kann. 

Jener  in  Baghirmi  angesessene  Pullo  oder  Felläta,  der  da- 
durch, dass  er  in  den  Fährleuten  am  Grenzflusse  Furcht  und 
Argwohn  gegen  mich  erweckte,  die  Hauptursache  der  schnö- 
den Behandlung  wurde,  die  ich  erfahren  musste,  war  einige 
Zeit  vor  Ankunft  des  Sultans  von  meinem  gutmüthigen 
Freunde  Bü-Bakr  von  Bäkadä  bei  mir  eingeführt  worden,  wo 
er  denn  sehr  gegen  meinen  Wunsch  darauf  bestand,  durch 
einen  Eid  zu  betheuem,  dass  er  nichts  zu  meinem  Nachtheil 
beabsichtigt  habe.  Dies  bewerkstelligte  er  auf  eine  gar  ge- 
schickte Weise,  indem  er  schwor,  dass  er  den  Fährmann  nicht 
angeregt  habe,  mich  im  Flusse  zu  ertränken,  welches  Ver- 
brechens ich  ihn  aber  gar  nicht  geziehen  hatte.  Da  ich  je- 
doch hier  mit  Jedermann  in  gutem  Vernehmen  zu  stehn 
wünschte,  erklärte  ich  mich  befriedigt  und  entliess  ihn.  Bei 
allen  diesen  Gelegenheiten  hatte  sich  die  Aufrichtigkeit  der 
Freundschaft,  welche  Bu-Bakr  für  mich  hegte,  in  reichem 
Maasse  bewährt,  indem  er,  mit  dem  heftigen  Wesen  der 
Europäer  wohlbekannt,  nicht  aufhörte,  mich  zur  Geduld  zu 
ermahnen  —  „ssabr,  ssabr",  „känadi,  känadf '  — ^  gewiss  die 
gewichtigsten  Worte  für  den  Reisenden  in  diesem  Lande. 

Ich  hatte  die  Hoffnung  gehegt,  vor  dem  grossen  Feste 
—  ,/Ald  el  kebir",  hier  „Ngümre  ngölo"  genannt  —  (19*«^ 
Juli)  meine  Abreise  anzutreten ;  aber  es  kam  heran,  ohne  dass 
Anstalten  zu  derselben  gemacht  worden  wären.  Es  ist  hier 
landesüblich,  dass  die  Einwohner  aller  umliegenden  Ortschaf- 
ten zur  Feier  dieses  Festes  in  die  Stadt  kommen;  für  die 
Würdenträger  jedes  Ortes  ist  dies  sogar  eine  Pflicht,  durch 
deren  Verletzung  sie  in  eine  schwere  Strafe  verfallen  würden. 
Aber  diesmal  wurde  das  Fest  in  einen  Trauertag  verwandelt; 
denn  es  war  in  der  Frühe  desselben  Tages ,  wo.  M&ina  Be- 
l&deml,  allgemein  als  der  vortrefflichste  Mann  im  Lande  ver- 
ehrt, starb,  —  ein  schwerer  Verlust  für  den  Sultan  selbst, 


874  Xm.  Kapitel. 

dessen  vollkommenes  Vertrauen  er  genoss  und  dessen  Vater 
er,  als  derselbe  von  seinem  Fätscha  verfolgt  wurde,  das  Le- 
ben gerettet  hatte. 

Seinem  eigenen  Wunsche  gemäss  wurde  der  Verstorbene 
nicht  in  oder  in  der  Nähe  der  Stadt  begraben,  sondern  in 
der  mehrere  Meilen  entfernten  Ortschaft  Biddeli,  wo,  wie  ich 
bei  anderer  Gelegenheit  ausführen  werde,  der  Isslam  zuerst  in 
diesem  Lande  Wurzel  fasste  und  wo  noch  gegenwärtig  meh- 
rere hochstehende  geistliche  Würdenträger  ihren  Sitz  haben. 

Dieser  zwar  nicht  unvorhergesehene  Trauerfall  trübte  doch 
das  ganze  Fest.  Es  war  Mittag,  als  der  Sultan  den  Palast  ver- 
liess,  um  seine  Gebete  in  dem  alten  verfallenen  westlichen 
Viertel  zu  verrichten;  denn,  wie  bereits  wiederholt  bemerkt 
worden,  ist  es  eine  geheiligte  Sitte  im  ganzen  Sudan,  dass 
der  Landesherr  an  diesem  Tage  seine  Gebete  ausserhalb  der 
Stadt  verrichte.  Nachdem  der  Fürst  bis  nach  Dhohor  in 
der  alten  Weststadt,  wo  ein  Zelt  für  ihn  aufgeschlagen  war, 
verweilt  hatte,  kehrte  er  zur  Residenz  zurück;  aber  wie  der 
Tag  ungünstig  begonnen  hatte,  so  endigte  er  auch  mit  einem 
bösen  Anzeichen;  denn  am  Abend  erhob  sich  ein  so  heftiges 
Gewitter,  dass  drei  Gemächer  im  Inneren  des  Palastes  mit 
furchtbarem  Krachen  einstürzten,  was  im  ganzen  Stadtviertel 
einen  solchen  Alarm  erregte,  als  wäre  die  Stadt  von  Fein- 
desmacht mit  Sturm  eingenommen. 

Glücklicherweise  hatte  ich  selbst  hinreichende  Fürsorge  ge- 
troffen, das  Dach  meines  Hauses  dauerhafter  zu  machen,  so 
dass  es,  obgleich  die  Flur  vollständig  überfluthet  wurde,  völ- 
lig fest  blieb.  Ich  hatte  nämlich  schon  einige  Tage  vorher 
bemerkt,  dass  der  Balken,  welcher  als  Hauptstütze  der  Ter- 
rasse diente,  gebrochen  war;  nachdem  ich  nun  bei  meinem 
Wirthe  vergeblich  um  Ausbessenmg  desselben  angehalten,  liess 
ich  von  meinen  Dienern  einen  grossen  Pfahl  aus  einem  be- 
nachbarten Hofraume  wegnehmen  und  ihn  als  Stütze  auf- 
richten. 


Unfreundlichkeit  der  St&dter.  375 

Seit  des  Sultans  Rückkehr  hatte  sich  die  Regenzeit  mit 
grosser  Heftigkeit  eingestellt,  so  dass  es  fast  täglich  regnete. 
Viele  der  Eingeborenen  schlössen  daraus,  dass  es  erst  ihrem 
Fürsten  gelungen  sei,  den  von  mir  über  die  Stadt  verhängten 
Zauber  zu  lösen.  Die  offenen  Plätze  imd  weiten  unbewohn- 
ten Viertel  der  Stadt  kleideten  sich  in  Folge  des  Regens  wie- 
der in  das  frischeste,  freimdlichste  Grün  imd  der  Bedä  oder 
Bahhr  füllte  sich  mit  Wasser.  Auch  war  seit  der  Rückkehr 
des  Zuges  ein  viel  lebhafterer  Verkehr  in  der  Stadt;  ich  trieb 
mich  jedoch  nicht  so  viel  umher,  wie  vorher,  und  zwar  nicht 
sowohl  der  Nässe,  als  des  pöbelhaften  Benehmens  der  Skla- 
ven wegen;  denn  diese  Menschen,  welche  keine  andere  Klei- 
dung für  angemessen  halten,  als  ein  schwarzes  Hemd,  und 
deren  geistige  Bildung  auf  der  niedrigsten  Stufe  steht,  hiel- 
ten sich  fortwährend  über  meine  Kleidung  auf  und  standen 
überhaupt,  nur  Wenige  ausgenommen,  nicht  in  gutem  Verneh- 
men mit  mir. 

Meiner  Armuth  halber,  welche  mir  nicht  gestattete,  viel 
zu  verschenken,  ausser  Nadeln,  hatte  ich  freilich  den  Titel 
„Nadelnprinz"  —  „maläribra"  — ,  den  sie  mir  beilegten,  wohl 
verdient;  sie  hatten  mir  jedoch  noch  einen  anderen  Beinamen 
verliehen ,  welcher  so  viel  wie  „Vater  der  drei"  bedeutete  und 
daraus  entstanden  war,  dass  ich  zuweilen  ausser  Strümpfen 
dünne  Schuhe  und  darüber  starke  Überschuhe  trug,  wäh- 
rend diese  Leute  gewöhnlich  barfuss  gehn  und  nicht  ein- 
mal Sandalen  tragen,  ausser  wenn  sie  einen  sehr  entfernten 
Weg  zu  machen  haben. 

Obgleich  ich  mich  also  mehr  zu  Hause  hielt,  besuchte  ich 
doch  mitunter  den  Markt,  welcher,  wenn  auch  in  mancher  Be- 
ziehimg jetzt  besser  versehen ,  des  Regenfalles  und  der  gegen- 
wärtigen Feldarbeiten  wegen  nicht  so  regelmässig  abgehalten 
und  auch  nicht  von  so  vielen  Verkäufern  besucht  wurde,  wie 
früher.  Es  wurden  jetzt  Sklaven  zu  Markt  gebracht,  mitunter 
gegen  30,  und  zum  Preise  von  je  25— 30Cholg&n  oder  ChalSg 


I 


376  XHL  Kapitel. 

(„lebü",  gewöhnliche  weisse  Hemden),  gleich  6 — 7  Spanischen 
Thalern,  verkauft.  Auch  Vieh  war  gegenwärtig  zahlreich,  indem 
es  nicht  nur  von  den  heidnischen  Stämmen,  welche  nur  ge- 
ringe Heerden  von  kleiner  Rasse  zu  besitzen  scheinen,  ein- 
geführt, sondern  in  noch  viel  beträchtlicherer  Anzahl  den 
Schüa- Stämmen  der  Deghaghera,  angeblich  zur  Bestrafung 
ihres  Ungehorsams,  gewaltsam  weggenommen  worden  war.  Der 
Preis  eines  guten  fetten  Ochsen  betrug  8  Cholgän,  nicht  ganz 
2  Spanische  Thaler.  Während  meines  Aufenthaltes  in  Mele 
hatte  ich  bemerkt,  dass  Schaafe  aus  Baghirmi  nach  Bömu 
verführt  werden. 

In  meiner  Erwartung,  ohne  weiteren  Verzug  aufbrechen  zu 
dürfen,  fand  ich  mich  arg  getäuscht,  und  es  verstrich  ein 
Tag  nach  dem  anderen  ohne  Anstalten  zur  Abreise.  Ich  hatte 
ausserdem  Ursache,  mich  über  die  Beköstigung  zu  beklagen; 
denn  obgleich  mitunter  ein  Gericht  vom  Sultan  kam,  so 
blieben  dieselben  doch  viel  häufiger  aus;  aber  man  erklärte 
mir  auf  meine  Erkundigung,  dass  die  Sklaven,  welche  mir 
meine  Speise  zu  bringen  hätten,   dieselbe  für  sich  behielten. 

Erst  am  Isten  August  überzeugte  ich  mich,  dass  meine 
Abreise  nahe  bevorstehe,  da  die'  Sklaven  meines  Wirthes 
das  Erdreich  in  meinem  Hofraume  aufzugraben  anfingen, 
um  „deräba"  oder  „bamia"  (Hihiscus  esculentus)  zu  säen; 
denn  wenn  ich  länger  hätte  bleiben  sollen,  würde  mein 
Kameel  bald  die  Saat  zerstört  haben.  Doch  verflossen  noch 
mehrere  Tage,  ehe  endlich  Alles  zu  meiner  Entlassung  ge- 
ordnet war. 

Endlich  am  6*6»  August  ward  mir  feierlicher  Abschied  gege- 
ben ;  denn  am  Nachmittag  kam  vom  Sultan  ein  langer  Aufzug, 
geführt  von  Serma  oder  Kadamange,  Ssabün  und  Kanadi,und 
überbrachte  mir  ein  Geschenk  von  50  Hemden  jeder  Art, 
zusammen  zum  Werthe  von  etwa  30  Thalem.  Unter  diesen 
Hemden  befanden  sich  7  feinere,  welche  ich  sämmtlich  nach 
England  schickte,  mit  Ausnahme  eines  halbseidenen,  das  ich, 


BenrlAabimg  des  Reisenden.  S77 

weil  es  sehr  leicht  war,  für  meinen  eigenen  Gebrauch  zurück- 
behielt; der  Rest  bestand  in  23  besseren  weissen  .und  20  ge- 
wöhnlichen Markt -Toben. 

Indem  mir  Serma  diese  königliche  Gabe  überreichte  und 
dabei  bemerkte,  der  Sultan  bedauere,  dass  ich  nichts  Werth- 
volleres,  weder  Sklaven  noch  Elfenbein,  von  ihm  annehmen 
wolle,  gab  er  mir  nun  die  amtliche  Erklärung,  dass  es  mir 
jetzt  freistehe,  abzureisen,  wann  es  mir  beliebe,  dass  bisher 
weder  das  Volk  von  Baghirmi  mich,  noch  ich  das  Volk  von 
Baghirmi  gehörig  gekannt  habe,  dass  ich  aber,  wenn  ich 
später  zurückkehren  wollte,  Baghirmi  wie  meine  Heimath 
betrachten  könne.  Ich  liess  dem  Sultan  für  sein  Geschenk, 
sowie  für  die  Erlaubniss  zur  Abreise  meinen  Dank  abstatten, 
sagte  jedoch  den  Boten,  wenn  man  wünsche,  dass  dieses  Land 
von  mir  oder  meinem  Bruder  (Gefährten)  jemals  wieder 
besucht  werden  solle,  so  sei  es  unumgänglich  nothwendig, 
dass  uns  der  Sultan  einen  ausdrücklichen  Erlaubnissschein 
mit  seinem  königlichen  Siegel  ausstelle.  Sie  sagten  dies 
zu  und  eröflEneten  mir  femer,  dass  mich  von  Seiten  des  Sul- 
tans ein  Mann  bis  zum  Flusse  begleiten  werde,  um  mich 
gegen  fernere  Ränke  der  Fährleute,  meiner  erbitterten  Feinde, 
zu  schützen. 

Die  Freigebigkeit  des  Sultans,  wenngleich  nicht  sehr  gross, 
setzte  mich  doch  in  den  Stand,  meinen  Freunden  und  Dienern 
einige  Belohnung  zu  gewähren.  Ich  hatte  bereits  die  von  Kü- 
kaua  erhaltenen  Türkedl  unter  die  mir  am  nächsten  Stehenden 
vertheilt,  2  oder  3  ausgenommen,  für  die  ich  auf  dem  Markte 
Lebensmittel  kaufte.  Ich  vertheilte  nun  30  von  diesen  To- 
ben unter  Serma's  Leute,  meine  eigenen  Diener,  den  Ffiki 
Ssambo,  Bü-Bakr  und  meine  anderen  Freunde.  Der  arme  Hadj 
Ahmed,  der  hier  nur  mit  grosser  Noth  seinen  Lebensunter- 
halt fand,  war  äusserst  dankbar  für  mein  Geschenk  und  ver- 
richtete inbrünstige  Gebete  für  meine  glückliche  Heimkehr, 
obschon  es  ihm  viel  lieber  gewesen  wäre,  wenn  ich  ihn  auf 


I 


878  Xm.  KApiteL 

seiner  Reise  nach  Osten,  durch  Widdi  und  Dar-For,  befrei- 
tet hätte. 

Aber  obgleich  ich  bei  meiner  ersten  Ankunft  in  diesem 
Lande  ein  solches  Unternehmen  ausführen  zu  können  gehofft 
hatte,  so  hatte  ich  mich  doch  im  Laufe  meines  hiesigen 
Aufenthaltes  überzeugt,  dass  es,  abgesehen  von  meinem 
gänzlichen  Mangel  an  geeigneten  Mitteln,  unverständig  sein 
würde,  dergleichen  unter  den  gegenwärtigen  höchst  ungünsti- 
gen Umständen  zu  versuchen,  nachdem  in  Wädäi  ein  ver- 
heerender Bürgerkrieg  gewüthet  und  der  Sturm  noch  nicht 
beschwichtigt  ward;  dabei  war  meine  Stellung  in  diesem 
Lande  zu  ungewiss,  um  mir  die  Übermittelung  hinlänglicher 
Zuschüsse  behufs  Durchführung  eines  so  grossartigen  Unter- 
nehmens von  Kukaua  aus  sicher  zu  stellen.  Ausserdem  aber, 
wenn  ich  auch  recht  gut  wusste,  ein  wie  grosses  Interesse  dem 
Reiche  von  Waddi  zukommt,  sowohl  bezüglich  der  weiten 
Erstreckung  seiner  politischen  Macht,  wie  der  grossen  Man- 
nichfaltigkeit  seiner  Bevölkerungselemente,  ingleichen  wegen 
seiner  Lage  an  der  Wasserscheide  der  Becken  des  Tsäd  und 
des  Nil ,  so  blieb  mir  doch  kein  Zweifel  darüber,  dass  West- 
Sudan  am  mittleren  Laufe  des  sogenannten  Niger  ein  viel 
grossartigeres  und  ergiebigeres  Feld  für  meine  Bemühungen 
sein  würde.  Doch  war  dermalen  zur  Unternehmung  einer 
Reise  nach  Wadai  der  Umstand  einigermassen  günstig,  dass 
die  Boten  des  Sultans  (oder  vielmehr  des  Djerma  oder  Serma, 
eines  der  mächtigsten  Beamten  jenes  Landes,  welcher  die  In- 
spektion dieser  Provinz  hat)  gerade  hier  anwesend  waren,  be- 
hufs Erhebung  des  Tributes,  den  das  gegenwärtig  geschwächte 
Baghirmi  seinem  mächtigeren  Nachbar  entrichten  muss. 

Was  meinen  Freund,  den  Scherif  Slimän,  betrifft,  so  be- 
nahm er  sich  bei  dieser  Gelegenheit  sehr  anständig,  indem 
er  durchaus  keine  Hemden  annehmen  wollte  und  sich  nur 
einige  kleine  Luxusartikel,  wie  etwas  Kampher  und  eine 
Englische  Scheere,  erbat. 


Endliche  Abreise  von  Masena.  379 

Als  die  Verzögerung  meiner  Abreise  gehoben  war,  wurde 
ich  endlich  mit  der  Ursache  derselben  bekannt;  denn  am 
8ten  August  Nachmittags  erschien  mein  edler  Gefährte  Grema 
Abdü,  der  mich,  ehe  ich  noch  die  Hauptstadt  eiTcichte, 
ohne  alle  Umstände  verlassen  und  sich  überhaupt  ganz  un- 
nütz erwiesen  hatte,  und  zeigte  mir  an,  es  sei  jetzt  Alles 
für  unsere  Abreise  bereit,  indem  er  die  5  Sklaven  erhalten, 
die  er  nach  Kükaua  zu  bringen  habe,  theils  für  seine  eigene 
Rechnung,  theils  für  Rechnung  seines  Herrn,  des  Mestrema, 
welcher,  wie  schon  bemerkt,  in  der  Hauptstadt  Bornu's  un- 
gefähr die  Stellung  eines  Konsuls  einnimmt.  So  schien  es 
denn  in  der  That  nicht  länger  zweifelhaft,  dass  ich  nun 
endlich  diesen  Ort  verlassen  würde ;  denn  am  folgenden  Tage 
schickte  mir  der  Sultan  als  Abschiedsschmaus  eine  grosse 
Schüssel  Reis  und  Fleisch,  welche  in  einer  Fülle  von  Butter 
schwammen,  und  selbst  mein  karger  Wirth,  der  Serma  oder 
Kadamänge,  schickte  ein  anderes  Gericht.  Am  10t«n  August 
verliess  ich  denn  wirklich  die  Hauptstadt  von  Baghirmi,  wo 
ich  allerdings  länger  verweilt  hatte,  als  ich  wünschte,  weil 
ich  mich  nicht  frei  im  Lande  umher  bewegen  durfte,  wo  es 
mir  jedoch  gelang,  reichhaltige  wichtige  Auskunft  einzu- 
ziehen, von  welcher  dasjenige,  was  sich  auf  die  Geschichte 
und  allgemeine  Beschafifenheit  des  Landes  bezieht,  im  fol- 
genden Abschnitt  zusammengestellt  werden  soll,  in  der  Hoff- 
nung,  dadurch  das  Interesse  des  Lesers  für  diese  wenig  be- 
kannten Gegenden  anzuregen.  Dagegen  soll  das  übrige  mehr 
geographische  Material  im  Anhange  gegeben  werden. 


i 


XIV.  KAPITEL. 

Überblick  über  die  Geschichte  Ton  Baghfrmi.  —   Allgemeiner  Zustand  des 

Landes  und  seiner  Bewohner. 


Die  Hilfsquellen  bezüglich  der  Geschichte  des  östlichen 
Sudans  sind  noch  kärglicher,  als  die  geringfügigen  Urkunden 
zur  Geschichte  des  westlichen  Theiles  Nigritiens,  welche,  wie 
ich  mir  schmeichele,  durch  meine  Arbeiten  wenigstens  in 
grösserer  Ausdehnung,  als  man  vorher  auch  nur  geahnt, 
beleuchtet  worden  ist.  Aber  während  wir  für  das  König- 
reich Sonrhay  mit  den  berühmten  Städten  Gögö  und  Tim- 
buktu  im  Tarich  des  Ahmed  Bäbä  einen  fast  ununterbroche- 
nen historischen  Bericht  besitzen  und  uns  für  Bomu,  gleich- 
falls durch  die  Chroniken  jenes  Reiches  und  Imäm  Ahmed's 
Erzählung,  ein  ziemlich  reichhaltiger  Stoff  zu  Händen  ge- 
kommen ist,  sind  für  Ost -Sudan  (welches  die  Länder  Ba- 
ghirmi,  Waddi  oder  Dar-Ssuläi  und  Dar-För  begreift)  noch 
keine  solche  Urkunden  aufgefunden  worden,  und  wir  besitzen 
dafür  ausser  der  von  den  Einwohnern  selbst  einzuziehenden 
Auskunft  nur  vereinzelte  dunkele  Angaben,  welche  uns  von 
den  Arabischen  Schriftstellern  des  Mittelalters  überliefert 
worden  sind. 

Was  sich  von  diesen  Angaben  im  Allgemeinen  auf  Känem 
und  dessen  Hauptstadt  NdjTml  oder  Ndjimie  bezieht,  habe 
ich  bereits  in  meinem  historischen  Abrisse  des  Reiches 
Bomu  angeführt,  imd  in  Betreff  der  östlicheren  Länder  er- 
wähnen diese  Schriftsteller  weiter  nichts,  als  die  allgemeinen 


Quellen  zur  Gescbichte  Ost-Sudans.  881 

Namen  von  Stämmen,  wie  die  Sorhaua  imd  die  Bädjö  *),  wel- 
che von  Ebn  Said  und  auf  dessen  Gewähr  von  Äbü'l  Fedä 
als  Stammverwandte  angeführt  werden**). 

Der  einzige  Autor,  welcher  diese  östliche  Hälfte  des  Su- 
dans näher  berührt,  ist  der  gewöhnlich  unter  dem  Namen 
Leo  Africanus  bekannte  Spanische  Maure,  welcher  innerhalb 
dieser  Grenzen  ein  grosses  und  mächtiges  Königreich,  von 
ihm  Gaöga  genannt,  beschreibt.  Dieser  Name  hat,  besonders 
wegen  seiner  Ähnlichkeit  mit  dem  Namen  der  Sonrhay-Haupt- 
stadt,  welche  er  in  der  gewöhnlichen  Arabischen  Schreibweise 
anführt,  zu  vielfacher  Verwirrung  und  zahlreichen  grundlosen 
Hypothesen  Veranlassung  gegeben.  Wenn  wir  jedoch  Leo's 
Angaben,  die,  weil  sie  erst  nach  Verlauf  mehrerer  Jahre 
aus  dem  Gedächtniss  niedergeschrieben  worden,  allerdings 
höchst  unbestimmt  sind,  vergleichen,  namentlich  das,  was  er 
über  die  politischen  Verhältnisse  Gaöga's  zu  dem  Reiche 
Bomu  sagt :  so  kann  es  durchaus  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  sein  „Gaöga"  das  von  den  Bomauem  nach  seinen  Be- 
herrschern, den  Buläla,  benannte  Beich  ist.  Der  Grund, 
warum  er  es  Gaöga  nennt,  liegt  auf  der  Hand;  denn  die 
Buläla,  ursprünglich  ein  Zweig  des  fürstlichen  Hauses  von 
Känem,  geführt  von  Djil  (mit  dem  Beinamen  Schikomemi, 


*)  In  Betreff  des  Namens  B&dj5  herrscht  eine  beträchtliche  Schwierigkeit; 
denn  er  ist  gänzlich  unbekannt,  während  die  Dädjö  ein  wohlbekannter  Stamm 
sind,  welcher  im  zehnten  Jahrhundert  des  Isslam  in  Dar-För  herrschte  und 
selbst  noch  gegenwärtig  „Xäs  Faräön"  genannt  wird.  Wir  können  jedoch 
nicht  annehmen,  dass  der  Name  Badjö  ein  blosser  Schreibfehler  für  D&djS 
sei,  wenn  wir  nicht  jene  Schriftsteller  eines  sehr  ernstUchen  Irrthumes  be- 
schuldigen wollen,  da  die  Dädjö  ganz  verschiedenen  Ursprungs  tou  den  So- 
rhaua, welche  zur  grossen  Familie  der  Tdda  gehören,  zu  sein  scheinen,  wäh- 
rend der  Ursprung  der  Ersteren  in  den  Gebirgen  von  Fasoglö  zu  suchen  sein 
dürfte,  und  jene  Schriftsteller  erklären  ausdrücklich  die  B&djö  für  Stamm- 
verwandte der  Sorhäua.  DieB&djö  können  mit  den  B^dcyät  identisch  sein. — 
Über  die  Sagh&y  des  Makrisi  und  die  Ssoka  des  Masüdi  habe  ich  meine  Mei- 
nung bereits  bei  einer  früheren  Gelegenheit  ausgesprochen. 

•*)  Ebn  Said  in  Äbü'l  Fedä,  S.  1Ö8. 


383  XIV.  Kapitel. 

nach  seiner  Matter  Schikoma),  gründeten  ihr  Reich  im  (jebiete 
der  Eüka  *),  eines  Stammes,  der  in  früherer  Zeit  grosse  Macht 
besass,  indem  er  alles  Land  im  Osten  von  Baghfrmi  bis  weit 
in's  Innere  von  Dar-För  hinein  inne  hatte;  sein  Hauptsitz 
aber  war  im  Orte  Schebina  am  Bat-hä,  während  er  sich 
gegenwärtig  in  der  Gemarkung  Fittri**)  befindet 

Indem  die  Buläla  in  ihren  neuen  Wohnsitzen  den  Isslam, 
sowie  auch  das  Arabische  Alphabet  —  „warasch"  —  und 
eine  gewisse  Gresittung  einführten,  scheinen  sie  daselbst  bald 
zur  Herrschaft  gelangt  zu  sein  und  gründeten  dann  J&uö***) 
als  ihre  neue  Hauptstadt.  Wenn  wir  die  Verhältnisse  der 
Länder  im  Osten  des  Tsäd  in  diesem  Lichte  betrachten,  so 
beseitigen  wir  dadurch  alle  Schwierigkeiten,  welche  die  An- 
gaben bezüglich  Gaöga's  zu  machen  scheinen;  denn  wenn 
Leo  bemerkt,  die  Sprache  des  Landes  sei  dieselbe  wie  die 
von  Bomu,  so  bezieht  sich  dies  oflfenbar  auf  die  Sprache  des 
im  Lande  herrschenden,  aus  Bomu  gekommenen  Stammes, 
mit  dem  er  während  seines  dortigen  Aufenthaltes  in  Berüh- 
rung gekommen  war,  während  die  Buläla,  noch  gegenwärtig 
die  herrschende  Familie  in  Fittri,  jetzt  durch  Verheirathung 
und  Vermischung  mit  der  einheimischen  Bevölkerung  ihre 
eigene  Sprache  vergessen  und  die  der  Küka  angenommen  ha- 
ben. Als  Leo  seine  Beschreibung  von  Afrika  verfasste  oder 
vielmehr  den  Sudan  bereiste  —  denn  von  dem  nach  seiner 
Wiederabreise  Vorgefallenen  scheint  er  nur  unvollkommen 
unterrichtet  gewesen  zu  sein  — ,  hatten  die  Buläla  gerade 
den  Höhepunkt  ihrer  Macht  erreicht,  indem  sie  Herren  von 


*)  Die  Baghirmier  verknüpfen  noch  heutzutage  die  Buläla  sehr  eng  mit 
den  Kanori,  indem  sie  diese  „Bio**,  jene  aber  )»Blo  BulSla"  nennen. 

**)  Ich  bemerke,  dass  „Fittri"  ein  Wort  der  Küka-Sprache  ist  und  genau 
wie  „Tsad",  ,,Ssäri''  oder  „Schari"  Mos  „Fluss",  „See"  bedeutet. 

•*•)  Die  Form  „jAuö"  ist  gerade  so  gebildet,  wie  der  Name  der  gegen- 
wärtigen Hauptstadt  von  Kinem,  Mäuö,  und  wie  der  der  Hauptstadt  des  Son- 
rhay-Reiches,  G^ö,  Oauö,  Q5gö. 


Frühere  Sohioksale  Ost-Sudans.  383 

ganz  KSnem  waren,  und  mochten  also  (nachdem  sie,  wie  uns 
Makrisi  und  A'bü'l  Fedä  berichten ,  in  der  letzten  Hälfte  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  selbst  den  grossen  Stamm  der  So- 
rhaua  ihrer  Herrschaft  unterworfen  hatten)  ganz  füglich  mit 
den  Hen'schem  von  Egypten  in  vertraute  politische  Bezie- 
hungen getreten  sein,  da  schon  Makrisi  (100  Jahre  vor  Leo) 
in  Egypten  hinlänglich  Gelegenheit  fand,  die  allerjüngsten 
Nachrichten  über  das  regierende  Haus  von  Känem  und  über 
alle  wichtigen  Beziehungen  des  Landes  zu  sammeln. 

Ebenso  leicht  ist  es  zu  erklären,  warum  Leo  den  Fürsten 
von  Gaoga  einen  Moslim  nennt,  während  doch  die  einheimi- 
schen Gelehrten  ausdrücklich  behaupten,  der  Isslam  sei  nicht 
vor  dem  elften  Jahrhimdert  der  Hedjra,  dessen  Anfang  ge- 
nau mit  dem  des  siebzehnten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrech- 
nung zusammenfällt,  folglich  ein  Jahrhundert  vor  Leo's 
Reise  nach  Afrika,  in  diese  Gegenden  eingeführt  worden. 
Leo  redet  nämlich  nur  von  den  Fürsten  selbst,  deren  re- 
ligiöses Bekenntniss  wahrscheinlich  ohne  Einfluss  auf  die  ein- 
heimische Bevölkerung  blieb;  seine  Angaben  stimmen  daher 
völlig  mit  den  aus  Makrisi  zu  entnehmenden  überein;  denn 
zur  Zeit  des  letzteren  Geschichtschreibers  waren  die  Fürsten 
von  Känem  eben  die  Beherrscher  jenes  Königreiches,  das 
Leo  Gaöga  nennt,  obgleich  sie  damals  wahrscheinlich  Ndji- 
mie,  das  sie  dem  Herrscher  von  Bömu  abgenommen,  zu  ih- 
rer Hauptstadt  gemacht  hatten*). 

Dieser  scheinbare  Widerspruch  findet  noch  eine  weitere 
Erklärung  in  dem  Umstände,  dass,  bald  nachdem  Leo  diese 
Gegenden  bereist  hatte,  das  heidnische  Volk  der  Tündjur  sein 
Reich  von  Dar-För  bis  hart  an  die  Grenzen  von  Baghirmi 
ausdehnte  und  der  Verbreitung  des  Isslam  eine  starke  Schranke 
entgegensetzte.  In  Bezug  auf  den  Namen  'Omar,  welchen  Leo 


*)  über  ihre  Hauptsitze  zur  Zeit    des  Edrfos   Alaöma   8.  Anhang  II  zur 
Känem-Eeise. 


384  XIV.  KapiteL 

dem  damaligen  Könige  derBuläla  gibt,  habe  ich  bereits  an- 
derwärts meine  Meinung  ausgesprochen.  Die  Tündjur,  von 
deren  ursprünglicher  Sprache,  welche  fast  erloschen  zu  sein 
scheint,  ich  mir  keine  Proben  habe  verschaflfen  können,  sol- 
len aus  Dongola  gekommen  sein,  wo  sie  sich  von  dem  wohl- 
bekannten, ursprünglich  in  Benese  sesshaften  Egyptischen 
Stamme  der  Batalessa  abgetrennt  hatten.  Von  Dongola  aus 
vordringend,  besiegten  die  Tündjur  zuerst,  wie  es  heisst,  die 
Dadjö,  welche  damals,  wie  bereits  erwähnt  worden  ist,  Dar- 
För  beherrschten,  imd  verbreiteten  sich  im  Laufe  der  Zeit 
über  ganz  Wädai  und  einen  Theil  von  Baghirmi.  Eadama, 
ungefähr  3  Tagereisen  südwestlich  von  Wära  und  auf  halbem 
Wege  zwischen  Malam  und  Kaschemere  gelegen,  war  die 
Hauptstadt  ihres  ausgedehnten  Reiches.  In  Wädai'  behaup- 
teten sie  ihre  Herrschaft,  zufolge  der  einheimischen  Tradition, 
99  Mondjahre,  während  der  östhche  Theil  dieser  lockeren 
Reichsverknüpfung  verschiedenartiger  Völkerschaften,  wie  er 
zuerst  erobert  worden  war,  so  auch  ihnen  zuerst  entrissen 
wurde,  indem  Küro  die  Tündjur  besiegte  und  kurze  Zeit  vor 
der  allgemeinen  Einführung  des  Isslam  das  heidnische  Kö- 
nigreich Dar-För  gründete.  Dieser  Küro  war  der  dritte  Vor- 
fahr Slimän's,  des  ersten  Moslimfürsten  von  Dar-För.  Der 
mittlere  Theil  des  Tündjur -Reiches  wurde  dagegen  von  'Abd 
el  Kerim,  dem  Begründer  des  Mohammedanischen  Reiches 
Wadai,  gestürzt  (nach  der  Tradition  im  Jahre  1020  der 
Hedjra). 

Wir  unterlassen  es  jedoch,  auf  die  Geschichte  der  Könige 
von  Wadäi  hier  weiter  einzugehen,  insofern  dieselbe  mit  dem 
hier  betrachteten  Lande  nicht  näher  in  Berührung  steht*), 
und  beschränken  uns  auf  einige  Bemerkungen  bezüglich  der 
Könige  von  Baghirmi  selbst. 


*)  Einen   kurzen  Abriss    der  Oeschichte    ?on  W&däi'   findet  man  in  An- 
hang VL 


Gründung  des  Reiches  Baghirmi.  885 

Baghirmi*)  erhob  sich,  wie  es  heisst,  ans  der  Finstemiss 
des  Heidenthums ,  welche  die  östlichen  Theile  des  Sndans 
bedieckte,  erst  eine  geraume  Zeit,  nachdem  in  West -Sudan 
mächtige  Königreiche  gegründet  worden  waren,  —  einige 
Jahre  nach  der  Einfuhrung  des  Isslam  in  Wädäi.  Aber  wie 
das  Herrschergeschlecht,  welches  das  Königreich  Wadäi 
gründete,  vom  Auslande  gekommen  war,  so  scheinen  auch 
die  Gründer  von  Baghirmi  daselbst  eingewandert  zu  sein, 
und  die  Gegend,  von  der  sie  eingewandert,  scheint  wenig 
zweifelhaft,  obgleich  sie  selbst,  gleich  allen  herrschenden 
Stämmen  im  Sudan,  ihren  Ursprung  viel  lieber  von  den  Be- 
wohnern von  Yemen  herleiten  möchten.  Sie  wissen  jedoch 
recht  wohl  und  erkennen  es  auch  offen  an,  dass  die  Eingebore- 
nen von  Kenga,  Kirssua  und  Ilirla  eine  mit  ihnen  nahe  ver- 
wandte Völkerschaft  sind;  sie  wollen  aber  glauben  machen, 
dass  der  Häuptling  Dokkenge  auf  seinem  Zuge  von  Yemen 
an  jenen  Plätzen  einige  von  seinen  Genossen  als  Statthalter 
einsetzte.  Was  Hirla  betrifft,  so  erkennen  sie  dessen  An- 
sprüche auf  Ebenbürtigkeit  nicht  an,  sondern  leiten  den  Na- 
men jenes  Ortes,  sowie  das  dortige  königliche  Geschlecht, 
von  einem  Sklaven  Dokkenge's  Namens  Cherallah  ab.  Bei 
näherer  Nachfrage  gestehen  jedoch  die  Baghirmier  selbst 
ein,  dass  ihr  Ursprung  nicht  in  grösserer  Entfernung  zu 
suchen  sei,   als  zu  Kenga  oder  Kenga  Matäia**)  und  dass 


*)  So  wird  der  Naino  im  Lande  selbst  gewöhnlich  ausgesprochen ,  oft  aber 
klingt  er  wie  Bagrimmi,  und  die  Adjcktivform  ist  jedenfalls  Brfgrimma,  was 
häufig  wie  Barma  ausgesprochen  wird.     Die  Gelehrten  schreiben   ohne  Unter- 

Scheidung  ^  JK^  und  ^  /-^^  >  während  die  Bomauer  ^^^J9L^  (Begharmi) 

oder  ,  ^  «VAw^  (Bekärmi)  schreiben. 

**)  Nach  allem  hier  Bemerkten  scheint  es  sehr  zweifelhaft,  ob  die  Ibkärem 
{^  «U^^Jl) ,  von  £bn  Said  in  der  zweiten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahr- 
hunderts erwähntf  mit  diesem  Königreiche  wirklich  identificirt  werden  können ; 

Barth*«  RsiMii.    ni.  25 


386  XIY.  Kapitel 

dieser  Ort,  5  Tagereisen  östlich  von  Mäsena  und  3  lange  Tage- 
reisen südsüdöstlich  von  Jäuö  gelegen  und  durch  die  seltsame 
Form  des  dortigen  Heidenthums  ausgezeichnet,  der  ursprüng- 
liche Sitz  ihrer  Könige  war;  denn  nicht  nur  betrachten  dieBa- 
ghirmier  Kenga  mit  tiefer,  heiliger  Verehrung  als  ihren  Ur^ 
sitz,  welchen  angreifen  oder  unterwerfen  zu  wollen  unerlaubt 
sei,  sondern  sie  haben  auch  gewisse  Embleme,  welche  bei 
besonderen  Gelegenheiten  zur  Schau  gestellt  werden  und 
welche,  wie  sie  behaupten,  von  Kenga  hergebracht  sind. 
Diese  Embleme  bestehen  in  einem  sehr  langen  Speer,  wel- 
cher bei  gewissen  Gelegenheiten  vor  dem  Könige  hergetragen 
wird,  einer  kleinen  Pauke  und  einem  Bügelhorn.  Die  Sprache 
von  Kenga  ist  der  von  Baghirmi  nahe  verwandt,  obgleich 
sie  auch  einige  davon  abweichende  Bestandtheile  enthält, 
und  bilden  diese  beiden  Mundarten  mit  derjenigen  der  Küka 
zusammen  Eine  Sprache. 

Die  Auswanderer  —  um  auf  unsere  Hauptfrage  zurückzu- 
kommen —  drangen  unter  der  Leitung  ilires  Häuptlings  Dok- 
kenge,  wie  es  heisst,  auf  der  durch  die  Niederlassungen 
Hirla,  Kirssua  und  Nairomä  —  eine  Ortschaft  unfern  von 
Mäseiia,  am  Bätschikäm  —  bezeichneten  Strasse  vor. 

Als  dieser  heidnische  Fürst  vor  300  Jahren  sein  neues  Kö- 
nigreich gründete,  soll  sich  an  der  Stelle,  wo  jetzt  die  Haupt- 
stadt liegt,  nur  eine  armselige  Ansiedelung  von  Fulbe-Vieh- 
züchtem  befunden  haben,  und  der  Ort  erhielt  seinen  jetzigen 
Namen,  wie  die  Baghirmier  selbst  sagen,  von  einer  grossen 
Tamarinde  —  „ärdeb"  —  (in  der  Bagrimma-Sprachc  „mäss") 
imd  einem  Felläni-Mädchen  Namens  Ena,  das  bei  demselben 
Milch  verkaufte.  Diese  Fulbe  (oder  Felläta,  wie  sie  überall 
in  Ost -Sudan  heissen)  sollen  durch  die  jährlichen  Einfälle 


es  mag  natürlich  mehrere  Jahrhunderte  vor  der  Gründung  des  Königreiches 
einen  Stamm  dieses  Namens  gegeben  haben.  Die  erste  unzweifelhafte  Erwäh- 
nung von  Baghirmi  oder  Baghdrmi  findet  sich  in  dem  früher  mitgetheilton 
Berichte  ImSm  Ahmed's  von  EdrTss  Alaöma's  Zügen  nach  KSnem. 


Erste  Herrscher  von  Baghirmi.  387 

der  Buläa  grosse  Bedrängniss  gelitten  haben,  und  Dokkengc 
übernahm  es  nun,  sie  gegen  jene  zu  beschützen.  Mit  Ausnahme 
dieser  Felläta- Ansiedelung,  einiger  Arabischen  oder  Schüa- 
Stämme*),  welche,  wie  namentlich  die  Benl  Hassan,  schon  da- 
mals sich  im  Lande  auszubreiten  angefangen  hatten,  und 
endlich  der  Einsiedelei  eines  Felläta  -  Scheichs  oder  heiligen 
Mannes  zu  Bidderi  (einer  Ortschaft  9  Meilen  östlich  von 
Mäseiia),  der  jedoch,  so  einsam  er  auch  war,  einen  sehr 
bedeutenden  Einfluss  auf  die  Einführung  des  Isslam  in 
diese  Länder  ausübte,  —  waren  sämmtliche  Einwohner  des 
Landes,  wie  auch  der  Häuptling  Dokkenge  selbst,  Heiden. 

Li  der  Mitte  des  Landes  lagen,  sämmtlich  an  dem  kleinen, 
gewöhnlich  Bdtschikäm  genannten  Arme  des  Schäri,  vier 
kleine  Königreiche,  Matia,  Mdbberät,  Marine  und  Mere  oder 
Damre.  Nachdem  sich  Dokkenge  bei  der,  wie  gesagt,  Mä- 
sena  genannten  Stelle  festgesetzt  und  eine  kleine  Nieder- 
lassiyjg  gebildet  hatte,  soll  er  sich  diese  vier  Königreiche 
durch  List  unterworfen,  dann  auch  die  Buläla  zurückge- 
trieben und  somit  in  kurzer  Zeit  ein  beträchtliches  Gebiet 
erworben  haben.  Seine  Regierung  soll  von  langer  Dauer  ge- 
wesen, ihm  dann  sein  Bruder  Lubetko  und  diesem  Delubirni 
gefolgt  sein,  unter  dessen  Regierung  sich  das  Königreich  Ba- 
glurmi  beträchtlich  weiter  ausdehnte.  Als  Delubimi's  ältester 
Sohn,  Malö,  den  Thron  bestiegen  hatte,  fand  er  sich  bald  in 
einen  hartnäckigen  Kampf  mit  'Abd  -  Allah ,  einem  jünge- 
ren Bruder,  verwickelt,  welcher,  weil  zum  Isslam  bekehrt, 
sich  mehr  zum  Tlirone  berechtigt  glaubte.  Anfänglich  von 
Malö  geschlagen ,  soll  'Abd  -  Allah  seinen  Bruder  darauf  mit 
Hilfe  der  heidnischen  Stämme  besiegt  und  ihn  endlich  nach 
einem  mehrtägigen  blutigen  Kampfe  innerhalb  der  Stadt  des 
Lebens  beraubt  haben. 


*)  Dass  dio  Araber  sich  schon  so  frühzeitig  in  jenen  Gegenden  ausgebreitet 
haben,  ist  eine  durch  ImSm  Alimcd's  Bericht  ToUstandig  bestätigte  Thatsacho. 

25« 


388  XIV.  Kapitel. 

Nachdem  *Abd-Allah  sodann  den  Thron  bestiegen  und  seine 
Herrschaft  mit  dem  Blute  seiner  gesammten  Verwandtschaft 
befestigt  hatte,  soll  er  jedoch  die  Wohlfahrt  seines  Landes,  in 
dem  er  den  Isslam  einführte,  bedeutend  gehoben,  auch  die 
Hauptstadt  zu  ihrer  gegenwärtigen  Ausdehnung  erweitert  ha- 
ben. Der  Ajifang  seiner  Regierung  fällt  ungefähr  10  Jahre 
nach  der  Gründung  des  Reiches  Wädai  durch  'Abd  el  Kerim, 
Yäme's  Sohn,  und  auf  ihn  folgten  14  Moslim- Könige  von 
Baghirmi. 

'Abd-Allah's  erste  Nachfolger  waren  Wondja,  Lauem  und 
Bugomända,  von  welchen  Fürsten  wenig  oder  nichts  bekannt 
ist.  Hierauf  aber  folgte  eine  glorreiche  Regierung,  welche 
in  der  Geschichte  Baghirmi's  Epoche  machte  —  die  des  Kö- 
nigs Mohammed  el  Amin,  in  Folge  seiner  Wallfahrt  nach 
Mekka  auch  „el  Hadj"  genannt;  denn  dieser  Fürst  verwal- 
tete nicht  nur  die  Angelegenheiten  seines  Landes  mit  grös- 
serer Gerechtigkeit,  als  seine  Vorfahren,  und  hob  es  im.  An- 
sehen seiner  Nachbarn,  sondern  er  erweiterte  auch  beträcht- 
lich dessen  Gebiet  und  Machtstellung,  indem  er  einerseits 
das  vormals  zu  Känem  gehörige,  damals  aber  unabhängige 
Reich  Babäliä  unterwarf  und  dessen  König  Kdbdu  tödtete, 
andererseits  in  entgegengesetzter  Richtung  seine  Eroberungen 
bis  nach  Gogomi,  einer  starken  und  unzugänglichen  Nie- 
derlassung 7  oder  8  Tagereisen  südöstlich  von  der  Haupt- 
stadt, ausdehnte,  derselben  Feste,  welche  während  meines  hie- 
sigen Aufenthaltes  vom  gegenwärtigen  Sultan  zum  zweiten 
Male  erobert  wurde,  was  als  eine  wahre  Grossthat  galt. 
Auch  wird  es  den  Bemühungen  Mohammed  el  Amin's  zuge- 
schrieben, dass  nun  die  Mehrheit  seiner  Unterthanen  sich 
zum  Isslam  bekannte. 

Diesem  ruhmwürdigen  Fürsten  folgte  sein  Sohn  'Abd  e'  Rah- 

•  man,  dessen  Todesjahr  mit  annähernder  Gewissheit  bestimmt 

werden  kann,  indem  diese  Begebenheit  mit  der  Geschichte 

der  Nachbarländer  in  Verbindung  steht;  denn  weil  er  sich 


Kampf  Bagbirmrs  gegen  Wädd'i.  389 

gegen  die,  wie  es  scheint,  während  Ldueni's  Regierung  ein- 
gesetzte Oberherrlichkeit  Börnu's  aufgelehnt  hatte,  wurde 
vom  Scheich  ^Mohammed  el  Känemi  der  Beistand  des  'Abd 
el  Kerim  Ssabün,  Sultans  von  Wädai,  welcher  im  Jahre  1815 
starb,  gegen  ihn  nachgesucht.  Der  leichte  Sieg,  welchen 
der  kraftvolle  und  rücksichtslose  Herrscher  von  Wädäi,  der  das 
ihm  gemachte  Anerbieten  begierig  ergrifif,  über  das  Baghirmi- 
Vülk  davontrug,  wird  den  Folgen  einer  verheerenden  Pest, 
welche  den  grösseren  Theil  der  erwachsenen  Bevölkerung 
des  Landes  hinweggerafift  hatte,  zugeschrieben,  sowie  dem 
Umstände,  dass  der  Befehlshaber  des  Heeres  —  „fdtscha"  — ^ 
gegen  seinen  Landesherm  feindlich  gesinnt,  mit  seiner  gesamm- 
ten  Abtheilung  die  Flucht  ergriff  und  ihn  in  der  Schlacht  im 
Stiche  liess.  Ssabün  tödtete  'Abd  e'  Rahmän  sammt  dessen 
vornehmster  Gattin  —  „ghümssu"  — ,  schleppte  einen  gros- 
sen Theil  der  Bevölkerung,  ingleichen  sämmtliche  wäh- 
rend der  blühenden  Machtverhältnisse  Baghirmi's  gesammelte 
Schätze  hinweg  und  beschenkte  Mallem  Ngarmäba  Beri,  *Abd 
e'  Rahmän's  jüngeren  Sohn,  mit  dem  Königstitel.  Als  aber 
Ssabün  das  Land  wieder  verlassen  hatte,  kehrte  'Othman, 
'Abd  e'  Rahmän's  ältester  Sohn,  mit  dem  Bei-  oder  Schimpf- 
namen Bügomän,  welcher,  während  der  König  von  Wädai 
das  Land  verheerte,  jenseits  des  Schäri  in  der  Stadt  Bügo- 
män (demselben  Orte,  dessen  Statthalter  mich  nicht  aufneh- 
men wollte)  Zuflucht  gefunden  hatte,  alsbald  zurück,  besiegte 
seinen  jüngeren  Bruder,  blendete  ihn  und  bestieg  dann 
den  Thron. 

Als  der  König  von  Wddäi  diese  ungünstige  Nachricht  er- 
hielt, kehrte  er  abermals  nach  Baghirmi  zurück,  schlug 'Oth- 
män  in  der  Schlacht  bei  Moitö,  trieb  ihn  aus  dem  Lande 
und  setzte  dessen  Bruder  auf  den  Thron.  Sowie  aber  Ssa- 
bün den  Rücken  gewandt,  erschien  auch'Othmän  wieder,  er- 
tränkte seinen  Bruder  im  Flusse  und  bemächtigte  sich  aber- 
mals der  Herrschaft.    Es  war  ihm  jedoch  nicht  vergönnt, 


390  XIV.  Kapitel. 

sich  seiner  Beute  lange  in  Ruhe  zu  erfreuen;  denn  indem 
sich  zwischen  ihm  und  Rueli,  seinem  Fdtscha  (demselben,  der 
sich  auch  gegen  seinen  Vater  so  feindselig  bewiesen),  ein  Zwist 
erhob,  wurde  von  diesem  Manne,  der  durch  persönliche  Eigen- 
schaften die  seinem  Amte  innewohnende  Macht  ungemein 
erhöht  und  sich  die  Unterstützung  einer  2ahlreichen  Partei 
erworben  hatte,  der  Sultan  der  Herrschaft  entsetzt  und 
des  Landes  verwiesen  und  dessen  jüngerer  Bruder,  el  Hadj, 
den  wir  zur  Unterscheidung  von  einem  früheren  Sultan 
dieses  Namens  Hadj  den  Zweiten  nennen  wollen,  mit  der 
Landesherrlichkeit  bekleidet.  'Othmän  flüchtete  sich  von 
Bügomän,  seinem  gewöhnlichen  Zufluchtsort,  weiter  nach 
Gulfe,  der  Kotokö-Stadt  an  der  westlichen  Seite  des  Schäri, 
wo  er  ein  Heer  versammelte,  aber  vom  Fätscha  angegriflfen 
und  besiegt  wurde.  Er  flehte  jetzt  den  Scheich  el  Känemi 
um  Beistand  an  und  brachte  auch  mit  Hilfe  der  Schüa  von 
Bomu  ein  neues  Heer  zusammen,  mit  dem  er  abermals 
zurückkehrte,  aber  in  der  Schlacht  bei  Schäul  wiederum  be- 
siegt wurde. 

Durch  List  über  den  Fluss  entkommen,  suchte  er  jetzt 
Zuflucht  bei'Amanük,  dem  aus  Major  Denham's  Abenteuern 
wohlbekannten  mächtigen  Häuptlinge  der  Däghana- Schüa; 
allein  es  blieb  ihm  kein  anderer  Ausweg,  um  den  Verfolgun- 
gen seines  Gegners  zu  entgehen,  als  sich  in  die  Arme  seines 
alten  Feindes,  des  Königs  von  Wadai,  zu  stürzen,  wo  er  denn 
Beistand  erhielt,  jedoch  unter  der  Bedingung,  welche  er  auf 
den  Kuran  eidlich  zu  beschwören  hatte,  dass  er  und  seine 
Nachkommen  dem  Fürsten  von  Wadäi  einen  beträchtlichen 
Tribut  zahlen  sollten.  Dieser  alle  3  Jahre  zu  entrichtende 
Tribut  besteht  in  100  gewöhnlichen  Sklaven,  30  schönen 
Sklavinnen,  100  Pferden  und  1000  Hemden  —  „cholgän"  — 
(auf  Wadai  „derketü"  genannt),  ausserdem  in  10  Sklavinnen, 
4  Pferden  und  40  Hemden  für  den  Serma  oder  Djerma ,  den 
Oberaufseher  dieser  Provinz. 


Unterwerfung  des  Landes  unter  Wäddi.  391 

Nachdem  *" Othmän  durch  diese  Vereinbarung,  welche  Ba- 
gh'rmi  ebenso  sehr  zur  tributären  Provinz  von  Wädai  machte, 
wie  dasselbe  früher  in  Bezug  auf  Bomu  der  Fall  gewesen 
war,  Beistand  erhalten,  kehrte  er  in  sein  Heimathsland  zu- 
rück, wo  er  seinen  mächtigen  Widersacher,  den  endlich  sein 
Waffenglück  verliess,  besiegte,  indem  derselbe  bei  Kökotsche 
am  Batschikäm  und  bei  Xssü  am  Schäri  entscheidende  Nie- 
derlagen erlitt.  Der  Fätscha,  der  in  Logon  birni  Zuflucht 
gesucht  und  gefunden  halte,  lieferte  dem  'Othmän  zwar  noch 
eine  Schlacht  bei  einer  Ortschaft  Namens  Dindor,  wo  dessen 
Hilfsvolk  aus  Wadäi  in  grosser  Anzahl  geblieben  sein  soll; 
allein  die  Logoner  fürchteten,  Rueli  werde  den  Kampf  nicht 
durchzuführen  vermögen  und  sie  würden  für  den  ihm  gewähr- 
ten Schutz  zu  büssen  haben.  Um  dem  zuvorzukommen,  hielten 
sie  es  daher  für  geeigneter,  ihn  seinem  Feinde  zu  überliefern, 
was  sie  auch  durch  List  bewerkstelligten.  Der  ehrgeizige 
Mann  soll  dann  in  Wädai  gestorben  sein,  indem  ihn  'Othmäa 
an  Ssabün  auslieferte. 

Der  unstäte  Fürst  von  Baghirmi  erlangte  einige  Ruhe,  so 
lange  Ssabün  lebte ;  Yüssuf  aber,  dessen  Nachfolger,  war  mit 
ihm  unzufrieden  und  stellte  daher  einen  anderen  Prätenden- 
ten Namens  Djarinüme  auf.  Kaum  hatte  aber  'Othmän  die- 
sen Feind  überwunden,  was  er  ohne  grosse  Mühe  that,  so 
sah  er  sich  bereits  wieder  in  einem  anderen  Theile  des  Lan- 
des zimi  Kampfe  genöthigt  Mohanmied  el  Känemi,  Scheich 
von  Bomu,  hatte  ihn  nämlich  bei  der  Wiederbesteigung  des 
Thrones  blos  zu  dem  Behufe  unterstützt,  die  alte  Oberherr- 
lichkeit Bomu's  über  Baghirmi  wieder  herzustellen,  und  da 
er  nun  fand,  dass  er  seinen  Zweck  nicht  erreicht  hatte,  fing 
er  offene  Feindseligkeiten  mit  ihm  an,  welche  einen  Kampf 
veranlassten,  der  eine  Reihe  von  Jahren  mit  gleichem  Erfolge 
auf  beiden  Seiten  fortgeführt  wurde,  jedoch  kein  weiteres  Er- 
gebniss  hatte,  als  die  Verheerung  der  beiderseitigen  Grenz- 
gemarkungen.   Der  Scheich  von  Bomu,  damals  in  anderwei- 


I 


892  XIV.  Kapitel. 

tige  Schwierigkeiten  verwickelt,  sah  ein,  dass  er  allein  Ba- 
ghirmi  nicht  werde  bewältigen  können,  und  soll  daher  \ei 
Yüssuf,  Baschä  von  Tripoli,  um  Hilfe  nachgesucht  haben,  der 
ihm  denn  im  Jahre  1818  Müsstafä  el  A'hmar,  damals  Sultan 
von  Fesän,  nebst  Muckeni  und  dem  Scheich  el  Barüd  zur  Hilfe 
sandte,  welche  Baghirmi's  ganzen  nordwestlichen  Theil  ver- 
heerten, die  dortigen  wichtigsten  Plätze,  Babaliä  und  Gäui, 
zerstörten  und  eine  grosse  Anzahl  von  Sklaven  davon  führten, 
unter  denen  sich  auch  Agld  Müssa  befand,  einer  meiner  haupt- 
sächlichsten Berichterstatter  über  Baghirmi. 

Dies  trug  sich  um  die  Zeit  von  Capt.  Lyon's  Reiseunter- 
nehmung zu.  Später  kehrte  Muckeni  noch  einmal  zurück,  mit 
*Abd  el  Djelil,  dem  berühmten  Häuptlinge  der  üeläd  Slimän, 
welcher  bereits  den  früheren  Zug  in  untergeordneter  Stellung 
mitgemacht  hatte.  Da  aber  Muckeni  mit  diesem  ausgezeich- 
neten Anführer  in  Zwist  gerieth,  weil  Letzterer  seinem  Plane, 
in  Bomu  einzufallen,  nicht  beitreten  wollte,  so  kehrte  er 
selbst  nach  Hause  zurück  und  sandte  an  seiner  Statt  den 
Hadj  Ibrahim,  welcher  die  Stadt  Moitö  plünderte  und  brand- 
schatzte und  ihre  Einwohner  in  die  Sklaverei  führte,  wäh- 
rend 'Abd  el  Djelil  in  Känem  dasselbe  that.  Sodann  folgte 
im  Jahre  1824  die  zweite  Schlacht  von  Ngäla,  von  welcher 
Major  Denham  in  seinem  Reisewerke  eine  Beschreibung  ge- 
geben hat.  Ungeachtet  seines  theilweisen  Erfolges  war  der 
Scheich  von  Bömu  dennoch  nicht  im  Stande,  die  Baghirmier 
gänzUch  zu  unterwerfen ;  denn  obgleich  nicht  so  zahlreich  und 
nicht  im  Besitz  einer  so  vortrefflichen  Reiterei  wie  ihre  Nach- 
barn, waren  sie  den  Letzteren  doch  an  persönlicher  Tapfer- 
keit weit  überlegen. 

Während  'Othmän's  unruhiger  Regierung  ward  Baghirmi 
auch  noch  von  einer  anderen  Seite  bedroht,  nämlich  von  den 
Fulbe  oder  Felläta,  welche,  dem  dunkeln  Drange  einer  fort- 
währenden Vergrösserung  ihres  Gebietes  und  ihrer  Macht 
folgend,  vor  30  Jahren  auch  einen  Einfall  in  Baghirmi  mach- 


Jetzige  Lage  des  Landes.  393 

ten;  allein  sie  wurden  zurückgeschlagen  und  die  Baghirmier 
rächten  sich  durch  einen  erfolgreichen  Zug  gegen  Bögo,  einen 
der  bedeutendsten  Plätze  derFulbe,  östlich  von  Wändala  oder 
Mändara  gelegen,  den  ich  bei  der  Reise  nach  Adamaua  und 
dem  Mussgu-Zuge  erwähnt  habe.  Während  das  Land  von 
diesen  ununterbrochenen  äusseren  und  inneren  Fehden  schwer 
litt,  scheint 'Othmän  einen  Versuch  gemacht  zu  haben,  sich 
mit  Känem  in  Verbindung  zu  setzen,  wahrscheinlich  um  eine 
Verkehrsstrasse  nach  der  Küste  durch  Vermittelung  der  Ueläd 
Slimän  —  hier  „Minne-minne"  genannt  —  zu  eröfifnen,  welche 
durch  einen  plötzlichen  Wechsel  der  Dinge  genöthigt  worden 
waren,  in  denselben  Grenzgemarkungen  vom  Sudan  ein  Un- 
terkommen zu  suchen,  mit  welchen  ihr  Häuptling  'Abd  el  Dje- 
lil  im  Verlaufe  seiner  Sklavenjagden  bekannt  geworden  war. 

'Othmän  Bügomän  scheint,  im  Ganzen  genommen,  ein  ge- 
waltthätiger  Despot  gewesen  zu  sein,  der  keinen  Anstand  nahm, 
Fremde  so  gut  wie  seine  eigenen  Unterthanen  zu  plündern;  ja, 
er  achtete  so  wenig  irgend  ein  Gesetz,  mochte  es  menschlichen 
oder  göttlichen  Ursprungs  sein,  dass  er  glaubwürdigen  Behaup- 
tungen nach  seine  eigene  Tochter  heirathete  *).  Er  scheint  aber 
ein  kraftvoller  Mann  und  mitunter  selbst  edelmüthig  und  frei- 
gebig gewesen  zu  sein.  Er  starb  im  letzten  Monat  des  Jahres 
1260  d.  H.  oder  gegen  Ende  des  Jahres  1844  unserer  Zeitrech- 
nung, und  ihm  folgte  sein  ältester  Sohn,  'Abd  el  Kader,  der 
gegenwärtige  Herrscher  von  Baghirmi,  der  mit  seinem  Vater 
fast  während  dessen  ganzen  Lebens  auf  keinem  freundli- 
chen Fusse  gestanden  und  desshalb  eine  Reihe  von  Jahren  in 
Güiin,  der  damaligen  Hauptstadt  von  Adamaua,  zugebracht 
hatte. 

'Abd  el  Kader  entging  mit  genauer  Noth  einer  grossen  Ge- 
fahr, welche  gleich  im  ersten  Monat  seiner  Regierung  über 


*)  Nach  Anderen  heirathete  er  auch  seine  Schwester.     Wie  es  scheint,  be- 
schuldigte man  seinen  Vater  ähnlicher  Verbrechen. 


394  XIV.  Kapitel. 

ihn  hereinbrach,  indem  Mohammed  Ssäleh,  der  Herrscher  von 
Wadäi,  mit  einem  Heere  gegen  ihn  heranzog,  so  dass  'Abd 
el  Kader  aus  seiner  Hauptstadt  flüchtete  und  sich  mit  Volk 
und  Schätzen  nach  Mdnchfa  zurückzog,  wo  er  sich  in  einer 
starken  Stellung  hinter  dem  Flusse  und  mit  den  Booten  auf 
den  Flügeln  zur  Schlacht  rüstete.  Als  aber  der  Sultan  von 
Wddäi  die  Stärke  seiner  Stellung  sah,  liess  er  ihm  kundthun, 
er  wolle  ihm  nichts  zu  Leide  thun,  so  lange  er  die  durch 
den  Eid  seines  Vaters  gelobte  Unterwürfigkeit  beobachte; 
wirklich  scheint  er  auch  den  Baghf rmiem  weiter  keinen  Scha- 
den zugefügt  zu  haben,  als  dass  er  sie  ihrer  Kleidung,  des 
gewöhnlichen  schwarzen  Hemdes,  beraubte,  auf  welches  die 
Einwohner  von  Wdddi  sehr  nei(fisch  sind,  da  ihnen  selbst  die 
Färbekunst  nicht  bekannt  ist. 

Nachdem  diese  Gefahr  vorüber  war,  hielt  es  'Abd  el  Kader, 
der  mir  von  Allen,  die  mit  ihm  näher  bekannt  zu  werden  Ge- 
legenheit hatten,  als  ein  Mann  von  gesundem  Verstände  und 
grosser  Gerechtigkeitsliebe  geschildert  ward,  obgleich  er  nicht 
eben  sehr  freigebig  sein  mag,  für  das  Geeignetste,  auch  mit 
seinen  westlichen  Nachbarn,  den  Kanöri,  freundschaftliche  Be- 
ziehungen aufrecht  zu  erhalten.  Erleichtert  ward  dies  dem 
Herrn  von  Baghlrmi  durch  den  Umstand,  dass  seine  Mutter 
die  Tante  des  Scheich  'Omar  ist.  Die  Baghirmier  wenigstens 
behaupten,  dass  ihr  Fürst  mehr  in  Folge  dieses  verwandt- 
schaftlichen Verhältnisses,  als  aus  Furcht  oder  im  Gefühl  sei- 
ner Schwäche  in  die  Entrichtung  des  Tributes,  welcher  in 
100  Sklaven  jährlich  besteht,  gewilligt  habe. 

Nachdem  er  auf  solche  Weise  den  Frieden  mit  seinen  bei- 
den Nachbarn  hergestellt,  hat  es  sich  'Abd  el  Kader  beson- 
ders angelegen  sein  lassen,  sein  Gebiet  nach  jener  Seite,  die 
ihm  allein  offen  blieb,  nämlich  nach  der  Südseite  oder  den 
Heidenländem  hin,  auszudehnen  und  seine  Macht  zu  vergrös- 
sern,  und  er  hat  dies  auch,  jedes  Jahr  mehrere  Monate  im 
Felde  zubringend,  mit  Erfolg  gethan.    Er  hat  eine  grosse  An- 


Natürliche  Vorzüge  von  Bagliirmi.  395 

zahl  heidnischer  Häuptlinge  unterjocht,  von  denen  er  einen  be- 
stimmten alljährlichen  Tribut  erhebt,  —  eine  Anordnung,  die 
bisher  fast  unbekannt  gewesen  sein  soll.  Dieser  Tribut  besteht 
natürlich  fast  ausschliesslich  aus  Sklaven,  welche  sich  die  heid- 
nischen Häuptlinge  nur  durch  Befehdung  ihrer  Nachbarn  ver- 
schaffen können.  In  Sklaven  besteht  daher  fast  ausschliesslich 
der  Reichthum  des  Sultans;  er  kann  sich  aber  durch  dieses 
Mittel  seine  dringendsten  Bedürfnisse,  nämlich  Pferde  und 
Feuerwaffen,  sowie  auch  einige  Luxusartikel  verschaffen. 

Nur  mit  starkem,  obwohl  unterdrücktem  Unwillen  ertragen 
die  Baghlrmier  die  Abhängigkeit,  in  welcher  sie  zu  ihren  bei- 
derseitigen Nachbarn  stehn,  und  es  unterliegt  keinem  Zwei- 
fel, dass  sie,  wenn  es  irgendwie  die  Umstände  erlauben,  die 
erste  Gelegenheit  ergreifen  werden,  ihr  Joch  abzuwerfen,  ob- 
wohl der  an  Wddäi  zu  entrichtende  Tribut  schwer  auf  ihnen 
lastet  und  jede  Sammlung  ihrer  Kräfte  erschwert. 

Die  mittlere  Lage  Baghirmi's  ist  freilich  dessen  staatlicher 
Unabhängigkeit  nicht  sehr  günstig;  das  Land  besitzt  jedoch 
den  grossen  Vortheil  eines  mächtigen  westlichen  Grenzflusses, 
welcher  nicht  nur  eine  natürliche  Schutzwehr  gegen  den  west- 
lichen Nachbar  bildet,  sondern  auch,  da  sich  Bagliirmi  an 
mehreren  Stellen  über  denFluss  hinüber  nach  Westen  erstreckt, 
ein  sicheres  Vertheidigungsmittel  gegen  Angriffe  des  mächtigen 
östlichen  Königreiches  gewähren  kann  und  bereits  wiederholt 
gewährt  hat. 

Dies  ist  fast  der  einzige  Nutzen,  welchen  das  Land  von 
der  grossen,  ihm  von  der  Natur  verliehenen  Gabe  hat*),  einem 
in  allen  Jahreszeiten  schiffbaren  Flusse,  welcher  das  halbe 
Gebiet  des  Landes  umzieht  und  mitten  durch  dasselbe  einen 
Arm  sendet,  den  Batschikäm,  der  während  des  grössten  Theiles 
des  Jahres  schiffbar  ist  und  leicht  zu  jeder  Jahreszeit  für  kiei- 


*)  Die  Boote  der  Kalcäma,  der  südlichen  Insulaner  des  TsSd,  bringen  je- 
doch mitunter  Getreide  bis  BügomSn. 


I 


396  XIV.  Kapitel. 

nere  Fahrzeuge  schiffbar  gemacht  werden  könnte.  Dieser  AnD| 
welcher  sich  der  Hauptstadt  bis  auf  9  oder  10  Meilen  nähert, 
macht  einen  ITieil  der  südlichen  Gemarkungen  zur  Insel. 

Der  grosse  Missstand,  unter  dem  Baghirmi  leidet,  ist,  dass 
es  ihm  an  einer  geraden  Karawanenstrasse  nach  der  Nord- 
küste fehlt,  und  dass  es  folglich  bezüglich  seines  Bedarfes 
an  Europäischen  und  Arabischen  Erzeugnissen  von  der  be- 
schränkten Zufuhr  auf  dem  weiten  Umwege  durch  Wädäi 
oder  Bomu  abhängt,  wodurch  der  Preis  der  Waaren  bedeu- 
tend erhöht  und  der  Verkehr  bei  Feindseligkeiten  mit  diesen 
Ländern  gänzlich  unterbrochen  wird.  Dies  war  auch  die  Ur- 
sache, warum  das  Königreich  der  Buläla  (Leo's  Gaöga)  sich 
zu  solcher  gewaltigen  Macht  erhob,  nachdem  es  in  den  Besitz 
von  Känem  gekommen  war.  In  früherer  Zeit,  als  das  König- 
reich Bomu  augenscheinlich  vom  Gipfelpunkte  seiner  Macht 
schon  herabzusteigen  angefangen  hatte  und  dort  auf  die  rege 
Laufbahn  thatkräftiger  und  unternehmender  Herrscher  die 
schwache  Regierung  frommer,  aber  saumseliger  Fürsten  ge- 
folgt war,  scheinen  sich  die  Baghirmier  in  dieser  Beziehung 
ohne  viele  Umständlichkeit  selbst  mit  ihrem  Bedarf  versorgt 
zu  haben,  indem  sie  fortwährend  Raubzüge  auf  der  Kara- 
wanenstrasse von  Fesän  nach  Bornu  ausführten  und  Eigen- 
thum,  selbst  Silber,  von  grossem  Betrage  erbeuteten,  —  aus 
welcher  Quelle  der  von  'Abd  el  Kerim  Ssabün,  dem  König 
von  Wadä'i,  in  Mäsena  vorgefundene  Schatz  entsprungen  sein 
soll.  In  anderer  Richtung  erstreckten  sich  früher  ihre  Raub- 
züge bis  in's  Batta-  und  Marghi-Land.  — 

Werfen  wir  nun  einen  übersichtlichen  Blick  auf  das  Land, 
so  finden  wir,  dass  es  in  seinem  gegenwärtigen  politischen 
Bestand  von  gar  engen  Grenzen  umschlossen  wird,  indem  es 
sich  in  seiner  grössten  Länge  nordsüdlich  nur  etwa  240  und 
in  seiner  grössten  Breite  gegen  150  Meilen  erstreckt.  Ein 
so  kleines  Königreich  würde  durchaus  nicht  im  Stande  sein, 
sich  gegen  seine  beiden  mächtigen  Nachbarn  zu  behaupten, 


Die  Landschaft  südlich  von  Baghirmi.  897 

wenn  ihm  nicht  in  den  heidnischen  Ländern  im  Süden  so 
unversiegbare  Hilfsquellen  zu  Gebote  ständen. 

Das  ganze  Land,  so  weit  es  das  eigentliche  Baghirmi  bil- 
det, besteht  aus  einer  flachen  Ebene  mit  einer  unmerklichen 
Abdachung  nacji  Norden  und  einer  Erhebung  über  das  Mee- 
resniveau von  ungefähr  950  Fuss ;  nur  im  nördlichsten  Theile 
des  Landes,  nördlich  von  einer  durch  Moitö  gezogenen  Li- 
nie, gibt  es  einzelne  Hügel  oder  Berge,  welche  die  Wasser- 
scheide zwischen  dem  Becken  des  Fittri  und  demjenigen  des 
Tsäd  bilden  (diese  beiden  Becken  stehen  mit  einander  in 
keinerlei  Verbindung).  Während  aber  Baghirmi  eine  Ebene 
ist,  scheinen  die  aussen  liegenden  südöstlichen  Gemarkungen 
gar  gebirgig  zu  sein,  mid  einige  dortige  Gebirge,  besonders 
die  Gruppe  Gere,  scheinen  eine  solche  Höhe  zu  erreichen, 
dass  die  Kälte  daselbst  sehr  empfindlich  fühlbar  wird  und 
während  der  kälteren  Monate  mitunter  Hagel  oder  Schnee 
fällt.  Aus  den  Mittheilungen  der  Eingeborenen,  besonders 
wenn  man  die  von  Belel  Kole  gegebene  Beschreibung  berück- 
sichtigt, dürfte  man  schliessen,  dass  es  in  jener  Richtung 
einige  Vulkane  gibt.  Im  Süden  muss  es  ebenfalls  beträcht- 
liche Gebirge  geben,  wo  die  drei  Flüsse  Benue,  Schäri  und 
der  Fluss  von  Logone  und  wahrscheinlich  noch  mehrere  an- 
dere entspringen ;  aber  sie  müssen  in  grosser  Entfernung,  weit 
jenseits  des  Bereiches  der  mir  zugekommenen  Nachrichten, 
liegen.  Ich  bin  jedoch  davon  überzeugt,  dass  in  diesem 
Theile  des  Kontinentes  an  keinen  ewigen  Schnee  oder  auch 
nur  an  einen  solchen  zu  denken  ist,  der  geraume  Zeit  lie- 
gen bliebe;  auch  ist  durchaus  keine  Nothwendigkeit  für  eine 
solche  Annahme  vorhanden,  da  der  Regenfall  am  Äquator 
vollkommen  hinreicht,  um  zahlreiche  unversiegbare  Quellen 
zu  speisen  und  die  jährlichen  ungeheueren  Flussanschwellun- 
gen zu  verursachen,  welche  die  Uferlandschaftea  auf  so  er- 
staunliche Weise  überschwemmen.  Damit  fällt  es  mii*  jedoch 
keineswegs  ein,  das  Dasein  von  Schnee  in  den  Äquatorial- 


398  XIV.  Kapitel. 

landschaften  Afrika's  überhaupt  zu  leugnen;  denn  in  Damot, 
Ssämen,  Kaffa  und  anderen  umliegenden  Ländern  gibt  es 
entschieden  manche  Berghöhen,  wo  sich  eine  geringe  Menge 
Schnee's  einen  Theil  des  Jahres  über  hält,  und  ich  sehe 
keinen  Ginind,  warum  das  nicht  auch  mit  anderen,  süd- 
licher, imfern  der  Ostküste  gelegenen  Berghöhen  der  Fall 
sein  sollte;  aber  darüber  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  das  An- 
schwellen der  Fliisse  in  diesen  Gegenden  nichts  mit  dem 
Schmelzen  grosser,  auf  Berghöhen  angesammelter  Schnee- 
massen zu  thun  hat.  Die  Schwellzeit  scheint  bei  den  er- 
wähnten drei  Flüssen  genau  zusammenzufallen,  aber  die  reis- 
sendste  Strömung  scheint  der  Fluss  von  Logone  zu  haben. 

Der  Boden  Baghirmi's  besteht  theils  aus  Kalk  —  „a&e"  — , 
theils  aus  Sand  —  „ssinaka"  —  und  bringt  demgemäss  ent- 
weder Negerhirse  —  „tschengo"  —  (Penmsetum)  oder  Sor- 
ghum —  „wä"  —  hervor;  diese  zwei  Getreidcarten  bilden 
mit  ihren  verschiedenen  Abarten  das  Hauptnahiningsmittel 
der  Einwohner  von  Baghirmi,  sowie  von  fast  ganz  Sudan. 
Ausserdem  wird  beträchtlich  viel  Sesam  —  „karru"  —  ge- 
baut, welcher  Betrieb  diesem  Lande,  wie  auch  mehreren  heid- 
nischen Ländern,  wo  diese  Sämerei  bei  vielen  Stämmen  den 
hauptsächlichsten  Theil  der  Nahrung  zu  bilden  scheint,  ein 
ganz  eigenthümliches  Ansehen  gibt.  In  anderen  Gemarkun- 
gen Baghirmi's  sind  Bohnen  —  „mongo"  —  die  vorherr- 
schende Speise;  aber  Erdmandeln  —  „büli"  —  scheinen  nur 
in  beschränkterem  Maasse  gebaut  zu  werden. 

Waizen  wii'd,  mit  Ausnahme  einer  kleinen  Stelle  innerhalb 
der  Stadt  für  den  Privatgebrauch  des  Sultans,  gar  nicht  ge- 
baut. Auch  Reis  wird  nicht  gezogen,  aber  nach  dem  Re- 
gen in  der  Waldung,  wo  er  in  Sümpfen  und  zeitweiligen 
Lachen  wild  wächst,  in  grosser  Menge  gelesen  (in  der  That 
bildet  eine  gute  Schüssel  Reis  mit  einem  tüchtigen  Stück 
Butter  und  Fleisch  eines  der  wenigen  guten  Gerichte,  die 
mir  in  Baghirmi  vorgekommen  sind).    Ein  anderes  sehr  viel 


Die  Nahrongsmittel  des  Landes.  399 

benutztes  Nahrungsmittel  gewähren  verschiedene  Arten  eines 
Grases,  einer  Poa^  die,  wie  ich  glaube,  mit  der  Poa  Abyssi- 
nica  identisch  ist  und  hier  von  den  schwarzen  Eingeborenen 
„tschenna",  von  den  eingeborenen  Arabern  (den  Schüa)  „kreb" 
genannt  wird;  die  in  Baghirmi  gewöhnliche  Art  wird  „djö- 
djö"  genannt  und  nicht  nur  von  den  Armen,  sondern  auch 
von  den  Reichen  als  Speise  benutzt.  Hierüber  vermag  ich 
selbst  vollkommen  aus  Erfahrung  zu  sprechen,  indem  ich 
während  meines  langen  Aufenthaltes  in  diesem  Lande,  abge- 
sehen von  etwas  Reis,  fast  ausschliesslich  von  dieser  Poa  lebte. 
Ich  fand  dieselbe,  wenn  sie  mit  einer  gehörigen  Menge  But- 
ter zubereitet  oder  in  Milch  gekocht  war,  recht  schmackhaft; 
freilich  ist  sie  nur  eine  leichte  Speise,  und  wenn  sie  so  keine 
Verdauungsbeschwerden  verursacht,  stillt  sie  auch  den  Appetit 
nur  auf  kurze  Zeit  und  flösst  eben  keine  übei'flüssige  Stärke  ein. 

Von  Gemüsen  hat  man  ausser  „gongo"  (den  Blättern  des 
AflFenbrodbaumes  —  „küka"  — )  und  mitunter  denen  des  Ha- 
djilidj  —  „djanga"  — ,  aus  welchen  die  armen  Leute  ihre 
gewöhnliche  Zukost  bereiten,  besonders  „moluchla"  („go- 
nermo",  Corchorius  oUtorius)  und  „deräba"  oder  „bamia" 
(„gobälto"  und  „geddeglr").  Auch  Wassermelonen  —  „ger- 
laka"CO — ?  sowie  die  Melopejw  — „kürtschi"(?) —  genannte 
Cucurbita- Art ^  deren  ich  schon  früher  Erwähnung  gethan 
habe,  werden  in  einiger  Ausdehnung  gezogen.  Innerhalb  der 
Stadt  werden  viele  Zwiebeln  —  „bässal"  —  gebaut,  aber  we- 
niger für  den  Gebrauch  der  Einwohner,  als  der  den  Oil  be- 
suchenden Fremden. 

Von  Rohstoflfen  für  die  Industrie  gewinnt  man  Baumwolle 
—  „nyere"  —  und  Indigo  —  „alinl"  —  in  für  den  Be- 
darf der  Einwohner  hinlänglicher  Menge;  beide  Artikel  wer- 
den aber  meistens  von  den  in  dieses  Land  eingewanderten 
Bomauem  gezogen. 

Der  Boden  scheint  keineswegs  von  ungünstiger  Beschaffen- 
heit zu  sein,  wenn  auch  bei  weitem  nicht  so  ergiebig,  wie  in  an- 


400  XIV.  Kapitel. 

deren  Theilen  des  Sudans;  nur  leidet  das  Land,  wie  ich  oben 
bemerkt  habe,  sehr  an  Dürre,  und  Termiten  und  Würmer 
vereiteln  in  grossem  Maasse  die  Arbeiten  des  Landmannes. 

Von  den  Bäumen,  welche  im  Lande  am  häufigsten  und 
dem  Menschen  am  nützlichsten  sind,  habe  ich  besonders  die 
Tamarinde  —  „ardeb"  — ,  in  Baghirmi  „mäss"  genannt,  zu 
erwähnen,  —  einen  durch  seine  Frucht  ebenso  nützlichen, 
wie  durch  sein  Laub  schönen  Baum.  Die  Frucht  der  Ta- 
marinde bildet,  meiner  Ansicht  nach,  wegen  ihrer  erfrischen- 
den und  kühlenden  Eigenschaften  bei  einer  grossen  Anzahl 
leichter,  diesem  Klima  eigenthümlicher  Krankheiten  das  beste 
und  sicherste  Mittel.  Ihr  zunächst  folgt  die  Delebpalme  (hier 
„kaue"  genannt),  welche  an  mehreren  Stellen  des  Landes 
häufig  vorkommt,  obwohl  sie  in  den  äusseren  Gemarkungen 
im  Süden  noch  viel  häufiger  ist;  sodann  die  Dümpalme,  die 
zwar  nicht  ganz  so  häufig,  jedoch  in  mehreren  Theilen  des 
Landes  in  beträchtlicher  Anzahl  gefunden  wird ;  ferner  der  Ha- 
djilidj  —  „djdnga"  —  (Dahmites  Aegyptiacus)^  dessen  Frucht 
nicht  allein  essbar  ist,  sondern  dessen  Blätter  auch  (gleich 
denen  des  Aft'enbrodbaumes ,  welcher  hier  nicht  sehr  stark 
vorzukommen  scheint)  als  Zukost  benutzt  werden;  endlich  der 
Körna  oder  Kirna  (Cornus)  und  die  Sykamore  —  «bili"  — . 
Viele  der  in  Haussa  gewöhnlichen  Bäume,  wie  die  Kadeiia 
(Bassia  Parka)  und  die  Doröa  (Parkia)^  kommen  hier,  we- 
nigstens in  den  von  mir  besuchten  Gegenden,  gar  nicht  vor; 
jedoch  „habb  el  melük"  (Croton  tiglium)  ist  häufig,  und  ich 
selbst  versah  mich  bei  meiner  Rückkehr  aus  diesem  Lande 
zum  Ersatz  meiner  verbrauchten  Europäischen  Arzneien  mit 
einem  Vorrath  dieses  kräftigen  Abführungsmittels.  — 

Bergbau  gibt  es  gar  nicht.  Eisen  wird  von  den  äusseren 
Gemarkungen  eingeführt,  namentlich  von  Giirgara  aus,  einem 
20  —  25  Meilen  vom  Flusse  entfernten  Orte,  wo  der  Sand- 
stein beträchtlich  viel  Eisenerz  zu  enthalten  scheint.  Natron 
kommt  vom  Bahhr  el  Ghasal.  — 


BewaffnuDg  der  Baghirmier.  401 

Die  Eigenthümlichkeiten  des  Landes  und  die  Topographie 
der  Städte  und  Dorfschaften  werden  in  einem  besonderen 
Abschnitte  des  Anhanges  beschrieben  werden;  ich  bemerke 
also  hier  nur  noch,  dass  die  Gesammtbevölkerung  des  Lan- 
des kaum  die  Zahl  von  IJ  Millionen  zu  übersteigen  scheint 
und  dass  die  ganze  Heeresmacht  bei  dem  gegenwärtigen 
hetabgekommenen  Zustande  des  Königreiches  mit  Noth  über 
10,000  Mann    Fussvolk   und    3000.  Mann    Reiterei  begreift 

—  und  zwar  mit  Einschluss  der  Schüa,  welche  die  schwarze 
Bevölkerung  in  der  Pferdezucht  übertreffen  — ,  wähi*end  die 
Reiterei  von  Wadäi  auf  5-  bis  6000  Mann  und  die  von  Dar- 
För  auf  mehr  als  10,000  Mann  anzuschlagen  ist. 

Die  üblichste  Waflfe  in  Baghirmi  ist  der  Speer  —  „nyiga"  — , 
während  Bogen  — „kä-kesse" —  und  Pfeil  —  „kesse"  —  sowohl 
in  Baghirmi  selbst,  als  auch  in  den  nach  Süden  zu  gelege- 
nen heidnischen  Ländeni  selten  sind.  Der  Schild  ist  eben- 
falls sehr  wenig  in  Gebrauch  und  nur  unter  dem  Kanöri- 
Namen  „ngaua"  bekannt;  noch  seltener  ist  die  werthvollere 
Rüstung  —  „ssüllug"  — ,  und  ich  sah  auch  fast  keine  ein- 
zige Feuerwaflfc  im  Lande.  Dagegen  sind  fast  sänmitliche 
heidnische  Bewohner  dieser  Gegenden  mit  dem  von  mir  noch 
in  so  vielen  anderen  Ländern  angetroffenen  Handbeil  bewaff- 
net, welches  von  den  Kanöri  „goliö",  hier  aber  „ndjTga"  ge- 
nannt wird,  so  dass  sich  die  Namen  für  Speer  und  Beil  nur 
duich  Einen  Buchstaben  von  einander  unterscheiden.  Nur 
wenige  Baghirmier  sind  reich  genug,  um  sich  ein  Schwert 

—  „kasskara"  —  anzuschaffen,  welche  Waffe  sie  auch  nicht 
zu  schmieden  vermögen ,  und  sogar  der  eigenthündiche ,  am 
linken  Ai*me  getragene  Dolch  —  „kiä"  — ,  welcher  nach  dem 
Vorgang  der  Tuareg  in  dem  gi'össten  Theil  des  Sudan  ein- 
geführt worden,  ist  höchst  selten. 

Da  ich  über  die  körperliche  Gestalt  der  Bewohner  Baghir- 
mi's  bereits  mehrmals  gesprochen  habe,  bemerke  ich  hier 
nur,  dass  sie  ein  schöner  Menschenschlag  sind,  ganz  verschie- 

Banh's  B«iMn.   lU.  26 


402  XIY.  Kapitel. 

denen  Stammes  von  den  Kanöri,  aber,  wie  die  Sprache  zeigt, 
mit  den  Küka  und  verschiedenen  anderen  Stämmen  im  Osten 
nahe  verwandt.  Sie  selbst  nennen  ihre  Sprache  „tar  Ba- 
grimma".  Den  Isslam  haben  sie  erst  in  jüngerer  Zeit  ange- 
nommen und  die  Mehrzahl  verdient  auch  noch  heutigen  Ta- 
ges mehr  den  Namen  von  Heiden,  als  von  Mohammedanern. 
Das  Maass  der  Kenntnisse,  welche  sie  besitzen,  ist  nur  ge- 
ringfügig; nur  die  wenigen  Eingeborenen,  welche  die  Wall- 
fahrt gemacht,  wie  Bü-Bakr  Ssadik,  sind  einigermassen  mit 
dem  Arabischen  vertraut;  Leute  von  einiger  Gelehrsamkeit 
gibt  es  unter  ihnen  nicht.  Jedoch  will  ich  erwähnen,  dass 
am  258^en  Mai  der  Kadamange  Almosen  spendete,  weil  sein 
Sohn  die  einmalige  Lektüre  des  Kuran  vollendet  hatte  und 
zur  zweiten  überging  —  wodurch  für  die  Familie  der  Tag 
zu  dem  Feste  des  „chätem  el  kuran"  wurde.  Nur  unter  den 
Felläta  oder  Fremden  aus  Wädai  gibt  es  Gelehrte.  Die  ein- 
zigen Industriezweige,  in  denen^  sie  einigen  Fortschritt  ge- 
macht haben,  sind  die  Künste  der  Färberei  und  der  Weberei, 
welche  sie  beide  auch  in  Waddi  eingeführt  haben,  obgleich 
in  Baghirmi  selbst  die  Weber  und  Färber  meistens  Kanöri 
sind.  Schwarze  Toben  sind  bei  den  Männern  viel  üblicher 
als  in  Bomu,  und  auch  die  Bolne  oder  Tüi-kedi,  welche  ge- 
wöhnlich die  einzige  Kleidung  der  Weiber  bilden,  sowie  das 
Oberkleid  —  „debdalena"  —  sind  schwarz  gefärbt.  Eng- 
anschliesende  Hemden  —  „tarkldji"  — ,  in  Wädäi  die  ge- 
wöhnliche weibliche  Kleidung,  werden  wenig  getragen. 

Die  Regierung  von  Baghirmi  ist  eine  unumschränkte  Mo- 
narchie, welche  weder  durch  ein  aristokratisches  Element, 
wie  in  Bomu,  noch  durch  einen  solchen  Ministerrath,  wie  wir 
ihn  in  den  Haussa- Staaten  gefunden  haben,  gemässigt  wird. 
Die  Obliegenheiten  der  verschiedenen  Staatsämter  scheinen 
keineswegs  genau  bestimmt  und  desshalb  dem  Ermessen  oder 
Missbrauch  der  Beamten  überlassen  zu  sein,  wie  wir  denn 
gesehn  haben,  dass  der  Fatscha  während  'Othmän's  Regie- 


Verfassang  und  Beamtentham.  403 

rung  eine  solche  Macht  erlangt  hatte,  dass  er  gegen  den 
König  selbst  einen  langen  und  erfolgreichen  Krieg  zu  führen 
vermochte. 

Der  Titel  des  Königs  ist  „banga".  Das  Amt  des  Fatscha 
entspricht  genau  dem  des  Keghdmma  in  Bomu;  hierauf 
folgt  das  Amt  des  Ngarmäne  (Ministers  des  königlichen 
Haushalts)  und  das  des  Gheletma,  welches  Wort  aus  „gha- 
ladima"  verderbt  ist.  Sodann  kommen  der  Gär-Moien- 
mänge  (Verwalter  der  offenen  Weiden  und  Wälder),  der 
Milma,  dessen  Amt  aus  Bornu  eingeführt  sein  soll,  femer 
der  Gär-Ngöde,  der  Gär-Nginge,  der  Serma  und  der  Kada- 
mänge,  welch'  letzterer  ursprünglich  der  Lehrmeister  der 
Söhne  des  Königs  war.  Ausser  diesen  haben  die  Hauptleute 
—  „bärma"  —  und  die  Statthalter  der  bedeutendsten  Ort- 
schaften beträchtliche  Macht,  namentlich  der  Elifa-Moitö 
(Statthalter  von  Moitö),  wie  auch  der  Elifa-Bä  (Beamte  der 
Gewässer).  Von  diesen  Würdenträgem  sind  die  folgenden 
befugt,  auf  einem  Teppich  zu  sitzen :  der  Fätscha,  der  Bdrma, 
der  Gheletma,  der  Milma,  der  Gär-Moienmdnge,  der  Bang 
Bu-ssö,  der  Bang  Dam,  der  Elifa-Moitö,  der  Ellfa-Bä.  Von 
den  Hofbeamten  sind  nur  der  Fatscha,  Mäina,  Gär-Moien- 
mange,  der  auch  schlechthin  Mdnge  genannt  wird,  und  der 
Bärma  freie  Leute,  die  übrigen  sind  Sklaven;  jedoch  kann 
ich  nicht  sagen,  ob  dies  in  allen  Fällen  prinzipmässig  ist 
oder  mehr  von  Umständen  abhängt.  Wir  haben  gesehn, 
dass  der  Sultan  während  seiner  Abwesenheit  von  der  Haupt- 
stadt einen  der  untergeordnetsten  Höflinge,  den  Kadamänge, 
zum  Reichsverweser  gemacht  hatte. 

Des  Sultans  Mutter  —  „kuh-bänga"  —  steht  in  hohem 
Ansehen,  ohne  jedoch  die  grossen  Machtbefugnisse  zu  be- 
sitzen, welche  wir  die  Mdgira  in  Bomu  haben  ausüben  sehn 
und  welche  wir  auch  bei  der  Möma  in  Wädäi  antreffen 
werden.  Der  Thronanwart,  hier,  wie  in  Bomu,  „tschiröma" 
betitelt,  geniesst  beträchtlichen  Einfluss,  welcher  nicht  be- 

26» 


I 


404  XIY.  KapiteL 

stimmt  begrenzt  ist.  sondern  Ton  seiner  Persönlichkeit  ab- 
Längt  Obgleich  der  Titel  des  Sultans  so  Terschieden  tod 
dem  des  Königs  Ton  Borna  ist  haben  doch  die  Prinzessinnen 
denselben  Titeln  wie  in  jenem  Lande,  nämlich  ^^eram^,  und 
dieser  Titel  ist  selbst  in  Wddäi  eingeführt  worden. 

Bezüglich  der  vom  Könige  erhobenen  Auflagen  —  ,4^den- 
bdnga'^  genannt  —  erlaubte  mir  meine  Lage  im  Lande 
nicht,  genaue  Auskunft  zu  erlangen ;  ich  beschränke  mich  da- 
her in  dieser  Beziehung  auf  einige  allgemeine  Bemerkungen. 
Die  Ton  den  Mohammedanischen  Bewohnern  des  eigentlichen 
Baghirmi  zu  entrichtenden  Auflagen  sind  von  zweierlei  Art, 
indem  sie  theils  in  Getreide,  theils  in  Baumwollenstreifen  beste- 
hen. Die  Getreideauflage,  die  dem  Tsidiräm  Mäibe  in  Bomn 
und  dem  Kürdi-n -Kassa  in  Haussa  entspricht,  wird  hier 
„motten-banga"  oder,  wie  es  gewöhnlich  ausgesprochen  wird , 
„mötten-banki"  genannt ;  die  andere  Auflage  dagegen  heisst 
„fdrda  -  n  -  banga".  Viele  Ortschaften  haben  auch  eine  Ab- 
gabe in  Butter  zu  entrichten,  obschon  die  Schüa  oder,  wie 
sie  hier  heissen,  die  Schlwa  (die  einheimischen  Araber)  die 
gewöhnlichen  Hoflieferanten  von  diesem  Artikel  sind. 

Die  Schlwa  von  Baghirmi  gehören  besonders  zu  den  fol- 
genden Stämmen:  den  Ssälamät,  Beni  Hassan,  Ueläd  Mü-ssa 
(einem  sehr  kriegcrisclien  Stamm),  Ueläd  'Ali  und  den  Degha- 
ghera.  Sie  wohnen  im  ganzen  Lande  zerstreut,  besitzen  aber 
einige  Dorfschaften  fast  ausschliesslich  für  sich  selbst.  Die 
Auflage,  welche  diese  Araber  zu  entrichten  haben,  besteht 
hauptsächlich  in  Vieh  und  wird  „djengal"  genannt;  dieselbe 
ist  sehr  beträchtlich.  Ob  diese  Araber  von  Baghirmi,  gleich 
denen  von  Bomu,  auch  dem  Könige  alle  Hengste  einzuliefern 
haben,  indem  sie  nur  die  Stuten  für  sich  behalten  dürfen, 
weiss  ich  nicht  genau,  ich  glaube  aber,  dass  es  der  Fall  ist. 

Die  bedeutendste  Auflage  aber,  wol(*lio  der  Sultan  be- 
zieht, besteht  in  den  Sklaven,  w<»loho  dio  yanspliichtigen  heid- 
nischen Gemarkungen  zu  entrichten  haben,  namentUch  die 


Das  Abgabenwesen. 


405 


Häuptlinge  von  Miltü,  Dam,  Ssomrei  nebst  vielen  anderen, 
von  deren  Gebieten  und  Macht  man  durch  die  von  mir 
zusammengetragenen  Itinerarien  einige  Auskunft  erlangt. 
Dieser  Sklaventribut  begründet  die  Stärke  und  den  Reich- 
thum  des  Königs  von  Baghinni,  welcher  fortwährend  be- 
strebt ist,  seine  Macht  über  die  benachbarten  heidnischen 
Völkerschaften  auszudehnen. 

Die  Einwohner  von  Ba^hirmi  haben  ihrem  Landesherm 
eine  höchst  knechtische  Unterwürfigkeit  zu  bezeigen;  wenn 
sie  sich  ihm  nahen,  müssen  sie  nicht  nur  mit  unbedeck- 
tem Haupte  erscheinen,  sondern  auch  das  Hemd  von  der 
linken  Schulter  herunterziehen  und  den  Kopf  mit  Staub  be- 
streuen. Sie  leiden  übrigens  im  Allgemeinen  keine  schwere  Be- 
drückung und  besitzen  selbst  eine  viel  grössere  Redefreiheit, 
als  die  Einwohner  mancher  Europäischen  Staaten;  aber  na- 
türlich hängt  in  diesen  Ländern,  wo  es  keine  geregelte  Ver- 
fassung gibt.  Alles  von  den  persönlichen  Eigenschaften  des 
jedesmaligen  Füi*sten  ab,  und  Glück  und  Unglück  der  Be- 
wohner ist  an  seine  Launen  geknüpft. 


I 


XV.  KAPITEL. 

Rückreise  nach  Kükaua.  —  Herrn  Dr.  Overweg's  Tod. 


Hatte  ich  gleich  einst  das  Ziel  verfolgt,  nach  dem  oberen 
Nil  vorzudringen,  so^  war  ich  doch  froh,  als  ich  mich  am 
IQten  August  westwärts  wandte,  da  ich  seitdem  die  Gewiss- 
heit erlangt  hatte,  dass  ein  solches  Unternehmen  unter  ge- 
genwärtigen Umständen  unmöglich  sei. 

Man  hatte  mich  so  oft  mit  dem  Versprechen  meiner  end- 
lichen Abreise  getäuscht,  dass  ich  dem  Boten,  welcher  am 
Morgen  dieses  Tages  vom  Serma  ankam,  um  mir  anzuzeigen, 
ich  könne  mich  jetzt  reisefertig  machen,  nicht  traute  und 
mich  nicht  rührte,  bis  der  Serma  selbst  erschien  und  die 
Sache  bestätigte,  wobei  er  mir  zugleich  mittheilte,  ich  würde 
des  Sultans  Brief  in  Betreff  meiner  Sicherheit  bei  einem 
künftigen  Besuche  bei  dem  Maina  Ssabün  vorfinden. 

Ich  liess  also  von  meinen  Dienern  das  Gepäck  in  Ord- 
nung bringen;  bevor  ich  jedoch  aufbrach,  erhielt  ich  den 
Besuch  einer  grossen  Anzahl  von  Höflingen  mit  einem  Agid 
an  der  Spitze,  um  von  mir  Abschied  zu  nehmen  und  zum 
letzten  Male  ihr  dringendes  Anliegen  vorzubringen,  dem  Sul- 
tan meinen  schönen  „keri-ssassarandi"  (Gaul)  zu  verkaufen. 
Dies  Gesuch  musste  ich  jedoch  abschlagen,  indem  ich  ihnen 
sagte,  ich  brauche  selbst  mein  Pferd  und  sei  nicht  als  Kauf- 
mann, sondern  als  Gesandter  in  ihr  Land  gekommen.  Sie  hat- 
ten stets  mit  Unwillen  gesehn,  dass  ich  mein  Pferd  nicht  ver- 
kaufen wollte,  da  alle  Leute,  welche  von  der  anderen  Seite  von 


Abreise  von  Masena.  407 

Bomu  nach  diesem  Lande  kommen,  Pferde  zum  Verkauf 
eigens  mitbringen.  Sie  rächten  sich  daher  dadurch,  dass 
sie  mir  noch  einen  anderen  Beinamen,  den  eines  stolzen 
und  hochmüthigen  Mannes  —  „derbaki  ngölo'  —  ertheilten. 
Aber  ich  würde  mich  um  Alles  in  der  Welt  nicht  von  dem 
Gefährten  meiner  Mühen  und  Gefahren  getrennt  haben,  ob- 
gleich er  seine  Fehler  hatte  und  damals  allerdings  nicht  bei 
guter  Leibesbeschaffenheit  war.  Ich  hatte  ein  Vorgefühl, 
dass  mir  das  Pferd  noch  auf  manchem  Zuge  ein  nützlicher 
Genosse  sein  werde,  und  es  sollte  mich  in  Wirklichkeit  noch 
2  Jahre  lang  tragen  und  den  Neid  meiner  Freunde  und 
Feinde  in  Timbuktu  erregen,  wie  es  hier  gethan. 

Nachdem  ich  den  Brief  des  Sultans  erhalten,  mit  dessen 
Inhalt  ich  mich  nur  höchst  zufrieden  erklären  konnte*), 
ging  es  nun  endlich  im  Ernste  fort,  imd  das  Herz  schlug 
mir  hoch  vor  Freuden,  als  ich  nun  zum  Westthore  hinaus 
in's  Freie  kam  und  einmal  wieder  meiner  Freiheit  genoss. 

Das  ganze  Land  war  mit  dem  schönsten  Grün  bekleidet, 
die  reichsten  Weidegründe  und  herrlichsten  Getreidefelder 
wechselten  mit  einander  ab.  Allerdings  war  die  Höhe,  welche 
das  Getreide  erreicht  hatte,  auffallend  verschieden,  indem  es 
auf  einem  Felde  gegen  5  Fuss  hoch  stand  und  eben  in's  Korn 
schoss,  während  auf  einem  anderen,  dicht  daneben,  die  zarten 
Halme  eben  aus  der  Erde  emporsprossten.  Weil  nämlich  im 
Anfange  der  Regenzeit  beinahe  4  Wochen  lang  kein  Re- 
gen gefallen  war,  so  hatte  dies  damals  viele  Leute  abgehal- 
ten, die  Saat  dem  Boden  anzuvertrauen.  Etwas  weiterhin 
fand  viel  Anbau  von  Bohnen  statt. 

Indem  mir  jetzt  die  Absteckung  des  Pfades,  mit  dem 
ich  vollkommen  vertraut  war,  weiter  keine  Schwierigkeit 
machte,  konnte  ich  mich  dem  allgemeinen  Eindrucke  der  so 


*)  Ich   sandte   diesen  Brief   mit  des  Sultans  Siegel   an  das  Brittische  Mi- 
nisterium der  auswärtigen  Angelegenheiten  in  London. 


I 


408  XV.  Kapitel. 

gänzlich  umgestalteten  Landschaft  unge8t<)rt  hingeben.  Jen- 
seits des  Felläta- Dorfes,  das  ich  auf  meinem  Auszuge  er- 
wähnt habe,  mussten  wir  eine  weite  Wasserfläche  überschrei- 
ten, und  der  Grund  war  zu  wiederholten  Malen  äusserst 
schwierig  für  mein  Kameel,  so  dass  wir  hinsichtlich  des  mar- 
schigen Bodens  von  Logone  höchst  besorgt  wurden.  Auch 
verfehlten  die  Leute,  die  uns  auf  der  Strasse  begegneten, 
nicht,  uns  zu  bedeuten,  dass  dies  nicht  das  rechte  Thier  für 
diese  Jahreszeit  sei,  und  ohne  Frage  sind  Packochsen  zur 
Reise  in  diesem  Theile  des  Jahres  wegen  ihres  sicheren 
Trittes  Kameelen  weit  vorzuziehen,  obgleich  es  wieder  viele 
Schwierigkeit  macht,  sie  über  die  Flüsse  zu  bringen. 

Wir  kamen  im  wohlbekannten  Dorfe  Bäkadä  gerade  zur 
rechten  Zeit  an,  um  einem  heftigen  Gewitter  zu  entgehen,  das 
mit  geringer  Unterbrechung  den  ganzen  Nachmittag  anhielt; 
da  ich  jedoch  meinen  Wirth  nicht  zu  Hause  traf,  nahm  ich 
auf  meine  eigene  Verantwortlichkeit  von  seiner  Hütte  Besitz 
und  beschwichtigte  nachher  den  Unwillen  meines  alten  guten 
Freundes,  dessen  Gastlichkeit  von  allen  Wanderern  auf  dieser 
offenen  Heerstrasse  so  oft  beansprucht  wurde,  mit  einem  Ge- 
schenke von  zwei  feinen  weissen  Hemden.  Ich  fühlte  tiefes 
Mitleid  für  ihn,  indem  ihm  am  folgenden  Tage,  den  wir  hier 
zubringen  mussten,  die  ganze  Schaar,  die  sich  unserer  Truppe 
angeschlossen  hatte,  zur  Last  fiel;  ich  hätte  jedoch  wohl 
erwarten  können,  dass  er  wenigstens  mir  selbst  seine  Gast- 
freundschaft noch  auf  einen  Tag  länger  würde  haben  ange- 
deihen  lassen,  da  wir  uns  für  immer  trennen  sollten  und 
ich  hier  gegen  meinen  Wunsch  zurückgehalten  wurde.  So 
aber  ist  der  Charakter  des  Volkes  von  Baghirmi  in  seinem 
gegenwärtigen  herabgekommenen  politischen  und  moralischen 
Zustande. 

Meine  Gefährten  waren  am  Morgen  noch  nicht  ganz  zur 
Reise  bereit.  Es  regnete  während  des  grösseren  Theiles  der 
folgenden  Nacht,  und  nur  mit  Mühe  konnte  ich  am  Morgen 


Aufenthalt  in  Kökorotsche.  409 

meine  Leute  in  Bewegung  bringen  und  musste  endlich  wirk- 
lich Gewalt  anwenden,  um  unseren  Zug  wieder  in  Gang  zu 
setzen.  Ein  Europäer  hat  keine  Vorstellung  davon,  wie  die 
Thätigkeit  eines  Reisenden  in  diesen  Ländern  durch  die 
Tnigheit  und  Lässigkeit  der  Eingeborenen  gelähmt  wird. 

Endlich  waren  wir  unterwegs  und  kehrten  nach  einem 
massigen  Marsche  in  KöUe-koUe  ein.  In  Folge  des  starken 
Regenfalles  hatte  auch  hier  die  Landschaft  ein  höchst  reiches 
und  üppiges  Ansehen;  aber  überall  auf  den  Feldern  liess 
sich  der  lange  schwarze  „haluessi"  genannte  Wunn,  welcher 
den  Saaten  so  grossen  Schaden  verursacht,  in  ungeheuerer 
Anzahl  sehn.  Die  Dorfschaften,  mit  deren  Aussehen  wir  wäh- 
rend der  trockenen  Jahreszeit  so  genau  vertraut  gewesen, 
waren  kaum  wieder  zu  erkennen,  indem  die  Hütten  durch 
die  hohen  Saaten  jetzt  dem  Blicke  völlig  entzogen  waren. 

Am  folgenden  Tage  gelangten  wir  nach  Kokorotsche,  nach- 
dem wir  glücklich  über  einen  sehr  schwierigen  Morast  ohne 
Unfall  gekommen  waren.  Die  ganze  Waldregion,  die  auf  mei- 
nem Auszuge  auch  nicht  einen  einzigen  Tropfen  Wasser  enthielt, 
war  jetzt  in  eine  fortlaufende  Reihe  von  Sümpfen  verwan- 
delt, und  die  Oberfläche  trug  überall  eine  dichte  Pflanzen- 
decke. Während  dieser  Jahreszeit  schlagen  die  Schüa- Ara- 
ber hier  ihre  zeitweiligen  Lager  auf. 

In  Kokorotsche  mussten  wir  uns  auch  noch  einen  zweiten 
Tag  aufhalten,  um  den  Boten  des  Sultans  abzuwarten,  der 
mich  gegen  die  ferneren  Ränke  der  Fährleute,  gegen  die  ich 
grösseres  Misstrauen  hegte,  als  selbst  gegen  Europäische  Po- 
lizeioffizianten ,  in  Schutz  nehmen  sollte.  Inzwischen  schloss 
sich  uns  auch  Grema  'Abdü's  Frau,  die  sich  diese  ganze 
Zeit  über  bei  ihrem  Vater  in  Müstafadji  aufgehalten  hatte, 
wieder  an,  und  aller  weitere  Aufenthalt  schien  beseitigt. 
Gewiss  ist  ein  solcher  Besuch  einer  verheiratheten  Frau  im 
väterlichen  Hause  sehr  geeignet,  Europäern  eine  bessere  Vor- 
stellung vom  Afrikanischen  Familienleben  beizubringen.    Man 


410  XV.  Kapitel. 

weiss  in  der  That  in  Europa  wenig  davon,  wie  freundschaft- 
lich in  diesen  Ländern  Mann  und  Weib  mit  einander  leben, 
und  es  war  dieser  liebenswürdige  Zug,  der  mich  einigermas- 
sen  mit  meinem  Gefährten  aussöhnte,  gegen  den  ich  sonst 
sehr  eingenommen  war. 

[Sonnabend y  14^  August^  Wir  traten  nun  endlich  unsere 
Reise  mit  Ernst  an.  Es  hatte  schon  am  Nachmittage  des  vori- 
gen Tages  sehr  stark  geregnet,  und  nun  hatten  wir  am  Morgen 
wiederum  einen  heftigen  Regenguss,  welcher  volle  2  Stunden 
anhielt  und  unsere  Abreise  beträchtlich  verzögerte.  Die  Ent- 
fernung bis  zum  Flusse  war  nicht  gross,  aber  der  letztere 
Theil  des  Weges  von  so  schlechter  Beschaffenheit,  dass  mein 
Kameel  seine  Ladung  nicht  weniger  als  sechsmal  abwarf, 
so  dass  meine  Diener  fast  zur  Verzweiflung  gebracht  wur- 
den und  mir  erst  mehrere  Stunden  nach  meiner  Ankunft  in 
A'-ssü  nachkamen,  nachdem  ich  es  mir  bereits  in  einer  vor- 
trefflichen Hütte  bequem  gemacht  hatte.  Sie  war  aus  sauber 
geglättetem  Lehm  sorgfältig  erbaut,  und  es  that  mir  herzlich 
leid,  zwei  unverheirathete  alte  Damen,  welche  sie  bewohnten, 
aus  ihr  vertreiben  zu  müssen. 

Sobald  ich  etwas  ausgeruht  hatte,  brach  ich  auf,  um  den 
Fluss  in  Augenschein  zu  nehmen.  Die  grossailige  Erschei- 
nung dieses  Flusses  hatte  mich,  als  ich,  von  Logone  kommend, 
ihn  zum  ersten  Male  gewahrte,  in  Erstaunen  gesetzt  und 
es  hatte  mir  jedesmal  Freude  gemacht,  wenn  in  Mele  mein 
Blick  auf  den  schönen  Strom  fiel;  gegenwärtig  hatte  er  nun 
aber  beträchtlich  zugenommen  und  bildete  eine  Wasserfläche 
von  wenigstens  3000  Fuss  Breite,  von  zahlreichen  Werdern 
durchsetzt,  während  das  diesseitige  hohe,  sanft  abfallende  Ufer 
in  reiche  Saaten  des  Egyptischen  Kornes  —  „masr"  — 
(Zea  Mays)  gekleidet  war.  Mehrere  kleine  Kähne  oder  viel- 
mehr Boote  lagen  am  Strande ,  aber  ich  sah  mich  vergebens 
nach  einem  um,  welches  gross  genug  für  mein  Kameel  gewesen 
wäre,  indem  ich  gegründete  Furcht  hegte,  dasselbe  dem  Strome 


Übergang  über  den  Flnss.  411 

anzuvertrauen.  Ich  bemerkte  jedoch  mit  Vergnügen,  dass 
die  Strömung  nicht  sehr  reissend  war,  indem  sie  mir  nicht 
über  3  Meilen  die  Stunde  zu  betragen  schien.  Leider  war 
auch  heute  sehr  nasse  Witterung,  so  dass  es  nicht  so  ange- 
nehm war,  imiherzustreifen ,  als  sonst  wohl  der  Fall  ge- 
wesen wäre. 

X-ssü  war  früher  eine,  umwallte  Stadt,  aber  der  Wall  hat 
jetzt  ein  ebenso  verfallenes  Aussehen,  wie  überhaupt  das 
ganze  Land;  die  Einwohner,  für  die  die  ^ähre  eine  fort- 
währende Quelle  des  Gewinnes  ist,  scheinen  jedoch  leid- 
lich wohlhabend  zu  sein.  Nach  diesem  Dorfe,  das  vor- 
mals von  grösserer  Bedeutung  gewesen  zu  sein  scheint,  als 
jetzt,  wird  der  Fluss  mitunter  der  „Fluss  von  A-ssü"  genannt; 
er  sollte  aber  nie  „der  Fluss  Ä-ssü"  genannt  werden.  Auch 
hier  befindet  sich  ein  Beamter  oder  Aufseher  der  Fähre  mit 
dem  Titel  Kaschella*),  ganz  wie  im  Dorfe  Mele. 

Wir  mussten  uns  anfänglich  eine  Meile  weiter  stromab- 
wärts begeben,  um  den  bei  der  Hinreise  erwähnten  flachen, 
sandigen  Strand  zu  erreichen.  Endlich  nach  langem  Zögern 
wurden  die  Boote  gebracht  und  das  Übersetzen  begann.  Die 
Pferde  kamen  zuerst,  indem  drei  oder  vier  längs  der  Boote 
schwammen;  es  war  aber  eine  schwierige  Aufgabe  für  die 
im  Boote  sitzenden  Leute,  sie  zu  leiten,  und  ungeachtet  aller 
ihrer  Anstrengungen  und  alles  Geschreies  der  am  Ufer  ver- 
bliebenen trieb  die  Strömung  mehrere  vom  Boote  fort  und  eine 
ziemliche  Strecke  den  Fluss  hinab;  eines  derselben,  ein  schö- 
ner schwarzer  Gaul,  ertrank.  Es  war  die  äusserste  Zeit,  \fO 
der  Fluss  für  Pferde  noch  passirbar  ist;  denn  während  des 
ganzen  Monates  September  wird  der  Übergang,  wie  die  Leute 
mich  versicherten,  nie  versucht  Ich  selbst  kam  mit  Pferd 
und  Gepäck  glücklich  ohne  Unfall  hinüber,    und  nachdem 


*)  Kaschella  ißt  eigentlich  ein  B6mu- Titel,   aber  in  diesen  Ortschaften  an 
der  Westgrenze  Baghinui's  allgemein  in  Gebrauch. 


412  XV.  Kapitel. 

ich  einen  Schuss  abgefeuei*t  hatte,  um  meine  Freude  auszu- 
drücken, nun  den  Händen  des  fanatischen  Baghirrai- Volkes  ent- 
kommen zu  sein,  setzte  ich  unverzüglich  meinen  Marsch  fort, 
indem  ich  mich  fürchtete,  mein  Pferd  den  so  äusserst  gefahr- 
lichen Stichen  der  „tsetse"-Fliege  blosszustellen,  welches  Insekt 
glücklicherweise  nur  an  den  unmittelbaren  Ufern  des  Flusses 
haust;  wenigstens  ist  es  mir  sonst  nirgends  vorgekommen. 
Es  ist  eine  grosse  gelbe  Art  und  überaus  giftig  und  gefährlich. 
So  hatte  ich^  nun  wieder  das  Gebiet  meines  Freundes 
Yüssuf,  des  Fürsten  von  Logone,  betreten  und  konnte  mich 
frei  und  ohne  Gefahr  vor  Belästigung  bewegen.  Das  Wetter 
war  sehr  feucht,  und  ich  musste  zweimal  in  kleinen  Dorf- 
schaften, die  inmitten  reicher  Getreidefelder  lagen,  einkeh- 
ren, um  heftigen  Regengüssen  zu  entgehen.  Der  ganze  Gau 
heisst  Mokorö  und  begreift  ausser  mehreren  von  Logone-Leu- 
ten  —  „Logode  Logon"  —  bewohnten  Dorfschaften  10  Schüa- 
Weiler;  in  einem  von  diesen  nahmen  wir  Herberge.  Diese 
Schüa  zeichneten  sich  jedoch  nicht  durch  ihre  Gastfreiheit 
aus,  und  erst  nach  langer  Unterhandlung  konnte  ich  ein 
Unterkommen  in  einer  ihrer  Hütten  finden.  Letztere  sind 
für  diese  Gegenden  sehr  geräumig,  indem  sie  50  bis  60  Fuss 
Durchmesser  haben;  auch  besitzen  sie  die  bemerkenswerthe 
Eigenthümlichkeit,  dass  sie  mit  einer  Art  von  Schlafzinrnaer 
versehen  sind,  welches  die  Mitte  der  Wohnung  einnimmt  und 
in  einem  etwa  3  Fuss  über  dem  Boden  erhöheten,  20  Fuss 
langen,  6  —  8  Fuss  breiten  und  ebenso  hohen  Gemach  be- 
steht, das  im  Inneren  durch  Scheidewände  in  mehrere  Kam- 
mern getheilt  und  ringsum  von  jenem  vortrefflichen,  ^us 
feinem  Rohr  gemachten  Mattenwerk  umstellt  ist,  durch 
dessen  Verfertigung  die  Einwolmer  von  Logone  sich  so  sehr 
auszeichnen.  Dies  Mattenwerk  ist  von  dunkeler  Farbe,  und 
ich  war  überrascht,  auf  meine  Erkundigung,  wie  es  gefärbt 
werde,  zu  hören,  dass  dies  durch  Einsenken  der  Matten  in 
schwarze  schlanunige  Thonerde  geschieht.     In  diesem  ver- 


Rast  in  einem  Schua-Dorfe.  413 

schlossenen  Gemach,  „ghurära"  genannt,  finden  diese  Leute 
während  der  nächtlichen  Ruhe  Schutz  gegen  die  zahllosen 
Mückenschwärme,  von  denen  dieses  niedrige  Marschland  heim- 
gesucht wird. 

Ich  hatte  natüilich  keine  Ansprüche  auf  diesen  bevorrech- 
teten Platz,  der  den  Familienmitgliedern  vorbehalten  ist;  ich 
richtete  mich  daher  auf  der  erfiöheten  Thonbank  beim  Ein- 
gange ein,  wo  mich  die  Mücken  zwar  behelligten,  jedoch,  da 
die  Thür  frühe  geschlossen  ward,  auch  die  Aufmerksamkeit 
des  grausamen  Insektes  durch  das  in  der  Hütte  befindliche 
Vieh  stärker  angezogen  wurde,  in  nicht  allzu  unerträglicher 
Anzahl.  Sonst  wurde  ich  recht  gut  behandelt,  denn  der 
Wiith  war  ein  reicher  Mann  Namens  Adim  und  seine  Frau 
sogar  eine  Piinzessin  —  „meram"  —  von  Logone;  sie  war 
überdies  eine  geschwätzige  und  freundliche  Person.  Sie  be- 
wiitheten  mich  bald  nach  meiner  Ankunft  mit  einem  kleinen 
Pfannkuchen  und  am  Abend  mit  einer  Schüssel  voll  Milch- 
reis. Es  war  äusserst  interessant,  die  eigenthümliche  Le- 
bensart dieser  Leute  zu  beobachten  und  sie  ihr  Arabisches 
Idiom  reden  zu  hören,  das  noch  nicht  den  Vokalreich- 
thum,  der  ursprünglich  die  Sprache  bezeichnete,  eingebüsst, 
wenn  auch  in  sonstiger  Beziehung^  sehr  an  Reinheit  verloren 
hat.  Sie  bewahren  mehrere  auffallende  Gebräuche,  die  sie  mit 
ihren  Brüdern  im  Osten  in  Verbindung  erhalten  —  nament- 
lich das  Gesetz  der  Blutrache  —  „e'  dhie"  *) —  und  die  Infi- 
bulation  der  jungen  Mädchen  —  zur  praktischen  Gewähr- 
leistung thatsächlicher  Unschuld.  Die  hiesigen  Araber  ge- 
hören zum  grossen  Stamme  der  Ssalamät.  — 


•)  Bezüglich  dieses  Gebrauches  ist  Burkhardt  („Reisen  in  Nubien'*,  2««  Ori- 
ginalausgabe,  Anhang  I,  S.  434)  sehr  richtig  unterrichtet;  aber  im  Allgemei- 
nen verunstalten  allerlei  Irrthümcr  seine  die  Länder  östlich  vom  Tsäd  betref- 
fenden Angaben,  nicht  nur  in  der  Geographie,  sondern  auch  in  der  Ethnologie 
dieser  Gegenden,  indem  er  fortwährend  einheimische  und  Arabische  Stämme 
mit  einander  verwechselt. 


414  XV.  Kapitel. 

Nach  einem  Marsche  von  8  Meilen  durch  eine  theils  mit 
Negerhirse  angebaute,  theils  aus  Sümpfen  bestehende  Ebene 
gelangten  wir  am  Ib^^^  August  nach  dem  Flusse  von  Logone. 
Wegen  der  sehr  beträchtlichen  Flussanschwellung  waren  wir 
diesmal  genöthigt  gewesen,  einen  Pfad  ganz  verschieden  von 
dem,  den  wir  auf  unserem  Auszuge  gekommen,  einzuschlagen. 
Die  Landschaft  war  ganz  umgestaltet  und  die  kleine  Boden- 
senkung, durch  die  wir  unweit  unseres  Landungsplatzes  da- 
mals gekommen,  war  zu  einem  schiflfbaren  Flussarm  gewor- 
den, auf  welchem  mehrere  Boote  von  beträchtlicher  Grösse 
hin-  und  herfuhren.  Der  Fluss  entfaltete  jetzt  eine  sehr 
weite  Wasserfläche,  welche  weder  von  Sandbänken,  noch  von 
Werdern  unterbrochen  war,  und  wenn  sie  auch  dem  Flusse 
Schärf  nicht  an  Breite  gleichkam,  denselben  doch  an  Schnel- 
ligkeit übertraf,  indem  die  Strömung  augenschehilich  über 
3^  Meilen  oder  wohl  über  4  Meilen  die  Stunde  betrug. 

Die  Stadt  Logon  mit  ihren  dreierlei  sich  über  die  Lehm- 
mauem  emporschwingenden  Palmen  lud  mich  vom  jenseitigen 
Ufer  aus  zu  wirthlichem  Obdachc  ein,  und  da  ich  eifrigst 
wünschte ,  ohne  fernere  Zögenmg  Kükaua  zu  erreichen  ,  so 
fuhr  ich,  nachdem  ich  eine  in  der  beifolgenden  Abbildung 
gegebene  Skizze  entworfen  hatte,  sofort  über,  um  am  folgen- 
den Tage  meine  Reise  fortzusetzen.  Als  ich  jedoch  dem 
Keghamma  meinen  Besuch  abstattete,  konnte  ich  ihn  nur 
mit  der  grössten  Mühe  bewegen,  mich  fortziehen  zu  lassen, 
und  er  weigerte  sich  anfänglich  schlechterdings,  dies  zu  ge- 
statten, indem  er  es  für  eine  Schande  seines  Herrn  erklärte, 
mich  mit  leeren  Händen  zu  entlassen.  Aber  ich  wollte  es 
lieber  aufgeben,  vom  Fürsten  Yüssuf  persönlich  Abschied  zu 
nehmen,  so  leid  es  mir  auch  that,  nicht  warten  zu  können, 
bis  mein  freundlicher  Wirth  einige  Toben,  als  Probestücke 
der  heimischen  Industrie,  für  mich  bereit  hatte. 

Es  regnete  während  der  Nacht  und  des  folgenden  Mor- 
gens   und  wir  hatten  einen  schwierigen   Marsch   durch  das 


j 


l 


Ankunft  in  A'fade.  415 

tiefe  Marschland  von  Logone;  wir  zogen  jedoch  bis  4  Uhr 
Nachmittags  weiter,  worauf  wir  %  Meilen  jenseits  U'lluf  oder 
Hulluf,  der  oben  erwähnten  Stadt,  Halt  machten,  da  sich 
meine  Gefährten  auch  diesmal  zu  sehr  vor  der  schwarzen 
Kunst  der  Einwohner  fürchteten,  um  in  der  Stadt  selbst  ein 
Unterkommen  für  die  Nacht  zu  suchen.  Wir  wurden  aber 
auch  in  dem  Dorfe,  wo  wir  einkehrten,  anfänglich  schlecht 
empfangen,  so  dass  meine  Gefährten  unsere  Aufnahme  er- 
zwingen mussten;  doch  gelang  es  mir  allmählich,  mit  dem 
Manne,  der  so  sehr  wider  Willen  unser  Wirth  geworden,  in 
freundschaftliche  Beziehungen  zu  treten,  und  es  glückte  mir 
endlich  sogar,  für  einige  von  den  grossen,  „nedjüm"  genann- 
ten Glasperlen  etwas  Geflügel,  Milch  und  Korn  zu  erhalten, 
so  dass  wir  es  uns  ziemlich  behaglich  machen  konnten.  — 
Da  die  hiesige  Gegend  sehr  von  Dieben  heimgesucht  sein 
sollte,  trafen  wir  demgemäss  unsere  Vorsichtsmaassregehi. 

Am  folgenden  Tage  erreichten  wir  Afade,  indem  wir  über 
Kala  gegangen  waren,  wo  ich  zu  meiner  Verwunderung  den 
Sumpf  ungeachtet  der  vorgerückten  Jahreszeit  viel  geringer 
ausgedehnt  fand,  als  bei  der  Hinreise.  (Diese  auffallende 
Erscheinung  erklärt  sich  durch  den  Umstand,  dass  diese 
Sümpfe  von  der  Flussüberschwemmung  gespeist  werden,  wel- 
che, trotz  der  Regenfälle,  bis  in  den  September  hinein  fort* 
während  abnimmt,  worauf  dann  der  Fluss  wieder  voll  wird 
und  abermals  austritt.)  Der  letzte  Theil  der  Strasse  nach 
A'fade  war  sehr  sumpfig,  weil  jene  unwirthliche  „kabe"- 
Strecke  fast  gänzlich  unter  Wasser  stand. 

In  Afade  suchten  mich  meine  Gefährten  durch  allerlei 
Kniffe  einen  oder  mehrere  Tage  zurückzuhalten;  aber  unge- 
achtet der  freundlichen  Aufnahme,  welche  ich  bei  dem  Statt- 
halter des  Platzes  gefunden,  war  mir  doch  zu  viel  daran  ge- 
legen, Kükaua  zu  erreichen,  um  ihnen  nachzugeben,  so  dass 
ich,  meinen  Dienern  befehlend,  mir  so  bald  wie  möglich  zu 
folgen,  am  nächsten  Morgen  imverzüglich  meine  Reise  fort- 


I 


416  XV.  Kapitel. 

setzte.  Die  Strasse  war  aber  überaus  unwegsam,  und  ich 
sah  mich  gezwungen,  eine  von  meiner  Herreise  ganz  ver- 
schiedene, nämlich  mehr  nördliche  Richtung  einzuschlagen, 
um  die  unzugänglichen  Moräste  bei  der  Stadt  Ren  und  die 
sehr  schwierige  Strasse  von  Ngäla  zu  vermeiden. 

Nach  einem  11  stündigen  Marsche,  auf  dem  wir  verschie- 
dene grössere  und  kleinere  Dorfschaften  und  zahllose  Sümpfe 
passirten,  stiegen  wir  für  die  Nacht  in  einem  von  Schüa  und 
Fulbe  bewohnten  Dorfe  mit  dem  auffallenden  Namen  Wan- 
gara  ab ;  es  erforderte  aber  eine  längere  Unterhandlung,  um 
Aufnahme  zu  erhalten,  da  diese  Leute  im  Vertrauen  auf  die 
Schutzwehren,  welche  ihnen  die  benachbarten  morastigen 
Ufergelände  des  Tsäd  darbieten,  ein  gar  unabhängiges  We- 
sen haben.  Nachdem  wir  aber  einmal  näher  mit  einander 
bekannt  geworden,  wurden  wir  freundlich  behandelt.  Der 
Billaraa  des  Dorfes  war  ein  Tündjuraui,  der  von  Mondö  nach 
diesem  Orte  ausgewandert  war;  er  hatte  jedoch  die  eigen- 
thümliche  Mundart  seines  Stammes  vergessen. 

Während  meines  nächsten  Tagemarsches  führte  ich  ein 
gar  amphibienartiges  Leben,  indem  ich  mich  ebensoviel  im 
Wasser,  als  auf  festem  Boden  befand;  denn  ausserdem,  dass 
ich  von  einem  heftigen  Regenschauer,  welcher  den  grössten 
Theil  des  Tages  über  anhielt,  durchnässt  wurde,  hatte  ich 
noch  drei  beträchtlich  angeschwollene  Bäche  ohne  die  Hilfe 
eines  Bootes  zu  passiren,  wobei  ich  mich  zweimal  entkleiden 
und,  indem  ich  Kleidung  und  Sattel  auf  dem  Kopfe  befestigte, 
mit  dem  Pferde  hindurchschwimmen  musste.  Der  erste  Bach 
war  der  Mülu,  ungefähr  1000  Schritt  jenseits  des  dem  Ka- 
schella  Beläl  gehörigen  Städtchens  Legäri;  der  zweite  ist 
wahrscheinlich  der  Mbulü  (Major  Denham's  Gumbalaram) 
jenseits  des  auf  einer  kleinen  Anhöhe  liegenden  Dorfes  Dä- 
gnla.  Beim  Mülu  leisteten  uns  die  Einwohner  von  Legäri 
Beistand,  aber  beim  Mbidü  waren  ich  und  mein  Mallem, 
mit  dem  ich  rüstig  vorausgeeilt  war,  auf  unsere  gegenseitige 


Sumpfige  NiedoniBg  am  Tsad.  417 

Hilfe  angewiesen.  Die  reissende  Strömung  des  letzteren, 
zwischen  steilen  (8  Fuss  hohen)  Ufern  eingedämmten  Baches 
setzte  meinen  Genossen  nicht  wenig  in  Schrecken,  bis  ich 
mich  entkleidete  und,  mich  auf  meine  Erfahiimg  im  Schwim- 
men verlassend,  ihm  den  Weg  wies.  Glücklicherweise  kam 
ein  Fischer  auf  einem  einfachen,  aus  grossen  an  einander 
gebundenen  Kürbissen  bestehenden  Flosse,  wie  ich  sie  schon 
bei  früherer  Gelegenheit  beschrieben  habe,  herangeschwom- 
men, mit  dessen  Beistand  wir  denn  ohne  Unfall  unsere 
Pferde  und  Kleidungsstücke  hinüber  brachten.  Während  wir 
uns  so  abmühten,  stellte  sich  Grema  'Abdü  bei  uns  ein, 
welcher,  da  er  mich  an  meinem  Entschlüsse  festhalten  sah 
und  sich  schämte,  nicht  mit  uns  zusammen  in  der  Haupt- 
stadt ankommen  zu  sollen,  endlich  Frau  und  Sklaven  zurück- 
gelassen hatte  und  uns  nachgeeilt  war.  —  Wir  setzten  sodann 
unseren  Zug  bei  fortdauernden  Regengüssen  durch  dieses 
Marschland  fort  und  gelangten  beim  Dorfe  Hokkum  zum 
dritten  Bache ,  den  wir  jedoch  trotz  seiner  Heftigkeit,  ohne 
abzusteigen,  überschritten ,  indem  uns  das  Wasser  gerade  bis 
an  den  Sattel  reichte. 

Als  wir  endlich  beim  Dorfe  Gudjäri  den  schwarzen  Thon- 
boden,  aus  welchem  diese  ganze,  in  der  gegenwärtigen  Jah- 
reszeit in  einen  ununterbrochenen  Sumpf  verwandelte  Allu- 
vialebene besteht,  verliessen,  trat  ein  leichter  Sandboden  auf, 
so  dass  wu-  von  nun  an  unseren  Marsch  behaglicher  fort- 
setzen konnten.  Nachdem  wir  im  Dorfe  Debua  einen  kleinen 
Imbiss  eingenommen  hatten,  rasteten  wir  nicht  eher  wieder, 
als  bis  wii'  das  1  Meile  nordöstlich  von  Yedi  gelegene  Dorf 
Boglüöa  erreicht  hatten.  Hier  wurden  wir  gut  beherbergt 
und  bewirthet  und  waren  bis  spät  in  die  Nacht  hinein  mit 
dem  Trocknen  unserer  ganz  durchnässten  Kleidungsstücke 
beschäftigt. 

[Freitag,  20»ten  August]  Wir  hatten  nun  nur  noch  Eine 
gute  Tagereise  bis  Kükaua;  als  wir  aber  nach  einem  6stün- 

B«trth't  ReiMn.    lU.  27 


i 


418  XV.  Kapitel. 

digen  Ritte  die  Stadt  Ngornu  erreichten,  konnte  ich  nur  mit 
der  grössten  Mühe  meine  Reiter  von  der  Stelle  bringen.  Sie 
waren  nämlich  völlig  ermüdet  —  denn  die  Bomauer  sind 
heutigen  Tages  nicht  mehr  an  so  grosse  Anstrengungen  ge- 
wöhnt —  und  wünschten,  hier  bei  ihren  Freunden  auszu- 
ruhen. Meine  Gefährten  waren  in  der  That  an  Leib  und 
Seele  so  gänzlich  erschöpft,  dass  sie,  seltsam  genug,  dicht 
bei  der  Hauptstadt  den  Weg  verloren,  da  die  hochstehende 
Saat  freilich  der  Landschaft  ein  ganz  verändertes  Aussehen 
gab.  Der  grosse  Teich  von  Kaine  war  jetzt  ausgedehnter, 
als  ich  ihn  je  gesehn,  und  hatte  den  Pfad  auf  eine  beträcht- 
liche Strecke  überschwemmt. 

Ich  hatte  einen  Mann  vorausgeschickt,  um  dem  Vezier  und 
Herrn  Dr.  Overweg  meine  Ankunft  anzuzeigen;  dann  hatten 
wir  bei  einer  der  vielen  stehenden  Lachen  eine  kurze  Zeit 
Halt  gemacht  und  waren  eben  im  Begriff,  wieder  zu  Pferde 
zu  steigen,  als  mein  Freund  dahcrgalopirt  kam.  Unser  Wie- 
dersehn war  beiderseitig  ein  höchst  freudiges,  da  wir  dies- 
mal viel  länger  von  einander  getrennt  gewesen  waren,  als 
je  vorher;  auch  hatte  man  in  Kükaua  sehr  beunruhigende 
Nachrichten  über  meinen  Empfang  in  Baghirmi  erhalten.  — 
Herr  Dr.  Oven^eg  hatte  inzwischen  eine  sehr  interessante 
Reise  nach  dem  südwestlichen  Gebirgslande  von  Bornu  aus- 
geführt und  war  bereits  vor  2  Monaten  von  dort  zurückge- 
kehrt ;  aber  ich  war  höchst  erstaunt,  dass  er  ungeachtet  die- 
ser langen  Ruhe  viel  schwächer  und  erschöpfter  aussah,  als 
ich  je  früher  bemerkt  hatte.  Er  theilte  mir  mit,  dass  er 
seit  seiner  Rückkehr  viel  gekränkelt  habe  imd  sich  auch 
jetzt  noch  nicht  hergestellt  fühle,  beschrieb  mir  aber  auf 
die  lebhafteste  und  aufmunterndste  Weise  die  Mittel,  welche 
zu  unserer  Verfügung  gestellt  worden  waren,  und  mit  den 
kühnsten  Entwürfen  für  die  Zukunft  betraten  wir  die  Stadt. 
Hier  fand  ich  mich  nun,  wieder  in  den  Besitz  meiner  alten 
Wohnung  gelangt,  von  Genüssen  umgeben,  denen  ich  während 


Rückkehr  nach  Kükana.  419 

des  letzten  Halbjahres  fast  entfremdet  worden  war,  —  wie 
Kaffee  und  Thee  mit  Milch  und  Zucker. 

Es  war  ein  sehr  glücklicher  Umstand  für  mich,  dass  sich 
meine  Ankunft  nicht  einen  halben  Tag  verzögert  hatte ;  denn 
sowohl  die  Karawane,  wie  der  Courier  waren  abgegangen, 
letzterer  vor  4  Tagen,  so  dass  die  Leute  meinten,  es  würde 
nicht  mehr  möglich  sein,  ihm  meine  Briefe  nachzusenden. 
Der  Vezier  aber,  den  ich  früh  am  folgenden  Morgen  be- 
suchte und  welcher  mich  sehr  freundlich  aufnahm,  stellte  mir 
drei  Reiter,  die  den  Courier  einholen  sollten.  Da  ich  glück- 
licherweise meine  Briefe  und  Depeschen  in  Baghirmi  beant- 
wortet hatte,  so  brauchte  ich  nur  mein  Packet  zurecht  zu 
machen;  die  Reiter  holten  jedoch  den  Courier  erst  in  einer 
Entfernung  von  40  Meilen  jenseits  Ngegimi  ein,  im  Herzen 
der  Wüste.  —  Meine  Diener  kamen  nicht  vor  dem  folgenden 
Abend  an,  und  zwar  in  einem  sehr  trübseligen  Zustande,  in- 
dem sie  sowohl  mit  dem  Kameel,  als  mit  dem  Gepäck  viele 
Noth  gehabt  hatten. 

[Mo7itagj  23fften  August.]  Wir  hatten  heute  eine  wichtige 
Privataudienz  beim  Scheich,  in  der  ich  nach  dem  Austausche 
der  üblichen  Komplimente  die  Gelegenheit  ergriff,  mich  gegen 
ihn  über  die  gegenwärtigen  Verhältnisse  der  Expedition  deut- 
lich auszusprechen.  Er  gab  den  Wunsch  zu  erkennen,  die 
Englische  Regierung  möchte  mich  zum  Konsul  bestellen, 
worauf  ich  ihm  erwiderte,  dass  dies  unthunlich  sei,  da  es 
mir  vielmehr  obliege,  unbekannte  Länder  zu  erforschen,  mit 
denselben  Verkehr  anzuknüpfen  und  sodann  in  die  Heimath 
zurückzukehren;  die  Englische  Regierung  sei  zwar  von  dem 
eifrigen  Wunsche  beseelt,  die  freundschaftlichsten  Beziehun- 
gen mit  Bomu  einzuleiten,  unsere  wissenschaftliche  Mission 
erstrecke  sich  jedoch  weit  über  die  Grenzen  seines  Gebietes 
hinaus.  Ich  theilte  ihm  zugleich  mit,  dass  sich  die  Regie- 
rung in  ihren  letzten  Depeschen  dahin  ausspreche,  wir  möch- 
ten, falls  es  sich  als  unmöglich  erweisen  sollte,  in  südlicher 

27« 


i 


420  XV.  Kapitel. 

oder  östlicher  Richtung  vorzudringen,  uns  westlich  wenden 
und  Timbuktu  zu  erreichen  suchen. 

Diese  Mittheilung  schien  sowohl  den  Scheich,  als  auch  den 
Vezier  ungemein  zu  erfreuen;  denn  sie  fürchteten  nichts  so 
sehr,  als  dass  wir  nach  Wddä'i  gehn  und  mit  dem  Sultan 
jenes  Landes  in  freundschaftlichen  Verkehr  treten  möchten. 
Aus  diesem  Grunde  war  ich  auch  davon  überzeugt,  dass  der 
Vezier  sicherlich  nichts  für  mich  gethan  hatte  zur  Siche- 
rung einer  guten  Aufnahme  in  Baghirmi,  vielleicht  aber  in 
entgegengesetzter  Richtung  nicht  unthätig  gewesen  war.  Der 
Scheich  erklärte  jedoch,  dass  er,  wie  er  imserem  gegenwär- 
tigen Vorhaben,  unser  Glück  in  westlicher  Richtung  zu  ver- 
suchen, grossen  Beifall  schenke,  uns  doch  auch  nicht  daran 
hindern  würde,  selbst  nach  Wadäi  zu  gehn,  da  es  ja  den 
Unterthanen  Ihrer  Brittischen  Majestät  nach  dem  ausdrück- 
lichen "Wortlaute  des  Vertrages  freistehe,  sich  hinzuwenden, 
wohin  es  ihnen  beliebe,  —  obschon  er  erst  einige  Tage  später 
und  nach  zahlreichen  Zögerungen  und  Ausflüchten  den  Vertrag 
wirklich  unterzeichnete.  Ich  drückte  dann  noch  die  Hoff- 
nung aus,  dass  uns  die  Umstände,  ehe  wir  das  Land  ver- 
liessen,  gestatten  möchten,  die  von  uns  und  der  Englischen 
Regierung  gleich  stark  begehrte  Aufnahme  und  Erforschung 
des  Tsäd  zu  beendigen.  —  Unsere  Ansprache,  sowie  die  Ge- 
schenke fanden  eine  huldvolle  Aufnahme  und  wir  wurden 
dann  mit  Herzlichkeit  entlassen. 

Am  letzten  August  unteraeichnete  der  Scheich  den  Vertrag 
und  machte  uns  dabei  die  Hoffnung,  dass,  wenn  wirklich  Eng- 
lische Kaufleute  in  das  Land  kommen  und  also  nach  an- 
derer Waare,  als  Sklaven,  nachfragen  sollten,  dann  der  Skla- 
venhandel allmählich  abgeschafft  werden  könne.  — 

Ich  war  nunmehr  in  den  Stand  gesetzt,  alle  unsere  peku- 
niären Angelegenheiten  in  Ordnung  zu  bringen.  Dieselben 
waren  in  einem  höchst  verwickelten,  ja  verzweifelten  Zu- 
stände,  da  wir  ausser  der  grossen,   dem  Kaufmann  Moham- 


Körperliche  EntkrttftnDg  Dr.  Overweg's.  421 

med  e'  Ssfäksi  schuldigen,  an  Ort  und  Stelle  zu  schaffenden 
Summe  von  1275  Thalern  dem  Vezier  allein  500  Spanische 
Thaler  schuldeten.  Weil  wir  nicht  bei  allen  Beträgen  Baar- 
zahlung  leisten  konnten  —  wir  hatten  ja  nur  eine  Baarsen- 
dung  von  1050  Thalern  von  der  Regierung  erhalten  — ,  so  ver- 
glich ich  mich  mit  dem  Kaufmanne  dahi^,  dass  ich  ihm 
200  Thaler  baar  und  einen  Wechsel  von  1500  Thalem  (auf 
Fesän)  gab,  wogegen  ich  alle  kleineren  Schulden,  sowie  auch 
die  beim  Vezier  baar  bezahlte. 

Wir  hätten  nunmehr,  wenn  auch  mit  nur  massigen  Mit- 
teln, allerdings  recht  Bedeutendes  leisten  können,  wäre  es 
uns  beschieden  gewesen,  beisammen  zu  bleiben;  aber  wäh- 
rend im  Anfange  alle  unsere  Anstrengungen  durch  die 
Geringfügigkeit  unserer  Mittel,  welche  keine  umfassende- 
ren Unternehmungen  gestatteten,  gelähmt  worden  waren, 
wollte  es  nun  unser  Geschick,  dass,  als  endlich  hinlängliche 
Mittel  eingetroffen  waren.  Einer  von  uns  beiden  erliegen 
sollte. 

Ich  habe  bereits  bemerkt,  dass  ich  durch  das  erschöpfte 
Aussehen  meines  Genossen  übeiTascht  wurde,  als  ich  densel- 
ben bei  meiner  Rückkehr  vor  dem  Thore  der  Hauptstadt  traf; 
tief  betrübte  es  mich  nun ,  den  ersten  Eindruck  durch  fer- 
nere Beobachtungen  bestätigt  zu  finden.  Da  er  sich  nach 
einer  kleinen  Luftveränderung  sehnte,  es  auch  unserem  Zwecke, 
der  Erforschung  des  Tsäd,  ganz  entsprach,  den  Zustand  des 
Komadugu  in  dieser  Jahreszeit  zu  beobachten,  während  grös- 
sere Unternehmungen  gegenwärtig  nicht  möglich  waren,  so 
kamen  wir  überein,  dass  er  einen  kleinen  Ausflug  nach  dem 
unteren  Theile  des  Flusses  machen  sollte.  Demgemäss  reiste 
er  am  29^ten  August  in  Gesellschaft  eines  Edelmannes  zweiten 
Ranges  —  „kokana"  —  nach  Adjiri  ab,  welche  Ortschaft,  un- 
weit westlich  vom  Gau  Dütschi  gelegen,  jenem  Edelmanne  ge- 
hörte. 

Ich  begleitete  ihn  bis  zur  Dorfschaft  D4u-erghü  und  wir 


422  XV.  Kapitel. 

trennten  uns  mit  der  Zuversicht,  dass  ihm  der  Ausflug  recht 
zuträglich  sein  würde.  Herr  Dr.  Overweg  fand  auch  viele 
Unterhaltung  an  dem  reichen  Pflanzenwuchs  des  Komd- 
dugu,  welcher  um  diese  Jahreszeit,  während  des  Steigens  des 
Flusses,  in  voller  Kraft  stand.  Er  erfuhr  durch  Erkundigung 
bei  den  Eingeborenen  die  sehr  interessante  Thatsache,  dass 
der  Komddugu,  welcher  während  der  trockenen  Jahreszeit  aus 
einer  Reihe  von  einzelnen  Pfützen  besteht,  am  2l8ten  oder 
228ten  Juli  einen  ununterbrochenen,  ostwärts  dem  Tsäd  zu- 
ziehenden Strom  zu  bilden  anfängt  und  dann  7  Monate  lang, 
also  bis  Mitte  Februars,  zu  fliessen  fortfährt;  im  Monat  No- 
vember fängt  er  an,  über  seine  Ufer  auszutreten.  Aber  so 
sehr  sich  auch  mein  Freund  für  die  ihn  umgebenden  Gegen- 
stände interessirte,  so  musste  er  sich  doch  für  deren  aufmerk- 
same Beobachtung  nicht  stark  genug  gefühlt  haben ;  denn  die 
von  ihm  auf  diesem  Ausfluge  verzeiclmeten  Bemerkungen  sind 
äusserst  kurz  und  unbefriedigend,  während  es  von  Wichtig- 
keit gewesen  sein  würde,  hätte  er  den  Lauf  des  Flusses  mit 
einiger  Genauigkeit  aufnehmen  können.  Bei  so  geschwäch- 
tem Zustande  beging  er  die  Unbedachtsamkeit,  den  letzten 
Tagesmarsch  seiner  Rückreise  nach  Kükaua,  am  13ten  Sep- 
tember, zu  sehr  zu  beeilen,  und  ich  bemerkte  mit  Bedauern, 
als  wir  zusammen  zu  Abend  assen,  dass  ihm  der  Appetit  fast 
gänzlich  fehlte. 

Mit  der  Unzuträglichkeit  des  Klima's  während  des  Monats 
September  vollkommen  bekannt,  kamen  wir  beide  überein, 
uns  so  viel  wie  möglich  Bewegung  und  täglich  einen  klei- 
nen Ritt  zu  machen.  Wir  verabredeten  demgemäss  auf  Sonn- 
tag den  IQten  September  einen  Besuch  in  Dau-erghü;  aber 
unglücklicherweise  verhinderte  uns  ein  Geschäft,  das  wir  zu 
erledigen  hatten,  früh  am  Morgen  aufzubrechen.  Da  nun  mein 
Freund  an  jenem  Tage  starkes  Kopfweh  hatte,  so  sclilug  ich 
vor,  unseren  Ausflug  auf  einen  anderen  Tag  zu  verschieben; 
er  meinte  jedoch,  dass  ihn  die  freie  Luft  stärken  würde.  Wir 


Dr.  Ovcrweg's  Erkrankung.  428 

brachen  daher  während  der  Tageshitze  auf;  doch  schien  die 
Sonne  nicht  sehr  hell  und  Herr  Dr.  Overweg  verfehlte  nicht, 
sich  den  Kopf  so  viel  wie  möglich  gegen  die  Sonnenstrahlen 
zu  schützen. 

Nachdem  wir  uns  im  Schatten  eines  herrlichen  Hadjilldj 
erholt  hatten,  hielt  sich  Herr  Dr.  Overweg  für  stark  genug, 
jagen  gehn  zu  können,  und  war  so  unvorsichtig,  dass  er 
sich  bei  der  Verfolgung  eines  Wasservogels  in  tiefes  Was- 
ser begab  imd,  ohne  auch  nur  ein  Wort  davon  zu  sa- 
gen, den  ganzen  Tag  über  in  seinen  nassen  Kleidern  blieb. 
Ich  hatte  keine  Ahnung  davon,  bis  er  nach  unserer  Rück- 
kehr in  die  Stadt  spät  am  Abend  seine  Kleider  am  Feuer 
trocknete. 

Obgleich  er  den  ganzen  Tag  über  in  Bewegung  gewesen, 
vermochte  er  doch  nicht,  unser  einfaches  Abendessen  zu  ge- 
niessen ,  er  klagte  jedoch  nicht.  Am  folgenden  Morgen  aber 
fühlte  er  sich  so  schwach,  dass  er  nicht  vom  Lager  aufzustehn 
vermochte.  Anstatt  nun  ein  schweisstreibendes  Mittel  zu  neh- 
men, wie  ich  ihm  ernstlich  rieth,  war  er  so  eigensinnig,  gar 
keine  Arznei  brauchen  zu  wollen,  so  dass  seine  Krankheit  mit 
beunruhigender  Schnelligkeit  zunahm  und  am  folgenden  Tage 
seine  Zunge  wie  gelähmt  und  seine  Aussprache  ganz  undeut- 
lich, ja  rein  unverständlich  war.  Er  wurde  sich  nun  selbst  der 
Gefahr  bewusst,  in  der  er  sich  befand,  und  erklärte,  er  werde 
in  der  Stadt  nicht  genesen  können,  er  müsse  durchaus  eine 
Luftveränderung  haben,  und  hege  die  Hofl&iung,  dass  er,  wenn 
ich  ihn  nach  Mdduäri  schaffen  könnte,  bei  unserem  Freunde, 
dem  Kaschella  Fügo  'Ali,  bald  wieder  hergestellt  werden 
würde. 

Es  war  eine  schwierige  Aufgabe,  meinen  kranken  Genos- 
sen nach  dem  gewünschten  Orte  zu  bringen,  welcher  über 
8  Meilen  von  Kukaua  entfernt  ist.  Obgleich  er  die  Reise  am 
Donnerstag  Morgen  antrat,  vermochte  er  doch  nicht  seinen 
Bestimmungsort  vor  Freitag  früh  zu  erreichen.     Ich  machte 


I 


424  XV.  Kapitel. 

Fügo  'Ali  ein  Geschenk,  damit  er  ihn  sorgfaltig  pflege,  ord- 
nete das  sonst  noch  Erforderliche  an  und  kehrte  alsdann 
nach  der  Stadt  zurück,  um  meine  Depeschen  zu  schliessen; 
aber  noch  am  selbigen  Abend  kam  einer  von  den  Dienern, 
die  ich  "bei  Herrn  Dr.  Overweg  zurückgelassen  hatte,  mit  der 
Nachricht  zu  mir,  dass  es  viel  schlimmer  mit  dem  Kranken 
gehe  und  dass.  sie  nicht  ein  einziges  Woii:  von  ihm  ver- 
stehen könnten. 

Ich  stieg  alsbald  zu  Pferde  und  fand,  in  Mäduäri  ange- 
kommen, meinen  Genossen  im  beklagenswerthesten  Zustande 
im  Hofraume  liegen,  da  er  sich  hartnäckig  geweigert  hatte, 
in  der  Hütte  zu  schlafen.  Er  war  in  kaltem  Schweisse 
gebadet  und  hatte  alle  Decken  von  sich  geworfen.  Er  er- 
kannte mich  nicht  und  wollte  weder  mir,  noch  sonst  Jemand 
gestatten,  ihn  zuzudei*ken.  Sobald  Delirium  eintrat,  mur- 
melte er  fortwährend  ganz  uuvei^ständliche  Worte,  in  welchen 
ein  Gewirre  von  allen  Begebenheiten  seines  Lebens  enthal- 
ten zu  sein  schien,  sprang  wiederholt  rasend  von  seinem  La- 
ger auf  und  rannte  mit  solcher  Wuth  gegen  die  Bäume 
und  das  Feuer,  dass  vier  Männer  ihn  kaum  zurückzuhalten 
vermochten. 

Gegen  Morgen  wurde  er  endlich  ruhiger  und  hielt  sich 
still  auf  seinem  Lager,  ohne  dass  ich  bemerkte,  wie  seine 
Kraft  schon  ganz  gebrochen  sei.  In  der  Hoflfnung,  er  habe 
die  Krisis  überstanden,  glaubte  ich,  nach  der  Stadt  zurück- 
kehren zu  köimen.  Ich  fragte  ihn.  ob  er  etwas  Besonderes 
wünsche,  und  er  deutete  an,  er  habe  mir  etwas  zu  sagen ;  es 
war  mir  aber  unmöglich,  ihn  zu  verstehen.  Aus  dem,  was 
sich  bald  ereignete,  kann  ich  nur  den  Schluss  ziehen,  er  habe 
mir  im  Bewusstsein  des  nahen  Todes  seine  Familie  empfeh- 
len wollen. 

Am  Sonntag  Morgen  sehr  früh  kam  Herrn  Dr.  Overweg's 
erster  Diener  mit  der  Nachricht  zu  mir,  dass  der  Zustand 
meines  Freundes  höchst  bedenklich  sei  und  dass  er  nicht  ein 


Dr.  Overweg's  Tod.  425 

Wort  mehr  gesprochen,  seitdem  ich  ihn  verlassen  habe,  son- 
dern regungslos  daliege.  Ich  ritt  unverzüglich  nach  Mdduäri, 
aber  ehe  ich  noch  das  Dorf  erreichte,  kam  mir  ein  Bruder 
Fügo  'Ali's  entgegen  und  erklärte  mir  mit  Thränen  in  den. 
Augen,  unser  Freund  sei  verschieden.  Mit  Tagesanbruch,  wäh- 
rend einige  Regentropfen  fielen,  hatte  sich  sein  Geist  nach 
kurzem  Kampfe  vom  Körper  gelöst. 

Am  Nachmittag  legte  ich  ihn  in  sein  Grab;  es  war  im 
Schatten  eines  schönen  Hadjilidj  gegraben  und  gegen  Raub- 
thiere  wohlgeschützt.  So  starb  mein  einziger  Freund  und 
Gefährte  im  SOstcn  Jahre  seines  Lebens,  in  der  Blüthe  der 
Jugend.  Es  war  ihm  nicht  beschieden,  seine  Reisen  zu  voll- 
enden und  glücklich  heimzukehren;  aber  er  fand  einen  höchst 
ehrenvollen  Tod  im  Dienste  der  Wissenschaft.  Es  ist  in  der 
That  ein  bemerkenswerther  Umstand,  dass  er  seine  Grab- 
stelle selbst  bestimmte,  genau  am  Rande  jenes  See's,  durch 
dessen  Beschiffung  er  seinem  Namen  ewige  Berühmtheit  ver- 
schafft hat.  Sicher  war  es  ein  Vorgefühl  des  herannahenden 
Todes,  dass  ihn  die  unwiderstehliche  Sehnsucht  nach  dieser 
Stelle  erfasste,  wo  er  dicht  an  der  Seite  des  Bootes  starb, 
in  dem  er  seine  Reise  gemacht  hatte.  Viele  Einwohner  des 
Dorfes,  denen  er  während  seines  wiederholten  hiesigen  Auf- 
enthaltes wohlbekannt  geworden  war,  beklagten  bitter  seinen 
Tod,  und  sie  werden  gewiss  des  „Tabib",  wie  er  genannt 
wurde,  noch  lange  gedenken. 

Tief  erschüttert  und  voll  von  trüben  Betrachtungen  über 
meine  verlassene  Lage  kehrte  ich  am  Abend  nach  der  Stadt 
zurück;  aber  unsere  Wohnung,  welche  mein  Gefährte  wäh- 
rend meines  Aufenthaltes  in  Baghirmi  bedeutend  verbes- 
sert und  durch  Übertünchen  mit  Gyps,  von  dem  er  im 
Hofraume  eine  Schicht  vorgefunden,  verschönert  hatte,  er- 
schien mir  jetzt  gänzlich  verödet  und  überaus  trübselig.  War 
es  nun  gleich  ursprünglich  mein  Vorhaben  gewesen,  noch 
einen  Versuch  zu  machen,  nach  dem  Ostufer  des  Tsäd  vor- 


426 


XY.  Kapitel.   Rückkehr  nach  der  Stadt 


zudringen,  so  kam  mir  doch  jetzt  jeder  längere  Aufenthalt 
an  diesem  Orte  so  unerträglich  vor,  dass  ich  mich  zur  unge- 
säumten Abreise  nach  dem  grossen  westlichen  Strome  ent- 
schloss,  um  neue  Länder  zu  sehn  und  mit  neuen  Menschen 
in  Berührung  zu  kommen. 


ANHANG. 


I 


I 


L 

Zur  Känem  -  Reise. 

Beschreibung   der  östlichen  Theile  Käneras  nach    Angaben   der  Eingeborenen. 


Indem  ich  eine  allgemeine  Beschreibung  derjenigen  Gegen- 
den Känems  versuche,  welche  ich  nicht  selbst  besucht  habe, 
muss  ich  mein  Bedauern  ausdrücken,  dass  ich  während  mei- 
ner Anwesenheit  im  Lande  keine  Kenntniss  von  der  hand- 
schriftlichen Geschichte  der  Kriegszüge  des  Königs  EdrTss 
Alaöma  in  eben  jene  Landschaft  hatte.  Denn  mit  Hilfe  des 
reichen  Vorrathes  an  wichtigen,  sowohl  historischen  wie 
geographischen  Daten,  die  in  jenem  Werke  enthalten  sind, 
würde  ich  im  Stande  gewesen  sein,  der  Beschreibung  der 
von  mir  durchzogenen  Landschaften  grösseres  Interesse  zu 
verleihen  und  vielleicht  selbst  die  Lage  mancher  bedeuten- 
deren ihrer  früheren  Ortschaften  zu  identificiren. 

Die  frühere  Hauptstadt  von  Känem  war,  wie  wir  gesehn 
haben,  Ndjimi  oder  Ndjimie,  dessen  ungefähre  Lage  weiter- 
hin angedeutet  werden  soll.  Der  gegenwärtige  Hauptort 
(wenn  dieses  Wort  sich  noch  auf  ein  solches  Land,  wie  Kä- 
nem jetzt  ist,  anwenden  lässt)  ist  Mao  oder  vielmehr  Mäö  *), 
ein  schon  zu  Edrlss  Alaöma's  Zeiten  sehr  wichtiger  Ort. 


•)   Dieser  Name  Avird   im  Arabischen   auf  verschiedene  Weise  geschrieben. 

Imäm  Ahmed   gibt   zuweilen   die  Form  \^SUC  ,   dann    wieder  iaLc  ;   aber  die 

wirklich  einheimische  Form  scheint  Mäö  zu  sein,  welcher  Name  mit  G&ö,  wie 
die    Hauptstadt  des  Sonrhay  -  Reiches   heisst,   ToUstandig  übereinstimmt.     £s 


I 


430  Anhang  I. 

Wir  wünschten  angelegentlichst,  diese  Stadt  zu  erreichen, 
und  es  würde  auch  wohl  gelungen  sein,  hätten  die  Ueläd 
Slimän  den  Zug,  dem  wir  uns  angeschlossen,  mit  ihrer  ge- 
sammten  Mannschaft  ausgeführt,  anstatt  der  Hälfte  derselben 
zu  erlauben,  sich  nach  Kükaua  zu  entfernen.  Die  Stadt 
scheint  etwa  20  Meilen  südöstlich  von  HenderT  Sslggc-ssi  zu 
liegen  und  gegenwärtig  nur  dünn  bewohnt  zu  sein,  indem 
die  Einwohnerzahl  wohl  sicherlich  nicht  3000  bis  '  XX)  über- 
steigt; doch  soll  sie  noch  immer  einen  beträchtlichen  Um- 
fang haben.  Um  die  Stadt  zieht  sich  eine  Ringmauer,  deren 
Zustand,  da  sie  aus  Lehm  erbaut  und  daher  jährlicher 
Ausbesserung  benöthigt  ist,  gar  sehr  von  dem  jedesmaligen 
Zustand  des  Landes  abhängt.  Dattelpalmen  zieren  in  gros- 
ser Anzahl  den  Ort.  Er  ist  Sitz  eines  Chalifa,  dessen  Macl;it 
höchst  unsicherer  und  ungewisser  Natur  ist,  da  sie  gänzlich 
von  der  zeitweiligen  Oberherrlichkeit  von  Wadai  oder  Bornu 
abhängt,  wesshalb  es  gemeiniglich  zwei  Chalifen  gibt,  einen, 
welcher  wirkliche  Gewalt  hat,  und  einen  anderen  in  der  An- 
wartschaft, jenen  bei  der  ersten  Gelegenheit  mit  Hilfe  der 
ihn  begünstigenden  Macht  zu  vertreiben.  Der  berühmte  König 
von  Wädäi,  Abd  el  Kerim  Ssabün,  war  es,  dem  zuerst  die  An- 
sprüche zufielen,  welche  die  Buläla,  die  Fürsten  der  damals 
von  Wädäi  eingenommenen  Länder  Fittri  und  Küka,  durch 
Eroberung  auf  das  Königreich  Känem  er\^orben  hatten. 

Kehren  wir  jedoch  nach  Maö  zurück!  fiier  wird  jeden 
Mittwoch  ein  Markt  gehalten,  welcher  jedoch  wegen  des  sehr 
unsicheren  Zustandes  des  Landes  gegenwärtig  schwerlich  von 
besonderer  Bedeutung  sein  kann.  Die  Einwohner  der  Stadt 
scheinen  zu  einer  besonderen  Sippschaft  zu  gehören;  denn 


ist  keineswegs  unwahrscheinlich,  dass  der  Name  Matan,  welchen  Ebn  Said 
und  nach  ihm  A'bü'l  Feda  (S.  162)  einem  wohlbekannten  Platze  Känoms 
geben,  im  Namen  Milö  seinen  Ursprung  gehabt  hat,  obgleich  sie  ihn  hart  am 
Ufer  des  Tsad  („bahlret  KOrl")  und  nördUch  tou  Ndjfraie  ansetzen. 


Die  Umgebung  der  Stadt  M4o.  431 

die  Teda  nennen  sie  Beräncma.  Den  Ursprung  dieses  Na- 
mens habe  ich  nicht  in  P>fahrung  bringen  können.  Er  könnte 
mit  dem  Namen  Börnu*  in  einem  gewissen  Zusammenhang 
zu  stehn  scheinen,  hat  aber  jedenfalls  nichts  mit  dem  Namen 
Beräuni  zu  thun,  der  den  Teda  selbst  von  den  Kel-owi  und 
anderen  Fremden  gegeben  wird. 

Zwischen  Maö  und  Henden  Ssigge-ssi  scheint  es  noch  ver- 
schiedene fruchtbare  Thäler  zu  geben,  wo  die  Dattelpalme 
in  grösserer  oder  geringerer  Menge  gedeiht,  unter  welchen 
die  folgenden  besonders  rühmlich  bekannt  sind:  das  Thal 
Kdrfu  oder  Kärafu,  einige  Meilen  von  Mäö,  unter  der  Herr- 
schaft des  Keghämma  Gürde,  Nachfolgers  des  Keghdmma 
Ssintal;  das  Thal  Yegi  an  der  Westseite  und  nicht  weit  von 
Kdrfu,  das  Thal  Badänga,  gleichfalls  nicht  weit  davon,  sehr 
reich  an  Dattelpalmen,  und  das  Thal  Kedalä,  welches  dem 
Häuptling  Tschefande*)  gehört;  femer  die  Thäler  Hamädji 
(dem  Fügo  gehörig?),  Galtarä  und  Mäpal.  Das  Mäpal-Thal 
soll  die  Grenze  der  Dattel  in  dieser  Richtung  bilden.  An 
der  Westseite  von  Mäö  liegt  noch  eine  bewohnte  Ortschaft 
Namens  Kadjidi,  aber  sie  hat  keine  Dattelbäume. 

Das  obere  Gessgi-Thal,  das  sich  nach  Aussage  der  Leute 
von  Süden  nach  Norden  senken  soll,  wird  TelerT-Tschemö 
genannt  und  ist  der  Sitz  der  SchM,  zu  welchen  die  Fugäbu 
oder,  wie  der  Name  oft  ausgesprochen  wird,  Fogubö  Schiri 
gehören,  die  bitteren  Feinde  der  Worhda,  welche  das  eigent- 
liche Gessgi-Thal  bewohnen.  In  dieser  Gegend  liegt  auch 
noch  das  Lillöa-Thal. 

Nördlich  von  Mäö  und  östlich  oder  vielmehr  südöstlich  in 
geringer  Entfernung  von  Aläli  liegt  die  Ortschaft  Kul&kulä, 
gleichfalls  von  Kanembü  bewohnt.  Welche  Lage  die  von 
dem  gegenwärtig  unter  dem  Befehle  eines  Keghdmma  —  „ke- 


*)  Die  letztere  Angabe    ist  vielleicht  nicht  ganz  richtig.    —    Das  Kanöri- 
Wort  ,, tschefande'*  bedeutet:  „er  hat  gefunden'*. 


432  Anhang  I. 

ghämma  gedibe"  —  stehenden  Stamme  Kemalla  bewohnte 
Ortschaft  Beräda ,  die  gleichfalls  im  Norden  von  Mäö  liegen 
soll,  in  Bezug  auf  die  letzterwähnten  Ortschaften  hat,  weiss 
ich  nicht  genau  zu  sagen;  sie  liegt  wahrscheinlich  ein  wenig 
mehr  östlich.  Mehrere,  gleichfalls  nördlich  von  Mäö  gelegene 
Thäler  werden  von  den  Medele  bewohnt,  einem  nomadischen 
Stamm  im  Besitze  von  grossen  Rindvieh-  und  Schaaf  heerden ; 
nach  diesem  Stamme  ist  auch  oflFenbar  das  Thal  Medele, 
oder,  wie  der  Name  gewöhnlich  ausgesprochen  wird,  „Madele", 
das  wir  selbst  passirten,  benannt.  Endlich  liegt  in  dieser  Gegend 
noch  das  Güm-ssa-Thal,  bewohnt  von  dem  Tebu- Stamme  der 
Güm-ssua,  welche  von  den  weiter  unten  erwähnten  Gümssu  ver- 
schieden zu  sein  scheinen,  obgleich  ich  darüber  ungewiss  bin. 

Ostnordöstlich  von  Mäö  liegen  die  Ortschaften  Kammegrl 
und  Djugö,  welche  von  einer  eigenthümlichen  Sippschaft  be- 
wohnt werden,  die  bei  den  Arabern  „cl  Mällemm"  heisst,  deren 
einheimischen  Namen  ich  aber  nicht  habe  erfahren  können; 
ich  glaube  aber,  dass  sie  mit  dem  Haddäda  genannten 
Stamme,  dessen  urspiünglicher  Name  „Bungu"  oder  noch 
eigenthümlicher  „Dügu"  ist,  identisch  sind. 

Etwas  weiter  westlich  von  Mäö  entfernt  befinden  sich  die 
zahlreichen  Wohnplätze  der  Schitäti,  nach  denen  die  ganze 
Landschaft  bezeichnet  wird.  Von  diesen  Ortschaften  besuchten 
wir  mehrere,  wie  Yegil,  Aghö  (schon  im  frühen  Mittelalter  ein 
wichtiger  Platz),  Arndnko,  Burkadrusso,  Boro.  Ausser  diesen 
sind  die  folgenden  die  bedeutendsten  unter  ihren  zeitweiligen 
Wohnplätzen:  Berinde,  Linkero,  Kinti,  Hederke,  Din,  Ge- 
ringe, Tyiro,  KüUa,  Lariska,  zwei  verschiedene  Ortschaften 
mit  dem  Namen  Nünku,  Kaii  oder  Kö,  Lischegö,  KelemrT, 
Dele,  Toäder,  Geno,  LergedjT,  Yiggela,  Maina,  Yiggii,  Yakülge, 
Bngale*),  Büni,  Tschanga,  Ndurö,  Lodore,  zwei  verschiedene 


*)  Bdgale  ist  gewiss  ein  interessantes  Beispiel  von  der  Homonymie  Afrika- 
nischer Namen  in  oft  weit  auseinander  liegenden  Landschaften. 


Die  Umgebung  des  Tsad.  433 

Plätze  mit  den  Namen  Kiäla,  Bolleli,  Küttua,  Mi,  Kadjirö, 
Äddufo,  Yerö. 

Ich  wende  mich  nun  südwärts  von  M&ö  dem  südöstlichen 
Gestade  des  Tsäd  -  See's  zu,  der,  nachdem  sein  inneres  Becken 
durch  Herrn  Dr.  Overweg's  BeschifFung  im  Allgemeinen  er- 
kundet ist,  nun  nach  diesen  Angaben  auch  in  seinen  äusse- 
ren Umrissen  ziemlich  genau  dargestellt  werden  kann,  ob- 
gleich es  freilich  gar  sehr  zu  bedauern  ist,  dass  es  uns 
nicht  gelang,  diesen  Landstrich  selbst  zu  erreichen  imd  seine 
wesentliche  Beschaffenheit  aus  eigener  Ansicht  zu  erforschen. 

I.  Itinerar  von  Älaö  iiacli  Tdglighel  (in  genau  süd- 
licher Richtung). 

Ister  Tag:  Royendü,  eine  von  den  Wguegim,  einer  besonde- 
ren Sippschaft  der  Teda  oder  Tebu,  bewohnte  Ortschaft. 

2ter  Tag:  Beiangara*),  Ortschaft  der  Dibberi,  welche  die 
Kanöri- Sprache  reden  und  der  ursprüngliche  Stanmi  der 
Fugäbü  sein   sollen.     Ankunft  vor  der  Hitze   des  Tages. 

3ter  Tag :  Ghalä,  beträchtliche  Dorfschaft  der  Kubberi  oder 
Kobber,  welche  die  Kanöri  -  Sprache  reden. 

4ter  Tag :  Djekere,  eine  gegenwärtig  unansehnliche ,  aber  frü- 
her bedeutende  Ortschaft,  bewohnt  von  den  Kdnku,  einem 
Stamme  oder  einer  Sippschaft  der  Kanembü  (vielleicht 
identisch  mit  den  Künkunä  oder  Kakenna.) 

5ter  Tag:  Ankunft  vor  der  Hitze  beim  Brunnen  Lefädu,  wo 
keine  Wohnungen  sind;  nach  kurzer  Rast  Aufbruch  und 
Ankunft  in  Mailo,  einer  an  einem  fischreichen  See  gele- 
genen Ortschaft,  bewohnt  von  den  Haddäda  oder  Bungu, 
einer  eigenthümlichen  Völkerschaft,  welche  die  Kanöri- 


*)  Der  Name  Belängara  hat  ein  eigenthttmlichcs  Aussehen;  er  ist  wahr- 
scheinlich  von  dem  Ursprung  der  Bewohner  abgeleitet ,  denn  „bille  'Sgire"  ist 
der  Name,  womit  noch  heute  die  Bewohner  von  Lögone  die  Kanöri  bescichnun. 

Barth'»  KaiMn.    UI.  28 


434  Anhang  L 

Sprache  redet,  beinahe  ganz  nackt  geht,  indem  sie  nur 
einen  ledernen  Schurz  trägt,  und  mit  Pfeil  und  Bogen  und 
einem  eigenthümlich  gestalteten  Handeisen  —  „göliö"  — 
bewaflfnet  ist.  Es  sind  geschickte  Bogenschützen ,  und 
werden  sie  angegriffen,  so  ziehen  sie  sich  in  die  dichten 
Wälder  ihrer  Heimath,  welche  den  allgemeinen  Namen 
Bari  zu  führen  scheint  und  wiederholt  schon  von  Imäm 
Ahmed  erwähnt  wird,  zurück  und  verstehen  ihre  po- 
litische und  religiöse  Unabhängigkeit  —  sie  sind  Heiden 
—  gut  zu  vertheidigen.  Zu  ihnen  gehört  der  wohlbe- 
kannte Stamm,  welcher  wenigstens  bei  den  Ueläd  Slimän 
den  Namen  Duarda  Hadjra  führt.  Ein  bekannter  Ort  der 
Haddäda  ist  Dimäri,  der  Wohnsitz  des  Mala  Dima.  Auch 
residirt  hier  ein  Häuptling  der  Tübur,  eines  Stammes, 
dessen  genauere  Beziehungen  mir  unbekannt  sind.  In 
Bäri  wird  jeden  Donnerstag  ein  Markt  gehalten,  wahr- 
scheinlich in  dem  Mäö  am  nächsten  liegenden  Theile.  Im 
Jahre  1853  verbündeten  sich  die  Ueläd  Slimän  eng  mit 
den  Haddäda  und  brachten  so  dem  Beamten  von  Wädai, 
dem  Agid  el  Bahhr,  eine  Niederlage  bei. 
[Um  einen  allgemeinen  Begriff  von  dieser  wenig  bekannten 
Landschaft  zu  geben,  ist  das  folgende  Itinerar  von  Kü- 
ssuri  nach  Mäö,  nach  den  Angaben  des  Kanemma-Häupt- 
lings  Xmssakai,  von  grosser  Bedeutung: 
Ister  Tag:  Man  schläft  in  der  Wildniss. 
2ter  Tag:   Man  schläft  in   der  Nähe  von  Kaü  Abüddala, 

einer  Felserhebung  am  See*). 
3ter  Tag:    Yamanük  Kalema,  ein    grosses   offenes  Dorf, 

offenbar  so  benannt  von  dem  kriegerischen  Häuptling 

Ämanük    oder  Yämanük,    der    aus  Denham's  Bericht 

wohlbekannt  ist. 


*)  Denham,  Bd.  1.  S.  261  der  Originalausgabe.  —  Zwei  Strassen,  welche 
diesen  wichtigen  Punkt  mit  .Vbü-Gher  und  M$16  Terbinden,  sollen  am  Ende 
dieses   Bandes  gegeben  werden. 


Die  Umgebung  des  Tsad.  435 

4ter  Tag:  Bari,  ein  ausgedehnter  Bezirk,  früher  unter  der 

Autorität  des  Scheichs  von  Bömu,  unweit  vom  Ufer 

des  See's. 
5tor  Tag :  Dimäri,  ein  ansehnlicher  Platz,  Dima  (Mala  Dima) 

gehörig,  der  von  A'mssakai,  einem  Statthalter  von  Kä- 

nem,  benannt  wird. 
6ter  Tag:   Gümssu,  eine  in  einem  Thale,  das  reich  an 

Dattelpalmen    ist,    gelegene    und    von    Kanembü    und 

Schiia  bewohnte  Ortschaft. 
7ter  Tag:  Mandö  oder  Mondö,    ein  grosser  Marktplatz, 

früher  unter  dem  Chalifen  von  Bömu. 
8ter  Tag:  Mäö.] 

6ter  Tag:  Taghghel,  eine  am  Ufer  der  sumpfigen  Lache  ge- 
legene Ortschaft,  bewohnt  von  den  Eadjidi,  die  viel  Ge- 
treide bauen  und  grosse  Heerden  von  Kameelen  be- 
sitzen —  eine  bei  der  Lage  des  Ortes  auffallende  Er- 
scheinung. Ankunft  vor  der  Hitze  des  Tages.  Man 
kann,  wenn  man  es  wünscht,  von  Djekere  sofort  weiter 
gehn  und  Taghghel  noch  selbigen  Tages  bei  Sonnenunter- 
gang erreichen. 

Die  Richtung  aller  Thäler  —  „wddiän"  — ,  welche  man 
auf  diesem  Wege  durchschneidet,  ist  westöstlich. 

n.  Von  Berl  iiacli  Taghghel  längs  des  Ufers  *)  der 

Lache. 

» 

Ister  Tag:  Kologo. 

2tcr  Tag:  Kesskaua  oder  Kisskaua,  bewohnt  von  den  Kub- 
beri,  welche  viel  Getreide,  hauptsächlich  Masr  ( Zea 
Mays),  sowie  auch  Bohnen  bauen  imd  viel  Rindvieh  be- 
sitzen.   In  früheren  Zeiten  lag  noch  eine  Dorfschaft  oder 


*)  Wenn  man  bei  einem  solchen  Sumpf gewässer ,   wie  der  Tsad  ist,   über- 
haupt von  einem  Ufur  sprechen  kaan. 

28* 


436  Anhang  I. 

ein  Bezirk  Namens    Kesskaua,    am   südlichen  Ufer    der 
Sumpflaclie,  1  Tagereise  westlich  von  Ngäla. 
3ter  Tag:  Köskodö. 

4ter  Tag:  Talgin,  eine  ansehnliche  offene  Dorfschaft.  Un- 
fern ist  ein  Thal  mit  Dattelpalmen.  Man  kann  Talgln 
von  Beri  aus  leicht  in  2  Tagen  erreichen,  indem  man 
in  Kesskaua  übernachtet. 

[Von  Talgin  geht  die  gerade  Strasse  nach  M^ö  in  3  Ta- 
gereisen folgendermassen : 
Ister  Tag:    Mänigä,    eine    von  Tebu   und  Kanembu  be- 
wohnte Ortschaft,   wie  es  scheint,   an  einem  Arme  der 
grossen  Lache  gelegen. 
2ter  Tag:    Eine  Dorfschaft,    bewohnt   von    Tebu,    unter 
der  Herrschaft  des  Kaschella  Batscha,  mit  einem  nicht 
unbedeutenden  Markte,  wo  besonders  viel  Datteln  ver- 
kauft werden. 
3ter  Tag:  Maö;  Ankunft  bei  Sonnenuntergang,  nachdem 
man  während  der  Hitze    in  einer  oflFenen  Ebene  mit 
Dattelpalmen  Rast  gemacht.] 
5ter  Tag :  Wüli  oder  Füli ;  von  hier  fühii  eine  andere  Strasse 

nach  Mäö. 
6ter  Tag:  Kununü. 
7ler  Tag:  Kdnanä. 

8ter  Tag:    Forrom,   eine  auf  festem  Lande  belegene  Oii- 
scbaft  oder  ein  Bezirk,   von   der  Insel  gleichen  Namens 
wohl  zu  unterscheiden, 
gter  Tag:  Ngillewä. 
lOter  Tag:  Medi. 

llter  Tag:  Taghghel.  (Ich  will  hier  nur  bemerken,  dass 
Tdghghel  nicht  mit  Denham's  Tdngalia  zusammenfallen 
kann,    da    die  letztere  Ortschaft  1   Tagereise  südUch*) 


*)  S.  Dcnham,  Bd.  I.  S.  265.    In  dieser  Stelle  scheint  beinahe  ein  Missrer- 
ständniss  obzuwalten,  nämlich  t^hi  a  datf^  („in  einem  Tageraarsch")  zu  stehn 


Der  Bahhr  el  Ghasäl.  437 

oder    vielmehr   südwestlich    vom  Bahhi*  el  Ghasäl    lag, 
während  Tdghghel  1|  Tagereisen  nördlich  davon  liegt.) 

IIL  Der  Bahlir  el  Ghasäl,  „Biirrum"  *)  von  den  Ka- 
nenibu  und  „Föde"  von  den  Tebu-Guraän  genannt. 

Alle  bezüglich  dieses  vielbesprochenen  Thaies,  das  wir  so 
sehnlich  zu  erreichen  gewünscht  hatten,  mir  gewordenen 
Mittheilungen  stimmen  in  der  sehr  merkwürdigen  Angabe 
überein,  dass  es  nicht  von  der  Wüste  nach  der  Lache  zu, 
sondern  von  der  Tsäd- Lache  nach  der  Wüste  zu  abgedacht 
sei.  Alle  Zeugen  sagen  aus,  dass  es  gegenwärtig  trocken 
sei,  aber  vor  weniger  als  100  Jahren  das  Bett  eines  Flusses  oder 
Kanales  gebildet  habe,  durch  welchen  eine  Wasserverbin- 
dung zwischen  dem  Tsäd  und  Bürgu  stattgefunden.  Einige 
behaupten  sogar,  es  lebe  noch  ein  sehr  alter  Mann,  der  in 
früher  Jugend  diesen  Weg  zu  Wasser  gemacht  habe.  Natür- 
lich ist  alles  dieses  mehr  als  apokryphisch  und  gar  nicht 
denkbar,  dass  das  Land  Bürgu  nicht  mehrere  100  Fuss  über 
dem  Niveau  des  grossen  Central- Afrikanischen  Flusssackes 
läge,  —  denn  das  ist  wohl  das  schlagendste  Wort,  mit  dem 
wir  die  Tsäd-Lache  zu  bezeichnen  im  Stande  sind. —  Die  Stätte, 
wo  dieses  sehr  grosse ,  gegenwärtig  trockene  und  mit  Bäumen 
dicht  durchwachsene  Wadi  in  den  Tsäd  mündet,  ist  nahe  süd- 
lich von  einer  Ortschaft  Namens  'Aliman,  welche  1^  Tagerei- 
sen südlich  von  Täghghel  entfernt  sein  soll,  indem  man  nach 
Aufbruch  von  Tdghghel  zuerst  in  Kirtschimma  übernachtet 
und  dann  vor  Mittag  in  'Ah'mari  ankommt.  Die  Verbindung 
zwischen  der  Sumpf  lache  und  dem  Thale  soll  aber  gegen- 
wäi*tig  bei  einer  Stelle  Namens  Ssüggera  (von  den  Arabern  Mes- 
räk  genannt)  durch  Sandhügel  unterbrochen  sein,  und  zwar  der 


statt  „(rnce'\  ,, eines  Tages'*,  ,,in  früherer  Zeit*',  nämlich  als  der  SchQa-HanptUng 
noch  mächtig  war. 

*)  In  der  Vorrede  steht  ,,bärrem**,  was  eine  andere  Form  desselben  Kamens 
ist  und  im  Allgemeinen  „Wasserplatz**,  „Brunnen**  bedeutet. 


I 


438  Anhang  I. 

Ai-t,  dass  die  Tsäd- Wasser  selbst  beim  höchsten  Stande  ver- 
hindert werden,  in  das  Burrum  einzutreten.  Jedoch  wird 
hier  weiter  landeinwärts  ein  anderes  Becken  gebildet,  das 
gelegentlich  Hedebä  genannt  wird. 

a)    Von  'Alimari  nach  Moitö*). 
Ister  Tag:  Kedäda,   ausschliesslich  von  entflohenen  Sklaven 

bewohnt,  die  hier  ihre  Freiheit  wiedergefunden  haben. 
2ter  Tag:  Kedigi,  von  Asale'- Arabern  bewohnt. 
3ter  Tag:  Moitö  (s.  Anh.  VIIL). 

b)  Von  'Alimari  nach  Edrnak  Logone  (2^  Tagereisen). 
Obgleich  einige  meiner  Berichterstatter  —  offenbar  auf 
Grund  der  vielen  kleineren  Thäler,  die  sich  an  den  grossen 
Bürrum  anzuschliessen  scheinen,  der  Meinung  waren,  dass 
es  ein  Zweigthal  gäbe,  durch  welches  der  Bahhr  el  Ghasäl 
mit  dem  Fittri,  d.  h.  der  Sumpflache  der  Küka,  dem  Fluss- 
sacke des  Bat-hä,  in  Verbindung  stehe,  so  stimmte  doch 
die  Mehrzahl  derselben  darin  überein,  dass  gar  keine 
solche  Verbindung  bestehe,  dass  aber  verschiedene,  von  ein- 
ander unabhängige  Thäler  zwischen  beiden  gelegen  seien. 
Mehrere  Umstände  scheinen  diese  Angabe  völlig  zu  bestä- 
tigen, —  vor  allen  derjenige,  dass  die  Reisenden  zwischen 
Yaö  und  Moitö  gar  kein  von  Norden  kommendes  Thal 
passiren. 

Die  Richtung  des  Biirrum   ergibt  sich  für  einen  beträcht- 
lichen Theil  seines  Verlaufes  aus  der  Strasse,  welche  von  Mao 
nach  Yäö,  dem  Hauptort  der  Provinz  Fittii  führt  und  nach  den 
Berichterstattern  eine  fast  genau  östliche  Richtung  verfolgt. 
Ister  Tag:   Kalkalä,   nicht  zu  verwechseln   mit   dem  vorher 

erwähnten  Orte  Kulakulä;  ein  kurzer  Marsch. 
2ter  Tag:   Güdjer,   wo  man  während  der  Hitze  Rast  hält, 
dann  am  Nachmittag  aufbricht  und  auf  der  Strasse  über- 


*)  Der  Aussprache  nach,  und  wenn  "man  die  Schreibweise  der  Araber  unbe- 
rücksichtigt lässt,  könnte  man  diesen  Xamen  auch  „McutÖ"  schreiben. 


Der  Bahhr  el  Ghasjll.  439 

nachtet.  Die  hiesige  Umgegend  scheint  den  allgemeinen 
Namen  Ssagöre  zu  führen,  meiner  Ansicht  nach  nicht  ver- 
schieden von  Yagöre,  dem  Namen  der  Landschaft,  in 
welclier  Mondö  belegen  ist. 

3ter  Tag:  Toröro,  ein  Brunnen  im  Bürrum.  Ankunft  vor 
Eintritt  der  Mittagshitze  —  „käila"  — .  Zu  Pferde  soll 
man  den  Weg  von  Mäö  nach  dem  Bürrum  in  Einem 
Tage  machen.  Man  hält  hier  während  der  Hitze  Rast, 
bricht  um  Dhohor  (2-J  Uhr  Nachmittags)  wieder  auf  und 
lagert  bei   Sonnenuntergang  noch  immer  im  Wadi. 

4Ur  Tag:  Lager  beim  Anfang  der  Hitze,  noch  immer  in 
demselben  Wadi. 

5ter  Tag :  In  einem  anderen  (V)  Wadi,  wahrscheinlich  einem 
sich  abzweigenden  Arm. 

ßter  Tag:  Schegeräi,  ein  wasserreicher  Brunnen  (anderen 
Berichtei-stattem  nach  im  Bürrum). 

7ter  Tag:  Hadjidjat. 

gter  Tag:  Ijager  zwischen  den  Felsen  im  Wadi  Fäli. 

9ter  Tag:  Fittri. 

[Ich  gebe  hier  die  Strasse  von  Yäö  nach  Mäö,  nach  dem 
Berichte  des  Buläla*)  Ibrahim: 
Ister  Tag:  Fäli,  ein  felsiges  Thal,  schon  im   Gebiete  von 

Baghirmi. 
2tcr  Tag:  Aüni,  ein  von  Baghirmi-Lcuten  bewohnter  Weiler. 
3ter  Tag :  Bükko,  ein  von  Baghirmi-Leuten  bewohnter  Weiler. 
4ter   Tag :   Schegeräi,  ein  von  Tebu-Gurään  bewohntes  Thal. 
5ter  Tag:  Bahhr  el  Gliasdl. 
6ter  Tag :  Kedäda,  eine  von  Tündjur  bewohnte  Ortschaft  Es 

ist  eine  sehi*  wichtige  Frage,  ob  dieses  Kedäda  mit  dem 

vorher  erwähnten  einerlei  sei. 


*)  Ich  gestehe,  dass  ich  nicht  genau  weiss,  wie  die  Singnlaxform  ron  Bu- 
lala  lauten  niüsste. 


I 


440  Anhang  I. 

7ter  Tag:  Mondö,  ansehnlicher  Ort  im  Bezirk  Yagöre,  dess- 
halb  auch  zuweilen  Mondö  Yagöre  genannt,  bewohnt  von 
Tündjur  (dieser  eigenthümlichen  Völkerschaft  wird  am 
Ende  dieses  Bandes  noch  näher  erwähnt  werden),  Wadai- 
Leuten  und  Arabern.  In  demselben  Bezirk  Yagöre  liegt 
auch  die  Ortschaft  Bugdrma,  beherrscht  von  dem  Häupt- 
linge Kedl-Adümmo.  Mondö  wird  von  Denham*)  als 
ungefähr  10  Stunden  zu  Pferde  von  seiner  Station  im 
Lager  der  Düggana  entfernt  aufgeführt  Es  ist  der  Sitz 
eines  Statthalters,  früher  unter  der  Regierung  von^Bömu, 
jetzt  aber  (wenigstens  1851)  unter  der  von  Wäddi.  Der 
gegenwärtige  Statthalter  ist  Fügobo-Bakr  oder  A'bakr 
(eigentlich  Abü-Bakr).  Auch  der  Agid  el  Bahhr  hat  hier 
häufig  seinen  Aufenthalt. 

8ter  Tag:  Yagübberi  (so  wahrscheinlich  nach  dem  Kanembü- 
Stanmie  der  Kübberi  genannt),  bewohnt  von  Tündjur. 

9ter  Tag:  M&ö.] 

Es  ist  hier  am  geeignetsten,  die  von  den  Ueläd  Slimän 
uns  mitgetheilten  Stationen  längs  des  berühmten  Bürrum  an- 
zuführen, wodurch  sich  nach  Vergleichung  mit  den  obigen 
Itinerarien  ein  ungefährer  Umriss  der  Windungen  dieses  be- 
rühmten Thaies,  wie  sie  in  der  später  erscheinenden  allgemei- 
nen Karte  angesetzt  sind,  herausstellen  wird. 

Wenn  man  bei  *Alimari  anfängt  und  immer  das  Bürrum 
entlang  zieht,  so  sind  die  üblichen  Stationen  die  folgenden: 
Geren  —  Hebäl  —  Schegeräi  —  Fadjädja  —  Münarak  — 
Scheddera  —  Toröri  —  Haradibe  —  GelemnT  —  Hagedji  — 
Tülb-bahr  (Tül-el-bahr?)  —  Tschüaru  —  Ege. 

Die  Lage  von  Ege  wird  ziemlich  genau  festgestellt  durch 


*)  Denham,  Bd.  I.  S.  262  ff.  Es  ist  nicht  ganz  klar,  ob  Denham  die  .50 
Meilen  (S.  267)  bis  Mendoo  (Mondö)  oder  bis  M^ö  rechnet,  obgleich  das  Letz- 
tere wahrscheinlich  ist.  Der  Name  Korata  Mendooby  (S.  267)  bedeutet  die 
Kerida  oder  Kreda  (Fugäbü)  von  M6ndö. 


Der  Bahhr  el  Ghasäl.  441 

Vergleichung  mit  einem  weiter  unten  anzuführenden  Itinerar 
von  Ngegimi  nach  jener  weidereichen  Thallandschaft.  Vorher 
muss  jedoch  einer  Schwierigkeit  Erwähnung  geschehen,  die 
einige  Ungewissheit  in  der  Darstellung  dieser  Gegenden  übrig 
lässt.  Diese  Schwierigkeit  betrifft  die  Stelle  Schegeräi, 
welche  in  der  letzterwähnten  Mittheilung  als  ein  Platz  und 
Brunnen  im  Bürrum  selbst,  in  den  anzuführenden  Itinera- 
rien  aber  mehr  als  ein  besonderes  Thal  bezeichnet  wird; 
jedoch  kann  nach  gehöriger  Überlegung  kein  Zweifel  an  der 
Identität  obwalten.  Das  grosse  Burnmi  hat  offenbar  mehrere 
kleinere  Abzweigungen.  Wegen  der  die  grosse  Schlangen- 
windung des  Thaies  klar  vor  Augen  stellenden  Identität  von 
Toröri  in  den  verschiedenen  Itinerarien  kann  von  einem  Zwei- 
fel nicht  entfernt  die  Rede  sein. 

Der  Weg  von  Ngegimi  nach  Ege  berührt  folgende  Statio- 
nen: Maiidjät  —  bir  Nefä-ssa  —  bir  Scherifa  —  bir  el 
Höscha  —  el  Hamir  —  bir  Hadüdj  —  bir  el  'Att-esch  — 
bir  ben  Miissebl  —  bir  Ssali  —  Kederi  —  Dira  oder  Diri  — 
Birfo  (ich  bin  nicht  gewiss,  ob  ursprünglich  bir  Fo)  —  Ege. 

Ich  gebe  nun  den  Weg  vom  Bir  el  Kürna*)  (dessen  Lage 
wir  auf  unserer  eigenen  Reise  selbst  kennen  lernten)  nach 
Ege  über  bir  el  *Att-esch  und  Müssebl. 
Ister  Tag:   Langer  Marsch.     Ankunft  beim  bir  el  'Att-esch 

bei  Sonnenuntergang.    Richtung  nördlich. 
2ter  Tag:  Rast  in  der  Wildniss  um  Dhohor. 
3ter  Tag:  Bir  ben  Müssebi,  nach  vierstündigem  Marsche. 
4ter  Tag :  Rast  in  der  Wildniss  um  'Asser  (ungefähr  4^  Uhr 

Nachmittags). 
5tcr  Tag:  Nach  vier-  oder  fünfstündigem  Marsche  Ankunft 


*)  ich  bemerke  hier,  dass  ich  mit  Bezug  auf  Känem  den  Namen  dieses  weit 
verbreiteten  Baumes  gewöhnlich  „kdma"  geschrieben  habe;  sonst  ist  f,k6ma" 
gebräuchlicher. 


I 


442  Anhang  I. 

beim  bir  el  Borfo,  welcher  bereits  ausserhalb  der  Grenzen 
von  Känem  liegt.  Es  ist  augenscheinlich,  dass  dieser 
Brunnen  nicht  mit  Birfo  einerlei  ist. 
6ter  Tag:  Rast  an  einer  Stelle  mit  vielem  Hhäd,  aber  we- 
nigen Bäumen. 
7ter  Xag:  Ege;  Ankunft  bei  Sonnenuntergang. 
.  Ege  ist  eine  weit  berühmte  flache,  weidereiche  Thalland- 
schaft —  in  welcher  Kukiirde  als  eine  bemerkenswerthe 
Stätte  angeführt  wird  — ,  zeitweilig  von  verschiedenen  Stäm- 
men besucht,  die  hierher  kommen,  theils  um  ihre  Kameele 
an  den  hiesigen  Quellen  zu  tränken,  welche  den  gedeihli- 
chen Wuchs  des  Kameeis  (wahrscheinlich  ihres  Natron- 
oder Salzgehaltes  wegen)  aufs  Trefflichste  befördern  sol- 
len, theils  um  die  Frucht  des  Ssiwäk  (Gapjjaris  sodata  oder 
ßalvadora  Persica)  zu  sammeln,  welche  in  diesem  Theile 
des  Thaies  in  grosser  Menge  wächst,  weiter  aufwärts  aber 
seltener  vorkommt.  Die  stärksten  unter  diesen  Stämmen 
waren  früher  die  unten  in  dem  Verzeichniss  der  Tebu-Stämme 
angeführten  Bultu  oder  Biltu,  welche  «inst  die  Nakassa  be- 
herrschten, die  Haläl  e'  Debüs  —  ein  Arabischer  Schimpf- 
name; der  eigentliche  Name  des  Stammes  ist  mir  nicht  be- 
kannt —  und  die  Chiät  e'  Rih  —  ebenfalls  ein  Spottname  — , 
Ferner  kommen  häufig  nach  Ege  die  Mu-ssu,  die  Ssakerda 
und  die  von  den  Kedl  Lauäti-  beherrschte  Abtheilung  der 
Fugäbü,  zuweilen  auch  die  üeläd  Slimän.  Weil  jedoch  Ege 
bei  vielen  Stämmen  als  ein  vortrefflicher  Platz  für  ihre  Ka- 
meelheerden  sehr  beliebt  ist,  so  werden  natürlich  auch  zahl- 
reiche Raubzüge  dahin  ausgeführt. 

Von  Ege  aus  scheint  sich  das  Bürrum  oder  der  Bahhr  el  Gha- 
sdl  nach  NW.  oder  wenigstens  nach  NNW.  zu  wenden,  nämlich 
nach  Tangür  hin,  das  2  Tagemärsche  von  Ege  entfernt  ist.  Hier 
scheint  das  Land  wirklich  ein  weites  Becken  zu  bilden  —  ein 
Umstand,  der  die  Angabe  der  Eingeborenen,  dass  sich  das  Biir- 
rum  vom  Tsäd  aus  abwärts  senke,  als  weniger  unsinnig  er- 


Strassen  nach  Btirgn.  443 

scheinen  lässt,  da  Tangür  nach  der  allgemeinen  Annahme 
das  Ende  des  Bümim  bildet.  Eine  hier  angestellte  hypso- 
metrische Beobachtung  würde  die  Frage  über  das  Gefälle 
des  Bürrum  und  die  Richtigkeit  der  merkwürdigen  betreffen- 
den Angabe  der  Eingeborenen  auf  der  Stelle  entscheiden. 
Einige  Leute  behaupten  jedoch,  dass  sich  diese  grosse  Thal- 
bildung noch  weiter  in  Burku  oder  Bürgu  hinein  erstrecke. 
Eine  oder  zwei  Tagereisen  nördlich  von  Tangür  liegt  die  Ort- 
schaft Bdteli,  nicht  minder  berühmt  als  Ege  wegen  ihres 
vorzüglichen  Schlages  Kameele  (von  welchen  ich  selbst  mit- 
unter eines  besass),  imd  Degirschim. 

Nach  diesen  Mittheilungen  bezüglich  des  südöstlichen  Thei- 
les  von  Känem   und  des  Bümmi   gehe  ich  nun  zu  den  mir 
bekannt    gewordenen   Strassen    von    diesen   Gegenden    nach 
Bürku  oder  Bürgu  über  (schon  Capt.  Lyon  hat  über  dies 
Land  einige  interessante  Bemerkungen  gemacht),  imd  zwar 
zu  der  Strasse  von  Eye  nach  Yen  oder  Beläd  el  '^Oniiäny  dem 
Hauptorte  von  Bürku.    (Richtung:  NNO.) 
Ister  Tag:  Tarö  oder  Trö,  ein  Thal  mit  bitterem  Wasser. 
2ter  Tag:  Karo;  Ankunft  vor  der  Hitze  des  Tages. 
3tcr  Tag:  Aüdanga,  Brunnen  mit  viel  Buschwerk. 
4ter  Tag:  Tungurki;  Ankunft  vor  der  Hitze  des  Tages. 
5ter  Tag:  Yaiö  el  Kebir,  Brunnen  mit  Dümpalmen.     Un- 
fern davon  Yaiö-el-srhir. 
gter  Tag:  Yen,  nachdem  man  am  6*«^  Tage  die  Grenzen  von 
Bürku  überschritten  und  dann  zuerst  die  Quelle  *Am  Te- 
lekka  erreicht  hatte.    Die  Umgegend  von  Yen  ist  reich 
an  Weideland  und  Palmen.    Die  Dorfschaft  besteht  mei- 
stens aus  steinernen  Hütten ,  die  Einwohnerzahl  schwankt 
aber  sehr.  Es  gibt  verschiedene  Häuptlinge  im  Orte,  un- 
ter welche  die  Gewalt  vertheilt  ist  und  von  welchen  Lenga 
oder,  wie  sein  Titel  ist,  Täua  Lenga  der  einflussreichste 
zu  sein  scheint.    Ausser  ihm  leben  hier  die  Häuptlinge: 


I 


444  Anbang  I. 

Yüorde,  Kälome  und  Biddu,  welch'  letzterer  zu  den  Bid- 
dua  gehört;  auch  hält  sich  Kedel-Agre,  der  Häuptling 
der  Bultu,  hier  zuweilen  auf.  In  Teki,  einer  durch  eine 
grosse  Quelle  befruchteten  OrtschafE,  wohnt  noch  ein  an- 
derer Häuptling,  welcher  zu  den  Tiyoua  gehört  und  Ge- 
henni  genannt  wird.  Galäkka  ist  der  Name  einer  ande- 
ren der  hauptsächlichsten  Ortschaften  Bürku's, 

Yen  ist  11  Tagereisen  von  'Arädha  oder 'Orädha*)  ent- 
fernt, dem  Sitze  der  Mähamid,  dessen  Lage  mit  grosser 
Sicherheit  durch  seine  Entfernung  von  Wära  bestimmt  wer- 
den kann: 

Ister  Tag:  Wen,  3ter  Tag:  Tschirogia,  7tcr  Tag:  Oschim, 
llter  Tag:  'Arädha. 

Ich  fuge  hier  einige  Angaben  über  die  Stämme  und  Sipp- 
schaften der  Tebu,  namentlich  über  ihre  gegenwärtigen  Wohn- 
plätze bei,  welche  Angaben  nach  dem,  was  ich  über  dieses 
Volk  bereits  in  meiner  Untersuchung  über  die  Geschichte  des 
Königreichs  Bomu  (Bd.  II.  S.  299  ff.)  beigebracht  habe  und  was 
ich  über  dasselbe  noch  im  weiteren  Verlaufe  meines  Berich- 
tes bei  meiner  Heimreise  im  Jahre  1855  zu  bemerken  haben 
werde,  nothwendigerweise  kurz  sein  müssen. 

Die  Tebu,  Tübu  oder  vielmehr  Teda  halte  ich  noch  immer 
auf  das  Entschiedenste  für  nahe  Verwandte  derKanöri,  und  ich 
glaube,  dass  die  von  mir  früher  (Bd.  U.)  erläuterten  histori- 
schen Beziehungen  zwischen  den  beiden  Völkern  meiner  auf 
linguistische  Gründe  gestützten  Ansicht  zur  mächtigen  Bestä- 
tigung dienen.  Die  Araber,  namentlich  die  Ueläd  Slimän,  fü- 
gen dem  Namen  „Tebu"  gewöhnlich  das  Wort  „Graän"  oder 
„Guraän"  hinzu,  welches  ich  auf  den  so  oft  von  Leo  Africanus 
erwähnten  Bezirk  „Goran"  oder,  wie  Marmol  schreibt,  „Go- 


•)  Ich   bin   nicht  ganz   sicher  in   der  Schreibweise  dieses  Namens,  glaube 
jedoch,  dass  er  mit  p  geschrieben  wird. 


Die  Stämme  der  Tebu.  445 

rhan"  glaube  beziehen  zu  dürfen.  Die  Tebu  selbst  habe  ich 
nie  «dieses  Wort  gebrauchen  hören ,  nach  dessen  Bedeutung 
ich  jedoch  zu  fragen  vergass.  Ich  bemerke  nur  noch,  dass 
die  Tebu  in  ihrer  eigenen  Sprache  den  Kanöri  den  Namen 
„Tiigubä",  den  Imö-scharh  aber  den  Namen  „Yeburde"  geben. 

Ich  will  nun  zuerst  die  bereits  gelegentlich  erwähnten,  in 
und  um  Känem  wohnenden  Tebu -Stämme  auffuhren,  mich 
dann  nach  Norden  und  von  da  nach  Südosten  wenden. 

Die  bedeutendsten  in  Känem  scsshaften  Stämme  sind  die 
Worhda,  die  Dogörda,  die  Gadeä,  die  Yeorma*)  und  die 
Fidda;  in  Lümna  am  Komadugu  Waübe  die  federe;  nördlich 
vom  Komadugu  bis  nach  Beduäram  die  Bülgudä,  von  den  Ara- 
bern und  Bomauern  Däsa  genannt;  unfern  von  Beduäram  die 
Wandala,  ein  bereits  von  Capt.  Lyon,  sowie  auch  von  Denham 
erwähnter  Stamm**);  unweit  von  den  Letzteren  die  Aüssa; 
beim  Brunnen  Aghadem  die  Bolodüa,  von  den  Kanöri  „am 
Wadebe"  genannt;  am  Burrum,  welches  die  Tebu  „Fede"  nen- 
nen, entlang  wohnen  die  Karda,  gemeiniglich  Kreda  genannt 
und  in  verschiedene  Sippschaften  getheilt,  von  welchen  die 
Gelimma,  die  Gra-ssön  (dies  halte  ich  mehr  für  den  Namen 
eines  HäuptUngs,  da  die  Stämmenamen  sämmtlich  in  einen 
Vokal  auslauten)  und  die  Buköschele  die  angesehensten  sind; 
die  Schindaköra  mit  dem  Häuptling  Abu  Nakür,  die  Ssa- 
kerda  mit  den  Bakaikore,  die  Medemä  und  die  Nöreä,  ge- 
wöhnlich Nuormä  genannt***);  inEge  und  Bäteli  die  Mü-ssu 
mit  dem  Häuptling  Wüdda ;  in  Tangür  die  Nakassa,  von  de- 


*)  Die  Yeönna  sowohl  wie  die  Tümm^lme  und  Yeggadä  sind  von  den  Tua- 
rcg  fast  gänzlich  vernichtet  worden. 

**)  Was  den  ebenfalls  von  beiden  genannten  Reisenden  (Lyon,  S.  265 ;  Den- 
ham, Bd.  I.  S.  42  und  sonst  oft)  erwähnten  Stamm  Traita  betrifft,  so  scheint 
mir  derselbe  kein  einheimischer  Name  zu  sein ;  ich  bin  wenigstens  nicht  im 
Stande  gewesen,  über  den  Wohnsitz  des  so  benannten  Stammes  Auskunft  zu 
erlangen.     Denham  nennt  ihn  an  einer  Stelle  „die  Leute  von  Traita**. 

***)  Unter  diesem  letzteren  Kamen  auch  Burckhardt  bekannt  (Travels  in 
Niil/ia,  2nd  ed.,  Ap.  I.  p.  43öJ. 


} 


446  Anhang  I. 

nen  die  Un  mit  dem  Häuptling  Mäina  (kein  Eigenname,  wie 
es  scheint)  eine  Abtheilimg  bilden;  inBilma  oder  Bulma  — .dies 
letztere  ist  wahrscheinlich  die  richtige  alte  Form  —  und  im 
Wadi  Kauär,  wie  es  die  Araber  seit  vielen  Jahrhunderten  nen- 
nen, oder  „henderi  Teda",  wie  es  die  Eingeborenen  als  das 
Uauptthal  ihres  Stammes  bezeichnen,  —  die  Ge-sserä  oder 
Ge-ssedi. 

In  Tibessti  (Tibessti  ist  ein  allgemeiner  Name,  der  früher 
einen  weiteren  Umfang  als  gegenwärtig  bezeichnet  zu  haben 
scheint,  aber  nur  scheinbar  die  ganz  fremde  Form  des  Stamm- 
namens Tebu  bestätigt)  und  in  Bäteli :  die  Temaghera  *),  ein 
sehr  interessanter  Stamm  von  alter  historischer  Wichtigkeit 
(s.  Bd.  II),  welcher  zur  Zeit  des  Edriss  Alaöma  in  Nguruti  in 
Känem  seinen  Sitz  hatte,  mit  dem  Häuptling  Gurde,  Teharke's 
Nachfolger ;  die  Gonda  oder  Gunda,  deren  alter  Häuptling  Ta- 
her  Assar  vor  einiger  Zeit  starb,  in  Borde  (Capt.  Lyon's  Ber- 
dai),  einer  der  bedeutendsten  Oi-tschaften  in  Tibessti,  und  an 
anderen  Stätten ;  die  Arindä  in  Dirkemäu,  einer  anderen  Ort- 
schaft in  Tibessti,  mit  dem  Häuptling  Keneme ;  nördlich  von 
Tibessti,  im  Thale  Täö,  die  Abö,  ein  Name,  der  oft  irrthüm- 
lich  für  den  einer  Ortschaft  angesehen  worden  ist;  man  hat 
mich  aber  ganz  bestimmt  versichert,  dass  es  nur  ein  Stamm- 
name sei. 

Diese  zuletzt  genannten  Stämme  bilden  in  ihrer  Gesammt- 
heit,  wie  ich  glaube,  die  gewöhnlich  „Tebu  Reschäde",  in  der 
einheimischen  Sprache  aber  „Tedetü"  genannte  Gruppe. 

In  O'djanga  oder  Wadjanga**),  der  östlich  an  Tibessti  und 


*)  Dieses  Wort  scheint  ein  Berber-Element  zu  enthalten,  was  jedoch  wohl 
mehr  scheinbar  als  wirklich  sein  dürfte.  Imam  Ahmed  schreibt  stets  deutlich 
„Tumäghira". 

•♦)  S.  Lyon's  Bericht,  S.  266,  wo  eine  etwas  übertriebene  Boschreibung 
der  Bewässerung  der  Landschaft,  dio  freilich  nicht  überall  ganz  unfruchtbar 
sein  dürfte,  gegeben  ist.  bYcsncl  im  lUtUehn  lie  la  Soc,  Oeogr,  de  Par'n. 
Serie  UI.  VoL  14,  p.  175. 


Die  Stftixmie  der  Tebn.  447 

nordöstlich  an  Bürku  grenzenden  Landschaft,  in  der  Richtung 
von  Küffara*),  sitzen  dieWonya  mit  dem  Häuptling  Onökke; 
südlich  von  ihnen  die  Matätena  oder  Gürin,  in  fruchtbaren 
Thälern,  die  sogar  Feigen  hervorbringen. 

In  Bürku  sind  die  folgenden  Stämme:  die  Bültu,  von  den 
Arabern  mit  dem  Spottnamen  „Nedja  el  Keleb"  bezeichnet, 
mit  dem  mächtigen  Häuptling  Kedel-Agre  (von  welchem  auch 
die  Kirdidä  in  Klrdi,  die  Guruä  in  Gur  und  die  Elbueda  in 
Elbue  abhängig  sind),  während  eines  Theiles  des  Jahres  in  Yen, 
aber  nach  der  Dattelernte  gewöhnlich  in  dem  Bezirke  Kere- 
Bürku  und  zu  anderen  Jahieszeiten  in  Ege  wohnhaft;  die Yenoä 
mit  dem  Häuptlüige  Alanga  oder  vielmehr  Lenga  in  Yen ;  die 
Dösa  mit  dem  Häuptlinge  Kälema  in  Büdda,  einem  Thale 
östlich  von  Yen;  die  Yerda  in  einer  Ortschaft  gleichen  Na- 
mens ungefähr  eine  halbe  Tagereise  östlich  von  Yen,  mit  dem 
Häuptling  Yile ;  die  Teyeuä  in  Teke,  einer  fruchtbaren  Land- 
schaft oder  Thalebene,  gegenwärtig  unter  der  HeiTschaft  des 
Gehenni,  indem  der  frühere  Häuptling  Ssahäi,  der  Vater  einer 
zahlreichen  Familie,  gestorben  ist;  in  dem  grossen  Thale 
'Arädha,  an  der  Grenze  von  Wdddi,  die  Mohede,  früher  un- 
ter 'Othmän  Belede,  welcher  vor  Kurzem  gestorben  ist.  In 
noch  grösserer  Entfernung  sind  dann  die  Wohnsitze  des  zahl- 
reichen und  mächtigen  Stammes  der  Sorhaua,  der  schon  im 
13*^11  Jalirhundcrt  den  Isslam  annahm. 

Ich  müsste  jetzt  den  Stamm  der  Terauye  oder  Bedeyät  oder, 
wie  sie  von  den  Arabern  genannt  werden,  der  A'ua,  welche 
die  Landschaft  tnnedi  bewohnen,  aufführen,  wenn  ich  sicher 
wäre,  dass  derselbe  zum  Volke  der  Tebu  gehört.  Aber  die 
wenigen  Wörter  ihrer  Sprache,  welche  ich  habe  erfahren 
können,  wie  Wasser,  Feuer,  sind  völlig  verschieden  von  den 
entsprechenden  Wörtern  in  der  Tebu-Sprache,  wie: 


*)  Zu  KüfTara  gehört  Kebabo,   ein  Ort,    der  Ton  den  Einwohnern  Bürku'a 
fjTesser"  genannt  wird. 


J 


448 


AnhaDg  L 

Wasser 


Feuer 

Terauye  mi,  djö, 

Teda  eyL  uuem. 

Jedoch  mögen  dies  nur  Dialektverschiedenheiten  sein,  wie  das 
oft  der  Fall  ist. 

finnedi  wird  von  einer  grossen  Anzahl  von  Thälem  durch- 
schnitten, von  welchen  eines  Käüle  und  ein  anderes,  in  der 
Nähe  von  Wäddi,  Nlyu  genannt  wird.  Einer  unter  den  Häupt- 
lingen der  Terauye  ist  Rüs-si,  welcher  durch  seine  Theil- 
nahme  an  den  Handelsunteniehmungen  des  Königs  "Abd  el  Ke- 
rim  Ssabün  von  Wddäi  wohlbekannt  geworden  ist*).  Er  war 
im  Jahre  1851  noch  am  Leben  und  ist  ein  Moslim,  während 
sonst  die  Terauye  meistens  Heiden  sind. 


*)  S.   Fresnel,    BuUetin   de  Ui  Soc.   de  G4offr.    1849,    Ser.  UI,  Tom.  XL 


p.  5:$. 


IL 

Zur  Kaiiem- Reise. 

Zusammenstellung  der  geogp*aphischcn  Angaben,  welche  in  dem  ,,Diwan"f  oder 

dem  Berichte  des  ImSm  Ahmed  ben  Ssoflya  *)  über  des  Königs  Edrlss  Alaoma 

Feldzüge  von  B6mu  nach  Käncm,  enthalten  sind. 


Erster  Felclzug. 

1  Tagemarsch:  Ghambarü  (l^^^-s^c),  nachdem  er  von  Bimi 
Ghasr-figgomo  aufgebrochen  ist. 

1  Tagemarsch:  Santam  {(^j)- 

1  Tagemarsch:  Kischfmua  (öj4.io  ),  indem  er  sich  west- 
wärtis  zurückgewandt  hatte. 

1  Tagemarsch:  Santam,  indem  er  wieder  die  östliche  Rich- 
tung eingeschlagen  hatte. 

V  1  Tagemarsch:  Ghotüa  (»y^). 

Mehrere  (kui-ze)  Tagemärsche:  Beri  {^Jr?)'  Wer  König  la- 
gerte jedoch  nicht  in  der  Stadt  Berl  selbst,  sondern  rings 

•  '  um    einen  befestigten   Platz  (äaJ^)  Namens  Ghatigha 

(^JÄÜlc),  welcher,  nach  anderen  Angaben,  in  nur  geringer 
Entfernung  von  der  Stadt  Beri  liegt.  —  .  Berl  war  ein 


t 


*)  Siehe,  was  ich  im  zweiten  Bande  über  diesen  Mann  gesagt  habe.  — 
Ich  bemerke  hier  ein-  für  allemal,  dass  die  Namen  im  Manuskripte  im  Ma- 
ghrebi-  oder  Warasch  -  Style  geschrieben  sind,  hier  aber  im  östlichen  oder 
A'bü -'Omar -Style  wiedergegeben  werden. 

D«rth'B  RelMii.   lU.  29 


I 


450  Anhang  IL 

durch  seine  Lage  berühmter  Platz,  welche  für  den  Ver- 
kehr zwischen  Bomu  und  Ksnem  von  grosser  Bedeutung 
war*). 

1  Tagemarsch :  Furtü  (y ^).  Ankunft  um  die  „kaila*'  oder 
„kiyüla",  nachdem  er  bei  Ssakala  (äXCav),  einer  unbe- 
wohnten (3rtlichkeit  (yVS^),  und  bei  der  Stadt  Ghayawa 

(}yfiC)  vorübergekommen  war.  —  Die  Stadt  Furtü  oder 
Furtüa  ist  von  der  grössten  Wichtigkeit  für  die  Geogra- 
phie von  Känem,  da  sie  mit  dem  von  Makrisi  erwähn- 
ten I'kll  oder  I'keli  identisch  ist.    Imäm  Ahmed  schreibt 


o     o^ 


äXJi.    Sie  hatte  ausserdem  noch  einen  dritten  Namen, 

>    ^    o  ^ 

nämlich  Ghaldjadü  oder  Ghaldjadiiä  ((^v-XsnXc). 
1  Tagemarsch:  Aläle  (^^i);  bei  östlicher  Richtung. 

1  Tagemarsch:  Ghibüa-kandjiyis  (iAsruj   ^^j-^c),  eine    un- 

\i      ^  40'  ^ 

m  • 

bewohnte  Ortlichkeit. 

1  Tagemarsch:  Daghäl  ((J^^). 

1  Tagemarsch:  Bürum  ifrf)- 

1  Tagemarsch:  Koro  (jjj  <-^). 

1  Tagemarsch:  Kessuadä  ^Oy*S\ 

.-  ; 
1  Tagemarsch:  Ghumämf  (^ycWc). 

y  y 
1  Tagemarsch:  Ssülü  oder  Ssülüa  (»^^).    Diese  Ortschaft 

war,  nach  einer  anderen  Stelle    des  Kanöri-Geschicht- 


Erster  Feldzag.  451 

Schreibers*),  ein  Sitz  der  Kenaniya,  welcher  Stamm  in 
fiüherer  Zeit  den  Hauptbestandtheil  der  Bevölkerung  von 
Känem  ausgemacht  zu  haben  scheint,  aber  dem  Volke 
von  Bomu  feindlicli  gegenüber  stand  und  durch  die  Feld- 
züge des  Edriss  offenbar  sehr  gelitten  hat  (s.  weiter  unten). 

1  Tagemai-sch:  Mülghim  (i**^). 

^  y  9 

1  Tagemarsch:  Kurü  oder  Kurüä  (Ur^). 

1  Tagemarsch:    Meladjerä,   ein   Fluss**)    ((^•'**mJI   i-sn^t 

1  Tagemarsch:  Rimbauä  (U-5-^). 

l  Tagemarsch :  Mäö  (hier  \^^ ,  aber  bald  darauf  Uv^c  und 

S.  16  {y^  [aus  Versehen  selbst  (J[J^]  geschrieben).  Er 
kam  kurz  vor  „ssauäl"  hier  an. 

Da  die  Lage  von  Beri  von  uns  selbst  bestimmt  und  auch 
die  von  Mäö  mit  annähernder  Genauigkeit  gegeben  worden 
ist,  so  könnte  der  ganze  Weg,  angenommen,  dass  derselbe 
in  einer  einigermassen  geraden  Linie  laufe,  mit  einiger  Ge- 
nauigkeit in  einer  Karte  niedergelegt  werden.  Die  Unsicher- 
heit nimmt  natürlicherweise  zu,  wenn  wir  über  diesen  Ort 
hinaus  nach  dem  südöstlichen  Theile  von  Känem  vordringen. 

Mäö  war  damals  ein  in  ganz  Känem  berühmter  Ort,  ob- 
gleich zu  der  Zeit  kein  mächtiger  Häuptling  hier  seinen  Sitz 
hatte;  'Abd  el  Djelil,  der  Buläla- Fürst,  residirte  damals  in 

Yitukui'ma  (oder  Yutükurma,  denn  beide  Foimen,  Ä/O 


♦)  Manuskript,  S.  101. 

**)  Dieser  Fluss  ist  eine  wichtige  Eigonthümlichkeit  des  Landes  und  könnte 
Yon  einem  die  südlichen  Theile  von  KSnom  besuchenden  lieiscndcn  leicht  iden- 
tificirt  werden. 

29« 


452  Anhang  ü. 

und  Ä/Op=3yS?»  kommen  vor*)),  das  von  Mäö  „megTl"  (d.  h. 
etwa  5  —  6  Stunden  schnellen  Marsches)  in  südöstlicher 
Richtung  entfernt  gewesen  zu  sein  scheint. 

Von  Mäö  zog  Edriss  in  nördlicher  Richtung  nach  Wa-ssdmi 
(^yoL*^)  (S.  18),  welches  einen  bis  gegen  Ssauäl  anhal- 
tenden  Marsch  davon  entfernt  ist,  —  wälirend  das  Bu- 
läla-Heer  nach  Klrssila  (äa^-I^zi)  kam,  das  möglicher- 
weise westlich  von  Wa-ssämi  lag**).  Die  Buläla  flohen 
(um  „  dhahüe  ") ;  Edriss  richtete  dann  seinen  Zug  nach 
den  südlichen  Landschaften  Känems  und  kam  zwischen 

Dhohor  und  'Asser  in  Manmaua  (ää^Ä/o)  an,  wo  es  kein 
Wasser  gab. 

Von  hier  nach  Ta-ssa  (äa*o)  oder  Tu-ssa  (ämÖ).  Ankunft 
um  Ssauäl.  Es  war  offenbar  ein  beträchtlicher  Ort,  da 
der  König  daselbst  8  Tage  blieb.  —  Hier  flohen  die  Bu- 
läla zum  zweiten  Male. 

Von  Ta-ssa  nach  Ndjimie  oder  Schimie  (hier  aamaJI,  etwas 

weiter  unten  *6sr)  und  einige  Zeilen  vorher  *a**Ji  geschrie- 
ben), der  alten  Hauptstadt  vor  Daüd's  Zeit.  Ankunft  vor 
Ssauäl.  —  Leider  gibt  der  Geschichtschreiber  nicht  die 
Richtung  an,  welche  sein  Fürst  hier  verfolgte. 

Hier  liess   Edriss   an   den   Gräbern   der   alten  Könige 
Bornu's  den  Kuran  dreimal  lesen. 


*)  Solche  zwei  verschiedene  Formen  kommen  bei  vielen  Kanöri-  und  Tebu- 
Kamen  vor,  wie  Bulma  und  Bilma,  „btirni"  (wie  Imäm  Ahmed  stets  schreibt) 
und  „birni",  u.  a.  m. 

**)  Dies  ist  jedoch  sehr  zweifelhaft;  denn  die  Buläla  zogen  sich  auf  ihrer 
Flucht  nach  Osten  zurück. 


Erster  Feldzag.  458 

Von  Ndjfmie  zog  Ednss  nach  A'ghäfi  (cj^^^Oj  ^^  ^^^  ^^' 
festigter  Ort  der  Bulala  war.  Er  kam  (nach  einem  kur- 
zen Aufenthalte  auf  dem  Marsche)  um  Dhohor  an  und 
fand  d.aselb8t  das  feindliche  Heer  vor,  welches  sofort  die 
Flucht  ergriff. 

Von  Alghäfl  nach  Ssendü  (öa<-Xa*a/). 

Von  Ssendü  nach  I'kima  (ä^j  (). 

Von  I'kima  kehrte  er  nach  Äghafi  zurück  und  feierte  da- 
selbst nach  altem  Brauche  von  Bomu  das  'Aid  el  Fotr. 

Von  A'ghäfi  nach  Fifi-ssi  (ämaaW)  ,  wo   er,. indem  er  am 

Abend  aufgebrochen  und  die  ganze  Nacht  hindurch  mar- 
schirt  war,  am  Morgen  ankam.  Er  machte  hier  grosse 
Beute,  da  'Abd  el  Djelil  die  Flucht  ergriff. 

Von  Fifi-ssi  kehrte  er  in   2-J  Tagen   nach  A'ghäfi  zurück, 

während  sich  'Abd  el  Djelil  in  Gha-ssikü  (IjX^mac)  ,  nörd- 
lich von  A'ghäfi,  befand. 

Von  Äghäfi  wandte  sich  EdrTss  nach  Ndjimie,  indem  er  bei 
Anfang  des  'Asser  aufbrach  und  um  „el  äschä"  ankam. 

Von  Ndjimie    zog   er  sodann  in  schneUem  Marsche  (vom 

Dhohor  bis  „mughreb")  nach  Melima  (^WaX/o). 

Von  Melima  nach  Gha-ssikü. 

Von  Gha-ssikü  kehrte  er  über  Melima  und  Ndjimie  nach 
Aghäfi  zurück  und  hielt  dort  eine  geraume  Zeit  Hof,  in- 
dem er  die  Häuptlinge  der  Buläla  und  selbst  die  der  Ara- 
ber und  der  Bewohner  der  Landschaft  Fittri  zu  sich  be- 
rief und  die  Regierung  von  Känem  dem  Fäki  Mohammed 
ben  Abd- Allah,  übertrug. 

Von  A'ghäfi  zog  Edriss  nach  Ghamtilü,  dem  Be*gräbnissorte 
des  Biri  ben  Dünama. 


454  •        Anhang  II. 

Von  Ghamtilü  südwärts  nach  Beläghi  (  clXj). 

[Während  König  Edriss  nach  Beläghi  ging,  besuchte 
sein  Imäm,  Ahmed  ben  Ssofiya,  indem  er  sich  mehr  west- 

lieh    hielt,    eine    alte  Moschee  Namens  (J^y  <-V^im4/o, 

augenscheinlich  eine  der  ersten  Stätten  des  Mohamme- 
danischen Gottesdienstes  im  Lande  Känem.] 

Von  Beläghi  wandte  sich  Edriss  wieder  südwärts,   in  der 
Richtung  der  Sumpf  lache  (^^/jl*^)  {jjO  ^sniJt  Sqä.  (jJi), 

nach  Fissla  (&aaaa5)  ,  wo  er  eine  lange  Zeit  verweilte  und 

Gesandtschaften  von  den  Arabern,  den  Küka  oder  viel- 
mehr Kükü  (1^=3^=3)  und  den  übrigen  Bewohnern 
Fittil's  empfing. 

Von  Fissla  wandte  sich  Edriss  westwärts  nach  Bomu  zu: 

Zuerst  nach  Diyauä  v]^*-^) ,  wo  er  sich  etwas  aufhielt. 

Von  Diyauä  nach   Ghalä  oder  vielmehr  Ngalä  (^^). 

Von  Ngalä  nach  A'uano  (^^v- 

Von  Äuano  nach  'Alüa  (ö^Ac). 

Von  'Alüa  [kehrte  er  zurück  (?)]  nach  Ngalä. 


Von  Ngalä  nach  Madaghama  (Ä442lXc),  wo  sich  ihm  Mo- 
hammed ben  'Abd-Allah  mit  seinem  Heere  anschloss. 

Von  Madaghama  kehrte  Edriss  auf  die  Nachricht  von  'Abd 
el  Djelil's  abermaliger  Rückkehr  nach  Yitükurma  wieder 
ostwärts  nach  Ngalä  zurück  und  ging  von  dort  wieder 
nach  Madaghama. 

Von  Madaghama  kam  er,  in  geradem  Marsche  auf  Bornu, 
in  einem  langen  Tagemarsche  nach  Ssülü. 


Erster  Feldzag.  455 

Von  Ssülü  nach  Keghu-ssiti  (Äia^uiT  ). 

Von  Keghu-ssiti  nach   Ssiki   (äJCama  üÜLsit) ,  einem  Orte, 

der  damals  die  Grenze  zwischen  Bornu  und  Käneni  bil- 
dete, wesshalb  hier  beim  Durchmarsche  die  Trommel  ge- 
rührt wurde. 

Von  SsTki  nach  dem  Gau  der  Ssugurti  oder  Ssukurti  \^J^y 

Von  Ssugurti  nach  Bulughi  {iyS). 

Von  Bulüghi  nach  Ngughiiti  (Ngurüti)  (^J».c%c,  weiter  unten 


y  y 
••  •  • 


Ä3^ÄC  geschrieben). 

Von  Ngughiiti  nach  Berl. 

[Aber  des  Königs  direkte  Rückkehr  nach  Bornu  wurde 
verhindert;  denn  er  erhielt  in  Berl  Kunde  von  einer  bei 
Yitükurraa  zwischen  *Abd  el  Djelll  und  Mohammed,  dem 
Statthalter  von  Känem^  gelieferten  Schlacht,  in  welcher 
der  Letztere  unzweifelhaft  besiegt  worden  war.  Er  kehrte 
daher  noch  einmal  nach  Osten  zurück,  indem  er  sein 
Heer  in  zwei  Abtheilungen  trennte  und  davon  nur  eine 
mit  sich  nahm.] 

Von  Berl  nach  Ghatighi    (hier    sonderbarerweise  Äc^lc 

^  •• 

geschrieben),   demselben  befestigten  Piatee,  der  oben  als 

ganz  in  der  Nähe  von  Berl  liegend  erw<ähnt  worden  ist, 

und  wo  sich  die  Heere  zu  sammeln  pflegten. 

Von  Ghatighi  oder  Ghatiga  nach  Ngughüti. 

Von  Ngughüti  nach  Bulüghi. 

Von  Bulüghi  nach  Kirteti  (V)  (^_jÄ3-==). 

Von  Kirteti  nach  Keghu-ssiti. 


} 


456  Anlumg  IL 


ou  Keghu-ssiti  nach  Ririkmi  (^^^»^[^). 


Von  Ririkmi  nach  Ghami-Kiäla  \^^^^(^r^) ,  einer  grossen 

ummauerten  Stadt,  —  offenbar  eines  von  den  beiden  von 
mir  früher  als  zu  Schitäti  gehörig  erwähnten  Eiala. 

Von  Ghami-Kiäla  nach  Yesembü  (im-mao),  wo  er,  in  der 
Nacht  aufgebrochen,  bei  beschleunigtem  Marsche  nach 
Sonnenaufgang  ankam;  dieser  Ort  scheint  jedoch  nicht 
in  der  Richtung  seines  Zuges  gelegen  zu  haben,  da  er 
von  hier  zurückkehrte,  um  den  geraden  Weg  fortzu- 
setzen. 

Von  dort  nach  Wa-ssämi. 

Von  Wa-ssämi  nach  Melima,  wo  er  umKaila(etwa  11  Uhr) 
ankam. 

Von  Melima  nach  Ndjiuiie  (östlich),  wo  er  am  Abend  an- 
kam. 

Von  Xdjimie  nach  Äghäff  oder  der  Festung  von  A'ghäfi,  wo 
er,  nach  Mittemacht  aufgebrochen,  vor  Sonnenaufgang 
ankam.  Er  verfolgte  von  liier  aus  den  *Abd  el  DjelÜ  und 
nahm  einen  Theil  von  dessen  Smtäla  nebst  der  Königin 
Ghiimssu  Wäbi  gefangen. 

Von  A'ghäfi  kehrte  er  nach  Ndjimie  zurück. 

[Der  Chalifa  Yenma  Yaghä,    welchen  Edriss  mit  den 
Kranken  inWa-ssami  zurückgelassen  hatte,  setzte  von 

da  seinen  Marsch  langsam  nach  Norden  (^Q^  ^i 

(JUä5()  fort  und  kam  zuerst  nach  Diru  (p?«->) ; 

von  Dim  nach  Madhimi  [m^^^  ; 

von  Madhimi  nach  Ndjlmie,  wo  er  Edriss  antraf.] 


Erster  Feldzug.  457 

Von Ndjlmie  zogEdriss  selbst  ostwärts  nach  Kauäl  jO]^'  — »), 
wo  er  um  Dhahaüe  (gegen  9  Uhr  Vormittags)  ankam. 

Von  Kauäl  brach  er  um  Mittemacht  auf,  zog  zuerst  süd- 
wärts, wandte  sich  bei  Tagesanbnich  ostwärts,  indem  er 
sich  allmählich  immer  mehr  nach  Norden  hielt,  und  über- 
fiel die  Tebu  (offenbar  beim  Bahhr  el  Ghasdl).  Von  die- 
sem Raubzuge  kehrte  er  dann  nach  Kauäl  zurück. 

Von  Kauäl  wendete  er  sich  —  wie  es  scheint,  auf  einem 
langen  Umwege  —  nach  Ndjimie  zurück,   indem  er  zu- 

erst  nach  Saghi  [Scheghi,  Schiri  (?)]  (ääm»)  ging,  das  er 
bei  Sonnenuntergang  erreichte. 

Von  Saghi  (Schiri?)  brach  er  bei  Sonnenaufgang  auf  und 

gelangte  über  I'kma  (*♦!>  i)  und  Ghurfala  (  V^r^)  nach 

Ndjimie.  Edriss  traf  gerade  zur  rechten  Zeit  hier  ein; 
denn  der  Buläla-König  hatte  auf  seinem  Wege  nach  Ba- 
ghlrmi  —  oder,  wie  es  hier  in  der  im  Kanöri  üblichen 


o^- 


Form  geschrieben  ist,  Bagharmi  (cj^r^)  —  Nachricht 
von  Edriss'  Rückkehr  nach  Känem  erhalten  und  sein 
Heer  dem  Feinde  entgegengeführt,  ja,  es  war  ihm  fast 
gelungen,  das  Lager  des  Bornu-Heeres  durch  plötzlichen 
Überfall  zu  nehmen,  —  als  Edriss  eben  ankam  und  ihn 
zum  Rückzug  nöthigte. 

Von  Ndjimie  zog  Edriss  nun  nach  Ghimarä  (»r-»^). 

Von  Ghimarä  in  südlicher  Richtung  nach  Ssatöm  (r^^), 
einem  unfern  von  Yitükurma  gelegenen  Orte. 

Von  Ssatöm    nach    Daghelü    oder    Dagheluä  (UAco),   wo 

'Abd  el  Djelil  sich  aufhielt,  jedoch  nun  die  Flucht  ergriff. 
(Daghelü  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  T&ghghel.) 


458  Anhang  IL 

Von  Daghelü  kehrte  Edriss  nach  Ssatöm  zurück  und  traf 
seinen  Vezier  in   Karglia  -  Ssimssim  (**am>*'  Äc -^^  *)  ). 

(Daghelü  lag  also  südlich  oder  im  südlichen  Theile  von 
Kargha.) 

[In  Ssimssim    hatte  Edriss    eine  Zusammenkunft    mit 

einigen  Arabern  (Schüa)  und  Tebu  oder  Tübu  («w4^*), 
wie  Imäm  Ahmed  gewöhnlich  schreibt  Die  Letzteren 
zogen  es  in  ihrer  Bedrängniss  vor,  nach  Bömu  zu  wan- 
dern, während  die  Ersteren,  welche  sich  eines  engen 
Bündnisses  mit  dem  Bomu- Könige  erfreuten,  in  K&nem 
verblieben.] 

Von  Ssimssim  zog  Edriss  nördlich  nach  Bari  (cfjv)  (augen- 
scheinlich der  oben  erwähnte  Gau). 

[Der  Vezier,  welchen  Edriss  in  Ssatöm  zuiückgelassen, 
lintt<\  um  sich  mit  ihm  in  Ssimssim  wieder  zu  vereinigen, 
l^loichfalls  Bari  ** )  dun  hzogon.] 

Von  Bari  zog  Ednss  nnch  Mandö  ((_5^-^-^)  (Mandö  Yagöre). 

Von  Mandö  zog  Ednss  nordwärts  und  erfuhr,  dass  der  Feind 
westwärts  ziehe;   er  änderte   daher  die   Richtung  seines 

Marsches,  bis  er  KiUki  (V)  (V^\Ja^=>  vAX^)  erreichte. 
'Abd  el  DjeUl  wurde  verfolgt  und  floh  in  die  Wüste. 


*)  Mniu  Mamiftkripl  hat  hier  einen  kleinen  Schreibfehler,  indem  der  erste 
Thcil  dieses  Xamens  wiederholt  ist. 

*•)  In  Biri  traf  der  Vewer  ©ine  fremde  Kafl«,  die  er  plünderte  (^cAJi 

r^K  *di).  —   K«nm«  war  WÄhrwheinlich  ein  Statthalter  von  Kafi ,   der  oben 

erkühnten  Stadt  in  Schitati.     Xhel  el  .Vrmi  «teht  offenbar  mit  dem  früher  er- 
wähnten Mestidjed  A'rmi  in  Verbindung. 


Zweiter  Feldsug.  459 

[Der  in  Mandö  gebliebene  Befehlshaber  Midalä  ben  Fa- 
tima  folgte  seinem  König  langsjim  nach,  lagerte  aber  den- 
noch nach  seinem  Aufbruche  von  Mandö  nicht  eher,  als 
bis  er  M&ö  zur  Seite  gelassen  hatte.  In  diesem  Lager  er- 
hielt er  den  Befehl,  nachYira  zu  kommen,  und  zog  zuerst 
nach  Yikima, 

von  da  nach  Yira  (»r:*),  wo  er  um  Hedjir  (d.  i.  ein 
wenig  nach  12  Uhr)  eintraf.] 

Von  dort  zog  Edriss  nach  Ssitati  (wahrscheinlich  Schitäti) 
(IxIoaa/,  wie  es  an  drei  Stellen  geschrieben  ist*)). 

Von  Schitäti  wandte  er  sich  westwärts  zur  Heimkehr  nach 
Bomu,  schlug  aber  am  ersten  Tage  sein  Lager  ganz  in 
der  Nähe  auf,  wo  die  Araber  (Schiia)  Abschied  von  ihm 
nahmen. 

Von  hier  zog  er  langsam  nach  Beri  **) ,  wo  die  Beute  ver- 
theilt  und  alle  diejenigen  Gefangenen,  welche  freie  Leute 
waren,  ohne  Lösegeld  zu  ihren  Familien  und  Stämmen 
entlassen  wurden.  Dies  geschah  einem  sehr  bemerkens- 
weilhen,  seit  alten  Zeiten  von  den  Buläla  auf  ihren  Raub- 
zügen nach  Bomu  beobachteten  Gebrauche  zufolge:  — 
ein  Cluster  Keim  von  Völkerrecht. 


Zweiter  Feldzii«;. 

Kaum  hatte  Edriss  Alaöma  seine  Statthalter  und  Befehls- 
haber entlassen,  um  für  einen  zweiten  Feldzug  nach  Käncm 


*)   Es  erhellt  hieraus,   dass   der  oben  Torkommende  Name   VdXJ^^^^ 
ein  blosser  Schreibfehler  ist.  '  " 

•*)  Dieser  Name  ist  aus  Versehen  hier  einmal  (^%0  und  an  einer  an- 
deren Stelle  ^^f^  geschrieben. 


I 


458  Anhang  IL 

Von  Daghelü  kehrte  Edrlss  nach  Ssatöm  zurück  und  traf 
seinen  Vezier  in   Kargha  -  Ssimssim  (i^mm^  Äc-^d*)). 

(Daghelü  lag  also  südlich  oder  im  südlichen  Theile  von 
Kargha.) 

[In  Ssimssim    hatte  Edriss    eine  Zusammenkunft    mit 

einigen  Arabern  (Schüa)  und  Tebu  oder  Tübu  (v^^), 
wie  Imäm  Ahmed  gewöhnlich  schreibt.  Die  Letzteren 
zogen  es  in  ihrer  Bedrängniss  vor,  nach  Bomu  zu  wan- 
dern, während  die  Ersteren,  welche  sich  eines  engen 
Bündnisses  mit  dem  Bomu -Könige  erfreuten,  in  Känem 
verblieben.] 

Von  Ssimssim  zog  Edrlss  nördlich  nach  Bari  (cf; v)  (augen- 
scheinlich der  oben  erwähnte  Gau). 

[Der  Vezier,  welchen  Edriss  in  Ssatöm  zurückgelassen, 
hatte,  um  sich  mit  ihm  in  Ssimssim  wieder  zu  vereinigen, 
gleichfalls  Bari**)  durchzogen.] 

Von  Bari  zog  Edrlss  nach  Mandö  ((J^*^)  (Mandö  Yagöre). 

Von  Mandö  zog  Edriss  nordwärts  und  erfuhr,  dass  der  Feind 
westwärts  ziehe;   er  änderte   daher   die   Richtung  seines 

Marsches,  bis  er  Kitaki  (V)  (V^  ^>^— a  lXAmjJI)  erreichte. 
'Abd  el  DjelTl  wurde  verfolgt  und  floh  in  die  Wüste. 


*)  Mein  Manuskript  hat  hier  einen  kleinen  Schreibfehler,  indem  der  erste 
Theil  dieses  Namens  wiederholt  ist. 

♦*)   In  Bari  traf  der  Vezier  eine  fremde  Kafla,  die  er  plünderte  (^^lXJI 

r  _/0  %a]\  —   Kaüma  war  wahrscheinlich  ein  Statthalter  von  Kau ,   der  oben 

erwähnten  Stadt  in  Schitati.     Ähel  el  A'rmi  steht  offenbar  mit  dem  früher  er- 
wähnten Messdjed  A'rmi  in  Verbindung. 


Dritter  Feldzug.  461 

Von  Ben  kehrte  Edriss  nach  Ghambarü  zurück,  und  zwar 
—  wie  nach  Imäm  Ahmed's  Bericht  anzunehmen  ist  —  mit 
ganz  ausserordentlicher  Schnelligkeit;  denn  er  machte  diesen 
Weg,  dessen  Länge  in  gerader  Linie  130  geographische  Mei- 
len beträgt,  in  25  Stunden  wirklichen  Marsches,  mit  Berüh- 
rung folgender  Punkte: 

^y  - 

Aufbruch  von  Beri  um  'Asser;   Ankunft  in  Kebüa  (ö^J^ 
um  'Aschä. 

Aufbruch    von    Kebüa    am    Morgen;     Ankunft    in    Kikeri 


(ö^,^i£=5)  um  Kalla. 


Aufbruch  von  Kikeri  am  Nachmittag;  Ankunft  in  Debübü 

(jf^y^O  oder  (Oj3o)  um  'Aschä. 
Aufbruch    von    Debübü    am   Morgen;   Ankunft  in  KuSyah 

(&j1ä%)  um  Kaila. 

Von  hier  in  einigen  Meilen  (vom  Anfang  bis  zum  Ende  des 
'Asser)  nach  Ghambanl. 


Dritter  Feldzug. 

Nach  kurzer  Käst  rüstete  sich  Edriss  alsbald  zu  einem 
ferneren  Zuge,  um  vor  der  Dattelnemte  nach  Känem  zurück- 
zukehren. 

Das  Heer  sammelte  sich  in  Ghatigha,  unfern  von  Berl. 

Von  dort  aus  zog  er  längs  des  Ufers  des  Tsäde  oder  Tsädi 
(ülS*  ^jaruJt  O  J^   r^V**';})  nach  Ngughüti. 

Von  Ngughüti  nach  Bulüdji. 
Von  Bulüdji  nach  dem  Ssugurti-Gau. 
Von  hier  nach  Röro,  wo  er  seine  leichte  Elite-Reiterei  vor- 
aussandte. 


i 


462  AnhüDg  IL 


o 


Von  Roro  nach  Kimissno  ((^m»»^=d  lXXjJI),  wo  er  um 
Ssauäl  ankam. 

Von  Kimissno  brach  er  bei  *Asser- Anfang  auf  und  erreichte 

bei  beschleunigtem  Marsche  Lebä  (W) ,  eine  berühmte 
Ortschaft  mit  künstlich  bewässertem  Ackerland,  vor  Son- 
nenuntergang. 

Von  Lebä  zog  er  ostwärts  nach  Ghami-Kiäla  (in  2\  Tagen). 

Von  Ghanii-Kiäla  brach  er  um  *^Asser  auf  und  zog  ostwärts 
nach  I'ssembü  oder  Yissembü.  Nur  bei  Sonnenuntergang 
wurde  abgestiegen,  um  zu  kochen  und  die  Pferde  zu  füt- 
teiTi,  und  sodann  der  Marsch  unverzüglich  die  ganze  Nacht 
hindurch  fortgesetzt;  erst  bei  Tagesanbruch  stieg  man 
wieder  ab,  um  das  Gebet  zu  verrichten,  zog  aber  hier- 
auf ohne  Rast  weiter  bis  jenseits  Wa-ssämi,  das  unfern 
(^^offenbar  westlich)  von  Yissembü  lag,  wo  Edriss  reiche 
Beute  machte. 

Von  Yissembü  zog  er  nach  Delli  {^O  lXX-jJ)),   einem  we- 

gen  seines  Dattelnreichthums  und  seiner  sonstigen  Frucht- 
barkeit berühmten  Orte.  Hier  Hess  er  die  Datteln  in  al- 
len verschiedenen  Stufen  der  Reife  einsammeln. 

Von  Delli  wandte  sich  Edriss  nach  Westen,  um  sich  mit 
seinem  Befehlshaber  Yiruma  Yaghä  zu  vereinigen,  worauf 
er,  davon  benachrichtigt,  dass  die  Tebu  ihn  abzuschnei- 
den beabsichtigten,  diese  angriff  und  ein  furchtbares  Blut- 
bad unter  ihnen  anrichtete. 

Von  hier  ging  er  nach  dem  „grossen  Brunnen"  (der  Name 
desselben  ist  nicht  angegeben). 

Von  hier  unter  der  Führung  eines  erfahi'cnen  Tebu  nach 
Ghami-Kiäla. 

Von  Gharni-Kiäla  wandte  sich  Edriss  ostwärts  nach  den 
dattelnreichen  Ortschaften  und  Thälern;    er    lagerte   in 


\ 


Dritter  Feldtug.  463 

Von  hier  zog  er,  ohne  Halt  zu  machen,'  bis  nach  Yidh  (LW:>) 

oder  Yidhi  (^^^<^) ,  einer  besonders  wegen  ihrer  Datteln 

berühmten  Landschaft 

Von  da  wandte  er  sich  südwärts  und  kam  nach  Fögha  (äCj5), 
einer  gleichfalls  dattelnreichen  Ortschaft.  (Noch  eines  ande- 
ren Ortes  mit  Dattelpalmen,  Namens  Debekü,  wird  hier 
Erwähnung  gethan.) 

Von  Fögha  zurück  nach  Delli  oder  vielmehr  etwas  jenseits 
dieser  Ortschaft. 

Von  da  zog  er  mehrere  Tage  in  südlicher  Richtung  bis 
I'wana  (^^O»  i'^  südlichen  Känem  gelegen. 

Von  hier  über  Delmi  nach  Daghelii  oder  Daghuluä  (hier 

UaCO  geschrieben),  dem  oben  erwähnten  Ort,  welchen 
der  Geschichtschreiber  bei  dieser  Gelegenheit  als  bei 
dem  Volke  von  Känem  besonders  beiühmt  und  als  äus- 
serst wohlhabend  darstellt.  —  Sein  Weg  führte  an  zahl- 
reichen Wasseransammlungen  oder  Lachen  vorüber,  wel- 
che damals  gerade  voll  Wasser  waren;  an  emer  dersel- 
ben übernachtete  er.  Als  er  am  folgenden  Morgen  in  der 
Stadt  ankam,  fand  er,  dass  sich  die  Einwohner  geflüch- 
tet hatten;  aber  die  Koiäm  und  die  zu  Kameel  Beritte- 
nen setzten  ihnen  in  nördlicher  Richtung  nach  und  mach- 
ten reiche  Beute. 

Der  König  der  Buläla  floh  inzwischen  mit  seinen  An- 
hängern in  die  Wüste. 

Edriss  kehrte  nach  Bomu  heim. 
Zuerst  kam  er  nach  Ngalä,  einer  Gruppe  von  Dorfschaften 
oder  vielmehr  einem  Gau  (VAc  j^^Xjüt  (^t  IXc  cXX^t). 


J 


464  AnhüDg  II. 

Von  Ngalä  nach  Tentebü  ()y^Xi3). 

Von  Tentebü  nach  Röro. 

y 

Von  Röro  nordwärts  nach  Ssiru  {^r^)»  Zum  Aaszuge  ge- 
brauchte Edriss  einen  Tag  und  eine  Nacht  ('^^  ^^)t 
aber  beim  Heimzuge  marschirte  er  von  Ssiru  nach  Röro 
nur  vom  Morgen  an  bis  zum  Sonnenuntergang,  so  dass 
die  Entfernung  nicht  sehr  gross  sein  kann,  da  er  damals 
mit  Beute  beladen  war  (dieselbe  bestand  namentlich  aus 
Rindvieh  und  Ziegen,  Kameele  aber  waren  nicht  erbeutet 

worden). 

-<»  -» 

Von  Röro  nach  Limärä  (kW),  wo  er  2  Tage  rastete. 

Von  dort  nach  Ghayauä. 

Von  Ghayauä  nahm  er  einen  anderen  Weg  nach  Dilärä 
(kUo)  ,  wo  er  die  eine  Hälfte  seines  Heeres  zurückliess, 

während  er  mit  der  anderen  nach  Ghambarü  zurückkehrte. 


Vierter  Feldzug  *). 

Im  nächsten  Jahre,  am  ersten  Sonntage  des  Schauäl,  ver- 
liess  Edriss  abermals  Ghambarü  und  zog  über  Samtam,  I'ta- 
naua,  Ben,  Ngurüti  oder  Ngughüti,  Ssugurti  und  Röro  nach 
Kessüdä. 

Von  Kessüdä  ging  er,  die  Strasse  nach  Ghumämi  bei  Seite 
lassend,  nach  Ssiki. 

Von  SsIki  nach  Ririkma  (*^5p^). 

Von  Ririkma  nach  Wagham  (it^j)- 
Von  Wagham  nach  Wa-ssaml. 


*)  Nach  Imäm  Ahmed's  Bericht  ist  dies  der  fünfte  Zug  des  Königs. 


Vierter  Feldzug.  46& 

Von  Wa-8saml  nach  Mao  oder  Mauö  (hier  Ui^  geschrieben). 

Von  Mäö  nach  Ghamirä  (»r-»^). 

Von  Ghamirä  nach  Ndjlmie,    der  Hauptstadt  von  Känem 

Von  Ndjlmie  nach  Beläghi,  wobei  er  einen  grossen  Wasser- 
voiTath  mitnalim. 

Von  Beläghi  nach  A'ghäfi,  wo  er,  nachdem   er  um  'Asser 
aufgebrochen,  vor  Sonnenuntergang  ankam. 

Von  A'ghäfi  nach  Ghaudjaia;  Ankunft  um  Ssauäl. 

Von  Ghaudjaia  nach  Ragharkü  y^r^j)* 

Das  Bornu-Heer  wurde  in  seinem  befestigten  Lager  (bei 
letzterem  Orte)  am  25«ten  Dhu  el  kadä  zur  Nachtzeit  von 
den  Buläla  angegriffen,  worauf  ein  heftiger  Kampf  er- 
folgte, in  welchem  das  Bomu-Volk  eine  grosse  Nieder- 
lage, sowie  einen  beträchtlichen  Verlust  an  seiner  Habe 
erlitt  und  das  Lager  beinahe  vom  Feinde  genommen 
wurde. 

Von  Ragharkü  zog  Edriss  nach   Delli,   worauf  die  Buläla 

ihre  letzte  Festung,  Aghö  ((^»  oder  |^Vi  aufgaben, 
einen  sehr  alten  Platz,  welchen  sie,  nachdem  von  Edriss 
alle  ihre  Festungen  in  Känem  (selbst  die  beiden  anderen 
berühmtesten  Plätze ,  I'kima  und  A'ghäfi)  zerstört  worden, 
wieder  hergestellt  hatten*). 


^)  Ich  füge  hier  die  ganze  Stelle  des  GcschichUchreiben ,   welche  Ton  der 
grössten  Wichtigkeit  ist,  bei: 

bS\  B^j^l   öüOLsJ(  Uoa.!   5^[y(   UjÜir  Opjo 

Barth!  lt«U«n.    iii  30 


J 


466  Anhang  IL 

Aghö  lag  offenbar  am  Rande  des  Thalkessels  {^^^)i 
bei  dem  wir  am  lO*«"  Oktober  auf  unserem  Zuge  vorbei- 
kamen, und  Dein  ist  identisch  mit  dem  oben  unter  den 
fruchtbarsten  Ortschaften  von  Schitäti  erwähnten  Orte. 

Von  Delli  zog  Edriss  ganz  langsam  südlich  auf  Eelu  (^^^)  zu, 
bis  er  über  den  Fluss  gekommen  war,  welcher  Eänem  von 
Kelu  trennt "').    Er  setzte  seinen  Marsch  bis  nach  Listeii 


\jj  [jcf  ÖOJl{j|  l^ÄxllS-  (J\Ai\  äJyJjÄ  leXAXSli* 
LjaÄJt  ^1  ^  ^\jo\  XiXAJt  gUjJf  ^^Oü  K^^ 
j»j»f  y^  OM  Löalj  ^XTolJLiJl   vA   ^^  5^ 

^UjI  j.jis^\^   y   ^g^'   i:;lcjl  ^^Ja    ^^  |yy3 

[jv^l,?  ^jja5l  J<i  y^  Äjljyj  ^ikjf  oyfc'jj 


*)   Diese   Stelle  ist  vom  grösstcn   Interesse,   wesshalb   ich  die  Worte  des 
Autors  anführe: 


i:)\  (J\  iX^/o  IX^  aAr  oXj  ^JJ«  (j-A^f  Xa^U  ^t 

■  •  •• 

Der  Verfasser  spricht  gana  deutlich  Ton   einem   fliessenden  Wasser  und  nicht 
Ton  einem  trockenen  Thale ;  es  ist  jedoch  nicht  klar,  ob  es  ein  unabhängiger 


Vierter  Feldzug.  467 

(^JCmJ)  fort,  von  welcher  Ortschaft  angegeben  wird,  dass 

sie  früher  dem  Stamme  der  Kilabetl  (^Ä^^u  )  gehört 

••  —      -» 

und  eine  grosse  Anzahl  von  Hütten   oder  Zelten  (ö^-aIO 

OjaXJ»)  enthalten  habe. 

Ich  würde  vermuthen,  dass  Kelu  der  Gau  der  Kaleäma 
im  südöstlichen  Theile  des  Tsäd  sei,  —  wäre  nur  irgend 
erwähnt,  dass  Edriss  durch  Bari  und  Kargha  gekommen 
sei ;  so  viel  ist  jedoch  gewiss ,  dass  es  ein  langer,  mehr- 
tägiger Marsch  war. 

Von  Kelu  wandte  sich  Edriss  nordwärts  zurück  und  lieferte 
dem  Buläla-Könige  'Abd  el  Djelil  vor  Kiäyaka  (äCj^T, 

etwas  weiterhin  weniger  korrect  Ä>  Ia>  )  eine  blutige 

Schlacht. 

Eiäyaka  war  ein  Gau,  in  welchem  die  Buläla  nach  der 
Zerstörung  ihrer  anderen  Festungen,  I'kima,  Aghäfi  imd 
Aghö,  eine  neue  Festung  erbaut  hatten,  wie  es  heisst,  auf 
Anregung  der  Prinzessinnen.    Diese  Feste  oder  vielmehr 

diese  Gruppe  von  drei  verschiedenen  Foils,  Yekl  (^_jX^), 
Makaranna  (Äi -X.-/©)  und  Kurkuriua  (^r^r^)*)^  wurde 


Fluss  oder  ein  TheU  des  Tsad  war.    Man  yergleiche  die  SteUe  in  der  Torher- 
gehenden  Note,  wo  er  von  demselben  Kelu  spricht  und  es  ^.STl/Jl  /«wO  S<«X^^I 


nennt,  und  auch  die  folgende  Note. 

*)  Ich  gebe  hier  die  merkwürdige  SteUc 


cÄ  C*^  ^  -  ^Si^"^^^  SftJyiJf  y*j  u^ 


'  >  * 


O^Oa.!^    töClbj     »jj^j.r  jAäyOj     ai^     jAÖyOj 


30 


J 


468  Anhang  IL 

ein  grosser  und  wichtiger  Platz,  indem  die  Buläla  die  Ein- 
wohner aus  allen  Theilen  Känems,  mit  Ausnahme  der  von 

Tetdlüa  oder  Tetälü  (jy^O  und  der  von  Afägi  (wU)  *j, 
hierher  verpflanzten.  Sie  brachten  namentlich  alleTebu  hier- 

her,  selbst  die  Keserdä  (So^mS^)^  was  höchst  wahrschein- 
lich ein  Schreibfehler  statt  Ssakerdä  ist,  so  dass  nur  We- 
nige von  diesem  Stamme  in  Känem  zurückblieben.  Die  Bu- 
läla  schlössen  ausserdem  ein  enges  Bündniss  mit  der  Bevöl- 
kerung der  südlichen  Landschaften(y^4jJl  ^Q^  A^ V5  ^^^ 
Volke  von  Kargha,  um  es  mit  Getreide  zu  versehen,  das  es 
für  Toben  und  Vieh  erkaufte.  Dieser  Verkehr  hörte  erst 
bei  der  Ankunft  des  Edriss  in  Ragharkü  auf. 

Die  bei  diesem  wichtigen  Platze  (Kidyaka)  gelieferte 
Schlacht  wurde  nach  einem  grossen  Blutbade  auf  beiden 
Seiten  durch  des  Königs  Edriss  persönliche  Tapferkeit  ge- 
wonnen. Er  zog  darauf  in  die  Stadt  ein,  lagerte  daselbst 
2  Tage  lang,  während  welcher  Zeit  die  Trommel  fort- 
während gerührt  wurde,  und  brannte  sodann  den  ganzen 
Ort  nieder. 

Von  Kiäyaka  wandte  sich  Edriss  ostwärts  und  zog  nach  Mi 
(ä>c  lXXmäJI)  ^  wahrscheinlich  dem  oben  als  zu  Schitäti  ge- 


y^  LUa^SJljJ   V^^y  r^yÖCjf  yAaaz'l  du^  öOjf  aX^b 

*)  Der  ersto  dieser  beiden  Namen  steht  offenbar  in  Zusammenhang  mit  dem 
Namen  des  Stammes  der  Tetäla,  einer  Abtheilung  des  grossen  Volkes  der  Ssö 
oder  Sseu,  das  vom  Könige  EdrTss  fast  vernichtet  wurde  und  dessen  Überreste 
sich  in  die  Marschgründc  des  Tsad  flüchteten  (s.  die  chronologische  Tafel  im 
II.  Band,  unter  Edriss  Kegierung).  Der  Name  A'fSgi  erinnert  an  A^fage,  welches 
jedoch  nicht  eine  Stadt  in  KSnem  ist  und  keinesfalls  hier  gemeint  sein  kann. 


Vierter  Feldzng.  469 

hörig  erwähnten  Orte  dieses  Namens,  obgleich  dadurch  die 
Lage  von  Kidyaka  sehr  weit  nach  Westen  gerückt  wer- 
den würde,  da  sich  aus  den  Worten  des  Schriftstellers  er- 
gibt, dass  die  Entfernung  zwischen  beiden  Städten  be- 
trächtlich war. 

[Inzwischen  verfolgte  sein  Vezier  den  *Abd  el  Djelil  nach 
Kauäl,  augenscheinlich  dem  oben  erwähnten  Ort. 

Von  Kauäl  nach  Kucäka  (^o   |^). 

Von  Kuäka  nach  I'tandua,  das  ebenfalls  bereits  früher 
erwähnt  worden  ist. 

Von  I'tandua  aus  warf  sich  der  Vezier  Edriss  ben  Ha- 
run auf  die  Tebu  und  machte  grosse  Beute,  während 
sich  'Abd  el  Djelil  in  die  Wüste  flüchtete.  Er  brach 
sodann  auf  und  vereinigte  sich  mit  seinem  Herrn  in 
Mi,  wo  sie  das  'Aid  el  kebir  feierten.] 

Von  Mi  kehrte  EdrTss  nach  Kidyaka  zuiück. 

[Von  Kidyaka  aus  sandte  der  König  den  Farkama  Mo- 

hammed  nach  Kala  (eülToXjjJl  ^().] 

EdrTss  selbst  'zog  von  Kiayaka  nach  Gharikü ,  wo  er  eine 
lange  Zusammenkunft  mit  den  Arabern  hatte. 

Von  Gharikü  aus  zog  er  weit  nach  Norden  hin,  gegen  die 
Tebu,  während  er  den  schweren  Theil  seines  Heeres  nach 
Ndjimie  sandte. 

Nach  Besiegung  der  Tebu  kehrte  er  nach  Tinu  {^f^^)  zu- 
rück. 

Von  Tinu'zog  er  nach  Ndjimie  südwärts,  von  Dhohor  bis 
Sonnenuntergang  und  vom  Morgen  bis  Ssauäl. 

In  Ndjimie  erschienen  die  Tebu,  um  ihre  Unterwürfig- 
keit zu  erklären,  und  im  Ssanssdnne  (offenbar  das  befe- 
stigte Ijager  seines  Heeres),  wohin  sich  der  Sultan  sodann 
begab,  empfing  er  Gesandtschaften  von  den  Bewohnern 


i 


470  Anhang  IL 

von  Fittri  {LJr^  «AX^    \Al)  und  von  dem  Araber-  oder 

Schüa-Häuptlinge  '^Ali  ben  Yerdha,  sowie  aach  einen  Bo- 
ten   vom  Stamme    der  Küka  (äX^  (J^^'    *^^W^  l:>^)* 

(Es  ist  mir  unbekannt,  was  Mili  bedeutet,  ich  halte  es  je- 
doch für  den  Namen  einer  besonderen  Ortschaft  oder  Ab- 
theilung der  Küka.)  Während  seines  hiesigen  Aufenthal- 
tes wurde  er  von  den  Arabern  reichlich  mit  Getreide  ver- 
sehen. 

[Von  Ndjimie  aus  entsandte  Ednss  einen  Theil  seines 
Heeres  zur  Verfolgung  'Abd  el  Djelil's,  welcher  sich  west- 
wärts gewandt  hatte  und  dann  wahrscheinlich  nach  Nor- 
den gezogen  war,  da  das  Bomu-Volk  sich  zuerst  nord- 
wärts richtete.  Nachdem  es  eine  grosse  Entfernung  er- 
reicht hatte,  ohne  auf  *Abd  el  Djelil  zu  stossen,  gab  es  die 

Verfolgung  auf  und  plünderte  die  Stadt  Kiriua  (ö^^-^J"). 

Von  Kiriua  zogen  sie  nach  Mäö,  um  den  Sultan  zu  er- 
warten.] 

Edriss  selbst  begab  sich  von  Ndjimie  westwärts  nach  Gha- 

mirä  (»r^J^)  und  schloss  ein  Bündniss  mit  dessen  Ein- 
wohnern. 

Von  Ghamirä  südwärts  nach  (?)  *) ,  wo  er.  eine  Zeit  lang 
blieb. 

Von  jener  Ortschaft,  welche  irgendwo  im  Süden,  in  der  Nähe 
von  Kargha,  liegt,  kehrte  Edriss  nach  Mäö  zurück,  wo  er 
sein  Heer  antraf 

Von  Mäö  begab  sich  Ednss  auf  die  Heimkehr  nach  Bomu : 

Zuerst  kam  er  nach  Malehi  (cjQ^^)« 


*)  Hier  ist  auf  S.  99  des  Texte«  etwM  »usgelMsen. 


Fünfter  Feldzng.  471 

Von  MÜehi  nach  Müli  Ghim  und  MüU  Füll 

Von  Müli  nach  Ssülü  (Wy**),  wo  er  bei  der  Ortschaft  Flyü 

((Ja5)  sein  Lager  aufschlug. 

Von  Ssülü  nach  Kessüdd  (^OyM^^=>), 

Von  Kessüdd  über    die    wohlbekannten  Ortschaften  Rörö, 

Ssugurti,  Bulüdji,  Ngughüti  nach  dem  berühmten  Orte 

Ghdtigha  oder  Ghdtighi  bei  Berl. 
Von  Ghätigha  nach  I'tanäua,  indem  er  um  'Asser  aufbrach 

und  um  'Aschä  ankam. 
Von  rtanäua  nach  Ruäya. 
Von  Ruäya  nach  Ghambarü. 


Fünfter  Feldzug. 

Nachdem  Edriss  zehn  Tage  in  seiner  Lieblingsstadt  Gham- 
barü unter  gi'ossen  Festlichkeiten  verbracht  hatte,  rüstete  er 
sich  zu  einem  neuen  Zuge  nach  Känem,  nämlich  gegen  den 
Stamm  der  Kenänie  (SAiUxJf  SXa^J.    Ich  habe  von  diesem 

Stamme  bereits  bei  einer  früheren  Gelegenheit  gesprochen,  und 
ich  muss  gestehen,  dass  ich  den  einheimischen  Ursprung  des 
Namens  Kenänie  bezweifle,  vielmehr  das  damit  bezeichnete  Volk 
für  identisch  halte  mit  den  Haddäda  oder  Bongu,  welche  einst 
einen  sehr  zahlreichen  Stamm  gebildet  zu  haben  scheinen 
und  vielleicht  überhaupt  die  eigentlichen  Ursassen  von  Kä- 
nem gewesen  sind.  Damals  war  der  Hauptsitz  dieses  bemer- 
kenswerthen  Stammes  zu  Ssülü,  einer  bereits  öfter  erwähn- 
ten Ortschaft,  wesshalb  der  Stamm  gemeiniglich  unter  der  Be- 
nennung „das  Volk  von  Ssülü"  (^y**  A^O  bekannt  war. 
Aus  Furcht  aber  vor  dem  Bomu- Könige,  dessen  Zorn  sie 
durch  ihr  Raubwesen  erregt  hatten,  verliessen  sie  [ihren  Wohn- 


J 


472  Anhang  ü. 

sitz,  während  er  von  Känem  zurückkehrte,  und  zogen  fort 
nach  Kargha  (Äc-f)  *). 

Edriss  sammelte  sein  Heer  in  Fakarä,  um  die  Mitte  des 
ersten  Djumäd. 

Von  Fakarä  zog  er  nach  Dalikina  (^UxJo),  wo  er  um  KaÜa 
ankam. 

Von  Dalikina  nach  Maddua  (öjl<-^) ;  Ankunft  um  Kdila. 

Von  Maddua  nach  Keri  Kurüku  (^^^r^^^);  Ankimftum 
Mittag. 

Von  Keri  Kurüku  nach  Kuri  Keramnu  (öja^o-^  ö-Jj. 

Von  Keramnü  nach  Wurni  (^^j);  Ankunft  um  Kdila. 

Von  Wurni  nach  Lebüdu;   Ankunft  um  Mittag. 

Von  Lebüdu  nach  Kessüdd. 

Dann  über  Bulüdji,  Beri  (irrthümUch  geschrieben  anstatt 
BüiTum)  nach  ßörö.  In  ßörö  um  Mittag  angekommen,  ver- 
liess  er  es  wieder  um  *^Asser,  verrichtete  die  Mughreb-Gebete 

bei  einem  Ghadir,  Kitandka  (ä>   va>j  )  genannt,  brach  am 

Abend  wieder  auf  und  kam  um  2  Uhr  Morgens  in  Ssiki  an. 

In  Ssiki  theilte  er  sein  Heer  in  drei  Abtheilungen,  von 
welchen  eine  mit  den  Keghdrama  südwärts  nach  Ririkma 

(Ä4^^-Jj)  und   anderen  Ortschaften  der  Kendnle  und 


*)  Der  Autor  fügt  (S.  103)  folgende  interessante  Worte  hinzu: 


Fünfter  Feldzng.  473 

eine  andere  mit  den  Yerima  nordwärts  nach  Mdi  und  den 
benachbarten,  von  demselben  Stamme  bewohnten  Gauen 
zog. 

Edriss  selbst  schlug  die  mittlere  Strasse  nach  Didi  {lJ^.^) 

und  anderen  benachbarten  Ortschaften  ein,  machte  grosse 
Beute  (ungefähr  1000  Sklaven)   und  kehrte  dann  zurück. 

Von  Didi  nach  Rirfkrifa,  wo  er  um  'Asser  ankam. 

Von  Rlrikma  weiterziehend,  schlug  er  sein  Lager  bei  einem 
berühmten  Ethelbaume  auf,  welcher  die  Grenze  von  Kä- 
nem  bezeichnete,  nachdem  er  während  der  Tageshitze  ein 
Paar  Stunden  lang  beim  Teiche  —  „ghadir"  —  Kitanäka, 
wo  er  um  Ssauäl  ankam,  gerastet  hatte. 

Von  der  Grenze  (welche  in  der  Nähe  von  Ssiki  —  s.  oben  — 
gewesen  sein  muss)  nach  Rörö. 

(Von  dort  auf  der  grossen  Strasse  nach  Bimi.) 

Von  Rörö  nach  Bürrum  (hier  ist  wieder  aus  Versehen  Beri 
geschrieben). 

Von  Bürrum  nach  Bulüdji. 

Von  Bulüdji  nach  Furtu. 

Von  Fürtu  nach  Melfifl  (nicht  eine  Ortschaft,  sondern  ein 
Teich  oder  Wasserbecken  [,^_^Xa1A4^  ^_^4-mmJi  Uoyartj), 
offenbar  nicht  weit  von  Beri. 

Von  Melfifi  nach  der  Ortschaft  Merdali  {(Jo^  ^-ViwjJf). 

Von  Merdali  nach  Ghüi  Kefüküa  (ö^J^XJö^)^  wo  er  eine 

Karawane  von  Bomu-  und  Tebu-Kaufleuten  mit  vielen 
Pferden  traf. 

Von  dort  nach  Ghighir  (r*^  OjAJt  ^-XXjJf),  indem  er 

um  Dhohor  aufbrach  und  gegen  Ende  des  *^Asser  dort 
ankam. 


J 


474  Anhang  II. 

Von  Ghlghir  nach  Ghiskiru  (fj  J^ImaC  tXV^f). 

Von  dort  nach  Samtam. 

Von  Samtam  nach  Ghambarü,  nachdem  er  über  den  Fluss 
-A-^xJi    i^arLjJ)  gesetzt. 

Von  Ghambarü  nach  Bimi  oder  Bümi,  wo  er  am  Abend  an- 
kam. 

Das  Ergebniss  dieses  Zuges  war  die  völlige  Demüthigung 
des  Kendnie-Stammes ,  der  bisher  der  zahlreichste  in  Känem 
gewesen  war. 


Letzter  Feldzug  nach  den  Grenzen  von  Känem. 

Als  Edriss  in  Bimi  die  Nachricht  erhielt,  Mohammed  ben 
'Abd-Allah,  den  er  zum  König  von  Känem  gemacht  hatte,  habe, 
hauptsächlich  mit  Hilfe  der  Araber  oder  Schüa  und  nament- 
lich des  mächtigen  Häuptlings  *Ali  ben  Yerdha  den  Buläla- 
König  'Abd  el  DjelTl  besiegt,  kehrte  er  im  Ssauäl  noch  ein- 
mal nach  Känem  zurück  und  zog: 

von  Ghambarü  nach  Samtam; 

von  Samtam  nach  Ghetü; 

von  Ghetü  nach  Milu; 

von  Mllu   nach  Ledä  (l<-^); 

von  Ledä  nach  Burkumüa  (»^45^3); 

von  Burkumüa  nach  Ghauäli  (^U^); 
von  Ghauäli  nach  Milti; 
von  Milti  nach  Beri  (hier  ^r^  geschrieben); 
von  Beri  nach  Ghayauä; 

von  Ghayauä  nach  Melhü  (J^Q^); 


Letzter  Feldzag.  475 

von  Melhü  nach  Dighimssil  (  W»co); 

von  Dighimssil  nach  Hughulghula   (ääXäXä.)   bei  Dilaram  , 

von  Hughulghula  nach  Roro; 
von  Rörö  nach  Kessüdd; 

von  Kessüdd  nach  Ssiki  (hier  mit  dem  Beinamen  &4-O1O 
\8ic\  bezeichnet). 

Hier  traf  er  Mohammed  ben  üibd- Allah ,  den  neuen  König 
von  Känem,  und  hatte  mit  ihm  eine  lange  Unterredung  be- 
züglich der  Grenzen  ihrer  Königreiche,,  worin  sie  überein- 
kamen, dass  das  gesammte  Keghusti  und  das  gesammte  Ssiru 
(Schiri?),  wie  auch  Babäliä  zu  Bomu  gehören  sollten*).  Die 
letztere  Bedingung  ist  besonders  von  grosser  Wichtigkeit. 

Mohammed  Ben  *Abd- Allah  schwor  den  Eid  des  Gehorsams 
und  die  Befehlshaber  der  Buläla  legten  demgemäss  zwei  Eide 
ab,  einen  dem  Könige  von  Bomu  und  den  anderen  dem  von 
Känem. 

Nachdem  Ednss  eine  Musterung  seines  Heeres  gehalten, 
kehrte  er  über  Ssiki,  Rörö,  Dflaram,  Buludji,  Ghayauä, 
Beri,  Multi,  Didl,  Milu,  Ruäya,  Bersselma,  Ghataua  und  über 
den  Komädugu  ((^xUx^f  ^.aruif)  nach  Bimi  zurück 

\y^^  liOb  (.^jv^ai  cj^  l^^W  ^j^  »j^  ^  C^^ä. 
l^lLcfj  .  .  U^   loa.  ^^  LjU^  üOljJf  jLo   V^OJJ 

^ir  Kjoj^  ^^  t^   ^Ikcl  U  V^J  UjJj  edJf  lXsc 


^N^^^«^^^^NA^^^^^^^%^^#N^^^N^^^«>^^^*'^»^^ 


i 


m. 

Zum  Müssgu-Feldzuge. 

Bericht  über  die  verschiedenen  Reiter  ei- Abtheilungen,  aus  welchen  das  Borna- 
Heer  bei  dem  Feldzuge  nach  Müssgu  bestand. 


a)  Die  einlieimischen  Araber  (Schüa). 
Lauän  Hadji,  Häuptling  der  A'mdjege,  der  in  Ämdage  seinen 

Sitz  hatte. 
Fügo  Dermän  (*Abd  el  Rahmän)  aus  Bainge. 
Fügo  A'dige  aus  Mälemn,  einer  Dorfschaft  im  Bezirk  Wolödje. 
Fügo  I'nus  (Tünes)  aus  Maleuä. 
Fügo  Dermän  aus  Wolamssdy. 
Fügo  Kolone,  Häuptling  der  Ssäradji,  aus  Yelöenni. 
Mai  Asche,  Häuptling  der  Mäyin,  aus  Aschegri. 
Fügo  Pdlama  aus  Pälamari. 
Fügo  Hamma  aus  Mdgariä. 
Mdfonlma  aus  Mdfoni. 
Fügo  Mohammed  aus  Aissärem. 
Fügo  Köre  aus  Keringur. 
Lauän  Hämed  aus  Karauäru. 
Lauän  Mohammed  aus  Gobeö. 
Fügo  Adam  aus  Kadje. 
Lauän  Slimän  aus  Slimän. 
Mai  Kalama  aus  Kala. 
Fügo  Hämed   (gewöhnlich  Abu  Daüd   genannt),   Häuptling 

der  Kohälema,  aus  Kümbedä,  nördlich  von  Yedi*). 


*)  Jeder  Schua-Häuptling  hatte  einige  Hundert  Reiter  bei  sich.     Nur  zwei 


Reiterei-Abtheilungen  des  Börnu-Heeres. 


477 


Scheich  Ssäle  aus  Molüt,  mit  ungefähr  100  Mann. 
Scheich  Tauru  aus  Ngomäti. 

Fügo  Badaue,  der  Sohn  des  Hadj  Beschir,  mit  nur  wenig 
Reitern. 

b)   Kaiiöri,  Freie  und  Sklaven. 


Sklaven  des  Scheichs: 

L«i«hte 
Ucit«r«i. 

dchwcr«  Reiter«! 
—  „liblwdi"  — . 

Kaschella  Beläl 

200 

30 

'Ali  MarghT 

200 

30 

Kaschella  Ssäle 

100 

20 

Kaschella  'AhdeUehi  ('Ahd  -  Allah) . 

80 

16 

Kaschella  Säi 

150 

20 

Kaschella 'Ali- Dendal    .... 

90 

20 

Drei  andere  Offiziere  niederen  Grades, 

zusammen  mit           .... 

21 

Sklaven  des  Veziers: 

Kaschella  Djäto    .        .        . 

200 

34 

Kaschella  Cheralla        .... 

150 

20 

Kaschella  Kobtar  A'djime 

140 

25 

Kaschella  Hadji  Kakdu 

80 

15 

Kaschella  Tümbede        .... 

100 

18 

Kaschella  Bä-sso 

40 

10 

Berittene  Musketiere  des  Scheichs: 

Kaschella    Abdellehi  (verschieden   von 

dem  vorher  erwähnten)    . 

20 

Kaschella  Serma 

30 

Kaschella  Magadji          .... 

10 

Kaschella  Billama  (mein  Fremid) 

32 

Kaschella  Mdllare 

20 

Musketiere  des  Veziers: 

Kaschella  Meheme         .... 

10 

grosse  Häuptlinge  schlössen  sich  dem  Zuge  nicht  an,  nämlich  Mohammed  Ku- 
n^u,  Häuptling  der  Schcg&u,  und  Lauin  Gibdo  aus  Lerdö. 


478 


Aiibang  in. 


Kaschella  Fatälla 

Kaschella  Masfid 

Hadji  Urfay 

Hadji  Ramadhän 

Bedaue      

Mali  Mä-ssa  Mändarä      .        .        .        . 

Yagha  Ghana 

MMlem  Tschadeli 

Mohammed  Gädjeml         .        .        .        . 
Mohammed  Bü-'Alagh       .        .        .        . 

Legiwodda 

Kaschella  'Omar 

Kaschella  'Omar  Döra      .        .        .        . 
Wdsseli  (ein  Offizier  Mestrema's,  des  er- 
sten Eunuchen)    

Kaschella 'Ali  Agün  (ein  Offizier  Abaisso's) 
Kaschella    Bäggar    (ein    anderer  Offizier 

desselben) 

A'mdji  (ein  Mann  des  Dighama) 
Kaschella  Mohammed  Marghi  (ein  Offizier 

des  'Abd  e'  Rahmän)    . 
Schitima  Mädu  .... 

Schitima  Yöma  (Statthalter  von  Yö,  mit 

den  Mobber)        .... 
Schitima  Fugöma      .... 
Schitima  Sabelauma 
Schitima  Yauama      .... 
Schitima  Bössoma     .... 

Schitima  'Abdü 

Schitima  'Abademma 

Höflinge  und  Anhänger  des  Veziers: 

Grema  Milüd 

Lamino 


8 

10 

100 

16 

60 

12 

50 

30 

80 

20 

100 

10 

60 

1 

20 

40 

8 

50 

6 

30 

40 

10 

28 

8 

40 

30 

1 

80 

5 

30 

40 

50 

10 

40 

20 

20 

10 

200 

33 

150 

21 

Beiterei-Abtheilaogen  des  Börnn-Heeres. 


479 


Bäscbara  (Offizier  des  Lamlno)     . 

Dynama  Gadjaremma    . 

Scheich  'Abbäss      .... 

Hamsa  Ueled  el  Göni   . 

Karaberima 

Baläl 

Adamu 

'Abdellehi  Schlntiri 
Mallem  Malerama     .... 
Abräss       ..;... 
Kaschella  Said  (Offizier  des  Mallem  Mo- 
hammed)       

Abba  Massta  (Sohii   des  alten    Scheichs 

Mohammed  el  Känemi) 
Abba  Bagar 

XVdcvl  •••••• 

Beschir 

Assan  (Sohn  'Ali's ,  Enkel  des  Mohammed 

el  Känemi) 

Kässelma 

Yenma 

Erima        ...... 

U'noma  (Tebu- Häuptling) 
Fagodöma  (Häuptling  von  Koiäm)    . 
Murdjüma  (Koiäm)    .... 

Käüma*)  (Koiäm)     .... 

Ssenua  Babudma  (Koiäm) 
Ssenua  Kindagoma  (Koiäm) 
Kotoko  (Känemma- Häuptling)  . 


Leicht« 
B«it«r#L 

Schwer«  Reiterei 

13 

20 

7 

20 

7 

60 

3 

8 

18 

8 

16 

6 

6 

30         — 


60 

10 

90 

13 

90 

16 

10 

30 

1 

13 

5 

10 

200 

100 

80 

60 

40 

100 

30 

*)  Ein  Offizier  mit  dem  Titel  „kÄüma^  wird  bereits  in  Imäm  Ahmed's  Ge- 
schichte erwähnt;  derselbe  wurde  wahrscheinlich  ursprünglich  nach  der  Ort- 
schaft Käu  oder  Kö  in  Schitäti  in  KSnem  so  genannt. 


480 


Anhang  lUL   Beiterei-A1>theUiuigen  des  B^ma-Heeres. 


Sckwc 


Fugo  'Ali  (aas  Madoari)    ....  20         — 

Sintelma 10         — 

Kanöri:  Leichte  Reiterei  4181,  oder  vielmehr  in  runder 
Zahl  4500  Maun  Tda  viele  kleine  Abtheilnngen  ausgelassen 
sind;;  schwere  Reiterei  472,  oder  rund  500. 

Schüa:  Gegen  8000  Mann. 


IV. 

Städte  und  Dorfschaften  der  Prorinz  Logön  oder  L6gone  *). 


Im  nordwestlichen  Theile  der  Provinz:  Kündi,  Gerle,  Ssina, 
Godoni,  Gemang,  Kokofiä,  Kiddebä,  Ngulaua,  Maserä,  Dolo, 
Kasere,  Unko-älem,  Thägulü,  Kärsse,  Guäfa,  Dlffil,  ein  ande- 
res Thägulü,  Muchsse,  Gosenäke,  Modeä  (Dorfschaft  der  Mut- 
ter des  regierenden  Fürsten  I'ssufj,  Biuäl,  Mägui,  Uanänukl, 
Mätke,  Findlle,  Ssuäntegä,  Tsi,  MossöggolT,  ü'lessemme, 
Ngäme,  Dügguhi,  Kutteläha,  Ngätsi,  Ssäude,  Djilbe,  Tilde, 
Kala,  Hulluf  oder  Ilelib,  Ilakä,  Kässessä  nebst  anderen  in  die- 
ser Gegend. 

Im  südöstlichen  Theile:  Golonderä,  Degenie,  Ssigge,  Bä- 
geäni,  Bllle,  Ilöia,  Hännene,  Uäsa,  Ldbane,  Gurfäi  am  Flusse, 
Tschide,  Ndjeggere,  Ssige,  U'ltseme,  Ssilim,  Käbe  'Imadhe 
oder  West-Käbe,  Bäge,  ein  an  Elfenbein  reicher  Ort,  Djlnna, 
nach  der  Hauptstadt  die  grösste  Stadt  des  kleinen  König- 
reiches und  wichtig  wegen  der  Menge  des  dort  zu  Markte 
gebrachten  Elfenbeins,  wie  auch  wegen  der  dort  verfertigten 
feinen  Matten,  die  ich  schon  bei  früherer  Gelegenheit  erwähnt 
habe;  Kalassimö,  eine  Tagereise  westlich  von  Djlnna;  Käbe 
demä  oder  ngölo  —  „Gross-Käbc"  — ,  die  Grenzstadt  gegen 
Bügomän  —  die  Grenze  selbst  bildet  ein  Kenkang  genannter 
Morast  — ,  Ssü,  U'mssa,  Madeägo,  Tümbalä,  der  grösste  Ort 


*)  Nur  die   grösseren  Orte   sind  hier   erwähnt,    die   meisten   hahen  King- 
mauern,  die  aber  gegenwärtig  durchgängig  in  VerfaU  sind. 

Barth'»  Beben.    III.  31 


482 


Anhang  IV.   Stftdte  und  Dorfschaften  der  ProT.  Log<5n. 


jenseits  des  Flusses,  d.  h.  des  Flusses  von  Logone  oder  des 
Lagham;  Mele,  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  gleichnamigen 
Orte  am  Ostufer  des  Schäri;  Fuldji,  Kuldji  mit  einem  fast 
unabhängigen  Statthalter;  Fongol  und  Mere,  beide  am  Flusse; 
Göfa,  Diä,  Ngultssemi,  Ueindlle,  Djemädo,  O'deö,  ein  grosser 
Ort;  Ngösso,  Sitz  eines  Statthalters. 


V. 

Depesche    von    Lord    Palmerston. 


Auswärtiges  Amt,  7»««»  Oktober  1851. 

Mein  Herr! 

Im  Auftrage  des  Viscount  Palmerston  habe  ich  den  Em- 
pfang Ihrer  Zuschrift  vom  19ten  April  dieses  Jahres  aus  Küka 
in  Bomu,  in  welcher  Sie  den  in  der  Nacht  vom  2*«^  zum 
3t«n  des  vorhergehenden  Monats  März  zu  Nghurutua  zwischen 
Sinder  und  Küka  erfolgten  traurigen  Todesfall  des  Herrn  Ri- 
chardson  mittheilen,  zu  bescheinigen  und  Ihnen  dafür  zu 
danken. 

Da  die  Expedition  somit  gerade  vor  dem  Schlüsse  desjeni- 
gen Hauptabschnittes  ihrer  Arbeiten,  welcher  mit  der  Erfor- 
schung des  Tsäd-Beckens  endigen  sollte,  ilires  Hauptes  be- 
raubt ist,  so  ist  Ihrer  Majestät  Regierung  der  Ansicht,  dass 
nichts  weiter  fehlt,  um  die  Hauptzwecke  der  Expedition  des 
Herrn  Richardson  für  erledigt  halten  zu  können,  als  die  Ab- 
schliessung  dieser  Erforschung. 

Ich  bin  desshalb  von  Lord  Palmerston  angewiesen,  Ihnen 
mitzutheilen,  dass  es  sein  Wunsch  ist,  Sie  und  Dr.  Overweg 
möchten  nach  beendigter  Aufnahme  des  Tsäd-See's  und  sei- 
ner Ufer  den  übrigen  Theil  Ihrer  in  Afrika  entworfenen  Pläne 
genau  so  zur  Ausführung  bringen,  wie  dies  geschehen  sein 
würde,  wenn  Herr  Richai-dson  noch  lebte  und  Sie  sich  von 
ihm  nach  Massgabe  des  im  Dezember  1849  in  Triplikat  ab- 
gefassten  Übereinkommens,  von  welchem  Sie  und  Dr.  Overweg 
je  ein  Exemplar  besitzen,  getrennt  hätten. 

31« 


484 


Anhang  Y.   Depeaclie  ron  Lord  PSüaentoB. 


Zar  Zeit  der  Zeichmmg  jenes  Papieres  scbeiiieii  Sie  die  Ab- 
sicht gehegt  zu  haben,  bei  Ihren  ferneren  Forschungen  ösüich 
nach  dem  Nil  oder  südöstlich  nach  Mombäs  Torzadringen. 

Mögen  Sie  nun  noch  bei  diesem  Vorhaben  beharren  oder 
jetzt  Grand  haben,  eine  westliche  Richtung  nach  Timbokta 
hin  Torzoziehen,  so  bin  ich  von  Lord  Palmerston  angewie- 
sen,  Ihnen  zu  eröfinen,  dass  er  Tolle  Zufriedenheit  darin  findet^ 
Urnen  die  Fortführang  der  bisher  anter  der  Leitang  des 
Herrn  Richardson  gestandenen  Expedition  bis  zu  deren  gänz- 
licher Vollendung  anzuvertrauen. 

Sie  werden  sich  daher  hiermit  für  bevollmächtigt  erachten, 
die  Leitung  der  Expedition  zu  übernehmen,  und  ein  solches 
Verfahren  einhalten,  welches  Ihnen  nach  reiflicher  Erwägung 
der  allgemeinen  Zwecke,  die  Ihrer  Majestät  Regierung  bei 
der  Ausseudung  der  Expedition  nach  Inner-Afirika  zu  erzielen 
beabsichtigte,  am  geeignetsten  scheinen  dürfte. 

Diese  Zwecke  werden  Sie  in  der  Herrn  Richardson  ertheil- 
ten  Original-Iustruktion,  von  welcher  eine  Abschrift  für  Ihre 
Benutzung  und  Weisung  beifolgt,  angegeben  finden. 

Ich  bin,  mein  Herr, 

Ihr  ergebener 

H.  Waddington. 

Herrn  Dr.  BarÜi, 


VI. 


Abriss    der   Geschichte    von   Wädäi. 


In  dem  Abschnitte,  in  welchem  wir  die  Geschichte  von  Ba- 
ghirmi  behandelten,  haben  wir  gesehn,  das^  der  Stanuu  der 
Tündjur  ein  grosses  Reich  gründete,  das,  da  es  nur  aus  einer 
Anhäufung  verschiedener,  leicht  zusammengefugter  Elemente 
bestand,  in  weniger  als  100  Jahren  nach  seiner  Gründung 
zerschmettert  und  in  Stücke  zerrissen  wurde.  Der  Theil, 
welcher  sich  zuerst  vom  Hauptköri)er  absonderte,  umfasste 
die  östlichen  Landschaften,  indem  Küru,  der  dritte  Vorgän- 
ger Slimän's,  des  ersten  Moslim-Königs  von  För  oder  Dar- 
För ,  die  Tündjur  besiegte  und  die  Herrschaft  über  jene  Ge- 
genden für  den  Stamm  der  Foraui  gewann. 

Der  mittlere  Theil  und  eigentliche  Kern  des  Reiches  der 
Tündjur  dagegen  ward,  einheimischer  Tradition  zufolge,  im 
Jahre  1020  der  Hedjra  vom  Gründer  des  Mohammedanischen 
Reiches  von  Wadai,  'Abd  el  Kerim,  dem  Sohne  Yäme's,  über- 
wunden. 

Wöda,  der  Sohn  Yäme's,  der  zum  Stamme  der  Gemir  *) 
gehörte,  die  damals  in  Schendi  angesiedelt  waren  und  sich 
zum  Isslam  bekehrt  hatten,  war  mit  seinen  Landsleuten  in 
die  Gegenden  ausgewandert,  die  später,  ihm  zu  Ehren,  wie  es 


*)  Die  Herleitang  des  Ursprunges  dieser  kiiniglichen  Familie  von  den  jib- 
bassiden  ist  ein  blosses  üimgespinnst.  Ich  selbst  besitze  einen  Brief  mit  dem 
königlichen  Siegel,  das  diese  anmassende  DeTise  trügt. 


I 


486  Anhang  VI. 

heisst,  unter  dem  Namen  Waddi  begriflfen  wurden,  und  hier 
soll  er  im  Reiche  der  Tündjur  ein  bedeutendes  Ansehn  genos- 
sen haben.  Sein  Enkel  'Abd  el  Kerim  soll  Statthalter  gewisser 
Provinzen  des  Königs  Däüd  gewesen  sein,  der  damals  das 
Reich  der  Tündjur  beherrschte,  aber  schon  die  mächtige  Hand 
seines  östlichen  Nachbars  Slimän,  des  ersten  Mohammeda- 
nischen Königs  von  För,  gefühlt  hatte. 

Angeregt  von  religiösem  Gefühle,  soll  dieser  Edelmann  meh- 
rere Jahre  in  Bldderl  zugebracht  haben,  einem  etwa  10  Mei- 
len östlich  von  der  Hauptstadt  des  Königreichs  Baghfrmi  ent- 
fernten Orte,  welche  Hauptstadt  jedoch  zu  damaliger  Zeit  noch 
nicht  existirt  zu  haben  scheint.  Biddcrl  war  nämlich  eine 
der  Ortschaften  in  jener  Gegend ,  wo  sich  seit  frühen  Zeiten 
Leute  von  dem  weit  verbreiteten  Stamme  der  Fulbe  angesie- 
delt hatten  und  unter  ihnen  eine  Familie,  die  vermöge  unbe- 
strittener Heiligkeit  und  ansehnlicher  Belesenheit  angefangen 
hatte,  bei  der  Einführung  des  Isslams  einen  bedeutenden 
Einfluss  auf  einen  weiten  Kreis  der  umliegenden  Provinzen 
auszuüben.  Das  Haupt  dieser  Familie  nun,  Namens  Moham- 
med, soll  "Abd  el  Kerlm,  den  Enkel  Wöda's,  sowie  seine  Be- 
gleiter, Aniälek,  den  Häuptling  der  Marfa,  der  in  einem  Orte 
Namens  Hoggene  angesiedelt  war,  den  Massaläter  Mümin, 
den  A'bü-Schärib  Dedebam  und  den  Djelläbi  Wüel-Banän, 
zu  der  Idee  begeistert  haben,  die  heidnische  Herrschaft  der 
Tündjui*  zu  stürzen  und  an  ihrer  Statt  ein  neues,  auf  denisslam 
gegründetes  Reich  zu  stiften. 

'Abd  el  Kerlm  kehrte  in  seine  Heimath  zurück,  breitete 
seine  Unabhängigkeitsideen  aus  und  stand  dann  nach  Ver- 
lauf weniger  Jahre  gegen  seinen  Lehnsherrn  Däüd  auf,  machte 
Madabä,  einen  etwa  10  Meilen  nördlich  von  der  späteren 
Stadt  Wära  gelegenen  Bergort,  zu  seinem  Wohnsitze  und  legte 
so  nach  verzweifeltem  Kampfe  den  Grund  zum  Königreich  Wä- 
dai,  wie  er  da«  Land  seinem  Grossvater  zu  Ehren  benannte. 
*Abd  el  Kerlm  soll  nach  langer  Regierung  gestorben  sein,  nach- 


Abriss  der  Geschichte  von  WAä&L  487 

dem  er  zum  Nachfolger  seinen  Sohn  Charüt  bestimmt  hatte, 
den  wir  Charüt  den  Ersten  nennen  können.  Dies  ist  der  König, 
der  Wära  gründete  und  diese  Stadt,  die  mit  natürlichen  Wäl- 
len umgeben  ist  (ein  Umstand,  der  den  Grund  zu  ihretn  Namen 
—  „die  von  Hügeln  umgebene  Stadt"  —  abgab),  zu  seiner 
Residenz  erhob.  Auch  er  soll  mehrere  Jahre  regiert  haben, 
worauf  ihm  sein  ältester  Sohn,  Charif,  nachfolgte,  der  nicht 
so  glücklich  war  wie  sein  Vater  und  Grossvater,  sondern  im 
dritten  Jahre  seiner  Regierung  von  dem  kriegerischen  Stamme 
der  Täma,  den  er  zu  unterwerfen  trachtete,  erschlagen  wurde. 

Charifs  Nachfolger  war  Yaküb  *Arüss,  sein  jüngerer  Bru- 
der, der  sich  stark  genug  fühlte,  einen  Heereszug  in's  Innere 
von  För  zu  unternehmen.  Denn  da  MüsÄ,  der  damalige  Kö- 
nig jenes  Landes,  der  Sohn  und  Nachfolger  Slimän's,  des 
ruhmvollen  Gründers  dieses  Mohammedanischen  Königreiches 
an  Altersschwäche  zu  leiden  anfing ,  mag  'Arüss  gehofft  ha- 
ben, nur  geringen  Widerstand  zu  finden;  aber  er  wurde  ge- 
schlagen und  zu  schleunigem  Rückzug  gezwungen.  Diesem 
Fürsten  folgte  sein  Sohn  Charüt  H.,  der  während  seiner  vier- 
zigjährigen Regierung  grössere  Ruhe  genossen  und  mehr  bür- 
gerliches Glück  begründet  zu  haben  scheint,  als  man  in 
einem  aus  so  verschiedenartigen  Elementen  zusammengesetz- 
ten Reiche  erwarten  sollte. 

Der  Sohn  dieses  Königs  war  Djöda  oder  Dj&ude  mit  dem 
Beinamen  Charif  e'  Tlmän,  besser  bekannt  unter  seinem  Eh- 
rentitel „Mohammed  Ssuläi"  oder  „Ssule"  (in  der  Bedeu- 
tung „der  Befreier").  Dieser  Titel  wurde  ihm  von  seinen  Un- 
terthanen  beigelegt  in  Folge  des  Sieges,  durch  den  er  sein 
Land  von  dem  Joche  der  Forauer  befreite,  die  unter  dem 
Befehle  A'bü  '1  Kä-ssem's,  des  zweiten  Sohnes  Ahmed  Bokkor's 
und  des  sechsten  Mohammedanischen  Königs  jenes  Landes, 
Wädäi  mit  einem  gewaltigen  Heere  überzogen  hatten,  um  es 
sich  tributpflichtig  zu  machen.  Es  war  dies  der  siegreiche  und 
ruhmwürdige  König,  der  Wädäi  zu  einem  von  seinen  Nachbarn 


I 


488  ^  Anhang  VI. 

geehrten  und  gefiirchteten  Reiche  erhob  und  ihm  seinen  an- 
deren Namen,  nämlich  „Dar-Ssuläi"  *),  gegeben  hat. 

Ebenso  war  es  dieser  König,  der  am  Schlüsse  seiner  Regie- 
rung Käjiem,  oder  mindestens  den  besseren  Theil  desselben, 
den  Händen  des  Sultans  von  Bomu  entriss,  durch  die  Erobe- 
rung sowohl  von  Mondö  oder  Mandö,  der  Stadt  der  Tündjur, 
als  auch  von  Maö,  der  Residenz  eines  vom  Sultan  von  Bomu 
eingesetzten  Chalifa.  Dies  war  der  Anfang  der  Feindselig- 
keiten, die  noch  heutigen  Tages  zwischen  Bomu  und  Wadäi* 
bestehen.  Mohammed  Ssuläi  soll,  wie  sein  Vater,  40  Jahre 
regiert  haben. 

Ihm  folgte  sein  Sohn  Ssäleh  mit  dem  Beinamen  Derret. 
Dieser  Prinz  ist  mir  fast  einstimmig  als  ein  schlechter  Fürst 
geschildert  worden,  aber  dies  scheint  wenigstens  theilweise 
dem  Umstände  zuzuschreiben  zu  sein,  dass  er  eine  bedeutende 
Anzahl  'Ulama  dem  Tode  überlieferte,  da  diese  Leute  in  Wä- 
ddi  grosses  Ansehen  geniessen.  Jedenfalls  beschleunigte  er 
seinen  Tod,  indem  er  das  Rachegefühl  der  Mutter  seines  äl- 
testen Sohnes,  Abd  el  Kerim,  die  zum  Stamme  der  Mälänga 
gehörte,  durch  eine  ihr  zugefügte  Beleidigung  rege  machte. 
Denn  auf  ihren  Antrieb,  wie  es  heisst,  rückte  ihr  Sohn  'Abd 
el  Kerim  gegen  seinen  Vater  in's  Feld,  während  sich  der 
Letztere  im  8ten  Jahre  seiner  Regierung  mit  einem  Heere 
gegen  die  Mädalä,  die  Bewohner  eines  Ortes  nahe  bei  Ma- 
dabä  und  nicht  weit  von  den  Sitzen  der  Malanga,  gewendet 
hatte.  In  einer  blutigen  Schlacht  gelang  es  dem  Sohne,  sei- 
nen Vater  zu  besiegen,  der  bei  dieser  Gelegenheit  fiel.  Dies 
geschah  im  Jahre  1805.  Die  Umstände,  wie  ich  sie  hier  gegeben, 
sind,  obgleich  von  anderen  Darstellungen  stark  abweichend, 
dermassen  festgestellt,  dass  sie  keinen  Zweifel  übrig  lassen. 


*)  In  dieser  Benennung  wird  es  kaum  möglich  sein,  den  durch  Arabisch- 
Mosliraischen  Einfluss  in  diese  Gegenden  eingeführten  Ausdruck  „dar"  —  „das 
Haus",  „das  Reich"  —  wegzulassen.  Ein  einheimischer  Fordui  dagegen  wird 
kaum  je  den  Namen  Där-För  gebrauchen. 


Abriss  der  Geschichte  von  Wädäi.  489 

*Abd  el  Kerim,  besser  bekannt  unter  seinem  Beinamen  Ssa- 
bün,  den  er  sich  in  späterer  Zeit  erwarb,  bestieg  den  Kö- 
nigsthron von  Wddäi  mit  dem  Blute  seines  Vaters  besudelt, 
verlieh  aber  alsbald  seiner  Regierung  einen  solchen  Charakter, 
dass  Alle  darin  übereinkommen,  sie  als  eine  der  weisesten  dar- 
zustellen, die  man  je  in  diesem  Theile  der  Erde  hat  kennen 
lernen. 

Das  Erste,  was  er  that,  war  allerdings  mit  schmählicher 
Unterdrückung  des  Schwächeren  verbunden.  Es  bestand  darin, 
dass  er  sich  selbst  und  sein  Land  mit  dem  Raube  von  Baghlrmi 
bereicherte,  dessen  Bewohner  in  der  Entwickelung  mensch- 
licher Verhältnisse  viel  weiter  vorgeschritten  waren,  als  ilire 
östlichen  Nachbarn,  und  sich  ausserdem  durch  ihre  Raubzüge 
nach  Dirki,  im  grossen  Tebu-Thale  —  „henderi  Teda"  —  auf 
der  Fesän-Strasse,  grosse  Reichthümer  erworben  hatten,  nicht 
allein  in  Korallen  und  Gegenständen  stattlicher  Gewandung, 
sondern  auch  in  Silber  (Österreichischen  und  Spanischen  Tha- 
lern). 'Abd  el  Kenm  soll,  übertriebener  Angaben  Anderer 
nicht  zu  gedenken,  nach  dem  Berichte  glaubwürdiger  Perso- 
nen fünf  Kameelladungen ,  das  heisst  ungefähr  1500  Pfund 
Gewicht,  an  Silber  mit  sich  fortgeführt  haben.  Unter  seiner 
Regienmg  geschah  es  auch,  dass,  wie  ich  bei  früherer  Gele- 
genheit erwähnt  habe,  Baghlrmi  für  immer  eine  tributäre 
Provinz  Wadai's  wurde. 

Nachdem  dieser  Fürst  auf  solche  Weise  ein  mächtiges  Kö- 
nigreich gegründet  hatte,  bestand  der  Hauptgegenstand  sei- 
ner Anstrengungen  darin,  eine  direkte  Verbindung  mit  den 
Häfen  an  der  Küste  des  Mittelmeeres  zu  eröffnen,  um  sich  auf 
diese  Weise  selbst  leicht  mit  Erzeugnissen  versehen  zu  können, 
welche  vor  der  Plünderung  Baghfrmi's  den  Bewohnern  Wa- 
dai's so  gut  wie  unbekannt  waren. 

Während  ich  nun  zu  der  Auseinandersetzung  der  Anstren- 
gungen 'Abd  el  Kerim's  auf  diesem  Felde,  wie  sie  vom  ver- 
storbenen Herrn  Fresnel  in  seiner  Abhandlung  über  Wadai  ge- 


I 


490  Anhang  VI. 

geben  worden,  um  so  weniger  hinzuzufügen  habe,  als  jene  Ent- 
wickelung  offenbar  den  Hauptgegenstand  der  Untersuchungen 
dieses  Gelehrten  bildete,  muss  ich  die  Irrthümer  berichtigen, 
welche  in  den  Angaben  desselben  über  den  Tod  jenes  Königs 
und  die  Regierung  seines  Nachfolgers  enthalten  sind.  '^Abd 
el  Kerim  Ssabün  starb  im  lOten  Jahre  seiner  Regieining,  das 
bestimmt  in  das  Jahr  1815  fällt,  in  einem  Orte  nahe  bei 
Wära,  Namens  Djünne,  wo  er  ein  Heer  gesammelt  hatte, 
um,  wie  mich  wohlunterrichtete  Personen  versichert  haben, 
gegen  den  Herrscher  von  Bornu  oder  vielmehr  den  Scheich 
Mohammed  el  Kanemi  einen  Krieg  zu  beginnen.  Denn  der 
Letztere,  begierig,  die  Landschaft  Känem,  die  ihn  adoptirt 
hatte,  wieder  zu  ihrem  früheren  Glanz  zu  erheben,  wünschte 
dringend,  jenes  Land,  den  Kern  des  Bornu  -  Reiches ,  wieder 
aus  den  Händen  'Abd  el  Kerim's  zu  befreien. 

Ssabün  stai*b  so  plötzlich,  dass  er  ausser  Stande  war,  sei- 
nen Nachfolger  zu  ernennen;  aber  Joder,  den  ich  über  die- 
sen Punkt  befragt  habe,  hat  mich  versichert,  dass  an  Vergif- 
tung nicht  zu  denken  gewesen  sei.  Ausserdem  sind  andere  mit 
jenem  Ereigniss  verknüpfte  Umstände  keineswegs  der  Ali;,  wie 
sie  von  Herrn  Fresnel  dargestellt  sind.  So  zum  Beispiel  hatte 
Ssabün  gar  keinen  Sohn  Namens  Ssekssän.  Er  hinterliess 
nämlich  sechs  Söhne,  deren  ältester,  Namens  Ä-ssed,  von 
einer  Mutter  aus  dem  Stamme  der  Kondongö  geboren  war, 
während  Yüssuf,  der  zweite,  und  noch  drei  andere  Söhne  'Abd 
el  Kerim's  von  einer  und  derselben  Mutter  geboren  waren, 
die  zum  Stamme  dei*  Mädabä  gehörte.  Was  die  Mutter  Dja- 
far's  betrifft,  jenes  jungen  Wadäi-Prinzen ,  der  durch  seinen 
langen  Aufenthalt  in  Tripoli  und  zahlreiche  interessante  Aben- 
teuer in  Europa  und  besonders  in  England  *)  nicht  ganz  un- 
bekannt ist,  so  gehörte  sie  einem  anderen  Stamme  an. 


*)  S.  Herrn  Konsul  Barker's  oder  vielmehr  Lieutenant  (jetzt  Rear-Admiral) 
Sir  Henry  Srayth's  Story  of  Jafar  im   United  Service  Journal,  1830. 


Abriss  der  Greschichte  von  Wildäi.  491 

Als  daher  Ssabün  gestorben  war,  ohne  einen  Nachfolger  er- 
nannt zu  haben,  erhoben  sich  die  Parteigänger  des  Stammes 
der  Mddabä  gegen  die  Kondongö  oder  die  Partei  Ä-ssed's,  und 
nachdem  es  ihnen  gelungen  war,  ihre  Gegner  zu  besiegen  und 
A'-ssed  zu  tödten,  setzten  sie  Yüssuf  auf  den  Thron.  Dieser 
Prinz,  dem  zuweilen  der  Beiname  Charifäin  gegeben  wird, 
ohne  dass  derselbe  jedoch  allgemein  im  Lande  bekannt  war, 
regierte  zuerst  unter  der  Vormundschaft  seines  Onkels  Abu 
Rokkhiye,  dann,  nachdem  er  sowohl  seinen  Onkel,  wie  den 
gleichfalls  mächtigen  Agid  der  Mahamld,  Namens  Dömmo, 
getödtet,  16  Jahre  lang  in  der  tyrannischsten  Weise  über 
Wäddi,  bis  er  im  Anfange  des  Jahres  1830  auf  den  Antrieb 
seiner  Mutter  Ssimbil  getödtet  wurde.  Niemals  hat  über  Wd- 
däi  ein  König  Namens  'Abd  el  Kader  geherrscht,  und  Major 
Denham  hatte  vollkommen  Recht,  wenn  er  im  Jahre  1823 
den  damals  regierenden  Fürsten  jenes  Landes  den  unmittel- 
baren Nachfolger  Ssabün's  nannte. 

Dem  Yüssuf  folgte  sein  Sohn  Räkeb,  der  noch  im  Kindcsalter 
stand  und  schon  nach  17  oder  18  Monaten  an  den  Pocken 
starb,  worauf  ein  Mann,  der  zu  einem  Zweige  der  königlichen 
Familie  gehörte,  Namens  'Abd  el 'Asis,  ein  Sohn  Rädama's, 
dessen  Vater  Gändigin  ein  jüngerer  Sohn  Djöda  Mohammed 
Ssuläi's  war,  während  seine  Mutter  gleichfalls  zum  könig- 
lichen Stammbaume  gehörte,  den  Thron  bestieg.  Untei'stützt 
von  dem  kriegerischen  Stamme  der  Kodoi(oderBü-Ssenün,  wie 
sie  ihrer  rothen  Zähne  halber  von  den  Arabern  genannt  wer- 
den), unter  dem  er  seinen  Aufenthalt  gewählt,  gelang  es  ihm 
auch,  seine  Stellung  während  eines  fast  ununterbrochenen 
Kampfes  mit  seinen  Gegnern  zu  behaupten.  Der  erste  Zusam- 
menstoss,  den  er  zu  bestehen  hatte,  war  gegen  die  Kelingen 
gerichtet,  die  nicht  etwa  Djäfar,  den  rechtmässigen  Thronerben, 
begünstigten,  sondern  einen  anderen  Prätendenten  Namens 
Kede  aufstellten;  sie  wurden  jedoch  bei  einem  Orte  in  der 
Nachbarschaft  vonWära,  Namens  Folkotö,  gänzlich  geschlagen. 


t 


492  Anhang  VT. 

Kaum  hatte  *Abd  el  'Asfs  angefangen,  einige  Ruhe  zu  gemes- 
sen, als  der  Stamm  der  Kondongö,  seine  bergigen  Wohnsitze 
verlassend,  gegen  ihn  zu  Felde  rückte;  aber  sie  wurden 
in  einer  Schlacht  in  der  Nähe  eines  Ortes  Namens  Burtai 
gleichfalls  geschlagen  und  beinahe  vernichtet  'Abd  el  ^Asls, 
den  mir  meine  Freunde  als  einen  Mann  von  ausgezeichneten 
Eigenschaften  und  grossem  Verstände  schilderten,  starb  gleich- 
falls nach  einer  Regierung  von  5^  Jahren  an  den  Pocken, 
worauf  dann  sein  junger  Sohn  Adam,  der  damals  noch  im 
Knabenalter  stand,  auf  den  Thron  gesetzt,  aber  nach  wenig 
mehr  als  einem  Jahre  wieder  entthront  und  in  ehrenvolle  Ge- 
fangenschaft nach  För  oder  Dar-För  geschleppt  wurde. 

Die  Umstände,  welche  diese  Revolution  herbeiführten,  wa- 
ren folgender  Art:  Mohammed  Ssäleh,  ohne  triftigen  Grund 
„e'  Scherif"  genannt,  der  Wädäi  schon  lange  zuvor  heimlich 
betreten  hatte,  dem  es  aber  nicht  möglich  gewesen  war, 
einen  Anhang  zu  gewinnen,  hinlänglich  stark,  um  ihn  in  den 
Stand  zu  setzen,  seine  Ansprüche  auf  die  Nachfolge  als  Bruder 
Ssabün's  ofifen  gültig  zu  machen,  hatte  sich  endlich  au  Mo- 
hammed Fddhl,  den  König  von  För,  gewendet  und  diesen  Für- 
sten durch  das  Versprechen,  dass  er  ihm  alljährlich  einen 
ansehnlichen  Tribut  zahlen  wolle,  dazu  vermocht,  ihm  zu  der 
Erlangung  des  Königthumes  von  Wädai  Beistand  zu  leisten. 
Bei  dem  Elend,  in  welches  das  Land  damals  durch  eine  ernst- 
liche Hungersnoth  gestürzt  war,  bedurfte  es  zur  Eroberung 
Wdddi's  nur  des  Beistandes  zweier  Hauptleute  — „^ade" — , 
nämlich  *Abd  e'  SsTd's  und  'Abd  el  Fat-ha's,  während  keiner 
der  Grossen  des  Landes  einen  ernsthaften  Widerstand  lei- 
stete, mit  Ausnahme  des  Kämkoläk  des  Stammes  der  Kodoi, 
dessen  Anstrengungen  aber  vergeblich  waren. 

Von  Mohammed  Ssäleh,  der  auf  diese  Weise  mit  Hilfe 
einer  fremden  Macht  im  Monat  Tom  el  auel  des  Jahres  der 
Hedjra  1250  (im  Juli  1834)  den  Thron  bestieg,  kann  man 
wohl  sagen,  dass  er  sich  um  das  Beste  des  Landes  bemüht 


Abriss  der  Geschichte  von  Wädäi'.  493 

hat;  aber  die  letzten  Jahre  seiner  Regierung  sind  sicherlich 
unglücklich  gewesen,  sowohl  für  ihn  selbst,  als  für  seine  Un- 
terthanen. 

Das  Erste,  was  Mohammed  Ssäleh  mitemahm,  um  seine 
Unterthanen  oder  vielmehr  sich  selbst  zu  bereichem  und  seine 
Herrschaft  weiter  auszudehnen,  war  ein  Feldzug  gegen  Karkä 
oder  Kargha,  den  aus  Inseln  und  halbversunkenen  Wiesen- 
und  Weidegründen  bestehenden  Sumpfgau  im  südöstlichen 
Winkel  des  Tsäd,  den  ich  in  meiner  Beschreibung  von  Känem 
besprochen  habe;  und  es  gelang  ihm,  von  hier  eine  grosse 
Menge  Vieh  fortzuführen.  Vielleicht  lag  auch  ein  Grund, 
wesshalb  er  diesen  Hecreszug  unternahm,  darin,  dass  sich  ein 
anderes  Glied  der  königlichen  Familie,  nämlich  Nur  e'  Din, 
der  durch  Yüssuf  und  Fürba  in  gerader  Linie  von  Ssäleh 
Derret  abstammte,  in  jenen  sumpfigen  und  beinahe  unzu- 
gänglichen Gau  zurückgezogen  hatte,  und  vermittelst  des  Ein- 
flusses, den  er  sich  über  die  benachbarten  Stämme  zu  ver- 
schaffen wusste,  leicht  in  späterer  Zeit  als  Prätendent  hätte 
auftreten  können.  Im  nächsten  Jahre  marechirte  Mohanmied 
Ssäleh  gegen  die  Täma,  jenen  unbesiegbaren  und  räuberi- 
schen Stamm,  der  seine  Wohnsitze  in  einer  bergigen  Land- 
schaft 4  Tagereisen  nordöstlich  von  Wära  hat,  und  beklei- 
dete, nachdem  er  sie  besiegt  und  ihren  Häuptling  getödtet 
hatte,  einen  anderen  Mann  mit  dessen  Würde.  Aber  die 
Täma  vertrieben  den  eingesetzten  Häuptling,  als  der  Kö- 
nig den  Rücken  gewandt  hatte,  so  dass  der  Letztere  ge- 
zwungen war,  im  folgenden  Jahre  einen  zweiten  Heereszug 
gegen  sie  zu  unternehmen,  wo  er  sie  dami  noch  einmal  be- 
siegte und  zwang,  einen  Mann  Namens  Ibrahim  als  ihr  Haupt 
anzuerkennen. 

Hierauf  miternahm  Mohammed  Ssäleh  im  Jahre  1846  jenen 
Zug  gegen  Bornu,  von  dem  ich  jn  der  chronologischen  Ta- 
belle der  Geschichte  jenes  Reiches  eine  kurze  Beschreibung 
gegeben  habe,    da  er  von  Herrn  Fresnel  sehr  falsch  dar- 


I 


494  Anhang  VL 

gestellt  worden  ist  Denn  obgleich  der  König  von  Waddi  bid 
in  das  Herz  von  B6rnu  eindrang,  erreichte  er  doch  nicht  sei- 
nen Zweck,  die  alte  Dynastie  der  Ssaefua  in  ihre  Rechte  als 
Herrscher  von  Bomu  wieder  einzusetzen,  sondern  fiihrte  im 
Gegentheil  den  g<änzlichen  Ruin  derselben  herbei,  so  dass 
sein  Zug  keineswegs  als  sehr  glücklich  ausgeführt'  betrachtet 
werden  kann.  Allerdings  führte  er  eine  ansehnliche  Beute 
hinweg,  aber  er  verlor  dagegen  einen  beträchtlichen  Theil 
seines  Heeres,  sowohl  in  der  Schlacht  von  Küssuri,  als  auf 
seinem  Rückmarsch  nach  Hause,  ganz  besonders  beim  Über- 
schreiten des  Schärf. 

Auf  seinem  Rückmarsch  erlangte  der  König  jedoch  noch 
einen  kleinen  Vortheil,  indem  er  seine  Wafifen  gegen  die  ana 
Bahhr  el  Ghasal  angesessenen  Tebu-Stämme  richtete.  Er  un- 
terwarf sie  und  legte  ihnen  einen  jährlichen  Tribut  auf.  Von 
dieser  Zeit  erst  scheint  sich  das  Amt  des  Agld  ol  bahhr  her- 
zuschreiben. 

Nach  diesem  immerhin  höchst  denkwürdigen  Zuge  nach 
Boniu  unternahm  Mohammed  Ssäleh  keinen  weiteren  Feldzug, 
sondern  er  sah  sich,  nachdem  er  3  oder  4  Jahre  ruhig  zu  Hause 
geblieben  war,  gezwungen,  die  Kraft  eines  Theiles  seines  Rei- 
ches in  blutigem  Kampf  gegen  den  anderen  aufzureiben. 

Ursprung  und  Grund  dieses  Bürgerkrieges,  der  Wdddi  bis 
zur  Zeit,  wo  ich  den  Sudan  verliess,  in  sehr  geschwächtem  Zu- 
stande erhielt,  ist  in  der  wirkUch  oder  auch  nur  vorgeblich  ein- 
getretenen Blindheit  des  Königs  zu  suchen.  Denn  dieses  kör- 
perliche Gebrechen,  das  ihn,  wenn  es  begründet  war,  nach  den 
Landesgesetzen  zur  weiteren  Hen-schaft  unfähig  machte,  abge- 
sehen von  seiner  durch  Habsucht  hervorgerufenen  allgemeinen 
Unpopularität ,  gab  seinen  Gegnern,  den  Kodoi,  die  A'dam 
als  ihren  rechtmässigen  Herrscher  betrachteten,  einen  Vor- 
wand, ihn  nicht  länger  als  ihren  Herrn  anzuerkennen.  Dies 
war  der  Anlass,  dass  er,  um  seinen  öffentlichen  und  gehei- 
men Feinden  zu  entgehn,  im  Jahre  1850  die  alte  Residenz 


Abriss  der  Geschichte  von  Wädill  495 

aller  früheren  Könige  von  Wadäi,  von  Charüt  dem  Ersten 
herab,  verliess  und  den  Sitz  der  Regierung  von  Wära  nach 
Abeschr  verlegte.  Dies  ist  ein  unbedeutendes  Dorf,  etwa 
20  Meilen  südlich  von  Wära,  im  Gebiete  der  Kelingen,  der 
Anhänger  des  Königs,  gelegen  und  fast  ganz  ohne  Wasser, 
so  dass  sich  Mohammed  Ssäleh  aus  beiden  Gründen  hier  ziem- 
lich sicher  fühlte. 

Der  Kampf,  eine  lange  Zeit  im  Stillen  genährt,  brach  nicht 
vor  1851  aus,  wo  der  König  im  Monat  Schäbän  gezwungen 
war,  gegen  die  Kodoi  zu  marschiren,  die  ihn,  unterstützt 
von  einem  Theil  der  A'bl  oder  A'bü  Schärib,  in  ihren  Bergen 
erwarteten,  von  wo  sie  dann,  als  er  dem  Fusse  der  Höhen  nahe 
gekommen  war,  am  Freitag  den  9ten  Schäbän  mit  grosser 
Heftigkeit  auf  ihn  herabstürzten,  so  dass  sie  seine  Reihen 
durchbrachen  und  nach  Niedermetzelung  einer  grossen  Menge 
Leute  höheren  Ranges,  unter  denen  sich  auch  A'bü  Horra, 
der  alte  blinde  Bruder  des  Königs,  und  seine  eigene  Toch- 
ter Fatima  befanden,  bis  zu  seiner  eigenen  Person  durch- 
drangen und  nahe  daran  waren,  ihn  zu  erschlagen,  als  es 
seinen  Leuten  gelang,  ihm  das  Leben  zu  retten.  Aber  zu  kühn 
gemacht  durch  diesen  Erfolg,  wagte  es  der  Feind  am  näch- 
sten Tage,  seine  Bergfeste  zu  verlassen  und  in  die  Ebene  hin- 
abzusteigen, wo  er  in  Folge  der  überlegenen  Zahl  und  der 
vorzüglicheren  Reiterei  des  königlichen  Heeres  überwunden 
wurde  und  nach  einem  empfindlichen  Verlust,  der  jedoch  mehr 
die  Reihen  ihrer  Kampfgenossen,  der  Abu  Schärib,  als  ihre 
eigenen  lichtete,  Zuflucht  in  den  Bergen  suchte.  Ungeachtet 
dieses  Verlustes  jedocli,  den  sie  in  der  eben  erwähnten  Schlacht 
erlitten,  welche  von  den  Eingeborenen  die  Schlacht  von  Tor- 
bigen  oder  Djälkam  genannt  wird,  haben  die  KodoI,  als  ein 
kriegerischer  Stamm,  keineswegs  ihr  Recht  aufgegeben ;  selbst 
während  meines  Aufenthaltes  in  Baghirmi  hiess  es,  dass  sie 
bei  der  Absicht  beharrten,  den  Kampf  nach  beendigter  Ernte 
zu  emeuem. 


i 


496  Anhang  VI. 

So  weit  habe  ich  die  Geschichte  des  Landes  in  der  De- 
pesche behandelt,  welche  ich  nach  meiner  Rückkehr  von  Ba- 
ghirmi  heimsandte,  und  die  Bemerkung,  mit  der  ich  da- 
mals meinen  geschichtlichen  Bericht  von  Wadäi  scUoss,  ist 
seitdem  in  sehr  auffallender  Weise  bestätigt  worden.  Meine 
Worte  waren:  „Die  Uneinigkeit,  welche  gegenwäiüg  im  Her- 
zen von  Wadai  herrscht,  ist  um  so  folgenreicher,  als  der 
König  Mohammed  Ssäleh  mit  seinem  ältesten  Sohn  Moham- 
med auf  schlechtem  Fusse  zu  stehn  scheint.  Der  Thronerbe 
blieb  bei  der  Übersiedelung  des  Hofes  nach  Abeschr  in  Wära 
zurück  und  soll  sich,  nachdem  er  wiederholt  vorgeladen  wor- 
den war,  vor  seinem  Vater  zu  erscheinen,  in  die  südlichen 
Landschaften  des  Reiches  zurückgezogen  haben." 

Nur  wenige  Monate  später,  als  ich  diese  Zeilen  geschrie- 
ben, erhielten  wir  in  Bornu  die  Nachricht  von  dem  Aus- 
bruche eines  Bürgerkrieges  zwischen  Vater  und  Sohn; 
ein  langer  blutiger  Kampf  begann,  in  welchem  Mohammed, 
der  Sohn  Mohammed  Ssäleh's,  nicht  allein  seinen  Vater, 
sondeni  auch  seine  Brüder  besiegte,  obgleich  sie  einen  star- 
ken Anhang  hatten,  während  er  selbst  in  Folge  seiner  Ge- 
burt (als  Sohn  einer  Ausländerin,  einer  Felläterin  von  Kor- 
dofän)  sich  ganz  allein  auf  seine  eigene  Energie  und  seinen 
persönlichen  Muth  verlassen  musste.  Hieraus  erklärt  sich 
auch  von  selbst  das  gewaltsame  Verfahren  des  Usurpators, 
dem  natürlich  der  ganze  Landesadel  feindlich  gegenüber- 
stand; so  soll  er  eine  grosse  Niederlage  unter  den  angese- 
hensten Männern  des  Landes  angerichtet  haben. 

Über  den  gegenwärtigen  Zustand  der  politischen  Verhält- 
nisse des  Landes  bin  ich  nicht  genau  unterrichtet;  ich 
habe  jedoch  gehört,  dass  dieser  König  von  einem  seiner  Brü- 
der entthront  worden  sei.  Sollte  Herr  Dr.  Vogel,  der,  wie 
wii'  nun  wissen,  über  Känem  und  Fittri  Baghirmi  erreicht 
und  sich  dann  von  da  wieder  nördlich  um  Wadai  herum 
gewandt  hat,   wider  Erwarten  so   glücklich   sein,    mit  dem 


Abriss  der  Geschichte  von  Wdddi.  497 

Leben  davonzukommen,  so  werden  wir  von  diesem  interes- 
santen Lande  bald  mehr  hören;  aber  leider  lassen  selbst  die 
letzten  Nachrichten  (vom  20*«»  Juni)  aus  Borgu  nur  we- 
nig Hoffnung,  dass  das  Leben  des  ebenso  rüstigen  und  un- 
erschrockenen, wie  aufgeweckten  und  tief  wissenschaftlich 
gebildeten  jungen  Mannes,  der  eine  so  reiche  Zukunft  in  Leben 
und  Wissenschaft  vor  sich  hatte,  verschont  geblieben  sei;  es  ist 
vielmehr  zu  befürchten,  dass  fürderhin  auch  Wära  unter 
den  zahlreichen  Grabstätten  Europäischer  Reisenden  figuriren 
wird,  welche  sich  im  Inneren  des  Afrikanischen  Festlandes  zer- 
streut finden.  Allerdings  ist  eine  schwache  Hoffnung  in  diesem 
Augenblicke  (Anfang  September  1857)  wieder  aufgetaucht; 
möge  das  Bestreben,  nichts  unversucht  zu  lassen,  um  das 
Schicksal  des  kühnen  Forschers  zu  enthüllen,  wenigstens  dazu 
beitragen,  uns  einen  Blick  auf  den  Faden  seiner  Bemühungen 
werfen  zu  lassen.  Allein  auch  im  Falle,  dass  sich  die  Nach- 
richt bestätigte,  Eduard  Vogel  sei  vom  Fürsten  von  Wädäi, 
sei  es  im  Zorn  über  eine  ihm  von  anderer  Seite  her  ange- 
thane  Beleidigung  oder  aus  Fanatismus,  enthauptet  worden, 
würde  das  Leben  meines  jungen  Freundes  nicht  als  vöUig 
nutzlos  weggeworfen  zu  betrachten  sein,  und  sein  Tod  selbst 
würde  künftigen  Reisenden  einen  Schirm  gegen  ein  ähnliches 
Schicksal  gewähren.  — 

Dies  ist  eine  kurze  Skizze  der  Geschichte  Wadai's,  so  weit 
mich  meine  Nachforschungen  in  Baghirmi  in  den  Stand  setz- 
ten, mit  ihr  bekannt  zu  werden.  Für  die  Genauigkeit  meiner 
Angaben  im  Allgemeinen  kann  ich  bürgen,  wie  weit  sie  auch 
von  Berichten  Anderer  abweichen  mögen. 

Ich  schliesse  nun  einige  allgemeine  Bemerkungen  an. 

Das  auf  diese  Weise  durch  die,  wenn  auch  unsystemati- 
schen, aber  doch  energischen  Bemühungen  mehrerer  Fürsten 
in  ein  ausgedehntes  Königreich  vereinigte  Land  hat  seine 
grösste  Längenausdehnung  in  der  Richtung  von  WNW.  nach 
OSO.  und  erstreckt  sich  ungefähr  vom  15*e»  Grad  östl.  L.  von 

Barth't  BcUen.    in.  32 


I 


498  Anhang  VI. 

Greenwich  bis  zum  238ten  Grad  und  vom  15^  bis  10^  nördL 
Breite*).  In  Bezug  auf  seine  physische  BeschafiFenheit  will 
ich  hier  nur  eine  kurze  Skizze  der  eigenthümlichsten  Züge 
entwerfen,  indem  ich  die  Darlegung  des  Einzelnen  den  Iti- 
nerarien  überlasse,  da  die  ganze  Kenntniss,  die  wir  von  dem 
Lande  besitzen,  nicht  von  eigener  Anschauung  herrührt,  son- 
dern von  diesen  Itinerarien  abgeleitet  ist. 

Das  eigentliche  Wddai  ist  ein  ziemlich  ebenes  Land,  aber 
unterbrochen  von  einer  grossen  Menge  vereinzelter  Berge  .von 
trockener  und  dürrer  Beschaffenheit,  und  unfähig,  beständi- 
gen Quellen  Nahrung  zu  geben;  selbst  die  einzigen  Quellen, 
von  deren  Vorhandensein  im  Lande  ich  Kunde  einsammeln 
konnte,  nämlich  diejenigen  in  der  Nähe  der  Ortschaft  Hamien 
im  Thale  Waringek,  sollen  heisses  Wasser  enthalten.  Das  ganze 
Land  hat  eine  Neigung  von  Ost  nach  West,  d.  h.  mit  anderen 
Worten  vom  Fusse  des  Djebel  Märra  in  För  nach  dem  Becken 
des  Fittri,  des  besonderen  Landsee's  der  Küka,  der  alle 
Feuchtigkeit  aufiiimmt,  die  während  der  Regenzeit  von  den 
kleineren  Wasserläufen  herabgeführt  wird  und  sich  im  grös- 
seren Thale  des  Bat-hä  ansammelt.  Nur  das  Wadi  Kia 
scheint  hiervon  eine  Ausnahme  zu  machen,  da  es,  hart  an 
der  genannten  Bergkette  entlang  von  Nord  nach  Süd  lau- 
fend, nach  der  Angabe  der  meisten  meiner  Berichterstatter 
keine  Verbindung  mit  jenem  Becken  zu  haben  scheint  und 
möglicherweise  einem  Arme  des  Nils  zufliesst.  —  Im  nörd- 
lichen Theile  Wädäi's,  wo  das  Land  von  wüsten  Gauen  be- 
grenzt wird,  gibt  es  mehrere  kleinere  Wasserläufe  —  „saraf ", 
wie  sie  hier  genannt  werden  — ,  die  im  Sande  dahinsterben. 

In  Bezug  auf  das  zwischen  den  beiden  Landsee'n,  dem 
Fittri  auf  der  einen  und  dem  Tsäd  auf  der  anderen  Seite, 
gelegene  Land  habe  ich  schon  an  einer  anderen  Stelle  ge- 
zeigt,  dass  es  eine  höher  gelegene  Landschaft  ist,  welche 


*)  Im  Englischen  Texte  ist  hier  ein  Schreibfehler. 


Abriss  der  (beschichte  von  Wiidäü 


4d9 


alle  Verbindung  zwischen  den  beiden  Seebecken  abschneidet, 
während  die  Wasserläufe  und  Thäler  die  natürlichen  Stras- 
sen bilden,  an  denen  entlang  die  Wohnplätze  der  Anwohner 
liegen.  Auch  über  diese  Landschaft  werden  wir  ganz  an- 
deren Aufschluss  erhalten,  wenn  Herr  Dr.  Vogel,  der,  wie 
wir  nun  wissen ,  diese  Gegend  im  März  vorigen  Jahres  auf 
dem  Wege  von  Känem  nach  Fittri  durchzogen  hat,  noch  am 
Leben  sein  sollte,  oder  wenn  wenigstens  seine  letzten  Papiere 
gerettet  werden. 

Was  die  äusseren  Provinzen  des  Reiches  betriflft,  so  ist 
ihr  Charakter,  so  weit  sie  nach  Süden  liegen,  augenschein- 
lich mannichfaltiger  und  reicher  an  perennirenden  Wasser- 
läufen, als  der  Kern  des  Königreiches  selbst;  aber  die  sie 
betreflfenden  Nachforschungen  sind  noch  nicht  weit  genug 
gediehen,  um  uns  in  den  Stand  zu  setzen,  eine  allgemeine 
Darstellung  derselben  zu  geben. 


32 


i 


VU. 

Ethnographische  Beschreibung  von  Wädäi. 


Vfiä&i  ist  in  jeder  Hinsicht  ein  noch  junges  Reich,  in  dem 
die  verschiedenartigsten  Elemente  mit  beinahe  unbeschränk- 
ter, das  Gesammtwesen  des  politischen  Körpers  schwächen- 
der und  entkräftender  Macht  neben  einander  bestehen.  Des- 
senungeachtet ist  die  Mannichfaltigkeit  dieser  Elemente  in 
einem  so  ausgedehnten  Gebiete  wie  Wdddi  keineswegs  aus- 
serordentlich für  diese  Gegend  der  Erde;  denn  die  Zahl  der 
verschiedenen  hier  gesprochenen  Dialekte  übertriflFt  nicht  die 
Anzahl  derjenigen,  die  man  in  Fümbinä  redet;  ja  selbst  in 
Bomu,  wo  in  Folge  eines  ausgleichenden  und  centralisiren- 
den  Regierungssystems  mehrere  Stämme  im  Laufe  der  Zeit 
fast  ganz  vernichtet  worden  sind,  überschreitet  die  Zahl  der 
innerhalb  der  Reichsgrenzen  bis  heute  noch  geredeten  Spra- 
chen fünfzehn. 

In  Wdddi  hat  man  zuerst  zwei  grosse  Gruppen  von  einan- 
der zu  unterscheiden :  die  einheimischen  oder  eingewanderten 
Negerstämme  auf  der  einen  und  die  Arabischen  Stämme  auf 
der  anderen  Seite.  Ich  will  zuerst  die  Negerstämme  betrach- 
ten, indem  ich  eine  vollständige  Liste  derselben  mittheile  und 
jedesmal  einige  Bemerkungen  in  Bezug  auf  ihre  Stärke  und 
ihre  politische  Macht  hinzufüge.  In  Bezug  auf  ihre  Ver- 
wandtschaft Äter  einander  aber  kann  man  bis  jetzt  nur  we- 
nig mit  Gewissheit  sagen,  da  noch  keine  Wörterverzeichnisse 
ihrer  Sprachen  vorliegen.    Ich  selbst  war  nicht  im  Stande, 


Ethnographische  Beschreibung  von  Wädäi.  501 

mir  deren  mehr  als  drei  zu  verschaflfen,  nämlich  einmal  von 
der  Sprache  des  Hauptstammes  (der  Mäba)  dann  von  der- 
jenigen der  Küka  und  endlich  von  derjenigen  der  Abii  oder 
AT)u  Schärib.  Die  Wohnplätze  dieser  Stämme  wird  man 
besser  aus  der  Sammlung  von  Itinerarien,  als  aus  diesen  all- 
gemeinen Angaben  kennen  lernen. 

Ich  fasse  zuerst  die  Gruppe  von  Stämmen  in's  Auge, 
welche  das  eigentliche  WädÄ'i  oder  Mäba  (in  der  hier  nach 
Arabischer  Weise  gebräuchlichen  Form  als  Dar -Mäba  be- 
kannt) bewohnen  und  eine  und  dieselbe  Sprache,  „böra 
Mäbang"  genannt,  reden,  von  der  ich  ein  leidlich  vollständi- 
ges Wörterverzeichniss  (mit  mehr  als  2000  Wörtern)  nebst 
einer  grossen  Menge  Phrasen  (mit  Einschluss  des  Vater- 
unsers) zu  sammeln  im  Stande  war.  Diese  Gruppe  besteht 
aus  den  folgenden  Stämmen  oder  vielmehr  Abtheilungen: 
den  Kelingen*),  welche  mehrere,  etwa  einen  Tagemarsch  süd- 
lich von  Wära  gelegene  Dörfer  bewohnen;  den  Malanga**), 
im  Nordosten;  den  Mädabä  und  den  Mädalä,  nahe  bei  den 
Letzteren,  und  den  Kodoi,  d.  i.  Bergbewohnern  (von  „kodök", 
der  Berg).  Die  Letzteren  werden  von  den  Arabern  wegen  ihrer 
rothen  Zähne,  welche  Farbe  sie  durch  die  Beschaffenheit  des 
Wassers  in  jenen  Bergstätten  erhalten  sollen,  Bü-Ssenün  (Sin- 
gular „Ssennaui")  genannt;  dort  in  den  Bergen  bewahren  sie 
ihre  körperliche  Kraft  und  ihren  unabhängigen,  freiheitslie- 
benden Sinn  und  sie  werden  einstimmig  als  der  tapferste  von 
allen  Stämmen  Wdddi's  anerkannt.  Die  berühmtesten  unter 
den  Bergstätten  der  KodoT  sind:  Kürungun  (der  Sitz  ihres 
Häuptlings),  Bümdan,  Mögum,  Bürkuli,  Mutüng  und  Warschekr, 
welche  Ortschaften  sämmtlich  einen  Tagemarsch  östlich  von 
Wära  liegen. 


*)  Der  Namo  wird  im  Arabischen,  welches  gar  nicht  Hihig  ist,  die  so  vielen 
Ncgcrsprachcn  eigenen  Nasenlaute  wiederzugeben,   (O^    gesclirieben. 

**)  VäV.A/0  geschrieben. 


502  Anhang  VIL 

Auf  die  Eodoi  folgen  die  kleineren  Abtheilungeu  der 
Kunö,  der  Djimbo,  der  Abu  Gredäm,  der  Ogodöngda,  der 
KauSk,  der  Aschkiting,  der  Bili,  der  Bilting,  der  *Am-G&- 
mara,  der  Koromboi,  der  Girri  (in  Am-deKk  wohnend),  die 
Leute  von  Schefeii,  die  Minga  (in  dem  „Firscha"  genannten 
Gau  angesessen),  die  Amirga  (Bewohner  von  Mäschek),  die 
Leute  von  Andobü,  die  von  Schibi,  die  von  Tara,  —  lauter 
in  der  Nachbarschaft  von  Wära  gelegene  Ortschaften. 

Alle  eben  aufgezählten  Mäba- Abtheilungen,  zu  denen  viel- 
leicht noch  einige  andere  kleine  Bruchstücke  gehören,  sol- 
len einen  gänzlich  von  einander  verschiedenen  Charakter  be- 
sitzen und  ganz  selbstständige  Körperschaften  bilden.  Die 
zahlreichsten  unter  ihnen  sind  die  Kelingen,  die  Eadjdnga, 
die  Malänga  und  die  Eodoi;  aber  der  Vorrang  der  Ersteren 
beruht  auf  nichts,  als  auf  dem  Umstände,  dass  die  gegen- 
wärtige Königin -Mutter  —  „mömo"  — ,  die  in  Wddäi  einen 
gewissen  Einfluss  ausübt,  zu  diesem  Stamme  gehört. 

Aber  weder  von  den  Kelingen,  noch  von  irgend  einem  an- 
deren der  erwähnten  Stämme,  welche  die  Gruppe  von  Mäba 
oder  Dar-Mäba  bilden,  stammten  die  Könige  von  Wddäi 
ursprünglich  ab,  sondern  diese  gingen  aus  den  oben  erwähn- 
ten Gemir,  einem  Stamme  von  ganz  verschiedener  Nationali- 
tät, hervor,  und  nur  aus  diesem  Grunde,  nicht  etwa  mit 
Rücksicht  auf  ihre  Macht,  die  gegenwärtig  ausserordentlich 
geschwächt  ist,  weise  ich  diesem  Stamme,  welcher  sich  durch 
ein  besonderes  Idiom  auszeichnet,  den  zweiten  Platz  an. 

Ich  zähle  mm  die  verschiedenen  Abtheilungen  der  Abu 
Schärib  oder  A'bil  auf,  deren  Stamm  in  seiner  Gesammtzahl 
die  ganze  Gruppe  von  Mäba  übertreffen  soll;  aber  die  von 
ihnen  gesprochenen  Dialekte  sollen  so  sehr  von  einander  ab- 
weichen, dass  die  Leute  der  einen  Abtheilung  nur  mit  Noth 
diejenigen  der  anderen  verstehen  können,  so  dass  als  allge- 
meine Umgangs-  und  Verkehrssprache  die  „böra  Mäbaug" 
gilt,  die  allen  angesehenen  Landeseinwohnem  bekannt  ist,  zu 


Ethnograplusclie  Beschroibung  von  Wädäi.  503 

welchem  besonderen  Stamme  sie  immer  gehören  mögen.  Ich 
erwähne  zuerst  die  Kbü.  Schärib  Menagön  und  Maraxit,  die 
eine  gemeinsame  Sprache  reden,  von  der  ich  ein  ausgawähl- 
tes  Wörterverzeichniss ,  das  etwa  200  Wörter  umfasst,  nebst 
einer  Übersetzung  des  Vaterunsers  gesammelt  habe.  Auch 
muss  ich  mit  diesem  Stamme  die  Täma  gruppiren,  die  nach 
ganz  positiven  Angaben  mit  den  Ersteren  nahe  verwandt  sein 
sollen,  obgleich  die  Wohnsitze  dieser  beiden  Stämme  gegen- 
wärtig weit  von  emander  geschieden  smd,  indem  die  Mena- 
gön und  Mararit  etwa  6  Tagemärsche  südlich  von  Wära  an- 
gesessen sind,  während  die  Täma,  wie  oben  angegeben,  einen 
bergigen,  4  Tagemärsche  nordöstlich  von  der  Hauptstadt  ge- 
legenen Gau  bewohnen. 

Dieser  kriegerische  Stamm,  der  sich  vorzugsweise  durch 
seine  Geschicklichkeit  im  Gebrauche  des  Speeres  auszeichnet, 
scheint  gegenwärtig,  wenigstens  in  gewissem  Sinne,  seine  Un- 
abhängigkeit, die  er  länger  als  2  Jahrhunderte  mit  Erfolg 
vertheidigt  hat,  verloren  zu  haben.  Allerdings  gelang  es  ih- 
nen im  Anfang,  einen  Mann  Namens  Bilbildek,  den  der  ge- 
genwärtige König  von  Wddä'i  über  sie  eingesetzt  hatte  (an- 
statt ihres  früheren  unabhängigen  Häuptlinges  E'  Nur,  den 
er  hatte  enthaupten  lassen),  zurückzutreiben;  aber  der  nach 
einem  zweiten  Feldzuge  vom  Könige  eingesetzte  Amtmann 
Ibrahim  scheint  wirklich  seine  Stellung  in  einem  ihrer  wich- 
tigsten Wohnplätze,  Namens  Nanäua,  zu  behaupten.  Auch 
sollen  die  Täma  gegenwärtig  die  Märkte  von  WddÄi*  besu- 
chen, während  die  „kai  Mäba"  (die  Leute  vom  eigentlichen 
Mäba)  es  nicht  wagen,  auf  die  Märkte  der  Täma  zu  gehn. 
Die  Letzteren  besitzen  eine  grosse  Menge  Pferde,  aber  nur 
wenig  Rindvieh. 

Auf  die  Täma  lasse  ich  die  Abu  Schärib  Gnorga*)  und 
Darna  folgen,  welche  östlich  von  den  Menagön  und  Mdrarlt 


•)  V^. 


'J^- 


i 


504  Anluuig  VIL 

angesessen  sind;  dann  die  Al)ü  Schärib  Kübu,  die  in  Goninga, 
nahe. bei  ^dabü,  wohnen;  die  Abu  Schärib  Ssungöri*),  die 
einen  Gau  von  beträchtlichem  Umfange  nach  der  Grenze 
von  För  hin  bewohnen,  untermischt  mit  den  Md-ssallt,  und 
vorzugsweise  wegen  der  Zucht  einer  schönen  Rasse  hochge- 
wachsener Pferde  berühmt  sind;  die  Abu  Schärib  Schäli, 
nahe  bei  den  Ssungöri;  die  A'bü  Schärib  Schochen,  die  vor- 
zugsweise den  wohlbekannten  gleichnamigen  Ort  bewohnen; 
die  Abu  Schärib  Bubala,  eng  verbundene  Freunde  der  Kodoi, 
deren  östliche  Nachbarn  sie  sind,  und  endlich  die  Ueläd 
Djemma,  die  gleichfalls  der  grossen  Gruppe  der  Abu  Schärib 
angehören,  aber,  wie  man  behauptet,  durch  ein  besonderes 
Idiom,  oder  wohl  vielmehr  durch  einen  besonderen  Dialekt, 
ausgezeichnet  aind. 

Dieser  Gruppe  schliesse  ich  die  Md-ssalit  an,  die  nach 
den  Abu  Schärib  am  zahlreichsten  sein  sollen  und  möglicher- 
weise mit  den  Ssungöri,  mit  denen  sie  untermischt  wohnen, 
etwas  verwandt  sind.  Dennoch  aber  scheint  der  Zustand  von 
Barbarei,  in  den  die  Mä-ssalit  versunken  sind,  von  der  alier- 
niedrigsten  Art  zu  sein;  ja  sie  sollen  selbst  Menschenfleisch 
nicht  verschmähen,  und  besonders  wird  dieser  Vorwurf  gegen 
diejenige  Abtheilung  derselben  erhoben,  welche  in  der  Ort- 
schaft Nyessere,  nahe  an  der  Grenze  von  För,  leben. 

Nach  den  Md-ssalit  erwähne  ich  zunächst,  auf  Grund  der 
Nachbarschaft  ihrer  Wohnplätze,  den  Stamm  der  *AlT  und 
wende  mich  dann  rückwärts  nach  der  Umgegend  von  Wära, 
wo  ich  zuerst  die  Mimi  nennen  will,  einen  Stamm,  der  sich, 
wie  es  heisst,  durch  eine  besondere  Sprache  auszeichnet. 
Dann  nenne  ich  eine  Gruppe,  die  mehrere  Stämme  begreift, 
über  deren  Verwandtschaftsgrad  aber  erst  dann  Sicheres  fest- 
gestellt werden  kann,  wenn  man  von  ihren  Sprachen  oder 
Dialekten   Wörterverzeichnisse    und    grammatische   Beispiele 


•) 


J, 


j^Cam.. 


Ethnographische  Bcsohreibong  von  Wädäi.  505 

gesammelt  hat;  es  sind  die  folgenden  Stämme:  die  Moeö*) 
mid  die  Marfa,  die  Eörunga  oder,  wie  sie  von  den  Arabern 
genannt  werden,  E&ringa  und  die  Kaschemere.  (Es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  zwischen  diesen  Stämmen  und  den 
Mä-ssallt  eine  Art  Verwandtschaft  stattfindet.) 

Ich  zähle  jetzt  die  Kondongö  auf,  einen  Stamm,  welcher 
früher  bedeutende  Kraft  besass,  aber  gegenwärtig  durch  den 
gegen  ^bd  el  *AsIs  geführten  Kampf  und  eine  darauf  folgende 
Hungersnoth  sehr  geschwächt  ist.  Sie  sind  besonders  wegen 
der  Vorzüglichkeit  ihrer  Weberei  berühmt. 

Ich  erwähne  nun  noch  als  besondere  Stämme  oder  Natio- 
nalitäten: die  Kabbäga,  im  Südosten  von  Wära,  nahe  bei 
den  Kübu;  die  Mübi,  am  Bat-hä;  die  M4rta;  die  Dermüdi 
oder  Darämdutü;  die  Bäkka  oder  Uelad  el  Bachcha,  nahe 
bei  Maldm ;  die  Birkit,  nahe  an  den  Grenzen  von  För,  wo  sie 
auch  zahlreich  sind;  die  Täla;  die  Kadjägsse  oder  Kadjä- 
gasse,  hart  an  der  SSW.-Grenze  des  eigentlichen  Wädäi,  und 
(nicht  weit  von  ihnen)  die  Tündjur,  der  Rest  jener  mächti- 
gen Völkerschaft,  welche  einst  alle  diese  Länder  beherrschte 
und  deren  Bruchstücke  jetzt  vorzugsweise  in  M^arä  ange- 
siedelt sind,  einer  Ortschaft,  die  zu  Dar-Soyüd  gehört. 

Femer  nenne  ich  die  Küka,  welche  vorzugsweise  am  un- 
teren Laufe  des  Bat-hä  entlang  angesiedelt  sind,  sowie  inFittri, 
wo  sie,  was  die  Sprache  betrifft,  mit  den  Buläla  eine  gemein- 
same Gruppe  bilden,  geschieden  von  den  vorher  erwähnten 
Stämmen  Wädäi's,  aber  eng  verbunden  mit  den  Bewohnern 
Baghirmi's,  mit  deren  Sprache,  wenigstens  was  die  eine 
Hälfte  der  sie  bildenden  Elemente  betrifft,  diejenige  der  Küka 
identisch  ist. 

Auf  die  Küka  müssen  wir  die  Dädjö  folgen  lassen,  einen 
Stamm,  der  selbst  noch  jetzt,  obgleich  seine  alte  Macht  hin- 


*)  Der  Name  wird  ^^yO  oder    ,^  geschrieben. 


i 


506  Anhang  VIL 

geschwunden,  sehr  zaUreich*  ist  Was  ihre  Wohnsitze  in 
Widäi  betrifiPt,  so  sind  sie  vorzugsweise  südöstlich  von  den 
Küka  angesiedelt,  mit  denen  sie  einige  entfernte  Verwandt- 
schaft haben.  Vielleicht  sind  diejenigen  Elemente  in  der 
Sprache  der  Küka,  die  mit  der  Sprache  der  Bewohner  von 
Baghirmi  keine  Übereinstimmung  haben,  identisch  mit  den 
entsprechenden  Ausdrücken  der  Sprache  der  Didjö.  Auch 
in  Bezug  auf  die  Verwandtschaft  zwischen  den  D&djö  und 
den  A'bü  Telfän,  welche  Letztere  einen  2  Tagemärsche  süd- 
südwestlich von  Birket  Fdtima  gelegenen  beiden  Gau  be- 
wohnen, sind  wir  noch  nicht  im  Stande,  zu  einer  klaren  An- 
sicht zu  kommen.  Die  Abu  Telfän  scheinen,  wenigstens  so 
weit  die  Civilisation  in  Betracht  kommt,  einen  sehr  niedrigen 
Rang  einzunehmen  und  stehn  bei  den  Bewohnern  von  Wädäi' 
in  dem  Rufe  von  Heiden  —  „djendchera"  — ;  sie  sind  jedoch 
reich  an  Pferden  und  Rindvieh. 

In  der  Provinz  Dar-Soyüd,  am  mittleren  Laufe  des  Bat-hä 
gelegen,  habe  ich  noch  einen  besonderen  Stamm  zu  er- 
wähnen, nämlich  die  Kaüdara,  die  in  einem  ansehnUchen 
Orte  Namens  Kinne  wohnen  und  eine  besondere  Sprache  re- 
den sollen. 

Ehe  ich  nun  die  Stämme  aufzähle,  welche  die  äusseren 
Provinzen  nach  Süden  bewohnen  und  erst  theilweise  unter- 
worfen sind,  will  ich  erst  die  So-rbdua  oder,  wie  der  Name 
in  Wadai  ausgesprochen  wird,  So-chäua  erwähnen,  sowie  die 
Guraän,  zwei  grosse  Abtheilungen  der  Tebu  oder  vielmehr 
Teda,  welche  die  Wüste  im  Norden  von  Wadä'i  bewohnen, 
Reichthum  an  Heerden  besitzen  und  sich  dem  Herrscher  von 
Wadai  unterworfen  haben. 

In  den  südlichen  Provinzen  sind  zu  nennen :  die  Ssilla,  an- 
gesessen in  dem  gebirgigen  Gau  südsüdwestlich  von  Schenlni; 
die  Bändalä,  nahe  bei  Djedji ;  die  Rünga,  die  das  Land  süd- 
westlich von  Ssilla  und  15  Tagereisen  von  Wära  bewohnen 
und  ebensowohl  an  För  wie  an  Wadai  Abgaben  zahlen;   die 


Ethnographische  Beschreibang  von  Wäddi.  507 

D&ggel,  deren  Hauptstadt  Mangära  ist,  nördlich  von  Runga 
und  westlich  von  Ssilla;  die  Gülla,  die  von  sehr  schönem 
Körperbau  und  zum  Theil  kupferfarbig  sein  sollen,  westlich 
von  Rünga;  die  Fäna,  südlich  von  Gülla;  die  Birrimbirri, 
südsüdöstlich  von  Wädä'i;  die  Sseli,  südlich  von  Rünga,  und 
endlich  die  Kutingära. 

Dies  ist  ein  etwas  trockenes  Verzeichniss  der  zahlreichen 
Stämme,  die  zu  der  schwarzen  Bevölkerung  von  Wddai  ge- 
hören. Nur  fortgesetzte  Untersuchungen  im  Inneren  jenes 
Landes  selbst  und  Sanmilungen  von  Wörterverzeichnissen  ihrer 
Sprachen  sind  geeignet,  den  zwischen  ihnen  bestehenden  Grad 
von  Verwandtschaft  festzustellen. 

Was  nun  die  andere  grosse  Gruppe  betrifiFt,  nämlich  die 
Arabische  Bevölkerung  von  Wädai  —  die  „"Arämka  Dar  Mä- 
bana",  wie  sie  in  der  Landessprache  genannt  werden,  da  sich 
die  Leute  vonWäddi'  des  in  Baghirmi  undBömuso  allgemein 
gebräuchlichen  Ausdruckes  Schüa  oder  Schiwa  niemals  be- 
dienen — ,  so  umfasst  sie  folgende  Stämme,  die  seit  unge- 
fähr 500  Jahren  in  Wädä'i  angesessen  sind.  Zuerst  die  M&- 
hamid,  die  mächtigsten  unter  allen ,  reich  sowohl  an  Eamee- 
len  als  an  Kleinvieh;  sie  wohnen  oder  ziehen  vielmehr  um- 
her in  den  Thälem  nördlich  von  Wära,  und  zwar  besonders 
im  Wadi 'Orädha,  2  Tagemärsche  von  jenem  Platze,  wo  sie 
Herr  Dr.  Vogel  besucht  zu  haben  scheint,  der  uns  jedenfalls, 
wenn  ihm  noch  glückliche  Heimkehr  beschieden  ist,  eine  le- 
bensvolle Beschreibung  von  dem  Wanderleben  diesed  heerden- 
reichen  Stammes  liefern  wird.  Nahe  bei  ihnen  die  Ben!  Helba, 
die  politisch  mit  den  Tündjur  verbunden  gewesen  sein  sollen; 
die  Schlggegät,  zum  Theil  in  enger  Verbindung  mit  denMi- 
hamld,  zum  Theil  in  der  Nähe  von  Djedji  angesessen;  die 
Ssebbedi;  die  Ssef  e'  dm  und  die  Beni  Hassan.  Die  Letzte- 
i*en,  denen  wir  schon  in  Bomu  und  Känem  begegneten,  wo 
sie  in  grosser  Anzahl  verbreitet  sind,  scheinen  sich  auch 
in  Wädd'i  kaum  besserer  Zustände  zu  erfreuen  und  eine  grosse 


i 


506  Anhang  YII. 

Menge  derselben  schweift  im  östlichen  Sudan  umher,  um  mit 
ihrer  Arbeit  etwas  zu  verdienen,  während  die  Übrigen  in  der 
Regenzeit  nach  einer  £tang  genannten  Örtlichkeit  wandern, 
die  nordöstlich  Ton  Wära,  zwischen  dem  Gebiete  der  Täma 
und  dem  der  So-rhdua,  liegt. 

Während  alle  diese  Stämme  im  Norden  von  Wära  umher- 
streifen, sind  diejenigen,  welche  ich  jetzt  folgen  lasse,  wenig- 
stens einen  Theil  des  Jahres  im  Thale  des  Bat-hä  angesiedelt 
Dies  sind  erstens  die  Missirie,  der  dritte  Stamm  unter  den  Wd- 
ddi- Arabern  in  Bezug  auf  die  Kopfzahl  und  in  zwei  Abtheilun- 
gen zerfallend,  nämlich  die  Missirie  Sorük  — „die  Schwarzen"- 
und  die  Missirie  Homr  —  „die  Rothen"  — ;  der  Hauptsitz  der- 
selben ist  DombolL  Dann  kommen  die  Chosäm,  die  Nächsten 
bezüglich  der  Menge,  die  Soyüd,  Djaätena,  Ssabbade  und  die 
'Abidie,  zu  welchen  man  noch  die  Nuaibe  hinzufügen  kann,  die 
sich  mehr  nördlich  vom  Bat-hä  halten.  Nächst  diesen  sind  dann 
die  Ssäbalät  zu  nennen,  ein  etwas  armer  Stamm,  der  Viehzucht 
für  den  Bedarf  des  Königs  treibt  und  dessen  Haushalt  mit 
Milch  versorgt.  Südlich  von  den  Ssungöri  sind  die  Wohn- 
sitze der  Korobät,  deren  Hauptort  Tendjing  ist,  östlich  von 
Tündjung,  das  wiederum  2  Tagereisen  von  Schenlni  entfernt 
liegt. 

Auf  den  reichen  Weidegründen  4  Tagereisen  südöstlich  von 
Blrket  Fdtima,  die  von  einem  seichten  Wasserlauf,  einer  Art 
Indischer  NuUah,  Namens  Bahhr  e'  Tini,  genährt  werden,  sind 
die  Wanderstämme  der  Kolomät  und  der  Terdjem,  während 
nach  dem  südwestlichen  Ende  des  Reiches  zu,  am  Rande 
einer  anderen,  wahrscheinlich  stromlosen  NuUah,  die  nach 
dem  Namen  des  Stammes,  den  ich  soeben  erwähnen  will,  be- 
zeichnet wird,  die  Sitze  der  Ueläd  Raschid  sind,  nahe  am 
östlichen  Grenzbezirk  der  heidnischen  Tributärprovinzen  von 
Baghirmi.  Ein  Theil  von  ihnen  ist  selbst  mitten  unter  jenen 
heidnischen  Stämmen  angesessen,  vorzüglich  unter  den  Büa 
Küli,  mit  denen  sie  Heirathsgemeinschaft  zu  haben  scheinen. 


Ethnogpraphische  Beschreibung  Ton  ViM&i, 


509 


Sie  sind  ganz  besonders  reich  an  Pferden  von  kleinem  Schlag 
und  haben  ansehnlichen  Grundbesitz. 

Endlich  ist  noch  eine  andere  Gruppe  Arabischer  Stänune 
zu  erwähnen,  die  ihr  Vieh  an  einem  anderen  seichten  Wasser 
weiden,  das  gleichfalls  nur  wenig  Fall  zu  haben  scheint  und 
gewöhnlich  O'm  e'  Timän  genannt,  aber  auch  häufig  nach  den 
Stämmen  bezeichnet  wird,  die  an  seinem  Rande  angesessen 
sind.  Ostwärts,  nicht  weit  von  den  Bdndalä,  haust  der  zahl- 
reiche Stamm  der  Ssälamät;  westlich  von  ihnen  wohnen  die 
Hemäd  und  endlich  die  Schdrafa,  die  auch  gelegentlich  den 
Bahhr  e'  Tini  besuchen.  Neben  diesen,  nach  den  Westgren- 
zen des  Reiches  zu,  sind  die  Düggana  oder  Däghana  angesie- 
delt, die  in  früheren  Zeiten  von  Bömu  abhängig  waren. 

Was  die  Farbe  aller  dieser  Arabischen  Stämme  betriflft, 
so  kann  man  sie  in  zwei  Gruppen  theilen,  nämlich  in  die  „So- 
rük"  und  in  die  „Homr".  Zur  ersten  Gruppe,  welche  die  dun- 
kelfarbigen Stämme  umfasst,  gehören  hauptsächlich  die  nach 
eben  diesem  Charakter  „Sorük"  genannten  Missirie  *)  und  die 
'Abidie ,  während  die  Mahamid,  die  Raschid,  die  Ghosäm,  die 
Hamide  und  die  übrigen  oben  erwähnten  Stämme  die  bei 
weitem  zahlreichere  Gruppe  der  „Homr"  bilden. 


*)  Im  Englischen  Text  ist  hier  ein  Druckfehler. 


i 


vin. 

Regierang    yon    WAd&T. 


Aus  der  vorhergehenden  Darstellung  der  verschiedenen  Ele- 
mente der  Bevölkerung  von  Wädäi*  ergibt  sich  schon,  dass 
auch  die  Regierung  eine  verschiedenartig  zusammengesetzte, 
der  Übereinstimmung  und  Einheitlichkeit  ermangelnde  sein 
müsse.  Bei  Untersuchung  der  in  der  Regierung  dieser  man- 
nichfaltigen  Völkerschaften  beobachteten  Verwaltungsart  haben 
wir  zuvörderst  zu  bemerken,  dass  (ohne  Zweifel  nach  dem 
Vorgange  von  Dar-För)  das  gesammte  Reich  von  WddÄi  in 
vier  grosse  Provinzen  getheilt  ist,  nämlich:  die  Einwohner- 
schaft der  westlichen  Gemarkungen  —  die  „Lulül-endi"  — , 
die  der  südlichen  —  die  „Motay-endi"  — ,  die  der  östlichen 
—  die  „Talünt-endi"  —  und  die  der  nördlichen  —  die  „Tür- 
talü"  — .  Diesen  vier  grossen  Abtheilungen  oder  Provinzen  ist 
je  ein  Kamkoläk  vorgesetzt:  der  Kamkoläk  des  Westens,  ge- 
genwärtig K.  Nehed,  welcher  in  Gosbeda,  einem  zu  Mäschek 
(3  Tagereisen  westsüdwestlich  von  Wära)  gelegenen  Dorfe,  sei- 
nen Sitz  hat ;  der  Kamkoläk  des  Südens,  gegenwärtig  Moham- 
med, welcher  in  Kürkuti  am  Betehä,  2  Tagereisen  südlich  von 
Wära,  residirt;  der  Kamkoläk  des  Ostens,  gegenwärtig  Abäkr 
(Abu  Bakr)  Ueled  Meram ,  welcher  nahe  an  der  Grenze  von 
Dar-För  seinen  Sitz  hat,  und  der  des  Nordens,  gegenwärtig 
Scheich -el-'Arab,  Tondö's  Sohn,  welcher  in  Megeren,  gegen 
20  Meilen  nördlich  von  Wära,  seinen  Hof  hält. 

Neben  diesen  vier  vornehmsten  Statthaltern  —  „kemäkel" 


Kegierung  Yon  WddaY.  511 

(Plural  von  „kamkoläk")  —  gibt  es  noch  vier  untergeordnete, 
„Kamkoläk-endikrek"  genannt,  welche  die  Stellvertreter  der 
ersteren  zu  sein  und  ausserdem  noch  einige  besondere  Oblie- 
genheiten zu  haben  scheinen.  Dieselben  sind  g^enwärtig:  Kam- 
koläk  Nässr,  welcher  dem  K.  Nehed  beigeordnet  ist;  K.  He- 
djäb,  welcher  im  Süden  steht;  K.  Kelingen  und  Kamkoläk 
Rakeb. 

Diese  Kemäkel  haben  im  Allgemeinen  die  Verwaltung  der 
öffentlichen  Angelegenheiten  in  den  Provinzen,  Macht  über 
Leben  und  Tod,  und  erheben  die  „dhiäfa",  eigentlich  „das 
Gastgeschenk",  einen  nach  der  Grösse  der  betreffenden 
Ortschaft  abgemessenen  Tribut.  Ihre  Gerichtsbarkeit  scheint 
sich  jedoch  durchaus  nicht  auf  die  Arabische  Bevölkerung  zu 
erstrecken,  und  selbst  bei  den  einheimischen  Stämmen  schei- 
nen viele  Ausnahmen  von  derselben  zu  bestehen,  indem  meh- 
rere Stämme,  namentlich  die  Täma,  die  Kodoi,  die  Buläla, 
die  Middogö  und  einige  von  den  Abü-Schärib,  ihre  selbst- 
ständigen mächtigen  Häuptlinge  besitzen,  auch  mehrere  heid- 
nische Stämme  ihre  früheren  eingeborenen  Fürsten  behalten 
haben.  Ausserdem  sind  sehr  viele  von  einheimischen  Stäm- 
men bewohnte  Orte  den  ursprünglich  als  Statthalter  über  die 
Araber-Stämme  bestellten  A'gade  oder  Agid's  zugewiesen  wor- 
den, so  dass  die  Kemäkel  auf  den  Kriegszügen  eine  bei  wei- 
tem geringere  Macht  unter  ihrem  Befehle  haben,  als  die 
Agade. 

Endlich  ist  in  der  östlichen  Provinz  ein  besonderer  Agid 
e'  ssybbha  (ssäbah)  bestellt  worden,  der  von  dem  Kamkoläk 
des  Ostens  unabhängig  ist  und  in  Bir-Taiul  an  der  Grenze 
von  Dar-För  seinen  Sitz  hat,  obgleich  sich  seine  Gerichts- 
barkeit ursprünglich  nur  über  den  Stamm  der  Korobät  er- 
streckte. 

Es  folgt  nun  ein  Verzeichniss  der  gegenwärtigen  AgTds  oder 
A'gade,  der  von  ihnen  beherrschten  Stämme  und  deren  ein- 
heimischer Häuptlinge: 


512  AnliaDg  VIIL 

Shm  an  AgM.  Nmm  4m  BAaptUaca.  Katoa  4m 

'Abd  e'  Ssaläm  Hagar   .     .  M&hamTd, 

iM&Uem  Burma*)  ii.Dendini**)  Beul  Helba. 

Ichamis  ITeled  SSbe  .     .     .  S^bbedl. 

Dj^rma,  Mohammed  Ssi-  YTtanZld ScbfggeriU 

leh'8  Nefife  .     .     .     .     U  jj«  ^Ssef  e*  Dia. 

fGoddfim 5«    -  ,, 

(Bern  Hassan. 

MSssa  GhabSsch    ....  Uelid  Djenirb. 

Scherf  e'  Din Mahaiie  Ueläd  'Ali. 

H&gene Tarima Missine  Sortik. 

DÄgga MagÄddam Missine  Homr. 

(Kamkolak  NehSd.)  AUadjid Soytid. 

M&mmedi Biyat NnÜbe. 

T^  j  1X11  1.  ro  jui  All  vx    iSchecb  SsSleh DjÜiena. 

FadaUllah  (Fadhl-AUah)    J.,  ^  ,.  ,,"; 

(AI  Baher Düggana. 

Dj6nna  Schögoma     .     .     (Mir  unbekannt.)  Chosim. 

^Dilla      ) 

Hanno s_^,        > Hamide. 

(R&dama ) 

Barka  Messer  ....      Ssindur 'Abidio. 

Dj6rma  'Abd  el  'Asis    .      Ssäleh Kölomät. 

Qädi Fäkih  Yaküb T6rdjem. 

Bached,  Agid  e'  ssybbba     (SUt  unbekannt.)  K6robät. 

^Diyäb,   mit    dem    Beinamen 

„Ssidi  Dj^nün"      .     .     .      Ssdlamat. 

Ssiid '{Bekek,   dessen  Tochter  mit 

dem  Könige  Djedd  el  Mola 
Terheirathet  ist      ...      Schdrafa. 

Horr Scheich  Andjo Ssdbbada, 

Danna Halib,  eine  Fran  ....      Raschid. 

(Unbekannt.)  Mäfer Ssdbalät. 

'Abd-el-Wähed      .     .     .     Biyäb Debäba,  eine  Abthei- 
lung des  gleichnami- 
gen Stammes. 
Fäkih 'All  oder' AlTo,  Agid- fA'dim,  nach  welchem  Charithi 

el-bahhr  genannt ,  des-  )     die    höchste     Gewalt    im>  Assälc' 

sen  Vater  in  der  Schlacht  i     Stamme  hat.  )        Tebu-Stämme, 

bei  Küssuri  blieb       .    lA'b  KaschoUe Kreda 

/Schinnaköra. 
iSsdkerdä. 

Birre Xbu  Nakör ^Ssdkere. 

iMadamce. 
(Fämdlle. 

*)  Welcher  in  Gdlum  Kuscha  seinen  Sitz  hat. 

*♦)  Welcher  in  A'm-Ssidr  wohnt,  einem  1  Tagereise  nordwestlich  von  Wära 
und  ungefähr  ebenso  weit  von  Gdlum  Kuscha  entfernten  Saraf. 


Regierung  von  Wädäi.  513 

Diese  Ägiden,  unter  denen  Djerma,  dem  halb  Wädäi*  gehö- 
ren soll,  der  mächtigste  ist,  besitzen  grosse  Autorität  im 
Kriege  wie  im  Frieden;  denn  sie  haben  nicht  nur  die  Auf- 
sicht über  die  Geschäfte  ihrer  Bezirke  und  die  Erhebung  des 
Tributs,  sondern  auch  das  Aufgebot  der  Kriegsmannschaft 
und  deren  Anführung  in  der  Schlacht;  auch  unternehmen  sie 
fortwährend  grosse  Raubzüge  auf  eigene  Rechnung.  Nach 
Djerma  ist  der  Agid-el-bahhr,  welchem  Moito,  die  nordöst- 
liche Grenzstadt  von  Bagbirmi,  einen  besonderen  Zins  (unab- 
hängig von  dem  allgemeinen  Tribut,  den  Baghirmi  an  Wa- 
dä'i  entrichtet)  zu  zahlen  hat,  durch  seine  zahlreiche  Reiterei 
der  mächtigste;  auf  ihn  folgen,  wie  es  scheint,  der  Agid  der 
Djaätena  und  derjenige  der  Düggana.  Der  Agid-e'-Ssybha 
ist  sehr  verrufen  wegen  der  Erpressungen  und  Unannehndich- 
keiten,  denen  Reisende  und  Pilger  durch  ihn  fortwährend  aus- 
gesetzt sind,  wesshalb  diese  sein  Gebiet  auch  möglichst  ver- 
meiden. 

Jeder  von  diesen  Ägiden  hat  einen  Chalifa  oder  Stellver- 
treter, Agid-el-Birsch  genannt,  den  er  in  seinen  Bezirk  sen- 
det, wenn  er  selbst  nicht  zu  gehn  wünscht;  einige  von  die- 
sen üben  auch  selbstständig  eine  beträchtliche  Macht  aus. 
Diesen  Beamten  ist  Seitens  des  Sultans  noch  ein  Emm  bei- 
geordnet, welcher  die  Erhebung  der  Abgaben  zu  überwachen 
und  zu  kontroliren,  wie  auch  darauf  zu  achten  hat,  dass  der 
gehörige  Theil,  nämlich  die  halbe  Dhiäfa,  dem  Sultan  zuge- 
stellt werde. 

Abgaben.  —  Die  Abgaben  oder  Steuern  —  hier  „diwän" 
genannt  —  sind  je  nach  dem  Reichthum  und  den  Erzeugnis- 
sen der  einzelnen  Bezirke  bemessen  und  daher  sehr  ver- 
schiedener Art.  Im  Allgemeinen  aber  hat  jeder  Einwohner 
einer  Stadt  im  eigentlichen  Wddäi  neben  ausserordentlichen 
Beisteuern  und  Geschenken  für  seine  Person  2  Mudd  —  ein 
21  Handvoll  Korn  („duchn")  haltendes  Maass  —  zu  entrich- 
ten und  ausserdem  gemeinschaftlich  mit  den  andern  Einwoh- 

lUrth'»  ItolMn.    IIL  33 


I 


514  Anhang  VIU. 

nern  derselben  Stadt  eine  bestimmte  Anzahl  Kameele  zn  lie- 
fern, während  bei  den  Arabern  jeder  Familienvater  alle  3  Jahre 
eine  Käffala  von  zwei  Stück  Vieh  oder,  falls  er  ein  Fäkih  ist, 
von  einem  Stück  zu  stellen  hat.  Ausser  dieser  allgemeinen 
Auflage  gibt  es  besondere  für  die  schwarzen  Eingeborenen; 
so  hat  zum  Beispiel  jede  Dorfschaft  an  jedem  grossen  Mo- 
hammedanischen Feiertage  ilu*em  Adjuädi,  d.  h.  der  Person, 
welcher  es  als  Einkommen  überwiesen  ist,  ein  Machaldie  —  ein 
Maass  von  3  Mudd  oder  Medäd  —  Duchn,  ausserdem  einem 
Hofbeamten,  „Ssidi-e'-Derb"  genannt,  wie  auch  dem  „Ssldi- 
el-Albeue"  einen  gleichen  Betrag  zu  entrichten,  während  grös- 
sere Dörfer  oder  Städte  nach  Verhältniss  mehr,  bis  zu  10  Me- 
chäli,  zu  geben  haben ;  ausserdem  müssen  die  kleineren  Dör- 
fer bei  Ablieferung  der  Auflagen  an  den  König  ihrem  Adjuädi 
eine  Kameelladung  Duchn,  die  grösseren  Ortschaften  aber 
mehrere  schenken.  Die  eingeborene  Negerbevölkerung  des 
eigentlichen  Wadai  hat  kein  Vieh  und  keine  Tokäki  (Kattun- 
streifen) einzuliefern,  es  sei  denn  auf  den  augenblickUchen 
und  ausdrücklichen  Befehl  des  Königs;  bei  der  Festsetzung 
ihrer  Abgaben  wird  vielmehr  die  besondere  Art  der  Erzeug- 
nisse ihres  Wohnsitzes  und  der  Grad  ihres  Wohlstandes  in 
Anschlag  gebracht;  die  Ssungöri  zum  Beispiel,  deren  vor- 
treffliche Pferde  ich  schon  erwähnt  habe,  sollen  jährlich  eine 
Abgabe  von  100  Pferden  entrichten,  während  die  Abgaben 
der  Gemir  und  Tündjur  ausschliesslich  in  wildem  Reis  be- 
stehen, mit  welchem  sie  den  königlichen  Haushalt  zu  versehen 
haben. 

Was  die  Araber  betriflft,  so  haben  sie  ausser  der  oben  er- 
wähnten allgemeinen  Auflage  —  „käflfala"  —  dem  König  selbst 
die  „nöba"  zu  geben,  bestehend  in  der  alle  4  Jahre  erfolgen- 
den Lieferung  einer  Kuh  von  jedem  vierten  Mann;  ferner 
hat  jedes  Lager  an  jedem  Feiertage  eine  junge  Kuh  zu  lie- 
fern, und  endlich  sind  die  Araber  sehr  von  der  kostspieligen 
Dhiäfa  belästigt,  welche  sie,  wie  bereits  bemerkt,  dem  Agid- 


Begierung  von  Wddäi.  515 

el-Birsch  bei  dessen  jährlichem  Besuche  zu  entrichten  haben, 
während  die  W&däi,  wie  wohlbekannt,  die  in  ihrem  Lande 
wohnhaften  Araber  in  anderer  Hinsicht  in  strenger  Unterwür- 
figkeit halten  und  sie  dadurch  verhindeni,  sich  beträchtliches 
Vermögen  zu  erwerben.  Was  femer  die  Mahamid  betrifft, 
so  besteht  deren  Abgabe  gänzlich  in  Kameelen,  und  sie  sol- 
len deren  alle  3  Jahre  1000  Stück  liefern,  während  die'Abi- 
die,  die  selbst  nur  sehr  wenig  Vieh  besitzen,  aber  die  Vieh- 
züchter des  Königs  sind,  ihre  Abgaben  in  Butter  entrichten. 

Ebenso  verschieden  sind  die  Auflagen  —  der  „diwän"  — 
in  den  aussen  liegenden  Gemarkungen  Wädai's.  So  entrichten 
die  Dädjö  1000  Tokäki,  ausserdem  Honig,  in  welch'  letzterem 
Artikel  die  gesaramten  regelmässigen  Leistungen  der  Gemar- 
kungen Ddggel,  Kebait  und  der  Bändalä  bestehen,  während 
Ssllla  ausser  Honig  eine  bestimmte  Anzahl  von  schönen  Skla- 
vinnen liefert,  Bünga  aber  ausser  seiner  Quote  jenes  gesuch- 
ten Artikels  (Honig)  jährlich  100  grosse  Elephantenzähne  oder 
den  halben  Werth  davon  in  Sklaven  gibt.  Die  Auflagen  von 
Gulla  und  den  anliegenden  heidnischen  Ländern  bestehen  al- 
lein in  Sklaven.  Von  den  Tebu-Stämmen  liefern  die  So-rhdua 
eine  bestimmte  Anzahl  von  Pferden  und  die  Gur&än,  so  weit 
sie  von  Wddäi  abhängig  sind,  eine  solche  von  Kameelen. 

Endlich  ist  hier  noch  des  Diwans  zu  gedenken,  den  der 
König  von  Baghirmi  seit  der  Zeit  entrichtet,  wo  'Othmän,  der 
Vater  des  gegenwärtigen  Herrn  jenes  Landes,  bei  Ssabün  um 
Hilfe  zur  Wiedereroberung  seines  Landes  vom  F&tscha  an- 
hielt, wie  in  meinem  Berichte  über  Baghirmi  erwähnt  worden 
ist.  Dieser  Tribut,  welcher  gerade  während  meiner  Anwesen- 
heit in  Mäsena  erhoben  wurde,  besteht  in  100  Pferden  jegli- 
cher Art,  100  Sklaven,  30  schönen  Sklavinneu  — „sseräri" — 
und  1000  Hemden  —  „gumssän"  — .  Dieser  Tribut,  in  Ba- 
ghirmi im  Gesammtwerth  von  2500 — 3000  Spanischen  Tha- 
lem,  wird  alle  3  Jahre  entrichtet,  nebst  einem  Geschenk  von 
10  Sseräri,  4  Pferden  und  4  Gumssän  an  den  Djerma  Ueled  el 

33» 


i 


516  Anhang  Vm. 

Meram,  welcher  die  Oberaufsicht  über  dieses  abhängige  König- 
reich führt.  Es  gibt  nämlich  einen  Oberaufseher — „kurssi"  — 
für  jede  Gemarkung  ausserhalb  des  eigentlichen  Wddäi,  und  der 
Djerma  ist  nicht  nur  Agid  über  die  oben  erwähnten  Araber- 
Stämme,  sondern  auch  Kurssi  vonBaghirmi  und  ganz  Fittri,  so- 
wie auch  derDddjö  und  derMiddogö.  Der  gegenwärtige  Kurssl 
von  Rünga,  Namens  Scherif,  hat  seinen  Wohnsitz  in  Schenini, 
welches  nebst  den  anliegenden  Dorfschaften  seinen  Bedarf  an 
Lebensmitteln  zu  liefern  hat,  und  von  hier  begibt  er  sich  jähr- 
lich in  die  Provinz,  um  die  Auflagen  zu  erheben.  Auch  die 
üeläd  Raschid  haben,  theils  wegen  ihrer  beträchtlichen  Ent- 
fernung von  der  Hauptstadt,  theils  auch,  wie  es  scheint,  we- 
gen ihrer  Versunkenheit  im  Heidenthum,  einen  eigenen  Kurssl, 
obgleich  sie  ausserdem  gemeinschaftlich  mit  den  Ssälamat 
unter  einem  eigenen  Agid  stehn. 

Der  Fäscher  und  dessen  Mitglieder.  —  Bezüglich  der  inne- 
ren Regierung  des  Landes  beschränke  ich  mich,  da  eine  eigent- 
liche Civilverwaltung  gar  nicht  besteht,  auf  Aufzählung  der 
Mitglieder  des  königlichen  Rathes  —  des  „fäscher"  — ,  in  dem 
der  gegenwärtige  Sultan  Mohammed  Scherif  jedoch  niemals 
erscheint.  Dieser  Rath  hält  seine  Sitzungen  auf  einem  ofiFe- 
nen,  gleichfalls  Fäscher  genannten  Platze,  wo  überhaupt  alle 
öffentlichen  Angelegenheiten  verhandelt  werden.  Der  Vorstand 
des  Fäschers  und  der  Erste  unter  seinen  Mitgliedern  —  den 
„Fäscher-Mele"  —  in  Machtbefugniss  ist  der  Ssing-Melek, 
in  wörtlicher  Bedeutung  so  viel  wie  „Thormeister",  der  aber 
augenscheinlich  die  Stellung  und  Machtbefugniss  eines  Ve- 
ziers  hat,  indem  alle  die  innere  Verwaltung  betreffenden  An- 
gelegenheiten hauptsächlich  von  ihm  verhandelt  werden. 
Der  gegenwärtige  Ssing-Melek  soll  ein  Mann  von  Einsicht 
sein;  er  lieisst  Aschen  und  ist  der  jüngere  Bruder  des 
mächtigen  Djerma  Ueled  el  Meram,  der  ihn  sowohl  an  Reich- 
thum,  als  an  Einfluss  übertrifft,  wälirend  er  in  der  ceremo- 
niellen  Rangordnung  des  Fäschors  zunächst  auf  jenen  folgt. 


Rcgiemng  von  WädAi.  517 

Sodann  kommen:  der  Kamkoläk  Räkeb,  welcher  die  Stel- 
lung eines  Majordomus  zu  haben  scheint;  der  Emin  'Abd- 
Allähi,  ein  Bruder  des  Ssing-Melek,  welcher  Oberaufseher 
der  Hemden,  d.  h.  Privatschatzmeister,  des  Sultans  ist;  der 
Kurssi  Äbü  Bakr,  Abu  Horra's  Sohn,  dessen  oben  bereits 
gedacht  wurde,  gegenwärtig  im  Gebiet  der  Kodoi  stehend; 
Kurssi  *Abd  -  AUähi ,  der  Oberaufseher  der  Ueläd  Raschid ; 
der  Agid  el  Mdhanud;  der  Agid  der  Ueläd  Raschid;  der 
Agid  el  DjÄatena;  der  Agid  c'  Ssalanität;  der  Agid  el  Cho- 
säm;  der  Agid  el  Birsch;  der  Agid  el  f]dden;  der  Maige- 
nek,  der  Befehlshaber  des  unmittelbaren  Vortrabs  des  Sul- 
tans auf  Kriegszügen,  dem  Djerina  im  Heere  des  alten  Kö- 
nigreiches Bomu  gleich;  der  Kamkoläk  Mohammed  Wökih'k; 
der  Kamkoläk  Nehed;  der  Kamkoläk  Tandö;  der  Kamkoläk 
Abu  Bakr;  der  Agid  el 'Abidie;  der  Kurssl  Rünga;  der  Agid 
e'  Ssybba;  der  Kamkoläk  Atamän  ('Othmän);  der  Agid  Am- 
marga,  ein  Hofhaushaltsbeamter;  der  Agid  Ssälem ,  der  Ober- 
aufseher der  Getreidelieferungen  für  den  Palast;  der  Agid 
Yüngo,  ebenfalls  ein  Beamter  für  das  Innere;  der  Milleng- 
Dlme,  Challfa  des  Kamkoläk  der  südlichen  Marken ;  der  Mil- 
leng-türi,  Challfa  des  Statthalters  der  Ostmarken;  Moham- 
med Djegeles,  Challfa  des  Agid  el  Mahamid ;  Mohammed  Da- 
häba  Bodda,  Stellvertreter  des  Kamkoläk  Mohammed;  der 
Challfa  Föd,  dessen  Standquartier  im  Süden  ist;  Kubär,  ein 
Adjuädi,  dessen  Wohnsitz  in  Äbgudäm,  11  Tagereisen  südlich 
von  Wära,  ist,  und  Andere  von  geringerer  Autorität. 

Die  Reihenfolge,  in  welcher  ich  hier  die  Mitglieder  des  Ra- 
thes  aufgezählt  habe,  ist  ungefähr  ihre  Rangordnung.  Die  Kö- 
nigin-Mutter —  „mömö"  —  hat  mitunter  ihren  Beirath  abzu- 
geben, erscheint  aber  nie  in  der  Versammlung  selbst. 

Das  Heer.  —  Auch  in  Betreff  des  Kriegswesens  beschränke 
ich  mich  auf  wenige  Worte.  Nach  mehrfachen  genauen  Nach- 
forschungen glaube  ich  mich  nicht  zu  irren,  wenn  ich  die  Rei- 
terei von  Wädäi,  in  welcher,  wie  fast  in  allen  diesen  Ländern, 


J 


518  Anhang  Vm. 

die  Hauptstärke  des  Heeres  besteht,  auf  7000  Mann  veran- 
schlage. Gegen  1000  Mann  dieser  Reiterei  tragen  das  Pan- 
zerhemd —  die  „derret"  — ;  doch  nimmt  die  Zahl  derselben 
jährlich  zu,  indem  in  Folge  des  Verkehrs  mit  Ben-Ghäsi  jede 
Karawane  von  dorther  einige  Kameelladungen  mitbringt, 
welche  um  den  Preis  von  1  oder  2  Sklavinnen  das  Stück  ver- 
kauft werden.  Die  Pferde  sollen  vortrefflich  sein ;  jedem  Wet- 
ter und  jeder  Hitze  ausgesetzt,  nie  unter  Dach  oder  Schat- 
ten gebracht,  besitzen  sie  die  äusserste  Ausdauer,  wobei  sie 
jedoch,  wenigstens  die  der  Grossen,  reichlich  mit  Milchreis 
gefüttert  werden  sollen.  Die  Pferde  des  Sultans  führen  sämmt- 
lich  den  Titel  „aruäil"  (Sing,  „rauäü"),  wobei  aber  jedes  noch 
seinen  besonderen  Namen  hat.  Nur  wenige  Leute  im  Heere 
besitzen  Flinten,  indem  eingeborene  Wäddi-Männer  selbst  mich 
versichert  haben,  es  gebe  deren  nur  gegen  300.  Die  Stärke 
des  WÄdÄi- Volkes  beruht  in  dem  Gebrauche  der  Speere, 
während  die  Föraui  sich  vornehmlich  auf  das  Schwert  ver- 
lassen. 

Die  Rangordnung  der  Befehlshaber  bestimmt  sich  haupt- 
sächlich nach  der  Anzahl  der  von  ihnen  in's  Feld  gestellten 
Truppen.  Ausser  dem  Sultan  und  dem  Ssing-Melek  ist  Nie- 
mand dem  Djerma  Agid  der  Mähamld  gleichzustellen,  auf 
den  der  Djerma  *Abd  el  Asis  und  der  Kamkoläk  Räkeb  fol- 
gen; diese  sind  sämmtlich  freie  Leute.  Nach  ihnen  kommen 
Sklaven,  nämlich:  der  mächtige  Agid-el-bahhr;  Fadalälle, 
der  Agld  der  Djädtena;  Ssäid,  Agld  der  Ssdlamät;  Ddnna; 
Ddgga ,  der  „edderi",  d.  i.  Befehlshaber  des  Nachtrabes ;  Mä- 
geue ;  El  Horr ;  Hanno,  Agld  der  Hamide,  welcher  aber  kein 
Sklave,  sondern  ein  geborener  Wddäui  ist;  der  Djerma  Scho- 
goma,  Käflfa  und  Andere. 

Es  gibt  mehrere  Hauptleute  in  des  Sultans  eigener  Reite- 
rei mit  dem  Titel  Djerma,  wie  Djerma  Angarütü,  Djerma 
Dhohob,  Djerma  Rebek,  Djerma  Kaukob,  Djerma  Hassan, 
Djerma  Ssiäde,  Djerma  Dhähab,  Djerma  Fudhl,  welcher  ge- 


Regiernng  von  WädäY.  519 

gewöhnlich  in  Känem  steht;  Djerma  Mongö  und  Djerma 
Benäi. 

Ilofhaushalt  —  Den  Vorrang  im  Haushalt  des  Sultans  von 
Wddäi  haben  die  Söhne  des  Monarchen  —  die  „kolötu"  — 
und  die  Töchter  desselben  —  die  „meram"  — .  Zur  Zeit  mei- 
ner Anwesenlieit  in  Baghirmi  gab  es  fünf  Kolötu.  Mohammed, 
der  Thronerbe,  der  schon  damals  mit  seinem  Vater  auf  keinem 
guten  Fusse  stehn  sollte,  ist  der  Sohn  einer  Pullo-  oder  Fe- 
latnle-Frau,  welche  Mohammed  Ssäleh  in  Kordofän  heira- 
thete,  wesshalb  man  in  WädÄi  seiner  Thronnachfolge  mei- 
stens abhold  ist.  'All  und  Adim  haben  eine  gemeinsame  Mut- 
ter, Mädem  Schekoma;  Chodr,  der  drittgeborene  Sohn,  und 
Machmüdi  haben  eine  andere  Mutter.  Nach  den  Kolötu  und 
Meram  kommen  die  Häbbabät  oder,  wie  sie  in  der  Sprache 
der  Wddäui  heissen,  die  Ellssi  (Sing,  „elik")  —  die  Frauen 
oder  Konkubinen  des  Sultans  — ,  unter  denen  Schekoma  und 
Ssokäi  die  begünstigtsten  sein  sollen. 

Die  am  Hofe  angestellten  Beamten  sind  die  folgenden:  die 
königlichen  Hof  bedienten  —  Baräkenä-Koli  — ;  die  könig- 
lichen Zeltner  —  Daläli-Koli  oder  Ssiäd  el  Albeue  — ;  die 
Boten  —  Tuerät  — ;  die  Speerträger  —  Motor-Mele — ;  die 
Pagen  und  Kammerdiener  —  Tangna-Koli  — ;  die  im  Schop- 
pen oder  der  Halle  („legedäbe")  stehenden  Boten  —  Ayäl- 
Legedäbe  — ;  die  Stallmeister  — Koraiät  oder  Ssiäd  elChel — ; 
die  Meister  der  Hemden  und  Tokäki  —  Gdrrafln  oder  Ssiäd 
el  Cholgän  — ,  und  endlich  die  Eunuchen,  die  Meister  der 
Frauengemächer  —  Artu  (Sing,  „arak")  oder,  wie  sie  hier  heis- 
sen, Schiüch. 

Beschaffenheit  der  Städte  und  Dorfachaften,  —  Die  Ort- 
schaften in  ganz  Wddä'i  sind  im  Allgemeinen  klein,  und  es 
ist  mir  von  Eingeborenen  selbst  versichert  worden,  dass  es 
keine  Stadt  gäbe,  die  über  1000  einzelne  Wohnungen  ent- 
hielte. Wära,  bis  jüngst  Haupt-  imd  Residenzstadt,  war  im 
Jahre  1852,   in  Folge   der  Verlegung  des  Begierungssitzes 


I 


520  Anhang  Vin. 

nach  Abeschr,  in  fortwährender  Abnahme  des  Wohlstands  und 
zunehmender  Verödung  begrififen  und  enthielt  kaum  400  Häuser, 
während  Nimrö,  der  berühmte  Hauptsitz  der  Djelläba,  nicht 
über  200  enthielt.  .  Im  Allgemeinen  sind  die  Ortschaften  der 
Kodol  am  ausgedehntesten,  indem  einige  bis  gegen  600  Häu- 
ser zählen ,  während  die  der  Mimai  am  kleinsten  sein  sollen. 
Der  grösste  Ort  von  ganz  Wddäi  soll  Kodogus,  2  Tage- 
märsche westlich  von  Schenini,  sein. 

Die  Wohnungen  bestehen,  wie  in  allen  Theilen  des  Sudans, 
aus  Gruppen  von  runden,  glockenförmigen  Hütten  aus  Rohr- 
geflecht —  in  der  Wdddi  -  Sprache  „mdhareb"  oder  „ssa- 
mavi"  genannt  —  und  mit  einer  Mauer  oder  einem  Zaun 
—  „scherägena-dall"  —  umfriedigt,  aber  nur  in  seltenen  Fäl- 
len (namentlich  die  Wohnungen  des  Königs,  der  Standes- 
personen und  der  Djelläba)  aus  Lehm  erbaut.  Die  Araber 
dagegen  wohnen  in  tragbaren  Hütten,  aus  Matten  zusam- 
mengesetzt, die  sie  selbst  aus  Delebpalmbliittem  flechten  und 
welche  von  den  Wdddui  „reri"  genannt  werden. 

Verhehr  und  Marktplätze,  —  Der  Grosshandel  ist  fast 
ganz  in  den  Händen  der  Djelläba,  welcher  eigenthümliche 
Stamm,  den  ich  oben  nicht  unter  den  einheimischen  Stäm- 
men aufgeführt  habe,  vor  100  Jahren  aus  dem  Nilthale  in 
beträchtlicher  Anzahl  in  dieses  Land  eingewandert  und  ge- 
genwärtig hauptsächlich,  obwohl  nicht  ausschliesslich,  in 
Nimrö,  8  Meilen  südwestlich  von  der  früheren  Hauptstadt 
Wära  gelegen,  angesiedelt  ist.  Diese  Kaufleute  von  Geburt 
treiben  ihre  Geschäfte  in  Gesellschaften,  von  welchen  jede 
ihre  eigene  Reiselinie  hat:  so  geht  eine  Gesellschaft  jähr- 
lich nach  Rünga;  eine  andere  besucht  die  Kupfergewerke 
südlich  von  För;  wieder  eine  andere  verführt  ihre  Waaren 
nach  den  entfernten  südwestlichen  Gegenden,  in  das  Gebiet 
der  Ueläd  Raschid  und  in  Baghirmi's  heidnische  Grenzlän- 
der (Beddnga,  Gögomi,  Audi);  wieder  andere  bereisen  die 
Märkte  von  Baghirmi,  Logone  und  Bornu  (wie  sie  sich  denn 


Regierung  von  WAdili.  521 

während  meines  Aufenthaltes  in  Mäsefia  daselbst  in  solcher 
Anzahl  eingefunden,  dass  sie  sich  ausserhalb  der  Stadt,  auf 
der  Strasse  nach  A'bü-Gher,  eine  grosse  Dorfschaft  erbaut 
hatten),  während  noch  andere  alljährlich  die  Märkte  von 
För  und  Kordofän  beziehen  und  endlich  andere,  nament- 
lich die  Reicheren,  die  neuerdings  eröffnete  Karawanenstrasse 
nach  Ben-Ghäsi,  über  deren  Geschichte  Herr  Fresnel  so  aus- 
führlich berichtet  hat,  in  Betrieb  nehmen.  Jeder  dieser  Ge- 
sellschaften wird  auf  die  Dauer  der  Reise  vom  Sultan  ein 
Vorstand  —  „agid"  —  beigegeben,  welcher  demselben  für 
die  sehr  beträchtliche,  von  dem  sich  ergebenden  Gewinnste 
zu  erhebende  Abgabe  haftet. 

Die  Aii:ikel,  mit  denen  dieser  Handel  betrieben  wird,  sind 
hauptsächlich  die  folgenden:  Salz,  von  den  Mähamid  und 
Tebu  nach  Nimrö  und  Wära  gebracht,  wo  es  von  den  Djel- 
läba  im  Grossen  aufgekauft  und  in  die  entferntesten  Gemar- 
kungen, selbst  bis  nach  Logone,  verführt  wird ;  Kupfer,  haupt- 
sächlich von  dem  beriihmtcn  Bergwerke  „el  Hofrah",  sowie 
von  Riinga  kommend  und  meistens,  und  zwar  zu  hohen 
Preisen,  nach  Bornu  verführt;  Euro])äische  Waaren  (nament- 
lich feine  Tuche,  Bemuse,  Panzer,  Glasperlen  imd  sonstiger 
Zierath,  Kaliko,  Papier,  Nähnadeln  u.  dergl.  m.),  von  den 
Ben -Ghasi- Karawanen,  sowie  über  För  von  Egypten  aus 
eingeführt  und  hauptsächlich  bei  den  Rungauern,  den  Ueläd 
Raschid  und  in  Baghinni  gegen  Elfenbein  umgetauscht,  das 
sodann  mit  grossem  Gewinne  von  Wära  nach  Ben-Ghäsi 
ausgeführt  wird ;  Esel  von  der  aus  Osten  stammenden  Rasse, 
welche  in  den  westlichen  Theilen  des  Sudans  sehr  begehrt 
sind ;  Türkedi,  Tabak,  Kohol  und  mancherlei  andere^on  den 
Haussa-Händlem  nach  Baghirmi  gebrachte  und  dort  von  den 
Djelläba  eingetauschte  Artikel.  Der  wichtigste  Handelsgegen- 
stand aber  besteht,  wie  im  Sudan  überhaupt,  so  auch  im 
Lande  Wdddi  —  in  Sklaven. 

In  ganz  Wäddi  gibt  es  keinen  Marktplatz,  wo  sich  ge- 


I 


522  Anhang  YHI. 

meinsame  Niederlagen  der  Hauptprodukte  des  Landes  vor- 
fänden, weder  in  Wära  oder  Nimrö,  noch  sonst  wo,  und  man 
muss  sich  selbst  die  unentbehrlichsten  Lebensbedürfnisse  aus 
beträchtlicher  Entfernung  herbeischaffen.  So  müssen  sich 
die  Einwohner  von  Wära,  sowie  auch  die  M&hamid,  wenn 
sie  einen  Vorrath  von  Duchn,  ihrem  Hauptlebensmittel,  ein- 
kaufen wollen,  nach  Girre,  einem  etwas  westlich  von  Nimrö 
gelegenen  Orte,  oder  nach  den  Dorfschaften  der  Kodol  be- 
geben, oder  sie  gehn  auch  wohl  in  die  Niederlassungen  der 
Kaschemere  (wie  Eüldi,  Butir,  Kimdungö,  Komaig,  Hedjir), 
während  man  in  den  südlichen  Gemarkungen  dieses  Nahrungs- 
mittel am  billigsten  in  Abker,  Gnamünia  und  Mistachede,  so- 
wie im  Thal  des  Bat-hä,  besonders  in  Dumböli,  Räss  el  Fll, 
Ssummükedür,  Agllba,  in  Kössi-wähed  („Einhütte")  und  in 
Assäige  kauft. 

Als  festes  Werthmaass  im  Verkelu*  gilt  die  Tokia  (Plural: 
„tokäki"),  bestehend  aus  2  Kattunstreifen,  18  Drä  lang  und 
3  breit,  aus  kleineren  Streifen  zusammengesetzt,  welche 
zwar  die  in  Bagblrmi,  Bornu  und  dem  West-Sudan  üblichen 
beträchtlich  an  Breite  übertreffen,  ihnen  aber  an  Güte  nach- 
stehen. Mit  diesem  Umlaufsmittel  werden  alle  kleineren  Um- 
sätze betrieben,  während  man  grössere  mit  Vieh,  in  wel- 
chem der  Hauptreichthum  des  Landes  besteht,  oder  mit  Skla- 
ven macht ;  Thaler  sind  erst  in  jüngster  Zeit  durch  die  Kauf- 
leute von  Ben-Ghäsi  eingeführt  worden.  Man  kauft  für  1  To- 
kia di*ei  oder  vier  Schaafe  bei  den  Mähamid,  die,  wie  bereits 
erwähnt,  sehr  grosse  Schaafheerden  besitzen  und  bei  denen 
sie  also  am  billigsten  sind;  mit  30  Schaafmüttem  erhandelt 
man  1  Kuh  und  mit  12  bis  15  Kühen  ein  gutes  Pferd.  Fer- 
ner erhält  man  für  1  Tokia  4  bis  5  Ueba  —  ein  Maass,  wel- 
ches den  achten  Theil  einer  Ochsenladung  ausmacht  —  Duchn, 
wenn  derselbe  am  theuersten  ist,  und  6  Ueba  nach  der  Ernte, 
während  man  für  1  Kuh  30  bis  36  Ueba  und  für  1  Ochsen 
16  bis  20  bekonmit. 


Regiernog  roxi  Wädäi.  523 

Industrie.  —  Es  ist  einleuchtend,  dass  in  einem  neu* ge- 
gründeten Königreiche,  das,  wie  Wädai,  aus  einer  losen  Zu- 
sammenhäufung fast  gänzlich  barbarischer  Stämme  besteht,  der 
Kunstfleiss  nur  die  rohesten  Erzeugnisse  liefern  kann,  wie  Waf- 
fen und  Ackergeräthe,  zu  welchen  man  sich  einheimischen 
Eisens  bedient,  neben  dem  man  auch  noch  in  Runga,  sowie 
in  geringerer  Menge  im  Wadi  Djelingak  Kupfer  findet.  Die 
Wadauer  wissen  sogar  nicht  einmal  den  schönen  Indigo,  der 
in  ihrem  Lande  wächst,  zu  verwenden,  um  ihre  Kleider  oder 
vielmehr  ihre  Hemden  zu  färben ;  es  gibt  nämlich  unter  ihnen 
nur  Wenige,  die  sich  etwas  Besseres  als  dieses  wesentlichste 
Kleidungsstück  anzuschafifen  vermögen.  Man  sagt  selbst,  dass 
die  Mehrheit  des  Volkes  vor  Vertheilung  der  grossen  Beute, 
die  'Abd  el  Kerim  Ssabün  in  Baghirmi  machte,  keine  Klei- 
dung ausser  dem  Lederschurz  besass.  Die  Indigo  -  Färberei 
ist  gänzlich  in  den  Händen  der  in  Wadai  sesshaften  Baghfr- 
mier  und  Bomauer,  besonders  der  letzteren,  welche  neben 
mehreren  anderen  die  folgenden  namhaften  und  wichtigen 
Färbereien  besitzen :  erstens  Djemll  e'  Ssld,  eine  2  kurze  Ta- 
gereisen südwestlich  von  Wära  entfernte  Ortschaft,  deren 
Einwohner  hauptsächlich  den  Ruhm  besitzen,  am  schönsten 
blau  zu  färben;  diesem  Orte  zunächst  steht  Blrbaschon,  eine 
andere  Bomauische  Ansiedelung  zwischen  Djemil  e'  Ssid  und 
Wära.  Femer  sind  berühmte  Färbereien:  Schalla  und  Leyin, 
westlich  von  Djemll  e'  Ssid,  und  Biren,  eine  nicht  unbeträcht- 
Hche  Ortschaft  an  der  Betehä,  2  Tagereisen  südwestUch  von 
Wära.  Andere  Bomauische  Färber  sind  sesshaft  in  Kanip- 
galä,  2  Tagereisen  südlich  von  Wära,  und  in  Derdigl,  1  Ta- 
gereise südlich  von  Karringalä,  und  noch  andere  in  Kelingen 
Messer,  einer  Ortschaft  in  der  Gemarkung  der  Kelingen.  Ein 
schwarzes  oder  blaues  Hemd  ist  jedoch  noch  immer  ein  gros- 
ser Luxusartikel  in  Wäddi  und  gilt  als  eine  Auszeichnung 
für  Standespersonen,  wesshalb  die  Wadauer  auf  ihrem  Zuge 
gegen  Bomu,  wie  oben  erzählt,  dadurch  ihren  Zorn  kühlten, 


524  Anhang  VIII. 

dass  sie  allen  Baghfrmiern  und  Bornauern,  die  sie  ei^riffen, 
die  schwarzen  Hemden  abnahmen,  anstatt  die  Leute  selbst  in 
die  Sklaverei  zu  führen. 

Gelehrsamkeit.  —  Niemand  wird  in  einem  Lande  wie  W4- 
däi  sehr  ausgebreitete  Gelehrsamkeit  erwarten;  dennoch  sind 
die  Wadauer  Fäkih  und  'Ulama  bezüglich  ihrer  Eenntniss 
des  Kuräns  unter  allen  Völkern  des  Sudans  beiühmt,  die 
Fulbe  oder  Fellani  nicht  ausgenommen.  Ausser  dem  Kurün 
besitzen  sie  mehrere  kleine  Bücher  oder  Abhandlungen,  welche 
sowohl  zu  grammatischer  als  auch  zu  religiöser  Belehrung  all- 
gemein gelesen  werden,  nämlich :  Nöh,  Elfiye,  Chalil,  Ressäla, 
A'chdar-Mandhüm,  A'chdar-Manssür,  Bakädi,  Taälik,  A'bü-el- 
Hassan,  Thamcän  al  djonne,  'Ädjcli  oder  A'udjeli  el  kubbara, 
Audjeli-el-Usstha  und  andere.  Das  religiöse  Recht  —  die 
„scheriä,"  —  wird  mit  grosser  Geschicklichkeit  von  die- 
sen Fäkih  (Doktoren)  gehandhabt;  der  Landesbrauch  —  die 
„ssiässa"  —  übt  jedoch  auf  die  Entscheidungen  grösseren 
Einfluss,  als  das  Buch. 

Als  der  grösste  Doktor  in  Wadäi  gilt  in  jetziger  Zeit  all- 
gemein ein  Mann  vom  Stamme  der  Abü-Schärib,  überall  unter 
dem  Namen  Fäkih-el-bahhr  bekannt,  viele  Jahre  hindurch 
der  Genosse  Mohammed  Ssäleh's,  während  derselbe  obdach- 
los umherwanderte,  worin  wahrscheinlich  der  Grund  liegt, 
dass  ihn  der  wilde  König  nicht,  wie  so  viele  andere  gelehrte 
Männer,  hinrichten  Hess,  wie  denn  unter  Anderen  der  Scheich- 
el-Herän,  ein  ebenfalls  dem  begabten  Stamme  der  Abü-Schä- 
rib entsprossener  grosser  Doktor,  unter  dem  Verwände  hin- 
gerichtet wurde,  er  habe  Mohammed  Ssäleh  seinen  Feinden, 
den  Kodol,  verrathen;  ebenso  auch  der  grosse  und  gelehrte 
Imäm  Mohammed  Glrga. 

Speisen.  —  Als  Hauptnahrung  dient  den  Einwohnern  von 
Wadai,  wie  denen  der  meisten  Theile  des  Sudans,  Duchn 
(Pennisetum  tyiilioidenm) ;  sie  haben  jedoch  auch  Waizen  und 
Reis.    Ausserdem  sind  sie  reichlich  mit  Fleisch  und  leidlich 


Regiemng  von  Wid&i.  525 

mit  Milch  und  Butter  versehen  und  haben  daher  nicht  nö- 
thig,  sich  jeden  Tag  des  unschmackhaften  Breies  zu  bedie- 
nen, der  aus  gedörrten  und  zerriebenen  Fischen  bereitet  und 
dann  wie  ein  Laib  Brod  gestaltet  wird,  in  welcher  Form  die 
Speise  „menditschek"  heisst,  während  man  den  gedörrten  Fisch 
in  seiner  natürlichen  Form  „fertene"  nennt.  Sie  besitzen  im 
Gegentheil  eine  grosse  Mannichfaltigkeit  von  Gerichten,  von 
welchen  ich  eine  kurze  Liste  geben  will,  ohne  jedoch  nach 
den  Regeln  kulinarischer  Kunst  erklären  zu  können,  wie  je- 
des zubereitet  wird.  Ich  bemerke  vorher  nur  noch,  dass  man 
sich  hier  nicht  des  in  anderen  Theilen  Sudans  so  ausschliess- 
lich benutzten  grossen  hölzernen  Mörsers  —  „funduk"  oder 
„kdrru"  —  bedient,  sondern  den  Duchn  auf  Steinen  zerreibt, 
an  welchen  Wädäi  keinen  Mangel  hat,  wälirend  in  manchen 
Theilen  von  Bomu  und  Baghirmi  nicht  ein  einziger  Stein  zu 
sehn  ist.  Aus  Duchn  werden  die  folgenden  Gerichte  berei- 
tet: Damirge,  das  gewöhnliche  tägliche  Gericht;  Massäfifa, 
eine  in  Wädäi  sehr  beliebte  Speise;  Reschefa,  ein  anderes 
aus  Duchn  und  Milch  bereitetes  Gericht;  Takärin,  Riudsfett- 
duchn;  Kfssere;  Denässi;  Amköschu;  Ssüri;  Kökor;  'AdjTne 
amräfa;  Rotöto  und  Ssubäi;  endlich  ein  aus  Sesam  berei- 
tetes Gericht  Namens  Amkeleno.  Unter  dem  Kuchenwerk 
nennt  man:  KiUikäb,  aus  Duchn  und  Honig;  Matabba,  aus 
Reis  und  Honig;  Käk,  aus  Duchn  oder  Reis  mit  Butter,  Ho- 
nig und  Datteln ; 'Adjine  serka,  und  endlich  Fduorö,  aus  in 
Milch  gesottenen  und  dann  abgekühlten  Datteln  bereitet.  Un- 
ter den  Fleischspeisen  sind  die  Ueka  und  das  Schaham  el  ke- 
bel  die  beliebtesten  Gerichte.  Von  berauschenden  Geträn- 
ken ist  das  von  den  Arabern  Merissa  genannte  zu  erwähnen, 
von  welchem  es  drei  Arten  gibt,  den  „bilbil"  —  „rothen"  — , 
den  „äkebesch"  —  „weissen"  —  und  den  „hal"  genannten. 

Indem  ich  diesen  Abriss  von  Wdddi  beschliesse,  muss  ich 
bemerken,  dass  derselbe  vollständig  in  Baghirmi  im  Jahre  1852 
abgefasst  worden  ist.    Ich  habe  das  Werk  „/>e  Voyage  au 


526 


AnhftDg  YIIL   Regierung  von  WidiS.. 


Ouadd'tf^  im  Jahre  1851  vom  hochverdienten  Herrn  Jomard 
und  Herrn  Perron  herausgegeben,  erst  im  Jahre  1855  zu  Ge- 
sicht bekommen  und  in  demselben  auch  nicht  zur  Umände- 
rung eines  einzigen  Wortes  Veranlassung  gefunden.  Der  Bericht 
des  Scheich  e'  Tünssi  ist  überaus  werthvoU  bezüglich  der  ge- 
sellschaftlichen Verhältnisse  des  Volkes,  aber  voll  von  Über- 
treibungen hinsichtlich  der  staatlichen  Angelegenheiten,  wie 
z.  B.  der  Stärke  des  Heeres,  des  Tributs  von  Baghfrmi 
u.  s.  w. 


Sammlung  Ton  Itinerarien  zur  Feststellung  der  Topographie  Widät's  und 

Baghirmi's. 


I.   Strassen  von  Mäsena  nacliWära.   Richtung:  ost- 

nordüstlicli. 

a)Itinerar  Hadj  Bü-Bakr  Ssadik's  aus  Bdkadä,  der  diese  Strasse 
dreimal  bereiste.    Marsch  täglich  etwa  6  Stunden. 

Ister  Tag:  Baläu,  grosser  Baghirmi-Ort  mit  besonderem  Scheich. 
DerWeg  passirt  Bldderi,  die  von  mir  wiederholt  erwähnte 
Ortschaft    ' 

2ter  Tag:  Dilfin,  Baghirmi-Ort.    Die  Brunnen  überall  tief. 

3ter  Tag:  Kindji,  die  letzte  der  eigentlichen  Baghirmi  -  Ort- 
schaften, schon  gemischt  mit  Schüa*). 

4ter  Tag:  Wenesse,  Schüa-Ort  mit  Anbau. 

5ter  Tag:  Birka,  Ort  der  Ueläd  Müssa,  die  als  der  kriege- 
rischste Stamm  unter  den  Schüa  dargestellt  werden. 

6ter  Tag :  Tümssa,  eine  von  Küka  bewohnte,  aber  zu  Baghirmi 
gehörige  Ortschaft. 

7ter  Tag:  Kein  Ort.  Man  bricht  am  Abend  wieder  auf,  schläft 
dann  etwas  und  erreicht  am  Morgen  des 

8ten  Tages:  Gela,  die  erste  Ortschaft  von  Fittri. 


*)  Kindji  ist  2  Tagereisen  oststtdöstUch  Ton  Moitö,  der  grossen  Ortschaft, 
an  der  sich  östlich  ein  Berg  erhebt,  der  einzige  in  Baghirmi. 


528  Anhang  IX. 


I 


9ter  Tag:  Melme,  ansehaliche  Ortschaft  mit  grossem  Markt  am 
Dienstag.  Man  hat  sich  bis  hierher  fast  nördlich  gehal- 
ten und  wendet  sich  nun  östlich. 

lO^er  Tag :  Yäuö,  die  Hauptstadt  von  Fittrf,  an  der  nördlichen 
Seite  des  Bat-hä,  nahe  an  seiner  Mündung  in  den  See 
Fittri,  grosser,  aber  offener  Ort  (erst  von  den  Buläla  ge- 
baut, vor  deren  Ankunft  Küdu  der  Hauptort  in  Fittrl  war), 
Residenz  Djuräb's  ben  Abu  Ssekln,  des  gegenwärtigen  Bu- 
läla-Fürsten.  Das  ganze  Land  ist  reich  an  Weidegründen. 
Von  Melme  nach  Yäuö  wendet  man  sich  in  einem  Winkel 
erst  östlich,  dann  südlich. 

llterTag:  Sseta,  Oil  der  Buläla. 

12tcr  Tag:  Hafir,  Lager  ohne  Ortschaft,  noch  zum  Gebiet 
Fittrl  gehörig. 

13ter  Tag:  Djeddäda,  Lager  ohne  Ortschaft  im  Sandthal  des 
in  Schlangonwindungen  hinziehenden  Bat-hä,  der  in  der 
trockenen  Jahreszeit  nur  stehende  Pfuhle  bildet. 

14ter  Tag:  Ssürra,  eine  nur  zeitweilig  von  den  Arabischen 
Djäätena,  welche  in  der  Regenzeit  hierher  kommen,  be- 
wohnte Örtlichkeit.    Sie  gehört  zu  Wdddi. 

löter  Tag:  Dlfda,  Ortschaft  der  Arabischen  Cliosäm. 

16ter  Tag:  Nedjme,  Ortschaft  der  Arabischen  el  Hemedät. 

ITter  Tag:  Kundjur,  Ortschaft  der  Arabischen  Küka. 

18t*^rTag:  Derraänia,  Ortschaft  der  Arabischen  Küka. —  Einen 
Tagemarsch  östlich  (etwas  südlich)  von  Dermäma  liegt 
Abu  Telfän,  ein  grosser,  von  heidnischen  Dddjö  bewohn- 
ter Berg. 

lOter  Tag:  Birket  Fdtinia,  ein  weites,  vom  Bat-hä  gespeistes 
Wasserbassin  ausserhalb  der  Nordseite  des  Wadi's,  mit 
einer  Ortschaft  der  Arabischen  Massmädja;  jedoch  auch 
die  Ersegät  weiden  hier. 

20ster  Tag:  Rähet  el  Challa,  grosser  Wasserpfuhl  mit  einer 
Ortschaft  der  Dädjö  (unter  Wäddi  stehender  Schwarzer) 
und  Ertäna. 


Strassen  von  Masena  nach  Wära.  529 

2l8t6r  Tag:  Odjöb,  Ortschaft  der  Mä-ssallt,  von  Schwarzen 
bewohnt,  mit  Ertana. 

228ter  Tag:  Foröli,  Ortschaft  der  Ssiäda,  einer  Abtheilung 
der  Mä-ssalit. 

238ter  Tag:  Am  Hadjar*),  Ortschaft  der  Mä-ssalit. 

248terTag:  Djemest(Djumes)el  bedha,  Ortschaft  der  Mä-ssalit, 
an  dem  Ellbogen  des  Bat-hä,  der  von  Süden  kommt  und 
den  man  hier  verlässt 

25«ter  Tag :  Bororit,  grosser  Ort  im  eigentlichen  Wdddi.  Man 
wendet  sich  jetzt  von  Ost  nach  Nordost. 

268ter  Tag:  Am  - schdrarlb ,  ein  grosser,  zu  Wäddi'  gehöriger 
Ort. 

278ter  Tag:  Mäschek,  grosser  Ort 

288ter  Tag:  Nimrö,  Ort  der  Djelläba,  mit  Thonwohnungen. 
Die  Brunnen  haben  eine  Tiefe  von  3  Klaftern.  —  Süd- 
lich von  Nimrö  ist  der  Bergort  Tolfü. 

298ter  Tag:  Wära,  Hauptstadt  von  Vf&d&i  und  bisherige  Re- 
sidenz, von  Sandhöhen,  die  nur  im  Süden  und  Norden 
(Nordwesten)  einen  Zugang  lassen,  eingeschlossen.  Durch 
den  südlichen  Zugang,  den  „lingak  Embelkenä",  betritt 
man  die  Stadt,  indem  man  Bürtay  zur  Seite  liegen  lässt. 
Alle  Wohnungen,  den  Palast  ausgenommen,  sind  aus 
Rohr  erbaut  Der  Rathsplatz  —  „fascher"  —  ist  nichts 
als  ein  offener,  mit  Bäumen  („ssayäl")  besetzter,  ge- 
räumiger Platz.  Die  Brunnen  innerhalb  der  Stadt  haben 
eine  Tiefe  von  9  Klaftern,  ausserhalb  sind  sie  nicht 
tief.  Der  Palast  liegt  an  dem  östlichen  Höhenzug;  der 
westliche  heisst  Tire,  hat  einige  Hütten  und  ist  militä- 
risch besetzt.  Westnordwestlich  von  Wära  liegt  Tonä 
und  nach  Osten,  nahe  daran,  Gandigin.  —  Nimrö  ist 
von  Wära  aus  etwa  8  Meilen  entfernt. 


*)   Im  Englischen  Text  (S.  564)   ist   hier  ein   Fehler;   es  steht  nämlich 
,/Ain  Hajar"  statt  „Am  Hajar". 

B«rth'B  B«iMii.    lU.  34 


530  Anhang  IX. 

b)  Strasse  von  Bororit  nach  Mäsena.    Richtung  westlich 

(etwas  südlich). 

Nach  dem  Fäki  Ibrahim  aus  dem  Stamme  der  A^bl  Schirib  H^nagon. 

Ister  Tag:  Hillet  e'  Schech,  ein  grosser,  von  Sklaven  des  Sul- 
tans, von  Arab  Soyüd  und  von  Buläla  bewohnter  Ort  Man 
passirt  am  Morgen  mehrere  kleine  Weiler,  bringt  die 
Mittagshitze  (etwa  von  10  Uhr  Vormittags  bis  3  oder  4  Uhr 
Nachmittags)*)  in  Angürma  Tauemät  zu,  einer  Ortschaft 
des  Dar -Soyüd,  weit  nördlich  vom  Bat-hä,  der  bei  Ma- 
lam  die  Betehä  aufgenommen. 

2ter  Tag :  A'm-debang,  ein  grosser,  von  Näss  Küka  bewohnter 
Ort  auf  Sandboden  —  „gös"  — ,  etwa  1^  Tagemärsche 
nördlich  vom  Bat-hä  gelegen.  Man  hält  im  Dorfe  Modo, 
welches  an  der  Rähet  Ssaribe  liegt,  einem  von  Norden  her 
genährten,  auf  Thonboden  stehenden  Wasser. 

3tcr  Tag:  Ein  grosser  Ort  der  Soyüd.  Man  hält  in  Dokeät, 
einem  Ort  der  'Arab  Soyüd.  —  Im  Dar-Wäddi  selbst  be- 
stehen die  Dörfer  der  Araber  aus  „gesch"-Hütten,  ausser- 
halb aber  aus  transpoilabehi  Matteuhütten,  welche  von 
den  Wadäi-Leuten  „weri"  genannt  werden. 

4ter  Tag:  Scheg  el  hadjilidj,  eine  Ortschaft  der  Küka  und 
Buläla  unter  Agid  Fadalällah,  fern  vom  Bat-hä.  Man 
hält  unterwegs. 

5tcr  Tag:  Nega,  ohne  Ort;  unfruchtbares,  nur  mit  Talha- 
bäumcn  bewachsenes  Land,  ohne  Wasser.  Man  hält  in 
A'mbirke,  einem  kleinen  Orte. 

6ter  Tag :  A'm  -  Djimesi.  Man  hält  in  einer  Ortschaft  der  Bu- 
läla. 

7tcr  Tag:  Chatit,  ein  Ort  der  Buläla.  Ibrahim  war  den  gan- 
zen Morgen  in  A'm-Djimesi  geblieben  und  erst  um  'Asser 
aufgebrochen. 


*)  Ich  werde  diesen  mittägigen  Halt  in  Zukunft  nur  mit  dem  Ausdrucke 
,, halten"  bezeichnen. 


Strassen  von  MäseTia  nach  Wara.  531 

gter  Tag:  Ein  kleiner  Ort.  Man  hält  in  einer  von  Bornu- 
Volk  bewohnten  Ortschaft. 

gter  Tag:  Angarruendi,  ein  ansehnlicher  Ort  der  Missirie. 
Man  hält  in  A'm-Scheräi,  einer  Felläta- Ortschaft  mit 
vielen  Kühen. 

IQter  Tag:  A'rda,  ein  Ort  der  Küka  und  Buläla  am  Bat-hä. 
Man  hält  in  Schebina,  einem  am  Bat-hä  gelegenen  wohl- 
habenden Ort  der  Küka,  die  hier  früher  sehr  mächtig 
waren.  —  Der  Bat-hä  hat  jetzt  an  seinen  Ufern  durchaus 
keine  Delebpalmen  mehr,  da  alle  in  der  grossen  Hungers- 
noth  vor  17  Jahren  gefallt  worden  sind,  um  das  nahrhafte 
Mark  als  Speise  zu  benutzen. 

llterTag:  A'm-alaui,  wohlhabender,  vonWddduiund'ArabDjaä- 
tena  bewohnter  Ort,  fem  vom  Bat-hä,  der  hier  nach  Süden 
ausbiegt.  Bis  A'm-aläui  ,wo  Ibrahim  2  Tage  blieb,  ist  Alles 
Dar-Mäba.  Man  hält  am  Morgen  in  einem  kleinen  Orte. 
[Von  A'rda  an  hat  man  sich  etwas  Nord  von  West  ge- 
wandt.] 

12ter  Tag:  Man  lageii;  auf  dem  sandigen  Boden  des  Bat-hä; 
kein  Ort.  Man  lässt  Ssürra  zur  Rechten,  in  der  nördli- 
chen Ausbiegung  des  Thaies,  liegen. 

Man  macht  an  diesen  Tagen  keinen  Halt  um  Mittag, 
sondern  geht  von  Morgen  bis  Mittag. 

13ter  Tag:  Charüb,  im  Rinnsal  des  Bat-hä;  ohne  Ort. 

14ter  Tag:  Djeddäda,  ofifene  Lagerstätte  im  Bat-hä. 

15ter  Tag :  Sseta,  eine  Ortschaft  der  Buläla,  in  ihrem  Gebiete 
Fittri. 

16ter  Tag:  Gamssa,  Oii;  der  Buläla  auf  der  Südseite  des  Bat-hä. 

17tcr  Tag:  Yäua  oder  Yäö,  Hauptstadt  der  Buläla,  nahe  am 
Nordufer  des  Bat-hä.  —  Middogö  ist  von  hier  etwa  12 
Stunden  (in  ostsüdöstlicher  Richtung)  entfernt. 

18ter  Tag :  Melme,  eine  aus  3  Weilern  bestehende,  bedeutende 
Marktortschaft,  nicht  weit  vom  Nordufer  des  See's  Fittri. 
Zwischen  Yäua  und  Melme  bildet  die  Strasse  einen  Winkel. 

34« 


532  Anhang  IX. 

IQter  Tag:  Man  lagert  gegen  Mitternacht  im  Walde,  nach- 
dem man  an  einem  Brunnen  gehalten  hat  und  von  da 
um  Dholior  aufgebrochen  ist.  Bis  zu  diesem  Brunnen  ist 
die  Richtung  westlich,  von  hier  aber  bis  Mäsena  südlich. 

20ter  Tag:  Moitö,  die  erste  Ortschaft  Baghirmi's,  welche  je- 
doch an  den  Agid  el  Bahhr  für  sich  einen  besonderen 
Tribut  von  400  Hemden  zahlt,  sowie  einige  andere  Klei- 
nigkeiten. 

Sie  besteht  aus  fünf  Dörfern ,  von  denen  drei  in  einer 
Reihe  am  Südfusse  einer  Felserhebung  liegen  und  zwei 
abgesondert  am  Ostfusse  einer  anderen  Erhebung.  Zwi- 
schen den  beiden  ansehnlichen  Felserhebungen,  von  denen 
sich  die  östlichere  lang  hinstreckt,  zieht  sich  der  Weg 
durch  Fittrl. 

Bei  dem  östlichen  Dorfe  der  westlichen  Gruppe  wird 
wöchentlich  zweimal  Markt  abgehalten,  nämlich  Dienstags 
und  Donnerstags;  derselbe  ist  aber  viel  unbedeutender, 
als  der  von  Melme.  —  Moitö  ist  der  Sitz  eines  Chalifen 
des  Sultans  von  Baghirmi. 

Man  hält  am  Vormittag  in  kleinen  Dorfschaften  —  „hil- 
lelät"  —  der  Küka,  von  wo  man,  um  Dhohor  aufbrechend, 
spät  in  Moitö  ankommt. 

2l8ter  Tag:  Hillet  'Arab,  die  man  am  Morgen  erreicht,  nach- 
dem man  am  Abend  aufgebrochen  ist  und  in  der  Nega 
geschlafen  hat. 

228ter  Tag:  Garra,  wo  man  am  Morgen  ankommt,  nachdem 
man  am  Abend  aufgebrochen  ist  und  bei  Arabern  über- 
nachtet hat. 

238ter  Tag:  Djiläss.  Ibrahim  war  am  Morgen  aufgebrochen 
und  hatte  in  einem  Orte  der  Küka  Halt  gemacht. 

248tcr  Tag:  A'bü-Gher,  eine  wegen  ihres  Sonnabendmarktes 
bedeutende,  aus  zwei  durch  den  Marktplatz  getrennten 
Dörfern  bestehende  Ortschaft  von  Felläta-Ursprung.  Das 
südliche  Dorf  ist  ganz  von  Fellata  bewohnt,  das  nördliche 


Strassen  ron  Misefia  nach  Wära.  533 

von  kleinen  Handelsleuten.  —  Der  Name  hat,  so  viel  ich 
habe  ermitteln  können,  nichts  mit  „dbü  kern"  (dem  Na- 
men des  Rhinozeros)  zu  thun. 

258ter  Tag :  Ssobiö,  Dorf  des  Mallem  Ssäleh  Tündjuräui,  eines 
sehr  gelehrten  Fäki.  Ankunft  am  Morgen,  nachdem  man 
am  Abend  aufgebrochen  ist  und  am  Wege  geschlafen  hat. 

268ter  Tag:  Mäseüa,  ganz  nahe. 

Von  A'bü-Gher  an  ist  die  Richtung  südsüdöstlich. 

c)  Strasse  von  Mäsena  nach  Wära. 

Nach  dem  Ffiki  'Ali  MalÄnga. 

Ister  Tag:  A'bü-Gher. 

2ter  Tag:  Yeläss  (der  oben  erwähnte  Baghirmi-Ort). 

3ter  Tag:  A'bü-Gerra. 

4ter  Tag:  Moltö  (die  oben  erwähnte,  um  Felshöhen  herum 

gelegene  Gruppe  von  Dörfern). 
Etwa  7  Stunden  nördlich  von  Moitö  liegt  die  Ortschaft 

Aüni  (gleichfalls  mit  einer  Felserhebung),  1  Tagemarsch 

nordwestlich  Gossüss  (auch  mit  einer  Bergerhebung)  und 

2  Tagemärsche  nordöstlich  Angora,    eine  Ortschaft  der 

Küka. 
5ter  Tag:  Kalkalle,  ein  Baghirmi-Ort.    Starker  Marsch. 
6ter  Tag:  Melme,  eine  grosse  Ortschaft  mit  kleinen  Weilern. 
7ter  Tag:  Sseta,  ein  nördlich  vom  Bat -ha  gelegener  grosser 

Ort.    Man  lässt  Yauö  zur  Rechten. 
gter  Tag:  Ssürra,  blosser  Lagerplatz  ohne  Ort. 
gter  Tag :  Djeddäda,  nur  Lagerplatz. 
lOtor  Tag:  Geltssa,  Lagerstätte, 
llter  Tag:  Difde,  ein  Ort  der  Ssdlamät  und  Küka,  welche 

das    Wasser    des    sich    hier    nördlich    herumwindenden 

Bat-hä  trinken. 
12ter  Tag:  A'm-aldui,  Ort  der  Malänga,  fem  vom  Bat-hä. 

Kurzer  Marsch.    Bis  hierher  reichen  von  Wära  aus  die 

„mensel  Ssultän^'  (die  königlichen  Reisequartiere). 


i 


584  Anhang  IX. 

13terTag:  Angarruendi,  ein  Ort  der  Ueläd  Hassen,  fem  vom 
Bat-hä,  der  sich  nach  Süden  gezogen. 

14ter  Tag:  Escheraie,  ein  Weiler  der  Felläta. 

15ter  Tag :  Tanile,  ein  Ort  der  Djelläba  (mit  Thonwohnungen 
und  „gesch"- Hütten),  fem  vom  Bat-hä. 

16t«r  Tag:  Birre,  ein  Ort  des  Mallem  Mohädjar,  des  A^d 
der  Ssebbade. 

Birket  Fatima,  der  grosse  Ort  der  Ssiäde  Massmddje 
und  Sitz  ihres  Agjd,  mit  Thon-  und  „gesch"- Wohnungen, 
ist  von  hier  (in  südlicher  Richtung)  6  Stunden  entfernt. 

17ter  Tag:  A'bü  Gerra,  ein  grosser  Ort  der  Ueläd  Bü-Ss^d. 

18ter  Tag:  Berega,  ein  Ort  der  MaUnga.    Starker  Marsch. 

19tcr  Tag:  Megerä,  ein  Ort  der  Tündjur  und  Djelläba  anoi 
Wadi  Elmä,  das  sich  nördlich  in  die  „gisän"  zieht 

208ter  Tag:  Dokeät,  ein  ansehnlicher  Ort  der  Näss  Girri,  an 
einem  Wadi  gelegen,  das  reich  an  Löwen  und  Rhinoze- 
ros ist. 

21sterTag:  Düggull,  ein  Ort  der 'Arab  Raschid,  „fokarä  sudie" 
(d.  h.  durch  friedlichen  Lebenswandel,  ein  geringes  Quan- 
tum von  Gelehrsamkeit  und  geringen  Besitz  sich  auszeich- 
nende Leute),  nahe  bei  Am-debäng. 

22stcr  Tag :  Am-Bateta,  ein  Ort  der  'Arab  Missirle,  in  Nega, 
ohne  Wadi. 

23ster  Tag :  Tdmmedäl  Hummelän  mit  'iVrab  Missirle. 

24ster  Tag:  Bir  Ssünta,  ein  wohlhabender  Ort  Bomauischer 
Djelläba. 

25ster  Tag:  Biri  Yeuö,  ein  Ort  der  Mägena  Machmüdi. 

26ster  Tag :  A'm-Set  ein  Ort  von  Fokarä  der  Missine  bewohnt, 
mit  kleinem  „sardf ". 

278tcr  Tag :  A'm-Schererib,  ein  Ort  der  Terdjem,  mit  „sardf " ; 
drei  Felshöhen  aus  rothem  Gestein  erheben  sich  hier. 

288ter  Tag:  Am-Dekik,  ein  Ort  der  Näss  Glrri,  von  Ssabün 
erbaut  und  von  den  Leuten  „Karaak  Wddär'  genannt 
als  wäre  es  die  Hauptstadt  des  Landes. 


Strassen  im  Inneren  WddäJTs.  &35 

298ter  Tag:  Firscha,  ein  Ort  der  Näss  Mänga. 

softer  Tag:  Kältegge,  ein  Ort  der  Mänga. 

3l8ter  Tag:  Nimrö,  ein  Djelläba-Ort  mit  einem  grossen  Fäki 

Namens  Göni  Meress. 
32Bter  Tag:  Wära. 

n.   Strassen  im  Inneren  WMdi*s. 
a)  Strasse  von  Wära  nach  Schenini.    Richtung  südlich. 

Nach  dem  Fäki  Ibrahim. 

Ister  Tag:  Abeschr,  früher  ein  kleiner  Ort  der  Kelingcn,  seit 
3  Jahren  aber  vom  Sultan  Scherif  zu  seiner  Residenz  ge- 
macht; in  Folge  dessen  ist  es  dichter  bewohnt  und  mit 
einigen  Thonwohnungen  versehen.  Ankunft  um  Dhohor, 
indem  man  am  Morgen  zuerst  Tara  passirt,  einen  „mensel 
Ssultän",  wo  Yüssuf  Charifäin  starb  und  das  früher  ein 
grosser  Ort  war;  dann  den  ansehnlichen  Ort  Kay-wäna, 
femer  Ganänga,  Nyaldng  (Djelläba-Ort),  Djiküb,  und  end- 
lich U'tulö. 
Von  Nimrö  nach  Abeschr  ist  ein  starker  Tagemarsch. 

2ter  Tag:  Kelingen  Kiri,  eine  hügelige  Ortschaft  des  Sultans, 
dessen  Mutter  von  hier  gebürtig  ist,  und  Wohnsitz  des 
Kamkoläk  Räkeb.  Man  hat  auf  dem  Wege  Dilebät 
passirt. 

3ter  Tag:  Kindji  Minrak,  eine  Ortschaft  der  Kadjanga,  die 
wolil  40  Dörfer  in  diesem  hügeligen  und  gebirgigen  Gaue 
bewohnen,  am  Nordufer  der  Betehä.  Man  hält  in  Errin- 
manga,  einem  in  ebener  Landschaft  gelegenen  Orte. 

4ter  Tag:  Denam,  ein  Ort  der  A'bü  Schärib.  Man  passirt  am 
Morgen  Am-dirdi,  einen  Ort  der  Kadjanga,  dann  FÄrrel 
imd  Gändigin  (am  Westfusse  einer  Felserhebung),  hält  in  Be- 
dlne,  passirt  Güngerüm  (insgesammt  Ortschaften  der  Ka- 
djanga), dann  KordufiÜ  und  endlich  Gelebe,  den  Geburts- 
ort  des  Fäki  Ibrahim. 


586  Anhang  IX. 

5tcT  Tag:  Schenlni,  ein  Ort  der  Abu  SchSrib  Menagon  und 
Märarit,  die  jedoch  mit  den  Bili,  den  Kodoi,  den  Mimi, 
den  Ganänga,  den  Buläla  und  den  "Arab  Chosäm  gemiBcht 
sind.  Man  passirt  am  Morgen  Am-bürtunü,  einen  Ort  der 
Dädjö  am  Nordfusse  einer  Felserhebung,  an  deren  West- 
fusse  ein  Ort  der  Djelläba  liegt,  während  sich  im  Osten 
eine  Ortschaft  der  Missirie  ausbreitet.  Nachdem  man 
westwärts  um  den  Berg  herumgegangen  ist,  passirt  man 
das  Wadi  el  Hamra,  ein  weites,  in  seinem  oberen  Laufe 
(bei  Koriö,  Gundur  u.  s.  w.)  mit  Deleb-  und  Dattelpalmen 
und  mit  'Ardeb  besetztes ,  hier  aber  zur  Saat  benutztes 
Thal,  das  sich  etwas  nordwestlich,  bei  Ssunkütu  Maläm, 
mit  dem  Bat-hä  vereinigt;  passirt  dann  eine  „nega"  oder 
„elan"  (d.  i.  eine  mit  Talhabäumen  bewachsene  Ebene) 
und  erreicht  Habile,  einen  Ort  der  Abu  Schärib,  Wohn- 
sitz des  Mallem  Sachai'ie,  wo  man  hält.  Hierauf  passirt 
■  man  Ablubän,  wo  sich  das  Wadi  Habile  mit  dem  Wadi 
el  Hamra  vereinigt,  und  kommt,  nachdem  man  das  dem 
Wadi  el  Hamra  zuziehende,  breite  und  tiefe  Wadi  Dirren- 
gek  passirt  hat,  in  Schenlni  an. 

Die  Abu  Schärib  in  Schenlni  sind,  wie  oben  angegeben, 
mit  den  Bili  u.  s.  w.  gemischt. 

b)  Strasse  von  Schenlni  nach  Boront  über  O'grogö. 

Nach  dem  Fäki  Ibrahim. 

Ister  Tag:  Abkar 'Abd  el  Chälik,  ein  Dorf  des  Gaues  Abkar, 
der  noch  folgende  Dörfer  zählt:  Abkar  Djembong,  eines 
der  grösseren  Dörfer  Waddi's,  mit  etwa  600  Hütten,  A. 
Mototong,  A.  Bendaldng,  A.  Täuahbe,  A.  A'mdjedäge,  A. 
Hedjellidjong,  A.  Hedjerbassän  (von  den  Arabern  „Hadjar 
A'bü  Hassan"  genannt),  A.  Gognotang,  A.  Dillit,  A,  Dje- 
mil  e'  Ssid.  Man  wendet  sich  am  Morgen  zuerst  west- 
lich, passirt  das  Wadi  el  Hanu-a  und  da«  Dorf  Mistachede, 
von  wo  man  sich  nordwestlich  wendet,  das  Wadi  Wdrringek 


Btrassen  im  Inneren  Wdddi*8.  537 

nahe  zur  Rechten,  und  Rogrogö  passirt.  Man  ruht  wäh- 
rend der  Hitze  in  Meri  (Ort  der  zu  den  WädÄui  gehörigen 
Ogodongde  und  Gämara),  nachdem  man  das  Wadi  War- 
ringek  überschritten  hat,  das  sich  zwischen  Rogrogö  west- 
lich und  A'blubän  östlich  mit  dem  Wadi  el  Hamra  verei- 
nigt, passirt  dann  Sserira  und  Magällemek,  sämmtlich  noch 
auf  dem  rechten  Ufer  des  Wdrringek,  und  endlich  dicht 
vor  Abkar  'Abd  el  Chälik  Abkar  Hedjellidjong. 

2ter  Tag:  Namwürren,  Ort  der  KadjÄnga.  Man  passirt  am 
Morgen  Hämien,  den  einzigen  durch  warme  Quellen  mit 
süssem  Wasser  ausgezeichneten  Ort  Wädäi's,  mit  kleinen 
Felsaufsprüngen  am  Wadi  W^drringek.  Das  Wasser  ist  so 
warm,  dass  man  die  Hand  nicht  hinein  halten  hann,  kühlt 
sich  jedoch  bald  an  der  Luft  ab.  In  Hämien  wohnt  Fäki 
Djabür,  aus  dem  Stamme  der  A'bü  Schärib.  Man  pas- 
sirt dann  Sachäli,  einen  Ort  der  Bändalä,  und  hält  in 
KarÄngaldk.  Am  Nachmittag  überschreitet  man  das  Wadi 
Wärringek  noch  einmal,  welches  von  Nordwesten  kommt, 
nämlich  von  Morrö,  einem  Ort  der  KadjÄnga,  von  wo  es 
sich  nach  der  Nega  Adjädje  zieht,  dann  nach  Marfa  und 
von  hier  östlich  nach  Kulbü,  welches  von  Hdmien  3  Stun- 
den westnordwestlich  entfernt  liegt.  Von  KarängaUk  geht 
man  nach  Kirengel,  einem  Ort  der  Bändalä,  westlich  und 
nördlich  vom  Wadi  Kirengelnäk;  letzteres  zieht  südlich 
über  Nyära,  wo  sich  das  Wadi  Korkotö  mit  ihm  ver- 
einigt, dem  Wadi  Wdrringek  zu.  Das  Land  „gös"  (Sand) 
und  „tln"  (Lehm)  geht  nach  Himeda  und  von  hier  nach 
Namwürren. 

3ter  Tag:  Djömbo  Fokarän  am  Wadi  Ingöndjobök,  einem 
von  Norden  kommenden  grossen  Wadi  mit  vielem  Zwie- 
belbau, welches  dem  vom  Orte  nur  wenig  entfernten  Be- 
tehä  zuzieht  Man  passirt  am  Morgen  F&ring&ng,  einen 
Ort  der  Kadjdnga,  dann  Künigi,  dann  Fütela  nyammuk 
guäna  G,giess  die  Butter  ein",  von  seinem  Butterreichthume 


538  Anhang  DL 

SO  genannt),  dann  Firti,  sämmtlich  Ortschaften  der  Eadjänga, 
setzt  hierauf  über  den  Betehä,  aus  dem  die  Bewohner 
Firti's  trinken,  und  hält  in  Nyemer  Hedjilldje,  einem  un- 
ter dem  Agid  der  Djaätena  stehenden  Ort  der  Eadjänga^ 
nordwestlich  vom  Betehä,  der  hier  Ton  Norden  kommt. 
Man  geht  nun  nach  Nyemer  Tergemenge,  noch  am  Betehä, 
den  man  jetzt  zur  Linken  oder  östlich  li^en  lässt,  und 
erreicht  Djombo. 

4t«r  Tag:  O'grogö,  das  Ibrahim  um  dieKdfla  (d.h.  um  die  Mit- 
tagshitze) erreichte,  nachdem  er  Djombo  Lärscheri  am  Be- 
tehä, Djombo  Ssuebe  und  Djombo  D^gal,  lauter  von  Wä- 
ddui*  bewohnte  Ortschaften,  passirt  hatte.  Er  wollte  von 
O'grogö  zu  den  Mähamid  im  Wadi  'Orädha  gehn,  um 
sich  bei  diesem  reichsten  Araber -Stamme  im  Lesen  des 
Kuräns  auszubilden  und  zugleich  nicht  mit  leeren  Händen 
auszugehn.  Da  jedocli  damals  gerade  die  Kodoi  mit  dem 
Sultan  kämpften,  was  diese  zwischen  den  Kelingen  und 
KodoT  hinführende  Strasse  unsicher  machte,  entschloss  er 
sich,  nach  Baghirmi  zu  gehn,  und  wandte  sich  daher  jetzt 
westlich,  dann  nordwestlich  nach  Bororit  zu.  Er  brach 
noch  an  demselben  Tage  auf  und  schlief  in  Kindji-Mlnrak, 
einem  grossen,  aus  5(K)  Hütten  bestehenden  Dorfe  der 
Kadjdnga  und  (leburtsor^je  des  Ssäleh  Derret.  Er  passirte 
vorher  Djombo  Ssdrkale  und  Gündogin,  eine  aus  drei  Wei- 
lern bestehende  Dorfschaft  der  KadjÄnga.  Richtung  west- 
lich, etwas  südlich. 

5ter  Tag:  O'scheua,  eine  südlich  vom  Betehä  gelegene  Ort- 
schaft der  Kascheniere.  Man  passirt  am  Morgen  Gössmin, 
in  sandiger  Landschaft  gelegen,  dann  Tongong,  einen  kleinen 
Weiler  Tschekoma's,  der  Mutter  Mohammed's,  des  ältesten 
Solmes  des  Scherifen,  von  Kadjdnga  bewohnt;  dann  Dje- 
räd  am  Betehä,  ebenfalls  von  Kadjdnga  bewohnt,  endlich 
Ofülek ,  ein  von  Moslimischen  Dddjö  bewohntes  Dorf,  und 
hält  in  Biren,  einem  ansehnlichen  Ort  mit  gemischter  Be- 


Strassen  im  Inneren  Widdf  s.  539 

« 

völkerung  (derNässKorongo,  Gärdäi,  Kolotdng  und  Djün- 
gorÄng)  auf  der  Südseite  des  Betehä  und  16 — 17  Stun- 
den südlich  von  Wära.  Man  geht  dann  üher  Biren  Kenga, 
einen  Ort  der  WadÄui,  und  Kaschemere  am  Betehä,  auf 
diese  Weise  O'schena  erreichend. 

6ter  Tag;  A'm-charüba,  grosser  Ort  der  Kaschemere,  früher 
Abu  Horra,  dem  Bruder  des  Scherifen,  der  in  der  Schlacht 
bei  Torbigen  fiel,  gehörig.  Die  Kaschemere  bereiten  un- 
ter allen  Bewohnern  Wädai's  die  reichsten  und  schmack- 
haftesten Speisen.  Man  passirt  am  Morgen  Kelti,  einen  an- 
sehnlichen Ort  der  Kaschemere,  dann  Bütere,  beide  auf 
der  Südseite  des  Betehä,  und  hält  in  Fünduk,  einem  anderen 
Ort  der  Kaschemere,  von  wo  A'm-charüba  ganz  nahe  ist. 

7ter  Tag:  Kdure,  Ort  an  der  Nordseitc  des  Bet«hä,  wo  man 
des  guten  Essens  wegen  übernachtet.  In  dieser  Beziehung 
sind  die  Bewohner  von  Kaure  die  Ausgezeichnetsten  nach 
den  Kaschemere,  sowie  nach  ihnen  die  A'bü  Godäm  und 
die  MÄrfa.  Man  überschreitet  am  Morgen  den  Betehä, 
lässt  Nydngalä,  einen  Oii;  der  Djelläba  an  der  Nordseite 
des  Betehä,  rechts  liegen  und  wendet  sich  westwärts  mit 
etwas  nördlicher  Abweichung,  passirt  dann  Hidjerät,  einen 
Ort  der  Jjcute  der  Schiüch  (A^erschuittenen)  der  Hdbba- 
bät  (Konkubinen  des  Sultans),  fem  vom  Betehä,  hält  dann 
in  Hidjer,  einem  Orte,  der  früher  der  Lieblingstochter  des 
Scherifen,  Namens  Fdtima,  die  bei  Torbigen  erschlagen 
wurde,  gehörte,  jetzt  einer  Tochter  Tschekoma's  über- 
tragen, nicht  sehr  weit  vom  Betehä.  Kaure  liegt  von  hier 
westlich  mit  etwas  südlicher  Abweichimg.  —  Der  Betehä 
wendet  sich  von  Kaure  südlich  nach  Maläm,  einem  von 
einer  Abtheilung  der  Täma  bewohnten  Ort,  10 — 12  Stun- 
den südlich  von  Kä.ure,  etwas  westlich  abweichend. 

8ter  Tag:  Bororlt,  eine  von  Kaschemere,  Wadaui,  Arabern 
und  Ueläd  Huschta  (so  wird  das  Gesinde  der  früheren 
Sultane  genannt)  bewohnte,  grosse  Ortschaft  und  „mensel 


540  Anhang  DL 

Ssultän".  Sie  besteht  aus  etwa  20  Weilern,  deren  grösster 
Bororit  Hadjar  heisst.  Man  passirt  am  Morgen  mehrere 
kleine  Weiler,  in  deren  einem  man  wahrend  der  Tages- 
hitze rastet. 

c)  Strasse  von  Wära  nach  Dumta,  erstem  Ort  För's  oder 

Dar-För's. 

Nach  Hadj  Ssadik.  Dnrchschnittsmaass  etwa  10  Engl.  Meilen  den  Tag. 

Ister  Tag:  GÄttakarak,  Ort  der  WädÄui. 
2tor  Tag:  Gattakardk,  gleichnamiger  Ort  der  Kelingen. 
3ter  Tag:  Wäueledä,  Ort  der  WadÄui. 

4ter  Tag :  Kelmedi,  grosser  Ort  der  Ssungori  mit  ansehnlichem 
Markt  —  „tarf  e'  dar"  — ,  die  letzte  der  Ortschaften  Wd- 
dÄ'i's.  Östlich  von  diesem  Orte  sind  aufspringende  Felsen, 
hinter  denen  sich  die  Täma- Wegelagerer  verstecken. 
5ter  Tag:  Tumtubaia,  Brunnen  in  der  Challa. 
6ter  Tag:  Assünga,  ein  mit  Delebpalmen  bewachsenes  Wadi 
mit  fliessendem   Wasser  im   Charif.     (Wadi  Assünga   ist 
allem  Anschein  nach  mit  Wadi  Kia  identisch.) 
7ter  Tag:  Dumta,  erste  Ortschaft  Dar-För's. 

[Dumta  ist  nach  Hadj  Ssadik  8  Tagemärsche  von  Keb- 
kabie  entfernt: 
later  Tag:  Bir  Degig,  Oil  mit  besonderer  Ertäna. 
2ter  Tag:  O'ra,  Ort. 
3tcr  Tag:  A'm-düchen,  Ort. 
4ter  Tag:  Kulkuläia,  Ort. 
5ter  Tag:  Konge,  Ort  mit  grosser  Djama. 
6ter  Tag :  Wadi  Bare,  sich  nach  Südsüdost  ziehendes  Thal, 

dicht  bewohnt. 
7ter  Ssultän  'Omar,  grosser  Ort  am  Bare  und  am  Fusse 

einer  Felserhebung. 
8ter  Tag :  Kebkabie,  grosser  Ort  der  Djelläba,  mit  Thon- 
Wohnungen  und  sehr  besuchtem  Dienstags-  und  Don- 
nerstagsmarkte.   Warme  Quellen. 


Strassen  im  Inneren  WiddTs.  541 

Von  Kebkable  bis  Tendelti  sind  8  Tagemärsche: 
Ister  Tag :  Bir  Nabek,  Brunnen  in  der  Challa,  mitten  zwi- 

sclien  den  Bergerhebungen  des  Märra. 
2ter  Tag :  Käura,  Brunnen  mit  spärlichem  Anbau  im  Gebirge. 


3ter  Tag 
4ter  Tag 
5ter  Tag 
6ter  Tag 


Küru,  Ort  im  Gebirge,  mit  Djama. 
Schebena,  Ort  der  Djelläba  im  Wadi. 
Djello,  aus  Lehm  gebautes  Dorf  der  Djelläba. 
Moele,  Ort  mit  Thon-  imd  „gesch"-Wohnungen. 
Tiefer  Brunnen. 
7ter  Tag:  Maddüp,  kleiner  Ort. 
8ter  Tag:  Tendelti,  Stadt  in  Dar-För. 
Demnach  von  Dumta  nach  Tendelti  im  Ganzen  16  Tage- 
märsche.] 

d)  Strasse  von  Schenini  nach  Dumta. 

Nach  FSki  Ibrahim. 

Ister  Tag:  Derdjili,  Ort  der 'Ali  (Schwarzer)  mit  besonderer 
Ertäna.  Man  passirt  am  Morgen  Bärekälla  und  hält  in 
MitschirT,  beides  ebenfalls  Ortschaften  der  'Ali. 

2ter  Tag:  Bürtay,  Gruppe  von  zwei  Dörfern  der 'Ali.  Man  hält 
in  AläschL 

3ter  Tag:  Harrünek,  ansehnlicher  Ort  im  Gebirge,  bewohnt 
von  Md-ssalit  und  'Ali.  Ankunft  vor  Dhohor.  Man  passirt 
früh  am  Morgen  Ssäniö,  gleichfalls  einen  Bergort  der  'Ali, 
wo  das  Thal  des  Bat-hä  seinen  Anfang  nimmt,  2  Tagerei- 
sen ostnordöstlich  von  A  m-gontüra,  einem  Orte  der  Kübu. 

4*er  Tag:  Dulla,  Ort  der  Mä.-ssalTt  in  ebener  Landschaft. 

5ter  Tag:  Kia,  ein  Thal  mit  Thonboden,  das  in  seinem  obe- 
ren Laufe  Assünga  heisst  und  durch  Delebpalmen  und  einen 
anderen  Baum  Namens  „djäch-djach"  belebt  ist.  Man  hält 
bei  Mämur,  einem  Wasser  am  Fusse  einer  Felserhebung. 

6ter  Tag:  Murli,  Ort  der  Md-ssalit,  aber  schon  zu  För  gehö- 
rig. Man  passirt  am  Morgen  Wadi  Kädja  und  macht  hier 
während  der  hcissen  Stunden  Halt. 


542  Anhang  IX. 

7ter  Tag:  Dumta,  kleine  Ortschaft  mit  wenigen  Datteln,  die 
Residenz  Hdnafi's  —  „mukdäm  Hänafi". 


e)  Strasse  von  Schenini  nach  Djurlü. 

Nach  FSki  Ibrahim. 

l8t€r  Tag:  O'guma,  Ort  der  A'bü  Scharib.  Man  passirt  A'blu- 
bän  und  HabTle. 

2ter  Tag:  Adekke,  von  Küka  bewohnter  Bergort.  Man  pas- 
sirt Glegiss,  Were,  Schach-haen,  sämmtlich  Orte  der  A'bü 
Schärib,  dann  den  Bergort  Tara,  weiterhin  Tara  Goror- 
gorä,  einen  Ort  der  Täma,  und  dann  Gäskundji,  einen 
Ort  der  Küka. 

3tcr  Tag:  Betehä,  das  so  genannte  Thal,  der  kleine  Bat -ha, 
ohne  Ort.  Mau  passirt  Tündjüug  und  Kültumö,  von  Näss 
Wadaui  bewohnt,  sowie  Tammäni,  einen  Ort  der  Ssungöri. 
Säramtliche  Orte  liegen  in  der  Ebene. 

4ter  Tag:  Djurlü,  Bergort  der  Ssungöri,  die  mit  den  Md-ssallt 
gemischt,  diese  ganze  Landschaft  vom  Betehä  an  bewoh- 
nen. Djurlü  ist  die  Residenz  der  Grossen  der  Ssungöri. 
Der  Berg  selbst  ist  in  Vergleich  mit  den  übrigen  Berger- 
hebungen Wddäi's  sehr  hoch,  aber  kerne  Tagereise  breit. 
Er  ist  nach  Ibrahim  der  Ursprung  des  Betehä,  während 
der  Bat-hä  selbst  seine  Quellen  im  Ssoniö  hat. 

f)  Die  Hauptortschafteu  im  Betehä,  von  Biren  aufwärts. 

Nach  dem  Fäki  Ibrahim. 

Westlich  von  Biren  liegt  Aüschena  oder  O'schena,  auf  der 
gegenüberliegenden  oder  nördlichen  Seite  des  Wadi  Mür- 
schudü;  dann  östlich,  aufwäi*ts,  Ofüla,  ein  Ort  der  Dädjö; 
ferner  Djemer  Hedjilidje,  ein  Ort  der  Kadjanga,  und  Koro- 
riang,  auch  von  Kadjdnga  bewohnt,  und  Fii-ti,  ebenfalls  (alle 
diese  Orte  liegen  an  der  Südseite  des  Wadi's);  an  der 
Nordseite  üossminni,  dann  A'mmärga,   dann  die  aus  sechs 


Strassen  im  Inneren  WiA&Ca.  543 

oder  sieben  Dörfern  bestehende  Ortschaft  Schokän,  nämlich 
Seh.  Kordofän,  Seh.  Bdtarän,  Seh.  Aberbi,  Seh.  Mini  u.  s.  w. 
(alle  von  Bili  bewohnt);  dann  östlich  davon  Schime,  ein  Ort 
der  Mimi  und  Koromboi;  dann  Agurbo,  ein  Ort  der  Mimi; 
Kunö,  eine  Ortschaft  der  Kodol,  und  Kawäk.  Dann  folgen 
die  Ortschaften  der  Ssungöri. 

Alle  diese  Ortschaften  zeichnen  sich  besonders  durch  ihren 
Zwiebelbau  aus.  Bei  Etlm  (westlich  von  Biren,  mit  einer 
Bergerhebung)  bauen  die  Sklaven  des  Sultans  für  Letzteren 
Korn. 

g)  Strasse  von  Schenini  nach  Nyessere.  Richtimg  südöstlich. 

Ister  Tag:  A'm-gontüra,  ein  Ort  der  A'bü  Schärib,  am  Süd- 
ufer des  Bat-hä  gelegen,  mit  dem  sich  hier  das  von  Dir- 
djeli  (4  Tagemärsche  nordwestlich  von  Biren)  über  Marfa- 
Ogumö  und  Dobbur  kommende  Wadi  Issera  vereinigt 
Man  passirt  am  Morgen  Bärekdlla,  einen  Ort  der  A'bü 
Schärib,  dann  Gumtüdj,  einen  Ort  der  Gnorga,  und  hält 
in  Daline,  ebenfalls  einem  Ort  der  Gnorga. 

2ter  Tag:  Ketteke,  ein  Ort  der  Md-ssallt.  Man  passirt  am 
Morgen  UrüUa,  nicht  weit  östlich  von  A'm-gontura  gelegen, 
dann  Nebbegäga,  einen  Ort  der  A'bü  Schärib,  und  betritt 
nun  das  Gebiet  der  Md-ssalit,  worauf  man  ihre  Dorf- 
schaften Ola  Ssdbbalät  imd  Ola  Ddbangät  passirt 

3ter  Tag:  Challa.    Man  hält  in  Wadi  Kla. 

4ter  Tag:  Nyessere,  ein  Ort  der  Mä-ssalit  oder  genauer  der 
Ambüss,  einer  Abtheilung  der  Mä.-ssalit,  die  man  der 
Menschenfresserei  beschuldigt.  Der  Ort  gehöii;  schon  zu 
För. 

h)  Strasse  von  Schenini  nach  Möku,  oder  den  Eisengruben. 

Richtung  westlich. 

Die  Möku  befinden  sich  bei  der  aus  zwei  Weilern  beste- 
henden, von  den  Baruala  bewohnten  Ortschaft  Schdkkayäk, 


T 


544  Anhang  IX. 

t 

die  eine  Grube  zur  Seite  der  Ortschaft,  die  andere  südlich  da- 
von in  zwei  gesonderten  Bergerhebungen;  nicht  weit  westlich 
von  Schdkkayäk,  in  der  Erhebung  hart  am  Dorfe  Ligia,  ist 
eine  andere  Eisengrube,  wo  man  100  Hacken  —  „dje- 
räri"  —  von  der  nebenstehenden  Gestalt  für  einen  Och- 
sen kauft. 

Das  Eisen  aus  diesen  Möku,  das  man  in  kleinen  Steinen 
nur  von  obenauf  wegnimmt,  wird  von  den  Schmie*den  in  den 
nahen  Schmiededörfem  Fähem  (südlich  von  Sch&kkayäk), 
A'blubän  (südlich  von  Fähem),  Müruske  (südlich  von  Sch4k- 
kayäk)  und  Gossmän  verarbeitet. 

Auf  dem  massigen  Marsche  von  Schenini  bis  Sch&kkayäk 
passirt  man  Misstachede,  Rogrogö  und  berührt  dann  zwei  zu 
der  grossen,  von  Mimi,  Gelma,  A'bü  Schärib  und  Kanöri  be- 
wohnten Ortschaft  Manga  gehörige  Weiler,  nämlich  Mdnga 
Dlrdige  und  Mdnga  Abakiiiak.  Die  übrigen  zu  dieser  Ort- 
schaft gehörigen  Weiler  heissen  Mänga  Kordäle,  Mä.nga  Me- 
rende  (nördlich  von  Schdkkayäk),  Mänga  Müttong,  M4nga 
A'beyÄng  (Wohnsitz  der  Abu  Schärib)  und  Mä.nga  Miri,  von 
wo  ein  kurzer  Weg  über  Sscrlr  und  Magällem  nach  Abkar 
Hädjilidj  führt. 

Eine  andere  bedeutende  Eisengrube  ist  bei  Kädjam,  4  Stan- 
den westsüdwestlich  von  Tökhili  im  Gaue  Djedji,  und  deren 
Eisen  wird  von  den  A'blebay  nach  A'tarek  (zwischen  Abkar 
und  Mdnga  Merende)  zu  den  Haddäd  Mönnu  gebracht, 
die  auch  das  von  den  Djelläba  von  dem  bekannten  Berg- 
werke Höfrah  (im  Süden  Dar-För's)  aus  eingeführte  Kupfer 
verarbeiten. 

i)  Strasse  von  Schenini  nach  Ssillä,  über  A'ndelä.  Richtung 

erst  südsüdwestlich,  dann  südlich. 

Nach  dem  Fäki  Ibrahim. 

Ister  Tag:  A'ndelä,  eine  theils  von  Wädäui,  theils  von  Bdn- 
dalä  bewohnte  Ortschaft.    Man  passirt  am  Morgen  Sehe- 


Strassen  Im  Inneren  W^diTs.  545 

chülke,  eine  aus  zwei  Weilern  bestehende  und  von  Ogo- 
dongde  bewohnte  Ortschaft,  nahe  bei  Schenini ;  dann  Tor- 
döna,  gleichfalls  von  Ogodongde  bewohnt;  dann  das  Wadi 
el  Hamra,  und  hält  in  Ssünkutü.  Hierauf  passirt  man 
Ssunkutü  Djidnak  oder  Nyilik,  überschreitet  nun  den 
Bat-hä,  der  etwas  weiter  oben  (bei  Ssünkutü  Maldm)  das 
Wadi  el  Hamra  aufgenommen  hat,  und  passirt  dann  den 
Ort  Agflbe,  drei  von  Wäddui  bewohnte  Weiler,  und,  nahe 
bei  A  ndelä,  Agflbe  Angnereda. 

2t«r  Tag:  Schakäk,  ein  Ort  der  Bandalä;  Sandboden  mit 
Felsaufsprüngen.  Starker  Marsch.  Man  hält  am  Brun- 
nen Kadäda,  ohne  Anwohner,  aber  mit  vielen  Bäumen, 
besonders  Dümpalmen. 

3ter  Tag:  Tschilimna,  ein  Ort  der  Bäudalä  imd  der  A'blebay, 
in  dessen  Nähe,  gegen  Westen,  die  Ssälamät,  Mfssirle  und 
Djedji  wohnen.  Man  sieht  von  hier  aus  die  Berghöhen 
von  Ssillä,  dessen  Bewohner  den  Markt  von  Tschilimna  mit 
Honig  imd  sowohl  getrockneten,  als  auch  frischen  Fischen 
versorgen.  Man  hält  um  Mittag  im  Wadi  Bochäss,  das 
südlich  in  das  grosse  Wadi  Diwe  ziehen  soll.  Das  letz- 
tere fliesst  neben  Djedji  und  wird  von  Einigen  für  iden- 
tisch gehalten  mit  dem  Bahhr  Ssdlamät,  der  MangSra 
passirt,  dann  (1  Tagereise  von  Mangära)  „Gede"  oder 
„Bahhr  el  Hemät"  und  weiter  imten  „0  m  e'  Tlmän"  oder 
„Bahhr  Ssälamäf'  heisst;  Ibrahim  meint,  dass  er  sich  mit 
dem  Gewässer  von  Rünga  vereinigt.  Ausser  den  Hemät  und 
Ssalamät  weiden  auch  die  Scharafa  ihre  Heerdcn  an  sei- 
nen Ufern. 

4ter  Tag:  SsiDä,  von  Ibrahim  selbst  aber  nicht  betreten. 
Man  hat  am  Morgen  das  Wadi  Diwe  passirt,  welches 
sich  auf  lehmigem  Boden  weit  ausbreitet  und  voll  von 
Fischen  ist.  —  Die  Ssillä  sind  hübsche  Leute,  die  sich 
nicht  durch  Einschnitte  verunstalten. 
Yüssuf  Charifaln  machte  einen  Raubzug  hierher. 

Btfth't  R«Uen.    UI.  35 


546 


Anhang  HL 


j.-i.t 


k)  Gerader  Weg  nach  Ssillfi. 

Ister  Tag:  Dümboli,  ein  Ort  der  Missirie,  nahe  westlich  vc 
Bäss  el  Fil  oder  TdndjakndL  Man  passirt  am  Morge 
Schochülke,  dann  Abdjefili,  einen  Ort  der  Ogodongc 
mit  dem  kleinen  Wadi  A'bü  Ghänem  („Al)ü  Chänem'"  aui 
gesprochen)  im  Süden,  das  sich  imweit  Ssunkutü  mit  dei 
Wadi  el  Hamra  vereinigt,  und  hält  hierauf  in  Ssöromö,  ai 
Nordufer  des  Bat-hä  gelegen,  der  nahe  östlich  vom  W&d&i 
Orte  Maräi  hinfliesst. 

2ter  Tag:  Challa.    Man  passirt  den  grossen  Berg  Eadjessk« 

3ter  Tag:  Ssillä.    Ankunft  am  Morgen. 

1)  Strasse  von  Wära  nach  Bünga.    Bichtung  südlich,  dann 

westlich. 

Nach  Hadj  SsadÜL. 

Ister  Tag:  Eine  Ortschaft  der  Kondongö  mit  einer  grosse 
und  langen  Bergerhebung. 

2ter  Tag:  Andischa,  ein  Wddäi-Ort. 

3ter  Tag:  Hauära,  ein  in  ebener  Landschaft  gelegener  W^ 
däi-Ort. 

4ter  Tag:  Betehä,  ein  Wadi  mit  Wdddi- Anwohnern. 

5ter  Tag:  A'fi,  ein  Wddäi-Ort  am  Fusse  der  Berghöhen. 

6ter  Tag:  Kemeri,  ein  Wddäi-Ort.  Ebene  Gegend;  nur  ii 
Süden  entfernte  Berghöhen. 

7ter  Tag :  Eine  Ortschaft  der  Tschaima,  Sklaven  der  Bändali 
welche  Honig  bereiten. 

8ter  Tag:  Kodoguss,  eine  der  grössten  Ortschaften  Wddäi' 
von  Talba  -  Arabern  bewohnt.  Kodoguss  ist  aber  nac 
Ibrahim  vielmehr  ein  Ort  der  Abu  -  Schärib,  Kadjägass 
und  Dermüdi,  3|  Tagemärsche  von  Schenini  entfernt  (ma 
schläft  die  Iste  Nacht  in  U'rka,  einem  Oi-t  der  Wddäi 
und  Bdndalä  am  Bat-hä;  die  2*^  Nacht  in  Am-bürtuni 
von  Wdddui  und  Bdndalä  bewohnt,  und  zwar  sind  di 
Letzteren  zahlreicher,  und  die  3te  Nacht  in  einem  Orl 


Strassen  im  Inneren  Wäd^'^s.  547 

dessen  Namen  der  Berichterstatter  vergessen  hat);  Rich- 
tung westsüdwestlich. 

9ter  Tag:  Td  el  Gadem. 

lOter  Tag:  Kädjam,  ein  am  Westfusse  eines  Berges  gelege- 
ner Ort. 

llter  Tag:  Mangära,  vom  Berichterstatter  irrthümlich  die 
Hauptstadt  von  Kebet  oder  Kadjdgasse  genannt. 

Von  Mangära  nach  Ssillä  ist  es  1  Tagemarsch.  Rich- 
tung östlich. 

12t«r  Tag:  Gurära,  Lagerplatz  in  der  Challa. 

13ter  Tag:  Meterbe. 

14ter  Tag :  Donäss ,  Name  des  Herrn  von  Rünga  (des 
Nachfolgers  von  Sseblr),  der  an  För  und  Wadai  Tribut 
zahlt. 

Rünga  liegt  nach  Hadj  Ssadik  zu  Wära  wie  Mandara 
zu  Küka,  und  zu  Tendelti  wie  der  Felläta-Ort  Bögo  (an 
der  Ostseite  von  Mandara)  zu  Mäsena. 

m)  Strasse  von  Schenini  nach  Rünga. 

Nach  Fäki  Ibrahim's  Angabe,  der  diesen  Weg  nicht  selbst  bereist  hat. 

Ister  Tag:  A'ndalä. 

2ter  Tag:  Schakäki. 

3ter  Tag:  Djedji,  ein  Distrikt  mit  ungefähr  20  Weilern. 

4ter  Tag:  Kerere,  ein  Ort  der  Mäsmadje. 

5ter  Tag:  ChaUa. 

6ter  Tag:  Kebet,  äussere  Provinz-  Wadai's  (ist  nicht  iden- 
tisch mit  Kadjagasse,  das  zum  eigentlichen  Wadäi  ge- 
hört). 

7ter  Tag:  Challa. 

8ter  Tag :  Mangära  *),  Hauptstadt  von  Däggel,  auf  einer  Fels- 
erhebung und  an  einem  grossen  stehenden,  von  den  Ara- 
bern „bahhr  e'  Tlhi"  genannten  Wasser  gelegen. 


•)  ,,maiigära"  bedeutet  in  der  Däggel-Sprache  „Fels**. 

35» 


548  Anhang  IX. 

9ter  Tag:  Ein  grosses,  in  der  Regenzeit  weit  ausgedelmtes 

Wiesenwasser  auf  Thonboden. 
lOter  Tag:  Rünga.    Ankunft  am  Morgen. 

Südlich  von   Rünga  befindet  sich  nach  Fäki  Ss&mbo 

die  „Dar-Meng"  genannte  Provinz. 

n)  Strasse  von  Tendelti  nach  Rünga.    Richtung  südlich. 

Nach  Hadj  Ssadik. 

Ister  Tag:  Koriö,  ansehnlicher  Marktort.  Starker  Marsch 
(bis  'Asser).  Geht  man  langsam,  so  ruht  man  während 
der  Hitze  an  der  Rahet  Birbidi,  schläft  in  A'm-habfle  und 
erreicht  Köriö  erst  am  anderen  Morgen.  —  Der  Markt 
wird  daselbst  am  Dienstag  xmA  Donnerstag  abgehalten. 

Ein  Theil  der  Pilger   wendet   sich   vom  Gebiete   der 
Ssungöri  über  Djebel  Heress  direkt  nach  Koriö. 
2ter  Tag:  Djurtöba,  ein  Ort  der  Buläla  und  Küka. 
3ter  Tag:  Abeschr,  Ort  der  Foraui. 
4ter  Tag:  Wägif,  ein  von  Baghirmi-Volk  bewohnter  Ort 
5ter  Tag :  A'm-kordess,  ein  anderer  Baghirmi-Ort.  Das  ganze 

Land  besteht  aus  Sandboden. 
6ter  Tag:   Sselälo,  ein  grosser,  von  Bömu-Volk  bewohnter 

Ort. 
7ter  Tag:  A'm-madjüra,  ein  ansehnlicher  und  wegen  des  Ver- 
kehrs mit  den  Kirdi  -  Ländern  bedeutender  Ort,   Sitz  des 
Gouverneurs  von  Birket,  bewohnt  von  Mä-ssalit,  Dadjö, 
Baghirmiern  und  Foräui. 

[Ein  anderer  Weg  von  Tendelti  nach  A'm-madjüra  ist 
nach  Hadj  Mohammed  folgender: 
Ister  Tag:  Dhifän  Haggeröna,  ein  Ort  der  D4djö  jen- 
seits Koriö,  das  man  passirt.    Starker  Marsch. 
2ter  Tag:  A'm-harräss,  ein  neuer,  von  einem  aus  Bü 
Harräss  (in  Kordofän)  stammenden  Mann    erbauter 
und   von    Foraui    und  Baghirmi- Leuten  bewohnter 
Ort. 


Strassen  im  Inneren  W&d&Cn.  549 

3ter  Tag :   A'm-kardü88,  ein  von  Foräui  bewohnter  Ort  des 

Scheteta  (identisch  mit  Am-kordess). 
4ter  Tag:  HiUet  el  Makdüm  KhaM. 
5ter  Tag:  A'm-madjüra,   2^  Tagemärsche  von  Tebeldle, 
3  Tagemärsche  von  der  Höfra  und  ungefähr  ebenso 
weit  vom  Bahhr  el  Ersegät  entfernt  A'm-madjüra  ist 
sehr  reich  an  Delebpalmen  und  besitzt  einen  bedeu- 
tenden Sonntagsmarkt,   den  die  Ersegät  mit  Butter 
versorgen.  Die  Bewohner  des  Ortes  sollen  vorzüglich 
vermittelst  Wod&'s  und  Tabaks  Sklavenhandel  treiben.] 
gter  Tag:  Gldja,  ein  von  Foräui  und  Gullä  bewohnter  Ort, 

(damals)  von  Mohammed  Sseteba  regiert. 
9ter  Tag:  Mädjam,   ein  Ort    der  Üirab  Taäscha;   auch  Md- 

ssalit  wohnen  daselbst 
lOter  Tag:  Bähet  Chäli,  in  der  Challa;  ohne  Anwohner, 
lltor  Tag:  Bali. 
12ter  Tag:  Dum  Asseheba. 
13ter  Tag:  Dum  Ardeba. 
14ter  Tag:  Challa. 
löter  Tag:  Debe,  ein  Dorf  der  Bünga  (Heiden),    auch  von 

einigen  'ürbän  (wandernden  Arabern)  bewohnt 
16ter  Tag:  Tarkämu,  Challa  mit  Bömu- Anwohnern. 
17tor  Tag:  Die  Eesidenz  des  Herrn  von  Bünga,  Donäss',  nach 
dem  der  Ort  gewöhnlich  bezeichnet  wird ;  sein  eigentlicher 
Name  ist  mir  nicht  bekannt 

o)  Grössere  Ortschaften  im  Fittri  und  Kabailen  der  Bulüa. 

Nach  dem  BulSla  Ibrahim. 

In  dem  „defii  Meläda"  genannten  Gaue :  Temssa,  Keschegä, 
Tlggedi  (wo  ein  geflüchteter  Sultanssohn  aus  Bömu  residiren 
soll),  Göla,  Dübunör,  Gela,  Käbberä,  Möio,  Dögo,  Gälo. 

In  El  Gösa:  Melme,  Küdu,  Amäna,  Gügu,  Ssege,  A'gene, 
Baiälla,  Bögo,  Schege,  Bürrigö,  Befdrkamä,  Denni,  Gollo, 
Y4ü,  Gämssa,  WägalS,  Sseta. 


&50  Anhang  IX. 

Kabailen  (Geschlechter)  der  Buläla :  Loflfeuä  (die  „Ssoltana", 
d.  i.  das  herrschende  Geschlecht),  Gidjo,  Batt&ua,  Argumuä, 
Tschelmuä,  Wädeuä,  Kässeuä,  Djillua  und  viele  andere  (we- 
nigstens 20,  nach  der  Überlieferung  aber  99).  Der  Stamm- 
vater der  Buläla  ist  Djili  (Djfl  Schikomemi),  welcher  aus 
Eänem  kam. 

p)  Einige  Nachrichten  über  den  Fittri  und  den  Bat-hä. 

Nach  'OthmSn,  den  Ssabün  gefangen  ans  Baghirmi  weggeführt,  mit  Znsatzen 

von  Hadj  Ssadik. 

Der  See  —  „fittri"  bedeutet  in  der  Sprache  der  Eüka  nichts 
Anderes,  als  „Thal",  „Seebecken",  und  fällt  daher  ganz  mit 
der  Bedeutung  von  „tsäd"  zusammen  —  hat  2  Tagemärsche 
im  Umfang,  ist  durchaus  mit  frischem  Wasser  auf  Thonbo- 
den  versehen  und  ringsumher  mit  reichem  Wiesenland,  aber 
nur  spärlichem  Baumwuchs  umgeben,  während  das  Thal 
des  Bat-hä  von  Reihen  schöner  Bäume  bewaldet  ist.  Kein 
Wadi  mündet  in  den  See,  ausser  dem  Bat-hä,  und  er  hat 
durchaus  keinen  Abfluss,  indem  die  Verdunstung  auf  dem 
sich  während  der  Überschwemmung  weit  ausbreitenden  fla- 
chen Wasserbecken  so  gewaltig  ist.  In  der  Mitte  des  nur 
flachen  See's  liegt  eine  Insel  Namens  Modo,  deren  heidnische 
oder  wenigstens  halbheidnische  Bewohner,  zu  den  schon  den 
Küka  unterwürfigen  A'bü  Sslmmin  gehörend,  den  See  mit  klei- 
nen ,  aus  ausgehöhlten  Baumstämmen  bestehenden  Nachen, 
die  2  bis  3  Menschen  fassen,  befahren.  Von  Fischen  gibt 
es  im  See  den  das  Wasser  schlagenden  „angöla"  und  den 
„bolbüt";  „ssemmak"  gibt  es  hier  nicht.  Die  um  den  See 
umher  gelegenen  Hauptortschaften  sind  von  Yaö  aus:  Debu- 
nöro,  Tamssa  oder  Temssa,  Gela,  Gölo,  Dago,  Gdmssa  (das 
etwa  12  Meilen  von  Yäö  entfernt  ist,  aber  weit  vom  See  zu- 
zück, dessen  Ufer,  wie  die  des  Tsäd,  sehr  wandelbar  sind). 
Fünf  Nefi'er  haben  im  Fittri  ihre  Weideplätze ;  die  Ben!  Maleki 
besitzen  daselbst  viele  Kameele;  die  DjäÄtena,  die  Hamide  und 


Strassen  im  Inneren  WädäTs.  551 

ein  Theil  der  Kreda,  sowie  selbst  andere  Tebu-Stämme  kom- 
men im  Sommer  hierher.  Im  Charif,  wo  die  Araber-Stämme 
fortziehen  und  wo  Alles  überschwemmt  und  von  Schwärmen 
von  Mücken  heimgesucht  wird,  werden  die  Kameele  des  Fittri 
selbst,  wie  die  des  Sultans,  in  Hütten  untergebracht,  wohin  ihnen 
das  Futter  geschafft  wird;  andere  werden  mit  Matten  bedeckt. 

Die  Hauptortschaften  am  Saume  des  Bat-hä  entlang  sind: 
Sseta,  Dlfde,  Heneu,  Djurundü,  A'm-charüba,  Durmämi,  Ssigö, 
Mugdära,  Birket  Fatima  (ein  Ort  der  Mdssmadje  an  der 
Westseite  der  Rahet  und  nördlich  vom  Wadi),  A'm-ssiddre, 
AI  A'fanln  und  endlich  der  Gau  Dar-Soyüd. 

Von  Mlddogö,  das  1  Tagemarsch  von  Yäö  entfernt  ist, 
nach  Birket  Fätima  sind  4  Tagereisen;  man  geht  über  A'b 
Seräfa,  eine  Ortschaft  der  Küka  mit  kleinen  Felshöhen,  He- 
djel,  einen  anderen  Ort  der  Küka,  und  Beuo. 

q)  Strasse  vom  Fittri  nach  Mäö.  Richtung  nordwestlich. 

Nach  dem  Buläla  Ibrahim. 

Ister  Tag:  Fäli  oder  Färi  (ursprünglich  Fäghi  [?]),  ein  von 
Baghirmi- Leuten  bewohnter  Weiler,  zwischen  Felsen  ge- 
legen, in  einer  Art  Wadi-Einsenkung. 

2tor  Tag:  Aüni,  Baghirmi- Weiler  mit  Felsaufsprüngen. 

3ter  Tag:  Bukkö,  Baghinni-Weiler. 

4ter  Tag:  SchegerÄie,  ein  Wadi,  in  dem  die  Gurään  ihre 
Kameele  weiden. 

5ter  Tag:  Bahhr  el  Ghasäl,  eine  weite,  baumreiche  Wadi- 
Einsenkung. 

6ter  Tag:  Kedäda,  eine  Ortschaft  der  Tündjur. 

Kedäda  ist  1  Tagemarsch  von  'Alimari  entfernt,  wo 
sich  das  östliche  Ende  des  Tsäd  in  früherer  Zeit  in  den 
Bahhr  el  Ghasäl  ergossen  haben  soll,  während  jetzt  Sand- 
dünen die  Verbindung  imterbrechen. 

7tor  Tag:  Mondö,  eine  andere  Ortschaft  der  Tündjur.  Ihr 
Herr  heisst  Abäkr. 


bb2  Anhang  IX. 

8ter  Tag:  Yagubberi,  ein  Weiler  der  Tündjur. 

gter  Tag:  Maö,  Wohnsitz  des  Chalifen  WidfiTs  und  Stand- 
quartier Djerma  Mongo's.  Die  Einwohner  Maö's  heissen 
in  der  Gurään-Sprache  Beränemä. 

Herr  Dr.  Vogel  scheint  diesen  höchst  interessanten, 
schon  fiüher  von  mir  besprochenen  Ort  besucht  zu  ha- 
ben; wir  werden  daher,  wenn  er  am  Leben  geblieben  ist, 
bald  Näheres  davon  hören. 

r)  Strasse  vom  Fittri  nach  Maö. 

Nach  einem  Wadauer. 

Ißter  Tag:  Chabini,  Gurään- Ansiedelung  mit  vielem  Wasser. 
2t«r  Ts^:   El  Chasälät,  ein  Wadi,   das  nach   dem  Bahhr  el 
Ghasä  ziehen  soll  und  von  Däggana  oder  D^hana  be- 
wohnt ist. 
3ter  Tag:  Schegeraie,  Wadi  mit  Giirään-Bevölkerung. 
4ter  Tag:  Delebät,  Wadi. 
5ter  Tag:  El  Gret,  Wadi. 
6ter  Tag:  Maö. 

Der  Berichterstatter  behauptet,  Wadi  Färi  zur  Rechten 
gelassen  und  den  Bahhr  el  Ghasäl  gar  nicht  passirt  zu  ha- 
ben. —  Ein  anderer  Referent  ging  von  Maö  nach  Fittri 
über  Kälkalä,  Güdjer,  den  Brunnen  Toröro  im  Bahhr  el 
GhasäL  Wadi  Schegeraie  (mit  vielem  Wasser)  und  die  Fel- 
sengruppe Hadjidjät  im  Wadi  Färi. 

Ul)er  diese  ganze  Strasse  wird  ims  HeiT  Dr.  Vogel,  wenn 
er  glücklich  zurückkehrt,  reichen  Aufschluss  geben. 

s)  Strasse  von  Wära  nach  Wädi  'Orädha. 

Nach   Fäki   Ibrahim  und  'Ali   (vom   Stamme   der  Malänga). 

Ister  Tag:  Böbok,  Ort  der  Kadjlgadji,  eines  Wadai-Stammes. 
Man  reist  zum  Nordwestthore  von  Wära  hinaus  auf  der 
nach  dem  Dorfe  Bäteme,  das  mau  gleich  bei  der  Stadt 
passirt,  „lingak  Batemelek''  genannten  Strasse  und  passirt 


Strassen  im  Inneren  Wäddfs.  553 

weiterhin  .das  Dorf  I'nding  und  dann  Korummüdi,   ein 
von  Fesänem  bewohntes  Dorf. 

2tcr  Tag:  Tatsere,  eine  von  Wadaui  bewohnte  Ortschaft.  Man 
hält  in  T&chscha. 

3ter  Tag:  'Orädha,  ein  an  Weideland  sehr  reiches  Wadi  oder 
„saräf ",  wo  die  Mdhamid  im  Sommer  weiden,  während  sie 
im  Charif  nach  Tüitu  und  Ssübbu  ziehen. 

Östlich  vom  Wadi  'Orädha  ist  das  Wadi  Ssubb,  2  Ta- 
gemärsche von  der  Berglandschaft  der  Täma.    Die  grosse 
Karawanenstrasse  von  Fesän  über  Borgti  nach  Wära  be- 
rührt 'Orädha. 
['Ali  machte  folgenden  Umweg  nach  Wadi  'Orädha,  wohin 

die  Wädäi'schen  Fäki   gern  gehn,   weil  sie  bei   den  reichen 

Arabern  durch  Lesen  und  Schreiben  leicht  ein  Rind  oder 

eine  Anzahl  Schaafe  verdienen: 

Ister  Tag :  Böbok. 

2ter  Tag:  Kurssö,  ein  ansehnlicher  Ort  der  Mimi. 

3ter  Tag:  Tatsere.    All'  dies  Land  besteht  aus  Sandboden. 

4ter  Tag:  Annan,  ein  Ort  der  Fokarä  aus  dem  Stamme  der 
Mahamid,  wo  ihre  Häuptlinge  wohnen,  nämlich  Mahmud 
*^Abd  e'  Ssaläm  Ueled  Tschötscho  und  Hagar  Ueled  Belle. 

5ter  Tag:  Rehedo,  eine  andere  Wohnstätte  der  Mahamid. 

6ter  Tag:  Ssubb,  ein  nach  West  ziehendes  Saräf,  wo  eben- 
falls die  Mahamid  weiden. 

7ter  Tag :  'Orädha.] 

m.   Strassen  im  Inneren  Baghfrmi's. 

a)  Grössere  und  kleinere  Ortschaften  am  Schärf,  von  Bügom&n 

aufwärts. 

Märdja,  kleines  Dorf;  Misskin,  ansehnliche  umwallte  Stadt; 
Mäbi,  kleiner  Ort,  wo  sich  der  Bätschikäm  mit  dem  Schärf 
vereinigt;  Mainpa  (oder  Manchfa);  Andja;  Mölan;  Gelende; 
Makelü;    O'ngo  oder  O'nokö;  Bündjul;  Balenere  (mit  Erd- 


i 


564  AnliaBg  IX 

mauer);  Mondo  (mit Erdmauer);  Moro;  MadelaipS;  Baingane; 
Laffiäta;  Gedo;  Müssgu;  Boäi;  Miän;  M6golo;Käba;  Djilim; 
Mäbbele  (mit  grosser  Erdmauer);  L&ffanä  (mit  verfallener 
Erdmauer);  Bu-ssö,  grosse  Ortschaft;  Mongaiä  (Bä-Ngörgo- 
loDg);  Bin;  Koromafe;  Täbe;  Mädjim;  Bubür;  Dere;  Göfiia; 
Tschlromadl;  Miltü. 

b)  Strasse  von  Mäsena  nach  Läffanä  und  Bu-sso. 

Ister  Tag:  Mogdl,  jenseits  des  Fürth  -  Ortes  Batschikim,  ober- 
halb des  gleichnamigen  Flusses  gelegen,  der  sich  bei  Täpe 
(nahe  bei  Miltü)  vom  oberen  Schäri  trennt,  aber  bei  Mebi, 
einem  kleinen  Ort  in  der  Nähe  von  Misskin,  wieder  mit 
ihm  vereinigt. 
2*er  Tag:  Mangagullafe. 

3ter  Tag:  Gäram,  von  Kanon  bewohnte  Oilschaft. 
4ter  Tag:  Man  schläft  in  der  Challa. 
5tcr  Tag:  Bedä-kürtschi,  Baghirmi-Ort  unterhalb  Bu-ssö's. 
6ter  Tag:  Dendäm,  Baghirmi-Ort. 
7tcr  Tag:  Laffanä. 

[Bedä-kürtschi  liegt  näher  an  Mäbbele  und  Laffanä,  als 
an  Bu-ssö.  —  Bu-ssö   ist  nach  Agid  Müssa  ungefähr  so 
weit  von  Mäsena  entfernt,   wie   Logon  bimi  oder  Moftö, 
und  kann  von  der  Hauptstadt  aus  in  3  starken  Tagemär- 
schen erreicht  werden: 
Ister  Tag:  Gäuin  Hadji. 
2tcr  Tag:  Bedä-kurtschi. 
3ter  Tag:  Bu-ssö.] 

c)  Strasse  von  Mäsena  nach  Bu-ssö. 

Nach  Hadj  Ssadlk. 

Ister  Tag :  Bdtschikam,  kleiner  Ort  an  der  Südseite  des  gleich- 
namigen Flussarmes,  der  nach  Hadj  Ssadlk  kurz  vor  der 
Regenzeit  kaum  30  Schritt  breit  ist,  zur  Regenzeit  aber 
eine    bis  zu    1   Engl.  Meile    sich    ausdehnende  Wasser- 


Strasse  im  Iimeren  Baghfrmrs.  565 

fläche  bildet.  Man  passirt  den  Fluss,  der  nach  der  grös- 
seren, an  seinem  Nordufer  gelegenen  und  früher  von  einem 
eigenen  Sultan  regierten  Ortschaft  I'r  auch  Bä-I'r  heisst, 
gewöhnlich  an  dieser  Stelle. 

2*«Jf  Tag:  Bultun,  grosses,  von  Kanöri  bewohntes  Dorf. 

3ter  Tag:  Bedä-kurtschi,  mit  grossem  Sumpfwasser  („bedä"), 
woher  der  Name  des  Ortes.  Man  hält  in  Dilfin,  einem 
Kanöri-Orte. 

4ter  Tag:  Dendäm,  Baghirmi-Ort. 

5ter  Tag:  Bu-ssö,  grosse,  theils  von  Heiden,  die  jedoch  auch 
Kleidung  tragen,  theils  von  Moslemln  bewohnte  Stadt  mit 
vielen  sogenannten  Mällems,  das  heisst  Leuten,  die  ein 
Paar  Phrasen  aus  dem  Kurän  schreiben  können. 

d)  Strasse  von  Bu-ssö  nach  Miltü.  Richtung  südöstlich. 

Ister  Tag :  Kiär,  weit  vom  Fluss  entfernt ;  die  Einwohner  trin- 
ken nur  aus  Brunnen.  Man  passirt  am  Morgen  den  Fluss 
und  hält  sich  dann  in  geringer  Entfernung  östlich  von 
demselben,  mit  etwas  südlicher  Abweichung. 

2*er  Tag:  Täpe*),  grosser  Ort  an  der  Südseite  des  Flusses. 
Richtung  südsüdöstlich. 

3ter  Tag:  Miltü,  grosse  Kirdi-Ortschaft,  jetzt  von  Bä,  dem 
Sohne  'Ali  Fendjär's,  der  vor  2  Jahren  in  Mäsena  starb, 
regiert;  weit  ausgedehnt.  Die  Einwohner  besitzen  eine 
grosse  Menge  von  Pferden  und  bereiten  aus  dem  Fluss- 
rohr eine  Art  Salz,  das  sie  in  zuckerhutartiger  Form 
weithin  verkaufen.  Bei  Bölo,  ein  wenig  östlich  von  Miltü, 
trennt  sich  der  Bätschikdm  vom  Schäri. 

e)  Ortschaften  vom  B£tschik&m  aufwärts.  Richtung  süd- 

südöstlich. 

Batschikdm,   der  Furth-Ort;  I'r,  ansehnlicher  Ort;  Mogal; 


*)  Agid  Müssa  scheint  sich  hier  versehen  und  KiSr  und  TSpe  umgestellt  zu  haben. 


556  Anhang  IX. 

• 

Mäbberät,  einst  der  Sitz  einer  selbstständigen  Herrschaft 
Mäss-enäu,  Ort  der  Trompeter  des  Sultans  —  der  „boäga"  — 
Belamedi,  Baghfrmi-Ort;  Mämssa;  Tschikoriä;  Bugolöbe 
Küttutü;  Diggeli;  Mässere;  Gdyokö;  Mfrre  oder  Mere,  früher 
Sitz  einer  eigenen  Herrschaft,  des  Fürsten  Damre;  Döl;  Me- 
gele  oder  Megede;  Yeläl;  Dimkir;  Marine;  Mub;  Beti;  Nglr- 
bing;  Ssagemäta,  die  letzte  Baghlrmi-Ortschaft,  jenseits  deren 
das  von  Heiden  bewohnte  Land  Ssdruä  anfängt. 

f)  Strasse  von  Mäsena  nach  Kirbe,  der  Hauptstadt  von 

Ssäruä. 

Ister  Tag:  Bätschikdm. 

2ter  Tag:  Nairomä,  Ortschaft  an  einem  kleinen  Flusse,  der 
sich  bei  I'r  in  den  Bätschikdm  oder  Bä-I'r  ergiesst.  Hier 
wird  jeden  Freitag  ein  bedeutender  Markt  gehalten. 

3ter  Tag:  Ngdttara.    Ankunft  etwa  um  10  Uhr. 

4ter  Tag:  Djil,  ein  Dorf.    Ankunft  etwa  um  10  Uhr. 

5tcr  Tag :  Ssdgemäta,  Baghirmi-Ort  am  Bdtschikdm.  Starker 
Marsch. 

ßter  Tag:  Negi.    Ankunft  etwa  um  10  Uhr. 

7ter  Tag:  Mongolä,  ein  Ort  am  Schäri,  schon  zu  Ssdruä  ge- 
hörig. 

8tcr  Tag:  Klrbe,  Residenz  des  Sultans  A'bü  von  Ssdruä;  so 
wird  derselbe  wenigstens  in  Baghlrmi  genannt. 

Kirbe  ist  1  Tagereise  vonKiär  und  vonTäpe  (oder  Miltü), 
aber  näher  an  Kiär. 

Von  Kirbe  nach  Middobö,  einer  anderen  bedeutenden 
Stadt  von  Ssdruä,  führt  der  Weg  über  Dan  oder  Dana. 

Andere  Ortschaften  Ssdruä's  sind :  Togilä,  Ddngua,  beide 
am  Bdtschikdm;  Dan,  Mirti,  Djilang,  Mirkin,  Mongolä, 
Djimmir,  Djö,  Belai,  Mut,  Bile,  sämmtlich  am  Schäri  ge- 
legen. 

Von  Dana  nach  Lairi  ist  1  starker  Tagemarsch,  etwa 
30  Meüen. 


Strassen  im  Inneren  BagMrmi's.  557 

g)  Strasse  von  Miltü  nach  Gogomi.    Richtung  nordöstlich. 

Nach  Agid  MSssa,  mit  Zusätzen  Ton  lUmadhän. 

Ister  Tag:  Attar,  Ortschaft  von  Ssdruä;  man  hat  am  Morgen 
gleich  bei  Miltü  den  Schärf  überschrftten ,  der  hier  von 
Süden  kommt.    Starker  Marsch. 

2*«'  Tag:  Kome,  Bergort  der  Heiden,  umgeben  von  vier  Ber- 
gen, von  denen  einer  Täbe  und  ein  anderer  Bofio  heisst. 
Kome  ist  1  Tagereise  von  Middobö  in  nördlicher  Richtung 
entfernt. 

3ter  Tag:  Belel  Kole,  eine  von  Natur  ausserordentlich  ver- 
theidigte  Wohnstätte  der  Ssokorö,  ringförmig  sich  um 
einander  herziehende  Felsreihen  mit  je  nur  Einem  Zu- 
gang und  mit  Wasser  im  Inneren.  Der  Fürst  haust  auf 
einer  Felserhebung  in  der  Mitte  dieses  eigenthümlichen 
Bergkessels ;  die  übrigen  Bewohner  wohnen  zwischen  den 
Felsreihen.  Nahe  dabei  ist  ein  Schüa-Ort.  Zwischen  Kome 
und  Belel  Kole  liegt  etwas  seitwärts  Djötol. 

4ter  Tag:  Gogomi,  Bergort  in  einem  Kessel  mit  engem  Zu- 
gang, bewohnt  von  einem  Stamme  der  Ssokorö  mit  einem 
früher  sehr  mächtigen  Häuptling,  den  aber  jetzt  der  Sultan 
von  Baghlrmi  besiegt  und  gefangen  eingebracht  hat.  Die 
Djelläba  Wdddi's  gehen  bis  hierher  und  bringen  Europäi- 
sche Erzeugnisse. 

Von  Gogomi  bis  Kenga  sind  5  oder  6  kurze  Tagereisen 
über  Büdir,  einen  Ort  auf  einem  steilen  Berge  mit  Quell- 
wasser am  Fusse  und  auf  der  Höhe;  etwa  so  hoch  lie- 
gend wie  Tibesti.  Nahe  östlich  bei  Gogomi  liegen:  Ssim, 
Bergort ;  B&ddege,  Bergort,  beide  von  Ssokorö  bewohnt,  de- 
ren Bewaffnung  in  Bogen  und  Pfeil  besteht;  Gal,  Bergort 
mit  seichtem  Wassersal;  Tumki,  Bergort;  Kenga  Mataia. 

h)  Strasse  von  Mäsena  nach  Gogomi. 

Ister  Tag:  Bidderi,  ansehnliche  Ortschaft,  berühmt  wegen 
der  für  die  Ausbreitung  des  Isslam  in  diesen  Gegenden 


556  Anliang  IX« 

überaus  wichtigen  Familie  von  Schiüch  (d.  h.  in  diesem 
Falle:  durch  ihre  Frömmigkeit  und  Belesenheit  weit  und 
breit  verehrte  Häupter  des  Glaubens)  und  bedeutend 
durch  ihren  Freitagsmarkt,  wo  jedoch  nicht  die  gewöhn- 
liche Münze  des  Marktes  von  Masena  gangbar  ist,  nämlich 
Farden  und  Cholgän,  sondern  nur  die  schönste  GräbagS 
—  20  für  1  Chalag. 

2tor  Tag:  Müdda,  Baghirmi-Ort. 

3ter  Tag:  Dechdrue,  grosse  Ortschaft  der  Dechächera  oder 
Deghäghera  (Araber). 

4ter  Tag:  Eüri,  Schüa-Ortschaft  an  einem  stehenden  Wasser. 

5ter  Tag:  Massk&u,  ebenfalls  Schüa-Ort. 

6ter  Tag:  Gatö,  Schüa-Ort  mit  Teich. 

gter  Tag:  Djenä,  grosse  ummauerte  Bergstadt  der  Ssokorö, 
die  den  von  den  Baghlrmiem  „dernäna"  genannten  Käfer 
essen  sollen.  Djenä  liegt  zwischen  Gogomi  und  Korne  in 
einer  hügeligen  Landschaft. 

9ter  Tag:  Gogomi,  2  Tagereisen  von  Middobö.  Richtung  öst- 
lich mit  etwas  nördlicher  Abweichung. 

Der  Weg  von  Gogomi  nach  A'bü  Telfän  geht  über  Bä- 
nem,  Bälli,  Ssim,  Kondolä  und  Kengetä. 

i)  Abtheiluugen  der  Büa. 

Die  dem  Sultan  von  Baghfrmi  unterworfenen  Abtheilungen 
dieses  zahlreichen  Stammes  sind  folgende:  Büa  Nyeldang,  die 
mächtigsten  von  allen;  die  BüaGamkül(Gamkül*)  ist  von  Mid- 
dobö,  der  Grenzortschaft  von  Ssäruä,  12  Engl.  Meilen  in  öst- 
licher Richtung  und  von  Gogomi  2  Tagemärsche  südlich  ent- 
fernt, letzterer  Weg  durch  eine  wilde  Gebii'gslandschaft  füli- 


*)  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  Gamkdl  mit  dem  vom  Neger  Wogga 
dem  Herrn  Mac  Queen  beschriebenen  Kimkul  identisch  ist  (s.  Journal  of  tfie 
Jioyal  Oeoijr,  Soc.,  Vol.  XV.  p.  374).  „Koome"  in  eben  diesem  höchst  kurzen 
und  ungenligenden  Bericht  (S.  375)  ist  wohl  sicherlich  mein  Belel  Korne. 


Strassen  im  Inneren  Baglifrmi*s.  669 

rend;  östlich  und  südöstlich  von  Gamkül  liegen,  etwa  12 — 15 
Meilen  entfernt,  die  beiden  Bergortschaften  Konnäle  und  Sa- 
rakella,  die  von  einer  Frau  als  Königin  regiert  werden  und 
unabhängig  sind);  die  Büa  I'r,  die  Büa  Wage  und  die  Büa 
Schok. 

Unabhängig  sind:  die  Büa  La,  sehr  zahlreich  und  in  meh- 
rere Familien  und  Ortschaften  zerfallend;  die  Büa  Künne; 
die  Bfia  Gingli;  die  Büa  Möke;  die  Büa  D&mla;  die  Büa 
Kurmän;  die  Büa  Gew,  deren  Distrikt  eine  hohe  Bergerhebung 
mdt  Wasser  auf  der  Spitze  enthält;  die  Büa  Dokerö;  die  Büa 
Güm;  die  Büa  Ladön;  die  Büa  Tünia;  die  Büa  Kürbul;  die 
Büa  Kullünga  oder  Kelänga,  deren  Gebiet  2  Tagereisen  von 
Kome  entfernt  ist,  mit  einem  Berg;  die  Büa  Malbön ;  die  Büa 
Bulül,  und  endlich  die  Büa  Mubb  und  die  Büa  Küli,  die  eine 
,  Gebirgslandschaft  nahe  bei  den  Ueläd  Raschid  bewohnen. 

Die  Nyilem,  zu  denen  nach  Agid  Müssa  die  Dass&r  gehö- 
ren, während  Andere  sie  zu  den  Büa  zählen,  wohnen  hart 
an  der  Nordostseite  des  Flusses.  Jenseit  der  Dassär  kommt 
man  zu  den  Kölum,  den  Nyü  und  in  geringer  Entfernung 
nach  Furä,  von  Gambai  bewohnt. 

k)  Strasse  von  Mäseha  nach  Eenga  Matdia. 

Istor  Tag:  Nairomä,  der  oben  genannte  Marktort. 

2t«r  Tag:  Mille,  Ort  mit  Sonntagsmarkt. 

3ter  Tag :  Kirssua,  ansehnliche  Ortschaft  an  einem  kleinen  Ge- 
wässer oder  vielmehr  einem  Wiesensal  auf  Thonboden 
—  „ssel"  oder  „mssel"  — ,  das  im  Charif  nach  Barkadana, 
Sidigiä,  Bulülu  und  dem  ansehnlichen,  von  einem  eigenen 
Herrn  regierten  Gämmara  abzieht.  (Ob  identisch  mit  dem 
Mssel  von  Debbäba?) 

4ter  Tag:  Hlrla,  Ortschaft  eines  mit  den  Bägrimma  eng  ver- 
wandten Stammes. 

5ter  Tag:  Beddnga,  ansehnhche  Gebirgsortschaft  eines  Stam- 
mes der  Ssokorö,   mit  mächtigem  Herrn,    welche  aber 


560  Anhang  IX. 

äusserlich  zum  Isslam  bekehrt  sind.  Die  Bewolmer  klei- 
den sich  und  tragen  keinen  entstellenden  Gesichtsschmuck, 
sondern  die  Frauen  nur  die  so  allgemein  verbreitete  Na- 
senperle und  Perlen  im  Ohr.  Die  Waddi'schen  Djellaba 
bringen  auch  hierher  ihre  Waaren.  Sie  haben  nicht  Bo- 
gen und  Pfeil,  sondern  nur  Lanze  und  Handeisen.  Das 
Wasser  dieser  Gebirgsgegend  soll  nach  den  Angaben  Mo- 
hammed Büme's,  der  sich  hier  viele  Jahre  aufgehalten  hat, 
durch  das  Gebiet  der  Ueläd  Raschid  in  den  Nil  fliessen, 
aber  es  ist  sehr  zweifelhaft. 

[Von  Bedänga  nach  A'bü  Telfän  sind  3  Tagemärsche  in 
ostnordöstlicher  Richtung.  Man  geht  über  B&mmanS  und 
Miggedi.] 
6ter  Tag:  Kenga  Mat&ia,  die  Hauptort«chaft  eines  mit  den 
Baghirmi  eng  verwandten  Stammes,  dessen  Sultan  sehr 
mächtig  ist  und  über  ein  ansehnliches  Gebiet  herrscht,  zu 
welchem  Djou,  Gal  und  Ddmbar  gehören.  Das  Hauptpro- 
dukt dieser  Landschaft  ist  Sesam.  Mein  neuer  Referent,  der 
eben  erwähnte  Mohammed  Büme,  bestätigte  mir  vollkom- 
men Alles,  was  mir  Agid  Bürku  früher  über  den  sonder- 
baren Kultus  dieser  Heiden  mitgetheilt  hatte.  Nach  dem- 
selben fliesst  das  Wasser  von  Gogomi  über  Lim,  Gal, 
Bänam  und  Kenga  in  die  „gisän",  die  sandige  Wildniss 
im  Süden  des  Fittri,  ab.  Kenga  ist  nach  demselben  von 
Yäö  4  Tagereisen  in  südlicher  Richtung  entfernt.  Der  Weg 
führt  über  Ngar-ssära,  die  Oilschaft  eines  mächtigen  Herrn, 
die  etwa  2  Tagereisen  von  beiden  Orten  und  ebenso  weit 
von  Middogö  ist.  Nach  dem  Buläla  Ibralüm  erreicht  man 
Kenga  in  3  (starken)  Tagereisen  von  Yäö  über  Garia, 
Morbö  und  BüUum.  Übrigens  ist  der  Mai'sch  von  Bedanga 
nach  Kenga  ein  langer  und  unsicherer,  den  man  in  etwa  16 
Stunden  meist  zur  Nachtzeit  zurücklegt,  indem  man  Abends 
aufbricht  und  am  nächsten  Tage  mit  Eintritt  der  Hitze 
Kenga  erreicht. 


Strassen  im  Inneren  Baghirmi^s.  561 

k)  Strasse  von  Mäsefia  über  Lairi  nacli  Bu-ssö. 

Ister  Tag :  Gögo.    Man  macht  während  der  Mittagshitze  Halt 

in  Mala. 
2ter  Tag:  Ngög. 
3ter  Tag:  Duing. 

4ter  Tag:  Müro.    Lauter  kurze  Märsche. 
oteF-  Tag :  Lairi,  grosser  Baghirmi-  Ort  östlich  (südöstlich)  von 

Kirssua  und  an  demselben  Wassersal,  1  guten  Tagemarsch 

von  Togilä  entfernt,  von  wo  Attar  2  Tagereisen  entfernt 

ist,  indem  man  am  Bätschikdm  schläft. 
6ter  Tag:  Gapkong.    Kurzer  Marsch. 
7ter  Tag:   Bu-ssö,  nachdem   man   etwa   auf  der  Hälfte   des 

Weges  den  Bdtscliikam  überschritten  hat. 

1)  Strassen  von  Mäsena  über  Kolle  nach  Lairi  und  von  KoUe 

nach   Moitö. 

Strasse  von  Mäsena  nach  Lairi. 

Istor  Tag:  Sseta.  Man  passirt  Bidderi,  Mandeln,  Dabinen 
und  Gadäu  auf  dem  Wege. 

2terTag:  A'mdjeri,  nachdem  man  Mabbela,  DeiTedjä,  Melede, 
Bindebiö  und  Tauyin  passirt  hat. 

3ter  Tag:  Kolle,  ansehnlicher  Baghirmi-Ort,  1  Tagereise  von 
Kirssua  entfernt,  von  wo  ein  Wiesen wasser  —  „ssel"  — 
über  DoldegT  und  Für  zieht. 

4tcr  Tag:  Lairi.    Starker  Marsch. 

Strasse  von  Kolle  nach  Moitö  über  Debäba. 

Ister  Tag:  Kirssua  Djibilgi,  an  einem  Wassersal;  mit  beson- 
derem Häuptling. 

2ter  Tag:  Hirla,  Bergort. 

3ter  Tag:  Djokko,  Ortschaft  der  Küka. 

4ter  Tag:  Debäba,  grosse,  in  mehreren  Weilem  auseinander- 
liegende Ortschaft  der  Schüa,  mit  reichen  Weideplätzen 
und  Wassersalen.  Debäba  ist  2  Tagereisen  von  Baläu 
entfernt,  indem  man  in  Kö-ssi,  einem  Kanöri-Orte,  schläft 


I 


562  Anhang  IX. 

und  zwischen  Kö-ssi  und  Baläu  ein  anderes  Ssel  über- 
schreitet. 
5ter  Tag:  Moitö.    Guter  Marsch. 

m)  Strasse  von  L&ffanä  nach  Bang-Bai.     Schneller  Marsch, 
wie  er  auf  Heereszügen  üblich  ist  Richtung:  bis  Lai  südlich. 

Ister  Tag:  A'Uöa,  von  Heiden  bewohnte  Ortschaft,  in  Abhän- 
gigkeit von  Baghirmi.  Man  passirt  am  Morgen  den  Schäri 
oder  vielmehr  Bä-Bu-ssö,  wie  er  hier  genannt  wird. 

2ter  Tag:  Gürgarä,  grosse  Ortschaft  einer  ansehnlichen  Völ- 
kerschaft, von  wo  alles  in  Baghfrmi  verbrauchte  Eisen 
kommt. 

3ter  Tag:  Tschäken,  grosse  Ortschaft  mit  besonderem  Häupt- 
ling.   Ankunft  Mittags. 

4ter  Tag:  Djogdö,  grosser  Ort,  theilweise  mit  Thonwohnun- 
gen,  zu  dem  grossen  Reiche  GäbberT  gehörig. 

5ter  Tag:    Lödji,  Ortschaft  mit  besonderem  Herrn,  Namens 
Krki,  dem  Sohne  Belät's. 

6ter  Tag:  Gunn,  Ort  am  Bd-Gunn,  wie  hier  der  Fluss  von  L6- 
gone  genannt  wird.  Fast  jede  Ortschaft  hat  ihre  beson- 
dere Ertäna.  Das  Land  bringt  Sorghum^  Fül,  Erdmandeln 
—  „koltsche"  —  und  Melonen  hervor. 

7ter  Tag:  Lai,  an  derselben  Seite  des  Ba-Gunn,  Sitz  Ssügu- 
lum's,  des  Sohnes  Nöba's.  Der  Fluss  ist  reich  an  Fi- 
schen und  voll  von  Booten.  Südlich  von  Lai  scheint  sich 
nach  dem  Berichterstatter  ein  aus  dem  Felläta- Gebiet 
(von  Büban-djidda)  kommender  Arm  mit  dem  Flusse  zu 
vereinigen.  Übrigens  ist  mein  Referent  der  Ansicht,  dass 
der  Fluss  von  Logone  und  der  Fluss  von  Dai,  Miltü,  Bu- 
ssö  und  A'-ssu  nur  Arme  eines  und  desselben  Stromes  seien, 
der  sich  oberhalb  Dai  theilt. 

gter  Tag:  Mül,  nachdem  man  bei  Lai  den  Fluss  überschrit- 
ten und  sich  nun  mit  etwas  südlicher  Abweichung  west- 
lich gewandt  hat. 


Strassen  im  Inneren  Baghirmrs.  563 

gter  Tag:  Koio,  Ortschaft  mit  besonderem  Herrn.  Das  Erd- 
reich ist  trockener  Thon. 

lOter  Tag:  Kiagör,  mit  besonderem  Herrn;  nahe.  —  Etwa 
6  Stunden  von  Kiagör,  östlich  mit  etwas  nördlicher  Ab- 
weichung, liegt  Bari,  in  gebirgiger  Landschaft. 

llter  Tag:  Nong,  eine  andere  zu  Baghirmi  gehörige  Ortschaft. 

12ter  Tag :  Dögo,  die  letzte  Ortschaft  von  Baghirmi,  bis  wohin 
der  Kriegszug  vordrang.  Das  ganze  Land  producirt  Honig  in 
Masse,  ist  reich  an  Ziegen  und  Schaafen,  hat  aber  durch- 
aus keine  Kühe.  Duchn  (Pennisetum  typhoideum)  ist  die 
Hauptnahrung;  von  den  Bäumen  sind  der  Butterbaum  („tä- 
bur")  und  die  Delebpalme  die  ausgezeichnetsten.  Das  Erd- 
reich ist  dunkelroth  (Lehmboden).  Von  Dögo  nach  Büban- 
djidda  sind  es  nach  diesem  Referenten  2  Tagemärsche. 

n)  Strassen  von  Mabbele  nach  Lai  und  Ssälin,  und  von  Tschä- 

Tschaken  nach  Kim. 

Nach  Agid  Müssa. 

Strasse  von  Mabbele  nach  Lai. 

Ister  Tag :  Gürgarä.    Weiter  Marsch,  bis  'Asser. 

2t«i^  Tag:  Tschäken,  ansehnliche  Ortschaft  mit  eigenem 
Häuptling,  als  Knotenpunkt  verschiedener  Strassen  wich- 
tig, indem  südlich  die  Strasse  nach  Lai,  südwestlich  die 
nach  Kim  und  westsüdwestlich  die  nach  Dam  abgeht. 

3ter  Tag:  Djogdö,  bedeutender  Ort.    Nahe. 

4ter  Tag:  Tscholol,  4  Stunden  östlich  von  Gunn  entfernter  Ort. 

5ter  Tag:  Nyinga.    Nahe. 

6ter  Tag:  Lai,  grosse  Ortschaft  an  der  Ostseite  des  Flusses  von 
Logone. 

[Geht  man  von  Lai,  nachdem  man  den  Fluss  passirt 
hat,  westsüdwestlich,  so  erreicht  man  in  10 — 12  Meilen 
Nung-Tschire  *)  und  dann  Tschüa  (mit  besonderem  Herrn), 
Mälo,  Dükko  und  Baibotö.] 


*)  Mung-chir^  im  Englischen  Texte  ist  ein  Bruckfohlcr. 

36  • 


564  Anhang  IX. 

Strasse  von  Tschäken  nach  Kim. 
Ister  Tag:  Gunögunö.    Etwa  20  Meilen. 
2ter  Tag:  Kim,  grosse  Ortschaft  am  Flusse  von  Logone. 

Kim  ist  3  Tagemärsche  von  Demmo  in  Wülia,  dem  ent- 
ferntesten Pmikte,  den  wir  auf  unserem  Mussgu- Heeres- 
zuge erreichten,  entfernt,  so  dass  diese  Verbindungsstrasse 
von  der  höchsten  Wichtigkeit  für  die  Niederlegung  aller 
jener  Gegenden  ist: 
Ister  Tag:  Djimän,  am  Flusse.    Ungefähr  10  Meilen. 
2ter  Tag:  Kar.    20  Meilen. 
3ter  Tag:  Demmo. 

Kim  ist  von  Lai  2  gute  Tagemärsche  in  südsüdöstlicher 
Richtung  entfernt.    Man  schläft  in  Bissme  am  Flusse. 

Von  Kim  aus  sieht  man  bei  der  fast  baumlosen  Beschaffen- 
heit dieser  Landschaft  mit  trockenem  Thonboden  die  Bäume 
von  £re,  einer  an  der  Westseite  des  Flusses  in  nordwest- 
licher Richtung  gelegenen  Ortschaft.  Dieser  Ort  wurde 
wahrscheinlich  von  seiner  Lage  an  einem  Einschiffungsplatz 
oder  einer  Fürth  so  benannt,  indem  „dre"  in  der  Mussgu- 
Sprache  „Fluss"  bedeutet.  Marraba,  die  grosse  Ortschaft 
des  Mögom,  liegt  10 — 12  Meilen  von  Kim,  auf  der  anderen 
Seite  des  Flusses  und  in  einiger  Entfernung  von  demselben. 
Strasse  von  Lai  nach  Ssälin.    Richtung  östlich,  mit  etwas 

nördlicher  Abweichung. 
Ister  Tag:  Tschlre,  grosse  Ortschaft  des  Sultans  Kassardk, 
neben  dem  es  hier  noch  zwei  andere  Herren  gibt,  mit  be- 
sonderer Ertäna.  Tschlre  zeichnet  sich  durch  eine  ausge- 
dehnte Pflanzung  fruchttragender  Dattelpalmen 
aus,  die  bewässert  und  gut  gepflegt  wird.  In  Tschire 
gibt  es  weder  Esel,  noch  Katzen ;  Pferde  werden  von  Ba- 
ghirmi  eingefühi't.  Starker  Marsch  von  25  Meilen. 
2t*?r  Tag:  Massrö.    Etwa  30  Meilen. 

3ter  Tag:   Ssälin,  Sultansresidenz  und  hauptsächlicher  Markt 
von  Dam. 


Strassen  im  Inneren  Baghfrmi^s. 


565 


Von  Ssälin  nach  Dämmuk,  der  Hauptstadt  von  Ssomrai, 
ist  es  1  Tagereise  in  südöstlicher  Richtung. 
Strasse  von  Mäseüa  nach  Ssälin. 
Ister  Tag:  Mogal.  , 


2ter  Tag 
3ter  Tag 
4ter  Tag 
5ter  Tag 
6ter  Tag 
7ter  Tag 
8ter  Tag 


Djeldjelli,  Kanöri-Ort. 

Beda-kürtschi. 

Bu-ssö. 

Tündjurkü,  Kerdi-Ort. 

Gürgarä. 

Limmi. 

Ssälin,  Hauptortschaft  von  Dam  oder,  wie  das 


Land  vielleicht  richtiger  genannt  wird,  Ndam. 
o)  Strasse  von  Mäsena  nach  Bäng-Bai. 

Xach  Agid  Biirku. 

Ister  Tag:  Kagä. 

2ter  Tag:  Garäm. 

3ter  Tag:  Mabbele. 

4ter  Tag:  Gürgarä  oder  vielmehr  eine  der  drei  Dorfschaften, 
aus  denen  dieser  Distrikt  besteht,  während  das  südliche  Dorf 
nach  Tschäken,  das  westliche  nach  Tschedjiräki  hin  liegt. 

5ter  Tag:  Mätele. 

6ter  Tag:  Kim,  grosse  Ortschaft,  wo  ein  Kaschella  (Fluss- 
aufseher) des  Sultans  von  Baghirmi  residirt. 

7ter  Tag:  Marrabä.  Ankmift  um  *Asser  (wohl  bei  schwerer 
Passage  des  Flusses). 

8ter  Tag:  Domanä.    Ganze  Tagereise. 

9ter  Tag:  Bissai.     Ankunft  um  Mitüig. 

lOter  Tag:  Bai  Kuri. 

llter  Tag:  Bai  Toi,  eine  der  vier  grossen  Herrschaften. 

12ter  Tag:  Köman. 

13ter  Tag:  Kaktia. 

14tor  Tag :  Müdumbim,  eine  der  vier  grössten  Ortschaften  oder 
Herrschaften  von  B£ng-Bai. 


&66  Anhang  IX. 

15ter  Tag:  Keni,  ebenfalls  eine  der  vier  Herrschaften. 

16ter  Tag:  Debdjogeme. 

17ter  Tag:  GombaL 

18ter  Tag:  Tdpolö,  die  Herrschaft  des  mächtigsten  Fürsten 

in  Bäng-Bai. 
igter  Tag:  Mdssentä. 

p)  Strasse  von  Bu-ss5  nach  Bäng-Dai.    Schneller  Marsch, 

Heereszug. 

Ister  Tag:  Täbe,  grosse  Ortschaft  an  der  Südseite  des  Flus- 
ses, den  man  am  Morgen  überschreitet 

2*er  Tag:  Kiär,  kleinere  Ortschaft,  entfernt  vom  Flusse. 

3ter  Tag:  Miltü,  grosse,  weit  ausgedehnte  Ortschaft  nahe  an 
der  Südwestseite  des  Flusses. 


4ter  Tag 
5ter  Tag 
6ter  Tag 
7ter  Tag 


Bald,  entfernt  vom  Flusse. 
Scheggi, 

Mül,  grosse  Ortschaft. 

Ssarä-Gule,  Residenz  des  Sultans  Koina,  Sohnes  des 

berühmten  Gossdegä,  nach  dem  gewöhnlich  Ort  und  Land 

benannt  werden.   Die  Bewohner  trinken  nur  aus  Brunnen. 

gter  Tag:  Digti,  hat  einen  eigenen  Herrn. 

gter  Tag:   Gär-Kümra  oder  Ssarä-n-Gär-Kümra,  eine  andere 

Herrschaft  mit  mächtigem  Oberhaupt. 
lOter  Tag:  Bdng-Dai,  andere  Herrschaft  an  einem  ansehn- 
lichen Fluss,  den  mein  Referent  —  derselbe,  dessen  An- 
gaben der  Route  m)  zu  Grunde  liegen  —  den  Fluss  der 
Fellän  oder  Fulbe  nennt.  Dai  und  Fong  sind  die  bedeu- 
tendsten Herrschaften  in  Ssarä. 

q)  Strassen  von  Miltü  nach  Dai  und  von  Lai  nach  DaL 

Nach  Agid  MQssa. 

Strasse  von  Miltü  nach  Dai.    Richtung  südlich. 
Ister  Tag:  Mül,  grosser  Ort.  Starker  Marsch,  bis  Sonnenunter- 
gang (etwa  35  Meilen). 


Strassen  im  Inneren  Baghirmi's.  567 

2ter  Tag :  Ssarä-Gossdegä.  Etwa  25  Meilen  Wegs  südlich  mit 

etwas  östlicher  Abweichung. 
3ter  Tag :  Kumra.  Ankunft  um  "Asser.  30  Meilen  in  südlicher 

Richtung. 
4ter  Tag:  Dai,  grosse  Ortschaft  in  dicht  bewohnter  Landschaft 

am  oberen  Schäri,  der  hier  von  Süden  nach  Norden  fliesst, 

aber  sich  bei  Miltü  nach  Nordwesten  wendet.    25  Meilen 

in  südsüdöstlicher  Richtung. 

Strasse  von  Lai  nach  Dai. 
Ister  Tag:  Bai  Fir,  besondere  Herrschaft  am  Fluss  von  L6- 

gone. 
2ter  Tag:  Bai  Kagä,  eine  andere  zu  Bai  gehörige,  fem  vom 

Flusse  gelegene  Herrschaft,  von  Waldung  umgeben ;  nahe 

bei  Massrö. 
3ter  Tag:   Dai,  nachdem  man  den  Fluss  —  den  Schari  — 

überschritten.    Dai  liegt  nach  der  ausdrücklichen  Angabe 

eines  anderen  Berichterstatters  an  der  westlichen  Seite 

des  Flusses,  ganz  so,  wie  Kamak  Logone  am  Flusse  liegt. 

r)  Strassen  von  Mäbbele  nach  Fong  und  von  Fong  nach  Bu-ssö. 

Nach  Hadj  Ssadik. 

Strasse  von  Mdbbele  nach  Fong. 

Istcr  Tag:  Gürgarä,  von  Heiden  bewohnte  Ortschaft  jenseits 
des  Flusses.    Weit. 

2tor  Tag:  Ssotto,  von  Heiden  bewohnte  Ortschaft. 

3ter  Tag:  Garn,  andere  Ortschaft.  Das  Land  producirt  Sor- 
ghunij  Bohnen,  Duchn  und  viele  Delebpalmen,  auch  Bdua, 
eine  Art  süsser  Melonen  (Cucurbita  melopepo), 

4ter  Tag :  Djogtö,  grosser,  zu  Ssomrai  gehöriger  Ort,  1  Tage- 
reise von  Kim  entfernt. 

5ter  Tag:  Tscholol,  Herrschaft  des  Sultans  Kiki. 

6ter  Tag :  Pam,  grosse  Ortschaft.  Ausser  Schaafen  gibt  es  hier 
noch  Rinder. 

7ter  Tag:  Mlddigi. 


J 


&6B  Anhang  IX. 

8tor  Tag:  Ledanga.    Alles  in  ebener  Landschaft. 

Ijter  Tag :  Tschlre,  die  oben  erwähnte  Ortschaft  mit  dem  Pal- 
monhain. 

lOter  Tag;  Bröto. 

lltor  Tag:  Mürki,  ansehnliche  Ortschaft  mit  grossen,  „rüin" 
geuaimten  Bäumen. 

12ter  Tag:  Dam  Passar. 

13tor  Tag:  Fong  oder  Dam  Fong,  ansehnliche,  nach  ihrem 
Herrn  —  „kenüss  Fong"  -^  so  benannte  Herrschaft.  Fong 
liegt  etwa  30  Meilen  südwestlich  von  Gossdegä  und  von 
Tschire.  Von  Lai  ist  es  l^  Tagereisen  entfernt,  indem 
man  den  Fluss  überschreitet. 

Strasse  von  Fong  zurück  nach  Bu-ssö. 

Ister  Tag:  Tümmak,  an  einem  kleinen  Wassersal. 

2tcr  Tag:  Mül,  grosse  Ortschaft.  Nahe  östlich  von  hier  liegt 
Fälik. 

3ter  Tau:  Ssok. 

4tür  Tag:  Ur.  Lauter  besondere  Ortschaften  und  Herrschaf- 
ten mit  eigener  Ertäua  oder  wenigstens  Dialekten. 

b^^r  Tag:  Godak. 

i\icT  Tag:  Betang  Godak.  Gadang,  ehi  grosser  Ort.  ist  von 
hier  1  Tagereise  östhch  entfernt  und  kann  in  einem  gut<?n 
Tagemai*sch  von  Bu-ssö  aus  erreicht  werden. 

Iwt  Tag:  Gonda. 

Sior  Tag:  Bu-ssö, 

>)  Orte  von  Btltschikdm  abwärts  und  Strasse  von  Mäsena 

nach  Müssgu. 

Orte  von  Batschikam  abwärts. 
Ssigir;  Mädjir;  Bakiil:  Mdnga:  Tarngölo;  Bukäbe;  Matia. 
früher  bedeutender  i^il  und  Sitz  einer  besondei'en  Herrschaft» 
mit  givssem  Markt  am  Sonnabend;  Mdnlja;  von  hier  entwe- 
der, indem  man  sich  diesseits  des  Flusses  hält,  nach  Bäla 
Mä^s;^  oder,  indem  man  ihn  übei>chreitt*t.  nach  Mission,  beide 


Strassen  im  Inneren  Bagbirmrs.  560 

Orte  am  grossen  Flusse  —  Schäri  —  gelegen,  mit  dem 
sich  der  Bdtscbikäm  bei  Mebi  wieder  vereinigt. 

Kokorotsche,  der  Ort,  der  nächst  Bügomän  die  meiste 
Saat  nach  der  Hauptstadt  liefert,  liegt  1  Stunde  nördlich 
vom  Bätschikäm;  der  Weg  von  hier  nach  Bäla  Mässa 
führt  über  Bekeri  und  Heia. 

Strasse  von  Mäsena  nach  Müssgu. 

Ister  Tag :  Bekäbe  oder  Bukäbe.  ansehnlicher  Ort  mit  Erdwall, 
am  Bdtscbikäm. 

2ter  Tag:  Mdtia. 

3tcr  Tag:  Manchfa,  ansehnliche  Stadt  an  der  Ostseite  des 
Schäri.    Man  überschreitet  am  Morgen  den  Bdtschikära. 

4ter  Tag:  Müssgu,  Kerdi-Stadt  am  Flusse  von  Lögone.    Man 

überschreitet  am  Morgen  den  Schäri.   Weiter  Marsch.  — 

Gebt  man  langsam  und  hält  sich  am  Fluss  entlang,   so 

.  schläft  man  die  Iste  Nacht  in  0  nokö,  die  2t©  in  Bäingane 

und  erreicht  erst  am  3^^^  Morgen  Müssgu. 

Von  Müssgu  nach  Gunna,  einer  grossen  Kerdi-Ortschaft 
der  Mässa,  ist  es  nicht  über  1  Tagemarsch. 

t)  Strasse  von  Mäsena  nach  Bang- Bai.    Richtung  gewunden. 

Nach  Agid  Bürku. 
(VerÖfifentUcht  im  Journal  of  the  B,  O,  S.  1852 ,  jetzt  aber  berichtigt.) 

Ister  Tag:  fr,  am  Flusse  Bä-IV,  der  nach  Osten  (Westen?) 
fliesst.    Ankunft  am  Morgen. 

2ter  Tag :  Bätschikdm,  Baghf rmi-Ortschaft  an  der  Südseite  des- 
selben Flusses  oder  vielmehr  eines  Arms  des  Schäri.  Nahe. 

3ter  Tag:  Garäm.  Ankunft  gegen  Anfang  der  Hitze,  worauf 
der  Referent  um  Dhohor  wieder  aufbrach  und  in  der  Ka- 
räga  schlief. 

4tcr  Tag:  Laffanä,  an  einem  grossen,  nach  Osten  (Nord- 
westen?) fliessenden  Flusse,  dem  Schäri. 

5ter  Tag:  Auf  dem  Sandufer  des  Flusses,  der  in  einem  gros- 
sen Boote  überschritten  wuide. 


570  Anhang  DL 

6ter  Tag:  Ba-880,  Ortschaft  mit  mächtigem  Henn,  am  Nord- 
ufer des  Flusses,  den  der  Referent  wieder  zurüclqiassirte. 

7ter  Tag:  Mirti,  eine  Insel  im  Schäri  mit  fielen  Booten;  das 
Wasser  ist  jedoch  wegen  der  vielen  Sjt)kodile  gefahr- 
lich. 

8ter  Tag:  Haldnga,  eine  Ortschaft  am  Nordufer  des  Schari, 
die  mit  Bu-ssö  einen  Herrn  gemeinsam  hat 

9tcr  Tag :  Tabe,  grosse  Stadt  am  Südufer  des  Flusses  mit  ge- 
mischter Bevölkerung. 

lOtcr  Tag:  Gadäng,  Kerdi-Ortsdiaft  weit  vom  Flusse.  An- 
kunft um  Dhohor. 

lltcr  Tag:  Kiär,  eine  aus  kleinen  Weilern  bestehende  Dorf- 
schaft,  abseits  vom  Flusse  gelegen. 

12ter  Tag:  [Miltü],  grosser  Ort  mit  vielen  Pferden,  damals 
(1850)  dem  mächtigen  Herrn  Ali  Fendjär  gehörig,  der 
bald  darauf  hochverelirt  in  der  Hauptstadt  von  Baghirmi 
starb. 

IS^«"  Tag:  Ortschaft  des  Bang -Dam,  der  von  allen  Leuten 
allein  Kleidung  trägt.  Das  Land  umher  ist  voll  kleiner 
Weiler  mit  viel  Baumwuchs  auf  Sandboden.  Die  Elin- 
wohner  essen  Pferdefleisch. 

14tcr  Tag:  l'ssemrai  oder  Ssomrai,  grosser  Distrikt  des  Sul- 
tans („bang'')  Wondja,  dessen  Boden  aus  Thon  besteht, 
Ankunft  früh  am  Morgen. 

15ter  Tag:  Eine  andere  Ortschaft  von  Tssemrai  mit  einem 
besonderen  Herrn  Namens  Bürsso.  Die  Bewohner  des 
ganzen  Landes  trinken  nur  aus  Brunnen  von  2 — 3  Klaf- 
tern Tiefe  und  essen  hauptsächlich  rothes  Sorghum.  Der 
Boden  besteht  aus  Thon;  die  Felder  werden  von  einigen 
grossen  Bäumen  beschattet. 

I6t«r  Tag:  Fätschang  Göngaue,  Herrschaft  eines  grossen  Sul- 
tans, dessen  Land  dicht  bewohnt  und  voll  Wasserfurchen 
—  „ssel"  oder  „ngaldjam"  —  ist,  die  jedoch  nur  zur  Re- 
genzeit, wo  das  Land  unpassirbar  ist,  Wasser  haben. 


Strassen  im  Inneren  Baghlrmrs.  571 

17ter  Tag:  G&bberi  oder  vielmehr  eine  grosse  Ortschaft 
(Djogtö?)  im  Gebiete  von  Gabberi,  die  man  am  Abend 
erreicht,  nachdem  man  um  Mittag  geruht  hat.  Die  Ein- 
wohner haben  als  Waffe  nur  das  Handeisen,  das  sie  in 
ihrer  Sprache  „djigadji"  nennen.  Sie  besitzen  viele  Pferde 
und  viel  Rindvieh,  sollen  aber  dennoch,  wie  die  Bewohner 
des  ganzen  Landes  des  Bdng-Wondja,  nur  Hundefleisch 
essen.  Ausserdem  schlachten  sie  unter  einer  grossen 
Sykomore  —  „djimes"  —  Hunde,  Schaafe  und  Hühner 
zu  Ehren  ihrer  Gottheit  und  begleiten  diese  Handlung 
mit  einer  lauten,  auf  Rindshäuten  erzeugten  Musik.  Sie 
rauben  und  bekriegen  sich  gegenseitig. 

18ter  Tag:  Korinina,  grosse  Ortschaft  des  Sultans  Koina  (eines 
Sohnes  Gossdegä's),  im  Inneren  von  einem  Ei^wall,  dann 
von  einer  weiteren  Holzumfassung  und  nach  aussen  hin 
von  Gräben  und  Bäumen  umgeben.  Rings  um  den  so 
befestigten  Hauptort  liegen  viele  kleine  Weiler  umher. 
Die  Einwohner  tragen  nur  einen  Lederguii;  um  die  Hüften 
und  beschneiden  sich  nicht.    Sie  haben  viel  Bohnen. 

19ter  Tag:  Eine  grosse,  dem  Sultan  Gossdegä  gehörige  Ort- 
schaft des  Gebietes  Ssarä,  deren  Bewohner  viel  Duchn, 
Sorghum  und  Bohnen  bauen  und  einen  nützlichen  Baum, 
den  Täbur,  pflanzen.  Letzterer  trägt  Früchte  wie  Datteln, 
hat  eine  grosse  Krone,  aber  kleine  Blätter,  und  sein  Mark, 
das  weiss  wie  fett  ist,  bildet  die  Butter  und  das  Öl  der 
Einwohner.    (Denselben  Baum  fand  ich  später  am  Niger.) 

208ter  Tag:  Ssarä-ngär-Kümra,  eine  Ortschaft  mit  stehendem 
Wasser,  irrthümlich  als  dem  Sultan  Gossdegä  gehörig 
angegeben. 

2l8ter  Tag:  Ssarä -be-Dai,  Ortschaft  des  Sultans  Ssdria  (der 
viele  Pferde  besitzt),  am  oberen  Schäri.  Ganzer  Tage- 
marsch mit  Ausruhen. 

228tcr  Tag:  Yäldang  (oder  Nyeldang),  Stamm  und  Ortschaft 
der  grossen  Völkerschaft  der  Büa,  die  im  südlichen  Theile 


572  Anhang  IX. 

ihrer  Landschaft  einen  hohen  Berg  bat,  wohin  sie  sich 
zur  Kriegszeit  flüchtet. 

23«ter  Tag:  Gamkül,  Ortschaft  einer  anderen  Abtheilung  der 
Büa.  Der  Boden  besteht  aus  Sand  mit  Felsaufsprüngen, 
die  mit  Bäumen  bekleidet  sind,  und  ist  von  kleinen  Rinn- 
salen durchschnitten.  Giraffen,  Löwen,  Elephanten  und 
Schweine  hausen  in  dieser  Gegend;  die  letzteren  bilden 
die  Hauptnahning  der  Bewohner. 

248tcr  Tag :  Dan  Madobö  (oder  Middobö),  jenseits  eines  Berg- 
zuges gelegen,  den  man  überschreitet,  und  dem  Sultan 
Gare  gehörig.  Das  Land  trägt  Kotton,  Duchn  und  Sor- 
yhum. 

258ter  Tag:  Dan  Bebe,  Ortschaft  des  Sultans  („gär")  Godä. 
Das  Land,  welches  zur  Regenzeit  von  Wasserströmen 
durchzogen  wird,  bringt  Kotton  und  Sorghum  hervor. 

268ter  Tag:  Korne,  in  gebirgiger  Landschaft  gelegen.  Die 
Leute  wohnen  jedoch  miten  am  Fusse  der  Berghöhen  und 
steigen  nur  zur  Zeit  der  Feldarbeit  hinauf,  weil  ilire 
Saat  auf  den  Berghöhen  wächst;  sie  haben  nur  Brunnen. 
Kurzer  Marsch. 

278tcr  Tag:  Komare,  in  einer  gebirgigen  Landschaft,  welche 
Kotton  producirt.  Die  Einwolmer  tragen  nur  einen  Leil>- 
gurt  und  verehren  einen  Felsen  als  ihren  Gott;  jedoch 
soll  es  auch  einige  Moslemin  unter  ihnen  geben. 

2!S»tcr  Tag :  Andi,  Ortschaft  der  Ssodjigä,  die  ihre  Pferde  wie 
si(!h  selbst  bekleiden  sollen.  Die  Landschaft  ist  gebirgig. 
Voller  Tagemarsch. 

Andi  ist  von  Gogomi  2  Tagemärsche  entfernt  (man  geht 
über  Djili)  und  liegt  30  Meilen  nördlich  von  Gamkül. 

29ster  Tag:  Burdä,  grosse  Ortschaft  der  Gännanga  oder  viel- 
mehr Mdnga  mit  einem  tiefen,  fischreichen  See  (ob  iden- 
tisch mit  dem  See  Bissä,  den  man  zwischen  Gogomi  und 
Andi  passirtV). 

30ster  Tag :  Tamki,  Ortschaft  der  Ssokorö,  die  mit  Lanze  und 


Strassen  im  Inneren  Baghirmi's.  573 

Bogen  bewafifnet  sind  und  sich,  die  Weiber  ausgenommen, 
kleiden.  Sie  sollen  gekochte  Eidechsen  essen,  haben  aber 
auch  Sorghum,    Ihre  Landschaft  ist  gebirgig. 

3 Ister  Tag:  Goberä,  ein  Kerdi-Ort  in  gebirgiger,  baumreicher 
Landschaft. 

328ter  Tag:  Bäng-Bai,  eine  an  der  Südseite  eines  ansehnlichen, 
fischreichen,  ostwärts  fliessenden  Stromes  gelegene  grosse 
Stadt;  sie  steht  unter  dem  Häuptling  Ssarä  Gulä.  (Alle 
diese  Angaben  sind  vollkommen  richtig;  aber  dieses  Bdng- 
Bai  ist  gänzlich  verschieden  von  dem  Gebiete  Bai  am  Flusse 
von  Logone.  Der  Fluss  ist  nach  Ramadhän  identisch  mit 
dem  Bahhr  Raschid,  der  nach  ihm  von  hier  über  Tamkl, 
Audi,  Nyeldang  und  Gamkür zieht  und  sich  bei  Nilem 
mit  dem  Schäri  vereinigt.)  Die  Einwohner  leben  wie  das 
Vieh,  haben  nur  Schleudern  und  bauen  keinen  Kotton. 

Bdng-Bai  ist  4  Tagemärsche  von  Abu  Telfän  und  2^ 
von  Middogö  entfernt. 

u)  Strasse  von  Mäsena  nach  Rünga  und  Ssillä.   Weg  nicht 
gerade,  sondern  mit  westlicher  Abweichung. 

Nach  Agid  Burku. 

Ister  Tag:  Ginim,  eine  ansehnliche  Ortschaft  mit  Erdwall  und 
gi*osser  Dschäma  aus  Thon.  Es  gibt  hier  viele  Bäume 
von  der  „äriss"  genannten  Art 

2tcr  Tag:  Am-djerri,  ein  Ort  von  mittlerer  Grösse  mit  Holz- 
wall, bewohnt  von  Elephanten-  und  Löwenjägem.  Man 
passirt  Wald. 

3ter  Tag:  Kirssua  (Djibilki  [V]),  an  einem  Gewässer  gelegen, 
das  nach  Nordnordwest  zieht,  viele  Fische  enthält  und 
von  den  Anwohnern  (zur  Regenzeit)  in  „buchssa",  jenen 
grossen,  schon  bei  früherer  Gelegenheit  beschriebenen 
Kürbissen,  beschifft  wird.    Waldige  Gegend. 

4ter  Tag:  Kirssua  Hirla,  Ortschaft  mit  einem  mächtigen 
Häuptling,  um  deren  südliche  Seite  sich  ein  grosses,  mit 


574  Anhang  IX. 

Bäumen  bewachsenes  Gebirge  herumzieht  Die  Einwohner 
sind  halb  Heiden,  halb  Moslcmm.    Starker  Marsch. 

5ter  Tag:  Beddnga,  eine  mit  Holzwall  umgebene  Ortschait, 
um  die  sich  im  Westen  ein  Berg  herumzieht;  nur  von  Hei- 
den bewohnt.  Mit  grossen  Feigenbäumen  —  „djimes'^  — ^ 
die  für  heilig  gehalten  werden.  Der  Boden  ist  nach  Nor- 
den zu  Sand,  nach  Süden  Thon.  Die  Brunnen  sind  etwa  5 
Klaftern  tief.  Der  „gär''  Bed&nga  ist  von  Baghfrmi  abhängig. 

6ter  Tag:  B&mmenä,  Heidenort  im  Gebirge,  dessen  Bewohner 
nur  aus  Bnmnen  trinken.  Die  Hütten  bestehen  aus  Rohr. 
Nahe. 

7ter  Tag:  O'le  Mdntandjä,  grosser  Heidenort  Der  Obertheil 
der  Hütten  besteht  aus  Rohr,  der  Untertheil  aus  Thon. 
Der  Referent  ruhte  um  Mittag  an  einem  grossen  Berge  in 
der  Ghalla. 

8ter  Tag :  Ssömo,  Ortschaft  mit  Quellen,  theils  oben  auf  einem 
Berge,  theils  am  Fusse  desselben  gelegen.  Die  Einwohner, 
insgesammt  Heiden,  haben  Pferde,  Kühe  und  Schaafe,  es- 
sen Schweinefleisch  und  bauen,  was  bemerkenswerth  ist, 
viel  Kotton.  „Tetel"  (Anttlo2)e  oryx)  sind  zahlreich;  da- 
neben ein  Thier,  „wdktotö"  genannt,  wie  eine  Katze,  aber 
ohne  Schwanz,  vielleicht  identisch  mit  dem  früher  be- 
schriebenen „ssümmoli". 

gter  Tag:  Gellä,  Ort  mit  besonderem  Herrn,  an  einem  klei- 
nen, nach  Süden  ziehenden  Gewässer,  Muggerü  genannt, 
welches  reich  an  Fischen  ist  und  zur  Regenzeit  mit 
Buchssen  beschifft  wird. 

10t«r  Tag:  Gär-Ssära  oder  Ngär-Ssära,  grosse  Heidenortschaft 
mit  mächtigem  Herrn  Namens  Maket,  an  einem  stehen- 
den, nur  zur  Regenzeit  fliessenden  Gewässer  —  „ssel"  — , 
das  man  mit  Buchssen  befährt  oder  auf  einem  von  der  einen 
nach  der  anderen  Seite  gespannten  Tau  überschreitet 
Auf  dem  Wege  ruht  man  an  einer  Gruppe  von  vier  Brun- 
nen, am  Fusse  eines  Gebirges. 


Strassen  im  Inneren  Baghirmi's.  575 

llter  Tag:  Dimbar,  grosser  Heidenort,  blos  aus  Rohrhütten 
bestehend,  dessen  Herr  Gär-Dogö  heisst.  Meines  Referen- 
ten Geburtsort. 

12ter  Tag:  Bänam,  grosser  Ort, -in  dessen  Nähe  sich  ein  ho- 
her Berg  erhebt,  der  „tot  Schfmme".  Das  Land  bringt 
Duchn,  Sesam,  Sorghum  und  viel  Kotton  hervor.  Die  Feld- 
arbeit wird  nicht,  wie  gewöhnlich  im  Sudan,  von  den  Wei- 
bern verrichtet,  sondern  von  den  Männern,  indem  die  er- 
steren  die  Oberhand  besitzen. 

13ter  Tag:  Gorgor,  Ortschaft  mit  kleinem  Gewässer,  nur  dem 
Namen  nach  zu  Baghlrmi  gehörig,  in  gebirgiger  Landschaft 
mit  vielem  rothen  und  blauen  Gestein.  Die  Höhen  steil 
aufspringend.  Die  Einwohner  haben  Lanze  und  Schwert 
(höchst  beachtenswerth),  nur  Wenige  Bogen. 

14ter  Tag:  Lete,  in  gebirgiger  Landschaft.    Ganz  nahe. 

15ter  Tag:  Bubü,  mittelmässiger  Ort.    Ganz  nahe. 

leter  Tag:  Tscheiemi,  grosser  Ort. 

17ter  Tag:  Kenga  Matiia,  grosse  Ortschaft  mit  mächtigem 
Sultan,  bei  einem  östlich  vom  Orte  sich  von  Norden  nach 
Süden  hinziehenden  Wassersal.  Nahe  bei  Kenga  steigt 
eine  steile  Gebirgswand  aus  buntem  Gestein  auf,  so  bunt 
wie  ein  Teppich  und  dicht  bevölkert  mit  Vögeln,  daher 
„Vater  der  Vögel"  oder  „Vogelfels"  genannt.  An  ihrem  Fusse 
halten  die  Bewohner  zur  Sommerszeit  bei  ihrem  Tempel 
ein  grosses  Fest  ab.  Der  Tempel  besteht  aus  einer  geräu- 
migen Hütte,  über  deren  Kopfspitze  ein  Gefäss  schwebt,  das 
aufsteigen  soll,  wenn  Feinde  kommen,  und  wieder  herab- 
steigen, wenn  sie  weg  sind.  Sie  schlachten  hier  Hühner 
und  Hammel,  bringen  Sorghum  und  Lupinen  mit  und  säen 
sie,  worauf  noch  am  selbigen  Tage  Alles  reifen  soll,  so 
dass  sie  die  Frucht  schneiden,  kochen  und  essen.  Sie 
stellen  dann  zwei  Frauen  auf  einen  hölzernen  Mörser 
—  „kdrru"  oder  „fimduk"  —  zu  jeder  Seite  der  Hütte, 
kleiden  sie  prächtig,  worauf  sie  sich  in  Pferde  verwandeln 


576  Anlumg  IX. 

und  den  Kdmi  prügeln,  der  selbst  wie  ein  Pferd   auf- 
springt. 

Diese  fabelhaften  Angaben,  sie  mögen  nun  auf  was  im- 
mer für  einem  Betrug  beruhen,  wurden  mir  ganz  unabhän- 
gig auch  von  anderen  höchst  glaubwürdigen  Referenten 
eraählt.  Das  über  der  Hütte  schwebende  Gefäss  soll  ihre 
Gottheit  vorstellen. 

Nach  dem  erfahrenen  Ramadhän  Degedji  liegen  zwi- 
sch(4i  Kenga  und  Belel-Kole  folgende  Bergortschafiten  in 
kui-zen  Etappen  von  einander:  Ger  (Gere,  siehe  weiter  un- 
ten), grosse  Bergortschaft  mit  vielen  Bewohnern;  Ssära, 
dem  Sultan  Moche  gehörig;  Bedänga;  Bämmenä;  Badjäu 
und  Mere  (Bergortschaft  an  dem  nach  Audi  ziehenden 
Wasser);  dann  Djennä,  Kedil,  Kotkol  und  Belel-Kole. 

IS^c^  Tag:  SsȊr,  grosser  Ort  auf  und  am  Fusse  eines  grossen 
Berges,  auf  dem  der  mit  einer  Erdmauer  umgebene  Pa- 
last  des  Sultans  steht,  der  am  „äid  el  kebir"  die  ihm  un- 
tergebenen kleineren  Herren,  die  ilmi  Geschenke  bringen, 
traktirt,  wozu  er  eine  Menge  Rinder  schlachtet. 

I9tcr  Tag:  Doi,  grosser  Ort  mit  besonderem  Herrn.    Nahe. 

2Ü8ter  Tag:  Dangal,  ()i*tschaft  oben  auf  einem  Berge,  in  ge- 
birgiger Landschaft. 

2l8ter  Tag:  Banal,  grosse  Ortschaft  am  Fuss  eines  steil  auf- 
steigenden Gebirges,  mit  zahlreicher  Reiterei.  Der  Berg 
oder  Gebirgszug,  ,.Gcre"  genannt,  soll  sich  über  30  Tage- 
reisen lang  hinziehen  und  auf  seinen,  von  Thälern,  in  de- 
nen sich  zur  Regenzeit  Wassersale  bilden,  und  von  fisch- 
reichen Bergsee'n  unterbrochenen,  Ilölien  zahlreiche  Dorf- 
schaften enthalten,  deren  Bewohner  sich  kleiden  und  reiche 
Heerden  besitzen.  Aber  zuweilen  soll  es  hier  oben  sehr 
kalt  sein  und  Schnee  oder  wohl  Hagel  fallen.  Dieses  ganze 
Land  steht  unter  der  Oberholieit  von  Kenga. 

228tor  Tag :  Ion,  grosse  Ortschaft  aan  Fusse  des  Berges  unter- 
halb Kenga.  «i  , 


Strassen  im  Inneren  Baghirmrs.  577 

238ter  Tag :  Tamki  (s.  oben),  grosse  Ortschaft  mit  dem  Sultan 
Bischära  Milkete.  Tamki  ist  geraden  Weges  von  Kenga 
nur  1  Tagereise  südwestlich  entfernt. 

24«ter  Tag:  Göber,  Ort  auf  einer  Bergerhebung  von  rothem 
Gestein,  dessen  Bewohner,  mit  Bogen  und  Pfeilen  bewaff- 
net, sehr  furchtbar  sind.  Die  Landschaft  ist  mit  mehre- 
ren Rinnsalen  versehen. 

258ter  Tag:  Djaifi,  (iruppe  mehrerer  Dörfer  oben  auf  dem 
Berge. 

268ter  Tag:  Minedogö. 

278ter  Tag :  Mlddogö,  Bergortschaft  oder  vielmehr  Distrikt  mit 
gegen  40  Weilern,  um  eine  vereinzelte  Bergerhebung  her- 
umliegend, mit  einem  Herrn  Namens  A'bü  Choddr.  Die 
Einwohner  Hüchteten  sich  bei  dem  Einfalle  der  Wdddi's 
im  Jahre  1852  auf  den  Berg,  wo  sie  sich  7  Monate  lang 
hielten,  bis  das  Heer  Wdddi's  abzog. 

288ter  Tag :  Drongolö,  Dorf  der  A'fanin,  einer  Abtheilung  des 
Stammes  der  Küka  oder  vielmehr  eines  einheimischen,  den 
Letzteren  unterworfenen  Stammes,  am  Thale  des  Bat-ha, 
mit  stehenden  Wasserpfuhlen. 

298ter  Tag:  Kündjur,  Ortschaft  der  Küka. 

SQstcr  Tag:  A'm-Chariiba,  Distrikt  mit  vielen  kleinen  Dorf- 
schaften am  Bat-hä,  dessen  Ufer  h^r  mit  zahlreichen  Düm- 
palmen  (DelebpalmeuV)  besetzt  sein  soll.    Ganz  nahe. 

3l8ter  Tag:  *  Kornai,  grosse  Ortschaft  der  Küka,  ganz  aus 
Rolu'hütten  bestehend.     Das  Hauptprodukt  ist  Duchn. 

32ster  Tag:  Birket  Fdtima,  grosses  stehendes  Wasser  am 
nördlichen  Ufer  des  Bat-hä,  von  wo  aus  man  eine  grosse 
Ortschaft  sieht. 

338ter  Tag  (der  Referent  wendet  sich  jetzt  südlich):  Ansehn- 
liche Ortschaft  der  Massmadje,  Araber  mit  Heerden,  am 
Fusse  des  Gebirges,  auf  dessen  Gipfel  Heiden  wohnen. 
Die  Landschaft  ist  reich  an  grossen  Bäumen. 

348ter  Tag :  Ansehnliches  '  ^orf  der  Dadjö.  In  der  Challa  wan- 

Uarth't  Roben.     UI.  37 


I 


578  Anhang  IX. 

dert  eine  grosse  Menge  Fellän  oder  Fulbe  mit  ihren  Heer- 
den  umher. 

358ter  Tag:  Korbe (V),  grosse  Ortschaft  oder  viehnehr  Distrikt 
der  Mässalät  (die  der  Referent  fälschlich  für  Araber  hält) 
an  einem  Gewässer  Namens  Berekat,  mit  zahlreichen  Heer- 
den,  aber  höchst  diebischen  Einwohnern.  Nördlich  von  den 
Wohnungen  der  Mässalät  ist  nach  dem  Referenten  kein 
eigentliches  Gewässer. 

368ter  Tag :  Weiler  der  *Arab  Ssälamät ,  gemischt  mit  Heiden 
und  selbst  halb  Heiden,  am  Bahhr  e'  Tini,  einem  still- 
stehenden Gewässer. 

378ter  Tag:  Distrikt  der  Ueläd  Raschid. 

SSster  Tag:  Grosse  Ortschaft  der  Bdndalä,  wo  viel  Honig 
producirt  wird. 

398ter  Tag :  Dar-Sseli,  grosser  Distrikt,  ganz  eben,  mit  grossen 
Bäumen. 

408terTag:  Ssofdlauen,  kleiner  Ort,  von  Arabern  bewohnt,  die 
der  Referent  für  Heiden  erklärt,  mit  'Abd  e'  Rahmän 
Djöko  als  Häuptling  an  ihrer  Spitze. 

4l8ter  Tag:  Grosser  Ort  des  Herrn  von  Rünga.  Das  Land  ist 
von  vielen  Bergen  unterbrochen. 

42«ter  Tag:  Dar-Schila,  gebirgiges  Land  mit  einem  nach  Ost 
fliessenden  Fluss,  jopseits  dessen  Dar-Dinga  liegt. 

v)  Strasse  von  Kükaua  über  Lögoue  und  Bu-ssö  nach 

Bang-Bai. 

Nach  den  Angaben  von  Sklavenhändlern. 

Ister  Tag:  Ngomu. 

2ter  Tag:  Ngäla. 

3ter  Tag:  A'fade. 

4tcr  Tag:  Kala  Kabe. 

5ter  Tag:  Hdllebü. 

6ter  Tag:  Kala  Guril. 

7ter  Tag:  Kdrnak  Logone  oder  Logon  bimi. 


Strassen  im  Inneren  Baghfrmrs.  579 

Ster  Tag:  Kübu  ngölo,  grosse  umwallte  Stadt. 

9ter  Tag:  Bügomäu,  grosse  Stadt  unter  dem  Sultan  Massen, 
an  der  Westseite  des  Schäri. 

lOter  Tag :  Mayemba  oder  Manchfa,  an  der  anderen  oder  Ost- 
seite des  zwischen  diesen  beiden  Städten  fliessenden  gros- 
sen Flusses. 

llter  Tag:  Müssgu,  zei'streute  Weiler  in  einer  Landschaft  mit 
einzelnen  Höhen.  Man  hält  sich  immer  am  Wasser  ent- 
lang. 

12ter  Tag:  Baien ere. 

13ter  Tag:  Mondö. 

14ter  Tag:  Murö. 

15ter  Tag:  Gurumbdnga. 

16ter  Tag:  Gadö. 

17ter  Tag:  Kokotschö. 

18ter  Tag:  Mafele,  immer  am  Fluss  entlang  gehend. 

19ter  Tag:  Laflfanä. 

208ter  Tag:  Bu-ssö,  grosser  Ort  unter  einem  bedeutenden 
Häuptling. 

2l8ter  Tag:  Mirti,  Ort  auf  einer  Insel  im  Schäri. 

228ter  Tag:  Birrl.    Alles  am  Flusse. 

238tcr  Tag:  Mongolä,  dessen  Herr  Binlgo  heisst. 

248ter  Tag:  Mütu,  Ort  an  demselben  Fluss,  mit  Booten, 
Unghurütu,  und  Krokodilen.  Von  dichter  Waldung  um- 
grenzt. 

25ster  Tag:  Bargnä,  ansehnlicher  Ort. 

268ter  Tag:  Djö  (nicht  Yö),  eine  andere  Heidenortschaft. 

278ter  Tag:  Billai,  die  letzte  Ortschaft  am  Flusse  Schäri. 

288ter  Tag :  Nigi,  Dorf  in  einer  Landschaft  mit  kleinen  Rinn- 
salen, die  dem  grossen  Flusse  zuziehen. 

29ster  Tag:  Togilä,  am  Bdtschikäm. 

SOater  Tag:  Kerbe,  grosser  Ort  in  waldiger  Gegend. 

3l8ter  Tag:  Goreö. 

328ter  Tag:  Bükkabe,  eine  an  einem  Fluss  g(^loi^ene  Ortscliaft. 

37* 


i 


580  Anhang  IX. 

338ter  Tag :  Limmirkai,  am  grossen  Fluss,  1  Tagereise  vor  Attar. 
348ter  Tag:  Bekang.  —  Die  Einwohner  aller  dieser  Orte  gehn 
nackt,   sind  nur  mit  dem  Handeisen  bewaffnet  und  essen 
Hundefleisch. 

358ter  Tag:  KcSrbol,  eine  andere  Ortschaft  an  demselben 
Flusse. 

368tef  Tag :  Büa  Dassär  (so  benannt  nach  dem  Sultan  Dassär). 
Die  Einwohner  essen  Rind-  imd  Pferdefleisch  und  binden 
sich  die  Schweife  der  Pferde  um  die  Hüften;  der  Baum 
„delu"  vertritt  ihre  Gottheit. 

378ter  Tag:  Köna. 

388ter  Tag:  Nyegel. 

398ter  Tag:  Nilem,  eine  hochgelegene  Ortschaft  auf  einer  in- 
selartigen Landspitze  zwischen  dem  Schäri  und  einem 
Zufluss  (dem  Wasser  von  Andi),  auf  der  Ostseite. 

408ter  Tag:  Kunnö. 

4l8ter  Tag:  Djenge.  grosser  Ort  am  Fusso  des  hier  aus  der 
Ebene  aufsteigenden  Gebirges. 

428ter  Tag:  Gaschäffar,  ein  Ort  im  (iebirge. 

43ster  Tag:  Tengi,  ein  Ort  in  gebirgiger  Gegend  und  an  der 
Westseite  eines  Flusses  (des  Schäii?). 

448ter  Tag:  Fätum,  in  ebener,  baumreicher  Gegend  am  Fluss. 

458ter  Tag:  Köm. 

46ster  Tag:  Kümra  (Ssarä-ngär-Kiimra),  in  einer  Gebirgsland- 
schaft gelegen. 

478ter  Tag:  Bang-Bai,  ein  (in  diesem  Theile)  nicht  ebener  Di- 
strikt mit  vier  Häuptlingen,  von  denen  einer  Djimdil 
heisst. 

488ter  Tag:  Küdumür,  Ortschaft  mit  einem  Berge. 

49ster  Tag:  (jedjemir.  Ort  mit  einem  Berge  und  einem  süd- 
wärts laufenden  Flusse. 

oOster  Tag:  Bang-Derlr,  Gebirgslandschaft  mit  einem  Flusse, 
wo  der  „kö"  (ein  Baum  mit  grossen  Früchten)  zahlreich 
vorhanden  ist. 


Strassen  iiu  Inneren  Baghirnii's.  581 

ölster  Tag:  Dai,  in  gebirgiger  Landschaft  und  mit  einem 
Fluss. 

528ter  Tag:  Guräl,  eine  in  ebener  Landschaft  gelegene  Ort- 
schaft; sie  wird  von  bösartigen  Menschen  von  rother 
Hautfarbe  bewohnt. 

ößster  Tag:  Tscholol,  Ortschaft  des  Häuptlings  Kiki. 

548ter  Tag:  Djogtö,  grosse  Ortschaft. 

[Alles  keine  starken  Märsche.] 

558tcr  Tag :  Mugmö,  in  einer  ebenen,  baumreichen  Landschaft 
mit  nur  kleinen  Wassersalen  (ohne  fliessendes  Wasser). 
Der  Boden  bringt  Duchn  hervor.  Elephanten  und  reis- 
sende Thiere,  besonders  Hyänen,  sind  selir  zahlreich. 

568ter  Tag:  Gam,  ein  in  ebener  Landschaft  gelegener  Ort. 
Die  Bewohner  gehn  sämmtlich  nackt  einher,  essen  Hunde- 
fleisch und  haben  nur  Handeisen. 

578ter  Tag:  Ssomrai,  ebene  Landschaft  mit  einem  kleinen 
Wasserlauf. 

ödster  Tag :  Yälma,  ebene  Gegend.  Man  ändert  nun  seine  Rich- 
tung. 

öQsterTag:  Dolemä,  in  ebener  Landschaft  gelegen,  mit  dem  vo- 
rigen zu  Ssomrai  gehörig.  Grosse  Bäume ;  der  Boden  trägt 
nur  Duchn.  Die  Leute  besitzen  Hunde,  Rinder  und  Schweine. 

eOster  Tag:  Tschlre,  grosse  Ortschaft. 

6l8ter  Tag:  Gdbberi,  ebene  Landschaft.  Kein  fliessendes 
Wasser,  sondern  nur  Brunnen. 

628ter  Tag:  Kimre. 

Strasse  von  Moitö  nach  Babäliä. 

Nach  Ramadhän  DegSdji. 

Ister  Tag:  Augüra,  Küka-Ort. 

2ter  Tag:   Dimdim,   Wadi,   wo  die  Bewohner  Moitö's  Natron 

holen    und    in    welches    die    Schüa    gern  ihre  Heerden 

treiben. 
3ter  Tag:  Kargha. 
4ter  Tag:  Babäliä. 


J 


582  Anhang  IX. 

Strasse  von  Mäsena  nach  Meddebä. 
Ister  Tag:  Bäkadä.    Kurzer  Marsch.        ) 
2ter  Tag:  KollekoUe.    Kurzer  Marsch,    f    ^"^'^^  ^J  Tagemär- 

^  y         sehen  abzumachen. 

3ter  Tag:  Marga.    Kurzer  Marsch.  ) 

4ter  Tag:  Djogode,  eme  grosse,  von  Kanöri  bewohnte  Ort- 

,  Schaft,  Residenz  eines  Chalifen. 
5ter  Tag:  Meddebä. 

w)  Strasse  von  Mäsena  über  Gäui  nach  M&ö. 

Nach  Agid  MQssa. 

[Der  Berichterstatter  wurde  vor  9  Jahren  von  'Othmän  Bü- 
gomän  nach  Känem  geschickt,  um  Mohammed,  den  Sohn  *A.bd 
el  Djelil's,  zu  begrüssen  und  ihm  zur  Einleitung  von  Unter- 
handlungen eine  Anzahl  Sklaven  als  Geschenk  zu  übergeben. 
VjY  ward  vom  C!halifen  'Ali  beinahe  getödtet,  und  die  Unter- 
handlungen zerschlugen  sich  bald  in  Folge  der  Unsicherheit 
des  Weges.  I 
Ister  Tag:  A'bü-(ihcr. 
2ter  Tag:  Tschekkä. 
3tcr  Tag:  Derdja. 

4tor  Tag:  Meddebtä,  etwas  oberhalb  Kiessem,  am  Schäri  ge- 
legen. 
5terTag:  Giiui,  früher  eine  bedeutende  Stadt  jetzt  aber  mit 
nur  wenig  Einwohnern,  nachdem  es  vom  Scheich  Moham- 
med el  Känemi  zerstört  worden,  der  es  im  Jahre  1234 
d.  H.  (18'vi9  n.  Chr.)  mit  Hilfe  Müsstafa  el  A'hmars  und 
Muckeni's  einnahm. 

(laui  ist  von  Kiessem  etwa  20  Meilen  entfernt, 
fjtor  Tag:  Eine  Ortschaft   der 'Arab  Yamanük  oder  der  l)ä- 

ghana,  an  einem  stehenden  Wasser  gelegen. 
7tiT  Tag:  Kidik. 

v<ter  Tag:  BabäüA,  früher  Sitz  einer  besonderen  Ileri-schall 
mit  eigtMiem  Dialekt  (demselben,  der  in  Ih'igomän  gespro- 
chen wird),  aber  seit    seiner  Zei-störung  durch  Miisstafa 


Strassen  iin  Inneren  Bagbirmrs.  583 

el  ATimar  und  Muckeni  (in  demselben  Jahre  wie  Gaui) 
iast  ganz  verlassen;  nur  umher  noch  einige  Anwohner. 
Babäliä  ist  etwa  12  Meilen  vom  Schäri  entfernt  und 
einen  starken  Tagemarsch  (30  Meilen)  von  Gaui. 

9^er  Tag:  Siän,  eine  zu  Kärkä  oder  Kargha  gehörige  Ort- 
schaft. 

10*«r  Tag :  Ein  nahe  am  See  gelegener,  zu  Kärkä  gehöriger 
Weiler. 

llter  Tag: 

12ter  Tag:  (  ^j^.^^  ^^.^^^  _    ,^j,i^j^^„  _  ^^^^  g^j.j^- 

13ter  Tag: 

14ter  Tag: 

löter  Tag:  Ort  der  Nefässa. 

16ter  Tag:  Ort  der'Arab  Känem.  Starker  nächtlicher  Marsch 

(vor  'Asser  bis  zum  Morgen  des  folgenden  Tages). 
17ter  Tag:  M&ö. 

x)  Ortschaften  am  Schäri,  von  Bügomän  abwärts. 

Von  Bügomän  am  Flusse  abwärts  liegen:  Yaiiya;  Bäla 
Mässa  (mit  Erdwall);  Kudjl;  A'-ssü  oder  Aissü  (mit  einem 
im  äussersten  Verfall  befindlichen  Erd wall);  Ndära;  Mai  Dalä; 
Gedie;  Mele. 

Von  Mele  am  Flusse  abwärts  liegen:  Meddebä;  Kiessem, 
ansehnlicher  Ort  mit  einem  eigenen,  zur  grossen  Gruppe  der 
Kotokö  gehörigen  Idiom,  20  Meilen  von  Mele  entfernt;  Ti- 
bälo;  Scheggua  oder  Kindji  Biirgu,  mit  der  Fürth  Ssina- 
Fätscha,  wo  sich  der  Fluss  von  Logone  mit  dem  Schäri  verei- 
nigt; Gulfe;  Mafang;  Schdui,  ein  aus  Denham's  Beschreibung 
wohlbekannter  Ort;  Mäkari,  ein  sehr  wichtiger  Ort,  sowohl 
wegen  der  Schifffahrt  auf  dem  Schäri  und  Tsäd,  als  auch 
wegen  seiner  Färbereien;  (ich  empfehle  daher  dessen  Besuch 
späteren  diese  Gegenden  erforschenden  Reisenden  auf's  Drin- 
gendste). 


584 


Anhang  IX.    Strassen  im  Inneren  Bagblrmrs. 


Das  überaus  wichtige  Itinerar  einer  von  A'm-madjüra  (iii: 
Süden  Dar-För's)  in  südwestlicher  Richtung  durch  Bända 
(oder,  wie  es  von  diesen  von  Arabischer  Kultur  berührten 
Stämmen  genannt  wird,  Dar-Bända)  bis  zum  Rande  eines 
grossen,  westlich  fliessenden  Stromes  gehenden  Strasse  vill 
ich  hier  nicht  weiter  besprechen,  sondern  verweise  auf  das 
Jounud  of  the  liof/al  Geoyrajfhical  Hoviety^  1853,  vol.  XXIIL 
p.  12(.).  Nur  das  will  ich  noch  bemerken,  dass  dieser  grosse 
Strom  für  künftige,  in  grossartiger  Weise  weiter  strebende 
Reiseunternehmungen  einen  Hauptpunkt  der  Erforschung  bil- 
den nmss. 


MUCHSTÜCKE 

eines  meteorologischen  Tagebuchois. 


Datam. 


Stunde. 


'   Grade 
Celsiua. 


Bcmerkuiig;en. 


JnU  1851. 

28. 


29. 
30. 


31. 


ÄuyUHL 
1. 
2. 


3. 
4. 


Souneuaufg. 

26 

Mittag 

27 

Mittag 

31 

Sonncnaufg. 

25 

Mittag 

34 

Sonnenunterg. 

32 

Sonnenaafg. 

23,3 

Mittag 

32 

Sonnenunterg. 

30 

Mitug 

35 

•        • 

Bewölkter  Himmel;  es  fallen  einige 
Regentropfen. 

Um  8J  Uhr  Vorm.  ein  heftiges,  von 
Regen  begleitetes  Gewitter,  wel- 
ches bis  11  Uhr  anhält. 

Während  der  Nacht  mehr  Regen. 


Früh  am  Morgen  ein  Gewitter;   um 
10  Uhr  Vorm.  einige  Regentropfen. 


Keine  Beobachtungen. 

In  der  Nacht  vom  2ten  zum  3*cn  ein 
heftiges  Gewitter ,  begleitet  von 
den  stärksten  Regengüssen ,  die 
wir  überhaupt  noch  in  dieser  Re- 
genzeit gehabt  hatten. 

Keine  Beobachtungen. 

In  der  Nacht  vom  4*«»  zum  5t««  wie- 
der ein  sehr  starker  Regengnss, 
welcher  bis  zum  Morgen  anhielt, 
aber  weder  von  Donner  noch  von 
Blitz  begleitet  war.  —  Keine  Be- 
obachtungen. 


r)8(j 


Brachstücke  eines  nietcorologigcheu  Tagebuches. 


Datum. 


Stunde. 


Grude 
Celsius . 


Bemerknnf^n. 


Au4piHt. 


5. 


6. 
7. 
8. 


9. 
10  — 11. 
12. 


13  - 14. 
15. 


16. 

17  - 18. 

19. 

20. 

21. 
22. 
23. 

24. 
2h. 
2B. 


27  —  28. 
2!». 
30. 
31. 


1  Uhr  Nachm. 


Mittag 
Mittag 
Mittag 


ßonncnaufg. 


Mittag 


•         •         ■ 


Mittag 


Mitt4ig 
Mittag 

Mittag 


■  •         •  • 


•  •  • 


Mittag 


23 


29 
26 
32 


22 


23 


31,5 


32 
33 


31 


32 


•         •         •        • 


Um  9^  Uhr  Vorm.  ein  starker  Re- 
genguss,  welcher  bis  11  Uhr  an- 
hielt und  dem  einige  WindstÖsse 
vorhergingen  und  einige  Donner- 
schlage folgten. 

Am  Morgen  bewölkter  Himmel. 

l'm  lOj  Ulir  Vorm.  Regen. 

Am  Morgen  schönes  Wetter,  gegen 
Mittag  bewölkter  Himmel  und  um 
2  Uhr  Nachm.  ein  heftiges,  von 
starkem  Regen  begleitetes  Gewitter. 

Am  Morgen  regnerisch,  nachher  Son- 
nenschein. 

Schönes  Wetter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

Um  11  Ihr  Vorm.  ein  sehr  heftiger 
Schauer,  der  aber  nicht  lange  an- 
hielt. 

Keine  Beobachtungen. 

Um  11  Uhr  Vorm.  Regen  und  am 
Nachm.  wieder.  —  Keine  Beob- 
achtungen. 

Bewölkter  Himmel.  —   Keine  Bcob. 

Keine  Beobachtungen. 

Schönes  Wetter. 

In  der  Nacht  ein  Gewitter  mit  hefti- 
gem Regen.  —  Keine  Beobachtung. 

Keine  Beobachtungen. 

Bewölkter  Himmel. 

Um  9  Uhr  Ab.  ein  .sehr  schweres 
CJewitter  mit  ziemlich  viel  Regen. 

Kalter  Nordwind. 

Keine  Beobachtungen. 

Um  1\  Morg.  ein  schweres  Gewit- 
ter mit  etwas  Regen.  —  Keine 
Beobachtungen. 

Keine  Beobachtungen. 

Schönes  Wetter.  —  Keine  Bcob. 

Keine  Beobachtungen. 


Bruchstücke  eines  metcorologischeu  Tagebuches. 


587 


DHtum. 

Stande. 

Grade 

Celsius. 

1 

Benicrkuiigren. 

September, 

^ 

1 

1. 

•      • 

1 

Schönes  Wetter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

2. 

Mittag 

25 

1 

Um  10  Uhr  Vorm.  ein  von  starkem 
Regen  begleitetes  Gewitter. 

3. 

•        • 

Am  Morgen  bis  beinahe  zum  Mittag 
Regen,  nachher  schönes  Wetter.  — 
Keine  Beobachtungen. 

4. 

Mittag 

31 

Während  des  Nachm.  etwas  Regen. 

5. 

•        • 

Keine  Beobachtungen. 

6. 

Mittag 

32 

7. 

***** 

•        • 

Viel  Regen,  zuweilen  hcttig,  zuwei- 
len schwach.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

8. 

Mittag 

30 

1). 

Mittag 

32 

10. 

•        • 

Keine  Beobachtung. 

11. 

•         • 

Schwerer  Thau.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

12. 

Mittag 

33 

13. 

Mittag 

32 

Bewölkter  Himmel ;  die  Sonne  bricht 
aber  allmiihlich  durch. 

14. 

Sonnenaufg. 

25 

15. 

•        • 

Schweres  Gewitter.  —  Keine  Beob- 
achtungen. 

16. 

Sonnenaufg. 

23 

17. 

• 

Keine  Beobachtungen. 

18. 

2  Uhr  Nachm. 

37 

in  der  Stadt    }t». 

19. 

2  Uhr  Nachm. 

37 

2(). 

2  Uhr  Nachm. 

3(5 

Heftiger  Ostwind. 

Sonneiiuntcrg. 

31 

21  -  22. 

•        • 

Keine  Beobachtungen. 

23. 

2i  Uhr  Nehm. 

32 

Um  9  Uhr  Ab.  ein  Gewitter  mit  et- 
was Regen. 

24  —  2«. 

.    . 

Keine  Beobachtungen. 

27. 

.    • 

Während  des  Nachm.  ein  Gewittrr 
mit  viel  Regen.  —  Keine  Beob- 
achtungen. 

28  —  2J». 

*    • 

Keine  Beobachtungen. 

30. 

Sonnenaufg. 

21 

A'dftet». 

1  l'hr  Nachm. 

39 

Heisser  Nordwind   (von  der  Wüste). 

DU-m. 

Slunde. 

Gridt 

Okivhfr. 

1. 
•i. 

2  Uht  N»chm. 

36- 

Keine  Bcohachtungoi. 

3. 

Mitt.g'    ■ 

38 

2  L  hf  NMhra. 

40 

4. 

Mitt^ 

»i 

2  Uhr  NMbm. 

40 

5. 

Mitug 

37 

^  Ubr  Ab. 

Sti 

H. 

Mitlmg 

38 

2  Uhr  NtcbiD. 

41 

7. 

20 

MilUg 

39 

2  tlir  Nachm. 

41 

8. 

Mitug 

40 

■2  Uhr  N.chm. 

41 

;t. 

Mittag 

33 

2  Uhr  Kachln. 

40 

Im    f-iidüsien    ein    Gewitter;    gegen 

iii. 

Miciag 

40 

■2  Uhr  N-cbm. 

44 

tili  (icH  im-r:  am  .\hend  etwas  Kegi  ii. 

11. 

Milug 

3Ü 

Gegen  Mittag  iL.bt  E-ich  von  allen 
2  l  hr  Naibm.  etwas  Kegen. 

\2. 

Mittag 

3T 

i  Uhr  Nachm. 

3S 

ia-14. 

Heftig<.'r  N..r<lslunn.  —   Keine  Btc.l.- 

\:,. 

Minag 

3P 

1«  -  21. 

Keine  Ikvbaehluiigen. 

22. 

Mittag 

se 

23. 

■2  Uhr  Nachm. 

42 

•11. 

2  Übt  Nachm. 

43 

2fi. 

1  Uhr  Nachm. 

43 

Ä. 

2  Uhr  Nachm. 

42 

Miiiag 

41 

2  Uhr  Nachm. 

\t 

Um  SUhrNaehui.  .ii<.  l.ie-iltir  aus 
!-üiien    fr^K   «VjWd  Ifegi'n. 

3«. 

20. 

2  Uhr  Nachm. 

•^ 

Bniclutflcke  eines  metcorologiachen  Tagebncliea. 


l>«lBm. 

Slunde. 

Geld. 

Olilun. 

N<.i-e«U-er. 

1-30, 

Keine  Beobachtnngon. 

1. 

2. 

1  Uhr  Nachm. 

36 

3. 

11  Uhr  Nehm. 

18 
36 

4. 

Keine  Buubnchtungen. 

&. 

1)  Ihr  Nohn>. 

28 

Diläia. 

Dichter  Nebel  tm  Morgen,  w 

fig  in  dieser  Jalir^nKeit. 

ie  hXil- 

6. 

11  Uhr  Nehm. 

35 

7. 

Keine  BeobBchtungen. 

a 

H  Uhr  Nehm. 

34 

!l  — 10. 

n. 

14  Uhr  Nehm. 

32 

12. 

8oimen«ufg. 
1)  Uhr  Nehm. 

12 
32 

la 

KeinD  Ueubkchtangen. 

14. 

11 

15. 

Keine  Beobacbtmigen. 

16. 

8<ll1]lUllRUrir. 

13 

17. 

Keine  Bcoliach Hingen. 

18. 

51  Uhr  Murg. 

13 

19. 

Bouiieimurg. 

" 

2a 

2  Uhr  Naohm. 

11 
30 

21. 

11 

22. 

8onn..aafg. 

H 

23-25. 

Keine  licobaolilungeii. 

26. 

14 

27. 

Sonnen  «11  fg. 

14 
23 

28-29. 

Keine  Beobachtungen. 

30. 

16 

31. 

Januar  18Ö2. 
1. 

Keine  UonbMhtnngcn. 

2. 

Bonnenaufg. 

IS 

3. 

UitUg 

15 
S6 

BrachitOeke  rinei  meteorolugiaohen  Tagefcooliei 


„.„. 

Slniul^ 

.ä^uV 

Januar. 

i. 

Mittag 
Sonnonanterg. 

SO 
28 

5. 

(i. 
7. 

tinonenaufg. 
IJUlirNtlini. 

15 
15 
38 

8. 

6  Uhr  Morg. 
1  übr  Nachm. 

16 
33 
25 

9. 

flonnenaufg. 

äUtirN»chnt. 

8oDncnuiiWirg. 

14 
36 

la 

n. 

HonnCDaufg. 

17 
35 

in  kühlem  Baumschattpn. 

li  Uhr  Nehm. 

38 

(ionneimiilcrg. 

28 

la. 

IVh   K*chm. 
».mnenunterg. 

15 
31 
25 

Vi. 

Sonne  iiaufg. 

14 

m'hrNchm. 

29 

in   achr   kühlem   Schatten   und 
einem  kühlen  Nordwinde. 

bei 

SümiüEiiLit«rg. 

24 

u. 

Sonnenaufg. 
Sonnensufg. 
Mittag 

14 
11 
31 
SO 

16. 

äonDSDaufg. 
Mittag 

11 
35 

17. 

li  Uhr  Nehm. 

13 
32 

1». 

1  ühr  Nachm. 

14 
30 

19-20. 

Keine  Be-ihachtitngen. 

21. 

Sonnen  unterg. 

14 
24 

22. 

13 

ÄJ. 

Sonnen  all  fg. 

15 

24. 

Brnchstflcke  eines  meteorologischen  Tagebnchet 


Dilnm. 

"■ 

<^'Z. 

B..„.u„„.. 

Jannnr. 

26. 

13 

26. 

11 

14  Uhr  Nehm. 

34 

ta.„u.,„,. 

24 

•21. 

Sonnenaufg. 

14 

28. 

HitUg 

37 

an. 

15 

. 

30-31. 

Keine  Iteobaclitungcn. 

Februar. 
1. 

•    ■ 

2. 

Sonnenaufg. 

13 

Mittag 

24 

18 

a 

15 

12i  Uhr  MilL 

21 

4 

13 

Sonnen  unterg. 

22 

5. 

Sonnenwifg. 

16 

Mitug 

26 

Sonnenuntorg. 

22 

ti. 

17 

12i  Uhr  Mitt. 

27 

24 

7. 

8onnen«afg. 

17 

Mitlag 

29 

SonnBiiunHng. 

2!> 

a 

llfi 

1  Uhr  Naehm. 

27 

.'^ninjeimntcrg. 

26 

!l. 

Sonnenaufg. 

17,5 

Mittag 

31 

26 

10. 

Sonnenaufg. 

m 

Mittag 

31 

Sonnenunterg. 

26 

11. 

20 

Mittag 

3b 

27 

u. 

Sonnenaafg. 

21 

■  iDet«amIagiieb«n  TagobsebM. 


/■rtr-mr. 

12. 

MitUg 

33 

SonnenuDterg. 

30 

13. 

21 

MitUg 

37 

^oiin^oiiterg. 

31 

14. 

S,,„n...nfB. 

21^ 

Heftiger  »Innn. 

11  cur  Nehm. 

37 

ir>. 

Soiitienaufg. 

21 

11  Uhr  Nehm. 

37 

Sonne-cutcrg. 

80 

1«. 

Runnenaurg. 

21 

121  l'hr  Mitt 

37 

)<oiiiiciian(crg. 

31 

17. 

22 

1-JJ  Uhr  MitL 

30 

31 

la 

21 

li  Uhr  Nthm. 

38,;. 

31 

19. 

ScjIlTlMl»ufg. 

21,-1 

IJ  Ihr  Nehm. 

37 

.Vth  Ahenl  ncUMlchl. 

•20. 

>f„.m..naufg. 

20 

l'ii  l.'lir  MiM, 

3!» 

•21. 

20 

Wtthrc...l   .Iie««r  gti.tcn   Zeil    viele 

1-1  Uhr  Nehi... 

37 

Krankhoilcii  in  Kiikniin. 

3Ü 

2-2. 

SoilllUIIBUfg. 

lit 

IfChrNcbm. 

32 

Soniicmintcrg. 

20 

■2:i. 

8i>iiiittiaufg. 

20 

It  ChrNuhm. 

31 

Souiii'iiuiitL'rg. 

2« 

24. 

11» 

1  Ulir  Nachm. 

31 

25 

Zi. 

Sunncnaiifg. 

18 

SM. 

Ht 

1  Uhr  Sothra. 

32 

So.„..,m.,>erg. 

27 

•21. 

Smiiicuaiil'g. 

Ifl 

Bmchstüakc  emex  meteoToIngiftehen  TJigebucb««. 


F^niar. 

27. 

2  Uhr  Nachm. 

33 

27 

28. 

äonnonaufg. 

lil,5. 

lUhrNufhm. 

33 

Sonnenuntrrg, 

28 

Mlirz. 

1. 

2U 

12i  Uhr  Miti. 

33 

30 

2. 

21 

1  Uhr  Nucliiii, 

36 

30 

3. 

SooneniBlg. 

22 

I  Uhr  Naclim. 

38 

4. 

ßonnenaafg. 

22 

1|  Uhr  Nclim. 

m 

r.. 

1  j  Uhr  Mchm. 

36 

Sonne  nunlcrg. 

30 

li. 

26 

li  Uhr  XcUm. 

37,5 

27 

7. 

Sounenaufg. 

22 

IJ  Uhr  Nehm. 

34 

2!» 

8. 

22 

H  Uhr  Nehm. 

36 

30 

H. 

10. 

21,.-. 

1 

H  Uhr  Nehm. 

37 

32 

11. 

12. 

1}  Uhr  Nclim. 

34 

13. 

T^H/im  IHt»;.  -  Im  21  Uhr  Nuchn,. 
elKas   Regen.  —    Kein«  Iteohach- 

14. 

Sonnenaufg. 

22 

15. 

2  Uhr  Nachm. 

34,.'l 

Ib. 

IJ  Uhr  Nehm. 

37 

17. 

Sonnanaufg. 

24 

Schwer  hewöUter  Himmel. 

BmchfltDcke  eines  metoomlngiiiolien  Tagebncliei. 


HL-1 

r  Nehm 

iiniifK. 

l^ChrN'clim 

S..iin 

imiit«. 

2  Uhr 

Niichiii 

»Ollll 

na«f«. 

nn 

r  Xchi» 

Soiui 

nutiterg 

S..ni) 

«....%. 

an. 

Nachm 

Mitwg 

14  Uhr  Nclmi. 

1}  L-I,r  No 


K  vi  IIP  Ilcibwliliingcn. 


11  Ulir  Seil 
»»Ig. 


'fg- 


Diui  rrntu  'lunittitr  in  der  licgenzoit. 
IlL-r  Iliiiiind  am  Morgan  <]iuht  l><- 
\\-;[in,  t'üiidiie  Liit'i,  Dil'  Soiini- 
iiriehr  niicli  1»  l'iir  durch  die  Wnl- 
ki-u,  u1)or  Vj  Stunde  nach  Mittag 
crlu'lit  sich  ihtH  (Jcwitti-r  »jidlieh 
in  gi-rihger  Knlfcmiiii^,  von  vn 
ua  Uis  ItAkuilä  vurdriiigl.  Vini 
I  rUr  bis  1  Ulir  -A-i  Min.  Nielimit- 
lugs  i^iiiigu  Bchwi'rü  Hegentropien, 
«■•■lehnn  'inige  lieftige  WiiulHtr'.ssi- 


Um  11  Uhi-  V.irjiiiil.  saniiiiehi  sich 
dichte  Kcgi^nnolk.'ii,  ua  Hillt  Jedi.ch 
kein  Ifegi-n. 


Brucbstücke  eines  meteorologischen  Tagebucbes. 


505 


Datum. 

Stande. 

Grade 
CeUiiis. 

Bemerkungen. 

April, 

I 

5. 

Sonnenaufg. 

27,5 

Um  5  Uhr  Morg.  erhebt  sich  ein  von 

1\  i:iir  Nehm. 

33 

etwas   Regen   begleitetes  Gewitter 

Sonnenunterg. 

32 

und  hält  bis  8  Uhr  an,  worauf  die 
Sonne  durch  die  Wolken  bricht, 
während  es  noch  fortwährend  don- 
nert. Um  9J  Uhr  regnet  es  wie- 
der etwas  und  der  Himmel  bleibt 
während  des  ganzen  Tages  be- 
wölkt. 

♦>. 

Sonnenaufg. 

25 

Der  Himmel  dicht  bewölkt;  Gewit- 
ter in  Norden. 

1 J  Uhr  Nehm. 

41 

7. 

Sonnenaufg. 

22,2 

1  Uhr  Nachm. 

41,4 

2  Uhr  Nachm. 

43 

Sonnenunterg. 

35 

8. 

Sonnenaufg. 

25 

Bewölkter  Himmel. 

Mittag 

35 

Um   11  Uhr  regnet  es  etwas,   hört 

aber  mehrmals  wieder  auf,  wäh- 
rend sich  das  Gewitter  allmählich 

• 

nach  Norden  verzieht. 

li  Uhr  Nehm. 

40 

Sonnenunterg. 

34 

Um  8  Uhr  Abends  erhebt  sich  ein 
Gewitter  in  Osten,  von  starkem 
Wind,  aber  nur  wenig  Regen  be- 
gleitet. Während  der  Nacht  ist  es 
sehr  schwül. 

9. 

Sonnenaufg. 

27 

Bewölkter  J^immcl  und  schwüle  Luft ; 
um  8  Uhr  Morg.  fallen  einige  Re- 
gentropfen. 

2  Uhr  Nachm. 

37 

10. 

1  Uhr  Nachm. 

40 

Um  3  Uhr  Morg.  ein  Gewitter  ohne 

Sonnenunterg. 

38 

Wind,  aber  mit  beträchtlichem  Re- 
gen, welcher  1\  Stunden  anhält. 

11. 

Sonnenaufg. 

25 

Bewölkter  Himmel. 

H  Uhr  Nehm. 

39,5 

Sonnenunterg. 

31 

Am  Abend  ein  Gewitter  aus  We- 
sten, wobei  jedoch  nur  einige  Re- 
gentropfen fallen. 

12. 

Sonnenaufg. 

24 

Bewölkter  Himmel;  schwül. 

:w 


r>fHi 


Brochstücke  eines  meteorologischen  Tageboehea. 


Datum. 


Stande. 


12. 


13. 


14. 


If). 


1«. 


17. 
\H. 

VX 


Unide 
CeUlac 


14  L'lir  Nehm.      3;'» 


.SniinenniitcriT.     37.3 


Soniieiiaufg. 

21 

1|  Uhr  Nehm. 

31» 

SonnennDtorg. 

33 

Sonneiiautg. 

23 

Mitta«; 

31» 

2^  L'hr  Xchiii. 

Ma 

Sonnenaiiterg.  31,:? 

!i?oniienaufg.  2;') 

li  Ihr  Xchm.  36 

2  Uhr  Xachm.  39 

.   Sonnenunterg.  32,2 

•  Sonncnaufg.  27 

■  1  l'hr  Nachm.  ■  37,.'> 


Sonnenunterg.     27 


BCBBCfkOOfCIl. 


Um  2  Uhr  Nachm.  ein  Gewitter  in 
der  Feme,  nach  Osten  lu,  wel- 
ches »ich  allmählich  nähert  and 
bei  Sonnenuuteigang  mit  niiauf- 
hürlich  aufeinanderfolgenden  Don- 
nerschlägen und  Blitsen  entladet, 
begleitet  Ton  iinr  wenigen  Regen- 
tropfen, aber  ron  heftigen  Wind- 
dtössen,  bis  um  8  Uhr  Ab.  ein 
schwerer  Kegengnss  folgt,  der  ge- 
gen 2  Stunden  anhält. 


Um  Mittag  ziehen  sich  starke  Wol- 
ken zusammen«  worauf  um  1  Uhr 
Nachm.  erst  einige  grosse  Regen- 
tropfen fallen,  nach  denen  ein 
schwerer  Schauer  folgt,  welcher 
10  Minuten  anhält.  Der  Himmel 
bleibt  bowJ'lkt. 

L'ni  7  rhr  Morg.  fallen  einige  Regen- 
tropfen, aber  nachher  klärt  sich  der 
Himmel  Huf  und  am  Nachmittag 
weht  ein  sanAcr  Wind.  In  der  fol- 
genden Nacht  regnet  es  etwas. 

Am  Morgen  bewölkter  Himmel  und 
etwas  Rogen. 

Um  Mittag  erhebt  sich  ein  heftiger 
Wind  aus  Südosten  und  der  Him- 
mel wird  wieder  dicht  bewölkt. 

Keine  Beobachtungen. 

Um  2  Uhr  Morg.  heftiger  Nordost- 
wind. —  Keine  Beobachtungen. 

Keine  Beobachtungen. 

Schwüles  Wetter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 


Bruchtitäcke  eines  meteorologischen  Tagebaches. 


597 


Datum. 


Stunde. 


Grade 

Celsius. 


Bemerkungen. 


April, 
21. 


22. 
23. 

24. 
25. 


26. 


27. 
28. 


29. 


30. 


li  Uhr  Nehm. 


li  Uhr  Nehm. 

Mittag 

124  ^'l>r  Mitt. 


IJ  Uhr  Nehm. 


40 


38 

39 
35 


39 


Um  2  Uhr  Nachm.  zieht  sich  ein 
Gewitter  in  Südosten  zusammen, 
worauf  es  um  3^  Uhr  erst  leicht 
zu  regnen  anfUngt  und  dann  von 
3  Uhr  45  Min.  bis  4  Uhr  15  Min. 
ein  schwerer  Schauer  folgt,  wo- 
durch sich  die  Luft  sehr  erfrischt 
Der  Regen  hört  hierauf  auf,  wäh- 
rend es  fortdauernd  unter  starken 
Windstössen  aus  Ostnordost  don- 
nert; aber  bei  Sonnenuntergang 
fängt  der  Regen  wieder  an  und 
dauert  2  Stunden. 

Keine  Beobachtungen. 

Die>^Sonne  bricht  um  8  Ulir  Vorm. 
durch  die  Gewitterwolken. 

Bewölkter  Himmel,  aber  kein  Regen. 

Nachm.  4  Uhr  ein  kurzer,  aber  hefti- 
ger Schauer;  einige  Donnerschläge 
folgen,  obwohl  keine  vorhergingen. 

Dicht  bewölkter  Himmel.  Die  Sonne 
brichtzwarum  94Uhr  Vorm.  dnrc]^, 
die  Luft  bleibt  jedoch  schwül. 

Am  Nachmittag  ein  Gewitter  mit  star- 
kem Wind,  aber  ohne  Regen. 

Mäneiia,  —  Schwüle  Luft.  —  Keine 
Beobachtungen. 

Am  Nachmittag  zieht  sich  ein  Ge- 
witter zusammen ,  das  uns  jedoch 
nur  einige  Regentropfen  am  Abend 
bringt  —  Keine  Beobachtungen. 

Der  Himmel  den  ganzen  Tag  be- 
wölkt Am  Nachmittag  zieht  sich 
in  Süden  ein  Gewitter  zusammen, 
wobei  es  aber  nicht  regnet  — 
Keine  Beobachtungen. 

Am  Nachmittag  ein  Gewitter  und  in 
der  folgenden  Nacht  schwere  Ro- 
gengüsse, welche  gegen  2  Stunden 
anhalten. —  Keine  Beobachtungen. 


Bewölkter  11  immel.   UieSonne  bricht 
Ulli  10  Uhr  Vorm.  durch  das  Gc- 
niilke,  jedoch  nur  auf  einige  Mi- 
nutcD.    [rm  4  Uhr  Nacbin.  Bobwere 
Oewillerivotken  mit  vielem  Wettcr- 
i       leuchten,  wobei  es  aber  otcht  ng- 
'       HCL        Keine  Beolisdli tunken. 
L'm  TiJ  lihr  Katliiu.  livtiL'U  ticli  dun- 
kele   tiRwillFrwolktn     lusanimi-u, 
vcrKcbwindcn   aber   in   weatlicfacr 
Kichtung.  —   Keine   Beobachton- 


m  it  UhT  Vunu.  Mcigen  Geirittcr- 
wulkcn  !n  Sadwestcn  auf,  beglt-i- 
let  von  Htarkem  Winde,  n'oranfcin 

McbwKrer  l£egcn«chsncr   fiilgt,  di-r 

2  .'iiiiiicicii  anhält.  —  Keine  BciJi- 

nrhiiiiigL'ii. 

ein  (iuwitter,  —  Keine  Bcobacbtim- 


1  L'lir  Kaehm,      34 
■   Ijnir.Nchm.      3r> 

I  i^riirNciiui.    au 

j   1]  tlir  Ndiin.  ;  35,;l 
ljrhrNi.-lim.      m 

2  riir  Kachni.  1  Sl.i 
2  L'lir  Nucliiii.      37 


Oiüni-r  Morgen.    Am  Nachmitlace 
wellt  ein  Htarkcr  Wiiitl. 
ileitereii  Welter. 


Cm   'ij    riir  Vorniitt.  ein   sehr  brl- 

ligcr  Siurm.  —    Keine   Iteobneli* 

I        tuilgeli. 

Diulit  bewnlktL'rllinmiel:  die  t«,»!»,.' 

KL-Iii'iiit  mir  dnnn  und  nann.    Um 

I       11  rhrVunn.  klHil  sieb  dns  Wi-l- 

IiT  iiuf,  wird  judoeh  am  Nachinit- 

I       tut;  iil'Cnnals   triil«>.     Um   2   l'br 

:       Nuclim.   bnclit    dns   (i<-wiiler   los, 

I       OH  r(');]iel  nlicr  iiii-ht  viel. 


Bruchstücke  eines  iiieteorologischeii  Tagcbuclios. 


im 


Datum. 


Stunde. 


Grade 
Celsius. 


Bemerkangen. 


Mai. 
15. 


16. 


17. 


18. 

19. 
20. 

21. 


22. 

23. 
24. 


25. 


2  Uhr  Nachiu. 


li  Uhr  Nehm. 


2  Uhr  Nachm. 


... 


Sonnenaufg. 
li  Uhr  Nehm. 


•         • 


Sonnenaufg. 
Sonnenaufg. 
IJ  Uhr  Nehm. 

2  Uhr  Nachm. 


30 


31,3 


33 


24 
35 


20 
25 
36 

36 


Der  Himmel  den  ganzen  Tag  be- 
wölkt. Um  1}  Uhr  Nachm.  ein 
Gewitter  in  der  Ferne,  nach  Osten 
hin.  Von  4 — 5  Uhr  regnet  es 
sehr  heftig,  worauf  der  Regen 
gänzlich  aufhört,  bei  Sonnenun- 
tergang aber  wieder  anfUngt,  dann 
und  wann  von  Donner  begleitet, 
was  gleichmässig  bis  8j  Uhr  am 
folgenden  Morgen  fortdauert.  — 
Keine  Beobachtungen. 

Kurz  vor  Mittag  hatte  sich  das  Wet- 
ter etwas  aufgeklärt,  wird  aber  am 
Nachmittag  wieder  trübe. 

Dicht  bewölkter  Himmel ;  die  Sonne 
kommt  jedoch  um  10  Uhr  Vorm. 
zum  Durchbruch. 

Trübes  Wetter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

Heiteres  Wetter. 

Kein  Gewitter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

Um  Mittag  leichte  Gewitterwolken, 
von  starkem  Wind,  aber  keinem 
Regen  begleitet,  worauf  sich  der 
Himmel  bald  aufklärt. 

Kein  Gewitter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

Heiterer,  frischer  Morgen. 

Heiteres  Wetter.  Während  des  Nach- 
mittags bilden  sich  leichte  Wolken. 
Am  Abend  Wetterleuchten. 

Windig.  Der  Himmel  ziemlich  trübe. 
Nach  5  Uhr  Nachm.  Gewitterwol- 
ken im  Westen  und  im  Nordosten 
und  nach  der  letzteren  Richtung 
hin  Wetterleuchten  ohne  Donner. 
Nach  Sonnenuntergang  regnet  es, 
in  der  Stadt  nur  wenig,  ausser- 
halb aber  mehr. 


fÜNl 


Hruchstücke  eines  meteorologisclien  Tagebaches. 


Datum. 


Stande. 


Grade 
Celaiiu. 


BenicrkwigMi. 


Mai, 
26. 


27. 

28. 


21». 


30. 


Jvn'i. 
1. 


2. 


.S. 


4. 


Sonnenaofg.  23 

2J  Uhr  Ncbm.  32 

I   Sonnenaufg.      ,  26 

!  li  Uhr  Nehm.  1  36 

Sonnenaufg.      {  24 

H  Uhr  Nehm.  |  35 

ßonnenunterg.  1  33,4 

»Soiincnaufg.      |  23 

2  Uhr  Nachm.  35,6 


;  Sonnenautg.      !  23,6 
1  Ulli-  Nachm.      35 


j  Der  Ilimmel    etwas   bewölkt.      Am 
!       Abend  ein  Gewitter,   aber    in  der 

Stadt  kein  Regen. 
:   Der  Himmel  etwas  bewölkt. 


Nach  Sonnenuntergang  Wetterleuch- 
ten und  Wind. 

;  Um  5  Uhr  Nachm.  rugnet  es  etwas 
bei  Sonnenschein,  aach  donnert 
CS  einmal. 


I 


I 


4}  Uhr  Nehm. 


27 


Um  2  Uhr  Nachm.  heftige  Wind- 
8tJ>sse. 

Heiteres  Wetter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

Trüber  Himmel.  Um  6J  Uhr  Morg. 
etwas  Regen  mit  entferntem  Don- 
ner. Nachher  klHrt  sich  der  Him- 
mel auf.  —  Keine  Beobachtungen. 

Trüber  Himmel;  die  Sonne  kommt 
erst  um  5  Uhr  Nachm.  zum  Durch- 
bruch. —  Keine  Beobachtungen. 

Trüber  Himmel,  kalte  Luft  und  ein 
starker  Südostwind,  bis  die  Soitne 
endlich  durchbricht  und  die  Wol- 
ken zerstreut.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

Um  9  Uhr  Ab.  zieht  sich  ein  Ge- 
witter zusammen,  es  regnet  aber 
nur  wenig.  —  Keine  Beobachtun- 
gen. 

Keine  Beobachtungen. 

Um  3J  U'hr  Nachm.  ein  heftiges  Ge- 
witter mit  starkem  Nordsturme, 
worauf  ein  schwerer,  aber  nur 
kurzer  Rogenguss  folgt 


Bioicbstückc  eines  meteorologischen  Tagebuches. 


GOl 


Datum. 

!           stunde. 

1 

Grade 
Celsius. 

1 

i                           Bemerkungen. 

Juni 

7. 

Sonnenaufg. 

24 

Dicht  bewölkter  Himmel. 

8. 

Sounenaufg. 

24,6 

Schwere  Gewitterwolken,  welche  die 

14  Uhr  Nehm. 

35 

Sonne  um  9  Uhr  Vormitt.  durch- 
bricht Am  Abend  in  Westen  Wet- 
terleuchten. 

a 

•        • 

Heiteres  Wetter.  —  Keine  Beobach- 
tungen. 

10. 

Sonnenaufg. 

25 

IJ  Uhr  Nehm. 

35 

Am  Nachmittag  bilden  sich  Gewit- 
terwolken und  um  4  Uhr  fÄllt 
ein  leichter  Regen. 

11. 

2  Uhr  Nachm. 

a5 

Nach  4  Uhr  Nachm.  ein  Gewitter 
(aus  Süden)  ohne  Regen. 

12. 

Sonnenaufg. 

23,4 

Am  Abend  in  Westnordwest  Wetter- 

2 Uhr  Nachm. 

34 

leuchten. 

13. 

Sonnenaufg. 

25 

1}  Uhr  Nehm. 

34 

Am  Nachmittag  bilden  sich  Gewit- 
terwolken und  um  3^  Uhr  don- 
nert es  in  der  Ferne  im  We- 
sten. Um  5i  Uhr  regnet  es  het- 
tig  in  Norden,  aber  nicht  in  der 
Stadt  (Mäsena). 

14. 

Sonnenaufg. 

27 

Trübe.      Nach   3    Uhr   Nachm.    im 

H  Uhr  Nehm. 

34 

Nordosten  ein  heftiges  Gewitter; 
um  3^  Uhr  beginnt  der  Regen  bei 
uns  und  hält,  meistens  heftig,  mit- 
unter gelinder,  bis  7  Uhr  Ab.  an. 
Auch  in  der  folgenden  Nacht  reg- 
net es  etwas. 

15. 

Sonnenaufg. 

23,5 

Sehr  trübe.  Um  6  Uhr  25  Min.  Morg. 

2  Uhr  Nachm. 

30 

regnet    es    wieder    etwas.       Erst 

Sonnenunterg. 

24 

1  Uhr  Nachm.  bricht  die  Sonne 
durch  die  Wolken. 

16. 

Sonnenaufg. 

21 

Trübe.     Am  Abend   in  Norden   und 

2  Uhr  Nachm. 

30,6 

Nordosten  Wetterleuchten. 

17. 

Sonnenaufg. 

25 

Trübe;  die  Sonne  bricht  nur  dann 
und  wann  durch.  Um  6  Uhr  Ab. 
bildet  sich  in  Westen  ein  Gewit- 
ter, ohne  uns  jedoch  zu  erreichen, 
während   sich  ein  anderes  Gewit- 

^2 


Bruchstücke  eines  tnetcoi  ologischen  Tagebuches. 


Datum. 


Htunde. 


Grade 
Celsius. 


Bemerkungren. 


Juni. 


18. 


Soiinenaufg. 
2  Uhr  Nachm. 


19.  *) 


21. 


Suuucnaufg. 


•         • 


23 
32 


23 


23. 


24. 


2h. 


•         • 


ter  in  Ostsüdost  EUBammenzieht  und 
gleichfalls  nur  mit  Wetterleachteii 
und  ohne  Regen  vorüberzieht. 

Dicht  bewölkter  Himmel ;  die  Sonne 
bricht  nur  selten  durch.  Um  4  Uhr 
Nachm.  in  Westen  ein  Gewitter 
ohne  Regen.  Nach  Sonnenunter- 
gang heftige  Windstösse. 

Um  2^  Uhr  Nachm.  entfernter  Don- 
ner; von  Osten  kommen  dichte 
Gewitterwolken  heran  und  über- 
ziehen den  ganzen  Himmel ,  ohne 
jedoch  Regen  zu  bringen.  Am  Abend 
Wetterleuchten. 

Heiteres  Wetter. 

Um  5  l.'hr  Nachm.  ein  Gewitter  mit 
heftigem  Sturme,  aber  ohne  Regen. 

Trübe;  die  Sonne  scheint  nicht  vor 
Naclimittag  und  auch  da  nur  zu- 
weilen. Am  Abend  Wetterleuchten 
in  Westen  und  Ostnordosten. 

Am  Morgen  heiter,  aber  um  12^  Uhr 
Mitt.  zieht  sich  aus  Südwesten  ein 
Gewitter  zusammen,  worauf  um  1 
Uhr  Nachm.  einige  Tropfen  fal- 
len und  um  2}  Uhr  etwas  mehr 
Regen  kömmt. 

Heiterer  Morgen.  Um  6  Uhr  Ab. 
zieht  sich  in  Osten  ein  Gewitter  zu- 
sammen, bringt  aber  nur  einige 
Regentropfen. 

In  der  vorhergehenden  Nacht  regnete 
es  2  Stunden  lang  ziemlich  stark. 
Um  3^  Uhr  Nachm.  erhebt  sich 
ein  heftiger  Sturm  und  der  Him- 
mel bewölkt  sich  in  Osten. 


*)  An  diesen»  Tage  zerbrach  das  letzte  Thcmionioter,  das  ich  auf  dieser 
Heise  bei  mir  hatte;  in  Folge  dessen  vom  20»»«"  Juni  bis  2**"  September  gar 
keine  Beobachtungen. 


liruchstücke  üiiies  iiieteoroli»giäclieii  'J'ugebucheH. 


603 


Datum. 


Stunde 


Grade 
Celsius. 


Bemerkungen. 


Juni 
26. 
27. 


28. 


2«h 


30. 


Juli, 
1. 


2. 


3. 


Heiteres  Wetter. 

Um  3  Uhr  Nachmittags  ein  Gewitter 
aus  Westsüdwest ;  e»  fallen  jedoch  ' 
nur  einige  Regentrupfen   und   das 
Gewitter  zieht   in  südlicher  Rich- 
tung vorüber. 

Heiterer  Morgen,  der  Himmel  mit 
leichtem  Gewölk  überzogen.  Um 
4  Uhr  Nachm.  bildet  sich  ein 
schweres  Gewitter  in  Westen  und 
entladet  sich  daselbst,  ohne  uns 
mehr  als  einige  Regentropfen  zu 
bringen. 

Der  Himmel  ist  am  Morgen  heiter, 
bewölkt  sich  aber  am  Nachmittage 
und  in  der  Nacht  regnet  es  ein 
wenig. 

Trübe.  Um  5  Uhr  Nachm.  zieht  sich 
ein  Gewitter  zusammen,  ohne  dass 
es  anfllnglich  regnet.  Um  7  Uhr 
Ab.,  nachdem  sich  das  Gewölk 
in  Westen  und  Norden  entladen 
hat,  fllngt  es  auch  bei  uns  an 
zu  regnen,  und  zwar  ^2  Stunde 
lang  mit  grosser  Heftigkeit,  worauf 
es  gelinder  fortfUhrt. 

Am  Morgen  ein  heftiger  Schauer, 
der  etwa  1}  Stunden  anhält;  der 
Regen  fUhrt  bis  11  Uhr  Vorm.  fort, 
tropfenweise  zu  fallen,  worauf  um 
2. Uhr  Nachm.  die  Sonne  zum  Vor- 
schein kommt. 

Vormittags  heiter,  bis  sich  um  3  Uhr 
Nachm.  in  Südwest  ein  schweren 
Gewitter  bildet,  aber,  ohne  dass 
ein  einziger  Regentropfen  OlUt, 
nach  Süd  und  Nordwest  zieht. 

Um  5^  Uhr  Nachm.  bildet  sich  in 
Süden  ein  Gewitter,  begleitet  von 


I 


netcorolugiselien  Tagebnchcs. 


einem  heftigen  Scbaaer,  wcluher 
gegen  So  HiDUtcD  jtiihiLlt,  worauf 
»ach  knracr  rnlerbrechung  nocli 
Ewci  andere,  nich)  goiiE  k>  heflige 
Sclianer  folgen. 

Gegen  Sonnenuntergang  in  Usten  ein 
Gewitter,  worauf  hefligor  Regc'n 
Ailgl;  letalerer  fUngl  nacli  kimer 
L'nterbrechuiii;  von  Nencm  an  und 
dauert  bis  lum  Morgen. 

Sebr  trflber  Morgen  i  etnaii  Regen. 

Kein  Hegen. 

Uegeii  Mittag  bildet  sich  in  WcBten 
em  Gewitter  und  um  3  Ihr  Nachm. 
fnllen  Giuigi>  llc-gciilropfeii,  wiirniif 
CD  nni  4  Uhr  lieflig  regnet  und 
nach  kurier  Unterbrechung  no<-h 
einmal  zu  regnen  annngt. 

Her  tlinimel  den  ganlcu  Tag  trfiiii-: 
BChwülo  Luft:  um  Mitlag  etwas 
Regen. 

Trübe;  die  Sonne  kommt  nur  Kelten 
zum  Vorschein.  E*  regnet  mitun- 
ter etwas,  bcBondcTS  um  3  l'hr 
S.chm, ,  und  Ab.  6  Uhr  fBllt  «in 
heftiger,  bis  11  Uhr  anhaltender 
Schauer,  wobei  e»  aber  weder 
donnert,  noch  büliL 

Derilimme)  abwechselnd  trübe  und 
heiler. 

Heiterer  Morgen:  um  Hittag  bilden 
sieb  in  i*iiden  Ocwitterwolkcii  und 
um  1}  l'hr  Nachm.  fllllf  mi  fclin  .■- 
rn  Schauer,  welcher  mit  unaotgo- 
aetzter  llcfligkoit  1  {Stunde  lang 
onhKlt  und  dann  minder  heftig  biit 
um  5  l.'hr  forlduuerL 

Trlllier  lliuiincl  und  feuchte  LiiO, 
bi^  Eich  da»  Wetter  um  Mit- 
tag  aufkifin,    worauf  bk   wKrmer 


Braobstiicke  aines  meteorologischen  Tagebncliea, 


wird,  l'm  10  Chr  Ab.  weht  ein 
riiarkeT  Stnnn,  noniaf  liegen  folgt, 
ivcluhiT  bii  luiu  Morgen  iDhüIt. 

Trüber  Uimnjel  bi»  Mittag,  wo  die 
Sonne  lum  Vorachein  liomml.  Am 
Abend  zieht  aus  Süden  ein  Gewit- 
ter heran ,  wobei  ea  '/,  Stunde 
lang  liefcig  und  dann  gelinder 
regnet,  bis  abermals  ein  starker 
Schauer  loHbricht. 

Trüber  Himmel  am  Morgen,  worauf 
die  Sonne  glanivoll  dos  Gowült 
durchbricht.  Am  Abend  Wetter- 
leuchten. 

Der  Uimniel  ain  Murguu  heiter,  gc- 
h'oi  Mitlag  wo  sieb  eiu  kalter 
Wind  .■rbDbi^Ti,  hcwülkt.  Um  tij 
Uhr  Ab,  sieht  ans  Südost  ein  ge- 
waltiges (Jfniltir  litTuii  begleitet 
Von  Regen  ivpli^fn'i  rni  gleicher 
Heftigkeit  bi»  7j  L'lir  anbHit  und 
dann  bis  0  l'br  20  Min.  gelinder 
fortdauert. 

Dos  Wetlcr  schön,  um  Mittag  aber 
[wai  schwül    kein  Qewittcr. 

Der  llinmicl  nni  Morgen  mit  leieb- 
tcm  Gewölk  bedeekL  Cm  4  Uhr 
Nachm.  sind  aus  t^üdwcst  und  lu- 
gl(:ich  Alls  Norden  achwaric  Ge- 
ivitferwolkeii  im  Anzugj  nm  6  Uhr 
2lJ  Min.  Ab.  b.giiint  der  Regen  und 
hlllt  mit  mclirodcr  weniger  Heftig- 
keit hiH  a  Uhr  10  Min.  an,  worauf 
er  eine  kurze  Zeit  aufhört  und 
dann  wieder  anfangt. 

Der  ilimmol  «m  Morgen  bewölkt. 

Um  b  Uhr  Nachm.  sohwarxo  Oewit- 
terwolkpii  im  Anzug,  begleitet  von 
heiligem  Regen,  welcher  von  G4 
bis  0  Uhr   Ab.  anbUlt  und   wKh- 


(yti\  Brnchfttuckf  eine»  mc-trornlikgiscben  Tagebvehes. 


Patuin.  Btantle.  Oliio# 


Jf'/i.  ; 

rend  der  ersten  Stande  mit  ^rwi- 
äer  Heftigkeit  flUt. 

:^».  Um  5|  Uhr  Murg.  fingt  der  Regen 

,  wieder  an  and  danert  bis  S-^  ITlir. 

I  Um   1  Uhr  und  dann    am  3  l'hr 

I 

Nachm.  fUlIt  wieder  leichter  Re- 
gen, sowie  anch  von  b  UTir  Ab. 
bis  1  Uhr  nach  Mittemmcbt. 

1^1.  '     .     .      Der  Himmel  am   Morgen    bedeckt: 

es     fallen     einige    Regentropfen. 
i       Nachher  schwane  Gewitterwolken 
im  Anzug,  es  regnet  aber  nieht. 

22,  '  Ziemlich  heiterer  Himmel.  Am  Abend 

rückt  von  Norden  ein  Gewitter 
heran,  lieht  aber,  einige  Tropfen 
ausgenommen .  uhne  Reg^n  vor- 
über. 

2.'J.  .     .      (iegen   Morgen   regnet   es  1  Stunde 

lang,     worauf    die    Wolken     ver- 
.seliwinden,  sich  jcd«.K!li  am  Nach- 
'  i  mittag     wieder     zusaninienziehen. 

!  alier  ohne  Regen  zu  bringen. 

'24.  .     .       Am  M«»rgen    sehweben  leichte   Wol- 

I  ken    ülier   un««   liin:    in  der  Feme 

heiterer  Horiz«int.    Am  Abend  bil- 
1  »let   sich    in  <.>sten    ein   schwarzes 

(ifwiiter,  woliei  jedi>ch  nur  zwi- 
schen jSJ  und  ?<J  Uhr  einige  Re- 
gfntrojifen  fallen. 

•>r,  ! Der  am  Morgen  trübr  Himmel  klärt 

Äff*  '•  ^^ 

sich   um  Mittag   auf.     Am  Abend 
«;rosst.T  Hof  um  dt-n  Mond. 
2j;.  .     .       Um  4  Ulir  Morg.  ein  leichter  Regen- 

schauer: «ler  Himmel  Meibt  dicht 
brwiilkt  bis  S  Uhr  Vurm.,  worauf 
,  sich   die    Wolken    verziehen    und 

ein  heiterer  Tag  l)eginnt. 

27, Der  Hinmiel  am  Morgen  heiter.    Am 

I  Nachmittag  ziehen   aus  .Siids(idt»st 

i  Kegeuwidken  lieran .    welche    vnii 


Brnchatncke  eines  meteorologischen  Tagebuches. 


G07 


Datum. 


Stunde. 


Grade 
CelBius. 


Bemerkungen. 


Juli, 


28. 


30. 
31. 


AiigusL 


2. 


3. 


C). 


(>. 


•         • 


•         f         t        • 


t         •         t 


5^  bis  10  Uhr  Ab.  schweren  Re- 
gen bringen,  der  während  der  er- 
sten 3  Viertelstunden  mit  beson- 
derer Heftigkeit  fällt,  dann  aber 
etwas  nachlässt 

Kein  Regen. 

Ziemlich  bewölkter  Himmel.  In  der 
Nacht  regnet  es  1  Stunde  lang, 
wobei  ein  heftiger  Sturm  weht. 

Kein  Regen. 

Um  4  Uhr  Nachm.  zieht  von  Süden 
ein  Grewitter  heran,  geht  aber,  ohne 
Regen  zu  bringen,  nach  Westen 
vorüber. 


Heiteres  Wetter. 

Am  Morgen  ziemlich  trübe;  nach» 
her  kommt  die  Sonne  zum  Vor- 
schein. Bald  nach  Sonnenunter- 
gang zieht  aus  Südsüdost  ein  (ic- 
witter  heran  und  um  GJ  Uhr  Ab. 
fängt  es  an  zu  regnen ;  der  Regen 
dauert  die  ganze  Nacht  hindurch, 
jedoch  nur  gelind. 

Um  5i  Uhr  Morg.  regnet  es  wieder, 
zuweilen  geliud ,  zuweilen  heftig, 
aber  doch  im  Ganzen  nicht  viel. 
Um  10  Uhr  Vorm.  kommt  die 
Sonne  zum  Vorschein. 

Kein  Regen. 

Um  6  Uhr  Ab.  zieht  ein  Clewit- 
tcr  aus  Nordost  und  ein  anderes 
aus  Westen  heran ;  aber  beide 
gchn  vorüber ,  ohne  Regen  zu 
bringen. 

Am  Nachmittag  ein  Gewitter,  wobei 
es  von  5^  bis  10  Uhr  Ab.  ziem- 
lich stark  regnet. 

Kein  Regen. 


netcorologischen  T*gebn«hei, 


rin  UitUg  Diu  BchwercH  GcwiltPT 
mus  Oiteii,  ä»»  «icli  um  12)  Ulir 
mit  gro«BGC  HrftJgkeit  eutladel, 
aber  nur  10  Min.  Ung  anhnlL  Em 
regnet  wieder  von  a  Uhr  22  Hin. 
bu  2Ubr40Miii.,  wolwi  ein  itar- 
ker  Slunn  weht.  Von  7J  irhr  bis 
A  Ulir  20  Min.  Ab.  Olli  al«rma1ii 

TtüUs  un-i  rc^-iitriwl.cfl  Weilet.  Am 
Morgen  fallen  einige  Trojifen  nnil 
um  II  Uhr  20  Min.  regnet  es  ge- 
lind,  worauf  wanner  SomiL'näk'liciii 
folgt. 

Der  Bogen,  wclclicr  fast  diu  ganze 
Naulit  iilicr  angebnlleii,  hürl  kan 
vor  7  L'br  Morg.  auf. 

Um  Mitlag  eicIicii  Kcgcnwulkcn  über 
uns  hin ,  es  fallt  ii  aber  nur  we- 
il igti  Trupfeii. 

In  der  vorhergehe udcii  Nacht  gelin- 
der Itvgeu  ulinc  Ucwitter:  es  reg- 
net wieder  um  10  Uhr  Vorm.,  dann 
um  2  l'hrNaehui.  heftiger  und  um 
4  Ihr  22  Min.  »och  einmal.  Der 
.1    bleibt    den    ganien    Tag 


bcwi'.lkt. 


Am  Morgen  tUUt  ein  2  ätuudcii  wah- 
render liuftigor  Schauer  -worauf 
ein  zweiter ,  aber  küraemr  ftilgl. 
Der  Himmel  hleibt  fast  den  gan- 
zen Tug  bewülkt  und  am  Nncli 
mittag  milt  wieder  etwas  Itegeli. 

L'ui  Mittag  ein  neliwcrev  Schauer, 
weli'lier  \'j  Stunde  kug  aiiliHK; 
wührund  des  NaehiuittagH  regnet 

Der  Himmel  den  ganzen  Tag  diclit 
liowülktt    e»   regnet   auch    mehr- 


Bruchstücke  eines  meteorologischen  Tagebuches. 


609 


Datum. 


Stunde. 


Grade 
CeUiiiB 


Bemerkungen. 


AtiffUSt, 
16. 

17. 


18. 
19. 

20. 


21. 
22. 
23. 

24. 
25. 


26. 

27  —  31. 

September. 
1. 
2. 

3. 

4. 

5. 
6. 


7. 

8-10. 

Barth'a  R«Imii.    IIL 


Sonnenaufg. 

Sonnenaufg. 

Sonnenaufg. 
Sonnenaufg. 


Sonnenaufg. 


•         «         •  .      • 


•         •         •        I 


23 

26 

26 
25 

23 


•         • 


Um   6   Uhr  Morg,    f&llt   »/,   Stunde 

lang  ein  heftiger  Schauer. 
Schöner,  heiterer  Morgen.  Um  Mittag 

bewölkt  sich  der  Himmel  und  um 

12^    Uhr   fallen    einige    Tropfen ; 

später,  während  des  Nachmittags, 

fällt  mehr  Regen. 
Zuweilen  der  Himmel  bewölkt  und 

etwas  Regen. 
Regnerischer  Tag;   der  Regen  fängt 

um  11  Uhr  Vorm.  an  und  dauert 

bis  3  Uhr  Nachm. 
Um  11  Uhr  Vorm.  fällt  etwas  Regen, 

aber  viel  mehr  rings  umher  in  der 

Nähe. 
Um  2  Uhr  Nachm.  etwas  Regen. 
Kukaita^  —   Kein  Regen. 
Um    3   Uhr   Nachm.    beträchtlicher 

Regen. 
Um  4  Uhr  Nachm.  gelinder  Regen. 
Um  Mittag  zieht  sich   ein  Gewitter 

zusammen,  aber  es  fällt  kein  Re- 
gen. 
Der  Himmel  um  Mittag  bewölkt,  aber 

kein  Regen. 
Kein  Regen. 


Heiteres  Wetter. 

Um  Mittag  bildet  sich  ein  Gewitter; 
am  Nachmittag  gelinder  Regen. 

Der  Himmel  am  Nachmittag  bewölkt, 
aber  kein  Regen. 

Am  Morgen  fallen  einige  Regen- 
tropfen. , 

Kein  Regen. 

Um  10^  Uhr  Vorm.  ein  Gewitter  mit 
ziemlich  viel  Regen. 

Ein  warmer,  heiterer  Tag. 

Kein  Regen. —  Keine  Beobachtungen. 

39 


■H... 

nimde. 

Ap(«^. 

11. 

I^UhrNacbm. 

37 

Um4  UhrNschn.  ein  Gewitter  ohne 
BegeD. 

12. 

2  Uhr  Nmcbm. 

86.7 

Schönei  Wetter. 

la 

An  Nachnilt*g  w»  hefUger  nnd  kal- 
geo. 

14. 

1  in>r  Nachm. 

85 

IB. 

26,7 

le. 

Heiteret  Welter.  —  Keine  Beobach- 
itmgen. 

17. 

IJ  Uhr  Nohm. 

36 

18. 

27 

19. 

26 

2  Uhr  Nachm. 

36 

20. 

Sonnen  «nfg. 

26 

BewOlliler  liimmel ;  die  Sonne  kommt 
»war  um  Mittag  tum  Vowchein, 
aher  nur  anf  knrae  Zeit  In 
Osten  ein  Gewitter,  doch  fallen 
bei  noa  nur  wenige  TropEen. 

21. 

KoDDeiianfg. 

26 

11  Uhr  Nehm. 

36 

Um  b  Ubr  Nachm.  ein  Gewitter;  am 
Abend  einige  Regentropfen, 

22-2(1. 

gen. 

21. 

FrQh  am  Margen  geUnder  Kegen.  — 
Keine  Bcobachtnngen. 

28.  . 

Kein  Regen.  —  Keine  Beobachtun- 
gen. 

29. 

li  Uhr  Nehm. 

36 

30. 

Sonnen  anfg. 

27 

2  Uhr  Nachm. 

38 

OIctebtr. 

1-2. 

Kein  Kegen.  -  Keine  Beobachtun- 
gen. 

.■J, 

Sonnenaufg. 

25 

1}  Uhr  Nehm. 

36,! 

res(;e«fitter,  aber  nur  wenige  Re- 
gentropfen. 

4. 

Sonnenaufg. 

26 

ii. 

Sonnenanfg. 

26 

H  Uhr  Nohm. 

38 

Bruchstücke  eines  meteorologischen  Tagehuches. 


611 


Datum. 

stunde. 

Grade 
Celsius. 

Demerkungren. 

Oktober, 

G      10. 

«           • 

Keine  Beobachtungen. 

11. 

•           • 

In  der  vorhergehenden  Nacht  ein  Ge- 
witter und  ziemlich  viel  Regen. — 
Keine  Beobachtungen. 

12      13. 

•           • 

Ileitercs  Wetter.  —  Keine  Beobacli- 
tungen. 

14. 

•          • 

Um  10  Uhr  Vorm.  ein  starker  Sturm, 
wobei  einige  Regentropfen  fallen ; 
die  Regenwolken  isiehcn  jedoch 
nach  Südost  vorüber. 

15. 

Sonnenaufg. 

22,2 

14  Uhr  Nehm. 

35,6 

16. 

«     • 

Bewölkter  Himmel,  aber  um  Mittag 
klärt  es  sich  auf.  —  Keine  Beob- 
achtungen. 

17. 

Sonnenaufg. 

24 

18. 

Sonnenaufg. 

22 

1 J  Uhr  Nehm. 

37 

19. 

Sonnenaufg. 

22 

20. 

*    . 

Am  Abend  ein  starker  Sturm,  wel- 
cher ein  Gewitter  anzukündigen 
scheint.  —  Keine  Beobachtungen. 

21. 

«    * 

Am  Nachmittag  ein  Gewitter  mit  ge- 
lindem Regen  um  3  Uhr  Nachm., 
welcher  y^  Stunde  lang  anhält  und 
dann  nach  kurzer  Unterbrechung 
noch  einmal  anfängt.  —  Keine 
Beobachtungen. 

22. 

.    •    •         . 

«    • 

Am  Nachmittag  ein  Gewitter,  aber 
in  unserer  Nähe  kein  Regen.  — 
Keine  Beobachtungen. 

23  -  31. 

Sonnenaufg. 

21-22 

An    allen    diesen   Tagen    weht   viel 

14  Uhr  Nehm. 

35-36 

Wind. 

November, 

1  —  10. 

•        • 

Keine  lieobachtungen. 

11. 

Sonnenaufg. 

20 

12. 

Sonnenaufg. 

19,6 

13. 

Sonnenaufg. 

19 

14. 

Sonnenaufg. 

18,5 

tcomlngiiichcn  Taf^ebnchei. 


..,.,.. 

ÜIDndc. 

c-;".«. 

' 

Xweu^rr. 

\lu 

HciuieiiMüg. 

18,3 

111'IitNcLid. 

;ji,7 

IG. 

1» 

11  lllir  Nehm. 

.■K 

17. 

n.a 

18-ait. 

Itinchfitilcke  clueü  n 


■■»rnliigiiicbcn  Tagabocbn. 


IJIhrNcbin.  j 
Smiiiunnufg.     1 


I>,  lIhrNcUni.     2>.P 


Keine  Beobkcbtungeu. 


f 

1 

J 

i 

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1 

S 

1 

t 


'<^ 


BU-itt  K°IO 


KARTE     DER     ROUTE 

voy 

KrKAUA  NACH  KA]!f] 

II.  Sept.  bis  14.  Not. 
1851. 

({^«••eicbrirt    von    K  Prt^rmanji . 


s-y 


*t* 


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DT 
l/'2 


Stanford  University  Libraries 
Stanford,  California 


Retum  thi«  book  on  or  befor«  date  due.